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7
1 Grundlagen
1. Frage: Was ist Schmerz?
Schmerzen entstehen, wenn mechanische, thermische, chemische oder elek-
trische Reize einen Schwellenwert (sog. Schmerzschwelle) überschreiten
und dadurch meist das Gewebe schädigen. Das führt dazu, dass bestimmte
Schmerzbotenstoffe freigesetzt werden. Schmerzen können brennen, boh-
ren, stechen, zerren oder ziehen. Sie beeinträchtigen das Wohlbefinden und
die Lebensqualität erheblich. Aber Schmerzen zu empfinden ist überlebens-
wichtig!
Obwohl Schmerzen zu den ältesten Erfahrungen von Menschen gehören
und sehr weit verbreitet sind, fällt es bis heute schwer zu definieren, was
Schmerz eigentlich genau ist. Schmerzen zu beschreiben ist ähnlich schwie-
rig wie das Gefühl von Hunger oder Durst zu erklären.
2. Frage: Gibt es eine Definition für Schmerz?
Die internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) sagt:
»Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktu-
eller oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen
einer solchen Schädigung beschrieben wird.«1
3. Frage: Welche Merkmale kann Schmerz haben?
Schmerz kann über verletzte Körperteile hinaus ausstrahlen. So ist der
Schmerz, der z. B. von einem geschädigten Herz ausgelöst wird, bis in den
linken Arm hinunter zu spüren. Bei einem Bandscheibenvorfall kann der
Schmerz bis ins Bein ausstrahlen.
Man nennt die Areale, in die der Schmerz ausstrahlt, auch »Headsche
Zonen«, nach dem englischen Neurologen Sir Henry Head (1861–1940).
Die Areale sind bestimmten inneren Organen zugeteilt. Durch die über das
1 http://schmerzliga.de/was_ist_schmerz.html [Zugriff am 2. Juni 2016]
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8 Grundlagen
Rückenmarksegment laufende Querverbindung zwischen dem vegetativen
und somatischen Nervensystem können Ärzte erkennen, wo der Ursprung
des Schmerzes liegt.
Eine Verletzung an einer bestimmten Stelle kann also Schmerzen an
einer ganz anderen Stelle auslösen. So können z. B. Schmerzen in der Schul-
ter von einer Lungen- oder einer Gallenblasenentzündung herrühren.
Bleibende brennende Schmerzen können auch die Folge einer längst aus-
geheilten Verletzung sein, bei der ein Nerv beschädigt wurde. Hier wird in
der Fachliteratur von »neuropathischen Schmerzen« gesprochen. Ebenso
können Finger, Hände oder Zehen schmerzen, obwohl das Bein oder der
Arm amputiert ist. Hier spricht man dann vom »Phantomschmerz«.
Schmerz- oder Bewusstseinsschwelle
Ein weiteres Merkmal des Schmerzes ist die sogenannte Schmerz- oder
Bewusstseinsschwelle für den Schmerz. Bei einer erhöhten Schmerz-
schwelle wird der Schmerz weniger stark oder überhaupt nicht empfun-
den. Bei einer niedrigen Schmerzschwelle wird ein unbedeutender
Schmerz stärker empfunden und normalerweise nicht schmerzhafte
Wahrnehmungen wie ein bloße Berührung oder Geräusche tun bereits
weh. Diese Unterschiede und Schwankungen haben oft nichts mehr mit
der eigentlichen Verletzung zu tun.
4. Frage: Ist Schmerz individuell?
Ja. Schmerz wird von jedem Menschen anders empfunden. Auch wenn das
Geschehen immer das gleiche ist: Schmerz ist ein biologischer Schutzme-
chanismus, dessen Signal auf seinem Weg ins Gehirn immer Vorrang vor
anderen Reizen erhält.
Rezeptoren geben ein Schmerzsignal an das Rückenmark. Das zentrale
Nervensystem leitet den Schmerzreiz an das Gehirn weiter, wo das Signal
ganz unterschiedlich verarbeitet wird. Der Weg des Schmerzreizes gibt auch
Aufschluss darüber, warum jeder Mensch Schmerz anders wahrnimmt. Der
Weg des Schmerzreizes lässt sich z. B. durch Medikamente beeinflussen,
wenn etwa der Zahnarzt durch die lokale Betäubung verhindert, dass der
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Ist Schmerz individuell? 9
Schmerz überhaupt das Gehirn erreicht. Manche Menschen entwickeln auf
Grund einer besonderen genetischen Anlage gar kein oder nur ein geringes
Schmerzempfinden.
Jede Schmerzempfindung ist letztlich eine emotionale Reaktion auf eine
Bewertung im Gehirn und daher grundsätzlich bei jedem Menschen indivi-
duell. Das menschliche Gehirn kann lernen, dass ein bestimmter Schmerz
gar nicht so wichtig ist. Es reagiert zumindest teilweise daher auch mit
Gewöhnung auf Schmerz. Daher ist es auch möglich, dass man trainiert,
wie ein Schmerz bewertet wird.
Bei Kindern zeigt sich, dass die Angst vor dem Schmerz oft größer ist als
der Schmerz selbst. D Schmerzäußerung bei Kindern ist aber auch abhängig
von der Reaktion der Eltern.
Beispiel
Wenn ein kleines Kind hinfällt, wird es immer auf die Reaktion der
Erwachsene bzw. seiner Eltern achten. Von ihnen hängt das gesamte
Schmerzempfinden dieses Kindes ab. Übertriebene Fürsorge und großes
Theater um eine kleine Verletzung werden es umso lauter schreien lassen.
Auch der Schmerz, den dieses Kind empfindet, ist stärker als bei einer
zwar tröstenden, aber doch eher ruhigen Fürsorge der Eltern.
Auch Placebo-Medikamente ohne pharmazeutische Wirkung können
bekanntlich das Schmerzempfinden verändern.
Für echte Extremsituationen stellt der Körper selbst die stärksten
Schmerzmittel zur Verfügung, indem das Gehirn die Ausschüttung von
Endorphinen und Adrenalin auslöst, die unempfindlich gegen Schmerzen
machen. So sorgen bei einem Verkehrsunfall Endorphine dafür, dass man
trotz eines Bruchs die Beine noch bewegen kann, um aus dem Auto zu kom-
men. Solche körpereigenen Schmerzhemmer lassen sich auch durch die
eigene Vorstellungskraft auslösen. Wer längerfristig sein Schmerzempfin-
den beeinflussen möchte, muss lernen, den Schmerz nicht zu fürchten und
ihn nicht schlimmer zu bewerten, als er tatsächlich ist.
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10 Grundlagen
Seelische Schmerzen
Nicht nur körperliche Schmerzen erhalten auf ihrem Weg ins Gehirn
immer Vorrang vor anderen Reizen, sondern vermutlich auch seelische
Schmerzen und Belastungen. Diese äußern sich aber häufig in Form von
Konzentrationsstörungen und auch Unfällen, da diese den automatisier-
ten Lebensvollzug aus dem Unbewussten stören und ihr Recht auf
»Zuwendung« fordern. Manche Menschen werden von solchen Belastun-
gen regelrecht aufgefressen und grübeln immer wieder über ihr Schicksal.
Hinter dem Begriff »seelischer Schmerz« verbirgt sich oft eine Form der
Psychosomatik, also der Zusammenhang zwischen Psyche und Körper, was
sich auch in Formulierungen wie »Das macht mir Kopfzerbrechen«, »Es
geht mir an die Nieren« oder »Das macht mir Bauchschmerzen« zeigt. Es
ist daher wichtig, den seelischen Schmerz genauso ernst zu nehmen wie den
körperlichen.
Wer auf Probleme des täglichen Lebens mit Schmerzen reagiert, ist kein
Hypochonder, kein Simulant, sondern empfindet eine normale (physiolo-
gische) Reaktion des Organismus, wobei diese Schmerzen eine Funktion
haben, nämlich dem betroffenen Menschen zu signalisieren, etwas zu unter-
nehmen bzw. zu ändern.
Chronischer und regelmäßig wiederkehrender Schmerz
verändert das Gehirn
In Studien wurde inzwischen nachgewiesen, dass nicht nur chronischer,
sondern auch zyklisch wiederkehrender Schmerz die Neuronenstrukturen
im Gehirn verändern kann, z. B. Menstruationsschmerzen.
Der wiederkehrende Schmerz reduziert bei Frauen mit regelmäßigen
Menstruationsbeschwerden jene Gehirnareale, die für die Schmerzüber-
tragung, die hochgradige Verarbeitung von Sinnesreizen und die Affekt-
steuerung zuständig sind, und erhöht in Gebieten für Schmerzmodulation
und Regulation der endokrinen Funktionen das Volumen der relevanten
grauen Substanz. Aber nach einer Schmerztherapie kann sich diese
Gehirnveränderung zurückbilden.*
* Prof. Arne May auf dem Neuro Update, Mainz 2013
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Können Schmerzen schädigende Folgen haben? 11
5. Frage: Was beeinflusst das Schmerzempfinden?
Jeder Mensch beschreibt Schmerzen anders. Jeder Mensch empfindet ihn
anders, darum sind Schmerzen nie objektiv zu beschreiben. Versucht ein
Mensch, seine Schmerzen für einen anderen begreifbar zu machen, so wir-
ken sich bei seiner Beschreibung nicht nur seine sprachlichen und intel-
lektuellen Fähigkeiten aus. Wichtig sind auch Alter, Geschlecht, kulturelle
Zugehörigkeit, soziale und ökonomische Lage.
Schmerzen werden in verschiedenen Völkern unterschiedlich bewertet.
Sätze wie »Ein Indianer kennt keinen Schmerz« sind zwar objektiv falsch,
sagen jedoch, dass in diesem Kulturkreis schon bei der Erziehung Schmer-
zen und Schmerzempfinden einen anderen Stellenwert haben als in unse-
rem Kulturkreis.
Auch soziale und ökonomische Faktoren sind wichtig. Denken Sie bspw.
an einen Bauarbeiter, der in einer wirtschaftlich schlechten Zeit einem har-
ten Beruf nachgeht. Dieser Mann wird, weil er seinen Job braucht und keine
Kündigung riskieren will, auch mit Schmerzen zur Arbeit gehen. Er wird
seine Schmerzen nicht so stark empfinden, wie ein anderer, dem die Not-
wendigkeit seines Berufes nicht so vergleichbar wichtig ist.
Schmerzen sind real, auch wenn sie subjektiv empfunden werden. Men-
schen leiden darunter, obwohl die Ursache in Ihren Augen vielleicht unbe-
deutend zu sein scheint. Patienten empfinden diese Schmerzen und leiden
entsprechend.
6. Frage: Können Schmerzen schädigende Folgen haben?
Wenn Schmerzen unzureichend behandelt werden, kann die Gesundheit
und natürlich auch die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt werden.
Denken Sie an einen Patienten mit einem Bandscheibenvorfall, der sich
nicht operieren lassen will. Er wird zum chronischen Schmerzpatient und
von Woche zu Woche kann er immer weniger Aktivität in seinem Alltag
aufbringen. Er meidet soziale Kontakte, Lebensmut, ‑freude und ‑energie
sinken. Kurzum: Die Lebensqualität des Patienten leidet, wenn er nicht
adäquat schmerztherapeutisch behandelt wird.
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12 Grundlagen
Wenn wir nun noch bedenken, dass durch nicht behandelte Schmerzen
Blutdruck, Puls, Herzarbeit und auch der Sauerstoffbedarf ansteigen, so
erkennen wir, dass auch noch zusätzliche Kosten entstehen.
Menschen mit Schmerzen nehmen auch eine gewisse Schonhaltung ein.
Dadurch wird der Bewegungsapparat eingeschränkt, die Muskeln gehen
zurück, Sehnen und Bänder können sich verkürzen und sogar Kontraktu-
ren können entstehen.
Oft müssen Menschen, deren Schmerzen nicht ausreichend behandelt
werden, mehrfach in Kliniken weiterbehandelt werden. Häufig hat sich das
Schmerzgedächtnis aber schon so entwickelt, dass der Schmerz nur sehr
schwer bzw. fast gar nicht mehr zu beseitigen ist.
Jedoch ist es so, das in den Kliniken Patienten, die auf konservativen Sta-
tionen liegen, schlechter versorgt sind als in den Bereichen der akuten bzw.
postoperativen Versorgung.2
Im Bereich der konservativen Patientenversorgung liegen oft Menschen
mit chronischen Schmerzen, die dazu noch multimorbid sind. Hier ist es
wichtig, dass ein Akutschmerzdienst (ASD) im Haus aufgebaut wird, mit
Schmerzexperte und Anästhesist, dass Schmerzvisiten auch auf den inneren
bzw. konservativen Stationen stattfinden und der ASD 24 Stunden erreich-
bar ist.
Ein Referent sagte bei einer Fortbildung einmal: »Wenn Patienten in ein
Krankenhaus gehen, erwarten sie, dass ihre Schmerzen verschwinden. Wir
sollten sie also nicht enttäuschen!«
7. Frage: Wie entsteht Schmerz?
Hier ein kleiner Ausflug in die Nozizeption und die Schmerzentstehung:
Der Begriff »Nozizeptor« umfasst eine heterogene Gruppe von Nervenfa-
serendigungen primär afferenter Neurone, die darauf spezialisiert sind, auf
den Organismus schädigend wirkende Reize aufzunehmen.
Nach Umwandlung des noxischen Reizes in Aktionspotenziale und
dessen Weiterleitung in das zentrale Nervensystem, wird diese Informa-
2 Maier, C. et al. (2010). Qualität der Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern. In: Dtsch.
Ärztbl. Int 2010; 107 (36): 607-14; DOI: 10.3238/arztebl2010.0607. Im Internet: http://www.aerzte-
blatt.de/archiv/78168 [Zugriff am 2. Juni 2016]
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Wie entsteht Schmerz? 13
tion in funktionell verschiedene neuronale Netze des Rückenmarks, des
Hirnstamms sowie des Endhirns eingespeist. Außer den auf spinaler und
medullärer Ebene ausgelösten somatischen und viszeralen Reflexen sowie
der Aktivierung endokriner Organsysteme über den Hypothalamus, erfolgt
parallel eine komplexe zentrale Informationsverarbeitung, die schließlich
zur Sinnes Wahrnehmung »Schmerz« mit seinen kognitiven und emotiona-
len Komponenten führt.3
Die schnell leitenden A-Delta-Nervenfasern (helle Schmerzqualität) und
die langsam leitenden C-Fasern (dumpfer Schmerz), die im Tractus spi-
nothalamicus zu spezifischen Thalamuskernen ziehen, wo eine Umschal-
tung auf das limbische System (Bewertung als unangenehme Empfindung)
und zum Cortes (Schmerzinterpretation) erfolgt.
Es gibt Nozizeptoren vom A-Delta und vom C-Typ, die jeweils unter-
schiedliche Aufgaben haben. Die A-Delta-Fasern sind mit Myelin-Scheiden
ummantelt und leiten den Impuls mit 20 bis 30 Metern pro Sekunde schnel-
ler weiter als die myelinfreien C-Fasern, die etwa einen Meter pro Sekunde
überwinden. Dadurch entsteht bei Verletzungen zunächst die Empfindung
eines stechenden, hellen Schmerzes und dann eines durch die C-Fasern ver-
mittelten dumpfen Schmerzes.
Aufgrund ihrer Spezialisierung auf eine schnellere Erregungsleitung
reagieren Nozizeptoren vom A-Delta-Faser-Typ weniger auf chemische
Stimulanzien wie Histamin oder Bradykinin, die bei gängigen Verletzun-
gen erst mit einiger Verzögerung ausgeschüttet werden. Hierfür sind die
C-Fasern zuständig. C-Fasern sind es auch, die den eher schwer lokalisier-
baren Tiefenschmerz melden. Er geht von Gelenken, Muskeln oder Knochen
aus. Auch Schmerzen der inneren Organe, so genannte viszerale Schmerzen
wie etwa bei einer Kolik, gehen auf die Aktivierung von C-Fasern zurück.
Die neuronale Information über Schmerzereignisse kann im zentralen
Nervensystem (ZNS) dann sehr unterschiedlich aussehen.
3 Vgl. Zenz, M. & Jurna, I. (2003). Lehrbuch der Schmerztherapie, 2. Auflage. Stuttgart: Wissen-
schaftliche Verlagsgesellschaft
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14 Grundlagen
Beispiel
Wer sich mit dem Hammer auf den Daumen haut, verspürt zunächst einen
starken Schmerz, d. h. die A-Delta-Fasern treten in Aktion. Nach kurzer
Zeit wird der Schmerz dumpfer, d. h. die C-Fasern beginnen ihre Arbeit.
8. Frage: Was sind Rezeptoren?
Unter einem Rezeptor versteht man ein für bestimmte Reize empfindliches
Zielmolekül einer Zelle und im weiteren Sinne eine, auf bestimmte Ein-
flüsse reagierende Signaleinrichtung innerhalb eines Organs oder Organ-
systems.
Alle Rezeptoren im Körper reagieren auf bestimmte Reize. Sie sind als
Signalempfänger in der Zellmembran dafür verantwortlich, dass die Zelle
ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet.
Mechanorezeptoren in den Hautschichten reagieren z. B. auf unter-
schiedliche Veränderungen: Druck, Wärme, Kälte oder chemische Reize.
Tabelle 1: Rezeptoren und Reize
Rezeptor Reiz
Pressozeptoren, Barozeptoren Druck
Photorezeptoren Licht
Thermorezeptoren Temperatur
Nozizeptoren Schmerz
Propriorezeptoren Eigenwahrnehmung
Zelluläre Rezeptoren in der Zelle sind z. B. Opioidrezeptoren, die gerade für
die medikamentöse Schmerztherapie von großer Bedeutung sind.
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Gibt es Schmerzsyndrome? 15
9. Frage: Was sind Nozizeptoren?
Ein Nozizeptor ist ein Rezeptor, der auf eine drohende oder eingetretene
Verletzung des Körpergewebes reagiert.
Nozirezeptoren liegen als freie Nervenenden in der Dermis (Schicht der
eigentlichen Haut (Lederhaut)). Freie Nervenenden zeichnen sich durch eine
periphere Endverzweigung aus und besitzen eine Ummantelung aus ver-
schiedenen Zellen.
Die Dichte der Nozizeptoren beim Menschen ist größer als die aller ande-
ren Hautrezeptoren und ihre Verteilung auf der Körperoberfläche ist relativ
gleichmäßig. Außer im Gehirn und der Leber finden sich in allen Muskeln
und im Bereich der Eingeweide Nozizeptoren. Es gibt algogene (schmerz-
verursachende) Substanzen, die die Nozizeptoren aktivieren, hierzu gehö-
ren Sorotonin, Kaliumionen, Bradykinin, Histamin oder Leukotiene. Einzig
in der Leber und im Gehirn sind keine Nozizeptoren vorhanden.
10. Frage: Gibt es Schmerzsyndrome?
»Schmerzsyndrom« ist der Oberbegriff für Beschwerdebilder, die mit chro-
nischen (länger als vier bis zwölf Wochen nach Wundentstehung4) Schmer-
zen einhergehen. Die Beschreibung von Schmerzsyndromen erfolgt nach
einheitlicher Nomenklatur (Sammlung von gewissen Angaben) unter
Angabe von Körperregion bzw. Organ, Zeitmuster des Auftretens, Schwere-
grad und Dauer, jeweils nach Angaben des Patienten.
Schmerzsyndrom
Der Begriff als solches beschreibt den Schmerz, der seine eigentliche
Warn- und Schutzfunktion verloren hat und zur eigenständigen Krankheit
geworden ist.
4 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege DNQP (2015). Expertenstandard Pflege
von Menschen mit chronischen Wunden. Osnabrück, S. 11
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16 Grundlagen
Laut einer Studie der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. leben in Deutsch-
land ca. 23 Millionen Menschen als chronische Schmerzpatienten.5 (der
Schmerz 5-2014)
11. Frage: Welche Formen der Schmerzsyndrome gibt es?
• Entzündungsschmerzen beruhen auf der Erregung von spezialisier-
ten Nozizeptoren, wobei chemische Entzündungsmediatoren stark
erregungsfördernd mitwirken. Beispiele: Schmerzen bei entzündlichen
Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Polyarthritis, Myositis,
Appendizitis, Pankreatitis, Zahnschmerzen, Wundschmerz.
• Spastische Schmerzen beruhen auf der Erregung von Nozizeptoren
durch übermäßige Kontraktion der glatten Muskulatur innerer Organe.
Hierbei können viele Auslöser mitwirken. Beispiele: Kolik durch Gallen-
steine, chronische Gastritiden, Ischämien, Nahrungsmittelallergie, ein
Reizkolon.
• Nervenschmerzen werden auch als neuropathische Schmerzen oder
Neuralgie bezeichnet. Sie beruhen auf Schädigungen peripherer Nerven
oder zentralnervöser Strukturen, ohne Beteiligung von Nozizeptoren.
Beispiele: Amputationen, Phantomschmerz, Trigeminusneuralgie, Kar-
paltunnelsyndrom, Bandscheibenvorfall, Schmerzen bei Polyneuropa-
thien wie z. B. Diabetes mellitus, Schmerzen bei Rückenmarksverletzun-
gen.
• Schmerzen durch Fehlfunktion (Fehlregulationsschmerzen) beruhen
auf einer unangemessenen Funktion, wie z. B. Hartspann, Schmerzen bei
Fehlhaltung, aber auch einer Fehlfunktion des sympathischen Nerven-
systems, Ischämie durch Vasospasmus, Reflexdystrophie, Fehlregulation
von Neurotransmitterwirkungen auf die Gehirngefäße., Typisches Bei-
spiel ist hier die Migräne.
• Psychosomatische Schmerzen sind ein Ausdruck von psychischen
oder psychosozialen Problemen durch den Körper. Ein Beispiel hierfür
sind Patienten, die nach psychischen Belastungen Migränekopfschmer-
5 Häuser, W. et al. (2014). Chronische Schmerzen, Schmerzkrankheit und Zufriedenheit der Betroffe-
nen mit der Schmerzbehandlung in Deutschland. In: Der Schmerz Vol. 28, Issue 5, pp 483-492. Ber-
lin: Springer
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Was ist chronischer Schmerz? 17
zen bekommen. Oft können Muskelverspannungen mitwirken und es
kommt zu sog. Fehlregulationsschmerzen (psychische ausgelöste Mus-
kelverspannung). Psychosomatische Schmerzen können auch begünstigt
werden, wenn durch Schmerzäußerung soziale Vorteile zu erwarten sind
(sog. sekundärer Krankheitsgewinn). Kindliche Bauchschmerzen zur
Sicherung der mütterlichen Aufmerksamkeit ist hierfür ein gutes Bei-
spiel.
12. Frage: Was ist akuter Schmerz?
»Akuter Schmerz ist ein plötzlich auftretender und einen begrenzten Zeit-
raum andauernder Schmerz, der in einem offensichtlichen und direkten
Zusammenhang mit einer Gewebe- oder Organschädigung steht.«6
Akute Schmerzen sind eine notwendige Warnfunktion für den Körper,
um Gewebeschäden zu vermeiden. Wenn Schmerzen ohne ersichtliche Aus-
löser fortbestehen und sich verselbstständigen, ist die Warn- und Schutz-
funktion nicht mehr gegeben. Es kommt zu einer Schmerzerkrankung, die
über Monate und Jahre hinweg andauern kann.
Schmerzen machen meistens darauf aufmerksam, dass etwas im Körper
nicht in Ordnung ist. Seien es Wunden, Reizungen oder Entzündungen.
In der Regel klingen akuten Schmerzen nach Beseitigung der Ursache von
selbst ab. Beispiel: Zahnschmerzen, Prellungen, Schnittwunden oder Son-
nenbrand.
13. Frage: Was ist chronischer Schmerz?
Im Vergleich zum akuten Schmerz hat der chronische Schmerz seine Warn-
funktion verloren und sich verselbstständigt. Er ist zu einer eigenen Erkran-
kung geworden. Demzufolge liegt dem chronischen Schmerz ein wesentlich
komplexeres Geschehen zugrunde.
Hier geht es nicht mehr um die Ursache des Schmerzes, sondern um das
»Problem« Schmerz als solches. Um den chronischen Schmerz dokumen-
6 Deutsches Netzwerk für die Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (2011). Expertenstandard
Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen. Osnabrück, S. 23
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18 Grundlagen
tieren zu können, sollte man sich nach den Vorschlägen der IASP (Inter-
national Association for the Study of Pain) richten. Unterschieden werden
hierbei die Dauer der Schmerzanamnese und der Verlauf sowie die Behand-
lung und Therapie. Diese sind im chronischen Schmerzmanagement nur im
multimodalen Setting möglich.
Chronischer Schmerz
Schmerzen werden dann als chronisch bezeichnet, wenn ihre Dauer ȟber
das Ausmaß einer akuten (frisch aufgetretenen) Ursache hinaus nicht
nachvollziehbar lange anhält.«*
* http://www.dgss.org/patienteninformationen/herausforderung-schmerz/akute-und-chroni-
sche-schmerzen/
14. Frage: Wie unterscheiden sich akute bzw. chronische
Schmerzen?
Akute und chronische Schmerzen unterscheiden sich klinisch grundsätz-
lich:
• Der akute Schmerz wird meist durch eine Erkrankung oder Verletzung
verursacht, hat eine sinnvolle Warnfunktion und endet normalerweise
mit der Heilung der auslösenden Erkrankung.
• Der chronische Schmerz ist eine selbstständige Erkrankung ohne biolo-
gisch sinnvolle Funktion und ohne absehbares Ende.
Die Therapie akuter Schmerzen zielt auf Heilung der auslösenden Verlet-
zung oder Erkrankung und damit auf die Unterbrechung der nozizeptiven
Reize. Bei chronischen Schmerzen kann häufig nur durch eine breit gefä-
cherte multidisziplinäre Therapie behandelt werden. Doch auch hier lässt
sich nach längerer Behandlung nur bei einem kleinen Teil der Patienten eine
Schmerzbefreiung erzielen. Ein großer Anteil chronischer Erkrankungen
ist mit Schmerzen für die Betroffenen verbunden, z. B. Arthrose, Rücken-
schmerzen, Tumorerkrankungen sowie Wundschmerz oder Diabetische
Polyneuropathie.
Internationale Studien haben ergeben, dass lang andauernde Schmer-
zen die Nervenzellen von Gehirn und Rückenmark sensibler für spätere
Schmerzreize machen können. Das hat zur Folge, dass selbst einfache Reize,
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Wie unterscheidet sich die Therapie des akuten von der des chronischen Schmerzes? 19
die sonst keine Schmerzen machen plötzlich als Schmerz empfunden wer-
den.
Tabelle 2: Akuter und chronischer Schmerz
Akuter Schmerz Chronischer Schmerz
Dauer Sekunden bis Tage Monate bis Jahre
Lokalisation Meist lokalisiert Häufig diffus
Bedeutung Positiv, da Warnfunktion Negativ, da keine Funktion zu
finden ist
Ursache Meist peripher Häufig mit zentralen psychoge-
nen Mitbeteiligungen
Verlauf Schnelle Besserung Häufig progrediente (fortschrei-
tende) Verschlechterung
Akzeptanz Größer: Der Schmerz soll erträg- Gering: Möglichst kein Schmerz
lich sein
15. Frage: Wie unterscheidet sich die Therapie des akuten
von der des chronischen Schmerzes?
Die therapeutischen Ansätze bei akuten und chronischen Schmerzen haben
erhebliche Unterschiede. Da akute Schmerzen zeitlich begrenzt sind, hat
man hier einen ganz anderen Ansatz als beim chronischen Schmerz. Tabel
le 3 zeigt Ihnen wesentliche Unterschiede mit verschiedenen Zielpunkten.
Tabelle 3: Unterschiede in der Therapie von akutem bzw. chronischem Schmerz
Akuter Schmerz Chronischer Schmerz
Applikations- i. v., s. c., i. m., spinal, oral Oral, rektal, transdermal
weg
Ziel Schnelle Wirkung Schmerzprävention
Wirkdauer Kurz Möglichst lange
Therapie Tägliche Überprüfung der Not- Wöchentlich – monatlich
kontrolle wendigkeit
▶▶
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20 Grundlagen
Akuter Schmerz Chronischer Schmerz
Dauer der Stunden – Tage Monate – Jahre
Therapie
Therapieart Meist Monotherapie Kombinationstherapie – Basis +
Bedarf
Begleit Eher Nein Ja, unbedingt
therapie
16. Frage: Welche physiologischen Aspekte sind beim
chronischen bzw. akuten Schmerz zu beachten?
Akuter Schmerz entsteht meist durch Verletzungen oder akute Erkrankun-
gen und kann verschiedene Reaktionen hervorrufen, z. B. Tachykardien
oder Muskelkontraktionen, Blutdruckanstieg und Schweißausbrüche. Diese
Reaktionen helfen, im Akutfall sofort zu reagieren: Die Ursache kann beho-
ben und der Schmerz aufgelöst werden.
Beim chronischen Schmerz hingegen sind die physiologischen Grund-
lagen auch heute nur zum Teil bekannt. Bonica7 hat vorgeschlagen, chro-
nische Schmerzzustände nach dem zugrunde liegenden Mechanismus zu
unterteilen:
• Peripher
• Pathophysiologisch (zentral ausgelöste Schmerzen)
• Psychologisch
Im Allgemeinen lösen chronische Schmerzen keine Reaktionen des sympa-
thischen Nervensystems aus und die Schmerztoleranz ist meist vermindert.
Dem chronischen Schmerz liegt also ein wesentlich komplexeres Geschehen
zugrunde.
7 Bonica, J. (1979). Important clinical aspects of acute and chronic pain. In: Beers, R. et al. (1979).
Mechanisms of Pain and Analagesic Compounds. New York: Raven, S. 15-29
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Welche weiteren Schmerzarten gibt es? 21
17. Frage: Welche weiteren Schmerzarten gibt es?
• Viszerale Schmerzen: Als viszerale Schmerzen bezeichnen Mediziner
Schmerzen, die von inneren Organen ausgehen. Da die inneren Organe
von speziellen Nervenbahnen versorgt werden, fühlt sich der viszerale
Schmerz oft eher dumpf und schwer lokalisierbar an.
• Nozizeptiver Schmerz: Als nozizeptiven Schmerz wird der physiolo-
gische Schmerz bezeichnet, der als Warnsignal für die Körperfunk-
tion dient. Nozizeptiver Schmerz entsteht durch mechanische, thermi-
sche, chemische oder elektrische Stimulation der Schmerzrezeptoren
(Nozizeptoren). Er kann nahezu in allen Geweben ausgelöst werden
und reagiert auf physiologische Stimulationen. Die Leitung erfolgt vom
Rezeptor über die sensiblen Anteile der peripheren Nerven. Die nozizep-
tiven Fasern enden im Rückenmark, dort leitet das Neuron die Signale
über die aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks und über das Stamm-
hirn und den Thalamus zum Cortex. Hier werden in verschiedenen Are-
alen die kognitiven und emotionalen Anteile des Schmerzes wahrgenom-
men und verarbeitet.
Kommt das schmerzauslösende Trauma aus den Körperstrukturen wie
Knochen, Gelenken, Muskeln und Haut, spricht man vom somatischen
Schmerz. Kommen die Signale jedoch aus den Eingeweiden, so spricht
man vom viszeralen Schmerz. Die Kodierung von noxischen Reizen
durch Nozizeptoren und die darauffolgende Signalverarbeitung im nozi-
zeptiven System ist mit verschiedenen Methoden messbar (Sensibilitäts-
prüfung oder motorische und vegetative Reflexprüfung).
Beispiele: postoperative Schmerzen, Frakturen, Haut- und Schleimhaut-
verletzungen, Gelenkerkrankungen, rheumatische Erkrankungen, Sport-
traumata, Myokardinfarkt oder andere Ischämieschmerzen.
• Neuropathischer Schmerz: Der neuropathische Schmerz ist ein chroni-
scher, nicht maligner Schmerzzustand, der durch Erkrankungen des zen-
tralen und peripheren Nervensystems hervorgerufen wird. Der neuro-
pathische Schmerz entsteht durch eine Schädigung des peripheren und/
oder zentralen Nervensystems (ZNS) Der neuropathische Schmerz kann
sowohl periphere, spinale als auch zentrale Ursachen haben; die Ursache
bleibt jedoch oft unklar. Neuropathische Schmerzen aufgrund zentraler
Läsionen (z. B. Insult) können sehr schwerwiegend sein und lassen sich
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22 Grundlagen
selten zufriedenstellend therapieren. Neuropathische Schmerzen bleiben
meist bestehen, auch wenn keine Gewebeschädigung mehr vorliegt.
Symptome: Kribbeln, Brennen, einschießender Schmerz, lancierender
Schmerz, elektrisierender Schmerz, ausstrahlender Schmerz, schmerz-
hafte Kälte, ringartige Schmerzen oder Ameisenlaufen.
Zeichen können sein:
–– Allodynie: Schmerz, ausgelöst durch einen Reiz, der normalerweise
nicht schmerzhaft ist, z. B. thermal oder mechanisch
–– Hyperalgesie: übertriebene Schmerzantwort auf einen sonst nur leicht
schmerzhaften Reiz.
Beispiele: postherpetische Neuralgie, diabetische Polyneuropathie, Trige-
minusneuralgie, spinale Traumen oder auch Infektionen (virale, bakteri-
elle) sein.
• Phantomschmerzen: Unter »Phantomschmerz« versteht man die Emp-
findung, eine amputierte oder fehlende Gliedmaße (sogar ein Organteil
wie der Appendix kann betroffen sein) sei immer noch am bzw. im Kör-
per vorhanden und bewege sich sogar entsprechend mit anderen Körper-
teilen.
Zwischen 50 und 80 % der Patienten mit Amputationen haben solche
Empfindungen an der Stelle, wo man ihnen eine Gliedmaße amputiert
hat, und die Mehrheit dieser Empfindungen ist schmerzhafter Natur.
Die fehlende Gliedmaße wird oft als kürzer empfunden und kann das
Gefühl vermitteln, sie sei in einer schmerzhaften oder verdrehten Posi-
tion. Gelegentlich kann sich der Schmerz durch Stress, Angst, Witte-
rungsumschläge verschlimmern. Ein Phantomschmerz tritt gewöhnlich
intermittierend auf. Häufigkeit und Stärke der Anfälle nehmen meist mit
der Zeit ab.
Phantomempfindungen können aber auch nach der Entfernung von Tei-
len des Körpers auftreten, die keine Gliedmaßen sind, z. B. nach einer
Brustamputation oder Zahnextraktion (Phantomzahnschmerz).
Interessanterweise treten auch bei Menschen, die ohne Gliedmaßen
geboren wurden, Phantomschmerzen auf. Phantomschmerzen treten
dann auf, wenn Nerven, die normalerweise die fehlende Gliedmaße ver-
sorgt hätten, Schmerzen auslösen. Ein derartiger Schmerz wird oft als
eine brennende oder ähnlich ungewöhnliche Missempfindung beschrie-
ben und kann außerordentlich quälend sein. Doch variiert der Schmerz-
charakter individuell sehr stark. Andere Empfindungen sind ein Gefühl
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Welche weiteren Schmerzarten gibt es? 23
von Wärme oder Kälte, Juckreiz oder das Gefühl als würde die Glied-
maße gequetscht, kribbeln oder sei eingeengt.
• Klinisches Bild: Obwohl nicht alle Phantomglieder auch schmerzen,
haben Patienten mitunter das Gefühl, als ob sie gestikulierten, und sie
spüren ein Jucken und Zucken oder versuchen sogar, Dinge zu ergrei-
fen oder aufzuheben. Einige Menschen mit Phantomgliedern meinen,
ihre fehlende Gliedmaße gestikuliere, während sie reden. Einige Pa-
tienten schildern, ihr Phantomglied verhalte sich, als ob es noch vorhan-
den sei und fühle sich auch so an, andere wiederum stellen fest, dass es
ein Eigenleben zu entwickeln beginnt und ihren Befehlen nicht mehr
gehorcht. Ein verblüffendes Beispiel bietet hierzu der indische Neurologe
Vilayanur S. Ramachandran:
»Ich stellte eine Kaffeetasse vor John und bat ihn, nach ihr zu greifen (mit
seinem Phantomglied). Als er sagte, er strecke eben seinen Arm aus, stieß
ich die Tasse weg. ›Autsch!‹ schrie er. ›Machen Sie so was nicht!‹
›Was ist los?‹
›Machen Sie das nicht‹, wiederholte er. ›Ich hatte eben meine Finger um
den Henkel der Tasse, als Sie sie wegzogen. Das tut wirklich weh!‹
Moment mal. Ich entwende Phantomfingern eine reale Tasse, und
der Betroffene schreit autsch! Die Finger waren eine Illusion, aber der
Schmerz war real – tatsächlich war er so stark, dass ich nicht mehr wagte,
das Experiment zu wiederholen.«8
• Mixed Pain: Die Unterteilung der Schmerzarten (nozizeptive, neuropa-
thische und sympathische Schmerzen) ist für das therapeutische Vorge-
hen äußerst relevant. Im Klinikalltag kommen jedoch oft auch Mixed
Pain-Syndrome vor. Gemischte Schmerzen sind eine Art von Schmerzen,
bei der Nozizeptorschmerzen und nNeuropathische Schmerzen vorlie-
gen. Diese Schmerzart wird häufig bei Tumoren oder bei chronischen
Rückenschmerzen gefunden. Beim Mixed Pain müssen alle Schmerzar-
ten mit dementsprechenden Analgetika behandelt werden.
8 Ramachandran, V.S. (1999). Phantoms in the brain. Probing the Mysteries of the Human Mind,
S. 43
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24 Grundlagen
18. Frage: Was ist CRPS oder Morbus Sudeck?
Das CRPS (Complex Regional Pain Syndrom) ist eine chronische neurolo-
gische Erkrankung, die nach Weichteil- oder Nervenverletzung – oft in Ver-
bindung mit einer Fraktur einer Extremität – auftritt. Die ältere Bezeich-
nung für CRPS ist auch Morbus Sudeck, benannt nach dem Entdecker Paul
Sudeck (1866 -1945), einem Hamburger Chirurgen.
Die Entstehung der Krankheit ist nicht von der Schwere der Verletzung
abhängig. Sie kann sogar so geringfügig sein, dass der Betroffene sich gar
nicht daran erinnert. Aufgrund der Verletzung kommt es aber zu einer
Fehlregulation des sympathischen Nervensystems, der normale Heilungs-
verlauf wird blockiert und stattdessen entsteht eine Spirale von Schmerz
und nachfolgender Sympathikusreaktion.
Symptome:
• Brennender Ruheschmerz
• Hyperästhesie (Überempfindlichkeit für Berührungsreize, die schmerz-
haft sein können)
• Allodynie (Schmerzempfindung, die so gestört ist, dass etwas schmerzt,
was normalerweise nicht schmerzen dürfte, z. B. die Bettdecke auf der
Haut)
• Muskelschwäche
• Bewegungseinschränkung
• Tremor (Zittern)
• Myoklonien (rasche unwillkürliche Muskelzuckungen)
• Ödeme
• Hyperhidrose (übermäßige Schweißproduktion)
• Erhöhte oder erniedrigte Hauttemperatur
• Hautveränderungen (trockene Haut, Salbenhaut, livides Kolorit)
• Verändertes Haar- und Nagelwachstum (Pat. haben Haarwachstum wo
gar keines sein dürfte).
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Was ist CRPS oder Morbus Sudeck? 25
Bei der CRPS gibt es mehrere Schweregrade, die in Grad 1–3 und nach
Typen I und II, eingeteilt werden.
• CRPS Typ I: nach Trauma oder Immobilisation einer Extremität, jedoch
ohne spezifische Nervenschädigung
• CRPS Typ II: nach einer Nervenverletzung, aber nicht notwendigerweise
auf den Ort der Verletzung beschränkt
Die Schweregrade sind nicht immer scharf trennbar, da sich Symptome
auch überschneiden können.
• Grad 1 (Akutes Stadium): umschriebener Schmerz am Ort der Verlet-
zung, Hyperästhesie, weiche Ödeme, Muskelkrämpfe, Bewegungsein-
schränkung, Hyperhidrosis
• Grad 2 (Dystrophisches Stadium): zunehmender, diffuser werdender
Schmerz, induriertes Ödem, Wachstumsstörungen von Haaren und
Nägeln, Osteoporose, beginnender Muskelschwund. Mitunter zusätzlich
Einblutungen ins Gewebe
• Grad 3 (Atrophisches Stadium): nicht mehr lokalisierbarer Schmerz,
irreversible Gewebsatrophie, Generalisierung der Beschwerden
Therapie
Solange Ruheschmerz und Ödem vorliegen, sind diese vorrangig zu behan-
deln, alle anderen Maßnahmen sind erst einmal zweitrangig. Eine Entlas-
tung ist wichtig, daher sind alle Therapien, wie etwa invasive Maßnahmen,
in diesem Stadium kontraindiziert.
Dann sollte der Bewegungsschmerz behandelt werden. Durch verschie-
dene rehabilitative Therapien, wie physikalische Maßnahmen, Ergotherapie,
Physiotherapie, Spiegeltherapie, aber auch psychotherapeutische Verfahren
und interventionelle Therapiemöglichkeiten (Blockaden mit Lokalanästhe-
tika), aber auch mit gezielter medikamentöser Schmerztherapie und paralle-
ler Therapie mit verschiedenen Medikamenten wie Steroiden, Medikamen-
ten gegen neuropathische Schmerzen kann man heute den Auswirkungen
dieser Krankheit begegnen.9
9 Weitere Informationen zu Diagnose und Therapie können Sie unter AWMF (Arbeitsgemeinschaft
der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) nachlesen. Diesen Leitlinien sind auch
einige Abschnitte dieser Fragebeantwortung entnommen.
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26 Grundlagen
19. Frage: Sind Rückenschmerzen ein Thema
in Deutschland?
Unter »Rückenschmerzen« werden im Allgemeinen unterschiedlich starke
Schmerzen des Rückens mit ganz unterschiedlichen Ursachen verstan-
den. Sie können mit Ausstrahlung, ohne organische Ursache sein und eine
Dauer von weniger oder mehr als sechs Wochen haben. Sie können aber
auch chronisch werden, sodass man von chronisch rezidivierenden (wieder-
kehrenden) Rückenschmerzen spricht.
Immer mehr Mediziner betrachten ihre Patienten mit Rückenschmerzen
»ganzheitlich« und versuchen nicht nur, die Auswirkungen zu behandeln.
So gibt es heute verschiedene Ansatzpunkte der Behandlung: Operationen,
interventionelle Maßnahmen, medikamentöse Therapie, Haltungsschulung
und physikalische Therapien sind in manchen Kliniken als multimodale
Schmerztherapie zusammengefasst und können die Wiedereingliederung in
den Alltag erleichtern.
Psychosoziale Maßnahmen nehmen bei Rückenschmerzen einen beson-
deren Platz ein. Mit Hilfe von Entspannungsverfahren, Schmerz- und
Stressbewältigung, aber auch durch Kraft,- Ausdauer- und Koordinations-
training der Muskulatur wird die Selbstverantwortung der Patienten akti-
viert. Sie können aktiv am Heilungsprozess teilnehmen.
Die Pharmakotherapie von Rückenschmerzen ist symptomatisch und
unterstützt die nichtmedikamentösen Maßnahmen. Aufgrund der gerin-
geren Nebenwirkungen sollten zunächst Nichtopioidanalgetika, z. B. Para-
cetamol, evtl. auch Muskelrelaxantien, bei unzureichender Wirkung NSAR
(Antiphlogistika/Antirheumatika) eingesetzt werden. Bei mit dieser Medi-
kation nicht zu beherrschenden Schmerzzuständen kann eine kurzfristige
Gabe von Opioidanalgetika gerechtfertigt sein.
Bedenken sollte man auch, dass chronische Rückenschmerzen nur im
»multimodalen« Setting optimal behandelt werden können.
Die primären Ziele einer Rückenschmerztherapie sind Schmerzminde
rung/‑freiheit, die Verbesserung der Bewegung, das Ermöglichen von Trai-
ningsprogrammen, die Erhaltung der Arbeitskraft, die Verbesserung der
Lebensqualität, aber auch die Antichronifizierung.10
10 Vgl. AWMF (2008). Leitlinien – Register Nr. 030/116 Entwicklungsstufe 1, 4., überarbeitete Auflage.
Stuttgart: Thieme
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Welche Arten von Kopfschmerzen gibt es? 27
Manchmal hilft auch ein TENS-Gerät (Transkutane Elektrische Nerven-
stimulation). Dies ist eine Therapieform, mit deren Hilfe man auch Rücken-
schmerzen behandeln kann. Es fällt unter das Verfahren der physikalischen
Therapien. Mit Reizstrom unterschiedlicher Frequenz werden Muskelver-
spannungen, Hexenschuss, manchmal auch chronische Rückenschmerzen
behandelt.
Rückenschmerzen als Kostenfaktor
»Der Gesamtbetrag der durch Rückenschmerzen verursachten Kosten
entspricht rund 1 % des Deutschen Bruttosozialprodukts.«*
Wenn man bedenkt, wie viel Milliarden Euro an direkten und indirekten
Kosten hierbei anfallen, um Patienten mit Rückenschmerzen zu helfen,
muss alles versucht werden, um ein chronisches Schmerzsyndrom zu ver-
hindern.
* Kohlmann T. (2005). Rückenschmerzen in Deutschland – eine epidemiologische Bestands-
aufnahme. In: Orthopädie und Rheuma 2005, 1:38-41
20. Frage: Welche Arten von Kopfschmerzen gibt es?
Kopfschmerzen beruhen auf Reizungen von schmerzempfindlichen Kopf-
organen und können bei einigen Menschen bereits durch das Flechten eines
Zopfes hervorgerufen werden. Die Gehirnsubstanz als solches ist nicht
schmerzempfindlich. Kopf, Schädel, Hirnhäute, Blutgefäße im Gehirn und
die Hirnnerven sowie auch die obersten Spinalnerven können aber nach
Reizungen schmerzempfindlich reagieren.
Man unterscheidet
• primäre und
• sekundäre Kopfschmerzen
Primäre Kopfschmerzen
• Migräne: Hier wird zwischen Migräne mit und ohne Aura unterschie-
den. Migräne ist mit Abstand die häufigste Kopfschmerzerkrankung, die
Patienten in ärztliche Behandlung führt.
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28 Grundlagen
• Spannungskopfschmerzen: Diese Kopfschmerzen werden in eine episo-
dische und chronische Verlaufsform eingeteilt. Die chronische Form ist
häufig therapieresistent.
• Trigemino-autonome Kopfschmerzen: Die bekannteste Form ist der
Clusterkopfschmerz, streng einseitige Kopfschmerzen mit autonomen
Begleiterscheinungen.
• Idiopathische Kopfschmerzen: Übersetzt etwa »Kopfschmerzen ohne
fassbaren Grund«. Diese Kopfschmerzen treten bei Anstrengung, Husten
oder sexueller Aktivität auf.
Bei Kopfschmerzen ist der Schmerz selbst die Erkrankung. Da aber oft die
Ursache nicht bekannt ist, ist die Therapie schwierig. Man versucht mit ver-
schiedenen Möglichkeiten vorzubeugen oder auslösende Faktoren zu ver-
meiden. Das Ziel der Behandlung ist die schnelle Schmerzfreiheit.
Gemeinsam haben diese Kopfschmerzen, dass sie durch bildgebende
Diagnostik nicht erfasst werden können.
Sekundäre Kopfschmerzen
Dies sind Kopfschmerzen, die als Begleiterscheinung einer anderen Erkran-
kung auftreten. Sie sind wesentlich seltener, müssen jedoch ebenso gut
beobachtet und schnellstmöglich beseitigt werden. Ein Beispiel hierfür sind
Verspannungen durch eine Fehlstellung des Kiefers, die zu Kopf- aber auch
zu Rückenschmerzen führen. Außerdem gehören zu den sekundären Kopf-
schmerzen auch alle tumorbedingten Ursachen und andere raumfordernde
Prozesse im Schädelbereich, etwa nach Traumata oder Blutungen.
Medikamentöse Möglichkeiten
Die gebräuchlichsten Medikamente gegen Kopfschmerzen sind Paraceta-
mol, Ibuprofen, Saridon® (Propyphenazon) sowie Acetylsalcylsäure.
Therapie bei Migräne
•• Reizabschirmung
•• Bei leichter Attacke: 20 mg MCP gegen die Übelkeit und 1 g ASS p. o.
•• Alternativ dazu wären auch Domperidon, PCM, Diclofenac oder Ibuprofen
•• Bei schwerer Attacke: Triptane
•• Manchmal muss auch der Notarzt geholt werden.
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Was sind neuropathische Schmerzen? 29
Triptane
Triptane sind Arzneistoffe, die gerade bei Migräne und Clusterkopfschmerz
zur Akutbehandlung eingesetzt werden.
Tabelle 4: Triptane, Wirkstoffe und Handelsname
Wirkstoff Handelsname
Almotriptan Almogran®
Eletriptan Relpax®
Frovatriptan Allegro®
Naratriptan Naramig®, Formigran® (rezeptfrei)
Rizatriptan Maxalt®
Sumatriptan Imigran®, Imitrex®
Zolmitriptan Ascotop®, Zomig®
Bei der Akutbehandlung von Clusterkopfschmerz ist neben den Triptanen
Sauerstoff das Mittel der Wahl.
Kopfschmerzen als Kostenfaktor
Die direkten Kosten für Kopfschmerzen belaufen sich in Deutschland
etwa auf zwei Milliarden Euro, die indirekten auf ungefähr sieben Milliar-
den Euro. In Deutschland leben 2,5 Millionen Patienten, die unter chroni-
schen Spannungskopfschmerzen leiden, d. h. an über 15 Tagen pro Monat
und an mehr als 180 Tagen pro Jahr Kopfschmerzen haben.
21. Frage: Was sind neuropathische Schmerzen?
Neuropathischer Schmerz ist ein Schmerz, der als direkte Konsequenz einer
Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Systems entsteht.
In Deutschland leiden ca. fünf Millionen Menschen an neuropathischen
Schmerzen. Rund 20 % aller Patienten, die wegen Schmerzen eine schmerz-
therapeutische Spezialeinrichtung aufsuchen, leiden unter ungenügend the-
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30 Grundlagen
rapierten neuropathischen Schmerzen. Diese Patienten suchen im Schnitt
in einem Zeitraum innerhalb von zehn Jahren acht verschiedene Ärzte auf.
Neuropathischer Schmerz äußert sich als
• Brennschmerz
• Einschießender Schmerz
• Allodynie (Überempfindlichkeit bei Berührung)
• Hitze- und Kältehyperalgesie
Zur Diagnosestellung dienen Basisuntersuchungen: Der Reflexstatus, die
Sensibilität und das Spitz-Stumpf-Empfinden gehören in den neurologi-
schen Teil. Mit einem Wattestäbchen kann man z. B. die Allodynie prü-
fen. Die Untersuchung der Wärme- und Kälteempfindung ist eine weitere
Methode, um einen neuropathischen Schmerz abzuklären.
Eine spezielle Untersuchungsmethode ist die Quantitative Sensorische
Testung (QST), die aber nur in wenigen spezialisierten Zentren angeboten
wird. Sie ist sehr zeitaufwendig und daher in der täglichen Praxis nicht
umzusetzen.
Beispiele für neuropathische Schmerzen
• Post-Zoster-Neuralgie: Der Schmerz kann dem Herpes-Ausschlag vor-
angehen. Charakteristisch sind der Brennschmerz oder einschießende,
blitzartige Schmerzen, die sich bis ins Unerträgliche steigern und den
Patienten in Suizidgefahr bringen. Oft verbunden mit Allodynie und
Hyperalgesie.
• Herpes Zoster: Nach einer ausgeheilten Windpockeninfektion verbleiben
die Viren im Körper und können Jahre später wieder aktiv werden. Bei
Schwächung des Immunsystems verursachen sie die »Gürtelrose«.
Therapie im Allgemeinen
Sympathikusblockade, niedrig dosierte Antidepressiva. Opioide sind bei
neuropathischen Schmerzen oft nur mäßig wirksam. Bei einschießenden
Schmerzen werden auch Antikonvulsiva verwendet.
(Dies ist jedoch nur ein kleiner Auszug!)
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Wo steht die Schmerztherapie heute? 31
22. Frage: Wo steht die Schmerztherapie heute?
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts mit vielen Schmerzpatienten durch
Kriegsverletzungen stand im Zeichen der Neurochirurgen. Später setzte
die Phase der intensiveren Schmerzforschung ein. Grundlagen wur-
den erforscht, klinische und psychologische Forschungen im Bereich der
Schmerztherapie traten hinzu. Schließlich öffnete sich der gesamte Bereich
der nichtmedikamentösen, pflegerischen Forschungen und der Standardi-
sierung von Abläufen, wie er heute durch die Pflegewissenschaft verankert
ist.
1900 waren Infiltrations-, Leitungs- und Plexusanästhesie als regionale
Verfahren bekannt.
Die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland verwendeten
Narkosegeräte waren jedoch so umständlich zu bedienen dass sich ihre
Anwendung bis Mitte der 1920er Jahre nicht durchsetzen konnte.
1902 wurden die Barbiturate entdeckt (Barbitursäurederivate waren
für viele Jahrzehnte die Schlafmittel schlechthin, das erste Barbiturat mit
schlafanstoßender Wirkung wurde bereits 1903 vom Emil Fischer synthe-
tisiert).
1965 veröffentlichten der Psychologe Ronald Melzack und Patrick D.
Wall die Gate Control Theory, in der viele theoretische und klinische Kon-
zepte zum Schmerz zusammengetragen und interpretiert wurden.
Um 1970 feierte man unter anderem die Entdeckung der Neuropep-
tide als schmerzrelevante Neuromediatoren im peripheren und zentralen
Nervensystem. In den Folgejahren entdeckte man die Opioidrezeptoren,
die endogenen Opioide und die zentralnervösen Schmerzkontrollsysteme.
Hinzu kamen die Neuromodulation des Schmerzes mit Stimulationsmetho-
den, die rückenmarksnahe Opioidtherapie, die orale chronische Analgeti-
katherapie nach Zeitschema und Risikomodelle des chronischen Schmerzes
und der Prävention.
Schmerzlehrbücher wurden im Rahmen der Forschungen von Grund-
lagen im klinischen und psychologischen Bereich auf den Markt gebracht.
Richtlinien besaßen auf einmal einen Stellenwert, wie z. Schmerzdokumen-
tation, die Qualität und Quantität des Schmerzes erhielt Relevanz.
1973: Gründung des IASP (International Association for the Study of
Pain)
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32 Grundlagen
1975: Gründung des DGSS (Deutsche Gesellschaft zum Studium des
Schmerzes
1983: Die ersten Stationen für Schmerzpatienten in Kliniken
1988: Empfehlungen der WHO zur Therapie tumorbedingter Schmerzen
in deutscher Sprache.
1991: »Recht auf Schmerzbehandlung«: Essay des Bundesrichters Klaus
Kutzer in »Der Schmerz«
Bundesgesundheitsministerin Gerda Hallesfeld lädt erstmals Schmerzex-
perten zur Mitwirkung bei der BTM-Gesetzgebung ein.
1996: Einführung der Zusatzbezeichnung »Spezielle Schmerztherapie« –
Definition des 99. Deutschen Ärztetags: Die »spezielle Schmerztherapie«
umfasst die gebietsbezogene Diagnostik und Therapie chronisch schmerz-
kranker Patienten, bei denen der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion
verloren und einen selbständigen Krankheitswert erlangt hat.
1999: Professor Dr. Eberhard Klaschik erhält eine Professur für Palliativ-
medizin an der Uni Bonn
2003: Konferenz in der Pflege zum Thema Schmerzmanagement in der
Pflege
2005: Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten
oder tumorbedingten Schmerzen
2011: Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten
Schmerzen. 1. Aktualisierung
2015: Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei chroni-
schen Schmerzen
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33
2 Pflege und Schmerz
23. Frage: Gibt es Standards für Pflegekräfte?
2005 gab es den ersten Expertenstandard Schmerzmanagement in der
Pflege, herausgegeben vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung
in der Pflege (DNQP). Ihm folgte eine Aktualisierung in 2011 zum Thema
»akute Schmerzen« und 2015 ein weiterer Standard zum Thema »Pflege bei
chronischen Schmerzen«.
Diese Expertenstandards sind für alle Pflegeeinrichtungen, die eigene
Standards erstellen, ein »Muss«. Sie leisten einen Beitrag zur Professiona-
lisierung und ermöglichen es, die Pflegequalität zu entwickeln und auch zu
messen. Neben wissenschaftlichen Abhandlungen enthalten die Standards
auch Arbeitshilfen beim Aufbau von Arbeitsgruppen, Skalen und verschie-
dene andere Hilfsmöglichkeiten.
In der Präambel des Expertenstandards zum Schmerzmanagement bei
akuten Schmerzen heißt es: »Übergreifende Zielsetzung des Expertenstan-
dards ist es, Patienten/Bewohner mit akuten oder zu erwartenden Schmer-
zen durch ein angemessenes Schmerzmanagement unnötiges Leid zu erspa-
ren sowie einer Chronifizierung von Schmerzen vorzubeugen.«11
24. Frage: Kann man Schmerzen messen?
Die genaue Erfassung der Schmerzintensität ist für eine effektive Schmerz-
therapie unerlässlich. Vielen Betroffenen mangelt es an Mitteln und Mög-
lichkeiten, um die Intensität und Stärke ihres Schmerzes zu beschreiben.
Selbst erfahrene Ärzte und Pflegepersonen können sich anhand der eher
subjektiven Informationen oft nur schwer ein Bild des konkreten Schmerzes
machen.
Eine Möglichkeit der Verständigung zwischen Arzt und Patient ist z. B.
eine Schmerzskala. Ein Ausgangswert wird zum Behandlungsbeginn erfasst
und im Rahmen der differenzierten Schmerzdiagnose eine adäquate The-
11 DNQP 2011, S. 22
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34 Pflege und Schmerz
rapie eingeleitet. Diese wird durch regelmäßige Messungen überprüft und
angepasst.
Die Schmerzliga setzt sich dafür ein, die Methode des Schmerzmessens
zu verbreiten und damit zu erreichen, dass das Schmerzmessen eines Tages
genauso selbstverständlich wird wie das Messen des Blutdrucks, des Pul-
ses oder der Temperatur. Wenn die Schmerzen einige Male am Tag mit
der Schmerzskala gemessen werden, ist auch eine adäquate Therapie, bzw.
Behandlung und Schmerztherapie möglich.
Schmerzskala
Eine Schmerzskala ist ein zehn Zentimeter langer Schieber, der einem ein-
fachen Lineal gleicht. Darauf stellt man zwischen den Punkten »Kein
Schmerz« und »Stärkster Schmerz« ein, wie stark der Schmerz ist. Auf der
Rückseite lässt sich dann die aktuelle Schmerzstärke auf einer Skala von 0
(»Kein Schmerz«) bis 10 (»Stärkster vorstellbarer Schmerz«) ablesen.
Numerische Rating-Skala (NRS)
Hier wird dem Patienten eine Zahlenreihe zur Auswahl angeboten. Der
Wert »Null« bedeutet »kein Schmerz« und der angebotene Maximalwert
wird dem Begriff »maximal vorstellbarer Schmerz« gleichgesetzt. In der
Regel wird die NRS von 0–10 oder 0–100 verwendet.
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Unerträg
Kein
licher
Schmerz
Schmerz
Abb. 1: Numerische Rating-Skala.
Verbale Rating-Skala (VRS)
Dem Patienten werden zur Einschätzung der Schmerzstärke verschiedene
Begriffe vorgelegt. Die Skala ist fünfteilig und der Patient wird nach seiner
momentanen Schmerzstärke gefragt.
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Welche weiteren Kriterien gibt es bei der Schmerzdokumentation? 35
Stärkster
Kein Mäßiger Mittelstar- Starker
vorstellbarer
Schmerz Schmerz ker Schmerz Schmerz
Schmerz
Abb. 2: Verbale Rating-Skala.
Visuelle Analog-Skala (VAS)
Die VAS zur eindimensionalen Dokumentation der Schmerzintensität: Der
Patient markiert mit einem senkrechten Strich die empfundene Schmerz-
stärke. Durch Ausmessen des Abstandes von »kein Schmerz bis zur Markie-
rung des Patienten wird ein numerisches Äquivalent in Millimetern ange-
geben.
Maximal
Kein
vorstellbarer
Schmerz
Schmerz
Abb. 3: Visuelle Analog-Skala.
Schmerztagebuch
Gerade bei chronischem Schmerz ist ein sog. Schmerztagebuch von
äußerster Wichtigkeit ist. Muster kann man über viele pharmazeutische
Firmen kostenlos bekommen, aber auch Hausärzte oder Schmerzthera-
peuten haben meistens solche Tagebücher vorrätig.
25. Frage: Welche weiteren Kriterien gibt es bei
der Schmerzdokumentation?
Die Schmerzdokumentation ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine
adäquate Schmerztherapie. Eine Schmerzanalyse gehört ebenso zur Diag-
nosestellung wie weitere gründliche körperliche Untersuchungen. Um den
Behandlungsverlauf zu verdeutlichen ist es wichtig, die Schmerzintensität in
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36 Pflege und Schmerz
Ruhe und bei Belastung (Bewegung oder Mobilisation) im Verlauf darzu-
stellen und dementsprechend dann die Therapie ggf. anzupassen.
Zu einer Schmerzdokumentation gehören u. a. auch
• die standardisierte Dokumentation der Nebenwirkungen, wie z. B. Sedie-
rung unter Medikamenten, Übelkeit oder Erbrechen, Obstipation, Harn-
verhalt oder Juckreiz
• Medikamenteneinnahme
• die Frage nach Schlaflosigkeit, Angst oder Depressionen
• die Schmerzlokalisation und die Intensität der Schmerzen12
26. Frage: Wie kann man Schmerzen bei Menschen messen,
die sich nicht ausdrücken können?
Früh- oder Neugeborene, Demenzkranke, bewusstlose Patienten oder
Patienten mit hirnorganischen Erkrankungen können sich nicht adäquat
äußern oder bei der Schmerzmessung aktiv mitarbeiten. Daher ist die
Fremdwahrnehmung, genauer gesagt: Ihre Wahrnehmung, äußerst wichtig.
Oft können Menschen mit Einschränkungen durchaus Schmerzen ausdrü-
cken. Beobachten Sie deshalb genau Ihre Verhaltensweisen:
• Gesichtsausdruck: Tränen, Grimasse, angespannte Muskulatur
• Körpersprache: z. B. das Schützen von Körperteilen, die Veränderung der
Gangart oder
• eingeschränktes, sehr ruhiges Verhalten, Liegen mit angezogenen Beinen
• Stimme: Seufzen, Weinen oder Stöhnen, ein Wechsel in der Tonlage
• Soziale Distanz: Manche Menschen werden still, in sich gekehrt und
kommunizieren nicht mehr
• Rückzug: Fehlendes Interesse an Nahrung, an der Umgebung, ein stän-
dig unterbrochener Schlaf
12 Unter www.dgss.org hat die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes einen Schmerz-
und einen Verlaufsfragebogen herausgegeben, den Sie dort herunterladen können
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Was sagt der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen? 37
27. Frage: Was sagt der Expertenstandard Schmerz
management in der Pflege bei akuten Schmerzen?
In der Präambel, dem Vorwort, dieses aktuellen Expertenstandards wird
darauf hingewiesen, dass sich das Erleben von akuten Schmerzen auf das
physische, psychische und soziale Befinden von Patienten/Bewohnern aus-
wirkt. Dabei geht es um nicht bzw. nicht ausreichend gelinderte Schmer-
zen, die die momentane Lebensqualität belasten oder beeinträchtigen. Aber
ebenso auch um andauernde Einschränkungen der Qualität der gesamten
Lebensqualität bis zu lang andauernden Einschränkungen der Qualität der
gesamten Lebenssituation.
Die Experten weisen auch darauf hin, dass Schmerzereignisse erheb-
lichen Einfluss auf Heilungs- oder Genesungsprozesse haben. Und mehr
noch: Jede Schmerzerfahrung eines Menschen beeinflusst seine gesamte
Haltung zu künftigen Schmerzen.
Umso wichtiger ist es, dass Pflegekräfte ihr Möglichstes tun, um Schmer-
zen zu beeinflussen und eine Chronifizierung zu verhindern.
Dieser Auftrag geht laut Expertenstandard an Pflegefachkräfte in der
ambulanten Pflege, der stationären Altenhilfe und in Krankenhäusern.
Sie alle können so handeln und interagieren, dass Patienten/Bewohner mit
Schmerzen in ihrem Leid Linderung erfahren.
»Jedes pflegerische Schmerzmanagement setzt gleich zu Beginn des
pflegerischen Auftrages ein. Im Zentrum steht die Wahrnehmung von
Anzeichen und typischen Risikofaktoren für Schmerz. Dabei kann nicht
davon ausgegangen werden, dass alle an Schmerz leidenden Patienten diese
Empfindung unmittelbar zu äußern in der Lage sind. … Grundvorausset-
zung für ein Gelingen des pflegerischen Schmerzmanagement ist die enge
Zusammenarbeit mit behandelnden Ärzten und anderen patientennah
tätigen Berufsgruppen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Gestaltung der
Therapie, Schulung und Anleitung, sondern auch auf das Erfassen von
Schmerzen.«13
13 DNQP 2011, S. 23
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38 Pflege und Schmerz
Zielsetzung der Umsetzung des Expertenstandards
»Jeder Patient/Bewohner mit akuten oder zu erwartenden Schmerzen
erhält ein angemessenes Schmermanagement, das dem Entstehen von
Schmerzen vorbeugt, sie auf ein erträgliches Maß reduziert oder besei-
tigt«.*
* DNQP 2011, S. 25
Aufgebaut ist der Expertenstandard nach drei Qualitätsbereichen
1. Strukturqualität: Sie sagt aus, was vorhanden sein muss, um ein Schmerz-
management zu gewährleisten.
2. Prozessqualität: Sie sagt, was getan werden muss und welche Strukturen
genutzt werden können, um ein Schmerzmanagement zu gewährleisten.
3. Ergebnisqualität: Sie bestimmt, welches Ergebnis am Ende vorliegen muss.
Neben des Qualitätsbereichen ist der Expertenstandard in fünf Ebenen von
Qualitätskriterien eingeteilt und kann auch schrittweise implementiert wer-
den.
1. Assessmentinstrumente
2. Medikamentöse Schmerzbehandlung
3. Schmerzmittelbedingte Nebenwirkungen
4. Nichtmedikamentöse Maßnahmen
5. Schulung, Anleitung, Beratung
Welche Bedeutung die einzelnen Standardkriterien in der konkreten
Umsetzung haben, kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://
www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Experten-
standards/Schmerzmanagement_in_der_Pflege_bei_akuten_Schmerzen/
Schmerz-akut_Akt_Auszug.pdf
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Was sagt der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei chronischen Schmerzen? 39
28. Frage: Was sagt der Expertenstandard Schmerz
management in der Pflege bei chronischen
Schmerzen?
Auch in der Präambel dieses Expertenstandards werden Grundla-
gen genannt, die für das gesamte Schmerzmanagement bei chronischen
Schmerzen gelten. So wird zunächst darauf hingewiesen, dass 23 Millionen
Menschen in Deutschland chronische Schmerzen haben. Dieser Schmerz
geht einher mit Angst, Bedrohung, Stress und dem Kampf zur Erhaltung
eines Mindestmaßes an Lebensfreude und -qualität.14
Auch mit diesem Expertenstandard wird den Pflegekräften eine wich-
tige Rolle im multidisziplinären Behandlungsteam zugewiesen, wenn es um
die professionelle Pflege von Menschen mit chronischen Schmerzen und
Tumorschmerzen geht.
Laut Expertenstandard muss jede Pflegefachkraft (Gesundheits- und
Krankenpflege, Altenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege etc.),
zwischen einer stabilen und einer instabilen Schmerzsituation zu unter-
scheiden.
»Eine stabile Schmerzsituation wird wie folgt beschrieben:
• Der Patient/Bewohner mit chronischen Schmerzen erlebt seine Schmerz-
situation subjektiv akzeptabel und nicht veränderungsbedürftig.
• Die Zielkriterien für Stabilität orientieren sich konkret an der Lebenswelt
des Patienten/Bewohners und wurden mit ihm ausgehandelt.
• Die Kriterien der Stabilität werden mit dem Patienten unter fachlicher
Beratung der Bezugspflegfachkraft ermittelt. Mögliche Bedrohungen der
subjektiven stabilen Situation sind besprochen und verstanden. Es gibt
Strategien zur Prävention von Krisen oder Komplikationen. Angehörige
werden mit einbezogen.«
»Eine instabile Schmerzsituation wird wie folgt beschrieben:
• Die Schmerzsituation und -linderung entspricht dauerhaft keiner akzep-
tablen Situation.
14 Deutsche Schmerzliga e.V. (2013). Schwarzbuch Schmerz. Über die Versorgungsrealität von
Schmerzpatienten in Deutschland. Fakten und Erlebnisse. Oberursel, S. 1
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40 Pflege und Schmerz
• Gesundheitsbezogene oder alltagsbezogene Krisen wurden noch nicht
wieder durch eine akzeptable Situation abgelöst.
• Es kommt zu Versorgungsbrüchen, die nicht mit Selbstmanagementkom-
petenz, familiärer oder professioneller Unterstützung überbrückt werden
können.
• Durch die Therapie oder ihre Nebenwirkungen treten Komplikationen
auf.
• Durch die Schmerzsituation kommt es zu Einbußen an Lebensqualität,
Funktionalität oder sozialer Teilhabe, die nicht mehr dem direkt geäu-
ßerten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entsprechen.«15
Zielsetzung der Umsetzung des Expertenstandards
»Jeder Patient/Bewohner mit chronischen Schmerzen erhält ein individu-
ell angepasstes Schmerzmanagement, das zur Schmerzlinderung, zu Erhalt
oder Erreichung einer bestmöglichen Lebensqualität und Funktionsfähig-
keit sowie zu einer stabilen und akzeptablen Schmerzsituation beiträgt
und schmerzbedingten Krisen vorbeugt.«*
* DNQP 2015, S. 16
Auch dieser Expertenstandard enthält die drei Qualitätsbereiche Struktur,
Prozess und Ergebnis sowie die fünf Ebenen von Qualitätskriterien. Wel-
che Bedeutung die einzelnen Standardkriterien in der konkreten Umset-
zung haben und was dies auch für die Einrichtungen bedeutet bzw. was
Einrichtungen zur Verfügung stellen müssen, um dem Expertenstandard
gerecht zu werden, kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://
www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstan-
dards/Schmerzmanagement_in_der_Pflege_bei_chronischen_Schmerzen/
Schmerz-chron_Auszug.pdf
Natürlich kann der Expertenstandard für akute sowie für chronische
Schmerzen direkt beim Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in
der Pflege (DNQP) bestellt und erworben werden.
15 Vgl. DNQP 2015, S. 14
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Was besagt die S3 Leitlinie für die vollstationäre Pflege? 41
29. Frage: Was besagt die S3 Leitlinie für die vollstationäre
Pflege?
Im Juni 2011 wurde die S 3 Leitlinie »Schmerzassessment bei älteren Men-
schen in der vollstationären Altenhilfe« angemeldet. Vollendet werden soll
sie im Juni 2016. Ihre Hauptaussagen:
1. »Schmerzen stellen ein weit verbreitetes Problem im Alter dar.
2. Ältere Menschen äußern Ihren Schmerz im Vergleich zu Jüngeren viel sel-
tener, da er häufig als dem Alter zugehörig empfunden wird.
3. Der Anteil von Menschen in der stationären Altenhilfe liegt weltweit zwi-
schen 49 % und 86 %. In deutschen Einrichtungen geben fast 60 % der
Bewohner/innen Schmerzen an.
4. Über 800 000 Plätze in Alteneinrichtungen stehen in der Bundesrepub-
lik Deutschland zur Verfügung. Da von Pflegenden und weiteren an der
Behandlung beteiligten Personen noch nicht systematisch vorhandene
Beschwerden erfasst werden, bleibt der Schmerz lange unerkannt.
5. Noch schwieriger wird die Schmerzerkennung, wenn Personen ihre
Fähigkeit der verbalen Kommunikation verloren haben. Aus Studien geht
ein eindeutiger Zusammenhang von zunehmenden kognitiven Beein-
trächtigungen und unentdeckten sowie unterversorgten Schmerzen her-
vor.
6. Einrichtungen, die Leistungen nach dem SGB XI erbringen, sind gesetz-
lich verpflichtet, Schmerzmanagement strukturiert umzusetzen.«16
Zielorientierung der Leitlinie
Die Optimierung der Schmerzerkennung als Voraussetzung einer gezielten
Schmerztherapie für Bewohner in Einrichtungen der vollstationären Alten-
hilfe.*
* Deutsche Schmerzgesellschaft 2011
16 Deutsche Schmerzgesellschaft (2011). Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstatio-
nären Altenhilfe. Im Internet: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/145-001.html
[Zugriff am 2. Juni 2016]
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42
3 Schmerztherapie
30. Frage: Was ist ein Analgetikum?
Ein Analgetikum (Schmerzmittel) ist ein Stoff, der schmerzstillend (analge-
tisch) wirkt. Im Normalfall unterdrückt er die Schmerzempfindung, ohne
das Bewusstsein oder andere wichtige Funktionen zu unterdrücken.
Anodyna (aus dem Griechischen: »Ohne Schmerz«) ist eine altertümli-
che Bezeichnung für Analgetika. Mit Anodyna sind pflanzliche Drogen wie
z. B. Opium und das daraus gewonnene Morphium, gemeint, sowie Codein,
indischer Hanf, Stechapfel oder Bilsenkraut.
31. Frage: Welche Medikamente gibt es in der Schmerz
therapie?
Grundsätzlich kommen in der Schmerzbehandlung verschiedene Sub-
stanzgruppen zum Einsatz. Opioide (z. B. Morphin), Nichtopioide (z. B.
Ibuprofen®, Metamizol), Lokalanästhetika (z. B. Ropivacain), Coanalgetika
(z. B. Kortison, Antidepressiva, Antiepileptika), aber auch Begleitmedika-
mente wie Abführmittel oder Medikamente gegen Übelkeit oder Juckreiz.
32. Frage: Welche Applikationswege gibt es für diese
Medikamente?
Am Beispiel des Morphins möchte ich Ihnen verschiedene Applikations-
wege zeigen, die alle ihre Existenzberechtigung haben, da verschiedene
Wege bei bestimmten Patienten von Vorteil sein können.
• Retardtabletten (8 bis 12 Stunden Wirkung)
• Retardtabletten (24 Stunden. Wirkung)
• Nichtretardierte Tabletten (4 bis 6 Stunden Wirkung)
• Morphin-Tropfen (4 bis 6 Stunden Wirkung)
• Morphin-Granulat (Retardwirkung 8 bis 12 Stunden)
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Was ist das WHO-Stufenschema? 43
• Morphin-Pellets (Retardwirkung 8 bis 12 Stunden.)
• Morphin-Zäpfchen (4 bis 6 Stunden Wirkung)
• Morphin-Ampullen (4 bis 6 Stunden Wirkung)
33. Frage: Was ist das WHO-Stufenschema?
Für Tumorschmerzen wurde 1986 von der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) ein einfacher Stufenplan für die medikamentöse Schmerztherapie
erstellt:
• Stufe 1: Nichtopioide
• Stufe 2: Schwache Opioide +/– Nichtopioide
• Stufe 3: Stark wirksame Opioide +/– Nichtopioide
Hinzu kommen noch die Begleitmedikationen und adjuvante Medika-
mente.
Das Stufenschema besagt, dass bei leichten Schmerzen Medikamente der
Stufe 1, also Nichtopioide, gegeben werden. Bei bei mittelstarken bis starken
Schmerzen kommt Stufe 2: Man kombiniert schwache Opioide mit Nichto-
pioiden. Bei starken Schmerzen kommen Medikamente der Stufe 3 zum
Einsatz: starke Opioide in Kombination mit einem Nichtopioid.
Die Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente werden mit Begleitme-
dikamenten wie Laxantien und Antiemetika behandelt. Die WHO emp-
fiehlt, die Medikamente primär oral oder transdermal und nach einen fes-
ten Zeitschema zu geben. Im Englischen heißt es dazu: »By the clock, by the
mouth, by the ladder«17, also nach der Uhr, oral und nach dem Stufenplan,
selbstverständlich individuell abgestimmt auf den Patienten.18
Durch dieses Prinzip können Schmerzspitzen verhindert werden und der
Patient befindet sich im therapeutischen bzw. analgetischen Fenster.
Im postoperativen Bereich wird das WHO-Stufenschema rückwärts
angewandt. Hier werden in der Anfangsphase die stärksten Medikamente
der Stufe 3 gebraucht. Wenn die Heilung fortgeschritten ist, werden meist
nur noch schwächere Medikamente benötigt. Für den postoperativen
Bereich gibt es in jeder Klinik speziell erstellte Standards.
17 Arbeitskreis Tumorschmerz des DGSS – Curriculum_Tumorschmerz.20108.pdf
18 World Health Organization (1986). Cancer Pain Relief. Genf: World Health Organization
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44 Schmerztherapie
Stark wirksame Opioide
Schwache Opioide +/–
+/– Nichtopioide
Nichtopioide Nichtopioide
Begleitmedikation, Adjuvante Medikamente
Abb. 4: Analgetisches Stufenschema.
34. Frage: Wie wirken Nichtopioide und wann werden sie
empfohlen?
Nichtopioide haben unterschiedliche Wirkmechanismen:
• Saure fiebersenkende Analgetika, sog. (nichtsteroidale Antirheumatika)
NSAR, wie ASS, Ibuprofen, Diclofenac®
• Basische fiebersenkende Analgetika, wie Metamizol, Paracetamol
• Relativ selektive Hemmer der Cyclooxygenase 2, Coxibe wie Celecoxib,
Etoricoxib genannt
• Andere Nichtopioide, wie z. B. Flupiritin
Saure Analgetika entfalten ihre Wirkung in der Peripherie und im zentralen
Nervensystem, basischen Analgetika spricht man einen zentralen Effekt zu.
In den vergangenen Jahren hoffte man durch Gabe vom Isoenzym Cox-2
gastrointestinale Nebenwirkungen von ASS und Ibuprofen zu mindern. Lei-
der ohne großen Erfolg.
Indikation für Nichtopioide
Indikation für diese Medikamentengruppe sind Knochenschmerzen, Arth-
rose, rheumatische Erkrankungen. ASS wird auch im akuten Migräne-
Anfall angewendet.
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Wann und wie werden Nichtopioide eingesetzt? 45
35. Frage: Welche Nebenwirkungen haben NSAR?
Die Nebenwirkungen der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) glei-
chen sich weitgehend:
• Für die Wirkdauer des Medikaments andauernde Hemmung der Throm-
bozytenaggregation.19
• Verschlechterung der Durchblutung des Magens und erniedrigte Sekre-
tion schleimhautschützender Substanzen. Schwere Magenerkrankungen
von der Magenschleimhautentzündung bis zur Magenperforation sind
möglich. Jedoch meist erst bei längerfristigen Therapien (zwei Monate
und länger).
• Bei Patienten mit Niereninsuffizienz kann Nierenversagen ausgelöst wer-
den.
• ASS oder NSAR können in 10 bis 20 % aller Fälle ein allergisches Asthma
auslösen.
• Durch NSAR kann es unter Umständen zu hypertonen Krisen oder einer
Verschlechterung der Herzinsuffizienz kommen.
• Die blutzuckersenkende Wirkung von oralen Antidiabetika kann aufge-
hoben werden.
• Die blutdrucksenkende Wirkung von ACE-Hemmern kann aufgehoben
werden.
• Die Diurese wird vermindert.
• Mit Marcumar® kommt es zu einer erheblichen Steigerung des Blutungs-
risikos.
36. Frage: Wann und wie werden Nichtopioide eingesetzt?
Ich stelle Ihnen kurz die einzelnen Nichtopioide, ihre Wirkmechanismen
und ihre Indikation vor:
19 Als Thrombozytenaggregation bezeichnet man den Vorgang der Zusammenlagerung (Aggregation)
von Blutplättchen (Thrombozyten). Der Vorgang gehört zur zellulären Hämostase. Er dient dem Ver-
schluss von verletzten Blutgefäßen.
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46 Schmerztherapie
ASS (Acetylsalicylsäure)
ASS hat wenige Indikationen in der Akutschmerztherapie, wird jedoch für
den Migräneanfall als primäres Medikament empfohlen. Es wirkt analge-
tisch, antipyretisch (fiebersenkend) und antiphlogistisch (entzündungs-
hemmend).
Dosierungsempfehlung bei Migräneanfall: 1 000 mg p. o.
Ibuprofen
Ibu wird gegeben bei Knochenschmerzen, Knochenmetastasen, Arthrose,
rheumatischen Erkrankungen. Es wirkt analgetisch, antipyretisch und anti-
phlogistisch.
Empfohlene Dosis: 3x 400–600 mg bei einer Tageshöchstdosis (THD)
von 2 400 mg.
Diclofenac
Indikationen sind Knochenschmerzen, Knochenmetastasen, Arthrose und
rheumatische Erkrankungen. Es wirkt analgetisch, antipyretisch und anti-
phlogistisch.
Diclo hat eine Tageshöchstdosis von 300 mg. Zur Therapie wird 3x 50 bis
75 mg empfohlen. Diclo sollte immer mit einem Magenschutzmedikament
eingenommen werden.
Coxibe
Celecoxib, Etoricoxib, Parecoxib sind Medikamente, die bei rheumatischen
Erkrankungen, Arthrose oder Arthritis gegeben werden und analgetisch,
antipyretisch und antiphlogistisch wirken.
Die Tageshöchstdosen unterscheiden sich:
• Celecoxib: THD 400 mg mit einer Empfehlung von 2x 200 mg, Wirk-
dauer: 12 Sunden
• Etoricoxib: THD von 120 mg, hier wird 1x 90 mg empfohlen, Wirkdauer:
24 Stunden
• Parecoxib: THD von 80 mg, eine Dosisempfehlung von 2–3x 40 mg,
Wirkdauer: 8 bis 12 Stunden
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Wie wirken Opioide? 47
Paracetamol
Paracetamol wird bei leichten Schmerzen und Kopfschmerzen gegeben.
Es ist analgetisch und antipyretisch. In hoher Dosierung (> 6 000 mg/Tag)
wirkt es lebertoxisch.
Die empfohlene Therapiedosis ist 4x 500–1 000 mg. Paracetamol wird in
Kliniken oft als Kurzinfusion gegeben wird (Perfalgan).
Metamizol
Metamizol (Novalgin) hat eine Indikation bei krampfartigen Schmerzen
und bei leichten bis mittelstarken Schmerzen. Es wird oft als Bedarfsme-
dikament im postoperativen Bereich angewandt. Metamizol wirkt analge-
tisch, antipyretisch, spasmolytisch und schwach antiphlogistisch.
Hier wird eine Tageshöchstdauer von 6000 mg empfohlen, die therapeu-
tische Dosisempfehlung liegt bei 4x 500 bis1000 mg. Zu beachten ist, dass
das Medikament bei zu schneller Gabe zu Blutdruckabfällen führt, beson-
ders wenn es im postoperativen Bereich als i. v.-Medikament verabreicht
wird.
Flupirtin
Flupirtin (Katadolon) wirkt bei Muskelschmerzen, Rückenschmerzen und
neuropathischen Schmerzen. Der Wirkmechanismus ist analgetisch und
muskelrelaxierend (quergestreifte Muskulatur). Die Tageshöchstdauer
beläuft sich auf 600 mg oral, 900 mg als Supp. und 100 mg i. v. Die empfoh-
lene Therapiedosis ist 3 bis 4x 100 mg bzw. 1 bis 2x Retardkapsel 400 mg.
37. Frage: Wie wirken Opioide?
Es gibt im Körper sogenannte Opioid-Rezeptoren, die Schmerzsignale auf-
nehmen und an das Gehirn weiterleiten. An diese Rezeptoren docken die
Opioide an und unterbrechen die Schmerzleitung. Dadurch kommt es zur
Schmerzlinderung oder auch zur Schmerzstillung.
Opioide erhöhen die Schmerzschwelle, reduzieren die Schmerzwahrneh-
mung im Gehirn und beugen so der Entwicklung eines Schmerzgedächt-
nisses vor. Eine Begleiterscheinung von Opioiden ist ebenso die Unterdrü-
ckung von Angstgefühlen. Zwar wird der Schmerz noch wahrgenommen,
aber nicht mehr als unangenehm oder gar als Bedrohung empfunden.
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48 Schmerztherapie
38. Frage: Welche Nebenwirkungen haben Opioide?
Einige Nebenwirkungen von Opioiden sind Übelkeit, Erbrechen, Husten-
dämpfung Bradykardie, Miosis (enge Pupillen), Obstipation, Harnverhalt,
Reduzierung der Atemfrequenz bis zum Atemstillstand. Meistens tritt die
Atemdepression auf, wenn die Opiate deutlich überdosiert sind oder mit
anderen, ebenfalls atemdepressiv oder beruhigend wirkenden Medikamen-
ten kombiniert werden.
Im Regelfall gibt es für jede Art der Nebenwirkung ein geeignetes Mittel.
Wichtig ist z. B., dass mit dem Opiat auch gleichzeitig Laxantien (Movicol,
Senatee, Lactulose, Laxoberaltropfen, Leinsamen, Paraffin) verordnet wer-
den.
Gegen Übelkeit helfen manchmal fünf Tropfen Haloperidol. Haloperidol
(Haldol, Metoclopramid, Doperidol, Ondansetron-Zofran, Pfefferminzöl,
alternative Aromaöle, Vomex oder MCP-Tropfen) wirkt zentral in der Area
postrema und bewirkt eine Brechhemmung.
Bei reduzierter Atemfrequenz sollten Sie die Applikationsform überden-
ken. Solange jedoch ein Patient Schmerzen hat, wird er in keine Atemde-
pression kommen, da Schmerz ein Gegenmittel gegen Atemreduktion ist.
Eher hyperventiliert der Patient vor Schmerzen.
39. Frage: Was ist mit der Abhängigkeit von Opioiden?
Hier möchte ich auf drei Arten von Abhängigkeit eingehen:
1. Psychische Abhängigkeit
2. Körperliche Gewöhnung
3. Toleranz
Psychische Abhängigkeit
Im Zusammenhang mit der therapeutischen Einnahme von Opioiden mei-
det man den Begriff »Sucht« und spricht eher von »psychischer Abhängig-
keit«. Wegen der Wirkung von Opioiden wie z. B. Entspannung, Wohlbefin-
den oder innere Stille entwickeln Patienten oftmals eine Art »zwanghaftes«
Suchen oder »Habenwollen«. Wenn die Medikamente in retardierter oder
transdermaler Form appliziert werden, ist die Entstehung von psychischen
Abhängigkeiten weniger wahrscheinlich als bei Medikamenten, die im
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Welche schwachen Opioide gibt es? 49
Bedarfsfall eingesetzt werden und schnell anfluten. Hier kommt es oft zu
Wirkungsschwankungen, die zu vermeiden sind.
Körperliche Gewöhnung
Wenn die Opioidtherapie abgesetzt, pausiert oder sogar antagonisiert wird,
können typische Entzugssymptome auftreten. Dies ist schon nach zwei
Wochen Therapie der Fall. Solche Symptome sind etwa Schwitzen, Kalt-
schweißigkeit, innere Unruhe oder Unruhe, Gliederschmerzen, Tachykardie
oder Hypertonie, Durchfall oder Magenschmerzen. Dieser manchmal auch
unfreiwillige Entzug kann durchaus ernsthafte Folgen haben und sollte
unbedingt vermieden werden.
Toleranz
Hierunter versteht man die physiologische Gewöhnung an das Opioid, die
eine Steigerung der Dosis oder aber auch den Wechsel des Medikamentes
erfordert.
40. Frage: Welche schwachen Opioide gibt es?
Schwache Opioide werden in Deutschland sehr häufig verordnet. Hierzu
zählen Codein, Dihydrocodein, Tramadol-Tramal, Tilidin-Valoron und
Meptazinol. Man kann diese Medikamente auch schwache, opioidhaltige
Analgetika nennen.
Tramadol ist eines der geläufigsten Medikamente aus der Gruppe WHO-
Stufe 2. Es unterliegt nicht der Betäubungsmittelverordnung und wird oft
im Bereich der postoperativen Schmerztherapie in Kombination von Meta-
mizol verabreicht. Beachten Sie jedoch, dass Patienten, die im Bereich der
postoperativen Schmerztherapie mit Tramadol-Tramal behandelt werden,
in den meisten Fällen mit Übelkeit und Erbrechen zu kämpfen haben.
Daher sollte das Medikament immer mit einem Antiemetika zusammen
gegeben werden.
Tilidin N ist eine Kombination aus Tilidin und Naloxon. In Deutschland
ist diese Kombination vorgeschrieben, sonst würde dieses Medikament dem
Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Es steht nur oral als Retardtabletten
oder Tropfen zur Verfügung.
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50 Schmerztherapie
Tabelle 5: Schwache Opioide im Überblick
Opioid-Analgetika Einzeldosierungen Wirkdauer Tageshöchstdosis
Wirkstoff [mg] [h] [mg]
Tramadol 50,100 4 400
Tramadol retardiert 100, 150, 200 8–12 400
Tilidin + Naloxon 50 + 4, 100 + 8 24 600
Tilidin + Naloxon retar- 50 + 4, 100 + 8, 8–12 600
diert 150 + 12
Dihydrocodein 60, 90, 120 8–12 240
41. Frage: Welche starken Opioide gibt es?
Morphin, das aus dem Saft des Schlafmohns gewonnen wird, hat eine starke
Wirkung, die schon seit langer Zeit bekannt ist. Im chronischen, aber auch
im postoperativen Schmerzbereich wird es meistens als Standard eingesetzt.
Der Umrechenfaktor ist 1 : 3, d. h. wenn Sie eine orale Dosis auf eine int-
ravenöse oder subkutane Dosis umrechnen wollen, müssen Sie sie durch 3
teilen. Dabei sind jedoch die Applikationsintervalle zu beachten.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Opioiden zählt die Obstipation.
Daher sollten Patienten, die Opioide bekommen, immer mit Laxantien ver-
sorgt werden. Weitere Symptome sind Müdigkeit, Schwindel, sowie Übel-
keit und Erbrechen (bei ca. 30 % der Patienten).
Zu den hochpotenten Opioiden gehören u. a. Buprenorphin, Fentanyl,
Hydromorphon, Morphin und Oycodon.
Buprenorphin und Fentanyl stehen in Form von Transdermalsystemen
(TTS) als »Schmerzpflaster« zur Basistherapie zur Verfügung. Diese Medi-
kamente gibt es aber auch in oralen Applikationsformen, als sublinguale
(unter die Zunge) Schmelztabletten oder Lutschtabletten (Fentanyl) zur
Schmerzspitzenmedikation.
Bei Buprenorphin wird oft ein Ceiling-Effekt diskutiert (d. h. dass es
trotz Dosissteigerungen zu keiner Zunahme der Wirkung kommt). Es
wird jedoch in Fachkreisen davon ausgegangen, dass dieser bis mindestens
140 µg/h nicht auftritt.
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Welche Opioidantagonisten gibt es? 51
Morphin wird oral in Form von Morphinsulfat (MST) eingesetzt. Zur
Schmerzspitzenmedikation steht Morphinhemisulfat mit einer schnelleren
Anschlagszeit zu Verfügung.
Tabelle 6: Starke Opioide im Überblick
Hochpotente Einzeldosierungen Wirkdauer Tageshöchstdosis
Opioid-Analgetika [h] [mg]
Wirkstoff
Buprenorphin TTS 35 µg/h, 52,5 µg/h, 72 Keine Ceiling
70 µg/h Effekt
Fentanyl TTS 25 µg/h, 50 µg/h, 72 keine
75 µg/h, 100 µg/h
Hydromorphon 4, 8, 16, 24 8–12 keine
Morphin (MST) 10, 30, 60, 100, 200 8–12 keine
Oxycodon 10, 20, 40, 80 8–12 keine
Im Folgenden möchte ich noch zwei Medikamente erläutern, die auch in
den Bereich der WHO-Stufe 3 gehören.
Piritramid (Handelsname Dipidolor), wird in Deutschland meist im
postoperativen Schmerzbereich angewandt, z. B. für PCA-Pumpen. Dipido-
lor ist ähnlich stark wie Morphin, 10 mg Morphin entspricht etwa 10–15 mg
Dipidolor.
Oycodon (Handelsname Oxygesic oder Targin (mit Naloxon kombiniert
und daher weniger Nebenwirkung (Obstipation)).
42. Frage: Welche Opioidantagonisten gibt es?
Ein Opioidantagonist (Gegenmittel) ist Naloxon (Handelsname Narcanti).
Es gehört mit Naltrexon zu den reinen Opioidantagonisten und wirkt an
allen Opioidrezeptoren und hebt die Wirkung von Opioiden auf.
Naloxon wird zur Behandlung einer Opioidüberdosierung eingesetzt,
muss jedoch oft wiederholt verabreicht werden, da die antagonistische Wir-
kung nur eine halbe Stunde anhält. Primär hat Naloxon eine Wirkdauer
von zwei Stunden und wirkt daher kürzer als die meisten Opiate. Es wird
in der Notfallmedizin als Antidot (Gegengift) verwendet, auch im Zusam-
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52 Schmerztherapie
menhang mit Atemstillstand und Atemdepression und wirkt innerhalb von
Sekunden.
43. Frage: Welchen Stellenwert haben Antidepressiva
in der Schmerztherapie?
Antidepressiva, z. B. Saroten, werden meist zur Behandlung von neuropa-
thischen Schmerzen eingesetzt. Ihre Wirkung beruht auf einer Hemmung
der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in den synaptischen
Spalt.
Durch bestimmte Zusammenhänge wird die körpereigene Schmerz-
hemmung hierbei unterstützt. Antidepressiva haben einen relativ niedrigen
analgetischen Effekt und können bei Patienten einige Nebenwirkungen her-
vorbringen wie Mundtrockenheit, Harnverhalt oder auch Schwindel.
44. Frage: Wie sinnvoll ist die Gabe von Benzodiazepinen
bei Schmerz?
Einige Schmerztherapeuten sind der Meinung, dass Benzodiazepine in
der Schmerztherapie keinen Platz haben, da sie keinen schmerzlindernden
Charakter aufweisen. Benzodiazepine werden auch »Tranquilizer« oder
Beruhigungsmedikamente genannt. Sie sind Abkömmlinge des Valium,
also Diazepam. Wenn jedoch Schmerzpatienten Angst oder Panikattacken
bekommen, können bzw. sollten Benzodiazepine ergänzend gegeben wer-
den.
Eine Alternative zu dieser Medikamentengruppe wäre Lorazepam, also
Tavor, damit der Patient kurzzeitig über Angstattacken hinwegkommt.
Natürlich darf ein Patient, der Opiate bekommt, nicht zu sehr sediert
werden, da das Problem der Atemdepression immer auftreten kann.
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Wie sinnvoll ist die Gabe von Cannabis bei Schmerzen? 53
45. Frage: Wie sinnvoll ist die Gabe von Cannabis
bei Schmerzen?
Cannabis sativa wurde bereits im 3. Jahrtausend vor Chr. zur Behandlung
von Schmerzen eingesetzt und seit zwölf Jahren kann diese Wirkung auch
über eine Aktivierung von endogenen Cannabinoide im Gehirn erklärt
werden.
Naturcannabis hat eine schmerzstillende, entspannende, krampflö-
sende, brechreizlindernde, und auch appetitanregende Wirkung. Für viele
Patienten ist es die einzige Möglichkeit, ihre Schmerzen in den Griff zu
bekommen.
Seit Mai 2011 sind cannabishaltige Medikamente in Deutschland zuge-
lassen. Viele Patienten, die unter starken chronischen Schmerzen leiden,
sehen diese Legalisierung als einen großen Fortschritt, da Cannabis zur
Behandlung von Schmerzen eingesetzt werden kann.
Am 4. Mai 2016 beschloss das Bundeskabinett, für den therapeutischen
Einsatz den Zugang zu Substanzen aus der Hanfpflanze, den sogenannten
Cannabinoiden, zu erleichtern: »Allerdings bedarf es einer differenzierten
Betrachtung und genauer Indikationsstellung sowie Qualitätssicherung
der Therapie«, sagte Prof. Dr. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen
Schmerzgesellschaft e. V.
Bei MS (Multiple Sklerose)-Patienten können kamente die Schmerzen,
die durch die Spastiken entstehen, mit Cannabinoiden gelindert werden.
Patienten mit Krebs oder Aids haben die Hoffnung, dass Schmerzen und
Schlaflosigkeit weniger, der Appetit dafür erhöht wird.
Dronabinol, der isolierte Hauptwirkstoff der Cannabispflanze, ist seit
1998 eine verschreibungsfähige Rezeptursubstanz, d. h. das Medikament
wird in der jeweiligen beauftragten Apotheke nach Verordnung hergestellt,
da es noch kein zugelassenes Fertigarzneimittel in Deutschland gibt.
Das synthetisch hergestellte Cannabinoid Dronabinol oder Nabilon
unterliegt dem Betäubungsmittelgesetzt. In Kanada sollen 10 bis 14 % aller
Patienten mit nicht krebsbedingten chronischen Schmerzen oder Multipler
Sklerose regelmäßig Cannabis konsumieren.
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54 Schmerztherapie
46. Frage: Ist Kortison auch ein Schmerzmittel?
Kortikosteroide, Kortison, werden vor allem in der Behandlung von Tumor-
schmerzen als potentes, entzündungshemmendes Medikamente angewen-
det. Kortison eignet sich wegen der Nebenwirkungen nicht zur Langzeitthe-
rapie (Cushingsymptom: Übergewicht, Diabetes mellitus, Muskelschwund
an Armen und Beinen, Fettansammlung im Rumpfbereich, Mondgesicht,
Büffelnacken).
Bei Tumorpatienten lassen sich mit der Substanz nützliche Nebeneffekte
wie Appetitsteigerung und Stimmungsbesserung erzielen, während der
schmerzlindernde Effekt bei Kortison sekundär ist.
Hinweis
Beachten Sie bei der Gabe von Kortison, dass es vor allem in Kombination
mit NSAR zu einem höheren Risiko von schweren gastrointestinalen Kom-
plikationen bis hin zur Magenperforation kommen kann.
47. Frage: Was ist Ketamin?
Ketamin ist ein Hypnotikum und Analgetikum, das normalerweise in der
Anästhesie angewandt wird. In sehr niedriger, jedoch nicht hypnotischer
Dosierung bewirkt es auch eine verbesserte Ansprechbarkeit auf Opio-
ide und hält auch die frühzeitig einsetzenden Chronifizierungsprozesse
auf. Eine besondere Rolle spielt dies bei Phantomschmerzen, also Nerven-
schmerzen, aber auch bei Patienten, die Tumore haben und nicht optimal
auf Opiate reagieren.
48. Frage: Gibt es Opiate auch ohne Rezept?
Nein. In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz u. a. den Umgang
mit stark wirksamen Opioiden. Alle Ärzte können bei der Bundesopium-
stelle auf ihren Namen ausgestellte BTM-Rezepte beantragen. Für den
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Wie werden Opioide umgerechnet? 55
Betäubungsmittelverkehr innerhalb von Krankenhäusern sind eigene For-
mulare vorgesehen.
Auf dem BTM-Rezept dürfen maximal für den Zeitraum von 30 Tagen
ein oder zwei Substanzen bis zu ihrer Verschreibungshöchstmenge rezep-
tiert werden. Diese Höchstmenge ist für jedes Medikament definiert: Für
Morphin beträgt sie 20 000 mg/Monat. Manchmal kann diese Höchst-
menge überschritten werden, wenn auf dem Rezept ein »A« (Ausnahme)
deklariert wird.
49. Frage: Wie werden Opioide umgerechnet?
Die Umrechnung sowie die Umstellung von Opioiden von einem auf ein
anderes Medikament sollte nach strenger Überprüfung von möglichen
Indikationen stattfinden.
1. Therapieresistente Übelkeit, Erbrechen oder Übelkeit, nicht einstellbare
Obstipation, Verwirrtheitszustände oder Halluzinationen, Hautreaktio-
nen auf transdermale Systeme sowie Juckreiz.
2. wenn die Analgesie nicht adäquat stattfindet
3. Opioidinduzierte Hyperalgesie (Unter Opioidtoleranz versteht man einen
Wirkverlust bei Gabe der gleichen Opioiddosis bzw. die Notwendigkeit,
für dieselbe Wirkung zunehmend höhere Dosen zu Verabreichen)
4. Veränderung der Leber- und Nierenfunktion sowie Medikamenteninter-
aktionen (Wechselwirkungen)
Die folgende Opioid-Umrechnungstabelle von Dr. Sumpf hilft Ihnen weiter.
Bitte beachten Sie: »Der Umgang mit dieser Tabelle erfordert eingehende
Kenntnisse in Bezug auf die verwendeten Medikamente. Die Umrech-
nungsfaktoren beruhen auf Erfahrungen, Statistiken und Literaturangaben.
Sie sind nicht ohne weiteres auf jeden Menschen übertragbar.«20
20 Dr. E. Sumpf, Im Internet: http://wwwuser.gwdg.de/~pctgoe/Seiten/Publikation/Opioide%20
Umrechnen.pdf
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Tabelle 7: Opioid-Umrechnungstabelle – 24 h Dosierung in mg21
Faktor
Tramadol (oral/rektal) 150 300 450 600 5
Tilidin/Naloxon (oral) 150 300 450 600 5
Schmerztherapie
Dihydrocodein (oral) 120 240 360 4
Tapentadol oral (mg/24h) 100 200 300 400 2,5
Morphin (oral/rektal) 30 60 90 120 150 180 210 240 300 600 900 1 3
Oxycodon (oral) 20 40 60 80 100 120 140 160 200 0,65
L-Methadon (oral) 7,5 Intraindividuelle Titration 0,25 0,75
Hydromorphon (oral) 4 8 12 16 20 24 28 32 40 80 120 0,13
Buprenorphin (s. l.) 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2 3,2 3,6 4,0 0,01
Tramadol (s. c./i. m./i. v.) 100 200 300 400 500 10
Morphin (s. c./i.m/i. v.) 10 20 30 40 50 60 70 80 100 200 300 0,33 1
Piritramid (i. v.) 15 30 45 60 1,5
Pethidin (i. v.) 75 150 225 300 7,5
Buprenorphin (s.c/i. m./i. v.) 0,3 0,6 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,4 3 0,03
Morphin (epidural) 2,5 5 7,5 10 12,5 15 17,5 20 25 50 75 0,08 0,25
Morphin (intraspinal) 0,25 0,5 0,75 1 1,25 1,5 1,75 2 2,5 5 7,5 0,01 0,03
Fentanyl TTS (mg/24h) 0,3 0,6 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,4 3 6 9 0,01 0,03
Fentanyl TTS (µg/h) 12,5 25 37,5 50 62,5 75 87,5 100 125 250 375 0,4 1,25
Buprenorphin TTS (mg/24h) 0,3 0,6 0,9 1,2 1,8 2,1 2,4 3 6 – 0,01 0,03
Buprenorphin TTS (mg/24h) ~10 ~20 ~35 50 ~70 ~85 ~105 ~120 ~260 – 0,4 1,25
21 Mit freundlicher Genehmigung von Dr. E. Sumpf. Im Internet: http://wwwuser.gwdg.de/~pctgoe/Seiten/Publikation/Opioide%20Umrechnen.pdf [Zugriff am
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Medikament Applikation Start [mg] Intervall [h] Bemerkung
Morphin oral 5–10 4 Obstipation, Miktionsstörung, Übelkeit, Erbrechen.
Ergänzung mit Laxantien (z. B. Bifiteral 3x 1 EL).
oral (Retardform) 10 8–12
i. m./s. c. 10 4
i. v. (PCA) 2 15 min
rektal 30 4
epidural 3–5 8–12
intrathekal 0,3–0,5 12
Tramadol oral (Retardform) 50 4–12 Wie bei Morphin. Serotonin ↑. Vorsicht bei Kombination mit
Krampfschwellen- senkenden Substanzen.
rektal 100 2–4
Tilidin/Naloxon oral 50–100 2–4 Wie bei Morphin. Kein langwirksamer Metabolit. Günstig bei
Niereninsuffizienz. Tropfen: BTM!
Tapentadol oral 50 12 Zusätzliche Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmung.
Oxycodon oral 5 12 Angeblicher weniger Übelkeit. Bei Targin Dosis begrenzt.
Hydromorphon oral 2 12 Weniger Übelkeit. Kein langwirksamer Metabolit. Günstig bei
4 24 Niereninsuffizienz. Jurnista: 24h Darmpassage nötig.
Piritramid i. m. 15 4–6 Wie bei Morphin. Nur parenterale Gabe möglich.
i. v. (PCA) 1,5 5–10 min
Wie werden Opioide umgerechnet?
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▶▶
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Medikament Applikation Start [mg] Intervall [h] Bemerkung
Pethidin oral 300 2–3 Wie bei Morphin. Nur parenterale Gabe möglich, ungeeignet zur
Dauertherapie.
i. m./s. c. 100 2–3
Schmerztherapie
i. v. (PCA) 10 10 min
epidural 30–100 7
Buprenorphin sublingual 0,2–0,4 6–8 Begrenzter Dosisspielraum. Oberhalb 4 mg/d keine wesentliche
Analgesiesteigerung.
i. m. 0,3 6–8
i. v. (PCA) 0,04 15 min
epidural 0,3 8
Levomethadon Ein Patient, der mindestens eine orale Tagesdosis von 200 mg retardiertem Moprhin hatte, nimmt abends sein
letztes Morphinpräparat und beginnt am nächsten Morgen mit 20 Tropfen (5 mg) L-Polamidon.
Diese Menge wird alle 4 Stunden wiederholt, bis der Patient ausreichend schmerzfrei ist. Danach erneut 20 Trop-
fen, erst wenn wieder Schmerzen auftreten. Auch danach vier Stunden Pause einhalten.
Nach 2 Tagen wird die kumulative Tagesdosis errechnet und auf zwei Einzelabgaben morgens und abends verteilt.
Bei Schmerzdurchbruch Zusatzdosis 5 mg, Intervall 4 Stunden. Anfangs täglicher Patientenkontakt (Tel.) nötig.
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Was sind Phytopharmaka und wo werden sie angewandt? 59
50. Frage: Was ist das Schmerzgedächtnis?
Die sensiblen Nervenzellen sind genauso lernfähig wie das Gehirn. Wenn
diese Zellen immer wieder Schmerzimpulsen ausgesetzt sind, verändern
sie ihre Aktion. Dann reicht meist schon ein leichter Reiz, wie eine Berüh-
rung, Wärme oder Dehnung aus, um als Schmerzimpuls registriert und als
unangenehm empfunden zu werden. Aus dem akuten Schmerz ist ein chro-
nischer Schmerz geworden. Das bedeutet: Der eigentliche Auslöser fehlt, der
Schmerz bleibt.
Neurowissenschaftler haben festgestellt, dass die Veränderung in den
Nervenzellen nicht nur biochemisch nachweisbar ist, sondern sogar Spuren
im Aufbau der Zelle hinterlassen.
Das Schmerzgedächtnis ausschalten
Der einzige Weg, um das Schmerzgedächtnis auszuschalten, ist eine vor-
ausschauende Schmerztherapie, also eine präventive Schmerzbetäubung
(Analgesie). So wird verhindert, dass das Schmerzgedächtnis überhaupt
entsteht.
51. Frage: Was sind Phytopharmaka und wo werden sie
angewandt?
Phytopharmaka sind Arzneimittel pflanzlicher Herkunft wie Tees, Teemi-
schungen, Pflanzenextrakte, Tinkturen und aus Arzneidrogen hergestellte
Fertigarzneimittel. Phytopharmaka sind Vielstoffgemische mit mehreren
Inhaltsstoffen. Das Extrakt ist der Wirkstoff. Normalerweise werden Mor-
phin, Opium oder Kokain nicht zu den Phytopharmaka gezählt.
Phytopharmaka sind meistens gut verträglich, können jedoch auch im
Einzelfall toxisch wirken und schlecht verträglich sein.
Die Anwendung von Phytopharmaka oder chemischen Arzneistoffen
richtet sich nach der Art der Erkrankung. Akute und lebensbedrohliche
Erkrankungen sollten in der Regel mit chemischen Medikamenten behan-
delt werden. Bei Erkrankungen, die leichter bis mittelschwer bzw. chronisch
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60 Schmerztherapie
sind, sind Phytopharmaka eine gute Alternative, da es hier weniger Neben-
wirkungen gibt.
Tabelle 8: Leichte bis mittelschwere Erkrankungen und Phytopharmaka als
Therapie22
Erkrankung Phytopharmakon
Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche Johanniskraut
Arterielle Durchblutungsstörungen Gingko
Prellungen Beinwell-Extrakt
Depressive Verstimmung Johanniskraut
Venenerkrankungen Rosskastanie, Mäusedorn
Atemwegserkrankungen Anis, Efeu, Eibisch, Eukalyptus, Pfeffer-
minz
Stumpfe Traumata wie Verstauchungen, Beinwell
Zerrungen
Muskelschmerzen Cayennepfeffer, Chili
52. Frage: Was ist eine nichtmedikamentöse Schmerz
therapie?
Sicherlich ist die Behandlung von Schmerzen häufig durch die Gabe von
Medikamenten geprägt. Doch damit allein wird die Komplexität des
Schmerzgeschehens nur unzureichend berücksichtigt. Um eine adäquate
Schmerztherapie durchzuführen, ist die nichtmedikamentöse Behandlung
von größter Bedeutung.
Die Grundlage hierfür bietet die Gate-Control-Theorie. Diese erklärt
die mehrdimensionale Natur des Schmerzes. Sie zeigt die physiologischen,
kognitiven und emotionalen Aspekte von Schmerzen und bietet somit eine
Erklärung für die erlebten Schmerzphänomene.
Zentrale Aktivitäten wie Angst, Aufregung und eine Vorahnung können
das Tor (Gate) öffnen und die Schmerzwahrnehmung verstärken. Aktivi-
22 Vgl. www.psychosozialegesundheit.net, www.gesundheit.com, www.apo-theke.at, www.phyto-
therapie-komitee.de/News, www.koop-phyto.org,
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Hilft Ablenkung bei Schmerz? 61
täten wie Ablenkung, Suggestion, Entspannung, Bio-Feedback und Imagi-
nation schließen das Tor und verhindern die sensorische Übertragung von
Schmerz.
Tabelle 9: Einteilung der nichtmedikamentösen schmerzlindernden Techniken
Zentral wirkende Techniken Peripher wirkende Techniken
Ablenkung Massage
Imagination Hydro-/Thermotherapie
Entspannung Elektrotherapie/Ultraschall
Meditation Therapeutische Lokalanästhesie
Muskelrelaxation nach Jakobsen Akupunktur/Akupressur
53. Frage: Hilft Ablenkung bei Schmerz?
Ablenkung ist eine Konzentration auf einen anderen Reiz als den der
Schmerzempfindung23. Jeder von Ihnen hat sicherlich schon einmal die
Erfahrung gemacht, dass Schmerzen durch Ablenkung teilweise oder sogar
komplett verschwinden. Wer also dasitzt und nur über seine Schmerzen
nachdenkt, hat so gesehen schlechtere Karten. Untersuchungen konnten
zeigen, dass die Konzentration auf Gedanken, Bilder oder auch Rechenauf-
gaben zu einer Herabsetzung der Schmerzempfindung führen kann.24
Auch Imagination, die gelenkte Vorstellung, erfolgt durch die Aktivie-
rung der Vorstellungskraft. Dabei werden eine oder alle fünf Sinne zur Ver-
änderung der Schmerzwahrnehmung genutzt. Die Imagination kann durch
Bilder, Geschichten, Gedanken und schöne Erfahrungen eingeleitet und
durchgeführt werden.
Die Ursprünge der Akupunktur reichen bis 10.000 v. Chr. zurück, als
man begann, Schmerzen mit Steinnadeln zu behandeln. Es handelt sich
um eine Erfahrungsmedizin, die nach den Prinzipien der taoistischen Phi-
losophie mit Begriffen von »Yin« und »Yang«, »Qi« und den »fünf Wand-
lungsphasen« systematisiert wurde. Akupunktur ist ein Teilgebiet der Tra-
23 Vgl. McCaffery, M. (1996). Analgesics mapping out pain relief. In: Nursing (January), S. 41ff.
24 Schulze, M. (2008). Der Einfluss von Ablenkung auf das postoperative Schmerzerleben. Jena: Dis-
sertation, S. 9. Im Internet: http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-
15151/Schulze/Dissertation.pdf [Zugriff am 4. Juni 2016]
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62 Schmerztherapie
ditionellen chinesischen Medizin (TCM). Sie geht von Lebensenergien des
Körpers aus, die auf definierten Längsbahnen (Meridianen) zirkulieren und
scheinbar einen steuernden Einfluss auf alle Körperfunktionen haben.
Mit dem Begriffe Biofeedback wird eine Methode bezeichnet, bei der
Veränderungen von biologischen Vorgängen, die der Sinneswahrnehmung
nicht zugänglich sind, mit technischen Hilfsmitteln beobachtbar gemacht.
Biofeedback wird oft in der Behandlung von Migränepatienten, aber auch
im allgemeinen Bereich der chronischen Schmerztherapie angewandt. Laut
Erfahrungsberichten einiger ärztlicher Kollegen hat man hier gerade bei
Kindern sehr gute Erfolge erzielt.
54. Frage: Wie wirken physikalisch-medizinische
Methoden?
Der Einsatz der physikalisch-medizinischen Methoden erfolgt im Wesentli-
chen symptomorientiert. Bei der Schmerztherapie kommen diese Methoden
meist bei postoperativen Schmerzen, Schmerzen im Bewegungsapparat und
bei neuropathischen Schmerzen zum Einsatz. Die physikalischen Maßnah-
men zielen auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Organismus ab.
Daher gehören diese Techniken zu den natürlichen Heilmethoden.
Massage wurde bereits in den Hochkulturen des Altertums, in China,
Griechenland oder dem vorderen Orient therapeutisch angewandt. Im
19. Jahrhundert wurde sie in Frankreich und Deutschland parallel zu den
medizinischen Errungenschaften weiterentwickelt.
Die klassische Massage dient der Muskelentspannung und lokalen Beein-
flussung von Haut, Unterhaut und Bindegewebe. Sie ist steigert die Durch-
blutung und entwickelt Wärme. Bei der Massage werden Gewebshormone
freigesetzt, die schmerzerzeugende Substanzen abtransportieren und den
Muskelstoffwechsel anregen. Es kommen Reibungen, Walkungen bzw. Rol-
lungen, Streichungen, Knetungen, Klopfungen und Erschütterungen zum
Einsatz.
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Was ist TENS? 63
Die Reflexzonenmassage beruht auf den Erkenntnissen von Head &
Mackenzie25. Sie beeinflusst das vegetative Nervensystem innerer Organe.
Außerdem zielt sie auf die Freisetzung gewebsaktiver Substanzen ab. Einige
Beispiele sind Akupunkturmassage bzw. Akupressur, Triggerpunkt- oder
Fußreflexzonenmassage. Die bei der Reflexzonenmassage angezielten
Zonen im Körper sollen alle Organe und Muskelgruppen auf der Hautober-
fläche und im Unterhautbereich spiegeln: z. B. Rücken, Fuß, Hand, Ohr,
Nase und Schädel.
Die Hydro-/Thermotherapie, die Behandlung mit kaltem und warmem
Wasser, wird schon seit Jahrtausenden betrieben. Die Kneipptherapie ist
seit Jahrzehnten bekannt. Bei ihr werden kalte Güsse, kalte Waschungen,
Wickel oder Wassertreten, Eispackungen, Kaltluft oder auch Eisspray ange-
wandt.
Bei Muskelatrophien wird oft ein Betupfen mit Eis angewandt. Es regt
die Aktivität der Muskelspindeln an und es kommt zur Tonuserhöhung.
Wasser wird wegen seiner hohen spezifischen Wärme genutzt, meist in
Verbindung mit Wärmespeichermedien, die eine gleichmäßige Wärme-
abgabe in das Gewebe gewährleisten, wie Fango, feuchtheiße Auflagen/
Wickel, heiße Rolle, Heublumensack, Schlämme, Moor oder Schlick.
55. Frage: Was ist TENS?
Die »Transkutane elektrische Nervenstimulation« (TENS) erfolgt über
Elektroden, die auf die Haut geklebt werden. Neben einer guten Analgesie
bewirkt der niederfrequente Impulsstrom an der motorischen Endplatte
eine Depolarisierung26. Es handelt sich hier um eine nichtinvasive Methode
der Schmerzlinderung. TENS löst bei Einzelimpulsen eine Zuckung aus
und ab einer Reizfrequenz von 30 Hz beim innervierten Muskel eine Kon-
traktion aus. Frequenzen zwischen 30 und 80 Hz werden deshalb als Mus-
kelstimulation zur Unterstützung des aktiven Muskeltrainings eingesetzt.
25 http://flexikon.doccheck.com/de/MacKenzie-Zonen
26 http://flexikon.doccheck.com/de/Depolarisation
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64 Schmerztherapie
56. Frage: Welche Indikationen bzw. Kontraindikationen
gibt es für TENS?
Indikationen
• Akute oder chronische Rückenschmerzen
• Wurzelreizsyndrom
• Phantomschmerz
• Postoperative Schmerzen
• Zoster schmerz
• Behandlung von Trigger punkten
• Atypischer Gesichtsschmerz
• Trigeminusneuralgie
Kontraindikationen
• Patienten mit Demandschrittmachern
• Oberhalb des Carotis-sinus
• Über Verbrennungen oder offenen Wunden oder Zostereffloreszenzen
• Über gereizten Hautbereichen
• Innere Anwendung in Mund oder Vagina
57. Frage: Was sind beruhigende atemstimulierende
Einreibungen (ASE)?
Durch gezielte Berührung nähert sich der Atemrhythmus des Patienten
dem des Behandlers an. Durch die sich vertiefende Atmung tritt eine Ent-
spannung ein. Dieser Aspekt wird durch eine Einreibung in Haarwuchs-
richtung mit einem ständig beibehaltenden Körperkontakt begünstigt.
Bewährt hat sich die ASE bei folgenden Schmerzen:
• Akut wiederkehrende Schmerzereignisse
• Chronisch nichtmaligne Schmerzzustände: Hier bewirkt die beruhigende
ASE eine positive Form der Körperwahrnehmung bzw. des sich Spürens
• chronisch maligne Schmerzen: Die oft existenziell bedrohliche Prognose
und unerwünschte Nebenwirkungen der Therapie führen dazu, dass
Patienten sich selbst nicht mehr wahrnehmen. Durch die ASE bauen sie
eine gewisse Sicherheit und Vertrauen auf, gerade wenn die Lebenssitua-
tion sich durch die Diagnosestellung schlagartig verändert.
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Was ist eine multimodale Schmerztherapie? 65
58. Frage: Was ist Kryoanalgesie?
Bei der sogenannten Kälteanästhesie (Kryoanalgesie oder Vereisung) wer-
den Schmerzrezeptoren der Nerven unter der Haut durch Kälteeinfluss blo-
ckiert. Das Verfahren wird oft bei Sportverletzungen, zum Beispiel Prellun-
gen, eingesetzt.
Bei der erweiterten Kryoanalgesie werden nervale Schmerzrezeptoren,
z. B. in Gelenkkapseln der lumbalen Zwischenwirbelgelenke, mittels Käl-
tesonde unter Anwendung von flüssigem Stickstoff ausgeschaltet/zerstört,
was zu einer anhaltenden Schmerzlinderung in den betroffenen Gelenken
führen kann.
59. Frage: Was ist eine multimodale Schmerztherapie?
Die multimodale Schmerztherapie (MMST) ist eine kombinierte Schmerz-
behandlung. Sie umfasst eine mindestens siebentägige interdisziplinäre
Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen (Wirbel-
säulenleiden, Tumorschmerzen) unter Einbeziehung von mindestens zwei
anderen Fachdisziplinen. Davon sollte eine psychiatrische, psychosomati-
sche oder psychologische Fachdisziplin sein. Es handelt sich mithin um eine
Kombination verschiedener Methoden, die gleichzeitig aktiv sind.
Therapien wie Psychotherapie (Verhaltenstherapie), medizinische Trai-
ningstherapie, Arbeitsplatztraining, Physiotherapie, Entspannungsverfah-
ren, Kunst- oder Musiktherapie oder eine sonstige Therapie, an der die Pa-
tienten aktiv teilnehmen müssen, können eingesetzt werden.
Normalerweise wird die Behandlung in einer Klinik durchgeführt.
Hierzu werden die Patienten für drei Wochen in die Klinik einbestellt, um
in der Zeit aktiv an der MMST teilzunehmen.
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66 Schmerztherapie
MMST auf Rezept
Wenn ein Patient bereits so stark leidet, dass er mindestens drei der fol-
genden Merkmale aufweist, wird der Einsatz der multimodalen Schmerz-
therapie von den Krankenkassen akzeptiert:
•• Manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität
•• Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit
•• Fehlschlag mindestens einer vorherigen unimodalen Schmerztherapie
oder eines schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugs-
behandlung
•• Bestehende Medikamentenabhängigkeit oder ‑fehlgebrauch
•• Gravierende psychische Begleiterkrankungen
•• Gravierende somatische Begleiterkrankungen
Zur Sicherung des Behandlungsverlaufs wird das Ergebnis in interdiszi-
plinären Teambesprechungen überprüft. Dazu müssen Schmerzstärke,
Depressivität, Funktionskapazität und Lebensqualität dokumentiert und
kommuniziert werden.
60. Frage: Was versteht man unter einer invasiven
Schmerztherapie?
»Invasiv« bedeutet »Eindringen«, insofern versteht man unter invasiven
Methoden alle Maßnahmen, die im weitesten Sinne mit einer Injektion oder
mit kleineren operativen Maßnahmen einhergehen. Invasive Maßnahmen
können zu therapeutischen, aber auch zu diagnostischen Zwecken einge-
setzt werden.
Bei der invasiven Schmerztherapie betäubt man bestimmte anatomi-
sche Strukturen (setzt eine Blockade), die als Schmerzursache in Betracht
kommen. Auf diese Weise kann die Schmerzursache nach dem Ausschluss-
verfahren näher eingekreist werden, um sie anschließend umso präziser
therapieren zu können. Die therapeutischen invasiven Methoden, auch
Infiltrationen genannt, werden im Allgemeinen mit Hilfe eines Lokalanäs-
thetikums, ggf. auch unter Zusatz eines Kortisonpräparates durchgeführt.
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Welche Blockaden gibt es? 67
61. Frage: Welche Blockaden gibt es?
Ich möchte auf zwei Blockaden eingehen:
1. Stellatumblockade
2. Lumbale Sympatikusblockade
Eine Stellatumblockade ist die gezielte lokale Leitungsanästhesie des Gan-
glion stellatum (Nervenknoten des vegetativen Nervensystems). Sie wird
zur Lösung arteriovenöser Gefäßspasmen oder Krämpfen angewandt, da
Blutgefäße sympathisch innerviert (angeregt bzw. gereizt) werden. Durch
die Blockade kommt es zu einer Vasodilatation (Ausdehnung) im gesamten
Einzugsgebiet, zu einer verminderten Schweißsekretion und einem Horner-
Syndrom (Pupillenverengung, Herabhängen des oberen Augenlids und ein
scheinbar eingesunkener Augapfel). Das Horner-Syndrom ist ein Zeichen
für die erfolgreiche Durchführung der Blockade.
Indikationen:
• Migräne
• Halbseitiger Kopfschmerz
• Trigeminus- und Zosterneuralgie
• Beschwerden nach einem Schädel-Hirn-Trauma
• Osteochondrose der Halswirbelsäule (eine Störung der Umwandlung von
Knorpel zu Knochen als
• Teil des normalen Wachstumsprozesses)
• Periarthritis (z. B. Schultergelenksentzündung)
Bei einer lumbalen Sympathikusblockade werden die sympathischen
Schmerzfasern, die direkt an der Seite der Wirbelkörper liegen, behandelt
(Injektion oder Verödung). Die Behandlung erfolgt unter Röntgenkontrolle
und ist dem Schmerzspezialisten vorbehalten.
Indikationen:
• Phantomschmerzen
• Regionales Schmerzsyndrom
• Kolikartige Schmerzen
• Neuralgien vom Herpes Zoster-Typ
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68 Schmerztherapie
62. Frage: Was ist ein Schmerztherapeut?
Ein Schmerztherapeut ist ein Facharzt für Schmerztherapie. Er behandelt
hauptsächlich Menschen mit chronischen Schmerzen, aber auch Menschen,
die unter starken akuten Schmerzen leiden. Wenn der Schmerz seine Warn-
oder Leitfunktion verloren hat und eine selbstständige Krankheit geworden
ist, brauchen Patienten besondere Behandlungen und Therapien.
Je nach Ursache der Schmerzerkrankung werden unterschiedliche The-
rapieformen und Behandlungen eingesetzt. Schmerztherapeuten sind oft-
mals Anästhesisten, die sich auf dem Gebiet der Schmerzbekämpfung
spezialisiert haben. Ihre Aufgabe ist es, die Schmerzen des Patienten zu lin-
dern, erträglich zu machen und soweit es möglich ist, dem Patienten wieder
Lebensqualität und die aktive Teilnahme am Leben zu ermöglichen.
63. Frage: Wie arbeitet ein Schmerztherapeut?
Ein Schmerztherapeut ist entweder in eine Klinik integriert und hat dort
seine Ambulanzstunden, zu denen jeder Patient mit einem Überweisungs-
schein von seinem Hausarzt hinkommen kann, oder er hat eine eigene Pra-
xis.
Schmerztherapeuten sehen Patienten meistens ganzheitlich und arbeiten
auch mit Möglichkeiten, auf die der normale Hausarzt oder Internist nicht
zurückgreifen kann, z. B.:
• Alternative Heilmethoden wie Hypnose, Akupunktur, TENS
• Nervenblockaden durch Einspritzen von Lokalanästhetika bzw.
bestimmter Wirkstoffe
• Regionalanästhesie, Nervenausschaltung bestimmter größerer Körperbe-
reiche, z. B. Periduralanästhesie
64. Frage: Gibt es an allen Krankenhäusern Spezialisten
für Schmerztherapie?
In vielen Kliniken gibt es inzwischen Schmerzexperten (Gesundheits-
und Krankenpfleger, die sich auf das Thema Schmerztherapie spezialisiert
haben), also »Schmerztherapiespezialisten«. Diese Pflegepersonen wirken
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Wie wird man Schmerzexperte? 69
oft im Akutschmerzbereich mit, setzen Expertenstandards um, schulen ihre
Kollegen und stehen Angehörigen und Patienten beratend zur Seite.
Nach Weisung kann eine Schmerzexpertin selbstständige Visiten
durchführen und in Absprache mit dem zuständigen Anästhesisten im
Akutschmerzdienst arbeiten. Sie organisiert gemeinsam mit dem zustän-
digen Arzt interdisziplinäre Schmerzkonferenzen, in denen die Fälle von
Schmerzpatienten besprochen und weitere Behandlungsmöglichkeiten dis-
kutiert werden.
Der Wirkungskreis der Schmerzexpertin ist weit gefächert und je nach
Klinikart und Einsatzort unterschiedlich. Auf jeden Fall trägt sie durch ihre
Tätigkeit zur Qualität der Klinik bei.
Die Hauptaufgaben dieser, auch Pain Nurse genannten, Fachpflegekraft
in einigen Kliniken ist es, Patienten mit akuten oder chronischen Schmer-
zen ein angemessenes Schmerzmanagement zu gewähren, das Schmerzen
auf ein erträgliches Maß reduziert oder sie gänzlich beseitigt. Hierzu ist die
enge fachübergreifende Zusammenarbeit bei allen Berufsgruppen nötig.
Ärzte, Pflegepersonen, Physiotherapeuten, aber auch die Leitungen, sollten
bei der Umsetzung der Standards bzw. des Schmerzmanagements mitarbei-
ten. Gerade mit den Ärzten, speziell mit den Anästhesisten, sollte eine enge
Kommunikation stattfinden.27
65. Frage: Wie wird man Schmerzexperte?
Die Pain Nurse wurde vom Klinikum Nürnberg als Fernlehrgang ins Leben
gerufen; die algesiologische Fachassistenz ist ein Kind des DGSS (Deutsche
Gesellschaft zum Studium des Schmerzes). Inzwischen bieten einige Kli-
niken die algesiologische Fachassistenz als Präsenzausbildung an, ebenso
auch die »Pain Academy Augsburg«.
Jeder, der in der Pflege tätig ist bzw. eine medizinische Ausbildung hat,
kann die Ausbildung zum Schmerzspezialisten machen. Die Ausbildung
umfasst ca. 41 Unterrichtseinheiten und ist meiner Ansicht nach ein unbe-
dingtes Muss für jeden, der mit Schmerzpatienten zu tun hat. In der Aus-
bildung wird die pflegerische Kompetenz durch die Vermittlung von Fach-
27 Mehr zum Thema Spezialist für Schmerztherapie können Sie auch unter: www.pain-nurse.com
erfahren.
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70 Schmerztherapie
wissen und Beratungskompetenz erweitert und die Qualitätssicherung in
der Versorgung aller Schmerzpatienten sichergestellt. Außerdem vermittelt
der Lehrgang alle notwendigen Kenntnisse durch ein multiprofessionelles
Dozententeam aus Pflegekräften, Ärzten, Physiotherapeuten und Psycholo-
gen.
Inhalte der Ausbildung:
• Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie
• Schmerzarten
• Multimodales Therapiekonzept
• Schmerzerhebung, ‑messung und ‑dokumentation
• Nichtmedikamentöse Therapieverfahren: TENS, Naturheilverfahren in
Theorie und Praxis
• Psychologische Aspekte des Schmerzes
• Medikamentöse Schmerztherapie mit Fallbeispielen
• Invasive anästhesiologische Schmerztherapie
• Perioperative Schmerztherapie
• Spezielle Krankheitsbilder
• Schmerztherapie bei alten Menschen
• Schmerzmanagement bei Kindern und Jugendlichen
• Beratungs- und Schulungskompetenz von Angehörigen, Patienten und
Kollegen
66. Frage: Welchen Kompetenzen muss ein Schmerzex-
perte haben?
Im Herbst 2013 fanden sich Schmerzexperten aus ganz Deutschland zusam-
men, um eine einheitliche Sprache und Namensnennung für Schmerzex-
perten zu finden. Unter dem Dachverband des DBfK (Deutscher Berufs-
verband für Pflegeberufe) entstand eine Fachgruppe (DBfK-Fachgruppe
Pflegeexperten Schmerz), in der sich die Experten austauschen und ein
Kompetenzprofil für Pflegefachkräfte im Schmerzmanagement erstellen.
»Das vorgestellte Kompetenzprofil beschreibt das Mindestniveau an Kennt-
nissen und Fähigkeiten, die Absolventen einer zertifizierten Fortbildung
besitzen müssen, um sich als Schmerzexperten auszuweisen. Eine zerti-
fizierte Fortbildung, die als Präsenzveranstaltung erfolgt, sollte mindes-
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Welchen Stellenwert haben Beratung und Schulung in der Schmerztherapie? 71
tens 41,5 Unterrichtseinheiten, ein Fernlehrgang (E-Learning) mindestens
64 Unterrichtseinheiten umfassen.«
Angelehnt an das Curriculum für die integrierte Aus-, Weiter- und Fort-
bildung in der Pflege der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. und an päd-
agogische Strukturen wurde das Kompetenzprofil erstellt, gegliedert in die
Kompetenzbereiche
1. Fachkompetenz
2. Methodenkompetenz
3. Sozial-/Personalkompetenz
Die Themenfelder sind breit aufgestellt, so gehört z. B. Folgendes dazu:
• Grundlagen, Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Schmer-
zes; Schmerzarten
• Schmerzeinschätzung und -dokumentation
• Medikamentöse,
• Nnichtmedikamentöse Schmerztherapie
• Beratung und Schulung
• Organisationsaufgaben
• Koordination und Planung28
67. Frage: Welchen Stellenwert haben Beratung
und Schulung in der Schmerztherapie?
Beratung und Schulung ermöglichen die aktive Einbindung von Patienten
und ihren Angehörigen in das Schmerzmanagement. Schulungsmaßnah-
men können schmerzbezogene Komplikationen und Schwierigkeiten in der
Therapie verhindern.
Ein Zitat von Martin Buber zeigt gut, welchen Stellenwert Schulung und
Beratung haben: »Ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas … ich nehme
ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum Fenster. Ich stoße
das Fenster auf und zeige hinaus. Ich habe keine Lehre, aber ich führe ein
Gespräch«.29
28 Entnommen von der Website des DBfK: https://www.dbfk.de/de/expertengruppen/pflegeexper-
ten-schmerz/
29 Buber, M. (1962). »Aus einer philosophischen Rechenschaft«, in: Werke 1, S. 1114 und Buber, M.
(1986). Begegnung, autografische Fragmente. 4. Auflage. Heidelberg, S. 83
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72 Schmerztherapie
Schmerzexperten (Pain Nurse/Algesiologische Fachassistenten) müs-
sen zuhören und die Patienten und Angehörigen aufklären, aber sie auch
dahinführen können, sich selbst auszudrücken. Der Schmerz und mögli-
che schmerzbedingte Probleme werden durch die Betroffenen selber bes-
ser beeinflussbar, wenn sie lernen, ihre Schmerzsituation zu verstehen und
aktiv in das Schmerzmanagement einbezogen zu werden.
Wichtig dabei ist, dass der Patient als gleichberechtigter Partner aner-
kannt und seine Ressourcen aktiviert, gestärkt und gefördert werden.
Natürlich ist immer zu bedenken, dass jeder Mensch gewisse Lebenserfah-
rungen mitbringt, Erwartungen und Ängste hat.
Der Berater muss diese Ängste ernst nehmen, ihnen durch Vermittlung
von Wissen und Fertigkeiten begegnen und sie vielleicht dadurch mini-
mieren. Auch die Ängste vor Abhängigkeit oder Sucht können Thema sein,
gerade wenn nach Eingriffen starke Medikamente gegeben werden müssen.
Dabei ist es wichtig, die Notwendigkeit der Einhaltung der Anordnung zu
vermitteln, da es sonst zur Entzugssymptomatik kommen kann.
Beratende Angebote sind vor allem für Patienten mit chronischen
Schmerzen bedeutsam, da dem chronischen Prozess oft große Verände-
rungen für das eigene Leben vorausgehen. Tumorschmerzpatienten reicht
es nicht aus zu wissen, dass Kältetherapie Erleichterung bringt. Sie wollen
wissen, wie, wo und wann diese Therapie angewendet werden kann.
Patienten müssen wissen, dass sie sich melden können, wenn sie Schmer-
zen haben, bzw. dass der Weg zum behandelnden Arzt oder Therapeuten
immer offen ist – gerade wenn Schmerzmedikamente nicht ausreichen.
Mancher Patient geht leider davon aus, dass die Schmerzexperten schon
wissen werden, wann er Schmerzen hat. Oft kommt er gar nicht auf die
Idee, etwas zu sagen …
Im Beratungsgespräch sollten die Berater vor allem »Rettungsfantasien«
vermeiden. Sie können keinem Patienten Schmerzfreiheit versprechen. Aber
sie können die Schmerzen auf ein erträgliches Maß reduzieren.
68. Frage: Welchen Stellenwert hat die Lebensqualität
für Schmerzpatienten?
Aussagen wie: »Ich würde gern wieder lachen können« oder »Es wäre schön,
das Leben wieder ohne Angst und Sorgen genießen können« belegen, wie
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Wie kann ein Schmerzpatient seine Lebensqualität v erbessern? 73
tiefgreifend Schmerzen die Lebensqualität von Menschen beeinflussen.
Menschen, die keine Schmerzen haben, können nicht nachvollziehen, wel-
cher Leidensdruck auf Schmerzpatienten liegt.
In der Aktion »Schmerzens-Wunsch« wurden Schmerzpatienten, Ange-
hörige, Ärzte und Pflegepersonen nach ihren Wünschen in Bezug auf
chronische Schmerzen befragt. Auf Platz 1 stand der Wunsch nach mehr
Lebensqualität. Die Aktion dauerte von März bis September 2009 und lie-
ferte über 3000 Einsendungen. Sie entstand auf Initiative der Deutschen
Schmerzliga e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e. V.
und wurde von der Fa. Mundipharma30 unterstützt.
69. Frage: Wie kann ein Schmerzpatient seine Lebens
qualität verbessern?
Schmerz ist nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische Belas-
tung. Oft ziehen sich Schmerzpatienten aus ihrem sozialen Umfeld zurück,
weil sich nur noch alles um den Schmerz dreht. Daher ist primär eine gute
medikamentöse Schmerztherapie wichtig, um die Mobilität wieder zu
gewährleisten. Die innere Einstellung zu sich und zum Schmerzproblem ist
wichtig.
Ablenkung, Entspannungstechniken, Hobbys, Massagen, Akupunktur,
Wärmebehandlung, aber auch Bewegung oder sogar ein wenig Sport sind
Möglichkeiten, um die Lebensqualität wieder zu verbessern. Manchmal hel-
fen die einfachsten Dinge, wie ein Teraband oder ein Gymnastikball. Auch
die »Lachtherapie« ist übrigens eine nichtmedikamentöse Therapieform.
Bewegung ist gerade bei Bewegungsschmerzen ein wesentlicher Baustein
der Schmerztherapie. Aktivität statt Passivität, lautet das Motto. Laut Dr.
Walter Zieglgänsberger, einem der führenden Schmerzforscher Deutsch-
lands, sollten Schmerzpatienten »lieber Tango statt Fango«31 praktizieren.
Sogar Spazierengehen kann ein Einstieg sein, um mit langsamen Anstieg
zum »Nordic Walken« zu kommen. Bewegung baut außerdem Stress ab und
sorgt für Entspannung. Auch das vermindert den Schmerz.
30 http://www.schmerzmessen.de/aktion-schmerzenswunsch.html
31 Vgl. Der Spiegel, 1.09.2008, Ausgabe 36/2008, Spiegel Gespräch »Lieber Tango statt Fango«
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74 Schmerztherapie
Informationen hierzu und zu Selbsthilfegruppen gibt es beim Bundesver-
band Deutsche Schmerzliga32.
70. Frage: Ist Hyperthermie eine mögliche Schmerz
therapie?
Als Hyperthermie (Überwärmung) bezeichnet man in der Medizin eine
Behandlung, bei der die Temperatur des Körpergewebes künstlich erhöht
wird, etwa Wärmeanwendungen wie Fango oder Infrarot-Behandlungen.
Erstmals erwähnt wurde die heilende Wirkung der Wärme in den altä-
gyptischen Hochkulturen (2400 v. Chr.). Auch der griechische Arzt und
Philosoph Parmenides (540–480 v. Chr.) sagte: »Gebt mir die Macht, Fieber
zu erzeugen, und ich heile jede Krankheit.« So war z. B. bei der Bekämpfung
von Infektionskrankheiten die künstliche Erzeugung von Fieber mit Hilfe
pyrogener (Pyros = Feuer, Stoffe die entzündlich wirken) Stoffe als Fieber-
therapie üblich.
Hinweis
Fieber ist eine positive Reaktion des Körpers, die keinesfalls unterdrückt
werden sollte, da es das Immunsystem trainiert und die Abwehrreaktion
des Körpers erhöht. Es ist eine natürliche Abwehrreaktion gegen Krank-
heitserreger, die auch bei chronischen Schmerzen genutzt werden kann.
Im Bereich der Schmerztherapie wird immer öfter über die Thematik der
Ganzkörperhyperthermie gesprochen. Im Hyperthermie-Zentrum in Han-
nover etwa wird diese Therapie als alternative Schmerztherapie eingesetzt.
Dabei wird mit Ausnahme des Kopfes der gesamte Körper überwärmt. Im
Gegensatz zu anderen physikalischen Methoden, die eine milde systemische
Wärme induzieren, scheint die Ganzkörperhyperthermie gerade bei chro-
nischen, schmerzhaften Gelenkerkrankungen gute Erfolge zu erzielen. Die
gefilterte Infra-A-Strahlung durchdringt schmerzlos die Haut und ermög-
32 www.schmerzliga.de
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Helfen Kräuter oder Öle gegen Schmerzen? 75
licht so eine alternative Schmerztherapie, indem sie auch tiefer liegender
Gewebeschichten erwärmt.
Warum gerade Hyperthermie bei chronischen Schmerzpatienten so gut
anschlägt, ist lt. Dr. Peter Wolf vom Hyperthermie-Zentrum Hannover
noch nicht ganz geklärt.33 Man vermutet, dass verschiedene Faktoren die
Schmerzlinderung vermitteln.
Indikationen:
• Chronische Schmerzen
• Chronische Entzündungen
• Regeneration- bzw. Rehabilitation im Sport
• Reizdarmsyndrom
• Colitis ulcerosa
• Morbus Crohn
• Arterielle Hypertonie
• Chronische Borreliose
Allerdings ist die Hyperthermie keine anerkannte schulmedizinische Alter-
native, da sie nicht wissenschaftlich anerkannt ist.
71. Frage: Helfen Kräuter oder Öle gegen Schmerzen?
Ätherische Öle sind bei Schmerzen in vielfältiger Weise anwendbar und las-
sen sich gut in verschiedene pflegerische Handlungen einbinden. Sie eignen
sich für Waschungen, Einreibungen, Massagen, Auflagen und Wickel.
Mehr noch: Ein vertrauter Duft kann Menschen in schweren Phasen
unterstützen und ihnen Geborgenheit geben. Zur Raumaromatisierung und
Harmonisierung eignen sich Duftschalen oder ‑lampen oder auch nur ein
getränkter Wattebausch getränkt am Bettrand.
33 Vgl. Website des Hyperthermiezentrums Hannover, Dr. Wolf: http://www.hyperthermie-zentrum-
hannover.de
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76 Schmerztherapie
Tabelle 10: Öle gegen Schmerzen im Bereich der Knochen und Gelenke
(Arthroseschmerzen)
Johanniskrautöl 50 ml Erwärmend, schmerzlindernd
Cajeputöl 20 Trpf. Aktivierend, muskelentspannend, schmerzlindernd
Tee baum 8 Trpf. Abschwellend, entzündungshemmend, schmerz
lindernd
Lavendel 5 Trpf. Schmerzlindernd, durchblutungsfördernd, krampf
lösend, ausgleichend
Anwendung
Mischen und 1 bis 2x täglich leicht auf den betroffenen Stellen einmassie-
ren.
Kopfschmerz oder Migräne
Eine kalte Kompresse mit 1 bis 2 Tropfen Lavendelöl direkt auf mit lauwar-
men Wasser benetztes Innentuch geben.
Schmerzzustände in Weichteilen und Gelenken
Einreibung 4 Tropfen Lavendelöl
Kalte oder heiße Kompresse mit 3 Tropfen Lavendelöl direkt auf mit war-
men, bzw. heißem Wasser benetztes Innentuch geben.
Prellungen oder Quetschungen
Quarkwickel (3 bis 5 Tropfen Lavendel in 150 Gramm Quark)
Weitere Öle und ihre Indikationen
•• Minze: bei Muskelschmerzen, Kopfschmerzen oder Migräne
•• Kümmel: Baucheinreibung mit Kümmel bzw. Bauchmassage
•• Eukalyptus: Muskelschmerzen bzw. Neuralgien (Einreibungen: Heiße
Kompressen – 3 Tropfen direkt auf mit heißem Wasser benetztes
Innentuch geben)
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Was hat Genusstraining mit Schmerzen zu tun? 77
72. Frage: Was hat Genusstraining mit Schmerzen zu tun?
Gerade Krebserkrankungen und ihre Behandlung belasten nicht nur den
Körper, sondern wirken sich auch negativ auf die Psyche aus. Angstzustände
und Depressionen verhindern positive Gefühle. Dabei kann ein Mensch
gerade aus positiven Empfindungen und Erlebnissen Kraft schöpfen. So
sagte einer meiner Kollegen, bei dem Prostatakrebs diagnostiziert wurde:
»Mit der Diagnosestellung veränderte sich mein ganzes bisheriges Leben.
Ein Großteil meiner Freunde und auch Arbeitskollegen, die von der Krank-
heit erfuhren, wandten sich von mir ab und ich fiel in ein tiefes Loch.«
Hinweis
Psychoonkologische Maßnahmen helfen, die Krankheit zu bewältigen.
Eine Möglichkeit, positive Stimmungen zu entwickeln, stellt das Genuss-
training dar. In der Psychotherapie findet diese Therapie auch als euthyme
Therapie ihren Platz.
Es geht darum, alle fünf Sinne bewusst einzusetzen, also bewusst zu rie-
chen, schmecken, sehen, hören und zu tasten. Das Genusstraining kann
leicht in den Alltag integriert werden. Es kann vorbeugend gegen Stress
angewandt, aber auch in stressigen belastenden Situationen als Entspan-
nung eingesetzt werden.
An sich selbst denken, sich etwas Gutes tun, einfach mal die Seele bau-
meln lassen oder den Duft von guten Ölen riechen – Mit dem Genusstrai-
ning werden durch das bewusste Ansprechen und Aktivieren der einzelnen
Sinne positive Empfindungen geweckt und Ängste, Sorgen und Stress abge-
baut.
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78 Schmerztherapie
Einige Grundregeln
•• Nehmen Sie sich Zeit zum Genießen.
•• Erlauben Sie sich Genuss.
•• Konzentrieren Sie sich ganz auf den Genuss, wenn Sie genießen.
•• Finden Sie heraus, was Ihnen Genuss bereitet.
•• Vermeiden Sie Reizüberflutung – aktivieren Sie einen Sinn nach dem
anderen.
•• Trainieren Sie Ihre Genussfähigkeit.
•• Integrieren Sie das Genießen in Ihren Alltag.
73. Frage: Was ist Biofeedback?
Biofeedback ist eine alternative Möglichkeit zur Behandlung von Schmer-
zen im multimodalen Setting, ebenso in Praxen von Schmerztherapeuten
oder Neuropsychologen. Durch den Einsatz von Computern werden dem
Patienten eigene Körpersignale zurückgemeldet, sodass er lernt, seine Kör-
perfunktion zu beeinflussen.
Hintergrund ist, dass Schmerzen die Prozesse im Körper negativ beein-
flussen. Hiermit verbunden sind Muskelverspannungen, die den »Lebens-
fluss« blockieren und normale Abläufe behindern. Am Beispiel der
»Schonhaltung« ist dies erklärbar. Durch die Anwendung mit technischen
Hilfsmitteln können diese falschen Abläufe durch Ton oder Bild sichtbar
gemacht werden.
»Ziel der Biofeedback-Behandlung ist die gezielte Wahrnehmung und
Beeinflussung körperlicher Prozesse, die bei der Aufrechterhaltung von
psychischen, psychosomatischen und körperlichen Krankheiten von
Bedeutung sind. Dies sei am Beispiel des Blutdrucks verdeutlicht. Kaum
ein Mensch wird in der Lage sein, die Höhe des Blutdrucks bewusst wahr-
zunehmen und einschätzen zu können. Andererseits ist für Personen mit
Bluthochdruck wichtig, dass sie ihren Blutdruck möglichst senken kön-
nen oder Blutdruckspitzen vermeiden können. Beim Biofeedback des Blut-
drucks wird der Blutdruck gemessen und die Höhe kontinuierlich auf dem
Bildschirm dargestellt, sodass die betreffende Person erkennen kann, ob
der Blutdruck sich gerade im Ansteigen oder Abfallen befindet. Dadurch
kann gezielt gelernt werden, z. B. durch Entspannungstechniken, den Blut-
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Was hat die Psyche mit Schmerzen zu tun? 79
druck zu senken. Die Person mit Hypotonie hat eine direkte Rückmeldung,
ob und welche psychologische Strategie am erfolgreichsten ist, den eigenen
Blutdruck zu senken.«34
Ein Beispiel:
Stellen Sie sich, Sie beißen auf eine Zitrone. Was passiert?
Sie haben das Gefühl, dass sich alles zusammenzieht, oder? Die Reaktion
auf das gedankliche Bild ist teilweise bewusst, da Erfahrungen vorhanden
sind, und teilweise unbewusst. Die Verbindung zwischen dem bewussten
Denken und dem autonomen Nervensystem ist vorhanden.
Wenn Sie jetzt mit einem Biofeedback-Gerät verbunden wären, würde
man mit Hilfe von Sensoren sehen, wie Ihr Körper reagiert.
Sie bekommen die sichtbare Rückmeldung des Computers auf Ihre kör-
perliche Reaktion. Somit können Sie lernen auf Reaktionen des Körpers
bewusst Einfluss zu nehmen. Behandler und Patient können mit verschie-
denen Übungen sehen, welche den Schmerz z. B. reduzieren.
Angewandt wird Biofeedback z. B. bei ADHS, Tinnitus, Kopfschmerz,
Migräne oder/und Spannungskopfschmerz, Bruxismus (Zähneknirschen)
etc.35
74. Frage: Was hat die Psyche mit Schmerzen zu tun?
Schmerz ist immer als körperlich-seelisches Geschehen zu betrachten. Oft
werden Patienten jedoch einseitig behandelt und die biopsychosozialen
Aspekte vergessen. Dies hat manchmal zur Folge, dass Menschen in die
Medikamentenabhängigkeit gebracht werden, obwohl es andere Wege gibt.
Akute Schmerzen haben meist eine organische Ursache. Jedoch ist auch
hier die psychische Komponente nicht zu unterschätzen, da auch bei diesem
Geschehen meist Angst eine Rolle spielt und ihre Verarbeitung immer indi-
viduell stattfindet. Chronische Schmerzen sollten immer als multidimensi-
onales Geschehen gesehen werden.
34 http://www.dgbfb.de/index.php/de/bioundneurofeedback/57-grundlagen
35 Einige Studien und wissenschaftliche Literaturhinweise finden Sie unter: http://www.dgbfb.de/
index.php/de/bioundneurofeedback/60-wissenschaft auf der Website des DGBfb e. V. (Deutsche
Gesellschaft für Biofeedback e. V.)
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80 Schmerztherapie
75. Frage: Welchen Einfluss hat Angst auf Akutschmerz?
Angst und Schmerz sind Signalformen bei Gefahr. Dabei ist Schmerz die
entwicklungsgeschichtlich ältere, Angst die später einsetzende Reaktions-
form. Die emotionale Mitbeteiligung am akuten Schmerzerlebnis äußert
sich somit meistens im Angstaffekt.
Beispiel Zahnarztbesuch: Die Angst vor dem Bohrer setzt die Toleranz-
schwelle für Schmerz soweit herunter, dass der Patient bereits bei dem
Anblick zusammenzuckt und extrem sensibel für Schmerz wird.
Aus medizinischen Belastungssituationen ist bekannt, dass beim Zusam-
menspiel von Schmerz und Angst ein Angst-Verspannung-Schmerz-Zirkel
zustande kommt: Je ängstlicher ein Mensch ist, umso mehr kommt es zur
psychophysischen Aktivierung und die Muskelverspannung ist vorpro-
grammiert. Gewebehormone werden ausgeschüttet. Es entsteht eine Mus-
kelverkrampfung und dann der Schmerz. Der Schmerz bewirkt wiederum
die Angst, sodass der Zirkel erneut durchlaufen wird. Man spricht hier auch
von einem Teufelskreis der Schmerzentstehung.
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81
4 Kinder und Jugendliche
als Schmerzpatienten
76. Frage: Welche Bedeutung hat chronischer Schmerz
bei Kindern?
Prof. Dr. Boris Zernikow, Chefarzt für Schmerztherapie in der Kinderkli-
nik Datteln, sagt gegenüber Netdoktor, dass etwa eine Million Kinder in
Deutschland unter anhaltenden Schmerzen leiden und die Tendenz sei stei-
gend.36 Die Entwicklung dieser Kinder ist gefährdet, sie fehlen oft in der
Schule oder treffen ihre Freunde nicht mehr.
In Deutschland erkranken jährlich etwa 2 000 Kinder und Jugendliche an
einer malignen Erkrankung.37 Laut DGS leiden 200 000 Kinder in Deutsch-
land an starken wiederkehrenden Migräne-Attacken und fast jedes zweite
Grundschulkind hat Spannungskopfschmerzen.
77. Frage: Sind Schmerzen bei Kindern funktionell
zu beurteilen?
Nein. Kinder sind den Schmerzen zumeist schutzlos ausgeliefert. Sie spielen,
laufen und verletzen sich und sammeln dadurch Schmerzerfahrungen. Bei
manchen Kindern treten auch Schmerzen auf, die keine ersichtliche Ursa-
che haben. Hier muss man an emotionale Störungen denken, die oft mit
dem Elternhaus oder der engeren Umgebung der Kinder verbunden sind.
Auch bei Kindern sollte man immer ein ganzheitliches Konzept verfolgen,
da auch hier biopsychosoziale Komponenten eine Rolle spielen. Sicherlich
ist das altersbedingt zu unterscheiden.
In der pädiatrischen Schmerztherapie sind Pflegepersonen noch mehr in
das Geschehen eingebunden als bei Erwachsenen, da Frühchen, Säuglinge
oder auch Kleinkinder Schmerzen nicht adäquat äußern können.
36 Vgl. http://www.netdoktor.de/Magazin/Schmerzgeplagte-Kinder-2837.html
37 Lt. einer Studie 2009 des Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische
Palliativmedizin
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82 Kinder und Jugendliche als Schmerzpatienten
Hinweis
Pflegepersonen müssen das subjektive Sinnes- und Gefühlserleben des
Kindes besonders beachten. Daher ist Patientenbeobachtung eines der
obersten Gebote in diesem Tätigkeitsfeld.
78. Frage: Haben Früh- und Neugeborene auch Schmerzen?
Ja! Während man vor einigen Jahrzehnten noch glaubte, Frühgeborene
könnten kaum Schmerzen empfinden, geraten die Themen »Schmerzer-
kennung und ‑therapie« erfreulicherweise zunehmend in das Blickfeld
der Kinderkrankenpflege. Noch bis Ende der 1980er Jahre waren Wissen-
schaftler der Meinung, dass Frühgeborene kaum oder gar keine Schmerzen
empfinden. Man ging davon aus, dass erst nach der Myelinisierung (die bei
Frühgeborenen noch nicht abgeschlossen ist) das volle Schmerzempfinden
möglich ist. So wurden Thorakotomien oder Laparoskopien ohne Analgesie
durchgeführt.
1987 wurde durch zwei Studien nachgewiesen, dass sich unter operati-
ver Analgesie sowohl die messbaren Stressreaktionen bei Frühgeborenen
verringerten als auch das Outcome sich deutlich verbesserte. In den letzten
Jahren erschienen dann Bücher wie etwa von Boris Zernikow38 und Mar-
lou de Kuiper39, die sich explizit mit dem Thema »Schmerztherapie bei Kin-
dern« auseinandersetzen.
Heute weiß man, dass schon »harmlose« Schmerzreize das Schmerzsys-
tem bei Früh- und Neugeborenen lange Zeit negativ beeinflussen.
38 Zernikow, B. & Dobe, M. (2009). Rote Karte für den Schmerz. Wie Kinder und ihre Eltern aus dem
Teufelskreis chronischer Schmerzen ausbrechen. Karl Auer Systeme
39 Kuiper, M. de (1999). Schmerz und Schmerzmanagement bei Kindern. Ein Handbuch für die Kinder-
krankenpflege. München: Urban & Fischer
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22:04
Kann man Schmerzen bei Neugeborenen messen? 83
79. Frage: Kann man Schmerzen bei Neugeborenen
messen?
Ja. Mit dem Berner Schmerzscore für Neugeborene (BSN) verfügen wir über
ein Instrument, um schmerzfreie bzw. schmerzhafte Zustande bei Neuge-
borenen einschätzen zu können. Eine Beobachtung dauert zwischen zwei
und drei Minuten und sollte mehrmals täglich erfolgen. Der BSN gilt für
Früh- und Termingeborene bis zur 44. Gestationswoche.
Weitere Skalen sind z. B. die Neonatal Infant Paint Scale (NIPS) oder die
Kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS) sowie die Parents Post
Operative Pain Measure-Scale (PPM). Dies alles sind anerkannte Instru-
mente, die im deutschsprachigen Raum angewandt werden.
Natürlich ist hier ebenso wie bei Erwachsenen die Frage zwischen akuten
und chronischen Schmerzen unterscheiden.
84
22:04
Tabelle 11: Der BSN-Schmerzscore
Parameter 0 1 2 3 Zeit und Score
Schlaf Ruhiger Schlaf Oberflächlicher Erwacht spontan Kann nicht einschla-
oder Phase physio- Schlaf mit Augen- fen
logischer Wachheit blinzeln
Weinen Kein Weinen Kurze Weinphase Vermehrtes Weinen Vermehrtes und
(weniger als 2 Minu- (mehr als 2 Minuten) schrilles Weinen
ten) (mehr als 2 Minuten)
Beruhigung Keine Beruhigung Weniger als mehr als 1 Minute mehr als 2 Minuten
notwendig 1 Minute zur Beruhi- zur Beruhigung zur Beruhigung nötig
Kinder und Jugendliche als Schmerzpatienten
gung nötig nötig
Hautfarbe Rosig gerötet Leicht blass, Blass, marmoriert,
evtl. marmoriert zyanotisch
Gesichtsmimik Gesicht entspannt Vorübergehendes Vermehrtes Verknei- Dauerhaftes Verknei-
Verkneifen des fen des Gesichts und fen des Gesichts und
Gesichts Zittern des Kinns Zittern des Kinns
Körperausdruck Körper entspannt Vorwiegend ent- Häufige Verkramp- Permanente Ver-
spannt, kurze Ver- fung, aber auch krampfung
krampfung Entspannung mög-
lich
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22:04
Atmung Normal und ruhig Oberflächlich; Oberflächlich, Oberflächlich und
(Ausgangswert) Zunahme der Fre- Zunahme der Fre- unregelmässig, deutli-
quenz um 10 bis 14 quenz um 15 bis 19 che Zunahme der
innerhalb von 2‘ innerhalb von 2‘, Frequenz um gleich
und/oder thorakale vermehrt thorakale oder mehr als 20
Einziehungen Einziehungen innerhalb von 2‘ und/
oder starke thorakale
Einziehungen
Kein Schmerz: 0-8 Punkte/Schmerz: ≥ 9 Punkte Total subjektive Indikatoren →
Herzfrequenz Normal (Ausgangs- Zunahme von 20 Zunahme von 20 Zunahme von 30 bpm
wert) bpm oder mehr bpm bpm oder mehr bpm oder mehr bpm vom
vom Ausgangswert vom Ausgangswert Ausgangswert oder
innerhalb von 2 mit innerhalb von 2‘ vermehrte Bradykar-
Rückgang zum Aus- ohne Rückgang zum dien innerhalb von 2‘
gangswert innerhalb Ausgangswert inner-
von 2‘ halb von 2‘
O₂-Sättigung Senkung von 0 % Senkung von 2 % bis Senkung von 3 % bis Senkung von 5 % und
bis 1,9 % 2,9 % 4,9 % mehr
Kein Schmerz: 0–10 Punkte/Schmerz: ≥11 Punkte Total Gesamtskala →
Kann man Schmerzen bei Neugeborenen messen?
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86 Kinder und Jugendliche als Schmerzpatienten
80. Frage: Welche nichtmedikamentösen Schmerz
therapien gibt es für Frühgeborene?
Saccharose
Einige Minuten vor Interventionen durchführen; 2 ml in 1-, 5- oder 7-pro-
zentiger Konzentration: führt zur Ausschüttung von Endorphinen
Nicht-nutritives Saugen
Vorzugsweise mit Glukose bzw. Saccharosegabe zu kombinieren; reduziert
Weinen, Motorik und Herzfrequenzanstieg
Froschhaltung
Reduziert das Weinen, die Eltern können in die Schmerzlinderung und
Therapie mit einbezogen werden
Einwickeln
Eine alte Methode, auch aus dem Orient bekannt; reduziert das Weinen und
die Herzfrequenz
Känguru-Pflege
Reduziert die Motorik und baut Stress ab; gibt Eltern das Gefühl, aktiv mit-
zuwirken und reduziert ihre Ängstlichkeit
Musik
Die Herzfrequenz passt sich dem Takt an, die Sauerstoffsättigung erhöht
sich, Unruhe wird reduziert. Zu bedenken ist jedoch, dass diese Therapie
nicht zu häufig angewandt werden sollte. Um eine Überstimulation zu ver-
meiden, sollte die Intervention auch nicht mehr als zehn Minuten dauern,
wobei die Lautstärke nicht mehr als 40 bis 45 Dezibel haben darf. Die Laut-
sprecher sollten mindestens 30 cm vom Kind entfernt sein.
81. Frage: Was ist bei Kindern und Jugendlichen
in der Onkologie zu beachten?
In der Onkologie kommt es besonders darauf an, die Schmerzanamnese
und die Schmerzmessung individuell anzupassen. Jedes Kind auf einer
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Welche Ansatzpunkte gibt es in der Schmerzmessung bei Kindern? 87
onkologischen Station sollte wenigstens einmal nach Schmerzen befragt
werden.
Die Schmerzerfassung muss ebenso wie bei Erwachsenen nach einem
Algorithmus und in einem Standard verankert sein. Ebenso müssen Begleit-
erscheinungen und Vitalzeichen erfragt, erfasst und dokumentiert werden.
82. Frage: Welchen Schmerzursachen können bei Kindern
vorkommen, die onkologisch vorerkrankt sind?
In der Onkologie gibt es eine Vielzahl von Grunderkrankungen, die mit
therapeutischen Eingriffen verbunden oft zu extremen Schmerzen führen
können, wie Knochenmarkpunktionen, Lumbalpunktionen oder Schmer-
zen bei oder nach zytostatischen Therapien; Phantomschmerzen nach
Amputationen, neuropathische Schmerzen bei Infiltration eines Tumors
ins Nervengewebe, aber auch als Nebenwirkung von verschiedenen Medi-
kamenten; Leberkapselschmerzen, Schmerzen nach Knochenmarktrans-
plantationen, aber auch andere Schmerzursachen, je nach Lokalisation eines
Tumors.
83. Frage: Welche Ansatzpunkte gibt es in der Schmerz-
messung bei Kindern?
2009 entwickelten Sandra Schroeder und ihre Kollegen den Deutschen
Schmerzfragebogen für Kinder, Jugendliche und deren Eltern (DSF-KJ). Es
ist ein multimodaler Fragebogen zur Diagnostik und Therapie chronischer
Schmerzen im Kindes- und Jugendalter.
Standard jeder Schmerzmessung in der pädiatrischen Onkologie ist die
Selbsteinschätzung des Kindes bzw. des Jugendlichen. Dem Alter entspre-
chend wurden hierfür verschiedene Instrumente wie die visuelle Analog-
skala für Schulkinder oder etwa die numerische Analogskala für Kinder
ab dem 12. Lebensjahr entwickelt. Schroeder et al. wiesen nach, dass schon
Kinder ab dem 3. Lebensjahr anhand der Gesichterskala Angaben über die
Stärke ihrer Schmerzen machen können.
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88 Kinder und Jugendliche als Schmerzpatienten
0 2 4 6 8 10
kein etwas etwas mehr viel mehr sehr viel schlimmster
Schmerz Schmerz Schmerz Schmerz mehr Schmerz
Schmerz
Abb. 5: Die Schmerzgesichterskala.
84. Frage: Wie sieht die medikamentöse Schmerztherapie
bei Kindern aus?
Die Prinzipien der medikamentösen Schmerztherapie sollten ebenso wie bei
Erwachsenen dem WHO-Stufenschema angegliedert sein.
Tabelle 12: WHO-Stufenschema bei Kindern und Jugendlichen
Stufe 1 Schwache Nichtopioidanalgetika Schmerz bleibt bestehen
Schmerzen +/– Adjuvantien oder nimmt zu
Stufe 2 Mittelstarke Schwach wirksame Opio- Schmerz bleibt bestehen
Schmerzen ide +/– Nichtopioide oder nimmt zu
+/– Adjuvantient
Stufe 3 Starke bis sehr Starke Opioide Medikamente können
starke Schmerzen +/– Nichtopioidanalgetika gesteigert werden bis
+/– Adjuvtient zur Schmerzfreiheit
(keine Maximaldosen für
starke Opioide)
Bei Kindern und Jugendlichen ist grundsätzlich die Empfehlung der WHO-
Stufenleiter einzuhalten:
• By the ladder: Auswahl und Kombination der Medikamente erfolgen lt.
WHO-Stufenplan
• By the clock: Die Therapie erfolgt nach einem festen zeitlichen Schema,
entsprechend der Pharmakokinetik der verwendeten Medikamente; zur
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Welche Applikationsformen gibt es bei Kindern und Jugendlichen? 89
Behandlung von Durchbruchschmerzen wird stets eine Bedarfsmedika-
tion verordnet
• By the mouth (or most appropriate route): Die Applikation erfolgt nach
Möglichkeit nicht invasiv, sondern oral oder transdermal mit Pflaster-
therapie
• By the patient: Die Therapie wird entsprechend den Schmerzangaben
individuell angepasst
85. Frage: Welche Applikationsformen gibt es bei Kindern
und Jugendlichen?
Oral
Zu bedenken ist jedoch, dass Übelkeit und Erbrechen sowie Schluckstörun-
gen oder Entzündungen im Mund- und Rachenraum, aber auch Abneigun-
gen gegen Medikamente diese Applikationsform unmöglich machen.
Subcutan
Gerade im palliativen häuslichen Bereich ist dies eine bevorzugte Form der
Medikamentengabe. Auch Flüssigkeiten bis zu 1 Liter/Tag kann über diesen
Weg zugeführt werden.
Rektal
Diese Form der Medikamentengabe wird von kleineren Kindern meistens
akzeptiert, größere Kinder und Jugendliche lehnen sie eher ab. Daher ist die
Akzeptanz immer zu beachten.
Sublingual
Hier werden Medikamente über die Mundschleimhaut aufgenommen und
wirken in relativ kurzer Zeit.
PCA
Die Patientenkontrollierte Analgesie wird normalerweise über den venösen
Weg zugeführt. Das Kind kann selbst Boli geben, wenn die Schmerzen wie-
derkommen.
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90 Kinder und Jugendliche als Schmerzpatienten
86. Frage: Welche nichtmedikamentösen Möglichkeiten
gibt es bei Kindern und Jugendlichen?
Bei Kindern und Jugendlichen kann man mit Wärme, manchmal auch mit
Kälte (seltener) arbeiten, sinnvoll ist auch eine behutsame und haltgebende
Lagerung, vorsichtige krankengymnastische Übungen oder Massagen.
Sehr gute Erfolge wurden bei Kindern und Jugendlichen auch schon mit
Hypnose, Relaxionstechniken, Visualisierung oder Imagination erzielt.
Da Kinder und Jugendliche sehr gut auf Musik ansprechen, ist auch
Musik- oder Kunsttherapie eine Option, um die medikamentöse Schmerz-
therapie zu unterstützen bzw. zu reduzieren.
87. Frage: Muss ein Kind zur Schmerztherapie in die Klinik?
Da es heutige viele Möglichkeiten gibt, ein schwerstkrankes Kind schmerz-
therapeutisch zu versorgen, sollte gemeinsam mit den Eltern überlegt wer-
den, welcher Platz dafür gewählt wird.
Wir haben in Deutschland die Möglichkeit der kinderonkologischen Sta-
tionen. In einigen Kliniken gibt es auch Kinderpalliativstationen. In vielen
Kliniken werden auch die Eltern während der Therapie untergebracht. Ein
weiterer Vorteil des Klinikaufenthaltes ist es, dass die Kliniken über Fach-
personal verfügen, das gerade bei der Medikamenteneinnahme unterstüt-
zend agieren kann. Oft sind in Kliniken auch Klinikclowns vor Ort oder die
Ablenkung durch Musik- oder Kunsttherapie wirkt unterstützend auf die
gesamte Therapie.
In manchen Fällen kann die schmerztherapeutische Versorgung auch
in einem Hospiz sinnvoll sein. Gerade wenn Kinder im präfinalen Sta-
dium sind und Angehörige in ein tiefes Loch der Trauer oder Depression
fallen, sind die Begleitung der Hospiz- und Palliativpflegekräfte ein großes
Geschenk.
Natürlich steht es außer Frage, dass ein Kind zu Hause fast immer am
besten aufgehoben ist. Es gibt in vielen Bundesländern inzwischen die
SAPV (Spezielle Ambulante Palliativversorgung). Hier kommen Teams zu
den Patienten und versorgen sie ambulant. Das heißt, dass alle Interventi-
onen, die sonst im Krankenhaus stattfinden, im häuslichen Bereich abge-
deckt und von den Kassen auch übernommen werden.
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Was tun, wenn Kinder Migräne haben? 91
88. Frage: Was tun, wenn Kinder Migräne haben?
Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen haben in den letzten Jahren
extrem zugenommen. In dieser Zeit des Leistungsdrucks, dem die Kinder
schon sehr früh ausgesetzt sind, kommt es nicht selten vor, dass Kinder
schon im Grundschulalter oder früher mit Kopfschmerzen konfrontiert
sind. Natürlich sind auch unregelmäßige Essenseinnahmen oder zu wenig
Schlaf wesentliche Punkte, die diese Situation verstärken können. Zu große
Hitze, schwüle Luft, körperlicher oder seelischer Stress, Versagensängste
bzw. Ängste oder Nahrungsmittel können Migräneanfälle auslösen.
Kinder weisen die gleichen Anzeichen von Migräne auf wie Erwachsene:
Übelkeit, Erbrechen, Blässe, Schmerzen im ganzen Kopf, Antriebsschwäche
oder Teilnahmslosigkeit.
Die Therapien reichen von Entspannungstraining, Akupunktur, Aku-
pressur bis zu Biofeedback und TENS, natürlich in Verbindung von Medi-
kamenten, wenn der Schmerz nicht in den Griff zu bekommen ist.
Hinweis
Informationen zu diesem Thema gibt es z. B. unter www.delfin-kids.de.
Auf dieser Seite hat Dr. Raymund Pothmann, der sich auf die Schmerzthe-
rapie bei Kindern spezialisiert hat, viele Informationen zusammengestellt.
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92
5 Schmerz und Demenz
89. Frage: Haben Menschen mit Demenz Schmerzen?
Die subjektive Schmerzschwelle ist bei Demenzkranken und Nicht-Demenz-
kranken gleich, die Schmerztoleranz ist bei Demenzkranken jedoch erhöht.
Ebenso die vegetative Schmerzschwelle.
Vegetative Zeichen von Schmerzen sind z. B. Tachykardie, flache At
mung, Blässe, Schweißausbruch, gesteigerter Muskeltonus. Mit zunehmen-
der geistiger Beeinträchtigung verstärken sich die mimischen Reaktionen
auf Schmerzreize, sodass wir davon ausgehen können, dass Menschen mit
Demenz ebenso Schmerzen empfinden wie Nichterkrankte.
90. Frage: Wie äußern an Demenz erkrankte Menschen
Schmerzen?
Da Demenzkranke zunehmend weniger in der Lage sind, ihre Schmerzemp-
findungen verbal zu äußern und zu beschreiben, muss man hier auf andere
Äußerungen achten. Demenzkranke verlieren irgendwann auch das Wissen
darüber, was Schmerz ist.
Beispiel
Eine demenziell erkrankte 94-jährige Patientin war aus dem Bett gefallen.
Sie hatte sich jedoch laut der zuständigen Pflegeperson nichts getan.
Nach 14 Tagen beobachtete die Leitung des Heimes, dass die Patientin ein
wenig hinkte. Als man sie darauf ansprach, sagte die alte Dame, dass alles
in Ordnung sei und sie keine Schmerzen habe. Dennoch entschied sich die
Kollegin nach Absprache mit dem Arzt, die Patientin röntgen zu lassen.
Dabei wurde festgestellt, dass sich die Patientin bei dem Sturz einen
Oberschenkelhalsbruch zugezogen hatte. Dennoch lief die Patientin wie
vorher auch täglich den Flur auf und ab. Sie hatte einfach vergessen, dass
es schmerzt oder wie Schmerz sich anfühlt.
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Wie misst man Schmerzen bei Menschen die demenziell erkrankt sind? 93
Menschen mit Demenz haben Schwierigkeiten, Empfindungen am und
im Körper richtig zuzuordnen. Ihre Schmerzäußerung sieht oftmals ganz
anders aus als bei erkrankten Patienten. Auf die sprachliche Äußerung und
Lautäußerung muss gerade bei dieser Patientengruppe gut geachtet werden.
Murren, Jammern oder Stöhnen, aber auch Aufschreien oder Brüllen kön-
nen Äußerungen von Schmerzen sein. Das Beispiel zeigt aber auch, dass
jede Veränderung des Gangbildes durchaus tiefgreifende Ursachen haben
kann. Eine gute Beobachtung der Bewohner bzw. Patienten ist also sehr
wichtig.
91. Frage: Wie sehen nichtsprachliche Äußerungen
bei demenzerkrankten Menschen aus?
• Besorgter oder ängstlicher Gesichtsausdruck
• Starrer oder gespannter Blick
• Stirnrunzeln, Grimassieren
• Zuckungen und muskuläre Anspannung
• Angespannte Körperhaltung, z. B. angezogene Knie (nicht durch Kon-
trakturen), geballte Fäuste
• Schonhaltung, Zurückziehen, Festhalten, Abwehr bei Pflegetätigkeiten
• Reiben und Nesteln
• Wiegen und Schaukeln
• Unruhe, Aggression
• Keine Reaktion auf Trost oder Zuwendung
• Schlafstörungen
• Appetitlosigkeit oder Verweigern von Essen oder Kauen (Hinweis auf
Schmerzen im Mund oder Zahnschmerzen)
92. Frage: Wie misst man Schmerzen bei Menschen
die demenziell erkrankt sind?
Es gibt inzwischen eine Anzahl von speziellen Erfassungsinstrumenten, mit
denen sich die Schmerzen bei Menschen mit Demenz erfassen lassen. Ein
Beispiel ist die Echelle comportementale de la douleur pour personnes agées
non communicates (ECPA). Auf deutsch etwa: »Schmerzschema zur Erfas-
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94 Schmerz und Demenz
sung von Schmerzen bei alten Menschen mit stark eingeschränkter Kom-
munikation«
Die ECPA beruht auf der Beobachtung des Verhaltens in drei verschiede-
nen Dimensionen durch Angehörige oder das Pflegepersonal.
• Dimension 1: außerhalb der Pflege: verbale Äußerungen, Gesichtsaus-
druck und Ruhehaltung
• Dimension 2: während der Pflege: ängstliche Abwehrreaktion, Verhalten
bei Mobilisation, Reaktionen bei der Pflege schmerzhafter Zonen, ver-
bale Äußerungen während der Pflege
• Dimension 3: Veränderung der gewohnten Aktivität des Patienten, Appe-
tit, Schlaf, Bewegungsablauf und Kommunikation bzw. Kontaktfähigkeit
Gesamtscore von 0 (kein Schmerz) bis 44 (stärkster Schmerz)
Zeitaufwand ca. 2 bis 3 Minuten
Dolo-Plus-Schmerzskala
Auch diese Skala basiert darauf, dass Pflegepersonen den Patienten beob-
achten und sein Verhalten einschätzen.
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Wie misst man Schmerzen bei Menschen die demenziell erkrankt sind? 95
Verbaler Schmerzausdruck Waschen/Kleiden
Q keine Äußerung [0] Q gewohnte Fähigkeiten [0]
Q Äußerung nur bei Patientenkontakt [1] Q wenig eingeschränkt [1]
Q gelegentliche spontane Äußerungen [2] Q stark eingeschränkt [2]
Q dauernde spontane Schmerzäußerungen [3] Q unmöglich, Patient wehrt sich
Schonhaltung in Ruhe Bewegung/Mobilität
Q keine Schonhaltung [0] Q gewohnte Fähigkeiten [0]
Q vermeidet gelegentlich gewisse Haltungen [1] Q aktiv wenig vermindert [1]
Q gelegentliche spontane Äußerungen [2] Q aktiv und passiv eingeschränkt [2]
Q dauernde spontane Schmerzäußerungen [3] Q Bewegung unmöglich, Patient wehrt sich [3]
Schutz von schmerzhaften Körperzonen Kommunikation
Q kein Schutz [0] Q unverändert [0]
Q keine Hinderung von Pflege und Q intensiviert (Aufmerksamkeit erregend) [1]
Untersuchung[1] Q vermindert (Patient zieht sich zurück) [2]
Q Hinderung jeglicher Handlungen [2] Q Fehlen oder Abweisen jeglicher
Q Schutz auch in Ruhe, ohne direkten Kommunikation[3]
Kontakt[3] soziale Aktivitäten
Mimik Q Teilnahme an gewohnten Aktivitäten [0]
Q übliche Mimik [0] Q gewohnte Aktivitäten nur auf Anregung
Q Schmerz ausrückende Mimik bei Kontakt [1] oder Drängen [1]
Q Schmerz ausdrückende Mimik ohne Q teilweise Ablehnung gewohnter
Kontakt[2] Aktivitäten[2]
Q dauernde, ungewohnte, ausdruckslose Q Ablehnung jeglicher sozialer Aktivitäten [3]
Mimik[3] Verhaltensstörungen
Schlaf Q gewohntes Verhalten [0]
Q gewohnter Schlaf [0] Q wiederholte Verhaltensstörung
Q Einschlafschwierigkeiten [1] bei Kontakt [1]
Q häufiges Erwachen (motorische Unruhe) [2] Q dauernde Verhaltensstörung bei Kontakt [2]
Q Schlaflosigkeit mit Auswirkung auf Q dauernde Verhaltensstörung ohne äußeren
Wachzustand[3] Anlass[3]
Abb. 6: Doloplus-Schmerzskala.
Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD)
Der Patient wird zwei Minuten lang daraufhin beobachtet, ob sich die
beschriebenen Verhaltensweisen zeigen. Im Beobachtungsbogen werden
die zutreffenden Verhaltensweisen mit Ja oder Nein angekreuzt. Die Beob-
achtung bezieht sich auf 5 Kategorien, für jede Kategorie sind maximal
2 Punkte zu vergeben. Für die Auswertung addiert man die rechte Spalte
zusammen, wobei ein maximaler Gesamtwert von 10 für Schmerzver-
halten möglich ist. Ein Wert von 6 oder darüber wird normalerweise als
behandlungsbedürftig angesehen. Eine Möglichkeit sich die gesamte BESD
Schmerzmessung anzusehen besteht auch auf der Website der Deutschen
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96 Schmerz und Demenz
Schmerzgesellschaft e. V. www.dgss.org, hier wurde speziell für dieses
Assessmentinstrument ein Film erstellt.
Tabelle 13: Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD)
0 1 2 Score
Atmung Normal Gelegentlich ange- Lautstark ange-
(unabhängig strengt atmen, strengt atmen, lange
von Lautäuße- Kurze Phasen von Phase der Hyperven-
rung) Hyperventilation tilation, Cheyne-
Stoke Atmung
Negative Laut- keine Gelegentlich stöh- Wiederholt beunru-
äußerung nen oder ächzen, higt rufen, laut stöh-
sich leise negativ nen oder ächzen,
oder missbilligend weinen
äußern
Gesichtsaus- Lächelnd Traurig grimassieren
druck Nichts sagend Ängstlich
Sorgenvoller Blick
Körpersprache entspannt Angespannt Starr,
Nervös hin und her Geballte Fäuste,
gehen Angezogene Knie,
nesteln Sich entziehen oder
wegstoßen schlagen
Trost Trösten nicht Ablenken oder Trösten, ablenken,
notwendig Beruhigen durch beruhigen nicht
Stimme oder möglich
Berührung möglich
Total
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97
6 Der ältere Mensch als Schmerzpatient
93. Frage: Sind Schmerzen im Alter ein häufiges
Phänomen?
Ja. Experten gehen davon aus, dass 80 % der Über-75-Jährigen unter
Schmerzen leiden, bedingt durch Arthrose und andere Erkrankungen.40
Alte Menschen verschweigen allerdings oft ihre Schmerzen, da sie Angst
haben, es könnte bei weiterem Nachfragen vielleicht noch etwas Schlimmes
dabei herauskommen. Daher gilt bei vielen alten Menschen die Devise »Lei-
den ohne zu klagen«. Manche denken auch, zum Älterwerden gehören ein-
fach Schmerzen. Oder Patienten denken wenn sie wegen starker chronischer
Schmerzen starke Medikamente wie Opioide nehmen müssen, dass der Weg
zum Friedhof schon geebnet ist. Dieser Mythos hält sich leider noch in vie-
len Köpfen der Menschen.
94. Frage: Welche Besonderheiten gibt es bei der medika-
mentösen Therapie bei älteren Menschen?
Zu beachten ist bei älteren Menschen, dass sie auf Grund ihres Alters und
oftmals mehrerer Erkrankungen (Multimorbidität) in der Regel zahlreiche
unterschiedliche Medikamente einnehmen müssen. Manche nehmen bis zu
20 Medikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffen ein. Leider ist wenig
darüber bekannt, wie sich die einzelnen Medikamente zueinander verhal-
ten. Es kann gut sein, dass sich einzelne Substanzen wechselseitig beeinflus-
sen oder in ihrer Wirkung aufheben.
Mit dem Alter steigt auch die Empfindlichkeit gegenüber Nebenwirkun-
gen, sodass einige Medikamente erst gar nicht gegeben werden sollten.
Die häufigsten Nebenwirkungen der medikamentösen Schmerzmittel-
gabe bei älteren Menschen sind Mundtrockenheit, Störungen des Schla-
fes, Müdigkeit, Obstipation oder Schwindel. Bei einigen kommt es auch zu
Appetitlosigkeit, Kopfschmerz oder Übelkeit.
40 Vgl. Hardt, R. (2006). Rezidivierende Schmerzen. In: Zukunftsforum Demenz. Tabuthemen bei
dementen Patienten, S. 35
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98 Der ältere Mensch als Schmerzpatient
Oft ist das Schmerzerleben mit Niedergeschlagenheit und Traurigkeit
verbunden. Psychotherapeutische Gespräche oder einfach nur Gespräche
können helfen, den Patienten aus dem Tief heraus zu helfen. Nicht immer
müssen es Medikamente sein, um einen Schmerz zu lindern oder gar abzu-
stellen.
Beispiel
Eine Patientin litt unter extremen Rückenschmerzen, obwohl sie organisch
vollkommen gesund war. Nach dem Aufnahmegespräch in der Schmerz-
ambulanz wurde sie dem Psychotherapeuten vorgestellt. Hier stellte sich
heraus, dass ihr Mann vor fünf Jahren verstorben war. Nur ein Jahr später
verunglückte ihr Sohn tödlich. Seither klagte sie immer mehr über Rücken-
schmerzen, die kaum auszuhalten seien. Nach einigen Gesprächsstunden
und einer multimodalen Schmerztherapie in einer Klinik konnte die Frau –
schmerzfrei – entlassen werden.
95. Frage: Welchen Grundsatz gilt bei der medikamentösen
Schmerztherapie bei alten Menschen?
Im Alter gilt das Prinzip »start low, go slow«, also mit einer niedrigen Dosis
beginnen und bei Bedarf nur langsam steigern. Wichtig ist die regelmäßige
Einnahmen der Medikamente und nach Möglichkeit oral (also das Schlu-
cken von Medikamenten) vor transdermal (z. B. Pflaster) obwohl diese
Medikamentengabe bei Pflegenden sehr beliebt ist. Zum Einsatz sollte diese
Art der Medikamentengabe jedoch nur kommen wenn der Patient nicht
mehr oder nur unregelmäßig schlucken kann. Da ältere Menschen stärker,
häufiger und individuell sehr unterschiedlich unter Nebenwirkungen lei-
den, sollten die Medikamente eben auch langsam gesteigert werden.
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Wie sieht es mit Nichtopioiden bei alten Menschen aus? 99
96. Frage: Wie sieht es mit Nichtopioiden
bei alten Menschen aus?
Vielen alten Menschen fällt es schwer, Tabletten zu schlucken. Hier ist es
sinnvoll, auf Tropfen oder Säfte umzusteigen. Natürlich ist das Mörsern
von Medikamenten auch eine Idee, ist jedoch nicht bei allen Medikamenten
möglich.
Zu bedenken ist auch, dass die Gefahr gastrointestinaler Blutung im
Alter wesentlich höher ist. Daher sind Medikamente wie NSAR, Diclofenac,
Ibuprofen und Acetysalizylsäure eigentlich kontraindiziert. Zudem können
diese Medikamente auch Nierenschädigungen auslösen. Bei entsprechender
Vorerkrankung besteht das Risiko von kardiovaskulären Zwischenfällen,
die Wirksamkeit von Medikamenten gegen hohen Blutdruck und gegen
hohen Blutzucker wird herabgesetzt.
Metamizol wird gern und oft von Hausärzten verschrieben. Es hat ein
recht gutes Wirkungs- und Nebenwirkungsverhältnis. Aber einige Pa-
tienten klagen über den seltsamen Geschmack der Novaminsulfontropfen
(Novalgin). Auch sollte man daran denken, dass Metamizol einen gewissen
blutdrucksenkenden Effekt hat.
Paracetamol ist bei leichten bis starken Schmerzen das Mittel der Wahl.
Viele Patienten nehmen es gerade bei Arthroseschmerzen, obwohl es eine
scheinbar geringere analgetische Wirkung hat als andere Medikamente die-
ser Gruppe. Zu bedenken ist aber, dass bei dauernder Einnahme in hohen
Dosen Leberschädigungen auftreten können.
Flupiritin bzw. Katadolon ist eine Alternative bei Rückenschmerzen.
Einige Patienten berichten, dass Schwindel, Konzentrationsschwäche und
Müdigkeit, gerade in der Anfangszeit der Einnahme, vorkommen.
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100
7 Schmerz bei Palliativpatienten
In Deutschland leben laut einer Studie der Deutschen Schmerzgesellschaft
ca. 23 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen. Ein großer Teil
dieser Patienten ist in einer palliativen Situation und lt. des DIMDI (Deut-
sches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) in unter-
versorgten Schmerzsituationen. Aus diesem Grund werden hier einige
Fragen bezüglich Schmerz und Palliativpatienten beleuchtet. Schmerz bei
Palliativpatienten ist natürlich nur eines von vielen Symptomen dass diese
Patientengruppe begleitet, dennoch sollte dieses Symptom als ganzheit-
liches Geschehen angesehen und ernst genommen werden. Der Schmerz
wird vom Patienten oft als Bedrohung und weitere Ausbreitung der Krank-
heit verbunden.
97. Frage: Kann man am Ende noch was tun und
welche Bedeutung hat ein Hospiz?
»Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben«, sagte
Cicely Saunders, die Gründerin des ersten Hospizes. Dieses Zitat beschreibt
deutlich, was das Ziel der Palliativversorgung sein sollte: Der Erhalt der
Lebensqualität trotz sehr schwerer Erkrankung, die Achtung vor der Würde
des Menschen in der umfassenden generalisierten bzw. ganzheitlichen Ver-
sorgung und Betreuung von Patienten und ihren Familien. Diese Grund-
einstellung hat den »Hospizgedanken« seit Saunders geprägt.
»Hospize bejahen das Leben. Sie machen es sich zur Aufgabe, Menschen
in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit zu unterstützen und zu
pflegen, damit sie in dieser Zeit so bewusst und zufrieden wie möglich leben
können. - Hospize wollen den Tod weder beschleunigen noch hinauszö-
gern. Sie leben aus der Hoffnung und Überzeugung, dass sich Patienten und
ihre Familien soweit geistig und spirituell auf den Tod vorbereiten können,
dass sie bereit sind ihn anzunehmen. Voraussetzung hierfür ist dass eine
angemessene Pflege gewährleistet ist und es gelingt, eine Gemeinschaft von
Menschen zu bilden, die sich ihrer Bedürfnisse verständnisvoll annimmt.«41
41 http://hospize.eu/[Zugriff am 4. Juni 2016]
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Kann man am Ende noch was tun und welche Bedeutung hat ein Hospiz? 101
Auf seiner Website nennt Prof. Dr. Christoph Student auch fünf Kennzei-
chen, die das Hospizkonzept wieder spiegeln soll.
1. Der sterbende Mensch und seine Angehörigen stehen im Zentrum des
Dienstes.
2. Der Gruppe der Betroffenen steht ein interdisziplinäres Team zur Verfü-
gung.
3. Die Einbeziehung freiwilliger Helfer.
4. Die Kontinuität der Fürsorge für die betroffene Gruppe.
5. Gute Kenntnisse in der Symptomkontrolle.
Die größte Angst von Patienten in palliativen Situationen ist es, unter
Schmerzen leiden zu müssen. Die Schmerztherapie hat in Hospizen jedoch
seit vielen Jahren Bemerkenswertes geleistet. Lt. Dr. Student empfinden
rund 80 % aller krebskranken Menschen in der allerletzten Lebensphase
mehr oder minder stark ausgeprägte Schmerzen. 95 % aller Fälle können
mit der modernen Schmerztherapie erfolgreich behandelt werden. Das gän-
gigste Medikament hierbei ist das über den Mund gegebene Morphin.
Nicht vergessen werden darf jedoch, dass in dieser Lebenssituation
Schmerz immer mehrdimensional gesehen werden muss: körperlich, see-
lisch, sozial und spirituell sowie in der heutigen Zeit auch kulturell. Auf
diese Bereiche muss in der Hospizversorgung eingegangen werden.
Faktoren, die die Schmerzsituation beeinflussen, sollten beseitigt; geeig-
nete Analgetika als Bedarfsmedikament verabreicht und eventuell nichtme-
dikamentöse schmerzlindernde Maßnahmen ergriffen werden.
Man kann auch am Lebensende noch viel tun!
Die häufigsten Symptome in Palliativsituationen sind Schmerzen, Atem-
not, Übelkeit, Erbrechen, Furcht, Angst und Delir. Die Komplementärthe-
rapie kann hier Leiden lindern.
Einige Beispiele:
1. Aromapflege/Aromaöle werden aus allen Teilen der Pflanzen gewonnen
und können unterschiedlich angewandt werden, z. B. bei Massagen, Ein-
reibungen oder als Duftöle.
2. Therapeutic Touch: Hier werden durch »Handauflegen« (ohne Berüh-
rung) Selbstheilungskräfte aktiviert, bzw. die Aura oder das Energiefeld
des Patienten harmonisiert.
3. Entspannung, gelenkte Imagination: Visualisierung und gelenkte Ima-
gination konzentrieren sich auf die Anwendung innerer Bilder, um den
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22:04
102 Schmerz bei Palliativpatienten
Geist zu beruhigen und zu entspannen. Zusammen mit Entspannungs-
techniken zur Kontrolle der Atmung und Entspannung des Körpers
können Patienten von einer Reduzierung der Symptome wie Schmerzen,
Übelkeit und Erbrechen profitieren.
4. Akupressur: Hier werden, ähnlich wie bei der Akupunktur, bestimmte
Punkte mit den Fingerkuppen bzw. dem Daumen gedrückt, um die Ener-
gie wieder zum Fließen zu bringen.
5. »Hausmittel«: Der Patient wird gefragt: Welche Kräuter und Tees haben
Ihnen geholfen? Was hat Ihnen gut getan?
6. Wärme wird oft bei nichtentzündlichen Erkrankungen und Schmerzen
angewandt.
7. Kälte: Anwendung bei akuten Schmerzen in Folge von Blutungen, Schwel-
lungen oder Entzündungen. Hier geht es beim Einsatz jedoch nicht um
»viel hilft viel«, sondern um »oft hilft viel«.
Bei alldem ist es wichtig, die Patienten im Setting interprofessionell zu ver-
sorgen und ihre Lebensqualität zu erhalten bzw. wiederherzustellen. In der
heutigen Zeit geht es nicht mehr um Schulmedizin oder alternative Mög-
lichkeiten, sondern vielmehr darum, das eine mit dem anderen zu kombi-
nieren und den Patienten in dieser schweren Zeit Leiden zu erleichtern.
98. Frage: »Mixed Pain« – welche Bedeutung hat
dieser Schmerz in der Versorgung von
Palliativpatienten?
Das Mixed-Pain-Konzept geht davon aus, dass etwa bei chronischen
Rückenschmerzen oder Lumboischalgie neben nozizeptiven (Schmerzen
nach Gewebetraumata, bei denen die peripheren und zentralen Nerven-
strukturen der Nozizption intakt sind) auch neuropathische (Schmerzen,
die nach Schädigung zentraler oder peripherer nozizeptiver Systeme entste-
hen) Schmerzkomponenten vorliegen. Die einzelnen Schmerzarten müssen
mit dementsprechenden Analgetika versorgt werden.
Neben der Grundlage des WHO-Stufenschemas ist auch ein multimoda-
les schmerztherapeutisches Konzept wünschenswert. Bei manchen Krank-
heitsbildern ist eine klare Zuordnung der Schmerzart schwierig. Bei Tumo-
ren z. B. ist Mixed Pain ein häufig übersehener Schmerz, bei dem einerseits
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Was ist HOPE? 103
intakte Nozizeptoren durch Substanzen aus dem Tumor erregt werden und
andererseits der Tumor selbst durch direkte Infiltration Nervengewebe
schädigen kann.42
Lange Zeit diente das WHO-Stufenschema als Grundlage für die Tumor-
schemerztherapie. Heute weiß man, dass jede Schmerzform individueller
mechanismenorientierter Behandlungen bedarf. Da die typischen Analge-
tika (WHO Stufe I) und Opioide (WHO Stufe II + III) beim Nozizep-
tor indizierten Schmerz häufig gut wirksam sind, ist bei neuropathischen
Schmerzen die Therapie mit Antidepressiva, Antikonvulsiva und als Kom-
bination mit Opioiden eine sinnvolle Kombination.
99. Frage: Was ist HOPE?
»HOPE« ist die Abkürzung für »Hospiz- und Palliativ-Erhebung«. Seit 1996
entwickelt eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft,
der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und des Deutschen Hos-
piz- und Palliativverbandes die Hospiz- und Palliativ-Erhebung als Basis-
datensatz für Palliativpatienten.43 Die Standarddokumentation soll eine
gemeinsame Dokumentation der an der Versorgung eines Patienten betei-
ligten Berufsgruppen sein: sektorenübergreifend und multiprofessionell.
HOPE ist ein modulares System mit einem Basisbogen und einer Viel-
zahl von optionalen Modulen. Wichtiges Ziel in der Palliativmedizin nach
HOPE: der Erhalt und die Verbesserung von Lebensqualität dieser Patien-
tengruppe und ihren Angehörigen.
HOPE besteht aus mehreren Teilen:
1. Der Basisbogen steht im Zentrum der Dokumentation. Er wird von Pfle-
geden, Ärzten, ambulanten Diensten, Psychologen, Sozialarbeitern, Seel-
sorgern oder Physiotherapeuten aus der Sicht des Betreuerteams ausge-
füllt.44
2. Weitere Modulbögen
42 Wirz, S. (2016). Moderne Tumorschmerztherapie. In: Onkologie heute S 1/2016, S. 38ff. Im Inter-
net: http://cme.mgo-fachverlage.de/uploads/exam/exam_62.pdf [Zugriff am 4. Juni 2016]
43 Radbruch, L. & Nauck, F. (o.J.). Patientenregister als Forschungsinstrument – am Beispiel der Hos-
piz- und Palliativ-Erhebung (HOPE). Im Internet: https://www.dgpalliativmedizin.de/images/sto-
ries/pdf/ag/090602 %20Radbruch%20+%20Nauck%20zu%20HOPE.pdf
44 www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Basisbogen_HOPE2011.pdf [Zugriff am 4. Juni 2016]
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104 Schmerz bei Palliativpatienten
• Der MIDOS Bogen M für die Selbsterfassung von Schmerzen, Sympto-
men und Allgemeinbefinden.
• Wochenbogen für eine kurze Dokumentation von Besuchszeiten und
-ort, Symptomen und ggf. Bemerkungen
• Bogen zur Physiotherapie
• Der Barthelindex, der neben dem Physiotherapiebogen dokumentiert
werden soll oder auch allein ausgewählt werden kann.
• Bogen zur Wundversorgung in der Palliativmedizin
• Bogen zu den organisatorischen Rahmenbedingungen des SAPV-Teams
und deren Verordnungen
Natürlich ersetzt der »HOPE«-Bogen nicht die Schmerzerfassung. Hierfür
gelten die schon genannten Assessmentinstrumente BESD, BISAD, ZOPA
und Doloplus bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen, sowie die
VRS, NRS oder VAS bei Patienten die sich noch verbal äußern können.
100. Frage: Spiritual Care oder Palliative Care –
Worin liegt der Unterschied?
Bei Palliative Care geht es darum, Schmerzen und andere Symptome zu
lindern, Lebensqualität zu erhalten oder wiederherzustellen, Patienten und
ihre Angehörigen in dieser Lebenssituation zu begleiten ob körperlich, see-
lisch, sozial oder spirituell (Pallium aus dem lat. bedeutet »Mantel« oder
»umhüllen«).
Palliative Care ist ein ganzheitliches Behandlungskonzept, das ein sub-
jektives Gefühl, das der Patienten beschreibt, wahrnimmt und behandelt.
Cicely Saunders prägte im Palliativen Setting den Begriff »total pain«.
Die pharmakologische Schmerztherapie benötigt immer ein multipro-
fessionelles Team. Beginnend mit der Schmerzerfassung, denn ohne diese
kann keine adäquate Schmerztherapie erfolgen. Das Symptom Schmerz ist
bei Palliativpatienten nur eines von vielen. Weitere sind Schwäche, Appetit-
mangel, Übelkeit, Kachexie, Dyspnoe u. ä. Analog zur Schmerztherapie ist
zu beachten, dass keines dieser Symptome eigenständig betrachtet werden
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Spiritual Care oder Palliative Care – Worin liegt der Unterschied? 105
kann, sondern dass hier analog zum »total pain« das Modell des »total sym-
ptom« greifen sollte.45
Spiritual Care ist ein Bestandteil von Palliative Care – für die spiritu-
elle Begleitung von Palliativpatienten und deren Angehörigen. Persönliches
Leid und Schmerz lassen sich nicht immer auf körperliche, seelische oder
soziale Komponenten reduzieren. Es sind immer auch spirituelle Faktoren
betroffen. Oft ist es die Frage nach dem Sinn des Leidens, der Schuld oder
der Hoffnung. Patienten in Palliativsituationen, aber auch ihre Angehöri-
gen, stellen oft die quälende Frage nach dem »Warum«. Oder fragen nach
dem Sinn des Sterbens oder Lebens.
Spiritual Care öffnet eine Tür für Gespräche mit Patienten und Angehö-
rigen. Denn durch die fünf Sterbephasen nach Kübler-Ross gehen nicht nur
Patienten, sondern auch ihre Angehörigen. Daher ist Spiritual Care nicht
nur in der Begleitung der Patienten, sondern auch der Angehörigen vor und
nach der schweren Krankheit wichtig.
Die fünf Sterbephasen von Kübler Ross:
1. Nicht-wahrhaben-Wollen und Isolierung
2. Zorn und Ärger
3. Verhandeln
4. Depressive Phase
5. Akzeptanz
In Spiritual Care wird Spiritualität verstanden als die persönliche Suche
nach Sinn und Zweck des Lebens, einer Dimension, die größer ist als das
eigene Ich. Sie umfasst Werte, die die materiellen Werte übersteigt und in
eine andere Dimension weist. Spiritus (Atem, Wind, Geist) als Bild für die
Präsenz einer höheren Macht, die Gott genannt werden könnte, aber nicht
muss (Borasio et al. 2006, Repetitorium Palliativmedizin S. 190 Kapitel
10.5) Spiritual Care ist Aufgabe aller im Team wirkenden Berufsgruppen
und sollte in der Versorgung von Palliativpatienten einer Haltung entspre-
chen, ebenso wie Palliative Care.
45 Becker et al. (2012). Zentrale Handlungsdomänen in der Palliativmedizin. In: Ackermann, H. (2012).
AllEx – Alles fürs Examen. Stuttgart: Thieme S. 680ff
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106
Literatur
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überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme
Becker et al. (2012). Zentrale Handlungsdomänen in der Palliativmedizin.
In: Ackermann, H. (2012). AllEx – Alles fürs Examen. Stuttgart: Thieme
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Literatur 107
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Karl Auer Systeme
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108 Schmerz bei Palliativpatienten
Register
Abhängigkeit, psychische 48 Einreibung, atemstimulierende 64
Ablenkung 61 Einwickeln 86
Acetylsalicylsäure 46 Entzündungsschmerzen 16
Akupressur 102 Expertenstandard 33, 37, 39
Akupunktur 61
Allodynie 24, 30 Fenster, analgetisches 43
Alter, medikamentöse Therapie 97 Flupirtin 47
Alter, Nichtopioide 99 Froschhaltung 86
Alter, Schmerztherapie 98 Frühgeborene, nichtmedikamen-
Analgetika, saure 44 töse Schmerztherapie 86
Analgetikum 42 Früh- und Neugeborene, Schmerz
Angst 80 82
Antidepressiva 52
Antikonvulsiva 30 Genusstraining 77
Aromapflege 101 Gewöhnung, körperliche 49
Benzodiazepine 52 Headsche Zonen 7
Berner Schmerzscore für Neu HOPE 103
geborene 83 Hospiz 100
Beurteilung von Schmerzen bei Hydro-/Thermotherapie 63
Demenz 95 Hyperhidrose 24
Bewusstseinsschwelle 8 Hyperthermie 74
Biofeedback 62
Ibuprofen 46
Cannabis 53 Imagination 61
Coanalgetika 42
Complex Regional Pain Syndrom Känguru-Pflege 86
24 Ketamin 54
Cushingsymptom 54 Kinder
––, medikamentöse Schmerztherapie
Diclofenac 46 88
Dolo-Plus-Schmerzskala 94 ––, Migräne 91
––, Schmerz 81
ECPA 93 ––, Schmerzanamnese 86
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Literatur
Register 109
Kneipptherapie 63 Pain Nurse 69
Kopfschmerzen 27 Palliative Care 104
Kortison 54 Palliativsituationen, Symptome 101
Kräuter 75 Paracetamol 47
Kryoanalgesie 65 Phytopharmaka 59
Psychosomatik 10
Lebensqualität 72
Lumbale Sympathikusblockade 67 Reflexzonenmassage 63
Rezeptor 14
Massage 62 Rückenschmerzen 26
Medikamente, Applikationswege
42 S3 Leitlinie für die vollstationäre
Metamizol 47 Pflege 41
Methoden, physikalisch-medizini- Saccharose 86
sche 62 Schmerz 7
Mixed Pain 23, 102 ––, akuter 17
Morbus Sudeck 24 ––, chronischer 10, 18
Musik 86 ––, Definition 7
––, durch Fehlfunktion 16
Nervenschmerzen 16 ––, Entstehung 12
Nichtopioide 44, 45 ––, Folgen 11
Nozizeption 12 ––, Merkmale 7
Nozizeptor 12, 15 ––, neuropathischer 21, 29
NSAR 45 ––, nozizeptiver 21
Numerische Rating-Skala 34 ––, Palliativpatienten 100
––, psychosomatischer 16
Öle, ätherische 75 ––, Schutzmechanismus 8
Opioidantagonisten 51 ––, seelischer 10
Opioide 42 ––, spastischer 16
––, Abhängigkeit 48 ––, und Demenz 92
––, schwache 49 ––, viszeraler 21
––, starke 50 Schmerzarten 21
––, Wirkung 47 Schmerzdokumentation 35
Schmerzempfinden 11
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110 Schmerz bei Palliativpatienten
Register
Schmerzerkennung 41 Spiritual Care 104
Schmerzgedächtnis 59 Stellatumblockade 67
Schmerzmessung 33, 36 Sympathikusblockade 30
Schmerzschwelle 8
Schmerzsituation Techniken, schmerzlindernde 61
––, instabile 39 TENS 63
––, stabile 39 Therapeutic Touch 101
Schmerzskala 34 Therapie, euthyme 77
Schmerzsyndrom 15 Toleranz 49
Schmerztagebuch 35 Triptane 29
Schmerztherapeut 68
Schmerztherapie 31 Verbale Rating-Skala 34
––, Beratung 71 Visuelle Analog-Skala 35
––, invasive 66
––, Medikamente 42 WHO-Stufenschema 43
––, multimodale 65
––, nichtmedikamentöse 60
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Nina Hard
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