Prof. Dr.-Ing.
Iris Marquardt
Baustoffkunde und Betontechnologie
11.3 – Stahl
Herstellung und Eigenschaften
Vorlesungsfolien
- auszugsweise -
Diese Unterlagen sind ausschließlich für den internen Gebrauch im
Rahmen der studentischen Ausbildung an der HAWK Hildesheim bestimmt.
Vorlesung Baustoffkunde II
Roheisen- und Stahlerzeugung
Einleitung
Reineisen als Baustoff ohne Bedeutung, da sehr geringe Festigkeit
Stahl: ohne Nachbehandlung schmiedbare Eisen-Kohlenstoff-Legierung
mit max. C-Gehalt von 2,06%
Bautechnisch verwertbare Eisenwerkstoffe: Legierungen des Eisens (Fe)
mit anderen Elementen wie C, Mn, Si, Cr, Cu usw.
Wichtigste festigkeitsbildende Komponente: Kohlenstoff
Häufige Legierungselemente: Silizium, Mangan, Chrom, Nickel und Kupfer
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Stahlerzeugung
Rohstoffe
Eisen tritt in der Natur nicht in reinem Zustand, sondern in Form von
chemischen Verbindungen (Oxide, Sulfide, Carbonate etc.) auf
Erz = chemische Verbindungen mit mineralischen Stoffen (genannt: Gangart)
vermengt
Erzaufbereitung: Anreicherung der metallischen Verbindungen, z.B. durch
Rösten (Austreiben von SO2, CO2 und H2O)
Roherz Pellets
Klassiertes Erz Sinter
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Stahlerzeugung
Verhüttung im Hochofen
Rohstoffe: Erz (Fe-Oxide), Zuschlag (Kalkstein), Koks
Zuschlag = Kalkstein, gebrannter Kalk
− dient als Flussmittel Schmelzpunkt des Erzes senken
− Bindung von Schwefel
Koks hat folgende Aufgaben:
− Brennstoff zur Deckung des Wärmebedarfs
− Reduktionsmittel
− Aufkohlung des Reineisens
Hochofen: lotrechter, stählerner Schachtofen; feuerfest ausgemauert
lagenweise Beschickung mit Erz + Zuschlag (= Möller) und Koks
Von unten wird Heißluft (Wind) eingepresst, von oben Abgas (Gicht) abgeführt.
Abstich von Roheisen und Schlacke (unten) Nachsinken des Gemenges
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Stahlerzeugung
Verhüttung im Hochofen
Beschickung mit Gemisch
aus Erzen und Zuschlägen
Trocknung und Vorwärmung
200°C bis 500°C
Indirekte Reduktion
800°C bis 1000°C
Direkte Reduktion
1000°C bis 1200°C
Schmelzung
Abstich des Roheisens
und der Schlacke
1400°C bis 1500°C
Hochofenprozess
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Stahlerzeugung
Verhüttung im Hochofen
Im Mittelbereich indirekte Reduktion, d.h. Entfernen von Sauerstoff aus dem
Erz nach folgenden Prozessen:
− Koks 2 CO2 + Wärme 2 CO + O2
− Erz Fe2O3 + CO 2 FeO + CO2
FeO + CO Fe + CO2
Im unteren Bereich, der Schmelzzone, findet die direkte Reduktion statt:
− FeO + C Fe + CO
Gleichzeitig ist es notwendig, das Reineisen zur Erzielung technischer
Festigkeit wieder aufzukohlen:
− 3 Fe + C Fe3C (Eisencarbid = Zementit)
− 3 Fe + 2 CO Fe3C + CO2
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Roheisen- und Stahlerzeugung
Roheisenerzeugung im Hochofen (Verhüttung)
(Bild: Preussag Stahl AG)
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Stahlerzeugung
Schlacke
Schlacke
− Schmelze aus Zuschlag und Gangart, die auf dem erschmolzenen Roheisen
schwimmt (aufgrund geringerer Rohdichte)
− besteht aus Siliziumdioxid, Tonerde und Branntkalk
Je nach Art der Abkühlung entstehen verschiedene Produkte für die Verwendung
im Bauwesen:
1.) Langsame Abkühlung Stückschlacke
− Kristalline, feste Schlacke
− Verwendung im Straßenbau (Tragschichten)
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Stahlerzeugung
Schlacke
2.) mit Wasser schlagartig abgeschreckt Hüttensand
− glasig erstarrt
− latent hydraulische Eigenschaften
− gemahlen als Hauptbestandteil von hüttensandhaltigen Zementen
3.) aufgeschäumt Hüttenbims
− porige Schlacke
− Verwendung als leichte Gesteinskörnung in Leichtbeton
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Stahlerzeugung
Roheisen
Roheisen
− Ausgangsstoff für Stahl und Eisenguss
− enthält bis zu 5% Kohlenstoff sowie Silizium, Mangan, Phosphor und
Schwefel
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Stahlerzeugung
Frischen
Roheisen: hoher C- + P-Gehalt zu spröde, zu hart, nicht schmiedbar
Reduktion des C-Gehaltes, Entfernung von Phosphor und Schwefel
Prozesse:
− Frischen: Zufuhr von Luft bzw. Sauerstoff, Verbrennen von C, Si, Mn
− Bindung von Phosphor durch Kalk
Überschuss an O
Erz
Rohstahl
gewünschte
Konz. von O Stahl
und C (hochwertig, da
kein Überschuss
an O und C)
Roheisen
Überschuss an C
Prinzip der Stahlerzeugung (nach Prof. Dr. Ulrich Schneider)
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Stahlerzeugung
Frischen
Verfahren für das Frischen:
− Thomas-Verfahren = Windfrischen
(Frischen mit Luft in Konverter, der mit basischem Dolomit
ausgemauert ist)
− Siemens-Martin-Verfahren
− Sauerstoff-Aufblas-Verfahren (LD-Verfahren)
− Elektrostahl-Verfahren
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Stahlerzeugung
Frischen
Siemens-Martin-Verfahren
− Herdofen: große Oberfläche, geringe Tiefe des Schmelzbades
− Frischen erfolgt durch Sauerstoffüberschuss der Heizflamme
− Herstellen von Qualitätsstählen (legierte Stähle)
− hoher Schrotteinsatz möglich
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Stahlerzeugung
Frischen
Sauerstoff-Aufblas-Verfahren
− Frischen mit reinem Sauerstoff
− erlaubt Einhaltung sehr niedriger Stickstoff- und Phosphorgehalte
sowie Einsatz von Schrott
− bevorzugtes Verfahren zur Herstellung von Massenstählen
Konverter des Sauerstoff-Aufblas-Verfahrens
(Bild: F.S. Rostásy)
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Stahlerzeugung
Frischen
(Phosphorbindung)
LD-Verfahren (Linz-Donawitz-Verfahren)
(Bilder: Preussag Stahl AG)
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Stahlerzeugung
Frischen
Elektrostahl-Verfahren
− Lichtbogen zwischen
Kohleelektroden und Schmelze
− hohe Ofentemperatur und niedrige
Sauerstoffaktivität
− Stähle mit hohem Legierungsgehalt
(Edelstähle)
− Frischen: durch Aufblasen von O2
oder durch Erzzugabe
(Quelle: Matthias Beck)
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Stahlerzeugung
Nachbehandlung von Stahl
Ziel: Verbesserung der Stahlqualität
Vakuumbehandlung
Desoxidation
Legierung
Entschwefelung
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Stahlerzeugung
Nachbehandlung von Stahl
Vakuumbehandlung
Stahlschmelze wird verminderten Druck ausgesetzt
Beseitigung von Gasen, die bei Normaldruck als Blasen im Stahl verbleiben
würden
gleichzeitig weitere Maßnahmen, z.B. Entkohlung, Zufügen von
Legierungselementen, Desoxidieren (Beseitigung des Rest-Sauerstoffes)
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Stahlerzeugung
Nachbehandlung von Stahl
Desoxidation
Frischen: O2 + N2 gelangen in die Schmelze
Stahl wird rotbrüchig und alterungsanfällig
Sauerstoff liegt als FeO vor
Desoxidation: Entzug von Sauerstoff durch Zugabe von Elementen mit
großer Affinität zu O2 (z.B. Aluminium, Silizium)
Entschwefelung durch Manganzugabe
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Stahlerzeugung
Nachbehandlung von Stahl
Vergießungsart (Desoxidationsgrad) beeinflusst Gefüge des Blocks und
Verteilung der Begleitelemente
Temperaturunterschiede Entmischung (= Seigerungen)
− bei unberuhigtem Stahl: Blockseigerungen (Anhäufung von Schwefel und
Phosphor im Inneren)
Gussblöcke im Längsschnitt
(Bild: F.S. Rostásy)
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Stahlerzeugung
Desoxidieren, Vergießen und Erstarren des Stahls
Erstarrungsverhalten wird vom Grad der Desoxidation bestimmt:
− Stahl, dem vor dem Vergießen keine Desoxidationsmittel zugegeben
wurde, Bildung von CO (Gasblasen) aus Restkohlenstoff und Sauerstoff
unberuhigt vergossener Stahl (Kennzeichen FU; früher: U)
− mit Desoxidationsmitteln Silizium und Mangan erstarrt Stahl ruhig,
weitgehend blasenfreie Erstarrung
beruhigt vergossener Stahl (Kennzeichen FN, früher: R)
− mit Silizium, Mangan und Aluminium , Sauerstoffbindung
besonders beruhigt vergossener Stahl (Kennzeichen FF, früher: RR);
besonders zäher, schweißgeeigneter Stahl
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Stahlerzeugung
Vergießen des Stahls
Sobald der Stahl seine endgültige chemische Zusammensetzung erhalten hat,
wird er vergossen
Kokillenguß (Blockguß)
− Vergießen in Formen zu Blöcken
− Vorprodukt für Warmumformung in Walzwerk: Brammen
Strangguß (Endlosguß)
− kontinuierlicher Strang, der durch mitlaufende Schneidbrenner oder
Scheren geschnitten auf Länge wird
− Vorteil: größere Mengen, homogeneres Gefüge
− Vorprodukt: Knüppel, Brammen
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Prozess von Herstellung des
Roheisen bis zum Stahl-Halbzeug
(Knüppel, Brammen)
(Bild: Preussag Stahl AG)
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Stahlerzeugung
Vergießen des Stahls
Stranggußanlage
(Bild: Preussag Stahl AG)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 25
Roheisen- und Stahlerzeugung
Stahlerzeugung
Stranggußanlage
(Bild: Preussag Stahl AG)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 26
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wirkung der Stahlbegleiter
Stahlbegleiter
gelangen über Erz, Zuschläge (Kalk), Brennstoffe (Koks) etc. in den Stahl
Silizium, Mangan, Aluminium (in kleinen Anteilen erwünscht)
Phosphor, Schwefel, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff (i.d.R. unerwünscht)
Wirkungen der Stahlbegleiter
Silizium: harte + spröde Silikate; mindern Kaltverformbarkeit, Schmiedbarkeit
und Schweißbarkeit
Mangan: Bindung von Schwefel und Sauerstoff beim Vergießen; steigert
Festigkeit und Schweißbarkeit von Baustahl
Phosphor: vermindert Zähigkeit und Kaltverformbarkeit bei Baustählen;
begrenzt auf 0,08%, bei Qualitäts- und Edelstählen begrenzt auf 0,045%
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wirkung der Stahlbegleiter
Schwefel: bildet mit Eisen Fe(II)-Sulfid FeS-Ablagerungen an Korngrenzen;
Schwächung der Korngrenzen verursacht Rot- und Warmbrüchigkeit
(Schweißen, Warmverformung); bei Baustählen auf ≤ 0,05% beschränkt;
Mangan bindet S zu MnS (Mangansulfid)
Sauerstoff: gelangt über Frischen in die Schmelze FeO; führt zu
Rotbrüchigkeit (Gegenmaßnahme: Desoxidationsmittel)
Stickstoff: erhöht die Festigkeit, reduziert Verformungsvermögen und
Kerbschlagzähigkeit; Stahl versprödet durch Alterung;
Bildung von Fe-Nitriden bei Erwärmung + Abschreckung
Abschreckalterung;
bei Kaltverformung durch Stickstoffdiffusion Reckalterung
Wasserstoff: Versprödung (ohne Festigkeitserhöhung); Einlagerung an
Gitterfehlern, Ausübung eines hohen Druckes, hohe räumliche Spannung
Schädigung durch verzögerte Rissbildung (Wasserstoffversprödung bei
Spannstählen), Wasserstoff entfernbar durch längeres Erwärmen bei 200°C
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wirkung der Stahlbegleiter
Sonstige nichtmetallische Einschlüsse:
Oxide, Sulfide, Karbide, Silikate und Gase verbleiben in der Schmelze
Desoxidation CO-Gase werden weitgehend entfernt; feinverteilte kleine
Gasblasen bleiben eingeschlossen, werden bei Warmumformung
verschweißt
Nichtmetallische Einschlüsse bzw. Verunreinigungen stellen
Inhomogenitäten und Gefügestörungen dar, die bei Belastung zu
Spannungskonzentrationen führen
Minderung der Festigkeit, Versprödung
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wirkung der Stahlbegleiter
C Si Mn P S O N H
Festigkeit + + + + − ο + ο
Verformbarkeit − − − − − − ο −
Kerbschlagzähigkeit − − + − − ο − −
Kaltverformbarkeit − − − − − ο − −
Warmverformbarkeit − − + − − ο ο ο
Schweißbarkeit − − + − − − − ο
+ erhöhend, verbessernd
− verschlechternd, erniedrigend
ο ohne wesentlichen Einfluss
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Ziel der Wärmebehandlung: Änderung oder Erzielung bestimmter Eigenschaften
Wärmebehandlung erfolgt im festen Zustand des Bauteils oder Vorprodukts; ist
verbunden mit Diffusionsvorgängen und Strukturumwandlungen
Verfahren:
− Glühen
− Härten
− Vergüten
Unterscheidung nach:
− Höhe der Erwärmungs-
temperatur
− Dauer der Haltezeit
− Abkühlgeschwindigkeit
− weitere Behandlung Temperaturführung der Wärmebehandlung
(Bild: F.S. Rostásy)
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Glühen
Diffusionsglühen
− Ausgleich von Konzentrationsunterschieden der Legierungselemente
(Homogenisieren)
− 50 h bei 1.100 bis 1.300°C
Grobkornglühen
− im Austenitgebiet grobes, leicht zerspanbares Gefüge
Normalglühen
− Erzielung eines gleichmäßigen, feinkörnigen Gefüges mit optimalen
Verformungs- und Festigkeitseigenschaften
− Beseitigung von durch Gießen, Walzen, Schmieden entstandenen Texturen
− Unterperlitische Baustähle (C < 0,8%) erhalten ein feineres, ferritisch-
perlitisches Gefüge
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Diffusionsglühen
(50 h, 1.100 – 1.300°C)
Grobkornglühen
Normalglühen
Spannungsarmglühen
Anlassen
Ausschnitt aus dem Eisen-Kohlenstoff-
Diagramm (EKD) und ungefähre Lage der
Haltetemperaturen von
Wärmebehandlungen von Stahl
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 34
Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Spannungsarmglühen
− Beseitigung von Eigenspannungen (in Vorprodukten, Schweißnähten,
fertigen Bauteilen), insbesondere bei dynamisch beanspruchten
Bauteilen erforderlich (ohne, dass die Festigkeit vermindert wird)
Eigenspannungen entstehen durch:
− Behinderte Schrumpfungen von Randzonen beim Abkühlen
(z.B. beim Härten)
− Behinderung von Volumenänderungen bei temperaturbedingten
Umwandlungen (γ- α-Umwandlung, 911°C)
− Kaltverformung von Werkstücken mit Plastifizierung von Randfasern
− Behinderung der Schrumpfung der erstarrenden Schweißnaht durch
die Fügeteile
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Schweißeigenspannungen und Verzug
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 36
Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Rekristallisationsglühen
− durch Kaltverformung nimmt Festigkeit zu, die Zähigkeit nimmt jedoch ab
− Zur Anhebung der Verformbarkeit Rekristallisationsglühen zwischen
500 und 700°C
− Kaltverstreckte Körner werden wieder gleichachsig
Warmumformen
Kaltumformen
Einfluss des Warm- und
Kaltformgebungsverfahrens
auf das Gefüge
(Bild: F.S. Rostásy)
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Härten
Erwärmung über GSK-Linie des
EKD, Abschrecken und Anlassen
auf niedrige Temperaturen
Ziel: Steigerung von Härte,
Festigkeit und Verschleiß-
widerstand mit angepasster
Zähigkeit
Anwendung: Lagerplatten,
Rollen von Brückenlagern etc.
Ausschnitt aus dem EKD und ungefähre Lage der
Haltetemperaturen von Wärmebehandlungen von Stahl
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 38
Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Abschreckhärten
Bei langsamer Abkühlung von unterperlitischem Stahl (C < 0,8%) entsteht
ferritisch-perlitisches Gefüge
Beim Abschrecken bildet sich nadeliges Martensitgefüge
(γ-Gitter des Austenits engeres α-Gitter des Martensits ohne Platzwechsel
der C-Atome)
Härteanstieg durch die Gitterverzerrung, wenn C-Gehalt > 0,2%
Entstehung des kfz-Martensitgitters
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 39
Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Abschrecken: an der Luft, in Wasser, Öl, Blei je nach erforderlicher
Abkühlgeschwindigkeit (muss größer sein als Austenit-Zerfallsgeschwindigkeit);
Abschreckgeschwindigkeit muss mit abnehmenden C-Gehalt steigen; am
höchsten in Wasser, am kleinsten in Blei
Abschrecken führt zu Härteverzug und Eigenspannungen
Anlassen an Luft in Metall oder Salzbädern
Anlaßtemperatur: 150 bis 600°C (abhängig von gewünschter Zähigkeit)
Brinellhärte in Abhängigkeit von Kohlenstoffgehalt
vor und nach dem Abschrecken
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 40
Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Einfluss der Anlasstemperatur auf die Festigkeit und Bruchdehnung
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 41
Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wärmebehandlung
Vergüten
Ziel: angehobene Festigkeit und hohe Zähigkeit
Verfahren: nach dem Glühen gesteuertes Abkühlen und anschließendes
Anlassen bei 350 bis 550°C
Bei unterperlitischen Stahl entsteht ein sehr feinkörniges Vergütungsgefüge
hoher Zähigkeit (Vergütungsstähle nach DIN EN 10083)
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wirkung von Legierungselementen
Unlegierte Stähle:
− Fe-C-Legierungen mit normal geringen Gehalten von Stahlbegleitern
Mn, Si, Al u.a., die die Stahleigenschaften nicht nennenswert beeinflussen
Legierte Stähle für hohe Beanspruchungen und besondere Einsatzgebiete
(tiefe und hohe Temperaturen, korrosive Medien etc.)
− Zugabe von Legierungselementen
− Bildung neuer Kristallarten
In der Praxis unterscheidet man:
− niedriglegierte Stähle (Summe der Legierungselemente < 5%)
− hochlegierte Stähle ( Summe der Legierungselemente > 5%)
Kohlenstoff: wichtigstes Legierungselement; bis 0,8% Kohlenstoffgehalt
erhebliche Unterschiede in den Werkstoffeigenschaften Zunahme der
Stahlfestigkeit, Abnahme von Schweißbarkeit, Zähigkeit etc.
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Beeinflussung der Stahleigenschaften
Wirkung von Legierungselementen
Eigenschaft C Si Mn Cr Al Ti Mo Ni V W Nb
Festigkeit + + + + + + + + + +
Streckgrenze + + + + + + + + + +
Härte + + + + + + + + + +
Verformungsvermögen − − − − − − − + − − −
Kerbschlagzähigkeit − − + − − +
Kaltverformbarkeit − − − − − − − − −
Warmverformbarkeit − − + −
Schweißbarkeit − − + − + +
Kaltverfestigung + + + + + +
Härtbarkeit, Vergütbarkeit + + + + + + + +
Korrosionsbeständigkeit + + + + + + + + +
Verschleißfestigkeit + + + + + +
Warmfestigkeit + + + + +
Kaltzähigkeit + − − + − − −
Cr – Chrom Ni – Nickel + positiver Einfluß
Ti – Titan V – Vanadium - negativer Einfluß
Mo – Molybdän W – Wolfram ohne Zeichen: kein oder unbek. Einfluss
Al – Aluminium Nb – Niob
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Formgebung von Stahl durch Umformen
Warmverformung
Grundlagen der Warmverformung
Formgebung des Stahl wird als dann Warmverformung bezeichnet, wenn
sie oberhalb der Rekristallisationstemperatur geschieht, d.h. oberhalb
derjenigen Temperatur, oberhalb derer die gewünschte Ausbildung neuer
Kristalle noch möglich ist.
Durch mechanisch bewirkte plastische Verformung des Stahls bei hohen
Temperaturen Korngrenzen verschieben sich neues Kristallgefüge
nach der Verformung bzw. anschließender Abkühlung
Warmverformung mit anschließender
Kristallbildung führt zu regelmäßigem
Gefüge Rekristallisation
Naturharter Stahl
Einfluss des Warmformgebungsverfahrens
auf das Gefüge
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 45
Formgebung von Stahl durch Umformen
Warmverformung
Verfahren der Warmverformung:
Warmwalzen
− im hellrotglühenden Zustand bei Temperaturen von 1.050 bis 1.150°C werden
Blöcke oder Vorprofile durch zwei gegenüberliegende Walzen gezogen
− Formstahl, Breitflanschträger, Betonstahl, Walzdraht, Schienen,
Spundwandprofile; Flachstahl, Radreifen, Vollräder
Schmieden und Pressen
− Nicht walzbare Werkstücke werden zur Formgebung geschmiedet oder
gepresst; erfolgt bei 900 – 1.200 °
− Freiformschmieden durch Wenden und Drehen auf Amboss mit
Schlaghammer oder hydraulische Pressen (Pressen des Werkstückes in
Formen)
Strangpressen
− Pressen durch eine Matrize für komplizierte Profile und Hohlprofile
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 46
Formgebung von Stahl durch Umformen
Warmverformung
Halbzeug Fertig-Erzeugnis
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 47
Formgebung von Stahl durch Umformen
Kaltverformung
Kaltformgebung: Verformung unterhalb Rekristallisationstemperatur,
meist bei Raumtemperatur
Festigkeit steigt mit Verformungsgrad Kaltverfestigung
Einbußen von Verformungsvermögen (ggf. Rekristallisationsglühen zur
Anhebung des Verformungsvermögens)
Durch Kaltverformung entsteht Verstreckung der Körper
(Verformungstextur), Folge: Anisotropie
Einfluss Kaltformgebungsverfahrens auf das Gefüge
(Bild: F.S. Rostásy)
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 48
Formgebung von Stahl durch Umformen
Kaltverformung
Verfahren
− Ziehen (z.B. von Spanndrähten)
− Tiefziehen (Bleche)
− Kaltverdrillen (z.B. BSt 420/500 RK)
− Kaltbiegen (Stahlstäbe, Spannstäbe, Bewehrung)
− Kaltpressen, Stauchen (Köpfchen auf Spanndrähten)
Ziele Kalt- und Warmverformung:
Warmformgebung Formen ohne Beeinflussung des Gefüges
Kaltformgebung Herstellung hochfester Fertigprodukte geringen
Querschnitts: Spannstähle, tiefgezogene Bleche, blanke, unverzunderte
Oberflächen, maßgenaue Querschnitte
Prof. Dr.-Ing. Iris Marquardt Baustoffkunde II 49