Entdecken Sie mehr als 1,5 Mio. Hörbücher und E-Books – Tage kostenlos

Ab $11.99/Monat nach dem Testzeitraum. Jederzeit kündbar.

Geister in Blackwood House: Ein Spukhaus-Roman
Geister in Blackwood House: Ein Spukhaus-Roman
Geister in Blackwood House: Ein Spukhaus-Roman
eBook372 Seiten4 Stunden

Geister in Blackwood House: Ein Spukhaus-Roman

Von Darcy Coates und Eva Brunner

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Blackwood House begrüßt seine neuen Besitzer. 100 Jahre des Wartens werden endlich belohnt.
Mara ist die Tochter von betrügerischen Spiritualisten. Ihre Kindheit war geprägt von Séancen und vorgetäuschten Geistererscheinungen.
Als Mara ihre Familie verließ, schwor sie sich, dass solch dummer Aberglaube nie wieder Platz in ihrem Leben finden wird. Nun lebt sie mit ihrem Freund Neil in einer Welt, die auf Rationalität beruht.
Dann kaufen sie das Blackwood House.
Sie wurden gewarnt, dass in dem verfallenen Gebäude seltsame Dinge geschehen, und tatsächlich: Türen öffnen sich von allein, in der Nacht hören sie Kinder schreien, ein Schaukelstuhl wippt pausenlos vor sich hin. Doch das ist erst der Beginn des Unheils.
Wohnen sie in einem Spukhaus? Mara will davon nichts hören. Das ist nur ausgeklügelter Schwindel … Aber wenn Geister nicht real sind, wer oder was haust dann in ihrem Haus?
Ihr liebt Geistergeschichten? Dann lest die Romane von Darcy Coates. Ihre Fans lieben es, wenn beim Lesen die kalten Finger der Angst die Wirbelsäule hinaufkrabbeln.
SpracheDeutsch
HerausgeberFesta Verlag
Erscheinungsdatum16. Okt. 2024
ISBN9783986761714
Geister in Blackwood House: Ein Spukhaus-Roman
Autor

Darcy Coates

Wer auch immer Darcy Coates ist, unter diesem Pseudonym hat sie bereits mehrere unheimliche Bestseller veröffentlicht. Angeblich lebt sie mit ihrer Familie und einigen Katzen an der australischen Zentralküste in einem Haus mit einem großen Kräutergarten und sie soll alte Wälder lieben, in denen die Bäume jeden, der zwischen sie tritt, in dunkle Schatten hüllen. Ihr liebt Geistergeschichten? Dann lest die Romane von Darcy Coates. Ihre Fans lieben es, wenn beim Lesen die kalten Finger der Angst die Wirbelsäule hinaufkrabbeln. Ihre Website: darcycoates.com

Mehr von Darcy Coates lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Geister in Blackwood House

Ähnliche E-Books

Horrorfiktion für Sie

Mehr anzeigen

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Geister in Blackwood House

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Geister in Blackwood House - Darcy Coates

    Impressum

    Die australische Originalausgabe The Haunting of Blackwood House

    erschien 2015 im Verlag Black Owl Books.

    Copyright © 2015 by Darcy Coates

    Copyright © dieser Ausgabe 2024 by Festa Verlag GmbH, Leipzig

    Lektorat: Bernhard Kempen

    Titelbild: Sabareesh Ravi

    Alle Rechte vorbehalten

    eISBN 978-3-98676-171-4

    www.Festa-Verlag.de

    1

    Séance

    »Du bist begnadet, meine Liebe. Die Geister reißen sich darum, mit dir zu sprechen. Komm.«

    Die Frau streckte Mara die Hände entgegen. Sie waren vom Rheuma verkrümmt, die Haut wie Pergament und voller Altersflecken. Mara wollte sie nicht anfassen, aber ihre Mutter stand hinter ihr und drängte sie mit einer Hand leicht nach vorn.

    Mara wandte den Kopf ab. Sie wagte es nicht, mehr als ein Flüstern von sich zu geben. »Ich will nicht.«

    Das Klimpern von Schmuckstücken hallte in dem kleinen Raum wider, als sich Maras Mutter vorbeugte, um ihr etwas ins Ohr zu murmeln. Ihre Mutter kleidete sich für die Séancen immer sehr aufwendig: Ketten mit Anhängern verstorbener Verwandter, Armreife, in die Totenköpfe und okkulte Sprüche eingraviert waren, und das schwere und kräftige Parfüm, das sie zu wichtigen Anlässen auflegte. Mara hasste dieses Parfüm. Es durchdrang jeden Raum, in dem sie sich aufhielten, und setzte sich in der Atmosphäre fest, bis es ihr den Magen umdrehte und ihr davon schwindelig wurde.

    »Sei höflich.« Maras Mutter sprach leise und sanft. Ihr Atem kitzelte an Maras Ohr. »Miss Horowitz hat sich dir als Mentorin angeboten. Das ist eine große Ehre. Nimm ihre Hände.«

    Mara atmete schwer. Das schwach beleuchtete Wohnzimmer mit dem Durcheinander aus geheimnisvollen antiken Objekten verstörte sie. Das runde Séance-Tischchen war mit einem cremefarbenen Häkeltischtuch bedeckt. Mitten darauf stand eine einzige Kerze. Tierschädel, uralte Bücher, Gläser mit toten Insekten und ein langsam tickendes Metronom füllten das Regal. Komplexe, aber dilettantische Tuschezeichnungen füllten an den Wänden jede Lücke aus. Trotz zugezogener Vorhänge ließ sich das Tosen des Sturms draußen nicht dämpfen.

    »Nimm ihre Hände«, wiederholte Maras Mutter. Ihre langen Finger drückten Maras Schultern. Es war als Geste des Trostes gedacht, die auch eine leichte Warnung enthielt.

    Mara versuchte zu schlucken, aber ihre Kehle war zu eng. Sie hob die Hände. Falls Miss Horowitz ihr Zittern wahrnahm, ließ sie es sich nicht anmerken. Das alte Medium stieß die eigenen Hände nach vorn wie eine Gottesanbeterin, die ihr Opfer aus der Luft schnappt, und die Finger pressten die von Mara so fest zusammen, dass es wehtat.

    »Jetzt konzentriere dich, mein Liebes.« Miss Horowitz zog sie näher zu sich heran, sodass sie sich beide über den runden Tisch beugten und Mara nirgendwo anders hinschauen konnte als in das schlaffe, fleckige Gesicht. Die Kerze ließ harte Schatten über die Hautfalten tanzen, die sich um Miss Horowitz’ Augen verdüsterten. »Du hast eine unglaubliche Begabung geerbt. Ich kann spüren, wie die Kraft in dir anschwillt. Um sie freizusetzen, musst du dich nur konzentrieren. Ich werde channeln, und wir werden sehen, welche Geister heute Nacht unserem Ruf folgen.«

    Ein Donnerschlag erschütterte die Fensterscheibe. Mara zuckte bei dem Geräusch zusammen, und Miss Horowitz’ Hände verkrampften sich, sodass Funken des Schmerzes durch die Finger des Mädchens schossen. Das Klirren von Schmuckstücken kündigte die Bewegungen ihrer Mutter an, und Mara warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf sie. Elaines Gesicht glühte im Kerzenlicht, während sie ihre Tochter beobachtete. »Versuch es, Liebling«, flüsterte sie. Es lag ein tiefes, hungriges Bedürfnis in ihrer Stimme. »Miss Horowitz sagt, du könntest das mächtigste Medium deiner Generation sein. Du musst dir nur deiner Gabe bewusst werden.«

    Wieder krachte der Donner. Mara konnte nicht aufhören zu zittern und schloss die Augen. Miss Horowitz hatte gesagt, sie solle sich konzentrieren, aber sie hatte keine Ahnung, worauf. Sie wollte sich nicht die Geister vorstellen, die, wie ihre Mutter sagte, sich um sie herum tummeln würden. Sie hatte sie oft genug in ihren Albträumen gesehen: skelettartig, weder lebendig noch tot, während sie in einem dämmrigen Raum gefangen waren und die sterbliche Welt mit zornigen, kohlschwarzen Augen beobachteten …

    »Sie kommen«, krähte Miss Horowitz. Mara wagte es, ihre Augenlider ein wenig zu öffnen. Die ältere Frau schwankte, ihr Kopf drehte sich so heftig, dass Mara befürchtete, ihr Genick könnte gebrochen sein. Die blutunterlaufenen Augen des Mediums waren weit in den Kopf zurückgedreht, sodass das Weiße sichtbar wurde.

    Der ohnehin schon heftige Sturm schien seine Anstrengungen zu verdoppeln. Das Gebrüll des Regens übertönte fast die gurgelnde, krächzende Stimme von Miss Horowitz. »Sprecht mit uns! Welche Botschaften wollt ihr euren sterblichen Gefäßen übermitteln?«

    Ich will das nicht tun. Ich will nichts mehr sehen. Mara wollte sich losreißen, konnte ihre Hände aber nicht befreien. Sie drehte sich zu ihrer Mutter um, doch Elaines Augen waren ganz auf das Geistmedium konzentriert. Ihre Gesichtszüge waren von ehrfürchtigem Vertrauen erfüllt.

    »Kommt!« Miss Horowitz’ Stimme erhob sich zu einem Heulen über dem Donner. »Sprecht!«

    Der Tisch bebte, und die Flamme flackerte. Mara unterdrückte einen Schrei. Sie war sich nicht bewusst gewesen, dass sie weinte, aber nasse Spuren kitzelten ihre Wangen.

    »Kommt!«

    Das Zittern verstärkte sich. Miss Horowitz’ Mund klaffte weit auf und entblößte stark abgenutzte und unregelmäßige Zähne in einem Zahnfleisch, das sich fast bis zu den Wurzeln zurückgebildet hatte. Sie warf den Kopf hin und her, wobei sich ihr wallendes graues Haar aus dem Knoten löste und in fettigen Strähnen übers Gesicht hing. Ein Speichelfaden rann über ihren Unterkiefer.

    Dann kippte Miss Horowitz nach vorn, als hätte ein unsichtbares Wesen ihr gegen den Hinterkopf geschlagen. Sie keuchte. Ihre Augenlider flatterten und ihre Hände zitterten. Dann sagte sie mit einer tiefen, kehligen Stimme, die nicht ihre eigene war: »Hüte dich vor dem Haus, das dich begehrt, Kind. Deine Gabe und dein Fluch sind dasselbe. Hüte dich vor dem Haus, das dich begehrt.«

    Die letzten Worte wurden mit einem Gebrüll ausgestoßen, das der Lautstärke des Donners gleichkam. Maras Herz flatterte. Der Schrecken hatte sie erstarren lassen. Sie konnte nicht mehr atmen. Als Miss Horowitz’ Augen nach unten rollten und Mara fixierten, flossen Angst, Schock und Sauerstoffmangel zusammen, um sie von der Séance zu befreien. Sie fiel in Ohnmacht.

    2

    Planänderungen

    »Igitt!« Mara drückte ihre Daumen gegen den Nasenrücken. Der Traum hing an ihr wie ein übler Geruch. Schlimmer noch, der Fernseher ihres Nachbarn war viel zu laut. Die kitschige Tonspur mit den Lachern fühlte sich an, als würde sie sich in ihr Gehirn bohren.

    Heute ist ein guter Tag, schon vergessen? Du bekommst heute dein eigenes Haus – wahrscheinlich, vielleicht – und Ende des Monats bist du raus aus dieser Bruchbude. Gut so. Es geht uns gut.

    Irgendwo weiter weg im Wohnkomplex kreischte ein Kind, und Mara musste gegen den Impuls ankämpfen, mit der Stirn gegen das Fenster zu schlagen. Stattdessen ließ sie sich auf den Plastikstuhl fallen. Sie besaß nicht viele Möbel, und das meiste davon – die Stühle, der Klapptisch und die Matratze – stand vor dem Fenster. In dem kleinen Quadrat aus natürlichem Licht erholte sie sich von den kahlen grau verputzten Wänden und dem abgenutzten Teppich. Außerdem hatte sie von hier aus einen guten Blick auf den Eingang zur Allee. Neil sollte erst in zehn Minuten eintreffen, aber sie hoffte inständig, dass er früher da sein würde. Jetzt, wo sie so kurz davor war, der schäbigen Wohnung in der Innenstadt zu entkommen, konnte sie es kaum ertragen, noch eine Stunde darin zu verbringen.

    Du bist begnadet, mein Liebes.

    »Reiß dich zusammen«, knurrte Mara. Sie kaute an ihrem Daumen, während sie zusah, wie ein zerknülltes Zeitungsblatt durch die Straße wehte. Es ist vier Jahre her, dass du ausgezogen bist. Du hast jetzt die Kontrolle. Verschwende keine Minute mehr mit dem Gedanken an diese Verrückte.

    Etwas Silbernes fiel ihr ins Auge, und Mara atmete aus, als Neils großer Wagen ihrer Wohnung entgegenfuhr. Sie schnappte sich ihre Jacke von der Stuhllehne, stopfte die Schlüssel in die Tasche und verließ ihr Zimmer in einem flotten Laufschritt. Auf dem Weg nach draußen musste sie gegen die Tür treten, damit sie richtig einrastete, und einer ihrer Nachbarn rief: »Hey, nicht so laut da draußen!«

    Mara nahm zwei Stufen auf einmal, vorbei an dem Zimmer mit dem quengelnden Kind und dem scheinbar unaufhörlichen Rumpeln der Waschmaschine. Die Scharniere der Haustür quietschten, als Mara ins Sonnenlicht trat. Der Wetterbericht hatte ein plötzliches Abgleiten in einen nieseligen, kalten Herbst vorhergesagt, aber der Tag war warm und klar genug, um immer noch hochsommerlich zu sein.

    Neils Wagen stand im Leerlauf auf der Straße. Im krassen Gegensatz zu den schmuddeligen Billigwohnungen war das Auto groß, sauber und offensichtlich gepflegt.

    Neil beugte sich über den Sitz, um Mara die Beifahrertür zu öffnen. Er schien sich sehr zu freuen, sie zu sehen, und Maras Herz machte einen kleinen Hüpfer. Plötzlich schien der Traum von heute früh nicht mehr so wichtig zu sein.

    »Guten Morgen.« Er drückte ihr einen warmen Kuss auf die Wange, als sie sich auf dem Beifahrersitz niederließ. »Wie hast du geschlafen?«

    Schrecklich. »Kann mich nicht beklagen. Und du?«

    »Großartig, danke.« Neil wartete, bis Mara sich angeschnallt hatte, bevor er den Gang einlegte und mit dem Wagen vom Bordstein losfuhr. Er lenkte ihn aus der engen Straße und griff dann hinter seinen Sitz, um zwei Papiertüten und eine Thermoskanne hervorzuholen. »Ich nehme an, du hast das Frühstück ausgelassen.«

    Der Duft von etwas Heißem und Gutem stieg Mara in die Nase, und sie griff nach den Tüten und schüttelte sie auf. »Gütiger Himmel! Das ist der wahre Grund, warum ich mit dir zusammen bin, weißt du?«

    Neil lachte. »In der einen sind Pommes und in der anderen ist Salat. Ich dachte, du würdest etwas Gesundes essen, wenn ich dich mit Junkfood besteche.«

    »Törichte Hoffnung«, sagte Mara mit dem Mund voller Pommes. »Danke trotzdem. Ach du meine Güte – du hast Ingwerwaffeln!«

    »Ich dachte mir schon, dass du die magst.«

    »Du bist ein Heiliger.« Mara warf Neil einen Blick zu, während sie aß. Er war ungefähr so groß wie ein Ochse und doppelt so sanft wie ein Kätzchen und brauchte den übergroßen SUV, um bequem zu sitzen. Sein frisch gebügeltes Hemd passte gut zu seinen breiten Schultern, und sie dachte, dass er sich an diesem Morgen vielleicht tatsächlich die Mühe gemacht hatte, sein sandbraunes Haar zu kämmen, obwohl die Frisur einfach nicht saß. Er versuchte, sein Grinsen zu unterdrücken, und ein Hauch Rot um seine Ohren verriet Mara, dass ihm ihre Reaktion auf das Essen gefiel.

    Der Tacho des Wagens blieb ein wenig unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, während sich Neil mit geübter Leichtigkeit aus den Straßen der Innenstadt in die weitläufigeren, hübscheren Vororte schlängelte. Das Haus, das sie besichtigen wollten, lag unweit des Stadtrands. Es war erst am Vortag auf den Markt gekommen und erfüllte alle Kriterien für Mara: Es war erschwinglich, keine Bruchbude und lag in einer guten Gegend. Mara war bereit, es noch am selben Tag zu kaufen, wenn das Gebäude auch in Wirklichkeit so gut aussah wie auf den Fotos.

    Neil begleitete sie, um sie moralisch zu unterstützen und seine Meinung über das Gebäude beizusteuern. Er arbeitete als Schreiner und hatte ihr angeboten, nach Anzeichen von Termiten oder Baumängeln Ausschau zu halten.

    Manchmal fragte sie sich, wie sie an Neil geraten war. In Maras Augen war er fast – nicht ganz, aber fast – perfekt. Nur dass Neil religiös war. Und Religion an sich widerstrebte Mara mit jeder Faser ihres Wesens.

    Sie waren in vielerlei Hinsicht ein Spiegelbild des jeweils anderen. Sie waren beide in einem spirituell geprägten Elternhaus aufgewachsen. Aber Neil hatte sich als Erwachsener den Glauben seiner Familie zu eigen gemacht, während Mara an dem Tag, als sie 18 wurde, ihr Zuhause verlassen hatte.

    Obwohl ihre Situationen alles andere als identisch waren. Er musste nie an ganztägigen Séancen teilnehmen oder einem unter Drogen stehenden Medium zuhören, das seiner Mutter weismachen wollte, sie wäre eine Wiedergeburt der Kleopatra.

    »Was gibt’s?« Neil hielt vor einer Ampel an und beobachtete Mara aus den Augenwinkeln.

    Sie bemerkte, dass sie die Stirn gerunzelt hatte, und entspannte das Gesicht. »Nichts. Mir geht’s gut.«

    Neil lächelte sie an, aber er ließ die Stille fortdauern.

    Mara seufzte und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. »Ich hatte wieder den Traum von der Séance.«

    »Verdammt.« Neils Hand fand ihre und drückte sie. Mara verspürte einen angenehmen Schauer, als sich die großen Finger um ihre legten. Neil war absolut zuverlässig. Er respektierte sie und ihre Überzeugungen. Das war mehr, als sie sich von einem Partner hätte erhoffen können.

    »Alles gut.« Sie drückte seine Hand ebenfalls, als Neil mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel strich. »Ich bin darüber hinweg. Heute wird ein guter Tag werden. Dieses Haus könnte das Richtige sein. Ich meine, für den Preis, den sie verlangen, ist es wahrscheinlich von Asseln befallen, aber …«

    »Ha!« Die Ampel schaltete auf Grün, doch Neil ließ seine Hand noch eine Sekunde auf ihrer verweilen, bevor er sie wieder ans Lenkrad legte. »Ich bin einfach nur froh, wenn du aus dieser Wohnung rauskommst, Asseln hin oder her.«

    Mara rümpfte die Nase. »Es ist keine schlechte Wohnung.«

    »Schätzchen, du wohnst neben einem Meth-Süchtigen, und die Polizei hat deinen Vermieter im letzten Monat dreimal festgenommen.«

    »Ja, du hast recht. Es ist eine schreckliche Wohnung.« Mara lehnte sich ans Fenster und beobachtete die großen Ulmen, die vorbeizogen. Sie wollte es nicht laut sagen, aber sie hoffte inständig, dass das Haus, das sie besichtigten, ihres werden würde. Die Fristen drückten aus allen Richtungen, also musste sie schnell eine neue Bleibe finden.

    Sie hatte als Packerin in einem Lagerhaus gearbeitet, aber die Firma hatte vor Kurzem die Hälfte der Mitarbeiter entlassen, darunter auch Mara. Einerseits war sie arbeitslos. Andererseits reichte ihre Abfindung in Verbindung mit vier Jahren gewissenhaftem Sparen aus, um ein kleines Haus zu kaufen. Das war es, was Mara schon immer wollte: einen Ort, den sie ihr Eigen nennen konnte, wo sie nicht den Launen eines wütenden Vermieters ausgeliefert wäre, der ihr kündigen konnte, wann immer er wollte. Und der Mietvertrag für ihre jetzige Wohnung lief zum Monatsende aus. Wenn sie ihn verlängerte, wäre sie für weitere drei Jahre an das winzige, schäbige Gebäude gebunden. Sie glaubte nicht, dass sie das überleben würde.

    Neil hatte sie bereits gefragt, ob sie in seinem Haus wohnen wollte, aber Mara hatte diese Idee verworfen, bevor er zu Ende gesprochen hatte. Als sie aus ihrem Elternhaus ausgezogen war, schwor sie sich, nie wieder in einem Gebäude zu schlafen, das von Spiritismus, Astrologie, Hellseherei oder Religion durchseucht war. Und in Neils Elternhaus stank es nach Religion. Ein Kreuz an einer Wand, Kirchenmusik in den Playlists, religiöse Bücher zwischen den Krimis – all das waren Dinge, die Neil kaum wahrnahm, nachdem er sein ganzes Leben lang damit zugebracht hatte, aber Mara verursachten sie eine Gänsehaut.

    Trotzdem waren Neil und seine Mutter Pam sehr nette Leute. Neil war ein entspannter Christ. Mara wusste, dass er in die Kirche ging und mit Gleichgesinnten befreundet war, aber sein Leben war nicht vom Glauben durchdrungen.

    Das Thema kam überhaupt erst bei ihrem dritten Date auf. Mara hätte fast das Restaurant verlassen, als er ihr sagte, dass er Christ sei. Aber zu diesem Zeitpunkt fühlte sie sich zu sehr zu ihm hingezogen, als dass sie ihn einfach hätte aufgeben können, also hatte sie ihm vorsichtig eine Chance gegeben. Sie war froh darüber. Er konnte nachempfinden, wie es für sie gewesen war, in einem spiritistischen Haushalt aufzuwachsen, und verstand, warum sie diese Erfahrung nie mehr machen wollte.

    Aus Neils Telefon ertönte ein fröhlicher Popsong. Er fuhr auf den unbefestigten Streifen neben der Straße und drückte die Lautsprechertaste seines Handys. »Neil hier.«

    »Oh, gut, dass ich Sie erreiche.« Die Stimme am anderen Ende war außer Atem. Mara erkannte sie sofort. Jenny, ihre Immobilienmaklerin, schien in einem ständigen Zustand des Sauerstoffmangels zu leben. Neil bemerkte es entweder nicht oder tat so, als ob er es nicht bemerkte, aber Mara fand es faszinierend. Sie stellte sich ihre Maklerin gern als Jenny Atemlos vor. »Es tut mir so leid, mein Lieber, aber das Haus ist weg.«

    »Was?« Mara ließ eine ungegessene Fritte zurück in die Tüte fallen. »Aber es wurde doch erst gestern Abend ausgeschrieben!«

    »Oh, hallo Mara.« Jennys bedauernde Stimme klang nun eher besorgt. »Ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten für Sie. Aber es war ein wirklich gutes Angebot, meine Liebe. Ein Pärchen hat es sich heute früh angesehen und machte sofort eine Anzahlung. Es tut mir so leid, dass ich Sie enttäuschen muss.«

    »Ist schon okay«, sagte Neil.

    Mara kochte vor Wut. »Es ist nicht okay …«

    Neil holte eine Waffel aus der Tüte und stopfte sie Mara in den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen. »Es ist okay, Jenny. Haben Sie noch andere Objekte, die wir heute besichtigen könnten? Wir sitzen gerade im Auto.«

    Mara warf Neil einen finsteren Blick zu, während sie die Waffel zerkaute. Er schenkte ihr daraufhin ein zerknirschtes Lächeln.

    »Nun … Nun …« Ein Geräusch von raschelndem Papier drang durch den Lautsprecher, und Mara konnte sich den Schreibtisch von Jenny Atemlos vorstellen, so unordentlich und chaotisch, wie er bei ihrem ersten Treffen gewesen war. »Ah … bestimmt … Nein, das Haus in Westbrook ist bereits verkauft, nicht wahr …?«

    »Lassen Sie sich Zeit«, sagte Neil sanft.

    »Okay … es gibt ein wirklich schönes Haus in Reddington, aber es liegt etwas außerhalb Ihres Budgets.«

    Mara schluckte die Waffel hinunter. »Wie viel?«

    »Nun … es kostet fast das Doppelte …«

    »Nein.« Mara war so frustriert, dass ihr fast die Tränen kamen. Der Verlust des Hauses schmerzte. Wenn sie nicht innerhalb der nächsten Tage ein Zuhause fand, wäre sie gezwungen, entweder ihren Mietvertrag zu verlängern oder eine kurzfristige Alternative zu finden – und beide Optionen würden ihre Ersparnisse aufzehren. Sie nahm die Thermoskanne aus dem Becherhalter, damit ihre Hände etwas zu tun hatten. Neil hatte ihr Kamillentee gemacht. Sie vermutete, dass es sich um den teuren Bio-Tee mit losen Blättern handelte, den seine Mutter für besondere Anlässe aufbewahrte. Der Gedanke daran wärmte sie ein wenig, aber nicht genug, um die Enttäuschung zu verdrängen.

    Neil presste eine Hand auf das Handy, um seine Stimme zu dämpfen. »Mara, ich könnte dir etwas leihen …«

    »Ich will keine Almosen«, blaffte Mara.

    Neil blinzelte, nickte langsam und nahm seine Hand vom Telefon. Sie kniff die Augen zusammen. Mist, habe ich ihm wehgetan?

    »Nun gut.« Jenny spürte offensichtlich den Druck. »Es gibt leere Grundstücke … oder, äh …«

    Sie brach ab, und das Rascheln hörte auf. Die Stille zog sich in die Länge, sodass Mara schon befürchtete, der Anruf sei unterbrochen worden.

    »Es gibt ein Objekt«, sagte Jenny schließlich. In ihrer Stimme lag ein seltsamer, vorsichtiger Ton. »Es ist schon seit Ewigkeiten auf dem Markt. Es ist etwas größer als das, was Sie suchen, aber es liegt unter Ihrem Budget.«

    »Was stimmt damit nicht?«, fragte Mara automatisch. Sie konzentrierte ihren Blick auf den Deckel der Thermoskanne, um Neils Gesicht nicht sehen zu müssen. Warum musste ich ihn anschnauzen? Er hat doch nur versucht zu helfen.

    »Ich will ganz offen mit Ihnen sein, meine Liebe. Da muss noch einiges gemacht werden. Und … Es hat keine sehr schöne Geschichte.« Mara wartete ungeduldig, bis Jenny sich gesammelt hatte. Das Papierrascheln war wieder da, aber dieses Mal dachte Mara, dass ihre Maklerin sich mit einem Stapel loser Blätter Luft zufächelte. »Ist Ihnen Robert Kant ein Begriff?«

    Neil atmete scharf ein, aber Mara war der Name neu. »Nein. Sollte er das?«

    »Er … Er war kein guter Mensch, meine Liebe.«

    »Er war ein Serienmörder in den frühen 1900er-Jahren«, murmelte Neil zu Mara, bevor er sich wieder dem Telefon zuwandte. »Jenny, wollen Sie damit sagen, dass das Haus mit ihm in Verbindung steht?«

    »Ich fürchte, ja. Er hat die letzten vier Jahre seines Lebens dort verbracht, bevor er sich … nun ja … erhängt hat.«

    »Erschossen«, sagte Neil.

    »Nein, erhängt«, korrigierte ihn Jenny geduldig.

    Mara kaute fasziniert auf ihrem Daumen herum. Die Leute konnten zimperlich sein, wenn es darum ging, in einem Gebäude zu wohnen, das einst einen Mörder beherbergt hatte, als ob die Wände selbst irgendwie verdorben wären. Vor allem ihre Eltern glaubten fest an spirituelle Rückstände und schlechte Energien. Aber für Mara war ein Haus nichts weiter als eine Ansammlung von Ziegeln und Holz. Allein die Nähe zu einem unangenehmen Menschen sollte den Wert des Gebäudes nicht wesentlich mindern. Und wenn es sonst niemand wollte …

    »Wo ist es?«, fragte sie.

    Jenny klang überrascht. »Wenn es Sie nicht stört … Es heißt Blackwood House und ist eine halbe Stunde Fahrt von der Stadt entfernt. Wir könnten uns gleich dort treffen, wenn Sie möchten …? Ich gebe Ihnen die Wegbeschreibung.«

    Mara warf Neil einen kurzen Blick zu, als er die Adresse in das Navi eintippte. Sein Gesicht war ruhig, aber eine leichte Anspannung um seine Lippen verriet ihr, dass er nicht ganz glücklich war. Sie richtete den Blick wieder auf die Thermoskanne.

    »Okay«, sagte Jenny Atemlos. »Ich werde dort sein, so schnell ich kann. Ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt.«

    Das Gespräch wurde beendet, und Neil lenkte den Wagen zurück auf die Straße. Mara überlegte, wie sie ihre Gedanken am besten ausdrücken sollte, aber Neil brach das Schweigen als Erster.

    »Es tut mir leid, dass wir nicht das Haus bekommen haben, das du wolltest. Ich weiß, dass du enttäuscht bist, aber wenn das neue Haus nicht passt, werden wir uns etwas einfallen lassen.«

    Mara hob schließlich den Blick. In Neils Gesicht war nichts von der Distanz oder Feindseligkeit zu sehen, die sie befürchtet hatte. Stattdessen wirkte er ängstlich. Er warf ihr immer wieder Blicke zu, während er in drei Zügen wendete. Sie spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog, und murmelte, bevor sie den Mut verlor: »Es tut mir leid, dass ich ausgerastet bin. Du warst wirklich großzügig, aber …«

    »Ich weiß.« Sein warmes Lächeln war wieder da. Er nahm ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. »Unabhängigkeit ist dir wichtig. Ich verstehe das. Irgendwie gefällt mir das sogar.«

    Mara beugte sich hinüber und legte den Kopf an seine Schulter. Sie konnte spüren, wie sich seine Muskeln bewegten, als er das Lenkrad drehte, und er roch nach Kräutern und Sägemehl. Sie hätte nie erwartet, dass diese Kombination so gut riechen würde, wie es bei ihm war. »Ich liebe dich.«

    »Ich liebe dich auch.« Neil nutzte die Gelegenheit und küsste Mara auf den Kopf. Dann fügte er in einem atemlosen Tonfall hinzu: »Meine Liebe.«

    Mara brach in unkontrolliertes Lachen aus. »Du liebe Zeit! Ich schwöre, wenn sie mich noch einmal meine Liebe nennt …«

    3

    Blackwood House

    »Achte auf deine Sprache!«, sagte Neil freundlich.

    »Oh, Entschuldigung. Heilige Scheiße! Ist das besser?«

    Neil schmunzelte. Sie parkten in der vermeintlichen Auffahrt zu Blackwood House, aber Mara konnte es kaum glauben. Ihr Gespartes sollte für eine kleine Wohnung oder ein Zweizimmerhäuschen mit kleinem Garten reichen, wenn sie Glück hatte. Aber Blackwood war riesengroß. Sie zählte zehn Fenster auf zwei Etagen, und es schien einen Dachboden zu geben. Es war fast groß genug für ein kleines Hotel. Jenny muss sich vertan haben. Das kann unmöglich in meinem Budget liegen, egal wie viele Serienmörder man da reintut.

    Die Immobilienmaklerin hatte jedoch nicht übertrieben, als sie sagte, dass noch einiges gemacht werden musste. Das Haus sah aus, als hätte seit Jahrzehnten kein Mensch mehr hier gewohnt. Das dunkelgraue Holz hing an einigen Stellen durch und auf dem Dach fehlten Schindeln.

    Das Haus lag am Ende einer sehr langen und schmalen Straße. In den letzten zehn Minuten ihrer Fahrt waren sie an keinen

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1