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MILASCH, Nikodemus, Kirchenrecht Der Morgendländischen Kirche

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DAS

KIRCHENRECHT
DER

MORGENLANDISCHEN KIRCHE.
NACH DEN ALLGEMEINEN KIRCHENRECHTSQUELLEN UND NACH DEN IN DEN AUTOKEPHALEN KIRCHEN GELTENDEN SPEZIALGESETZEN

VERFABT
VON

Dr. NIKODEMUS

MILASCH,

ORTHODOX-ORIENTALISCHER BISCHOF IN ZARA.

UBERSETZT
VON

DR.

A L E X A N D E R

R v. PESSIO.

ZWEITE VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE.

MOSTM, 1905.
Vt':~LI\G Dt':~ Vt':RLI\GSBUCHHI\NDLUNG VON P 1\ C H t': R & K I 5 I C.
( .AlZe Bechte wrbehaZten.)

Aus dem Vorworte


zur ersten Auflage.

Bei Behandlung der Literatur des morgenHindischen Kirchenrechts babe ich hervorgehoben, daB in keiner Sprache ein Werk besteht, in welchem das in der morgenlandischen Kirche geltende Recht vollstandig dargelegt ware, d. h. in welchem sowohl die fiir die Gesamtkirche bindenden Gesetze, als auch die Normen, welche in den einzelnen, heute bestehenden autokephalen Kirchen Wirksamkeit haben, systematisch dargelegt waren. Der Mangel eines derartigen Werkes war im allgemeinen und am meisten fiir jene sehr fiihlbar, welche dazu berufen sind, das Kirchenrecht vorzutragen. lch habe versucht, diesem Mangel nach M5glichkeit abzuhelfen und babe den EntschluB gefaBt, dieses Buch hauptsachlich als Lernbehelf fiir meine H5rer herauszugeben. Wie jeder erste Versuch, wird auch dieses Buch zahlreiche Mangel namentlich aus dem Grunde aufzuweisen haben, weil nur in wenigen der bestehenden autokephalen Kirchen samtliche Gesetze kondifiziert sind und weil iiberdies in einzelnen dieser Kirchen die Gesetze nicht in Druck gelegt sind, so daB man die kanonische Praxis in diesen Kirchen nach den Angaben der verschiedenen gedruckten statistischen Berichte oder nach den in Reiseschilderungen enthaltenen Daten beurteilen kann. jedenfalls babe ich nach meinem besten Wissen und Konnen gehandelt und hoffe, daB man mir Glauben schenken wird, wenn ich erkUire, keine Mfihe gescheut zu haben, urn dieses Werk moglichst

IV vollsUindig zu gestalten und in demselben die Rechts-Institute der morgenlandischen Kirche mit tunlichster Genauigkeit darzulegen. SicherIich diirfte derjenige, welcher nach mir diesen Gegenstand bearbeiten wird, in der Lage sein, ein besseres Werk als das vorliegende zu verfassen; ich aber werde den Trost darin find en, daB ich der erste gewesen, welcher einer so miihevollen Arbeit den Weg gebahnt hat. Die Art und Weise der Darlegung des Gegenstandes, sowie das System desselben, ist ausreichend im Buche selbst erortert. lch war im allgemeinen bestrebt, das .Recht der morgenUlndischen Kirche so darzustellen, wie es tatsachlich ist. Einige Fragen sind in dem Werke, von der allgemeinen Auffassung, welche sich riicksichtlich einzelner Rechtsverhaltnisse und Rechts-Institute an verschiedenen Orten durch Gewohnheit eingebiirgert hat, abweichend dargelegt. Mein diesHllliges Vorgehen war durch die allgemeinen Kirchenrechtsquellen und durch die Rechtspraxis der Kirche in jener Zeit, in der das Leben der Kirche sich am ordnungsmaBigsten entwickelte und ausschlieBiich nach den Gesetzen des Stifters der Kirche, sowie seiner ersten Nachfolger geleitet wurde, veranlaBt. Die allgemeinen Kirchenrechtsquellen habe ich iiberall dort anmerkungsweise angefiihrt, wo sich die Notwendigkeit ergab, das zu bekraftigen, wovon im Texte die Rede ist; desgleichen habe ich aile mir zur Verfilgung gestandenen Spezialquellen angefilhrt; daher ist jedermann in der Lage, dasjenige, was in dem Texte behandelt wird, an der Hand der Quellen zu beglaubigen, und kann iiberdies wahrgenommen werden, daB ich im Texte nur dasjenige ausfilhre, worauf mich die Quellen geleitet haben.

ZARA, im Juni 1890.

Der Verfasser.

Vorwort
zur zweiten Auflage.

Als Professor an der theologischen Lehranstalt in Zara babe ich den Versuch gemacht, das heute in der morgenlandischen Kirche geltende Recht, unter Beriicksichtigung der allgemeinen Kirchenrechtsquellen sowie der besonderen in den einzelnen autokephalen Kirchen bestehenden gesetzlichen Vorschriften darzulegen. Diese Arbeit ist im Jahre 1890 unter dem Titel ,Das Kirchenrecht der morgenUlndischen Kirche" . zu Zara im Drucke erschienen. Wenngleich diese Arbeit- wie ich an betreffender Stelle erwiihnt babe - nur ein Versuch gewesen ist, so wurde das Buch von den Fachleuten doch als ein gutes bezeichnet und dies auch in verschiedenen Rezensionen zum Ausdrucke gebracht. Das Buch hat eine im Jahre 1897 zu Petersburg gedruckte russische und eine in demselben Jahre in Wien erschienene deutsche Obersetzung erfahren. * Die in serbischer Sprache erschienene Ausgabe hat bald eine weite Verbreitung gefunden und war vor vier Jahren bereits vtillig vergriffen. Die von verschiedenen Seiten erhobene Nachfrage nach diesem Buche machte eine neue Ausgabe notwendig, welche ich nun verfaBt babe. AnlaBlich der Vorbereitung dieser neuen Ausgabe fOr die Drucklegung babe ich den Eindruck gewonnen, daB in der ersten Ausgabe
Im jahre 1904 ist auch eine bulgarische Obersetzung des Suches in Sophia erschienen.

VI
einzelne Stellen nicbt binreichend klar dargelegt waren, und daB die kanoniscbe Lehre der morgenHindiscben Kircbe tiber einzelne Materien nicbt ganz genau zum Ausdrucke gelangte. lch babe daber die neue Ausgabe in dieser Beziebung verbessert und erganzt, sowie einzelne Paragrapbe ganzlicb umgearbeitet. Die in den einzelnen autokepbalen Kirchen wahrend der letzten zehn Jahre erschienenen gesetzlicben Vorschriften habe icb, soweit ich in den Besitz derselben gelangen konnte, an den betreffenden Stellen angefiibrt. Auch die Literatur des Kirchenrechts babe ich durch Anfiibrung jener Werke, welche icb erlangen konnte, vervollstandigt. Zur Erleichterung des praktischen Gebraucbes des Suches habe ich am Schlusse desselben ein alpbabetisches Register beigeffigt. lcb hatte das Werk einer ganzlicben Umarbeitung unterzogen, urn dasselbe, abnlich den besseren einscbUigigen Werken der abendl:tndiscben Kanonisten, moglichst vollstandig zu gestalten; allein die mit meiner gegenwartigen Stetlung in der Kirche verbundenen Gescbafte baben mich daran gehindert. Trotzdem babe ich das moglichste getan, und kann mit Befriedigung sagen, daB diese Ausgabe in einzelnen Teilen vie! besser und vollstandiger abgefaBt ist, als die erste. *

ZARA, im fanner 1902.

Der Verfasser.

* Nach der Drucklegung des Originals der vorliegenden Obersetzung sind einige neue gesetzliche Vorschriften in den einzelnen autokephalen Kirchen erschienen, sowie einzelne neue das Recht der morgenl!i.ndischen Kirche betreffende Werke. Diese gesetzlichen Vorschriften und Behelfe wurden vom Verfasser anlli.Biich der Vorbereitung der deutschen Obersetzung beriicksichtigt und an den betreffenden Stellen des Buches angefiihrt. Bei diesem Anlasse wurde auch das System des Werkes einer neuerlichen Oberpriifung unterzogen, und hiebei die Reihenfolge einiger Paragraphen abgelindert, und andere, ganz neue, hinzugefiigt.

Inhaltsverzeichnis.
Einleitung.
Die allgemeine Grundlage des Kirchenrechts.
Seite

.
. . . . . .

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Die Kirche und deren Aufgabe . . . . . . Die Kirche im Oebiete des Rechts . . . . . Das Kirchenrecht . . . . . . . . . . . Das Kirchenrecht im allgemeinen Rechtssystem Die Kirchenrechts-Wissenschaft . . . . Art der Darlegung des Kirchenrechts . . . Die Hilfswissenschaften des Kirchenrechts . . Das System des Kirchenrechts . . . . . . Die Literatur des griechisch-orientalischen Kirchenrechts .

1 3
7

10 13 15 17
21 23

I. Tell.
Von den Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.
A. Die Quellen des Kirchenrechts.
.

10. Allgemeine Obersicht

. . . 37

Erstes Kapitel.
Von den Kirchenrechtsquellen im allgemeinen.
. . . . . .

1t. 12. 13. 14. 15. 16.

Die heilige Schrift . . . . Die Tradition . . . . . . Die kirchliche Oesetzgebung . Das Oewohnheitsrecht . Die weltlichen Oesetze . Das Kanonisten-Rccht

38

42
44

47
50
54

Zweites Kapitel.
Die Auwendung der Rechtsquellen.
. 17. Die Anwendung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze . . 18. Die Auslegung der Gesetze . 19. Das Erloschen der Oesetze . . . . . . . . . .

56
64

68

VIII

Drittes Kapitel.
Die Quellen des Kirchenreohts im besonderen.
Selt.e

. 20. Allgemeine Obersicht .

. . . . . . . . . . . . .

74

I. Die allgemeinen Quellen des Klrcbenrechts.


&)

Die Grundquellen.
. . . . 75 79

. 21. 1. Die heilige Schrift und Tradition . . . . 22. 2. Die Kanones . . . . . . . . . .

b) Die ergli.n.zenden Quellen.


. 23. Die kanonischen Verordnungen der Patriarchal-Synoden .

. . . .

113

c) Die HiUaquellen.
. 24. Die Ansichten anerkannter Kanonisten .
. 25. Die kirchlich-weltlichen Gesetze .

. . . .

121 123

11. Die besonderen Quellen des Klrchenrechts.


, . . . . .

.
, . . .

26. Allgemeine Obersicht . . . . . . 27. Das Patriarchat von Konstantinopel . 28. Kie Kirche im Kaisertume RuBland . 29. Die Karlowitzer Metropolie . . . . 30. Die Kirche im Konigreiche Griechenland . 31. Die Metropolie von Hermannstadt . . . 32. Das bulgarische Exarchat . . . . . . 33. Die Metropolie von Bukowina und von Dalmatien 34. Die Kirche im Konigreiche Serbien . 35. Die Kirche im Konigreiche Rumlinien 35 a. Die Metropolie von Montenegro .

131 132 137


141

146
150

150
152 154 155 156

B. Die Kirchenrecltts-Sammlungen.
. 36. Allgemeine Obersicht .

. . . . . . . . . . . .

. . . 157

I. Die Perlode bls zum .Malllinder Edlkt (318).


. 37. Die Sammlungen unter dem Namen der Apostel .

. . . . . . . . 159

II. Die Perlode bls zur Herausgabe der fundamentalen KanonenSammlung der orlhodoxorlentallschen Klrche (888).
. . , .

38. 39. 40. 41.

Allgemeine Obersicht . . . . . . . . . Die rein kanonischen Sammlungen . . . . Die kirchlich-weltlichen Rechts-Sammlungen Die Nomokanones . . . . . .

165 166 176 178

III. Die Perlode naeh dem Ersebelnen der fundamentalen KanonenSammlung der orth041ox-orientaltschen Ilrche.
. 42. Allgemeine Obersicht

. .. . . . . . . . . .

. 43. Die griechischen Kanonen-Sammlungen

183 184

IX
Sette

. 44. Die slavischen Kanonen-Sammlungen . . . . . . . . 45. Die rumlinischen Kanonen-Sammlungen . . . . . 46. Werke der Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts ,

191 197 200

II. Teil.
Die Verfassung der Kirche.
. 47. Allgemeine Obersicht

. . . . . 205

E rs te r A b s c h n itt.

Die allgemeinen Grnndziige der kirchlichen Verfassnng.

Erstes Kapitel.
Uber die Kirche im allgemeinen.
. 48. Begriff und Griindung der Kirche . 49. Das Oberhaupt der Kirche . . 50. Die Eigenschaften der Kirche

. 51. Die Einheit der Kirche

206 207 209 211

Zweites Kapitel.
Der kirchliche Organismus.
. 52. Die allgemeine Zusammensetzung der Kirche . . . . 53. Die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien

214 218

Drittes Kapitel.
Die Kirchengewalt.
. . . . .

54. 55. 56. 57. 58.

Von der Kirchengewalt im allgemeinen Die Entstehung der Kirchengewalt . Die Bestlindigkeit der Kirchengewalt Das Subjekt der Kirchengewalt Die Zweige der Kirchengewalt

227 228 230 231

235

Zweiter Abschnltt. Uber die Hierarchic.

Erstes Kapitel.
Zusammensetzung der Hierarchie.
. 59. Begriff der Hierarchie . . . -. . 60. Die hierarchia ordinis . . . . . 61. Die hierarchia jurisdictionis . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62. Die allgemeinen Rechte und Pflichten der Mitglieder der Hierarchie . 63. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Hierarchie , , ,

236 238 243 246 250

Zweites Kapitel.
Der Eintritt in die Hierarohie.
I. Die Erzlehung und wissenschattliche Ausbildung des Klerus.
Seite

64. Verh!Utnisse der alteren Zeit . . . . . . . . . . 65. Der heutige Zustand . . . . . . . . . . . . . . . .


.

252 255 257 259 260 262 264 265 268 270 271 275 280 287 288

. . . . . . .

.
.

. .

II. Die Etnftlbrung In den Klerus. 66. Die fundamentalen Erfordernisse fiir den Eintritt in den Klerus fi7. Die Eigenschaften der Kandidaten des geistlichen Standes 68. a) Die physischen Eigenschaften . . . . . . . . . . 69. b) Die psychischen Eigenschaften . . . . . . . . . . 70. c) Die Eigenschaften vom Standpunkte der Freiheit des Kandidaten 71. d) Die Eigenschaften, welche sich auf den guten Ruf beziehen . . 72. Allgemeine Beurteilung der Eigenschaften der Kandidaten des geistlichen Standes . . . . . . . . . . . 73. Die Tonsur beim Eintritt in den Kierus . 74. Die Cheirotonie . . . . . . . . . . . 75. Die Berecbtigung zur Erteilung der Cheirotonie 76. Die Wirkungen der Cbeirotonie . . . . .

m.
.

Die Cheirotonte der A.ndersglllublgen.


. . . . . . . . . . . . . . .

. 77. Der prinzipielle Standpunkt der orthodox-orientalicben Kircbe .

78. Die kanonlsche Praxis

0 r i tt e r A b s c h n i tt.

Die Organe der Kirchengewalt.

Erstes Kapitel.
Die Kirohengewalt in der allgemeinen Kirche.
I. Die allgemelnen Konzilien.
. 79. Begriff und Aufgabe der allgemeinen Konzilien
. . .

290

80. Die Berutung des allgemeinen Konzils . . . 81. Die Teilnehmer an einem allgemeinen Konzil . 82. Die Autoritat des allgemeinen Konzils . . . .

292
294 295

I I.Dle Uberelnstlmmnng der auf elnem Konzile nicht nrsammelten Blscbafe


.

83. Die Bedeutung der iibereinstimmenden bischoflichen Entscheidungen, welche ohne ein Konzil zustande kommen . . . . . . . . . . 296

Zweites Kapitel.
Die Kirchengewalt in den Partikularkirohen.
84. 85. , 86. . 87.
. .

Die Die Die Die

I. Das Klrchengebiet. Bestandteile der Kirche . . . . . Selbstandigkeit der Partikularkirchen . autokephalen Kirchen der alteren Zeit gegenwartigen autokephalen Kirchen .

297 301 303 307

XI
II. Die VerfiU!Soag der Partiliolarkirchen.
8eite

. . . . . . , . . . . .

88. 1. Von den Partikularsynoden 317 89. a) Die Metropolitan-Synode 318 90. b) Die Patriarchai-Synode . 320 91. 2. Die Erzbischofe als Vorsteher der autokephalen Kirchen 322 92. a) Die Metropoliten 323 93. Die Ehren-Metropoliten . . . . 325 94. b) Die Patriarchen . . . . . . . 326 95. Die Stellvertreter der Patriarchen 329 96. 3. Die gegenwartigen autokephalen Bischofe 330 97. Die Einsetzung der heutigen autokephalen Bischofe 331 98. Die personlichen Rechte der gegenwartigen autokephalen Bischofe . 335 99. Die obersten Organe in den gegenwartigen autokephalen Kirchen 338 I. Permanente Synoden . . . . 338 II. Periodische Synode . . . . 342 a) Streng kirchliche Synoden 342 b) Die gemlschten Synoden 346

Drittes Kapitel.
Die Eparchial-Verfassung.
I. Dle EparchlalBischiite.
. . . . . . . . . . . .

100. Historische Obersicht . . . . . . . . 101. Die Kandidaten fiir den Episkopat . . . . 102. Die Wahl und Einsetzung der BischOfe . . . 103. a) Die Wahl und Einsetzung der BiscMfe in alterer Zeit 104. b) Die Wahl und Einsetzung der BischOfe in der Gegenwart 105. Der Eid des Bischofs . . . . . . . . . . . . 106. Die Wirkungen der bischOflichen Cheirotonie . . . . 107. Die gegenseitigen Beziehungen der Eparchialbisch6fe . 108. Die Rechte der Eparchialbischofe . 109. Die Ehrenrechte des Bischofs . . . . . . . . . 110. Die Pflichten der EparchialbischOfe . . . . . . . 111. Die Verwaltung der Kirche wahrend der Sedisvakanz

351 352 355 355 365 366 368 370 372 380 381 387

U. Die ZentralOrgane der VerwaltllDg lu. den Eparchlen.


. . . . .

112. 113. 114. 115. 116.

Die VikarbischOfe . . . . . . Die Kollegiai-Organe der Eparchie Die Eparchiai-Konsistorien . . . . Andere Verwaltungs-Organe der Eparchien Die Eparchialversammlungen . . . . . .

388
390

392 395
397

m.
. . . .

Die Verwaltnngsorgane in den EparchlalBezirken.

117. 118. 119. 120.

Die Die Die Die

kirchlich. en Aufsichtsorgane in den Bezirken . . . . Bezirksprotopresbyteri . . . . . . . . . . . . Hllfsorgane der Verwaltung in den Protopresbyteraten Pastorai-Konferenzen in den Bezirken . . . . . .

399
400 403 404

XII
IT. Dle Pfarrgelstlichblt.
Selte

. . .
.

. . . .

121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129.

Allgemeine Obersicht . . . . . Die Bestellung der Pfarrer . . . . . . . . . Die gegenwartige Pfarr-Organisation . . . . . Die allgemeinen Rechte und Pflichten der Pfarrer Die besonderen Pftichten des Pfarrers . . . . Die Gehilfen und Stellvertreter des Pfarrers . . Die Diakone und die Kirchendiener in den Pfarren Die Pfarrepitropien Die Milit!rgeistlichkeit . . . . . . . . . .

406
409 412 416 417 425
427 429 434

lll. Tell. Die Verwaltung der Kirche.


. 130. Allgemeine Obersicht .

. . 437

Erstes Kapitel.
Die Verwaltung der Lehre.
. 131. Die Bewahrung der christlichen Lehre . . . . . 132. Die Verbreitung der christlichen Lehre . . . . . . 133. Die Bewahrung der Glll.ubigen vor falschen Lehren

438

439 442

Zweites Kapitel.
Die Verwaltung der heiligen Handlungen.
.

134. Die heiligen Handlungen

. . . . . . . . . .

447
448

. 135. Die Organe zur Verwaltung der heiligen Handlungen . . . 136. Allgemeine Bestimmungen tiber die heiligen Handlungen

449

Drittes Kapitel.
Die Handhabung der Kirchenregierung.
I. Dle kircllllehe Gesetzgebung.
. . . . . .

137. Allgemeine Obersicht . . . . . . . . 138. 1) Die allgemeine kirchliche Gesetzgebung . 139. 2) Die besondere kirchliche Gesetzgebung . 140. a) Die Partikular-Synoden. . . . . . 141. b) Die gesetzgebende Gewalt der BischOfe 142. c) Die Genossenschafts-Statute . . . . .

451
453

453 455
456 458

II. Die klrcbllehe Geriehtsbarkeit.


. .

459 143. Allgemeine Obersicht . . . . . . 144. 1) Die Kompetenz der kirchlichen Gerichte in ihren verschiedenen 462 Phasen . . . . . . . 471 . 145. 2) Die kirchlichen Gerichte

XIII
Seite

. .

. . . . . . . .

3) Von dem kirchlichen Gerichtsverfahren. 146. a) Das kirchliche Gerichtsverfahren in seinen verschiedenen Phasen 476 147. b) Das gegenwiirtige Gerichtsverfahren . 483 4) Das kirchliche Strafrecht. 148. a) Die kirchlichen Delikte . . . . . 489 149. a) Die allgemeinen kirchlichen Delikte 489. 150. ~) Die Delikte der Geistlichen 493 151. b) Die kirchlichen Strafmittel 496 152. a) Die Strafen fiir Laien . . 499 153. ~) Strafen fiir die Kleriker 502 154. y) Das Verhiingen von Strafen . 507 154 a. Das Erloschen der Delikte und Strafen 509

m. Das Jdrchliche Vermogensrecht.


. 155. Allgemeine Obersicht .
. . . . . . . .

156. 157. 158. 159. 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166. 167. 168.

. . . . .

. . 1) Das Kirchenvermogen. Das Besitzrecht der Kirche Von dem Eigentum am Kirchengute Das Subjekt des Eigentums am Kirchengute Von der Erwerbung der Kirchengiiter Die Vorrechte der Kirchengutes . . . . Von der Verwaltung des Kirchengutes . Von der Verwendung des Kirchengutes Das Stifterrecht . . . . . . 2) Der Unterhalt des Klerus. Grundsiitzliche Bestimmungen Der Unterhalt der Bischofe und der Kirchenwiirdentriiger Der Unterhalt der Pfarrgeistlichkeit . . . . . . Allgemeine Normen iiber das Vermogen des Klerus Die Versorgung dienstuntauglicher Geistlicher

515 516 517 519 522 527 531 533 535 539 541 543 548 551

IV. Teil.
Das Leben der Kirche.
. 169. Allgemeine Obersicht .

. . . . . 553

Erstes Kapitel.
Der Eintritt in die Kirche.
. .

170. Die Taufe . . . . . . . . . . . . . . 171. Die Aufnahme Andersgliiubiger in die Kirche .

553 557

Zweites Kapitel.
Das gottesdienstliche Leben der Kirche.
. . . . .

172. 173. 174. 175. 176.

Von den heiligen Handlungen Die Heiligenverehrung . . Von den gesegneten Orten Die heiligen Sachen . Die geheiligten Zeiten

560 565

567 572 573

XIV
Drittes Kapitel.
Die Ehe.
. 177. Allgemeine Obersicht .
Selle

. . . . . . . .

576
577 578
580

. . .

I. Von dem Wesen der l!:he. 178. Begriff der Ehe . . . . . . . . . . . . 179. Die Ehe als neu-testamentarisches Sakrament 180. Die Jurisdiktion in Eheangelegenheiten . . .
H. Die Ehesehlle6ung.

. 181. Die hauptsiichlichen Erfordernisse der Ehe .


. . . . .

583
587 590 591
592 594

182. 183. 184. 185. 186.

Das VerH>bnis . . Das Braut-Examen Das Aufgebot Die Zeit zur Eheschlie6ung Die Trauung . . . . . .

m. Von
. . . . . . .

den Ehehindernlsaen.

187. Von den Ehehindernissen im allgemeinen 596 188. A. Die absoluten Ehehindemisse 5fR 189. B. Die relativen Ehehindernisse . 604 190. 1} Die Blutsverwandtschaft . 604 191. 2) Die Schwiigerschaft . . . 610 192. 3) Die geistliche Verwandtschaft 614 193. 4) Die nachgebiidete Schwagerschaft 616 . 194. 5) Die Adoption . . . . . . . . 618 . 195. 6) Relative Ehehindernisse, welche au6erhalb des Begriffes der Verwandtschaft liegen 618 . 196. Die Wirkungen der Ehehindernisse . . . . 622 . 1fR. Die Beseitigung der Ehehindernisse . . . . . 624

IV. Die Wlrkungen der Ehe.


. 198. Die Rechte und Pflichten der Ehegatten . . .
.

199. Die Beziehungen zwischen Eltem und Kindem

626 627

V. Die Ehetrennung.
. . .

200. Die Grundlehre tiber die Ehetrennung 201. Die Ehetrennungsgriinde . . . . . 202. Die Rechtswirkungen der Ehetrennung

629
634 640

VI. Die au6ergew6hnlichen Eben.


. . .

203. Die zweite und die dritte Ehe . 204. Die Mischehen . . . . . . . 205. Die verschiedenen Arten der Ehe

642
643

645

Viertes Kapitel. Das genossenscha.ftliche Leben in der Kirche.


.

206. Allgemeine Obersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 649

XV
I. Bas JIUnchtum.
Seite

. . . . , . , .

207. 208. 209. 210. 211. 212. 213. 214.

Die Die Die Der Die Die Die Die

Bedeutung und Enstehung des M6nchtums Regelung des MBnchtums Organisation des Mtinchtums Eintritt in den M6nchsstand MBnchstonsur . . . . . Wirkungen der M6nchstonsur . KlOster . . . . . . . . innere Organisation der Kloster
11. Die ktrehllcben Bradersehaften.

649

651
656 660 663 667 669

675

. 215. Die Entstehung und der Zweck der Bruderschaften . 216. Der juristische Charakter der kirchlichen Bruderschaften

681 682

Fiinftes Kapitel.
Die cbristliche Tod.
. 217. Die !etzte christliche Wegzehrung . 218. Die Beerdigung der Verstorbenen . 219. Die Oebete fiir die Verstorbenen

683 685 687

V. Tell.
Da.s Verhii.ltnis der Kirche zum Staa.t und zu den Andersglii.ubigen.
. 220. Allgemeine Obersicht

. . . . . . . . . . . . 689

Erstes Kapitel.
Der Kirche und der Staat.
. . . . .

221. 222. 223. 224. 225.

Die Entstehung der Kirche und des Staates . . . Die Selbstandigkeit der Kirchen- und der Staatsgewalt . Das fundamentale Verhaltnis zwischen Kirche und Staat Der Wirkungskreis der Kirchen- und der Staatsgewalt . Die gegenwiirtigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat

690
694 696 710

713

Zweites Kapitel.
Die Kirche und die Angehorigen der iibrigen Religionsgesellscha.ften.
. 226. Allgemeine Betrachtung fiber das Verh1Utnis der Kirche zu den iibrigen

Religionsgesellschaften
. 227. Die religiOse Toleranz . . . . . . 228. Die staaUiche Toleranz . . . . .

717 718 721


725

Berichtigungen und ZuslUze Register

727

Einleitung.
Die allge1neine Grundlage des Kirchenrechts.
. 1. Die Kirche und deren Aufgabe.
Der von Oott den ersten Menschen geoffenbarte Olaube hat im Laufe der jahrhunderte seine urspriingliche Form eingebii8t und sich in eine Menge der verschiedenartigsten national en und staatlichen Olaubensbekenntnisse verwandelt. Zur Zeit des Auftretens des Christentums hatte jedes Volk seine eigentiimlichen Oottheiten, seinen eigenen Gottesdienst, so daB der Olaube in der darnaligen Welt, anstatt als Macht aufzutreten, welche die Menschen unter sich und mit Oott verbindet 1, dieselben voneinander getrennt und ein Volk dem andern entfrerndet hat. Diese Spaltung im Olauben rnu6te notwendig auch auf die Volksrnoral einwirken; und in der Tat trat auch an Stelle der friiheren wechselseitigen Liebe unter den Menschen, an Stelle der Achtung des Ebenbildes Oottes in jedern Menschen, und sonach an Stelle der Anerkennung der Oleichheit unter den Menschen, jene egoistische Moral zutage, deren trauriges Bild uns die Menschheit jener Zeit bietet 2. Der widernati.irlichc Zustand, in welch em sich die darnalige Menschheit befand, machte sich in allen Spharen des gesellschaftlichen Lebens schwer fiihlbar; iiberall machte sich das Oefilhl geltend, daB ein solcher Zustand nicht lang haltbar, daB eine neue Macht notwendig sei, welche die Menschheit zu regenerieren und vom eingeschlagenen Abwege
. 1. 1 Ober die Bedeutung des Glaubens in diesem Sinne s. Makarius, Vvedenie v pravoslavnoe bogoslovie (Einleitung in die orth. Theologie). . 11. S. Petersburg 1871. S. 24-25. Nach der Lehre der abendliindischen Kirchenviiter Lactantius (lnstit. div. IV, 28) und Augustinus (Retract. I, 13. De vera relig. c. 41, 55) hat das Iateinische Wort ,religio" dieselbe Bedeutung. 2 S. /. Celzov, lstorija hrist. cerkvi (Geschichte der christlichen Kirch e). I, 1-30. S. Petersburg 1861. Phil. u. S. Ternovski, Tri pervie vjeka hristianstva (Die drei ersten jahrhunderte des Christentums). Kiew 1878. S. 3-28. Ign. Dollinger, Paganisme et ludaisme, ou Introduction a l'histoire du Christianisme (trad. de !'allemand). Bruxelles 1858. 4. vol. Das ganze Werk ist fUr diese Frage von Bedeutung; die wichtigsten Deduktionen s. IV, 109. 276.
IUaA, Khthenretht.

2 abzulenken hlltte. Diese umgestaltende Macht zeigte sich, als ,die Ftille der Zeit" begann, als nach dem ewigen Plane der Vorsehung die damalige gesellschaftliche Unordnung in der Welt aufzuhoren und an Stelle der egoistischen Moral die Liebe zu treten hatte, welche aile V!jlker in eine Familie vereinigen sollte, zur solidarischen, auf das allgemeine Wohl gerichteten Arbeit, zum gemeinsamen Streben nach dem von der Natur und von Gott vorgezeichneten Ziele. Das Christentum entstand, welches die unter dem Siegel des Glaubens zur Norm gewordene Zerfahrenheit der Menschen verurteilte, die Gleichheit aller vor Gott und der ewigen Gerechtigkeit hervorhob und mit der Lehre Uber die Beziehung der Menschen zu Gott, zu sich selbst und zu den Mitmenschen sich als Religion der gesammten Welt offenbarte, die in sich die Macht hat, sich Uberallhin zu verbreiten, die menschliche Natur in ihrer Glinze zu erfassen und allen wahrhaften Bedilrfnissen des menschlichen Geistes zu genUgen. Diesen christlichen Glauben hat Gott selbst den Menschen geoffenbart, ihn als das Reich Gottes auf Erden, als Kirche der gesammten Menschheit (Matth. 16, 18. Marc. 10, 15) befestigt. Diese Kirche muB als solche vollkommen sein, denn sie ist eine g6ttliche Institution auf Erden. Das von Gott fUr die Menschen in ihren Wechselbeziehungen und in Beziehung auf den endlichen Zweck vorgezeichnete ewige Gesetz wurde durch den menschlichen Willen verdunkelt, und im Laufe der jahrhunderte bildete sich zwischen diesem gottlichen Gesetze un dem menschlichen Willen eine tiefe Kluft, zu deren Ausgleichung und Beseitigung keine irdische Macht geniigte; es bedurfte der gottlichen Macht, welche den menschlichen Willen auf die richtige Bahn zu leiten und die freiwillige Unterordnung desselben unter das ewige Gesetz zu erzielen vermochte. Diese gottliche Macht ist denn auch die christliche Kirche, der es sonach als erste und wichtigste Aufgabe obliegt, den menschlichen Willen nach dem Willen Gottes zu lenken, welcher dahin geht, daB die Menschen ihren Schopfer verehren, daB unter ihnen auf Erden wechselseitige Liebe herrsche, daB sie sich als Ebenbilder Gottes gleich betrachten, gemeinsam fUr das allgemeine Wohl tlitig sind und durch ihr Leben auf Erden sich zur Erlangung des ewigen Heils vorbereiten. Dies ist die allgemeine und endliche Aufgabe der christlichen Kirche. Diese hat die Kirche gleich bei ihrem Entstehen begonnen und durch aile jahrhunderte hindurch erfUllt, indem sie ihren wohlthatigen und regenerierenden Einfluss auf die menschliche Gesellschaft und auf aile Institution en derselben bekundet a.
Hiebei k5nnen wir nicht unterlassen, die Worte eines gelehrten Engl!lnders iiber den Einflu8 der christlichen Kirche auf die Menschheit anzufiihren: ,Durch sie wurde der Schrecken des Krieges und die Behandlung der Verbrecher gemildert; das Regiment der despotischen Regierungen weniger driickend gestaltet; sie beseitigte
3

. 2.
Die Kirche im Gebiete des Rechts.

Der Stifter der Kirche, jesus Christus, hat dieselbe als das Reich Gottes auf Erden bezeichnet (Matth. 16, 18). Wahrend der Zeit des Verweilens auf Erden erwahnt Christus das Wort ,Kirche" (exx).:1JOt!X.} noch ein anderes Mal, und zwar in einem von dem ersteren ganz verschiedenen Sinne. Indem Er namlich von dem Bruder spricht, welcher siindigt, sagt Christus, daB er vorerst allein, und wenn er nicht gehorcht, vor Zeugen ermahnt werden soil; wenn er aber auch diese nicht achtet, ,dann", fiigt Christus bei, ,sage es der Kirche; wenn er auch die Kirche nicht achtet, so mag er als Heide und ZOllner dir gelten" (Matth. 18, 15-17). Hierin erscheint bereits die Kirche als eine den Unglaubigen gegeniibergestellte Gemeinschaft von Glaubigen. Diese heiden von Christus hingestellten Auffassungen der Kirche erganzen sich gegenseitig und zeigen den allgemeinen Charakter derselben. Das Kirchenrecht, welches sich an diese zweite der heiligen Schrift entlehnte Stelle halt, und auf Grund der erwahnten ersten Stelle die Kirche mit den sie auszeichnenden Merkmalen als eine gottliche Institution auf Erden anerkennt, erachtet dieselbe als eine Gemeinschaft von Menschen, welche an jesum Christum glauben, durch die Einheit des allgemeinen Bekenntnisses untereinander zu einem allumfassenden geistlichen Bunde vereinigt sind, mittels der Sakramente durch die Gnade des heiligen Geistes die Weihe empfangen, und unter der unsichtbaren Oberleitung Christi zum Heile von jenen gefiihrt werden, die in die Machtsphare der Apostel nachfolgten t. Als Gemeinschaft der Menschen auf Erden mit einem bestimmten Zwecke, als gesellschaftlicher Organismus, mu6 die Kirche ihre genau bestimmten Gesetze haben, nach welchen dieser Organismus lebt und
die Vielweiberei, verwarf das Aussetzen der Kinder und Ttidten der Sklaven, verurteilte die Gladiatorenkampfe, die Schmach heidnischer Ceremonien; die widernatiirlichen Untugenden, wenn sie dieselben auch nicht beseitigen konnte, wurden von ihr .sammt denjenigen gebrandmarkt, welche sich denselben hingaben; sie besserte die Lage des Arbeiterstandes, welcher die groBe Majoritat der Gesellschaft bildet, durch die Festzetzung eines Ruhetages in der Woche. Dberall, wo die Kirche festen FuB fasste, entstanden unzahlige Institute zur Unterstiitzung der Kranken, Armen und verwahrlosten Kinder". Will. Paley, A view of the evidences of christianity, Edimb. 1875. p. 219. Ober den Einfluss des Christenturns auf die Staaten: siehe Am. Thierry, Tableau de !'empire romain. Paris 1872. p. 344, 359 et al.; - auf das Recht: M. Troplong, De !'influence du christianisme sur le droit civil des Romains. Paris 1868. p. 147 u. ff.; - im allgemeinen: Chateaubriand, Le Genie du christianisme. Paris 1864. 2. vol. und insbesondere jenes Kapitel, welches die Frage behandelt , Wie es heute urn die menschliche Gesellschaft bestellt wllre, wenn das Christentum in der Welt nicht aufgetreten ware". II, 262-280. . 2. 1 Archim. johann, Kurs cerkovnago zakonovjedjenija. S. Petersburg 1851. I, 3. I

Einleitung.

sich entwickelt, und welche die Beziehungen der Olieder dieses Organismus untereinander festsetzen. Die Orundgesetze wurden vom Stifter der Kirche selbst erlassen; aile iibrigen Gesetze riihren auf Grund dieser Satzungen von der Kirche her, zufolge der ihr vom Stifter eingeraumten Oewalt. Die Gesetze der Kirche unterscheiden sich sowohl von jenen der Moral, als auch von allen irdischen socialen Satzungen, u. z. mit Riicksicht auf die Beziehung der Kirche als eines socialen Organismus zu dem inneren Leben jedes einzelnen Mitgliedes dieses Organismus, sowie im Hinblicke auf die Aufgabe der Kirche in der Welt. jene Normen, welche die auBere Handlungsweise der Glieder irgend eines gesellschaftlichen Organismus regeln und die Beziehungen dieser Glieder untereinander und zur ganzen Gesellschaft bestimmen, nennt man juristische Gesetze, riicksichtlich der Kirche kirchlich-juristische. Dieselben unterscheiden sich wesentlich von den Oesetzen der Moral, nach dem Gegenstande, dem Umfange, und nach der Sanktion. Dem Oegenstande nach bezieht sich das juristischc Oesetz, welches die unumganglich notwendige Ordnung in der betreffenden Gesellschaft vorschreibt, nur auf die auBeren Handlungen, d. h. auf jene freien Willenskundgebungen der Menschen, welche sich nach auBen hin manifestieren; denn nur diese konnen fiir die bestehende Gesellschaftsordnung von Folgen begleitet sein. Das moralische Gesetz dagegen bezieht sich auf alle inneren seelischen Vorgange des Menschen, auf dessen Bestrebungen und Absichten. Da nun diese inneren Bestrebungen und Absichten des Menschen, so verwerflich sie auch sein mogen, eine Verletzung der Rechtssphare anderer nicht nach sich ziehen, satang sie sich nicht durch eine gesetzte Handlung auBerlich manifestieren, so konnen sie auch nicht der Iudikatur des juristischen Gesetzes unterliegen. Dem Umjange nach gehort in das Gebiet des moralischen Gesetzes die gesammte Tatigkeit des Menschen, sowohl seine inneren Absichten, als auch die auBeren Handlungen; denn diese letzteren sind der Ausdruck dessen, was der Mensch sich vorgenommen, die Realisierung der menschlichen Absicht. Daher richtet auch das moralische Gesetz die zur Vornahme einer Handlung gefasste Absicht. Das juristische Gesetz kann die einer Handlung zugrundeliegende Absicht nicht durchblicken, sondern urteilt nur dariiber, was der Mensch als Mitglied einer bestimmten Gesellschaftsklasse begangen hat; das juristische Gesetz verurteilt ihn sonach nach dem Umfange der durch diese seine Handlung der Rechtssphiire dritter zugefiigten Verletzung, oder nach dem MaBe der Obertretung der Gesellschaftsordnung im allgemeinen. Was die Sanktion2 anbelangt, so hat das juristische Gesetz, wenn
~ Das Wort ,sanctio" wird von sanctus, sanctitas hergeleitet. In den Digesten (lib. I. tit. VIII, 8) heiBt es: ,Sanctum_est, quod ab injuria hominum dcfcnsum atque

. 2. Die Kirche im Gebiete des Rechts.

es dazu berufen ist, die bestehende auBere Gesellschaftsordnung dem festgesetzten Zwecke gemaB zu bewahren und zu erhalten, sowohl das Recht als auch die Pflicht, nicht allein darliber zu wachen, daB diese Ordnung aufrechterhalten und von jedermann beachtet werde, sondern es hat auch die zwingende Gewalt in Anwendung zu bringen, damit sich jeder dieser Ordnung fiige und fiir Verletzungen derselben zur Verantwortung gezogen werde. Das moralische Gesetz dagegen, dessen Befolgung dem freien Willen des Menschen iiberlassen bleibt, gilt vor dem Forum des Oewissens und wird die Verletzung desselben vor Gott zu rechtfertigen sein 3. Die zwingende Oewalt, welche den Hauptunterschied zwischen dem moralischen und juristischen Gesetze bildet, ist in jedem juristischen und ebenso im kirchlich-juristischen Oesetze unbedingt notwendig; nur in der Art der Erzwingbarkeit dieses Oesetzes in Kirche und Staat liegt ein Unterschied. Nach der stifterischen Einrichtung kann sich die Kirche der physischen Oewalt nicht so wie der Staat bedienen; allein auch ihr steht das Strafrecht demjenigen Mitgliede der Kirche gegeniiber zu, welches sich ihren Anordnungen nicht unterwirft und die einen streng juristischen Charakter an sich tragende kirchliche Ordnung verletzt. Diese Zwangsanwendung in der Kirche steht jedoch keineswegs im Wiederspruche zu dem christlichen Olaubengsdogma tiber die Willensfreiheit. Die Kirche zwingt niemanden in ihren Verband zu treten; allein sobald jemand der Kirche angehtirt, muB er sich ihren auf dem gtittlichen Willen basierenden Oesetzen fligen, wenn er jener Wohltaten teilhaftig sein will, welche die Kirche gewahrt. Die zwingende Oewalt der kirchlichjuristischen Vorschriften besteht nicht wegen der Kirche allein, sondern deshalb, damit diejenigen, welche freiwillig der kirchlichen Oemeinschaft beigetreten sind und ebenso ihrem freien Willen nach aus derselben ausscheiden ktinnen, den beziiglichen Zweck erreichen. Die Kirche bedient sich ihrem Charakter gemliB zur Austibung der Zwangsgewalt geistlicher Mittel, und ktinnen aile von der Kirche in diescr Beziehung vorgenommenen Handlungen niemals als physische Zwangsmunitum est. Sanctum autem dictum est a sagminibus. Sunt autem sagmina quaedam herbae, quas legati populi romani ferre solent, ne quis eos violaret, sicuti legati Oraecorum tulerunt ea, quae vocantur cerycia." Vergl. Basilicorum libri LX. lib. XL VI. tit. Ill, 6. (Ed. Car. G. E. Heimbach, Lipsiae 1833-70. Tom. II. pag. 561-562.) Sanktion bei Gesetzen bedeutet die Sicherung der Macht des Gesetzes durch das Vorschreiben von Strafen filr jene, welche das Gesetz verletzen. Vergl. G. F. Puc!zta, Cursus der Institutionen. Leipzig !"856. I, 291. Unter kirchlicher Sanktion versteht man die Sicherung des betreffenden Gesetzes durch Strafen kirchlichen, gcistlichen Charakters. Ober religiOse Sanktion, s. A. Rosmini-Serbati, Filosofia del diritto. Intra 1865. I, 117. Ober die Beziehungen zwischen diesen Oesetzen, s. Archim. johann. Op. cit. I, 8-9.
3

Einleitung.

mittel angesehen werden, da durch physische Oewalt die Einwirkung auf das Herz des Menschen zur Verfolgung hoherer christlicher Ziele unmoglich, und die Kirche Uberdies das Reich der Freiheit ist. Schon durch die Aufgabe der Kirche ist ein Unterschied zwischen ihren Oesetzen und jenen aller Ubrigen irdischen Oesellschaften, insbesondere aber des Staates, bedingt. Dieser Unterschied basiert auf der verschiedenen Beschaffenheit der Kirche und der iibrigen irdischen Oesellschaften, insbesondere des Staates. Die Kirche besitzt im Orunde der ihr von Oott zugedachten Aufgabe den Charakter der Notwendigkeit und erscheint als solche vollkommen selbststandig, wahrend es keinen Staat gibt, welchem dieser Charakter eigen ware, sowie auch die Selbststandigkeit desselben nur eine relative ist. Wahrend die Kirche weder zeitlich noch ortlich beschrankt ist, ihr Bestand durch keinerlei ortliche Verhaltnisse bedingt erscheint, dieselbe vielmehr iiberall und zu allen Zeiten bestehen kann und bestehen muss, sind die Staaten in jeder Beziehung durch lokale Verhaltnisse, von welchen auch ihr Bestand abhangt, bedingt. Die Kirche besitzt eine ihr -von Gott vorgezeichnete Verfassung, welche bedingungslos bewahrt werden muB; die Staaten dagegen passen ihre Einrichtungen den nationalen und lokalen Verhaltnissen an und andern ihre Verfassung im Einklange mit diesen Verhaltnissen. Wahrend der Kirche die Aufgabe zufallt, die Menschen auf Erden glUcklich zu machen und sie auf die ewige Seligkeit vorzubcreiten, beschranken sich die Staaten darauf, ihren A'1gehorigen das irdische Wohlergehen zu sichern, unbekiimmert urn die Lage derselbcn nach dem Tode. Mit RUcksicht auf diesen von den Staaten und den irdischen Oesellschaften verschiedenen Charakter und die verschiedene Aufgabe der Kirche sind auch die Oesetze der Kirche in ihren GrundzUgen von jenen des Staates und anderer Oesellschaften verschieden; denn wahrend die ersteren unabanderlich sind, auf gottlichem Willen beruhen, das ewige Oesetz ihre QueUe nennen, und die Aufgabe haben, den Menschen im gegenwartigen und kUnftigen Leben glilcklich zu machen, sind die letzteren veranderlich, beruhen auf menschlichem Willen, haben das zeitliche Oesetz zur QueUe, und zieten darauf hin, die Ruhe und Ordnung nur in der Oegenwart zu erhalten. Diese Eigenartigkeit der Oesetze der Kirche als cines gesellschaftlichen Organismus im Vergleiche mit den Gesetzen der Moral und des Staates bestimmt an und fiir sich schon die Stellung, welche die Kirche
im Oebiete des Rechts einnimmt. Die Kirche hat ihre besondere Verfassung, verfiigt iiber ihre besonderen Mittel und hat ihren besonderen Zweck. Von Oott ist die Verfassung derselben, der von ihr auf Erden

zu erfUllende Zweck bestimmt, und von Gott sind 'die Mittel vorgezeichnet, welche sie zur Erlangung des Zweckes benotigt. Die Verfassung der Kirche ist daher selbstandig, von allen EventualWiten des mensch-

. 3. Das

Kirchenrechts.

lichen Willens unabhangig und muB als eine gottliche Institution fUr aile Zeiten strengstens bewahrt werden. Hiezu miissen in erster Linie die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kirche und ihr selbst in ihrer Allgemeinheit, sowie der Mitglieder untereinander genau bestimmt sein. Daher besteht in der Kirche die beziigliche Gewalt, welche dem inneren Wesen der Kirche entsprechend fiir die OrdnungsmaBigkeit dieser Beziehungen, fiir die Bewahrung derselben von der Witlkiir einzelner, und fiir die Aufrechterhaltung der Ordnung in jeder Richtung Sorge tragt. Da der Kirche ferners die Aufgabe zufallt, sich iiber die ganze Welt zu verbreiten und alle Volker zum Christentum zu bekehren, was ihr jedoch bis heute, bei dem Umstande, dass noch Millionen von Menschen der Kirche nicht angehoren, nicht gelungen ist, so muB sie auch zu diesen ihr nicht angehorenden, sondern verschiedenen Glaubensbekenntnissen folgenden Menschen, in bestimmten, durch ihren Charakter der Allgemeinheit bedingten Beziehungen stehen. Ober verschiedene Gebiete der Erde verbreitet, muB die Kirche endlich auch mit jenen Staaten in Beriihrung treten, in deren Oebieten sie festen FuB gefasst hat; die hi era us entstehenden neuen Beziehungen zwischen der Kirchen- und Staatsgewalt bedilrfen gleichfalls einer genauen Regelung. Diese verschiedenen, das auBere Leben der Kirche betreffenden Beziehungen miissen durch genaue, dem inneren Charakter der Kirche entsprechende, juristische Normen bestimmt werden. Mit Riicksicht auf diese verschiede'len Beziehungen erscheint die Kirche auf dem Rechtsgebiete zuvorderst als ein mit juristischer Einrichtung ausgestatteter gesellschaftlicher Organismus, und sodann als eine gesellschaftliche Verbindung, welche eine bestimmte Stellung den Staaten und den verschiedenen Olaubensgenossenschaften gegentiber einnimmt.

. 3. Das Kirchenrecht.
Da die Kirche, wie wir gesehen haben, dem ihr von Gott vorgezeichneten Zwecke gemaB, eine genau bestimmte Verfassung, sowie ihre besonderen Oesetze hat, durch welche diese Verfassung erhalten wird; da sie ferner selbstandig und unabhangig ist und ihrem Charakter nach weder durch ortliche noch zeitliche Umstande bedingt sein kann, so ergibt sich von selbst die Notwendigkeit des Bestandes des Kirchenrechts. Wie jedes Recht, zerfallt auch das Kirchenrecht in das Recht im subjektiven und objektiven Sinne. lm subjektiven Sinne ist das Kirchenrecht der lnbegriff der den Mitgliedern der Kirche als solchen, nach der von ihnen in derselben als einem socialen Organismus eingenommenen Stellung, oder den in der Kirche vorhandenen juristischen Personen zustehenden Berechtigungen. Hieraus ist zu ersehen, dass wir nicht die

Einleitung.

Kirche als Ganzes, sondern die einzelnen Mitglieder derselben, oder die in ihr vorhandenen juristischen Personen, welche als solche gesetzlich anerkannt sind, als Subjekte des Rechts hinstellen, und zwar deshalb, wei! die Kirche weder eine juristische Person im Sinne der Rechtsphilosophie, noch eine Korporation ist, deren Entstehung in der Vereinbarung einiger einen bestimmten Zweck verfolgender lndividuen gelegen ist 1. lm objektiven Sinne versteht man unter Kirchenrecht den lnbegriff aller jener Rechtsnormen, durch welche das auBere Leben der Kirche, als eines socialen Organismus, geregelt wird 2. Das Kirchenrecht, welches auch kanonisches Recht genannt wird, fiihrt heute im allgemeinen in den griechischen Schulen die Bezeichnung "t.'1.'YC!Vl'I.OV at'l.et.lOy. Diese alte Bezeichnung ist von dem Worte 'l.et.VID'Y 3 hergeleitet, mit welchem man in den ersten Zeiten des Bestandes der Kirche, sowohl die einzelnen als auch die Gesammtheit der auf den Glauben und das christliche Leben bezughabenden Normen benannte 4 Als spater die legislative Tatigkeit der Kirche einen grt>Beren Umfang annahm, verstand man unter Kanones jene aufgezeichneten, von der
.

3. 1 Sonderbar erscheint es, daB auch einige r.-k. Kanonisten die Kirche als Ganzes, als Rechtssubjekt betrachten, z. B.: Dr. jos. A. Ginzel, Handbuch des neuesten in Osterreich geltenden Kirchenrechts, Wien 1857, welcher sich deutlich folgendermaBen ausdriickt: ,Dass die Kirche ein Rechtssubjekt sei, legt sich a us ihrem Begriffe aufs Unwiderleglichste dar" (Bd. I, S. 19). Einen genauen Riickblick hierauf vom romisch-katholischen Standpunkte, siehe bei Th. Pachmann, Lehrbuch des Kirchenrechts. Wien 1863. Bd. I, S. 52-53.

2 Archim. johann (1. c. I, 7) gibt folgende Determinatio: ,Vsje v sovokupnosti (zakoni bogootkrovennie i cerkovnie kanoni) sostavljajut voobsce - pravo cerkvi, opredjeljajusce kako podobaet v domu boziem ziti, jaze jest cerkov Boga iiva." [,Alles insge:;ammt {die von Gott geoffenbarten Gesetze und die kirchlichen Kanones) bildet das Kirchenrecht im allgemeinen, welches bestimmt, wie in dem Hause Gottes, welches die Kirche Gottes ist, zu Ieben sich geziemt. "]

3 Das Wort selbst bezeichnet ein geradliniges, beim Behauen und Gltitten von Holz und Stein beniitztes Werkzeug. Die Kirchenvater beniitzten dasselbe, nach den Angaben des Blastares, urn damit im metaphorischen Sinne die kirchlichen Vorschriften zu bezeichnen. Siehe ~6YtiX"((.LIX ~IXta ototx.siov, Ilpoitsc.)pt~X in Synodalausgebe des von r. A. 'PciAA'fl ~!Xt M. Il6tf:~, redigirten ~llYtiX"([.IlX troY -3-s(rov Mt tspliw ~~Xv6vrov. 'Ev 'A-3-~vo.l~ 1852-1859. T6[LO~ s~to~, t:reA. 5-6. Vergl. joh. Casp. Suiceri, Thesaurus ecclesiasticus. Amstelaed. 1682. Tom. II, col. 37.

1 Mit dem Worte ,Kanon" wurde auch das bezeichnet, was wir gegenwlirtig Kirchenrecht nennen (siehe 2. Kanon des I. allgem. Konzils); die von den Bischofen erlassenen Sendschreiben, in welchen wichtigere kirchliche Angelegenheiten erltiutert wurden, sowie die den in andere Eparchien abgehenden Geistlichen seitens der Bischofe ausgefertigten Urkunden, wurden als kanonisch bezeichnet. lm romischkatholischen sowie im griechisch-orientalischen Kirchenrechte wurde jede positive kirchliche Norm ,Kanon" genannt: ,Ecclesiastica constitutio, canonis nomine censetur." Oratianus ad D. Ill. in princ. . 1.

3. Das Kirchenrechl

Kirche erlassenen Normen, die in derselben als positive und allgemeinbindende Satzungen zu gelten batten und sich als solche von der Uberlieferten kirchlichen Gewohnheit (sx:x.A.r;at'l.a-ttox.-1) aoviJ-3-et'l.) 5 sowie von ('7tOAl'tl'X.Ol V6tJ.Ol) 6 unterschieden. Gegenwlirtig pflegt man als Kanones jene ldrchlichen Gesetze zu bezeichnen, welche, was die griechischorientalische Kirche betrifft, in der im letzten Viertel des IX. Jahrhunderts abgeschlossenen Sammlung, und bezilglich der r5mischkatholischen Kirche im Corpus juris canonici enthalten sind. Die Bezeichnung kanonisches Recht konnte mit Rilcksicht darauf dann gebraucht werden, wenn die Ausfiihrungen ausschlieBlich auf den Kanones, nlimlich auf jenen kirchlichen Oesetzen beruhen wOrden, welche im Orient bis zum IX. jahrhunderte, im Abendlande bis zum AbschluBe des Corpus juris canonici erlassen wurden. Da aber das gegenwlirtig in der Kirche bestehende Recht auch aus verschiedenen aus spliterer Zeit stammenden Normen gebildet wird, die entweder von der Kirche selbst oder wegen ihr vom Staate erlassen wurden und nicht in die Kanonen-Sammlungen aufgenommen worden sind, Normen, welche, obgleich sie in der Kirche bindende Kraft haben, die Bezeichnung Kanones nicht fiihren, so wird zur Benennug des gegenwlirtig in der Kirche geltenden Rechts, der Ausdruck Kirchenrecht gebraucht. Mit RUcksicht darauf erscheint das Kirchenrecht dem Materiale nach umfangreicher als das kanonische Recht, welch' letzteres auch als essentieller Bestandteil und als Basis des ersteren angesehen werden kann. Nach den Rechtsquellen, dem Geltungsgebiete, der Zeit u. s. w., wird das Kirchenrecht eingeteilt in: 1. Geschriebenes Recht (Sjjp'l.~o'\1, scriptum), welches von der gesetzgebenden Gewalt schriftlich erlassen und als Norm aufgestellt wurde, und ungeschriebenes Recht (lijp'l.~ov, non scriptum), welches sich durch die Tradition und Oewohnheit in der Kirche erhalten hat. Das erstere wird als Gesetzesrecht (-ta -t'fi~ &ox.pt~e('l.~, jus strictum), das letztere als Oewohnheitsrecht (-ta -t~t; aovr;&st'l.t;, per consuetudinem) bezeichnet. 2. Das gottliche Recht (&etov, divinum), oder das natiirliche Recht (qmatox.6v, naturale), welches mit der Kirche selbst entstanden ist, sowie auf dem deutlich ausgedriickten Willen Gottes basiert, und das positive Recht (&s-ttox.6v, positivum) oder Kirchenrecht (hox.kqatr:J.attox.6v, ecclesiasticum), welches auf den genau vorgeschriebenen kirchlichen Satzungen beruht. 3. Allgemeines Recht (ox.otv6v, jYtox.6v, commune), welches auf allgemeinen, fUr die gesammte christliche Kirche erlassenen Fundamental.Satzungen beruht, und besonderes Recht (-to'7ttox.6v, latox.6v, tJ.ptox.6v, parti18. Kan. des I. allgem. Konzils. e 137. Novelle justinians, in der Vorrede: Civiles leges und sacri canones.
6

10

Einleitung.

culare), welches die fUr die eine oder die andere Partikularkirche erlassenen, den besonderen Verhaltnissen entsprechenden Satzungen umfasst. 7 4. Altes Recht (tipxa.tov, vetus); hiezu gehOren die zur Zeit der ungeteilten Kirche erlassenen Norm en, und neues Recht ('X.a.W6Y, novum), welches die von der Kirche nach dieser Zeit erlassenen Satzungen umfasst. 5. Inneres Recht (aroteptx6v, intemum); dieses umfaBt die, die inneren Rechtsverh1iltnisse der Kirche regelnden Satzungen, und tiu]Jeres Recht (~roteptx6v, externum), welches die Beziehungen der Kirche als Oanzes zum Staate und zu denjenigen regelt, welche der Kirche nicht angehOren. Das Kirchenrecht wird auBerdem noch eingeteilt in Verwaltungs-, richterliches, Strafrecht u. s. w.

. 4.
Da.s Kirchenreoht im a.llgemeinen Rechtssystem.

Wenn die Kirche eine selbstiindige und von nichts Irdischem abhiingige Institution ist, so muB auch das Kirchenrecht eine selbst1indige Stellung im allgemeinen Rechtssystem einnehmen. Die T1itigkeit des Menschen entfaltet sich nach auBen, entweder mit RUcksicht auf seine eigene lndividualit1it, oder gemiiB seiner Stellung als Mitglied des Staates. Hieraus entstehen denn auch die betreffenden Rechtsverhiiltnisse des Menschen, welche zwei besondere Rechtsgebiete ausmachen, n1imlich das Privatrecht (!.atrott-x.bv a-x.a.tov, jus privatum) und das offentliche Recht (a'l}tJ.60toV a-x.a.wv, jus publicum). Hiemit sind jedoch nicht aile Seiten des menschlichen Wesens erschopft. In der menschlichen Natur ist niimlich das Streben nach der Ewigkeit, nach der Vereinigung mit Oott 1 gelegen, welchem weder durch das Privat- noch durch das offentliche Recht, noch durch irgendein menschliches Recht entsprochen werden kann. Dieses Streben findet seine Befriedigung in der Verbindung mit anderen von ebendiesem Streben durchdrungenen lndividuen, in der Oemeinschaft mit jenen, welche das Bediirfnis empfinden, sich vom
7

Das besondere Vorrecht, welches einer physischen oder juristischen Person

in der Kirche elngeraumt werden kann, hei13t trpoY6p.toY, privi1egium. Balsam on erwahnt noch die persiinllchen Kanones (1tpoaro1tt'X.O~ 'X.IXYrov. Kommentar zum 88. Kanon der
Synode von Karthago, im Ath. Syntagma. Ill, 518). Nach der Bemerkung Balsamons im Kommentare zum Sendschreiben des Ill. allgemeinen Konzils (Ath. Synt. II. 214) konnen solche Kanones keinen allgemeinen Charakter an sich tragen, und daher auch nicht als Grundlagen des Rechts angesehen werden.
. 4.

C. Bluntschli driickt sich in seinem Staatsrechte folgenderma.6en aus: "Die Religion ist, wie nicht das Produkt des Staates, so auch in ihrem Wesen vom Staate unabhllngig. Die Religion erfiillt das Individium mit g5ttlichem Geiste und verbindet die unsterbliche Seele mit Gott. Sie ist daher iiberall kein Verhlltnis des menschlichen Rechtes ..." Allgemeines Staatsrecht. Stuttgart 1tf76. II, 3frl.
1 /.

4. Das Klrchenrecht im allgemeinen Rechtssystem.

lt

lrdischen zum Himmlischen zu erheben und sich mit Gott zu vereinigen. Eine solche Gemeinschaft mit derartigen Zielen hat stets bestanden und wird stets bestehen, wei! dies der menschlichen Natur entspricht. In alter Zeit, wo die Religion mit nationalen und politischen Interessen identifiziert wurde, waren aile damals bestandenen Religionsbekenntnisse entweder nationale oder staatlichc, auf das eine oder andere Yolk, auf einen oder den and ern Staat beschrankte Institutionen; weshalb auch das die eine oder die andere Religion betreffende Recht nicht unabhangig sein konnte vom nationalen oder Staatsrechte jenes Gebietes, in welchem man sich zur betreffenden Religion bekannte. Im alten Rom bildete das jus sacrum einen Teil des jus publicum; bei den Hebraern war dasselbe mit dem jus publicum geradezu identisch. Eine grUndliche Umwandlung hat in dieser Beziehung das Christentum herbeigefUhrt, indem dasselbe nicht an ein einzelnes Volk und noch weniger an einen einzelnen Staat gebunden ist. Der christliche Glaube ist allen, ohne Unterschied der Nationalitat und der Staats-Verfassung zugedacht; er kann daher als solcher in seinen Grundprinzipien keinem Rechte untergeordnet werden, welches durch den nationalen Charakter eines bestimmten Volkes, oder durch die politische Organisation eines Staates bedingt ist. Sammtliche Bekenner des Christentums 2 sind untereinander zu einem Ganzen verbunden, welches dem Wesen des Christentums entsprechend, weder von staatlichen noch von nationalen EigentUmlichkeiten abhangen kann, und daher als solches selbstandig sein mu6. Mit RUcksicht auf diese Tatsache kann die christiche Kirche, die Reprlisentantin dieser Glaubensgemeinschaft auf Erden, weder von staatlichen noch von nationalen EigentUmlichkeiten abhlingen, sondern sie mu6 vielmehr selbstandig sein und folglich auch ihr eigenes Recht, das Kirchenrecht, besitzen. Das Kirchenrecht ist auf seinen eigenen positiven, selbsUindigen Quellen aufgebaut, welche nicht von irgend einer irdischen Macht, sondern von der Macht jenes herriihren, der vom Himmel gekommen ist, urn auf Erden sein Reich, die Kirche, zu grUnden. ,Mir ist", sagt Christus zu seinen SchUlern, ,alle Macht (1tdott s~ouo(tt) im Himmel und auf Erden gegeben. Gehet daher und lehret aile VOlker, taufet sie im Namen Gott des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen ; und siehe! ich bin bei euch aile Tage bis an's Ende der Welt" (Matth. 28, 18-20). Diese Macht hat der Stifter der Kirche seinen SchUlern, den Aposteln, Ubertragen, welch' letztere diese auch in seinem Namen ausiibten. , Verleihet auch mir diese Macht" (aaouo(ttY 'tttU't"fJY), sagte Simeon zu den Apo2 Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rellgionsbekenntnlssen sind bier von untergeordneter Bedeutung.

12

Einteltung.

stein, als er sah, daB diese allein Uber sie verfUgten (Apostelgesch. 8, 19). Von den Aposteln gieng diese Macht auf die Kirche iiber, welche sie ebenso frei und selbstandig ausiibte, wie der Stifter der Kirche. Kraft dieser einzigen und keiner anderen Macht wurde die Verfassung der Kirche nach dem vom Evangelium vorgezeichneten Plane festgesetzt, die Verwaltung derselben geregelt, die notwendigen Amter in der Kirche bestimmt, die Art des Lebens in ihr fixiert, mit einem Worte, aile jene Oesetze wurden erlassen, welche die kirchliche Institution betreffen, das Kirchenrecht bilden. Diese Selbstandigkeit dei: kirchenrechtlichen Quellen und folglich des Kirchenrechts selbst, wird am deutlichsten durch die Oeschichte d.esselben dargelegt. Dieselbe lehrt uns, daB das Kirchenrecht durch volle drei jahrhunderte, durch die ersten drei jahrhunderte des Christentums namlich, selbstandig bestanden und sich entwickelt habe, wahrend welcher der Staat die Kirche nicht nur nicht unterstiitzte, sondern sogar den rechtlichen Bestand derselben nicht anerkannte. As jedoch spater der Staat in Verbindung zur Kirche trat, verlor das Kirchenrecht nichts an seiner Selbstandigkeit, sondern es hat vielmehr in seiner Weiterentwicklung auf den bereits gefestigten Orundlagen, auf das Staats- und biirgerliche Recht in einer geradezu reformatorischen Weise eingewirkt, was auch riicksichtlich des gesammten gesellschaftlichen Lebens der damaligen Zeit der Fall wars. Aus dem Angefiihrten erhellt, daB nach der wesentlichen Verschiedenheit der rechtlichen Beziehungen, in welchen sich der Mensch als Subjekt an sich, als Mitglied des Staates oder der Kirche befinden kann, auch drei besondere Oebiete dieser rechtlichen Beziehungen bestehen miissen; daB sonach auch das Recht in das private, offentliche und Kirchenrecht gegliedert werden muB. lm allgemeinen Rechtssystem nimmt daher das Kirchenrecht die gleiche selbstandige Stellung ein, wie das Privat- und offentliche Recht 4
' Siebe , 1, Anm. 3. ' Die Selbstandigkeit des Kirchenrechts wurde im Abendlande von einzelnen bestritten, und dasselbe entweder in das Oebiet des Privat- oder des offentiichen Rechts, speziell des Staatsrechts gewiesen. (Falk, Encykloplldie des Rechts; WarnktJnig, jurist. Encyklopadie; Mohl, Encykloplldie der Staatswissenschaft.) Eine richtige Betrachtung hat namentlich F. C. Savygni in seinem Werke, System des heutigen romischen Rechts (8 Bde., Berlin 1840-49) und 0. F. Puchta in seinem Cursus der Institutionen (3 Bde., Leipzig 1856-57) dargelegt. Der erstere gelangt in dieser Frage zu folgendem SchluBe: ,Daher ist uns das Kirchenrecht ein fiir sich bestehendes Rechtsgebiet, das weder dem offentlichen, noch dem Privatrechte untergeordnet werden darf." Bd. I. S. 28. Noch deutlicher auBert slch Puchta: ,Wenn die Romer das jus sacrum nur als einen Tell des jus publicum betrachteten, so war dies der Beschaffenheit ihrer Religion vollkommen angemessen. Das Recht der christlichen Kirche dagegen tritt wesentlich als ein dritter Zweig des Rechts neben das Privatrecht und das offentliche." Bd. I. S. 75.

13
. 5.
Die Kirohenrechts-Wissenschaft.
Aus der Stellung der Kirche und der Bedeutung ihres Rechts ergibt sich die Notwendigkeit dieses Recht auf eine Weise darzulegen, daB die organische Einheit desselben und der dieses Recht belebende Orundgedanke erkannt werden konne. Die genaueste Darlegung der das Kirchenrecht bildenden gesetzlichen Vorschriften, entweder nach der Wichtigkeit der Quellen, oder nach der Zeit ihres Erscheinens, die vollstandigste Auslegung dieser Vorschriften nach dieser Anordnung, die eingehendste Erklarung ihres Sinnes, sowie andere ahnliche Arbeiten, vermogen wohl viel zum Verstandnisse dieser Vorschriften beizutragen; allein hiedurch kann nicht in den Geist des Rechts selbst eingedrungen, die in demselben herrschende Harmonie begriffen, und was die Hauptsache ist, nicht der innere Oedanke und das leitende Prinzip des Rechts erkannt werden. Mit Riicksicht darauf und auf die erhabene Bedeutung der Institution, auf welche sich dieses Recht bezieht, erscheint es unbedingt notwendig, das gesammte dieses Recht bildende Material der wissenschajtlichen Bearbeitung zu unterziehen und dasselbe in einer solchen Weise darzustellen, daft der ganze Inhalt des Rechts

vollstlindig, klar, und in einem derartigen Zusammenhange vorgefiihrt werde, daft die Ursache jiir alles, das Entstehen aus einem fundamentalen Prinzipe, sowie die Richtung nach einem bestimmten Ziele erkannt werde. Eine derartige systematische Darlegung des Oesammt-lnhaltes
des Kirchenrechts bildet die Wissenschaft desselben. Wie die Kirche an sich, so zeigt auch die Kirchenrechts-Wissenschaft einen positiven Charakter, welcher daher jede subjektive Argumentation ausschlieBt, die, abgesehen von ihrer Unzuverllissigkeit, gewiB da nicht am Platze ist, wo es sich urn die Darlegung genau bestimmter und festgesetzer Normen handelt. In der zweiten Halfte des XVIII. jahrhunderts wurde im Abendlande der Versuch gemacht, die rationalistische Methode auf das Kirchenrecht anzuwenden, und dieses Recht unabhangig von den positiven Vorschriften der Kirche, nach den Oesetzen der Vernunft darzustellen; die menschliche Vernunft wurde gleichsam als Richter tiber die kirchlichen Institutionen, mit welchen sich das Kirchenrecht befaBt, hingestei!P. Wie sehr ein solches Vorgehen an sich unbegrUndet ist, und endlich auch zur Zerstorung des Rechtsgebaudes der Kirche sowie dieser selbst filhren miiBte, braucht nicht erst erwahnt zu werden. Dieses sogenannte philosophische oder natiirlich"e Kirchenrecht wurde nicht nur von romisch-katholischen, sondern auch
. 5. 1 Siebe zum Beispiele: Schmalz, Natiirliches Kirchenrecht. Konigsberg 1795; Krug, Kirchenrecht nach den Grundsatzen der Vernunft. Leipzig 1826.

t4

Einleitung.

von protestantischen Kanonisten 2 verworfen, und heute findet sich kein ernster Schriftsteller, der sich den friiheren auf die Schaffung eines solchen Rechts gerichteten Versuchen anschlieBen wiirde. Aus dem Begriffe der Kirchenrechts-Wissenschaft erhellt auch die Aufgabe derselben. Dieser obliegt die Darlegung des Entstehens und der Entwicklung des Kirchenrechts, die Angabe der unver:inderlichen Orundlage desselben, die Feststellung des Kriteriums mittels der juristischen Logik und des historischen Oesetzes fiir die Beurteilung der Frage, inwiefern eine im kirchlichen Organismus bestehende Einrichtung den lokalen Verhaltnissen entsprechende Anderungen erfahren kann, das Liefern einer festen Orundlage fiir die Kritik des Partikular-Kirchenrechts und der Frage iiber die Beziehungen dieses Rechtes zu den fundamentalen Vorschriften des kirchlichen Lebens, sowie endlich die Belehrung iiber die dem Zwecke der Kirche selbst 3 entsprechende Art und Weise der Verwaltung derselben. Diese Aufgabe wird die Kirchenrechts-Wissenschaft im wahren Sinne nur dann erfiillen, wenn sie ihren faktischen Inhalt als Rechtswissenschaft darlegt und ihre Selbstandigkeit, sowohl den theologischen, als auch den iibrigen juridischen Wissenschaften gegenUber bewahrt. Wir haben im . 1 die allgemeine Aufgabe der Kirche erortert. Wenngleich diese allgemeine Aufgabe der Kirche eine in ihrer Orundlage einheitliche und untrennbare ist, so ist dieselbe doch ihrem AuBern nach eine zweifache. Einerseits bestimmt sie die vom Menschen Oott gegeniiber einzunehmende Stellung, urn jener Outer teilhaftig zu werden, welche das Evangelium offenbart; andererseits normiert sie die Stellung, welche der Mensch als Mitglied der Kirche, dieser gegenUber als Gauzes, sowie zu den Ubrigen Mitglieder derselben einnehmen soil. In der ersten Beziehung verfi.i.gt die Kirche i.i.ber segenspendende Mittel, welche den Mensch en mit Oott versohnen und ibn zum ewigen Heile geleiten; als solche wird denn auch die Kirche im Evangelium ,als das Reich" bezeichnet, ,welches nicht von dieser Welt ist". In der zweiten Beziehung erscheint die Kirche als eine Oemeinschaft von Menschen mit ihrem bestimmten Zwecke, als ein gesellschaftlicher Organismus, welcher nach festgesetzten Normen lebt und sich entwickelt. Diese letztere Beziehung bildet auch den Oegenstand der Kirchenrechts-Wissenschaft, wahrend sich mit der ersteren Beziehung die theologischen Wissen1 Von den romisch-katholischen Schriftstellern: G. Phillips, Du droit ecclesiastique dans ses principes generaux (trad. de l'allemand). Paris 1855. I, 23; Ferd. Walter, Lehrbuch des Kirchenrechts. XIV. Ausg. Bonn. 1871. S. 6.; von den protestantischen Sriftstellern: Aem. L. Richter, Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts. VIII. Auf!. Leipzig 1886. S. 11; Wasserschleben, Kirchenrecht
(Herzogs ~eal-Encyklop&die. Stuttgart 1857. VII, 671). 3 Ober die Aufgabe der Kirchenrechts-Wissenschaft, vergl. Archim. johann. Kurs. I. 9-11.

. 6. Art der Darlegung des Kirchenrechts.

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schaften befassen. Soli also die Kirchenrechts-Wissenschaft ihre Aufgabe tatsachlich erschopfen, soU sie in der Lage sein die Beschaffenheit des kirchlichen Organismus in seiner Oanze darzutun, als selbstandige Wissenschaft mit ihrem bestimmten Zwecke zu erscheinen, sowie die rechtlichen Beziehungen in der Kirche systematisch darzulegen, so muB sie ihre Aufmerksamkeit nur auf dasjenige lenken, was diese rechtlichen Beziehungen betrifft und aus ihrem Oebiete das ausscheiden, was nicht unmittelbar zu demselben gehort. Das Kirchenrecht bezieht sich auch auf den Olauben und auf die Moral; allein es ware fehlerhaft, wenn dasselbe sich die Darlegung des Olaubens und der Moral im Vereine mit dem Kirchenrechte zur Aufgabe stellen wiirde, weil hiedurch eine Verwirrung entstUnde, in welcher man sich schwer orientieren konnte, und das Kirchenrecht aufhoren wiirde das zu sein, was es seiner Natur nach sein soli, namlich eine Rechtswissenschajt. Die KirchenrechtsWissenschaft muB ihrer, von uns bereits erwahnten Aufgabe entsprechend, unter sammtlichen in der Kirche bestehenden Institutionen, die juristischen von den nichtjuristischen sondern und sich sohin nur mit den ersteren befassen, die letzteren aber den iibrigen Wissenschaften Uberlassen. Daher muB die Kirchenrechts -Wissenschaft bei jenen kirchlichen Institutionen, die sowohl den Olauben als auch das Recht betreffen, die Olaubensseite von der juristischen Seite trennen und sich nur mit dieser letzteren befassen, die erstere aber anderen Wissenschaften anheimstellen. Durch die Taufe wird zum Beispiele der Mensch nach der christlichen Lehre von der Erbsfinde befreit und mit Oott versohnt. FUr das Recht ist diese Olaubensseite der Taufe von untergeordneter Bedeutung; dagegen ist die Taufe fUr das Recht insofern von Wichtigkeit, als der Mensch durch dieselbe die kirchliche Rechtsfahigkeit erlangt. Daher lenkt auch das Recht sein Augenmerk darauf, ob alte gesetztlichen Vorschriften hinsichtlich des Empfanges dieses Sakraments erftillt sind, und ob sonach der Mensch durch dasselbe ein vollberechtigtes Mitglied der Kirche geworden ist. Die Kirchenrechts-Wissenschaft wird also ihrer Aufgabe niemals entsprechen und auch keine selbstandige Rechtswissenschaft sein, wenn sie die strenge Scheidung der juristischen Seite von der religiosen Seite bei den betreffenden kirchlichen lnstitutionen nicht beobachtet, und wenn sie, ihr ausschlieBliches Augenmerk der juristischen Seite nicht zuwendet, und die Olaubensseite den theologischen Wissenschaften nicht iiberHiBt.

. 6. Art der Darlegung des Kirchenrechts. Die wissenschaftliche Darlegung des Kirchenrechts ist nach der verschiedenen Auffassung desselben und nach dem angestrebten Ziele eine verschiedene. In den Rechts-Encyklopactien werden verschiedene

16

Einleitung.

Behandlungsmethoden angefiihrt, namlich: die empirische, historische, philosophische, historisch-philosophische und historisch-dogmatische: Die ausschlieBliche Behandlung der Kirchenrechts-Wissenschaft nach einer der drei ersten Methoden entspricht keineswegs der von uns im . 5 ert\rterten Aufgabe dieser Wissenschaft. Bei der empirischen Methode wird sich ausschlieBlich auf die auBere Seite des Rechts beschrankt und nur das bestehende Recht beriihrt; dagegen wird auf die Erforschung des Entstehens des Rechts, sowie des fundamentalen leitenden Prinzips nicht eingegangen. Die historische Methode muB an und fUr sich als eine gute bezeichnet werden, soli jedoch, urn far die Wissenschaft von Nutzen zu sein, mit den Ubrigen Methoden verbunden werden; denn das ausschlieBliche Festhalten an derselben wird das Erfassen der inneren Macht des Rechts nicht zulassen und die Veranlassung sein, daB das Recht, anstatt auf Grund des Rechtsdogmas geprilft zu werden, vom Gesichtspunkte der historischen Konsequenz beurteilt werden mUBte. Die philosophische Methode ist an und fUr sich einseitig; denn an der Hand derselben ist es unrnOglich zur wahren Erkenntnis des Entstehens und der Entwicklung des Rechts, sowie der positiven Bedeutung desselben zu gelangen; Uberdies kann diese Methode, was die Hauptsache ist, Ieicht zurn Subjektivisrnus in der Beurteilung fnhren, und auf diese Weise ein ,philosophisches" oder ,natlirliches" Kirchenrecht schaffen (. 5). Die historisch-philosophische Methode hat sich rnehr oder weniger bewahrt, wenngleich bei derselben mit dern philosophischen Elernente auBerst vorsichtig vorgegangen werden rnuB, urn sich auf fester Grundlage zu erhalten und dern Rechtsdogrna nicht untreu zu werden. Uns scheint unter allen die historisch-dogmatische Methode die verlaBlichste zu sein. Dies findet seine Rechtfertigung in der von uns dargelegten Aufgabe, welcher unserer Auffassung nach die Kirchenrechts-Wissenschaft entsprechen rnuB 1. Mit Rticksicht auf den Uberwiegend praktischen Charakter der Kirchenrechts-Wissenschaft, und da wir uns nicht auf eine einzelne Partikularkirche beschranken, sondern deren aile, die neben dem allgemeinen ihnen als Basis dienenden Kirchenrechte auch ihr besonderes Recht haben, ins Auge fassen, wollen wir uns nach der allgemeinen positiven Lehre fiber die einzelnen kirchenrechtlichen lnstitutionen, auch jenen kirchenrechtlichen Normen zuwenden, die neben dem allgemeinen Rechte in den einzelnen Partikularkirchen heute Geltung haben. Diese
Siebe die Anschauung des Archim. johann ,iiber die Methode oder Form der Behandlung der kirchlichen Gesetzkunde". Kurs. I, 26-36. R. Scherer hlut sich auch an unsere Methode, nennt sie aber die ,juridisch-dogmatische". Handbuch des Kirchenrechts. Graz 1886. I, 113. Allgemeine Betrachtungen in dieser Frage, siehe bei Dr. F. ]. Buss, Die Methodologie des Kirchenrechts. Freiburg im Breisgau 1842.
1

. 6.

. 7. Die Hilfswissenschaften des Kircbenrechts.

17

Spezialnormen beziehen sich nicht auf die kardinalen Rechtsgrundsatze, sondern hauptsachlich auf die administrative Seite. des kirchlichen Lebens, und sind der Hauptsache nach einander ahnlich, so da.B die Notwendigkeit entfallt, dieselben bei jeder Frage detailiert anzufUhren. Dies soil nur bei jenen Fragen geschehen, bei welchen diese Normen eine grfi.Bere Abweichung voneinander erkennen lassen und wo die Eigentiimlichkeiten in der auf? eren Verfassung einer oder der anderen Partikularkirche schaefer zutage treten.

. 7. Die Hillswissenscha.ften des Kirchenrechts.


Die Kirchenrechts-Wissenschaft, welche ihren lnhalt aus den eigenen Quellen schopft, lehnt sich auch an andere Wissenschaften an, welche als Hilfswissenschaften derselben erscheinen. Hieber gehfiren bestimmte Zweige der Theologie, der Geschichte und des Rechts. 1. Von der Theologie 1 ist zu erwahnen : a) die Exegese des alten und neuen Testaments 2, b) die Dogmatik s, c) die Moraltheologie 4, d) die Kirchengeschichte 5,
1 Das beste griech.-orient. theologisch-encyklop!ldische Werk ist Makarius, Vvedenie v pravoslavnoe bogoslovie (Einleitung in die orth. Theologie). S. Petersburg 1871. IV. Auflage. 2 Philaret, Zapiski na knjigu bitija (Kommentare zur ScMpfungsgeschichte). Petersburg 1835; Tolkovanija na vethij zavjet, izdavaemija pri S. Petersb. dub. akademiji (Erkl!lrungen zum alten Testament, herausgegeben an der theologischen Akademie in S. Petersburg). Petersburg 1879 u. ff.; Ep. Michael, Tolkovoe evangelie (Kommentar zu den Evangelien), 3. Bde. Moskau 1889-99: derselbe, Tolkovij Apostol (Kommentar zu den Schriften der Apostel). 2 Bnde. Kiew 1890-97. 3 Makarius, Pravoslav.-dogmat bogoslovie (Orthod. dogmatische Theologie). 2. Bde. S. Petersburg 1856-57; Philaret Mosk., Dogmat. bogoslovie (Dogmatische Theologie) Kazan 1887; Philaret Cernig. Pravoslavnoe dogmat. bogoslovie (Orth. dogmatische Theologie). 2 Biicher. S. Petersburg 1882, III. Aufl.; Archim. Sylvester, Opit pravosl. dogmat. bogoslovija [s istoricerskim izlofeniem dogmatov] (Die Orth. dogmat. Theologie mit historischer Darlegung der Dogmen). 5. Bde. Kiew. 1884-91. Prot. P. Sofjarski, Nravstvennoe pravoslavnoe bogoslovie (Orth. Moraltheologie). S. Petersburg 1875. II. Aufl.; Archim. Gavril, Nravstvennoe bogoslovie. Tver. 1891. II. Aufl. ~ Die beste u. vollstandigste Geschichte der morgenlllndischen Kirche ist das Werk des Universitatsprofessors in Athen A' ALOtJ.. Kopt~')(.6.;, 'E')(.U'fjOt~crtt')(.~ [atopto. chto tij; op6asro.; tij; hx.AljOt!X; tJ.SXPt tow ')(.!X-3-' ~tJ.Ii; xpovrov in drei Bfutden. Die erste Auflage ist im jahre 1881, die zweite Auflage im jahre 1898 in Athen erschienen. - Der dritte Band dieses Werkes, welcher die Zeit vom jahre 1453 bis zum jahre 1896 umfa6t, wurde von Erwin Rausch in das deutsche iibertragen und im jahre 1902 zu Leipzig in Druck gelegt. Ober die lllteren griechischen kirchlichen Historiografen bi_s zu Kyriakos siehe das Werk von Erw. Rausch, Kirche u. ll1al, I!rehear..bl. 21

. 7.

18

Einleitung.

e) die Pastoraltheologie 6, 2. Von den historischen Wissenschajten : a) die Archaologie 7, b) die Diplomatik s, c) die Chronologie 9, d) die Geographie und Statistik to. 3. juristische Disziplinen. In gr6Berem MaBe als die theologischen und historischen Disziplinen, erscheinen als Hilfsmittel der Kirchenrechts-Wissenschaft jene Zweige der Rechtswissenschaft, mit welchen erstere in einer engen Verbindung steht und die das richtige Erfassen
Kirchen im Lichte griechischer Forschung. Leipzig 1903. Sehr beachtenswert sind die wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Kirchengeschichte des Professors der Universitat in Moskau A. P. Lebedev insbesondere seine ,Geschichte der grich. orth. Kirche unter der Herrschaft der Tiirken vom jahre 1453 bis zur Gegenwart". Moskau 1901. (russisch). - Vergl. femer Iv. Celzov, Istorija hrist cerkvi (Geschichte der christlichen Kirche). S. Petersburg 1861; F. u. S. Ternovski, Tri pervie vjeka hristianstva (Die drei ersten jahrhunderte des Christentums). Kiew 1878; dieselben, Grekovostocnaja cerkov v period vselenskih soborov (Die gr. orth. Kirche zur Zeit der allgemeinen Konzilien). Kiew 1883; W. Guettee, Histoire de l'eglise depuis Ia naissance de N. S. jesus Christ jusqu'a nos jours. Paris, 1889, 7 Bande. ]. Neale, A history of the holy eastern Church. London 1850; ]. Hasemann, Geschichte der griechischen Kirche, abgedruckt im LXXXIV. Teile, I. Section (S. 1-290) der Allgem. Encyklopadie, herausgegeben von ]. S. Ersch und f. F. Gruber; Abbe Fleury, Histoire ecclesiastique. 6 tomes. Paris 1856; Dr. Aug. Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche. 9 Bde. Gotha 1863-65. IV. Auf!. Dies sind die bedeutendsten uns vorliegenden kirchengeschichtlichen Werke. Noch sei das sehr praktische historische Werk des Archimandriten Arsenius erwahnt: Ljetopis cerkovnih sobitij ot roZdestva Hristova do 1879 goda (Annalen der kirchlichen Begebenheiten von der Geburt Christi bis zum Jahre 1879). S. Petersburg 1890. Neue Auf!. 6 ) Archim. Cyril/, Pastirskoe bogoslovie (Pastoraltheologie). S. Petersburg 1853 S. Sollertinski, Pastirstvo Hrista Spasitelja (Das Hirtenamt Christi, des Erlosers). S. Petersburg 1881. - V. Pjevnicki, Osnovnie punkti v uceniji o pastirskom sluzeniji (Grundlegende Punkte in der Lehre iiber das Hirtenamt) Kiew 1892. 1 Bingham, The antiquities of the christian Church. 8 vol. London 1838; Binterim, Die vorziiglichsten Denkwiirdigkeiten der christlichen Kirche. 7 Bde. in 16 Abteilungen. Mainz 1825-33; ]. C. W. Augusti, Denkwiirdigkeiten aus der christlichen Archaologie. 12 Bde. Leipzig 1817-31, und aus demselben Werke ein Auszug unter dem Titel ,Handbuch der christlichen Archli.ologie". 3 Bde. Leipzig 1836-37; F. X. Kraus, Reai-Encyklopadie der christlichen Altertiimer. 2 Bde. Freiburg im Breisgau 1882-86. 8 Ed. Brinkmeier, Glossarium diplomaticum. 2 Bde. Gotha 1852-63; Wattenbach, Anleitung zur griechischen Palliographie. Leipzig 1867; von demselben, Anleitung zur Iateinischen Palliographie. Leipzig 1869. 9 L'art de verifier le dates des faits historiques ... par un religieux Benedectin. Paris 1750; Ed. Brinkmeier, Praktisches Handbuch der Chronologie. Leipzig 1843. 10 Wiggers, Kirch. Statistik. 2 Bde. Hamburg und Gotha 1842-43; f. E. Wiltsch, Handbuch der kirch. Geographie und Statistik. 2 Bde. Berlin 1846.

. 7. Die Hilfswissenschaften des Kirchenrechts.

19

des Kirchenrechts und die Darlegung desselben, als einer selbstandigen Rechtswissenschaft, bewirken. Ohne die grUndliche Kenntnis der betreffenden juristischen Disziplinen und ohne eine gute juristische Vorbildung, wird es wohl m5glich sein, sich mit der praktischen, niemals aber mit der wissenschaftlichen Seite des Kirchenrechts zu befassen. In dieser Beziehung nimmt den ersten Platz ein: a) Die Rechtsphilosophie, welche mit den obersten Rechtsprinzipien vertraut macht 11 ; sodann b) das romische Recht, mit welchem das Kirchenrecht unzertrennlich verknilpft ist. Schon zu Beginn der Kirche, als die Kaiser sich noch nicht zum Christentum bekannten, unterwarfen sich die Angehorigen der Kirche, als r5mische Burger, in bestimmten Fragen den betreffenden kaiserlichen Anordnungen; eine noch gr5Bere Bedeutung erlangte das r5mische, oder richtiger das griechisch-r5mische Recht in der Kirche, als spater die Kaiser selbst das Christentum annahmen. In allen jenen Rechtsfragen, rUcksichtlich welcher die Kirche noch nicht ihre eigenen Satzungen hatte, hielt sie sich an die Vorschriften des weltlichen Gesetzes, welches fUr verschiedene das kirchliche Leben betreffende Fragen, eine Reihe einschUigiger Bestimmungen enthielt. Betrachtet man den Codex Theodosianus, so findet man in demselben ein ganzes Buch (XVI.), welches Vorschriften enthiilt: de fide catholica, de episcopis, ecclesiis et clericis, de monachis, de his, qui de religione contendunt, de haereticis, ne s. baptisma iteretur, de apostatis, de judaeis, coelicolis et samaritanis, de paganis sacrificiis et templis, de religione. Der Codex Justinianeus (repetitae praelectionis) enthalt in den dreizehn ersten Titeln des ersten Buches Konstitutionen, die sich ausschlieBiich auf den christlichen Glauben und die Kirche beziehen: de summa trinitate, de sacrosanctis ecclesiis, de episcopis et clericis et orphanotrophis etc., de episcopali audientia, de haereticis, ne sanctum baptisma iteretur, de apostatis u s. w. Unter den Novellen justinians (novellae constitutiones) finden wir viele, welche sich mit dense! ben Fragen befaBen; so handelt die dritte ilber den Klerus der Kirche von Konstantinopel und anderer Kirchen, die fUnfte ilber die Kl5ster, die sechste ilber die BiscMfe, Presbyteri und Diakonen, die siebente tiber die Verwaltung des Kirchenverm5gens u. s. w. Dasselbe findet man auch in den Novellen der Nachfolger justinians: justin us, Tiberi us, Heraclius u. s. w. In die Kanonen-Sammlungen wurden zum groBen Teile diese Normen der Staatsgewalt aufgenommen und wurden, wie man zu sagen pflegte, leges canonizatae. Nahezu die Halfte des Inhaltes der slavischen Krmcija
11 Ahrens, Naturrecht oder Philosophie des Rechts und des Staats. 2 Bde. Wien 1870; A. Rosmini-Serbati, Filosofia del diritto. 2 vol. Intra 1865; P. Luigi Taparelli, Saggio teoretico di diritto naturale appoggiato sui fatto. 2 vol. Napoli 1850. 2*

20

Einleitung.

wird von diesen Normen, nach welchen die Kirche verwaltet werden sollte, gebildet; sie waren in allen jenen Fragen der Kirchenverwaltung ma8gebend, for welche, wie aus vielen Beispielen verschiedener Zeitperioden hervorgeht, seitens der kirchlichen Gewalt keine strikten Gesetze erlassen wurden. Oberdies wurde das Kirchenrecht selbst, von den betreffenden Kanonisten nach dem griechisch-romischen Rechte bearbeitet. Bis in die neuere Zeit dienten die romischen Institutionen (Institutiones) den Kanonisten als Muster; die Kommentatoren der Kanones hielten sich in ihren Arbeiten an die Pandekten (pandectarum seu digestorum libri) des romischen Rechts, und del' hervorragendste morgenHindische Kommentator, Balsamon, richtet in seiner Arbeit sein Augenmerk auf die unter dem Titel ,Basiliken" (Basilicorum libri LX) erschienene groBe Sammlung des griechisch-romischen Rechts. Aus dem Erwahnten erhellt ganz deutlich die Wichtigkeit des romischen Rechts als Hilfswissenschaft for das Kirchenrecht u. c) Das hebriiische Recht hat aus dem Grunde eine groBe Bedeutung fOr das Kirchenrecht, wei! viele Vorschriften der mosaischen Gesetzgebung in die christliche Kirche Obergegangen sind, und der Stifter der Kirche selbst verkOndet, ,daB er nicht gekommen sei, urn das alte Gesetz aufzuheben, sondern es in Erfilllung zu bringen" (Matth. 5, 17) 13. d) Das slavische Recht kann als Hilfsmittel for das Kirchenrecht, bei den Slaven wenigstens, insofern dienen, als an der Hand desselben gewisse Eigentilmlichkeiten in dem Leben der morgenlandischen Kirche slavischer Zunge aufgekHirt werden konnen, welche beispielsweise in der hellenischen Kirche nicht vorkommen 14.
u Ihering, Geist des r5mischen Rechts. 3 Tie. Leipzig 1873-77. III. Auflage; Savigny, Geschichte des r5mischen Rechts im Mittelalter. 7. Bde. Heidelberg 1834-52. II. Auf!.; Zachariae, Historiae juris graeco-romani delineatio. Heidelberg 1839; Mortreuil, Histoire du droit byzantin ou du droit romain dans l'empir d'Orient. 3 vols. Paris 1843-46; Zachariae von Lingenthal, Geschichte des griechisch-romischen Rechts. Berlin 1877. II. Auf!.; Puchta, Cursus der Institutionen, herausgegeben von Rudorjf. 3. Bde. Leipzig 1856-57; Savigny, System des heutigen romischen Rechts. 8 Bde. Berlin 1840-49; Mackeldey, Lehrbuch des heutigen romischen Rechts. Wien 1862. XIV. Auf!.; Arndts v. Arnesberg, Lehrbuch derPandekten. Stuttgart 1874, VIII. Auf!. (mit vielen gelehrten Anmerkungen herausgegeben in italienischer Obersetzung von Serafini, Trattato delle pandette. 3. vol. Bologna 1874-75. I. u. II. Bde. in zweiter Auflage); Heimbach, Griechisch-romisches Recht im Mittelalter und in der Neuzeit (Ersch. u. Gruber, Allgemeine Encyklopadie. I. Sect. LXXXVI, 191-471. LXXXVII, 1-106). Vergl. den Art. ,Le droit romain est-ilun danger pour les societes chretiennes?" (Revue catholiquo des institutions et du droit. Grenoble, Juin 1889. Nr. 12, pag. 481 sq.) 13 Saalschiitz, Mosaisches Recht. Berlin 1853. II. Auf!.; Lopuhin, Zakonodatelstvo Mojseja (Die Gesetzgebung Moses). S. Petersburg 1882. Keil, Leitfaden zur biblischen Archliologie. 2. Thle. Kiew 1871-74 aus dem Deutschen. u Macieiowski, Slavische Rechtsgeschichte. 4 Bde. Stuttgart 1835-39 (aus dem Polnischen von Buss und Nawrocki); Florinski, Pamjatniki zakonodatelnoj

. 8. Das System des Kirchenrechts.

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. Endlich e) das Recht der einzelnen Staaten, in welch en die griechisc:horientalische Kirche existiert. Abgesehen von diesen Wissenschaften, ist zum Studium, sowie zur Darstellung des Kirchenrechts, namentlich die Kenntnis des Spatgriechischen wichtig 15.
. 8.

Das System des Kirchenrechts.


Eine der schwierigsten Fragen ist jene der Anordnung des Stoffes des Kirchenrechts, damit einerseits den Anforderungen der Wissenschaft im allgemeinen, und andererseits der Aufgabe der Kirchenrechts-Wissenschaft insbesondere entsprochen werde. Den besten Beweis fi1r die Schwierigkeit der Losung dieser Frage liefert uns ein Blick auf die Scharfe der Kritik der einzelnen theoretischen Kanonisten tiber die verschiedenen Systeme unserer Wissenschaft, mit welchen sie nicht Ubereinstimmen, ,sowie auf die fast leidenschaftliche Art, mit welcher sie ihre eigenen Systeme verteidigen. Der Grund hiefi1r liegt in dem Umstande, daB es eigentlich ein bestimmtes System nicht gibt. jeder einzelne ordnet vielmehr das Material nach eigenem Ermessen und nach eigener Auffassung in der Weise, welche der Aufgabe der Wissenschaft am besten entsprechen dilrfte. Es scheint aber, daB man erst in neuerer Zeit, wenigstens was die Haupteinteilung anbelangt, zu einer Einheitlichkeit gelangt ist. In den ersten kirchenrechtlichen Arbeiten wurde das Material entweder in chronologische~ Reihenfolge, oder nach der Bedeutung der Quellen, oder nach dem von den einzelnen Gesetzen behandelten Gegenstande angeordnet. Da in diesen Arbeiten keine innere organische Einheit hestand, konnten sie naturgema6 auch keine wissenschaftliche Bedeutung haben. Die erste Art eines Systems zeigte sich im Abendlande im XII. jahrhundert in der von Bernhard von Pavia herausgegebenen Kanonensammlung, welche er materienweise in fi1nf Teile teilte und diese mit den fi1nf Bezeichnungen ,Judex, judicium, clerus, sponsalia, crimen" benannte 1 Das erste Buch handelt fiber die
djejatelnosti Dusana, carja Serbov i Grekov (Denkmale der gesetzgeberischen Tlitigkeit Dusans, des Kaisers der Serben und Griechen). Kiew 1888; Dr. N. Krstic, Betrachtungen iiber das Gesetzbuch Dusans (,Bote der serb. gelehrten Gesellschaft", Buch VI und VII); Nevolin, Istorija rossijskih grazdanskih zakonov (Geschichte der russischen biirgerlichen Gesetze). 3 Bde. S. Petersburg 1857. n Suiceri, Thesaurus ecclesiasticus e patribus graecis ordine alphabetico concinnatus. 2 vol. Amsteledami 1662; C. Du Fresne dom. Du Cange, Glossarium ad scriptores mediae et infimae graecitatis. 2 tom. Breslau 1891. . 8. 1 ,judex, judicium, clerus, sponsalia, crimen." Bernhard von Pavia (Bernardus, praepositus Papiensis, und spater Bischof von Pavia) nannte seine Sammlung:

22

Einleitung.

. Trager der Kirchengewalt, das zweite Uber das Richteramt, das dritte Uber die Rechte und Pflichten des Klerus, das vierte Uber die Ehe, und das fUnfte tiber die kirchlichen Delikte und tiber die Strafen. Streng genommen war dies kein eigentliches System, denn es ist in demselben kein innerer Zusammenhang ersichtlich, und ebensowenig kann erklart werden, wie die einzelnen Teile auseinander entstehen, sowie welche die leitende Idee des Ganzen ist. Nach ebendiesem System wurde tibrigens das Kirchenrecht durch einige Jahrhunderte im Abendlande gelehrt. Neben diesem System trat im Abendlande ei1 den lnstitutionen Justinians entlehntes System zutage, wonach das Kirchenrecht in drei Teile: Personen, Sachen und Handlungen 2, zerfiel. In dem ersten Teile wurde das Personenrecht, namentlich den Klerus betreffend, im zweiten Teile die gottesdienstlichen Objekte und das Vermogensrecht, im dritten Teile der Civil- und StrafprozeB dargelegt. Paul Lancelottus hat im XVI Jahrhundert in seiner Arbeit, das Kirchenrecht betreffend, diese Einteilung angenommen s. Dieses System erscheint viet besser als das erstere; denn in der Tat lassen sich die hauptsachlichen Faktoren des Kirchenrechts unter die erwahnten drei Punkte des Systems subsumieren; doch ist dassel be, mit Rticksicht auf die Schwierigkeit der Durchfilhrung, gegenwartig ganzlich beiseite gelassen. Unser Zeitalter hat in dieser Beziehung einen neuen Weg eingeschlagen, hat die beiden erwahnten Systeme verworfen und neue einzufiihren begonnen. Nur bedauerlich ist es, daB kein autoritatives System, welches die heute bestehende widerwartige Verschiedenheit in den .Werken tiber das Kirchenrecht verhindert hatte, geschaffen wurde; denn man kann frei behaupten, daB heute filr die Darlegung des Kirchenrechts ebensoviel Systeme als Autoren existieren. Die Frage tiber das anzuwendende System erscheint sonach dermal en noch nicht geli:ist; dies ist vielmehr der Zukunft vorbehalten. Die Wahl des Systems filr die Behandlung dieser Wissenschaft ist daher von der Auffassung des Gegenstandes seitens des betreffenden Autors abhangig.
Breviarium extravagantium. Vergl. Bernardi Papiensis, Summa decretorum edit. a Dr. Laspeyres. Ratisb. 1861. 2 Ilspi 1rp6aoomx, 1rspi 1tptX')'fllxtiX, 1rspi &rwrac;. . . E. C. Ferrini, Institutionum graeca paraphrasis Theophilo Antecessori vulgo tributa. Berolini 1884. Pars. I, p. 18. ,Omne jus quo utimur, vel ad personas pertinet, vel ad res, vel ad actiones." lnstitutionum D. Justiniani. Lib. I. tit. II. 12. 3 Pauli Lancelotti, Institutiones juris canonici. Perus. 1562. Diese auch in andere Sprachen iibersetzte Arbeit des Lancelottus wurde im Abendlande als autoritativ angesehen, erfuhr viele Auflagen u. wurde in andere Sprachen iibersetzt. Nach diesem System so lite auch das Werk von E. joannovich, ,Nacatki cerkovn. prava ... " (Principia juris canonici) angeordnet sein; das erste Buch dieses Werkes handelt nO licjeh (de personis)". Neusatz 1841.

. 9. Die Literatur des gr.-or. Kirchenrechts.

23

Trotz des eifrigsten Studiums einer betrachtlichen Anzahl der besten systematischen Werke tiber Kirchenrecht aus der neueren Zeit, konnten wir uns bei der vorliegenden Arbeit doch nicht entschlieBen, dem System eines dieser Werke ausschlieBlich zu folgen, oder uns alle in diesen Systemen enthaltenen Einteilungen anzueignen. Wir haben ein System gewahlt, welches uns als das natiirlichste und erschOpfendste erschien; hiebei hielten wir uns den ganzen Organismus der Kirche vor Augen, wie derselbe beschaffen ist, wie er sich erhalt und welches das denselben erfiillende Leben ist. Durch diese Erwagung fanden wir drei Seiten, welchen die Kirchenrechts-Wissenschaft hauptsachlich ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden hat, namlich die Verfassung, die Verwaltung und das Leben der Kirche. Da dieser ganze Organismus auf bestimmten Gesetzen aufgebaut ist, welche sowohl die Verfassung, als auch die Verwaltug und das Leben der Kirche normieren, so muB in der Einleitung von den Quellen gehandelt werden, aus welchen diese Oesetze herriihren, sowie der Sammlungen Erwahnung getan werden, in welchen die Quellcn aufgenommen sind. Zum SchluBe ist das Verhaltnis der Kirche als einer selbstandigen, juristischen Einheit zum Staate und zu den Andersglaubigen darztilegen. Wenngleich nun diese Frage von der Mehrzahl der abendlandischen Kanonisten gleich in der Einleitung erortert wird, hielten wir es doch fiir angezeigt, dieselbe erst zum SchluBe zu behandeln, da sie in das Rechtsleben der Kirche tief einschneidet und erst dann vollstandig begriffen werden kann, wenn man mit dem Organismus der Kirche allseitig vertraut ist. Hiernach teilen wir die Wissenschaft in fUnf Teile; I. Die Quellen des Kirchenrechts und die Sammlungen, in welch en dieselben enthalten sind; II. Die Verfassung der Kirche; III. Die Verwaltung der Kirche; IV. Das Leben der Kirche, und V. Das Verhaltnis der Kirche zum Staate und zu den Andersgll:iubigen.

. 9. Die Literatur des griechisch-orientalischen Kirchenrechts.


Bis zum heutigen Tage ist in keiner Sprache ein Werk erschienen, in welchem das dermalen in der griechisch-orientalischen Kirche geltende Recht vollstandig dargelegt ware. Die einzelnen bestehenden Werke sind unvollstandig; denn entweder sind sie nicht zu Ende gefiihrt, oder sie befassen sich nur mit dem Rechte einer Partikularkirche. Man kann daher die Behauptung aufstellen, daB die griechisch-orientalische KirchenrechtsWissenschaft gegenwartig noch nicht durchgearbeitet ist, sondern erst im Stadium der ersten Entwicklung sich befindet. Wenn nun dies fiir die systematischen Bearbeitungen des Kirchenrechts als Tatsache hingestellt werden muB, so gilt dies doch nicht fiir die auf diesem Oebiete gelieferten Bearbeitungen einzelner Teile; denn viele derselben sind

24

Einleitung.

vorztlglich abgefaBt und erleichtern denjenigen, welche die Kirchenrechts-Wissenschaft vollstandig darzulegen beabsichtigen, die bezUgliche Arbeit ganz bedeutend, weil die Spezialarbeiten in ihrer Ganze in das betreffende System aufgenommen werden konnen. Hieber gehOren in erster Linie die Arbeiten der russischen Kanonisten, welche entweder in besonderen Werken erschienen, oder in verschiedenen akademischen periodischen Schriften abgedruckt sind; so namentlich die Arbeiten des verstorbenen Archim. johann (nachmaligen Bischofs von Smolensk), welcher als der Vater der neueren Wissenschaft des griechisch-orientalischen Kirchenrechts hingestellt werden kann; sodann die Arbeiten des verstorbenen Professors an der Moskauer Universit!it, Alexius S. Pavlov, und anderer. Einzelne Teile unserer Wissenschaft sind auch im Abendlande bearbeitet worden, und liegen einige auf Grund der Urquellen in so objektiver Weise verfaBte kanonische Arbeiten vor, daB dieselben als wertvolle Beitrage zum System des griechisch-orientalischen Kirchenrechts angesehen werden kfinnen; hiezu geMren die Arbeiten des bekannten Byzantologen Zaclzariae von Lingenthal, ferner des nunmehr verstorbenen ehemaligen Professors an der Wiener UniversiUit und spliteren Direktors der Allerhfichsten Privat- und FamilienfideikommiB-Bibliothek in Wien, Dr. joseph Zhishman, und anderer. lm Nachstehenden wollen wir nicht auf die FUlle von Artikeln und kanonischen Abhandlungen, welche in verschiedenen akademischen Schriften abgedruckt sind, eingehen, sondern die in selbstlindigen Werken erschienenen Arbeiten tiber das griechisch-orientalische Kirchenrecht, soweit uns dieselben bekannt sind, erwahnen.
I. Arbeiten tiber Rechtsgeschichte, Reehtsquellen, Disziplin u. s. w.

F. A. Biener, De eolleetionibus eanonum eclesiae graeeae. Berol. 1827. F. A. Bicner, Das kanonisehe Recht der grieehiscben Kirche. Dresden 1853. F. A. Biener, Geschichte der Novellen Justinians. Berlin 1824. 0. E. Zachariae, Historia juris graeco-romani delineatio. Cum appendice ineditorum. Heidelbergae 1839. E. Zackariae von Lingenthal, Die griechischen Nomokanones. S. Petersburg 1877. E. Zachariae von Lingenthal, Die Handbticher des geistlichen Rechts aus den Zeiten des untergehenden byzantinischen Reiches und der ttirkischen Herrschaft. S. Petersburg 1881. E. Zachariae von Lingenthal, Uber den Verfasser und die Quellen des (Pseudo-Photianischen) Nomocanon in XIV Titeln. S. Petersb. 1885. E. Zachariae von Lingenthal, Geschichte des griechisch-rumischen Rechts. II. Aufi. Berlin 1877.

9. Die Literatur des gr.-or. Kirchenrechts.

25

J. S. Drey, Neue Untersuchungen tiber die Konstitutionen nnd Kanones der Apostel. TUbingen 1882. P. de Marca, Dissertatio de veteribns collectionibus canonnm. (Andreas Gallandi, De vetustis canonum eollectionibus dissertationum sylloge. Venet. 1778.) Pftr. ct Hieron. Ballcrini, De antiquis tum editis, tum ineditis eollectionihus et eo1lcctoribns canonum. (Ibid.) Z. Brwn. van Espon, De antiquis canonum codicibus (Comment. in canones. Colon. Agrip. 1775). J. Krabbe, De codice canonum, qui apostolorum nomine circumferuntur. Gutt. 1829. ,J. B. Pitra, Des canons et des collections canoniques de l'eglise grecque. Paris 1858. J. A. B. Mortrouil, Histoire du droit byzantin. 3 vols. Paris 1843-46. 0. W. JJJ. Heimbach, Griechiscb-romisches Recht. (Ersch u. Gruber, Allgemeine Encyklopudie der Wissenschaften und Kilnste. I. Sect:, Bd. 86 nnd 87.) J. W. Bickell, Geschicbte des Kirchenrechts. I. Band. Giessen 1843. F. Maassen, Geschicbte der Quellen und der Literatur des kanonischen Rechts. I. Band. Graz 1870. L. F. Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts his auf die Zeiten des falschen Isidorus. Halle, 1778. J. Doujat, Praenotionum canonicarum libri quinque, quibus sacri juris atque universi studii ecclesiastici principia et adminicula enucleantur. Venet. 1717. C. J. Hefelc, Conciliengeschichte, fortgesetzt von J. Hergenrother. II. Auflage. 9 Bde. Freiburg im Breisgau 1.873-90. L. Ellies dtt Pin, De antiqua ecclesiae disciplina dissertationes historicae. Colon. Agripp. 1691. P. D. Marca, De concordia sacerdotii et imperii. Paris 1704. L. Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina circa beneficia et beneficiarios. 9 vol. Magont. 178 7. J. Krabbe, Uber den Ursprung und Inhalt der ap. Konstitutionen. Hamburg 1829. Dr. H. Achclis, Die 1lltesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts. Leipzig, 1891. Prof. Malnory, La collection canonique des Statuta ecclesiae antiqua. Paris, 1891. Fr. X. Funk, Die apostol. Konstitutionen. Roffenburg, 1891. Fr. X. Funk, Das achte Bnch der apostol. Konstitutionen und die verwandten Schriften. Tiibingen 1893. Fr. Lauchert, Die Kanones der wichtigsten altkirchlichen Konzilien nebst den apost. Kanones. Leipzig, 1896.

26

Einleitung.

Dr. Tsch. Mitrovits, Die Kormtschaja kniga. Wien, 1898. K . .A. Nevolin, 0 sobranijah i ucenom obrabotivanji cerkovnih zakonov v Greciji i Rossiji (Uber die Sammlungen und wissenschaftlichen Bearbeitungen der Kirchengesetze in Griechenland und Rnssland). [Gesammelte Schriften.] Bd. VI. S. Petersburg, 1859. B. Rosenkampj, Oboz:rjenie komcej knjigi (Ubersicht tiber die ,Kormcaja knjiga [Steuerbnch]"). S. Petersburg 1839. A. Pawlow, Nomokanon pri bolsom Trebnikje (Nomokanon znm groBen Euchologion.) Moskau, 1897. Neue Auflage. Al. A. Tjazelow, Zakoni greceskih imperatorov v otnoseniji k cerkvi poslje Justiniana (Die Gesetze der griechischen Kaiser mit Beziehnng zur Kirche, nach Justinian). Moskau 1876-77. N. Zaozerski, Istor. obozrenie istocnikov prava pravoslavn. cerkvi (Historische Ubersicht der Rechtsquellen der orthodoxen Kirche). Moskau, 1891. N. Zaozerski, Pravo pravosl. cerkvi kak predmet specialnoj juridic. nauki (Das Recht der orthodoxen Kirche als Gegenstand des speciellen Rechtsstudiums). Moskau 1888. N. llinski, Syntagma Mateja Vlastarja (Das Syntagma des Matthlius Blastares). Moskau, 1892. V. Narbekov, Nomokanon patriarha Fotija (der Nomokanon des Patriarchen Photius. Historisch-kanonische Darstellung). Kazan, 1899. M. Krasnozen, Tolkovateli kan. prava vostocnoj cerkvi (Kommentatoren des Kirchenrechts der orientalischen Kirche). Moskau, 1892. N. Ducich, Krmcija moracka. Belgrad, 1877. M. II 6 t A'll t:;, Etcrar(l)'ft'X.oY fLiiitw.a stt:; to s-x.'X.A'ljataatt'X.ov o[-x.awv ~t; &vatoAt'X.ijt:; opitoo6~oo 8-x.'X.A'ljatat:;. 'Ev 'Ait~YIJ.lt:; 1859. Const. Popovicii jun., Fontanele si Codicii dreptului bisericescu ortodoxu. Cernauti, 1886. N. Milasch, lJber die Kanonen-Sammlungen der orthodoxen Kirche. Neusatz, 1886. N. Milasch, Die Krmcija von Savina. Zara, 1884. N. Milasch, Codex canonum ecclesiae africanae. Zara, 1881.
II. Systematische Werke.

Euthymius Joannovich, Nacatki cerkovnago prava drevnija vostocnija cerkve po knizje kormcej. I. Bd. Neusatz 1841, II. Bd. 1847. (Principia juris ecclesiastici veteris orthodoxae orientalis ecclesiae secundum comune Directorium) 1.
Uns liegt nur der erste Band ,o Iicjeh (de personis)" vor; die Exemplare des zweiten Bandes sollen sammtliche zur Zeit der ungarischen Revolution (1848) verbrannt sein. Nach der Einleitung wird in dem ersten Teile des ersten Bandes von den geistlichen Personen (de personis sacris), in dem zweiten Teile von den verschiedenen anderen, Personen (de diversis aliis personis) gehandelt.
9.
1

. 9. Die Literatur des

gr.-or. Kirchenrechts.

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.A.rckim. Johann, Opit kursa cerkovnago zakonovjedjenija. (Versuch eines Kurses der kirchlichen Gesetzkunde). I. Band. S. Petersburg, 18ol. Zwei Bficher 2. Prot. Skworcew, Zapiski po cerkovnomu zakonovjedeniju (Vorlesungen fiber die kirchliche Gesetzkunde). II. Ausgabe. Kiew, 18!>7 s. N. K. Sokolow, Iz lekcij po cerkovnomu pravu (Aus den Vorlesungen fiber Kirchenrecht). Moskau 1875 4. A. .A.lbow, Kratki kurs lekcij po cerkovnomo pravu (Knrzer Kursus der Vorlesnngen tiber Kirchenrecht). S. Petersburg 1882 5. M. J. Bogoslowski, Kurs obl!Cago cerkovnago prava. Uroki prepodannie vospitannikam imperat. ucilisca pravovjedenija (Kursus des allgemeinen Kirehenreehts. Vortrl!ge fiir die Zoglinge der kaiserliehen Rechtsakademie). Moskau 1885 s. P. La.~karew, Pravo cerkovnoe v jego osnovah, vidah i istocnikah (Das Kirchenrecht in seinen Grundlagen, Formen ond Quellen). Kiew 18867. J. S. Berdnikow, Kratki kors cerkovnago prava pravoslavnoj
~ Dieser erste Band zerflUlt in eine Einleitung und sodann in drei Abschnitte; von diesen handelt der erste von dem Ursprunge und den verschiedenen Formen der Kanones, der zweite enthilt die Auslegung der fundamentalen kanonischen Gesetze der Kirche, der dritte die iJbersicht der die alteren Kanones erganzenden Satznngen.

Die Einteilung dieses Werkes ist folgende: Einleitnng; I . Abschnitt, Uber die Kirchengewalt und Verwaltnng im allgemeinen; II. Abschn., Uber die Kirehenregierung; III. Abschn., Ober die dienstlichen Anstellungen und kirchlichen !mter; IV. Abschn., Uber das Vermogen der Kirche; V. Abschn., Uber den kirchlichen Unterricht; VI. Abschn., Ober den Gottesdienst und die heiligen Handlungen; VII. Abschn., Uber die kirchliche Gerichtsbarkeit und Disziplin: vrn. Abschn., Uber den Vorgang der griechisch-orientalischen Kirche gegeniiber den Andersglll.ttbigen; Anhang: Tabella iiber die Grade und Arten der Verwandtschaft, sowie deren Erklirnng. 4 Enthli.lt in der Einleitung zuvUrderst allgemeine Begriffe iiber Kirche und Kirchenrecht; sodann warden die Quellen behandelt. Hierauf folgt das System, und unter dem allgemeinen Titel "Inneres Kirchenrecht" wird die Organisation der Kirche dargelegt, speziell im I. Kapitel "iiber die Zusammensetzung der Kirchengemeinde" gehandelt. Weiter ist nichts erscbienen (uns wenigstens nichts bekannt). Dies ist eine weniger griindliche und unvollstii.ndige Arbeit. Die Einteilung ist folgende: In der Einleitung wird von der Kirche, dem Kirchenrechte und den Quellen gehandelt; hierauf folgt das System. Der I. ,allgemeine" Teil enthalt die Lehre iiber das Verhiltnis zwischen Kirche und Staat; der II . spezielle" Teil (tihrt unter dem Titel ,Inneres Kirchenrecht die Organisation der Kirche vor; der III. Teil befaBt sich unter dem Titel ,Das kirchlich-juristische Leben der eizelnen Gliubigen" nur mit der Ehe; im IV. Teile wird das Vermllgensrecht behandelt.
6 Dieses Buch behandelt nach einer kurzen Einleitung im I. Teile ,Die Einrichtung der Kircbe" und im II. Teile .die Organisation der Kirche".

N&ch einer kurzen Einleitung zerfll.llt das Buch in drei Kapitel: I. Grundlagen des Kirchenrecbts im allgemeinen; II. Entstehen des Kirchenrechts und dessen Formen und III. Denkmll.ler der kirchlichen Gesetzgehnng.

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Einleitung.

greko-rossijskoj cerkvi (Kurzer Kursus des Kirchenrechts der ortodoxen griechisch-russischen Kirch e. Kazan 1888; Ergitnzung hiezu: Kazan 1889 s. N. S. Suworow, Kurs cerkovnago prava (Kursus des Kirc.henrechts). 2 Bde. Jaroslav 1889-90 9. M. Ostroumow, Ocerk pravoslavnago cerkovnago prava (UmriB des orthodoxen Kirchenrechts) Charkov, 1893. Tom. I. Einleitung 10. V. G. Pjcwzow, Cerkovnoe pravo (Kirchenrecht). S. Petersb. 1892 11. A. S. Pawlov, Kurs cerkovnago prava (Kursus des Kirchenrechts). Moskau 190212. Andr. von Schaguna, Compendium des kanonischen Rechtes der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche 13 - Ausdem Romanischen tibersetzt von Dr. Alois Sentz. Hermannstadt 1868. Dr. D. G. Barojanu, Dreptul bisericesc. Jasi, 1899. 2 Bde. Der Autor befaBt sich ausschlieBlich mit der Kirche im Konigreiche Rumil.nien 14. Vasile Pocitan, Compendiu de drept bisericesc al bisericei orthodoxe, comparativ cu bisericile latina, protestanta etc., si cu referinte
Diese Arbeit ist nach dam Priifungsprogramme der russischen juristischen Kommission dargelegt; u. zw. 1. Allgemeine Begriffe, 2. Qllellen, 3. Stellung der Kirche im Staate, 4. Organisation dar Kirche, 5. die Kirchenverwaltung, 6. kirchliches Vcrmogensrecht. - Von demselben Verfasser: Osnovnija nacala cerkovn. prava pravoslavnoj cerkvi (Die Hauptgrundlagen des Kirchenrechts der ortodoxen Kirche). Kazan, 1902. 9 Inhalt: Einleitung; I. Tail, Historische Ubersicht dar Entwicklung der kirchlichen Organisation; II. Teil, Historische Ubersicht der Quellen-Entwicklung des Kirchenrechts; Ill. Teil, Dogmatische Darlegung der kirchlichen Organisation; IV. Teil, Kirchliebe Verwaltung; V. Teil, AuBere VerhiUtnisse der Kirche. 10 Der erste Teil handelt iiber das Kirchenrecht im allgemeinen, der zweite Teil tiber die Denkmaler des Kirchenrechts, als Quellen der Kirchenrechtswissenschaft. 11 Der lnhalt dieses W erkes, dessen 'l'itel ich nur abgedruckt gesehen habe, ist mir unbekannt. 12 "Plan: Quellen des Kirchenrechts. System des Kirchenrechts: 1.) Verfassung der Kirche, 2.) Verwaltung der Kirche, 3.) AuBeres Recht der Kirche. - Dies ist das baste in dar russischen Literatur bestehende Werk tiber Kirchenrecht (natiirlich tiber das russische Kirchenrecht, auf welches sich auch alle im Texte erwahnten russischen systematischen Arbeiten bei~iehen). Eine Re~ension tiber dieses Werk Pawlows im Vergleiche mit dem Kirchenrechte von N. Suworow u. N. Milasch ist vom Professor des Kirchenrechtes in Moskau, Dr. N. Zaozerski, in der Zeitschrift: Bogoslovski Vjestnik. 1902, Ill, 235 u. fl.gde., erschienen. 13 Der Plan ist folgender: Einleitung. I. Teil, Inneres Kirchenrecht; II. Teil, Ausseres Kirchenrecht; III. Teil, Kirchliche Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit. 14 Im ersten Bande sind die Kanones der morgenlandischen Kirche mit Kommentaren enthalten, ahnlich dem alphabetischen Syntagma des Blastares mit Hinzufiigung der Schrift des Chrisostomus tiber den Klerus . . . Der zweitc Band enthalt das System in folgender Anordnung: Introducere, Despre biserica, Jerarhia bisericeasca, Oticii bisericesci: clerul superior si clerul inferior, Despre Sinode, Administratia si judecata bisericesca, Biserica si Statui, Cultul, Sarbatorile, Misteriile, Alte lucrari cu caracter religios, Monachismul, Duptul bisericii d' avea a veri si proprietati. Der Anhang enthalt eine kurzc Ubersicht des dermaligen Kirchenrechts in der griechischen, russischen, serbischen, bulgarischen Kirche, in der Hermannstadter Metropolie und in der Metropolie der Bukowina.
8

9. Die Literatur des gr.-or. Kirchenrechts.

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speciale la legile si regulamentele bisscricei orthodox:e autocefa.le Romanc. Bucuresti 1892 Hi. N. Ruzicich, der Nomokanon der scrbischen Kircho, I. Bd. Theorie des kanonisehen Rechts. Belgrad 188216. I. II I'J.7t 1t IX A0!) 'It 0: E 0 't" a.; t 0 0 Too ')(.17.\JOVL'X.OO obtCf.lQ!) t~~ opD-oM.;orJ aw.x.tOAt'X.'~~ S'lt'X.AljOti'J.~ ta 7tcpi tspatt'X.'ij~ a,;ooa[a.;. Tsoz. I. EY A&Yr.. at~, 1872.17. 'A 7t. X pta t 6 oo o Ao .;, Llo'X.tp.tov ex'ltkrjataatt'X.OO 3tM.[ou. 'Ev Koovcrw.v'ttYOI)1t6Ast, 18!}618, M sA. ~ax sA), a p 6 1t o o Ao .;, 'E'ltxk~aW/ltt'ltfW o[M.WY t"fj<; !iva.toAtxlj-; op3-oo6,;otl h.Y.ktjaVx-;. 'Ev 'Ao~Yat-;, 18913 HI, Von abendl!Lndischen Schriftstellern erwii.hnen drei das Kirchenrecht der griechisch-orientalischen Kirche in ihren Systemen; ein vicrter behandelt in einem besonderen W erke die Organisation und den neueren Bestand der Kirchen des Orients, namlich: Ferd. Walter, Lehrbueh des Kirchenreehts aller christlichen Konfessionen. XIV. Ausgabe, besorgt von Herm. Gerlach. Bonn 1871. Dr. Ji'ried. H. Vekring, Lehrbuch des katholischen, orientalischen und protestantischen Kirchenrechts. IlL Auflage. Freiburg im Breisgau 1893. Fr. Kunstmann 1 Grundzuge eines vergleichenden Kirchenrechts der ehristlichen Konfessionen. l\ltinchen 1867. Dr. Jsidor Silbernagl, Verfassung und gegenwilrtiger Bestand s!tmmtlicher Kirchen des Orients. Eine kanonistisch-statistische Abhandlung. Landshut 1865.

m.

Arbeiten iiber das Recht der einzelnen Partikularkirchen.

'l'h. Kurganow, Ustrojstvo upravlenija v cerkvi korolevstva greceskago (Verwaltungs-Organisation der Kirche im Konigreiche Griechenland). Kazan 1871. A. Pawlow, Pervonacalni slavjano-russki nomokanon (Der erste slavisch-russische Nomokanon). Kazan 1869. A. Pawlow1 Knigi zakonnija. S. Petersburg 1885. P. Zagorovslci, 0 razvodje po ruskom pravu (Uber die Ehetrennung nach russischem Rechte). Charkow 1884.
Dieses Werk be:findet sich nicht in meinen Besitze. - Nacb einer mir zugekommenen Information ist dieses Werk nach den Vortragen iiber Kirchenrccht des Professors Konstantin Popovici an der Czernowitzer-UniversitiLt verfaBt. 16 Plan: Einleitung; l.1'eil, das innere Kirchenrecht; II. Teil, das liuBere Kirchenrecht. 17 Nach einer kurzen Einleitung folgt als erster Teil eine kurze Lehre tiber die geistliehe Gewalt, sodann als zweiter Teil die Lehre iiber die Cheirotonie. - Ob cine l'ortsetzung dieses W erkes erschienen ist, vermag ich nicht anzngeben. 18 Dieses Werk enthlilt eine Einleitung. I. Kap. die Quellen. 11. Kap. der Zweck der Kirche. HI. Kap. der Klerus IV. Kap. die Yerwaltung der Kirche. Y. Kap. die KirchJicha Disziplin. VL Kap. die heiligen Handlungen. VII. Kap. das Kirchenvermogen. 19 Inhah: Einleitnng. I. Teil, Die geistliche Gewalt. II. Die Administrativgewalt. III. Die richter!iche Gewalt n. JV. Die heil. Handlungen.
1"

30

Einleitung.

.A. D. Sposobin, 0 razvodje v Rossiji (iJber die Ehetrennung in Russland). Moskan 1881. N. Kalacow. 0 zna~eniji Korm~ej v sistemje drevnjago ruskago prava (Tiber die Bedeutung der Krmcija im Systeme des alten russischen Rechts). Moskau 1850. Theophan Zivkovich, Die serbische Nationalkirehe auf ihrer kanonisehen Grundlage. Temesvar 1868. (In serbischer Spraehe). Eu. Joannovich, 0 sudjeh eerkovnih svjatija vostocnija sobornija i apostolskija cerkve, jaze vo dedavah avstrijskih (Uber die kirchliche Gerichtsbarkeit der heiligen, orientalischen, allgemeinen und apostolisehen Kirche in den osterreichischen L!tndern). Karlstadt 1844. (Jos. Jirecek,) Actenml1Bige Darstellung der Verhll.ltnisse der griechischnichtunierten Hierarchic in Osterreich. Wien 1861. J. Heljert, Die Rechte und Verfassung der Akatholiken in Osterreich. Wien 1827. Dr. Radoslav v. Radich, Die Verfassung der orthodox-katholisehen Kirehe bei den Serben in Osterreich-Ungarn. I. Teil, Das oberste Kirehenregiment. Wersehetz, 1877. lv. Malischewski, 0 cerkovno-prihodskih pope~itelstvah v Rossiji (Uber die Pfarrltmter in RuBland). Kiew 1878. Iw. Palmow, Bolgarskaja ekzarhijskaja cerkov (das bulgarische Exarehat.) S. Petersb. 1896. Iv. Palmow, Cerkovnoe ustrojstvo u pravoslavnih Rumin v AvstroV engriji (die Kirchenverfassung bei den orthod. Rumll.nen in OsterreiehUngarn). S. Petersb. 1898. T. Barsow, Synod v jego pro~lom (die Synode in ihrer Vergangenheit). S. Petersburg 1896. Vlad. Girgas, Prava hristian na vostokje po musulmanskim zakonam (Die Rechte der Christen im Orient naeh mohammedanischen Gesetzen). S. Petersburg 1865. N. Suworow, Slijedi zapadno-katoliceskago prava v pamjatnikah drevnjago russkago prava (Die Spuren des abendliindischen katholischen Rechts in den Denkmli.lern des alten russischen Rechts). Jaroshw 1888 nnd 1893. N. Milasch, Das Synodal-Statut.der griechisch-orientalischen Metropolie der Bukowina und Dalmatians vom 24. August 1884. Mit Erlltuterungen. Mainz 1885.
IV. Arbeiten iiber einzelne Teile des Kirchenrechts.

Ouropalatae, De officialibus palatii Constantinopolitani ct officiis magnae ecclesiae. Lugdun. 1587. Dr. Jos. Zhishman, Das Eherecht der orientalischen Kirehe. Wien 1864.

. 9. Die Literatur des gr.-or. Kirchenrechts.

31

Dr. Jos. Zkishman, Die Synoden und die Episcopal-Amter in der morgenl11ndischen Kirehe. Wien 1867. Dr. Jos. Zhishman, Das Stifterrecht in der morgenlu.ndisehen Kirehe. Wien 1888. Dr. Is. Silbernagl, Das Ehereeht nach den Gesetzen der grieehisehen Kirehe. Habil.-Sehr. Mtlnehen 1862. Klein de Szad, Dissertatio eanoniea de matrimonio juxta disciplinam graecae orientalis ecclesiae. Vindobonae 1781. Theod. Mandics, Dissertatio de causis connubium discindentibus secundum canones ecclesiae orientalis et leges imperiales byzantinas. Leipzig 1849. Joan. Hadschits, Dissertatio de causis matrimonium dissociantibus juxta disciplinam orthodoxae ecclesiae Christi orientalis. Budae 1826. E. Moy de Sons, Das Eherecht der Christen in der morgenl!indischen und abendlandischen Kirehe his zur Zeit Karls des GraBen. Regensburg 1833. K. Kuzmany, Handbuch des allgemeinen und osterreichischen evangelisch-protestantischen Eherechts mit durchg!tngiger Bertlcksichtigung des Eherechts anderer christliehen Konfessionen. Wien 1860. P. de Smedt, L' organisation des eglises chretiennes jusq' au milieu du III siecle. Paris 1891. W. 0. Ziegler, Pragmatische Geschichte der kirchlichcn Verfassungsformen in den ersten sechs Jahrhunderten der Kirche. Leipzig 1798. Krovo1:avdvou 'tOO H Olxov6tJ.rov1 Ilepl. 'tci>V 'tptcilv !spa'tt'Xcilv rij.; E'Xx}:rja~ fla3tJ.ci>V. 'A&ijvatc; 1835. II. r. II a'( 0 y ~I 'ErxstplOtOY TCept 'tOO !epou tJ.tl01:1jpov tOO '(a(tOtl tcilY
Otlj'(SYStii>Y 'tWY ~a&(tcilY ar)'to5 ?tat 'tOOY 'XS'X.IIlAtl(tSYIIlY ?tat a?troM'tlllY Otlj'(SYStcilY. 'Ev 'A&ijvat' 1842. r. A. M a tl p 0 'XO p 0 a't 0 o, Ilept 'tOO 1spo5 tJ.tlOt'fjptOtl tOO ra(tOtl. 'Ev
'A&~v~tc;

1857.

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32
1894.

Einleitung.

N. Zaozerski, 0 cerkovnoj vlasti (Uber die Kirchengewalt). Moskan


V. Kiparisow, 0 svobodje sovjesti (Uber die Freiheit des Gewissens). Moskau 1883. V. Kipari.<Jow, 0 cerkovnoj discip1inje (Uber die kirch1iche Disciplin) . .Moskau 1897. J. Berdnikow, 0 vosprijemnicestvje pri kresceniji i o duhovnom rodstvje, kuk prepjatstviji braku. (Ober die Pathenschaft bei der Taufe u. Uber die geistliche Verwandschaft, als Ehehindernis). Kazan 1892. A. Pawlow, 0 vosprijemnicestvje i dub. rodstvje. (Uber die Pathenschaft u. die geistliche Verwandschaft). Moskau 1893. A. Zawjalow, 0 brakje i bracnom razvodje. (Uber die Ehe u. die Ehetrennung). Moskau 1892. N. Strahow, Brak, razsmatrivajemi v svojej prirodje i so storoni formi jego zakljucenija (die Ehe betrachtet in ihrem Wesen und vom Standpunkte der Form der AbschlieBung). Charkov 1892. P. Krimenecki, Hrist. ucenie o carskoj vlasti (die christliche Lehre Uber die kaiserl. Gewalt). Moskau 1888. Alexius Erzbischoj von Litthauen, Predpolagaemaja reforma cerkovnoga suda ldie beabsichtigte Reform des geistlichen Gerichtes). S. Peterb. 1883. J. Berdnikow, Gosndarstvennoe polozenije religiji v rimsko-vizantijskoj imperiji (die staatliche Stellung der Religion im rom.-byzantinischen Kaisertnm). Tom I. Kazan 1881. A. Pawlow, Ob ucastiji mirjan v djelah cerkvi (Uber die Teilnahme der Laien an den kirchlichen Angelegenheiten). Kazan 1866. M. Matoschkin, Vybornoje nacalo v duhovenstvje (Das Wahlprincip in der Geistlichkeit). S. Petersburg 18 70. Ji)in ortlwdoxer Laie, Pravda o vybornom nacalje v duhovenstvje (Die Wahrheit im Wahlprincipe der Geistlichen). S. Petersburg 1871. N. A. Zaozerski, Cerkovni sud v pervie tri vjeka hristianstva (Die kirchliche Gerichtsbarkeit in den drei ersten Jahrhunderten des Christenturns). Kostroma 1878. N. Suworow, 0 cerkovnih nakazanijah (Uber die Kirchenstrafen). S. Petersburg 1876. N. Suworow, Objem disciplinarnago suda i jurisdikciji cerkvi v period vselenskih soborov (Umfang der Disciplinar-Gerichtsbarkeit und Jurisdiction der Kirche zur Zeit der allgerneinen Konzilien). Jaroslav 1884. (Prot. A. V. Gorski,) 0 sanje episkopskom v otnoseniji k monasestvu v cerkvi vostocnoj (Uber die bischofliche Wiirde mit Beziehung znm Monchstume in der orientalischen Kirche). Moskau 1862. G. Ljubimow, Obozrjenie sposobov soder.Zanija hristianskago duhovenstva ot vremen apostolskih do XVIII. vjeka (Ubersicht der Mittel

. 9. Die Literatur des gr.-or. Kirchenrechts.

33

zur Erhaltung der christlichen Geistlichkeit von den apostolischen Zeiten his zum XVIII. Jahrhunderte). S. Petersburg 1861. M. Gorcakow, 0 tajnje supruzestva COber das Sakrament der Ehe). S. Petersburg 1880. A. Pawlow, 50. glava konncej knigi (Das 50. Kapitel der Kormcaja kniga). Moskau 1887. N. Suworow, 0 grazdanskom brakje CCber die bUrgerliche Ehe). Jaroslav 1887. J. Berdnikow, li'orma zaklj ucenija braka u evropejskih narodov v jeja istoriceskom razvitiji (Die Form der Ehe-AbschlieBung bei den europllischen Volkern, in ihrer historischen Entwicklung). Kazan 1887 . J. Berdnikow, Novoe gosudarstvo v jego otnoseniji k religiji (Der moderne Staat in seiner Beziehnng znr Religion). Kazan 1888. Dr. Emil v. Radich, l'jber die Ehetrennnngsgriinde in der orthodoxen Kirche. Neusatz 1884. (In serbischer Sprache). Dr. Ced. Mitrovich, Uber die legislativen Grenzen zwischen Kirche u. Staat (in serbischer Spraehe). Belgrad 1900. J. Bojovich, Die gegenseitigen Beziehungen zwischen Kirche u. Staat (in serbischer Sprache). Belgrad 1895. A. Popovich, Die Verwandschaftsgrade (in serbischer Sprache). Belgrad 1894. T. Alagich, Uber die EhetrennungsgrUnde (in serbischer Sprache). Sarajevo 1892. N. Ducich, Die christliche Ehe (in serbischer Sprache). Belgrad 1898. Dam. Brankovich, Von der Blutsverwandschaft als Ehehindernis. Neusatz 1888. (In serbischer Sprache). N. Rtdicich, Der Nomokanon tiber die Ehe. Belgrad 1880. (In serbischer Sprache). N. RuziCich, Tabellen verschiedener Beispiele der V erwandtschaft. Belgrad 1886. (In serbischer Sprache). J. Vasich, Regel tiber die Verwandtschaftsgrade. Belgrad 1870. (In serbischer Sprache). Nik. Ducich, Die Zahlung der V erwandtschaftsgrade nach der Krmcija, ubersetzt aus der kirchenslavischen Sprache und aus den Srbulje. Cetinje 1876. (In serbischer Sprache). N. M. Trifunovich, Die Zahlung der Grade in der gesetzlichen Ehe. Belgrad 1888. (In serbischer Sprache). Bischof Theophan Zivkovich, Anschauung Uber die Ehe der verwitweten Geistlichkeit. Pancova 1877. (In serbischer Sprache). Bischof Theophan Zivkovich, Uber die Cheirotonie der unverehelichten Kandidaten des geistlichen Standes. Agram 1887. (In serbischer Sprache). P. LaJkarew, Ob otnoseniji drevnej hristianskoj eerkvi k rimskomu
Jl

34

Einleitung.

gosodarstvn ("Ober die Beziehung der alten ehristlichen Kirche zum rBmisehen Staate). Kiew 1873. Th. Kurganow, Otnosenija medzu cerkovnoju i graZdanskoju vlastiju (Beziehungen zwischen der kirchlichen und weltlichen Macht). Kazan 1881. Jerom. Pawel, 0 dolznostjah i ucreZdenijah po ~erkovnomu upravleniju v drevnej vostocnoj cerkvi tUber die Dignititten und Einrichtnngen in der kirchlichen Verwaltung der alten orientalischen Kirche). S. Petersburg 1857. N. Milasch, Die DignitAten in der orientalisehen Kirche. Pancova 1879. (In serbischer Sprache).
V. Arbeiten fiir die kirchenreohtliohe Praxis.

A. Parwow, Prakticeskoe izlozenie eerkovno-gradzanskih postanovlenij v rukovodstvo svjalicenniku na slu<!ai soverlienija va.Znjejliih treb cerkovnih (Praktische Darlegung der kirchlich-btirgerliehen Bestimmungen zur Anleitung fur den Geistlichen bei Verrichtung wichtiger kirchlicher Handlungen). IV. Auflage. S. Petersburg 1870. N. Silcenkow, Prakticeskoe rukovodstvo pri otpravleniiji prihodskih treb (Praktischer Leitfaden fur die Besorgung der Pfarr-Agenden). III. Auflage. Voronez 1879. P. P. Zabjelin, Prava i objazannosti presviterov po osnovnim zakonam hristianskoj cerkvi (Reehte und Pfliehten der Priester nach den fundamentalen Satzungen der christlichen Kirche). 2 Bde. Kiew 1884-8 6. P. Necaew, Prakticeskoe rukovodstvo dlja svjacennosluzitelej, ili sistematiceskoe izlozenie polnago kruga ih objazannostej i prav (Praktische Anleitung fur die Geistlichen, oder systematische Darlegung des vollen Umfanges ihrer Pflichten und Rechte). II. Auftage. S. Petersburg 1887. J. Cizet'Bki, Cerkovnoe pismovodstvo. Sobranie pravil, postanovlenij i form k pravilnomu vedenijn onago (Kirchlicher Gesch11ftsstyl. Sammlung der Gesetze, Bestimmungen und F ormularien zur ordnungsmaBigen Besorgung desselben). II. Auflage. Charkow 1881. A. Serafimow, Pravila i praktika cerkvi otnositelno prisojedinenija k pravoslaviju nepravoslavnih hristian. Istoriko-kanoniceskoe izsljedovanije (Die Gesetze und Praxis der Kirche bei dem Ubertritte der nichtorthodoxen Christen zum orthodoxen Glauben. Historisch-kanonisehe ErUrterung). II. Aufl.age. Kostroma 1882. A. Th. Hojnacki, Prakticeskoje rukovodstvo dlja svjai\!Cenosluzitelej pri sovrseniji sv. tainstv. (Praktisches Handbuch ff1r die hoheren Weihestufen bei der Verwaltung der heiligen Sacramente). Moskau 1883.
VI. Periodische Zeitschriften.
~H p. t ;, ~ 6m-&slllp7Jm~ '"q~

1tr.tpli too Asrov(oou A.

~~ootr.t.

sAA1JYt'X.* ... YO!J.o{}sa(-x~ . 6-x.otOO!J.SV'tj 'Ev 'A-&-qvoct~ 1846, 'X.tA.

9. Die Literatur des

gr.~or.

Kirchenrechts.

35

'E 1t 'lt). '1J <H a. at t x. ij 'A).~.& eta., l:6nprx!J.!J.IX 'ltsptootx.ov h8t8of1vov 8t, 't'05 !J.~VO~. Ilep[o8o~ os6tsp!X. 'Ev KooVO't'IXV't'tVO')'ltOAst, h tOO Ila.tpta.pxt'XOO 't'IHtO'(pa.~s(on. 1885, 'X'tA. 'R~I3t80!J.SY1J a'lta.~ 't~~ E~i30!J.cXOO~. 1887' 'XtA. Pravoslavni Sobesjednik. Ausgabe der Kazaner theologischen Akademie. Kazan 1858 u. ff. Hristianskoe Ctenie. Herausgegeben von der Petersburger theologischen Akademie. S. Petersburg 1822 u. ff. Ctenia v obscestvje ljubitelj duhovnago prosvjescenija. Znrnal ucenoliteratnrni. Wissenschaftlich-literarische Zeitschrift. Moskau 1868 u. fl. Pribavlenia k izdaniju tvorenij sv. otcev. Moskau 1846 u. fl. Pravoslavnoe obozrjenie. Wissenschaftlich -literarische Zeitschrift. Moskau 1859 u. ff. Archiv fiir katholisches Kirchenrecht. Herausgegeben von E. Moy de Sons.Innsbrnck 1857-61; nnd von Dr. Fr. H. Vering. Mainz 1862-1896.

3*

I. Teil.
Von den Quellen und Samnllungen des Kirchenrechts.
A. Die Quellen des Kirchenrechts.
. 10.
Allgemeine Ubersicht.

Als Rechtsquelle wird dasjenige Organ bezeichnet, welches dem Rechte eine sichtbare Form verleiht, und aus welchem aile Rechtsnormen entstehen t. GemaB der Einheit, welche in jeder Rechtsgemeinschaft bestehen muB, kann es auch nur eine als Urquelle geltende Rechtsquelle geben, aus welcher dann andere Quellen wirklich entstehen oder entstehen konnen. In der christlichen Kirche ist die Urquelle ihres Rechts der Wille des Stifters, aus welcher die iibrigen Quellen, namlich die kirchliche Gesetzgebung und die kirchliche Gewohnheit ihren Bestand herleiten. Da das Kirchenrecht im objektiven Sinne nicht bloB die von der Kirche, sondern auch die vom Staate erlassenen, von der Kirche angenommenen und anerkannten Gesetze, welche auf die auf.ere Sicherheit der Kirche, sowie auf die Festigung der rechtlichen Beziehungen zwischen Kirche und Staat Bezug haben, umfaBt, so werden auch die weltlichen Gesetze als Rechtsquellen angesehen, und muB ihre Bedeutung fUr das Kirchenrecht von der Wissenschaft erforscht werden. Sammtliche Quellen des Kirchenrechts werden eingeteilt in a) fundamentale oder kanonische, b) historische und c) praktische. Zu den ersten gehOrt die heilige Schrift und Tradition, die fiir die Gesammtkirche angenommenen Kanones und endlich gewisse kirchliche Statute, welche entweder auf die Gesammtkirche oder auf besondere Einrichtungen derselben Bezug haben; zu den historischen Quell en gehoren jene gesetzlichen Vorschriften der Kirche, welche nicht in die funda. 10.

Puchta, Kursus der lnstitutionen, I, 30; Savigny, System des heutigen rtimischen Rechts. I, II u. ff.
1

38

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

mentale Kanonen-Sammlung aufgenommen wurden, die Gesetze der Staatsgewalt und verschiedene Nomokanones; zu den praktischen Quellen gehoren die gegenwartig in den einzelnen Partikularkirchen geltenden Gesetze 2. Bei dieser Einteilung der Quellen ist es schwer, ihren inneren Charakter, sowie ihre Wichtigkeit genau festzusetzen, und dies ist umso schwieriger, wenn in den einzelnen Quellenkategorien mit den Quellen ohne Unterschied auch die Quellen-Sammlungen angefuhrt sind 3 Die Scheidung der Quellen von den Sammlungen erscheint uns wegen der Bedeutung der einen und der anderen unbedingt notwendig. Die Quellen miissen nach dem Grade ihrer Wichtigkeit und ihrer Beziehung zur Urquelle des Kirchenrechts angefiihrt werden. Da die genaue Kenntnis der Quellen und ihrer wechselseitigen juristischen Beziehungen zum Verstandnisse des Kirchenrechts selbst unbedingt notwendig ist, wollen wir vorerst den Charakter der Quellen an sich, sowie ihre Anwendung in Betracht ziehen, und sodann die Quellen selbst nach ihren inneren Wichtigkeit anftihren .

. Erstes Kapitel.
Von den Kirchenrechtsquellen im allgemeinen.
. 11. Die heilige Schrift. Die christliche Kirche ist auf dem Willen ihres g<:Htlichen Stifters, welcher seit dem Entstehen der Kirche in ihr wirksam ist, und durch aile Tage bis ans Ende der Welt (Matth. 28, 20) wirksam sein wird, aufgebaut. Dieser Wille belebt die Kirche sowohl in Beziehung auf den Glaub en, als auch auf das Recht; das Kirchenrecht ist auf demselben aufgebaut und erhalt durch ihn seine Geltung. jesus Christus hat anlaBiich der Stiftung der Kirche auf Erden dieser keine ihr auBeres Leben regelnde Gesetzsammlung hinterlassen, sondern Er zeigte und bezeichnete genau den Zweck der Kirche, ermachtigte diese, die zur Erreichung ihres Zwecks bestimmten Mittel anzuwenden, und wies ihr, mit dem Versprechen der steten Mithilfe, den in ihrer Tlitigkeit zu verfolgenden Weg. Die Gebote Christi bilden jene Prinzipen, auf deren Grundlage die Kirche sich organisiert und ihr Leben auf der Welt entwickelt hat; auf diesen Prinzipien, als der Urquelle, beruht auch das Kirchenrecht.
Archim. johann. Kursus des Kirchenrechts (russisch) I, 22-25. 3 Sokolow hat in seinem Werkc die Einteilung des Archim. johann angenommen, mu6te jedoch selbst zugeben, dass ihm dieselbe Schwierigkeiten bereitete. Erwlihntes Werk S. 66, Anm. 35.

~.

II. Die heilige Schrift.

39

Diese Gebote sind in der heiligen Schrift des neuen Testaments (~ 'ltCXtV'lJ atcx&f;Y.Y], novum testamentum) enthalten, sind als der Ausdruck des gottlichen Willens unveranderlich, fOr die Gesammtkirche allgemein bindend und bilden die fundamentalen Gesetze der christlichen Kirche. Hiezu gehoren unter anderen die Gebote tiber den Dienst der Apostel (Matth. 18, 18. Joh. 20, 23), tiber die Beziehungen der Apostel untereinander (Mark. 9, 34 u. ff.), tiber die Taufe und Eucharistic (Mark. 16, 16. Matth. 28, 19. Joh. 3, 5. Luk. 22, 19. I. Kor. 11, 23-25), Ober die Ehe (Matti!. 5, 32. 19, 3), Ober den Eid (Matth. 5, 83), tiber die kirchliche Gerichtsbarkeit (Matth. 18, 15-17), tiber die Entlohnung fiir geistliche Dienste (Luk. 10, 7-12. Matth. 10, 10-15. joh. 12, 5. 6. 13, 29), tiber das Verhaltnis zum Staate (Matth. 22, 17-22. Luk. 20, 22-26) 1. AuBer diesen Geboten des Stifters der Kirche selbst, enthalt die heilige Schrift des neuen Testaments auch viele andere etas Kirchenrecht betreffende Vorschriften, welche von den Aposteln auf Grund der ihnen von Christus eingeraumten Gewalt erlassen worden sind. Derartige Vorschriften bestehen tiber die Bestellung von Priestern an jedem Orte (Apostelgesch. 14, 23. Tit. 1. 5), tiber den Gehorsam gegen die Priester (Hebr. 13, 7. 17. I. Petr. 5, 5), tiber die Eigenschaften unci Pflichten der Kirchenvorsteher (1. Tim. 3, 1 u. ff. 4, 14. 5, 22. II. Tim. 1, 6. Tit. 1, 5 u. ff. I. Petr. 5, 1 u. ff.), tiber die Diakonen (1. Tim. 3, 8 u. ff.), tiber die Erhaltung des Klerus (1. Kor. 9, 6 u. ff. I. Tim. 5, 3. 16. 17), tiber die Beschwerden gegen den Klerus (1. Tim. 5. 19), tiber den Gottesdienst (1. Kor. 11, 3. 20. 14, 27 u. ff. 16, 2. Jak. 5, 14), tiber die Behandlung der Missetater (1. Kor. 5, 9 u. ff. II. Thessal. 3, 6. I. Tim. 5, 20. jak. 5, 16), tiber die Ehe (Rom. 7, 1. u. ff. I. Kor. 5, 1. 7, 2. 10. 39. 9, 5. Ephes. 5, 22. Koloss. 3, 18. I. Petr. 3, 1), tiber die Beziehungen zur Staatsgewalt (Rom. 13, 1 u. ff. I. Kor. 6. 1. I. Petr. 2, 13. I. Tim. 2, 1 u. ff. Tit. 3, 1), tiber die Beziehungen zu den Nichtchristen (1. Kor. 5, 9 u. ff.) 2. DaB zwischen den vom Stifter der Kirche und den von den Aposteln erlassenen Vorschriften ein bestimmter Unterschied besteht, geht aus den Sendschreiben des Apostels Paulus hervor. An einer Stelle, die von einer bestimmten Institution handelt, heiBt es: ,Nicht ich gebiete, sondern der Herr" (1. Kor. 7, 10), und an einer anderen Stelle wieder: ,Das rate ich, nicht der Herr" (1. Kor. 7, 12). Die ersteren Vorschriften galten als gottliche Tradition ~~, die Vorschriften der Apostel aber wurden nach den Worten des Apostels Paulus (1. Kor. 7, 25. 40) als Ratschlage
Vergl. 49. 50. 75. Kan. Apost.; 7. 13. 54. 83. Trull. Kan. u. s. w. Vergl. 55. 75. Kan. Apost.; 2. Kan. des l. allgemeinen Konzils; 12. 16. 61. 64. Trull. Kan. u. s. w. 3 ,Dominica traditio." S. Cypriani ad Caecilium epist. 63. Ed. j. P. Migne.
1 2

. 11.

40

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

angesehen, wenngleich die Kirche diese apostolischen RatschUige als Oebote betrachtete 4. FUr die Herleitung der Prinzipien der kirchlichen Oesetzgebung aus der heiligen Schrift, besitzt die Kirche ihre bestimmten, von derselben stets eingehaltenen Oesetze. Die auf die Orundwahrheiten des Glaubens und die kirchliche Verfassung Bezug habenden Satzungen der heiligen Schrift hat die Kirche immer als unwiderlegbare und unbedingt bindende Normen angenommen und bewart. Allein die heilige Schrift enthalt auch andere Satzungen, welche keine Grundwahrheiten enthalten, sondern sich nur auf abgesonderte Fragen der Verfassung und Verwaltung der Kirche beziehen. Die Bedeutung und Verbindlichkeit dieser Normen setzte die Kirche selbst, gemaB den Verhaltnissen ihres weiteren Bestandes fest und wandte dieselben im Einklange mit diesen Verhaltnissen in der Praxis an~. Neben den dogmatischen Satzungen enthalt die heilige Schrift auch viele Vorschriften von bloB historischer Bedeutung, welche auf die damalige Stellung der Kirche auf der Welt Bezug haben, und daher als solche auch nicht allgemein bindend sein und bedingungslos fiir aile Zeiten und bei allen Anderungen in der Stellung der Kirche gelten konnen. Diese verschiedenen besonderen Vorschriften der heiligen Schrift miissen unbedingt von den FundamentaiWahrheiten unterschieden und immer im Zusammenhange mit diesen letzteren betrachtet werden, denn sonst ist eine falsche SchluBfolgerung Ieicht moglich; ja es kann selbst in den Fundamental-Fragen der kirchlichen Organisation eine ganz irrige Lehre aufgestellt werden, wenn eine Vorschrift der heiligen Schrift, welche ehemals von Bedeutung war, auf die dermalige Lage der Kirche aber nicht anwendbar ist, ohne Rllcksicht auf die Grundgesetze angewendet wird. Hiefl.ir besitzt die Kirche ihre genau festgesetzten, in ihrer allgemeinen Gesetzgebung zum Ausdrucke gebrachten Normen, welche als solche stets bedingungslos bindend sind und sein werden und dahin gehen, daB bei der Herleitung der gesetzlichen Vorschriften aus der heiligen Schrift, sowie bei der Erlauterung derselben, stets nach den Weisungen und nach der Lehre der Kirche selbst, welche in der ununterbrochenen Tradition derselben, in den Verftigungen der allgemeinen Konzilien, sowie in der allgemeinen Anschauung der Hirten und Lehrer der Kirche enthalten ist, vorgegangen werden muB. Der 19. Kanon des Trullanischen Konzils
' , Unde est isla traditio? Utrumne de dominica et evangelica auctoritate descend ens an de apostolorum mandatis atque epistolis veniens? . . . . Si ergo aut in evangelio praecipitur aut in apostolorum epistolis vel actibus continetur ut . .. , observetur divina haec et san eta traditio." Cypriani ad Pompei urn epist. 74. Ed. cit. ~ Vergl. 1. und 2. Kan. des VII. allgemeinen Konzils. Die Kanones werden nach dem ,Zbornik pravila" angefiihrt, welchen wir nach dem Ath. Synt. (1852-54) herausgegeben haben, und in zweiter Auflage in Neusatz 1886 in Druck Iegen IieBen.

11. Die heilige Schrift.

41

bestimmt: , Wenn hinsichtlich der heiligen Schrift ein Streit entsteht, soil derselbe (von den Kirchenvorstehern) nie anders, als nach den Schriften der Leuchten und Lehrer der Kirche ausgelegt werden ;" ,denn sonst wird das Evangelium in den Hauptsachen absichtlich verletzt, oder das in demselben VerkUndete wird zu einem bloBen Worte herabgemindert", heiBt es im 91. Kanan Basilius des GroBen. Diesfalls wurde im Konzile von jerusalem im Jahre 1672 Folgendes festgesetzt: ,Wir glauben, daB die gottliche und heilige Schrift von Gott verktindet ist, weshalb wir derselben ohne Widerspruch Olauben schenken mUssen, allein nicht wie es jedem einzelnen dtinkt, sondern nach den ErkUirungen und nach der Tradition der katholischen Kirche 6 ." Als Quelle des Kirchenrechts dient auch die heilige Schrift des allen Testaments (f) 7W.A.'J.t&. 8ta:&ftl.'lJ~ vetus testamentum); denn die christliche Kirche ist, wenngleich ein neu-testamentarisches Institut, doch mit dem alten Gesetze, mit der alt-testamentarischen Kirche eng verknUpft. Das alte Testament ist der 7Cataarroyo~ st~ Xpta't'6'Y, und jesus Christus selbst sagt deutlich und ausdrticklich seinen SchUlern, daB er nicht gekommen sei, urn das Gesetz aufzuheben, sondern es in Erflillung zu bringen (Matth. 5, 17), d. h., urn es zu entfalten und zu erUi.utern. Nattirlich ist es, daB aile Vorschriften der mosaischen Gesetzgebung in der christlichen Kirche, welche an Stelle der alttestamentarischen Kirche trat, nicht gelten kOnnen. Als einige der ersten Christen des apostolischen Zeitalters die Notwendigkeit darzulegen begannen, daB auch die Christen die mosaischen Gesetze insgesammt bewahren mUssen, wurde auf einer der bekannten apostolischen Versammlungen mit allgemeiner Zustimmung der gesammten damaligen Kirche der BeschluB gefasst, daB dies keinesfalls sein dUrfe, und festgesetzt, daB von diesen Gesetzen nur jene beobachtet werden sollen, welche auf die Moral Bezug haben (Apostelgesch. 15, 6-29). Die auf die Moral Bezug habenden Vorschriften der mosaischen Gesetzgebung erhielten nach Weglassung dessen, was aus dem Leben des hebraischen Volkes in denselben aufgenommen war, allgemeinen Charakter und wurden Gesetze fUr die christliche Kirche. Unter anderen dienten die bekannten zehn Gebote Gottes als Grundlage des kirchlichen Strafrechts; einige Vorschriften der mosaischen Gesetzgebung tiber die Ehe sind auch heute im Kirchenrcchte von Bedeutung. Die Vorschriften dieser Gesetzgebung im allgemeinen haben in der christlichen Kirche
ITtate6op.ev t'"~Y S.et(XY 'X.(Xt tep~v rp(Xrp~v stvat S.eoo(o(X'X.toY, -x.at ot~ tofi1o 'l:a6tlj &8ta'l:a'X.tro<;; TWJte6etY ofell..o[l-eY, o~-x. ?1../..ro.;; p.svtot, &/../..' ~ &.;; ~ 'X.IXS.ol..t'l!.~ h-x.kfja(~X t'X6t'"fjV IJP!J.iJ'IE'YlE M.t 1t"-psoro'l!.ev' <'Opo; W. ]. Harduini,
6

Conciliorum collectio maxima. Tom. XU. Parisiis 1715. Tom. XI, col. 326. Vergl. "Das Sendschreiben der Patriarchen der orientalisch-katholischen Kirche iiber den orthodoxen Glauben". Art. 2. Moskau 1848. S. 14.

42

I. Teil. Die Quetlen und Sammlungen des Kirchenrechts.

in dem MaBe Geltung, in welchem denselben von der Kirche, unter Festhalten an dem im BeschluBe der erw~hnten apostolischen Versammlung zum Ausdrucke gelangten Prinzipe, Wirksamkeit beigemessen wurde. In den Kanones begegnet man haufig der Berufung nicht nur auf Lehrbucher und geschichtliche Bucher, sondern auch auf prophetische Bucher des alten Testaments.

. 12.

Die Tradition.
Eine wichtige Quelle des Kirchenrechts ist nach der heiligen Schrift die Tradition (f; 1tcx.paaoat~, traditio). Unter der Bezeichnung Tradition versteht man nicht den bloB au6erlichen Vorgang der Oberlieferung bestimmter Satzungen von einem Zeitalter an das andere, oder von einer Kirche an die anderen, sondern das unvedinderliche Festhalten im Wege der Succession an den fundamentalen gesetzlichen Prinzipien in der katholischen Kirche, sowohl was die Glaubenslehre, als auch was die kirchliche Verwaltung anbelangt; Prinzipien, welche vom Stifter der Kirche selbst, und nach ihm von jenen eingesetzt wurden, welche zuerst die Kirche organisierten und das Hirtenamt ' in derselben vetsahen. Die heilige Schrift enthalt die Hauptgrundzuge der Verfassung, der Verwaltung und des Lebens der Kirche; allein nicht die bezuglichen Details. Diese haben die Apostel selbst angegeben, indem sie bei der Organisation der Kirche den Betreffenden mundlich andeuteten, wie die Kirche verwaltet werden musse. Apostel Paulus schreibt an Timotheus, er moge das Vorbild der gesunden Lehre, die er von ihm geh5rt, behalten (II. Tim. 1, 13), und was er von ihm gehort, das soli er treuen Menschen vertrauen, wclche tuchtig sind, andere zu lehrcn (II. Tim. 2, 2). Wenn er bemerkt, daB in den von ihm gegriindek1 Kirchengemeinden nach seincn Oberlieferungen gehandeH wird, egeilt er sich in den gr6Bten Lobesausdriicken (1. Kor. 11, 2. II. Tn,;ssal. 2, 15. 3, 6). In ihren Sendschreiben erteilen die Apostel den Hirten der Kirche nur allgemeine Weisungen tiber die Verwaltung der Kirche, und fiigen gewohnlich bei, daB sie das Obrige ordnen werden, wenn sie selbst dahin kommen (1. Kor. 11, 34), oder sie uberlassen es den Hirten, nach dem zu handeln, was sie ihnen mlindlich aufgetragen (Tit. 1, 5). Die Apostel legten gerade auf ihre miindlichen Anleitungen ein gr58eres Gewicht, als auf ihre an die Hirten der Kirche gerichteten Schreiben (1. Tim. 3, 14. 15). Auf diese Weise traten die wichtigeren, die Verfassung und das Leben der Kirche betreffenden Bestimmungen, ehe sie durch ein formelles Gesetz gefestigt wurden, durch die Praxis in den von den Aposteln gegrUndeten Kirchen in Wirksamkeit, und wurden bier durch
. 12.
1

Archim. johann. Kurs cerkv. zak. I, 43-44.

. 12. Die Tradition.

43

die ununterbrochene Tradition von einem Kirchenvorsteher zum anderen bewahrt. Der Tradition, als Quelle zur Erhaltung der kirchlichen Ordnung, wurde stets dieselbe Bedeutung beigemessen, wie der heiligen Schrift. Der 21. Kanon der Synode von Gangra bestimmt, daB ,in der Kirche alles das bewahrt werden soli, was ihr durch die heilige Schrift und durch die apostolische Tradition iiberliefert wurde". Diese Bedeutung der Tradition wird in den Kanones der allgemeinen Konzilien sehr haufig betont, indem sie ,die alten Gewohnheiten, welche gelten miissen" 2, ,die alte Oberlieferung"s, ,das alte und kanonische Gesetz" 4 u. s. w. erwahnen, und verfiigen, daB nichts neues, der traditionellen kirchlichen Lehre Widersprechendes eingefiihrt werden diirfe, urn die Grundlehre nicht etwa zu verletzen; ,so lite aber ein Bischof oder Priester nicht im Sinne der von den Aposteln iiberlieferten Ordnung vorgehen, .... so soli er, als einer der in das Oberlieferte Neuerungen einfiihrt, abgesetzt werden" 5 Der 7. Kanon des VII. allgemeinen Konzils verfiigt, daB alles, was in der Kirche vernachUissigt wurde, wieder hergestellt, im Sinne des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts in Wirksamkeit gesetzt, sowie jedermann, welcher die kirchliche Oberlieferung verletzt, abgesetzt werden soil<> . Der 91. Kanon Basilius des GroBen enthalt nachstehende bemerkenswerte Erlauterung tiber die Wichtigkeit der Tradition: ,Von den Dogmen und Offenbarungen, welche in der Kirche erhalten sind, riihren die einen von der geschriebenen Lehre, die anderen von der uns sakramentalweise anvertrauten apostolischen Tradition her (h 't'~~ 't0)\1 'A'7tljO't6Awv '7ta.pa.a6aaro~); beide haben filr die Gottesfurcht die gleiche Macht (6.'7tcp &!!tp6'tapa. 't'f)v a.o't'f)v tqov EXct 1tpb~ 'tYJV aoaz~ct'XV). Derjenige, welcher nur im geringsten mit den kirchlichen Institutionen vertraut ist, wird dies nicht bestreiten
2 Ta apxat-x Z{}'fl xpatatto>. 6. Kan. des I. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 128). s IIap~ooat~ r1.px-xl-x. 7. Kan. des I. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 131). 4 '0 1ta),atb~ xo:l xo:vovtxo~ v6p.o<;. 13. Kan. des I. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 143); vergl. unter anderen den 18. Kan. des I. allgem. Konzils, den 2. und 7. Kan. des II. allgem. Konzils, 7. und 8 Kan. des Ill. allgem. Konzils, I. 2. 13. 29. 87. Kan. des Trull. Konzils u s. w.

5
6

7t:1Xp1X~e~'fl'X.(O~ ttX~ sxxkfjatMnxa~ 1tap1Xo6aet~. Ath. Synt. II. 580. Diesem Kanon

Ko:tvlCwv ttX 7t:o:paoeoop.avll. 32. Kan. des Trull. Konzils (Ath. Synt. II, 374). v llnpa-;ov xo:t fi:rpiJ.-;ov &aat.w&aa[IJ.v . . . . . XIX&IJ.tpsl&w, ili~ Kata tr1

wandte sich die Synode von Konstantinopel im jahre 1638 unter dem Patriarchen Cyrill von Beri:ia zu, und erwiihnt riicksichtlich der Tradition, da8 jeder dem Anathem verfiillt, welcher es wagen sollte, die kirchliche Oberlieferung zu verletzen und wider dieselbe Neuerungen in die Kirche einzufiihren. Harduini. XI, 225. Cf. lb. XI, 256. Vergl. das Sendschreiben dcr orientalischcn Patriarchen (s. oben Anm. 6, , 11) Arl 17.

44

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

wollen. Denn wenn wir den nicht aufgezeichneten Oewohnheiten die ihnen innewohnende groBe Macht bestreiten, verletzen wir absichtlich das Evangelium in seinen Hauptbestandtei!en oder stellen das in demselben Oeoffenbarte als leeres Wort hin 7." Der 92. Kanon desselben Basi!ius sagt hinsichtlich dieser Frage Folgendes: ,lch glaube, daB das Festhalten an der nicht geschriebenen Tradition (ta.t<; &."[pcitpot<; 7r:a.pa.a6aaat 7r:a.pa.tJ.EVEtV) gerade apostolisch ist. Denn ich lobe euch BrUder, sagt der Apostel, daB ihr bei allem an mich denket und nach den Oberlieferungen, die ich euch erteilt habe, euch richtet. Haltet euch an die miindlichen oder durch Sendschreiben erhaltenen Oberlieferungen, unter welchen namentlich die Oberlieferung tiber den Lobgesang hervortritt, welche diejenigen ihren Schillern mitteilten, die ihn zuerst festsetzten_und durch stetes Festhalten hieran, im Wege langandauernder Oewohnheit, in der Kirche einbilrgerten. Die Sache verhalt sich ebenso, wie vor Oericht: Wenn wir, mangels schriftlicher Beweise, euch eine Menge von Zeugen vorfilhrten, wtirden wir nicht von euch Verzeihung erlangen? lch glaube ja; denn auf der Aussage zweier oder dreier Zeugen hat die ganze Verhandlung zu bestehen. Wenn wir euch auch nachweisen, daB wir auch die Lange der Zeit auf unserer Seite haben, werden wir euch hiemit nicht dartun, daB wir recht sprechen, und daB dieser Streit nicht gegen uns entschieden werden konne ?" s Der Tradition, namentlich jener, welche aus den angeseheneren Kirchen stammte, wurde im allgemeinen in der Kirche filr das kirchliche Leben eine derartige Bedeutung beigemessen, daB diesclbe schon an sich ein Oesetz bildete und auch keine Notwendigkeit erkannt wurde, sie in eine bestimmte Oesetzesform zu kleiden \J,

. 13.
Die kirchliche Gesetzgebung. Die Orundgesetzte der Kirche sind,~ in der heiligen Schrift und in der Tradition enthalten. Diese Oesetze enthielten jedoch nicht, wie wir sahen, die auf jede einzelne Seite des kirchlichen Lebens Bezug
Ath. Synt. IV, 283. Ath. Synt. IV, 292. 9 Der beriihmte Schiller des Polycarpus, Irenaeus, Bischof von Lyon, schrieb seinerzeit hieriiber folgendermaBen: , Traditionem itaque apostolorum in toto mundo manifestatam, in omni ecclesia ad est respicere omnibus qui vera velint videre: et habemus adnumerare eos qui ab apostolis instituti sunt episcopi, et successores eo rum usque ad nos." ,Quae autem sunt ecclesiae, cum summa diligentia diligere, et apprehendere veritatis traditionem oportet. Quid enim? Et si de ali qua modica quaestione disceptatio esset, nonne oporteret in antiquissimas recurrere ecclesias, in quibus apostoli conversati sunt, et ab eis de praesenti quaestione sumere quod certum et re liquidum est.? Quid audem si neque apostoli quidem scripturas reli8

13. Die kirchliche Gesctzgebung.

45

habenden detailierten Bestimmungen, sondern es bedurfte einer besonderen Arbeit, urn diese Bestimmungen aus ihnen herzuleiten, und durch positive Normen genau festzusetzen, wie die Verfassung der Kirche beschaffen sein milsse, urn dem diesfalligen, in der heiligen Schrift zum Ausdrucke gebrachten Grund-Gesetze zu entsprechen; wie die Verwaltung der Kirche nach ihrem Zwecke und ihren Mitteln eingerichtet sein musse; welche die den Mitgliedern der Kirche nach ihrer verschiedenartigen Stellung in derselben zukommenden Rechte und Pflichten sind; mit einem Worte, es ergab sich die Notwendigkeit, im Sinne der mit dem Entstehen der Kirche selbst eingefilhrten Grundgesetze, besondere Gesetze zu erlassen, welche die Ordnung in der Kirche nach jeder Seite zu festigen und derselben das Erreichen ihres Zweckes auf Erden zu verbilrgen vermochten. Diesem Bedilrfnisse muBte die Kirche selbst auf Grund und in Ausiibung der ihr vom Stifter eingeraumten, sowie nach den ihrem Wesen nach in der heiligen Schrift enthaltenen Vorschriften anzuwendenden Gewalt, nachkommen. Die Gewalt der Kirche konzentriert sich in der Versammlung der Kirchenvorsteher (Mattl1. t 8, t 7-20). Die Synodalgewalt der Kirche hatte daher die Aufgabe, das zur allseitigen Organisierung der Kirche Erforderliche auszufilhren. Hieraus enstand jene kirchliche Gesetzgebung ('lj .S"'."'.):r;ata.att"'.'IJ vov.o&sa(a., legislatio ecclesiastica), deren Satzungen, nach der heiligen Schrift und Tradition, die Hauptquelle des Kirchenrechts bilden. Die oberste gesetzgebende Gewalt in der Kirche steht den allgemeinen Kirchenversammlungen zu. Oberdies wird die Legislation, innerhalb der kanonisch genau vorgeschriebenen Grenzen, von den Provinzial-Konzilien ausgeilbt, welche sich entweder periodisch oder fallweise in den einzelnen Partikularkirchen versammeln. Endlich kann die Legislation im Namen der Synodalgewalt und in den von dieser Gewalt genau vorgezeichneten Grenzen, auch von den BischOfen filr die ihnen anvertrauten Kirchengebiete ausgeilbt werden. Die besondere Lehre ilber die gesetzgebende Gewalt in der Kirche geht\rt in das System der Kirchenrechts-Wissenschaft und soli auch dort eingehend behandelt werden. Die von der gesetzgebenden Gewalt der Kirche erlassenen Gesetze und Verordnungen werden in den Rechtsquellen, je nach ihrem Urquissent nobis, nonne oportebat ordinem sequi traditionis, quam tradiderunt iis quibus committebant ecclesias? Cui ordinationi assentiunt multae gentes barbarorum, eorum qui in Christum credunt, sine charta et atramento scriptam habentes per Spiritum in cordibus suis salutem, et veterem traditionem diligenter custodientes ... Hanc fidem qui sine litteris crediderunt, quantum ad sermonem nostrum barbari sunt: quantum autem ad sententiam, et consuetudinem, et conversationem, propter fidem per quam .sapientissimi sunt, et placent Deo, conversantes in omni justitia, et castitate, et sapientia." Contra haereses. lib. Ill. cap. 3 et 4,

46

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

sprunge, nach dem behandelten Oegenstande, nach der Form, in welcher sie erlassen wurden u. s. w., verschieden bezeichnet. Die gew5hnJichste Bezeichnung der auf die Kirchenverwaltung Bezug habenden Normen ist 'XlJ.vrov 1 . In der fundamentalen Kanonen-Sammlung sind auBer den von den Kirchenversammlungen erlassenen Kanones, auch Sendschreiben einzelner Kirchenv~ter enthalten, welche nach ihrem Inhalte x.rJ.vovtx.tx( E'lttcrtoAa( genannt werden 2; die auf die bezliglichen Fragen, &pmrljcrc:t~, gegebenen Antworten wurden als xavovtxat. &:itoxptcrst~ 3 bezeichnet; das an aile Kirchen gerichtete und fUr aile Kirchen giltige Sendschreiben wurde SjxoxA(o~ S'lttcrtoAfJ 4 genannt. Nach Abschlu6 der fundamentalen Kanonensammlung, werden die von den angesehenern Kirchenvorstehern, namentlich von den Patriarchen in Konstantinopel Uber verschiedene kirchliche Fragen ('ltept 8taty6prov sx~kt]crta crtt'ltrov U1to{)oosmv), synodaliter erlassenen kanonischen Sendschreiben in den Rechtsdenkm~lern verschieden bezeichnet u. z. : t6!J-O~ \ auvo-

Die bindende Kraft der Kanones, der kanonischen Sendschreiben und der kanonischen Antworten, war von der Bestatigung derselben durch die allgemeine Kirche; die bindende Kraft der erw~hnten verschiedenen Synodal-Verordnungen aber von dem Gegenstande derselben und ihrer Widmung abhangig.
Siehe oben . 3, Anm. 3. Siebe Ath. Synt. IV, 45. 88. 138. 206. 293. 3 Ath. Synt. IV, 331. i Ath. Synt. IV, 368. Vergl. beziiglich der andercn iilteren Bezeichnungen der verschiedenen Kirchenvorschriften : ]. W. Bickell, Oeschichte des Kirchenrechts. Giessen 1843. S. 9. 10. 5 Ath. Synt. V. 3. 11. 154. 6 Ibid. V. 177. T Ibid. v, 20. 8 Ibid. V, 25. Acta patriarcatus Constantinopolitani MCCCXV-MCCCCIT. Ed. Fr. Miklosich et ]. Miiller. Vindobonae 1860. tom. I. pag. 115. 9 Ath. Synt. V, 40. 10 lb. v, 48. 76. 83. 85. 88. 90. 95. 107. II Jb, V, 53. 12 lb. v, 60. 13 lb. v, 62. 1 ' Jb. V, 92. It lb. V, 93. I& lb. v, 103. IT Jb, V, 110, 113. 18 lb. v, 149.
2

Btxoc; t6!J-o~ 6, tcrov 7, O'ltO!J-Y"fJtJ.CX. 8, cruvo8txIJ 41)tyoc; 9, O"fJ!J-el!O!J-CX. 10 , crwoatx-f) d'lt6tycx.crtc; 11 , auvoatxbv E'lt(O'tClA!J-Cl 12, "(pfi.tJ.!J-CX. 13, 'ltt'ttfi.'lttoV 'ltCX.tptcx.pxt'ltOV 14 , oovoat'ltYJ d'lt6'ltptcrtc; 15, 4-fJ~tO!J-Cl 16 ' Ot"(tAAtOV 1ta'tptcx.pxtx6v 17 ' auvoatx-f) 'ltp&etc; lll.

crovoatxov cruvo8t'lt0V auvoat'ltOV

. 13.

47

. 14.
Das Gewohnheitsrecht.
Auf dem Oebiete des Rechts unterscheidet sich die Oewohnheit consuetudo) von der Tradition ('1tcx.p&.aoat~), wenngleich zwischen heiden ein enger Zusammenhang obwaltet. Die QueUe der Oewohnheit ist die unmittelbare Oberzeugung der Mitglieder einer Oesellschaft, daB etwas, was fiir die Oesellschaft als unbedingt notwendig angesehen wird, dauernd bewahrt und geiibt werden miisse. Die Tradition hinwieder basiert auf der Autoritat desjenigen, von dem die Tradition herriihrt. Im biirgerlichen Rechte kann die Oewohnheit, indem sie sich auf die unmittelbare Oberzeugung der Oesellschaft basiert, sethsHindig bestehen; im Kirchenrechte dagegen ist sie von einer bestimmten Tradition abhangig, oder setzt doch eine solche voraus und bildet eine der Ausdrucksformen der iiberlieferten Wahrheit. Sowohl im biirgerlichen 1 als auch im Kirchenrechte bildet die Gewohnheit eine QueUe des Rechts. Viele Seiten des kirchlichen Lebens, welche verschiedener Oriinde wegen durch die Oesetzgebung nicht normiert wurden, haben im Laufe der Zeit durch die Oewohnheit, welche durch lange Obung neben dem Oesetze zur QueUe des Kirchenrechts wurde, in der Kirche ihre Festigung erfahren. Damit aber die Gewohnheit wirklich als Rechtsquelle dienen, mit anderen Worten, damit das Oewohnheitsrecht tatsachlich in der Kirche Oeltung haben k5nne (s&o~ &v ti) &-x.-x.'A:r;a(q. &vspro6t.J.SVoV) 1 muB dasselbe eine Wahrheit in sich schlie8en. Dies gilt im allgemeinen fur das Oewohnheitsrecht; in erster Linie aber in der Kirche, welche die personifizierte Wahrheit selbst ist, weshalb auch das Objekt der Oewohnheit streng kirchlicher Natur und der Zweck derselben im einzelnen mit dem allgemeinen Zwecke der Kirche iibereinstimmen muB. Mangeln diese Voraussetzungen, und liegt einer Gewohnheit keine Wahrheit zugrunde, so kann derselben, mag sie noch so alt sein, keine Oeltung beigemessen werden 2. DaB die Oewohnheit als Rechtsquelle gilt, ist nicht nur vom allgemeinen Oesichtspunkte gerechtfertigt, sondern auch von den positiven Oesetzen der Kirche anerkannt. Das erste allgemeine Konzil erhebt die Privilegien der obersten Kirchenvorsteher, gestiitzt auf die geltenden Gewohnheiten, zu Oesetzen: ,Die alte Sitte soli Oeltung haben (til. O.pxcx.t.cx. &'f) -x.pcx.ts(tco ), welche in Egypten, Lybien und in der Penta(&o~,
. 14.
1 Puchta, Kursus der Institutionen. I. 38-39; von demselben ,Das Oewohnheitsrecht". 2. Bde. Erlangen 1828, 1837. I. 144 u. ff., II, 24 u. ff., und speziell II, 264-292, ,Von kirchenrechtlichen Oewohnheiten"; Savigny, System des heutigen romischen Rechts. I, 34. 76, 171 u. ff. 2 , Consuetudo sine veritate vetustas err oris est." Cyprian ad Pompejum Ep. 74. Cf. Firmiliani ep. ad Cyprianum. Inter epistolas Cypriani. Ep. 75. Clementis Alex. Stromat. lib. VII. c. 16.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

polis stattfindet, daB namlich der Bischof von Alexandria die Gewalt iiber aile diese (Provinzen) habe, wei! auch fiir den romischen Bischof ein gleiches Verhaltnis besteht ('torJ-co o6v'l){}-6s; EO'ttY) 3 " ,Da es einmal Gewohnheit und alte Oberlieferung ( cmvf){}-sw. -x.al 'ltap&aoots; &.pxa(a) ist, daB der Bischof von Aelia in besonderer Weise geehrt werde, so .... 4.'' Da einzelne Bischofe, Priester und Diakonen eigenmachtig aus einer Eparchie in die andere iibertraten, bestimmt dasselbe Konzil, daB diese Gewohnheit, welche sich gegen die apostolischen Kanones an einzelnen Orten 5 eingebiirgert hat, beseitigt werde ( 'ltsptatps&ijvw TI)v oovf){}-stav). Dasselbe allgemeine Konzil, welches das an einzelnen Orten zutage getretene Vorgehen der Diakonen, welche den Priestern die Eucharistic verabreichten, aus dem Grunde verurteilte, wei! dasselbe weder durch die Kanones, noch durch die Gewohnheit iiberliefert ist 6, stellt hi emit hinsichtlich der Bedeutung die Gewohnheit den Kanones gleich. Das zweite allgemeine Konzil bestimmt die Grenzen der in der ostlichen Halfte des Kaisertums befindlichen Kirchengebiete und schreibt hinsichtlich der Kirchen anderer Volker vor, daB diese nach der bis dahin bewahrten Gewohnheit der Vater zu verwalten sind 7. Dasselbe Konzil bestimmt weiter, wie jene in die Kirche aufzunehmen sind, welche sich von der Haresie zu derselben bel5:ehren, wobei es erklart, der Gewohnheit zu folgen s. Das dritte allgemeine Konzil von Ephesus, welches die Privilegien der Kirche von Cypern bekraftigte, bestreitet das Begehren des Bischofs von Antiochia, den BischOfen in Cypern die Cheirotonie verleihen zu diirfen, hauptsachlich aus dem Grunde, wei! dies der alten Gewohnheit zuwiderlauft o. Das Trullanische Konzil bestimmt, daB die BischOfe des Hellespont den obersten Vorsteher von justinianopel der alten Gewohnheit nach (-x.a-cfl d"JV &.pxatav oovf){tstav) unabhangig einzusetzen haben, und daB im allgemeinen in jeder Kirche die alten Gewohnheiten (s{l-'1)) bewahrt werden mtissen 10. Basilius der GroBe hebt in seinem an den Bischof Diodorus von Tarsus gerichteten Sendschreiben, betreffend denjenigen, welcher die Ehe mit zwei Schwestern eingeht, die Wichtigkeit der Oewohnheit auf das Entschiedenste hervor, und sagt hiebei ausdriicklich, daB die in dieser Beziehung geltende Gewohnheit die Kraft eines Gesetzes habe u. lm
Kan. 6. Ath. Synt. II, 128. Kan. 7. ibid. II, 131. 5 Kan. 15. ibid. II, 145. 6 Outs 6 'X.!Xvwv, outs ~ cruv~{}-st!X 7t!Xpeow'X.s. Kan. 18. ibid. II, 154. 7 K!Xt~ t"ijv 'X.p!Xt~cr~J.cr!XY cruv~{}-wxv tow IT!Xrspwv. Kan. 2. ibid. II, 70. s K!Xt~ cruy~{}-st!XY. Kan. 7. ibid. II, 187. 9 "E{)-o~ &pxatov. Kan. 8. ibid. II, 203. 1 Kan. 39. Ibid. II, 395. Vergl. Kan. 102. ibid. II, 550. 11 "E{)-o~ v6p.ou OOY!XfMY 'Exov. Kan. 87. ibid. IV, 260.
~
3

. 14. Das Oewohnheitsrech t.

49

I. Titel, 3. Kap. des Nomokanon in XIV. Titeln wird insbesondere hervorgehoben, ,daB die nichtgeschriebene kirchliche Gewohnheit als Gesetz angesehen werden masse", und sind zum Beweise dessen die betreffenden hieriiber handelnden Kanones angefahrt. Im Keimenon wird sodann beigefiigt, daB auch im biirgerlichen Rechte die vor Gericht best~tigte und dem geschriebenen Oesetze nicht widersprechende Gewohnheit, als ungeschriebenes Gesetz zu gelten habe 12. Aus dem Angefilhrten ist sowohl die Wichtigkeit der Gewohnheit als Quelle des Kirchenrechts, als auch der Umstand ersichtlich, wann und unter welchen Bedingungen die Oewohnheit im Rechte gelten kann. In den ersten Zeiten der Kirchc, als es nur wenig geschriebene Gesetze gab, hatte die Oewohnheit einen entschieden juristischen Charakter und galt als Bestatigung der Oberliefertcn kirchlichen Lehre. Hiefar liegt ein klassisches Zeugnis Tertullians, eines Schriftstellers zu Ende des II. und anfangs des III. Jahrhunderts, vor, welches umso bedeutender ist und eine umso groBere Autoritat besitzt, weil die Anschauungen Tertullians als Juristen, in den Digesten Justinians Aufnahme fanden. Tertullian sagt: , Wenn etwas nicht Aufgezeichnetes iiberall bewahrt wird, so deutet dies auf eine Festigung durch Gewohnheit bin, welche auf der Tradition beruht. Wenn bemerkt wird, daB auch fiir die Tradition ein schriftliches Zeugnis notwendig sei, so konnen dem gegenUber viele Bestimmungen angefUhrt werden, welche ohne aufgezeichnet zu sein, doch kraft der Tradition und der Gewohnheit bestehen." Zur Bekr~ftigung dessen fUhrt Tertullian einige Beispiele an und schlie6t folgendermaBen: ,Wenn Uber diese und viele andere Bestimmungen ein geschriebenes Gesetz gesucht wiirde, so konnte es nicht gefunden werden. Hier gilt die Tradition als Grundlage, die Gewohnheit als Bestatigung und der Glaube a/s Wachter 1s." Ein Zeitgenosse Tertullians,
12 Kott er.t tOO 1t0Attt)(.OO YO(J-00 to lf{}o~ ro.; ?ijpottfO~ YO(J-0~ tCT;(USt, 3ts SY lkx.aOt'rjpt(Jl 1j aoy~{}sta ~S~otto){}?j, 'X.ott OtE (J-'~ enpliqJ(fl YO(J-<Jl SYIX.Y'ttOUY't(J[t.

Ath. Synt. I, 38. Balsamou filhrt in den Scholien zu diesem Kap. des . Nomokanon Ausziige aus der gr.-rom. Oesetzgebung an, welche auch im Kirchenrechte gelten:

ITspt OOY enp11!f0t; o) xe:ttott Y6p.or;, 1ttXpot'f0AMtstY 8st to 18-or; ?tott 't~Y aoY~ {}stotY . . . . 'H r.a),ati aoY~t'l-sta &vtt v6p.oo qJOA&ttEtott . . . 'H !-'-ot'ltp!X aov~ .&sta &.vtt v6p.oo xpottSl SY Ott; or)'lt' eattY ST(p(l.tfOt; .... Kott ta f!-IX'ltp~ OOY'rjiJoE(tJ 8o'lttf.Mca.&svtot, 'X.ott sr.i r.o),). otr; zvt~otoi~ ~nAIXx.&svtot, oox ~ttov tiw sj"(pliqJwv 'ltpottooat. Ath. Synt. I, 39. Vergl. Kap. 41, 42 und 44. tit. I. lib. II. Basilicorum. Dasselbe fin den wir im Syntagma des Blastares, nur in anderer Fassung: , 'Ev of; oo'lt 5attY snpottfor; v6p.or;, YJ p.ot'ltpa crnv~{}stiX, ~r.i r.o/..Aour; evtototou; 8o'lttp.ota3s!aot, &.vtt v6p.oo 'ltpottsr, tcX~t'l exoDcrot YOfi.OO. l:totx. N. Ks~. ~'. Ath. Synt. Vl,
400-401. 13 "Harum et aliarum disciplinarum, si legem expostulas scriptam, nullam invenies. Traditio ibi praetendeiur auctrix, consuetudo conjirmatrix,jides observatrix." De corona militis. Cap. 3. 4
IIIII, llrelaeureolll.

50

I. Teil. Die Quellen und Sammtungen des Kirchenrechts.

~r Bischof Firmilian von Casarea, gedenkt der Gewohnheiten, welche in den verschiedenen Partikularkirchen bewahrt werden und heilig zu halten sind 14, Die durch die Oewohnheit gefestigte und durch den Olauben bewahrte kirchliche Tradition galt in der urspriinglichen Kirche, neben den geschriebenen Satzungen, als Gesetz, diente als Orundlage fUr das Kirchenrecht, und war mit RUcksicht auf ihre Quelle, sowie auf die ihr zuteil gewordene allgemeine Beachtung, ebenso wirksam, wie Anordnungen des Oesetzgebers. In Fallen des Zweifels Uber die juristische Oeltung einer vom Gesetze nicht bekraftigten Oewohnheit, entscheidet die Kirchengewalt entweder selbstandig, oder wenn der Oegenstand der Gewohnheit gemischter Natur ist, d. h., wenn er auch auf das Gebiet der weltlichen Gewalt Bezug hat, im Vereine mit der Staatsgewalt15. Auf Grund der bezUglichen Entscheidung wird dann die Oewohnheit entweder zum Oesetze oder sie wird aufgehoben t6.

. 15. Die weltlichen Gesetze. Durch die Tatsache, daB die Gesetze der christlichen Kaiser in die Kanonen-Sammlungen, u. zw. in die sogenannten Nomokanones aufgenommen werden, ist die Frage der Bedeutung der weltlichen Gesetze {V6tJ-Ot, 'Y6tJ-ttJ.I1., 'ltOAt'tt-x.a.t aw::ci;et~,) als Quellen des Kirchenrechts im Prinzipe entschieden. joannes Scholasticus verfaBte im VI. janrhundert eine systematische Kanonen-Sammlungen, zu welcher derselbe spater einen Anhang von AuszUgen aus den justinianischen Novellen hinzufUgte, die auf kirchliche Fragen Bezug haben. In der Einleitung zu dieser Sammlung wird die Bedeutung der Oesetze der
u ,Nee observari itlic (Romae) omnia aequaliter, quae Hieresolymis observantur, secundum quod in caeteris quoque plurimis provinciis multa pro locorum et hominum diversitate variantur." Cit. epist. 75. Augustinus bemerkt, daB zur Zeit Cyprians und Stephans von Rom ,consuetudinis robore orbem terrarum directum fuisse". De baptismo contra Donat II, 7. Cf. Contra Crescont. I, 33. Ober die verschiedenen Oewohnheiten in den alten Kirchen, siehe Socratis Hist. eccles. V, 22. 15 Siebe die Scholie Balsamons zum 3. Kap. I. Titel des Nomokanon in XIV Titeln im Ath. Synt. I, 40. In der Scholie aus p.ovo~t~A(o'.l tiii'.l sv!X'.Itto~a.voo'.l, zum. 46. Kap. 2. Tit. Ill. Buch der Basiliken, heiBt es in lateinischer Obersetzung: ,.Quum de jure quaertur, quod nondum obtinuit, et de quo quasi jure in consuetudine dubitatur, ad Principem referri oportet et decisionem ejus accipere." Zur Auslegung der Oesetze (siehe weiter . 18), wurde die Oewohnheit als das verUlssllchste Mittel angesehen: ,Si de interpretatione legis quaeratur: in primis inspiciendum est, quo jure civitas retro in ejusmodi casibus usa fuisset: optima enim legum interpres consuetudo." Digest. lib. I. tit. IV. I. 37. Cf. Basilicor. lib. II. tit. I, 46. 16 Ober die Bedeutung dieser Entscheidungen und fiber die Aufhebung (&YiXEpsat<;) der betreffenden Oewohnheiten, siehe die Scholien Balsamons zur erwllhnten Stelle des Nomokanon in XIV. Titeln (Ath. Synt. I, 41).

. 15. Die weltlichen Oesetze.

51

christlichen Kaiser im allgemeinen definiert und hervorgehoben, daB diese nicht nur im Oeiste der Kanones der orthodoxen Kirche dargelegt sind, sondern auch den Kanones im Staate eine besondere Bedeutung verleihen, und dazu beitragen, daB alles nach den gBttlichen Weisungen und zum Vorteile der gesamten Menschheit angewendet wird 1 Die Kirche hat den Oesetzen der christlichen Kaiser diese Bedeutung, sowohl fiir ihr auBeres als auch fiir ihr inneres Leben, von jenem Tage zuerkannt, als der erste r5mische Kaiser die Kirche als im Staate rechtlich bestehend erklarte. Der Friede einerseits, welchen die Kirche nach einer drei jahrhunderte hindurch andauernden Verfolgung benotigte, und andereseits die Notwendigkeit, daB die Rechte der Mitglieder der Kirche, und diese selbst, den erforderlichen Schutz im Staate erfahren, waren die Veranlassung, daB die Kirche gleich nach ihrer Anerkennung aile Staatsgesetze, auch jene die der heidnischen r5mischen Kaiser, annahm, welche mit ihrem Olauben nicht im Widerspruche standen. Als jedoch spater die christliche Religion als Staatsreligion anerkannt, die Kirche als Orundlage der Rechtsordnung proklamiert, und von der Zugehorigkeit oder Nichtzugehorigkeit zur Kirche, die politische, in gewissen Beziehungen aber auch die allgemeine Rechtsfahigkeit der einzelnen abhangig gemacht wurde, da fiberlieB die Kirche der Staatsgewalt freiwillig das Recht, auch in kirchlichen Fragen entweder allein oder im Vereine mit der Kirchengewalt Gesetze zu erlassen. Diesen, wie sich Scholasticus ganz richtig ausdrilckt, vom Geiste der Kanones der Kirche durchdrungenen Gesetzen wurde nicht nur die vollstandige Oiltigkeit zuerkannt, sondern dieselben auch als Quellen des Kirchenrechts angenommen. Durch die Aufnahme dieser Gesetze in die Kanonen-Sammlungen wurden sie gleichsam kanonisiert, und in Fallen, in welchen in Fragen des kirchlichen Lebens keine kanonischen Bestimmungen bestanden, trug die Kirche kein Bedenken, die bestehenden Staatsgesetze anzuwenden: "Ev&a. p.sv jfl.p oMev tt o[ 'ltllV6vs; 8toptCovta.t, or.ps(A.op.sv 'tot; v6p.ot; tt'ltoA.oo&stv, heiBt es im 28. Kapitel des I. Titels des Nomokanon in XIV Titeln 2. Dies vermoc~te die Kirche umso Ieichter zu tun, als die griechisch-romischen Kaiser den Oesetzen der Kirche bedingungslos dieselbe bindende Kraft zuerkannten, wie den Oesetzen des Staates. Mit dem Oesetze vom
. 15. 1

"Amvs; oo p.6vov tot~ t<iiY op-&o86erov ~p.<iw 'lt~'CSproY 1bto>.oo-&o6at itotY6alll, &A.M '(lip t~Y h ~:xatAtit~<; bxoo<; otf>-&svttotY xa.pECovta.t, p.stli 1tpoa&'ijit'lj; ew6p.oo t! it'Xt -&s~Lpsatoo, to at>Jttpspov 'lttXIllj tij &v-&pro'lttYlj itt(ast &so~tt!f.'ijtwr; 7teptsxo6a'l)r;. Collectio LXXXVII. capitulorum. ]. B. Pitra, juris graecorum historia et monumenta. Tom. 2. Romae 1868. II, 390. 2 Ath. Synt. I, 68. Das heiSt: ,In jenen Fragen, in welchen die Kanones keine Bestimmung enthalten, miissen wir uns an die Staatsgesetze batten."

52

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Jahre 530 verordnete justinianus, daB dasjenige, was die Kanones verbieten, auch von den Staatsgesetzen untersagt werden mUsse 3 ; ferner bestimmte er in seiner 6. Novelle, daB die Kanones im Staate ebenso zu gelten haben, wie die Staatsgesetze , und verfiigte besonders mit der 131. Novelle, daB aile Kanones, welche auf den vier allgemeinen Konzilien erlassen oder bestatigt wurden, allgemein bindende Kraft haben, und daB die Olaubenssatzungen, wie die heilige Schrift und die Kanones, wie die Staatsgesetze zu gelten haben 5 ; gleichzeitig wird jedes mit den Kanones im Widerspruche stehende Staatsgesetz als unwirksam bezeichnet 6. Eine derartige Beziehung zu den griechischr5mischen Oesetzen hestand nicht nur in der orientalischen, sondern auch in der abendlandischen Kirche 7 his zum XIII., und in gewissem MaBe bis zum XVI. jahrhundert 8 Hier fan den diese Oesetze dieselbe Beachtung, wie in der orientalischen Kirche, und nach den vorliegenden Daten bezogen sich die r5mischen Papste gleichsam mit Verehrung auf dieselben und benUtzten sie nicht nur in der weltlichen und kirchlichen
3 ,Sacros canones non minus, quam leges val ere, etiam, nostrae volunt leges: sancimus obtinere in illis, quae sacris visa sunt canonibus, perinde ac si civilibus inscriptum esse legibus . . . . quemadmodum enim sacri canones prohibita sunt talia, sic et secundum nostras leges rem ipsam prohiberi .... Quod enim sacri canones prohibent, id etiam et nos per nostras abolemus leges." Codicis. lib. I. tit. Ill. const. 45.

' ,Quod a praecedentibus nos imperatoribus et a nobis ipsis recte dictum est, oportere sacras regulas pro legibus val ere."
~ Diese Novelle ist in erganzter Form in die Basiliken iibergegangen, und bestimmt riicksichtlich dieser Frage: Ei>sa7ttCO[.LEV to[vov, t&;tv v6p.wv s7tszstv tor)c;

&rtooc; sxxA."fjavxatt'lto,)c; -x.~v6vrxc;, to)c; 61to toov ~(twv srct!l. aw6~wv hts3svt1Xc; ~ ~E~!Xtw3svt!Xt; 1 't:Ontsatt rij<;; sv Nt'ltiXtCf . sv KwvcrtiXV'ttvOo7t6A.st . SY 'E!fiSO!p sv XIXA.'lt"fjOOVL . sv Kwva'tiXY'ttVOOl'COASt 't'O os6tspov . sv KwvcrtiXVttvOOl'COAEL 'tO tpttOV . . . Mt srct rcacriXtt; t'ij<;; SY NtM[q. 'tO oe:6tspov .. Toov rcpostp"tj[.Lsvwv &rtwv cr)v6owv til. o6'(!LIXtiX M3arrsp de; 3e~Xc; IPIX'f~<;; osz6p.s31X Mi 't:OD<;; 'lt'XVOVIX; roc; v6p.r.m; !fiOAa't't'O!J.EY. Basil. lib. v. tit. 10. c. 2.

ra.p

Der diesbeziigliche allgemeine Standpunkt ist in der Vorrede zur 6. Novelle justinians, welche in der erwahnten Sammlung des joannes Scholasticus (LXXXVII. Kap.) enthalten ist, dargelegt (Pitra. Op. cit. II. 390); in alt-slavischer Obersetzung im 42. Kapitel der Krmcija. Siehe Keimenon im 2. Kapitel des I. Titels des Nomokanon in XIV. Titeln (Ath. Synt. I, 36).
7 Dies verdient mit Riicksicht auf das Werk des russischen Professors des Kirchenrechts N. Suworow, (Kurs cerkov. prava, Kursus des Kirchenrechts. Jaroslav 1889). besondere Betonung. Derselbe schien hievon nichts wissen zu wollen, und gelangt wahrscheinlich auf Grund dessen zu der ,unbegrenzten Theokratie" im ehemaligen byzantinischen Kaiserthum und im gegenwartigen RuBiand. Vergl. unten, Anm. 9. 8 Dr. ]. F. Schulte, Das katholische Kirchenrecht. Giessen 1860. I, 366.
6

. 9. Die weltlichen Gesetze.

53

Verwaltung, sondern sogar fUr die innere Organisation des papstlichen Hofes o. Die Anerkennung der Staatsgesetze als QueUe des Kirchenrechts, und demnach die Anerkennung derselben in der Kirche, ist niemals auf den geringsten Widerspruch gestoBen; nur Zweifel konnten im Falle einer Kollision zwischen den Kanones und den Staatsgesetzen entstehen, da diesbeziiglich bis zum XII. jahrhundert auBer dem Keimenon zum Nomokanon in XIV. Titeln w, keine genauen Bestimmungen existierten. Balsamon hat jedoch diesfalls in seinen Scholien zu ebendiesem Nomokanon mit der groBten Genauigkeit entschieden. AnH.i.Biich des Erscheinens zweier Gesetze des Kaisers Alexius Komnenus, welche mit den Vorschriften der Kanones scheinbar kolidierten, wurde die Frage aufgeworfen, ob in kirchlich-administrativen Fragen den Kanones eine groBere Bedeutung beizumessen sei, oder den Staatsgesetzen. Balsamon erorterte diese Frage eingehend und gelangte dann zu dem Schlusse, daB: ,die Kanones eine groBere Kraft als die Staatsgesetze besitzen; dcnn sic haben, als von den heiligen Vatern und von den Kaisern kundgemacht und bestatigt, dieselbe Bedeutung wie die heilige Schrift; wahrend die Staatsgesetze nur von den Kaisern erlassen sind, tinct daher nicht eine solche Kraft besitzen konnen wie die heilige Schrift und die Kanones" 11. Denselben Gedanken hat Balsamon auch an einigen anderen Stellen geauBert 12. In demselben Sinne hat er auch jene Kollision erklart, welche anlaB!ich des Erscheinens der erwahnten zwei Gesetze des Kaisers Alexius Komnenus, zutage trat. Diese Erklarung wurde sohin zur allgemeinen Norm fiir die griechisch-orientalische Kirche und gelangte in einer seit dem XIV. jahrhundert in allen orientalischen Partikularkirchen am meisten verbreiteten Kanonen-Sammlung zum Ausdrucke, namlich in dem Syntagma des Matthaeus Blastares 13
,Ut ergo manifestum est leges justinianeas Romaae fuisse publicatas et cooperante pontefice Vigilio ad cujusp etitioncm speciales etiam probatae sunt, ita pariter dubitari amplius non licet easdem leges observatas fuisse post Justinianum .... jus justinianeum et illius traditiones a Romanis pontijicibus sollicita et quasi cum veneratione retentae ac observatae semper fuere, non solum in civili et ecclesiastica administratione, sed praesertim in ordinatione sacri palatii lateranensis et sac. suae comitivae, non minus quam sac. sui auditorii quod iisdem personis praecipue constituebatur usque ad saecul. XIII, ut alio loco demonstrabo." (Gasparini.) Pitra. Op. cit. Tom. II. Praefat. pag. XXXIV, nota 6. 10 Siehe Anm. 6 dieses Paragraphen. 11 Nomok. in XIV. Titeln. I. Titel. 3. Kap. (Ath. Synt. I, 38). 12 Derselbe Nomokanon I. Titel 11. 23. 28. 32. Kap., XIII. Titel. 18. Kap. (Ath. Synt. I. 52. 60. 68. 73. 315). Siehe seinen Artikel iiber den Dienst des Chartophylax und Protekdikus im Ath. Synt. IV., 530 u. ff. 13 IIA.Sov 1:ovov 't:(i)\1 v611rov 1:oo~ Mv6wx~ bx6sLv &vtiiX"fl : oi !J.EV 1ap
1t~pa @~aLASWY !LLa3-tja~v,

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54

I. Tell. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Dieses Prinzip ist auch heute in der griechisch-orientalischen Kirche maBgebend. Die Kirche, welche ehemals die bUrgerlichen Oesetze in Fragen des auBeren kirchlichen Lebens als QueUe ihres Rechts annahm und anerkannte, zollt auch heute den Staatsgesetzen neben den von ihr selbst erlassenen Normen, fUr die kirchliche Verwaltung die Anerkennung. Unter bestimmten Verhaltnissen und in bestimmten Fragen wird die Staatsgewalt auch als Organ der kirchlichen Oesetzgebung von der Kirche anerkannt; wobei jedoch stets vorausgesetzt wird, daB die Staatsgewalt prinzipiell alle kirchlichen Oesetze als giltig anerkennt, daB zwischen Kirche und Staat ein Einvernehmen obwaltet, sowie daB die von der staatlichen Oesetzgebung in kirchlichen Fragen erlassenen Normen, ausschlieBlich im Oeiste des kanonischen Rechts und stets im kirchlichen Interesse gehalten sind H.

. 16. Das Kanonisten-Recht.


An die erwahnten Quellen des Kirchenrechts muB noch eine QueUe gereiht werden, welche, wenngleich sie auch keine formelle juristische Sanktion besitzt, doch als wichtige Hilfsquelle zur Erklarung und genaueren Auffassung vieler Seiten des Rechtslebens der Kirche dient. Hieher geht>ren die Arbeiten der in Kirchenrechtsfragen als autoritativ anerkannten Kanonisten, welche in verschiedenen Formen, hauptsachlich Uber Verlangen derjenigen publiziert wurden, welche die Art und Weise des Vorganges in der einen oder anderen Frage des kirchlichen Lebens, worilber die Kanones keine besonderen Vorschriften enthielten, kennenzulernen wtinschten. Diese Arbeiten k6nnen jedoch an sich nicht als Oesetze anerkannt werden, wei! denselben seitens der gesetzgebenden Oewalt dieser Charakter nicht formell zuerkannt wurde, und k6nnen daher als solche auch nicht formliche Quellen des Kirchenrechts sein. Die in denselben fiber kirchenrechtliche Fragen dargelegten Ansichten geht>ren nur einzelnen Mannern an, und k6nnen daher auch keine allgemeine Bedeutung haben. Da jedoch diese Ansichten auf fester Orundlage aufgebaut und im Oeiste des allgemeinen Kirchenrechts
~~'ftt) ttiw t'tjYt'X.r.i8s ~IXIJtABOlY IJOYSjpr.ifYJOIXY ')(.(XL S1tSIJt1jplx&YJOIXY: op.oo; jS fL~Y fLS"(tXAljY po~v tOt<; &sEot<; 'X.IXVOal\1 ot 1ltASOas~st<; Sx1topECooat v6p.ot, t~ fLSV S')(.s[voc; aovtpexovte;, ta 8a ')(.(XL &.YIX1tAYJp05vtsc;, ~1tsp S'X.sEvotc; sa&' 01t1J 1t1Xpstt1Xt. ~totx. K. xs9. s' (Ath. Synt. VI, 317). Auch im Abendlande wu.rde dieser Frage,

welche natilrlich nicht anders als im Sinne Balsamons und Blastares ge!Ost werden konnte die Aufmerksamkeit gewidmet. Siehe Assemmani, Bibliotheca juris orientalis. Romae 1762-64. lib. II. c. 32. p. 601. Vergl. noch hieriiber Leo Allatius, De ecclesiae occidentalis et orientalis perpetua consensione. Colon. Agripp. 1648. lib. I. c. 15. p. 221. H Weitere Details hieriiber im V. Teile dieses Buches.

. 16. Das Kanonisten-Recht.

55

gehalten sind; da Uberdies diejenigen, von welch en diese Ansichten herriihrten, sich durch ein weitgehendes kanonisches Wissen auszeichneten, wurden dieselben in der orientalischen Kirche zum Oegenstande allgemeiner Beachtung und erhielten durch die Aufnahme vieler derselben in die Kanonen-Sammlungen der Kirche, bei der Entscheidung verschiedener kanonischer Fragen, eine den Gesetzen der Kirche fast gleichkommende Autoritat. Bei aller den Schriften der anerkannten Kanonisten an sich anhaftenden Bedeutung, welche dieselben als Hilfsquellen des Rechts erscheinen lieB, hielt sich die Kirche auch an die im alteren romischen Zivilrechte herrschende Praxis. --In diesem Rechte wurden unter anderen auch die sogenannteu d'ltox.p(ast~ tow ao~rov, responsa prudentium, als Rechtsquellen angesehen. In Fallen des Zweifels namlich, wie in einer Rechtsfrage vorzugehen sei, wandte man sich an die berUhmten juristen, welche jurisconsulti, jurisprudentes und prudentes (o 7Cpt tot>~ YOtJ.OU~ s7Csprotrop"svot, Rechtskundige) hieBen, behufs Losung dieser Zweifel. Die Hauptaufgabe dersclben bei Beantwortung der an sie gerichteten Fragen bestand darin, alle Unklarheiten und Zweifel aufzukUiren, in den Geist des bestehenden positiven Rechts einzudringen und aus demselben auf dem Wege juristischer Logik das in einem gegebenen Falle Erforderliche herzuleiten. Die Entscheidungen oder Antworten (responsa) dieser Rechtsgelehrten wurden ffir die Praxis maBgebend, wenn sie mit den Orundprinzipen des Rechts im Einklange standen und von den betreffenden Gewalten anerkannt wurden. Seit Kaiser Augustus wurde einigen Rechtsgelehrten das Recht eingeraumt, ihre Antworten von amtswegen zu erteilen, welch' Ietztere sodann fiir den Richter bindend waren 1 Auf Grund dieser im romischen Zivilrechte herrschenden Praxis wurde auch in der Kirche eine ahnliche Praxis eingefUhrt, indem den hervorragenden Kennern der kirchlichen
1 "Ante tempora Augusti publice respondendi jus non a principibus dabatur, sed qui fiduciam studiorum suorum habebant, consulentibus respondebant. Neque responsa utique signata dabant, sed plerumque judicibus ipsi scribebant, aut testabantur, qui illos consulebant. Primus divus Augustus, ut major juris auctoritatis haberetur, constituit, ut ex auctoritate ejus responderent, et ex illo tempore peti hoc pro beneficia coepit." Digest. Jib. I. tit. II. fr. 2. . 47. In den lnstitutionen Justinians sind diese Antworten der Rechtsgelehrten folgendermaBen definiert: ,Responsa prudentium sunt sententiae et opiniones eorum, quibus permissum erat, de jure respondere. Nam antiquitus constitutum erat, ut essent, qui jura publice interpretarentur, quibus a Caesare jus respondendi datum est, qui jurisconsulti appelabantur. Quorum omnium sententiae et opiniones earn auctoritatem tenebant, ut judici recedere a responsis non liceret, ut est constitutum." Instit. lib. I. tit. II. . 8. Siebe noch E. C. Ferrini, Institutionum graeca paraphrasis Theopilo Antecessori vulgo tributa. Berolini 1884. sq. I, 16. Vergl. hieriiber Puchta, Cursus der lnstitutionen. l, 301 u. ff., 573 u. ff.; Savygni, System des heutigen romischen Rechts. I, 45. 83.

. 16.

144 u. ff.

56

I. 'feil. Die Quell en und Sammlungen des Kirchenrechts.

Kanones, sowie den Arbeiten derselben, eine besondere Beachtung und ein ma8gebender EinfluB zuteil wurde. Dies zeigte sich anfangs in der Achtung, welche die Kirche den Arbeiten einzelner Kirchenvorsteher dadurch entgegenbrachte, daB sie dieselben als kanonische Arbeiten anerkannte und als Oesetze betrachtete 2 ; sodann durch die Aufnahme der Schriften der spateren Kanonisten, deren Ansichten die Kirche als fiir sich maBgebend erachtete, in ihre Kanonen-Sammlungen. Auf diese Arbeiten beriefen sich die Kirchenvorsteher bei ihrer legislativen Tatigkeit in friiheren Zeiten, und sie berufen sich auch heute auf dieselben. Hierin bekundet sich die Anerkennung dieser Arbeiten, wenn auch nicht als unmittelbare Rechtsquellen, so doch gewiB als sehr wichtige Hilfsquellen des Rechts. Was die Form anbelangt, in welcher die Ansichten der Kanonisten dargelegt wurden, finden wir sie in den Denkmalern als Fragen und Antworten s, als kanonische Entscheidungen 4, als kanonische Abhandlungen 5 und mitunter auch als Kanones 6, Hieher geh5ren auch die Kommentare zu den Kanones 7, namentlich der Kanonisten des XII. jahrhunderts.

Zweites Kapitel.
Die Anwendung der Rechtsquellen.
. 17.
Die Anwendung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze.
Aus der im vorhergehenden HauptstUcke dargelegten Obersicht der Rechtsquellen, konnte der allgemeine Unterschied zwischen den aus diesen Quellen herriihrenden gesetzlichen Vorschriften, sowie deren bindender Charakter ersehen werden. Nunmehr erscheint es notwendig, die von der Kirche auf Grund ihrer Machtvollkommenheit erlassenen Oesetze, sowie deren bindende Kraft besonders ins Auge zu fassen. Der Unterschied der kirchlichen Oesetze unter sich, ist mit Riicksicht auf den Gegenstand derselben gegeben. Ein Teil dieser Gesetze bezieht sich auf den Glauben, der andere auf die kirchliche Disziplin.
2

Siehe 2. Troll. Kan.


Ath. Synt. IV, 417.

S 'Eprot~ast~, apro~p,cxtcx Mt &~to~p[astc;, &~tcxYt~astc;.

447. V, 369 u. a.
4 W'ljq~ot,
6

smA6astc;, A6astc;. lb.

5 T~top,Y~!J.cxtcx, ~Mtcxt.

v, 341 u. a. lb. IV, 497. V, 341 u. a.

lb. IV, 427.

7 'Epp:IJYS(IX troy ~cxyoyroy, lb. II, 2 sq.

. 17. Die Anwendung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze.

57

Die ersteren, Dogmen (Mjp.et.tet.) gennant, legen die enthilllten Wahrheiten mit voller Oenauigkeit dar und verurteilen aile gegen diese Wahrheiten gerichteten Irrttimer. Diese letzteren waren gerade die Veranlassung, daB die Kirche diese Oesetze, die im Oriechischen ganz zutreffend opot genannt werden, erlassen hat, da die Kirche keine neuen Dogmen schafft, sondern den bereits enthiillten Wahrheiten eine festgesetzte schriftliche Form verleiht und dieselben prazisiert. Als solche sind die dogmatischen Oesetze absolut unabanderlich 1. Die Oesetze der anderen Art, namlich jene der Disziplin, oder die kirchlichen Oesetze im engeren Sinne (x:x.);f)atu.a-rt-x.ol. v6p"ot, -&ap.ot, -x.u.v6Y~ u.s. w.), normieren das auBere Leben der Olaubigen in der Kirche, sowie aile jene Requisite, welche zur Erhaltung der kirchlichen Ordnung, sowie zu Erreichung des den Bestand der Kirche begrilndenden Zweckes notwendig sind. Diese disziplinaren Oesetze sind keineswegs unabanderlich, sondern konnen nach den Bediirfnissen der Kirche, nach den Veranderungen, welche die sociale Lage des einen oder anderen Zeitalters aufweist, Anderungen erfahren. Derartige Anderungen konnten ehemals und konnen auch dermalen nur unter stetem Festhalten an den fundamentalen Oesetzen der kirchlichen Verfassung unter gebiihrender Beri.icksichtigung der frilheren Normen, und mit entsprechender Vorsicht, ohne Obereilung, vorgenommen werden, damit unter den OHiubigen kein Argernis wachgerufen werde 2. Eine weitere Einteilung der Oesetze, und zwar mit Riicksicht auf ihre Oeltungsgebiete ist die in
. 17. 1 @stcx. o6j!1.~t~. Balsamon zum 64. Trull. Kan. Auf die Frage: tl san 06rp.~? antwortet Basi/ius der Gr. in seinem 91. Kan. und schildert die Bedeutung der Dogmen. "Opot werden die Dogmen des IV., VI. und VII. allgem. Konzils in der ,Kniga pravil" genannt. Moskau 1862. S. 5. 7. 8. 2 Durch die Bestimmung des 12. Kan. des Trullan. Konzils, daB ein Geistlicher, welcher die Bischofsweihe erhalten hat, nicht mehr in Gemeinschaft mit seiner Frau Ieben diirfe, wurde dcr 5. Kan. Apost. welcher den Bischof mit der Entsetzung bedroht, wenn er seine Frau versti:iBt, aufgehoben. Diese Anderung war durch die Zeit geboten, und das gedachte Konzil rechtfertigt sein Vorgehen damit, daB diese Praxis (namlich des gemeinschaftlichen Lebens des Bischofs mit seiner Frau) zu jener Zeit bei dem Volke AnstoB und Argernis erregte, und fiigt hiezu: ,Nachdem unser Hauptaugenmerk auf das Wohl des uns anvertrauten Volkes gerichtef sein muB, setzen wir fest, daB dies kiinftighin keinesfalls vorkommen diirfe. Diese Bestimmung erlassen wir, nicht etwa urn die Satzungen der Apostel aufzuheben oder zu verkehren ( o; Jx. s1t' &&st~crst, q &vet:tpo1tij tc:iw &7toatOAt'X.oo~ vsvop.o&st'"~!l.SYwv) sondern weil wir fiir das Heil und das Fortschreiten des Volkes im Outen, sowie auch dafiir Sorge tragen, daB der Priesterstand makellos dastehe; denn der gottliche Apostel sagt: Tut alies Gott zu Ehren, gebet weder juden, noch Heiden, noch der Gemeinde Gotles einen AnstojJ, wie auch ich mich auf alle Weise nach jedem bequeme und nicht darauf sehe, was mir, sondern was vie/en forderlich ist, dajJ sie selig werden. Folget meinem Beispiele, wie ich dem Beispiele Christi folge !" Hiedurch ist das Vorgehen der Kirche in Fallen solcher und ahnlicher Art fiir alle kiinftigen Zeiten normiert.

4'

58

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

allgemeine und besondere. Die allgemeinen Oesetze sind diejenigen, welche fiir die Oesammtkirche gelten und auf die fundamentalen Fragen der Verfassung und Verwaltung der Kirche Bezug haben:!, wahrend die besonderen Oesetze nur fiir das eine oder das andere Kirchengebiet, fiir diesen oder jenen Zweig der kirchlichen Verwaltung, fiir diese oder jene kirchliche Einrichtung u s. w. gelten 4 Dies sind die heiden hauptsachlichen Unterschiede zwischen den Kirchengesetzen (nach dem Oegenstande und dem Oeltungsgebiete). Die iibrigen Einteilungsarten der Oesetze im Kirchenrechte stimmen mit jenen iiberein, welche von der Rechtswissenschaft im allgemeinen gebraucht werden. Dieser Unterscheidung der kirchlichen Oesetze gemaB, ist auch die Anwendung und bindende Kraft derselben verschieden. Damit jedoch vor allem ein Oesetz anwendbar sei, - und dies ist die unbedingte und hauptsachliche Aufgabe desselben, - sowie damit es bindend werden konne, miissen bestimmte Orundbedingungen, von welchen sich die einen auf die innere, die anderen auf die auBere Seite des Oesetzes beziehen, beobachtet werden. Was die innere Seite des Oesetzes anbelangt, so muB dasselbe von der kompetenten Kirchengewalt im Rahmen ihres Wirkungskreises erlassen und der Oegenstand desselben muB kirchlicher Natur sein5, der Tenor des Oesetzes muB mit den fundamentalen Oesetzen der Kirche iibereinstimmen, und endlich muB dasselbe das Wohl der Olaubigen vor Augen haben. Die iiuftere Seite des Oesetzes betreffend, muB dasselbe, urn bindende Kraft zu erlangen, in der vorgeschriebenen Weise kundgemacht sein (13-fJp.ootEOOlS, promulgatio). Wenngleich die Kundmachung der Oesetze durch die kirchliche Oesetzgebung nicht formell vorgeschrieben ist, so wurde derselben in der Kirche stets eine groBe Bedeutung beigemessen und dieselbe aus dem Orunde als unbedingt notwendig erachtet, wei! jeder dariiber informiert sein muB, wie er sich dem Oesetze gemaB zu verhalten hat, und wei! iiberdies diese Kundmachung in der heiligen Schrift im Prin3 fsvt"X.Ot "X.av6vs,;. Balsamons Kommentar zum 13. Kan. des I. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 143). Ka&oA.t-x.ot "X.o:v6vs,;. Kommentar zum 16. Kan. des VII. allgemeinen Konzils, von demselben (lb. II, 624). 4 'lot'lf.Ot "X.O:Yovt,;. Balsamon Kommentar zum 4. Kan. von Sardica (Ath. Synt. Ill, 229). Tom"X.Ot "X.o:v6vs,;. Kommentar Balsamons und Zonaras, zum 17. Kan. von Karth. (lb. pag. 351). Dariiber, wann diese besonderen Kanones zu gelten haben, bestimmt Balsam on Folgendcs: Elot"X.O!J; wxv6vo:,; AS"(S "X.p'XtStY (y,'}7. o~ "X.O:t ~~e~(l) v~&1JOO:Y, st~ tii A0t7tli, "X.p'XtStY 'tOV 7t:t.p6Yt0: ('fSYt"X.OY) "X.0\10\ICf.. Balsam. zum 32. Kan. Basilius d. Gr.(Ib.IV, 1'75). Ober die sogen. 7tp010mY.o1 xo:v6vs; siche Anm. 7, 3. ~ Hier muss das iiber die Aufgabe des Kirchenrechts (~. 5) Ausgefiihrte vor Augen gehalten werden, wonach die inneren Vorgange im Menschen nicht Gegenstand der kirchlichen Gesetze im strengen Sinne sein konnen ; dieselben gehiiren vor das Forum des Gewissens, wahrend die Kirche als juristische Gemeinschaft nur iiber auBere Handlungen urteilen kann.

oa

17. Die Anwendung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze.

59

zipe vorgeschrieben ist s. Die kirchliche Gesetzgebung halt sich in dieser Beziehung an die allgemeinen, fUr die biirgerliche Gesetzgebung geltenden Normen 7. Zu der auBeren Seite des Gesetzes gehort neben der Kundmachung auch die Sanktion, fiir den Fall der Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften 8 Aile Gesetze der Kirche sind im Grunde der Vollmacht, vermoge welcher sie erlassen werden, fiir jeden AngehOrigen der Kirche bindend. Dcr Gedanke dieser bindenden Kraft ist im 2. Kanon des Trullanischen Konzils zum Ausdrucke gebracht, welches nach Ordnung der his dahin erlassenen Gesetze, die von der Gesamtkirche angenommen und anerkannt werdcn muBten, Folgendes anordnete: ,Niemand darf die obenerwahnten Kanones andern, aufheben, oder sich neben den angefi.ihrten, an andere, falschlich benannte, von solchen Leuten ersonnene Kanones halten, welche mit der Wahrheit ein Geschaft betreiben wollen. Derjenige, welcher erwiesenermaBen einen der erwahnten Kanones durch einen neuen zu ersetzen oder aufzuheben versuchen sollte, verfallt der von dem verletzten Kanan vorgeschriebenen Strafe, wodurch die begangene Stinde wieder gutgemacht wird." Die Vater des VII. allgemeinen Konzils auBern sich mit Beziehung auf den erwahnten Trullanischen Kanan, in ihrem 1. Kanon in nachstehender Weise: ,Gern halten und bestatigen wir unverletzt ihrem vollen Inhalte nach die Bestimmungen der gMtlichen Kanones, welche von den VerkUndern des heiligen Geistes, den hochgepriesenen Aposteln, von den sechs allgemeinen heiligen Konzilien, von den zur Schaffung solcher Bestimmungen versammelten Partikular-Konzilien und endlich von unseren heiligen Vatern erlassen wurden; denn sie aile bestimmten, von demselben Geiste.~ erfUilt, das, was von Vorteil war." In diesen Kanones ist der Gedanke der Verbindlichkeit aller von der Kirche festgesetzten Normen fUr aile, welche der Kirche angeh5ren, klar ausgedrilckt. Streng genommen, werden in diesen Bestimmungen des Trullanischen und des VII. algemeinen Konzils nur jene kirchlichen Gesetze mit allgemein bindender Kraft erwahnt, welche bis zur Zeit dieser Konzilien erlassen wurden. Die legislative Tatigkeit der Kirche war jedoch damals keineswegs beendet; dieselbe wird vielmehr auch heute bekundet und wird fiir aile Zeiten fortdauern. Die derselben entspringenden Gesetze werden nach wie vor
6 Vergl. I. Buch Moses 2, 16. 17; II. Buch Moses 20, 1-22; Matth. 5, 17 u. H.; job. 10, 34. 7 Siebe Puchia, Kursus der lnstitutionen, I, 43; Savigny, System des heutigen rom. Rechts I, 131 ; Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht II, 132; Unger, System des osterr. allgem. Privatrechts. Leipzig 1856-64. I, 28. 8 Ober die Sanktion, siehe Anm. 2, . 2. Vergl. die Abhandlung A. Pjlimlin's ,Die Erzwingbarkeit des Rechts (Archiv fiir kath. Kirchenrecht. 1904, I, 3 fg.), und R. Sohm's Kirchenrecht. I, 4 fg.

60

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

die gleiche verbindliche Kraft haben milssen, solange sich die erwahnte Tatigkeit ordnungsgemaB und im Geiste der Grundgesetze der Kirche entfalten wird. Die verbindliche Kraft der kirchlichen Gesetze zeigt sowohl nach dem inneren Charakter und den Quellen derselben, als auch nach den von ihnen betroffenen Personen und Ortlichkeiten, verschiedene Abstufungen. Die Gesetze des Glaubens und der Moral sind ftir alle Mitglieder der Kirche, wo immer sich dieselben befinden und wann sie auch gelebt haben mogen, unbedingt bindend. Die Glaubenssatzungen basieren auf der heiligen Schrift, sind als solche fUr aile Zeiten unveranderlich, und wer dieselben anzufechten wagt, wird sogleich aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen 9 Die Verbindlichkeit der auf die Moral Bezug habenden kirchlichen Gesetze hat ihren Ursprung in dem Wesen derselben. Alle moralischen Gesetze der christlichen Kirche entspringen jenem Gebote der ewigen Wahrheit, welches vorschreibt, den Nachsten gleich sich selbst zu lieben und niemandem das zuzuftigen, was man sich selbst von anderen nicht zugefilgt wilnscht. Ist der Mensch gewillt, diesem Gebote zu gehorchen, so ist er Christ; weigert er sich jedoch, so hort er auf es zu sein. Diesen Namen aber zu flihren und die Vorschriften der Kirche nicht zu erflillen, hieBe sich selbst und seinem Berufe widersprechen. Daher steht auch der Kirchengewalt die Befugnis zu, jeden die kirchlichen Vorschriften MiBachtenden aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschlieBen oder den Widerspenstigen bis zu dessen Besserung der eigenen Gerichtsbarkeit zu unterziehen 10 Die kirchlichen Gesetze, welche die auBeren Beziehungen der Kirche normieren, sind bedingungsweise bindend. Durch die erwahnten Kanones des Trullanischen und VII. allgemeinen Konzils wurde die Verbindlichkeit jener kirchlichen Gesetze flir die Gesamtkirche anerkannt, welche bis zur Zeit dieser Konzilien erlassen und auf denselben bestatigt wurden. Neben diesen Satzungen wurde die allgemeine Verbindlichkeit auch den Kanones zweier in der zweiten Halfte des IX. jahrhunderts in Konstantinopel abgehaltenen Konzilien und einem gegen die Simonie u gerichteten Rundschreiben des Patriarchen Tarasius von Konstantinopel, zuerkannt. Dies wurde aber von der Kirche nicht im absoluten Sinne zum Ausdrucke gebracht; denn die gesetzgebende Gewalt der Kirche hatte und wird auch immer die Berechtigung haben,
Siehe II. allgem. Konzil 1. Kan.; Ill. allgem. 7. Kan.; 1. 73. 80. Trull. Kan.; Karth. 2. Kan. Vergl. Nomokanon in XIV. Titeln. I. Titel 1. Kap. (Ath. Synt. I, 35), Cod. justin. lib. I. tit. 1. const. 1. 5. 6. 7 et 8; Basilic. lib. I. tit. I. 10 Basilius d. Gr. 45. 84. 85. Kan.; I. all gem. Konzil. 12. Kan.; VII. allgem. 5. Kan. 11 Siehe ,Zbornik pravila". II. Auf!. Einleitung, S. XVIII. u. XIX.
9

. 17. Die Anwcndung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze.

61

unter treuem Festhalten an den in den Grundgeboten des Evangeliums ausgedriickten fundamentalen Prinzipien, nach Umstanden die alten Normen aufzuheben und neue zu erlassen. Wie ehedem die spateren Konzilien einzelne Normen friiherer Konzilien aufhoben oder ihnen eine andere Form verliehen, ebenso konnte auch heute ein Konzil, wenn ein solches zusammentreten wtirde, von diesem Rechte Gebrauch machen. Die Bestimmungen der beiden erwahnten allgemeinen Konzilien verbieten sonach keineswegs der gesetzgebenden Gewalt die Anderung alterer Gesetze, sondern gestatten nur nicht, daB die von ihnen erwahnten Gesetze im allgemeinen in ihrem Wesen und in einer den Gesetzen und dem Geiste der Kirche widersprechenden Weise modifiziert werden. Sie beschranken die Willkiir der Einzelnen, auf welcher Stufe der Hierarhie sich diese auch befinden mogen; sie beschranken auch jede Partikularkirche, eine von der Gesamtkirche angenommene Norm in einer dem Geiste des allgemeinen Kirchenrechts widersprechenden Weise zu andern; doch halten diesel ben die kompetente Kirchengewalt keineswegs davon ab, mit Riicksicht auf neue Bediirfnisse der Kirche und unter Bewahrung des die rechtlichen Normen in der Kirche allgemein durchdringenden Geistes, neue Gesetze zu erlassen, oder bereits bestehenden eine neue Form zu verleihen. Die Wahrheiten des Glaubens und der Moral allein konnen niemals aufgehoben werden und mtissen sich immer gleich bleiben. Wohl aber konnen die das auBere Leben der Kirche betreffenden Normen geandert werden, und haben sich auch mit dem Leben der Kirche selbst geandert. Der heilige Geist, welcher die Vater beseelte, als sie einst ihre Gesetze mit Rticksicht auf die Bediirfnisse der Kirche in einem Zeitalter erlieBen, hat nie aufgehOrt und wird nie aufhoren dieselben zu durchdringen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit im Namen Christi versammeln, urn, den neuen Bediirfnissen der Kirche entsprechend, die bestehenden Gesetze zu andern oder neue zu erlassen. Die bindende Kraft jener Gesetze, welche vom Trullanischen und vom VII. allgemeinen Konzil erwahnt werden, kann nur als eine bedingte aufgefaBt werden, namlich als so lang dauernd, bis nicht ein gesetzgebender Korper, mit derselben Kompetenz im Erlassen von kirchlichen Gesetzen, wie die beiden erwahnten Konzilien, hervortritt. Bis dahin bleiben diese Gesetze bindend fiir jene, welche der Kirche angehoren wollen 12. Das Trullanische Konzil, welches also die allgemeine Verbindlichkeit der von der Gesammtkirche angenommenen Gesetze fiir aile Mitglieder der Kirche verkiindete, gestattet in seinem 39. Kanan auch den Partikularkirchen, ihr eigenes, ihren Verhaltnissen entsprechendes besonderes Kirchenrecht, zur Verwaltung ihres auBeren Lebens zu besitzen;
12

,Zbornik pravila,", Erwahnte Ausg. S. XV. u. XVI.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

wobei jedoch dieses besondere Recht seiner Grundlage nach mit den allgemeinen Grundgesetzen der Kirche Ubereinstimmen, vom Geiste des allgemeinen Rechts durchdrungen sein, sowie in seiner Sonderheit jenes Ziel anstreben muB, worauf das allgemeine Kirchenrecht gerichtet ist. Unter diesen Bedingungen sind die gesetzlichen Vorschriften der einzelnen Partikularkirchen filr dieselben so lang bindend, bis sie nicht von der kompetenten Gewalt aufgehoben oder durch andere ersetzt werden. Mit Rilcksicht auf die Wechselseitigkeit zwischen den Partikularkirchen, auf ihre Gleichberechtigung und Selbstlindigkeit in der Besorgung der kirchlichen Angelegenheiten, milssen die fUr die betreffenden Partikular- kirchen bestehenden und filr sie bindenden Normen auch von den Ubrigen Kirchen beachtet werden, und kann keine Partikularkirche die gesetzgeberische Tlitigkeit einer anderen beeinfluBen, insofern sich diese in der kompetenten Sphare bewegt und die Rechtc der anderen Kirchen nicht verletzt 1a. Das Kirchenrecht bilden nicht nur die von der Kirche auf Grund ihrer eigenen Machtvollkommenheit erlassenen Ocsctze, sondern auch die von der Kirche angenommenen, dieselbe betreffenden Staatsgesetze (. 15). Unabhlingig von dem Umstande, daB solche Staatsgesetze an sich fUr jeden Staatsuntertan bindend sind, haben sie aber auch filr jeden Angehorigen der Kirche in dem betreffenden Staate bindende Kraft aus dem besonderen Orunde, weil sie von der Kirche zur Verwaltung bestimmter kirchlicher Angelegenheiten angenommen wurden und ihnen von ihr Oesetzeskraft zuerkannt wurde 14 Sie sind aber in der Kirche im allgemeinen auch wegen des in den Kanonen-Sammlungen zum Ausdrucke gebrachten Prinzips bindend, daf3 nlimlich die Staatsgesetze in allen Fragen zu gelten haben, rUcksichtlich welcher von der Kirchengcwalt keine speziellen Normen erlassen wurden 15 Den Gesetzen der Kirche ist jeder AngehOrige derselben unterschiedslos unterworfen und es entschuldigt niemanden die Unkenntnis der Gesetze ( U..rvow. t'06 v6p.oo, ignorantia legis) 16. So bald daher ein Gesetz vorschriftsmliBig kundgemacht wurde, kann die Anwendung desselben gewiB nicht von der Frage abhlingig gemacht wcrden, ob diejenigen, deren rechtliche Beziehungen durch das betreffendc Gesetz bestimmt werden, von demselben Kenntnis erlangt haben oder nicht; sondern jedermann ist verpflichtet, die Gesetze zu kennen und fiir den
34. Kan. Apost.; I. allgem. 4. 6. Kan.; II. allgem. 2. Kan.; Ant. 9. Kan. u. a. Karth. 58-64. Kan. Vergl. Dr. F. A. Biener, Geschichte der Novellen justinians. Berlin 1824. S. 157 u. ff. u Nomokanon in XIV. Titeln. I. Tit. 26. Kap. (Ath. Synt. I, 68). Siehe oben Anm. 2, . 15.
13

16 Krxvovt'X.ro~

q to5 YOftOO a.rvotrx 'ltcXVtrx; ~AI.i1ttet.

Basilicor. lib. I. tit. IV. 9.

, 17. Die Anwendung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze.

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Fall des Nichterfassens des Sinnes, die Erklarung anzustreben 17. Nach ordnungsmaBiger, jede Entschuldigung der Unkenntnis ausschlieBender Kundmachung eines Oesetzes, ist es sonach eine der Hauptpflichten der Kirchengewalt, vor allem die strikte Befolgung desselben zu fordern und jede MiBachtung oder Verletzung zu bestrafen. In erster Linie sind aber durch die Kirchengesetze die Trager der Kirchengewalt, die Kirchenvorsteher, gebunden. Diese dUrfen ihre Oewalt weder auf die von ihnen genau zu bewahrende und in der von der Oesamtkirche angenommenen und bestatigten Weise zu verkiindende kirchliche Lehre ts, noch auf die Vorschriften, welche die fundamentalen Einrichtungen der Kirche betreffen 19, noch auf die von der letzteren vorgeschriebenen gottesdienstlichen Einrichtungen, welche sie sowohl selbst zu bewahren, als auch darauf zu sehen haben, daB sie von allen anderen beobachtet werden 20, erstrecken. Den Oesetzen der Kirche unterstehen die Herrscher und aile weltlichen Obrigkeiten, welche den Vorteil der kirchlichen OUter genieBen wollen 2t ; denn auch die Staatsgewalt besitzt keine unabhl:ingige Macht in der Kirche, und kann auch nicht unmittelbar, sondern gegebenen Falles nur im Wege der Kirchengewalt in die Angelegenheiten der Kirche eingreifen 22 Den Oesetzen der Kirche unterstehen ferner auch die Kinder, riicksichtlich welcher, im Faile der Nichtbeachtung der Oesetze seitens derselben, insofern sie nach ihrem Alter zur Beobachtung dieser Oesetze fahig sind, die Eltern oder Vormiinder derselben die Verantwortung iibernehmen; den fundamentalen christlichen Oesetzen mUssen sie aber bedingungslos, ohne Riicksicht auf ihr Alter entsprechen 2s. In der Befolgung der kirchlichen Gesetze ge17 M'Yjae!' ~ &rvoe[tro, ~ tt1to1tpocmotsfo&ro atctt~EL!; ~IXOLAL'l!.ci,. Basilic. lib. II. tit. IV. 21. Vergl. das Synodai~Dekret des Patriarchen Iesaias vom Jahre 1325 (Ath. Synt. V, 134-137), betretJend die kirchlichen Gesetze insbesondere. 18 III. allgem. 7. Kan.; 1. 19. Trull. Kan.; VII. allgem. I. Kan. 19 IV. allgem. 1. Kan.; 2. Trull. Kan. Der zu weihende Bischof legt riicksicht~ lich der Bewahrung der Kirchengesetze folgenden Eid ab: ,Ich gelobe die Kanones der heil. Apostel, der sieben allgemeinen und der topischen Konzilien zu bewahren, welche zum Schutze der wahren Gebote zu Gesetzen erhoben sind, d. h., die Kanones und heiligen Satzungen, welche zu verschiedenen Zeiten von den wahrhaften Schirmern der heiligen katholischen orientalischen orthodoxen Kirche dargelegt wurden; und bezeuge durch diesen meinen Eid, dieselben (Kanones) fest und unverletzt bis zu meinem Lebensende zu bewahren. Das, was sie annehmen, nehme auch ich an, und was sie verwerfen, verwerfe auch ich." 20 29. 32. 81. Trull. Kan. 21 Anll:IBlich einer vom IV. allgem. Konzile zu entscheidenden Disziplinarfrage auBerte sich Kaiser Marcian: , Was das heilige Concil beschlieBt, das ist fiir mich Gesetz, dem folge ich, daran glaube ich." Siehe Harduini. Con cit. II, 432-433. 2 ~ IV. allgem. 9. Kan.; VII. allgem. 3. 6. Kan.; Ant. 5. 11. 12. Kan.; Sard. 8. 9. Kan.; Kartlt. 15. 48. 104. Kan.; Konst. I. lL 9. Kan. 2a 84. Trull. Kan.; Karth. 110. Kan.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

stattet die Kirche nur dann eine Ausnahme, wenn es an der diesfalls erforderlichen physischen oder moralischen MBglichkeit gebricht, in welcher Beziehung von der Kirche besondere Normen erlassen werden, damit dem Gesetze wenigstens in seiner Grundlage entsprochen werde. Diese Ausnahme gilt filr Kranke, Gebrechliche, unmUndige Kinder und im allgemeinen fi.ir jene, welche ohne eigenes Verschulden einem Gesetze nicht GenUge leisten 24, Die Andersglaubigen unterstehen zwar nicht unmittelbar den kirchlichen Gesetzen, da sie auch nicht derjenigen Rechte teilhaftig werden, welche den Mitgliedern der Kirche zukommen; als Angehorige desselben Staates aber, in welchem der rechtliche Bestand der Kirche anerkannt wird und diese letzere unter dem Schutze der Staatsgesetze steht, miissen sie den Gesetzen der Kirche die notwendige Achtung entgegenbringen, sowie alles vermeiden, was denselben entgegenstilnde oder die Ordnung in der Kirche zu storen vermochte 25,

. 18. Die Auslegung der Gesetze.


Wie jedes Gesetz, so mu6 auch das kirchliche Gesetz die Merkmale eines bestimmten Rechtsverhaltnisses genau normieren; also einen Gedanken zum Ausdrucke bringen, durch welchen der Bestand dieses Rechtsverhaltnisses gegen jeden lrrtum und jede WillkUr gesichert wird. Zur Erreichung dieses Zweckes erscheint das klare und vollstandige Erfassen jenes Gedankens seitens derjenigen, auf welche sich die betreffenden Rechtsverhaltnisse beziehen, unbedingt notwendig. Daher geniigt die mechanische Kenntnis des Gesetzes-Wortlautes keineswegs 1, sondern es mu6 vielmehr in den Geist des Gesetzes eingedrungen, der Standpunkt des Gesetzgebers vor Augen gehalten, sowie der Gedanke erfa6t werden, welcher den Gesetzgeber beim Erlassen des Gesetzes leitete. Diese Tatigkeit wird die Auslegung der Gesetze (spp.svs(ll., interpretatio) genannt, welche sowohl die Erklarung des lnhalts der Gesetze, als auch die Ableitung des Innern aus dem Au6ern, des Sinnes a us der Form umfa6t 2
2' Kan. Ap. 69; I. allgem. Konzil 2. 12. 13. Kan.; 102. Trull. Kan.; Anc. 5. Kan.; Karth. 43. 45. Kan.; Basilius d. Or. 3. 74. Kan.; Oregorius v. Nyssa 4. 5. 8. Kan. 21 Vergl. 93. Kan. der Synode von Karthago, und Kommentar des Zonaras zu diesem Kan. (Ath. Synt. Ill, 531-532). . 18. 1 ,Scire leges non est verba earum tenere, sed vim ac potestatem." Digest. lib. I. tit. Ill. I. 17. Cf. Basilic. lib. II. tit. I. 27. Diesbeziiglich besteht aber in der griechisch-romischen Gesetzgebung auch noch eine andere Bestimmung: , Contra legem facit, qui adversus verba legis facit: fraus autem legis est circumvenire sententiam sal vis verbis." Digest. lib. I. tit. Ill. I. 29. Cf. Basilic. lib. II. tit. I, 39. 2 Vergl. Savigny, System des heutigen rom. Rechts. I, 213; Arndts, Pandect. . 6; Unger, System. , 13; Puchta, Instit. . 17.

. 18. Die Auslegung der Gesetze.

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Bei der Gesetzes-Auslegung sind vier Elemente zu unterscheiden, namlich das grammatische, logische, historische und das systematische Element. Das grammatische Element der Auslegung hat den Wortlaut des Gesetzes zum Gegenstande und strebt darnach, aus dem blo8en Worten den Sinn herzuleiten; dasselbe besteht also in der ErkUlrung der vom Gesetzgeber im Gesetze gebrauchten AusdrUcke. Das logische Element analysiert lediglich den Sinn des Gesetzes, forscht namlich nach der logischen Beziehung, in welcher sich die einzelnen Bestandteile untereinander befinden. Das historische Element bezieht sich auf den Rechtszustand zur Zeit des Erlassens des Gesetzes und forscht nach der Entstehung des Gesetzes selbst. Das systematische Element endlich bezieht sich auf den inneren Zusammenhang, welcher das betreffende Gesetz mit den iibrigen Rechts-Instituten verbindet. Da der Gesetzgeber diesen Zusammenhang unbedingt vor Augen haben mu6te, wird man den Gedanken desselben erst dann vollstandig erfassen konnen, wenn dariiber Klarheit vorliegt, in welchem Verhllltnisse ein Gesetz zum gesammten Rechtssystem steht und welche Bedeutung dem betreffenden Gesetze in diesem System zukommt. Durch das Zusammenhalten dieser vier Elemente, mittels welcher die Auslegung der Gesetze erschopft wird, kann zuvorderst die geistige Tatigkeit versinnlicht werden, welcher der eine oder der andere in einem Gesetze enthaltene Ausdruck entspringt, es kann in zweiter Linie die historisch-dogmatische Spbllre erfa6t werden, aus welcher das betreffende Gesetz hergeleitet werden konnte, und erkllirt werden aus welchem Grunde im Gesetzestexte dieser und nicht jener Ausdruck gebraucht wird. Hieraus erhellt schon an sich sowohl der Nutzen als auch die Notwendigkeit der Oesetzes-Auslegung a. Die erwahnten Grundsatze der Auslegung genilgen dann vollkommen, wenn es sich urn die Interpretation eines regelrecht dargelegten Gesetzes handelt. In Fallen dagegen, wo es einem Gesetze an der vollstandigen Klarheit mangelt, oder rUcksichtlich dessen sich Zweifel tiber den Sinn ergeben, genUgen die erwahnten allgemeinen Grundslltze nicht mehr. Faile derartiger . nicht ganz verstandlicher Gesetze ergeben sich, wenn entweder ein ungenauer, keinen bestimmten Gedanken enthaltender Ausdruck gebraucht wird, oder wenn ein unrichtiger Ausdruck, der einen vom Gesetze nicht gewollten Sinn hervorruft, gewllhlt
,.Quamvis sit manifestissimum edictum praetoris, attamen non est negligenda interpretatio ejus." Digest. lib. XXV. tit. IV. l. 1. . 11. Ober diese allgemeine Norm der griechisch-rlimischen Gesetzgebung enthalt die Ausgabe des ,Corpus juris civilis" (1, 754) von D. Oothojredus folgende begriindete Bemerkung: ,Hinc colligere possis parum prudenter facere, qui onmes legum interpretationes damnant." Vergl. Nomokanon in XIV. Titeln. I. Tit. 3. Kap. stapov ax6Atov (Ath. Synt. I, 41). Siebe Anm. 15, , 14.
IIIIi, llr.Uuockl.
8

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

wird. Zur Abhilfe in solchen Fallen schreibt die Rechtswissenschaft einige Hilfsmittel vor. Als erstes Hilfsmittel ist die Erforschung des inneren Zussammenhanges der ganzen Gesetzgebung zu erwahnen. Bei Anwendung dieses Hilfsmittels erfolgt die Auslegung eines Gesetzes der erwahnten Art, entweder durch die Erklarung eines Teiles des im Texte mangelhaften Gesetzes durch einen anderen Teil desselben Gesetzes 4, oder durch die Heranziehung eines anderen ahnlichen Gesetzes 5 Die letztere Art diirfte umso zuverlassiger sein, je naher zwei Gesetze zueinander stehen, und am zuverlassigsten dann, wenn beide Gesetze von demselben Gesetzgeber herriihren. Zur Interpretation eines unvollsHindigen Gesetzes k5nnen auch Gesetze alteren Ursprungs verwendet werden, wobei die .Voraussetzung, daB dem Gesetzgeber jene alteren Gesetze gegenwartig waren, sowie daB sie den Gedanken des Gesetzgebers bei dem Erlassen seines Gesetzes erganzten, ganz zutreffend ist 6 Ein zweites Hilfsmittel zur Erklarung nicht ganz faBlicher Gesetze ist das Forschen nach dem Rechtsgrunde (ratio legis). Dieses Hilfsmittel erweist sich aus dem Grunde weniger verlaBiich als das erstere, wei! hiebei alles darauf ankommt, ob und inwieweit der Rechtsgrund bekannt ist, und weil bei nicht vollstandigem Bekantwerden desselben, sehr Ieicht zu fehlerhaften Resultaten gelangt werden kann 7, Als drittes Hilfsmittel dient die Beurteilung der inneren Bedeutung des durch die Auslegung des betreffenden Oesetzes gewonnenen Resultats. Dieses Mittel erweist sich am wenigsten zuverlassig; denn der Au steger des Oesetzes kann auBerst Ieicht die Orenzen seiner Arbeit iiberschreiten und den Gedanken des Gesetzgebers selbst verletzen s.
' ,Incivile est nisi tota lege perspecta, una aliqua particula ejus proposita, judicare vel respondere." Digest. lib. I. tit. III. I. 24. Cf. Basilic. lib. II. tit. I, 34. 5 'E'lt tiiW O!iOlOOV tS!iVSCl{}ot~ 13et ta 1tept rov oil 'ltlt1Xt V0!10~. Basilic. lib. II. tit. I, 23. Cf. Digest. lib. I. tit. III. I. 12. 6 ,Non est novum, ut priores leges ad posteriores trahantur. Ideo qui anteriores leges ad posteriores trahi usitatum est, et semper quasi hoc legibus inesse credi oportet, ut ad eas quoque personas et ad eas res pertinerent, quae quandoque similes erunt." Digest. lib. I. tit. Ill. I. 26. 27. Cf. Basilic. lib. II. tit. I. 36. 37. Riicksichtlich der Kirchengesetze insbesondere ist in der Ecloga der Kaiser Leo und Konstantin Folgendes zum Ausdrucke gebracht {ed. Zachariae, Collectio librorum juris graeco-romani ineditorum. Lipsae 1852): ot 1tpo'(svsatepot 'ltotv6vs~, 'ltotL ek too~ !iStot'(svsatspoo~ s).'ltovtrxt, chaot6tro~ 131> 'ltott ott 1tpoysvBatspat 7tpli;st~ 'ltotl ot'ltoVO!itiXt, 'ltiXL el~ toi)~ !1Etot'(SYeatspoo~ sA'ltOVtott, 'ltotL 'ltpatooatv s1tt tiiw O!io[rov 131JAOV6tt 1tpoaro1trov ts 'ltotL 1tp1X'(!11itrov. tit. Ill. . 7. Vergl. Synt. des Blastares, N. 7. Kap. (Ath. Synt. VI, 400). 1 In dieser Beziehung muB man sich der Rechtssiitze ,ubi eadem ratio legis, ibi eadem dispositio" und ,cessante ratione legis, cessat lex ipsa", welchen manchmal friiher eine grOBere Bedeutung beigelegt wurde, als sie an sich besitzen, besonders vorsichtig bedienen. Siebe Savigny, System. I. 308. Vergl. Unger, System. . 13. Daher empfieht die griechisch-romische Gesetzgebung: ,in re dubia melius

. 18. Die Auslegung der Gesetze.

67

Durch die erwahnten Auslegungs-Regeln ist noch nicht die ganze Aufgabe des zur Gesetzes-Auslegung Berufenen zum Ausdrucke gebracht. Da die Gesetzgebung nicht in der Lage ist, alle mOglichen Faile erschOpfend anzufUhren und Gesetze zu erlassen, in welchen aile Faile vorgesehen sind l1, so ergeben sich eine Menge von LUcken, welche durch Erlassen neuer Gesetze auszufUilen sind. 1st dies jedoch nicht der Fall, so muB durch ordnungsmaBige Auslegung und Deduktion aus den bestehenden Gesetzen, das in gegebenen Fallen Erforderliche hergeleitet werden to; ein Vorgang, der sowohl in der weltlichen, als auch in der kirchlichen Gesetzgebung beobachtet wird. Als Basilius der GroBe die auf dem 19. Kanon der Synode von Ancyra basierende, zu seiner Zeit hinsichtlich der Jungfrauenschaft bestehende Praxis nicht als gerechtfertigt fand, erklarte er, daB ein grOBeres Augenmerk auf den durch die Auslegung herleitbaren Sinn der heiligen Schrift zu lenken ware n, und deduzierte selbst, im Wege der Auslegung, aus einer allgemeinen fundamentalen Regel einige neue, dieselbe Frage betreffende, bis dahin nicht bestandene Vorschriften, welche spater auf dem Trullanischen Konzile Gezetzeskraft erhielten 12. Er selbst bestimmte auch, wie in dieser Frage vorzugehen sei, urn nicht zu fehlerhaften Schliissen zu gelangen. "Man fragte uns", sagt Basilius der GroBe, "ob die Wahl
est verbis edicti servire." Digest. lib. XIV. tit. I. I. 1. . 20. Im allgemeinen wird bei der Auslegung nicht ganz klarer Gesetze empfohlen ,benignius leges interpretandae sunt, quo voluntas eorum conservetur" (Digest. l, 3. I. 18) und ,in ambigua voce legis ea potius accipienda estjsignificatio, quae vitio caret" (Digest. I, 3. I. 19). Cf. Basilic. lib. II. tit. I, 28. 29. Die griech.-r5m. Gesetzgebung bringt in dieser Beziehung folgende Prinzipien zum Ausdrucke: Too.; Y6fLOO<; &7to toov til.; s'ltt to 7tAstatov aofL~txw6vtaw, o8 fLSY tOOY 07tCXYtOl<; s1atXrsa&cxt ost. - Ooo5 &7to tli>Y OOYtxfLSVOlV &v SVl OOfL~~Yilt &SfLiltt. - Ilcxptx~cx[vovoat j&.p o[' VOfLO&Stllt tO a7tcx; ~ Ot<; OOfL~txlVOY 'KilL OO'lt &;to5at YOfLo&st~atxt 1tsp! !X.'>too. - Oo 7tsp! too 'ltrx&' s'ltcxatov, &)..)..&. Mtvoo; oE v6fLOL t1&svtcxt. - Oo 7tavtcx ta &sfLcxttx 7tsptAcxfL~avst b v6fLo<;, &)..A&. ta til; s'ltt to 7tAsi:atov aofL~cx!vovtll. Basilic. lib. II. tit. I, 15. 16. 17. 19. 21. Cf. Digest. lib. I. tJt. III. I. 3. 4. 6. 8. 10. 10 ,Et ideo de his, quae primo constituuntur, aut interpretatione aut constitutione optimi principis certius statuendum est." Digest. lib. I. tit. III. I. 11. Cf. Basilic. II. I, 22. ,Non possunt omnes articuli sigillatim aut legibus aut senatusconsultis comprehendi: sed cum in ali qua causa sententia eorum manifesta est, is, qui jurisdictioni praeest, ad similia procedere, atque ita dicere debet." Digest. lib. I. tit. III. I. 12. Cf. Basil. II. I, 23. ,Nam . . . . quotiens lege aliquid unum vel alterum introductum est, bona occasio est, caetera, quae tendunt ad eandem utilitatem, vel interpretatione, vel certe jurisdictione suppleri." Digest. lib. I. tit. III. I. 13. 11 Ilpoasxsw hpt~oo,; t<Jl Mt' svvovxv ~awofLEYlfl 7tptX'(fLCXtt, Mt t'jj t~; jp1X~'ijl; OtllYOt~, /iy OOYIXtOY z;sopstY &7to tofi ho)..o63oo. Kan. 18 (Ath. Synt. IV, 140). n Siehe den 20. 21. 41. 78. 87. Kanon dieses Konzils. Vergl. 2. Trull. Kan

68

I. Tell. Die Quelleu und

~ammlungen

des Kircbenrechts.

der Schwester der ersten Frau zur Gattin durch eine schriftliche Bestimmung gestattet sei; worauf wir in verlaBlicher und der Wahrheit entsprechender Weise erwiderten, daB dies nicht der Fall sei; und aus den Folgerungen das herzuleiten, worUber keine Erwlihnung geschieht, kann nur der Gesetzgeber, nicht aber derjenige, welcher das Gesetz anwendet, weil in einem solchen Faile demjenigen, der sich an einem derartigen Vorgang wagen wtirde, gestattet ware, noch zu Lebzeiten der Frau deren Schwester zu ehelichen; ein solches Sophisma konnte gerade diesem Faile beigemessen werden"ts. Die Regel der griechischromischen Gesetzgebung, in FlUlen des Mangels eines auf einen Gegenstand Bezug habenden positiven Gesetzes, nach Gesetzen zu entscheiden, welche auf ahnliche Gegenstande anwendbar sind, a wurde auch in ausgedehntem MaBe von der kirchlichen Gesetzgebung u>, welche auch gegenwartig hieran festhalt 16, befolgt. Eine mustergiltige Anwendung aller dieser Auslegungsregeln enthalten die Kommentare der Kanones von johannes Zonaras und die Scholien Theodor Balsamons zum Nomokanon in XIV. Titeln 7

. 19. Das Erloschen der Gesetze. Bei ErOrterung der Unterschiede zwischen den kirchlichen Gesetzen (. 17) wurde hervorgehoben, daB die den Glauben betreffenden Oesetze unveranderlich sind, dagegen die auf die kirchliche Disziplin Bezug habenden Normen, je nach den Bediirfnissen der Kirche und nach den durch die gessellschaftliche Lage des einen oder des anderen Zeitalters hervorgerufen Umwandlungen, Anderungen unterliegen. Ein die Disziplin betreffendes, von kompetenter Stelle eingeftihrtes Gesetz ist so lange giltig, his dasselbe nicht auf eine juristisch aner13 Basilius d. Gr. 87. Kan. Vergl. Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. IV, 264-268). " Siebe Anm. 5 dieses Paragrapben. 15 Siebe Gregor. v. Nyssa 6. Kan.; 11. 18. 24. 47. 87 u 91. Kan. Basilius d.

Or., u. a.
16

Siehe M. '1. n~oscJ.w, Ka.vovtM.t 8ta.t~~St~, e7ttatoAa.i, Mast.;:, {}sa?tla&jtrot~trov

!J.Ilt'ta. trov

?ta.tpta.pxrov Krovat-xvmoo7t6J.sro.;:. 'Ev Krovata.vtwoo7toAst

1888-89. 17 Hieriiber wird spllter die Rede sein. Vergl. 1tpoop.tov des Zonaras in dessen Kommentaren zu den Kanones (Ath. Synt. II, 1). Balsamon schildert bei Erwlihnung der Kommentare des Zonaras, dieselben als eine sehr weise, gewandte und von niemanden erreichte Arbeit ( OOificil; )tiJ([ 61tsposelro~, xa.l til:; obx ?J.v tt.;: sr7tot xpmt6vro.;:), und nennt denselben dieser Arbeit wegen 6 67tsp~oaata.to~ Zrova.p!X~. Ath. Synt. IV, 76. Ober die Tlitigkeit Balsamons in G. Beveregii, :Eov6ot"X.ov, sive Pandectae canonum .... ab ecclesia graeca receptorum. 2. tom. Oxonii 1672. Proiegomena, pag. IX-XV.

, 19. Das Erloschen der Gesetze.

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kannte Weise einer Anderung unterzogen wird. Diese Anderung kann eine vollsUindige oder eine teilweise sein. Im ersten Faile erlischt das Gesetz vollsUindig ( &.va.Epeat;, abrogatio) und verliert seine Giltigkeit entweder infolge einer ausdriicklichen Verfugung seitens des Gesetzgebers, oder aber dadurch, daB dasselbe auBer Gewohnheit kam (&.xp-tJaEa., desuetudo ), und von niemanden angewendet wird 1. Im zweiten Faile kann nur ein Teil eines bestimmten Gesetzes aufgehoben und entweder durch einen neuen Zusatz ersetzt, oder nicht ersetzt werden 2; es kann aber auch ein Gesetz im allgemeinen in Kraft bleiben, und nur einzelne lndividuen werden von der Erfiillung desselben befreit. Dies geschieht entweder in der Form eines Privilegiums (1tpov6p.tov, privilegium), oder einer Dispensation (OU"(Xtl.tt.i~a.at;). I. Die Aufhebung ava.pot;, abrogatio) eines Gesetzes kann erfolgen: a) Wenn die berufene gesetzgebende Gewalt gerechtfertigter Griinde wegen anstatt des bestehenden ein neues Gesetz erlaBt, in welchem Faile nach dem Grundsatze .,lex posterior derogat priori" das neue Gesetz an Stelle des friiheren tritts. Was die Kompetenz anbelangt, welche hiebei die Hauptgrundlage bildet, so kann ein bestehendes Gesetz nur von einer Gewalt aufgehoben werden, welche derjenigen, die das Gesetz erlassen hat, entweder gleichgestellt oder Ubergeordnet ist. Die allgemeinen Konzilien als die oberste gesetzgebende Gewalt in der Kirche, waren befugt, dieses Recht auszuiiben rUcksichtlich jedes vor ihrer Abhaltung erlassenen Gesetzes, welches mit Riicksicht auf die Verhiutnisse der Kirche durch ein neues zu ersetzen war. Es wurde bereits hervorgehohen, daB durch den 12. Kanon des Trullanischen Konzils, die Vorschrift des 5. Kanon Apostolorum aufgehoben wurde. Die Bestimmung des 37. Kanon Apostolorum, des 5. Kanon des I., des 19. Kanon des IV. allgemeinen Konzils, wonach jahrlich zweimal in jedem Metropolitan-Gebiete bischofliche Synoden abzuhalten sind, wurde durch den 8. Kanon des Trullanischen und den 6. Kanon des VII. allgemeinen Konzils, neuer in der Kirche eingetretener Verhaltnisse wegen aufgehoben und verfiigt, daB derartige Synoden kiinftighin einmal des jahres abzuhalten seien. Ebenso wurde die Bestimmung des 15. Kanon der Synode von Neocasarea, daB in
"Q<l1tep ~ {}s'll~ 'tOO VOtJoOO e"("(ptX.'fO~ xrxl. ?l.rprx'f6.; SGtt, o5tro 'ltiXl. ~ &wx[paat~ IX~too, ~ ot' Sj'(plipoo "(lVS't'Xl 110tJo0') ~ ot' ~rpli'fOO, 'tOOtSO'tl t~; &xp'Yja[rx~. Scholien Balsamons zum 3. Kap. I. Titel des Nomokanon in XIV. Titeln. (Ath. Synt. I, 39). Vergl. Basilic. lib. II. tit. I, 41. . 2. 2 Diesbeziiglich gilt auch der Satz Ulpians: ,Lex aut rogalur, id est fertur: aut abrogatur, id est, prior lex tollitur: aut derogatur i. e. pars primae tolitur: aut subrogatur, i. e. adjicitur ali quid primae legi: aut obrogatur, i. e. mutatur aliquid ex prima lege." Tituli ex corpore Ulpiani tit. I. . 3. 3 Vergl. Digest. lib. I. tit. IV. I. 4,
,

19.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrecbts.

jedem Kirchengebiete im ganzen nur sieben Diakonen vorhanden sein k5nnen, durch den 16. Kanon des Trullanischen Konzils aufgehoben . b) Sobald ein Gesetz fiir einen bestimmten Zeitraum und fUr gewisse Faile erlassen wurde, hart die Wirksamkeit desselben nach Ablauf dieser Zeit und dann ~uf, wenn die betreffenden Faile sich nicht mehr wiederholen 5 c) Die Wirksamkeit des Gesetzes erlischt, wenn der durch das Gesetz betroffene Oegenstand nicht mehr, oder doch nicht in der vom Gesetze vorgesehenen Weise besteht, sowie wenn nach dem Satze ,cessante ratione legis, cessat lex ipsa" der das Gesetz veranlassende Rechtsgrund nicht mehr gegeben ist. In den ersten Zeiten der Kirche oblag beispielsweise der Kirchengewalt die Gerichtsbarkeit nicht nur fUr die geistlichen, sondern auch fiir die weltlichen Delikte der Christen, und zogen die Verurteilungen derselben die AusschlieBung des Betreffenden aus der Gemeinde nach sich s. Diese Tatigkeit der Kirche hatte darin ihren Grund, weil sie von der heidnischen biirgerlichen Gesellschaft ganz abgesondert verwaltet wurde. Als aber die Kirche mit dem Staate in Verbindung trat, und dieser letztere die Kirche zu schiitzen und fiir die Aufrechterhaltung der Ordnung in derselben zu sorgen begann, gingen aile die Christen betreffenden Angelegenheiten, welche nicht streng kirchlicher Natur waren, auf die weltlichen Gerichte fiber, so daB jene kirchlichen Gesetze, welche diese Gerichte betrafen, zu bestehen aufMrten 1, d) Ein Gesetz Mrt auch dann auf, wirksam zu sein, wenn dasselbe den geanderten Verhaltnissen, in welchen sich die Kirche befindet, nicht entspricht und die Kirchengewalt infolge der neuen Verhliltnisse die Aufhebung desselben fiir notwendig erachtet, oder aber wenn die kirchliche Gesetzgebung, eben mit Riicksicht auf die gelinderten Verhliltnisse, fiir gewisse Gegenstande von den bisherigen, fiir eben diese Gegenstlinde bestandenen Gesetzen verschiedenen Gesetze erlliBt, ohne hiebei ausdriicklich zu erwlihnen, daB die frfiheren Gesetze aufgehoben sind s. e) In jenen Fallen, in welchen ein neues Gesetz nicht in absolutem Sinne zum Ausdrucke gelangt, muB angenommen werden, daB der Gesetzgeber nur dasjenige aufzuheben gewillt war, was nach den Zeitverhliltnissen aufgehoben werden mu.Bte, daB aber die hievon ausgeschlossenen Teile in ihrer frfiheren Wirksamkeit ver Siebe noch 41. Kan. v. Karth.; 29. Trull. Kan. u. a. 5 3. Trull. Kan.; 8. Kan. v. Neoc.; 102. Kan. v. Karth.; 47. Kan. Basilius d.

Gr. u. a.
Siehe 12. 13. 66. 67. 84. Kan. Apost. u. a. Vergl. 59. 62. 63. 97. 102. Kan. v. Karth. u. a. s At 11-St~X'(SYsm:sp'Xt ot~Xtli~st~ 1axop6tsprxt tillY 'i'pa rxi)t<i>Y s1aw. Basilic. II. tit. VI, 5. Vergl. 6. Kan. von Ancyra und 3. Kan. des Petrus von Alexandria mit 73. Kan. Bisilius d. Gr.; 5. Kan. Apost. mit dem 12. Trull. Kan.; 37. Kan. Apost., 5. Kan. des I. allgem. Konzils, 19. Kan. des IV. allgem. Konzils mit dem 8. Trull. Kan. und 6. Kan. des VII. allgem. Konzils.
u
7

, 19. Das Erloschen des Oesetze.

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bleiben 9. So bestimmt z. B. der 2. Kanon des Konzils von Konstantinopel im Jahre 879, daB derjenige Bischof seiner Wiirde zu entkleiden sei, welcher in den Mtinchsstand treten und sich dem BuBleben widmen wm1o, Durch diesen Kanon wurde der in die Kirche eingeschlichene Gebrauch, daB einzelne BischOfe ihre kirchlichen Angelegenheiten vernachHissigten und ihr Leben in BuBiibungen zubrachten, beseitigt, jedoch keineswegs die Praxis, daB ein Hieromonach zum Bischof erhoben werden kann u. Ein Gesetz kann iiderdies durch Nichtgebrauch, oder durch Einbilrgerung einer von diesem Gesetze verschiedenen Gewohnheit erl5schen. In den Scholien zum Nomokanon in XIV Titeln filhrt Balsamon den Satz Ulpians aus den Basiliken an, daB namlich ein Gesetz durch Nichtgebrauch (at' &xp'fJa(a;, desuetudine) aufhoren kann, wirksam zu sein 12. Hiedurch erhielt diese Norm der griechisch-r5mischen Gesetzgebung unmittelbare Bedeutung in der kirchlichen Gesetzgebung. Allein der Nichtgebrauch muB vollstandig gerechtfertigt sein, und die an Stelle eines positiven Gesetzes zur Geltung gclangte Gewohnheit mu8 auf Wahrheit beruhen und mit dem allgemeinen Geiste des Rechts iibereinstimmen 13 ; denn, nach dem Auspruche der Vater des Konzils von Konstantinopel vom Jahre 861 im 7. Kanon, ,kann nichts, was sich gegen das Gesetz und die Ordnung eingeschlichen hat, dem kanonisch Festgesetzten zum Abbruche gereichen". Es konnen sonach nur die aus dem lnneren des kirchlichen Lebens entstehenden Verhaltnisse die
,In toto jure generi per speciem derogatur, et illud potissimum habetur, quod ad speciem directum est." Digest. lib. L. tit. XVII. I. 80. In den Basiliken ist dieses Oesetz folgendermaBen zum Ausdrucke gebracht: Ta StOl'M.a je\ll'M.ro\1 am'M.pa.tsatepa.. Lib. II. tit. Ill, so.
9

10 Et tt<; al'tta'ltOl'tO<;, ~ st tt<; aAAoc; tOO &pxtspa.tt'ltOO &~tW!'-tx.to<; 1tpo; t0\1 !1-0VI7.Xt'ltov {}sJ..~aot 'M.a.tsJ..{}s[v ~ov, 'M.a.t -rov tijc; 11-sta.voa.c; t67tov &va.7tA1Jpii>aa.t, !1-'fl'ltstt 'lttA. Ath. Synt. II. 707.
Siebe die Kommentare des Zonaras und Ba/samons zum erwllhnten Kanon (Ath. Synt. II, 708-710) und das Syntagma des Blastares, E. cap. 29 (Ibid VI, 284-285). Vergl. 90. Kan. im Nomokanon zum groBen Ritualbuche. Ausg. von A. Paw/ow, S. 104-105. u Siebe Anm. 1. dieses Paragraphen.
11

1s TO 11-~ 11-s-ra )..orta!'-oo stasvsr.a-5v, &na :ta.ta l'tAaV'fl\1 'lta.t aov~&sta.v 1tpa.tijaa.v 0~ osl 'M.piX'tSlV, av tote; 0!1-0LOtc;. Tijc; OOY'fj{}sa.c; 'M.IXl tijc; XP~asroc; ~ a.o&svtot 17.0'lt ihd 'tOOOO'tOY Lax6st, roc; 'M.IXl 'tOY AO"(lO!l-0\1 'M.ot1 'tOY \IO!l-0\1 01tSpYt'lt4v. Basilic. lib. II. tit. I, 47. 51. Balsamon auBert sich im Zusammenhange hiemit in den
Scholien zur erwahnten Stelle des Nomokanon in XIV Titeln folgendermaBen:

Kocwov oo'M. sta~"(St v6!'-t(J.OV ~ aov~&sta.1 st l'tiXAtx.t<jl ttvt VO!l-<tl !1-ciX'fjtiXt' oownov (LEv jap sx tijc; &.aov'fj{}sa.c; !'-~ 'M.SXpija{}oct VO!l-L!'-<jl, oo !1-SV 'M.IXl avrxvt(ro~ xsxp~a3a.t .. , @saw tOO V0!'-00 2jptx.'fOV etva.t Xll.l ~"("((JIX!p0\11 WO!X6tro<; '1.1Xl rljv &.votpiOW1 '1.a.t t~\1 ftSY &saw Ota t~c; 0'/tO &rplitpoo 00\l'tj&S(a.; &X[JYJOLot; &; am~otp~

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Aufhebung eines bestehenden Gesetzes veranlassen; wenn namlich in der Kirche sich die unbedingte Notwendigkeit fflhlbar macht, etwas in einer von der bisherigen verschiedenen Weise anzuwenden, wenn es sich urn Sicherung des ordnungsmii8igen inneren Lebens in der Kirche, sowie des au8eren Friedens handelt, und wenn der Impuls hiezu nicht durch weltliche Bestrebungen, weiche dem Geiste des Kirche nicht eigentiimlich sein k5nnen und derselben, wenn sie hierin maBgebend auftraten, nur immer Schaden brachten, veranlasst wird. Hiebei hat die Aufhebung der bindenden Kraft eines Gesetzes von der kompetenten Gewalt, innerhalb der durch die allgemeine Gesetzgebung vorgezeichneten Grenzen, unter Berilcksichtigung aller die Notwendigkeit dieser Aufhebung dartuenden Umstande, zu erfolgen; es mu8 das neue Gesetz besser und vollstandiger sein als das aufgehobene, den Bediirfnissen der Kirche tatsiichlich entsprechen ; es mu8 endlich auf den unabiinderlichen Grundgesetzen derselben basieren und von denselben vollig abhiingig sein. II. Ein Oesetz kann im allgemeinen wirksam bleiben; es kann aber fUr einzelne physische oder juristische Personen eine Ausnahme gemacht, und fUr dieselben an Stelle dieses Gesetzes ein besonderes Gesetz erlassen werden, welches sich nur auf sie bezieht, Privilegium (1tpov6p.tov) genannt wird, und mit dem tat~o~ vov-os Gus singulare) der griechisch-romischen Gesetzgebung eng zusammenhiingt. Durch ein Privilegium werden fUr bestimmte physische oder juristische Personen besondere Rechtsverbaltnisse geschaffen; diesel ben erfreuen sich vermoge dieses Privilegiums bestimmter Befugnisse und sind nicht an die allgemeinen, fUr andere geltende Rechtsvorschriften gebunden 14. Die innere Ursache zur Erlassung eines derartigen Gesetzes ist im allgemeinen ein ersprie8licher Zweck, dessen Erreichung angestrebt wird, und das Hauptmerkmal desselben liegt in der Statuierung einer Ausnahme von der bestehenden allgemeinen Regel, sowie in seiner ausschlieBlich positiven Natur t5. Das Recht Privilegien einzuraumen steht nur dem Gesetzgeber zu, der dieselben unter bestimmten. Bedingungen auch entziehen kann. Das Privilegium erlischt von selbst, wenn zum Beispiele der dasselbe veran_
'tOt!; 01tlj'l!.OOt~ &v<Xtpeto&!Xt otclr. 'tO !pU..Iiv&pro1tOV" 't"ijv OE aY!XLpi!OtV ot&: OOV1j&S!X~ -~'tOt &jp~!pOO YOI-"00 1-1'"~ a1tp!1.'l<.'tl!i:V, ~M 'tO SY!XY'ttouo{lo<Xt tptA!XY&pro1t<p v6p.IJ>. Ath. Synt. I, 40. 41. . u Siehe Savigny, System des heutigen rllm. Rechts. I, 62 u. ff.; Puchta, Institut. . 31 (1, 92-93); Arndts, Pandekt. . 23; Unger, System. . 8 u. 65. Vergl. Zhishman, Das Stifterrecht in der morgenllindischen Kirche. S. 41 u. ff. lli 'lot'l!.O~ YOI-"0~ SO'tLV 0 otli 'tl XP~Oli-I'OY 'ltotp&: 'l!.IXYOY<X~ elocxj6p..svo~ ao{)-svt(q 'too vop..o&i!toovto~. Basilic. lib. II. tit. I, 27.

19. Das Erloschen der Gesetze.

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lassende Grund entftillt, oder wenn die von demselben betroffenen Rechtsverhaltnisse aufhBren t6. III. Ein weiterer Fall des Wirksambleibens eines Gesetzes und der Befreiung nur einzelner Personen von der Befolgung desselben, liegt bei der Dispensation ( croy~a'ta~rtO't~) vor, welche darin besteht, daB jemandem von der kompetenten Gewalt das Recht eingediumt wird, ausnahmsweise von der Befolgung der Bestimmungen eines bestehenden allgemeinen Gesetzes befreit zu sein. Die Dispensation tragt nicht den Charakter der Notwendigkeit an sich, sie ist vielmehr nur ein der menschlichen Schwache gemachtes Zugestandnis und kann durch das Streben gerechtfertigt sein, ein Obel zu beseitigen, oder auch dann, wenn es ein allgemeiner Vorteil der Kirche erheischt. Bei allen von Menschen erlassenen Rechtsnormen gilt als Regel, daB eine Befreiung von der Befolgung derselben eingeraumt werden kann, wenn dies das allgemeine Wohl erheischt, oder wenn gegenliber einzelnen gewisse Riicksichten beobachtet werden mUssen 17. Dasselbe Prinzip gilt auch riicksichtlich der von der gesetzgebenden Gewalt der Kirche erlassenen Vorschriften. Die Kanones gestatten den Tragern der Kirchengewalt, einzelnen Personen gegenUber in der Strenge der bestehenden Gesetze nachzugeben und zwar unter auBergewBhnlichen Verhaltnissen, wenn hiedurch das allgemeine Wohl der Kirche sowie die Sicherung der Ordnung in derselben in Aussicht steht ts. Diese Nachgiebigkeit ist jedoch in der Kirche keineswegs dem freien Willen der betreffenden Trager der Kirchengewalt iiberlassen, sondern es bestehen diesfalls genau gezogene Grenzen, innerhalb welcher sie sich allein und ausschlieBiich bewegen diirfen; wobei jedoch der Grundsatz gilt, daB bezliglich der von der Gesamtkirche als allgemein bindend
1 c Vergl. die in Anm. 14 dieses Paragraphen erw!ihnten Werke und insbesondere Arndts, Pandekt. . 57. Ober die von physischen und juristischen Personen in der Kirche genossenen Privilegien wird an der betreffenden Stelle dieses Buches gehandelt. 17 Siehe iiber das Dispensationsrecht des romischen Senats in Puchta. Instit. . 75. 18 'E; &.wi'(X1j.; xo:xt v6tJ.ou ~tst!i3sm.; j(vstr.u, sagt der Patriarch Sophronius von Konstantinopel in seinem Sendschreiben vom August 1864 (rsosrov At~Xt!i;st.; I, 408). Basilius d. Gr. bestimmt in seinem ersten an den Bischof Amphilochius gerichteten Sendschreiben (Kan. 1), wie die verschiedenen Haretiker in die Kirche aufzunehmen sind, gestattet aber, daB in gewissen F!illen von dieser Vorschrift abgewichen werden konne, s<iv p.svtot !tSAA\j t1i x-:x361..oo OtX0\10!1-tq S!11tOOt0\l sasa3-:xt touto. Ath. Synt. IV, 91. Siehe die Sendschreiben des Cyri/lus von Alexandria an Maximus, Diakon von Antiochia, und an den Archimandriten Gennadius, iiber die Dispensation von der Str1mge der Kanones unter gewissen Verh!iltnissen. Vergl. 12. Kan. des I. allgem. Konzils, 102. Kan. des Trull. Konz., 10. Kan. des Petrus von Alexandria, 4. 5. 7. und 8. Kan. des Gregorius von Nyssa und viele andere. In der rom.-kathol. Kirche gelten hinsichtlich der Dispensation folgende Prinzipien: Ubi non pugnatur contra aeternam Dei legem, potest esse dispensationis 51

74

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

anerkannten kirchlichen Gesetze keine Dispensation bestehen kann 19 Nur hinsichtlich der nicht von der Gesamtkirche erlassenen oder bestatigten Gesetze, welche gleichsam als Erweiterung der fundamentalen Gesetze, mit Riicksicht auf die besonderen Orts- und Zeitverhaltnisse, von der Kirchengewalt spater erlassen wurden, gestattete die Kirche aus wichtigen GrUnden und hoherer Zwecke wegen die Dispensation vom bestehenden Gesetze, fiir einzelne Personen, welche einer derartigen Nachsicht seitens der Kirchengewalt w!lrdig erschienen 20. Das Recht, die Dispensation zu erteilen, steht nur dem Gesetzgeber zu; den untergeordneten Gewalten aber nur innerhalb gewisser Grenzen und gemaB der von der gesetzgebenden Gewalt ausdrUcklich erhaltenen Vollmacht 21. Die Dispensation erlischt im Faile des Aufhorens des dieselbe veranlassenden Grundes, wenn das bezUgliche Begehren nicht auf wahren Motiven basierte und dieselbe auf trUgerische Weise der Gewalt entlockt wurde.

Drittes Kapitel.
Die Quellen des Kirchenrechts im besonderen.
. 20.
Allgemeine Ubersicht.
Nach Betrachtung der allgemeinen Bedeutung aller Kirchenrechtsquellen, sowie der Anwendung derselben, sollen nun die Quellen, aus
locum, cum timetur paci ecclesiae. Dispensationes debent esse ex charitate et ecclesiae necessitate, hacque cessante debent et ipsae cessare. Siehe L. Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina. Pars II. lib. III. cc. 24-29 (Ed. cit. tom. VI, pag. 175-229). 19 Siebe das friiher iiber die Unterschiede zwischen den kirchlichen Gesetzen und iiber deren bindende Kraft Ausgefiihrte (. 17). 20 Dr.]. Zhishman (Eherecht. S. 713-715) stellt in dieser Beziehung die Ansicht auf, daB weder von den Kanones, noch von irgcndeinem kirchlichen Gesetze, welches wie immer in die kirchliche Praxis Eingang fand, eine Dispensation erteilt werden konne. Zur Bestatigung dieser Ansicht wird der Top.oc; 'ltspt OtlYOt"Xscr(roy des Patriarchen Gregorius VI. vom Februar des jahres 1839 angefiihrt. In dem Kapitel iiber Eherecht werden wir auch iiber dieses Dekret des Patriarchen Gregorius VI. sprechen. Auf Grund desselben, sowie der Jahrhunderte Iangen kirchlichen Praxis, glauben wir in der Lage zu sein, nachzuweisen, daB die Ansicht des erwllhnten Kanonisten etwas zu streng gehalten sei. Siehe unter anderen die aus gerechtfertigten Griinden erteilten und in den Katalog der Verordnungen der Patriarchai-Synode von Konstantinopel aufgenommenen Dispensationen von bestehenden Gesetzen. I'sosiliy atiX'trX~SLt;. I, 109. 111. 123. 151. 153. 155. 157. 159. 162. 163. 165. 166. 168. 185. 265. 21 Siehe 2. Kan. der Synode von Ancyra und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. III, 22).

, 21. 1. Die heilige Schrift und Tradition.

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welch en die Kirchenrechts-Wissenschaft ihren Inhalt schopft, im beson deren dargelegt werden. Der leichteren Obersicht wegen werden wir aile Quellen in zwei Grupp en sondern u. z. in: 1) Allgemeine Quellen, welche auf die Gesamtkirche Bezug haben, und 2) besondere Qaellen, welche neben den allgemeinen Quellen die einzelnen heute bestehenden autokephalen Kirchen betreffen. Die besonderen Quellen werden wir nach der Reihenfolge des Entstehens der betreffenden Kirchen, die allgemeinen Quellen nach dem MaBe ihrer Wichtigkeit ins Auge fassen, u. zw.: a) Die Grundquellen; hiezu geh5ren vor all em die heilige Schrift und die Tradition, sowie die Kanones; b) die erganzenden Quel/en; namlich die Anordnungen der Konzilien, sowie die kanonischen Sendschreiben der orthodoxorientalischen Kirchenhirten, welche nach AbschluB der fundamentalen Kanonen-Sammlung erlassen wurden, und als Erganzung der Grundquellen dienen; c) die Hiljsquellen, namlich die kanonistischen Ansichten, Abhandlungen, sowie die Kommentare der hervorragenden von der Kirche anerkannten Kanonisten, welchen in der Kirche stets eine besondere Beachtung zuteil wurde, und die als ein verlaBliches Hiltsmittel in der kirchenrechtlichen Praxis dienten. Diesen Quellen mit allgemeinen Charakter sind noch beizuzahlen d) die alten kirchlich-biirgerlichen Gesetze; namlich diejenigen, welche von den griechischr~mischen Kaisern entweder selbstandig oder in Verbindung mit der Kirchengewalt im Interesse der Kirche, zur Forderung derselben und der kirchlichen Ordnung, erlassen wurden. Diese Gesetze ergiinzten das orthodox-orientalische Kirchenrecht und dienten demselben stets als Hilfsquellen. Dadurch, daB diese Gesetze in die allgemeinen KanonenSammlungen aufgenommen wurden, neben den das Leben der Kirche betreffenden Kanones angefiihrt werden und auch heute noch in vielen Fragen des kirchlichen Lebens von der orthodox-orientalischen Kirche in Betracht gezogen werden, haben sie die Bedeutung einer allgemeinen Quelle des Kirchenrechts.

I. Die allgemeinen Qnellen des Kirchenrechts.


a) Die Grundquellen.

. 21. 1) Die heilige Schrift und Tradition. Die heilige Schrijt wird aus bestimmten Biichern gebildet, welche
im Sinne der kirchlichen Lehre nach gottlicher Eingebung verfaBt sind. Dieselben werden in die Biicher des alten und neuen Testaments eingeteilt. Die BUcher des allen Testaments sind: Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium, jesu filii Navae, Liber judicum, Ruth,

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Esther, Regnorum quatuor, Paralipomenon duo, Esdrae duo, Liber Psalmorum, Salomonis Proverbia, Ecclesiastes, Canticum canticorum, Hiob, Prophetae duodecim, Isaias, Jeremias, Ezechiel, Daniel. Die BUcher des neuen Testaments sind folgende: die Evangelien von Mattbaus, Markus, Lukas, Johannes, die Apostelgeschichte; sieben katholische Sendschreiben, u. zw. eines des Jakobus, zwei des Petrus, drei des Johannes, ein Sendschreiben Judas; vierzehn Sendschreiben Pauli: an die Romer, zwei an die Korinther, an die Oalater, Epheser, Philipper, Kolosser, zwei an die Thessalonicher, an die Hebraer, zwei an Timotheus, an Titus, an Philemon, und die Apokalypse 1 Diese BUcher werden kanonische BUcher (~cxvovtC6p.svcx ~t~A.tcx) genannt und wurden als solche bereits im IV. Jahrhundert von der Kirche anerkannt 2, welch' letztere sie von den nicht-kanonischen
1 Fiir das Recht haben diese BUcher die Bedeutung von Quellen des sogen. jus divinum. DemgemaB haben isagogische Fragen im Rechte keinen Platz ; mit diesen haben sich die theologischen Wissenschaften zu befassen. Ober die Bucher der heil. Schrift im allgemeinen vergl. Makarius, Vvedenie v pravoslavnoe bogoslovie, erwahnte Ausgabe, . 111-121, und die dort bezUglich dieser Frage angefiihrte Literatur; N. M. ~a;~- O:A 0: c;, 'Epp:tj'.IS('7. sic; tYj'.l 'itO:tYYjY oto:&lj'it'fjY 'EY 'A3~Yoctc; 1876; Archim. Michael, Vvedenie v novozav. knigi sv. pisanija, Moskau 1869. Insbesondere fiber die BUcher der heiligen Schrift mit RUcksicht auf das Kirchenrecht, siehe ]. Doujat, Praenot. canonic. lib. I. cap. 6-28 (Ed. cit. pag. 21-97); ]. W. Bickell, Geschichte des Kirchenrechts. . 4-11 (Ed. cit. 11-22). 2 Siebe 60. Kan. der Synode von Laodicea (Ath. Synt. Ill, 225-226); 24. Kan. v. Karth. (lb. Ill, 368-369). Siehe Athanasius d. Gr. aus dem Sendschreiben fiber die Feiertage (lb. IV, 78-79); Gregorius den Theologen iiber die zu lesenden Biicher des alten und neuen Testaments (lb. IV, 363-364); Amphilochius von Ikonium, fiber dasselbe {lb. IV, 365-367). Die erwahnten Kanones und die Anschauungcn dieser Vater fiber die kanonischen BUcher der heil. Schrift wurden von der Gesamtkirche bestatigt. Siehe den 2. Kan. des Trull. Konzils (lb. II, 309). Der 85. Kan. Apost. erwllhnt unter den BUchem der heil. Schrift noch einige alt-testamentarischc BUcher, welche im hebraischen Kanon nicht enthalten sind, namlich drei BUcher dcr Makkabaer und das Buch jesus, des Sohnes Sirachs. Unter den neu-testamentarischen BUchern werden noch angefiihrt: zwei Sendschreiben des Klemens und acht BUcher der Constitutiones Apostolorum; wobei jedoch die Apokalypse johannes des Theologen eliminiert wird. Hiebei sei im allgemeinen bemerkt, daB im erwiihnten Kanon nicht ausschlieBlich von kanonischen BUchern der heil. Schrift, sondern auch von BUchern die Rede ist, welche die Christen achten mUssen (~t~/..l-x aa~liap.t-x), was jedoch sowohl riicksichtlich der kanonischen, als auch der nichtkanonischen der Fall sein konnte, insofern diese letzteren nur mit dem Geiste des Evangeliums iibereinstimmten. Der Grund der Weglassung der Apokalypse liegt darin, daB dieses Buch zur Zeit der Kompilation der Sammlung der Kan. Apost. in allen Kirchen noch nicht bekannt war, oder doch wenigstens nicht in jener, in welcher diese Sammlung herausgegeben wurde. Im VII. jahrhundert hat das Trull. Konzil (2. Kan.) den Const. Apost. die Giltigkeit in der Kirche abgesprochen. Im 60. Kanon der Synode von Laodicea ist unter den neu-testamentarischen Biichern die Apokalypse nicht enthalten, und ebensowenig im Kataloge Gregorius des Theologcn. Der Grund hiefiir dUrfte mit jenen der Weglassung derselben im 85. Kan. Apost. Ubereinstimmen. Vergl. im

. 21.

. 21.

t. Die heilige Schrift und Tradition.

77

(oo

'ltt:X.'YO'YtC6v.sva) 3 und apokryphen ( &.1t6'ltpmpr:x.) BUchern unter-

schied 4. Sammtliche BUcher der heiligen Schrift sind in zwei Sprachen aufgezeichnet, u. zw. die att.;.testamentarischen in hebraischer, die neutestamentarischen in griechischer Sprache. Spater wurden sie in die Ubrigen Sprachen Ubertragen. Die Frage, welcher Text oder welche Obersetzung genau sei, beantwortet die Isagogik; fUr das Kirchenrecht ist die Bestatigung der betreffenden Bibet-Ausgabe seitens der Synodalgcwalt gcniigend; aus einer solchen Ausgabc schopft dann dasselbe
Ubrigen hierUber L. F. Spittler, Kritische Untersuchung des sechzigsten Laodicenischen Kanons. Bremen 1777. Ober die kanonischen BUcher des atten und neuen Testaments, welche die 01ih.-or. Kirche heute anerkennt, siehe "Prostranni hristianski katihisis pravoslavnija katoliceskaja vostocnija cerkvi, razsmatrivanni i odobrenni svjatjejsim pravitelstvujusCim synodom (Ausfiihrlicher christlicher Katechismus der orthodoxen, katholischen, orientalischen Kirch'e; gepriift und genehmigt von der heil. dirigierenden Synode)". Ausg.S. Petersburg 1848, S. 8-12. - Die ri:im.-kathol. Kirche kennt folgende Biicher , Testamenti veteris : Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium, josuae, judicum, Ruth, quatuor Regum, duo Paralipomenon, Esdrae primus et secundus, Tobias, Judith, Esther, Hiob, Psalterium Davidicum, Parabolae, Ecclesiastes, Canticum Canticorum, Sapientia, Ecclesiasticus, Isaias, Jeremias cum Baruch, Ezechiel, Daniel, duodecim Prophetae minores, duo Machabaeorum. primus et secundus. - Testamenti novi: quatuor Evangelia, secundum Mattheum, Marcum, Lucam et joannem; Actus Apostolorum a Luca evangelista conscripti ; quatuordecim epistolae Pauli Apostoli, ad Romanos, duae ad Corinthios, ad Galatas, ad Ephesios, ad Philippenses. ad Colossenses, duae ad Thessalonicenses, duae ad Timotheum, ad Titum, ad Philemonem, ad Hebraeos; Petri Apostoli duae, Joannis Apostoli tres, jacobi Apostoli una, judae Apostoli una, et Apocalipsis Joannis Apostoli". Ss. Concilii Tridentini sessio quarta, decretum de canonicis scripturis. Ed. Aem L. Richter, Lipsiae, 1839 col. 4. Aile diese Biicher sind enthalten in Biblia sacra vulgatae editionis Sixti V. Pont. Max. jussu recognita atque edita. In meinem Besitze befindet sich die Ausgabe Antverpiae, 1603, mit welcher ich das erwahnte Dckret des Tridentinischen Konzils verglichen babe. - Die Protcstanten haben in ihrer Bibel eine kleinere Anzahl von Biichern des alten Testaments, als die rom. kathol. Kirchc. Die Anzahl der BUcher des neuen Testaments stimmt mit jcner dcr morgenlandischen und der rom.-katholischen Kirche iiberein. Zu den BUchern des alten Testaments zahlen sie: die fiinf Biicher Moses, das Buch jesus Nawin, das Buch der Richter, das Buch Ruth, zwei BUcher Samuels, zwei BUcher der Konige, zwei BUcher der Chronik. das Buch Esdra, Nehemia, Esther, Hiob, die Psalmen Davids, die SprUche Salomons, der Prediger Salomons, das Lied der Lieder, die Propheten Isaias, Jeremias, Ezechiel; Daniel u. die zwolf kleinen Propheten. Nach dieser Aufzlihlung sind die Ausgaben der britischen Bibelgesellschaft und die serbische Bibeliibersetzung des Danichich angefertigt. Vergl. Oehler, Kanan des Alt. Test. in Herzogs Reai-Encyklopii.die. Bd. VII. S. 243 sq. 3 Unter den neu-testamentarischen BUchern existiert kein nichtkanonisches, wohl aber unter den Biichern des alten Testaments; diese sind nach der Lehre der orth.-or. Kirche das Buch Tobias, Judith, der Weisheit Salomons, das Buch jesus des Sohnes Sirachs, das zweite und dritte Buch Esdra und drei BUcher der Makkablier. 4 60. Kan. Ap. und der beziiglichc Kommentar des Zonaras (Ath. Synt. II. 77-78); 39. Sendschreiben Athanasius d. Gr. (lb. IV, 78-80).

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

das notwendige Material. Die nicht synodaliter genehmigten Ausgaben haben mit Rucksicht darauf, daB nur die Kirche zum Wachter der geoffenbarten Wahrheit berufen 5 und nur sie imstande ist die heilige Schrift vor jeder Verletzung zu bcwahren, 6 keine Giltigkeit. Aus dem 19. Kanon des Trullanischen Konzils, aus dem 91. Kanon Basilius des GroBen, sowie aus der Bestimmung der Synode von Jerusalem im Jahre 1672 geht hervor, daB die heilige Schrift ausschlieBlich im Sinne der kirchlichen Lehre aufzufassen sei 7. Die Tradition ist in den alten Glaubens-Symbolen, in der SammIung der Canones Apostolorum, in den Konzilien-Beschliissen aus den ersten Zeiten der Kirche, in den Akten der Martyrer, und im allgemeinen in den Schriften aller alten Vater und Lehrer der Kirche enthalten. Damit aber die Tradition in der Kirche vollgiltig sei, muB sie die von der Theologie festgesetzten Merkmale, nach welchen die Unterscheidung von einer falschen Tradition moglich ist, besitzen; erst dann kann das Kirchenrecht sich auf die Tradition berufen und aus dieser das fi.ir sein System notwendige Material schopfen H.
5 Zu den Bibel-Ausgaben, welchen in der Kirche keine Oiltigkeit bcigcmessen wird, auf welche man sich also mit Sicherheit nicht berufen kann, gehOrt die hcute schr verbreitete Ausgabe der britischen Bibel-Oesellschaft. Beziiglich dcr Obersetzung der Bibel vergl. das Synodal-Dekret des Patriarchen Gabriel von Konstantinopel in ra~ewv, .:lt-xt!i~et<;. I, 106-109, und jenes des Patriarchen Grcgorius von Konstantinopel vom 1. Marz 1839. Ibid. 11, 287--292. 6 Siebe in diesem Buche die Lehre von der Kirche und deren Oewalt. (. 131. 133). Vergl. Kap. 34 des 13. Tit. des Nomokanon in XIV Tit. (Ath. Synt. I, 332). 7 Siehe oben . 11 (S. 40-41). 8 Siehe Anm. 3, . 7. Das Kriterium fiir das Erkennen der wahren kirchlichcn Oberliefcrung ist in einer klassischen Schrift des Kirchenvaters des Abendlandes, Vincentius Lirinensis (gest. um 450) zum Ausdrucke gebracht; dieses Kriterium wird auch heute von der orth.-or. Kirche festgehalten. Ober die angeregte Frage, wie die echte Wahrheit zu erkennen sci, sagt Vinccntius, daB dies geschehen ki:innc ,primum divinae legis auctoritate, tum dcinde ecclesiae catholicae traditione .... In ipsa item catholica ecclesia magnopere curandum est, ut id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est. Hoc est enim vere proprieque catholicum; quod ipsa vis nominis ratio que declarat, quae omnia fere universaliter comprehendit. Sed hoc ita demum fiet, si sequamur universitatem, antiquitatem, consensionem. Sequemur autem universitatem hoc modo, si hanc unam fidem veram esse fateamur, quam tota per orbem terrarum confitetur ecclesia. Antiquitatem vero ita, si ab his sensibus nullatenus recedamus, quos sanctos majores ac patres nostros celebrasse manifestum est. Consensionem quoque itidem si in ipsa vetustate omnium, vel certe pcne omnium sacerdotum pariter et magistrorum defiinitiones sententiasque sectemur .. ltaque cum primum mali cujusque erroris putredo errumperc coeperit ct ad defensionem sui quaedam sacrae legis verba furari, eaque fallaciter et fraudolenter exponere, statim interpretando canoni majorum sententiae congregandae sunt; qui bus illud quodcunque exurget novitium, ideoque prophanum, et absqua ulla ambage. prodatur, et sine ulla retractatione damnetur. Sed eorum dumtaxat patrum sententiae conferendae sunt, qui in fide et communione catholica sancte,

. 21. 1. Die heilige Schrift und Tradition.

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Die heilige Schrift und Tradition beziehen sich auf das Kirchenrecht insofern, als dasselbe hieraus die Elemente der Verfassung und Verwaltung der Kirche, oder das sogen. jus divinum kennen lernt. Der lnhalt dicses jus divinum, und was als solches in der christlichen Kirche angesehen wird, ist aus den die kirchliche Lehre genau und detailiert darstellenden symbolischen Biichern zu entnehmen. In der orthodox-orientalischen Kirche bestehen zwei solche Bucher, namlich: a) Das orthodoxe Bekenntnis der katlwlischen und apostolischen orientalischen Kirche 11, und b) das Sendschreiben der Patriarchen der orientalisch-katholisc!zen Kirclze iiber den ortlwdoxen 0/auben to. Hieber gehort noch der grojJe christliche Katechismus der orthodoxen katho/ischen orientalischen Kirchen.

. 22.
2. Die Kanones.

Unter den Kanones versteht man, wie erwahnt, die in der fundamentalen Kanonen-Sammlung enthaltenen und fiir die Gesamtkirche bindenden kirchlichen Gesetze. Diese fundamentale Kanonen-Samlung, welche allmahlich enstand, erfuhr ihren HauptabschluB im Jahre 883, in welchem sie in der Gestalt des Nomokanon in XIV Titeln erschienen ist. Derselbe enth!Ut die Kanones der heiligen Apostel, der allgemeinen Konzilien, der zehn Partikular-Synoden, sowie die Kanones der dreizehn heiligen Vater. Dies sind die fundamentalen Kanones in der orthodoxsapienter, constanter viventes, docentes et permanentes, vel mori in Christo fideliter vel occidi pro Christo feliciter meruerunt. Quibus tamen hac lege credendum est, ut quicquid vel omnes vel plures uno eodemque sensu manifeste, frequenter, perseveranter, velut quodam consentiente sibi magistrorum concilio accipiendo, tenendo, trahendo fiirmaverint, id pro indubitato, certo, ratoque habeator. Quicquid vero quamvis ille sanctus et doctus, quamvis episcopus, quamvis confessor et martyr, praeter omnes aut etiam contra omnes senserit id inter proprias et occultas et privatas opinionculas a communis et publicae generalis sententiae auctoritate secretum sit; ne cum summa aeternae salutis periculo, juxta sacrilegam haereticorum et schismaticorum consuetudinem, universalis dogmatis antiqua veritate demissa, unius hominis novitium sectemur errorem." Vincentii Lirinensis, Commonitorium adversus haereres. Cap. 1. 3. 33.

9 'OpMao~o<; o!LaAoj[~ t'i)<; 1t[-::~teoot; t~c; M&oA.lx'ijc; M.t &.1toatoA.lxi):; Sx'X.A"Ijcr[Cl:; a.vtXtOAl1<:7Jc;. Dieses Bekenntnis wurde um die Mitte des XVII. jahrhunderts aufgezeichnet und von der gesamten orth.-or. Kirche als symbolische orthodoxe Lehre angenommen. Siebe . 133 dieses Suches. 10 Unter diesem Titel hat die Synode der russischen Kirche die angenommene 'O!LoAor~ t'i)t; op&o86~oo 1tt'ltSOO:; t~~ ~\ltX'tOAl'X."~~ E'X.XkfjOttX:;, welche in der Synode von jerusalem des jahres 1672 dargelegt, befestigt und von den orientalischen Patriarchen nach gemeinsamer Genehmigung versendet wurde, hinausgegeben. Siebe . 133 dieses Buches. 11 Derselbe wurde vom verst. Moskauer Metropoliten Philaret verfaBt.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

orientalischen Kirche. In dem Athenischen Syntagma sind diesen fundamentalen Kanones unter dem Titel Alrtlfop&. noch einige kanonische Vorschriften aus verschiedenen Werken Basilius des GroBen, Johannes Chrysostomus und des heil. Anastasius, sodann die Synodal-Antworten des Patriarchen Nikolaus von Konstantinopel, die Kanones des Nikephorus Confessor, sowie das Ka:VC1Vt'X.6V johannes des Fasters hinzugefUgt. Nach diesem Ka:vovt-x.6v folgt im Athenischen Syntagma die Angabe, daB die Kanones hiemit ihren AbschluB finden. (TIS).o~ ttov eprov -x.a:v6vmv). Da nun dieses Syntagma von den Synoden der bedeutendsten heute bestehenden orthodox-orientalischen Partikularkirchen, und in erster Linie von der Patriarchal-Synode in Konstantinopel bestatigt wurde, mUssen aile in diesem Syntagma angeflihrten Kanones, also nicht nur die in der fundamentalen Kanonen-Sammlung enthaltenen, sondern auch jene, welche unter dem Titel Atwfop&. angefiihrt sind, als ftir die Gesamtkirche bindend anerkannt werden. Die in der fundamentalen Kanonen-Sammlung enthaltenen Kanones sind folgende: 1) Die Kanones der Apostel. 2) Die Kanones der allgemeinen Konzilien, u. zw.: a) des ersten Nidinischen, b) des ersten zu Konstantinopel, c) des Ephesinischen, d) des Chalcedonensischen, e) des Trullanischen und f) des zweiten Niclinischen. 3) Die Kanones der Partikular-Synoden, u. zw.: a) von Ancyra, b) Neocasarea, c) Gangra, d) Antiochia, e) Laodicea, f) Sardica, g) Konstantinopel unter Nektarius, sammtliche aus dem IV. Jahrhundert, h) von Karthago im Jahre 419, i) Konstantinopel im jahre 861 und j) Konstantinopel im jahre 879. 4} Die Kanones der heiligen Vater, u. zw.: a) Dionysius von Alexandria, b) Gregorius von Neocasarea, c) Petrus von Alexandria, d) Athanasius des Gro8en, e) Basilius des Gro8en, f) Timotheus von Alexandria, g) Gregorius des Theologen, h) Amphilochius von Ikonium, i) Gregorius von Nyssa, j) Theophilus von Alexandria, k) Cyrillus von Alexandria, I) Gennadius von Konstantinopel, m) Tarasius von Konstantinopel. Eine Ergtinzung zu diesen Kanones bilden, abgesehen von den erwahnten kanonischen Vorschriften aus den Werken Basilius des Gro8en, Johannes Chrysostomus und Anastasi us, noch: a) die SynodalAntworten des Nikolaus von Konstantinopel, b) die Kanones des Nikephorus Confessor und c) das Ka:vovt-x.6Y johannes des Fasters. Aile diese Kanones sind, wie erwlihnt, in einer von den obersten kirchlichen Beh5rden der bedeutendsten der gegenwartig bestehenden Partikularkirchen bestatigten Kanonen-Sammlung, also in einer offiziellen allgemein-kirchlichen Sammlung, im Athenischen Syntagma, enthalten. Diese Kanones sind auch, mehr oder weniger vollstandig, in jenen Kanonen-Sammlungen enthalten, welche fiir die verschiedenen Partikularkirchen publiziert wurden und bei den orthodoxen Slaven; Griechen und Rumlinen einen offiziellen Charakter an sich tragen, nlimlich in

. 22. 2. Die Kanones.

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der Krmcija (Krmcaja kniga), welche fUr die orthodoxen Slaven im allgemeinen gilt, in der Kniga pravil, welche neben der Krmcija in der russischen Kirche Geltung hat, ferner in dem Pedalion der griechischen Kirche und in der Indreptarea legji fUr die orthodoxen Rumanen t. I. Die Kanones der heiligen Apostel (x(Xv6vc:~ -r<iw &rt:wv 'A1toOt"6A.rov)2. Unter dem Namen der heiligen Apostel sind 85 Kanones erhalten. Die ursprtinglich geltende Anschauung, daB diese Kanones von den Aposteln gemeinsam erlassen und der Kirche als Verwaltungsnormen zugedacht wurden, hat sich namentlich im Abendlande eingebiirgert und durch ftinfzehn jahrhunderte erhalten, bis die Magdeburger Centuriatoren den apostolischen Ursprung derselben in Zweifel zogen. Dagegen erhob sich aber einer der hervorragendsten Gelehrten der damaligen Zeit (Turrianus), indem er nachwies, daB diese Kanones unmitte/bar von den Aposteln in einer Synode derselben in jerusalem im jahre 45. n. Chr. schriftlich erlassen wurden. Dieselbe Ansicht vertraten auch viele andere Gelehrten des XVI. jahrhunderts. Von diesem Zeitpunkte ab bildete die Frage, ob diese Kanones in der Tat von den Aposteln schriftlich dargelegt wurden, oder ob dieselben auf andere Weise in die kirchliche Praxis Eingang fanden, den Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen. Die Aufmerksamkeit wurde hiebei auf den letzten, den 85. Kanon Apostolorum, in welchem von dem Verfasser der sogen.
Ober diese Kanonen-Sammlungen siehe . 43-45 dieses Buches. Riicksichtlich dieser Kanones siehe die Artikel in der Ausgabe ,Pravila s tolkovanijami (Kommentar zu allen Kanones)". Moskau 1876. I, 5-12; Hrist. Ctenije. 1841. III, 455; Ctenija v 0. L. D. Prosvjescenija. 1882. II, 141; Pravosl. Obozrjenije. 1862. I, 446 u. ff. Weiter meine Publikation, ,Kommentar zu den Kanones" (Pravila s tumacenjima) Neusatz 1895-96 I. 3-12; M. Ostroumow, Pravosl. cerkovnoe pravo ( orth. Kirchenrecht) Charkow 1893 s. 170 -181 ; Archim. johann, Opit kursa cerk. zakonovjedjenija. I, 122-136; Archim. Phi/aret, Nacertanie cerkovn. bib!. istoriji. Moskau 1844. S. 578 u. ff. ; K. A. Nevolin, Polnoe sobranie socinenij. Petersburg 1859. VI, 395; N. K. Sokolow, Kurs cerkovnago prava. S. 94-118; Il'tjOtiAL0\1 'Ev Z(X'X.6Y-3-~> 1864.) l:s)... 'X.'-'X.~; G. Beveregii, Pandectae canonum. Oxonii 1672. Tom. II. Annotat. pag. 1-8; P. de Marca, De concordia sacerdot. et imper. Paris 1704. Lib. Ill. cap. II.; Z. B. Van Espen, Commentarius in Canones. Coloniae 1755. pag. 39-47; H. P. et Ballerini, De antiquis collect. canonum (in A Galandii, De vetustis canon. collectionibus. Venetis 1778). pag. 97 sq.; Spittler, Geschichte des kan. Rechts. Halle 1678. pag. 66 sq.; Krabbe, Ober den Ursprung und Inhalt der apost. Konstitutionen. Hamburg 1829; ]. S. Drey, Neue Untersuchungen iiber die Konstitutionen und Kanones der Apostel. Tiibingen 1832; ] . . W. Bickell, Geschichte des Kirchenrechts. Giessen 1843. I, 71 u. ff.; ]. A. B. Mortreuil, Histoire du droit byzantin. Paris 1843. I, 188; C. C. ]. Bunsen, Hyppolitus und seine Zeit. Leipzig 1852-53. I, 444. 509. II, 61. 100. 246; F. Maassen, Geschichte der Quell en und der Literatur des kanonischen Rechts. Graz 1870. I, 408; ]. B. Pitra, juris eccles. graec. historia et monum. Romae 1864. Tom. I. Prolegom. XXVIII sq. 1 sq.; C. ]. Hejele, Konziliengeschichte. U. Auf!. Freiburg 1873. I, 793 u. ff.; C. Popovicii, FontAnele si Codicii dreptului bisericescu ortodoxu. Cernauti 1866. p. 39-42.
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lllli, llrchonrechl

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenreehts.

,Constitutiones Apostolorum" die Rede ist, und welche am Schlu6e unsere Kanones enthalten, ferner auf den Inhalt der Kanones im allgemeinen und auf den Zweck, zu welchem sie erlassen sein konnten, gelenkt. Die vielen und eingehenden Nachforschungen haben gezeigt, daB es nicht m5glich sei, genaue Anhaltspunkte dariiber zu finden, wann die Kanones Apostolorum tatsachlich erschienen sind; daB ferner mit Rucksicht auf die von diesen Kanones behandelten Fragen an dem Gedanken nicht festgehalten werden k5nne, daB sic unmittelbar von den Aposteln selbst herriihren und endlich, daB bis zum ersten Konzile von Nicaa diese Kanones nicht ausdriicklich erwahnt werden. Das Resultat dieser Nachforschungen bildet die heute allgemein festgehaltene Ansicht, daB diese Kanones nicht unmittelbar vo'l den Aposteln schriftlich erlassen wurden, sondern daB sie von der apostolischen Tradition herrUhren, durch miindliche Tradition von den Nachfolgern der Apostel bewahrt wurden, sowie daB dieselben zufolge der zutagegetretenen Bediirfnisse der Kirche, vor dem ersten allgemeinen.Konzile von Niciia, von einem unbekannten gottesfiirchtigen Manne gesammelt und von demselben aus dem Grunde als apostolisch bezeichnet wurden, urn zu zeigen, daB dieselben durch die Tradition von den Aposteln selbst herrfihren. Mit diesen Kanones verhalt es sich ebenso wie mit dem sogenannten apostolischen Symbol. Dieses wurde von den Aposteln nicht selbst verfaBt und der Kirche schriftlich Uberlassen, sondern es wurde nach den Aposteln auf Grund der apostolischen Tradition und der Kirche mit der apostolischen Bezeichnung deshalb Ubergeben, urn hiedurch den wahren Ursprung desselben darzutun. Zum Beweise dafiir, daB die gedachten Kanones dasjenige genau wiedergeben, was die Apostel gelehrt und ihren ersten Nachfolgern miindlich Uberliefert haben, dient die in den Grundideen vollstandige Obereinstimmung derselben mit der in den kanonischen Biichern der heiligen Schrift enthaltenen Lehre; dann der Umstand, daB diese Kanones vollkommen jener kirchlichen Praxis entsprechen, welche in den Schriften der SchUler der Apostel und ihrer nachsten Nachfolger dargelegt erscheint, sowie endlich die Tatsache, daB denselben apostolische Autoritat seitens der Konzilien und der Vater der esten jahrhunderte der Kirche zuerkannt wurde. Wenngleich also diese Kanones auch nicht von den Aposteln selbst schriftlich erlassen wurden, so gebUhrt ihnen als solchen dennoch der apostolische Namen und die ihnen von der Gesamtkirche zuerkannte Bedeutung. In den altesten Kanonen-Sammlungen erscheinen die Kanones Apostolorum an erster Stelle angefUhrt. Nur in der Anzahl der Kanones liegen Unterschiede vor; wahrend die orientalische Kirche, von ihrem Beginne bis heute, 85 Kanones Apostolorum anerkennt, .finden wir in den alten abendUindischen Sammlungen deren nur fUnfzig. Dieser Unter-

, 22. Die Kanones.

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ued1 mag auch in der Verschiedenheit der in den ersten jahrhunderten der Kirche bestandenen Kanonen-Sammlungen zu suchen sein 3 Durch den 2. Kanon des Trullanischen Konzils wurden diese Kanones, fOnfundachtzig an der Zahl, feierlich bestatigt, und neben den Kanones der Konzilien und der heiligen Vater angenommen; seither werden dieselben in allen Kanonen-Sammlungen der orientaliscpen Kirche an erster Stelle angefiihrt 4. In der Krmcija (1. Kapitel), in der Kniga pravil und im Pedalion stimmt die Anzahl der Kanones Apostolorum iiberein; nur im Vergleiche zum Athenisclzen Syntagma ist die Reihenfolge bezOglich des 64., 65. und 66. Kanan eine verschiedene. Der 64. Kanan in dem Syntagma niimlich entspricht in den erwahnten Sammlungen dem 65. Kanon, der 65. dem 66., und der 66. dem 64. Kanan; weiterhin stimmen die Kanones Uberein. In der Indreptarea legji ist die Zahl der Kanones Apostolorum auf 83 vermindert. Die slavische Krmcija zahlt Oberdies noch einige, das 2., 3. und 4. Kapitel derselben bildende Kanones unter dem Namen der heiligen Apostel; niimlich 17 Kanones des Apastel Paulus (Kap. 2), 17 Kanones von Petrus und Paulus (Kap. 3), und 2 Kanones der heiligen Apostel insgesamt (Kap. 4). Diese aus dem VIII. Buche der sogen. !Constitutiones Apostolorum entlehnten Kanones wurden in die von Aristenus kommentierte Synopsis, welche, wie spater ausgeftihrt wird, die Grundlage unserer Krmcija und der Indreptarea legji bildete, aufgenommen ; doch sind die gedachten Kanones in der letzteren Sammlung nicht enthalten 11. Diese Kanones sind jedoch nicht bindend; denn in dem 2. Kanon des Trullanischen Konzils wird der Quelle, aus welcher sie stammen, jede juristische Bedeutung aberkannt. Zonaras auBert sich riicksichtlich derselben folgendermaBen: ,Nachdem der 2. Kanan des sechsten Konzils eine derartige VerfUgung enthalt und auBer jenen fiinfundachtzig Kanones nirgends andere apostolische Kanones erwahnt. sollen keine anderen den apostolischen Namen filhrende Kanones angenommen werden; diese so lien vielmehr als falsch angesehen und verworfen werden; denn sie fUhren falsche Titel, sind entstellt, und nicht in die
3 Erzbischof P. de Marca von Paris (Op. cit. lib. Ill. cap. II. n. 7) sagt da6 Dionysius Exiguus, welcher zuerst das Abendland mit den apostolischen Kanones bekannt machte, in seine Sammlung nur 50 Kanones aufnehmen und die letzten fiinfunddreiBig aus dem Grunde weglassen muBte, wei! dieselben mit den Gewohnheiten der abendlandischen Kirche nicht iibereinstimmende Satzungen enthielten und wei! namentlich der 66. Kan. ingratus Romanis auribus ware. In dem Decretum Gratiani c. 7. D. 15. cf. c. 5. D. 16 ist der 2. Kan. des Trullan. Konzils angefiihrt, in welchem 85 Kanones Apostolorum erwiihnt werden (Ed. A. L. Richter, col. 38-39). Diese pseudo-apostolischen Kanones sind in dem Ath. Synt. IV, 399-403 enthalten. Pitra Op. cit. 64 sq.; Beveregii, Pandectae. II. Bd., nach S. 188. &'

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kircbenrechts.

Zahl der von den heiligen und g5ttlichen Vatern genehmigten Kanones aufgenommen" s. II. Die Kanones der allgemeinen Konzilien ('Xll.V6vsc; t(0\1 sprov ot'Xl)OlJ.&:'Yt'ltro'\1 aov6amv) 7 Von der orthodox-orientalischen Kirche werden sieben allgemeine Konzilien, welche in der Zeit vom Jahre 325 bis zum Jahre 787 abgehalten wurden, anerkannt. Nur von sechs dieser sieben Konzilien, welche sich anlaBlich des Auftauchens verschiedener lrrlehren in der Kirche versammelten, sind die Kanones erhalten, namlich vom I. Konzile zu Nicaa, vom I. Konzile zu Konstantinopel, vom Konzile
e Atb. Synt. II, 111. Vergl. den Artikel ,Ober die allgemeinen Konzilien" in meiner Ausgabe ,Pravi/a s tumacenjima." I, 13-19; den Artikel von T. Barsov, 0 vselenskih soborach im ,Hristianskoje Ctenije" fiir das jahr 1869. II, 191 u. ff. 'Aosa1totov, 1tspt troY s; ol.MDp.svtxii>v l:Dv6ooov. Ath. Synt. I, 375; ]. Harduini, Conciliorum collectio. IV, 1486; C. Voelli et H. justelli, Bibliotheca juris canonici veteris. Lutet. Paris. 1656. n, 1161; ci>oottOtl 1tspt tii>Y E1t'ttX Ol'l!.OO(J-SYt'l!.OOY ~'>YOO(l)Y. Ath. Synt. I, 375. Harduini IV, 1463. Voelli et justelli II, 1141; NstAOtl M1Jtpo1toAtt01) 'P6ooo At~"("tjOtc; aovo1ttt'l!.~ 1tspt trov &"(toov xod o1xoop.svtxii>v ~r.w6ooov. Ath. Synt. I, 389; Harduini IV, 1479; Voel/i et juste/li II, 1155; ~tlYOotx6v, (Libellus synodicus) Harduini IV, 1491; Voelli et justel. II, 1166. Ober diese letztere Sammlung, welche von 153 Konzilien, von dem apostolischen Konzile zu jerusalem im jahre 49 bis zum Konzile vom jahre 877 (al. 879), handelt, siehe Hejele, Konziliengeschichte. I. 84. Die beste bisher iiber die Konzilien erschienene Arbeit ist die ,Konziliengeschicbte" des verstorbenen Rottenburger Bischofs Dr. Hejele. Uns liegt eine franzosische Obersetzung derselben in 12 Blinden (Paris 1869-78) vor, welche die Zeit vom Beginne der Kirche bis zum Schlu.Be des Baseler Konzils (1431-1449) umfa.Bt. Von der deutschen Ausgabe (Freiburg im Breisgau, 1873-1890} besitzen wir die ersten 9 Blinde, von deren die zwei letzten vom Kardinal HergenriJther verfasst sind. Dr. Hefele, der durch viele seiner Arbeiten bekannt ist, wird als einer der gelehrtesten Theologen der romisch-katholischen Kirche angesehen. Als griindlicher Kenner der Geschichte, hat er sich zur Zeit des vatikanischen Konzils als ein entschiedener Gegner der Unfehlbarkeit gezeigt, und hat damals eine uns in deutscher Obersetzung vorliegende Schrift unter dem Titel ,Honorius und das sechste allgemeine Konzil" (Tiibingen 1870) herausgegeben, in welcher er auf Grund eines Beispiels aus der Geschichte nachweist, daB selbst ein Papst fehlen kann. Nach seiner Riickkehr in seine Diozese (1871) anerkannte er die vollendete Tatsache und trachtete in einem seiner Hirtenbriefe die Entscheidung des VI. allgemeinen Konzils mit jener des vatikanischen Konzils in Obereinstimmung zu bringen. Riicksichtlich der allgemeinen Konzilien verdient noch das Werk des Professors Dr. Michaud, unter dem Titel ,Discussion sur les sept Concils oecumeniques" (Bern 1878}, welches der Vereinigung der Kirchen gewidmet ist, erwahnt zu werden. Die Arbeit ist eine schi:ine Leistung; nur iiberschreitet der Verfasser die Orenzen des von ihm eingenommenen ,traditionellen Gesichtspunktes" und stellt sich mit Vorliebe auf den ,liberalen Standpunkt (au point de vue liberal)", so zwar, daB das Werk nicht immer einer streng wissenschaftlichen Kritik standhalten kann. Hiebei ist jedoch in Erwllgung zu ziehen, da6 der Verfasser schweizeriscber Altkatholik und sein Werk als Protest gegen das vatikanische Konzil, vom Standpunkte der liberalen deutschen Katholiken sich darstellt, daher muB das erwlihnte Werk auch von dieser Seite beurteilt werden.
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. 22. 2. Die Kanones.

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zu Ephesus, von jenem zu Chalcedon, vom Trullanischen Konzile und vom II. Konzile zu Nicaa . . Da das II. und III. Konzil von Konstantinopel keine Kanones erlassen haben, wurden zur Erganzung dessen, was diese Konzilien versaumten, die Vater des III. Konzils von Konstantinopel zum zweitenmale ebendahin berufen, woselbst sie sich im Vereine mit noch anderen Bisch<>fen in demselben kaiserlichen Saale (Tpo6A.Aov), in welchem sie sich bereits das erstemal einfanden, im Jahre 691-692 versammelten und die betreffenden Kanones erlieBen. Der Aufgabe dieses Konzils entsprechend, werden die Kanones desselben entweder als Kanones des seclzsten Konzils oder als Kanones Concilii Quinisexti, oder des Trullanisclzen Konzils bezeichnet. 1. Das erste Konzil zu Niclia, das erste allgemeine KonzifB. Dieses Konzil wurde durch das Auftreten der Irrlehre des Arius, Presbyters in Alexandria, veranlaBt. Urn die Lehre des Arius, welche bereits eine groBe Menge von Anhangern zahlte und mit der allgemeinen Oberflutung drohte, als eine falsche darzutun, faBten die orthodoxen Bischofe den BeschluB, ein allgemeines Konzil einzuberufen, auf welchem durch die Stimme der Gesamtkirche die orthodoxe Lehre gegen die lrrlehre des Arius befestigt werden sollte. Kaiser Konstantin billigte das bezUgliche Streben der BischlJfe, und das Konzil trat im Jahre 325 zu Niclia, der Hauptstadt Bithyniens, zusammen. Die Zahl der anwesenden Vater betrug im ganzen 318, unter welchen als die hervorragendsten zu nennen sind: Alexander, Bischof von Alexandria, Eustathius, Bischof von Antiochia, Makarius, Bischof von Jerusalem; der Bischof von Rom, Sylvester, war durch zwei besondere Legaten vertreten, namlich durch den Presbyter Viktor und Vincentius. Durch ihre Frommigkeit ausgezeichnete Teilnehmer waren: Nikolaus von Myra, Spiridion von Cypern, Paphnutius von Theben, Osius von Korduba und andere. Seitens der Arianer waren ungefiihr 20 BischOfe anwesend. Neben den Bischofen haben auch einige Priester und Diakonen teilgenommen, unter welchen sich der junge Archidiakon der Kirche zu Alexandria, Athanasius, durch sein tiefes theologisches Wissen und seine Rednergabe auszeichnete. Die erste feierliche Sitzung hat am 20. Mai 325 stattgefunden. Das Konzil dauerte bis zum 25. August desselben Jahres. Den Vorsitz fiihrte Eustathius Bischof von Antiochia, und in dessen Abwesenheit der
8 Ober das I. allgemeine Konzil siehe ,Djejanija vselenskih soborov v russkom perevodje (Acten der allgemeinen Konzilien, in russischer Obersetzung)" [Kazan 1859-73], verfaBt nach den Konzilien-Sammlungen Labbei et Cossartii (1671) und Harduini. Tom. I. S. 32-203; Harduini, Concil. Coli. I, 309. sq. Vergl. Hejele, Konciliengeschichte. I, 252 u. ff.; IT7JOtXAtoY. l:eA.. 118 'lttA. Beziiglich der dogmatischen Frage dieses Konzils ist noch zu vergl. Chr. W. F. Walch, Entwurf einer vollsUlndigen Historie der Ketzereien. XI. Th. Leipzig 1762-85. II, 385 u. ff. und Dr. ]. Schwane, Dogmengeschichte der patristischen Zeit. Miinster 1869. S. 108 u. ff.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Bischof Alexander von Alexandria. Den Ehrenvorsitz fiihrte der Kaiser. In der am 19. Juni stattgehabten Konzilsitzung wurde nach Beratung der Hauptfrage das orthodoxe Symbolum dargelegt. Dieses Konzil erlieB 20 Kanones, welche Anzahl in allen KanonenSammlungen, sowohl der morgenHindischen als auch der abendHindischen Kirche, iibereinstimmend angefiihrt wird. In der Krmcija bilden diese Kanones das 5. Kapitel. In der Konzilien-Sammlung Harduins finden wir viele andere als Nidinische bezeichnete, aus dem Arabischen iibersetzte Kanones. Die erste, 80 Kanones umfassende Obersetzung riihrt von Turrianus her; eine zweite, 84 Kanones enthaltende Obersetzung vom Maroniten Abraham Echellensis 11. Doch sind diese und andere Kanones, mit Ausnahme der erwahnten zwanzig, apokryph to. 2. Das erste Konzil zu Konstantitzopel, das zweite allgemeine Konzfltt. AnUiBiich des Auftretens der Irrrlehre des Bischofs Macedonius von Konstantinopel, berief Kaiser Theodosius, tiber Ansuchen der orthodoxen Bischofe, im jahre 381 ein Konzil nach Konstantinopel. An demselben haben 150 orthodoxe BischOfe aus dem morgenUindischen Teile der christlichen Welt teilgenommen. Die Tatigkeit des Konzils begann im Monate Mai und endete am 9. Juni des erwahnten jahres. Den Vorsitz fiihrte Meletius von Antiochia, nach dessen Tode Grcgorius von Nazianz, und nach diesem Nektarius von Konstantinope\. Der Eroffnung des Konzils wohnte der Kaiser bei. Nach der Verurteilung des Macedonius wurde die Erganzung des nicanischen Glaubens-Symbols erlassen. Vor Beendigung des Konzils wurden sieben Kanones erlassen, welche Zahl auch in die fundamentale Kanonen-Sammlung aufgenommen wurde; die gleiche Zahl findet sich auch in der Kniga pravil und im Pedalion. Die Krmcija (Kap. 11) und die Indreptarea zahlen acht dieser Kanones, was wohl davon herriihren mag, daB in der Synopsis, welche die Grundlage dieser Sammlungen bildet, der lctzte (7. Kanon) in zwei Kanones zerfallt. Die abendlandischen Sammlungen enthalten nur die vier ersten Kanones dieses Konzils, wahrend die drei letzten Kanones als nicht auf diesem Konzile erlassen, sondern als spatere Zusatze betrachtet werden tz.
9 10

Harduini. I, 463. Vergl. die AuBerung des Beveregius tiber die arabische Ausgabe. Pandectae.

I, 686.

Djejanija vsel. soborov. I, 229 u. ff.; Harduini. I, 897 sq. Vergl. Hefele, Konziliengeschichte. II. 1. u. ff.; TI1j5if.wv. l:sf.. 153. 'X.tA.; Walch, Op. cit. Ill. 79 u. ff.; Schwane, Op. cit. S. 217 u. ff. 1 " Hefele, Konziliengeschichte II, 12 u. ff. In Harduini. I. 87 sq. ist eine Paraphrasis arabica Josephs von Epypten der auf vier herabgeminderten 6 ersten Kanones enthalten. Der 7. Kanon fehlt. Vergl. Beveregii. Pandectae. I, 700.

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, 22. 2. Die Kanones.

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3. Das Konzil zu Ephesus, das dritte allgemeine Konzif1B, Fnnfzig jahre nach dem zweiten allgemeinen Konzile machte sich, anUiBlich des Auftauchens der Irrlehre Uber die Christologie, die Notwendigkeit der neuerlichen Einberufung eines Konzils geltend. Kaiser Thedosius 11. berief dieses Konzil nach Ephesus, wo dasselbe am 22. juni 431 eroffnet, und nach Abhaltung von sieben Sitzungen, am 31. Juli desselben jahres geschlossen wurde. Die Zahl der zum gr5Bten Teile orientalischen Vater, welche an diesem Konzile teilnahmen betrug 200. Den Vorsitz fUhrte Cyrillus von Alexandria. Der Bischof Colestin von Rom war durch drei Legaten vertreten. Nachdem die gedachte Irrlehre und ihr haupsachlichster Forderer, der Erzbischof Nestorius von Konstantinopel, verurteilt war, befaBte sich das Konzil, nach Befestigung des orthodoxen Glaubensbekenntnisses, mit der Entscheidung von einigen die Disziplin betreffenden Fragen. In den orientalischen Kanonen-Sammlungen werden 8 Kanones dieses Konzils angefUhrt. Die ersten sechs Kanones sind nicht disziplinarer Natur, sondern beziehen sich auf Glaubensfragen, anlliBlich der aufgetretenen Irrlehre. Der 7. Kanon handelt von der Art und Weise der unversehrten Bewahrung des festgesetzten Glaubens-Symbols ; der achte verfiigt die SelbsUindigkeit des Bischofs von Cypern. Kanonische Bedeutung besitzt auch das von diesem Konzile, anUiBlich der Demission des Bischofs von Pamphylien, Eustathius, an die dortige Synode gerichtete Sendschreiben. In der Krmcija (Kap. 12) und in der lndreptarea wird dieses Sendschreiben, mit Riicksicht auf dessen Bedeutung als 9. Kanon des Konzils von Ephesus 14 angefUhrt. In den KanonenSammlungen der abendHindischen Kirche kommen diese Kanones nicht vor; nur in einzelnen lateinischen Handschriften sind Ausziige aus den Konzilien-Akten in der einen oder anderen Form vorfindlich 11>, 4. Das Konzil zu Chalcedon, das vierte allgemeine Konziftn. Durch die Verurteilung des Nestorius auf dem ephesinischen Konzile war die wichtige christologische Frage noch nicht ausgetragen. Eutyches, Archimandrit eines Klosters in der Nahe von Konstantinopel, trat mit einer neuen Irrlehre auf, welche die Einberufung eines allgemeinen Konzils
1'1 Djejanija vsel. soborov I, 131 u. ff.; Harduini. I, 1271 sq. Vergl. ll1JMALOII. Isl.. 166 x.tl..; Hefele, Konziliengeschichte. II, 141 u. ff.; Walch, Op. cit. V, 289 u. ff. ; Schwane, Op. cit. S. 409 u. ff. u Vergl. unseren Kommentar zu diesem Sendschreiben in ,Pravila" I, 306-325. 15 Siebe Maassen, Op. cit. 108-109. 136-137. 472. 545. 949. Beveregii, Pandectae. Tom. II. Annot. in 1. can. Ephes. pag. 104. 16 Djejanija vselen. soborov. IU, 24. bis zum Schlu8e; IV, 5. bis zum Schlu6e; liarduini. II, 1 sq. Verg. Hejele, Konziliengeschiebte. II, 313 u. ff.; IT1jMI.tov. ~sA. 180 x:rJ...; Walch, Op. cit, VI, 3 u ff.; Schwane, Op. cit, S. 453 u. ff.

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I. Tell. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

veranlaBte. Dieses durch Kaiser Marcian nach Chalcedon einberufene Konzil begann seine Tatigkeit am 8. October 451, und wurde nach Abhaltung von 16 Sitzungen am 1. November desselben jahres geschlossen. An diesem Konzile haben 630 Vater teilgenommen. Die abendlandische Kirche war durch fiinf r6mische Legaten vertreten. Die Geschaftsleitung war Anatolius von Konstantinopel, den alteren Legaten des Bischofs von Rom Paschasinus und Lucentius, ferner Maximus von Antiochia und juvenal von Jerusalem iibertragen. Nach Er6rterung der Lehre des Eutyches wird derselbe als Haretiker erkHirt und das betreffende Glaubensdogma befestigt. In den zwei letzten Sitzungen wurden vom Konzile 30 Kanones erlassen, d. h. es wurden in diesen Sitzungen nur 28 Kanones herausgegeben, wahrend der 29. und 30. Kanon in der vierten Sitzung des Konzils verfaBt und den erwahnten Kanones hinzugefUgt wurden. Die Krmlija, Kniga pravil, das Pedalion und die Indreptarea enthalten die gleiche Anzahl von Kanones des chalcedonischen Konzils. In den abendlandischen Kanonen-Sammlungen erscheinen nur 27 Kanones dieses Konzils aufgenommen, wahrend die zwei letzten Kanones, der 29. und 30., wahrscheinlich aus dem Grunde nicht angefiihrt werden, wei! sie nicht ausdriicklich in der Form von Kanones erlassen wurden; der 28. Kanon wird deshalb eliminiert, wei! die r6mischen Legaten auf diesem Konzile gegen diesen Kanon, in welchem sie eine Verletzung des Primats des Bischofs von Rom erblickten, protestierten 17. 5. Das Trullanische Konzil, das allgemeine Concilium Quinisextum. Dieses unter dem allgemeinen Namen ,Trullanisches Konzil" bekannte Konzil hatte die Aufgabe, das V. und VI. allgemeine Konzil, was das Erlassen von Kanones anbelangt, zu erganzen, indem sich diese Konzilien ausschlieB!ich mit Fragen doktrinarer Natur befaBten und keine einzige, die kirchliche Disziplin betreffende Bestimmung erlieBen 18 Inzwischen ergab sich aber die Notwendigkeit, unter der Autoritat des allgemeinen Konzils solche Kanones zu erlassen, welche die durch die haretischen Wirren geschwachte Disziplin wieder herstellen sollten; es erwies sich als notwendig, die Kraft der Kanones der frUheren Konzilien zu erneuern, und durch neue Kanones eine strenge Ordnung in der Kirche einzufUhren. Da sich jedoch die Vater des VI. allgemeinen Konzils gleich nach
Siche den eigehenden Kommentar dieses Kanon in unserer Ausgabe ,Pravila" I, 390-423. 18 In Harduini. Ill, 1712-1715, finden sich 9 Kanones des VI. allgemeinen Konzils; doch werden dieselben, wie der Herausgeber in einer beziiglichen Bernerkung anfiihrt, irrtiimlich diesem Konzile zugeschrieben. Dieselben sind ein Auszug aus den Kanones des Bischofs Theodulph (797) an die unterstellte Geistlichkeit, und zwar aus dem 16. bis 22. 24. und 25. Kanon (Harduini. IV, 915-917).
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. 22. 2. Die Kanones.

dem Erlassen ihrer dogmatischen Konstitution trennten, ergab sich die Notwendigkeit, dieselben behufs Abfassung der betreffenden Kanones, und sonach zum Nachtragen des frUher Versaumten, wieder einzuberufen. Dieses Konzil wird gemaB der ihm zugefallenen Aufgabe Quirtisextum (llsv&ext'l)) genannt. Da dasselbe nur eine Ausdehnung des Konzils vom jahre 681 ist und auch in dem von dem letzteren benUtzten kaiserlichen Saale abgehalten wurde, werden die von demselben erlassenen Kanones als Kanones des sechsten allgemeinen, des Trullanischen Konzils bezeichnet. Ober Aufforderung des Kaisers justinianus II., versammelten sich die Vater im jahre 691 in Konstantinopel. Die Tatigkeit dieses Konzils dauerte vom 1. September 691 bis 31. August 692. Anwesend Waren 227 Vater; also um 53 mehr als im jahre 681. Personlich haben diesem Konzile beigewohnt die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandria und jerusalem; der Papst war durch die betreffenden Legaten vertreten, unter welchen der Erzbischof Basilius von Oortyna als der bedeutendste zu erwahnen ist. Nach BegriiBung des Kaisers, nahm das Konzil sofort seine Tatigkeit auf und erlieB 102 Kanones, welche in der Krmcija das 17. Kapitel bilden. In der lndreptarea wurde die Zahl derselben auf 98 reduziert. Oegenwartig wird seitens der abendU\ndischen Kirche nicht allen Kanones dieses Konzils eine fUr dieselbe bindende Kraft beigemessen. Dies war jedoch frUher nicht der Fall. An dem Konzile selbst haben die rOmischen Legaten teilgenommen, und die Unterschrift des Erzbischofs Basilius von Oortyna erscheint in den Konzilien-Akten unter den ersten. Als auf dem VII. allgemeinen Konzile, gelegentlich der Erorterung des 82. Trullanischen Kanan, diese Kanones als solche des VJ. allgemeinen Konzils erwalmt wurden, hatten die romischen Legaten gar nicht daran gedacht, Einwendungen hiegegen zu erheben. Papst Hadrian I. erkHirt in einem an den Patriarchen Tarasius und in einem weiteren an die frankischen Bischofe zur Verteidigung des VII. allgemeinen Konzils gerichteten Schreiben, daB er die erwahnten Kanones anerkenne. Ebenso laBt Papst johann VIII. bei Besprechung dieser Kanones keine Ocgnerschaft rUcksichtlich derselben erkennen. Innocenz III. erwahnt den 82. Kanan, und bezeichnet denselben als einen Kanon des VI. allgemeinen Konzils. Desgleichen hat Oratian in seinem Decretum viele Kanones des in Rede stehenden Konzils als Kanones des VI. allgemeinen Konzils angefUhrt. Im Laufe der Zeit wurden jedoch im Abendlande diese Kanones anders beurteilt, und wird rUcksichtlich der erwahnten und anderer Zeugnisse behauptet, daB die Betreffenden nur aus Irrtum diese Kanones dem VI. allgemeinen Konzile zuschrieben 19.
Siche HtjOiiAL0\1. l:eA. 215-217. In dem Werke ,Djejanija vsel. soborov" (VI, 563~573) ist ein aus der Ausgabe ,Labbe" entlehnter Artikel in Obersetzung 61
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

6. Das zweite Konzil zu Nicaa, das siebente allgemeine Konzi/20.


Dieses von der Kaiserin Irene und ihrem Sohne gegen die Bilderstilrmer einberufene Konzit, wurde am 24. September 787 eroffnet und dauerte einen Monat. In dieser Zeit wurden im ganzen 8 Sitzungen u. z. sieben in Nicaa, die achte in Konstantinopel abgehalten. Den Vorsitz fUhrte, mit Ausnahme der 8. Sitzung, welcher Kaiserin Irene mit ihrem Sohne prasidierte, Tarasius von Konstantinopel. Nach den erhaltenen Angaben bewegte sich die Zahl der anwesenden Mitglieder zwischen 330 und 367, und war die gesamte, sowohl die orientalische als auch die abendlandische Kirche vertreten. Nach Befestigung des Dogmas ilber die Bilderverehrung, wurden 22 Kanones erlassen, welche Zahl in allen Kanonen-Sammlungen der orientalischen Kirche gleichmaBig vorkommt. In den Krmcija bilden diese Kanones das 18. Kapitel. Den Kanones dieses Konzils folgt in den Sammlungen der Konzilien-Akten auch das Sendschreiben des Tarasius von Konstantinopel an den Papst Hadrian, ilber die Simonie 21. Dasselbe wurde gleich nach Beendigung dieses Konzils verfaBt und daher in den alteren Sammlungen unmittelbar nach den Kanones der VII. allgemeinen Konzils angefilhrt. Dieses Sendschreiben wird spater besprochen werden. Ill. Die Kanones der Partikular-Synoden (~rlv6vsc; t'ffiV t'07tt~&v ~tot (lSpt~mv aov6amv). Die Kanones nur jener Partikular-Synoden haben fUr die Oesamtkirche bindende Kraft, welchen dieser Charakter von der ganzen Kirche zuerkannt wurde. Es werden eilf solcher Synoden gezahlt, und zwar jene zehn, welche wir zu Beginn dieses Paragraphen erwahnten und die Synode von Karthago unter Cyprianus (im jahre 255), ilber die Ketzer-Taufe. Die Kanones dieser 11 Synoden sind im Athenischen Syntagma und im Pedalion enthalten 2~. Die slavischen und rumanischen Kanonen-Sammlungen weisen nur die Kanones von 10 Synod en auf; in denselben fehlt dcr Kanon der Synode von Karthago
enthalten, welcher gegen den allgemeinen Charakter dieses Konzils gerichtet ist. Die russischen Herausgeber obigen Werkes haben diesen Artikel aus dem Grunde angefiihrt, damit nicht gesagt werde, es sei etwas absichtlich ausgelassen worden. Derselbe Artikel ist auch bei Harduin (II, 1646-1651) vorfindlich. Vergl. auch die AuBerungen von Beveregius (Pandect. Can. II. Ap. 126) und Van Espen (Op. cit. 384-385} im Interesse des okumenischen Charakters der Trull. Kanones. Von ihrem subjektiven Standpunkte und gegen diesen Charakter der gedachten Kanones liuBeru sich Hergenrother (Photius. I, 216 u. ff.), Pitra (Juris eccl. hist. II, 4-5, 76-99) und Hejele (Konziliengeschichte. III, 328 u. ff.). Der leztere bemerkt auch tiber die Bedeutung dieser Kanones Folgendes: ,Nur aus Irrtum schrieben auch Lateiner manchmal die Kanones dieser Synode dem VI. allgemeinen Konzil zu." ~ 0 Djejanija vsel. soborov. VII, 24 u. ff.; Harduini. IV, 1 sq. VergJ. II'IJMAwY. ~EA. 314-321; Hejele, Konziliengeschichte. III, 66 u. ff.; Walch, Op. cit. X, 66. u. ff. 11 Djejanija vsel. soborov. VII, 670 u. ff.; Harduini. IV, 512 sq. n Ath. Synt. II, 647-712 u. der ganze Ill. Band. II1jMAwY. 343-542.

. 22. 2. Die Kanones.

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unter Cyprianus. Der Grund, weshalb in diesen letzteren Sammlungen die Synode unter Cyprianus weggelassen wurde, ist hauptsachlich darin gelegen, weil die Verfiigung dieser Synode, daB jeder Wiretiker oder Schismatiker, welcher sich zur orthodoxen Kirche bekehrt 2s, getauft werden miisse, fUr die Gesamtkirche nicht bind end ist; denn die besagte Verfiigung hatte nach dem Wartlaute des 2. Kanan des Trullanischen Kanzils, den Orts- und Zeitverhaltnissen entsprechend, nur fiir die afrikanische Kirchc eine Bedeutung. Balsamon sagt in seinem Kommentare zu diesem Kanon Folgendes: ,Hi emit wird bestimmt, daB diejenigen, welche sich als Haretiker ader Schismatiker zur arthodoxen Kirche bekehren, neuerdings getauft werden miissen, mogen sie auch friiher die Taufe bereits empfangen haben. Eine ganz andere Bestimmung enthalt dagegen der 7. Kanon des II. allgemeinen Kanzils hinsichtlich derjenigen, bei welchen eine zweite Taufe notwendig und bei welchen dies nicht der Fall ist; wobei derselbe einen genauen Unterschied festsetzt. Man lese daher diesen Kanon, und halte sich an den spater erlassenen Kanon. Man lese auch den 2. Kanan des Trullanischen Konzils, urn hieraus zu ersehen, daB dasjenige, was dieses Sendschreiben {beziehungsweise der Kanon der Cyprian-Synode) anfiihrt, nicht von allen Vatern angenommen wurde; denn in demselben (im 2. Trullanischen Kanon) heiBt es: ,,der Kanon, welcher durch Cyprianus, den ehemaligen Erzbischof des afrikanischen Gebietes und Martyrer, und durch seine Synode erlassen wurde, und nur an den Orten der dart erwahnten Vorsteher der Uberlieferten Gewohnheit nach bewahrt wird."" Hieraus folgt, daB dieser Kanon zu Anfang nicht einmal bei ihnen allen in Gebrauch war .... Nachdem aber der 7. Kanon des II. Konzils eine von der Bestimmung dieses Sendschreibens, betreffend die Haretiker und Schismatiker, welche sich zum Glauben bekehren, ganz verschiedene Anardnung enthalt, ist die VerfUgung desselben aufgelassen" 24.
23 Atli tof>to ijp. et; o[ aiw Kupt1 > oYte~, 'X.txl SYOt"ljttx Kupou 'X.pato5Yte;, 'X.ai. 'X.at&: rijv O:;tav rxoto5 )(OPlJro6p.eYot, rijv [eprxteEaY aotoo av tij 5-x.Y.ljatrx AettouprofiYtS4':, oatx o[ tXYtt'X.e[p.eYot IXOttj>, tOt>t<~att itOAS(LtOt, ')(.txt &Ytt)(ptatot itotof>aw, &;ro8o'X.tp.6.aat 'X.oti. &7t07tat'i)aott 'X.IXt &;ropp[~at, Mt li>4': ~S~"tjAIX szew ~'fSlAO(LI>Y. Krxl 't0L4': tXitO itMYlj~ 'X/J.t atps~AO'tlj't04': Sp)(O(LSYOt~ Sitt rvooaet 't'ij~ tXA"Ijirtvi)~ 'lttxl h'X.A"Ijat!Xatt'lt~~ ;r[atsro~, 8o5Ytxt 'lta36A.ou -&sEa~ 8uv!Xp.sro~ p.uat1jpLOY1 aY6tljt6; ts, Ml 7ttatsro~ Ml. &>..lj-8-StiX~. Ath. Synt. III, 5. 6. Die Verfiigung dieser

Synode ist in der Form des Sendschreibens ad Januarium et caeteros episcopos Numidas de baptizandis haereticis erlassen. Dieselbe ist auch unter den Senschreiben des Cyprianus sub Nr. 70 in der Ausgabe Migne (III, 1071 sq.) enthalten. 2' Ath. Synt. Ill, 19. In der Ausgabe Harduins (l, 154 sq.) sind anHiBiich der Frage iiber die Ketzertaufe drei Synoden von Karthago, unter welchen auch die in Rede stehende Synode, angefiihrt, und in einer Marginal-Anmerkung heiBt es "haec tria de baptismo concilia ecclesia non recepit". Dieser Kanon der Synode von Kar-

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

pie J(anones der nachfolgenden zehn Synoden wurden von der Oesamtl<irche angenommen: 1. Die Synode zu Ancyra 25. Als nach den Christenverfolgungen unter Maximin der Friede wieder hergestellt war, strebten viele Christen, welche, sei es aus Furcht sei es aus anderen GrUnden, von der Kirche abgefallen waren, nach der Wiederaufnahme in dieselbe. Die Frage, ob und wie dieselben, mit Riicksicht auf die zur Zeit ihres Austrittes bestandenen Verhaltnisse, wieder in die Kirche aufzunehmen seien, war im allgemeinen unter den Bischofen nicht geklart, weshalb zur Losung dieser Frage eine Synode nach Ancyra in Oalatien im jahre 314 einberufen wurde. An derselben haben 18 Bischofe aus Kleinasien und Syrien unter dem Vorsitze des Bischofs Vitalis von Antiochia teilgenommen. Es wurden im ganzen 25 Kanones erlassen, von welchen die neun ersten und der 12 Kanon auf die Frage Bezug haben welche die Synode veranlaBte, wahrend die iibrigen Kanones von der allgemeinen kirchlichen Disziplin handeln. In der KrmCija bilden diese Kanones das 6. Kapltel. 2. Die Synode zu Neocasarea 2s wurde nach der Synode von Ancyra, in ner Zeit zwischen 314 und 325 abgehalten. An derselben haben unter Vorsitz des Vitalis, der auch bei der Synode von Ancyra den Vorsitz ftlhrte, 24 Bischofe teilgenommen. Die Zahl der hiebei erlassenen Kanones betragt fiinfzehn, welche das 7. Kapitel der Krmcija bilden. 3. Die Synode zu Gangra 21. AnlaBlich des Auftretens des Bischofs Eustathius von Sebaste, eines Semiarianers, sowie seiner Nacheiferer, welche einen iibertriebenen Asketismus predigten und hiedurch eine groBe Verwirrung in der Kirche verursachten, wurde urn die Mitte des IV. jahrhunderts, beilaufig im jahre 340, die Synode zu Oangra, der Hauptstadt .Paphlagoniens, abgehalten. Den Vorsitz fiihrte Eusebius von Nikomedien unter Teilnahme von 13 Bischofen. Die Kanonen-Sammlungen fiihren 21 Kanones dieser Synode an, namlich zwanzig gegen
thago ist auch in der urspriinglichen Redaktion des Nomokanon in XIV Titeln nicht enthalten wohl aber in den spateren Ausgaben und auch in jener von Athen (1, 273); der~lbe ist, wie dies von Gelehrten schon lange bemerkt wurde und auch von uns spater dargetan werden wird, jedenfalls ein spaterer Zusatz. Vergl. unter anderen Heimbach, Griech.-rom. Recht (Ersch u. Gruber, Allgemeine Encyklopadie. Bd. 86. S. 378). Das Ath. Synt. hat die erwahnte Stelle im Nomokanon in XIV Titeln (1, 273) nach der Trapezunter Handschrift, nach welcher dasselbe zum graBen Teile gebildet ist, angefiihrt, und auch diesen Kanon der Synode von Karthago (III, 2-6) der archaologischen Bedeutung wegen aufgenommen. 25 TI1JMAtoY. 371; Harduini. I, 269; Pitra, Op. cit. Annotat. 1, 448; Hejele, Conziliengeschichte. I, 219 u. ff. 26 II1JMA.tov. 385; Harduini. l, 281; Pitra. 1, 454; Hejele. l, 240 u. ff. 27 TI1J~ifA.tov. 395; Harduini. l, 529; Pitra. l, 487; Hejele. l, 777 u. ff.

. 22. 2. Die Kanones.

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die Anhanger des Eustathius gerichtete Kanones; der einundzwanzigste Kanon bildet den Epilog zu sarntlichen Kanones. Die gleiche Zahl und Reihenfolge der Kanones, enthalt die Kniga pravil und das Pedalion. Anders verhalt es sich aber in der lndreptarea und irn 8. Kapitel der KrmCija, woselbst diese Kanones gleichfatls angefilhrt sind. Am Anfang finden wir den Titel des Sendschreibens der Synode an die arrnenischen Bischofe zs, sodann folgen in der ersteren Samrnlung 20, in der letzteren 19 Kanones. Dies hat den Grund darin, daB die Synopsis, welche die Grundlage der einen und der anderen Sarnrnlung bildet, bloB 20 Kanones zahlt, und daB in der zweiterwahnten Samrnlung der 9. mit dern 10. Kanon verbunden ist. 4. Die Synode zu Antiochia 29, AnUiBlich der Einweihung der neuen Kirche zu Antiochia, versarnrnelten sich urn die Mitte des jahres 341 daselbst an 100 BischOfe, welche sich nach vollzogener Weihe zu einer Synode vereinigten, urn Vorschriften fiber die GleichfOrrnigkeit der kirchlichen Verwaltung zu erlassen. Den Vorsitz hiebei fiihrte Plaketus, Bischof von Antiochia. Es wurden 25 Kanones erlassen, welche alle in die allgernein-kirchliche Kanonen-Sarnrntung aufgenornrnen wurden, und sowohl irn Orient als auch irn Occident sich einer besonderen Beachtung erfreuen. Diese Kanones bilden das 9. Kapitel der Krmcija. 5. Die Synode von Laodicea so. Urn das Jahr 343 wurde von vielen BischOfen Kleinasiens in Laodicea, dem Hauptorte Phrygiens, eine Synode abgehalten, auf welcher 60 Kanones verschiedenen lnhalts ertassen wurden, welche alle, wenngleich in verschiedener Verteilung, in den Kanonen-Sammlungen Aufnahrne fanden. Im Pedalion und in der Kniga pravil stimrnt die Zahl iiberein. In der Krmcija bilden 58 Kanones dieser Synode das 10. Kapitel, doch sind dern lnhalte nach aile Kanones in derselben enthalten. Die lndreptarea zahlt 59 Kanones dieser Synode, was dern Umstande zuzuschreiben ist, daB die heiden letzten Kanones zu einem Kanon verschrnolzen sind. 6. Die Synode zu Sardica 31. An der Grenze zwischen dern ostlichen und westlichen Teile des griechisch-romischen Kaiserreichs, zu Sardica (heute Sophia), versammelte sich irn jahre 343 32 eine zahlreich besuchte
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Ath. Synt. Ill, 98-100; Pitra. l, 487-488; Harduini. l, 529-531. II1jtW..tov. 405; Harduini. l, 589; Pitra. l, 455; Hefe/e. l, 502 u. ff. II1JtliAtov. 420; Harduini. I, 778; Pitra. l, 494; Hefe/e, I. 746 u. ff. fl-~taAto\1. 443; Harduini. I, 635; Pitra. l, 468; Hejele. I, 533.

lm allgeme en wurde bis in die letzte Zeit an der Ansicht festgehalten, daB diese Synode im jahre 347 abgehalten worden sei,wobei man sich zunachst auf die in der Kirchengeschichte des Sokrates (II, 20) enthaltene Angabe, daB ,annus tunc agebatur undecimus ab obitu parentis duorum Augustorum" stiitzte, woraus mit Riicksicht auf das Todesjahr dieses ,parens" (Konstantin d. Gr.), namlich 337, das Jahr 347 resultierte; sodann auch auf die Kirchengeschichte des Sozomenus liii, 12), in welcher es heiBt: ,Haec synodus congregata est, Rufino et Eusebio

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Synode in der Absicht, urn beziiglich Athanasius des GroBen, zwischen den, durch die arianischen Intriguen untereinander zerfahrenen orientalischen und abendlandischen Bischofen, die Eintracht herzustellen. Diese Synode zahlte im ganzen 376 Mitglieder, unter welchen sich 300 lateinische und 76 orientalische Bischofe befanden. Den Vorsitz fiihrte der bereits vom Konzile zu Nicaa bekannte Osius, Bischof von Corduba. Nach Verwerfung aller gegen Athanasius vorgebrachten Klagen und Bestatigung des Nicanischen Symbols, wurden von der Synode 21 Kanones, die kirchliche Disziplin betreffend, erlassen, welche samtlich in die allgemein-kirchliche Kanonen-Sammlung aufgenommen wurden. In den heutigen Kanonen-Sammlungen besteht nur bezliglich der Zahl der Kanones eine Verschiedenheit, wahrend samtliche dem lnhalte
consulibus, anno undecimo post obitum Constantini" (Ed. Migne). Dieses Jahr wird beispielsweise auch angefiihrt in den Geschichtswerken von Ab. Fleury, Histoire eccles. I, 507, A. Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche. IV, 70, ]. Gieseler, Lehrbuch der Kirchcngeschichte (6 Bde. Bonn 1844-55.) I. Bd. II. Abtheilung. S. 54, K. R. Hagenbach, Kirchengeschichte (7 Bde. Leipzig 1869-72). I, 380, K. A. Hase, Kirchengeschichte, (Leipzig 1877) S. 162.- W. Guettee (Histoire de I' eglise. lll, 142. 504) nimmt das Jahr 346 an und M. (11ctt(,tapztxot 7ttvaxz~. Kwvatavttvo6m;At~ 1887. I, 118) sogar das Jahr 348. Den Historikern schloBen sich auch die Kanonisten an, und nahmen auch die Herausgeber der Kniga pravil, dcr offiziellen rusischen Kanonen-Sammlung, das Jahr 347 an; ebenso auch die Herausgeber des Pedalion. Diese letzteren versuchen iiberdies noch andere Zeugnisse anzufiihren, urn darzutun, daB diese Synode geradc im Jahre 347 abgehalten wurde. Der beriihmte Hcrausgeber der Konzilien-Sammlung, ]. Mansi, hat auf Grund der von dem Veroneser Gelehrten Maffei entdcckten und herausgegebenen sogen. Historia acephala seine Ansicht dahin ausgesprochen, daB diese Synode nicht im besagten Jahre stattfindcn konnte, sondern 3 Jahre friiher, also im Jahre 344. In neurer Zeit haben die Mansischc Ansicht unter anderen auch Hefele in seiner Konziliengeschichte (1. c.), und Kard. Pitra in seinem erwahnten Werke (1, 484) angenommen. Wir haben auch sowohl in der ersten als in dcr zweiten Auflnge unseres ,Zbornik" das Jahr 344 angenommen. Doch erscheint auch dieses jahr nicht ganz verHIBiich; denn auf Grund dcr Ausgabe von Cureton, , The Festal Lettres of Athanasius, discovered in an ancient Syriac version" (London 1848), welche von Prof. Larsow in Berlin (1852) in deutscher Obersetzung unter dem Titel ,Die Festbriefe des heil. Athanasius, Bischofs von Alexandria" herausgegeben wurde, sowie im Hinblicke auf die Analyse dieser Oster- oder Festbriefe, muB heute mit ausreichender Bestimmtheit angenommen werden, daB die Synode von Sardica nicht nach dem jahre 343 stattjinden konnte. Ocr ehemalige Professor in Wiirzburg, nunmehr verstorbene Kardinal Dr. Hergenrother schlagt in seinem ,Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte" (II. Auflage. Freiburg i. B. 1879-80. Bd. I, S. 247. Cf. Ill. Supplement-Bd., S. 103), unter Berufung auf Hefele, den Mittelweg ein, indem er sagt: ,Diese (die groBe Synode zu Sardica) kam auch im Spatjahre 343 zustande und dauerte bis in den Friihling des folgenden jahres." Die Basis fiir seine Bchauptung, daB diese Synode gerade bis zum Friihjahre 344 dauerte, fiihrt derselbe nicht an. Ober die Kanones dieser Synode vgl. die Vortrage /. Friedrich's in den histor. Klasse der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften (Sitzungsber. 1901. Heft lll. S. 417-476. und 1902. H. Ill. S. 383-426).

rzosow

. 22. 2. Die Kanones.

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nach in denselben vertreten sind. Die lndreptarea z~hlt aile Kanones der Reihe nach auf. Im Pedalion erscheinen nur 20 Kanones angefUbrt; bier fehlt namlich der 18. Kanon, wodurch aber bei dem Umstande, daB derselbe mit dem nacbfolgenden 19. Kanon, welcher die gleiche Materie behandelt, in unmittelbarem Zusammenhange steht, der Inbalt der Kanones in keiner Weise beeintrachtigt wird. DaB die Kniga pravil gleichfalls nur 20 Kanonen dieser Synode zahlt, hat darin seinen Grund, daB der 18. und 19. Kanon zu einem, namlich dem 18. Kanon, verschmolzen sind. Der Grund hiefiir ist derselbe wie im Pedalion. In der Krmcija, welcbe 21 Kanones dieser Synode zahlt, ist die Reibenfolge eine divergierende. 7. Die Synode zu Konstantinope[ss. AniaBlich des Streites zwischen den Bischofen Agapius und Bagadius, welche beide Anspriiche auf den Thron des Metropoliten von Bostra in Arabien geltend machten, versammelte sich im Jahre 394 zu Konstantinopel eine Synode zur Austragung dieses Streites. An derselben beteiligten sich Nektarius von Konstantinopel, Theophilus von Alexandria, Flavian von Antiochia und andere 17 Bischofe. Diese Synode, welcher Nektarius pr~sidierte, hat entschieden, daB ein Bischof durch die Synode vieler und nicht bloB dreier Bischofe abgesetzt werden konne. Diese Entscheidung wurde als ein besonderer Kanon erlassen, der in der allgemein-kirchlichen KanonenSammlung Aufnahme fand. In den heutigen Sammlungen ist dieser Kanon in verschiedenartiger Form entbalten, und erscbeinen groBtenteils nur Brucbstilcke aus dem vollen Texte desselben aufgenommen. Im Pedalion ist derselbe in zwei Kanones geteilt; der eine enthalt den Antrag des Bischofs Arabian us, welcher die Bestimmung des Konzils von Niclia erwahnt, daB namlicb zwei Bischofe einen dritten weder ein- noch absetzen konnen, der andere ist aus dem Endurteile des Vorsitzenden der Synode gebildet. Die lndreptarea, die Krmcija und Kniga pravil filhren nur einen Kanon in sehr gekilrzter Form an. In der letzten Sammlung besteht die erste Halfte dieses Kanon aus dem Endurteile des Nektarius, die zweite aus dem beziiglichen Antrage des Theophilus von Alexandria. 8. Die Synode zu Karthago 3t. Die Frage, ob der Papst das Recht babe, Appellationen gegen Entscbeidungen der Synoden der afrikanischen Kirche entgegenzunehmen, war die Veranlassung der groBen zu Karthago im Jahre 419 abgehaltenen Synode. An dieser, unter dem Vorsitze des Aurelius, Erzbischofs von Kartbago, tagenden Synode, baben 217
II1j8til..wY. 461 ; Harduini. I, 955; Hefele. II, 65. II1jMAtoY. 462; Harduini. l, 861 ; Voelli et justelli, Biblioteca juris canonici veteris. Lutetiae Paris 1661. Tom. I. pag. 305 sq.; Hejete II, 122 u. ff. Siehe meine
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Abhandlung: Codex canonum eclesiae africanae. Zara 1881.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

BiscMfe teilgenommen, und war in derselben auch die romische Kirche vertreten. Zwei Haupt-Sitzungen wurden abgehalten, u. zw. am 25. und 30. Mai. Nach Behandlung des Hauptgegenstandes, und nachdem dem Papste jedes Recht abgesprochen wurde, Appellationen gegen Entscheidungen einer bischofiichen Synode der afrikanischen Kirche entgegenzunehmen, wurden einige die kirchliche Disziplin betreffende Kanones erlassen, und sohin aile auf den frUheren seit dem Jahre 348 abgehaltenen Synoden der afrikanischen Kirche verfaBten Kanones einer Revision unterzogen. In keiner Kirche hielt man sich an die Norm der allFihrlichen Abhaltung von Synoden so streng wie in der afrikanischen Kirche. Nach den historischen Daten wurden viele, einen gesetzgebenden Zweck verfolgende Synoden dieser Kirche in den ersten jahrhunderten abgehalten, weshalb auch eine Menge die kirchliche Disziplin betreffende Kanones bestehen muBten, welche in diesen verschiedenen Synoden erlassen wurden. Unter diesen Kanones gab es sehr viele, welche einander ahnlich und dem Gegenstande nach iibereinstimmend waren ; viele derselben batten, nach der Zeit und dem Orte ihres Erscheinens, eine bloB ortliche und zeitliche Bedeutung, konnten daher nicht allgemein bindend sein. Die Vater der Synode von Karthago im jahre 419 verhandelten fiber aile auf den frUheren Synoden erlassenen Kanones, und nahmen fUr die afrikanische Kirche die Kanones folgender vierzehn Synoden an: a) Karthago 348; b) Karthago 390; c) Hippo 393; d) Karthago 397; e) Karthago 16. juni 401; f) Karthago 13. September 401; g) Mileve 402; h) Karthago 403; i) Karthago 404; j) Karthago 405; k) Karthago 407; I) Karthago 409; m) Karthago 410; n) Karthago 418. Von den Kanones der angefUhrten Synoden wurden 121 angenommen und zu denselben von der in Rede stehenden Synode zwolf von ihr erlassene Kanones hinzugefUgt, so daB in dieser Synode 133 Kanones, welche gegenwartig unter dem Namen der Kanones der Synode von Karthago bekannt sind, angenommen und als allgemein bindend erkHirt wurden. In einigen Kanonen-Sammlungen, auch in der Krmcija, finden sich neben den erwahnten Kanones noch weitere fUnf Schriften, welche in der slavischen Krmcija als Kanones bezeichnet werden, die jedoch keine Kanones im strengen Sinne, sondern entweder Sendschreiben der afrikanischen Kirchenv1iter oder Antworten sind, welche diese Kirchenvater auf die von der Synode zu Karthago an dieselben gerichteten Fragen erteilten. Der 1. dieser fiinf Kanones ist ein Sendschreiben der Synode an den Papst Bonifacius, tiber die Frage, welche die Synode im jahre 419 veranla8te; den 2. und 3. Kanon bilden die Antworten des Cyril! us von Alexandria und Attikus von Konstantinopel, welche die OriginalAkte des Konzils von Nicaa iibermittelten; der 4. Kanon umfaBt das, an den Papst Bonifacius gerichtete Schreiben der Vater der Synode

22. 2. Die Kanones.

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von Karthago, welches das Symbol und die Kanones des Konzils von Nicaa enthlilt; der 5. Kanon ist ein Sendschreiben vom jahre 424 derselben Vater an den Papst Colestin, Ober die Frage, welche die Synode vom jahre 419 verursachte. DiesbezOglich sei bemerkt, daB der von dieser Synode verurteilte Priester (Apiarius) sich an den Papst Colestin urn Schutz wandte, welcher ihm auch diesen Schutz gewahrte, und in diesem Sinne die Vater der Synode von Karthago verstandigte. Die Antwort der Vater auf diese Verstandigung seitens des Papstes, in welcher die Sorgfalt desselben riicksichtlich des gedachten Priesters verworfen wird, bildet das besagte Sendschreiben. Dieses Sendschreiben wurde den Kanones der Synode vom jahre 419 aus dem Grunde angefOgt, wei! sich dasselbe unmittelbar auf die Synode bezieht, und den AbschluB des Hauptgegenstandes der Tatigkeit derselben bildet. Die Kanones der Synode von Karthago sind in allen KanonenSammlungen aufgenommen, doch ist die Art und Weise ihrer AnfOhrung sowohl riicksichtlich des Textes, als auch in Bezug auf die Reihenfolge, eine verschiedene. In der urspriinglichen Kanonen-Sammlung stimmt ihre Anzahl mit der in dem Athenischen Syntagma enthaltenen Oberein; namlich 133 Kanones und die erwahnten 5 Schriften. Diese letzteren sind in dem Athenischen Syntagma nicht numeriert, fOhren aber in den alten Kanonen-Sammlungen die Nummern 134, 135, 136, 137 und 138; auch in der Krmcija sind dieselben mit Nummern bezeichnet. In den spateren Sammlungen sind diese Schriften entweder gar nicht oder nur teilweise angefiihrt, und Oberdies ist auch die Anzahl der Kanones in den verschiedenen Sammlungen verschieden. Die Krmcija enthalt 134 Kanones und alle fOnf der besprochenen Schriften; die lndreptarea zahlt 141 Kanones dieser Synode, doch fehlen die erwahnten Schriften; das Pedalion zahlt gleichfalts 141 Kanones, und enthalt die Sendschreiben an Bonifacius und Colestin; die Kniga pravil endlich fiihrt 147 Kanones der Synode von Karthago an, sowie das Sendschreiben an C5lestin. Aus dieser Abweichung in der Anzahl der Kanones darf aber keineswegs der SchluB gezogen werden, daB in dem Athenischen Syntagma einige Kanones, welche in den erwahnten Sammlungen vorkommen, weggelassen sind; diese Kanones sind im Gegenteile in dem Athenischen Syntagma bedeutend vollstandiger angefiihrt, als in den anderen Sammlungen. So fehlen einige in dem Syntagma vorkommende Kanones im Pedalion ganzlich, wie der 14., 34., 70., 88., 92., 118. und 122. Kanan. Die groBere Anzahl von Kanones in den iibrigen Sammtungen hat darin ihren Grund, daB einzelne Kanones in 2, 3 und 5 Kanones zerlegt erscheinen. Wenngleich nun mit Riicksicht auf den Inhalt der Kanones diese Teilung als gerechtfertigt angesehen werden kann, so erscheint diese1be doch als ein Akt der Willkiir seitens der betreffenden Kompilatoren, was auch riicksichtlich der Herausgeber des Pedalion nachllllai, llrchearechl.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

gewiesen ist. Beziiglich der Kniga pravil ware es moglich, daB sich die betreffenden Herausgeber an die friiheren Arbeiten hielten; denn es existiert eine Pariser Ausgabe, in welcher geradeso wie in der Kniga pravil 147 Kanones der Synode von Karthago angeftihrt sind. 9. Die Synode von Konstantinopel, abgehalten in der Kirche der heiligen AposteJ35. Das IX. Jahrhundert, das Jahrhundert Nikolaus I. und Photius, kann als eines der bewegtesten und in seinen Nachwirkungen als eines der traurigsten Jahrhunderte fur die Kirche angesehen werden. Die Absetzung des Patriarchen Ignatius und die Wahl des Photius fur den Patriarchenthron in Konstantinopel hat im Orient viele Wirren wachgerufen und dem Papste den AnlaB geboten, sich in die inneren Angelegenheiten des Patriarchats von Konstantinopel einzumengen. Hiezu kamen in diesem Jahrhunderte noch die weiteren Beunruhigungen der Kirche durch die im VII. allgemeinen Konzile verurteilten Bildersturmer. Damit nun gegen die Bildersttirmer das endgiltige Urteil gefallt, und die gestorte kirchliche Ordnung wieder hergestellt werde, wurde beschlossen, eine groBe bischofliche Synode einzuberufen, welche zu Beginn des Monats Mai im Jahre 861 zu Konstantinopel in der Apostelkirche zusammentrat. Die Zahl der bei der Synode, welcher auch Kaiser Michael III. beiwohnte, anwesenden Bischofe, belief sich auf 318. Den Papst vertraten besondere Legaten. In der ersten Versammlung konnte man mit Rucksicht auf die Angriffe seitens der Bilderstiirmer zu dem gewiinschten BeschluBe nicht gelangen, sondern erst in der zweiten Versammlung war die freie Tatigkeit ermoglicht. Im Hinblicke auf diese zweimalige Versammlung fuhrt diese Synode auch die Bezeichnung 'ltpmtYJ xa..l asotspa.., prima-secunda. In der besagten zweiten Versammlung wurde die Verurteilung der Bildersttirmer bestatigt, die RegelmaBigkeit der Wahl des Patriarchen Photius anerkannt, und wurden 17, die kirchliche Disziplin betreffende Kanones erlassen. In der Krmcija, Kniga pravil und in der lndreptarea nehmen diese Kanones die vorletzte Stelle in der Reihe der Kanones ein; im Pedalion folgen diese Kanones gleich nach jenen des VII. allgemeinen Konzils. 10. Die Synode zu Konstantinopel, abgehalten in der Sophiakirche 36, Der in der Kirche im Jahre 861 eingetretene Friede wurde aber bald
a;; II'fjMAtoY. 343; Harduini. I, 1195. Vergl. die Ausfiihrungen Dr.]. Hergenrothers tiber diese Synode vom Standpunkte der rom.-kathol. Kirche, in seinem

Werke: Photius, Patriarch von Konstantinopel (3 Bde. Regensburg 1867-69). I,


419 u. ff. Il'fjMAtOY. 361. Die Iateinischen Schriftsteller nennen diese Synode eine flllschliche. In der Konzilen-Sammlung Harduins wird diese Synode als ,Pseudosynodus Photiana" bezeichnet (Tom. VI. pars I, pag. 213), und Hejele (IV, 464 u. ff.) nennt diese Synode ,Aftersynode des Photius." Vergl. auch in derselben lateinischen Richtung riicksichtlich dieser Synode Dr. f. Hergenrother. Op. cit. II, 379 u. ff.
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durch ganz eigenartige Verhaltnisse erschiittert und konnte erst nach dem Tode des ehemaligen Patriarchen Ignatius und nach Besteigung des papstlichen Thrones durch johann VIII. wieder hergestellt werden. Zur feierlichen Bekraftigung dieser Friedens wurde in der Sophiakirche zu Konstantinopel im jahre 879 eine Synode abgehalten, an welcher 383 Vater teilgenommen haben. Der Papst war durch drei besondere Legaten vertreten. Nach der feierlichen Proklamierung des zwischen der morgen- und abendlandischen Kirche gefestigten Friedens, erlie6 die Synode 3 Kanones, welche in der KrmCija, in der Kniga pravil und in der lndreptarea die letzte Stelle unter den Kanones der Kirchenversammlungen einnehmen. lm Pedalion befinden sich diese Kanones an zweiter Stelle unter den Kanones der Partikular-Synoden. IV. Die Kanones der Heiligen Viiter (xav6vE; -rcov 6.r(rov '1ta.-rsprov). In dem 2. Kanon des Trullanischen Konzils sind 12 heilige Vater erwahnt, deren Namen zu Beginn dieses Paragraphen angefilhrt sind, und deren Kanones fUr die Gesamtkirche bindend sind. AuBerdem wird auch dem Sendschreiben des Patriarchen Tarasius von Konstantinopel, fiber die Simonie bindende Kraft zuerkannt. Gleich wie die Kirchenversammlungen die in der heiligen Schrift zum Ausdrucke gebrachten fundamentalen Rechts-Prinzipien interpretierten, befaBten sich die einzelnen heiligen Vater mit der Auslegung der Satzungen der Kirchenversammlungen. Die Kanones der Kirchenversammlungen enthielten allgemeine Bestimmungen, welche von den Kirchenvorstehern der einen oder der anderen Partikularkirche, in besonderen Fallen der gegebenen Sachlage entsprechend, nach ihrem Dafiirhalten und unter eigener Verantwortung angewendet wurden. Die praktische Anwendung der Kanones der Kirchenversammlungen zeigte sich haufig in den Rundschreiben der Kirchenvorsteher an die ihnen unterstehenden Glaubigen, in den Schreiben der Kirchenvorsteher untereinander, sowie in den kanonischen Antworten auf gestellte Fragen u. s. w. Das weitgehende kanonische Wissen der Kirchenvorsteher sicherte denselben die allgemeine Achtung in der Kirche; aus ihren Sendschreiben oder aus anderen Schriften derselben wurden die erhabenen Normen der oberpriesterlichen Verwaltung entlehnt, ftir die Gesamtkirche bestatigt und gleichzeitig mit den Kanones der Kirchenversammlungen in die allgemein-kirchliche Kanonen-Sammlung aufgenommen 37 Der Unter37 Eine vorziigliche Arbeit tiber die Autoritat der heiligen Vater in der Kirche und iiber die Wichtigkeit der Schriften derselben ist jene des Archimandriten Porphirius in ,Pribavl. k Tvorenijam sv. Otcev (Anhange zu den Werken der heiligen Vater)". M. 1863. XXII, 1-59. Siehe hieriiber Pitra in seinem Jus eccles. I, 537 sq. Ober die protestantische Beurteilung der Autoritat und Bedeutung der heiligen Vater im Kirchenrechte, siehe Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts. Halle 1878. S. 56 u. ff. ; sodann Bickell, Geschichte des Kirchenrechts. I, 30 u. ff. 7*

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schied zwischen den Kanones der heiligen Vater und der Kirchenversammlungen wird von einem der besten Kanonisten der neueren Zeit auf folgende treffende Weise dargelegt: ,Der Unterschied liegt darin, da6 die Kirchenversammlungen die fundamentalen Fragen des kirchlichen Lebens in ihren Wirkungskreis einbezogen, die Ordnung, sowie die Oesetze rUcksichtlich der kirchlichen Verwaltung festsetzten, die kirchliche Hierarchic beriihrten, und rUcksichtlich derjenigen Personen ihr Urteil nmten, welch en die kirchliche Verwaltung anvertraut war; die heiligen Vater dagegen erlieBen ihre Verfiigungen bezUglich verschiedener besonderer Fragen, wobei sie mehr jene Personen vor Augen batten, auf welche sich die kirchliche Verwaltung erstreckte, als jene, welch en diese anvertraut war; sie behielten mehr das geistliche als das au6erliche Oericht im Auge und beriihrten mehr jene Fragen, welche die Moral betrafen, als jene, welche auf die kirchliche Verwaltung Bezug batten" ss. Die Kanones der heiligen Vater erschienen ursprilnglich nicht in der Form besonderer gesetzlicher Anordnungen, sondern entweder als Ausziige verschiedener Schriften der heiligen Vater oder meistens als Sendschreiben, welche an einzelne Personen gerichtet waren, und ihres Inhaltes wegen Kanonische Sendschreiben genannt wurden. Erst im Laufe der Zeit wurden diese Sendschreiben, unter BerUcksichtigung des von denselben behandelten Oegenstandes in einzelne Kanones zerlegt und in dieser Form in die allgemein-kirchliche Sammlung aufgenommen. Als erster hat Joannes Scholasticus (aus dem VI. Jahrhundert) zwei Sendschreiben Basilius des OroBen an Amphilochius in seine Sammlung aufgenommen, und nach ihm finden wir die Kanones der heiligen Vater bereits in allen allgemein-kirchlichen Sammlungen, insbesondere nach Bestatigung ihrer kanonischen Bedeutung auf dem Trullanischen Konzile. 1. Dionysius von Alexandria (gest. 255) su, welcher SchUler und sodann Leiter der Alexandrinischen Schute war, wurde wegen seiner tiefen Oelehrsamkeit und wegen seiner Verdienste urn die Kirche, namentlich in dem Streite zwischen Sabellius und Paulus von Samosata, der ,GroBe" und der ,Lehrer der allgemeinen Kirche" genannt. Die Kanones des Dionysius, welche in die allgemein-kirchliche Sammlung aufgenommen wurden, bilden ein kanonisches Sendschreiben, welches er im jahre 260 an den Bischof Basilius in Libyen, als Antwort auf vier von diesem an ihn zur Entscheidung gestellte Fragen, gerichtet
Archim. johann, Cerkovn. zakonovjedjenie (Kirch!. Gesetzkunde). II, 1-2. ll1jMAwY, 543; Pitra. l, 541. Vergl. Ouil. Gave, Scriptorum eccles. historia literaria. Genevae 1705. pag. 83; Erzbischof Philaret Cernig. Istoriceskoe ucenie ob otcah cerkvi (Historische Darlegung iiber die Kirchenvater). S. Petersh. 1859. I, 138; Dr. ]. Alzog, Handbuch der Patrologie. III. Auf!. Freiburg i. B. 1876. S. 157; Dr. j. Nirschl, Lehrbuch der Patrologie und Patristik. 3. Bde. Mainz 1881-85. I, 330.
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hat. Dieses Sendschreiben ist nach den Antworten auf diese Fragen in vier Kanones zerlegt, welche in der Kniga pravil und im Pedalion im vollen Texte, unter Beiftigung des Schlusses des Sendschreibens, enthatten sind. In dcr Krmcija (Kap. 26) hingegen ist zuerst die Einleitung des Sendschreibens fiber den Zeitpunkt des Abschlusses der Quadragesimai-Fasten angefiihrt, hierauf folgen vier mit Nummern vcrsehene Kanones unter dem besonderen Titel , Togoze ot suscih bez obscenija (Von demselben fiber die Exkommunizierten)"; der erste Kanon enthalt einen Auszug aus dem Sendschreiben des Dionysius an Konon, wlihrend die nachfolgenden Kanones (2., 3. und 4.) die zweite Halfte des Sendschreibcns an Basilides in gekiirzter Form umfassen. Der SchluB des Sendschreibens fehlt. Dies stimmt genau mit dem Texte der Kanones des Dionysius in der Synopsis iiberein. In der lndreptarea kommen diese Kanones nicht vor 4o. 2. Gregorius von Neoclisarea, Thaumaturgus (gest. 270) .u. Gregorius, in der alexandrinischen Schute erzogen, zeichnete sich durch Scharfe des Geistes und groBe Frommigkeit aus. Der vielen von ihm geschaffenen Wunder wegen, namentlich als Bischof zu Neocasarea, wurde er von seinen Zeitgenossen ,Thaumaturgus" genannt. Er war durch seinen groBen Eifer in der Bekehrung der Heiden zum christlichen Glauben beriihmt, und sollen nach den historischen Daten, in Neodisarea, woselbst zur Zeit als Oregorius in der Eigenschaft als Bischof dahinkam, nur 17 Christen angeblich existierten, nach seinem Tode im ganzen 17 Heiden verblieben sein, wahrend aile iibrigen zum Christentume bekehrt waren. Unter den vielen Schriften desselben, ist das von ibm in seinem Kirchengebiet im jahre 258 erlassene Sendschreiben von Bedeutung 42. Die Veranlassung zu diesem Sendschreiben, welche im allgemeinen im Titel desselben dargelegt ist, lag darin, daB zur Zeit, in welcher Gregorius Bischof von Neocasarea gewesen ist, die barbarischen Volksstamme die Provinz Pontus angriffen und die Stadte zerstorten, wobei die Christen sich ihres Namens unwiirdig zeigten, indem viele von ihnen die Barbaren aufmunterten und selbst in schwere SUnden verfielen. Mit Riicksicht darauf erlieB Oregorius, als erster Bischof von Pontus, das erwahnte Sendschreiben, in welchem er die Schwere der begangenen Siinden hervorhob und die beziiglichen Strafen verhangte. Dieses Sendschreiben zerfallt in einige Kanones, deren Zahl in den Kanonen-Sammlungen eine verschiedene ist. In dem Athenischen SynAth. Synt. IV, 393. IT1jf\L 551; Pitra. I, 562. Vergi. Cave. 82; Philaret. I. 133; Alzog. 152; Nirschl. I, 336. H In der Kniga pravil (Ausg. 1843. S. 271, Ausg. 1864, S. 477) ist die Bemerkung, daB dieses Sendschreiben an den Erzbischof von Alexandria gerichtet sei, nicht zutreffend. Siehe die begriindete Bemerkung bei Pitra. I, 566. Annotat t.
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

tagma sind deren 11, in der Kniga pravil und im Pedalion 12, und in der Krmlija (28 Kap.) 13 Kanones enthalten. In der lndreptarea fehlen diese Kanones ganzlich. In dem Syntagma bilden die 10 ersten, in der Kniga pravil und im Pedalion die 11 ersten Kanones das eigentliche Sendschreiben; der letzte Kanon ist kein wesentlicher Teil des Sendschreibens selbst, sondern ist nur ein spaterer Zusatz, eine Erganzung aus den Kanones Basilius des GroBen iiber die BuBgrade. Daher haben wir auch bei der Obersetzung des 11. Kanon in unserem ,Zbornik", nach dem Worte ,sagt" ( tpsat), unter Klamm ern angefilhrt, , wer" es sagt, namlich Basilius der GroBe in seinem 75. Kanon 4s. Da diese Erganzung, oder der 11., beziehungsweise 12. Kanon in der Synopsis nicht vorkommt, UtBt sich auch erklaren, warum die erwahnte Erganzung in der Krmcija, welche an der Hand der Synopsis verfaBt wurde nicht enthalten ist. Die Differenz in der Anzahl der Kanones riihrt davon her, weil der 1. Kanon in der Fassung unseres ,Zbornik" in zwei Kanones in den friiher erwahnten Sammlungen zerlegt ist, so daB statt zehn, 11 Kanones in denselben vorkommen. Die Krmcija enthalt, wie gesagt, den erwahnten Zusatz nicht; das Vorhandensein von 13 Kanones in derselben hat darin seinen Grund, daB der 2. und 4. Kanon in der Fassung unseres ,Zbornik" in je 2 Kanones in der Krmcija zerlegt sind. 3. Petrus, Erzbischof von Alexandria (gest. 311) 44 Petrus, der durch seine Bildung bekannt war, hat im Jahre 295 die Leitung der alexandrinischen Schule iibernommen, welche Stelle er durch fiinf jahre versah, bis er im jahre 300 zum Erzbischof von Alexandria gewahlt wurde. Nur durch drei jahre war ihm cine friedliche Verwaltung seiner Kirche gegtlnnt, denn schon im jahre 303, als Diocletians Verfiigung iiber die Christenverfolgung erlassen wurde, begann bereits die bedrangte Lage des alexandrinischen Erzbischofs, welche mit dessen Martyrertode endete. Wenngleich zur Zeit dieser Verfolgungen schr viele Christen dem Glauben entsagten und die verschiedenartigsten Mittel in Anwendung brachten, urn sich von ihren Leiden zu befreien, so kehrte doch wieder der grtiBte Teil, den Abfall bereuend, zur Kirche zuriick. In Beriicksichtigung dieses Umstandes, sowie von christlicher Liebe und von dem Wunsche erfiillt, jenen hilfreich beizustehen, welche zufolge ihrer Bedrangnis der Kirche und dem Christentume entsagten, urn dann wieder, von Reue durchdrungen, zu ihr zuriickzukehren, erlieB er im jahre 306 eine BuBschrift, in welcher er darlegt, wie diejenigen, welche die Kirche verlieBen, in dieselbe wieder eintreten konnen. Diese Schrift, welche in die allgemein-kirchliche Sammlung aufgenommen wurde,_ zerfallt in 14 Kanones, welche Zahl in der Kniga pravil
u Siebe Pitra, auf dessen Grundlage auch die betreffende Bemerkung in der russ. Ausgabe ,Pravila s tolkovanijami" verfaBt wurde. M. 1876. III, 106-107. u II1j3. 562; Pitra. I, 551; Cave. 101; Philaret. l, 177.

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und im Pedalion vorhanden ist. Die Krmcija (Kap. 27) enthalt, sowie die Synopsis 13 bezUgliche Kanones, weil der 6. und 7. Kanon in der . Fassung unseres ,Zbornik" in der Krmcija zu einem, namlich dem 6. Kanan, vereinigt sind. Der letzte (15. Kanon) in unserem ,Zbornik" und in den drei erwahnten Sammlungen handelt von dem Fasten am Mittwoch und Freitag, und ist aus einer Rede des Petrus gelegentlich des Osterfestes entlehnt. In der lndreptarea sind diese Kanones nicht enthalten. 4. Athanasius der Orofie (gest. 373) 45. Athanasius, ein grUndlicher Kenner der christlichen Wahrheiten, hat sich als Verteidiger der Orthodoxie gegen den Arianismus ewigen Ruhm erworben, weshalb er auch mit Recht der ,Vater der Orthodoxie" und ,der GroBe" genannt wird. Die dem Wahle der Kirche gewidmete Tatigkeit begann er zur Zeit des Auftretens des Arianismus, und setzte diese bis an sein Lebensende fort. Unzahlig sind die uns von Athanasius hinterlassenen Schriften apologetischen, historisch-dogmatischen und moralischen lnhalts. FUr das Kirchenrecht sind drei seiner Schriften von Bedeutung, namlich : ein Sendschreiben an Amunis, das XXXIX. Sendschreiben fiber die Festtage und jenes an Rufinianus. Oas erste ungefahr im jahre 356 verfaBte Sendschreiben ist die Antwort auf die Bitte des M5nchs Amunis urn eine Anleitung bei Beurteilung der Ekkrisis. Das zweite, aus dem jahre 367 datierende Sendschreiben, handelt Uber die kanonischen BUcher der heiligen Schrift. Dasselbe ist unvollstandig, da die Einleitung desselben fehlt; dieser Ausfall ist in unserem ,Zbornik" durch einige Punkte angedeutet. Das dritte, an den Bischof Rufinianus gerichtete, aus dem jahre 370 datierende Sendschreiben, bildet die Antwort auf die Anfrage desselben, wie die der Kirche sich zuwendenden Haretiker aufzunehmen sind. Die Reihenfolge dieser drei Sendschreiben in dem Athenischen Syntagma und in unserem ,Zbornik" stimmt mit jener iiberein, welche in der Krmcija und im Pedalion beobachtet wird; in der Kniga pravil liegt eine Abweichung vor, da in dieser Sammlung zuerst das Sendschreiben an Amunis, sodann jenes an Rufinianus, und endlich das tiber die Festtage angefiihrt wird. In der Krmcija (Kap. 29) folgt nach dem Sendschreiben an Rufinianus (hier und in der Synopsis wird dieser Bischof Rufianus genannt), noch ein Bruchstiick unter dem Titel ,Togaze ot drugago poslanija (Von demselben aus einem anderen Sendschreiben)", worin tiber die Erhabenheit der jungfraulichkeit abgehandelt wird 46. Dieses Bruchstlick ist jedoch kein neues Sendschreiben,
45

II1jB. 575; Pitra. I, 567; Cave. 120; Phi/a ret. II, 43; Alzog. 226; Nirschl. II. 28.

46

In der Synopsis ist blo6 ," AAAo" angegeben (Ath. Synt. IV. 397).

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

sondern bloB ein Auszug aus dem Sendschreiben an Amunis. In der

lndreptarea sind diese Sendschreiben des Athanasius nicht enthalten. 5. Basilius der Gro/Je (gest. 379)47. Unter allen Vatern und Lehrern
der Kirche ist Basilius der GroBe fUr das Kirchenrecht nnd im allgemeinen fUr die kirchliche Disziplin von grOBter Bedeutung. Seine wissenschaftliche Bildung hat er in Athen erhalten, woselbst zu derselben Zeit der ihm eng befreundete Gregorius der Theolog den Studien oblag. Nach Beendigung seiner Studien bereiste er Agypten, Palastina und Mesopotamien, bei welcher Gelegenheit er viele heilige Manner (Macarius, Paphnutius u. a.) kennen lernte, die in ihm eine besondere Zuneigung zum M5nchsleben wachriefen. Nach seiner Riickkehr widmete sich Basilius sogleich einem einsamen Leben, und begab sich im Vereine mit Gregorius an einem abgeschiedenen Ort, wo er lange Zeit verweilte. Im jahre 370 zu der WUrde eines Bischofs von Casarea erhoben, bekundete er einen derartigen Eifer fUr den Sieg des Christenturns, fiir die Festigung des orthodoxen Glaubens in der damaligen trilben Zeit, und fOr die Sicherung der Ordnung und Moral in der Kirche, daB er die ihm gegebenen Beinamen ,der GroBe" und ,Ruhm und Zierde der Kirche" wohlverdiente. Die allgemein-kirchliche Sammlung enthalt 92 Kanones Basilius des GroBen, deren lnhalt aus acht seiner Sendschreiben und aus seiner Schrift , Ober den heiligen Geist" entlehnt ist. Die ersten 85 Kanones sind aus drei von Basilius an den Bischof Amphilochius von lkonium gerichteten Sendschreiben gebildet. Die groBe Achtung, deren sich Basilius bei Amphilochius zu erfreuen hatte, war die Veranlassung, daB sich der letztere, abgesehen von pers5nlichen Unterredungen mit Basilius Uber den Fortschritt der Kirche, haufig an ihn auch schriftlich urn die Losung verschiedener, die kirchliche Verwaltung und Disziplin betreffender Fragen oder urn die Auslegung von Stellen der heiligen Schrift, welche ihm unklar erschienen, wandte. Die bezUglichen Antworten bilden auch den Inhalt dieser Sendschreiben, oder der ersten 85 Kanones Basilius des GroBen. Der 86. Kanon ist der Auszug aus einem im jahre 376 von Basilius an Amphilochius gerichteten Sendschreiben. Den 87. Kanon bildet ein Sendschreiben an Diodorus, Bischof von Tarsus, unter dessen Namen ein Schreiben an Basilius gelangte, in welchem eine Bestimmung desselben Uber die Verwandtschaft angegriffen wird. Der 88. Kanon enthalt eine Verfiigung des Basilius an den Presbyter Gregorius, rilcksichtlich einer von diesem im Hause gehaltenen Frauensperson. Der 89. Kanon besteht aus einem Sendschreiben an die ihre Befugnisse iiberschreitenden Chorbisch5fe, und der 90. Kanon aus
H

nqa. 585 i Pitra. I, 576 i Cave.

152; Philaret. II, 127; Alzog. 261; Nirschl.

II, 149.

22. Die Kanones.

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einem Sendschreiben, welches Basilius, anUi.Blich des gegen seine Suffragan-Bischt>fe erhobenen Verdachtes, daB diese Simonie betreiben, erlassen hat. Die heiden letzten Kanones (91. und 92.) sind Ausziige aus der bedeutenden Schrift Basilius des GroBen ,Ober den heiligen Geist", welche er anUi.Biich der gegen ihn erhobenen Anschuldigung, daB er die wahre 05ttlichkeit des heiligen Geistes nicht bekenne, verfa8te. Diese Schrift ist ebenfalls an Amphilochius, welcher Basilius zu deren Verfassung aneiferte, gerichtet. Von den Kanones der Kirchenvater haben, wie bereits erwahnt, jene Basilius des OroBen zuerst in die Kanones-Sammlungen Eingang gefunden und hierauf erst wurden jene der iibrigen Vater aufgenommen. Die Kanones Basilius des GroBen sind in allen dermaligen KanonenSammlungen vorhanden, wobei jedoch zu bemerken ist, daB, wahrend im Peda/ion und in der Kniga pravil, iibereinstimmend mit dem Athenischen Syntagma und unseren ,Zbornik", die gleiche Zahl dieser Kanones enthalten ist, in der Krmcija (21. Kap.) deren 91 vorkommen, was davon herriihrt, daB der SchluB des dritten Sendschreibens an Amphilochius hier fehlt und die drei ersten Sendschreiben in 84 Kanones geteilt sind. In der lndreptarea betragt die Zahl dieser Kanones 85, u. zw. gliedern sich die drei ersten Sendschreiben in 80 Kanones, der 81. Kanon entspricht unserem 86., den 82. Kanon bildet das Sendschreiben an den Presbyter Gregorius, den 83. Kanon jenes an die Chorbischofe, den 84. Kanon das Sendschreiben an die SuffraganBischOfe, und der 85. Kanon endlich umfaBt die in der Synopsis enthaltene Schrift Basilius des GroBen iiber die BuBgrade 4 8 In der KrmCija ist das 21., 22., 23., 24. und 25. Kapitel aus den Kanones Basilius des GroBen gebildet, woriiber spater bei Behandlung des lnhalts der Krmcija die Rede sein wird. 6. Timotlzeus von Alexandria (gest. 385) 49 Timotheus; Schiller Athanasius des OroBen, war der Nachfolger seines Bruders Petrus auf dem bischoflichen Throne zu Alexandria. Ober das Leben des Timotheus ist hauptsachlich bekannt, daB er an dem II. allgemeinen Konzile teilgenommen hat, und sich sehr eifrig urn die damals behandelte Frage tiber den bischoflichen Stuhl von Konstantinopel interessierte ao. Von den kanonischen Antworten des Timotheus auf verschiedene von BischOfen und Priestern an ihn gerichtete Fragen, sind sehr viele erhalten; achtzehn derselben wurden in die allgemein-kirchliche Sammlung aufgenommen, dieselbe Zahl enthalt auch das Peda/ion, die Kniga
Ath. Synt. IV, 405. IT'flo. 665; Pitra. !, 630; Cave. 175; Philaret. II, 5. 50 In der Einleitung zur Krmcija, Ausgabe 1787 (Kap. 50) hei6t es, daB Timotheus nicht ,heilig" genannt werden konne, , wei! er die Entfernung des heil. Oregorius des Theologen vom Patriarchate verschuldete."
~8
'9

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I. 1'eil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

pravil und die lndreptarea. Die Krmcija (62. Kap.), welche nur filnfzehn
dieser Antworten enthalt, bezeichnet sie als ,Pravila (Kanones)"; die drei letzten Antworten fehlen in dieser Sammlungr.t. Von den ubrigen Antworten des Timotheus sind einzelne in der lndreptarea vorfindlich (Seite 693 u. ff.). 7. Gregorius der Theolog (gest. 389)52. Dem Einsiedlerleben ergeben und sehr fromm, hielt sich Gregorius des geistlichen Dienstes filr unwiirdig; er muBte aber trotzdem dem allgemeinen Wunsche nachgeben, und wurde im jahre 381 auf den erzbischoflichen Thron in Konstantinopel erhoben. Als er jedoch wahrnahm, daB einigen seine Wahl miBliebig war, dankte er ab und begab sich nach Nazianz, woselbst er abgeschieden, mit schriftstellerischen Arbeiten beschaftigt, die letzten jahre seines Lebens verbrachte. Gregorius gab seine Schriften bald in Prosa, bald in Versen heraus. Dieser letzteren Methode bediente er sich, wie er sagt, hauptsachlich deshalb, urn die christlichen Wahrheiten vor den Apollinaristen zu bewahren, welche ihre falsche Lehre in Versen verbreiteten. Von den in Versen gelieferten Arbeiten Gregorius des Theologen wurde die von ihm fiber die kanonischen Bucher der heiligen Schrift des alten und neuen Testaments verfaBte Arbeit, in die allgemein-kirchliche Samml ung aufgenommen. In der Kniga pravil und im Pedalion nehmen diese .Verse einen besonderen Platz ein. In der Krmcija bilden sie in Verbindung mit den Versen des Amphilochius iiber denselben Gegenstand das 30. Kapitel. In der Indreptarea kommen diese Verse nicht vor, ebensowenig die Kanones der auf Gregorius den Theologen folgenden Vater. 8. Amphilochius von Ikonium (gest. 395) ~>B. Amphilochius hat auf dem II. allgemeinen Konzile als eifriger Verteidiger des orthodoxen Glaubens gegen die Pneumatomachen teilgenommen, und ein jahr vor seinem Tode der bereits bekannten, anlaBiich des Streites zwischen Agapius und Bagadius stattgehabten Synode beigewohnt, und hiebe zur Festigung des Ansehens der bischoflichen Wurde beigetragen. Das Schreiben des Amphilochius an Seleukus iiber die kanonischen Bucher der heiligen Schrift hat in die allgemein-kirchliche Sammlung Eingang gefunden und nimmt auch im Pedalion und in der Kniga pravil einen besonderen Platz ein. In der KrmCija bildet dasselbe mit den, denselben Gegenstand betreffenden Versen Gregorius des Theologen das 30. Kapitel. 9. Gregorius von Nyssa (gest. 395), 54 ein jilngerer Bruder Basilius des GroBen, war durch seine strenge Lebensweise, durch sein Studium,
61
62

Vergl. iiber die Zahl dieser Antworten Pitra. I, 643. Annot. 1.

58

o&

II1jo. 662; Cave. 155; Philaret. II, 158; Alzog. 214; Nirschl. II, 174. II1jB. 664; Cave. 159; Philaret. II, 208; Nirschl. II. 225. II1jB. 649; Cave. 153; Philaret. 11, 191; Alzog. 285; Nirschl. II, 199.

. 22. 2. Die Kanones.

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seinen erleuchteten Eifer fiir die heilige Sache des orthodoxen Glaubens, sowie durch seine ausgezeichnete Rednergabe bekannt. Als Bischof von Nyssa hat er an dem II. allgemeinen Konzile teil_genommen und wurde wegen seines bekundeten Eifers sowie wegen der Verteidigung der orthodoxen Lehre, ,die Saule des orthodoxen Glaubens" genannt. Spater nahm er auch an der, anHiBlich der bekannten Frage tiber die Metropolie von Bostra, unter Nektarius stattgehabten Synode von Konstantinopel teil (394). Von den zahlreichen Schriften desselben wurde sein Sendschreiben an den Bischof Letojus von Melitine in Armenien in die KanonenSammlungen aufgenommen. In Beantwortung der Frage dieses Bischofs, welche Strafen auf die verschiedenen Silnden zu setzen sind, sandte Gregorius urn das jahr 390 demselben das erwahnte Schreiben, in welchem er seine tiefen psychologischen Kenntnisse enthilllt, und in der Bestrafung der Silnden eine gr5Bere Strenge als seine Vorganger bekundet. Dieses Sendschreiben ist in acht Kanones geteilt, welche Zahl im Pedalion, in der Kniga pravil und in der Krmcija enthalten ist, nur mit der Modifikation, daB in der Krmcija (Kap. 31) die Einteilung eine verschiedene ist. Der 1. Kanon in dem Athenischen Syntagma und in unserem ,Zbornik", bildet in der Krmcija die Einleitung; der 2., 3. und 4. Kanon entsprechen hier dem 1., 2. und 3. Kanon, der 5. Kanon entspricht in der Krmcija dem 4. und 5. Kanon; weiterhin stimmen die Nummern der Kanones ilberein. Der SchluB des Sendschreibens fehlt in der Krmcija. 10. Theophilus von Alexandria (gest. 412) 55, welcher durch seine Abneigung gegen Johannes Chrysostomus 56 bekannt war, hat uns Osterpredigten, einige Sendschreiben und Kanones hinterlassen. Die letzteren enthalten a) eine Entscheidung des Theophilus, wann der Vorabend des Epiphanias-Festes an einen Sonntag fallt; b) eine Anleitung an Amunis iiber verschiedene, personliche Fragen welche auf die kirchliche Ordnung Bezug haben; c) eine Anleitung tiber die Aufnahme der Katharer in den Klerus; d) eine Anleitung fiir den Bischof Agathon und e) eine solche an den Bischof Menas. Die erwahnte Entscheidung Uber das Epiphanias-Fest bildet einen Kanon, die Anleitung an Amunis zerfallt in 10 Kanones, und die iibrigen Anleitungen bilden je einen Kanon, im ganzen also 14 Kanones. In der Kniga pravil und im Peda/ion fnhren die Kanones die Bezeichnung der Quell en, aus welch en sie stammen; nur besteht eine

II'tjo. 676; Cave. 178; Philaret. II, 7. Auch beziiglich des Theophilus ist in der ,Einleitung" zur Krmcija die Bemerkung enthalten, daB derselbe nicht "heilig" genannt werden kann, weil er den heiligen johannes Chrysostomus vertrieben hat".
55

56

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Abweichung in der Bezeichnung der Anleitung tiber die Katharer. Im Originate heiBt es diesbeziiglich 'Ar:pf)j'f)Ot~, was in unserem ,Zbornik" mit ,AuBerung" iibersetzt wurde. Im Pedalion dagegen heiBt es: 'Ar:pOjt(p (-Yj 'Ar:ppoj(<p 1tt~.p' aAAots;) 'E1ttax61t(p, 1tepl .... ; in der Kniga pravil 'Ar:poncp 'Emax61t<p, 1tspl .... ; der Grund, weshalb wir jene Obersetzung gewahlt haben, liegt darin, daB wir uns genau an das Original halten wollten 57. In der Krmcija (Kap. 33) fiihrt nur die erste Schrift einen Titel, wahrend die iibrigen einen solchen nicht fiihren. In der Mitte des l. Kanon in der Krmcija lesen wir: ,po obicnjei sluzbje svjatago Joanna Zlatoustago (nach dem gewohnllchen Gottesdienste des heiligen Johannes Chrysostomus)". Dieser Satz fehlt in der Synopsis 58, weshalb wir der Meinung sind, daB derselbe mit Riicksicht auf die Beziehungen zwischen Theophilus und Chrysostomus, irrtiimlich eingefiigt wurde. 11. Cyrillus von Alexandria (gest. 444) 59. Ein Neffe des Theophilus von Alexandria, teilte er doch nicht dessen Ansicht iiber Chrisostomus, sondern brachte diesem, namentlich in letzter Zeit, cine hohe Achtung entgegen. Im Jahre 412 zur Wiirde eines Erzbischofs erhoben, entfaltete er seit dieser Zeit regen Eifer als Apologet des echten orthodoxen Glaubens, als Exeget und weiser Verwalter der Kirche. Cyrillus gelangte durch die Bekampfung des Nestorianismus sowie durch seine energische Tatigkeit auf dem III. allgemeinen Konzile zu groBer Berilhmtheit Go. Vom kanonischen Standpunkte sind einige aus zwei seiner Sendschreiben gebildete Kanones von Bedeutung. Das eine dieser Sendschreiben ist an den Erzbischof Domnus von Antiochia gerichtet, anlaBlich der Klage des Bischofs Petrus, daB er auf den bischOflichen Thron verzichten muBte; daB andere an die BischOfe von Libien und Pentapolis gerichtete Scndschreiben wurde aus AnlaB der Vornahme gesetzwidriger Cheirotonien erlassen. Diese beiden Sendschreiben bilden 5 Kanones, u. zw. das eine drei, das andere zwei Kanones. Sammtliche Kanones wurden in die allgemein-kirchlichen Sammlung aufgenommen. In dieser Zahl und mit den beziiglichen Titeln versehen, finden wir diese Kanones im Pedalion und in der Kniga pravil. Auch in der Krmcija (Kap. 34) sind diese Kanones enthalten, doch weisen sie hier einige
57 Bei Pitra (1, 618) ebenso wie in dem Ath. Synt., iibersetzt mit ,Expositio"; dasselbe bei Beveregius (II, 374), Iateinisch ,Narratio". In der Obersicht der Kanones im Nomokanon in XIV Titeln findet sich dieselbe Bezeichnung wic in der Kniga pravil (Ath. Synt. I, 11). ~ 8 Ath. Synt. IV, 342. ~ 9 II1Jo. 686; Cave. 251; Philaret. III, 91; Alzog. 324; Nirschl. Ill. 6. 60 Siehe die Geschichte des III. allgem. Konzils in unserer Ausgabe ,Pravila s tumacenjima". II, 282 u. ff.

. 22. 2. Die Kanones.

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---61 Ath. Synt. IV, 398. 405-407. In der Krmcija ist die Zahl der Anathematismen fehlerhaft angegeben; denn es miissen deren zwolf, und nicht eilf sein. 62 II1J8. 692; M. 'I. l's8soov, lla'tptapxtltot 7t[valtsc;;. I, 194; Cave. 288; Philaret. Ill, 150; Nirschl. Ill, 275. 63 Die in unserem ,Zbornik" in dem Titel des Sendschreibens, nach dem Ath. Synt. angefiihrten Worte ,auch dem Papste in Rom" kommen nicht in allen alten Sammlungen vor (s. Pitra. I, 183, und die Anmerkung im Ath. Synt. IV, 368). Die Herausgeber des Il1jMAtov weisen dagegen nach, daB dies in allen Sammlungen vorkommt (S. 693, Anm. 5). 6 ' Bei Beveregius (II, 181) erscheint die zweite Halfte des Sendschreibens, von den Worten ,Besonders ausgezeichnet (Kci/J,tat~)" bis zum Schlu6e gleichsam als ein Kommentar Balsamons; dies ist jedoch ein bloBer Fehler, wie Pitra {II, 181 et 185) richtig bemerkt. 6 ~ IIrjo. 715; M. 'I. rs8soov, llattp. 1t[valtsc;;. I, 265; Cave. 422; Philaret. III. 274.

Zusatze auf, u. zw.: a) ein Sendschreiben an den Diakon Maximus, b) an den Archimandriten Oennadius, c) einen Teil aus dem Sendschreiben an Eulogius von Alexandria, und d) eilf Anathematismen des Cyrillus gegen Nestorius (Kap. 35). Diese Zus~tze sind insgesamt in der Synopsis enthalten und gelangten von da in die Krmcija 6t. 12. Gennadius von Konstantinopel (gest. 471) s2. Zum Patriarchen von Konstantinopel gewahlt, hat Oennadius das Ansehen seines Amtes, welches vor ihm durch falsche Lehren, die von einzelnen seiner Vorganger ausgingen, sehr verdunkelt war, wieder bedeutend gehoben. Durch seine Fr6mmigkeit ausgezeichnet, empfand er tiefen Kummer dariiber, daB sich in der Kirche bei vielen Bisch6fen die Simonie eingebiirgert hatte, welche die Veranlassung war, daB selbst die kirchliche Verfassung verurteilt wurde. Urn diesem verwerflichen Obel entgegenzutreten, versammelte er im jahre 459 zu Konstantinopel eine Synode, an welcher 81 Bischofe teilnahmen. In dieser Synode wurde jenes gegen die Simonie gerichtete Rundschreiben erlassen, welches sp~ter in allen Kanonen-Sammlungen Aufnahme fand. Dasselbe ist an den Papst in Rom und an sammtliche BischOfe des Orients gerichtet sa. Im Athenischen Syntagma ist dasselbe, samt den Unterschriften der an der Synode beteiligt gewesenen Bisch6fe, angefilhrt 64. In der Krmcija ist dieses Schreiben in dem 36. Kapitel unter anderen gegen die Simonie gerichteten Sendschreiben enthalten, und sind samtliche Unterschriften der anwesend gewesenen BischOfe (81) angefiihrt. Im Pedalion fehlen diese Unterschriften; doch ist die Bernerkung enthalten, daB dieses Schreiben neben Oennadius noch "dreiundsiebzig oder einundachtzig BischOfe" unterzeichneten. In der Kniga pravil fehlen die Unterschriften ebenfalls; es ist jedoch die Bemerkung ersichtlich, daB jenes Sendschreiben von Oennadius und dreiundsiebzig Bischofen unterfertigt wurde. 13. Tarasius von Konstantinopel (gest. 809) 65. Im jahre 786 zum

110

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des KirchetTechts.

Patriarchen von Konstantinopel erhoben, hat sich derselbe durch seine Verwendung bei der Kaiserin Irene und bei Konstantinus Porphyrogenitus, urn Einberufung des VII. allgemeinen Konzils zur Bezwingung des Bildersturmes einen seltenen Ruhm erworben. Unter den vielen Schriften des Tarasius ist sein an den Papst Hadrian gerichtetes Sendschreiben, welches die Simonie, die der Kirche fortgesetzt als Make! anhaftete und das Ansehen der priesterlichen Wtirde untergrub, verurteilt, fiir das Kanonische Recht von Bedeutung. In der Kniga pravil und im Pedalion ist dasselbe ebenso angeftihrt, wie in unserem ,Zbornik". In der Krmcija bildet dassel be neb en anderen gegen die Simonie gerichteten Vorschriften das 36 Kapitel. Wie erwahnt, folgt dieses Sendschreibcn in vielen Sammlungen gleich nach den Kanones des VII. allgemeinen Konzils, denn dasselbe erschien gleich nach diesem Konzilc, und wurde den Konzilien-Akten beigefiigt. Das Schreiben des Tarasius bildet den AbschluB der fundamentalen Kanonen-Sammlung der orthodox-orientalischen Kirche. Als Erganzung reihen sich an diese Sammlung: 1. Das Kavovt-x.6v johannes des Fasters (gest. 595) 66. Derselbe wurde im jahre 582 zum Patriarchen von Konstantinopel erhoben, stand beim Volke im hohen Ansehen und erhielt wegen seines Uiglichen strengen Fastens den Beinamen ,der Faster" (NY)o-tcorij;, jejuniator). Unter seinen Schriften ist sein Ko..vovt-x.6v welches eine Instruktion ftir die Beichtvater tiber den Vorgang bei der Beichte und tiber die Anwendung der betreffenden Kanones auf die verschiedenen Stinden enthalt, und zu allen Zeiten im hohen Ansehen stand, fiir das Kirchenrecht von Bedeutung G7 Blastares hat aus demselben im XIV. jahrhundert ein Handbuch fiir die Beichvater verfaBt 68, welches in den griechischen
66 l'sostl.w, Ho:-rp. 'lttvo:xs~. 1, 232; II1J3. 697; Pifra. II, 222; Cave. 351; Philaret. lll, 177; Nirsch. lll, 501. 67 Der griechische Titel dieser Schrift Johannes des Fasters lautet: Ko:vovtxov too &j[oo 'Iwrivvoo toiJ N"f)atzotoo, oder: Nop.oxrivwv a)'l Hstj> &rtmtrito) 6a[oo 'ltO:tpo~ ~p.wv 'l<oavvo) 'tOO N~crW)t00 'ltcpt Z~'J.IOpc60S<)~ ow.pop&.~ M.t 'ltc[Jl ap.'Y.p't"f)fl.rl'tWV. Nach diesem Ko:vovt'X.OV verfaBte der Erzbischof Theodor von Canterbury im VII. Jahrhundert seinen ,liber poenitentialis" fiir die abendlandische Kirche, welcher als Grundlage fiir alle spateren Ponitcntialbilcher im Abendlande diente. Siehe Wasserschleben, BuBordnungen der abendlandischen Kirche. Halle

1851.

s.

145 u. ff.

Dasselbe befindet sich am SchluBe des alphabetischen Syntagma des Blastares; was wenigstens von denjenigen behauptet wird, welche verschiedene Handschriften dieses Syntagma gesehen haben (siehe die Vorrede im VI. Bande des Ath. Synt; ebenso Mortreuil, Histoire du droit byzantin. III, 461 ), wenngleich dieses Handbuch weder in der Ausgabe Beveregii, noch in dem Ath. Synt., wo das Syntagma des Blastares enthalten ist, vorkommt.

68

. 22. 2. Die Kanones.

111

Kanonen-Sammlungen, u. z. zunachst im Pedalion und dann in dem Athenischen Syntagma Aufnahme fand. Das Krt.vovtx6v johannes des Fasters diente als Grundlage filr den in dem slavischen ,groBen Ritualbuche" (Euchologion) enthaltenen ,Nomokanon" 69, 2. Die Kanones des Nikephorus Confessor (gest. 818) 7. Im jahre 806 zum Patriarchen von Konstantinopel erhoben, verblieb er in dieser Stellung bis zum jahre 815, zu welcher Zeit er von dem bilderfeindlichen Kaiser Leo dem Armenier deshalb abgesetzt wurde, wei! er den Bestimmungen des VII. allgemeinen Konzils treu bleiben wollte. Er starb in der Verbannung. Von seinen zahlreichen Schriften sind fiir das Kirchenrecht einige von Bedeutung, u. zw.: a) iiber die ersten (sechs) allgemeinen Konzilien 71 ; b) kanonische Vorschriften tiber verschiedene Gegenstande 72; c) aus seinem Typikon entlehnte Kanones 73 und d) Kanones aus den kirchlichen Vorschriften, welche er im Vereine mit den heiligen Vatern erlieB 74. Blastares hat aus samtlichen Kanones des Nikephorus 37 der bedeutendsten ausgewahlt, welche in das Pedalion aufgenommen wurden. Nach einer anderen Handschrift haben 38 dieser Kanones in dem Athenischen Syntagma Aufnahme gefunden. Sowohl in der einen als auch in der anderen Sammlung sind noch sieben weitere Kanones, und in dem Athenischen Syntagma iiberdies noch neun aus allgemeinen kirchlichen Vorschriften des Nikephorus gebildete Kanones, sowie 17 kanonische Fragen und Antworten aus einem kanonischen Sendschreiben desselben 75, be1gefiigt. In der Krmcija (Kap. 57) haben
69 In dem fi1jMAtov ist es unter folgendem Titel enthalten: Ot J..s' 'X.~Xv6vsc; 'lwliwoo toii N'ljate:otoii, und am SchluBe sind noch 18 Kanones beigefiigt, welche

aus einer den Herausgebern des Pedalion vorgelegenen Handschrift stammen. Der Titel in dem Ath. Synt. Iautet folgendermaBen: 'E'X. toii 'X.'XYOVt'X.oii toii ~'(ton 'fwaYYO!) roii N1jatwtol3, wobei gleichzeitig auch der Ursprung desselben angegeben wird: yllp.1w}e: 1tpb; a611oJ;tv M-.x't.'l-'Xto; 't-.xou (IV, 432). In der Ausgabc Pitra (Juris eccles graecorum hist. et mon. II, 226) heiBt es: ilto!Xa'X.'t.AtiX p.ovaCooaow
'X.!lt smttp.(-.x S'X.aaroo &p.1Xpt~p.1Xtoc; , lw&woo 7t1Xtptlipzoo KwvatiXYttY007tOASWc; toii N~atsotou, mit gleichzeitiger Iateinischer Obersetzung. Ober die slav. Ober-

setzung siehe weiter . 43. Anm. 30.

fe:oe:rov, n~tpt~px, 7ttYIX'X.Sc;. I, 267; IT1jMAtaV. 725; Pitra. II, 314; Cave. 434; Philaret. III, 277. 71 Pitra. II, 317-320. n Ke:~liAIXt'X 7te:pi 13t~'.p6pwv ~ho&aae:wv. Zehn an der Zahl. Pitra. II, 320-327. 73 'E'X. too Tom'X.oo. Es sind 87 Kanones. lb. 327-336. a 'E'X. t&Y E'X.'X.A"fjotMtt'X.ooY ar)toii aovta~EooY x~i t&Y !l)y IX)t<j> &1wv 7tadprov. Bei Pitra (II, 336-348) sind 140 Kanones aufgezahlt, und samt jenen aus dem Typikon des Nikephorus 227 Kanones. 7 ~ Diese letzteren werden in dem Ath. Synt. (IV, 431 / 431 !.') betitelt als 'EmatoA~ toii sv &tlot~ mxtpo~ ~p.oov Nt'X.1j~6poo 1t1Xtptcipzoo Kwva'tiXYttvoo7t6l-sw; too 'Op.oAO"("fjtOo.
70

i12

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

von den durch Blastares gesammelten Kanones, 23 Kanones Aufnahme gefunden 76, 3. Die Synodal-Antworten des Nikolaus von Konstantinopel. Zur Zeit dieses Patriarchen (1086-1111) 77 wandten sich die Monche vom Berge Athos an die Patriarchal-Synode von Konstantinopel mit verschiedenen, den kirchlichen Dienst betreffenden Fragen, deren Entscheidung die gedachten Antworten bilden 78. Sowohl im Pedalion, als auch in dem Athenischen Syntagma sind 11 Fragen und ebensoviele Antworten vorhanden. Hieran reihen sich in dem Athenischen Syntagma noch die Kommentare Balsamons zu einzelnen Antworten. Die Krmlija (Kap. 53) enthalt 20 Fragen und Antworten mit besonderen, von jenen in den iibrigen Ausgaben abweichenden Titeln 79, 4. Kanonische Vorschriften: a) Basilius des Oro6en, fiber die Standhaftigkeit in der Verrichtung guter Werke ; ein Auszug aus dem Sendschreiben des Basilius an die Bewohner von Nikopolis 80 ; b) des johannes Chrysostomus, Uber die Besserung der SUnder 81; c) iiber die Zeit zum Empfange der Kommunion: a) eine kanonische Antwort
76 Im Vergleiche zum Ath. Synt. fehlen in der Krm~ija die Kanones 4, 8, 10, 12, 18, 19, 20, 23, 25, 30-34 und 38. 77 fsosrov, Ilcxtpt!Xpx. 'lt(vcxxs.;. I, 338; ll'fjMJ..mv. 373; Cave. 538. 78 In dem Ath. Synt. (IV, 417) fiihren diese Fragen und Antworten folgenden Titel: 'Epwtijostc; p.oYIXXLi>V ttYLi>V s~m t* 'lt6J..smc; &.oxoop.svmY, wx\ &.'ltoxplostc;

e'lt' IXOtrov jSVOIJ.SVIXt 'lttxpa tljc; ev KwvotiXVtLYO'ltOASL lij(txt; aov6ooo, S'ltt troY ~p.spiilY tou tt'(tWtthoo 'lt1Xrpv.Xpxoo NtxoMoo, ~IXotA.s6oYto.; too &oto1p.oo , ~-xot Mw.; xop[oJ 'AA.s~(oo 'tOU Kop.r~vou, S'f' txt<; XI.Xt spp.'fjYSliXL s;S'fWV~-&ljOI.XY 'lttxpti to5 'lt!Xtptcipxoo 'Avt'loxscx.; @soooopoo too BIXA.ocxp.ooY. Das Pdidikat des Patriarchen Nikolaus ist ,'(potp.[W.tt'X.6c;" (Grammaticus)". 79 "Giavi cerkovnija, i voprosi pravilnija, i otvjeti svjatago sobora, bivsago vo dni preosvjascennago i vseienskago patriarha Nikolaja Konstantinja grada, voprosenie i joanna mniha i molcalnika, ize vo svjatjej gorje, i suscih s nim cernorizec." Das wiire die Obersetzung dessen, was Cave (p. 538) erwiihnt: Ks'ftAtxtiX hxJ..'Ylotcxott'lta 'ltciYu &v<Xj'X.IXt<X x-xt OO'fSA'YjP,IX x-xi cx'lto'X.ptosY C'Yjt'Yj3svtiX 'lt:IXpa to5 p.oYIXxoo 'Iwciwoo tOO ~OI)XIXOtOO tOO SY tcj> tt"(l<tJ opst, t(~ P,IXXIXpl<tl 'lt:IXtptapx'!J KovattxVttYOO'lt:6Asm~ x6pttp Ntxof..ci(p. Wenn dies, wie wir glauben, richtig ist, so wiiren in diesen ,Kapiteln" (xstpcif..atcx) auch die im Pedalion und Ath. Synt. enthaltenen Antworten erneuert; denn die Fragen 2, 3, 4, 6, 7, 9, 10, 12, 16, 17 und 20 in der Krmcija entsprechen vollkommen jenen, welche in den heiden erwiihnten Sammlungen vorkommen. Bei H. '1. r s Qsell v, K1XVOVL'l!.IXL atcxt~St~ troY &jt(l)ttX'tWY 'lt(Xtptllpxrov Kwvo'tiXYtWo7t6A.sw~. KmYotiXY'tWO'lt. 1888-89. I, 9-16, finden sich 17 Fragen und Antworten. 80 Ath. Synt IV, 386: 'Ex tlj~ 'ltpo~ Ntxo7tol..t<X.; emotol..ij~; 'lt:spt too u'lt:op.svsw ?C.IXL sbx1Xptotmc; tpspsw too<; 'ltstp1Xop.o6~;. 81 rsCisrov. llcxrp. 'lttVIXXS~. 141; Pitra. II, 168. Derselbe war Bischof in Konstantinopel vom jahre 398 bis 404. In dem Ath. Synt. (IV, 387) unter dem Titel: Ks'ftXAIXtOY 'X.IXYOYt'X.6Y, und bei Pitra (II, 169): II1Xpll"(ISAA(cx.

. 23. Die kanonischen Verordnungen der Patriarchal-Synoden.

113

des heiligen Anastasius 82, ~) eine in dem Sendschreiben Basilius des Gro8en 'ltpo; Ktttattp(flv ITtttptx(flV 83, enthaltene kanonische Vorschrift desselben und y) denselben Gegenstand betreffende, in den Kommentaren des Johannes Chrysostomus zu den Sendschreiben des Apostel Paulus an die Epheser und Hebdier enthaltene Vorschriften 84; d) die Vorschrift Basilius des OroBen fur die Oeistlichen tiber ihr Verhalten in der Kirche s5. - Das Athenische Syntagma enthlilt iiberdies unter derselben Rubrik eine Synopsis der Kanones, d. h. einen gekiirzten Text der Kanones, welcher spater im XII. jahrhundert durch Alexius Aristenus fiir den praktischen Gebrauch hergestellt und sowohl in die slavische als auch in die rumanische Sprache iibersetzt wurde. Diese Synopsis wird im II. Abschnitte des I. Teiles besprochen.
b) Die ergiinzenden Quellen.

. 23. Die kanonischen Verordnungen der Patriarcha.l-Synoden. In der orthodox-orientalischen Kirche wird die Gesetzgebung synodaliter ausgeiibt. Nach den allgemeinen Konzilien steht die oberste gesetzgebende Gewalt in der Kirche innerhalb der kanonisch bestimmten Grenzen den Synoden zu oder nach der griechischen Benennungsweise den Synoden der Bischofe der betreffenden autokephalen Kirchen. Die bedeutendste gesetzgeberische Tatigkeit entfaltete die Patriarchal-Synode von Konstantinopel; was einerseits darin begriindet ist, daB der Patriarchenstuhl in Konstantinopel den Ehrenvorrang vor allen anderen in der orientalischen Kirche genieBt, und derselbe andererseits durch meh8~ Ath. Synt. IV, 388: Too &r(oo 'Awxa-.atl(oo, sptot1J{l-8v't"o~, 1t6't"spov 'l!.aXOv, 't"O aovsxro; 'X.otVtovsiv, -~ h 8totAStfJ.fdttoV; 'A1t6'l!.ptatt;;. Vergl. Cave. 346, und ,Anastasiana" bei Pitra. II, 238 sq.
83 Dieses Send<>chreiben verfa6te Basilius im jahre 372; dasselbe fiihrt in der Ausgabe Migne die Nummer 93 unter seinen Sendschreiben. 8' AuBer der in Anm. 81 dieses Paragraphen erwahnten Vorschrift, und auBer diesen beiden Vorschriften, fiil1rt Pitra noch folgende kanonische Bestimmungen des johannes Chrysostomus an, welche in dessen zahlreichen Schriften enthalten sind : 1. Ober die Vergebung der Siinde (s(t;; tbv v' 4otA[L6v), 2. iiber die Beichte (e'l!. too 'Kat~ 'lwiw1jv), 3. iiber das Verbot fiir die Laien, Oeistliche zu beleidigen u. iiber dieselben Recht zu sprechen, (aus dem Kommentare zum Evangelium des Johannes), 4. fiber Christus und den Priester (aus dem Kommentare zu dem Sendschreiben an die Thessalonicher), 5. fiber die Oeistlichen und ihre Eigenschaften und Pflichten (aus dem Kommentare zum Sendschreiben an Timotheus), 6. fiber die Oeistlichen (aus dem Buche fiber die Geistlichen), 7. fiber dieselben (aus demselben Buche), 8. 143 Kanones, welche die Strafen fiir verschiedene Delikte vorschreiben, und 9. l:tlxot 1tapatvsttMl. Op. cit. II, 168-169. n Ath. Synt. IV, 391-392: Ihp~ns).p. a 1tpo; tov Ispsa 'ltspi tq~ {)os(a~ XcXfltto<;. In der Krmcija (Kap. 24) ist folgender Titel angefiihrt: K prezviteru o bo!estvennjei sluzbje (Ffir den Priester, iiber den Oottesdienst).

llilli1 llroheJU'oehl.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

rere jahrhunderte in politischer Beziehung unabhangig dastand, w:thrend aile Obrigen Patriarchenstilhle des Orients von den Unglaubigen unterjocht waren. Mit Riicksicht auf diese Stellung Konstantinopels den Ubrigen kirchlichen Zentren des Orients gegenfiber, wurde in der Patriarchal-Synode von Konstantinopel auch fiber Angelegenheiten entschieden, welche sich nicht unmittelbar auf dieses Patriarchat, sondern auf andere autokephale Kirchen bezogen, in welchen, mit RUcksicht auf die unterdriickte Stellung des christlichen Glaubens, derartige Angelegenheiten nicht behandelt werden konnten. Aus diesem letzteren Grunde versammelten sich die Vorsteher der unterdriickten Patriarchate des Orients haufig in Konstantinopel, und beteiligten sich zeitweilig an der Entscheidung kirchlicher Fragen wichtiger Natur. Hiedurch erhielten diese Entscheidungen einen allgemeinen Charakter und wurden fUr die ganze orientalische Kirche autoritativ. Ein weiterer Umstand, welcher den kanonischen Verordnungen der Patriarchal-Synode von Konstantinopel eine hohe Bedeutung verschaffte, ist der, daB die Kirche zu Konstantinopel die Mutterkirche fi.lr aile jene Volker war, welche durch ihre Missionare zum Christentume bekehrt wurden. Die natilrliche Folge war, daB sich die Kirchen dieser Volkerschaften bei Regelung des innerkirchlichen Lebens an die Mutterkirche wandten, und dieselbe urn Anleitung in dieser Beziehung und in allen jenen Angelegenheiten baten, welche ihnen unbekannt oder unklar waren. Diese Anleitungen wurden dann fUr die betreffende Kirche maBgebend, und da sich dieselben auf die fundamentalen kirchlichen Einrichtungen bezogen, hatten sie allgemeine Giltigkeit und bildeten auch fUr die Gesamtkirche eine Richtschnur. Von diesem Standpunkte und in diesem Sinne haben die kanonischen Verordnungen der Patriarchai-Synode zu Konstantinopel den Charakter einer, die Grundquelle des orientalischen Kirchenrechts erganzenden und die Entwicklung sowohl als auch die Anwendung der fundamentalen kanonischen Vorschriften darlegenden Rechtsquelle t.
23. 1 Vergl. iiber diese Dekrete ]. A. B. Mortreuil, Histoire du droit byzantin. Ill, 383-394; Heimbach, Griechisch-romisches Recht. . 31 (Ersch und Grubers Allgem. Encyklopadie. 86, 380-384); Canst. Popovicii jun., Fontanele si Codicii. p. 10-18. Die Daten iiber die Zeit, in welcher die betreffenden Patriarchen gelebt haben, sind entlehnt aus M. 'I. r s 0 s roY, H!Xtpvxpxtxot 1ttY!l'X.Sc;, 'Eti3ijostc; [oto.

pt'ltott ~WfP!l1t'lt!lt n:sp! troY n:-xtpvxpxoov Kwvcrt-xvtwo)n:6A.swc; &n:b 'Av3psou too 7tpwtoxA.ijtou (LSXptc; 'lw!lxs[IL I'' to3 &n:b (")soo!l.Aov['lt"ljc;. 36-1884. 'Ev Kwvat!XYtwoun:6A.st. 1887. Die Synodai-Dekrete fiber die Ehe werden nicht angefiihrt, wei! dieselben bei ]. Zhishman, Das Eherecht der orientalischen Kirche (Ed. cit. S. 34-43, detailiert angegeben sind. In dem Ath. Synt. sind diese SynodaiDekrete im V. Bande, S. 1-185, unter dem Titel 'An:o~a'.lstc; cmvootM.t 'lt!Xt OtiXtliestc; -c&v Kwv'lt!:l-c!lvtwoun:6A.swc; &pxtsmax6n:wv x!Xl. 1t!1-cpt!Xpxrov enthalten; einzelne kommen auch in anderen Banden vor, was an betreffender Stelle hervorgehoben werden wird.

. 23. Die kanonischen Verordnungen der Patriarchal-Synoden.

115

Im nachstehenden sollen diese Synodal-Verordnungen in der Reihenfolge der betreffenden Patriarchen, unter welchen sie erlassen wurden, sowie an der Hand des Athenischen Syntagma und der neuesten von dem Patriarchate in Konstantinopel ausgegebenen Sammlung dieser Verordnungen angefilhrt werden: 1. Nikolaus /. (895-906. 911-925) 2 Der im jahre 920 anHiBlich des Streites fiber die Tetragamie erlassene Tomus unionis, mit welchem der Friede zwischen Kirche und Staat hergestellt wurde 3 2. Sergius (999-1019)4. Die im Mai 1016 erschienene Verordnung tiber die Klosterbeitrage 5 3. Alexius (1025-1043) 6 Aus der Zeit dieses Patriarchen sind zwei Synodal-Dekrete erhalten, u. zw.: a) das im jahre 1027 erschienene Dekret tiber die durch Schenkung erworbenen Kloster sowie tiber andere wichtigere Fragen, welche auf die Metropolien, Erzbistilmer und Bisttimer Bezug haben, und b) das im jahre 1028 erschienene Dekret iiber verschiedene Agenden, welche aile Metropolien und Erzbistumer betreffen s. 4. Michael I. (1043--:-1058) 9 Ober den in einer verbotenen Ehe lebenden Geistlichen to.
f 58 5 oo v, Ilatptapx. 1tlV(X'lt5<;;. 295-296. 298-300. Ath. Synt. V, 4-5. Vergl. C. E. Zachariae a Lingenthal, Jus graeco-romanum. (Lips. 1857). Ill, 228-233; joh. Leunclavii, jus graec.-rom. (Francof. 1596). I, 104-108; Krmcija. Kap. 52: "Izlofenie reke vospominanije bivago cerkovnago
3
2

soedinenija pri Konstantinje i Romanje (Die Darlegung, eigentlich Erinnerung an die stattgefundene kirchliche Vereinigung unter Constantinus und Romanus)" (Erwlihnte Ausgabe II, 245-254); wenngleich hier im Vergleiche zu den griechischen Ausgaben eine lange Einschaltung vorkommt. Diesetbe fehlt in den att-serbischen Ausgaben der Krmcija, z. B. in der Handschrift von Savina (Blatt 334), tiber welche . wir eine kleine Beschreibung herausgegeben haben (Zara 1884). Dieser im Griechischen '0 t6p.o:; t~<; 2Yli')~sw:; genannnte Akt wird erwi.ihnt; von Balsamon im 2. Kap. des XIII. Titets des Nomokanon in XIV Titeln (Ath. Synt. I, 280), in den Kommentaren zum 4., 50. und 80. Kanon Basilius d. Gr. (Ath. Synt. IV, 103. 204. 245) und in seiner 44., 62. und 64. kanonischen Antwort (Ath. Synt. IV, 481. 494. 595); von Zonaras in seinem Kommentar zum 50. Kanon Basilius d. Gr. (Ath. Synt. IV, 204); von Blasiares im 4. Kap. !itt. I' seines Syntagma (Ath. Synt. VI, 159-160); von K. Harmenopulos in dem 3. Titel des V. Abschnittes seiner 'Emtop.~ tow 35(oov xat tspwv Mv6vrov (Leunclav. I, 55). r 5os (0 '1, IT(Xtp. 1rtva.'lte::;;. 315-317. 5 r 5 as roY, Ka.YO'I. Atl)(t'~;st:;;. ll, 5-6. Vergl. Leunclav, I, 203-204; Siebe den Kommentar Balsamons zum 13. Kanon des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 614). 6 fs85oov, IHva'lts<;;. 317-322. 7 Ath. Synt. V, 20-24; Leunclav. I, 256-259. 8 Ath. Synt. V, 25-32; Leunclav. I, 250-256. 9 l' 58 S oo V1 lllYIX'lt5c;. 322-327. 10 Ath. Synt. V, 47; Leunc/av. I, 264.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

5. Constantinus Ill. (1059-1063) 11. Ober den Geistlichen, der einen Mord begangen hat und abgesetzt wird 12. 6.johannes VIII. (1064-1075) 13. Das Dekret vom 16. Februar 1065, womit den Geistlichen untersagt wird, vor Gericht Prozesse ftir andere zu fiihren 14, 7. Nikolaus Ill. (1084-1111) 15. AuBer den bereits erwahnten kanonischen Antworten und anderen sehr wichtigen Synodal-Dekreten iiber die Ehe, sind hier noch zwei anzufiihren, u. zw.: a) das Dekret tiber die Entlohnung der geistlichen Dienstleistungen 16, und b) das Dekret, in welchem auf Grundlage der Kanones und der Staatsgesetze dem Kaiser Alexius Comnenus nachgewiesen wird, daB die Bistiimer von den betreffenden Metropolien nicht geschieden werden dUrfen n. 8. Leo (1134-1143) Hl. Ober die Strafen fUr jene, welche sich mit der Zauberei befassen Ill, 9. Michael /I. (1143-1146) zo. Synodai-Dekret vom 20. August 1143 tiber die Absetzung des nicht kanonisch eingesetzten Bischofs 21. 10. Nikolaus IV. (1147-1151)22. Ober die von der kompetenten Gewalt verurteilten Geistlichen, welche die Appellation an die hOhere lnstanz ergreifen 23, 11. Constantinus IV. (1154-1156) 24. Synodal-Dekret iiber die M5rder und namentlich iiber jene Geistlichen, welche einen Mord begehen 2s.
feBerov, IHv~Z'lte~. 327-328. Ath. Synt. V, 49-50; Leunclav. I, 265-266. 18 feasrov, ll,z1:p. 'lttYIZ'lte~. 328-331. u Ath. Synt. Ill, 348-349; Kommentar Balsamons zum 16. Kanon der Synode von Karthago (Ath. Synt. Ill, 348). Siehe Leunclav, I, 214.
11 12

15
16 17

Siebe Anm. 77, . 22.

llepl -rrov 'ltiZYOvt?toov. Ath. Synt. V, 60-61 ; Leunclav. I, 269-270. Ath. Synt. V, 62-75; Leunclav. I, 271-281. Dieses herrliche Synodal-

Schreiben des Patriarchen Nikolaus III. zeigt sowohl die Erhabenheit seines Geistes als auch das Bewusstsein seiner bischOflichen Stellung in der Verteidigung der kirchlichen Rechte. Dasselbe kann als Beispiel fiir das Verhalten des Bischofs der weltlichen Gewalt gegeniiber angesehen wcrden. 18 r dh oo v, IHv~Z'lte~. 35o-3st. 19 f e aero v1 K,zvovt'lt!Zt dt!Z'ta~et~. II, 6-7; Kommentar BaJsamons zum 83. Kanon Basilius d. Gr. (Ath. Synt. IV, 251-252). 20 rea e ro v, IHYIZ'ltS~. 351-353.
21

22
23

Ath. Synt. V, 83-84. rea e 00 v, IHviZ'ltS~. 354-357. I' e a e oo v, K,zvov. At~Ztli~etc;;. II, 8; Kommentar Balsamons zum 11. Kanon

der Synode von Karthago (Ath. Synt. III, 321). 2 ' rea e ro v, IIviZ'X.Sc;;. 359-360. 25 feaeoov, K,zvov. AvxtiX~rw;. II, 11-12; Kommentar Balsamons zum 55. Kanon Basilius d. Gr. (Ath. Synt. IV, 214).

. 23. Die kanonischen Verordnungen der Patriarchal-Synoden.

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12. Lucas (1156-1169) 2s. Zur Zeit dieses Patriarchen war die legislative Tiitigeit der Patriarchal-Synode von Konstantinopel eine sehr ergiebige. Neben der Fiille von Dekreten, welche fUr die inneren Einrichtungen des Patriarchats selbst, sowie betreffend die Ehe, erlassen wurden, sind noch folgende von allgemeiner Wichtigkeit zu erwahnen: a) Die Bestimmung, daB sich Geistliche mit ihre Wilrde beeintrachtigenden Angelegenheiten nicht befassen diirfen 27 ; b) das Dekret, daB die Absetzung eines Bischofs nur von zwolf Bischofen ausgesprochen werden konne 2"; c) das Dekret, daB sich die Geistlichen mit weltlichen Angelegenheiten nicht befassen diirfcn 211 ; d) das Dekret, riicksichtlich des in einem ungewcihten Gotteshause zelebrierenden Bischofs so; e) das Dekret gegen den Meineid :H ; f) das Dekret dariiber, wie weit ein Bischof die durch die Kanones vorgeschriebenen Strafen s2 zu verscharfen oder zu mild ern berechtigt ist; g) das Dekret, daB der Bischof, welcher sich dem Monschsleben weiht, die Entscheidung der Synode darilber abzuwarten habe, ob er den bischoflichen Dienst weiter noch verrichten konne sa; h) das Dekret, wonach dem Klerus die Aneignung kirchlicher Gegenstande untersagt wird 34; i) das Dekret, wonach ohne Zustimmung der hoheren kirchlichen Obrigkeit kein Bistum aufgehoben werden kann 35 ; j) das Dekret beziiglich jener Klostervorsteher, welche nicht der Bruderschaft desselben Klosters angehOren 36, und k) das Dekret Uber die Taufe der in Oefangenschaft geratenen Kinder s7.

r s 8 s ro v, mwx:x.sc;. 360-365. f s 3 a oo v, AtatiX~stc;. II, 13--16. 19; Ath. Synt. III, 344; Leunclav. I, 226; Balsamons Kommentar zum 16. Kan. v. Karth. (Ath. Synt III, 16). 28 l's35ooY, Atat~X;stc;. II, 17; Ath. Synt. III, 324; Leunclav. l, 223; Balsamons. Kommentar zum 12. Kan. v. Karth. (Ath. Synt. ib.). ~G I' s 3 5 oo v, AtatiX~stc;. II, 18; Ath. Synt Ill, 345; Leunclav. I, 220; Balsamons Kommentar zum 16. Kan. v. Karth. (Ath. Synt ib.). 30 f s 3 5 oo v, At!Xtaestc;. II, 20; Ath. Synt. II, 582; Balsamons Kommentar
~6
n

zum 7. Kan. des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt ib.). 31 fs35oov, Atat~X;stc;. II, 21-22; Ath. Synt. IV, 168; Leunclav. l, 214; Balsamons Kommentar zum 29. Kan. Basilius d. Gr. (Ath. Synt. ib.). 32 fs3eoov, Attu!X;stc;. II. 22-23; Ant. Synt.IV, 237; BalsamonsKommentar zum 74. Kan. Basilius d. Gr. (Ath. Synt. ib.). 33 f s 3 e oo v, Atatci;etc;. II, 23; Ath. Synt. Ill, 27; Leunclav. I, 224; Balsamons Kommentar zum 3. Kan. der Synode von Ancyra (Ath. Synt. ib.). 34 Ath. Synt. V, 98; Leunclav. I, 282. 35 Ath. Synt. Ill, 579-580; Leunclav I, 223; Batsamons Kommentar zum 120. Kan. v. Karth. (Ath. Synt ib.). 38 Ath. Synt. II, 661-662; Leunclav. I, 222; Balsamons Kommentar zum 4. Kan. der I. II. Synode (Ath. Synt ib.). 37 Ath. Synt. II, 497-498; Leunclav. I, 226; Batsamons Kommentar zum 84. Trull. Kan. (Ath. Synt. ib.).

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

13. Michael Ill. (1169-1177)38. Zur Zeit dieses Patriarchen erschienen fUnf Synodai-Dekrete: a) DaB weder Priester und Diakonen noch Anagnosten noch iiberhaupt aile, die im Dienste der Kirche stehen, sich mit weltlichen Angelegenheiten befassen diirfen su; b) daB kein Bischof irgendeinen wichtigeren Schritt ohne Wissen und Zustimmung der betreffenden Synode vornehmen dUrfe40; c) fiber den Vorgang im Faile der Demission eines Bischofs 4t; d) fiber jene Bischofe, welche Klerikern fremder Eparchien die Cheirotonie erteilen !2; e) tiber die Aufhebung des eingeschlichenen Oebrauches, daB Monche Dienste auBerhalb des Klosters verrichten, und daB nur Weltgeistliche Seelsorge- und andere kirchliche Dienste versehen dfirfen, sowie daB die Monche in ihren KlOstern zu verbleiben haben 4s. 14. Theodosius I. (1 178-1183) H. Die Verordnung, daB diejenigen nicht Klostervorsteher sein konnen, welcqe die Priesterweihe nicht erlangt haben 45. 15. Basi/ius II. (1183-1187) 46. Das Dekret der Synode vom September 1186, an welcher neben diesem Patriarchen auch jene von Antiochia und Jerusalem, sowie vierzig Metropoliten teilnahmen. Dieses Dekret bestimmt, daB die Frau des zum Bischof zu Weihenden unbedingt ein Kloster aufsuchen und Noone werden soll41. 16. Gregorius II. (1192-1199) 48. Das Synodal- Dekret vom 4. Februar 1197 fiber die pfarrlichen Rechte 49.
as
'' 9

f s 8 s th v, IHvrxxs~. 365-368. f s 8 s th v, Lltrxtti;st<;. II, 25; Ath. Synt. Ill, 349; Leunclav. 1, 227; Balsa-

mons Kommentar zum 16. Kan. v. Karth. (Ath. Synt. ib.). ., f s 8 a th v, Llt'l.tti;at~. II, 26; Ath. Synt. III, 247; Balsamons Kommentar
zum 6. Kan. von Sardika (Ath. Synt. ib.). u fa 8 a th v, Lltat~at<; 1 II, 27; Ath. Synt. II, 700; Batsamons Kommentar zum 6. Kan. der I. II. Synode (Ath. Synt. ib.). 2 ' fa 8 a ell v, Lltatti;st~. II, 29-33; Ath. Synt. Ill. 440; Leunclav. 1, 227-230; Balsamons Kommentar zum 54. Kan. v. Karth. (Ath. Synt. ib.). "' Ath. Synt. 1, 41; Leunclav. 1, 230; Balsamons Scholie zum 3. Kap. I. Tit. des Nomokanon. Die betreffende Stelle lautet im Originate folgendermaBen: ~11:?. f1.6vov A'l.txrov tsparov tr.X; 8t'l.xov[rx; aw[at'l.a{}cxt, xrxt too; fJ.OYrxxo}; 11:apr.X t'l.~; otxs['l.t; 1tpoas8ps6stv r.wvcxi; (Ath. Synt. ib.); in lateinischer Obersetzung: ,ex laicis sacerdotibus solum ministeria constituerentur, monachi autem in recessibus suis assidui essent" (Voelli et justelli, Biblioteca juris canon. II, 821 ). " r s 8 a th v, IHvcxxs;. 369-371. ' 5 Von demse1ben, Llt'l.tti;st;. II, 33-34; Ath. Synt. Ill. 311; Balsamons Kommentar zum 6. Kan. v. Karth. (Ath. Synt. ib.). 46 l's8 5 oov, mv~xs<;. 371-373. H Von demselben, At!Xttieat;. II. 36; Ath. Synt. II, 421; Balsamons Kommentar zum 48. Trull. Kan. (Ath. Synt. ib.). a r s 8 a th v, IHvaxs~. 376-377. 9 ' Ath. Synt. V, 101-102; Leunclav. I, 283-284.

. 23. Die kanonlschen Verordnungen der Patriarchal-Synoden.

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17. Germanus II. (1222-1240) 50. Von der jurisdiktion Uber die

FilialklBster 51. 18. Manuel II. (1244-1255) 52 Unter diesem Patriarchen sind drei Synodai-Dekrete erschienen, namlich: a) Antworten auf sechs Fragen des Bischofs von Bella, beziiglich der kirchlichen Disziplin 53 ; b) iiber die Versetzung der BischOfe 54, und c) iiber das Stifterrecht 55, 19.johannes XI. (1275-1282) 56. Die Synodal-Entscheidung einiger Fragen Uber die kirchliche Disziplin 57, 20. Athanasius I. (1289-1293, 1303-1311) 58, Wahrend des zweiten Patriarchats Athanasius I. wurde ein Synodal-Dekret Uber verschiedene Gegenstande der kirchlichen Disziplin erlassen, welches Kaiser Andronicus der Altere als Staatsgesetz erklarte 59. 21. Philotheus (1354-1355, 1364-1376) Go. Ein Dekret, betreffend den Hochverrat 61. 22. Simeon I. (1472-1475, 1482-1486) 62 Ein Dekret Uber die Aufnahme von Andersglaubigen in die Kirche 63. 23. Jeremias II. (1572-1579, 1580-1584, 1585-1595) 64, Das Dekret, betreffend den Gregorianischen Kalender 65, und die Anerkennung des russischen Patriarchats 66, 24. Dionysius III. (1660-1665). Von diesem Patriarchen wurde
50
51

r S 0 S WV,

fHVIX'X.S~. 383-387.

Ath. Synt. V, 110-112, und ein anderes Oekret in demselben Gegenstande; lb. 112-113; Leunclav. I, 235. 52 r so s wv, IHviX'lts~. 388-389. 3 " Von demselben, 4vxt~st<;. 37-40; Ath. Synt. V, 114-116; Leunclav. I.
238-240.
' raoswv, 4t1Xta~st~. II, 40-43; Ath. Synt. V, 116-118; Leunclav. I, 240-242. Vergl. tiber diese Frage noch Ath. Synt. V, 391-394; Leunclav. l, 293-296. 51 Ath. Synt. V, 119-120; Leunclav. l, 242-243. 5 '; .l'soawY, llvC~~.'lts~. 394-396. 57 Von demselben, 4t1Xt6.~st~. I, 16-20. Ober diese Entscheidung erwiihnt ~!i&IX~ in der Vorrede zum III. Bande tlj~ Maa!Xtrovtx.* Ht~Ato&rjx.'tj<; ('Ev BsYst(IX 1872), Seite 92. 58 rsoswv, IHYIX'ltS~. 402-404. 405-411. ~~ Von demselben, At!Xtli~st<;. II, 45-49; Ath. Synt. V, 121-126; C. E. Zachariae a Lingenthal, juris gr.-rt>m. P. III, p. 628-632. Dieses Dekret fiihrt Blastares in seinem Syntagma an. Kap. 12, !itt. K und Kap. 8, !itt. 4> (Ath. Synt. VI, 326. 494). 60 fsosrov, IILv~Xx.s.;. 428-429. 431-439. 61 Ath. Synt. V, 128-130. 62 r so a ro v, IHwxx.s~. 483-484. 487-488. 63 Ath. Synt. V, 143-147. 6 ' fs3swY 1 fi[viX'ltS~. 518-523. 524-525. 531-536. 6 Von demse1ben, At.Xt~st.;. I, 34-38. 66 Ath. Synt. V, 140-155. 5

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

im Vereine mit den Patriarchen Paisius von Alexandria, Makarius von Antiochia und Nektarius von jerusalem ein Dekret tiber 25 Fragen der kirchlichen Lehre und Disziplin erlassen 67. 25. Calinicus II. (1694-1702). Ober die Zahl der Patriarchensttihleas; tiber die selbstlindige Verwaltung in den unabhangigen Kirchen 69 ; fiber die Kirchenversammlungen 7o. 26. Gabriel III. (1702-1707). Entscheidungen fiber verschiedene kanonische Fragen 11. 27. Jeremias Ill. (1715-1726). Die synodale Anerkennung der heiligen russischen Synode 12. 28. Gabriel IV. (1780-1785). Die Anerkennung der Unabhlingigkeit des Erzbistums vom Berge SinaPS; die Synodal-Verordnung Uber die Cheirotonie der neuen Bisch<>fe u. 29. Gerasim III. (1794-1797). Die Verordnung, daB die Bischofe den Klerikern nicht vor erlangtem vorgeschriebenen Alter die Cheirotonie verleihen dUrfen 75. 30. Gregorius V. (1797 -1799). Ein Synodal-Dekret, betreffend die mit weltlichen und politischen Angelegenheiten sich befassenden Geistlichen 76, sowie ein weiteres Dekret, daB die Bischofe denjenigen die Cheirotonie nicht erteilen durfen, welche fur den geistlichen Dienst nicht gut vorbereitet sind 77, 31. Anthimus IV. (1848-1852). Die synodale Anerkennung der Unabhlingigkeit der orthodox-orientalischen Kirche im Konigreiche Griechenland 78. 32. Joachim III. (1878-1884). Die synodale Anerkennung der Unabhlingigkeit der orthodox-orientalischen Kirche im Konigreiche Serbien 79. 33. Joachim IV. (1884-1887). Die synodale Anerkennung der Unabhlingigkeit der orthodox-orientalischen Kirche in Rumlinien 80

r E 0 E cb Y, ~~~t~;st<;;. I, 341-368. Ibid. I, 61-64. 69 Ibid. I, 64-67. 70 Ibid. I, 76-80. 71 Ibid. I, 125-135. u Ath. Synt. V, 160-163. 73 Siebe To 'X.~YOYt'X.oY Ot'X.'XtOY toii 'lt1Xtpt1XpXt'X.oii &p6Yoo t&Y 1spoaoA6p.ooY e'ltt tij<;; &pxLI~ma'X.O'Itli<;; l:w~. 'Ev Koovat'XYttYOo7t6Ast 1868. l:sl.. 136--141. a f E 0 S cb Y 1 ~tiXt~est<;;. 266-268. n Ibid. I, 295-300. 76 Ibid. I, 302-303 11 Ibid. I, 410-413. 78 Ath. Synt. V, 177-185. 79 Siebe das Buch ,die Unabhllngigkeit der serbischen Kirche. kundgemacht im jahre 1879". (In serbischer Sprache.) Belgrad 1880. S. 22-28. 80 'El!.'X.A'YjOtiXatt'X.~ 'AI.~&stiX 1885. T6~J.. ~ asA. 38-39.
UT

68

121
c) Dle Hllfsquellen.

. 24. Die Ansichten anerkannter Kanonisten.


Im . 16 war bereits von den Ansichten hervorragender und von der Kirche anerkannter Kanonisten, sowie tiber die Bedeutung ihrer Ansichten filr das Kirchenrecht die Rede. Aile diese Ansichten sind in dem Athenischen Syntagma enthalten, und in Anlehnung an dasselbe wollen wir diese im Nachstehenden anftihren t. 1. Theodor Balsamons sechsundsechzig kanonische Antworten auf ebensoviele Fragen des Patriarch en Markus von Alexandria 2 2. Das Sendschreiben desselben an den Klostervorsteher Theodosius tiber die Kloster-Novizen 3 3. Eine kanonische Abhandlung von demselben iiber den Dienst des Chartophylax und Protekdicus 4 4. Eine kanonische Abhandlung von demselben iiber die Privilegien der Patriarchen 5,
. 24. 1 Vergl. hierilber }. A. B. Mortreuil, Histoire du droit byzantin. III, 396-397. 451-453; Heimbach, Griechisch-romisches Recht, I. c.; Const. Popovicii jun., Fonta.nele si Codicii. pag. 19-23. Dasjenige, was sich auf das Eherecht bezieht wollen wir hier nicht anfilhren, wei! darilber in dem erwahnten Werke von Dr. Zhisman (S. 43-50) die Rede ist; ebensowenig wird dasjenige erwlihnt, was mehr auf den Ritus, als auf das Recht Bezug hat. ~ In d. em Ath. Synt. (IV, 447) ist der Titel folgender: 'Eprot'fjastc; 'X.OCYOYt%1Xl.

too &1trotlitoo 'lt1Xtptapxoo 'A),z;ay{lopelac; Koploo Mapxoo, Ml. &.7to-x.plaetc; s'lt' aotai:c; too &rtrotaton 'lt-z.tptapxon 'AYtwxslocc; Knpl()n Eleooropon too BIXAaocflroY. Zum Schlusse der Einleitung zu diesen Fragen ist das jahr 1203 angefilhrt (%e>.l. stroY [lSta t~Y aap')(.(l)at'J t05 Knp[oo ')(.0([ Eleo5 %IX!. ~rot'ijpoc; ~[lroY 'lljOOO Xptatoo CfO'(.) Mortreuil (Histoire du droit byzantin. III, 490) filhrt an, daB Balsaman diese Antworten im jahre 1195 geschrieben babe; ebenso auch Heimbach
("Griech.-rom. Recht" in Ersch und Grubers Allgem. Encyklopadie. I. Sect. 86. Teil, S. 391); Zhishman (Eherecht. S. 47) filhrt ebenfalls das jahr 1195 an. Auch beziiglich der Anzahl der Antworten liegen Differenzen vor: Mortreuil (1. c.) erwiihnt deren achtundsechzig; ebenso Heimbach (I. c.); bei Leunclavius (Jus graeco-rom. I, 362-394) sind nur vierundsechzig angefiihrt. Fiir uns ist die in dem Ath. Synt. angegebene Zahl ma6gebend.
smatol..~

Too &.rtoot~ton 7t-z.tptapxoo 'AYttoxslocc; ')(.. Elsoowpoo to5 BotAOIXflOOY 'ltpoc; toY o'lto1tottoY ')(.tx&lj"(ljt~v troY X'Xta tov IIa'ltlxwv flOYIXatljplroY, fJ.OVIXXOY -x.npov @soo6mov, x!irJtY troY pMorp6prov. Ath. Synt. IV, 497-510. Coteleril,
3

Ecclesia graecae monumenta (Paris 1677-86). III, 473 sq.


~ MsMtlj xaptY troY 06o O'f'fl%[rov, tOO ta xaptO'fUAIX%0<;, 'X.IXl tOO 'ltprote')(.o[-x.on. Ath. Synt. IV, 530-541 ; Leunc/av. I, 453-463. ~ MsMt'fj, ~roov &7t6%ptat<;;, xaptY troY 'ltottpt-z.pxt-x.rov 7tpOYOtJ.LroY. Ath. Synt. IV, 542-555; Leunclav. I, 442-453. Diese drei letzten Abhandlungen wurden von Balsamon, als er bereits Patriarch von Antiochia war, verfa6t (Mortreull, Op. cit.

III, 490).

122

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

5. Vierundzwanzig kaMnische A.Pitworten des Petrus Chartophy/ax auf ebensoviele Fragen s. 6. Kanonische Antworten des Elias von Kreta auf verschiedene Fragen des Monches Dionysius 7 7. Zwl:ilf kanonische Antworten des Nikolaus Chartophylax auf ebensoviele von verschiedenen Bischl:ifen an ibn gerichtete Fragen s. 8. Zwei Sendschreiben des Nikephorus Chartoplzylax an den Monch Theodosius, in welchen tiber verschiedene von diesem Monche gestellte Fragen entschieden wird 9 9. Sechzehn kanonische Antworten des johannes von Citrus auf ebensoviele Fragen des Erzbischofs Constantinus Kabasilas 111, 10. Vier kanonische Antworten des Demetrius Chomatenus auf ebensoviele Fragen des Erzbischofs Kabasilas u.
'Epbl'rfjf1.~-tiJI 1 1'11tSp s>..uaev t!.!J-L<llm-co<; X(XCJ'tO!f6Arxa, x6pto.<; lletpo<;, xat ~M 'XOYO<; t'ij<; 'tOO @eo& (J.6'(~"fj<; e'XXA"fjO[IX<;, EY S't6t ,Cx' (6600-5508=1092). Ath.
6

Synt. V, 369-373.
7

1tepl

~t1Xtp6poov

'HAtoo 'too (J.'fj'tpO'ltOAt'tOU Kp'fj't'fj<; 1hoxplast<; 1tp6; 'ttYIX f!.OYfXXOV .:1to.v6atov ao'too spoo't1joeoov. Ath. Synt. V, 374-381; Leunc/av. I, 335-341.

Der letztere bemerkt, daB der Metropolit Elias von Kreta in der zweiten Hlllfte des VIII. jahrhunderts gelebt haben mUsse, da sich die Unterschrift eines Metropoliten Elias von Kreta auf den Akten des VII. allgemeinen Konzils befindet (siehe Marginalrubrik auf Seite 335). Dasselbe erwllhnen die Herausgeber des Ath. Synt; bemerken aber, daB in der vierten Antwort der ,Tomus unionis" vom jahre 920, und in der siebenten Antwort eine Novelle des Kaisers Alexius Komnenus vom jahre 1092 erwilhnt wird. Sonach ist dieser Metropolit Elias von Kreta entweder nicht mit jenem identisch, welcher auf den Akten des II. nicllnischen Konzils unterfertigt erscheint, oder dessen Antworten sind durch irgend jemanden spltter ergilnzt worden. Siebe 6 6 ro v, fiiX'tp. '7ttVIXXe<;, aeA.. 349.

'Epoorijoet<; 'li.IXt &'7toxploet<; ot-i.popot, '(ev6p.ev-xt 7t!Xp~ 3t!Xtp6poov &pxtepeoov 1tpo; 'tov X1Xp'totp6AIXX!X x6ptov Nt'l!.1j't!Xv, 'tov 1srov6t!X &pxte7ta'l!.o'7tov rij; IL"fl'"po'7t6Aeoo; 8eaooeAo\ltX"fj<;. Ath. Synt. V, 382-388; Leunclav. l, 346-351. Der Charto8

r a

phylax Nikolaus war spater Bischof der Maroniten, sohin Erzbischof von Thessalonica zur Zeit des Patriarchen johannes IX. von Konstantinopel (1111-1134). fsoerov, fltV!XXe<; 1 oeA. 348-349.
8

'EmatoA~ too X!Xptotp6A!X'l!.O<; 'l!.up(ou Nt'l!."fjtp6por), 7tp6' 'ttYIX p.oYIXXOV 8eo06atov 'l!.!Xt S'('ltAetatov Kopiv{)oou, '7t6ptsxoua!X MatV 'ttvrov C"fjttjp.litoov. Ath. Synt. V, 399-401 das erste Sendschreiben, 401-402 das zweite Sendschreiben. Leunc/ml.

I, 341-344. Nikephorus lebte im XIII. jahrhundert (Anm. 1 auf S. 399 des Ath. Synt). 10 'Irolivvou 'tOo ma11.61tou Ktpou, &1toxpaet~ 1tpo<; KrovatiX\I'ttvov &pxte'7t(aX07tOY .:1upp!Xx!ou 'toY Ke~liatA-xv. Ath. Synt. V, 403-420; Leunclav. I, 323-335. Dieser Bischof lebte am Schlu6e des XII. jahrhunderts (Anm. 1. auf S. 403 des Ath. Synt.). In der Krmcija bilden diese Antworten in gekiirzter Form das 58. Kap.

Too ~.-xxoeptoo'tlito) 'X.-xt &'(toodtou &pxtsmo'X67tou Bo>A'(!Xpt!X,, 'X.opou 11"1j(J."fj'tplou 'tOO Xoo!Joot't'fjvoo, 7tpb.; Koovat!XV'ttvov &.pxte7tla'l!.oltov t"iJ; (J.1J'tpo.1t6leoo; Ajoppa.xlo!)., t6Y K!X~IiotAotv, &1to11.ploe:t<;. Ath. Synt. V, 427-436; Leuncl. l, 316-323.
11

Demetrius Chomatenus lebte zu Ende des XII. und zu Anfang des Xlll. jahrhunderts; derselbe war zuerst Chartophylax, dann Erzbischof von Bulgarien. Siebe Morlreuil, Histoire du droit byzantin. Ill, 491-492, und Heimbach, 1. c.

25. Die kirchlich-weltlichen Gesetze.

123

O.en Charakter von Hilfsquellen fUr das Kirchenrecht haben tiberdies die von Balsamon, Zonaras und Aristenus in ihren Kommentaren zu den Kanones dargelegten kanonistischen Ansichten. Diese Kommentare sind in ihrem vollen Umfange in dem Athenischen SyntagnUI und zum Teile in den erwahnten Kanonen-Sammlungen der Partikularkirchen enthalten. . 25.

Die kirchlich-weltlichen Gesetze. Die kirchlich-weltlichen Gesetze, welche als allgemeine Quellen des Kirchenrechts erschei.nen, sind die von der griechisch-romischen Staatsgewalt erlassenen, die Kirche betreffenden Gesetze. .Im . 15 wurde bereits hervorgehoben, in welchem Sinne derartige Gesetze in der Kirche wirksam sein konnen. Schon der erste romische Kaiser, welcher sich zum Christentum bekehrte, begann solche Gesetze zu erlassen und ihm schloBen sich die Ubrigen Kaiser durch eine lange Zeit hindurch in dieser Beziehung ant. Neben diesen von den Kaisern unmittelbar erlassenen Gesetzen sind fUr das Kirchenrecht auch jene Gesetze von Bedeutung, welche in der vorchristlichen Zeit des romischen Reiches erlassen und in die Gesetz-Sammlungen der christlichen Kaiser aufgenommen wurden. Aus diesen Gesetzsammlungen gelangten sie zum Teile in die Kanonen-Sammlungen, sowohl der morgenUindischen als auch der abendUindischen Kirche 2. Als QueUe, aus welcher das Kirchenrecht die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen der weltlichen Gesetzgebung scMpfte, ist an erster Stelle zu nennen: Der "Codex Theodosianus", welcher zur Zeit Theodosius II. und Valentinian III. verfa6t, und im Februar des jahres 438 mit dem Beifiigen publiziert wurde, daB er vom 1. janner 439 angefangen als einzige Quelle "juris principalis", von Constantin us his zu dieser Zeit zu gelten habe. Dieser Kodex enthiilt eine Fulle von Gesetzen, welche in 16 BUcher (libri) geteilt sind, deren jedes wieder in viele Titel (tituli) zerfallt. Das letzte (16.) Buch enthalt Gesetze, welche ausschlieBlich auf kirchliche Angelegenheiten Bezug haben, und zerfaltt in ll Titel: 1. de fide catholica; 2. de episcopis, ecclesiis et clericis; 3. de monachis; 4. de his, qui super religion em contendunt; 5. de haereticis; 6. ne s. baptisma iteretur; 7. de apostatis; 8. de judaeis, coelicolis et
. 25.
1 In den Denkmlilern der griech.-rom. Gesetzgebung heiBen diese Oesetze: YO(LOt1 YO(J.l(L"-, 7tOAttt'X.rxl otrxtli~et~, ~rxatAt'X.'1.l Ot(Xtli~et~, -&etot t67tot, -&sa'lt(ap.a.tot, 7tpoat~stc;, 7tpoatlijft11.'t(X, YS11.potl Ot'X't~St~, xpoa6~00AA(X, AOjOl xpuo6~0'T}AAOl; auch Mastc; auf die betreffenden U7tO!J-Yipstc;, wie z. B. in dem Uesetze des Kaisers Alexius Komnenus vom jahre 1094. Siebe Zachariae, jus graec.-r6m. Ill, 393 sq. 2 Siebe Anm. 9. . 15, und das Decretum Gratiani.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

samaritanis; 9. ne christi anum mancipium judaeus haboot; 10. de paganis sacrificiis et templis; 11. de religione. Einzelne Oesetze iiber kirchliche Angelegenheiten finden sich auch in den anderen Biichern des Codex Theodo~anus ~ Wahrend der Iangen Regierungszeitjustinians des OrojJen (527 -565) wurden aile bis zu jener Zeit vorhandenen Quellen des romischen Rechts einer kritischen Prtifung unterzogen und in besondere Sammlungen aufgenommen, welche von da ab an Stelle aller alteren Sammlungen ausschlieBlich Oeltung haben sollten J. Diese Sammlungen sind: Der Codex Constitutionum; derselbe enthlilt kaiserliche Konstitutionen und wurde im Jahre 529 publiziert. Da man aber nach dem Erscheinen anderer Oesetzbticher zur Oberzeugung gelangte, daB dieser Kodex dem praktischen Zwecke nicht mehr entspreche, wurde derselbe einer Revision unterzogen und die neue Ausgabe im Jahre 534 publiziert. Diese neue Ausgabe erhielt, zum Unterschiede von der alten (Kodex vetus), den Titel ,Codex repetitae praelectionis". Der neue Codex enthalt kaiserliche Konstitutionen von Hadrian (im Jahre 117) bis zu dem letzten Oesetze Justinians im Jahre 534 5. Derselbe besteht aus 12 Biichern, welche in Titel geteilt sind. Auf kirchliche Angelegenheiten beziehen sich die dreizehn ersten Titel des ersten Buches, u. zw. : 1. de una Deitate et Trinitate ; 2. de sacrosanctis ecclesiis et de rebus et privilegiis earum; 3. de episcopis et clericis et orphanotrophis, et ascetriis, et monachis, et privilegiis eorum et castrensi peculia et de redimendis captivis; 4. de episcopali audientia et diversis capitulis, quae ad jus curamque et reverentiam pertinent pontificalem; 5. de haereticis et manichaeis et samaritanis; 6. ne s. baptisma iteretur; 7. de apostatis; 8. nemini licere signum Salvatoris Christi humi vel in silice,
s Codex Theodosianus cum perpetuis commentariis jacobi Gothofredi. Mantuae 1740-50. Ed nova in VI tomos digesta. Tom. VI. P. I. Siehe in. dem Codex Theodosianus die Series et collatio titulorum et constitutionum, woselbst angegeben ist, wo noch Gesetze kirchlichen Inhaltes vorkommen . Hier sind auch die 13 ersten Titel des I. Buches des Codex Justinianeus mit den betreffenden Titeln und Biichern dieses Codex verglichen. (lb. Tomi VI. P. II. p. 228). justinians Absicht war darauf gerichtet, die alteren Gesetze unter Beibehaltung des Brauchbaren und Weglassung des Veralteten in zwei Rechts-Sammlungen zusammenzufassen, und zwar in der einen das alte, sogen. juristenrecht, und in der anderen die kaiserlichen Konstitutionen darzulegen. Zu diesem Ende ernannte er eine Kommission praktischer juristen und Theoretiker, urn in den Sammlungen neben dem theoretischen auch den praktischen Zweck zu erreichen. AuBer diesen beiden hauptsachlichen Sammlungen sollte noch eine dritte, die allgemeinen Rechtsprinzipien enthaltende und das Rechtsstudium erleichternde Sammlung verfaBt werden. Siehe die Verfiigung justinians in der Einleitung zum Kodex: de novo codice faciendo; sodann das;;.Gesetz_: de veteri jure enucleando (lib. I. tit. 17) und: de conceptione digestorum (Historia juris a Justiniano compositi. Ed. Gothofr. I, 2. sq.). 5 Siehe Mortreuil, Histoire du droit byzantin. I, 17-25.

. 25. Die kirchlich-weltlichen Gesetze.

125

vel in marmore aut insculpere aut pingere; 9. de judaeis et co eli co lis; 10. ne christianum mancipium haereticus vel judaeus vel paganus habeat vel possideat, vel circumcidat; 11. de paganis et sacrificiis et temp lis; 12. de his, qui ad ecclesiam confugiunt, vel ibi exclamant, et ne quis ab ecclesia extrahatur; 13. de his, qui in ecclesiis manumittuntur 6, Die zweite Rechts-Sammlung justinians sind die Digesten oder Pandekten, welche in 50 Bucher geteilt sind (Codex in quinquaginta libros digestus) und am 16. Dezember 533 publiziert wurden. Dieselben enthalten die in den verschiedenen Schriften der alteren Juristen aufgenommenen, filr die Justinianische Zeit brauchbaren Vorschriften des alten romischen Rechts 7 Viele Ausztige aus den Digesten enthalt der Nomokanon in XIV Titeln; dieselben tibergiengen dann durch die Basiliken in die Scholien Balsamons zu diesem Nomokanon. Die dritte Kompilation justinians bilden die lnstitutionen, welche als methodische Einftihrung in das Studium des im Kodex und in den Pandekten enthaltenen Rechts dienen sollten s. Die Institutionen wurden gleichzeitig mit den Digesten publiziert und erhielten am 30. Dezember 533, zugleich mit den Digesten, Oesetzeskraft. Sie bestehen aus 4 Biichern, deren jedes in Titel und jeder Titel in kurze Absatze zerfallt, welche jetzt Paragraphe genannt werden. Die Novellae constitutiones sind Oesetze, welche justianian nach der Publikation seines Kodex (534) erlieB und die aus dem Orunde ,neue Oesetze" genannt werden, wei! sie neueren Ursprunges sind, als die im Kodex vorkommenden Oesetze, daher in diesem nicht enthalten sind 9 Der Text der Novellen ist zum groBen Teile griechisch abge6 Ausgabe D. Gothofredi. Francof. 1698. II, col. 1-79.
7 ,Jubemus igitur vobis antiquorum prudentium, quibus auctoritatem conscribendarum interpretandarumque legum sacratissimi principes praebuerunt, libros ad jus romanum pertinentes et Iegere et elimare: ut ex his omnis materia colligatur, nulla, secundum quod possibile est, neque similitudine, neque discordia derelicta, sed ex his hoc colligi quod unum pro omnibus sufficiat." - ,Nostram autem consummationem, quae vobis Deo adnuente componetur, Digestorum vel Pandectarum nomen habere sancimus." Constit. de concepti one digestorum ad Tribonianum. . 4. 12. Vergl. Mortreuil. Op. cit. I, 7-16; Puchta, Institut. I, 700 u. ff. 8 , mandavimus specialiter ut 'ipsi nostra auctoritate, nostrisque suasionibus Institutiones componerent: ut.Jiceat vobis prima legum cunabula, non ab antiquis fabulis discere, sed ab imperiali splendore appetere, et tam aures, quam animi vestri, nihil inutile, nihil perperam positum, sed quod in ipsis rerum obtinet argumentis, accipiant." - ,lgitur post libros quinquaginta Digestorum seu Pandectarum, in quibus omne jus antiquum collectum est, . . . . in quatuor libros easdem lnstitutiones partiri jussimus ut sint totius legitimae. scientiae prima elementa." Prooemium Institutionum. . 3. 4. Vergl. Mortreuil. Op. cit. I, 16-17:; Puchta. Op. cit. I, 709 u. ff. 9 ,Si quid in posterum_::melius inveniatur, et :act constitutionem necessario sit redigendum, hoc a nobis et constituatur et in aliam congregationem referatur, quae novel/arum nomine constitutionum significetur." Constit. de emendatione codicis

126

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

faSt; dieselben heiBen in griechischer Sprache VSil.pct.!. atll.'t~ast~ 10 Die bei weitem groBte Zahl der Novellen fallt in die ersten fiinf Jahre nach der Publikation des Kodex; die alteste ist die Novelle I vom 1. janner 535 11 jede Novelle hat eine Inskription, welche besagt, an wen sie erlassen worden ist; diesem oblag dann die Aufgabe der Durchfiihrung derselben. Der groBte Teil der Novellen ist an den Praefectus praetorio adressiert, mit Ausnahme der kirchlichen, die in der Regel an den Patriarchen von Konstantinopel gerichtet waren, indessen aber gewiB an aile Patriarchen expediert wurden, wofilr der Anfang der Novelle 3 und der SchluB der Novelle 5 den Beweis liefern. Oberdies enthalt die Novelle 6 am Ende die Notiz, daB sie auch an die Patriarchen von Alexandria, Antiochia und jerusalem ausgefertigt, und die Novelle 67, daB sie an alle Patriarchen geschickt worden sei. Die Patriarchen batten filr die weitere Verbreitung zu sorgen, u. zw. nach Angabe der Novellen 5 und 6 zuvorderst unter den Metropoliten, diese weiter unter den Bischofen, diese letzteren endlich in den Kirchengemeinden und in den Klostern, je nach dem lnhalte der Novelle. In den NoveUen wurden, wenn es die Notwendigkeit erheischte, die Zivilbehorden beauftragt, der Kirche bei Durchfilhrung des in der Novelle enthaltenen Gesetzes hilfreich beizustehen 12. Eine Sammlung der NoveUen justinians, deren Anzahl abweichend angegeben wird ta, wurde erst nach dessen Tode geschaffen. Die Rechtsgeschichte fi.ihrt fi.inf solcher Sammlungen an, u. zw.: 1. Die Sammlung von 168 Novellen. 2. Die
. 4. Das beste bisher erschienene Werk iiber die Novellen justinians ist Dr. F. A.

Biener, Geschichte der Novellen justinians.. Berlin 1824. In dieser Materie halten wir Ults an Biener und ebenso in allem, was auf das griech.-rom. Recht Bezug hat, und von demselben Autor behandelt wurde. 10 Biener. Op. cit. 13 u. ff., 35 u. ff. 11 lb. S. 7. "Kal. jan. lndictione decima tertia". 12 ,Haec igitur omnia sanctiss. patriarchae sub se constitutis Deo amabilibus metropolitis manifesta faciant: at illi subjectis sibi Deo amabilibus episcopis declarent: et illi monasteriis Dei sub sua ordinatione constitutis cognita faciant, quatenus per omnia Domini cultura maneat undique incorrupta .... Et nostrae quidem reipublicae judices si haec eis nuntientur, omnibus studeant modis, ea quae sacris regulis continentur, quas nostra sequitur, lex, ad effectum perduci procurare. Nam nee illos deserit poena haec negligentes. Quapropter sequentem haec tuam sanctitatem decet omnibus sub te positis sanctiss. metropolitanis haec facere manifesta." Epilog. V. nov. Cf. Nov. Vlll de non alienandis aut permutandis rebus ecclesiasticis immobilibus. Siehe Biener. Op. cit. p. 31-35. 13 M. Blastares erwllhnt in seinem Syntagma 170 Novellen justinians; von anderen wird wieder eine geringere Zahl angefiihrt. Heute ist jedoch nachgewiesen, daB von der alten Sammlung von 168 Novellen, 157. oder richtig 154, justinian angehoren, wei! 3 Novellen zweimal vorkommen. Puchta zahlt deren 165 (lnstitut. I, 714), allein ungerechtfertigt. Siehe Biener. Op. cit. p. 8-10; Heimbach, Griechischromisches Recht. . 5 (Ersch. u. Grubers Allgem. Encykloplldie. 86, 198).

, 25 .. Die kirchlich-weltlichen Gesetze.

1;27'

Sammlung unter dem Titel To 'itA&:to; tro',l vea.prov. 3<. Die Kollektion des Pseudo-Eustathius. 4. Die Kollektion des Athanasius und 5. eine abgeleitete Sammlung 14. Von diesen Sammlungen war die erste in der Regel im Gebrauche; dersclben bediente sich hauptsachlich der Kompilator des Nomokanon in XIV Titeln bei der AnfOhrung der Novellen j ustinians 15. Diese Rechts-Sammlungen justinians machte sich die Kirche im ausgiebigen MaBe fOr ihr Recht zunutze. Abgesehen davon, daB sich die Kirche in gegebenen FiUlen auf die gesetzlichen Vorschriften dieser Sammlungen berief, wurden fOr die kirchliche Praxis besondere, diese Vorschriften enthaltende Sammlungen geschaffen, welche in der orientalischen Kirche Oberall Verbreitung fanden. Hieher geh5rt: Die Collectio 87 capitulornm, die Collectio 25 capitulorum un die Collectio constitutionum ecclesiasticarum; sodann der Nomokanon in fiinfzig und in vierzehn Titeln. Diese Sammlungen werden spater der Er5rterung unterzogen werden. Die Ecloga des Kaisers Leo des Jsauriers und Constantinus Copronymus erschien im jahre 741 und hatte den Zweck, denjenigen, welchen die Anwendung der Oesetze im offentlichen Dienste oblag, die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften der vier justinianischen Sammlungen in einem Buche vereinigt zu bieten w. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war man der Meinung, daB diese Ecloga nicht von den erwahnten Kaisern, sondern von Kaiser Leo dem Philosoplren und dessen Sohne Constantinus erlassen wurde 17. Wahrscheinlich wollte man jenen Kaisern das Verdienst der Herausgabe dieser Sammlung deshalb nicht zuschreiben, weil sie lkonoklasten waren, sondern schrieb dieses Verdienst eher zweien Kaisern der makedonischen Dynastie zu, welche die Bilderstiirmer verurteilten. Zu diesem Zwecke wurden in den griechischen Handschriften in dem Titel der Ecloga bereits die Namen Leo des
11

Ober diese Sammlungen siehe Motreuil. Op. cit. I, 25-45; Heimbach. Op.

cit. . 6 (lb. 198-208); Biener. Op. cit. p. 85 u. fl. 15 Biener. Op. cit. S. 603; Heimbach, 'Avsl'..8ot-x, Leipzig 1838. I. Pro leg. pag.

LXXV -LXXVII; Mortreuil. Op. cit. I, 44; Zhishman, Eherecht. S. 52.


'Ex./-o1~ tow v6tJ.WY sv auvt6!J.Cf> '(eYo(J.SV"fj 1trxp~ Asovto~ X.IXL Kwvotrxvtvoo toov 'l6'fiO"W X(X1 'filAeuae~oov YjtJ.ooY ~IXatM:wv &1to toov lvattto6twv, toov 8t"(aotwv, toil )toootxo~, toov ve-xpoov toil tJ.e'(liAoo 'IooattvL-xvoo Ota;t~wv, )t!XL E'ltt8t6p{}wcrt~ ek tO 'ftAIXY{)-pw1t6tspov hts{l-si.'l!X S\1 tJ."fjY1 fL1Xpti<p t\10. {}' stet &1to 'lf.'tlosw~ )f.OO(J.OU 1r;o11C' (6247 -5508=739). Dies ist der Titel der von Mortreuil
16

behandelten Handschrift. Op. cit. I, 366-367 (Cf. Heimbach. Op. cit. . 10). In der Ausgabe der Ecloga bei Leunclav. (II, 79 sq.) findet man ,~ttJ-~ , also um hundert jahr.e spli.ter. Die neueste Ausgabe der Ecloga ist in Zachariae Col!Qctio librorum iuris graeco-romani ineditorum. Lips. 1852. n Mortreuil. Op. cit. I, 363.
1

128

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Philosophen und Constantinus aufgenommen. Aus einer solchen Handschrift dnrfte die Ecloga auch in die slavische Sprache ilbersetzt und sodann in die gedruckte Krmcija aufgenommen worden sein. Hier ist die Ecloga in nachstehender Weise betitelt: ,Leona carja premudrago i Kostantina vernoju carju glavizni o sovjescanii obrucenija, i o bracjeh i o inih razlicnih vinah" 1s. lm Originate umfaBt die Ecloga 18 Titel mit der betreffenden Einleitung. In der Krmcija zahlt dieses Rechtsbuch nur 16 Titel; die ganze Einleitung ist in Obersetzung angefi.ihrt. Die Ecloga erfuhr im Laufe der Zeit vielfache Bearbeitungen; es erschien die Ecloga privata, Ecloga privata aucta und Ecloga ad Prochirum mutata. Diese Bearbeitungen der Ecloga stehen jedoch zum Kirchenrechte in keiner unmittelbaren Beziehung. Der in der Krmcija (Kap. 46) angefiihrte ,Zakon sudnii ljudem carja Konstantina velikago" wird auch als Auszug aus der Ecloga betrachtet, wenngleich dieses Oesetz nach der Bemerkung des Chartophylax des Patriarchen Agathangelus von Konstantinopel aus dem Anfange des vorigen jahrhunderts, als apokryph bezeichnet wird, und in der griechischen Kirche von niemanden angeftihrt wurde 19. Das Prochiron des Kaisers Basi/ius des Mazedoniers und seiner Sohne Constantinus und Leo wurde in der Zeit zwischen 870 und 879 verOffentlicht. Dasselbe enthalt die wichtigsten rechtlichen Bestimmungen aus den bis dahin bestandenen Rechts-Sammlungen, und zerfallt nach der Einleitung in 40 Titel; es ist ein sehr praktisches Buch, welches sowohl von Juristen als auch von Kanonisten sehr geschatzt war 20 Das Prochiron wurde in die altesten (alt-serbischen) handschriftlichen Ausgaben der Krmcija 21 iibersetzt aufgenommen, von wo dasselbe auch in die gedruckte Krmcija ilbergieng. Hier bildet es das 48. Kapitel unter dem Titel ,Zakona gradskago glavi razlicni v cetiredesjatih granjeh." In der Zeit zwischen 879 und 886 wurde von den Kaisern Basilius dem Mazedonier, Leo und Alexander ein anderes Rechtshandbuch herausgegeben, namlich : Die Epanagoge 22 d. h., eine neue Ausgabe des Prochiron (repetita
1 Kap. 49. Erwlihnte Ausgabe. S. 171-179. In der alt-serbischen Krmcija fehlt diese Ecloga. Siebe unsere Abhandlung ,Die Krmcija von Savina" pag. 24. 35. 19 Siebe Biener, De collectionibus canonum ecclesiae graecae. p. 41.

o 1tp6xstpo~ v611o~. Herausgegeben von Zachariae. Heidelberg 1837. Siehe iiber diese Sammlung: Heimbach. Op. cit. . 24 (Ersch u. Gruber. 86, 303-305); iiber die Bedeutung dieser Sammlung fiir das Kirchenrecht: Zhishman. Eherecht. S. 55. 2 1 ,Die Krmcija von Savina." S. 26. ~~ 'E'lt~txjroj'ij too v611ou, herausgegeben 1852 in de~ erwllhnten Collectio Jibrorum juris graec.-rom. ineditorum, Zacharlae a Lingenthal. Ober diese Sammlung: Heimbach. Op. cit. . 25 (lb. 86, 305-307).
20

25. Die kirchlich-weltlich en Gesetze.

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praelectio), in welche die unter Kaiser Basilius erlassenen Oesetze aufgenommen wurden. Dieselbe wurde jedoch offiziell nicht kundgemacht 2s. Die wichtigste Sammlung der griechisch-r5mischen Oesetzgebung fur das Kirchenrccht sind die Basiliken. Basilius der Mazedonier hatte die Herausgabc einer groBcn Oesetz-Sammlung unternommen, in welcher die alten Gesctze cntsprcchend gclautcrt werden sollten (&va:x.ci-&et.pa~s; ttov 7eoJ,atci)V v6p.(I)V, repurgatio veterum legum). Nach dessen Tode vollendete sein Sohn und Nachfolger Leo der Philosoph die Arbeit des Vaters, und ver5ffentlichte diese Arbeit in den letzten Jahren des IX. jahrhunderts u. Gewohnlich Hihrt diese Sammlunng den Titel Ta Baa~),t-x.ci (namlich v6p.~:vt., kaiserliche Gesetze, leges imperiales) 25 ; dieselbe bcsteht aus 60 Buchern (~~~),[et.), jedes Buch zerfallt in Titel ("dtAo~), diese gliedern sich wieder in Kapitel (xs~ciAet.~et.) und diese in Paragraphe (-&Ep.o.::a). Als Quellen dieser Sammlung dienten: Die Institutionen, die Digesten, der Kodex, die Novellen und das Prochiron, aus welchen die noch giltigen Oesetze in verbesserter Redaktion aufgenommen wurden Die Kirche bcdiente sich der Rechts-Sammlungen justinians gleich bei ihrer Ver5ffentlichung. Als aber die Basiliken erschienen waren und festgesetzt wurde, daB nur die in den Basiliken enthaltenen, aus den Sammlungen justinians entlehnten Bestimmungen rechtswirksam seien, da wandte auch die Kirche den Basiliken ihre Aufmerksamkeit zu. Balsamon hat es sich in seinem Kommentare zum Nomokanon in XIV Titeln zur Hauptaufgabe gemacht, die in demselben aus justinians Rechts-Sammlungen aufgenommenen weltlichen Gesetze herauszusuchen, dieselben mit den betreffenden Oesetzen der Basiliken zu vergleichen, und je nach dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des einen oder anderen Oesetzes in den Basiliken, die praktische Bedeutung desselben in der Kirchc zu bestimmen 2 ~>. Balsamon, welcher
73 Zachariae a Lingenllwl, Geschichte des griech.-rom. Rechts. Berlin 1877. S. 14, nota 8. ~ Die Regierung Leo des Philosophen flillt in die Zeit von 886 bis 911 ; der Zeitpunkt der Veroffentlichung der Basiliken wird in die ersten jahre seiner Regierung versetzt, gewiB vor das Jahr 892. ,Certe paucis annis ante annum 892" sagt der gelehrte Herausgeber der Basiliken, C. G. E. Heimbach, in den Prolegomena zur Ausgabe (S. 111). 2 ~ AuBerdem besteht noch die Bezeichrtung 'Av~'X.ti{)-~pot~ tiilv 7tcx.Acx.tiilv vo[Lrov, ~ s~ti~t~Ao~, oder r. E~'YjMVtai3t~Ao:;; und tO S~"tjMVtli~t~Aov, auch tli 5~~ 'X.OVt!X 'lt5'ftXAat~ ~!XatAt'ltii.lv. Heimbach. lb. p. 108-1<)9. DaB die von einigen behauptete Herleitung der Bezeichnung lhcrtAt)~ci von Bcx.a(AstO~ (Basilius) fehlerhaft ist, und daB diese Bezeichung vielmehr von ~acrtA56~ herriihrt, siehe Heimbach. I. c. - Der Titel der gedruckten Ausgabe von Heimbach Iautet Basilicorum libri LX. Lipsiae 1833-70, in 6. Banden, wovon der letzte (VI.) Band die Prolegomena et Manuale Basilicorum enthiilt. 26 Siehe die Vorrede Balsamons zum Nomokanon in XIV Titeln. Ath. Synt. I, 31-33. lllai, llrchoor..bL 9

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

sich dieser Aufgabe auBerst geschickt entledigte, hat hiedurch den Basiliken ftir aile Zeiten den Charakter einer Quelle fiir das morgenHindische Kirchenrecht gesichert 27 Die Mehrzahl der morgen-Hindischen Kanonisten der spateren Zeit halt sich in dieser Beziehung an Balsamon. Die Basiliken dienten auch als Hauptquelle ftir die letzte wichtige im Mittelalter im Orient verfaBte Arbeit, das Zivilrecht betreffend, namlich ftir die: Hexabiblos des Constantinus Harmenopulos 28. Diese Hexabiblos wurde urn das Jahr 1345 von Harmenopulos, Nomophylax und Richter in Thessalonica, in Form eines Handbuches abgefaBt, weshalb dieselbe auch llp6xstpov, am gewohnlichsten aber mit Rticksicht auf deren Einteilung in sechs Bticher, 'E~ti~t~Ao<; genannt wird 2 B. Das Kirchenrecht betreffen in dieser Sammlung die Gesetze tiber die Ehe, und der vierte Titel des Anhanges tiber die Einsetzung der Bischofe und Priester 3. Als Erganzung zur Hexabiblos veroffentlichte Harmenopulos eine besondere Kanonen-Sammlung von welcher spater die Rede sein wird. Die Nove/len nach justinian. Neben den erwahnten und noch anderen Rechts-Sammlungen, welche Gesetze der Kaiser nach Justinian enthalten, und die hier mangels eines unmittelbaren Bezuges auf das Kirchenrecht nicht angefiihrt werden, wurden von den Kaisern auch viele Novellen erlassen, von denen sich ein groBer Teil mit kirchlichen Angelegenheiten befaBt. Kaiser Leo der Philosoph allein erlieB 118 Novellen, deren mehr als die Halfte die kirchliche Disziplin und die Ehe betreffen. Samtliche Novellen, von Kaiser Justinus angefangen bis zu Constantinus Palaologus, d. i. vom Jahre 566 bis zum Jahre 1451, wurden gesammelt und im Jahre 1857 zu Leipzig in einem Buche publiziert 31 Die Zahl dieser Novellen betragt im ganzen 337, neben
n Siehe hieriiber
28 29

Biener, De collectionibus canonum ecclesiae graecae p. 27. Mortreuil. Op. cit. III, 353.

Der volle Titel der Sammlung des Harmenopulos lautet: Ilpoxstpov YOfW>Y to AB"(OfLSYOY ~ 'E~!.i~t~Aot;, (ji)YIJ.'X.potcr{}sy 1t!.iYto{}~y Mt' ExAO"("~Y Ml 'X.I:Xt' smtOfL'iJY. outoo crovts{}sy mxpil. too 7tiJ.Ycrs~!.icrtoo YOfL01f6A.axo<;; Mt -x.ptto5 @acrcraA.oY['X.'Ij<;; KoovcrtaYt[Yoo too 'App.svo7to6),o). Ober diese Sammlung siehe Mortreuil. Op. cit. III, 349-376; Heimbach, Griech.-rom. Recht. . 47 (Ersch. u. Gruber. 86, 444-452); die neueste Ausgabe G. E. Heimbach. Lipsiae 1851. 30 Nach Mortreuil (III, 371-372) ist diese Sammlung des Harmenopulos auch heute im Konigreiche Griechenland giltig. Zum Beweise hiefiir fiihrt er eine die Gerichts-Organisation betreffende Verordnung aus dem Jahre 1830 und den ersten Artikel der Konstitution vom Jahre 1835 an. Vergl. Zhishman, Eherecht. S. 67. Von einer gedruckten Ausgabe sy Ncw7tA[tp vom jahre 1833 erwahnt Zachariae, Historiae juris graeco-romani delineatio (Heidelberg 1839). Seite 98. 31 Novellae constitutiones imperatorum post justinianum quae supersunt collatae et ordine chronologico digestae. Edidit C. E. Zachariae a Lingenthal. Lips. MDCCCLVII.

. 26. Allgemeine Obersicht.

131

verschiedenen Chrysobullen, Patenten u. s. w., welche nicht dem Texte, sondern nur dem Gegenstande nach, den sie betreffen, angefiihrt sind. Alle Novellen kirchlichen lnhalts bis zu Kaiser Isaak Angelus (1193), sind in den bis zu jener Zeit erschienenen Kanonen-Sammlungen, und insbesondere in den Kommentaren der Kanones von Balsamon angefiihrt; iiberdies werden in dem im Jahre 1335 verfaBten Syntagma des Blastares noch spatere Novellen erwahnt. In dem Athenischen Syntagma sind auch die wichtigeren Novellen aufgenommen 32.
II. Die besondere Quellen des Kirchenrechts.

. 26.
Allgemeine Ubersicht.

Die von uns bisher angefiihrten Quellen sind fiir die Gesamtkirche von allgemeiner Bedeutung, und sonach fUr jede Partikularkirche, welche in dem Verbande der allgemeinen Orthodoxie verbleiben will, bindend. Neben diesen allgemeinen Quellen bestehen fiir die einzelnen Partikularkirchen noch besondere Quellen, welche durch die Stellung der Kirche in den einzelnen Staaten bedingt sind, und das Verhaltnis der Kirche zum Staate und die auBere Verwaltung derselben betreffen. jene Gesetze, welche das Verbaltnis der Kirche zum Staate regeln und die auBere kirchliche Verwaltung normieren, sind in den betreffenden Staaten sowohl filr die Kirche, als auch filr den Staat bindend; denn sie sind entweder einvernehmlich zwischen Kirchen- und Staatsgewalt erlassen oder nur von einer derselben hinausgegeben und von der anderen angenommen und bestatigt. Nach dem Kataloge des Patriarchats von Konstantinopel vom April des Jahres 1855, bestanden folgende Patrikularkirchen mit ihrer selbstandigen Verwaltung, oder autokephale Kirchen (h-M1Jala~ autoxirpr:t.Aot): 1. Die Kirche von Konstantinopel, 2. Alexandria, 3. Antiochia, 4. Jerusalem, 5. Cypern, 6. von RuBland, 7. Karlowitz, 8. vom Berge -Sinai, 9. von Montenegro und 10. die Kirche im Konigreiche Griechenland ' Diesen sind noch aus der neueren Zeit hinzuzufiigen: 11. die Kirche von Hermannstadt, 12. von Bulgarien, 13. der Bukowina und von Dalmatien, 14. die Kirche im Konigreiche Serbien, 15. die Kirche
Band V, 186-340; wenngleich hier an erster Stelle 'Op.oAo"'(lot 1ttt:lteoo~ troY tpto)v Ksfo:Arxto)\1 Justinians und zwei andere Novellen desselben angefiihrt erscheinen. Erst hierauf beginnen mit einer Novelle des Heraclius vom Jahre 629 jene tiber die Privilegien der Geistlichkeit vor den weltlichen BehOrden. . 26. 1 Siehe Ath. Synt. V, 513-530. Vergl. ~DYto:'{p.~ttoY too Xpt~~v-3-oD, 7tottpt7.pxoD, 'lepoooMp.oov. 'Ev Tsp-(o~6crt, 1> t'ij~ Or)npo~A.ocxl-x~ 1715. Im Kataloge fiir das jahr 1867, welcher im ,Hristianskoe ctenie" (1868. I, 702-727) abgedruckt ist, sind ebenfalls zehn autokephale Kirchen angefiihrt. 9*
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Mt~

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungcn des Kirchenrechts.

im Konigreiche Rumanien 2. Unter diesen autokephalen Kirchen besitzen ihre besonderen von den kompetenten Gewalten formell bestatigten Gesetze nur folgende Kirchen. 1. die Kirche von Konstantinopel, 2. die russische Kirche, 3. jene von Karlowitz, 4. von Griechenland, 5. von Hermannstadt, 6. die bulgarische Kirche, 7. die Kirche der Bukowina und von Dalmatien, 8. die Kirche im Konigreiche Serbien, 9. die Kirche im Konigreiche Rumanien und 10. die montenegrinische Metropolie. Den iibrigen Kirchen fehlt es an derartigen Gesetzen; dieselbcn werden nach den in den allgemeinen Rechtsquellen enthaltenen Normen verwaltet s. . 27. Das Patriarchat von Konstantinopel. Durch die Fermane des Sultans Muhammed II. (1453 u. ff.) wurde bestimmt, daB das christliche Religionsbekenntnis im tiirkischen Reiche frei sei, und die orthodoxen Christen der ausschlieB!ichen geistlichen und zivilen Jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopcl unterstehen. Der Person des Patriarchen und der hoheren Geistlichkcit war eine privilegierte Stellung im Reiche und die Befreiung von allen Abgaben zugestanden. Der Patriarch verwaltete im Vereine mit den Bischofen selbstandig die kirchlichen Angelegenheiten nach den Gesetzen der Kirche. Der Patriarchal-Synode, welche aus zehn bis zwolf BischOfen unter dem Vorsitze des Patriarchen gebildet wurde, war die ZentraiVerwaltung, den angeseheneren Vertretern des Volkes die Sorge fUr das Kirchenvermogen, sowie fUr aile weltlichen Angelegenheiten des Patriarchats anvertraut. Die Wahl des Patriarchen wurde von den Bischofen im Vereine mit den Vertretern des Volkes vorgenommen. Zur Durchfiihrung der Entscheidungen nicht kirchlicher Natur war in jedem Falle die Zustimmung der hohen Pforte erforderlich. Nur die Delikte politischer Natur, waren der jurisdiktion der Staatsgewalt vorbehalten. Diese Stellung wurde der orthodox-orientalischen Kirche gleich nach der Besitzergreifung Konstatinopels durch die Tiirken zuerkannt. Allein bald wurde durch die Art der tiirkischen Verwaltung diese von Muhammed eingesetzte Ordnung gestort, und im Laufe der Zeit verloren die Christen, namentlich durch die Gewalt der janitscharen, jede Freiheit in der
Von der Entstehung der fiinf letzterwiihnten, sowie der iibrigen autokephalen Kirchen wird im II. Teile dieses Buches die Rede sein. 1 ' Fiir einzelne Seiten der kirchlichen Verwaltung bestehen besondere Vorschriften in der Kirche von Alexandria, Antiochia, jerusalem, Cypern, und vom Berge Sinai; doch besitzen diesel ben keinen form ell gesctzlichen Charakter und sind auch nicht im Drucke erschienen. Wir crhielten die be"liiglichen Informationen auf privatem Wege durch Freunde aus Konstantinopel und Athen. Die wcnigen bcstehenden und uns bekannten einschlagigen Vorschriften werden wir an betreffender Stelle dieses Buches erwiihnen.
2

. Zl. Das Patriarchat von Konstantinopel.

133

Kirche. Diese tUrkischen Verwaltungsverhaltnisse blieben aber auch auf die Hierarchie nicht ohne EinfluB, und die in derselben zutage getretenen MiBbrauche harrten der Beseitigung. Diese Lage der Dinge dauerte bis zum Beginne des XIX. Jahrhunderts, zu welcher Zeit sich eine entschiedene, durch die Notwendigkeit veranlaBte, die Besserung der Lage der Christen im turkischen Reiche anstrebende Bewegung geltend machte. Diese Bewegung trat auch unter den der Tiirkei untertanigen Christen selbst, wekhen die Staaten Europas ihren Schutz angedeihen lieBen, zutage, so daB die Pforte gen5tigt war, griindliche Reformen im Staate einzufUhren. Nach Unterdriickung des janitscharentums (1826) unter Mahmud II., nahm diese reformatorische Tatigkeit ihren Anfang; diesel be war jedoch zunachst mit Rticksicht auf den, diesen Sultan erfiillenden HaB gegen die Christen von keinem unmittelbaren Erfolge begleitet. Erst nach dem Tode Mahmuds und nach der Thronbesteigung durch Abdul Medschid begannen diese Reformen sich tatsachlich zu zeigen. Mit dem am 2. November 1839 publizierten Hattischerif, wurde die Gleichberechtigung jedermans, welcher Religion immer er angeh5ren mochte, vor dem Sultan, sowie die Freiheit des Glaubensbekenntnisses im Staate feierlich anerkannt und die Durchftihrung dieser kaiserlichen Ordre einem zu diesem Zwecke eingesetzten Reichsrate (Tanzimat) anvertraut, in welchem auch christlichen Vertretern das Stimmrecht eingeraumt ward. Die Iradc vom 6. Juni 1853 bestatigte diese Verfiigung, und betonte gleichzeitig die Notwendigkeit der Reform des inneren Lebens der Glaubensbekenntnisse (des griechischen, armenischen, katholisch-armenischen und hebraischen) im Reiche. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde in die Stabilitat dieser Verfilgungen des Sultans kein groBes Vertrauen gesetzt; denn die Vertreter der europaischen Machte veranlaBten die Pforte zur Herausgabe des bekannten Hatti-Humayum vom 18. Februar 1856, wodurch das Verhaltnis zwischen der Kirche und dem Staate genau bestimmt und befestigt sowie unter den internationalen Rechtsschutz gestellt wurde. Beziiglich der Reorganisation der Kirchen-Verwaltung selbst, bestimmte dieser Hatti-Humayum Folgendes: ,Jede christliche und sonstige nicht-muhammedanische Religions-Gesellschaft hat binnen einer bestimmten Zeit und mit Hilfe einer aus der eigenen Mitte gewahlten Kommission, unter der Aufsicht der hohen Pforte, die ihr eingeraumten Privilegien einer Priifung zu unterziehen, die den Zeitverhaltnissen entsprechenden, notwendigen Reformen darzulegen und dieselben der hohen Pforte zur Genehmigung vorzulegen. Aile den christlichen Patriarchen und Bisch5fen vom Sultan Muhammed II. sowie von seinen Nachfolgern verliehenen Privilegien, sind mit der neuen Lage der Dinge und mit meinen (des Sultans Abdul Medschid}, auf das beste Wohlergehen der christlichen Gemeinden gerichteten Be-

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

strebungen in Einklang zu bringen. Nach der Revision der gegenwartig iiblichen Art der Patriarchenwahl und gemaB den Vorschriften des Fermans iiber die Investitur, muB das Prinzip der lebenslanglichcn Einsetzung der Patriarchen genau gewahrt werden. Die Patriarchen, Metropoliten, Erzbischofe und Bischofe werden beim Antritte ihres Amtes einen Eid, nach dem zwischen der hohen Pforte und den Vorstehern der betreffenden Religions-Gesellschaften vereinbarten Formulare, abzulegen haben. Aile geistlichen Abgaben, welcher Art sie sein mogen, haben aufzuhOren und sind durch ein fixes, den Patriarchen, Bischofen und den iibrigen Mitgliedern der Hierarchic je nach ihrer Stellung zuerkennendes Einkommen zu ersetzen. Das bewegliche und unbewegliche Vermogen der christlichen Kirche ist unantastbar. Die weltliche Verwaltung der christlichen und der anderen Religions-Gesellschaften wird unter die Oberaufsicht einer aus Mitgliedern des Klerus und aus Laien gebildeten Versammlung gestellt, welche von den betreffenden Gemeinden aus deren Mitte gewahlt werden." Der erwahnte Hatti-Humayum hat gegenwartig im tiirkischen Reiche die Kraft eines Reichsgesetzes 1 Auf Grund dieses Hatti-Humayum wurde dem Patriarchen in Konstantinopel im Monate April des jahres 1857 von der hohen Pforte die Instruktion zuteil, einen besonderen provisorischen Rat zu konstituieren, dem die Aufgabe oblag, einen im Sinne dieses Hatti-Humayum gehaltenen Gesetzentwurf fiir die innere Kirchen-Verwaltung zu verfassen 2 Dieser GesetzentAbgedruckt im ,Journal de Constantinople". 1856. Nr. 347. Siehe ,Die Verfassung der griechisch-orthodoxen Kirche in der Ti.irkei. Ein Beitrag zu der neueren Kirchengeschichte des Orients". Von C. N. Pischon (Theolog. Studien und Kritiken. jahrgang 1864. S. 272-273). 2 Diese Instruktion ist abgedruckt in der ,Presse d' Orient". 1857. N. 302. Wir besitzen dieselbe in der Original Ausgabe ('Ev Kwv'ltcxvnvo'l7tOASt 1888) unter dem Titel: 'Oo1nLcxt t~~ T~7Jk76 Ktl~S(JYljasws, atcxAetacxt s1; td Ilcxtpvxr:x_sicx
. 27.
1

ltspt te too GX1Jf.I.!'Xttap.o6 tow, -x.cxta -cfjv svvot'7.Y t(l') 1tept t'ijc; "(evt-x.ij; tofi Kpoitooc; ~ef.ttooaew~ ltposxBo{HYtoc; i>~1)AOfi A'>toxpcxtoptxoo <'Jtcxtli'(I.I.'Xto:;, EY tot:; Hcxtpt-xpxsLot:; aryrxpotrJ{}~aop.svwY e1Btx&v 1epoawpwow anp.f;oJ),[wv 'i'.a.t 7tspt tow x-x{}Yj'l'.OYtOJII rxr)t(i)Y. Der Rat hestand aus 7 Metropoliten (Bischofen), 10 Vertretern
des Volkes aus Konstantinopel, 11 Vertretern des Volkes aus den Provinzen und dem Patriarchal-Sekretar; im ganzen aus 29 Mitgliedern. Dem Klerus von Fanar war dies jedoch nicht genehm, und war derselbe bemiiht, die diesfallige Aufforderung der hohen Pforte zu vereiteln. Erst nach einer neuerlichen energischen Aufforderung der Pforte vom November 1857 wurde ans Werk geschritten, und zwar im Fri.ihjahre 1858. Mit dieser Reformarbeit waren namentlich die geistlichen Mitglieder der Gerusia aus dem Grunde nicht einverstanden, weil sie die Wahrnehmung machten, daB ihre Macht, welche ihnen bis dahin in allen Angelegenheiten des Patriarchats zustand, eine Einschrankung erfahren werde. Diese zur Zeit des Patriarchen Samuel (1764-1780) zu dem Zwecke eingesetzte Gerusia, tun die in der kirchlichen Verwaltung bestandenen MiBbrliuche zu beseitigen, bestand aus 6 lilteren Bischofen (Metropoliten) der Patriarchal-Synode, 2 Archonten (aus dem griechischen Adel)

. 27. Das Patriarchat von Konstantinopel.

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wurf kam am 31. janner 1860 zustande, wurde am 6. Februar desselben jahres der Regierung zur Genehmigung unterbreitet, erhielt im September dieses jahres die Sanktion des Sultans und wurde sohin zum heute noch geltenden Reichsgesetze 3 Dieses Gesetz zerHillt in sieben Kanonismen: 1. Ober die Wahl und Einsetzung des Patriarchen. Das erste Kapitel bestimmt eingehend den Wahlvorgang, das zweite die Eigenschaften des zu wahlenden Patriarchen, das dritte handelt ilber die Mitglieder der Wahlversammlung, an welcher neben den Mitgliedern der Patriarchai-Synode, dem Metropoliten von Heraklea und den zufallig in Konstantinopel anwesenden Metropoliten, noch 64 weltliche Mitglieder, jene des gemischten Rates, sowie der Gouverneur der Insel Samos oder dessen Stellvertreter teilzunehmen haben. 2. Ober die Wahl der Bischofe, insbesondere tiber die Eigenschaften der Kandidaten fiir den Episkopat und den Wahlvorgang. 3. Ober die Organisation der heiligen Synode, und namentlich: a) Ober die Synodai-Mitglieder, b) tiber das Verhaltnis des Patriarchen zur Synode und umgekehrt, c) tiber die Pflichten der Synodal-Mitglieder, tiber die Zeit der Sitzungen und die Geschaftsftihrung. 4. Ober den gemischten Rat, und namentlich: a) Ober die Einrichtung des aus vier Bischofen und acht weltlichen Mitgliedern bestehenden Rates, b) tiber den Wirkungskreis desselben, dem die Behandlung und Entscheidung aller die Kirche und das Volk betreffenden Angelegenheiten, mit Ausnahme jener streng kirchlicher Natur, obliegt. 5. Ober die Bezilge des Patriarchen und der Bischofe, sowie tiber die auBerordentlichen Einktinfte der Bischofe. 6. Ober die Besoldung der Patriarchal-Beamten und tiber die Bilanz des Patriarchats. 7. Ober die KlOster: Allgemeine Vorschriften ilber dieselben, ihre Kategorien, Behandlung jener KlOster, in welchen keine Monche vorhanden sind, sowie tiber die KlOster vom
und 2 GroB-Kaufleuten, und hatte die Oberaufsicht tiber die Okonomie des Patriarchats. Fiinf Bischofe (Metropoliten), Mitglieder der Gerusia, protestierten gegen die Ta.tigkeit des Rates, vorerst miindlich, urn sodann einen feierlichen schriftlichen Protest gegen die angeblichen Verletzungen ihrer alten Privilegien zu iiberreichen. Wegen dieses Vorgehens wurden diese Bischofe a us Konstantinopel entfernt; worauf im jahre 1859 von einem der angesehensten weltlichen Mitglieder des Rates, Karatheodori, eine Broschiire: 'Anax.zy~ t~~ otap;xptop~azoo~ tow 7tSYtz aovootx.&v (Widerlegung der Proteste der fiinf Synodai-Mitglieder) herausgegeben wurde, in welcher der Pforte und dem Patriarchen die Grundlosigkeit der Forderungen der Gerusia dargelegt und die unbedingte Notwendigkeit der kirchlichen Verwaltungsreform dargetan wurde. 3 Wir besitzen dieses Gesetz in der neuesten Ausgabe unter dem Titel: I'EYt'X.Ol 'X.IXYOYtap.ot 1tZpt Otzo{}zt(jazoo~ t<llY Zx'X.AYjOtiXOtt'X.roY 'X.IXt s{}vt'X.&Y 1tpa-rfJ/XtOOY troY 01t0 tOY oiXOOfJ.EYt'X.OY (-}poYOY otats),o6YtOOY op{}ooo~ooy ;.(ptcrtttXYroY, bw~1<.0&v tiJ~ 'A. MspAEtot~to~ toiJ ~ooAtcivoo. 1888. 'Ev Koovcrt!XYttYotm6Ast1 to5 1t1XtptapXt'X.OU tt>1t0jpa~s(oo.

ax

136

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Berge Athos 4. Diese Kanonismen regeln in hinreichender Weise die allgemeine Verwaltung des Patriarchats von Konstantinopel. Im Jahre 1869 wurde ein neuer Kanonismus iiber die kirchliche Zentrai-Epitropie in Konstantinopel ('ltspt tij; EV Kmvata.vttvW'lt6Ast 'E-x.xkf)ata.att'X:~; KsVtpt-x.~; E1tttpo'lt'"~;) herausgegeben, welcher im Jahre 1898 revidiert und neuerdings publiziert wurde. In demselben wird der Wirkungskreis der drei Geistlichen, welche diese Epitropie bilden, bestimmt. Neben dem Kanonismus vom Februar 1868 iiber die Behandlung der kirchlichen Angelegenheiten jeder einzelnen Pfarrkirche ", wurde im Jahre 1881 ein Kanonismus tiber die Pfarren im allgemeinen ('ltspl tcov svoptrov) herausgegeben. Derselbe zerfallt in drei Teile: der erste Teil bestimmte die moralischen Eigenschaften der Geistlichen und des niederen Klerus; der zweite Teil normiert die Anzahl der Pfarren, die Verteilung der Pfarren und die Einsetzung der Pfarrer; der dritte Teil befaBt sich mit den Einktinften des Pfarr-Kierus. Eine Modifikation hat dieser Kanonismus im Jahre 1897 namentlich in der Frage der Einsetzung der Pfarrer erfahren. Zur ordnungsma13igen Erfiillung der richterlichen Angelegenheiten sowohl bei den rein kirchlichen als auch bei den gemischten Gerichten wurden zum SchluBe des Jahres 1899 herausgegeben ,'Oa'l)yta.t 'ltEpt toG 'ltro; aat ats~6.ysa{}at til.; s-x.&.atots E(l'ltt'ltt0UOI1.S atarpopa; EV tot; E'X.'X.l-'l)Otti.Ott'X.ot; 'X.tl.t p.t'X.toV; at-x.a.at'l)pwt; too -x.Atp.a.to; toG O~'X.OUtJ.SVt'X.OG -&p6voo." Es besteht ferner auch ein besonderer Kanonismus filr die theologische Anstalt in Chalki s. lm Gebiete des Patriarchats von Konstantinopel erfreut sich die orthodox-orientalische Kirche Bosniens und der Herzegowina beztiglich der kirchlichen Verwaltung einer bestimmten Autonomie 7. Die beztigliche Verwaltung ist im allgemeinen durch die am 31. Marz 1880 zwischen der osterreichisch-ungarischen Regierung und dem Patriarchen von Konstan Die detaillierte Darlegung des lnhaltes jedes einzelnen Kanonismos erscheint uns hier iiberfliissig, wei! dies an betreffender Stelle des Systems geschieht. Wenngleich diese Kanonismen auf dem Artikel 3 des Hatti-Humayum vom jahre 1856 basieren und vom Sultan feierlich best!ltigt sind, so scheint die Regierung des Sultans dieselben doch ignorieren zu wollen; ein Umstand der aus einer von dem Patriarchen Joachim an den tiirkischen justiz- und Kultusminister gerichteten Vorstellung vom 17. juli 1883 zu entnehmen ist.
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Ex -rofi mnpt!XpXt'lt05 -ro1tojp!X(j)Sloo. 1868.


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Ausgabe vom jahre 1903, mit dem Titel: Kavovtap.o~ -r~c;; EY XtiAY.'lJ 0eo-

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Die abendl!lndischen Schriftsteller rechnen die bosnisch-hcrzegowinische orientalische Kirche zu den autokephalen Kirchen. Siehe z. B. Dr. Fr. Vering, Lehrbuch des Kirchenrechts. Freiburg i. B. 1893 III. Auflage S. 367. vrgl. S. 373.

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tinopel abgeschlossene Konvention normiert 8 Beziiglich der inneren Eparchial-Verwaltung erschien mit Genehmigung der gedachten Regierung am 26. Februar 1884 eine besondere ,Geschaftsordnung fUr das orientalisch-orthodoxe bischoflliche Konsistorium des Erzbischofs und Metropoliten in Sarajevo" n, und Uberdies bcsteht bezi.iglich der Ausbildung der Geistlichen das am 19. October 1882 erlassene ,Statut fiir das orientalisch-orthodoxe geistliche Seminar in Sarajevo" 10. Die Ubrigen die orth.-or. Kirche betreffenden Vorschriften sind in der ,Gesetzsammlung fUr Bosnien u. die Herzegowina" enthalten."

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Die besonderen Quellen, nach welchen dermalen die orthodoxorientalische Kirche des russischen Kaiserreiches verwaltet wird, datieren aus der Zeit Peter des GroBen, als an Stelle der bis dahin bestandenen Patriarchats-Einrichtung, der heiligen Synode in Petersburg (1721) die oberste Kirchenverwaltug i.ibertragen wurde 1. Zu diesen Quell en gehort: 1. Duhovni Reglament Petra velikago (Das geistliche Reglement Peter des GrojJen) vom jahre 1721. Dieses Reglement wurde von dem Erzbischof von Pskov, Theophan Prokopovicz, verfaBt, welcher Peter dem GroBen den Antrag stellte, er mage die einschneidende, in der Staatsverwaltung bereits durchgeflihrte Reform, auch rUcksichtlich der kirchlichen Angelegenheiten veranlassen. Dieses bereits im jahre 1719 fertiggestellte Reglement wurde vorerst von Peter ilberprUft und verbessert, und sodann dem Staats-Senate zur Abgabe seines Gutachtens,
Siehe den Schematismus der orth.-or. bosnischen Metropolie und Erzdiocese. Sarajevo 1886. S. 154-155. 9 In der Landesdruckerei in Sarajevo in Druck erschienen. 10 Abgedruckt in dem "Berichte iiber das serbisch-orthodoxe theologische Seminar fiir Bosnien und die Herzegowina in Reljevo, fiir das Schuljahr 1887/88. Sarajevo 1888 S. 23-28. . 28. 1 Ober die alteren Quellen des russischen Kirchenrechts bis zur Begriindung des moskowitischen Kaisertums, siehe N. Suworow, Kurs cerk. prava . 88 (Kursus des Kirchenrechts); iiber die Synoden des XVII. Jahrhunderts, siehe . 92. Unter diesen Synoden ist jene zu Moskau vom Jahre 1667, zur Zeit des Kaisers Alexius Mihailovicz, die bedeutendste. An ihr haben auch zwei orientalische Patriarchen teilgenommen, namlich jener von jerusalem und von Alexandria. In dieser Synode wurde der Patriarch Nikon von Moskau abgesetzt, die russischen Schismatiker wurden verurteilt, die Verfiigung der Synode von Moskau vom jahre 1620, wonach jeder zum orthodoxen Glauben iibergetretene abendliindische Christ neuerlich getauft werden muBte, wurde aufgehoben, und endlich wurden viele die kirchliche Disziplin betreffende Normen erlassen, welche auch in die Sammlung der russischen Staatsgesetze aufgenommen wurden. Wahrscheinlich hat daher auch Laskarev (,Pravo cerkovnoe [Kirchenrecht]". S. 224) die Beschliisse dieser Synode von Moskau (1667) unter die praktischen Quellcn des russischen Kirchenrechts aufgenommen.
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen de5 Kirchenrechts.

sowie zur Vornahme von eventuellen Erganzungen und Verbesserungen Ubergeben. Hierauf wurde dieses Reglement der hoheren russischen Geistlichkeit Ubermittelt, damit auch diese ihre Meinung abgebe. Nach erfolgter allgemeiner Annahme und Bestatigung desselben, wurde ihm erst die kaiserliche Sanktion zuteil, worauf dann am 25. janner 1721 die Publikation erfolgte 2. Dieses Reglement bezieht sich hauptsachlich auf das ,geistliche Kollegium ", d. i. die heilige Synode, normiert die Organisation und Kompetenz derselben als oberste kirchlich-administrative Institution der russischen Kirche, und handelt sodann tiber die Organisation der Eparchien und tiber den Klerus. In formeller Beziehung zeigt dieses Reglement eine bedeutende Abweichung von der Form, in der heute die verschiedenen Reglements erlassen werden, indem dasselbe die Motive ftir die einzelnen Vorschriften enthalt, was bei anderen, namentlich neueren Reglements, nicht der Fall ist. Dasselbe zerfallt in drei Teile. In dem ersten Teile wird unter dem Titel ,Cto jest Duhovnoe Kolegium, i kakovi sut vaznija vini takovago upravljenija" der Vorzug der kollegialen Kirchen-Verwaltung vor jener durch Einzelpersonen hervorgehoben. Der zweite Teil behandelt die dieser Verwaltung obliegenden Angelegenheiten, und zwar zuvorderst die Wahrung der OlaubensIntegritat, die Verbreitung des Olaubens, die Angelegenheiten, welche die BischOfe und den Ubrigen Klerus, die theologischen Anstalten, die Laien in ihrem Verhaltnisse zur Kirche, sowie die Ehe betreffen. Der dritte Teil normiert die Organisation der heiligen Synode oder des ,geistlichen Kollegiums", sowie die Oeschaftsftihrung in derselben. In dem der Herausgabe dieses Reglements folgenden Jahre, also 1722, erschien: ,Pribavlenie o pravilah prieta cerkovnago i cina monaseskago", in welchem zuvorderst von den ,Priestern, Diakonen und anderen Angehorigen des Klerus", und sodann ,von den Monchen, wer und auf welche Art man in den Monchsstand aufgenommen wird, tiber das Leben der Monche und Nonnen, tiber die KlOster und Klostervorsteher" die Rede ist. In den gedruckten Ausgaben dieses Reglements sind noch zwei Zusatze enthalten, wovon der eine tiber die Mischehen handelt, 3
~ Die Moskauer Ausgabe 1883 fiihrt folgenden Titel: ,Duhovni Reglament gcaniem i poveljeniem vsepresvjetljejsago, derzavnjejsago gosudarja Petra pervago, imperatora i samoderzca vserossijskago, po soizvoleniju i prigovoru vserossijskago duhovnago cina I praviteljstvujuscago senata, v carstvujuscem Sanktpeterburgje, v ljeto ot rozdestva Hristova 1721. socinennij (Geistliches Reglement, verfaBt im jahre 1721 nach der Geburt Christi, iiber Veranlassung und Befehl des allerdurchlauchtigsten, regierenden Herrn, Peter I., Kaisers und Alleinbeherrschers aller Russen, nach Genehmigung und Beurteilung seitens des russischen geistlichen Standes und des dirigierenden Senats, in der Residenzstadt S. Petersburg)." 3 ,0 brakah pravovjernih lie s inovjernimi. Razsuzdenie v svjatjejsem pravitelstvujusjem synodje socinennoe. Napecatano poveljeniem carskago Velicestva Petra pervago, vserossijskago imperatora, blagosloveniem ze togozde svjatjejsago synoda

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und der andere die lnstruktion fUr den sogenannten ,Ober-Prokuror", d i. den Vertreter des Kaisers in der heiligen Synode, umfa6t. Auf Grund dieses Reglements und im Sinne der ausdrUcklichen, in dem Bestatigungs-Reskripte des Kaisers Peter I. vom 25. janner 1721 enthaltenen Anordnung, hat die heilige Synode ihre gesetzgebende Tatigkeit durch das Erlassen verschiedener Normen in Fragen der Verwaltung der russischen Kirche weiter entfaltet, natiirlich unter steter Einholung der kaiserlichen Genehmigung 4 Von diesen Norm en wollen wir bier diejenigen anfiihren, welche die russischen Kanonisten als Quellen des heutigen russichen Kirchenrechts betrachten, namlich: Das Statu! der geistlichen Konsistorien. Beziiglich der Verwaltung der Eparchien enthielt das erwahnte Reglement keine Detaii-Bestimmungen sondern die heilige Synode erlie6 im Laufe der Zeit diesbeziiglich verschiedene Ukase. Im Jahre 1837 faBte man den BeschluB, aus diesen verschiedenen Synodal-Ukasen ein besonderes, die Verwaltung der Eparchien endgiltig regelndes Statut zu verfassen. Dieses im jahre 1838 ausgearbeitete Statut, wurde zuv5rderst in die einzelnen Eparchien zur probeweisen Anwendung wahrend eines jahres versendet, urn sodann mit den Bemerkungen der einzelnen Bischofe versehen, der heiligen Synode zur endgiltigen Redaktion unterbreitet zu werden. Nachdem dieses Statut seitens der Synode einer allseitigen Priifung unterzogen worden war, erhielt dasselbe am 27. Marz 1841 die kaiserliche Sanktion, und wurde als Gesetz veroffentlicht. Da im Laufe der Zeit viele Artikel dieses Statuts durch neu erlassene Gesetze Veranderungen und Erganzungen erfuhren, wurde im jahre 1883 zu einer neuerlichen Oberprfifung desselben geschritten, und die Obereinstimmung mit den neueren Gesetzen hergestellt. In dieser verbesserten Gestalt erhielt das Statut mit dem Ukas vom 9. April 1883 die kaiserliche Sanktion, und trat an
pervim izdaniem. V Sanktpeterburgje 1721 goda, mjesjaca Avgusta v 18 den. (Ober die Ehen der Rechtglaubigen mit Andersglaubigen. Anweisung, verfa.Bt in der heiligen dirigierenden Synode. Abgedruckt tiber Befehl der kaiserlichen Majestat Peter 1., Beherrschers aller Russen, und mit dem Segen der heiligen Synode)." Fiir die Beurteilung der damaligen 5ffentlichen Meinung in RuBiand ist der Zusatz zu diesem Razsuzdenije charakteristisch, in welchem (Razsuzdenije) dreiunddrei.Big Beispiele von Ehen zwischen ,Rechtglliubigen und Unglliubigen oder Andersglliubigen" angefiihrt sind. Diese Beispiele sind der heil. Schrift, der griechischen und slavischen Oeschichte sowie der damaligen Zeit entlehnt. ' In dem Bestatigungs-Reskripte Peters I. heiBt es diesbeziiglich: ,Dol!na ze jest Kollegija sija i novimi vpred pravilami dopolnjat Reglament sej, jakovih pravil vostrebujut raznie raznih djel slucai. Odnakoz djelat sie dolzna Kollegija Duhovnaja ne bez Nasego soizvolenija (Dies Kollegium ist verpflichtet, dieses Reglement kUnftighin durch neue Norm en, welche die cinzelnen Faile erheischen, zu ergllnzen; doch soli dieses geistliche Kollegium diese Erglinzungsarbeit ohne Unsere Zustimmung nicht vornehmen)." Erwllhnte Ausgabe. S. 2.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Stelle des ursprtinglichen in Wirksamkeit". Dieses Statut zerfallt in vier Teile: Der erste Teil enthalt die allgemeinen Grundsatze tiber die Bedeutung des Konsistoriums, tiber die Prinzipien der Eparchial-Verwaltung und Gerichtsbarkeit; der zweite Teil handelt insbesondere tiber die Verwaltung der Eparchien, und zwar tiber die Erhaltung und Verbreitung des orthodoxen Glaubens, tiber den Gottesdienst, tiber die kirchlichen Baulichkeiten, die Geistlichkeit, die Pfarren und die kirchliche Okonomie; der dritte Teil handelt von dem Eparchiai-Gerichte, und zwar von der Kompetenz desselben, von den Pflichtverletzungen des Klerus, von den Streitigkeiten zwischen Angehorigen des Klerus riicksichtlich der kirchlichen Einktinfte, von den Klagen gegen den Klerus, von den ungesetzlichen Ehen, von der Ehetrennung, der Gesetzlichkeit der Ehe, und von der Verhangung der Kirchenstrafen; der vierte Teil bezieht sich auf die Organisation des Konsistoriums, und zwar handelt derselbe iiber die Mitglieder desselben, die Geschaftsbehandlung im Konsistorium, tiber die Zeit der Konsistorial-Sitzungen und die auBcre Organisation des Konsistoriums, sowie fiber den schriftlichen Verkehr zwischen dem Konsistorium und den Beht>rden. Dem Statute sind tiberdies Formularien beigefiigt, nach welchen die in die Konsistorial-Kompetenz fallenden Angelegenheiten evident zu fiihren sind. lnstrukcija blagoCinnim prihodskih cerkvei (lnstruktion filr die Aufseher der Pjarrkirchen) 6. Diesel be dient als Leitfaden fUr die mit der Beaufsichtung einer bestimmten Anzahl von Pfarren (10 bis 30) betrauten Geistlichen; sie wurde im jahre 1775 vom Moskauer Metropoliten Platon fiir seine Eparchie verfaf3t, um sodann nach einer Oberprufung und Erganzung, fUr aile Eparchien in RuBland am 10. September 1857 veroffentlicht zu werden. lnstrukcija blagoCinnim monastirei muikih i ienskih (Instruktion jiir die Aujseher der Monell- wzd Nonnenk!Oster)7. Fur die mit der Aufsicht tiber mehrere KlOster einer Eparchie betrauten Monche (in der Regel angesehenere Klostervorsteher), wurde am 28. Mai 1828 eine besondere, heute noch geltende Instruktion erlassen. In dem Wirkungskreis dieser Aufseher gehort: 1. Die Oberwachung des Gottesdienstes in den Klostern ; 2. die Oberwachung des Verhaltens der Monche und Nonnen in den Klostern und auBerhalb derselben und 3. die Oberwachung der Kloster-Okonomie. Polozenije o prihodski/z popelitelstvah pri pravoslavnih cerkvah (Reglement jilr die Pjarr-Kuratorien bel den orthodoxen Kirchen) s.
D Die offizielle Ausgabe ist nach Anordnung der heiligen Synode in der Synodaldruckerei im jahre 1883 im Drucke erschienen. 6 A. E. Nikolski, Novije duhovnie zakoni (Neuere geistliche Gesetze). Moskau 1879. II, 82-97. 7 lb. II, 77-82. s lb. II, 8-12.

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Dieses am 2. August 1864 bestatigte und publizierte Reglement, normiert die Rechte und Pflichten der Pfarrausschiisse, welchen die Sorge fiir die Erhaltung der Pfarrkirchen und des Pfarr-Klerus, fiir die Elementarschulen in den Pfarren und die localen Wohltatigkeits-Anstalten obliegt.

lnstrukcija cerkovnim starostam (lnstruktion fiir die Kirchenvtiter) 9.


Dieselbe wurde am 17. April 1808 bestatigt und veroffentlicht, und bestimmt die Pflichten des Pfarr-Epitropen, dem die Sorge fiir das Kirchenvermogen obliegt 10.

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Die Karlowitzer Metropolie.
Die besonderen Quellen des Kirchenrechts in der Karlowitzer Metrop olie gliedern sich in Quell en, welche vor dem Jahre 1868, in welch em der die Autonomie in der Verwaltung der Kirchen- und Schul-Angelegenheiten anerkennende IX. ungarische Gesetzartikel publiziert wurde 1, und in solche, welche nach dem Jahre 1868 entstanden sind. Zu den ersteren gehoren: Die Privilegien. Diese Bezeichnung fiihren jene kaiserlichen Diplome, welche in den letzten Jahren des XVII. Jahrhunderts, zur Zeit der Obersiedlung der Serben in die Lander der ungarischen Krone erlassen wurden, und denselben jene Rechte verbiirgten, deren sie im Ipeker
lb. II, 1-7. Die iibrigen Quellen des heutigen russischen Kirchenrechts, auBer den oben angefiihrten und auBer den Statuten fiir die geistlichen Anstalten, sind in der Einleitung (S. XX) zum Buche ,Sbornik djejstvujuscih i rukovodstvennih cerkovnih i cerkovno-grazdanskih postanovlenij po vjedomstvu pravoslavnago izpovjedanija. Sostavil Barsov, (Sammlung dcr gcltcnden und anwcisendcn kirchlichen und kirchlichweltlichen Verordnungen, betreffend das orthodoxe Bekenntnis, von Barsov)" [Tom. I. S. Petersburg 1885] enthalten. . 29. 1 Dieser Gesetzartikel bestimmt, ,es seien die GHiubigen der Karlowitzer ... Metropolie, mit Aufrechthaltung des konstitutionell auszuiibenden obersten Beaufsichtungsrechtes Sr. Majestat, berechtigt, ihre kirchlichen, Schul- und Stiftungsangelegenheiten innerhalb der Grenzen der Landesgesetze abgesondert aufihren von den betreffenden Metropoliten vorher Sr. Majestat anzumeldenden, periodisch einzuberufenden Kirchen-Kongressen selbstandig zu erledigen, zu ordnen und im Sinne der auf diesen Kongressen festzustellenden, durch Se. Majestat zu genehmigenden Statuten, durch ihre eigenen Organe selbstandig zu verwalten und zu leiten (. 3); iiberdies wird den Angehiirigen der griechisch-orientalischen Kirche in der Karlowitzer Metropolie auch das von ihnen bisher genossene Recht, bei Besorgung ihrer Kirchen-Gemeinde- und Schulangelegenheiten, in der Verwaltung des Gemeindevermiigens, sowie der Stiftungen, sich ihrer Kirchensprache frei zu bedienen, zuerkannt" (. 9). Siehe Arclziv jilr Kirchenrecht. Bd. 44, S. 270. Dr.]. Vucetich. Normalinsammlung. Neusatz 1897 S. 197. (in serb. Sprache). Dr. i. Miladinovich, Kommentar der Privilegien etc. etc. Neusatz, 1897 S. 95. (in serbischer Sprache).
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Patriarchate teilhaftig waren. Es gibt fiinf solcher kaiserlicher Diplome oder Privilegien, namlich: vom 6. April 1690, vom 21. August und 11. Dezember desselben Jahres, vom 20. August 1691 und vom 4. Marz 1695 2 Diese von Kaiser Leopold I. erlassenen Privilegien wurden von Kaiser Joseph I. am 29. September 1706, von Kaiser Karl VI. am 8. October 1713 und von der Kaiserin Maria Theresia am 18. Mai 1743 bestatigt a. Das Rescriptum declaratorium. Zur Festigung der rechtlichen Beziehungen in der Karlowitzer Metropolie wurde am 27. September 1770 ein Regulamentum privilegiorum verfaBt, durch welches die Regelung alter biirgerlichen und kirchlichen Angelegenheiten des serbischen Volkes bewirkt werden sollte. Da sich jedoch riicksichtlich dieses Regulamentum eine allgemeine Unzufriedenheit im Volke kundgab, wurde im Jahre 1777 ein neues Regulamentum verfaBt, welches aber den Anforderungen des Volkes noch weniger geniigte. Nachdem endlich an Allerhochster Stelle die wahren WUnsche des Klerus und des Volkes vorgebracht worden waren, crgieng am 16. Juli 1779 cine neue, genauere Fassung des Regulamentum unter dem Namen ,Erlauterungs-Reskript (Rescriptum declaratorium)" 4 Dasselbe regelt die konfessionellen Angelcgenheiten, die Wahl des Metropoliten, die Einkilnfte desselben und der geistlichen Personen, handelt tiber das Kirchenvermogen, iiber die Assistenten in der Kirchenvermogens-Verwaltung, iiber das Recht des Monarchen zur Ernennug clcr Metropolitan- unci Eparchial-Vcrweser, iiber die Wahl der BischOfe unci der ilbrigcn kirchlichen Wiirclentrager, liber die Entlohnung geistlicher Dienste, iiber die Protopresbyteri, tiber den Eintritt in den geistlichen Stand, tiber die Besetzung kirchlicher Amter, liber die Befreiung der Oeistlichen von jeder Staatsabgabe, ilber die Vornahme der Trauung in der Pfarre der Braut, iiber das Begrabnis, die Beichte, die Kloster und Monche, tiber die Kirchenstrafen, liber die Kongresse, den Kalender, den Bau von Kirchen und Friedhofen u. s. w.
Siehe johann Ojorgjevich, Die Thatigkeit des serbischen Nationai-Kongresses zur Zeit des Festes Maria-Verkiindigung zu Karlowitz in Syrmien 1861. Neusatz 1861. (Zusatze.) S. 187-206. Vergl. joh. v. Csaptovics, Slavonien und zum Teile Kroatien. 2 Bde. Pest 1819. II, 28-39. Miladinovich, erwilhntes Werk, S. 1-9. 3 Csaplovics. Op. cit. II, 39-45. Vergl. ]. Hr. Bar. Bartenstein, Kurzer Bericht iiber die Lage des in den k. u. k. Erblandern zahlreich angesiedelten illyrischen Volkes. Obersetzung von AI. Sandich. Wien 1866. Siehe hieriiber Csaplovics. Op. cit. II, 55-56; }. jirefek, AktcnmaBige Darstellung der Verhaltnisse der griechisch-nicht-unierten Hierarchic in Osterreich, dann der illyrischen National-Kongresse und Verhandlungs-Synoden. Wien 1861. S. 32-37. Dicses Reskript (Dcclaratorium) wurde in deutscher und latcinischcr Sprache publiziert. Eine serbischc Obersetzung ist im Anhang des erwilhnten Buches von J. Ojorgjevich enthalten. S. 263-293. Man. Orbich, das Karlowitzer Bistum. Karlstadt, 1891-1893. 3. Bde. II, 261. - Miladinovich, erwahntes Werk. S. 10-54.
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Das Systema consistoriale. lm Zusammenhange mit dem ,Ertauterungs-Reskripte" wurde ein besonderes Statut fiir die EparchialKonsistorien verfaBt und am 17. Juni 1782 publiziert. Dassel be erschien wie das ,Rescriptum declaratorium" in lateinischer und deutscher Sprache, und wird in ersterer ,System a Consistoriale", in letzterer ,KonsistorialSystem" genannt. Das ,Konsistorial-System" zerfallt in vier Abschnitte, wovon die drei ersten das Eparchial-Konsistorium betreffen, wahrend der vierte Abschnitt auf das Metropolitan-Appellatorium Bezug hat. Der erste Abschnit fiihrt den Titel , Von den Konsistorien und den von denselben behandelten Oegenstandcn"; die drei ersten Paragraphe beziehen sich auf das Konsistorium als I. richterlicher Instanz, auf das Metropolitan-Appellatorium als II., und auf den AllerhOchsten Thron als III. Instanz. Die beiden nachfolgenden Paragraphe behandeln eingehend die der Konsistorial-Oerichtsbarkeit unterstehenden Angelegenheiten. Der zweite Abschnitt bespricht das gerichtliche Verfahren in den Konsistorien. Der dritte Abschnitt handelt tiber die Konsistorial-Organisation und iiber die Mitglieder (Assessoren) desselben. Der vierte Abschnitt endlich bezieht sich auf das Metropolitan-Appellatorium, welches unter dem Vorsitze des Metropoliten, aus zwei der nahe residierenden Bischofe, zwei Archimandriten, zwei Hegumenen, zwei Protopresbyteri, zwei Presbyteri und dem Notare besteht und mindestens einmal jahrlich zusammentreten muB. Zur Kompetenz dieses Appellatoriums als II. Instanz gehoren aile bei den bischOflichen Konsistorien in I. Instanz behandelten Angelegenheiten, bezliglich welcher die Appellation eingebracht wurde. Als I. Instanz entscheidet dasselbe tiber Klagen, welche gegen einen Bischof oder gegen das Konsistorium erhoben werden, und zwar in einem besonderen, aus einer bestimmtcn Anzahl von Appellations-Assessoren gebildeten Ausschul3e 5. Die Monchsregeln. Dieselben wurden von dem Belgrader-Karlowitzer Metropoliten, Vincenz jovanovich, verfaBt, am 17. Marz 1733 publiziert und an die unterstehenden Kloster verteilt 6. Die Anzahl dieser
Eine detaillierte Beschreibung dieses Konsistorialsystems und die Schilderung seiner dermaligen praktischen Bedeutung ist von Demeter Ruvarac in der Zeitschrift ,Glas Istine" fUr 1888 publiziert. Nr. 21 u. ff. 6 Abgedruckt sind dieselben .in der Zeitschrift ,Beseda" fiir das jahr 1870 (N. 2-6). Diese Regeln bezeichnet das Konsistorial-System als ,Regulae monasticae" im . 10, II. Abschnitt. Siehe iiber diese Regeln Csaplovich. Op. cit. II, 178-179; P. ]. Safarik, Geschichte der serbischen Literatur. II. Abteilung. Prag 1865. S. 301. Im jahre 1776 wurden von einem Unierten (Athanasius Szekeres) neue Monchsregeln zusammengestellt und in das Regulamentum vom jahre 1777 aufgenommen (s. oben S. 142). Dieselben wurden in lateinischer und kirchenslavischer Sprache gedruckt und an aile KlOster versendet; doch weigerte man sich, diesel ben anzunehmen. Diese Regeln filhren gleichfalls den Namen ,Regulae monasticae"; sic zerfallen in partes, sectiones, capita, und jedes caput in eine Menge numerierter
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I. Teil. Die Quellen und Sammtungen des Kirchenrechts.

Regeln betr1igt 34. Es scheint, daB gegenw1irtig diese Regeln in der Karlowitzer Metropolie durch neue Regeln, welche die bischMiche Synode am 29. M1irz 1899 erlassen hat, ersetzt wurden. Nach der Kundmachung des IX. ungarischen Gesetzartikels vom jahre 1868, erscheint als besondere Quelle fUr das Kirchenrecht der Karlowitzer Metropolie das sogenannte Allerhochste Reskript vom 10. August 1868. Dasselbe zerHillt in sechs Abschnitte: 1. Ober die Reduktion und Dotation der Pfarrgeistlichkeit, den Personalstand der Klostergeistlichkeit und die Dotation des Episkopates. 2. Ober die Organisierung der Lokal-Kirchengemeinden, und zwar folgen nach den allgemeinen Anordnungen besondere Bestimmungen, a) fiber die Lokal-Kirchenversammlungen, b) iiber die LokalKirchenausschtisse, c) fiber die Wahl der systemisierten pfarrlichen Hilfsgeistlichen und Pfarrer, d) tiber die Wahl der Diakonen und e) fiber die Wahl der Bezirks-Protopresbyteri. 3. Ober die serbischen Schulen, u. zw. a) iiber die Volkschulen, b) Mittelschulen und c) iiber die Karlowitzer theologische Anstalt 7. 4. Ober die Organisation der Konsistorien und des Metropolitan-Kirchen- und Schulrates, u. zw. a) fiber das bisch5fliche Konsistorium, dessen Zusammensetzung und Wirkungskreis, und b) fiber den Metropolitan-Kirchen- und Schulrat, eingeteilt in das Metropolitan-Appellatorium, und die administrative Kirchen- und Schulleitung. 5. Ober die Verwaltung der Klostergfiter und der serbischen Nationalfonde. 6. Ober die Pfarrkonkurs-Prlifungsordnung 8 Die mit der Allerhochsten EntschlieBung vom 29. Mai 1871 sanktionierte provisorische Organisation der Bistiimer (Eparchien). Hiernach besitzt jede Eparchie im Bereiche der Karlowitzer Metropolie eine EparchialVertretung, und die Eparchial-Kirchen- und Schul-Verwaltung. Oberdies enth1ilt die besagte Organisation Bestimmungen: 1. fiber die EparchialVersammlung als Eparchial-Vertretung, und weiter fiber die Kirchenverwaltung, u. zw. 2. fiber das Eparchial-Konsistorium, 3. tiber den Eparchial-VerwaltungsausschuB und 4. fiber den Eparchial-SchulausschuB 9.
Punkte, und haben in der Art ihrer Darlegung eine gewisse Ahnlichkeit mit den Regeln verschiedener abendlandischer Orden. Siebe hieriiber Csaplovics. Op. cit II, 178; Safarik. lb. S. 302. 7 Von diesem III. Abschnitte sind die auf die Mittelschulen und die Karlowitzer theologische Lehranstalt Bezug habenden Vorschriften in Oeltung geblieben, wahrend die Vorschriften tiber die Volksschulen durch die neue ,Organisation der serbischen Volksschulen", welche im Orunde der kaiserlichen Entschlie6ungen vom 6. April und 2. juli 1872 erlassen worden war, ersetzt wurden. 8 Vucetich, Sammlung S. 1-72. - Miladinovich, Kommentar S. 102-225. Archiv fiir Kirchenrecht. Bd. 43. S. 231-278. 9 Vucetich, Sammlung. S. 121-132. - Miladinovich, Kommentar S. 226-253. ArcllJv. 43, 282-286.

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Die Organisation des Metropolitan-Kirchen- und Schulrates , diesel be wurde mit der AllerhOchsten EntschlieBung vom 29. Mai 1871 sanktioniert. Sie ist insolang provisorisch, bis der National-KongreB endgiltig die Regelung der geistlichen Gerichts-, sowie der Kirchenund Schul-Zentralbehorden im Gebiete der Karlowitzer Metropolie vornimmt. Diese Organisation handelt vorerst tiber den MetropolitanKirchenrat (Appellatorium), und enthalt Bestimmungen iiber die Mitglieder, iiber den Wirkungskreis, sowie fiber die Zeit und den Ort der Versammlung desselben; iiberdies wird iiber den National-Schulrat, fiber dessen Mitglieder und fiber den Wirkungskreis desselben gehandelt 10. Das Kongress-Statut erhielt am 14. Mai 1875 die kaiserliche Sanktion, und wurde am 19. Mai desselben jahres veroffentlicht. Dieses Statut erklart zunachst die Bedeutung des orthodox-orientaliscben serbiscben National-Kircbenkongresses, enthalt Bestimmungen fiber die Mitgliedschaft, fiber die Dauer des Mandats, fiber den Zeitpunkt des Zusammentretens des Kongresses, von wem derselbe einberufen wird und tiber den Wirkungskrcis desselben. Dieses Statut enthalt iiberdies Bestimmungen fiber den KongreB-AusschuB, von wem derselbe gebildet wird, fiber den Wirkungskreis desselben, wann und wo sicb derselbe versammelt und iiber den Geschaftsgang desselben. Zudem sind in diesem Statute noch einige Obergangsbestimmungen, welcbe zum graBen Teite den KongreB-AusschuB betreffen, angefllhrt 11. Die lnstruktion fiir die Eparchial-Epitropen. Diese Instruktion ist im . 22, V. Abschnitt des Reskriptes vom 10. August 1868 erwabnt. Dieselbe wurde im jahre 1852 verOffentlicbt, und bestimmt die Pflicbten der beiden, jedem Eparchial-Bischof zugeteilten Epitropen, welchen die Sorge fiir das dem Episcopium geborige Vermogen obliegP2.
10 Vucetich, Sammlung, S. 133-135.- Miladinovich, Kommentar. S. 254-261. Archiv fiir Kirchenrecht. 43, 286-288. Der zweite Teil dieser Organisation, welcher vom Nationai-Schulrate handelt, ist durch die . 136-143 der erwl!.hnten SchulOrganisation vom Jahre 1872 ersetzt. 11 Vucetich, Sammlung. S. 137-146. - Miladinovich, Kommentar. S. 292-310. Archiv. 44, 296-304. 12 Miladinovich, Kommentar. S. 87-94. Archiv. 43, 109-113. Die Aufgabe der Epitropen an dem Sitze des Metropoliten obliegt gegenwartig der Zentral-Verwaltung selbst. Bis zum Erscheinen des Reskriptes vom Jahre 1868 oblag diese Pflicht den sogen. Assistenten. Der . 9 des Erlauterungs-Reskriptes gibt dem Metropoliten drei Assistenten an die Seite, wovon einer dem geistlichen Stande, der zweite dem Soldatenstande, und der dritte dem Biirgerstande angehOrt (archiepiscopo et metropolitae tres assistentes adjungantur, quorum unus ex parte cleri non unitus episcopus, alter ex parte militari stabalis aut superior officialis ejusdem ritus, tertius tandem ex parte provinciali de honoratioribus civibus Carlovizcii, Neoplantae aut in alio loco vicino degentibus n. u. ritui addictus). Denselben obliegt die Aufsicht und Mitverwaltung der National-Kirchenfonde, sowie des Metropolitan-VermBgens, damit der fundus instructus (die Mobilien und lmmobilien, der Schmuck un~ die IUu, llrchmoelll. 10

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Die Disziplinarvorschriften fiir den Klerus wurden durch die biscMfliche Synode am 29. Marz 1899 erlassen und erhielten durch die kgl. EntschlieBung vom 5. Mai 1900 die BesUitigung.

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Die Kirche im Konigreiche Griechenla.nd.

Der erste Schritt, welcher nach Begrilndung des Staates auf die Regelung der kirchlichen Verhaltnisse Bezug hatte, war das Erlassen des Organisations-Statuts der heiligen Synode im KOnigreiche Griechenland vom 23. juli 18331, welches das Verhaltnis zwischen der Kirche
kirchlichen Kleinodien) erhalten, dem Werte nach nicht reduziert werde u. s. w. Die Zusammensetzung der erwahnten Assistenz stimmte mit jener des Kongresses iiberein, welcher gleichfalls aus dem geistlichen, Soldaten- und Biirgerstande gebildet war. Diese Assistenten batten eine besondere lnstruktion; sie waren verhalten, sich periodisch beim Metropoliten zu versammeln, urn die Gegenstande des fundus instructus einer Revision zu unterziehen, im Faile des Abganges eines Gegenstandes desselben den Metropoliten zur Beschaffung eines Ersatzes aufzufordem, oder wenn dieser der Aufforderung nicht entsprach, die beziigliche Anzeige der Regierung zu erstatten. Nach dem Tode des Metropoliten batten sie bei der lnventar-Aufnahme zu intervenieren und darauf zu sehen, daB aus dem Nachlasse das zu demselben nicht Geh5rende ausgeschieden werde, zu welchem Behufe die Assistenten verpflichtet waren, das Inventar des fundus instructus zu verwahren. Au6erdem mu6ten sie im Vereine mit dem Metropoliten die Bargelder der serbischen Nationalfonde unter der vorgeschriebenen Sicherstellung fruchtbringend anlegen und hafteten mit ihrem eigenen Verm5gen fiir jeden durch ihre NachUissigkeit oder Unachtsamkeit den Giitern der Metropolie und den Nationalfonden zugefiigten Schaden. Die Institution der Assistenz ging in die Organisation des Kongresses vom Jahre 1864-65 iiber, welche am 10. August 1868 die Allerh5chste Sanktion erhielt und in Kiirze im kaiserlichen Reskripte enthalten ist. Die betreffenden Bestimmungen des Reskriptes (V. . 15-24) betreffen die Verwaltung der National-Kirchenfonde und Giiter, da die Assistenten Mitglieder dieses Verwaltungsapparates geworden sind, dessen Wirkungskreis nun auch auf die Verwaltung und Beaufsichtigung der Klostergiiter ausgedehnt wurde. Inzwischen wurde jedoch durch das unterm 14. Mai 1875 Allerhochst sanktionierte KongreB-Statut auch diese Verwaltung aufgehoben (. 30) und die Agenden derselben gingen auf den KongrcjJ-AusschufJ iiber, der aus dem Kongresse gewahlt wird und dessen Wirkungskreis ein noch ausgedehnterer ist. Die ehemalige Assistenz des Metropoliten, riicksichtlich der Aufsicht iiber die Metropolitangiiter, ist gegenwartig der KongreB-AusschuB, fiir welchen in dieser Beziehung die fiir die Assistenten in Geltung gewesene, gleichzeitig mit dem Declaratorium erlassene lnstruktion giltig ist, bis die im Jahre 1879 vom Kongresse eingebrachte neue lnstruktion die Genehmigung erlangt. Gleichzeitig mit der Organisation der Eparchien und des Metropolitan-Kirchen- und Schulrates wurde auch die , Wahlordnung fiir den serbischen National-KirchenkongreB" erlassen, welche in der 125. KongreB-Sitzung am 13. juli 1871 kundgemacht wurde. Vuceticlz, Sammlung. S. 147-168. Miladinovich, Kommentar. S. 262-291. Archiv fiir Kirchenrecht. 43, 288-293. . 30. I Siebe Maurer, Das griechische Volk in offentlicher, kirchlicher und privatrechtlicher Beziehung, vor und nach dem Freiheitskampfe. Heidelberg 1835. Ill,

240 u. ff.

. 30. Die Kirche im K6nigreiche Oriechenland.

147

und dem Staate, sowie die Zusammensetzung der Synode normierte. Am 20. November desselben Jahres erschien das Gesetz iiber die Einteilung der Eparchien im Staate. Da jedoch Griechenland damals in politischer Beziehung in einem Obergangszustande sich befand, batten auch diese Gesetze keinen Erfolg, und dies umsomehr, als sich im Volke Stimmen der Unzufriedenheit mit diesen Gesetzen geltend machten. Einige Jahre spater wurden auf Grund der Staatsverfassung von 1843 2 zwei Gesetzentwiirfe ausgearbeitet, wovon der eine betreffend die Organisation der Synode im Jahre 1845, der andere betreffend die Bistiimer und Bischofe im jahre 1846 zur verfassungsmaBigen Behandlung eingebracht wurde. Die Annahme dieser Gesetzentwi.irfe wurde jedoch deshalb verzogert, wei! die Frage der Unabhangigkeit der griechischen Staatskirche vom Patriarchen in Konstantinopel noch nicht entschieden war. Dies erfolgte erst im Jahre 1850, in welchem zu Konstantinopel die bezi.igliche Synodal-Urkunde, betreffend die Kirche im K5nigreiche Griechenland, erlassen wurde 3. Zwei Jahre spater namlich im Juli 1852 wurden die erwahnten EntwQrfe als Gesetze ver5ffentlicht, welche im Vereine mit anderen, nach ihnen und auf deren Grundlage erlassenen Gesetzen, die besonderen Quellen des heutigen Kirchenrechts im K5nigreiche Griechenland bilden, u. zw.: Das Gesetz fiber die Organisation der heiligen Synode, erlassen am 9. Juli 1852 und mit dem Synodal-Zirkular vom 10. September desselben Jahres publiziert 4. Dassel be bezeichnet die Mitglieder der Synode, die Zahl derselben, die Rechte und Pflichten des k5niglichen Epitropen (BamAtxo~ 'E7tb:po7to~) in der Synode, den Wirkungskreis derselben, die Begrenzung ihrer Gerichtsbarkeit, die Kompetenz in Ehe-Angelegen2 Der erste Artikel der Verfassung bestimmt, daB die in Oriechenland herrschende Religion die orthodox-orientalische ist; der zweite Artikel bespricht die Einheitlichkeit der Kirchc im Ki:inigreiche mit allen iibrigen orth.-orient. Partikularkirchen, und sodann die sclbstandigen Verwaltung derselben durch die bischi:ifliche Synode. Siehe 'E'f1J!.tspl; ti)c; x>~S[Ni1 aaro;. 1844, 6. Februar.

1'61.toc; awootxo; t'i6 sv Kwmt'X'I'WIOD7t6Ast &:r[-:x; xed ~spa; ~uv68oo, 7tap[ tiJ; sv 'EJ..M.ot or.~&o86~o!l Sx'l'.kqa[-xc;. Ath. Synt. V, 177-185. Vergl. Krooe; tspo; 1tepdzrov ta 7tptx'X.tt')(.a til; -i"(ttx; Ml p.ejtXA1j; auvooou sv KrovataVtlVOU7tOAet 7tepl. tfjc; SY 'EA.J..-ii3t op&ooo~on Sx'X.A'fj!Jt'X~. 1850. 'Ev KovataYtlVOtl7tOAet
1

1851. Siehe oben Anm. 78, . 23.

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602-613.

10*

148

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

heiten, die allgemeinen Rechte und Pflichten der Synode als solcher, sowie des Klerus im Konigreiche.

Das Gesetz tiber die Bisttimer, die Bisclzofe und den ilznen untergeordneten Klerus 5 wurde ebenfalls am 9. Juli 1852 erlassen und mit
dem Synodal-Zircular vom 16. juli desselben jahres publiziert. Dieses Gesetz zerfallt in vier Abschnitte, wovon der erste tiber die Anzahl und die Ausdehnung der Bistiimer, der zweite iiber die Bischofe, ihre Rechte und Pflichten, der dritte tiber den den Bischofen untergeordneten Klerus handelt, und der vierte Abschnitt allgemeine Bestimmungen iiber die jahrlichen Visitationen det Eparchie, sowie tiber Titulatur und Dotation der Bischofe enthalt. Das Gesetz tiber die bisclzofliclzen Konsistorien wurde am 24. September 1852 erlassen und mit dem Synodal-Zircular vom 29. janner 1853 kundgemacht s. Dassel be normiert nur die Zahl der Konsistorial-Mitglieder in jeder Eparchie. Die Vorschriften, betreffend die Eigenschaften der Konsistorial-Mitglieder, tiber ihr Verhaltnis zum Bischof, iiber jene Personen, welche als Vertreter der Konsistorial-Mitglieder zu fungieren berechtigt sind, wurden nachtraglich erlassen 7 Auf die genaue Erftillung der Pfliclzten seitens der Bisclzofe bezieht sich das Synodal-Zircular vom 11. Juli 1853, welches im einzelnen die Hirtenpflichten der Bischofe vorschreibt, u. zw.: 1) Die tagliche Erwagung ihres Berufes. 2) Die Bewahrung des Glaubens. 3) Die Cheirotonie der Kleriker. 4) Das Verhalten derselben in Fragen, welche die Ehe betreffen. 5) Die Beaufsichtigung der KlOster und Monche. 6) Die Beaufsichtigung des Klerus. 7. Die Erziehung der Glaubigen in der christlichen Lehre. 8) Die Bewahrung der eigenen Makellosigkeit 8 Im September 1854 wurde von der Synode ein neuerliches Zircular erlassen, in welchem in 26 Punkten die Pflichten des Bischofs, denen er nachzukommen hat, urn sich seiner Stellung wtirdig zu erweisen, dargelegt werden. Namentlich wird den Eparchiai-BischOfen besonders empfohlen, jahrlich der Synode einen eingehenden Bericht tiber den religiosen und moralischen Zustand der betreffenden Eparchie vorzulegen 9.

Das Gesetz tiber die Verteilung der Pjarren in den Stiidten, Vor~ N 6p.o~ 1tspi 'E1tto'X.01t<iiv 'X.!Xt 'Em'1'X.01tWI 'X.!Xt 1tspi too o1to too<; 'E1tta'X.o1tot><; tsA.ouvto<; xA.~poo . Christopul. S. 2-13; Ath. Synt. V, 591-601. 6 IIspi sma'X.Oltt'X.ou At'X.'l'ltsp[oo. Christopul. 28-31. Dies ist kein Konsisto-

rium nach unserem Begriffe, sondern ein Gericht fiir Delikte des Klerus. 7 Siehe die Synodai-Dekrete vom 15. April 1854 (Christopul. 170-173), 18. Mai 1856 (lb. 32-33), 5. juli 1860 (lb. 29-30), 26. September 1860 (lb. 33-34), 2. Mai 1875 (lb. 31) u. a. 8 IIspi &.xpt~ooc; Sx1tA7Jpwoswc; tow 'X.!X&sx6vtoov t<iiv ~mox61twv. Christopul. 158-166. ' 9 IIspi 'X.!X-&'Ijxovtoo\1 t<iiv smax61twv. Christopul. 178-181.

. 30. Die Kirche im K<>nigreiche Griechenland.

149

sttidten und auf dem Lande wurde am 8. Juni 1856 erlassen und mit dem Synodai-Zircular vom 25. August desselben Jahres ver5ffentlicht w. Das Gesetz iiber die Klerikal-Schulen wurde am 27. September 1856 und das Statut fiir dieselben am 27. Oktober 1856 erlassen. Beide Normen wurden mit dem Synodal-Zircular von demselben Datum publiziert 11. Das Gesetz iiber die Eigenschajten und iiber die wissenschajtliche Ausbildung der Kandidaten des geistlichen Standcs wurde am 18. Oktober 1856 erlassen und mit dem Synodai-Zircular vom 9. November desselben jahres kundgemacht 12. Das Gesetz iiber die Pjlichten der Prediger, erlassen am 26. juni 1858 und veroffentlicht mit dem Synodai-Zircular vom 19. juli desselben jahres 13, Das Kloster-Statut, am 28. juli 1858 erlassen und mit dem SynodaiZircular vom 6. Mai 1859 ver5ffentlicht. Dasselbe zerfallt in zwei Abschnitte. Der erste befaBt sich mit den K!Ostern, mit deren Verwaltung, mit der Wahl der verwaltenden Organe, mit dem Klosterrat, bespricht das Verhaltnis der Kl5ster zur Eparchial-BeMrde und die Verwaltung des Klostervermogens. Der zweite Abschnitt enthiilt Bestimmungen fiber die M5nche, iiber den Eintritt in den Monchsstand, ferner die Anordnung, daB die Monche immer in den Klostern zu verbleiben haben, kein eigenes Vermogen besitzen diirfen, und auBerhalb der Kl5ster nur mit Zustimmung der heiligen Synode und mit koniglicher Genehmigung verwendet werden k5nnen 14,
10

Ilept Otatpsaeoo<; t<i>Y svoptoov 'X.IXtcX 7t'OAEt<;, 'X.OO(J.oltOAEt~ 'X.!Xt xooroc.

Christopul. 35-39. Vergl. auch das Synodal-Zircular 1t'ept t<i>Y svopv:xxooY Sx'X.A"fjatoov 'X.at tofi &pt3p.o5 toov tspsoov vom 7. Marz 1834. (Christopul. 66-69), welches

diesem Gesetze zur Grundlage diente.


II N6p.o; 1t'spt [sp!Xtt'X.WV azo!.s[oov und ~tatOCj[J.IX 1t'Spl toil MYOVtap.o5 tOOY [ep!.xtt'X.OOV azo.l.sloov. Christopul. 43-53. 12 ~tat!Xjf1!X 1t'Spt tOOY 1t'poa6YtOOY 'X.Q.L tOOY "(VWOSOOY a~ 1t'pS1t'St V~ sxooasv ot p.s!.!.ovte~ tspoo~wxt. Christopul. 53-55. 13 ~tat!XjfLIX 1t'Ept xrsooY tOOY 'lcpOX1Jp6xoov. Clzristopul. 55-58. Auf diese

Prediger, welche eine gewisse Ahnlichkeit mit den Periodeuten haben (siehe unsere "Dostojanstva" S. 49-57), die jahrlich zweimal die ihnen von der kompetenten Gewalt bestimmten Orte in der betreffenden Eparchie zum Zwecke der Predigt besuchen miissen, urn sodann der Eparchialgewalt iiber ihre Tatigkeit schriftlich zu berichten, wird in der Kirche des Konigreiches Griechenland ein besonderes Gewicht gelegt. Eine ausfilhrliche lnstruktion fiir diese Prediger wurde von der griechischen Synode bereits im jahre 1838 (22. August), sodann am 26. Oktober 1850 (Christopul. 144-145), am 13. August 1864 (lb. 255), 27. Oktober 1867 (lb. 276-278), 3. Mai 1868 (lb. 279-280) u. a. erlassen. ~ Kavovtcrp.o~ 1t'Ept nov MoVM't"fjptmY. Christopul. 338-353. Beziiglich der Kmster und Monche in der Kirche des K<>nigreiches Griechenland bestehen zahlreiche verschiedene gesetzliche Bestimmungen, deren Anfiihrung hier unmoglich erscheint. In der Sammlung .des Christopulos bilden diese Gesetze den Ganzen dritten Teil des Werkes (Seite 338-518).
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

. 31. Die Metropolie von Hermannstadt.


Nach Errichtung der Hermannstadter Metropolie und nach Anerkennung ihrer Autonomic (1864), versammelte sich auf Grund des IX. ungarischen Gesetzartikels vom Jahre 1868, welcher auch die Autonomic der Karlowitzer Metropolie anerkennt, in demselben Jahre in Hermannstadt der Nationai-KirchenkongreB, welcher Das organische Statut der orthodox-orientalischen romanischen Kirche in Ungarn und Siebenbiirgen verfaBte, das am 28. Mai 1869 die AllerhC>chste Sanktion erhielt 1 Dieses Statut zerfallt, nach Vorausschickung der allgemeinen fundamentalen Satzungen, in fi.inf HauptstUcke, welche folgende Gegenstande behandeln, u. tw.: 1) Die Pfarren, ihre Zusammensetzung und die Pfarragenden, welche besorgen: a) Die Pfarr-Synode, b) der Pfarr-AusschuB, und c) die Pfarr-Epitropie. 2) Die Protopresbyterate, iiber ihre Zusammensetzung, die Geschafte derselben, welche besorgen: a) der Protopresbyteral-Stuhl, b) die Protopresbyteral-Synode, c) der Protopresbyteral-AusschuB und d) die Protopresbyteral-Epitropie. 3) Die KWster: iiber die Kl5ster im allgemeinen, iiber die MC>nche im allgemeinen, fiber die Klosterverwaltung, welche vom Klosterkonvent besorgt wird, Uber den Klostervorsteher und dessen Rechte und Pflichten u. s. w. 4) Die Eparchien, Uber ihre Zusammensetzung und tiber die Eparchialgeschafte, welche besorgen: a) Die Eparchial-Versammlung, welcher unter andern das Recht zusteht, den Bischof zu wahlen, b) das Eparchial-Konsistorium, welches nach der Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Geschafte in drei Abteilungen (Senate) zerfallt: rl) in den Senat fiir die rein kirchlichen Angelegenheiten, ~) fi.ir Schul-Angelegenheiten und r) in den Epitropal-Senat. 5) Die Metropolie: die Zusammensetzung und Aufgabe derselben, die der Verwaltung der Metropolie anheimfallenden Angelegenheiten, in welcher Beziehung als Organe fungieren: a) Der Nationai-KirchenkongreB, b) das Metropolitan-Konsistorium, welches zerfallt: a) in den Senat fiir die rein kirchlichen Angelegenheiten, ~) in den Schul-Senat, r) in den Epitropal-Senat; und c) die bischOfliche Synode.

. 32. Das bulgarische Exarchat.


In dem der Errichtung des bulgarischen Exarchates nachfolgenden Jahre, namlich am 14. Mai 1871, hat die Nationai-Kirchenversammlung, welche aus Vertretern Bulgariens gebildet, in Konstantinopel stattfand,
. 31.

Statutut organic al bisericei greco-or. romi\ne din Ungaria si Transilvania. Sibiin 1881. Archiv fiir kathol. Kirchenrecht. Bd. XXV. S. 235-276.

. 32. Das bulgarische Exarchat.

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ein Organisations-Statut fUr das Exarchat erlassen, 1 worauf dann unter dem 10. September 1875 ein provisorisches Statut fUr die innere Verwaltung des Exarchates herausgegeben wurde 2. Beide Statuten batten bloB eine provisorische Wirksamkeit, und konnte auch die staatliche BesUitigung derselben, wegen des bald darauf ausgebrochenen russischtUrkischen Krieges, nicht angestrebt werden. Erst nachdem Bulgarien auf Grund des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878 zum Filrstentum proklamiert wurde, konnte an eine endgiltige Regelung der kirchlichen Angelegenheiten gedacht werden. Auf Grund des ersterwahnten Statutes a us dem Jahre 1871, welches die Bestatigung der tilrkischen Regierung erhielt und fiir die im tilrkischen Kaiserreiche gelegenen bulgarischen Eparchien giltig war, wurde in Sophia ein von der bulgarischen Synode, vom Staatsrate und der Nationalversammlung bestatigtes neues ExarchalStatut ausgearbeitet, welches unterm 4. Februar 1883 vom Filrsten Alexander die Sanktion erhielt. Dieses Statut galt bis zum Jahre 1885 nur fUr das Filrstentum Bulgarien. Nach Vereinigung Ostrumeliens mit dem Fiirstentum trat das Statut auch fUr diese neue Provinz in Geltung. Da sich jedoch im Laufe der Zeit verschiedene Mangel bei Anwendung dieses Statuts ergaben, wurde ein neues Exarchal-Statut ausgearbeitet, von der Nationalversammlung angenommen und vom Filrsten am 13. janner 1895 sanktioniert 3 Dieses Statut zerfallt in filnf Teile, mit 184 Paragraphen. In der Einleitung wird bestimmt, daB das Filrstentum Bulgarien, als ein untrennbarer Teil des bulgarischen Kirchengebietes, in kirchlicher Beziehung von der heiligen Synode, als der obersten geistlichen Beh6rde der bulgarischen Kirche abhangig ist. Das Filrstentum Bulgarien bewahrt die Einheit mit der allgemeinen morgenlandischen Kirche in allen auf die Olaubensdogmen Bezug habenden Angelegenheiten; und die autokephale orthodoxe bulgarische Kirche mit dem Titel eines Exarchats ist ein untrennbarer Teil der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche. Die Orundlage fur die Kirchenverwaltung im Filrstentum bilden die heiligen Kanones und das Exarchal-Statut. Der I. Teil des Statuts enthalt Vorschriften fiber die Organisation der Exarchat-Verwaltung, tiber die Wahl des Exarchen, der Mitglieder der heiligen Synode, der. Metropoliten (d. i. der Eparchialbischofe), der Mitglieder der bischOflichen Konsistorien, der bischoflichen Stellvertreter (d. i. der Bezirks. 32.

Organisations-Statut fUr das bulgarische Exarchat. Philippopel 1885. Provisorisches Statut fUr die innere Verwaltung des bulgarischen Exarchates. Philippopel 1885. Oedruckt in bulgarischem und tiirkischem Texte. 'j Der Titellautet in deutscher Obersetzung: Exarchal-Statut fiir das Fiirstentum Bulgarien: genehmigt von der heil. Synode, dem Staatsrate und der NationaiVersammlung, und von Sr. Hoheit dem Fiirsten mit dem Ukase vom 13. Januar 1895 sanktioniert. Sophia 1904.
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

protopresbyteri), iiber die Pfarren, iiber die Pfarrgeistlichkeit, iiber die MiliUirseelsorger, iiber die Kirchenepitropien und Uber die Kl5ster. Der II. Teil enthalt Bestimmungen iiber die administrative und richterliche Kompetenz der Kirchenbehorden, u. z. der heiligen Synode, der Eparchial-BischOfe, der Eparchial-Konsistorien, der Bezirksprotopresbyteri, der Pfarrgeistlichen, der Kirchenepitropien und der Klostervorstehungen. Der Ill. Teil enthalt Normen iiber das kirchliche Gericht und iiber die Strafen, welche iiber die Geistlichen wegen verschiedener Delikte verhangt werden konnen. Der IV. Teil, welcher nur einen Paragraphen (173) umfa.Bt, bestimmt, welche Amtssiegel von den kirchlichen Beh5rden gefilhrt werden mussen. Der fiinfte Teil enthalt allgemeine Normen und Bestimmungen Uber das Verhaltnis zwische Kirche und Staat.

. 33. Die Metropolie der Bukowina und von Dalmatian.


Nach der Verschiedenheit, welche zwischen den heiden dalmatinischen Eparchien einerseits, und der Bukowinaer Archidiozese andererseits, sowohl in historischer als auch in nationaler Beziehung obwaltet, sind auch die besonderen Rechtsquellen, nach welchen die erwahnten Eparchien und die besagte Archidi5zese verwaltet werden, verschieden. Als gemeinsam erscheint nur das staatlicherseits am 12. August 1884 bestatigte Synodal-Statuti. Dasselbe behandelt die Zusammensetzung der Metropolie der Bukowina und von Dalmatien, die Metropolitan-Synode und deren Zusammensetzung, bestimmt Ort und Zeit der Versammlung derselben, ihren Wirkungskreis und die besonderen Rechte des Metropoliten. AuBer diesem Synodal-Statute, haben die beiden dalmatinischen Eparchien und die Bukowinaer Archidiozese keine andere gemeinsame Rechtsquelle. Fiir sich gesondert haben sie jedoch ihre besonderen Rechtsquellen, und zwar die Bukowinaer ArchidiOzese: Die Anordnung zur Regulierung der geistlichen, kirchlichen und Schul-Angelegenheiten in der Bukowina wurde im August 1781 verfa.Bt und am 29. April 1786 von Kaiser Josef II. sanktioniert. Dieselbe zerfallt in fiinf Hauptabschnitte und behandelt: 1) Den Kirchenfond und den Klerus, 2) Die Klostergeistlichkeit. 3) Die Nonp.en. 4) Das Konsistorium und dessen Wirkungskreis. 5) Das Schulwesen 2 Organisches Statut jilr die Verwaltung des Religionsjondes. Dieses Statut wurde mit Allerhochster EntschlieBung vom 18. Marz 1870 be. 33.

Archiv fiir Kirchenrecht. 53, 251-263. Eine serbische Obersetzung im ,Giasnik der orth. dalmatinischen Kirche" fiir das jahr 1893 N. 5. u. 6. 2 Abgedruckt bei M. Calinescu, Normalien der Bukowinaer gr.-or. Diozese. Czernowitz, 1887. I, 28-134.

. 33. Die Metropolie der Bukowina und von Dalmatien.

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statigts. Die Grundlage hiefUr bildet das Normativ vom 18. Dezember 1820. Der Inhalt des Statuts bezieht sich auf die innere Einrichtung der Verwaltung des Fondes und auf die Verwendung desselben. Die Monchsregeln 4 Dies sind dieselben Regeln, welche der Belgrader-Karlowitzer Metropolit Vinzenz Jovanovich erlassen hat, jedoch in einer etwas modifizierten Form. Die Organisation der Kirche erhielt mit Allerhochster Entschlie8ung vom 23. Dezember 1843 die AllerhOchste Sanktion 5. Die Grundlage hiefilr bildet der allgemeine Regulierungsplan vom Jahre 1786. Die Geschiiftsordnung filr das Konsistorium in der Bukowina erhielt am 2. Februar 1869 die Allerhochste Sanktion 6. Nach den allgemeinen Bestimmungen bezieht sich diese Geschaftsordnung auf den Wirkungskreis der Eparchial-Behorde, und zwar auf jene Angelegenheiten, in welchen der Eparchial-Bischof personlich entscheidet, sodann auf die der Entscheidung des Konsistoriums obliegenden Angelegenheiten, auf die Geschaftsbehandlung im Konsistorium, auf die Behandlung von Rekursen und auf die Filhrung der Konsistorial-Geschafte im Falle der Sedisvakanz 7. FUr die da/matinischen Eparchien gilt: Die Geschiijtsordnung fiir das Konsistorium der dalmatinischen DiOzese, mit AllerhOchster EntschlieBung vom 24. August 1870 sanktionierts. Dieselbe stimmt im ganzen mit jener filr die Bukowina Uberein, mit Ausnahme der auf den Bukowinaer Religionsfond Bezug habenden Bestimmungen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daB die Leitung und Oberwachung der theologischen Anstalt nach dieser Geschaftsordnung dem Bischof personlich zusteht, wahrend nach jener fUr die Bukowina diese Aufgabe dem Konsistorim obliegt. Der . 3 dieser Geschaftsordnung wurde durch die Allerhochste Entschlie8ung vom 13. Janner 1894 insofern modifiziert, als dermalen das Konsistorium unter der Leitung des Eparchiai-Bischofs gebildet wird: aus dem Konsistorial-Archimandriten, als Stellvertreter des Bischofs, aus zwei ardentlichen honorierten Beisitzern und vier Ehrenbeisitzern. Die Pjarrorganisation wurde im Jahre 1852 geregelt und mit AllerhOchster EntschlieBung vom 28. Juli 1853 sanktioniert 9
3 Calinescu, Normalien. I, 190-234. Calinescu, Normalien. I, 135-178. ~ Calinescu, Normalien. I, 235-263. 6 In der k. und k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien in deutscher Sprache im jahre 1869 abgedruckt. 7 Viele andere auf die morgenlandische Kirche in der Bukowina Bezug habende Normen sind in der erwahnten Sammlung von Calinescu (Anm. 2) enthalten. 8 Abgedruckt im ,Giasnik der orth. dalmatinische Kirche" 1894 N. 2. u. ff. g Archiv fiir Kirchenrecht. 46, 142.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Die Monchsregeln wurden auf Grundlage der Regeln des Metropoliten Vinzenz Jovanovich to ausgearbeitet und fiir die dalmatinischen Mt>nche mit dem Dekret des Bischofs Hierotheus Mutibarich vom 6. November 1844 hinausgegeben. Die Normen fiir die Pastoral-Konferenzen vom 10. janner 189111. Das Organisations-Statu! fiir die theologische Lehranstalt in Zara auf Grund der AllerhOchsten EntschlieBung vom 5. juni 1869 verfaBt und am 4. Marz 1898 publiziert 12. . 34.
Die Kirche im Konigreiche Serbian.

Die organisatorischen Bestimmungen fiir die geistliche Beht>rde, welche am 23. August 1847 publiziert worden waren, wurden am 30. September 1862 durch das Gesetz iiber die geistlichen BehOrden ersetzt, welches mit verschiedenen Erganzungen und Anderungen bis zum Jahre 1890 Geltung hatte. Am 27. April 1890 wurde das neue Gesetz iiber die Kirchenbehorden der orientalisch-orthodoxen Kirche des Konigreibhes Serbien erlassen 1 Dasselbe enthalt: I. Allgemeine Bestimmungen dariiber, daB die serbische Kirche eine autokephale Kirche ist, und in den Dogmen mit der allgemeinen morgenlandischen Kirche die Einheit bewahrt. Ferner wird die kirchlich-administrative Einteilung des Landes angeben, und werden die Kirchenbeh6rden angefiihrt (Art. 1-8). II. Die kirchlichen Verwaltungsbehorden, u. z. 1) Die bisch6fliche Synode, 2) der Erzbischof von Belgrad und Metropolit Serbiens, 3) die Eparchialbisch6fe, 4) die Bezirksprotopresbyteri von Belgrad und Nisch, 5) die Distrikts-Stellvertreter, 6) die Pfarrgeistlichkeit, Kaplane und Diakonen, 7) die Kirchengemeinden und 8) die Klostervorsteher (Art. 9-76). III. Die kirchlichen Gerichtsbehorden u. z.: 1} Die bischt>fliche Synode, 2) das groBe geistliche Gericht, 3} das geistliche Eparchialgericht, 4) allgemeine Bestimmungen filr die geistlichen Gerichte, 5) die Delikte der Geistlichen und die Strafen, 6) das Gerichtsverfahren: a) bei Delikten der Geistlichen, b) in Streitsachen der Geistlichen, c) in EheOber diese Monchsregeln vergl. . 29 Anm. 6 dieses Buches. Abgedruckt in dem ,Glasnik der orth. dalm. Kirche" fiir das Jahr 1893 N. 7. 12 Vergl. die Ministerialerlasse Z. 4804 vom Jahre 1869 und Z. 2521 vom Jahre 1898. . 34. 1 Neueste Ausgabe in der ,Sammlung der Normen, Verfiigungen und Verordnungen der bischoflilchen Synode" Belgrad. 1900 S. 245 -309. Hier ist dieses Gesetz mit allen Erganzungen und Anderungen aus den Gesetzen vom 26. April 1895, 29. Juli 1898, 11. Janner 1899 und 29. Janner 1900 abgedruckt. Siehe Palmow, Cerkovnoe ustrojstvo, sudoustrojstvo i sudoproizvodstvo v Serbii po zakonu 1890 god. S. Peterb. 1893 (Organisation der Kirche, der Gerichte sowie das Gerichtsverfahren in Serbien nach dem Gesetze vom Jahre 1890).
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. 34. Die Kirche im Konigreiche Rumlinien.

155

streitigkeiten der Laien (Art. 77-125 und 169-223). IV. Die Wahlversammlung ftir die Wahl des Erzbischofs von Belgrad und Metropoliten von Serbien (Art. 126-144). V. Die Pastoralkonjerenzen (Art. 145-168); die beztiglichen Bestimmungen wurden durch das Oesetz vom 26. April 1895 aufgehoben. VI. Die Amtssiegel der Kirchenbehorden (Art. 224). VII. Die Rechte, Gehalte und Taggelder der kirchlichen Organe (Art. 225-231). VIII. Die Aufsicht der Staatsgewalt (Art. 232-238). IX. Obergangsbestimmungen (Art. 239-246). Das Gesetz iiber die Organisation des geistlichen Standes vom 31. Dezember 1882 2. Das Gesetz iiber die Griindung eines Kirchenjondes vom 31. Dezember 1882 s. Das Gesetz iiber die theologische Anstalt vom 11. janner 1896 4,

. 35.
Die Kirche im Konigreiche Rumanien. Nach Vereinigung der Walachei und Moldau zu einem Ftirstentum (1859), wurde mit der Organisation der Kirche im jungen Staate begonnen, welche mit der Verordnung vom 3. Dezember 1864 gesetzlich geregelt wurde. Diese Organisation war jedoch nur eine provisorische bis zum Erlassen des Gesetzes iiber die Wahl der Bischofe und iiber die Organisation der heiligen Synode t vom 14. Dezember 1872. Dieses Gesetz zerfallt in drei Hauptstilcke, wovon das erste tiber die Wahl der heiden Metropoliten, namlich des Metropoliten-Primas (mit dem Sitze in Bukarest) und des moldauischen Metropoliten (mit dem Sitze in jassy), sowie die Wahl der Eparchial-Bischofe handelt. Das zweite Hauptsttick enthalt Bestimmungen tiber die heilige Synode, ihre Zusammensetzung, die Zeit der Versammlung, ihren Wirkungskreis und tiber die Bedeutung derselben als oberste Kirchenbehorde im Staate. Das dritte Hauptstilck beschaftigt sich mit den Eparchien, der Zahl derselben, mit ihrer Abgrenzung, mit den Pflichten der Eparchial-BischOfe, mit den EparchialKonsistorien, mit den LandbischOfen, mit den theologischen Anstalten, mit den Klostern, mit der Einsetzung der Bezirksprotopresbyteri und mit den Klostervorstehern. Zur Erganzung dieses Oesetzes wurde am 20. Mai 1893 das Oesetz iiber die Weltgeistlichen und iiber die geistlichen Seminarien erlassen.
Erwlihnte Ausgabe S. 310-314. Erwlihnte Ausgabe S. 329-330. Erwlihnte Ausgabe S. 375-385. . 35. 1 Dieses Gesetz ist abgedruckt im Werke: Legea organica Regulamentele Santului Sinod al s. biserici autocefale ortodoxe roman e. Bucuresti 1892; in deutscher Obersetzung im Archiv fUr Kirchenrecht. 42, 280-281, 423-426.
3

156

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Dieses Oesetz zerfllllt in vier Hauptstucke: Das erste Hauptstiick befaBt sich mit den Stadt- und Landpfarren, mit den Tdigern der hl>heren und niederen Grade und mit den Pfarrepitropien; im zweiten HauptstOcke werden die Bestellung und die Pflichten der Pfarrgeistlichkeit besprochen; das dritte Hauptstuck bezieht sich auf die geistlichen Seminare und zwar zunachst auf jene mit niederem und auf jene mit Mherem wissenschaftlichen Kurse; das vierte Hauptsti.ick ist dem Unterhalte des Klerus gewidmet. Als Zusatz enthalt das erwahnte Gesetz noch einige Bestimmungen, deren eine verfilgt (Art. 39) daB im Faile, als der Kultusminister ein Andersglaubiger sein sollte, denselben in Angelegenheiten der orth.-or. Kirche ein anderer Minister, welcher der orth.-or. Konfession angehort, zu vertreten habe 2

. 35 a).

Die Metropolie von Montenegro.


Fi.ir die Kirchenverwaltung im Fi.irstentum Montenegro galten im allgemeinen die in der ,Krmcija knjiga" enthaltenen normativen Bestimmungen. Erst in neuerer Zeit wurden in dieser Beziehung besondere Oesetze erlassen, u. z.: Das Gesetz iiber die Organisation der heiligen Synode vom 30. Dezember 1903. Dassel be enthalt: I. Allgemeine Bestimmungen fiber die Zusammensetzung der autokephalen montenegrinischen Metropolie; die Darlegung der Bedeutung der heiligen Synode und der Beziehung dieser letzteren zum Staatsrate (Art. 1-9). II. Bestimmungen fiber die Mitglieder der Synode u. z. i.iber die Person des Vorsitzenden und ilber die Mitgliederzahl (Art. 10-14). III. Normen tiber den Wirkungskreis der heiligen Synode u. z. zunachst i.iber die personlichen Rechte des Metropoliten, i.iber die Agenden der Synode, welche in innere und auBere, d. i. in Agenden rein geistlicher und kirchlicher Natur und in solche gleichfalls kirchlichen Charakters, welche jedoch Beri.ihrungspunkte mit der Staatsregierung aufweisen, eingeteilt werden (Art. 15-22). IV. Normen i.iber die Geschafstbehandlung in der heiligen Synode (Art. 23-28). Das Gesetz iiber die Organisation des Konsistoriums vom 1. janner 1904. Dasselbe enthalt: I. Allgemeine Bestimmungen (Art. 1-8). II. Bestimmungen iiber die Zusammensetzung des Konsistoriums (Art. 9-27).
l Dieses Gesetz ist im Werke: D. G. Berojanu, lstoria bisericei crestine (Bucuresci 1893) S. 488-500 enthalten; eine russische Obersetzung befindet sich in ,Ctenija v obscestvje ljubitelej duhovnago prosvjescenija" fiir das jahr 1893 Band fiir den Monat juli und August S. 431-455. Die vielen iibrigen Oesetze iiber die Kirche im Konigreiche Rumlinien befinden sich im erwlihnten Werke: Legea organica etc.

36. Allgemeine Obersicht.

157

III. Normen iiber den Wirkungskreis des Konsistoriums u. z. 1) als VerwaltungsbehOrde der Eparchie (Art. 28-134) und 2) als Gerichtsinstanz der Eparchie (Art 135-245). IV. Bestimmungen fiber die Geschaftsbehandlung im Konsistorium (Art. 246-282).

Das Gesetz aber die Organisation der theologischen Lehranstalt


vom 28. Juli 1887, sanktioniert mit ffirstlichem Ukas vom 27. August 1887. Das Gesetz vom 24. Februar 1900 fiber die Dotation der Pfarrgeistlichkeit in Montenegro. Das Gesetz vom 8. Apri11901 tiber den Fond zur Dotierung dienstuntauglicher Priester und Diakonen in Montenegro sowie ihrer Witwen und Waisen 1.

B. Die Kirchenrechts-Sammlungen.
. 36.
Allgemeine Ubersicht.
Die Kodifikation der Kirchenrechtsquellen ging nach und nach vor sich, je nach dem Auftauchen neuer Quellen. Die betreffenden gesetzlichen Vorschriften galten als Richtschnur fiir den in einem gegebenen Falle kfinftighin zu beobachtenden Vorgang, sobald dieselben vertlffentlicht waren. jedes Mitglied der Kirche war verpflichtet, von den bereits erlassenen gesetzlichen Vorschriften Kenntnis zu haben. In erster Linie oblag aber diese Pflicht den Kirchenvorstehern, welche die genau Beobachtung derselben zu iiberwachen. hatten. Sobald daher ein neues Oesetz von der kompetenten Gewalt erlassen worden war, und der behandelten Materie nach, das Merkmal der allgemeinen Verbindlichkeit an sich trug, trachtete man, dasselbe den frfiheren Oesetzen anzureihen, um so jedermann die Moglichkeit zu bieten, sicli mit allen Gesetzen vertraut zu machen. Auf diese Art war die Entstehung von besonderen Sammlungen, welche alle bis zu einem bestimmten Zeitpunkte erlassenen Oesetze umfaBten, nach welchen das kirchliche Leben zu regeln war, eine ganz naturliche; und in dem MaBe, in welch em die Zahl dieser Gesetze wuchs, nahm auch der Umfang der Sammlungen zu, entwickelte sich die Kodifikation der Quellen des Kirchenrechts. UrsprUnglich waren die diesbezUglichen Arbeiten privater Natur, wurden von Personen betrieben, welche der praktische Zweck hiezu aufmunterte. Erst spater, als die kompetente Gewalt diese Arbeiten ihrer Kontrolle unterzog und dieselben als zweckmaBig erachtete, erhielten diese
.

35a 1 In der fiirstl. Druckerei in Cetinje sind aile diese Gesetze in Druck 1904 erschienen.

158

I. Teil. Qie Quellen und Sammlungen des Klrchenrechts.

einen offiziellen Charakter; die betreffenden Gesetz-Sammlungen wurden zu offiziellen allgemein-bindenden Sammlungen t. Die Geschichte der Kodifikation des Kirchenrechts hat ihre besonderen Perioden, welche der Hauptsache nach mit den Perioden der Kirchengeschichte zusammenfallen. Solcher Perioden gibt es drei 2. Die erste Periode umfaBt die Zeit vom Beginne der Kirche bis zum Mailander Edikte (313). In dieser Periode schopfte die Kirche die zu ihrer Verwaltung notwendigen Gesetze aus der heiligen Schrift und aus der regen apostolischen Tradition, und beschrankte sich auf das Sammeln der apostolischen Oberlieferungen und Gewohnheiten, aus den miindlichen Mitteilungen der Schiller und Anhanger der Apostel, sowie aus der Praxis jener Kirchen, welche von den Aposteln gegrUndet wurden. Die zweite Periode umfaBt die Zeit der allgemeinen Konzilien und jener Partikular-Synoden, deren Kanones fOr die Gesamtkirche bindend sind. In dieser Periode erfuhr die Kodifikation der Kirchenrechtsquellen eine weite Entwicklung und erlangte ihren Hohepunkt mit der Herausgabe der fundamentalen Kanonen-Sammlung der orthodox-orientalischen Kirche, namlich des Nomokanon in XIV Titeln (883). Die dritte Periode endlich beginnt nach der Herausgabe dieses Nomokanon, womit die fundamentale legislative Tatigkeit der Gesamtkirche ihren AbschluB fand. Die gesetzgebenden Organe der Partikularkirchen nahmen die allgemeine kirchliche Gesetzgebung als Grundlage an und regelten das kirchliche Leben nach derselben; nur besondere Fragen wurden nach den lokalen und nationalen Verhaltnissen entschieden. Die Tatigkeit der Kanonisten in dieser Periode ging dahin, die Grundgesetze der Kirche jedermann zuganglich zu machen, und die ilbrigen gleichfalls in der Kirche geltenden Rechtsquellen, die entweder der staatlichen Gesetzgebung oder jener der Partikularkirchen angehOrten, mit diesen Gesetzen in Zusammenhang zu bringen. Da wahrend der beiden ersten Perioden die Kirche ein ungeteiltes Ganzes bildete, fanden auch die Kanonen-Sammlungen dieser Zeit in der Gesamtkirche Beachtung, wenn auch einige derselben nur einen lokalen Charakter batten. Daher wollen wir aile bedeutenden Sammlungen dieser Zeit, sowohl die morgenlandischen, als auch die abendlandischen in Betracht ziehen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes
1 Van Espen, Commentarius in canones. Colon. Agrip. 1745. pag. 12-14; Pitra, Juris ecclesiae graecorum historia et monumenta. Tom. I. Synopsis historica. pag. XXVI-XXVII; P. Zaozerski, Ocerki iz istoriji kodifikaciji kanoniceskago prava vostocnoj cerkvi (Obersicht aus der Oeschichte der Kodifikation des kanonischen Rechts der orientalischen Kirche), in der Zeitschrift "Ctenija v obscestvje ljubitelej duh. prosvjescenija", 1881. 11, 529 fg. ' Auch die neueren russischen Kanonisten teilen die Oeschichte des Kirchenrechts in drei Perioden. Siehe P. Laskarew, Kirchenrecht. S. 117 u. fl.; N. Suworow, Kursus des Kirchenrechts. S. 199. 223. 282.

. 36.

37. Die Sammlungen unter dem Namen der Apostel.

159

tritt die Spaltung der Kirchen ein, jede hat ihr eigenes, in den Grundprinzipien von dern anderen verschiedenes Kirchenrecht, jede Gerneinschaft zwischen der orthodox-orientalischen und romisch-katholischen Kirche hort auf. Daher sollen auch, der Aufgabe dieses Werkes entsprechend, in der dritten Periode bloB die Kanonen-Sarnmlungen der orthodox-orientalischen Kirche, und zwar zunachst die griechischen, dann die slavischen, und schlieBlich die romanischen Kanonen-Samrnlungen in Betracht gezogen werden. Dem lnhalte nach werden diese Sammlungen eingeteilt in rein kanonische, kirchlich-weltliche und Nomokanones, je nachdem dieselben ausschlieBiich Satzungen der kirchlichen Gesetzgebung, Normen der weltlichen Gesetzgebung in kirchlichen Fragen, oder Bestimmungen sowohl der einen als auch der anderen Gesetzgebung enthalten. Weiter werden diese Sammlungen eingeteilt: in allgemeine, wenn sie auf die Gesamtkirche, in besondere, wenn sie nur auf eine Partikularkirche oder auf cine besondere Einrichtung in der Kirche Bezug haben; ferner in chronologische, wenn die betreffenden Satzungen in chronologischer Reihenfolge, und in systematische, wenn diese nach dem behandelten Gegenstande oder der Bedeutung der zugrundeliegenden Quellen angefUhrt werden. Oberdies unterscheiden sich diese Samrnlungen auch nach der Art der AnfUhrungd es Gesetzestextes, derselbe je nachdem vollstlindig nach dem Originate, in abgekUrzter oder paraphrasierter Form oder in einer dieser Formen mit kUrzeren oder eingehenderen Kornmentaren angefUhrt wird.
I. Die Periode bis zum Mailander Edikt (313).

. 37.
Die Sa.mmlungen unter dem Na.men der Apostel.
AuBer den als apostolisch bezeichneten Kanonen-Sammlungen, sind aus dieser Periode keine anderen Sammlungen erhalten t. Diese Sammlungen rUhren keineswegs in der uns vorliegenden Gestalt von den Aposteln selbst her, sondern die in denselben enthaltenen apostolischen Vorschriften wurden im Wege der Oberlieferung in den von den Aposteln gestifteten Kirchen bewahrt, von Einzelnen gesammelt, und der Nachwelt in der Form von Sammlungen Uberlassen. Es ist aber auch rnoglich, daB diese Vorschriften unmittelbar von den Aposteln ihren Nachfolgern, den BischOfen, mUndlich Uberliefert wurden. Aile Sarnmlungen unter dem Namen der Apostel wurden zu verschiedenen
. 37.
1 Siebe Pitra, juris eccles. graecorum hist. et monum. Tom. I; Synopsis hist. p. XXVlll-XXXVlll; Bickel, Geschichte des Kirchenrechts I, 52-104; Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts. I. Periode. , 16-18 (Ed. cit. I, 66-80).

160

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des :Kirchenrechts.

Zeiten verfaBt, von der Zeit des Ablebens der Apostel angefangen, bis zu dem Zeitpunkte, als die Kirche in dem griechisch-romischen Reiche die Freiheit erlangte, also in der Zeit von der formellen Stiftung der Kirche bis zu Constantinus dem GroBen. Sie enthalten neben kirchenrechtlichen Vorschriften auch viele andere, welche den Glauben, die Moral, den Gottesdienst und im allgemeinen dasjenige betreffen, was das religiose und soziale Leben der Christen bertihren konnte. Zu den bedeutendsten dieser Sammlungen gehoren: 1. Die Lehre der zwolf Apostel. Genauere Nachrichten tiber diese Sammlung erfuhr man erst vor einigen Jahren, als dieselbe namlich im Jahre 1875 von dem Metropoliten Philotheus Bryennios von Nikomedien in der Bibliothek des jerusalem-Kiosters zu Konstantinopel aufgefunden und im Jahre 1883 in einem besonderen Buche veroffentlicht wurde 2 Auf Grund der zahlreichen, in wenigen Jahren tiber diese Sammlung gelieferten Arbeiten 3, kann die Behauptung hingestellt werden, daB dieselbe in der ersten Halfte des II. Jahrhunderts in Egypten verfaBt wurde. Dieselbe zerfallt in 16 kurze Kapitel. Zu Beginn (1, 1.) ist von zwei Pfaden die Rede, von welchen der eine zum Leben, der andere zum Tode ftihrt. Hierauf folgt die Beschreibung des zum Leben (1, 2. bis 4, 14.) sowie des zum Tode (Kap. 5) ftihrenden Pfades und die Weisung, sich streng ohne irgendwelche Abweichung an diese Lehre zu halten (Kap. 6). Weiter folgen Vorschriften tiber die Vornahme der Taufe (Kap. 7), tiber die Fasten (Kap. 8), sowie tiber die Eucharistie
dt'XOIXX~ troY OWOIOM. , A1to'JtOA(l)Y h tOO [epocrOAOp.ttt'X.Ofi xetpojptX!.pOO yfiy 1tprotOY hotOO(J.EY"IJ p.eta 1tpOAS"(OfLEYWY 'X.'Xt 07J(J.!OtWaeov, gy of; -x.at t'ij; l:ov64sro; t'ij; II. J:l., t* !mo 'Iwaw. too Xpoaoatop.oo, aur-x.ptat; Mi p.Epo; &vs-x.ootov tX1tO tofi tXO'tOO xstporp!il~OO. T1to <l>tAo&E0 1) Bpoew[oo p.7Jtpo1to),[too Nt-x.op.7JOEt1l~. 'Ev KovattlYttvoo1t6Ast 1883.
2
3 Ad. Harnack, Die Lehre der zwolf Apostel nebst Untersuchungen zur iiltesten Geschichte der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts. Leipzig 1884; Wiinsche, Lehre der zwolf Apostel nach der Ausgabe des Metropoliten Phil. Bryennios, mit Beifiigung des Urtextes, nebst Einleitung und Noten. Leipzig 1884; F. Funk, Doctrina duodecim apostolorum. Tubingae 1887; P. Sabatier, La Didache ou l'enseignement des douze apotres. Paris 1885; R. Majocchi, La dottrina dei dodici apostoli. Documento della chiesa primitiva pubblicato nel suo testo originale con versione e commento. Milano 1885; H. de Romestin, The Teaching of the Twelfe Apostles. The Greek Text with Introduction, Translation, Notes and Illustrative Passages. London 1884. Wir haben hier nur die hauptsachlichsten diesbeziiglichen Werke des Abendlandes angefiihrt. In russischer Sprache ist diese Sammlung mit mehr oder weniger eingehender Beschreibung derselben erschienen in ,Pravoslavnoe Obozrjenie" (Juni 1866) in der Zeitschrift ,Strannik" (December 1884), und in ,Trudi K. D. Akademiji" (November 1884). Eine serbische Obersetzung dieser Sammlung mit einer Beschreibung derselben von ]. Vuckovich, Zara 1885; in romanischer Sprache, mit Anmerkungen von Konst. Popovicii jun., ,Invetatura celor doi-spra-dece apostoli". Cemauti 1887.

\l. 37. Die Sammlungen unter dem Namen der Apostel.

161

(Kap. 9-10). Dies ist der erste Teil der Sammlung. Der zweite Teil (Kap. 11-16) enthalt Bestimmungen Uber die Organisation der Kirche, namlich ilber den Dienst der Apostel, Propheten, Lehrer, Bisch()fe und Diakonen, sowie Uber die Beziehungen der Glliubigen zu diesen Dienern der Kirche. Hauptsachlich mit Rilcksicht auf diesen zweiten Teil, ist die Sammlung fUr das Kirchenrecht von Bedeutung. Diese Sammlung wird von Athanasius dem GraBen in seinem Sendschreiben Uber die Feiertage -f, welches in der allgemein-kirchlichen Kanonen-Sammlung Aufnahme fand, und sodann von Zonaras 5 und Blastares 6 in ihren Schriften tiber das kanonische Recht der orthodox-orientalischen Kirche erwahnt. 2. Die Sammlung der Canones Apostolorum. Diese Sammlung enthalt jene 85 Kanones der Apostel, welche durch den 2. Kanan des Trullanischen Konzils, neben den Kanones der Kirchenversammlungen und der heiligen Vater, als fi.ir die Gesamtkirche bindend erkllirt wurden. Ober diese Kanones wurde bereits gesprochen 7. 3. Die Sammlung der Constitutiones Apostolorum. Diese Sammlung wird im 85. apostolischen Kanon erwahnt, wo hervorgehoben wird, daB diese Konstitutionen von Klemens in acht Bi.ichern filr die BischMe verfaBt wurden, daB sie jedoch wegen ihres mitunter mystischen Inhaltes nicht unter allen verbreitet werden sollen s. Diese Konstitutionen werden auch in dem 2. Kanon des Trullanischen Konzils erwlihnt, wo es hei6t, daB die Haretiker in dieselben einige heterodoxe Satze aufgenommen
' Ath. Synt. IV, 80.
5

Kommentar des erwahnten Sendschreibens des Athanasius. Ath. Synt. IV, 81.

Archim. johann sagt in seinem Kommentar zu diesem Sendschreiben (Kurs II, 10),
da er von dieser erst 30 jahre nach dem Erscheinen seiner Arbeit aufgefundenen Sammlung keine Kenntnis hatte, ,daB dies unter dem Namen der Apostel bekannte Konstitutionen sind". 6 Ath. Synt. VI, 146. Blastares, welchem Archim. johann zweifellos gefolgt ist (siehe die vorstehende Anm.), hat diese Sammlung als mit den apostolischen Konstitutionen identisch erachtet, und sich (an der erwahnten Stelle) dahin geau6ert, daB dieselbe durch das Trull. Konzil ihres ftir das Kirchenrecht verbindlichen Charakters entledigt wurde, tcxbt"~Y (ot~~zilv) o 'M.t ~ S'ltt'f) afwooo~ sWt-tjaev. 7 S. 81-84. Den in Anm. 2, , 22, iiber diese Sammlung angefiihrten Schriften sind noch beizufiigen: 0. Beveregii, Codex ecclesiae primitivae vindicatus et illustratus. Amstel. 1697. Diese Arbeit ist in dem II. Bande Cotelerii, Patres apostolici. Append. pag. 1-183, abgedruckt. Sie hat die Aufgabe, gegen j. Da!Hius, welcher behauptete, daB diese Kanones von einem Haretiker nach dem jahre 450 verfaBt wurden, nachzuweisen, daB die Kanones Apost. von einem gottesftirchtigen Manne im II. oder Ill. jahrhunderte herausgegeben wurden. Siehe gleichfalls P. La~karew, Kirchenrecht S. 118-128.
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Ar ol~tcxrcxl OtJ.tV tot~ ama'lto7tol~ ot' EtJ.oo Kl.~tJ.s'tto~, sv o-xtoo ~l~l.ot~ x.vrl O"fjfJ.OOlSOSlV S7tl 7t~Y'tOOV Oltt 'tet ev IXOttlt~ fJ.OOtl'lt~. Ath. Synt. II, 109-110.
a

11

162

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

haben, weshalb sie vom Konzile verworfen werden, damit die Reinheit der apostolischen Lehre bewahrt werde 9, Betrachtet man zunachst diese Konstitutionen in ihrer heutigen Gestalt 10, so zerfallen dieselben in acht BUcher und jedes Buch gliedert sich weiter in einige Kapitel. Das erste Buch enthalt eine allgemeine Sittenlehre fiir Laien; das zweite handelt von den Eigenschaften und Pflichten der Oeistlichen i.iberhaupt; das dritte von den Witwen, von der Taufe und von der Cheirotonie der BischOfe und Kleriker; das vierte von der Armenpflege und von den geweihten Jungfrauen; das fiinfte von den Martyrern und den Festtagen; das sechste von den Irrlehren, von der Enthaltsamkeit und von dem mosaischen Gesetze; das siebente enthlilt abermals eine allgemeine Sittenlehre, handelt dann von der Taufe, den Fasten und vom christlichen Gebete; das achte endlich handelt von auBerordentlichen gottlichen Gaben und von der Cheirotonie, und fiihrt auch verschiedene liturgische Vorschriften an. Zum SchluBe sind als Zusatz zur ganzen Sammlung die 85 Kanones Apostolorum hinzugefi.igt. Die ganze Sammlung in ihrer heutigen Gestalt zerfallt in drei besondere voneinander verschiedene Sammlungen, wovon die erste aus den ersten sechs Bi.ichern, die zweite von dem siebenten, und die dritte von dem achten Buche gebildet wird, an welches die Kanones Apostolorum als Anhang gereiht sind. Der Nachweis fi.ir diese Einteilung liegt in dem Inhalte der ganzen Sammlung, in der Beziehung der ersten sechs BUcher zunachst zum siebenten und sodann zum achten Buche, sowie in der auBeren Zusammensetzung der Sammlung. Diese drei, die heutige Sammlung der Constitutiones Apostolorum bildenden
ttaL 1ta.).IXL !nco ti;>v &tspoM;oov S1tt AO!J.'lJ tij~ S'lt'XAYJOLIX~ v6&ot tL\10; 'ltott ;evot tij~ soas~sktc; 1t!Xpsvstz{}~a!Xv, tO sfmps1tsc; 'lttXAAO<; 't0)\1 {}e[oov oowtitoo\1 ~tJ.lY &!J.ott>pcba!XYt!X . t'lJY 'teO'/ toto6toov Otottti;soov 1tpomp6poo; &1r0~0A~\I 1t51t0l~!J.S{}oc 1tpoc; t'lJY tOO zptatt!XYt'itOOtlit'OI) 1t0lf1.Yt00 Ot'XOOO!J.YJY 'ltott &a~liASL!XY, OOO!Xf.LcO~ Sj'XptYOYtS<; tO: tij<; !Xtpstt'l!.ij<; rpsuaoAO"(l!X<; 'ltt>'1jtJ.!Xtot, 'XIXL t'{i "(Y'tjOtq; 'tcOY 'A1toat6AWY M:t o),o?tA~P(I) OLOotX'?J 1t!Xpsvs[povts;. Ath. Synt. II, 308. 10 Der voile Titel dieser Sammlung lautet: dt!Xt'!X"(!Xt toov &rloov 'A1toat6A.oov otO; KA.~(J.S\Ito<; to5 'PW!J.!XtOOYS 1tLO'lt01t0') t5 'ltott1t0At't00 ')tor;{}oA.t'lt~ OLO!Xa'lta.Ala.. Bei Pitra, Our. eccles. I, 113-416) lautet der Titel: At!Xtot"((X.L toov &rlwv 'A1to-:Jt6A.wv. Siebe iiber diese Sammlung im ganzen und in ihren Bestandteilen: Dr. ]. S. v. Drey,
9

dLottli;st~, IXL~

Neue Untersuchungen iiber die Konstitutionen und Kanones der Apostel. Erstes Buch. Untersuchungen iiber die Bestandteile, Enstehung, Zusammensetzung und den kirchlichen Wert der Apostolischen Konstitutionen (. 1-200); j. W. Bickell, Geschichte des Kirchenrechts. I, 52-70. 221-229; C. C.]. Bunsen, Hippolitus und seine Zeit. I, 418-433. 455-527; Ad. Harnack, Die Lehre der zwolf Apostel. S. 170-192; F. Funk, Doctrina duodecim apostolorum. Prolegom. pag. LVIII-LXI. 74-97; <I>. Bposw[oo, Atriotx'lJ 'tcOY awos'X.IX 'A1toat6A.rov. ~SA. ),s'-Y'; N. Zaozerski, Ob. istocnikah prava v pervie dva vjeka (Von den Rechtsquellen in den ersten zwei Jahrhunderten in , Tvorenijah sv. otcev" 1889. I, 170-235. 476-523).

. 37. Die Sammlungen untcr dem Namen der Apostel.

163

besonderen Sammlungen, sind in der Zeit vom II. bis zum IV. jahrhundert, auf Orundlage kurzer a!terer Schriften, welche spater eine Erweiterung erfuhren, zustande gekommen, und wurden von einem unbekannten Kompilator im IV. Jahrhundert in eine einzige groBe Sammlung vereinigt 11 Den in der letzten Zeit, nach der Herausgabe der sogenannten ,apostolischen Lehrc", also nach dem Jahre 1883, erzielten wissenschaftlichen Resultaten zufolge, bildet die Orundlage der ersten Sammlung oder der ersten sechs Bucher eine Schrift unter dem Titel: AW.t(qa..t tci'>Y a:yErov 'A 1tOat6AmY ~t&. Kk~tJ.E:Y'tO~ 1t(J001tE:'j?ffi\l"fjtJ.SYa.t, welche moglicherweise von dem Bischof Klemens von Rom oder von einem anderen Klemens aus dem II. jahrhundert herrtihren kann. Diese Schrift wurde im III. Jahrhundert in Syrien erganzt, und deuten viele Stellen darauf hin, daB derjenige, welcher sich mit der Erganzung befaBte, ein Semiarianer gewesen sei 1:!. Die Basis der zweiten Sammlung oder des siebenten Buches der Constitutiones Apostolorum, bildet die erwahnte ,apostolische Lehre", welcher noch einige Oebet-Formularien und Anleitungen ftir die Taufe beigeftigt sind. Der Autor dieses siebenten Buches dOrfte wohl auch ein Semiarianer gewesen sein, da in demselben einige darauf hindeutende Stellen enthalten sind; moglich ist es, daB das siebente Buch den Verfasser der ersten sechs BUcher der Constitutiones Apostolorum, in ihrer gegenwartigen Form, zum Autor hat 13 . Die Orundlage der dritten Sammlung oder des achten Buches der Constitutiones Apostolorum, bilden verschiedene Schriften, welche zu derselben Zeit gesammelt und geordnet wurden, als die beiden ersten Sammlungen, namlich die ersten sechs BUcher und das siebente Buch, verfaBt wurden 14 Was die Zeit der Verfertigung der ganzen Sammlung in ihrer heutigen Redaktion anbelangt, so kann diese nicht nach dem IV. Jahrhundert erfo1gt sein 15 Da die Hauptgrundlage dieser Sammlung die obenerwahnte, dem Klemens zugeschriebene Schrift bildet, wurde seitens des Kompilators am Anfange der Sammlung der Name Klemens angeftihrt, urn hiedurch zu zeigen, daB dieselbe von Klemens herriihre, und urn derselben so eine groBere Bedeutung beizumessen. Die Sammlung der Constitutiones Apostolorum bietet uns ein vollstandiges Bild iiber die Verfassung, die Verwaltung und tiber das Leben
11 Siehe Drey, Neue Untersuchungen. S. 40 u. ff.; Bickell, Geschichte des Kirchenrechts. S. 55 u. ff. 12 Vergl. Drey. I. cit.; Bickell. I. c.; Pitra. Op. cit. Tom. I. Synopsis hist. pag. XXXVI-XXXVIII; Harnack. Op. cit. pag. 141 u. ff.; R posy y [ o u llt8~X~ l:aJ..

'1!1.' X'tA.
13

BpDzYv[oo lltoiY.xij.

~EA.

A s' xtl..; Harnack. Op. cit. pag. 170 u. ff.;

Funk. Op. cit. pag. 74 u. ff.


11
15

Drey. Op. cit. pag. 103 u. ff. ; Bickell. Op. cit. pag. 59 u. ff. Drey. Op. cit. pag. 154 u. ff.; Bickell. Op. cit. pag. 61 u. ff.; Pitra l. c. 11*

164

I. Teil. Die Quellen und Sammlungcn des Kirchenrechts.

der christlichen Kirche in den drei ersten jahrhunderten des Christenturns, weshalb dieselbe fUr das Kirchenrecht eine besondere Wichtigkeit besitzt ts. Das von dem Trullanischen Konzile rticksichtlich dieser Konstitutionen gefallte Urteil, ist uns bereits bekannt 17 ; allein dasselbe hat hiemit die Wichtigkeit der Konstitutionen nicht absolut in Abrede gestellt, denn es bekannte, daB denselben ,die erhabene ScMnheit der gBttlichen Anordnungen" zugrunde liege. Allein das Konzil ermahnt die BiscMfe und sagt, daB die Konstitutionen in der Form, in welcher sie zur Zeit der Abhaltung dieses Konzils bestanden, ungeeignet erscheinen, als Leitfaden fUr die BischBfe zu dienen, und daher zu verwerfen seien; keineswegs aber auBerte sich das Konzil dahin, daB dieselben auch nach Eliminierung dessen, was nicht strenge orthodox ist, zu verurteilen seien. DaB die Kirche die Verfilgung des Trullanischen Konzils in diesem Sinne aufgefaBt hat, ist durch eine Menge von Handschriften dieser Konstitutionen aus spateren jahrhunderten nachgewiesenls. Aus diesen Handschriften erhellt, daB besagte Konstitutionen nach Eliminierung dessen, was in denselben heterodox war, in der kirchlichen Praxis verwendet wurden, sowie auch die Oeschichte keine Daten darilber aufweist, daB die Kirche jemals gegen diese Verwendung ihre Stimme erhoben hatte. Den besten Beweis hiefilr liefert aber das Zeugnis des Patriarchen Photius von Konstantinopel, welcher in seiner ,Bibliothek" die apostolischen Konstitutionen erwahnt und hervorhebt, daB in denselben drei Ieicht auffallende Dinge wegzulassen waren, daB aber der Ubrige lnhalt derselben anstandslos beniltzt werden kBnne 1u. Hieraus erklart sich auch der Umstand, daB aus dem achten Buche der Constitutiones Apostolorum in die kanonische Synopsis 2o 17 Kanones unter
,Hoc enim quisque Ionge certissimum habeat, institutionum apostolicarum primum et optimum interpretem esse ecclesiae usum et consuetudinem", bemerkt Pitra (l. c.) am Schlusse seiner Betrachtung Uber die Const. Apost. 17 Anm. 9. dieses Paragraphen. 18 Pitra (l, ttl) erwahnt einige Handschriften der Const. Apost. vom X. Jahrhunderte bis zum XVI. jahrhunderte. 19 Siehe Bt~A.wiJ.-~'X.1j tof> <l>rottoo. Koo. pt{'. (August. Vindel. t601. p. 155). In lateinischer Obersetzung lautet diese Stelle in der Ausgabe Migne folgendermaBen: ,Constitutiones porro tribus ex capitibus dumtaxat reprehensioni videntur obnoxiae. Ex mala nimirum fictione, quam depellere non est admodum difficile; deinde quod contra Deuteronomium criminationes quasdam adducant, quae et ipse dilui facillime possunt; denique ex arianismo, quem item acarus paulo instando, refellere queas." Die neueren russischen Kanonisten beweisen unter Anfiihrung dieser Stelle aus der ,Bibliothek" des Photius, daB auch diese drei Dinge, welche Photius erwahnt, bedeutungslos sind und fiir das Kirchenrecht keine Wichtigkeit haben, da sie sich auf das Recht gar nicht beziehen, sondem nur Glaubensfragen betreffen, und schlieBen mit dent Nachweise, ,daB die Const. Apost. ein sehr wichtiges Hilfsmittel fiir die Rechtswissenschaft sind". Laskarew, Kirchenrecht. S. t37 -138. Zaozerski. I. c. S. 520. 20 Ath. Synt. IV, 399-403.
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38. Allgemeine Obersicht.

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dem Namen des Apostels Paulus (Kap. 32) 21 , 17 Kanones unter dem Namen ,Petri und Pauli" (Kap. 33) ~z, und 2 Kanones unter dem Namen aller Apostel (Kap. 46) 23 aufgenommen wurden; diese Kanones sind auch in der slavischen Krmcija enthalten 24. In dem vorliegenden Werke werden die Constitutiones Apostolorum bei der erforderlichen Kritik der betreffenden Stell en gleichfalls beniitzt 2.5. II. Die Periode bis znr Herausgabe der fnndameutalen KanonenSammlnng der orthodox-orientalischen Kirche (883).

. 38.
Allgemeine Ubersicht.

Nach der Publikation des Mailander Ediktes wurde der Kirche im griechisch-romischen Reiche die Freiheit zuteil, welche dazu beniitzt wurde, um dieselbe zu organisieren und ihre Disziplin festzusetzen, in welcher Beziehung der Kirche ihre eigene, sehr entwickelte gesetzgeberische Tatigkeit, unterstiitzt durch jene des Staates, bedeutend zustatten kam. Mit der Entwicklung der gesetzgeberischen Tatigkeit hielt auch die Kodifikation der beziiglichen Satzungen gleichen Schritt, so daB diese Periode, im Gegensatze zur ersten, aus welcher keine einzige Sammlung formeller gesetzlicher Vorschriften existiert, eine ganze Reihe derartiger Sammlungen aufweist, deren einige, ohne Riicksicht auf den Inhalt, ihrer Ausarbeitung nach, derart mustergiltig dastehen, daB selbst die spateren jahrhunderte nicht in der Lage waren, bessere Leistungen zutage zu f()rdern.
Pitra. I, 64-67. lb. p. 67-72. 23 lb. p. 72. 24 Kap. 2, 3 und 4. Ausg. 1787. I, 25-30. 25 Den apostolischen Namen fiihren auBer diesen drei erwlihnten Sammlungen, namlich: dt8ax~ troY oooosx~ 'ATCoa't'6AooY, K~Y6Ys~ 't'roY &rtooY 'A1toat6AooY und .itator:'(at tli>Y &rkoY ATCoatooAoY, noch einige andere, nlimlich: 1. .itor:ti;at~ TCS(Jt !100tl'X.'~<;; AIXtpsEor:<;; (Pitra. I, 49-63. N. N. 1-14); 2. At At!Xt!l'(!Xl at ot&. KA~ !LSYtO~ Mt M.v61s~ sll:x.k~aux-Jtt'X.ot tiiw &roov 'ATCoatoA.rov (Pitra. I, 77-36; Bickell. I, 107-132; Harnack. S. 225-237; Funk. S. 50-72; BpswEoo Ataax~ as)..
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oW-7t)..'.); 3. To[) &rEo1 [spo!l~[Jtopo; Ihp;.pE).oo h t"lj<;; sY 'AYtwxsE~ t<ilY 'ATCoat6AooY aov6aoo, toota'lttY h troY aoYootxrov ~otroY x-xY6Yrov p.~po<;; t<ilY s6ps3-sYtOOY sk t'ijY !Jptj&Yoo:; ~t~Ato3-~'X.-~Y (Pitra. I, 91-93; Bickell I, 138-143); 4. 'Ex troY otor:tli;soov xs4or:J.at-x (Pifra. I, 96-100); 5. "Opo~ xavowl(.o; troY &1Erov 'ATCoat6J.roy (Pitra. I, 103-104; Bickell. I, 133-137) und 6. Troy &rroy 'A11:oat6J.rov sTCttt~La troY 7t-xpaTCmt6YtooY (Pitra. I, 105-107). Beziiglich dieser
verschiedenen apostolischen Sammlungen gilt das von Zonaras in dem Kommentare zu den 85 Kanones der Apostel Gesagte (Siehe Anm. 6, . 22).

166

I. Teil. Die Quellen und Sammlungl!n des Kirchcnrcchts.

Samtliche Kanonen-Sammlungen dieser Periode gehoren drei Kategorien an: 1) Rein kanonische Sammlungen, in welch en nur Satzungen der kirchlichen Gesetzgebung enthalten sind, 2) Sammlungen kirchlichweltlichen Inhaltes, welche Bestimmungen der weltlichen Gesetzgebung in kirchlichen Angelegenheiten aufweisen, und 3) Nomokanones, d. h. Sammlungen, welchc Satzungen sowohl der kirchlichen als auch der weltlichen Gesetzgcbung enthalten. Im Nachstehendcn sollcn die Sammlungen der gedachten drci Kategorien nach obiger Rcihenfolge ange:r fi1hrt werden. Von den Sammlungen der crstcn Art gehoren einige det1 n Orient, andere dem Abendlande an; hier soli zunachst von den crsteren die Rede sein. . 39.
Die rein kanonischen Sammlungen.
A) lm Orient. Ober die ersten Kanonen-Sammlungen diescr Periode sind nur wenige Angaben erhalten 1. Das erstemal wird eine KanonenSammlung in den Akten des Konzils von Chalcedon ausdri1cklich erwahnt; doch existieren Anhaltspunkte dafi1r, daB einzelne KanonenSammlungen schon vor diesem Konzile bestanden haben. In der Zeit zwischen den Jahren 315 und 325 bestand eine die Kanones der Synoden von Ancyra und Neocasarea enthaltende griechische Sammlung 2, welche einer lateinischen Obersetzung zugrundelag. Berticksichtigt man die Zeit, in welcher diese Kirchenversammlungen abgehalten wurden, so kann die Behauptung hingestellt werden, daB die Sammlung der Kanones der Synode von Ancyra (314), welcher spater auch die Kanones der Synode von Neocasarea hinzugefi1gt wurden, als Grundlage fUr aile nachfolgenden Kanonen-Sammlungen angesehen werden kann. Aus den Kanones dieser Synoden wurde also die erste Kanonen-Sammlung gebildet. Aus dem Anfange des V. jahrhunderts wird eine weitere griechische Sammlung erwahnt, welche gleichfalls lateinischen Ober1 Ober die nur Vorschriften der kirchlichen Gesetzgebung enthaltenden Sammlungen dieser Zeit, vergl: Biener, De coli. can. p. 1-23; Ba/lerini, De antiquis coli. can. Pars I. (ap. Galland. De vetustis can. coli. p. 97-121) ; Van Espen, De antiquis can. codicibus (in Comment. in can. p. 18-20. 25-36); Zachariae, Historiae juris delin. p. 32. 82; Doujat, Praenot. canonic. p. 288-312; Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts. pag. 83-124. 181-187; Pitra, Juris hist. et monum. II, 366-385; Mortreuil, Histoire du droit byzantiil. I, 200- 203; Hergenrother, Photius. III, 82-109; C. W. E. Heimbach, Griech.-rom. Recht (in Ersch u. Gruber, Allgem. Encyklopadie. Bd. 86, S. 283-284); Zaozerski, Proizhozdenije i obrazovanie vizant. Nomokanona (Ctenija v obscestvje ljub. duh. prosv; Moskva 1882 I, 103-121), und Znacenie donikejskago kan. prava v cerk. zakonodatelstvje IV. i posljed. vjekov (lb. II, 583-618. Die Bedeutung des kanonischen Rechts bis zum Konzile von Nicaa in der kirchl. Gesetzgebung des IV. und der folgenden Jahrhunderte"). 2 Maassen, Geschichte des kanonischen Rechts. S. 79. 123-126.

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. 39. Die rein kanonischen Sammlungen.

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setzungen zugrunde lag; diese Sammlung enthielt neben den erwahnten Kanones auch jene des Konzils von Nicaa und der Synode von Gangra 3 Bald darauf wird eine die Kanones der Synode von Antiochia ", und endlich noch eine weitere, die Kanones der Synode von Laodicea und des Konzils von Konstantinopel enthaltende Sammlung erwahnt 5. Hieraus geht hervor, daB vor dem Konzil von Chalcedon mehrere die Kanones von sieben Kirchenversammlungen enthaltende Sammlungen bestanden haben. 1. In dem Konzil von Chalcedon (451) wurden in mehreren Sitzungen die Kanones der friiheren Kirchenversammlungen aus einem besonderen Codex vorgelesen 6 Diese Sammlung {der "besondere Codex") enthielt alle Kanones der vor dem Konzile von Chalcedon abgehaltenen Kirchenversammlungen. Dieselbe ist uns nicht erhalten oder wenigstens bisher nicht entdeckt 7; ebenso ist die Zeit ihrer Abfassung, sowie die Person des Au tors unbekannt; wichtig ist jedoch die Tatsache, daB vor dem Konzil von Chalcedon eine besondere Kanonen-Sammlung existiert hat, welche die Kanones der betreffenden Kirchenversammlungen enthielts. 2. Die erste in ihrem vollen Umfange bis auf uns gelangte KanonenSammlung ist die dem Stephanus von Ephesus <J zugeschriebene kanonische Synopsis. Diese Sammlung, deren Ursprung in den Anfang des VI. jahrhunderts versetzt wird, enthalt in gekiirztem Texte: Die Kanones Apostolorum, jene des Konzils von Nicaa, der Synoden von Ancyra, Neocasarea, Gangra, Antiochia, Laodicea, Konstantinopel und des Konzils von Ephesus. Wegen der praktischen Form dieser Sammlung, wurde derselben beim Erlassen neuer Kanones immer eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt, und in demselben MaBe, in welchem die den vollen Text der Kanones enthaltende Sammlung zunahm, erfuhr auch diese Sammlung mit gekiirztem Texte, entweder gleichzeitig mit dem Erlb. s. 78. 116-119. ' lb. s. 122. 5 lb. S. 81. 122. Cf. Spittler. Op. cit. S. 73 u. ff. 6 Concil. Chalced. actio IV. XI. XIII et XVI. ap. Harduini, Acta concil. Tom. II. col. 433. 551. 568. 637. Hier wird diese Sammlung HL~A.ov, und lateinisch ,Codex" genannt. 7 In Biblioth. juris. can. Voelli et justelli ist (I, 29-68) die Bt~A.o~ 'X.!XYovrov t~~ 'X.a{}oA.t'l!.* h'X.ktjota~ angefiihrt, von welcher justellus behauptet, da6 sie die von dem Konzil zu Chalcedon bestatigte Sammlung sei. Die irrige diesbeziigliche Ansicht von justellus ist wissenschaftlich nachgewiesen. Siehe unter anderen: Spittler. Op. cit. p. 95 u. ff. 8 Details iiber diese Sammlung, siehe in unserem ,Prav. s tumac. ". I, 326-328. 8 ~tst.pavor) 'Et.paa(oo 'X.!XYO\It'X.~ a6vo4t~. Mortreuil. I, 201. Vergl. Doujat, Praenot. can. p. 288. 289; Petr. de Marca, De concordia sacerd. et imp. p. 231 ; Ballerini, De ant. coli. P. I. c. 1. n. 8 (Ed. cit. p. 99).
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

scheinen neuer Kanones oder nachtraglich, eine Erweiterung to. Nach dem zuerst in dem Synodikon des Beveregius und sodann in dem Athenischen Syntagma abgedruckten Texte der Synopsis, enthielt dieselbe im XII. jahrhundert aile in der fundamentalen Kanonen-Sammlung aufgenommen Kanones, und zwar in synoptischer Form die Canones Apostolorum, der Konzilien und Synoden und die Kanones Basilius des OroBen; teils in vollem Texte teils in synoptischer Form die Kanones der tibrigen Kirchenvater. Diesen Kanones wurden noch verschiedene Schriften, welche damals von Bedeutung waren 11, beigefilgt, und wurde sodann zu den Kanones der so vermehrten Synopsis von Alexius Aristenus im XII. jahrhunderte ein Kommentar verfaBt 12. Diese Synopsis wurde spater mit dem Kommentare des Aristenus in die slavische und romanische Sprache tibersetzt 1s. 3. Der Synopsis des Stephanus von Ephesus ahnlich, ist die unter dem Namen des Magisters und Logotheten Simeon erschienene Sammlungt4. Sie enthalt in gektirzter Form: Die Canones Apostolorum, jene der filnf ersten allgemeinen Konzilien und der ersten sieben Partikular-Synoden, sowie die Kanones Basilius des GraBen. Der Unterschied zwischen dieser Sammlung und der erwahnten Synopsis besteht darin, daB hier die Kanones nach der Autoritat ihrer Quellen angefUhrt werden, und zwar zuvijrderst die Canones Apostolorum, sodann der allgemeinen Konzilien, der Partikular-Synoden und endlich die Kanones der heiligen Vater t5. Diese spater auch von Zonaras und Balsamon angenommene Ordnung, wurde seither stets in den betreffenden Kanonen-Sammlungen bei der Aufzahlung der Kanones angewendet. Neben den erwahnten heiden Kanonen-Sammlungen erschienen noch systematische Sammlungen, in welchen die Kanones nach dem von denselben behandelten Oegenstande geordnet erscheinen. Der Zweck dieser systematischen Sammlungen war ein zweifacher, namlich ein praktischer und theoretischer, urn einerseits die Beniitzung der Kanones
Voellus et juste/lus haben in ihrer Biblioth. jur. can. diese mit den Kanones des Trullan. Konzils bereits ergiinzte Synopsis irrtiimlich unter dem Namen des Aristenus (H 01to 'Aptari)vot) a6vo!jit~ tow ')(.av6vrov 1tavtrov. II, 673-709) herausgegeben, da der Beweis erbracht ist, daB Aristenus keine Synopsis verfaBte, sondem zur erganzten Synopsis einen Kommentar anfertigte. Mortreuil, lb. Heimbach, Griech.-rom. Recht. . 22 (Ed. cit. 86, 283-284). 11 Ath. Synt. IV. 399 u. ff.; Beveregii, Synodikon. II. Bd. nach S. 188. 12 Siebe weiter . 43. 13 Siebe weiter . 44-45. u l:o!J.S00\1 !J.IX'{tatpoo Ml AO'{o{J-Stoo 'EmtotJ.~ ')(.!X\IO\I0}\1. Abgedruckt in Voelli et justelli, Biblioth. jur. can. II, 710-748. 15 Eine Ausnahme besteht nach der Ausgabe Voelli et justclli nur darin, daB die Kanones des Trull. Konzils nach jenen Basilius d. Or. angefiihrt erscheinen.
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. 39. Die rein kanonischen Sammlungen.

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selbst, und andererseits das Studium der kanonischen Vorschriften zu erleichtern. 4. Die erste systematische Sammlung in der orientalischen Kirche stammt aus den ersten jahren des VI. jahrhunderts. Diese von Johannes Scholasticus Hi in der Vorrede zu seiner Sammlung erwahnte Sammlung zerfiel in 60 Tile! und enthielt die Kanones der Apostel, der vier ersten allgemeinen Konzilien, sowie der Partikular-Synoden bis einschlieBiich zur Synode von Sardica. Die Kanones der heiligen Vater haben in derselben keine Aufnahme gefunden. Weitere Daten sind dermalen iiber diese Sammlung nicht bekannt. 5. Eine zweite systematische Sammlung wurde von johannes Scholasticus, dem Priester und Apokrisarius der Kirche von Antiochia in Konstantinopel und spateren Patriarchen ebendort (566-577) 11, urn das jahr 550, als Priester von Antiochia, verfaBt. Dieselbe umfaBt in 50 Titeln die Kanones, welche die frtiher erwahnte Sammlung (in 60 Titeln) enthielt. Als Supplement waren ihr 68 Kanones Basilius des OroBen, namlich das zweite und dritte Sendschreiben des Basilius an Amphilochius, beigefiigt 1H. Der den Zweck der Arbeit darstellenden Vorrede, folgt eine Obersicht der Kanones nach ihren Quellen, sodann eine Obersicht samtlicher Titel und die einzelnen Titel der Reihenfolge nach, wobei unter jedem Titel der Text aller jener Kanones angefiikrt wird, welche auf den Oegenstand des Titels Bezug haben 19. B) lm Abendlande. Das Leben der Kirche im Abendlande entbehrte in den ersten jahrhunderten jener Entwicklung, wie sie im Orient zu finden war, weshalb auch die abendUindische Kirche in den ersten Jahrhunderten nicht soviele Quellen des Kirchenrechts aufzuweisen vermag, als die orientalische Kirche. Hieraus erkUirt es sich auch, warum
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Orh w'rro1 to:ito p.6vot 'Xix1 1tp<iltot t<ilY

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s)p6vts<;; tW)ta i)u:;A6vtiY.<;; s1<;; tt'CAOU<;; ~~-qMvta. Pitra, Historia et momum. II, 376. Cf. Voelli et justelli, Biblioth. jur. II, 500. Siehe Zachariae von L.,
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Die griech. Nomokanones. S. 2-3.

'lwiws<;; 6 &1eo ~XOA!Xcrtt'l!.iil\1. ra3sooY Ilatptapx. 1ttYCl'l!.S<;;. ~SA. 230-231. Bei Pitra fiihrt diese Sammlung folgenden Titel; ~o\lct"(W"(~ 'l!.(XY6voov hxA.~at(Xcrtt'l!.<ilV st-; v' d-c),ooc; 3t1JV~fLEY'~ Bei Voelli et justelli (II, 499) Iautet der Titel: 'Iooawoo 1tpscr~t>tS(J00 'Avttozslac; tofi liltb ~)(OAIJ.Ott'l!.<ilV, outoc; awrattSt
1s

to.Jc; OAOI)c; 'l!.IXY6YIX<; st:; v' ttA.oo:;.


Bei Pitra (0. c. II, 375-385) sind nur die Nummern der Kanones abgedruckt, wahrend bei Voelli und justelli (II, 499-602) der volle Text der Kanones angefiihrt ist. In alt-slavischer Obersetzung finden wir diese Sammlung des Scholasticus bei Rosenkampj, ,Obozrjenie komcej knigi (Obersicht tiber das Steuerbuch)". S. 307-311, und sodann russisch in gekiirzter Redaktio!'l in ,Ctenija v obScestvije ljub. duhov. prosv,". 1882. I, 106-117. lm . 41 dieses Suches wird dargelegt, wie diese Sammlung im Vereine mit der zweiten Sammlung desselben johannes Scholastikus iiber das weltliche Recht, als Basis fiir den ,Nomokanon in L Titeln" diente.
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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

wtr m der abendHindischen Kirche durch mehrere jahrhunderte keine selbsttindigen, aus ihren eigenen Quellen gebildeten Kanonen-Sarnrnlungen finden; wogegen irn Orient bereits vor dern Konzile von Chalcedon, also in der ersten Halfte des V. jahrhunderts, selbstandige KanonenSarnrnlungen vorhanden sind. Die ersten abendlandischen KanonenSarnrnlungen sind Obersetzungen der Kanones, nach welchen die orientalische Kirche verwaltet wurde, und die namentlich nach ihrer Bestatigung durch den Papst einen ftir die gesarnte abendlandische Kirche bindenden Charakter erhielten. Die Sarnrnlungen der orientalischen Kirche in lateinischer Obersetzung waren sonach die ersten Kanonen-Sarnrnlungen, nach welchen die abendlandische Kirche bis zurn Erscheinen der pseudoisidorischen Sarnmlung, urn die Mitte des IX. jahrhunderts, verwaltet wurde. Irn Laufe der Zeit wurden dann den Ubersetzten Sarnrnlungen die kanonischen Vorschriften der abendlandischen Kirchenversarnmlungen, und namentlich die Dekretalen der Papste hinzugefilgt zo. Von der betrachtlichen Zahl derartiger Sarnrnlungen wollen wir folgende bedeutende erwahnen: 1. Die Versio lsidoriana. Dies ist die Bezeichung einer urn die Mitte des V. Jahrhunderts in Italien erschienenen lateinischen Obersetzung einer griechischen Kanonen-Sarnmlung; diesel be filhrt den Narnen des lsidorus, des Erzbischofs von Sevilla aus der ersten Halfte des VII. Jahrhunderts deshalb, wei! sie in einer seiner Schriften vorfindlich ist 21. In der ersten Redaktion enthielt diese Sammlung die Kanones des Konzils von Nicaa und der Synod en von Ancyra, Neocasarea und Oangra; in der zweiten Redaktion wurden noch die Kanones der Synoden von Sardica, Antiochia, Laodicea und der Konzilien von Konstantinopel und Chalcedon hinzugefilgt 22. 2. Prisca translatio oder versio, wird eine Obersetzung griechischer Kanones des Dionysius genannt, welche wegen ihrer UnvollsUindigkeit
Vergl. riicksichtlich dieser Frage: Van Espen, De ant. can. codicibus (Ed. cit. p. 14-18. 21-30. 482-510); Petr. Coustant, De ant. can. collect. (ap. Galland. Op. cit. p. 25-41. 47-60); Petr. de Marca, De veter. collect. can. (lb. 96-72); Ballerini, De ant. coli. canon. (lb. 122-134. 151-224, 230-263); Berardi, De variis ss. canonum collectionibus ante Gratianum (lb. 269-283); P. Quesnelli, Dissertationes de codicibus can. (lb. 287-353); Car. Blasci, De collect. canon. lsidori mercatoris (lb. 357-420); Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts. S. 127-138. 145-181. 191-196. 199-284; Doujat, Praenot. canonic. p. 313-325. 329-370i Maassen, Geschichte des kanon. Rechts. 420-721; Schulte, Die Quellen des katholischen Kirchenrechts. S. 271-317; P. Hinschius, Decretales Pseudo-Isidorianae. Lipsia 1863. 21 Ballerini. I. c. p. 131; Maassen. l, 71-87. 22 Die erste Redaktion ist abgedruckt bei Maassen (I, 924-938) unter dem Titel: ,lncipiunt regulae ecclesiasticae, quae apud Nicheam Bythiniae a CCCXVIIJ patribus consribtae sunt, quas san eta romana recipit ecclesia."
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. 3G. Die rein kanonischcn Sammlungcn.

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den Dionysius- veranlaBte, eine neue Obersetzung anzufertigen zs. Diese Prisca translatio wurde gleichfalls in ltalien in der zweiten Halfte des V. Jahrhunderts verfaBt 24, und enthalt alle in der Isidoriana enthaltenen Kanones mit Ausnahme jener der Synode von Laodicea 25. 3. Codex canonum ecclesiae romanae. Diesen Titel filhrt die von Paschasius Quesnel in der zweiten Halfte des XVII. Jahrhunderts herausgegebene Kanonen-Sammlung, welche man als offizielle Sammlung der romischen Kirchc zu Ende des V. Jahrhunderts betrachtete zs. Dieselbe enthalt die Kanones von Nicaa, Sardica, Karthago, Ancyra, Neocasarea. Gangra, Chalcedon, Konstantinopel, Antiochia und Laodicea, sodann kanonische Sendschreiben einzelner Papste aus dem V. Jahrhundert, einige Vorschriften der griechisch-romischen Staatsgewalt, und verschiedene, tiber Glaubenssachen handelnde ArtikeJ27. 4. Der Codex canonum ecclesiasticorum Dionysii exigui nimmt unter allen abendHindischen Kanonen-Sammlungen wahrend der ersten neun Jahrhunderte den ersten Platz ein. Diese Sammlung wurde von dem gelehrten Vorsteher eines Klosters in Rom, namens Dionysius, der Abstammung nach ein Slave, dessen Leben in die erste Halfte des VI. jahrhunderts fallt, verfaBPB. Die Veranlassung zu dieser Arbeit boten die Bitten des Bischofs Stephanus von Salona (in Dalmatien), und unmittelbar die Vorstellungen des Priesters Laurentius, bei welchem die Kanones der orientalischen Kirchenversammlungen Zweifel hervorriefen (confusione priscae translationis) 21l. Dionysius nahm aus einigen Sammlungen folgende Kanones nach Obersetzung derselben in seine Sammlung auf: 50 Kanones Apostolorum, die Kanones der vier ersten allgemeinen Konzilien, und von sieben Partikular-Synoden, namlich von Ancyra, Neocasarea, Gangra, Antiochia, Laodicea, Sardica und Karthago;
~ 3 In seiner Vorrcde erwahnt Dionysius den Frater Laurentius, welcher ihn zur neuerlichen Obersetzung der Kanones der orientalischen Kirchenversammlungen aneiferte "confusione credo priscae translationis offensus". Voelli et justelli. Biblioth. jur. I, 101; Maassen. I, 960-961. H Maassen. I, 87-100. 2 ~ Abgedruckt bei Voelli et justelli (Biblioth. jur. I, 275-304) unter dem Titel: ,Prisca canonum editio latina". Siehe hieriiber Maassen. I, 93, und Spittler. S. 130. 26 Abgedruckt in ,Opera Leonis Magni". Appendix. Paris ffi75, und sodann wieder von den Briidern Ballerini in Opp. Leonis M. Ill. 1-472. Siehe Maassen. I, 486-500. 27 Siehe iiber diese wichtige Sammlung die Dissertation Paschasii Quesnelli, De codice canonum ecclesiae romanae, ap. Galland. Op. cit. p. 287-317. 28 Siehe Testimonia aliquot de Dionysio exiguo, ejusque latina canonum interpretatione, ap. Voelli et justelli I, 99-100; Maassen. I, 422-425. Das Priidikat ,exiguus" hat sich Dionysius selbst beigelegt. ~ 9 Siehe die Vorrede zur Sammlung. Voelli et just. I. 101; Maassen I, 960-961. Siehe auch mein Werk: das orthodoxe Dalmatien (Neusatz 1901) S. 24.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungcn des Kirchenrechts.

also alle Kanones, welche damals in der orientalischen Kirche Geltung batten so. Als Beweis fUr das Ansehen, welches dieser Sammlung des Dionysius im ganzen Ahendlande zuteil wurde, dient unter anderen auch der Umstand, daB Papst Hormisdas (514-523) die Verfassung einer ofjiziellen Ausgahe dieser Sammlung mit griechischem Texte und nehenstehender lateinischer Ohersetzung anregte s1. Nach dem Erscheinen dieser Sammlung veranstaltete Dionysius, iiber Aufforderung des romischen Priesters julianus, 5. die Collectio decretorum pontificum ronzanorum 32, in welcher kanonische Verordnungen oder Dekretalen ss von acht Papsten, von Siricius his Anastasius II., enthalten sind 34 lm Laufe der Zeit wurden diese heiden Sammlungen des Dionysius in eine Sammlung vereinigt unter dem Namen der 6. Collectio Dionysio-Hadriana 35, weil dieselhe nach HinzufUgung von noch einigen neuen Dekretalen, von Papst Hadrian I. im jahre 774 Karl dem Oro Ben zum Geschenke gemacht wurde s~>. Hiedurch wurde
Diese Sammlung ist abgedruckt in Voelli et justelli. l, 103-180. Die Vorrede zu dieser Ausgabe, siehe bei Maassen. I, 964-965. 8 ~ Abgedruckt in Voelli et justelli. I, 181 sq. Siehe iiber diese Sammlung: Maassen. I, 431 u. ff. 83 Kardinal Baron ius definiert die Dekretalen folgendermaBen: ,Decretales dicebantur romanorum pontificum epistolae, quibus vel ad diversorum consultationes respond ere solerent, vel cum quid servandu111, vitandumque ~sset edicerent." lm Abendlande nahm unter allen Partiku1arkirchen die romische Kirche von allem Anfange an, als die einzige von den Aposteln im Abendlande gegriindete Kirche, die angesehenste Stellung ein. An diese Kirche, bezw. an den Bischof derselben, wandten sich die Bischofe aus verschiedenen Teilen des Abendlandes, um Aufklllrungen in den ihnen zweifelhaft erschienenen Fragen einzuholen. Die Antworten dieses Bischofs wurden, insoweit derselbe als der einzige Hiiter der apostolischen Tradition angesehen wurde, als apostolischer Ausspruch betrachtet und denselben die Bedeutung in jeder Beziehung bindender kanonischer Verfiigungen zuerkannt. lm V. jahrhundert wurden diese von den romischen Oberpriestern mittels Sendschreiben erteilten Antworten ,decretale constitutum, decretum, decretalis epistola" und auch einfach ,decretalis" genannt. Das !ilteste Decretale datiert vom SchluBe des IV. jahrhunderts, und wurden seit dieser Zeit ununterbrochen Dekretalen erlassen. Den Dekretalen wurde in den ersten Jahrhunderten der Kirche dieselbe Bedeutung beigemessen, welche die Sendschreiben der heiligen Vater des Orients besaBen. Diese letzteren wurden nach ihrem inneren Werte in die abendllindischen Kanonen-Sammlungen ebenso aufgenommen, wurden, wie z. B. die Sendschreiben Basilius d. Gr. in die Sammlung des johannes Scholasticus. Yom IX. jahrhundert an wurden die Dekrctalen nach der heil. Schrift zu ersten Quelle des abendlandischen Kirchenrechts. Siehe iiber die Dekretalen im allgemeinen Doujat, Praenot. canonic. p. 173-226, und Philipps, Du droit ecclesiastiquo dans ses principes generaux. 3. vols. Paris 1875. III, 333 sq. u Die Vorrede zu dieser Sammlung, siehe bei Maassen. I, 962-964. 31 Maassen. I, 441 u. ff. 36 Das Sendschreiben Hadrians I., mit welchem diese Sammlung Carl d. Gr. iibermittelt wurde, siehe bei Voelli et justelli. I, vor S. 97, und in der verglichenen
30

31

. 39. Die rein kanonischen Sammlungen.

173

der offizielle Charakter dieser vermehrten Sammlung des Dionysius vom Papste bestatigt, und von diesem Zeitpunkte an wurde die Collectio Dionysio-Hadriana zur offizielen Kanonen-Sammlung im frankischen Reiches7. 7. Die Collectio hispana oder lsidoriana as. Diese der Sammlung des Dionysius nachgebildete Sammlung, erschien gegcn Ende des VI. oder zu Anfang des VII. Jahrhunderts in Spanien, und wurde unbegrilndeterweise dem Isidorius von Sevilla zugeschrieben 39 Diesel be zerHillt in zwei Teile: Der erste enthalt die auch in der Sammlung des Dionysius aufgenommenen Kanones der orientalischen Kirchenversammlungen, sodann die Kanones einzelner gallischer und spanischer Synoden, und schlieBlich verschiedene Artikel in Glaubenssachen; der zweite Teil enthalt hundert papstliche Dekretalen von Damasus bis Gregor I. 40, FUr die Rechtsgeschichte ist diese Sammlung aus dem Grunde von Bedeutung, wei! dieselbe als Grundlage diente fur 8. die Collectio canonum lsidori mercatoris. Die ganze Sammlung zerfalt in drei Teile: Der erste Teil umfaBt die apostolischen Kanones, sodann 60 Dekretalen von dreiBig Papsten, von Klemens, welcher im I. Jahrhunderte lebte, bis auf Melchiades in den ersten Jahren des IV. jahrhunderts; der zweite Teil enthalt zuerst vier verschiedene Artikel, unter welchen auch das Schreiben tiber die konstantinische Schenkung an den Papst Sylvester, sodann die Kanones von zehn orientalischen und einigen afrikanischen, spanischen und gatlischen Synod en; der dritte Teil enthalt auBer einigen kleineren Artikeln, wieder papstliche Dekretalen von Sylvester, dem Nachfolger des Melchiades, mit dessen Dekretale der erste Teil seinen AbschluB findet, bis Gregor II. (gest. 731) 41.
Redaktion bei Maassen. I, 965-967. Vergl. Ballerini, De ant collect. can. (Ed. cit. pag. 191-194). 37 Schulte, Die Quellen. S. 281. 38 Maassen. I, 667-716. 39 Ballerini, De ant. coli. (Ed. cit. 197 sq.). ' 0 Abgedruckt bei Migne, Patrolog. Tom. LXXXIV. Den detailierten verglichenen lnhalt siehe bei Maassen. I, 678-682. 1 ' Die beste Ausgabe dieser Sammlung ist die bereits erwahnte von Hinschius (Anmerkung 20 dieses Paragraphen). Dieselbe ist auf Grund eines ungeheuer groBen Handschriften-Materials, welches Hinschius durchstudiert und verglichen hat, verfaBt. In der umfangreichen Commentatio werden die Resultate aller auf diese wichtige und in jeder Beziehung der Beachtung wiirdige Sammlung Bezug habenden Fragen bis zum jahre 1863 angefiihrt. Am SchluBe des Buches (S. 757-769) ist eine andere Sammlung derselben Beschaffenheit wie die Pseudo-Dekretalen angefiigt, und rilhrt dieselbe nach den neuesten wissenschaftlichen Forschungen gleichfalls von Pseudolsidorus her. Diese zweite Sammlung filhrt den Titel ,Capitula Angilramni", als ob diese (capitula) vom Papste Hadrian dem Bischofe Angilram von Metz, als dieser wegen einer gegen ihn erhobenen Anklage in Rom weilte, iibergeben worden seien. Doch ist der Nachweis erbracht, da6 diese Obergabe erdichtet sei und da6 Papst Hadrian keine Sammlung diesem Bischof Ubergeben habe.

174

I. Teil. Die Quellen und Sammlungcn des Kirchcnrechts.

Die Dekretalen, welche, wie aus dem Erwahnten hervorgeht, den gro8ten Teil dieser Sammlung bilden, sind nicht samtlich echt; die meisten stammen aus dem IX. Jahrhundert, und werden verschiedenen Papsten der vier ersten Jahrhunderte zugeschrieben. Der Zweck dieser Arbeit lag in der Absicht, mittelst der Autoritat des Papstes die unbegrenzte Gewalt der weltlichen Herrscher in der Kirche zu bekampfen und die Kirchengewalt, welche namentlich im frankischen Reiche fast ganzlich verschwunden war, wieder herzustellen. Von der Gnade und Ungnade der weltlichen Herrscher und ihrer Beamten waren Bischofe und Metropoliten bedingungslos abhangig. Der Macht mu8te eine Macht entgegengestellt werden, und diese konnte nur in der Autoritat des Papstes entsprechend zum Ausdrucke gebracht werden 2 Daher wurde diese Sammlung angefertigt, welcher bei dem Umstande, daB die dem /sidorus vom Sevilla zugeschriebene Hispana, dem zweiten Teilc dieser Sammlung, in welchem die Kanones angefiihrt werden, zugrunde lag, der Name des lsidorus beigelegt wurde. Verschieden sind die aufgestellten Vermutungen tiber die Person des Autors dieser Sammlung; im allgemeinen mu8 behauptet werden, da8 derselbe unbekannt sei. Die in Rede stehende Sammlung ist in der Zeit zwischen 847 und 852 erschienen, und ist der Westen des frankischcn Reiches, wo zu jener Zeit die Kirchengewalt am meisten bedriickt war 43 , als Vaterland derselben anzusehen. Hinsichtlich der in dieser Sammlung enthaltenen papstlichen Dekretalen, welche urspriinglich als echt angesehen worden sind, wurden im XV. Jahrhundert vielfach Zweifel erhoben, was zu den eingehendsten Untersuchungen derselben fiihrte, bis endlich das XVI. jahrhundert in die ganze Angelegenheit eine vollige Klarung brachte H. Heute wird die
H Ober den Zweck der Sammlung wurden verschiedene Vermutungen aufgestellt. Wir sind der Meinung, daB die von uns im Texte, nach Studium dieser Sammlung und der damaligen Verhaltnisse der abendlandischen Kirche dargelegte Anschauung richtig sei. Neander auBert sich nach Priifung der Sammlung und der damaligen Stellung des Klerus zur weltlichen Macht folgendermaBen: ,Das einzige Mittel, urn die Unabhangigkeit und Unverletzbarkeit der Bischofe zu behaupten, war, wenn . man ihnen in einem Haupte der ganzen Kirche eine sic here Zufluchtstlltte gegen aile Willkiir und Bedriickung von Seiten der weltlichen Macht und ihrer kirchlichen Vorgesetzten und Kollegen gab, wenn man den Papst zu dem einzigen entscheidenden vollgiltigen Richter der Bischofe machte. So wird nun der zusammenhll.ngende, in einer Stufenfolge sich entwickelnde Organismus der Kirchengewalten entwickelt, iiber die Metropoliten werden die Primaten und Patriarchen gestellt. Ober aile aber wird der Bischof von Rom, als der Nachfolger des Apostels Petrus, dem Christus besonders die Gewalt zu binden und zu IOsen iibertragen, gesetzt." Allgem. Geschichte der christlichen Religion und Kirche. 1864. Bd. VI, S. 102. Vergl. auch Hlnschius, De consilio Pseudo-Isidori. Op. cit. Commentatio pag. CCXIII-CCXXIX. ' 3 Hinschius, Commentatio. . 20-25. p. CLXXXIII. Vergl. Walter, Kirchenrecht. . 97 (Ed. cit. S. 209-216). H Ballerini, De ant. collection. et collect. canonum. Pars III. Cap. VI (Ed. cit. p. 208-219); Car. Blasci, Comment. de collect. can. Isidori. Mer. Cap. V (Ed. cit,

39. Die rein kanonischen Sammlungen.

175

Authentizitiit dieser Sammlung von niemandem vertreten, dieselbe vielmehr in allen kanonischen Arbeiten als Pseudo-/sidoriana col/ectio oder Collectio falsarum decretalium lsidori mercatoris bezeichnet-'5. Dieselbe hat mit RUcksicht auf den ihr im IX. Jahrhundert geschenkten Glauben und durch den ihr vom Papste Nikolaus I. zuteil gewordenen Schutz, eine grUndliche Umwandlung in dem kanonischen Rechte der abendlandischen Kirche hervorgerufen, und war die Veranlassung, daB sich hier ein neues Recht zu bilden begann 46. In diesem neuen Rechte iinderten die Kirchenrechtsquellen, was ihre Wichtigkeit anbelangt, die PUitze. Die Konzentrierung der Kirchengewalt im Abendlande in der Person des Papstes war durch diese Sammlung bereits erzielt, und als Ausgangspunkt bei der Entscheidung kanonischer Fragen dienten von da ab die piipstlichen Dekretalen 47. Diesem neuen Ausgangspunkte im kanonischen Rechte, entsprechend nehmen auch alle KanonenSammlungen der rOmisch-katholischen Kirche, vom IX. jahrhundert angefangen, eine von den Kanonen-Sammlungen der morgenUindischen Kirche ganz verschiedene Richtung an, weshalb die Kanonen-Sammlungen der abendlandischen Kirche nach Ablauf dieses Jahrhunderts fUr das Recht der orientalischen Kirche auch nicht mehr die frUhere Bedeutung haben 4s.
p. 368-370); Walter. Op. cit. . 96: "Entdeckung der Unechtheit". (Ed. cit. S. 208-209); Hinschius. I. c. a Ober die zahlreiche, diese Sammlung betreffende Literatur, siehe neben dem in der Anm. 1 dieses Paragraphen Angefilhrten, noch das Verzeichnis bei Kardinal ]. Hergenrother, Kirchengeschichte. III. (Supplement-) Bd., S. 211-213. 6 ' Der Pariser Erzbischof Petrus de Marca, fiihrt in seinem Werke ,De concordia sacerdotii et imperii" (lib. Ill. cap. V), nachdem er Nikolaus I. als dem Autor novi juris canonici (Ind. sub N.) hingestellt, Folgendes an: "Antiquo juri universalis ecclesiae assensu roborato successit jus novum . . . . et adnitente Nikolao I. et caeteris romanis pontificibus paulatim usu invaluit per occidentis provincias. jus illud comprehensum est ex collectione lsidori." Ed. cit. col. 241. Ober das Verhliltnis Nikolaus' I. zu dieser Sammlung, vergl. Neander. Op. cit. VI, 116. n Einer der maBgebendsten romisch-katholischen Kanonisten, Philipps, reiht die allgemeinen Rechtsquellen nach ihrer Wichtigkeit folgenderma8en aneinander: Zuvorderst die heil. Schrift und Tradition, sodann die Dekretalen und die verschiedenen Verordnungen anderer Art des romischen Bischofs, und erst dann die Decrete der allgemeinen Konzilien und der Partikular-Synoden. 8 ' AuBer den erwlihnten, aus der Zeit der ungeteilten Kirche stammenden Sammlungen, sind noch zwei in der afrikanischen Kirche angefertigte Sammlungen von Bedeutung, nlimlich Fulgenti Ferrandi Breviatio canonum, aus der ersten Halfte des VI. jahrhunderts. Dieselbe enthiilt in systematischer Ordnung in neun Hauptrubriken aile jene Kanones, welche in der orientalischen Kirche zu derselben Zeit Geltung batten; sie ist der Sammlung des Scholasticus lihnlich, nur ist das System hier ein besseres. Abgedruckt in Voelli etjustelli, Biblioth. jur. I, 445-455. Die zweite Sammlung ist Crisconii episcopi ajricani Breviarium canonicum, aus den letzten jahren des VII. Jahrhunderts. Den lnhalt dieser Sammlung bilden die Kanones der Apostel, des ersten und des vierten allgem. Konzils und der Partikular-Synoden

176

1.

Teil. VIe l,lueuen una ;,ammmngen ue:o;

n.m;nenre~::rm;.

. 40.
Die kirchlich-weltlichen Rechts-Sammlungen.

Es bestehen drei Sammlungen, in welchen die Satzungen der griechisch-romischen weltlichen Gesetzgebung, welche auf die Kirche Bezug haben, enthalten sind. Dieselben stammen samtlich aus dem Orient: 1. Die Col/ectio 87 capitulorum 1 Diese Sammlung wurde von johannes Scholasticus, zwischen den jahren 565 und 578, als Anhang . zu der von demselben herriihrenden, von uns bereits erwahnten KanonenSammlung verfaBt 2, mit welcher diese Collectio in den Handschriften immer vereint angefiihrt wird. Als Beweis dafiir, daB Johannes Scholasticus wirklich der Verfasser dieser Sammlung ist, dient unter anderem die am SchluBe der Sammlung angeftihrte Anmerkung 3. Der Inhalt der Sammlung zerfallt in 87 Kapitel, und ist ausschlieBiich aus Exzerpten
von Ancyra, Neocasarea, Gangra, Antiochia, Laodicea. Sardica und Karthago, sowie die Dekretalen der Papste Siricius, Innozenz, Zosimus, Zolestin, Leo und Gelasius. Diese in 300 Artikel, in welchen wieder die Nummern der betreffenden kanonischen Vorschriften angefiihrt sind, zerfallende Sammlung ist auch eine systematische Arbeit, IaBt sich aber nicht in bestimmte Rubriken einteilen. Dieselbe ist in der erwahnten Bibliotheca, I, 456-466, und sodann wieder (Append. tomi I, p. XXXIll-CXXII) unter dem Titel ,tiber canonum" abgedruckt, woselbst jedoch nur der Text der canonischen Vorschriften angefiihrt wird. Ober diese beiden Sammlungen siehe Van Espen, De ant. can. codic. (Ed. cit. p. 30-35, 279-305); Petr. Coustant, De ant. can. collection. (Ed. cit. p. 31-47); Petri de Marca, De veter. can. collection. (Ed. cit. p. 72-92); Ballerini, De ant. collection et collect. canon. (Ed. cit. p. 134-151. 225-227. 229-230). Doujat, Praenotat canon. p. 325--328; Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts. 138-145. 196-199; Maassen, Geschichte des canonischen Rechts. 138-145. 196-199. . 40. 1 So benannte Biener (Geschichte der Novellen justinians, S. 167. 584) diese Sammlung, welche er als der erste beschrieb. Der voile Titel laute t 'E'l'. niiY fLt~ 'tOY 'ltOOOt'ltCX -&e[roy YECXproY QtCX'tll;eroy 'tOO riJt; EDOE~OOt; A.~;erot; 'loMtYlCXYOO otlir.popot Ot~tli;ett; OtY~oooacxt ee~tpE'tOOt; tote; {}e[otc; 'ltiXl [epott; 'ltCXY6at, 'lt~l S'lt 7tEpt000l!Xt; t~Y OlXELCXY 1ax'JY YEjJ.ODcrcxt, !Xtt; d~tY ttY~ Ml apt&fLOY S7te-&q'lta.p.EY 7tpbc; OOYtOfLOY EDpEalY tOO S7ttC1jtOOfLEYOO 'ltE(j)CXA!XlOO, Ot~ to, tile; Etpeta.t, h ota.r.p6pooy ot!XtaeeroY e!vcxt ti auvtcxx-&EYta., !he; o7todtcxxta.t. Pltra, juris eccles. hist. et mon. II, 385 sq. Heimbach, Anecdota. II, 202 sq. Cf. Biener. S. 168. 585; Mortreuil, His~ toire du droit byzantin. I, 207-208; Heimbach, Griech.-rom. Recht (Ed. cit. 86, 284). 2 Siebe . 39, S. 169. a TsA.oc; t00\1 7tC 1 'ltE(jl!XACXl(l)\1 h troY \IE?:prov 6vui;E(J)\I tW\1 7tEp! ~1<.XA50~0(0ttx~' atotx~crero,. 'E7tA1jpro-&e a6v @etj> ~ ODYCX"(OO"(~ troY {}~::(roY X!XYOY00\1 ~y 7tEY~'ltOYtot 'tl'tAOtt; Ot]p1jfLSY1j 'lt!Xl ex troY YEa.prov otcxtaeeroY tcX 7tC 1 xer.p!XA.a.t!X 'lroawoo &pxtE7tta'lt61COO KoovcrtcxYtt\IOI)7tOAEOOt; &7to axoA!XOttX00\1. Pifra II, 405; Biener. S. 168-169; Mortreui/. I, 204-205; Heimbach, Griechisch-romisches Recht (Ed. cit. 86, 284-285). Cf. Voel/i et justelli, Bibliotheca jur. can. II. 672.

~.

40. Die kirchlich-weltlichen Rechts-Sammlungen.

177

von Novell en justinians gebildet, und zwar: der 6., 5., 83., 46., 120., 56., 57., 3., 32., 131., 67. und insbesondere 123. Novelle, welche allein 60 Kapitel (28-87) 4 geliefert hat. In der slavischen Krmcija ist diese Sammlung im 42. Kapitel abgedruckt5. 2. Die Collectio 25 capitulorum s. Der Verfasser dieser wahrscheinlich aus den letzten jahren des VI. oder aus dem Anfange des VII. jahrhunderts, jedenfalls aber noch aus der Zeit vor Heraclius (610-641} stammenden Sammlung, ist unbekannt 7, Der In halt derselben besteht aus 25 Kapiteln, von denen die ersten 21 ebensoviele Konstitutionen aus dem Codex justinians, und die vier letzten Kapitel die Novellen 137, 133, 120, sowie von Novelle 123 zwei Kapitel enthalten s. 3. Die Collectio constitutionum ecclesiasticarum oder Collectio tripartita oder auch Paratitla 9. Diese Sammlung enthalt s~mtliche auf die Kirche Bezug habende Staatsgesetze, welche in den Rechts-Sammlungen justinians enthalten sind to. Sie zerfallt in drei Teile, daher auch der Name tripartita collectio; und zwar enthalt der erste Teil die dreizehn ersten Titel des Codex Justinianeus in detailliertem Auszuge, mit den betreffenden Parallelstellen (Paratitla) aus anderen Titeln des Codex und der Novellen 11; der zweite Teil enthalt in sechs Titeln, ohne Paratitla, Auszilge aus den Pandekten und Institutionen, welche sich auf geistliche Angelegenheiten beziehen 2 ; der dritte Teil umfaBt 34 Novell en und
Biener, S. 171 ; Mortreuil. l, 208; Heimbach. Op. cit. (lb. p. 286).
Erwllhnte Ausg. II, 1-34. Auch diese Bezeichnung haben wir von Biener (S. 173) entlehnt. Der volle Titel lautet folgendermaBen: ~ttXtli~et~ v6p.wv 1tOAttt'X<ilY h t<ilv veapwv toti 'louatWtiXYOO ~aatASw~ OUY1j'(Opooa~t 'XOCt sm~topoliaat 'to>)~ 't'WV a:(tOOV 1t1XtSpwV h'X11jat1Xatt~tol>; ~taY6va;. Pitra. ll, 407 sq. Heimbach, Anecdota. II, 145 sq. Cf. Biener. S. 173; Mortreuil. ll, 212; Heimbach, Griech.-rom. Recht (Ed. cit. 86, 257). 7 Biener. S. 174; Mortreuil. II, 215; Heimbach, Griech.-rom. Recht (Ed. cit. 86, 288); Heimbach, Anecdota. II, p. XXXIV-XXXV. 8 Biener. S. 175; Zachariae, Delineatio. pag. 133. 9 Den ersten Titel hat Biener gebraucht (S. 179), nach ibm Zachariae (Delin. p. 34) und Heimbach (Griech.-rom. Recht. 86, 295); der zweite Titel findet sich bei Pitra (ll, 410); der dritte in der von Leunclavius angefertigten lateinischen Redaktion dieser Sammlung, namlich "Paratitlorum libri tres antiqui de Graecis Iatini facti et notatorum libri duo". Francof. 1593. Mortreuil (Ill, 230) gebraucht aile drei Bezeichungen fiir diese Sammlung. 10 Der gewohnliche Titel dieser Samm1ung lautet: N6tJ.Ot;; 'looattvtavoo ~tx
5

atMro;. I.ovrx'(wrfl t<ilv etp-qp.svrov sy tcj> Krootx.t, x.al. tot; ~t'(eatot;, x.al. Net.tprxt~ otatli;satv, 1tspt Sltta'X.6'ltrov ~tal. 'XA1jptx<ilv 'X.I1t p.ovaxwv 'X.al. 1tp1X'([Lritrov eOIX'(WV stt os ~tal. 'louoa(wJ ~trxt txtpmxwv. Pitra ll, 410; Voelli et justelli, Biblioth. II, 1232.
11

Der erste Teil fiihrt bloB den Titel: 'Ex. toli 1rprotou ~t~l..ou too Kro~lt

-x.o;. Pitra. lb.; Voelli et justelli. lb.


Der Titel ist folgender: I.uva'(w'(~ t<ilv a1roprio1jY sv tot<; OL'(eatott;; -x.at tYa'l;tto6'totc; x.ettJ.SYrov 1repl. !epwv t61twY ts 'X.IXt 1tp1X'j'p.ritrov, ~tal. t<i>V SY IXfltot; llld, llrcbnmbl, 12
12

178

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

gliedert sich in drei Rubriken; die erste bezieht sich auf die Bisch5fe, Kleriker und Monche, die zweite auf kirchliche Angelegenheiten und die dritte auf die Haretiker, juden und Samaritaner 1s. Den SchluB des ganzen Werkes bilden als Anhang vier Novellen des Kaisers Heraclius 14. Der Verfasser dieser Sammlung ist ganzlich tmbekanntto; es ist jedoch moglich, daB dieselbe von dem Autor der ersten Redaktion des im folgenden Paragraphe zu behandelnden Nomokanon in XIV Titeln herri.ihre. Der Zeitpunkt der Anfertigung dieser Sammlung, wird durch die er- . wahnten Novellen des Kaisers Heraclius bestimmt; dieselbe fallt sonach in die letzten jahre der Regierung des Heraclius t6. Von den orientalischen Kanonisten wurde keine andere Sammlung kirchlich-weltlicher Gesetze so sehr beni.itzt, als diese. Dieselbe diente auch als Hauptquelle bei der Abfassung des erwahnten Nomokanon.

41.

Die Nomokanones.

GemaB der Wichtigkeit, welche sowohl den Kanones (Kav6vs;), als auch den weltlichen Gesetzen (v6p.ljt), welche in kirchlichen Angelegenheiten Geltung batten, in der kirchlichen Praxis beigemessen wurde, machte sich die Notwendigkeit geltend, aile Kanones und weltlichen Gesetze in einer Sammlung zu vereinigen, urn auf diese Weise die genaue Besorgung der kirchlichen Verwaltung zu erleichtern. Derartige
0$ x.~t ,IooO~iwv x~t -IJ.!)atUlV 'ltiXt tOOY a'ltiX'(O'ItOW tlYIXc; 7tpoc; oX7t1j'(OpSJ!f.eVTj'l {}p-~'l'l!.Sl1XY 7 'ltiXt 'ltspt &7to't(JO'f'iJc; 'lt1Xt3oov, (sp6Yt(l)'l ')!.(Xt a'J&svoov. Pitra. II, 414-415; Voe/U etjustelli. II, 1302. 1 " Der Titel dieses Teiles lautet: K11t Bl<. tliiv p.st!X tbv l<.(UOtl<.~X vsotpliiv ot~X t6.~5o)Y. Pitra. II, 415; Voe!U et justelli. II, 1312.
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u DaB diese vier Novellen einen untrennbaren Bestandteil dieser Sammlung bilden, hat Biener (Geschichte der Novellen. S. 182-183) nachgewiesen. Vergl. von demselben ,Das kanonische Recht der griechischen Kirche" (Die Kritik der drei ersten Bande des Ath. Synt. in ,Kritische Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes", herausgegeben von Mittermayer, R. Mohl u. Warnkonig. Bd. XXVIII, S. 188-190); nach Biener auch Heimbach (Griechisch-Romisches Recht. Ed. cit. 86, 297). Dieser Ansicht steht Heimbach jun. (Anecdota. I. Proleg. pag. XLIV-XLVlll) entgegen, dem sich auch Mortreuil (1, 244) anschlieBt. ~~ Nach Voelli et justelli (Bibliotheca. II, 1217) hatte Theodorus Balsamon diese Sammlung angefertigt. DaB dies jedoch nicht moglich sei, siehe Biener, Geschichte der Novell en. S. 183-184; Mortreuil. I, 244-246; Heimbach, Griechischromisches Recht (Ed. cit. 86, 297). 16 Biener. S. 185-186; Heimbach. ib. - Mortreuil (1, 244) sucht nachzuweisen, daB diese Sammlung friiher angefertigt sein muBte, namlich in den letzten jahren der Regierung Justinus II. (565-578). Siehe Anm. 14 dieses Paragraphen.

. 41. Die Nomokanones.

179

Sammlungen nannte man Nomokanones t. Die erste derartige bis auf uns gelangte Sammlung ist: 1. Der Nomokanon in L Titeln, auch Nomokanon des johannes Scholasticus genannt 2 Diese Sammlung besteht aus der systematischen Sammlung s und der Collectio 87 capitulorum ' des johannes Scholasticus; es wird namlich die betreffende Rubrik angefiihrt und unter derselben werden die einschUigigen Kanones und gleichzeitig die weltlichen Oesetze erwahnt. Den SchluB bildet ein besonderer Auszug aus der Collectio 87 capitulorum a. Der eigentliche Verfasser dieses Nomokanon ist unbekannt u; die Zeit der Anfertigung desselben fallt in die ersten jahre nach dem Tode justinians, namlich in die Regierungszeit des Kaisers justinus II. (565-578) 1. Dieser Nomokanon wurde spater, namentlich in seinem kanonischen Teile, durch nachtraglich erschienene
1 Diese Bezeichnung ist fiir derartige Sammlungen vollkommen zutreffend, denn sie entspricht dem inm;ren Sinne derselben. Obrigens wurden in der orientalischen Kirche auch Sammlungen, welche keine weltlichen Gesetze, sondem nur Kanones enthielten, Nomokanones genannt (Beveregii, Synodikon. Prolegom. p. XVIII-XIX); dies war aber auch bei solchen Sammlungen der Fall, die nur Ponitentiai-Kanones enthielten (z. B. Nop.ox&.vov toG N~ateDtoi), oder der ,Nomokanon" zum gro6en Ritualbuche). Beziiglich der Nomokanones im eigentlichen Sinne (der Vereinigung von kirchlichen und weltlichen Gesetzen) sagt Leo Allatius, daB dieselben der Hoflichkeit der orientalischen BischOfe den Kaisern gegeniiber ihre Entstehung verdanken (De perpet. consens. eccles. or. et occid. L. I. c. 15. pag. 221). Ahnlich driickt sich auch Pitra aus (II, 433). HergenriJther bemerkt riicksichtlich der Worte des Allatius sehr treffend ,in ihrer (Nomokanones) Natur und Beschaffenheit liegt eine solche (Schmeichelei gegen die Kaiser) sicher noch nicht" (Photius. III. 99. n. 49.). Vergl. Spittler, Geschichte des kanonischen Rechts. S. 113; Biener, Geschichte der Novellen. S. 197. ~ In Voelli et justelli, Biblioth. juris (II, 603-660) kommt folgender Titel vor: 'Jwiwoo &pzte7ttOX01t01) Kwvat'XYttYOI)ltOAEW<; "COiJ axo),tJtattX05 Nop.OX'XYWY. Pitra (II, 416 sq.) fiihrt nur den lateinischen Titel ,Nomocanon L. titulorum" an. Siehe tiber diesen Nomokanon: Biener, Geschichte der Novell en. S. 194-202; von demselben, Zur Revision des justin. Codex in Hinsicht seiner lntegritat (Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft. Bd. VII, S. 144); Mortreuil. I. 216-222; Pitra. II. 372; Zachariae von Lingenthal, _Die griechischen Nomokanones. S. 8-9 (Memoires de I' Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg. VII. Serie. Tom. XXIII, N. 7); Heimbach, Griech.-rom. Recht (Ed. cit. 86, 289-291). 3 Siehe S. 169. Siehe S. 176. 5 ffEtepiX -x.s~!XA!X('X sxxA.sattJtattit~ t"ij<; 'X'Jtij<; vs~Xpa~ ot!Xdesro<;. Voelli et just. II, 660-672. 6 Der in der Ausgabe Voelli et just. angefiihrte Name des johannes Scholasticus ist durch nichts gerechtfertigt (Biener, Geschichte der Novellen. S. 200), ebensowenig der in einigen Handschriften enthaltene Name des Theodoretus (Mortreuil, I, 218-221). Vergl. Petrus de Marca, De concord, sacerd. et imperii. col. 237. 7 Biener. Geschichte der Novellen. S. 201 ; Mortreuil. I, 221.

. 41.

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l. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

Kanones vervollsUlndigt s. In dieser erganzten Form wurde der Nomokanon auch in die slavische Sprache, vermutlich von Methodius, also bereits im IX. jahrhundert, iibersetztD, Bei den Slaven wurde derselbe allgemein bis zur Anfertigung der Krmcija, also bis zu Anfang des XIII. jahrhunderts, und in Bulgarien auch spaterhin, gebraucht 10. 2. Der Nomokanon in XIV Titeln n, Bis vor wenigen jahren ging die allgemeine Anschauung dahin, daB dieser Nomokanon von dem
8 In der Ausgabe Pitra (I. c.), werden diese Zusiitze mit dem Ausdrucke ,Auctaria" bezeichnet. 9 Diese Vermutung basiert auf nachstehendem, aus der Lebensgeschichte des heil. Methodius entnommenen Passus: Togda ze i nomokanon rekse zakonu pravilo i oteceskija knigi prelozi (damals wurde auch der Nomokanon, n!imlich die Sammlung der Gesetze und die Schriften der Vater iibersetzt). Safarik, Leben des heiligen Methodius. Prag 1868. S. 8. 10 Siebe A. Paw/ow, Pervonacalni slavjano-russki nomokanon (Der erste slavisch-russische Nomokanon). S. 22-24. Vergl. Makarius, Istoria russkoj cerkvi {Geschichte der russischen Kirche). II. Aufl. St. Petersburg 1868. I, 153-154. 11 Ober diesen wichtigen Nomokanon siehe unseren ,Zbornik" (II. Aufl.). Einleitung. S. LXI-LXXIV; ebenso unsere Arbeit ,0 kanonic. zbornicima prav. crkve (Ober die Kanonen-Sammlungen der orthodox-orientalischen Kirche)". S. 19-31, und unsere akademische Dissertation ,Nomokanon patr. Fotija" (russisch). Kiew 1871. Die Anmerkung auf S. LXI unseres ,Zbornik" ist fehlerhaft und unvollstandig, daher soU diesel be im nachstehenden riicksichtlich der Literatur erganzt werden : Biener, De collectione canonum. p. 21-26.; derselbe. Das kanonische Recht der griechischen Kirche (Kritische Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft. XXVIll, 188-198); von demselben, Geschichte der Novellen justinians. S. 202-210; von demselben, Zur Revision des just. Codex (Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft. VII, 148-153); Spittler, Geschichte des Kanon. Rechts. S. 183-187; Mortreuil, Histoire du droit byzantin. I, 222-230. Ill, 416-321; Pitra. Des canons. p. 32-56; von demselben, juris. eccles. hist. et monum. II, 433-444; Zachariae a Lingenthal, Die griechischen Nomokanones. S. 5.-14; derselbe, Ober den Verfasser und die Quellen des (Pseudo-Photianischen) Nomokanon in XIV Titeln (siehe eine Art Kritik dieser Arbeit in , Tvor. sv. otcev". 1887. I. Buch. Einleitung. S. 418-427. Art. von N. Zaozerski); G. E. Heimbach, Anecdota I. Prolegom. p. XLVII-Llll; C. W. E. Heimbach, Griechisch-romisches Recht (Ersch u. Gruber, Allgemeine Encyklopadie. Bd. 86, S. 291-295. 377-378. 457-458); Hergenrother, Photius. Ill. 99-128; derselbe, Das griechische Kirchenrecht bis zum En de des IX. jahrhunderts (Archiv fiir katholisches Kirchenrecht. Bd. 23, S. 211-277); Pawlow Pervonacalni slavjano-russki Nomokanon (Der urspriingliche slavisch-russische Nomokanon). S. 25 u. ff.;Archim.johann, Kurs cerkov. zakonovjed. (Kursus der kirchlichen Gesetzkunde}. I, 91-98; Zaozerski, Syntagma v XIV titulov (Syntagma in XIV Titeln [Ctenija v obsc. L. D. Pr. 1883. I, 327-361]. - Die Werke (auBer viet en besonderen): Voelli et justelli, Biblioth. juris can. II, 785-1140; Migne, Patrologia graeca. Tom. CIV. p. 441-976, Text nach Kardinai A, Mai (Spicil. rom.). und S. 979-1218, Text nach der Ausgabe von justellus (nach der Bemerkung Hergenrothers [Photius. Ill, 109. Archiv fiir Kirchenrecht 23, 212] soil die Ausgabe von Migne sehr fehlerhaft sein); Pitra, juris eccl. hist. et monum. II, 445-460 (eine treffliche Arbeit) ; 'PIXA);Yj ?to:! Il6tklj, ~6vt~X'(f!.IX 'lt1XV6vrov. l, 5-335. Eine slavische Obersetzung des Nomokanon

. 41. Die Nomokanones.

181

Patriarchen Photius von Konstantinopel angefertigt wurde, weshalb er auch Nomokanon des Photius genannt wurde. lnzwischen hat aber das Studium dieses Nomokanon, sowie . der Vorrede zu demselben zur Klarheit erwiesen, daB dieser Nomokanon einer vie! friiheren Zeit angehort, und zu Photius' Zeiten nur cine Erganzung durch die seit dem VII. jahrhundert erlassenen Kanones erfuhr, wobei wir behaupten, daB Photius bei dieser Erganzung nicht mitwirkte. Dieser Nomokanon hat zwei Redaktionen erfahren; die erste aus der ersten Halfte des VII. jahrhunderts 12, dtirfte entweder von dem Patriarchen Sergius von Konstantinopel (610-638) ta, oder nach den Weisungen 14 dieses Patriarchen, von einem Kleriker der Kirche in Konstantinopel verfaBt worden sein. Der Inhalt dieses Nomokanon gliedert sich in vierzehn, in vollstem gegenseitigen Zusammenhange stehenden Titel, wovon jcder wieder in Kapitel zertallt. Jedes Kapitel enthalt zunachst die Nummern der von der betreffenden Materie handelnden Kanones, sodann die auf die Kirche Bezug habenden Gesetze der griechisch-romischen Gesetzgebung 15. In
(ohne die weltlichen Gesetze) enthalt die altserbische Krmcija, aus welcher dieselbe in die gedruckte russisch-slavische Krmcija iibertragen wurde (Ausg. 1817. I, 34-58). Die von uns nach dem Ath. Synt. gelieferte Obersetzung befindet sich in unserem ,Zbornik". S. 3-22. Eine russische Obersetzung von V. Naberkow, ,Nomokanon Konstantinopolskago Patriarha Fotija s tolkovaniem Valsamona." Kazan 1899. (der Nomokanon des Patriarchen von Konstantinopel Photius mit dem Kommentar Balsamons). 1 ~ Den Beweis hiefiir Jiefert die im Kap. 30, I. Titel (Ath. Synt. I, 69) angefllhrte Novelle des Kaisers Heraclius vom jahre 612 (Ath. Synt. V, 230-234; Zachariae, jus. graec.-rom. Ill, 33-38; Voelli et justelli, Biblioth. II, 1366-1370; Leunclav., jus graec.-rom.l, 77-81). Siehe hierilber unsere Abhandlung ,Savinska Krmcija". S. 6, und die Darlegung unserer gegenw!irtigen Ansicht tiber die Entstehung dieses Nomokanon, auf Grund der uns von Prof. E. Popowicz (Archiv fiir Kirchenrecht. 41, 189) und Dr.]. Zhishman (Archiv. 46, 470) gemachten Bemerkungen. 13 feoeoov Tltvax.sc;. ~s/,. 238-242. 11 Biener, Das kanonische Recht der griechischen Kirche (Ed. cit. S. 195-196); Heimbach, Griech.-ri:im. Recht (Ed. cit. 86, 295). 1 ~ Nach dem Ath. Synt. (1. 13-29) sind die Titel folgende; I. flept &so/.o-

rac;, x.at opil-oo6~oo 1tlatewc;, Mt X.!XYOYWY, )(.(XL xstpOtOYtOW. II. llspt '!:"~<;; 1t0t~051Jl<;; sx.x.I.1Jat6w, x.~! 1tep! [epoov ax.snoov, x.at liwxir~(titoov, x.a! X.A"fjpt'ltliiv 1rrx.pti rvoop.1JY smax.61rwv (atoovtwv 3oataat~(Jt(X 1 x.~! 1rep! x.~il-tspooaew; sx.xi.Yjatoov, X.!Xl p.aptnpiwv P~ sx6vtWY As[p'l.Y!X &jtWY. III. llsp! eoxoov, Mt ~a),(J.<tlOL!X<;;, 'l(.(Xt awxpoocrsoo:;1 %Ott aY'l.'fOp&c;, %~( MtYoov[cx:;, X.'l.t ~opsa[IX:; 1 Mt ~1tOD(J'(LtX.<;; livrx.rvwatoov, ~(1:/.toov Mt u7t~r;stoov. IV. ITept 'ivn~xoop.svwv, X'l.t too &rloo ~!X1ttlatJ.~to:;. V. llepr tliiv X.'l.t!X'fpovo6vtow toov sx.x.A1Jatliiv, x,(Xt crovti~ewv, x.a! (J.Vlj(J.<ilY, xat tOOY sail-t6YtWY EY E'l.X.A1JOL!Xtc;, X.ot! 1tepi &j!X1tOOY. VI. llsp! WX(J1t0<poptrov. VII. llept vsatsia:; 'ltai tsaarx.pax.oat"~c;, x.a! to5 daxa, xal. ti)<;; 1tSYts'ltocrt1jc;, x.r~.l. x.opt!XX1jc;, Mt aa~~titou, Mt rovox.l.tcriac;. VIII. llepi 1t11.potx.toov,

182

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

dem kanonischen Teile dieser ersten Redaktion des Nomokanon sind folgende Kanones angefiihrt: Die apostolischen Kanones, jene der vier ersten allgemeinen Konzilien, der acht ersten Partikular-Synoden und die Kanones von zwotf heiligen Vatern, mit Ausnahme von Tarasius. Die in dem Nomokanon vorhandenen weltlichen Gesetze sind aus der Cotlectio tripartita 16 entlehnt, und zwar stimmen an vielen Stellen die im Nomokanon angefiihrten Gesetze, was den Wortlaut anbelangt, mit jenen der Tripartita so sehr iiberein, und ist iiberhaupt die innere Verbindung dieser heiden Sammlungen eine so enge, daB man beide einem und demselben Verfasser zuschreiben konnte. Die Tripartita enthalt, wie wir wissen, aile auf die Kirche Bezug nehmenden, in den RechtsSammlungen justinians enthaltenen Staatsgesetze; dense! ben In halt weist auch der Nomokanon auf, indem derselbe aile weltlichen, auf die Kirche Bezug habenden Gesetze enthalt, welche bis zu dieser Zeit erlassen worden waren 11. Die zweite Redaktion dieses Nomokanon stammt aus dem jahre 883 ts. Die auBere Form, sowie der Inhalt stimmen mit der
xcxt TCii>~ ottX"(OOOtv ETCtaxoTCot Mt xA-tjptxot, Mt TCspt tXTCOO"IJiJ[cx<; cx'nwv, Mt ;rsp~ tow xcxt' lfto~ oov6owv, WJ.t ,;svoooxoov, ?text otoo:awxJ.oov, xcx! aoatcxtrllli>v, 'X7.t stp"f)Yll!.li>Y smotoAwv, 'X'Xt 1t0l'X TC(JtXttO!)OlY lOlOOtt'Xa, 7l O'fjf!.OOtO: 7tpij:J.'7.t'7., l!.'7.t TCW~ o[ x),"f)plXOt &n~),oo~ ttp.li>ot. IX. llspt &p.apt"f)p.tXtW'J, 'Xo:t Ol'XOJY smax61CWY, xcx\ XA'Yjptxwv, 'l'.cxt &'poptap.ou, xcx1 xcx&cxtpz<:!soo<;, X'Xt TCoto: &p.7.pti1 :J/XtO: ri xstpo&sah A{>El. X. Tlspt OtOtxijasoo<; hxA-tpt7.0tXtGW TC(JIX"(f!.rXtWY, 'X.?.t 7te(Jl tli>Y totxGw too 5maxo7ton. XI. Uspt i.!.'iVMt'"tjpilov Mt !M'I?.XW'.I. XII. IIspt o:ipsttxli>v, xcx1 toooo:(oov, xo:t &n~voov. XIII. lisp( /..o:'(xwv. XIV. Ihpt Mtviov TCivtw~

&v&pomwv. Vergl. unseren ,Zbornik". S. 3-22.


10 Siehe S. 177. Biener, Geschichte der Novellen. 205-208. Vergl. Mortreuil. ' I, 225-229; Pifra, juris eccl. hist. et mon. Ill, 436-439. 17 h! lm Nomokanon sind die weltlichen Gesetze in jedem Kapitel nach den Kanones unter dem Titel Ks[p.svov (lat. textus) angefiihrt. Diesen Ausdruck beniitzen die griechischen juristen, urn den Originaltext der Gesetze, zum Unterschiede von dem Texte ihrer Kommentare zu kennzeichnen. Pifra. Op. cit. II, 435; Biener, /: Geschichte der Novellen. 205-206. Diese Ks:J.EYCX in slavischer Obersetzung bitden das 47 Kapitel der alt-serbischen oder das 44 Kapitel der gedruckten Krmcija. 18 Am .SchluBe der zweiten Vorrede des Nomokanon ist dies in folgender Weise bezeichnet: If ott p.sv -x.o:tO: XtAtioo: hwv !l.etpo6p.Evo<;;, Et<;; to S~(Xl!ArXatov

os x. o:t to:uto:, Mt p."f)OE ll.SXPt twv tpto:'X.OatwJ Stli>V 'tOY op6p.ov 1atwv, ck to SYVEY'fjXOOtOV 7tpli>tOY StO<; zA!7.6vooY, ~1!' o:)jti; YjAtOO t~V 7tpOXIH1l.EY'YjV 1Cp&,;lY 1CpO~YE"('X.EY (Ath. Synt. I, 9), d. i. 6391-5508c::::883.
Wenn Photius diesen Nomokanon in zweiter Redaktion abgefaf~t hatte, so ware wohl der Name desselben in dieser Vorrede in irgendeiner Weise erwahnt worden. doch wird weder hier noch sonst irgendwo durch valle 300 jahre nach dem Er~ scheinen des Nomokanon der Name des Photius als Verfasser des Nomokanon genannt; zum erstenmale tat dies Balsam on, der bei der Kommentierung dieses Nomokanon, denselben als eine Arbeit des Photius bezeichnete (Ath. Synt. I, 32),

to:6t"f)~ &vcx~o:(voov, fmsp~7.AAt>Y

. 42. Allgemeine Obersicht.

183

ersten Redaktion Uberein, nur mit dem Unterschiede, daB bier noch die Kanones des Trullanischen und des II. nic!\nischen Konzils, der zwei Konzilien von Konstantinopel in den jahren 861 und 879, und das Sendschreiben des Tarasius von Konstantinopel, Uber die Simonie, beigefUgt erscheinen 19 Sonach werden in der im jahre 883 erschienenen zweiten Redaktion des Nomokanon in XIV Titeln aile Kanones angefiihrt, welche in der orthodox-orienta/ischen Kirche allgemeine Oeltung hatten und auch heute noch wirksam sind. Der zweite Teil des Nomo-

kanon, in welchem die weltlichen Oesetze angefUhrt erscheinen, blieb von unwesentlichen Anderungen abgesehen, unberUhrt 20. Unmittelbar nach dem Nomokanon, in welchem bei den betreffenden Kapiteln der einzelnen Titel die Nummern der einzelnen Kanones angefiihrt sind, so , daB dieser als ein systematisches Repertorium des gesamten-kanonischen/ Materials erschien, folgt die Sammlung der Kanones mit ihrem vollfj st!\ndigen Texte, woselbst die in dem Nomokanon bloB numerierte~ Kanones aufzusuchen waren. Mit Rilcksicht auf die in demselben vor~ handene, das kanonische Material umfassende, fUr die kirchliche Praxis am zweckmaBigsten sich erweisende Systematik, hat dieser Nomokanon, samt der ihm beigegebenen Kanonen-Sammlung, im Laufe der Zeit aile iibrigen Kanonen-Sammlungen aus dem Oebrauche verdr!\ngt und wurde in dem graBen Konzile zu Konstantinopel irn jahre 920, an welchem Vertreter der Oesamtkirche teilnahrnen, feierlich bestatigt und fiir die gesamte christliche Kirche als bindend erklart 21. Oegenw!\rtig bilden die in diesem Nomokanon erwahnten und in der demselben angefilgten Kanonen-Sammlung im vollen Texte angefiihrten Kanones, die fundamentale Kanonen-Sammlung der orthodox-orientalischen Kirche.
Ill. Die Periode nach dem Ersclteinen der flindamentalen KanonenSammlnng der ortltodox-orientalischen Kirche.

. 42. Allgemeine Ubersicht. Durch das Erscheinen der fundamentalen Kanonen-Sammlung wurde nicht nur die Verfassung und Verwaltung der Kirche gefestigt, sondern
worauf dann derselbe auf Grund dieses einzigen Umstandes allgemein dem Photius zugeschrieben wurde. Siehe unsere, dieser allgemeinen Behauptung entgegenstehende Ansicht in der Einleitung zu unserem ,Zbornik" (S. LXIX-LXXI). ' 9 In dem 14. Kap. des XII. Titels (Ath. Synt. I, 273) des Nomokanon wird die Synode von Karthago unter Cyprian us iiber die Ketzertaufe erwlihnt; dies ist jedoch eine splltere Interpolation, wie wir an anderer Stelle (,Zbornik". Einleitung. Seite LXXII) angefiihrt haben. 20 Zachariae a Lingenthal, Die griechischen Nomokanones. Ober den Verfasser und die Quellen des (Pseudo-Photianischen) Nomokanon in XIV Titeln. 21 Unser ,Zbornik". Einleitung. Seite XIX. LXXIII.

184

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

auch das kiinftige ordnungsmaBige Leben in derselben verbiirgt. Die fundamentalen Oesetze, welche die rechtlichen Beziehungen der Kirche sowohl in ihr selbst, als auch dem Staate und denjenigen gegeniiber, welche der Kirche nicht angehoren, zum Oegenstande haben, wurden bereits in der zweiten Periode erlassen, und hatte nun die gesetzgebende Oewalt der Kirche dieselben nur anzuwenden und fUr das treue Festhalten an dem Oeiste derselben zu sorgen. Durch die im Laufe der jahrhunderte eingetretenen geanderten Verhaltnisse ftir die Kirche, und durch die demzufolge hervorgerufene verschiedenartige Auffassung der kirchlichen Oesetze, machte sich die Notwendigkeit geltend, neue, den praktischen Bediirfnissen der Zeit am besten entsprechende Sammlungen anzufertigen, welche den wahren Sinn der Orundgesetze der Kirche aufklaren und aile jene rechtlichen Institutionen darlegen sollten, die im wesentlichen in diesen Oesetzen enthalten sind. In dieser Periode erschienen verschiedenartige, diese Aufgabe verfolgende Kanonen-Sammlungen, unter welchen jenen die groBte Bedeutung beizumessen ist, welche Kommentare der Kanones enthalten und am meisten zur Entwicklung des Kirchenrechts, sowohl was dessen theoretische, als auch praktische Seite anbelangt, beitragen. Die Sprache, in welcher diese Sammlungen angefertigt waren, ist die griechische; fast gleichzeitig wurden auch Obersetzungen derselben in die Sprachen jener Volker veranstaltet, welche von der griechischen Kirche das Christentum empfingen, mit derselben daher eine Einheit bildeten.

. 43. Die griechischen Kanonen-Sammlungen.


Die griechischen Kanonen-Sammlungen dieser Periode lassen sich einteilen in: a) elementare Sammlungen, in welch en die Kanones synoptisch angefiihrt erscheinen; b) Sammlungen mit Kommentaren, und c) systematische Sammlungen. I. Im XI. jahrhundert wurde von einem gewissen Michael Psellus 1 eine kurze kanonische Synopsis fiir den praktischen Oebrauch angefertigt, in welcher die Kanones der vier ersten allgemeinen Konzilien, sowie der sechs ersten Partikular-Synoden 2 in chronologischer Reihenfolge, sodann die Kanones der Kirchenvater und endlich die apostolischen Kanones enthalten sind 3. Vollstandiger als diese Synopsis ist
Die Biographie des Psellus bei Mortreuil. III, 470-474. Die Reihenfolge der Partikular-Synoden fassen wir hier nach unserer Aufzahlungsmethode auf (siehe S. 80). Darnach ist sich stets zu halten, wenn wir uns im Texte in dieser Weise ausdriicken; denn sonst miiBte die mit groBem Raumverluste verbundene Aufzahlung aller Kirchenversammlungen jedesmal erneuert werden. 3 Die Bezeichnung Synopsis canonum wurde dieser Sammlung von neueren Autoren beigelegt (Doujat. Op. cit. pag. 309), wiewohl dieselbe im Griechischen
. 43.
1

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XII. jahrhunderts, in welchem in synoptischer Form aile im Nomokanon in XIV Titeln angefiihrten Kanones sowie einige Zusatze enthalten sind, welche in der erganzten Synopsis des Stephanus von Ephesus vorkommen 5, II. Kommentare wurden geliefert zu synoptischen Sammlungen, zu dem vollen Texte der Kanones, oder zu den Nomokanones, und zwar: 1) Zu der Synopsis canonum (Kavovtx-f'J a6vo~ts), namlich zu jener Synopsis, welche zuerst von Stephanus von Ephesus angefertigt wurde und die spater die heute in derselben enthaltenen Erganzungen erhielt G, verfaBte im jahre 1130 der Diakon und Nomophylax der groBen Kirche in Konstantinopel, Afexius Aristenus 7, einen Kommentar, welcher darin besteht, daB unter dem gekiirzten Texte der Kanones, der periphrastische volle Text angefiihrt wird. In Fallen aber, wo der gekOrzte Text des betreffenden Kanon richtig und verstandlich erschien, verblieb der betreffende Kanon ohne jeden Kommentar, nur fiigte Aristenus die Bemerkung bei, daB er ,klar" sei s. 2) Zu Anfang des XII. jahrhunderts schrieb johannes Zonaras 9
I6vo4t~ -roo YO!J.O'l!.IXY6vou genannt wird (Mortreuil. lll, 447; Heimbach, Griech.-rom. Recht. Ed. cit. 86. 459). Siehe Biener, De collect. can. pag. 29. ' Ober Doxapater siehe Mortreuil. Ill, 483-485. Der Titel der Sammlun~ lautet: N o[J.oxlivov o1)y t">s<j> 'ltsptsxov mwo'lttt'l!.w~ of.oo~ too~ xctv6vct~ -rwv &rwv

xat ot'l!.OU!J.EYt'l!.WY S'lt'ta ouv6ow\l 'l!.'XL -rwv &twv &'itoa-r6).wv xat too !J.S(Iif.ou llaatf.s(ou 'l!.IXL hspwv -3-smp6pwv 'ltctt5pwv (Mortreuil. lll, 411 ; Heimbaci'l, lb. 460;
unsere Arbeit ,0 kan. Zborn.". S. 77). ~ Siehe S. 167. 6 Siehe Anm. II. . 39. 7 Ober Aristenus, siehe Mortreuil. Ill, 485; Doujat. pag. 310. 8 Der Titel der den Kommentar des Aristenus enthaltenden Sammlung ist folgender: NO!J.O'l!.~YOY O'J\1 Hstj> sp:J:~\ISI){}(;y 'ltctp~ tOO -3-eoq;lf.sot!itou YO[.LOq;6AIX'l!.O~ x.opoo 'Af.s;tor) too 'Aptat'I)YOo. Mortreuil. III, 413; Heimbach. I. c. pag. 461; Biener, De collect. can. 32 sq. lm Synodikon des Beveregius und im Ath. Synt., wo der Kommentar des Aristenus enthalten ist, ist derselbe nicht als selbstandige Sammlung angefiihrt, sondern bei den einzelnen Kanones folgt nach dem Kommentar des Zonaras und Balsamons jener des Aristenus, wobei unrichtigerweise der Name des Aristenus neben dem synoptischen Texte der Kanones, anstatt neben dem Kommentare angesetzt erscheint; denn nicht Aristenus ist, wie man friiher irrtiimlich annahm, der Verfasser der Synopsis. Dieselbe Unrichtigkeit ist auch in die Moskauer Ausgabe (1876 u. ff.), ,Pravila i pr. s tolkovanijami", aufgenommen worden. Der Kommentar des Aristenus ist in der Krmcija und im lndreptarea legji enthalten. Siehe ,0 kan. zborn.". S. 15-16. 9 Ober Zonaras bei Mortreuil. Ill. 480-481. Die Sammlung mit dem Kommentare des Zonaras fiihrt folgenden Titel : 'E~~I'YjOt<;; -.&v lspwv "X.at &swv 'X.IXY6vwv

tW\1 tE &jtW\1 'l!.IXl OE'lttWY a'ltOO'tOAWY 1 'l!.IXl tW\1 [spoov Ol'l!.OO!J.EYt'X.WY auv68wv, &llti !J.SY Mt twv tom~twv ~tot p.sptxGw, Ml twv f.omwv &rwv 'ltcttspwv, 'ltOY'Yj-8-stoiX 'IwtiVY'lj !J.OYIXXtJ> ttj> Zwvctpq, ttj> rsrov6tt !J.SjtXAq> opoorr!Xptq> ~~ BjA'Yj<;; x~Xt 1tp(l)t01X01j'l!.p'ijttc;. Ath. Synt. II. I.

. 43. Die griechischen Kanonen-Sammlungen.

185

der Nomokanon des Gregorius Doxapater 4 aus der ersten Halfte des XII. jahrhunderts, in welchem in synoptischer Form alle im Nomokanon in XIV Titeln angefilhrten Kanones sowie einige Zusatze enthalten sind, welche in der erganzten Synopsis des Stephan us von Ephesus vorkommen 5 II. Kommentare wurden geliefert zu synoptischen Sammlungen, zu dem vollen Texte der Kanones, oder zu den Nomokanones, und zwar: 1) Zu der Synopsis canonum (Kavovtx.'IJ a6vo~t~), namlich zu jener Synopsis, welche zuerst von Stephanus von Ephesus angefertigt wurde und die spater die heute in derselben enthaltenen Erganzungen erhielt G, verfaBte im jahre 1130 der Diakon und Nomophylax der groBen Kirche in Konstantinopel, Alexius Aristenus 7, einen Kommentar, welcher darin besteht, daB unter dem gekiirzten Texte der Kanones, der periphrastische volle Text angefilhrt wird. In Fallen aber, wo der gekOrzte Text des betreffenden Kanon richtig und verstandlich erschien, verblieb der betreffende Kanon ohne jeden Kommentar, nur fOgte Aristenus die Bemerkung bei, daB er "klar" sei s. 2) Zu Anfang des XII. jahrhunderts schrieb johannes Zonaras 9
l:6vo4t~ to5 VOfWit~Xvovoo genannt wird (Mortreuil. Ill, 447; Heimbach, Griech.-r1>m. Recht. Ed. cit. 86. 459). Siebe Biener, De collect. can. pag. 29. Ober Doxapater siehe Mortreuil. III, 483-485. Der Titel der Sammlung Iautet: N O!LO'ltlivov a)v H~>!jl 'ltsptsxov Otl'IO'lttbtii>~ o).on~ tot'>~ 'i!.'XYOYIX~ tii>Y &jt(I)Y

'lt'XL ot?tOtl!LSYt'X,OOY S'ltta Cltl\100(1)'1 ?t!Xl tillY &.rlrov a'ltoat6A.rov 'ltiXL t05 !LSjliAon BilatAston ?tal. stsprov .'}sf)(poproY mxdpro11 (Mortreuil. Ill, 411 ; Heimbacft, lb. 460;
unsere Arbeit ,0 kan. Zborn.". S. 77). ~ Siehe S. 167. 6 Siehe Anm. 11. . 39. 1 Ober Aristenus, siehe Mortreuil. Ill, 485; Doujat. pag. 310. 8 Der Titel der den Kommentar des Aristenus enthaltenden Sammlung ist folgender: No!LO?tivov a~v Hslj> sp~:~YEJ{)-Ev 'lt'Xpa t05 {)-so~[Asatliton '10!10~6AIX?tO, ?tt>po5 'AA.selo'> too 'Aptat1)Y05. Mortreuil. III, 413; Heimbach. I. c. pag. 461; Biener, De collect. can. 32 sq. lm Synodikon des Beveregius und im Ath. Synt., wo der Kommentar des Aristenus enthalten ist, ist derselbe nicht als selbstandige SammIung angefiihrt, sondern bei den einzelnen Kanones folgt nach dem Kommentar des Zonaras und Balsamons jener des Aristenus, wobei unrichtigerweise der Name des Aristenus neben dem synoptischen Texte der Kanones, anstatt neben dem Kommentare angesetzt erscheint; denn nicht Aristenus ist, wie man friiher irrtiimlich annahm, der Verfasser der Synopsis. Dieselbe Unrichtigkeit ist auch in die Moskauer Ausgabe (1876 u. ff.), ,Pravila i pr. s tolkovanijami", aufgenommen worden. Der Kommentar des Aristenus ist in der Krmcija und im Indreptarea legji enthalten. Siehe ,0 kan. zborn.". S. 15-16. 9 Ober Zonaras bei Mortreuil. III. 480-481. Die Sammlung mit dem Kommentare des Zonaras fiihrt folgenden Titel: 'E~~"'("fjcrt~ 't'00\1 lspoov Mt {)-s[rov ?t(X\16\Irov

tOOY ts dj(roy ?tal. OE'lttiil'l a'ltOOtOAii>V, 'lt'Xt tii>Y 1apro\l Ol?tOtl(J.SYt'ltii>Y auv6orov, ilia ~~~ ?tal. toov tom1!.oov ~tot 11eptxrov, M! tii>v Aomii>v &rfrov 'ltatsprov, 'ltO\I'tj-8-staa 'lroawg ILOY(XXIj> tij> Zrovap~, tip jS'(O\IOtt !LS!aAljl opoonrxpt!p 't'ij~ BtjA'tj' ?tal. 7tprotoao'tj~pijtt~. Ath. Synt. II. I.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

einen Kommentar zum vol/en Texte der Kanones. In seiner Sammlung werden die Kanones nach der Wichtigkeit der Quellen in folgender Reihenfolge angeflihrt: zuerst die Canones Apostolorum, sodann jene der atlgemeinen Konzilien, der Partikular-Synoden, und endlich der heiligen Vater, und zwar aile Kanones, welche in der mit dem Nomokanon in XIV Titeln verbundenen Sammlung enthalten sind. Die Exegese des Zonaras, deren Gediegenheit von den hervorragendsten Kanonisten der orientalischen Kirche anerkannt wurde, hat den Zweck, die Worte jedes einzelnen Kanon zu erkHiren und in den Geist desselben einzudringen. Balsamon hielt sich in seinen Kommentaren zu den Kanones fast wortlich an jene des Zonaras, welch en er als den , VorzUglichsten" 1o bezeichnet; ebenso beruft sich auch Biastares auf die Exegese des Zonaras 11. Diese Arbeit des Zonaras besaB ein so hohes Ansehen, daB gute Kanonen-Sammlungen einfach ,Zonaras" genannt wurden 12 Die Kommentare des Zonaras bilden fiir das kanonische Recht der orthodox-orientalischen Kirche eine Rechtsquelle, und sind fUr die Wissenschaft von unerme6licher Wichtigkeit ta. 3) Kommentare zum Nomokanon in XIV Titeln wurden von verschiedenen Rechtsgelehrten verfa6t. Den Anfang soli in dieser Beziehung ein Unbekannter aus der Zeit gleich nach dem Erscheinen dieses Nomokanon gemacht haben, indem er einen Kommentar sowohl zum kanonischen, als auch zu dem die weltlichen Gesetze enthaltenden Teile desselben anfertigte u. Aus dem Ende des XI. Jahrhunderts stammt allerdings kein neuer Kommentar zum Nomokanon, sondern eine Umarbeitung desselben durch Theodorus Bestes, 15 welcher in den die weltlichen Gesetze umfassenden Teil des Nomokanon den Text der bloB mit Nummern bezeichneten Gesetze einfiigte, sowie dies rUcksichtlich des kanonischen Teiles dieses Nomokanon von einem anderen geschah 16 Der bedeutendste Kommentator des Nomokanon ist Theodorus Balsamon, zuerst Chartophylax der Kirche zu Konstantinopel, und seit dem jahre
'0 01tSp!fo5a't~'toc;; hslYoc;; ZooY~pac;;. Ath. Synt. IV. 76. Cf. II. 49. IV, 204. Zum Beispiele Ath. Synt. VI, 256. n Siebe unseren ,Zbornik". Einleitung. S. LXXIX. 13 Dieser Kommentar ist, abgesehen von anderen Spezial-Ausgaben, in Beveregii Synodikon, an zweiter Stelle nacb jedem Kanon, im Ath. Synt., sowie in der Moskauer Ausgabe ,Pravila s tolkov." an erstcr Stelle angefiibrt. Auch die Krmcija enthalt bei jedem einzelnen Kanon den Kommentar des Zonaras neben jenem des Aristenus oder anstatt desselben. 14 Mortreuil. Ill, 422; Heimbach. I. c. pag. 461. 15 Ober diesen Rechtsgelehrten, siehe Mortreuil. lll, 481-483. 16 Siebe Biener, De collect. canon. pag. 23; von demselben, Gescbicbte der Novell en. S. 204 n. 115; Mortreui/. Ill, 428-432; Pitra, juris can. hi st. et. mon. II, 440; Heimbach. I. c. p. 462; Kruger, Ober eine neue Bearbeitung des Nomokanon in XIV Titeln {Zeitscbrift. fiir Recbtsgescbichte. IX, 188 u. ff.); Zachariae a Lingenthal, Die griecbiscben Nomokanones. S. 15. u. ff.
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. 43. Die grlechischen Kanonen-Sammlungen.

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1193 Patriarch von Antiochia, der angesehenste Kanonist seiner Zeit in der orientalischen Kirche 17. Ober speziellen Befehl des Kaisers Manuel Comnenus und des Patriarchen von Konstantinopel, Michael Anchialus, unternahm Balsamon in der Zeit zwischen den jahren 1169 und 1177 die Ausarbeitung eines Kommentars zum Nomokanon. Der Hauptzweck seiner Arbeit war, wie aus seiner Vorrede zu entnehmen ist, jeden einzelnen Kanon zu kommentieren, die Vorschriften der Kanones mit den Bestimmungen des weltlichen Rechts in Obereinstimmung zu bringen, und die in die Basiliken aufgenommenen Stellen des weltlichen Rechts, welche auf Grund dessen fiir jedermann bindend waren, anzugeben 1s. Balsam on schlo6 sich in seiner Exegese in jeder Beziehung an Zonaras an; nur an einzelnen Stellen erganzt er ihn, indem er zur Erklarung des einen oder des anderen Kanon die Bestimmungen der Patriarchal-Synode von Konstantinopel anfiihrt. Den zweiten Teil des Nomokanon behandelt Balsamon ganz unabhangig, weshalb er sich auch den Rang eines ausgezeichneten Kanonisten erwarb. Der Nomokanon mit dem Kommentare des die weltlichen Gesetze umfassenden Teiles bildet den ersten Band des Athenischen Syntagma 111; sein Kommentar zu den Kanones ist gleichfalls in dem Syntagma, nach dem Texte jedes einzelnen Kanon und nach dem Kommentare des Zonaras angefiihrt 20
17 Mortreuil. Ill, 488-491. Cf. Doujat, Praenot can. p. 307. Ober die kanonischen Arbeiten Balsamons, siehe: Biener, De collect. can. pag. 30 sq.; von demselben, Oeschichte der Novellen. S. 210-218; von demselben, Zur Revision des justinianischen Codex (Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft. VII, 157-159); Mortreuil. II, 143-164. Ill, 432-446. 451-453; Heimbach. I. c. pag. 463-467; Beveregii, Synodikon. Pro leg. p. IX-XV; Zachariae a Lingenihal, Die griechischen Nomokanones s. 16-17. 18 Afh. Synt. I, 31-33. 19 'Ee~j'fjl'ltr; tOl\1 tsplilY 'l!/Xt {)os[o>Y 'Y..'X\10\IW\1 t<i>Y t6 tX"(lWY 'l!.!Xt 7t!X\II>O~~fi.WY 'A7toat6Awv1 'X!Xt t<i>v (spcov ohto>lfJ.svt1<cilY anv6owY1 &)..)..& fL~Y 'l!.!Xt twv tmmtwv ~tot fioi>pt'l!.wv, ')(.!Xt tWY AOt1tWV a'(tWV 1t!Xtspwv 1tpoc; OS 'l!.!Xt O~Awat~ twv evep'(OD\ItW\1 YOfJ.WV 'l!.IXt p3j svep'(ODV'CW\1 t 't'(t)\1 ~\IIXt!Xt'tOfi.:Y(t)\1 EV 'rOt<; OS'It!X 1tpo~ 'COl~ taaa~Xpat 'rttAOt; toi~ Mt' ~PX~Y t<i>Y 'l!.IXYOYWY 'l!.ltJ.SYOt;, 1tOY'fj{}-11:tOIX 'l!.!Xta 7tp6atrx~tv ~-xatAt'lt~v Mt 7t1Xtpt~pxt'l!.~v 8eoooopcf) tcjl e)teAs't ot~X'l!.6vcf) rij~ &"(tw-rcitrj~ too 1:!)5of.i fiol>"(rXAlj~ 5-x.II.A'fjl'lt'X<; NofJ.O'fOAIX'Xt, XrxptO'f6Arx'l!.t1 'X!Xl. 7tph>t(Jl t<i>Y Bl.rxxepvrov tip BIXAaa:~t<llY, tljl fLetti XPOVO!)t; ttY&; jS'(OYOtt ITrxtptcipX1J 850!)1t0A5W<; p.srlil.lJ~ 'Avrtoxet-x~, x-x( 1tlia'fjc; &.v~Xtokf);. Ath. Synt. I, 31, 20 'Epfi.Y~>t!X et; toi); 'l!.!Xvov!X<; t<i>v -i"(t(1}Y ae7ttwv 'A1toat6Awv, 'lt~Xl. e(~ tti~ fLEts7t5ttrx ot?tonp.svt'XIX:; aov6ooo; -rciw &(iwv 7t-xdpcov, 7tove{)oeia-x 7trxpti 8eoooopoo Ot!l'l!.0\10!) rii~ tOO 8eo5 Me,~XA~c; 'E'l!.'l!.A'fjljl!X<;, YO!J.O~OA!X'Ito~, xrxpto~6Arx'l!.o~, 'lt!Xt 1tp6>too twv Bl.rxxepY!iw, tOf.i B-x)..arxrJ.wYo:;. Ath. Synt. II, 3. Der Kommentar Balsamons zum Nomokanon und zur Kanonen-Sammlung erschien zum erstenmale in lateinischer Obersetzung (Oentiano Herveto interprete) im jahre 1564 in Paris, sodann der Kommentar zum Nomokanon allein, gleichfalls in lateinischer Obersetzung (Henr.

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I. Teil. Die Quellen ttnd Sammlungen des Kirchenrechts.

III. Was die systematischen Sammlungen dieser Periode anbelangt, so lassen sich drei Stadien in der Abfassung dieser Sammlungen erkennen. Bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts zeigen sich einige selbstandige, fUr das Recht wichtige Sammlungen; durch die im Orient auftretenden politischen Verhaltnisse, trat hierauf eine Minderwertigkeit dieser Arbeiten durch einige Jahrhunderte ein, bis sich wiedef im XIX. Jahrhundert diesbezi.iglich ein neues Leben erkennen taBt. Die bedeutendsten solcher Sammlungen aus dieser Periode wollen wir im Nachstehenden anfi.ihren: 1) Im XIII. Jahrhundert verfaBte der Athosm5nch Arsenius, welcher spater angeblich zum Patriarch en von Konstantinopel erhoben wurde 21 , eine fur das Kirchenrecht der damaligen Zeit wichtige Synopsis canonum 22 Dieses Werk besteht aus 141 Kapiteln, deren jedes eine Analyse der einzelnen kanonischen Vorschriften enthalt und aile in die betreffende Materie einschlagenden Kanones anfiihrt. Die weltlichen Oesetze sind aus der Collectio 87 capitulorum des Johannes Scholasticus entlehnt. 2) Ein hohes Ansehen in der Oeschichte des kanonischen Rechts erwarb sich der M5nch Matthiius Blastares 23 durch sein im Jahre 1335 verfaBtes alphabetisches Syntagma 24, Nach einer Iangen Vorrede und
Agylae) zu Basel in demselben Jahre. Der griechische Text erchien zuerst im jahre 1615 in Paris und sodann, im jahre 1620, neuerlich in Paris, in vervollstandigter Form; mit heiden Vorreden zum Nomokanon erschien der Kommentar des Balsamon im Jahre 1661 bei Voelli et justelli, Biblioth. jur. can. II, 785-1138. In Beveregii Synodikon, ist der mit einer Kritik versehene Kommentar unmittelbar nach dem Texte der Kanones angefilhrt. In der in der Moskauer Ausgabe der "Pravila s tolkov." enthaltenen russischen Obersetzung ist nach dem Kommentare des Zonaras und nach dem synoptischen Texte der Kanones mit dem Kommentare des Aristenus, unter jedem Kanon der Kommentar Balsamons angefiihrt. ~~ Doujat, Praenot. can. p. 310-311; Mortreuil. Ill, 492-494; Heimbach.!. c. p. 467. Vergl. fs6srov IHvo:-x.s~, l:sA.. 389. 22 Abgedruckt in Voelli et ]ustelli (II, 749-784) unter dem Titel 'Apasv[o) fLCIVO:X,OO tij~ EV nj> &.jl(fl opst plw-~; 't'OO rptAOt'Mou ~.Jvo~t~ 't'WV {l-s[oov 'X.O:YOVO)V. Siehe iiberdies: Biener, Collect. canon. p. 37; derselbe, Geschichte der Novell en. S. 218; Mortreuil. Ill, 456-457; Heimbach. I. c.; ,0 kan. zborn." 78. 23 Beveregii Synodikon. Pro leg. p. XXI-XXII; Mortreuil. Ill, 494. 24 Dasselbe fiihrt im Ath. Synt. (in welchem es den ganzen VI. Band ausfiillt) folgenden Titel: :l:6no:rp.o: 'X.tztb. a't'OtX,stoov t<!lv ~!J.1t:sptstA"flfL!LEYOOY &11:o:owv u1t:o{l-sosoov tot~ (spot~ 'X.!7.t 3-s[ot~ -x.o:v6at, 11:oy~{l-sv 't'S ~!J.O: -x.o:! a)vts{l-Ev 't'<jl sv tspOfLOVIXX,fJL~ eA.o:x.totlji Mott{l-o:[<p (tJl RMa't'O:p]). Ebenso bei Beveregii Sinodikon, wo dasselbe im II. Bande mit besonderer Paginierung gedruckt ist (I-XXVI, 1-272). Zwei Fragmente aus dem Syntagma des Blastares, welche auf das Eherecht Bezug haben, sind bei Leunctav., jus gr.-rom. I, 478-518, gedruckt. Ober dieses Syntagma siehe: Biener, De coli. can. pag. 37-38; derselbe, Geschichte der Novellen. S. 218-222; Mortreuil. III, 457-464; Zachariae a Lingenthal, Die griechischen Nomokanones. S. 17-18; Heimbach." I. c. S. 467-470; "0 kanon. Zborn.". 78-80. Das Syntagma wurde auch in die slavische Sprache iibersetzt und in der alten serbischen

. 43. Die griechischen Kanonen-Sammlungen.

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einer Obersicht der Quellen, zerfallt das Syntagma in 24 Teile, nach der Anzahl der Buchstaben des griechischen Alphabets. jeder Teil gliedert sich in soviele Titel, als mit dem betreffenden Buchstaben anfangende Schlagworte vorhanden sind. Im ganzen umfaBt dieses Werk 303 Titel, welche nach jeder Titelrubrik zuerst aile Kanones, und sodann die betreffenden weltlichen Gesetze enthalten. Das Syntagma des Blastares ist eine sehr gelungene und praktische Arbeit. 3) Wie bereits erwahnt, veranstaltete Harmenopulos als Erganzung zu seiner Hexabiblos eine Kanonen-Sammlung25 Diese ungefahr aus der Mitte des XIV. Jahrhunderts stammende Sammlung zerfallt nach der Vorrede in sechs Abschnitte, welche wieder in Titel geteilt sind ; unter jedem Titel sind aile jene Kanones in synoptischer Form angefiihrt, welche das heutige Pedalion ausmachen 26, Mit der Sammlung des Harmenopulos erfahrt die altere Geschichte der Kanonen-Sammlungen in der griechischen Kirche eigentlich ihren AbschluB. Die spater bis zum XIX. Jahrhundert erschienenen Sammlungen sind Kompilationen minderer Art aus frOheren Sammlungen, weshalb es nicht notwendig erscheint, sich bei denselben aufzuhalten 21. Wegen des Zusammenhanges, welcher zwischen zwei derselben mit den heutigen Kanonen-Sammlungen besteht, sollen dieselben erwahnt werden, und zwar: 1) Der Nomokanon des Manuel Malaxos aus dem Jahre 1561 2s. Diesem Nomokanon liegen die verschiedensten Quellen zugrunde, und wird in demselben in einigen hundert Kapiteln (nach verschiedenen Handschriften von 203 bis 694) sowohl iiber kanonische, als auch Uber
Kirche gebraucht [P. ). Safarik, Geschichte der serbischen Literatur. II. Abtheilung. S. 216 u. ff.; T. Florinski, Pamjatniki zakonod. djejat. Dusana (Urkunden iiber die gesetzgeberische Tatigkeit Duschans). S. 307-321]; in dieser Kirche wurde auch eine gekiirzte Ausgabe des Syntagma angefertigt (T. Florinski. Ibid. 321-439). Ober verschiedene Obersetzungen des Syntagma aus der alt-griechischen in die neugriechische Sprache, siehe Zachariae. Delin. pag. 88 sq. 25 S. 130. Gedruckt bei Leunclav., jus gr.-rom. (I, 1-71) unter dem Titel: 'EmtO(JTJ toov {}a(rov wxt tapoov xo:v6vrov 'fSYOfLSYl) 7t1Xp~ to5 7tlltYaa~riatoo aa~lltatQU Mt vop.o~6AIX'X.O<; ~lltt xptt05 @aaalltAOYt?t'IJ<; Mp(oo Koovatlltvt(voo to5 'App.avo1t06A.oo. 26 Ober diese Sammlung siehe: Doujat. p. 310; Biener, De coli. can. p. 38; Mortreuil. III, 464-466. Cf. 495-499; Heimbach. I. c. S. 470; , 0 kanon. Zborn." 78. 27 Siehe iiber diese Frage Zachariae a Lingenthal, Die Handbiicher des geistlichen Rechts aus den Zeiten des untergehenden byzantinischen Reiches und der tiirkischen Herrschaft. S. 1-2. Vergl. C. Popovicii, Fontanele. pag. 64--68. 28 Zachariae, Hist. jur. rom. Delineatio. pag. 89-92; derselbe, Die griechischen Nomokanones. S. 18; derselbe, Die Handbiicher. S. 2-23; Heimbach, Griechischromisches Recht. Ed. cit. Bd. 87, S. 52, 53; unser ,Zbornik". S. CXVII-CXVIIl; C. Popovicii, Fontanele. p. 65,

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

solche Materien abgehandelt, welche auf das Recht keinerlei Bezug haben; so iiber Meteorolgie, Geographic, Philosophic u. s. w. Diese Sammlung diente als QueUe fiir den ersten Teil der rumanischen lndreptarea 29. 2) Der Nomokanon in 228 Kapiteln aus dem Ende des XIV. oder dem Anfange des XV. jahrhunderts 30, Diese Kompilation hat vor jener des Malaxos insofern den Vorzug, wei! dieselbe sich wenigstens nur auf eine Materie, namlich auf die Kirchenstrafen fUr verschiedene Siinden bezieht; sie wurde auch als Handbuch von den Beichtvlitern benlitzt. lm XVI. jahrhundert erfolgte die Obersetzung dieser Sammlung in die alt-serbische Sprache, wurde sodann in RuBland in Druck gelegt und bildet heute den SchluB des slavischen ,GroBen Ritualbuches" st. 3) Durch die Sammlung des Malaxos und viete andere lihnliche, weniger gelungene Sammlungen, welche nicht allein eine Verwirrung in der Kirchenverwaltung im Orient verursachten, sondern iiberdies auch die Veranlassung waren, daB man nicht mehr die kanonischen Vorschriften von dem unterscheiden konnte, was aus nicht kanonischen Quellen in das Recht aufgenommen wurde <~2 , angeregt, verfaBten zwei gelehrte griechische Mijnche, Nikodemus und Agapius, zu Ende des XVIII. jahrhunderts eine neue, der kanonischen Wahrheit entsprechende Sammlung 33, Diese aus dem Jahre 1793 stammende, die Bezeichnung lh;MAtO'I 34 filhrende Sammlung, wurde nach Genehmigung durch die Synode von Konstantinopel, im jahre 1800 zu Leipzig, und sodann in -revidierter Ausgabe im Jahre 1841 gedruckt. Diese letztere Ausgabe
Siebe weiter . 45. Detailierte Ausfiihrungen iiber diese Sammlung siehe bei A. Pawlow, Nomokanon pri bolllom trebnikje (Der Nomokanon zum groBen Ritualbuche), wo der griechische Text der Sammlung nach einer Handschrift aus dem XIII. jahrhundert, und nebenbei der slavische Text angefiihrt ist. Neue Ausgabe Moskau, 1897. Vrgl. A. I. Almazow, Nomokanon zum russ. Euchologion. S. Petersb. 1902. Vergl. Zachariae a Lingenthal, Die Handbiicher. S. 24. 31 Siehe unsere Arbeit: 0 kan. Zbornicima prav. crkve (Ober die KanonenSammlungen der orth. Kirche). S. 84- 88. 32 Siebe Zachariae a Lingenthal. lb. S. 13. Vergl. die Vorrede im Pedalion. Ausg. 1864. S. 10. 33 Ober Nikodemus und Agapius siehe: Porphyrius, Atonskie knizniki (Die Schriftsteller vom Athos) (Ctenija v ob~c. L. D. Pr. 1883. I, 269-291] ; mein ,Zbornik." Einleitung S. CVI-CVlll. Ober die Anregung zur Anfertigung dieser Sammlung siehe ihre Vorrede im Pedalion. S. 9. u. ff. Vergl. auch ,Zbomik". S. CVIII.
"0 29

Il'rjMAwv tij<;; VOljt"~<;; VlJO<;; tYj<;; rttiX<;; tX'(tiX<;; ?t!X{)oo)..txij<;; X!Xt &7tO:JtOAtxYj:; trov op&o86~wv SxXA'rjOtiX:;. Das Wort li'rjMAtov (Steuerruder, gubernaculum) soli
3 '

die Kirche Christi als ein Schiff darstellen, welches durch diese die kirchlichen Satzungen enthaltende Sammlung wie durch ein Steuer gelenkt wird (siehe in der Ausgabe des Pedalion vom jahre 1864 das vor dem Titelblatte aufgenommene Bild und die Erkliirung desselben). Eine ahnliche ErkHtrung findet auch die Bezeichnung der ,Krmcija" (Steuerbuch).

. 44. Die slavischen Kanonen-Sammlungen.

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diente dann fUr die spateren Drucklegungen als Grundlage sa. Nach einer langeren Vorrede enthalt diese Sammlung die Canones Apostolorum, jene der allgemeinen Konzilien und der Partikular-Synoden, und endlich der heiligen Vater, Kanones, welche in der fundamentalen KanonenSammlung enthalten sind; auBerdem die Kanones der Synode von Karthago unter Cyprianus, des Johannes des Fasters, des Nikephorus Confessor und des Patriarchen Nikolaus von KonstantinopeiS6 Neben dem Texte jedes Kanon sind die korrespondierenden Kanones und ein ausreichend eingehender Kommentar des betreffenden Kanon angefilhrt. Als Anhang folgen eine Unterweisung i.lber die Verwandtschaftsgrade, sowie Muster fUr verschiedene kirchenamtliche Aufsatze. Das Pedalion ist gegenwartig die offiziele Kanonen-Sammlung der hellenischen Kirche37.

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Die slavischen Kanonen-Sammlungen.

Die orthodox-orientalischen Slaven, welche von Missionaren der griechischen Kirche das Christentum erhielten, entlehnten von ebendieser Kirche sowohl die beim Gottesdienste notwendigen liturgischen Bucher nach Obersetzung derselben in die slavische Sprache als auch die gleichfalls in das Slavische ilbersetzten Kanonen-Sammlungen, behufs Verwendung derselben in der Kirchenverwaltung. 1) Die erste griechische, in die slavische Sprache i.lbersetzte Kanonen-Sammlung ist der Nomokanon in L Titeln, auch Nomokanon des Scholasticus genannt 1 Man vermutet, daB dieser bis zum XIII. Jahr35

Ober dasPedalion siehe: ,Wiener jahrbiicher derLiteratur". XXV, 152-157;

Biener, De collect. can. p. 39-43; Pitra, Des canons. p. 21-22; Zachariae a Lingenthal, Geschichte des griech.-rom. Rechts. S. 32; Zhishman, Eherecht. S. 78; Walter, Kirchenrecht (XIV. Ausg.). S. 173-174; Nikolski, Greceskaja kormcaja
kniga (Das griechische Steuerbuch) [Ctenija v. Obsc. Ljubit. D. Pr. 1883. II, 47-77. 324-360]; unser ,Zbornik". Einleitung. S. CV -CXI; Heimbach, Griech.-rom. Recht. Ed. cit. Bd. 87, S. 51. 36 Ober den Umstand, daB die Anfiihrung der Kanones dieser drei Manner gerechtfertigt erscheint, siehe unsere Ausfiihrungen auf S. 80. Fiir die Anfiihrung der Verordnung der Synode unter Cyprianus ist die Beurteilung dieser Verordnung seitens der griechischen Kirche der neueren Zeit maBgebend (vergl. das hieriiber auf S. 90-91 Gesagte). 37 Eine rumanische Obersetzung desselben datiert aus dem jahre 1844. Im jahre 1871 wurde von Metropoliten Schaguna aus dem Pedalion ein kanonisches Handbuch angefertigt. Siehe C. Popovicii, FontAnele. p. 116. 117. Ober die verschiedenen griechischen Kanonen-Sammlungen, welche in den letzten zwei Jahrhunderten vor dem Erscheinen des Pedalion herausgegeben wurden, siehe: Zachariae, Historiae jur. delineatio. . 55. 56; Heimbach, Griech.-rom. Recht. Ed. cit. 87, 49-53; fiber einzelne derselben, unsere Arbeit "0 kan. Zborn. ". S. 80-81. . 44, 1 Siehe S. 179 dieses Buches.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

hundert in allen slavischen Ulndern gebrauchte Nomokanon 2, von Methodius, also im IX. Jahrhundert in diese Sprache Ubersetzt wurde. Zu derselben Zeit war in der russischen Kirche der Nomokanon in XIV Titeln in seiner ersten Redaktion im Gebrauche und wurde nach Ansicht der russischen Kanonisten in Ru8land zur Zeit jaroslavs, des Sohnes des Fiirsten Wladimir, also im XI. Jahrhundert, Ubersetzt s. Diese heiden Kanonen-Sammlungen traten dann bei den orthodox-orientalischen Slaven au8er Gebrauch und wurden durch die Krmcija ersetzt. 2) Mit dem Namen ,Krmcija" (Kormcaja kniga) wird die erste in Druck erschienene slavische Kanonen-Sammlung benannt, und zwar in demselben Sinne, in welchem die gegenwartige griechische KanonenSammlung als ,Pedalion" bezeichnet wird. M~glicherweise diente in dieser Beziehung die Krmcija den Herausgebern des Pedalion als Muster. Lange Zeit war man ilber den Ursprung der Krmcija im Unklaren, bis in neuerer Zeit in diese Angelegenheit hinreichende Klarheit gebracht wurde 4 Die Krmcija verdankt ihre Entstehung in jener Form, in welcher sie in den alt-serbischen Handschriften 5 , welche der heutigen gedruckten Ausgabe als Muster dienten, enthalten ist, den Bemilhungen des serbischen Erzbischofs Sawa zu Anfang des XIII. jahrhunderts, und ist ihr Ursprung wahrscheinlich im Kloster Chilandar zu suchen. Aus den serbischen Landern kam die Krmcija nach Bulgarien, von wo sie von dem bulgarischen Despoten Jakob Svjatoslav im Jahre 1262 ilber die Bitte des Metropoliten Cyrillus II. nach RujJ/and gesendet, und von diesem in einer Synode zu Wladimir 1274 als filr die russische Kirche
2 3

Siehe Anm. 9 und 10, . 41.

Pawlow Pervonacalni slavjano-russki nomokanon (Der urspriingliche sla-

visch-russische Nomokanon). S 25 u. ff. ' Details iiber den Ursprung der Krmcija siehe in unserem "Zbornik". Einleitung. S. LXXIV-C (oder in der Abhandlung "0 kanon. Zborn.". S. 31-57). Vergl. Rosenkampj, Obozrjenie kormcej knigi {Obersicht iiber die Kormcaja kniga); Wiener jahrbiicher der Literatur. 1823. XXIII, 220-274. 1826. XXXIII, 288-290; Pawlow, Pervonacalni slavjano-russki Nomokanon; Kalai!ov, 0 znaceniji kormcej (0ber die Bedeutung der Krmcija); Laskarew, Pravo cerk. (Kirchenrecht). S. 215-217; Suworow, Kurs cerk. prava (Kursus des Kirchenrechts). S. 306-308; Newolin, Polnoe sobranie socinenij (Vollstlindige Sammlung von Schriften). Tom. VI, S. 419-426; Metrop. Makarius, lstoria russkoj cerkvi (Geschichte der russischen Kirche) [Zweite Auflage]. Tom. I, 151 u. ff.; Tom. V, 1, u. ff.; Metrop. Eugenius, Opisanie kievosof. so bora (Beschreibung der Sophien-Kathedrale in Kiew). Kiew 1825. Anhang. Nr. 42. S. 235 u. ff.; Biener, De colect. can. pag. 53-72; Heimbach, Griech.-rom. Recht. Ed. cit. 87, 59-60; Popovicii, Fontanele. p. 76 sq. Tsch. Mitrovits, Kormtschaja Kniga. Wien 1898. 5 Bis nun sind sieben solcher Handschriften bekannt, u. zw. von llovica aus dem jahre 1262, Rjazan 1284, Milesevo 1295, Rascien 1305, Sarajevo 1368, Savina 1603 und Moraca 1615. Ober die ersten sechs Handschriften siehe unsere Abhandlung ,.Die Krmcija von Savina". S. 5-10.

. 44. Die slavischen Kanonen-Sammlungen.

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allgemein-bindend erkliirt wurde. Als man in RuBland die KirchenbUcher in Druck zu legen begimn, wurde beschlossen, auch die Krmcija zu drucken, und zwar nach dem Manuskripte jener Krmcija, welche Cyrillus von Svjatoslav erhielt 6. Die erste gedruckte Krmcija erschien im jahre 1650; da sich jedoch diese Ausgabe als fehlerhaft erwies, wurde eine neue Ausgabe im jahre 1653 angefertigt, welche allen folgenden Redaktionen als Vorbild diente. Die gedruckte Krmcija zerfallt in vier Teile. Der erste einleitende Teil enthiilt: I. Eine Abhandlung Uber die kirchliche Trennung zwischen dem Orient und Okzident; 2. Uber die Taufe der Russen; 3. Uber die Entstehung des Moskauer Patriarchats; 4. eine Abhandlung aus dem Syntagma des Blastares iiber die Bedeutung der Kanones; 5. und 6. die Geschichte aller von der orthodox-orientalischen Kirche anerkannten allgemeinen Konzilien und Partikular-Synoden; 7. beide Vorreden zum Nomokanon in XIV Titeln; 8. den kanonischen Teil dieses Nomokanon; 9. eine Obersicht dessen, was im folgenden Teile enthalten ist, und 10. eine Anmerkung iiber die gedruckte Ausgabe. Der zweite Teil umfaBt 41 Kapitel, welche (au6er Kap. 25 und 41) eine w6rtliche Obersetzung der von Aristenus kommentierten kanonischen Synopsis enthalten 7. Der dritte Teil enthiilt 29 aus verschiedenen Quellen stammende Kapitel ; zu den wichtigsten geh6rt das 42. Kapitel (in der fortlaufenden Ziihlung anknilpfend an die Kapitel des zweiten Teiles, oder das 1. Kapitel des dritten Teiles), welches die Collectio 87 capitulorum des johannes Scholasticus enthalt s; das 43. Kapitel umfaBt drei Novellen des Kaisers Alexius Comnenus 9; das 44. Kapitel bildet der die kirchlich-weltlichen Gesetze umfassende Teil des Nomokanon in XIV Titeln 1o; das 46. Kapitel bilden AuszUge a us
6 Diese Handschrift wird die "Rjazanskaja kormcaja" oder auch "josifofskaja kormcaja" genannt, wei! sie zur Zeit des Bischofs Joseph von Rjazan angefertigt wurde. Oberdies hestand auch in RuBiand die sogen. "Sofiskaja" Krmcija, in welcber der Text und die Obersetzung der Kanones mit jenem Texte und jener Obersetzung iibereinstimten, welcbe in der russischen Kirche gebraucbt wurden, ebe der Metropolit Cyrillus die serbische Krmcija von Svjatoslav erbielt. Siebe Pawlow, Pervonacalni Nomok. S. 76. 7 Siehe Anm. 8, . 43. Das 25. Kap. dieses Teiles der Krmcija enthlUt eine . Abbandlung Basilius d. Gr. iiber das Moncbtum; das 41. Kap. ein Scbreiben des Nilus an Heraclius iiber die BuBe. 8 Siebe S. 176. Im Originate der Krmcija, d. i. in der serbischen Krmcija, bildet diese Collectio das 45. Kap. 9 Das Original bei Zachariae a Lingenthal, Jus graec.-rom. III, 359. 376. 401. Siehe den Nomokanon XIII, 2 (Ath. Synt. I, 284); Ath. Synt. V, 284-286; Balsamon in dem Kommentare zu 85. Trull. Kanon (Ath. Synt II, 500). In der serbiscben Krmcija, 46. Kap. 10 Dies sind die sogen. xslp.awx im Atb. Synt. und in den anderen Ausgaben des Nomokanon. Siebe . 41. Nr. 2. In der serbischen Krml!ija, 47. Kap. 13 IIIJd, llrOlllll'..~l.

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I. Tell. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

der Ecloga des Kaisers Leo des Isauriers u ; das 48. Kapitel enthalt das Prochiron des Kaisers Basilius des Mazedoniers 12; das 49. die Ecloga Leos des Isauriers 1s; das 50. enthalt: a) eine Abhandlung tiber das Sakrament der Ehe, b) iiber die Verwandtschaftsgrade, c) iiber den Ehestand a; das 51 Kapitel enthalt das Synodal-Dekret des Sisinnius iiber die ungesetzlichen Ehen 15; das 52. Kapitel den Tom us unionis t6; das 53. die kanonischen Antworten des Patriarchen Nikolaus 17; das 54. die kanonischen Antworten des Nicetas ts; das 57. die Kanones des
11 Dies wird als eine siid-slavische Kompilation angesehen. Vergl. diesbeziiglich: Biener, De collect. canon. p. 68; Bogischich, Pisani zakoni na slavenskom jugu (Die geschriebenen Gesetze im slavischen Siiden). Agram 1872. I, 14-17; Paw low, Pervonacal. nomok. Priloz. V. S. 94-99; Oorcakow, 0 tajnje supruzestva, (Ober das Sakrament der Ehe). S. 152-153; Nevolin. Op. cit. VI, 424. Anm. 61. Siebe oben . 25, S. 128. u Siebe oben . 25, S. 12$. In der serbischen Krmcija, 55. Kap. 13 Siebe oben . 25, S. 127. Die Ecloga kommt in der serbischen Krmcija nicht vor. u Ober dieses wichtige, in der serbischen Krmcija nicht enthaltene Kapitel, wurde in Ru6Iand in Ietzter Zeit viel geschrieben und den verschiedensten Hypothesen iiber den Ursprung dieses Kapitels Raum gegeben. Die neueste diesbezfigIiche Arbeit ist die von Prof. Pawlow, unter dem Titel ,50-ja glava kormcej knigi (Das 50. Kapitel der Krmcija)", die unstreitig beste der von uns iiber das Eherecht der orientalischen Kirche durchstudierten Arbeiten. Die Resultate der Arbeit des Professors Pawlow lassen sich in Folgendem znsammenfassen: Die Quelle des ersten Teiles dieses Kapitels bildet das Rituale romanum, welches von Papst Paul V. herausgegeben wurde; die Obersetzung dieses Teiles aus dem Rituale hat unter Riicksichtnahme auf die Lehre der orthodox-orientalischen Kirche, der Kiewer Metropolit Peter Mogilas geliefert und denselben in sein ,Ritualbuch" aufgenommen, von wo er in die gedruckte ,Krmcija" iibertragen wurde. Die Quelle des zweiten, bezw. des zweiten und dritten Teiles dieses Kapitels, bildet die Schrift des Chartophylax des Patriarchats in Konstantinopel, Manuel, tiber die Verwandtschaftsgrade, welche ebenfalls von Mogilas iibersetzt und in sein ,Ritualbuch" aufgenommen wurde; von hier wurde diese Schrift in die Krmcija iibertragen. Da im diesem ganzen Kapitel der Krmcija nichts enthalten ist, was der Lehre der ortliodox-orientalischen Kirche beziiglich der Ehe zuwider ware, und dieses, sowie die iibrigen Kapitel der Krmcija, von der obersten russischen Kirchenbehiirde im XVII. jahrhundert angenommen und bestatigt wurden, sind auch die in diesen Kapitel enthaltenen Vorschriften, ohne Riicksicht auf die Quelle, welcher der erste Teil desselben Kapitels entspringt, bindend (Erwahntes Werk. S. 219 u. ff.). Vergl. die auf ebendieses Kapitel der Krmcija Bezug habende Arbeit des Professors Gorcakow, ,0 tajnje supruzestva (Ober das Sakrament der Ehe)". S. Petersburg 1880. Dieses Kapitel der gedruckten Krmcija ist in der serbischen Krmcija, wie bereits erwahnt, nicht enthalten. Doch existiert aus dem XVII. jahrhundert eine serbische Ubersetzung der Quelle des zweiten Teiles dieses Kapitels. Vergl. Zhishman, Eherecht. S. 50. 75-76; Safarik, Geschichte der serb. Literatur. II. Abteil., S. 220. Nr. 160. 15 Ath. Synt. 11-19; Leunclavius, jus graec.-roman. I, 197-203. In der serbischen Krmcija, 56. Kap. 16 Siehe oben . 23, Nr. 1. Serb. Krmcija, 59. Kap. 11 Siehe oben . 22, S. 112. Serb. Krmcija, 57. Kap. 18 Ath. Synt. v, 441-442; S.erb. Krmcija, 58. Kap.

. 45. Die slavischen Kanonen-Sammlungen.

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Nikephorus Confessor w, und das .58. die kanonischen Antworten des johannes von Citrus 2o. Der Epilog enthalt: l. Eine Anmerkung iiber den Namen der Krmcija, 2. die Schenkungsurkunde des Kaisers Konstantinus an Papst Sylvester :&I, und 3. eine Abhandlung iiber die Trennung der abendlandischen Kirche 22. Im Laufe der Zeit trat die aus RuBiand erhaltene Krmcija bei allen orthodox-orientalischen Slaven in Gebrauch. Dieselbe wird als offizielle Kanonen-Sammlung betrachtet. 3) Nach dem Untergange des serbischen Reiches, und solange aus RuBJand iiberhaupt kein gedrucktes Kirchenbuch und auch keine gedruckte Krmcija erhaltlich war, bediente man sich in der serbischen Kirche neben der Krmcija des heiligen Sawa, noch einer anderen SammIung in altserbischer Obersetzung, niimlich des alphabetischen Syntagma des Blastares. Das griechische Original dieses Syntagma stammt, wie erwahnt, aus dem jahre 1335, aus welchem jahrhundert auch eine serbische Obersetzung des Syntagma in einigen handschriftlichen Exemplaren erhalten ist :&s, woraus geschlossen werden kann, daB diese Sammlung in der kirchlichen Praxis der Serben beniitzt wurde. Viele handschriftlichen Exemplare derselben Sammlung aus den folgenden jahrhunderten liefern den Beweis, daB dieselbe auch spaterhin in Oebrauch stand ~4, wofiir auch der Umstand spricht, daB aus dieser Sammlung in der serbischen Kirche eine gekiir~te Sammlung angefertigt wurde, und daB von dieser letzteren gleichfalls einige handschriftliche Exemplare erhalten sind 2r.. Das Syntagma des Blastares in slavischer Obersetzung wurde neben anderen Kanonen-Sammlungen auch in der bu/garischen und russischen Kirche gebraucht 26
19 Siehe oben . 22, S. 111. "' Siehe oben . 24, Nr. 9. 21 Dies ist die bekannte Donatio Constantini, durch welche Kaiser Constantinus dem Papste Sylvester gleichsam ganz Italien geschenkt haben soli. Diese Drkunde befindet sich in den Pseudo- lsidorischen Dekretalen (Ausgabe Hinschius. 249-254). Siehe hieriiber Dollinger, Die Papst-Fabeln. Miinchen 1863. S. 61-186. 22 Diese Abhandlung, mag dieselbe vom wem immer sein, zeigt von einer argen Unkenntnis der Geschichte und von ziigelloser Leidenschaft des Autors bei Verfassung dieser Abhandlung, so daB die in den , Wiener jahrbiichern der Literatur" (XXIII, 266-273) diesbeziiglich enthaltenen Bemerkungen als vollkommen zutreffend angesehen werden miissen. 23 Siehe Safarik, Geschichte der serbischen Literatur. II. Abtheil., S. 216. Nr. 150; F. Florinski, Pamjatniki (Denkmaler). S. 308. "' Safarik, I. c. S. 217 u. ff. 25 T. Florinski, erwahntes Werk, S. 322 u. ff. Uber die Beziehung zwischen diesem gekiirzten Syntagma des Blastares und dem Gesetzbuche des Kaisers Duschan siehe in demselben Buche S. 440 u. ff. 26 Vergl. T. Florinski, erwahntes Werk, S. 308, wo die Handschriften dieses Syntagma der bulgarischen und russischen Redaktion erwahnt sind.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

4) Wie erw~hnt, sind in der Krmcija die Kanones in synoptischer Form angefiihrt, und auch die Obersetzung ist nicht in jeder Beziehung genau, so daB haufig zur Erklarung eines kanonischen Orundgedankens, zu dem griechischen Texte der Synopsis und ebenso zum vollen Texte der Kanones die Zuflucht genommen werden muBte. Zur Erleichterung dieser Arbeit wurde in RuBland in der ersten Halfte des XIX jahrhunderts mit Bewilligung der heiligen Synode, neben der Krmcija 21 eine neue Kanonen-Sammlung unter dem Titel ,Kniga pravil svjatih apostol, svjatih soborov vselenskih i pomjestnih i svjatih otcev (Buch der Kanones der heiligen Apostel, der heiligen allgemeinen und Partikular-Konzilien und der heiligen Vater)tt herausgegeben 2s. In diesem Buche sind die Kanones ihrem vollem Texte nach in kirchen-russischer Obersetzung enthalten, und wird parallel hiezu auch der der Obersetzung zugrundeliegende Originaltext angefUhrt29. Kommentare kommen nicht vor, sondern bei einzelnen Kanones sind hie und da kurze Notizen angefiihrt, welche nicht ganz klare Stellen der Kanones zu er!autern haben. Die Kniga pravil enthalt zunachst die dogmatischen Konstitutionen von fiinf allgemeinen Konzilien, sodann der Reihe nach: die Kanones der Apostel, der allgemeinen Konzilien, der zehn PartikularSynoden, sowie von dreizehn heiligen Vatern ; also dasjenige, was in der fundamentalen Kanonen-Sammlung des jahres 883 enthalten ist. Den SchluB des Buches bildet eine alphabetische Obersicht des lnhaltes. 5) Bei den orthodox-orientalischen Serben gilt die gedruckte Krmcija als offizielle Kanonen-Sammlung ao. Als Privat-Ausgabe besteht unser aus dem Oriechischen in Anlehnung an das Athenische Syntagma in die serbische Sprache iibersetzter ,Zbornik pravila svetih apostola,
Uber die Bedeutung der Krmcija in der heutigen Praxis der russischen Kirche, siehe zwei Artikel des Archimandriten johann, welche nach desscn Tode aus dem unvollendeten Werke ,Kurs cerkov. zakonovjedjenija" in Pravoslav. Obozr. (1875. II, 40 u. ff., 198 u. ff.) unter dem Titel ,Osnovanija rjesenij sv. sinoda po duhovnosudbenim djelam" und ,Obscija nacala, kotorimi rukovodstvuetsja sv. sinod v prilozeniji pravil drevnej cerkvi" (,Grundlage der Entscheidungen der heil. Synode in Angelegenheiten der geistlichen Gerichtsbarkeit" und ,Allgemeine Orundprinzipien, nach welchen die heil. Synode bei Anwendung der Kanones der alten Kirche vorgeht"), abgedruckt wurden. 28 In der Einleitung zu unserem ,Zbornik" (Seite C-CV; vergl. auch ,0 kan. zborn.". S. 57-62) wurde diese Sammlung mehr oder weniger ausfiihrlich beschrieben. 29 Die erste Ausgabe erschien im jahre 1839; vier Jahre spater, also im Jahre 1843, erschien eine zweite Ausgabe nur in kirchen-russischer Sprache, ohne griechischem Text. Die Ausgabe vom Jahre 1862 ist der ersten Ausgabe gleich. 30 In dem Systema consistoriale vom Jahre 1782 (siehe oben S. 143), u. zw. im . 10 des II. Abschnittes heiBt es: ,In applicatione factorum ad leges . . . . in futurum quoque pro norma deservient: .... 5, ipsum quoque Directorium com- _ muniter Kormcsia nominatum." .......... - .. ..... ~-

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. 45. Die rumanischen Kanonen-Sammlungen.

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vasionskih i pomjesnih sabora, i svetih otaca, koja su primljena pravoslavnom crkvom (Sammlung der Kanones der heiligen Apostel, der allgemeinen und Partikular-Konzilien, sowie der heiligen Vater, welche von der orthodox-orientalischen Kirche angenommen wurden)" st. In der zweiten Auflage dieser Sammlung folgt der Einleitung der Nomokanon in XIV Titeln (der kanonische Teil desselben), hieran reihen sich die Kanones der Apostel, der allgemeinen Konzilien, der zehn PartikularSynoden, sowie der dreizehn heiligen Vater; den SchluB bildet ein alphabetisches und analytisches Inhalts-Verzeichnis.

. 45.
Die rumanischen Kanonen-Sammlungen.

Durch die infolge der geographischen Lage notwendige Bertihrung der Rumanen mit den Griechen und Slaven, war bei ihnen sowohl die griechische als auch die slavische Sprache bekannt. Die ersten, das weltliche und Kirchenrecht betreffenden Gesetzbticher waren dieselben, welche bei den Griechen und Slaven gebraucht wurden. Ursprilnglich galten bei den Rumanen die griechischen Kanonen-Sammlungen, nach welchen das kirchliche Leben sowohl in der Moldau als auch in der Walachei geregelt wurde. Im XV. jahrhundert wurde das Syntagma des Blastares als offizielle Kanonen-Sammlung eingefiihrt, welches wir zur Zeit Stephanus des GroBen (1456-1504) in slavischer Obersetzung vorfinden. Dieses Syntagma stand bald in gekiirzter, bald in vollstandiger Form, neben anderen Kanonen-Sammlungen bis zur ersten Halfte des XVII. jahrhunderts bei den Rumanen im Gebrauche, zu welcher Zeit ein Zyklus in rumanischer Sprache abgefaBter Kanonen-Sammlungen zu erscheinen begann 1. 1) Die erste in rumanischer Sprache von einem gewissen Eustratius aus der Moldau im jahre 1632 angefertigte Kanonen-Sammlung, ist
Die erste Ausgabe erschien in Zara (1884), die zweite in Neusatz (1886). Uber die Oesetzsammlungen bei den Rumanen, siehe: C. Popovicii jun., Fontanele si Codicii dreptului bisericesc ortodox. p. 91-117; Wiener Jahrbiicher der Literatur. Bd. XXV, S. 158-167; Biener, De collect. can. p. 43-46; derselbe, Das kanonische Recht der griechischen Kirche (Kritische Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft und Oesetzgebung des Auslandes. XXVIII, 165); Dr. Neigebaur, Die Rechtsverwaltung in der Moldau und Walachei (Ibid. Bd. XX. Heft II, S. 39-52, Heft III, S. 71-78); ]. Papp-Szildgyi, Enchiridion juris ecclesiae orientalis catholicae. Ed. II. Magno-Varadini 1880. p. 38-63; Zachariae, Historiae jur. graeco-romani delineatio. p. 98-99; E. Golubinski, Kratky ocerk istoriji prav. cerkvej bolgarskoj, serbskoj i ruminskoj (Kurzer Oberblick der Oeschichte der orth.-orient., bulgarischen, serbischen und rumanischen Kirch e). Moskau 1871. S. 359-360; unser ,Zbornik", Einleitung. S. CXl-CXlX (,0 kanon. zbornik'" S. 68-76); Heimbach, Griech.-rom. Recht. (Ed. cit. 87, 53-57).
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. 45.

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l. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

eine Obersetzung eines der vielen Exemplare des Nomokanon des Manuel Malaxos 2. 2) Einige jahre spater (1640) wurde im Kloster Oovora eine neue Sammlung unter dem Titel ,Pravila mica" gedrucktB. Diese Sammlung fiihrte diese Bezeichnung zum Unterschiede von einer anderen Sammlung (Indreptarea), welche den Titel ,Pravila cea mare" fiihrt. Sie ist ffir die Beichtvater bestimmt, enthallt 159 Kapitel, und beruht auf dem sogenannten Nomokanon des Cotelerius 4, welcher von einem Unbekannten umgearbeitet und in das Slavische tibersetzt worden sein muBte, worauf dann in der Walachei vom Hegumenos Michael Moxalios eine rumanische Obersetzung angefertigt und diese Sammlung, wie oben erwahnt, im jahre 1640 im Kloster Oovora gedruckt wurde 5. 3) Neben dieser Sammlung wurde im jahre 1652 zu Tergowischt, mit Bewilligung des damaligen ungro-walachischen Metropoliten Stephanus eine zweite rumanische Kanonen-Sammlung herausgegeben, welche von einem pannonischen Monche, Daniel, unter Mithilfe zweier Daskalen aus Chios, namlich Ignatius Petritzi und Panteleimon Ligaridi, nach einem, bei einem gewissen Georgi us Caridi del a Trikis bewahrten Exemplare aus dem Oriechischen Ubersetzt wurde. Diese Sammlung fiihrt den Titel ,Pravila cea mare" zum Unterschiede von ,Pravila midi"; sonst wird diese Sammlung ,lndreptarea legii" genannt 10 Nach der beztiglichen Einleitung zerfallt die Sammlung in zwei Teile. Der erste Teil ist in 417 Kapitel abgeteilt und ist aus zwei voneinander verschiedenen Sammlungen gebildet, namlich aus dem Nomokanon des Manuel Malaxos und aus der Sammlung des Basilus Lupul unter dem Titel: ,Pravilele imperatesci". Ober den Nomokanon des Malaxos war bereits die Rede 7. Die zweite Sammlung wurde im jahre 1646 in der Moldau herausgegeben und enthalt die Oesetze der griechisch-romischen Kaiser, welche auf den Feldbau, das Strafrecht und ahnliches Bezug haben s. Aus der ersten der erwahnten Sammlungen wurden in die
2 Der Titel dieser Sammlung Iautet: ,Pravila aleasii, scoasii, si tocmitii, si dintru multe sfinte scripture cercatii si gasitii . . . . " Cf. Popovicii. Op. cit. p. 94-95. 3 Popovicii. Op. cit. p. 104. Ober den Nomokanon des Cotelerius, siehe Zachariae a Lingenthal, Die Handbiicher des geistlichen Rechts. S. 23-24. 5 Popovicii 0. c. p. 104. 6 Siehe in meiner Kanonensammlung. S. CXIII. 7 Siebe . 43. 8 Diese Sammlung wurde von dem moldauischen Fiirsten Lupul angefertigt; nach einer am SchluBe der Sammlung befindlichen Anmerkung wurde sic von demselben Eustratius iibersetzt, welcher die erste rumanische Kanonen-Sammlung anfertigte. Die Sammlung des Lupul war eine Sammlung nach Art der ,Knigi zakonnija". iiber welche Professor A. Paw/ow (S. Petersburg 1885) eine gelehrte Abhandlung schrieb; denn wir finden unter anderen in dieser Sammlung, ebenso wie in den ,Knigi zakonnija", sowohl den N611oc; ;srop"(t'X.6c; als auch IJspt 'ltotvrov.

. 45. Die rum!inischen kanonischen-Sammlungen.

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lndreptarea 314 Kapitel, aus der zweiten aile, namlich 103 Kapitel, aufgenommen, so daB der erste Teil der Indreptarea insgesamt aus 417 Kapiteln gebildet wird. Dieser Teil erortert verschiedene Gegenstande, sowohl kanonische als auch auf den Glauben Bezug habende, solche gottesdienstlicher und sozialer Natur etc. Der zweite einen besonderen Titel fiihrende Teil enthalt in gekilrzter Form die kanonische Synopsis mit dem Kommentar des Aristenus 9 Dieser Synopsis folgt eine den Titel ,Theologia" filhrende Abhandlung mit 54 Fragen und Antworten des Anastasius Sinaita aus dem VII. Jahrhundert 10 Da diese Sammlung (Indreptarea) mit Genehmigung der kompetenten kirchlichen Obrigkeit erlassen wurde, ist dieselbe di.e offiziele Kanonen-Sammlung fur die orthodox-orientalische rnmanische Kirche. Eine lateinische Obersetzung erschien von Peter Dobra im Jahre 1722. Vor einigen Jahren wurde zu Bukarest der erste Teil dieser Sammlung in lateinischer Schrift gedruckt u. 4) Aus der lndreptarea und der allgemeinen fundamentalen Kanonen-Sammlung wurde im jahre 1853 von dem walachischen Metropoliten Niphon eine besondere Kanonen-Sammlung angefertigt, welche heute dort allgemein angewendet wird 12. 5) Neben der Indreptarea wird in der kirchlichen Praxis der rumanischen Kirche auch das griechische Pedalion gebraucht, und zwar entweder in der im jahre 1844 veranstalteten Obersetzung, 13 oder in der im jahre 1871 von dem Metropoliten Schaguna angefertigten Ausgabe 14.
9 Welche Kanones der Synopsis in der lndreptarea enthalten sind, und welche nicht, haben wir im . 22 dieses Buches (S. 83 u. ff.) angefiihrt. 10 Siebe "Anastasiana" in Pitra, jur. eccles. hist. et monum. II, 238 u. ff. und insbesondere 243. Nr. 2. 11 Die Obersetzung des Dobra fiihrt nachstehenden Titel: ,Regula legis divinae voluntati accomodata, continens jam canonica et imperatoria pro causis status tam ecclesiastici quam secularis." Popovicii. 0. c. p. 115. Ober die Bukarester Ausgabe, lb. 1 ~ ,Manualu de pravila bisericeasca. Dies ist eine systematische Sammlung in 6 Kapiteln, von welchen die vier letzten tiber die Ehe handeln. t:l Diese Obersetzung wurde nach der ersten Ausgabe (1800) des Pedalion durch den Moldauer Metropoliten Benjamin Kostaki angefertigt, durch den gelehrten Protosynkellos Neopl!ytus Skriban einer Verbesserung unterzogen und im Kloster Niams in Druck gelegt. Popovicii. Op. cit. p. 116. u Diese Ausgabe ist eine kurze Umarbeitung des Pedalion in rumiinischer Sprache unter dem Titel ,Enchiridionu adeca carte manuala de canone . . . . cu comentarie"; sie enthiilt zuerst den Text der Kanones und unter jedem Kanon einen kiirzeren oder eingehenderen Kommentar, groBtentheils subjektiven, manchmal ganz arbitr!iren Charakters. Popovicii. Op. cit. p. 117. Dieselbe Bemerkung iiber diese Arbeit Schagunas enthiilt auch Vering, Kirchenrecht. II. Auf!. S, 54. Siebe . 43, Anmerknng 37.

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I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

. 46.

Werke der Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.


An der Spitze aller Werke der Quellen und Sammlungen des kanonischen Rechts der orthodox-orientalischen Kirche ist die von der Patriarchai-Synode zu Konstantinopel, sowie von den obersten Gewalten der anderen bedeutenderen autokephalen Kirchen genehmigte, und sonach fUr alle eine bedingungslose Autoritat genieBende Sammlung zu erwahnen, namlich das
l:oVtll"(tJ.IX t'IDV &s(rov 'X.IXl tspmv 'X.Il\16V<OV t'IDV t' ci.jt<OV 'X.IXl 1tiXVt>~fJtJ.<OV cX1tOO't6AroV 'X.IXt t'IDV tspmV Ol'X.OtJ.Vt'X.roV 'X.IXt t'01tt'X.IDV aov6aow 'X.Ilt 'tmV 'X.IXta tJ.po~ ci.j(rov 1tllteprov, S-x.ao&sv, aov 1tA!(Ot1Xl~ aAAIXt~ 't"~V S'X.'X.A't)OtiXO'tt'X.-fJV 'X.IXtciat'IXOlV 8t'itOOOrJ.t~ ala'tci~sat, !J.Sta t'IDV &pxa.trov S~'t)"('t)'t'IDV xa.t aw.~6prov cXVCl"(V<OOIJ.clt'<OV O'itO A. p &.A.A. 'f) 'X.IXt M. 6t'). YJ, erxp(ast 'tij~ arEa~ 'X.IXl tJ.E"(ciAYJ~ t'OU Xptato6 bxkr;a(a.<;. Dieses Syntagma wurde in Athen in den Jahren 1852-1859 in

r.

sechs Banden von dem Pr:lsidenten des Kassationshofes in Athen, Rhallis, und dem Professor an der dortigen Universit:lt, Potlis, herausgegeben. Der I. Band enthalt den Nomokanon in XIV Titeln mit den Scholien des Balsamon. Der II. Band enthalt die Kanones der Apostel, der allgemeinen Konzilien und der heiden letzten Partikular-Synoden im vollen Texte mit dem Kommentare des Zonaras und Balsamon, sowie den synoptischen Text der Kanones mit dem Kommentare des Aristenus. lm Ill. Bande folgen die Kanones der iibrigen PartikularSynoden in derselben Weise wie im zweiten Bande. Der IV. Band enthalt die Kanones der heiligen Vater mit dem Texte und den Kommentaren wie im zweiten und dritten Bande, sodann jene Kanones, welche zwar auf den allgemeinen Kirchenversammlungen nicht formell bestatigt wurden, die aber doch von der Kirche als allgemein bindend anerkannt werden; ferner die kanonischen Antworten Balsamons, acht kanonische Abhandlungen desselben, vier Abhandlungen tiber die Fasten, und endlich zwei kanonische Abhandlungen des Zonaras. Der V. Band enthalt kanonische Verordnungen der Patriarchal-Synoden vom Jahre 911 bis 1835, die Gesetze der byzantinischen Kaiser, von Justinian his Andronicus (1226), einige kanonische Abhandlungen Uber verschiedene Fragen, ein Verzeichnis der Episkopalstiihle in der orthodox-orientalischen Kirche eine Abhandlung uber die kirchlichen Dignit:lten, Muster von Urkunden bei Einsetzung in kirchliche Amter, zwei Gesetze iiber die Kirche im K6nigreiche Griechenland, und zwei kanonische Verordnungen der Patriarchal-Synode zu Konstantinopel vom jahre 1757 und 1850. Der VI. Band enthalt das Syntagma des Blastares.

. 46. Werke der Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

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Das Athenische Syntagma ist das beste und zweckmaBigste Werk, welches bisher iiber die Quellen des griechisch-orientalischen Kirchenrechts erschien 1 Dasselbe hat einen streng wissenschaftlichen Charakter und legt in kritischer Form alles dasjenige dar, wodurch man sich einen klaren Begriff iiber die Entstehung und Entwicklung des kanonischen Rechts der orthodox-orientalischen Kirche bilden kann. Dieses Syntagma beschrankt sich seinem Charakter nach nicht auf eine Partikularkirche, sondern dasselbe ist, wie Biener richtig bemerkt, mit Riicksicht auf seinen lnhalt, fiir die gesamte orthodox-orientalische Kirche von Bedeutung, und vom Standpunkte der Vollstandigkeit und kritischen Beurteilung auch fiir die gesamte christliche Welt. Nach Anflihrung dieses bedeutenden Werkes wollen wir im Nachstehenden die Obrigen wichtigeren Werke der Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts in chronologischer Reihenfolge anfiihren: 1) SS. Apostolorum et SS. Conciliorum canones. Dieses Werk hat der Bischof in St. Brieux, johannes de Tillet, Paris 1540, verfaBt 2. 2) Too &.vu.toAl'X.Oo vop,tp,oo ~l~Atct. f. Juris orientalis libri III ab Enimundo Bonejidio ]. C. digesti ac notis illustrati et nunc primum in lucem editi cum latina interpretatione anno 1573. Paris s. 3) juris graeco-romani tam canonici quam civilis tomi duo, johannis Leunclavii Amelburni v. cl. studio ex variis Europae Asiaeque bibliothecis eruti, latineque redditi. Francofurti 1596 4.
. 46. 1 Siehe die Kritiken fiber dieses Werk von den ersten Kennern unseres Rechts im Abendlande: Biener (Kritische Zeitschrift fiir Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes. XXVlll, 163-206) und Kardinal Pitra, welch letzterer bezfiglich dieses W erkes eine besondere Schrift im Drucke erschienen lieB unter dem Titel ,Des canons et des collections canoniques de I' eglise greque, d' apres I' edition de M. G. A. Rhalli" (Paris 1858). Vergl. Zhishman, Eherecht. S. 31-32, und auch unseren ,Zbornik", Einleitung. S. CXX-CXXIII. 2 Ober dieses Werk und fiber den Bischof De Tillet, siehe l?itra, Des canons. p. 5-7. Dasselbe enthalt die apostolischen Kanones und die Kanones von dreizehn Kirchenversammlungen, im griechischen Originale, und wurde dann in das Lateinische fibersetzt von Gentianus Hervet, (Paris 1561) unter gleichzeitiger Beiffigung einer Obersetzung des Nomokanon in XIV Titeln, des Kommentars Balsamons und der kanonischen Sendschreiben der heiligen Vater. Einige jahre spater wurde eine neue durch den Kommentar des Zonaras vervollstandigte Ausgabe dieses Werkes angegefertigt. Gedruckt Mediolani 1613. 3 Der erste Band enthalt die Gesetze der griechisch-romischen Kaiser, der zweite die Verordnungen der Patriarchal-Synode zu Konstantinopel, der dritte die Sendschreiben der Patriarchen von Konstantinopel. Ober die geringe Bedeutung dieses W erkes vergl. Zhishman, Eherecht. S. 29-30. Der erste Band enthalt die kanonische Sammlung des Harmenopulos, die Gesetze der griechisch-romischen Kaiser in kirchlichen Angelegenheiten, Verordnungen der Patriarchal-Synode zu Konstantinopel, kanonische Abhandlungen anerkannter Kanonisten der orientalischen Kirche, zwei Kapitel fiber die Ehe aus dem Syntagma 131

202

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

4) Canones SS. Apostolorum et SS. Conciliorum cum commentariis johannis Zonarae nunc primum graece et latine conjunctim editi ... Studio et Iabore johannis Quintini Hedui. Lutet. Parisiorum 1618 5 5) Bibliotheca juris canonici veteris in duos tomos distributa, quorum unus canonum ecclesiasticorum codices antiquos, tum graecos, tum Iatinos complectitur, subjunctis vetustissimis eorumdem canonum collectoribus latinis; alter vero insigniores juris canonici veteris collectores graecos exibet. . . . Opera et studio Guilielmi Voel/i et Henrici justelli. Lutet. Paris 1661 G. 6) Ecclesiae graecae monumenta ediditjohannes Baptista Cotelerius. Lutet. Paris 1677-1686. In drei Banden, welchen im Jahre 1692 der vierte Band unter dem Titel ,Analecta graeca" von den Maurinern hinzugefiigt wurde 7. 7) Synodikon sive Pandectae canonum SS. Apostolorum et Conciliorum ab ecclesia graeca receptorum, nee non canonicarum SS. Patrum epistolarum: una cum scholiis antiquorum singulis eorum annexis et scriptis aliis hue spectantibus ... Totum opus in duos tomos divisum Guilielmus Beveregius, ecclesiae anglicanae presbyter, recensuit, prolegomenis munivit et annotationibus auxit. Oxonii 1672 s.
des Blastares, das Gesetz Justinians iiber den rechten Glauben und eine Abhandlung des Harmenopulos, religiosen Inhaltes; der zweite Band enthiilt Abhandlungen iiber das jus civile Graecorum. 5 Ober diesen Quintinus siehe Doujat, Praenot. canonic. lib. V. cap. 8. Ed. cit. p. 454. '; Der I. Band enthalt: 1. Codex canonum ecclesiae universae, 2. Codex canonum ecclesiae Dionysii Exigui, 3. Collectio decretorum pontificum rom. Dionysii Exigui, 4. Altera collectio decretorum, 5 Prisca canonum editio latina, 6. Codex canonum ecclesiae africanae, 7. Breviatio canonum Fulgentii Ferrandi, 8. Breviarium canonicum Crisconii, 9. Collectio can. Martini Bracarensis. Im II. Ban de ist enthalten: I. Collectio can. Joannis Scolastici, 2. Nomocanon Joannis Scolastici, 3. Synopsis can. Alexii Aristini, 4. Epitome can. Simeonis Magistri, 5. Synopsis can. Arsenii monachi, 6. Nomocanon Photii, 7. Collectio tripartita Theodori Balsamonis. Dies ist der Hauptinhalt dieser Bibliotheca. So reichhaltig auch das kanonische Material in derselben ist, ebenso zahlreich begegnet man Irrtiimern in der Kritik, so daB diese Ausgabe in der Wissenschaft nur sehr vorsichtig gebraucht werden kann. Siehe z. B. tiber diese Ausgabe, Spittler, Geschichte des kanon. Rechts. S. 95 u. ff., und Zhishman, Eherecht S. 30. 7 In diesem Werke ist ein Teil kanonischer Denkmaler enthalten, welche iibrigens vollstandiger und genauer in anderen Werken vorkommen. 8 Die AuBerung Pitra's (Des canons. pag. 15) tiber dieses Werk, "splendide ouvrage", ist vollkommen zutreffend. Dies ist die beste, vollstandigste und kritischeste Arbeit, welche bis zum Athenischen Syntagma erschienen ist. Diesem Werke folgend, sind der Hauptsache nach auch die spateren W erke angefertigt, selbst das Athenische Syntagma nicht ausgenommen, welches jedes Wort mit dem Texte des Synodikon vergleicht. Das Synodikon enthalt die Kanones der Apostel, der allgemeinen Konzilien und der Partikular-Synoden, sowie der dreizehn heiligen Vater

. 46. Werke der Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

203

8) C. E. Zachariae a Lingentlzal, jus graeco-romanum: Pars I. Practica ex acits Eustathii romani; Pars II. Synopsis minor, et Ectoga legum in epitome expositarum; Pars III. Novellae constitutiones imperatorum post Justinianum quae supersunt collatae et ordine chronologico digestae; Pars IV. Ecloga privata aucta, Ecloga ad Prochiron mutata et Epanagoge au eta; Pars V. Synopsis Basilicorum; Pars VI. Prochiron auctum. Lipsiae 1856-18779. 9) Patrotogiae curs us completus .... Accurante P. ]. Migne. Series graeca. Tom. CIVet CXXXVII (Patrologiae graecae, latine tantum editae. Tom. LIV et LXVIII) 1o. 10) juris ecclesiasticii graecorum historia et monumenta jussu Pii IX Pont. Max., curante I. B. Pitra S. R. E. Card. Romae. Tom. I, 1864. Tom. II, 186811. 11) Pravila svjatih apostol, svjatih soborov, vselenskih i pomjestnih i svjatih otec s tolkovanijami (Kanones der heiligen Apostel, der
und zwar vorerst den vollen griechischen Text der Kanones und parallel hiezu den lateinischen mit den Kommentaren Balsamo us und Zonaras', sodann den gektirzten Text mit dem Kommentare des Aristenus. Dies ist der Inhalt des ersten Bandes und der ersten 188 Seiten des zweiten Bandes. Hierauf folgt eine Synopsis kanonischer Sendschreiben mit einer besonderen Paginierung, sodann die SynodaiAntworten des Patriarchen Nikolaus von Konstantinopel (siehe oben , 22, S. 112) mit dem Kommentare Balsamons; weiter, gleichfalls in besonderer PaginiQrung, das vollstiindige Syntagma des Blastares im griechischen Originate und in lateinischer Obersetzung, und endlich die Konzilien-Akte, anlaBlich des zwischen der orientalischen und abendllindischen Kirche, unter dem Patriarchen Photius und dem Papste johannes gefestigten Friedens. Den Schlu6 bildet ein alphabetisches lnhaltsverzeichnis beider Bande, mit gelehrten Anmerkungen des Beveregius selbst, sowohl rticksichtlich der Kanones, als auch der Kommentare zu denselben. Diese Anmerkungen sind von unerme61ichem Nutzen fiir das Verstlindnis, nicht nur des Sinnes, sondern auch des Geistes des kanonischen Rechts der orthodox-orientalischen Kirche. 9 In diesem Werke sind die gesetzlichen Vorschriften des griech.-rom. Rechts in kirchlichen Fragen am vollstlindigsten enthalten. Ftir das grtindliche Verstlindnis dieses Rechts und der Bedeutung, welche dasselbe filr das orthodox-orientalische Kirchenrecht hat, ist noch ein anderes Werk von Wichtigkeit, niimlich: Basilicorum libri LX. Post Annibalis Fabroti curas ope codd. mss. a Gustavo Ernesto Heimbachio aliisque collatorum integriores cum scholiis edidit, editos denuo recensuit, deperditos rcstituit, translationem latinam et adnotationem criticam adjecit D. Carolus Guilielmus Ern. Heimbach, antecessor jenensis Tom. I-V (Lipsiae 1833-56), Tom. VI (Lipsiae 1870): Prolegomena et Manuale Basilicorum continens. '" Dieses Wetk muB als nicht gelungen bezeichnet werden. Siehe, was unter anderen J. Hergenrother in der Zeitschrift ,Bonner Theolog. Lit.-BI." 1867. Nr. 10 und 13, tiber dieses Werk, und insbesondere tiber den Nomokanon in XIV Titeln und die betreffende Kanonen-Sammlung in seinem Werke ,Photius". Ill, 109, sagt. 11 Der erste Band enthalt die Geschichte des Kirchenrechts und die RechtsDenkmaler bis zum VI. jahrhundert; der zweite Band umfa6t zuerst kanonische Verordnungen und sodann die Sammlungen vom VI. bis zum IX. jahrhundert. Siehe iiber dieses Werk die Darlegung Hergenrathers im Archiv fiir katholisches Kirchenrecht. Bd. XXlll, S. 185-227.

204

I. Teil. Die Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts.

heiligen allgemeinen und Partikular-Konzilien und der heiligen V~ter, samt Kommentaren). Moskau 1876 u. ff. 12. 12) Pravila pravoslavne crkve s tumacenjima (die Kanones der orth. Kirche mit Kommentaren) in zwei Band en; meine Arbeit. Neusatz 1895. 1896. AuBer den erwahnten sind noch zwei neuere Werke, in welchen namentlich die Verordnungen der Patriarchal-Synode von Konstantinopel enthalten sind, von Wichtigkeit, namlich : 1) Acta et diplomata graeca medii aevi sacra et profana collecta ediderunt: Franc. Miklosiclz et jos. Milller. Vol. I. et II. (Vindobonae 1860. 1862): Acta patriarcatus constantinopolitani. Vol. IV. et V. (Vindobonae 1871. 1887): Acta et diplomata monasteriorum et ecclesiarum Orientis. 2) Ka..YOYt~a.t ata:t&.eatt;, S'l'ClO'tOAcx1, AOOBlt;, -3-eO'l'ClOIJ-CX.'tCX. 'tOW tX'jlCOt!itm'\1 'l'Cd.tptcx.pxrov KoYO'tCX.'\Itl'\IOO'l'C6ABrot; a'l'CO fp"'J'jOptou to6 8eO'jOAOU tJ.EXPt Atovucr(ou toO a'l'CO 'Aapw.YOU'l'C6ABOOt; E'l'ClO'tCJ..Olq. Ma..v oufJ'A 'lro. raaarov. Konstantinopel 1888-1890.
12 Enthlilt in drei Biinden aile in der ,Kniga pravil" aufgenommenen Kanones, und zwar vorerst den Text der Kanones im griechischen Originale und in slavischrussischer Obersetzung, sodann die Kommentare des Zonaras, des Aristenus (namlich den synoptischen Text der Kanones und den Kommentar des Aristenus) und Balsamons; weiters den Text der Kanones nach der gedruckten Krmcija und den Kommentar zu den Kanones nach dem Texte der Krmcija, sowie (stellenweise) den Kommentar zur ,Kniga pravil". Siehe die Kritik fiber dieses Werk von A. Paw/ow (im ,Prav. Obozr.") unter dem Titel: ,0 novom perevodje tolkovanij na cerkovnija pravila (Ober die neue Obersetzung der ErkUlrungen zu den kirchlichen Kanones)".

II. Teil.
Die Verfassung der Kirche.
. 47.
Allgemeine Ubersicht.
Die Grundlage der Verfassung d_er Kirche hat der Stifter derselben selbst gelegt. Auf dieser Grundlage haben die Apostel zuerst eine christliche Gemeinde in Jerusalem und hierauf in jenen Gegenden gegrilndet, wohin dieselben kamen, urn das Christentum zu lehren. Die M.uBere Lage der Kirche in den ersten drei Jahrhunderten gestattete jedoch nicht, daB diese in jeder Beziehung so eingerichtet werde, wie dies ihre Stellung und Aufgabe erheischte. Erst als sie die auBere Freiheit erlangte und ihr der Schutz der griechisch-romischen Staatsgewalt zuteil wurde, konnte sich die Kirche ganz ihrer inneren Verfassung widmen, welche nun auch definitiv festgesetzt wurde. Nach dieser Verfassung ist der Organismus der Kirche aus verschiedenen Gliedern gebildet, welche untereinander in bestimmten Beziehungen stehen und gemeinsam zur Erreichung des der Kirche vorgezeichneten Zweckes wirken miissen. Zur Erhaltung dieser Verfassung nach dem vom Stifter der Kirche vorgezeichneten Plane, besteht eine besondere Kirchengewalt, welche die Hierarchic, unter mittelbarer oder unmittelbarer Mitwirkung der Glaubigen, nach genau festgesetzten Normen auszuiiben berufen ist. Eine vollstandige Obersicht der kirchlichen Verfassung zu geben, ist Aufgabe des zweiten Teiles dieses Buches; daher wird in diesem Teile gehandelt: 1) Ober die allgemeinen Grundziige der Verfassung, die Zusammensetzung des kirchlichen Organismus und iiber die Kirchengewalt; 2) iiber die Hierarchic, den Eintritt in diesel be und iiber ihre Organisation, und endlich 3) iiber die Organe der Kirchengewalt in den verschiedenen Abstufungen.

206

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Erster Abschnitt.
Die allgemefnen Grundziige der kircbUchen Verfassung.

Erstes Kapitel.
Uber die Kirche im allgemeinen.
. 48.
BegrifJ und Griindung der Kirche.

Die Kirche ist nach der Definition des groBen Katechismus ,die von Gott gestiftete Gemeinschaft von Menschen, welche untereinander durch den Glauben, das gottliche Gesetz, die Hierarchic und die Sakramente verbunden sind" 1 Die Kirche stiftete jesus Christus selbst, als er auf Erden kam, urn die Menschheit zu er!Osen. Christus hat die Lehre geoffenbart, welche jeder annehmen und bekennen muB, der ein Mitglied der Kirche zu werden wiinscht; hat die Sakramente eingesetzt als sichtbare Zeichen, durch welche den Glliubigen die himmlischen Gnaden gespendet werden sollen, damit dieselben im Outen auszuharren vermogen; hat die Gesetze vorgezeichnet, welche aile Glieder der Kirche bewahren und achten miissen, auf daB die eingesetzte Ordnung in der Kirche erhalten und der Zweck derselben erreicht werde, und hat endlich die Hierarchic bestellt, der die Aufgabe zufallt, unter Mitwirkung der G!aubigen die Kirche zu verwalten. Die feierliche Grilndung der Kirche vollzog Christus am Kreuze; denn am Kreuze hat Christus den Menschen erlost und ihn mit Gott vereinigt, am Kreuze
~. 48. 1 Prostr. hristianski katihizis (GroBer christlicher Katechismus). LX. Ausg. Yom 9. Art. S. 46. Die slavische Bezeichnung ,cerkov" (und ebenso die Bez:eichnung bei den germanischen Volkern) enstand aus To KI)(Jt'7.X6v, Haus des Herrn. Aus diesem engeren Sinne hat sich dann der weitere Sinn gebildet. In der heil. Schrift wird die Kirche 'ExxA-r, okt. genannt (Math. 16, 18. 18, 17; Apostelgesch. 9, 31. 13, 1. 20, 28; I. Kor. 10, 32. 12, 28. 14, 23; Ephes. I, 22. 23. 3, 10. 5, 23. 25. 27. 29. 32 ; Koloss. 1, 18 ; Gal. I. 13 u. a.), cine Bezeichnung, die dem Wesen der Kirche, welche die Gemeinschaft der von Gott Berufenen (von x'l.'1.Aioo) ist, besser entspricht. IJtGtO~ 0 ('<lzo:;, Ot' 00 hx/:fr&YftE El~ MtV(tlVt'1.'1 tO) IJlO'J w'hoo ' fr,oofl Xptcrtoo too Kl)p[ou ~p.<ilv schreibt Apostel Paulus an die Korinther (1. Kor. 1, 9). Cyrillus von jerusalem definiert in der 18. Katechesis das Wort 7t6.vt'1.~ sxM).s~aiht x'1.: folgendermaBen: 'Exxl.1JOt'1. xo:I.Ett'1.t 'fiept~w6p.oo~, 0ttX 6p.o() ouvb.rst'l. Vergleiche iiber den Begriff der Kirche den Kommentar des Zonaras zum 6. Kanon der Synode von Gangra, in welchem er sich auf !sidorus Pelusiotus beruft; dieser definiert in seinem 246. Sendschreiben die Kirche folgendermaBen: tO Ci{)opotop.tx tW\1 &jtWI, tO s~ op&i)~ 'ltt'JtZtl)~ 'I(.IX1 'lto),ttEt'1.~ .XptOtYJ<; 'J'l'('l.ii'X.pO-

ro

t'fjfLEY0\11 E'I.XAYJOt(X eotl.

. 49. Das Oberhaupt der Kirche.

207

mit dem eigenen Blute seine Kirche erworben 2. Als Christus nach seiner Auferstehung noch durch 40 Tage auf Erden weilte, erkHirte Er seinen treuen Aposteln ihren erhabenen Beruf, und indem Er sie mit der Macht austattete, zu binden und zu lOsen s, sandte Er sie zu allen VOlkern urn seine Lehre zu verkiinden, dieselben durch die Taufe in sein Reich einzufiihren, sie zu lehren, daran festzuhalten, was Christus ihnen geboten hat, beifiigend, daB Er stets und fUr aile Zeiten mit ihnen sein werde 4. Hi emit war die Kirche gegriindet und wurde zu einem sichtbaren Organism us, der fiir aile Zeiten zu bestehen hat&.

. 49.
Das Oberhaupt der Kirche.

Nachdem Christus die Kirche auf Erden gestiftet hatte, raumte Er allen seinen Apostel die gleiche Gewalt in derselben ein, 1 behielt aber fUr sich die oberste Leitung der Kirche und nannte sich selbst das Oberhaupt der Hirten und den einzigen obersten Hirten 2 Als unter seinen Aposteln die Frage rege wurde, wem unter ihnen der Altersvorrang gebiihre, verurteilte Christus schon den bloBen Gedanken hieran 3 und sagte, da6 Er das alleinige Oberhaupt seines segenspendenden Reiches, seiner Kirche, sei, 4 und nur dann mit den Aposteln sein werde, wenn sie in Gemeinschaft Ieben und gemeinschaftlich, unter Gleich2

Luk. 24, 46-48; Math. 18, 17; Apostelgesch. 20, 28.

a johannes. 20, 21-23.

' Math. 28, 16-20; Mark. 16, 14-18. ' Das orthodoxe Glaubensbekenntnis lehrt iiber die Griindung der Kirche Folgendes: ,Es gibt keine andere Grundlage der Kirche auBer Christus selbst, nach dem Apostel, der da sagt: denn einen anderen Grund kann niemand legen, als er gelegt ist, und dieser ist jesus Christus). Wenn sich auch die Apostel und Propheten hie und da die Grunder des Glaubens und der Kirche nennen, wie Johannes, welcher sagt, daB die groBe Stadt Jerusalem mit einer Mauer versehen war, welche auf den zwolf Aposteln des Lammes ruhte, und Paulus den Ausdruck gebraucht: "auf der Grundlage der Apostel und Propheten", so ist dies dahin zu verstehen, daB die Propheten und Apostel nicht wahrhaft die urspriinglichen GrUnder des Glaubens sind, denn Christus allein ist es; sondem daB sie erst in zweiter Linie als solche angesehen werden ki:innen, weil dieselben unmittelbar und als die Nlichsten die segenbringende Lehre unseres Herrn jesus Christus in sich aufgenommen haben, und die ersten waren, welche den christlichen Glauben auf der ganzen Welt zu verbreiten begonnen haben. Denn Christus hat die Kirche nicht auf den Menschen, sondern auf sich selbst und auf seiner gottlichen Lehre auf gebaut." 1. Teil, 85. Antwort. . 49. 1 Math. 18, 17-20. 28, 19. 20; Johannes. 20, 21. 22. 2 johannes. 10, 14. 16. 3 Math. 20, 22-27. 23. 8-12; Mark. 9, 34. 35. 10, 42-45; I. Petr. 5, 2-4. ' Johannes. 18, 36; I. Petr. 5, 4; Hebr. 13, 20.

208

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

stellung der Gewalt untereinander, in der Kirche t1itig sein werden 5, Geradeso wie unter den Aposteln kein Vorrang in der Gewalt hestand und auch nicht bestehen konnte, ebensowenig besteht ein solcher Vorrang unter den Nachfolgern der Apostel, den Bis-chofen, und kann auch nicht bestehen; denn sie alle haben die gleiche Gewalt und WUrde 6, welcpen Biscbofssitz der eine oder der andere von ihnen auch einnehmen mag 7. Die Kirche ist ein geistliches Reich, und als solches karrn _dieselbe nur ein geistliches Oberhaupt, welchem die FUlle der Regierungsgewalt zukommt, besitzen; daher mu6 die sichtbare Regierung unter geistliche Leiter in verschiedenen Orten der christlichen Welt verteilt sein s. ,Der Mann ist des Weibes Haupt, sowie Christus das Haupt der Kirche ist", hei6t es in der heiligen Schrift 9, und weiter: ,Indem er ibm Alles unter die FUBe gelegt, und ibn zum Haupte Uber die ganze Kirche gesetzt hat, welche sein Leib ist, die ErfUllung dessen, der Alles in Allem vollendet" 1o; ,er ist auch das Haupt des Leibes der Kirche .- Er ist der Anfang, der Erstgeborne aus den Todten, damit er in Allem der Erste sei" u. Die Apostelgeschichte best1itigt das am deutlichsten 12, und Apostel Paulus rUgt aus Anla6 des Hervorhebens des Altersvorranges in der Kirche seitens einzelner, die bezUglichen Bestrebungen mit scharfen Worten 1s. Die Kirchenv1iter der folgenden Jahrhunderte best1itigen dasselbe 14, Gegenw1irtig bekennt die orthodoxorientalische Kirche diese Lehre folgendermaBen: ,Christus allein ist das Oberhaupt der Kirche (Eph. 5, 23; Kloss. 1, 18). Wenn auch die Bischofe, welchen die Verwaltung ihrer Kirchen obliegt, sich die OberMath. 18, 20; Vergl. Apostelgeschichte. 1, 21-26. 6, 2-6. 15, 1-29. ,Hoc erant utique et caeteri apostoli quod fuit Petrus, pari consortia praediti et honoris et potestatis". Cyprian. de unit. eccl. n. 4. Vergl. Ep. Coelestini papae ad cone. Ephesin. (Harduini. I, 1671). 1 ,Ubicunque fuerit episcopus, sive Romae, sive Eugubii, sive Constantinopoli, sive Rhegii, sive Alexandriae, sive Thanis ejusdem meriti ejusdem est sacerdotii. Omnes apostolorum sunt successores." Hieron. Ep. 146. Cf. Clement. rom. Ep. I. ad Corinth. c. 1. 5. 17. 44. 47; Ignatii ad Ephes. c. 4. 56, ad Magnes. c. 3. 4. 6. 7, ad Trail. c. 2. 3. 7. 12. 13. 8 Vergl. unten 15. und 16. Anmerkung dieses Paragraphen. 9 Ephes. 5, 23. to Ephes. 1, 22. 23. 11 Koloss. 1, 18. 12 Siebe oben 5. Anmerkung dieses Paragraphen. 18 Galal 2, 6-14. u Basilius de Gr. (fiber das g5ttliche Gericht N. 3.): -xp~to6o7J<; . . . . t~<; !J.t!i<; M.l !-10'17)<; &1.1j&w<; 'KS(j)~A~<;, ~tt<; sottv 6 Xptat6<;; Gregorius der Theolog (31. Rede): sr~ Xptato; p.tot -xsr.pot/..~ ~~ S'X'KA7Ja(a~; siehe noch Gregorius von Nyssa (12. Rede gegen Eunom.); Theodoretus von Cyrus (Erklll.rung des Sendschreibens an die Epheser. 1, 23); Theophilaktus (Erklarung des I. Sendschreibens an die Korinther. 11, 3) und andere.
6

. 50. Die Eigenschaften der Kirche.

209

hl:l.upter derselben nennen, so ist dies nach der heiligen Schrift (Apostelgeschichte. 20, 28) so zu verstehen, daB dieselben in ihren Gebieten Stellvertreter und Oberhaupter sind; das Oberhaupt der Hirten ist nach Petrus (1. Petr. 5, 4) jesus Christus allein" 15. ,Da der Mensch sterblich ist:und sonach nicht immerwahrendes Oberhaupt der Kirche sein kann, so verwaltet unser Herr jesus Christus allein, als Oberhaupt, welches

die Kirchenverwaltung in Hiinden hat, die Kirche durch die heiligen Viiter. Daher hat der heilige Geist in den gesetzmaBig gegriindeten
und aus gesetzlichen Mitgliedern bestehenden Partikularkirchen, Bischofe, Vorsteher, Hirten, Haupter und VorsHinde eingesetzt, welche hiezu nicht durch MiBbrauch, sondern auf gesetzlichem Wege gelangten, und in diesen Hirten das Bild desjenigen gezeigt, welcher der Urheber und Vollender unserer Erlosung war, damit aile OHiubigen unter einer solchen Leitung Teilhaber werden an dem Erl()sungswerke" 16~

.50.
Die Eigenschaften der Kirche.
Die orthodox-orientalische Kirche bekennt ihren Glauben an ,die 1 Hiemit sind die
15
16

eine, heilige, katholische und aposto/ische Kirche"

Orthodoxes Glaubensbekenntnis. I. Teil. 85. Antwort.


''Homo~ -x.!X&oAt'X.'ij~ h-x.k~a['l.~ s7tst8~ &V'fltO~ &v&pomo~ M.&6Aoo 'X.IXl

&t3to~ u~IXA~ stviXt oi} 36v'Xt1Xt, IXoto~

b -x.6ptoc;

~IJ.ci>V '17jao5c; Xptat6~ satt

'X.s~IXA~ 'X.IXl. IXotoc; tooc; otiX'X.IXc; 8zwv sv tij t7jc; h-x.Al)atiX~ -x.o~spv~ost 7t7j31XAtooxsi 3ta tciw &:ylwv 7t1Xtspwv. K'Xl. 3t~ tooto tiXic; 'X.'Xt~ p.spoc; s'X.-x.A1jOtiXtc;, -x.op[wc; OOOIXt~ ex:x./.:~a['l.~~, "X.ad b7to xop[wc; (J.SAOOV OOVtOtiXp.SVIXt~, ~roop.svoo~ xiXl. 7totp.svOG~ Ml. ()),we; or~x sv xatazp~ast &A.M. xoplw~ &pzac; 'X.OGl. xs~IXMc; tooc; sma'X.67too~ e&1j'X.S to 7tYSO(J.'X tO &jtoY, stc; tr.lY t'ij~ 0Wt1jpt1X<:; ~p.OOV &pz1jjOV Ml. tsAstw~v &fop!;n'X;, "1.'1.1 sk '1.'Jtov d1 v svzprstO(Y tq~ ?<.etta t~v ?<.sq;o:A~v XOfJ1jjb:~ &YIX~t~t:i~oocn; oroA.ov6tt. "Opo~ t1 des Konzils von jerusalem 16720 Vergl. ,Poslanie patriarchov o pravosl. vjerje (Sendschreiben der Patriarchen tiber den orthodoxen Glauben)". Art. 10. . 50. 1 ITtate6op.ev . e(; p.['XY rljl'XV 'X.IX&oAtx~v 'X.IXt &7toatoAtit'fJV hxA'Yjat'l.Vo Das Symbolum von Nicaa und Konstantinopel. Der erwahnte opo~ des Konzils von jerusalem wiederholt denselben Glauben: llccm:6op.sv t~y Asrop.SY'flY, p.aAAOY ~s t~v ooatXY &rEatY M&oAt'X.'f,Y itatl. &7toatoAt'X.~v z'l',xk~a[IXY, s~; ~Y 'X.'X! 7ttats6etv 3e3LMn.J.s&O(, 1taYtatc; ou~ sv Xpvmj> maooc; x'X&6Aoo 1tsptszsw (Harduini. XI, 240). Vergl. 10. Art. ,Poslanie patriarchov o pravosl. vjerje". Die orthodox-orientalische Kirche bekennt ihren Glauben in eine Kirche, als gottliche Institution, und nicht bloB an den Bestand derselben, denn nach der ganz begriindeten Bemerkung des Archimo johann. (Kurs cerk. zakonov. I, 2), kann nur eine gottliche Institution Oegenstand des 01aubens sein, niemals aber eine menschliche Einrichtung oder eine Verbindung von Glaubigen. Oregorius der Theolog sagt in seiner 31. Rede fiber den beil. Geist: ,Nicht gleichgiltig ist es in etwas (si~ 'tt) und an etwas (7tspE two~) zu glauben, denn wir glauben nur in etwas Gottliches, und glauben kann llllai, llrchODrechl. 14
0 0

210

II. Teil. Die Verfassung der Kircbe.

fundamentalen Eigenschaften der Kirche gekennzeichnet. Sie nennt sich und ist heilig, weil ihre vom Sohne Gottes gelegte Grundlage heilig ist, weil Christus in ihr immer gegenwartig ist, weil sie mittels der segenspendenden Gaben des heiligen Geistes ihren Mitgliedern die Weihe verleiht und diese mit Gott verbindet, und weil die Kirche als solche unfehlbar ist 2. Sie nennt sich die allgemeine oder katholische s, weil ihr die Aufgabe obliegt, allen Vmkern das Erl<>sungswerk zu verkUnden und sie zu Christo zu bekehren, wei! sie ihrem Wesen nach durch keinerlei Bedingungen, weder des Ortes, noch der Zeit, beschrankt sein kann, und endlich weil sie immerdar als die einzige besteht und fiir aile Zeiten bestehen wird 4 Die Kirche ist apostolisch, weil Christus die Kirchengewalt den Aposteln iibertragen hat, weil die Apostel die Kirche gemaB dieser Gewalt organisiert haben, und weil diese apostolische Gewalt auf die Bisch<>fe Ubergieng, welch' letztere dieselbe auf Grund der ununterbrochenen Sukzession ausUben und zu allen Zeiten ausUben werden; diese Sukzession beweist auch die Wahrhaftigkeit und Gesetzlichkeit jeder Handlung der Kirche 5, Ober allen diesen
man an jedes (auch menschliche) Werk. Augustinus (Tract. 29 in joh.) sagt: ,Der Erl6ser sprach, dies ist das Werk Oottes, damit ihr in jenen glaubet, welchen Oott gesandt hat, damit ihr in ihn und nicht blo6 an ihn glaubet; denn etwas anderes ist es an jemanden und in jemanden zu glaubcn." Vergl. Archim. johann. erw!ihnte Seite, Anm. 3. In der romisch-katholischen Kirche lautet dieser Olaubensartikel ganz anderes als in der morgenllindischen Kirche u. z. folgenderma6en: ,Credo .... et unam, sanctam, catholicam et apostolicam ecclesiam". Decretum con. Trident. de Symbolo fidei. ' Siebe hieriiber Makarius, Vvedenie v pravosl. bogosl. ~. 136. 137. Erwl:thnte Ausgabe. S. 362-370. 3 In der slavischen Obersetzung des Symbolums hei6t es ,sobornuju", welches Wort dem Originate, wo der Ausdruck -x.~tof.txfjv gebraucht wird, nicht vollkommen entspricht. Ober die Arten, wie dieser griechische Ausdruck in den verschiedenen slavischen Redaktionen des Symbolums iibersetzt wurde, siehe A. Gezen, lstorija slavjanskago perevoda simvolov vjeri (Oeschichte der slavischen Obersetzung der Olaubens-Symbole). St. Petersburg 1884. S. 90-102. Metr. Philaret hat in seinem Katechismus das Wort ,povsemstvenuju (die iiberall seiende)" gebraucht. Der Ausdruck x~fl-oAtxfj hx.A-tpi-x wurde bereits in den ersten Jahren des II. jahrhunderts von Ignatius in seinem Sendschreiben an die Bewohner von Smyrna gebraucht. Chrysostomus (Hom. 105) nennt die Kirche l)t'X.oup.eYt'X.~ E'X.'X.A'fja-x. Athanasius d. Gr. (Quaest. 37 de parabolis Scripturae): ,Ecclesia vocatur catholica, quia per universum mundum est dispersa." Theophilaktus (zu I. Korinth): ,Catholica ecclesia, quae per totum tenarum orbem dispersa, cujus corpus ex omnibus passim ecclesiis constat, caput habens Christum." Cf. Sulcer. sub v. hxk~a[-:x. 5 Tertullianus (de praescr. haeretic. c. 32): ,Edant ergo haeretici origines ecclesiarum suarum; evolvant ordinem episcoporum suo rum, ita per successiones ab initio decurrentem, ut primus ille episcopus aliquem ex apostolis vel apostolicis viris, qui tamen cum apostolis perseveraverint, habuerit auctorem et antecessorem. Hoc enim modo ecclesiae apostolicae census suos deferunt, sicut Smyrnaeorum ecclesia Policarpum a joanne conlocatum refert, sicut Romanorum Clementem a

, 51. Die Einheit der Kirche.

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erwahnten Eigenschaften steht die alle iibrigen bedingende Eigenschaft der Einheit der Kirche. Da nun diese Eigenschaft unmittelbar auf das Recht Bezug hat, wird iiber dieselbe besonders abgehandelt.

. 51. Die Einheit der Kirche. Da es nur ein Oberhaupt der Kirche gibt, namlich jesum Christum, so muB die Kirche, welche dessen Leib bildet, einheitlich sein. Die tiber die ganze Welt verbreitete Kirche weist heute einige Partikularkirchen auf, welche von verschiedenen Volkern mit ihren besonderen nationalen Eigentilmlichkeiten, bei verschiedener politischer Organisation gebildet werden, und daher auch nach der Art ihrer lokalen Organi.., sation voneinander verschieden sind, und ihre selbstandige Kirchenverwaltung haben. Diese Verschiedenheit unter den Partikularkirchen hat von den ersten Zeiten des Christentums angefangen bestanden und wird immerdar bestehen, wei! die Kirche ihrer Bestitnmung nach allen Volkern aller Zeiten und Orte zugedacht ist. Trotzdem ist aber die Kirche heute ebenso einheitlich, wie sie es im apostolischen Zeitalter war. Diese Einheit der Kirche kann schon nach dem blo.Ben Wesen derselben nur eine geistliche sein. Wenn die Kirche, was auch tatsachlich der Fall ist, ein geistliches Reich ist, so kann und muB ihre Einheit nur eine geistliche sein. Diese Einheit gelangt in der Einheit des von allen bedingungslos zu bekennenden Olaubens, welche Mitglieder der Kirche sein wollen, in der Einheit des aile erfilllenden Oeistes, in der Oleichheit der Oewalt, welche die Vorsteher der Partikularkirchen in einem und demselben Geiste nach den allgemeinen Satzungen der allgemeinen Kirche auszuiiben haben, und endlich darin zum sichtbaren Ausdrucke, daB sie alle einig und nach einer bestimmten vorgezeichneten Richtung in ihren Kirchen tatig sein mUssen. Als ein geistliches Reich kann die Kirche kein irdisches Oberhaupt besitzen in welchem die ganze Kirchengewalt vereinigt ware, denn der Stifter der Kirche hat aile seine Apostel mit denselben Rechten in Ausiibung der Oewalt ausgestattet; daher muB notwendig diese Gewalt unter jenen geteilt sein, welche die Nachfolger der Apostel und Vorsteher der verschiedenen P~:!_ikularkirchen sind 1 Die Einheit der allgemeinen Kirche bePetro ordinatum edit. Perinde utique et ceterae exhibent, quos ab apostolis in episcopatum constitutos apostolici seminis traduces habeant." lrenaeus von Lyon: , Traditionem apostolorum in toto mundo manifestatam in omni ecclesia adest respicere omnibus, qui vera velint videre; et habemus annumerare eos qui ab apostolis instituti sunt episcopi et successores eorum usque ad nos, qui nihil tale docuerunt, neque cognoverunt, quale ab his deliratur" (Contra haer. Ill, 3. n. 1. Cf. IV, 33. n. 8). Hieronymus (dialog adver. Lucifer.); Augustinus (Contra adver. leg. et prophet 1, n. 39); Ambrosius (de poenit. 7, n. 33) u. a. . 51. 1 Siebe die ersten Anmerkungen des . 49.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

stehf daher in der Einheit des Olaubens unter den Partikularkirchen, in der Einheit des Oeistes unter ihnen, in ihrem, durch die Oesetze und die kirchliche Praxis festgesetzten wechselseitigen Verkehre, in der einigen Tlitigkeit derselben in der kanonisch vorgeschriebenen Richtung. Die bezUgliche Lehre der Vater und die kirchliche Praxis aller Zeitalter bestiitigen dies. Die gr5Bte AutoriHi.t als Lehrer in der Frage Uber die Einheit der Kirche, genieBt Cyprianus von Karthago aus dem III. jahrhundert. In seiner Schrift ,de unitate ecclesiae" lesen wir nach der AnfUhrung der hauptsachlichen Merkmale der kirchlichen Einheit, gemiiB der Lehre des Apostel Paulus, Folgendes: ,Diese Einheit miissen wir festhalten und verteidigen, namentlich wir Bischofe, die wir in der Kirche den Vorsitz haben, urn zu zeigen, daB der Episkopat selbst einheitlich und unteilbar ist. Niemand m5ge die BrUder durch LUgen blend en; niemand moge durch treubriichige Hintansetzung seiner Pflichten die Wahrheit des Olaubens untergraben. Der Episkopat ist ein einheitliches Ganzes, in welchem jeder einzelne, sowie aile bzsgesamt einen vollen Anteil haben; ebenso ist auch die Kirche eine Einheit, wenngleich dieselbe sich durch die Fortpflanzung ausdehnt und in Teile zerfallt 2." ,Christus hat eine Kirche gestiftet, wenngleich dieselbe auf der ganzen Welt in viele Teile zerfallt; daher rUhrt auch die Einheit des Episkopates her, we/cher aus vie/en BischOjen, die gleichen Gedankens sind, gebildet wird 3." ,Die katholische Kirche ist einzig, untretinbar und unteilbar, und muB demnach durch das wechselseitige Band der Bischofe in ein Oanzes vereinigt werden" 4. lrenaeus von Lyon sagt: ,Die Vorsteher der Kirche, welchen die ganze Welt anvertraut ist, hUten unentwegt die apostolische Tradition und zeigen uns damit, daB aile an einem und demselben Olauben festhalten, daB alle denselben Vater bekennen, daB aile denselben Zweck der Fleischwerdung, dieselben geistlichen Oaben anerkennen; sie bedienen sich derselben Gesetze in der Verwaltung der Kirche und in der ErfUllung der i.ibrigen kirchlichen Dienste 5." Alexander von Alexandria sagt in seinem an alle BischOfe gerichteten Sendschreiben: ,Uns allen insgesamt und jedem einzelnen insbesondere, ist ein Leib der allgemeinen Kirche anvertraut, und uns die Vereinigung
2 ,Hanc unitatem firmiter tenere et vindicare debemus, maxime episcopi, qui in ecclesia praesidemus, ut episcopatum quoque ipsum unum atque bzdivisum probemus. Nemo fratemitatem mendacio fallat, nemo fidei veritatem perfida praevaricatione corrumpat. Episcopatus unus est, cujus a singulis in solidum pars tenetur; ecclesia quoque una est, quae in multitudine latius incremento fecunditatis extenditur." De unitate ecclesiae c. 5 (Ed. Migne). 3 Ep. 52 ad Antonium. ~ Ep. 65 ad Rogatianum. Vergl. Dr. josef A. Reinkens, Die Lehre des heiligen Ciprianus von der Einheit der Kirche. Wiirzburg 1873. 5 Contra haereses. Lib. V. c. 20. n. 1 (Ed. cit.).

51. Die Einheit der Kirche.

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untereinander durch das Band des Friedens und der Liebe geboten" 6. In diesem Sinne, d. h. unter Anerkennung Christi als das Oberhaupt der Kirche, sowie der Einheit des Episkopates, an welcher jeder in dem gleichen MaBe einen vollen Anteil hat, wird die Einheit der Kirche seitens der obersten Vorsteher der Partikularkirchen durch jene Mittel bewahrt, welche durch die Kirche selbst hiezu eingesetzt sind. In erster Linie erfolgt dies durch die Beziehungen zwischen den Partikularkirchen, nicht so sehr zu dem Zwecke der wechselseitigen Verstandigung iiber die Iokalen Angelegenheiten oder wegen der gegenseitigen Achtung, sondern hauptsachlich deshalb, damit die Partikularkirchen gemeinsam und unter aiigemeiner Zustimmung ihr Urteil tiber die wichtigeren, die Gesamtkirche beriihrenden Angelegenheiten faiien. Schon im apostolischen Zeitalter bestanden derartige Beziehungen, wenngleich die Apostel die obersten und selbstandigen Verwalter der betreffenden von ihnen gegrilndeten Kirchen waren. Diese Wechselbeziehungen waren das Mittel der Verbreitung der in den Versammlungen der einen oder der anderen Kirche erlassenen Gesetze, in aiien Kirchen. Nicht iibereinstimm~nde Ansichten in Glaubensfragen, kanonische Fragen, Angelegenheiten, welche moglicherweise auf die gesamte Kirche Bezug haben konnten, und selbst die Wahl und Einsetzung der kirchlichen Vorsteher, namentlich an wichtigeren Orten, waren die Veranlassung, daB die betreffenden Partikularkirchen sofort in wechselseitige Beziehungen traten. Die neueingesetzten alteren Bischofe sandten nach ihrer Cheirotonie Rundschreiben an die anderen Bischofe, urn hiedurch ihre geistliche Gemeinschaft mit denselben, als Bekenner desselben Glaubens und Schirmer der fundamentalen Satzungen der Kirche zu b~zeugen. Dies geschah in den ersten jahrhunderten der Kirche und geschieht auch heute. Besondere Wichtigkeit erlangen diese Beziehungen zwischen den Partikularkirchen, und besonders Iebhaft zeigt sich die Einheit der Kirche in Fragen, welche beziiglich des Glaubens angeregt werden, sowie in allen Fallen, wo es sich darum handelt, die Stimme der Gesamtkirche zu horen. 1st das Zustandekommen eines ailgemeinen Kozils untunlich, dann ergreift die betreffende Partikularkirche die Initiative in der angeregten Frage, und die ilbrigen Kirchen erklaren ihren AnschluB; die beziigliche, im Namen des gesamten Episkopates zum Ausdrucke ge-:brachtc Antwort, wird sodann als von der Gesamtkirchc ausgehend, kundgemacht 7. Die Einheit der Kirche wird iiberdies noch dadurch
" In der Kirchengeschichte des Scholastikers Sokrates enthalten. I. Band, 6. Kap. (Ed. Migne). 7 Auf diese Weise enstand das orthodoxe Glaubensbekenntnis, welches von der gesamten orthodox-orientalischen Kirche unbedingt anerkannt wird. Auf die gleiche Weise wurde am 6. Mai 1848 das Rundschreiben der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche an alle orthodoxen Christen erlassen. Vergl. . 83 dieses Buches.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

merkbar und erhalten, daB die Rechte, die Institutionen und die gesetzlichen Akte jeder einzelnen Partikularkirche von allen tibrigen Kirchen anerkannt und geachtet werden. Derjenige, welcher in einer Partikularkirche getauft ist, wird hiedurch zum Mitgliede aller anderen Partikularkirchen, somit der Oesamtkirche; denn tiberall wird der Betreffende in die kirchliche Oemeinschaft aufgenommen und hat das Recht, die heiligen Sakramente zu empfangen. Dagegen kann derjenige, welcher aus einer Partikularkirche ausgeschlossen wurde, nicht mehr in eine andere aufgenommen werden, und jener, welcher von seiner Kirche abgefallen ist, wird als Abtriinniger der gesamten Kirche angesehen 8 Die Vorschriften der allgemeinen kirchlichen Oesetzgebung, die Oewohnheiten und Oberlieferungen, welche noch aus dem apostolischen Zeitalter herrtihren, mtissen die Partikularkirchen unterschiedslos gemeinsam bewahren, und jedes Abweichen von diesen allgemeinen Vorschriften seitens einer Kirche verfallt sogleich dem Tadel, mag es sich auch nur urn solche Fragen handeln, welche ohne den Olauben und die Moral zu beriihren, lediglich Angelegenheiten der Disziplin oder des Ritus betreffen u. Nur unter der Bedingung dieser Einheit wird seitens der allgemeinen Kirche den einzelnen Partikularkirchen, welche sich ihrerseits hinwieder verpflichten, diese Einheit gemaB den kanonischen Vorschriften zu bewahren, das Recht der selbstandigen Kirchenverwaltung zuerkannt 10.

Zweites Kapitel.
Der kirchliche Organismus.
.52. Die allgemeine Zusammensetzung der Kirche. Die Kirche als Leib, dessen Haupt Christus ist, bilden aile jene, welche die Taufe empfangen haben, und die im gemeinsamen Verbande nach der Verwirklichung des Zweckes streben, fiir welchen die Kirche gestiftet wurde 1. Als solche sind die Mitglieder der Kirche BrUder,
Siehe z. B. 12. 13. 16. 32. Kan. Apost.; 5. Kan. des I. allgem. Konzils u. a. Z. B. 64. Kan. Apost. ; 20. Kan. des I. allgem. Konzils; 12. 13. 56. Trull. Kan. u. a. 1 K1XYO\It'X.~ av6t1j~ (die kanonische Einheit) wird in einer fast stereotypen Forme! in allen Dekreten, welche bei der Errichtung einer autokephalen Kirche erlassen werden, zum Ausdrucke gebracht. Siehe das Dekret vom 29. Juni 1850, betreffend die Kirche im Konigreiche Griechenland, oder jenes vom October 1879, betreffend die Kirche im Konigreiche Serbien (Vergl. 78. und 79. Anm., ~- 23). . 52. 1 Koloss. I, 18.
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. 52. Die allgemeine Zusammensetzung der Kirche.

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welche vor der gottlichen Oerechtigkeit die gleiche Wurde bekleiden 2, gleich heilig sind s und zusammen eine Priesterschaft bilden 4. Allein wie in jedem ordnungsmaBig eingerichteten Organismus jedes Mitglied seinen Platz und die ihm obliegenden Pflichten genau kennen muB, urn auch der beztiglichen Rechte teilhaftig zu werden, ebenso muB dies in dem Organismus der Kirche, und zwar mit Rucksicht auf die Heiligkeit derselben, in mustergiltiger Weise der Fall sein. Daher muB ein festgesetzter Unterschied zwischen den Mitgliedern der Kirche bestehen, welcher die Tatigkeit derselben, sowie ihre Rechte und Pflichten bestimmt, welche ihnen gemaB ihrer Stellung in der Kirche zukommen G. Nach der fundamentalen kanonischen Lehre der orthodox-orientalischen Kirche gliedern sich die Mitglieder"der Kirche in zwei Stande. Den einen bilden diejenigen, welche, durch das besondere Anrufen des heiligen Oeistes auf dieselben, bestimmt sind, den kirchlichen Dienst zu verrichten G, namlich die wahre Lehre zu verkunden, die segenspendenden Oaben zu verteilen, fUr das Heil aller und fur die Erhaltung der auBeren kirchlichen lnstitutionen zu sorgen. Zu dem zweiten Stande gehoren aile ilbrigen, welche durch das erwahnte besondere Anrufen des heiligen Oeistes nicht zu der unmittelbaren Austibung des kirchlichen Dienstes berufen sind, sondern welche durch die Taufe vollberechtigte Mitglieder der Kirche geworden sind und als solche das Recht haben, an allem teilzunehmen, was das Leben der Kirche-~betrifft. Die Angehorigen des ersten Standes werden im allgemeinen Kleriker 1, die
'AosA<pot tcr6ttp.ot. Vergl. II. Petr. 1, 1. Ephes. 4, 12. Daher 'ExXA'IJO(c<twY &.rtroY, ttilY oa[roY, coetus vel congregatio sanctorum. ' ,Ihr aber seid ein auserlesenes Oeschlecht, eine konigliche Priesterschaft (~7.atAEto'.l ispttiwp..,), ein geheiligtes Volk (s&vo<; ;;.rwv), eine eigentiimliche Nation, bestimmt, die Erhabenheit dessen zu preisen, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte berufen (1. Petr. 2, 9)." , Und uns zu einem Konigreiche, zu Priestern (lspstt;) vor Oott, seinem Vater, gemacht hat (Apok. I, 6)." 5 Romer 12, 4; I. Kor. 12, 12; Ephes. 4, 16. " Eprov ovxxovt7.<;. Vergl. Ephes. 4, 12; Apostelgeschichte. 1, 17. 7 Kleriker, Klerus enstand aus x'AYjpo~. Mit diesem Worte wird in der heiligen Schrift der Beruf bezeichnet, welchen jemand von Oott entweder abgesondert (Ephes. 1, 11. 14; Koloss. 1, 12), oder mit vielen anderen (1. Petr. 5, 3), oder welchen man auf auBerordentliche iibernatiirliche Weise erhiilt (Apostelgesch. 1, 17. 25). Das Wort selbst bedeutet sors (Los). Die Anwendung dieses Wortes in der Kirche erlautert Hieronymus in seinem Sendschreiben an Nepotianus: ,Ministri Dei propterea vocantur clerici, vel quia de sorte sunt Domini, vel quia ipse Dominus sors, id est, pars clericorum est." Und die erste Ableitung fiir die richtigere hal tend, sagt er an anderer Stelle: , Duo sunt genera christianorum : est autem unus genus, quod mancipatum divino officio et deditum contemplationi et orationi, ab omni strepitu temporalium cessare convenit, ut sunt clerici, et Deo devoti, videlicet conversi. K).~po<; enim graece, Iatine sors; inde hujusmodi homines vocantur clerici, id est
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

des zweiten Laien genannt s. Den Grund zu diesem Unterschiede zwischen den Mitgliedern der Kirche hat ihr Stifter selbst gelegt9. Auf Grundlage des Gebotes des Stifters hat die Kirche sodann diesen Unterschied besonders normiert, indem sie die Stellung der verschiedenen Mitglieder in der Kirche, ihre Rechte und Pflichten, sowie die Bedingungen zur ordnu.ngsgemaBen Ausilbung der gesetzlich vorgesehenen Rechte und zur Erfilllung der betreffenden Pflichten festsetzte. Mit der Stiftung der Kirche unterschied man bereits im Klerus drei verschiedene Grade, namlich den Episkopat, den Presbyterat und den Diakonat, mit den diesen einzelnen Graden zukommenden Rechten und Pflichten. Diese drei Grade bilden denn auch die Grundlage der Hierarchie, und diejeriigen, welche einen derselben erlangt haben, werden die Trager der hoheren Grade genannt 10 Als sich spater der Organismus der Kirche weiter entwickelte, wurden in der kirchlichen Hierarchie noch die niederen Grade eingefilhrt, deren Trager aber nur denjenigen als Oehilfen dienten, welche die hOheren Grade innehatten. Diese werden die niederen Grade oder Kleriker im weiteren Sinne genannt u. Die hoheren Grade werden durch die Cheirosorte electi." Augustinus (in Ps. 67) stimmt hi emit iiberein und beruft sich darauf, ,quia Mathias sorte electus est, quem primum per Apostolos legimus ordinatum". In dem Codex Theodosianus (De cpisc. I. 2) heiBt es: ,Qui divino cultu ministeria religionis impendunt, clerici vocantur." Vergl. den Nomokanon, I. Titel, 31. Kap. (Ath. Synt I, 70 u. ff.). [Bei Erwahnung des ,Nomokanon" wird immer der Nomokanon in XIV Titeln verstanden; bei der Anfiihrung anderer Nomokanones wird dies immer naher bezeichnet.] 8 Das griechische Wort J.~cxo[, lateinisch laici, stammt von J.rx6:; (Volk, populus}; von daher riihrt auch das schon in dem ersten jahrhundert der Kirche erwahnte btxo:; 6tv{)-pro1to:;. Clemens von Rom (erstes Sendschreiben an die Korinther, Kap. 40) sagt: T~> &.pztspsl tBtrxt ),sttooprku osoop.SVcxt Eto1v . 'X.'ll tol:; tspsootv

't'ow:; 6 t61roc; 1tpo'Jtst-x'X.t?.t1 xcxi /.solt-.xt:; 'C8trxt ot-xxovi-.xt 1tlxmt'Xt . 6 A'X'Cxo:; O!v{)-pro1to:; tot:; A'X'C'X.ot:; 7tpocr't!ijp. Mt'l osostCI.t. Eine andere Bezeichnung ist b6:; oder 1tOtp.vov, oder 1ti.7J-&o:; t(i>Y mot6iv und gewohnliche 1ot(l>t'Xt (Chrysostomus,
Hom. Ill in Lazar., Hom. 35 zum 14. Kap. des I. Sendschreibens an die Korinther) und ~trottxoi, was noch am ehesten dem Ausdrucke die Laien entspricht. Vergl. 13. Titel des Nomokanon (Ath. Synt. I, 275 u. ff.). 9 Derselbe verordnete auch einige zu Aposteln, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, andere zu Hirten und Lehrern, damit die Heiligen die Einrichtung erhalten zur Verrichtung des Lehramts, zur Erbauung des Leibes Christi (Ephes. 4, 11. 12) [Vergl. I. Kor. 12, 4 u. ff.; Romer. 12, 4 u. ff.]. 10 'lspropivot lspa.ttxo. 77. Trull. Kan.; 24. 27. 42. Kan. v. Laod. Siehe Kommentar Balsamons zum 10. Kan. des Trull. Konzils (Ath. Synt. II, 328). 11 Balsamon unterscheidet in seinem Kommentar zum 77. Kanon des Trullanischen Konzils die beiden Begriffe "hohere Grade" und ,niedere Grade" folgenderma6en : 'Is p (I) (.1.. ev 0 L "(tip Elatv o 'tOO ~'ijpt.XtO~, Ol X!Xt zstpotOVOD(.I..SVOL . S1tl-

OX01t0l 8ljl.ov6tt, [epe!:;, 8tlixovot 'X.~t o7tootlixovot. K Alj p t 'X. o t, 7tlivts:; ot sxto:;
~00 ~~p.rxto<; SY y~oi:; sa01t1jpeto6p.evot, ~"(OOY &.vcxjY6iat~t, -&eropoi,
'X.Clt

~tepot

. 52. Die allgemeine Zusammensetzung der Kirche.

217

tonie, innerhalb des Altares, die niederen Grade durch die Cheirothesie, au8erhalb des Altares verliehen 12. Den Laien hat die Kirche jene Stellung zuerkannt, welche dieselben bei der Entstehung der Kirche innehatten ; sie betrachtet dieselben als vollberechtigte Mitglieder der Kirche und als Teilnehmer an den kirchlichen Angelegenheiten innerhalb bestimmter Orenzen 13 Neben diesen vollberechtigten Mitgliedern gab es in der ersten Zeit des Bestandes der Kirche auch solche dem Laienstande angehorenden Mitglieder, welche nur zum Teile Rechte in der Kirche besaBen, namlich: die Katechumenen, welche bei ihrem Obertritte aus irgendeiner nicht-christlichen Religions-Oesellschaft dem Studium der Orundlagen des christlichen Olaubens sich widmeten und zu dem Eintritte in die Kirche sich vorbereiteten u. Die Kirche hat rUcksichtiich dieser Katechumen Oesetze erlassen, welche heute nur hinsichtlich der Missionstatigkeit der Kirche bei den Heiden oder juden Oeltung haben 15. Von dem Klerus im allgemeinen und von den gUiubigen Laien unterscheiden sich in der Kirche die Monche 16. Das Monchswesen ist sp:iter entstanden, und wurde die Stellung desselben in der Kirche, je nach den Oeliibden, durch besondere Oesetze normiert 17 Erst wenn der Monch irgendeinen hierarchischen Orad erlangt hat, wird er Mitglied des Klerus, wenngleich er auch dann durch seine besonderen Satzungen, welche nur mittelbar auf den Klerus Bezug haben konnen, gebunden ist 1s.

totoo-rot (Ath. Synt. II, 485). 'I e: p C1. -r t x o !> <; (J.sv, -rou<; 1te:p! -ro ~~ph ~ljat, 'l!. Aljp t x o <; 8s 'tO!)<; f..Omi:n)<;, sagt Zonaras in dem Kommentar zum 42. Kan. von Laodicea (Ath. Synt. Ill, 210). u 1. 2. 35. Kan. Apost. ; 4. Kan. des I. allgem.; 8. Kan. des III. allgem. Konz.; 33. 37. Trull. Kan.; 2. 3. Kan. des VII. allgem. Konz:; Ant. 13. 19. Kan.; Laod. 12. Kan.; Sard. 6. Kan.; Karth. 13. 18. 49. 56. Kan.; Basilius d. Gr. 89. Kan. Diese Kanones handeln ilber die Cheirotonie; auf die Cheirotesie beziehen sich: 15. Kan. des IV. allgem.; II. Kan. des VII. all gem. Konz. Ober die bloBe Bedeutung dieser Ausdrilcke und ilber die Anwendung derselben in den kanonischen Quellen siehe den Kommentar des Zonaras zum I. Kan. Apost. (Ath. Synt. II. 2) und den Kommentar Balsamons zum 13. Kan. von Karth. (Ath. Synt. III. 326). 13 Siehe den folgenden Paragraphen. " Dem Ausdrucke 'l!.CJ.tlj)(ODf.LSVOt begegnet man auch in der heiligen Schrift (Romer. 2, 18; Galat 6, 6. Vergl. Apostelgesch. 18, 25; I. Kor. 16, 9). Ober die Katechumenen, siehe Kraus, Real-Encykloplldie der christlichen Altertiimer. II,: 147 u. ff. 1 ~ Auf Grundlage dieser Gesetze sind der Hauptsache nach die bestehenden lnstruktionen fiir die Missionllre der orientalischen Kirche verfaBt. 16 Siehe den Kommentar Balsamons zum 77. Trull. Kan. (Ath. Synt. II, 485). 17 Siehe den ganzen 11. Titel des Nomokanon (Ath. Synt. I, 247-260). 18 Ol jdp oq;paroa 8e:;titJ.e:vot smoxomx~v f.LO\ICJ.)(ot, 'XAljpt-x.ot A.SjoY-rCJ.t. Balsamon, Kommentar zum 77. Trull. Kan. (1. c.) Vergl. im iibrigen den erwahnten Titel des Nomokanon.

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.53.

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Die

Beziehung~n

zwischen dem Klerus und den Laien.

Nach der fundamentalen Verfassung der Kirche werden die Mitglieder derselben, wie wir bereits sahen, in zwei Stande eingeteilt, namlich in den geistlichen und weltlichen Stand, oder in den Klerus und die Laien. Sowohl vom theoretischen, als auch vom praktischen Standpunkte erscheint die Frage sehr wichtig, wie die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien in der Kirche beschaffen sein milssen 1 Die Kirche hat zur Erreichung ihres Zweckes schon von ihrem Stifter die Gewalt erhalten, die eigenen Mitglieder in der christlichen Lehre zu unterrichten, sie durch die segenspendenden Gaben zu weihen und als geistlicher Leiter derselben zu walten. Diese Gewalt wird von der Kirche durch besondere Organe ausgeiibt, welche dieselbe im Wege der Apostel von dem Stifter der Kirche erhielten, und Trager dieser Gewalt sind. In diesem Sinne werden die gedachten Organe Hirten der Kirche und
1 In neuerer Zeit hat man sich vielfach mit dieser Frage befa6t und geschieht dies auch heute, namentlich in jenen Partikularkirchen, wo entweder seitens der Hierarchie eine groBere Empfindlichkeit riicksichtlich ihrer Rechte, oder seitens der Laien das Streben nach einer engeren aktiven Verbindung mit der Kirche sich geltend macht. So wie bei jeder Frage, wenn die festgesetzten Schranken iiberschritten werden, Heftigkeiten zutage trcten, ebenso zeigte sich dies auch in der Frage iiber die Beziehungen des Klerus zu den Laien; die einen werfen den anderen Obertreibungen vor, welche nicht gerechtfertigt sind. Die entschiedenere Verteidigung der Rechte seitens der Hierarchic wird von der gegnerischen Seite Ultramontanismus oder zum gelindesten Klerikalismus; das Streben der Laien, einen regeren Anteil an den kirchlichen Angelegenheiten zu haben, wird von den Gegnern Protestanfismus genannt. Dies verursacht in der Kirche eine gegenseitige, das allgemeine Wohl schadigende Reibung. Von einem Ultramontanismus oder Klerikalismus kann keine Rede sein, wenn die Hierarchic die ihr durch die Kanones gewahrleisteten Rechte in Schutz nimmt, gerade so wie man nichts Protestantisches darin finden kann, wenn die glaubigen Laien das Streben bekunden, zu dem allgemeinen Wahle der Kirche mitzuwirken; wenn sie den Wunsch hegen, aktive Mitglieder der Kirche zu sein. Als Richtschnur fiir die Entscheidung der Frage iiber die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien miiBte dasjenige angenommen werden, was dem Geiste der vom Stifter der Kirche se!bst begriindeten Verfassung derselben nicht zuwiederlauft, und dU1ch die Praxis vieler jahrhunderte, von dem ersten angefangen, gerechtfertigt erscheint. Zur Belehrung konnten diesfalls die besseren romischkatholischen Kanonisten der neueren Zeit dienen, welche keineswegs als zum Protestanismus hinneigend angesehen werden konnen, sondern welche vielmehr die enge Wechselseitigkeit zwischen der Hierarchic und dem gUiubigen Volke in a!lem, was auf das W ohl und den Fortschritt der Kirche Bezug hat, betonen. Siehe F. Walter, Kirchenrecht. S. 46-47. Die Anschauung Walters teilen auch viele andere; ja, selbst so entschiedene kurialistische Schriftste!ler, wie beispielsweise G. Philipps (Du droit ecclesiastique dans ses principes generaux. Ed. cit. I, 189-195).

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. 53. Die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien.

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Diener derselben genannt, welch en Namen einst auch die Apostel filhrten z. Nach den Lehren der heiligen Schrift ist aber die Kirche ein mit vielen Oliedern ausgestatteter Leib, welche Olieder, wenn auch deren Zahl eine groBe ist, doch nur einen Leib ausmachen a. Wie es zur Gesundheit und zum Oedeihen des menschlichen Korpers gehort, daB alle Olieder desselben gesund sind, untereinander in ordnungsmaBiger Beziehung stehen und die ihnen zukommenden Funktionen verrichten, geradeso werden in der Kirche, welche der Leib Christi und dessen Haupt Er selbst ist 4, nur dann gesunde und gedeihliche Verhaltnisse obwalten, wenn bei allen Oliedern derselben die volle Lebenskraft vorhanden ist und dieselben ein gemeinsames Band zu einer Einheit verbindet. Ohne diese Einheit unter allen Oliedern der Kirche und ohne das gemeinsame, der Bestimmung derselben entsprechende Wirken zu dem allgemeinen Wohle, muB unausweichlich irgendeines der Olieder unterliegen, und wird endlich der bloBe Zweck der Kirche verfehlt 5. Dies bringt aber die unbedingte Notwendigkeit mit sich, daf) jedes Mitglied der Kirche, ohne Rilcksicht auf dessen Stellung in derselben, seinen Kraften und
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AO'(tCEcr{}w ~vl}pwrco:;;, o)::; ~ rc r1p st '1. ~ Xptcrto5 Mt o1xo1wcrt'f)PtWY (o.):w5. I. Kor. 4, I. Vergl. I. Kor. 3, 5-6; II. Kor. 3, 4-6.

" ,So wie namlich der Korper ein Ganzes ist und der Glieder viele hat; aile Glieder des Korpers aber, ungeachtet ihrer Menge, doch nur Einen Korper bilden, so verhalt es sich auch mit Christo" (1. Kor. 12, 12). ,Denn nicht ein einzelnes, sondern viele Glieder machen den Korper aus. Wenn der FuB sagte: wei! ich nicht Hand bin, so gehore ich nicht zum Korper; wird er darum nicht zum Korper gehoren? Und wenn das Ohr sagte: weil ich nicht Auge bin, so bin ich kein Teil des Korpers; ware es deswegen kein Teil des Korpers? Wenn der ganze Korper Auge ware, wo bliebe das Gehor? Wenn er ganz Gehor ware, wo bliebe der Geruch? Nun hat aber Got! den Gliedern die Stelle angewiesen, jedem derselben am Korper, nach seinem Wohlgefallen. Ware alles nur ein und dassel be Glied, wo ware dann ein Korper? Nun aber sind der Glieder viele; aber nun ein Korper. Das Auge kann nicht zu der Hand sag en: ich kann dich entbehren, ebensowenig der Kopf zu den FiiBen: ich bedarf eurer nicht; vielmehr sind gerade diejenigen Glieder des Ki:irpers, welche die schwacheren scheinen, die unentbehrlichsten .... Wenn nun ein Glied leidet, so leiden aile Glieder; wird dem einen Gliede wohl, so teilen aile Glieder die Freud e. lhr seid der Korper Christi, und jeder einzelne ist ein Glied desselben (1. Kor. 12, 14-27)." 5 Klemens von Rom, aus dem I. Jahrhunderte det Kirche, schreibt diesbeziiglich an die Korinther (1. Sendschreiben. Kap. 37) Folgendes: ,Betrachten wir nur diejenigen welche unter militarischen Fiihrern (~joDpbou:;) stehen, wie ordnungsmaBig, strenge und gutwillig sie den ihnen erteilten Auftragen nachkommen. Nicht aile sind Vorsteher, Tribunen, Fuhrer u. dgl.; aber jeder erfiillt an seinem Orte den ihm vom Kaiser erteilten Befehl. Der Untergeordnete kann ohne den Hoheren, und der Hohere ohne den Untergeordneten nicht bestehen; denn in dem gemeinsamen Verbande liegt die Macht. Als Beispiel mag uns unser Korper dienen: der Kopf ohne FiiBe ist nichts, ebenso wie die FiiBe ohne Kopf; denn auch die unbedeutendsten Glieder unseres Korpers sind notwendig und fiir den ganzen Korper von Nutzen, und aile zusammen verfolgen einen Zweck, die Erhaltung des ganzen Ki:irpers."

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Fahigkeiten entsprechend, an dem gemeinsamen Werke, fiir welches die Kirche selbst besteht G, mitwirke; daher ist dieses Mitwirken sowohl eine Pflicht der Hierarchic, als auch der den Olauben bekennenden Laien. Die Oewalt der Hierarchie in der Kirche beruht auf gt\ttlichem Rechte, und nur den Aposteln und deren Nachfolgern fallt in der Kirche das Recht zu, zu lehren, die heiligen Handlungen zu verwalten und die Kirchenregierung zu handhaben. Allein die gottlichen Mittel schlie.Ben keineswegs die menschlichen Mittel aus, und die gottlichen Verrichtungen in der Kirche scheuen nicht nur nicht die menschliche Mitwirkung, sondern erheischen sie sogar, damit das Werk Oottes auf Erden von Erfolg begleitet sei. Wenn auch die Laien kein Recht haben, Organe der g5ttlichen Verrichtungen in der Kirche zu sein, so verfUgen sie doch als Menschen und Christen tiber dieselben auf das Oute zielenden Mittel und Krafte, welche auch den Hirten der Kirche zugebote stehen; als solche konnen und mussen sie ihre Krafte immer an wenden, wenn es sich urn das Wohl der Kirche handelt. Die AusUbung der Potestas magisterii in der Kirche fallt der Hierarchie anheim, und jeder Laie, welcher sich mit Umgebung der Hierarchie dieser Gewalt bemachtigt, wird verurteilt 7, was jedoch in noch strengerem MaBe rUcksichtlich jenes Mitgliedes des Klerus der Fall ist, welches unabhlingig von dem eigenen Bischof, in der Kirche zu lehren beginnt s. jedem Laien steht es indessen frei, im Einklage mit der allgemeinen Lehre, der Hierarchie in dieser Richtung beizustehen, insbesondere durch die Bearbeitung der verschiedenen Zweige der kirchlichen Wissenschaft, durch das Streben, als Lehrer in der Schute, als Familienvater, als Leiter oder als sonstiges Mitglied einer Oenossenschaft, die christliche Lehre zu verbreiten und dahin zu wirken, daB das Verhalten dieser Lehre entsprechend geregelt werde. Eine solche Mitwirkung wird die Kirche stets dankbar entgegennehmen, und wird auch die Hierarchie hierin keine Verletzung ihrer Rechte erblicken k5nnen v. Die Potestas ordinis dagegen ist ausschlieB!ich der Hierarchie vorbehalten. In der Kirche aber sind aile gHlubigen Mitglieder derselben geheiligte und lebendige Glieder des Leibes Christi, und als solche bilden alle glau6 Paulus belehrt die Epheser (4, 14-16), nicht weiter in menschlicher Arglist fortzufahren, ,sondern der Wahrheit in Liebe ergeben, in allen Stiicken zu dem hinanwachsen der das Haupt ist, Christus, durch welchen der ganze Korper zusammengehalten und verbunden durch aile Glieder der Unterstiitzung, nach der jedem einzelnen Gliede zugemessenen Wirksamkeit, Wachstum erh1:ilt, zu seiner Erbauung in Liebe". 7 33. 64. Trull. Kan.; Laod. 15. Kan. 8 Siebe I. Kapitel, I. Titel des Nomokanon. 9 Siehe z. B. im , Trebnik" (Ritualbuch) die Anleitung, welche die Kirche den Neuverm:lhlten, oder den Paten nach der Taufe eines Kindes erteilt

. 53. Die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien.

221

bigen Laien im Vereine mit der Hierarchie eine Priesterschaftto. Wahrend des Gottesdienstes werden dieselben durch ihre Gebete in die mystische Seite des Altardienstes eingefiihrt; durch ihre Gebete wahrend der Liturgie im Vereine mit dem Priester, rufen sie den heiligen Geist auf die dargebrachten Gaben herab; im Vereine mit dem Bischof erflehen sie fUr denjenigen, welchem die Cheirotonie erteilt wird, den Segen des Himmels; mit einem Worte, die glaubigen Laien wirken bei jeder allgemeinen Handlung des Altardienstes in der Kirche mit und haben hiedurch auch aktiven Anteil an diesem Zweige der Kirchengewalt, fiir welchen besonders die Mitglieder der Hierarchie bestimmt sind 11. Stets hat aber die Kirche die groBte Teilnahme der Laien in jenen Angelegenheiten anerkannt, welche sich auf den dritten der Hierarchie anvertrauten Zweig der Kirchengewalt beziehen, namlich auf die das auBere Leben der Kirche betreffende Potestas jurisdictionis. Diese Teilnahme bekundete sich sowohl bei den Kirchenversammlungen, als auch bei der Wahl der Trager der hoheren Grade und bei der Verwaltung des Kirchenvermogens 12. Die Stellung der Hierarchie und der Laien in der Kirche ist durch die fundamentale Kirchen-Verfassung bestimmt, durch welche auch die Beziehungen zwischen den Rechten des einen und des anderen Teiles in der Kirche vorgezeichnet sind. Die Hierarchie als solche hat ihre Gewalt in der Kirche durch das gottliche Recht erhalten, weshalb ohne diese Gewalt die Kirche selbst nicht bestehen konnte 13 ; da jedoch diese Gewalt der Hierarchie nicht bloB ihretwegen, sondern der Kirche wegen eingeraumt ist, welche die glaubigen Laien im Vereine mit der Hierarchie bilden, da ferner die Laien lebende und tatige Glieder der Kirche sein und nach ihren Kraften und Fahigkeiten zum allgemeinen
I. Petr. 2, 9. P. de Marca, Diss. de discrim. cler. et laic. II, 8: ,Non alien urn erit his adjungere, ex sacerdoti istius mystici et spiritualis dignitate (sc. omnium fidelium) fieri, ut sacrificium incruentum mediatoris, quod a solis quidem sacerdotibus proprie sic dictis consecratur, ab ecclesia i. e. ab universo fidelium coetu et Christi Sponsa, quae non habet maculam neque rugam, Deo offeri dicatur: unde ex spiritus unitate mira fit rerum connexio, quam observavit Augustinus, ut tam ipse Christus per ipsam ecclesiam, quam ipsa per ipsum offeratur, quod singuli, qui mysteriis intersunt, pro modulo suo quotidie praestare possunt, ut docent, quae recitantur in missa." 12 Wir wollen hier nicht die Teilnahme der glaubigen Laien an diesem Zweige der Kirchengewalt (Jurisdiktionsgewalt) erortern ; denn hieriiber wird in den betreffenden Abschnitten dieses Buches die Rede sein.
111
11

N Ott to tot> emax.61tOO &.~[wp.-x of .ltwc; eattY ev tii hX.A"fjClt~ O:varMtov, ffiat xwptc; !X0to5 p:~ Mvaa&at p.~t hx.A.~a[ay p.~t XPtO'tt'XYOY 't~Y!X ~ a!vat oA.wc; Mraa&at. "Opoc; t' des Konzils von jerusalem 1672. Harduini. XI, 241. Vergl. das Sendschreiben der orientalischen Patriarchen. Art. 10. Xwp~ tll6twY (emax.61tow Mt 7tpsa~otpwv) hx.A"fja[a oo x.aA.sr:tat. /gnat. ep. ad Trail. 2.
13

222

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Wohle und Fortschritte der Kirche mitwirken mtissen, so milssen auch die Rechte derselben in allem, was auf die Kirche Bezug hat, von der Hierarchic anerkannt werden. Mit Riicksicht auf den Charakter der Notwendigkeit, welchen die hierarchische Gewalt in der Kirche an sich tragt, mllssen die Rechte der Laien in der Kirche nach jenen der Hierarchie nonniert sein; die hierarchische Gewalt ist zur Leitung aller die Kirche betreffenden Angelegenheiten, die Laien sind zu Mitwirkung rilcksicht!ich derselben berufen. Nur das gemeinsame Wirken, sowohl der Hierarchic, als auch der Laien in der Kirche, innerhalb bestimmt festgesetzter Grenzen, entspricht dem Geiste der orthodox-orientalischen Kirche. Durch den Ausspruch, welcher in dem an die gesamte orthodoxe Christenheit gerichteten Rundschreiben der orientalischen Patriarchen vom 6. Mai 1848 enthalten ist, daB namlich "der Hiller der Rechtglaubigkeit der Leib der Kirche, d. i. das Volk selbst sei", wurde cine fundamentale Wahrheit der orthodox-orientalischen Kirche zum Ausdrucke gebracht, und die ganze Bedeutung der Rechte des Volkes in der Kirche bestimmt. Allein durch die Anerkennung der Bedeutung des Volkes in der Kirche wird in keiner Weise die Gewalt der Hierarchic berUhrt, und kann hieraus auch nicht abgeleitet werden, daB die Austibung der hierarchischen Gewalt durch die Stellung bedingt sei, welche die glaubigen Laien in der Kirche einnehmen. Das Subjekt der Kirchengewalt bildet die Versammlung der Bischofe, welche diese Gewalt als allgemeine Kirchenversammlung tiber die ganze Welt, und als lokale Kirchenversammlung tiber die betreffende Partikularkirche ausubt. Die Versammlung der Bischofe Ubertragt die Kirchengewalt auch jedem Bischofe fUr seine Eparchie (. 57). Die BischOfe sind daher die ausschlieBiichen Trager der Kirchengewalt; sie allein besitzen das Recht, als gesetzliche Nachfolger der Apostel das Volk im Sinne des gottlichen Gebotcs zu belehren, fUr das Volk die heiligen Sakramente zu verwalten und das Volk in geistlicher Hinsicht zu leiten. Ober Ennachtigung der Bischofe haben die Presbyter innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen die gleiche Aufgabe zu erfiillen. Nach demselben gottlichen Gebote hat das Volk die Lehre seiner Hirten zu horen, aus den priesterlichen Handlungen derselben Nutzen zu ziehen und sich ihrer geistlichen Leitung unterzuordnen. Dies ist die dogmatische Lehre der morgenlandischen Kirche, welche in allen Kanones, die auf die Verfassung und auf die Verwaltung der Kirche Bezug haben, zum Ausdruck gelangte. DemgemaB besitzeR die Rechte der Hierarchic in der Kirche den Charakter der unbedingten Notwendigkeit und sind Rechte im strengen Sinne. Der Charakter der Rechte der Laien in der Kirche ist durch den allgemeinen Zweck der Kirche bedingt. FUr diesen Zweck sind sie mit allen ihren seelischen Kraften zu wirken berufen und ermachtigt, aus allen jenen

l\. 53. Die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien.

223

Werken Nutzen zu ziehen, durch welche der Segen Gottes erlangt wird. Da dieser Segen jedoch nur durch die Hirten der Kirche, namlich durch die Bisch5fe vermittelt werden kann, so gebietet nicht nur das kanonische Recht, sondern auch das g5ttliche Recht den glaubigen Laien, behufs Bewahrung ihrer Rechte in der Kirche den geistlichen Hirten zu gehorchen und sich in geistlich-pastoralen Angelegenheiten allen jenen Anordnungen der Hierarchic zu filgen, welche diese innerhalb der ihr vom Stifter der Kirche gezogenen Grenz en erlaBt. , Wer die Kirche nicht achtet, mag als Heide und Zollner gelten" 14 , sagt Jesus Christus; und Apostel Paulus schreibt: ,H5ret euere Lehrer und unterwerfet euch ihnen, denn sie sorgen filr euere Seelen" 15 Dasselbe erneuern die Vater und Lehrer der Kirche, Klemens von Rom 16, lrenaeus von Lyon 17, Cyprianus von Karthago 1s und aile Obrigen. Ignatius Theophorus schreibt den gHiubigen Trallianern: ,Seid den Bisch5fen untertanig, wie Jesu Christo; auch ist es unbedingt notig, daB ihr ohne den Bischof weder etwas beginnet noch ausfiihrt, wie ihr dies bereits beobachtet" 19. Dasselbe enthalten auch die symbolischen BUcher der morgenlandischen Kirche 20 Diese Lehre der heiligen Schrift, der Vater und Lehrer der Kirche haben die Kirchenversammlungen in den Kanones eingehend formuliert. In allen diesen Kanones wird dem Bischof die oberste Gewalt in allem, was auf die Kirche und auf ihr Leben Bezug hat, zuerkannt, so daB ohne den Bischof in keinem Zweige der Kirchenverwaltung irgendetwas unternommen werden kann. Es sind daher aile verschiedenen Rechte, welche dem Volke und der Kirche zufallen, durch die bischOfliche Gewalt bedingt. Dies besUltigten die Kanones sowohl hinsichtlich der Verwaltung der Lehre und der heiligen Handlungen, woriiber an den betreffenden Stellen dieses Buches (. 132. 135) die Rede ist, als auch hinsichtlich der Handhabung der Kirchenregierung. Schon seit den apostolischen Zeiten war es dem Volke gestattet, an den Kirchenversammlungen teilzunehmen. Dem I. allgemeinen Konzile haben nach dem Zeugnisse der Geschichte viele Laien beigewohnt 21. In der abendHindischen Kirche wird die Teilnahme des Volkes namentlich an den Kirchenversammlungen der alteren Zeit erwahnt 22. Die
Matth. 18, 17. Hebr. 13, 17. lti Epist. ad Corint., c. 42. 44. 17 Adv. haeres., 4, 26. 18 Epist. 25. und. 27. 19 Ad Trallian., c. 2. 3. 20 Orthodoxes Bekenntnis, I, 109; Sendschreiben der orient. Patriarchen, Art. 10; GroBer Katechismus tiber den 9. Glaubensartikel. 2 ' Euseb., Vita Constantini Ill, 8. Sozomen., hist. ecct. I, 17. " Ober die Synode von Karthago, hinsichtlich der Frage iiber die Aufnahme der Abtriinnigen in die kirchliche Gemeinschaft sagt Cyprianus: , Collatione consiu
15

224

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

entscheidende Stimme aber bei allen Kirchenversammlungen fie! nur den Bischl:ifen zu. Die Kanones gebieten den Bischl:ifen,:die:Kirchenversammlungen einzuberufen und bei denselben Uber die kirchlichen Bediirfnisse zu verhandeln 2s. Hinsichtlich der Laien bestimmen die Kanones, daB es denselben nur erlaubt ist, an den bischMichen Synoden teilzunehmen und den Verhandlungen zuzuhoren; einzelnen gelehrten und gottesfUrchtigen Laien war es gestattet, tiber Aufforderung der Kirchenversammlung, Aufkliirung zu erteilen oder ihre Meinung zu auBern. DemgemaB wurden die Beschliisse der Kirchenversammlungen von den Bischofen allein oder von den, von ihnen bevollmachtigten Priestern und Diakonen unterfertigt. Die Kirchenversammlungen werden in der Geschichte ausschlieB!ich als Versammlungen der BischOfe erwahnt und nach der Anzahl der an denselben beteiligt gewesenen BischOfe bezeichnet 24. DaB bei dies en Kirchenversammlungen aile kirchlichen Fragen, mogen diese den Olauben oder die Kirchenverwaltung betreffen, behandelt wurden, beweisen die Akte sowohl der allgemeinen Kirchenversammlungen, als auch der Partikularsynoden. Dieselben Bestimmungen, welche fUr die Kirchenversammlungen gelten, in deren Kompetenz die Verwaltung der allgemeinen Kirche oder der Partikularkirchen gelegen ist, sind auch flir die zum Zwecke der Verwaltung einer Eparchie bestehenden Versammlungen, namlich fUr die bischl:iflichen Konsistorien, giltig. Wie in den allgemeinen Konzilien und Partikularsynoden, ebenso kl:innen in den Eparchial-Konsistorien nur Geistliebe vollberechtig tintervenieren und entscheiden. Daher konnen sich die Laien, die in den erwahnten Kirchenversammlungen nach der fundamentalen Verfassung der morgentandischen Kirche rechtlich nicht teilnehmen konnten, auch an den Versammlungen der Eparchial-Konsistorien weder in Glaubenssachen noch in Angelegenheiten der Kirchenverwaltung beteiligen. Das jus decisivum, welches nur den Bischl:ifen in den allgemeinen Kirchenversammlungen zustand und welches von den Bischofen auch in den Partikularsynoden ausschlieBiich ausgeiibt wird, ist auch auf Grund der Vollmacht der bischOflichen Synode jedem Bischof in allen kirchlichen Angelegenheiten seiner Eparchie eingeraumt, und in erster Linie in den Eparchial-Konsistorien (. 114). Dem Volke war es gestattet, bei der Wahl seiner geistlichen
Jiorum cum episcopis, presbyteris, diaconis, confessoribus, parlter ac stantibus /a/cis facta, lapsorum tractare rationem". Epist. 52. cf. Ep. 14. Fiir die abendlandischen Kirchenversammlungen des VI. und VII. jahrhunderts siehe Harduini. II, 1043. 1046. 1102. Ill, 580. 955. 23 Kan. Apost. ~., I. allgem. Konzil 5. Kan., IV. allgem. Konzil 19. Kan., 8. Trull. Kanon, und andere. 2 ' Siehe Anm. 1 . 81 dieses Suches.

.53. Die Beziehungen zwischen de;n Klerus und den L1.ien.

225

Hirten mitzuwirken. Im . 103 wird die Bedeutung der Stimme des Volkes (suffragium populi) bei der Bischofswahl erortert. An jener Stelle wird dargetan, daB das entscheidende Wort in dieser Beziehung rechtmaBig der bischoflichen Synode zufiel, und daB das Volk durch seine Stimme nur das Zeugnis tiber die Eigenschaften der Kandidaten ftir den Episkopat abzugeben hatte, sonach kein jus decisivum besaB. In derselben Weise beteiligte sich das Volk bei der Bestellung der zur Ausiibung der Seelsorge bestimmten Presbyteri. Wie die bischofliche Synode den Bischof fUr die betreffende Eparchie einsetzte, ebenso hat der Bischof gemal3 der Vollmacht dieser Synode die Priester zur Ausiibung des Seelsorgedienstes in seiner Eparchie eingesetzt. Die Bedeutung der Teilnahme des Volkes in dieser Beziehung erhellt aus dem 7. Kanon des Theophilus von Alexandria. In diesem Kanon ist die Bestimmung enthalten, dal3 die ganze Geistlichkeit (1e&.V tb tspa.tstov), welche den bischoflichen Rat bildet, iibereinkommen und den betreffenden Kandidaten fiir den Seelsorgedienst wahl en soli (ao!l~mvstv xo1 a.tpstaita.t). Sodann hat der Bischof selbst die Wiirdigkeit des Kandidaten fUr den Dienst zu prlifen (oc.xtp. 6..(stv). Stimmt der Bischof mit der Meinung seines Klerus iiberein, dann hat er dem Kandidaten offentlich in der Kirche in Anwesenheit des Volkes (1ea.p6no; toO A.a.oO) die Cheirothonie zu erteilen, damit auch das Volk fiir ihn Zeugnis ablege

(xa.t 6 A.ab; Mva.ta.t a.ot<p p.!xptopstv) 25 .


Es hatte also die den Bischof umgebende Geistlichkeit oder das heutige bischofliche Konsistorium den fiir einen bestimmten Ort zur Auslibung der Seelsorge zu bestellenden Kandidaten zu wahlen und dem Bischof vorzuscl!lagen, worauf es dem Bischof iiberlassen war, den Vorschlag seines Klerus anzunehmen. Nahm der Bischof den Vorschlag an, dann legte er dem Betreffenden in Gegenwart des Volkes die Hande auf. Das Volk hatte zu bezeugen, daB derjenige, welchen der Bischof i:iffentlich als wilrdig erklart, tatsachlich des zugedachten Dienstes wlirdig (O.~tos) sei. Dies war so, und muB nach den Worten des erwahnten Kanon so sein, damit in der Kirche keine UnregelmaBigkeit geschehe (fva. p:lj 'ltsptopc.p"~ ttS rsw;ta.t). Das Recht des Volkes den Geistlichen selbst zu wahlen und dem Eparchialbischof vorzuschlagen kann nur dort bestehen, wo das formelle und auf gesetzlichem Wege bestatigte Stiftcrrecht (Y..t'f)tC.ptxbv o(xawv) existierf26. Dem Volke ist das Recht der Mitwirkung bei jenen Angelegenheiten eingeraumt, welche das Kirchenvermogen betreffen. Dieses Recht muB jedoch wohl verstanden werden, um nicht zu jenen Extremen zu fUhren, von welch en im . 158 dieses Buches die Rede ist; iiberdies
Siehe meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" II. 473-474. Siehe . 163 dieses Buches. 15 J!llal, llrobenreebl.
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226

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

mu6 die Verwaltung des Kirchengutes von der Oebahrung mit dem Kirchengute streng gesondert werden. Nach dem Subjekte des Kirchengutes ist in den Kanones auch die Verwaltung desselben normiert. Da das Subjekt des Kirchengutes die betreffende Kirche ist, so kann die Verwaltung desselben nur der Kirchengewalt, namlich jedem Bischofe in seiner Eparchie zufallen. Der 38. apostol. Kanon bestimmt, ,daB der Bischof fiir aile kirchlichen Angelegenheiten sorgen und diese verwalten soil (1t0.'ol'tmv t<tlV sx:x.A'r)OW.crmt<i)V 1tpa.rp.O.tmv EXEt<O t"fJV r.ppovttaa. xa.l atot'X.Ettm WJtO.)." Der 41. apost. Kanon enthalt die noch klarere Bestimmung, daB ,der Bischof die Oewalt tiber die kirchlichen Angelegenheiten besitzt (E~~oa(a.v zx_stv) ; denn wenn ihm die wertvollen Seelen der Menschen anvertraut sind, so mul~ demselben umsomehr die Sorge fiir das Vermogen obliegen (1toA),cp 2J.v asot 1tepl t<ov X.P'rJtJ.O.tmv SVtEAAsa&a.t), so daB er die Oewalt besitzt, mit Oottesfurcht und mit aller Frommigkeit alles zu verwalten (xa.t&. t"'r1 v a.?noo s~oo ata.v 1t&.vta. awtxs[a&a.t)." Demnach wird die Verwaltung des Kirchengutes dem Bischof ohne jede Beschrankung zuerkannt. Da jedoch der Bischof allein diese Verwaltung nicht besorgen und die Einktinfte ihrem Zweck gemaB verwenden konnte, werden in den Kanones die Presbyteri und Diakonen erwahnt, welche als Oehilfen des Bischofes die in dieser Beziehung von letzterem ergehenden Auftrage auszufUhren haben 27. Spater wurde bestimmt, daB jeder Bischof seinen besonderen kirchlichen Okonomen haben soli, welchen er aus seinem Klerus zu wahlen (sx too tatoo xA-f)poo) hat und dem die Aufgabe obliegt, das Kirchenvermogen nach den Weisungen des Bischofs zu verwalten (xa.t&. "(V<otJ.'r)V too otxs(oo smax61too) 28 Das Recht der Verwaltung des Kirchenvermogens steht also nach den Kanones ausschlieBiich dem Bischof zu, welcher diese Verwaltung durch seinen Klerus austibt. Die Verwaltung des Kirchenvermogens einer Pfarre wird tiber Ermachtigung des Bischofs vom Pfarrer bewirkt, welcher dem Bischof hieftir verantwortlich ist. Von der Mitwirkung des Volkes bei dieser Verwaltung ~enthalten die Kanones keine Bestimmung; ebensowenig ist in den Kanones davon die Rede, daB dem Volke die Oebahrung mit diesem Vermogen zusteht. Doch war diese letztere Einrichtung in der kirchlichen Praxis vertreten, welche immer dann anerkannt wurde, wenn sie der Kirche zum Vorteil gereichte. Diese Praxis entstand noch in der apostolischen Zeit, als einzelne christliche Gemeinden angesehene und fromme Manner aus ihrer Mitte dazu bestimmten, den Aposteln in ihren Arbeiten behilflich zu sein. Diese Manner wurden Oreise (rspovts<;) genannt und erhielten von
Ap. Kan. 41, Gangra Kan. 6. 7. 8. IV. allgem. Konzil 26. Kan., Theoph. v. Alex. 10. Kan. und mein Kommentar zum 26. Kan. des IV. allgem. Konzils und zum 11. Kanon des VII. allgem. Konzils. ,Pravila" I, 385. 615.
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. 54. Von der Kirchengewalt im allgemeinen.

227

den Aposteln und Presbyteri den Auftrag, fUr die armen Mitglieder der Gemeinde dasjenige in Vollzug zu setzen, was die Verwalter der Kirche und des Kirchenverm5gens beschlossen haben. Diese Greise informierten die Apostel und Presbyteri fiber die Bediirfnisse ihrer armeren BrUder, fiber die Erfordernisse bei Abhaltung der gottesdienstlichen Versammlungen und bei Verrichtung der betreffenden christlichen Zeremonien in den Gemeinden. Spater haben dieselben die ihnen von den Aposteln und Presbyteri in den erwahnten Angelegenheiten erteilten Auftrage ausgeftihrt. Die Tatigkeit dieser Greise in Fragen der kirchlichen EinkUnfte und der Verwe.ndung dieser Einkiinfte fUr die Bediirfnisse des Gottesdienstes und der armen BrUder entwickelte sich namentlich zur Zeit der Verfolgungen und war sehr fruchtbringend. Als die Kirche im griechisch-romischen Reiche ihre SelbsUindigkeit erhielt, hat dieselbe die Mithilfe gottesfUrchtiger Laien in Angelegenheiten des Kirchenvermogens und in der Gebahrung mit demselben nicht abgelehnt, sondern sie billigte die Mitwirkung der Laien hierin und UberlieB ihnen die Ausfiihrung dessen, was die Bischofe sowohl in Fragen der Erbauung und Ausstattung der Kirchen, sowie bezUglich der materiellen gottesdienstlichen Erfordernisse als auch hinsichtlich der Wohltatigkeit und der VolksaufkUirung anordneten. Diese Aufgabe wurde von den Greisen unter der Leitung ihrer christlichen Hirten hingebungsvoll besorgt, wofi.ir sie den Dank der Kirche ernteten. Hieraus entstanden spater die Pjarrepitropien. Als die Hierarchic im Orient nach dem Untergange des byzantinischen Kaisertums ohne staatlichen Schutz geblieben ist, waren die erwahnten Greise berufen, die Hierarchic in der Gebahrung mit dem Kirchenvermogen auch in groBeren Kirchengebieten zu unterstiitzen. Die Frage tiber die Teilnahme des Volkes an den Angelegenheiten der potestas jurisdictionis (8~ot>cr(CL atot'X.'f)tt'Xfj) wurde aus dem zu Beginn dieses Paragraphen angefUhrten Grunde und auch deshalb ausfUhrlicher behandelt, urn tiber die Bedeutung des Laienelementes in der Kirchenverwaltung ein deutliches Bild zu entrollen.

Drittes Kapitel.
Die Kirchengewalt.
.54. Von der Kirchengewalt im allgemeinen. Die Aufgabe der Kirche besteht darin, den menschlichen Willen nach dem Willen Gottes zu leiten, und alle mit Gott zu vereinigen 1.
.

54.

Siebe Seite 2 dieses Buches.

228

II. Teil. Die Verfassung der Kircbe.

Zur ErfUilung dieser Aufgabe ist in der Kirche eine besondere Gewalt eingesetzt, in welcher alle von Christus der Kirche erteilten Vollmachten vereinigt sind 2. Wie die Aufgabe der Kirche geistlicher Natur ist und den Zweck verfolgt, den menschlichen Geist fiir das Gute zuganglich zu machen, sowie den Menschen fur das kunftige ewige Leben vorzubereiten, ebenso kann auch die Kirchengewalt nur eine geistliche sein 3, Desgleichen mussen auch die der Kirchengewalt zu Gebote stehenden Mittel mit der Beschaffenheit dieser Gewalt tibereinstimmen, also rein geistlicher Natur sein: daher kann die Kirche in Ausi.ibung ihrer Gewalt, zur Erreichung ihrer Ziele, nicht irdische Mittel gebrauchen, mogen die auBeren Verhaltnisse fUr sie wie immer beschaffen sein, und kann zur Verteidigung gewisser ihr zustehender Rechte, welche von irgendeiner Seite nicht anerkannt werden wollen, keine materielle Gewalt in Anwendung bringen 4. GemaB dem Charakter der Kirche, als ein geistliches Reich, berlihrt auch die Kirchengewalt zunachst die geistliche Seite des Menschen und erstreckt sich auf Gegenstande, welche der irdischen Sphare nicht angeht>ren. Da aber die Kirche in der Welt besteht und ihre bestimmte, unverandert zu bewahrende Verfassung behufs ordnungsmaBiger Erfi.illung ihrer Aufgabe besitzt, so muB die Kirchengewalt ihre Tatigkeit auBer auf die geistliche Seite des Menschen, auch auf die irdischen Beziehungen desselben, als Mitglied des sichtbaren und ordnungsmaBig eingerichteten kirchlichen Organism us, erstrecken 5

.55.
Die Entstehung der Kirchengewalt. Christus allein leitet seine Kirche durch die Lehre und die Anordnungen, welche in der heiligen Schrift und Tradition enthalten sind sowie durch das standige Walten des heiligen Geistes. Nach den Worten des Apostels Paulus kann niemand einen anderen Grund lcgen, als der gelegt ist, und dieser ist jesus Christus t. Dieser Grund sind die Lehre Christi und seine Gebote, welche die Grundgesetze der Kirche und des Reiches Christi bilden, von welchen die Er!Osung abhangt. Damit jeder die Lehre Christi beachten und seine Gebote erftillen konne, verspricht Er seinen Aposteln und durch diese der ganzen Kirche die besondere Mitwirkung des heiligen Geistes. Christus sagt: ,Und ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Beistand geben, der immer
Matth. 28, 18. 19; joh. 20, 21. 22. 23; Chrysost. 86. Hom. zum 20. Kap. joh. job. 18, 36. ' Matth. 10, 23; job. 15, 20. 18, 36. 37. 5 Siebe . 2 dieses Bucbes. . 55. 1 I. Kor. 3, 11.
3
2

55. Die Entstehung der Kirchengewalt.

229

bei euch bleiben soli, niimlich den Geist der Wahrheit, fUr welchen die Welt nicht empfanglich ist, wei! sie ihn nicht sieht, und ihn nicht kennt. lhr aber werdet ihn kennen, denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein. lch werde euch nicht verwaiset lassen, ich komme zu eucb 11 Weiter sagt Cbristus: ,Dies habe icb euch sagen wollen, da icb noch bei euch bin; der Troster aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, soil eucb alles lebren, und eucb alles dessen erinnern, was icb euch gesagt habe". ,Noch vieles hatte ich euch zu sagen: aber ihr konnet es jetzt nicht tragen; wann aber jener, der Geist . der Wahrheit, kommt, der wird euch in aile Wahrheit fUhren'' z. jesus Christus hat beim Verlassen dieser Welt, und indem Er immer das Oberhaupt sowohl der unsichtbaren als auch der sichtbaren Kirche auf Erden blieb, fUr die irdische Kircbe, urn seinem Werk den Bestand zu sichern, eine der Natur dieser Welt entsprecbende sicbtbare Gewalt eingesetzt, welche im Sinne seiner Lehre und seiner Gebote und mit Hilfe des heiligen Geistes zur Erlosung der Menschen wirken und daher aile jene Mittel anwenden muB, welche nacb den Verbaltnissen der Zeit und des Ortes am entsprecbendsten sind. Diese Gewalt auf Erden hat Christus seinen Aposteln iibertragen indem Er ihnen sagte, daB, falls ein Christ sicb. versUndigt, sie ibn allein zur Rede steilen soli en; hOrt er jedoch nicbt, so soli en sie dasselbe vor Zeugen tun: bessert er sich aber auch dann nicht, so soil die Kirche tiber ihn richten; verharrt er aber auch dann in der SUnde, so soil er aus der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden, ,denn wabrlich icb sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, das wird aucb im Himmel gebunden, und was ihr auf Erden losen werdet, das wird auch im Himmel geloset sein" s. ,Mir ist aile Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben, gebet bin, und lehret alle Volker.... alles zu batten, was ich euch befohlen habe'1 4, ,Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch .... , empfanget den heiligen Geist, und welchen ihr die SUnden erlasset, denen werden sie erlassen, welchen ihr sie aber nicht erlasset, denen sind sie auch nicht erlassen" 5, Hiemit hat Christus seinen Aposteln die Befugnis Ubertragen, das Wort Gottes zu verkUnden, die heiligen Sakramente zu verwalten und die auaere Ordnung in der Kirche auf eine Weise zu erhalten, welche dem Zwecke am besten entspricht; also die erforderlichen Anordnungen und Satzungen zu erlassen, die SUnder zu richten und zu strafen und die Ungeborsamen aus der kircblicben Gemeinscbaft auszuschlieBen.
2

job. 14, 16-18. 25-26. 16, 12-13.

Matth. 18, 15-18. ' Matth. 28, 18-20. 5 joh. 20, 21-23.
3

230

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

.56.
Die Bestandigkeit der Kirchengewalt.

Nach der Himmelfahrt Christi und nachdem der heilige Geist auf die Apostel herabgekommen war, bekundeten diese gleich in Wort und Tat die Gewalt, welche ihnen von Christus eingerliumt wurde. Dies zeigte insbesondere, nach dem Zeugnisse seiner Sendschreiben, der Apostel Paulus, indem er die von Christus erhaltene Gewalt in allen Angelegenheiten der betreffenden Kirchen und in allen Zweigen der Kirchenverwaltung liuBerte. In jenen Dingen, welche die ganze Kirche betrafen, haben die Apostel die oberste Gewalt gemeinsam ausgeiibt. lhre Entscheidungen wurden vom heiligen Geiste erfUIIt, sonach fUr aile Glliubigen unbedingt bindend betrachtet. Zur Zeit als die Apostel ihre Gewalt ausiibten, finden wir auch die Mitwirkung der glliubigen Laien in Angelegenheiten der Kirchenverwaltung. Dies war der Fall, als an Stelle Judas der Apostel Matthias gewlihlt wurde 1; als die Wahl der ersten Diakonen erfolgte 2, und als iiber die Notwendigkeit der Beschneidung der Christen entschieden wurde s. Die Teilnahme des Volkes in diesen Dingen hatte aber keine wesentliche Bedeutung, denn die Apostel besorgten gemliB ihrer Gewalt die betreffenden Angelegenheiten, und die beziiglichen Verfiigungen wurden von den Aposteln selbst, als AusfluB ihrer Gewalt, getroffen. Die Gewalt, welche Christus den Aposteln fUr die Kirchenverwaltung iibertragen hat, war fiir aile Zeiten des Bestandes der irdischen Kirche bestimmt; es konnte daher diese Gewalt nach dem Tode der Apostel nicht aufhOren, sondern muBte auf jene iibergehen, welche an die Stelle der Apostel traten. Die Apostel haben noch zu Lebzeiten ihre Nachfolger in allen jenen Orten eingesetzt, in welchen neue Kirchen gegriindet worden sind, und nannten sie Bisch5fe. Durch das Auflegen der H11.nde und durch das Anrufen des heiligen Geistes ilbertrugen die Apostel ihren Nachfolgern, den Bischofen, jene Gewalt, welche sie selbst von Christus erlangt haben. Diese Gewalt wurde von den Bischofen mit demselben Rechte ausgeiibt, wie von den Aposteln, und die Bischofe Ubertrugen sie wieder auf ihre Nachfolger im bischtlflichen Amte. Auf diese Weise wurden die ersten Bisch5fe bestellt, u. z.: Timotheus fiir die Kirche von Ephesus, Titus fiir die Kirche von Kreta, Linus fiir jene von Rom, Euodius fiir die Kirche von Antiochia, Dionysius filr die Kirche von Athen 4 u. s. w. Klemens von Rom schreibt: "Ais die Aposteln in DOrfern und Stactten predigten, haben sie ihre ausgezeichneten und
. 56.

Apostelgesch. 1, 15. Apostelgesch. 6, 2. 3 Apostelgesch. 15, 6. Eusebius Kirchengeschichte 4, 5. 22. /rinei Adv. haeres. 3, 3.
1

. 57. Das Subjekt der Kirchengewalt.

231

gUiubigen SchUler zu BischOfen und Diakonen der iibrigen GHiubigen wegen und auch wegen derjenigen bestellt, welche kiinftighin in die Kirche . eintreten werden" r.. Dies taten die Apostel nach dem Willen Gottes, wie Ignatius Theophorus sich ausdriicktG. .57.
Das Subjekt der Kirchengewalt.

Jesus Christus hat die Gewalt in der Kirche den Aposteln gemeinsam (. 55) Ubertragen und zugleich die Art und Weise bestimmt, wie diese Oewalt auszuiiben ist. Er bestimmte namlich, daB jeder Apostel die Kirchengewalt in erster Instanz allein austiben k5nne; daB in zweiter lnstanz diese Gewalt von einigen derselben, und in letzter lnstanz von allen gemeinsam betlitigt werden konne 1. Die Ftille der Kirchengewalt hat sonach Christus allen Aposteln iibertragen; hat jede individuelle Gewalt des einen oder anderen Apostels tiber die ganze Kirche ausgeschlossen und sogar den Gedanken daran, daB einer von ihnen den Vorrang vor den iibrigen und die Ftihrung der tibrigen anstreben kOnnte, verworfen ; denn sie aile sollen, was die Rechte und die Gewalt in der Kirche anbelangt, gleich sein. Zur Zeit des Lebens Christi auf Erden entstand zwischen den Aposteln wiederholt ein Streit Uber den Vorrang eines derselben vor den andern. Derartige Versuche der einzelnen hat Christus auf das strengste verurteilt. Als unter den Aposteln darUber gestritten wurde, welcher von ihnen im himmlischen Reiche der groBte zu sein habe, berief Christus ein Kind, stellte es mitten unter sie und sagte: ,Wahrlich ich sage euch: wenn ihr euch nicht lindert, und werdet wie die Kinder, so konnet ihr nicht ins himmlische Reich kommen" 2 Die Mutter der Apostel jakobus und johannes bat einmal Christum, daB ihre beiden Sohne in seinem Reiche der eine ihm zur Rechten der andere zur Linken sitzen mogen. Als die Ubrigen Apostel davon horten, waren sie unwillig. Jesus Christus sagte ihnen, urn aile zu beruhigen: ,.lhr wisset, daB die Regenten der Volker tiber sie herrschen, und die GraBen Gewalt tiber sie ausUben: unter euch aber soli es nicht so sein: sondern wer unter euch groB werden will, sei euer Diener und wer unter euch der erste sein will, sei euer Knecht" s. Beim Abendmahle entstand wieder ein Streit zwischen den Aposteln tiber den Vorrang, wobei Christus ihnen dieselbe Belehrung wie frUher erteilte 4
~
6

Ad Korint. c. 40. 42. Ad Ephes. c. 3.


1

. 57.

Matth. 18, 15-18. Matth. 18, 1, 4. a Matth. 20, 21-27. ' Luk. 22, 24-30.
2

232

II. Teil. Die:Verfassung der Kirche.

Der Stifter der Kirche berUcksichtigte bei allen seinen Bestimmungen immer die Schwache der menschlichen Natur, und erlieB daher rUcksichtlich der Kirche solche Oebote, deren ErfUllung trotz dieser Schwache doch m5glich ist. Es liegt in der Natur des Menschen, daB die~~ vereinte Arbeit vieler, Ieichter zum angestrebten Ziele fUhrt. Durch die vereinte Tatigkeit Hi.Bt sich Ieichter das Wesen der betreffenden Sache erkennen, durch vereinte Tatigkeit werden vcrlaBlicher("Urteile gefallt, durch sie wird der Wille der einzelnen gefestigt, werden Fehler Ieichter entdeckt und wird der unabanderlich festgesetzte Zweck der Kirche erreicht; gleichzeitig wird bei einer solchen Tatigkeit die christliche Bescheidenheit und das BewuBtsein der pers6nlichen Unvollkommenheit aufrechterhalten. Christus hat aber noch ein neues Oebot hinzugefiigt, namlich das Oebot der wechselseitigen Liebe, welche aile in einem Geiste vereinigt, aile belebt und starkt. Dieses Ziel kann jedoch nur in briiderlicher Oemeinschaft und im gegenseitigen Verkehre in Versammlungen erreicht werden; denn wenn jeder einzelne, mag er noch so gut veranlagt sein, nur seiner eigenen Anschauung folgt, kann von der Erzielung der Einheitlichkeit nicht die Rede sein, und gerade durch die Einheitlichkeit der Gedanken aller, wird die wahre Kirche Christi erkannt. Das Beispiel Christi und seiner Apostel bestatigt dies am deutlichsten. In treuer Beachtung der Worte ihres Lehrers haben die Apostel, obgleich dieselben in reichem MaBe von dem heiligen Oeiste erftillt waren und daher allein die verschiedenen in der Kirche zutage getretenen Streitigkeiten zu entscheiden imstande waren, bei der Behandlung jeder wichtigeren Frage sich stets versammelt und synodaliter iiber dieselbe entschieden; hiemit wollten sie ihren;Nachfolgern ein Beispiel fUr ihr eigenes diesbeziigliches Verhalten bieten.~ Bei den aus dem Judentume bekehrten Christen wurde die Bestimmung aufgestellt, daB jene Christen, welche sich aus dem Heidentume bekehren, den mosaischen Oesetzen sich unterordnen miissen. Auch diese Frage wollte weder Paulus noch irgend ein anderer von den Aposteln allein entscheiden, sondern dieselbe wurde anUiBlich einer allgemeinen Versammlung aller Apostel und der Ubrigen Vorsteher vorgetragen und diesbeziiglich eine gemeinsame Entscheidung gefallt 5. Dieses Beispiel der Apostel diente auch ihren Nachfolgern bei ihrer Tatigkeit zur Richtschnur, und wurde seitens derselben in Ausiibung der Kirchengewalt stets cine gemeinsame Tatigkeit beobachtet; diesel ben erhielten von den Aposteln die vollstandige Lehrgewalt, die potestas ordinis und die potestas jurisdictionis, iibten jedoch keine dieser Oewalten allein aus. Was das Lehramt anbelangt, so verliehen die Apostel jedem
~ Apostelgesch. 15, 1-32. Ahnliche Beispiele der synodalen Tlitigkeit in dem apostolischen Zeitalter liefert uns die Apostelgeschichte. 20, 17-38. 21, 18-25.

. 57. Das Subjekt der Kirchengewalt.

233

Bischof mit der betreffenden Kirche auch die Lehrgewalt. Zur Sicherung aber eines verHiBlicheren Erfolges in der Auslibung dieser Gewalt hatten die Bischofe immer einige Mitglieder aus ihrem Klerus zur Seite, welche den sogenannten Presbyteral-Rat bildeten, mit wechem sie unter Mitwirkung der GHiubigen gemeinschaftliche Beratungen liber die Bedlirfnisse der ihnen anvertrauten Kirche pflogen und gemeinsame Entscheidungen erlieBen, nach welchen auch vorgegangen wurde 6, Wenn rlicksichtlich des Lehramtes eine Frage angeregt wurde, welche tiefer in das Leben der Kirche eingriff, dann wandte sich der betreffende Bischof an die benachbarten BischOfe, welche sich alle bei dem Bischof der Hauptkirche (Metropolie) versammelten, wo dann synodaliter beraten und entschieden wurde 7. Derselbe Vorgang wurde auch bei der Auslibung der potestas ordinis beobachtet. Die ersten Diakonen wurden von den Aposteln synodaliter eingesetzt s; synodaliter wurden Paulus und Barnabas in den Dienst der Apostel eingeflihrt 9, synodaliter endlich wurde Timotheus zum Bischof von Ephesus erhoben 10. Dieses apostolische Beispiel ging auch auf die nach-apostolische Zeit tiber und erhielt den Charakter eines positiven Gesetzes, hauptsachlich bei der Einsetzung der Bischofe n. Am meisten tritt aber diese gemeinsame synodale Tatigkeit bei der AusUbung der potestas jurisdictionis hervor. Die FOlle jener Kanones, nach welchen heute die orthodox-orientalische Kirche verwaltet wird, wurde auf Kirchenversammlungen erlassen, und es existiert kein Kanon, welcher nicht den Stempel der Synodalgewalt an sich trlige. Die von uns heute angenommenen und anerkannten Kanones der heiligen Vater werden von uns nur deshalb angenommen und als bindend betrachtet, wei! dieselben auf den Kirchenversammlungen bestatigt wurden und ihnen von diesen Versammlungen der verbindliche Charakter zuerkannt wurde. Die Fragen, welche die Kirchenverwaltung betreffen, unterliegen ausschlieBlich der Entscheidung der Synodalgewalt, und nur im Namen
6 Ilpsa~otspwv wird auch in den apostolischen Sendschreiben (1. Tim. 4, 14), und als Versammlung von Priestern zu gemeinsamer Arbeit in der Apostelgeschichte (21, 18) erwahnt. Ober den Presbyterai-Rat in den ersten Zeiten der Kirche wird in dem Absatze iiber die Konsistorien abgehandelt. 1 Zahlreiche Kirchenversammlungen in den ersten jahrhunderten der Kirche anlliBiich der Fragen: iiber den Tag der Feier des Osterfestes, iiber die Montanisten, iiber die Ketzertaufe, sowie iiber andere ahnliche Fragen, liefern hiefiir den besten Beweis. Vergl. C. ]. Hefele, Konziliengeschichte. I, 83 u. ff., 86 u. ff., 117 u. ff. 8 Apostelgeschichte 6, 6. 9 Apostelgeschichte 13, 3. Hieronimus (De viris illust. c. 5) erwahnt, daB die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes den Paulus zum apostolischen Dienste geweiht haben. Vergl. Eusebius, Geschichte der Kirche (2, 1), worin eine Beschreibung der TIUigkeit der Apostel nach der Himmelfahrt Christi enthalten ist. 10 l. Tim. 4, 14. 11 I. Kan. Ap.; I. allgem. Konz. 4. Kanon; IV. allgem. 28. Kanon; VII. allgem. 3. Kanon u. a. 15 1

234

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

dieser Oewalt wird seitens der Bischofe die potestas jurisdictionis in den ihnen anvertrauten Kirchen ausgetibt 12. Aile Zweige der ~ Kirchengewalt hat Christus den Aposteln tibertragen, von welchen diese auf die Nachfolger der Apostel, auf die BischOfe tibergingen. Die Oleichheit, welche unter den von Christus mit den gleichen Befugnissen ausgestatteten Aposteln bestand, zeigt sich auch unter den Bischofen 1s; daher kann tiber einen Bischof nur die Versammlung vieler Bischofe, die bischofliche Synode 14, die Oewalt austiben. Da das Oberhaupt jeder Kirche der Bischof ist, so konnen mehrere Kirchen nur von der Versammlung der betreffenden Bischofe, von der Partikularsynode 15, abhangen; tiber die Oesamtkirche tibt die allgemeine Synode 1s, die Versammlung der Vorsteher aller Partikularkirchen, die Oewall aus. Die Ftille der Kirchengewalt ist in der bischoflichen Synode vereinigt, und zwar in so absolutem Sinn, daB die Kirche ohne diese Einrichtung aufhoren wtirde, das zu sein, was sie ist und ihre Verfassung nicht mehr diejenige ware, welche vom Stifter der Kirche normiert wurde. Der Bischof ist das Oberhaupt seiner Kirche und besitzt jene Ftille der Oewalt, welche jedem Apostel zuteil war, also die ganze Ftille der Kirchengewalt. Diese Gewalt aber tibt er aus, wei! sie ihm von der Synode der Bischofe anvertraut wurde, welche letztere bei der Cheirotonie den Segen des heiligen Geistes auf ihn herabrief und ihn hiedurch zum Nachfolger der Apostel machte. Diese Lehre der orthodox-orientalischen Kirche bildet die Grundlage ihres gesamten
'" Neben den kanonischen Verordnungen, welche wir bisher angefiihrt haben, und jenen, welche wir anfiihren werden, urn zu zeigen, daa die wichtigern Angelegenheiten in der Kirche auf keine andere Weise als nur synodaliter entschieden werden dfirfen, dient auch die kirchliche Praxis a us den altesten Zeiten der;; Kirche hiefiir als Beweis. Unter anderen fiihrt der tiefe Kenner der christlichen Altertfirner, Eusebius von Casarea (De vita Constantini. Lib. I. c. 51), Folgendes an: ,Derheldnische Kaiser Licinius erliea den christlichen Bischofen gegenfiber das Verbot, sich zu vereinigen und Synoden abzuhalten, urn gerneinsarn fiber die Bedfirfnisse der Kirche zu beraten. Diese MaBnahrne diente demselben dazu, um noch mehr seinen ChristenhaB zu manifestieren; denn in der weiteren Versamrnlung der Bischofe Jiige die eine Strafe nach sich ziehende Verletzung des kaiserlichen Gebotes, und dadurch, daB sich die Bischofe nicht versammeln, werden wieder die kirchlichen Satzungen verletzt, da auf keine andere Weise, sondern nur in Synoden die kirchlichen Angelegenheiten ordnungsmiiBig geregelt werden konnen (?.J.J.w~ "{ry_p ot) ouv-xtov ttl. tJ.E"(.XA-x

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x-xtopih:>a~X(ll'ht)".

S. Anm. 6 und 7, . 49. a Kan. Ap. 74; IV. allgem. 9. 17 Kan.; Ant. 14. 15. Kan.; Sardica Kan. 3. 5. 14; Karthago 12. 15. 19. 28. 120. 121. Kan. 1 ~ Daher besteht die Bestimmung, daB jiihrlich in jeder Partikularkirche:bisch6fl. Synoden abgehalten werden mfissen. Kan. Ap. 37; I. allgem. 5. Kan.; IV. allgem. 19. Kan.; Trull. 8. Kan.; VII. allgem. Konzil 6. Kan.; Ant. 20. Kan.; Karth. 95. Kan. 16 "Opo,; t' der Synode von jerusalem (Harduini XI, 241). Sendschreiben der orient. Patriarchen fiber den orthodoxen Glauben. Art. 10.

. 58. Die Zweige der Kirchengewalt.

235

Rechts, und findet ihre Bestatigung vorerst in der heiligen Schrift, dann in den kanonischen Verordnungen und in der kirchlichen Praxis aller Zeiten. .58.
Die Zweige der Kirchengewalt.

Die Kirche und die Gewalt derselben in ihrer fillle ist eine einzige; allein nach den verschiedenen Gebieten ihrer Tiitigkeit laBt diese Gewalt drei verschiedene Zweige erkennen. Die Teilung der Kirchengewalt basiert auf der heiligen Schrift 1 und ist folgende: 1) Die Verwaltung der Lehre , potestas magisterii); diese besteht in der Be(~oua(a ataa-x.ttx:r1 wahrung und Verbreitung der christlichen Lehre, in der Bewahrung der Gliiubigen von falschen Lehren, in der Predigt und in der Beaufsichtigung der Ausbildung des Klerus 2. 2) Die Verwaltung der heiligen Hand, potestas ordinis), d. h. die Befugnis zur lungen (e~ouo(a epanx:r1 ordnungsmaBigen Verwaltung der heiligen Sakramente und anderer heiliger Handlungen a. 3) Die Handhabung der Kirchenregierung (s~ou ata 7COt\1Cl.'Ytt'X.'(; ~ atot'X.Yjtt'X.~, potestas jurisdictionis) besteht in der Auslibung der gesetzgebenden Gewalt in der Kirche, in der Entscheidung tiber Verletzungen kirchlicher Gesetze seitens irgendeines Mitgliedes der Kirche, und in der Beaufsichtigung der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten 4. Diese drei Zweige der Kirchengewalt mi.issen jedoch nicht miteinander verbunden sein; namentlich gilt dies riicksichtlich der potestas ordinis und der potestas jurisdictionis. Die erstere wird durch die Cheirotonie erworben, die letztere muB besonders verliehen werden. Der eine oder der andere hierarchische Rang der potestas ordinis
~. 58. ' Matt h. 28, 18-20. Jm Abendlande haben die Kanonisten, gestiitzt auf Thomas von Aquin (Summa 2, 2), die kirchliche oder geistliche Gewalt in die potestas ordinis und in die potestas jurisdictionis gesondert. Der erste, welcher unsere Einteilung im Abendlande einfiihrte, war Ferd. Walter in seinem Lehrbuche iiber Kirchenrecht

(die erste Auflage erschien 1822 im Drucke); nach ihm wurde diese Einteilung von den meisten abendllindischen Kanonisten angenommen. Siebe die Begriindung Walters in seinem Lehrbuch (XIV. Ausg. S. 29, Anm. 5). 3 .::lt8-xxttx6v muB nach Paulus unter anderen der Bischof sein. I. Tim. 3, 2; II. Tim. 2, 24. Vergl. ,Kniga o dolznostjach presviterow prihodskih (Das Buch iiber die Pflichten der Pfarrer)". Moskau 1850. II. Teil S. 10 u. ff. ~ 'lr;poxttx.-xl ),EttO'J(.I"(t'Xt, I. Kan. der Synode von Ancyra. 'Isp~ttX~ 1J(lOYtt'> Sendschreiben der Synode von Ephesus (Ath. Synt. II. 207). '(sp~ttx~ &;~, 81. Trull. Kan.; Rundschreiben des Gennadius (Ath. Synt. IV. 371). 'Iep~ttX~ 8tot'I!.YjOt<;, 83. Kan. Apost. Vergl. ,Ober die Pflichten der Pfarrer". III. Teil S. 107 u. ff. 1 Die potestas jurisdictionis ist besonders gekennzeichnet bei job. 21, 16; Apostelgesch. 20, 28; I. Petr. 5, 2-5; 32. 102 Trull. Kan. Vergl. 2. Kan. des I. allgem. Konzils; 4. u. 12. Kan. des Konzils von Chalcedon; 37. Trull. Kan. u. a.

236

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

bedingt nicht notwendig das Innehaben auch der potestas jurisdictionis. Die potestas ordinis kann sich ihrer Stufenleiter nach, nur von unten nach aufwarts bewegen und wird, wenn sie einmal verloren wird, ganzlich verloren, wahrend die potestas jurisdictionis in ihrer besonderen Sphare Veranderungen unterworfen ist. Dieser Unterschied bildete sich aus der Verschiedenartigkeit des Wesens der einzelnen Zweige der Kirchengewalt. Die potestates ordinis, welcher ein mystischer Gedanke innewohnt, bildet die Grundlage der geistlichen i.ibernatfirlichen Rechte, wahrend die potestas jurisdictionis sich auf die auBere Seite der Kirche erstreckt und keineswegs in einer unbedingten Abhangigkeit von der gro8eren oder geringeren Fiille der ersteren steht. Dasselbe muB auch von der Lehrgewalt, den heiden anderen Zweigen der Kirchengewalt gegeni.iber, nur in anderer Beziehung gesagt werden 5, Zur Ausiibung der Kirchengewalt ist die kanonische Mission ("'.tJ.VOVl"'.-1'J &.7too-;ok1J, missio canonica) notwendig, welche seitens der zustandigen Obrigkeit auf Grund der bestehenden gesetzlichen Vorschriften erteilt wird 6. Diese Mission hat bei der potestas ordinis einen mystischen Charakter und wird durch den Akt der Cheirotonie selbst er. worben; bei den i.ibrigen Zweigen besitzt dieselbe einen auBerlichen Charakter und kann, was das Objekt der Mission anbelangt, eingeschrankt oder ausgedehnt werden 7,

Zweiter Abschnitt.
Vber die Hierarchie.

Erstes Kapitel.
Zusammensetzung der Hierarchie.
.59. Be griff der Hierarchie.
Die Kirchengewalt ist, wie bereits dargelegt wurde, nicht nach und nach in der Kirche entstanden, d. h. sie hat sich nicht nach und nach entwickelt, sondern sie ist mit der Kirche selbst enstanden und riihrt vom Stifter der Kirche her, welcher diese Gewalt seinen Aposteln iibertrug, von welchen sie auf bestimmte Personen in der Kirche fiberG
& 1

Diese Frage wird im besondern in dem Ill. Teile dieses Suches erortert. joh. 20, 21 ; Hebr. 5, 4. Balsamon, iiber die Dienste des Chartophylax und Protekdikus. Ath. Synt.

IV, 530.

. 59. Begriff der Hierarchic.

237

gegangen ist. Diesen Personen, nicht aber allen Mitgliedern der Kirche ohne Unterschied, fallt auch derrnalen diese Oewalt zu und wird irnrner zufallen. Es besteht also in der Kirche eine Reihe von Personen, welche die Schirmer und Trager jener geistlichen Oewalt sind, welche Christus eingesetzt hat. Die mit dieser Oewalt ausgestatteten Personen bilden die Hierarchie (tEpr:lpXtct., sacrum principaturn). Dionysius der Areopagit definiert den Begriff Hierarchie in folgender Weise: , Unsere Hierarchie wird als Institution bezeichnet, und sie ist eine solche fUr aile geistlichen Dinge (a7t&.Vtrov tspmv 7tpr:lj!J.Cl.tsta); sie ist, vorn gottIichen Hierarchen gestiftet, berufen, alle geistlichen Dinge zu verrichten" 1 Aile jene, welche irn Wege der apostolischen Sukzession auf gesetzliche Weise die Kirchengewalt erlangt haben, bilden die Hierarchie oder urn den Ausdruck der Kanones zu gebrauchen, den geist/ichen Stand (x.r:lttiA~jO~ spct.ttx.6~) 2 Die Mitglieder der Hierarchic gliedern sich, wie bereits erwahnt wurde, in die hoheren Grade (tspmp. bot) und in die niederen Grade oder Kleriker irn weiteren Sinne (U7t'l)pstat ~ X.AYJptx.ot) 3 Die ersteren sind zur Verrichtung des Altardienstes, die letzteren zur Versehung der auBeren liturgischen Dienste berufen. Die Trager der ht>heren Grade sind in dern von ihnen bekleideten hierarchischen Range, bezilglich der Befugnis zur Verwaltung der heiligen Handlungen, untereinander gleichgestellt; dagegen besteht diese Oleichstellung hinsichtlich der heiden Ubrigen Zweige der Kirchengewalt nicht. In dieser letzteren Beziehung ist die Stellung rna8gebend, welche die Trager der hoheren Grade in der Kirchenverwaltung einnehrnen, sowie der Dienst, welchen sie zufolge der kanonischen Mission (x.r:lVOYtx.-1) tt7toato'Atj) verrichten. Diesfalls ist die irn Mittelalter zur Anwendung gelangte Einteilung in die hierarchia ordinis (tEpapxta spattx.tj) und hierarchia jurisdictionis (epapx(a. atot'X.'f'Jtt'X.-fJ) zweckrna8ig. Die Lehrgewalt (&~oua(a ataax.ttt-fJ) gehOrt einerseits zur hierarchia ordinis, da die Belehrung (Predigt) einen wesentlichen Bestandteil der Liturgie bildet, andererseits ist sie aber auch mit der hierarchia jurisdictionis eng verbunden, wei! die Lehrgewalt irn engeren Sinne nur denjenigen zukornrnt, welche diese durch eine besondere missio canonica erhalten haben. Aile, welche dern geistlichen Stande angehoren, rnogen sie in denselben durch die Cheirotonie oder Cheirothesie gelangt sein, sind
. 59.

De eccles. hierarchia 3, 1. Die Hierarchic wird noch bezeichnet als : &px.~ (Vorstehung), 7tpoeop[!X (Vorstandschaft), 7tpooto~cdle:O(A!X (magisterium), amaM7t~ (Episkopat) u. s. w. 2 8. 17. 18. Kan. Apost.; K(XtMO'(O~ tiiw ~kfjpt'ltrov, 15. Kan. Apost. Hie und da wird die Oemeinschaft Aller ~!XYow (I. allgem. Konz. 16. 17. Kan.), und die einzelnen werden ~aYOYt~o( genannt (Laod. 15. Kan.; Basilius d. Or. 6. Kan.) 3 Siebe . 52.
1

238

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

schon auf Grund ihres Standes ganz unabhangig von dem hierarchischen Range sowie von der Stellung, welche die einzelnen in der Kirchenverwaltung ; einnehmen, bestimmten, kanonisch festgesetzten Pflichten unterworfen, welche von allen unterschiedslos erfUllt werden miissen. Als auserwahlte Diener der Kirche haben sie aber, gema6 der von ihnen in der Kirche bekleideten besonderen Stellung, neben den sie bindenden Pflichten, auch mit ihrem Stande verbundene allgemeine, ebenfalls kanonisch gewahrleistete Rechte. Neben diesen allgemeinen, sich auf aile Angeh5rigen des geistlichen Standes erstreckenden Rechten und Pflichten, sind auch die Beziehungen unter den Mitgliedern der Hierarchie kanonisch festgesetzt, wodurch die Erhaltung der Ordnung, sowie des Einklanges unter allen erm5glicht wird.

. 60. Die hierarchia ordinis. Die Kanones erwahnen sechs Grade 1 in der hierarchia ordinis, von welchen drei innerhalb des Altares (svto~ toO ~iJtJ.ato~) durch das Anrufen der Gnade des heiligen Geistes fUr den Betreffenden erlangt werden; die drei iibrigen Grade werden auBerhalb des Altares (sxtb~ toO ~i)p.ato~) durch den Segen des Bischofs erworben 2 Die Inhaber der erstgenannten Grade haben wir als Trager der h5heren Grade (sprov.svot), die der letzteren als Trager der niederen Grade ({nrr;pitw) bezeichnet. I. Zu den Mheren Graden gehort der Episkopat, der Presbyterat und der Diakonat. Diese drei Grade bilden die Grundlage der kirchlichen Hierarchie, und haben ihren Ursprung in dem gottlichen Rechte (ex jure divino) s. Nach der Lehre der orientalischen Kirche kann es weder mehr, noch weniger als drei 4 dieser Grade geben. Die iibrigen in der Kirche bestehenden Grade sind durch diese Grade bedingt und sind nichts anderes als Abzweigungen derselben 5,
. 60.
1

69. Kan. Apost.: "Der Bischof (s1t[aw:mo<;), Presbyter(1C(JS0~6tE(;'.I;), Dlakon

(ot~'X.iwo.;),
2

Subdiakon

(o1to!M.'X.oYo~),

Anagnoste (av-xrltl}at'rj<;), Psalte (41iAt'1J.;").

(Ath. Synt. II, 38).

Simeon von Thessalonica, Erwll.hntes Werk, Kap. 124. Die diesbeziigliche dogmatische Seite, siehe bel Makarius, Prav. dogm. bogoslovie. . 172, 173, 174. GroBer Katechismus, Von der Priesterweihe. Ausg. 1848. S. 72. Zeugnisse von Kirchen-Schriftstellern der alteren Zeit, bei Makarius. . 173. 5 Ganz unrichtig ist dasjenige, was Suworow (Kurs cerk. prava I, 207. Anm. 25) iiber die Anzahl der Grade der hierarchia ordinis sagt. Die diesfallige Frage ist ni cht, wie dies nach seinen Ausfiihrungen:~den Anschein hatte, eine kanonische, sondern eine dogmalische Frage, und stiitzt sich das kanonische Recht diesbeziiglich auf die kirchliche Lehre. Wenn daher die Kirche /ehrt, daB es weder mehr noch weniger als drei fundamentale Grade der hierarchia ordinis gibt, so wird dies von dem
3

60. Die hierarchia ordinis.

239

1) Der oberste und htichste Grad in der kirchlichen Hierarchie ist der Episkopats. Der Vorrang desselben hat darin seinen Grund, a) wei! die bischtifliche Oewalt von den Aposteln ererbt ist, b) wei! in dem Episkopate die Fiille der geistlichen Oewalt liegt, und c) weil demselben die oberste Verwaltung in der Kirche zukommt. Der erste Umstand, daB die Bischl:>fe ihre Oewalt unmittelbar von den Aposteln erlangt haben, ist durch die tibereinstimmende Lehre der Kirche der altesten Zeiten nachgewiesen 7; demgemaB sprachen auch die heiligen Vater von den bischl:>flichen Rechten wie von apostolischen Rechten, und nannten die Bischofe mitunter Apostel, sowie auch die Apostel Bischtife 8 Diese Sukzession der BischOfe den Aposteln gegeniiber, ftihrte jedoch nicht zu einer vollstandigen Gleichstellung der ersteren mit den letzteren. Wahrend die Apostel von dem Herro selbst
Kirchenrechte, welches nur die rechtlichen Beziehungen der Trager dieser Grade betrachtet, als eine Tatsache hingenommen. Suworow, welcher Iediglich auf juristischen Boden zu stehen bestrebt ist und von da aus die Theologen kritisieren will, verfallt in einen vie! groBeren Fehler, als der ist, welchen er dem verst. Archim. johann, dem Vater des Kirchenrechtes der orientalischen Kirche in neuerer Zeit, vorwirft. Noch fehlerhafter erscheint es, wenn sich Suworow zum Beweise dafiir, daB auch der Subdiakonat ein Grad sei, welcher durch die Cheirotonie erworben wird, auf Balsamon beruft. Diesbeziiglich hat er das von Balsamon fiir die Subdiakonen beniitzte wort zstpotOYt?: festgehalten; allein dassel be Wort hat auch Simeon von Thessalonica fiir die Subdiakonen und selbst fiir die Anagnosten gebraucht (Ober die heiligen Handlungen, Kap. 124 und 130), und doch unterscheidet er sie genau von dem Bischof, Presbyter und Diakon, sowohl was den Ritus der Einsetzung, als auch was den Dienst anbelangt. Nach Suworow glibe es also vier fundamentale Grade der Geistlichkeit, welche iibrigens auch in der romisch-katolischen Kirche, wie er dartun mochte, nicht bestehen (siehe Vering, Kirchenrecht. Ed. cit. S. 408-409). Wiirde auBerdem noch angenommen werden, wie Suworov auf Seite 208 anfiihrt, daB die kaiserliche Gewalt eine lz61zere kirchliclze Gewalt sei, welche tiber der bischoflichen Gewalt in der Kirche steht, so wiirden sogar fiinf hierarchische Grade bestehen! ,; Ober die Rechtc der Bischofe lesen wir in den Cons!. Apost. Folgendes: 'E1ttO'X.01to; sr)l.orst, o)x s)),ojstt?:t zstpoi}stst, zstpotovst, 1t[;Oa.pspst ~r)l.ojt?:Y 1t?:pa smax61toov A?:!J.~tbzt, 7t?:p&. 32 7tpsa~Dtpwv o)o?:p.&;;. 'E1t[axor.o; x?:{}:xtps!: miYt?: XA1jptXOY 'l.~tOV OYt?: X(X{}?:tpsa~w; 1tA"~Y amax61tOD . iJ.OVO; (&.[i olrf.. oi6; tE (VIll, 28; Pitra. I, 61). Siebe die gediegene Abhandlung des Bischofs Gurius, ,Ober die gottliche Stiftung der bischoflichen Wiirde in der christlichen Kirche im Vergleiche zur beziiglichen Lehre der reformierten Gemeinden" (russisch in ,Hrist. ctenije". 1876. I, 565 u. ff.). Kurz, Der Episkopat, der hochste vom Presbyterate verschiedene Ordo. Wien, 1877. 7 Siehe . 50, Anm. 5. 8 ,Meminisse autem diaconi dcbent quoniam apostolos. id est episcopos et praepositos Dominus elegit, diaconos autem, post ascensum Domini in coelos, apostoli sibi constituerunt episcopatus sui et ecclesiae ministros". Cyprirzn. Ep. 65 ad Rogat. Vergl. Theodore/us (im I. Timot.). Der Apostel Paulus nannte den Bischof der Philipper, Epaphrodytes, einen Apostel (Phil. 2, 25).

240

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

zum Dienste des Evangeliums berufen und erwahlt worden sind, wurden die Bischofe in den ersten Zeiten von den Aposteln, spater aber von ihnen Gleichgestellten eingesetzt. Oberdies waren die Apostel unmittelbar von dem heiligen Geiste erleuchtet und mit auBergewohnlichen Gaben ausgestattet; die BischOfe erhielten aber den Segen durch die apostolische Cheirotonie, und die ihnen zuteil gewordenen Gaben waren keine auBergewohnlichen, sondern sie empfingen nur die segenbringende Weihe, urn die Kirche zu verwalten. Endlich waren die Apostel die obersten und allgemeinen Verwalter der Kirche, weshalb sie auch mit auBerordentlichen Vollmachten ausgestattet waren; die Bischofe hingegen erhielten ihre Gewalt von den Aposteln nur filr das ihnen anvertraute Kirchengebiet, und konnten dieselbe nur im Sinne der positiven Gesetze und abhangig von dem Richterspruche der Kirche selbst, austiben. Beztiglich des zweiten, den Vorrang des Episkopates begrilndenden Umstandes, ist die Lehre der Kirche ebenfalls eine einheitliche. Der Episkopat ist der hochste Ordo und umfaBt alle Rechte zur Verwaltung der heiligen Handlungen; aus demselben entspringen alle ilbrigen Grade der kirchlichen Hierarchie 9. In dieser Beziehung unterscheiden die Kanones den Episkopat von den tibrigen Graden und insbesondere von dem Presbyterate. Der Presbyter und der Diakon werden von einem einzigen Bischof eingesetzt, wahrend der Bischof von einer Synode von Bischofen eingesetzt werden muB. Ebenso ist dem Bischof die Verleihung aller niederen Grade vorbehalten to. Daher wurde derjenige niemals als ein Mitglied der Hierarchie seitens der Kirche anerkannt, welcher nicht vom zustandigen Bischof die Weihe erhielt. Ebenso entledigte die Kirche jene aller hierarchischen Rechte, welche zufallig von Priestern, die sich gesetzwidrig die bischoflliche Gewalt aneigneten, geweiht wurden 11. Neben diesen dem Bischof auf Grund der geistlichen Amtsgewalt zufallenden Rechten, steht demselben nach der tibereinstimmenden Lehre der Kirche, als drittes, seinen Vorrang begrilndendes Recht, die oberste Gewalt in der Kirchenverwaltung zu; also das Recht zur Austibung des Lehramtes, des Hirtenamtes und des geistlichen Richteramtes. Wenn diese Rechte auch von anderen in der Kirche ausgeilbt werden, so erhielten sie die Befugnis hiezu durch die von dem Bischof empfangene Cheirotonie und durch die ihnen von ihm erteilte Vollmacht. Der Episkopat ist sonach in der Kirche unbedingt notwendig, und wo es
9 10

Hilarius ad Ephes. c. 4.

1. 2. Kan. Apost. und die Kommentare des Balsamon und Zonaras zu denselben (Ath. Synt. II, 2-4). 11 Sard. 18. Kan.; Chalc. 4. Kan.; Epiphan. haer. LXXX; Athanas., Apol. contra Arian.; Epist. Syn. alex.

. 60. Die hierarchia ordinis.

241

keinen Episkopat gibt, da gibt es auch keine Kirche t2. Der Episkopat ist das Organ, durch welches alle Sakramente in der Kirche gespendet werden. Kein Sakrament kann ordnungsma.Big verwaltet werden, wenn der hiezu Berufene die Cheirotonie nicht vom Bischof erhielt ts. Das Recht der Verwaltung des Lehramtes fallt in erster Linie den BiscMfen zu, und ebenso das Recht der Verwaltung des Hirtenamtes. Kein Lehramt in der Kirche und auch kein Hirtenamt, welches die Presbyteri in der Kirche verwalten, kann daher gesetzlich sein, wenn es nicht von dem Episkopate herriihrt und zu demselben nicht in unmittelbarer Abhangigkeit steht 14, Diesen weitgehenden Vorrechten gema6, ist der Episkopat fiir alles in der Kirche verantwortlich. 2) Nach dem Episkopate folgt der Reihe nach der Presbyterat. Die Presbyteri oder Priester besitzen auf Grund der ihnen vom Bischofe erteilten Cheirotonie gewisse Rechte in der Kirche, sonach eine durch die bischOflliche Oewalt bedingte Gewalt. Die priesterlichen Rechte erstrecken sich in bestimmten Grenzen auf aile Zweige der Kirchenverwaltung 15 In Ausiibung der geistlichen oder kirchlichen Dienste wird die priesterliche Gewalt durch jene Mittel, welche durch die oberpriesterliche Oewalt des Episkopates geweiht sind, bestatigt. Daher k<>nnen die Priester aile Handlungen in der Kirche vornehmen, mit Ausnahme dessen, was die Grundlage dieser Handlungen selbst bildet. Die Grundlage dieser Handlungen setzen die Kanones a) in die Cheirotonie, b) in die Weihe von Antimensien und c) in die Weihe des Chrisam-Oles (p.up~v t~1 xptap.~to~). Berechtigt zur Vornahme dieser heiligen Handlungen ist bloB die bisch5fliche Gewalt; denn sie ist die oberpriesterliche Gewalt (apxte:proaov~) in der Kirche 16, Die Priester haben das Recht, die kirchlichen Dienste zu verrichten, allein den Vollstrecker dieser Dienste selbst, also eine ihnen gleichgestellte Pers<>nlichkeit, konnen sie nicht einsetzen, denn dies steht der oberpriesterlichen Gewalt zu; sie haben das Recht, die Liturgie abzuhalten, allein die Weihe des hiezu unbedingt notwendigen Antimensium steht nur dem Bischof zu; ebenso sind sie berechtigt, den Mensch en durch die Sakramente die geistlichen Gnaden zu spenden, aber die Bereitung des
Siebe . 53, Anm. 13. Vergl. Cyprian. Ep. 69. "Opo~ L' des Konzilis von Jerusalem (1672). Sendschreiben der orientalischen Patriarchen. Art. 10. 1 ' Tertull., Lib. de baptismo. Cap. 17; /gnat., Ep. ad. Smyrn.
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13

15

Ilpeo~6tepo<; e~A.oret, O~'X. s~A.o(SL't(XL . e~AO!LIX~ oexet(XL 1t1Xpd: E1tLO'X.61tOO

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lllld, llrtillltolll.

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242

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Mittels, wodurch der Mensch die Eignung erlangt, diese Onaden zu empfangen, namentlich des Chrisam-Oles fUr das Sakrament der Firmung, steht nur dem Bischof zu. In diesen heiligen Handlungen tritt schon an und fUr sich die Notwendigkeit der hOheren priesterlichen Oewalt zur Vornahme derselben zutage, denn die Mittel zu Vornahme jeder heiligen Handlung kann nur derjenige gewlihren, welcher die oberpriesterliche Gewalt in der Kirche innehat; dagegen kann jeder Priester unter BenUtzung dieser Mittel die heiligen Handlungen verrichten. 3) Der letzte unter den fundamentalen hierarchischen Graden ist der Diakonat. Die Hauptaufgabe der Diakonen ist die Bedienung bei den liturgischen Funktionen. lhrem hierarchischen Range nach besitzen die Diakonen keinerlei Gewalt in der Kirche, sondern sie sind in jeder Beziehung von den Bisch5fen und Priestern abhlingig 17. Eine gewisse Gewalt steht ihnen nur beziiglich der niederen Grade zu 1s, und Uber ausdrUckl\che Ermachtigung ihrer Bischt>fe kOnnen sie auch an den Agenden der au6eren Kirchenverwaltung teilnehmen 19, II. Die niederen Grade gliedern sich gleichfalls in drei Stufen, namlich in die Subdiakonen, Anagnosten und Psalten 20. Diese Grade entspringen nicht dem gottlichen Rechte, sondern sind spatere, durch die Bediirfnisse der Kirche veranlaBte Institute 2 1 Die Pflichten dieser niederen Grade beziehen sich auf den au6eren liturgischen Dienst 22;
ataxovoc; oh 1JAO"(El . 00 o[O(t)<:Jty s}),O"(LY, A(L~iYEl OE 1tpa E1tlOX6'1t'~f.) xcx1 'lt'pso~u't'Spou m) ~'X'Itt(Cst, o) <r(JO-:l'fSpEt to5 os S'lt'tax6'1t'ou 7tpOoeverx6vtor; . -~ 'tOU 7tpEo~utspo), (X7Jtoc; smiJ(i)o;m t(i) A'X(ji r;)z (.); lepa)c;, &/../..' (ht; 0l(X'XOV06tJ.EYO<; 1eps}m. Const. Apost. VIII, 28. 18 Laod. 20. Kan. Vergl. Const. Apost. Vlll, 28. Punkt 6. 19 7. Trull. Kan. lm Mittelalter haben die Diakonen fast aile wiehtigeren Posten der Kirchenverwaltung an. den Hofen der Patriarchen eingenommen. 20 Au6er diesen drei Graden erw~hnen die Const. Apost. noch:die KirchenTiirhiiter (7tUA(t)po[, ostiarii. II, 28. 57. Ill, 11) als niederen Grad. In den Kanones werden auch die Exorzisten (lipop'X.t-:lt-x[) als ein besonderer Grad erw~hnt. Ant. 10. Kan.; Laod. 26. Kan. 21 Die Subdiakonen und Psallen werden zum erstenmale in den Kanon. Apost. (43, 69) genannt, also am Schlusse des III. oder zu Anfang des IV. jahrhunderts; die Psalten werden von Tertullian erwahnt. (De praescript. haer c. 41), also im II. Jahrhundert. ~~ Ober die Subdiakonen, Anagnos ten und Psalten sagen die Const. Apost.: 6n:7Jplft1Xt slat ot-x-x.6v<ov VIII, 28. Pkt. 7. Ober die ersteren, siehe Laod. 21. 22. 24. 25. 43. Kan.; 6. Trull. Kan. und die beziiglichen Kommentare des Zonaras und Balsamons zu diesen Kanones. Hinsichtlich der zweiten Kategorie: 17. 26. Kan. Apost.; Chalc. 14. Kan.; 4. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 14. Kan.; Laod. 24. Kan.; Karth. 16. Kan.; Basilius d. Gr. 69. Kan.; Theophilus v. Alex. 6. Kan., sowie die beziiglichen Kommentare der genannten Kanonisten. Ober die dritte Kategorie: Laod. 15. 23. Kan. lm XII. Jahrhundert sind die beiden Ietzteren Grade zu einem Grade verschmolzen, wie dies auch heute der Fall ist. Vergl. den Kommentar des Zonaras zum 22. Kan. der Synode von Laodicea (Ath. Synt. Ill, 191).
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. 61. Die hierarchia jurisdictionis.

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au6erdem wurden dieselben von den Bischofen nach Bedarf in ihren Kanzleien verwendet 2s. . 61.
Die hiera.rchia jurisdictionis.

In der hierarchia jurisdictionis hat sich im Laufe der Zeit eine Reihe der verschiedensten Rangstufen gebildet, von welchen einige heute entweder nicht mehr bestehen oder nur als Ehrentitel in Anwendung kommen. Die Grundlage, auf welcher sich diese Rangstufen entwickelt haben, bilden der Episkopat, der Presbyterat und der Diakonat. Wir werden sp~ter iiber die noch bestehenden Rangstufen dieser Hierarchic sprechen, hier fiihren wir sie des Systems wegen nur statistisch an. Aus der Bischofswilrde bildeten sich: 1) Die Metropoliten (p.YJtpo1tc.A.b:at). Dieser Name wurde jenen Bischofen beigelegt, welche ihre jurisdiktion in einer ausgedehnteren Eparchie (s1tiJ.pxta), in welcher sich mehrere Bischofe befanden, austibten; sie erhielten diesen Namen von den Hauptst~dten (p.Yjtpc.1t6At~) im griechisch-romischen Reiche. Dieser Name wird zum erstenmal in den Kanones des I. allgemeinen Konzils erwahnt 1 2) Die Erzbischofe (&pxts1t(ax.o1tot). Dieser Titel war ein kirchlicher, welcher den Bischofen beigelegt wurde, welche die bedeutendsten Bischofssitze innehatten. Athanasius der GroBe gebraucht als der erste, diesen Titel filr seinen Vorganger Alexander auf dem bischoflichen Throne zu Alexandria 2. 3) Die Exarchen (s~tipxot) waren Bischofe, welche ihren Sitz in den Hauptstadten gro.Ber Gebiete des griechisch-romischen Reiches hatten und als solche den Ehrenvorrang, vor den in demselben Gebiete (awtx."fjats;) befindlichen Metropoliten besa.Ben a. 4) Die Primaten (Primates, 1tpcotc.t, 1tpiDt6oVts;) waren im Abendlande dassel be, wie die Exarchen im Morgenlande 4 5) Den Ehrentitel Katholikoi (x.a&oA.tx.ot, catholici) filhrten die Exarchen und Primaten in einigen Kirchen des Orients 5 6) Die Patriarchen (1tatpttipxat).
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. 61.
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Vergl. Cyprian. Ep. ad clerum 24. 33. 34 und andere. 4. Kan. Vergl. Ant. 9. Kan. Apolog. contra Arianos.

&/.J..' 6 tlj<;

" "E;rxpxo~ t"ljt; OWtl!:~asw; sam or)z 6 haot~; S7trxpx[rx~ fL'fjtpo7toA[t1J<;, o}:~; OlOt'X.fjosco<; fl"fjtp07tOA[t1J<;. Awt'X."tj!it; oz SOttV ~ 1tOAA~~ Z1t'Xpx[rx; zxooarx E\1 &rxr)t1.). Balsamon, Kommentar zum 9. Kanon des IV. allgemeinen

Konzils (Ath. Synt II, 239). lm XII. jahrhundert gab es nach Balsamon (1. c.) keine Exarchen mehr mit solchen Rechten. Vergl. unseren Kommentar zu diesem Kanon in .Pravlla". I, 346-355. ' Z. B. der Primas von Karthago, der Primas der gallischen Kirche u. s. w. Gegenwartig fiihrt in der orientalischen Kirche der Metropolit von Bukarest den Titel eines Primas von Rumtinien. Siehe Art. 17 des Oesetzes vom 14. Dezern. 1872. 5 So in Armenien, Grusien, Athiopien und Babylonien. , Krx{)-oAtxo[ itaque Catholici dicti sunt, qui superiores quidem metropolitis, sed patriarcha inferiores fuerunt." Siehe Beveregii Synodikon. Tom. 11. Annotat. p. 216-217. 16*

244

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Diesen Titel filhrten zur Zeit des IV. allgemeinen Konzils einige BischOfe, welchen unter den Metropoliten groBerer Kirchengebiete ein Ehrenvorrang zukam und welche seither auch den Vorrang in der Jurisdiktion haben 6 7) Papae (1tli7w.t) ist der Titel der Patriarchen von Alexandria und .Rom 1. 8) Autokephalen (aotox.8i'aAot) wurden jene BischOfe genannt, welche unter ihrer Jurisdiktion einige Eparchien batten und diese jurisdiktion ganz selbstandig austibten s. ABe die jetzt erwahnten Wtirden zeigen die Ausbildung der bischoflichen Wtirde nach aufwarts; die Ausbildung derselben nach abwarts zeigen : 1) Die Landbischofe (xops7ttax.o7tot) 9 ; 2) Die Hilfsbischofe (~aYJ&o) 10 und 3) die Vikarbischoje (S'7ttax.o7ttx.ot. s7tt-cpo7tot) 11 Aus dem Presbyterate entstanden: 1) Die Archipresbyteri (&.pxt7tpsa~6-cspot, 7tpro-co7tpsa~6tspot, 7tpro-co7tli7t7tt1t) 12 und 2) Die Periodeuten (1tsptoaso-cal) 13 Aus dem Diakonate entstanden die Archidiakonen (&.pxtat&.x.ovot) und die Protodiakonen (1tprotoatlix.ovot) 14 Unabhangig von dem hierarchischen Range gab es verschiedene kirchliche Wilrdentrager (&.~twp.attx.ot, &.pxovts~ ax.x.),Y)ataattx.o, oi'rptx.vil.ot), welche bestimmte Dienste in der Kirchenverwaltung versahen. Die kanonischen Quellen unterscheiden alle Wtirdentrager in zwei Hauptgruppen, nach der Beschaffenheit der ihnen anvertrauten Dienste. Zu der ersten Oruppe gehoren jene, welche im Dienste der bischoflichen Zentralverwaltung stehen. Die zweiten Gruppe bilden vorerst jene, welchen die Verwaltung der einzelnen von der Zentralverwaltung abhangigen Zentren in der Eparchie anvertraut ist, und sodann jene, welche
Siehe unsere ,Pravila" I, 276. Siehe den 1. Kanon des Gregorius v. Neoc., beziiglich des Papas von Alexandrien. 8 Vergl. den Kommentar Balsamons zum 2. Kanon des II. allgemeinen Konzils (Ath. Synt. II, 171-172). 9 Ober dieselben siehe unsere ,Dostojanstva" (Dignitaten). S. 37 und ff. 10 Die Hilfsbischofe werden bereits im Ill. jahrhundert der Kirche erwahnt. So hatte Narcyssus von jerusalem im hohen Alter den Hilfsbischof Alexander (Euseb., Hist., eccl. VI, 11); Gregorius der Theolog war Hilfsbischof seines Vaters in der Eparchie Nazianz (Socrat., Hist. eccl. IV, 26; Sozom., Hist. eccl. VI, 17); Anatolius wurde zum Gehilfen des Theotechnus von Casarea eingesetzt (Euseb., Hist. eccl. VII, 32); Augustinus zum Gehilfen des Bischofs Valerius von Hippo (Possidius, Vita Augustini. Ep. 34. Augustini). 11 Als Vikarbischofe wurden in alterer Zeit aile jene angesehen, welche in kleineren Orten residierten und von dem obersten Bischof in der Eparchie abhlingig waren (Laod. 57. Kan.). Heute kommen die Vikarbischofe am meisten in der russischen Kirche vor; ebenso find en wir auch in der Kirche des Konigreiches Rumlinien, daB jedem Eparchialbischof ein Vikarbischof beigegeben ist. n ,Dostojanstva". S. 58 u. ff. 13 Ibid. S. 49 u. ff. H Ibid. s. 139.
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. 61. Die hierarchia jurisdictionis.

245

zur pers6nlichen Dienstleistung bei den Bischofen oder fiir die Iiturgischen Dienste bei denselben bestimmt sind. Die ersteren nennen die kanonischen Quellen Wilrdentrager im vollsten Sinne, denn sie besaBen die betreffende standige jurisdiktion in der Kirchenverwaltung; die letzteren besaBen im allgemeinen diese jurisdiktion nicht, oder wenn sie von einigen ausgeilbt wurde, so geschah dies abhangig von der bischoflichen Zentralverwaltung 15, Unter den Wiirdentragern der ersten Gruppe sind sechs als die bedeutendsten hervorzuheben, welche bei den Patriarchen-Stiihlen 'EeroxrxtrhotA.ot genannt wurden, u. zw. 1) Der Okonom (6 otxov6p.o~), dem die Sorge fiber das gesamte Vermogen der betreffenden Eparchie anvertraut war; 2) der Sakellarius (6 arxxsA.A.ripw;) besorgte die Klostergeschafte; 3) der Skeuophylax (6 oxsuo~6A.rx~) sorgte fiir die Kirchenkassa; 4) der Chartophylax (6 xrxpto~6A.rx;), der oberste Aufseher und Verwalter der amtlichen Schriften der Eparchie; 5) der Sakellion (6 arxxsA.A.(rov) war mit der Sorge fiir die Pfarrkirchen und fUr die Pfarrgeistlichkeit betraut, und 6) der Protekdikus (6 7tpmtxatxo~), der oberste Kirchenanwalt 1s. Unter den Wiirdentragern der zweiten Gruppe befanden sich einige Wnrdentrager der Kathedralkirche, unter welchen der oberste Rang dem Protopresbyter (6 7tpwto7trt7td.~), dem ersten unter den Presbyteri der Eparchie, zufiel, welcher wahrend der Sedisvakanz aile Geschafte anstatt des Bischofs besorgte. Der Protopresbyter ilbte seinen Dienst unabhangig aus und hatte einige Presbyteri und Diakonen als Gehilfen zur Seite, unter welchen sich ein Archidiakon oder Protodiakon befand. Derselben Gruppe gehoren auch jene Wnrdentrager an, welche in den bedeutenderen Orten der Eparchie ihren Sitz batten und denen die Aufsicht fiber eine bestimmte Anzahl kleinerer Kirchen in Stactten und auf dem Lande anvertraut war. Hiezu gehoren unter anderen die Archipresbyteri, in der russischen Kirche gegenwartig blagoCinnie, und bei uns Bezirks-Protopresbyteri genannt 17 Die Wilrdentrager der Kloster mit einer bestimmten Jurisdiktion in den betreffenden Klostern, sind die Archimandriten und Hegumenen 1s. Die Wiirdentrager, welche bei den bischoflichen Residenzen ohne eine bestimmte jurisdiktion angestellt waren, urn dem Bischof in kirchIbid. S. 126. Siehe Ath. Synt. V. 531 u. ff. Vergl. Pavel, ,0 dolznostjah i ucrezdenijah po cerk. upravleniji v drevnej vostocn. cerkvi". S. 126 u. ff. Zhishman, Die Synoden und die Episkopal-Amter. S. 97 u. ff.; ,Dostojanstva". S. 121 u. ff. 17 ,Archipresbyteri quidem plures erant in una ecclesia, protopresbyter autem unus est. Archipresbyteri in vicis et oppidis constituebantur, protopresbyter vero non erat nisi in civitate", bemerkt Valerius zum VI. Buch, 9. Kap. der Geschichte von Socrates. Vergl. ,Dostojanstva". S. 60, Anm. 1 und 2. 18 ,Dostojanstva". S. 142-145.
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246

ll. Teil. Die Verfassung der Kirche

lichen, ihm persOnlich zufallenden Agenden zn dienen, sind die Protosynke/loi und Synkel/oilD. In den Patriarchats-Katalogen wird noch ein hOherer geistlicher Wiirdentrager erwahnt, namlich der Logothet ( 6 A.etjO&S't"'};), welcher in der Regel Mitglied des bischCiflichen Rates war. Die Hauptaufgabe desselben bestand in der Kontrolle fiber die Rechnungen der EinkUnfte und Ausgaben der Kirchen und des Bistums. Derselbe gehOrte, wie aile anderen kirchlichen WUrdentrager, dem geistlichen Stande an. Im Laufe der Zeit wurde jedoch diese Wiirde auf angesehene und fromme Laien Ubertragen, was auch dermalen in den orientalischen Patriarchaten der Fall ist. Im Patriarchat von Konstantinopel ist dem Patriarchen der grojJe Logothet (6 (iS"( ex.; A.oro&st"fJ;) beigegeben, eine sehr angesehene Personlichkeit, welche regelmaBig als Vermittler zwischen dem Patriarchen und dem Hofe des Sultans fungiert; derselbe begleitet auch stets den Patriarchen, wenn sich dieser zum Sultan begiebt. I?er groBe Logothet ist die weltliche Hauptperson bei der feierlichen lnthronisation des neuerwahlten Patriarchen. Auch jeder Metropolit in den Provinzen hat seinen Logotheten, welcher aus den angesehendsten BUrgern des betreffenden Ortes gewahlt wird. Derselbe hat dem Vertreter der Regierung gegenfiber dieselbe Aufgabe zu erffillen, wie der groBe Logothet des Patriarchen bezfiglich des kaiserlichen Hofes 20.

. 62. Die allgemeinen Rechte und Pfiichten der Mitglieder der Hiera.rohie. Den Mitgliedern der Hierarchic stehen, der Wichtigkeit und Heiligkeit ihres geistlichen Amtes entsprechend, bestimmte, von den Rechten der fibrigen Mitglieder der Kirche verchiedene Rechte zu. Als Diener des Altares Gottes und als diejenigen, welche die Aufgabe haben, allen in jeder Beziehung zum Muster zu dienen, sind sie auch durch besondere, den Ubrigen GHlubigen im allgemeinen nicht obliegende Pflichten gebunden. I. Die den Mitgliedern der Hierarchic oder dem Klerus in der Kirche zufallenden allgemeinen Rechte entspringen aus derjenigen Gewalt, welche sie durch das gOttliche Recht erhalten haben. Diese Rechte wurden bereits erortert t. Neben diesen Rechten genieBen die Mitglieder der Hierarchie besondere, ihrem Amte entsprechende soziale Rechte und
a Ibid. S. 145-150. F. Kattenbusch, Lehrbuch der vergl. Konfessionskunde S. 170. E. Reinhardt, Die gegenwirtige Verfassung. S. 435. K. Beth, Die orient. Christenheit. S. 31-34.
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Die Wiirde des gro6en Logotheten beim Patriarchen in Konstantinopel ist bereits seit mehreren Dezennien in der sehr reichen und angesehen Familie Aristarchi in Konstantinopel erblich. , 62. Siebe . 52 ff.

. 62. Die allgemeine Rechte und Pflichten der Mitglieder der Hierarchie.

247

Privilegien, welche ihnen gesetzlich gewahrleistet sind. Die wichtigsten unter dies en Rechten und Privilegien sind folgende: 1) Die personliche lmmunitat, wonach derjenige, welcher einen Oeistlichen verletzt, nach den Kanones der schwerstern Kirchenstrafe, namlich dem Anathem, verfallt2; eine schwere Strafe trifft ihn auch nach den weltlichen Gesetzen s. 2) Die Mitglieder des Klerus sind von gewissen biirger/ichen Pjlichten befreit. Dieser Orundsatz beruht auf dem Gedanken, daB das geistliche Amt von demjenigen, welcher dasselbe bekleidet, fordert, daB er seine ganze Zeit und Kraft dem Dienste der Kirche widme, und daB der Staat, welcher die Kirche anerkennt, von der Geistlichkeit nicht dieselben Verpflichtungen verlangen kann, welche den iibrigen Untertanen auferlegt werden k<>nnen. Die griechisch-rC>mische Gesetzgebung hat dieses Privilegium der Geistlichkeit im vollen MaBe zuerkannt, indem sie dieselbe nicht nur von allen auBerkirchlichen Diensten, sondern auch von der Leistung der Abgaben befreite 4. Gegenw:1rtig genieBt die Geistlichkeit nur einige von diesen Privilegien, u. zw.: .a) die Befreiung vom Kriegsdienste 5 ; b) die Befreiung, erforderlichen Falles ihre Hauser zu Heereszwecken abtreten zu miissen s; c) die Befreiung von der Oeschworenenpflicht 7 ; d) die Befreiung von der Obernahme von Vormundschaften gegen den Willen 8 und e) die Befreiung von der Pflicht, an Sonn- und Feiertagen vor dem Forum des Gerichtes oder der politischen Behtlrde zu erscheinen u. 3) Der privilegierte Gerichtsstand, wonach aile Mitglieder des Klerus in zivilen und kriminellen Angelegenheiten nur dem geistlichen und nicht dem weltlichen Gerichte unterstanden to; auBerdem konnte kein Bischof in zivilrechtlichen Angelegenheiten als Zeuge 11 vor Gericht geladen und kein Priester verhalten werden,
3. Kanon des Konzils in der Sophiakirche zu Konstantinopel. Siehe Chrysobullon des Kaisers Manuel Comnenus vom jahre 1144 (De immunitate clericorum), enthalten in dem Kommentare Balsamons zum 4. Kanon des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 570). Fiir 6sterreich siehe !i. 152-154 des Strafgesetzes vom 27. Mai 1852. Siehe Hofdekret vom 22. juli 1780, wonach die Begleitung eines Priesters mittels Wache vor Oericht entweder des Nachts oder in einem wohtgeschtossenen Wagen zu erfotgen hat, damit die priestertiche Kteidung nicht der Kritik des Volkes ausgesetzt werde. ' 0. GrashoJ, Die Oesetze der romischen Kaiser iiber die lmmunitaten des Klerus (Archiv fiir Kirchenrecht. 37, 256 u. ff.). ~ Fiir 6sterreich, . 31 des Oesetzes vom 11. April 1889. 6 Fiir 6sterreich die kaiserliche Verordnung vom 5. Mai 1856. 1 Osterreichisches Oesetz vom 23. Mai 1873. . 3. Punkt 3. 8 Osterreichisches biirgerliches Oesetzbuch. . 195. 281. 11 Osterreichisches Hofdekret vom 17. Marz 1791. 10 0. Grashoj, Die Anerkennung des privilegierten Oerichtsstandes des Klerus durch die romischen Kaiser (Archiv. 38, 3. u. ff.). 11 Cod. Theod. lib. XI. tit. 39. I. 8; Cod. justin. lib. I. tit. 3. 1. 7; justin. nov. 123. c. 7. Vergl. Karth. 59. Kan.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

vor dem Zivilgerichte einen Zeugeneid abzulegen 12. Gegenwiirtig gilt in allen christlichen Staaten der Grundsatz, daB die Mitglieder des Klerus dem kirchlichen Gerichte nur jener Obertretungen wegen unterstehen, welche auf ihren kirchlichen Dienst Bezug haben und riicksichtlich welcher nicht in den staatlichen, sondern in den kirchlichen Gesetzen Bestimmungen enthalten sind 13 4) Das Ehrenrecllt der Geistlichkeit in der Kirche ist sowohl durch das gtlttliche t4, als auch durch das positive Recht anerkannt 1&, II. Die allgemeinen Pjlichten der Mitglieder der Hierarchie bestehen darin, daB sie sich von allen, selbst von sonst unbedeutenden moralischen Obertretungen, sowie von gewissen, mit ihrem geistlichen Amte unvereinbaren Geschaften zu enthalten, sowie daB sie ihr iiuBeres Verhalten ihrer Wiirde gemaB einzurichten haben. Die Kanones verbieten sonach den Geistlichen unter Androhung der Absetzung, 1) die TrunkenheiflG, das Spie}t7, den Wucher ts, aile offentlichen Unterhaltungen und Vergniigungen, namentlich den Besuch von Gasthausern, Theatern B~illen, u. s. w. 19, auch dann, wenn derlei Unterhaltungen in den Privathiiusern, beispielsweise bei Hochzeiten, abgehalten werden 2o; sodann dasjenige, was der korperlichen Enthaltsamkeit zuwiderUiuft, namentlich
12

Cod. Theod. lib. XI. tit. 39. I. 10; Cod. justin. lib. I. tit. 3.

1. 8. lib. IX.

tit. 41. In der Tiirkei ist bis heute den Patriarchen und BischOfen das Recht der Zivil-jurisdiktion beziiglich ihrer GUiubigen erhalten. Siehe das oben (Seite 133) erwllhnte Hatti-Humayum vom 18. Februar 1856; iiberdies die Vorstellung des Patriarchen Joachim vom 14. juli 1883 an das tiirkische Ministerium fiir justiz und kirchliche Angelegenheiten, aus welcher zu entnehmen ist, daB die Regierung des Sultan diesem Rechte der Patriarch en und Bischofe hinsichtlich der Zivil-Jurisdiktion nicht immer die entsprechende Beachtung angedeihen HU~t. In 6sterreich pflegt die staatliche Obrigkeit das Einvernehmen mit det kirchlichen Obrigkeit nur in jenen Fllllen, wo es sich urn strafbare Handlungen der Geistlichen gegen den Glauben und die offentliche Moral handelt (siehe . 122-124 und 500-525 des Strafgesetzes vom 27. Mai 1852); bei allen iibrigen strafbaren Handlungen wird im Faile der Untersuchung und Aburteilung eines Priesters die kirchliche Behorde bloB verstandigt (siehe . 29 des Gesetzes vom 27. Mai 1874 und den ErlaB des Justizministeriums vom 25. janner 1880, Nro. 1091). u Matth. 10, 40; Mark. 10, 16; joh. 13, 20. 15 Vergl. Silbernagl, Verfassung. S. 15 u. ff. 16 42. 43. Kan. Apost.; Blastares. K, 35 (Ath. Synt. VI, 345). 17 42. 43. Kan. Apost.; 50. Trull. Kan. 18 44. Kan. Apost.; I. allg. Konz. 17. Kan.; Chalc. 3. Kan.; 10. 15. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 19. Kan.; Laod. 4. Kan.; Karth. 5. 16. Kan.; Basilius d. Gr. 14. Kan.; Gregorius v. Nyssa. 6. Kan.; Blastares. T. 7 (Ath. Synt. I, 329). 18 54. Kan. Apost.; 24. 51. 62. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 22. Kan.; Laod. 24. 55. Kan.; Karth. 40. 60. Kan. Dieses Verbot gilt auch fiir die Kinder der GeistIichen (Karth. 15. Kan.). 20 24. Trull. Kan. und der Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 357).
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. 62. Die allgemeine Rechte und Pflichten der Mitglieder der Hierarchie.

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den Ehebruch 21..-- die Unzucht 22, die zweite Ehe zs, das Hatten einer Frauensperson im Hause, welche nicht im engsten verwandtschaftlichen Verhaltnisse steht 24, das Zusammenleben mit der Ehegatin, welche sich des Eherbuches schuldig gemacht haf25 u. s. w. Dem Geistlichen sind auch an und for sich unschuldige Beschaftigungen, i. B. die jagd, untersagt 26, 2) Die Kanones verbieten Oberdies dem Geistlichen: Das Halten von Gasthausern 27, das Handeltreiben 2s, die Chirurgie 29 die Borg111 Neoc. 1. Kan.; K1XYOYt'X.6Y johannes des Fasters (Ath. Synt. IV, 439); Nomokanon. I, 32 (Ath. Synt. I. 73). 112 25. Kan. Apost.; Neoc. 1. Kan. 23 17. 26. Kan. Apost.; IV. allgem. Konz. 14. Kan.; 3. 6. Trull. Kan. ; Neoc. 1. 3. Kan.; Basilius d. Gr. 12. 80. Kan. 2 ' I. allgem. Konz. 3. Kan.; 5. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 18. Kan.; Anc. 19. Kan.; Karth. 18. Kan.; Basilius d. Gr. 88. Kan.; B!astares. 1', 19 (Ath. Synt. 193-195), wo die Gesetze der griechisch-romischen Kaiser gegen jene Geistlichen, welche in ihrem Hause fremde Frauenspersonen beherbergen, erwl:thnt werden. Gewisse Priester, welche entweder: unverheiratet oder Witwer waren, hie! ten des Haushaltes wegen oder zur Erziehung der Kinder unverheiratete Personen weiblichen Geschlechts, traten zu diesen in eine ,geistliche Bruderschaft" und nannten sie &.8si..~IXL1 &.jiX'It"fjtll.L Gegen diese angebliche geistliche Bruderschaft zwischen Geistlichen und unverheirateten Personen weiblichen Geschlechts erhoben sich in entschiedener Weise die Kirchenvl:tter (Klemens von Rom in dem ihm zugeschriebenen Sendschreiben an die jungfrauen. I, 10. II, 1. 5. 14; Cyprianus in seinem 4. Sendschreiben; Augustinus, De bon. vi d. 22 und andere) und am hettigsten Chrysostomus, welcher zwei Reden dawider hinterlieB (Opp. Ed. Migne. I, 496 und 513). In seinem Buche tiber die Geistlichkeit (VI, 9) halt er den Priestern vor, wie sie sich von allem zu enthalten~haben, was zur Kritik ihres moralischen Verhaltens fiihren k<innte. Hieronymus, gleichfalls gegen diese ,geistlichen Schwestern" (Agapeten) auftretend, sagt unter anderem: ,Pudet dicere, proh. nefas: Trieste, sed verum est: unde in ecclesias agapetarum pestis introiit? unde sine nuptiis aliud nomen uxorum? imo unde novum concubinarum genus (ad Ocean., De vita cleric. Cf. ad{Eustoch., De custod. virgin.)? In der Synode zu Antiochia (a. 210) wurde neben verschiedenen gegen Paulus von Samosata erhobenen Anschuldigungen auch angefiihrt, daB er in seinem Hause fremde Frauenspersonen gehalten habe und dies auch seinem Klerus gestattete (siehe Eusebius, Kirchengeschichte. VII, 30). In dem 3. Kanon des I. allgem. Konzils werden solche Frauenspersonen oovs[oll.'X.'tOl (introductae, subintroductae) genannt. Siehe hieriiber die gediegene und gelehrte Anmerkung Beveregii (Synodikon. Tom. II. Annot. p. 45-47). 2 ~ Neoc. 8. Kan. und der Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. Ill, 83). 116 51. Trull. Kan. ,Der Priester, welcher die jagd betreibt, soli durch drei Monate suspendiert werden" heiBt es im 135. Kanon des Nomokanon zum groBen Euchologion. 21 9. Trull. Kan. und Kommentar Ba/samons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 327). n Siebe 27. Kap. IX. Tit. des Nomokanon (Ath. Synt. I, 201-209) 29 162. Kanon des Nikephorus Confessor. Vergl. 102. Kanon im Nomokanon zum ~tro6en Euchologion.

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II. Teil. Die Verfassurtg der Kirche.

schaftsleistung fUr andere in gerichtlichen Angelegenheiten so, die Vertretung eines anderen in privaten Angelegenheiten vor Gericht st, die Beschliftigung mit weltlichen s~ oder militarischen l\3 Dingen, und endlich die eifrige Teilname an politischen Fragen :14, 3) BezUglich der auBeren Haltung bestimmen die Kannones, da8 der Priester in allem bescheiden und ergeben sein S5, Almosen verteilen sG und stets die geistliche Kleidung in einer seinem Amte entsprechenden Weise tragen soli s1.

. 63. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Hiera.rohie. Die Beziehungen unter den Mitgliedern der Hierarchie der verschiedenen Range bestimmt der Grad selbst, in welchem sich die Betreffenden befinden: je Mher der Rang desto gr66er ist das Recht auf den Vorrang, und je niedriger derselbe ist, urn so gr68er die Pflicht der Unterordnung. Der oberste Grad ist der Episkopat, diesem folgen der Presbyterat, der Diakonat und die niederen Grade. Dem Bischof unterstehen die Mitglieder des Klerus aller anderen Grade; dem Presbyter die Diakonen und aile niederen Grade; der Diakon hat den Vorrang nur vor diesen letzteren. ,Die Presbyteri und Diakonen sollen ohne Zustimmung des Bischofs nichts unternehmen, denn er ist es, welcher fiir das Volk des Herrn zu sorgen hat und Rechenschaft abgeben wird fiber ihre Seelen t". Durch diesen Kanon ist der Grundgedanke der
30 20. Kan. Apost. und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 28). Dieses Verbot wird von den Kanones dann nicht aufrechterhalten, wenn es sich urn das Interesse der Kirche, der Armen oder Witwen handelt. Siehe IV. allgem. Konz. 3. 30. Kan.; Sard. 7. Kan.; Karth. 75. Kan. Vergl. die Scholien Balsamons zum 27. und 34. Kap. IX. Tit. des Nomokanon (Ath. Synt. I, 203 u. ff., 226). 31 Siebe 34. Kap. X. Tit. des Nomokanon (Ath. Synt. I, 326). 32 6. 81. Kan. Apost.; Chat c. 3. 7. Kan.; VII. allgem. Konz. 10. Kan.; Karth. 16. Kan.; I. II. Synode. 11. Kan. Siebe 13. Kap. 8. Tit. des Nomokanon und die beziiglichen Scholien Ba/samons (Ath. Synt. I, 157 u. ff.). Bias/ares K, 32 (Ibid. VI, 342-345). Harmenopulos Kanonen-Sammlung. II, 3. Ill, 2. Vergl. die Verordnung des Patriarchen Lukas von Konstantinopel vom 8. Dezember 1157 (Leunclavius. I, 220 sq.), gegen die Beschliftigung der Geistlichen mit weltlichen Angelegenheiten, und die neueren Dekrete der Patriarchai-Synode von Konstantinopel in demselben Gegenstande in raosrov, ~VXt~~st;. I, 193. 'l!.t),, 302. 33 Chalc. 7. Kan. 3 ' Siehe Anm. 32. dieses Paragraphen. 35 27. Kan. Apost. und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 34.). 36 59. Kan. Apost. 37 27. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 16. Kan. Ober die Kleidung der Geistlichkeit in der Be/grader Metropolie, siehe die Verordnungen der erzbisch5flichen Synode im ,Zbornik". 1900 S. 65--70. . 63. 1 39. Kan. Apost. Vergl. Laod. 57. Kan.; /gnat. ad Magnes, ad Smyrn; Ambros., De sacram. III, 1; Tertul., De baptismo. 17; Hieron. adv. Lucifer.

. 63. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Hierarchie.

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kirchlichen Gesetzgebung hinsichtlich der hierarchischen Gewalt der BiscMfe Uber aile Mitglieder des Klerus, welche unterschiedslos von der bischoflichen Gewalt abhangig sind, zum Ausdrucke gebracht. Die Unterordnung des Presbyters unter den Bischof ist dadurch begrllndet, da6 er von dem Bischof und nur von ibm, sein Amt erlangt, sowie er auch nicht berechtigt ist, den ihm vom Bischof unvertrauten Dienstort zu verlassen und sich der Gewalt desselben durch Obertritt in eine andere Eparchie ohne Zustimmung des Bischofs zu entziehen 2 Der Presbyter darf sich von seinem Bischof nicht trennen, und so getrennt keine heiligen Dienste verrichten und besondere Glaubensgenossenschaften griinden s; er soli ferner im Faile des Zweifels in einer Angelegenheit seines Dienstes nicht selbsUindig vorgehen, sondern die lnstruktion des Bischofs einholen 4 Endlich ist auch der Vorrang des Presbyters vor den untergeordneten Mitgliedern des Klerus durch die bischMiche Gewalt bedingt o. Die Unterordnung der Diakonen unter die Presbyteri ist gleichfalls durch die Kanones bestimmt, welche verfiigen, daB die Diakonen dem Presbyter den Vorrang zuerkennen mUssen, da ihnen ihre Unterordnung unter die Presbyteri bekannt ist s. Desgleichen ist die Unterordnung der niederen Grade unter die Diakonen durch die Kanones festgesetzt 7. Was die gegenseitigen Beziehungen der Mitglieder der Hierarchie desse/ben Grades anbelangt, so wird der Vorrang ausschlie.Blich durch den Zeitpunkt bestimmt, wann jemand die Cheirotonie fUr einen bestimmten Orad erhielt, oder wann er zu irgendeiner kirchlichen WUrde erhoben wurde. Urn Streitigkeiten in der Frage vorzubeugen, wer als der altere oder jiingere anzusehen sei, bestimmen die Kanones, daB den Betreffenden Ernennungs-Dekrete mit Angabe des beziiglichen Datums auszufolgen sind s. Diese Bestimmung gilt sowohl fUr die Mitglieder des Klerus vom Presbyter nach abwarts, als auch fOr die Bischofe u. Die Dienstleistungen, welche einzelnen Mitgliedern des Klerus vom Presbyterate nach abwarts in der Kirchenverwaltung obliegen konnen,
15. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 16. Kan. 31. Kan. Apost.; Karth. 10 Kan. ~ Karth. 7. Kan. 5 Basi/ius d. Gr. 89. Kan. ; !gnat. ad Smyrn. ; Tertul., De bapt. 17; Epiphan. haer. 75. 4 I. allgem. Konz. 18. Kan.; 7. Trull. Kan.; Laod. 20. Kan. 1 Laod. 20. Kan. Vergl. Const. Apost., VIII. Buch. 28. Kap.: AttiM'Io; &!fopCet 62tooui"i!.ovov, &vcx('JO)CI't""fJY, ~tiAt1JY, ~tcx"i!.owsacxv, s~Y fJ 'tt 't:OtOfitoY !J.~ 2tcxp6'1-rot;
2

'ltpea~u-rspou.

Karth. 89. Kan. ' Karth. 86. Kan. Ober die Beziehungen der BischOfe zum Metropoliten wird weiter unten die Rede sein.

252

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

gewM.hren ihnen keinen Ehrenvorrang in der Kirche vor jenen, welche derselben Stufe angehoren, denn nach dem Wortlaute des 7. Kanon des Trullanischen Konzils, sind ,die geistlichen WOrden viet erhabener, als die weltlichen" to. Damit aber unter diesen letzteren nicht auch die kaiserliche Oewalt verstanden werde, erkHiren die Kommentatoren, daB ~iesbezilglich jene WOrden und Amter zu verstehen sind, welche sich nur auf die Kirchenverwaltung beziehen 11. Sonach entscheidet ilber den Vorrang bei gleichem Grade, sei es der Hierarchia ordinis, sei es der Hierarchia jurisdictionis, der Zeitpunkt der Cheirotonie oder der Cheirothesie, ohne Riicksicht darauf, ob der Betreffende diesen oder jenen Dienst in der Kirchenverwaltung versieht 12. Die Kanones enthalten keinerlei Bestimmungen fiber den Rang der den gleichen Orad der Hierarchia ordinis bekleidenden Sakular- und Regular-Oeistlichkeit.

Zweites Kapitel.
Der Eintritt in die Hiera.rchie.
I. Die Erziehnng ttnd wissenschaftliche Ausbildnug des Klerns.

. 64. Verhii.ltnisse der ii.lteren Zeit. Eine der fundamentalen Eigenschaften, durch welche sich der Diener der Kirche auszeichnen muB, besteht darin, daB derselbe belehrbar sei t. Daher haben nach dem Beispiele des Stifters der Kirche, welcher seine Apostel, die die Lehrer des Olaubens zu sein batten 2, in besonderer Weise unterrichtete, die Apostel selbst den Hirten der Kirche stets empfohlen, auf die Lehre acht zu haben s, und haben nur solche zu Hirten eingesetzt, welche von Kindheit an mit der christlichen Lehre bekannt waren 4 OemaB diesem Oebote der heiligen Schrift hat die
'E7tet8i) "CWY 'lt~t&. 'lt6ap.OY a~trofJ.~t(I)Y 'ltpe[ttOY7. t~ 1tYS1)p.~tt'lt~ S1ttOttifi.S{}ot (Ath. Synt. II, 321 ). . u Zonaras und Balsamon zum 7. Trull. Kan. (Ath. Synt. II, 321-324). 12 Vergl. das Rundschreiben der Synode zu Athen vom 15. April 1854 (d. Xptato7to6Ao~, I.oUor~ t(0\1 a7too8alotepro'1 srxuxA.lrov. I.eA.. 170-173). Fiir die Karlowitzer Metropolie siehe das Patrichal-Rundschreiben vom 17. Februar 1877. . 64. 1 doo/.ov os Kr)p[oo oo oer f1-lixea31Xt, &A./.' lJ1ttov etviXt 7tpo~ dvta~, ot8ot)ttt'ltov, ave;l'ltiX'ltOY. II. Tim. 2, 24. Vergl. l. Tim.-3, 2. 2 Mark. 4, 34; joh. Kap. 15-17; Apostelgesch. 1, 3. 3 "E7texe aeaotip 'ltt.Xi t1,j 8t8aaxaA.q:, B'lttp.svs o:btol:~ I. Tim. 4, 16. II. Tim. 3. 15. Paulus sagt unter anderen zu Titus, indem er ihn hinsichtlich der Einsetzung der Priester belehrt, er moge auf Folgendes achten: Derjenige,
10

64. Verhliltnisse der llteren Zeit.

253

Kirche stets ihr Hauptaugenmerk auf die Ausbildung ihrer Diener und auf die Befahigung derselben, den ihnen obliegenden Dienst erfolgreich auszuilben, gelegt. Das gew6hnliche Mittel zur Erreichung dieses Zwekkes war und ist, daB die Betreffenden die verschiedenen Grade der kirchlichen Hierarchie unter der FOhrung atterer und erfahrener Diener der Kirche durchmachen. AuBerdem sorgte aber die Kirche seit den altesten Zeiten fiir konfessionelle Schulen, als Pflanzstatten der :christiichen Bildung. Derartige Schulen gab es anfangs in Ephesus, Alexandria und in anderen Orten 5 Seit der Zeit Constantinus des OroBen begannen sich die Schulen zu mehren, und im Laufe der Zeit finden wir dieselben in allen bedeutenderen Orten des christlichen Morgen- und_Abendlandess.
welcher sich dem Unterrichte gemaB, fest an die zuverllissige Lehre halt, der sei tiichtig, in der gesunden Lehre sowohl zu stlirken, als auch die Gegner zu widerlegen (Tit. 1. 9). 5 Nach den Worten des lrenllus (Adv. haer. 2, 22) hat schon johannes der Theolog eine Schule zu Ephesus gegriindet Die Griindung der Schule zu Alexandria ('X.IXtEX~asrov lh131Xa'X.IXAstov) wird von Eusebius in die ersten Zeiten des Christenturns verlegt (Hist. eccl. 4, 10), und Hieronymus erwll.hnt den Evangelisten Markus als den ersten Lehrer an dieser Schule (Catalog. c. 36). Von der Zeit des Evangelisten Markus angefangen, bis zum Schlusse des IV. jahrhunderts, und nach Verlegung dieser Schule nach Pamphylien bis zum VI. jahrhundert, wurden in ihr junge Leute herangebildet, welche nachher Glaubenslehrer werden sollten. Pantllnus, Klemens von Alexandria, Dionysius von Alexandria, Gregorius Thaumaturgus, Athenagoras u. a. waren Z6glinge dieser Schute. n Konstantin d. Gr. hat mit besonderen Gesetzen die Orte, wo die betreffenden Schulen zu errichten sind, die zu lehrenden Oegenstiinde, die Zahl der Lehrer u. s. w. festgesetzt (Ad Cod. Theodos. jac. Gothofr. de professoribus et de stud. liber.). Ober die Schulen in Karthago und Gallien, siehe August. lib. V. confess. c. 8; Hieronym. ep. ad. Rustic. Ober die konfessionellen: Schulen in den lilteren Zeiten der serbischen Kirche, siehe den nachstehenden in den jiingeren Handschriften von Duschalls Gesetzbuch enthaltenen Artikel: ,Auch dieses Gebot miissen wir als das lilteste von allen bewahren, welches uns Gott der Herr, die heiligen Apostel, unsere gotterleuchteten Vll.ter, aile Heiligen und die gesamte orthodoxe, katholische, heilige, orientalische Kirche, die Mutter aller Kirchen, aufgetragen hat. In jeder Stadt, in jedem Orte und in den Dl:irfem, wo sich Kirchen befinden, sollen Lehranstalten, d. i. Schulen errichtet werden, darnit sich die rechtglliubigen Kinder die heilige Schrift und das gottliche Gesetz aneignen. Und so wie die Errichtung von heiligen Kirchen ein gutes und gottgefalliges Werk ist, ebenso ist auch die Oriindung von Schulen, Gott und den Menschen genehm, sowie fUr den Geist und Kl:irper vorteilhaft. Hiebei sollen sie (die Schulen) nicht in gewl:ihnlicher Form, sondern als groBe, gezierte und hohe Oebliude, gleichsam wie Palll.ste, namentlich in groBen Stlidten errichtet werden. Wenn den Schulen kein Schmuck verliehen wird, werden auch die Kirchen eine geringere Bedeutung haben; denn die Kirche ist schon, wenn sie von Oelehrten:gebildet wird.Daher sollen in:den Stlidten und Ortschaften die Herrscher, Fiirsten und Herren weise und gelehrte Unterweiser bestellen, welche irnstande sein werden, die Kinder in jeder Biichergelehrsarnkeit und heiligen Wissenschaft zu unterrichten. jeder von ihnen soli vom Herrscher alljlihrlich mit einer Dotation ausgestattet werden 1 welche der ibm obliegenden Aufgabe entspricht. Zu

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Neben diesen, fOr die allgemeine christliche Ausbildung bestimmten Schulen, gab es f!lr die theQlogische Bildung besondere, an den Sitzen der BischOfe befindliche Anstalten 7. Der Grund, weshalb den BischOfen das Recht und die Pflicht obliegt, die Ausbildung und Erziehung ihrer Kleriker zu leiten und zu Uberwachen, ist darin gelegen, weil nach der Verfassung der Kirche die Kleriker jeder Eparchie Gehilfen und Vertreter des Bischofs in Ausfibung des kirchlichen Dienstes sind, und sonach eine gewisse Gewahr fUr die ordnungsmaBige Erfullung des ihnen an bestimmten Orten anzuvertrauenden Hirtendienstes bieten mfissen ~. Das hauptsachliche Lehrfach in diesen Schul en war die heilige Schrift; daher bestimmen auch die Kanones, daB den geistlichen Kandidaten die heilige Schrift nicht bloB dem Wortlaute, sondern auch dem Geiste nach vollkommen gelaufig sein mfisse 11, sowie daB diesel ben Uberdies Uber aile kirchlichen Gesetze und Uber alles das informiert sein milssen, was auf die Verfassung, die Verwaltung und das Leben der Kirche Bezug hat 10. Neben der theologischen Bildung wurde auch von den
diesem Werke sollen die Herrscher und Fiirsten, ebenso die Patriarchen und Metropoliten Dt>rfer und Bergwerke widmen, damit die Schulen erhalten werden und fortschreiten. Aufgabe der Lehrer ist es, die Kinder mit Lust und Liebe zu unterweisen, fiir sie zu sorgen, sie zu loben und mit Gaben zu beschenken; bald mit einem Kreuzchen, bald mit einem Heiligenbilde; damit die Kinder fro hen Herzens zu ihnen eilen, urn zu Iernen, und urn sie zum Lernen aufzumuntern. Wenn es sich zur Zeit des Gebetes darum handelt, die Kirche zu besuchen, sollen sich die Kinder in der Schute beim Lehrer versammeln und paarweise, mit dem Lehrer, gleichsam als Herde mit ihrem Hirten, in die Kirche sich begeben. Wenn es kein Wissen gibt, welcher Nutzen erwachst da dem Reiche? 1st doch jeder Mensch, welcher die heilige Schrift nicht zu lesen vermag, dem Tiere vergleichbar. fiir alles das soli der Herrscher mit dem Patriarchen, den Metropoliten, den fUrsten und BischOfen sorgen. Wo immer sich eine Kirche befindet, Priester und Volk Ieben, soli auch eine Schute vorhanden sein. Wenn hierauf die Herrscher und ftirsten im Vereine mit den Patriarchen nicht bedacht sein und nicht sorgen werden, wird sie eine groBe Schuld treffen, welche sie vor Gott zu verantworten haben werden. In groBen Stadten und Orten, wo sich Kloster befinden, sollen die Kinder von den in allen Wissenschaften hewanderten Monchen unterwiesen werden. In den Dorfern aber sollen die Kinder von den Weltgeistlichen unterrichtet werden. Jeder Vater, jede Mutter und jede familie sollen die Kinder nach erreichtem siebenten Jahre in die Schute senden. Ebenso haben auch aile Stadte und Orte und deren Rllte fUr die Dotation der Lehrer zu sorgen und diesel ben zu beaufsichtigen." 7 Theodore/us. ep. 87 ad Domn. Possidon. in vita Augustini. 8 Sokrates schreibt in seiner Kirchengeschichte (1, 15): "Der Bischof Alexander von Alexandria . . . . verffigte, daB in der Kirche die ]iinglinge erzogen und in der Wissenschajt unterrichtet werden so/len, und namentlich Athanasius, wel~hen er, nachdem dieser zum gereiften Manne wurde, zum Diakon befOrderte und mit sich nach Niclia fUhrte." ~ VII. allgem. Konz. 2. Kanon, und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. II. 561}. IU 'OtJ.Ol(l)~ ~psosv, ffion, xstpotOVO!JfLaVO!J S'ltt~lt01t01)' ~ ltkfj(JlMO, 1tp6-

tspov &1to tOOY XStpOtOVO>JVtOOV IXIJtO!J~ t.X OSOO'(tJ.SYIX tiXt~ :mVOOOlt; et~ ttX~ &ltotX~

. 65. Der heutige Zustand.

255

Kandidaten des geistlichen Standes gefordert, daB dieselben in den weltlichen Wissenschaften bewandert seien 11, urn das Ansehen der Geistlichkeit in den weltlich gebildeten Kreisen zu heben, den zutagetretenden falschen Lehren entgegenzutreten sowie mitzuwirken, daB jenes Licht, welches auch in der Finsternis leuchtet und von der Finsternis nicht gefaBt werden kann, iiberall Verbreitung finde 12. Daher betonen auch die Kanones mit aller Entschiedenheit die vollstandige Vorbildung der Kandidaten des geistlichen Standes, und verbieten demjenigen die Cheirotonie zu erteilen, welcher bei der betreffenden Priifung kein ausreichendes Wissen bekundet hat ts. Damit aber den Kandidaten des geistlichen Standes neben der wissenschaftlichen Ausbildung auch eine dem geistlichen Berufe entsprechende Lebensweise anerzogen werde, wurden schon in den altesten Zeiten an den Bischofssitzen Seminarien errichtet. Der ersten Erwahnung von Seminarien begegnen wir im Abendlande 14, von wo sie iiberallhin Verbreitung fanden. Dort aber, wo weder Seminarien errichtet werden, noch besondere theologische Schulen bestehen konnten, da dienten die Kl5ster, welche in alter Zeit stets Zentren der Wissenschaft und Bildung waren, ats Ersatz. Diese Klosterschulen standen, wie die Kl<>ster selbst, unter der bedingungslosen Gewalt des betreffenden Bischofs.

. 65.
Der heutige Zustand.

Aile heute bestehenden theologischen Anstalten sind nach den von uns eben er<>rterten allgemeinen Grundsatzen eingerichtet. Der Unterschied zwischen diesen Anstalten besteht darin, daB in einigen derselben auch die zur allgemeinen Bildung notwendigen Facher, in
?:Otciw evt({).eo{}oct, LV?: fL~ 7tOt05vte; 'lt?:t~ tOW Op(llV t~<; oov68oo fLE't?:tJ.EA.'tj{).fiiatv. Karth. 18. Kan. (Ath. Synt. III, 353). 11 Sozomenus schreibt iiber Eusebius von Emesa, daB er anfangs zu Hause in den Anfangsgriinden der christlichen Lebre unterwiesen wurde, bierauf dem Studium der weltlicben Wissenschaften in der stlldtischen Schute und endlich dem Studium der Theologie sich widmete (Kirchengesch. 3, 6). 12 joh. l, 5. ta Siehe 80. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 2. Kan.; Laod. 12. Kan.; Karth. 18. Kan. Siebe auch die 123. Novelle justinians. Der erwllhnte (Anm. 9) 2. Kanon des VII. allgem. Konzils, welcber Bestimmungen iiber die Vorbildung jedes Priesters, und namentlicb des Bischofs, enthlllt, schlie6t mit den Worten der heiligen Schrift: or) E1tt'(VWiltY li7t<~ow, 'lt4'(00 &7tci)'lO!J.?:l oe trJ6 p.~ tspate6stY fLO[ (wei! du verachtet hast die Kenntnis, verachte auch ich dicb, so da6 du mir nicbt liinger Priester sein sollst). Hoseas. 4, 6. u Siebe Concil. Toletanum a. 531. cap. 1 (Harduini. II, 1139): nDe his quos voluntas parentum a primis infantiae annis clericatus officio manciperit, statuimus observandum ; ut mox cum detonsi, vel ministerio electorum contraditi fuerint, in

domo ecclesiae, sub episcopali praesentia, a praeposito sibi debeant erudiri."

256

Il. Teil. Die Verfassung der Kirche.

anderen bloB die theologischen Gegenstande gelehrt werden, wM.hrend die allgemeine Vorbildung in weltlichen Schulen erlangt werden mu6 1 Die Notwendigkeit, den Kandidaten des geistlichen Standes neben der theologischen, auch eine moglichst vollsUindige allgemeine Bildung angedeihen zu lassen, wird Uberall und umsomehr anerkannt, je mehr in den einzelnen Undern das Bewu6tsein der erhabenen Aufgabe der Geistlichkeit sowie die Einsicht, da6 die Oeistlichkeit mit de allgemeinen Kultur der Zeit gleichen Schritt halten mUsse, zur Oeltung gelangt ist 2. Mit Rficksicht auf diesen letzteren Umstand, ist neben der gew~hnlichen theologischen Bildung, welche die Befahigung filr den Seelsorgedienst in den Pfarren verleiht, auch fUr eine Mhere theologische Ausbildung gesorgt, durch welche die Kandidaten fUr Mhere Dienstposten in der kirchlichen Hierarchie und fUr das theologische Lehrfach vorbereitet werden sollen s. Das gleiche Augenmerk, welches der Ausbildung der kiinftigen Diener der Kirche zuteil wird, wird auch der Erziehung derselben zugewendet; daher bestehen fiberall Seminarien mit bestimmt festgesetzten, die Lebensweise der jungen Kandidaten des geistlichen Standes betreffenden Statuten ' Die genaue Beobachtung der fUr die vollsHindige Vorbereitung der die Cheirotonie anstrebenden Kandidaten bestehenden Vorschriften ist durch positive Gesetze gewahrleistet s.
In der listerr.-ungar. Monarchie werden in den theologischen Anstalten blo6 theologische Fllcher gelehrt; die allgemeine Bildung erhalten die Kandidaten der Theo1ogie in den Oymnasien, we1che diese1ben absolvieren miissen. In den theologischen Anstalten Rujllands (Ustav duh. seminarij 14. maja 1867. . 127, 128), Oriechenlands (N 6p.o~ 'ltspt tep-xnxoov oxoA.s!rov vom 27. September 1856. Art. 1), Serbiens, (Oesetz vom 11. janner 1896. Art. 5) und in Chalki (x~vov~ap.b~ tij~ v XaA.'X.-g -&eoAOj~'X.'fj; ox6A1j~ tij~ tofi Xp~atofi p.ejliA"fj~ 'Ex'X.A"fja[at~ vom August 1903. Art. 96) werden durch eine bestimmte Anzahl von jahren auch die Fllcher der allgemeinen Bildung gelehrt. Dies zeigt sich in einigen theologischen Bildungsstatten darin, daB beispielsweise zum theologischen Studium in Karlowitz (~ . 105 des Ill. Abschnittes des Reskriptes vom jahre 1868) und Czernowitz (Verordnung vom 30. August 1875) nur solche jiinglinge als ordentliche H<irer zugelassen werden, welche sich mit der abgelegten Maturitlitspriifung ausweisen konnen. 3 In Rujlland z. B. die ,Duhovna Akademija" (Statut vom 20. April 1884), in welche (. 111) jene jiinglinge aufgenommen werden, welche das theologlsche Seminarium mit Auszeichnung absolviert haben. 4 Siehe z. B. fiir das Seminar in Chalki . 93-119 des erwiihnten x.r.xvov~a p.6~; in Be/grad das Statut vom 17. August 1881; fiir die Seminarien im Konigreiche Oriechenland, d~att&:jp.~ 7tepl tOO 'X.atYOV~ap.ofi tOW tep~t~'X.OOY oxoA.s[roy vom 27. Oktober 1856, Art. 24-27; fiir das Seminarium in Zara das Statut vom 11. August 1883. & Fiir die dalmatinische Eparchie die kaiserliche EntschlieBung vom 5. juni 1869; fiir die Eparchien im Konigreiche Oriechenland die konigliche Entschlie6ung vom 18. Oktober 1856; in Serbien das Oesetz iiber die Kirchenbehorden vom ZT. April 1890 Art. 37.
. 65.
1

. 66. Die fundamentalen Erfordernisse fiir den Eintritt in den Klerus.

257

Die theologischen Anstalten stehen heute, wie ehedem, unter der unmittelbaren Leitung der kirchlichen Obrigkeit, welcher diesfalls folgende Rechte zustehen: Die Festsetzung des Umfanges der vorzutragenden theologischen GegensUlnde und der Vortragsweise derselben, die Priifung der vortragenden Lehrer, die unmittelbare Aufsicht Uber den Gang der Vortrage und die Vornahme einer neuen PrUfung vor Erlangung einer definitiven Anstellung in der Kirche. Dort wo die Vorbildung in weltlichen Schulen erworben wird, hat die kirchliche Gewalt das Recht, zu kontrolieren, ob der Unterricht im Geiste der Kirche erteilt wird, und entgegengesetzten Falles den Austritt jener JUnglinge, welche sich fUr das theologische Studium vorbereiten, zu veranlassen G. Unter der unmittelbaren Aufsicht der kirchlichen Obrigkeit stehen auch die Seminarien; dieser Obrigkeit obliegt die Aufnahme der Zoglinge, die Bestellung der Leiter, das Erlassen der Vorschriften Uber die religiose Erziehung und die Lebensweise der Zoglinge in den Seminarien 7.
II. Die Einftihrnng in den Klerns.

. 66. Die fundamentalen Erfordernisse fiir den Eintritt in den Klerus.


GemaB der Wichtigkeit des Dienstes, welcher den Mitgliedern des Klerus anvertraut ist, hat die kirchliche Gesetzgebung die Erfordernisse im einzelnen festgesetzt, bei deren Vorhandensein der Eintritt in den Klerus moglich ist und auch jene Eigenschaften bestimmt, welche derjenige besitzen muB, der die Cheirotonie anstrebt. Von den Eingeschaf-

Fiir Chalki siehe . 3 des erwllhnten Kanonismos; fiir die theologischen Lehranstalten im Konigreiche Oriechenland, . 2 des Gesetzes vom 27. September 1856; fiir diesel ben Anstalten in RujJland, u. zw. fiir die geistlichen Seminarien, . 3 des Statuts vom 14. Mai 1876, und fiir die geistlichen Akademien, . 2 des Statuts vom 20. April 1884; fiir die theologische Lehranstalt in Karlowitz, . 104 und 107 des III. Abschnittes des Reskriptes vom jahre 1868; fiir die theologische Lehranstalt in Be/grad Art. 19, Pkt. 14 des Gesetzes iiber die geistlichen Behorden vom 27. April 1890 und Art. 3 des Gesetzes iiber die Organisation der theologischen Lehranstalt vom 11. janncr 1896; fUr die theologische Lehranstalt in Czernowitz, . 25, II, 4 det Konsistorial-Geschiiftsordnung vom 2. Februar 1869; fUr die theologische Lehranstalt in Zara, ~. 19 und 25, II, 4. 7 der Konsistorial-Oeschliftsordnung vom 24. August 1870; fiir die theologische Lehranstalt in Hermannstadt, . 174, Punkt 4 des organischen Statuts vom 28. Mai 1869; fUr die theologische Lehranstalt in Sarajevo, . 12 und 23, Abschnitt II der Konsistorial-Oeschllftsordnung vom 26. Februar 1884 und . 9 des Seminar-Statuts vom 19. Oktober 1882; fUr die theologischen Lehranstalten in Rumiinien, Art. 19 des Oesetzes vom 19. Mai 1893; in Montenegro . 2. des Oesetzes vom 27. August 1887; im bulgarischen Exarchate Art. 101 des Exarchat-Statuts vom 31. jllnner 1899. 1 Siebe die gesetzlichen Vorschriften in der Anm. 6 dieses Paragraphen.
llld, lltlllll!llhl.

17

258

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

ten der Kandidaten des geistlichen Standes wird in den folgenden Paragraph en die Rede sein; hier soli en vorerst die fundamentalen Erfordernisse fOr den Eintritt in den Klerus besprochen werden. Fundamentale Erfordenisse nennen wir diejenigen, welche unter allen UmsUinden vorhanden sein milssen, damit jemand in die Reihe der Mitglieder der Hierarchic aufgenommen werden kOnne. Es bestehen zwei fundamentale Erfordernisse fOr die Cheirotonie, welche auf den Vorschriften des gOttlichen Rechtes beruhen. Durch die Praxis der apostolischen Kirche, sowie durch die kirchliche Gesetzgebung wurde die Wichtigkeit dieser Erfordernisse fiir immer festgesetzt. Das erste Erfordernis ist die Taufe. Derjenige, welcher Mitglied des Klerus werden will, muB ordnungsmaBig getauft sein, d. h. die Taufe desselben muB in der orthodox-orientalischen Kirche als giltig anerkannt werden. Daher wird jene Cheirotonie von der Kirche nicht anerkannt, welche in einer Religionsgesellschaft vorgenommen wurde, deren Taufe die Kirche nicht als giltig ansieht; dagegen wird die Cheirotonie einzelner Religionsgesellschaften, welche nicht zur kirchlichen Gemeinschaft gehOren, deren Taufe aber die Kirche als giltig erachtet, anerkannt 1. In der Kirche der ersten jahrhunderte wurden zu den Christen im weiteren Sinne auch die Katechumenen gerechnet; es liegen uns auch Beispiele vor, daB einzelne dieser Katechumenen zum Altardienste erkoren wurden und nach der Taufe die Cheirotonie empfingen ~. Dies waren aber nur Ausnahmsfalle, welche mit Rucksicht auf die damalige Stellung der Kirche in der Welt eintreten konnten. Als zweites fundamentales Erfordernis zur Erlangung der Cheirotonie wird von dem kanonischen Rechte das miinnliche Geschlecht gefordert. Die Kirche hat den Personen weiblichen Geschlechts nie die Befugnis fiir die Besorgung der inneren Angelegenheiten der Kirche zuerkannt, dieselben sind vielmehr nach den Satzungen der heiligen Schrift verhalten, in der Kirche zu schweigen und unterwurfig zu sein und sind nicht befugt, irgend einen inneren kirchlichen Dienst zu verrichten 3 .
So wurde durch den 8. Kanon des I. allgem. Konzils die Giltigkeit der Cheirotonie der Novatianer anerkannt (vergl. 7. Kanon des II. allgem. Konzils); der 68. Kanon der Synode von Karthago anerkennt die Giltigkeit der Cheirotonie der Donatisten; das VII. allgem. Konzil jene der Bilderstiirmer. Hinsichtlich dieser letzteren wurde in der ersten Sitzung dieses Konzils verhandelt, und nach Ianger Priifung des Gegenstandes, auf Grund der Kanones und der kirchlichen Praxis der ll.lteren Zeit fiir die Zukunft eine Norm iiber die Behandlung des Klerus, welcher frilher einer hliretischen Sekte angehiirt hat, aufgestellt. Siehe Harduini IV. 39-75. z Z. B. Ambrosius, Nectarhis, Eucherius, Eusebius von Cll.sarea u. a. 3 I. Kor. 14, 34. 35; l. Tim. 2, 11 u. ff. Vergl. 70. Kanon des Trull. Konzils. Die Const. Apost. bezeichnen die Obung, da6 Frauen mit dem Dienste des Altares sich befassen, als heidnisch: Et aa av tot; 1tfJOA'X~05at ;M.xax.ew 'X''>t'Xt~ OU'll.
. 66.
1

, 67. Die Eigenschaften dcr Kandidaten des geistlichen Standes.

259

In der Kirche der alteren Zeit gab es wohl Personen weiblichen Geschlechts irn Dienste der Kirche, narnlich die sogenannten Diakonissen 4; allein sie besaBen keine selbstandigen Befungnisse, sondern verrichteten nur bestirnrnte Dienste, zu welchem Zwecke sie von den Bisch6fen unter den vorgeschriebenen Gebeten, so wie die Kleriker der niederen Weihegrade, geweiht wurden 5, Obrigens wurde bereits urn die Mitte des IV.Jahrhunderts die Einsetzung von Diakonissen als ein besonderer kirchlicher Beruf von der Kirche untersagt s. lm Laufe der Zeit verschwanden dieselben ganzlich, so daB sie im XII. jahrhundert nur als ein in alter Zeit bestandenes Institut erwlihnt werden 7.
. 67. Die Eigenscha.ften der Kandidaten des geistlichen Standes.

Derjenige, welcher in die Hierarchie einzutreten und die hierarchischen Rechte in der Kirche auszuilben wtinscht, rnuB vor allem von gesunder K5rperbeschaffenheit sein, urn in seiner Tatigkeit in keiner Weise gehindert zu werden; er soli sich der erhabenen Aufgabe des geistlichen Standes bewuBt sein und jene Requisite besitzen, welche ihrn ein erfolgreiches Wirken sichern; er sollldurch keine seine Tatigkeit hindernden gesellschaftlichen Beziehungen gebunden sein, allgerneines Vertrauen genieBen und sich der Unbescholtenheit erfreuen. Hiernach sind die Eigenschaften der Kandidaten des geistlichen Standes: a) physische; b) psychische, namlich geistige und moralische; c) Eigensr;stpe,~<X~J.ev, 1tooc; tsp-xts5.,~t t~l)t-xtc; 7t<Xpli p6ow ttc; oon(l)p~ost; to5to rtip 't"i)c; tWV ':EJ..I. ijYWY a{~s6njt0t; ti.l 2 qYW'fjfMt, {1-rl)..e:(!Xtc; iJ.aoxtc; taps(ac; XEtpotovetv, ~) tijt; to5 Xr,toto5 ot?:t&~~:cuc; . Ill. Buch, 9. Kap. Vergl. Tertull., De praescript. haeres. c. 41, de bapt. c. 17; Epiphan. haeres LXIX. c. 2, haer. LXXIX. c. 3. 4. ' At?:'X.O\It'lcr!Xt. Diesel ben hi eBen auch: Y.1J(Ytt, 7tpoz-x{}'fjfJ.SY!Xt, 7tpscr~6ttosc;. Epiphan. haeres LXXIX. c. 6. ~ Const. Apost. VIII. Buch, 19. Kap.; I. allgem. Konzil. 19. Kan. und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon, woselbst eine kurze Geschichte der Diakonissen dargelegt ist (Ath. Synt. II, 160) ; IV. allgem. Konzil 15. Kanon; 14. Trull. Kanon. Sie waren verpflichtet, bei der Taufe von Personen weiblichen Geschlechts Dienste zu leisten (Const. Apost. Ill,. 15 und VIII. 28), solchen Personen die Krankenpflege angedeihen zu lassen (lb. III, 15. 19), denjenigen, welche sich zur Taufe vorbereiteten, Anleitungen zu erteilen und dieselben in der christlichen Lehre zu unterweisen (Hieronym. Comm. in Rom. 14. 1), den Eintritt weiblicher lndividuen in die Kirche zu bewachen und denselben bestimmte Platze anzuweisen (Const. Apost. II. 57. Vlll, 28; Kommentar des Zonaras zum II. Kanon von Laod.), sowie die Hauser zu besuchen, wo christliche Frauenspersonen lebten (Const. Apost. Ill, 15}. Siehe Laod. 11. Kan. 7 Siehe Kommentar Balsamons zum 15. Kan. des IV. allgem. Konzils (Ath. Synt II, 255). Verschiedene kanonische Vorschriften beziiglich der Personen weiblichen Geschlechts, siehe in meinem ,Zbornik" (II. Aufl. S. 354-355). 17*

. ). ' oo

260

II. Teil. Der Verfassuug der Kirche.

schaften, welche auf ihre jreie gese/lschaftliche Stellung und d) auf ihren guten Ruj Bezug haben 1.

. 68.

a) Die physischen Eigenschaften.


Zu den physischen Eigenschaften geh5ren: 1) Die gesunde KorperKonstitution. Insbesondere soli der Betreffende weder taub noch blind sein 1 Dagegen stehen gewisse geringere korperliche Gebrechen dem Empfange der Cheirotonie nicht im Wege, wenn der Kandidat derselben sonst wiirdig erscheint 2. In den hiernber handelnden Kanones zeigt sich das Prinzip, daB ,nicht ein korperliches Gebrechen den Menschen schlidige, sondern ein psychischer Makel" 3; daher zieht auch die Kirche nur gewisse korperliche Gebrechen in Betracht, auf welche sie unbedingt Riicksicht nehmen muB. Da jedoch diesfalls das Hauptmoment darin gelegen ist, daB die kirchlichen Angelegenheiten nicht gehindert werden 4, so wird den korperlichen Gebrechen, welche der regelmlil3igen Besorgung der kirchlichen Angelegenheiten nicht hindernd sind, seitens der kirchlichen Gewalt keine Beachtung gewidmet; dagegen ist eine besondere Aufmerksamkeit dann erforderlich, wenn Gefahr vorhanden ist, daB wegen irgendeines korperlichen Gebrechens der ordentliche Gang der kirchlichen Angelegenheiten gestort werden konnte, so beispielsweise, wenn jemand an der Epilepsie leidet, kriippelhaft ist u. s. w. 5. Hiebei muB jedoch auch darauf Bedacht genommen werden, daB gewisse, AnstoB erregende korperliche Gebrechen nicht vorhanden sind, z. B. starkes Hinken u. dgl.; denn auch in diesen Fallen mu/3 das Wahren des moralischen und listhetischen Ansehens der kirchlichen Hierarchic als leitendes Prinzip gelten.
67. 1 1. <I>Dot'lt~ 7tpOo6vttx, 2. 'ltVSD~Ltxtt'lti 1tpocr6vt"-, B. 1epooov aA.sD{)-epttx(,; ' ' a.yavljc;; ' Q- O'ltOA."q'fsw;. ' ' ',,, ~' - 'XiY.VOV. ul'lt!7.l0fJ S>' 'ltl1.t 4 1tpOOOV Vergl. 'I Ltl IX 1. E' '>'t 'X<;; l 0 fJ 1' OD
.
1

Sokolow, Lekciji po cerk. pravu (Vortrage iiber Kirchenrecht). S. 229 u. ff.; Berdnikow, Kurs cerk. prava. (Kursus des Kirchenrechts). S. 41-42. . 68. 1 78. Kan. Apost. und Kommentar des Balsamon zu diesem Kanon (Ath. Synt. II. 100); 79. Kan. Apost. und Kommentan~ Balsamons und Zonaras' zu dem'X.tA. I, 57;

selben Kanon (lb. II, 101, 102). ~ 77. Kan. Apost.: s't 17.~wc;; o EOtlV E'ltttj')t01C"ljc;;, ytva{)-w. 3 Derselbe Kanon. In den apostolischen Kostitutionen lesen wir, daB derjenige zum Priester eingesetzt werden soli, der gut und tauglich ist, ?!.r:.d o) tcX cn:)(L!7.ttx (LOO(LOO?!.O'!Csta{l-tXt, &A.M {)-p1JO'ltSt!7.V ?!.txt ~[oo~;. VI. Buch, 23. Kapitel. Vergl. Sozomenus, Kirchengeschichte. VI, 23. ' "Ivtx 11~ ta E?!.'ltktjat!7.att'X.cX 7eape(L'ItOotCottlj (78. Kan. Apost.). 5 Siebe 26. Antwort Balsamons an den alexandrinischen Patriarchen Markus (Ath. Synt.. IV, 467-468). Vergl. Blastares, Alphabetisches Synt. lit. X. Kap. 11 und lit. 6, Kap. 1 (Ath. Synt. VI, 202-203. 503).

. 68. Die Physischen Eigenschaften.

261

2) Das vorgeschriebene Alter. Der Eintritt in die Hierarchie ist ein freier Willensakt desjenigen, welcher in diesel be einzutreten beabsicht G; hiebei muB jedoch vorausgesetzt werden, daB der Betreffende in seinen Olaubensanschauungen fest sei und die Bedeutung, sowie die Wichtigkeit des Dienstes, welchem er sich widmet, begreife. Sowohl des einen, als auch des anderen Umstandes wegen, ist die Erlangung eines reifen Alters unbedingt notwendig, damit der Betreffende in der Lage sei, seinen freien Willen mit Oberlegung zu auBern, und damit auch der Kirche die Oewahr geboten werde, daB er sich seines Dienstes bewuBt ist. Die alteste kirchliche Oesetzgebung hat bereits ihr Augenmerk darauf gerichtet, und sind die bezUglichen Oesetze zum groBen Teile auch heute noch wirksam. Die erste Bestimmung tiber das Alter fUr den Episkopat ist in den Constitutiones Apostolorum enthalten, wonach das 50. jahr als das Minimalalter fiir den Kandidaten des Episkopates festgesetzt erscheint 7, Die Oesetzgebung justinians hat dieses Alter herabgemindert und vorerst das 35. Lebensjahr fiir den Kandidaten des Episkopates 8, spaterhin das zurilckgelegte 30. Lebensjahr festgesetzt 9 fiir den Presbyterat wird das 30. to, filr den Diakonat das 25. n, filr den Subdiakonat das 20. Lebensjahr 12 gefordert. Rilcksichtlich des Presbyterates, des Diakonates und Subdiakonates soli nach den Bestimmungen der Kanones das vorgeschriebene Alter genau berUcksichtigt werden; denn ,derjenige, welcher vor Erreichung des vorgeschriebenen Alters zu irgendeinen hoheren Rang erhoben wird, soli abgesetzt werden 13, mag er sonst in jeder Beziehung wilrdig erscheinen" 14 Hinsichtlich der niederen Grade enthalten die Kanones keine Altersvorschreibungen; nur beziiglich des Anagnosten bestimmt eine Novelle justinians, daB dieses Amt mit dem 18. Lebensjahre erlangt werden kann u>. Gegenwartig bleibt es der kirchlichen Obrigkeit iiberlassen, das Alter der Kandidaten fiir die niederen Grade zu beurteilen; rilcksichtlich
6
7

Siehe . 70. Anm. 1 und 2.

eA~.'ttOY StlilV 1tSYtij'XOYt'l II. Buch 1. Kap. Nov. 123, 1. 9 Nov. 137, 2. Vergl. KstrJ.sYov 28. Kap. I. Titel des Nomokanon (Ath. Synt. I, 66) und l:x6A.wv des Balsamon (Ibid.). 10 Neoc. 11. Kan.; 14. Trull. Kan.; Nomok. 28. Kap. I. Titel (Ibid). 11 Karth. 16. Kan.; 14. Trull. Kan.; Nomok. Ibid. 12 15. Trullan. Kanon und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. 11, 338), woselbst die 16. Novelle des Kaisers Leo des Philosophen erwlihnt wird. Siehe diese Novelle bei Zachariae a Lingenthal, jus. Graec.-rom. Ill, 88, und die 75. Novelle desselben Kaisers. Ibid. Ill, 172-173. 13 15. Trull. Kan. u Neoc. 11. Kan. n Nov. 123, 13, welche von Balsamon in dem Kommentare zum 14. Kanon des VII. allgem. Konzils angefiihrt wird (Ath. Synt. II, 619}.

Otnt

262

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

des Presbyterates und Diakonates halt man sich diesfalls im allgemeinen an die alten kanonischen Vorschriften 16.

. 69.

b) Die psychischen Eligenschaften.


Die erste der psychischen Eigenschaften, welche ein Kandidat des geistlichen Standes besitzen muB, ist der Glaube. Der Kandidat muB aile Wahrheiten des christlichen Glaubens vollstandig kennen, dieselben nach der Lehre der orthodox-orientalischen Kirche auffassen, und in der Lage sein, auch andere in diesen Wahrheiten zu unterweisen 1. Dieser Glaube muB ein fester und unerschiitterlicher sein. Damit nun die kirchliche Obrigkeit hievon die volle Oberzeugung besitze und damit der Betreffende beziiglich des Glaubens nicht ins Schwanken gerate, verbietet diese die Weihe derjenigen, welche sich erst zur Kirche bekehrt haben 2, sowie jencr welche unter auBergewohnlichen Verhaltnissen, beispielsweise wahrend einer schweren Krankheit, getauft wurden, von welchen somit vorausgesetzt werden kann, daB sie nicht in der Lage waren, sich den christlichen Glauben vollstandig anzueignen 11 Der GewiBheit wegen, dal~ die Kandidaten des geistlichen Standes vollkommen an dem Glauben festhalten, bestimmen die Kanones noch als Erfordernis der Priesterweihe, daB die AngehOrigen des Kandidaten rechtgUiubige Christen seien und falls dies nicht zutrifft, daB sie sich vorher diesem Glauben zuwenden ~.
16 Im Patriarchate von Konstantinopel konnen die BischOfe nach dem Synodal-Dekrete von juni 1796 keinen Diakon vor dem 25. und keinen Presbyter vor dem 30. Lebensjahre einsetzen. lm Konigreiche Griechenland wird nach dem Gesetze vom 18. Oktober 1856 (Art. I Pkt. 2) fiir den Diakon das 25. und fiir den Presbyter das 30. Lebensjahr gefordert. In Ruj3land soli nach dem Gesetze vom 16. April 1869 der Diakon im Alter von 25 jahren sein, der Presbyter womoglich 36 nicht weniger als 30 jahre zahlen. In der Karlowitzer Metropolie bestimmt - des Deklaratoriums, daB niemand vor dern 25. Lebensjahre zur Ablegung der Monchsgeliibde zugelassen werden oder die Weihe zum Subdiakon, Diakon und Presbyter erlangen diirfe. Nach Art. 37 des Gesetzes iiber die Kirchenbehorden in Serbien von Jahre 1890 kann niemand zum Pfarrgeistlichen geweiht werden, der jiinger als 25 Jahre ist; diesel be Norm enthalt auch die Entscheidung der bischOflichen Synode vom 17. Oktober 1884, welche auch verfiigt, daB niemand vor dem 21. Lebensjahre zum Diakon geweiht werden darf. l\. 69. I. Tim. 3, 3. 4. I 6; II. Tim. 2, 25. 3, 15-17 ; VII. all gem. Konz. 2. Kan. und vergl. 58. 80 Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 2. Kan.; Laod. 12. Kan. I. Tim. 3, 6; 80. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 2. Kan. ; Laod. 3. Kan. Das sind die sogenannten yso~otot. Zu den Neophyten (Neugetauften) rechnen die Kanones auch jene, welche ohne die beziiglichen Vorbereitungen sogleich die Priesterweihe erlangen wollen. Sard. 10. Kan. '' Neoc. 12. Kan. Karth. 36. Kan. Ober die unbedingte Notwendigkeit, daB aile Hausangehorigen der Kandidaten des geistlichen Standes rechtglaubig sein miissen, vergl. Sozomenus, Kirchengeschichte. V. 16.

, 69. b) Die psychischen Eigenschaften.

263

Neben dem Glauben fordern die Kanones von den Kandidaten des geistlichen Standes noch die vollstiindige Kenntnis dessen, was auf den kUnftigen Dienst derselben Bezug hat, sowie die Fahigkeit, ihre Kenntnisse im Interesse der guten Sache zu verwerten. Abgesehen von der systematischen wissenschaftlichen Vorbereitung, welche der Kandidat nachweisen muB, wird derselbe vor Erteilung der Cheirotonie einer strengen Priifung unterzogen, damit sich die kirchliche Obrigkeit von den Fahigkeiten desselben die Oberzeugung verschaffe. Das erste allgemeine Konzil verbietet die Cheirotonie solcher Individuen, welche nicht hinreichend wissenschaftlich gebildet und geprilft sind 5, und entzieht demjenigen das Recht, den Altardienst zu verrichten, welcher durch die Sorglosigkeit des Bischofs, ,ohne der Priifung unterzogen zu werden, zum Presbyter eingesetzt wurde" u. Dieselbe Bestimmung wird auch von anderen Konzilien erneuert 7. Die byzantinische Gesetzgebung hat hierauf eine ganz besondere Aufmerksamkeit gelenkt und durch ihre Gesetze der gedachten kirchlichen Norm auch staatliche Bedeutung verliehen 8 Die Oberzeugung von der wissenschaftlichen Befahigung desjenigen, welcher die Cheirotonie erhalten soil, verschafft sich die Kirche durch eine von demselben abzulegende PrUfung, welche fUr den Diakonat und Presbyterat von einer besonderen, aus alteren und erfahrenen Geistlichen bestehenden Kommission ll, fUr den Episkopat von der biscMflichen Synode vorzunehmen ist to. Oberdies besteht bezUglich des Kandidaten fUr den Priesterstand die Bestimmung, daB derselbe anlaB!ich der Cheirotonie seinen Glauben, sowie die strikte Beobachtung dessen, was ihm von der Kirche aufgetragen wird, durch einen Eid zu bekraftigen hat 11; hiebei wird er von einem besonders hiezu bestimmten Beichtvater nodi einer GewissensprUfung unterzogen, welch' letzterer dann auch offentlich in der Kirche zu bestatigen hat, daB er ihn des
'' 2. Kan. und mein Kommentar zu den Kanones I, 168. 9. Kan. und mein Kommentar zu den Kanones I, 205-207. Vergl. den 80 Kanan Basilius d. Gr., aus welchem hervorgeht, daB dies eine alte, stets beobachtete Obung ist. 7 VII. allgem. Konz. 2. Kan.; Karth. 18. Kan. s justin. Nov. 123, 12: ,Ciericos non aliter ordinari permittimus, nisi litteras sciant et rectam fidem." Cf. et Nov. 137, 2. 9 Dieses Priifungs-Kommission bilden in den dalmatinischen Eparchien die Mitglieder der Epan::hial-Konsistorien, in dem Czernowitzer Erzbistume besondere aus den Mitgliedern des Konsistoriums und den Professoren der theologischen Fakultat gewahlte standige Mitglieder. Riicksichtlich der Karlowitzer Metropolie, siehe . 34 des Deklaratoriums und 10, Pkt. 6, IV. Abschnitt des Reskriptes vom Jahre 1868. Fiir Serbien siehe die Entscheidung der bischoflichen Synode vom 23. Oktober 1893. '" Siehe 2. Kanon des VII. allgem. Konzils. 11 Justin. Nov. 137, 2; ,Eid des die Cheirotonie anstrebenden Klerikers" in dem Werke ,Prav. serb. crkva" (Belgrad, 1874). S. 206-208.

264

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

geistlichen Standes ftir wilrdig befunden habe 12. Der die Cheirotonie vornehmende Bischof muB dem Betreffenden, w~hrend des Aktes der Cheirotonie selbst, die wichtigsten Normen seines kOnftigen Verhaltens in Erinnerung bringen ta. Fiir den Bischof besteht die Bestimmung, daB er Offentlich in der Kirche seinen Glauben zu bekennen und einen feierlichen Eid, daB er die Tradition, sowie die Gesetze der Kirche bewahren werde, abzulegen babe 14

. 70.
c) Die Eigenschaften vom Standpunkte der Freiheit des Kandidaten. Diese Eigenschaften beziehen sich vor allem auf den freien Willen, welchen der in den geistlichen Stand Tretende bekunden muB, sowie auf die selbstandige Stellung desselben in der weltlichen Gesellschaft, d. h. daB er durch keinerlei ihm von der Gesellschaft auferlegte Verpflichtungen gebunden sei. Was das erste Moment anbelangt, so kann niemand gezwungen werden, die Cheirotonie zu empfangen, denn hiefiir ist der freie Wille des Betreffenden und der Beruf maBgebend, welchen dieser ftir den geistlichen Dienst in sich fnhlt. Die Kanones verurteilen jede Cheirotonie, welche gegen den Willen des Betreffenden vorgenommen wurde 1 ; dasselbe geschiecht auch seitens der weltlichen Gesetzu Siebe T61to~ 'l!.rxvoYt'lt"q~ cmp.p.-xptop(7.<; in Pedalion (Ausgabe 1864. S. 758). Eine Ahnlichkeit hiemit hat das ,Beichtzeugnis", welches der betreffende Geistliche dem zu Weihenden ausstellt. Abgedruckt in ,Pravosl. srbska crkva u knja!evstvu Srbiji". S. 206. 13 Karth. 18. Kan. Zonaras sagt in seinem Kommentar zu diesem Kanon Folgendes: ,Bei der Cheirotonie muB der Bischof denjenigen, an welch en er die Cheirotonie vornimmt, die Verfiigungen der Kirchenversammlungen, sowohl hinsichtlich des Glaubens, als auch riicksichtlich ihrer Lebensweise und der Abwicklung der kirchlichen Geschafte in Erinnerung bringen, damit sie in Kenntnis der Anordnungen der Vater, denselben entsprechend vorgehen" (Ath. Synt. III. 353-354). In der Regel werden diese Normen den Neugeweihten Presbyter! in der Form einer bischoflichen Instruktion ilberreicht Vergl. ,Instruktion fiir den neueingesetzten Priester". welche die russische Synode hinausgibt, oder ,Bischofliche Instruktion, welche dem Presbyter bei der Cheirotonie schriftlich ilberreicht wird ", verfaBt von dem ehemaligen Bischof In Neusatz, Platon. In Wien (1857) in Druck erschienen ; in serbischer Obersetzung in Neusatz 1892. a Siebe das Ritualbuch fiir die bischofliche Cheirotonie und ,Cin ispovjedanija i objescanija arhierejskago". S. Petersburg 1865. , 70. 1 Basilius d. Gr. 10. Kan. und Kommentar des Zonaras zu demselben Kanon (Ath. Synt. IV, 125). Wenn aber jemand freiwillig in den geistlichen Stand getreten ist, mu8 er sich der geistlichen Gewalt unterordnen, wenn er von einem Grade zum anderen befordet werden will. Siehe den 31. Kanon der Synode von Karthago, welcher die Nicht- Unterordnung des Betreffenden in dieser Beziehung verurteilt. Balsamon fiihrt auch den Grund zu diesem Kanon an: ,Es kam vor, daB gewisse Kleriker, welche von den Bischofen im Interesse der Kirche auf hohere Dienstposten berufen wurden, sich dagegen aus dem Grunde auflehnten, weil sie das Verbleiben

. 70. c) die Eigenschaften vom Standpunkte der Freiheit des Kandidaten.

265

gebung 2. Das zweite Moment betreffend, wird in den Kanones das unablinderliche Prinzip hervorgehoben, daB das geistliche Amt nur jenen Personen zufallen soU, welche ihrer gesellschaftlichen Stellung nach unabhlingig sind s. Aus der Voraussetzung, daB derjenige, welcher in den Klerus eintritt, sich ausschlieBiich den kirchlichen Oeschliften mit Vermeidung jeder Einmischung in weltliche Angelegenheiten widmen miisse', folgt notwendig, daB nur jener in den Klerus aufgenommen werden konne, welcher durch keinerlei auswlirtige, die freie Ausiibung des kirchlichen Dienstes etwa hindernde Verpflichtungen gebunden ist. Wenn sonach jemandem solche Verpflichtungen obliegen, wird dessen Aufnahme nur dann erfolgen konnen, wenn er sich von denselben vollkommen befreit. Nach den sozialen Verhliltnissen in dem griechischromischen Reiche, verboten die Kanones die Aufnahme folgender Klassen in den Klerus: a) der Sklaven, solange der Herr sie nicht aus ihrem Verpflichttingsverhaltnisse entlieB ''; b) der Curiales, welche bestimmte Stellen in dem Staatsdienste ausfiillten G und c) der So/daten, d. h. jener, welche nach den Staatsgesetzen dem Kriegsdienste unterlagen 7.

. 71.
d) Die Eigenschaften, welche sich auf den guten Ruf beziehen.

Die Eigenschaften dieser Art l)eziehen sich nicht auf die Abstammung des Kandidaten, sondern auf ihn selbst, und zwar in der Richtung, daB ihm von keiner Seite hinsichtlich seines sozialen oder
auf ihren friiheren Dienstposten, der guten Einkiinfte wegen, oder mit Riicksicht auf gewisse Annehmlichkeiten, welche ihnen dort geboten waren, vorzogen" (Ath. Synt. Ill, 383-384). 1 Leonis. Nov. 2. Siebe fiir Oslerreich das Gesetz vom 27. Oktober 1862 iiber die personliche Freiheit. 3 Nomokanon. I. Titel, 36. Kap. (Ath. Synt. I, 77). ' 6. 81. 83. Kan. Apost. Siehe das Dekret der Synode von Konstantinopel vom Mai 1797, unter dem Patriarchen Gregorius (f s 0 s ro v K1XVOV. AtiXtaeatc; I, 302; lip~/... ?(1Xt I, 193). Vergl. Nomok. IX, 36 (Ath. Synt. I, 228). 5 82. Kan. Apost.; Chalc. 4. Kan.; Gangra. 3. Kan. 6 Hierunter verstand man in lilterer Zeit aile Curiales oder Aulici, Personen, welche Hofdienste versahen, und ebenso verschiedene Staatsbeamte (Palatini, Magnates, Regum Officiales, Ministeriales superiores, Procuratores, Ao0?(1jVIipwt u. s. w.) oder die Decuriones (stlldtische und Gemeindebeamte) [Gothojr. comment. in Cod. Theod. lib. XII. tit. 1]. Vergl. 29. Sendschreiben des Ambrosius von Mailand. Riicksichtlich solcher Beamten bestimmt der 10. Kanon der Synode von Sardica, da6 sie nur dann in den Klerus aufgenommen werden konnen, wenn durch lllngere Zeit ,ihr Glaube, ihr Wohlverhalten, ihre Bestandigkeit und Sanftmut erprobt wurden". Nach den Staatsgesetzen muBte ein Beamter, der in 'den Klerus eintreten wollte, mehrere Jahre vorher, und ein Krieger 15 jahre in einen Kloster als Novize unter strenger Aufsicht eines besonderen Beichtvaters zugebracht haben. Nov. justin. 123, 15. Nov. 137, 2. 1 Vergl. Cod. Theodos. lib. VII. tit. 20. c. 12; Cod. just. lib. I, tit. 3, c. ZT. 171

II. Teil. Die Verfa,!\sung der Kirche.

t.ebens irgendein Vorwurf gemacht werden k5nne, welcher eines Ve.-dachtes auf s.einen guten Ruf zu werfen ims.tande war~. {n d~r ~\t-testamentarischen Kirche wurde derjenige des geistlichen Qiens~es. f~r unwLirdig angesehen, welcher nicht von bestimmter Ab&taml11ung t~nd Familie war 1 Die Kanones der neu-testamentarischen I<;irche dagegen verbieten, hierauf Rncksicht zu nehmen und verfugen, d<~,~. d~s. Augenmerk auf die personlichen Eigenschaften der die Aufn~lm~e il;t den Klerus Anstrebenden zu richten sei 2 Mit Rucksicht dara,uf gestatten die Kanones selbst den aus einer ungesetzlichen Ehe EntsprosseneJ:t die Aufnahme in den Klerus, sofern sie nur des geistlichen Amtes wnrdig erscheinen und aile sonst hiezu notwendigen Bedingungen aufzuweisen haben a. BezUglich c;tes hauslichen Lebens verfugten die Apostel selbst, da6 nur jene der Cheirotonie wOrdig anzusehen sind, deren Verhalten i.n ihrem hli,uslichen Leben ein musterhaftes ist 4 In dieser Beziehung richten die Kanones ihre Aufmerksamkeit hauptsachlich auf die Ehe (ie~ ~~nc;t.~~t~n. des geis~Ijchen Standes, und verbieten jene in den Klerus aufzunehmen: a) welche sich zweimal verehelichten 5; b) welche mit einer Witwe oder einer von ihrem ersten Gatten getrennten Frauensp~~Q.Q.. elQe ~h.e schlossen 6 ; c) welche im Konkubinate Ieben 7; d) welche in einem verbotenen Verwandschaftsgrade eine Ehe schlossen s; e) welche eine Ehebrecherin , f) eine Unziichtige, eine Theaterperson oder eine solche, welche ihrer Beschaffenheit nach nicht eigenwillig eine Ehe schlieBen konnte 10, geheiratet haben ; g) welche mit einer nicht RechtgUiubigen eine Ehe schlossen u, und h) im allgemeinen jene, welche

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. 71.

Zonaras' zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 379-381). 1 ' 8. Kan. des Nikephorus von Konstantinope/: O[a'lto it<XAAo:x'll.(3o~, ~ 3tjliJLroY,
~ tpLj'liJLOOY tL'li.'COJLSYOL 'lt~los~, a&.Y 'i;toY lS(J(I)'J6'1Yj<; EitLOSt~(J)Yt!XL ~lOY, xstpotOYOUYtO:Xt (Ath. Synt. IV, 427). 62. Antwort Ba/samons auf die Frage des Patriarchen Markus von Alexandria (Ibid. IV, 494). Siebe 'Peda/ion (erwahnte Ausgabe), S. 727. Vergl.

1 II. 81,1ch Mos. 28, I ; IV. Buch Mos. 18, 7. ~ 33. Trull. Kim. und Kommentare Ba/samons und

Eherecht, S. 702, und A. Paw/ow, "Konnen aus ungesetzlichen Eben Entsprossene in geistliche Amter eingesetzt werden ?" (Cerkv. Vjedom. 1889. N. 9. S. 226 'u. ff.). Beziiglich des dejectus nata/ium in der romisch-katholischen Kirche, siehe Schulte, Lehrb~ch des katholischen Kirchenrechts. III. Auf!. S. 197. I. Tim. 3, 2. 5, 11. 12. ~I. Tim. 3, 2. 12; Tit. 1, 6; 17. I<an. Apost.; 3. Trull. Kan.; Basilius d. Gr.
Zhi~hman.

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. 71. d) Die Elgehscbaften, welclie sicb auf den guten Ruf beziehen.

2t;7

eine ungesetzliche Ehe eingingen 12. Die Kartones enthalten rUckslcHtlich der Ehen der Geistlichen derart strenge Bestimmungert; daB sle die Absetzung jenes Geistlichen anordneh, welcher eine gegen die Vorschriften der Priester-Ehe und Uberhaupt gegen die Satzungert der christlichen Ehe verstoBende Ehe geschlossen hat. FUr dert Fall, daB eine solche Ehe aus Unwissenheit geschlossen wurde, gestatten die Kanones, daB der Betreffende in dem geistlichen Stande und in seinem Ra11ge . belassen werde, doch ist derselbe von der Verwaltung der heiligert Handlungen ausgeschlossen 1a. Nach den genauen Vorschriften der Kanones rUcksichtlich der Priester-Ehe, wird nicht bedingungslos gefordert, daB jeder vor der Cheirotonie eine Ehe eingehen miisse, sondern sie iiberlassen es den Betreffenden, entweder eine Ehe einzugehen oder hievon Umgang zu nehmen 14 DiesbezUglich gilt in der morgenHlndischen Kirche die bestimmte Norm, daB derjenige, welcher als Priester im ehelichen Bande Ieben will, vor der Cheirotonie die Ehe eingehen muB; im entgegengesetzen Faile hat er seinen EntschluB vor der Cheirotonie zu :iu6ern, und darf dann unter keiner Bedingung eine Ehe schlieBen. Es ist sonach dem Willen des Priesters anheimgestellt, sein Leben in der Ehe oder im ehelosen Stande zuzubringen, nur muB er seinen bezUglichen Entschlu6 vor der Cheirotonie kundgeben und an demselben sodann als Priester festhalten. Wenn er verehelicht in den geistlichen Stand eintritt, darf er seine Frau nicht mehr verstoBen 15; ist dies nicht der Fall, so darf er spaterhin keine Ehe schlieBen 16. Eine Ausnanme von dieser altgemeinen Regel bildet die Bischojswiirde. Bis zur zweiten Halfte des Vll. Jahrhunderts konnten auch die Bisch5fe verehelicht sein; zu dieser Zeit aber wurden auf dem Trullanischen Konzile zwei Kanones erlassen, welche dem Bischof, nach Erlangung dieser WUrde, das eheliche Leben untersagen; er muB sich vielmehr vorher mit gegenseitigem Einverstandnisse von der Frau trennen, welche an einem von der Residenz des Bischofs entfernten Ort Ieben und von dem Bischof den Lebensunterhalt empfangen soli 11. Von dieser Zeit an wurde die Ehe als Hindernis zur Erteilung der bisch5flichen Cheirotonie angesehen, wenngleich es selbst bis zum XII. Jahrhundert Bisch5fe gab, welche in
26. Trull. Kan. 26. Trull. Kan. und die Kommentare Zonaras und Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 362-363). u Siebe hieriiber unsere Abhandlung .,Mu6 nach den kanonisehen Vorschriften der orthodoxen Kirche ein Weltgeistlicher unbedingt verehelicht sein? (,Istina". I. Jahrg. S. 156 u. ff.). 15 5. Kan. Apost.; 13. 30 Trull. Kan.; Gangra. 4. Kan. 16 26. Kan. Apost.; Chalc. 14. Kan.; 3. 6. Trull. Kan. 17 12. 48. Trull. Kan. Siebe unsere .,Dostojanstva". S. 108-109, und unseren Kommentar zum 12. Kan. des Trull. Konzils. ,Pravila" I, 457-73.
18
12

268

II. Tcil. Die Verfassung der Kirche.

ehelicher Oemeinschaft lebten 1s. Spater verschwindet diese Obung, und es bildete sich die Gewohnheit aus, Monche zu Bischofen zu wahlen, obgleich diesbezUglich keine kanonischen Vorschriften bestehen 19 Abgesehen von dem unbescholtenen hauslichen Leben, fordern die Kanones von den Kandidaten des geistlichen Standes auch ein unbescholtenes gesellschaftliches Leben; es darf sonach nichts vorliegen, was den guten Ruf des Kandidaten zu beeintrachtigen in der Lage ware. Die Kanones verbieten daher den Eintritt in den Klerus denjenigen : a) welche von dem christlichen Glauben oder von der wahren Kirche abgefallen sind 2o; b) welche sich mit Zauberei befassen und an Zaubergebilde glauben 21; c) welche durch Bestechung das Amt erlangen wollen 22; d) welche sich auf SchaubUhnen produzierten 2s; e) welche jemanden absichtlich oder unabsichtlich getodtet haben 24; f) welche sich fremde Habe angeeignet haben 2 5 ; g) welche sich dem Wucher hingaben 2s; h) Meineidige 21; i) Selbstverstammler 2s; j) Unzlichtige und Ehebrecher 29, und im allgemeinen k) welche sich durch irgendeine korperliche SUnde zum Argernisse anderer befleckten ao.

. 72. Allgemeine Beurteilung der, Eigenscha.ften der Ka.ndidaten des geistlichen Sta.ndes. Bei Beurteilung der Eigenschaften, welche die Kanones von den Kandidaten des geistlichen Standes fordern, sowie bei Erwagung der verschiedenen, den Eintritt in den Klerus hindernden Handlungen, halt sich das Kirchenrecht an seine besonderen, von jenen des weltlichen Rechts verschiedenen Vorschriften, wobei auf den Charakter des dem
,Dostojanstva". S. 109-110. Vergl. 2. Kan. der in der Sophiakirche abgehaltenen Synode und Kommentare Balsamons und Zonaras' zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 709-710) und den Kommentar des B/astares (lb. VI, 284-285). Vergl. Sym. Thessal., De poenit. cap. 266. 20 62. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 10. Kan.; An c. I. 2. 3. 12. Kan.; 10. ll. 12. 14. Kan. des Petrus von Alex.; Sendschreiben des Athanasius an Rufinianus; Oregorius von Nyssa 2. Kan.; Basilius d. Or. 1. 81. Kan. 21 3. Kan. des Oregorius von Nyssa; 7. 65. 72. 63. Kan. Basilius d. Or. 22 29. Kan. Apost.; Chalc. 2. Kan.; 22. 23. Trull. Kan.; VII. All g. Konz. 4. 5. 15. 19. Kan.; 90. Kan. Basilius d. Or. 23 Karth. 15. 45. 63. Kan. Vergl. Augustin.,De civit. Dei. lib. II, c. 14. 2 ' 5. Kan. des Oregorius von Nyssa. 2 ' 25. Kan. Apost.; 61. Kan. Basilius d. Or. 26 44. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 17. Kan.; 10. Trull. Kan.; Laod. 4. Kan. ; Karth. 5. 16. Kan.; 6. Kan. des Oregorius von Nyssa; 61. Kan. Basilius d. Or. 27 64. 82. Kan. Basilius d. Or.; 25. Kan. Apost. 28 22. 23. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 1. Kan.; 8. Kan. der I. II. Synode. 29 61. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 2. 9. Kan.; Neoc. 1. 9. Kan. 30 Siebe Kommentar Balsamons zum 61. Kan. Apost. (Ath. Synt. II. 79).
10
18

72. All gem. Beurteilung der Eigenschaften der Kandidaten des geistl. Standes. 269

neuen Mitgliede der Hierarchic obliegenden Dienstes RUcksicht genommen wird. In dieser Beziehung faBt das Kirchenrecht vorerst die innere Seite der betreffenden Handlung ins Auge, insoweit nach dieser auf die Beschaffenheit der betreffenden Pers6nlichkeit geschlossen werden kann. Mag nun auch diese Handlung keinerlei folgen in den bUrgerlichen Beziehungen nach sich ziehen und auch vor Gericht nicht formell nachgewiesen sein, so wird die Kirche dieselbe doch als ein Hindernis zur Cheirotonie ansehen, wenn sie von dieser Handlung durch die ihr zu Gebote stehenden eigenen Mittel Kenntnis erlangt und die Oberzeugung gewonnen hat, daB die Handlung auf cine Verderblichkeit desjenigen schlieBen HiBt, der sie vollzogen hat. Daher verfiigen die Kanones, daB die Beschaffenheit des betreffenden Kandi. daten, seine Neigungen und Gewohnheiten einer genauen Wiirdigung zu unterziehen sind und daB hierUber dem Bischof vor der Vornahme der Cheirotonie eingehender Bericht zu erstatten sei t . Wird hiebei in Erfahrung gebracht, daB die Beschaffenheit des Kandidaten mit dem geistlichen Dienste sich nicht vertragt, daB demselben jene Eigenschaften abgehen, welche den Priester auszeichnen sollen, da wird die Bedeutung dieser oder jener Handlung, sowie auch der Umstand zu beurteilen sein, inwieweit dieser Handlung bei der Frage, ob dieselbe als Hindernis fUr die Aufnahme des Kandidaten in die Hierarchic anzusehen ist oder nicht, eine Wichtigkeit beizumessen sei. Oberdies zieht das Kirchenrecht bei der Beurteilung der Eigenschaften der Kandidaten des geistlichen Standes, falls cine die Cheirotonie hindernde Handlung vorliegt, keineswegs den unter anderen Verhaltnissen bedeutungsvollen Umstand in Betracht, daB der Betreffende seine Handlung bereut und die vorgeschriebene Strafe bereitwillig erduldet hat. Diesfalls wird die Publizitat der Handlung und der Beweis derselben in Riicksicht gezogen. Ist cine solche Handlung offentlich vollzogen und nachgewiesen, so bleibt diese, mag nun der Betreffende cine noch so groBe Reue empfinden und die Kirche ihm den Fehltritt auch ganz verzeihen, doch in der Erinnerung anderer Menschen, und das Ansehen der betreffenden Personlichkeit wird durch sie erschiittert. Die Weihe cines solchen Kandidaten wi.irde zur Erniedrigung der geistlichen Wiirde dienen, und st~nde im Widerspruche zu den Zwecken des geistlichen Dienstes. Daher verbieten die Kanones auf das strengste, denjenigen in die Hierarchic aufzunehmen, welcher wegen irgendeiner Handlung im schlechten Rufe steht 2. Die Eigenschaften der Kandidaten des geistlichen Standes werden von den Kanones nur ri.icksichtlich jener Personen in Betracht gezogen, welche wirkliche Mitglieder der Kirche sind; es entfallen daher die
. 72.
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1

1. allgem. Konz. 2. 9. Kan. ; 22. Trull. Kan. ; 89. Kan. Basi !ius d. Gr. 61. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 2. Kan.

270

II. Teil. Die Verfassung det Kirche.

verschiedenen Hindernisse filr die Cheirotonie, welche bei solchen Personen vor der Taufe bestanden haben mogen, durch die Taufe, und die Kirche urteilt im gegebenen Falle nur tiber jene Hindernisse, welche dann zutage treten, wenn der Betreffende bereits vollberechtigtes Mitglied derselben geworden ist 3. Die Strenge der Kanones in ihrer ganzen Fillle erstreckt sich auch nicht auf jene Faile, in welchen ein Hindernis der Cheirotonie aus Unwissenheit Ubersehen wurde und von den Betreffenden selbst einbekannt wird 4. Das Recht, von der Strenge der Kanones abzuweichen, fallt der kompetenten kirchlichen Obrigkeit zu, welche auch zur Erteilung von Dispensationen von gewissen Hindernisscn bcrechtigt ist, wenn dies das Interesse der Kirche fordert, wenn die Strenge gewisser kanonischer Vorschriften an sich cine bedingte ist, die in dieser Beziehung bestehenden allgemeinen Grundgesetze nicht verletzt werden 5. . 73.
Die Tonsur beim Eintritt in den Klerus.

Das sichtbare Zeichen des Eintrittes in den Klerus ist die vom Bischof vorgenommene Tonsur (O~(XI.jtc; E7ttxwp(aoc;, character tonsurae). Die geistliche Tonsur (spr:~.ttx+1 x~upri, sacerdotalis tonsura) wurde durch den 33. Kanon des VI. und durch den 14. Kanon des VII. allgemeinen Konzils als ein unbedingt notwendiger und als der erste Akt behufs Aufnahme in den Klerus vorgeschrieben. Balsamon au6ert sich in folgender Weise: , Die Kanones betrachten jed en als Kleriker von dem Tage angefangen, an welchem er das Zeichen der Tonsur vom Bischofe empfangen hat" 1. ,Sobald jemand die Tonsur vom Bischof empfangen hat, ist er Kleriker geworden" 2, Der Akt der Tonsur beruht auf der apostolischen Anordnung Uber das Getabde Gott gegeniiber a. Fiir den Eintritt in den Klerus wurde dieser Akt zu jener Zeit eingefiihrt, als die gesetzgebende Tatigkeit der Kirche cine regere wurde, und als Gebete und das Auflegen der Hande fiir die einzelnen hierarchischen Grade vorgeschrieben wurden, d. i. in der zweiten Halfte des IV. Jahrhunderts und im V. Jahrhundert. Diesem Akte diente die Monchstonsur (xoupcX. t.J.C!Vti.XtXfJ, tonsura monachalis) als Vorbild. Derselbe wurde eingefiihrt, als die Bischofe den Wunsch au6erten, daB auch die Kleriker dem Leben und den
a Vergl. 17. Kan. Apost.; 3. Trull. Kan.; 20 Kan. Basilius d. Or. ' Vergl. 3. Trull. Kan. und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 314). ~ Vergl. 80. Kan. Apost.; Neoc. 12. Kan.; 1. Kan. Basilius d. Or. u. a. . 73. 1 Kommentar zum 33. Trull. Kanon (Athen. Synt. II, 380). 7 Kommentar zum 14. Kanon des VII. allgem. Konzils (Athen. Synt. II. 617. 1 ' Apostelgeschichte 21. 24.

74. Die Cheirotonie.

271

Vorzligen der Monche nacheifern sotlen, und als die Bischofe zum groBen Teile aus dem Monchsstande hervorzugehen begannen 4 Der Akt der Tonsur allein verleiht dem Betreffenden kein hierarchisches Recht 5. Die Tonsur wird vorgenommen, bevor jemand die erste Stufe des Klerus, d. i. den Rang des Anagnosten erlangt, so daB die Tonsur ohne die Bestellung zum Anagnosten nach den Vorschriften des 14. Kanon des VII. allgemeinen Konzils dem Betreffenden nicht das Recht einraumt, vom Ambon herab in der Kirche zu lesen. Die Tonsur ist unbedingt zur Erlangung der hierarchischen Grade erforderlich; an sich aber wird durch diesen Akt der Betreffende nur in den Katalog des Klerus aufgenommen und erlangt die Befugnis untergeordnete, ihm vom Bischofe zugewiesene Kirchendienste zu versehen.

. 74.
Die Cheirotonie.
Die Cheirotonie (x.stpotCJvta) ist derjenige Akt, durch welchen jemand in die Hierarchie eintritt und die kirchliche Gewalt erlangt 1 Dieser Akt wird innerhalb des A/tares vollzogen und dem Betreffenden hiedurch die g<Htliche Gnade zuteil, die heiligen Sakramente zu verwalten. Verschieden hievon ist ein anderer Akt, welcher aujJerhalb des A/tares vollzogen wird, und durch welchen der Betreffende gleichfalls in die Hierarchic aufgenommen, dagegen nicht der Gnade teilhaftig wird, die Sakramente zu verwalten. Dieser zweite Akt wird die Cheirothesie (X.stpo{).scr(a, a~parts, 7tpCi~ok~) genannt. Durch die Cheirotonie werden der Episkopat, der Presbyterat und der Diakonat erlangt; durch die Cheirothesie werden die niederen Grade erworben, oder es wird durch dieselbe demjenigen, welcher die Cheirotonie des einen oder des anderen hierarchischen Grades besitzt, ein besonderer kirchlicher Dienst oder eine kirchliche Wiirde iibertragen z. Damit die Cheirotonie rechtswirksam sei, muB dieselbe nach den
Thomassin, Vet. et. nov. eccL discipl. I. lib. 2. cap. 37.
lm griechischen gro6en Euchologion besteht unabhltngig von der Bestellung zum Anagnosten die 'Euz~ st; tov s!.aspz6p.avov _ sk otcxx.r.w-xv Soxii.A1jcrtMttii.~V. . 74. 1 ,Die Ordination (-~ [sp<1a6v1J) als Sakrament, wurde von Christus den Aposteln anvertraut, und durch das Auflegen der Hande seitens der Bischofe, welche die Nachfolger der Apostel sind, bewirkt auch heute die Cheirotonie (zstpotovtiX), daB die Betreffenden das Recht erlangen, die gottlichen Sakramente ~u spenden und zur Erl6sung der Menschheit zu dienen" . Orthodoxes Bekenntnis. I. Teil, 109. Antwort. 2 Siebe den 2. Kanon des IV. allgem. Konzils, wo der Unterschied zwischen Cht!irotonie und Cheirothesie erwahnt ist, Vergl. die Kommentare Zonaras' und Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 218-220). Ober die. blo6e Bedeutung des Wortes iatpotoYl-x siehe den Kommentar des Zonaras zum 1. Kan. Apost. (lb. II, 2).
5

272

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

allgemein-bindenden kanonischen Vorschriften vorgenommen werden 8 Die fOr einen bestimmten hierarchischen Grad erteilte Cheirotonie darf fur denselben Grad nicht mehr erneuert werden . Dieselbe mu6 fOr jeden Grad in der vorgeschriebenen Reihenfolge, von unten nach aufwarts, und zwar in solchen Zeitraumen erteilt werden, daB die Fahigkeit des Betreffenden, sowie die Wiirdigkeit desselben zur Erlangung eines Mheren Grades gepriift werden kann 5, Der Akt der Cheirotonie selbs muB 5ffentlich in der Kirche, in Gegenwart des Volkes, welches
Siehe 6. Kap. I. Titel des Nomokanon (Ath. Synt. I, 45-46). ' "jener Bischof, Presbyter oder Diakon, welcher von jemandem zum zweitenmal die Cheirotonie erhlllt, soli gerade so wie der abgesetzt werden, von welchem er die Cheirotonie empfing" (68. Kan. Apost.). '0 x.a3' oiova~m(X. tp61tov ol.~
3

xstpotOY1j3Et~ S'/tl tlj) ~rhql xai S\ll tEp11.tt'X<jl &.;tro[Latt, M3ottpet'tott, 'X,('ll 00 (LOYOY otr:lto~, &n&: -x.otl b ev sV'l~ast tOotov xstpotov"ijaat;, heiBt es in dem Kommentar

des Ba/samon zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 87). Vergl. den 48. Kanon von Karth. "Semel sanctificatis nulla deinceps manus item consecrans praesumit accedere. Nemo sacros ordines semel datos, iterum reno vet." Cyprian. de ablut. ped. Die Kanones sprechen von einer ordnungsmliBigen Cheirotonie, d. h. von einer solchen, die von den gesetzlichen rechtglllubigen Kirchenhirten nach den festgesetzten Normen vollzogen wird; denn nach dem 68. Kan. Apost. ist die von Hllretikern {1totp&: ottpstt-x.ciiv) vollzogene Cheirotonie nichtig. Die Cheirotonie wurde immer emeuert, wenn ein Hllretiker zum rechten Glauben iibertrat und des geistlichen Amtes fiir wiirdig angesehen wurde (1. allgem. Konz. 19. Kan.; II. allgem. 4. Kan.; Ill. allgem. 5. Kan.). Obrigens hatte die Kirche beziiglich der Anerkennung oder Nichtanerkennung, sowohl der in einer nicht-orthodoxen Religionsgesellschaft vollzogenen Taufe, als auch der Cheirotonie, ihre bestimmt vorgezeichneten Normen, und gewisse Kleriker, welche aus bestimmten nicht-orthodoxen Religionsgesellschften zum rechten Glauben iibergetreten sind, wurden als solche auch von der orthodoxen Kirche anerkannt und denselben nicht neuerdings die Cheirotonie erteilt. Siebe I. allgem. Konz .. 8. Kan.; Karth. 57. 68. Kan.; Basilius d. Gr. 1. Kan. $ Siehe Synode von Sard. 10. Kan.; I. II. Synode. 17. Kan. und den Kommentar Balsamons zu diesem letzteren Kanon (Ath. Synt. II, 702-704). Eine ausdriickliche Bestimmung iiber die Zeit, welche zwischen der Verleihung des einen und des anderen hierarchischen Grades zu verstreichen hat, enthalten die Kanones wohl nicht; diese bestimmen nur: E\1 swiatql 't~'(fl/xtl 't'0\1 \1 E\1 0 fL taP \1 0 \1 X p 6y o Y &1to1tk1Jpciiv (I. II. Synode 17. Kan.); s~Et hliatoo tli1fJ.!Xpot; b ~ot3[Lilt; -x. Hex X[at o ll /.. o 11 6 t t X p 6 v o ') p. ~ x o t; (Sard. 10. Kan.). Eine diesbeziigliche Norm enthlHt die gesetzliche Vorschrift iiber das Alter, welches zur Erlangung der verschiedenen hierarchischen Grade erforderlich ist. Der 16. Kanon von Karthago bestimmt, daB der Anagnoste im reifen Alter sein miisse; fiir den Subdiakon wird das 20. (15. Trull. Kan.), fiir den Diakon das 25. (14. Trull. Kan.) und fiir den Prtsbyter das 30. jahr gefordert (14. Trull. Kan.; Neoclls. 11. Kan.). Hiernach kann die Zeit von fiinf jahren als diejenige angesehen werden, welche zwischen der Verleihung des einen und des anderen Grades zu verstreichen hat. Obrigens richtete die Kirche stets ein gr6Beres Augenmerk auf die geistigen Eigenschaften des Betreffenden, als auf das Alter. Es ist beispielsweise bekannt, daB Ambrosius von Mailand, Nektarius von Konstantinopel, Photius u. a., wenige Tage nac~dem sie aus dem Laienstande iibergetreten waren, zu Bischtlfen geweiht wurden.

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. 74. Die Cheirotonie.

273

zu bezeugen hat, ob der Betreffende jenes Grades, zu welchem er erhoben wird G, , wiirdig" sei, wahrend der Liturgie 7, gewfihnlich an Sonntagen s, vorgenommen werden, damit eine mfiglichst zahlreiche Beteiligung der GUiubigen stattfinden kfinne. Die Cheirotonie muB mit der gleichzeitigen Bestimmung des Betreffenden fiir einen Dienstort vollzogen werden. Der 6. Kanon des Konzils von Chalcedon verfiigt: ,Niemand, weder der Presbyter, noch der Diakon, noch sonst ein dem kirchlichen Staude Angehfiriger, soli ohne Bestimmung (&.1toAEAUtJ.SVo;, absolute) geweiht werden, sondern jeder, welcher die Cheirotonie empfangen hat, muB besonders (tat'lt<o~, specialiter), entweder fiir eine Stadt- oder Landkirche, fiir eine einem Martyrer geweihte Kirche oder ffir ein Kloster designiert werden. Beziiglich derjenigen, welche ohne eine solche Bestimmung (cbtoMtro~, absolute) geweiht werden, verfilgt das heilige Konzil, daB ihre Einsetzung als nichtig anzusehen sei, sowie daB sie zur Schande dessen, welcher die Weihe vollzogen hat, keinerlei Dienst verrichten k5nnen" 9, Diese kanonische Verordnung beruht auf der heiligen Schrift 1o und dient als Erganzung der Verfiigung des I. allgemeinen Konzils, wonach jeder Bischof, Presbyter und Diakon als fiir einen bestimmten Ort ge6

Siebe 7. Kanon des Theophilus von Alexandria und den Kommentar Bal-

samons zu diesem Kanon (Ath. Synt. IV, 347). Gregorius von Nazianz beschuldigt
Maximus von Konstantinopel hauptsachlich deshalb, weil dieser die Bischofsweihe nicht in der Kirche vor dem Volke, sondern in einem zu Vergniigungen bestimmten Hause (xop~6A.ou /,mrpov obt.ljt~pwv, Carm. de vita sua) empfangen hat. Ebenso behauptet Sokrates (Kirchengeschichte. 4, 29), da6 Ursinus, welcher Damasus den Bischofssitz zu Rom entrei6en wollte, auf ungesetzliche Weise geweiht wurde, o Ox. h h ~A. '1j o [ Cf &I.A.' sv cbtoxp6tpoo t61tetl t~~ ~ctotl.tx~<; ~ctl. S:m~ctA.ot>IJiYYj~ l:t~LVYj<;. Die in dem 7. Kanon des Theophilus von Alexandria vertretene Ansicht, da6 das Volk die Wiirdigkeit des Betreffenden fiir die beziigliche hierarchische Stufe zu bezeugen babe, gelangt auch in den Constitutiones Apostolorum (VIII. Buch. 4. Kap.), sowie in dem heutigen Akte der Cheirotonie zum Ausdrucke, wenn nllmlich nach dem Klerus, die Psalten, anstatt des anwesenden Volkes, das Wort C;to; ausrufen. 1 5. Kanon der Synode von Laodicea und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon. Bei Theodoretus (Hist. eccles. c. 13) hei6t es, da6 die Heirotonie vollzogen werden miisse ~<; (.1-DOttxij; ispooprlcx~ 'lt(J0'1.stpJY1j;. Nach Eusebius (Hist. eccl, 6, 43) wurde Novatianus vorgeworfen, daB er von trunkenen Leuten die Weihe empfangen habe, lflprx. osx!it'{l (zur 10. Stunde nach der damaligen, oder um 4 Uhr nachmittag nach unserer Zeitrechnung).

ev

l':ovsA.-&chv 6 A.cxo<; &r.tcx t(~ 1tpsa~otsp[tp ~cxl. tot<; 'ltcxpo5otv emox.o'ltot~ (.1- s p ~ ~!) p t ex "lt ii OOVSOOO~SL't(l). Const. Apost. VIII. Buch. 4. Kap. Die Ka8

nones enthalten keine Bestimmung dariiber, daB die Cheirotonie an Sonntagen und an keinem anderen Tage vollzogen werden konne. ' Ath. Synt. II, 230. Cf. Pitra: I, 525. 10 Apostelgesch. 14, 23; Tit. 1, 5; I. Peter. 5, 2. 18 11111, ~~ru.reul.

274

II. Teil. Die Verfassung der Kircbe.

weiht betrachtet wurde 11. In dem gedachten Kanon des Konzils von Chalcedon geschieht keine Erwahnung darUber, daB die Bisch6fe unter Angabe des Dienstortes zu weihen seien ; allein dies ist schon aus der durch die Kanones vorgesehenen Verbindung des Bischofs mit seiner Kirche, welche ohne ihn als verwitwet angesehen wird, selbstverstandlich 12 Die Strenge der kanonischen Verftigung, riicksichtlich der Cheirotonie fUr einen bestimmten Ort, ist auf die Verhaltnisse zur Zeit des Erscheinens derselben zuriickzufi.ihren, indem damals verschiedene haretische Geistliche, Storungen in der kirchlichen Organisation verursachten. Als aber im XII. jahrhundert die friiheren, der Kirche seitens der Haretiker bereiteten unliebsamen Zustande aufh6rten, wurde nicht mehr darUber gewacht, daB jeder Kleriker speziell filr die eine oder die andere Kirche geweiht werde, sondern es war tibereinstimmend mit der gegenwartigen Praxis dem Ermessen der Kirchengewalt ilberlassen, die hfiheren Grade auch ohne eine besondere dienstliche Bestimmung fUr eine bestimmte Kirche zu verleihen ta. Wer durch die ordnungsmli8ige Cheirotonie in den geistlichen Stand getreten ist, kann nicht mehr nach seinem Belieben aus demselben scheiden u (76. 2).
I. allgem. Konz. 15. Kan. Sendschreiben des Konzils von Ephesus; Synode von Antiochia 16. Kan. Karth. 78. Kan. 13 Siebe den Kommentar des Zonaras zum 6. Kanon des IV. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 231). u ,Diejenigen, welche einmal in den Klerus eingetreten sind, oder sich dem Monchsleben gewidmet haben, konnen weder in den Militardienst, nach sonst in einem weltlichen Dienst eintreten; jene aber, welche dies wagen und nlcht mehr reumiitig zu dem Berufe zuriickkehren, welchen sie Gottes wegen gew.!lhlt haben, sollen dem Anathem verfallen" (IV. allgem. Konzil. 7. Kan.). Der Priester also, welcher den geistlichen Stand verl.!l6t und irgendeinen anderen, biirgerlichen oder milit.!lrischen Dienst anzutreten beabsichtigt, wird mit dem Anathem, der hOchsten Stufe der Kirchenstrafen, gehandet; denn die Absetzung (Mihxtpem,) ware fur ihn, nachdem er den geistlichen Stand bereits selbst verlassen hat, keine Strafe. Archim. johann erklart (Kurs cerkov. zak. II, 278) diesem Kanon folgen~ermasen: , Wie die Geliibde des Monchtums, so wird auch die geheimnisvolle Weihe des Klerikers fiir den Dienst der Kirche als unwiderruflich angesehen ; denn diese Ge!Ubde werden freiwillig gewllhlt, feierlich abgelegt, verlangen schon nach ihrem Wesen eine entschiedene Absonderung von weltlichen Berufen und Angelegenheiten und fordem, daB der Mensch sein ganzes Leben Gott weihe. Sonach ware die Riickkehr des Menschen zum weltlichen Berufe Meineid vor Gott, ein Wechsel des Gewissens, die Herabsetzung des geistlichen Dienstes durch Bevorzugung des weltlichen." Balsamon fiihrt im Kommentar zu diesem Kanon die 7. Novelle des Kaisers Leo an: 1t!pt 'tOO OO!i?tt.; l}.y 'tt<; h 'tOO 'ltA'fj[Jt?too OX~!J.IX'tO<; 1tpo~ 1:0 A~t?toY &.1tOYO'fj-&et'fj IJ.E'tiX~IXA.etv, 'tOo'toY ?t'ltt li'l!.OY't:IX 1rpo~ 'lt~'to 1tliA.tY &.1to?ta-8-('Jt1Xo&rtt (Zachariae, jus. gr. rom. Ill, 78). Die Novelle, daB niemand den geistlichen Stand, in welchen er getreten ist, verlassen darf, und falls er ihn verlassen hat, wieder in denselben
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. 75.
Die Berechtigung zur Erteilung der Cheirotonie.

Das Recht zur Erteilung der Cheirotonie steht ausschlieBlich t dem Bischof zu 2. Zur Ausiibung dieses Rechtes seitens des Bischofs, sind von den Kanones bestimmte, genau festgesetzte Bedingungen vorgeschrieben, deren Nichtbeachtung die Ungiltigkeit der Cheirotonie zur Folge hatte. Einige dieser Bedingungen haben ihren Ursprung in der
bei sonstiger strenger Bestrafung zuriickzukehren hat, wird neben den Kanonisten der iilteren Zeit, im XIV. jahrhundert von Blastares K, 32 (Ath. Synt. VI, 345) und von Harmenopulos in der Kanonensammlung Ill, 2 (Leunclavii jus gr. rom. I, 33), als in der Kirche rechtsgiltig angefiihrt. 75. 1 2. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 19. Kan.; IV. allgem. Konz. 2. Kan.; Ant. 9. Kan.; Laod. 26. Kan. u. a. Chrysostomus (Hom. 11. zu I. Tim.) hebt das ausschlie61iche Recht des Bischofs, die Cheirotonie vorzunehmen, auf nachstehende Weise hervor: Oil 7tOA) to p.sooY ~iltliw (7tpaa~otsproY) 'l!.~t smo'l!.67troY. K11l rap 'l!.~l. IXiltot OLOI%a'l!.'XI..[IXV slatY &.YIXOS05jfLSYOt, 'l!.IXt 7tpOO'tl%0lllY tij<; S'lf.U"fjOl~. Ki!Xt & 1tap! S7ttO'lf.o7troY at1ta ( 6 &7t6ato>..o<;) tiXfitiX 'X.Ilt 7tpaa~otspot<; &p.6ptat tlj ra.p xstptOY[~ p.6Y1j 07tSp~a~~'lf.IXOt, 'X.IXt 'COUtO p.6YOV OO'lf.OOOt 'lf.Aaovs'lf.uh too<; 7tpaa~otspoo<;. 2 Auf Grund einer in dem Kommentar des Hieronymus zum Sendschreiben des Ap. Paulus an Titus enthaltenen Stelle, wo er den Beweis liefert, da6 der Episkopat und der Presbyterat einander gleich sind und da6 nur die Bischtife spiiter sich die Gewalt fiber die Presbyter! aneigneten, wurde der Satz aufgestellt, da6 die Presbyter! geradeso wie die Bischofe das Recht der Vornahme der Cheirotonie haben. Hieronymus au6ert sich folgenderma6en: "Idem est presbyter quiet episcopus, et antequam diaboli instinctu studia in religione fierent, et dicerentur in populis: ego sum Pauli . . . . communi presbyterorum consilio ecclesiae gubernabantur. Postquam vero unusquisque eos, quos baptizaverat, suos esse putabat, non Christi, in toto orbe decretum est, ut unus de presbyteris electus superponeretur ceteris, ad quem omnis ecclesiae cura pertineret, ut schismatum semina tollerentur? Putat aliquis non scripturarum, sed nostram esse sententiam, episcopum et presbyterum unum esse, et aliud aetatis, aliud esse nomen officii, relegat apostoli ad Philippenses verba." Diesen Gedanken hat Hieronymus spiiter insoferne abgellndert, als er unter Festhalten der Gleichheit zwischen Presbyter und Bischof anerkannte, da6 die Cheirotonie nur dem Bischofe zustehe: "Quid enim facit episcopus, excepta ardinatione, quod presbyter non faciat (Ep. 85 ad Evagr) ?" Diese Anschauung haben namentlich einige Haretiker vertreten, und Epiphanius (Haeres. 75. n. 4), welcher den an dieser Ansicht festhaltenden Aerius bekiimpfte, sagte: Ilro<; ~OtiXt tooto QIJ'JI%'tOY; ~ fLSY rap EO'tl 7t'XtSp1oY .(SYVS'tl'X.Tj tli~t; . 7t1Xtap1X~ ;t.Xp jSW4 tii t'lf.'lf.Alja(~, ~ 8s 7ta'CSp1Xt; tJ.ij orJv~tJ.SYlj (aW4Y, 8t.X t~t; tor) >..outpo5 7totAtjjSV"fj01%<; tS'X.YIX ;sw4 til E'lf.'l!.ktjaq, o) fLSV ntsp1X~, ~ ot8acrx.li>..orJ:; 'lf.IXt 1tro; otts ~v toY 7tpao~6tspov 'X.OX&tat4v, p.ij SXOVt'X XEtp6&a'JLIXY tOO XEtpOtOYSlY j ~ 5t7tStV llihoY atvt taov tcj> E1tto'X.67t<jl. Vergl. hieriiber die historisch- dogmatische: Abhandlung von Dr. A. Kurz, Der Episkopat, der hochste vom Presbyterate verschiedene Ordo. Wien 1877.
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276

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

bisch6flichen WU.rde als solcher, andere in der Stellung des Bischofs in der Hierarchia jurisdictionis. Eine der fundamentalen Eigentilmlichkeiten der Cheirotonie ist, wie bereits erwahnt, die, daB dieselbe nicht erneuert werden kann. Damit dieselbe sonach in jeder Beziehung vollgiltig sei, und damit jede MOglichkeit einer Erneuerung ausgeschlossen werde, muB sie von dem Bischof, welcher die vollkommene und unwiderrufliche Befugnis zur Vornahme der Cheirotonie besitzt, vorgenommen werden. Diese Befugnis wird der Bischof dann besitzen, wenn er sie von jenen, welche zur Verleihung derselben vom Gesetze berufen sind, und die auch ihrerseits dieselbe Befugnis durch die ununterbrochene hierarchische Sukzession von den Aposteln empfingen, in legaler Weise erhalten hats; denn nach dem Glaubensdogma der Kirche, bildet die Grundlage der Oesetzlichkeit der Hierarchic diese Sukzession, welche sich ununterbrochen von den Aposteln bis zum heutigen Tage erstreckt 4. Abgesehen von dieser gesetzlichen Sukzession, muB aber der Bischof, urn die Cheirotonie gesetzmliBig vornehmen und hiedurch jemanden in die Hierarchic einfUhren zu kOnnen, in derselben selbst einen gesetzmli6igen Platz einnehmen und ein vollberechtigtes Mitglied der Hierarchic sein. Daher ist fiir den Fall, daB der Bischof kein vollberechtigtes Mitglied der Hierarchic ist, die gesetzliche Vornahme der Cheirotonie seitens desselben unmOglich, und die trotzdem vorgenommene Cheirotonie in der Kirche bedeutungslos. Dieser Fall wird dann eintreten, wenn ein Bischof sich dem BuB Ieben widmet 5, wenn er abgeDies ist so zu verstehen, daB die Cheirotonie nicht nur im Sinne der in den synodaliter genehmigten, fiir den bischOflichen Dienst bestehenden Biichem aufgenommenen Vorschriften vorgenommen werde, sondern daB hiebei auch kein Betrug oder sonst etwas gegen das Wesen des Aktes selbst VerstoBendes vorkomme. Siehe II. allgem. Konzil. 4. Kan. und den Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 177-178); desgleichen Sard. 18. Kan. und den Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. III, 276-277. Vergl. Eusebius, Kirchengesch. VI, 43). Siehe Makarius, Orthodoxe dogmat. Theologie, 181; Basilius d. Gr. 1. Kan.; Sard. 18. Kan. ~ Der Grund hieffir ist in dem 2. Kanon der in der Sophiakirche abgehaltenen Synode von Konstantinopel dargelegt: , Wenngleich bisher einzelne BischOfe, welche das MOnchsgewand angelegt batten, auch weiterhin in der bischOflichen Wurde zu verbleiben trachteten und diesem Verfahren keine Beachtung zugewendet wurde, so verfiigt diese heilige und allgemeine Synode in der Absicht, diese Nachll:issigkeit zu beheben und diese ordnungswidrige Obung den kirchlichen Satzungen gemliB zu regeln, daB ein Bischof oder ein anderes Mitglied des Episkopates, welches in den Monchsstand treten und sich dem BuBleben wid men will, die bischofliche Wiirde nicht mehr fiir sich in Anspruch nehmen konne. Denn die Gelilbde der M<>nche bezwecken den Gehorsam und das Lemen, nicht aber das Lehren und den kirchlichen Vorrang; die Betreiienden geben daher auch das Versprechen ab, daB sie nicht die Hirten anderer sein, sondern daB sie selbst den Hirten gehorchen werden. Daher
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. 75. Die Berechtigung zur Erteilung der Cheirotonie.

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setzt wird s, wenn er die Einheit der Kirche .verUi.6t und einer Irrlehre sich anschlieBt 7, sowie endlich, wenn er nicht von legalen BiscMfen eingesetzt, sonach nicht der Trager der gesetzlichen hierarchischen Sukzession ist s. Damit aber die von einem Bischof vollzogene Cheirotonie auch im rechtlichen Sinne vollgiltig sei, ist noch die Beachtung anderer, aus der Stellung des Bischofs in der Hierarchia jurisdictionis entspringender Bedingungen erforderlich. Vermoge seiner Stellung ist der Bischof als solcher noch nicht befugt, jedermann, und wo es ihm beliebt, zu weihen und in die Hier.archie einzufUhren; sondern er ist vielmehr genotigt, sich an die Vorschriften zu halten, welche die Grenzen seiner Tatigkeit in dieser Beziehung vorzeichnen. Zuvorderst muB der Bischof die selbstandige Jurisdiktion, welche er auf legale Weise von der kompetenten Gewalt erhalten hat, in einem bestimmten Gebiete besitzen 9 Ausgestattet mit dieser jurisdiktion ist er berechtigt, die Cheirotonie innerhalb der Grenzen jenes Gebietes zu erteilen, tiber welches sich seine jurisdiktion erstreckt; daher ist es ibm untersagt, die Cheirotonie iiber diese Grenzen hinaus vorzunehmen to, urn nicht die einem anderen
setzen wir fest, wie bereits gesagt wurde, daB niemand von jenen, welche in das Verzeichnis der BischOfe und Hirten aufgenommen sind, an den Platz jener herabsteige welche von den Hirten geleitet werden und den Bu6iibungen obliegen. Jener, welcher es wagt, dies nach Kundmachung und Verbreitung der jetzt erwllhnten Verordnung zu tun, soli, nachdem er sich selbst der bischoflichen Wiirde entkleidet hat, nicht mehr in seine friihere Wiirde, welche er durch sein Vorgehen herabgewiirdigt hat, eingesetzt werden." 6 Der 28. Kan. Apost. bestimmt: "Der Bischof, Presbyter oder Diakon, welcher nach seiner wegen offentlicher Delikte erfolgten legalen Absetzung es wagt, den Dienst wieder an sich zu ziehen, welcher ibm ehemals anvertraut wurde, soli gllnzlich von der Kirche getrennt werden." Vergl. II. allgem. Konzil. 6. Kan.; Ant. 4. Kan. 1 62. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 10. Kan.; Anc. 1. 2. Kan.; Petrus v. Alex. 10. Kan. 8 Die morgenlandische Kirche versagt beispielsweise den von einem Bischofe der anglikanischen Kirche geweihten Presbyter die Anerkennung, da bel den anglikanischen Bischofen die apostolische Sukzession unierbrochen ist. 9 39. Kan. Apost.; Ant. 15. 16. 17. 18. Kan. Die Vikarbischofe oder Landbischofe konnen wegen des Mangels einer selbstllndigen Jurisdiktion die Cheirotonie nicht selbstlindig vornehmen, ausgenommen den Fall einer beziiglichen Ermachtigung seitens des Eparchiai-Bischofs (Anc. 13. Kan.; Ant. 10. Kan.; VII. allgem. Konz. 14. Kan.). Derjenige Bischof, welcher den Bischofssitz nicht mehr innehat, sondern sich im Ruhestande befindet, kann die Cheirotonie nicht selbstlindig vornehmen (Sendschreiben des Konzils:zu Ephesus); ebensowenig derjenige Bischof, welcher aus gewissen Griinden den fiir ibn bestimmten Thron nicht einnehmen kann (Ant. 18. Kan.). 10 35. Kan. Apost.; II. allgem. Konz. 2. Kan.; III. allgem. 8. Kan.; IV. allgem. 5. Kan.; Anc. 13. Kan.; Ant. 11.~_22. Kan.; Sard. 3. 15. Kan.; Karth. 48. 54. Kan. Die von einem Bischof in einer fremden_Eparchie vorgenommene Cheirotonie wird in den Kanones ~'lt'lpo:; wxt &~s~!Xto:; (irrita et infirma. Sard. 15. Kan.) genannt.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Bischofe zufallenden Rechte zu verletzen 11. Nur ausnahmsweise kann ihm dies dann gestattet werden, wenn der Bischof eines anderen Gebietes, gewisser Verhaltnisse wegen nicht in der Lage ist, dieses Amt zu walten und ihn daher zur Vornahme der Cheircitonie an seiner Stelle ermachtigt 12, oder wenn zufolge auBerordentlicher Ereignisse im kirchlichen Leben in einem Gebiete Unordnungen in der Kirche sich ergeben und die Notwendigkeit zutage tritt, von den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen abzugehen 1s. Wenn jemand filr einen bestimmten Dienstort in der Kirche zu weihen ist, in welcher Beziehung auch bestimmte andere Faktoren berechtigt sind, ihre Meinung zu auBern, so ist die Kompetenz des Bischofs keine unbedingte, sondern von diesen Faktoren abhangig u. Das Recht, die Presbyteri, Diakonen, sowie aile niederen Grade der Kirche zu weihen, wird von den Kanones einem Bischof zuerkannnt: ,Den Presbyter, sowie den Diakon und die iibrigen Kleriker soli ein Bischof (61to ivb; 1ttax61too XEtpoto'YEtcr&ro) weihen" 15 Dagegen steht einem Bischof allein nicht das Recht zu, einen anderen Bischof einzusetzen; dieses Recht ist einer Versammlung von drei oder mindestens zwei Bischl>fen, eingeraumt 1s. Der Grund hiefUr liegt darin, weil aile Bischl>fe, wie die Apostel, welche mit gleichen Rechten von Christus ausgestattet waren, untereinander gleich sind 17; daher kann kein Bischof fUr sich allein die Berechtigung haben, andere Bischofe einzusetzen, sondern dieses Recht kommt nur der gemeinsamen Gewalt derselben zu 1s. Die Berechtigung eines Bischofs, die Presbyteri und die anderen Diener der Kirche allein zu weihen, ist darin begrUndet, daB die aus einem solchen Akte entspringenden rechtlichen Beziehungen sich lediglich auf das Gebiet des betreffenden Bischofs beschranken, und daB der von einem Bischof Geweihte in keine Rechtssphare auBerhalb der Eparchie, in welcher er die Weihe erhilt, eingefUhrt wird. Der Bischof mit selbstandiger Jurisdiktion hat, wie erwahnt, das ausschlieBiiche Recht, aile hierarchischen Grade, vom Presbyter angefangen nach abwarts, zu weihen. Dieses Recht kann der Bischof, inner11 Ant. 22. Kan. Vergleicbe den Kommentar Balsamons zu diesem Kanon, sowie die betreffenden Zitate in diesem Kommentare (Ath. Synt. Ill, 165). u 35. Kan. Apost. ; Ant. 22. Kan. u. a. 3 ' Cf. Epiphan. ep. ad joh. bierosolym. u Siebe III. Abschnitt dieses II. Telles. u 2. Kan. Apost. Diese kanonische Vorschrift basiert auf der beiligen Scbrift (1. Tim. 5, 22; Tit. 1, 5). 16 1. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 4. Kan. ; VII. allgem. 3. Kan. ; Ant. 23. Kan. ; Karth. 49. Kan. 17 Siebe . 49, Anm. 6 und 7. S. 208. 18 Vergl. Const. Apost. Ill. Buch. Kap. 20. Theodoretus, Kirchengeschichte. 5 ' 23; Sokrates, Kirchengescb. 5, 15; Sozomenus, Kircbengesch. 7, 15.

. 75. Die Berechtigung zur Erteilung der Cheirotonie.

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halb der von den Kanones vorgezeichneten Orenzen, bestimmten Funktionaren iibertragen, welche in einem solchen Faile dieses Recht im Namen des Bischofs und Uber dessen Ermiichtigung ausUben. In den kanonischen Quellen werden unter solchen Funktionaren die Landbischofe (xmpE1tloX01tot) genannt. Die Landbisch5fe erhilten die biscMfliche Cheirotonie und hatten beziiglich der Verwaltung der heiligen Handlungen dieselben Rechte wie ein anderer Bischof, konnten sie aber mit Riicksicht auf ihre abhiingige Stellung in der kirchilchen Organisation nur im Namen des ordentlichen Eparchiai-Bischofs und gema6 der ihnen von diesem erteilten Ermiichtigung ausiiben 111. Was die Cheirotonie anbelangt, so wird den LandbischOfen von den Kanones das Recht eingeriiumt, in den ihnen anvertrauten Oebieten den Subdiakonen, den Anagnosten und den niederen Klerikern die Cheirotonie zu erteilen oo. Die Weihe der Presbyteri und Diakonen konnten sie nur dann vornehmen, wenn sie hiezu von dem Eparchial-Bischof die Ermiichtigung erhilten; ohne eine solche Ermachtigung waren sie unter Androhung der Absetzung nicht berechtigt, die Weihe vorzunehmen 2 1. Gleich den LandbischBfen konnten auch die einstmaligen HilfsbischOfe (~o'YJ&o(), welche sich am Sitze einzelner Eparchiai-BischOfe befanden, den Presbyteri und Diakonen im Namen und Uber Ermachtigung des Eparchialbischofs die Weihe erteilen 22; dasselbe gilt auch von den heutigen Vikarbischofen (1ttaxo1ttxot. mtpo1tot) 23. Im Namen und tiber Ermachtigung des Bischofs kann auch der Vorstand eines Klosters Anagnosten 24 und Subdiakonen 25 weihen, allein auschlie6lich fUr sein Kloster 26. Dies sind die einzigen von den Kanones erwahnten Faile, in welchen jemand neben dem ordentlichen Eparchial-Bischof die Cheirotonie vornehmen kann.

Ober die Landbischofe siehe unsere "Oostojanstva". S. 37 u. ff. Ant. 10. Kan.; VII. allgem. Konz. 14. Kan.; Basilius d. Gr. 89. Kan. 21 Ant. 10. Kan.; Anc. 13. Kan. und der Kommentar des Archim. johann zu diesem letzteren Kanon. 22 Ober einzelne Hilfsbischofe (smcrx61trov ~o-~3-oov), siehe die Kirchengeschichte des Eusebius VI, 11. VII, 32. 23 Z. B. in der russischen Kirche. ~~ VII. allgem. Konz. 14. Kanon und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 616).
19

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IV, 427).
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Siebe die in den heiden letzten Anmerkungen angefiihrten Kanones.

280

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

. 76.
Die Wirkungen der Cheirotonie.

Durch die Cheirotonie wird der Betreffende vollberechtigtes Mitglied der Hierarchic und erwirbt alle jene Rechte und Privilegien, welche die Kanones und die Staatsgesetze den Mitgliedern der Hierarchic zuerkennen. Zugleich iibernimmt der Betreffende auch alle Pflichten, welche ihm das geistliche Amt im allgemeinen und der bezilgliche hierarchische Rang insbesondere auferlegen. GemaB dem mystischen Charakter der Cheirotonie hat dieselbe filr denjenigen, welcher sie empfangen hat, besondere Wirkungen, welche aus diesem Charakter entspringen und in den Kanones genau angegeben sind. 1) Wer bereits vom kompetenten Bischof die Cheirotonie fUr einen hierarchischen Grad erlangt hat, kann fiir denselben Grad die abermalige Cheirotonie weder verlangen noch erlangen. Analog der Taufe kann auch die Cheirotonie nicht erneuert werden 1. ,Der Bischof, Presbyter oder Diakon, welcher zum zweitenmal die Cheirotonie erhalt (aEut"sptX'Y XEtpO't"O'YltX'Y), soli im Vereine mit jenem welcher die Cheirotonie erteilt hat, abgesetzt werden", verfilgt der 68. Kanon Apost. Cyprianus von Karthago vergleicht die Cheirotonie mit der Taufe und filhrt aus, wie wichtig diese heiden Akte sind, da die Taufe den Menschen in den Kreis der Mitglieder der Kirche, die Cheirotonie in die Reihe der auserwahlten Diener der Kirche einfilhrt; beide Akte haben ferner das Gemeinsame, daB sie nicht erneuert werden ktinnen 2. Zonaras spricht in seinem Kommentar zum enwahnten apostolischen Kanon die Meinung aus, daB einzelne die zweite Cheirotonie nach der ordnungsmaBig vollzogenen ersten Cheirotonie aus dem Grunde anstreben konnten, wei! sie bei jenem Bischof, welcher die erste Cheirotonie vorgenommen hat, irgendeinen Mangel fanden, oder wei! sie zu einem bestimmten Bischofe besonderes Vertrauen hegten und sich der Hoffnung hingaben, daB sie bei einer neuerlichen Cheirotonie durch diesen Bischof einer grtiJ3eren Gnade des heiligen Oeistes teilhaftig werden ktinnten 3 Diese Anschaung ist eine irrige, denn die von einem Bischof nach den kanonischen Vorschriften vorgenommene Cheirotonie ist unbedingt giltig, mag dieser Bischof auch Fehler besitzen und silndhaft sein, denn nach den Worten des Chrysostomus, erteilt Oott nicht den Bischtifen die Cheirotonie, sondern wirkt durch die Bischt>fe auf die gesamte Christenheit ein 4. Die Kanones gestatten die Wiederholung der Cheirotonie nur dann, wenn dieselbe durch einen hare. 76.

Kan. Apost 47. 48; Karth. 48. Kan. De ablut. ped. c. Z7. 3 Ath. Syntagma II, 87. ' Siebe den Kommentar Balsamons zum 31. Kanon Apost. (Ath. Synt. II, 41).
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. 7.6. Die Wirkungen der Cheirotonie.

281

tischen Bischof vorgenommen wurde, da die haretische Cheirotonie ungiltig ist 5. Ebenso ungiltig ist die durch Simonie erlangte Cheirotonie 6. 2) Hat jemand auf legale Weise die Cheirotonie erlangt, so kann er derselben nach seinem Gutdiinken nicht mehr entsagen. Der 7. Kanon des IV. allgemeinen Konzils bestimmt, daB diejenigen, welche in den Klerus getreten sind und spater den geistlichen Stand verlassen, urn ein weltliches Amt zu erlangen, dem Anathem verfallen (&.va.&p.a-c(C'aa&at)7. Die Strenge dieser Bestimmung findet ihre Erktarung in dem unabanderlichen Gedanken der christlichen Kirche, Uber die enge Verbindung des Priesters mit dem kirchlichen Dienste, welchen er durch die sakramentale Weihe, die den Menschen fUr das ganze Leben mit der Kirche verbindet, erlangt hat. Die Weihe hat er zufolge seines inneren Berufes in feierlicher Weise erhalten und darf daher einem Dienste, welchen er freiwillig Ubernommen und gelobt hat, an demselben bis zum Grabe treu festzuhalten, straflos nicht entsagen, urn einem anderen Dienste, welcher nicht der Dienst Gottes in der Kirche ist, nachzugehen. Dieser Gedanke der Kirche basiert auf gottlichem Rechte. Die heilige Schrift enthalt das Gebot, daB der Priester bis zum Lebensende seinem Dienste treu (1ttcr-c6~) bleiben musse, da Gott dies von den Verwaltern der gOttlichen Geheimnisse und von den Dienern Christi verlangt. (I, Kor. 4, 1. 2.). Die Uber diesen Gegenstand handelnden Kanones, welche die Untreue der Diener Christi und der Verwalter der gOttlichen Geheimnisse, die hiedurch Verletzer des vor Gott abgelegten Eides und Verrater der Kirche werden, verurteilen, basieren auf gottlichem Rechte. Allein auch der blo8e Charakter des Klerus und des geistlichen Amtes bedingt eine enge Verbindung zwischen der Kirche und ihrem Diener, welcher durch die sakramentale Weihe zu diesem Amte gelangt ist. Diesen Charakter wUrde das geistliche Amt verlieren, wenn es gestattet ware, demselben willkUrlich und straflos weltlicher Zwecke und irdischer GenUsse wegen, sowie infolge Leichtsinnes und seelischer Inkonsequenz zu entsagen. In den Kanones werden auch keine GrUnde erwahnt, aus wetchen ein Geistlicher genotigt ware, dem geistlichen Amte zu entsagen, z. B. seelische Gebrechen, welche der erfolgreichen Versehung des geistlichen Dienstes hinderlich waren. Die Kanones setzen solche GrUnde gar nicht voraus. Diese GrUnde verlieren an und fUr sich ihre Bedeutung, wenn den Worten des ErlOsers von der Obernahme des geistlichen Dienstes und von der ErfUllung desselben das Augenmerk zugeSiehe weiter . 77 u. 78. Kan. Apost. 29; Chalcedon 2. Kanon; 22. Trull. Kanon und meine Kommentare zu diesen Kanones. ,Pravila" I, 85, 329. 502. 7 Mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" II, 342. Siebe auch den 62. apost. Kanon iiber jenen Kleriker, welcher seinem Stande entsagt.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

wendet wird (Luk. 9, 62. 14, 28-30). Wenn irgendwo, so ist namentlich im heiligen Dienste des Altares gemaB der Wichtigkeit desselben, nicht nur eine groBe Umsicht und Selbstpriifung bei Obernahme desselben, sondern auch die groBte, zur Selbstverlaugnung und selbst zum Tode fUhrende Standhaftigkeit in der Erfiillung der geistlichen Pflichten erforderlich s. In getreuer Auslegung der heiligen Schrift verurteilen die Kanones entschieden jeden Geistlichen, welcher den geistlichen Dienst verHiBt und sich dem weltlichen Dienste widmet. Der 62. Kanan Apost. unterzieht jenen Geistlichen einem strengen Verdikte, welcher seinem Amte entsagt, mag dies auch in der groBten Lebensgefahr erfolgt sein. Ebenso verurteilen der 81. und 83. Kanon Apost. den Bischof oder Presbyter, welcher sich dem weltlichen Dienste widmet. In diesen heiden Kanones wird wohl von solchen Geistlichen gesprochen, welche neben dem geistlichen auch einen weltlichen Dienst versehen wollen; sie behandeln also nicht das Verlassen des geistlichen Amtes, sondern sie betonen den prinzipiellen Gedanken, daB derjenige, welcher sich dem geistlichen Dienste geweiht hat, keinen weltlichen Dienst annehmen kann. Das Verlassen des geistlichen Amtes und den Eintritt in den weltlichen Dienst bespricht bereits der 7. Kanan des IV. all gem. Konzils und verfligt fiir diejenigen, welche dies zu tun wagen und nicht zu dem reumlitig zurilckkehren, was sie Gottes wegen erwahlt haben, die schwerste Kirchenstrafe, das Anatlzem n. Im Sendschreiben oder im 9. Kanan des Ill. allgem. Konzils an die Kirchenversammlung in Pamphylien, welche anHiB!ich des schriftlichen Verzichtes des Metropoliten Eustathius auf seinen Dienst abgehalten wurde, wird das willklirliche Verlassen des geistlichen Standes und die Oberreichung des Verzichtes auf den geistlichen Dienst auf das entschiedenste und deutlichste verurteilt. Dasselbe geschieht auch im 9. Kanon des III. allgemeinen Konzils welchen wir in unserem Kommentar zu diesem Kanan hinreichend besprochen haben w. Am deutlichsten wird die erwahnte Frage durch den 3. Kanan des Cyrillus von Alacandria gelost. Er verurteilt den Vorgang der Geistlichen, welche auf ihren Dienst wegen Drohungen gewisser Personen, oder aus Furcht und Not verzichten, und fligt noch hinzu, daB es, wenn auch diese
8 Auf Grund dessen ist in der rom. katholischen Kirche im XII. jahrhundert die Lehre von character indelibilis der Geistlichen entstanden, welche im Tridentinischen Konzil im XVI. jahrhundert dogmatische Bedeutung erlangt hat. (Sess. VII. De sacramentis in genere, can. 9. Sess. XXIIl. De sacramento ordinis, can. 4). Siehe hierfiber meinen Kommentar zum 21. Trull. Kanon. ,Pravila" I, 495-496. 9 Da8 dieser (chalcedonensische) Kanon so zu verstehen sei, beweisen aile griechischen Kommentatoren des Mittelalters, und nach ihnen (oder nach Aristenus) auch die slavische Krmcija (1, 96). 10 11 Pravila" I, 308-325.

. 76. Die Wirkungen der Cheirotonie.

283

BeweggrOnde nicht zutreffen, mit den kirchlichen Satzungen unvereinbar ist, schriftliche Verzichte auf den geistlichen Dienst einzubringen, ,denn wenn sie wUrdig sind zu dienen, so sollen sie in ihrem Dienste verbleiben; sind sie nicht wUrdig, so sollen sie sich nicht durch

Verzicht enf/ernen, sondern erst dann, wenn ihre Hand/ungen sie verurteilen (tJ.-1) &.7tb 7trJ.paltfy::sero; S~ttrooav, XrJ.t"(\ICOO!J.EVOl ae 1-LWJ..ov s1rt 7tp!ljtJ.rJ.OlY, nee per renuntiationem exeant, sed rebus ipsis potius
condemnati)". Aus dieser klaren Bestimmung geht hervor, daB kein Geistlicher urn die Entlassung aus dem geistlichen Dienste ansuchen dart, mag ihn irgendein Grund hiezu veranlassen, denn dies steht mit den Kirchengesetzen nicht im Einklange (outs -tot; 'Ci}; hxkfJatrJ.; tlpO"X.ov -&sotJ.ot;, ecclesiasticae consuetudini non placet) ; wenn er wtirdig ist zu dienen, so mujJ er in diesem Dienste verbleiben, ist dies nicht der Fall d. h. hat er sich eines kanonischen Deliktes schuldig gemacht, wie der 21. Kanon des Trullanischen Konzils sich ausdrUckt, dann wird ihn das zustandige kirchliche Gericht verurteilen und ihn der verdienten Strafe unterwerfen, also erforderlichen Falles nicht nur der Absetzung nach der Norm des 62. Kanon Apost., sondern nach der Bestimmung des 7. Kanon des IV. allgemeinen Konzils sogar dem Anathem n. 3) Derjenige, welcher die Cheirotonie empfangen hat, kann keine gesetzliclze Ehe schliejJerz. Der 6. Kanon des Trullanischen KonzUs bestimmt : , Weder der Subdiakon, noch der Diakon, noch der Presbyter dUrfen nach der Cheirotonie eine Ehe schlieBen; derjenige, der dies zu tun wagt, soli abgesetzt werden (xa3-atps(o8-co )". Durch dies en Kanon wird die Bestimmung des 26. apostol. Kanon erneuert und als allgemeines, fUr alle Zeiten unabllnderliches Gesetz erkUirt, daB niemand eine Ehe schlieBen darf, der bereits zum Subdiakon bestellt wurde, und noch weniger derjenige, welcher die Cheirotonie ats Diakon oder Presbyter erhalten hat. Der erwahnk Trullanische Kanon bestimmt ferner, daB diejenigen, welche nach dem Eintritt in den Klerus (. 73) cine legale Ehe einzugehen wlinschen, dies vor der Cheirotonie zum Subdiakon tun sollen (1rpb t'ij; xetpo'tovta;, antequam ordinetur), denn spliter darf dies nicht geschehen. Diese Bestimmung des Kirchenrechts der morgenUindischen Kirche hat stets gegolten und muB unbedingt stets in Geltung bleiben. In Nomokanon in XIV Titeln ist das in Sinne des 26. apostolischen Kanon gehaltene Gesetz vom 18. Oktober 530
In der russischen Kirche ist es nach Art. 86 der Bestimmungen iiber die geistlichen Konsistorien vom jahre 1883 den Geistlichen gestattet, urn die Entlassung aus dem geistlichen Amte anzusuchen und in die Reihen der Laien zu treten. Da8 jedoch auch dort diese Bestimmung als jeder kanonischen Grundlage entbehrend angesehen wird, haben wir im Kommentar zum 21. Trull. Kanon gezeigt. ,Pravila"
11

I, 500-501 .

284

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

des Kaisers justinianus angefilhrt, welches die Bestimmung enthalt, daB die Eheschlie6ung seitens desjenigen, welcher bereits die Cheirotonie empfangen hat, unbedingt verboten ist. Eine solche EheschlieBung wird als ungesetzlich und schandlich und die aus einer solchen Ehe stammenden Kinder werden nicht als natiirliche (naturales), sondern als illegitime, des Erbrechtes unwiirdige Kinder angesehen. Durch den Umstand, daB dieses Gesetz justinians in die fundamentale Kanonensammlung der morgenlandischen Kirche aufgenommen wurde, ist seine bindende Kraft fur die Kirche anerkannt. Balsamon fiigt in seiner Scholie zu der erwahnten Stelle des Nomokanon hinzu, daB die Ehe als ungiltig betrachtet wurde und die Kinder als ungesetzlich angesehen wurden, wenn der betreffende Oeistliche der holzeren Grade, mag er auf welche Weise immer seines Amtes verlustig geworden sein, eine Ehe abgeschlossen hat 12. Basilius der GroBe verurteilt in seinem 6. Kanon jede Ehe als Unzucht, welche ein Geistlicher nach der Cheirotonie abschlieBt, und verfilgt, daB eine solche Ehe gelost werden milsse. Zonaras und Balsamon bemerken in ihren Kommentaren zum bezeichneten Kanon Basilius d. Gr., daB dieser Vorgang umso eher beobachtet werden mOsse, damit dem betreffenden Geistlichen der Mheren Grade jede Gelegenheit zur SUnde auch dann entzogen werde, wenn er das geistliche Amt verloren hatta; es muB mit anderen Worten die von einem Geistlichen, welcher seines Amtes durch die competente Obrigkeit verlustig erklart wurde, also dem Laienstande angeMrt, geschlossene Ehe, welche die Kirche als ungesetzlich ansieht, gelost werden, damit nach den Worten Basilius d. Gr. im erwahnten Kanon "hiedurch den Haretikern die Moglichkeit genommen werde, uns den Vorwurf zu machen, daB wir durch Nachgiebigkeit in der Sunde jemanden an uns ziehen". Dieser Gedanke der Kirche Ober das Verbot der Ehe fUr Geistliche der hoheren Weihen, mogen dieselben auch des geistlichen Amtes verlustig sein, ist am deutlichsten im Kommentar Balsamons zum 44. Kanon Basilius d. Gr. zum Ausdrucke gebracht, wo die Ehe der Geistlichen entschieden verurteilt wird. In diesem Kanon heiBt es, "daB den Geistlichen, welche auf die zweite Ehe durch Erlangung der Weihe und dadurch, daB sie sich Gott verloben, verzichtet haben, nicht gestattet werden kann, des physischen Genusses wegen dem geistlichen Stande zu entsagen (at&. -t+ti aap'ltt'lt-f}V E'ltt&ulllav 'ltetpatdjaeta-3-at ci)v [spa-tt'lt'f]V &.~t:av), das Gott abgegebene Gelobnis zu miBachten und dem physischen Genusse zu dienen ; auch wenn sie aufgehort ha-

ben, dem geistlichen Stande anzugehtiren, muj3 es Ihnen verboten sein, ihre einmal geweihten Leiber durch eine zweite Ehe zu beflecken ('lt<12 13

Ath. Syntagma II, 211. Ath. Syntagma IV, 108.

, 76. Die Wirkungen der Cheirotonie.

285
asutpot~ jrl!!Ot~

J...u&fJaOVtCI.l tCt. fi'7taa tspro8-vta O(Op.ct.ta CI.UtmV


~S~'l)A<Oaat,

corpora sua quae sunt Deo semel consecrata prohibebuntur secundis nuptiis profanare)". In diesem Sinne au6ert sich auch ein Dekret der Patriarchal-Synode zu Konstantinopel des jahres 165514, welches auf der Lehre der morgenlandischen Kirche aufgebaut, keinen anderen Standpunkt einnehmen konnte. 4) Die Cheirotonie verpflichtet den Geistlichen zu besonderem tiiglichen Gebete, unabhangig von der Liturgie, welche zu bestimmten Zeiten abgehalten werden mu6. Diese Pflicht ist durch die sakramentale Weihe, welche durch die Cheirotonie erworben wird und durch die auBerordentliche Gnade, welche der Betreffende erlangt hat, bedingt. Die diesbeziigliche schriftliche Norm ist in 126. Kanon des Johannes des Fasters und in der 48. kanonischen Vorschrift des Patriarchen von Konstantinopel, Nikephorus Confessor, enthalten. Im XIV. jahrhundert wurden durch die Patriarchalsynode von Konstantinopel die Rituale bestimmt, welche die Geistlichen Uiglich in ihrer Behausung abgesondert lesen miissen. Das Buch "tiber die Pflichten der Geistlichen" enthalt einen besonderen Abschnitt tiber das Gebet als einer priesterlichen Pflicht, und speziell der Art. 203 bestimmt, daB die Geistlichen verhalten sind, diese Pflicht nicht nur an Sonn- und Feiertagen t>ffentlich in der Kirche, sondern auch in ihren Hausern abgesondert zu erfUilen ts. 5) Durch die Cheirotonie wird denjenigen, welche sie empfangen haben, gemaB der geheimnisvollen Bedeutung derselben und im Zusammenhang mit ihrem hierarchischen Charakter die Pflicht des kanonischen Gehorsams auferlegt (61tax.cr~ xaYOYtx'fJ, obedientia canonica). Dieser Gehorsam hat seinen Ursprung in den kanonischen Beziehungen zwischen den Mitgliedern cter Hierarchic und ist durch den Vorrang der auf h5heren hierarchischen Stufen befindlichen Personen gegenUber denjenigen bedingt, welche einen niederen Rang einnehmen (. 63). Der kanonische Gehorsam in seiner Abstufung vom Diakon angefangen nach aufwarts ist durch den 13. 14. und 15. Kanon der 9. Partikularsynode (von Konstantinopel 861) festgesetzt. Insbesondere sprechen die Kanones von dem Gehorsam dem Bischof gegenUber, welchen sie als geistlichen Vater der Presbyter bezeichnen (8~ '7tat'YJp sattY tou
u Mein Kommentar zum 6. Trull. Kanon. ,Pravila" I, 446-450. Auf Grund eines Dekretes der Synode von Moskau des Jahres 1667 und eines Ukas vom 30. April 1724 wird in der russischen Kirche den verwitweten Oeistlichen und Diakonen gestattet, eine Ehe zu schlieBen, nachdem sie die heilige Synode des geistlichen Amtes entkleidet hat. DaB dieses Vorgehen in der bezeichneten Kirche als auf den kanonischen Vorschriften nicht beruhend angesehen wird, habe ich im Kommentar zum erwahnten Trull. Kanon dargetan. ' 5 Siebe fUr die dalmatinische Eparchie das Rundschreiben vom 19. August 1891 z. 204.

286
7tpsa~utepou

II. Teil. Die Verfassung der Klrche.

x.rJ.ta 7tYUtJ.et) 16 Die Kanones normieren fUr den Unge-

horsam gegen den Bischof die Absetzung der betreffenden Geistlichen und bezeichnen die Handlungsweise solcher Ungehorsamer, als Herrschsucht und Gewalttatigkeit 11. Es gab Faile, daB Oeistliche, welche an Anstalten bedienstet waren, die der unmittelbaren Leitung des Bischofs nicht unterstanden, dem kompetenten Bischof den Oehorsam versagten. Der 8. Kanon des IV. allgemeinen Konzils unterwirft solche Oeistliche der kanonischen Bestrafung und bestimmt, daB jeder Kleriker ohne Unterschied seinen Bischof unbedingt untergeordnet und von demselben in jeder Beziehung abhangig sein muB 18 Nach den Kanones erfolgt die Bestrafung wegen Ungehorsams auch dann, wenn der Bischof jemanden auf eine Mhere Rangstufe in der Kirche erhebt und der Betreffende sich diesem Vorgehen widersetzt t9. Balsamon verurteilt in einer Betrachtung dieser kanonischen Vorschrift Ungehorsame dieser Art und filhrt den Nachweis, daB sie sich ihrem Bischof unterwerfen mi.issen, wenn auch keine dringende Notwendigkeit einer solchen RangerMhung vorliegt 20. Zur Rechtfertigung des Ungehorsames dem Bischof gegeni.iber haben Oeistliche gewisse Delikte angefilhrt, deren der Bischof schuldig sein soli. In einem sol chen Fall soli der Betreffende nach dem 13. Kanon der Partikularsynode von Konstantinopel vom jahre 861 nicht nur der hierarchischen Wiirde in der Kirche sondern auch des geistlichen Namens entkleidet werden; diejenigen Laien, welche einen derartigen Ungehorsam gutheiBen, sollen nach der Bestimmung desselben Kanons ganzlich aus der Kirche ausgeschlossen werden (7Ca.vtEAcos &;o~pt(Ea -3-roaetv). Der einzige Fall, in welchem die Geistlichen dem Bischof den Oehorsam jederzeit versagen konnen, ohne auf die Entscheidung der betreffenden Synode zu warten, ist dann gegeben, wenn ein Bischof in der Kirche eine haretische Lehre zu verkOnden beginnt. In diesem Faile bestimmt der 15. Kanon der erwahnten Synode, daB die betreffenden Oeistlichen nicht nur nicht der kanonischen Bestrafung unterliegen, sondern jener Ehre teilhaftig sein sollen, welche den Rechtglaubigen gebi.irt, denn sie haben nicht einen Bischof, sondern einen Pseudobischof verurteilt 21.

t6
17

Ath. Synt. II, 690. 31. Kan. Apost.; 13. Kanon der 9. Partikularsynode.

Mein Kommentar zu demselben Kanon. "Pravila" I, 344. Karth. 31. Kan. 20 Ath. Syn t. Ill, 283. 21 Mein Kommentar zu diesem und zum 13. Kanon dieser Synode. "Pravila." II, 288, 290.
19

18

287 III. Die Cheirotonie der Andersglliubigen.

. 77. Der prinzipielle Standpunkt der orthodox-orientalischen Kirche.


Als hauptsachliches und leitendes Moment bei Beurteilung der Olltigkeit der in einer andersglaubigen Oesellschaft vorgenommenen Cheirotonie, und sonach bei Erwagu11g der Frage, ob ein Priester, welcher aus einer andersglaubigen Oesellschaft zur Kirche iibergetreten ist, neuerlich geweiht werden miisse, dient das MaB der Abweichung dieser Oesellschaft von der kirchlichen Lehre und Disziplin, sowie der Umstand, ob dieselbe eine haretische oder nur schismatische Oesellschaft ist, und in welchem Umfange das eine oder das andere zutrifft. In erster Linie wird bei dieser wichtigen Frage in Betracht gezogen, ob eine andersgHlubige Oesellschaft nur in einigen besonderen Punkten des Olaubens und in ihren besonderen Riten von der orthodox-orientalischen Kirche abweicht, oder ob diese die fundamentalen Olaubenssatze der Kirche verletzt, und sowohl in Olaubensfragen, als auch rUcksichtlich der kirchlichen Disziplin eine ganz falsche Lehre beobachtet. Die Oeistlichkeit einer Oesellschaft, der zuletzt erwahnten Art, kann in der orthodoxorientalischen Kirche niemals anerkannt werden. Weiter wird berUcksicht, ob die betreffende Religionsgesellschaft die Oeistlichkeit als g5ttliche Institution und die geistliche Oewalt als eine dem g5ttlichen Rechte entspringende Oewalt an~ieht, oder ob sie die Oeistlichkeit als irgendeinen Dienst betrachtet, welcher wie jeder andere Dienst erworben wird und nur dazu notwendig ist, urn die Ordnung bei ErfUllung bestimmter Pflichten der betreffenden Relligionsgesellschaft aufrecht zu erhalten. In letzterem Falle kann die Kirche diese Oeistlichkeit, welcher der wahre Charakter dieser Institution mangelt, nicht anerkennen. Da endlich die Orundlage der gesetzlichen Oeistlichkeit die ununterbrochene Sukzession der hierarchischen Oewalt von den Aposteln bis~auf den heutigen Tag bildet, richtet die Kirche ihr Hauptaugenmerk darauf, ob in einer Religionsgesellschaft diese Sukzession bewahrt wurde; daher muB auch die Oeistlichkeit jener Religionsgesellschaften, in welchen sich diese Sukzession ununterbrochen erhalten hat, als eine kanonisch rechtmaBige angesehen werden, mogen auch in diesen Oesellschaften verschiedenerartige Anschauungen bestehen, welche jedoch nicht auf die Orundlage des christlichen Olaubens und auf das Wesen, sowie die Macht der Sakramente Bezug haben. Sobald aber diese apostolische Sukzession in einer Religionsgesellschaft unterbrochen, und in dieser, von der kirchlichen Einheit getrennten Oesellschaft, eine von dieser Sukzession unabhangige besondere Hierarchie eiogefUhrt ist, kann auch die Oeistlichkeit einer solchen Oesellschaft nicht als kanonisch recht-

288

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

ma6ig angesehen werden. Wenn sonach ein Geistlicher aus einer solchen Religionsgesellschaft zur orthodox-orientalischen Kirche Ubertritt, so kann er in dieselbe nicht als Geistlicher aufgenommen werden, sondern mu6, wenn er sonst allen Bedingungen entspricht und jene Eigenschaften besitzt, welche von einem Priester der orthodox-orientalischen Kirche gefordert werden, neuerlich geweiht werden.

. 78.

Die kanonische Praxis. Den eben dargestellten fundamentalen Standpunkt der Kirche iiber die Cheirotonie der AndersgHiubigen, vertreten sowohl die Kanones, als auch die kirchliche Praxis. Der 68. apostolische Kanon verurteilt jenen Bischof, Presbyter und Diakon, welcher die Cheirotonie zum zweitenmale empfangt und filgt hinzu: ,auBer wenn nachgewiesen wird, daB er von einem Haretiker die Cheirotonie empfangen hat; denn jene, welche von solchen getauft oder geweiht wurden, konnen weder Glauw bige, noch Kleriker sein" 1. Als erster Grund, weshalb die kirchlichen Bedienstungen der Haretiker nicht anerkannt zu werden brauchen, wird von Basilius dem GroBen die Unterbrechung der gesetzlichen hierarchischen Sukzession bei dense! ben angefilhrt; daher besitzen diesel ben auch keine gesetzliche Geistlichkeit 2 Auf dieser Grundlage hat die Kirche im allgemeinen die Geistlichkeit aller Religionsgesellschaften, welche nicht zur Gemeinschaft der allgemeinen Kirche gehorten, beurteilt und gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie weit diese Gesellschaften von den fundamentalen Wahrheiten der christlichen Kirche abgewichen sind, wobei sie die Priester solcher Gesellschaften, in welchen die apostolische Sukzession bewahrt wurde und die fundamentalen christlichen Wahrheiten nicht verletzt wurden, als rechtma8ige Priester ohne neuerliche Cheirotonie in ihre Gemeinschaft aufgenommen hats; hingegen wurden Geistliche solcher Gesellschaften, bei welch en diese nicht zutraf, als bloBe Laien von der Kirche aufgenommen 4 Ebenso ilbernahm die Kirche als Laien jene Priester, welche zwar
E1 ll.~(S ?i.p'X OOOtiXt"!j, Ott 1t1Xp&. tX[psttXOOY sxst t"~Y xstpotov!IXv, tO~~ rap 1t1Xpll t<i>Y totor)t(I)Y ~IX1ttta{l-evt-xc;, ~ xstp0t0 1J'Yj{J-vt'X<;, OOtS matouc;, oots 'XA1jpt'ltouc; stYI.Xt !5uv~Xt6v, Ath. Synt. II 87. Solche Priester nennen die Kanones schlechtweg Pseudopriester (Wsootsps(c;) 47. Kan. Apost. 2 I. Kan. Vergl. Laod. 32. Kan. 3 Z. B. die Katharer (1. allgem. Konz. 8. Kan.), Donatisten (Karth. 68. Kan.), Enkratiten (1. Kan. Basilius d. Or.), Messalianer (Akten des Eph. Konz. Harduinl. I, 1542). Montanisten, Paulicianer, Arianer, Macedonianer und andere ahnliche Hliretiker; wurden diesen des geistlichen Amtes fiir wiirdig angesehen, so erhilten dieselben die Cheirotonie, ohne Riicksicht auf die ihnen von den haretischen Bischofen erteilte Weihe (1. allgem. Konz. 19. Kan.; Laod. 8. Kan.)
. 78.
1

, 78. Die kanonlsche Praxis.

289

keiner Mretischen Oesellschaft angehorten, aber von BischOfen eingesetzt wurden, welche das Band mit der gesetzlichen Hierarchie Iosten 5. Die gegenwartige Praxis der morgenlandischen Kirche in dieser Frage ist gegentiber dem Klerus der rl:lmisch-katholischen und der protestantischen Kirche eine verschiedene. Die Protestanten erachten die Oeistlichkeit nicht als eine gottliche Institution, und betrachten auch die Hierarchie als nicht nach gottlichem Rechte bestehend; daher kann die morgenlandische Kirche jene, welche bei den Protestanten geistliche Dienste verrichten, nicht als Oeistliche anerkennen. Racksichtlich der Oeistlichkeit der rl:lmisch-katholischen Kirche ist fUr die morgentandische Kirche der I. Kanon der Synode von Konstantinopel im Jahre 879 maBgebend, in welcher die Gesetzlichkeit dieser Oeistlichkeit anerkannt wurde 6. Wenn also ein romisch-katholischer Priester in die morgenlandische Kirche tiberzutreten und in derselben das Priesteramt auszuiiben beabsichtigt, wird derselbe in der vorgeschriebenen Weise Ubernommen, ohne daB an demselben irgendeine Weihe vorgenommen wird; es wird vielmehr die von ihm in der romisch-katholischen Kirche empfangene Weihe anerkannt 7.
5 II. allgem. Konz. 4. 6. Kan. Vergl. 31 . Kan. Apost. ; Ant. 5. Kan.; Gang. 6. Kan. und das Sendschreiben des I. Konzils von Niclla an Alexander (ap. Socrat., Hist. eccl. I, 9}. 6 ,Die heilige und allgemeine Synode verfiigt, daB, falls Kleriker, Laien oder Bischofe aus Italien, welche sich in Asien, Europa oder Libyen aufhalten, von dem heiligsten Papste johannes exkommuniziert, abgesetzt oder anathematisiert worden sind, diese auch von dem heiligsten Patriarchen Photius von Konstantinopel als exkommuniziert, abgesetzt oder anathematisiert erachtet werden. Diejenigen Kleriker, Laien oder Personen der bischoflichen oder priesterlichen Wiirde, welche Photius, unser heiligster Patriarch, exkommuniziert, absetzt oder anathematisiert, sollen auch von dem heiligsten Papste johannes und mit ihm von der heiligen, gottlichen, romischen Kirche, als ebendieser Strafe verfallen, angesehen werden." An der Synode, welche diesen Kanan erlies, waren 383 Bischofe beteiligt, welche mit den Legaten der romischen Kirche den bezeichneten Kanon unterfertigten und bekrllftigten. Nach der Trennung beider Kirchen (1053) haben die besseren Kanonisten der morgenlllndischen Kirche die Kanonicitlit der romisch-katholischen Priesterweihe anerkannt. Siebe die Antworten (1 und 2) des johannes von Citrus an den Erzbischof Constantinus Kabasilas (Ath. Synt. V, 403) und die kanonischen Antworten des Demetrius Chomatenus, Erzbischofs von Bulgarien (zu En de des XII. und anfangs des Xlll. jahrhunderts) an denselben Kabasilas (Ath. Synt. V, 430 sq.). T Siebe ,Die Art der Obernahme der Oeistlichen der romischen Kirche in die Oemeinschaft der orthodox-katholischen Kirche" in der Abhandlung des Metrop. Michael, ,Pravoslavna srbska crkva." Seite 211-213. Ober die Beurteillung der in der morgenlandischen Kirche vollzogenen Cheirotonie in der katholischen Kirche, siehe Nic. Nilles. S. J. Symbolae ad illustrandam historiam ecclesiae orientalis (Oeniponte 1885. p. 96-110}, woselbst ein Dekret S. Officii vom 29. September 1666 angefiihrt wird, welches bestimmt : ,Ordinatos a schismaticis non esse reordinandos, sed tantum egere dispensatione super irregularitate, juxta constitutionem Clementis vm."

IIIII, llr*umll.

19

290

II. Teil. Die Verfassung der Klrcbe.

Dritter Abschnitt.
Die Organe der Klrchengewalt.

Erstes Kapitel.
Die Kirehengewalt in der allgemeinen Kirehe.
I. Die allgemeinen Konzilien.

. 79. Begriff und Aufgabe der allgemeinen Konzilien. Das allgemeine Konzil (otXW(J.E'Ytx~ auvoaos) 1 ist die Versammlung der Hirten und Lehrer der Kirche, womOglich aus allen Teilen der christlichen Welt, urn gemeinschaftlich tiber die Angelegenheiten der Gesamtkirche zu entscheiden. Diese Entscheidungen werden sodann von der Gesamtkirche angenommen und anerkannt z. Damit ein Konzil als ein allgemeines, im strengen Sinne, bezeichnet werden kOnne, mu6 dasselbe bestimmten inneren und iiufteren Bedingungen entsprechen. Zu den letzteren gehOrt in erster Linie die Beteiligung siimtlicher Partikularkirchen, entweder durch das personliche Erscheinen der betreffenden Kirchenvorsteher oder deren Vertreter, oder durch besondere Sendschreiben, in welchen die Anschauung der betreffenden Kirche tiber die beziiglichen fragen zum Ausdrucke gebracht wird, oder endlich durch die ErkHirung der Bereitwilligkeit einzelner, in einem Ausnahmszustande befindlicher Kirchen, da6 sie die von dem Konzile erlassenen
. 79.

Die Bezeichnung ohw.>p.sltx:i1 stammt von dem Worte olx.oJfLSY'fj (yfj), das Weltall, und bedeutet "allgemein". Mit dem Worte rJbtO')fJ.SYlj wurde in alter Zeit das romische Reich bezeichnet; so hei6t es im Evangelium Lukas': s;~/.{)-s 36rf1~ 1totp~ KtXta~po~ A)w1ato> &1tO'(Pi'fSOI!-'1.t Jti'l'1.Y o l x. o > 11 5 Y~ Y ( es erlie8 Kaiser Augustus den Befehl, daB das gauze Reich verzeichnet werden soli) (2, 1]. Auf Kirchenversammlungen angewendet, bedeutd dieser Ausdruck die Allgemeinheit derselben. Die allgemeinen Konzilien werden am eingehendsten bei C. ]. v. Hefele, Konziliengeschichte, in den drei ersten Blinden der II. Auflage (Freiburg in Breisgau 1873-1877) behandelt. Siehe auch das Werk von E. Michaud, Discussion sur les sept conciles oecumeniques etudies au point de vue traditionnel et liberal (Berne 1878); vergl. auch ,Ober die allgemeinen Konzilien" in meiner Ausgabe ,Pravila" 1878 (II. Aufl. S. 29-73). 2 Ausfiihrlicher Katechismus, iiber den 9_. Glaubensartikel; I. allgem. Konz. 2. Kan.; Ill. allgem. Konz. 8. Kan. Auch Heje/e definiert den Begriff allgemeines Konzil in lthnlicher Weise, nur fiigt er noch hinzu; "unter dem Vorsitze des Papstes oder seiner Legaten" (1, 3).
1

'"'I'

. 79. Begriff und Aufgabe der allgemeinen Konzilien.

291

Entscheidungen in jeder Beziehung anerkennen werden. Die Anzahl der an einem solchen Konzile teilnehmenden Mitglieder -ist fUr den Charakter der Allgemeinheit desselben nicht entscheidend; ebensowenig darf Ul1tcr dem Begriffe ,allgemein" etwa verstanden werden, da6 an einem solchen Konzile aile Bischl)fe der Welt teilnehmen mUssen, da dies ein Ding der Unml>glichkeit ware, und es Uberdies PartikularSynoden gab, an welchen eine bedeutend grl>Bere Zahl von Bischl>fen beteiligt war, als an allgemeinen Konzilien, ohne daB die ersteren ihren Joka1ett Charakter eingebti8t hatten 3 Der Charakter der Allgemeinheit der Konzilien l8t vietmehr von anderen au8eren Bedingungen abh:tngig, wozu neben der ersterwahnten Bedingung, die Annahme der Besch!Osse seitens siimtlicher Kirchen, m()gen die Vertreter derselben an dem Konzile teilgenommen haben oder nicht 4, sowie ferner die Annahme
dleser Besch/Usse seitens des gesamten der Kirche angehorigen K/erus und Volkes zu zahlen ist. Diese letzte Bedindung ist aus dem Grunde von besonderer Wichtigkeit, weil dieselbe auf die ganze Zusammensetzung der Kirche (. 55) Bezug hat, die einstimmige Anerkennung der Wahrheit und Heiligkeit der bezuglichen BeschiUsse bezeugt und die Veranlassung ist, da6 diese Beschlfisse aus dem Gebiete der Theorie in das Leben der Kirche Ubergehen und zum Eigentum siimtlicher Mitglieder der Kirche werden, ohne Unterschied ihrer Stellung im kirchlichen Organismus 5. Neben diesen au6eren, miissen auch gewisse innere Bedingungen strenge beobachtet werden, damit ein Konzil als ein allgemeines anerkannt werden kOnne. Hiezu geht>rt als erste Bedingung, daB siimtliche zu verhandelnde Fragen allgemeiner Natur seien, d. h. Fragen, welche sich auf das Wesen des Olaubens und der kirchlichen Lehre, auf die
An dem II. allgemeinen Konzil haben nur 150 Bischofe teilgenommen, wahrend an einigen Partikular-Synoden, namentlich an jenen von Karthago, eine doppelt so gro6e Anzahl von Bischofen beteiligt war. ~ An dem II. allgemeinen Konzil haben beispielsweise nur die Vorsteher der orientalischen Kirche teilgenommen, und doch wird dasselbe, zufolge der allgemeinen nachtrliglichen Anerkennung seiner Entscheidungen, auch von der abendliindischen Kirche als allgemeines Konzil anerkannt. 5 Oewisse Entscheidungen der Konzilien konnen beispielsweise von allen versammelten Kirchenvorstehern einstimmig erlassen werden; allein dieselben haben keinen allgemeinen Charakter, wenn sie nicht von dem gesamten Klerus und Volke angenommen werden, wie auch das Konzil, welches diese Entscheidungen erlassen hat, nicht als ein allgemeines angesehen werden kann . Es gab hliretische Klrchenversammlungen, wie z. B. jene, in welcher das semi-arianische Symbolum verfa6t wurde, oder solche, deren Akten eine bedeutend gr06ere Zahl von Bisch<Hen unterfertigte, als dies bei dem V. allgem. Konzil der Fall war; wiederum andere, deren Akten von den Patriarch en und Staatsoberhauptern gezeichnet waren ; allein trotzdem wurden diese Kirchenversammlungen nicht als allgemeine anerkannt, well das Yolk ihre Entscheidungen nicht als wahre Stimme der Kirche ansehen konnte.
1 '

19t

292

II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

fundamentalen Prinzipien des Bestandes und der Verfassung der Kirche beziehen und fUr samtliche Partikularkirchen von Wichtigkeit sind. Die zweite Bedingung ist, daB das Konzil in seinen Beschliissen im einzelnen das zum Ausdrucke bringe, woran sich im Prinzipe aile stets

und aberall gehalten haben 6. Die Beobachtung aller dieser Bedingungen wird von dem morgenHindischen Kirchenrechte als fundamentaler Lehrsatz riicksichtlich der allgemeinen Konzilien hingestellt. Diese Bedingungen finden wir bei den sieben, von der morgentandischen Kirche anerkannten allgemeinen Konzilien streng beobachtet. lm Sinne der erwahnten, namentlich inneren Bedingungen und nach den Angaben der Akten der ehemaligen allgemeinen Konzilien, gehoren in den Wirkungskreis derselben: 1) Die Definition der Glaubensdogmen auf Grund der Lehren der heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition, die Darlegung derselben in der Form von Symbolen oder Glaubens-Definitionen 7 ; 2) die Priifung und Befestigung der kirchlichen Tradition und die Trennung der wahren von der falschen Traditions; 3) die Beurteilung jeder in der Kirche zutagetretenden Lehre ll; 4) die Durchsicht der Kanones aller frUheren Kirchenversammlungen 1o; 5) die Bestimmung der Kirchenverwaltung im allgemeinen, namentlich in den Partikularkirchen, sowie die Festsetzung der betreffenden Rechte derselben u ; 6) die Bestimmung der Grade und Rechte der kirchlichen Hierarchie 12; 7) die Ausiibung des obersten Richteramtes fiber die Kirchenvorsteher, sowie Uber die Partikularkirchen selbstts: 8) das Erlassen von positiven Verordnungen fiir die Gesamtkirche, rUcksichtlich der Verfassung, der Verwaltung sowie des Lebens der Kirche 14. . 80. Die Berufung des allgemeinen Konzils. Die allgemeinen Konzilien geMren nicht, wie beispielsweise die Metropolitan-Synoden, zu den ordentlichen kirchlichen Institutionen, sondern zeigen sich in der Geschichte als auBerordentliche Ereignisse, welche nicht nur fiir die Kirche, sondern auch fiir den Staat von Bedeutung sind. Daher ist es ganz naturgemaB, daB bei der Berujung
Vergl. . 21, Anm. 8. S. 78-79. 1 111. allgem. Konz. 7. Kan.; Karth. t. Kan. 8 t. 2. Trull. Kan. e II. allgem. Konz. t. Kan.; Ill. allgem. Konz. 1. Kan. u. a. 10 IV. allgem. Konz. 1. Kan.; 8. 16. 25. 29. Trull. Kan. u. a. 11 I. allgem. Konz. 6. 7. Kan.; 11. allgem. Konz. 2. 3. Kan.; Ill. allgem. Konz. 8. Kan.; IV. allgem. Konz. 28. Kan.; 36. 39. Trull. Kan. 12 I. allgem. Konz. 4. 6. Kan.; IV. allgem. Konz. 12. 28. Kan. u. a. 13 12. 13. 32. 33. 55. 56. 81. Trull. Kan. " Siebe . 17 dieses Buches.

. 80. Die Berufung des altgemeinen Konzils.

293

eines allgemeinen Konzils nicht nur die Kirchen-, sondern auch die Staatsgewalt mitzuwirken haben, und zwar fallt der ersteren die innere, der letzteren die auBere Seite des Konzils zu. Der Kirche steht gemaB ihrer Grundlage das Recht zu, in Fragen des Gtaubens und ihres Lebens selbstandig vorzugehen, weshalb auch die in dieser Beziehung ergehenden Entscheidungen nur von ihr herrilhren konnen und im engen Zusammenhange mit ihrem allgemeinen Zwecke und den Erfordernissen ihres Bestandes stehen miissen. Allein als ein geistliches Reich kann die Kirche nicht fiber die zur Ausiibung dieses Rechts notwendigen irdischen Mittel verfilgen, namentlich bei jenen Oelegenheiten, bei denen sie genotigt ist, die Bischofe aus allen Teilen der christlichen Welt zu versammeln, damit dieselben mit allgemeiner Zustimmung gemeinschaftlich eine fundamentale Wahrheit befestigen oder eine den Willen der Gesamtkirche bekundende und sonach allgemein bindende Vorschrift erlassen. Daher bedarf die Kirche der Beihilfe der Staatsgewalt, welche ihr diese Mittel bieten und die Freiheit in Ausilbung des erwahnten Rechts gewahrleisten kann. Hierin findet die Teilnahme der Staatsgewalt an den sieben, von der morgenlandischen Kirche angenommenen allgemeinen Konzilien die Erklarung, eine Teilnahme, welche der Staatsgewalt auch gegenwartig bei einer etwaigen Berufung eines allgemeinen Konzils zustehen milBte. Die Geschichte dieser sieben Konzilien liefert den Beweis, daB die Veranlassungen zur Berufung derselben, die Gegenstande der Verhandlung, die Personlichkeiten, welchen die Beratung dieser Gegenstande oblag, endlich die Darlegung der Entscheidungen selbst, von der Kirchengewalt abhlingig waren und die beziiglichen Anordnungen auf Grund der ihr selbsUindig zufallenden Rechte erlassen wurden. FUr die Feststellung des Ortes und der Zeit der Konzilien, fUr die Sicherheit der Mitglieder und die Freiheit der Beratungen, fUr die Verbiirgung der allgemeinen Kundmachung der Konzil-Entscheidungen, fiir die allgemeine Verbindlichkeit derselben gleich den Staatsgesetzen u. s. w., war jedoch die Mitwirkung der Staatsgewalt erforderlich. Das Zussammenwirken der Kirchen- und Staatsgewalt ist fUr die Berufung der allgemeinen Konzilien erforderlich. Die Notwendigkeit der Berufung eines allgemeinen Konzils, behufs Beratung einer bestimmten Frage, wird von den BischOfen dargelegt, worauf die Staatsgewalt nach Oenehmigung des bezi.iglichen Antrages die BischOfe an einen bestimmten Versammlungsort unter Gewahrung alter Mittel beruft, welche zur Bitdung des Konzils und zur ungestorten Ausiibung der bezUglichen Tatigkeit erforderlich sind 1
. 80.
1 Aut diese Weise wurden aile von der morgenllindischen Kirche anerkannte allgemeinen Kirchenversammlungen berufen. Siebe meine Ausgabe ,Pravila" II, 41-47. Vergl. Hejele. I, 8.

294
. 81.

II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

Die Teilnehmer an einem aiigemehten Konzll. Da das Recht der Teilnahme an den allgemeinen Konzilien sowie das Stimmrecht bei den Entscheidungen, den BischOfen zusteht, werden tti~ ~liemaiigen aligemelnen Konziiien htiuflg dur~h die Am~ahl. der in denselben anwesend gewesenen BischOfe, ohne eine weitere Arigatl; bezeichnet t. An den Konzilien haben auch andere Mitglieder des Klerus, namlich Presbyteri und Diako::~n. jedoch nur mit beratender Stimme, teilgenommen umi hatten dill Aufgabe, ~ntweder die Bischofe bei der Berati.inlJ dei' beidgiichen r:'ragen zu unterttitterl, tJUllt Ober Aufforderung des Konzils mit den Gegnern sich in Debatteti eiH~ulas~en und derert Betiauptungen zu widerlegen. Nur jene Presbyteri t:md Dlaitonert konnteti; wi~ die Bischbfe, eitte entscheidende Stimme habeti, WelcH~ mit einer bezilglichen Vollmacht seitens ihres Bischofs ausgestattet waren und denselben zu vertreten hatten, in welchem Faile dieselben auch die Entscheidungen des Konzils neben den Ubrigen ordentlichen Mitgliedern unterzeichneten~ Zutritt 1.u den Koniiliell hatten auch Laien, Theologeil, Philosopheli lind lm atigemelnen alte die}enlgen, welch!! itt den nlr Verhandlung gelangenden Fragen bewandert Waren, Uber Auf.. forderung der BischOfe die nOtigen Aufklarungen erteilten und an der besseren EnthUI'nng der Wahrheit mitwirkten. Alt eit'lzelrten allgenleltterl Kirchenversammlungert haben auch die Staatsoberhliupter oder deren Vertri!ter teilgenommen jedoch nur zu dem Zwecke, damit die Ruhe \nttl brdnung aufrcchterhalten werde, keineswegs aber, um iiber die zur Sprache gelangten Gegenstande ein Urteil abzugeben ~. Das Recht des Vorsitzes bei den allgemeinen Konzilien und die Leitung der Verhandlungen stehen jenem Bischof zu, dessen Thron den Vorrang in der Reihe der Ul>rigen Bischofssltze der Oesamtkirche besitzt. Dies gilt gemaB der durch den 28. Kanon des viertert allgemei~ ncr. und den 36. r:anon des Trullanischen Konzils befestigten fundamentalen Organisation der kirchlichen Hierarchic. Die diesbezi.igliche Entscheidung in allen allgemeinen Konzilien war davon abhlingig, ob an denselben die Bischofe der bedeutendsten Throne persOnlich oder durch Vertreter teilnahmen oder nicht, sowie ob einer derselben
81. 1 Das I. allgemeine Kon.JI wird in der Regel "das Konzil der 318 Vllter", das II. allgem. Konzil "das Konzil der 150 Vater" 1 nach der Zahl der versammelt gewesenen Bischofe benannt. 2 Ober den Sinn der Teilnahme der Staatsoberhiiupter und ihrer Vertreter an den allgemeinen Konzilien, siehe das Sendschreiben der Kaiser Theodosius und Valentinian an das III. allgemeine Konzil, in welchem die Aufgabe des kaiserlichen Vertreters Candidianus in dem Konzil bezeichnet wird. "Djejanija vselenskih soborov" Kazan (1859-1873. I, 486-488). Details iiber diese Frage siehe in "Pravila" II,
.

G-B

. 82. Die Autoritiit des attgemeinen Konzils.

295

nicht selbst den Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung des Konzils bildete. Neben den erwahnten, die Konzil-Verhandlungen leitenden und die Beschliisse des Konzils beeinfluBenden Vorsitzenden, war der Ehrenvorsitz den etwa anwesenden Herrschern, in ihrer Eigenschaft als Schirmer des rechten Glaubens und als Hater der Unverletzbarkeit der kirchlichen Rechte eingeraumt s.

. 82.
Die Autoritat des allgemeinen Konzils.

Die Entscheidungen des allgemeinen Konzils sind, falls dieses allen von uns erwahnten Bedingungen entspricht, als Stimme der Gesamtkirche fiir jeden Angehl>rigen derselben bindend. Die verbindliche Kraft dieser Entscheidungen haben die allgemeinen Konzilien, welche dieselben erlieBen, ausgesprochen, und die nachfolgenden Konzilien haben dies anerkannt. Desgleichen hat auch die Staatsgewalt diesen Entscheidungen bindende Kraft zuerkannt. Der Umstand, daB die Entscheidungen einzelner Konzilien von den anwesenden Staatsoberhauptern gemeinsam mit den BiscMfen unterfertigt wurden, kann jedoch nicht dahin aufgefaBt werden, daB die ersteren verml>ge ihrer Macht die Glaubensdogmen und die iibrigen Entscheidungen der Konzilien befestigen, sondern sie bekundeten vielmehr hiedurch, daB sie alles, was auf dem betreffenden Konzile festgesetzt wurde, als unzweifelhafte Wahrheit und fur aile christlichen Vt:Hker heilbringend anerkannten. Kaiser justinianus II. unterfertigte beispielsweise die Entscheidungen des Trullanischen Konzils folgendermaBen: atrnx1Jaa~ &1taat tot.; 6ptaa.stat, xa!. StJ.tJ.EVmv, 01tE"(PWf11. (Indem ich allem, was entschieden wurde, zustimme und alles annehme, unterfertige ich). Die Bischt>fe dagegen gebrauchten den Ausdruck 6ptaa~ (entscheidend) 1. Die Staatsgewalt hat auch ihrerseits nach Beendigung der Tatigkeit des betreffenden Konzils den Entscheidungen desselben die den weltlichen Gesetzen gleichkommende Verbindlichkeit zuerkannt und feierlich kundgemacht. Kaiser justinianus I. ftihrt in einer seiner Novellen an, daB er die Dogmen der allgemeinen Konzilien als das Wort Gottes, und die Kanones derselben wie Staatsgesetze betrachte 2.
3 Siehe ,Pravila" II, 53-65, wo genau angefiihrt wird, wer in den einzelnen allgemeinen Konzilien den Vorsitz fiihrte, und die diesbeziiglichen Angaben von Hejele (1, 29-43). Die Worte Hefele's ,unter dem Vorsitz des Papstes" (S. 3) gelten fijr jene Kirchenversammlungen, welche seit dem XII. jahrhundert im Abendlande abgehalten wurden, und welche die rt>m.-kath. Kirche als allgemeine Kirchenversammlungen anerkennt. . 82. 1 Harduini. III, 1697. 2 Nov. 131, Kap. 1. Cf. Basilicorum lib. V. tit. III. c. 2.

296

II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

Allgemein bindend sind die Entscheidungen der Konzilien in Olaubensfragen (Spot) und in Fragen der Disziplin ('x.ct.v6vs~) dann, wenn sie formell und feierlich kundgemacht wurden. Daher haben die Protokolle der einzelnen Konzil-Sitzungen, die gehaltenen Reden, die Berichte u. s. w. keine Oesetzeskraft, sondern dienen nur zur ErkUlrung und zum besseren VersUindnisse der betreffenden Entscheidungen und haben historische Bedeutung.

H. Die tlbereinstimmnng der auf einem Konzile nicbt versammelten


BischUfe.

. 83. Die Bedeutung der iibereinstimmenden bischoflichen Entsoheidungen, welche ohne ein Konzil zustande kommen. Die Kirche kann auBer in den allgemeinen Konzilien nach Bedarf auch unter gewBhnlichen Verh:tltnissen auf dem Oebiete der allgemeinen Oesetzgebung Ultig sein, wenn alle BischOfe, ohne in einem Konzile vereinigt zu sein, einhellig und Ubereinstimmend eine Lehre fiber einen Gegenstand aufstellen, fiber welchen die Meinung der Gesamtkirche notwendig geMrt werden muB. Diese Art der allgemeinen kirchlichen Gesetzgebung, wenn ein allgemeines Konzil auch nicht versammelt ist, ist durch die orthodoxe Lehre iiber die Einheit der Kirche bedingt. "Die katholische Kirche", sagt Cyprianus, "ist eine untrennbare und unteilbare, und muB daher auch zu einem Oanzen vereinigt sein durch das wechselseitige Band der Bischtife" 1 In den ersten Zeiten der Kirche, als an die Berufung allgemeiner Konzilien nicht gedacht werden konnte, betatigte sich die Kirche doch in der allgemeinen Gesetzgebung durch das gemeinsame und einvernehmliche Wirken slimtlicher Partikularkirchen und der Bischt>fe (. 51). Dieser Vorgang wurde auch spater beobachtet, wenn trotz der Unmt>glichkeit der Berufung eines allgemeinen Konzils die allgemeine Ansicht der Kirche geMrt werden muBte. Auch die Vater und Lehrer der Kirche betonen, mit Rncksicht auf die groBen, mit der Berufung allgemeiner Konzilien verbundenen Schwierigkeiten, keineswegs die unbedingte Notwendigkeit derselben. AnUiBiich des Auftauchens der lrrlehre des Pelagius schrieb Augustinus seinerzeit Folgendes: "1st denn die Berufung eines Konzils zur Verurteilung eines solchen offenkundigen Obels notwendig? Als ob niemals eine lrrlehre ohne Berufung eines Konzils verurteilt worden ware; und doch ist es bekannt, daB nur weniger Irrlehren wegen diese Notwendigkeit zutage trat, und daB viele derselben, und zwar die Mehrzahl, dort wo sie sich zeigten, verurteilt und die Ubrigen Kirchen hievon,
. 83.
1

Ep. 65 ad Rogatlanum.

. 84. Die Bestandteile der Kirche.

297

urn sich zu schUtzen, verstandigt wurden 11 2. Daran hielt sich auch die Kirche zu allen Zeiten. Bei dem Auftauchen einer fUr die Gesamtkirche wichtigen Frage wird dieselbe entweder von dem Bischof, in dessen Gebiet sie zutage tritt, in seiner Synode der Beratung unterzogen und die beziigliche Entscheidung den Ubrigen Partikularkirchen zur Annahme und Darnachachtung mitgeteilt; oder falls sich die betreffende Synode zur selbstandigen Entscheidung nicht kompetent erachtet, wird die Anschauung der iibrigen autokephalen Kirchen eingeholt und die eventuelle einstimmige Entscheidung im Namen der Gesamtkirche kundgemacht. Diese Entscheidung besitzt dann dieselbe Bedeutung, als ob sie in einem allgemeinen Konzile kundgemacht worden ware.

Zweites Kapitel.
Die Kirchengewa.lt in den Pa.rtikula.rkirchen.
I. Das Kirchengebiet.

. 84. Die Bestandteile der Kirche.


Wir haben bereits dargelegt, wie die Zusammensetzung der Kirche rUcksichtlich ihrer Mitglieder beschaffen ist 1. Zum leichteren Verstandnisse der kirchlichen Verfassung im allgemeinen und der besonderen Verfassung der Partikularkirchen, welche die allgemeine Kirche bilden, sowie urn die Organe kennen zu Iemen, durch welche die Kirchengewalt in ihren Abstufungen ihre Tatigkeit entfaltet, miissen wir vorher die Bestandteile der Kirche, sowie die Organisation des Kirchengebietes im allgemeinen und im besonderen betrachten 2. I. Anfangs setzte sich das Christentum in groBeren und wichtigeren Stadten des griechisch-romischen Reiches fest, woselbst die ersten Kirchengemeinden mit ihren besonderen BischOfen errichtet wurden. Bald jedoch begann sich das Christentum auch in kleineren SUidten und Ortschaften s auszubreiten, wohin von dem Bischof jener Stadt,
. 84.

Ad Bonifac. contra duas epistolas pelagian. cap. 12. Siehe . 52 und 53. 2 Siehe hieriiber L. Thomassin, Vetus et nova eccl. disciplina. P. I. 1. I. cap. 7 et sq. P. I. I. II. cap. 1-28 (Ed. cit. I, 56 sq. II, 1-208); W. Ziegler, Versuch einer pragmatischen Geschichte der kirchlichen Verfassungsformen in den ersten sechs jahrhunderten der Kirche. Leipzig 1798. S. 34. u. ff.; El. du Pin, De antiqua eccl. disciplina. Diss. I. . 7-13 (Ed. cid, p. 19-82). 3 Vergl. Apostelgesch. 8, 25. 9, 32. Im Berichte des P/inius an Kaiser Trajan vom jahre 104 iiber die Christen in Bithynien, heiBt es: ,Neque enim civitates tantum, sed vicos etiam atque agros superstitionis istius contagio pervagata est" (Ep. X, 97. Cf. Ziegler. S. 38-39).
2

298

II. Teil. Die Verfassung der Kircbe

von welcher diese kleineren SUldte und Ortschaften in politischer Beziehung abhangig waren, st!dtische Oeistliche zur Verrichtung des kirchlichen Dienstes entsendet wurden, bis auch bier standige Oeistliche angestellt worden sind und sich besondere Kirchengemeinden, unsere gegenwartigen Pjarren, bildeten. Diese Pfarren nennen die kanonischen Quellen entweder t"(X(Oploo~, oder &.rpot'ltt'ltas, oder tJ.OVOt'lt(a~ 4 Mehrere solcher Pfarren waren einem besonderen, von dem Bischof der Stadt abhangigen Bischof zur Oberwachung anvertraut, welcher Landbischof genannt wurde; diese Pfarren bildeten zusammen ein kleines Kirchengebiet, welches gegenwartig als Protopopiat, Protobresbyterat, B/agocinie u. s. w. bezeichnet wird a. Aile diese Protopopiate mit den dazu gehOrigen Pfarren bildeten ein von dem Bischof der Stadt abhangiges, heute als Eparchie 6 bezeichnetes Gebiet. Zur Erhaltung der kirchlichen Einheit zwischen mehreren Eparchien dienten die Synoden,welche sich jahrlich zwei- oder mindestens einmal versammelten.-oer drt;-in welchem die Synoden gewijhnlich abgehalten wurden, war die Hauptstadt der betreffenden politischen Provinz; bier wurde unter dem Vorsitze des Bischofs der betreffenden Hauptstadt fiber die BedUrfnisse der Kirche beraten 7. Allein auch wegen anderer, nicht bloB kirchlicher
' In den 11.Iteren kanonischen Quellen bedeutete 7t1Xpotx.lot das Oebiet eines Bischofs, unsere heutige Eparchie. Als jedoch spater die Obung aufhOrte, da6 in jeder Stadt mit den dazu geh5rigen Ortschaften ein eigener Bischof residierte, derselbe also nicht mehr den Seelsorgedicnst versah, iiberging die Bezeichnung Pfarre (7t1Xpotll.t1X) auf die den Pfarren im heutigen Sinne unterstehenden Oebiete. Vergl. iiber die Pfarren der alteren Zeit, Beveregii, Synodikon. Annot. in Kan. 9. Ant. (p. 190). Ober die von uns im Texte erwlihnten Pfarren, sagt Zonaras in dem Kommentare zum 17. Kan. von Chalc. Folgendes: A;Jt'fj os (aiwooo;), m;pi. 7tcxpot'l!.ll.t

'l!.tiiw, ll.t't'lVE<; a rev ~v S'IO(Jl(J.t :J.tx.pcxl ')(.(X[ 0~ 1t0A'J1tA7j{}st;, i; sl; IX r pi) lll. lll. d:; s r X(I) p l 0 f)<; Ol!Xtpet. 'A(pOt'X.l'l!.~; !'oSY O~Y tf~ill'l atY'Xl 't'a<; av taxot'tlCll<; 'l!.El[LEYot<;, 'X.Il.t OAljOO<; sxor)oa~ tOlJ; SY -xr'>t-xt; O~'l!.OOY't!X<;, tXt 'l!.ll.t IL 0 y 0 l 'X.l Cl AE'(OV't'IXt z(xClp(Oo<; as, td:; &.(potr; x.r.d )l..(i)p.. (J.t<; 1tASOl!XCor)atX<;, li.'Xt 1tASlOV!X<; 't'Or); 'l!.!X.'t'Ot'l!.OO<; ezo6otX<;. Ath. Synt. II, 259. Siehe noch Suicer. s. v. 7totpot'ltl!X.

~ Ant. 10. Kan.; Basil ius d. Or. 89. Kan. Siebe den Kommentar des Archim. johann zum 10. Kan. von Ant. (Kurs. I, 399-400). Balsamon nennt in seinem Kom-

mentare zu diesem Kanon die Vorsteher der Protopopiate 1tpro't'o7tot7tlioe.; (Ath. Synt. Ill, 142). 6 In den kanonischen Quellen wurde das gegenwartig von uns als Eparchte bezeichnete Kirchengebiet 1ttXpotx[tX genannt (Siehe Anm. 4 dieses Paragraphen). Die Bezeichnung Eparchie wurde dem Oebiete eines Metropoliten, welchem einige Biscb!>fe unterstanden, beigelegt. Siehe Ant. 9. Kan.; Karth. 17. Kan.; Kommentar Balsamons zum 9. Kan. von Chalc. (Ath. Synt. II, 238). lm Abendlande wird unsere gegenwlirtige Eparchie DiOzese (diocesis) genannt. 1 14. 34. 37. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 4. 5. Kan.; IV. allgem. Konz. 9. 17. 19. 28. Kan.; Trull. Konz. 8. 25. Kan.; VII. allgem. Konz. 3. 6. Kan.; Ant. 9. 16. 18. 19. 20. 23. Kan.; Laod. 40. Kan.; Sard. 3. Kan.; Karth. 11. 13. 26. 34. 76. 95. 98. 120. Kan.; I. II. Synode 14. Kan.

. 84. Die Betitandteile der Kirche.

299

Angetegenheiten, wandten sich die BiscMfe der kleineren Stadte an den Bischof der Hauptstadt, und da dieser letztere die Verbindung der ersteren mit der ilbrigen Kirche vermittelte, entwickelte sich nach und nach ein Aufsichtsrecht der in den Hauptstadten der politischen Provinzen s residierenden Bisch~fe Uber aile anderen Bisch~fe der betreffenden Provinz, welches Recht sich im IV. jahrhundert in eine formelle Gewalt iiber diese Bisch~fe in au.8eren kirchlichen Angelegenheiten umwandelte. Es entstand ein gro8eres Kirchengebiet, dessen Oberhaupt nach der politischen Bezeichnung der Hauptstadt, p:qtpo1C6At~, Metropolit genannt wurde. Gegenwartig wird ein solches Gebiet als Metropolie bezeichnet 11 Einige solcher Metropolien, welche sich innerhalb der Grenzen eines groBen politischen Gebietes befanden, bildeten ein groBes Kirchengebiet mit dem Metropoliten der Hauptstadt des politischen Gebietes ats Oberhaupt. Diese groBen Gebiete wurden Exarchate oder Patriarchate 10 genannt, welche der Gewallt nach, einander gleich und mit selbsHindiger jurisdiktion ausgestattet waren. Der Zusammenhang unter ihnen wurde durch jene Mittel aufrechterhalten, welche wir bereits erwlihnten und iiber die wir noch sprechen werden u.
s Zum besseren VersUi.ndnisse dessen, was wir hier ausfiihren, und was wir in den folgenden Paragraphen darlegen werden, erscheint es notwendig, die durch Constantinus d. Gr. eingef!ihrte politische Einteilung des griech.-r6m. Reiches, welcher die kirchliche Einteilung angepaBt wurde, kennen zu Iernen. Das ganze Reich zerfiel in vier Priifekturen: Orient, lllyricum, Italien und Gallien. jede Prlifektur zerfiel in einige Diiizesen (i3wbt1jat~), jede derselben in Provinzen (sm~pxet), und diese wieder in einige kleinere Kreise (1t~pot'Xh). Die orientalische Priijektur zerfiel in fiinf Di6zesen, und zwar: 1) Die orientalische im engeren Sinne, mit der Hauptstadt Antiochia und f!infzehn Provinzen; 2) die ltgyptische, mit der Hauptstadt Alexandria und sechs Provinzen; 3) die asiatische, mit der Hauptstadt Ephesus und zehn Provinzen; 4) die pontiscbe, mit Clisarea, der Hauptstadt von Kappadokien und eilf Provinzen, und 5) die tbrakische, mit der Hauptstadt Konstantinopel und secbs Provinzen. Die il/yrische Priifektur umfaBte zwei Diozesen; 1) Die macedonische, mit der Hauptstadt Tbessalonica und acbt Provinzen, und 2) die dacische mit vier Provinzen. Die italienische Priifektur umfaBte zwei Vikariate: 1) Das romische Vikariat mit zebn Provinzen, und 2) das italienische Vikaritat mit der Hauptstadt Mailand und sieben Provinzen, sodann 3) West-Afrika, mit der Hauptstadt Karthago, und 4) das westlicbe Illyricum. mit der Hauptstadt Sirmium, welches nach dem Tode Constantinus' d. Gr. dieser Prllfektur beigegeben wurde. Die Priifektur Gallien erstreckte sicb I) iiber Gallien, mit vierzebn Provinzen; 2) Italien mit fiinf Provinzen, und 3) Britanien, mit fiinf Provinzen. Siebe E. du Pin, Op. cit. p. 22-36. Vergl. Beveregii, Synodikon. Annot. im 2. Kan. Concil. Constantinop. II, p. 93-94. Dieser politiscben Einteilung entsprecbend, war aucb die Einteilung der Kirchengebiete. 9 Sie entspracb in der Regel einer politiscben Provinz, und hei8t in den kanoniscben Quellen S1t<XPXl'l. Siebe Anm. 6. dieses Paragraphen. 10 In den kanonischen Quellen otobtljOt~. Siebe Kommentar des Balsamon zum 9. Kan. des Konzils von Chalc. (Ath. Synt. II, 239). 11 Siebe . 51 und 85.

300

II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

II. Die Errichtung der verschiedenen Kirchengebiete obliegt der Kirchen- im Vereine mit der Staatsgewalt 12. Die diesfallige Teilnahme der Staatsgewalt ist vorerst durch die Bestimmung der Kanones, da.B bei der Abgrenzung der Kirchengebiete die politische Einteilung des Staates maBgebend sein milsse 1s, dann durch den Umstand, da.B zwischen Kirche und Staat ein enger Zusammenhang bestehen musse, sowie dadurch, daB aus dieser Teilnahme der Staatsgewalt, der Kirche die sichere Gewahr fUr die Erhaltung ihrer auBeren Organisation und des Schutzes ihrer Rechte vor jeder Willkiir erwachst, begriindet 14 Die Errichtung eines Kirchengebietes, die Erhebung eines kleineren Gebietes zu einem grOBeren, sowie die Aufhebung eines solchen oder die Vereinigung zweier Gebiete zu einem Ganzen, fallt in erster Linie der Synodalgewalt der betreffenden Partikularkirche zu. So wird von den Kanones den Synoden vorzugsweise das Recht der Errichtung einer Eparchie, der Erhebung einer Eparchie zur Metropolie, oder einer Metropolie auf eine hohere Stufe, sowie im allgemeinen die Vornahme einer Anderung im kirchlichen Organismus, zuerkannt Hi, Im Zusammenhange mit dieser Befugnis der Kirchenversammlungen wird seitens des Kirchenrechtes auch der Staatsgewalt das Recht der diesfalligen Mitwirkung eingeraumt 16. Das bloB einseitige Vorgehen, sei es der Kirchen-, sei es der Staatsgewalt in dieser Richtung, wird vom kano12 Dasselbe wird auch vom rom.-kath. Kirchenrechte anerkannt. Siebe Art. XVIII des tJsterr. Konkordats vom 18. August 1855 (F. Walter, Fontes juris ecclesiastici antiqui et hodiemi. Bonnae 1863. p. 285). 13 Chalc. 17. Kan. und mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 369. Dieser Kanon wurde durch den 38. Kanon des Trull. Konzils bestatigt. Siebe die Kommentare Zonaras' und Balsamons zu diesen Kanones (Ath. Synt. II, 259 u. ff., 392 u. ff.). Nomokanon. VIII. Tit. 1. Kap. (Ibid. I, 143-149). 1 ~ Siebe 93. Kan. v. Karth. Vergl. die Rede, mit welcher die Vater des VII. allgem. Konzils die Herstellung des Friedens zwischen Kirche und Staat begriiBen (Harduini. IV. 137). Ober die Wechselseitigkeit der kirchlichen und weltlichen Gesetzgebung, siehe Biener, Geschichte der Novellen justinians. S. 157 u. ff. 15 I. allgem. Konz. 6. 7. Kan.; II. allgem. Konz. 2. 3. Kan.; IV. allgem. Konz. 28. Kan.; 36. Trull. Kan.; Karth. 98. Kan. Vergl. 'l'7tO!J..Y'~fJ(X cmvo6t-x.6v, wovon in dem fplifLfL~ aovo6t-x.6v des Patriarchen Nikolaus III. von Konstantinopel erwlihnt wird (Ath. Synt. V. 71-72); den BeschluB der Synode von Konstantinopel [1318] (Acta Patr. Const. I, 93-95); einen ahnlichen BeschluB von 1342 (lb. I, 228-230); llpa;t~ aDvo6t-x.~ von Konstantinopel um 1365 (Ibid. I, 468); llpo~t ~!XO'tt'X.a {}p6voov im Ath. Synt. V, 588. 16 Nomokanon. VIII. Tit. 1. Kap. (Ath. Synt. I, 143 u. ff.); der BeschluB der Synode zu Konstantinopel von 1329, wodurch das lhml.t-x.6v 1tpoY61J..tOY anerkannt wird, nach welchem der Staatsgewalt das Recht, an den Anderungen des kirchlichen Organismus teilzunehmen, eingerllumt wird (Acta Patr. Const. I. 146-148); Kommentar Balsamons zum 12. und 17. Kan. des IV. allgem. Konz. (Ath. Synt. II, 247-261) und zum 38. Kan. des Trull. Konz. (lb. II. 392), Zonaras' zum 38. Kan. des Trull. Konz. (lb. U, 392).

, 85. Die Selbstllndigkeit der Partikularkirchen.

301

nischen Rechte als ungesetzlich angesehen, und das IV. allgemeine Konzil verwirft den von einigen Bischofen unternommenen Versuch, auf Grund der von der Staatsgewalt erhaltenen Befugnis sich von der Gewalt des gesetzlichen Metropoliten zu befreien und sich selbst zu Metropoliten zu erheben 17 Den Beweis dafUr, daB auch die Staatsgewalt sich niemals fiir berechtigt hielt, ohne die Kirchengewalt A.nderungen in der kirchlichen Verfassung vorzunehmen, liefert das von dieser Gewalt in ahnlichen Fallen bekundete Vorgehen ts. Das hier bezUglich der groseren Kirchengebiete Ausgefilhrte, gilt auch fUr die Pfarren innerhalb der Grenzen der betreffenden Eparchien w. Diese kanonische Praxis besteht auch dermalen in der orthodox-orientalischen Kirche20. . 85.
Die Selbsti.ndigkeit der Pa.rtikula.rkirchen.

Bei Besprechung der Einheit der Kirche haben wir gesehen, daB diese ihrer Eigenschaft nach einheitliche und allgemeine Kirche in ihrer irdischen Gestaltung einige, nach ihrer Verfassung verschiedene, mit einer selbstandigen Verwaltung ausgestattete Partikularkirchen aufweistt. Diese Selbstandigkeit der Partikularkirchen, welche eine allgemeine Kirche bilden, hat ihre Grundlage sowohl in der heiligen Schrift, als
Siehe 12. Kan. des IV. allgem. Konzils. Der in Anm. 17 erwllhnte 12. Kanon wurde tiber Antrag des Kaisers Marciao erlassen, welcher eine kanonische Entscheidung in dieser Frage herbeifiihren wollte. Vergl. die Erklarung des Kaisers Marcian im Konzile von Chalcedon (Harduini. II, 446) und das Schreiben desselben Kaisers an dleses Konzil, anlliBiich einer seitens einiger Anh!lnger der Monophysiten an ihn gerichteten Bitte (lb. II, 432-433). n Siehe 17. Kanon des IV. allgem. Konzils, beziiglich der Pfarren auf dem Lande, und die Kommentare Zonaras' und Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 259-262) sowie meinen Kommentar zu diesem Kanan. ,Pravila". I, 369-372. 70 Siehe fiir die Kirche im Konigreiche Griechenland das Gesetz iiber die Bistiimer vom 9. juli 1852 und das Gesetz iiber die Aufteilung der Pfarren vom 8. juni 1856; fiir die Kirche in RujJland die Ukase vom 6. Mai 1786, 16. Oktober 1799, 21. Februar 1804 (T. Barsow, Sbornik postanovlenij. N. 383. 384. 385) und Art. 71 und 92 des Konsistoriai-Statuts 1883; fiir die Karlowitzer Metropolie das Kongre6Statut vom 14. Mai 1875, ~. 19, Punkt 1; fiir die Hermannsttidter Metropolie das organische Statut vom 28. Mai 1869; fiir das bulgarische Exarchat das Statut vom 4. Februar 1883: fiir die Kirche im Konigreiche Serbien das Gesetz iiber die geistlichen Behorden vom 27. April 1890 Art. 7; fiir die Kirche im Konigreiche Rumanien das Gesetz vom 29. Mai 1893 Art. 1; fiir die Metropolie der Bukowina und von Dalmatien das Synodai-Statut vom 21. August 1884, . 14, Punkt 8; fiir die Bukowinaer Eparchie insbesondere die kaiserliche Verordnung~vom 24. Oktober 1843; fiir die dalmatinische Eparchie mit jener von Cattaro die kaiserliche Verordnung vom 28. juli 1853. . 85. 1 Siehe , 51.
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II. Teil. Der Verfassung der Klrche.

auch in den allerersten gesetzlichen Verfilgungen rter Kirche selbst. Der Stifter der Kirche befahl seinen Aposteln, allen Vl:Hkern das Evangelium zu verkllnden, ohne ihre sozialen Institutionen zu berilhren; die Apostel grUndeten bei ihrer Ankunft in verschiedenen Oegenden Kirchen, setzten daselbst Hirten ein und UberlieBen denselben die Regelung der Olaubensangelegenheiten nach den sozialen Verhaltnissen des betreffenden Ortes. So kam es, daB schon zu Lebzeiten der Apostel mehrere Kirchen mit einer vollkommen selbstlindigen Verwaltung gegrtindet waren. Die Apostel selbst entfalteten in der Verwaltung der Gesamtkirche eine synod ale Tatigkeit; an jenen Orten aber, wo von ihnen neue Kirchen gegrllndet wurden, wirkten sie selbsUindig, voneinander unabhlingig, unter steter Wahrung der Einheit des Geistes. Die Verwaltung dieser Kirchen Ubergaben sie ihren Nachfolgern, welche in gleicher Weise, wie sie selbst tatig waren ~. Hiedurch haben die Apostel gezeigt, daB wie die Oesamtkirche durch die Vereinigung der Vorsteher aller Kirchen regiert werden mu6, jede ordnungsma6ig gegrUndete Partikularkirche ihre Hierarchie und ihre besondere Verwaltung haben so1J3, und dies umsomehr, weil jeder derart ordnungsmaBig gegrUndeten Partikularkirche die Gnade des Himmels ausdrOcklich verheiBen ist . Schon die ersten allgemeinen Konzilien haben, hievon durchdrungen, auf legislativem Wege die besonderen Rechte und Obungen der betreffenden Partikularkirchen, sowie ihre Selbstlindigkeit bestatigt, somit dem Gesetzeskraft verliehen, was sich durch einige jahrhunderte von der apostolischen Zeit her durch Gewohnheit eingebUrgert hat 5 Die Konzilien selbst ftihren in ihren Kanones an, worin die Selbstandigkeit der Partikularkirche besteht, u. zw.: a) In der Unabhangigkeit der Hierarchie einer Kirche von der anderen s, b) in den hierarchischen Rechten und Privilegien, welche einigen Kirchen vor den anderen zukommen 7, c) in
R(}m. 15, 20; Gal. 2, 6. Apostel Petrus verwaltete die Kirchen der juden und Apostel Paulus jene der Heiden (Gal. 2, 7. 8), Apostel johannes die Kirchen Kleinasiens (Apok. 1, 4. 11). 3 Siebe "Opo~ l 1 des Konzils von jerusalem [1672) (Harduini. XI, 241). Vergl. das Sendschreiben der orientalischen Patriarchen, Art. 10. Orthodoxes Bekenntnis, I. Teil. 85. Antw. ' Matth. 18, 19. 20. Siehe das Sendschreiben der afrikanischen Synode an den Papst Colestin, in meinem ,Zbornik". II. Aufl. S. 222-225. 5 I. allgem. Konz. 6. Kan. In dem 2. Kan. des II. allgem. Konzils wird ausdriicklich hervorgehoben: 'tO)r; brcsp 3wE~Yjat11 sma~6rcOJt; 'tl'l.t~ D'Ztepop(ot; Sx~AYj atl'l.lt; !J-'ij S'Ztt.SYI'l.l, !J-Yj3S a u j X eLy 't i <; a~~ A1j a [ 1'1. <;. Siebe auch den Kommentar Balsamons zu diesem Kanon tiber die unabh!ngigen Kirchen (Ath. Synt. II, 171). 6 Siehe 8. Kanon des III. allgem. Konzils, mit welchem die Autokephalie der Kirche von Cypern bestimmt und das beziigliche kanonische Prinzip zum Ausdrucke gebracht wird. 7 7. Kanon des I. allgem. Konzils und 28. Kanon des IV. allgem. Konzils. Vergl. 131. Nov. justin. 2. Kap.
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, 86. Die autokephalen Kirchen der lilteren Zeit.

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den Rechten der eigenen Gesetzgebung und der unabhllngigen Gerichtsbarkeit s, und d) in den besonderen lokalen Gebrauchen und kirchlichen Riten 9 Wenngleich die Kanones die Selbstandigkeit der Partikularkirchen anerkennen, so gestatten sie mit RUcksicht auf die Einheit der Kirche doch nicht, daB in diesen Partikularkirchen a) eine neue Glaubenslehre geschaffen, oder daB die allgemeine Lehre in irgendeiner Beziehung vernachlassigt werde 10, b) daB in der Kirchenverwaltung von den fundamentalen Oesetzen der allgemeinen Kirche abgewichen werde 11, c) daB Neuerungen in dem eingefilhrt werden, was durch die apostolische Tradition geheiligt erscheint und durch jahrhunderte in der Kirche bewahrt wurde 12, d) daB die geistliche Einheit mit den Ubrigen Kirchen aufgehoben werde 1s, und e) daB die lokalen Rechte und Gebrauche der iibrigen Kirchen verletzt werden 14.

. 86. Die autokephalen Kirchen der ilteren Zeit. Der 17. Kanon des IV. allgemeinen Konzils enthalt die in dem 38. Kanon des Trullanischen Konzils erneuerte Bestimmung, daB bei der Einteilung der Kirchengebiete der politischen Organisation der einzelnen Under Rechnung getragen werden mUsse. Diese allgemeine Norm, welcher die erwahnten heiden allgemeinen Konzilien nur gesetzlichen Ausdruck verliehen haben t, hat die Kirche von ihrer Entstehung an beobachtet. Wir finden dies in der Zeit his auf Constantinus den OroBen, als die neue Einteilung des griechisch-rfimischen Reiches festgesetzt wurde, sowie auch in allen folgenden Zeitperioden. Der hierarchische Rang des Bischofs elner Stadt, sowie die Selbstandigkeit, welche dieser oder jener Partikularkirche zuzuerkennen war, wurde
8 37. Kan. Apost.; II. allgem. Konzil 2. Kan. Vergl. das erwiihnte Sendschreiben der afrikanischen Synode (Anm. 4). 9 Vergl. die Einleitung in dem Sendschreiben der orientalischen Patriarchen vom jahre 1724, mit welchem sie die Beschliisse des Konzils von Jerusalem von 1672 den Christen GroBbritaniens mitteilen (Ausgabe Moskau 1848. Blatt 13b). Ober den Unterschied der Riten und Gebrlluche in den Kirchen der alteren Zeit, siehe Sokrates, Kirchengeschichte. V, 22. 10 Ill. allgem. Konz. 7. Kan.; I. Trull. Kan. 11 2. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 1. Kan. 12 13. 28. 29. 32. 55. 56. 81. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 7. Kan.; Gangra, 21. Kan. 13 Siebe . 51. H Ill. allgem. Konz. 8. Kan.; 39. Trull. Kan.; Basilius d. Gr. 1. Kan. Siebe die SchluBworte des 70. Kan. von Karthago. . 86. 1 Siehe die letzten Abslltze des Kommentars Zonaras' zum 17. Kanon des IV. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 260). Vergl. VIII. Titel. I. Kap. des Nomokanon (lb. I, 143 u. ff.).

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II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

einerseits nach der Bedeutung der betreffenden Stadt in politischer Beziehung, sowie andererseits darnach beurteilt, ob eine Kirche mittelbar oder unmittelbar von den Aposteln gegrilndet wurde. Schon in den apostolischen Sendschreiben werden die Kirchen nach der politischen Einteilung gesondert. Die ausgedehntesten Kirchengebiete fUhren den Namen ganzer Lander, wie z. B. die Kirchen Asiens 2; kleinere Gebiete werden nach dem Namen der Provinzen benannt, wie beispielsweise die macedonische Kirche s; noch kleineren Gebieten werden die Namen von Provinzial-HauptsUidten beigelegt, wie das Kirchengebiet von Thessalonica 4, Ephesus 5 u. s. w. jede dieser Kirchen hatte ihre besondere Verwaltung, wahrend die Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten derselben, in den Hauptstiidten der einzelnen Gebiete konzentriert war. Der Apostel Paulus wandte sich, nachdem er die Kirchen Asiens verlassen hatte, an die Hirten von Ephesus und ilbertrug ihnen die Sorge filr die Kirchenverwaltung dieses ganzen Gebietes, dessen bedeutendste Stadt Ephesus wars. Dassel be tat er auch binsichtlich der Kirchen von Achaia, indem er sich an die Christen Korlnths, der Hauptstadt Achaias, wandte 7. Diese apostolische Praxis zeigt sich auch in den ersten, in der Kirche erschienenen Kanones, welche von den hierarchischen Rechten immer unter RUcksichtnahme auf die nationale und politische Lage der Stadte sprechen, in welchen sich die betreffenden Kirchen befanden s. Das erwahnte kanonische Prinzip in der Einteilung der Kirchengebiete wurde vollstandig angenommen, als die neue Reichseinteilung kundgemacht wurde !!. Das erste allgemeine Konzil verlieh der zu seiner Zeit bestandenen, auf Gewohnheit beruhenden Kircheneinteilung, Gesetzeskraft, und befestigte taxativ die selbstandigen Rechte und Privilegien der Kirchen in Rom, Alexandria, Antiochia und Casarea 10. Aus
I. Kor. 16, 19. II. Kor. 8, 1. ' I. Thessall. 1, 1. ~ Apok. 2, t. 6 Apostelgesch. 20, 17-35. 7 II. Kor. 1, I. Vergl. Tertull., De praescr. haer. Kap. 36. 1 Vergl. 14. 15. 34. 35. Kan. Apost. 9 Siebe Anm. 8, . 84. 10 6. und. 7. Kanon. Mit dem letzteren Kanon wird vom I. allgem. Konzil nur der Ehrenvorrang dem Bischof von jerusalem (Aelia), wegen des geheiligten Andenkens an diese Stadt zuerkannt. Nachdem aber Aelia Uerusalem) durch die Abhlingigkeit von Clisarea (Turris Stratonis), der Hauptstadt des Kirchengebietes, eine politisch untergeordnete Stellung einnahm, wird von dem Konzile der Vorrang in der Oewalt dem Metropoliten von Clisarea iiber1assen, wlihrend der Ehrenvorrang vor allen BiscMfen dieses Kirchengebietes dem Bischofe von Aelia zuerkannt wird. Siehe meinen Kommentar zu den bezeichneten Kanones des I. allgem. Konzils ,Pravila" I, 189-201.
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86. Die autokephalen Kirchen der lllteren Zeit.

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dem 6. Kanon desselben Konzils geht jedoch hervor, daB auch noch andere Kirchengebiete bestanden (sv a.AJ..cxt; s7tcxpxcxt;), welche im Oenusse derselben von diesem Kanon bestatigten Rechte und Privilegien standen, wie jene erwahnten vier Oebiete. Diese Kirchengebiete sind die Kirche von Ephesus in der Prafektur Orient, jene von Sirmium in der Prafektur des westlichen Illyricum und jene von Thessalonica in der Prafektur des ostlichen Illyricum; in den heiden fibrigen Prafekturen gab es selbstandige Kirchen in Mailand, Karthago, Lyon, Toledo und York ' 1, Auf dem zweiten allgemeinen Konzil wird, gemaB der Einteilung des Reiches durch Constantinus, auch die Einteilung der morgenUindischen Kirchen festgesetzt, wahrend die abendUindischen Kirchen in ihrer frfiheren Oliederung belassen wurden 12. Durch das dritte allgemeine Konzil wird unter Bestatigung dessen, was von demselben in dieser Beziehung veranlaBt wurde, neben den fibrigen selbstandigen Kirchengebieten auch der Kirche von Cypern die Selbstllndigkeit zuerkannt ts. Das vierte allgemeine Konzil bestatigte gleichfalls die damalige Einteilung der Kirchengebiete im Orient und verlieh dem Bischofssitze von Konstantinopel zu dem Ehrenvorrange, welcher demselben im Orunde des 3. Kanon des zweiten allgemeinen Konzils deshalb zuteil wurde, wei! Konstantinopel die neue kaiserliche Residenzstadt war, auch die jurisdiktion fiber ein bestimmtes Oebiet 14, Endlich wurde auf dem Trullanischen Konzil die Einteilung der Kirchengebiete der ganzen christlichen Welt endgiltig festgesetzt und der hierarchische Rang unter den Vorstehern dieser Oebiete bestimmt. Im Abendlande gab es nur einen obersten Bischof, namlich den Bischof von Rom. Von den ffinf politischen Diozesen der orientalischen Prafektur wurde die asiatische mit der orientalischen im engeren Sinne vereinigt, und es verblieben nur mehr vier Diozesen mit den Hauptstadten Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Casarea. Der oberste Bischof dieser letzteren Stadt war jenem von jerusalem wegen der heiligen Erinnerung an diese Stadt untergeordnet. In Berficksichtigung dieser Lage der Kirche wurden durch den 36. Kanon des Trullanischen Konzils die Privilegien der obersten Bischl:>fe der gedachten Stadte bestatigt und wurde gleichzeitig bestimmt, daB den ersten Rang der Bischof von Rom, den zweiten der von Konstantinopel, den dritten jener von Alexandria, den vierten der von Antiochia und den flinften jener von jerusalem einzunehmen babe t5.
Du Pin, De antiqua ecclesiae disciplina. pag. 22. sq. 2. u. 3. Kan., sowie mein Kommentar zu diesen Kanones. ,Pravila" I, 242-250. 13 8. Kan. und mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 301-306. u 28. Kan. und mein Kommentar zu diesem Kanon ,Pravila" I, 391-403.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Von den iibrigen autokephalen Kirchen des Abendlandes wird in diesem Konzil keinerlei Erwlihnung getan; von den morgenUlndischen Kirchen wird aber die Selbstandigkeit jener von Cypern bestatigt 16. In den kanonischen Quellen werden neben den gedachten, noch folgende autokephale Kirchen angefilhrt, und zwar: die neojustinianeische vom VI. jahrhundert und die Kirche von Iberien oder Orusien, welcher von der Synode zu Antiochia, zur Zeit des dortigen Patriarchen Petrus, die Selbstandigkeit zuerkannt wurde t7. In den kanonischen Quellen werden sonach, auBer den abendlandischen Kirchen, ihrer Verfassung und Verwaltung nach als selbstandige Kirchen des Orients folgende angefilhrt: die Kirche von Konstantinopel, von Alexandria, Antiochia, jerusalem, von Cypem, die neojustinianeische und die iberisclze. Die neojustinianeische Kirche war von kurzem Bestande. Im VII. Jahrhundert verschwand auch infolge eines Ansturmes der Avaren die Residenzstadt des obersten Bischofs dieses Kirchengebietes 1s. Dassel be Los ereilte auch spater die iberische Kirche 111. Neben diesen selbstandigen Kirchen der alteren Zeit bestanden noch: das bulgarische Patriarchal von Tirnowo, welches bereits im XIV. jahrhundert aufgehoben wurde 20 ; das bulgarisch-serbische Erzbistum von Achrida, welches in der zweiten Halfte des XVIII. jahrhunderts

AUfLWV. Synopsis (Ath. Synt. II. 387). An Stelle des Bischofs von Casarea wird hier jener von jerusalem erwahnt, wetcher noch durch das IV. allgem. Konzil in seinen Rechten jenen von Rom, Konstantinopel, Alexandria und Antiochia gleichgestellt wurde (Actio VII. cone. Chalcedon. Harduini II, 492). 1 ~ Der 39. Kanon raumt dem Bischof der Insel Cypern die gleichen Rechte wie jenem von Konstantinopel ein. 17 Kommentar Balsamons zum 2. Kanon des II. allgemeinen Konzils (Ath. Synt. II, 171-172). u Siehe Golubinsky, Kratki ocerk istoriji prav. cerkvej bolgarskoj, serbskoj i ruminskoj. Moskau 1871. S. 110. Hier wird angefiihrt, daB das Erzbistum von Achrida, welches erst im X. jahrhundert entstanden ist, mit dem frtiheren neojustinianeischen Erzbistum identisch sei. Siehe im Ath. Synt. (V, 219-224) die gefli.lschte 11. Novelle justinians, in welcher dem Erzbischof von Achrida angeblich Privilegien zuerkannt werden. 19 Ober die ehemalige selbstandige iberische oder grusische Kirche, siehe Thomassin, Vetus et nova ecclessiae disciplina. P. I. I. 1. c. 24. n. 10, c. 38. n. 14, c. 54. n. 3 (Ed. cit. I, 169. 238. 413). 20 Das bulgarische Patriarchat von Tirnowo entstand, als unter As~n das bulgarische Kaisertum zu Ende des XII. jahrhunderts wieder hergestellt und das besagte Patriarchat vom Patriarchen von Konstantinopel im jahre 1235 anerkannt wurde. Der letzte Patriarch von Tirnowo war Euthymius. Siehe Golubinsky, erwlihntes Werk, S. 78-89. Ober die Ausdehnung dieses Patriarchats, siehe dasselbe Werk, S. 89-106.

. 87. Die gegenwll.rtigen autokephalen Kirchen.

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aufgehoben wurde 21 , sowie das im jahre 1766 eingegangene serbische Patriarchal von lpek22. . 87.

Die gegenwirtigen autokephalen Kirchen.


Wir haben bereits erwahnt, welche autokephalen ( cx.ot~x.s~aAot) Kirchen gegenwartig in der orientalischen Kirche bestehen 1 und worin die Selbstandigkeit derselben, sowie ihre Beziehung zu der Gesamtkirche gelegen ist 2 Nach der Darlegung des vorhergehenden Paragraph en ist die Synodalgewalt berufen, der einen oder der anderen Partikularkirche die Selbstandigkeit zuzuerkennen, und insbesondere die Synode jener Kirche, deren Bestandteil die zu einer selbstandigen oder autokephalen Kirche zu proklamierende Partikularkirche war. Durch die kanonischen Quellen der orientalischen Kirche ist auch der Staatsgewalt ein gesetzliches Recht in dieser Beziehung eingeraumt a. Auf diese Weise sind aile gegenwartigen autokephalen Kirchen entstanden, insofern nicht auBerordentliche Verhaltnisse die formelle ErfUilung aller einschlagigen rechtlichen Erfordernisse hinderten. Von den alteren Kirchen bestehen heute: die Kirche von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia, jerusalem 4 und Cypern 5. Wir wissen
~ Dieses Erzbistum enstand im X. jahrhundert. lm XII. jahrhundert unterstand es Griechenland, spliter bald der Herrschaft der Kreuzfahrer, bald der Bulgaren, bald wieder der Griechen. lm XIV. jahrhundert bildete es einen Teil des serbischen Kaisertums, und im XV. jahrhundert fie! es bereits unter die Oberherrschaft der Tiirken. Die Selbstandigkeit dieses Erzbistums wurde im jahre 1767 durch den Patriarchen Samuel von Konstantinopel aufgehoben . Siehe Td xcxtd td~ apxten:taxon:d~ 'AxrJtowv 'lt?:t Hsx[o,>. 'Ev Krovat~vttvoun:. 1869. Oo/ubinsky, erwlihntes Werk S. 106-145. Ober die Ausdehnung des Erzbistums von Achrida: Oo/ubinsky. S. 109-110. 2 ' Das serbische Patriarchal entstand zur Zeit des Kaisers Duschan und wurde als solches vom Patriarchate in Konstantinopel, von welchem die serbische Kirche bis dahin abhlingig war, anerkannt. Dieses Patriarchal hestand bis zum jahre 1766, worauf dasselbe jenem Patriarchen sich unterordnete, welcher das Erzbistum von Achrida aufhob. ,Glasnik srp. uc. druStva". Bd. 7, S. 174. Ober die Ausdehnung. siehe "Giasnik". Bd. 8, S. 116 11. ff. , Bd. 9, S. 227, und Bd. 27, S. 302 u. ff. . 87. 1 . 26. 1 . 85. 3 Siehe ~. 84. II. ' Hinsichtlich diescr vier Patriarchate vergleiche: F. Katie!lbusclz, Lehrbuch der vergleichenden Konfessionskunde. Freib. i. B. 1892. I. Teil, sechstes Kapitel, E. Reinhardt, die gegenwlirtige Verfassung der griech.-orthod. Kirche in der Tiirkei (Zeitschrift fiir wissenschaftliche Theologie 1901.); K. Beth, Die orient. Christenheit der Mittelmeerllinder. Berlin 1902. Erster Teil, I. Kapitel; ]. Haseman, Geschichte der griechischen Kirche (siehe ~. 7, Anmerkung 5); ]. Neale, A history of the holy eastern Church (in 5 Bllnden, deren letzter im jahre 1873 erschien und iiber das Patriarchal von Antiochia handelt); A. Stanley, Lectures on the history of the ea20'

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II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

nlimlich, da.B deren SelbsUindigkeit in den allgemeinen Konzilien anerkannt wurde. Die Entstehung der Ubrigen Kirchen wollen wir hier in chronologischer Ordnung erwahnen. 1) Die Kirche im Kaisertum Ru.Plandu. Die Russen empfingen das Christentum von den Missioniiren der Kirche zu Konstantinopel und erhielten auch in der ersten Zeit von hier ihre Hierarchen. Als es aber nach dem Faile von Konstantinopel (1453) den Russen schwer fiel, sich kirchlicher Angelegenheiten wegen nach Konstantinopel zu wenden, wurde auf Grund gegenseitiger Vereinbarung zwischen dem damaligen russischen Oro.BfUrsten und dem Patriarchen von Konstantinopel, die SelbsU\ndigkeit der russischen Kirche festgesetzt, und zwar in der Weise, da.B der Patriarch von Konstantinopel im Vereine mit den Ubrigen orientalischen Patriarchen, dem Metropoliten von Ru.Bland durch eine besondere Urkunde das Recht zuerkannte, da.B er unabhiingig von dem Patriarchate in Konstantinopel, von den russischen Hierarchen gewahlt und eingesetzt werden kOnne. Oleichzeitig wurde gesetzlich bestimmt, da.B der Metropolit von Ru.Bland den Ehrenvorrang vor allen anderen Metropoliten genie.Ben soli, sowie da.B ihm in der gesamten Hierarchic der Rang nach dem Patriarchen von jerusalem einzuraumen sei 7, Als zum Schlusse des XVI. jahrhunderts das Moskauer Patriarchat errichtet
stern Church. 3. edit. London 1864; C. N. Pischon, Die Verfassung (siehe . 27, Anm. 1); Lebedew, Schilderung der inneren Geschichte der byzantinisch-orientalischen Kriche im IX., X. und XI. Jahrhundert. (In russischer Sprache) Moskau 1878; Lebedew, ,Ober den Zust'llld der Kirche zu Konstantinopel unter dem tiirkischen joche in den ersten 150 Jahren seit der Herrschaft Muhammed II. in Konstantinopel" [in russischer Sprache] (Christ. ctenie. 1861. II, 1 u. ff.); Silbernagl, Verfassung (siehe , 9. II); Dr. A. Pichler, Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen Orient und Occident, von den ersten Anfangen bis zur jiingsten Gegenwart. 2 Bde. Miinchen 1864. 1865 (1. byzantinische Kirch e); Girgas, Rechte der Christen (in russischer Sprache] (siehe . 9. Ill); Waddington and Harburg, Present condition and prospects of the Greek or oriental Church. London 1826; L'eglise orthodoxe d'Orient. Athen 1853. 5 Neale, A hislory (1, 127); F. v. Loher, Cypern. Stuttgart 1878; S. W. Bacher, Cyprus in the yar 1879; M. Latrle, Histoire de l'ile de Chypre. Paris 1855; Hosemann (1. c.) ; Assemani, Bibliotheca jur. orient. (1, 387 sq.); :Eri&(X, Mao(Xuuvtl!:rl Bt~l..to&~'X.1j. Tom. II. VI. s Makarius, Istorija russkoj cerkvi; Golubinsky, Istorija russkoj cerkvi; Barsow, Der Patriarch von Konstantinopel und dessen Gewalt iiber die russische Kirche. (In russischer Sprache) S. P. 1878; A. Paw/ow, Die Theorie des orientalischen Papismus in der neuen russischen Literatur des kanonischen Rechts. [In russischer Sprache.] Moskau, 1879; Suvorow, Kurs cerkovnago prava. I, 127 u. fl.; Pichler Geschichte der kirchlichen Trennung. II, 1-340; Silbemagl, Verfassung. S. 85-136. Neuere Statistische Daten iiber die russische Kirche, siehe in ,AilerunterUinigster Jahresbericht des Ober-Prokurors der heil. Synode iiber das orthodoxe Bekenntnis". s. p. 1903. 1 Makarius, Istorija russ. cerkvi. VI, 22.

. 87. Die gegenwll.rtigen autokephalen Kirchen.

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werden sollte, wurde von der Synode zu Konstantinopel eine auch von den iibrigen orientalischen Patriarchen mitgefertigte Urkunde erlassen, mit welcher die friiheren SelbsUindigkeitsrechte der russischen Kirche bestatigt, dem Bischof von Moskau der Titel eines Patriarchen und der fUnfte Rang, in der allgemeinen Hierarchic zuerkannt wurde s. AnlaBlich der Einsetzung der heiligen russischen Synode, wurde im jahre 1723 von den orientalischen Patriarchen eine gleiche Urkunde erlassen, durch welche die vollige Gleichstellung der gedachten Synode mit den orientalischen Patriarchaten anerkannt wurde 9 2) Die Karlowitzer Metropolie 10 Als die Serben (ungefahr 40.000 familien) im jahre 1690 aus der TUrkei mit dem Patriarchen Arsenius Ill. nach Osterreich iibersiedelten, wurde noch zu Lebzeiten des Arsenius, zu lpek, dem serbischen Patriarchate, ein neuer Patriarch, Calinicus, gewahlt. In der ersten Zeit, namentlich solange Arsenius noch lebte, waren die kirchlichen Verhaltnisse der Serben in ihrer neuen Heimat nicht geregelt. Erst nach dem Tode des Arsenius (1706) sollten diese Verhiiltnisse gekHirt und konsolidiert werden. Vom kanonischen Standpunkte war in dieser Beziehung das lpeker Patriarchat maBgebend, zu welchem die ausgewanderten Serben gehorten. Nachdem den angesiedelten Serben durch das Reskript des Kaisers Leopold I. vom 4. Marz 1695 die Glaubensfreiheit, sowie gewisse Privilegien in ihrer Kirchenverwaltung gewahrleistet worden waren, erlieB der Ipeker Patriarch Calinicus im jahre 1710, auf Grund der Bitten der Hierarchic und des Volkes, eine Urkunde, in welcher er die Errrichtung einer serbischen Metropolie in den osterreichischen Ulndern anerkannte und dem betreffenden Metropoliten das Rechte inrilumte, nach den allgemeinen kanonischen Vorschriften der orthodox-orientalischen Kirche ,Bisch5fe einzuDp~et~ ~ovo8t'lt~ rij~ &rt!X~ 'lt!Xt (LS"(aA'tj~ aov68oo ev Krovat!Xvttvoo7t6l..et SY stet 70!)6 'ltept toti '/t'l.tptapxoo M:oaxo~[or~. Ath. Synt. v. 149-155. 9 Ath. Synt. V, 160-163. In der Anmerkung auf Seite 160 desselben Bandes ist das von Peter d. Or. aus diesem Anlasse an den Patrlarchen Jeremias III. gerichtete Schreiben vom 30. September 1721 abgedruckt. 10 jos. jirecek, AktenmliBige Darstellung (siehe . 9, Ill); Bartenstein, Kurze Schilderung fiber die Lage des zahlreichen in den k. k. Erbllindern zerstreuten illyrischen Volkes. (Obersetzung aus dem Deutschen von A. Sandie) Wien 1866; ]. Csaplovics, Slavonien und zum Teile Kroatien. 2. Bde. Pest 1819; A. Stojacskovics, Ober die staatsrechtlichen Verhlutnisse der Serben in der Wojwodina. Temesvar 1860; Em. Picau. Die Serben in Ungaro. (Obersetzung aus dem Franz{isischen). Neusatz 1882; Dr. ]. H. Schwicker, Politische Geschichte der Serb en in Ungarn. Budapest 1880; E. von Radich, Die Verfassung der orthodox-serbischen Partikularkirche von Karlowitz. Prag 1880; Silbernagl, Verfassung (. 65-68); T. Zivkovich, Die serbische Nationalkirche. (In serbischer Sprache) Temesvar 1868; E. Go Lubinsky, Kratki ocerk istoriji pravosl. cerkvej bolgarskoj, serbskoj i ruminskoj. S. 604-647; Statistische Daten iiber die orientalische Kirche in derselben Metropolie in dem ,Schematismus" fiir 1900, herausgegeben vom KongreB-Ausschu6, Karlowitz 1900.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

---11 ,Giasnik srp. uc. drustva". Bd. 62. S. 151 - 152. " Dies erhellt aus einer Urkunde des Metropoliten Sophronius Podgoricanin vom 23. April 1710 an den Hieromonachen Christophorus, mit welcher ihm die Verwaltung der Eparchie in Neusatz iibertragen wurde. 13 Siebe Ta;t~ tli.>Y t'l-p6YWY 't~~ op{}o66;ou aY~'tOAl'XTJ~ S'X'Xhja[~; 'tlilY ~1t0 to6~ tzacrC(p~~ 1t~Xtpt.zpztxo)~ 3p6vou; KrovcrtC(YttY0)1tOAsoo~, 'Al.e:~C(YOps[IJ.;, 'Avttozstcx~ 'X!Xl '1EpoaOA6(LWY, 'X.C(l ta~ 'X~tO'X.EtptiA.ou:; h.'X.kfjah~, p(l)ljQt!X:;, K>)1tp0'J, Ai'>atpl!X~ 'X.!Xt 'EU.Iioo.;, tsf.o)vtwv, erschienen 1855 in dem vom Patriarchate in Konstantinope1 genehmigten Buche (sr~<.p[crst t""<; 7.r[C(<; Ml p.E"(tXA'YJ:; Xptatoi3 SxY.):r1 a[~:;). Ath. Synt. V. 513, bezw. 528. u Fiir die rumanischen Eparchien, A. v. Schaguna, Geschichte der griechischorientalischen Kirche in Osterreich. Hermannstadt 1862; fiir Dalmatien mein Werk "Das rechtglaubige Dalmatien." Neusatz 1901. S. 550 (in serbischer Sprache). Gegenwartig fiihrt der Metropolit von Karlowitz auch den Titel cines scrbiscllen Patriarchen. Wenngleich die serbische Nationai-Versammlnng in Karlowitz im Mai 1848 den Wunsch auBerte, ,daB dem Metropolitcn die altc Wiirde eines Patriarchen wiederverliehen werden moge" und diesem Wunsche auch durch das kaiserliche Manifest vom 15. Dezember 1848 die Beriicksichtigung zuteil wurde (A. Stojackovich, Schilderung des Lebens des serbischen Volkes im ungarischen Gebiete. Wien 1849. S. 87), fiihrte doch der Karlowitzer Bischofssitz als solcher niemals den Titel eines Patriarchats (vergleiche hieriiber ,Giasnik". 62. Bd. S. 153-155. 1 ~ D. Milakovich, Geschichte Montenegros. (In serbischer Sprache.) Zara 1856; S. Milutinovich, Geschichte Montenegros. (In serbischer Sprache.) Belgrad 1835; Mil. Medakovich, Geschichte Montenegros von den altesten Zeiten bis 1830. (In serb. Sprache.) Semlin 1850; N. Ducich, Montenegro (Giasnik. 40. Bd., S. 1-20); von demselben, die Bocche und Zeta (lb. 42. Bd., S. 153 u. ff.); Statistische Daten iiber die orthodox-orientalische Kirche in Montenegro im Jahre 1888, siehc in der Zeitschrif ,Grlica" fiir das jahr 1889 (S. 33-39).

setzen und andere kirchliche Einrichtungen zu schaffen" 11. Im kanonischen Sinne datiert von dieser Zeit her die erwahnte Metropolie, welche iibrigens auch weiterhin in einem geistlichen Abhangigkeitsverhaltnisse zu dem lpeker Patriarchen verblieb, denn der betreffende Metropolit betrachtete und fertigte sich als ,Exarch des Ipeker Thrones"l2. Als hierauf das lpeker Patriarchat aufgehoben wurde, harte natiirlich auch der Metropolit auf, Exarch dieses Patriarchats zu sein, und die Metropolie selbst wurde unabhangig, was auch von dem Patriarchate zu Konstantinopel anerkannt wurde 1a. In den ersten jahren des XVIII. jahrhunderts war der Sitz des Metropoliten in Kruschedol, wurde aber bald darauf nach Karlowitz verlegt. Der Karlowitzer Metropolic unterstanden wahrend der letzten jahre desselben jahrhunderts auch die zu Osterreich gehOrigen rumanischen Eparchien, und in der ersten Halfte des XIX. jahrhunderts wurde auch die dalmatinische Eparchie in dogmatischen und geistlichen Angelegenheiten der erwahnten Metropolie unterstellt, so daB der Metropolit in Karlowitz von dieser Zeit an das kirchliche Oberhaupt der gesamten, in den osterreichischen Uindern ansaBigen, der morgenlandischen Kirche angehOrenden Bevolkerung war 14 3) Die Metropolie von Cetinje H>, Die orthodox-orientalische Kirche im

. 87. Die gegenwiirtigen autokephalen Kirchen.

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tiberwiegenden Teile des das heutige Fiirstentum Montenegro bildenden Oebietes war samt ihrem Metropoliten von dem serbischen Patriarchate in Ipek abhangig. Aus einer Urkunde des Patriarchen von Ipek vom jahre 1700 erhellt, daB dem in Cetinje residierenden Metropoliten auch andere, der Herrschaft Montegros nicht angeMrende Gebiete unterstanden 16, Dieser Metropolit war ebenfalls ,Exarch des Ipeker Thrones" 11. Die Abhangigkeit der Metropolie zu Cetinje dauerte bis zur Aufhebung des lpeker Patriarchats, von welcher Zeit ab, mit Riicksicht auf die staatliche Selbstandigkeit Montenegros, auch der Kirche, deren Oberhaupt glcichzeitig der Landesherr war, hinsichtlich ihrcr Verfassung und inneren Verwaltung als selbstandig anerkannt wurde und als solche auch heute fortbesteht. Die Selbstandigkeit der Metropolie in Cetinje wurde auch vom Patriarchate in Konstantinopel anerkannt 1s. 4) Das Erzbistum Sinai 1n. Der Erzbischof und gleichzeitig Hegumenos des Klosters vom Berge Sinai, war bald von dem Patriarchen von jerusalem, bald von jenem von Alexandria abhangig. Zufolge ununterbrochener Reibungen zwischen diesen beiden Patriarchen beztiglich der jurisdiktion tiber dieses Erzbistum, wurde im jahre 1575 zu Konstantinopel eine Synodal-Urkunde erlassen, wonach der Erzbischof von Sinai als selbstandig anerkannt und nur die Cheirotonie desselben dem Patriarchen von jerusalem zugestanden wurde. Dies wurde sodann durch eine neue Urkunde der Synode zu Konstantinopel vom jahre 1782 bestatigt und die Selbstandigkeit dieses Erzbistums feierlich kundgemacht 20. 5) Die Kirche im Konigreiche Griechenland2t. Vor der Befreiung
Milutinovich, erwahntes Werk. S. 31. Ibid. S. 80. Siehe das vom Belgrader Metropoliten Vincentius und vom Metropoliten Rassiens, Gabriel, mitgefertigte Schreiben des Ipeker Patriarchen Athanasius vom 22. August 1750 an den damaligen Metropoliten Montenegros, Basilius Petrovich. Das Original dieses Schreibens befindet sich gegenwartig im Archiv der Metropolie von Cetinje. 1 ~ Ath. Synt. V, 529: ,\P'JtOXE'f?:Ao; p:~tpo7t6At; M?:.lpo~orwtoll. IQ Stanley, Sinai and Palestine in connexion with theis history. London 1858. 2. edit; ]. Schultz, Sinai (Herzog, Encyklopadie. Bd. XIV. S. 282-292); Hasemann, Geschichte der griechischen Kirche (!. c. Bd. LXXXIV, S. 212); A. Voronow, Sinajskoe djelo (Trudi k. d. ak. 1871. II, 331; 1872. I, 273. II. 594); lz zapisok sinajskago bogomolca (Aus den Notizen des Pilgers von Sinai) [Ibid. 1871]. Siehe die Novelle des Kaisers Michael Palliologus vom jahre 1271 iiber die Privilegien des geistlichen Oberhauptes von Sinai, bei Zachariae a Ling., jus graeco-romanum Ill, 593-595. 2 " Siehe das im . 23, Anm. 73, erwahnte Werk. In der {in Anm. 13 dieses Paragraphen) erwlihnten T-;t<; wird die Aorox~?:.AO<:; 'Apztsmaxo7t'~ too l:tv!X[oo opoJ; angefiihrt. Ath. Synt. V, 529. 21 Maurer, Das griechische Volk {siehe . 30, Anm. I); Schmitt, Kritische Geschichte der neu-griechischen und der russischen Kirch e. Mainz 1840; Werger, Beitrlige zur Kenntnis des gegenwartigen Geistes und Zustandes der griechischen Kirche
Jn

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Griechenlands von der tUrkischen Herrschaft unterstand die Kirche im heutigen Kl:inigreiche Griechenland der obersten jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopel. Gleich nach der erfolgten Befreiung wurden Unterhandlungen mit dem Patriarchate von Konstantinopel fiber die Selbstandigkeit der Kirche geftihrt, welche mehrere jahre hindurch dauerten, wegen verschiedener politischer UmsUinde und Mi6versUindnisse aber abgebrochen wurden. Endlich wurde fiber die beziigliche Bitte der kl:iniglichen Regierungz2 das Synodal-Dekret vom 29. juli 1850 in Konstantinopel erlassen, mit welchem die Selbstandigkeit der Kirche im Kl:inigreiche Oriechenland kundgemacht und die heilige Synode in Athen als die oberste Kirchengewalt im Kl:inigreiche anerkannt wurde 2s. 6) Die Metropolie von Hermannstadt u. Unter den rumanischen Eparchien, welche zu Ende des XVIII. jahrhunderts dem Metropoliten von Karlowitz unterstanden, befand sich auch jene von Hermannstadt. Als sich sodann bei den in den Landern der ungarischen Krone ansa8igen Rumanen der Wunsch nach einer Trennung in Bezug auf die Kirchenverwaltung von den in denselben Landern befindlichen Serben geltend machte und die Rumanen in der kirchlichen Verfassung und Verwaltung derselben Rechte teilhaftig werden wollten, wie die Serben, wurde diese Angelegenheit im jahre 1864 der Karlowitzer Synode zur Beratung vorgelegt. Nachdem die Synode, als kompetente BehOrde, diese Frage durchberaten hatte und der Trennung der orthodox-orientalischen Rumanen von den Serben zustimmte, wurde die selbstandige rumanische Metropolie mit dem Sitze des Metropoliten in Hermannstadt und mit zwei Suffragen-Bistilmern in Arad und Karansebesch systemisiert 25. 7) Das bu/garische Exarchaf26. Nach Aufhebung des bulgarischen Patriarchats (1393) und der hierauf erfolgten Abschaffung des selbstandigen Erzbistums von Achrida (1767), gelangten die der orthodoxin Oriechenland und in der Tiirkei. Berlin 1839; Silbernagl, Verfassung (S. 72-84);
Pichler, Geschichte der kirchlichen Trennung [Ill. Hellenische Kirche] (Bd. II, S.

343-424); Hasemann, Griechische Kirche (1. c.). Hinsichtlich der weiteren Literatur, vergl. den Artikel von j. Moshakis, Eglise grecque (Lichtenberger, Encyclopedie des sciences religieuses. Tom. IV, p. 324-340). Fiir die Statistik siehe IH.'tj&t>ll[J.O~

rij; 'E).).tioor;
2

'lt~td: sto~

1870.

Abgedruckt in der Anmerkung auf Seite 177, Bd. V, des Ath. Synt.

T6tJ.Or; llt>YOOL'ltO~ rij; ev Krovat~Y'tLYOt>1t6ASL &;E~r; 'lt'Xl. tapa; l:ov615oo op&ol56gou e?t?tktjllt~r;. Ath. Synt. V, 177-185. Vergl. XpLato1t o 6 A. o o, l:oAA.oriJ tli>v e;?tt>?tA(rov. l:sA.. 14 ?ttA. 2' A. v. Schaguna, Oeschichte der orthodox-orientalischen Kirche in Osterreich;
23

1tspl.rijdv~AAtioL

Oolubinsky, erw!hntes Werk. S. 394 u. ff.


i5

Vering, Kirchenrecht (II. Aufl.). S. 382.


Oolubinsky, erwahntes Werk, 1-328. Statistische Daten iiber das Exarchat

26

fiir das jahr 1888, siehe in ,Vjera i Razum". 1889. Bd. VIII.

. frl. Die gegenwartige autokephalen Kirchen.

313

orientalischen Kirche angeh5renden Bulgaren unter das Patriarchat von Konstantinopel, welchem sie his vor wenigen Jahren unterstanden. Durch das Erwachen des nationalen BewuBtseins, welches das Streben nach politischer Selbstandigkeit unterstUtzte, wurde bei den Bulgaren auch der Wunsch rege, ihre Kirche derart zu organisieren, daB in derselben nur nationale, die allgemeinen nationalen Bestrebungen f5rdernde Bisch5fe angestellt werden. Nachdem ihre diesfalligen lntentionen bei dem Patriarchate zu Konstantinopel keine Unterstutzung fanden, dasselbe vielmehr ihre nationalen Absichten verurteilte, gelang es ihnen, bei der Staatsgewalt die Genehmigung zu erwirken, ihre Kirche allein zu organisieren und ein von dem Patriarchate in Konstantinopel unabhangiges Exarchat zu errichten. Mittels cines besonderen Fermans des Sultans vom 8. Silhice 1286 (27. Februar 1870) wurde die beziigliche Bestatigung erteilt, und von diesem Zeitpunkte ab datiert die SelbsUindigkeit der bulgarischen Kirche 21. Das Patriarchal von Konstantinopel hat aber dieses Exarchat nicht anerkannt und erklarte auf einer zu Konstantinopel im Jahre 1872 abgehaltenen Synode die Bulgaren als AbtrUnnige. Diese Erkllirung wurde aber nicht von allen autokephalen Kirchen, unter anderem auch nicht vom Patriarchat in jerusalem, anerkannt 2s. 8) Die Metropolie der Bukowina und von Dalmatien 29. Zu En de des XVIII. Jahrhunderts unterstand die Bukowinaer Eparchie der Jurisdiktion der Metropolie von Karlowitz, jedoch nur in dogmaticis et spiritualibus. Die Frage der Lostrennung der Bukowinaer Eparchie von der Metropolie in Karlowitz, ist bereits im Jahre 1864 der Karlowitzer Synode vorgelegen. Nach der Teilung der Monarchic in die cis- und transIeithanische Reichshalfte, wurde im Jahre 1873 fUr die Angeh5rigen des orthodox-orientalischen Bekenntnisses aller Nationalitaten in Cisleithanien eine der Karlowitzer und Hermannstadter Metropolie koordinierte Metropolie, mit dem Sitze des Metropoliten in Czernowitz (Bukowina) errichtet,
Obraz na visokija carskij ferman. In 11 Artikel. Gedruckt in bulgarischer und nebenbei in tilrkischer Sprache.
27
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29

1860.

A. Schaguna. Geschichte der orthodox-orientalischen Kirche in Osterreich ; Oolubinsky, erwll.hntes Werk. Seite 414 u. ff. Siebe das sehr interessante Sendschreiben des Bukowinaer Bischofs Hackmann vom 6. Oktober 1864, gedruckt in Czernowitz 1899. Ober die orthodox-oricntalische Kirche in Dalmatien siehe mein Werk ,.Das rechtglaubige Dalmatien". Neusatz 1901. Statistische Daten sind zu entnehmen aus den jllhrlich von den Konsistorien in Czernowitz, Zara und Cattaro herausgegeben Schematismen.
2()1

314

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

dessen jurisdiktion die Eparchien von Zara und Cattaro, untergeordnet wurden. 9) Die Kirche im Konigreiche Serbienao. Nach Aufhebung des lpeker Patriarchats war der groBere Teil der das heutige Kirchengebiet des KOnigreiches Serbien bildenden Lander von dem Patriarchate in Konstantinopel abhangig. Mit der Oriindung des Fiirstentums Serbien wurde auch an die Regelung der Beziehungen der Kirche in diesem Fiirstentume zu dem Patriarchate in Konstantinopel geschritten. Diese im Jahre 1832 durchgefUhrte Regelung bestand darin, daB der Kirche des Farstentums die eigene innere Verwaltung, jedoch in einer bestimmten Abhangigkeit vom Patriarchate, zuerkannt wurde. Durch die Oebietserweiterung des FUrstentums und durch die Anerkennung desselben als ein freies und unabhangiges Oebiet, sahen sich die kompetenten Faktoren in Serbien veranlaBt, dem Patriarchate die Bitte vorzubringen, es moge unter Wahrung der kanonisch vorgeschriebenen Einheit mit der Oesamtkirche, auch der serbischen Kirche dieselbe SelbsHindigkeit zuerkannt werden, welche die iibrigen autokephalen _ Partikularkirchen genieBen. Mit dem Synodai-Dekrete vom Oktober 1879 wurde die Kirche des FUrstentums (jetzt KOnigreiches) Serbien seitens des Patriarchats in Konstantinopel als selbsUindig und den Ubrigen autokephalen Partikularkirchen gleichgestellt erklart at. 10) Die Kirche im Konigreiclze Rumiinien a2. Bis zur Proklamation Rumaniens zum KOnigreiche im Jahre 1882, unterstand die Kirche in der Moldau und Walachei der Jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopel. Im jahre 1885, also drei jahre nach dieser Proklamation,"wurde mittels Dekretes der Synode zu Konstantinopel die Kirche im Konigreiche Rumanien als selbsUindig erklart und mit dense! ben Rechtena ausgestattet, welche aile Ubrigen autokephalen Partikularkirchen- genieBen.aa. Urn bei einer so groBen Zahl von autokephalen Kirchen : ein vou.:. stlindiges und klares Bild Uber die Selbstandigkeit derselben, sowie auch dariiber zu erlangen, wie trotzdem die Einheit der Oesamtkirche erhalten wird, wollen wir im Nachstehenden einen Auszug aus der die Anerkennung der Selbstlindigkeit der Kirche im Konigreiche Serbien
Neben den zu Beginn der Anm. 10 dieses Paragraphen:angefiihrten Werken siehe auch B. v. Kallay, Geschichte der Serben (aus dem Ungarischen). I. Bd. Budapest 1878; sodann Metrop. Michael, Die orthodox-serbische Kirche im Fiirstentum Serbien (in serbischer Sprache) Belgrad 1895. und N. Popow, Der gegenwllrtige Zustand der orthodox-orientalischen Kirche in Serbien (in russischer Sprache) Moskau 1874. 31 Siebe ,Die Unabhllngigkeit der serbischen Kirche, kundgemacht 1879" (in serbischer Sprache, Belgrad 1880), wo die diese Selbstllndigkeit betreffenden amtlichen Dokumente angefiihrt sind. 32 Golubinsky, erw:lhntes Werk. S. 371 u. ff. 13 Archiv fiir katholisches Kirchenrechl Bd. 54, S. 347.
30

. 87. Die gegenwllrtigen autokephalen Kirchen.

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enthaltenden Synodal-Urkunden anfiihren. Nach der beziiglichen Einleitung, welche die Einheit der Kirche und die, die autokephalen Kirchen betreffenden kanonischen Vorschriften behandelt, wird in dieser Urkunde Folgendes angeffihrt: "Wir haben beschlossen, daB die orthodoxe Kirche des FUrstentums Serbien, welche bisher ...... im kanonischen Abhangigkeitsverhaltnisse zu unserem heiligen, apostolischen Patriarchenthrone zu Konstantinopel gestanden ist ...... , von nun an kanonisch autokephal, unabhangig und mit eigener Verwaltung ausgestattet sei ('wxvovtx<i>~ a.utoxs~W.o~, dveeapttto~ xa.i. aotoatotx."f}to;). lhr Oberhaupt wird, wie in der gesamten orthodoxen katholischen und apostolischen Kirche, unser Herr und Erl5ser jesus Christus selbst sein. Als Vorsteher (1tp6eapov) wird sie in kirchlichen Angelegenheiten den Erzbischof von Belgrad und Metropoliten von Serbien besitzen und anerkennen, welcher im Vereine mit der im Sinne der Kanones aus den Bischofen dieses Kirchengebietes gebildeten Synode die kirchlichen Angelegenheiten des Fiirstentums im heiligen Oeiste und nach den Vorschriften der gottlichen und heiligen Kanones, frei und unabhangig von jeder anderen Einmengung, verwalten wird. So und auf dieser Orundlage anerkennen und verkiinden wir mit dieser Synodal-Urkunde die heilige Kirche des Fiirstentums Serbien als unsere geistliche Schwester (1tYUtJ.flt'txY,v i 1 tJ.<i>Y &.ae),cp-ijv), sowie wir auch allen orthodoxen Kirchen empfehlen, sie als solche anzusehen und sie als "heilige autokephale Kirche des Fiirstentums Serbien" (~ arEa autox.scpW.o; sxM"f}ata tii~ aep~t-x.i); ~jSt.J.OYla;) zu bezeichnen. Desgleichen verleihen wir ihr aile Privilegien und aile Vorrechte, welche einer selbstllndigen kirchlichen Vorstehung zukommen, so daB von nun an der Belgrader Erzbischof und Metropolit von Serbien beim Oottesdienste den gesamten orthodoxen Episkopat erwlihnen wird, und die dortigen hochwUrdigen BischOfe seinen Namen kommemorieren werden. Hinsichtlich der inneren kirchlichen Verwaltung wird er unabhlingig, im Vereine mit seiner heiligen Synode, nach der Lehre des Evangeliums, nach den geistlichen Oberliejerungen und nach den Verfiigungen unserer heiligen orthodoxen Kirche entscheiden und verfiigen. Damit aber die geistliche Einheit ('ltASUt.J.IX'tt'X."~ sY6't'YJS) sowohl mit der groBen Kirche Christi zu Konstantinopel, als auch mit den iibrigen autokephalen Kirchen Christi stets lebhaft, bUihend und in jeder Beziehung unverlindert erhalten werde, wird es Aufgabe des Erzbischofs von Belgrad und Metropoliten von Serbien sein, im Sinne der alten ererbten kanonischen Vorschrift der wechselseitigen brUderlichen Beziehung und Verbindung, welche zwischen den autokephalen Kirchen besteht, die heiligen Patriarchen in den geistlichen Oebeten zu erwlihnen, das heilige Chrisma von der groBen Mutterkirche in Konstantinopel zu empfangen, nach der kompetenterseits erfolgten Ernennung zum Vorsteher seiner Partikular-Synode

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

die vorgeschriebenen Inthronisations-Urkunden allen Patriarchen und den Ubrigen autokephalen Kirchen zu senden, in allen Fragen von allgemeiner kirchlicher Bedeutung, welche einer generellen Abstimmung und Oenehmigung bediirfen, mittels Synodalschreiben an dieselben sich zu wenden, ein Vorgang, welchen auch jede der erwahnten Patriarchalund autokephalen Kirchen, gemaB der in der orthodox-orientalischen Kirche seit der Zeit ihres Bestandes herrschenden Ordnung und Obung, der serbischen Kirche gegeniiber beobachten . wird" 34 AuBer den erwahnten autokephalen Partikularkirchen, bestehen noch zwei in Beziehung auf die Kirchenverwaltung autonome und nur in geistlich-disziplinaren und dogmatischen Angelegenheiten vom Patriarchate in Konstantinopel abhiingige Partikularkirchen, u. zw. Die Kirche in Bosnien und der Herzegowina, welche aus vier Eparchien u. zw.: 1) der dabro-bosnischen Eparchie, 2) der herzegowinischen Eparchie, 3) der Zworniker Eparchie und 4) der Eparchie von Banjaluka-Bihac gebildet wird. Die Stellung dieser Partikularkirche ist der Hauptsache nach durch das unterm 31. Marz zwischen der 5sterreichisch-ungarischen Regierung und dem Patriarchen von Konstantinopel geschlossene, von uns bereits (S. 136) erwahnte Obereinkommen normiert. Nach diesem Obereinkommen ist das oberste geistliche Oberhaupt der bosnisch-herzegowinischen Kirche der Patriarch von Konstantinopel. Das Ernennungsrecht der Bischofe fiir die erwahnten Eparchien steht Seiner k. und k. Apostolischen Majestat zu, nachdem der Namen des betreffenden Kandidaten dem okumenischen Patriarchen zur Durchfiihrung der kanonischen Formalitaten mitgeteilt worden ist. Sollte der Kandidat dem Patriarchen unbekannt sein, so wird der erwahnten Mitteilung ein die Tauglichkeit des Kandidaten fUr die Bischofsweihe dartuendes Zeugnis jenes orthodox-orientalischen Bischofs beigegeben, welchem der Kandidat unterstand 35, Die Kirche auf der lnsel Kreta. Die neue Einrichtung dieses Kirchengebietes basiert auf dem Gesetz (x.a.tet.anx.b; v6p.os) vom 20. Dezember 1900. Nach diesem Gesetze umfaBt das Kirchengebiet von
a Siehe das Werk ,Die Unabhangigkeit der serbischen Kirche" (Seite 25-27). Aile von der Synode zu Konstantinopel anlaBiich der Selbstlindigkeitserkllirung der einen oder der anderen Partikularkirche erlassenen Urkunden sind dieser lihnlich. Bei einigen ist nur die von der Empfangnahme des Chrisma in Konstantinopel handelnde Stelle ausgelassen, nlimlich bei jenen Kirchen, deren oberstem Bischof das Recht zur Bereitung des heiligen Chrisma zusteht. 3 ~ Art. II. ,Sa Majeste I. et R. Ap. nommera le nouveau metropolitain au siege devenu vacant, apres avoir comunique au Patriarcat oecoumenique le nom de son candidat pour que Ies formalites canoniques puissent ctre remplie. Dans le cas, oil ce candidat ne serait pas connu par le Patriarcat, cette communication sera accompagnee d'un certificat de l'cveque orthodoxe dont releve ce candidat, certificat prouvant son aptitude canonique pour Nre sacre eveque".

. 88. 1. Von den Partikutarsynoden.

317

Kreta folgende acht Eparchien: 1) die Eparchie von Kreta, welcher der Metropolit, das geistliche Oberhaupt des ganzen Kirchengebietes, vorsteht; 2) die Eparchie von Arkadien; 3) die Eparchie von Retimno; 4) von Kydonia und Apokorona; 5) von Lamia und Sphakia; 6) von Hierea und Sitia; 7) von Petra und 8) von Kisamo und Selino. Der Metropolit des kretensischen Kirchengebietes wird vom Patriarchen zu Konstantinopel aus einer ihm vom obersten Verweser des Landes vorgeschlagenen Terna ernannt. Die oberste Kirchenverwaltung wird von der heiligen Synode ausgeiibt, welche aus den Eparchialbischofen und dem Metropoliten als Vorsitzenden gebildet wird. An den Sitzungen der Synode, welche jahrlich im Oktober in Herakleon abgehalten wird, beteiligt sich der Staatsepitrop mit beratender Stimme. Die Synode wahlt die Eparchialbischofe und der Landesverweser ernennt aus der fUr die betreffende Eparchie vorgeschlagenen Terna einen Kandidaten. Aile die Kirche betreffenden Angelegenheiten erledigt die Synode selbstandig; nur jene Agenden, welche auf Unterrichts- und Wohltatigkeitsanstalten Bezug haben, werden von der Synode im Einvernehmen mit der Staatsgewalt besorgt. Durch dasselbe Gesetz ist auch die ganze sonstige Kirchenverwaltung auf der Inset Kreta in streng kanonischem Sinne normiert.
II. Die Verfassung der Partikularkirchen.

. 88. 1. Von den Partikularsynoden. Wahrend das Organ der Kirchengewalt fiir die Gesamtkirche das okumenische Konzil ist, bildet dieses Organ fUr die Partikularkirchen die Partikularsynode (a6voao; "t07ttxi]). Die Partikularsynode hat ihren Ursprung in der kirchlichen Praxis des apostolischen Zeitalters. Bereits urn die Mitte des II. Jahrhunderts finden wir, daB sich in verschiedenen Partikularkirchen die Bischofe immer dann versammelten, wenn in der einen oder in der anderen Partikularkirche eine wichtigere Frage sic~ aufrollte, welche zur ordnungsmaBigen Losung eine gemeinsame Behandlung erforderte 1. Diese Praxis erhielt bereits in den apostolischen Kanones kanonischen Ausdruck. Als die Partikularkirchen, in welchen einige Bischofe mit ihrem ersten Bischhof (v ao-tot:; 7tp<o-tov) sich befanden, ein abgeschlossenes Ganzes bildeten, verfiigte der 34. apostolische Kanon, daB kein Bischof irgendetwas wichtigeres ohne Wissen des ersten Bischofs und dieser nichts ohne Wissen der iibrigen BischOfe unternehmen diirfe. Dies war die allgemeine Norm. Der 37. apostolische Kanon enthielt bereits die grund. 88.
1

Siebe Anm. 7. des . 57 dieses Buches.

318

11. Teil. Die Verfassung der Kirche.

satzliche Norm, ,daB die Synode der Bischofe zweimal des jahres sich zu versammeln babe, um gemeinsam die Glaubensdogmen zu prilfen und kirchliche Streitfragen zu schlichten". Im IV. jahrhundert bestimmt der 2. Kanon des II. allgemeinen Konzils, daB aile Angelegenheiten jeder einzelnen Partikularkirche die betreffende aus den Bisch5fen des Kirchengebietes gebildete Synode zu verwalten hat. In den kanonischen Quellen wird diese~.Synode gewohnlich als Eparchial-Synode (i; tijc; S1tapxa.c; a6voaos;) bezeichnet, d. i. die Versammlung der Bischofe der betreffenden , Eparchie", namlich eines Kirchengebietes, welch em ein Metropolit vorstand, weshalb diese Versammlung auch MetropolitanSynode (f) Ot'X.Sll1. tou p:f)tp01t0Att00 auvoao;) 2 genannt wurde. Von diesen Synoden unterscheidet sich eine in den kanonischen Quellen erwahnte Synode, welche Diozesan-Synode (i) t"~c; atot-x.~ aams; a6voaoc;) genannt wird. Dieselbe wird von allen Bischofen und Metropoliten eines ausgedehnten Kirchengebietes, welches ehemals Diozese und spiiter Patriarchat genannt wurde, gebildet. Wegen dieser letzteren Bezeichnung werden diese Synoden auch Patriarchai-Synoden (~ '2ta.tptapxt-x.-1) a6voaoc;) genannt. Die Patriarchal-Synode wird im l. Kanon des .. nJ. allgemeinen Konzils erwahnt, und wurde in auBerordentlichen Fallen, wenn iiber einen Metropoliten Recht zu sprechen war, berufen; also in Fallen, welche auBerhalb der Kompetenz der Eparchial- oder Metropolian-Synode gelegen sind 3

. 89.

a) Die Metropolitan-Synode.
Die Bestimmung des 37. apostolischen Kanon iiber die Metropolitan-Synoden wurde auf mehreren Kirchenversammlungen der folgenden jahrhunderte erneuert 1. Durch den 8. Kanon des Trullaniscl1en Konzils wurde auch die Strafe fur jene Bischofe vorgeschrieben, welche die Synode nicht besuchen, und gleichzeitig festgesetzt, daB die Synoden jedenfalls einmal jahrlich sich zu versammeln haben. Der 6. Kanon des VII. allgemeinen Konzils unterwirft den Metropoliten, welcher die Berufung der bischoflichen Synode vernachlassigt, der kanonischen Bestrafung. Falls ein Bischof am Erscheinen bei der Synode verhin2 Siehe Zhishman, Die Synoden etc. S. 57 fg. j. Fesler Ober die ProvinziaiKonzilien und Diozesan-Synoden. lnnsbruck. 1849. 3 Zhishman, Die Synoden. S. 3. fg. und mein Kommentar zum t. Kanon des Ill. allgemeinen Konzils. "Pravila" I, 284. . 89. ' Siehe I. allgem. Konzil 5. Kanon; IV. aJlgem. Konzil 19. Kanon; VII. allgem. Konzil 6. Kanon; Antiochia 20. Kanon; Karthago 95. Kanon, und meinen Kommentar zu diesen Kanones. Vergl. Nomokanon VIJI, 8 (Ath. Synt. I, 155).

. 89. a) Die Metropolitan-Synode.

319

dert ist, kann er seinen Vertreter entsenden z oder seine Anschauung der Synode schriftlich mitteilen 3 Hinsichtlich der Zeit und des Ortes der Abhaltung der Synoden bestimmt der 8. Kanon des Trullanischen Konzils, daB diese zwischen Ostem und dem Monat Oktober an jenem Orte sich versammeln sollen, welchen der Metropolit hiefilr bestimmt 4. Die Kompetenz der in Rede stehenden Synoden erstreckt sich auf aile Angelegenheiten, welche das betreffende Kirchengebiet berilhren und die jurisdiktionssphlire eines Bischofs in der ihm anvertrauten Kirche iiberschreiten 5. Im 6. Kanon des VII. allgemeinen Konzils werden die in den Wirkungskreis dieser Synoden gehl>rigen Angelegenheiten in kanonische und evangelische gesondert (1te:pl. xavovtx<ilV xrxl. e:uarre:Atxd'lv 1tparp.ri-crov) 6 Zu den kanonischen Angelegenheiten zahlen die Kommentatoren alles, was auf die Oerichtsbarkeit, auf die Verwaltung des Kirchenverml>gens, auf die Wahl der Geistlichen der hl>heren Grade und lihnliches Bezug hat; zu den evangelischen Angelegenheiten alles dasjenige, was die Verwaltung der Sakramente und ErfUllung anderer gl>ttlicher Gebote betrifft 7. Dieser Einteilung gemliB fallt in die Kompetenz der Synoden: I. Hinsichtlich der kanonischen Angelegenheiten: 1) die AusUbung der kirchlichen Gerichtsbarkeit s; 2) die Wahl und Einsetzung der BiscMfe !I ; 3) die GrUndung eines neuen Bistums 1o; 4) die Verwaltung des Kirchenverml>gens 11; 5) die Beseitigung von Mi6brauchen, welche sich zuflillig in die Kirche eingeschlichen haben 12 ; 6) die Verurteilung der Bevl>lkerung, welche sich weigert, den erwahlten Bischof anzuerkennen ts; 7) die Versetzung der Eparchial-BiscMfe 14 ; und 8) die
~ Siehe Karth. 96. 97. Kanon und den Kommentar Balsamons zum 18. Kanon von Karthago (Ath. Synt. III, 357). " Siebe fJp6atiX'(!L~ des Johannes Kantakuzen vom Jahre 1347. Zachariae, jus. gr. rom. Ill, 698-700. ' Vergl. Nomokanon Tit. VIII, Kap. 8. (Ath. Synt. I, 155). ~ 34. apost. Kanon, Ant. 9. Kanon. " Ath. Synt. II, 577. 7 Kommentare Balsamons und Zonaras' zum 6. Kanon des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 578, 579). 8 Hieriiber wird spiUer im Kapitel tiber die kirchliche Gerichtsbarkeit gesprochen. 9 I. all gem. Konzil 4. Kan.; IV. allgem. Konzil 28. Kanon; VII. allgem. Konzil. 3. Kanon. 1 Karth. 98. Kanon. 11 Antioch. 25. Kanon; Karth. 26. Kanon. 12 VII. allgem. Konzil 6. Kanon; Nomokanon Titel VIII. Kap. 8 (1. c.). 13 Antioch. 18. Kanon. 14 Kommentar Balsamons zum 15. Kanon des I. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 147) und mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 220-221.

320

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Oberwachung der legalen Besorgung aller Angelegenheiten seitens der BischOfe in ihren Kirchen ts. II. Hinsichtlich der evangelischen Angelegenheiten: 1) die Erorterung von aufgetauchten Glaubensfragen 16; 2) die Rezension liturgischer und anderer auf den Glauben und die Kirche Bezug habender BUcher 17; 3) die Erorterung der Ausbildung des Klerus ts; 4) die Beurteilung der religiosen und moralischen Lage des Volkes 111; 5) die Oberwachung der Verwaltung der Sakramente und der Erhaltung der Ubrigen kirchlichen Zeremonien 2o; 6) die Verhinderung des Einschleichens von Aberglauben unter die Bevolkerung 21; 7) die Aufsicht Uber die allseitige Beobachtung der christlichen Vorschriften 22. Damit die Synode ihre Aufgabe kompetenzmaBig erfUilen konne und damit ihre Beschtusse vollgiltig seien, muB sie mindestens aus drei Mitgliedern, u. z. aus dem Metropoliten und zwei Bischofen gebildet sein zs. Der 12. Kanon von Karthago fordert fUr die Absetzung eines Bischofs zwolf Bisch6fe 24, Aus der kanonischen Praxis der alteren Zeit kann jedoch geschlossenen werden, daB hiezu jede ordnungsmaBig gebildete Eparchialsynode, welche jedenfalls mehr als zwei Bischofe zahlen muB, ermachtigt ist 2s.

. 90.
b) Die Patriarchal-Synode.

Balsamon fUhrt in seinem Kommentar zum 2. Kanon des II. allgemeinen Konzils an, daB in ~Uterer Zeit aile Eparchial-Metropoliten die Autokephalie besaBen, und daB sie von ihren eigenen Synoden angestellt wurden (1t&.v-cs~ o trnv '7trtpxtrnv p:qtpo1toA.ttat auto'X.Sf.FaAOt f]aav, -x.a.i U'7t0 't<i>V Ol'X.Strov aov6arov sxstpO'tOVOUV't'O) 1, und die Bi15 34. apost. Kanon; Antioch. 9. Kanon; Nomokanon Tit. I. Kap. 5 (Ath. Synt, I, 42). ts 37. apost. Kan. Antioch. 20. Kan. 17 Kommentar des Zonaras und Balsamons zum 6. Kanon des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 579). 18 VII. allgem. Konzil 2. Kanon und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 561). 19 III. allgem. Konzil 6. Kanon. Nomokanon XII, 18. XIII, 34 (Ath. Synt. I,

274. 332).

VII. allgem. Konzil 6. Kanon und Kommentar des Zonaras zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 579). ~ Nomokanon XIII, 20 (Ath. Synt. I, 321). ~ 2 Nomokanon I, 1 (Ath. Synt. I, 35). 23 Ant. 16. 20 Kanon; Nomokanon IX, 1. 6. (Ath. Synt. I, 174. 181). 2' Falls die Berufung einer grB6eren Zahl nicht moglich ist. (Ath. Synt. Ill, 322). 21 Antioch. 4. Kanon. Vergleiche diesbeziigliche Einzelheiten bei Zhishman, Die Synoden. S. 72-74. . 90. 1 Ath. Synt. II, 171.
110

. 90. b) Die Patriarchal-Synode.

321

schofe erhielten von ihnen die Cheirotonie. Zur Regelung der kirchlichen Angelegenheiten des Kirchengebietes haben die Metropoliten zu bestimmten Zeiten die Metropolitan-Synoden abgehalten (. 89). Als im IV. und V. jahrhundert die wichtigen kirchlichen Angelegenheiten in den Residenzst!idten der obersten Metropoliten, welche als Erzbischofe im weiteren Sinne galten und in den fiinf bedeutenden Zentren der damaligen christlichen Welt Patriarchen genannt wurden, verhandelt wurden, da begannen die Metropoliten minder wichtiger Orte den Charakter der Autokephalie zu verlieren. Diesen Charakter behielten im Laufe der Zeit nur jene Kirchen, welche im . 86 erwahnt wurden. Die betreffenden Metropoliten, welche den ehemaligen Charakter der Autokephalie verloren, behielten nur den frilheren Titel, und die kirchlichen Angelegenheiten ihrer Gebiete wurden auf den Synoden der obersten Erzbischofe oder Patriarchen behandelt. Auf diesen Synoden wurden die erwahnten Metropoliten gewahlt und erhielten von den Patriarchen die Cheirotonie 2. Die Patriarchal-Synode bildeten unter dem Vorsitze des Patriarchen aile Metropoliten des betreffenden Patriarchats, d. h. jene Metropoliten, welche die Cheirotonie von den Patriarchen erhielten (mxp' aotou :x,stpotoVOUlJ.EVou;) und nicht befugt waren, anderen Bischofen die Cheirotonie zu erteilen (l!-YJ sxavta; atx.atr.IV &/../..ou; E1t:tOX.01t:OU; xstpo-covstv) 3 Im Faile der Verhinderung konnten sich diese Metropoliten bei der Synode durch einen Bischof vertreten lassen oder sie waren berechtigt, ihre Anschauung schriftlich der Synode mitzuteilen 4. Im Laufe der Zeit trat eine Anderung ein, indem die Patriarchal-Synode auBer den erwahnten Metropoliten auch noch aus vielen Bischofen, namentlich aus jenen gebildet wurde, welche im Versammlungsort der Synode anwesend waren. Die Synode versammelte sich gewohnlich im Monate juni oder September jedes jahres im Residenzorte des Patriarchen 5 . Als diese Synode im Laufe der Zeit zu einer permanenten wurde, entfaltete sie ihre Tatigkeit auBer den Sommermonaten wochentlich zweimals. Der Wirkungskreis der Patriarchal-Synode war der Hauptsache nach derselbe, wie jener der Metropolitan-Synode, als Synode einer autokephalen Kirche. Nach den kanonischen Quellen gehort in den Wirkungskreis der Patriarchai-Synode: 1) die Wahl des Patriarchen;
2 jene Metropoliten, welche den Charakter der Autokephalie behielten, haben wir im . 86 genannt. 3 Kommentar Balsamons zum 8. Trull. Kanon (Ath. Synt. II, 326). ' 96. Kan. von Karthago. 1 Karthago 18. Kanon und der erwahnte Kommentar Balsamons zum 8. Trull. Kanon. (Ath. Synt. II, 326). 8 Ath. Synt. V, 402.

IDd, llrehmtthl.

21

322

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

2) die kanonische Institution der Bisch5fe; 3) die Erhebung eines Bisstums zu einem h5heren hierarchischen Grad; 4) die Versetzung der BiscMfe; 5) die Zustimmung zur Vereinigung zweier Bistilmer; 6) die Zustimmung zur Orilndung eines Bistums; 7) die Zustimmung zur Obertragung eines Bischofssitzes in eine andere Stadt; 8) das Korrektivverfahren wenn der Patriarch eine mit den Kanones nicht im Einklang stehende Entscheidung getroffen hat; 9) die Ausilbung der kirchlichen Oerichtsbarkeit in Mherer Instanz 7.

. 91. 2. Die Erzbischofe als Vorsteher der autokephalen Kirchen.


Die richtige Bezeichnung des Vorstehers einer autokephalen Kirche ist Erzbischof (apxts'lttox.o'lto~). Das erstemal findet sich diese Bezeichnung im IV. Jahrhundert, als Athanasius den Alexander von Alexandria Erzbischof nannte 1 Dieser Titel wurde spater sehr selten einem Bischof beigelegt. Bei einzelnen feierlichen AnUissen wurden die Bischofe der wichtigeren St!idte und jene, welche verm5ge ihrer Bedeutung in der Kirche sich groBer Achtung erfreuten, ErzbiscMfe genannt, wie: Leo von Rom, Anatolius von Konstantinopel, Cyrillus von Alexandria, Maximus von Antiochia und Juvenal von Jerusalem. In den Akten des IV. allgemeinen Konzils werden diese Bisch5fe als Erzbischofe bezeichnet. Seit der ersten Halfte des V. Jahrhunderts wird in kaiserlichen Novellen und ahnlichen wichtigen Dokumenten der Titel eines Erzbischofs den Kirchenvorstehern der Hauptstadte des griechisch-romischen Reiches verliehen 2 Im sechsten allgemeinen Konzil wurde bestimmt, daB als Erzbischofe die BiscMfe von Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem, sodann die Bischofe von Cypern, Neojustiniana, lberien, Ephesus und Thessalonica zu benennen sind s. Die ersten fiinf trugen noch seit dem Konzil von Chalcedon die Bezeichnung Patriarchen, die letzten filnf die Bezeichnung alterer Metropoliten. Von diesen zehn Bischofen, welche Erzbischofe im strengen Sinne, also als wirkliche erste Bischofe der Oesamtkirche bezeichnet wurden, waren acht gleichzeitig Vorsteher autokephaler Kirchen, wahrend den heiden ilbrigen BischOfen der Name von Erzbischofen wegen der Bedeutung ihrer Residenzorte und wegen des Andenkens, welches sich an die Tatigkeit des Apostels Paulus in diesen Stadten kniipfte, zuerkannt wurde. Hiedurch wurde die Orundlage fUr die in dieser Beziehung in der Kirche stets beobachte Praxis gelegt. Erzbischof im strengen Sinne wird jeder Vorsteher einer
7

91.
1
3

Dies wird eingehend bei Zhishman, Die Synoden S. 7 fg. angefiihrt. Apolog. contra Arianos. Evagrius, bist. eccles. IV, 12.

Harduini. III, 482.

. 92. a) Die Metropoliten.

323

autokephalen Kirche genannt. Derselbe Titel wurde honoris causa einzelnen BischOfen, deren Residenzorte von kirchengeschichtlicher Bedeutung oder in staatlicher Beziehung von Wichtigkeit waren, beigelegt. Diese Erzbischl)fe waren nur Titular Erzbischl)fe .
. 92.

a) Die Metropolitan. Nach den kanonischen Quellen wird der oberste Bischof eines grOBeren, mehrere Bischofe umfassenden Kirchengebietes, Metropolit genannt 1 Anfangs wurde dieser oberste Bischof der erste Bischof genannt 2; auf dem ersten allgemeinen Konzil erhielt er die Bezeichnung Metropolit, welche seit dieser Zeit im Gebrauche der Kirche geblieben ists. Ober die Beziehungen der Bisch6fe zum Metropoliten, sagt der 9. Kanon der Synode zu Antiochia Folgendes: ,In jeder Eparchie (-x.a&' h&.atYJV s1tapxtav) 4 sollen die Bischofe den der Metropolie vorstehenden Bischof, dem die Sorge tiber die ganze Eparchie obliegt, . kennen, da in der Metropole von allen Seiten jene zusammentreffen, welche in ihr tatig sind. Daher wird angeordnet, daB er einen Ehrenvorrang haben mtisse, und daB aile tibrigen BischOfe, im Sinne des alten Kanon unserer Vater, ohne ihn nichts Wichtigeres unternehmen dUrfen, auBer demjenigen, was sich auf ihr eigenes Gebiet und die dazu geh6rigen Ortlichkeiten bezieht. Denn jedem Bischof steht die Gewalt tiber sein Gebiet zu (ti]; saoto6 1tapot-x.ta;), er muB dasselbe mit der notwendigen RUcksicht gegen jedermann verwalten, sowie fiir aile von seinem Sitze abhangigen Orte genaue Sorge tragen. Er hat daher den Presbyteri und Diakonen die Cheirotonie zu erteilen und jede Angelegenheit bedachtsam auszutragen. AuBerdem darf er ohne den Bischof der Metropolie nichts unternehmen, sowie auch dieser an die Zustimmung der tibrigen Bischofe gebunden ist" 5 Dieser Kanon enthlilt eine deutliche Schilderung der Bedeutung des Metropoliten im kirchlichen Organismus. In den ersten jahrhunderten des Bestandes der Kirche waren
' Gegenwllrtig z. B. in RuBiand; im Abendlande in ~uterer Zeit : die ErzbischOfe von Ravenna, Aquileia, Arborea in Sardinien, von Mailand u. s. w. . 92. 1 Siehe . 61 S. 243 und . 84, Anm. 6. 2 Too~ E1ttO'ItO'lt0()~ h<ia-rou ~{}yf)l)~ s!OSWJ:l XP~ 'tOY 5y IX 0 't 0 l: ~ 'lt pro 't 0 v, 'lt!Xt ~"(sl:a-&~Xt IX')-rov ci>~ 'lt!f1XA~Y. 34. Kan. Apost. (Ath. Synt. II, 45). 3 4. Kan. Vergl. die in Anm. 7, . 84, erwlihnten Kanones. ' Siehe Anm. 6, . 84, woselbst die Bedeutung des Wortes Eparchie in den kanonischen Quellen erwllhnt wird. Vergl. auch Anm. 4 desselben Paragraphen, wo von der Bedeutung des Wortes Pjarre in den kanonischen Quellen die Rede ist. ~ Ath. Synt. Ill, 140-141. Vergl. den Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (Erwlihntes Werk. I, 399-400).

21*

324

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

samtliche Metropoliten iti der Verwaltung ihrer Partikularkirchen unabhangig und wurden von den BischOfen ihrer eigenen Kirche eingesetzt s. Erst nach Errichtung der Patriarchate waren die in dem betreffenden Patriarchai-Oebiete residierenden Metropoliten dem Patriarchen untergeordnet. Nach den kanonischen Quellen sind die Rechte der Metropoliten folgende: 1) Die Berufung der Metropolitan-Synoden, deren Beschlllsse ohne Anwesenheit des Metropoliten keine Oesetzeskraft haben konnten, sowie der Vorsitz bei denselben 7; 2) die Aufsicht und Leitung der Bischofswahlen 8 ; 3) die Cheirotonie eines neuen Bischofs im Vereine mit den iibrigen Bischofen 9 ; 4) die Lei tung und Oberwachung aller kirchlichen Angelegenheiten in den untergeordneten Bistiimern 1o; 5) die Sorge fiir die vakanten Bischofssitze 11; 6) die Entgegennahme von Klagen gegen BischOfe und Anordnung der Untersuchungen gegen dieselben 12; 7) die Visitation der unterstehenden Bistnmer ts; 8) die Ausfertigung der Erlaubnisscheine an die aus ihren Bistilmern zeitweilig sich entfernenden BischOfe 14; 9) die Sorge fUr. die Besetzung aller erforderlichen Dienstposten in den Bistllmern, und das Devolutionsrecht im Faile der Saumseligkeit des betreffenden Bischofs to; 10) die Kommemoration des Metropoliten seitens der SuffraganbischOfe beim . Oottesdienste 16; 11) die Verpflichtung der Suffraganbischofe, keine
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im Kommentare zum 2. Kanon des I. allgemeinen Konzils (Ath. Synt. II, 271). Vergl. auch den Kommentar des Archim. johann zu ebendiesem Kanon (erwlihntes Werk. ~ 497-500). 7 I. allgem. Konzil 6. Kan.; IV. allgem. Konzil 19. Kan.; Ant. 16. 19. Kan. und die Kommentare Balsamons zu diesen Kanones. 8 34. Kan. Apost. Ant. 9. Kan. 8 I. allgem. Konz. 4. 6. Kan.; IV. allgem. Konz. 25. 28. Kan.; Ant. 19. Kan. Vergl. in dieser Frage Zhishman, Die Synoden. S. 65-69. Im Faile der Sedisvakanz, oder aus anderen Grunden, k5nnen zwei oder drei Bischofe auch ohne den Metropoliten dem neuen Bischofe die Cheirotonie erteilen. Vergl. 25. Kan. des IV. allgemeinen Konzils; Sard. 6. Kan.; Karth. 13. Kan. und den beziiglichen Kommentar Balsamons. 10 34. Kan. Apost. ; Ant. 9. Kan. 1 ' I. allgem. Konz. 4. 6. Kan.; Ant. 19. Kan. n IV. allgem. Konz. 9. Kan.; Ant. 19. Kan.; Karth. 19. Kan; Nomok. Tit. IX. 1. Kap. (Ath. Synt. I, 164 u. ff.). 13 Karth. 52. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (erwlihntes Werk. II, 183-184). " Ant. 11. Kan.; Sard. 6. Kanon. Das Synodai-Dekret zur Zeit des Patriarchen Alexius von Konstantinopel aus dem jahre 1028 (siehe . 23 Anm. 8). u VII. allgem. Konzil. 11. Kan. und das in Anm. 14. dieses Paragraphen erwlihnte Synodal-Dekret. 16 I. II. Synode. 14. Kan.

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. 93. Die Ehren-Metropoliten.

325

wichtigere kirchliche Angelegenheit ohne Wissen des Metropoliten zu behandeln 17; 12) die Erteilung der schriftlichen Erlaubnis an jene Oeistlichen, welche sich bei dem Staatsoberhaupte des betreffenden Oebietes vorzustellen gedenken 1s; 13) dem Metropoliten allein steht das Recht zu, in seinem Oebiete die gesetzlichen Verftigungen kirchlich-weltlicher Natur kundzumachen 19 Nach den kanonischen Quellen kann der Metropolit die eben angefOhrten Rechte nur innerhalb der Orenzen des ihm unterstehenden Oebietes austiben 2o, und ist in Angelegenheiten, welche sich auf das gesamte Oebiet erstrecken, an die Zustimmung aller SuffraganbiscMfe gebunden 21. Der Metropolit, sowie die Ubrigen BischOfe, unterstehen der Oerichtsbarkeit der Synode des betreffenden Oebietes 22 . 93.

Die Ehren-Metropoliten.
Neben den mit bestimmter jurisdiktion ausgestatteten Metropoliten, erwahnen die kanonischen Quellen auch die Ehren-Metropolifen. Dieselben entstanden dadurch, daB die Kaiser neben der bestehenden alteren Hauptstadt in der betreffenden Provinz, auch andere Stadte auf die Stufe der Hauptstadt (Metropole, tJ.Stp67tOAt;) erhoben, wodurch auch der Bischof der neuen Hauptstadt den Titel des Bischofs der Metropole oder eines Metropoliten erhielt. Ebenso wurden gewisse BischOfe in WUrdigung ihrer Verdienste zu Ehren-Metropoliten erhoben 1. Solche Ehren-Metropoliten batten keinerlei Vorrechte vor den tibrigen Bischofen, sondern fUhrten nur diesen Ehrentitel und waren, gleich den anderen . Bisch Men, dem Metropoliten der betreffenden Provinz in jeder Beziehung untergeordnet 2. Da einige dieser Ehren-Metropoliten sich von der jurisdiktion des wirklichen Metropoliten der betreffenden Provinz befreien wollten, wurde im vierten allgemeinen Konzile ein besonderer Kanon erlassen, welcher die erwahnten, die Ehren-Metropoliten betref34. Kan. Apost. ; Ant. 9. Kan. Ant. 11. Kan. ; Sard. 9. Kan. 19 6. Nov. justin. Siehe S. 126 dieses Buches. Vergl. L. Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina. P. I. lib. I. cap. 39 sq. (Tom. I. p. 282 sq.); El. du Pin, De antiqua ecclesiae disciplina. Diss. I. . 12: De jure et privilegiis metropolitanorum (pag. 64 sq.); Zhishman, Die Synod en. S. 84-86. 20 II. allgem. Konz. 2. Kan. ; Ill. allgem. Konz. 8. Kan. 21 34. Kan. Apost.; Ant. 9. Kan. 22 Ill. allgem. Konz. 1. Kan. ; Sard. 6. Kan. . 93. 1 DiesHUlige Beispiele aus alterer Zeit, siehe im Kommentare des Archimandriten johann zum 19. Kanon des IV. allgem. Konzils (erwlihntes.Werk. II, 284-286) und ebenso bei Zhishman, Die Synoden. S. 61-62. 2 Siehe die Kommentare Zonaras' und Balsamons zum 12. Kan. des IV. allgem. Konzils (Ath. Synt. 11, 246-249).
18 17

326

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

fenden Vorschriften enthalt s. Den Ehrentitel eines Metropoliten behielten auch alle jene Metropoliten, deren ehemalige Gebiete den Patriarchaten einverleibt wurden 4 . 94.
b) Die Patriarchen.

Die Selbstandigkeit, welche anfangs die Metropoliten in der Verwaltung ihrer Kirchen besaBen, begann sich nach und nach in jenem MaBe zu verlieren, in welchem man daranging, die territoriale Organisation, besonders der morgenHindischen Kirche, der politischen Organisation des Reiches anzupassen. Bereits im IV. jahrhundert wird unter samtlichen Metropoliten ein Ehrenvorrang jenen eingeraumt, welche ihren Sitz in den Hauptstadten der betreffenden politischen Provinzen hatten, also jenen in Rom, Alexandria, Antiochia, Ephesus und Casarea. Diese Metropoliten werden in den kanonischen Quellen, zum Unterschiede von den anderen, Exarchen genannt 1 Auch die Metropoliten von Konstantinopel und jerusalem, welche nicht den Titel eines Exarchen fOhrten, zeichneten sich gleichfalls durch den Ehrenvorrang vor den Ubrigen Metropoliten aus 2 Trotz des Mangels ausdrOcklicher kanonischer Vorschriften, wandten sich die Metropoliten kleinerer Provinzstadte an diese obersten Metropoliten, urn bei denselben in verschiedenen fragen der Kirchenverwaltung Instruktionen einzuholen, sowie urn das Urteil derselben in Streitigkeiten verschiedener Art, welche unter ihnen enstanden waren, zu ht>ren. Die zur Entscheidung solcher Angelegenheiten bestandenen Synoden entsprachen nicht immer den Anforderungen der Verhaltnisse, und infolge dessen wandten sich die Unzufriedenen haufig im Appellationswege an die Staatsgewalt. Diese und ahnliche Umstande waren die Veranlassung, daB das IV. allgemeine Konzil die Machtsphare dieser rangsalteren Metropoliten fiber grt>Bere Gebiete festsetzte, damit jede kirchliche Angelegenheit endgiltig in den Synoden samtlicher Metropoliten des betreffenden Gebietes entschieden werden konne fi. Die
12. Kan.: ~oa~L OS ~O"fj 1tOASLt;; ot.a j(JIX!J.jJ.Ii'tro\1 ~~OLALXfuY tql 't* jJ.'tjtpo1toAeroc; Sttp.~{}'IJOIX\1 ?w6tJ.IX'tL1 !J.OY'Ijt;; &1toA~t>etroOIXY t~t;; 'tL!J.~c;, Mt 0 tYjY hXA1jat~Y ocorijc; OtOLXfuY S1ttO'lt01tOc;, O'IJAO\IO'tL aroCotJ.eYro\1 t'ij Mt' &f.ij{}ettX\1 !J.ljtpo1t6AeL troY olxeEro\1 otxcxtro\1. Ath. Synt. II, 246. ' Kommentar Balsamons zum 2. Kan. des II. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 141). Siehe . 94 dieses Buches. . 94. 1 Sard. 6. Kan. Vergl. Ilepi t~c,; ta;eroc; tro\1 {}poYroY t&Y tJ.'~tpo-.roAtt&\1 't't\lec; cxotro\1 ASjO\I'tCXL s;cxpxot 'ltCXt 01tS(J't'tjJ.Ol, 't't\lec; OS &1tepttjJ.Ot p.6YOY. Curopalatae, De Officialibus palatii CP., et officiis magnae ecclesiae. Lugdun. 1588. pag. 229. Vergl. Ath. Synt. V, 498 u. ff. Siehe auch den Kommentar Balsamons zum 9. Kanon des IV. allgem. Konzils. (Ath. Synt. II, 238). 2 I. aiigem. Konzil 7. Kan.; II. allgem. Konzil 3. Kan. 3 IV. allgem. Konzil 9. Kan.
3

. 94. b) Die Patriarchen.

327

jurisdiktion dieser rangsalteren Metropoliten hestand bereits tatsachlich und hat sich durch Gewohnheit schon seit dem I. allgemeinen Konzil eingebiirgert; das IV. allgemeine Konzil hatte dieser Gewohnheit nur Gesetzeskraft zu verleihen. Die frOheren Exarchen wurden nun die obersten Metropoliten in den betreffenden Gebieten, mit dem Titel Patriarchen . Diese obersten Metropoliten oder Patriarchen unterschieden sich von den iibrigen Metropoliten dadurch, daB diese letzteren nur die jurisdiktion tiber eine Eparchie (s1tu.pxu.) besaBen, wahrend den ersteren groBe Gebiete (awtx:r;at~) mit allen Metropoliten des Gebietes unterstanden. Die diesfallige Verordnung des IV. allgemeinen Konzils wurde von den griechisch-romischen Kaisern als Staatsgesetz anerkannt 5. Die Rechte der Patriarchen im allgemeinen sind durch den 9. und 17. Kanon des IV. allgemeinen Konzils normiert, wonach die oberste Gerichtsbarkeit in kirchlichen Fragen des betreffenden Patriarchats dem Patriarchen zukommt. Aus dieser allgemeinen kanonischen Verfiigung wurden dann die besonderen Rechte hergeleitet, deren die Patriarchen, als die obersten Vorsteher ihrer Gebiete, teilhaftig wurden. Der Hauptsache nach sind diese Rechte denjenigen gleich, welche, wie wir gesehen haben, von den Metropoliten, als selbstandigen Kirchenoberen in ihrer Metropolie, ausgeiibt wurden. Insbesondere stand den Patriarchen zu: 1) Die Bestatigung der von den betreffenden MetropolitanSynoden gewahlten Metropoliten, sowie die Cheirotonie derselben s; 2) die Bestimmung des StrafausmaBes in den Synoden for den Metropoliten oder Bischof, welcher sich eines Deliktes schuldig gemacht hatte 7; 3) das Recht des Stauropegion, d. h. die Befugnis, durch die Entsendung des Patriarchenkreuzes bei der GrOndung einer Kirche oder eines Klosters in irgendeiner Eparchie des eigenen Patriarchal-Sprengels, die Kirche oder das Kloster sich unmittelbar unterzordnen, so daB dadurch die Abhangigkeit der Kirche oder des Klosters von dem betreffenden Bischof aufgehoben wurdes, und 4) das Recht der Komme Die Bezeichnung ,Patriarch" ist in den Kanones des IV. allgem. Konzils nicht erwlihnt. Dieses Konzil spricht nur von dem Exarchen der Diozese (6 lie!tpxo~ rij~ OtOt'X.~CJE(I)~ 9. und 17. Kan.), welchem die obersten Rechte in dem betreffenden Gebiete zuerkannt werden. Siebe meine Angaben in der Pancsovaer {1.) Ausgabe der ,Pravila". (II, 430-433). 5 123. Nov. justin. c. 22; 137. Nov. c. 17. Cf. Basilicor. lib. Ill. tit. I. c. 17. 38. 6 IV. allgem. Konz. 28. Kan.; Nomok. I, 5. VIII, 1 (Ath. Synt. I, 42. 142). 1 Nomok. IX, 6 (Ath. Synt. I, 180). 8 Das Recht des Stauropegion des Patriarchen behandelt hauptslichlich Balsamon (Kommentar zum 31. Kan. Apost. Ath. Synt. II. 40-42; vergl. Syntagma des Blastares E. 10, im Ath. Synt. VI, 257). Vergl. ITljMJ..wv, Scholie zum 31. Kan. Apost. (Ed. cit. pag. 33), und Beveregii in Kan. 19. Nicaeni II. (Annot. p. 168-169). Gegen das Recht des Stauropegion der Patriarchen, siehe Schaguna, Compend. des lcanonischen Rechts. . 237-241 {Ed. cit. S. 198-202).

328

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

moration ihres Namens durch die untergeordneten Metropoliten beim Gottesdienste 11. Dies waren die einzigen pers5nlichen Rechte der Patriarchen; aile Ubrigen Angelegenheiten muBten sie synodaliter entscheiden und unterstanden selbst der Gerichtsbarkeit der Synode 10. Die ftir die Wahl der Metropoliten, als selbstandige Haupter ihrer Kirchen, bestandenen kanonischen Vorschriften, galten urspriinglich auch fUr die Patriarchen. Sie wurden namlich von der betreffenden Metropolitan-, beziehungsweise Patriarchal-Synode, gewahlt und von ebendieser Synode in das Amt eingefiihrt 11 Spater ging das Recht der Bestatigung der Patriarchen auf die Staatsgewalt, d. i. auf das Staatsoberhaupt, als den Schirmer der Kirche ii ber 12. Nach den Worten Simeons von Thessalonica, hestand zu seiner Zeit (gest. 1430) folgende
9

I. II. Synode. 14. 15. Kan. Ober die Rechte der Patriarchen, vergl. MsA.S't'Yj

Xlipw 'tow 'lttX'tptotpXt'X.ii.IV 'ltpOVO(llWV Balsamons (Ath. Synt. IV. 542-555); El. du Pin,

De antiqua ecclesiae disciplina. Diss. I. . 13: De privilegis Exarchorum seu Patriarcharum (p. 73 sq.); Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina. P. I, I. I. c. 7 sq. (1, 56 sq.). Ober die Rechte und die Gewalt des Patriarchen von Konstantinopel wll.hrend der ersten 150 Jahre nach der Unterwerfung Konstantinopels durch die Tiirken, siehe ,Hrist. Ctenije" fiir das Jahr 1861. II, 107 u. ff. Vergl. Pawlow, Die Theorie des orientalischen Papismus in der neuen russischen Literatur (Pravosl. Obozr. 1879. III, 476 u. ff.). 10 IV. allgem. Konz 28. Kan. Kommentar Balsamons zum 12. Kanan von Antiochia (Ath. Synt. lll, 147). 11 Hiefiir galt die allgemeine Norm der Bischofswahl, wovon das 1. Kap. der 123. Novelle justinians handelt (Cf. Basilicorum Ill, I, 8. Ed. cit. I, 93). u Beziiglich der erhobenen Einwendungen gegen die Teilnahme der Herrscher an der Einsetzung der Patriarchen, antwortet Simeon von Thessalonica Folgendes: ,Nicht der Kaiser allein setzt den Patriarchen ein, sondern die Synode; der fromme Kaiser wirkt nur diesfalls mit, und zwar nicht allein aus dem Grunde, weil er der Beschirmer der Kirche (~xikx.o.; ti)<; Sx'X.A'fj"(a.;) und der von Gott Gesalbte ist, sondern auch deshalb, urn durch diese seine Mitwirkung die Handlung der Kirche zu beschirmen und derselben eine grossere Kraft zu verleihen". (Uber die heiligen Handlungen, nach der russischen Obersetzung 192. Kapitel, nach Migne cap. CCXXVII). Vergl. Zhishman, Die Synoden, p. 9-10. n. I. Bevor noch die byzantinischen Kaiser an der 7tp6~A'fjat.; des Patriarchen von Konstantinopel teilnahmen, iibten die abendllindischen Herrscher bei der Wahl der Plipste das Bestiitigungsrecht aus. Als Beweis hiefiir dienen: die Verordnung des Kaisers Honorius, welcher im Jahre 418 die Wahl Bonifacius' I. bestlitigte und jene des Eulalius verwarf; das Edikt Octoakers vom jahre 483, wonach keine Papstwahl sine nostra consultatione stattfinden durfte; das Gesetz Theodorichs, durch welches das diesbeziigliche Edikt Odoakers bestll.tigt wurde u. s. w. Nach der Verordnung des Lateranensischen Konzils (1179), wonach die Papstwahl ausschlieBlich dem Kardinals-Kollegium iiberlassen wurde, erhielt das Bestlitigungsrecht der Herrscher bei der Papstwahl einen negativen Charakter und verwandelte sich in das jus exclusivae, d. i. in das Recht der AusschlieBung jener Personen, welche den Intentionen der betreffenden abendllindischen Herrscher nicht entsprachen. Siebe Progr. de jure exclusivae, ut appellant, quo Caesar Augustus uti potest, quum patres purpurati in creando Pontefice sunt occupati. Marburg 1740. Cf. Staudenmajer, Geschichte der Bischofswahlen. Tiibingen 1830.

. 95. Die Stellvertreter der Patriarchen.

329

Norm fUr die Einsetzung des Patriarchen von Konstantinopel: Nach dem Tode des Patriarchen berief der Kaiser die in der Nahe residierenden BischOfe zu der in einer besonderen Synode vorzunehmenden Wahl, an welcher auBer den Bischofen, der groBe Chartophylax des Patriarchenhofes teilnahm. Drei Kandidaten wurden gew1l.hlt, deren Namen von zwei BischOfen und dem Chartophylax dem Kaiser unterbreitet wurden, worauf dieser aus der Terna einen zum Patriarchen ernannte. Sod ann wurde die lnthronisation ( 8v&povtcrp.6<;, 7tp6~1.:1Jut~) des Neuerwahlten dadurch vollzogen, daB der Kaiser ihn mit dem Patriarchenmantel und der Panagia, welche Oegenstande von ihm, als dem Beschirmer der Kirche, nach dem Tode des friiheren Patriarchen aufbewahrt wurden, bekleidete und ihm sodann in der kaiserlichen Residenz personlich den Patriarchenstab mit der feierlichen Erklarung iiberreichte, daB er ihn als Patriarchen anerkenne 13 Abgesehen von dem etwas abweichenden Formalismus bei der Inthronisation, war der Vorgang bei der Einsetzung der iibrigen orientalischen Patriarchen ein ahnlicher. Nach der Unterwerfung Konstantinopels hat die turkische Regierung der Hauptsache nach diesen Vorgang bei der Patriarchenwahl, welcher sich bis zum Jahre 1860 erhielt, anerkannt a. In diesem Jahre wurde der 'gegenwartige Modus der Patriarchenwahl eingefiihrt ( 97). . 95.

Die Stellvertreter der Patriarchen.


Die groBe Ausdehnung der Patriarchate und die den Patriarchen erwachsende Schwierigkeit, tiber gewisse, besonders weit entfernte Teile des Patriarchats die Aufsicht zu fi.ihren, waren die Veranlassung, daB einzelne Metropoliten von den Patriarchen als deren Stellvertreter ernannt wurden, und in den ihnen anvertrauten Oebieten im Namen des Patriarchen die obcrstc Ocwalt ausi.ibten. Die kanonischen Quellen nennen diese Stellvertreter der Patriarchen, Exarchen der Patriarchen ('lta.tpw.px_txol s~a.px_ot) 1 Einst wurden diese Exarchen nur fi.ir eine bestimmte Zeit zur Visitation bestimmter Metropolien, Eparchien oder Kloster im Namen des Patriarchen crnannt, und endete ihr Dienst nach Durchfi.ihrung des ihncn erteilten Auftrages 2 In dcr Regel aber ernannten die Patriarchen jene Metropoliten zu ihren Exarchen, deren Sitze im Oenusse gewisser historischer Privilegien standen oder deren MetroOber die heiligen Handlungen, Kap. 189 (nach Migne cap. CCXXIV). Siehe den erwllhnten Artikel in ,Hrist. Ctenije". S. 108-111. 1 . 95. Siehe das Werk Curoplatae, De officialibus etc. (erwahnt in Anm. 1, . 94 dieses Buches, und Zhishman, Die Synoden. Anm. 5, S. 158). 2 Ober derartige Exarchen der Patriarchen, siehe Zhishman. Die Synoden. s. 158. 159. 21 1
13

330

II. Teil. Die Verfassung der Kircbe.

politen mit RUcksicht auf ihre Lage eine im Verhaltnisse zu den Ubrigen Metropolien desselben Patriarchalsprengel besondere Stellungen einnahmen. Der Metropolit der serbischen Kirche in den l}sterreichischen Landern war nach der Einwanderung der Serben, namlich zu Beginn des XVIII. jahrhunderts, Exarch des Patriarch en von lpek s; dieselbe WUrde bekleidete auch der Metropolit von Cetinje in Montenegro und der dabro-bosnische Metropolit fiir die serbische Kirche in Dalmatien s. . 96. 3. Die gegenwii.rtigen autokephalen Bischofe. In der Verfassung der morgenUlndischen Kirche ist es hinsichtlich der betreffenden Rechte irrelevant, welchen Titel der oberste Bischof der betreffenden autokephalen Kirchen tragt. Diese BischMe sind untereinander, was ihre Jurisdiktion anbelangt, gleichgestellt, mogen sie die Bezeichnung Patriarchen, Exarchen oder Metropoliten fiihren, sobald von der kompetenten Obrigkeit die Selbstandigkeit der Verwaltung der ihnen anvertrauten Kirchen anerkannt, und sobald diese SelbsUindigkeit von der Oesamtkirche genehmigt ist. In Anlehnung an die zweifache Form der obersten Verwaltungseinrichtung in den selbstandigen Kirchen, welche in alterer Zeit festgesetzt wurde, bestehen in den gegenwartigen autokephalen Kirchen zwei Formen dieser obersten Verwaltungsinstitution, von denen die eine durch die periodischen Synoden und die andere durch die standigen Synoden bei den ersten Bischofsstiihlen der betreffenden selbstandigen Partikularkirchen reprasentiert werden. Die periodischen und die standigen Synoden bilden die obersten Verwaltungsorgane oder das Organ der obersten Oewalt in der betreffenden Partikularkirche, und soil von denselben in . 99 besonders die Rede sein. Da aber diese Synoden, urn einen vollgiltigen BeschluB fassen zu k5nnen, unter dem Vorsitz ihres gesetzlichen Oberhauptes, welches die betreffende Partikularkirche den Ubrigen Partikularkirchen und der Staatsgewalt gegeniiber vertritt, abgehalten werden milssen; da dieses Oberhaupt zur Zeit, wenn die Synode nicht versammelt ist, namentlich in jenen Kirchen, in welchen periodische Synoden abgehalten werden, besondere von den Rechten der ilbrigen Bisch5fe der betreffenden Partikularkirche verschiedene Rechte genieBt; da endlich bei dieser Stellung der erwahnten kirchlichen Oberhaupter auch ihre Wahl und Einsetzung von jener der iibrigen Bischt>fe abweicht; so wollen wir die Einsetzung dieser autokephalen BischMe und ihre personlichen Rechte zuerst er3
4

Siebe Anm. 12, . f51. Milutinovich, Oeschicbte Montenegros. S. 79-80. Siehe meine Arbeit: Das rechtgUiubige Dalmatien. S. 174.

. 97. Die Einsetzung der heutigen autokephalen BiscMfe.

331

Brtern, und sodann jene obersten Organe erwahnen, welche in den heutigen autokephalen Kirchen bestehen.
. 97.

Die Einsetzung der heutigen a.utokepha.len Bischofe. Die Einsetzung des obersten Bischofs in dem grBBeren Teile der heutigen autokephalen Kirchen erfolgt nach jener Rechtspraxis, welche sich im Mittelalter eingebiirgert hatte. Die Synode wahlt namlich die betreffenden Personlichkeiten und unterbreitet das Wahi-Eiaborat der Staatsregierung, welcher das Recht zusteht, den obersten Bischof zu bestatigen und demselben die Anerkennungs-Urkunde auszufertigen. In einigen Kirchen wird die altere Form der Einsetzung des obersten Bischofs angewendet; hier ist namlich die Teilnahme der Volksvertreter bei der Wahl gestattet, unter Wahrung des Bestatigungsrechtes der Staatsregierung. Nur in einer der gegenwartigen autokephalen Kirchen ernennt die Staatsgewalt allein den obersten Bischof, worauf die betreffenden Bischt>fe denselben der kanonischen Prfifung unterziehen und nach Konstatierung der Wiirdigkeit desselben, den vorgeschriebenen kirchlichen Akt der Einsetzung vornehmen. Die Patriarchen von Alexandria, Antiochia und jerusalem werden von den betreffenden Synoden gewahlt und den Erwahlten BestatigungsUrkunden seitens der Staatsregierung ausgefolgt t. Dasselbe gilt auch ffir den Erzbischof von Cypern z. Als der oberste Bischof in Ru]Jland gilt der Metropolit von Petersburg, welcher den Titel ,Oberstes Mitglied der heiligen Synode" fiihrt s. Derselbe wird gewBhnlich aus der Zahl der vorhandenen Bischofe gewahlt; sollte jedoch die Wahl nicht auf einen Bischof fallen, so wird von der Synode der Regierung eine Terna vorgelegt, aus welcher eine Personlichkeit bestatigt wird 4, lm Konigreiche Griechenland wird der Metropolit von Athen, welcher der Vorsitzende in der Synode und als solcher der oberste Bischof der autokephalen Kirche des Konigreiches ist 5, auf gleiche Weise wie in RuBland eingesetzt a. Der Erzbischof von Sinai wird von den Monchen des dortigen Klosters gewahlt und von der Staatsregierung bestatigt, worauf nach erfolgter kanonischer Prilfung die Einsetzung von dem Patriarchen in jerusalem mit seiner Synode vorgenommen wird 7.
. 97.

Silbernagl. Verfassung. S. 21. Siehe . 87, Anm. 5. 3 Ukas vom 9. Juli 1819 (Barsow, Sbomik. Nr. 28). ' Ukaz vom 14. Februar 1721 (Barsow. N. 389).
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Siehe . 87, Anm. 19.

332

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Unter Mitwirkung des Volkes werden folgende oberste BiscMfe gewahlt: 1) Der Patriarch von Konstantinopel. Die Wahl des Patriarchen von Konstantinopel erfolgt gegenwartig im Sinne des im September des Jahres 1860 kundgemachten und bestatigten Kanonismos. Die Wahlversammlung besteht aus geistlichen und weltlichen Mitgliedern. Zu den ersteren geMren: die Mitglieder der Synode, die zufallig in Konstantinopel anwesenden BischtHe, sowie der Metropolit von Heraklea, welcher nach der bestehenden Obung dem Neuerwahltcn den Patriarchenstab zu iiberreichen hat. Zu den weltlichen Mitgliedern zahlcn: die drci ersten Mitglieder des Patriarchal-Rates, die Mitglieder des gemischten Rates, acht Reprasentanten des Beamtenstandes, der Gouverneur der Inset Samos, drei Vertreter der Donaufiirstentiimer, sechzehn Reprasentanten des Handels- und Gewerbestandes, zwei Vertreter der Pfarrkirchen von Konstantinopel und achtundzwanzig Abgesandte der unterstehenden Eparchien. Alle Mitglieder dieser Wahlversammlung, deren jedes eine Stimme hat, bringen aus der Reihe bestimmter Kandidaten eine Terna in Vorschlag, bez!.iglich welcher die Regierung des Sultans vorher amtlich erkHirt, daB gegen dieselbe nichts einzuwenden ist. Aus dieser Terna wird eine Pers5nlichkeit von den Bisch5fen allein durch geheime Abstimmung zum Patriarchen gewahlt, welchem sodann die amtliche Anerkennung seitens des Staatsoberhauptes zuteil wird s. 2) Der Metropolit von Karlowitz. Der Metropolit von Karlowitz wird von dem National-Kirchenkongresse gewahlto, welcher nach dem KongreB-Statute des Jahres 1875 aus filnfundzwanzig geistlichen und fiinfzig weltlichen Deputierten besteht. Falls bei der Wahl, bei welcher das freie Stimmrecht herrscht, cine Einigung samtlicher Deputierten bezOglich einer Person zustande kommt, so wird dieselbe von dem landesfiirstlichen Kommissar dem Monarchen zur Bestatigung vorgeschlagen; bei geteilten Stimmen wird in der Regel derjenige bestatigt, welcher die grOBte Stimmenzahl aufzuweisen hat. Nach erfolgter kaiserHeber Bestatigung wird die feierliche Inthronisation nach dem vorgeschriebenen Ritus vollzogen 10. 3) Der Metropolit von Hermanstadt. Nach dem organischen Statute vom 28. Mai 1869 wird der Metropolit von Hermanstadt von dem
KaYOYlOfJ.O' 1tE(Jl SxAO"'(TJ' 'X/l.l otOplOfLOO tof> 1t'l.tpt~rJxon. Erwahnte Ausgabe. S. 1 u. ff. v Dieses Recht beruht auf dem Privilegium vom 20. August 1691, wurde spater durch das Erlliuterungs-Reskript (. 3) und neuerdings durch das Kongre6Statut vom 14. Mai 1875 (. 20 a.) bestatigt. 10 In dem erwahnten Kongre6-Statute heiBt es, daB der KongreB den Metropoliten nach einem "besonderen Statute" wahlt. Da jedoch diesfalls noch kein ,neues Statut" existiert, waren heute noch die Vorschriften des Erlauterungs-Reskripts ma6gebend.
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. 97. Die Einsetzung der heutigen autokephalen Bischofe.

333

National-Kirchenkongresse gewahlt, velcher zu diesem Zwecke aus 120 Deputierten (urn ein viertel tiber die Zahl der Deputierten bei einem gewfihnlichen Kongresse), wovon achtzig dem weltlichen und vierzig dem geistlichen Stande angehOren, gebildet wird. Die eine Halfte dieser Deputierten wird von dem Hermanstadter Erzbistum, die andere von den heiden zu demselben gehOrigen Eparchien (Arad und Karansebesch) entsendet. Die Wahl wird unter dem Vorsitze des Delegierten des Metropolitan-Konsistoriums bei freier Abstimmung vollzogen. Falls bei der Abstimmung cine absolute Majoritat nicht erzielt wird, wird zur engeren Wahl zwischen jenen zwei Kandidatcn geschritten, auf welche die grfiBte Stimmenzahl entfiel; bleibt auch diese Wahl ohne Resultat, so entscheidet das Los. Das Wahl-Operat wird vom KongreB dem Monarchen zu Bestatigung vorgelegt und nach deren Erteilung die Inthronisation des neuen Metropoliten vorgenommen 11. 4) Der Metropolit von Be/grad. Durch das Gesetz vom 27. April 1890 ist die Bestellung des Erzbischofs von Belgrad und Metropoliten von Serbien normiert. Der WahlkongreB besteht aus samtlichen Mitgliedern der bischfiflichen Synode, aus samtlichen Archimandriten, allen Bezirks-Protopresbyteri, den Protopresbyteri von Belgrad und Nisch, dem Vorsitzenden des Ministerrates, dem Minister fUr Kultus und Unterricht, dem Prasidenten und dem Vizeprasidenten der Nationalversammlung, sodann aus dem Prasidenten des Staatsrates, des Kassationsgerichtes, dem Prasidenten der obersten Kontrollbehfirde, den Rektoren der Hochschule und der theologischen Anstalt. Die Wahlhandlung wird unter dem Vorsitze des dem Dienstrange nach altesten Bischofs vorgenommen. Der WahlkongreB wird vom Minister fUr Kultus und Unterricht spatestens binnen drei Monaten nach eingetretener Vakanz des Metropolitensitzes berufen. Zur Vornahme einer vollgiltigen Wahl muB der KongreB auBer dem Vorsitzenden mindestens noch aus zwanzig Mitgliedern bestehen. Die Wahl erfolgt bei geheimer Abstimmung. Als gewahlt gilt derjenige, auf welchen zwei Dritteile der Stimmen gefallen sind. Entfallen beim ersten Wahlgang auf keinen Bischof zwei Dritteile der Stimmen, so erfolgt eine neuerliche Wahl, und wird derjenige als gewahlt angesehen, welchcr mehr als die Halfte der Stimmen erhalten hat. Das Wahloperat wird dem Kfinig, welchem die Bestatigung der Wahl obliegt, unterbreitet 12 Nach der koniglichen Bestatigung erfolgt die Proklamation des neuen Metropoliten unter Beobachtung des vorgeschriebenen Zeremoniells 1s.
. 155-157 des erwahnten organischen Statuts. Vor Errichtung der Hermannstadter Metropolie wurde der Bischof von Hermannstadt von den Protopresbyteri in Gegenwart des Iandesflirstlichen Kommissars gewahlt und vom Monarchen nach vorheriger Einvernahme des Metropoliten von Karlowitz bestatigt. 12 Art. 126-139 des erwlihnten Gesetzes. 13 Art. 144 desselben Gesetzes.
11

334

II. Teil. Die Verfassung der Klrche.

5) Der Exarch von Bulgarien. Als Norm fUr die Exarchenwahl gilt gegenwartig das am 13. janner 1895 kundgemachte Exarchai-Statut, welches Bestimmungen enthalt, die sowohl dem Wesen nach, als riicksichtlich der zu beobachtenden Formlichkeiten, den fUr die Wahl des Patriarchen von Konstantinopel bestehenden Vorschriften ahnlich sind. Sobald der Exarchensitz zur Erledigung gelangt, werden samtliche Eparchial-Bischofe von der Synode aufgefordert, 3 bis 5 Personlichkeiten namhaft zu machen, welche sie fUr die ExarchenwUrde geeignet erachten. Desgleichen werden die Eparchial-Bischofe vom ExarchalRate eingeladen, nach den bestehenden Normen im Vereine mit dem Volke zwei Personen weltlichen Standes als Vertreter der betreffenden Eparchie in der Wahlversammlung zu wahlen. Diese Versammlung, welche aus slimtlichen Mitgliedern der Synode, des Exarchal-Rates, den Eparchial-Bischofen und den weltlichen Deputierten der Eparchien besteht, schreitet am 61. Tage nach der seitens der Synode erfolgten Einladung, im Residenz-Orte des Exarchen, nach Anhorung der Regierung Uber das politische Verhalten der vorgeschlagenen Perst>nlichkeiten und nach entsprechender BerUcksichtigung der bezUglichen AuBerung, bei geheimer Abstimmung, zur Wahl des Exarchen. Als gewlihlt erscheint derjenige, welchem die absolute Stimmenmehrheit zufallt. Nach Bestatigung der Wahl durch die Staatsgewalt erfolgt die Inthronisation nach dem vorgeschriebenen Ritus. Der FUrst von Bulgarien erlaBt sodann nach erhaltener amtlicher Verstandigung fiber den Amtsantritt durch den neuen Exarchen, eine an das Yolk gerichtete Proklamation 14. 6) Der Metropolit-Primas von Rumiinien wird im Sinne des Gesetzes vom 14. Dezember 1872 gewahlt. Die Wahlversammlung wird von samtlichen Eparchial- und Titular-Bischofen, sowie von samtlichen, der orthodox-orientalischen Kirche angeht>renden Deputierten der Landesvertretung und den Senatoren gebildet. Zum Metropoliten kann nur eine bereits die Bischofswiirde bekleidende Persl:>nlichkeit mit Stimmenmehrheit gewahlt werden; bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los. Die Bestatigung der Wahl steht dem Staatsoberhaupte zu t 5 7) Der Metropolit von Montenegro. lm Faile der Erledigung des Metropolitenstuhles wahlt die heilige Synode unter dem Vorsitze des Bischofs von Zahumlien und Rassien eine Terna aus dem geistlichen Staude, welche dem Fiirsten behufs Ernennung eines Kandidaten zum Metropoliten vorgeschlagen wird 15 a.
Ekzarhijski ustav. Kap. 2. Art. 15-26 (Ausg. 1895, S. 5-7). Kap. I, Art. 1-7 des erwllhnten Gesetzes. Auf dieselbe Weise werden iibrigens in Rumllnien auch die iibrigen BiscMfe gewll.hlt (Art. 1 desselben Gesetzes). 1 ~ a Art. 21 Pkt. 6 des Gesetzes vom 1. jll.nner 1904.
1

14

. 98. Die personlichen Rechte der gegenwllrtigen autokephalen Bischofe.

335

Der Metropolit der Bukowina und von Dalmatien wird vom Monarchen ernannt 16. . 98.

Die personlichen Rechte der gegenwii.rtigen autokephalen Bischofe.


Wie jeder Bischof in seiner Eparchie bestimmte Rechte besitzt, welche er gem1iB seiner oberpriesterlischen Stellung in der Kirche ausiibt, ebenso kommen auch den obersten Bischofen in den betreffenden autokephalen Kirchen gewisse, durch ihre Stellung bedingte Rechte zu. Jeder von ihnen ist auch gleichzeitig Eparchial-Bischof; denn jedem ist die Verwaltung der ihm zugewiesenen Eparchie anvertraut, in welcher Beziehung er den Ubrigen Eparchial-BischOfen gleichgestellt ist. Allein gleichzeitig ist er auch das Oberhaupt der betreffenden autokephalen Kirche, in welcher Eigenschaft er den Vorrang unter den Ubrigen Bischofen derselben Kirche, und daher auch gewisse Rechte besitzt, welche den Ubrigen Eparchial-Bischofen nicht zukommen. Der Jurisdiktion nach sind aile obersten Bisch5fe der autokephalen Kirchen untereinander gleichgestellt; denn nach dem Geiste des kanonischen Rechts der orthodox-orientalischen Kirche erscheint es absolut ausgeschlossen, daB einem derselben die Jurisdiktion tiber andere zusteht, mag auch der von dem Betreffenden eingenommene bisch5fliche Thron noch so bedeutend sein. Unter ihnen besteht nur ein Ehrenvorrang, welcher jedoch nur von 1iu6erer Bedeutung ist und keinerlei EinfluB auf die innere Verwaltung der betreffenden Kirche hat 1.
16 Dies gilt gemliB bei der den byzantinischen Kaisern hinsichtlich einzelner Metropoliten bestandenen Praxis (siehe die Verordnung des Kaisers Nikephorus Phokas [963-969] bei Cedren. II. 368; Zonaras, Annal. XVI, 25; Nov. lsaacii Angeli 1181. ap. Zachariae, jus graeco-romanum. Ill, 508; Ath. Synt. V, 314; Verordnung der Patriarchal-Synode von Konstantinopel vom Jahre 1317, in Acta Patr. Const. I, 69), sowie auf Grund des historischen Rechts, welches dem Kaiser von Clslerreich hinsichllich der morgenlllndischen Kirche in der Bukowina zukommt (vergl. die kaiserlichen Reskriple vom 20. November 1822, 8. juni 1829 und 6. November 1834). . 98. 1 Dieser Ehrenvorrang unter den obersten BischOfen der autokephalen Kirchen wurde slels und wird auch dermalen in den Synoden, an welchen diese Bischofe teilnehmen, beziiglich der Fertigung der Rundschreiben oder anderer amtlicher Schriftstiicke, welche im Namen der allgemeinen Kirche ausgefertigl werden u. s. w. beriicksichtigt. Die diesfllllige Rangordnung ist durch die in den von der allgemeinen Kirche angenommenen und bestlltigten Katalogen enthaltene Reihenfolge der einzelnen Kirchen bestimmt. Die altere Reihenfolge unter den einzelnen Kirchen ist in Beveregii, Synodikon. II. Annot. 135 sq. aufgenommen und ein Vergleich mit anderen im Ath. Synt. V, 455 u. ff. enthalten. Die gegenwarlige Reihenfolge ist: 1) Das Palriarchat von Konstantinopel, 2) das Patriarchal von Alexandria, 3) das Patriarchal von Antiochia, 4) das Patriarchat von jerusalem, 5) die Kirche im Kaisertume RuBiand, 6) das Erzbistum Cypern, 7) die Karlowitzer Metropolie, 8) das Erzbistum Sinai, 9) die Metropolie von Montenegro, 10) die Kirche im Konigreiche Oriechenland, 11) die Metropolie von Hermannstadt, 12) die Metropolie der Buko-

336

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Die persOnlichen Rechte, welche die obersten BiscMfe in den heutigen autokephalen Kirchen ausiiben, sind der Hauptsache nach dieselben, welche in alterer Zeit den Metropoliten, als selbstandigen Oberhiiuptern der betreffenden Partikularkirchen zustanden 2. Aile diese Rechte entspringen aus der Stellung, welche sie als Vorsitzende der bischOflichen Synoden des betreffenden Kirchengebietes, sowie als Leiter der Geschafte der Synode einnehmen. Unter den diesfalls bestehenden kirchenrechtlichen Vorschriften sind in dem Synodal-Statute der Metropolie der Bukowina und von Dalmatien die einzelnen Rechte des obersten Bischofs taxativ angefiihrt. Nach diesem Statute stehen dem Metropoliten des erwahnten Gebietes, wie jedem obersten Bischofe eines autokephalen Kirchengebietes, innerhalb der Grenzen desselben, folgende Rechte zu: 1) Die Berufung, Eri:iffnung und SchlieBung der Synode, der Vorsitz in derselben und die Leitung der Verhandlungen; 2) Die Vorlage der Synodal-Beschlilsse an die Staatsregierung, beziehungsweise der Vollzug der Beschlilsse ; 3) die Vertretung des betreffenden Kirchengebietes den librigen autokephalen Kirchen, sowie der Staatsregierung gegenUber; 4) die Oberaufsicht tiber die kirchlichen Angelegenheiten innerhalb des Kirchengebietes, sowie die Vertretung des letzteren vor der Staatsregierung; 5) die Entscheidung von strittigen Fallen, deren Erledigung bis zur nachsten Synode nicht aufgeschoben werden kann, wobei jedoch in dem Faile als die Eparchial-Bischi:ife in einer bestimmten Frage nicht schon vorher ihre Zustimmung schriftlich abgegeben haben, der MetropoUt die nachste Synode von dem beobachteten Vorgange zu verstandigen und die nachtragliche Genehmigung der erlassenen Verfilgungen einzuholen hat; 6) das Devolutionsrecht, wenn die Eparchial-Bischi:ife es unterlassen, die notwendigen Kirchenamter zu besetzen; 7) die Besorgung und Erledigung der laufenden Geschafte des Kirchengebietes, und 8) die Ernennung von Hilfsorganen zu Fiihrung der in den Wirkungskreis der kirchlichen Zentral-Verwaltung fall end en Angelegenheiten s.
wina und von Dalmatien, 13) die Kirche im Konigreiche Serbien, 14) die Kirche im Konigreiche Rumanien, 15) das bulgarische Exarchat (vergl. Ath. Synt. V, 513 u. ff.). Sonach wiirde bei einer von allen diesen Kirchenvorstehern gebildeten Synode den ersten Platz der Patriarch von Konstantinopel, den zweiten jener von Alexandria u.s. w. und den letzten Platz der Exarch von Bulgarien einnehmen, wenngleich jedem derselben in dieser Synode das gleiche Stimmrecht zustande. 2 Siehe . 92, Seite 324. 8 Erwahntes Statut . 9, 10, 13 und 19.

. 98. Die pers5nlichen Rechte der gegenwllrtigen autokephalen Bisch5fe .

337

Neben diesen in dem erwahnten Synodal-Statute angefUhrten Rechten stehen den obersten Bischofen noch folgende Rechte zu: 9) Die Mitwirkung bei der Einsetzung der Eparchiai-BiscMfe"; 10) die Sorge fUr die Bischofssitze bei eingetretener Sedisvakanz 5; 11) das Recht der Visitation der unterstehenden Eparchien s; 12) die Ausfertigung von Erlaubnisscheinen fUr die Bischofe, welche sich zeitweilig a us ihrem Bistum entfernen 7; 13) die Vestandigung zu erhalten tiber aile wichtigeren Unternehmungen der Eparchiai-Bischofe in ihren Eparchien 8 , und 14) die Kommemoration ihres Namens seitens der SuffraganBiscMfe wahrend des Oottesdienstes 9, Aus diesen Rechten der obersten Bischofe in ihren Oebieten entspringt auch der Ehrenvorrang, welcher denselben von jedermann zuerkannt werden mu6 und welcher ihnen durch die Oesetze der betreffenden Staaten gewahrleistet ist. Zur Austibung der angefnhrten personlichen Rechte der autokephalen BiscMfe ist bei denselben ein besonderes geistliches Organ, der Protosynkellos (6 7tp(l)toa6p.A.Ao;) angestellt. Derselbe ist der Vorsteher der Prasidial-Kanzlei der erwahnten Bischofe; er erledigt alle Prasidial-Akten und berichtet seinem Oberhaupte tiber alles, was in den Kreis seiner personlichen Rechte gehort. Der Protosynkellos des Patriarchen von Konstantinopel nimmt eine hohe Stellung ein. Derselbe leitet neben der Prasidialkanzlei des Patriarchen ein eigenes Amt, die groBe Protosynkellie. Er ist der Vorgesetzte aller Oeistlichen; er erteilt den Oeistlichen Auskiinfte tiber verschiedene Agenden des geistlichen Dienstes und erstattet dem Patriarchen VorschUige tiber die Besetzung von Dienstposten. Zugleich versieht er das Amt eines Vorsitzenden der Zentral-Kirchenepitropie in Konstantinopel, welche er im Vereine mit dem Archidiakon und mit noch einem hOheren Geistlichen bildetto. Als Vorsitzender dieser Epitropie und als Vertreter des Patriarchen, ist der Protosynkellos sehr oft in vielen Angelegenheiten, welche die Epitropie zu besorgen hatte, selbsttatig; haufig erU\Bt er
' Siebe . 92, Anm. 8 und 9. 5 Siehe . 92 Anm. 11. Karth. 52. Kanon. Vergl. Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (erwllhntes Werk. II, 183-184). 7 Ant. 11. Kan; Sard. 9. Kan. Vergl. Art. 10 des Kanonismos vom jahre 1860 fiber die Organisation der Synode von Konstantinopel, und den Ukas vom 14. Oktober 1865 tiber die russischen Eparchial-Bisch5fe (Barsow, Sbornik. N. 425). 8 34. Kan. Apost.; Ant. 9. Kan. Vergl. Art. 27. Pkt. 18 des Gesetzes vom Jahre 1890 iiber die Kirchenbehi:irden im Konigreiche Serbien. I. 11. Synode 14. Kan. 10 Siehe 14. Kapitel des K-xYOYLO(Lb~ 1tepi tij~ h?tAljOtaotL?t'ij~ ?teYtpo?tlj<; S1tt-tp01tijc;. 22 IIIII, llrohearoclll.

338

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Zirkulare an den Klerus in Angelegenheiten des kirchlichen Ritus und des Gottesdienstes. Bei allen iimtlichen Anll:issen, bei welchen Angelegenheiten des Klerus behandelt werden, wird der Protosynkellos vom Archidiakon (6 apxtatch.ovo~) unterstutzt und vertreten. Dieser ist das Oberhaupt der Diakonen und hat er den Diakonen gegenUber dieselbe Stellung, wie der Protosynkellos dem Ubrigen Klerus gegenilber.

. 99.
Die obersten Orga.ne in den gegenwartigen a.utokepha.len Kirchen.

In den heutigen autokephalen Kirchen sind die Synoden, welche die oberste Zentralgewalt bilden, entweder permanente oder periodische, je nachdem dieselben standig versammelt sind oder nur zu bestimmten Zeiten zusammentreten. In den Wirkungskreis einiger dieser Synoden gehfiren sowohl die auf den Olauben und den Oottesdienst, als auch die auf die Kirchenverwaltung Bezug habenden Angelegenheiten, wiihrend wieder in einigen Kirchen diese Angelegenheiten geteilt behandelt werden, so daB die Olaubens- und gottesdienstlichen Angelegenheiten der bischOflichen Synode, die auf die Verwaltung der Kirche Bezug habenden Agenden aber den Kongressen, an welchen auch Vertreter des Volkes in vorgeschriebener Weise teilnehmen, zufallen. Permanente biscMfliche Synoden bestehen in den vier orientalischen Patriarchaten, in der russischen Kirche und in der Kirche des KOnigreichs Oriechenland; alle ilbrigen autokephalen Kirchen haben periodische Synoden, auBer dem Erzbistum Sinai, woselbst der betreffende Erzbischof, wegen des Nichtvorhandenseins anderer Bischt>fe, mit seiner Oeistlichkeit die oberste Kirchenverwaltung besorgt.
I. Permanente Synoden.

1) In dem Patriarchate von Konstantinope/1 obliegt der heiligen Synode die Sorge fUr alle kirchlichen Angelegenheiten ( St~ of,rJ.S 'ta~ 'miSOtJ.Ct'ttxa~ o'lto-3-sast~). Sie besteht aus zwt>lf Bischt>fen unter dem Vorsitze des Patriarchen. Samtliche Bischofe des Patriarchats sind berechtigt, periodisch auf zwei jahre Mitglieder der Synode zu sein; jiihrlich wird die Halfte der Synodal-Mitglieder erneuert, so daB die Mitgliedschaft fUr jeden einzelnen Bischof nicht tiber zwei jahre dauert, worauf derselbe wieder in seine Eparchie zurilckkehrt. Hinsichtlich der Synodal-Entscheidungen stehen allen Mitgliedern der Synode dieselben Rechte zu, jedoch darf ohne den Patriarchen keine Entscheidung getroffen werden, geradeso wie er selbst ohne die Synode, deren Urteile
. 99.
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Siebe . 27 und 87.

. 99. Die obersten Organe in den gegenwartigen autokephalen Kirchen.

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er gleich den Ubrigen BischOfen untersteht, nichts vornehmen kann. Die Synode halt ihre Sitzungen dreimal in der Woche ab, besitzt ihr eigenes Siegel, welches sechs Bestandteile zahlt, wovon je einer von je einem aus dem abgelaufenen jahre in der Synode verbliebenen Bischof aufbewahrt wird, wahrend der Griff des Siegels beim Patriarchen hinterlegt ist, so daB ohne Kenntnis dieser sieben Personen keiner Synodal-Urkunde das Siegel beigefOgt und sonach kein amtliches Dokument von der Synode ausgefertigt werden kann, da auf jedem das Synodal-Siegel ersichtlich sein muB. Zur Synode geMren auch zwei Sekretare, die jedoch kein Stimmrecht haben, sowie der Skeuophylax, dem die Bewachung der Schatzkammer des Patriarch en obliegt 2 Neben der heiligen Synode besteht zur Besorgung der 5konomischen Angelegenheiten des Patriarchates und zur Ausiibung der Ziviljurisdiktion, der gemischte Rat ('tb s8-Vt'ltOV aw.p'lt~ {J-t'lttOY OUtJ-~06A.tov), welcher aus zwolf Mitgliedern gebildet ist u. zw.: aus vier BischOfen, welche zugleich Mitglieder der heiligen Synode sind, weshalb sie auch auvoat'lto( genannt werden, und aus acht angesehenen Personen des Laienstandes, a6!J.~ooA.ot genannt. Den Vorsitz fUhrt der lilteste Bischof. Bei wichtigeren Verhandlungen erscheint der Patriarch selbst, welcher in solchen Fallen den Sitzungen prasidiert. Die Funktion der Mitglieder dieses Rates dauert zwei jahre; jahrlich scheidet die Halfte der Mitglieder aus und wird durch neue Mitglieder ersetzt. Die weltlichen Ratsmitglieder, welche alle Bewohner Konstantinopels sind, versehen dieses Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Die bischOflichen Mitglieder wahlt die heilige Synode; die Wahl der vier weltlichen Mitglieder besorgt eine besondere Wahlversammlung (s'ltJ..ort'ltfj auvsA.suat~), welche aus 26 Vertretern der Pfarren Konstantinopels und des Bosporus, aus den Mitgliedern der heiligen Synode und aus jenen Mitgliedern des gemischten Rates, welche aus dem Rate ausscheiden, gebildet wird, so daB diese Versammlung 42 Teilnehmer zahlt. Das Wahlergebnis wird vom Patriarchen der kaiserlichen Regierung mitgeteilt. Die Sitzungen des Rates, zu deren ordnungsmaBiger Abhaltung die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteilen der Mitglieder erforderlich ist, . werden regelmaBig zweimal w5chentlich abgehalten. Zur Giltigkeit der BeschlUsse miissen diese von allen anwesenden Mitgliedern unterfertigt, vom Vorsitzenden durch das Siegel beglaubigt und vom Patriarch en bestatigt werden s. Sehr oft werden von der heiligen Synode und vom gemischten Rate gemeinsame Sitzungen abgehalten, und wird die beziigliche Versammlung, als tcX. a6o OW!J.C'ltC'l bezeichnet. Den Vorsitz in diesen Sitzungen fiihrt stets der Patriarch.
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KllVOYtO~J.oc; 'ltspi to5 OX'tJIJ.IlttOIJ-05 tijc; tsptic; aov681)o. 1862. KllYOYlOIJ.Oc; 'ltspt to5 IJ.l'l!.t05 ao~J.~oo/..[oo. 1862.

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II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

Der gemischte Rat erstreckt seine Tatigkeit bezOglich der ijkonomischen Angelegenheiten des Patriarchates auch auf den Gottesdienst, die Gotteshauser, und im allgemeinen auf geistliche Angelegenheiten; ebenso auf den Mentlichen Dienst der Geistlichen, auf die Ausgabe liturgischer BUcher und solcher geistlichen Inhaltes. Diese Angelegenheiten berUhren den gemischten Rat nur insofern, als er fUr die erforderlichen Geldmittel zu sorgen hat. Die Sorge aber dafUr, daB alles zur fijrderung des Ansehens der Kirche und im Geiste des orthodoxen Glaubens ausgefUhrt werde, wird vom Rate besonderen geistlichen Personen (1tt'Cp6mms) iibertragen, welche als solche die ZentralKirchenepitropie von Konstantinopel bilden. Diese Epitropie wird aus drei Geistlichen gebildet, welche fiir ihre Tatigkeit in Beziehung auf den Glauben unmittelbar der heiligen Synode verantwortlich sind sa. 2) In den Patriarchaten von Alexandria, Antiochia und jerusalem besteht in der Residenz des Patriarchen eine heilige Synode, welche aus den Suffragan-BiscMfen gebildet wird und alle Angelegenheiten des betreffenden Patriarchats besorgt 4. 3) In der russischen Kirche o bildet die heilige dirigierende Synode das oberste Zentral-Organ. Dieselbe besteht nach dem Ukas vom 9. juli 1819 aus sieben Mitgliedern, von denen der Metropolit von Petersburg den Titel "oberstes Mitglied" flihrt, wahrend die Ubrigen die einfache Bezeichnung ,Mitglieder" oder ,Assessorcn" filhren. Standige Mitglieder sind gewohnlich die Metropoliten; Assessoren werden die auf eine bestimmte Zeit zur Teilnahme an den Synodai-Sitzungen berufenen Eparchial-BischOfe genannt. In den Wirkungskreis der Synode, welche, wenn sie versammelt ist, wochentlich dreimal Sitzungen abhalt, gehijren aile geistlichen und die Kirchenverwaltung betreffenden Angelegenheiten des ganzen russischen Kaiserreichs 6 Bei der Synode ist ein Ober-Prokuror bestellt, welcher als Beobachter des Vollzuges der in geistlichen Angelegenheiten bestehenden Gesetze fungiert und bei den Synodal-Verhandlungen mit der Auslegung der Oesetze und der Angabe jener Daten betraut ist, welche zur Losung der betreffenden Frage im Sinne der bestehenden Normen erforderlich sind. Derselbe ist der Vermittler zwischen dem Staatsoberhaupte und der Synode, besorgt alle externen Angelegenheiten derselben und hat zu diesem
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1898.

' Silbernagl, Verfassung. Seite 21. Auf dem Rundschreiben der orthodoxorientalischen Patriarchen vom 6. Mai 1848 sind vier Bischofe und Mitglieder der Patriarchal-Synode zu Antiochia, sowie sieben Bischl:ife und Mitglieder der PatriarchalSynode zu jerusalem unterzeichnet. o Siehe . 28 und 87. ' T. Barsow, Sbomik. I. Teil. I. Abschn. 1. Kap. (S. 1-10).

. 99. Die obersten Organe in den gegenwiirtigen autokephalen Kirchen.

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Zwecke einen besonderen Gehilfen 1, sowie eine eigene Kanzlei 8 In unmittelbarer Abhangigkeit von dem Ober-Prokuror besteht ffir die Ffihrung der Bkonomischen Angelegenheiten der Synode, die OkonomieDirektion 9, Von der Synode abhangig ist das Lehr-Komitee, welches sich mit didaktisch-padagogischen Fragen befaBt, und die Aufgabe hat, durch Revisionen das Studium und die Disziplin in allen theologischen Anstalten RuBiands zu Uberwachen. Dasselbe besteht aus neun Mitgliedern geistlichen und weltlichen Standes, welchen nach Bedarf auch andere, im Lehrfache und in der Padagogik anerkannte Fachmanner beigegeben werden. Die von dem Komitee gefaBten Beschli.isse mfissen, urn rechtskraftig zu werden, die Bestatigung der Synode erhalten to. Die Synode hat ihren Sitz in Petersburg und sind derselben zwei Hilfsamter, cines in Moskau und eines in Tiflis, untergeordnet, von denen das erstere das Moskauer Synodal-Komptoir genannt wird, unter der Leitung des Metropoliten von Moskau steht und zu seinen Mitgliedern zwei BischMe und den Protopresbyter der groBen Himmelfahrtskirche in Moskau zahlt. Zu dem Wirkungskreise dieses Komptoirs geh6rt die Sorge fUr die drei gro6en Synodai-Palais samt Kirchen in Moskau, sowie fiir die Stauropegial-KIBster n. Bedeutend wichtiger als das ebenerwahnte, ist das Komptoir von Grusien und lmeretien der heiligen dirigierenden Synode. Dieses Komptoir, in welchem der Exarch von Grusien den Vorsitz ffihrt, ist aus drei Archimandriten, und zwar zwei aus Grusien und einer aus Imeretien, sowie einem Erzpriester gebildet. Demselben unterstehen die Eparchial-BiscMfe von Imeretien, Mingrelien und Gurien. Der Wirkungskreis dieses Komptoirs erstreckt sich, unter der Oberleitung der Peters burger Synode 12, auf die geistlichen und die die Kirchenverwaltung betreffenden Angelegenheiten, welche auf das Gebiet von Orusien und Imeretien Bezug haben. Zur Erhaltung der Reinheit des Glaubens und zur Verhinderung der Verbreitung von Bi.ichern, deren Inhalt dem Glauben entgegensUinde, besteht bei der Synode ein geistliches Zensur-Komitee, von welchem wieder andere Komitees in den Provinzen abhangen, unter welchen jene an den geistlichen Akademien in Moskau, Kiew und Kazan die bedeutendsten sind ts. 4) Die oberste Kirchenbeh5rde im Konigreiche Griechenland a bildet die Synode der hellenischen Kirche (tsp~ a6voaos 'tijS e~~kqlb. I. Tell. I. Abschn. 2. Kap. (S. 11-16). lb. I. Teil. I. Abschn. 3. Kap. (S. 16-21). 9 lb. I. Teil. I. Abschn. 5. Kap. (S. 27-54). to lb. I. Teil. I. Abschn. 4. Kap. (S. 21-27). 11 lb. I. Teil. U. Abschn. 7. Kap. (S. 65-70). u lb. I. Teil. II. Abschn. 8. Kap. (S. 70-80). 13 lb. I. Teil. II. Abschn. 9. Kap. (S. 80-90). u Siebe . 30.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

a(a~ t'iJ~ (Ef..t..aat:~~), welche aus fUnf bischt>flichen, mit dem gleichen Stimmrechte ausgestatteten Mitgliedern gebildet ist, von denen ein Mitglied, namlich der Metropolit von Athen, immer den Vorsitz filhrt. Die ilbrigen vier Mitglieder werden jahrlich durch andere ersetzt, doch konnen einzelne derselben auch ein zweites Jahr in der Synode verbleiben. Bei der Synode, welche jahrlich am 1. September ihre Tatigkeit beginnt, ist ein koniglicher Komissar (~aaU-txo~ 7tttpo7to~) bestellt, welcher an allen Synodal-Versammlungen teilnimmt und die Synodal-Akte nach den Mitgliedern der Synode unterzeichnet, jedoch kein Stimmrecht besitzt. Die Geschafte der Synode werden in innnere (&amtsptxti) und in auBere (s~mtsptxa) gesondert. Zu den ersteren, welche unabhlingig von der Staatsbehorde behandelt werden, geht>rt der Glaube, die christliche Moral, der Gottesdienst, die kirchliche Lehre und Disziplin; zu den letzteren, welche im Vereine mit der Staatsbehorde besorgt werden, gehoren aile sonstigen Angelegenheiten 15

II. Periodische Synoden.


a) Streng klrchllehe Synoden.

1) In der Kirche des Konigreiches Serbien bildet die bischOfliche Synode die oberste Behorde. Nach dem Gesetze vom 31. Dezember 1882 bildeten diese Synode: Der Metropolit, aile Eparchialbischt>fe, zwei Archimandriten und ein Erzpriester aus jeder Eparchie Hl. Gegenwartig wird nach dem Gesetze vom Jahre 1900 die bischoflliche Synode geradeso wie nach dem Gesetze vom Jahre 1862, nur aus den Eparchialbischofen unter Vorsitz des Metropoliten gebildet. 1st die Stelle des Metropoliten unbesetzt oder ist derselbe verhindert, so wird er von dem der Weihe nach altesten Eparchialbischof vertreten. Der Sekretar des groBen geistlichen Gerichtes ist der Aktuar in der Synode. Dieselbe versammelt sich regelmaBig jahrlich einmal im Frilhjahre oder Herbst in Belgrad; im Faile der Notwendigkeit auch zu jeder anderen Jahreszeit mit Zustimmung des Ministers filr Kultus und Unterricht. Zur Fassung vollgiltiger Beschlilsse ist die Anwesenheit des Vorsitzenden und wenigstens zweier Mitglieder erforderlich. Die Entscheidungen kanonischer Natur konnen sogleich vollzogen werden, wahrend fUr die ilbrigen die konigliche Bestatigung erforderlich ist. In den Wirkungskreis der bischoflichen Synode gehOren aile Angelegenheiten, welche sich auf den Glauben, die christliche Moral, den kirchlichen Ritus, die Ausbildung des Klerus, die Christenlehre in den weltlichen Schulen, die geistliche Disziplin, die Organisation der Eparchien, Pfarren und
~~ N6p.o~ xcxtcxatcxtt'l!.a~ t~~ fep~r; aov6ooo t* hxA.1jaftx~ t~~ 'EA.Moor;. Ath. Synt. V, 602-613. Vergl. ll. Xptato1t06A.oo l:IJAAOI~ l:eA.. 14-28. 16 Siebe . 34 dieses Buches.

99. Die obersten Organe in den gegenwllrligen autokephalen Kirchen.

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KlOster beziehen; iiberdies wahlt die bischOfliche Synode die Bischofe, verleiht kirchliche Wiirden an wUrdige Priester, verwaltet die kirchlichen Fonde und Vermachtnisse fUr Kirchen, KlOster und fUr die kirchliche Literatur, erhalt die Verbindung und Einheit in den Dogmen und im Gottesdienst mit den Ubrigen orthodox-orientalischen autokephalen Kirchen und gibt ihr Gutachten bei Verfassung von Gesetzen ab, welche sich auf die serbische Kirche und den Klerus beziehen, sowie bei der Anderung bestehender Gesetze. Als lnstanz der kirchlichen judikatur entscheidet die bischOfliche Synode Uber aile Streitigkeiten zwischen den EparchialbischOfen und dem Metropoliten, Uber aile von den BischOfen und vom Metropoliten in der Erfiillung der bischoflichen Pflichten begangene Delikte und endlich Uber Ehestreitigkeiten des Konigs und der Mitglieder des koniglichen Hauses 11. Die Apellationsinstanz in Angelegenheiten der kirchlichen Gerichtsbarkeit bildet das gro.Pe geistliche Gerich!. Dasselbe besteht aus dem Vorsitzenden, fanf ordentlichen und fUnf Ehrenmitgliedern und aus dem Sekrater. Von den ordentlichen und von den Ehrenmitgliedern bekleidet je eines die WUrde eines Archimandriten, wahrend die iibrigen vier Weltgeistliche sind. Der Vorsitzende, welcher Bischof ist, wird von der bischOflichen Synode auf ein jahr gewlihlt. Die Ubrigen Mitglieder werden mittels koniglichen Dekretes auf drei jahre bestellt. Die Sitzungen, in welchen nur dann vollgiltige Entscheidungen geflillt werden konnen, wenn der Vorsitzende und vier Mitglieder anwesend sind, werden jahrlich zweimal abgehalten. Das groBe geistliche Gericht prUft, bestlitigt, lindert und annulliert die Entscheidungen und Erkenntnisse der geistlichen Eparchialgerichte, verhandelt Uber die Kompetenzstreitigkeiten der einzelnen KirchenbehOrden, entscheidet Uber die AusschlieBung des Vorsitzenden und der Mitglieder des groBen geistlichen Gerichtes sowie der einzelnen geistlichen Eparchialgerichte und bestimmt in diesem Faile, welches geistliche Gericht Recht zu sprechen hat. Die Entscheidungen und Urteile des groBen geistlichen Gerichtes werden von den kompetenten kirchlichen und weltlichen Behorden in Vollzug gesetztts. 2) Im Konigreich Rumiinien ist die heilige Synode welche nach dem Gesetze vom 14. Dezember 1872 aus den heiden Metropoliten (von Bukarest und jassy), samtlichen Eparchial- und TitularbischOfen gebildet wird, die oberste Behorde in der Kirche 19. Den Vorsitz in der Synode filhrt der ungro-walachische Metropolit-Primas, in dessen Verhinderung der Metropolit der Moldau, und im auBersten Faile der dem Dienstrange nach alteste Bischof. Den Synodal-Sitzungen wohnt auch
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Art. 9-17 und 77 des Gesetzes vom Jahre 1900. Art. 78-94 desselben Gesetzes. Siehe . 35 dieses Buches.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

der Kultusminister mit bloB beratender Stimme bei; ist derselbe jedoch nicht orthodox-orientalischer Konfession, so wird er von einem anderen Minister vertreten, welcher der orientalischen Kirche angehOrt. In den Wirkungskreis der Synode gehOren. die rein kirchlichen Angelegenheiten, namlich die geistlichen, disziplinaren und richterlichen Angelegenheiten. Die Synode versammelt sich jahrlich zweimal, und zwar im Herbst und im FrUhjahr. Die Synodal BeschlUsse in Angelegenheiten der geistlichen Oerichtsbarkeit sind schon an und fUr sich vollgiltig, wahrend aile anderen Beschliisse der Bestatigung des Staatsoberhauptes bedUrfen 2o. 3) In der Metropolie der Bukowina und von Dalmatien ist das oberste konstitutive Organ in allen Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung und der geistlichen Oerichtsbarkeit die Metropolitan-Synode. Die Synode besteht aus dem Metropoliten, als Vorsitzenden, und den Eparchial-BischOfen. Im Faile der Verhinderung des Metropoliten oder irgendeines Eparchial-Bischofs, kann auf Grund einer schriftlichen Vollmacht die Vertretung durch einen kirchlichen WUrdentrager der betreffenden Eparchie erfolgen. Bei Verhinderung des Metropoliten hat der dem Dienstrange nach alteste Bischof den Vorsitz zu flihren. Sowohl der Metropolit als auch die Eparchial-BischOfe haben das Recht, je einen mit beratendem Votum ausgestatteten kirchlichen Wiirdenrtager zu den Synodal-Sitzungen mitzunehmen. Gewohnlich versammelt sich die Synode einmal im jahre; falls jedoch keine dringenden Geschafte vorliegen, kann hievon auch Umgang genommen werden. Die Synode versammelt sich, mit Riicksicht auf die geographische Lage der Metropolie, in der Regel in der griechischen Kirche zur heil. Dreifaltigkeit in Wien; doch kann fiber Vereinbarung des Metropoliten mit den Eparchial-BischOfen die Synode auch anderwarts zusammentreten. In den Wirkungskreis der Synode geMren aile Angelegenheiten, welche auf den Olauben, die christliche Moral, den Ritus, die geistliche Disziplin, die geistlichen Anstalten, sowie die geistliche Gerichtsbarkeit Bezug haben. Die BeschlUsse der Synode werden, insofern sie sich nicht auf den Olauben, die christliche Moral und die geistliche Oerichtsbarkeit beziehen, in welchen Fallen sie schon an und fUr sich verbindlich sind, dem Monarch en zur AllerMchsten Sanktion unterbreitet 21 4) In der Kirche des Erzbistums Cypern wird die Kirchenverwaltung von der Synode besorgt, welche von dem Erzbischof, als Vorsitzenden, und drei EparchialbischOfen gebildet wird. Dieselbe versammelt sich jahrlich nach Ostern, und ist ihr Wirkungskreis durch die allgemeinen kanonischen Norm en vorgezeichnet 22.
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Art. 8-16, 25 des Gesetzes vom 14. Dezember 1872. Siehe . 5-18 des Synodal-Statuts vom 21. August 1884. n Siebe Anm. 5 . 87 dieses Buches.

99. Die obersten Organe in den gegenwlirtigen autokephalen Kirchen.

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5) In der Karlowitzer Metropolie besteht als oberste Beh5rde flir die dogmatischen und streng geistlichen Angelegenheiten die bischojliche Synode, welche vom Metropoliten als Vorsitzenden, und von allen Eparchial-Bisch5fen gebildet wird 2s. Im Sinne des k5niglichen Reskriptes vom jahre 1868 ist der Wirkungskreis dieser Synode sehr eingeschrankt. AuBer den Angelegenheiten der geistlichen Disziplin geh<>rt in die Kompetenz der Synode die Wahl der Eparchialbisch5fe, die Bestellung der Archimandriten und aile Agenden, welche auf die theologische Lehranstalt Bezug haben. An der Synode nimmt ein k5niglicher Kommissar teil, welcher das Recht hat allen Sitzungen beizuwohnen mit Ausnahme derjenigen, in welchen Glaubens- und rein geistliche Angelegenheiten verhandelt werden, und wenn es sich urn eine Bischofswahl handelt 24, Die Synode wird vom Karlowitzer Metropoliten schriftlich nach erlangter Allerh5chster Genehmigung berufen. Die Synode soli regelmaBig jahrlich einmal zusammentreten za. 6) Nach dem organischen Statut vom jahre 1869 besteht in der Hermanstadter Metropolie fUr dogmatische und rein geistliche Angelegenheiten die bischiifliche Synode, welche aus dem Metropoliten, als Vorsitzenden, und den Eparchialbisch5fen gebildet wird zs. Der Metropolit ist verpflichtet die Synode jahrlich einmal zu berufen, und die Eparchialbisch5fe sind verhalten, an den Sitzungen teilzunehmen. In den Wirkungskreis der Synode geh<>rt: a) die kanonische Priifung des von der Eparchialversammlung zum Bischof Gewahlten; b) die Behandlung aller Fragen, welche auf den Glauben, die Sakramente und den Ritus Bezug haben; c) die Sorge fiir die Fr5mmigkeit und Moral des Klerus und des Volkes; d) die Ftirsorge, daB die theologischen Anstalten und Praparandien ihrem Zwecke entsprechen; e) die Hinausgabe von Instruktionen fiber die Eigenschaften der Kandidaten des geistlichen und des Lehrstandes und f) die Wahrung der Freiheit der Kirche und die Abwehr von Versuchen die Rube und Heiligkeit der Kirche zu beeintrachtigen 21. 7) Nach dem Statute vom 17. Mai 1871 und dem dem Ftirstentume Bulgarien angepaBten Statute vom 13. janner 1895 obliegt die oberste Verwaltung in dem bulgarischen Exarchate der heiligen Synode 2s. Die Synode besteht, unter dem Vorsitze des Exarchen, aus vier von samtlichen Eparchialbischofen gewahlten Bisch5fen, deren Mandat vier jahre dauert, worauf die Wahl erneuert wird. Die Synode versammelt
Siebe , 29 dieses Buches. Declaratorium vom 16. Juli 1779, . 21. 28 Vergl. E. Radich, Die Verfassung. S. 34-54. 26 Siebe . 31 dieses Buches. 2T , 171-174 des Statutes. 21 Siebe . 32 dieses Buches.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

sich zu den regelmli.Bigen Sitzungen einmal jahrlich, und zwar in der Zeit nach dem zweiten Sonntage nach Ostern; auBerordentliche Sitzungen werden nach Bedarf abgehalten. In den Wirkungskreis dieser Synode gehort: a) die Wahl der Eparchiai-Bischofe zwischen zwei von der Eparchial-Versammlung vorgeschlagenen Kandidaten; b) aile Angelegenheiten, welche sich auf den Glauben, die christliche Moral und den kirchlichen Ritus beziehen, c) die Handhabung der geistlichen Disziplin; d) die Ausbildung der Geistlichkeit; e) die geistliche Zensur; f) die endgiltige Entscheidung in geistlichen, in Ehe-Angelegenheiten und in Streitigkeiten zwischen Geistlichen 29. 8) In der montenegrinischen Metropolie ist nach dem Gesetze vom 1. janner 1904 die heilige Synode das oberste kirchliche Verwaltungsorgan. Diese ist, unter dem Vorsitze des Erzbischofs von Cetinje und Metropoliten von Montenegro, aus dem Bischof von Zachulmien und Rassien, den Archimandriten der Kloster von Cetinje und Ostrog, aus drei Protopresbytern und aus einem SekreUlr gebildet. Der Bischof von Zachulmien und Rassien und die Archimandriten der erwlihnten Kloster sind vermoge ihres Amtes Mitglieder der Synode, wahrend die drei Protopresbyteri von der Synode auf drei jahre gewlihlt werden. Die Synode versammelt sich zweimal jahrlich in dem Resindenzorte des FOrstentums und zwar im Friihjahr und Herbst. In den Wirkungskreis der Synode gehort: 1) die Wahl dreier Geistlicher fi.ir den erledigten bischOflichen (beziehungsweise erzbischoflichen) Thron, von welchen einer vom FUrsten ernannt wird; 2) die Oberaufsicht iiber aile Angelegenheiten der Metropolie, welche sich auf a) den orthodoxen Glauben, b) auf den Gottesdienst, c) die Rechte der Kirche und der Hierarchie, d) die geistliche Bildung, e) die Kirchenbauten, f) auf den Klerus und die pfarrlichen Bedienstungen, g) auf die Pfarren und auf die Verwaltung des Kirchengemeinde-Vermogens und h) auf die Kloster und Monche beziehen; 3) die Ausi.ibung der obersten Gerichtsbarkeit: a) in allen Angelegenheiten, welche auf die geistliche Disziplin Bezug haben, b) in Eheangelegenheiten. Die Entscheidungen der heiligen Synode in streng geistlichen und rein kirchlichen Fragen konnen ohneweiters in Vollzug gesetzt werden, wahrend die Entscheidungen in Angelegenheiten, welche die staatliche Obrigkeit berUhren, erst nach fUrstlicher Genehmigung vollzogen werden konnen.
b) Die gemischten Synoden.

Nach dem Muster des im jahre 1860 im Patriarchat von Konstantinopel eingefUhrten gemischten Rates (S. 339), welcher aus 8 angesehe~a . 4-6, 26--34, 93-97 des Statuts vom Jahre 1871, oder Art. 38-46 und 100-104 des Statuts vom jahre 1895.

. 99. Die obersten Organe in den gegenwartigen autokephalen Kirchen.

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nen Laien und vier BischOfen gebildet, die oberste Verwaltung der Angelegenheiten der kirchlichen Okonomie und der VolksaufkHirung zu besorgen hat, wurden wahrscheinlich in neuerer Zeit lihnliche gemischte Rate in drei Partikularkirchen eingefiihrt, und zwar in jener von Karlowitz, von Hermannstadt und in der bulgarischen Kirche. In den gemischten Raten dieser Partikularkirchen wurde jedoch die kanonisch bestimmte Grenze der Beziehungen zwischen der Hierarchic und dem Volke (. 53) iiberschritten, indem den Laien in kirchlichen Angelegenheiten solche Rechte eingeraumt wurden, welche ihnen nach der Organisation dcr Kirche nicht zustehen kl>nnen. Der gemischte Rat des Patriarchats von Konstantinopel wurde einerseits durch die Stellung der morgenUindischen Kirche im ottomanischen Kaiserreich und anderseits durch den Umstand veranlaBt, daB durch einen Ferman des Sultans Muhammed II. gleich nach der Einnahme Konstantinopels durch die TUrken, dem Patriarchcn von Konstantinopel neben der geistlichen auch die zivilc Jurisdiktion Uber alle orthodox-orientalischen Christen des Kaiserreichs zuerkannt wurde. Diese Ziviljurisdiktion konnte natUrlich die Synode allein nicht ausUben, sondern es wurde hiefUr bereits im XV. ]ahrhundert ein besonderes Dikasterium gebildet, in welches der Patriarch einige gewandtere juristen berief, welche im Verein mit mehreren Personen geistlichen Standes des Patriarchats unter dem Vorsitz des Patriarchen die zivilen Angetegenheiten der, der morgenHindischen Kirche angehOrenden Untertanen zu behandeln batten. Dieses Dikasterium hatte auch die Sorge fUr die okonomischen Angelegenheiten, welche auf den Kirchenbau, die AusschmUckung der Kirchen, auf die Wohltatigkeitsanstalten und auf die VolksaufkHirung Bezug batten. Dieses Privilegium des Patriarchen hinsichtlich der Ziviljurisdiktion, insofern es sich um die christlichen Untertanen des ottomanischen Kaiserreichs handelt, bestand im Jahre 1860, ats der in seiner dermaligen Zusammensetzung bestehende gemischte Rat ins Leben gerufen wurde. Das erwahnte Privilegium besteht auch dermalen, und ist dem gemischten Rate auch gegenwlirtig die Judikatur in allen zivilen Angelegenheiten der erwahnten Untertanen eingeraumt. Oberdies hat dieser Rat die Aufgabe fUr die materiellen Mittel zur Errichtung von Kirchen, Schulen und Krankenhausern und aller sonstigen offentlichen Wohltatigkeitsanstalten zu sorgen. Alle Ubrigen die Kirchenverwaltung betreffenden Angelegenheiten gehoren in die Kompetenz der Patriarchai-Synode und der ihr untergeordneten Verwaltungsorgane, deren Mitglieder ausschlie6lich dem geistlichen Stande angeMren. Der gemischte Rat in Konstantinopel konnte niclzt als Muster angefUhrt werden, nach welchem die Rate in den erwahnten Partikularkirchen organisiert sind und dies umsoweniger, wenn aus dem Vergleiche dieser Rate mit dem Rate in Konstantinopel erhellt, daB in diesem letzteren Rate die Laien (au6er

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II. Teil. Die. Vertassung der Kirche.

den zivilgerichtlich~n Angelegenheiten) in kirchlichen Angelegenheiten eine ebensolche Ingerenz besitzen, wie in jeder ordnungsmaBig organisierten Kirchenepitropie, wahrend in den Raten der erwahnten Partikularkirchen die Laien in denselben Angelegenheiten eine entscheidende Stimme besitzen. Diese Tatsache steht jedoch nicht im Einklange mit der fundamentalen Lehre des Kirchenrechts der morgenUindischen Kirche tiber die Bedeutung des weltlichen Elements in der Kirchenverwaltung und tiber die Beziehungen zwischen der Hierarchie und dem Volke. Da der Bestand der betreffenden gemischten Rate, welche als solche heute bestehen, landesgesetzlich sanktioniert ist, sollen diese hier erwahnt werden. 1) In der Karlowitzer Metropo/ie obliegt die Besorgung der die Kirchenverwaltung, die Schulen und Schulstiftungen betreffenden Angelegenheiten dem Nationa/-Kirchenkongresse, welcher unter dem Vorsitze des Metropoliten von Karlowitz von allen Eparchial-BischOfen und 75 Abgeordneten gebildet wird, deren fiinfundzwanzig aus dem geistlichen und filnfzig aus dem weltlichen Stande gewahlt werden. Der Vizeprasident wird vom Kongresse aus der Zahl der weltlichen Abgeordneten gewahlt. Der bei dem Kongresse intervenierende landesfUrstliche Kominissa(nimmt weder an den.Verhandlungen, noch an der BeschluBfassung teil. Der KongreB wird regelmaBig jedes dritte Jahr abgehalten und erfolgt die Einberufung desselben, nach erlangter Oenehmigung des Monarchen, durch den Metropoliten von Karlowitz oder . im Faile der Sedisvakanz, dnrch den Metropolitan-Kirchenrat so. Die Abwicklung der laufenden, in den Wirkungskreis des NationaiKirchenkongresses fallenden Agenden obliegt dem KongrejJ-Ausschusse, welcher aus dem Metropoliten, als Vorsitzenden, einem Bischofe, aus zwei weiteren geistlichen und fiinf weltlichen Mitgliedern besteht, welche, sowie deren Ersatzmanner, vom Kongresse aus deren Mitte gewahlt werden. In Fallen der Verhinderung des Metropoliten, ftihrt der anwesende Bischof oder dessen Stellvertreter den Vorsitz im Ausschusse. Der Vizeprasident wird von dem Ausschusse selbst, aus der Zahl der weltlichen Mitglieder gewahlt. Das Mandat des KongreB-Ausschusses dauert wahrend der ganzen KongreB-Periode, jedenfalls aber bis zur Wahl eines neuen Ausschusses. Zur Beschlu6fahigkeit ist, neben dem Vorsitzenden, die Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern erforderlich. Der KongreB-AusschuB versammelt sich regelmaBig viermal des jahres im Residenzorte des Metropoliten; au6erordentliche Sitzungen werden nach Bedarf von dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter einberufen. Der KongreB-AusschuB, desscn Vorsitzender, sowie dessen Mitglieder dem~Kongresse fiir ihre Tatigkeit verantwortlich sind,
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Kongre6-Statut vom

14. Mai 1875, . 1-20.

. 99. Die obersten Organe in den gegenwllrtigen autokephalen Kirchen.

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hat Abschriften seiner Sitzungs-Protokolle dem ungarischen MinisterPrasidenten zu unterbreiten. Der SchriftfUhrer des Ausschusses ist der National-Kirchensekretar st. FUr die Angelegenheiten der geistlichen Gerichtsbarkeit besteht gegenwartig als Appellationsinstanz (Appellatorium) der MetropolitanKirchenrat, welcher aus dem Metropoliten, als Vorsitzenden, zwei BischOfen, aus drei weiteren geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern, dem Notar, als Protokollfilhrer, und dem fiskal besteht 32, Diese heiden letzteren haben kein entscheidendes Votum. Der Metropolit ernennt seinen Stellvertreter; die bischOflichen Beisitzer werden von der Synode, die anderen geistlichen und weltlichen Mitglieder von National-Kirchenkongresse gewahlt, wahrend der fiskal vom Kirchenrate selbst ernannt wird. Der Wirkungskreis des Kirchenrates ist dem analog, welchen das ,Konsistorial-System" fiir das Metropolitan-Appellatorium vorschreibt 33, Derselbe ist die oberste Appellations-Instanz in allen gerichtlichen Angelegenheiten, welche sowohl auf die geistliche Disziplin, als auch auf Ehestreitigkeiten Bezug haben, sodann die erste Gericbts-Instanz bei Klagen gegen die Eparchial-Bischofe und Eparchial-Konsistorien; tiberdies geMren in den Wirkungskreis dieses Rates aile Angelegenheiten, welche sich auf die Glaubenslehre, auf den kirchlichen Ritus und auf die genaue Beobachtung der gesetzlichen Normen seitens der Geistlichkeit beziehen. Der Metropolitan-Kirchenrat hiUt regelmaBig zweimal jahrlich, wenn notwendig auch after, seine Sitzungen in der Residenz des Metropoliten. Da dem National-Kirchenkongresse unter anderem auch die Aufgabe zufallt, die auf die Schulen und Schulstiftungen Bezug habenden Angelegenheiten zu besorgen, so besteht als Zentralbehorde der NationalSchu/rat. Nach der Schul-Organisation vom 2. juli 1872 obliegt demselben die Leitung und Aufsicht der serbischen Elementar- und Wiederholungsschulen, sowie derjenigen hoheren Unterrichts- und Bildungsanstalten, welche aus den Nationalfonden materiell unterstUtzt werden. Dieser Schulrat besteht aus dem obersten Referenten fUr die serbischen Nationalschulen und aus sechs weiteren Mitgliedern. Den Vorsitz in demselben fiihrt der Metropolit; den Vizeprasidenten wahlt der Schulrat selbst, die Ubrigen Mitglieder der National-KirchenkongreB; als Schriftflihrer fungiert der National-Kirchensekretar. Der oberste Schulreferent wird vom Kongresse gewahlt und vom Monarchen bestatigt. Der National-Schulrat, welcher seine Sitzungen nach Bedarf, entweder Uber Berufung des Vorsitzenden oder tiber Verlangen dreier Mitglieder abhlilt,

a
33 33

Dasselbe Statut . 21-25. Die Organisation des Metropolitan-Kirchenrates vom 29. Mai 1871. Siebe . 29, S. 143.

350

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

ist, samt dem obersten Schulreferenten, bezllglich der Tatigkeit dem Kongresse verantwortlich S4, 2) In der Hermannsttldter Metropolie besteht nach dem erwlihnten organischen Statute des jahres 1869 der National-KirchenkongrejJ, welcher aus dem Metropoliten, den Eparchial-Bischofen und Uberdies aus 90 Abgeordneten, von welchen dreiBig geistlichen und sechzig weltlichen Standes sind, gebildet wird. Den Vorsitz fUhrt der Metropolit, oder im Faile der Verhinderung desselben, der dem Dienstrange nach lilteste Bischof. Die Abgeordneten werden auf drei jahre gewahlt. Der KongreB wird vom Metropoliten, oder im Faile der Sedisvakanz, vom Metropolitan-Konsistorium, nach vorher erstatteter Meldung an den Monarchen, einberufen. In den Wirkungskreis des Kongresses, welcher sich jedes dritte jahr versammelt, gehoren: a) die Sorge fUr die Erhaltung der Glaubensfreiheit und Autonomic in der orthodox-orientalischen rumlinischen Kirche, b) die Verwaltung aller Angelegenheiten, welche auf die Kirche, Schute und die Schulstiftungen Bezug haben, und c) die W.ahl des Metropoliten, sowie der Beisitzer des Metropolitan-Konsistoriums ss. Das Metropolitan-Konsistorium ist das oberste Verwaltungs- und Gerichtsorgan. Dasselbe besteht aus dem Metropoliten, als Vorsitzenden, den Eparchial-BischOfen und der erforderlichen Zahl von Ehrenbeisitzern, welche der KongreB aus seinem Mitgliedern, geistlichen und weltlichen Stan des, erwlihlt, und zerflillt in drei Senate, namlich: den rein kirchlichen Senat, den Schul-Senat und den Epitropal-Senat. In samtlichen Senaten fUhrt der Metropolit den Vorsitz. Der kirchliche Senat zahlt sechs Beisitzer geistlichen Standes; die gleiche Zahl von Beisitzern haben auch die heiden anderen Senate, jedoch mit dem Unterschiede, daB ein Drittel derselben dem geistlichen und zwei Drittel dem weltlichen Stande angehoren. FUr aile drei Senate besteht ein Sekretar und ein Fiskal, und fiir die Ehe-Angelegenheiten ein Anwalt. Der kirchliche Senat entscheidet Uber aile geistlichen Streitsachen als Appellations-Instanz, dem Schul-Senate obliegt die oberste Vcrwaltung alter konfessionellen Schulen und Anstalten, und der Epitropal-Senat besorgt die Verwaltung der Fonde, welche der Metropolie als solcher gehoren. In den allgemeinen Sitzungen des Metropolitan-Konsistoriums, an welchen die Mitglieder aller Senate teilnehmen, werden der Sekrater und der Fiskal gewahlt, und die zur Einberufung des National-Kirchenkongresses und zur Wahl der KongreB-Abgeordneten notwendigen Vorbereitungen getroffen S6.
31 Durch die . 136-143 der im Texte erwllhnten Schui-Organisation wurde die Organisation des Schulrates vom 29. Mai 1871 abgeandert. sa . 143-154 des organischen Statuts. 36 . 158-170 des organischen Statuts.

100. Historische Obersicht.

351

3) Im bulgarischen Exarchat besteht der Exarchal-Rat , derselbe aus dem Exarchen, als Vorsitzenden, und sechs angeseheneren Mitgliedern des weltlichen Standes zusammengesetzt, welche von dem Volke und Klerus aller Eparchien des Exarchats gewahlt und von der Regierung tiber Vorschlag des Exarchen bestatigt werden. Das Mandat dieser Mitglieder dauert vier jahre, worauf zu Neuwahlen geschritten wird. In den Wirkungskreis des Exarchal-Rates geMrt: a) das Schulwesen; b) die Errichtung von Kirchen und Wohltatigkeitsanstalten; c) die Verwaltung des Kirchenvermogens; d) die PrUfung der Jahresrechnungen samtlicher Kirchen und Kloster, und e) die Entscheidung der privatrechtlichen Seite in Ehestreitigkeiten 37.

Drittes Kapitel.
Die Eparchial-Verfassung.
I. Die Eparchial-BischUfe.

. 100. Historische Ubersicht. Wir haben bereits erwahnt, daB in der ersten Zeit des Bestandes der Kirche jede Stadt ihren eigenen Bischof hatte, und daB selbst in klein en Orten (sv x.ropet.t;) BischOfe residierten, von den en jeder eine bestimmte bischofliche jurisdiktion abhangig von dem Bischofe der Stadt ausUbte. Die Erklarung dafUr ist in der damaligen Lage der Kirche und in der bestandenen Notwendigkeit zu suchen, durch die Anwesenheit eines Bischofs in jedem Orte die BevtHkerung in ihrer Treue zur Kirche, welche vielfachen Verfolgungen seitens der romischen Staatsgewalt ausgesetzt war, zu erhalten. Bei dieser Sachlage war die Festsetzung der Grenzen der einzelnen Gebiete, in welchen die BischOfe ihre jurisdiktion ausUben sollten, auBerst schwer; es entstanden hieraus haufige Verwirrungen in der kirchlichen Verwaltung, und ereignete es sich auch, daB ein Bischof Klerikern aus dem Gebiete eines andern Bischofs die Cheirotonie erteilte, daB einzelne Priester von zwei BischOfen abhingen, daB sogar zwei BischOfe an einem Orte residierten 1. Erst als die Verfolgungen der christlichen Kirche im griechisch-romi.
37 . 8-9, 35-39, 98 des Statutes vom jahre 1871. 100. 1 Siehe z. B.: 14. 35. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 15. Kan. ; II. allgem. Konz. 2. Kan.; Ill. allgem. 8. Kan.; IV. allgem. 5. 10. Kan.; VIL allgem. 15. Kan.; Ant. 9. 13. 21. 22. Kan.; Sard. 1. 2. 3. Kan.; Karth. 53. 56. Kan. u. s. w., sowie die Veranlassung des Erscheinens dieser und lihnlicher Kanones im Kommentare des

Archim. johann.

352

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

schen Reiche aufhOrten, konnte die gesetzgebende Gewalt der Kirche die Grenzen genau vorzeichnen, innerhalb welcher jeder Bischof seine Jurisdiktion ausliben konnte, mit anderen Worten, es wurde eine ordnungsmaBige Eparchial-Verwaltung ermoglicht. Wir haben bereits hervorgehoben, woraus im IV. jahrhundert eine Eparchie, oder nach der damaligen Bezeichnung eine 7tcx.pot-x.lcx. gebildet war2. Dem IV. allgemeinen Konzile entnehmen wir, daB im V. Jahrhundert eine Eparchie unter der Jurisdiktion des betreffenden Bischofs aus der Stadtpfarre und aus jenen Pfarren gebildet war, welche sich an Orten befanden, die von der betreffenden Stadt in politischer Beziehung abhingen 3, Damit aber nach dem Wortlaute des 2. Kanon des II. allgemeinen Konzils "keine Verwirrung unter den Kirchen" entstehe, und sich die Zahl der Bischofe nicht unniltzerweise vermehre, verbieten die Kanones die Einsetzung von BischOfen in kleinen Stadten oder auf dem Lande, wo auch ein Presbyter ausreichend ist, und zwar aus dem Grunde, "damit der Name und die Jurisdiktion des Bischofs" keine Beeintrachtigung erfahren 4; Uberdies bestimmen die Kanones, daB bei Festsetzung der Grenzen eines Kirchengebietes stets die politische Einteilung des betreffenden Landes in Betracht gezogen werden miisse 5, und daB im Faile eines Streites darUber, welcher Eparchie eine Pfarre angehOre, stets die Zeit von dreiBig Jahren, wahrend welcher der eine oder der andere Bischof seine Jurisdiktion iiber die strittige Pfarre ausUbte, als Grundlage anzunehmen ist a. Das geistliche Oberhaupt einer Eparchie ist der Bischof 7.

. 101. Die Kandidaten fiir den Episkopat. Mit Riicksicht auf die hohe Stellung, welche die Bischofe als oberste Priester, Lehrer und Verwalter in der Kirche einnehmen, und im Hinblicke auf den Umstand, daB sie als Muster der Frommigkeit, sowie aller christlichen Tugenden dienen sollen, hat die Kirche bei der Einsetzung von Bischofen den personlichen Eigenschaften der Kandidaten fUr den Episkopat stets die groBte Aufmerksamkeit zugewendet und diejenigen der strengen Bestrafung unterzogen, welche ohne genaue
~
3

Seite 298. 17. Kan. und der Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt.

II, 261).

' "lwx (J.~ 'ltiX'CSO'CSAC7jtiXL 'CO 'COO amo'lt6'ltOO OVO(J.IX 'K.!Xt ~ (XI)il-svt[IX. Sard. 6. Kan. im Vergleiche mit Laod. 57. Kan. 5 IV. all gem. Konz. 17. Kan. ; 38. Trull. Kan. a IV. allgem. Konz. 17. Kan.; 25. Trull. Kan. und Kommentar des Archim. johann zum 17. Kan. des IV. allgem. Konzils (erwilhntes Werk. II, 296-297}. 1 Kommentar des Zonaras zum 14. Kan. Apost. (Ath. Synt. II, 18).

. tOt. Die Kandidaten fiir den Episkopat.

353

PrUfung der Qualifikation jemanden des bischoflichen Amtes far w!irdig erkHirten. Der Kandidat fUr den Episkopat muB nicht allein die fiir die Kandidaten des geistlichen Standes im allgemeinen erforderlichen, von uns bereits angefahrten (. 67-71) Eigenschaften besitzen, sondern dieselben auch durch lange Zeit hindurch konsequent bekundet haben. Die besonderen Eigenschaften des Kandidaten des Episkopats sind folgende: 1) Das vollkommen reife Alter. Wir haben bereits erwahnt (. 68), daB in den ersten Zeiten der Kirche nur jener zum Bischof erhoben werden konnte, welcher das 50. Lebensjahr erreicht hatte. Spater war es auf Grund einer Novelle justinians gestattet, auch denjenigen zum Bischof zu erheben, welcher das 30. Lebensjahr vollendet hatte. Diese Novelle ist im Nomokanon in XIV Titeln angefilhrt. Balsamon sagt in der betreffenden Scholie, daB nach dieser Novelle der Kandidat far den Episkopat mehr als 30 Jahre zahlen masse (u~p to A.'. -cos s[vet.t), und daB diese Novelle die Bedeutung der frilheren Novelle, wonach nur jener die Bischofswiirde erlangen konnte, welcher das 35. Lebensjahr vollendete, aufhob 1 Die gegenwartige kirchliche Gesetzgebung fordert im allgemeinen von den Kandidaten fUr den Episkopat kein bestimmtes Alter. In einigen Partikularkirchen besteht die Bestimmung, daB der Bischof 40 jahre alt sein masse 2. 2) Der Kandidat fiir den Episkopat muB durch lange Zeit hindurch strenges Festhalten an dem orthodoxen Glauben, sowie ein unbescholtenes Verhalten bewiesen haben. Diese Bestimmung enthalt der 12. Kanon der Synode von Laodicea. Die erwahnten Eigenschaften milssen bei der kanonischen Priifung synodaliter festgestellt werden (. 103)3. 3) Der Kandidat fiir den Episkopat muB nach der Bestimmung des 2. Kanon des VII. allgemeinen Konzils die vollstandige Kenntnis der christlichen Lehre und der Kanones besitzen 4 4) Der Kandidat fiir den Episkopat muB, falls er nicht dem
Ath. Synt. I, 67. Mein Kommentar zum 15. Kanan von Neocasarea. ,Pravila". II, 484. 2 Der Kanonismos 1tSpt tco'J &vary,~[oov 7tpoa6vt(I)V trov sk &pxlsp~ts[~v ibt:ks;(LOOV vom jahre 1860 fiir das Patriarchal von Konstantinopel sagt blo6: va sx-n )t~tti t(:/)~ E:x.xA-~ot~~tl'l(.0 1)t; M'.IOVIY.~ rijv &1t~~tO!.>(LSV1jV ~ALxkw Ap{)op. a 1). Nach Arl 2 des Gesetzes fiir Rumiinien vom jahre 1872 muB der Kandidat fiir den Episkopat im 40. Lebensjahre steheu. Vtrgl. Art. 32 (bezw. 41) des bulgarischen Exarchal-Statuts, sowie Art. 11 (bezw. 15), welcher gleichfalls 40 jahre erheischt; vergl. auch . 9'1 des organischen Statuts der Metropolie von Hermannstadt. 8 Laod. 12. Kan. Siebe Art. 1. Punkt 4, des erw!ihnten Kanonismos fiir das Patriarchat von Konstantinopel; fiir RuBiand den Ukas vom 28. August 1749 (Barsow. N. 338); erwiihnter Artikel des bulgarischen Exarchal-Statuts; erwiihnter Paragraph des Statuts fiir die Metropolie von Hermannstadt. ' Siebe meinen Kommentar zum 2. Kanan des VII. allgem. Konzils. "Pravila". I, 599. Siebe fiir RuBiand den Ukas vom 10. janner 1825; fiir das Patriarchat- von Konstantinopel Art. .2 und 3 des erw!ihnten Kanonismos; fiir Oriechenland Art. 3 IJlai, llrelleuechl. 23
. 101.
1

354

II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

M6nchsstande angeMrt, vor der Cheirotonie sich diesem Stande zuwenden. DaB der Bischof keine Frau haben darf, haben wir bereits (. 71) erwahnt; die Geschichte liefert den Beweis, daB die BiscMfe seit den altesten Zeiten aus dem Monchsstande hervorgegangen sind. Im IX. Jahrhundert war durch den 2. Kanon der zehnten Partikularsynode das Verbot erlassen, daB der Bischof in den M5nchsstand eintrete und die Bestimmung aufgestellt, daB falls er dies tut, er aufhBrt, Bischof zu sein. Hiernach war die Vereinigung der Bischofswiirde und des Monchsstandes in einer Person unzulassig. Nach dem Kommentar Balsamons bezieht sich jedoch dieser Kanan nur auf den Fall, wenn ein Bischof das groBe Ordenskleid (tJ.era OXYJ!J-IX) zu erlangen strebt; denn mit RUcksicht auf das GelUbde des unbedingten Gehorsams (u'2totar'ij~ Mrov) der Monche mit dem groBen Ordenskleide, ist es unmt}glich, daB der Betreffende im bischoflichen Range verbleibe 5 Auf ebendieser Synode wurde festgesetzt, daB jeder Kandidat fur den Episkopat vor der Cheirotonie dem Mt}nchsstande angehOren miisse. In den Akten dieser Synode heiBt es: st tt~ 11-1J tJ.Ovaxo~, oo rtvsta~ s'2t(ax.o'2to~ 6 lm XV. Jahrhundert sagte Simeon von Thessalonica, daB die bis dahin bestandene Gewohnheit, daB jeder Mt}nch sein mlisse, ehe er die Cheirotonie zum Bischof erlangt, zum allgemeinen Gesetze geworden sei 7. 5) Die neuere weltliche Gesetzgebung fordert vom Kandidaten des Episkopates, daB er Untertan jenes Staates sein miisse, in welchem er als Bischof wirken soll. Diese heute in allen Staaten geltende Bestimmung wird von der Kirche angenommen und anerkannt, denn sie hat in der Beziehung zwischen Staat und Kirche und in der Stellung des Bischofs, als geistliches Oberhaupt eines Gebietes, ihren Ursprungs.

des zweiten Teiles des Gesetzes vom jahre 1852; fiir das bulgarische Exarchat Art. 11 (bezw. 15) des Exarchal-Statuts. In Rumllnien miissen die Kandidaten des Episkopates nach Arl 2. des erwllhnten Gesetzes entweder Lizentiaten oder Doktoren der Theologie sein. In der Karlowitzer Metropolie war es Brauch, daB von dem Kandidaten fiir den Episkopat neben der theologischen Vorbildung auch noch gefordert wurde, daB er durch vier oder wenigstens durch zwei jahre den Rechtsstudien an einer Universitllt oblag. 5 Ath. Synt. II, 709. 6 Pedalion (Ausg. 1864) S. 66, Scholie zum 51. apost. Kan. 7 Pedalion, S. 67. Schaguna, Kirchenrecht. . 153. 8 Im Kanonismos vom jahre 1860 des Patriarchats von Konstantinopel wird gefordert, daB der Kandidat des Episkopates Untertan des Kaiserreiches nach der Geburt (h '(SYS'C'ij~) sein miisse. In Serbien kann nach Arl 23 des Gesetzes vom jahre 1890 ein naturalisierter serbischer BUrger zum Bischof gewil.hlt werden, wenn er wenigstens durch 5 jahre als serbischer Staatsbiirger in Serbien domiziliert. In Rumiinien Art. 2 des Gesetzes vom jahre 1872.

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. 102. Die Wahl und Einsetzung der Bischofe. In einem der symbolischen BUcher der morgenUlndischen Kirche ist die Bedeutung des Bischofs folgendermaBen dargestellt: "Ohne Bischof kann die Kirche weder sein noch als solche bezeichnet werden; denn der Bischof ist, als Nachfolger der Apostel, der durch die Cheirotonie und Anrufung des heiligen Geistes die ihm durch Sukzession von Gott verliehene Macht zu binden und zu losen erhalten hat, das lebende Ebenbild Gottes auf Erden, und durch die weihende Macht des heiligen Geistes die QueUe aller Sakramente der allgemeinen Kirche, durch welche die Erlosung erlangt wird. Der Bischof ist in der Kirche in demselben Ma6e erforderlich, wie fUr den Menschen das Atmen oder fOr die Welt die Sonne notwendig istt". Bei dieser Bedeutung des Bischofs in der Kirche ist es ganz begreiflich, wenn in vielen Kanones von dem Bischof im allgemeinen, von seinen Rechten und Pflichten, von seinen Beziehungen zur Kirche und zu seiner geistlichen Herde und insbesondere von seiner Wahl und Einsetzung die Rede ist. Mit dieser letzten Frage hat sich die kirchliche Gesetzgebung von allem Anfange ab beschiiftigt, und erst im VI. jahrhundert hat sich, nach vielen Phasen, welche diese Frage durchgemacht hat, eine bleibende Norm in dieser Beziehung gebildet 2. Mit Riicksicht auf die Wichtigkeit dieser Frage wollen wir dieselbe zuerst vom historisch-kanonischen Standpunkte betrachten und sodann den Vorgang darlegen, welcher gegenwartig bei der Wahl und Einsetzung der Bischofe beobachtet wird. . 103. a) Die Wahl und Einsetzung der Bischofe in i.lterer Zeit.
Der Stifter der Kirche hat keine Vorschriften darfiber hinterlassen, wie die Bischofe zu wahlen und einzusetzen sind. Auch die Apostel Christi sind in dieser Beziehung nicht gleichmliBig vorgegangen. An Stelle des Verraters judas haben die Apostel in einer Versammlung aller Glaubigen den Matthias durch das Los eingesetzt 1 Die Apostel Petrus und johannes haben jakobus den Rechtschaffenen, zum Bischof von jerusalem eingesetztz. Im allgemeinen haben die Apostel in den
. 102.
1 Sendschreiben der orientalischen Patriarchen vom jahre 1723 Art. 10 (Moskau, 1848 S. 22). Cf. Harduini XI, 240. E.]. Kimmel, Monumenta fidei orient. ecclesiae Uenae, 1850), pag. 437-438. ~ Siehe Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina. P. II. lib. II. cap. 1 sq. {Ed. cit. V, 1 sq.). . 103. 1 Apostelgeschichte. 1, 15-26. ~ Eusebii hist. eccl. II, 1.

23*

356

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

von ihnen gegrUndeten Kirchen abgesondert fUr sich, unabhangig von den anderen Aposteln und ohne das Einvernehmen mit der betreffenden Gemeinde zu pflegen, die BischOfe eingesetzt a. In der nachapostolischen Zeit aber wurde gemaB der Ubergeordneten Stellung des Bischofs, sowohl dem Klerus als auch den Glaubigen des betreffenden Gebietes gegeniiber, festgesetzt, daB bei der Wahl und Einsetzung des Bischofs die benachbarten BischOfc, der Klerus und das Volk jener Kirche teilzunehmen haben, fUr welche der betreffende Bischof erwahlt ist. Das iilteste diesfallige Zeugnis bietet uns Klemens, Bischof von Rom, aus dem I. Jahrhundert 4 Cyprianus, Bischof von Karthago, aus dem III. Jahrhundert, auBert sich Uber die Einsetzung der BischOfe auf folgende Weise: ,An der bei uns und fast in allen Gebieten bewahrten gottlichen Oberlieferung und apostolischen Obung muB unentwegt festgehalten werden, welche bestimmen, daB zur gesetzlichen Einsetzung eines Bischofs fUr ein bestimrntes Yolk, sich die nachsten BischMe desselben Gebietes versamrneln sollen, urn den Bischof in Anwesenheit des Volkes, welches das Leben der einzelnen vollkommen kennt und Zeuge war aller ihrer Handlungen, zu wahlen 5". In ahnlicher Weise driicken sich auch die Constitutiones Apostolorum aus s. Das /. allgemeine Konzil sagt bei der Behandlung
Timot. 4, 14. Tit. 1, 5. Eusebii hist. eccl. Ill, 4. Chrysost. in I ad Timoth. I, 18. ' Ep. I ad Corinth cap. 44. 5 ,Propter quod diligenter de traditione divina et apostolica observatione servandum est et tenendum quod apud nos quoque et fere per provincias universas tenetur, ut ad ordinationes rite celebrandas ad earn plebem cui praepositus ordinatur, episcopi ejusdem provinciae proximi quique conveniant, et episcopus deligatur plebe praesente, quae singulorum vitam plenissime novit et uniuscujusque actum de ejus conversatione perspexit". Cypriani (Ep. 68) ad clerum et plebes in Hispania consistentes. cap. 5. Vergl. den Auszug von Beveregius aus dieser AuBerung des Cyprianus iiber die Bischofswahl im Kommentare zum 4. Kanon des I. allgemeinen Konzils (Synodikon II. Annot. 47), welcher wortlich in unserem Kommentar zu demselben Kanon angefiihrt ist. ,Pravila". I, 179-180. 6 Lib. VIII. cap. 4. Wir fiihren die Stelle in lateinischcr Obersetzung an : ,Congregatus in unum populus cum presbyterorum coetu et praesentibus episcopis, die Dominica, consentiat. Qui vero princeps caeterorum episcopus est, interroget presbyterorum coetum et plebem (to 1tpscr~otsptoY Mt toY ),-x6v) an ipse sit quem postulant in antistitem. Et illis annuentibus, iterum roget an testimonium ab omnibus habeat quod dignus sit magna ilia et illustri pracfcctura, an quae ad pietatem in Deum spectant, recte peregerit, an jura fuerint ab eo adversus homines servata, an domesticae ipsius res probe dispensatae, an vivendi ratio integerrima. Cumque omnes simul secundum veritatem, non autem ex opinione praejudicata testificati fuerint talem eum esse, tamquam sub judice Deo et Christo, etiam coram sancto Spiritu, atque omnibus sanctis administratoriisque spiritibus, rursus tertio sciscitentur an dignum vere sit ministerio, ut in ore duorum vel trium testium stet omne verbum; atque lis tertio assentientibus, dignum eum esse, petatur ab omnibus signum assensus. Quo allacriter dato, audiantur. Tum, silentio facto, unus ex primis episcopis cum duobus aliis stans prope altare, reliquis episcopis ac presbyteris tacite
3

. 103. a) Die Wahl und Einsetzung der BischOfe in lUterer Zeit.

357

desselben Gegenstandes, daB diejenigen als Bischtife einzusetzen sind, ,welche hiezu wiirdig erscheinen und vom Yolke gewahlt werden" 7. Dasselbe Konzil bestimmt in seinem 4. Kanan, daB bei der Wahl eines neuen Bischofs alle Bischtife des betreffenden Gebietes anwesend sein mOssen; ist dies jedoch aus irgendwelchen GrUnden unm5glich, so haben sich unter allen Umstanden drei einzufinden, wahrend die Ubrigen schriftlich ihre Meinung abgeben sollen; das beziigliche Bestiitigungsrecht aber steht dem Metropoliten zu s. Falls eine Einigung zwischen siimtlichen Bischofen hinsichtlich des zu Wiihlenden nicht erfolgt, entscheidet nach dem 6. Kanon des erwahnten Konzils die Majoritat 11. Mit Riicksicht auf das eben AusgefUhrte und nach den uns von der Geschichte gebotenen Beispielen war der Yorgang bei der Bischofswahl in den ersten jahrhunderten der christlichen Kirche folgender: Wenn ein erledigter Bischofssitz wieder besetzt werden sollte, versammelten sich das Yolk, der Klerus und die BischOfe des Kirchengebietes, trachteten geeignete Persl>nlichkeiten fUr jene Wilrde ausfindig zu rnachen, und nachdem das Yolk seine Meinung ilber dieselben kundgegeben, entschieden die versammelten BischOfe dariiber, wer fUr den Episkopat der Wtirdigste sei, oder es wurde auch von den Bischofen selbst eine Perst>nlichkeit in Yorschlag gebracht, worauf das Yolk sich entweder fUr oder gegen dieselbe aussprach. Nach erzieltem Einverstandnisse zwischen dem Yolke, dem Klerus und den Bischi.Hen, wurde die Wahl dem betreffenden Metropoliten zur Bestatigung vorgelegt und sodann zur Weihe des Oewahlten geschritten. Daraus geht hervor, daB das Wahlrecht im strengen Sinne den Bischofen zufiel, wahrend das Yolk nur die Eingeschaften der tar die bischOfliche WUrde in Aussicht genommenen Person zu bezeugen oder die Zustimmung zu der von den BischOfen vorgeschlagenen Person zu auBern hatte. Die Stimme des Yolkes war sonach in dem gleichen MaBe entscheidend, wie jene der Bischofe, weshalb auch niemand ohne Mitwirkung des Yolkes Bischof werden konnte. Falls eine Yerstandigung unter den Bischofen nicht zustande kam, entschied die Majoritat; konnte aber auch auf
orantibus, atque diaconis divina evangelia super caput ejus qui ordinatur, tenentibus, dicat ad Deum: ,Oratio" (Pitra. Op. cit. I, 49-50). Diese Stelle haben wir a us dem Grunde angefiihrt, wei! sie uns die schone und wiirdige Weise veranschaulicht, in welcher die Bischofe in den ersten jahrhunderten der christlichen Kirche gewllhlt und eingesetzt wurden. 7 Siebe das Sendschreiben des I. allgem. Konzils an die alexandrinische Kirche und an die Christen Agyptens, Lybiens und von Pentapolis, bei Sokrates, Geschichte der Kirche. I. Buch, Kap. 9. 8 Ath. Synt. II, 122. Vergl. meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila". I, 176-185. 9 Ath. Synt. II, 128, und mein Kommentar zu diesem Kanon. "Pravila". I, 189-199.

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II. Tell. Die Verfassung der Kirche.

diese Weise keine Einigung erzielt werden, so wandte man sich wieder an das Volk, dessen Stimme jedes weitere MiBverstandnis ausglich to. Gegen den von den Bischofen und dem Volke einversUindlich gewahlten, sowie von dein Metropoliten bestatigten Bischof konnte keine Einsprache mehr erhoben werden. Geschah dies aber trotzdem, so verfUgten die Kanones die Bestrafung des betreffenden Klerus, welcher nicht imstande war, diese Unordnung zu verhindern, sondern zulieB, daB sich in seiner Eparchie eine Stimme gegen den ordnungsma6ig gewahlten Bischof erheben konnte n. Dieser Vorgang bei der Wahl und insbesondere rUcksichtlich der Bestatigung der gewahlten Bischofe, wird der Hauptsache nach von den Kanones vieler Synoden der alten Zeit wiederholt 12. Die Teilnahme der Hierarchic an der Wahl und Einsetzung des Bischofs, von welcher dieser die gottlichen Vollmachten empfangt, blieb immer unverandert und muB stets unverandert bleiben; dagegen hat die bezUgliche Mitwirkung des Volkes im Laufe der Zeit verschiedene Anderungen erfahren. Anfangs nahm die gesamte Bevolkerung des betreffenden Ortes, ohne RUcksicht auf den Stand der einzelnen, an der Bischofswahl teil. Da jedoch hiedurch Storungen und Unzukommlichkeiten bei der Wahl hervorgerufen wurden, verfUgte die Synode von Laodicea zur Hintanhaltung dieser Storungen, daB es absolut verboten sein soil, daB der ,versammelte Pobel" diejenigen wahle, welche in den Dienst der Kirche aufzunehmen sind ts. Auf Grund dieser kanonischen Vorschrift wurde die Praxis beobachtet, daB nur angesehene Personlichkeiten aus dem Volke an den Wahlen teilnahmen; eine Praxis, welcher von justinian durch die Bestimmung Gesetzeskraft verliehen wurde, daB zum Zwecke der Einsetzung eines neuen Bischofs der Klerus und die angeseheneren BUrger der betreffenden Eparchie sich an dem bestimmten Orte zu versammeln und nach Beschworung ihrer unparteiischen Tatigkeit drei Personlichkeiten zu wahlen haben, von welchen sie die Oberzeugung hegen, daB sie mit allen jenen Eigenschaften ausgestattet sind, welche die Kanones und die weltlichen Ge50. Kan. 36. apost Kan.; Ant. 18. Kan., und mein Kommentar zum 36. apost. Kan. ,Pravila". I, 98-100. In diesen Kanones sind insbesondere die von den Hll.retikern hervorgerufenen Storungen verstanden, welche dieselben bei der Bischofswahl, wenn diese eine von ihnen gefiirchtete Personlichkeit traf, verursachten, indem sie das Yolk gegen den gewllhiten Bischof aufreizten. Vergl. den Kommentar des Archim. johann zum 36. apost. Kan. (erwllhntes Werk. I, 184). 12 Ant. 19. Kan.; Lao d. 12. Kan.; Karth. 13. 50. Kan. und andere. 13 Laod. 13. Kan. Im Originate heiBt es ozA.ot<;, lat. turbis. In der russischen Obersetzung des Kommentars von Zonaras und Aristenus heiBt es: ,Durch die Versammlung des Pobels". ,Einem solchen P5bel", sagt Zonaras, ,ist die Wahl nicht nur der Bischofe sondern auch der Priester untersagt" (Ath. Synt. III, 183).
11 1

Karth.

. 103. a) Die Wahl und Einsetzung der Bischi:ife in lilterer Zeit.

359

setze vorschreiben. Unter diesen hatte sodann der Metropolit mit den BischOfen den Wurdigsten zu wahlen und zum Bischof einzusetzen u. Dieses Oesetz Justinians wurde gleich nach dessen Erscheinen in die Kanonen-Sammlungen aufgenommen und zu einem allgemeinen Oesetze der Kirche 15, Zu Ende des VIII. jahrhunderts befa6te sich das VII. allgemeine Konzil mit der Frage fiber die Bischofswahl, wobei dasselbe unter Bestatigung der fruheren diesbezuglichen Bestimmungen mit seinem 3. Kanon die Obung einiger, welche mit AuBerachtlassung der kirchlichen Obrigkeit, durch die weltliche Oewalt (1tap0: &.px6'Ytrov) die Bischofswiirde zu erlangen versuchten, verurteilte, und die bezUgliche Wahl als nichtig (a~upov) erklarte ts. Wir finden, daB diese Art der Wahl und Einsetzung der Bischofe seitens der kompetenten bischoftlichen Synode unter Mitwirkung des Volkes beziehungsweise der gewahlten Vertreter desselben durch eine lange Reihe von jahrhunderten sich erhalten hat. Zu Ende des XII. Jahrhunderts wandte sich der Patriarch Markus von Alexandria an Balsamon mit der Frage, ob er nach den Kanones berechtigt sei, den Bauern (7tkfJ{}-'lJ xropt'ttxO:, vicanorum turbae) zu gestatten an der Bischofswahl teilzunehmen. In der Antwort, welche Balsamon erteilte, berief er sich auf den 13. Kanon von Laodicea, welcher der versammelten Menge ausdrUcklich verbietet, an der Wahl von Oeistlichen mit Stimmrecht teilzunehmen 17. Allein gegen die ordnungsma6ige Teilnahme des Volkes an der Wahl, d. h. gegen die Teilnahme desselben durch seine gewahlten Abgeordneten, fiihrt Balsamon in der Antwort an den Patriarchen Markus nichts an, wenngleich Balsamon die Teilnahme des Volkes an der Wahl der Bischofe bekanntlich nicht sehr billigte ts. Zeugnisse hiefiir liefert uns aus dem XIV. Jahrhundert das Patriarchat von Konstantinopel. Unter anderen ist hervorzuheben, das Dekret des Patriarchen Philotheus vom November 1370 iiber die Cheirotonie des
u 123. Novelle, Kap. I; dieselbe bildet in den Basiliken das 8. Kap. I. Tit. des III. Suches und lautet in Jateinischer Obersetzung: ,Sancimus, ut, quoties necessitas sit episcopi ordinandi, conveniant clerici et primates civitatis ( aoYtSWXt tou~ 'ltAl)ptMu<; 'X.a.t -rou~ TCpro-roo.; -r~.; TC6A.sw.;), cui episcopus ordinandus est: ac propositis sanctis evangeliis in tribus personis decreta faciant ....... , ut ex his tribus personis electis melior ordinetur arbitrio et judicio ordinantis (-roo xstpo'tOYOOY'tOt;). Cf. justin. Nov. 137. Kap. 2. 15 Siebe die Sammlung im 87. Kapitel des johannes Scholasticus. Kap. 28 (Pitra. Op. cit. II, 397). Nomokanon in L Titeln. 8. Tit. (Voelli et just., Biblioth. jur. can. II, 612-613. Cf. Pitra. II, 417). Scholie Balsamons zum 23. Kap. I. Tit. des Nomokanon (Ath. Synt. I, 59-69). Kormcaja knj. Kapitel 42 (Ausgabe 1787. II. Buch. Blatt 186). 16 Ath. Synt. II, 564. Vergl. 30. apost. Kan. und den Kommentar zu demselben in der Krmcija (erwahnte Ausgabe. I, 8). 11 Ath. Synt. IV, 492. 18 Kommentar zum 4, Kan. des I. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 123).

360

II. Teil. Die Verfassung der Kirche .

Ml}nchs Antimus als ugro-wallachischen Metropoliten, nach vollzogener Wahl seitens des Klerus und des Volkes t9; oder das Dekret des Patriarchen Matthiius I. vom Februar 1400, mit welchem er verfiigte, daB fOr das erledigte Erzbistum von Anchiala der Klerus und das Volk nach der bestehenden Ordnung die Wahl vornehmen soil, worauf er aus den drei vorgeschlagenen Persl}nlichkeiten, nach Priifung der betreffenden Zeugnisse (t'ljv !J.CI..(J'tOp(<X.~), den wiirdigsten als Bischof anerkennen werde 20. Die ebenerwahnten Zeugnisse liefern gleichzeitig den Beweis, daB das Recht der Teilnahme des Volkes bei den Bischofswahlen die friihere allgemeine Bedeutung verloren hat und daB diese Wahlen meistens nur von den bischOflichen Synoden ohne Mitwirkung des Volkes vollzogen wurden. Dies hatte hauptsachlich darin seinen Grund, weil das Volk sich nicht innerhalb der notwendigen Grenzen bei Ausiibung seines Wahlrechtes zu halten wuBte, und wei! an vielen Orten sich Unordnungen und Unruhen zum Nachteile der Kirche ereigneten. Bereits im XIII. Jahrhundert wurde in vielen Partikularkirchen die durch den 4. Kanon des I. allgemeinen Konzils vorgeschriebene Praxis eingeftihrt, ohne RUcksicht auf die im Sendschreiben desselben Konzils an die alexandrinische Kirche enthaltene Ermahnung, dass bei der Bischofswahl auch die Stimme der Volkes zu Mren sei, und ohne Rticksicht auf die Novelle Justinians tiber die Teilnahme der Volksvertreter an der Bischofswahl2t. Der bezeichnete Kanon bestimmt, daB der Bischof von der Synode aller Bischofe des betreffenden Metropolitansprengels eingesetzt werden soli (xa.8-lat<X.a&at); sollten nicht aile zu erscheinen in der Lage sein, so sollen wenigstens drei sich einfinden, wahrend die Ubrigen schriftlich ihre Stimme abgeben. Bestatigt der Metropolit die Wahl, so ist mit der Cheirotonie des Neuerwahlten vorzugehen. Diese Norm wurde unabhangig von allen Ubrigen Bestimmungen, fUr die Bischofswahlen angenommen, und wurde ausschlieBiich den Bischl}fen das Recht der Bischofswahl zuerkannt. Dieser Norm entsprechend, wurden die Bischofe im groBten Teil der Partikularkirchen gewahlt, und nur als Ausnahme von dieser Norm finden wir im XV. Jahrhundert in einigen Kirchen die Mitwirkung der Volksvertreter bei den Bischofswahlen. Simeon von Thessalonica beschreibt die Wahl der BiscMfe seiner Zeit in folgender Weise: "Der Metropolit beruft aile seine Bischofe; sind nicht aile in der Lage zu erscheinen, so so lien sich wenigstens drei an dem vom Metropoliten festgesetzten Ort zur Wahl versammeln. In der Wahlversammlung ist der Metropolit nicht anwe19
20

21

Acta Patriarch. Constant. I, 535. Ibidem II, 345. Siebe Anm. 7 und 14 dieses Paragraphen.

103. a) Die Wahl und Einsetzung der BischOfe in ll.lterer Zeit.

361

send, sondern derselbe wird von seinem Chartophylax vertreten, welcher in der Versammlung einen angesehene Platz einnimmt. Ober Aufforderung des Chartophylax, welcher kein Stimmrecht hat, gibt jeder Bischof vom liltesten angefangen seine Stimme ab. Wenn nach erfolgter Abstimmung alle Stimmen auf einen Kandidaten als den wurdigsten fallen, so wird dies vom Chartophylax in einem besonderen Pratokolle verzeichnet. Bei der Abstimmung darf mit Rucksicht auf die geheimnisvolle Handlung (lJ.Uanx.rzl &~striast;), auBer den BiscMfen, dem Chartophylax und seinen Schreiber, niemand anwesend sein. Haben aile Bisch<:>fe einstimmig fOr den betreffenden Kandidaten ihre Stimmen abgegeben, dann wird die Wahl als durch Eingebung vollzogen betrachtet (1tVSOiJ.I1.tt'ltbY pr~v). Wird eine Stimmeneinhelligkeit nicht erzielt, dann entscheidet die Mehrheit der Stimmen, wobei der Vorgang beobachtet wird, daB die Namen jener drei Kandidaten verzeichnet werden, welche die meisten Stimmen erhalten haben u. zw. in der Reihenfolge der erhaltenen Stimmenzahl ohne Rilcksicht auf den hierarchischen Rang. Das Ergebnis der Wahl wird seitens des Chartophylax dem Metropoliten vorgelegt. Nach Prilfung der Wahl ilbersendet der MetropoUt demjenigen, welchen er aus der erwlihnten Terna gewahlt hat, die bezilgliche Verstandigung. Die Entscheidung des Metropoliten wird als gOttliches Los angesehen, gleich demjenigen, durch welches der Apostel Matthias gewlihlt wurde. Nimmt der Oewliblte das Bistum nicht an, so wird der zweite berufen; lehnt auch dieser ab, so ergeht die Berufung an den dritten; verhalt sich auch dieser ablehnend, dann wird zu einer Neuwahl geschritten. Der Oewlihlte, welcher die auf ihn gefallene Wahl annimmt, hat sich zum Metropoliten zu begeben, urn ihm dies mitzuteilen. Diese Mitteilung wird als ein geistliches Gelilbde angesehen, worauf der Betreffende nicht mehr zuriicktreten kann, denn er hat Gott sein Wort verpfandet" 22. Neben diesen heiden Akten der Wahl und Einsetzung der BischOfe, namlich der Wahl durch die bischofliche Synode unter Mitwirkung der Volksvertreter und der Wahl durch die Synode allein, filhrt die Geschichte auch Faile an, daB Bischofe ohne formelle Wahl nur auf Grund der Ernennung seitens der Staatsgewalt eingesetzt worden sind. Nach der Ernennung wurde der Betreffende seitens der Bischofe im Vereine mit dem Metropoliten der kanonischen Prilfung unterzogen, worauf, im Faile konstatierter Wiirdigkeit, die Cheirotonie vorgenommen und die Bestlitigungsurkunde demselben ausgefertigt wurde. Dieser Vorgang wurde noch zu jener Zeit in der Kirche eingefilhrt, als die griechisch-romischen Kaiser sich als Schirmer der Kirche erkUirten und ihr weitgehende Privilegien durch Gesetze einrliumten 2s.
23

Ober die heiligen Handlungen Kap. 189.

11

Cod. I, 24 (Cod. Theodos. XVI, 2).


231

362

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Allein auch der Standpunkt des r5mischen Staatsrechtes, nach welchem das jus sacrum einen Teil des 5ffentlichen Rechts (jus publicum) bildete, hat hiezu beigetragen. Es geschah also, daB die Herrscher kraft dieses jus sacrum die Bischofe entweder unmittelbar einsetzten, oder ihren EinfluB bei der Wahl und Einsetzung derselben geltend machten 24, oder aber die vom Klerus und Volke gewtinschte wtirdige Personlichkeit zum Bischof ernannten 2a. Haufig waren solche Ernennungen der BischOfe seitens der Herrscher durch die Verhaltnisse bedingf2s. Namentlich in Fallen, wenn die BischOfe tiber die fur einen Bischofssitz zu bestimmende Personlichkeit nicht einig waren, sahen sich die Herrscher zur Beseitigung der Unruhen in der Kirche, welche einstens auch dem Staate drohten, gen5tigt, die Ernennung des Bischofs aus eigener Machtvollkommenheit vorzunehmen, oder die Wahl der biscMflichen Synode eines anderen Kirchengebietes zu ilberlassen 27. Es ist bekannt, dass Kaiser Zeno im jahre 482, als der Bischof Stefan getodtet wurde, den Bewohnern von Antiochia das Recht der Bischofswahl entzogen und dasselbe dem Patriarchen Akakius iibertragen hat. Gegen diesen Vorgang hat die bischofliche Synode von Antiochia keine Einwendung erhoben 2B. Im allgemeinen hat die Kirche bei vielen Gelegenheiten den Herrschern einwandfrei das Recht zuerkannt, die BischOfe in den einzelnen Gebieten zu ernennen; ein Recht, welches auch mit dem 30. apostolischen Kanon (beziehungsweise mit dem 3. Kanon des VII. allgemeinen Konzils) nicht im Widerspruch steht, denn dieser Kanon ist nicht gegen die Herrscher, sondern gegen die gewaltsamen Eingriffe der weltlichen Beamten in die Bischofswahlen gerichtet. Sowohl seitens der Staats- als auch seitens der Kirchengewalt wurden im Laufe der Zeit einige gesetzliche Vorschriften erlassen, durch welche dieses Herrscherrecht bei der Einsetzung der Bisch5fe befestigt wurde. So hat Kaiser Nikephorus Phokas (963-969) infolge eines Streites zwischen dem Patriarchen und den ihm untergeordneten Bischofen wegen der Bischofswahl, eine besondere Novelle erlassen, in welcher der Vorbehalt des Kaisers normiert ist, kiinftig die PersOnlichkciten fUr bestimmte Bischofssitze namhaft zu machen, welche sodann von der bisch5flichen Synode der Priifung und der bischl:>flichen Cheirotonie unterzogen
2 '

justin. Nov. VI, praef. Vergl. G. F. Puchta. Cursus der Jnstitutionen. Bd.

I. S. 75.
25 Zahlreiche diesflillige Zeugnisse siehe bei L. Thomassin, Vetus et nova eccles. disciplina P. II. lib. II. c. 6. 26 Constantini ep. ad synod. Antioch. (Eusebii, de vita Constant. Ill, 61}. 27 Zum Beispiel die Ernennung des Chrysostomus durch Kaiser Arkadius (Socrat. hist. eccl. VI, 2) oder des Nektarius durch Kaiser Theodosius d. GroBen (Socrat. hist. eccl. v. 8; Sozom. hist. eccl. VII, 7. 8.). 28 Theophan., Chron. ad an. 973 (ed. Bonn, I, 199).

. 103. a) Die Wahl und Einsetzung der Bischofe in lllterer Zeit.

363

wurden 20. Kaiser Isaak Angelus erlieB fiber eine Bitte der betreffenden Kirchenprovinz im Jahre 1187 ein O"f}tJ.lffitJ.U. ~a.at/,txbv fiber die Wahl der Bischofe unter Vorbehalt jencs Rechtes fUr den Herrscher, welches ihm die Kirche zuerkannte ao. Ein Dekret der Synode zu Konstantinopel unter dem Patriarch en Johannes XII. vom Juli des Jahres 1317 anerkannte feierlich das Herrscherrecht in dieser Beziehung s1 Hiedurch wurde in der morgenlandischen Kirche fUr immer das Recht der Mitwirkung der Herrscher bei Einsetzung neuer Bischofe, Metropoliten und Patriarchen festgesetzt. Die Herrscher iibten dieses Recht entweder in der Weise aus, daB sie den von den kompetenten Faktoren fiir einen Bischofssitz erwahlten Kandidaten bestatigten, oder sie ernannten den Betreffenden zum Bischof, worauf die bischMiche Synode nach Priifung dcr Fahigkeiten des ernannten Bischofs und nach Beurteilung seiner Wiirdigkeit fiir das bischofliche Amt, demselben bei konstatierter Tauglichkeit die Cheirotonie erteilten. Lehnte die bischofliche Synode den Betreffenden ab, dann muBte die Ernennung einer anderen Personlichkeit erfolgen. Der ordnungsmaBig erwahlte oder vom Herrscher ernannte Bischof wurde der kanonischen Priifung vor der bischoflichen Synode unter Vorsitz des Metropoliten unterzogen. Diese Profung ist von den apostolischen Kanones (58 u. 80) und insbesondere vom 2. Kanon des VII. allgemeinen Konzils vorgeschrieben, welcher die Bestimmung enthalt, daB nur derjenige zum Bischof eingesetzt werden kBnne, welcher bei einer besonderen PrOfung den Nachweis liefert, daB er in der heiligen Schrift und in den Kanones genau unterrichtet sei. Den Vorsitz bei dieser Prfifung hat der zustiindige Metropolit zu fOhren, welchem vom erwiihnten Kanon der Auftrag erteilt und zur besonderen Pflicht gemacht wird, diese Aufgabe fleiBig (&.a~a.A.&~) zu erfiillen, d. h. seine ganze Sorgfalt aufzuwenden, urn den Kandidaten in jeder Beziehung zu prfifen, damit die Kirche und das Volk nicht der Gefahr ausgesetzt werden, daB ein Unwissender zum Bischof eingesetzt werde. Oberdies gibt dieser Kanon dem Metropoliten die Weisung, sich bei der Prfifung des Kandidaten nicht darauf zu beschranken, daB der Betreffende allgemeine Kenntnisse in der heiligen Schrift und in den Kanones besitze, sondern er hat auch darauf zu achten, daB der Kandidat den "geeigneten und fertigen Geist" besitzt, urn in das Wesen der heiligen Schrift und der Kanones einzudringen und aus denselben bedachtsam dasjenige anzuwenden, was er nach den BedUrfnissen des seiner Sorge anzuvertrauenden Volkes, benotigt. Zonaras sagt in seinem Kommentar zu diesem Kanon, daB der Kandidat fUr die Bischofswiirde tauglich
29

30

Zonaras, Annalium. XVI, 25 (ed. Migne). Ath. Synt. V, 314 Zachariae jus gr.-rom. Ill, 508. at Act patr. Constant., I, 69.

364

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

sein mllsse, in den Geist der heiligen Schrift und der heiligen Kanones tief einzudringen, damit er den Sinn jedes Wortes erfasse und in der Lage sei, das ihm anvertraute Volk zu belehren, sowie iiber jede an . ihn in dieser Beziehung gerichtete Frage die Antwort erteilen zu konnen 32, Wenn sich der Metropolit die Oberzeugung verschafft hat, daB der Kandidat ein ausreichendes Wissen besitzt, so hat er bei der Prllfung auch darauf Bedacht zu nehmen, ob der Kandidat als Bischof nach den gottlichen Oeboten vorgehen und das Volk belehren werde; es ist namlich, bemerkt Zonaras, nicht ausreichend, daB ibm die heilige Schrift und die Kanones bekannt seien, sondern es muB auch die Oberzeugung vorliegen, daB der Kandidat nach gottilchen Oeboten vorgehen und Ieben, sowie das ibm anvertraute Volk in diesem Sinne unterweisen werde; denn das Wesen unserer Hierarchic bilden die von Gott iiberlieferten Worte d. h. die rechte und genaue Kenntnis der gottlichen Schrift. Hat sich der Metropolit von alldem die Oberzeigung verschafft, so kann er dem Betreffenden gestatten, die bischt>fliche Cheirotonie zu empfangen 33, Wenn jedoch der Metropolit wahrnimmt, bemerkt der Kanon, daB der Betreffende kein festes Wissen besitzt, die sichere Gewahr nicht bietet, nach den Vorschriften der heiligen Schrift und der heiligen Kanones vorzugehen und das Volk zu belehren, so soli er, als des bischoflichen Amtes nicht wUrdig, die Cheirotonie nicht erlangen (p.Yj xstpotovs(a&m ). Wenn der betreffende Kandidat bei der kanonischen PrUfung bewiesen hat, daB er des bischoflichen Amtes wlirdig sci, so folgte die Cheirotonie (Xtpotov(a), welche drei oder wenigstens zwei Bischofe vorzunehmen hatten 34 Diese Bischofe sind bei der Cheirotonie untereinander vollkommen gleichgestellt; sie erflehen gemeinsam gemaB ihrer bischOfllichen Macht, die Gnade des heiligen Oeistes auf den Betreffenden. Sie gehorten in der Regel jenem Metropolitansprengel an, in welch em der neue Bischof anzustellen war; falls im betreffenden Kirchengebiete die notige Anzahl von Bischofen nicht vorhanden war, wurde aus einem benachbarten Kirchengebiete ein Bischof berufen, welcher im Vereine mit dem einen Bischof oder mit zwei BischOfen des betreffenden Kirchengebietes bei der kanonischen Priifung des Kandidaten und bei der Cheirotonie intervenierte 35, Nach der Cheirotonie erhielt der Bischof die Bestatigungsurkunde hierUber und tiber sein Recht auf den betreffenden Bischofssitz 36,
31 33 al

30
36

Ath. Synt II. 562. Dieselbe Stelle. Vergl. auch Ath. Synt. V, 566-568. 1. apost. Kanon und mein Kommentar. ,Pravila", 1, 43-45. Blastares Syntagma X, 5 (Ath. Synt. VI, 501). Formularien im Ath. Synt. V, 544 u. ff.

365

. 104.
b) Die Wahl und Einsetzung der Bischofe in der Gegenwart.

Alle drei im . 103 erwahnten Formen der Einsetzung von Bischofen sind auch gegenwartig erhalten. 1) In neun der gegenwartigen Partikularkirchen werden die BischOfe von den betreffenden bischoflichen Synoden eingesetzt und vom Staatsoberhaupte bestatigt, und zwar: Im Patriarchate von Konstantinope/ verfaBt die Synode ein Verzeichnis derjenigen, welche die vorgeschriebenen Eingeschaften besitzen und bezeichnet die drei Wiirdigsten, worauf dann die Mitglieder der Synode, ohne den Patriarchen, mittelst geheimer Abstimmung aus dieser Terna eine Personlichkeit erwahlen. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet der Patriarch. Derselbe Vorgang wird in den dem Patriarchate von Konstantinopel unterstehenden Metropolien, welche mehr als drei Eparchiai-Bischofe zahlen, bei der Bischofswahl beobachtet. Der Metropolit bestatigt denjenigen, welcher mit Stimmenmehrheit gewahlt wurde. Die Staatsregierung nimmt die erfolgte Wahl zur Kenntnis und erHiBt die bezUgliche Anerkennungsurkunde 1 In den drei iibrigen Patriarclzaten wird die Bischofswahl vom Patriarchen im Vereine mit der Synode vorgenommen und von der Staatgewalt die Anerkennungsurkunde ausgefertigt 2. In Ru.Pland schHigt die Synode eine Terna vor, a us welcher das Staatsoberhaupt eine Personlichkeit ernennt s; derselbe Vorgang gilt auch fiir Orieclzenland 4 In Montenegro werden bei Erledigung des Bischofssitzes von Zahulmien und Rassien drei Kandidaten von der heiligen Synode dem Herrscher vorgeschlagen, welcher einen von ihnen ernennt 4 a. In KOnigreiche Serbien wird der Bischof von der bischOflichen Synode gewahlt und die Wahl dem Staatsoberhaupte zur Genehmigung unterbreitef5. In der Karlowitzer Metropo/ie wird der Synode von dem Metropoliten eine Terna vorgeschlagen, und erscheint derjenige als erwahlt, welcher samtliche Stimmen erhalt und vom Monarchen bestatigt wird s. 2) Unter Mitwirkung von Volksvertretern werden die EparchialBischOfe in folgenden autokephalen Kirchen gewahlt: In Rumiinien werden die Eparchial-Bischofe, wie der Metropolit-Primas, also durch eine Wahlversammlung gewahlt, an welcher als stimmberechtigte Mitglieder
. 104.
1 Art. 4 des Kanonismos iiber die Bischofswahl vom jahre 1860. Silbernagl, Verfassung, S. 23. 3 Ukaz vom 14. Februar 1721 und 21. jllnner 1822. ' Art. 3. des Gesetzes vom Jahre 1852 iiber die Bistiimer und Bischofe. 'a Art. 22 des Gesetzes vom l. Jllnner 1904. ~ Art. 19 Pkt. 8 und Art. 25 des Gesetzes vom jahre 1890. 6 Art 21 des Erllluterungs-Reskrlptes vom jahre 1779.
3

366

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

atte BiscMfe, sowie die der orthodoxen Kirche angehorigen Senatoren und Deputierten der Landesvertretung teilnehmen 7, In dem bulgarischen Exarchate wird die Wahl der Bischofe von dem Eparchial-Rate vorgenommen, welcher aus Deputierten geistlichen und weltlichen Standes der verwitweten Eparchie besteht. Dieser Rat wahlt zwei als die wiirdigsten erscheinende Personlichkeiten und bringt dieselben der Eparchiai-Synode in Vorschlag. Der von dieser Synode Erwahlte wird nach Bestatigung seitens der Staatsregierung Bischofs. Ein ahnlicher Vorgang wird auch in der Metropolie von Hcrmannstadt beobachtet; die Bischofe werden namlich hier von der aus 20 Delegierten geistlichen und 40 Delegierten weltlichen Standes, welche samtlich der verwitweten Eparchie angehoren, gebildeten Eparchial- Versammlung, unter Vorsitz des Abgesandten des Metropoliten oder dieses selbst, falls derselbe an der Versammlung teilnimmt, mittels geheimer Abstimmung gewahlt. Der so gewahlte Kandidat wird der biscMflichen Synode behufs Vornahme der kanonischen Priifung und Bestatigung desselben seitens des Monarchen vorgeschlagen 11. In dem Erzbistum Cypern werden die BischMe von Volksvertretern mit dem Klerus der betreffenden Eparchie gewahlt, von dem Erzbischof bestatigt und erhalten sodann von der Staatsregierung die Anerkennungs-Urkunde to. 3) In der Metropolie der Bukowina und von Dalmatien werden die Eparchial-BischOfe ( der dalmatinische und jener von Cattaro) vom Kaiser ernannt 11. Das Erzbistum Sinai hat keine Eparchial-BiscMfe 12.

. 105.
Der Eid des Bischofs.
Nach der vorgeschriebenen kanonischen Priifung (Seite 363) wird in der Kirche feierlich kundgemacht, daB der betreffende Kandidat ( b U1CO~ij~ws) des bischoflichen Amtes wiirdig sei und daB die bischMiiche Synode und die Staatsgewalt ihn fUr dieses Amt anerkannt haben. Dieses sogenannte tJ.fJvr.>p.a.. wird in der Regel am Tage vor der Cheirotonie vorgenommen, wobei der Kandidat offentlich und feierlich erklart, die BischofswUrde anzunehmen. Am Tage der Cheirotonie wird vom Kandidaten w~hrend der feierlichen Liturgic und in Anwesenheit des Klerus, des Volkes und der
7

Art. 1-6 des Gesetzes vom jahre 1872.

s Art. 38-45 des Exarchal-Statuts vom jahre 1895. 9 . 87, 97-105 des organischen Statuts vom jahre 1869. 10 Siebe die in Anm. 5 . 87 erwlihnten BUcher.

FUr Dalmatien siehe die kaiserliche EntschlieBung vom 29. Dezember 1828. Fiir Cattaro die kaiserliche EntschlieBung vom 23. August 1874. 12 Siebe Anm. 19 . 87.
11

105. Der Eid des Bischofs.

367

Vertreter der Staatsgewalt im bestimmten Zeitpunkte das Bekenntnis und der bischofliche Eid (s1Cr.t.j"(Atav -x.al atapEpa(roat'Y) laut verlesen. Bei diesem feierlicben Akte bekennt der Kandidat zunacbst das nidiniscb- konstantinopolitaniscbe Symbolum, sodann eingebender die Dogmen des recbten Glaubens, bekennt abermals dieselben Dogmen und scbwort, daB er: a) aile kirchlichen Kanones bewahren, b) der vorgesetzten geistlichen Behorde geborchen, c) die ibm anvertraute Eparchie milde verwalten werde, d) niemanden fOr seine Wahl zum Bischof beschenkt oder hiefilr sonst ein Versprecben gemacht babe, e) den Kanones nicht zuwiderbandeln, f) die bischt>fliche Synode, wenn hiezu aufgefordert besuchen, g) die Traditionen der orthodoxen Kirche bewahren und sicb von allem, was der Kircbe fremd ist, fernbatten werde, h) daB er an das Sakrament der Eucharistie nacb den Lehren der orthodoxen Kirche glaube, i) dem Landesfiirsten treu sein, j) nach seinem Gewissen urteilen, k) gegen jedermann mit Milde vorgeben, /) die Monche nach den bestehenden Regeln behandeln, m) die notwendigen Kirchenamter besetzen, n) die Visitation der eigenen Eparchie vornebmen, o) die Bevolkerung vom Aberglauben bewahren, p) sicb nicht in weltliche Angelegenheiten einmengen, und in jeder Beziehung nach seinem Gewissen und den bestehenden Vorschriften handeln, und q) mit allen seinen Kraften ununterbrochen fiir das Wohl der Kirche tatig sein werde; erklart sodann, daB er r) seiner Wiirde entsetzt werden moge, wenn er etwas Gesetzwidriges begeht, und schwort endlich unter Anrufung Gottes, als Zeugen, daB er s) diesen Eid bei vollem BewuBtsein leiste und alles bis an sein Lebensende bewahren werde t. Dieses Glaubensbekenntnis und den Eid muB der Kandidat eingenMndig schreiben, offentlich in der Kirche unterschreiben und das Schriftstilck sodann dem Metropoliten ilbergeben, welcher dasselbe in der Schatzkammer aufbewahrt 2. AuBer dem Eid vor der Kirche muB der neuerwahlte Bischof noch den Eid der Treue in die Hande des Staatsoberhauptes ablegen a. Nach der Ablegung des Eides und nach der Cheirotonie erhalt der neue Bi6chof vom Metropoliten eine Urkunde (aoUap-1) &v-&poVtatt-x."J, cmvoatx6v, jplitJ.tJ.fl aoatattx6v), in welcher unter Fertigung aller Mitglieder der .Synode bestatigt wird, daB der Betreffende gesetz,

Siebe ,Cin izbranija i rukopolozenija arhierejskago". S. Petersb. 1725. Ath. Synt. V, 563. 8 Fiir Griechenland ist die Forme! dieses Eides im Art. 3 des Gesetzes vom jahre 1852 enthalten. Fiir die orth.-or. BischOfein in 6sterreich ist die. durch das Hofdekret vom 16. September 1782 vorgeschriebene Forme! giltig.
1

105.

368

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

lich zum Bischof eingesetzt und geweiht wurde . Zugleich wird ihm eine Synodalinstruktion (v1:W..tla, ev'tW..'tfJptov) Uber die ErfUllung des oberhirtlichen Dienstes sowie tiber seine Rechte und Pflichten ausgefolgts.

. 106. Die Wirkungen der bischollichen Cheirotonie.


jeder Bischof wird fUr ein bestimmtes Kirchengebiet gewiihlt und die kanonische Vorschrift, daB kein Geistlicher ohne Angabe des Dienstortes geweiht werden di1rfe (&:7tOAEAOtJ.SVro't, libere) gilt in erster Linie fUr den Bischof 1 Die Kirche fUr welche der betreffende Bischof die Cheirotonie erhalten hat, wird als seine Braut angesehen, mit welcher er fUr das ganze Leben verbunden ist, so daB diese Kirche oach seinem Tode als Witwe angesehen wird (i; Y:IJpEooaa 8xxh;crta) 2 Nach der im Sinne der kanonischen Vorschriften erhaltenen Cheirotonie darf der Bischof auf die Verwaltung der ihm anvertrauten Kirche nicht mehr verzichten. Der 36. Kanon bestimmt, daB der Bischof, welcher den Dienst und die Sorge fUr das ihm anvertraute Volk nicht Ubernimmt, a us der Kirche ausgeschlossen werden soU ('tOOtov &:~ro ptcrp.svbv 'tOjx_&.vstv) s. Nur in dem Falle verhangen die Kanones keine Strafe tiber den Bischof, wenn er ohne sein Verschulden den Bischofssitz nicht einnimmt. Wenn sich der Fall ereignet, daB in der betreffenden Eparchie der Klerus und das Yolk den von der bischQflichen Synode bestimmten Bischof nicht anerkennen, muB der Bischof in seiner obrigkeitlichen Stellung und in seinem Recht hinsichtlich der betreffenden Eparchie verbleiben, es wird aber der ungehorsame Klerus von den Kanones der Bestrafung unterworfen . Der Bischof behalt aber seine Warde und Machtbefugnis auch dann, wenn er aus politischen GrUnden den ihm zugedachten Bischofssitz nicht einnehmen kann; fUr
' Acta Patriarch. Constantin. I. 494. II, 64. 276. Fiir Rujlland Ukaz vom 19. juni 1786; fiir das bu/garische Exarchat Exarchai-Statut Art. 44-46; fiir die Hermannstiidter Metropolie . 105 des organ. Statuts; fiir Serbien Art. 26 des Oesetzes vom jahre 1890. 5 Pormulare siehe in Ath. Synt. V, 544. 550. 555. 558. In Osterreich ist durch das Hofdekret vom 5. Februar 1824 eine besondere Temporal- und Spiritual-Installation normiert. Die Spiritual- und Temporal-Installation braucht nicht an einem Tage stattzufinden. Diese Ietztere besteht darin, daB dem neuen Bischof das Recht auf den OenuB der mit dem Bischofssitz verbundenen Einkiinfte zuerkannt wird. . 106. 1 Ap. Kan. 14; I. allgem. Konzil 15. Kan.; IV. allgem. Konz. 5. Kan. u. a. ~ IV. allgem. Konzil 25. Kan. 3 36. apost. Kanon; Antioch. 17. Kan.; Ill. allgem. Konzil 9. Kan.; Basilius d. Or. 10. Kan. ' 36. apost. Kanon; Ancyra 18. Kan.; Antiochia 18. Kan. und die betrefl'enden Kommentare.

106. Die Wirkungen der bischoflichen Cheirotonie.

369

diesen Fall enthatten die Kanones die Bestimmung, daB der Bischof auch auBerhalb seiner Eparchie residieren kOnne, doch steht ihm das Recht zu, den Oeistlichen seiner Eparchie die Cheirotonie zu erteilen und aile oberpriesterlichen Rechte auszuf.iben, wie wenn er von seinem Bischofssitz Besitz ergriffen hatte. In der Versammlung der Ubrigen BiscMfe nimmt er den seinem Sitze entsprechenden Platz ein ( tiJ~ 7t(JO-

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Sobald der Bischof seinen Sitz eingenommen hat, darf er nicht verlangen, auf eine andere Stelle versetzt zu werden G. Nur die bischofliche Synode kann die Vetitigung treffen, daB ein Bischof seinen Sitz mit einem anderen vertausche; doch sind die Faile derartiger Versetzungen sehr selten und hat die bischofliche Synode eine solche Versetzung (p.e:'tci&e:ots-) nur dann angeordnet, wenn die unbedingte Notwendigkeit sich hiezu ergeben hat 7 Da die neue kirchliche Oesetzgebung zum graBen Teil die Versetzung der BischOfe verbietet s, enthalten auch die Kanones das Verbot, daB Bischofe auf ihre Throne, fUr welche sie gesetzlich bestellt worden sind, verzichten s. Durch die Cheirotonie erhalt der Bischof jene Macht, welche die Apostel besaBen, weil die Bischofe die Nachfolger der Apostel sind und der heilige Geist sie zu BiscMfen eingesetzt hat, urn die Kirche Gottes zu regieren to. Wir haben bereits angeff.ihrt, welche Machtbefugnisse der Bischof in der allgemeinen Kirche (. 81, 83) und in dem ihm anvertrauten Kirchengebiete besitzt (. 60). In dieser letzteren Beziehung ist der Bischof volikommen selbstandig und verwaltet die ibm anvertraute Eparchie vermoge des ibm eigentiimlichen Rechtes. Niemand ist befugt ihm in dieser Beziehung ein Hindernis zu bereiten, insofern er dieses Recht innerhalb der kanonisch bestimmten Orenzen ausUbt. Noch weniger aber darf eine Einmengung in die inneren Angelegenheiten der Eparchialverwaltung oder ein mittelbarer oder unmittelbarer Eingriff in die bischoflichen Rechte etiolgen 11. Dem Bischof fallt in seiner Eparchie ausschliejJ!ich die Oewalt zu, weshalb in einer
37. 39. Trull. Kanon und die betreffenden Kommentare. 14. apost. Kanon; I. allgem. Konzil 15. Kan.; Ant. 21. Kan.; IV. allgem. Konzil 5. Kan. u. a. 7 14. Kan. Apost. Mein Kommentar zum 15. Kanon des I. allgem. Konz. ,.Pravila" I, 220. Vergl. hieriiber Zhishman. Die Synoden S. 12-17. 8 Im Patriarchate von Konstantinopel Art. 6 des Kanonismos iiber die Bischofe; in Griechenland Art. 4 des Oesetzes vom jahre 1852 iiber die Bischofe; im bulgarischen Exarchat Art. 47 (bezw. 56) des Exarchal-Statutes. 9 9. Kan. des III. allgem. Konzils und mein Kommentar. ,Pravila" I, 309. Siebe auch . 76 dieses Buches. 1o Apostolgeschichte 20, 28. 11 35. apost. Kanon und mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 97. Jllal, llrelear..)l, 23
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370

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Stadt (av -ti) 1t6Ast) zwei BischOfe nicht residieren dUrfen 12, und die Kanones jeden Bischof streng bestrafen, welcher sich in die Angelegenheiten eines anderen Kirchengebietes einmengt 13. Dieses Verbot bezieht sich auch auf den autokephalen Erzbischof hinsichtlich der mit ihren eigenen kanonisch eingesetzten BischOfen ausgestatteten Eparchien des betreffenden Kirchengebietes, ausgenommen den Fall, wenn der betreffende Bischof sich weigert, die fUr den Dienst in der Eparchie vorgeschriebenen Geistlichen der h5heren oder niederen Grade zu bestellen 15. Der Bischof, welcher die Cheirotonie ordnungsmaBig erhalten hat, kann seiner WUrde nicht verlustig erklart und in den Rang eines Presbyters degradiert werden. Der 29. Kanon des IV. allgemeinen Konzils bezeichnet einen solchen Vorgang als sacrilegium (tspoau)..la). Wenn ein Bischof nach den Bistimmungen dieses Kanon aus irgend einem gerechtfertigten Grund vom bisch5flichen Dienste enthoben werden muB (d1to -t'i)S 1tp~~sc.os -t'i}S smaxo1t'ijs), so kann er auch die Stelle eines Presbyters nicht einnehmen (1tpsa@otepou 'tO'ltOY). Dieser Kanon erktart die dogmatische Seite der Priesterschaft; denn wenn jemand gewisser Delikte wegen nicht wtirdig ist, die heiligen Sakramente zu verwalten, so ist es gleichgiltig, ob er sich im Range eines Bischofs oder Presbyters befindet; er wird also im allgemeinen der geistlichen WUrde entkleidet. Wenn ein Bischof sich eines Deliktes schuldig gemacht hat, welches ihn des Rechtes beraubt, den Gottesdienst als Bischof zu versehen, so wird er durch dieselbe Obertretung auch des Rechtes verlustig, diesen Dienst als Presbyter zu verrichten, denn das eucharistische Sakrament ist dassel be, welches der Bischof und der Priester verwaltet; er mu8 also in so einem Faile im allgemeinen der geistlichen WUrde entkleidet werden 16.

. 107.
Die gegenseitigen Beziehungen der Eparchialbischofe.
Die Bisch5fe sind gema8 der durch die Cheirotonie empfangenen Gnade und als Nachfolger der Apostel untereinander gleich (. 51). Ihre Gewalt und ihre Rechte k5nnen daher hinsichtlich der hierarchia ordinis keinen Unterschied aufweisen; wohl aber besteht ein solcher
I. allgem. Konz. 8. Kan. und mein Kommentar. ,Pravila" I, 204. 14. 15. 16. 32. 34. apost. Kanon; I. allgem. Konzil 15. 16. Kan.; Ill. allgem. Konz. 8. Kan.; IV. allgem. Konzil 5. 20. Kanon; Antioch. 3. 6. 9. 13. 21. 22. Kanon; Sardica 11. 13. 15. Kanon; Karthago 9. 53. 54. 55. 56. 80. Kanon u. a. u 17. Trull. und die paralle1en Kanones. 15 VII. allgem. Konzil 11. Kanon. Dies ist das sogenannte Devolutionsrecht. 1 e Siehe meinen Kommentar zum 29. Kanon des IV. allgem. Konzils. ,Pravila" 1 1 424.
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. t07. Die gegenseitigen Beziehungen der EparchialbischBfe.

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unter ihnen hinsichtlich der hierarchia jurisdictionis (tspapxcx. awtx-q'ttx-IJ). Den Stufen dieser Hierarchic entsprechend sind die Beziehungen bestimmt, welche zwischen den EparchialbischOfen und der hOheren Kirchengewalt bestehen ; ebenso ist auch gemaB der selbstandigen Stetlung jedes Bischofs in seiner Eparchie das Verhaltnis festgesetzt, welches zwischen ihm und den Ubrigen ihm gleichgestellten Bischofen besteht. 1) Aus den Beziehungen des Eparchialbischofs zur hoheren Kirchengewalt entspringen folgende bedeutendere Pflichten desselben: a) Die unbedingte Erftillung der Anordnungen der vorgesetzten Synodalgewalt t; b) die Information der bisch<Hlichen Synode tiber aile wichtigeren Vorfalle in der Eparchie, sowie tiber die notwendigen MaBnahmen, die zur besseren Regelung irgendeiner Angelegenheit von allgemeiner kirchlicher Bedeutung erforderlich waren; ferner die Berichterstattung an die Synode tiber das Ergebnis der kanonischen Visitation in der Eparchie ~ ; c) der Besuch der bischoflichen Synode ilber Berufung scitens der kompetenten Obrigkeits ; d) das Vermeiden von Unternehmungen, welche tiber seine Wirkungssphare hinausgehen, ohne Wissen der vorgesetzten kirchlichen Obrigkeit 4, und endlich e) die Kommemoration des autokephalen Erzbischofs des betreffenden Kirchengebietes beim Oottesdienste 5. 2) Die gegenseitigen Pjlichten der Eparchial-Bischofe sind in den Kanones so genau prazisiert, daB es unmoglich zu Konflikten hinsichtlich der ihnen zustehenden Oewalt kommen kann. HierUber wurde im vorhergehenden Paragraph bereits gesprochen. Hier ist noch hervorzuheben : a) jeder Eparchialbischof muB die Entscheidung des geistlichen Oerichtes cines anderen Eparchialbischofs hinsichtlich jener Oeistlichen und Laien beach ten, welche in seine Eparchie Ubertreten s ; b) kein Eparchialbischof darf bei sonstiger Exkommunikation einen Oeistlichen oder einen Laien aus einer anderen Eparchie ohne die betreffende Entlassungsurkunde des kompetenten Bischofs aufnehmen 1; c) wenn es
. 107. 1 Siehe den zweiten Punkt des bischOflichen Eides. In Serbien Art. Zl. Pkt. 12 des Gesetzes vam jahre 1890. 2 34. apost. Kanan. Ober die kanonischen Visitationen und iiber die Berichterstattung hieriiber der bischoflichen Synode: in Ruftland der Ukaz vam 21. Oktaber 1847; in Serbien Art. 27 Pkt. 18 des Gesetzes vam jahre 1890 ; in Bulgarien Art. 72. Pkl 9 des Exarchai-Statuts. 3 IV. allgem. Konzil 19. Kanon; 18. Trull. Kan. Siebe Punkt 6 des bischOflichen Eides. ' 34. Kan. Apost. ; Ant. 9. Kan. und die betreffenden Kommentare. I. II. Synode. 14. Kan. 6 35. Kan. Apost. ; I. allgem. Konzil 16. Kanon; IV. allgem. Kanzil 20. Kanon; Antioch. 22. Kanon; Sardica 15. Kanon; Karthaga 54. 80. Kanan. 7 12. Kan. Apost.; IV. allgem. Konzil 11. Kanon; Trull. Kanzil 17. Kanon und mein Kommentar zu diesen Kanones (,Pravila" I, 68. 357. 488) wo von verschiedenen Arten dieser Urkunde die Rede ist.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

einem Eparchialbischof an dem notigen Klerus mangelt, ist derjenige Bischof, welcher Uberzahlige Kleriker besitzt, verpflichtet ihm diese abzutretens.

. 108. Die Rechte der Eparchialbischofe.


Die Rechte des Eparchialbischofs sind durch die Stellung des Bischofs als obersfen Lehrer, Oberpriester und Oberhirten in seiner Eparchie bestimmt. Diese Rechte besitzt auch jeder Erzbischof, mag derselbe Patriarch, Exarch oder Metropolit sein; denn jeder ist zugleich das Oberhaupt einer bestimmten Eparchie. Mit RUcksicht auf die Stetlung des Bischofs in seiner Fparchie wollen wir auch der Hauptsache nach seine Rechte auftihren. I. Der Bischof ist der oberste Lehrer in seiner Eparchie und als solchem obliegt ihm, die chrisfliche Wahrheit zu lehren, sie i.iberall zu verbreiten und dafUr zu sorgen, daB sie von allen rein und unverletzt erhalten werde t. Daher ist 1) Die Predigt das hervorragendste Recht des Bischofs und eine seiner ersten Pflichten 2 Dies wird auch in der ihm nach der Cheirotonie tiberreichten Urkunde als erste Aufgabe erwahnt 3. Dem Bischof steht das Recht der Verktindigung des Wortes Gottes in seiner Eparchie in seiner ganzen FUlle zu 4 und von ihm stammt die Befugnis der Geistlichen, das Predigeramt zu versehen, so daB niemand ohne Wissen des Bischofs in der Kirche predigen kann 5. 2) Dem Bischof obliegt als wichtiges Recht die Sorge fiir die religiOse Ausbi/dung in der Eparchie. a) Die Ausbildung des Klerus ist eine der wichtigsten Aufgaben der potestas magisterii des Bischofs; daher leitet und beaufsichtigt er selbst die Vortrage in den theologischen Anstalten 6 , und die Erziehung der Kandidaten des geistlichen Standes in den Seminarien 1, unterzieht jene Person dcr Priifung, welche als Lehrer in den theologischen Anstalten s und als Lehrer der Religion in
. 108.

Karthago 55. Kan. 1 Matth. 28, 19. 20. joh. 15. 16. Apostelgeschichte 6, 4. I. Korinth. 1, 17. II. Timoth. 2, 15. 4, 2. 2 58. Kan. Apost.; 19. Trull. Kan. und mein Kommentar. "Pravila" l. 125. 490. a Ath. Synt. V, 544. 58. Kan. Apost.; I. allgem. Konzil 2. 16. Kanon; 19. Trull. Kanon; Laodicea 19. Kanon; Karthago 71, 121. 123. Kanon. ~ Apostelgeschichte 15, 24. 27, II. Tim. 2, 2; 39. Kan. Apost.; Laodicea 15. 57. Kanon; Oangra 6. Kanon; Karthago to. Kanon; 33. 64. Trull. Kanon. 6 Siebe Anm. 6 . 65. 1 Siebe Anm. 4 . 65. 8 In 6sterreich kaiserliche EntschlieBung vom 5. juni 1869.
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. 108. Die Rechte der EparchialbischOfe.

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den weltlichen Schulen angestellt werden sollen 11, und verfligt, daB der ihm untergeordnete Klerus zur Pflege der theologischen Bildung Konferenzen abhalte w. b) Ebenso hat der Bischof fUr die religiose Bildung des Vo/kes zu sorgen. Daher halt er in den Kirchen an Sonn- und Feiertagen Predigten n, besonders zur Zeit der kanonischen Visitation 12; er bestellt besondere Prediger, welche in bestimmten Kirchen und zu bestimmten Zeiten das Volk in den christlichen Wahrheiten zu unterweisen haben 13 ; dem Klerus erteilt er die Weisung, daB die Predigt auf der heiligen Schrift basieren und diese nach der Lehre der orthodoxen Kirche ausgelegt werden miisse 14. c) Die Sorge fiir die religil>se Erziehung der jugend in den weltlichen Schulen ist auch ein hervorragendes Recht des Bischofs. Er verfiigt, daB in jeder weltlichen Schute die Religionstehre vorgetragen und bei der Jugend die Frommigkeit geweckt werde 15. Ohne seine Ermachtigung kann niemand die Religionstehre in der Schute vortragen 16; ebensowenig kann ohne seine Genehmigung ein Religionslehrbuch eingefiihrt werden t7. 3) Der Bischof ist berechtigt, darUber zu wachen, daB in seiner Eparchie die gesunde Lehre bewahrt und jede falsche Lehre, welche sich zu verbreiten beginnen wiirde, beseitigt werde ts; er ist berechtigt, jedes Buch religiosen Inhaltes, welches veroffentlicht werden soil, seiner Zensur zu unterziehen 111; seinen GUiubigen die LektUre jedes Buches, welches dem Glauben und der Moral zuwider ist, zu verbieten 2o; zu
In Osterreich Art. 17 des Oesetzes vom 31. Dezember 1867 und . 2 des Oesetzes vom 8. Mai 1868. In Serbien Art. 27 Pkt. 13 des Oesetzes vom Jahre 1890. 10 In der Bukowina Konsistorialverordnung vom 5. Mai 1870; in Dalmatien bischofliche Verordnung vom 5. J!lnner 1891. 11 Syntagma des B/astares. K, 36 (Ath. Synt. VI, 346). 1 j In RujJland 3. (17.) Art. des geistl. Reglements. 13 Ober die Prediger in Griechenland Synodal-Rundschreiben vom 9. Juli 1858 und die lnstruktion fiir Prediger vom 22. August 1858. ll 19. Trull. Kanon und mein Kommentar. ,Pravila" I, 490-492. Vergl. Syntagma des Blastares A, 7, (Ath. Synt. VI, 211). 1 ~ Fiir 6sterreich siehe hinsichtlich der Elementarsclzu/erz das Hofdekret vom 17. Marz 1791, 16. j!lnner 1781, 23. August 1777, 25. juli 1804 und das Dekret der Zentrai-Hofkommission vom 19. Februar 1816; hinsichtlich dcr Mitte/schulen und Universittiten das Hofdekret vom 8. Februar 1791. 16 fiir 6sterreich das Hofdekret vom 25. juli 1804, 25. juni 1819 und 1. November 1823. 17 Fiir Osterteich . 7 des Oesetzes vom 25. Mai 1868 und die Ministerialverordnungen von 31. M!lrz und 25. August 1880. 18 Tit. 1, 11. 2, 15. In Oriechenland Art. 7 des Synodai-Rundschreibens vom September 1852. 19 fi.ir RujJland Barsow, Sbornik I. Teil, II. Abschnitt, 9. Kap. Fiir Serbien die Verfiigungen der bischoflichen Synode vom September 1863 N. 49 und vom Oktober 1883 N. 34. 20 Die Verordnungen der Synode von Konstantinopel vom jahre 1704 und vom 1. Mlirz 1839. Fiir Osterreich das Hofdekret vom 28. Oktober 1791.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

wachen, da.B der Klerus die gesunde Lehre verkUnde 2 1, endlich Vorschriften zu erlassen, dam it die christliche Lehre Uberall festen FuB fasse 22. II. Als Oberpriester ist der Bischof berechtigt, jede heilige Handlung in seiner Eparchie zu verwalten 2a. Dem Bischof allein ist vorbehalten gema.B seiner Stellung in der hierarchia ordinis: 1) Die Cheirotonie der Presbyteri, Diakonen und aller anderen dem niederen Klerus in seiner Eparchie Angehorenden 24. Auch Klerikern anderer Eparchien kann er mit Zustimmung der betreffenden BischOfe die Cheirotonie erteilen 25 2) Die Beforderung auf verschiedene Stufen der hierarchia jurisdictionis, also die Bestellung von Protodiakonen, Protopresbyteri, Protosynkellen, Hegumenen und Archimandriten 26. Diese Befugnis sowie das Recht der Cheirotonie stand in den betreffenden Eparchien auch den Landbischofen zu, allein nur fiber Ermachtigung des kompetenten Eparchialbischofs 21. Mit bischoflicher Genehmigung konnen auch die Hegumenen in ihren Klostern Anagnosten ernennen zs. 3) Die Weihe des heiligen Chrisma ('too rirEoo v-opot> ts/,stiJ) gehort zu den Rechten des Bischofs nach der Bestimmung des 6. Kanan des Konzils von Karthago. Dieses Recht ist im Laufe der Zeit auf die Patriarchen und auf die Bischofe einiger privilegierter Kirchen ilbergegangen 29. 4) Die Weihe der Kirchen ('M-a&tsproat~ nov vatov) und Antimensien (tcov &.ntp.tva[rov) wird als ausschlie.Bliches Recht des Bischofs vom 6. Kanon des Konzils von Karthago erwahnt so. Ober Ermachti21 19. Trull. Kanon; Basilius d. Gr. 91. Kanon. Fiir Griechenland das Gesetz vom 26. juni 1858. 22 II. Tim. 4, 2-5. In Griechenland das Synodai-Zirkular vom 11. juli 1853; in Rumt!nien Art. 20 des Gesetzes vom 14. Dezember 1872; in Serb len Art. 27 des Gesetzes vom jahre 1890. 23 In Ruftland nehmen die Bischofe keine Trauung vor ; wahrscheinlich a us dem Grunde, wei! sie aus dem Monchsstande hervorgegangen sind, und der Synodal Ukas vom 31. Mii.rz 1805 dem Monche die Vomahme von Trauungen verbietet. Vergl. 84. Kanon im Nomokanon zum groBen Ritualbuch und die kanonische Antwort des Chartophylax Petrus (Ath. Synt. V, 369). u I. Tim. 5, 22, Tit. 1, 5; 2. apost. Kanon; 33. Trull. Kanon; VII. allgem. Konzil 14. Kanon; Laodicea 26. Kanon. 2 ; Synt. des Blastares X, 16, 17 (Ath. Synt. VI, 505). 26 2. apost. Kanon; VII. allgem. Konzil 14. Kanon. 27 Ancyra 13. Kanon und mein Kommentar, ,Pravila" II, 13-16. 28 14. Kanon des VII. allgem. Konzils. 29 Karth. 6. Kanon und mein Kommentar. ,Pravila" II, 136. 30 Vergl. 31. Trull. Kanon; VII. allgem. Konzil 7. Kanon und meinen Kommentar. (,Pravila" I, 511. 607). Verordnung der Synode zu Konstantinopel unter dem Patriarchen Nilus (Ath. Synt. V, 141). 11. Antwort des johannes von Citrus (Ath. Synt. V, 413). Simeon von Thessalonica iiber die heiligen Handlungen Kap. 76. 95 (al. 108. 127).

. 108. Die Rechte der Eparchialbischofe.

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gung des Bischofs kann auch der Presbyter den Grundstein einer neuen Kirche und das Oebaude selbst einsegnen st. 5) Die Begnadigung der Reuigen ('1.rJ.:r.u.Uu.:(tJ'i (ltu.voo6v-ewv). Dem Bischof allein stand in alterer Zeit das Recht zu, den SUndern Strafen aufzuerlegen, sie zur BuBe zuzulassen sowie die Zeit und Art derselben zu bestimmen. Er allein war berechtigt, die SUnder offentlich und feierlich mit Gott zu versohnen und sie nach ausgestandener BuBe der Eucharistie zu wUrdigen 32 Dieses Recht stand auch den Presbyteri zu ss, welche mittels besonderen Dekretes als Beichtvater (7tr.J.-eljp 7tYU!J.U.'ttx.6s) bestellt wurden 34. Gegenwartig Ubertragt der Bischof das Recht die Beichte zu horen und die Reue der SUnder entgegenzunehmen im allgemeinem jedem Presbyter; doch steht dem Bischof jederzeit das Recht zu, nach seinem Ermessen die Strafen der SUnder zu mildern oder zu verschiirfen 35. 6) Die Einsegnung der Nonnen ('1.opcov '1.a.&tsproat~) ist nach dem 6. Kanon des Konzils von Karthago ein ausschlieBliches Recht des Bischofs ss. Nur die Tonsur ( &7t6x.u.pat~) der Monche ist jedem Hegumen in seinem Kloster ohne eine besondere diesbeziigliche Erlaubnis des Bischofs gestattet s7. 7) Endlich darf ohne Oenehmigung des kompetenten Eparchialbischofs in der Eparchie eine nicht bereits gewohnheitsmaBig eingebUrgerte Prozession stattfinden ss, und auch kein auBergewohnlicher Kirchendienst verrichtet werden 39. III. Dem Bischof als Oberhirten unterstehen in geistlicher Beziehung aile Angehorigen seiner Eparchie, sowie aile Einrichtungen in der Eparchie, welche dem Kultus und der christlichen Bildung gewidmet sind 40, OemaB der oberhirtlichen Stellung des Bischofs wird von demselben in der Eparchie 1) die gesetzgebende, 2) die iiberwachende und 3) die richterliche Gewalt ausgeUbt. 1) Von der gesetzgebenden Gewalt des Bischofs wird im dritten Teile dieses Suches (. 141) die Rede sein; hier soil sein Recht der
31. Kanon des Nikephorus und mein Kommentar. ,Pravila" II, 531. Syntagma des Blastares M, 7 (Ath. Synt. VI, 364). 33 Syntagma des Blastares M, 9 (Ath. Synt. VI, 370). 31 Formularien solcher Dekrete im Ath. Synt. V, 573-578. 35 Mein Kommentar zum 12. Kanon des I. allgem. Konzils. ,Pravila" I, 214-215 und Syntagma des Blastares M, 7. 36 Kommentar Balsamons zum 126. Kanon von Karthago und zum 18. Kanon Basilius d. Or. (Ath. Synt. III, 592. IV, 143), und Kommentar des Zonaras zum 44. Kanon von Karthago (Ibid. III, 410). 31 82. Kanon im Nomokanon zum groBen Ritualbuch und Kommentar des Professors Pawlow. 38 Krmcija 42. Kap. (erwllhnte Ausgabe II, 30). 39 39. apost. Kanon. Tertull., de baptismo. cap. 17. 0 ' I. Tim. 3, 15. 5, 19; 32. 39. apost Kanon; Antiochia 9. Kanon.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Dispensation von bestehenden gesetzlichen Vorschriften erllrtert werden. Im . 19 III wurde hervorgehoben, daB das Recht der Dispensation ( OI.>"('Xlt.-cci~a.at~) von einem Gesetze nur dem Gesetzgeber zusteht; den untergeordneten Gewalten nur innerhalb gewisser Grenzen und gemaB der von der gesetzgebenden Gewalt erhaltenen Vollmacht. Das Recht der Dispensation kann demgemaB auch der Eparchialbischof ausOben. Dieses Recht kann der Bischof hinsichtlich jener Gesetze und Verordnungen im vollen Sinne aus!lben, welche er allein gemaB der ihm zustehenden gesetzgebenden Gewalt erlassen hat. Beziiglich der iibrigen gesetzlichen Vorschriften kann er dieses Recht bedingt und innerhalb bestimmter Grenzen ausUben. Von den durch die Gesamtkirche als allgemein bindend anerkannten kirchlichen Gesetzen kann nur das allgemeine Konzil die Dispensation erteilen, sonach auch nicht der Eparchialbischof; ebensowenig kann der Eparchialbischof von jenen kirchlichen Gesetzen die Dispensation erteilen, welche von der kompetenten Gewalt fiir das Gebiet einer antokephalen Kirche erlassen wurden, denn dieses Recht steht nur dieser Gewalt zu. Dagegen kann er nach den Verhaltnissen des Ortes und der Zeit und wenn flir die Kirche und fUr das moralische Prinzip keine Gefahr erwachst, gewisse Personen in Ausnahmsfallen von der strengen ErfUIIung eines Gesetzes befreien, unter Aufrechthaltung der Integritat desselben Gesetzes und unter Strafandrohung fUr jene, welche sich in normalen Verhaltnissen befinden. Der Bischof kann sonach die Dispensation erteilen: a) in Eheangelegenheiten, und zwar kann er gestatten, daB in einem entfernten physischen oder geistlichen Verwandtschaftsgrad die Ehe eingesegnet werden konne, daB die Ehe ohne zweites oder drittes Aufgebot, im Hause, in der Fastenzeit eingesegnet werden konne 41; b) in Fragen gewisser Geliibde mit Ausnahme der Mllnchsgeliibde 42; c) in Fragen Uber das Alter und fiber die Vorbereitung der Kandidaten flir den geistlichen Stand, u. z. in Fallen, wenn es das Bed!lrfnis der Kirche erheischt, daB jemand vor Erreichung des vorgeschriebenen Alters oder vor Vollendung der vorgeschriebenen theologischen Studien in den geistlichen Stand aufgenommen werden soii 4 S und d) in Fragen der Fasten und der Enthaltung von der Arbeit an gewissen Festtagen, u. z. in Fallen, wenn aus Gesundheitsrlicksichten einer Person oder den Bewohnern eines ganzen Gebietes der GenuB von Fleischspeisen an Tagen, an welchen dies verboten ist, gestattet werden muB, und wenn aus besonderen okonomischen oder ahnlichen Grunden bestimmten Personen die Erlaubnis erteilt werden muB, an Tagen, an welchen sonst gefeiert
Verordnung der Synode zu Athen vom 16. Mllrz 1853. 16. Kanon des IV. allgem. Konzils und Kommentar des Archim. johann (II, 293-295). Vergl. den 19. Kanan von Ancyra. u Verordnung der Synode von Athen vom 25. April 1855.
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. 108. Die Rechte der Eparchialbischofe.

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werden miiBte, zu arbeiten 44 In allen diesen Fallen werden von den Bischofen Dispensationen erteilt, namentlich wenn aus dringender Notwendigkeit und wegen drohender Gefahr die bezilgliche Erlaubnis nicht aufgeschoben werden kanri, wobei die BischOfe den Betreffenden stets entsprechende BuBen auferlegen. Wenn in der Verschiebung der Dispensation keine Gefahr droht, dann wendet sich der Bischof an die bischofliche Synode urn ihre Meinung einzuholen. Ober aile im Laufe eines Jahres erteilten Dispensationen filhrt der Bischof eine Vormerkung; und da diese Dispensationen Akte seiner auBerordentlichen Jurisdiktion sind, erstattet er hieriiber der bischoflichen Synode bei deren Zusammentreten Bericht 45, 2) Das Aufsichtsrecht des Bischofs in seiner Eparchie gehOrt zur ordentlichen Jurisdiktion und bildet das ausgedehnteste Gebiet der bischoflichen Rechte, indem er dariiber informiert sein muB, ob alles in dem ihm von Gott anvertrauten Kirchengebiete ordnungsmll.Big vor sich geht. Zu den Aufsichtsrechten des Bischofs gehort: a) Die Aufnahme in den geistlichen Stand unter Bedachtnahme darauf, daB die Betreffenden dieses Standes wtirdig und tauglich sind, verschiedene Dienste in der Eparchialverwaltung zu versehen. In dieser Beziehung ist der Bischof allein berechtigt sein Urteil abzugeben. Von ihm allein hangt die Aufnahme von Geistlichen aus anderen Eparchien ab; ebenso ist er allein berechtigt, einen seiner Geistlichen aus der Eparchie zu entlassen und ihm das betreffende Dekret auszufertigen 46, b) Die Vorbereitung und Ausbildung der Kandidaten fUr den geist!ichen Stand (. 65). c) Die Bestimmung der Geistlichen fUr die betreffenden Dienstposten und in erster Linie fUr den Pfarrdienst. Nach dem 39. apostolischen Kanon ist der Bischof der erste und wahre Pfarrer, denn er hat fiir das Volk des Herrn zu sorgen und fiir ihre Seelen Rechenschaft abzugeben; die Presbyteri und Diakonen sind nichts anderes als seine Gehilfen und Mitarbeiter. jeder geistliche Dienst in der Eparchie ist vom Bischof absolut abhangig und es kann ohne den Bischof niemand einen Dienstposten einnehmen oder einen Dienst verrichten 47. Er entscheidet fiber die Beforderung der einzelnen auf eine Stufe der hierarchia jurisdictionis, und von ihm hangt die Verleihung von kirchIichen Auszeichnungen an die Geistlichen ab 48,
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Veorordnung derselben Synode vom 16. August 1856. Ukas der russischen Synode vom 21. Oktober 1847. 12. apost. Kanon; 17. Trull. Kanon und mein Kommentar. ,Pravila" I,

69. 487.

Antiochia 9. Kanon. In Serbien Art. 27 Pkt. 21 des Gesetzes vom Jahre 1890. Riicksichtlich des Rechts der BischOfe, die BefOrderung von Geistlichen auf verschiedene Stufen der hierarchia ordinis oder jurisdictiones vorzunehmen, sowie Auszeichnungen an Geistliche zu verleihen, bemerkt Balsamon in seinem 24 1
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

d) Dem bischt>flichen Aufsichtsrecht unterstehen aile Geistlichen der h()heren und niederen Grade seiner Eparchie, weshalb der Bischof ein vollstandiges Verzeichnis derselben fiihrt. Die Bezirkserzpriester und Klostervorsteher sind verpflichtet, ihm j:ihrlich eingehende Berichte fiber das Verhalten der ihnen untergeordneten Geistlichen zu erstatten -t9. e) Aile KlOster und MOnche unterstehen der Aufsicht des Bischofs, da er der oberste Aufseher aller KlOster und der oberste Hegumen aller Monche ist. Es kann daher auch ohne die ausdriickliche Bewilligung des Bischofs kein neues Kloster gegriindet oder in den bestehenden K!Ostern keine Anderung vorgenommen werden (. 213). f) Aile Schulen und Bildungsanstalten unterstehen der Aufsicht des betreffenden Eparchialbischofs 50. g) Dem Bischof steht das oberste Aufsichtsrecht ilber die zu frommen und zu Zwecken der christlichen Bildung gewidmeten VermOgenssubstanzen und Stiftungen zu, und nur mit seinem Wissen kann fiber dieselben verfilgt werden ol. Ebenso steht ihm das Recht zu, die Griindung von Verbindungen mit kirchlichen Zwecken und mit Zwecken der geistlichen Bildung und deren Statuten zu genehmigen 52, sowie
Kommentar zum 31. Kanon der Synode von Karthago, daB der Bischof sein hauptsllchliches Augenmerk darauf zu Ienken habe, ,daB durch Verwirrung in dem Stufengange der kirchlichen Amter der Klerus nicht verletzt oder erniedrigt werde

(ffia1tsp o?.ias o~pCstv 'lf.~L &ttp.o5v t.t~to)~ ~M to5 CJOfXSStY ta~ taest<; nov [spliiv
~t.t{}-p.Liloov), daB derjenige, der erst jiingst ein Amt erlangt hat, nicht denjenigen vorgesetzt werde, welche dem Dienste nach bedeutend lllter sind, oder daB jemand, der ein unbedeutendes Amt versah, p!Otzlich auf eine hohe Stufe befordert werde Hiebei ist festzuhalten, daB die kirchlichen Wiirden nicht von der Oewalt der Bischofe, wie einige behaupten, sondem von der Macht und Wirksamkeit der Kanones abhllngen; . . . . denn sonst wiirde es sich urn die Abhlingigkeit von der Willkiir der BischOfe handeln, was jedoch den heiligen Vatern zuwiderlauft" (Ath. Synt. Ill, 385-386). Ankniipfend an diesen Gedanken Balsamons, sagt Zlzishman sehr treffend :" .... weil iibereilte und zu rasche BefOrderungen von Geistlichen, welche friiher entweder ein unbedeutendes oder auch gar kein Kirchenamt versahen, Ieicht Krbkungen verursachen oder auch in den Stufengang der kirchlichen Amter Verwirrung bringen konnten" (Die Synoden. S. 213). ' 9 Basilius d. Or. 89. Kanon. Vergl. fiir Rujlland den Ukas vom 6. Mai 1797 und Art. 87 und 88 des Konsistorial-Statuts (Ausgabe 1883) ; fiir Serbien Art. 31 Pkt. 14 des Oesetzes vom jahre 1890; fiir Dalmatien bischofliches Rundschreiben von 29. Oktober 1890 Z. 192. 50 Siehe in diesem Paragraphe I. 2. S. 372. 51 38. 41. apost. Kanon; IV. allgem. Konzil 26. Kanon; VII. allgem. Konzil 12. Kan.; Antiochia 24. 25. Kanon; Karthago 26. Kan. u. a. Ober das Kirchenvermogen handelt der III. Teil drittes Kapitel dieses Buches. 51 I. II. Synode t. Kan. Ober die diesfallige Kompetenz der politisehen Beborden in 6sterreich siehe kaiser!. Entschlie6ung vom 15. Mai 1841 und das Oesetz vom 15. November 1867.

. 108. Die Rechte der EparchialbischOfe.

379

Vermachtnisse und freiwillige Gaben frommer Christen entgegenzunehmen und sie den erwahnten Zwecken zuzufiihren ss. h) Um sich unmittelbar vom Zustande der Eparchie und vom Verhalten des Klcrus zu Uberzeugen, unternimmt der Bischof Reisen in seiner Eparchie 54. Diesem Bereisen der Eparchie, welches gegenwartig die kanonische Visitation genannt wird, raumt auch der Staat eine groBe Bedeutung bei, welcher diesbeziiglich auch gesetzliche Normen erlassen hat. Wahrend der Visitation hat der Bischof den Fortschritt der christlichen Lehre, die Fr5mmigkeit und Moral, die Erfiillung der Pflichten durch den Klerus, die Verwaltung des Kirchenvermogens, mit einem Worte alles das zu priifen, was zum Wohle der Eparchie gereicht. Insbesonders hat er sich zu tiberzeugen: a) ob der Seelsorger in der betreffenden Pfarre ein standesgemaBes Verhalten bekundet, ~) ob die vorgeschriebenen kirchlichen Dienste zu rechter Zeit versehen werden, r) ob die Pfarrmatriken ordnungsma8ig geftihrt und entsprechend verwahrt Werden, a) ob das Pfarramt in Ordnung gehalten wird und die Amtsschriften verwahrt werden, ) ob sich die lnventare des Kirchenvermogens in Ordnung befinden und wie das Kirchenvermogen verwaltet wird, C) ob die Jugend in Gottesfurcht und in den christlichen Tugenden erzogen wird. Der Bischof unterzieht auch die Kloster der Visitation und Uberzeugt sich, ob die Monche nach den Monchsregeln Ieben, ob alle kirchlichen Dienste versehen werden und wie das Klostervermogen verwaltet wird. Jedes Kloster und jede Pfarre wird aile drei jahre vom Bischot der Visitation unterzogen. Nach jeder Visitation wird in der Regel der bischoflichen Synode und gleichzeitig der Staatsbehorde Bericht erstattet 55,
53 33. 41. apost. Kanon; Antiochia 25 Kanon. In 6sterreich siehe die erwlihnte kaiser!. EntschlieBung vom jahre 1841. 51 Die Einrichtung der bischoflichen Visitationen wird auf das Beispiel des Stifters der Kirche (Matth. 9, 35) und auf die Reisen der heiligen Apostel zuriickgefiihrt. Die Geschichte liefert einige gUinzende Beispiele im eifrigen Besuch der Kirchen der betreffenden bischoflichen Gebiete. Sokrates (hist. eccl. 4, 21) sagt beziiglich Basilius d. Gr., daB dieser Stlidte und andere Orte seines Kirchengebietes besucht und die im Glauben Schwachen bestlirkte. Augustinus sagt in einem seiner (237.) Sendschreiben: visitandarum ecclesiarum ad meam curam pertinentium necessitate projectus sum. Da eine seiner Kirchen, castrum Fussalense, sehr weit von seinem Amtssitze entfemt war, so erwirkte er, daB diese Kirche ihren eigenen Bischof bekam, urn ja nicht vom Besuche des Bischofs ausgeschlossen zu sein. Quod ab Hippone memoratum castellum millibus quadraginta sejungitur, cum in eis regendis et eorum reliquiis licet exiguis colligendis me viderem latius quam oportebat extendi, nee adhibendae sufficerem diligentiae, quam certissima ratione adhiberi debere cernebam, episcopum ibi ordinandum constituendumque curavi (ep. 261). a~ Karth. 52. Kan. In Oriechenland miissen diese Visitationen wenigstens einmal jlihrlich erfolgen (Art. 14 des erwlihnten Gesetzes vom jahre 1852); in Serbien

380

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

3) Dem Bischof steht endlich als Oberhirten in der Eparchie die AusObung der Gerichtsbarkeit zu. DemgemaB kann er die Exkommunikation (&.cpoptatJ.6~) iiber jeden Kleriker oder Laien verhangen, welcher die Kirchen und ihre Lehren verletzt hat. Dieses Recht wird dem Bischof durch die Kanones auf Grund des gottlichen Rechts zuerkannt (. 143). DaB der Bischof in seinen Urteilsspriichen vollkommen gerecht sein miisse, ist ganz natiirlich und wird auch von vielen Kanones empfohlen ss. Zu diesem Zwecke wird von den Kanones verfiigt, daB der Bischof vom Presbyteral-Rate, den heutigen Konsistorien (. 114) unterstiitzt werden miisse, wenngleich er auch unabhangig von diesem Rate (. 145) einen Kleriker oder Laien in seiner Eparchie verurteilen 57 und begnadigen kann as. IV. Damit der Bischof die angefiihrten Rechte ausiiben und die notigen Verfiigungen in allen Zweigen seiner bischoflichen Gewalt erlassen konne, ist ihm die Hofgeistlichkeit an die Seite gestellt, welche ihn in dieser Beziehung unterstutzt und ein eigenes Amt (das bischofliche Prasidium) unter der Leitung des bischoflichen Protosynkellos bildet 5u. . 109. Die Ehrenrechte des Bischofs. GemaB der Stellung des Bischofs in der Kirche hat derselbe gewisse Ehrenrechte, welche sonst niemandem in der Eparchie zukommen. Diese Ehrenrechte sind folgende:
j!hrlich (Art. 27. Pkt. 9 des Gesetzes fiber die Kirchenbehorden); im bulgarischen Exarchat jiihrlich {Art. 72. Pkt. 5 des Exarchai-Statuts); in Rujlland jahrlich in einzelnen Teilen, wenn der Bischof die ganze Eparchie nicht in einem Jahre bereisen kann (Ukase vom 17. Mllrz 1828 und 5. April 1881; das geistliche Reglement enthlilt 15 Regeln, an welche sich der Bischof bei Bercisung der Eparchie zu batten hat. Erwllhnte Ausgabe Seite 38-43). Ober die bischofllichen Visitationen in Osterreick die Hofdekrete vom 7. September 1804, 12. April 1809 und 22. Dezember 1810 und die Ministerialverordnung vom 27. August 1824. (in Dalmatien Gubern. Erla6 vom 19. September 1843. Nr. 2282jpr.). 56 I. allgem. Konzils 5. Kan. und mein Kommentar. ,Pravila" I, 186-189. 57 Die Kanones gestatten den Betreffenden sich mit einer Beschwerde an die hohere KirchenbehOrde zu wenden {siehe weiter fiber das kirchliche Gerichtswesen), Im Faile eines ungerechten Richterspruches eines Bischofs bestimmt der 4. Kanon des VII. allgem. Konzils, ,daB der Bischof demjenigen unterliegt, wozu er andere verurteilen wollte, und das Obclwollen wird sich seinem Haupte zuwenden als einem Obertreter des gottlichen Gebotes und der apostolischen Konstitutionen"; mit den Worten der heiligen Schrift (1. Petrus 5, 2-4) schlieBt dieser Kanon. 5" Vergl. 12. Kanon des I. allgem. Konzils und meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 215. 59 In den Eparchien griechischer Zunge sowohl der Patriarchate als auch des Konigreichs Griechenland (Silbemagl, Verfassung . 20, 31) und in den bulgarischen Eparchien (Erg!nzung zum Exarchai-Statut Art. 2) nehmen die Protosynkelloi einen hohen Rang ein; sie sind auch Vertreter des Bischofs in seiner Abwesenheit.

, 109. Die Ehrenrechte des Bischofs.

381

1) Der Klerus der Eparchie ist verpflichtet, bei jed em Kirchendienste und in allen beziiglichen Gebeten den Namen des Bischofs zu erwahnen 1, 2) Sowohl die AngeMrigen des Klerus als auch die Laien sind verpflichtet, sich vor dem Bischof tief zu verbeugen und ihm die Hand zu kilssen 2. 3) Im gew<>hnlichen Verkehre mit den Bischof gebilhrt ihm die Ansprache [spot6.to; aaa'7t6t"f};; in der Kirche begrUBen ihn die Sanger mit: a{; 1toiJ.&.. t"f}, aa'7tota, und singen zur festgesetzten Zeit das

'7tOAoxpovto'Y.
4) Innerhalb des Altarraumes befindet sich fiir den Bischof auf erh5htem Platze ein Thron (-x.a-&iapa ~' u4oo;) a; ebenso ist in jenen Orten, in welchen der Bischof dem Gottesdienste, welchen ein Priester zelebriert, auBerhalb des Altars beiwohnt, auf der rechten Seite der Kirche ein erhohter Platz fUr den Bischof angebracht. 5) Der Bischof tragt beim Gottesdienste zum Unterschiede von den Presbyteri besondere Kleidungsstilcke und Abzeichen, u. z. ari-x.-x.o;, das E1ttjO'YrittoY, das ffip.o~6ptov, das Ej'X.OA'7ttO'Y oder die '7tava.rf.a, das Brustkreuz, die Mitra (p.ttpa), den Bischofsstab (pa~ao; '7totp.avtt'X.YJ oder 'ltatspf.aaa), den Bischofsmantel (p.avaoa;), und den dreiarmigen und zweiarmigen Leuchter (tpt-x.fJptOY 'X.rlt auxfJptoY) 4, AuBer diesen kirchlichen Ehren, kommen den BischOfen in den betreffenden Staaten auch einzelne bUrgerliche Ehren zu 5.

. 110.
Die Pfiichten der Epa.rchia.lbischofe.
~

Alle Rechte der EparchialbiscMfe, welche im . 108 aufgezahlt wurden, involvieren ebensoviele Pfichten, welche das g<>ttliche und kanonische Recht den BiscMfen auferlegen. Dem Bischof wird der Name aaa'7t6t"f}; {dominus) beigelegt, was er jedoch faktisch nicht ist; er ist
1 I. II. Synode 13. Kan. Constitutiones Apostol. 11. Buch Kap. 28. 33. Hilar. adv. Constantium. Theodoreti hist. eccl. IV. 6. a Zonaras im Kommentar zum 58. apost. Kanon (Ath. Synt. II, 75). ' Simeon von Thessalonica iiber die heiligen Handlungen Kap. 176 (al. 208). Erzbischof Benjamin Nov. Skrital, II. Teil Kap. 6 . 17-23 (Ausgabe 1853. II, 82-86). 5 In Osterreich sind die Bischl>fe beispielsweise berechtigt, ihr eigenes Wappen zu fiihren (Hofdekret vom 13. jllnner 1825); der dalmatinische Bischof hat eine Virilstimme im dalmatinischen Landtag (Kaiserl. Patent vom 26. Februar 1861); die Bischofe der Karlowitzer Metropolie sind Mitglieder der Magnatentafel des ungarischen Reichstages (X. Gesetzartikel vom jahre 1792); der Erzbischof in Czernowitz ist Mitglied des Herrenhauses des osterr. Reichsrates.

109.

382

U. Teil. Die Verfassung der Kirche.

vielmehr nur der Aufseher Uber das ihm anvertraute christliche Volk, fUr welches er vor Oott die Verantwortung tragt. Diese Aufgabe kennzeichnet auch die Benennung E'2ttO'lW2toc; (inspector, custos). Zonaras sagt in seinem Kommentar zum 58. apostolischen Kanan Folgendes: "Die btoBe Benennung E'2ttaxo'2to; mahnt ihn ein fteiBiger Arbeiter zu sein (at; V1j~t'Y IJ.U'tO'Y ate:re:tpe:t), denn er ist Inspektor ( a'X.0'2t6~) und diesem obliegt immer achtsam zu sein und niemats der Nachlassigkeit anheimzufallen. Daher wird auch der Thron der Bischt>fe innerhalb des Altares auf einem erhohten Platze angebracht, damit er von der Hohe das ihm anvertraute Volk iiberblicken und dasselbe mit ganzem Eifer zu beaufsichtigen vermag (E'2tta'X.Ci'2te:Iv) 1". Ebenso au Bert sich auch Balsamon 2. Da jeder Aufsichtsdienst seinem Wesen nach nur ein Komplex bestimmter Pflichten ist, so ist dies auch beim Dienste des Bischofs der Fall. Es sind daher auch die erwahnten und noch andere in den Kanones angefiihrten Rechte gleichzeitig auch Pflichten, an welche er, als geistliches Oberhaupt seiner Eparchie gebunden ist. Dem Bischof werden in den Kanones neben den erwahnten noch folgende Pflichten auferlegt: 1) In jeder Eparchie ist die Residenzstadt des Bischofs bestimmt, in welcher sich die Kathedrale oder die bischOftiche Kirche im engeren Sinne befindet. In dieser Stadt hat sich der Bischof stiindig und ununterbrochen aufzuhalten (x11.ta auv:xe:tiJ.Y 'X.IJ.l &.ottt.'X.6'2tm~)s. Ohne gerechtfertigten Grund (namlich, wenn er zur bischOflichen Synode oder an den kaiserlichen Hof berufen wird) darf sich der Bischof auf nicht Ianger als drei Wochen entfernen 4 Dehnt sich die Abwesenheit des Bischofs aus der Eparchie iiber diese Zeit und iiber sechs Monate aus, so soli der betreffende Bischof nach der Bestimmung des 16. Kanan der IX. Partikularsynode seiner Wiirde entkleidet und an seine Stelle ein anderer Bischof gesetzt werden 5. 2) Er ist verpftchtet, sich den Kanones und den anderen auf gesetzlichem Wege erlassenen Normen der Kirche und des Staates zu unterwerfen; dies gilt hinsichtlich der vom Staate erlassenen Norm en nur insofern, als diese mit den Zwecken der Kirche vereinbar sind. In Fallen des Zweifels iiber den Sinn einer kanonischen oder kirchlichstaatlichen Verf!igung hat er sich an die Kommentare autoritativer Rechts1 Ath. Synt. II, 75. Ibidem. 3 Karthago 71. Kanon und Kommentar des Zonaras (Ath. Synt. III, 485). Sardica 11. 12. Kanon. 5 Fiir das Patriarchat von Konstaniinopel vergl. Art. 7 des Kanonismos iiber die BischOfe; fiir Bulgarien Art. 82 des Exarchal-Statuts; fiir Ru}Jland Ukas vom 3. Februar 1887; fiir Griechenland Gesetz vom jahre 1852 iiber die BischOfe und das Synodal-Rundschrciben vom 11. juli 1853 fiber die Pflichtcn der BischOfc.

. 110.

. 110. Die Pflichten der EparchialbischOfe.

383

gelehrter zu halten, oder die AufkUirung der kompetenten vorgesetzten Obrigkeit einzuholen 6. 3) Er ist verpflichtet, die Verwaltungsinstitute der Eparchie, welche auf gesetzliche Weise entstanden sind, zu beachten und in Angelegenheiten, welche in die Kompetenz dieser Institute gehOren, nach den fUr dieselben bestehenden Statuten vorzugehen 7. 4) Mit dem Grundsatze, daB der Bischof als Oberpriester und Oberhirt der Seelen seiner Eparchie sich in seiner Lebensffihrung durch aile christlichen Tugenden im vollsten Sinne auszeichnen soil, beschaftigt sich eingehend die Pastoraltheologie. In dieser Hinsicht richtet das Kirchenrecht die besondere Aufmerksamkeit auf das Familienleben. Es wurde bereits erwahnt (. 71), daB der Bischof nicht verehelicht sein darf; er ist aber auch nicht berechtigt, in seinem Hause fremde Frauenspersonen zu beherbergen, urn - wie die Kanones sagen - jeder Bemerkung vorzubeugen (ala tb &.vs'7ClA"fJ1t'W.I, ut omnis reprehensionis occasio vitetur) s. Der dritte Kanon des I. allgemeinen Konzils verbietet dem Bischof in seinem Hause eine fremde Frauensperson zu halten; nur die Mutter, die Schwester und die Tante konnen mit ihm im gemeinsamen Haushalte Ieben. Hinsichtlich fremder Frauenspersonen ist dies nur dann gestattet, wenn sie von jedem Verdachte frei sind (1CdO'I'lV U'7CO~(I'lv all'l'7CetpSU"(SV, quae omnem suspicionem effugiunt). Der 5. Kanon des Trullanischen Konzils bestimmt, daB jeder Bischof abgesetzt werden soU (~cx.&l'llps(a&ro), welcher gegen den erwahnten Kanon des Konzils von Nicaa handelt, und das VII. allgemeine Konzil erwahnt ausdrUcklich die bischOflichen Palaste als verbotene Aufenthaltsorte fUr fremde Frauenspersonen, welche sich in einem Dienstverhaltnisse befinden. Der 18. Kanon desselben Konzils erwahnt, daB der Aufenthalt von Frauenspersonen in den bischOflichen Palasten (sv S'7Cla~o'7Cs[olc;, in episcopiis) die Ursache allerlei Verdacht ist, und verfiigt, daB der Bischof, welcher dies gestattet, bestraft (smtttt6.a&ro) und im Faile der Widersetzlichkeit abgesetzt werden soli (~l'l&l'ltpsla&w, deponatur). Derselbe Kanon ordnet auch an, daB der Bischof auf der Reise wahrend des Aufenthaltes in einem Orte keine weibliche BedieSiebe den 1. 5. 7. und 18. Pkt. des bischofl. Eides. Fiir Ruj3land siehe den 4. Pkt. des geistlichen Reglements iiber die Bischofe. 7 Siebe IV. allgem. Konzil 26. Kanon und in Verbindung mit diesem den 11. Kanon des VII. allgem. Konzils und die beziiglichen Kommentare. Vergl. den Art. 9 des Kanonismos vom jahre 1860 iiber die Bischofe im Patriarchat von Konstantinopel; fiir Griechenland das Synodai-Rundschreiben vom 11. Juli 1853; fiir Ru.Pland den Abschnitt iiber die Bischofe im geistlichen Reglement (erwllhnte Ausgabe S. 24 u. ff.). 8 VII. allgem. Konzil 18. Kanon.
6

384

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

nung dulden dUrfe; es sind vielmehr wahrend dieser Zeit aile Frauenspersonen nach einem anderen Orte zu senden 9. 5) Der Bischof ist verpflichtet, dem Klerus und das ihm anvertraute Volk jederzeit zu unterrichten und soll im gegenteiligen Falle nach den Bestimmungen des 58. apostolischen Kanon suspendiert (d1'~ptCa{ho, segregetur) und bei fortgesetzter NachUi.ssigkeit abgesetzt werden (xa.a-atpsEa{)-ro, deponatur). Ober diese Pflicht des Bischofs au.Bert sich Zonaras in seinem Kommentar zu diesem Kanon in folgender Weise: ,jedem Bischof obliegt die Pflicht, das ihm anvertraute Volk in den Dogmen der Frommigkeit zu unterweisen und dasselbe zum wahren Olauben und zur rechtschaffenen Lebensfiihrung anzuleiten, denn Oott spricht zu den altesten des Volkes durch die Propheten Folgendes: Wenn du aber nicht warns/ und nicht redest, um den Eosen vor seinem biisen Wege zu warnen, daft er am Leben bleibe, so soli der Bose zwar um seines Frevels willen sterben, von deiner Hand aber will ich sein Blut fordern (Ezech. 3, 18). Daher soli der Bischof, welcher die Predigt vernachlassigt, seines Dienstes enthoben und ihm auf bestimmte Zeit das Recht entzogen werden, die heiligen Handlungen zu verwalten; verharrt er trotzdem in Nachlassigkeit, so soU er des geistlichen Amtes verlustig werden 10". Der 19. Kanon des Trullanischen Konzils erwahnt die Pflicht des Bischofs jeden Tag, (sv 7tli01] i;(.1pq.) und namentlich an Sonntagen (sna t~ Kuptaxat~) den Klerus und das Volk zu belehren und enthalt gleichzeitig die Bestimmung Ober die Art und den Oegenstand der Predigt u. 6) OemaB dieser lehramtlichen Pflicht ist der Bischof verhalten, Hirtenbriefe an das ihm anvertraute Yolk und an den Klerus zu richten, urn sie in den christlichen Wahrheiten zu unterweisen und urn mit ihnen eine enge Verbindung zu erhalten 12. 7) Der Bischof soU im Vorgehen gegen jedermann, namentlich gegen seinen Klerus, milde sein. Dies gilt namentlich in dem Faile, wenn er im Augenblicke der Erregung und ohne gerechtfertigten Grund einen ihm untergeordneten Kleriker suspendiert oder absetzt. Mit dieser Frage befaBt sich der 14. Kanon des Konzils von Karthago, welcher jenen Klerikern zu Hilfe kommt, die sich fUr ungerecht verurteilt erachten. Solchen Klerikern wird vom erwahnten Kanon das Recht eingeraumt, Beschwerde beim kompetenten Metropoliten zu erheben, d. h. die Angelegenheit der bischOflichen Synode zur Entscheidung vorzuv Mein Kommentar zum 3. Kanon des I. allgem. Konzils, zum 5. Trull. Kanon und zum 18. Kanon des VII. allgem. Konzils. ,Pravila" I, no-175, 446, 625-626. 10 Ath. Synt. II, 75. Vergl. Synt. des Blastares ~. 7 (Ath. Synt. VI, 211). 11 Mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 490-492. 12 II. Tim. 4, 2-5. Siehe fiir Serbien Art. 28 des Gesetzes vom jahre 1890; fiir Rumtinien Art. 20 des Gesetzes vom Jahre 1872.

. 110. Die Pflichten der EparchialbischOfe.

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legen. In einem solchen Faile muB der betreffende Bischof, welcher einen Kleriker ungerecht verurteilt hat, es ruhig ertragen, daB sein Erkenntnis gepriift und entweder bestatigt oder abgeandert wird, denn dies fordert die Gerechtigkeit, welche den Bischof bei der Rechtsprechung des ihm untergeordneten Klerus auszeichnen soli, sowie das Ansehen und die Bedeutung des bisch5flichen Gerichtes. Wahrend dieser Revision und solange der Metropolit iiber das betreffende Erkenntnis nicht entschieden hat, muB der Kleriker nach der Bestimmung des erwahnten Kanon in der ihm vom Bischof auferlegten Strafe verbleiben, denn im entgegengesetzten Faile k5nnte, unter der Ausrede des Erwirkens einer neuen Entscheidung oder des Ergreifens des Rekurses, die Ordnung in der Kirche gestort, und konnten die von den Bischofen tiber die ihnen untergeordneten Kleriker verhangten gerechtesten Erkenntnisse vereitelt werden. Wenn ein solcherart verurteilter Kleriker sich gegen den Bischof, welcher ihn verurteilt hat, wendet, sein Recht in stolzer und kiihner Weise hervorhebt und der Behauptung Raum gibt, daB er verletzt und ungerecht verurteilt wurde, so soil er nach der Bestimmung des bezeichneten Kanan streng ermahnt und belehrt werden, daB er zum Gehorsam verpflichtet sei und sich demjenigen unterordnen miisse, welcher das Befehlsgebungsrecht besitzt. Er ist daher gehalten, ohne Widerspruch jede Anordnung seines Bischofs zu befolgen 1s. 8) Hinsichtlich des Vermogensrechtes wird dem Bischof von den Kanones die Pflicht auferlegt: a) iiber die Verwaltung des Kirchenvermogens und dariiber zu wachen, daB dasselbe dem intendierten Zweck zugefiihrt werde; denn er ist sowohl Gott als auch den Menschen verantwortlich, wenn etwas der Kirche Gehoriges oder Gott Zugedachtes verHillt ( t~ t~s sx.x.):fJatas x.at. tcp 8scp &~opta-3-svta) 14 b) Der Bischof ist verpflichtet, jeden Versuch Kirchengut zu verauBern oder der weltlichen Gewalt abzutreten, zu verhindern und dariiber zu wachen, daB das Kirchengut unversehrt erhalten werde 15 c) Er ist ferner verpflichtet, jeden Versuch der Sakularisation der Kloster und Klostergilter zu verhindern; wirft irgendein Grundstilck kein Ertragnis ab, so hat er darilber zu wachen, daB dasselbe nicht in die Hande der weltlichen Gewalt (wu&.. t6itOY U.pxoumv), wohl aber in jene des Klerus gelange Hi. d) Der Bischof ist verpflichtet zu sorgen, daB alles was zum Bistum gehort (t"ljS otx.s(as S'lttaxo'ltfJS, proprii episcopatus), d. h. alles zur bischoflichen Kathedralkirche und zum Residenzgebaude
Mein Kommentar zum 14. Kanon von Karthago. ,Pravila" II, 124. u 38. apostol. Kanon und Kommentar des Zonaras (Ath. Synt. II, 52). ts VII. allgem. Konzil 12. Kan. 10 IV. allgem. Konzil 25. Kan.; 49. Trull. Kanon; VII. allgem. Konzil 12. Kan. und mein Kommentar. ,Pravila" I, 381. 532. 616. Jllal, llrcheareckt. 25
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386

II. Teil. Der Verfassung der Kirche.

GeMrige, ungeschmlilert erhalten werde 17. e) Die Kanones enthalten auch Bestimmungen hinsichtlich des Privatverm~gens des Bischofs. Der Bischof ist berechtigt, Privatvermogen zu besitzen, welches allerdings nicht zum Vorteile des Kirchenvermogens im allgemeinen oder des Vermogens des Bistums geschadigt werden soli; allein mit diesem Privatverm~gen kann er nicht unterschiedslos nach seinem Willen verftigen. Das freie VerfUgungsrecht wird dem Bischof nur hinsichtlich desjenigen Verm~gens zuerkannt, welches er unabhangig von seinem Dienste in der Kirche, also durch Erbfolge, oder auf eine sonstige private Weise, vor oder nach Erlangung der Bischofswiirde, erworben hat. Die EinkUnfte des Bistums und des kirchlichen Dienstes kann er nicht zu Gunsten seiner Familie oder anderer Privatpersonen verwerten, sondern soli diese Einkiinfte wohltatigen Zwecken oder der biscMfliclien Kirche widmen ts. Allein auch iiber sein Privatvermogen darf er nicht nach freiem Ermessen verfiigen, denn er kann dasselbe nur solchen Personen zuwenden, welche der orthodoxen Kirche angeh6ren; handelt er diesfalls im entgegengesetzten Sinne, so verfallt er dem Anathem 9. auch nach dem Tode (x~Xt tJ.Sttl. &tiY~Xtov &.vti~tJ.~X) 1 9) Neben den erwahnten Pflichten ist der Bischof auch durch Pflichten dem Staate und der Staatsgewalt gegenliber gebunden. Die heilige Schrift enthalt die Anordnung, daB sich jeder der obrigkeitlichen Gewalt unterwerfen soli, denn es gibt keine Obrigkeit ohne daB sie von Gott da ist, sondern die, welche da sind, sind von Gott verordnet; wer also wider die Obrigkeit sich auflehnt, der lehnt wider Gottes Ordnung sich auf (R~m. 13, 1-3). Von der Pflicht der Obrigkeit und in erster Linie dem Kaiesr Achtung zu erweisen (1. Petrus 2, 17) kann niemand im Staate befreit werden, sonach auch nicht der Bischof, mag er auch FUrst der Kirche sein, denn auch er ist ein allen anderen Staatsuntertanen ganz gleicher Untertan 20. Auch die Kanones verpflichten den Bischof zur Ergebenheit dem Staatsoberhaupte gegeniiber, und der 84. apostolische Kanon bestimmt, daB derjenige, welcher den Kaiser oder das Oberhaupt des Volkes verletzt, abgesetzt werden soil (sr tt~
u~p(aot ~IXOtASIX -1J lfpxovt~X, x~X{J-atps(a&ro) 21 .
17

I. II. Synode 7. Kan. und mein Kommentar. "Pravlla" II, 282. Siebe Nomokanon X, 5 (Ath. Synt I, 239). Fiir die Bischofe in der Karlowitzer Metropolie . 18 des Deklaratoriums vom Jahre 1779; in der Metropolie der Bukowina und von Dalmatien Hofdekret vom 27. November 1807 und 16. September 1824; in Serbien die Verordnung vom 10. Mal 1847 abgedruckt im Anschlusse an den . 476 des biirgerlichen Gesetzbuches (Ausgabe 1884). 18 Karthago 22. und 81 Kanon, und mein Kommentar zum letzteren Kanon. ,Pravila" II, 216. 20 Gregor. Naz. oral 27. Origen. hom. 11 in jerem. 21 Siebe den . 223 dieses Buches.
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387
. 111. Die Verwaltung der Kirche wii.hrend der Sedisvakanz. Nac.h dem Tode des gesetzlichen Bischofs wird die Eparchie bis zur Ernennung des neuen Bischofs als verwitwet (X'YJPIW06arx) oder als erledigt (ax,r.;/,riCwarx) bezeichnet. Nach der Bestimmung des 25. Kanon des IV. allgemeinen Konzils kann die Eparchie durch drei Monate unbesetzt bleiben, wobei dieser Kanon den betreffenden Metropoliten mit der vorgeschriebenen Strafe bedroht, falls er nicht wlihrend dieses Zeitraumes fiir die Ernennung eines neuen Bischofs Sorge trligt. Eine fiber drei Monate wlihrende Sedisvakanz ist nur dann zulassig, wenn wichtige Griinde die Bestellung eines neuen Bischofs unmoglich machen t, Wahrend der Sedisvakanz verwaltet der Klerus die Eparchie, und das Kirchenvermogen wird vom Okonomen der Eparchie verwahrt 2. Wenn der Klerus die Verwaltung der Eparchie nicht ordnungsmaBig besorgte, so wurde diese einem benachbarten Bischof, welcher ats provisorischer Verwalter ( p.sot-c'Y};) bezeichnet wurde s, Ubertragen, oder es Ubernahm ein Bischof, welcher den ihm zugedachten Bischofssitz auBerer Ereignisse wegen nicht einnehmen konnte (1Ctoxmto; ax,oA.riCcoY), die Verwaltung der Eparchie 4. Dies waren jedoch nur Ausnahmsflille. Die Verwaltung der Eparchie wlihrend der Sedisvakanz besorgte in der Regel der Klerus. Mangelt es an einem hiezu tauglichen Klerus, so hat nach dem 35. Trullanischen Kanon der Metropolit bis zur Besetzung des Bischofssitzes die Verwaltung in die Hand zu nehmen 5, Unter dem Klerus, welcher wlihrend der Sedisvakanz die Verwaltung der Eparchie zu besorgen hat, versteht man jenes aus Geistlichen gebildete Kollegium, welches der Presbyteral-Rat bei den Bischofssitzen genannt wurde und in welchem der Okonom der oberste WUrdentrager war (. 113). Dieser Rat hatte sich mit allen Angelegenheiten der Verwaltung der Eparchie sowohl mit den Glaubensangelegenheiten, als auch mit jenen der kirchlichen Okonomie zu befassen ; ausgenommen
Zonaras fiihrt als Grund an, die Einnahme der betreffenden Stadt durch Andersgl!lubige (Ath. Synt. II, 274). Nach dem 74. Kanan von Karthago konnte ein Bischofssitz auch ohne besonderen Grund iiber ein Jahr unbesetzt bleiben; aiiein dieser Kanan hat durch die Verordnung des erwahnten Kanon von Chalcedon, welcher 50 Jahre spllter erschienen ist, seine Bedeutung verloren. 3 IV. allgem. Konzil 25. Kanon; 35. Trull. Kanon. 3 Karthago 74. Kanon. ' Antioch. 16. Kanon und mein Kommentar. ,Pravila" II, 64-65. & Siebe tiber die Verwaltung der Eparchie wahrend der Sedisvakanz fiir Serbien Art. 24 des Gesetzes vom Jahre 1890; fiir Bulgarien Art. 38 des ExarchaiStatutes; fiir Griechenland Art. 5 des Gesetzes vom Jahre 1852; fiir die Metropolie von Hermannstadt . 98 des Organisation-Statutes; fiir die Bukowina , 127-129 des Konsistorial-Statutes; fiir Dalmatien . 126-128 des Konsistorial-Statutes. 25*
. ttl.
1

388

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

waren nur jene Angelegenheiten, welche durch das mit der Cheirotonie verbundene Recht dem Bischof vorbehalten waren. Neue Fragen, welche die Verfassung und Verwaltung der Eparchie bctrafen, kann dieser Rat nicht anregen; ebensowenig darf er Beschliisse fassen tiber Fragen, welche der verstorbene Bischof hinsichtlich einer neuen Einrichtung in der Eparchie aufgerollt hat. Mit dem Tage der Inthronisation des neuen Bischofs, welcher hiemit das vollberechtigte Oberhaupt seiner Eparchie wird, htlrt die Verwaltungsbefugnis des Klerus oder des Presbyterai-Rates auf. Vor der formellen Inthronisation kann der erwahlte und geweihtc Bischof die Verwaltung der Eparchie dann Ubernehmen, wenn derselbe nach dem 37. Trullanischen Kanan auBcrcr Griinde wegen verhindert ist, den Bischofssitz einzunehmen, vielmehr gcnotigt ist, auBerhalb der Grenzen seiner Eparchie zu Ieben (. 106).

II. Die Zentral-Organe der Verwaltung in den Eparcbien.

. 112.
Die Vika.rbischofe.
Zum Zwecke der ordnungsmaBigen Verwaltung in sehr ausgedehnten Eparchien und namentlich in Fallen, wenn der betreffende Bischof bereits an Jahren vorgeriickt und nicht mehr in der Lage war, aile ihm als Oberpriester in der Eparchie zustehenden GeschMte selbst zu besorgen, wurden bereits in den ersten Zeiten der Kirche besondere BischOfe eingesetzt, welche als Gehilfen der Eparchial-Bisch5fe wirkten und an deren Stelle verschiedene Geschafte, welche auf die Oberleitung der Eparchie Bezug batten, besorgten 1 Im IV. jahrhundert finden wir in den kleineren Orten fast jeder Eparchie Landbisch5fe, welchen die Aufsicht fiber einige Pfarren oblag und die berechtigt waren, die niederen Grade filr diese Pfarren zu weihen und tiber Ermachtigung des Eparchial-Bischofs auch Diakonen und Presbytern die Cheirotonie zu erteilen 2 Die Wahl und Einsetzung dieser Landbischofe war von den Eparchiai-BiscMfen abhangig fl . Manchmal wurden die Dienste der Landbischtlfe von jenen Bischofen versehen, welche kein eigenes Bistum innehatten 4 Im IV. Jahrhundert begannen bereits die LandbischOfe als standiges Institut in den Eparchien zu schwinden 5 ;
Siehe S. 244 dieses Suches. Vergl. 13. Kanon von Ancyra; Laod. 57. Kan.; Ant. 10. Kan.; Basilius d. Or. 89. Kanon; VII. allgem. Konz. 14. Kan. und den Kommentar des Archimandriten johann zum 10. Kanon von Ant. (erwlihntes Werk, I. 400-401). 3 Ant. 10. Kan. ' L allgem. Konz. 8. Kan. 5 Sard. 6. Kan.
1

. 112.

. 112. Die VikarbiscMfe.

389

an deren Stelle traten zuerst die Periodeuten 6 und spater, als ein neues Institut in den betreffenden Bezirken der Eparchie, die Archipresbyteri 7, Wenngleich das lnstitut der Landbischofe als standige Einrichtung in den betreffenden Eparchial-Bezirken aufhorte, erhielt sich in der Kirche doch die alte Praxis der Bestellung von Hilfsbischofen dort, wo es die Notwendigkeit erheischte. Diese BischOfe verrichteten als Stellvertreter der Eparchial-Bischofe fiber Ermachtigung derselben aile jene Geschafte, welche der Eparchial-Bischof nicht selbst besorgen konnte. Diesen BischOfen wurde in der Regel der Titel irgendeiner ehemals bestandenen, aus bestimmten Grunden aufgelassenen Eparchie beigelegt, deren Gebiet unter allen UmsUinden der ortodoxen Kirchengewalt unterstehen mu6 s. Gegenwartig bestehen Vikarbischofe in Ru.Pland, und zwar in einzelnen Eparchien auch deren zwei, neben dem Eparchial-Bischof 9 Diese Vikare haben den Zweck, ,dem mit Riicksicht auf die Ausdehnung der Eparchie mit einer Fillle von verschiedenen Geschaften belasteten Eparchial-Bischof eine Hilfe und Erleichterung zu verschaffen, sowie die Einheit der Verwaltung zu erhalten" 10. Die Vikarbisch<:ife sind vom Eparchial-Bischof vollkommen abhangig und haben die ihnen von der hoheren Kirchengewalt in der Eigenschaft als Gehilfen der Eparchial. Bischofe vorgezeichneten Rechte und Pflichten. In Rumiinien, wo das Institut der Vikarbischofe ebenfalls besteht, hat nach dem Gesetze vom 14. Dezember 1872 jeder Metropolit, sowie jeder Eparchial-Bischof seinen Vikarbischof (archiereu locoteninte, xropE1ttCi'XO'ItOt) 11 ; dasselbe gilt auch in dem Patriarchate von Konstantinope/ 12 und im bulgarischen

Exarchate 1s.

Laod. 57. Kan. Vergl. Dostojanstva. S. 37-47. 70 u. ff. 8 Die Bedingung, daB dasjenige Gebiet, dessen Namen ein Vikarbischof trligt, der orthodoxen Gewalt sowohl in kirchlicher als auch in politischer Beziehung unterstehen muB, wird als eine prinzipielle Bedingung angesehen, daher sind die Vikarbischofe, oder auch , Titutarbischofe", von den abendliindischen ,episcopi in partibus infidelium" vollends verschieden. Riicksichtlich der Bischofe in partibus vergl. Fleury, Histoire ecclesiastique (Paris 1856), Croisades. Tome V. pag. 449. 451. 452. Siebe iiber diese BischOfe, Cone. Trident. sess. XIV. de reformat. c. 2. 9 Der ,Bericht des Ober-Prokurors der russisch. heil. Synode fiir das Jahr 1895" erwlihnt 33 VikarbischOfe in RujJ/and. 10 Siebe die lnstruktion fiir den Vikar vom Perm vom 19. Jlinner 1883 in der erwlihnten Sammlung von Barsow (Anhang, S. XXXVI-XL.). tt Art. 25 des erwlihnten Gesetzes. 12 Art. 7 des Kanonismos vom Jahre 1860, iiber die BiscMfe. 18 Art. 88 (bezw. 100) des Exarchal-Statuts vom Jahre 1883.
6

390

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

. 113.
Die Kollegial-Organe der Eparohie.
Bei der Erwahnung der Vikarbischofe als Gehilfen der Bischofe in der Eparchial-Verwaltung wird eine sehr ausgedehnte und starker bevolkerte Eparchie vorausgesetzt. In den ersten Zeiten der Kirche war aber dem nicht so, denn selbst unbedeutende Orte batten, wie erwahnt, ihren Bischof, so da6 die Eparchie eines solchen Bischofs nicht groBer war, als heute eine ausgedehntere Pfarre 1 ; daher konnte der EparchialBischof allein die Verwaltung einer solchen Eparchie besorgen, ohne hiezu eines Gehilfen zu bediirfen. Als jedoch spater die Eparchien an Ausdehnung gewannen, da machte sich bereits das BedUrfnis nach solchen Gehilfen geltend. Die Bischofe umgaben sich mit befahigten Elementen aus dem Klerus, und verwalteten mit dem Rate derselben auf die moglichst beste Weise ihre Eparchien 2. Allein diese Ratgeber des Bischofs batten anfangs keineswegs den Charakter eines rechtlichen Institutes und waren auch nicht stlindige Kirchenbeamte in der Eparchialverwaltung. Erst im III. jahrhundert wird eines stlindigen Presbyteral-Rates bei den biscMflichen Amtssitzen erwlihnt, welcher die Aufgabe hatte, den Bischof in der Besorgung der Angelegenheiten seiner Eparchie zu unterstutzen s. Vom IV. jahrhundert ab erhielt dieser Presbyteral-Rat die kanonische Bestlitigung als stlindiges Organ der Eparchie, und die Kanones bestimmten auch die Art des jedem einzelnen Mitgliede dieses Rates zufallenden Dienstes . lm VIII. jahrhundert erscheint dieser Rat unter verschiedenen Namen bei jedem bischOflichen Amtssitze der orientalischen Kirche vollkommen organisiert 5, Die vollkommenste Entwicklung erfuhr dieser Presbyteral-Rat der Eparchien in dem Patriarchate von Konstantinopel, welches fUr die Einrichtung dieses Institutes bei allen Bischofssitzen der orientalischen Kirche, mit gewissen Abweichungen hinsichtlich der Zahl der Mitglieder, sowie riicksichtlich des Wirkungskreises, als Muster diente. Die Benennung dieses Rates war im Laufe der Zeit eine verschiedene s;
1 Zur Zeit des Cyprianus gab es in dem Gebiete von Karthago allein 300 Bistiimer. Vergl. El. du Pin. Op. cit. p. 25. 2 Ein Zeugnis hiefiir liefern die Sendschreiben des Ignatius, insbesondere jenes an die Trallianer (c. 3) und Magnesianer (c. 2 u. 6). 3 Tertull. Apolog. c. 39; lib. de pudicitia. Cyprian. Ep. 3. 8. 35. u. a. Die Const. Apost. ordnen an, daB die Presbyteri zu achten sind 61~ m)(J.~ODAOt too s1tta'1t61too 'ltcxt s'lt'ltAljaEcxc; ots!fiX\IO~, denn sie sind aoYs8ptoY 'ltiXL ~o!>A.~ t~~ E'lt'ltAljOLCXt;. II. Buch. Kap. 28. 'Vergl. Gangra. 7. 8. Kan.; Laod. 57. Kan.; Karth. 75. 97. Kan.; Theoph. v. Alex. 10. Kan. 5 IV. allgem. Konz. 2. 3. 23. 25. 26. Kan.; 7. Trull. Kan.; VII. allg. Konz. 11. 19. Kan. 6 Die lilteren Benennungen siehe bei Zhishman, Die Synoden S. 217.

. 113.

. 113. Die Kollegial-Organe der Eparchie.

391

die Griechen nennenihn heute E'1ttax.o7ttx.ov ('1t\lsop.a-rtx.ov, &x.x.f.:IJataa-rtx.ov) atx.aarljpwv 7); anderwarts bedient man sich der Bezeichnung Eparchial- (bischOjliches, geistliches) -Konsistorium s. Die Mitglieder dieses Rates wurden gleichfalls verschieden benannt ~; die gewOhnlichste Bezeichnung ist Kirchenwiirdentrager (&.;trop.attx.ot), je nach der Beschaffenheit ihres Dienstes in der Zentralverwaltung der Eparchie 1o, Als Beirate des Bischofs fUhren dieselben die Bezeichnung Beisitzer (7tapa-

x.a{}1Jp.svot) u.
In alterer Zeit werden in der Regel als Mitglieder dieses Rates erwahnt: 1) Der Kirchen-Okonom; 2) der Sakellarius; 3) der Skeuophylax; 4) der Chartophylax; 5) der Sake/lion; 6) der Protekdikus. Ober die von diesen Wilrdentragern bei der kirchlichen Zentralverwaltung verrichteten Dienste war bereits die Rede 12 Hieber gehOren noch: 7) der Protopresbyter (7tproto7tpsa~6tspo~' 7tpro-ro'1ta'1tti~), der fUr die liturgischen Angelegenheiten in der ganzen Eparchie zu sorgen und die Eigenschaften der die Aufnahme in den geistlichen Stand anstrebenden Kandidaten zu beurteilen hatte 13; in den Fallen, in welch en er in strittigen Angelegenheiten der Kathedralkirche auch das Amt eines Anwaltes zu versehen hatte, ilbergingen die liturgischen Agenden 8) an den Hieromnemon (Espop.vijp.mv) 14 ; 9) der Kanstrisios (x.ava-rpf.atos), welcher die Aufsicht Uber die bischOflichen Schatzkammern fUhrte t5; 10) der Referendar (psf.PspsvMpto;), der den Verkehr des Bischofs mit der StaatsbehOrde vermittelte 16 ; 11) der Logothet (A.oron-s't'r);), Kontrollor samtlicher Verrechnungen und Gehilfe des Protekdikus und Chartophylax 17; als Gehilfe dieses letzteren fungierte auch noch 12) der Aktuar (67top.v'f}p.atoyp&f.Po;), der hauptsachlich die Schreibgeschafte
7

z.

Siehe das Rundschreiben der Synode von Athen vom 29. jlinner 1853.

2621.

8 Das Wort ,Konsistorium" wird von dem Lateiruschen consistere und in besonderem von der Form consistentes hergeleitet, welche Cyprianus in seinem Sendschreiben, z. B. im 3. 11. 14. 22. (nach Migne), gebraucht. Vergl. unter den Sendschreiben desselben Cyprianus (Sendschr. 18. nach Migne), jenes des Caldonius, Cypriano et compresbyteris Carthagini consistentibus. 9 Zhishman, Die Synoden. S. 90-91. Vergl. Dostojanstva S. 122. 10 Siehe das Rundschreiben der Synode von Athen vom 16. juli 1852, Z. 2616. 11 lnstruktion des Patriarchen von Konstantinopel Matthllus I. vom jahre 1398. Cod. hist. gr. Vindob. 55 (Zhishman, die Synoden S. 216. n. 3). 12 Seite 245. 18 Dostojanstva. S. 61 u. ff.; Zhishman, Die Synoden. S. 156-157; Pavel, 0 dotznostjah i u~rezdenijah. S. 223. u Dostojanstva, S. 136; Zhishman. lb. S. 145; Pavel. lb. 207-210. 15 Dostojanstva, S. 76, 135; Zhishman. lb. S. 141; Pavel. lb. 198-200. 16 Dostojanstva, S. 76, 135-136; Zhishman. lb. S. 142; Pavel. lb. 200-205. 11 Dostojanstva, S. 76, 136; Zhishman. lb. S. 142-144; Pavel. lb. 195-198.

392

II. Teil. Die Verfassung der Klrche.

besorgte 1s. Dies war die gewOhnliche Zahl der Mitglieder des Eparchial-Rates, welche nach Ermessen des Eparchial- Bischofs, je nach Bedarf vermehrt oder vermindert werden konnte 19. Abgesehen von den Protopresbyteri, war der von den einzelnen Mitgliedern eingenommene hierarchische Rang belanglos 2o; dagegen war es nicht gleichgiltig, ob dieselben Weltgeistliche waren oder dem Monchsstande angehOrten. Bis zum XII. jahrhundert waren auch MOnche Mitglieder des Eparchial-Rates 2 1 ; spater aber wurden zufolge einer Verordnung des Patriarchen Michael III. von Konstantinopel, nur Weltgeistliche als Mitglieder dieses Rates aufgenommen, wahrend die Monche hievon ausgeschlossen waren, wei! dies mit den allgemeinen MOnchsgelfibden nicht in Einklang zu bringen war 22. Spater jedoch fanden dieselben wieder Aufnahme, wurden aber nur fUr die in den Konsistorien zur Verhandlung gelangenden Kloster-Angelegenheiten verwendet, wahrend sie sonst von der Teilnahme an gewissen Agenden ausgeschlossen waren 2s. . 114.
Die Eparchial-Konsistorien.

Die Bedeutung des Konsistoriums ist durch die Stellung des Bischofs in der ihm anvertrauten Eparchie gekennzeichnet. Wahrend ein symbolisches Buch der orthodox-orientalischen Kirche ,den Bischof als Vertreter Christi in seiner Eparchie" hinstellt, wird ihm von einem anderen die oberste Gewalt in allen seine Eparchie betreffenden Angelegenheiten zuerkannt und seinem Gewissen das geistliche Gericht fiber alles und fiber jedermann in seiner Kirche anvertraut, denn er ist vor Gott allein dafnr verantwortlich, was in seiner Kirche geschieht 2. In gleicher Weise auBern sich die Kanones der morgenlandischen Kirche s. Als Oberhaupt seiner Kirche und als der einzige, der ffir sie vor Gott verantwortlich ist, erscheint der Bischof auch als der oberste Verwalter und geistliDostojanstva, lb.; Zhishman. lb. S. 144; Pavel. lb. 205-206. Dostojanstva, S. 76. Dostojanstva, S. 153 u. ff. 21 Ibid. S. 93 u. ff. 22 Ibid. S. 99. Zhishman kommt nach Anflihrung dieser Synodal-Verordnung und in Beriicksichtigung des Umstandes, daB dieselbe in dem Kommentare Ba1samons zum Nomokanon Aufnahme gefunden hat, zu dem Schlusse, daB Monche keine Amter in der Eparchial-Verwaltung bekleiden kOnnen (Die Synoden. S. 188). 28 In den geistlichen Eparchialgerichten Serbiens fungiert nur ein Monch als Ehrenmitglied. Art. 98 des Oesetzes vom jahre 1900. . 114. 1 Orthodoxes Bekenntnis. I. Tell, 85. 2 Sendschreiben der orientalischen Patriarchen. Art. 10. 3 39. Kan. Apost. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (erwllhntes Werk. I. 186).
18 19 20

. 114. Die Eparchial-Konsistorien.

393

cher Richter in seiner Kirche; es kann daher in der Eparchie kein gesetzliches Organ bestehen, welches unabhangig von dem Bischof oder gegen dessen Willen verwalten oder das Richteramt ausilben konnte. Demnach ist das Eparchial-Konsistorium nur ein aus bewanderten und erfahrenen, vom Bischof selbst erwahlten Mannern gebildeter, beratender Korper, welcher die Aufgabe hat, durch seine Meinungen, Erfahrungen und durch die in den betreffenden Verhandlungsgegenstanden erhaltenen Informationen dem Bischof die Abwicklung der Eparchialgeschafte zu erleichtern und eine gerechte judikatur zu fordern. Das Konsistorium ist sonach keine selbstandige juristische Korperschaft, welche sich als solche dem Bischof widersetzen oder einen Beschlu8 gegen den Willen des Bischofs fassen konnte. Daher besitzen auch die Mitglieder des Konsistoriums keine entscheidende Stimme in den zum Wirkungskreise desselben gehorigen Angelegenheiten, wenn ihre Ansicht jener des Bischofs widerstrebt; sie haben vielmehr nur eine beratende Stimme, weshalb sie auch Ratgeber (a6p.p~uA~t) des Bischofs und Beisitzer des Konsistoriums genannt werden. Daher werden auch in den Statuten der gegenwartig ordnungsma8ig eingerichteten Konsistorien diese als vom Bischofe vollkommen und unmittelbar abhangige Beirate bezeichnet 4, und ebenso ist das Recht des Bischofs, jene Personlichkeiten der kompetenten Obrigkeit namhaft zu machen, welche seiner Oberzeugung nach, ihm als gewissenhafte und kluge Ratgeber zur Seite stehen konnten, gesetzlich normiert s.
' Siebe z. B. Art. 1. des Statutes der russischen geistlichen Konsistorien 1883, oder die . 2 und 3 des Bukowinaer Konsistoriai-Statutes vom jahre 1869. 5 Siebe z. B. Art. 12 des Gesetzes vom jahre 1852 in Griechenland; Art. 280 des Statutes der russischen geistlichen Konsistorien; Art. 21 des Gesetzes iiber die orthodoxe Kirche in Rumtinien. Eine Ausnahme von der allgemeinen kanonischen Norm bilden die Konsistorien (bischoflichen geistlichen Gerichte) im Konigreiche Serbien. Die Entscheidungen und Urteile nur der dortigen Konsistorien, welche der Priifung anderer kompetenter Behorden nicht unterworfen sind, sind an und fiir sich vollstreckbar, ohne dajJ die Besttitigung derselben seitens der Eparchialbischofe notwendig wtire (Art. 108 und 113 des Gesetzes vom jahre 1890). DaB es sich bier um eine durch nichts gerechtfertigte Ausnahme handelt, erhellt aus dem im Texte Gesagten. Vor einigen jahren haben die Mitglieder eines Konsistoriums in Oriechenland die Bedeutung ihrer Abstimmung im Konsistorium dargelegt und sich dafiir ausgesprochen, daB ihre Stimmen bei der Entscheidung von KonsistorialAngelegenheiten dann ausschlaggebend sein miissen, wenn sie sich in der Majoritllt befinden, mag auch der betreffende Bischof seine Zustimmung versagen. Aus diesem Anlasse hat die bischofliche Synode in Athen am 5. juli 1860 (Z. 10.946) ein an aile Bischofe gerichtetes Rundschreiben erlassen, in welchem auf Grund des 4. Kanon der Synode von Antiochia und des 12. und 20. Kanon der Synode von Karthago nachgewiesen wird, daB der Bischof allein der oberste Richter in seiner Eparchie sei und iiberdies noch folgendes beigefiigt ist: ,Die Bestimmung des Art. 9 des Gesetzes iiber die Organisation der Synode, welche verfiigt, daB der Bischof im Vereine mit vier Mitgliedem des Konsistoriums zu entscheiden habe, 251

394

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Der Vorsitzende des Konsistoriums ist der betreffende EparchialBischof s. Die Zahl der Mitglieder 7, welche ordentliche oder Ehrenmitglieder sind und dem geistlichen Stande angehoren 8, wird nach der
ist nicht dahin auszulegen, daB die Stimmen dieser Mitglieder der Stimme des Bischofs gleichzustellen sind (to6too<; bo~~~oo<;), denn dies wiirde offenbar den Kanones widersprechen (8t6tt c.<~t"fj ~&s).sv &.vttp.cixsa{}(.(t 7tpoo~Aooc; 7tpoc; tor'>:; 'ltav6vc.<<;); hiedurch soli vielmehr diesen Mitgliedern nur ein beratendes, den Bischof keineswegs bindendes Votum zukommen (ott oBtot ~xoom ~~'.Po v o o fL ~ o oAs 0 't t 'lt ~ y Ml ooxt 07t 0 Xp (J) tt 1. ~ y Ota tOY &7ttO'ltQ7tOY) .. Daraus folgt, daB die Entscheidungen der bischoflichen Konsistorien in der Weise verfaBt sein miissen, daB in denselben die Meinung des Bischofs, ohne Riicksicht darauf, ob die iibrigen tli Mitglieder dieselbe teilen oder nicht, zum Ausdrucke gelange (&ot~~6poo:; aAA'X JJ.SA'IJ S'(SYOY'tO ~ oti a6(L~'IJ~Ot 'XOtlj>) . " Siebe die Sammlung des Christopulos. S. 29, Anm. 2. In dieser Frage bestimmt der letzte Absatz des Art. 330 des Konsistorial-Statuts in Ruflland Folgendes: ,lm Faile der Nicht-Obereinstimmung mit der Meinung des Konsistoriums erliiBt der Bischof seine eigene Entscheidung, welche auch zur Durchfiihrwzg gelangt". Dies wird und muB in jedem ordnungsmaBig eingerichteten Konsistorium beobachtet werden. Daher erscheint es ganz ungerechtfertigt, dem Konsistorium fiir eine eventuell unbegriindete amtliche Entscheidung die Schuld zuzuschreiben. Wie bereits erwllhnt, hat die Meinung der Konsistorial-Mitglieder, wenn diese mit jener des Bischofs nicht iibereinstimmt, keine Bedeutung fiir die Entscheidung der betreffenden Frage; dagegen steht den Mitgliedern das gesetzliche Recht zu, zu verlangen, daB ihre Meinung in den betreffenden Akten aufgenommen werde, damit in Berufungsfllllen (~11 7tspt7ttolast &~s asooc;) der Partei an die hOhere Instanz (an die Synode), diese in die Lage versetzt werde, die Angelegenheit nllher kennen zu lernen und ein ordnungsmllBiges Urteil zu fiillen. Der Eparchial-Bischof aber ist fiir die Verwaltung und die Oerichtsbarkeit in seiner Eparchie sowohl vor Oott und seinem Oewissen, als auch vor der Synode, der fiber ihn die judikatur zusteht, verantwortlich. 6 Mit Ausnahme der Konsistorien oder der geistlichen Eparehialgerichte in Serbien, bei welchen ein Protopresbyter den Vorsitz fiihrt (siehe Anm. 5 dieses Paragraphen). 7 Die Konsistorien des Patriarchates von Konstantinopel zllhlen drei ordentliche Mitglieder (Art. 13 des Kanonismos vom Jahre 1860); im Konigreiche Oriechenland acht (Synodai-Verordnungen vom 29. jiinner 1853, 18. Mai 1856 und 26. September 1869); in RujJland drei bis fiinf (Art. 278 und 279 des Konsistoriai-Statutes vom jahre 1883); im Konigreiche Rumiinien wenigstens drei (Art. 21 des Oesetzes vom jahre 1872); im bulgarischen Exarchate wenigstens vier (. 50 des Statutes vom jahre 1883); im Konigreiche Serbien fiinf bis zehn (Art. 98 des Oesetzes vom jahre 1900); in der Karlowitzer Metropolie vier neben dem Fiskal (. 2 Abschnitt IV. des Reskriptes vom jahre 1868); in der Metropolie von Hermannstadt wenigstens vier neben dem Eheverteidiger (. 115 des organischen Statutes vom jahre 1869); In der Bukowinaer Metropolie sechs (. 3 u. 24 des Konsistorial-Statutes 1869); in der Zaraer Eparchie drei ordentliche und vier Ehrenmitglieder (. 3 des Konsistorial-Statutes vom jahre 1894); in der Metropolie von Sarajewo vier ordentliche und einige Ehrenmitglieder (. 3 des Konsistorial-Statutes vom jahre 1884); in den Eparchien von Cetinje und Zahulmien drei ordentliche und vier Ehrenmitglieder (Art. 9 des Konsistorial-Statutes vom jahre 1904). 8 In der Karlowitzer Metropolie besteht der zweite Senat der Konsistorien der Mehrzahl nach aus Laien; ebenso besteht auch der zweite und dritte Senat

av

. 115. Andere Vcrwaltungs-Organe der Eparcbicn.

395

Ausdehnung der Eparchie und nach dem Umfange der Verwaltungsund der richterlichen Agenden der Eparchie bestimmt. In den Wirkungskreis der Eparchial-Konsistorien gehoren aile jene Angelegenheiten, rucksichtlich welcher der Eparchial-Bischof des Rates und dcr MeinungsauBerung seines Konsistoriums bedarf. Sowohl nach den alteren Vorschriften, riicksichtlich des Wirkungskreises des Eparchialrates ~. als auch nach neueren Konsistorial-Statuten, werden von den Konsistorien folgendc Angelegenheiten behandelt: 1) Die Bewahrung und Erhaltung des orthodoxen Glaub ens; 2) der Gottesdienst; 3) die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Kirchen und Klostern; 4) die Errichtung und Restaurierung von Kirchen und Klostern; 5) die Beurteilung der Eigenschaften der Kandidaten fUr den geistlichen Stand; 6) die ordnungsmaBige Erftillung der Pflichten seitens der Geistlichkeit; 7) die geistliche Gerichtsbarkeit; 8) die Ehestreitigkeiten; und 9) die Aufsicht iiber die Verwaltung des Kirchen- und Klostervermogensto.

. 115. Andere Verwaltungs-Organe der Eparchien.


Unter der Oberleitung des Eparchialbischofs bestehen in einzelnen autokephalen Kirchen neben den Konsistorien in den Eparchien nocl1 andere Hilfsorgane. 1) In den Eparchien des Patriarchates von Konstantinope/ (und auch in jenen der ubrigen Patriarchate) besteht neben dem geistlichen Konsistorium die sxx.A.-r;o~a.onxIJ &mtpo1t1J, welche aus drei Geistlichen besteht und folgenden Pflichtenkreis besitzt: a) Die Sorge flir die ordnungsmaBige Verrichtung des Gottesdienstes, fUr die Ordnung in den Gotteshausern und der geistlichen Sachen ; insbesondere darliber, ob in jeder Kirche die heiligen Antimensien sich in voller Ordnung befinden; b) die Aufsicht tiber das Verhalten des Klerus und iiber die auswartigen Geistlichen; c) die Zensur der Bucher geistlichen Inhaltes, welche fur den Druck bestimmt sind. Diese Epitropie hat innerhalb engerer Grenzen dieselbe Aufgabe wie die Zentral-Epitropie fiir das Patriarchat in Konstantinope!t. Abhangig vom gemischten Rate des Patriarchates (tJ.~Xtbv OUtJ.~ooA.toY) besteht in jeder Eparchie der Eparchial-Rat (s1tapx~cxx.bv OUtJ.der Konsistorien in der Metropolie von Hermannstadt der Mehrzabl nacb aus Laien (siebe das in dieser Beziebung in den . 53 u. 99 dieses Buches Ausgefiibrte). u Zhishman, Die Synoden. S. 219-227. 10 Die Ehestreitigkeiten gehoren in jenen Staaten, in welcben diese Angelegenbeiten in den staatlicben Wirkungskreis einbezogen wurden, nicbt zur Kompetenz der Konsistorien. Siebe bieriiber den . 147 dieses Bucbes. . 115. 1 Siebe Art. 13 des Ill. Kanonismos iiber die Synode vom jahre 1860.

396
~o6),tov) 2 unter

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

dem Vorsitze des Eparchiai-Bischofs, in dessen Wirkungskreis alle Angelegenheiten der Eparchie, welche nicht geistlicher Natur sind, geh5ren, namentlich die Sorge fiir die Volksschulen und die Entscheidung ziviler Streitfalle zwischen orthodoxen Christen. Ahnliche Eparchial-Rlite bestehen in mehr oder minder abweichender Form auch in den anderen Patriarchaten s. 3) In der russischen Kirche bestehen in einigen sehr ausgedehnten Eparchien oder wegen gewisser Lokalverhaltnisse dieser Eparchien neben den bischOflichen Konsistorien, und abhangig von diesen, sogenannte geistliche Verwaltungsbehorden, welche als Hilfsorgane der Konsistorien denselben Wirkungskreis wie diese, nur im beschrankteren Umfange, haben 4 Oberdies befindet sich an den Sitzen der EparchialBiscMfe und in unmittelbarer Abhlingigkeit von denselben das mit selbstandigem Wirkungskreis ausgestattete Eparchial-Kuratorium, dem die Sorge fiir die Witwen und Waisen der Geistlichkeit obliegt. Dasselbe ist in jeder Eparchie aus sechs Geistlichen gebildet und besitzt in jedem bedeutenderen Orte der Eparchie, zur genaueren Besorgung der Angelegenheiten, einen Agenten. Die Mitglier des Kuratoriums, sowie die Agenten, werden aus den von dem Konsistorium beantragten Personlichkeiten vom Bischofe ernannt s. 3) In der Karlowitzer Metropo/ie besteht neben dem EparchiaiKonsistorium in jeder Eparchie unter dem Vorsitze des betreffenden Bischofs der Eparchia/-Verwaltungsausschu./3, dessen Mitgliederzahl die Eparchial-Versammlung nach dem Umfange der Eparchie und der Menge der Agenden bestimmt. Von den Mitgliedern dieses Ausschusses miissen zwei Dritteile dem Laienstande und ein Dritteil dem geistlichen Stande angeMren. Zum Wirkungskreise dieses Ausschusses gehort: a) Die Verhandlung der Streitigkeiten zwischen den Lehrern, den Lokal-KirchenAusschiissen und Versammlungen; b) die Verwaltung und Beaufsichtigung der Volksschulen und die Ernennung der Lehrer; c) die Festsetzung der Grenzen bestehender und die Errichtung neuer Pfarren; d) die Aufsicht iiber das Kirchengemeinde- Kloster- und Stiftungsvermogen, die Revision der Klosterrechnungen und die Superrevision der Rechnungen der Kirchengemeinden 6, In jeder Eparchie besteht sodann der Eparchia/-Schul-Ausschu./3 fiir die Beaufsichtigung aller serbischen Nationalschulen des betreffenden Schulbezirkes und zum Zwecke der Fiirsorge fiir dieselben. Dieser AusschuB besteht aus 15 Mitgliedern, deren zwei
Art. 9 des Kanonismos iiber die BischOfe. Siebe . 87 Anm. 4. 0 duhovnih pravlenijah. Barsow N. 600-638. 5 Ob eparhialnih pope~itelstvah. Barsow N. 695-761. e Art. 27-30 der Eparchiai-Organisation u. IV. A. , 10 des Reskriptes vom jahre 1868.
3
2

. 116. Die Eparchialversammlungen.

397

abgesehen vom Bischof, welcher den Vorsitzt im Ausschusse fUhrt, dem geistlichen Stan de angehOren 7. 4) In der Hermannstiidter Metropolie zerfallen die Eparchial-Konsistorien in drei Senate (senatul). Neben dem Senat fUr die rein kirchlichen Angelegenheiten (senatul strins bisericesc), besteht der Schulsenat (senatul scolar). Die Zahl der Mitglieder dieses Senates wird nach dem Umfange der Eparchie und nach der Menge der Geschafte bestimmt. Den Vorsitz fUhrt der betreffende Bischof. Ein Dritteil der Mitglieder dieses Senates gehOrt dem geistlichen Stande an, wahrend zwei Drittteile aus Laien gebildet werden. In den Wirkungskreis dieses Senates fallen die konfessionellen Schulen s. AuBerdem besteht noch der Epitropal-Senat (senatul epitropesc), welcher unter dem Vorsitze des Eparchialbischofs aus einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern gebildet wird, von denen zwei Dritteile dem Laienstande und ein Dritteil dem geistlichen Stande angehtiren. In den Wirkungskreis dieses Senates fallt die Verwaltung des Kirchenvermogens in der Eparchie und aller Fonde o.

. 116.
Die Eparchialversammlungen.

In der Entstehungszeit der Presbyteral-Rlite bei den bischoflichen Amtssitzen (. 113.) finden wir auch die Erscheinung, daB die Bischofe bei auBergewohnlichen Anllissen den ganzen Klerus oder die obersten Geistlichen der Eparchien zum Zwecke der Verhandlung Uber wichtigere Fragen, bezUglich welcher der betreffende Bischof die Meinung seines gesamten Klerus ht>ren wollte, versammelten. Solche Versammlungen finden wir in III. jahrhundert in der alexandrischen Kirche, anlaBiich der hiliastischen Streitigkeiten, und in der Kirche von Karthago zur Zeit des Cyprianus. Ebenso werden im IV. jahrhundert, anHiBlich der arianischen Streitigkeiten, Versammlungen der Geistlichen bei den betreffenden Bischofen erwlihnt; auch im V. jahrhundert zur Zeit des Johannes Chrysostomus ist dies der Fall. Diese Einrichtung ging seinerzeit in die allgemeine kirchliche Praxis Uber und aus derselben bildete sich die heutige Eparchial-Versammlung, (xmpt-x.-YJ cr6voaoc;, zum Unterschiede von der -r:omxttj cr6voaoc; Metropolitan- Synode), welche als "Versammlung, die der Bischof mit dem ihm unterstehenden Klerus
7 Das Regulativ fiir die serbischen Nationalschulen vom Jahre 1872 . 117, 121, 129-135. 8 Organisches Statut vom jahre 1869 . 122-131. 9 Organisches Statut vom Jahr 1869 . 132-141. Fiir diese Institute in der Karlowitzer und Hermannstlldter Metropolie gilt das in den . 53 u. 99 II, b. dieses Buches Oesagte,

398

II. Teil. Die Verfassung der Kircbe.

bildet", definiert wird t, An dies en Versammlungen beteiligen sich, unter dem Vorsitze des kompetenten Bischofs oder dessen Vertreters, die Delegierten des Klerus der ganzen Eparchie, urn fiber die Bediirfnisse der Eparchie sowohl was die Kirche, den Seelsorgedienst und die geistliche Disziplin, als auch was die Bildung des Volkes und die christliche Erziehung desselben anbelangt, zu beraten. Diese Versammlungen, als eine Institution, welche sich aus dem Presbyteral-Rat entwickelte, sind nichts anderes als Eparchialrate, in welchen die Ubereinstimmenden Meinungen des gesamten Eparchialklerus tiber die betreffenden Fragen formuliert werden. Diese Meinungen werden sodann dem Konsistorium zur Beurteilung iibergeben, welches auf Grund derselben die betreffenden fiir jedermann in der Eparchie bindenden VerfUgungen erlaBt. Solche Eparchi~lversammlungen bestehen gegenwartig in jeder wohl geordneten Eparchie. In RujJ!and obliegt diesen Versammlungen: die Bildung des Volkes, die Sorge fiir die Pfarrschulen, die Aufklarung der AngehOrigen fremder Stamme in der christlichen Lehre, die Verbreitung des orthodoxen Olaubens unter den Haretikern, die ErBrterung verschiedener Fragen der Pastoralpraxis. Die Verhandlungsgegenstande der Versammlung bestimmt der Eparchialbischof; allein auch die Oeistlichen bringen verschiedene Ereignisse aus dem Pastoralleben zur Sprache, worauf nach durchgeffihrter ErOrterung dariiber Beschlilsse gefaBt werden, wie in Hinkunft vorzugehen sei. Damit der Klerus mit der Wahl von Delegierten fiir diese Versammlungen nicht belastet werde, besteht seit dem jahre 1884 die Einfiihrung, daB an den Eparchialversammlungen nur die Bezirkserzpriester teilnehmen 2 Ahnlich sind die geistlichen Versammlungen in Bulgarien. Diese Versammlungen werden jedes jahr am 1. juni am Amtssitze des Bischofs veranstaltet. Den Vorsitz fiihrt der Bischof oder dessen Stellvertreter. Zur Verhandlung gelangen Fragen tiber die moralischen und materiellen Verhaltnisse des Eparchialklerus, fiber die moralisch-religiOse Lage des Volkes und fiber die zur Besserung dieser Lage erforderlichen Mittel. Die Antrage der Versammlung werden der vorgesetzten BehOrde vogelegt, welche die entsprechenden Verftigungen ertaBt. An den Versammlungen nehmen die jahrlich gewahlten Delegierten der Pfarrgeistlichkeit tens.
. 116.

Xroptlt~ o6voooc;; bnv hs1vlj, 't"~Y o7totcxY oowJ't'lf 57tloxon:oc;; ttetri tow lo[rov too XA'Yjptltrov tt6vrov. Pedalion (erw!lhnte Ausgabe) S. 367. lm Abend1

lande wird diese Versammlung ,synodus dioecesana" oder ,concilium episcopale" genannt. Siebe Thomassin/ Vetus et nova ecclesiae disciplina. P. II. lib. Ill. cap. 74-76. (Ed. cit. VI, 517 sq.). I. Fefller, Ober die Provinzial-Konzilien und DiozesanSynoden {lnnsbruck, 1849) S. 165 fg. 3 Siebe bieriiber Berdnikow, Kursus des Kirchenrecbts, S. 344-346, wo aile Verordnungen iiber diese Eparchialversammlungen angefiibrt sind. 3 Siehe Art. 5 des II. Teiles der Erganzung zum Exarchal-Statut.

. 116. Die Eparchialversammlungen.

399

In der Hermannstiidter Metropolie haben sich diese Versammlungen der Eparchialgeistlichkeit zu einer besonderen Art von Versammlungen ausgebildet. Die Eparchialversammlung, welche nach dem allgemeinen Kirchenrecht der morgenlandischen Kirche ausschlieBlich aus Geistlichen unter dem Vorsitze des Bischofs oder des Stellvertreters desselben gebildet sein sollte, ist in der Hermannstadter Metropolie zu einer national-kirchlichen Versammlung geworden und wird als EparchialSynode (sinodul eparchial) bezeichnet. Diese Synode besteht aus 60 Mitgliedern, von welchen 40 dem Laien- und 20 dem geistlichen Staude angeh5ren; das Mandat dieser Mitglieder dauert drei jahre, worauf zur Neuwahl geschritten wird. Diese Synode versammelt sich jahrlich am Thomas-Sonntag. Zum Wirkungskreise derselben gehoren, neben den Angelegenheiten welche sich auf das Kirchenvermogen und auf die Volkserziehung beziehen, auch die Wahl des Bischofs, welcher von der bisch5flichen Synode nur der kanonischen Prllfung unterzogen wird; die Sorge fUr die geistliche Disziplin und das Erlassen von diesbeziiglichen Norm en; das Prllfen und Erlassen von lnstruktionen iiber die theologischen Anstalten; das Rezensieren von Bllchern wissenschaftlichen theologischen Inhaltes und, was besonders charakteristisch ist, die Beseitigung von Schwierigkeiten, welche bei AusfUhrung der Kanones oder bei Durchfllhrung kirchlicher Vorschriften zutage treten 4 Eine ahnliche Einrichtung besteht dermalen auch in der Karlowitzer Metropo!ie. Auch hier besteht die Eparchialversammlung nur mit einem engeren Wirkungskreise als jener der ,Eparchial-Synoden" der Hermannstadter Metropolie. Die Anzahl der Teilnehmer an diesen Versammlungen ist nach dem Umfange der betreffenden Eparchie verschieden; dieselbe schwankt zwischen 30-135. Von den gewahlten Mitgliedern der Eparchial-Versammlung geMren, auBer dem Bischof und den Mitgliedern verm5ge ihrer amtlichen Stellung, zwei Dritteile dem Laien- und ein Dritteil dem geistlichen Stande an 5.

III. Die Verwaltnngsorgane in den Eparchial-Bezirken.

. 117. Die kirchlichen Aufsichtsorgane in den Bezirken.


Anfangs wurde die Aufsicht tiber mehrere Pfarren in den einzelnen Eparchien den sogenannten Landbisch5fen Ubertragen 1 Als aber spater
' Siehe . 75-96 des organischen Statutes vom jahre 1869. Zur Beurteilung dessen siehe die . 53 u. 99 dieses Buches. ~ Siehe Art. l-18 und 34-39 der Eparchiai-Organisation vom jahre 1871. Zur Beurteilung dieser Versammlung dient das in den . 53 u. 99 dieses Suches Gesagte. . 117. 1 Siehe Seite 298.

400

11. Teil. Die Verfassung der Kirche.

durch den 6. Kanon der Synode von Sardica bestimmt wurde, da6 in kleineren Orten keine BischBfe eingesetzt werden dUrfen, da Uberging dieses Aufsichtsrecht auf besondere Priester, die sogenannten Periodeuten, welche dasselbe standig an bestimmten Orten oder periodisch Uber jeweiligen Auftrag des Eparchiai-Bischofs ausUbten 2. Aus dieser Institution entwickelten sich mit der Zeit standige Bezirks-Aufsichtsorgane in den betreffenden Eparchien. Die mit dieser Aufsicht betrauten Personen werden in den kanonischen Quellen mit verschiedenen, von jenen der iibrigen Priester abweichenden Titeln, in der Regel aber als Erzpriester (1tproto'lta7t&.a5s) bezeichnet s. Oieses Institut der kirchlichen Aufsichtorgane in den Bezirken hat sich in der griechischen Kirche weniger ausgebildet, in den Kirchen nicht-griechischer Zunge aber eine weitgehendere Entwicklung erfahren. Der Grund hiefUr liegt darin, daB die Zahl der Bisch5fe und Bistiimer in der griechischen Kirche eine bedeutend groBere, sonach auch die Zahl der die einzelnen Eparchien bildenden Pfarren eine geringere ist, so daB die BiscMfe in der Lage sind, allein und unmittelbar die ihnen unterstehenden Pfarren zu Uberwachen und der Bestellung besonderer Aufsichtsorgane entbehren konnen. In dem Patriarchate von Konstantinopel bestehen z. B. dermalen keine solchen Bezirks-Aufsichtorgane, die bei uns ,Protopresbyterate" genannt werden, sondern jede Eparchie zerfallt in eine bestimmte Anzahl von Pfarren (von 50 bis 150) mit einem Hauptpfarrer und zwei oder drei demselben beigegebenen Hilfspriestern, welch' ersterer in unmittelbarer Abhangigkeit von der bisch5flichen Zentralgewalt, sowie im direkten Verkehre mit derselben steht. Im Obrigen kennen diese Hauptpfarrer in den griechischen Eparchien in einer gewissen, allerdings bedeutend eingeschrankteren Beziehung, sowie mit RUcksicht auf ihre Rechte beziiglich der Ubrigen Pfarrgeistlichkeit, den Bezirks-Aufsehern in den Eparchien nicht-griechischer Zunge gleichgestellt werden. . 118.

Die Bezirksprotopresbyteri. Der Bezirksprotopresbyter ist das Oberhaupt der Pfarrgeistlichkeit des betreffenden Bezirkes. Derselbe fiihrt diese Bezeichnung und
2 Siebe Dostojanstva. S. 49-58. ,Die Aufgabe der Periodeuten war vergleichbar mit jener, welche heute durch die Benennungen Kirchenaufseher und Missiontir gekennzeichnet erscheint", heiBt es in der Scholie zum 57. Kanon von Laod. in der Kniga pravil. 3 Ke'ltroAop.svov {yzro 'tO>V 'ltotv6vrov SO'tlV, hta'lt6'1tOO~ rEvea&ott el.; ~potxeot~ 'lt6AeL.; 'ltott 'ltrop.ot.;, 'ltott Bt!X 'tOOtO sxetpo't6voov el.; 't'X.OtiX<; 1tpsa~o-rspou.;, ~"(OOV 'It p (I) 't 0 'It IX 'It ria IX~ 'lt!Xl xrops7tLa'lt6'1tOO<;. Balsamons Kommentar zum 10. Kanon von Antiochia (Ath. Synt. Ill, 142).

. 118. Die Bezirksprotopresbyteri.

401

tragt die Wiirde eines Erzpriesters nur in den serbischen und rumanischen Partikularkirchen. In den iibrigen Partikularkirchen fiihrt das Oberhaupt einer bestimmten Anzahl von Pfarren und der betreffenden Pfarrgeistlichkeit verschiedene Benennungen. In RuBiand z. B. wird der Protopresbyteral-Bezirk ,blagocinnie" und der Vorsteher blagocinni, in Bulgarien wird der letztere bischOflicher Stellvertreter, arhiereiski namjestnik, genannt. Der Dienst dieses Vorstehers muB mit der kirchlichen Wiirde eines Erzpriesters nicht notwendig verbunden sein; es kann vielmehr der Vorsteher eines Bezirkes ein Oeistlicher sein, welcher sonst keine kirchliche Wiirde bekleidet. Der Dienst des Vorstehers ist nicht iibera!l standig mit einer Person verbunden, sondern derselbe kann von einer Person auf eine andere iibergehen und im allgemeinen nur filr eine bestimmte Zeit dauern 1 Die Anzahl der Pfarren, welche zu einem Aufsichtsbezirk gehoren, ist nach der geographischen Lage der betreffendcn Eparchie verschieden ; meistens werden aber 10 Pfarren als die geringste normale Zahl angesehen 2. Die Bestellung der Bezirksprotopresbyteri steht tiber Antrag des geistlichen Konsistoriums oder jenes geistlichen Rates, welcher dem Bischof beigegeben ist, dem Eparchialbischof zu s. Der Wirkungskreis der Bezirksprotopresbyteri ist durch ihren Charakter als Stellvertreter des Bischofs in den betreffenden Eparchial-Bezirken gekennzeichnet. lhre Aufsichtsrechte in den ihnen unterstehenden Bezirken erstrecken sich auf alles das, worauf die Rechte des Bischofs in seiner Eparchie sich beziehcn; unterliegen jedoch natlirlicherweise jenen Einschrankungen, welche die Rechte der Eparchial-Bischofe als Oberpriester und Oberhirten mit sich bringen. Den Rechten dieser kirchlichen Bezirks -Aufseher entsprechen auch gewisse Pflichten, welche mehr oder weniger ausfiihrlich sowohl in den alteren, als auch in den neueren, von den kompetenten Kirchengewalten filr diese Organe erlassenen Instruktionen taxativ angefiihrt sind. Die Pflichten derselben konnen nach den bestehenden verschiedenen Instruktionen eingeteilt werden in solche, welche au.f das Lehramt, die Verwaltung der heiligen Handlungen und endlich auf die Handhabung der Kirchenregierung Bezug haben. Zu den das Lehramt betreffenden Pflichten gehoren insbesonders:
. 118.

In den bulgarisclzen Eparchien werden die bischoflichen Stellvertreter in jedem Bezirke jedes zweite jahr gewlihlt. Art. 55 des Exarchai-Statutes. 2 In Ruflland werden einem Aufseher 10 bis 30 Pfarren zugewiesen. 3 Dieser Vorgang wird in allen autokephalen Kirchen dermalen beobachtet mit Ausnahme der Karlowitzer und Hermanstiidter Kirche. In der ersteren werden nach . 68 des Reskriptes vom jahre 1868 und in der letzteren nach . 50 des organischen Statutes die Protopresbyteri von den Vertretern des Klerus und Volkes gewahlt.
1

IUd, llrebelreebl.

26

402

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

1) die Sorge, daB in dem ganzen Aufsichtsgebiete der orthodoxe Otaube rein erhalten bleibe; 2) di"e Verschaffung der Oberzeugung, ob die Pfarrgeistlichkeit an Sonn- und Feiertagen des Predigeramtes waltet, sowie ob diese Predigten auch im Oeiste des orthodoxen Olaubens gehalten werden; 3) ob der Religionsunterricht den Kind ern regelmliBig erteilt wird; 4) ob die christliche Lehre nach den vorgeschriebenen, kompetenterseits genehmigten Btichern vorgetragen werde; 5) ob die Oeistlichen die theologischen Wissenschaften pflegen, welche BUcher dieselben im allgemeinen zur Lektilre verwenden, sowie welche periodische Zeitschriften dieselben halten; endlich soli en die Bezirksprotopresbyteri 6) bei jeder Visitation der Bezirkes das Yolk und den Klerus, sowohl Offentlich in der Kirche, als auch an anderen Versammlungsorten belehren. Was die die Verwaltung der heiligen Handlungen betreffenden Pflichten anbelangt, so gehOrt hieher: 1) die Sorge dafiir, daB jede Pfarrkirche die fUr den Oottesdienst, nach den kirchlichen Vorschriften und nach der Kirchenverfassung, erforderlichen Oerate in gutem Zustande besitze, und daB dieselben von den Oeistlichen in diesem Zustande erhalten werden; 2) daB in jeder Kirche die vorgeschriebenen gottesdienstlichen BUcher vorhanden sind und sich in gutem Zustande befinden; 3) daB die Kirchen rein und in Ordnung gehalten werden; 4) dieselben nach den von der kompetenten Oewalt approbierten Normalpllinen gebaut werden; 5) daB die Oeistlichkeit die heiligen Oaben fOr Kranke, sowie das Chrisam, in gutem Zustande erhalte; 6) die Kontrolle, ob die Priester ihren Dienstpflichten in der Kirche nachkommen, sowie ob dieselben nicht zufallig eine Verrichtung, besonders wahrend der Osterfasten, vernachlassigen; 7) ob die heiligen Sakramente im Sinne der kirchlichen Vorschriften verwaltet werden, ob namentlich hinsichtlich der Ehe auch die weltlichen Vorschriften beobachtet werden, und 8) ob aile Olaubigen sich in der vorgeschriebenen Zeit der Beichte unterziehen und die Eucharistie empfangen, sowie ob die Geistlichen jahrlich wenigstens einmal bei den betreffenden ProtobresbyteralBeichMI.tern die Beichte ablegen. Beztiglich der Handhabung der Kirchenregierung obliegt denselben darOber zu wachen: 1) daB die Pfarrgeistlichkeit den Anordnungen der kompetenten Obrigkeit genau nachkommt; 2) daB die Pfarrgeschafte von den Oeistlichen gewissenhaft und im Sinne der betreffenden Vorschriften besorgt werden; 3) daB dieselben nicht Beschaftigungen nachgehen, wodurch das geistliche Ansehen erniedrigt werden kt}nnte; 4) daB sie ein ehrbares und frommes Privatleben ftihren; 5) ihren Kindem eine gute Erziehung angedeihen lassen; 6) daB verwitwete Geistliebe keinen ansWBigen Frauenverkehr pflegen; 7) daB sie stets die vorgeschriebene geistliche Kleidung tragen; 8) keine gesetzwidrigen

119. Die Hilfsorgane der Vcrwaltung in den Protopresbyteraten.

403

Entlohnungen fUr ihre Dienste entgegennehmen; 9) die Sorge fUr die notleidenden Priester, sowie fUr die Witwen und Waisen von Geistlichen; 10) die Aufsicht Uber die ordnungsmliBige Verwaltung des Kirchenverm5gens; 11) die Berufung der Geistlichkeit des Bezirkes, jllhrlich ein- oder zweimal, zu allgemeinen Versammlungen, urn ilber die Bedfirfnisse der Kirche zu beraten und die theologische Wissenschaft zu pflegen; 12) die Sorge fi.ir die ungesliumte Besetzung eines zufallig und unerwartet erledigten Dienstpostens; 13) die Information an den Bischof i.iber auBergew5hnliche Ereignisse im Bezirke; 14) die Ffihrung eines genauen Verzeichnisses samtlicher Priester des betreffenden Bezirkes, sowie die Vormerkung dessen, was auf jeden einzelnen derselben Bezug hat; 15) die jahrlich ein- oder zweimalige Visitation der Pfarren des Bezirkes, wobei sie sich die pers5nliche Oberzeugung fiber die allgemeinen Verhaltnisse in der Pfarre zu verschaffen und ein Hauptaugenmerk darauf zu lenken haben, wie die Pfarr-Matriken und sonstigen Dienstbi.icher gefiihrt werden, welche Sorgfalt der Bibliothek der Kirchengemeinde gewidmet, sowie ob der Vermehrung derselben die notwendige Aufmerksamkeit zugewendet wird, und endlich 16) die Erstattung eines eingehenden Berichtes nach jeder Visitation an den Eparchial-Bischof tiber den Zustand des Bezirkes, unter Angabe der sich eventuell als notwendig erweisenden Anderungen in den bestehenden Einrichtungen . . 119.

Die HiUsorgane der Verwaltung in den Protopresbyteraten.


In gr5Beren Protopresbyterai-Bezirken werden die Protopresbyteri durch bestimmte Gehilfen unterstiitzt, oder es sind denselben stllndige Organe beigegeben. Die Gehilfen der Protopresbyteri werden aus den angeseheneren und tauglichen Pfarrgeistlichen der Bezirkes gewahlt. Oieselben erfiillen die betreffenden Aufseherpflichten im Namen des Protopresbyters und ohne seine selbstandige jurisdiktion t. Neben diesen Gehilfen bestehen in vielen autokephalen Kirchen der Gegenwart standige Hilfsorgane der Protopresbyteri. In Ru]Jland besteht in jedem Bezirke ein Kirchen-Aufsichtsrat, welcher aus wenigstens drei Geistlichen unter dem Vorsitze des Kirchen' Ober die Rechte dieser kirchlichen Bezirks-Aufseher in 1uterer Zeit, vergl. Dostojanstva. Seite 71-72. Ober den Wirkungskreis der romisch-katholischen LandDechante (decani ruralcs, vicarii foranei) nach den osterr. kirchenrechtlichen Vorschriften, siehe ]. He/jeri, Von den Rechten und Pflichten der Bischofe und deren Oehilfen und Stellvertreter. S. 422-478. . 119. 1 In RuBiand ist in jedem Aufsichtsbezirk, in welchem mehr als 15 Pfarren vorhanden sind, dem Bezirksaufseher ein Oehilfe beigegeben. Art. 65 des Konsistoriai-Statutes vom jahre 1883. 26*

4U4

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

aufsehers gebildet wird. Die Wahl dieser Mitglieder erfolgt durch die Geistlichkeit des betreffenden Bezirkes. Dieser Rat wird vom betreffenden Aufseher nach Bedarf berufen. In den Wirkungskreis dieses Rates geh5rt die Beaufsichtigung des Verhaltens des Klerus, die Erorterung der materiellen Lage desselben, die Bestimmung der Prediger in den einzelnen Kirchen filr das ganze jahr, die Verhandlung und Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Geistlichen, die Sorge fOr die Besserung jener Oeistlichen, riicksichtlich welcher die Klage erhoben wurde, daB sie ihre Seelsorge-Pflichten nicht ordnungsmiiBig erfiillen 2. Eine ahnliche Einrichtung besteht auch im bulgarisclzen Exarchat. Die bischOflichen Stellvertreter bilden in jedem Bezirke im Vereine mit zwei bis vier weiteren Mitgliedern den Bezirksrat, welcher in allen Angelegenheiten, welche auf die geistliche Disziplin im betreffenden Bezirke Bezug haben, kompetent ist. Im geistlichen Rate der Eparchie (Konsistorium) wird auch keine Klage in Verhandlung genommen, wenn der geistliche Bezirksrat nicht vorher hierUber seine Meinung kundgegeben hats. In der Metropolie von Hermannstadt ist dieser Presbyteralrat sehr entwickelt. Hier besteht fUr die rein kirchlichen Angelegenheiten die Protopresbyteral-Tafel (scan nul protopresbiteral), welche unter Vorsitz des Protopresbyters aus sechs Oeistlichen gebildet wird. Fiir die kirchlich-administrativen sowie fur die Schul- und Stiftungs-Angelegenheiten besteht die Protopresbyteral-Synode (sinodul protopresbyteral), deren Mitglieder zu zwei Dritteilen dem weltlichen und zu einem Drittteil dem geistlichen Stande angehoren. Als Vollzugsorgan der Protopresbyteral-Synode fungiert der Protopresbyteral-AusschuB (comitetul protopresbyteral), von dessen Mitgliedern zwei Dritteile dem weltlichen und ein Dritteil dem Laienstande angeh5ren. SchlieBlich besteht noch die Protopresbyteral-Epitropie (epitropia protopresbyterala), wclche aus vier Epitropen gebildet wird, und fiir die Auslagen zu Kirchen- und Schulzwecken des ganzen Protopresbytcrates zu sorgen hat f,

. 120. Die Pastoral-Konferenzen in den Bezirken. Nach dem Muster der geistlichen Versammlungen in den Eparchien (. 116) sind auch in den Protopresbyteraten Versammlungen eingefiihrt, welche Pastoralkonjerenzen genannt werden. Diese Einrichtung entstand namentlich zu jener Zeit, als es verboten war, Bischofe
2

Berdnikow, Kirchenrecht. S. 347-348.

3
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Art. 131 des Exarchai-Statuts vom jahre 1895. . 29-65 des organischen Statutes vom jahre 1869.

120. Die Pastoral-Konferenzen in den Bezirken.

405

in kleineren Orten einzusetzen, die Eparchien sonach an Umfang gewannen, und es daher dem .gesamten Klerus unmoglich wurde die Versammlungen der Eparchie am Bischofssitze zu besuchen. Daher haben die Bischofe die Verfilgung getroffen, daB der Klerus der einzelnen Gebiete der Eparchie zu bestimmten Zeiten an geeigneten Orten sich zur gegenseitigen geistlichen Ausbildung versammle. UrsprUnglich waren diese Versammlungs-Orte in der Regel die Kloster und spater die Amtssitze der Bezirksprotopresbyteri 1. Der Zweck dieser Pastoralkonferenzen ist derselbe wie jener der Eparchialversammlungen, namlich die Vervollkommnung des Klerus im religiOs-moralischen Leben, die Erorterung der BedUrfnisse des Klerus, die Beratung ilber den Seelsorgedienst, ilber die geistliche Disziplin, fiber die Ausbildung und christliche Erziehung des Volkes etc. Diesem Zweck gemaB teilen sich die Geistlichen gegenseitig die verschiedenen Verhaltnisse des Seelsorgedienstes mit, starken sich gegenseitig durch brilderliche Eintracht, beraten tiber die Bedilrfnisse der Kirche und iiber jene Vorschlage, welcher der EparchialbeMrde behufs Befriedigung dieser BedUrfnisse zu unterbreiten waren und beleben endlich in sich das Streben nach Vervollkommnung in der kirchlichen Lehre. Zu diesem letzteren Zwecke werden bei diesen Konferenzen einzelne theologische Fragen der mUndlichen Behandlung unterzogen, und wird tiber dieselben entschieden, so daB sie zum Gemeingut aller Mitglieder der Konferenz werden. Es ist aber auch moglich, daB der Bischof vor der Versammlung theologische Fragen versendet, auf Grund welcher von einzelnen Mitgliedern schriftliche Arbeiten geliefert werden, die in der Konferenz verlesen werden, worauf fiber dieselben verhandelt und entschieden wird. Den Vorsitz in der Konferenz fiihrt der kompetente Bezirksprotopresbyter; der Versammlungsort ist entweder der Amtssitz des Protopresbyters oder ein von demselben im Bezirke designierter Ort. Diese Konferenzen finden jahrlich einmal im FrUhjahr oder Herbst statt. Nach beendigter Konferenz Ubersendet der Protopresbyter binnen vier Wochen einen eingehenden Bericht tiber die Konferenz samt dem beziiglichen Protokoll und einer synoptischen Tabelle dem Konsistorium. Das Konsistorium erlaBt sodann tiber die Verhandlungsgegenstande die beztiglichen Entscheidungen 2.

1 Vergl. Thomassin/ Vetus et nova eccl. disciplina. P. II, I. 3. cap. 74 et 76. Fiir die Bukowinaer Eparchie wurden die Normen fiir die Pastoralkonferenzen am 8. Februar 1857 Z. 3924, und fiir die dalmatinische Eparchie am 28. November 1890 Z. 226 erlassen. Ober die geistlichen Versammlungen in den Bezirken in Ru.Pland siehe Berdnikow, Kirchenrecht. S. 346.

120.

406

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

IV. Die Pfarrgeistlichkeit.

. 121.
Allgemeine Ubersicht.

Die HauptstUtze der standigen Eparchial-Organisation, sowie der ordnungsmaBigen Entwicklung des kirchlichen Lebens im allgemeinen, bildet die Pfarrgeistlichkeit. Dieselbe ist der wichtigste Oehilfe und Vertreter des Bischofs in der Verwaltung der Lehre, in Ausiibung seines Amtes als Oberpriester und in gewissem MaBe auch in der Verrichtung seines oberhirtlichen Dienstes 1. Die Pfarrgeistlichkeit bildete sich allmiihlich, im Zusammenhange mit der Zunahme der Zahl der Olaubigen. In den ersten drei jahrhunderten der christlichen Kirche gab es keinc Pfarren im hcutigen Sinne, denn der ganze Oottesdienst wurde in der Kathedralkirche der Stadt verrichtet. Mit der Zunahme der Olaubigen aber, sowohl in den Stadten als auch auf dem Lande, war die Kathedralkirche nicht mehr ausreichend, urn allen religiOsen BedUrfnissen der OUiubigen zu entsprechen; daher finden wir urn die Mitte des Ill. jahrhunderts in den bedeutenderen Stadten des r<>mischen Reiches neben der bischoflichen Hauptkirche auch andere Kirchen, in welchen sich die in der Nahe ansassige Bev<>lkerung versammelte. Jede dieser Kirchen hatte ihren eigenen Presbyter, der im Namen des Bischofs den Seelsorgedienst versah. lm IV. jahrhundert IaBt sich eine gleiche Erscheinung rticksichtlich der Kirchen auf dem Lande beobachten 2, und im V. jahrhundert, zur Zeit des Konzils von Chalcedon, erscheint die Einrichtung selbstandiger kleinerer Kirchen mit ihren besonderen Oeistlichen, welche gemaB der ihnen vom Bischof erteilten Vollmacht den Seelsorgedienst fUr die den bctreffenden Kirchen angeMrende Bev5lkerung unabhangig austibten, vollkommen

. 121.

L. Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina. P. I. lib. II. c. 21-23; D. Bouix, Tractatus de parocho. Ed. II. Paris 1867; Ober die Pflichten der Pfarr1

geistlichkeit. Auf!. XXIV. Moskau 1850 (in russischer Sprache); P. Necaev, Praktische Anleitung u. s. w. (in russ. Sprache); P. P. Zabjelin, Die Rechte und Pflichten der Presbyteri u. s. w. (in russ. Sprache). Mit Riicksicht auf die kirchlich-weltlichen Gesetze in Osterreich, siehe ]. Helfer!, Von den Rechten und Pflichten der Pfarrer und deren Gehillfen und Stellvertreter. 2 Details hieriiber siehe bei Thomassin, I. c. Athanasius d. Gr. erwlihnt ei~en Bezirk mit zehn Ortschaften, c.J.eren jede ihren von dem Bischof von Alexandria abhiingigen Priester hatte: ,Mareotes regio est Alexandrina, in qua nunquam episcopus fuit, aut choreplscopus, sed universae illius regionis ecclesiae Alexandrine parent episcopo. Presbyter! autem suos vicos (')!.oop.-x~) habent maximos, qui decem circiter sunt imo plures numero" (Apolog. contra Arianos, n. 85). Vergl. 57. Kan. von Laod. und 6. Kanon von Sardica, wonach in kleineren Orten keine Bischofe, sondern Priester angestellt werden sollen.

. 121. Allgemeine Obersicht.

407

entwickelt3. Zur Vermehrung dieser Kirchen trug besonders der Umstand bei, daB die ganze zum Christentum bekehrte Bevolkerung in den Vorstadten und auf dem Lande nicht in der Lage war, die Stadtkirche zu besuchen, sondern in ihren Wohnsitzen eigene Seelsorger benotigte, und daB fast alle heidnischen Bethauser in christliche Kirchen umgewandelt wurden. Als Grundlage fUr die Errichtung solcher kleinerer Kirchen und der Kirchengemeinden im allgemeinen diente vor allem die ortliche Lage der Kirchen ; viele derselben befanden sich auf Grund und Boden Privater, welche im Vereine mit der daselbst ansassigen Bevl:ilkerung eine besondere Kirchengemeinde bildeten 4 ; ferner das Recht des Kirchenvermtigens, welches aus Uindereien von bestimmter Ausdehnung und anderen unbeweglichen Oiitern hestand, die von frommen Personen fUr die Kirche und fUr den betreffenden Priester gewidmet wurden und zu deren Vermehrung die Kirche gesetzlich berechtigt war 5; weiter die an Privatpersonen erteilte Erlaubnis, Kirchen auf eigene Kosten zu errichten und fiir die Erhaltung eines besonderen Priesters Sorge zu tragen 6; endlich die Obung, Kirchen an Orten zu grilnden, welchen seitens der Christen aus dem Grunde eine besondere Pietat entgegengebracht wurde, wei! z. B. an denselben einzelne wegen ihrer Glaubenstreue den Tod erlitten. Diese Kirchen batten gleichfalls ihre besonderen Seelsorger und wurden durch besondere Oblationen der Bev6lkerung erhalten 7. Es war auch gestattet, Oratorien in Privathausern zu errichten, doch konnten bei denselben keine eigenen Geistlichen angestellt werden; nur auBerordentliche Verhaltnisse lie.Ben eine Ausnahme in dieser Beziehung zu s. In allen diesen Kirchen (auBer in den in Privathausern befindlichen Oratorien) wurden die gewohnlichen gottesdienstlichen Verrichtungen vorgenommen und die Sakramente fUr die Olaubigen eines bestimmten Oebietes, welches gegenwartig Pjarre genannt wird, verwaltet. Der den Seelsorgedienst innerhalb der Grenzen eines solchen Gebietes versehende Geistliche fiihrt die Bezeichnung

Pjarrer9.
Siebe 17. Kanon des IV. allgem. Konzils und den Kommentar des Zonaras zu demselben Kanon (Ath. Synt. II, 259). ' Vergl. S. 297 dieses Suches. 5 Siebe justin. Nov. 120: De alienatione, emphiteusi etc. in universis locis rerum sacrarum. 8 Siebe justin. Nov. 67, cap. 2: ,Ut qui ecclesias aedificant, prius definiant quae ad curam et constitutionem ejus et conservationem pertinent". 7 Vergl. 6. u. 8. Kan. des IV. allgem. Konz.; 83. Kan. von Karth. u. a. 8 Siebe 31. u. 57. Trull. Kan.; 10. Kan. des VII. allgem. Konz. und Kommentare zu diesen Kanones. Verg. Nomok. III, 14 (Ath. Synt. I, 117). 9 Es wurde bereits erwahnt, daB das Wort 7tllpot~tiX urspriinglich zur Bezeichnung eines bischoflichen Gebietes oder Eparchie nach heutigen Begriffen gebraucht wurde (S. 298). lm VI. jahrhundert begann man im Abendlande dieses
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408

II. Teil. Die Verfassung der Kitche.

Der Dienst des Pfarres erstreckt sich fiber eine bestimmte Pfarrgemeinde und wird von demselben standig, abhangig von dem Eparchial-Bischofe, ausgeUbt. Dieser Dienst wird als ein standiger bezeichnet, weil er an und fUr sich besteht und nicht etwa der AusfluB einer temporaren bischOflichen Ermachtigung ist. Derselbe ist in der Organisation der Kirche gelegen und selbstandig, wenngleich er auch aus der bischOflichen Oewalt herriihrt und derselben untergeordnet ist. Der Bischof ist und bleibt wohl der Oberhirt in seiner Eparchie mit der Berechtigung, das oberhirtliche Amt Uberall auszuiiben, allein die Kanones gestatten den BischOfen keineswegs, den Pfarrer in der ordnungsmassigen Ausiibung der festgesetzten Rechte zu stOren, ihn von seinem Dienste ohne wichtige und gesetzliche OrUnde zu suspendieren, ihn ohne gerechtfertigte Ursachen, sowie ohne formelles Urteil zu versetzen oder abzusetzen. Im Dienste des Pfarrers, welcher innerhalb der Orenzen eines bestimmten Oebietes selbstandig ist, liegt die Fiille der geistlichen Oewalt, d. h. dem Pfarrer steht gemiU3 der ihm vom EparchialBischofe eingeraumten Rechte die volle geistliche Oewalt innerhalb der Orenzen seiner Pfarre zu, so daB ohne sein Wissen kein auswartiger Oeistlicher irgend eine gottesdienstliche Handlung in der betreffenden Pfarre vornehmen darf; ebensowenig dUrfen die Eingepfarrten auBerhalb ihrer Pfarre die geistlichen Onaden entgegennehmen, z. B. eine Ehe schlieBen. Die Pflichten des Pfarrers den Eingepfarrten gegenUber, zu deren Erfiillung er ausschlieBiich berufen ist, sind sowohl durch die kirchliche, als auch durch die weltliche Oesetzgebung genau vorgezeichnet; daher kOnnen andere Oeistliche nur mit seinem Wissen die eine oder andere dieser Pflichten in seiner Pfarre erfiillen, und Uberdies ist er allein berechtigt zu gestatten, daB eine gewOhnliche seelsorgliche Pflicht fUr einen seiner Pfarrlinge in einer anderen Pfarre erfUIIt werde. Mit Riicksicht auf diese Fiille und AusschlieBiichkeit der Oewalt wird der Pfarrer einem fremden Priester die Vornahme geistlicher Handlungen in seiner Pfarre erst dann gestatten, wenn dieser ihm ein bezUgliches Dekret des Bischofs vorzuweisen in der Lage ist; gegenteiligen Falles ist er berechtigt, ihm dies ganzlich zu untersagen. Der geistlichen Oewalt des Pfarrers unterstehen sonach aile, die in der betreffenden Pfarre ihren Wohnsitz haben, also standige Mitglieder der Kirchengemeinde sind, sowie auch jene, die sich voriibergehend in der Pfarre aufhalten.
Wort im heutigen Sinne zu gebrauchen, von wo aus dasselbe von den dem Abendlandegeographisch zunachst ans!issig gewesenen orientalischen Christen angenommen wurde. Die fragliche Bezeichnung ist griechischen Ursprungs und riihrt von 1tapot'X.EtY (habito, incolo, commoro an einem bestimmten Orte wohnen) her; man schrieb: h'X.kljata 1tapot'X.ooaa K6ptY'tOY oder 'Pci>!LljY, was gleichbedeutend war mit: die Kirche von Korinth, von Rom (Cf. Suicer, Thesaur. eccl. II, 598).

. 122. Die Bestellung der Pfarrer.

409

Die Errichtung von Pfarren obliegt der Kirchengewalt, welche mit RUcksicht auf die politische Bedeutung des Pfarr-Instituts, in dieser Beziehung stets einvernehmlich mit der Staatsgewalt vorgeht, was auch riicksichtlich der Abgrenzung der Pfarren der Fall ist to. Zu Stretigkeiten tiber die Grenzen einer Pfarre kann es nur in dem Faile kommen, wenn diesfalls keine Urkunden vorliegen und ein Zeitraum von drei6ig Jahren noch nicht verflossen ist 11 Zur Errichtung einer Pfarre kann nicht geschritten werden, falls die Bevolkerung nicht so zahlreich ist, urn die notwendigen Mittel zur Erhaltung der Kirche und des Pfarrers aufzubringen 12. Eine einmal errichtete Pfarre kann nur von der fUr ihre Errichtung kompetenten Gewalt aufgehoben werden ta. Jede Pfarre muB ihre besondere Kirche, die Pfarrkirche, haben, in welcher der ordentliche Gottesdienst abgehalten wird; aile iibrigen in einer Pfarre eventuell vorhandenen Kirchen sind der Hauptkirche untergeordnet 14,

. 122.
Die Bestellung der Pfarrer. Die bloBe Stellung des Pfarrers in dem Eparchial-Organismus, sowie die Beziehung des Pfarrdienstes zur bischOflichen Zentralgewalt, zeigt schon an und fUr sich, daB die maBgebende Stimme bei der Bestellung des Pfarrers dem obersten Trager der Eparchialgewalt, namlich dem Bischof, zufallen mUsse. Dieses aus der Natur der Sache selbst entspringende Recht des Bischofs wurde von der kirchlichen Gesetzgebung aller Zeiten bestatigt 1 Zur groBeren Sicherheit fUr die Wahl einer vertrauenswiirdigen und zur ordnungsmaBigen Verrichtung des Dienstes tauglichen Personlichkeit wurde von dem Bischofe, ehe
Siehe . 84, II. S. 300. Vergl. 38. Kan. des Trull. Konz. Vergl. 17. Kan. des IV. allgem. Konz. und den Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (erwahntes Werk. II, 296-297). n Balsamons Scholie zum Nomokanon. I, 30 (Ath. Synt. I. 70). 1s Vergl. 24. Kan. v. Ant.; 33. Kan. v. Karth . ; 11. Kan. des VII. allg. Konz.; 2. u. 3. Kan. des Cyrillus von Alexandria u. a., sowie die Kommentare zu diesen Kanones. 1' Balsamons Kommentar zum 17. Kan. des IV. allgem. Konz. (Ath. Synt. II, 259); Zonaras' Kommentar zum 71. Kan. v. Karth. (Ath. Synt. lll, 485). . 122. 1 Die gegenwartigen tiber die Bestellung des Pfarrers und beziiglich der iibrigen in diesem Paragraphen besprochenen Angelegenheiten bestehenden gesetzlichen Vorschriften werden wir im . 123 erwiihnen. Hier sollen die Daten aus der :uteren kirchlichen, sowie kirchlich-weltlichen Gesetzgebung angefiihrt werden. Ober das im Texte erwlihnte Recht des Bischofs, betreffend die Bestellung der Diener der Kirche, siehe den 26. Kanon des IV. und den 11. Kanon des VII. allgem. Konzils. Vergl. Nomokanon IX, 1. X. 1 (Ath. Synt. I, 168. 236); 8. Antwort des johannes von Citrus (Ibid. V, 410); Ba/samon, Kommentar zum 86. Kanon von Karthago (Ibid. Ill, 516).
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410

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

er seine Entscheidung in dieser Angelegenheit traf, die Meinung des Klerus fiber die betreffenden Kandidaten gehort II und auch die Stirn me des Volkes zurate gezogen. In den ersten Zeiten der Kirche hatte die Meinung des Volkes fUr den Bischof einen bedeutend grOBeren Wert, als jene des Klerus, sowie denn auch im allgemeinen niemandem ein Offentliches Amt in der Kirche verliehen wurde, ohne daB das Volk gehOrt worden ware. Hiefilr liegt uns eine ganze Reihe von Zeugnissen vor, deren wir bereits einige erwahnt haben s. Der Grund, weshalb die Kirche der Teilnahme des Volkes an der Bestellung der Kirchenhirten im allgemeinen, und speziell der Pfarrer, eine besondere Bedeutung beigemessen hat, liegt darin, weil zuvOrderst die Offentliche Meinung der Kirche die beste Bilrgerschaft dafilr bieten konnte, daB die Wahl den WUrdigsten traf; weil hierin weiter ein deutlicher Beweis fUr das enge moralische Band, welches Priester und Volk verbindet, gefunden werden konnte und weil endlich der einstimmig erwahlte Seelsorger den Ausdruck der Liebe der ihm anvertrauten OUlubigen verkOrperte. Diese Teilnahme des Klerus und Volkes bei der Bestellung der Pfarrer durch die BischOfe erfuhr im Laufe der Zeit verschiedene Anderungen. Die Teilnahme des Klerus hat sich mehr oder weniger erhalten; dagegen ging jene des Volkes, zufolge der zwischen Kirche und Staat eingetretenen Verbindung, zum graBen Teile auf die Staatsgewalt fiber, deren Hilfe die Kirche haufig zur grOBeren Festigung ihrer Anordnung in der Oesellschaft, sowie zur Sicherung ihrer Ordnung im allgemeinen in Anspruch nahm 4. Oegenwartig ist in dieser Beziehung die Staatsgewalt namentlich in jenen Staaten an Stelle des Volkes ge2 Siebe den 10. Kanon des Theophilus von Alexandria. Balsamon legt in seinem Kommentar zu diesem Kanon der Stimme des Klerus in dieser Frage nur einen beratenden Charakter bei, wobei er dem Bischof das volle Recht zuerkennt, selbst nach Anhorung der Stimme des Klerus nach seinem Dafiirhalten vorzugehen, EL -x.at sTC(O'X.o7to~ OU'('X.~ta:t({}sta:t t'fj -x.p(aet to5 'X.A~pou (Ath. Synt. IV, 350). Vergl. die 4. Antwort des johannes von Citrus (Ibid. 5, 406). 3 Siehe . 53 u. 103. Vergl. A. Pawlow ,Ober die Teilnahme der Laien an kirchlichen Angelegenheiten, vom Standpunkte des orthodoxen kanonischen Rechts" (S. 5 u. ff.). (In russischer Sprache). Vergl. hieriiber die Novelle des Kaisers Alexius Komnenus vom Jahre 1107. 3tatt7to5aa: t!X 1tept tow 4~tprov, wxt 67to[o!.>~ osi eiva:t tor)~ TCa:Vti'J.zoo &pztspet~, 1tp0~ as 'X.~t tOO~ i:spei~ sv tO(t~ S1t~px[~t;, Ml 't'lt<;; (J.'fjtpo1tOAE!Jt, 'X.~t 'tO(I~ smo'lto7ta:t~. Ath. Synt. V, 291-304 (Zachariae, jus graec.-rom. Ill, 413-424). Diese Novelle wurde in die Kanonen-Sammlungen der orthodox-orientalischen Kirche aufgenommen; sie diente ehemals als Grundlage fiir die Beziehungen zwischen der Kirchen- und der Staatsgewalt, bei der Bestellung von Personlichkeiten zur Verrichtung offentlicher Dienste in der Kirche, und galt auch spiiterhin als Basis, auf welcher die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in dieser Hinsicht festgesetzt und der Staatsgewalt die gesetzliche Teilnahme bei der Bestellung solcher Pers<>nlichkeiten zuerkannt wurde. Dieser Novelle ist auch cine andere Novelle des-

. 122. Die Sestellung der Pfarrer.

411

treten, wo die orthodox-orientalische Religion die Staatsreligion bildet Nach den kanonischen Vorschriften der morgenUindischen Kirche steht bei der Bestellung der Pfarrer das oberste Recht im allgemeinen dem Eparchial-Bischof zu ; das Volk hat hiebei seine Meinung tiber die betreffende Pers5nlichkeit, welcher das Seelsorge-Amt anvertraut werden soli, kundzugeben, sowie das in dieselbe gesetzte Vertrauen zu bezeugen, wahrend der Klerus, beziehungsweise der Presbyteral-Rat, den Bischof Uber die Eigenschaften und Fahigkeiten des Betreffenden zu informieren und demselben in der Frage, welche Pfarre dem Kandidaten anzuvertrauen ware, beratend zur Seite zu stehen hat. Die Anteilnahme des Staates an der Bestellung der Pfarrer ist von den Beziehungen abMngig, welche in den verschiedenen Staaten zwischen der Kirchen- und Staatsgewalt bestehen. Zur Bekleidung irgend eines offentlichen Kirchenamtes ist das Vorhandensein aller jener Bedingungen notwendig, welche bei der Behandlung des Eintrittes in die Hierarchie taxativ angefUhrt wurden s. FUr die Erlangung der WUrde eines Pfarrers wird Uberdies erfordert, daB der Betreffende: a) Mitglied des Klerus der Eparchie sei, in welcher er den Dienst versehen soli. Sollte ein Kleriker aus einer anderen Eparchie sich urn einen erledigten Pfarrersposten bewerben, so muB derselbe sich mit einem Entlassungsschreiben seines Eparchial-Bischofs ausweisen und formell in den Klerus der neuen Eparchie aufgenommen werden 6; b) Weltgeistlicher sei 7; c) mit gutem Erfolge die Pfarrkonkurs-Priifung vor der betreffenden Priifungs-Kommission abgelegt habe s, und d) durch einen feierlichen Eid bekraftige, daB er aile seine Pflichten kenne, dieselben gewissenhaft erfiillen und in jeder Beziehung seiner vorgesetzten Behorde gehorsam sein werde s. Hierauf wird ihm die
selben Kaisers lihnlich, welche gleichfalls in die Kanonen-Sammlungen der orthodoxorientalischen Kirche aufgenommen wurde (Zachariae. Ibid. Ill, 424-426). Vergl Balsamon, Kommentar zum 18. Kanon des I. allgem. und zum 19. Kanon des Trull. Konzils (Ath. Synt. II, 156. 348). Siebe das in den . 15, 25 und 40 dieses Suches hieriiber Angefiihrte. ~ Siebe . 64-72. 6 33. Kan. Apost.; IV. all gem. Konz. 13. Kan.; 17. Trull. Kan. und die Kommcntare Zonaras' und Balsamons zu diesem letztcren Kanon (Ath. Synt. II, 343). 7 IV. allgem. Konz., 4. Kan.; 46. Trull. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesen Kanones (erwlihntes Werk. II, 265-270. 425-426); die Verordnung der Patriarchai-Synode zu Konstantinopel zur Zeit des Patriarchen Michael Ill. (siehe die Scholie Balsamons zum 3. Kap. des I. Titels des Nomokanon. Ath. Synt. I, 41); Art. 15 der koniglichen Verordnung in Oriechenland vom 28. juli 1858, publiziert durch das Synodal-Zirkular vom 6. Mai 1859, Z. 9576 (Xptcs'tO'Ito6A.oo to>..A.oril. S. 350; vergl. auch 377). 8 Siebe S. 263 dieses Suches. 9 Vergl. die verschiedenen Eidesformeln in Acta Patr. Constantinop. II, 20, 21, 30, 36, 321 u. a.

412

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

gesetzlich vorgeschriebene Urkunde ausgefertigt to, die Einsetzung vorgenommen t1 und ihm hiemit der GenuB der betreffenden BezUge zuteillll. . 123.
Die gegenwartige Pfa.rr-Organisation.

Die Pfarrorganisation und die Art der Einsetzung der Vorsteher der Pfarren ist gegenwlirtig durch besondere gesetzliche Vorschriften in den einzelnen autokephalen Kirchen normiert. 1) In allen orienta/is chen autokephalen Kirchen sind die Pfarren sehr ausgedehnt. jede Pfarre (svoplcx.) hat eine Hauptkirche, bei der mit wenigen Ausnahmen mindestens drei Geistliche, darunter der Pfarrer (1tpoeotro~) und Oberdies ein Diakon, angestellt sind. Der Pfarrer fUhrt die amtliche Korrespondenz, die PfarrbOcher, und ist allein vor der kompetenten BeMrde fUr die Pfarre verantwortlich. Er wird vom Bischof nach AnMrung der Meinung des Volkes ernannt, hat auBer dem Bischof keinen anderen Vorgesetzten und ist von diesem unmittelbar abhlingig. Die anderen Geistlichen, sowie der Diakon, werden von dem Pfarrer im Vereine mit den Vertretern des Volkes der betreffenden Pfarre gewiihlt und vom Eparchial-Bischof bestatigt. Diese Geistlichen (S(/)'YjtJ.Sptot) versehen der Reihe nach die Seelsorge in der Pfarre, und der unter ihnen an jahren alteste, pater spiritual is (1tYOtJ.tlttx6~) genannt, versieht den Dienst eines Beichtvaters fUr die ganze Pfarre und ist in der Regel allein berechtigt, die Beichte zu h<:iren. Die Einknnfte des Pfarrklerus bestehen neben den StolgebOhren (ttl. tOX.'Y}Pri) aus den Beitrligen der Pfarrgemeinde . 2) lm K<:inigreiche Oriechenland sind die Pfarren durch das Gesetz vom 8. Juni 1856 geregelt. Dieselben gliedern sich in drei Kategorien, namlich Land-, Vorstadt- und Stadtpfarren. Zu den kleinsten Pfarren ziihlen diejenigen, welche 25 Familien, zu den groBten, welche 400 Familien umfassen. Nach der Familienzahl schwankt auch die Zahl der Geistlichen zwischen einem und drei; jede gr<:iBere Pfarre hat stets auch ihren Diakon. Die Pfarrer, sowie die Diakonen, werden vom Eparchial-Bischof ernannt 2.
0 ' 11

Vergl. Ath. Synt. V. 572. Vergl. die in Anm. 4 dieses Paragraphen erwlihnte Novelle des Kaisers

Alexius Komnenus.
u Vergl. 57. und 123. Nov. justinians. 123. 1 Siebe Silbernagl, Verfassung S. 49. Gegenwlirtig wird eine neue Ordnung in den Pfarren, namentlich in dem Gebiete des Patriarchats von Konstantinopel eingefiihrt, u. z. auf Grund des neuerschienenen Kavo'.lla!Lo~ 1rept tciw svoptciw tij~ 'Ap)(tS1tta'lto1t~<; Krovatavttvbo1t6A.ero~. 1901. 2 Vergl. die Synodal-Zirkulare: vom 7. Marz 1834, 12. Mai 1834, 4. Mai und 25. August 1856, 28. August 1857, u. a.

. 123. Die gegenwl!.rtige Pfarr-Organisation.

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3) lm Konigreiche Serbien zahlen die Pfarren in der Regel 300 bis 400 Hauser s. Der Pfarrer wird vom Eparchial-Bischof selbst eingesetzt, nachdem der Betreffende auf Grund eines Konkurses fiir eine Pfarre erwahlt wurde 4. Der Unterhalt des Pfarrers wird durch die von der kompetenten weltlichen Obrigkeit gesammelten und im Pfarrhause deponierten Kontribute s, sowie durch die StolgebUhren gesichert s. 4) In Ruj3/and steht das Recht, neue Pfarren zu errichten, dem Eparchial-Bischof mit Genehmigung der Synode zu. In jeder Pfarre, welche weniger als 700 mannliche Mitglieder zahlt, ist ein Oeistlicher und ein Psalte angestellt; bei mehr als siebenhundert kommt noch ein Diakon hinzu 7. Der Eparchial-Bischof hat das Recht, den Pfarrer und die iibrigen Bediensteten der Pfarrkirche zu ernennen, zu welchem Zwecke demselben die betreffenden Kandidaten vom Konsistorium vorgeschlagen werden s. 5) Im bulgarischen Exarchate zahlen die Pfarren 150 bis 300 Hauser9. Der Pfarrer wird von der Versammlung der Pfarrlinge im Vereine mit der Oeistlichkeit der betreffenden Pfarre, unter dem Vorsitze des kirchlichen Bezirks-Aufsehers (Bezirks-Protopresbyters) gewahlt und von dem Bischof nach AnhOrung des Konsistoriums (Eparchialrates) bestatigt to. Neb en den Stolgebiihren 11 erhalten die Pfarrer auf dem Lande eine Erganzung ihrer Beziige auf 480 Lei, und in den Stlidten auf 600 bis 720 Lei; Diese BezUge werden denselben von den kirchlichen Bezirks-Aufsehern regelmaBig in drei Jahresraten ausgefolgt 12 6) In der Karlowitzer Metropolie ist die Pfarr-Organisation durch das Reskript vom Jahre 1868 normiert. In der Regel zahlt eine Pfarre durchschnittlich 2000 See! en; bei 2000 bis 4000 Seelen wird dem Pfarrer ein systemisierter Hilfspriester zugewiesen; bei Uber 4000 bis 6000 werden demselben zwei und bei Uber 6000 drei, nach Bedarf auch vier Hilfspriester beigegeben ts. jeder Kirchengemeinde steht das Recht zu, auch einen Diakon zu besitzen, falls dieselbe in der Lage ist, demselben den notwendigen Unterhalt zu sichern 14 Zur Bestellung des Pfar3 Art. 1. des Oesetzes fiber die Organisation des geistlichen Standes vom 31. Dezember 1882. Art. 27, Pkt. tO des Oesetzes vom jahre 1890. 5 Ministeriai-Verordnungen: vom 21. juli 1839, 6. Mai 1847, 28. August 1848, 26. September 1848, 22. November 1860. 6 Verordnungen vom 29. Marz 1853 und 8. April 1861. 7 Synodal-Verordnung vom 16. Februar 1885. 8 Art. 63. des Konsistoriai-Statuts. 1883. 9 Art. 69 des Exarchal-Statuts vom jahre 1895. 10 Art 71-78 des Exarchal-Statuts. 11 Art. 146 desselben Statuts. 12 Art. 144-145 desselben Statuts. 13 . 5. des I. Teiles des Reskriptes. u . 63. des II. Teiles des Reskriptes.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

rers, der systemisierten Hilfspriester und der Diakonen wird seitens des Konsistoriums der Konkurs ausgeschrieben; die eingelangten Gesuche werden vom Konsistorium einer Prilfung unterzogen und die Gesuche der qualifizierten Bewerber der Oemeinde, beziehungsweise der Lokal-Kirchenversammlung Ubermittelt, welche die Wahl in Oegenwart eines Vertreters des Konsistoriums vornimmt. Die Bestatigung der Wahl obliegt dem Konsistorium Hi. Die den Pfarrdienst anstrebenden Kandidaten haben sich einer Prtifung zu unterziehen, welche jahrlich einmal in der Residenz des Eparchiai-Bischofs abgehalten wird. Von dieser Priifung sind nur die Professoren der Theologie nach einer dreijahrigen vorztiglichen Verwendung, sowie die Katecheten der Mittelschulen nach einer ftinfjahrigen tadellosen Dienstzeit, befreit. Die Prtifungs-Kommission wird vom Bischof aus geistlichen Mitgliedern des Konsistoriums, aus Professoren der Theologie {in der Archidiozese) und aus wirklichen Pfarrern gebildet 16 Die Einkiinfte der Pfarrgeistlichkeit bestehen in derNutznieBung gewisser GrundstUcke (Pfarr-Sessionen), oder aus einer entsprechenden Entschadigung hiefiir, und aus einem Jahresgehalte in Geld, anstatt der Pfarr-Kontribute und der Stolgebtihren. Dieser Jahresgehalt betragt 800 bis 2000 Kronen, und es sind hienach die Pfarren und die Anstellungen fiir die Hilfspriester in sechs Klassen eingeteilt. Der geringste jahresgehalt betragt fiir den Diakon 800 Kronen. Jedem Pfarrer, welchem auch die Wohnung und das notwendige Beheizungsmateriale zugewiesen wird, werden fUr die Uber Verlangen der Pfarrlinge vorgenommen seelsorglichen Handlungen die nach einem bestimmten Tarife vorgeschriebenen Gebiihren entrichtet 11. 7) In der Hermannstadter Metropolie beruht die Organisation der Pfarren auf dem organischen Statute vom jahre 1869 und ist jener der Karlowitzer Metropolie ahnlich. Die Pfarrer, Kaplane und Diakonen werden von der Pfarr-Synode unter Vorsitz des Bezirks-Protopresbyters gewahlt. Den Anspruch auf die Anstellung als Pfarrer hat jeder, welcher vor der betreffenden, im Residenzorte des Bischofs befindlichen Kommission die vorgeschriebene Priifung mit gutem Erfolge abgelegt hat. Das Wahloperat der Pfarr-Synode wird von dem Protopresbyter dem Konsistorium vorgelegt, welches, wenn alles ordnungsmaBig befunden wurde, die endliche Entscheidung des Eparchiai-Bischofs einholt. Dem sodann vom Bischof ernannten Pfarrer wird die betreffende Urkunde ausgefertigt ts. 8) Die Pfarr-Organisation in der Metropolie der Bukowina und von Dalmatien ist sowohl far die Bukowina, als auch fUr Dalmatien besonders geregelt.
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. 53-67 deS' II. Teiles des Reskriptes. . 1-12 des VI. Teiles des Reskriptes. . 10-21 des I. Teiles des Reskriptes. . 7, Punkt 2, . 13 und 121. Punkt 8, des

organischen Statuts.

. 123. Die gegenw!lrtige Pfarr-Organisation.

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a) Die Regulierung der Pfarren in der Bukowina erfolgte im jahre


1843 und bildete mit einigen spatern Erganzungen die Grundlage der

heutigen Organisation. jede Pfarre hat ihren selbstandigen Pfarrer, welcher vom Eparchiai-Bischof, nach Anh5rung des Konsistoriums t 9 und nach abgelegter vorgeschriebener PrUfung, ernannt wird 20. Wie in der russischen Kirche, so besteht auch hier zur Unterstiltzung des Pfarrers beim Gottesdienste und in der KanzleifUhrung ein standiger Psalte 21 In grOBeren Pfarren ist dem Pfarrer ein Hilfspriester beigegeben, welcher vom ersteren in jeder Beziehung abhangig isf22. Fur kleinere Kirchen werden an Stelle des Pfarrers Stellvertreter bestimmt. Die Pfarrgeistlichkeit bezieht ihre Dotation aus dem griechisch-orientalischen Religionsfonde der Bukowina 2s. b) In den dalmatischen Eparchien erfolgte die Regulierung der Pfarren im jahre 1853. Der Pfarrer wird vom Eparchial-Bischof nach AnhOrung des Konsistoriums und nach abgelegter PrUfung ernannt 24. Die Dotation der Pfarrgeistlichkeit hat durch das im Dezember 1887 erlassene Gesetz eine provisorische Regelung erfahren. Hienach zerfallen die Pfarren in drei Klassen. Die Pfarrer, Pfarradministratoren und Kaplane erhalten die Kongruaerglinzung aus dem Staatsschatze 25 9) lm KOnigreiche Rumiinien erfolgte die Pfarr-Regulierung durch das Gesetz vom jahre 1893. In jeder bedeutenderen Pfarre besteht neben dem Pfarrer auch ein Diakon. Die Pfarrer werden vom Eparchial-Bischof im Einvernehmen mit dem Kultusminister ernannt. Unter den Kandidaten fur das Pfarramt genieBen die Doktoren und Lizenziaten der Theologie den Vorrang. jeder Pfarrer, welcher die WUrde eines Doktors oder Lizenziaten der Theologie bekleidet, erhalt neben den Epitrachelium-Gebiihren monatlich 200 Franks; 100 Franks monatlich erhalten die Absolventen des gewtlhnlichen Seminarkurses. Dieselbe Dotation erhalten die den bedeutenderen Kirchen zugeteilten Diakone.
u . 17, . 24, IV, 5. und . 45, 4. der Konsistorial-Geschaftsordnung vom jahre 1869. 20 Die Pfarrer und Hilfspriester miissen sechs W ochen nach ihrer Ernennung die betreffende Ernennungs-Urkunde erhalten und nach 22 Tagen das Amt antreten. Der Bezug der Dotation beginnt mit dem Tage der Ausfertigung der ErnennungsUrkunde. Derjenige, welcher nach erfolgter Ernennung das Amt nicht antritt, verliert auf zehn jahre das Recht, sich urn irgend einen Posten zu bewerben. Konsistorial-Zirkular vom 1. Februar 1867, Z. 5864. 21 Konsistorial-Zirkular vom 19. Oktober 1849, Z. 585, 27. Marz 1869, Z. 291 und 4. August 1874, Z. 2701. 22 Allerhochste EntschlieBung vom 23. jllnner 1875; Konsistorial-Verordnung vom 1. juli 1874. Z. 2901. 23 Allerhi:ichste Entschlie6ung vom 5. September 1862. 24 . 17, , 25 und . 45. der Konsistorial-Geschllftsordnung vom jahre 1870. 2 ~ Eine Ergllnzung zu diesem Gesetze wurde am 19. September 1898 erlassen.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

Nach je zehn Jahren erhalt jeder Pfarrer eine Steigerung des Orund1 gehaltes urn 20 o 0 26. 10) In Montenegro umfassen die Pfarren, welche erst in neuerer Zeit reguliert wurden, 150 bis 300 Hauser. Die Pfarrer ernennt der Eparchial-Bischof im Einvernehmen mit der filrstlichen Regierung. Die Dotation der Pfarrgeistlichkeit wurde im Jahre 1900 geregelt27. . 124.
Die a.llgemeinen Rechte und Pflichten der Pfa.rrer.

Wir haben bereits im . 121 den Charakter der Pfarrer und des Pfarrdienstes kennen gelernt. OemaB der Fiille der geistlichen Oewalt, welche dem Bischof in allen Zweigen in seiner Eparchie iiber den gaozen Klerus und das Volk im Sinne des gottlichen Rechts zusteht, ist derselbe der Pfarrer in seiner Eparchie. Mit Rilcksicht darauf ist die jurisdiktion eines Pfarrers in der betreffenden Pfarre keine selbstandige, sondern diese wird von ihm als den Vertreter seines Bischofs an einem bestimmten Ort und bei einer bestimmten Kirche ausgeUbt. Allein trotz dieses Charakters unterscheidet sich diese jurisdiktion von jeder anderen Jurisdiktion, welche der Bischof innerhalb der Orenzen seiner Eparchie anderen Oeistlichen, z. B. den Bezirksprotopresbyteri, den Klostervorstehern, den Beichtvatern, den Predigern u. s. w. Ubertragt. Diese Oeistlichen besitzen nur eine vom Bischof delegierte jurisdiktion, welche auf Lebensdauer des Betreffenden ilbertragen werden, die aber der Bischof nach seinem Dafiirhalten auch aufheben kann. Die jurisdiktion des Pfarrers dagegen ist eine ordentliche und stiindige; derselbe wird in der betreffenden Pfarre als standiger Vertreter des Bischofs im Hirtendienst auf Lebensdauer bestellt, und kann ihm die einmal Ubertragene Jurisdiktion nur infolge eines Deliktes auf Grund eines formellen gerichtlichen Verfahrens entzogen werden. Die Jurisdiktion des Pfarrers im ebenerwahnten Sinne erstreckt sich innerhalb der gesetzlich festgesetzten Orenzen fiber das ganze Territorium der betreffenden Pfarre. Der 17. Kanon des IV. allgemeinen Konzils bestimmt, daB die Orenzen des Kirchengebietes genau festgesetzt sein miissen, und von niemanden verletzt werden diirfen, namentlich wenn der Bestand derselben seit Ianger Zeit, welche der Kanon mit 30 Jahren festgesetzt, nachgewiesen ist. Im Faile eines Orenzstreites haben die kompetenten Obrigkeiten zu entscheiden 1. Innerhalb der Orenzen der betreffenden Pfarre darf
Art. 1-12 des I. Kapitels, Art. 15 des II. Kapitels und Art. 28-30 des IV. Kapitels des Gesetzes vom jahre 1893. 27 Verordnung der montenegrinischen Metropolie vom 24. Februar 1900. . 124. 1 Siebe auch den 25. Trull. Kann.
28

. 125. Die besonderen Pflichten des Pfarrers.

417

kein Geistlicher auBer dem Pfarrer die heiligen Handlungen verwalten oder irgendeine jurisdiktion ausUben 2. Der jurisdiktion des Pfarrers unterstehen aile Personen, welche sich standig oder zeitweilig in der Pfarre aufhalten. Dieser jurisdiktion unterstehen auch die zufallig in der Pfarre sich vorUbergehend at:tfhaltenden Personen, insofern sie eines kirchlichen oder hirtlichen Dienstes bedUrfen, da auch fUr die Fremden nur der Pfarrer berechtigt ist den erwahnten Dienst zu verrichten. Der jurisdiktion des Pfarrers unterstehen auch die in der Pfarre sUindig ansaBigen nicht eingereihten Soldaten a. Fur diese Personen insgesamt ist der Pfarrer innerhalb der Grenzen der Pfarre der standige und ordentliche Verwalter jeder heiligen Handlung. Er ist der standige und ordentliche Lehrer und VerkUnder des Wortes Gottes, sowie der Verwalter aller Angelegenheiten, welche auf das kirchlich-gottesdienstliche und auf das kirchlich-administrative Leben in der Pfarre Bezug haben. In dieser Eigenschaft hat er den Anspruch auf die gesetzlich bestimmte Dotation (. 166) und auf den Ehrenvorrang in privaten Versammlungen und in jenen der Kirchengemeinde (. 123).

. . 125. Die besonderen Pflichten des Pfarrers.


Der Pflichtenkreis des Pfarrers ist sehr ausgedehnt, da er in seiner Gemeinde nicht nur den Dienst als Glaubenslehrer, als Lehrer der Moral und als Priester zu versehen, sowie als Muster des Outen und Edlen zu gelten hat, sondern auch aile amtlichen auf das Leben der Kirchengemeinde Bezug habenden, ihm von der Kirchen- und Staatsgewalt Ubertragenen Geschafte zu besorgen hat. Die bereits im . 62 dargelegten allgemeinen Rechte und Pflichten der Mitglieder der Hierarchie beziehen sich auch in jeder Beziehung auf den Pfarrer. Auf Grund der bestehenden Gesetze wollen wir die Pflichten des Pfarrers als Stellvertreters des Bischofs in der Pfarre in derselben Gruppierung anfiihren, in welcher die Rechte des Eparchial-Bischofs dargelegt wurden (. 108). Es sollen in Betracht gezogen werden: 1) die Pflichten des Pfarrers in seinem Privat-, Familien und gesellschaftlichen Leben, 2) die Pflichten desselben als Lehrer des Glaubens und der Moral, 3) die Pflichten desselben als Priester der hoheren Weihen und 4) die Pflichten, welche sich auf seine amtliche Stellung in der Pfarre beziehen. I. Mit den Pflichten des Pfarrers, welche sich auf sein Privat-, Familien- und gesellschaftliches Leben beziehen, beschaftigt sich ein2
3

1897

z.

12. 23. Ap. Kanon; 11. 13. Kanon des IV. allgem. Konzils. Siehe fiir Osterreich die Verordnung des Kriegsministeriums vom 22. April 1977.

llld, llrchennehl.

27

418

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

gehend die Pastoraltheologie und der erste Teil des Buches "tiber die Pflichten der Pfarrgeistlichkeit". Hier soli noch insbesonders Folgendes angefiihrt werden : 1) Der Pfarrer soli seinem Verhalten sowohl im 5ffentlichen als auch im Privatleben eine besondere Sorgfalt angedeihen lassen; er soll daher a) stets die seinem Amte entsprechende Kleidung tragen 1, b) sich nicht mit weltlichen Angelegenheiten befassen 2, sowie alles unterlassen, was sich mit seiner Stellung nicht vertragf3, c) keine seinem Amte nicht geziemende Unterhaltungsorte besuchen 4, bei den Unterhaltungen in den Hausern seiner Pfarrlinge nur solange verharren, als dies sein geistliches Amt gestattet 5, d) er darf in seinem Hause auBer den engsten Verwandten 6 keine fremde Frauensperson beherbergen; sein Haus und die Bewohner desselben mtissen in jeder Beziehung ein Muster der Ordnung und Frommigkeit bieten 7. 2) Der Pfarrer ist verpflichtet, jederzeit die heilige Schrift, sowie die Schriften der heiligen Vater zu lesen, die theologischen Studien nicht aus dem Auge zu lassen, sich mit geistlichen Zeitschriften zu befassen, Predigten zu verfassen, nach Tunlichkeit Abhandlungen tiber theologische und die Pastoralpraxis betreffende Gegenstande auszuarbeiten 8 3) Der Pfarrer ist verpflichtet, in sich selbst und durch Wort und Tat auch bei seinen Pfarrlingen die Gefiihle der Untertanentreue gegen1 27. Trull. Kanon; VII. allgem. Konzil 16. Kanon; Gangra 12. 21. Kanon. Siehe fiir Serbien die Verordnungen der bischoflichen Synoden vom Oktober 1854 Z. 10, September 1863 Z. 29, Oktober 1884 Z. 15 und 59, juni 1890 Z. 77 und November 1898 Z. 157. Fiir Dalmatien das Konsistorial-Zirkular vom 11. September 1889 Z. 1191, 24. November 1890 Z. 1632, 25. juni 1892 Z. 1412, 12. September 1892, Z. 2083. Fiir Rujlland , 38 der Instruktion fiir die Bezirksaufseher. 2 6. 81. Kan. Apost.; VII. allgem. Konz. 10. Kan.; Karth. 16. Kan.; I. II. Synode 11. Kan. Siehe das Sendschreiben der Patriarchal-Synode von Konstantinopel vom Mai 1797, das Rundschreiben der Synode von Athen vom 22. Juli 1851, Z. 993, die Entscheidung der bischOflichen Synode in Belgrad vom Oktober 1883 Z. 59. a 9. Trull. Kan.; Nomok. IX, 27 (Ath. Synt. I, 201-209). 54. Kan. Apost.; 24. 51. 62. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 22. Kan.; Laod. 24. 55. Kan.; Karth. 40. 60. Kan. Fiir Serbien die Verordnung der bischOflichen Synode vom Oktober 1884 Z. 14, vom Oktober 1892 Z. 110. Fiir Dalmatien das Konsistorial-Zirkular vom 24. November 1890 Z. 1632. 5 24. Trull. Kan. ; Laod. 54. Kan. 6 Siehe Anm. 24. des . 62. Fiir Serbien siehe die Verordnung der bischoflichen Synode vom September 1891, Z. 115. Flir Dalmatien das Konsistoriai-Zirkular vom 11. September 1889, Z. 1191. 1 Siehe den zweiten Abschnitt des I. Teiles des Suches fiber die Pflichten der Pfarrgeistlichen. Vergl. Pjevnicki, Svjascenik. (Kiew, 1886) S. 101 ff. 8 I. Tim. 4, 13. 15. 16. Kolos. 3, 16. Fiir Dalmatien siehe das KonsistoriaiZirkular vom 11. September 1889 Z. 1191 und 24. November 1890 Z. 1632. Vergl. Pjevnicki, erwahntes Werk S. 194 ff.

. 125.

. 125. Die besonderen Pflichten des Pfarrers.

419

tiber dem Herrscher sowie den Gehorsam gegenilber den BehOrden und den Staatsgesetzen zu pflegen 9 Bei der Ausiibung der verfassungsmaBigen Rechte soli er stets als Priester des Friedens und Lehrer der Moral auftreten und niemals einer oder der anderen politischen Partei anhangen. Bei dieser Oelegenheit soli er die Pfarrlinge zum Frieden und iiberlegten Handeln ermahnen, sic von jeder Leidenschaftlichkeit und von jedem unilberlegten und vielleicht auch ungesetzlichen Vorgehen abhalten 10. II. Die wichtigsten Pflichten des Pfarrers als Lehrer des Olaubens und der Moral sind : 1) das Halten von Predigten in der Kirche namentlich an Sonnund Feiertagen, tiber Stellen aus der heiligen Schrift, je nach den geistlichen Bediirfnissen der Pfarrlinge, unter stetem Festhalten an der kirchlichen Lehre 11 ; 2) die Unterweisung der Jugend in der Olaubenslehre an Sonnund Feiertagen in der Kirche zu einer hiezu geeigneten Zeit durch Bekanntmachen derselben mit den Grundzligen des Glaubens und durch EinfloBen der Gottesfurchrt, sowie die Belehrung auch der Erwachsenen, welche sich fi.ir die Beichte vorbereiten 12, insbesondere die Unterweisung der Brautleute bei der EheschlieBung 1s, der Paten bei der Taufe u, sowie der Haftlinge 15 Die ErfUllung des Lehramtes in seiner Pfarre wird dem Pfarrer zur besonderen Pflicht gemacht, widrigens derselbe
9

84. Ap. Kanon und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon Siebe die Verordnung der Belgrader bischoflichen Synode vom Oktober

(1, 234-235).
1"

1883 Z. 59 und das Zirkular der Synode zu Athen vom 16. April 1870 Z. 796. 11 58. Kan. Apost.; 19. Trull. Kan.; I. II. Synode 9. Kan. Fur Serbien siehe die Verordnung der bischoflichen Synode vom September 1864, Z. 42 und Oktober 1884 Z. 13; fiir das Kiinigreich Griechenland die Synodal-Verordnungen vom 26. Oktober 1850, Z. 179, 27. November 1856 Z. 6511, 19. juni 1858, Z. 8717, 27. Oktober 1861 Z. 7346, 8. jlinner 1871 Z. 2482, 3. juni 1874 Z. 362 und andere; fiir Rujlland Art. 8, 9, 10, 12, 13 des Konsistoriai-Statuts vom jahre 1883; ffir Bulgarien Art. 142 Pkt. 2 des Exarchal-Statuts vom jahre 1895; ffir Dalmatien das Konsistorial-Zirkular vom 11. September 1889 Z. 1191 und 24. November 1890 Z. 1632. 12 10. Kan. des VII. allgem. Konzils. Balsamon iiber die Katechese (Ath. Synt. IV. 523). Ffir Ruftland siehe Art. 11 des Konsistorial-Statuts vom Jahre 1883. Fiir Serbien Verordnung der bischoflichen Synode vom Mai 1857 Z. 3. 13 . 122 des Buches iiber die Pflichten der Pfarrer. Siebe ,Belehrung ffir die Neuvermiilten" im groBen Ritualbuche. Kap. 18. u . 80 und 87 de Buches tiber die Pflichten der Pfarrer. Siebe ,Ermahnung

fiir die Taufpaten" im groBen Ritualbuche. Kap. 9. 15 Buch iiber die Pflichten der Pfarrer . 39, 40. Fiir Serbien Verordnung der bischoflichen Synode vom Mai 1858 Z. 8. Fiir 6sterreich . 272 des Strafgesetzes vom 27. Mai 1852 und die Hofdekrete vom 23. April und 11. Mai 1810 iiber den diesflilligen Vorgang des Pfarrers.
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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

der Exkommunikation verfi:illt und im Falle der Widerspenstigkeit abgesetzt wird ts. 3) Die Katechisierung der Kinder in den Volksschulen 17. 4) Die Sorge dafiir, daB bei den kirchlichen gottesdienstlichen Handlungen sowie bei Verrichtung auBergewohnlicher Dienste filr die Pfarrlinge, die Lehre der orthodoxen Kirche sorgfaltig beachtet und keine Neuerung im Lesen und im Gesang eingefflhrt werde 1s. 5) Die Verhinderung der Verbreitung von BUchern in der Pfarre, welche dem Glauben zuwiderlaufen und im allgemeinen aller BUcher unmoralischen lnhaltes. Hieriiber hat der Pfarrer der Eparchialbehorde sogleich zu berichten I9, 6) Die Bekampfung jedes Versuches der Verbreitung eines anderen Glaubens zum Nachteil der Pfarrlinge und die Berichterstattung hierUber an die Eparchialbehorde 2o. 7) Die Sorge fUr die Bibliothek der Kirchengemeinde in der Richtung, daB fUr dieselbe aus kirchlichen Mitteln die notwendigen GlaubensbUcher sowie BUcher moralisch-belehrenden Inhaltes angeschafft werden, urn den Pfarrlingen die Moglichkeit zu bieten, hieraus den moglichsten Nutzen zu ziehen 21. III. Als gesetzlichem Vermittler zwischen Gott und dem ihm anvertrauten Volke sowie als Organ, durch welches das Yolk Teilhaber der gottlichen Gnaden wird, obliegen dem Pfarrer in seiner Pfarre folgende Pflichten: 1) Die Abhaltung des taglichen FrUh- und Abendgottesdienstes; an Sonn- und Feiertagen Oberdies der Liturgie, welche wahrend der graBen Fasten auch am Mittwoch und Freitag zu zelebrieren ist, sowie die Verrichtung der vorgeschriebenen Offentlichen heiligen Handlungen zu den durch die Kirchenverfassung vorgeschriebenen Zeiten 22.
16

58. Kan. Apost.; 19. Trull. Kan.; . 10 des Buches iiber die Pflichten der

Pfarrer.
tT Fur Dalmatien . 1 des Gesetzes vom 20. juni 1872, Konsistoriai-Zirkular vom 24. November 1890 Z. 1632, 8. August 1891 Z. 1315 und 24. April 1895 Z. 981. Fiir RujJland Art. 14 des Konsistorial-Statutes vom jahre 1883. 18 75. Trull. Kanan; . 78 des Buches fiber die Pflichten der Pfarrer. 19 Sendschreiben der Patriarchal-Synode von Konstantinopel vom I. Mlirz 1839. 2 Fiir Dalmatien bischofliches Zirkular vom 5. Marz 1896 Z. 245. Vergl. fiir Osterreich das interkonfessionelle Gesetz vom 25. Mai 1868 Art. 7. 21 Siebe fiir RujJland die Synodal-Verordnung vom 3. Dezember 1867 und . 1 der Instruktion fiir die Bezirksaufseher. Fiir Serbien die Verordnung der bischoflichen Synode vom Oktober 1886 Z. 21. Fiir Dalmatien das Konsistorial-Zirkular vom 8. August 1891. Z. 1314. 22 8. apost. Kanan; IV. allgem. Konzil 4. Kan. ; 52. 80. Trull. Kanan; 3. Kanan von Karthago und Kommentare zu diesen Kanones. Fiir RujJland Synodalverordnung vom 28. April 1830. Fiir Serbien die Verordnungen der bischoflichen Synode vom juni 1846 Z. 7, Oktober 1854 Z. 9 und vom Mai 1856 Z. I. Fiir Bulgarien Art. 142

125. Die besonderen Pflichten des Pfarrers.

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2) Die unverziigliche Verrichtung jeder heiligen Handlung fiber Verlangen der Pfarrlinge 23. 3) Die VerkUndigung der vom Volke einzuhaltenden Festtage vom Ambon in der Kirche, und die Sorge dafiir, daB dieselben von jedermann gehalten werden 24. 4) Das Spenden der heiligen Sakramente seinen Pfarrlingen, also : die Taufe der Kinder der Pfarrlinge 25, die Entgegennahme der Beichte 26, die Trauung 2 7, das Eheaufgebot28, die Beerdigung der Pfarrlinge~n, die Filhrung des Buches ilber das Brautexamen der Brautleute 3o und des Buches ilber diejenigen, welche die Beichte abgelegt haben at. 5) Die Oberwachung der Reinheit und Ordnung in der Kirche und der fur den Gottesdienst bestimmten Gerate 32, ferner die Verhinderung des Gebrauches solcher Gerate filr hausliche Zwecke sowie die Sorge darilber, daB mit derartigen unbrauchbar gewordenen Geraten kein MiBbrauch geUbt wird 33. 6) Die Aufsicht dariiber, ob der Diakon und die Trager der niederen Grade (Anagnosten, Psalten, Paramonari) ihren Dienst genau erfiillen, widrigens die notigen MaBregeln zu treffen sind, damit sie vom Dienste ertfernt und durch andere ersetzt werden 34. IV. Am ausgedehntesten ist der Pflichtenkreis des Pfarrers hinsichtlich seiner Stellung als Oberhaupt und Verwalter der Pfarre. In dieser Beziehung ist Folgendes zu erwahnen:
des Exarchal-Statuts vom jahre 1895. Ffir Rumiinien Art. 18 des Gesetzes vom jahre 1893. 23 ,Sei Tag und Nacht fiir die Taufe, BuBe und Eucharistic bereit ..... . Wenn du jemanden aus Faulheit und Unachtsamkeit vemichtet hast, so moge die Qual desselben dich treffen", heiBt es in der bischojlichen Belehrung. " 66. Trull. Kanan; 61. Kanan von Karthago. Ffir Oriechenland SynodalZirkular vom 25. Mai 1860 Z. 4628. Ffir Serbien die Verordnung der bischoflichen Synode vam September 1897 Z. 56. Ffir Ruj3land Synodalverordnung vom 16. juli 1722. i~ 50. apost. Kanan. Buch fiber die Pflichten der Pfarrer. . 84. 26 52. apost. Kanan. Buch fiber die Pflichten der Pfarrer. . 99. ~ 1 Krmcija 50. Kap. 28 Krmcija 50. Kap. Sind die Brautleute aus verschiedenen Pfarren, dann mu.B das Aufgebot in heiden Pfarren erfalgen (Ibid.). 29 50. Kanan von Karthago. Buch fiber die Pflichten der Pfarrer. . 116. ao Siehe . 183 dieses Buches. 31 Bischofliche Belehrung. Vergl. Art. 16 des russischen Konsistoriai-Statutes vam jahre 1883. 32 Bischofliche Belehrung. Ffir Ruj3land Art. 39-41 des Konsistorial-Statuts vom jahre 1883. Ffir Serbien Art. 38 Pkt. 4 des Gesetzes vom jahre 1890. Ffir Dalmatien Konsistariai-Zirkular vom 11. September 1889. Z. 1191, Fiir Bulgarien Art. 142 des Exarchai-Statuts vom jahre 1895. 33 73. apostolischer Kanan; I. II. Synade 10. Kanan; Gregori us von Nyssa 8. Kanan und Kommentare zu diesen Kanones. 81 Basil. d. Gr. 89. Kanan und Kommentare.

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II. Teil. Die Verfassung dcr Kirche.

1) Wie der Bischof verpflichtet ist, ununterbrochen am Orte der Kathedrale zu weilen (. 110), ebenso muB der Pfarrer unausgesetzt an jenem Orte residieren, nach welchem die Pfarre benannt ist. Eigenmachtig darf er sich aus diesem Orte unter keinem Vorwand entfernen, am wenigsten dann, wenn in dem betreffenden Orte eine epidemische Krankheit herrscht oder die Pfarre irgendeiner Gefahr ausgesetzt ist s5. Nur im Faile dringender Notwendigkeit darf er sich auf Grund einer schriftlichen Erlaubnis der kompetenten Behorde entfernen; im entgegengesetzten Faile unterliegt er der Bestrafung 36. 2) Als standiger Beamter mit einer bestimmten Jurisdiktion in der Pfarre muB der Pfarrer seine besondere Kanzlei in seinem Hause besitzen, fUr deren Einrichtung jene gesetzlichen Vorschriften gelten, welche fiir jede andere Kanzlei vorgeschrieben sind. In diesem Amte hat der Pfarrer aile Schriften und Bucher, welche auf die Pfarre und deren AngehOrige Bezug haben, aufzubewahren ; hieher gehOren : das Protokoll der eingelaufenen und abgesendeten Akten, das Protokoll der bischOflichen Rundschreiben, der Konsistorial-Verordnungen, der Protopresbyteral-Instruktionen, das Operat iiber die Volkszahlung in der Pfarre, die Pfarrmatriken, die Inventare des Kirchenverm5gens, die BUcher fiber die EinkUnfte und Ausgaben der Pfarre etc 37. Unter diesen amtlichen Schriften und Biichern sind die Pfarrmatriken die wichtigsten. 3) Die Pfarrmatriken sind die grundlegenden Schriften fiir die gesamte menschliche Gesellschaft. Kirche und Staat messen denselben die groBte Wichtigkeit bei ss. Die Pfarrmatriken sind in den ersten jahr35 62. apostolischer Kanon; I. allgem. Konz. 11. Kanon; Petrus von Alexandria 3. 10. Kanon. Das Buch iiber die Pflichten der Pfarrer. . 5 und 6. VerorcJnung der Patriarchal-Synode von Konstantinopel vom 5. Mlirz 1837. Fiir Serbien Verordnung der bisch<>flichen Synode vom September und Oktober 1897 Z. 38 u. 14. 36 I. allgem. Konzil 15. u. 16. Kanon und Kommentare. Fiir RujJLand . 31 der Instruktion fiir die Bezirksaufseher. Fiir Serbien Art. 31 Pkt. 10 des Gesetzes vom jahre 1890. Fiir Bulgarien Arl 3 und 4 II des Exarcha1-Statutes 1893. Fiir Dalmatien Konsistoriai-Zirkular vom 13. juni 1901 Z. 1443. 37 Fiir Dalmatien die Konsistoriai-Zirkulare vom 8. August 1891 Z. 1305, 30. Juli 1892 Z. 1721, 29. Oktober 1892 Z. 2448, 17. November 1899 Z. 2729. Fiir Serbien Art. 38 Pkt. 5 u. 8 des Gesetzes von Jahre 1890. 38 Fiir 6sterreich das kaiser!. Patent vom 1. Mai 1781 (. 112). Fiir Serbien die Ministeria1-Verordnung vom 28. April 1884 Z. 1654. Fiir RujJland Art. 1035. Band IX. der Gesetzsammlung (Ausgabe 1876). Fiir Griechenland Gesetz vom 16. Mlirz 1854. Nur in den Landern der ungarischen Krone wird den Pfarrmatriken seitens der Staatsgewalt der Charakter <>ffentlicher Urkunden nicht zuerkannt. Die beziigliche gesetzliche Bestimmung enthlilt der XXXIII. Gesetzartikel vom Jahre 1894, wonach in Ungam die Staatsmatriken, welche von Staatsbeamten gefiihrt werden, eingefiihrt sind. In der Karlowitzer Metropolie werden die Matriken wohl auch heute durch Geistliche gefiihrt, allein diese Matriken haben nur eine innerkirchliche Bedeutung (siehe das Synodal-Sendschreiben vom 17. September 1895).

. 125. Die besonderen Pflichten des Pfarrers.

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hunderten des Christentums entstanden und werden dieselben auch gegenwartig in der ganzen morgenlandischen Kirche in gleicher Weise durch die Oeistlichen gefiihrt, wie. dies bereits durch viele Jahrhunderte der Fall war 39. Da die Matriken als 5ffentliche Bucher fur die Kirche und fur den Staat der strengen Kontrolle beider Teile unterliegen, so ist der betreffende Pfarrer verpflichtet, sich bei der Fiihrung der Matriken genau an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten, welche in dieser Beziehung erlassen worden sind 4o. In jeder Pfarre und in jeder selbsstandigen Kaplanei werden die Geburts-, Trauungs- und SterbeMatriken gefiihrt. Die Eintragungen in die Matriken diirfen nur in der durch die beziiglichen staatlichen und kirchlichen Instruktionen vorgeschriebenen Weise erfolgen. J ede Vernachlassigung der Vorschriften, deren sich der Pfarrer in dieser Beziehuug schuldig macht, wird auch
39 Die Fiihrung dieser Matriken finden wir bereits in den ersten Zeiten der Kirche. Dionysius Areopagita De ecclesiastica hierarchia, cap. II. p. 2, . 5 (Ed. Migne) erwll.hnt das Buch, in welches die Geistlichen die Namen der Getauften und ihrer Paten eingetragen haben. Zur Zeit des Cyprianus von Karthago wurden die Namen der verstorbenen Christen in besondere Dyptichen eingetragen, aus welchen diese Namen beim allgemeinen Gottesdienst verlesen wurden (Cypriani ep. 16. 62). Urn fiir die abgeschlossene Ehe einen Beweis zu erbringen, mu6ten diejenigen, welche keine besonderen Ehevertrlige geschlossen haben, gemli6 einer (74.) Novelle des Kaisers justinianus, also in der ersten Hlilfte des VI. jahrhunderts, sich beim betreffenden Priester einfinden, welcher mit noch zwei oder drei Geistlichen eine Urkunde ausfertigte, in welcher die Zeit und der Ort der EheschlieBung und die Namen der Brautleute eingetragen wurden. Diese Urkunde wurde unter den iibrigen Akten der Kirche aufbewahrt. Dies war die urspriingliche Einrichtung. Als jedoch der Staat aus diesen Kirchenmatriken die fiir seine Zwecke n5tigen Daten zu schopfen begann, wurden diese Matriken in ihrer gegenwlirtigen Form eingerichtet. Fiir 6sterreich kaiser!. Patent vom 20. Februar 1784 Oos. G.-S. IV. Teil N. 113) auf dessen Grundlage die beziigliche Instruktion fiir Dalmatien mit der Gubernial-Kundmachung vom 20. August 1816, Z. 13.529 erlassen wurde. Fiir Serbien die Verordnuug der bischOflichen Synode vom Mai 1884 Z. 7. Fiir Ruflland Art. 1037 u. 1038 Band IX der Gesetzsammlung (Ausgabe 1876) und Art. 99 des Konsistorial-Statutes 1883. Fiir Oriechenland Gesetz vom 13. April 1852. Fiir Rumiinien Gesetz vom 14. Mai 1882. Die Matriken und deren genaue Fiihrung seitens der betreffenden Priester unterliegen der Kontrolle der Eparchialbehorde, welche der Staatsbehorde fiir die Matriken verantwortlich ist und die fiir die Matriken erforderlichen Bucher den betreffenden Pfarrgeistlichen ausfolgt. - GemliB dem Guberniai-Zirkular vom 14. juli 1825 Z. 12.062 sind in Dalmatien die BezirkshauptIeute berechtigt, die Pfarrmatriken durch Beisetzung ihrer Unterschriften und des Amtssiegels zu vidimieren. Dies ist eine Ausnahme von der allgemeinen Norm, welche in 6sterreich Geltung hat, denn nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1887 Z. 2753 hat die politische BehOrde nur das allgemeine Aufsichtsrecht dariiber, daB die Matriken nach den gesetzlichen Bestimmungen gefiihrt werden. Von der Vidimierung der Matriken seitens der Bezirkshauptleute ist hier nicht die Rede.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

von der staatlichen Obrigkeit bestraft 4t. Eine einmal vorgenommene Eintragung kann vom Pfarrer allein nicht richtiggestellt werden, sondern es muB in dieser Beziehung die schriftliche Erlaubnis der vorgesetzten Behorde eingeholt werden 42. 4) Die Auszi.ige aus den Matriken hat der Pfarrer allein auszufertigen, unter genauer Beobachtung der diesbezUglich bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Diese AuszUge werden entweder in der Form von Zeugnissen fUr Privatpersonen oder als formliche Auszlige, welche der Pfarrer den kompetenten Behorden zu iibersenden hat, ausgefertigt. Diese letzteren Auszlige hat der Pfarrer zu verfassen: a) alle drei Monate ftir staatliche statistische Zwecke, b) jahrlich fiir militarische Zwecke der Jtinglinge, welche fUr den Kriegsdienst bestimmt sind, c) jlihrlich fUr Zwecke der Impfung der Kinder, welche im abgelaufenen jahre geboren wurden, d) in allen jenen Fallen, welche in den betreffenden Instruktionen angegeben sind 43. 5) Der Pfarrer hat entsprechend seiner Pflicht ftir die offentliche Moral in der Pfarre zu sorgen und alles zu verhindern, was der Moral zum Abbruch gereicht, die Aufgabe, die vorgesetzte Beh5rde periodisch fiber aile jene Mangel zu verstandigen, welche sich im Volke eingebilrgert haben und die Mittel zu suchen, urn diese Mangel erfolgreich zu beseitigen. Hieber gehoren namentlich die Berichte des Pfarrers fiber jene, welche im Konkubinat Ieben und keine gesetzliche Ehe eingehen wollen 44 6) Der Pfarrer ist verpflichtet, eine eigene Chronik der Pfarre zu ffihren, urn die wichtigeren Begebenheiten in der Pfarre nicht der Verges41 Fiir 6sterreich die Ministerialverordnung vom 30. September 1857 (R. G. Bl. N. 198). Fiir Serbien . 142 des Strafgesetzbuches. ~ Fiir 6sterreich Die Ministerialverordnung vom 27. November 1859 Z. 10.901 in Da1matien mit der Statthalterei-Kundmachung vom 12. Dezember 1859, Z. 23.321 publiziert. 43 Instruktionen hiefiir bestehen in allen Staaten. Fiir Dalmatien das Konsistorial-Zirkular vom 29. Februar 1892, Z. 474. Fiir RujJland Art. 1047, 1048, 1052 Band IX der Gesetzsammlung (Ausgabe 1876) und Art. 271-274 des KonsistorialStatutes vom Jahre 1883. Fiir Serbien VI. Band der Sammlung der Gesetze und Verordnungen S. 130. Fiir Oriechenland konigl. Verordnung vom 16. Mai 1859. Fiir Rumtinien konigl. Verordnung vom 5. April 1860. Ober verschiedene Zeugnisse und Matrikenausziige in Osterreich siehe A. Griess!, Vorschriften und osterreichische Gesetze und Verordnungen in den Matrikenangelegenheiten (Graz, 1891) S. 206 fg. Da in Ungarn nur die Staats- nicht aber die Pfarrmatriken anerkannt werden, so haben auch lediglich die von den betreffenden Beamten verfa6ten Ausziige fiir die Staatsbehorden Beweiskraft. (. 28 u. 29 des XXXIII. Gesetzartikels vom jahre 1894). " Fiir 6sterreich die Hofdekrete vom 9. juli und 10. Dezember 1807, 2. Dezember 1808, 19. juli 1815 und 2. November 1828. Fiir Serbien die Verordnung der bischOflichen Synode vom Mai 1857 Z. 3 und Art. 38 Pkt. 2 des Gesetzes vom Jahre 1890. Fiir Ru.Pland Synodalukas vom 25. jlinner 1821.

. 126. Die Gehilfen und Stellvertreter des Pfarrers.

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senheit anheimfallen zu lassen, sondern das Andenken an dieselben der Nachkommenschaft zu erhalten 45. 7) Im . 128 wird erwahnt werden, daB es Pflicht des Pfarrers sei, iiber die Verwaltung des KirchenvermOgens, der Stiftungen und der Vermachtnisse zu Gunsten der Kirche, der Schute und der Wohltatigkeitsanstalten zu wachen und die oberste Leitung in dieser Beziehung zu besorgen. In AusUbung der erwahnten und der iibrigen Pflichten, hat der Pfarrer im Faile eines Zweifels an den kompetenten Protopresbyter oder im Wege desselben an das Eparchialkonsistorium sich zu wenden 46

. 126.
Die Gehilfen und Stellvertreter des Pfa.rrers.

Der groBe Wirkungskreis, sowie die zahlreichen Seelsorgepflichten eines Pfarrers lassen es kaum zu, daB ein Pfarrer, dem eine ausgedehnte Pfarre anvertraut, oder welcher selbst alt und kranklich ist, seiner Aufgabe allein nachkomme. Schon in altester Zeit wurden in solchen Fallen den Pfarrern Gehilfen beigegeben, urn auf solche Weise allen Anforderungen des Seelsorgedienstes zu entsprechen und eine anstandslose Abwicklung der Pfarrgeschafte zu ermOglichen. AuBerdem erfordert mitunter auch die geographische Lage eines Ortes die Bestellung eines standigen Geistlichen daselbst, welchem jedoch, mit RUcksicht auf die kleine Bevolkerungszahl, nicht aile dem ordentlichen Pfarrer zukommenden Rechte eingeraumt werden konnen, so daB aus diesem Grunde und im Hinblicke auf noch andere obwaltende Lokalverhaltnisse allen Bedingungen einer ordentlichen Pfarre nicht entsprochen werden kann. Anderseits kOnnen Faile vorkommen, daB nach dem Ableben eines Pfarrers nicht sofort ein anderer ordentlicher Pfarrer in der betreffenden Pfarre bestellt werden kann, sondern der Seelsorgedienst vielmehr einem Geistlichen, als Stellvertreter des Pfarrers, provisorisch Ubertragen wird. Aus diesen verschiedenen persOnlichen, lokalen und die Kirchenverwaltung betreffenden Verhaltnissen im Pfarr-Organismus entstanden: a) die personlichen Oehilfen oder Personai-Kaplane; b) die exponierten Hilfspriester oder Kaplane, und c) die Stellvertreter des Pfarrers oder die Pfarr-Administratoren. Das Amt der personlichen Gehilfen und der Pfarr-Administratoren ist durch die Notwendigkeit der ordnungsmaBigen Entwicklung des Pfarr-Organismus, sowie behufs Hintanhaltung von Stockungen in der amtlichen Tatigkeit in den Pfarren bedingt. Wir finden daher diese heiden Amter in den Eparchien
n Fiir RujJland Synodalukas vom 12. Oktober 1866. Fiir Dalmatien Konsistorial-Zirkular vom 8. August 1891 Z. 1313. 8 ' 39. apost. Kanon und Kommentare hiezu.

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s~mtlicher

ll. Teil. Die Verfassung der Kirche.

autokephalen Kirchen. Die exponierten Kapliine bestehen nur in den dem Abendlande nahergelegenen Kirchen, woher dieses Institut auch entlehnt sein diirlte. Die Persona/-Kap/iine des Pfarrers werden dann bestellt, wenn es sich urn eine sehr ausgedehnte und bevolkerte Pfarre handelt 1, oder wenn der betreffende Pfarrer wegen hohen Alters oder wegen gewisser geistiger oder physischer Oebrechen nicht imstande ist, die ihm obliegenden Pflichten zu erfUllen 2 Diese Oehilfen haben jedoch keine selbsUindige Jurisdiktion, sondern verrichten den ihnen zufallenden Dienst im Namen des Pfarrers, dem sie zur Aushilfe beigegeben sind und von welchem sie vollstandig abhangen. Die Bestellung derselben erfolgt ebenso wie jene der Diakonen in den Pfarren, nur mit dem Unterschiede, daB dem betreffenden Pfarrer das Recht zusteht, jene Personlichkeiten als Kandidaten zu bezeichnen, welche er als personliche Oehilfen wiinscht s. Der Unterhalt dieser Personal-Kapliine wird entweder durch die Kirchengemeinde oder durch Beitrage der Glaubigen oder von dem Pfarrer selbst sichergestellt 4. Die exponierten Kap/iine waren ursprUnglich Geistliche, welche der Pfarrer der Hauptkirche an kleine entferntere, zur Pfarre gehorige, mit einer eigenen Kirche ausgestattete Orte sandte, damit dieselben an seiner Stelle und in seinem Namen den Seelsorgedienst verrichten. Nach und nach begannen diese Kaplane in solchen kleinen Orten ihren standigen Aufenhalt zu nehmen, erhielten von den glaubigen Bewohnern dieser Orte regelmaBige Beitrage zu ihrem Unterhalte, und waren dem ordentlichen Pfarrer, was die AusUbung der Seelsorge anbelangt, gleichgestellt. Abgesehen von den EinkUnften und dem kleineren Wirkungs Siebe z. B. das iiber das Patriarchal von Konstantinopel in diesem Buche (S. 412) Angefiihrte. In der Karlowitzer Metropolie werden die aus solchen Oriinden bestellten Kaplline ,systemisierte Kapliine" genannt (1. Teil, . 5, des Reskriptes). Kaplline als personliche Oehilfen, welche in der genannten Metropolie bei den Bezirks-Protopresbyteri fiir diese und fiir das gauze Protopresbyterat angestellt sind, heiBen ,Protopresbyteral-Kapliine" (I. Teil, . 23, des Reskriptes). 2 Fiir die Metropolie von Kar/owltz siehe I. Teil, . 6, des Reskriptes. Fiir die Bukowina siehe den ErlaB des Metropolitan-Konsistoriums vom 1. juli 1874 Z. 2901 ; filr Griechenland Art. 6 des mit dem Zirkulare der Synode von Athen vom 23. August 1856 Z. 5859, publizierten Oesetzes vom 8. juni 1856; fiir die Hermannsttidter Metropolie . 7 des organischen Statuts vom Jahre 1869; fiir Serbien die Synodal-Verordnung vom jahre 1846 Z. 8 und Art. 39 des Oesetzes vom jahre 1890. 3 Z. B. in dem Patriarchate von Konstantinopel (siehe S. 412). ' Vergl. 1., . 20, des Reskriptes fiir die Kar/owitzer Metropolie; fiir Serbien die Synodal-Verordnung vom jahre 1863 Z. 47; fiir die Bukowina . 12 des erwahnten Konsistorial-Erlasses. In Bulgarien besteht das lnstitut der Kapliine nicht (Art. 68 des Exarchai-Statuts); auch Ruflland kennt dieselben nicht (. 3 der Synodai-Verordnung vom 16. Februar 1885).
. 126.

. 127. Die Diakone und die Kirchendiener in den Pfarren.

427

kreise, besitzen dieselben die gleichen Rechte wie der Pfarrer und sind, gleich diesern, unmittelbar von den Bezirks-Protopresbyteri, beziehungsweise vom Eparchial-Konsistorium, abhangig 5, Die P{arr-Administratoren sind nur zeitweilig mit dem Seelsorgedienste in einer Pfarre betraut, welche des ordentlichen Pfarrers entbehrt. Die Sorge fiir eine solche Pfarre obliegt in erster Linie dem Bezirks-Protopresbyter, die Ernennung des Administrators dem EparchialBischof. Riicksichtlich der Einkiinfte des Administrators bestehen besondere Normen 6 Der Dienst des Administrators endet mit der Ernennung cines ordentlichen Pfarrers fiir den betreffenden Pfarrsprengel; nur bei auBcrordentlichen auBeren Umstanden kann sich die Dienstleistung des Pfarradministrators auf tangere Zeit erstrecken.

. 127.
Die Diakone und die Kirchendiener in den Pfarren. In alterer Zeit war bei jeder Kirche auBer dem Presbyter auch ein Diakon angestellt, da kein Kirchendienst und insbesondere die Liturgic ohne Diakon nicht zelebriert werden konnte. Im Laufe der Zeit begann diese alte Norm zu schwinden, namentlich aus dem Grunde, weil die armeren Kirchengemeinden die Auslagen fiir die Erhaltung des Diakons nicht zu bestreiten vermochten. Es wurden daher die Kirchendienste ohne Diakon verrichtet. Gegenwartig sind die Diakone bei den Pfarren jener Partikularkirchen angestellt, wo dies durch das organische Statut bestimmt ist, oder wo die Kirchengemeinden in der Lage sind, fiir den Unterhalt des Diakons zu sorgen. Neben dern Diakon gab es in alterer Zeit bei jeder Kirche noch einige Kirchendiener und zwar die Lektoren, Psalten, Exorzisten, Tiirhiiter und die Diakonissen. Der Lektor ( &.vrtj'Viliat~) las in der Kirche bestimmte Psalmen und befaBte sich mit der Unterweisung der jugend, indem er sie im Lesen namentlich der Gebete aus dem Horologium und Psaltenbuch unterrichtete t. Der Psalte (rf&.At'l}S, tspo~&.A-t"f}<;, psalta, psalmista) lei tete den Kirchengesang beim Gottesdienst; er war es, der vom Ambon die heiligen Gesange (-tri {)-sia ~aA.tma'lJ(lC1'ta) anstimmte
5 Uber die exponierten Kaplane in der Bukowina siehe die kaiserlichen EntschlieBungen vom 24. Oktober 1843, 5. September 1862 und 23. jllnner 1875; in Dalmatien die kaiserlichen EntschlieBungen vom 28. Juli und 20. September 1853 im Vergleiche mit der Verordnung des Ministeriums fiir Kultus und Unterricht vom Jahre 1868 Z. 11. 383. 6 Fiir die Bukowina . 13 des erwahnten Konsistoria1-Erlasses; fiir Dalmatien die kaiserliche EntschlieBung vom 14. August 1856 (bzw. der ErlaB des Ministeriums fiir Kultus und Unterricht vom 1. September 1856 an die dalmatinische Statthalterei} und . 5. des Gesetzes vom 10. Dezember 1887. . 127. 1 15. Kan. von Laodicea und mein Kommentar. ,Pravila" II, 80-81.

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II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

und hierauf vom Volke im Gesang begleitet wurde 2 Die Exorzisten (;opxtatfJ~, ~opxtatfjr;) wurden bei der Taufe der Katechumenen verwendet; sie batten namlich die Aufgabe, die Katechumenen eine bestimmte Zeit vor der Taufe vorzubereiten und unterstutzten die Tauflinge bei der Taufe selbst im Augenblicke der Lossagung 3 Der TurhUter ('&oprop6r;, ostiarius, janitor) bewachte die Kirchenttir und achtete darauf, daB die UngUiubigen die Kirche nicht betreten und daB die Katechumenen mit Beginn der ,Liturgie der Glaubigen" die Kirche verlie8en " Die Diakonissin ('lj ot&.xovor;) hatte bei der Taufe der weiblichen Katechumenen die gleiche Aufgabe wic der Exorzist bei der Taufe der mannlichen Katechumenen 5. Aile erwahnten Personen mit Ausnahme der Diakonissin bildeten mit dem Pfarrer den Klerus der betreffenden Kirche. Im Laufe der Zeit namentlich als die Kindertaufe in der Kirche eingefUhrt wurde, trat eine einfachere Zusammensetzung des Klerus der Kirchengemeinde ein. Derselbe hestand aus dem Pfarrer, dem Diakon und dem Psalten; neueingefuhrt wurde der Dienst der Paramonaren (1tcxpcxv.ovlipwr;, mansionarius) 6, Nach der Kirchenordnung hatte der Paramonar die Aufgabe ,das Abendmahlbrot, den Wein, das Wasser und den Weihrauch in den Altarraum zu bringen, die Kerzen anzuzl.inden und zu verlt>schen, das WeihrauchfaB und das warme Wasser herzurichten und dem Priester zu iibergeben, den GUiubigen den Anfang der Gebete anzukl.indigen, den Altar ordentlich und hliufig zu reinigen, ebenso den Boden, die Wande und die Decke von Staub und Spinngeweben zu saubern". Die Stelle des Paramonar (welcher auch Parecclesiarch genannt wird) nimmt heute der KUster ein, welcher die erwahnten Dienste in der Kirche verrichtet. Auch gegenwartig ziihlen in den gut eingerichteten Pfarren zu den ,Angeht>rigen der Kirche" der Pfarrer, der Diakon und der Psalte" ; in den armeren Pfarren der Pfarrer und der Psalte 7. Dieser letztere wird von der Kirchenepitropie aus den hiezu tauglichen Personen gewahlt und vom Eparchialbischof bestatigt 8 Der Paramonar oder KUster wird von der Epitropie im .Einvernehmen mit dem Pfarrer gewahlt 9
33. Trull. Kanan; 15. Kan. von Laodicea. 26. Kanan von Laodicea. 24. Kanan von Laodicea. 5 IV. allgem. Konzil 15. Kanan und mein Kommentar, ,Pravila" I, 364-367. 8 IV. allgem. Konzil 2. Kanan. 7 Uber den ,Pfarrklerus" in Ruflland siehe Berdnikow, Kirchenrecht. S. 352. 8 FUr Griechenland siehe das Synodai-Zirkular vom 17. Oktober 1866. Ober die Lektoren und Kirchenslinger in Serbien siehe die Entscheidungen der bischoflichen Synode vom Oktober 1886, Z. 20 und September 1897, Z. 48. FUr Dalmatien . 32 des Statutes fUr die Epitropien vom jahre 1895. 9 FUr Dalmatien . 32 des Statutes fiir die Epitropien vom Jahre 1895.
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429
. 128.
Die Pfarrepitropien.

Das Vermogen jeder Kirche, mag dasselbe auch noch so klein sein, wird von dem Administrator des Kirchenvermogens in der ganzen Eparchie, d. i. vom Bischof verwaltet. Da jedoch der Bischof das Kirchenvermogen der Eparchie nicht unmittelbar allein verwaltet, sondern sich hiezu eigener Organe bedient, so wird auch die Verwaltung des Vermogens der betreffenden Pfarrkirche vom Bischof nicht unmittelbar besorgt; es ist vielmehr der Stellvertreter des Bischofs in der Pfarre mit dieser Verwaltung betraut, d. i. der gesetzliche Pfarrer. In gleicher Weise wie das Eparchialvermogen wird auch das Vermogen der Pfarrkirche durch ein besonderes Organ unter der Aufsicht des Pfarrers, dqrch die Pfarrepitropie, verwaltet. Die Pfarrepitropie als Verwaltungsorgan des Kirchenvermogens hat sich aus dem lnstitut jener Altesten (rspovts;) gebildet, welchen die Vermogensverwaltung in den betreffenden Kirchengemeinden seit den ersten Zeiten des Bestandes der Kirche iibertragen war (. 53). Die Pfarrepitropien haben im Laufe der jahrhunderte den Orts- und Zeitverhaltnissen entsprechend verschiedene Veranderungen erfahren. Gegenwartig sind diese in den bestehenden autokephalen Kirchen durch besondere Statute organisiert, nach welchen auch das Vermogen der Pfarrkirchen verwaltet wird. 1) In allen orientalischen autokephalen Kirchen sind die Pfarrepitropien nach dem Muster des Kanonismos vom jahre 1868, welcher heute fiir die Pfarren des Patriarchats von Konstantinopel gilt, eingerichtet. Nach diesem Kanonismos ist die Besorgung aller Verwaltungsangelegenheiten jeder Pfarre einem .Ausschusse (s7tttpo7tfJ) von drei bis fOnf Mitgliedern iibertragen, welche in der allgemeinen Versammlung aus den angesehensten Pfarrlingen auf ein jahr gewahlt und vom Bischof bestatigt werden. Dieser AusschuB besitzt sein eigenes Siegel, welches so viele Bestandteile zahlt, als Mitglieder des Ausschusses vorhanden sind und den wichtigsten, die Pfarr-Angelegenheiten, namentlich die AbschlieBung von Vermogens-Vertragen betreffenden Dokumenten, beigefiigt wird. Zur Besorgung der laufenden Verwaltungs-Angelegenheiten wahlt die Versammlung eine angesehene, das allgemeine Vertrauen genieBende Personlichkeit (p..ouz-;rip'Y]t;), welche gleichfalls ihr eigenes Siegel (tijv p..ouztaptx+1v ar:ppar((;a) besitzt, das jedoch ohne Wissen des Ausschusses keiner Urkunde beigedriickt werden kann 1. 2) lm Konigreiche Oriechenland wird das Kirchenvermogen in der betreffenden Pfarre von drei bis filnf Epitropen verwaltet, welche jahrlich unter den angesehensten Mitgliedern der Pfarre gewahlt werden.
.

128.

l'sY('X.O~ 'X.CXYOYtO!J.O~ tow [spliiY hxktja(ow vom 1868.

430

II. Teil. Die Verfassung dcr Kirchc.

Diese Epitropen erhalten vom Eparchialbischof ihre BesUitigung. Sie sind verpflichtet, demselbcn die Jahresrechnungen zur Einsicht und Bestatigung vorzulegen und den Voranschlag der fUr die Kirche, den Klerus, die Pfarrschule etc. erforderlichen Auslagen zusammenzustellen. Der Vorsitzende der Pfarrepitropie ist der betreffende Pfarrer, welcher in dieser Beziehung als Stellvertreter des Bischofs angesehen wird ~. 3) Im Konigreich Serbien verwalten die Epitropen das bewegliche und unbewegliche Vermogen der betreffenden Pfarrkirche R. Die Kirchenrechnungen werden von den Geistlichen unter Mithilfe der Epitropen gefiihrt, welchen die Geistlichen in jeder Beziehung die notigen Aufktarungen erteilen sollen 4. 4) In RujJland obliegt die Verwaltung des Kirchenvermogens der Pfarre dem ,Kirchen-Aitesten" welcher von den Pfarrlingen aus ihrer Mitte und von dem Klerus der betreffenden Kirche auf drei Jahre gewahlt und vom Eparchiai-Bischof bestatigt wird 5 Die Sorge fiir die Vermehrung des Kirchengutes in der Pfarre, fiir die ordnungsmaBige Entlohnung des Klerus, fOr den Elementar-Unterricht der Kinder, sowie fiir die Erhaltung der WohlUltigkeits-Institute in der Pfarre, obliegt dem sogenannten ,Pfarr-Kuratorium" 6 Dieses Kuratorium wird in der allgemeinen Versammlung der Pfarrlinge aus den angesehensten Angehorigen der Pfarre auf bestimmte Zeit gewahlt. Als ordentliche Mitglieder dieses Kuratoriums fungieren der Pfarrer, der Kirchen-Alteste und der Vorsteher der politischen Gemeinde; den Vorsitz fiihrt eine angesehenere Personlichkeit weltlichen Standes, welche hiezu gewahlt, und im Verhinderungsfalle bei den Sitzungen von dem Pfarrer vertreten wird. Die Tatigkeit dieses Kuratoriums untersteht der Kontrolle der EparchiaiBeh0rde7. 5) Im bulgarischen Exarchat besteht fiir die Verwaltung des Kirchengutes in der Pfarre das sogenannte ,crkovno nastojateljstvo", welches aus drei bis fiinf jahrlich zu wahlenden angeseheneren PfarrArt. 5 des Synodal-Zirkulares vom 7. Mlirz 1834. Siebe auch Anm. 2 . 123. Art. 43 des Oesetzes vom jahre 1890. Nach demselben Oesetze hestand in jeder Kirchengemeinde ein KirchenausschuB, welcher aus dem Oeistlichen als Vorsitzenden und noch aus zehn von der politischen Oemeinde gewlihlten AusschuBmitgliedern gebildet wurde. Der ganze im Oesetz Uber diesen AusschuB enthaltene Abschnitt (Art. 44-63) wurde durch das Oesetz vom 26. April 1895 aufgehoben. ' Art. 38. Pkt. 6 des Oesetzes vom Jahre 1890 und die Verordnung der bischOflichen Synode vom Oktober 1883 Z. 51. 6 Ober die Kirchenliltesten, Barsow. N. 1261-1284, und Instruktion fUr die Kirchen!l.ltesten bei demselben. Anhang S. CXXV -CXXIX. 6 Der Zweck, welcher die Schaffung dieser Pfarrkuratorien veranlaBte, besteht "in der Unterstiltzung der Obrigkeit und der heiligen Kirche bei der Erhaltung des kirchlichen Schmuckes, bei der Versorgung des Klerus und bei der Verbreitung der geistlichen Bildung". Verordnung vom 12. Oktober 1868. 7 Ober die Pfarr-Kuratorien bei Barsow. N. 1285-1304.
3

. 128. Die Pfarrepitropien.

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lingen weltlichen Standes, mit dem Pfarrer als Vorsitzenden, gebildet wird und rilcksichtlich seiner Wirkungssphare, der bischOflichen Zentralbeh5rde, welcher ein jahrlicher Rechenschaftsbericht vorzulegen ist, verantwortlich ist s. 6) In der Karlowitzer Metropolie ist die Verwaltung der konfessionellen Schulangelegenheiten sowie die Besorgung der Vermllgensangelegenheiten durch das Reskript vom Jahre 1868 geregelt. In jedem auch mehrerere Pfarren umfassenden Orte besteht eine Lokal-Kirchengemeinde, welche aus dem Klerus und den sich zur orthodoxen Kirche bekennenden Familien und Einzelpersonen zu dem Zwecke gebildet wird, urn fiir die Bediirfnisse der Kirche und Schute Sorge zu tragen. Zur Besorgung der konfessionellen Schulangelegenheiten der Gemeinde besteht die Lokal-Kirchenversammlung und der Lokai-KirchenausschuB. Die Lokal-Kirchenversammlung ist die Vertretung der Gemeinde und das Kontroli-Organ des Lokal-Kirchenausschusses. Dieser bildet die GemeindeVorstehung, hat die Gemeinde nach auBen zu vertreten und die GemeindeAngelegenheiten, mit Ausnahme derjenigen, welche dem Pfarrer als solchem zustehen, zu besorgen. Die Zahl der Vertreter der Lokal-Kirchengemeinde in der Versammlung, welcher die Geistlichen schon vermoge ihres Amtes als standige Mitglieder angehOren, betragt je nach der Seelenzahl 50 his 120. Der Vorsitzende der Versammlung wird von dieser selbst aus ihrer Mitte gewahlt, wenn der betreffende Pfarrer nicht von der Versammlung hiezu gewahlt worden ist. Desgleichen wahlt die Versammlung einen Vizeprases und den Schriftfiihrer. Sie wird regelmaBig jahrlich zweimal berufen und hat hauptsachlich die Vermogens-Angelegenheiten der Kirchengemeinde zu besorgen. Die Sitzungs-Protokolle der Versammlungen werden dem Eparchial-Konsistorium zur Kenntnisnahme, beziehungsweise Bestatigung, vorgelegt. Der Lokal-KirchenausschujJ besteht aus dem Vorsitzenden, dem Vizeprasidenten und auBer dem Pfarrer, welcher schon vermoge seines Amtes Mitglied des Ausschusses ist, wenigstens aus acht, hochstens aus vierundzwanzig Mitgliedern. Die AusschuBmitglieder, auBer dem Pfarrer, werden von der Lokal-Kirchenversammlung aus deren Mitte gewahlt. Der Vorsitzende, der Vizeprases und der Schriftfiihrer der Kirchenversammlung bekleiden diese Stellen auch im Ausschusse. Zum Wirkungskreise des LokalKirchenausschusses gehOrt der Vollzug der Beschliisse der Lokal-Kirchenversammlung, die Sorge fi.ir die ordentliche Abhaltung des Gottesdienstes, die Unterstiitzung des Pfarrers in der Aufrechterhaltung der kirchlichen Disziplin und der Sittlichkeit in der Gemeinde, die Sorge fUr die lnstandhaltung der Kirchen-, Pfarr- und Schulgebaude, die Bestellung der Kirchen- und Schuldiener, die Sorge fiir die Waisen, Witwen und Armen,
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Art. 148-155 des Exarchal-Statuts vom Jahre 1895.

432

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

fUr die Erhaltung des Kirchen- und SchulvermOgens, fUr die Absh~llung von Gebr~uchen, welche das Volk moralisch und materiell schlidigen, die Wahl der Epitropen, denen die Fiihrung der laufenden Rechnungen in der Oemeinde obliegt, der Kuratoren fiir die Waisen und Armen, welche milde Oaben fUr diese sammeln und ihnen die notwendige Unterstfitzung angedeihen lassen, endlich die Wahl des Direktors und der iibrigen fUr die Gemeindeschulen notwendigen Organe. Die AusschuBSitzungen werden regelmaBig in der ersten Woche jeden Monates abgehalten und werden die Protokolle derselben dem Bezirks-Protopresbyter bei der Kirchen-Visitation auf Verlangen vorgelegt ll. 7) In der Hermannsttidter Metropolie bestehen nach dem organischen Statut des jahres 1869 zur Besorgung der Kirchen-, Schul- und Stiftungs-Angelegenheiten drei Organe: die Pfarr-Synode, der PfarrAusschuB und die Pfarr-Epitropie. Der Pfarr-Synode, welche aus samtlichen groBjahrigen, selbstandigen und unbescholtenen Pfarrlingen gebildet wird, obliegt die Wahl der Pfarrgeistlichkeit und der Lehrer, die Sorge fUr die ordentliche Erhaltung der Kirche, der Kirchen- und Schulbauten, fUr die Errichtung und VergrOBerung von Kirchen-, Schul- und Wohltatigkeitsstiftungen, fUr den Unterhalt des Klerus, der Lehrer und anderer Angestellten, die Wahl der Delegierten fUr die Eparchialversammlung und den National-KirchenkongreB. Die Beschltisse der Synode werden im Wege des Protopresbyters dem Konsistorium zur Genehmigung vorgelegt. Den Vorsitz in der Synode ftihrt der Pfarrer, den Fall ausgenommen, wenn es sich urn die Wahl des Pfarrers handelt; in diesem Faile ftihrt der Bezirksprotopresbyter den Vorsitz. Die Synode versammelt sich jahrlich im Monate Janner. Der Pfarraussc!zu./3 wird aus den Mitgliedern der Pfarr-Synode gewahlt; ihm obliegt die Vertretung der Kirchengemeinde nach auBen sowie die Besorgung und Oberwachung der Okonomischen Angelegenheiten, welche die Kirche, Schute und die Stiftungen betreffen. Der AusschuB wird aus 30 bis 40 auf drei Jahre gewahlten Mitgliedern gebildet. In den Monaten Mai und Dezember jeden Jahres halt der AusschuB seine Sitzungen. Den von der PfarrSynode aus den angesehensten Pfarrlingen gewahlten Pjarr-Epitropen ist das VermOgen der Pfarrkirche, der Schule und der dazu gehOrigen Stiftungen anvertraut. Die Epitropen, deren Zahl in jeder Pfarre, je nach der Anzahl der Eingepfarrten, zwei bis vier betragt, werden auf drei Jahre gewahlt; ihnen obliegt die Erhaltung des beweglichen und unbeweglichen VermOgens der Kirche und Schute und die Verwaltung desselben nach den Beschllissen der Pfarr-Synode beziehungsweise des Pfarrausschusses. Dort, wo einige Kirchengemeinden eine oder mehrere Schulen gemeinsam erhalten, besteht der Schulausschuj3 und die Schulv

Siehe . 1-52 des ll. Teiles des Reskriptes.

. 128. Die Pfarrepitropien.

433

epitropie, welche aus einer Anzahl von Mitgliedern des betreffenden Pfarrausschusses gebildet werden 10. 8) Im KOnigreich Rumtinien ist die Besorgung der Geschafte bezUglich des Kirchengutes in der Pfarre nach dem Gesetze vom jahre 1893 einem Kuratorium Ubertragen, welches aus drei Mitgliedern besteht, und zwar dem Pfarrer, einem von der politischen BehOrde ernannten und einem von den Pfarrlingen auf filnf jahre gewahlten Mitgliede. Dieses Kuratorium ist in den Stadten der Kontrolle der politischen Gemeinden und auf dem Lande jener der Dorfvorstehung unterworfen 11. 9) In der Bukowina besteht in jeder Pfarre zur Unterstiltzung des Pfarrers in den auf die Erhaltung der Kirche und der zur Kirchengemeinde geh5rigen Gebaude Bezug habenden Agenden, in der Fiirsorge fUr die Witwen und Waisen und in der Verwaltung des KirchenvermOgens unter dem Vorsitze des Pfarrers ein AusschujJ von sechs bis zwOlf angesehenen Pfarrlingen, welche vom Volke gewahlt werden. Dieser AusschuB wahlt aus seiner Mitte zwei Epitropen, welche die laufenden Angelegenheiten der Pfarrverwaltung zu besorgen haben. Der AusschuB beruft fiir bestimmte Zeitpunkte die Kirchenversammlung, welche den AusschuB selbst wahlt und den Rechenschaftsbericht desselben entgegennimmt 12. 10) In der da/matinisclzen Eparchic besteht fUr die Verwaltung des Kirchenverm5gens und dcr zu demselben gehOrigen Vermachtnisse und Wohltatigkeitsstiftungen ein eigenes Statut. Nach diesem Statut ist in jeder Kirchengemeinde ein aus sechs bis vierzehn Mitgliedern bestehender Rat eingesetzt. Der Geistliche ist als Vertreter der obersten EparchialbehOrde Mitglied dieses Rates von Rechtswegen. Die Mitglieder des Rates werden von den Pfarrlingen gewahlt; der Wahlakt wird dem Konsistorium, welches auch die gewahlten Mitglieder bestatigt, zur Genehmigung vorgelegt. Der Vorsitzende wird von den Mitgliedern aus ihrer Mitte gew1ihlt. Das Mandat der Mitglieder dauert sechs jahre. Die Angelegenheiten des KirchenvermOgens besorgen drei vom Rate aus seiner Mitte gewahlte Mitglieder, welche die Kirclzenepitropie bilden. Zur Epitropie, in welcher der Vorsitzende des Rates den Vorsitz fiihrt, gehOrt auch der Pfarrer. Die Epitropie legt am Schlusse des jahres die Kirchenrechnungen dem Rate vor, welcher sie seinerseits dem Konsistorium zur Genehmigung unterbreitet ta.
Siebe . 6-28 des organischen Statutes. Art. 1-12 I. Kapitel, 12-15 11. Kapitel und 28-38 IV. Kapitel des Gesetzes vom jahre 1893. 11 . 58 fg. der Kirchenorganisation vom Jahre 1786 und Konsistorial-Verordnung vom t. Februar 1859, Z. 2397. 11 Konsistoriai-Verordnung vom 7. August 1895 Z. 2131.- Fiir die Kirchengemeinde serbischer Zunge in Triest Art. 37-64 des Statuts vom jahre 1793; fiir IUoi, llr...ambl. 28
10
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434

II. Teil. Die Verfassung der Kirche.

11) In der Metropolie von Cetinje wird nach dem Gesetze vom
1. jilnner 1904 das VermBgen der Kirchengemeinde von einem ge-

wahlten Ausschusse dieser Gemeinde durch Vertrauensmanner, Epitropen, verwaltet. Der AusschuB der Kirchengemeinde besteht in Pfarren mit 150 Hausern aus sechs und in jenen Pfarren, welche eine gr56ere Hauserzahl aufweisen, aus neun Mitgliedern. Den Vorsitz im Ausschusse fUhrt der mit der Seelsorge in der Pfarre betraute Oeistliche. Das Mandat des in Rede stehenden Ausschusses dauert drei jahre. Zum Wirkungskreise dieses Ausschusses gehort: 1) die Priifung der jahresrechnungen, welche von den erwahnten Vertrauensmannern vorgelegt werden; 2) die Festsetzung des jahresvoranschlages; 3) die Sorge for die Erhaltung der lntegritat des Kirchenverm5gens; 4) die Beaufsichtigung der stiftungsgemaBen Verwendung der Stiftungskapitalien, welche der Pfarre zur Verwaltung anvertraut sind; 5) die Verfassung einer dokumentierten Rechnung tiber die Einnahmen und Ausgaben des KirchenvermBgens, welche Rechnung dem Konsistorium zur PrUfung und Genehmigung vorzulegen ist 14,

. 129.
Die 1\filiti.rgeistlichkeit.

Die Militlirgeistlichkeit ist als eine besondere Institution in neuere Zeit entstanden; frUher versah den Seelsorgedienst fUr das Militar die Pfarrgeistlichkeit. Die Militargeistlichkeit ist gegenwartig in jedem Staate durch besondere gesetzliche Vorschriften organisiert. FUr die osterreichisch-ungarische Monarchie gilt dermalen die auf Grund der AllerhBchsten EntschlieBung vom 2. September 1904. verlautbarte Verordnung unter dem Titel ,Organische Bestimmungen fUr die Militar-Seelsorge". Hiernach bestehen im Frieden 12 orthodox-orientalische Militargeistlichen (2 Felderzpriester, 2 geistliche Professoren und 8 Feldkuraten) welche auf die einzelnen Territorialbezirke verteilt sind. Die orthodox-orientalischen MiliUirgeistlichen bilden einen abgesonderten Konkretualstand, welcher in zwei Gehaltsklassen zerfallt. Dieselben werden von den EparchialbischMen, von welchen sie die geistliche jurisdiktion zur Verrichtung des Seelsorgedienstes erhalten, fUr die Militiirseelsorge vorgeschlagen. Auf Grund dieser jurisdiktion fUhrt jeder Militarseelsorger die Geburts-, Trauungs- und Sterbe-Matrikeln und besorgt die urkundlichen Ausfertigungen aus denselben fUr die betreffenden Militarpersonen, wobei der Umstand, daB im betreffenden Orte auch ein anderer Militardie Kirchengemeinde hellenischer Zunge in Wien Art. 112-159 des Statuts vom jahre 1861 ; fiir die Kirchengemeinde serbischer Zunge in Wien das Statut vom 31. Mllrz 1898. " Art. 99-111 des erwllhnten Oesetzes.

129. Die Militll.rgeistlichkeit.

435

geistlicher residiert, irrelevant ist. Auf Grund der oberwahnten AllerhOchsten EntschlieBung wurden vom k. u. k. Kriegsministerium mit Zirkularverordnung vom 21. September 1904. Z. 6551 die Dienstvorschrift fUr die Militargeistlichkeit, die Vorschrift zur Verfassung der Qualifikationslisten Uber Militargeistliche und die Vorschrift Uber die FUhrung der Militarmatrikeln ausgegeben. In denjenigen Garnisonsorten, in welchen MilWirpersonen orthodoxorientalischen Bekenntnisses vorhanden sind, wird in Ermanglung eines Militargeistlichen der Seelsorgedienst im Sinne des Art. 2 der oberwahnten Verordnung vom Ortspfarrer oder Pfarradministrator versehen. In Serbien bestehen nach Art. 94 des Gesetzes Uber die Organisation des Heeres vom 14. Juli 1898 fUr das gesamte Heer ein MilitlirProtopresbyter und Militargeistliche. Der Militar-Protopresbyter gehort in den Beamtenstand und wird mit koniglichem Dekret Uber Vorschlag des Kriegsministers ernannt. In Orten, wo kein Militarseelsorger vorhanden ist, wird die Militar-Seelsorge von den Ortsgeistlichen ausgeUbt. In Ruftland besteht auch das lnstitut der Militargeistlichkeit mit selbstandiger Jurisdiktion. Die letzte Regelung der Militlirgeistlichkeit hat im Jahre 1858 stattgefunden. ,Der oberste Geistliche" ist mit der Leitung der Geistlichen betraut und bestimmt die Geistlichen fUr den Militarseelsorgedienst mit Zustimmung des kompetenten Eparchialbischofs. Der oberste Geistliche ist der heiligen Synode verantwortlich. Die unmittelbare Aufsicht Uber die Militargeistlichen haben die betreffenden Bezirksaufseher.

III. Teil.
Die Verwaltung der Kirche.
. 130.
Allgemeine Ubersicht.
Nach Besprechung der Verfassung der Kirche, soweit dies uns als notwendig erschien, sollen nun die auf die ordnungsmaBige Verwaltung der Kirche Bezug habenden Rechte in Betracht gezogen, namlich es soil dargelegt werden, wie und auf welcher Orundlage die Kirche die ihr vom g6ttlichen Stifter zur Erhaltung ihres Organismus eingeraumte Oewalt ausiibt. Die Kirchengewalt umfaBt drei Zweige, namlich: die Verwaltung der Lehre, die Verwaltung der heiligen Handlungen und die Handhabung der Kirchenregierung (. 58), und entspricht den drei Eigenschaften des Stifters der Kirche, welcher der Lehrer 1, der Hohepriester 2 und K6nig s ist. Daher muB auch die Kirche, deren Haupt Er ist (. 49) und welche seinen Leib bildet, vor allem die Schute sein, in welcher seine Lehre ungetriibt verkiindet und bewahrt wird, die Statte sein, an welcher alle mittels der segenspendenden Onaden die Weihe erhalten, endlich das Reich sein, in welchem seine Oesetze erklart und verkiindet werden, in welchem gerecht gerichtet wird und wo wegen des Bestandes der Kirche auf Erden auch tiber materielle Mittel, welche zur Erreichung des kirchlichen Zweckes unbedingt notwendig sind, verfiigt wird. DemgemaB muB auch dieser Teil des Kirchenrechts in drei Kapitel gegliedert werden und im ersten von der Verwaltung der Lehre (e~oua(rx atarxxttxf), potestas magisterii), im zweiten
.

130. 1 Matth. 5, 2. 11, 27. 24, 35; joh. 6, 69; Koloss. 2, 3. Vergl. ,Orthodoxes Bekenntnis", I. Teil, SchluB der 34. Antwort. 2 Hebr. 3, 1. 4, 14. 5, 10. 6, 20. 9, 11. 28; ,Orthodoxes Bekenntnis", I. Teil, 34., 44. und 47. Antwort. 8 Matth. 2, 2; Luk. I, 32. 33; joh. 18, 37; Koloss. 2, 10; I. Tim. 6, 15; Apok. I. 5; ,Orthodoxes Bekenntnis", I. Teil, 34. Antwort.

438

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

von der Verwaltung der heiligen Handlungen (saoua(a. tspa.'ttxf), potestas ordinis, ministerii) und im dritten von der Handhabung der Kirchenregierung (saooa(a. ~tOtX'l}ttxf), potestas jurisdictionis) gehandelt werden.

Erstes Kapitel.
Die Verwa.ltung der Lehre.
. 131. Die Bewahrung der ohristlichen Lehre.
Die Einheit der Kirche beruht auf der Einheit des Olaubens; denn sobald die Einheit des Olaubens nicht besteht, die geoffenbarte christliche Lehre nicht von allen in ihrer vollen Integritat be'Yahrt wird, kann es auch keine Kirche geben. Das Organ, durch welches die Einheit der Kirche bewahrt wird, ist der Episkopat (.51). Dem Episkopate, dem der Stifter der Kirche seine Lehre Uberliefert hat, damit er sie verkUnde, und dem Er versprach, mit ibm zu sein fUr aile Zeiten, obliegt in erster Linie, die geoffenbarte Lehre zu bewahren und die Wahrheit derselben auf unfehlbare Weise zu bezeugen. Die Erfiillung dieser Aufgabe ist jedem Bischofe anvertraut: ,denn jeder einzelne und aile insgesamt haben einen vollen Anteil" 1, ,aile besitzen die gleiche Oewalt und Wtirde" 2, und ,aile sind gleichmaBig Nachfolger der Apostel" s. DemgemaB erfiillen die BischOfe auch diese Aufgabe in den ihnen anvertrauten Kirchen entweder selbst oder durch ihre Bevollmachtigten, die Oeistlichen. In Fallen, wenn gewisse, den Olauben betreffende, die Oesamtkirche berllhrende und die Reinheit, sowie die Integritat der geoffenbarten Wahrheit bedrohende Streitigkeiten zutagetreten, muB die Stimme des gesamten Episkopates gehort werden, was entweder durch ein allgemeines Konzil (. 82), oder falls die Berufung eines solchen gewisser Verhattnisse wegen unmoglich sein sollte, mittels dogmatischer Sendschreiben geschieht, in welchen das wahre Olaubensbekenntnis der Kirche, dem der gesamte Episkopat im Wege schriftlicher Vereinbarungen zugestimmt hat, ausgesprochen wird (. 83). Mit der Entscheidung von Olaubensfragen und der Bestimmung dessen, was zu glauben ist, erlaBt die Kirche keine neuen Dogmen, sondern bezeugt hiemit nur die geoffenbarte Wahrheit, sowie die un. 131.
2
3

Cypriani De unitate ecclesiae, n. 5. Siebe den Text im . 51, Anm. 2.

Seite 212.
Cyprian. lb. n. 4; Text im . 49, Anm. 6. Seite 208. Hieron. Ep. 146\ Text in Anm. 7 desselben 49. Paragraphen.

, 132. Die Verbreitung der christlichen Lehre.

439

ver anderliche Tradition der bedeutenderen Partikularkirchen, und bringt nach den Bediirfnissen der Zeit in bestimmter Form jene Wahrheit zum Ausdrucke, rticksichtlich welcher ein Streit in der Kirche entstand und welche man unrichtig aufzufassen un.d zu verktinden begann. Als Norm bei der diesfalligen Tatigkeit der Kirche dient einerseits die heilige Schrift und anderseits die Frage, ob eine Wahrheit iiberall, immer und von allen geglaubt wurde 4 Beztiglich der Bewahrung der von den heiligen Vatern und den allgemeinen Konzilien definierten Wahrheiten dient der Kirche der 7. Kanon des III. allgemeinen Konzils als Norm, welcher jeden mit dem Anathem bedroht, der sich erlauben sollte, in irgendeiner Weise die festgesetzten Dogmen zu verletzen 5. Die durch die gesetzliche Gewalt festgesetzten dogmatischen Definitionen sind unbedingt fUr aile AngeMrigen der Kirche verbindlich. Die bindende Kraft derselben hat ihren Ursprung schon in dem lnhalte dieser Definitionen, nachdem dieselben in sich keine Neuerungen enthalten, sondern nur den Uberlieferten Glauben erklaren. Daher konnen dieselben von keinerlei Formalitaten, welche etwa bei der Verlautbarung dieser Definitionen hiitten beobachtet werden sollen, abhiingig gemacht werden 6, . 132.

Die Verbreitung der christlichen Lehre.


Der christliche Glaube ist den Menschen aller Zeiten zugedacht ; daher muB die Kirche dafiir Sorge tragen, daB dieser Glaube iiberall verbreitet und jedermann durch die christliche Lehre erleuchtet werde. Als erstes Mittel hiezu dient der Kirche die Predigt, auf welche, als eine der wichtigsten Pflichten der Verwaltung der Lehre, die kirchliche Gesetzgebung, neben den fundamentalen diesfalligen Vorschriften der heiligen Schrift, stets ihr Hauptaugenmerk gelenkt hat 1. In den altesten Kanones der orientalischen Kirche heiBt es, daB ,der Bischof oder Presbyter, welcher den Klerus und das Volk vernachlassigt und diese nicht in der Frommigkeit belehrt, exkommuniziert und im Faile des Verharrens in NachHissigkeit und Sorglosigkeit, abgesetzt werden soli" 2. Diese Kanones wurden auch von der Kirche in ihren Synoden bestatigt und die Kirchenvorsteher angewiesen, ,alltaglich und namentlich
' Vergl. das aus Vincentii Lirinensis Commonitorium im . 21, Anm. 8, S. 78-79 Angefiihrte. Beziiglich der Erklarung der Dogmen siehe Kap. 23 ebendieses Commonitorium, und vergl. die diesbeziigliche Abhandlung von A. Katanski im ,Hrist. Cten.". 1871. I, 791 u. ff. i Siehe meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I. 298-300. 6 Vergl. Makarius, Orth. dogmatische Theologie. . 3. . 132. 1 Rom. 10, 14; Apostelgesch. 6, 4. 20, 20. 31; II. Tim. 4 u. s. w. 2 58. Kan. Apost.

440

In. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

an Sonntagen den gesamten Klerus und das Volk in der Fr6mmigkeit zu unterweisen und zu diesem Zwecke aus der heiligen Schrift Ansichten und Urteile tiber die Wahrheit zu wahlen"; iiberdies wurde denselben zur Vermeidung von Fehlern in der Predigt empfohlen, ,die heilige Schrift nach den Darlegungen der Leuchten und Lehrer der . Kirche zu erkHiren und sich eher mit diesem Schriften zufrieden zu stellen, als mit selbstverfaBten Reden, damit sie durch etwaige Ungewandtheit in dieser Beziehung von der wahren Lehre nicht abweichen" s. Den Bischofen allein steht in der Kirche das voile Recht zur Ausiibung des Predigeramtes zu, weshalb auch die Kanones verbieten, jene Personlichkeiten zu BischOfen zu befordern, welche im Olauben nicht ausreichend erprobt und riicksichtlich welcher keine vollstandige Oberzeugung vorliegt, daB sie in demselben fest und ausgebildet sind . Ober bischOfliche Ermachtigung konnen auch die Oeistlichen das Predigeramt in der Kirche ausUben 5 ; doch kann ihnen das Recht vom Bischofe entzogen werden, wenn er von der notwendigen Befahigung der betreffenden Oeistlichen nicht Uberzeugt ist oder die Reinheit ihres Olaubens bezweifelt 6. Ohne biscMfliche Ermachtigung darf das Predigeramt von niemandem ausgeiibt werden 7. Als zweites Mittel zur Festigung und Verbreitung der reinen christlichen Lehre dient die Katechese. In den ersten Zeiten der Kirche ging der Taufe die Belehrung fiber die Fundamente des Olaubens voraus und dauerte solange, bis die Betreffenden durch die Kenntn!s der christlichen Wahrheiten die vollstandige Wiirdigkeit, Mitglieder der Kirche zu werden, dargetan haben s. Spater, als die Taufe an Kindem vollzogen wurde, iibertrug man die Katechese vorerst den Paten und Eltern der Kinder, und sodann den Seelsorgern der betreffenden Orte. Gegenwartig wird die Katechese in der Weise ausgeiibt, daB die Seelsorger entweder in ihren Pfarren die Kinder zu bestimmten Zeit en versa mmeln
3 19. Trull. Kan. und mein Kommentar. Pravila" I, 490-492. ' VII. allgem. Konz. 2. Kan. und mein Kommentar Pravila" I, 597-599. 5 Et oe ( 0 [spsl>;) ~(1~ OO~tp:{i M1 &.pstij OLIXqlSpot, AIX@uw seooOLIXII 1t!Xp&. 'rOU S1tL0~01tOO owp,'l-ot -rol>; 1tpo; ai)tlill Sp)(Of.LS\1001; soos~et~;, 'lt'Xt e1~; rl]v 1tpo'

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Vergl. das Sendschreiben der orientalischen Patriarchen fiber den orthodoxen Glauben, Art. 10. 6 lnfolge der lrrlehre des Arius war in der Kirche von Alexandria allen Oeistlichen das Predigen in den Kirchen untersagt. Sokrat., Hist. eccl. V, 22. Cf. Sozomenus, Hist. eccl. VII, 19. 7 Siehe meinen Kommentar zum 64. Trull. Kanan. Pravila" I, 549-550. 8 Details hieriiber in dem Artikel ,Katechetischer Unterricht" bei Kraus, Real-Encykloplldie. II, 132-147.

, 132. Die Verbreitung der christlichen Lehre.

441

und dieselben in den Fundamenten des Glaubens unterweisen u, oder daB sie in den betreffenden Elementarschulen den Religionsunterricht erteilen 10, oder daB endlich von dem betreffenden Bischof besondere Geistliche in den Schulen als Katecheten bestellt werden u. Die Verbreitung der christlichen Lehre im strengen Sinne erfolgt aber durch den Missionsdienst, indem namlich die Kirche ihre Lehrer zu den vom Ghristentum noch nicht erleuchteten Volkern sendet, damit dieselben zum Christentum bekehrt werden. Der Missionsdienst ist eine gottliche Einrichtung, und durch die Verwendung von Missionaren erfiillt die Kirche eine der Vorschriften des gottlichen Rechts 12. Mit Riicksicht auf die Wichtigkeit des Missionsdienstes hat die Kirche demselben stets ein besonderes Augenmerk zugewendet, damit er seiner heiligen Aufgabe entspreche und von Erfolg begleitet sei. Die orthodoxorientalische Kirche, welche jedes Proselytentum unter den christlichen V51kern entschieden verurteilt, gestattet keine Ubereilte, unbedachte und zwangsweise Bekehrung, trachtet von der Missionstatigkeit alles das abzuwenden, was nur den Schein irgendeines zeitlichen und irdischen Vorteiles an sich tragen konnte und eifert die Missionare an, auf den Geist und das Herz der durch das Evangelium zu erleuchtenden Menschen einzuwirken. In den von der Kirchengewalt fUr die Missionare erlassenen Regeln wird gefordert: 1) die klare und genaue Darlegung der Wahrheiten des christlichen Glaubens, weshalb die Errichtung von Schulen bei den Unglaubigen als hauptsachliches Mittel empfohlen wird; 2) die Einwirkung auf das Herz durch mildes Zureden und Liebe, durch Nachsehen der Mangel des Glaubens und der Moral der Unglaubigen, sowie endlich 3) das Festigen der Verbindung zwischen den Bekehrten und der Kirche durch Bande des Olaubens und der Moral, namentlich durch das Errichten von Kirchen unter ihnen, durch Bestellung von Seelsorgern, durch den geistlichen EinfluB auf das Gewissen und auf ihre Gewohnheiten, sowie auch dadurch, daB jene Hirten, welche zu ihrer Leitung bestimmt sind, ihnen im Lebenswandel ein Vorbild gewahren. Auf Grund dieser allgemeinen Normen bei Bekehrung der Unglaubigen zum Christentum wurden fUr das Vorgehen der Missionare bei AusUbung ihres Dienstes von der Kirchengewalt besondere Regeln erlassen 1s. Die Missionare sind von ihrem Eparchiai-Bischof in jeder Beziehung abhangig und verpflichtet, demselben zu bestimmten Terminen eingehende Berichte tiber ihre Tatigkeit zu unterbreiten u.
Siehe S. 419 dieses Buches. Vergl. Art. 14. des russischen Konsistorial-Statutes vom Jahre 1883. 11 Vergl. Art. 27 Pkt. 13. des Oesetzes vom Jahre 1890 in Serbien. 12 Matth. 28, 18. 19; Mark. 16, 15; Apostelgeschichte. 1, 8; I. Kor. 15, 25; Hebr. 13, 8. 13 Siehe die Instruktion fiir russische Missionllre bei Barsow. S. 233 u. ff. u Punkt 1 derselben lnstruktion. 281
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442

lll. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

. 133. Die Bewahrung der Gliubigen vor falschen Lehren. Damit die geoffenbarten Wahrheiten rein und unverletzt erhalten, und die Gl:iubigen vor der Irreflihrung durch falsche Lehren bewahrt werden, war die Kirche schon seit ihrem Beginne bemiiht, GlaubensSymbole oder kurze Formeln des wahren Glaubens, behufs allgemeiner Beniitzung seitens der OUiubigen, zu verfassen; diese Symbole muBten von denselben bei jeder gottesdienstlichen Versammlung gelesen werden. Von den aus den alteren Zeiten der Kirche auf uns gelangten Symbolen solcher Art 1 sind als die bekanntesten zu erwahnen: das nicanisch-konstantinopolitanische Symbolum, sodann jenes des Oregorius von Neocasarea, und das Symbolum, welches unter dem Namen Athanasius des GraBen bekannt ist 2 Das niciinisch-konstantinopolitanische Symbolum wurde auf allen seit dem fiinften jahrhundert abgehaltenen allgemeinen Konzilien bestatigt, und durch das III. allgemeinen Konzil wurde die Einfiihrung eines neuen Symbolums an Stelle dieses, oder die Vornahme von Anderungen an demselben, fUr immer verboten s. Im Zusamenhange mit diesem Symbolum werden von der Kirche im Falle des Auftretens einer neuen Lehre eingehende Darlegungen des Glaubens zu dem Zwecke erlassen, damit die GUiubigen durch die neue Lehre nicht irregefiihrt werden. Unter den Glaubens-Darlegungen dieser Art, welche filr aile Olieder unbedingt bindend sind, sind zwei die bedeutendsten: 'Op{M(;o~os OI.LoA.ora t"iJS 'lttatsm; t71s "X.a.&oA.tXiJS xat &.'7toatoA.tx1Js 8xxh;aa.s &.vatoA.tx'lJs (Orthodoxa Confessio fidei catholicae et apostolicae ecclesiae orientalis) aus der Mitte des XVII. jahrhunderts, und 'Op.oA.ora t~s bp&o(;6~oo 'ltlatsms t~s O.vatoA.txr,s EXxA1JOli'1.S (Confessio orthodoxae fidei ecclesiae orientalis), welche in der Synode von jerusalem im jahre 1672 ausgesprochen wurde und unter dem Titel ,Sendschreiben der Patriarchen der orientalisch-katholischen Kirche iiber den orthodoxen Glaub en" bekannt ist "
1 Eine neuere Sammlung dieser Symbole bei Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche. 1877. 2 Das Symbolum des Oregorius von Neociisarea ist gewohnlich in slavischer Obersetzung in den Ausgaben des "Pravosl. ispovjedanije" (Confessio orthodoxa) enthalten, jenes des Athanasius in den slavischen Ausgaben des groBen Psalterium. 3 Siebe 7. Kanon des Ill. allgem. Konzils und meinen Kommentar zu diesem Kanon. "Pravila" I, 298-300. ' Diese heiden symbolischen BUcher haben wir auf Seite 79 dieses Buches bereits erwiihnt. Das erste dieser BUcher hat der Kiewer Metropolit Petrus Mogilas (1640) zur Wahrung der Reinheit des orthodoxen Glaubens sowohl gegen die Lehre der Lutheraner und Kalvinisten, als auch gegen die Lehre der Katholiken und der Unierten, verfa6t. Zuerst wurde dasselbe in einer Provinzialsynode zu Kiew (1640)

. 133.

. 133. Die Bewahrung der Oliiubigen vor falschen Lehren.

443

Hieber gehOrt auch der ,Ausf!.ihrliche christliche Katechismus der orthodox-katholischen orientalischen Kirche", sowie aile von der Kirchengewalt fiir den Religions-Unterricht der Jugend herausgegebenen Katechismen 5 Der oberste Hilter der wahren othodoxen Lehre in der Kirche ist der Bischof. Als Gewahr dafilr, daB er der verlaBiiche Hater dieser Lehre sein und die Irrefilhrung der GHiubigen durch neue Lehren verhindern werde, fordert die Kirche von dem Bischofe vor der Cheirotonie die feierliche Darlegung seiner Glaubensilberzeugung, sowie die Leistung des Eides, daB er an derselben unentwegt festhalten und mit allen Kraften dafilr Sorge tragen werde, daB auch die seiner Obhut Anvertrauten den Glauben bewahren. Dies ist der bekannte bischofliche Eid 6 Ebendiese Pflicht erfilllen im Namen des Bischofs die Geistlichen in ihren Sprengeln. Dieselben milssen gleichfalls vor der Cheirotonie einen ahnlichen Eid zur Gewahrleistung dieser Pflichterfullung ablegen 7 Trotz der genauen Darlegung der Lehre in den Symbolen und anderen symbolischen Schriften, und bei aller Sorgfalt der BiscMfe fiir die Reinerhaltung der Lehre, konnen nach wie vor verschiedene Zweifel
und sodann in einer Provinzialsynode zu jassy (1643) revidiert und approbiert. In der Synode zu jerusalem, welche im jahre 1672 unter dem Vorsitze des Patriarchen Dositheus abgehalten wurde, in jener zu Konstantinopel unter dem Vorsitze des Patriarchen Dionysius, eines Zeitgenossen des Dositheus, und in der Synode zu Konstantinopel im Jahre 1691, erhielt dieses Buch gleichfalls die Approbation. Das zweite Buch wurde (1672) zur Wahrung der Reinheit der Orthodoxie gegen die kalvinistischen lrrlehren vom Patriarchen Dositheus von Jerusalem verfaBt. Die Wahrheit und Reinheit des lnhaltes dieses Buches haben aile morgenllindischen Patriarchen und die iibrigen orthodoxen Bischofe bezeugt, als sie dasselbe im Jahre 1723 den Christen OroBbritanniens als Antwort auf eine diesbeziigliche Frage iibersandten. Oleichzeitig haben auch aile iibrigen orthodoxen Kirchen dieses Buch als unfehlbare Lehre des orthodoxen Olaubens angenommen; in erster Reihe die russische Kirche, welche dasselbe unter dem Titel: ,Sendschreiben der Patriarchen der orientalisch-katholischen Kirche iiber den orthodoxen Olauben" herausgibt. Diese heiden symbolischen Biicher sind in jon Michalcescu, Thesaurus orthodoxiae (Leipzig, 1904) S. 29-122 u. 160-182. im Originaltext, undinE. I. Kimmel, Manumenta fidei ecclesiae orientalis Uenae, 1850) I, 56-323 und 424-480 in griecbischer Sprache und in lateinischer Obersetzung abgedruckt; das zweite Buch ist aucb in ]. Harduini Concil. coli. XI, 234-265 entbalten. Die beziigliche Literatur siebe in }. Michalcescu, Op. cit. S. 25 u. 125, und in F. Kattenbusch, Lehrbuch der vergleicbenden Konfessionskunde. I, 252. 266. ~ Der russische ,Ausfiihrliche Katechismus", in deutscher Obersetzung gedruckt mit Genehmigung der hcil. Synode zu Petersburg 1887. Von Wicbtigkeit sind nocb: D. R. Bernardaki, 'Iepa K~XtiJx-~m; (Konstantinop. 1872), approbiert durch das okumenische Patriarchal (eines der angesebendsten Lehrbiicber der morgenllindiscben Kircbe), und D. Kyriakos, Xpta'tl!XYt'X.~ K~X>t'fJX1jOt<; (Athen, 1897), approbiert durch die heil. Synode des Konigreichs Griecbenland. 6 Siebe . 105 dieses Buches. 7 Siebe . 69. Anm. 11. Seite 263.

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

in einzelnen Glaubensfragen zutagetreten, welche zu losen selbst die Bischofe nicht vermogen. Aus diesem Grunde und urn das Einschleichen von Unwahrheiten in die geoffenbarte Lehre zu verhindern, wurde schon seit Beginn der Kirche die jahrliche Abhaltung von bischOflichen Synoden in den einzelnen Kirchengebieten, in welchen derartige Fragen erortert und die wahre Olaubenslehre zum Ausdrucke gebracht werden sollte, normierts. Dieser Synodalgewalt, und in deren Namen den Bischofen, obliegt es daher, die Redaktionen und Obersetzungen der heiligen Schrift zu beaufsichtigen, geistliche Oegenstande betreffende BUcher vor deren Drucklegung zu genehmigen, sowie endlich solche BUcher zu verbieten, welche mit dem Glauben und der Moral nicht im Einklange stehen. Die Zahl der Bucher der heiligen Schrift, welche jeder rechtglaubige Christ anerkennen und achten soli, ist kanonisch festgesetzt9. Die Kirche, welche die festgesetzte Zahl dieser BUcher zu bewahren hat, sorgt auch dafor, daB der Text derselben unverletzt erhalten bleibe, daj3 die Ausgabe derselben unter der unmittelbaren Aufsicht der Kirchengewalt erfolge, und daB die Obersetzung derselben nur mit Zustimmung dieser Gewalt bewerkstelligt werde. FUr die Kirche dient in dieser Beziehung der 2. Kanon des Trullanischen Konzils als Norm, welcher verfilgt, daB jede Ausgabe zu verurteilen sei, ,in welche durch NichtRechtglaubige zum Nachteile der Kirche unterschobene und falsche Dinge zur Verdunkelung der erhabenen SchOnheit der gottlichen Oebote eingefiigt werden". AnlaBlich der protestantischen Bewegung, rUcksichtlich der Ausgaben und des Lesens der heiligen Schrift, hat die Synode von Jerusalem im Jahre 1672 diese Bewegung entschieden verworfen und jede Ausgabe, sowie die Auslegung der heiligen Schrift bedingungslos der Kirchengewalt eingeraumt to. Der bezUgliche BeschluB der Synode wurde sodarin in die symbolischen Bucher der orientalischen Kirche aufgenommen 11 Ebenso hat die Kirche den Obersetzungen der heiligen Schrift, welche sich immer mehr zu verbreiten begannen, ein besonderes Augenmerk zugewendet, und wurde durch eine Verordnung der Synode zu Konstantinopel zur Zeit des Patriarchen Gabriel Ill. (1702-1709) der diesbezUgliche Standpunkt der orthodox-orientalischen Kirche klargelegt 12. Diese Verordnung wurde spater durch jene
37. Kan. Apost.; I. allgem. Konzil 5. Kanon; IV. allgem. Konzil 19. Kanon; 8. Trull. Kan. ; VII. allgem. Konz. 6. Kan. ; . Ant. 20. Kan. 9 Siehe . 21 dieses Buches. 10 Siehe Art. 2 des ,Sendschreiben der orient. Patriarchen iiber den orthodoxen Glliuben". Vergl. Harduini. XI, 326. 11 Namentlich in das ,Sendschreiben der orientalischen Patriarchen iiber den orthodoxen Glauben ", Art. 2. u fe:oe:rov, AtiXtli;st~. 1. 106-109.
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. 133. Die Bewahrung der Glaubigen vor falschen Lehren.

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des Patriarchen Gregorius VI. von Konstantinopel vom 1. Ma.rz 1839 erneuert 13 Die Kirche, ohne deren Genehmigung keine Ausgabe der heiligen Schrift erfolgen dart, fordert auch, daB samtliche den Glauben und die Moral betreffenden Bucher vor der Drucklegung der kirchlichen Obrigkeit zur Einsicht vorgelegt werden, damit auf diese Weise die Verbreitung schadlicher Bucher verhindert werde. Dieser Gedanke der Kirche gelangte in der geistlichen Zensur, deren kanonische Grundlage in den Kanones der Synode von Karthago enthalten ist, zum Ausdrucke 14. Spater wurde die Zensur der Bucher bei jeder Hauptkirche einem hiezu bestimmten, aus befahigten und frommen Mannern zusammengesetzten Ausschusse ubertragen, welcher die Aufgabe hatte, die bischOfliche Synode, die das endgiltige Urteil zu fallen hatte, uber den Inhalt der betreffenden Bucher zu informieren. Gegenwartig unterstehen der geistlichen Zensur sowohl die vollstl:indigen als auch die phragmentarischen Ausgaben der heiligen Schrift, sodann alle gottesdienstlichen Bucher, jene theologischen lnhaltes, sowie die fiir das Volk bestimmten, auf den Glauben und die christliche Moral Bezug habenden Bucher. Der Zensur unterliegen uberdies die Ikonen, sowie alle anderen Abbildungen, welche Motive aus der geistlichen oder Kirchengeschichte zum Gegenstande haben H>. Der Gebrauch von Buchern und Bildern solcher Art, welche der Zensur nicht unterzogen und von der kompetenten Kirchengewalt nicht ausdrucklich genehmigt worden sind, ist bei Strafe untersagt ts. Damit endlich die GHiubigen vor falschen, in verschiedenen Biichern verkundeten Lehren bewahrt werden, steht der Kirche noch ein Mittel zur Verfugung, namlich die iJ!fentliche Verurtei/ung religionswidriger und schtidlicher Bucher. Die Kirche, welche auf den allgemeinen Konzilien den wahren Glauben festsetzte, verdammte gleichzeitig die betreffenden Haresiarchen und deren Lehre, und verbot unter Androhung des Anathems das Lesen der von solchen Haresiarchen ver-

13 Ibid. II, 287-292. Siehe fiir Ru)Jland die Verordnungen vom 27. juli und 17. August 1787; beziiglich der von der Kirchengewalt nicht bestatigten Ausgaben der heil. Schrift, siehe den Ukas vom 3. janner 1868. u 103. Kanon. Vergl. auch den 2. Kanon Athanasius d. Gr. ,Pravila" II, 332. 1 ~ Siehe fiir Serbien Art. 19 Pkt. 7 des Gesetzes vom jahre 1890 und die Verordnungen der bischoflichen Synode vom November 1863, Z. 49 und Oktober 1883 Z. 34; fiir Rujlland siehe ,Statut fiir die weltliche und geistliche Zensur" im Anhange zum XIV. Bande der Gesetzsammlung; iiber die geistlichen Zensur-Komitee vergl. Barsow. S. 80-99.

Tau~ &.vtX{)oS!J.tXt(Co(J.SV sagen die Vater des Trull. Konzils in dem 63. Kanon riicksichtlich jener, welche diese Verfiigung verletzen (Ath. Synt. II, 452).
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446

III. Teil. Die Vcrwaltung der Kirche.

fa.Bten Bucher. Das erste diesfallige Beispiel liefert uns das I. allgemeine Konzil, welches, nach Darlegung des betreffenden GlaubensSymbolums, das Lesen einer der Hauptschriften des Arius, in der dieser seine falsche Lehre zu rechtfertigen suchte, untersagte und verdammte 11. Im Zusammenhange mit dieser Verfugung des Konzils erlie.B Kaiser Konstantin ein allgemeines Edikt, wonach aile von Arius und seinen Anhangern verfaBten Bucher zu verbrennen waren ts. Das gleiche Vorgehen beobachtete Kaiser Arkadius zu Ende des IV. jahrhunderts, riicksichtlich der Bucher der Eunomianer und Montanisten 19, und in gleicher Weise wurden aile haretischen Bucher des V. jahrhunderts behandelt 2o. In demselben jahrhundert erlieB der Bischof von Rom, Gelasius, ein besonderes Verzeichnis verbotener Bucher, welches im jahre 496 in einer Synode zu Rom unter dem Titel ,Decretum Gelasii P. de libris recipiendis et non recipiendis" kundgemacht wurde 21 In der orthodox-orientalischen Kirche ist das Verbrennen schlidlicher Biicher durch einen besonderen Kanon vorgeschrieben 22 Oberdies verhangt das VII. allgemeine Konzil die Exkommunikation tiber jene Laien, welche von der Kirchengewalt offentlich verurteile BUcher heimlich verwahren, und bedroht die einer solchen Handlung sich schuldigmachenden Geistlichen mit der Absetzung 2s. Die alte Praxis der Kirche, betreffend die Verdammung religionswidriger und schadlicher Biicher, ist noch dermalen in voller Wirksamkeit, und wird in dieser Beziehung die Kirche in den christlichen Staaten von der Staatsgewalt gegenwartig ebenso unterstiitzt, wie dies ehemals der Fall war u.

Sokrat., Hist. eccl. I, 9; Sozomen., Hist. eccl. I, 21. ld. ib. 19 Cod. Theodos. XVI, 5. I. 34. De haeret. 20 Vergl. den Vorgang des Theophilus von Alexandria mit den Biichern des Origenes (Sulpicii Severi, Dialog. I. n. 6-7), den Vorgang mit den Biichern des Nestorius (Concil. Ephes. Act. I. et Cod. Theodos. I 66. De haeret., Cod. Justinian. I, 5. I. 6. de libris Nestorii. Cf. Basilicor. lib. I. tit. I, 26), mit jenen dcr MessaHaner (Cone. Ephes., Act. VII) mit den Schriften der Eutychianer (Cod. Justinian. I, 5 I. 8. de apollinaristis seu eutychianistis. Cf. Basilicorum, lb. I. 27.). 21 Dieses Decretum diente als Grundlage fUr den spliteren Index librorum prohibitorum der romisch-katholischen Kirche. Siehe hieriiber Dr. jos. Fessler, Ceosur und Index (Sammlung vermischter Schriften iiber Kirchengeschichte und Kirchenrecht. Freiburg in Breisgau. 1869. S. 127 u. ff.). Vergl. ]. Hilgers, Der Index der verbotenen Biicher. Freiburg, 1904. 22 T~ot~ 1eopl. 7C~p~X80oa{lo~t. 63. Trull. Kanon. 23 9. Kanon, und mein Kommentar. ,Pravila". I, 604. 24 Nomok. XII, 3 (Ath. Synt. I, 265-268). Fiir 6sterreich vergl. . 122, 123 und 303 des Strafgesetzes vom 27. Mai 1852.
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447

Zweites Kapitel.
Die Verwaltung der heiligen Handlungen.
. 134. Die heiligen Handlungen.
Die Kirche Christi ist jene SHitte, in der Er selbst der ewige Hohepriester ist, welcher Gott das groBe Opfer zur ErlOsung der Menschheit dargebracht hat. Dieses Opfer wird auch dermalen und fi.ir aile Zeiten in der Kirche gespendet. Die durch dieses Opfer von Christus bewirkte Weihe des Menschen ist das hochste Sakrament, aus welchem sich aile gegenwartig in der orthodox-orientalischen Kirche bestehenden heiligen Handlungen entwickelten. Einige derselben wurden vom Stifter der Kirche selbst dazu bestimmt, den Menschen, durch Mittel zur Verabreichung, die gottlichen Gnaden zu spenden; die anderen wurden im Laufe der Zeit von der Kirche auf Grund der ihr eingeraumten Gewalt eingesetzt, damit ailes in ihr heilig sei und der Segen Gottes i.iber all em waite. Die ersteren werden Sakramente genannt; die letzteren sind verschiedene Gebete, welche von den Bischofen oder Priestern, unter Beobachtung eines bestimmten Ritus, fi.ir gewisse Personen oder Sachen, welche Gott und der Kirche geweiht werden sollen, oder fi.ir bestimmte Personen zur Erwirkung des gottlichen Segens fi.ir ihr gesellschaftliches Wirken, und fi.ir verschiedene Gegenstande, zur Erlangung des Segens fi.ir ihre Verwendung, verrichtet werden. Es gibt sieben Sakramente, namlich: die Taufe (to ~6.'7tttO'tJ.tX), die Salbung mit dem Chrisma (tb tJ.6pov to~) XPtOtJ.tXto~), die Eucharistie (Y) soxo.ptcrtttX), die BuBe (+J tJ.Stcivow.), die Priesterweihe (-~ tSpmoOV't}), die Ehe (6 j'cltJ.O~) und die letzte CHung (tb soxz),.rJ.toV) 1 Zur ordentlichen Ausspendung eines Sakramentes ist erforderlich eine entsprechende Materie (5'A.1] 6.pp.6aw~), ein gesetzlich geweihter Priester oder Bischof und endlich das Anrufen des heiligen Geistes unter Anwendung einer bestimmten Forme!, durch welche der Priester das Sakrament mittels der Macht des heiligen Geistes und mit seiner auf die Weihe gerichteten Absicht weihP. Aile Sakramente entspringen dem gottlichen Rechte, und die kirchliche Gesetzgebung hat ri.icksichtlich des Wesens derselben dieses Recht nur formuliert und die genaue Beachtung desselben vorgeschrieben. Dieselbe Gesetzgebung bestimmt auch, mit Ri.icksicht auf die verschiedenen, durch die Verhaltnisse der Zeit etwa hervorgerufenen Ausnahmen bei der Verwaltung der Sakra.

134. 1 ,Orthodoxes Bekenntnis". I. Teil, 98. ,Sendschreiben der orientalischen Patriarchen tiber den orthodoxen Glauben". Art 15. 2 ,Orthodoxes Bekenntnis". I. Teil, 100. Antwort.

448

lll. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

mente, unter stetem Festhalten an dem Wesen derselben, den in solchen Fallen zu beobachtenden Vorgang und erla6t im allgemeinen Vorschriften, welche die Oberschreitung jenes Zweckes, fUr welchen die Sakramente eingesetzt sind, verhindern sollen. Von den verschiedenen Gebeten, welche unter Beobachtung eines bestimmten kirchlichen Ritus verrichtet werden, sind einige mit der Verwaltung der Sakramente verbunden, andere werden fUr sich allein verrichtet. Damit alles in der Kirche heilig sei, und der Segen Gottes durch besondere Gebete auf alles das erfleht werde, was die Christen in ihrem Leben benfitigen, hat die Kirche eine Fulle von Gebeten, nicht nur fUr die verschiedensten Gelegenheiten des kirchlichen, sondern auch des menschlichen Lebens im allgemeinen, eingefiihrt. Unter diesen Gebeten beziehen sich einige auf Gegenstande, welche mit den kirchlichen Funktionen in Verbindung stehen, andere auf solche, welche von diesen Funktionen unabhangig sind. Zu den ersteren gehfirt die Wasserweihe an dem Epiphanias-Peste, die Weihe des Oies, des Weihrauches, der Kerzen, der Olzweige, der Glocken u. s. w., die Weihe der Kirchen, Antimensien, Friedhfife u. s. w.; zu den Ietzteren ist zu zahlen die Segnung der Felder, der neugebauten Hauser, der Schiffe, Fahnen, Waffen, der Mahlzeittische, Frtichte; es geMren hieher auch das Begrabnis der Verstorbenen, die Gebete zum Gedachtnisse derselben, die Segnungen der ~o/-A.6~mv, die Weihe der niederen hierarchischen Grade, die M5nchtonsur, die Salbung der Staatsoberhaupter, die Gebete zur Abwehr eines Ungliicks, das Erflehen der gfittlichen Hilfe fiir Kranke u. s. w. Aile diese Gebete sind mit dem betreffenden Ritus im Ritualbuch oder Euchologion angefuhrt. Das Recht zur Verrichtung dieser Gebete steht den ordnungsmaBig geweihten Priestern oder Bischfifen zu s; die Feststellung dieser Gebete unter Vorschreibung des betreffenden Ritus geMrt in den Wirkungskreis der obersten kirchlichen Zentralgewalt, welche hiebei sowohl den Geist der christlichen Kirche, als auch die Erhaltung der Einheitlichkeit des Ritus in der Kirche zu beriicksichtigen hat.

. 135. Die Organe zur Verwaltung der heiligen Handlungen.


jeder gesetzlich geweihte Priester oder Bischof ist, wie bereits erwahnt wurde, zur Verwaltung der heiligen Handlungen berufen (. 134). Da jedoch Gott hiebei selbst tatig ist, so erscheint der Priester oder Bischof nur als Vermittler; denn nicht die Geistlichen spenden der Menschheit die Gnaden, sondern Gott selbst, durch die Geistlichen. Daher ist jede nach dem vorgeschriebenen Ritus verwaltete heilige Handlung an sich giltig, ohne Riicksicht auf die persfinlichen Eigen3

33. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 14. Kan.; Gangra. 6. Kan., u. a.

. 136. Allgemeine Bestimmungen fiber die heiligen Handlungen.

449

schaften desjenigen, der dieselbe verwaltete, sowie auf die diesfallige Wiirdigkeit oder Nichtwiirdigkeit desselben 1 Die volle Befugnis zur Verwaltung jeder heiligen Handlung in der Kirche steht dem Bischof zu 2 , und nur von ihm erhalten die Priester die Befugnis zur Verwaltung dieser Handlungen 3 Unter den verschiedenen heiligen Handlungen sind einzelne ausschlieBlich dem Bischof, gemaB seiner oberpriesterlichen Gewalt, vorbehalten, wahrend die anderen von den Priestern verwaltet werden konnen (. 60, 2), welche letztere jedoch auch riicksichtlich jener heiligen Handlungen, zu deren Verwaltung sie ermachtigt sind, der ununterbrochenen Aufsicht und dem Rechtsspruche ihres Bischofs unterstehen 4 Die Diakonen sind zur selbstandigen Verwaltung der heiligen Handlungen nicht berechtigt 5

. 136.

Allgemeine Bestimmungen iiber die heiligen Handlungen.


Urn den Gottesdienst im allgemeinen und jede einzige heilige Handlung wiirdig zu verrichten, ist ein bestimmtes, von der gesetzlichen Gewalt bestatigtes Rituale erforderlich, an welchem festgehalten werden muB und von welchem niemand eigenmachtig abweichen darf. Schon seit den altesten Zeiten der Kirche wurde hierauf eine besondere Aufmerksamkeit gelenkt und wurden auch besondere Rituale, sowohl fiir die hauptsachlichste heilige Handlung der christlichen Kirche, die Liturgie, als auch fiir die Verwaltung aller iibrigen festgesetzten heiligen Handlungen erlassen 1 Nur nach diesen in den Kirchenbiichern enthaltenen Ritualen konnten die betreffenden Handlungen vorgenommen werden und war jede Abweichung hievon oder die Einfiihrung von Neuerungen, ebenso wie dies auch heute der Fall ist, strengstens untersagt 2 Die Kanones der allgemeinen Konzilien liefern den Beweis, daB die Kirche stets ein wachsames Auge dem strengen Festhalten an den alten gottesdienstlichen Ritualen zuwandte, jede diesfallige Abweichung verurteilte 3 und nur der obersten kirchlichen Zentralgewalt das Recht
. 135.
1 Vergl. fiber diese dogmatische Frage: Makarius, Pravosl. dogmat. bogoslovie. . 245 (erwahnte Ausgabe. II, 392-394). 2 Siehe . 60, Anm. 9 u. 13, und Dekret X der Synode von Jerusalem [1672] (Harduini. XI, 243). 3 Gangra. 6. Kan. und das erwahnte Dekret der Synode von Jerusalem. 4 39. Kan. Apost. und Kommentar des Archimandriten johann zu diesem Kanon (erwahntes Werk. I, 185-186). 5 Apost. Constit. VIII, 28. . 136. 1 Die Details hierfiber siehe in den im . 7, Anm. 7, angefiihrten Werken und ebenso E. de Pressense, La vie ecclesiastique, religieuse et morale des chretiens aux deuxieme et troisieme siecles. Paris. 1877. 2 81. Trull. Kan.; Karth. 103. Kan. Vergl. . 133, Anm. 15 u. 16. 3 Z. B. I. allgem. Konz. 20. Kan. ; 28. 32. Trull. Kan., u. a. 29 Mila!, ilrohmeebl.

450

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

vorbehielt, gewisse neue Zeremonien oder Oebete einzufUhren 4 Neben der genauen Beachtung der besagten Rituale soli nach den Anordnungen der Kirche jede heilige Handlung mit Gottesfurcht und Aufmerksamkeit, mit der notwendigen Klarheit im Vortrage und ohne Obereilung verrichtet werden 5; au.Berdem soli en diese Handlungen fiffentlich in der Kirche und nicht in Privathausern vorgenommen werden, au.Ber in gerechtfertigen Fallen, oder wenn das betreffende Oebet dies an sich erheischt 6. An dem allgemeinen Oottesdienste, namentlich an Sonn- und Feiertagen, sind aile OUiubigen teilzunehmen verpflichtet, und die Kirche verurteilt diejenigen, welche hierin eine Nachlassigkeit bekunden. Solchen, welche in dieser Beziehung mit Absicht vorgehen, wird, weil sie sich hiedurch von der kirchlichen Einheit trennen und ein anderes, auBerkirchliches Streben bekunden, die Eucharistie entzogen 7. Daher untersagt auch die Kirche Versammlungen zu religifisen Zwecken, welche unter dem Vorwande der Frfimmigkeit, abgesondert von ihr, abgehalten werden, urn etwa von der Kirche nicht genehmigte Oebete zu verrichten 8 Ebenso verbietet die Kirche den Olaubigen die Teilnahme an Oebeten und rituellen heiligen Handlungen AndersgUiubiger oder Exkommunizierter, oder die Aufnahme derselben in die Oemeinschaft ihrer Oebete ll. Die Organe zur Verwaltung der heiligen Handlungen sind nach den Kanones verhalten, darUber zu wachen, fiir wen eine heilige Handlung zu verrichten und wem ein Sakrament zu spenden ist. Die Kirche bestimmt daher, daB der Priester die Betreffenden vorerst iiber die Macht dieses oder jenes Sakramentes zu unterweisen habe, und verbietet ihm, denjenigen, welchen die fundamentalen Wahrheiten des Olaubens unbekannt sind, Sakramente zu spenden. Dasselbe gilt auch rUcksichtlich der Andersglliubigen, solange sie nicht in die Kirche eintreten 10.
' Karth. 103. Kan. Vergl. auch den Kommentar des Zonaras zum 6. Kan. des VII. allgem. Konz. (Ath. Synt. II, 578), rilcksichtlich der Aufsicht der Synodalgewalt dariiber, daB bei jeder heiligen Handlung die bestehenden Vorschriften genau beachtet werden. 5 75. Trull. Kan. ; Laod. 17. Kan. und Kommentar des Archim. johann zum 75. Trull. Kan. (erwii.hntes Werk. II, 470-472). Vergl. auch nUcitelnoe izvjestie" im Ritualbuche (Ausg. Wien 1854, S. 227 u. ff.). 6 59. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 10. Kan. 7 9. Kan. Apost.; 80. Trull. Kan.; Ant. 2. Kan. ; Sard. 11. Kan. und Kommentar des Archim. johann zum 80. Trull. Kan. (II, 479-481). 8 32. Kan. Apost. ; 80. Trull. Kan. ; Gangra 6. Kan. ; Ant. 5. Kan. ; Laod. 35. Kan. 9 10. 11. 45. 64. 70. 71. Kan. Apost.; Ant. 2. Kan. ; Laod. 32. 33. Kan. 10 Siebe . 72, 73, 74 und 75 des Suches ,Ober die Pflichten der Pfarrer".

451

Drittes Kapitel.
Die Handhabung der Kirchenregierung.
I. Die kirchliche Gesetzgebnng.
. 137.

Allgemeine Ubersicht. Der Stifter der Kirche Ubertrug die gesetzgebende Gewalt seinen Aposteln, von welchen sie auf die Nachfolger derselben, die BischOfe, welche dieselbe zu allen Zeiten synodaliter ausUbten und auch dermalen ausUben (. 13), Uberging t. Die gesetzgebende Gewalt der Kirche entwickelt sich, gestUtzt auf die gottliche Vollmacht und gemaB der ihr obliegenden Aufgabe (. 1), in einer bestimmten und genau verzeichneten Rich tung. Die Organe der gesetzgebenden Gewalt in der Kirche sind bei dem Erlassen von Gesetzen nicht irn eigenen Namen tatig und Uben keine ihnen personlich zukommende Befugnis aus, sondern sie handeln hiebei irn Namen des gottlichen Geistes, der in der Kirche lebt, und erfilllen als dessen Vermittler seinen Willen auf Erden. GemaB dem Versprechen des Stifters der Kirche, daB er stets unter seinen Aposteln und deren Nachfolgern weilen werde, haben weder die Apostel, noch deren Nachfolger, selbst im eigenen Namen, sondern irn Narnen des heiligen Geistes, welcher durch sie wirksam ist, kirchliche Gesetze erlassen. ,Der heilige Geist und wir haben es namlich fUr gut erkannt" sagen die Apostel, als sie die Anordnung erlieBen, daB die alt-testamentarischen Rituai-Vorschriften fUr die Christen nicht zu gelten haben 2. Ahnlich auBerten sich die Kirchenvater beim Erlassen von Gesetzen, welche fUr die Kirche zu gelten battens. Darnit aber der Wille und die Macht des heiligen Geistes in der gesetzgebenden Gewalt der Kirche tatsachlich zum Ausdrucke gelange, mUssen zwei Hauptbedingungen beobachtet werden, namlich, daB vorerst die gesetzgebende Gewalt im Namen der Gesamtkirche als Leib, der von dern heiligen Geiste belebt wird, tatig sei, und daB weiter die Organe dieser Gewalt das Sakrament der Priesterweihe, mit welchem eine besondere Gnade Gottes verbunden ist, empfangen haben. Die Beobachtung dieser Bedingung ist schon wegen des Charakters der kirchlichen Gesetze unbedingt erforderlich.
,

137. 1 Vergl. hieriiber die Abhandlung des Archim. johann ,O'ber die kirchliche Oesetzgebung" (russisch) St. Petersb. 1865. a Apostelgesch. 15, 28. a Siehe z. B. den 1. Kan. des VII. allgem. Konz.; 1. Trull. Kan.; Oregorius von Neocllsarea. 7. Kan. 29*

452

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Diesen Bedingungen wird seitens der kirchlichen Gesetzgeber in ihren Anordnungen ebenso Ausdruck verliehen, wie durch die Erwahnung des heiligen Geistes, in dessen Namen die gesetzgebende Gewalt in der Kirche ausgeilbt wird 4. Bei diesem Charakter der kirchlichen Gesetze kann die gesetzgebende Gewalt fiir die Gesamtkirche unmoglich einer einzigen Person zukommen, mag diese auch der alteste Bischof in der Kirche sein; denn wie es kein sichtbares, einziges Oberhaupt der gesamten Kirche (. 49) gibt, ebensowenig kann nach der fundamentalen Lehre der christlichen Kirche eine Pers5nlichkeit fUr sich sosehr tiber die Kirche sich erheben, urn dieser aus sich selbst Gesetze vorzuschreiben, kann also nicht in jenem MaBe unfehlbar sein, urn fiir die Kirche Gesetze zu erlassen, die der Heiligkeit derselben und der Erhabenheit der Gegegenstande, auf welche sie Bezug haben, entsprechen 5 Daher steht das Recht der Gesetzgebung in der Kirche nur der Synodalgewalt zu, welcher allein der Stifter seine Hilfe und Anwesenheit versprach, sobald dieselbe in seinem Namen tatig ist (. 57). Aus diesem Grunde wurde schon seit Beginn der Kirche die jahrliche Berufung bischoflicher Synoden normiert, welche alle auf das Leben der Kirche Bezug habenden Angelegenheiten zu behandeln und Gesetze zu erlassen haben, damit alles in der Kirche dem Willen des Stifters gemaB vor sich gehe. Die sowohl von allgemeinen Konzilien, als auch von Partikular-Synoden oft erneuerte, die Berufung von Synoden betreffende Norm, wurde in der Kirche stets als eine Verfilgung des g5ttlichen Rechts angesehen 6. Auf Grund und im Geiste der Gesetzgebung der Synodalgewalt konnen auch die einzelnen BischOfe in den ihnen anvertrauten Kirchen Spezialgesetze erlassen, welche jedoch in der Synodal-Gesetzgebung ihren Ursprung haben, mit derselben in untrennbarer Verbindung stehen miissen, in keiner Beziehung von derselben abweichen und am allerwenigsten derselben widersprechen dilrfen. Die gesetzgebendc Gewalt der Bischofe darf sich nur innerhalb der Grenzen der von der Synodalgewalt besUitigten Gesetze bewegen und kann nur eine spezielle Anwendung der von der gesetzgebenden Synodalgewalt erlassenen Normen (. 141) auf konkrete Faile sein.

' Siebe . 57 dieses Buches. 1 ,Nisi utique sit aliquis, qui credat, umcmptam, quicunque is sit, posse Deum nostrum judicii justitiam inspirare: innumerabilibus autem sacerdotibus in Synodum congregatis negare ?" heiBt es in dem Sendschreibcn der Synode von Karthago vom Jahre 424 an den Papst Celestinus. Beveregii Synodikon. I, 676. Vergl. ,Pravila" II, 267. 6 37. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 5. Kan.; IV. allgem. Konz. 19. Kan; B. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 6. Kan.; Ant. 20. Kan.; Karth. 18. 73. Kan.

453

. 138.
1) Die allgemeine kirchliche Gesetzgebung.

Unter der allgemeinen kirchlichen Gesetzgebung versteht man die von der obersten kirchlichen gesetzgebenden Gewalt erlassenen Normen, welche als solche fiir jedes Mitglied der Kirche bedingungslos bindend sind. Nach der Lehre der morgenHindischen Kirche muB bei der Behandlung der allgemeinen Gesetzgebung die alte allgemeine, von der neueren unterschieden, d. h. es muB jene, welche sich zur Zeit der allgemeinen Konzilien entwickelte, von der spateren Gesetzgebung gesondert werden. Die Grundgesetze, welche sich auf die Glaubenslehre, die Sakramente und die innere geistliche Verwaltung der Kirche beziehen, wurden auf der von Christus selbst gelegten Grundlage zuerst von den Aposteln und spater von den allgemeinen Konzilien verfaBt und kundgemacht. Diese Gesetze diirfen von niemanden abgeandert oder aufgehoben werden, sondern milssen fUr aile Zeiten als unbedingt bindend angesehen werden 1. Die Kirche ist daher verpflichtet, bei ihrer gesetzgebenden Tatigkeit die lntegritat, die Reinheit und die Einheitlichkeit der von den allgemeinen Konzilien bestatigten Grundgesetze der Gesamtkirche zu wahren und nach den Bediirfnissen des Ortes und der Zeit auf Grund dieser Gesetze Spezialnormen zu erlassen, welche mit jenen Grundgesetzen untrennbar zusammenhangen und von diesen unmittelbar abhangig sein miissen 2. Bezilglich der iibrigen auf das auBere Leben der Kirche Bezug habenden, weder die Lehre noch die fundamentale Verfassung und geistliche Verwaltung der Kirche beriihrenden Gesetze, besitzt die kirchliche Gesetzgebung einen freieren Raum und ist nur durch den allgemeinen Geist des Kirchenrechts, sowie durch die allgemeinen dasselbe durchdringenden Prinzipien beschrankt (. 17). Die allgemeine kirchliche Gesetzgebung entfaltet ihre Tatigkeit entweder in den allgemeinen Konzilien oder im Wege schriftlicher Verhandlungen zwischen den Vorstehern der bestehenden autokephalen Kirchen. Die Art und Weise, wie dies geschieht, wurde in den . 79-83 erOrtert. . 139.
2) Die besondere kirchliche Gesetzgebung.

Die Kanones gestatten, daB neben der allgemeinen kirchlichen Gesetzgebung, deren Normen fiir alle bindend sind, jede Partikularkirche innerhalb ihrer Grenzen ihre Verwaltung nach den obwaltenden
, 138.

Ill. allgem. Konz. 7. Kan.; IV. allgem. Konz. 1. Kan.; 1. 2. Trull. Kan.; VII. allg. Konz. 1. Kan. 2 37. Kan. Apost. ; l. allgem. Konz. 20. Kan.; Basilius d. Gr. 47. Kan., u. a.
1

454

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

lokalen Verbaltnissen einrichten und die entsprechenden Gesetze erlassen konne. Der 39. Kanon des Trullanischen Konzils erwahnt, daB die Privilegien, welche die betreffenden Partikularkirchen auf Grund der Kanones genieBen, beachtet werden mUssen, und das II. allgemeine Konzil, welches in seinem 2. Kanon die Jurisdiktionsgrenze von einigen angesehenen Bischofssitzen festsetzt, bestimmt, daB die Angelegenheiten jedes einzelnen Kirchengebietes von der betreffenden Synode zu besorgen sind. Hiedurch ist den Synoden innerhalb der Grenzen der einzelnen autokephalen Kirchen die gesetzgebende Gewalt im Prinzipe zuerkannt. Desgleichen wird von den Kanones auch den einzelnen Bischofen das Recht der Gcsetzgebung in den ihnen anvertrauten Gebieten zugestanden. Der 9. Kanon des Konzils von Antiochia und der 6. Kanon des VII. allgemeinen Konzils bestimmen den Wirkungskreis der Synoden, diumen aber gleichzeitig jedem einzelnen Bischof das Recht ein, im Sinne der Anordnungen der ihm Ubergeordneten Synode die Angelegenheiten der ihm anvertrauten Kirche selbstandig zu besorgen und die fUr die gute Verwaltung derselben notwendigen Anordnungen zu erlassen. Endlich bestehen in den einzelnen Kirchen verschiedene Genossenschaften zu bestimmten frommen Zwecken. Diese Genossenschaften sind, fUr den fall ihrer kanonischen Anerkennung und wenn sie mit einer bestimmten, gesetzlich bestatigten Autonomie ausgestattet sind, ebenfalls befugt, innerhalb der Grenzen dieser Autonomic und nach ihren eigenen BedUrfnissen Vorschriften zu erlassen, welche als solche die Bedeutung von Gesetzen erlangen. Die legislative Tatigkeit dieser autonomen kirchlichen Genossenschaften steht in unmittelbarer Abhangigkeit von dem betreffenden Eparchial- Bischof. BezUglich der gesetzgebenden Gewalt der Synoden, sowie der BischOfe, gilt die allgemeine kanonische Norm, daB dieselben in Ausiibung der besonderen Gesetzgebung in erster Linie an die fiir die Gesamtkirche bindenden Kanones sich zu halten habcn und erst abhiingig von diesen allgemeinen Normen im eigenen Wirkungskreise besondere Vorschriften erlassen konnen, welche sie nach den sich ergebenden neuen Verhaltnissen unter stetem festhalten an den fundamentalen kanonischen Vorschriften zu andern befugt sind. Das eigenmachtige Abweichen eines Bischofs oder einer Partikularkirche von diesen fundamentalen kanonischen Vorschriften, welche von der Gesamtkirche angenommen sind, macht die betreffenden Kirche zu einer schismatischen Gesellschaft, und der einer solchen Handlung sich schuldigmachende Bischof wird abgesetzt.

455

. 140.
a) Die Partikular-Synoden.
Ober die Partikular-Synoden wurde bereits bei der Behandlung der Verwaltungs-Einrichtungen in den Metropolien (. 89) und in den Patriarchaten der alteren Zeit gesprochen (. 90) und auch des Wirkungskreises dieser Synoden in den heutigen autokephalen Kirchen gedacht (. 99). Die gesetzgebende Oewalt der Synoden erstreckt sich auf aile durch die allgemeine Oesetzgebung der Kirche nicht ausdriicklich normierten Angelegenheiten, riicksichtlich welcher demnach das Erlassen besonderer Oesetze erforderlich erscheint 1 Damit diese gesetzgebende Oewalt ordnungsma.Big wirken und einen kanonischen Charakter haben konne, miissen die von ihr erlassenen Vorschriften auf den Oesetzen der Oesamtkirche beruhen, die Prinzipien und den Geist derselben zum Ausdrucke bringen, und muB diese Oewalt selbst eine kanonische Orundlage besitzen, d. h. sie muB von solchen Personlichkeiten ausgeilbt werden, welche hiezu kraft ihrer h5chsten geistlichen Wiirde berufen sind 2. Bei der gesetzgebenden Tatigkeit dieser Synoden muB nach den Vorschriften der Kanones darilber gewacht werden, daB durch die von ihnen erlassenen Oesetze die allgemeine Orundlage der kirchlichen Verfassung nicht verletzt und dem wahren Oeiste der Kirche Christi, namlich dem Geiste der Orthodoxie, der Heiligkeit, der moralischen Reinheit und der hierarchischen Rechte nicht zuwidergehandett werde. Diese Oesetze konnen sich nur auf besondere Teile und nicht auf den atlgemeinen lnhatt der Kanones, auf die auBere Anwendung dersetben und nicht auf ihre innere Macht, auf die Form der kirchlichen Verwattung, nicht aber auf das Wesen derselben beziehen. Daher kann die Oesetzgebung der autokephalen Kirchen in den Synoden keinesfatls Angelegenheiten des inneren Lebens der Kirche, sowie solche dogmatischer, gottesdienstlicher und geistlich-moralischer Natur berilhren. Die Gesamtkirche hat stets ein strenges Augenmerk darauf gerichtet, daB diese Angelegenheiten in den Partikularkirchen in jeder Richtung in der von den allgemeinen Konzilien festgesetzten Weise gewahrt werden, und hat die geringste, in der einen oder der anderen Partikularkirche wahrgenommene Abweichung in dieser Beziehung getadelt und den richtigen Vorgang angeordnet 3 Die Partikularkirchen . selbst haben bei ihrer legislativen Tatigkeit in den Synoden namentlich
. 140.
1 Vergl. Zhishman, Die Synoden. S. 8. 37. Kan. Apost.; SchluB des 47. Kan. Basilius d. Gr., u. a. Vergl. Tertull., De jejun. c. 13; Ambros., De fide. III, 15; August., Ep. 54 ad januar. 8 Siehe I. allgem. Konz. 18. 20. Kan.; lll. allgem. Konz. 8. Kan.; 6. 12. 13. 16. 29. 32. 33. 55. 56. Trull. Kan., u. a. 2

456

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

zu wachen, daB die erlassenen Gesetze unmittelbar auf den allgemeinen kanonischen Vorschriften beruhen und nicht durch Leidenschaft, lrrtum oder einen anderen auBerkirchlichen EinfluB veranlaBt werden. Wenn sonach eine Partikular-Synode zufallig ein keine streng kanonische Grundlage aufweisendes Gesetz erUiBt, so muB dieselbe sogleich aus eigener unmittelbarer Initiative die notwendigen MaBnahmen ergreifen, damit das erlassene Gesetz widerrufen und an Stelle desselben ein anderes, auf kanonischer Basis aufgebautes Gesetz erlassen werde. Die Geschichte der kirchlichen Gesetzgebung fiihrt Beispiele dieser Art an, welche als Belehrung filr aile Zeiten dienen m<>gen 4

. 141.
b) Die gesetzgebende Gewalt der Bischofe.

Die gestzgebende Gewalt des Bischofs ergibt sich aus der Stetlung desselben in der Kirche (. 60), sowie aus den ihm in der kirchlichen Organisation zukommenden Rechten (. 107). Nach den Zeugnissen, welche die Sendschreiben der Apostel und der Vater der Kirche aus den ersten Jahrhunderten des Bestandes der Kirche liefern, haben die Bisch<>fe bereits damals innerhalb der Grenzen des ihnen anvertrauten Gebietes den Verhaltnissen der Zeit entsprechende Vorschriften tiber die Verwaltung und das Leben der Kirche fiir Klerus und Volk erlassen. Im IV. jahrhundert wurde die legislative Tatigkeit der Bisch<>fe durch die betreffenden Kanones normiert. Die Bestimmung des 34. apostol. Kanon tiber das Recht der Bisch()fe, die Angelegenheiten der ihnen anvertrauten Kirchen selbstandig zu besorgen und die einschlagigen Verfiigungen zu erlassen, wurde durch den 9. Kanon der Synode von Antiochia erneuert, welcher die Grenzen der kirchlichen Regierungsgewalt und insbesondere der Gewalt des Eparchial-Bischofs bestimmt. Die rechtliche Grundlage fUr die Ausi1bung der gesetzgebenden Gewalt seitens des Bischofs, ist in der selbstandigen Stellung desselben in der ihm anvertrauten Kirche gelegen, kraft welcher ihm allein das Recht zusteht, das innere kirchliche Leben in seiner Eparchie zu regeln, wobei sich jedermann, unterschiedslos, seinen Anordnungen filgen muB. Diese Stellung des Bischofs hat ihren Ursprung in dem von ihm eingenommenen hierarchischen Rang, wonach er Nachfolger der Apostel ist. Als Mitglied des Episkopates, welcher ein geistlich untrennbares Ganzes bildet, obliegt ihm die Pflicht, die Verbindung mit den iibrigen Bisch<>fen und Kirchen zu erhalten und in seiner Kirche den apostolischen Beruf auszuiiben. Da nun die kanonischen Vorschriften der
' Dr. Zhishman hat einige Beispiele aus dem XIV. Jahrhundert in der Kirche von Konstantinopel gesammelt (lb. S. 46, not. 1. 2).

. 141. b) Die gesetzgebende Gewalt der Bischofe.

451

Synoden lediglich allgemeiner Natur sind, die verschiedenen durch Zeit und Ort hervorgerufenen Verhaltnisse nicht vorsehen, und da iiberdies aus diesen allgemeinen Vorschriften die durch ortliche und zeitliche Umstande bedingten besonderen Vorschriften erst hergeleitet werden miissen, so muB dem Bischof innerhalb der Grenzen der ihm anvertrauten Kirche das Recht zustehen, fiir jedermann bindende Gesetze zu erlassen, urn seinen apostolischen Beruf ausiiben zu konnen. Dieses Recht des Bischofs erstreckt sich auf aile die Kirche betreffenden Angelegenheiten, nat!.irlich innerhalb der Grenzen der ihm anvertrauten Kirche t. Was den Geist der vom Bischof erlassenen gesetzlichen Vorschriften anbelangt, so milssen diese von den allgemeinen kanonischen Satzungen bedingungslos abhangen und sollen nur die Anwendung dieser allgemeinen Satzungen auf die besonderen Verhaltnisse der betreffenden Eparchie darstellen. jede bischofliche Verfiigung erscheint als nichtig und filr niemanden bindend, wenn dieselbe den Kanones zuwiderlauft, etwas enthalt, was die Kanones nicht behandeln, nicht das zum Ausdrucke bringt, was auf den betreffenden Partikular-Synoden festgestellt und als Gesetz kundgemacht wurde, sowie endlich den Staatsgesetzen, welche dem Geiste der Kirche nicht entgegenstehen, im Widerspruche sich befindet 2. Das Recht der Gesetzgebung wird vom Bischof personlich in der Form von Hirtenbriefen ausgeiibt, welche nicht die bloBe Verfiigung in irgendeiner Frage, sondern auch den Zweck und die Griinde, weshalb diese Verfilgung erlassen wird, zu enthalten haben. Oberhaupt sollen diese Hirtenbriefe mehr in belehrendem, als befehlendem Tone gehalten sein. Diese Art der Abfassung der Hirtenbriefe ist durch den Geist der christlichen Kirche bedingt, welche zur Durchfilhrung ihrer Vorschriften weder Oewalt, noch physische Zwangsmittel, sondern nur die Belehrung anwenden kann, urn durch Oberzeugung auf das Gewissen der Menschen zur wirken und sie zum Gehorsam zu veranlassen. Die Kirchenvater haben in ihren Sendschreiben die von ihnen erlassenen Anordnungen stets als ihre bescheidenen Ansichten hingestellt, welche sie durch Grilnde der ZweckmaBigkeit zu rechtfertigen und mittels der Kanones zu bekraftigen suchten s. Die Hirtenbriefe der Bischofe sind entweder an aile 0/iiubigen der betreffenden Eparchie gerichtet, in welchem Faile die Pfarrgeistlichkeit verpflichtet ist, dieselben wahrend der Liturgie dem Volke zu verlesen, oder sie gehen
. 141.
1 35. Kan. Apost.; I. allgem. Konzil 15. Kan.; II. allgem. Konzil 2. Kan.; Ill. allgem. Konzil 8. Kan.; IV. allgem. Konzil 5. Kan. ; Anc. 13. Kan. ; Ant. 13. 22. Kan. ; Sard. 3. Kan. ; Karth. 48. Kan., u. a. ' 1 Siehe . 107, 108 und 110 dieses Buches. 3 Siehe z. B. den 4. Kan. des Dionysius von Alexandria und den 6. Kan. des Gregorius von Nyssa. 291

458

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

den Klerus an und werden dann gewohnlich Rundschreiben genannt. Diese unbedingt zu berilcksichtigen, ist der Klerus bei Strafe der Exkommunikation oder der Absetzung verpflichtet 4. Wie die Bisch5fe ehemals vor dem Erlassen irgendeiner Verordnung an den Klerus oder das Volk die Anschauung ihres geistlichen Beirates hOrten, ebenso wird auch heute von denselben iiber jene Gegenstande, welche das Erlassen einer Verfiigung erfordern, die Meinung des Konsistoriums eingeholt. Die Rundschreiben an den Klerus, welche auf Grund der bezilglichen, von dem Konsistorium im Verein mit dem Bischof gefallten Entscheidungen erlassen werden, fiihren die Bezeichnung Konsistorial-Erliisse; sie haben als solche Gesetzeskraft und sind in der betreffenden Eparchie allgemein bindend 5 Die BischOfe sind hinsichtlich des Erlassens von gesetzlichen Vorschriften, innerhalb der durch die Kanones vorgezeichneten Grenzen, vollkommen selbstandig s, und besteht keinerlei kanonische Bestimmung, welche den Bischof verhalten wUrde, die von ihm in seiner Eparchie beabsichtigte Hinausgabe notwendiger Verordnungen vorher der betreffenden Synode zur Kenntnis zu bringen. Mit Rilcksicht auf das zwischen Kirche und Staat bestehende Band, und da der Bischof in die Lage kommen kann, unter gewissen Verhaltnissen beim Erlassen von Verfiigungen die Staatshilfe zu benotigen, besteht gegenwartig die gesetzliche Bestimmung, daB gleichzeitig mit der Kundmachung einer Verfilgung die betreffende StaatsbehOrde hievon zu verstandigen ist7.

. 142.
c) Die Genossenschafts-Statute. Wie ehemals, bestehen auch gegenwartig in der Kirche zahlreiche Genossenschaften, welche durch vereinte Tatigkeit ihrer Mitglieder bestimmte fromme Zwecke verfolgen, oder sich die Pflege gewisser Mittel zur Aufgabe machen, welche die Kirche im allgemeinen zur Erreichung ihres Zweckes benotigfl. Aile diese Genossenschaften oder Verbindungen
Siebe . 125 dieses Buches. Vergl. . 114 dieses Buches. 6 Vergl. den 30. Kan. Basilius d. Or., mit welchem dieser beziiglich eines von den Kanones nicht behandelten Oegenstandes eine Verordnung erUiBt, die doch fiir das ihm anvertraute Oebiet und sodann fiir die Oesamtkirche zum Oesetze wurde (2. Trull. Kan.). 7 Vergl. in dieser Beziehung fiir 6sterreich die Hofdekrete vom 25. Oktober 1776, 20. Februar 1782, 3. Mlirz und 17. April 1784, 17. Mlirz 1791 und 12. Dezember 1816. . 142. 1 Siehe die Entscheidung der Patriarchal-Synode von Konstantinopel vom 17. Mll.rz 1366 in den Acta Patr. Const. I, 609. Unter diesen Oenossenschaften versteht man jene, welche die Pflege der theologlschen Wissenschaft, die Erziehung der jugend im christlichen Oeiste und Ahnliches zur Aufgabe haben.
4
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. 142. c) Die Genossenschafts-Statute.

459

von GUiubigen genieBen, nach erfolgter gesetzlicher Anerkennung, zur Besorgung ihrer inneren Angelegenheiten eine eigene Autonomic, welche ihnen das Recht einraumt, zur Regelung ihrer Beziehungen und zur Feststellung der Pflichten der Mitglieder entsprechende Normen zu erlassen. Die von den einzelnen Genossenschaften genossene Autonomic basiert auf jenem Gesetze, welches von der kompetenten Obrigkeit rficksichtlich des Zweckes und der Zusammensetzung solcher Genossenschaften erlassen wurde. Auf Grund dieses Gesetzes wird dann von der betreffenden Genossenschaft selbst das Genossenshafts-Statut verfaBt, welches die QueUe der besonderen, fiir die GenossenschaftsMitglieder geltenden Normen bildet. Dieses Statut bedarf der Genehmigung der kompetenten Obrigkeit, damit sich diese die Oberzeugung verschaffe, daB das Statut auf dem beziiglichen von ihr erlassenen Gesetze beruht. Damit ein Genossenschafts-Statut juristischen Charakter an sich trage, muB dasselbe auf dem kanonischen Rechte der Kirche und im allgemeinen auf den beziiglichen, von der kompetenten Kirchengewalt erlassenen gesetzlichen Vorschriften aufgebaut sein. Die hieraus entspringende Autonomic dieser Genossenschaften kann sich nur innerhalb genau gezogener Grenzen bewegen, weshalb die von der Genossen schaft erlassenen gesetzlichen Vorschriften nichts enthalten diirfen, was mit der fundamentalen Einrichtung der Genossenschaft selbst kollidieren wiirde. Die ihren Wirkungskreis iiberschreitende Genossenschaft wird ihrer Autonomie verlustig, und wird fiir den Fall, daB sie ihrer Natur nach mit der Verfassung der Kirche selbst in Verbindung steht, den allgemeinen Gesetzen solange untergeordnet, bis sie sich wieder der Autonomie wiirdig zeigt; steht aber die Genossenschaft in keinem Kausalnexus mit der Verfassung der Kirche, so h6rt sie auf, eine besondere Rechtsgemeinschaft zu sein 2. II. Die kirchliche Gerichtsbarkeit.

. 143.
Allgemeine Ubersicht. Das Recht, sei es im objektiven, sei es im subjektiven Sinne, enthalt den Begriff der Unverletzbarkeit in sich, woraus unmittelbar die Notwendigkeit sich ergibt, diese Unverletzbarkeit zu wahren und durch gesetzliche Mittel die freie und vollstandige Ausilbung des Rechts zu gewahrleisten. Eine Rechtsverletzung kann sowohl das Privat-, als auch das offentliche Recht betreffen. Im ersten Faile bezieht sich die
~ Ober die Gewalt der Kirche auf die Autonomie der betreffenden kirchlichen Gennossenschaften vergl. 39. Kan. Apost.; IV. allgem. Konz. 4. Kan.; Ant. 9. Kan. u. a.

460

III. Tell. Die Verwaltung der Klrche.

Rechtsverletzung auf die Rechtssphlire einer einzelnen Person, im zweiten Faile wird das Recht in seiner objektiven Bedeutung beriihrt. Bei der Verletzung des Privatrechts widersetzt sich der Betreffende nicht dem Rechte als objektiver Norm, sondern er erkennt nur nicht an, daB eine bestimmte Person Rechte ausiiben konne; unterwirft sich also der Macht des objektiven Rechts, und widersetzt sich nur dem einzelnen Individuum. Daher kann die Verletzung des Privatrechts nur als eine relative Rechtsverletzung angesehen werden. Bei der Verletzung des offentlichen Rechts hat der Betreffende gegen die offentliche Rechtsordnung gesiindigt und das Wesen des Rechts selbst beriihrt, weshalb eine derartige Rechtsverletzung als strafbare Obertretung angesehen wird. Der Schutz des Rechtes vor Verletzungen ist eine der wesentlichsten Bedingungen des Bestandes des Rechts, ohne welche fiberhaupt das Recht nicht gedacht werden kann. Dieser Rechtsschutz kann nicht ohne genau vorgeschriebene gesetzliche Vorschriften der personlichen Einsicht des einzelnen Individuums Uberlassen werden, denn dann wt\re der Bestand des Rechts bloBen Zufalligkeiten ausgesetzt. Aus diesem Grunde und nachdem die Rechtsverletzung mit dem Entstehen des Rechts selbst gleichzeitig zutage tritt, hat mit der Festigung des Rechts auch die Notwendigkeit der richterlichen Hilfe gegen jede Rechtsverletzung festen FuB gefaBt. Von dem Richter wurde die Wiederherstellung der gestorten Rechtsordnung gefordert; die richterliche Gewalt hat also die Aufgabe, das Recht unverletzt zu wahren und jedermann die freie Ausiibung desselben zu gewahrleisten 1. Aus der selbstandigen Stellung der Kirche als gesellschaftlicher Organismus (. 2) entspringt auch die Macht derselben, auf Grund ihrer besonderen Gesetze die Gerichtsbarkeit bei jeder Verletzung ihrer Rechtssphare auszufiben, sowie aile ihr zu Gebote stehenden Zwangsmittel gegen jene Mitglieder der Kirche anzuwenden, welche die eingesetzte Ordnung in der Kirche storen und sie in ihrem freien Streben nach Erffillung ihrer Aufgabe hind ern (. 1). Die Grundlage zur kirchlichen Gerichtsbarkeit hat der Stifter der Kirche selbst gelegt, als er seinem Ss::hfilern sagte: , Wenn sich dein Bruder wider dich versfindigt, so gehe und stelle ihn dariiber zwischen dir und ihm allein zur Rede; hi:irt er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen; hort er dich aber nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir, darnit auf der Aussage zweier oder dreier Zeugen die ganze Verhandlung bestehe; achtet

er auch diese nicht, so sage es der Kirche; wenn er aber auch die Kirche nicht achtet, so mag er wie ein Heide oder Zollner dir gelten 2".
, 143.

Vergl. Puchta, Cursus der Institutionen (Ed. cit.) I, 78 u ff.; Unger, System des osterr. allgem. Privatrechts. II. Bd. . 109, 110, 112. 2 Matth. 18, 15-17. Vergl. Archim. johann, Grundlage der kirchlichen Gerichtsbarkeit (russisch). Kazan, 1858.

. 143. Allgemeine Obersicht.

461

Unter dem Worte ,versiindigen" darf jedoch nicht verstanden werden, daB es sich hier urn das Forum des Gewissens und urn innere, durch bloBe Gedanken begangene Siinden des Menschen handelt, was zur Sphare des Beichtvaters bei der Beichte gehort; sondern hier ist von auBeren gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kirche, im Gebiete der letzteren, die Rede, und ist die Bestimmung ausgesprochen, welche Mittel in erster Linie gebraucht werden miissen, wenn es zwischen zweien von ihnen zu Streitigkeiten kommen sollte. In diesem Faile sollen zur Beilegung des Streites Zeugen zugezogen werden, und wenn hiebei kein Erfolg erzielt wird, soli die Angelegenheit dem kirchlichen Gerichte iibergeben werden, welches tiber denjenigen, der sich nicht fiigt, die vorgeschriebenen Strafen verhangen wird. Die Kirche tibt sonach die Gerichtsbarkeit in Streitigkeiten, welche zwischen ihren Mitgliedern in Fragen der auBeren kirchlichen Beziehungen entstehen, nicht auf Grund einer vom Staate oder von einer anderen ahnlichen Quelle erhaltenen Ermachtigung, sondern ganz unabhangig und selbstandig, auf Grund der ihr unmittelbar vom Stifter tibertragenen Gewalt aus. Die kirchliche Gerichtsbarkeit beruht also auf gottlichem Rechte, aus welchem sich dann die kanonische Lehre tiber dieselbe entwickelte. Im Laufe der Zeit wurden sodann durch die kirchliche Gesetzgebung jene Details vorgeschrieben, welche behufs ordnungsmaBiger Austibung dieser Gerichtsbarkeit sich als notwendig erwiesen. In Streitigkeiten, welche die btirgerlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kirche betreffen, wurde die kirchliche Gerichtsbarkeit gleichfalls ausgetibt, allein nicht auf Grund der selbstandigen jurisdiktion der Kirche in btirgerlichen Angelegenheiten, welche ihr naturgemaB nicht zustehen kann, sondern entweder im Grunde der, der Kirche seitens der Staatsgewalt zuerkannten Berechtigung, oder dann, wenn die Glaubigen in Streitigkeiten ziviler Natur sich an das jus arbitrii der Kirche wandten und sich dem diesfaligen Urteilspruche freiwillig unterwarfen. Das Recht zur Ausiibung des Richteramtes in der Kirche obliegt den BischOfen. Dadurch, daB der Stifter der Kirche seinen Aposteln das Recht tibertrug, ,den Bruder zu richten", ist dargetan, daB dieses Recht in der Kirche jenen Personlichkeiten anheimfallt, welche die Nachfolger der Apostel sind, also den Bischofen. Daher sprechen die Kanones nur von den Bischofen, als den Richtern in allen Streitigkeiten der Glaubigen 3, wobei sie ihnen dieses Recht so ausschlieB!ich und vollstandig zuerkennen, daB sie jedermann, der mit Umgehung des Bischofs an ein anderes Gericht sich wendet, mit strengen Strafen beI. allgem. Konz. 5. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (I, 294-296).
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462

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

drohen 4, und jedes Gericht, welches von Geistlichen oder von anderen Personen in der Kirche unabhangig vom Bischofe gebildet wird, als ungesetzlich und ungiltig bezeichnen 5. Wenn die Kanones den Geistlichen die Bildung eines Gerichtes ohne den Bischof untersagen, so gilt dieses Verbot umsomehr filr jene, welche der rechtgHiubigen Kirche nicht angehOren, oder aus ihrer Gemeinschaft ausgeschieden sind 6 In den alteren Zeiten der Kirche finden wir, daB gewisse Geistliche, welche die bischofliche Wtirde nicht bekleideten, die Gerichtsbarkeit innerhalb bestimmter Grenzen austibten, was in gewissem MaBe auch heute der Fall ist. Allein dies erfolgte nur tiber ausdrtickliche Ermachtigung des Bischofs; das von so !chen Personen gebildete Gericht war nicht selbstandig, und waren die beztiglichen Urteilsprtiche nicht an und ftir sich bindend, sondern nach der kanonischen Notwendigkeit von der beztiglichen bischOflichen Bestatigung abhangig und erlangten erst dann verbindliche Kraft. Zur Kompetenz der kirchlichen Gerichtsbarkeit gehOrt alles, was auf das kirchliche Leben, sowohl des Klerus, als auch der GUiubigen Bezug hat. GemaB der Selbstandigkeit der legislativen Gewalt der Kirche, steht derselben das Recht zu, in allen jenen Fragen ihr Urteil zu fallen, auf welche sich diese gesetzgebende Gewalt bezieht, und sonach tiber alle jene zu richten, welche ihre Gesetze verletzen. So wie der Klerus schon seiner Stellung nach der kirchlichen Gerichtsbarkeit untersteht, ebenso unterliegen derselben auch die Laien in geistlichen Angelegenheiten; denn als Mitglieder der Kirche nach ihrem freien Willen, sind sie, wenn sie jener Wohltaten teilhaftig werden wollen, welche ihnen die Kirche bietet, moralisch verpflichtet, sich ihren Gesetzen zu unterwerfen und ftir jede Verletzung derselben vor ihrem Gerichte Rechenschaft abzulegen. Da der Aufsicht der Kirche alles unterliegt, was auf den Glauben und das moralische Leben ihrer Mitglieder Bezug hat, so gehOren auch zu ihrcr Gcrichtsbarkeit alle den Glauben und das Glaubensleben in der Kirche betreffenden Delikte, sowie aile auf das moralische Leben ihrer Mitglieder Bezug habenden Angelegenheiten, mogen sie personlicher Natur sein oder in den wechselseitigen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kirche ihren Ursprung haben.

. 144. 1) Die Kompetenz der kirchlichen Gerichte in ihren verschiedenen Phasen. I. Als die Kirche in den ersten Jahrhunderten unter den heidnischen Volkern des romischen Reiches eine isolierte Stellung einnahm
II. allgem. Konz. 6. Kan.; Karth. 15. 104 Kan. 5 I. II. Synode, 13. Kan.; Karth. 10. 11. Kan. 6 III. allgem. Konz. 1. 3. Kan.

. 144. 1) Die Kompetenz der kirchl. Gerichte in ihren verschiedenen Phasen.

463

und auf jede Verbindung mit der heidnischen Staatsgewalt verzichten

muBte, wurden alle Streitsachen, welche unter den Christen, sei es aus
ihren kirchlichen, sei es ihren wechselseitigen gesellschaftlichen Beziehungen, entstanden, vor dem kirchlichen Gerichte verhandelt und entschieden. Diesen Vorgang, welcher sowohl durch die Satzungen des neuen Testamentes, als auch durch die kirchlichen Gesetze jener Zeit vorgeschrieben war, erheischte die Stellung der Kirche zur Zeit der Verfolgungen. Apostel Paulus schreibt an die Korinther: ,Wagt es jemand unter euch, wenn er Streitsache mit einem andern hat, dieselbe von den Ungerechten und nicht von den Heiligen entscheiden zu lassen? Wisset ihr nicht, daB die Heiligen Richter tiber die Welt sein werden? Und ihr, die ihr die Welt richten werdet, solltet nicht fahig sein, tiber Kleinigkeiten zu entscheiden? . . . . . . Und doch wahlet ihr, wenn ihr Streitsachen tiber irdische Dinge habet, diejenigen zu Richtern, die in der Gemeinde verachtet sind. Zu euerer Beschamung frage ich: 1st denn unter euch nicht ein einziger so Verstandiger, der Streitigkeiten zwischen seinem Mitbruder schlichten kann 1 ?" Dieser apostolischen Ermahnung gemaB finden wir unter den ersten legislativen Bestimmungen der Kirche die Unterordnung des Klerus und der Laien unter die kirchliche Gerichtsbarkeit, nicht nur in kirchlichen 2, sondern auch in btirgerlichen Angelegenheiten 3 lm III. jahrhundert war wahrscheinlich die unter den Christen eingetretene VernachUissigung der kirchlichen und das Aufsuchen der weltlichen Gerichte die Veranlassung zu der neuerlichen Ermahnung an die Christen, daB es keineswegs notwendig sei, zu gestatten, daB tiber die unter ihnen entstandenen Streitigkeiten _/
1 I. Kor. 6, 1-5; I. Tim. Kap. 3 u. 5; Tit. 1, 5-10. Vergl. Archim.johann, ,Aite Regeln des geistlichen Gerichtes" (Prav. Sobes. 1859. II, 3 u. ff.) und von demselben ,Das auBere geistliche Gericht" (Hrist. Cten. 1865, I, 495 u. ff.; N. Sokolow, ,Das geistliche Gericht in den ersten drei jahrhunderten" (Pravosl. Obozr. 1870. II, 302 u. ff); von demselben, ,Die kanonische Organisation des geistlichen Gerichtes, nach den Prinzipien der allgemeinen Gesetzgebung" (lb. II. 587 u. ff., 752. u. U.); Dr. Schilling, De origine jurisdictionis eccl. in causis civilibus. Lipsiae 1825; C. F. ]ungk, De originibus et progressu episcopalis judicii in causis civilibus Iaicorum usque ad justinianum. Berolin 1832; E. Friedberg De finium inter ecclesiam et civitatem regundorum judicioquid medii aevi doctores et leges statuerint. Lipsiae 1861; C. Ziegler, De episcopis eorumque juribus. Norimb. 1636 (cap. 30. p. 814-884: de jurisdictione et judicio episcopali). 2 Ober die moralischen Delikte des Klerus siehe 42-44, 54-57. Kan. Apost. u. a.; iiber die streitigen Angelegenheiten, 55. 56. 74. 75. Kan. Apost.; iiber die hlluslichen Angelegenheiten, 5. 51. Kan. Apost.; iiber die offentlichen Delikte, 66. 84. Kan. Apost. 3 Ober Ehe-Angelegenheiten siehe 48. Kan. Apost; iiber den Zwang, 67. Kan. Apost.; tiber den Todtschlag, 66. Kan. Apost.; tiber die Gotteslllsterung, 72. 73. Kan. Apost.; iiber biirgerliche Angelegenheiten, 84. Kan. Apost.

. 144.

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Ill. Tell. Die Verwaltung der Kirche.

heidnische Richter urteilen . Daher hestand neben den gew6hnlichen kirchlichen Gerichten fUr Delikte der Mitglieder des Klerus, sowie fiir Streitigkeiten unter denselben, noch ein besonderes Gericht am Sitze eines jeden Bischofs, von welchem alle in Streitigkeiten verwickelten Laien erschienen und sich nach durchgeflihrter Verhandlung dem vom Bischof gefallten Urteile fUgten 5 Diesem kirchlichen Gerichte wurde natUrlich von der damaligen Staatsgewalt ebensowenig Bedeutung bei gemessen, wie den Entscheidungen desselben, welche our im Gebiete der Kirche giltig waren. Als jedoch der christlichen Kirche im IV. jahrhundert die Freiheit im griechisch-romischen Reiche zuerkannt wurde, da wurde auch dem kirchlichen Gerichte die staatliche Anerkennung zuteil, und die Entscheidungen desselben wurden ebenso berUcksichtigt, wie jene der Ubrigen Gerichte im Reiche. Wie bereits erwahnt, entspringt die Kompetenz der kirchlichen Gerichte in allen die Kirche betreffenden Fragen dem gottlichen Rechte, weshalb derselben in Ausiibung der Gerichtsbarkeit beziiglich dieser Fragen eine selbstandige jurisdiktion zusteht und sie hierin die Anerkennung von keiner Seite benotigt; Uberdies wurde hervorgehoben, daB der Kirche in biirgerlichen Beziehungen eine relative jurisdiktion zusteht oder zustehen kann. Die erste Art der Jurisdiktion wurde der Kirche bereits von den ersten christlichen Kaisern zuerkannt und den weltlichen Gerichten untersagt, in Angelegenheiten, welche das kirchliche Leben betreffen, einzugreifen 6_ Beziiglich der zweiten Art muBte mit Riicksicht auf die neue Stellung, welche die Kirc~im griechischr5mischen Reiche einnahm, bestimmt werden, fiir welche Individuen das kirchliche Gericht und fUr welche lndividuen das weltliche Gericht in Angelegenheiten, welche die auBeren biirgerlichen Beziehungen betreffen, kompetent ist, sowie welche diesbeziigliche Angelegenheiten vor das Forum des einen oder des anderen Gerichtes geMren. Den Angehorigen des Klerus wird von den Kanones strengstens untersagt, sich in gegenseitigen Streitsachen an die weltlichen Gerichte zu wenden, und angeordnet, in solchen Fallen die Hilfe des kirchlichen Gerichtes in Anspruch zu nehmen 7. Die Kaiser des IV. und V. jahrspxza{}ro Z1tl 'X.ptrijptov z{}vt'X.CW, &J.J.&. f.!..~Y f.1.1jOS svsxsa{}s 'X.OOf.!..l'X.OO<; tiiiv Of.!..~>teprov ot'X.!iCstv . . . . M~ oov rwroa'X.stroa~v til /i{}v1l t&.c; 1tpoc; &AJ.~J.ooc; 6f.!..iiiY otiX~op&.c;, f.!..~ts ')(,~{}' SIXotrov f.1.1Xptop[1Xv 1t~p~ozxsa3s tooc; &1tatooc;, f.!..~ts 'X.p[vsa3a s1t' IXihiiiv. Const. apost. II, 45. 46.

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Ibid. II, 44-51. Vergl. Cod. Theodos. XVI, 11. Const. 1. und ebenso Cod. justin. De episcopali audientia et diversis capitulis, quae ad jus curamquae et reverentiam pertinent episcopalem. I, 4. 7 I. allgem. Konz. 2. 5. 17. Kan.; II. allgem. Konz. 6. Kan.; IV. allgem. Konz. 9. 21. Kan.; Ant 11. 12. Kan.; Sard. 7. 8. 20. Kan.; Karth. 15. 104. Kan., u. a.
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. 144. 1) Die Kompetenz der kirchl. Gerichte in ihren verschiedenen Phasen.

465

hunderts haben den kirchlichen Gerichten diese Kompetenz mit gr{)Beren oder geringeren Einschriinkungen zuerkannt s. Kaiser justinian us hat auch hierin eine Stabilitiit eingefilhrt, die Beziehungen zwischen den kirchlichen und weltlichen Gerichten ziemlich eingehend bestimmt und einige diesfallige Gesetze erlassen n. Das Wesen dieser Gesetze besteht in Folgendem: 1) Aile kirchlichen Streitsachen, sowie jene, welche auf die Verwaltung des Kirchengutes Bezug haben, gehoren vor das Gericht des betreffenden Bischofs ; dasjenige Mitglied des Klerus, welches mit dem Urteile des Bischofs nicht zufrieden ist, kann sich im Appellationswege an den Metropoliten und in letzter Instanz an den Patriarchen wenden; 2) ein Laie kann gegen ein Mitglied des Klerus die richterliche Hilfe des Bischofs anrufen; i.ibertragt die geklagte Partei die Angelegenheit binnen zehn Tagen nicht dem weltlichen Gerichte, so wird dieselbe vor dem bischOflichen Gerichte ausgetragen, und das weltliche Gericht vollzieht nur das Urteil des Bischofs; 3) in Kriminalfiillen interveniert sowohl das geistliche, als auch das weltliche Gericht. Wenn ein solcher Fall vor dem bischoflichen Gerichte zur Austragung gelangt und mit der Verurteilung des Schuldigen endet, so wird der Betreffende vorerst von dem Bischofe seiner geistlichen Wi.irde entkleidet und sodann dem weltlichen Gerichte i.iberwiesen; wird jedoch ein derartiger ProzeB vor dem weltlichen Gerichte durchgefiihrt, so teilt dasselbe, nach Feststellung des Grades der Schuld, seine diesfallige Anschauung schriftlich dem Bischof zur Beurteilung mit, welcher, falls er sich dieser Anschauung anschlieBt, den Schuldigen der geistlichen Wi.irde entkleidet und denselben dem weltlichen Gerichte wieder iiberweist. Stimmt jedoch der Bischof der Anschauung des weltlichen Gerichtes nicht bei, so wird die Angelegenheit dem Staatsoberhaupte zur Urteilsfiillung unterbreitet, wobei der Patriarch und haufig auch andere hohe Kirchenwiirdentriiger intervenieren to; 4) aile Prozesse zwischen Bischofen, mogen dieselben kirchlicher oder biirgerlicher Natur sein, gehoren vor das Forum der betreffenden Metropolitan-Synode, gegen deren Entscheidung das Rekursrecht an den Patriarchen zusteht; 5) kein Bischof kann als Zeuge oder sonst aus einem Grunde vor das weltliche Gericht geladen werden. Derjenige Richter, der dies veranlassen wilrde, wird seines Amtes verlustig und unterliegt einer hohen Geldstrafe zu Gunsten der Kirche desjenigen Bischofs, i.iber den er zu richten beabsichtigte. Derjenige, welcher dem Richter gegen den Bischof hilfCod. Theodos. IX, 45. Const. 15., XVI, 2. Const. I. 12, 23. 41. 47. Nov. 79. c. 1; Nov. 83. c. I; Nov. 86. c. 2, und hauptsachlich Nov. 123. c. 8. 21. 22. 23. 24. 10 Scholie zum Nomok. VIII, 13 (Ath. Synt. I, 159). Vergl. Nov. 85 und 86 des Kaisers Isaak Angelus 1187 (Zachariae. pag. 508 sq). lilai, llrchweeht. 30
9 8

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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

reich zur Seite steht, wird mit der Verbannung bestraft 11 In der ersten Halfte des VII. jahrhunderts hat Kaiser Heraclius in dieser Richtung abweichende Normen erlassen und die Kompetenz des kirchlichen Gerichtes noch weiter ausgedehnt, indem er den BischOfen das Recht einraumte, in Deliktsfallen der Geistlichen unmittelbar zu erkennen, und nach deren Verurteilung und Entkleidung von ihrer Wtirde, sie dem weltlichen Gerichte zur weiteren Besttafung auszuliefern 12. In der Epanagoge wird das bischOfliche Gericht filr aile Delikte des Klerus mit Ausnahme des Hochverrates als kompetent erkannt 13 Die byzantinischen Kaiser aus der zweiten Halfte des Mittelalters, nahmen in einigen Gesetzen die kirchlichen Gerichte gegen Verletzung ihrer Rechte durch die weltlichen Gerichte in Schutz 14. Die wichtigsten Bestimmungen der griechisch-romischen Gesetzgebung in dieser Frage sind in die KanonenSammlungen der orientalischen Kirche ilbergegangen to. Die kirchliche Gesetzgebung erlieB auf Grund der frilheren kirchlichen Praxis, nach welcher aile Streitsachen und Delikte der gliiubigen Laien vor dem kirchlichen Gerichte auszutragen waren tG, auch nach der Anerkennung der Freiheit der Kirche im griechisch-romischen Reiche Vorschriften riicksichtlich dieser Streitsachen und beziiglich verschiedener Delikte der Laien 17. Diese Vorschriften wurden auch von der Staatsgewalt anerkannt, und erschien dadurch die Kompetenz der kirchlichen Gerichte filr Laien bestatigt. Obrigens wurde mit Riicksicht auf die eingetretene Annaherung zwischen Staat und Kirche, und bei dem Umstande, daB auch die weltlichen Gerichte seit jener Zeit vom Geiste des Christentums durchdrungen waren, das kirchliche Gericht in Streitsachen zwischen Laien oder zwischen diesen und Geistlichen, im allgemeinen als Schiedsgericht (jus arbitrii) angesehen ts. Konstantin der GroBe gestattete, in biirgerlichen Streitigkeiten sich auch an den Bischof zu wenden und die Entscheidung desselben ohne eine weitere Berufung als vollkommen rechtskraftig anzusehen, wenn beide Teile darin iibereinstimmen, daB die strittige Angelegenheit vor dem biArchim. johann, ,Cerkovni sud". Erwahnte Stelle. S. 501-502. Nov. Heraclii a. 629 (Zachariae. p. 44. sq.). 13 Epanag. XI, 11. 14. 14 Nov. imp. Joannis Comneni a. 1124 (vel 1139); Nov. Manuelis Comneni a. 1151 (vel 1166); Nov. Joannis Ducae Vatatzae a. 1229 et Nov. Andronici senioris a. 1312 (Zachar. p. 428, 457, 572, 633). 15 Vergl. Syntagma des Blastares Ll, 8 (Ath. Synt. VI, 221 u. ff.). 16 Siebe Anm. 3 u. 4 dieses Paragraphen. 17 Vergl. iiber verschiedene offentliche Delikte den 2. 7. 8. 11. 22. 25. 26. 30. 33. 37. 38. 40. 42. 43. 49. 52. 54. 56. 57. 61. 64. 65. 66. 67. 68. 72. 75. 76. 78. 79 83. 83. Kanon Basilius d. Gr.; 50. 51. 60. 65. 66. 69. 71. 79. 96. 100. Trull. Kanon, u. s. w. 18 Cf. Beveregii Synodikon. Tom. II. Annot. 294.
11 12

. 144. 1) Die Kompetenz der kirchl. Gerichte in ihren verschiedenen Phasen.

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schoflichen Oerichte ausgetragen werde 19 Spaterhin gestattete derselbe Kaiser, in derartigen Streitsachen sich an das bischOfliche Oericht zu wenden, wenn auch nur ein Teil dies verlangte 20. Diese Verfiigung wurde jedoch von den spateren Kaisern aufgehoben und die erste von Konstantin diesfalls erlassene Verordnung wieder eingesetzf21. Mit Riicksicht darauf und bei dem Umstande, als die kirchlichen Oerichte zu jener Zeit eine groBere Oewahr filr die Fallung gerechter Urteile boten als die weltlichen Oerichte, waren die ersteren mit einer Unzahl von auf Streitigkeiten ganz privater Natur Bezug habenden Agenden iiberhauft 22, so daB endlich die Kompetenz des kirchlichen und weltlichen Oerichtes in solchen Angelegenheiten gesetzlich normiert werden muBte. Auf Grund dessen wurden den weltlichen Gerichten aile biirgerlichen Streitigkeiten, den kirchlichen Gerichten aile den Glauben, die Sakramente und die christliche Moral betreffenden Angelegenheiten zugewiesen. Diese endgiltige Regelung wurde unter Kaiser Alexius Comnenus veranlaBt, welcher im Jahre 1086 eine Novelle erlieB, mit welcher verfiigt wurde, daB aile psychischen, sowie die Ehe betreffenden Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit des Bischofs unterstehen 21~. Diese Novelle
19 lmper. Constantinus A.: ,Judex pro sua sollicitudine observare debebit, ut, si ad episcopate judicium provocetur, silentium accomodetur. Et si quis ad legem christianam negotium transferre voluerit et illud judicium observare, audiatur, etiamsi negotium apud judicem sit inchoactum, et pro sanctis habeatur, quicquid ab his fuerit judicatum: ita tam en ne usurpetur in eo, ut unus ex litigantibus pergat ad supradictum auditorium, et arbitrium suum enuntiet. Judex enim praesentis causae integre habere debet arbitrium, et omnibus accepto latis pronunciet. Dat. IX. Kat. Jul. Constantinopoli Licinio A. et Chrispo Caes. Coss". 20 Imp. Constantinus A. Ablavio Pf. P., dat. III. Non. Mai 331. 21 Arcadius et Honorius: ,Si qui ex consensu apud sacrae legis antistitem litigare voluerint, non vetabuntur" (Cod. Justin. I, 4. Canst. 7). Arcadius, Honorius et Theodosius: ,Episcopate judicium ratum sit omnibus, qui se audiri a sacerdotibus elegerint, eamque illorum judicationi adhibendam esse reverentiam jubemus, quam vestris deferri necesse est potestatibus, a quibus non licet provocare" (lb. Canst. 8). justinianus: ,Has autem actiones, si quidem ad ecclesiastica negotia pertinent, necesse fore jubemus, ut a solis religiosissimis episcopis, aut a metropolitanis, aut a sacris synodis, aut a sanctissimis patriarchis cognoscantur. Si vero civilium rerum controversia sit, volentes quaestionem apud antistites instituere, patiemur, invitos tamen non cogemus, cum judicia civilia sint, si ea adire malint, apud quae licet etiam de criminibus cognoscere" (lb. Canst. 29. . 4). "" Augustinus sagt tiber Ambrosius von Mailand: ,Secludentibus me ab ejus aure atque ore catervis negotiosorum hominum, quorum infirmitatibus serviebat" (Confess. VI, 3); von sich selbst schreibt er: ,Quantum attinet ad meum commodum, multo mallem per singulos dies certis horis aliquid manibus operari, et caeteras horas habere ad legendum et orandum, quam tumultuosissimas perplexitates causarum alienarum pati de negotiis saecularibus vel judicando dirimendis, vel interveniendo praecidendis" (De oper. monach, c. 37).

Ta pbtot 4uxt~&. &rcavta, 'X.IXt w'>ta o~ t&. crUYOt'X.Scrta, rcapa tWY &pxtzmcrx6rcwv xal smax61twv O'fEll.oucrt xplvza&al tE xal h~t~ci.Cza,'l-at. Nov. a. 1086
23

(Ath. Synt. V, 281).

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

wurde sohin fiir die kirchlichen und weltlichen Oerichte ri.icksichtlich der Kompetenz derselben maBgebend 24 AuBerdem wurde der Kirche von den altesten Zeiten angefangen und durch alle folgenden jahrhunderte das Recht zuerkannt, allen Wohltatigkeitsanstalten, den Armen, Witwen, sowie im allgemeinen allen Hilfsbedi.irftigen ihren Schutz angedeihen zu lassen 25 . Selbst in dem Falle, wenn gewisse Streitsachen nicht zur Kompetenz der kirchlichen Oerichte gehorten, war dem Bischof doch die Kontrolle der Tatigkeit der Richter bei den weltlichen Oerichten nicht entzogen; er hatte vielmehr das Recht, wenn er gegen irgendeinen weltlichen Richter einen Verdacht hegte, jede Streitsache vor sein eigenes Oericht zu ziehen 26, Diese EinfluBnahme der Kirche auf die Oerichtsbarkeit im allgemeinen, und der Schutz, welchen die Kirche jedem angedeihen lieB, welcher vor das weltliche Oericht gehorte, zeigt sich namentlich in dem sogenannten jus asyli, wonach jeder, der von einem weltlichen Oerichte verfolgt wurde, sich dieser Verfolgung durch Betreten des Oebietes einer Kirche entziehen konnte, bis die betreffende Angelegenheit der ordnungsmaBigen Austragung zugefi.irt

u Siehe die Scholien zum Nomoc. IX, 1 (Ath. Synt. I, 165).

Siehe Cod. Justin. lib. I. tit. III: de episcopis et clericis, et orphanotrophis, et xenodochis, et brephotrophis, et ptochotrophis etc. Vergl. die Novelle des Kaisers Heraclius aus der Zeit zwischen den Jahren 620 und 629 (Zachariac. p. 43), mit welcher der Kirche das Aufsichtsrecht iiber die Wohltatigkeitsanstalten eingeraumt wird. 26 ]ustiniani nov. LXXXVI: ,. . . Si quis Praesidem provinciae ad eat et jus non consequatur, tunc praecipimus, ut ad sanctissimum loci Episcopum accedat, et is ad clarissimum provinciae Praesidem mittat, vel ipse cum eo conveniat, atque efficiat, ut omni modo interpellantem audiat eumque cum jure secundum leges nostras dimittat, ut ne patria sua discedere cogatur. Si vero sanctissimo etiam Episcopo Praesidem, ut juste negotia interpellantium decidat, compellente, Prases differat, vel causam quidem diiudicet, litigantibus vero jus non tribuat, permittimus sanctissimo urbis Episcopo, ut illi, qui jus suum consecutus non est, literas ad nos det, quae declarent, coactum a se Praesidem interpellantem audire, atque inter eum et qui ab eo convenitur, judicare cunctatum esse; ut nos his cognitis Praesidi provinciae poenas inferamus, quod interpellatus a laeso et coactus a sanctissimo Episcopo litem non diremerit (cap. 1). Si vero contigerit, ut aliquis nostrorum subditorum Praesidem suspectum habeat (av o7to4l-t sxstv t6v lJ.pxovttY.), praecipimus, ut sanctissimus Episcopus una cum clarissimo Praeside causam cognoscat, ut ambo vel arnica conventione litem dissolvant, vel earn per adnotationem in scriptis factam aut cognitionem inter litigantes diiudicent, et in formam juri legibusque convenientem redigant (cap. 2). Si tamen contingat, aliquem nostris ab ipso clarissimo Praeside injuria affici (&ot'X."flil-~vtY.t), jubemus, eum sanctissimum illius urbis Episcopum adire, ut ille inter cl. Praesidem cumque, qui ab eo se laesum putat, judicet. Et si contingat, ut Praeses legitime vel juste a sanctissimo Episcopo condemnetur, ipse omni modo illi, qui adversus eum agit, satisfaciat" ... (cap. 4). Basilicor. VI. 23, 1. 2. 4.

25

. 144. 1) Die Kompetenz der kircht. Gerichte in ihren verschiedenen Phasen.

469

wurde 27 Dieses Asylrecht der Kirche wurde von allen griechischromischen Kaisern mit groBeren oder geringeren Einschrankungen anerkannt 2s. Derjenige, welcher jemanden gewaltsam dem Asyle der Kirche entriB, wurde mit lebenslanglicher Verbannung bestrafPU. Dieses Recht galt fUr die Sophiakirche in Konstantinopel noch urn die Mitte des XIV. Jahrhunderts 3o. Das Band, welches im Laufe der Jahrhunderte die Kirchen- und Staatsgewalt im byzantinischen Kaisertume immer enger vereinigte, war die Ursache, daB die Kompetenzgrenze der kirchlichen und weltlichen Oerichte nur mehr schwer zu unterscheiden war. In allen, sowohl kirchlichen, als auch btirgerlichen Angelegenheiten, wirkte die eine und die andere Oewalt mit; die eine nahm auf die Agenden der anderen EinfluB, ohne jedoch hiedurch Kollisionen hervorzurufen. Der Umstand, daB .wahrend der lateinischen Herrschaft in Konstantinopel die Rechtswissenschaften bei den Laien fast ganzlich vernachlassigt wurden und sonach der weltliche Richterstand von seiner frilheren angesehenen Stellung herabsank, wahrend der Klerus auf seiner frilheren Stufe verblieb und die kirchlichen Oerichte sich unverandert auf ihrer frilheren Hohe erhielten, trug sehr viet dazu bei, daB sich die Jurisdiktion der Kirchenversammlungen weit ausdehnte. In diesen Kirchenversammlungen, beziehungsweise bei den kirchlichen Oerichten hoherer und niederer Instanz, wurden auBer den kirchlichen Angelegenheiten nicht nur die Ehe- Angelegenheiten und die Vermogensseite in Ehefragen, sondern auch Fragen des Erbrechts, Eigentumrechts und im allgemeinen alle jene Fragen, welche dermalen zur Jurisdiktion der weltlichen Oerichte gehoren, verhandelt. Nachdem die alte Norm immer noch in Kraft war, daB es dem Willen jedes einzelnen freistehe, in Streitsachen sich entweder an das kirchliche oder an das weltliche Oericht zu wenden, hatte die Staatsgewalt auch keinen Grund, zu verhindern, daB die kirchlichen Oerichte jene Tatigkeit entfalteten, welche sie in der letzten Zeit des byzantinischen Kaisertums in der Tat bekundeten. Muhammed II., welcher nach der Eroberung von Konstantinopel der griechischen Hierarchie in richterlichen Angelegenheiten unter der christlichen BevolkeCod. Justinian. I, 12: de his, qui ad ecclesiam confugiunt. Cf. Basilicorum. V, 1, 11 sq. Vergl. Kraus, Reai-Encyklopadie, s. v. Asylrecht {1, 101), und Herzog, Reai-Encyklopadie. I, 567 u. ff. 8 ' Vergl. 17. und 37. Nov. Justinians und das Ath. Synt. V, 218. '~ Siebe Prochiron. 39, 7: ,Qui confugientem (1tpomps6rovtcx) ad sanctissimam ecclesiam sua auctoritate abstraxit, verberatus et tonsus in perpetuum exilium mittatur". Cf. Basilicor. lib. LX. tit. 45. c. 18. 30 Siebe die Verordnung des Kaisers Johannes Cantacuzenus vom Jahre 1343. (Acta Patr. Const. I, 232). In gewisser Beziehung genieBt das Patriarchat von Konstantinopel auch heute noch dieses Privilegium. Siehe den Kanonismos iiber die Organisation der Synode. B, 2.
27

470

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

rung jene Privilegien zuerkannte, welche dieselbe auch dermalen genieBt, bestatigte hiemit nur dasjenige, was dieser Hierarchie bereits zur Zeit der letzten byzantinischen Kaiser zukam 31. II. Oegenwartig gehoren, abgesehen von den vier orientalischen Patriarchaten, in allen ilbrigen autokephalen orientalischen Kirchen die Streitsachen, sowohl der Laien als auch des Klerus, in die Kompetenz der weltlichen Oerichte. Im Hinblicke auf den Fortschritt der Rechtswissenschaften im allgemeinen, auf die gute Organisation der weltlichen Gerichte in den betreffenden christlichen Staaten insbesondere, und mit Rilcksicht sohin auf die Gewahr einer gerechten Rechtssprechung bei diesen Gerichten, hat die morgenlandische Kirche ohne Widerspruch ihren frilheren diesbezilglichen Privilegien entsagt und die Jurisdiktion der weltlichen Gerichte in strittigen Angelegenheiten auch filr ihr Gebiet faktisch anerkannt. Nach dem heutigen Rechte gehoren vor die kirchlichen Gerichte aile jene Faile, in welchen es sich urn Delikte der Mitglieder des Klerus in der Verwaltung der heiligen Handlungen, urn ungeziemendes Benehmen derselben, urn Prozesse handelt, welche durch die Beniltzung des Kirchen- und Klostergutes, sowie wegen der Pfarreinkilnfte entstehen, und endlich aile Fragen, welche durch zugefilgte Beleidigungen hervorgerufen werden. Wenn bei den Erhebungen und bei der Aburteilung wegen Delikten von Oeistlichen wahrgenommen wird, daB auch ein Verbrechen mitverbunden ist, so wird die Angelegenheit dem weltlichen Gerichte zur weiteren Behandlung ilberantwortet 32 . In allen ilbrigen Angelegenheiten unterstehen die Geistlichen dem weltlichen Gerichte, wobei jedoch zu bemerken ist, daB das weltliche Gericht in solchen Fallen vor der Einvernahme des Beschuldigten die Anzeige, unter Angabe des Gegenstandes der Klage, der kirchlichen Behorde zu erstatten hat, damit seitens derselben eine andere Personlichkeit zur Verwaltung der heiligen Handlungen bestimmt werden konne. Desgleichen wird auch das gefallte Urteil der kirchlichen Behorde zu dem Zwecke mitgeteilt, damit dieselbe im Sinne der bestehenden kirchlichen Gesetze gegen den verurteilten Geistlichen vorgehen konne 33 Bezilglich der Laien gehort zur Kompetenz des kirchlichen Gerichtes: 1) die Entscheidung in Fallen der ungesetzlich geschlossenen Ehen; 2) die
Siehe . 27 dieses Buches. Siehe z. B. das Gesetz iiber die geistlichen Behorden in Serbien, . 185-197, oder Art. 148-152. des Konsistoriai-Statutes vom J. 1883 in RujJland. 33 Siehe fiir 6sterreich . 29 des Gesetzes vom 7. Mai 1874. und im Zusammenhange hiemit die Ministerial-Verordnungen vom 14. Marz 1878, Z. 3504, vom 28. Dezember 1878, Z. 17507, und 25. janner 1880, Z. 1091; fiir Serbien . 196 des Gesetzes iiber die geistlichen Behorden ; fiir RujJland . 177 u. 178 des Konsistorial-Statuts; fiir Griechenland das Gesetz vom 26. April 1870.
31

32

145. 2) Die kirchlichen Oerichte.

471

Auflosung und Trennung der Ehe, und 3) die Frage der Gesetzlichkeit der Ehe 34, Die Fragen, betreffend die Absonderung des Vermogens in Ehestreitigkeiten gehOren vor die weltlichen Gerichte 35, Den kirchlichen Gerichten unterstehen die Laien auch hinsichtlich aller gegen den Glauben, die Kirche, die Hierarchie, die kirchlichen Rechte und die Frommigkeit gerichteten Delikte. Diese Delikte kann das kirchliche Gericht mit dem Verbot des Empfanges der Eucharistie fUr klirzere oder Ui.ngere Zeit, mit der Entziehung des Rechtes der Teilnahme an juristischen Aktionen der Kirche, mit der AusschlieBung aus der Gemeinschaft der Gtaubigen und endlich mit der Verweigerung des christlichen Begdi.bnisses bestrafen.

. 145. 2) Die kirchlichen Geriohte.


Die kirchliche Gesetzgebung fUhrt mit ausreichender Genauigkeit an, welche Gerichte in der Kirche bestehen, sowie welche die Kompetenz derselben ist. Der 6. Kanon des II. allgemeinen Konzils bestimmt den Gang der gerichtlichen Verhandlungen in kirchlichen Angelegenheiten, wahrend der 9. Kanon des IV. allgemeinen Konzils diesfallige Bestimmungen bezliglich der unter Geistlichen vorkommenden Angelegenheiten privater Natur enthalt. Balsamon flihrt in seinem Kommentar zu diesem letzten Kanon auf Grund der im XII. jahrhundert bestandenen Praxis in der judikatur Folgendes an: ,Wenn ein Angehoriger des Klerus gegen einen anderen Kleriker oder gegen den Bischof oder Metropoliten eine Klage vorzubringen hat, so hat dies bei jenem Gerichte zu erfolgen, welchem der Geklagte angehort, denn die Kleriker und Monche haben vor dem Gerichte des betreffenden Bischofs, die Bischl)fe vor jenem des Metropoliten und die Metropoliten vor dem Patriarchalgerichte zu erscheinen" 1. Hierin treten deutlich drei richterliche Instanzen zutage: Die Episkopal-, die Metropolitan- und die
Diese Prage gehort in der cisleithanischen Reichshalfte der osterreichischungarischen Monarchie zur Kompetenz der weltlichen Gerichte (. 14 der Ziviljurisdiktionsnorm vom 20. November 1852, N. 251, R. G. B.); seit dem jahre 1894 auch in Ungarn (XXXI. Gesetzartikel 1894). 5 " . 117 des osterreichischen bi.irgerlichen Gesetzbuches ; fi.ir Griechen/and Art. 16 des Synodai-Statuts vom jahre 1852; filr Serbien . 96 Pkt. 6 des Gesetzes iiber die geistlichen Behorden. Ober die Kompetenz der kirchlichen Gerichte siehe im iibrigen den folgenden , 145.
34

'01.fislA.op.sv ouv A.5jslY, lh~,;, s'{ tl<; 'XA"flpl'Xo<; p.sAA.sl jup.vria~l Olt6&saw -x.IXta 'XA1jp~'Xoo, ~ sma'X6ltou, ~ p.1jtpoltoA[tou, tlj> tp6p<p too sv!Xrop.svou 'XIXta VO!J.OU<; &-x.oA.ou{)os[tro. 0[ !J.SY rap -x.kqp~-x.ot, 'XIXL !J.OYIXXOL, ltcr:pa tlj> srxrop[<p SlttO'X.Olt<p aA.'X.ua&ljaoV"CIXt, 6 SltLO'XOltO<; lt1Xpa tlj> !J.'IjtpOltOA[t'fj, 'X.IXl 6 !J.StpoltoM~'Ij<; 1t1Xp~ tlji ltcr:tp~riPXll Ath. Synt. II, 238.
145.
1

472

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Patriarchai-Instanz. Nach anderen Quellen hestand unter der bischoflichen Instanz fiir kleinere Gebiete in der Eparchie noch eine Instanz, welche nach der heute geltenden kirchenrechtlichen Terminologie die Protopresbyteral-Instanz genannt wlirde 2 , so daB die kanonischen Quellen vier Oerichts-!nstanzen aufweisen. Nach der kanonischen Grundlage der Verfassung der morgenlandischen Kirche wird wie jede Gewalt, so auch die richterliche, synodaliter ausgeiibt (. 57). Der personlichen Gerichtsbarkeit des Bischofs unterliegen nur jene Vergehen und Obertretungen der Geistlichen, welche hauptsachlich auf ihr Gt!wissen Bezug haben, kein offentliches Argernis erregen und als solche durch einen Rat oder eine Ermahnung seitens des betreffenden Bischofs gutgemacht werden konnen. Diese personliche Gerichtsbarkeit wird von dem Bischof ohne jede Formlichkeit ausgeiibt, und das von ihm gefallte Urteil unterliegt nicht der Priifung seitens eines anderen Gerichtes s. I. Die unterste Instanz der kirchlichen Gerichte bildet das Protopresbyteralgericht, welches nicht selbstandig ist, sondern auf Grund einer beziiglichen Ermachtigung des Eparchiai-Bischofs funktioniert. Das Entstehen dieses Gerichtes reicht in die ersten jahrhunderte der Kirche
2 Vergl. Pawel, ,Ober die Dignitaten und Einrichtungen" (in russischer Sprache). 12-16, 69). 3 Der Artikel 155 des russischen Konsistorial-Statuts bestimmt: ,Der personlichen Gerichtsbarkeit des Bischofs unterliegen: 1) Die Vergehen und Obertretungen, welche die Geistlichen aus Unkenntnis der Normen oder aus Unvorsichtigkeit begehen, bezi.iglich welcher es nicht angezeigt ware, sie der Offentlichkeit preiszugeben und der fonnellen Indikatur zu unterziehen, und fi.ir welche der hierarchische EinfluB des Bischofs auf den Beschuldigten als geni.igend angenommen wird 2) Vergehen und Obertretungen gegen die Dienstesobligenheiten und gegen das W ohlverhalten, welche ein stets musterhafter Geistlicher begangen hat, wenn diesel ben kein offentliches Argernis oder keinen Schad en hervorgerufen haben; 3) Beschwerden, welche gegen einen Geistlichen mit dem Verlangen erhoben werden, daB der Bischof den Beschuldigten personlich ermahne und selbst das Urteil falle, ohne daB die Beschwerde vor das eingentliche Konsistorial-Gericht gelangt. In solchen Fallen kann der Eparchial-Bischof den Bezirks-Protopresbyter oder einen anderen vertrauenswi.irdigen Angehorigen des Klerus mit der vertraulichen Erhebung des der betreffenden Klage oder Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhaltes unmittelbar betrauen und hieri.iber dessen vertraulichen Bericht einholen. Stellt es sich heraus, daB die Klage oder Beschwerde begri.indet ist, so hat der Bischof den Beschuldigten vorzuladen, dessen Gewissen zu pri.ifen, und nach der Art des Vergehens oder der Obertretung, sowie nach MaBgabe der bekundeten Reue, denselben mit einer Ermahnung oder mit einem Verweise zu entlassen, oder ihm eine BuBe in der Dauer von zwei W ochen aufzuerlegen . . . Gegen derartige bischofliche Verfi.igungen ist eine Berufung unstatthaft. Solche Faile werden in die Konduite-Liste des betreffenden Geistlichen nicht eingetragen". Vergl. Art. 137 des Konsistorial-Statuts fiir Montenegro. Siehe hieriiber fiir die Bischofe in Osterreich, Heljert, Von den Rechten und Pflichten der BischOfe. . 65 fg. 18 fg.

s.

. 145. 2) Die kirchlichen Gerichte.

473

zuriick 4, und wurde nach der Einfiihrung der Landbischofe, als selbstandiges Institut in der kirchlichen Verfassung, von diesen verwaltet. Als jedoch durch den 57. Kanon der Synode von Laodicea die Selbstandigkeit der Landbischofe aufgehoben und dieselben durch die Periodeuten ersetzt wurden, ging auch das von den LandbischOfen ausgeUbte Richteramt auf die Periodeuten Uber 5 Nach dem Obergange des den Periodeuten obliegenden Dienstes an die Bezirks-Protopresbyteri (. 118), wurden auch alle dienstlichen Rechte der ersteren auf die letzteren iibertragen. Durch das Abhangigkeitsverhaltnis der Landbischofe, der Periodeuten und der Bezirks-Protopresbyteri von dem Eparchial-Bischof, ist auch das Verhaltnis ihrer richterlichen Gewalt zu jener des Eparchial-Bischofs bestimmt. Dem Protopresbyteralgerichte obliegt nach den Kanones die Vornahme von Erhebungen in den verschiedenen unter dem Klerus in dienstlichen Angelegenheiten entstehenden Streitigkeiten, sowie die PrUfung der Klagen, welche von Kirchengemeinden oder von einzelnen Laien gegen die dienstliche Tatigkeit des Klerus erhoben werden. Wenn es dem Protopresbyter gelingt, die Streitigkeiten zu schlichten, erstattet er hievon in seinem gewohnlichen Berichte der Eparchial-Beh5rde die Anzeige; im gegenteiligen Faile unterbreitet er die Angelegenheit derselben BehOrde zur weiteren Erhebung und Urteilsfallung s. II. Das Episkopalgericht wurde in der Kirche stets vom Bischof und von gewahlten Mitgliedern des Eparchial-Klerus gebildet 1. Da das Protopresbyteralgericht nach den Kanones kein selbstandiges, sondern ein delegiertes Gericht ist, so bildet in richterlichen Angelegenheiten, welche zur Kompetenz der Kirchengewalt geh5ren, das Episkopalgericht die erste Instanz, welcher sich aile diejenigen unter Androhung strenger Strafen unterordnen miissen, die in Streitsachen, welche zur Kompetenz der Kirchengewalt gehoren, verwickelt sind s. In den Kirchenrechtsquellen sind diejenigen Angelegenheiten, iiber
In den Const. Apost. heiBt es: 1:a o' o1tspo"('X.a o S1ttcr'X.o1to~ 'X.ptVs'tro (lib. II, 44); das Obrige wurde den Presbyteri iiberlassen (lb. lib. Vlll. c. 28). 5 Siebe meine ,Dostojanstva". S. 52; Pawel, ,Ober die Dignitiiten". S. 69. 6 In der Metropolie von Hermannstadt wird das Protopresbyteralgericht als selbstiindig angesehen (. 31-37 des organischen Statuts). Vergl. Art. 131 Pkt. 9. des bulgarischen Exarchai-Statuts vom jahre 1895. 7 Siebe Pawel, erwahntes Werk. S. 8 u. ff. Vergl. 23. Kanon der ,Statuta ecclesiae antiqua": ,Ut episcopus nullius causam audiat absque praesentia clericorum suorum; alioquin irrita erit sententia episcopi, nisi clericorum praesentia confirmetur". Diese Statuta sind abgedruckt bei Harduini. 1, 978-986. Erwi.ihnt wurde bereits, daB Cyprianus von Karthago in Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung nichts ohne seine Priester unternommen hat. 8 Siebe IV. allgem. Konzil 8. Kan.; Karth. 85. Kan. und die Verordnung der Patriarchal-Synode von Konstantinopel 1028 (Ath. Synt. V, 25-32). 30 1

474

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

welche das Episkopalgericht in alterer Zeit verhandelte und entschied, genau angefilhrt 9. Dermalen bilden die Eparchial-Konsistorien dieses Gericht, welche in erster Instanz tiber jene Angelegenheiten entscheiden, die am Schlusse des vorigen Paragraphen erwahnt wurden to. III. Das Metropolitangericht, welches die kanonischen Quellen erwahnen, wird von den Synoden (Eparchial- oder Metropolitan-Synoden) verwaltet (. 89). Die Metropolitan-Synode bildet die erste lnstanz in Streitigkeiten zwischen den Eparchiai-Bischl>fen oder in Fallen, in welchen es sich urn Beschwerden handelt, welche von dem Klerus oder von Laien gegen einen Eparchial-Bischof erhoben werden; die zweite lnstanz (Appellations-Instanz), wenn das Episkopal- (Konsistorial-) Gericht sein Urteil in einer Angelegenheit bereits gefallt hat1 1 Dermalen wird die diesfallige Gerichtsbarkeit von den betreffenden obersten Zentralorganen in den bezilglichen autokephalen Kirchen ausgelibt (. 99). Nach den bestehenden Statuten bildet das Metropolitangericht die erste lnstanz: a) in Streitigkeiten zwischen den EparchialBischOfen; b) in Kompetenz-Streitfallen, welche auf dem Gebiete der kirchlichen Administration und der geistlichen jurisdiktion zwischen der Eparchial-BehOrde und einem unterstehenden organischen Elemente (Kloster, Protopresbyterat, Pfarre) zutage treten; c) bei Beschwerden, welche von Geistlichen oder Glaubensgenossen gegen einen Eparchial-Bischof oder gegen ein Eparchial-Konsistorium wegen MiBbrauchs der geistlichen Amtsgewalt vorgebracht werden ; d) in Fallen, wenn ein Bischof eines nicht-kanonischen Verhaltens beschuldigt wird; e) in Fallen, in welchen es sich urn Abstellung wahrgenommener Ordnungswidrigkeiten bei Ausilbung der geistlichen Gerichtsbarkeit durch die EparchialKonsistorien oder von sonst bekannt gewordenen Abweichungen der Bisch5fe von den kanonischen Satzungen handelt. Zweite lnstanz, kanonisches Appellatorium, ist das Metropolitangericht fi1r aile geistlichen Personen und sonstige AngehOrige cter Metropolie, welche sich durch
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'0

Zhishman, Die Synoden. S. 223-225.

Vergl. Geschaftsordnung fUr das Konsistorium in der Bukowina, . 24, V, und . 25, IV, der Geschilftsordnung fiir das Konsistorium in Da/matien (in denselben kommt natiirlich riicksichtlich der Ehestreitigkeiten nichts vor, da diese in der cisleithanischen Halfte der osterr.-ungar. Monarchie vor die weltlichen Gerichte gehoren [siehe . 147, III, dieses Buches]); . 5, I. Abschnitt des Konsistorial-Systems (1782) fiir die Karlowitzer Metropolie und Artikel XXVI der Organisation der Bistiimer (Eparchien) vom jahre 1871 ; . 96 des Gesetzes tiber die geistlichen Behorden in Serbien; . 121 des organischen Statuts der Hermannstiidier Metropolie; Art. 119 des bu/garischen Exarchal-Statutes vom 1895; . 148 des russischen KonsistoriaiStatuts; Art. 21 des Gesetzes vom Jahre 1872 fiir Runziinien; Art. 135 des Konsistorial-Statuts vom Jahre 1903 fiir Montenegro. II Fiir die altere Zeit, siehe Zhishman, Die Synoden. s. 80-84.

. 145. 2) Die kirchlichen Gerichte.

475

die tiber dieselben von den Eparchial-Konsistorien erlassenen Urteilsspriiche oder durch sonstige, ihre Personen betreffenden, in kirchlichen Angelegenheiten getroffenen Entscheidungen und Verfiigungen, beeintrachtigt halten 12. Das Metropolitangericht bildet in den heutigen autokephalen Kirchen die letzte richterliche Instanz, mit Ausnahme der vier orientalischen Patriarchate, in welchen noch das Patriarchalgericht als eine dem Metropolitangerichte iibergeordnete lnstanz besteht 13. In den erwahnten Kirchen gehOren zur Kompetenz des Metropolitangerichtes als letzter lnstanz aile angefiihrten Angelegenheiten. Dieses Gericht wird nach der neueren Kirchengesetzgebung nur dann als inkompetent erachtet, wenn es sich urn den Urteilspruch gegen einen Bischof handelt. Nach der alten Kirchenpraxis war zur Absetzung eines Bischofs die Anwesenheit einer groBen Zahl von BischOfen erforderlich, welche unter allen Umstanden jene iiberwiegen muBte, die sich zur regelmaBigen Geschaftsbehandlung zu versammeln hatte 14 lm Zusammenhange damit werden dermalen z. B. in Griechenland, wenn es sich urn die Entscheidung tiber ein kanonisches Delikt eines Bischof handelt, aile Bischofe des Konigreiches in die Residenz des Metropoliten berufen, urn in der so gebildeten Synode die Angelegenheit zu untersuchen und das Urteil gegen den angeklagten Bischof zu fallen 15. IV. Die Metropolitangerichte bildeten die letzte richterliche Instanz in der ganzen Kirche, solange die Metropoliten hinsichtlich der inneren Verwaltung ihrer Metropolien selbstandig waren. Nach der Errichtung
Vergl. Synodai-Statut der bukowinisch-dalmatinischen Metropolie . 14, Pkt. 9. Vergl. . 5, I. Abschn., und . 1, IV. Abschn. des Konsistoriai-Systems, sowie Art. VI der Organisation des Metropolitan-Kirchenrates (1871) der Karlowitzer Metropolie; . 166 des organischen Statuts der Hermannsttidter Metropolie; Art. 23. des Gesetzes vom jahre 1872 fiir Rumtinien; Art. 78 des Gesetzes iiber die geistlichen Behorden in Serbien; Art. 100 (100-106) des bulgarischen Exarchai-Statuts: fiir Ruj3land, Ukas vom 30. November 1873, Z. 54; Art. 9 des Gesetzes vom jahre 1852 iiber die Bistiimer und Art. 14 des SynodalStatuts im Konigreiche Griechenlarzd; Art. 19 des Synodai-Statuts vom jahre 1904 fiir Montenegro. 13 Siehe das sub IV dieses Paragraphen Gesagte. u Karth. 12. Kan. und Kanan der Synode von Konstantinopel (394) unter Nektarius; vergl. Kommentar Balsamons zum 12. Kan. von Karth. (Ath. Synt. III. 323-324) und Kommentar zu demselben Kanan im Pedalion (erwiihnte Ausgabe s. 470). 15 Siehe Art. 13 des Synodai-Statuts. Vergl. 'Epoo't"'jat~ xs.p. C ' 'X.(Xt xr' Top.oo Ce:'t"'jp.titwv ttvrov aVC1."('X.!X[(l)V, welche die orientalischen Patriarchen im Jahre 1663 hinausgaben. M. f so s oo v, .:ltcxtti~e:t~. I. 347. 366; und . 15, IV. Abschnitt des Konsistorial-Systems der Karlowitzer Metropolie, im Faile der Anklage eines Bischofs oder eines Konsistoriums in corpore.
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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

der erwahnten vier (beziehungsweise f!.inf) Patriarchate behielten nur einzelne Metropoliten ihre Selbstandigkeit, wahrend die meisten Ubrigen Metropolien Teile der neugegriindeten Patriarchate wurden (. 86). Diese Anderung brachte es mit sich, daB die Metropolitan-Synoden der betreffenden Metropolien in administrativer Beziehung in ein Abhangigkeitsverhaltnis zu den Patriarchai-Synoden traten, was auch riicksichtlich der Jurisdiktion, welche von diesen letzteren ausgeiibt wurde, der Fall war. Auf solche Weise enstand das Patriarchalgericht als eine neue richterliche Instanz fiir aile Kirchengebiete des betreffenden Patriarchats. Die Grundlage dieses Patriarchalgerichtes finden wir in den von uns zu Beginn dieses Paragraphen angefiihrten kanonischen Quellen und ebenso auch im 36. Kanon des Trullanischen Konzils. Das Patriarchalgericht ist gemiiB den organischen Bestandteilen der Patriarchate die erste, zweite oder dritte Instanz. Erste fnstanz ist dieses Gericht bei Beschwerden, welche gegen einen Metropoliten im Gebiete des betreffenden Patriarchats, bei Beschwerden, welche von einem Metropoliten gegen einen anderen Metropoliten, gegen den eigenen Klerus oder die Eparchial-Bischofe erhoben werden, und endlich in Fallen, wenn der Patriarch selbst zur Rechenschaft gezogen werden soli; zweite lnstanz bei Beschwerden gegen die Urteile der Metropolitangerichte; dritte und letzte lnstanz in allen Angelegenheiten, welche bei den niederen Gerichten verhandelt wurden und vor das Patriarchalgericht zur endgiltigen Entscheidung gebracht werden 16. Diese von den Kirchenrechtsquellen dargelegte Kompetenz des Patriarchalgerichtes, gilt auch dermalen in den orientalischen Patriarchaten, mit den betreffenden, durch die Zeitverhiiltnisse bedingten Anderungen 17.
3) Von dem kirchlichen Gerichtsverfahren.

. 146.
a) Das kirchliche Gerichtsverfahren in seinen verschiedenen Phasen.
Das kirchliche Gerichtsverfahren hat mehrere Phasen durchgemacht, bis dasselbe die heutige Form erlangte. Mit Riicksicht auf die Stellung, welche die Kirche im romischen Reiche in den ersten christlichen Jahrhunderten einnahm, konnte an ein fOrmliches Oerichtsverfahren in Streitigkeiten zwischen den Christen, sowie hinsichtlich der von denselben begangegen Delikten nicht gedacht werden. Apostel Paulus riigt, wie erwiihnt, die Christen von Korinth, daB sie in Streitigkeiten untereinander heidnische Richter wiihlen; dasselbe geschieht auch
Details hierilber bei Zhishman, Die Synoden. S. 20-25. Siebe den Kanonismos (1862) tiber die Organisation der Patriarchai-Synode von Konstantinopel (und speziell Art. 3, B.).
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. 146. a) Das kirchliche Gerichtsverfahren in seinen verschiedenen Phasen.

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in den Constitutiones Ap6stolorum t. Daher wurden alle zwischen Christen, mogen diese dem Klerus oder dem Laienstande angehort haben, enstandenen Streitigkeiten kirchlicher oder privater Natur, nur von Christen in der zur Konstatierung der Wahrheit, sowie zur Erzielung eines gerechten Urteils damals am besten erscheinenden Weise verhandelt. In den kanonischen Quellen der ersten jahrhunderte wird filr die Angelegenheiten, welche die inneren kirchlichen Beziehungen betreffen, das Episkopalgericht als selbstandiges und ordentliches Gericht erwiihnt, wiihrend fUr die Angelegenheiten privater Natur das Sclziedsgericht (jus arbitrii) angefilhrt wird. Von dem ersteren Gerichte und tiber die Art und Weise des Verfahrens vor demselben, erwahnt der 74. apostolische Kanon, aus welchem zu entnehmen ist, daB die Anklage gegen einen Bischof nur von wohlbeleumundeten Personen erhoben werden konnte, daB der geklagte Bischof personlich vor dem aus mehreren Bischofen gebildeten Gerichte zu erscheinen hatte, und falls er nicht erschien, ein zweites und drittesmal zur Rechtfertigung aufgefordert wurde; erschien er auch dann nicht, so wurde von der Synode das Urteil nach eigenem Ermessen gefallt, welchem sich der Geklagte filgen muBte. Eine Erganzung hiezu enthalt der 75. apostolische Kanon, welcher iiber die Zeugenschaft bei derartigen Anklagen handelt, wobei erwahnt wird, daB ein Zeuge nicht genilgte, sondern daB deren drei oder wenigstens zwei erforderlich waren, welche rechtglaubig und ebenso wie die Klager gut beleumundet sein muBten z. Solcherart war das Gerichtsverfahren, wenn es sich urn die Beschwerde gegen einen Bischof handelte. Bei Anklagen gegen Mitglieder des Klerus versah der Bischof mit seinem Klerus das Richteramt, und wurde das gleiche Verfahren beobachtet s. Schiedsrichter waren groBtenteils Bischofe und Presbyteri, welche einvernehmlich von den Streitteilen gewiihlt wurden und das ihnen obliegende Amt nach eigenem Gutdi1nken versahen. Vor dem Schiedsgerichte wurden hauptsachlich strittige Angelegenheiten privater Natur ausgetragen. Alle jene Fragen, welche dieses Gericht nicht zu entscheiden vermochte, gelangten vor das Forum des Presbyteralrates,
Siehe . 144, Anm. I u. 4. Vergl. hieriiber: W. Molitor, Ober kanonisches Gerichtsverfahren gegen Kleriker. Mainz 1856. jos. Fessler, Der kanonische ProzeB nach seinen positiven Grundlagen und seiner i:iltesten historischen Entwicklung in der vor-justinianischen Periode. Wien 1860. N. Miinchen, Das kanonische Gerichtsverfahren und Strafrecht. 2. Bde. KOin und Neusz 1865. H. Kellner, Das BuB- und Strafverfahren gegen Kleriker in den sechs ersten christlichen jahrhunderten. Trier 1863. ~ Vergl. den Kommentar des Archinz. johann zu diesen Kanones (1, 222. 223). " Z. B. das Urteil, welches der Bischof von Alexandria, Demetrius, mit mehreren alexandrinischen Presbyteri gegen Origenes [231] fli.llte (Hejele, Konziliengeschichte. I, 106).
. 146.
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lll. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

mit dem Bischofe als Vorsitzenden, welcher jeden Montag zu diesem Zwecke versammelt war. Die streitenden Parteien muBten pers5nlich vor Gericht erscheinen und ihre Griinde geltendmachen. Der Lebenswandel des KHigers, sowie des Geklagten wurde einer eingehenden Priifung unterzogen, wobei jedoch dem Geklagten allein, mochte derselbe auch den besten Ruf genossen haben, kein Glauben geschenkt wurde; es waren noch Zeugen erforderlich, welche dann als glaubwiirdig erschienen, wenn sie allgemein geachtet und wegen ihrer Rechtschaffenheit, Bescheidenheit, Offenheit und Gottesfurcht bekannt waren. Zeugen, welche liigenhafter Angaben iiberfiihrt wurden, und Verleumder verfielen sogleich der Strafe. Nach dem Parteien- und Zeugenverhore wurden Ausgleichsversuche zwischen den Parteien angestrebt, und im Faile des MiBlingens derselben, das Urteil von dem Bischof nach AnhOrung der Presbyteri gefallt '1 Dieses Verfahren, in welchem die allgemeinen Rechtsprinzipien der Hauptsache nach zutage treten, weist eine gewisse Ahnlichkeit mit dem damaligen romischen Gerichtsverfahren auf, nur mit dem Unterschiede, daB die in dem letzteren vorgeschriebenen Formalitaten hier fast ganzlich mangeln 5, Als die Kirche mit dem Staate in Verbindung trat, wurden Anderungen im Verfahren vor den kirchlichen Gerichten eingefiihrt, wei! man einsah, daB die damalige patriarchate Verhandlung der gerichtlichen Angelegenheiten lediglich nach den Regeln der Moral, den Rechtsanforderungen, namentlich in solchen Prozessen, in welchen ganze Kirchen interessiert waren, nicht mehr zu entsprechen vermochte. Diese Gerichte, wie gerecht sie auch an sich gewesen sein mogen, waren nur subjektive Gerichte und boten auBer der Ehrenhaftigkeit und Gewandtheit der bei denselben unmittelbar beteiligten Mitglieder, keine andere Gewahr fiir ihr ordnungsmaBiges Vorgehen. Daher machte sich die Notwendigkeit geltend, auch das kirchliche Gericht auf den fundamentalen Rechtsprinzipien unter Anwendung des betreffenden rationellen Formalismus zu festigen, und demselben die volle Objektivitat zu sichern. Als die Kirche mit dem Staate in Verbindung getreten war, hat sie aile jene Rechts-Institute des Staates, welche zur Erhaltung der gemeinschaftlichen Ordnung bestanden und dem Geiste des Christentums nicht widersprachen, auch als fiir sich maBgebend anerkannt. Da nun unter diesen Rechts-lnstituten auch das Gerichtsverfahren vor den weltlichen Gerichten den Prinzipien der Gerechtigkeit entsprach und eine objektive Rechtssprechung zu sichern vermochte, erschien es der kirchlichen Gesetzgebung nicht notwendig, fiir die eigenen Gerichte ein von jenem
4 Const. Apost. II. Buch. Kap. 47-51. Siehe ,Gerichtsverfahren in den drei ersten Pcrioden" bei Puchta, Cursus der Institutionen, II, 78 u. ff.

. 146. a) Das kirchliche Gerichtsverfahren in seinen verschiedenen Pha3en .

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der weltlichen Gerichte abweichendes Gerichtsverfahren einzufiihren, sondern sie gestattete vielmehr, nach Festsetzung der Hauptbedingungen fiir das kirchliche Richteramt im allgemeinen, die Beobachtung der im Staate giltigen Normen auch seitens der kirchlichen Richter. Hiemit hat die Kirche fiir ihre Praxis das romische Gerichtsverfahren mit jenen Anderungen, welche die Natur der von den kirchlichen Gerichten verhandelten und entschiedenen Angelegenheiten erheischte, angenommen. W orin das romische Gerichtsverfahren hestand und welcher der Gang desselben war, ist den juristen wohlbekannt. Mit Riicksicht auf die diesbeziiglich bestehende reichhaltige Literatur 6 und im Hinblicke auf den Mangel eines unmittelbaren Bezuges dieses Verfahrens auf die vorliegende Wissenschaft erscheint es nicht notwendig, in eine Darlegung desselben einzugehen. Es geniigt hier die Angabe, daB dieses Verfahren von der Kirche angenommen wurde, wofiir die Praxis der kirchlichen Judikatur sowohl in den allgemeinen Konzilien, als auch in den Partikular-Synoden und im spateren Mittelalter den Beweis liefert7. Die in dieser Beziehung in den kanonischen Quellen enthaltenen allgemeinen Vorschriften wollen wir jedoch einer naheren Betrachtung unterziehen. Vor den weltlichen Gerichten gab es zwei ProzeB-Arten. Die eine wurde durch die von jemandem erhobene Anklage, die andere durch das Eingreifen des Gerichtes von amtswegen eingeleitet. In den Prozessen der ersten Art ist der Klager die Hauptperson; derselbe hat die erhobene Klage zu begrilnden, das notige Beweismaterial anzufiihren, die Richter von der RechtmaBigkeit der Anklage zu iiberzeugen und die Folgen einer. unbegriindeten Anklage zu verantworten. Der Geklagte hingegen hat die kUigerischen Angriffe zu widerlegen, die Anklage zu bekampfen und durch Anfiihrung von Beweisen seine Unschuld darzutun. In diesen Prozessen spielt das Gericht selbst eine mehr passive Rolle ; dasselbe laBt die Beweise und Gegenbeweise fiihren und fallt auf Grund der dargelegten Umstande sein Urteil. In den Prozessen der zweiten Art fallt dem Gerichte, welches von amtswegen den ProzeB einleitet und aile ihm zu Gebote stehenden Mittel in Anwendung bringt, urn durch zahlreiche Anhaltspunkte die Wahrheit des betreffenden Gegenstandes zu ergriinden, die Hauptrolle zu. Daher
6 Siehe die vorhergehende Anmerkung und ,Gerichtsverfahren in der vierten Periode". lb. II, 266 u. ff., sowie Zachariae, Geschichte des griech.-rom. Rechts (II. Aufl. Berlin 1877) S. 368. 1 Siehe die in Anm. 1 dieses Paragraphen angefiihrten W erke und ebenso Zachariae, Op. cit. S. 365 und . 96, woselbst das Gerichtsverfahren in einem Eheprozesse vor dem bischoflichen Gerichte auf der lnsel Cypern urn das jahr 1300 beschrieben ist (S. 373-378). Vergl. auch "Dissertatio de forma judiciorum ecclesiasticorum" bei Du Pin, De antiqua ecclesiae disciplina, pag. 95 sq.

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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche .

erscheint bier die Untersuchung, namlich die Vornahme eingehender Erhebungen seitens des Gerichtes, als Hauptsache. Die Person des Klagers ist in diesem Prozesse iiberflilssig, da das Gericht selbst die Stelle des Ktagers vertritt und aus eigener Initiative aile Mittel in Anspruch nimmt, urn der Gerechtigkeit zu geniigen. Von diesen heiden ProzeBarten wird in den Kanones namentlich die erste, welche auf Grund der seitens einer bestimmten Person erhobenen Anklage eingeleitet wird, in Betracht gezogen. Dies erhellt aus allen Einzelheiten, welche die Kanones riicksichtlich des Anklagers, der Pflichten desselben beziiglich der Vertretung der Anklage und der Verantwortung des Anklagers im Faile einer nachgewiesenen Verleumdung u. s. w., anfiihren. Wenn der Untersuchung im r5mischen Gerichtsverfahren eine groBe Bedeutung beigemessen wurde, so mu8 dieselbe eine ebensolche und noch gr5Bere Bedeutung im Verfahren vor dem kirchlichen Gerichte haben. Die Kirchengewalt, der die Aufgabe obliegt, sowohl die dienstlichen Beziehungeu des Klerus, als auch dessen Leben und Verhalten zu beaufsichtigen, muB auch das Recht haben, selbstandig, ohne eine besondere Anklage, gegen jeden Kleriker, welcher die bestehenden Gesetze verletzt hat, die Untersuchung einzuleiten. Die Kanones trennen daher auch nicht die anklagende von der untersuchenden Seite vor dem kirchlichen Gerichte, sondern verbinden vielmehr beides, indem sie der Kirchengewalt das Recht zuerkennen und auch die Pflicht auferlegen, nicht nur auf Grund einer Anklage, sondern auch aus eigener Initiative gegen die Gesetzesiibertreter vorzugehen. Das kirchliche Oericht kann streng genommen ohne Untersuchung nicht gedacht werden, selbst wenn es sich um eine Angelegenheit handeln wiirde, die auf Grund einer Anklage in Verhandlung gezogen wird Ebensowenig kann das kirchliche Gericht eine passive Rolle im Prozesse einnehmen, wie dies bei den weltlichen Gerichten moglich ist, da das kirchliche Oericht in jeder auch noch so privaten Streitsache nicht nur die Befriedigung der verletzten oder geschadigten Partei im Sinne des Gesetzes, sondern in noch hoherem MaBe das christliche Gesetz vor Augen haben und daher auch darnach streben muB, daB dem verletzten christlichen Prinzipe Geniige geleistet werde 8 Oberdies wird in den Kanones mit Riicksicht auf die von der Kirche angenommenen Vorschriften des romischen Rechts iiber das Oerichtsverfahren, ein besonderes Augenmerk den vor dem kirchlichen Oerichte auftretenden Personen, namlich dem Klager, dem Oeklagten, dem Anwalte, sowie den Zeugen zugewendet. 1) Was den Kluger anbelangt, so unterscheiden die Kanones
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Vergl. I. allgem. Konzil. 5. Kan.; II. allgem. Konz. 6. Kan.; Karth. 19. 79.

Kan. u. a.

. 146. a) Das kirchliche Gerichtsverfahren in seinen verschiedenen Phas en.

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zwischen kirchlichen und btirgerlichen Angelegenheiten, welche Gegenstand einer gerichtlichen Verhandlung sein konnen. In kirchlichen Angelegenheiten kann eine Anklage gegen einen Angehorigen des Klerus nur von einem Glaubensgenossen, welcher in der Gesellschaft einen guten Ruf genieBt, erhoben werden n; sonach kann als KUiger derjenige nicht auftreten, welcher sich zum rechten Glauben nicht bekennt 10, in gerichtlicher Untersuchung sich befindet oder verurteilt wurde u, einen schlechten Ruf genieBt 1 ~, mit einer Anklage einmal abgewiesen wurde 1:1, sowie endlich derjenige, welcher auch vor dem weltlichen Gerichte nicht als Klager auftreten kann 14 Die Anklage muB eine Offentliche sein ; eine geheime Anklage wird auch von einem Bischof nicht angenomm en l". In privaten Angelegenheiten kann jedermann als Klager auftreten 1G. AuGer den erwahnten Vorschriften rlicksichtlich der Person des KE:igers, enthalten die Kanones noch Bestimmungen dartiber, daB der Kliiger den begonnenen ProzeB zu Ende ftihren und aile jene Beweise anflihren miisse, welche geeignet sind, die Anklage zu untersttitzen. W enn daher der Klager wah rend des Prozesses sich verborgen halt u11d absichtlich den Aufforderungen des Gerichtes keine Folge leistet, wird der Geklagte von allen Folgen der Klage frei und der Klager der verdienten Strafe unterzogen 17. Falls der Ort, wo der ProzeB begonnen wurde, dem Klager nicht die entsprechende Gewahr daftir bietet, da!3 das Gericht keinen auBeren Einfltissen ausgesetzt sein wird, und iiberdies Verwandtschafts- oder andere zwischen dem Geklagten und den Zeugen bestehende Verhaltnisse die Annahme als gerechtfertigt erscheinen lassen, daB die Zeugen befangen sein konnten, ist der Klager berechtigt, zu verlangen, daB der ProzeB an einem benachbarten Oi"tc, wo dcr Einflug von derartigcn auBeren Verhaltnissen auf den Gang des Prozesses ausgeschlossen ist, durchgeflihrt werde ts. Der Klager mull in seiner Klage die Anschuldigungspunkte genau anfiihren und zwci od cr drei Zeugen zur Bekraftigung der Wahrheit seiner Angaben namhaft machen u1 Sollte wahrend des Prozesses in Erfahrung gebracht werden, daB der Klager selbst unter einer Anklage steht, so
' 74. Kan. Apo st.; ll. all gem. Konz. 6. Kan.; IV. allgem. Konz. 21. Kan. Jc 75. Kan. A post.; II. all gem. Konz. 6. Kan. 11 II. allgem. Konz. 6. Kan. ; Karth . 128. Kan. " Karth. 8. 19. 129. Kan . 13 Karth. 130. Kan. H Karth. 129. Kan. n Karth. 132. Kan. 1 '; II. allgem. Konz. 6. Kan.; Karth. 129. Kan. 17 Karth. 19. Kan. 18 Karth. 30. Kan. 19 74. 75. Kan. Apost.
Mila!, Kirchenrecht.

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

wird die Klage giinzlich abgewiesen, es milBte sich denn urn eine auf einen Gegenstand privater Natur Bezug babende Klage handeln zo. 2) Der Geklagte ist verpflicbtet, an jenem Tage vor Gericbt zu erscbeinen, fUr wei eben er die Vorladung erhielt; im Faile des Nichterscbeinens verfallt er, beim Abgange gerecbtfertigter Verbinderungsgrfinde, der Strafe. Die Frist ffir die erste Anmeldung betragt einen Monat, vom Tage der Zustellung der Vorladung; diesel be Frist gilt auch ffir die zweite Anmeldung. Erscheint der Geklagte tiber Aufforderung des Gericbtes aucb nach Ablauf dieser Frist nicbt, so wird angenommen, daB er fiber sicb selbst gericbtet babe 21 Die liingste dem Geklagten von den Kanones zu seiner Recbtfertigung eingeraumte Frist ist die eines jahres 22. 3) Die Kanones erwabnen auch die Anwiilte vor Gericbt (E%at-x.ot, at-x.aw~6Aa-x.s~, o6vat%ot, defensores, advocati), welche zu Anfang des V. jahrbunderts entstanden und in Angelegenbeiten, welche die Kirche oder die unter dem Schutze der Kirche stehenden Personen betrafen, denselben Dienst versaben, wie die Anwalte vor den weltlicben Gericbten 2s. Diese kircblicben Anwalte waren ein standiges, aucb von den Gesetzen der griechisch-romischen Kaiser anerkanntes Institut 24 an den Biscbofssitzen 25 Dieselben batten die gefabrdeten Interessen der Kirche vor Gericht zu vertreten und als Anwiilte der Waisen, Witwen und im allgemeinen aller unter dem Schutze der Kircbe stebenden, des Beistandes bedilrftigen Personen zu wirken. Sie batten bei den kirchlichen Gericbten fiber jede bei diesen eingebracbte Anzeige die Voruntersucbung einzuleiten, die Klage zu formulieren und dem Gerichte vorzulegen, sowie in minder wichtigen Angelegenheiten selbst zu erkennen. Oberdies war es ihre Pflicht, die rechtlichen Institutionen der Kirche zu verteidigen und den Vollzug der vom kirchlichen Gerichte verhangten Strafen zu Uberwachen 26. 4) Die Kanones enthalten endlich auch noch Bestimmungen fiber die bei der Verhandlung strittiger Angelegenheiten vor den kirchlichen Gerichten zuliissigen Zeugen. FOr diese galten nach den Kanones die fiir die Klager bestandenen Bestimmungen, und konnten jene, welchen die Kanones nicht gestatteten, als Klager aufzutreten, auch nicht als
19. Kan. Karth. 19. Kan. 22 Karth. 79. Kan. 23 Karth. 75. 97. Kan. 2 ' Als ein standiges Institut werden die lfxotxot im 2. und 23. Kanon des IV. allgem. Konzils erwahnt. 25 Siebe 74. Nov. justinians. Kap. IV, . 1. 26 Ober die Pflichten dieser Anwalte im allgemeinen, siehe Dostojanstva, S. 134-135; Pawel, Ober die Dignitaten. S. 82 u. ff.; Zhishman, Die Synoden. 129 u. ff.
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Karth.

s.

. 147. b) Das gegenwartige Gerichtsverfahren.

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Zeugen erscheinen 21. Von der Zeugenschaft waren ferner die Minderjahrigen, die Verwandten und Hausgenossen, jene, welche in der unteren lnstanz in derselben Streitsache Zeugenschaft abgelegt haben, und aile diejenigen ausgeschlossen, welchen dieses Recht von den weltlichen Gesetzen aberkannt wurde 2s. Das Zeugnis einer einzigen noch so angesehenen Person wurde nicht berilcksichtigt 29 Fur die kirchlichen Gerichte galt bis in die neueste Zeit in der Kirche hellenischer Zunge in allen ilbrigen Beziehungen das Gerichtsverfahren des griechisch-romischen Rechts, unter Beobachtung der eben erwahnten Vorschriften der kirchlichen Gesetzgebung.

. 147.
b) Das gegenwartige Gerichtsverfahren.

Die Kompetenz der kirchlichen Gerichte in den vier orientalischen Patriarchaten erstreckt sich, wie erwahnt, sowohl auf die kirchlichen, als auch auf die bilrgerlichen Angelegenheiten der rechtgHiubigen Christen, wobei das Gerichtsverfahren der letzten Zeit des byzantinischen Kaiserturns zur Anwendung gelangt. In allen ilbrigen Partikularkirchen ist die Zivil-Jurisdiktion auf die weltlichen Gerichte ilbergegangen. Die dermalen in den Wirkungskreis der kirchlichen Gerichte fallenden Angelegenheiten, zu deren Verhandlung ein bestimmtes Gerichtsverfahren besteht, wurden bereits angefilhrt 1 Dieses Gerichtsverfahren ist entweder ein summarisches oder ein formelles. Das summarische Verfahren ist, wie die Bezeichnung selbst andeutet, kurz, ohne viele Formlichkeiten. Die Klage wird vom Klager samt dem Beweismateriale dem kirchlichen Gerichte iiberreicht, welches diese sodann dem Geklagten zur GegenauBerung binnen kurzer Prist zusendet. Die sonach einlangende GegenauBerung des Geklagten wird an dem festgesetzten Tage vom Gerichts-Aktuar in Anwesenheit des
Karth. 131. Kan. 75. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 2. Kan.; Trullan. 84. Kan.; Karthago 59. 129. 131. 132. Kan.; Theoph. Alexandr. 9. Kan. 29 75. Kan. Apost.; II. allgem. Konz. 6. Kan.; Karth. 132. Kan. . 147. 1 Siehe SchluB des . 144. Ober das heutige Gerichtsverfahren siehe fiir die Karlowitzer Metropolie den II. Abschnitt des Konsistorial-Systems (1782), woselbst das Verfahren, welches im Sinne des Art. XXXIX der Organisation der Eparchien (1871) auch heute in Geltung ist, aufgenommen erscheint; fiir Serbien Art. 185-223 des Gesetzes iiber die geistlichen Behorden vom Jahre 1890; fiir Griechenland Art. 9 des Gesetzes iiber die Bistiimer vom Jahre 1852; fiir Montenegro Art. 142-146 des Konsistorial-Statuts (1904); fiir Ruflland III. Abschnitt des Konsistorial-Statuts (1883); fiir das bulgarische Exarchat Art. 160-172 (100-106) des Exarchal-Statuts. Vergl. E. joannovich, ,Ober die geistlichen Gerichte", Karlstadt 1844, und ebenso , Ober das kirchengerichtliche Verfahren" bei Schaguna, Compendium des kanonischen Rechts. S. 443 u. ff. 30*
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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Ktagers verlesen, worauf die Replik des Ktagers und die weiteren Einwendungen des Geklagten protokollarisch aufgenornrnen werden. Nach dem beendigten Parteienverhore und sobald alles zur Urteilsfallung klargestellt erscheint, verlassen die Parteien den Gerichtssaal und das Gericht fallt nach reiflicher Erwagung und Beratung das Urteil, welches vorn Gerichts-Aktuar zu Protokoll gebracht und den sodann neuerlich vorgeladenen Parteien verlesen wird. Nach der Urteilsverlesung erfolgt unmittelbar der Vollzug desselben 2. Verschieden von diesern surnrnarischen Verfahren ist das formelle, welches wieder je nachdern es sich urn Delikte von Geistlichen oder urn Ehestreitigkeiten handelt, Modifikationen aufweist. I. Handelt es sich urn Delikte cines Angehorigen des Klerus, so kann das Gerichtsverfahren entweder auf Grund einer bei dern Konsistoriurn schriftlich iiberreichten oder zu Protokoll gegebenen Anklage, oder auf Grund des von der Kirchenbehorde amtlich in Erfahrung gebrachten Deliktes eingeleitet werden. Ehe jedoch an die Untcrsuchung der Schuld geschritten wird, ergeht seitens des Konsistoriums an den Geklagten die Aufforderung zur Abgabe von Aufklarungen, worauf dann das Verhor des Klagers, des Geklagten und der Zeugen erfolgt. Notwendigen Falles wird eine Konfrontation dieser Personen vorgenomrnen, es werden aile den Vorfall begleitenden Nebenumstande gepriift, sowie das beziigliche Beweisrnaterial gesammelt. Der Oeklagte, welchern das Recht der letzten AuBerung gebiihrt, muB nicht nur riicksichtlich der ihrn zur Last gelegten Handlung, sondern auch tiber aile zu seiner Verteidigung dienenden Urnstande gehort werden. Sollte das Konsistoriurn nach der Natur der Sache eine Erhcbung an Ort und Stelle fiir notwendig erachten, so wird cine vertrauenswiirdige Person hiernit betraut, welche dicsfalls eingehenden Bericht zu crstatten hat. Handelt es sich aber urn ein schweres, eine strengere Kirchenstrafe nach sich ziehendes Delikt, so wird von dern Konsistoriurn eine aus mindestens drei Mitgliedern bestehende Kommission bestirnmt, welche eingehende Erhebungen zu pflegen hat. Gelangt das Konsistorium zur Oberzeugung, daB das ihrn vorgelegte Erhebungsmaterial nicht vollstandig sei, so verfiigt dasselbe bis zur volligen Klarstellung des Gegcnstandes weitere Erhebungen. Gegen das etwaige Hinausziehen der Erhebungen kann der Geklagte bei dem Eparchial-Bischof Beschwerde flihren, welch letzterem fiir den Fall als es sich urn ein schweres Delikt handelt, das Recht zusteht, den betreffenden Geistlichen wahrend der Untersuchung von der Verwaltung der heiligen Handlungen bis zur Urteilsfallung zu suspendieren. Sobald die Erhebungen vo11standig durchgefUhrt sind und
2 . 19 und 20, II. Abschnitt des Konsistorial-Systems fiir die Karlowitzer Metropolie. Vergl. fiir das Konigreich Oriechenland Gesctz vom 13. Mai 1860.

. 147. b) Das gegenwartige Gerichtsverfahren.

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das gesamte, den Vorfall betreffende Material gesammelt ist, schreitet das Konsistorium zur Fallung des Urteils, welches den Angeklagten entweder als schuldig erkennt oder denselben freispricht. Im ersteren Faile wird der Verurteilte von dem Konsistorium im Wege seiner unmittelbar vorgesetzten BehOrde iiber die Verurtei!ung und die verhangte Strafe in Kenntnis gesetzt. Gegen das Urteil ist innerhalb der gesetzlich zulassigen Frist die Appellation an das hOhere kirchliche Gericht gesta ttet, nach deren Ablauf dieses Recht erlischt und das Urteil vollzogen wird; im Falle der rechtzeitig eingebrachten Appellation wird der Vollzug des Urteiles bis zur hoheren Entscheidnng sistiert :l. II. In Eliestreitigkeiten verfahren die Konsistorien entweder auf Grund einer Beschwerde oder von amtswegen. Das Ansuchen urn die Ehetrennung wird von einem der Ehegatten entweder unmittelbar oder im Wege des zustandigen Pfarrers dem Konsistorium vorgelegt. Im letzteren Falle hat der Pfarrer aus eigener Initiative, im ersteren tiber Auftrag des Konsistoriums zu trachten, die Ehegatten unter Anwendung der ihm als geeignet erscheinenden oder vom Konsistorium empfohlenen Mittel zur Versohnung zu bewegen. Diese Versohnungsversuche mtissen vom Pfarrer in dem durch das Gesetz vorgeschriebenen Zeitraume dreimal vorgenommen werden. Gelingt die Versohnung nicht, so weist der Pfarrer die Ehegatten, mit einem Berichte tiber die von ihm getroffenen MaL\nahmen, an den Bezirks-Protopresbyter. Das diesfallige Verfahren ist ein miindliches und kann die Partei, welche der Aufforderung, zu erscheinen, nicht Folge leistet, durch die weltliche Gewalt hiezu gezwungen werdcn. Ist auch der Protopresbyter nicht in der Lage, die Ehegatten zur Versohnuug zu bewcgen, so geht die Angelegenheiten an das Konsistorium, welches, wenn sich auch die von ihm gemachten Versuche zur Wiedervereinigung der Ehegatten als fruchtlos herausstellen, den formellen ProzeB einleitet. Der Verteidiger des Ehebandes ist der Konsistorial-Fiskal, welchem als solchen im Eheprozesse die erste Aufgabe zufallt. Sowohl der Klager, als auch der Geklagte haben personlich vor dem Konsistorium zu ihrer Rechtfertigung zu erscheinen; cine Vertretung ist nur in Erkrankungsfallen oder wichtiger Grtinde wegen iiber ausdriickliche Bewilligung des Konsistoriums zulassig. Bei unbekanntem Aufenthaltsorte des geklagten Tei!es erlal3t das Konsistorium ein offentliches, in den Blattern dreimal zu publizierendcs Edikt, in welchem die Zeit, innerhalb welcher sich der geklagte Tei! zu melden hat, angegeben ist; bleibt das Edikt fruchtlos, so wird von amtswcgen ein Vertreter bestellt, mit welchem der Ehe' AuBer dem erwahnten Konsistorial-System fiir die Karlowitzer Metropolie, vergl. Art. 185-197 des Gesetzes iiber die geistlichen Behorden in Serbien; Art. 153-204 des russischen Konsistorial-Statuts (1883); Art. 9 des Gesetzes iiber die Bischofe in Grieclzenland vom Jahre 1852.

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

prozeB zu Ende gefllhrt wird. Nach der Verschiedenartigkeit der die Ehetrennung veranlassenden Griinde, sind auch die Mittel verschieden, deren sich das Konsistorium bedient, urn die Wahrheit festzustellen. FUr das Verfahren gelten im allgemeinen die fiir den ZivilprozeB maBgebenden Normen. Der geklagte Teil hat sich tiber die vom KUiger gegen ibn vorgebrachten Klagepunkte zu auBern; hierauf hat der Klager seine Einwendungen zu erheben und wieder der Geklagte seine Gegenausfiihrungen vorzubringen, bis das Gericht die Einvernahme der prozessierenden Teile als ausreichend erachtet. Aile Klagepunkte, die Ausfilhrungen und Rechtfertigungen werden seitens des Gerichtes einer eingehenden Priifung unterzogen, zu welchem Zwecke Zeugen und Sachverstandige vorgeladen werden. Akten und Dokumente, welche auf den Hauptgegenstand Bezug haben, werden einer eingehenden Wilrdigung unterzogen, und endlich wird alles erforscht, was zur Konstatierung der Wahrheit erforderlich ist. Die im Orte anwesenden Zeugen werden nach erfolgter Beeidigung iiber die vom Konsistorium bezeichneten Fragepunkte personlich, die abwesenden Zeugen dagegen bei dem kompetenten kirchlichen oder weltlichen Gerichte einvernommen. Das Gestandnis der Schuld, welches bei den weltlichen Gerichten von Bedeutung ist, wird im Eheprozesse nicht berilcksichtigt, wenn dasselbe mit den ilbrigen Umstanden nicht in Einklang zu bringen und durch Beweise nicht bekraftigt ist. Sobald das Konsistorium volle Klarheit in der Sache erlangt zu haben glaubt, wird den Parteien nochmals das Resultat der von amtswegen gepflogenen Erhebungen mitgeteilt und sodann zur Urteilsfallung geschritten. Nach Verkiindigung des Urteils steht es der sich als gekrankt erachtenden Partei frei, im Appellationswege an die Mhere lnstanz (Appellations-Konsistorium) innerhalb einer bestimmten Frist sich zu wenden, nach deren Ablauf dieses Rechtsmittel abgewiesen und zum Vollzuge des Urteils geschritten wird 4 III. Die Eheprozesse gehoren in der gesamten morgenlandischen Kirche in die Kompetenz des kirchlichen Gerichtes (Konsistoriums) mit Ausnahme jener Partikularkirchen, in welchen der dem Glauben zuwiderlaufende EinfluB die Oberhand iiber die christlichen Prinzipien gewonnen hat, und woselbst die Ehe nicht als Sakrament, sondern nur als ein biirgerlicher Vertrag anerkannt wird. So wurde in Rumtinien durch den Filrsten Cusa im Jahre 1864 die obligatorische Zivilehe eingefiihrt, weshalb auch aile Ehestreitigkeiten in die Kompetenz des weltlichen Gerichtes gehoren. Dasselbe gilt in Ungarn (mit Ausnahme
Konsistorial-System in der Karlowitzer Metropolie, erwahnter Abschnitt; fiir Serbien . 127-174 des Gesetzes tiber die geistlichen Behtlrden; fiir RujJland Art. 205-275 des Konsistorial-Statuts (1883); Art. 13. 63. 73. 84. 119. 131. 187 des bulgarischen Exarchal-Statuts; Art. 212-243 des montenegrinischen KonsistorialStatuts.
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. 147. b) Das gegenw!irtige Gerichtsverfahren.

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von Kroatien und Slavonien) seit dem Jahre 1894. In Osterreich besteht die obligatorische Zivilehe nicht; allein auch hier wurde der Kirche im jahre 1868 die Jurisdiktion in Eheangelegenheiten entzogen. Die Ehestreitigkeiten wurden den weltlichen Gerichten iibertragen, und wurde das auf Grund des josephinischen Ehepatentes vom jahre 1783 mit dem Hofdekret vom 23. August 1819, vervollstandigt nach der neuen ZivilprozeBordnung vom 1. August 1895 (R. G. Bl. Nro. 112) durch die Ministerialverordnung vom 9. Dezember 1897 (R. G. Bl. Nro. 283), vorgeschriebene Verfahren wieder eingefiihrt. Im Konigreiche Griechenland wurde, wahrend der Regierung des Konigs Otto im jahre 1835, die Zivilehe eingefiihrt, und wurden aile Ehestreitigkeiten den weltlichen Gerichten iibertragen. In dieser Beziehung trat im Jahre 1852 insoferne eine Modifikation ein, als in Griechenland die Eheprozesse zuerst beim kirchlichen Gerichte, und wenn bei diesem keine endgiltige Entscheidung erzielt wird, beim weltlichen Gerichte, welches das abschlieBende Erkenntnis fallt, gefiihrt werden. In jenen Landern, in welchen die Eheprozesse nicht zur Kompetenz der kirchlichen Gerichte (Konsistorien), sondern zu jener der weltlichen Gerichte gehoren, besteht das Gerichtsverfahren in Folgendem: Die Ehegatten konnen auch bei vollstem Einverstandnisse keineswegs das Eheband eigenmachtig losen. Aile Ehestreitigkeiten, bei weichen die Untersuchung von amtswegen zu fiihren ist, gehoren vor jenen Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel die Ehegatten ihren letzten gemeinschaftlichen Wohnsitz batten. Der Gerichtshof bestellt einen Verteidiger des Ehebandes, welcher iiber alle als Grund der Trennung angegebenen Umstande genaue Erkundigungen einzuziehen und sorgfaltig zu untersuchen hat, inwiefern die Klage begriindet und durch vollstandige Beweise unterstutzt sei, sowie welche Einwendungen und Bedenken der Klage entgegenstehen. HierUber hat derselbe eine begrUndete AuBerung dem Gerichte vorzulegen, welches ihn, im Faile er irgend etwas verabsaumt hat, darauf aufmerksam macht. Das Streben des Gerichtes ist dahin gerichtet, das Eheband zu erhalten, weshalb der zur Ehetrennung angefiihrte Grund vollkommen erwiesen sein muB ; hiebei hat das Ubereinstimmende Gestandnis beider Ehegatten, sowie der Eid derselben keine rechtliche Kraft. Ehe jedoch das Gericht in dem erhobenen Streite seine Tatigkeit beginnt, ist es Pflicht des betreffenden Pfarrers, den Ehegatten die nachteiligen Folgen der Trennung an das Herz zu legen. Die Vorstellungen des Pfarrers miissen innerhath der vom Gesetze festgesetzten Zeit zu drei verschiedenenmalen Wiederholt werden. Sind dieselben ohne Wirkung, so hat der Pfarrer das Zeugnis tiber die Vornahme des dreimaligen Versohnungsversuches dem Gerichte vorzulegen, welches die Sache zu untersuchen und dariiber zu erkennen hat. Findet das Gericht, daB das Gesuch urn Ehe-

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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

trennung unbegrOndet ist, so soli der klagende Ehegatte vorerst allein vorgeladen und durch zweckmaBige Vorstellungen bewogen werden, von seinem Vorhaben freiwillig abzustehcn. Im Faile des MiB!ingens dieses Versuches wird nach dem Gesetze verfahren. Insbesondere soli der Richter beide Ehegatten und den Verteidiger des Ehebandcs personlich vorladen, dem letzteren aile auf den Gegenstand Bezug habenden Dokumente mitteilen, jeden Teil tiber den Gegenstand der Untersuchung zweckmaBig und in gehoriger Ordnung verhandeln lassen, die notigen Aktenstlicke und Urkunden abfordern, sofern diese nicht schon bei Gericht erliegen, Zeugen und Sachverstandige vernehmen, auf solche Art die entscheidenden Tatumstande vollstandig aufklaren, dabei die fUr die Ehetrennung angeflihrten Gri.inde zwar in ihr volles Licht setzen, aber auch streng prlifen und eine giltige Ehe gegen jede willklirliche Anfechtung von amtswegen in Schutz nehmen; liberhaupt die Verhandlung so leiten, daB ohne RLicksicht auf das Gestandnis der Parteien die Grlinde, auf welchen die Entscheidung beruhen soli, klar erwiesen und auBer Zweifel gesetzt werden. Bei Vernehmung der Zeugen und Sachverstandigen mlissen die allgemeinen Vorschriften der Gerichtsordnung, insofern sie auf die Beweiskraft der Aussagen wesentlichen Einflul) haben, genau beobachtet werden. Die Fragen, welche an die Zeugen gerichtet werden sollen, hat der Richter selbst zu entwerfen, jedoch dabei auch die allenfalls von den Parteien gemachten Bemerkungen zu benlitzen. Er kann, nach Erfordernis der Umstande, auch fremder Gerichtsbarkeit Unterworfene vernehmen lassen und sich zu solchem Ende an ihren ordentlichen Richter wenden, damit sie zum Verhore vorgeladen werden. Wenn der klagende Ehegatte der gerichtlichen Vorladung nicht Folge ieistet, so soli er durch schickliche Zwangsmittcl zu erscheinen genotigt und nur wenn dies nicht tunlich ware, nach vorausgegangener Warnung vor den Folgen seines Ungehorsams, gcgcn ihn erkanni werden. Wenn der KHiger angibt, dal3 dcr Geklagte seinen Wohnort im Auslande habe, oder dal) ihm dessen Wohnort uicht bekannt sei und auch das Gericht des Geklagten hievon keine Kenntnis hat, so soli zur Vertretung des Geklagten auf seine Gefahr und Unkosten ein Kurator bestellt und dieses ihm durch ein offentliches Edikt in den Blattern zu dem Zwecke kundgemacht werden, damit er dem besteliten Vertreter seine Behelfe mitteile oder dem Gerichte einen anderen Sachwalter namltaft mache. Wenn librigens der Klager tiberwiesen werden kann, dai3 er geflissentlich den Wohnort des Geklagten verschwiegen habe, so ist das ganze Verfahren nichtig und er verpflichtet, die Kosten, die das Edikt und die Bestellung des Kurators veranlaBt hat, zu zahlen und ist liberdies zu einer verha.ltnismaBigen Strafe zu verurteilen. Nach geschlossenem Verfahren muB durch Urteil entschieden werden; fallt dasselbe flir die

148. a) Die kirchlich en Delikte.

489

Giltigkeit und gegen die Trennung der Ehe aus, so finden dagegen die im allgemeinen zuHissigen Rechtsmittel und Beschwerden statt; lautet das Urteil aber auf die Trennung der Ehe, so muB der aufgestellte Verteidiger derselben ohne weiters die Appellation anmelden und nach dem Wechsel der Appellationsschriften die Akten-Einsendung an die hOhere Behorde verlangen. Wen die Ehe in letzter Instanz ftir getrennt erkHi.rt wird, so soli dieser Umstand in dem Trauungsbuche an der Stelle, wo die Trauung eingetragen ist, angemerkt, und zu diesem Ende von dem betreffenden Gerichte die Aufforderung an jene Behorde, welche fUr die Richtigkeit des Trauungsbuches zu sorgen hat, erlassen werden.
4) Das kirchliche Strafrecht.

. 148.
a) Die kirchlichen Delikte.

lm Kirchenrechte versteht man unter einem kirchlichen Delikt die Verletzung eines bestehenden kirchlichen Gesetzes durch auBere Handlungen oder Unterlassungen. Nach der Verschiedenheit der Pflichten der Mitglieder der Kirche werden die Delikte der Geistlichen von jenen unterschieden, welche den Laien zur Last fallen konnen. Die Delikte der Geistlichen konnen entweder auf die ihnen in der Kirche obliegenden besonderen Dienste oder auf die jeden Christen im allgemeinen bindenden Pflichten Bezug haben. In der einen und in der andern Richtung hat die kirchliche Gewalt die Gerichtsbarkeit auszutiben. Insofern aber einzelne dieser Delikte in die allgemeine soziale Ordnung eingreifen, ist auch die weltliche Gewalt berechtigt, Uber dieselben zu erkennen. Die kirchlichen Delikte der Laien betrachtet die Kirche als Stinden im geistlichen Sinne, welche vor das forum internum derselben gehoren und daher auBerhalb des Gebietes des Kirchenrechts liegen. Doch gibt es gewisse Delikte, auf Grund welcher die Laien auch vor das forum externum der Kirche gehoren. Dies sind die Delikte, welche die Grundlage und die Verfassung der Kirche bertihren. Die von der Kirche tiber solche Delikte gefallten Urteile haben rechtliche Wirksamkeit. Die weltliche Gewalt konstatiert lediglich in solchen Fallen das begangene Delikt und bestraft dasselbe nach dem Gesetze.

. 149.

a) Die allgemeinen kirchlichen Delikte. 1) Die Apostasie (&.1eoataata) ist die Lossagung vom christlichen
Glauben und die Annahme eines anderen, nichtchristlichen Religions3P

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

bekenntnisses. Die Apostasie kann entweder eine vorsatzliche oder eine erzwungene sein. Im ersteren Falle wird der dem Laienstande angehorende Apostat zeitlebens, im letzteren Falle auf 12 Jahre von der Kommunion ausgeschlossen 1, wahrend den Kleriker im ersteren Faile die Absetzung trifft, im letzteren er bei Bekundung tiefer Reue den Namen und die Wi.irde des Geistlichen behalt, jedoch fi.ir immer zur Verwaltung der heiligen Handlungen inhabil wird z. 2) Die Hiiresie, ( aXpscrt<;) ist die absichtliche und hartnackige Verwerfung eines von der Kirche festgesetzten Dogmas oder das Festhalten an einer irrigen, von der Kirche verworfenen dogmatischen Ansicht 3. Di kirchliche Strafe hiefiir ist das Anathem 4. 3) Das Schisma (oxtcrtJ.a) ist entweder ein Olaubens- oder kirchliches Schisma. Das erstere ist die Trennung von der Kirche wegen verschiedener Auffassung gewisser minder wichtiger Gegenstande der kirchlichen Lehre oder bestimmter, Ieicht auszugleichender Fragen s. Das letztere ist die Verweigerung des Gehorsams der gesetzlichen kirchlichen Obrigkeit 6, Die Kanones bestimmen die Strafe fi.ir das Schisma der ersten Art nach dem MaBe der Abweichung von der festgesetzten kirchlichen Lehre; filr das Schism a der zweiten Art bestimmen die Kanones fiir Kleriker die Absetzung und fur Laien die Exkommunikation 7. 4) Die Simonie (~ttJ.mVo<; atpsot<;). Dieses besonders schwere Delikt besteht in dem Handel mit der geistlichen Gnade. Der Name
1 Basilius d. Gr. 73. Kan.; Gregori us von Nyssa. 2. Kan. und Nomok. X111, 20 (Ath. Synt. I, 321). Die diesbeziiglichen Gesctze der griech.-rom. Kaiser siehe in dem Syntagma des Blastares. A, 1 (Ath. Synt. VI, 57). 2 62. Kan. Apost.; Anc. 1. 2. Kan.; Petrus von Alex. 10. Kan. Die beziiglichen Gesetze der griech .-rom. Kaiser, siehe im Nomok. IX, 25 (Ath. Synt. I, 188. u. ff.). 3 Basilius d. Gr. 1. Kan.; II. allgem. Konz. 6. Kan . Zonaras ruft in seinem Kommentar zu diesem letzteren Kanon den Haretikern zu: m:ivtw; tooc; 7C!Xpa t~Y

. 149.

opiMoo~o'l 7Ct!JtLV oo~ciCovtac;, xav 7CrlA?:t a7CE'l'-'Yjp6x{hj!JIXV 1 xav 7epoa~citroc;, xlJ.y 1t!:XAato:Ec; a~pscrsm 'l.otvrovoom, 'l.lJ.v vb.tc; (Ath. Synt. II, 182). Vergl. Kommentar des Zonaras zum 14. Kanon des IV. allgem. Konzils (lb . II, 252). Siehe den 12. Titel des Nomokanon (Ath. Synt. I, 261-274), sowie die Gesetze der griechiscll-romischen Kaiser in dem Syntagma des Blastares. A, 2 (lb. VI, 74-75). Siehe auch die Entscheidungen der Patriarchai-Synoden von Konstantinopel vom 25. November 1701, 18. September 1836 und 20. Oktober 1869 bei r E 0 E wv, ~tatci~Etc; I, 80 xt),, 391-392. II, 248-280.

Basilius d. Gr. 1. Kan. 31. Kan. Apost.; Gangra 6. Kan.; Antioch. 5. Kan.; Karth. 10. 11. Kan.; I. II. Synode. 13. 14. 15. Kan . Vergl. Syntagma des Blastares. ~. 12 (Ath. Synt. VI, 450-454). 1 Siehe die in der vorigen Anmerkung erwahnten Kanones.
6

. 149. a) Die allgemeinen kirchlichen Delikte.

491

rlihrt von jenem Simeon her, welcher den Aposteln behufs Erlangung der geistlichen Gewalt Geld an bot s. Als der Simonie schuldig erscheint nicht nur derjenige, welcher des Gewinnes wegen die Cheirotonie verleiht oder jemanden zu hierarchischen Graden befordert, sondern auch der, welcher auf solche Weise die Cheirotonie empfangt, sowie jener, welcher hiebei als Vermittler auftritt9. Unter Simonie ist nicht allein die Hingabe oder Entgegennahme von Geld oder anderen Geschenken zum Zwecke der Erlangung, beziehungsweise Zuwendung eines geistlichen Amtes zu verstehen, sondern dieses Delikt liegt auch dann vor: a) wenn die Cheirotonie oder eine Beforderung als Lohn fiir personliche Dienstleistungen vorgenommen wird 10, b) wenn dies aus verwandtschaftlichen (Nepotismus) oder freundschaftlichen Rlicksichten erfolgt n, c) wenn einflu.Breiche Person en zu gesetzwidriger Erlangung kirchlicher Warden miBbraucht werden 12, sowie d) wenn verschiedene Mittel in Anwendung gebracht werden, urn Stimmen flir die Wahl zu einem kirchlichen Amte zu erhalten 13. Das Objekt des Deliktes der Simonie bildet: a) die Verleihung oder Annahme der Wlirde eines Bischofs, Presbyters oder Diakons flir eine Gegenleistung 14, b) also auf gleiche Weise erfolgende Annahme oder Verleihung eines Amtes in der hierarchia jurisdictionis 15, c) die
8 Apostelgesch. 8, 18-19. Siehe die genaue kanonische Lehre iiber dieses Delikt und iiber die Schwere desselben in den kanonischen Sendschreiben des Oennadius von Konstantinopel vom jahre 459 und des Tarasius von Konstantinopel urn das jahr 788 (,Pravila". II, 485-496). Zonaras reiht in seinem Kommentar zum 6. Kanon des II. all gem. Konzils unter die schwersten Delikte: 1) s1tt 06ae:t XP'tJ(llitoo'l xstpotr;l'll'.Y. (Ath. Synt. II, 182). Zur Zeit des Tertullianus (II. Jahrh.) wurde die diesflillige Bestirnmung der heiligen Schrift bereits als Norm angesehen, wofiir Tertullianus selbst das Zeugnis liefert: ,Praesident probati qui que seniores, honorem istum non pretia, sed testimonio adepti; neque enim pretia ul/a res Dei constat (Apol. c. 39). Theodoretus (lib. I. c. 4) nennt die Sirnonie xptotep.7topst'X. (impia ex Christo nundinatio). Vergl. auch Thomassin, Vetus et nova eccles. disciplina. P. III. lib. I. c. 49 sq. 9 IV. allgem. Konz. 2. Kan. und Nomok. l, 24 (Ath. Synt. I, 61). 10 Oregorius d. Or. 4. u. 17. Homilie zu den Evangelien; vergl. auch das Sendschreiben des Tarasius (,Pravila" II, 489-496). 11 Oregorius d. Or. 26. Sendschreiben (V. Buch), 110. Sendschreiben (VII Buch). Vergl. Thomassin. III. I. 49, u. 13. 12 30. Kan. Apost. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanan (erwlihntes Werk. I, 172). 13 Sard. 2. Kan.; Thomassin, Ill. I, 56. u 29. Kan. Apost.; 22. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 4. Kan. und Kommentar des Archim. johann zum 29. Kan. Apost. (I, 171). 15 IV. allgerneines Konzil, 2. Kanan, und mein Kommentar zu diesem Kan on (,Pravila" I, 329).

492

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

entgeltliche Ausspendung der Kommunion oder anderer Heilsmittel 16, d) der Mi6brauch der Jurisdiktions- und der Strafgewalt eines niederen Vorteiles wegen, sowie die Fallung eines ungerechten Urteiles oder die Verhlingung einer unverdienten Strafe eines Gewinnes willen oder aus Leidenschaft 17. Mit Riicksicht auf die Schwere dieses Deliktes ist es jedermann gestattet, Klagen gegen Simonisten zu erheben, wobei auch jeder Zeuge angehort und dessen Aussage berilcksichtigt wird, mit Ausnahme des Falles, wenn der Nachweis erbracht wird, da6 es sich urn eine absichtliche Verleumdung handelt ts. Die Kirche verhlingt auch fUr dieses Delikt, welches das ganze Gebaude des kirchlichen Organismus zum Wanken bringt, die scharfsten Strafen. Jeder Bischof, welcher der Simonie, wie immer diese geartet sein mag, Uberwiesen wird, wird abgesetzt; derjenige, welcher auf eine der oberwahnten Arten die Cheirotonie oder eine Wiirde erlangt hat, verfallt dcm Anathem, nachdem er des gesetzwidrig erlangten Amtes entsetzt wurde. Die Vermittler werden, wenn sie Kleriker sind, abgesetzt; gehoren sie dem Laienstande an, so verfallen sie dem Anathem 19

16 23. Trull. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (II. 382-383). 17 VII. allgem. Konz. 4. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (II, 519-522). 18 Siebe 137. Nov . justinians, und vergl. Thomassin, cap. cit. 19 "Der Bischof, welcher die Cheirotonie gegen Bczahlung vornimmt, eine unverliuBerliche Gnade kliuflich macht und urn Geld einen Bischof, Landbischof, Presbyter, Diakon oder einen anderen Angehorigen des Klerus weiht, oder aus niederer Habsucht einen Okonomen, Kirchenanwalt, Paramonarios oder sonst einen Kirchendiener ernennt, und er dessen iiberwiesen wird, soil seines Amtes entsetzt werden; derjenige, welcher auf diesem W ege geweiht wurde, soli keinen Vorteil von der erkauften Cheirotonie oder Anstellung genieBen, sondern so angesehen werden, als ob cr die mittels Geld erkaufte Wiirde nicht bekleide. Der Vermittler bei diesen unlauteren und ungesetzlichen Hii.ndeln soli, wenn er Kleriker ist, abgesetzt werden ; gehort er aber dem Laien- oder Monchsstande an, dem Anathem verfallen" . IV. allgem. Konzil 2. Kanon. Der 29. Kan . Apost. bestimmt fiir den Geistlichen, welcher sich der Simonie schuldig gemacht hat, die Absetzung und die AusschlieBung aus der Kirche, also eine zweijache Strafe. Zonaras, mit Riicksicht auf die Bestimmung des 25. Kan. Apost., daB die Verhangung zweier Strafen fiir ein Delikt nicht notwendig sei, bemerkt daB der 29. apost. Kanon flir die Simonie eine doppelte Strafe vorschreibe, ot&. tf;v t~~ 1W.%t!X; >nr:sp~r;J.:fjv, Ml t~V tOW &f1CXPt1Jf.l.citwv ~ap(>t1JtCX [wegen des iibergroBen Obels und der Schwere der Siinden] (Ath. Synt. II, 37). Siehe YEVt(f.Ap.-x 1tp6c; xstpotOV06f.I.SVOV (J.Tjtp01t0Att"t]Y 11/Xt &pxts1tlO'X.01tOY (Ath. Synt. V, 547) und die Rundschreiben der Synode von Athen vom 1I. juli 1853 und September 1854 fiber die Pflichten der Bischofe (Xptato1to6Aou Iuf.J...orfl, osf.. 161. 179). Vergl. Pkt. 4 des gegenwlirtigen bischOflichen Eides. Die Normen der griech.-rom. Gesetzgebung tiber die Simonie siehe im Nomok. I, 24 (Ath. Synt. I, 61-63).

493

. 150.
~) Die Delikte der Geistlichen.

Die Delikte der Oeistlichen beziehen sich entweder auf ihre besonderen dienstlichen Obliegenheiten in der Kirche oder auf die allgemeinen, jeden Christen bindenden Pflichten. I. Als Delikte, welche die besonderen kirchlichen Dienstleistungen betreffen, werden in den Kirchenrechtsquellen folgende angefiihrt: 1) Die einem Bischof, Presbyter oder Diakon zum zweitenmale fUr die namliche Weihestufe erteile Cheirotonie 1 ; 2) die eigenmachtige Verwaltung der heiligen Handlungen durch einen auf gesetzlichen Wege eines Deliktes wegen abgesetzten Oeistlichen 2; 3) die eigenmachtige Erteilung der Cheirotonie seitens eines Bischofs in einer fremden Eparchie ohne Zustimmung des betreffenden Eparchial-Bischofs s; 4) die Abhaltung des Oottesdienstes in einem Privat-Oratorium durch einen Oeistlichen ohne Wissen und Zustimmung des Eparchial-Bischofs ; 5) das eigenmachtige Verlassen des Dienstplatzes und die Annahme eines anderen seitens eines Bischofs, Presbyters oder Diakons ohne Wissen und Zustimmung der kompetenten KirchenbehOrde 5; 6) das Verlassen der Eparchie seitens des Eparchial-Bischofs und der Iangere Aufenhalt desselben auBerhalb seines Oebietes H; 7) die AuBerachtlassung des vorgeschriebenen Ritus durch einen Bischof oder Presbyter bei der Verwaltung der heiligen Handlungen 7; 8) die Vernachlassigung des anvertrauten Volkes seitens eines Bischofs oder Presbyters und die Nichterfiillung der Pflichten des Lehramtes in der Kirche 8 ; 9) die Verletzung des Beichtgeheimnisses \J; 10) die Vergeudung des Kirchen62. Kan. Apost.; Karth. 48. Kan. und Kommentar des Archim. johann zum 62. Kan. Apost. (I, 216-217). 2 28. Kan. Apost.; II. allgem. Konz. 6. Kan.; Ant. 4. Kan. 3 35. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 15. Kan. ; II. allgem. Konz. 2. Kan.; Ill. allgem. Konz. 8. Kan.; IV. allgem. Konz. 5. Kan.; Anc. 13. Kan.; Antioch. 13. 22. Kan.; Sard. 3. Kan.; Karth. 48. Kan. 4 31. 59. Trull. Kan.; VII. allgem. 10. Kan.; I. II. Synod e. 12. Kan. & 14. 15. 16. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 15. 16. Kan.; IV. allg. Konz. 5. 12. 20. Kan.; 17. 18, 20. Trull. Kan.; Ant. 3. 21. Kan.; Sard. 1. 2. Kan.; Karth. 54. Kan.; Nomok. I, 26 (Ath. Synt. I, 63-65). 6 Ant. 17. Kan.; Sard. 12. Kan.; Karth. 71. Kan.; I. II. Synode. 16. Kan. 7 I. allgem. Konz. 20. Kan.; 28. 32. 81. Trull. Kan.; Karth. 103. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesen Kanones. Vergl. auch den Kommentar des Zonaras zum 6. Kanon des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 578). 8 58. Kan. Apost.; 19. Trull. Kan. Vergl. 108, I, und . 125, II. dieses Buches. Karth. 132. Kan.; Basilius d. Gr. 34. Kan.; 120. Kan. des Nomokanon in groBem Euchologion; 109. Art. des Buches fiber die Pflichten der Pfarrer; Kan. 28. (al. 19) des Patriarchen Nicephorus (Ath. Synt. IV, 429).
. 150.
1

494

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

vermogens oder die Beniltzung desselben zu eigenen Zwecken 1o; 11) das Befassen mit Geschaften, welche nicht unmittelbar mit dem geistlichen Dienste im Zusammenhang stehen, und die Vernachlassigung der eigenen Pflichten u; 12) die Vernachlassigung der Kleidung, so daB dieselbe nicht mehr dem geistlichen Charakter entspricht 12 Die Strafen fiir die eben angefUhrten Delikte sind in denselben Kirchenrechtsquellen enthalten, welche von diesen Delikten selbst handeln. Bei der Verhangung dieser Strafen wird von der Kirchengewalt immer auf jene kanonischen Vorschriften Rilcksicht genommen, welche beztiglich der Strafverhangung im allgemeinen bestehen (. 154). Hinsichtlich der ilbrigen dienstlichen Vergehen und Obertretungen der Geistlichen entscheidet die Kirchcngewalt immer mit Rticksicht auf deren Zusammenhang mit den oben angefilhrten Delikten und nach MaBgabe der Schadigung der kirchlichen Ordnung und des Ansehens des geistlichen Standes. II. Ober die meisten von einem Geistlichen begangenen, die allgemeinen Pflichten im sozialen Leben betreffenden Delikte, entscheiden dermalen die weltlichen Gerichte, welche auch die betreffenden Strafen festsetzen. Da aber der Kirche die unmittelbare Jurisdiktion tiber die Geistlichen zusteht, gehoren solche Delikte auch vor das forum externum der Kirche, welche berechtigt ist, dieselben zu untersuchen, sowie nach dem Grade und dem Wesen des Deliktes, die Strafe der Absetzung, der Suspension oder andere Strafen zu verhangen. Von den Delikten dieser Art sollen die wichtigsten erwahnt werden: 1) der Hochverrat (xu.&oo(mott;) 13; 2) die Verschworung ( ooYm!J.oo(u., cpa:cpEu.) gegen die gesetzliche Obrigkeit 14; 3) der Eidbruch ( E'7ttopx(a.) 15 ; 4) das Sakrilegium (tspoc:mH?.), namlich der MiBbrauch der

10 38. Kan. Apost. ; Anc. 15. Kan . ; Ant. 25 Kan.; Karth. 26. 33. Kan.; Nomok. X, 2. 4 (Ath. Synt. I, 238. 239). 11 6. 20. 81. 83. Kan. Apost.; IV. allgem. Konz. 3. Kan.; VII. allg. Konz. 10. Kan.; I. II. Synode 11. Kan. 12 27. 62. 96. Trull. Kan.; VII. all gem. Konz. 16. Kan. Riicksichtlich des Tragens des Bartes und des Haupthaares bestimmt der 44. Kan . der Statuta eccl. antiqua: ,Ciericus nee comam nutriat, nee barbam radat" (Harduini. l, 982. adnot. in h. c.). 13 83. Kan. Apost. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (1, 234). Nomok. IX, 36 (Ath. Synt. I, 227-229).
14 IV. allgem. Konz. 18. Kan.; 34. Trull. Kan.; Karth. 53. Kan.; Nomok. IX, 37 (Ath. Synt. I, 229-230); Blastares, Synt. ~~ 11 (lb. VI, 449-450) ; Krmcija. Kap. 49, Tit. 16, 3 (erwiihnte Ausgabe. II, 192). 15 25. Kan. Apost.; Basilius d. Gr. 10. 17. 29. 64. 82. Kan.; Nomok. XIII, 18 (Ath. Synt. I, 314-320}; Blastares. E, 32 (Ibid. VI, 288-293).

150.

~)

Die Delikte der Geistlichen.

495

gottgeweihten Sachen t6; 5) die Blasphemie (~A(lO~'f}tJ.ta) I7; 6) die Verleumdung und unbegriindete Beschuldigung unehrenhafter Handlungen (OO'XO~avda, o~pt~, Aotaop(a) 18 ; 7) der Diebstahl ('XACi'lriJ) 19 ; 8) der Wucher(to'Xt0!-16~)2; 9) der Todschlag (~6VC1~) 21 ; 10) die Schlligerei (t6~t~) 22 ; 11) der Ehebruch (tJ.Inxsf.a) 23 ; 12) die Unzucht ( 'ltCip vsf.a) 24 ; 13) die Trunksucht (tJ.5&-IJ) 25 ; 14) das Spiel ('Xo@si:a) 26 ; 15) der Betrieb des Wirtsgeschaftes ('Xat'f}As6stv) 27 ; 16) der Besuch offentlicher Belustigungsorte 2s. Diese Delikte fiihren bei hartnackigem Verharren in denselben die Absetzung nach sich. Die Strafen fiir die iibrigen Delikte bestimmt die Kirche nach MaBgabe der durch dieselben bewirkten Verletzung des AmtsAnsehens und des erregten Argernisses. Die Entscheidung iiber die Schwere eines von einem Oeistlichen begangenen, namentlich den kirchlichen Dienst betreffenden Deliktes obliegt jenem Oerichte, welchem der Betreffende gemaB seiner Stellung in der Kirche untergeordnet ist. Die bestehenden richterlichen Instanzen wurden bereits besprochen (. 145). Gegen die Urteile der ersten
16 72. 73. Kan. Apost.; IV. allgem. Konz. 24. Kan.; 49. 97. Trull. Kan.; VII. allgem. Konz. 13. Kan.; I. II. Synode. 1. 10. Kan.; Cyrillus v. Alex. 2. Kan.; Nomok. II, 2 (Ath. Synt. I, 108-113); Blastares. I, 1 (lb. VI, 306-308). 17 Nomok. I, 1. V, I (Ath. Synt. I, 35. 131); 137. Nov. justin. c. 1. 18 55. 56. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 6. Kan.; IV. allgem. Konz. 21. Kan.; Karth. 8. 19. 128. Kan.; Basilius d. Gr. 89. Kan.; Theophilus v. Alex. 14. Kan.; Basilicor. LX. I, 10.; Blas.tares T, l (Ath. Synt. VI, 481). 19 25. Kan. Apost.; Basilius d. Gr. 61. Kan.; Gregorius v. Nyssa 6. Kan.; Gregori us d. Theol. 11. Kan. ; Nomokanon ll, 2 (Ath. Synt, I, 111); Blastares. K, 23 (Ibid. VI, 332-334). '" 44. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 17. Kan. ; 10. Trull. Kan.; Lao d. 4. Kan. ; Karth. 21. Kan.; Gregorius v. Nyssa. 6. Kan.; Blastares. D, 11. T, 7 (Ath. Synt, VI, 430. 473-476). 21 65. Kan. Apost.; I. allgem. Konz. 11. Kan.; Basilius d. Gr. 7. 8. 11. Kan. ; Gregori us v. Nyssa. 5. Kan.; Btastares. <I) 1 5 (Ath. Synt. VI. 485). 22 27. 65. Kan. Apost.; I. II. Synode. 9. Kan.; Basilius d. Gr. 55. Kan. Vergl. Kommentar Balsamons zum 27. Kan. Apost. (Ath. Synt. II, 35). 23 48. 61. Kan. Apost.; 87. 98. Trull. Kan.; Anc. 20. Kan.; Neoc. 8. Kan. ; Karth. 102. Kan.; Basilius d. Gr. 5. 18. 58. 77. Kan.; Gregorius v. Nyssa. 4. Kan.; Nomok. Xlll, 5 (Ath. Synt. I, 301-309); Blastares. M. 14 (lb. VI, 374-379). 2 ' 25. 61. Kan. Apost.; Neoc. 1. Kan.; Basilius d. Gr. 3. 22. 29. 32. 38. 59. 70. Kan.; Gregorius v. Nyssa. 4. Kan.; Nomok. Xlll, 5 (Ath. Synt. I, 301-309); Blastares. 11, 15 (lb. VI, 433-436). as 42. 43. Kan. Apost.; Laod. 55. Kan.; Karth. 60. Kan.; Blastares, Synt. K, 35 (Ath. Synt. VI, 345-346). 20 42. 43. Kan. Apost. ; 50. Trull. Kan. ; Blastares. I. c. 21 9. Trull. Kan. und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 327). 28 54. Ap. Kan.; 24. Trull. Kan.; Laod. 24. 25. Kan.; Karth. 40. Kan.; Nomok. IX,35. Blastares. K, 7, (Ath. Synt. I, 226-227. VI, 317-318).

496

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Instanz kann der Rekurs an die hOhere Instanz ergriffen werden; die Urteile, nach welchen ein Geistlicher fUr immer von der Verwaltung der heiligen Handlungen ausgeschlossen, abgesetzt oder aus dem geistlichen Stande verstoBen wird, konnen erst dann in Vollzug gesetzt werden, wenn sie von der obersten Gerichts-lnstanz gepriift und bestatigt sind. Die Kirche raumt dem Staatsoberhaupte, als dem obersten Schirmer der Kirche und Hiiter der kirchlichen Satzungen (supremo ecclesiae tutori et canonum custodi) das Begnadigungsrecht ein, wenn die oberste KirchenbehOrde den Verurteilten als der Begnadigung wiirdig bezeichnet (. 154a). . 151.

b) Die kirchlichen Strafmittel.


Da in der Kirche eine selbstandige legislative Gewalt besteht, welcher die Aufgabe zufallt, die rechtlichen Beziehungen der Kirche zu wahren, muB notwendig im Zusammenhange damit auch eine Strafgewalt in der Kirche bestehen, welche berufen ist, jede die erwahnten Beziehungen verletzende und die Erreichung des kirchlichen Zweckes auf Erden hindernde Handlung zu ahnden. Die eine Gewalt ist ohne die andere undenkbar, denn ein der auBeren Sanktion entbehrendes Gesetz ist ein bloBes Wort. jedes Mitglied der Kirche, welches in ihrer Gemeinschaft zu verbleiben wiinscht, mu13 sich bedingungslos ihren Gesetzen unterordnen und wird im Weigerungsfalle hiezu gezwungen 1. Die Macht der Kirche, jene zu strafen, welche sich gegen ihre Gesetze auflehnen, beruht, wie das Recht der jurisdiktion derselben, auf gottlichem Rechte. Das Strafrecht der Kirche denjenigen gegeniiber, welche ihre Normen verlezen, ist in jener Stelle der heiligen Schrift begrlindet, welche beziiglich der kirchlichen Gerichtsbarkeit angefilhrt wurde. Dieselbe Stelle erklart auch, worin das Wesen der Kirchenstrafen besteht 2. Als der Stifter der Kirche der Strafmittel gedachte, welche anzuwenden sind, urn denjenigen, welcher sich eines Deliktes schuldig
Siebe das iiber die zwingende Gewalt der kirchlich-juristischen Gesetze, sowie iiber den Unterschied dieser Gesetze von jenen der Moral auf S. 5-6 dieses Buches Angefiihrte. Vergl. A. Pjlimin, Die Erzwingbarkeit des Rechtes (Archiv fiir kath. Kirchenrecht. LXXXIV, 1-21) und die Gegenmeinung Rud. Sohm, Kirchenrecht (Leipzig, 1892) I, 2 ff. Siehe iiber Sohm's Kirchenrecht im Archiv fiir kath. Kirchenrecht LXVIll, 445-461 und LXIX, 253-268. 2 Matth. 18, 15-17; I Kor. 5, 3-5; I. Tim. 1, 20. Vergl. hieriiber die im . 146. Anm. 1. erwahnten Werke und iiberdies Archim. johann, Die Suspension und Absolution (Prav. Sobesjedn. Ill, 367 u. ff.); lv. Milowanow, Ober kirchliche Delikte und Strafen. S. Petersb. 1888. N. Suworow, Ober die Kirchenstrafen. S. Petersb. 1876., von demselben: Umfang der Disziplinar-Gerichtsbarkeit und jurisdiktion der Kirche zur Zeit der allgemeinen Konzilien. jaroslav, 1884. Ed. Katz, Ein GrundriB des kanon. Strafrechts. Berlin, 1881. ]. Hollweck, Die kirchlichen Strafgesetze. Mainz, 1899.
. 151.
1

151. b) Die kirchlichen Strafmittel.

497

gemacht hat, zu bessern, fugte er hinzu, daB derselbe im Falle der Widerspenstigkeit aus der Kirchengemeinschaft ausgeschieden und der Kirche gegeniiber als Fremdling angesehen werden soli. In der AusschlieBung a us der Kirchengemeinschaft ( &xotvroV"f)<Jta., . excommunicatio) liegt die schwerste Strafe, die das kirchliche Gericht tiber jene verhangen kann, welche die Gesetze der Kirche verletzen. Unter dem Ausdrucke Gemeinschajt ('ltotvcovta., communio) versteht man den lubegriff aller jener Rechte, deren der Mensch durch den Eintritt in die Kirche teilhaftig wird, insbesondere die Heilsmittel der Kirche, worunter die heilige Eucharistic den hOchsten Platz einnimmt, zu empfangen. Diese Rechte stehen jedem Mitgliede der Kirche ohne Rticksicht auf die von jedern einzelnen in derselben eingenommene Stellung zu, sobald dasselbe den kirchlichen Gesetzen Genilge leistet. Die diese Rechte in sich schlieBende Gemeinschaft wird daher die Gemeinschaft der Laien (xowrovta tow ),atx<iw, communio laica) genannt. Neben den Laien zahlt die Kirche auch Geistliche zu ihren Mitgliedern, welche die Heilsmittel verabreichen und zufolge ihres erhabenen Dienstes, sowie ihrer bevorzugten Stellung in der Kirche, neben den Rechten aller anderen Mitglieder auch gewisse besondere Rechte genieBen. Die Gesamtheit der den Geistlichen zufallenden Rechte wird die geistliche Gemeinschaft (xotvcovta E'it'itA"f)crtiJ.attx'lj, communio clericalis) genannt 3 Diese Rechte weisen sowohl in der einen als auch in der anderen Gemeinschaft verschiedene Abstufungen auf; einige derselben nehmen eine hervorragende, andere wieder eine untergeordnete Stellung ein. Im Zusammenhange hiemit steht der durch die Verletzung bestehender Gesetze begrlindete Verlust der dem einzelnen zukommenden Rechte, nach einer bestimmten Stufenfolge ; je groBer die Gesetzesverletzung, umso groBer der Rechtsverlust, einer umso harteren Strafe unterliegt der Betreffende, und umgekehrt. Da nun das Wesen jeder Kirchenstrate, mag diese einen Laien oder einen AngehOrigen des Klerus betreffen, in der AusschlieBung aus der Gemeinschaft besteht, so wird auch das AusmaB der Strafe als ein groBeres oder geringeres erscheinen, je nach dem groBeren oder geringeren Grade der AusschlieBung des Bestraften aus dieser Gemeinschaft. Zufolge der verschiedenen Stellung, welche die Laien und der Klerus in der Kirche einnehmen (. 52), ist auch die Bestrafung filr Personen des Laien- und des geistlichen Standes eine verschiedene. Die schwerste Strafe filr Geistliche ist die Verstoftung aus dem geistlichen Stande (Absetzung), und fUr Laien die Exkommunikation. Der
3 ,Communionis unum est nomen, sed diversi sunt actus. Aliud est communicare episcopum cum episcopo et aliud communicare /aicum cum episcopo". Optat. Mi/ev., De schismate Donati. lib. VII. c. b.

IIJl!, Orehenrtehl,

32

498

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

letzteren Strafe kann der Geistliche als solcher nicht unterliegen. 1st er aber infolge der Absetzung in die Reihen der Laien getreten und hat er hier ein mit der Exkommunikation bedrohtes Delikt begangen, fiir welches er als Geistlicher mit dcr Absetzung bestraft wiirde, so kann diese fiir Laien bestehende schwerste Strafe tiber ihn verhangt werden. Die Grundlage hieflir bietet der 25. Kanon Apostolorum, woselbst die Stelle aus der heiligen Schrift angefiihrt wird: ,Du sollst nicht zweimal dassel be bestrafen". Basilius der GroBe bringt dies en Gedanken in seinem 3. Kanon zum Ausdrucke, wo es bei der Bestimmung, daB ein Diakon, welcher das Gesetz verletzt, abgesetzt werden soli, heiBt: , Wenn er aber in den Laienstand versetzt wird, so soli er nicht auch exkommuniziert werden (ti;~ xotvmv[o..~ oox s~pz&!Jcrsto.t), wei! ein alter Kanon besteht, daB diejenigen, welche von ihrem hierarchischen Grade abgesetzt werden, nur dieser einen Strafe unterworfen sein sollen, indem die Alten, wie ich meine, dem Gesetze folgten: du sollst nicht zweimal dassel be bestrafen; und wegen des weiteren Grundes, wei! namlich diejenigen, welche aus dem Stande der Glaubigen ausgewiesen sind, spater wieder auf ihren friiheren Platz, von welchem sie entfernt wurden, aufgenommen werden, der Diakon aber einmal fiir immer der Strafe der dauernden Absetzung unterworfen bleibt; daher beschrankten sie sich auf diese eine Strafe, da ihm der Diakonat nie wieder verliehen wird. So ist es nach den Satzungen (to.0to. p.E:v oov ta 8x t(OV

t6'ltmV)".
Die Strafe (ttfW>pto..) hat im Kirchenrechte ihre besondere, durch die Aufgabe der Kirche selbst (. 1) bedingte Bedeutung. Der Hauptzweck jeder Kirchenstrafe geht dahin, die auf Abwege geratenen Mitglieder der Kirche wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Durch die Anwendung von Zwangsmitteln gegen ein Mitglied, welches ein Gesetz der Kirche verletzt hat, sucht diese dasselbe zur Besserung zu bewegen, urn ihm die Wiedererlangung des verlorenen Gutes, welches nur in der Gemeinschaft mit der Kirche gefunden werden kann, zu ermoglichen. Nur im auBersten Faile wird ein solches Mitglied ganzlich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Strenge der Mittel, welche diesfalls von der Kirche zur Anwendung gebracht werden, richtet sich darnach, ob das Wohl und das Ansehen der Gesamtkirche am Spiele ist; denn wie in jeder Gesellschaft, wiirde auch in der Kirche die Nichtbestrafung der Delikte einzelner Mitglieder, sowie die Nichtbewahrung der Macht der Gesetze, auch andere Mitglieder der Kirche zu Delikten verleiten und der Ausdehnung des Obels freien Spielraum lassen. Zudem wiirde die Ordnung in der Kirche gestort und selbst das Leben der Kirche gefahrdet, wenn diese nicht das Recht besaBe, schadliche Mitglieder aus ihrer Mitte auszuscheiden und somit den iiblen EinfluB von den guten und gehorsamen Mitgliedern abzuwenden.

. 151. b) Die kirchlichen Strafmittel.

499

Viele kirchliche Vorschriften liefern ein deutliches Zeugnis dafiir, daB die Kirche von diesem Gedanken vollkommen erfiillt war und eifrig dafi.ir Sorge trug, daB nicht nur den Betreffenden die Mittel zur Besserung an die Hand gegcben werden, sondern daB auch dem etwaigen weiteren Umsichgrcifen des gesetzwidrigen Verhaltens Einhalt getan und das Gesamtwohl der Kirche gewahrt werde. Die kirchlichen Gesetze halten aber auch an dem Orundsatze fest, daB beim Verhangen von Strafen fi.ir verschiedene Delikte das Ansehen der Kirche stets im Auge behalten werden miisse; denn die Andersglaubigen werden dermal en, so wic dies ehemals der Fall war, der Kirche Achtung entgegenbringen, wenn sie die Wahrnehmung machen, daB ihre Mitglieder sich durch moralischen Lebenswandel und durch mustergiltiges Verhalten auszeichnen. Dagegen aber wiirde diese Achtung schwinden, wenn an Stelle der Moral das Laster in der Kirche herrschen wilrde, was wohl dann eintreten konnte, wenn die Kirche nicht mit aller Strenge gegen jene, welche ihre Normen verletzen, vorgehen, dieselben vielmehr in ihrer Mitte dulden wiirde. Auch des kirchlichen Ansehens wegen muB daher die Kirche Zwangsmittel gegen jene anwenden, welche dieses Ansehen durch ihr Verhalten schadigen und hiemit den AndersgUiubigen den AnlaB bieten, der Kirche die Achtung zu versagen. Basilius der GroBe, welcher in seinem 6. Kanon die groBte Strenge gegen jene Geistlichen empfiehlt, welche der Unzucht verfallen, sagt, ,daB dies auch fiir die Festigung der Kirche von Vorteil sein, und hiedurch den Haretikern kcine Gelegenheit zu der gegen uns gerichteten Behauptung geboten werde, daB wir durch Nachgiebigkeit in der SUnde jemanden an uns heranziehen wollten".

. 152.
rl) Die Strafen fiir Laien. Die Kirchenstrafen, welche die Laien wegen eines begangenen Deliktes, welches vor das auBere Forum der Kirche gehOrt, treffen konnen, sind die Exkommunikation und das Anathem. Die Exkommunikation (&.1'optop.6~, excommunicatio) besteht darin, daB der Betreffende, je nach der Schwere des begangenen Deliktes, in gr6Berem oder geringerem MaBe des Verkehres mit den Ubrigen Glaubigen in der Kirchengemeinschaft verlustig wird 1. Die Exkommu. 152.
1 Diese Strafe behandelt Zonaras in seinem Kommentar zum 13. Kanon der I. II. Synode und sagt: Ecrtt rap &-f;o(Jtap.o~, xrxl tb p.6Y1J~ s'Cprscr&oct ti) ~ fLStOCA~4sro~ tWV ,<J.s[roy tmaqp[ow . ?tan M, Ml tO s;ro ti)~ ih:xl'lja[occ; StYoct,

OY 'ltOCY't'SAi) ilivop.Mil.Y, roc; ~1Y.p6tspov, 'lt'Xt 't'SAslro~ xrop[Covtoc 't'WY matrov tOY oBtroc; &r.poptcr&avtoc . 'lt~tpov OE 't'tfl &tpopte!tJ.<fl tOOt<t> opECol)at rijv hs[Y<!lY smatpor.p~v (Ath. Synt. II, 690).
32"'

500

Ill. Teil. Die Vcrwaltung der Kirche.

nikation war ein Mittel, welches, wie erwahnt, die Kirchc zur Bekehrung des betreffenden Sunders in Anwendug brachte und daher diesem bestimmte Ponitenzen auferlegte, welche er solange auszustehen hatte, bis er wieder als wtirdig erschien, in die Kirchengemeinschaft aufgenommen zu werden. Je schwercr die SUnde war, desto groBer waren die Ponitenzen und desto Ianger dauerte die Zeit der BuBe, und umgekehrt. Fur die BuBenden gab es vier BuBgrade. Der erste Orad (o6otaotc;, consistentia) hestand darin, daB der BuBende sich zu gemeinschaftlichem Oebete mit den Olaubigen in der Kirche einfinden konnte, von der Eucharistic aber ausgeschlossen war. Der zweite Orad (O'ltO'lttmotc;, substratio) zeugte sich darin, daB dcr Betreffende nur an gewissen Oebeten in der Kirche teilnehmen konnte, und zur Erde hingebeugt, offentlich seine Sunde bekannte, sowie nach Anhorung des tiber ihn gesprochenen Oebetes die Kirche verlie5. Im dritten Grade (&:x.p6aotc;, auditio) war der BuBendc nur in die Vorhalle der Kirche (vripih)~, 'ltp6VU.QV) zugelassen, jedoch nur zum Anhoren dcr gewohnlichen Predigt. Der vierte Orad (7tp6xf.aootc;, fletus) endlich hestand darin, daB den BiiBenden der Eintritt in die Kirche ganzlich untersagt war; dieselben stand en im BiiBerkleide vor der Kirche und baten reuevo11 die Olaubigen, ihnen durch ihre Ocbcte Verzcihung fiir die begangene Sunde zu erwirken. Dieser letzte BuBgrad wurde, als der schwerste, nur iiber jene verhangt, welche sich einer schweren Sunde schuldig machten. In jedem BuBgrade verblieben die Betreffenden durch Jahre, und muBten wahrend dieser Zeit Oebete verrichten, Milcltatigkeit bekunden, fasten, Almosen spenden, BLiBerkleider tragen ~~. Nach und nach wurden diese BuBen aufgehoben, und gegenwartig besteht die Exkommunikation als Kirchenstrafe fiir Laien in der AusschlieBung von der Eucharistic auf kiirzere oder langere Zeit. Im Momente des Todes, mag das von einem Laien begangene Delikte wie immer beschaffen sein, gestattet die Kirche demselben, wenn er Reue zu erkennen gibt, die Eucharistic, sowie das christliche Begrabnis 3 Dagegen verweigert sie dies widerspenstigen Siindern, welche selbst im Augenblicke des Todes die Aussohnung mit der Kirche ablehnen, sowie den Selbstmordern 4. Von der erwahnten Strafe unterscheidet sich das Ana them (O..v6.2 Details hieriiber siehe in meinem Kommentar zum II. Kanon des I. allgem. Konzils (,Pravila" I, 208-213), und vergl. P. Hinschius, System des kath. Kirchenrechts. IV, 715-720. 3 I. allgem. Konz. 13. Kan.; Karth. 7. Kan.; Gregori us v. Nyssa. 5. Kan. Siehe Kommentar des Archim. johann zum 13. Kan. des I. allgem. Konzils (I, 310-312). Timotheus von Alexandria, 14. kanonische Antwort. Vergl. auch 178. Kanon des Nomokanon zum groBen Ritualbuche.

. 152. -x) Die Strafen fiir Laien.

501

-&p.a) \ die ganzliche AusschlieBung des Schuldigen aus der Kirche.


Diese Strafe, deren Grundlage in der heiligen Schrift gelegen ist, und welche daher dem gottlichen Rechte entstammt 6 , hat die Kirche ftir die schwersten kirchlichen Delikte und nur in den auBersten Fallen, wenn keine anderen Mittel zu Besserung des Betreffenden beitrugen, verhangt 1. Das Anathem wurde in der Regel unter sehr feierlicher kirchlicher Form ausgesprochen. Um die Erinnerung an diese schwere Strafe rege zu erhalten, wurde in dem Konzile zu Konstantinopel im Jahre 842 beschlossen, daB jahrlich an dem ersten Sonntage der Fasten (dem Sonntage der Orthodoxie) wahrend des Gottesdienstes aile Delikte, welche mit dem Anathem bestraft wurden, bekannt gemacht werden s. Die Wirkungen des Anathems bestanden darin, daB der VerstoBene nicht nur die Rechte, welche den tibrigen Mitgliedern der Kirche zukamen, also der Eucharistic und des gemeinschaftlichen Gebetes in der Kirche, verlustig wurde, sondern daB er auch keinen Verkehr im gewohnlichen Leben mit den rechtglaubigen Christen haben konnte; wobei jeder Rechtglaubige, welcher es gewagt hatte, in irgendeine Beziehung zu einer solchen Person zu treten, strenger Bestrafung verfiel9. Da diese Strafe auf gottlichem Rechte beruht, so steht der Kirche auch dermalen und fUr aile Zeiten das Recht zu, jeden dem Anathem zu unterziehen, we\cher diese Strafe verdient hat. Auch die weltliche Obrigkeit, welche in alterer Zeit die Entscheidungen der kirchlichen Obrigkeit in dieser Beziehung anerkannte und auch ihrerseits jene bestrafte, welche wegen gewisser Delikte dieser Strafe verfielen Ill, unterzieht auch dermalen, wenigstens in den meisten christlichen Staaten, diejenigen, welche sich dcrartiger kirchlicher Delikte schuldig machen, der Bestrafung 11.
5 Einzelheiten tiber das Anathem in meinem Kommentar zum 5. Kan. Apost. und 1. Kanon des II. altgem. Konzils (Pravila" I, 58-59. 239-243). 6 Matth. 18. 17; I. Kor. 5, 5 ; I. Tim. 1, 20. 7 Vergl. 4. Kan. des Petrus v. Alexandria; 7. Kanon des II. altgem. Konzils; 88. Kanan Basilius d. Gr., und andere. 8 Siehe iiber die Einsetzung des Festes der Orthodoxie W. F. Walch, Entwurf einer vollstandigen Historic der Ketzereien (It Bde. Leipzig 1762-1785). Bd. X, S. 797 u. ff. 9 Vergl. II. joh. 9-11 ; I. Kor. 5, 11; II. Thessal. 3, 6. 14; 10. Kan. Apost. und den in dieser Frage erschopfenden Kommentar des Archim. johann (erwahntes Werk. I, 152-154). ,Qui comnnmicaverit, vel oraverit cum excommunicato, sive clericus, sive laicus, excommunicetur", bestimmt der 73. Kanan der Statuta ecclesiae antiqua (Harduini. I, 983). 10 Siehe die im 'Xzt[J.EYOY und axo),t()y des Nomok. IX. 10 (Ath. Synt. I, 183-184) angefiihrten Gesetze der griech.-rom. Kaiser. 11 In 6sterreich wird z. B. nach . 122 und 123 des Strafgesetzes vom 27. Mai 1852 das Verbrechen der Religionsstorung mit schwerem Kerker von 1-10 Jahren bestraft; die Kirche setzt auf dassel be das Ana them. Vergl. hieriiber fiir die

502

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

. 153.
~) Strafen fiir die Kleriker.

Mit Riicksicht auf den verfolgten Zweck gliedern sich die Strafen, welchen ein Oeistlicher unterliegen kann, in Besserungsstrafen, ttp.~ptat awp&ofiaat (poenae medicinales, censurae), wodurch aile oder doch einige Rechte und geistliche OUter bis zum Eintritte der Besserung des Schuldigen, und in Strafen im engeren Sinne, ttp.opta.t arur,ppovt(otJ<Ja.t (poenae vindicativae), wodurch aile oder mehrere Rechte und geisttiche Outer ganzlich entzogen werden, und zugleich auch der Verlust des bisher besessenen Amtes verbunden ist 1. Zu den ersten geh5ren: 1) Die Ermahnung. Darunter versteht man das Vorhalten der dem Oeistlichen verm5ge seiner Stellung in dcr Kirche obliegenden Pflichten. Die Ermahnung, mit welcher gleichzeitig auf die Bedeutung des Deliktes, sowie auf die Folgen hingewiesen wird, welche den Betreffenden im Faile des Verharrens in der eingeschlagenen Richtung treffen konnten, unterliegt jeder Oeistliche, welcher sich cines geringen Deliktes schuldig macht. Die Ermahnung wird zwei - oder dreimal vorgenommen, worauf eine weitere Bestrafung eintritt 2. 2) Die Riige wird entweder pers5nlich vom Bischof oder von der Synode erteilt. In dem letzteren Faile wird der Betreffende offentlich verwiesen, und bildet daher diese Art der Riige eine scharfere Strafe als die ersterwahnte. Von der Riige, besonders von der OffentIichen, als einer Kirchenstrafe, ist schon in den altesten KirchenrechtsDenkmalern die Rede s. 3) Die Versetzung des Schuldigen von dem eingenommenen Dienstrange auf die letzte Stelle unter jenen, welche den gleichen Rang bekleiden. Im Sinne des 7. Kanons des Trullanischen Konzils wird diese Strafe iiber jene verhangt, welche widerrechtlich den Vorrang vor denrom.-kath. Kirche die Abhandlung von Dr. j. Fessler, der Kirchenbann und seine Folgen (Sammlung vermischter Schriften iiber Kirchengeschichte und Kirchenrecht. Freib. i. B. 1869, 187 fg. . 153. 1 Diese Einteilung beobachtet auch Skworcew, Vorlesungen iiber die kirchliche Gesetzkunde (russisch), S. 241, und N. Suworow, Uber die kirchl. Strafen (russisch). Petersb. 1876. S. 44. 228. 2 Der 31. Kan. Apost.. welcher von der Strafe handelt, die iiber einen Priester zu verhlingen ist, der seinem Bischof abtriinnig wird, hebt hervor, daB diese p.st!X (LErxv, ?!.rxt osotzprxv, ?!.rxt tptt'YjV 7t'l.(.ltX?!.A1j'JtY (Ath. Synt. II, 39) einzutreten babe. " Const. Apost. II. Buch, Kap. 48; 19. Kanon des IV. allgem. Konzils. lm Sinne der von diesem Kanon erwahnten Riige ist auch der 25. Kanon von Antiochia und der 13. Kanon von Sardica zu verstehen.

. 153. ~) Strafen fiir die Kleriker.

503

jenigen anstreben, die auf der gleichen hierarchischen Stufe stehen, allein friiher die Cheirotonie erlangten oder befordert wurden 4. 4) Die Ausschlie}Jung vom Amte auf bestimmte Zeit. Urspriinglich wurde die beziigliche Zeit von dem Betreffenden am Sitze und unter Aufsicht des Bischofs zugebracht. Spater jedoch wurde der Schuldige in ein Kloster gesendet, woselbst er unter Aufsicht des Klostervorstehers stand und in der Regel eine BuBe auszustehen hatte, welche in strenger Observanz der Klosterregel und in verscharften geistlichen Exerzitien hestand 5, 5) Das Verbot der Verwaltung der heiligen Handlungen auf bestimmte Zeit. Diese Strafe wird entweder zur BuBe fiir ein bei der Verwaltung der heiligen Handlungen begangenes Delikt oder wahrend der gerichtlichen Untersuchung wegen eines die Absetzung nach sich ziehendes Deliktes verhangt. Wahrend der AbbiiBung dieser Strafe kann der Betreffende kein mit dem beziiglichen hierarchischen Grade verbundenes Recht ausiiben, also weder das Lehramt versehen, noch an der Kirchenverwaltung teilnehmen; derselbe ist nur dem Namen nach Geistlicher, aber ohne irgendwelche klerikale Rechte 6, 6) Das Verbot der Verwaltung bestimmter heiliger Handlungen. Dieser Strafe unterliegen diejenigen, welche sich eines Deliktes schuldig mach en, das ihnen nicht samtliche klerikalen Rechte entzieht 1, oder welche sich ein Recht anmaBen, welches ihnen gemaB der eingenommenen Stellung in der hierarchia jurisdictionis nicht zukommt s. Die bisher angefiihrten Strafen sind, mit Ausnahme der letztgenannten, auf die Besserung des Geistlichen, welcher sich eines geringeren Deliktes schuldig machte, gerichtet. Die zuletzt erwahnte Strafe bildet den Obergang zu den Strafen im eigentlichen Sinne, deren es folgende gibt:
~ In den Kanones wird fiir ahnliche Delikte die Versetzung von der hoheren auf die niedere hierarchische Stufe erwahnt (von der Bischofswiirde auf die Wiirde des Presbyters [20. Trull. Kan. Vergl. auch 10. Kan. v. Laod.]). Allein dies widerspricht dem 29. Kanon des IV. allgem. Konzils, welcher besagt, es sei [spoauAt~, e1t[a'l!mtov sl<;; 1tpsa~u'tspou ~a:{}f1bY ~spsw ; daher ist das im Texte Angefiihrte naclt dem Kommentar des Zonaras (Ath. Synt. II, 349), nach jenem Balsamons (lb. 350) und des Archim. johann (II, 317) zum 20. Kanon des Trull. Konzils zutreffend. Die Begriindung hiezu siehe in meinem Kommentar zum 29. Kanon des V. allgem. Konzils (,Pravila" I, 424); vergl. meinen Kommentar zum 20. Kanon des Trull. Konzils. (lb. I, 493). 5 35. Kan. Apost. Nomok. IX. 10 (Ath. Synt. I, 184). Siebe fiir Serbien Konsist.-Zirkular vom 15. Septemb. 1865. Z. 1567 u. vom 22. Dezemb. 1869. Z. 6065. "5. 59. Kan. Apost.; IV. allgem. Konzil 20. Kan.; 3. Trull. Kan.; Sard. 14. Kan.; Karth. 19. 133. Kan. 7 Neoc. 9. Kan. 8 Ant. 10. Kan.

504

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

1) Der immerwiihrende Verlust des Rechtes zu einem hoheren hierarchischen Grade befordert zu werden. Nach den Kanones wird diese
Strafe fiber jene verhangt, welche eine die Grundlage der hierarchischen Institutionen verletzende Handlung begehen \l, 2) Die Aussclzlie}Jung vom Amte fiir immer. Diese Strafe wird verhangt wegen nachHissiger Erfullung der einem Geistlichen der hierarchia jurisdictionis obliegenden Pflichten und wegen Untergrabung der kirchlichen Disziplin; beispielsweise wenn ein Bischof auf Uingere Zeit seine Eparchie verlaBt, oder wenn er gewaltsam der Leitung einer Eparchie sich bemachtigt 10, wenn ein Presbyter ohne bischofliche Oenehmigung von seinem Dienstplatz sich entfernt und eigenmachtig einen anderen einnimmt t1 u. s. w. Da aber in alter Zeit die Cheirotonie ohne Angabe cines bestimmten Dienstortes (a'itoA.sA.op.svm;) niemandem erteilt werden konnte, so verfiel der mit der AusschlieBung vom Amte fUr immer Bestrafte gleichzeitig einer anderen schweren Strafe, namlich 3) dem Verluste des Reclztes zu Verwaltung irgendeiner lzeiligen

Handlung fiir immer, jedoch mit der Bereclztigung, den geistlichen Namen zu fiihren und die geistliclze Wilrde zu bekleiden. Diese Strafe wird
namentlich wegen schwererer Delikte verhangt, welche unter der Bevolkerung Argeniis erregen, die aber aus Unwissenheit oder unter besonderen Verhaltnissen begangen wurden, und der Schuldige, von Reue erftillt, sich gebessert hat. Nach den Kanones wurde diese Strafe beispielsweise tiber jene, welche zur Zeit der Verfolgungen im Glauben nachlieBen, spater aber Reue empfanden 12, oder tiber jene, welche aus Unwissenheit vor der Cheirotonie ungesetzlicher Weise eine Ehe schtossen, verhangt 1s. 4) Die Absetzung oder der immerwahrende Ver!ust des Rechtes zur Verwaltung der heiligen Handlungen, verbunden mit dem Verluste des geistlichen Namens und der Wtirde. Mit dieser Strafe werden besanders schwere, gegen die Normen der Hierarchie gerichtete Delikte, z. B. die Simonie oder jene Handlungen geahndet, fiir welche die Laien mit der Exkommunikation bestraft werden. Der mit der Absetzung bestrafte Oeistliche wird aller demselben entsprechend den drei Zweigen der Kirchengewalt zukommenden Rechte, also des Rechtes der Verwaltung der heiligen Handlungen, des Rechtes der Verwaltung der
3. Trull. Kan. Vrgl. Basilius d. Gr. 69. Kan. I. II. Synode 16. Kan.; Antioch. 16. Kan. 11 15. Kan. Apost. l'l Riicksichtlich solcher Personen bestimmt der 1. Kanon von Ancyra, ,daB sie auch weiterhin die Ehre ihrer Stelle fortgenieBen (t~:; p.sv ttp:7J:; r~:; 'X.ottti t~'l 'X.ot&sopav p.stsxsw), aber weder opfern, noch predigen, noch irgendeine der priesterlichen Verrichtungen vollziehen diirfen". 13 26. Trull. Kan.; Neoc. 8. 9. Kan.; Basilius d. Gr. 27. Kan.
9
1 "

. 153. ~) Strafen fiir die Kleriker.

505

Lehre und des Rechtes der Handhabung der Kirchenregierung, verlustig 14. Oberdies verliert derselbe aile ihm als Geistlichen zukommenden Standesvorzilge 11'; der Name desselben wird aus dem Verzeichnisse der Geistlichen ge!Oscht ( sx toO [sp~ttxou x~t~Myou ), in welches er anlaBlich der Cheirotonie eingetragen wurde 16, und wird derselbe in die Reihen der Laien mit den diesen in der Kirche zukommenden Rechten versetzt 17 Die Absetzung wird filr immer verhangt, und derjenige, der einmal abgesetzt wurde, kann, mag er auch BuBe getan und das Versprechen abgegeben haben, sich nach den Kanones zu verhalten, keinen hierarchischen Grad wieder erlangen ts. In diesem letzteren Faile gestatten die Kanones, daB mit dem Betreffenden in der Kirche nachsichtiger, jedoch ,wie mit einem Laien" verfahren werde 19. 5) Die Absetzung und die gleichzeitige Exkommunikation. Der Geistliche, welcher dieser Strafe verfallt, unterliegt nicht nur den bereits erwahnten Folgen der Absetzung, sondern auch der fur Laien, welche eines Deliktes schuldig sind, bestehenden Exkommunikation, d. h. er wird fiir tangere oder kiirzere Zeit von der Gemeinschaft des Gebetes mit den Glaubensgenossen ausgeschlossen. Diese schwere Kirchenstrafe trifft in der Regel jenen Geistlichen, welcher trotz seiner Absetzung entweder heilige Handlungen verwaltet 2o, oder nach seiner Absetzung sich des gleichen Deliktes, fiir welches er mit der Absetzung bereits bestraft wurde, schuldig macht 21, oder eine die Grundlage des Glaubens und der Kirche verletzende Handlung begeht 22. In alterer Zeit wurden die solcherart bestraften Geistlichen in der Regel in ein Kloster gesendet, um daselbst eine strenge BuBe auszustehen 23. Filr den Fall jedoch, daB dieselben trotz der iiber sie verhangten Kirchenstrate die Kirche fortgesetzt storten und sich ihrem Gerichte widersetzten, wurden sie dem weltlichen Gerichte zur entsprechenden Bestrafung iiberliefert 24.
u Siehe z. B. 3. Kan. der Synode von Antiochia; 27. Kanon Basilius d. Gr., und andere. 15 Tooc; os ')l.~tl-~tps&avt~c; &7tootspslatl-~t Mt tijc; ll~oo{}sv ttp.ij~, ~c; 6 &jt'Jc; M.voov Mt tb tO!) 0ao5 (spatsi:ov p.sts[/.:~tpsv bestimmt der 1. Kanon von Antiochia (Ath. Synt. III, 124). w 8. 17. 18. 51. 63. Kan. Apost., und andere. 17 Beziiglich des abgesetzten Priesters bestimmt der 62. Kan. Apost. : fu<; AIXtl<.bc; osx&~too (Ath. Synt. II, 80). Vergl. auch den 21. Trull. Kan. 18 Siehe 21. Trull. Kan.; Basilius d. Gr. 3. Kan., und andere. 19 Siehe Anm. 17 dieses Paragraphen. ~o 28. Kan. Apost.; Ant. 4. Kan.; Basilius d. Gr. 88. Kan. n Basilius d. Gr. 88. Kan. 22 30. 64. Kan. Apost. ; Trull. 1. 86. Kan.; Ant. 1. Kan., u. a. 23 Siehe Nomok. IX, 10 (Ath. Synt. I, 184). 114 Ant. 5. Kan. ; Karth. 48. Kan.

506

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

6) Das Anathem. Diese Strafe ist sowohl fUr Geistliche, als auch fUr Laien die gleiche 25, und wird tiber einen Geistlichen fUr schwere Delikte nach der Absetzung und Exkommunikation, verhangt. Bezilglich einiger Delikte ist die zu verhangende Strafe in den Kanones, welche diese Delikte anfilhren, vorgesehen; filr die anderen Delikte wird die Bestimmung der Strafe dem Ermessen des Richters ilberlassen. Hierilber wird im folgenden Paragraphen gehandelt. Die neuere kirchliche Gesetzgebung kennt, der Hauptsache nach, dieselben Strafarten filr die von Geistlichen begangenen Delikte 2a. Im griechisch-rornischen Kaiserturn hat die Staatsgewalt der Kirche nicht nur das Recht zur Ausilbung der Strafgewalt im vollen Sinne zuerkannt, sondern bot auch ihre eigene Mithilfe beirn Vollzuge der Urteile geistlicher Gerichte 21. Gegenwartig ist die Kirche in den rneisten Staaten rilcksichtlich der Verhangung von Strafen, soweit diese kirchliche Folgen nach sich ziehen, vollkomrnen selbstandig. Damit die erwahnten Strafen auch im btirgerlichen Leben eine Bedeutung erlangen, ist die Anerkennung derselben seitens der Staatsgewalt erforderlich 2s. Die ehemals von der Staatsgewalt beim Vollzuge der Entscheidungen der kirchlichen Gerichte bei Dienstes- und Disziplinarvergehen von Geistlichen gebotene Hilfe, wird auch heute, unter Beobachtung der bestehenden gesetzlichen Vorschriften, in jenen Staaten nicht versagt, in welchen ordnungsmaBige Beziehungen zwischen Kirche und Staat obwalten 29 Die Staatsgewalt, welche die Freiheit der kirchlichen Gerichte in der Festsetzung der Strafen filr Geistliche anerkennt, hat, von dem Wunsche beseelt, daB in der Kische alles dem Charakter derselben entsprechend vor sich gehe und keine dern Prinzipe der christlichen
" 5 Siehe tiber das Anathem in meinem Kommentar zum 5. Kan. Apost. und 1. Kanon des II. allgem. Konzils (,Pravila" I, 58-59. 239-2H). 2 " Siehe z. B. fiir Griechenland das Gesetz vom 9. Juli 1852. Z. 14 und Synodal-ErlaB vom 11. juli 1853; fiir Serbien Art. 174 des Gesetzes vom 27. April 1890 tiber die Kirchenbehorden; fiir Ruj]lmzd Artikel 176 des Konsistorial-Statuts vom 9. April 1883; fiir Bulgarien Art. 165 des Exarchal-Statuts vom 13. Jiinner 1895. In der Karlowitzer Metropolie . 84-86 der Disziplinar-Ordnung vom 5. Marz 1900. 1 " Cod. Theodos., De episcop. XVI, 2; 83. 123. Nov. Justin. ' 8 Die Disziplinarordnung fiir die Karlowitzer Metropolie mit Allerhochster EntschlieBung vom 5. Miirz 1900 genehmigt. Fiir Serbien Gesetz vom 27. April 1890. Fiir Ruj]land siehe Bd. XIV, Art. 210-217, Ober Verhinderung von Delikten (Ausg. 1876). 29 Siehe z. B. ftir Osterreich . 27 des Gesetzes vom 7. Mai 1874 welches, wenngleich fiir die rom.-kath. Kirche erlassen, doch auf Grund des Art. 15 des Gesetzes vom 21. Dezember 1867 (vergl. auch die Verordnungen vom 20. Juni und vom 13. Oktober 1781, sowie vom 24. janner 1850) auch fiir die orthodoxe Kirche Geltung hat; fiir Ruj]land Ukas vom 16. April 1819; fiir RumYnien Gesetz vom 13. Mai 1868; fiir Griechenland Gesetz vom 22. juni 1853; fiir Serbien MinisterialErlaB vom 6. Marz 1863, Z. 673.

. 154. -r) Das Vcrhiingen von Strafen.

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Liebe und der Nachsicht fiir menschliche Schwachen zuwiderlaufende personliche Eigenmacht bei Verhangung der Strafen sich geltend mache, auch in diescr Beziehung den kanonischen Vorschriften gegenilber sich entgegenkommend bewiesen, indcm sie durch ihrc eigenen Oesetze die genauc Wahrung jencs Prinzipes der Liebe und pcrsonlichen Freiheit, dessen Haupttrager die Kirche ist, gewahrleistet 3o.

. 154.
y) Das Verhangen von Strafen.
Bei dem Verhangen der Strafen miissen von den kirchlichen Oerichten einige kanonische Vorschriften beobachtet werden, damit die Urteile dem Geiste des Christentums entsprechen und nicht den geringsten Zweifel tiber ihre Oerechtigkeit aufkommen lassen. Wenn schon der weltliche Richter das Motiv zu dem begangenen Delikt genau zu untersuchen und aile jene Umstande klarzulegen hat, unter welch en die strafbare Handlung begangen wurde, so muti dies in noch hOherem Grade beim geistlichen Richter der Fall sein, welcher dazu berufen ist, im Namen Oottes die Oerechtigkeit in der Kirche auszuilben. 1) Das Motiv der strafbaren Handlung ist das Hauptmoment, welches bei dem Verhangen der Strafe ins Auge gefaBt werden muB. Denn je verwerflicher das Motiv ist und ersehen la6t, daB der Betreffende vorsatzlich gehandelt hat, umso schwerer muB auch die Strafe sein; und umgekehrt wird fiir den Fall, daB das Delikt ohne bose Absicht und ohne Oberlegung begangen wurde, der Richter in seinem Urteile nachsichtiger zu Werke gehen und die Bestrafung eine mildere sein 1 Desgleichen miissen auch die Umstande, welche das Delikt veranlaBten, in Betracht gezogen werden. Wenn die Tat durch physischen Zwang erfolgte, so wird der Betreffende von den Kanones jeder Verantwortung enthoben 2 ; dagegen befreien die Kanones von dieser Verantwortung nicht im Falle des moralischen Zwanges, da kein Christ sich einem Befehle unterordnen soll, welcher dem g5ttlichen und
Vergl. fiir 6sterreich ErlaB des Ministeriums fiir Kultus und Unterricht vom 7. juni 1869 iiber die Art der Vollstreckung jener Entscheidungen der kirchlichen Gerichte, welche den Aufentha!t von Priestern in geistlichen Korrektions-Anstalten verhtlngen, und einen iihn!ichen ErlaB der Ministerien fiir Ku!tus und Unterricht, der justiz und des Innern vom 7. August dcsselben jahres. Siebe fiir Serbien das Ministeria!-Zirku!ar an alle Konsistorien vom 22. Dczember 1869, Z. 6065, welches jene Faile betrifft, wcnn ein Klostervorsteher mit Geistlichen, die zur Haft verurteilt sind, inhuman verflihrt. . 154. 1 Vergl. z. B. riicksichtlich der Apostasie den 6. Kanon v. Ancyra; Basilius d. Gr. 64. 73. 81. 82 Kan. ~ I. allgem. Konz. 10. Kan.; Anc. 3. Kan.
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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

kirchlichen Gesetze zuwiderlauft 3. Bei der Strafverhangung ist aber auch dem Vorleben des Betreffenden eine besondere Beachtung beizumessen, weil im Faile eines musterhaften Lebenswandels das Delikt durch zufailige Umstande veranlaBt worden sein konnte, weshalb auch eine mi!dere Bestrafung in der Regel eintreten wird. 1st hingegen erwiesen, daB der Betreffende einen verwerflichen Lebenswandel geftihrt hat und das Delikt nur als eine Folge seiner allgemeinen moralischen Verderbtheit anzusehen ist, so muB auch die Bestrafung eine hartere sein und dahin zieten, sowohl das begangene Delikt zu bestrafen, als auch eine Wiederholung zu verhindern 1 2) Stets treten jedoch bei dem Verhangen der Strafen Erschwerungs- oder Milderungsumstande zutage. Als Milderungsumstande erscheinen: a) das freiwiilige Gestandnis des Betreffenden 5, und b) wenn der Schuldige nach begangenem Delikte sich bestrebt hat, den Schaden gutzumachen 6. Erschwerungsumstande sind: das hartnackige Verharren des Schuldigen auf der eingeschlagenen Bahn, der Mangel jeglicher Reue wegen des begangenen Deliktes 7, die Schadigung des allgemeinen kirchlichen Lebens, sowie die Gefahr der Sittenverderbnis bei vielen anderen Mitgliedern der Kirche s durch das begangene Delikt oder die Folgen desselben, endlich wenn das Delikt von einer Person begangen wurde, welche ihrer Stellung gemaB in der Kirche allen anderen als Muster der Tugend und als Vorbild der genauen Beachtung der Gesetze dienen sollte 9. 3) Entsprechend dem ethischen Zwecke, welchen das Strafrecht in der Kirche verfolgt, bestimmen die Kanones, daB jede von kirchlichen Gerichten verhangte Strafe ftir die Gesamtkirche von Bedeutung sein und verbindliche Kraft haben mtisse, weshalb die tiber jemanden in einer Eparchie verhangte Strafe von allen Eparchien der orthodoxorientalischen Kirche berticksichtigt werden muB. Daher kann keine Partikularkirche einen Geistlichen in ihre Mitte aufnehmen, Welcher durch den gesetzlichen Richter in einer anderen Partikularkirche mit der Exkommunikation oder mit der Absetzung bestraft worden war Hl. Aus diesem Grunde hat sich bei den kirchlichen Gerichten die Praxis eingebUrgert, daB die in einer Kirche wegen schwerer Delikte gefallten
I. II. Synode. 8. 9. Kan.; Petrus v. Alex. 6. 7. Kan. Ancyra 5. Kan. 5 Gregorius v. Neoc. 4. Kan. 6 Ancyra. 1. 2. Kan. ; Basilius d. Gr. 38. Kan. 7 I. allgem. Konz. 12. Kan.; 102. Trull. Kan; Neoclisarea. 3. Kan.; Basilius d. Gr. 3. 74. Kan. 8 45. 55. 56. Kan. Apost. 9 42. und 43. Kan. Apost. 1 Karth. 105. Kan.; Basilius d. Gr. 88. Kan., u. a.
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. 154 a. Das Erloschen der Delikte und Strafen.

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Urteile, allen iibrigen Kirchen zur Kenntnisnahme und zu entsprechendem Vorgehen gegen die betreffenden Abgeurteilten iibermittelt wurden. Dies geschah durch die von einem Bischof den anderen Bischofen Ubermittelten Sendschreiben oder mittelst der von der Synode einer Kirche an aile Ubrigen Kirchen gerichteten Rundschreiben 11. Aus diesem Grunde ist die Ausfertigung schriftlicher Entlassungs-Zeugnisse seitens des betreffenden Bischofs fUr aile Geistlichen und auch fUr die Laien kanonisch vorgeschrieben, welche in den Verband einer anderen Eparchie iibertreten. Diese Zeugnisse enthalten die Bestatigung, daB der Betreffende zu dem rechten Glauben sich bekenne und ein christliches Verhalten bekunde. Oberdies ist in diesen Zeugnissen bei Oeistlichen noch angefiihrt, daB sie nicht von der Verwaltung der heiligen Handlungen, und bei Laien, daB sie nicht von der Eucharistie ausgeschlossen sind, sowie anstandslos in den Klerus aufgenommen werden konnen, wenn sie den bezUglichen Wunsch geltend machen 12.

. 154a. Das Erloschen der Delikte und Strafen. Die vom zustandigen kirchlichen Oericht Uber den Angeklagten verhangte Strafe, muB im Sinne des Oesetzes vollzogen werden. Derjenige, der sich dem Vollzuge der verhangten Strafe widersetzt, hort auf Mitglied der Kirche zu sein 1. Die kirchlichen Strafen werden, wie wir gesehen haben, in tl!lWptllt 8top&ooaat und in tttJ.mp(at awppov[&ooaat eingeteilt. Die Strafen der ersten Art hOren mit dem Ablaufe der festgesetzten Frist von selbst auf, und der Betreffende kann ohne Intervention des Richters die Funktionen seines Amtes wieder ausUben, oder die EinkUnfte des BenefiVergl. riicksichtlich der Absetzung des Arius: Sokrates, hist. eccl. I, 6. 9. Ober solche und lihnliche Zeugnisse siehe meinen Kommentar zum 11. Kanon des IV. allgem. Konzils (,Pravila" I, 357). . 154 11 1 lliXYttimx(ltY s'X.'X.o7ttsa3oo t~r; h-x.k~a[!Xr; bestimmt der 28. apost. Kanon fiir den Bischof, Presbyter oder Diakon, welcher abgesetzt wurde, und trotzdem sich erlaubt, einen kirchlichen Dienst zu verrichten. Ath. Synt. II, 36. Vergl. meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 84-85. Der 4. Kanon der Synode von Antiochia unterzieht derselben Strafe auch aile diejenigen, welche mit solchen Personen verkehren (1ttiYtiXc; &7to~tiA.Asa31Xt t'l)c; h'X.A'fjilt~Xc;), mogen dieselben Geistliebe oder Laien sein. Ath. Synt. II, 132. Im Kommentar zum 28. apost. Kanon fiihrt Balsamon eine ahnliche Bestimmung aus der griechisch-romischen Oesetzgebung an, welche in Basilic. III. 1, 1. enthalten ist; dies ist das Gesetz des Arkadius und Honorius vom jahre 400 ,de episcopo exauctorato" (Cod. I. 3, 14). Kaiser justinianus bestimmte in einer Novelle (123, cap. 11): ,Si quis episcopus secundum ecclesiasticas regulas sacerdotio pulsus, praesumpserit ingredi civitatem, ex qua pulsus est, relinquens locum in quo jussus est degere: jubemus hunc in monasterio in alia regione constituto tradi: ut quod in sacerdotio deli quit, degens in monasterio corrigat". Cf. Nomok. IX. 10 (Ath. Synt. I, 183-184).
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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

ziums genieBen. Da die zustandige Obrigkeit die Strafe auf eine bestimmte Zeit verhangt, so muB die Strafe nach Ablauf dieser Zeit erloschen und der vor der Strafe bestandene Zustand wieder eintreten 2. Die Strafen der zweiten Art erloschen, bei Anwendung des normalen kirchlichen Strafverfahrens, erst mit dem Ableben des Bestraften ri. Die kirchliche Gesetzgebung kennt jedoch ftir beide Arten der Strafen besondere Griinde des Erloschens der Strafe, oder der Tilgung des Deliktes, und zwar rechtliche und faktische Griinde. 1) Zu den rechtlichen Grunden gehoren: Die Absolution und die Begnadigung. Durch die Absolution (ci&cowcns) wird das begangene Delikt getilgt, die auferlegte Strafe nachgesehen und sonach die Versohnung mit der Kirche herbeigeftihrt 4 Jede kirchliche Strafe bezweckt die Besserung des Straffalligen und die Unterordnung desselben unter die Gesetze. Die Kirche war und ist dieses Zieles wegen stets bemiiht, denjenigen, welche die kirchlichen Gesetze nicht befolgten, die Moglichkeit zu bieten, sich zu besseren und den Gesetzen sich unterzuordnen. 1st dieses Ziel erreicht, so hat die Strafe ihren Zweck erftillt, der Grund der Strafverhangung besteht nicht mehr, und auch die Strafe als solche ist aufgehoben. Durch den Umstand der Reue und der Besserung, horen jedoch die Straffolgen nicht auf, und der Betreffende kann daher nicht ohne weiteres jener kirchlichen Rechte teilhaftig sein, die er vor dem richterlichen Urteilspruche genossen hat. Zu diesem Behufe ist das Eingreifen des kompetenten Richters, die formelle Absolution, erforderlich; denn nur der Richter kann das Urteil fallen und dassel be kassieren, die Strafe verhangen und sie aufheben. Das Recht der Strafaufhebung oder der Absolution steht aber demjenigen zu, welcher die Strafe mittelst Urteilsspruches verhangt hat. Da der kirchliche Urteilsspruch zur Erlangung der Rechtskraft der Bestatigung durch den Bischof bedarf, so steht auch das Recht der Absolution dem Bischof zu, welcher ftir jeden Angehorigen der Eparchie, mag er dem geistlichen oder dem Laien-Stande angehoren, der oberste Richter ist (. 143). Der Bischof, welchem das Recht zusteht, tiber jeden Angehorigen seiner Eparchie, welcher sich einer Obertretung des Gesetzes schuldig gemacht hat, das Urteil zu fallen, ist auch berechtigt,
" Nomok. IX. 25. XIII, 10 (Ath. Synt. I, 188. 275). 3 Siehe unter anderen den 13. Kanon des I. okumenischen Konzils. und meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 216. i Balsamon definiert die Absolution im Kommentar zum 46. Kan. der Synode von Karthago in folgender Weise: rf.fsatv 't"ciW &p.~p't"<il'l %~[ M't"~)),rJ."(t1 v, ~'t"Ot Mcrw 't"6W smnp.[wy (Ath. Synt. lll, 415). Vergl. Synt. des Blastares M, 7 (lb. VI, 369). Es ist selbstverstandlich, daB wir hier nur von der Absolution in foro externo reden. Fiir das forum internum siehe . 108, 151 und 172 dieses Buches.

. 154 a. Das EriOschen der Delikte und Strafen.

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die verhangte Strafe aufzuheben. nDer Presbyter oder Diakon, der von seinem Bischof suspendirt wurde, kann nicht von einem anderen Bischof absolviert werden, sondern nur von jenem, welcher ihn suspendirt hat", bestimmt der 32. apost. Kanon und filgt noch hinzu, "nur den Fall ausgenommen, wenn der Bischof, welcher ihn suspendirt hat, gestorben ist". Dieser zweite Bischof ist der Nachfolger des verstorbenen Bischofs in der betreffenden Eparchie 5 Neben dem kompetenten Bischof oder seinem Nachfolger, kann nach den Kanones den Bestraften auch jener altere Bischof absolvieren, welcher den verstorbenen Bischof geweiht hat, also der Metropolit oder der Patriarch 6, In diesem Faile kann die Absolution nur nach erfolgter Revision aller ProzeBakten, auf Grund welcher die betreffende Strafe ausgesprochen wurde ' erfolgen. Zur Erlangung der Absolution muB der Bestrafte aufrichtige Reue tiber das begangene Delikt bekunden, sowie das ernstliche Versprechen abgeben, sich in Hinkunft den kanonischen Oeboten zu unterwerfen und namentlich die Wiederholung desjenigen zu unterlassen, wofar er bestraft wurde 7 Dieses Versprechen mu.B er schriftlich abgeben und durch einen Eid bekraftigen, nachdem er vorher, schriftlich oder miindJich, die kompetente Obrigkeit urn die Absolution gebeten hats. Wird die bestrafte Person der Absolution wi.irdig befunden, so wird ihr dieselbe schriftlich oder miindlich, ohne besondere au.Bere F<:>rmlichkeit erteilt, nur den Fall ausgenommen, wenn die Strafe auf Anathem gelautet hat. In diesem letzteren Faile wird, gleichwie das Anathem unter einem besonderen kirchlichen Zeromoniell verkiindet wird, der Betreffende auch unter einem solchen besonderen kirchlichen Zeremoniell absolviert 9. Wenn eine kirchliche Strafe, z. B. die suspensio ab ordine oder ab officio, nicht fUr eine festbestimmte Zeitdauer verhangt wurde, sondern dieselbe bis zu einer anderweitigen richterlichen Verfiigung, oder bis zu jenem Zeitpunkte zu gelten hat, in welchem der Verurteilte die Strafnachsicht verdient hat, so muB die Strafe, bis zum Eintritte ihrer faktischen Revokation seitens des Richters, in Kraft bleiben. In diesem Faile gelten dieselben Vorschriften, die soeben fiir die Absolution im allgemeinen angefiihrt wurden. Die zweite Art, nach welcher eine verhangte kirchliche Strafe
5 Kommentar des Zonaras zum 32. apost. Kanon (Ath. Synt. II, 43). Vergl. Basilic. VII. 3, 20. IX. 3, 3. 6 Kommentar Balsamons zum 32. apost. Kan. (Ath. Synt. II, 44). 7 Die heutige Kirche stiltzt diese Lehre auf die Vorschriften der Kirche der liltesten Zeiten. Vergl. Cyprian Ep. IX ad clerum, Ep. X ad Martyr. 8 8. Kan. des I. okum. Konzils. Vergl. Tertull., De oratione c. 7. 9 Vergl. Goar, Euchologion sive Rituale Graecorum. p. 667 sq.

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

er15schen kann, ist die Begnadigung (auyxrop'l)m~). Die Begnadigung ist ein Uber den ordentlichen Richter stehender Akt auBerordentlicher jurisdiktion, durch welche der Strafvollzug rilcksichtlich des Verurteilten sistiert und dieser entweder giinzlich oder teilweise in die friiher genossenen Rechte wieder eingesetzt wird. Dieses Recht der Begnadigung raumt die kirchliche Gesetzgebung gleichfalls dem Bischof, in auBerordentlichen Fallen dem Landesfiirsten ein. Fiir den Bischof entspringt diese ihm bereits durch die Kanones und durch die kirchliche Praxis seit den altesten Zeiten ausdriicklich eigeraumte Gewalt ex jure divino, und aus der Bedeutung des Bischofs in der Kirche to. Schon die Synode von Ancyra (314) harte das Begnadigungsrecht der Bischofe anerkannt, und indem sie bestimmte, wie die betreffenden Obertreter zu bestrafen sind, ordnete sie an: ,daB die Bischofe die Befugnis haben, auch milder vorzugehen (~tA.ava-po1tso sa&at)''. 11 Dieses Recht der BischOfe wurde auch durch die okumenischen Konzile bestiitigt 12. Die Befugnis zur Ausiibung des Begnadigungsrechtes steht jenem Bischof zu, zu dessen Gebiet der Bestrafte gehort. Ein anderer Bischof kann dieses Recht nur in jenen Fallen ausUben, die frliher bezliglich der Absolution erwiihnt wurden. For den Landesflirsten entspringt die Macht der Begnadigung aus seiner Bedeutung in der Kirche als xpta-tb~ Kup(ou 13, und aus seiner
lU Siehe Art. 10 des Sendschreibens der Patriarchen der or.-kath. Kirche vom Jahre 1723. Vergl. . 106 und 108 dieses Buches. 11 Ath. Synt. Ill, 31. u 12. Kan. des I. okum. Konzils und 16. Kan. des IV. okum. Konzils. Ober dieses Recht, welches das erste okumenische Konzils dem Bischof verleiht, schreibt Beveregius: ,Hinc summa Episcoporum dignitas elucescit: utpote quoram in patestate situm est, idque celeberrimae hujus generalis synodi autoritate, etiam inflictas delinquentibus poenas remittere vel diminuere; quod quidem majus est, quam quod ulli politici judices sibi vendicare possunt. Hi enim in sententia quidem ferenda, in levioribus delictis lenitate, in gravioribus benignitate, ut loquuntur jurisconsulti, uti possunt, nam judex postea quam semel sententiam dixit, postea judex esse definit: et hoc jure utimur, ut judex, qui semel vel pluris vel minoris condemnavit, amplius corrigere sententiam suam non possit; semel enim male seu bene officio functus est. Poenas igitur minuere non judex, sed solum Princeps potest. lmo quidem, etiamsi, de rei innocentia postea certior sit factus, judex enim, qui aliquem condemnavit tantquam sontem, liberare insontem compertum non potest. Neque enim quispiam sententiam suam revocat, etiamsi pecuniaria sit. Hoc au tern Episcopo Jicet; quod iis speciale esse, Photius docte observavit, qui cum dixisset, leges civiles Episcopo, videnti poenitentiam clerici . . . . . potestatem facere ut poenam minuat, et antequam statutum tempus completum sit, ipsum sacro ministerio restituat, addit, 'tOtl'tO OS 'ltept emax.6'1trov tatx.6v eanv, ubi etiam fuse ostendit, hoc publicis judicibus illicitum esse". Synodikon, Annot. p. 78-79. 13 Kommentar Balsamons zum 69. Kanon des Trull. Konzils uud zum 12. Kanon der Synode von Ancyra (Ath. Synt. II, 467. III, 44). Vergl. Syntagma des Blastares B, 5 und 6 (lb. VI, 123-124).

154 " Das Erloschen der Delikte und Strafen.

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Stellung in der Kirche als supremus ecclesiae tutor 14. Die griechischr5mische Oesetzgebung hat dieses Recht des Herrschers seit den altesten Zeiten anerkannt und bestimmt, daB ohne Oenehmigung des Kaisers (xropl.; ~cx.crtAtxiJ~ xs/..s6crsro;), die verhangte Strafe nicht abgelindert werden k5nne 15 ; daB er die verhangte Strafe nachzusehen befugt sei 16, und daB er das Recht habe, dem Bestraften jene Rechte wieder einzuraumen, die derselbe infolge der Bestrafung verloren hat 11. Das Begnadigungsrecht fUr kirchliche Strafen raumt auch die gegenwartige Oesetzgebung dem Herrscher ein 1s. Nur jene Strafen, welche fiir besondere Delikte verhangt werden, k5nnen selbst durch die Onade des Herrschers nicht nachgesehen werdent9. Die Bedingungen, unter welchen der Bestrafte die Begnadigung erlangen kann, sind im allgemeinen dieselben, wie fiir die Absolution. Der Betreffende muB das begangene Delikt bereuen, das feierliche Veru Uber die Rechte des Herrschers in der Kirchenverwaltung liuBert sich der Erzbischof von Bulgarien Dem. Chomatenus in seiner 1. Antwort auf eine kanonische Frage des Erzbischofs Cabasilas (in lateinischer Ubersetzung) in nachstehender Weise: ,Imperator enim, ut communis ecclesiarium E1ttOtljftOVripX1J~ existens et nominatus, synodalibus praeest sententiis et robur tribuit. Ecclesiasticos ordines componit et legem dat vitae politiaeque eorum, qui altari serviunt: hoc amplius judiciis episcoporum clericorumque et vacantium ecclesiarum suffragiis . . . Solo sacrificandi excepto ministerio, reliqua pontificalia privilegia lmperator repraesentat, quando legitime canoniceque facit". Leunclav., ]us gr.-rom. I, 317. (Ath. Synt. V, 429). Vergl. Balsamons Kommentar zum Kan. 16 der Synode von Karthago. Ath. Synt. III, 349. 15 Basilic. IX. 51, 28. Cf. IX. 3, 45. Nomok. IX, 39 (Ath. Synt. I, 231). 16 '0 BMtAso; -f) S:Aw{}spol: ai'>t6v (den Bestraften), -~ {LELOt t~V 7tOW~Y. Nomok. IX, 39. Cf. Basilic. LX. 50, 1. . 17. 51, 25. 17 Nomok., ibid. Cf. Euseb., hist. eccl. 10, 5; Sozom., h. e. 1, 8. 18 Z. B. fiir Serbien . 197 des Oesetzes iiber die geistlichen Behorden vom 27. April 1890; fiir Montenegro Art. 19 des Synodal-Statuts vom 30. Dezember 1903. 19 Beziiglich jener, die sich Kirchengilter aneignen wollen, enthlilt der Codex justinianeus folgende Bestimmung: ,his tabellionibus, qui hujusmodi contractum vetitorum ausi fuerint instrumcnta conscribere, irrevocabilis exilii animaduersione plectendis". I. 2, 14. . 3. Cf. Collect. const. eccles. I. 2, 14 (Bib!. jur. eccl. Voelli et just. 11, 1244). Das in dcr Anm. 1. dieses Paragraphen erwll.hnte Oesetz "de episcopo exauctorato" bestimmt: ,Quicunque residentibus sacerdotibus fuerit episcopali loco vel nomine dctrusus, si aliquid contra custodiam vel quietem publicam moliri fuerit deprehensus, rursusquc petere aacerdotium, a quo videtur expulsus: pro cui ab ea urbe, quam conturbaverit, centum millibus vitam agat; nee nostra adeat secreta, nee impetrare rescripta speret: sed etiam impetratis careat". Cod. I. 3, 14. Cf. Basilic. Ill. 1, 1; Coli. const. eccl. I. 3, 14 (Voell. et just., Op. cit. II, 1254); Nomok. IX, 10 (Ath. Synt. I, 183). Fiir diese und ahnliche Delikte besteht folgende allgemeine Bestimmung: ,nunquam his criminibus per supplicationem remittendis: ita ut nunquam eis potestas detur petendi quidquam, vel recipiendi civitatem, vel dignitatem, vel substantiam ... , nee rescripto Principis juvantur (ftlJas ~(XatAL'ltij &vt~jpa~ij ~OlJ~06[J.5Yo~)". Basilic. LX. 25, 6. Cf. Cod. IX. 38. I. un.; Nomok. ib. JllaA lll'cheanohl.

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III. Teil. Die Verwaltung der Kircbe.

sprechen abgeben, niemals riickfallig zu werden und unmittelbar oder im Wege einer angesehener Person demiitig urn Begnadigung bitten. Wird eine solche Bitte vorgebracht, so wird der betreffende ProzeB einer Revision unterzogen. Handelt es sich urn einen Begnadigungsakt des Herrschers, so wird die AuBerung des betreffender kirchlichen Gerichtes und des kompetenten Bischofs tiber die verurteilte Person eingeholt 20. 2) Au8er diesen rechtlichen, bestehen auch gewisse faktische Griinde, aus welchen eine Strafe er!Oschen kann; diese sind: der nahende Tod, die Erkrankung und die Verjahrung. Wenn der betreffende Verurteilte dem Tode nahe ist und fUr das begangene Delikt Reue bekundet, so wird er von der Strafe befreit und mit der Kirche vers5hnt. In diesem Faile ist der Eparchiai-Bischof verpflichtet die Absolution zu erteilen. 1st der Bischof nicht in der Lage, dies pers5nlich zu veranlassen, so bestimmt er hiezu einen seiner Geistlichen. lm Obrigen wird die Absolution in einem solchen Faile nur bedingungsweise erteilt; denn bleibt derjenige, der absolviert wurde am Leben, so muB er die tiber ihn verhangte Strafe abbiiBen 21 Doch kann selbst der Tod den Schuldigen wegen gewisser Delikte von der Strafe nicht befreien, und zwar wegen des Verrates der Kirche (Apostasie und Haresie) und wegen Hochverrates. In solchen fallen kann gegen den Schuldigen die Anklage auch nach dem Tode erhoben und derselbe demnach auch nach dem Tode verurteilt werden 22 Die Erkrankung bildet keinen Grund der Straferl5schung; durch dieselbe wird lediglich der Strafvollzug aufgeschoben 23. Ebenso wurde d er Strafvollzug aufgeschoben, wenn der Betreffende in ein heiliges Asyl fliichtete u. Die biirgerliche Gesetzgebung kennt auch noch die Verjtihrung der Delikte und demzufolge auch der beziiglichen Strafen 25 Auch die kirchliche Gesetzgebung statuiert die Verjahrung fiir geringere kirch20 Vergl. 5. Kanon von Ancyra und Balsamons Kommentar (Atb. Synt. Ill, 29). Siebe Anmerkung 18 dieses Paragrapben. 71 Kan. 13 des I. okum. Konzils. Siebe . 217 dieses Buches. Die romische Kircbe der ersten jahrhunderte (bis zum Papst Gregor dem Gro6en) scblo6 die dabingescbiedenen, mocbten sie Zeicben der Reue bekundet haben oder nicht, unbedingt von der Absolution aus. Siebe Kober, Der Kirchenbann. S. 525 fg. 22 Nomok. VI, 3. IX. 35. XII, 2 (Ath. Synt. I, 134. 227. 261). Cf. Collect. const. eccl. I. 5, 4. 5. 7, 1. 2. (Voe/1. et just. Op. cit. II, 1284. 1292). 23 Nomok. joann. Antioch. XXXVI, 5. (Voell. et just. II, 644). joh. Chrysost., hom. de poenit. 5; Clem. Alexandr., Stromat. II, 18. ~ Coli. const. eccl. I. 12, 2 (Voell. et just. II, 1299). 2 ~ Cod. justin. IX. 22, 12. Basilic. LX. 41, 47. fiir 6sterreich . 227 und 531 des Strafgesetzes vom 27. Mai 1852; fiir Serbien . 74 und 396 des Strafgesetzes vom 29. Mllrz 1860.
2

. 155. Allgemeine Obersicht.

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liche Vergehen und Obertretungen, niemals aber fiir gewisse Delikte, wie fiir die Apostasie, den Vatermord und die vorsatzliche Abtreibung der Leibesfrucht zs.
III. Das kirchliche Vermogensrecht.

. 155.
Allgemeine Ubersicht.
Das Kirchenvermogen bilden aile jene Gegenstande (&x0.YJOW.7tp6.jp.a.tet., res ecclesiasticae), welche die Kirche zu ihrem auBeren Leben und zur unbehinderten Erreichung ihrer Zwecke benotigt. Die Aufgabe des auBeren kirchlichen Lebens besteht in der Verwaltung des Gottesdienstes nach dem vorgeschriebenen Rituale, in der Verbreitung der christlichen Lehre und in der Erhaltung der Ordnung im kirchlichen Organismus. GemaB dieser Aufgabe der Kirche werden die kirchlichen Sachen eingeteilt in: a) heilige Sachen, welche ausschlieBlich fiir den Gottesdienst bestimmt sind (7tp6.jp.et.tet. tep6.) und b) geweihte Sa chen ( 7tp6.nwta. fi"(tet.), namlich die kirchlichen Vermogens-Substanzen, welche zur Bestreitung des Gottesdienstes, fUr den Unterhalt der Kleriker und fiir aile jene Zwecke dienen, welche mit der allgemeinen Aufgabe der Kirche im unmittelbaren Zusammenhange stehen. Da die das Kirchenvermogen im allgemeinen, namlich die Erwerbung desselben, die Privilegien desselben, die Verwendung u. s. w. betreffenden Vorschriften in den Kirchenrechtsquellen von jenen unterschieden werden, welche auf den Unterhalt des Klerus Bezug haben, sollen auch bei Behandlung des Vermogensrechtes der Kirche das Kirchenvermogen und der Unterhalt des Klerus gesondert behandelt werden 1
~ttxti

Nomok. IX, 35 (Ath. Synt. I, 227). Fiir die Abtriinnigen wird bestimmt: ,Actio quae in eum (qui fidem orthodoxam fallit) competit, tempore non circumscribatur, etiamsi non eo superstite lis con testata sit". Basilic. LX. 54, 25. Fiir dk vorsatzliche Abtreibung der Leibesfrucht. Basilic. LX. 41, 19. Fiir den Vatermord. lb. LX. 40, 9: ,Parricidae semper accusantur. Hoc est, accusatio eorum perpetua est, neque ullo tempore finitur". . 155. 1 Siehe hieriiber: Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina P. III. lib. I. c. 1 sq.; }. Heljert, Von dem Kirchenvermogen. Prag 1824; Zachariae a Lingenthal. Geschichte des griech.-rom. Rechts (III. Buch, Sachenrecht, IV. Buch, Obligationenrecht}; Zhishman, Das Stifterrecht in der morgenlandischen Kirche; 0. Grashoj, Die Gesetzgebung der romischen Kaiser iiber die Giiter und Immunitllten der Kirche und des Klerus, nebst deren Motiven und Prinzipien (Archiv. 36, 3 u. ff., 321 u. ff.). Vergl. auch Dr. Hirschel, Das Eigentum am katholischen Kirchengute (Archiv. 34, 32 u. ff., 259 u. ff.). 33*
26

516

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche

1) Das Kirchenvermogen.

. 156.
Das Besitzrecht der Kirche.

Da die Kirche das unbestreitbare Recht hat, ihre heilige Aufgabe in der Welt zu verwirklichen, so ben5tigt sie auch jene Mittel, welche hiezu notwendig sind. Als gesellschaftlicher Organismus braucht sie, urn den Bediirfnissen des christlichen Gottesdienstes zu geniigen, ihre Diener zu erhalten und jene zu unterstiitzen, welche ihrer Hilfe bediirfen, auch irdische Outer. Das Besitzrecht der Kirche beruht, mit RUcksicht auf die Notwendigkeit des Bestandes der Kirche in der Welt, sowohl auf dem naturlichen, als auch auf dem g5ttlichen Rechte. Wenngleich der Stifter der Kirche in Armut lebte und diese als cine christliche Tugend verkUndete, so verordnete er hiemit nicht, daB die Kirche in vollstandiger Armut bestehen miisse, sondern sprach vielmehr selbst von dem Kirchenvermogen, und erteilte hiedurch der Kirche den Segen zur Erwerbung und zum Bewahren von Giitern fUr die eigenen BedUrfnisse. Einige Stellen der heiligen Schrift m5gen hiefUr als Zeugnis dienen t. In der von Christus an einzelne ergangenen Anempfehlung ,alles mit dem Nachsten zu teilen", liegt sowohl eine Anleitung zur Erhaltung der kirchlichen Einheit, als auch die Andeutung des Weges, welchen die Kirche zur Erlangung ihres Vermogens einschlagen soli, urn dem ihr vom Stifter vorgezeichneten allgemeinen Zwecke zu entsprechen. Die Beispiele des apostolischen Zeitalters beweisen, daB die Kirche in dieser Beziehung nach der Weisung des Stifters gleich zu Beginn ihres Bestandes vorgieng 2 Freiwillige Oblationen, regelmaBiges und auBergewohnliches Sammeln milder Beitrage, die Gelder, welche in die bei den Gotteshausern aufgestellten Sammelkastchen eingeflossen sind, ansehnliche Beitrage reicher, zum Christentum Ubergetretener Familien bildeten eine ergiebige Quelle des Kirchenvermogens. Dieses Verm5gen wurde, nach Bestreitung der Auslagen fiir den Gottesdienst und fUr den Unterhalt des Klerus, hauptsachlich zur Unterstiltzung der hilfsbedilrftigen Mitglieder der Kirche verwendet. Dieses letzte Moment war hauptsachlich die Veranlassung, welche die Kirche zur moglichst reichlichen Vermogenserwerbung aneiferte; denn durch die Unterstiitzung der Armen, Kranken, der Witwen, Waisen u. s. w. strebte die Kirche
. 156.
1 job. 4, 8. 12, 6. 13, 29 und andere. Augustinus leitet aus diesen Stellen der heiligen Schrift den Ursprung des Kirchenvermogens her: ,Habebat Dominus loculos et a fidelibus oblata conservans et suorum necessitatibus et aliis indigentibus tribuebat. Tunc primum ecclesiasticae pecuniae forma est instituta". (Tractat. 62. in Job. n. 5., tractat. 50. n. 11.). 2 Apostelgesch. 2, 44. 45. 4, 34-37. 5, 1-11 u. a.

. 157. Von dem Eigentum am Kirchengute.

517

unmittelbar nach Erfiillung einer"ihrer ersten Aufgaben und trug i.iberdies dazu bei, daB aus dem gesellschaftlichen Leben jener miBiiebige Kontrast beseitigt wurde, welcher in dem heidnischen r5mischen Reiche zwischen der armen und reichen Klasse hestand. Hieraus erkUirt sich auch die Stellung, welche spaterhin die griechisch-romische Gesetzgebung seit Constantinus dem GroBen dem Kirchenvermogen gegeni.iber einnahm, indem in dieser Gesetzgebung mit Riicksicht auf die hauptsachlich aus dem Kirchenvermogen flieBende Unterstiitzung der Armen die Vermehrung und die Befreiung desselben von der Staatssteuer und von anderen Abgaben haufig hervorgehoben wird 3

. 157.
Von dem Eigentum am Kirchengute.

Urn iiber das Eigentum am Kirchengute eine klare Vorstellung zu


erlangen, ist der Standpunkt des kanonischen Rechts von jenem des biirgerlichen Rechts zu unterscheiden 1. I. Das Kirchengut ist seiner Natur nach ausschlieBlich fi.ir Zwecke der Kirche bestimmt und daher der Verwendung fur andere Zwecke entzogen. Dadurch unterscheidet es sich von dem gew5hnlichen Verm5gen, dessen Verwendung von dem Belieben des betreffenden Eigentumers abhangt. Man kann daher im AnschluBe an die in verschiedenen kirchlichen Urkunden enthaltenen Angaben mit Recht behaupten, daB das Kirchengut als solches Eigentum Christi oder der Armen sei, weil hiedurch nicht das Eigentum an sich, sondern der Zweck bezeichnet wird, welchem dasselbe gewidmet ist. Aus dieser Natur des Kirchengutes ergeben sich fur die Kirche dreierlei Rechte, namlich das Recht, das Kirchengut seiner Bestimmung gemaB zu verwalten und zu verwenden, das Recht, diese Verwaltung zu beaufsichtigen und darauf zu sehen, daB das Kirchengut seinem Zwecke zugefUhrt werde, endlich das Recht, wenn dessen Bestimmung nicht mehr erreicht wird, oder im Faile dringender Not, dasselbe . zu einem anderen ahnlichen Zwecke zu verwenden oder zu verauBern. Diese Rechte bilden den Inhalt des Eigentums am Kirchengute und wurden ursprtinglich vom Bischof fur das ihm anvertraute Kirchengebiet ausgefibt. Im Laufe der Zeit aber entstanden in jedem Bischofssprengel kleinere, untergeordnete Kirchen und verschiedene lokale Institute, welche ihr eigenes Vermogen hatten, weshalb auch das fri.ihere Recht des Bischofs eine Anderung erfahren
3 Vergl. Cod. Theodos. Xlll. 1, 5. XVI. 2, 6. 10. 14; Cod. justin. I. 2, 12. 3, 13 sq.

. 157.

1 Vergl. Walter, Kirchenrecht. , 251 und 252, und Schulte, System des Kirchenrechts. . 92-97.

518

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

mu8te. Die Verwaltung und Verwendung ging auf die betreffende Kirche oder das tokale lnstitut tiber, welche Subjekte des Eigentums des an denselben hangenden Kirchengutes wurden. Die Beaufsichtigung, sowie die Entscheidung tiber die im Notfalle vorzunehmende VerauBerung des Kirchengutes verblieben aber dem Bischof, als in der oberhirtlichen Stellung des Bischofs in der Kirche gelegene Pflichten. Die Kirche ist berechtigt, ihr Out gegen unrechtmaBiges oder gewaltsames Eingreifen seitens eines ihrer Mitglieder zu verteidigen und ein solches Vorgehen als Sakrilegium mit der Exkommunikation zu bestrafen, sowie sie auch das Recht besitzt, Veruntreuungen des Kirchengutes an ihren Dienern mit den strengsten Kirchenstrafen zu ahnden. AuBer diesen geistlichen Mitteln stehen der Kirche keine anderen Machtmittel zugebote, mag der zugefiigte Nachteil ein noch so groBer sein. II. Da das Kirchengut haufig eine Bertihrung der Kirche mit den weltlichen Verhaltnissen veranlaBt, so erscheint die Erorterung der Frage, welche Stellung die Staatsgewalt und das weltliche Recht dem Kirchengute gegenl.iber einnimmt, von Interesse. Das Recht und die Pflicht der Kirche, das Kirchengut ihrem Zwecke gemaB zu verwenden und zu verwalten, sind solcher Art, daB hiezu die Mitwirkung der Staatsgewalt nicht erforderlich ist. Mit dem Kirchengute verhalt es sich ebenso, wie mit dem Privatvermogen, dessen Eigentiimer ohne die Notwendigkeit der Ingerenz der Staatsgewalt berechtigt ist, frei tiber seine Habe zu verfilgen. Die Kirche verfiigt tiber ihr Out pflichtgemaB und nach eigenem Ermessen und verlangt von der Staatsgewalt nur, daB diese sich urn ihr Vermogen nicht ktimmere, weshalb die Staatsgewalt, solange die Kirche nur diesen Wunsch hegt, keinen Grund hat, sich urn das Kirchengut zu bekilmmern. Die unberufene Einmengung der Staatsgewalt in die Vermogensangelegenheiten der Kirche, sowie die Hinderung der Verwendung des Kirchengutes nach dem festgesetzten Zwecke, ware als Zeichen der beabsichtigten Storung des kirchlichen Oottesdienstes und sonach des Beginnes der Verfolgung anzusehen. Solange die Kirche ihr Vermogen selbstandig verwaltete, hestand fiir die Staatsgewalt nur ein faktisches Verhaltnis, welches insofern auch ein Rechtsverhaltnis sein konnte, als die Mitglieder der Kirche, wenn sie das Recht der freien Religionsiibung besaBen, auch die Respektierung des zu Zwecken ihres Olaubens bestimmten Kirchengutes verlangen konnten. Hieraus folgt, daB die Staatsgewalt, wenn sie gegenwartig in ihren Oesetzen bestimmt, daB das Kirchengut fiir Zwecke der Kirche unversehrt gewahrt werden mtisse, nur das zum Ausdrucke bringt, was sich nach dem Begriffe des Rechtsstaates und der Unverletzbarkeit des Eigentums im allgemeinen von selbst versteht; daB sie hiedurch nur eine neue gesetzliche Oarantie daftir bietet, die Unverletzbarkeit des Kirchengutes. im allgemeinen zu schirmen.

. 157. Von dem Eigentum am Kirchengute.

519

Durch die Bertihrung mit dritten Personen tritt das Eigentum an dem Kirchengute notwendig in das Oebiet des biirgerlichen Rechts. Dies zeigt sich in drei Momenten, namlich in dem Rechte, entwendetes Kirchengut vor dem weltlichen Oerichte zu revindizieren, in dem Rechte den aus Vertragen und Ietzwilligen Verfiigungen verpflichteten im Weigerungsfalle im Wege des weltlichen Oerichtes zu belangen, endlich darin, daB die VerauBerung von Kirchengut fUr den betreffenden neuen EigentUmer als ziviler Erwerbstitel gilt. Diese Rechte kann die Kirche sich selbst nicht einraumen, sondern dieselben nur dann ausiiben, wenn sie im Staate als sukzessions-berechtigte juristische Person anerkannt ist. Die diesfallige Frage gehOrt in die ausschlieBiiche Kompetenz des positiven Zivilrechts, und kann die Kirche die Staatsgewalt, welche dabei ihrem eigenen Ermessen folgt, nicht beeinfluBen. Obrigens werden diese Rechte von einer christlichen Staatsgewalt der Kirche nicht nur zuerkannt, sondern die erste erachtet es auch nach ihrer christlichen Eigenschaften als Pflicht, mit allen gesetzlichen Mitteln diese Rechte zu schirmen. Aber auch eine nicht-christliche Statsgewalt wird der Kirche diese Rechte nicht aberkennen, wenn sie ihren Untertanen die freie Religionstibung gestattet. Sobald dem Kirchengute der zivilrechtliche Charakter zuerkannt wird, ist demselben auch der dem Privateigentum zustehende gesetzliche Schutz gewahrleistet und wird daher jede VerIetzung desselben, mag diese von wem immer und wegen eines wie immer gearteten nicht kirchlichen Zweckes erfolgen, als gesetzwidri g angesehen. . 158.
Das Subjekt des Eigentums am Kirchengute. Aus der vorhergehenden Darstellung ist zu entnehmen, wer Eigentiimer des Kirchengutes ist, und konnte es daher iiberfliiBig erscheinen, hieriiber noch einer besonderen Erorterung Raum zu geben. Da aber in neuerer Zeit bei den abendlandischen Kirchenrechtslehrern in dieser Beziehung eine Unbestimmheit sich bemerkbar machte, und auch einige Theorien tiber die Frage entstanden, wer Subjekt des Eigentums an dem Kirchengute ist, ergibt sich die Notwendigkeit, die diesfallige Lehre der morgenlandischen Kirche kennenzulernen. Einige abendUindische Kanonisten raumen das Eigentum am Kirchengute den betreffenden Kirchengemeinden 1, andere dem Staate 2, wieder andere der Oesamtkirche s ein. Nach dem kanonischen Rechte der morgenlandischen Kirche kann
1 Richter, Kirchenrecht. . 302 (VIII. Auflage). j. V. Eybel, Introductio in jus eccles. Tom. II. I. 2. c. 4. 3 Philipps, Lehrbuch des Kirchenrechts. . 207 u. ff.; Hirschel, Das Eigentum am kath. Kirchengute (1. c.).

. 158.

520

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

die Kirchengemeinde nicht Subjekt des Eigentums am Kirchengute sein, wei! dann der Kirche die juristische Personlichkeit abgesprochen wiirde und iiberdies kein gerechtfertigter Grund vorlage, die politische Gemeinde nicht als Eigentiimerin dieses Gutes anzusehen 4 Die Kirchengemeinde kann wohl bei der Verwaltung des Kirchengutes mitwirken, allein hiedurch erlangt sie kein Eigentumsrecht an demselben, wei! sonst auch der Kurator als Eigentiimer des Vermogens jener angesehen werden konnte, welche seiner Obsorge anvertraut sind. Selbst der Umstand, daB die Mitglieder der Kirchengemeinde Beitrage fiir die Kirche leisten, verleiht der Kirchengemeinde noch kein Eigentumsrecht am Kirchengute; denn wenn auch die Mitglieder der Kirchengemeinde Beitrage zu kirchlichen Zwecken geleistet haben, steht ihnen dennoch kein Recht zu, hieriiber selbstandig zu ve1itigen, sondern nur mit Genehmigung der die Oberaufsicht tiber das Vermogen jeder einzelnen Ortskirche fiihrenden Kirchengewalt. Die Lehre, daB der Staatsgewalt das Eigentum am Kirchengute zustehe, entbehrt auch der Begriindung. Dieselbe widerstreitet den ausdriicklichen Vorschriften des kanonischen Rechts und den gesetzlichen Normen der christlichen Kaiser, welche stets Kirchen- und Staatsgut voneinander trennten und der Kirche, hinsichtlich ihres Vermogens, besondere Privilegien erteilten, so daB dasselbe von dem Staatsgute in jeder Beziehung verschieden war. Das Hervorheben des Eigentumsrechtes des Staates an dem Kirchenvermogen miiBte zu nachteiligen Folgen fiihren. Der Staatsgewalt stehen bestimmte gesetzliche Rechte an dem Kirchengute zu; allein aus allen diesen Rechten entspringt noch keineswegs das Eigentum des Staates an dem Kirchengute, ebenso wie ihm ein solches Eigentumsrecht am Privatgute nicht zusteht. Wird die Gesamtkirche als Eigentiimerin des Kirchengutes bezeichnet, so laBt sich hierin die Rechtsgrundlage dieses Eigentums selbst nicht erkennen. Zur Rechtfertigung dieser Theorie werden die stationes jisci des romischen Rechts angefiihrt, welche in ihrem Wirkungskreise selbstandig, aber alle doch nur Teile der allgemeinen Staatskassa waren, und wird hieran die Folgerung gekniipft, daB die einzelnen Kirchen bis zu den kleinsten Bestandteilen (Pfarren) eine gleiche selbstandige Verwaltung iiber das ihnen anhangende Kirchengut, welches nur ein Teil des allgemeinen Vermogens der Gesamtkirche ist, ausiiben konnen. Dieser Vergleich ist an und fiir sich, wei! gekiinstelt, unhaltbar; allein auch abgesehen hievon, ist es nicht klar, wer hier Reprasentant des Kirchengutes, und wie der Begriff des Eigentums der Gesamtkirche
In Frankreich steht den politischen Gemeinden das Eigentumsrecht an dem Kirchengute zu. Cf. Vering, Kirchenrecht (II. Auf!.). S. 767. n. 6.

. 158. Das Subjekt des Eigentums am Kirchengute.

521

zu definieren ist. Soil nach MaBgabe dieser Theorie das Eigentumsrecht der Gesamtkirche in dem Begriffe der Kirche selbst seine Grundlage haben, so erscheint es nicht verstandlich, daB diesfalls in den Kirchenrechtsquellen nichts erwahnt wird, sondern daB hier im Gegenteile immer von dem Vermogen der einzelne Kirchen gesprochen, und stets der Unterschied zwischen dem Vermogen der einen oder anderen Kirche, des einen oder anderen kirchlichen Institutes hervorgehoben wird. Oberdies fehlt es an der mit dem Auffassen der Gesamtkirche als einziges Subjekt des Eigentums am Kirchengute im notwendigen logischen Zusammenhange stehenden Bestimmung, daB mit dem Vermogens-Oberschusse der einen Kirche der Abgang bei der anderen Kirche zu decken sei. Diese verschiedenen Theorien tiber das Subjekt des Eigentums am Kirchengute wurden bei den abendlandischen Kanonisten durch die verschiedenen Verhaltnisse der Kirche im Abendlande, sowie durch die Beziehungen, welche zu verschiedenen Zeiten zwischen ihr und den einzelnen Staaten bestanden, hervorgerufen. Das morgenlandische Kirchenrecht steht in dieser Frage auf dem Standpunkte der Kirchenrechtsquellen aus der Zeit der ungeteilten Kirche. Diese Quellen bezeichnen jede einzelne Ortskirche als das Subjekt des Eigentums an jenem Teile des allgemeinen Kirchengutes, welchen sie durch Schenkung, Erbschaft, Vermachtnis oder auf andere ahnliche Weise erhielt. jede einzelne Ortskirche hat aile Rechte eines rechtmaBigen Eigentiimers und reprasentiert ftir sich allein und Dritten gegentiber eine selbstandige juristische Person 5 . Dieser kanonische Grundsatz der Kirche tiber das selbstandige Eigentum jeder einzelnen Ortskirche an ihrem Vermogen, hat sich in der kirchlichen Praxis derart eingebtirgert, daB es den BischOfen streng untersagt war, das Vermogen einer Kirche zu Zwecken einer anderen zu verwenden, mogen auch beide Kirchen einem und demselben Bischof untergeordnet und sonach Bestandteile desselben Bischofssprengels gewesen sein 6 Als Subjekt des Eigentums werden in den kanonischen Quellen neben den Ortskirchen auch die Kloster und aile Wohltatigkeits-lnstitute, als Kranken-Anstalten, Armen- und Waisenhauser u. dgl. anerkannt 7 Diesen Standpunkt hat auch die griechisch-romische Gesetzgebung angenommen und die juristische Personlichkeit allen jenen Instituten zuerkannt, rticksichtlich welcher dies seitens der kirchlichen Gesetzgebung geschah 8 Ein Gesetz Justinians enthalt sogar die Bestimmung, daB im Falle eines Vermachtnisses
Ant. 24. 25. Kan. und Kommcntare zu diesen Kanones. Karth. 134. Kan. 7 Siebe Nov. 120. c. 7, . t'; Nov. 131. c. 10 (Basilicor. V. 2, 9. 3, 11). Vergl. Kommentar Balsamons zum 8. Kan. des IV. allgem. Konz. (Ath. Synt. II, 236). 8 Cod. just. I. 2, 26., I. 3, 20. 49; Nov. 123. c. 16. 38; Nov. 131. c. 13. 33 1
5

522

Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

zu Ehren Oottes, der Oegenstand des Vermachtnisses in das voile Eigentum der Kirche jenes Ortes iiberzugehen habe, wo der Erblasser seinen Wohnsitz hatte 9,

. 159.
Von der Erwerbung der Kirchengiiter.
In der ersten Zeit des Bestandes der Kirche war dieselbe auf freiwillige Oblationen der Christen, welche in OegensUinden verschiedener Art, in Feldfriichten, Geld u. dgl. bestanden, angewiesen 1 Auch die Zehnten (a'XlJ.'tat, decimae) werden erwahnt, welche die Olaubigen der Kirche und dem Klerus entrichteten. Zu solchen Leistungen gab es keinen Verpflichtungsgrund, dieselben waren vielmehr durch das GefUhl der Frommigkeit veranlaBte freiwillige Beitrage der vermogenden Mitglieder der Kirche 2. Im Laufe der Zeit wurden der Kirche auch unbewegliche OUter zugewendet s, und die Kanones der Kirchenversammlungen des IV. Jahrhunderts erwahnen der Kirche gehOrige FeldgUter, deren Ertrag zur Bestreitung der kirchlichen Auslagen diente 4 ; alle diese OUter riihrten von Oaben ihrer Mitglieder her. Anfangs konnte jedoch die Kirche diese OUter nicht als ihr standiges Eigentum ansehen, da infolge des feindlichen Verhaltnisses der heidnischen Staatsgewalt zur Kirche, ihr diese OUter, wie es auch in der Tat geschah, jeden Augenblick entzogen werden konnten. Daher hatte die Kirche nach Einkehr gtinstiger Beziehungen zwischen ihr und dem Staate dafUr Sorge getragen, daB sie sowohl hinsichtlich der Erwerbung, als auch der Erhaltung der KirchengUter, durch die Staatsgesetze die notwendige Unterstiitzung erlange, welche ihr auch seit Constantinus dem OroBen

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Const. Apost. 2, 25. 7, 29. 8, 30. 31. 40. Teriullianus sagt iiber die Geldbeitrage: ,Modicam unusquisque stipem menstrua die, vel cum velit, et si modo possit, apponit; nam nemo compellitur, sed sponte confert. Haec quasi deposita pietatis sunt" (Apol. cap. 39). 2 Const. Apost., erwahnte Stell en; Origen., Hom. 11 in Num. Cyprian., De unitate ecclesiae sub fine; Epiphan., Haer. 8; Chrysost, Hom. 77 in Math. 3 Dies erhellt aus dem Edikte des Licinius vom Jahre 313, in welchem es heiBt: ,Et quoniam iidem Christiani non ea loca tan tum, ad quae con venire consueverunt, sed alia etiam habuisse noscuntur, ad jus corporis eorum, id est ecclesiarum, non hominum singulorum pertinentia, ea omnia lege, qua superius comprehendimus, citra ullam prorsus ambiguitatem vel controversiam iisdem Christiania, id est corpori et conventiculis eorum reddi jubebis". Lactant., De mortib, persecut. 48. Cf. Eusebii Hist. eccl. II. 10, 5. i Ant. 25. Kan.
. 159.
1

. 159. Von der Erwerbung der KirchengUter.

523

in ausgiebigcm MaBe zuteil wurde. Damit die Gaben der frommen Christen, welche die Hauptquelle der Vermehrung des Kirchenvermogens bildeten, auch in bilrgerlicher Beziehung wahres Eigentum der Kirche wOrden, erfolgte die Zuwendung derselben im Sinne der weltlichen Gesetze, so daf3 das Eigentum an denselben den gleichen Schutz seitens der Staatsgewalt genoB, wie jedes andere private Eigentum. Das romische Recht unterscheidet den Eigentumserwerb auf den Fall des Todes (mortis causa), und durch Rechtsgeschafte zwischen Lebenden (non mortis causa, namlich actus inter vivos) 5. Die Vorschriften des romischen Rechts gelten in dieser Frage auch fOr die Kirche, welcher ilbereinstimmend mit der romischen, auch die heutige Gesetzgebung die Eigentumsfahigkeit zuerkennt 6, I. Unter den Arten des Eigentumserwerbes der Kirche auf den Todesfall nimmt den ersten Platz die testamentarische Erbfolge (x tiJ~ 8w.ih1 xs~, ex testamento) ein. Das Erbrecht auf das Vermogen frommer Christen wurde der Kirche durch die romische Gesetzgebung gleich nach Einfilhrung der christlichen Religion als Staatsreligion zuerkannt7. Ebendieses Recht raumt auch die gegenwartige Gesetzgebung der Kirche in den betreffenden Staaten ein 8 , selbstverstandlich unter Wahrung der gesetzlichen Normen, riicksichtlich der Giltigkeit der letztwilligen VerfUgungen !1 AuBer der Erbfolge ex testamento steht der Kirche in bestimmten Fallen auch die gesetzliche Erbfolge ab intestato (8x &a~cx.S.~tou) zu. Dies ist hauptsachlich rilcksichtlich des von Geistlishen hinterlassenen Vermogens der Fall; doch kann nach den Kirchenrechtsquellen eine solche Erbfolge auch rUcksichtlich des Vermogens von Personen weltlichen Standes, welche ohne Testament verstorben sind, eintreten. BezUglich der ohne Testament verstorbenen Mitglieder des Klerus gilt die Bestimmung, dag in das hinterlassene Vermogen die Verwandten derselben bis zum vierten Grade nachzufolgen haben ; sind solche nicht vorhanden, so soll der ganze NachlaB in daB Eigentum der betreffenden Kirche iibergehen und zu Zwecken der Kirche, sowie jener WohltatigInstit. lib. II. tit. 7. pr. Cf. Basilic. lib. XLVII. tit. 1 et 3. Vergl. Digest. III. 4, 1 (Basilicorum. VIII. 2, 101); Cod. Justin. I. 2, 1 (Basilic. V. 1, 1); . 26, 355, 356, 538, und 539 des osterr. bUrgeri. Gesetzbuches. 7 'E~scrtw sx.icrt<:> tSASlltWYt~ ta Ot?tsta 1tpi'([Latcx ?t'XtaA~fLTCcXYS~Y tat<;; &'(lew;; ECJXA'tjcr[cxt<;; . O Et r a p 'f)I)AittscriJ.cx~ tcX<;; '(YW[i!X<;; a~hW'I W<;; [i'tjMt~ OOYIX[LSYWY aAJ.oitsv ~O 'JAs,)cracr &at. Basi lie. V. 1, 1 ; Nomok. II, 1 (Ath. Synt. I, 100). 8 Z. B. . 538 des osterr. bUrgeri. Gesetzbuches. 9 FUr die altere Zeit siehe Puchta, Institut. III, 233 u. ff.; Zachariae, Geschichte des griech.-rom. Rechts. . 35 u. ff. Fiir 6sterreich dermalen die . 577-600 des bUrgeri. Gesetzbuches ; fiir Serbietz . 429-448 des bUrgeri. Gesetzbuches ; fiir Rumiinien die . 738-758 des Moldauischen bUrgeri. Gesetzbuches.
6

524

III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

keitsanstalten dienen, welche von der Kirche verwaltet werden 10. Gleiche Bestimmungen, mit unbedeutenden Modifikationen, enthalt auch die griechisch-romische Gesetzgebung 11 , deren diesbeziigliche Vorschriften in die Kanonen-Sammlungen Eingang fanden 12 . Das erwahnte Recht der Kirche ist gegenwartig in den einzelnen Staaten durch besondere Gesetze normiert 1s. Die griechisch-romische Gesetzgebung hat aber der Kirche auch das Sukzessionsrecht in das Vermogen von Laien, welche ohne Testament gestorben waren, zuerkannt. Es hestand die Gepflogenheit, daB die Erben es als moralische Verpflichtung ansahen, einen Teil des ererbten Gutes der Kirche zum Andenken des Verstorbenen zu widmen. Diese Obung wurde im IX. Jahrhundert zum Gesetze erhoben und bestimmt, daB der dritte Teil des Vermogens verstorbener Kriegsgefangener der Kirche zum Seelenheile der Betreffenden zu iibergeben sei, falls der Staat in das von ihnen hinterlassene Vermogen zu sukzedieren hatte u. Constantinus Porphyrogenitus dehnte dieses Gesetz auf aile aus, welche ohne Testament und ohne Hinterlassung leiblicher Kinder starben 15 , und im XIV. Jahrhundert bestimmte Andronicus Palaologus der Altere, daB nach dem Tode eines Ehegatten je ein Drittel des Nachlasses dem iiberlebenden Gatten, den Eltern des Verstorbenen und der Kirche zuzufallen habe 16. Diese Gesetze wurden in die Kanonen-Sammlungen aufgenommen und zur allgemeinen Norm in der griechischen Kirche 11.
10 Ant. 24. Kan. und die Kommentare des Zonaras und Balsamons zum 22. Kanon des IV. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 268-269). 11 Cod. justin. I. 3, 34. 42; 131. Nov. justin. c. 13 (Basilic. V. 3, 15). 12 Nomok. X, 5 (Ath. Synt. I, 239-241); Blastares, Syntagma, Ll, 4 (Ibid. VI, 207-208). 13 Vergl. fiir 6sterreich die Hofdekrete vom 27. November 1807 und vom 16. September 1824; fiir die Karlowitzer Metropolie . 18 des Deklaratoriums. Fiir Serbien gilt die Bestimmung, daB nach dem Tode des Bischofs, falls kein Testament vorhanden ist, die Verlassenschaftsmasse, nach Deckung der BegrabnisAuslagen und der Kosten fiir die Beschaffung der etwaigen Abgange aus dem Vermogen des Bistums, in drei gleiche Teile geteilt werden soli, wovon je ein Teil der geistlichen Oberbehorde, behufs Verteilung unter die Kirchen und KlOster, dem Haupt-Schulfonde und den Verwandten des Bischofs zuzufallen haben; sind keine Verwandten vorhanden, so wird auch der diesen zukommende Dritteil an die Kirchen und den Schulfond verteilt (Verordnung vom 10. Mai 1847; abgedruckt bei . 476 des biirgerlichen Gesetzbuches fiir das Konigreich [Ausg. 1884 s. 211-212]). u Siebe die beziigliche Novelle des Kaisers Leo des Philosophen, in Zachariae, jus graeco-romanum. III, 128. 15 Die Novelle Konstantins in Zachariae. III, 276. 16 Zachariae. III, 628. 17 Vergl. Syntagma des Blastares K, 12 (Ath. Synt. VI, 324). In GriechenIand und Rumanien gelten in dieser Beziehung auch heute dcr Hauptsache nach die Vorschriften der byzantinischen Gesetzgebung (Zachariae, Geschichte des grie-

159. Von der Erwerbung der Kirchengiiter.

525

Die reichste Quelle fUr den Erwerb des Kirchengutes bilden die

Vermachtnisse zu frommen Zwecken (A"f}'(6.ta. sl~ suas~st~ a.ttta.~,


legata ad pias causas). Wen von solchen Vermachtnissen als Kirchengut gesprochen wird, so ist diese im relativen Sinne aufzufassen; denn die Kirche ist nicht Eigentilmerin des Vermachtnis-Gegenstandes im juristischen Sinne, sondern ihr, beziehungsweise dem betreffenden Bischof, steht nur die Oberaufsicht tiber die Vermachtnisse zu; sie leitet die Verwaltung derselben und ergreift die notwendigen gesetzlichen MaBnahmen, wenn die Verwaltung nicht ordnungsmaBig und dem bestimmten Zwecke entsprechend besorgt wird. In diesem Sinne werden die durch Vermachtnis entstehenden Anstalten kirchliche Anstalten oder Institute genannt. Das Objekt der verschiedenen, von den Kirchenrechtsquellen erwahnten Vermachtnisse bildet die Erhaltung irgendeiner Kirche zum Heile der Seelen oder die Unterstiitzung Hilfsbediirftiger, namlich: die Erhaltung von Unterkunftsstatten fiir Fremde, Arme, Kranke, fiir Waisen und verwahrloste Kinder, fur Greise, jungfrauen u. dgl., die Erhaltung . von Erziehungs-Anstalten fUr die Jugend u. s. w. 18. Diese und ahnliche Institute standen im Genusse besonderer Privilegien, welche ihnen von den griechisch-rl>mischen Kaisern eingeraumt wurden. Zu diesen Privilegien geh5rten namentlich die Befreiung eines Legates zu frommen Zwecken von der quarta Falcidia 19, die Auszahlung des Legates binnen sechs Monaten vom Tage der Kundmachung des Testamentes oder andern Falles die Leistung der Zinsen und Frilchte aus dem Legate vom Todestage des Erblassers, und im Fa11e eines Rechtsstreites die Bezahlung des doppelten Wertes des Vermachtnisses 2o; die Bezahlung pes doppelten im Fa11e der Nichtanerkennung des Vermachtnisses seitens der Erben 21, die Berechtigung des Bischofs, als Vo11streker des Vermachtnisses zu fungieren, wenn ein solcher nicht ernannt war u. s. w. 22 Diese und viele andere Privilegien der justinianischen Gesetzgebung,
chisch-romischen Rechts. . 32). In Osterreich (. 760 des bilrgerlichen Gesetzbuches) und in Serbien (. 350 des bilrgerlichen Gesetzbuches) filllt die Verlassenschaft, wenn keine Erben vorhanden sind, dem Fiskus zu. 18 Cod. justin. I. 2, 23; 131. Nov. c. 10 (Basilic. V. 3, 11). 19 131. Nov. c. 12 (Basilic. V. 3, 13). Auf Grund der lex Falcidia und des sp!iteren romischen Rechts (Digest. XXXV. 2, 1 ; lnstit. justin. II, 22, pr.) ist ein Vermlichtnis nur dann giltig, wenn den gesetzlichen Erben wenigstens der vierte Teil des gesamten Nachlasses verbleibt; hat der Erblasser auf andere Weise verfilgt, so hat der Erbe das Recht, von jedem Legate soviel in Abzug zu bringen, bis der vierte Teil (quarta Falcidia) gebildet ist. 20 Instit. justin. IV, 6. . 19; Cod. justin. I. 3, 45. . 7; 131. Nov. c. 12 (Basilic. V. 3, 13.). 21 Instit. justin. Ill, 28. . 7; IV, 6. . 23. Cf. Collectio const. eccles. lib. II (Voelli et justelli, Bibloth. jur. can. II, 1309). 22 Cod. justin. I. 3, 28. 46. 49; 131 Nov. c. 11 (Basilic. V. 3, 12).

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

beziiglich der Vermachtnisse zu frommen Zwecken, wurden von den nachfolgenden griechisch-romischen Kaisern 2a, die auch denjenigen, welchen die Testierungsfahigkeit sonst mangelte, die Anordnung von Vermachtnissen zu frommen Zwecken gestatteten, bestatigt und erweitert 24 Die diesfalligen Normen der griechisch-romischen Gesetzgebung wurden in die Kanonen-Sammlungen der orientalischen Kirche aufgenommen 25 Die in dieser Beziehung heute geltenden Vorschriften sind durch die Gesetze der einzelnen Staaten normiert 26. II. Die Kirche kann auch durch Rechtsgeschafte unter Lebenden (actus inter vivos), und zwar durch Schenkung (Clmpsa, donatio) und durch Kauf (ayopaa(a, emptio) Vermogen erwerben. Die Schenkung ist ein Vertrag, wodurch eine Sache der Kirche unentgeltlich iiberlassen oder die Obergabe einer Sache in gesetzlicher Form zu dem Zwecke versprochen wird, urn hiedurch das Vermogen der Kirche zu ihrem Vorteile und Nutzen zu vergroBern 27 Riicksichtlich der Schenkungen werden der Kirche vom Kirchenrechte gewisse Privilegien zuerkannt, namentlich, daB ein Schenkungsversprechen ohne Obergabe der geschenkten Sache obligatorisch sei ~8 und daB das volle Eigentum an der geschenkten Sache ohne Moglichkeit der Revindikation derselben erworben werde 29 Mit einigen geringfiigigen Anderungen gilt dies fi.ir die Kirche auch dermalen 3o. Der Kaujvertrag besteht in dem Oberlassen einer Sache urn eine bestimmte Summe an einen andern 31 Nach den allgemeinen Bestimmungen des Kirchenrechts kann die Kirche jede zum Verkaufe angebotene Sache kauflich an sich bringen. Nach Analogie des rt\mischen Rechts gehen auch solche Sachen in das Eigentum der Kirche tiber, welche von den Verwaltern des Kirchenvermt\gens
Diese sind im Nomok. II, 1 (Ath. Synt. I, 82-108) angefiihrt. Vergl. hieruber die Novellen der Kaiser Leo und Constantinus (zwischen den jahren 776 und 780) in Zachariae, jus graeco-romanum. III, 52. u. Ath. Synt. v, 243. 2 ~ Blastares, 11, 4 (Ath. Synt. VI, 207-208); Kommentare Balsamons zum 40. Trull. Kanon, 5 Kanon der I. II. Synode und 81. Kanon von Karthago (Ibid. II, 400. 667. III, 506). 26 Siehe z. B. fiir Osterreich, . 647 u. ff. des burgerlichen Oesezbuches und die in der Anmerkung bei . 651 desselben Oesetzbuches angefiihrten gesetzlichen Bestimmungen (Manz'sche Oesetz-Ausgabe. XII. Auf!. S. 197-198). 27 Instit. justin. II. 7, pr.; Digest. XXXIX. 5, 1 (Basilic. XLVII, 1, 1). Vergl. . 938. u. ff. des osterreichischen burgerlichen Oesetzbuches; . 561 u. ff. des serbischen burgeri. Oesetzbuches; Art. 896 des montenegrinischen Sachenrechts. 28 Digest. XXIV. 1, 23. L. 12, 1-3 (Basilic. LIV. 13, 1); Nomok. II, 1 (Ath. Synt. I, 100). 29 Cod. justin. I. 2, 23; Nomok. lb. 30 Vergl. . 861 und 942 des osterreichischen burgeri. Oesetzbuches. 31 Instit. justin. II. 23, 24; Digest. XVIII. 1 ; Cod. justin. IV, 38 (Basilic. XIX, 1) ; Collect. constit. eccles. lib. II; Nomok. II, 1 {Ath. Synt. I, 100).
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160. Die Vorrechte des Kirchengutes.

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mit kirchlichen Geldern fUr sich gekauft wurden 32. Ahnliche Bestimmungen tiber den AbschluB von Kaufvertragen seitens der Kirche enthalten auch die gegenwartigen Gesetze der einzelnen Staaten 33, Die Ubrigen Vertrage, mittelst welchen die Kirche Outer erwerben kann, sind dieselben, mit welch en seitens Privater Vermogens- Objekte erworben werden. Eine andere Erwerbungsart des Kirchengutes ist die Ersitzung (xpov(a, XP'ficrt~, 1Cetpetjpettpf), usucapio, praescriptio longi temporis). Unter der Ersitzung versteht man den Eigentumserwerb einer Sache durch fortgesetzten Besitz derselben wahrend einer bestimmten Zeit 34 Zur Ersetzung ist die justa causa (soAojo~ atda) und bona fides (x.akfj 1Ctcrtt~) erforderlich m>, Das kanonische Recht halt sich, was die Ersitzung anbelangt, an das romische Rechf3G. Als ein Vorrecht des Kirchengutes hestand die auBerordentliche Ersitzung. justinianus bestimmte fUr die Kirche und fUr Vermachtnisse zu frommen Zwecken zunachst eine hundertjahrige Ersitzungszeit 37, welche spater auf eine vierzigjahrige eingeschrankt wurde 3s. Oewisse Privilegien genieBt die Kirche in dieser Beziehung auch dermalen 39.

. 160. Die Vorrechte des Kirchengutes. Durch das Mailander Edikt vom jahre 313 wurde die Glaubensfreiheit im romischen Reiche kundgemacht, und gleichzeitig verfiigt, daB der Kirche aile ihr zur Zeit der Verfolgungen abgenommene Outer rUckzuerstatten seien 1. Zwei Jahre spater wurde ein besonderes Gesetz erlassen, welches bestimmte, daB aile der Kirche gehorigen, beweglichen und unbeweglichen Giiter von jeder Steuer und Abgabe frei seien 2 Durch das Gesetz vom jahre 321, mit welchem Constantinus der GroBe der Kirche das Recht, Legate anzunehmen, zuerkannte s, war der Kirche
Cod. Justin. III. 32, 8. V. 39, 2 (Basilic. XV. 1, 88. XXXVII. 9, 10). Vergl. . 356, 362 und 1054 des iJsterreichischen biirgerlichen Gesetzbuches, und die einschtagigen gesetzlichen yerordnungen zu diesen Paragraphen. 3 Digest. XLI. 3, 3 (Basilic. L. 3, 3). 35 Digest. XLI. 3, 25. 4, 9 (Basilic. L. 3, 25. 4, 10. 10, 3). 36 Vergl. Puchta, Cursus der Institutionen. II, 651 u. ff. 37 Cod. justin. I. 2, 23. 38 Nov. 111. c. I; Nov. 131. c. 6 (Basilic. V. 2, 16. 3, 7). 39 Vergl. fiir 6sterreich a. 1460-1474 des bUrgeri. Gesetzbuches. . 160. 1 Siebe das Edikt des Licinius vom jahre 313. Vergl. Lactant., de mort. persecut. 48; Eusebii Hist. eccl. H. 10, 5. 2 "Praeter privatas res nostras et ecclesias catholicas . . . nemo ex nostra jussione praecipuis emolumentis familiaris juvetur substantiae". Cod. Theod. XI. 1, 1. 3 ,Habeat unusquisque licentiam sanctissimo catholicae ecclesiae venerabilique concilio decedens bonorum, quod optavit, relinquere". Cod. Theod. XVI. 2, 4.
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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

der Weg zur Erwerbung groBer Verm5gens-Substanzen geebnet. Dem Beispiele des Kaisers Constantinus in der Anerkennung der Vorrechte des Kirchengutes folgten aile griechisch-rOmischen Kaiser, mit Ausnahme des Julianus (Apostata) und noch einiger Kaiser, welche unter dem Einflusse der Oegner der rechtglaubigen Kirche standen. Die Kirche selbst verzichtete auf die ihr von Constantinus zuerkannte glinzliche Befreiung von den Abgaben, da sie von dem Wunsche erfUilt war, auch ihrerseits zu den Erfordernissen des Staatshaushaltes beizutragen. Zufolge des von Julianus erlassenen Oesetzes, daB dem Kirchengute keine Vorrechte vor dem Privat-Eigentume im Staate zustehen, wurde von den Kaisern Theodosius I. (im Orient) und Valentinianus II. (im Okzident) ein neues Oesetz kundgemacht, mit welchem in Betreff des Kirchengutes das friihere Prinzip wiederhergestellt, und verfiigt wurde, daB die Kirche von allen sogenannten munera sordida, zu welchen die iibrigen Eigentumer verpflichtet waren, befreit sei 4 Kaiser Honorius bestimmte, daB das Kirchengut von jeder auBerordentlichen Steuer (extraordinaria collatio) frei sei, und bedrohte jedermann, welcher es gewagt batte, die der Kirche hinsichtlich ihres Vermogens verliehenen Vorrechte zu verletzen, mit einer Oeldstrafe, sowie im Faile der Wiederspenstigkeit mit der Verweisung 5 Theodosius II. bestatigte das von Honorius erlassene Oesetz und befreite einige Kirchen selbst von der Leistung der regelmaBigen Steuer 6 Kaiser Marcianus reihte an die frUheren Oesetze ein von ibm erlassenes Oesetz, nach welchem der Kirche nicht nur die selbsUindige Verwaltung ihres Vermogens, sondern auch die Oberaufsicht Uber aile den Wohltatigkeits-Anstalten gewidmeten Legate zuzufallen hatte 7 Die nachfolgenden Kaiser, namentlich Leo, Anthemius und Zeno, welche diesem Oesetze des Kaisers Marcianus ihre Aufmerksamkeit zuwandten, iibertrugen der Kirche nicht nur die Verwaltung des Vermogens der Wohltatigkeits-Anstalten, sondern auch die Verwaltung der Anstalten selbst s. Aile diese die Vorrechte des Kirchengutes betreffenden Gesetze wurden sodann von justinianus dem OroBen, welcher auch seinerseits mehrere ahnliche Gesetze erlieB, kodifiziert 9 Die spatere byzantinische Oesetzgebung hat sich in jeder Beziehung an jene justinians angeschlossen. Die bilderstilrmenden Kaiser entzogen der Kirche filr einige Zeit die ihr verliehenen Vorrechte to,
' Cod. Theod. XI, 16, 15. 18. 5 Cod. Theod. XI. 16, 21. XVI. 2, 34. 40. 6 Cod. Theod. XL 1, 33. 37. 24, 6. XV. 3, 6. XVI. 2, 45. 7 Cod. justin I., 3, 34. Cf. I. 2, 12. 8 Cod. justin. I. 2, 15. 3, 35. 39. 9 Dieselben sind im 1. Kap. II. Tit. des Nomokanon (Ath. Synt. I, 82-108) enthalten. 10 Siebe z. B. die Novelle des Nikephorus Phokas (964) gegen die Kloster (Zachariae, jus graeco-romanum. III, 292).

. 160. Die. Vorrechte des Kirchengutes.

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welche jedoch von den folgenden Kaisern wiederhergestellt und ausgedehnt wurden 11 Einige der dem Kirchengute zuerkannten Vorrechte wurden bei der Behandlung der Frage Uber die Erwerbung des Kirchengutes besprochen, noch andere sollen spater erwahnt werden. Die verschiedenen der Kirche hinsichtlich ihres Vermogens von den byzantinischen Kaisern eingeraumten Vorrechte wurden durch das beziigliche Interesse des Staates selbst veranlaBt. Durch die allgemeine Neigung der rechtglaubigen Bevolkerung, ansehnliche Summen sowohl zu kirchlichen als auch zu anderen frommen Zwecken zu vermachen, gelangte die Kirche zu bedeutenden Vermogens-Substanzen, welche ihr die Moglichkeit boten, nicht nur allen Anforderungen des Gottesdienstes und der Erhaltung ihrer Diener aus eigenen Mitteln zu entsprechen, sondern auch die Armen und Kranken, die Witwen, Waisen u. s. w. zu unterstutzen. Hiedurch wurde der Staat der beziiglichen Sorgen enthoben, und indem er der Kirche aile moglichen Erleichterungen zur Erwerbung eines umfangreichen Vermogens bot und dasselbe von den dem Privatvermogen anhaftenden auBerordentlichen Lasten befreite, forderte er im allgemeinen den gesellschaftlichen Wohlstand und war sonach im Interesse des Staatswohles selbst tatig. Im Laufe der Zeit verlor das Kirchengut allmahlich die Vorrechte. Die sehr zahlreichen letztwilligen Zuwendungen von ausgedehnten Grundkomplexen an die Oeistlichkeit und an die kirchlichen Oenossenschaften (Bruderschaften), wodurch dem Staate ein Nachteil erwuchs, waren die Veranlassung, daB das Vermogen der Kirche der StaatsKontrolle unterworfen wurde. Im XIII. Jahrhundert begannen im Okzident einzelne Herrscher die sogenannten leges amortisationis zu erlassen, nach welchen Zuwendungen an Kirchen oder zu frommen Zwecken (ad manum mortuam) nur bis zu einem bestimmten Betrage und mit Zustimmung der Staatsgewalt gestattet wurden 12. Diese Norm ist vom Okzident in jene Staaten ilbergegangen, welche der orthodoxorientalischen Kirche angehoren, und im XVI. Jahrhundert finden wir bereits ein ahnliches Oesetz in RuBland ts. Diese Oesetze, welche bald im strengeren, bald im milderen Sinne geandert wurden, be11 Z. B. die Novelle des Basilius Porphyrogenitus (988,) mit welcher er die Novelle des Nikephorus aufhob (lb. III, 303). 12 Siehe De commendis ap. Thomassin, Vetus et nova eccl. disciplina P. II. lib. Ill. c. 10 sq. Die Kirche und die frommen Vereinigungen werden im Gebiete des Eigentumsrechts als manus mortua angesehen, und die Gesetze, welche das Recht der Kirche, Vermogen zu erwerben, einschrllnken, werden leges de non amortisando (Amortisationsgesetze) genannt. 13 Aus dem jahre 1580 unter Kaiser Ivan IV. Vasiljevich. Vergl. hieriiber die Synodal-Entscheidung vom 15. jllnner 1581 bei Berdnlkow, Kursus des Kirchenrechts. S. 452-453. 34

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111. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

stehen gegenw:irtig entweder faktisch oder im Prinzipe in slimtlichen Staaten 14. Auch die friiheren Gesetze iiber das unbeschrlinkte Eigentum der Kirche an ihrem Gute, und sonach Uber die Unantastbarkeit desselben, wurden im Laufe der Zeit Modifikationen unterzogen, welche fUr die Kirche nachteilig waren. Wir meinen bier die Stikularisation (saecularisatio bonorum ecclesiae) der KirchengUter durch die Staatsgewalt. Die ersten Spuren der Sakularisation sind im frankischen Reiche schon im VII. jahrhundert bemerkbar; spliter zeigt sich dieselbe namentlich im Okzident unter dem Einflusse der Reformation im XVI. und in den folgenden jahrhunderten 15. Insbesondere machte sich in Ru6land der Einflu6 der Reformation auf das Kirchengut seit dem Anfang des XVIII. jahrhunderts geltend 16, Dermalen genieBt das Kirchengut nur wenige der frUheren Vorrechte; die Staatssteuer ist vom Kirchengute ebenso zu entrichten, wie vom Privatgute. Das Recht des Staates, im Bedarfsfalle Kirchengiiter zu slikularisieren, besteht im Prinzipe gegenwlirtig in allen Staaten. Ebenso existieren im Wesentlichen die sogenannten Amortisationsgesetze. Desgleichen sind in keinem Staate Vorrechte des Kirchengutes, bezUglich der Ersitzung desselben, in jenem MaBe in Geltung, wie dies nach den Gesetzen justinians und den spateren Gesetzen der Fall war. Gegenwartig genieBt die Kirche hinsichtlich ihrer Habe our nachstehende Begiinstigungen: Die lmmunitat der Kirchen und der kirchlichen Gebliude 17; die Steuerfreiheit in den meisten Staaten fiir jene Gebaude, welche zur Unterkunft der Geistlichen, die in der hierarchia jurisdictionis standig bedienstet sind, dienen ts; die strengere Bestrafung der Entwendung oder des MiBbrauches einer dem Gottesdienste geweihten Sache. In allen anderen Beziehungen wird die Kirche gegenwartig, was ihr Vermogen anbelangt, ebenso behandelt, wie jede andere gesetzlich bestehende Korporation. Vom Staats-Aufsichtsrechte bezilglich der Verwaltung des Kirchenvermogens wird im folgenden Paragraphen die Rede sein.
u Der Art. 6 des IJsterr. Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, iiber die allgemeinen Rechte der Staatsbiirger, bestimmt: ,Fiir die todte Hand sind Beschrlinkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und iiber sie zu verfiigen, im Wege des Gesetzes, aus Griinden des llffentlichen Wohles, zullissig". 15 Vergl. hieriiber Richter, Kirchenrecht. S. 1284 u. ff. 16 Berdnikow, erwllhnte Stelle. 17 Z. B. fiir 6sterreich die Ministerial-Verordnung vom 19. Juni 1853, . 37. 18 Fiir Osterreich die Hofdekrete vom 18. September 1827, 23. juni und 12. August 1828, 27. Oktober und 9. Dezember 1829 und 29. Mai 1835; iiber die Befreiung der zu kirchlichen Zwecken dienenden Raume von der Militar-Einquartierung, siehe die Vorschrift iiber die Mitit!ir-Einquartierung vom 11. juni 1879 (R. G. Bl. Nr. 93); Verordnung des Ministeriums fiir Kultus und Unterricht vom 8. Mai 1856.

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. 161.
Von der Verwaltung des Kirchengutes.
In den ersten Zeiten der Kirche hatte jeder kleinere Ort seinen eigenen Bischof, welchem die Verwaltung des damals sehr geringen, hauptsachlich aus der von den Olaubigen wahrend des Oottesdienstes entrichteten Oblationen gebildeten Kirchengutes oblag. Diese Oblationen wurden von dem Bischof zur Bestreitung des Oottesdienstes, zur Erhaltung der kirchlichen Oebaude, fiir den eigenen Unterhalt, fiir jenen des Klerus, sowie fiir die Armen verwendet 1. Die Verwaltung besorgte der Bischof nach seinem eigenen Ermessen und war nach dem 38. apostolischen Kanon hiefiir nur Oott verantwortlich 2; hiebei bewahrte denselben die strenge christliche Moral und das seitens der Olaubigen den Bischofen entgegengebrachte Vertrauen, vor jeder Verdachtigung riicksichtlich seiner Verwaltung. Als sich jedoch spater das Kirchengut vermehrte, Immobilien erworben wurden und regelmaBige Einkiinfte zuflossen, da war es den Bischofen nicht mehr moglich, die Verwaltung allein zu besorgen, sondern es machte sich die Notwendigkeit einer genaueren und geordneteren Verwaltung geltend. Daher wurden den Bischofen zur Beaufsichtigung des Kirchengutes besondere Beamte beigegeben, welche in den kanonischen Quellen Okonomen genannt werden und die Aufgabe batten, unter der Oberaufsicht des Bischofs entweder allein oder im Vereine mit mehreren Oehilfen das gesamte Vermogen der betreffenden bischoflichen Kirche oder der Eparchie zu verwalten a. Spater, als die Bestimmung erlassen wurde, daB in kleinen Orten anstatt der BischOfe Presbyteri anzustellen sind, und die Pfarren im heutigen Sinne entstanden, erhielt die Verwaltung des Kirchengutes einen lokalen Charakter und ging auf den Pfarrer iiber, welcher dieselbe bei eigener Verantwortung gegeniiber dem betreffenden EparchialBischof besorgte. Allein bei der Verwaltung des Pfarrvermogens trat im Laufe der Zeit derselbe Umstand zutage, der bei der Verwaltung des angewachsenen Eparchial-Vermogens durch die Bischofe sich geltend machte. Daher wurden aus der Reihe der weltlichen Mitglieder der betreffenden Pfarre Epitropen, Kirchenvater oder Kuratoren bestellt, welche unter der unmittelbaren Aufsicht des Pfarrers das Pfarrvermogen verwalteten und hieftir dem Eparchiai-Bischof verantwortlich waren. Damit ftir die Wahl der wiirdigsten Pfarrlinge zu diesem Zwecke eine Oewahr geboten werde, erschien es zweckmaBig, die ganze Kirchengemeinde an der Wahl der betreffenden Epitropen teilnehmen zu lassen,
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1 41. Kan. Apost.; Const. Apost. 2, 25. 7, 29. 8, 31; ]ustini Apol. 1, 66. 67. Vergl. 40. 41. Kan. Apost.; Ant. 24. 25. Kan. Siehe S. 245 dieses Buches. Vergl. Zhishman, Die Synoden. S. 99 u. ff. 34*

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

wodurch der gedachten Gemeinde mittelbar die Teilnahme an der Verwaltung des Kirchenvermogens gesichert wurde. Dieser Vorgang wird unter anderem auch dadurch gerechtfertigt, daB im Faile irgendeines BedOrfnisses der Kirche aile Mitglieder der Kirchengemeinde berufen sind, demselben abzuhelfen 4 Die Annaberung, welche seit dem IV. Jahrhundert zwischen Kirche und Staat stattfand, war die Veranlassung, daB die Kirche die Staatliebe Hilfe bei der Verwaltung des Kirchenvermogens nicht nur gerne annahm, sondern sich sogar urn dieselbe bewarb 5, Dies und die wechselseitigen Interessen welche zwischen Kirche und Staat in Fragen der allgemeinen Wohlfahrt obwalteten 6, veranlaBten jene Gesetze der griechisch-romischen Kaiser, welche die allseitige Sicherung des Kirchengutes, sowie die Berechtigung der Kaiser, die Verwattung des Kirchengutes zu beaufsichtigen, zum Gegenstande haben 1. Gegenwartig ist die Verwaltung des Kirchengutes durch die bezOglichen Gesetze der bestehenden autokephalen Kirchen und durch die betreffenden staatlichen Vorschriften normiert. Aile Kirchen, mit Ausnahme jener des ottomanischen Reiches, unterstehen beziiglich der Vermogensverwaltung der Oberaufsicht der Staatsgewalt. Die Grundlage hieffir liegt in der Rechtspraxis des byzantinischen Kaisertums, dessen Satzungen die morgenlandische Kirche in ihre Kanonen-Sammlungen aufnahm und denselben hiedurch kanonischen Charakter zuerkannte. Im ottomanischen Reiche wird sowohl das der Kirche, als auch das den verschiedenen christlichen Wohltatigkeits-Anstalten gehorige Vermogen, durch die Kirchengewalt, unabhangig von der Staatsregierung, verwaltet s. Dieses Verhaltnis findet seine Erklarung in der in jenem Reiche bestehenden Staatsreligion, welche ein anderes Verhaltnis der Staatsgewalt zum Vermogen der christlichen Kirche nicht denken taBt 9 GemaB den einzelnen Bestandteilen des kirchlichen Organismus (. 84) bestehen auch besondere Organe ffir die Verwaltung des Kirchenvermogens. Mit der Verwaltung des Gesamtvermogens der einzelnen Partikularkirchen sind die obersten Zentral-Organe derselben betraut. Diese Organe sind in dem Patriarchate zu Konstantinopel, in der Karlo' Vergl. hieriiber Pawlow, Ober die Teilnahme der Laien an den Geschl!ften der Kirche, vom Standpunkte des orthodoxen Kirchenrechts. Kazan 1866. 5 Vergl. Nomok. 2, 1. 3, 14. 10, 8 (Ath. Synt. I, 101. 118. 242). 6 Siehe . 160 dieses Buches. 1 Cod. justin. I. 2, 25. . 1; 123. Nov. c. 23 (Basilic. III. 1, 39); Nov. Manuelis Comneni a. 1159 (Zachariae. Ill, 454). Vergl. Kommentar Balsamons zum 12. Kanon des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 594). 8 Silbernagl, Verfassung. . 25, S. 69-70. 9 Vergl. . 27. dieses Buches.

. 162. Von der Verwendung des Kirchengutes.

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witzer und Hermannstactter Metropolie, sowie im bulgarischen Exarchate, sowohl von Angehorigen des Klerus, als auch des Laienstandes gebildet (. 99); in den iibrigen Kirchen wird die Verwaltung des Kirchengutes ohne unmittelbare Mitwirkung des Laien-Elementes, unter der Staats-Kontrolle besorgt to. Der griechisch-orientalische Religionsfond der Bukowina wird von der Regierung verwalteflt. Das Kirchengut in den einzelnen Eparchien wird von den Kollegial-Organen der Eparchien im Sinne der betreffenden Statuten (. 115) verwaltet; diese Organe beaufsichtigen auch die ordnungsmaBige Vermogens-Verwaltung in den einzelnen Teilen der Eparchie 12 Die Verwaltung des Kirchengutes der Pfarren obliegt den betreffenden Pfarrepitropien im Vereine mit dem Pfarrer. Die Einrichtung dieser Epitropien ist in den einzelnen autokephalen Kirchen (. 128) verschieden. Dieselben sind jedoch durchwegs der kompetenten Eparchial-Behorde fiir ihre Amtsfiihrung verantwortlich.

. 162.
Von der Verwendung des Kirchengutes.
Die Verwendung des Kirchengutes ist durch den Zweck bestimmt, welchem dasselbe gewidmet ist. Das Kirchengut entstand aus den Oblationen frommer Christen, damit der Oottesdienst bestritten unct den hilfsbediirftigen Briidern die notige Unterstiitzung zuteil werde. Diesen heiden Richtungen, welche die Verwendung des Kirchengutes bestimmen, war die ganze Tatigkeit der Kirche gewidmet. Dieser auf dem gottlichen Rechte beruhende Oedanke 1 erhielt bereits in den kanonischen Vorschriften der ersten Zeiten der Kirche formellen Ausdruck 2 Die Errichtung von Kirchen, die Ausstattung derselben mit den fiir den Oottesdienst erforderlichen Oeraten, der Unterhalt des Klerus, die Oriindung von Schulen, die Erziehung der christlichen Jugend, die Unterstiitzung der Armen und Kranken etc. waren die Verwendungsgebiete des Kirchengutes. Die Art und Weise der Verwendung des KirchenSiehe z. B. . 97 des Gesetzes tiber die geistlichen Behorden in Serbien. Siehe ErlaB des osterr. Ackerbau-Ministers vom 19. Mai 1875, betreffend das neue Statut fiir die Verwaltung der Bukowinaer griech.-orient. Religionsfondsgiiter. Calinescu, Normalien I, 221. Dies geschieht aus dem Grunde, wei! der Monarch supremus ecc/esiae tutor et canonis custos ist, und als solchem fallt ihm, beziehungsweise seiner Regierung, die oberste Aufsicht tiber die gesetzmaBige Verwendung des Kirchengutes zu. Siehe das Hofdekret vom 1. Oktober 1782 und das Gesetz vom 7. Mai 1874. VII. . 38-59. 12 Siehe tiber den Wirkungskreis dieser Organe . 28-35 und 115 dieses Buches. . 162. 1 Vergl. . 156, Anm. 1. u. 2. 2 41. Kan. Apost.; Const. Apost. 2, 25. 7, 29. 8, 31. justini Apol. 1, 66.
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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

gutes fUr die erwahnten Zwecke ist dermalen in den einzelnen Kirchen durch besondere kirchliche und kirchlich-weltliche Gesetze normiert 3, Mit Rlicksicht auf den erwahnten Zweck, flir welchen das Kirchengut besteht, verbieten die Kanones und die einschUigigen griechischromischen Gesetze, welche in den Nomokanones Aufnahme fanden, unter Androhung schwerer Bestrafung die Verwendung des Kirchengutes zu anderen, mit den erwahnten nicht wenigstens in mittelbarem Zusammenhange stehenden Zwecken, sowie auch die VerauBerung und Vergeudung desselben 4. Die Kanones bedrohen jene Oeistlichen mit der Absetzung, welche als Verwalter eines Teiles des Kirchengutes, etwas hievon verauBern oder anderen abtreten 5 Der 12. Kanon des VII. aligemeinen Konzils enthalt in dieser Beziehung nachstehende Bestimmung: ,Die von einem Bischof oder Hegumen vorgenommene Abtretung von Grundstticken, welche dem Bistum oder Kloster gehoren, an die weltliche Gewalt oder sonst an jemanden, soli nach dem Kanon der heiligen Apostel ungiltig sein, welcher Folgendes bestimmt; ,,Der Bischof soil flir aile kirchlichen Sachen Sorge tragen, dieselben verwalten und hiebei eingedenk sein, daB er von Oott beaufsichtigt werde. Er soli sich hievon nichts aneignen und seinen Verwandten nicht das zuwenden, was Gottes ist; sind diese arm, so mag er sie als Arme unterstlitzen, soli jedoch unter dem Vorwande derselben dasjenige nicht verauBern, was der Kirche gehOrt"". Wenn die Grundstlicke Verluste verursachen und kein Nutzen von denselben gezogen werden kann, so sollen sie nicht an weltliche Herren, sondern den Klerikern oder Kolonisten abgetreten werden. Wird in einem solchen Faile der Grund und Boden in arglistiger Weise von dem weltlichen Herro dem Kleriker oder Kolonisten abgekauft, so soli dieser Kauf ungiltig sein und ist alles dem Bistum oder dem Kloster zurlickzuerstatten. Der so handelnde Bischof oder Hegumen soli aus dem Bistum oder aus dem Kloster, als Verschwender dessen, was er nicht selbst erworben hat, entfernt werden" 6 Ahnliche Bestimmungen enthalten die Oesetze der griechisch-romischen Kaiser 7
3 Fiir 6sterreich vergl. Helfer!, Von dem Kirchenvermiigen . 86-93 (I, 233-250). 38. Kan. Apost.; VII. allgem. Konz. 12. 13. Kan.; Anc. 15. Kan.; Ant. 24.; Karth. 26. 33. Kan.; Cyrillus v. Alex. 2. Kan.; Digest. I. 8, 9. . 5 (Basilic. XLVI. 3, 7); Cod. Just. I. 2, 14; 46. Nov. c. 1. 1 ; 67. Nov. pr.; 120. N. c. 6. 7. 11; Nov. Alexii Comn., De jure patriarchae circa monasteria (Zachariae, Jus graeco-romanum. Ill, 407); Nov. Joannis Comneni, Ne exactor quicquam ab ecclesiae episcopo suo orbata exigat (lb. Ill, 428) Nomok. II, 1. Xl, 1 (Ath. Synt. I, 89. 247). 5 38. Kan. Apost.; IV. allgem. Konz. 24. Kan.; Anc. 15. Kan.; Ant. 24. Kan.; Karth. 26. 33. Kan.; Cyrillus v. Alex. 2. Kan. 6 Vergl. 49. Trull. Kan. und VII. allgem. Konz. 13. Kan. 7 Cod. Justin. I. 2, 14. 17. 21. 24; Nov. 7. 46. 54. 67. 120; Nomok. II, 2. X, 2, 4. XI, 1; Synt. Blast. E, 8. 16 (Ath. Synt. I, 108. 238. 239. 247. VI, 250, 267).

. 163. Das Stifterrecht.

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und die Verordnungen der Patriarchal-Synoden des Mittelalters s, welche nicht nur den formellen Verkauf von Teilen des Kirchengutes, sondern auch jeden dem Kirchengute zum Nachteile gereichenden Vertrag, und Uberhaupt die Verwendung desselben zu anderen Zwecken, verbieten 9, Das Kirchenrecht gestattet eine Ausnahme von diesen allgemeinen Normen nur aus einer gerechten Ursache. Als gerechte Ursache gilt eine dringende Notwendigkeit to, die UnterstUtzung verarmter Kirchen und die Hilfeleistung fiir Arme u oder ein entschiedener, der Kirche zufliessender Vorteil12. jede sonstige VerauBerung von Kirchengut, welche durch derartige OrUnde nicht gerechtfertigt werden kann, ist ungiltig ts,

. 163. Das Stifterrecht. Eine Ausnahme von den im . 161 Uber die Verwaltung des Kirchengutes enthaltenen Ausfiihrungen bildet das sogenannte Stijterrecht ('X.'t'Y)'tOpt-x.bv at-x.atov) 1, wonach die Verwaltung des Vermogens einer Kirche oder eines Institutes mit kirchlichem Zwecke nicht dem hiezu auserwahlten Kuratorium (Epitropie . 128), sondern einer hiezu berechtigten Person zukommt. Das Stifterrecht entstand in der christlichen Kirche, als fromme Christen mit eigenen Mitteln Kirchen zu erbauen begannen, dieselben mit allen Erfordernissen fiir einen wiirdigen Oottesdienst ausstatteten und fiir die Sicherung des Unterhaltes der an diesen Kirchen bediensteten Oeistlichen Sorge trugen. Diese Erscheinung zeigte sich namentlich nach dem Aufhoren der Verfolgungen, und als die christliche Religion
Vergl. Acta Patr. Constantinop. I, 138. 457. II, 323. 492 u. a. Vergl. Zhishman, Stifterrecht. S. 72. 1 Karth. 26. 33. Kan. und Kommentare Balsamons zum 33. Kan. v. Karth. und zum 12. Kan. des VII. allgem. Konz. (Ath. Synt. II, 595. 597. Ill, 392). 11 Verordnung der Patriarchal-Synode von Konstantinopel vom November 1027 (Ath. Synt. V, 20). 12 7. Nov. c. 6. . 1 und 4. Antwort des Niketas von Thessalonica (Ath. Synt. V, 833). 13 VII. allgem. Konz. 12 Kan. und die iibrigen in Anm. 4. dieses Paragraphen erwll.hnten Gesetzesbestimmungen. . 163. I M. l: ~'X d.J.. ~ p 01t 0 0 A 0 ;, 'E'X'XA7jat!XOtL'XOY o('X!XLOY. . 72-84. Eine sehr gute Monographie iiber das Stifterrecht hat der verstorbene Professor Zhishmann verfaBt und im jahre 1883 unter dem Titel ,Das Stifterrecht in der morgen11l.ndischen Kirche" publiziert. Auf Grund dieser Arbeit ist in der in Zara erscheinenden Zeitschrift ,lstina" (1888 Z. 8) der Artikel ,Das Stifterrecht in der morgen11l.ndischen Kirche" abgefaBt und in demselben der Unterschied zwischen diesem Rechte und dem Patronatsrechte in der rom. kat.'t. Kirche dargelegt. Ober den Versuch, das abendlll.ndische Patronatsrecht in die russische Kirche einzufiihren, siehe : Reminiscenzen des Erzbischofs Antonius Uber die griechisch-unierte Kirche im westlichen RuBiand (in russisch. Sprache). S. Peterb. 1889.
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III. Tell. Die Verwaltung der Kirche.

im griechisch-rOmischen Reiche die Freiheit erlangte. Die Kirche, welche diese frommen Bestrebungen wlirdigte, wollte den betreffenden Personen und ihren gesetzlichen Nachkommen ihre Dankbarkeit dadurch bekunden, daB sie denselben bestimmte Privilegien sowohl hinsichtlich der Verwaltung des Kirchenvermogens als bezUglich der Bestellung der Oeistlichen fUr die betreffenden Kirchen, jedoch stets unter Wahrung der kanonisch vorgeschriebenen Oberaufsicht des zusUindigen Bischofs, einraumte. Ebenso verhielt sich die Kirche denjenigen gegenUber, welche eine verfallene Kirche wiederherstellten und bestimmte EinkUnfte fUr deren Erhaltung und fUr die Dotierung der bei denselben Bediensteten sicherten. Diese Privilegien in Verbindung mit den Verpflichtungen, welche diescn Privilegien entsprachen, waren durch die kirchlich-bUrgerliche Gesetzgebung unter Kaiser Justinianus (527-565} in formellen gesetzlichen Vorschriften normiert und bildeten das erwahnte Stifterrecht 2 Dieses Recht kann jede der orthodoxen Kirche angehOrende, im VollgenuBe der kirchlichen und biirgerlichen Rechte befindliche physische Person, ohne Unterschied des Standes, Oeschlechtes und Berufes hinsichtlich jeder Kirche in der Stadt oder auf dem Lande, hinsichtlich eines Klosters oder eines W ohltatigkeitsinstitutes, welches von der KirchenbehOrde abhangig ist, erwerben. Es kann jedoch auch jede auf legaler Orundlage bestehende juristische Person, also jede Kirchengemeinde, ein Verein, ein religioser Fond etc. dieses Recht erwerben. Sonach kann jede physische und juristische Person, welche die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitaten besitzt, Subjekt des Stifterrechts unter der Voraussetzung werden, daB sie in der Lage ist, eine neue Kirche zu grilnden, ein verfallenes Gotteshaus wiederherzustellen, ein Kloster oder ein Wohltatigkeits-Institut mit kirchlichem Zwecke zu stiften und die zur Erhaltung der Kirche, des Klosters oder des Wohltatigkeits-lnstitutes erforderlichen Mittel sicherzustellen. Das Stifterrecht kann der betreffenden physischen oder juristischen Person nur die kompetente kirchliche Obrigkeit, oder genauer ausgedrlickt, jener Bischof, unter Beobachtung der einschlagigen gesetzlichen Bestimmungen, zuerkennen, in dessen Gebiete eine Kirche, ein Kloster oder ein Wohltatigkeits-Institut gestiftet wird s. Durch die Zuerkennung des Stifterrechtes raumt die kirchliche Obrigkeit, d. i. der zustandige Eparchialbischof der betreffenden Person keines jener geistlichen Rechte rUcksichtlich des Objektes des Stifterrechts ein, welche dem Bischof, seinem oberhirtlichen Charakter gemaB,
Siehe namentlich die 123. Novelle justinians Kap. 18 vom jahre 546. Diese Bestimmungen sind im erwlthnten Werke Zhishmans angefiihrt. 21 u. ff.
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s.

163. Das Stifterrecht.

537

zukommen. Der Bischof ist innerhalb seines Gebietes das bedingungslose Oberhaupt jeder Kirche, jedes Klosters und jedes kirchliche Zwecke verfolgenden WohWitigkeits-Institutes, ohne Rucksicht darauf, ob die Stiftung aus den Mitteln einer physischen oder juristischen Person, oder auf irgendeine andere Weise erfolgte. Daher beziehen sich die Rechte und Pflichten, welche das Stifterrecht bilden, ausschlieBlich auf die auBeren Angelegenheiten des betreffenden Objektes dieses Rechts. Alle Rechte und Pflichten, welche dem Stifter zukommen, sind in der Regel im Stiftsbriefe ('ltt'f)'tOpt'ltbV 'W'1tt'lt6v), welcher vom Stifter im Einvernehmen mit dem kompetenten Eparchialbischof abgefaBt wird, enthalten. Im Stiftsbriefe ist im einzelnen alles angefilhrt, was auf das Gebaude des betreffenden kirchlichen Institutes, auf die Mittel zur Erhaltung des Gebaudes und der bei dem Gebaude angestellten Personen, auf die dem Stifter obliegenden Pflichten und auf das Verhaltnis des Stifters zum Institute und zur kompetenten Kirchengewalt Bezug hat. Der auf gesetzlicher Grundlage errichtete Stiftsbrief, erlangt die Bedeutung eines Gesetzes, welches fiir alle folgenden Zeiten sowohl fiir den Stifter als auch fiir die kompetente Eparchialgewalt bindend ist. Dieser Brief wird im bischOflichen Archiv aufbewahrt, damit alle Bestimmungen desselben genau beobachtet und die betreffenden Rechtsverhiiltnisse genau und unverandert eingehalten werden. Die wichtigsten Pflichten des Stifters sind nach dem gewohnlichen lnhalte der Stiftsbriefe folgende : 1) die Sorge fiir die entsprechende Instandhaltung und Ausschmilckung der Kirche; 2) die Sorge fur die Beleuchtung und filr den Kirchengesang; 3) filr die ordnungsmaBige Abhaltung der kirchlichen Funktionen in den vorgeschriebenen Zeiten; 4) filr die Erwahnung der Behorden, der lebenden und verstorbenen Woh!Uiter wahrend des Gottesdienstes; 5) filr die Ausstattung der Kirche mit den notwendigen GefaBen, Gewandern und Buchern; 6) fur die Erhaltung, ordnungsmaBige Verwaltung und tunliche Vermehrung des Kirchenvermogens; 7) fur die vorgeschriebene Entlohnung der Geistlichen und der ilbrigen bei der Kirche bediensteten Personen; 8) filr die Wahrung der bischOflichen Rechte hinsichtlich der betreffenden Kirche. Das bezilglich der Kirche, als Objekt des Stifterrechtes Angefuhrte, gilt in anderer Form auch fi.lr die Kloster oder filr andere kirchliche Institute, welche Objekte des Stifterrechts sein k5nnen und hinsichtlich welcher dem Stifter die im Stiftsbriefe festgesetzten Pfiichten obliegen. Diesen Pflichten des Stifters entsprechen folgende Reclzte desselben : 1) die Verwaltung der Kirchenvermogens nach den allgemeinen kanonischen Vorschriften, welche im allgemeinen fiir die Verwaltung des Kirchenvermogens bestehen, die Sorge fiir die Zunahme dieses Vermogens und die Rechnungslegung iiber seine Tatigkeit der bischOflichen
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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Obrigkeit. 2) Die Prasentation des an der betreffenden Kirche zu bestellenden Oeistlichen beim Bischof. Der Bischof prUft die Qualifikation des Vorgeschlagenen, und im Faile er denselben fUr den in Aussicht genommenen Platz filr wilrdig erachtet, bestatigt er die Wahl und fertigt ihm das vorgeschriebene Dekret aus. Besitzt der Vorgeschlagene die vorgeschriebene Qualifikation nicht, oder erachtet der Bischof denselben fUr die betreffende Kirche als nicht geeignet, dann hat der Stifter eine oder mehrere andere Personen vorzuschlagen, von welchen der Bischof die wUrdigste auswahlt. 3) Der Stifter hat den Anspruch auf gewisse Ehrenrechte, welche ihn vor den tibrigen Olaubigen auszeichnen, u. z. ist ihm in der Kirche ein Ehrenplatz eingeraumt, sein Name wird bei den kirchlichen Funktionen kommemoriert, er besitzt den Vorrang bei jeder kirchlichen Versammlung u. s. w. Das Stifterrecht erlischt, wenn der Stifter nicht aile jene Pflichten erftillt, welche in dem betreffenden Stiftsbriefe festgesetzt sind, insbesondere wenn er das Kirchenvermogen nicht ordnungsmaBig verwaltet, wenn er es dem Verfalle preisgibt, wenn er die ordentliche Instandhandlung der Kirche vernachlassigt, dieselbe nicht mit dem zu ihrem Schmucke Erforderlichen ausstattet, wenn er fUr die Erhaltung des Klerus nicht sorgt, die Anordnungen der Kirchenobrigkeit auBerachtlaBt und im allgemeinen, wenn er sich des ihm von der Kirche zuerkannten Privilegiums unwtirdig erweist. Wenn das Subjekt des Stifterrechts eine juristische Person, z. B. eine Kirchengemeinde ist, so verliert diese das Stifterrecht, und in erster Linie das Prasentationsrecht rUcksichtlich des Oeistlichen sowie das Recht der Verwaltung des Kirchenvermogens, wenn sie absichtlich eine ihrer Pflichten vernachlassigt. Die Befugnis in solchen Fallen einer physischen oder juristischen Person das Stifterrecht zu entziehen, steht dem Eparchialbischof zu, welcher dann nach seinem Ermessen und im Sinne der Kanones tiber das betreffende Institut in einer solchen Weise verfUgt, welche dem kirchlichen Zwecke, fUr welchen es gestiftet war, und fi1r welchen im allgemeinen aile derartigen Institute bestehen, entspricht. Das Stifterrecht erlischt ferner durch das Ableben des Stifters ohne Hinterlassung gesetzlicher Nachkommen, oder falls derselbe testamentarisch keine Personlichkeit bestimmt hat, welche in dieses Recht zu sukzedieren hat. In einem solchen Falle geht das Kirchenvermogen in das Eigentum der betreffenden Kirchengemeinde tiber, welche aile Pflichten des Stifters Ubernimmt und zum Subjekt des Stifterrechts geradeso wird, als ob sie, als juristische Person, dieses Recht von allem Anfange an erworben hatte. Oegenwartig wird das Stifterrecht hinsichtlich der Verwaltung des Kirchenvermogens in den Kirchengemeinden durch die Pfarrepitropien (. 128) ausgeUbt; das Vorschlagsrecht des Oeistlichen und der Ubrigen

. 164. Grunds!itzliche Bestimmungen.

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bei der betreffenden Kirche Bediensteten wird von den Kirchengemeinden durch die betreffenden Wahlversammlungen in jenen autokephalen Kirchen ausgeiibt, in welchen die sogenannten kirchlich-nationalen Autonomien bestehen; so in der Karlowitzer-, der Hermannstadter Metropolie und in gewisser Beziehung auch im bulgarischen Exarchat. In den anderen autokephalen Kirchen bestimmen und ernennen die Eparchiai-Konsistorien beziehungsweise die Bischofe die Pfarrgeistlichen, und nur in sehr seltenen Fallen wird dieses Recht den einzelnen Kirchengemeinden zuerkannt. Im allgemeinen gibt es gegenwartig in der morgenlandischen Kirche sehr wenig physische Personen, welche mit dem Stifterrecht ausgestattet waren. Dies hat seinen Grund darin, daB der religiose Eifer der Christen der alten Zeit aufgehort hat, und sich daher auch wenig Personen vorfinden, welchen die Kirche das Stifterrecht zuerkennen konnte. Zudem ist dieses Recht im Laufe der Zeit von den betreffenden physischen Personen durch Ersitzung (usucapio) auf die betreffenden Kirchengemeinden iibergegangen, welche hiedurch in der Eigenschaft juristischer Personen Subjekte des Stifterrechts wurden 4

2) Der Unterhalt des Klerus. . 164. Grundsatzliche Bestimmungen.


Als allgemeine gesetzliche Norm gilt, daB jeder das Recht habe, fi.ir geleistete Dienste eine Entlohnung zu fordern. Daher haben auch die Oeistlichen, als Verwalter der Sakramente, als Lehrer und Verki.inder des Wortes Oottes, sowie als Hirten, das Recht, f!.ir ihren Dienst, welcher alle anderen Dienste iibertrifft, eine Entlohnung zu fordern. Da nun der geistliche Dienst die volle Hingebung des Menschen, welcher sich dem geistlichen Stande gewidmet hat, erheischt, und da der Angehorige des geistlichen Standes nur diesen Dienst verrichten darf, so muB auch die Entlohnung eine derartige sein, daB der Betreffende
Am langsten hat sich in der morgenlandischen autokephalen Kirche das Stifterrecht bei den Rumanen erhalten. In der Bukowina hat sich dieses Recht in der zweiten Halfte des XVIII. jahrhunderts in das abendliindische Patronatsrecht verwandelt, als unterm 16. Oktober 1788 Z. 23. 562 auf Grund einer EntschlieBung des Kaisers Joseph II. angeordnet wurde, daB jede Kirche ihren Patron haben miisse. Seit jener Zeit besteht in der Bukowinaer Eparchie das Patronatsrecht, welches im iibrigen, vom Standpunkte des morgenliindischen Kirchenrechts auf keine Weise gerechtfertigt werden kann. Siehe tiber diese Frage A. Schaguna, Compendium des kan. Rechts . 286 und vergl. auch Fr. Vering, Kirchenrecht . 103. Dieser Autor erwlihnt (S. 511), daB zu Beginn des XIX. jahrhunderts das Patronatsrecht in die orthodoxe dalmatinische Eparchie eingefiihrt wurde. Diese Behauptung Verings ist durch nichts gerechtfertigt, denn dieses Recht besteht nicht in der dalmatinischen Kirche.

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

imstande sei, die zu dem standesgemaBen Unterhalte notwendigen Auslagen zu bestreiten. Dieser Standpunkt wurde in der vorchristlichen Zeit vertreten, und dasselbe Prinzip wurde auch vom Stifter der Kirche fiir dieselbe angenommen. ,Der Arbeiter ist seines U nterhaltes wert", sagte der Stifter der Kirche seinen Schiilern, als Er ihnen die Anleitung fiir die Verrichtung des apostolischen Dienstes erteilte t, und Apostel Paulus lehrt, daB es ein allgemeines Oesetz, im Oesetze Moses vorgezeichnet und nichts OroBes sei, daB die, welche Oeistliches gesaet, Fleischliches ernten ; daB die Opferpriester vom Opfer essen, und die Diener des Altars vom Altare ihren Teil empfangen; denn ,so hat auch der Herr verordnet, daB die Prediger des Evangeliums vom Evangelium Ieben sollen" z. Solange das Kirchenvermogen ein Oanzes bildete, wurde der dritte Teil der Beitrage, welche in die Kirchenkassa flossen, zum Unterhalte des Klerus, fiir den keine besonderen Unterhaltsquellen bestanden, verwendet 3 Als spater das Kirchengut aufhorte, ein allgemeines Oanzes zu bilden, und jede Kirche, sowie jede kirchliche Anstalt, das Eigentum an jenem Teile des Kirchengutes erlangten, welcher ihnen nach der Verteilung zufiel, da muBte auch fiir den Unterhalt des bei den betreffenden Kirchen bediensteten Klerus gesorgt werden. Das Ertragnis des Kirchengutes wurde in erster Linie zur Bestreitung der Auslagen fiir die Kirchengebaude und fiir den Oottesdienst beniitzt, wahrend der Rest dem Klerus zugewendet wurde. Bei den wohlhabenderen Kirchen konnte der Klerus mit diesem Anteile sein Auslangen finden, wahrend im allgemeinen bei den ungiinstigen okonomischen Verhaltnissen des groBten Teiles der Kirchen auch die materielle Lage des Klerus eine ungiinstige und eine seinem Stande nicht entsprechende war. Diese ungeregelte Lage des Klerus, hinsichtlich des Unterhaltes, war die Veranlassung, daB die kirchliche Oesetzgebung positive Normen dariiber erlieB, welche kirchlichen Einkiinfte fiir den Unterhalt des Klerus heranzuziehen seien 4 In dieser Beziehung kam auch die Staatsgewalt der Kirche zuhilfe. Konstantin der GroBe erlieB im Jahre 315 an den Bischof Cacilianus von Karthago eine Verordnung, mit welcher er aus dem Staatsschatze eine bestimmte Summe Oeldes als Beitrag zum Unterhalte des Klerus anwies 5 Diese Verordnung Konstantins, welche
. 164.
2 1

Matth. 10, 10; Luk. 10, 7.

I. Kor. 9, 7-14.

3 Apost. 41. Kan.; Const. Apost. 2, 25. 7, 29. 8, 31. Siebe die folgenden Paragraphen. 5 ,Quandoquidem placuit nobis (dem Kaiser) ut per omnes provincias Africae, Numidiae et utriusque Mauritaniae certis quibusdam legitimae religionis catholicae ministris ad sumptus necessarios aliquid praeberetur, litteras dedi ad Ursum virum perfectissimum rationalem Africae, eique significavi ut ter mile folies Tuae Gravitati numerari curraret". Euseb., Hist. eccl. X, 6 (Versio Valesii, ed. Migne.).

. 165. Der Unterhalt der BischOfe und der Kirchenwiirdentrliger.

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die afrikanische Kirche betraf, wurde auf aile in armen Verhaltnissen befindlichen Kirchen ausgedehnt, und wurde auch flir die Zukunft beziiglich der Frage der Erteilung von Staats-Unterstiitzungen an den Klerus maBgebend 6 Der Klerus erhielt sonach die notwendigen Unterhaltsmittel aus den kirchlichen Einkiinften, sowie aus dem Staatsschatze. Diese Unterhaltsquellen fiir den Klerus bestanden im IV. und auch in allen folgenden Jahrhunderten bis zum heutigen Tage.

. 165. Der Unterhalt der Bischofe und der Kirchenwiirdentrager.


GemaB der besonderen Stellung, welche die Bischtife und deren Gehilfen in der Verwaltung, die Kirchenwiirdentrager, einnehmen, ist auch fiir deren Unterhalt im allgerneinen in anderer Weise gesorgt, als fiir die Pfarrgeistlichkeit. Die QueUe des Unterhaltes der Bischofe bildeten entweder Liegenschaften, welche einzelne fromme Christen den Bistiimern durch letzwillige Verfiigungen hinterlieBen, oder verschiedene Oblationen, welche den BischOfen von den ihnen anvertrauten Gtaubigen dargebracht wurden. Da aber nicht jedes Bisturn Liegenschaften besaB, wurden auch die beziiglichen Ertragnisse irn allgemeinen nicht als standige Einkiinfte der Bischofe angesehen. Standige Einkiinfte waren die Steuern, welche die einzelnen Pfarren dem betreffenden Bischof zu entrichten batten. Diese Steuer, welche in den Kirchenrechtsquellen die kanonische Steuer (xavovtx6v) genannt wird, hestand in der Praxis bereits seit dem VI. Jahrhundert und blieb durch Gewohnheit bis in das XI. jahrhundert erhalten, in welchem dieselbe eine gleichmaBige gesetzliche Regelung fiir aile BischOfe erfuhr. Es wurde namlich bestimmt, daB dem Bischof von jedem a us dreiBig W ohnhliusern gebildeten Dorfe ein Goldbyzantiner, zwei Silberstiicke, ein bestimmtes MaB Gerste, Wein und Kornmehl, sowie dreiBig Stiick Gefliigel; von jedem Dorfe mit zwanzig Wohnhausern zwei Dritteile eines Goldbyzantiners, ein Silberstiick, ein zweijahriger Widder ferner eine bestimmte Quantitiit an Gerste, Wein und Kornmehl, sowie zwanzig Stuck Gefliigel; von jed em Dorfe mit zehn Wohnausern fiinf Silberstilcke, ein Lamm und gleichfalls Gerste, Wein und Kornmehl in einem bestimmten Ma.Be, sowie zehn StUck Gefliigel zu entrichten seien. Oberdies wurde verfiigt, daB der Bischof das Recht habe, von jedem, welcher die Cheirotonie erhielt, sieben Goldbyzantiner zu fordern, und zwar einen Goldbyzantiner anla.Blich der Beforderung zum Anagnosten, und je drei Goldbyzantiner anla.Blich der Cheirotonie zum Diakon und Presbyter. Dieses Gesetz wurde vom
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Cod. Theod. Vlll. 16, 1.

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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Kaiser Isaak Angelus (1057-1059) erlassen 1. Kaiser Constantinus Monomachus (1042-1054) erlieB ein Oesetz, nach welchem bei jeder Trauung dem Bischof von dem Brautigam ein Ooldbyzantiner (v6p.~'Jp. .rx sv z.pucroov) und von der Braut zwolf Ellen Leinwand verabfolgt werden sollten. Beide Oesetze wurden vom Kaiser Alexius Comnenus in einer Novelle (aus dem jahre 1086) 2, sowie auch durch die PatriarchalSynode bestatigt s und in die Kanonen-Sammlungen der morgenlandischen Kirche aufgenommen 4. lm Laufe der Zeit finden wir in den einzelnen Kirchen verschiedenartige Jahres-Einkilnfte der Bischofe. Insbesondere wurden im Orient auch solche Einnahmsquellen herangezogen, welche keine kanonische Berechtigung hatten und zu MiBbrauchen filhrten " Oegenwartig ist die Dotation der Bischofe in den einzelnen autokephalen Kirchen durch besondere Oesetze geregelt, welche insofern ilbereinstimmen, als ilberall die Dotation in Geld normiert ist 6
Zachariae, jus graeco-romanum. Ill, 322-323. Vergl. die 59. kanonische Antwort Balsamons (Ath. Synt. IV, 491-492). 2 Zachariae. lb. Ill, 365-366; Ath. Synt. V, 280-281. 3 Das erste Gesetz des Kaisers Isaak Angelus wurde vom Patriarchen Michael Cerularius (Mortreuil, Histoire du droit byzant. Ill, 134}, das zweite Gesetz vom Patriarchen Nikolaus Grammaticus bestatigt (Ath. Synt. V, 60-62). ~ Nomok. I, 34; Blastares, Synt. X, 28 (Ath. Synt. I, 75-76. VI, 514). 5 Der KavovtafLO<; 7tspt 7trxtptapxtx~.; smzop"flr~asoo<; Mt &pxtspattx&v 7tpoa6ooov (1862) hebt in seinem 11. Artikel folgende Einkiinfte, welche sich in der orientalischen Kirche durch Gewohnheit eingebiirgert haben, auf: I) die Einkiinfte aus dem Verkaufe aller Abgaben (rsl'ltx[wv), welche der Eparchiai-Bischof von den Pfarrlingen der betreffenden Eparchie zu ernpfangen berechtigt war, an einen Pfarrer (siehe Anm. I dieses Paragraphen), in welchem Faile dann dern letzteren diese Abgaben gewohnlich in hoherem MaBe zuflossen, als dem Bischof; 2) ~fl~&etat , Aushilfen, welche in jedem zweiten oder dritten jahre fiir den Bischof gesammelt wurde; 3) 'f tAOtt(J.!'J., Geschenke, welche die Geistlichen ihrem Bischof regelmaBig zukommen JieBen; 4) das Einsammeln milder Oaben in der Kirche wahrend des Oottesdienstes; 5) S fL~!'J.tO[xvx, Oeschenke der Oeistlichen beim Antritte ihres pfarrlichen Dienstes ; 6) die Einkiinfte aus den obligatorischen Wasserweihen; 7) ~ozo fLEptOt!'J., Oeldbeitrage, welche die Oeistlichen beim Kircheneingange von den Olaubigen zum Oedachtnisse der See len sammelten; 8) Tax en fiir die Wei hen der Kirchen; 9) Tax en fiir die Dispensation von Ehehindernissen; 10) Taxen fiir die Erteilung der Cheirotonie; II) Taxen fiir die Einsetzung der Hegumenoi. Dieser Kanonismos bestimmt, daB aile diese und anderen fallweisen Einkiinfte des Bischofs, wie sie auch benannt sein mogen, abgeschafft sind. 6 In dem Patriarchate von Konstantinopel erhalten die Bischofe jahrlich einen Oehalt von 2.000-5.000 fl., der Patriarch 50.000 fl . (Erwahnter Kanonismos); in Rujlland 6.000-10.000 Rubel (Barsow. Nr. 1056); in der Karlowitzer Metropolie 12.000. fl . (KongreB-BeschluB, 1865); in Griec!zenland erhalten die Metropoliten 6.000, die Erzbischofe 5.000 und die Bischofe 4.000 Drachm en; in Serbien erhalt der Metropolit 15.000 Dinars und die Eparchialbischofe beziehen 10.000 Dinars; tiberdies erhalt der Metropolit eine jahrlich Zulage von 7.500 Dinars und die Bischofe
. 165.
1

. 166. Der Unterhalt der Pfarrgeistlichkeit.

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Die Kirchenwiirdentrager wurden entweder aus dem Ertragnisse des Immobilar-Vermogens des betreffenden Bistums, oder aus den sonstigen, der bischOflichen Kassa zuflieBenden EinkOnften dotiert. Diese Dotation, neben welcher sie auf andere kirchliche Einkiinfte keinen Anspruch batten, wurde ihnen in bestimmten Monatsquoten entrichtet. Diejenigen, welche fiir gewisse Dienstesverrichtungen Geld oder Oeschenke forderten, verfielen den hiefiir festgesetzten Strafen 7, Diese Bestimmung ist auch dermalen in Oeltung. Nach der gegenwartigen Oesetzgebung beziehen die Mitglieder der Eparchial-Verwaltung in den meisten autokephalen Kirchen ihren Oehalt entweder von der Kirchen- oder von der Staatskassa; in einigen Kirchen dienen sie unentgeltlich s. . 166.

Der Unterhalt der Pfarrgeistlichkeit.


Nach den Quellen des Kirchenrechts bilden die Unterhaltsquellen des Klerus Oeldbeitrage der Olaubigen, die Erstlinge von den FeldfrOchten und Oaben fOr den Altar 1 Dem Klerus war jedoch die Annahme anderer Sachen von den Otaubigen zu seinem Unterhalte nicht untersagt, insofern keine Simonie vorlag. Diese Einnahmsquellen fOr den Klerus anderten sich im Laufe der Zeit und mehrten sich mit der wachsenden Anhanglichkeit des Volkes an die Kirche und an deren Diener. Die Einkilnfte waren nach den Lokalverhaltnissen der Pfarren und nach den Ortsgewohnheiten verschieden. Im allgemeinen bestanden in jeder Pfarre mehrere Einnahmsquellen, welche dahin zielten, den
beziehen eine solche von 1.000 Dinars (Gesetz vom 29. juli 1898). AuBer dem Oehalte und dem Ertrage von lmmobilien, welche dem betreffenden Bistume gehO~ ren, haben die Bischi:ife auch das Recht auf gewisse Epitrachei-Oebiihren; so erhalten z. B. in Griechenland fiir die Dispensation von Ehehindernissen 3 Drachmen, ffir die Ehetrennung 3 Drachmen, fiir die Exkommunikation 3 Drachmen (Cesetz vom 9. juli 1852, Z. 16, iiber die Bischi:ife); im bulgarischen Exarchate 10 Francs fiir jeden Dienst, welchen der Bischof iiber Verlangen verrichtet und 4 Francs fiir die iiber Verlangen vorgenommene Wasserweihe (Art. 176 [108] des ExarchaiStatuts); in dem Patriarchate von Konstantinopel fiir die Dispensation von Ehehindernissen 1 fl., fiir jeden iiber besonderes Verlangen verrichteten Dienst 5 fl.; iiberdies erhlllt er von jedem Pfarrer, anstatt des ehemaligen Kanonikon, jllhrlich 1 fl. (erwahnter Kanonismos. Art. 5, 7, 10). 7 Siebe die Instruktion des Patriarchen Matthaus I. von Konstantinopel vom Jahre 1398, aus welcher Bruchstiicke bei Zhishman, Die Synoden, Seite 215, Anm. 3-5, angefiihrt sind. 8 Aus der Staatskassa erhalten z. B. die Konsistorial-Mitglieder in Dalmatien ihre Dotation. In der Karlowitzer Metropolie dienen die Konsistorialmitglieder unentgeltlich. . 166. 1 4. Kan. Apost. und Kommentar des Archimandriten johann zu diesem Kanon (erwllhntes Werk. I, 141).

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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Unterhalt des Klerus seinem Stande entsprechend zu sichern. Gegenwartig bestehen ffir die Seelsorge-Geistlichkeit in den einzelnen Partikularkirchen folgende Unterhaltsquellen: a) Fixe jahres-Remunerationen; b) die Ertragnisse von Grundstilcken; c) bestimmte Abgaben der Pfarrlinge von den Erzeugnissen des Bodens oder von den Ertr1ignissen der Tiere, und d) die Epitrachei-GebUhren. I. Die alteste Form der EinkUnfte der Geistlichkeit war die Dotierung in barem Gelde. Die Sicherung des Unterhaltes des Klerus durch bestimmte Geldsummen finden wir bereits im apostolischen Zeitalter, da die Gl1iubigen ihre Oblationen zum groBen Teile in Geld darbrachten, welches zur Deckung der allgemeinen BedUrfnisse, haupts1ichlich auch fUr den Unterhalt des Klerus verwendet wurde. Diese Art der Einkilnfte des Klerus war insbesondere zu jener Zeit die wichtigste, als die Kirche noch keine Immobilien besaB, und erhielt sich auch spaterhin durch viele jahrhunderte. Der Stadtklerus konnte schwer auf eine andere Art der Einkilnfte rechnen ; aber auch die Geistlichkeit auf dem Lande wurde mit Geld dotiert, und zwar wochentlich oder monatlich und in dem MaBe, als auf jeden einzelnen Geistlichen nach der allgemeinen Teilung entfiel. Diese Quelle fUr den Unterhalt des Klerus war mit Ri1cksicht auf die verschiedenen Schwankungen, welchen im allgemeinen das Geld unterlag, nicht immer die verHiBiichste; dieselbe war aber jedenfalls die einfachste, und es wurde von der Stadtgeistlichkeit am meisten auf sie gerechnet. Gegenw1irtig wird im allgemeinen darnach gestrebt, der Pfarrgeistlichkeit, sowohl in den Stadten, als auch auf dem Lande, die notwendigen Unterhaltsmittel in barem Gelde zu verabreichen. Die Geldbetr1ige, welche den Geistlichen fur ihren Unterhalt verabfolgt werden, sind gegenwartig in den einzelnen Kirchen nach den Lokalverhaltnissen verschieden. In der Regel wird die Geld-Dotation als Erganzung der dem Klerus aus anderen Quellen zuflieBenden Einkunfte, und im allgemeinen als Ersatz filr den etwaigen Abgang jener Naturalleistungen, welche den Geistlichen an anderen Orten von den Pfarrlingen zuflieBen, angesehen 2. II. Eine weitere Unterhaltsquelle fiir die Pfarrgeistlichkeit bildet in einigen Orten das Ertragnis von Grundstiicken, welche eigens zu diesem Zwecke bestimmt sind. Diese Art der Sicherung des Unterhaltes war in dem Mangel an Geldmitteln zur Dotierung des Klerus begrilndet. In den Pfarren der alteren Zeit war dieses Unterhaltsmittel fur den Klerus fast allgemein Ublich; nur den Geistlichen der Stadtpfarren wurde die Dotation in Geld ausgefolgt. Auf diese Weise wird auch dermalen in den meisten der orthodox-orientalischen Kirche angeh52

Siebe S. 413-416 dieses Suches.

. 166. Der Unterhalt der Pfarrgeistlichkeit.

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renden Uindern filr den Unterhalt des Klerus gesorgt s. Das Eigentum an den Grundstiicken, welche der Seelsorge-Geistlichkeit zur NutznieBung iiberlassen werden, steht der betreffenden Ortskirche zu, weshalb auch die Geistlichkeit filr diese Grundstiicke der Eparchial-Behorde verantwortlich ist. Die Art und Weise der Bebauung ist dem Ermessen des Nutzungsberechtigten iiberlassen; wogegen die Verpachtung derartiger Grundstiicke an die Beobachtung der beziiglichen besonderen Vorschriften geknilpft ist 4 III. Eine allgemeine und sehr alte Unterhaltsquelle der SeelsorgeGeistlichkeit sind die Fihrlich von den Pfarrlingen dem Seelsorger entrichteten Pjarr-Kontribute, wclche in Abgaben von den Erzeugnissen des Bodens und von den Ertragnissen der Tiere bestehen. Die Leistung solcher Kontribute finden wir bereits in der alt-testamentarischen Kirche 5, welche Gebrauch auch die neu-testamentarische Kirche angenommen hat. Die sogenannten Zehnten ( der zehnte Teil des Ertrages, as-x.citrx~), welche zu Gunsten der Geistlichkeit und der Kirche entrichtet wurden, sind schon in den altesten Kirchenrechts-Denkmalern erwahnt 6. In der abendlandischen Kirche entstand hieraus die Lehre de decimis, welche sich seit dem VI. Jahrhundert in der romisch-katholischen Kirchengesetzgebung bedeutend entwickelte 7 Die allgemeine Kirchengesetzgebung im Orient kennt diese Art der Abgabe nicht; es wurde vielmehr den Glaubigen iiberlassen, nach eigenem Ermessen die Menge der dem Seelsorger von den Erzcugnissen des Bodens zu entrichtenden Abgaben zu bestimmen 8 Spater hat die kirchliche Praxis das MaB der den Seelsorgern zu leistenden Abgaben festgesetzt. Diese Praxis wurde sodann in den betreffenden Pfarren zur Norm und die kompe3 In der Bukowina z. B. befindet sich nach der Pfarr-Regulierung vom 26. April 1786 (. 15) jeder Seelsorger im Genusse einer Session Grundstiicke in der GroBe von 44 Morgen, wovon nach dem Hofdekrete vom 16. August 1805 (Z. 16126) 33 Morgen als Ackerland, 9 als W eiden und 2 Morgen zur Anlage des Pfarrhauses. samt dazugehorigem Garten, zu beniitzen sind. In RujJland genieBt die Pfarrgeistlichkeit 33 bis 99 Desjatine (deren jede 2400 russische Quadratklafter umfaBt), je nach den Lokalverhaltnissen der Pfarre. In der Karlowitzer Metropolie steht jeder Pfarrer im Genusse einer Session Grundstiicke ; wo eine solche nicht oder nur zum Teile vorhanden ist, erhalt er den vollen oder teilweisen Ersatz in einem Geldbetrage von 200-300 fl. (Reskript vom jahre 1868. I. Teil, . 11). Fiir 6sterreich gilt in dieser Beziehung das Hofdekret vom 14. April 1821 ; fiir Ruftland siehe den Ukas vom 24. Marz 1873. 5 II. Buch Moses. 13, 2. 12. 13. 22, 29. 30. 23, 19. 34, 19. 20; III. Buch. 27, 26. 27. 30-33; IV. Buch. 3, 12. 13. 8, 16-19. 18, 8-19. 21; V. Buch. 14, 22-29, und das ganze 26. Kapitel. G Const. Apost., II, 25. 29. VIII, 30. Vergl. auch den 4. Kan. Apost. 7 Vergl. Thomassin, Vetus et nova ecclesiae disciplina. III. 1, 6-11 (Ed. cit. VII, 29-85). 8 Siehe Nomok. VJ, 1 (Ath. Synt. I, 133).

IIJlaa,

KJrobe111eohl.

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III. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

tenten Obrigkeiten der einzelnen autokephalen Kirchen anerkannten die bezUglichen Abgaben als regelmaBige Unterhaltsquelle der Pfarrgeistlichkeit. Die Zeitverhaltnisse haben jedoch nach und nach die urspriingliche Bereitwilligkeit der Glaubigen zur Leistung von Kontributen an die Seelsorger abgeschwacht, und gegenwartig macht sich das Streben allgemein geltend, diese Kontribute in regelmaBige Geld-Entlohnungen umzuwandeln 9. IV. Eine weitere allgemeine Unterhaltsquelle fiir den Klerus bilden die sogenannten Epitrachel-Oebiihren (Stolgebilhren), welche fiir gewisse, von dem Seelsorger mit dem Epitrach elium (stola) verrichtete Handlungen geleistet werden. In der alten Kirche gab es diese Gebiihren nicht; der Geistliche, welcher fiir einen kirchlichen Dienst von seinen Pfarrlingen eine Entlohnung forderte, machte sich vielm ehr der Simonie schuldig to. Dagegen wurden freiwillige Gaben an die Geistlichen filr geleistete Dienste als fromme Werke betrachtet und von der Kirche nicht verboten. Im Laufe der Zeit wurden derartige Gaben zur Gewohnheit, und jeder Geistliche konnte dieselben als eine standige Einnahme betrachten. Als spater die iibrigen Einkiinfte der Geistlichen sich verringerten, wurde auf die Epitrachei-Gebiihren ein besonderes Augenmerk gelenkt, so daB diese einen speziellen Einnahmstitel des Pfarr-Kierus bildeten. Zur Vermeidung von MiBbdiuchen in dieser Beziehung wurden zuerst von der Kirchen- und sodann von der Staatsgewalt die Dienste, fiir welche solche Gebiihren zu entrichten waren und das AusmaB der letzteren bestimmt. Hiedurch erhielten die Epitrachei-Gebiihren einen rechtlichen Charakter. Die Simonie konnte hiebei nur dann vorliegen, wenn diese Gebiihren von armen Pfarrlingen, welche selbst der Not preisgegeben waren, gefordert wurden, oder wenn der betreffende Seelsorger einen pfarramtlichen Akt von der Vorausbezahlung der Epitrachei-Gebiihr abhangig machte. Gegenwartig bestehen iiber~ll Epitrachel-Taxordnungen, in welch en die Gebiihren von der kompetenten Behorde nach den Standes-, Altersund Vermogensverhaltnissen der Pfarrlinge bestimmt sind 11 Da diese Tax-Ordnungen den Zweck haben, eigenmachtigen und i.ibermaBigen Forderungen der Geistlichen fiir vollzogene Funktionen vorzubeugen, so sind dieselben fiir jeden Seelsorger bindend und miissen in jeder
9 In der Karlowitzer Metropolie bereits durch das Allerhochste Reskript vom jahre 1868 eingefiihrt (. 13, I. Teil des Reskriptes). 10 Vergl. 59. Novelle justinians. 11 Siehe fiir Serbien die Verordnung vom 29. Marz 1853; fiir Dalmatien die Verordnung vom 28. juli 1853 (Statthalterei-ErlaB vom 26. Oktober 1853, Z. 18. 534); fiir die Bukowina die Verordnung der Landesregierung vom 20. Februar 1859; fiir das bulgarische Exarchat Art. 146. des Exarchal-Statuts vom Jahre 1895; fiir die Karlowitzer Metropolie . 16, l. Teil, des Reskriptes vom jahre 1868.

. 166. Der Unterhalt der Pfarrgeistlichkeit.

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Pfarre in beglaubigter Abschrift und an einem Ieicht zuganglichen Orte angebracht sein. Die genaue Beachtung der Tax-Ordnung unterliegt der Kontrolle der kompetenten Obrigkeitt 2 Von Pfarrlingen, deren Armut bekannt ist, soil der Seelsorger keine Gebiihren fordern, sondern die betreffenden pfarramtlichen Akte aus christlicher Liebe unentgeltlich vornehmen. Eine strenge Verantwortung trifft ihn, wenn er eine Gebiihr von der Witwe oder den Verwandten eines verstorbenen armen Pfarrlings fordert und diese dadurch zwingt, einen Teil ihrer Habe zu verauBern oder zu verpfanden 13 ; auch Findlinge und Waisen, welche in 5ffentlichen Wohltatigkeits-Anstalten erhalten werden, sind im Faile ihres Ablebens von dem Seelsorger unentgeltlich zu beerdigen 14. Der Seelsorger hat auch Ausziige aus den Matriken, welche zur Erlangung von Unterstiltzungen notwendig sind, gebiihrenfrei auszufertigen ta. Wird von einer Partei tiber eine an den Seelsorger fUr die Verrichtung eines kirchlichen Dienstes entrichtete Gebilhr die Empfangsbestatigung verlangt, so ist dieser verpflichtet, selbe auszufolgen 16 Obertretungen der Bestimmungen der Epitrachel-Taxordnung seitens der Pfarrgeistlichkeit unterliegen der Entscheidung der kompetenten Obrigkeit, welche vorgekommene MiBbrauche zu strafen berechtigt ist 11. V. Neben diesen verschiedenen Einkiinften hat die Pfarrgeistlichkeit das Recht auf unentgeltliche Unterkunft. In alter Zeit finden wir bei jeder Kirche besondere Gebaude, welche fiir den Unterricht der Katechumenen und zur Unterbringung der Armen und kranken Mitglieder der Kirche dienten. Hier fand auch der Seelsorger, welchem sowohl die Kirche, als auch deren Schutzbefohlene zur Beaufsichtigung anvertraut waren, seine Unterkunft 1s. Im Laufe der Zeit entstand hieraus das Recht der Seelsorge-Geistlichkeit auf unentgeltliche Unterkunft, welches Recht dermalen unter anderen durch die Pflicht des ununterbrochenen Aufenthaltes des Seelsorgers in der Pfarre, sowie dadurch begriindet ist, daB das Pfarrhaus, sowohl vom kirchlichen, als auch vom staatlichen Gesichtspunkte, den Charakter eines 5ffentlichen Amtsgebliudes besitzt 1u. Aile bisher angefilhrten Arten der Einkilnfte konnen als regelSiehe fiir 6sterreich das Hofdekret vom 11. Marz 1784. Hofdekret vom 30. juni 1785. u Hofdekrete vom 11. Juni 1785 und 28. November 1786. 16 Hofdekret vom 22. juni 1793. 16 Hofdekret vom 30. Marz 1786. 17 Siehe fiir 6sterreich die Patente vom 28. Juli 1750 und vom 23. juli 1763, die Hofdekrete vom 2. Oktober 1773, 10. juli 1783, 29. April 1787, 17. Mlirz 1791 und 27. janner 1834, die Ministerial-Verordnung vom 7. April 1850, . 96, und die Instruktion fiir die Kreisbehorden vom 19. Jlinner 1853, . 49. 18 Thomassin, Vetus et nova disciplina. III. 1, 33 sq. (Ed. cit. VII, 256 sq.). 19 Siehe S. 422 dieses Buches.
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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

maBige EinkUnfte angesehen werden 2o. Dieselben sind von den Ortsund Zeitverhaltnissen abhangig und bestanden nicht immer in allen Partikularkirchen in dem gleichen MaBe; dassel be ist auch gegenwartig der Fall. Einige Arten dieser Unterhaltsquellen, welche in einzelnen Kirchen gar nicht vertreten sind, z. B. die Sessionen-Orundstucke in Dalmatien, oder die Pfarr-Kontribute in der Karlowitzer Metropolie, werden durch Einkilnfte anderer Art ersetzt. Im allgemeinen gilt filr den Unterhalt der Seelsorge-Oeistlichkeit die Norm, daB ,die Diener des Altars vom Altare ihren Teil empfangen sollen "; daher ist die Kirche verpflichtet, dafiir zu sorgen, daB den Seelsorgern der entsprechende Unterhalt (congrua sustentatio) zuteil werde. Nach demselben Orundsatze steht den Seelsorgern, welche sich ihrem Dienste ganz widmen mUssen und einer nicht unmittelbar mit den pfarrlichen Obliegenheiten im Zusammenhange stehenden Beschaftigung nicht nachgehen dOrfen, der volle und gesetzliche Anspruch auf einen entsprechenden Unterhalt zu. Mit Rilcksicht aber auf die Verbindung, welche in christlichen Staaten zwischen Kirche und Staat besteht, und auf den groBen moralischen Nutzen, der dem Staate durch die Kirche fllr das allgemeine gesellschaftliche Wohl erwachst, obliegt auch dem Staate die Pflicht, fiir den Unterhalt des Klerus zu sorgen und die Kirche hierin namentlich dann zu unterstiitzen, wenn die Mittel der Kirche nicht ausreichen, urn den Bediirfnissen der Oeistlichkeit zu genOgen.

. 167.
Allgemeine Normen iiber das Vermogen des Klerus. Ober das Vermogen, welches der Klerus besitzen kann, bestehen besondere Normen, die teils in den allgemeinen kirchlichen Oesetzen, teils in den besonderen Oesetzen der einzelnen Partikularkirchen enthalten sind. Diese Normen beziehen sich in erster Linie auf das Recht der Oeistlichen an jenem Vermogen, welches sie als Privatpersonen durch Erbfolge oder auf eine andere gesetzliche Weise erworben haben, und beriihren sodann die Pflichten, welche riicksichtlich jenes Vermogens, das mit dem betreffenden kirchlichen Amte verbunden ist, zu beobachten sind. Schon die altesten kirchlichen Kanones erwahnen das Recht der
Ober die fallweisen Pfarr-Einkiinfte, welche wir in den einzelnen Kirchen vorfinden, sowie iiber jene Einkiinfte, welche gewohnhcitsmaBig in den einzelnen Pfarren bestehen, kann im System des Kirchenrechts nicht die Rede sein. Die Kirche verbietet ihrem K!erus nicht, von den Olaubigcn freiwillige Beitrage entgegenzunehmen, sondem gestattet die Annahme dieser zur Gewohnheit gewordenen Beltrage. Allein zu einem zwangsweisen Einheben derselben ist der Geistliche nicht berechtigt; er wiirde in diesem Faile als Simonist angesehen und jener schweren Strafe verfallen, welche sowohl Kirche als Staat fiir die Simonie vorschreiben.
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. 167. Allgemeine Normen fiber das Vermogen des K1erus.

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Bischofe und der Geistlichen, Privatvermogen zu besitzen 1, und raumen denselben hiedurch die Berechtigung ein, tiber dieses Vermogen nach eigenem Ermessen zu verfugen. Deshalb verordnen die Kanones die Trennung des Privatvermogens des Klerus von dem Kirchenvermogen, sowie die genaue Verzeichnung des einen und des anderen Vermogens, damit dem Kirchengute kein Nachteil erwachse und das Vermogen des Klerus nicht der Verdacht der Ungesetzlichkeit treffe. Diese Vermogenstrennung ist in dem abendlandischen Kirchenrechte durch besondere Bezeichnungenen zum Ausdrucke gebracht. Das Kirchengut wird peculium ecclesiae, patrimonium ecclesiae, das Vermogen des Klerus peculium clericorum im weiteren Sinne genannt ~. Die diesbeztigliche Norm filr das morgenUl.ndische Kirchenrecht ist in dem 40. apostolischen Kanon enthalten: "Das Vermogen des Bischofs (wenn ein solches vorhanden ist) und jenes des Herrn sollen genau bekannt sein, damit der Bischof in der Lage sei, tiber seine Habe nach eigenem Belieben zu testieren, und damit unter dem Vorwande, daB es sich urn das Vermogen der Kirche handle, nicht jenes des Bischofs geschadigt werde, welcher eine Gattin, Kinder, Verwandte oder Diener haben konnte; denn es ist bei Gott und den Menschen gerecht, daB weder die Kirche einen Nachteil dadurch erleide, wenn das Vermogen des Bischofs unbekannt ist, noch daB dem Bischofe oder dessen Verwandten unter Vorschtitzung der Kirche das Vermogen entzogen werde, noch auch, daB die AngehOrigen des Bischofs in Prozesse verwickelt werden und daB der Tod des Bischofs einen ilblen Nachruf erleide". Das Recht der Bischofe und jener Kleriker, welche ein offentliches Amt in der Kirche bekleideten, tiber ihr Privatvermogen zu Gunsten ihrer Angehorigen zu testieren, bezog sich nach den Normen der spateren Gesetzgebung nur auf das von ihnen ererbte, oder auf eine andere gesetzliche Weise, vor oder nach ihrem Eintritte in die Hierarchic erworbene Privatvermogen R; hinsichtlich des aus den Einktinften des Amtes ersparten Vermogen konnten sie nicht zu Gunsten ihrer Verwandten oder zu anderen Privatzwecken testieren, sondern sollten dasselbe zu wohltatigen Zwecken oder jener Kirche hinterlassen, bei der sie angestellt waren 4 Die gegenwartigen diesbeztiglichen Bestimmungen wurden bereits erortert 5.
. 167.

40. Kan. Apost.; Ant. 24. Kan.; IV. allgem. Konz 22. 26. Kan.; 34. Trull. Kan. Vergl. hieriiber auch Vita s. Cypriani cura D. Prudentii Maran adornata (Ed. Migne, Patrol. IV, 161 ). 2 De peculio clericorum handelt tit. 25, lib. III. decretalium. 3 Nomok. X, 5 (Ath. Synt. I, 239); Nov. 123. c. 3, 131. c. 13; Basilicorum. III. 1, 9. V. 3, 15. Siebe die in der vorstehenden Anmerkung angefiihrten Stellen. ~ Siebe . 159, Anm. 13.
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Ill. Teil. Die Verwaltung der Kirche.

Im Zusammenhange mit dieser Verpflichtung des Klerus riicksichtlich des mit dem betreffenden Amte verbundenen Verm5gens, steht das Recht der Geistlichen, und insbesondere der Pfarrgeistlichen, dieses Vermogen nach bestem Gewissen zu beniltzen und dasselbe zur Dekkung der eigenen Bediirfnisse zu verwenden, wobei sie jedoch fi.ir die Erhaltung desselben zu Gunsten der jeweiligen Nachfolger zu sorgen haben. Dieses Vermogen umfaBt aile einem Bistume oder einer Pfarre gehorigen beweglichen und unbeweglichen Gater, ri1cksichtlich deren Erhaltung in jeder Partikularkirche besondere gesetzliche Bestimmungen bestehen. Pflicht jedes Eparchial-Bischofs und Pfarrers ist es, ftir die ordentliche Verwaltung und rationelle Bewirtschaftung der zum NieBbrauche bestimmten Grundsti1cke, fUr das Vorhandensein der zur Bearbeitung des Bodens und zur Einheimsung der Friichte u. s. w. erforderlichen Gerate, sowie dafUr zu sorgen, daB alles dem jeweiligen Nachfolger in gutem Zustande ilbergeben werde. Oberdies ist jeder Bischof und Pfarrer verpflichtet, einen fundus instructus bei dem betreffenden Bistum oder bei der Pfarre zu griinden und, falls ein solcher bereits besteht, ftir die moglichste Vermehrung desselben zu Sorgen 6 Zu den Hauptpflichten, namentlich der Pfarrgeistlichkeit, gehort die Instandhaltung des Pfarrhauses und der Okonomiegebaude. Nach den bestehenden Normen sind die Pfarrer, Pfarr-Administratoren und selbstandigen Kaplane verhalten, jene Reparaturen, welche durch ihre eigene oder ihrer Dienstleute Schuld veranlaBt werden, aus Eigenem zu bestreiten; dasselbe gilt auch beziiglich jener Nachbesserungen, die jedem auf fremdem Gute Wohnenden obliegen 1. Fur Nachlassigkeiten in dieser Hinsicht ist der Pfarrer sowohl der kirchlichen, als auch der weltlichen Obrigkeit verantwortlich. Das beziigliche Aufsichtsrecht hat der BezirksProtopresbyter anlaBlich der kanonischen Visitationen auszuilben und iiber die gemachten Wahrnehmungen dem Eparchial-Konsistorium im Geleite der eigenen Anschauung Bericht zu erstatten 8 . Bei dem Ableben eines Pfarrers sollen die von demselben beni1tzten Gebaude genau untersucht und das etwa durch seine Schuld veranlaBte Mangelhafte aus dem zuriickgelassenen Privatvermogen hergestellt werden 9 Die Inaugenscheinnahme der Gebaude und der Befund iiber den Stand derselben obliegt einer aus je einem Vertreter der Eparchial- und der politischen Behorde gebildeten Kommission 10.

Fiir 6sterreich das Hofdekret vom 1. September 1808. Hofdekrete vom 7. Ji:inner 1797 und 18. April 1806. 8 Hofdekret vom 13. juni 1821. 9 Hofdekret vom 7. jll.nner 1797, 6. Mai, 8. Juli u. 19. Oktober 1824. 10 Hofdekret vom 5. Mai 1826 und Instruktion fiir die Kreisbehorden vom 19. Janner 1853.
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551

. 168.
Die Versorgung dienstuntauglicher Geistlicher.
Die Dienstuntauglichkeit der Oeistlichen kann eine zweifache sein:

a) Die ganzliche Untauglichkeit wegen hohen Alters oder wegen unheilbarer Krankheit; b) die teilweise Untauglichkeit wegen chronischer Oebrechen oder wegen schwachlicher KOrper-Konstitution, welche zur _ Verrichtung schwerer Dienste unfahig, oder es umoglich macht, allen Dienstpflichten mit Rilcksicht auf die Lage des Dienstortes nachzukommen. Fiir beide Kategorien der dienstuntauglichen Oeistlichkeit wird seitens der Kirchengewalt nach wie vor in entsprechender Weise gesorgt. Filr die ganzlich untauglichen Oeistlichen wurde ein bestimmtes MaB der allgemeinen Kirchen-Einkiinfte zum Lebensunterhalte (pensio) bestimmt; fiir die teilweise untauglichen Oeistlichen wurde die dauernde oder zeitliche Bestellung von Hilfspriestern zur Besorgung jener Dienste, welche die betreffenden Seelsorger allein nicht verrichten konnten, vorgeschrieben. Die Ruhegehalte der Oeistlichen werden zum erstenmale in den Akten des IV. allgemeinen Konzils (451) erwahnt 1. In diesem Konzile wurden die Ruhegehalte filr einige Oeistliche bestimmt und hiemit die kanonische Orundlage fiir die diesbeziigliche Praxis der spateren Zeiten geschaffen. Hiernach kann der Ruhegehalt einem Oeistlichen nur dann zuerkannt werden, wenn ein begriindeter AnlaB hiezu vorliegt und die kompetente Obrigkeit diesen AnlaB der Berlicksichtigung wiirdigt. Die Obrigkeit hat die Hohe des Ruhegehaltes, sowie die QueUe zu bestimmen, welche zur Bestreitung desselben heranzuziehen ist. Der jubilierte Oeistliche behalt seine geistliche Wiirde, sowie die klerikalen Rechte, und ist verhalten, sich allen mit seiner Wiirde verbundenen klerikalen Pflichten zu unterziehen, insofern ihm dies sein kranklicher Zustand gestattet. Der im Ruhestande befindliche Geistliche, welcher absichtlich und ohne vollkommen gerechtfertigten Grund diese Pflichten vernachlassigt, hat sich vor dem kirchlichen Gerichte zu verantworten, welches ihn zu bestrafen und im Faile der Widerspenstigkeit zur BuBe in ein Kloster zu send en berechtigt ist 2. Die Ruhegehalte der Geistlichen sind gegenwartig durch besondere Gesetze in den einzelnen Partikularkirchen normiert. Ober die den Oeistlichen, welche systemisierte Amter in der Kirche bekleiden, beizugebenden Hilfspriester war bereits an anderer Stelle (. 126) die Rede. Die Dotation dieser Oehilfen ist gleichfalls durch besondere Bestimmungen in den einzelnen Partikularkirchen normiert.
. 168.
2 1 Siehe 1tpd~tc;; X, XI, XII und XIV (Harduini. II, 543. 555. 562. 598). Thomassin. Ill. 2, 29 (Ed. cit. VIII, 150 sq.).

IV. Teil.
Das Leben der Kirche.
. 169.
Allgemeine Ubersicht.

Die Verwirklichung der rechtlichen Beziehungen der Kirche, gemaB ihrer Verfassung und unter der Leitung der kompetenten Oewalt, bildet das Leben der Kirche, welches dieser Teil des Kirchenrechts behandelt. Die Kirchenrechtslehre begleitet hier den Christen von jenem Tage angefangen, an welchem er rechtliches Mitglied der Kirche wird, bis zum Augenblicke des Aufhorens dieser Mitgliedschaft, und betrachtet zunachst jene Bedingungen, auf Grund welcher er der Rechte, welche die Kirche ihren Mitglied ern bietet, teilhaftig werden kann, seine gottesdienstlichen Beziehungen, ferner die kirchenrechtlichen Verhaltnisse, in welche er filr sich all ein oder im Vereine mit anderen treten kann, und endlich das Erloschen dieser Rechte.

Erstes Kapitel.
Der Eintritt in die Kirche.
. 170.
Die Taufe.

Die notwendige Bedingung zum Eintritt in die Kirche und zur Erlangung der vollberechtigten Mitgliedschaft in derselben ist die Taufe 1 Die nach der kirchlichen Lehre vollzogene Taufe kann nicht wiederholt werden 2 , und der Geistliche, welcher eine solche Wieder. 170.
2
1 Mark. 16, 16 ; joh. 3, 5 ; Orthodoxes Bekenntnis, I. Teil, 103. Antwort. Orthodoxes Bekenntnis, I. Teil, 102. Antwort.

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VI. Teil. Das Leben der Kircbe.

holung vornimmt, wird abgesetzt 3 Die Taufe geschieht durch dreimaliges Eintauchen des Tauflings und unter Anwendung der vorgeschriebenen Formel 4 Das Besprengen, anstatt des Eintauchens, ist, au8er in Krankheitsfallen oder bei Mangel an Wasser streng untersagt5. Der trotzdem die Taufe auf diese Weise vollziehende Priester wird abgesetzt 6. Die Materie des Sakramentes der Taufe ist natiirliches reines Wasser, das durch nichts anderes ersetzt, und ohne welches deshalb auch eine ordnungsma8ige Taufhandlung nicht vollzogen werden kann 7
3 ,Der Bischof oder Priester, welcber denjenigen neuerlich tauft, welcher bereits die Taufe besitzt, soli abgesetzt werden ('x.(X-3-ot~pe(o-3-oo )". 47. apost. Kanon. ' Orthodoxes Bekenntnis, I, 102; 49. 50. apost. Kanon. 5 Cypriani ep. 76 ad Magnum. Terlull. de poeniten. c. 6. Mein Kommentar zum 12. Kanon von Neocasarea {,Pravila". II, 34). Makarius, Dogmat. Theologie . 203. 6 50. apost. Kanon. Kanon 102 im Nomokanon zum groBen Ritualbuch (Euchologion). Die Vorschrift des Eintauchens des Tauflings in Wasser bei der Taufe basiert nacb dem Zeugnisse Basilius d. Or. (Kan. 91) auf der seit der Enstehung der Kirche datierenden Oberlieferung. Diese Vorschrift ist durch die Praxis der Kirche in allen jahrhunderten gerechtfertigt. Hier sollen einige Zeugnisse aus der r6mischen Kirche angefiihrt werden. Das Sacramentarium Oregorii Magni bestimmt: ,Baptizet sacerdos sub trina mersione, tantum S. Trinitatis semel invocans, ita dicendo : baptizo te in nomine Patris, et merget semel, et Filii, et merget iterum, et Spiritus Sancti, et merget tertio". Das Sacramentarium Ambrosianum fiir die Mail!lnder Kirche bestimmt im Abschnitte de modo ministrandi baptis: ,Immersionis modus cum antiquissimi in S. Dei ecclesiis instituti ritusque sit, idemque in ecclesia Ambrosiana perpetuo retentus: ab ea mergendi consuetudine recedi non licet, nisi imminens mortis periculum instet, tumque vel aquae infusione vel aspersione ministrabitur, servata ilia stata baptizandi forma". Aus dem scholastischen Zeitalter schreibt der bekannte Duns Skot (Comment. in IV. sentent. dist. 3. qu. 4): ,Excusari postet minister a trina immersione, ut si minister sit impotens, et si unus magnus rusticus, qui debet baptizari, quem nee potest immergere, nee elevare". Auch aus dem XVII. jahrhunderte stammt folgende Anordnung: ,Baptizet sacerdos infantem sub trina immersione . . . . . . Ego te baptizo in nomine Patris, et mergat semel, et Fillii, et mergat iterum, et Spiritus Sancti, et mergat tertia". (Sacra institutio baptizandi. Cadomi, 1614). Zahlreiche andere Zeugnisse der Vater und Lehrer der Kirche sowohl des Abend- als auch des Morgenlandes siehe bei Makarius, Dogmatische Theologie . 203 (russische Ausgabe). Die Kirche hat auch die strenge Observanz, daB unter normalen Verhaltnissen die Taufe nur durch Eintauchen vollzogen werden darf, dadurch bewiesen, daB sie das Verbot erlieB, solche Personen in den Klerus aufzunehmen, welche auBerordentlicher Verhiiltnisse wegen die Taufe nicht durch Eintauchen erhielten. 12. Kanon von Neocasarea und mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" II, 33-34. 7 Orthodoxes Bekenntnis I, 103. Sendschreiben der orientalischen Patriarchen iiber den orthodoxen Olauben, Art. 16. Die scholastischen Theologen des AbendIandes erbrachten den Beweis, daB im Notfalle bei der Taufe das Wasser durch Erde, Sand, u. s. w. ersetzt werden kann. Diese scholastische Lehre hat jedoch auch in der abendliindischen Kirche keine Verbreitung gefunden. Siebe Concil. Tridentini, Sess. VII. c. 2. Ober diese scholastische Lehre selbst siehe ]. C. Augusti Denkwiirdigkeiten. VII, 206 fg.

1 t.;

. 170. Die Taufe.

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Die Taufe wird in der Regel von einem Presbyter oder Bischof gespendet s; jedoch kann dieselbe bei Todesgefahr auch von einem Diakon und von jed em Tr:iger der niederen Grade 9, von einem Laien 10 und selbst von einer Frauensperson II vollzogen werden, wenn sie dabei die Intention haben, im Oeiste der Kirche vorzugehen. Im letzteren Faile wird, wenn die auf solche Weise getaufte Person am Leben bleibt, die Taufe, der vorgeschriebenen kirchlichen Form entsprechend, erganzt 12. Derjenige Oeistliche, durch dessen NachUissigkeit jemand ohne Taufe stirbt, verfallt der kanonischen Bestrafung 13; trifft die Schuld einen Laien, so wird derselbe auf drei jahre von der Eucharistic ausgeschlossen 14. Der Ort der Taufhandlung ist die Kirche, nur ausnahmsweise das Wohnhaus 15. In den ersten Zeiten der Kirche wurde die Vornahme der Taufe erst dann gestattet, wenn der Betreffende durch eine bestimmte Zeit in der christlichen Lehre unterwiesen worden war und dieselbe sich angeeignet hatte. Als der christliche Olaube im griechisch-rOmischen Reiche die Freiheit erlangte, das Heidentum verboten wurde, und auch der grBBere Teil der heidnischen Vt>lker zum Christentum iibergetreten war, da verschwanden auch die Katechumenen, welche sich auf die Taufe vorzubereiten hatten, und es wurde der Piidobaptismus eingefUhrt, d. h. man begann die Kinder christlicher Eltern bald nach der Oeburt zu taufen. Die Kindertaufe wurde bereits in der Mitte des III. Jahrhunderts in der Kirche von Karthago zum Oesetze erhoben und
8 46. 47. 49. 50. apostolischer Kanon. Orthodoxes Bekenntnis I, 103. Sendschreiben der orientalischen Patriarchen Art. 16. Nomokanon zum Euchologion Kan. 201. 20't Die Constitutiones Apostolorum verbieten den Diakonen und den Trligern der niederen Grade ausdriicklich die Taufhandlung vorzunehmen. III, 11. Siebe mein Kommentar zum 49. apostolischen Kanon. ,Pravila" I, 118. 9 Constitutiones Apostolorum VIII. 2. Tertull. de baptis. c. 17. Cyril. hieros., Catech. XVII n. 35. Epiphan., haeres. LXXXIX, 4. 10 Orthodoxes Bekenntnis 1, 103. Sendschreiben der orientalischen Patriarchen Art. 16. Nomokanon zum Euchologion Kan. 204. Hieron. adv. Lucifer. c. 4: ,Baptizare, si tam en necessitas cogit, scimus etiam Iicere laicis". Cf. Tertul/. de baptis. c. 17. 11 Nicephorus Confessor Kan. 51. In RujJland sind die Priester verpflichtet, die Hebammen iiber die Art der Taufe zu unterweisen, damit sie im Faile der Notwendigkeit das neugeborne, dem Tode nahe Kind selbst zu taufen imstande sind. . 84 des Buches iiber die Pflichten des Pfarrers. 12 . 84 des Buches iiber die Pflichten des Pfarrers. Siebe den Kommentar von A. Pawlow zum 204. Kanon des Nomokanon zum Euchologion. 18 Karth. 134. Kan. u 68. Kanon des Nomokanon zum Euchologion. n 59. Trull. Kanon und mein Kommentar ,Pravila" I, 544. Siehe . 83 des Buches iiber die Pflichten des Pfarrers.

556

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

fand im V. jahrhundert allgemeine Verbreitung tG. Anfangs sorgten die Ettem altein dafiir, daB ihre Kinder so bald als m5glich getauft werden, und im VI. Jahrhundert wurde dies bereits durch Staatsgesetze normiert 17, Beziiglich der Findlinge verfiigen die Kanones, daB sie ohne Riicksicht darauf, ob sie von christlichen oder nichtchristlichen Eltern abstammen, zu taufen seien ts. Nach dem 14. Kanon des IV. allgemeinen Konzils und nach den Normen der griechisch-r5mischen Gesetzgebung ist auch das einer gemischten Ehe entstammende Kind in der orthodoxen Kirche zu tau fen 19 ; die diesfallige gegenwartige Praxis ist durch die Gesetze der betreffenden Staaten normiert ~o. Die Kanones verbieten beziiglich jener, welche nacb erreichtem reifen Alter aus einem nicht-christlichen Bekenntnisse zur christlichen Kirche iibertreten wollen, mit der Taufe zu eilen, sondern verfilgen vielmehr, daB zuerst ihre diesfallige Neigung, sowie ihr ganzes Vorleben genau gepriift und ihnen im Glauben und in der christlichen Fr5mmigkeit eine hinreichende Unterweisung zuteil werde, ehe ihnen die Taufe gespendet wird 21. Seit den altesten Zeiten der Kirche besteht die Einrichtung, daB bei der Taufe der Pate ( &.vriaoxoc;) anwesend sein miisse, welcher fiir den orthodoxen Glauben und fiir die geistige Erziehung des Tautlings vor der Kirche die BUrgschaft iibernimmt 22 Nach den kanonischen Vorschriften sind von der Patenschaft ausgeschlossen: Andersglaubige, Minderjahrige, M5nche, die Eltern der Tauflinge, Geistesschwache und jene, welche nicht in gutem Rufe stehen 23. Der Taufe muB nach der Lehre der orientalischen Kirche unmittelbar die Firmung folgen, welche darin besteht, daB der taufende Geistliche gleich nach vollzogener Taufe an dem Betreffenden, zu dessen FestiMein Kommentar zum 14. Kanon des I. allgem. Konzils. ,Pravila" I, 217. Die dogmatische Bedeutung der Kindertaufe bei Makarius, Dogmat. Theologie . 205. 17 justin. Nov. CXVI. Ober die Pflicht der Eltern ihre Kinder gleich zu taufen siehe fiir 6sterreich das Hofdekret vom 9. ji:inner 1823 und die Verordnung des Ministeriums des lnnern vom 16. November 1851 (R. G. Bt. Nr. 246). 18 27. Kan. von Karthago und 84. Trull. Kanon. In solchen Fallen wird folgende Forme! verwendet: ,Es wird der Diener Gottes N., falls er noch nicht getaujt ist, im Namen des Vaters etc. getauft". . 86 des Buches iiber die Pflichten des Pfarrers. Siebe meinen Kommentar zum 72. Kanon von Karthago. ,Pravila" I, 208-209. 19 Nomokanon, XII, 13 (Ath. Synt. I, 271-272). 20 Z. B. fiir 6sterreich Art. 1-3 des Gesetzes vom 25. Mai 1868 iiber die interkonfessionellen VerhlUtnisse. Vergl. auch . 64 des osterr. biirgerl. Gesetzbuches. 21 VII. allgem. Konzil 8. Kanon. ,Pravila" I, 609. 22 Orthodoxes Bekenntnis I, 103. Such iiber die Pflichten des Pfarrers . 80-87. DaB bei der Taufe nur ein Pate anwesend sein miisse, siehe die in Zara erscheinende Zeitschrift ,Istina" I, 237-239. 23 Dieselbe Zeitschrift I, 254-255.
16

, 171. Die Aufn ahme Andersglaubiger in die Kirch e.

557

gung im christlichen Wandel, die Salbung bestimmter Korperteile mit dem vom Bischof geweihten Chrisam vornimmt 24, Sobald jemand durch die Taufe vollberechtigtes Mitglied der Kirche geworden ist, wird sein Name in die Oeburts- und Taufmatrikeln eingetragen und demselben nach Bedarf von jenem, welcher zur Fiihrung dieser Matrikeln berufen ist, das Zeugnis iiber die empfangene Taufe, und sonach seiner vollen Rechtsfahigkeit in der Kirche, ausgefertigt (. 125). . 171.
Die Aufnahme AndersgHi.ubiger in die Kirche. Die Kirche nimmt jed en in ihre Mitte auf, der unter Bekundung der Reue filr seine lrrungen, mit reinem Olauben sich ihr zugewendet, mag er frfiher welchem Olaubensbekenntnisse immer angehort haben. Hiedurch erfilllt die Kirche, die ihr vom Stifter auferlegte Aufgabe (Matth. 28, 19. 20). Von den der Kirche nicht Angehorenden, welche den Wunsch auBern konnen, in die Kirche einzutreten, sind die einen Bekenner eines nichtchristlichen Olaubens, u. z. die Hebraer, die Mohammedaner und die verschiedenen Heiden; : die anderen gehoren dem christlichen Olaubensbekenntnisse an, halten sich aber nicht mit voller Oenauigkeit an die Glaubenssatze der Kirche; hieher gehoren die verschiedenen Haretiker und Sektirer. Nach dem wesentlichen Unterschiede, welcher zwischen den Andersglaubigen obwaltet, ist auch die Aufnahme derselben in die Kirche eine verschiedene. Filr die ersteren ist die Taufe eine absolute Bedingung fiir die Aufnahme, denn sie haben die Taufe nicht erhalten; flir die letzteren ist die Abweichung ihres Olaubens von der orthodox-christlichen Lehre maBgebend, und werden diese demgemaB auf drei verschiedene Arten in die Kirche aufgenommen 1 I. Die Heiden, welche in die Kirche eintreten wollen, milssen als Katechumenen (x.rJ.'tfJX.OUtJ.eVot) durch eine bestimmte Zeit im christlichen Olauben unterwiesen werden 2, miissen sodann allen ihren Olaubensirrtiimern feierlich entsagen und den orthodoxen Glauben bekennen. SchlieBiich empfangen sie die Taufe, die Firmung und die Eucharistie s. Dies gilt auch fUr die Hebraer und Mohammedaner 4
~ Orthodoxes Bekenntnis I, 104. 105. Buch iiber die Pflichten des Pfarrers . 89. . 171. 1 Siebe beziiglich dieser Lehre die Abhandlung des Bischofs Sergius ,Ober die Normen und rituellen Handlungen bei der Aufnahme nichtorthodoxer Christen in die orthodoxe Kirche". Wiatka 1894 (in russischer Sprache). 2 Mein Kommentar zum 14. Kanon des I. allgem. Konzils. ,Pravila" I, 217-219. 3 Laod. 46. Kan.; 78. Trull. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Trull. Kanon (II, 473-477). OroBes Ritualbuch, Kap. 103-104.

558

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

II. Diejenigen Christen, welche der orthodox-orienta/ischen Religion nicht angehoren, werden in die Kirche aufgenommen entweder a) durch die Taufe, b) durch die Firmung, c) durch die BuBe und durch das Bekenntnis des orthodoxen Glaubens. Diese Bestimmung stammt bereits aus dem V. Jahrhundert, wofi.ir das Sendschreiben des Priesters der Kirche in Konstantinopel Timotheus an seinem Genossen johannes das Zeugnis liefert. In der Krmcaja knjiga ist dieses Sendschreiben des Timotheus angefiihrt, welches Folgendes enthalt: ,Drei Funktionen gibt es fUr diejenigen, welche sich der heiligen, gottlichen, allgemeinen und apostolischen Kirche zuwenden: Die erste Funktion bezieht sich auf jene, welche die heilige Taufe benotigen, die zweite auf jene, welche nicht der Taufe sondern der Salbung mit dem Chrisam bedilrfen, die dritte endlich gilt fUr jene, welche weder der Taufe noch der Salbung bediirfen, sondern ihre eigene und jede Sekte verwerfen". Hierauf werden die Funktionen der Reihe nach angefiihrt, durch welche diejenigen, welche der orthodox-orientalischen Kirche nicht angehOren, in dieselbe aufzunehmen sind 5, Die Grundlage hieflir bildet der 7. Kanon des zweiten allgemeinen Konzils H. Die drei erwahnten Funktionen bei der Aufnahe jener, welche der orthodox-orientalichen Kirche nicht angeMren, gelten auch heute in dieser Kirche. Durch die erste Funktion werden jene in die Kirche aufgenommen, welche beziiglich der heiligen Dreieinigkeit eine unrichtige Lehre beobachten, die Taufe nicht anerkennen, oder diese nicht nach den gottlichen Normen vornehmen. Derartige Haretiker werden ebenso wie die Heiden in die Kirche aufgenommen. Mittels der zweiten Funktion, d. i. durch die Salbung mit dem Chrisam werden jene im Namen der heiligen Dreifaltigkeit getaufte Haretiker aufgenommen, welche die heilige Dreifaltigkeit nicht in Abrede stellen, sondern in einzelnen Glaubensfragen fehlerhafte Anschauungen vertreten; dasselbe gilt auch fiir jene, welche keine legale geistliche Hierarchic besitzen und auch das Sakrament der Firmung nicht kennen. Hieher gehoren die Protestanten. Dieselbe Funktion wird bei der Aufnahme der Angehorigen der romisch-katholischen Kirche und der Armenier vollzogen, welche von ihren Bischofen oder Priestern die Firmung noch nicht empfangen haben. Haben diese letzteren, namlich die Angehorigen der romisch-katholischen Kirche und die Armenier, die Firmung in ihrer Kirche empfangen, so werden sie in die orthodoxorientalische Kirche unter Anwendung der dritten Funktion aufgenommen, welche darin besteht, daB die Betreffenden, nach erfolgter Unterwei~ Krmcija 69. Kap. erwiihnte Ausgabe II, 312. Das Sendschreiben des Timotheus besteht in einer vollstandigen und in einer gekiirzten Ausgabe; be ide Redaktionen sind bei Colelerii Monumenta eccl. grecae. lll, 377 sq. abgedruckt. 6 Mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 266-280.

. 171. Die Aufnahme Andersgli:iubiger in die Kirche.

559

sung im Katechismus der orthodox-orientalischen Kirche durch eine bestimmte Zeit, schriftlich oder miindlich ihrem friiheren Olauben entsagen, das orthodox-orientalische Olaubens-Symbol feierlich bekennen, und nach Vornahme des vorgeschriebenen Oebetes seitens des orthodoxorientalischen Bischofs oder Priesters, die Eucharistie empfangen 7. III. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen kanonischen Vorschrift tiber die Aufnahme derjenigen, welche der orthodox-orientalischen Kirche nicht angehoren, besteht in der hellenischen Kirche, in welcher auch dermalen die Norm Oeltung hat, daB jeder AngehOrige der romisch-katholischen und der protestantischen Kirche, welcher in die orthodox-orientalische Kirche Uberzutreten gewillt ist, neuerlich getauft werden miisse. Diese Norm wurde in der Synode von Konstantinopel vom jahre 1756 unter dem Patriarchen Cyrillus V. erlassen. Der Grund dieser Synodal-Verfiigung liegt darin, daB die abendUindischen Christen durch Besprengen (per adspersionem) und nicht durch dreimaliges Eintauchen (sv -cplat x.cx.-caauaal xat &.vaa6aat) getauft werden. Da die ordnungsmaBige Taufe nur durch dreimaliges Eintauchen vollzogen wird, so miissen die nicht auf solche Weise getauften abt... Jlandischen Christen, als ungetauft ( &.@a'lt-c(a-cooc;) angesehen und sonach neuerlich getauft werden, wenn sie in die morgenlandische Kirche iiberzutreten wiinschen 8 Die bezeichnete Verfiigung der Synode von Konstantinopel wurde durch die auBergewohnlichen Verhliltnisse hervorgerufen, welche sich im XVIII. jahrhundert zwischen der hellenischen und lateinischen Kirche entwickelten und driickte die Reaktion der hellenischen Kirche gegen die Angriffe der lateinischen Propaganda aus. Vom formellen Standpunkte ist die besprochene Verfiigung begriindet, denn die Kanones der morgenlandischen Kirche bestimmen, daB die Taufe durch dreimaliges Eintauchen in Wasser zu vollziehen sei. Von diesem Akte des Eintauchens (tJ.@~X'lt'ttCtV, immergere) wird die Taufe selbst B&.'lttlOtJ.Il. (lat. baptismus) genannt. Dieselben Kanones verwerfen die von den verschiedenen Haretikern der ersten jahrhunderte der Kirche vollzogene Taufe, welche durch nur einmaliges Eintauchen erfolgte u. Die Kirche hat dagegen niemals die Taufe durch Besprengen verworfen, sondern hat diese Art der Taufe im Notfalle sogar zugelassen, da sie von der Ansicht ausging, daB die Taufe durch Besprengungen der apostolischen Tradition nicht
7 ,Ritus bei Vereinigung Andersglaubiger mit der orthodox-katholischen orientalischen Kirche" (in russischer Sprache) Moskau. 1858. 8 Diese Verfiigung ist im Ath. Synt. V, 614-616 und in Obersetzung in meinem Kommentar zum 95. Trull. Kanon (,Pravila" I, 585) enthalten. 9 46. 47. 49. 50. apost. Kanon; 19. Kanon des I. allgem. Konzils; 7. Kanon des II. allgemeinen Konzils; 95. Trull. Kanon; 12. Kanon von Neocasarea; 47. Kanon von Laodicea; 47. Kanon von Karthago; 1. 47. 91. Kanon Basilius d. Gr. u. s. w.

560
zuwiderUiu~ 10.

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Daher kann die erwahnte Verfiigung der Synode von Konstantinopel fur die ganze morgentandische Kirche nicht als bindend angesehen werderi, denn sie kollidiert mit der Praxis der morgenHindischen Kirche aller Zeiten und insbesondere mit der Praxis auch der hellenischen Kirche seit der Kirchentrennung bis zu der in Rede stehenden Synode zu KonstantinopeJu.

Zweites Kapitel.
Das gottesdienstliche Leben der Kirche.
. 172.
Von den heiligen Ha.ndlungen.
Zu den heiligen Handlungen geMren, wie wir bereits gesehen haben (. 134), die Verwaltung der Sakramente und verschiedene Oebete.
Siebe Anm. 5. des . 170 dieses Buches. Aus dem Pedalion ist zu ersehen, wie streng in der hellenischen Kirche die Verfiigung der erwllhnten Synode, daB nllmlich jeder Angehorige der romischkatholischen Kirche beim Obertritt in die orthodox-orientalische Kirche getauft werden miisse, beobachtet wurde. Hier heiBt es: ,Die Taufe der Lateiner wird flllschlich mit diesem Namen benannt; diese ist keine Taufe (~!i'lttt'l(l'X), sondern nur ein gewohnliches Waschen (&A.Aa privttcJ(l'X p.ovov 4tA6v)". ,Daher sagen wir nicht, daB wir die Lateiner umtaufen, sondern daB wir sie taufen". ,Die Lateiner sind ungetauft ( o[ Aattvot si1-xt &~ri7tttatot), denn sie vollziehen die Taufe nicht durch dreimaliges Eintauchen, wie dies vom Anfange an der orthodoxen Kirche durch die heiligen Apostel iiberliefert wurde". Kommentar zum 46. und 47. apostolischen Kanon (erwllhnte Ausgabe, S. 55 und 58). - Auch in der russischen Kirche wurden seinerzeit die AngehOrigen der romisch-katholischen Kirche bei ihrem Obertritt in die orthodox-orientalische Kirche getauft. Die diesfllllige Bestimmung wurde unter dem Patriarchen Philaret in der Moskauer Synode vom jahre 1620 infolge der gleichen Ereignisse erlassen, welche die Verfiigung der Synode zu Konstantinopel vom Jahre 1756 veranlaBten. Die erwllhnte Bestimmung der Moskauer Synode vom Jahre 1620 war bis zur Moskauer Synode vom 1667 in Kraft, in welch' letzterer die Bestimmung der ersterwahnten Synode aufgehoben und die alte, auch heute in RuBiand geltende kirchliche Praxis wiedereingefiihrt wurde, wonach die Angehi:irigen der ri:imisch-katholischen Kirche in die orthodox-orientalische Kirche entweder durch die Salbung mit dem Chrisam, wenn die Salbung an ihnen noch nicht vorgenommen wurde, oder durch die BuBe und die Entsagung der ri:imischkatholischen Glaubenslehre, wenn sie in ihrer Kirche die Salbung bereits empfangen haben, aufgenommen wurden. Auf Grund der Verfiigung der Moskauer Synode vom Jahre 1620 wurden in der russischen Kirche auch die Protestanten getauft, wen sie in die orthodox-orientalische Kirche iibertraten. Diese Bestimmung wurde im Jahre 1718 aufgehoben und bestimmt, daB die Protestanten nicht zu taufen, sondern nur mit dem Chrisam zu salben seien, wenn sie in die orthodox-orientalische Kirche iibertreten. Siebe hieriiber das erwllhnte Werk des Bischofs Sergius S. 117, 126.
11
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. 172. Von den heiligen Handlungen.

561

Die Sakramente haben im gotlichen Recht ihren Ursprung 1~ Die Kirche hat im Laufe der Zeit die Art und Weise des Ausspendens der Sakra.,. mente vorgeschrieben. Denselben Ursprung haben auch die Oebete. jedermann kann in seiner Weise Oebete zu Oott erheben. Die Kirche hat jedoch, urn ihre AngehOrigen im ordnungsmaBigen Verrichten von Oebeten zu unterstiltzen und urn zu vermeiden, daB sich nicht etwas der Orthodoxie Zuwiderlaufendes in die Oebete einschleiche, bestimmte von heiligen Menschen verfaBte Oebete angenommen und den Oebrauch derselben vorgeschrieben. Die Gebete miissen von der KirchenbehOrde genehmigt sein, und es diirfen auch nur solche Oebetbiicher verwendet werden, welche mit dem Segen der Kirchenbehorde publiziert wurden 2 Ebenso darf ohne Bewilligung der Kirchenbehorde beziehungsweise des betreffenden Eparchialbischofs kein nues Gebet eingefiihrt, kein auBergewohnlicher Kirchendienst verrichtet und keine Prozession veranstaltet werden 3 Den Mittelpunkt des gesamten gottesdienstlichen Lebens der Kirche bildet die Eucharistic (Ell'Xrlptattrl). I. Die Feier der Eucharistie wird wahrend der Liturgic in der geweihten Kirche, und nur im Notfalle auBerhalb derselben, jedenfalls aber auf dem vom Bischof geweihten Antimensium begangen 4. Zur Verwaltung der Eucharistic sind nur die BischOfe und Priester berechtigt, und zwar, bei sonstiger Bestrafung, unter strenger Beobachtung des vorgeschriebenen Ritus 5 Zur Feier der Eucharistic gehort gesauertes Brot und Wein G. Dieselbe findet in der Zeit vom friihen Morgen bis Mittag statt, auBer an bestimmten Tagen im jahre, an welchen die Liturgic gleichzeitig mit dem Abend-Oottesdienste verbunden wird 7. Der zelebrierende Priester muB unbedingt das heilige Abendmahl empfangen s und soli daher niichtern sein 11 Auch jedes andere Mitglied der Kirche, welches einen frommen Lebenswandel fiihrt, die Siinden gebeichtet und Reue gezeigt hat, kann das heilige Abendmahl empfangen. Die Priester sind verpflichtet, jene
Luk. 18, I. Rom. 12, 12. Eph. 6, 18. Siebe das Gebet, welches Christus selbst fiir jeden Christen vorgeschrieben hat. Matth. 6, 9-13; Luk. 11, 2-4. 2 63. Trull. Kan.; Laod. 59. Kanon und mein Kommentar zum 63. Trullann. Kanon. ,Pravila" I, 547. 3 !gnat. ep. ad Smyrn. et ad Magnes. Tertall. de bapt. c. 17. Slehe in der Krmczja 42. Kap. (erwahnte Ausgabe II, 30). Vergi. fiir 6sterreich Art. 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 (R. G. Bl. Nr. 142). Orthodoxes Bekenntnis I, 107. Mein Kommentar zum 31. Trull. Kanon. nPravila" I, 510. ~ 32. 76. Trull. Kanon. 6 Karth. 37. Kanon. 7 52. Trull. Kanon; Laod. 49. Kanon. 8 8. apost. Kan. und mein Kommentar. ,Pravila" I. 63-64. g 29. Trull. Kanon.
. 172.
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lila! llrehelll'echl.

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IV. Teil. Oas Leben der Kirche.

GUlubigen, welche den Empfang der Eucharistie verabsaumen, daran zu erinnern, daB jeder vom 7. Lebensjahre angefangen jahrlich einma11o die Eucharistie empfangen sollll. Die Ausspendung der Eucharistie an offenkundige und widerspenstige Sunder ist nicht gestattet. Dasselbe gilt auch beziiglich derjenigen, welche ein Dogma der orthodox-orientalischen Kirche bezweifeln 12. In zweifelhaften Fallen soli sich der betreffende Priester an seinen Bischof behufs Einholung der Weisungen desselben wenden 13. Sterbenden Silndern, mogen sie auch mit der Exkommunikation bestraft sein, muB von dem Geistlichen dieses Sakrament gespendet werden 14, ausgenommen den Fall, wenn sie im Augenblicke des Todes keine Reue empfinden und die Aussohnung 5. Stirbt jemand, der infolge Nachlassigkeit mit der Kirche verweigern 1 eines Geistlichen die Eucharistic nicht empfangen hat, so verfallt der Geistliche der kanonischen Bestrafung 16 Die Annahme einer Entlohnung filr die Ausspendung dieses Sakramentes seitens des Geistlichen ist streng untersagt und wird, wie die Simonie, mit der Absetzung bestraft t7. Bezilglich der Ausspendung der Eucharistic an Kranke bestehen besondere kanonische Vorschriften. Jedem Kranken, namentlich wenn er dem Tode nahe ist, muB die Eucharistie gewahrt werden; dies geschieht jedoch nur dann, wenn er seine Sanden aufrichtig bereut. Denjenigen, welche nicht bei BewuBtsein sind, kann die Eucharistie nicht gespendet werden ts ; noch weniger kann dies hinsichtlich eines bereits Verstorbenen der Fall sein t9. Den Kranken wird die Eucharistic mit den heiligen Brotteilchen gespendet, welche am Grtindonnerstage als dem Erinnerungstage der Einsetzung der Eucharistie zubereitet werden, obgleich diese Zubereitung auch in jedem beliebigen Zeitpunkte erfolgen kann. Diese heiligen Brotteilchen werden im Heiligenschrank,
Ant. 2. Kan. 1. Kan. des Timotheus von Alexandria. DaB in einigen Staaten dariiber eine Kontrolle gefiihrt wird, wer die Kommunion nicht empfangt, wurde in Anm. 5 . 152 angefiihrt. 12 52. 54. 55. 56. 57. 58. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 73. 75. 76. 83. Kanon Basil d. Gr.; Neoc. 2. Kan. u. a. 13 I. allgem. Konzil 13. Kanon; 102. Trull. Kanon; Karth. 6. 43. Kan.; 34. Kan. Basil. d. Gr. ~< I. allgem. Konzil 13. Kanon; Karth. 7. Kanon; Gregorius v. Nyssa 5. Kan. 15 II. allgem. Konzil 7. Kan.; Bas. d. Gr. 88. Kan .; Petrus v. Alexandria 4. Kan. Siebe hieriiber , die Belehrung zur Kirchenordnung " bei dem Rituale. 16 I. allgem. Konzil 13. Kan.; Gregorius v. Nyssa 4. 5. Kan.; das Buch tiber die Pflichten des Pfarrers . 116. 17 23. Trull. Kanon und mein Kommentar. ,Pravila" I, 503. 18 Timoth. v. Alexandria 3. Kan.; Nikeph. Confessor 8. Kan. ; das Buch tiber die Pflichten des Pfarrers . 114. 19 Trull. Kan. 83, Karth. Kan. 18.
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. 172. Von den heiligen Handlungen.

563

welcher immer am Altar seinen Platz haben muB und nur vom Priester beriihrt werden darf, aufbewahrt 20. II. Die Eucharistic kann nur nach der Beichte empfangen werden 21. GemaB der obersten Gewalt der Bischofe, zu binden und zu losen, sind sie allein berechtigt, die Beichte zu horen 22, auf Grund ihrer Ermachtigung jedoch haben hiezu auch die Seelsorger in den Pfarren die Befugnis 2s. Diese Aufgabe der Pfarrgeistlichen gehort zu ihren ordentlichen Pflichten, welche ihnen durch den Akt der Entsendung in die Pfarre auferlegt werden, ohne daB hiezu ein besonderes Dekret des Bischofs notig ware 24 In Griechenland wird die Beichte von hiezu bestimmten Hieromonachen entgegengenommen, welche als solche Beichtvater ( 1tii0!J.("J.tt-x.b~ 7t("J.TIJP) genannt werden und vom zustandigen Bischof ein besonderes bischofliches Dekret (svt("J.At-f)ptov) erhalten 25. Die Art und Weise, wie diese Beichtvater und im allgemeinen aile Geistlichen bei der Beichte vorzugehen haben, ist durch bestimmte kanonische Vorschriften, die von jedem beobachtet werden miissen, normiert2 6 Von Angehorigen eines anderen Glaubensbekenntnisses diirfen sie nicht die Beichte horen 2 7. Dieselbe kann nicht von mehreren gemeinsam, sondern nur einzeln abgelegt werden 2s. Das Beichtgeheimnis muB streng bewahrt werden, und die Verletzung desselben unterliegt der kanonischen Bestrafung 29 . jeder Christ ist verpflichtet, wenigstens einmal jahrlich, die Beichte abzulegen 30 ; desgleichen auch die christlichen Kinder vom 7. Lebensjahre angefangen st. Auch aile Geistlichen der hoheren Grade sind

Die Instruktion tiber die heiligen Brotteilchen siehe in der ,Belehrung zur Kirchenordnung" (Wiener Ausgabe 1854 S. 217). " Sendschreiben der orientalischen Patriarchen Art. 17. 22 52. apost. Kanon; 6. 7. 43. Kan. v. Karth. ; Constitut. Apost. II, 11. 12. 23 52. apost. Kanon; Constitut. Apost. VIII, 15. 2 ' Als gewohnliche Handbticher dienen fiir die Oeistlichen: Das Kanonikon johannes des Fasters (Siebe S. 110 dieses Buches) und der Nomokanon zum graBen Ritualbuche. (Euchologion). Vergl. das Buch tiber die Pflichten des Pfarrers . 90 u. ff. 25 Formulare solcher Dekrete siehe im Ath. Synt. V, 573-579. 26 I. allgem. Konzil 12. Kanon; 102. Trull. Kanon ; Bas. d. Or. 3. 74. 84. 85. Kanon. Siehe in der Ausgabe des Nomokanon zum Ritualbuche (Euchologion) von A. Paw/ow: Der Ritus bei der Beichte. S. 83-112. 27 Orthodoxes Bekenntnis I, 113. 28 Syntagma des Blastares M , 8 (Ath. Synt. VI, 270). 29 Kanon 120 des Nomokanon zum Ritualbuche (Euchologion) und Kommentar des A. Pawlow zu diesem Kanon (S. 245-268). Ober die Ausnahme von dieser Regel in RujUand siehe . 11 und 42 des geistlichen Reglements voin jahre 1721. 30 Orthodoxes Bekenntnis I, 90. 31 Kanon 191 des Nomokanon zum Ritualbuche (Euchologion) und Kommentar von A. Paw/ow, zu diesem Kanon (S. 337-341). 36"'

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

verpflichtet, die Beichte abzulegen. Zu diesem Zwecke werden in jeder Eparchie besondere BeichMiter bestimmt. In jedem Protopresbyterat mu8 ein vom gesamten Klerus des Protopresbyterats gewahlter und vom Eparchialbischof bestatigter Beichtvater fur die Geistlichkeit vorhanden sein. In ausgedehnten Protopresbyteraten konnen auch zwei Beichtvater fUr den Klerus bestellt werden. Der Beichtvater hat jahrlich dem Bischof einen Bericht Uber die Beichte des Klerus zu erstatten s2. FUr die gebeichteten SUnden muB der Beichtende die von der Kirche vorgeschriebenen KirchenbuBen (E'7ttttp.ta:t) ertragen. Nach der Lehre des kanonischen Recht der morgenlandischen Kirche sind die den SUndern auferlegten KirchenbuBen nicht Strafen im strengen Sinne {ttp.rop(a:t), sondern nur Zensuren, geistliche Heilmittel, bis der SUnder sich nicht ganzlich bekehrt und sich von den Siinden reinigt (. 151 ). Die Kirchenbu6e ist keine Strafe, welche der SUnder ertragen muB, urn fUr seine Siinden der verletzten gottlichen Gerechtigkeit Genugtuung zu leisten, sondern sie ist nur ein Heilmittel gegen die SUnde 33. Dieser Zweck und Charakter der Kirchenbu6e ist am deutlichsten im 102. Trullanischen Kanon zum Ausdrucke gebracht, in welchem genau vorgeschrieben ist, wie die KirchenbuBen den SUndern fUr begangene SUnden aufzuerlegen sind. Als BuB en werden auferlegt: Gebcte, mil de Gaben, das Fasten, der Besuch der geheiligten Orte etc., nach dem Ermessen des Beichtvaters, endlich die AuschlieBung von der Eucharistic auf kUrzere oder tangere Zeit 34. 1st der Beichtvater bei der Beichte einer schweren SUnde im Zweifel, welche BuBe er auferlegen soli, so hat er sich an den kompetenten Bischof behufs Erteilung der Weisung zu wenden, jedoch mit RUcksicht auf das Beichtgeheimnis, ohne den Namen des SUnders zu nennen. Der Bischof ist auch berechtigt die vom Beichtvater verhangte Bu8e zu verscharfen oder zu mildern, wenn ein SUnder sich diesfalls an den Bischof wendet S5 Vor Ablauf der Zeit, fUr welche jemand von der Eucharistic ausgeschlossen wurde, kann ein anderer Beichtvater dem Betreffenden die Eucharistie nicht gestatten, den Fall ausgenommen, wenn der Beichtvater, welcher diese Bu6e verhangt hat, stirbt, oder wenn der SUnder selbst dem Tode
32 Siehe hieriiber fiir RujJland Art. 70-72 des Konsistorial-Status; fiir Serbien Entscheidung der bischoflichen Synode vom September 1891 Z. 117; fiir Da/matien, bischOfl. Rundschreiben vom 4. Mlirz 1891 Z. 92. 33 Nach der Lehre der romisch-katholischen Kirche sollen Strafen fiir begangene Siinden auferlegt werden, urn der gottlichen Gerechtigkeit zu geniigen. Siehe hieriiber die Dogmatische Theologie von Makarius, . 227. 3 ' Orthodoxes Bekenntnis I, 113. n 11. und 12. Kanon des I. allgem. Konzils; 102. Trull. Kan. und mein Kommentar zu diesen Kanones. ,Pravila" I, 209. 214, 594. Vergl. auch meinen Kommentar zum 5. apost. Kanon. ,Pravila" I, 50 u. ff.

. 173. Die Heiligenverehrung.

565

nahe ist, und der Beichtvater, von welchem diese BuBe angeordnet wurde, perst>nlich zu erscheinen verhindert ist. In diesem Faile kann jeder Priester die Absolution gewahren, auch dann, wenn der Bischof selbst die AusschlieBung von der Eucharistie angeordnet hat sG. Wird von dem bischtifllichen Gerichte der Beweis erbracht, daB jemand ungerechter Weise vom Beichtvater von der Eucharistie ausgeschlossen wurde, so kann das Gericht die verhangte BuBe aufheben und den Betreffenden zum Empfange der Eucharistie zulassen s7.

. 173.
Die Heiligenverehrung.

Das Leben der Kirche zeigt sich sowohl in den heiligen Handlungen (. 172), als auch in der Verehrung des Andenkens heiliger Personen. Die Christen stiltzen die Verehrung des Andenkens Heiliger auf den Glauben an die Vermittelung dieser Heiligen bei Gott, dessen Wohlgefallen sie durch ihren irdischen Lebenswandel erwirkt haben, und deren Gebete Gott erhort und berilcksichtigt. Die Heiligenverehrung bringt die Kirche zum Ausdrucke, durch das Preis en ihrer irdischen Werke, wodurch sie Genossen Oottes geworden sind, durch das Anrufen ihrer Vermittelung bei Oott, durch die jahrlich wiederkehrende Feier ihres Andenkens, durch die Errichtung von Kirchen zu ihrem Andenken u. a. 1. Die Kirche bestimmt, welche Heiligen dieser Verehrung wilrdig sind. Anfang wurde diese Verehrung ohne jede Formalitat den Martyrern zuteil, welche fUr den Olauben ihr Leben geopfert haben. Die Namen dieser Heiligen wurden in die Dyptichen eingetragen und wahrend der heiligen Liturgie erwahnt, sowie ihre Werke gepriesen. Zuerst beschrankte sich diese Verehrung auf die Kirchen jenes Oebietes, in welchem die Heiligen ihr Leben beendeten, spater dehnte sich dieselbe auch auf andere Kirchengebiete aus und wurde endlich eine allgemeine. Im XI. jahrhundert wurde die sogenannte Kanonisation der Heiligen eingefilhrt. Die Kanonisation obliegt ausschlie8lich der bischOflichen Synode, welche hiebei mit der notwendigen Vorsicht und Strenge vorgeht. Im Obrigen gilt in dieser Beziehung fUr die Kirche Nachstehendes als Norm: Wenn jemand sich in jeder Beziehung und immerdar durch einen muster32. apost. Kanon; Karth. 29. Kanon; Antioch. 4. Kanon; Sardica 14. Kanon. I. allgem. Konzil 5. Kanon; Antiochia 6. Kanon. Der orthodox-orientalischen Kirche sind die in der romisch-katholischen Kirche seit dem XV. jahrhundert zur Gewohnheit gewordenen lndulgenzen unbekannt. Siebe Dogmatische Theologie des Makarius . 228. . 173. 1 Orthodoxes Bekenntnis Ill, 52. Dritte Antwort des Sendschreibens der orientalischen Patriarchen tiber den orthodoxen Glauben.
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~7

566

IV. Teil. D as Leben der Kirch e.

haften Lebenswandel auszeichnete, alle christliche Tugenden ihn zierten, seine Werke das innere Bestreben kundgaben, sich dem Ideate der Heiligkeit zu nahern und stets als Muster der Liebe und Frommigkeit dienten, wenn prophetische Anzeichen und wunderwirkende Kraft bei ihm bemerkbar waren oder seine irdischen Reste Zeichen der Heiligkeit verrieten, mit einem Worte, wenn jemand im Leben und im Tode die Eigenschaften eines Heiligen bekundete, dann macht sich bei der hOheren kirchlichen Obrigkeit der Oedanke geltend, dieser Person die allgemeine Verehrung zu erweisen, das heiBt, sie als heilig und gottgefallig zu betrachten. Wird dann durch klare Beweise dargetan, daB jemand als Heiliger gelebt babe und als solcher gestorben sei, und von keiner Seite eine Einwendung dagegen erhoben, so wird derselbe von der bischOflichen Synode als heilig erklart, die offentliche Verehrung (aouAsta.) desselben angeordnet, seine Reliquien an einen heiligen Ort niedergelegt und die heilige Erinnerung an ihn an einem bestimmten Tage gefeiert 2. Die Verehrung, welche die Kirche den Heiligen, deren Seele in den Himmel gelangte, angedeihen laBt, wird auch ihren irdischen Oberresten, den Reliquien, zutei!, welche als heilig angesehen werden, denn sie waren die irdische Hiille ihrer heiligen Seelen. Die groBe Bedeutung, welche die Kirche den Reliquien Heiliger beigemessen hat, erhellt daraus, daB das Sakrament der Eucharistie nur an jenen Statten verwaltet werden konnte, in deren Fundamenten solche Reliquien niedergelegt waren (. 174). Die Bewahrung und Verehrung heiliger Reliquien wird jedem Mitgliede der Kirche zur Pflicht gemacht, und jede Handlung, welche eine MiBachtung derselben bekunden wiirde, wird der kanonischen Bestrafung unterworfen s. Das VII. allgemeine Konzil erlieB folgende Vorschrift: ,Unser Herr jesus Christus gab uns die Reliquien der Heiligen, als Quellen der Erlosung, aus welchen immer Hilfe den Hilfsbediirftigen erwachst. Wer die Reliquien der Martyrer, deren Echtheit bekannt ist, geringschatzt, soli wenn er Bischof oder Kleriker ist, abgesetzt werden; ist er ein Monch oder ein Laie, so soU er von der Eucharistie ausgeschlossen werden" 4 Im Zusammenhange mit der Verehrung des Andenkens der Heiligen, welche im Himmel sind und ihrer Reliquien hat die Kirche auch die Verehrung der Bildnisse dieser Heiligen, der Heiligenbilder, ohne welche eine Kirche nicht bestehen kann, angeordnet. Dieses Dogma wurde vom VII. allgemeinen Konzil festgesetzf5. Die altere Oesetzge2 Vergl. Archim. Sergius Der vollsUindige Kirchenkalender I, 313 ff. (in russischer Sprache}. 3 Karth. 83. Kanon, Laodicea 9. Kanon und Kommentare zu diesen Kanones. ' Concili Niceni II, actio VI. ~ Abgedruckt in der von mir redigierten Kanonensammlung XXXIX-XLI.

. 147. Von den gesegneten Orten.

567

bung enthlilt keine kanonischen Vorschriften iiber die Art der bildlichen Darstellungen. Im IX. jahrhundert wurde nach UnterdrUckung des Bildersturmes, zur Festigung der Verehrung ('tl!J-'YJ'tlXTJ 7tpoax6'1'1)at~) der Heiligenbilder, in Konstantinopel ein die Bilder der Heiligen und der traditionell bewahrten Begebenheiten, deren Gedlichtnis damals gefeiert wurde, enthaltender Kalender herausgegeben. Kopien dieses Kalenders wurden an aile Partikularkirchen versendet, so daB die in diesem Kalender aufgenommenen Bilder ilberall als Muster dienten, und die Grundlage fUr die bekannte byzantinische Malerei bildeten s. lm XVII. Jahrhundert wurde in einer Synode der orientalischen Patriarchen (1667) das unbedingte Festhalten an dieser Malerei vorgeschrieben 7 Ebendiese Malerei ist auch dermalen in der orientalischen Kirche in Gebrauch, und ist es Aufgabe der Kirchengewalt, strenge darUber zu wachen, daB an derselben festgehalten werde s.

. 174. Von den gesegueten Orten. Zur Verrichtung der wichtigsten heiligen Handlungen (. 172) sowie zur Heiligenverehrung (. 173) sind besondere gesegnete Orte bestimmt (tEpol -c67tot). I. Unter den gesegneten Orten nimmt die erste Stelle die Kirche (va6~, templum) ein, in welcher der Oottesdienst verrichtet wird und die Reliquien der Heiligen aufbewahrt werden. Die Kirchen sind offentliche Statten fUr den Gottesdienst, weshalb sie auch im 59. Trullanischen Kanon ats xa{)-o/..txal sxx),'l}a(at bezeichnet werden. AuBer den Kirchen konnen mit Zustimmung des kompetenten Bischofs Hausoratorien bestehen, wetche im 31. Kanon des Trullanischen Konzils ei'Jxrijpta benannt werden. Als grundsatzliche Norm fUr die Kirchen und fUr die Hausoratorien gilt, daB diese vom Bischof geweiht und in denselben Reliquien Heiliger niedergelegt sein mUssen, damit der Gottesdienst in denselben abgehalten werden konne. Diese Norm basiert auf den betreffenden kanonischen Vorschriften, deren Nichtbeachtung der Bestrafung unterliegt. Die Weihe der Kirche (xa{hproat~ 'Yet.oO) ist ein ausschlie6liches Recht des Bischofs, als Oberpriester in seinem Gebiete 1. Falls der
Siehe iiber die Ikonen das Syntagma des Blastares
VI, 246).
7

E, 6 (Ath. Synt.

Das betreffende Patriarchal-Dekret befindet sich im ,Sbomik soloveckoj bibtioteki" N. 891. 8 82. 100. Trull. Kanon. Fiir Serbien siehe die Entscheidung der biscMflichen Synode vom 16. September 1863 Z. 4. Fiir RujJ/and siehe die Sammlung von T. Barsow, Z. 318-320. . 174. 1 Karth. 6. Kanon und mein Kommentar hiezu. ,Pravila" II, 137,

568

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Bischof verhindert ist, kann die Weihe in seinem Namen ein hiezu delegierter Priester, unter Beobachtung des hiebei vorgeschriebenen Ritus, vornehmen. Zugleich hat er das vom Bischof geweihte Antimensium in der neuen Kirche niederzulegen 2. Ebenso gehl:>rt die Orundsteinlegung fUr eine neue Kirche (~ets tou -3-sv.s/..(oo) in die Kompetenz des Bischofs, welcher im Verhinderungsfalle auch hiezu einen Priester delegieren kann s. Die Kirchweihe kann nicht am Oedachtnistage jenes Heiligen oder jener Begebenheit, zu deren Andenken die Kirche gewidmet ist, sondern muB entweder friiher oder spater geschehen, damit nicht der Dienst der Kirchweihe (srox.a(vta) mit jenem des Oedachtnistages zusammentreffe 4. Wurde eine Kirche von Unglaubigen entweiht, oder in ihren Raumen Menschenblut vergossen, so ist dieselbe, bevor an ihr nicht neuerlich die Weihe vollzogen wurde, zur Abhaltung des Oottesdienstes nicht geeignet5. Der Altar, muB gegen Osten gerichtet sein s. Bei der Kirchweihe muB die Norm beobachtet werden, daB an dem Orte an welchem die Eucharistic gespendet wird, Reliquien Heiliger niedergelegt werden mUss en (evooptaov-os t&V &.rtrov ABt~&.vrov), denn der 7. Kanon des siebenten allgemeinen Konzils bestimmt, daB derjenige, welcher eine Kirche ohne Reliquien weiht, abgesetzt werde. Das neue Testament enthlilt diesbezUglich eine den Zusammenhang vermittelnde Norm. Der Apostol Johannes, welcher von den Seelen der Martyrer spricht, die sich unter dem himmlischen Altar befinden 7, gibt hiemit schon eine Richtschnur fUr die irdischen Altare und kennzeichnet den Zusammenhang, welcher zwischen dem Opfer der heiligen Martyrer und dem ewigen Opfer Christi, des Erlilsers, bestehen muB. Im Sinne dieses mystischen Zusammenhanges zwischen den heiligen Martyrern und dem Opfer Jesu Christi wurde bereits zu Beginn der christlichen Kirche das eucharistische Opfer regelmaBig auf den Orabern der Martyrer, oder an jenen Orten dargebracht, an welchen sich Reliquien der Martyrer befanden 8 Diese durch die Weisung der heiligen Schrift in der Kirche begriindete und wahrend der Zeiten der
2

Ath. Synt. V, 584.

Nikeph. Confessor. 31. Kanon; Kommentar Balsamons zum 7. Kan. des II. allgem. Konzils, und Kommentar des Aristenus zum 83. Kanon von Karthago
3

(Ath. Synt. II, 582, III, 510).

Simeon von Thessalonica tiber die heiligen Handlungen, Kap. 70. u. ff.
Belehrung zur Kirchenordnung im Rituale. Basilius d. Gr. 91. Kan. und Kommentar des Arch. johann zu diesem Kanon und zum 92. Kanon desselben heil. Vaters (II, 98-102). 7 Apokal. 6, 9. 8 Cyprian. adv. Gnost. c. 12, ep. 57, 2., ep. 58, 1. Tertull., de anim. c. 9. Origen. hom. 10. Hieronym. adv. Vigilant. August. contra Crescon. 8, 27, c. Faust. 20, 21. Sozom. hist. eccl. 9, 2.
6

. 174. Von den gesegneten Orten.

569

Verfolgungen bewahrte Einrichtung wurde spater zu einem positiven kirchlichen Gesetze. In einer Synode zu Karthago im Jahre 401 wurde die strenge Bestimmung erlassen, daB jede Kirche zu zerstOren sei, in welcher weder der Leib noch Reliquien eines Martyrers niedergelegt sind 9 Ambrosius von Mailand weigerte sich insolange eine Kirche zu weihen, bis nicht Reliquien eines Martyrers in das Fundament eingelegt wurden 10. johannes Chrysostomus hebt in einer seiner Reden die Erhabenheit der Bedeutung hervor, daB auf den Reliquien der Martyrer das unblutige Opfer dargebracht werde, und erachtet dies als ein allgemein bindendes kirchliches Gesetz 11. Im VIII. Jahrhunderte unterzieht das siebente allgemeine Konzil jenen Bischof der Strafe der Absetzung, welcher eine Kirche weiht, ohne unter den Altar heilige Reliquien niederzulegen. Ist der Grund fi.ir eine neue Kirche bereits gelegt und derselbe ordnungsmaBig geweiht, so muB der Bau ununterbrochen bis zur Vollendung weitergefi.ihrt werden, und darf hochstens drei Jahre dauern 12. Die Kirche selbst muB nach der von der Kirchenbehorde genehmigten und in der morgenlandischen Kirche angenommenen GrundriBanordnung gebaut werden 13. Die Kirche muB in zwei Teile zerfallen, u. z. in den Altarraum (~~p.a., &oa~w:rt'-f)pwv) und in das Kirchenschiff (vet.6s, exxk'latet.); der erstere ist nur fi.ir den Klerus bestimmt, wahrend sich im Kirchenschiffe die Glaubigen aufhalten: Sowohl in der morgenlandischen als auch in der abendlandischen Kirche gilt die alte durch den 69. Trullanischen Kanan gefestigte Norm, daB nur den Angehorigen des Klerus das Betreten des Altarraumes gestattet ist, u. z. wegen des Mysteriums des unblutigen Opfers, welches im Altarraume dargebracht wird. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Norm gestattet der erwahnte Kanan auf Grund einer sehr alten Oberlieferung (xet.ta ttva. iipxet.tottit'f}V 7ta.paaoa~v) hinsichtlich des Landesfi.irsten, wenn er Gott eine Gabe darzubringen beabsichtigt t4. II. Zu den gesegneten Orten gehOren auch die Friedhofe (xotp.'f)t-f)p~et.). Zur Zeit der Verfolgung der Kirche wurden die verstorbenen Christen in Katakomben und Krypten und spater an besonderen abgegrenzten Orten, welche heute Friedhofe genannt werden, beigesetzt. Diese Statten werden xo~p.'f)t'~p~a. (Schlafstatten) genannt, denn bei den Christen besteht der Glaube, daB der Tod nur ein zeitweiliger
83. Kan. von Karthago. Ep. ad Marcell. n. 1. 11 Hom. 21 in act. Apostol. Cf. Basilii ep. 46. 12 Nomokanon II, 1 (Ath. Synt. I, 83. 86). 13 Siehe meinen Kommentar zum 11. Kanon des I. allgem. Konzils, wo dieser GrundriB dargelegt ist. ,Pravila" I, 212-213. 11 Mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" I, 554. 36'
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570

IV. Teit. Das Leben der Kirche.

Schlaf bis zur Auferstehung sei 15, Die Friedhofe werden durch die bei ihrer Orlindung verrichteten Oebete und beobachteten Zeremonien zu gesegneten Orten. Die Friedhofe mlissen mit einer Mauer umgeben, und gegen jede Beschadigung geschlitzt sein. Wird ein Friedhof in irgendeiner Weise entheiligt, so muB derselbe neuerdings geweiht werden. In den ersten Zeiten der Kirche wares verboten, die Verstorbenen in den Kirchen beizusetzen, weil in denselben die Reliquien Heiliger bewahrt wurden 16, Im VI. jahrhundert wurde jedoch die Beisetzung in den Kirchen zur Oewohnheit, und erst in neuerer Zeit wurde wieder ein diesfalliges Verbot erlassen, von welchem nur die Bischofe und die Mitglieder regierender Hauser ausgenommen sind 17. In einem mit Beobachtung des vorgeschriebenen Ritus geweihten Friedhofe, wodurch dieser zu einem gesegneten Orte wird, kann nur ein AngehOriger der Kirche beigesetzt werden ts. Nur im Notfalle kann mit Bewilligung des Eparchialbischofs auch jemand, welcher der Kirche nicht angehorte, im kirchlichen Friedhofe beerdigt werden 111 Da bei den Friedhofen auch saniHire Bedingungen berUcksichtigt werden mlissen, so obliegt dermalen neben der Kirchen auch der StaatsbehOrde die Obsorge fur dieselben. Die FriedhOfe sind heute zum gro6en Teile Eigentum der betreffenden politischen Oemeinden, weshalb sie gewohnlich Oemeindefriedhofe genannt werden. Die Staatsbehorde bestimmt aile jene Bedingungen, welche erflillt werden miissen, wenn ein Orundkomplex fUr Friedhofszwecke gewidmet wird, und erHiBt Anordnungen tiber die Beschaffenheit der Orabstatten, Uber die Erhaltung derselben, die Art und Zeit der Beerdigung der Verstorbenen u. s. w. 20. III. Die gesegneten Orte milssen mit Rilcksicht auf den frommen Zweck, filr welch en sie bestehen, von jedermann respektiert werden; dies verlangt nicht nur die Kirche, sondern auch der Staat. Die Verehrung der Kirche, als das Haus Oottes, entspringt dem
15 Hieronym. adv. Vigilantium. Cf. Digest. et Cod. : de religiosis et sumptibus funerum per totum. 16 Siehe 41. kanonische Antwort Balsamons (Ath. Synt. IV, 479). 17 Simeon von Thessalonica: Ober die heil. Handiungen Kap. 329 (364). 18 45. 46. a post. Kanon; Lao d. 9. Kan. und Kommentare zu diesen Kanones. u Dies ist erst in neuerer Zeit gestattet: in RujJland mit der Synodalverordnung vom 20. Februar 1880; in Serbien mit der Synodalverordnung vom September 1863 Z. 23; im Patriarchate von Konstantinopel mit der Verordnung der Patriarchal-Synode vom Marz 1869; in Griechenland mit der Synodalverordnung vom 4. Februar 1870. 20 Siehe fiir 6sterreich die Hofdekrete vom 23. August und 13. September 1874, 15. September 1788 und 23. Mal 1834; fiber die Zustltndigkeit der KreisbehBrden die kaiserl. Verordnung vom 14. September 1852; fiir RujJland Pkt. XIII des lirztlichen Statutes Art. 909-913. 925; fiir Serbien Art. 22 des Gesetzes vom

. 174. Von den gesegneten Orten.

571

gBttlichen Rechte, welches Christus damals bekundete, als er aus dem Tempel diejenigen weggewiesen hatte, welche denselben durch das AbschlieBen von Handelsgeschaften prophanierten. Spater wurden diesbeziiglich kirchliche Gesetze erlassen. Viele Kanones bestimmen fiir Geistliche die Absetzung und fiir Laien die Exkommunikation, wenn die Kirche in irgendeiner Weise prophaniert und zu einem anderen, wenn auch frommen Zwecke, als zum Gottesdienste verwendet wird 21. Die gleiche Bestimmung enthalt auch die griechisch-rOmische Gesetzgebung22, welche die Heiligkeit der Kirche so hoch hielt, daB sie den Kirchen und im allgemeinen den heiligen Orten das sogenannte Asylrecht Gus asyli) zuerkannte 2s. Die Achtung der Kirche, als Haus Gottes, und der gesegneten Orte ist jedermanns Pflicht. Das Trullanische Konzil erlieB folgende Verfiigung: ,lndem die Verehrung ('tO asj3.fap.t~v) der Kirche gegeniiber gewahrt wird, darf auch innerhalb der heiligen Umfriedungen (svac.v 't:O>V [spmv 'ltEpt~6/..rov) nichts unternommen werden, was das Heiligtum verletzen konnte. Diejenigen, welche ohne Oberlegung heilige Orte in offentliche Orte unwandeln, und sich an denselben riicksichtslos (-x.~Xt~Xi?P~V'l}tt'X.(OS) benehmen, sollen, wenn sie Geistliche sind, abgesetzt (-x.r!-&atps(a-&co ), wenn sie Laien sind, exkommuniziert werden ( &i'optCsa-&w)" 2t. Unter den heiligen Umfriedungen (Espol 'ltspt@o/..ol) versteht man alles dasjenige, was die heiligen Kirchen umgibt, und insbesondere die Friedhofe, welche in der Regel sich an die Kirchen anschlieBen. Die griechisch-rOmische Gesetzgebung hat auch die Prophanierung solcher Orte der Bestrafung unterzogen und das Verbot erlassen, daB an solchen Orten Gerichtsverhandlungen, Unterhaltungen abgehalten werden, sowie daB an denselben Handel getrieben und das Wirtsgeschaft ausgeUbt werde u. s. w. 25. Dieses Verbot ist auch dermalen durch die Gesetze aller Kulturstaaten normiert 26.

74. 76. 88. 97. Trull. Kanon; Laod. 28. Kanon; Karth. 42. Kanon. Cod. de episc. et cleric. I, 3 I. 10; Nov. 123. c. 31. Kommentar Balsamons zum 97. Trull. Kanon (Ath. Synt. II, 537-538). 23 Siehe . 144 Anm. 27-30 dieses Buches. Gegenwartig besitzt die Kirche dieses Recht in keinem Staate; wenigstens nicht in jener Form, in welcher es Justinian der Kirche zuerkannte. 24 76. 97. Kanon. ~ Siebe die beziiglichen Anordnungen im Kommentar Balsamons zum 97. Trull. Kanon (Ath. Synt. II, 538). 26 Siehe z. B. fiir 6sterreich . 122-124, 174 II c, 175 I a, 306 des Strafgesetzes vom jahre 1852; fiir Serbien . 362, 364, 865 des Strafgesetzes.
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572

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

. 175.
Die heiligen Sachen.
Heilige Sachen (7tparp.cx:w. [spa) werden jene Sachen genannt, welche ausschlieBlich auf den Gottesdienst und die ordnungsmaBige Verrichtung desselben Bezug haben (. 155). Diese Sachen unterscheiden sich in solche, welche unmittelbar flir die heilige Eucharistie gebraucht werden, u. z. die heiligen GefaBe (&')'tr.J. oxs6"f)) und das Antimensium ( &.vttp.tvotov), und in solche, welche bei kirchlichen Funktionen, unabhangig von der heiligen Eucharistie, verwendet werden; hieher gehoren die geistlichen BUcher, Gewander, Glocken u. s. w. Die Sachen der ersten Art werden geweihte (xcx.ihsprop.svcx.) Sachen genannt und dlirfen nur von den Geistlichen der hoheren Grade berlihrt werden. Nach dem 21. Kanon der Synode von Laodicea ist es auch den Subdiakonen untersagt, diese Sachen zu berlihren, am wenigsten aber das Antimensium, den Kelch und die Patene t. Die Sachen der zweiten Art heiBen gesegnete ('lJrtcx.op.svcx.) Sachen. Mit Ausnahme des Antimensiurns, welches nur vom Bischof geweiht werden kann 2, konnen aile heiligen Sachen flir den kirchlichen Gebrauch von jedem Priester die Weihe erhalten. Der Grund fUr dieses Recht des Bischofs ist derselbe, welcher fUr das dem Bischof vorbehaltene Recht der Kirchweihe gilt (. 60. und 17 4). Die Antimensien, in welchen Reliquien Heiliger niedergelegt werden, sind namentlich flir solche Kirchen eingeflihrt worden, welche vom Bischof personlich nicht geweiht werden konnten. Diese vom Bischof geweihten Antimensien ersetzten den Weiheakt und dienten als Beweis, daB in einer vom Bischof nicht geweihten Kirche die Eucharistie auf Grund bischoflicher Bewilligung verwaltet wird 3 Als die Bilderstlirmer die Weihe der Kirchen ohne heilige Reliquien einfiihrten, wurde zur Verhinderung, daB das eucharistische Opfer auf einem Altare, welcher keine heiligen Reliquien enthalt, dargebracht werde, angeordnet, daB auch in Kirchen, welche vom Bischof geweiht wurden, in welchen sonach in den heiligen Tisch heilige Reliquien eingelassen sind, stets auch ein Antimensiurn vorhanden sei 4. Die lmrnunitat flir die heiligen Sachen ist dieselbe, wie flir die gesegneten Orte. Nach den Kanones wird jeder mit der Exkomrnunikation bestraft, welcher eine heilige Sache prophaniert. Der Diebstahl

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. 175.
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Mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila" II, 83-84. Siehe . 108 Anm. 30 dieses Buches. Kommentar Balsamons zum 31. Trull. Kanon (Ath. Synt. II, 372). Mein Kommentar zum 31. Trull. Kanon. ,Pravila" I, 511-512.

. 176. Die geheiligten Zeiten.

573

solcher Sachen wird bei Geistlichen mit der Abset~ung bestraft 5 Auch die Staatsgeset~e bestrafen die Prophanierung oder den Diebstahl heiliger Sachen 6, . 176.

Die geheiligten Zeiten.


Seit dem Bestande der Welt hat der Mensch das Bediirfnis empfunden, eine bestimmte Zeit des Tages und der Nacht Gott und der Erwagung tiber die Ewigkeit, bestimmte Tage des jahres dem Andenken der wichtigeren heiligen Begebenheiten ~u weihen. In der christlichen Kirche entstanden aus der Befriedigung dieses Bediirfnisses ~unachst die Zeitpunkte des taglichen Gottesdienstes, die jahrlichen Feiertage und endlich die Fasttage. I. Der wichtigste tagliche Gottesdienst ist die Liturgie. Abgesehen von den Liturgien haben sich die Apostel entweder allein oder im Vereine mit anderen GUlublgen ~u bestimmten Standen (ilipa.t) des Tages und der Nacht versammelt, urn Gott in Psalm en, in Gesangen und in geisttichen Liedern ~u verherrlichen t. Den gleichen Vorgang beobachteten die Glaubigen auch nach den Aposteln 2. Gegenwartig gibt es acht tagliche Gottesdienste, welche die Kirchenordnung vorschreibt u. z.: die neunte Stunde, die Vesper, der zweite Abendgottesdienst, der mitternachtliche Gottesdienst, der Friihgottesdienst, die erste Stunde, die dritte Stunde und die Liturgie. Anfangs nahmen die Glaubigen neben den Geistlichen an allen Gottesdiensten teil; gegenwartig wird dies dem frommen Empfinden der Glaubigen iiberlassen. In den Kll)stern und in den bischoflichen Kirchen milssen diese Gottesdienste unbedingt beobachtet werden. Die Pfarrgeistlichkeit hat diese Gottesdienste, abgesehen von der Liturgie, im Hause zu verrichten, wenn die Verrichtung dieser Dienste in der Kirche nicht tunlich ist s. II. Nach dem Muster der alttestamentarischen Kirche hat die christliche Kirche schon seit der apostolischen Zeit Festtage (eopta.t) eingefUhrt 4 Als erster Festtag wurde die Auferstehung des Herrn (&.wia't'l.e 72. 73. apost. Kanon; 10. Kanon der I. II. Synode; Gregori us von Nyssa

8. Kan. Siebe . 174 Anm. 26 dieses Buches. 1 Apostelgeschichte 3, 1. 10, 9. 16, 25. 2 Epb. 5, 19. Koloss. 3, 16. a Die beziiglicben Vorscbriften sind in den Kircbenordnungen entbalten; fiir die taglicben Gebete der Pfarrgeistlicbkeit besteben besondere ,geistlicbe Gebetbiicber", welcbe mit Genebmigung der bischoflicben Synoden der betreffenden Partikularkircben redigiert werden. Vergl. S. 285 dieses Bucbes. Siebe Erzbischof Benjamin, Neue Gesetztafel (in russiscber Sprache) I, Kap. 13. ' Siebe Archimandrit Sergius, Der vollstllndige Kirchenkalender des Orients. Moskau 1875, 1876. Vergl. ]. Martinov Annus ecclesiasticus graeco-slavicus. Bruxellis, 1863. N. Nilles Kalendarium utriusque ecclesiae. Oeniponte, 1879. 1881.
. 176.
6

574

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

at~ tof> Kup(ou, liopt'lj too ll&axrx) und als Gedachtnistag dieses Festtages der Sonntag (Kuptrxx'lj fJtJ.prx) eingefilhrt a. Im Laufe der Zeit vermehrte sich die Zahl der Festtage zur Erinnerung an wichtige Begebenheiten aus dem Leben Christi und der Mutter Gottes, sowie zur Feier des Andenkens an die Apostel und Heiligen 6. Nach den gegenwartigen kirchlichen Satzungen werden die Feste in bewegliche (op1:a!. XtY1]1:1Xt, festa mobilia), welche bei ihrer jahrlichen Wiederkehr nicht das gleiche Datum haben, und in unbewegliche (soptrx~ rhtV1]tr:t.t, festa immobilia), die stets an bestimmten Tagen des jahres gefeiert werden, eingeteilt. Unter den ersteren ist das Auferstehungsfest, von welchem die anderen beweglichen Feste als: der Palmsonntag, das Fest der Himmelfahrt Christi und das Pflingstfestabhangen, das bedeutendste. Zu den letzteren gehoren, auBer den Sonntagen, alle ilbrigen Festtage des jahres. Eine weitere Einteilung ist die in gebotene und niclzt gebotene Festtage, je nach dem kirchlichen Verbote oder der Zulassigkeit des Arbeitens an diesen Tagen. Die Kirchendienste, welche an den einzelnen Feiertagen zu verrichten sind, erscheinen in den Kirchenordnungen vorgeschrieben. Insbesondere ist hinsichtlich der Liturgie vorgeschrieben, nach welchem MeBkanon dieselbe abzuhalten ist. Die morgenlandische Kirche kennt drei MeBkanones, u. z. die von johannes Chrysostomus, von Basi/ius dem Grojlen verfaBte Liturgie und die Liturgic der vorgeweihten Gaben (f; tmv 7tpOYJ)'tiXatJ.vrov tepa AEttouprt.a). Die letztbezeichnete Liturgie wird an allen Tagen der groBen Osternfasten, auBer an den Samstagen und Sonntagen und am Tage von Maria Verkiindigung, abgehalten. Die Liturgie des Basilius wird unmittelbar vor oder an den Weihnachtsfeiertagen und am Tage der Theophanie, am ersten Tage des Monats janner, an den fiinf ersten Sonntagen der groBen Fasten, ferner am griinen Donnerstag und Charsamstag abgehalten. An allen anderen Tagen des jahres wird die Liturgie des Chrysostomus zelebriert. Nach der Kirchenordnung darf die Liturgie nicht zelebriert werden, am Mittwoch und Freitag der letzten Faschingswoche, an den ersten zwei Tagen der groBen Fasten, am Charfreitag, am Freitag vor Weihnachten und vor der Theophanie, wenn diese letzteren Feiertage an einem Sonntag oder Monntag fallen 7 Das Recht, Festtage anzuordnen oder aufzuheben, steht der Synodalgewalt der Kirche zu; da aber hiebei auch das biirgerliche Leben

Apostelgeschichte. 20, 7. I. Kor. 26, 2. Siebe die in Anm. 4 dieses Paragrapben angefiibrten Werke. 1 Siebe detaillierte Angaben bieriiber im erwahnten Werke des Erzbischofs Benjamin II, Kap. 6-10, und S. V. Bulgakow Handbuch fiir Geistlicbe (in russischer Sprache) Charkow, 1892.
5
6

. 176. Die geheiligten Zeiten.

575

der OUiubigen beriihrt wird, ist auch die Mitwirkung der Staatsgewalt erforderlich s. Die Pflichten der OHiubigen bestehen an gebotenen Feiertagen darin, daB sie sich dem Oebete, der Verrichtung guter Werke hingeben und an der Liturgie teilnehmen 9, sowie daB sie keine schweren Arbeiten vornehmen und sich nicht mit Handelsgeschaften und der Rechtsprechung befassen 10. Das Abhalten von Markten wird an Feiertagen nur ausnahmsweise gestattet u. III. Zu den geheiligten Zeiten gehoren auch die Fastenzeiten (a.[ v~Jatsta.s; ~p.pa.t). Die Kirche hat die Fasten zur Erweckung und Erhaltung des Geistes der BuBe und Frommigkeit im Menschen eingefiihrt; diese Einrichtung beruht auf der Praxis der alt-testamentarischen Kirche und auf dem Beispiele des Stifters der Kirche und der Apostelt2. Die Fasttage sind durch die kirchlichen Gesetze bestimmt und daher von allen, mit Ausnahme der Kranken, zu beobachten. Der Geistliche, welcher dieselben nicht beobachtet, wird abgesetzt und der Laie verfallt der Exkommunikation ts. Die Fasttage sind folgende: jeder Mittwoch und Freitag (jene Falle ausgenommen, welche in der Kirchenordnung festgesetzt sind), die Quadragesimalfasten (1) &rEa. -reaaa.pa.xoarlJ -ro6 I1 ciaxa.) die Weihnachtsfasten (~ vea-reta. 'ttov Xptatorsvvow), die Fasten zu Ehren der Apostel (fj veate(a. trov tl.rEwv 'A1toat6Arov), die Fasten anlaBlich des Festes der Entschlafung Maria (fj vea-re(a. t'i)s; xotp.fjaems; -r~s; 8sot6-x.ou ), die Fasten vor dem Tage der Theophanie, am Feste der KreuzerhOhung, und der Enthauptung johannes des Taufers t4. Die Kirchenordnung enthalt die Bestimmung,
8 Nomok. VII, 1 (Ath. Synt. I, 136). Balsamons Kommentar zum 62. Trull. Kanan und zum 29. Kanon von Laodicea und 23. kanon. Antwort (Ath. Synt. II, 462. Ill, 197. IV. 486). Bias/ares Synt. K, 37 (Ath. Synt. VI, 346). Siehe 54. und 58. Novelle Leo des Philosophen und die Novelle des Manuel Comnenus aus dem jahre 1166 (Zachariae Ill, 147. 148. 469). 9 Sardica 11. Kan. ; 80. Trull. Kan. und mein Kommentar zu diesem letzteren Kanon. ,Pravila" I, 566. 10 66. Trull. Kan.; Karth. 61. Kan.; Nomok. III, 4 (Ath. Synt. I, 140). Cod. Theod. XV, 5. Cod. justin. Ill. 12, 7. 11 Cf. Basilic. VII, 17, 23. 27. Vergl. fiir Osterreich das Hofdekret vom 16. November 1826; Art. 13 der interkonf. Gesetze vom 25. Mai 1868. 11 Nomok. VII, 4 (Ath. Synt. I, 140-141). Blastares Synt. K, 37 (Ath. Synt. VI, 348-349). 12 Matth. 4, 1. 2. 17, 21. Apostelgesch . 13, 2. 3. 14, 22. 13 69. ap. Kan. Nomok. XIII, 32. 38 (Ath. Synt. I, 332-333). u Orthodoxes Bekenntnis I, 88. Ober die Fasten siehe Athanasius Sinaita (Ath. Synt. IV, 583), Nikon (lb. V, 589-591), Anastasius von Caesarea (ib. V, 585-588), Balsamon (ib. IV, 565-579). Mein Kommentar zum 69. apost. Kanon und zum 3. Kanon des Nikolaus von Konstantinopel. ,Pravila" I, 141-143. II, 543-544.

576

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

wie an diesen Tagen zu fasten ist 15 Die weltliche Oesetzgebung hat in WUrdigung des kirchlichen Zweckes der Fasten, die Abhaltung von Kriminal-Verhandlungen und offentlichen Belustigungen an bestimmten Tagen der Fastenzeit untersagt 16.

Drittes Kapitel.
Die Ehe.
. 177. Allgemeine fibersicht.
Die alteste Institution des gi:Htlichen Rechtes ist die Ehe. Dieselbe entstand, als Oott die ersten Menschen beiderlei Oeschlechtes geschaffen und angeordnet hat, daB sie sich gegenseitig lieben und unterstiltzen. Von diesen ersten Menschen entstand und entwickelte sich das Menschengeschlecht. Zu diesem Zwecke hat Oott in beide Teile das starkste Empflinden natilrlicher gegenseitiger Liebe eingepflanzt, und dieselben verbanden sich derart innig, daB sie eine Seele, ein Herz, ein Leib wurden. Durch die geschlechtliche natilrliche Verbindung der ersten Menschen wurden diese die Ahnen des ganzen spateren Menschengeschlechtes 1. Hiedurch hat Oott die Ehe eingesetzt und zwar in der Form der Monogamie, als ein das ganze Leben dauerndes Band zwischen Mann und Weib, welches Band unauflOslich ist, da beide einen Leib bilden. Der Grund, daB sich spater die Polygamie und mitunter auch die Polyandrie entwickelte, daB die Ehe nicht mehr als ein unlosliches Band betrachtet wurde, so daB der Mann nach Belieben das Weib und umgekehrt wechseln konnte, lag in der Verderbnis, welcher die menschliche Natur unterlegen ist und in der ZUgellosigkeit, in welche die Menschen vor dem Auftreten des Christentums geraten waren. Die Ehe ist also in ihrer reinen Form eine Institution der Natur nach dem Willen Oottes. Sie ist die Orundlage der Familie, jener Vereinigung, in welcher die edelsten menschlichen Empfindungen gehegt werden. Sie ist die Orundlage des Staates; denn in der Familie gewohnt sich der Mensch an die Ordnung und an die Achtung der Obrigkeiten, Voraussetzungen, ohne welche kein Staat bestehen kann. Durch die Ehe erganzt der Mensch sich selbst, und es entsteht zwischen dem Verstande, mit welchem der mannliche Teil besser ausgeVergl. meinen Kommentar zum 66. apost. Kanon. ,Pravila" I, 137. Cod. Justin. III. 12, 6. Cf. Basilic. VII. 17, 22. Vergl. fiir Osterreich die Hofdekrete vom 22. janner 1804, 24. August 1826, 17. juni 1841 u. a. . 177. 1 I. Buch Mosses 1, 27-28; 2, 18-25; 4, 1.
15
16

. 177. Allgemeine Obersicht.

577

stattet ist, und dem Oefiihle, welches besonders dem weiblichen Teil eigentUmlich ist, jene Harmonie, aus welcher fiir die Gesellschaft nur Outes erwachsen kann. Durch sie werden die Mitglieder des gottlichen Reiches aufgezogen, denn durch sie wird der Akt der Schaffung des Menschen befestigt und verHingert und mit dem neuen aus der Ehe stammenden sterblichen Leibe entsteht eine neue, unsterbliche Seele fUr dieses Reich. Die Ehe ist ihrer Natur nach erhaben und heilig; diese Erhabenheit und Heiligkeit hat das Christentum befestigt als es die Ehe als eine gottliche Institution bezeichnete, als es die ordnungsmaBige Beziehung zwischen Mann und Weib angab und als es die Ehe als ein heiliges Sakrament verkiindete 2. Da das eheliche Band zwischen Christen auf der natUrlichen und christlichen Liebe basiert und dasselbe von groBter Wichtigkeit sowohl fUr das irdische als auch fiir das ewige Leben ist, so hat die Kirchenrechts-Wissenschaft die Pflicht alles das system atisch darzustellen, was die Ehe und die Bewahrung der Heiligkeit derselben betrifft. Nach Betrachtung des Wesens der Ehe und der Jurisdiktion in ehelichen Fragen, muB die Wissenschaft noch dartun, wie die Ehe geschlossen wird, urn ihrem Zwecke zu entsprechen, welche Hindernisse einer gesetzlichen Ehe entgegenstehen, welche die Rechtsfolgen der Ehe fur die EheschlieBenden sind, welche EhetrennungsgrUnde in Betracht kommen, sowie ob auBer der ersten und normalen Ehe noch weitere Ehen bestehen konnen.

I. Von dem Wesen der Ehe.

. 178. Begriff der Ehe.


Nach der Definition des romischen Rechts ist ,die Ehe die Verbindung eines Mannes und eines Weibes, eine Gemeinschaft fUr das ganze Leben, eine wechselseitige Teilnahme am gottlichen und menschlichen Rechte" 1. In dieser Definition treten drei Momente des Begriffes der Ehe zutage: Das physische Moment, namlich die eheliche Verbindung eines Mannes und eines Weibes; das ethische Moment, welches in der vollstandigen und unverbriichlichen Gemeinschaft fUr das ganze Leben besteht, und endlich das religiOs-juristische Moment, welches die vollstandige Oemeinschaft alles dessen, was den Glauben und das
Matth. 19, 3-9. Mark. 10, 2-12, Eph, 5. 21-33, I. Tim. 2, 11-15. 1 Modestin., lib. I reg. (1. 1 Dig. de ritu nupt. 23, 2): ,Nuptiae sunt conjunctio maris et feminae, consortium omnis vitae, divini et humani juris communicatio" . 1 de patr. pot. I. 9. ,Nuptiae autem sive matrimonium est viri et mulieris conjunctio, individuam vitae consuetudinem continens".
2

. 178.

llld, llrcllearedll.

37

578

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Recht betrifft, in sich birgt 2. Diese Definition, welche die naturliche Grundlage der Ehe als ein Verhaltnis, welches nicht in einem blo.Ben Vertrage besteht, sondern das ganze Leben des Menschen erfaBt, am genauesten bestimmt, wurde auch in die Kanonen-Sammlungen der morgenlandischen Kirche aufgenommen, und wird in diesen als die beste und vollstandigste Erklarung des Wesens der Ehe bezeichnet 3 Allein trotz der Trefflichkeit der Definition des Ehebegriffes im romischen Recht und trotz der gesetzlichen Bedeutung dieses Begriffes, durch welchen einerseits die Monogamie und anderseits die Untrennbarkeit des ehelichen Bandes befestigt wurde, war im romischen Reiche doch der Konkubinat und die vereinbarte sowie die auf einseitige Aufkiindigung beruhende Trennung der gesetzlichen Ehe gestattet. Sowohl der Konkubinat als auch die freiwillige Trennung der Ehe standen unter dem Schutze der betreffenden Gesetze. In der alteren romischen Gesetzgebung wurde der Konkubinat (concubinatus, 'lCCI.AACI.'X.tOtJ-6~) d. i. das eheliche Zusammenleben eines unverheirateten Mannes und einer unverheirateten weiblichen Person ohne gesetzliche Ehe, als eine erlaubte Verbindung angesehen"; in der spateren Gesetzgebung wurde derselbe als eine nahezu gesetzliche Verbindung betrachtet, aus welcher sowohl den im Konkubinate gezeugten Kindem als auch der Konkubine Rechte erwachsen sind 5. Ebenso war es mit der Trennung einer gesetzlichen Ehe. Wenn dem Manne oder dem Weibe die gesetzlich geschlossene Ehe nicht mehr nach Wunsch war und dieselben sich nach getroffener Vereinbarung (ex consensu) trennten, oder der eine Ehegatte dem anderen die Verstandigung (repudium) zukommen lie.B, daB er nicht mehr willens ist, in der ehelichen Verbindung zu bleiben, so war die Ehe gelost (. 200). Diese Unsicherheit der ehelichen Beziehungen in der Gesellschaft hat das Christentum beseitigt.

. 179. Die Ehe als neu-testamentarisches Sakrament.


Die christliche Kirche hat der Ehe, ihrem ethischen Zwecke gema.B, eine geistliche Bedeutung verliehen, sie als ihre Institution angenommen und unter die Sakramente gereiht. Die heilige Schrift des neuen Testamentes betrachtet die Verbindung eines Mannes und eines
2

s.

Die Analyse dieser Momente der gesetzlichen Ehe bei Zhishman, Eherecht,

94-124.
3

Nomokanon XII, 13. Synt. des Blastares f, 2 (Ath. Synt. I, 271. VI, 153). ' Cod. V. 27, 3. VI. 17, 5. Dig. XXV. 7, 3. . 1: ,Nee adulterium per concubinatum ab ipso committitur; nam quia concubinatus per leges nomen assumpsit, extra legis poenam est". 5 Cod. Theodos. IV. 6, 2. 3. Cod. justin. V. 27, 8. VI. 57, 5.

. 179. Die Ehe als neu-testamentarisches Sakrament.

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Weibes als eine geistliche Gemeinschaft: ,Deswegen wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und beide werden Ein Fleisch sein, so daB sie nicht mehr Zwei sind, sondern Ein Fleisch; denn was Gott vereint hat, das soli der Mensch nicht trennen" 1 Apostel Paulus, welcher sich in seinem Sendschreiben an die Epheser diesen Worten des Stifters der Kirche iiber die Verbindung eines Mannes und eines Weibcs zuwendet, nennt die Ehe ein Oeheimnis und vergleicht sie mit der Vcrbindung Christi mit der Kirche z. Diese dogmatische Grundlage der Ehe erhielt in einem der fundamentalen symbolischen BUcher der morgenHindischen Kirche formellen Ausdruck; es ist daselbst auf die Frage , welches das sechste Sakrament sei" folgende Antwort enthalten: ,Der ehrwtirdige Ehestand, welcher entsteht, wenn erstlich ein Mann und ein Weib, ohne daB dabei ein Ehehindernis obwaltet, ein Verlobnis schlieBen. Dieses Ver!Obnis wird nicht als das wahre Eheversprechen anerkannt, wenn sie es nicht vor dem Priester bezeugen und sich die Hande reichen, daB sie einander Treue, Ehre und eheliche Liebe bezeugen und in keiner Gefahr einander verlassen wollen. Dann werden das Verlobnis und das Versprechen vom Priester gesegnet und bekraftigt, und es geschieht das, was geschrieben steht: die Ehe soli bei allen ehrlich gehalten werden und das Ehebett unbefleckt" s. In dieser Definition treten drei Seiten zutage: a) Das SchliejJen eines Ver!Obnisses zwischen einem Manne und einem Weibe, b) die Kundgebung dieses Ver!Obnisses in der Form eines feierlichen Versprechens in der Kirche vor dem Priester, daB sie einander Treue, Ehre und eheliche Liebe bis an das Lebensende bewahren und in keiner Gefahr einander verlassen wollen, und c) die Bekraftigung des Verlobnisses, sowie des Versprechens, durch den priesterlichen Segen. In dieser Definition der Ehe als Sakrament treten dieselben drei Momente hervor, welche in der romisch-rechtlichen Definition der Ehe enthalten sind, nur daB sich bei ersterer der christliche Charakter zeigt. Der Staat betrachtet die Ehe als einen Vertrag, welcher in der Natur des Menschen begriindet ist und dessen Zweck tiber den momentanen Wiinschen der einzelnen Individuen steht. Die Kirche erblickt in der Ehe ein Sakrament, in welchem das Verlobnis zweier Personen verschiedenen Geschlechtes, sowie das gegenseitige Versprechen der Teilung von Freud und Leid bis an das Lebensende, durch den priesterlichen Segen die Weihe erhalt. Die Kirche sieht also in der Ehe ein Faktum, in welchem das religiose und das rechtliche Moment in ihrer FOlie zusammentreffen.
. 179.
3 8

Matth. 19, 5-6; Mark. 10, 5-9. Eph. 5, 32. Orthodoxes Bekenntnis, I. Teil, 105. Antwort.
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37*

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IV. Teil. Das Leben der Klrche.

. 180.
Die Jurisdiktion in Eheangelegenheiten.
In den ersten Zeiten der Kirche und auch durch einige der folgenden jahrhunderte hatte die Ehe nur eine btirgerliche Bedeutung und unterlag der zivilen jurisdiktion, ohne eine unmittelbare Beziehung zur Kirche. Die Christen schlossen die Ehen nach den weltlichen Gesetzen, welche, insofern nur ein den Gesetzen entsprechendes legitimum, justum matrimonium vorlag, von der Kirche annerkannt wurden 1 Neben dieser bUrgerlichen Ehe gab es auch eine kirchliche Ehe, welche vor dem Bischof oder dem Priester geschlossen wurde. Diese kirchliche Ehe, war aber im griechisch-romischen Reiche btirgerlich unwirksam und wurde von den weltlichen Gerich ten als nicht bestehend angesehen; daher muBte die Ehe, urn auch bUrgerliche Bedeutung zu erlangen, nach den Vorschriften des Zivilrechts ganz unabhangig von der Kirche geschlossen werden. Mit Riicksicht auf diese Sachlage hat die Kirche selbst ihren Mitgliedern die biirgerliche Ehe empfohlen und erst hierauf die Einsegnung derselben durch den Priester gefordert. Der erste Schritt zur Vermittlung zwischen der bUrgerlichen EheschlieBung und der kirchlichen Form erfolgte in der ersten Halfte des VI. jahrhunderts unter Kaiser justinianus, rUcksichtlich der EheschlieBung unter Personen mittleren Standes im griechisch-romischen Reiche. justinianus, welcher bei dcr EheschlieBung zwischen Personen ht>herer SUinde die friiheren FOrmlichkeiten des Zivilrechts unberUhrt lieB und auch den Angeht>rigen der untersten Volksklasse die friihere formlose EheschlieBung gestattete, raumte den Personen mittleren Standes das Recht ein, in einer Kirche vor dem betreffenden Sachwalter (8'X.8t'X.O~) ihren EntschluB fiber die EheschlieBung kundzugeben; dieser sollte sodann drei oder vier der daselbst befindlichen Geistlichen beiziehen utid ein Zeugnis ausstellen, in welchem der Tag der EheschlieBung und aile sonstigen dieselbe betreffenden Momente aufgenommen wurden und welches sodann von dem Sachwalter, den Kontrahenten und den Geistlichen unterfertigt wurde. Dieses Zeugnis, welches man in das Archiv der Kirche hinterlegte, liefert den Beweis fUr die erfolgte EheschlieBung, welche dieselbe Bedeutung hatte, als ob sie vor der weltlichen Obrigkeit stattgefunden hatte 2. Obwohl dieses Gesetz justinians nur teilweise die EheschlieBung der kirchlichen Oberwachung unterwarf, wurde durch dasselbe doch jene Vermittlung zwischen der bilrgerlichen und der kirchlichen Ehe, welche nach dem Wesen der Ehe und ihrer christlichen Bedeutung stattfinden muBte, angebahnt. Die Staatsgesetze, welche
. 180.
2

!gnat. ad Policarp. c. 5; Tertull. de pudic. c. 4, ad uxorem. II, 9. justin. nov. LXXIV, cap. 4, . 1. 2.
1

. 180. Die Jurlsdiktion in Eheangelegenheiten.

581

die offentliche Verletzung natUrlicher und ziviler Rechte mit Strafen bedrohen, sind in Fallen der geheimen Verletzung dieser Rechte, namentlich im ehelichen und Familienleben, welches mehr oder weniger der Aufsicht des Staates und der Gesellschaft entzogen ist, machtlos. Die Staatsgesetze, welche haufig zu ihrer genauen DurchfUhrung der Glaubens-Sanktion bediirfen, ben<:itigen dieselbe unbedingt in den Beziehungen des Ehe- und des Familienlebens, welche hauptsachlich von dem menschlichen Gewissen abhangen. Daher haben sogar die heidnischen Gesetzgeber der alten Zeit bei der Regelung der Eheund Familien-Verhaltnisse sich nicht auf die Bestimmung beschrankt, daB die Ehe nach den bestehenden weltlichen Gesetzen zu schlieBen sei, sondern forderten auch, daB dieselbe die religi<:ise Weihe erhalte und unter bestimmten rituellen Feierlichkeiten geschlossen werde 3 Dies galt auch in den altesten Zeiten des r<:imischen Reiches, geriet aber nach und nach auBer Gebrauch. Als jedoch in diesem Reiche die ehemalige strenge Moral, welche in der Ehe durch den Glauben erhalten wurde, zu schwinden begann, da erschienen die bestehenden Gesetze zu driickend und wurden von den spateren Gesetzgebern aufgehoben. Erst das Christentum war imstande, nach mehreren jahrhunderten seines Lebens und Einflusses auf der Welt, der Ehe jene Stelle einzuraumen, welche ihr naturgemaB zukommt. Infolge des erwahnten Gesetzes justinians begann die kirchliche Ehe im griechisch-r<:imischen Reiche immer mehr Raum zu gewinnen 4, bis endlich. Kaiser Leo der Philosoph im jahre 893 ein Gesetz erlieB, nach welchem nur die von der Kirche eingesegnete Ehe als legitim angesehen wurde 5 Dieses Gesetz wurde jedoch bald auch auf die Angeh<:irigen der untersten Volksklasse, welche ursprilnglich in demselben nicht beriicksichtigt war, ausgedehnt s. Der Patriarch von Konstantinopel, Athanasius, und Kaiser Andronikus PaUiologus sprachen die Entscheidung aus, daB in Zukunft die Ehe ohne Wissen und Mitwirkung des betreffenden Ortsgeistlichen nicht geschlossen werden dllrfe 7 Die so eingesetzte christliche Ehe trug sowohl den Charakter der bUrgerlichen als auch der kirchlichen Ehe an sich, und der TrauungsAkt selbst ging ganz naturgemaB in den Wirkungskreis der Kirche iiber, welche das Recht harte, die Ehe einzusegnen oder diese Einsegnung zu versagen.
Gai Comm. I, . 112; Plato, De legibus. 6. ' Prochiron. IV, 27. 5 Nov. LXXXIX. 6 Nov. Alexii Comneni a. 1095. 1 Nov. Andronici sen. a. 1306. cap. 11.
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582

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

lm Sinne der allgemeinen Grundlage tiber die jurisdiktion in Eheangelegenheiten, welche durch die erwahnte gemeinsame Verordnung des Patriarchen Athanasius und des Kaisers Andronikus gelegt worden ist, wurden im Laufe der Zeit jene gesetzlichen, die Ehe betreffenden Normen erlassen, welche heute gelten. Die heutigen, die Ehe betreffenden Normen der morgenlandischen Kirche bei den slavischen Volkern wurden im XVII. Jahrhundert anlaBiich des Erscheinens der slavischen Krmcija erlassen. Zur Erfiillung aller jener Bedingungen, welche zum Abschlusse einer gesetzlichen Ehe erforderlich sind, ist in erster Linie vorgeschrieben, daB die Ehe offentlich in der Kirche abgeschlossen werde, um die heimliche EheschlieBung (J..rx-&porap.ta) zu verhindern, die von jenen gewahlt wurde, welche die gesetzlichen Ehehindernisse umgehen wollten. Hiernach gelten folgende Bestimmungen: 1) Jede Ehe muB an drei Feiertagen Offentlich in der Kirche aufgeboten werden; 2) der Priester hat die Brautleute einer Priifung iiber die christliche Lehre zu unterziehen und sich die Oberzeugung zu verschaffen, daB die Ehe freiwillig geschlossen wird; 3) zur Einsegnung der Ehe ist der betreffende Pfarrer in Gegenwart zweier Zeugen kompetent; gehoren die Brautleute verschiedenen Pfarren an, so hat der zustandige Pfarrer der Braut die Ehe einzusegnen; 4) die Ehe kann nur zu den von der Kirche gestatteten Zeiten geschlossen werden; 5) die Ehe ist nach dem Verlobnisse in der Kirche nach dem vorgeschriebenen Ritus einzusegnen; 6) jede EheschlieBung muB vom kompetenten Pfarrer in das Trauungsbuch eingetragen werden 8 lm Hinblicke auf diese in der morgenlandischen Kirche hinsichtlich der Ehe bestehenden Normen und bei dem Umstande als das Institut der Ehe auch der biirgerlichen Gesetzgebung unterliegt, besteht in den christlichen Staaten, in welchen normale Beziehungen zwischen Kirche und Staat obwalten, die Jurisdiktion in Ehesachen in Folgendem: 1) Der Kirche steht das Recht zu, in Ehe-Angelegenheiten Gesetze zu erlassen und die Gerichtsbarkeit auszuiiben; dem Staate wird aber in allen Angelegenheiten, welche die zivile und insbesondere die Vermogensseite der Ehevertrage betreffen, das Entscheidungsrecht zuerkannt; 2) die Gerichtsbarkeit hinsichtlich des Heiratsgutes, des Erbrechts und des Unterhaltes der Ehegatten sowie der Kinder gehort zur Kompetenz der Staatsgewalt. Wenngleich dies ehemals in den Wirkungskreis der Kirche gehOrte, erblickt dieselbe dort, wo ihr diese Rechte entzogen sind, hierin keine Verletzung ihrer Rechtssphare; 3) der Staat kann eine von der Kirche als giltig anerkannte Ehe nicht als ungiltig betrachten; 4) tiber die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Ehe als Sakrament hat nur die Kirche zu entscheiden; dagegen steht dem Staate
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Krmcija 50. Kap.

. 181. Die hauptsachlichen Erfordernisse der Ehe.

583

das diesfallige Entscheidungsrecht iiber die Ehe vom Vertragsstandpunkte zu; 5) in Fragen iiber Ehehindernisse und iiber die Dispensation von denselben, gehen Staat und Kirche im gegenseitigen Einverstlindnisse vor, und die Verfiigungen des einen Teiles werden von dem andern als fiir sich bindend angesehen. 6) Die Fragen fiber die Ehetrennung gehOren in die Kompetenz des kirchlichen Gerichtes; die Vermogensangelegenheiten in Ehestreitigkeiten entscheidet das Zivilgericht9.

II. Die Eheschlie6nng.

. 181. Die hauptsachlichen Erfordernisse der Ehe.


Als die Jurisdiktion in Ehesachen ausschlieBlich in die Kompetenz der Kirche verlegt wurde, sind in Eheangelegenheiten alle jene kanonischen Vorschriften angewendet worden, welche seit Beginn der Kirche bestanden und von dieser nunmehr durch neue Vorschriften weitergebildet und erganzt wurden, damit die Gesetzlichkeit und Heiligkeit der Ehe allseitig geschiitzt werde. Im Hinblicke auf die Bedeutung der Ehe auch im bilrgerlichen Recht hat die Kirche die einschUigigen Vorschriften immer im Zussammenhange mit den bestehenden borgerlichen Normen, insofern diese mit dem ethischen Charakter der Ehe im Einklange standen, erlassen. Dies bezieht sich insbesondere auf die h~uptsachlichen Erfordernisse der Ehe, ohne welche die Ehe keinen gesetzlichen Bestand hat. Unter diesen Erfordernissen nimmt den ersten Platz ein: 1) Die gegenseitige Einwilligung, namlich die in gesetzlich anerkannter Form abgegebene freie Willensau6erung eines Mannes und eines Weibes, eine Ehe zu schlieBen 1. Daher wird die Ehe in jenem Augenblicke als geschlossen angesehen, in welchem die Einwilligung beider Kontrahenten auBerlich zum Ausdrucke gelangt. Damit diese Einwilligung in der Tat zur Grundlage des ehelichen Bundes werde, muB sie allen jenen gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, welche im allgemeinen zu jedem gesetzlichen Vertrage erforderlich sind. Es milssen also zunachst bei den Kontrahenten aile hiezu notwendigen moralischen Eigenschaften, sowie die durch den Zweck der Ehe bedingten physischen Eigenschaften vorhanden sein. Ist dies der Fall und
9 Die Ausnahme von dieser allgemeinen Norm iiber die jurisdiktion in Eheangelegenheiten wird im . 205 dieses Buches erwahnt. . 181. 1 Tov lli!J-aV to aoj')(.a{l-st)o'ijaat, &.A.A.' -~ aova[vsatc; &.TCotsA.sl. Basilic. ll. 3, 30. Cf. Digest. XXXIV. I, 15. Prochiron IV, 17. Siehe slav. Krmcija Kap. 48. Tit. 4, 17; die 16. kanonische Antwort des johannes von Cytrus (Ath. Synt. V, 419-420) und Blastares f, 15 (Ath. Synt. VI, 182).

ou

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

ist die gegenseitige Einwilligung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zum Ausdrucke gelangt, dann erscheint diese Einwilligung als Orundlage der Ehe, dann ist dem ersten Erfordernisse der Ehe entsprochen. Im Zusammenhange mit diesem Erfordernisse stehen die folgenden: 2) Das fiir die Ehe vorgeschriebene Alter. Damit die gegenseitige Einwilligung zur Ehe eine sachliche Basis babe, ist es gema.6 dem ethischen und physischen Zweck der Ehe erforderlich, daB diejenigen Personen, welche eine Ehe zu schlieBen beabsichtigen, sich in einem solchen Alter befinden, welches die Erreichung des ehelichen Zweckes gewahrleistet. Sowohl die romische als auch die kirchliche Oesetzgebung fordern, daB beide Teile das reife Alter (iJ~"IJ, pubertas) erreicht haben, falls sie eine gesetzliche Ehe schlieBen wollen. Das romische Recht hat nach vielen Schwankungen in dieser Frage bestimmt, daB mannliche Personen das 14. und weibliche Personen das 12. Lebensjahr erreicht haben mUssen, wenn sie eine Ehe einzugehen beabsichtigen 2. Diese Altersbestimmung fUr die EheschlieBung hat auch die Kirche angenommen und dieselbe durch mehrere Synodalentscheidungen zum Oesetze erhoben s. In neuerer Zeit enthalt die bUrgerliche Oesetzgebung die bezUglichen Normen, und halt sich die Kirche in den betreffenden Staaten diesfalls an die Vorschriften der bUrgerlichen Oesetzgebung 4.
2

Digest. XXIU. 1, 9. Cod. justin. V. 60, 3. Basilicor. XXVIII. 1, 7. XXXVIII

19. 3. Prochiron IV, 2. Krmcija Kap. 48 Tit. 4, 2 (II, 86). Nov. Alexii Comneni a. 1092 (Ath. Synt. V, 285). Krmcija Kap. 43 (II, 42). In der Ekloga (II, 1. vergl. Krmcija Kap. 49) war fiir den mlinnlichen Teil das 15. und fiir den weiblichen Teil das 13. Lebensjahr vorgeschrieben; diese Bestimmung wurde durch die jetzt er-

wiihnten gesetzlichen Vorschriften ersetzt. 3 Siehe die Entscheidung des Patriarchen Alexius von Konstantinopel (1025-1043) und des Patriarchen German II. vom jahre 1235 (Ath. Synt. V, 35. 109) und des Patriarchen Dionisius m. vom jahre 1663 (fs13swv. I, 55-56). In Osterreich wird das vollendete 14. Lebensjahr fiir beide Teile als das reife Alter angesehen (. 21 und 48 des burgeri. Gesetzbuches). In Ungam wird fiir den Mann das vollendete 18. Lebensjahr und fiir das Welb das vollendete 16. Lebensjahr gefordert (. 7 des XXXI. Gesetzartikels vom jahre 1894). In Serbien kann eine gesetzliche Ehe geschlossen werden, wenn der Mann das 17. und das Weib das 15. Lebensjahr vollendet hat (. 69 des burgeri. Gesetzbuches). In Ruj3land wird fur den Mann das 18. und fiir das Weib das 16. Lebensjahr gefordert (Ukase vom 17. juli 1830 und 23. Dezember 1833). In Griechenland kann eine mlinnliche Person mit 18 jahren und eine weibliche Person mit 14 jahren eine Ehe schlieBen (Verordnung der Synode von Konstantinopel vom 6. juli 1882, der Synode von Athen vom 30. Oktober 1849). In Bulgarien wird fiir den Mann das vollendete 19. Lebensjahr und fiir das Weib das vollendete 17. Lebensjahr g,fordert (Art. 5 des Exarchai-Statutes vom jahre 1900). In Montenegro kann eine gesetzliche Ehe geschlossen werden, wenn der Mann das 17. und das Weib das 15. Lebensjahr vollendet hat (Art. 174. des Konsistorial-Statutes vom jahre 1904).

, 181. Die hauptsachlichen Erfordemisse der Ehe.

585

Sowohl wegen des physischen als auch wegen des ethischen Zweckes der Ehe ist auch das Alter vorgeschrieben, von welchem ab eine Ehe nicht geschlossen werden darf. Nach den Kanones darf eine mannliche Person, welche das 70. Lebensjahr und eine weibliche Person, welche das 60. Lebensjahr erreicht hat, keine Ehe schlieBen s. Bei solchen Personen ist unter normalen Verhaltnissen der physische Zweck der Ehe nicht erreichbar und noch weniger kann die Ehe solcher Personen vom ethischen Standpunkte gerechtfertigt erscheinen G. Aus demselben Orunde verbietet die Kirche die EheschlieBung, wenn zwischen den betreffenden Personen ein gro6er Altersunterschied besteht 7, 3) Normale Geisteskriifte. Dieses Requisit ist unbedingt notwendig zur Erfiillung des ersten und hauptsachlichsten Erfordernisses der gesetzlichen Ehe, namlich der ErkUirung der gegenseitigen Einwilligung zur Ehe. Wenn der normale Oeisteszustand als eine notwendige Voraussetzung bei jedem hingestellt wird, welcher irgend einen Vertrag abschlieBen will, so muB dieses Erfordernis umsomehr von jenem gefordert werden, welcher einen Vertrag abzuschlieBen beabsichtigt, in welchem, wie bei der Ehe, das g{)ttliche mit dem menschlichen Rechte zusammentrifft. Daher verbieten sowohl die biirgerlichen als auch die kirchlichen Oesetze die Eheschlie6ung der Rasenden, Wahnsinnigen und B!Msinnigen, denn solchen Personen mangelt das Verstandnis fOr ihre Handlungen und die Kenntnis der rechtlichen Verpflichtungen, welche sie Obernehmen 8 Dagegen sind von der EheschlieBung diejenigen nicht ausgeschlossen, welche nur zeitweilig in einem nicht normalen Oeisteszustande sich befinden. Hieber geMren jene Krankheiten, welche nur temporar den Vernunftgebrauch ausschlieBen, z. B. die Epilepsie, die chronische Schlafsucht u. a. Vom ethischen Stand5 Basil. d. Gr. 24. u. 88. Kan. und mein Kommentar zum 24. Kanon des Basilius. ,Pravila" II, 381-382. 0 In Serbien benotigen m!innliche Personen, welche das 50. Lebensjahr und weibliche Personen, welche das 40. Lebensjahr Uberschritten haben, mogen sie auch zur ersten Ehe schreiten, die Genehmigung der EparchialbehOrde (Ukas vom 4. April 1837 z. 1118 Pkt. 8). Eine lihnliche Bestimmung besteht fiir Personen im Greisenalter in Rujlland (BUrgeri. Gesetzbuch Art. 3). In der gr.-rom. Gesetzgebung bildet das Greisenalter kein Ehehindemis (Cod. justin. V. 4, 27) wenngleich auch bier die Vorschrift besteht, daB sv tot~ rlipm~ oo p.6vov to smtetp!Xp.p.svov, &).M ~!Xt to e01tps1Cs~ 'X.'l.l aep.vov, Mi ~6cm o[x.atov C'Yjto5p.ev (Basilic. XXVIll. 5, 6. Cf. Digest. XXIII. 2, 42. pr.). Gegen diesen Grundsatz wUrde gerade versto6en werden, wenn Personen im Greisenalter eine Ehe schlieBen wUrden. 1 Nomokanon XIII, 2 (Ath. Synt. I. 275 ff). 8 Digest. XXIII. 1, 8 Cf. Basilic. XXVIII, 1, 6. Blastares. T, 15 (Ath. Synt. VI, 184). FUr Osterreich . 48 des bUrgeri. Gesetzbuches; fiir Ungarn . 14 und 127 des XXXL Gesetzartikels vom jahre 1894; fiir Serbien . 69 e und . 74 des biirgert. Oesetzbuches; fiir Bulgarien Art. 186 u. 202 des Exarchal-Statutes vom jahre 1895; fiir Montenegro Art. 173. des Konsistoriai-Statuts vom jahre 1904. 37 1

586

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

punkte wird solchen Personen die EheschlieBung sogar empfohlen, denn der gesunde Ehegatte wird den Schwachsinnigen im Leben unterstiitzen und diesem somit das Leben erleichtern 9 Ebenso ist den Tauben, Stummen und Blinden die EheschlieBung gestattet, da der Abgang einzelner Sinne die Zurechnungsfahigkeit nicht stort und auch die M5glichkeit der Erklarung des Willens zur EheschlieBung nicht ausschlieBt 10. 4) Die Ftihigkeit zur Leistung der ehelichen Pjliclzt. AuBer der Erzeugung der Kinder, welche nicht immer vom Willen der Ehegatten abhiingig ist, hat die Ehe auch den Zweck den Ehegatten die Befriedigung der nattirlichen Triebe zu erm5glichen. Das Unvermogen (impotentia) die eheliche Pflicht zu leisten, ist ein Hindernis zur EheschlieBung 11 5) Die Einwilligung der Gewalthaber. Dieses Erfordernis gilt fUr Minderjahrige im btirgerlichen Sinne 12 und fUr jene, welche trotz der Volljahrigkeit tiber Anordnung der kompetenten Obrigkeit und wenn es die Notwendigkeit erheischt unter der elterlichen oder vormundschaftlichen Oewalt stehen. In der alten und neueren btirgerlichen und kirchlichen Oesetzgebung wird die Zustimmung der Eltern oder Vormtinder fUr jede Ehe gefordert, welche jemand ohne selbstandige gesellschaftliche Stellung eingehen will, oder wenn jemand zur EheschlieBung schreiten will, der wegen gewisser geistiger oder physischer Oebrechen nicht in der Lage ist, einen gesetzlichen Vertrag abzuschlieBen. Die griechisch-romische Oesetzgebung enthalt diesfalls strenge Bestimmungen ts; allein die kirchliche Oesetzgebung muBte in dieser Frage im Hinblicke auf den christlichen Charakter, welchen sie der Ehe einraumte, eine noch groBere Strenge in ihren diesbeztiglichen Anordnungen manifestieren. Basilius d. Or. bezeichnet in seinem 42. Kanon jede ohne
9 10

Blastares f, 2 (Ath. Synt. VI, 154).

Digest. XXIII. 3, 78. Cf. Basilic. XXIX. 1, 69. Den Taubstummen ist die EheschlieBung nur dann untersagt, wenn ihre Zurechnungsfahigkeit getriibt ist, oder wenn man nicht einmal durch Zeichen sich ihnen verstll.ndlich machen kann. Siehe fiir Osierreich . 275 und Kommentar zu . 48 des burgeri. Gesetzbuches; fiir Ungarn . 14 und 15 des XXXI. Gesetzartikels vom jahre 1894. 11 Prochiron XI, 2 (Krmcija Kap. 48. Tit. 11, 2). Blastares E, 34 (Ath. Synt. VI, 297). Fiir Osterreich . 60 des burgeri. Gesetzbuches; fiir Serbien . 69 d und 75 der biirgerlichen Gesetzbuches; fiir Ungarn . 54 c des erwlihnten Gesetzartikels vom Jahre 1894; fiir RujJland Art. 243 des Konsistoriai-Statuts vom jahre 1883; fiir Bulgarien Art. 187. des Exarchai-Statuts vom jahre 1895; fur Montenegro Art. 173 des Konsistorial-Statuts vom jahre 1904. n Siebe Anmerkung 4 dieses Paragraphen. t3 Ta5'ttX OS MjOfLY, St'tS auts~o6awt, Stts 01tS~Q{)atot slatY oi 1tpo~ jcXfiOY auYt6v-rs~, &.f.A' s1tl -r<iw 01ts~oua(wy 'X.ctl fhsp6Y tt C"l)toup.sY, auva(Ysatv s!\lat twv '(OVSWV, 0)\1 01tS~o6ato( SlatY o[ Ot>\I!X1tt6p.sv(:.t, 'tOOtO rrip XP"fJV'J.t '(t\lsa&cxt, 'X.ctl 0 1to:kt'X.l"X.6~, 'X.at b !fit>Ot'X.oc; &.7tattsi: :kojtal'-6~. Basilic. XXVlll. 4, 46 (lnstit. l, 10).

, 182. Das Ver!Obnis.

587

Einwilligung der Gewalthaber geschlossene Ehe als Unzucht H. Dieser Kanon ist samt den mit demselben iibereinstimmenden VerfOgungen der griechisch-romischen Oesetzgebung in allen Kanonensammlungen der morgenHindischen Kirche enthalten 15 Dieselbe Bestimmung enthalt auch die gegenwartige biirgerliche Gesetzgebung in den betreffenden Staaten ts. Die eben erwahnten Eheerfordernisse mlissen streng beobachtet werden, denn sie bilden ein wesentliches Requisit der Ehe, welche ohne dieselben weder in kirchlicher noch in biirgerlicher Beziehung bestehen kann. Abgesehen von diesen Erfordernissen diirfen auch die als Ehehindernisse im Rechte bezeichneten Momente, iiber welche im III. Abschnitte dieses Kapitels gehandelt wird, nicht vorhanden sein, soli eine Ehe als gesetzlich erscheinen.

. 182.
Das Verlobnis.

Das Verlobnis (tJ.V'l}O'tsltt, sponsalia) ist das gegenseitige Versprechen einer mannlichen und einer weiblichen Person eine Ehe zu schlie6en t. Das Verlobnis, welches heute nach den Vorschriften der Kirche der EheschlieBung vorangehen muB, ist dem romischen Rechte entlehnt. Hiernach erfolgte das Ver!Obnis, sobald der Entschlu8 gefa8t wurde, eine Ehe zu schlieBen. Allein fOr die Ehe selbst hatte das Verlt>bnis keine Rechtsfolgen; denn mochte auch der Abschlu6 der Ehe nach dem Verlobnisse au8er Zweifel gestanden und das Versprechen gegenseitig vor Zeugen abgegebenen worden sein, so waren die Verlobten doch nicht bedingungslos verpflichtet, dieses Versprechen aufrechtzuerhalten und die Ehe einzugehen, sondern es ist jedem Teile
Vergl. noch 38. und 42. Kanon Basilius d. Gr. Nomokanon Xfil (Ath. Synt. I. 310). Blastares f, 2 (ib. VI, 154). In Krmcija (aus dem Prochiron) heiBt es: ,Eine Ehe kommt nicht zustande, wenn die Gewalthaber denjenigen, welche die Ehe schlieBen wollen, ihre Zustimmung nicht erteilen" (Kap. 98 Tit. 4, 3); ferner heiBt es daselbst aus der Ekloga hinsichtlich der Verlobten, welche eine Ehe schlieBen wollen: ,fiir beide welche den Willen haben (die Ehe zu schlieBen) mit Zustimmung der Eltern". (Kap. 49. Abschn. 2, 1). 16 Fiir Osterreich . 49 des biirgerl. Gesetzbuches; fiir Ungarn . 8;_10 des Oesetzartikels XXXI aus dem jahre 1894; fiir Serbien . 69 c und . 73 des biirgerl. Oesetzbuches; fiir das bulgarische Exarchat Art. 186 des Exarchal-Statuts vom jahre 1895; fiir Ru]Jland biirgerl. Gesetzbuch 8, 15. Vergl. fiir Griechenland das Rundschreiben der Synode von Athen 31. Marz 1834; fiir das Patriarchal von Konstantinopel bei Xptato3o61.ao, asl.. 23-29. . 182. 1 ,Sponsalia sunt mentio et repromissio nuptiarum futurarum". Digest. XXIII. 1, 1. Cod. V, 1. Cf. Basilic. XXVIII. 1, 1. 2, 1. 2. Dasselbe hei6t auch &pp~~oov, siehe Du Cange Glossarium, sub voce.
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

freigestanden, von demselben zuriickzutreten und mit einer anderen Person eine Ehe zu schlieBen. Dies war eine logische Folge der fundamentalen Lehre des r<>mischen Rechts, daB fiber Verlangen eines Teiles die Ehe getrennt werden k<>nne. Obrigens verfiel derjenige, welcher, ohne das frilhere Verl<>bnis gekilndigt zu haben, sich abermals verlobte, der lnfamie, und muBte den doppelten Wert des etwa empfangenen Mahlschatzes herausgeben und verlor den hingegebenen Teil2. Wie bei der EheschlieBung, so wurde auch bei dem Verl<>bnisse von der Kirche die Einsegnung gefordert und das Verl<>bnis selbst, wie die Ehe, der kirchlichen jurisdiktion unterstellt. Die von dem r5mischen Rechte gewahrleistete Freiheit, nach eigenem Willen von dem Verl<>bnisse zuriickzutreten, hat die Kirche gleich zu Anfang ihrer legislativen Tatigkeit eingeschrankt, und verlieh durch die Einsegnung dem Verl<>bnisse einen der Ehe ahnlichen moralisch-verbindlichen Charakter. In den Kanones Basilius des GraBen ist bereits der Gedanke zum Ausdrucke gebracht, daB das Verlobnis streng bewahrt werden mUsse und fUr denjenigen verbindlich sei, welcher ein solches geschlossen hat 3 Der 98. Kanon des Trullanischen Konzils verhangt die Strafe filr den Ehebruch iiber jeden, welcher die Verlobte eines anderen, wenn derselbe am Leben ist, heiratet. Diese Bestimmung des Trullanischen Konzils ging sohin der Hauptsache nach in die griechischr5mischen weltlichen Oesetzsammlungen iiber 4 Die strengen Verfilgungen rncksichtlich des Verlobnisses wurden durch zwei vom Kaiser Leo dem Philosophen erlassene Gesetze gemildert; es konnten nach diesen nur solche Personen ein Verl<>bnis schlieBen, welche das zur EheschlieBung erforderliche gesetzliche Alter besaBen, damit das bei dem Verl<>bnisse abgegebene Versprechen nicht zu sehr der Gefahr der Nichtbeachtung ausgesetzt sei. Gleichzeitig wurde bestimmt, daB das Verlobnis die Bedeutung der wirklichen Ehe habe und daB bei der Aufl<>sung desselben jene Grundsatze anzuwenden seien, welche fnr die Aufl5sung der Ehe galten 5 Diese Bestimmungen erhielten
2 Cod. V. 1, 1. Basilic. XXVIII. 1, 15. Leon. Nov. 18. Das iisterr. biirgerl Oesetzbuch enthlut folgende Bestimmung: ,ein Eheverlobnis zieht keine rechtliche Verbindllchkeit nach sich, weder zur SchlieBung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Riicktrittes bedungen worden ist (. 45)". ,Nur bleibt dem Teile, von dessen Seite gegriindete Ursache zu dem Riicktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Riicktritte zu leiden beweisen kann". (. 46). Vergl. . 61 u. 62 des bfirgerl. Oesetzbuches in Serbien. 8 69. Kan. und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. IV, 225). ' Ecloga. XVII, 32; Prochiron XXXIX, 68. Cf. Basilic. LX. 37, 82. Krm~ija Kap. 48 Tit. 39, 68, Kap. 49. Tit. 16, 11. ~ Leonis. Nov. 74. 109.

. 182. Das Verltibnis.

589

sodann durch ein besonderes Oesetz des Kaisers Alexius I. Comnenus, mit Riicksicht auf ein Synodal-Dekret des Patriarchen Johannes VIII. Xiphilinus, nach welchem die Blutsverwandtschaft und das hieraus entspringende Ehehindernis bei dem Verlobnisse ebenso in Betracht zu ziehen war, wie bei der Ehe, die Bestatigung 6. Hatte das Verlobnis die kirchliche Einsegnung erhalten, so galt die nach dem etwaigen Tode der Braut mit einer anderen Person geschlossene Ehe als zweite Ehe, und wurde damit das eingesegnete Verlobnis der Ehe gleichgestellt 7. Die Kirche, welche das Verlobnis des romischen Rechts annahm, hat jenem im Verlobnisse enthaltenen Versprechen (e7ta.yyEJ...(a.), welches in der romisch-rechtlichen Definition des Verlobnisses erwahnt wird, ihren Segen erteilt und hiedurch dieses Versprechen zu einem heiligen, vor Gott abgegebenen und von Gott angenommenen gemacht. In diesem Sinne ist das Vertobnis der Beginn der Ehe; denn in ihm ist bereits jene Bedingung enthalten, welche das Wesen der Ehe ausmacht, namlich die gegenseitige Einwilligung cines Mannes und eines Weibes zum gemeinsamen Leben s. Daher erachtet sowohl das alte als auch das neue Testament die Verlobte als Weib des Verlobten. Moses bezeichnet als ,Weib seines Nachsten" die Jungfrau, welche einem Manne verlobt ist II; im Evangelium wird die Mutter Gottes, welche mit Joseph nur verlobt war, als sein , Weib" und er als ihr ,Mann" bezeichnet 10. Es wurde bereits erwahnt, daB nach dem 98. Kanon des Trullanischen Konzils, derjenige, welcher die Verlobte cines anderen, bei dessen Lebzeiten, heiratete, nicht in die Strafe fiir die Unzucht, sondern in die fUr den Ehebruch verfietu. Beziiglich des Zeitraumes zwischen der Einsegnung des Verlobnisses und der Trauung enthalt weder die kirchliche noch die weltliche Gesetzgebung eine genaue Bestimmung. Diesbeziiglich war der Wille der Brautleute maBgebend, welche in der Regel nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen, nach welchen die Einsegnung des Verlobnisses und die Trauung, als zwei ihrem Wesen nach verschiedene Handlungen, nicht gleichzeitig vorgenommen werden durften, eine Zwischenzeit verstreichen lieBen 12. Spater wurde zur Vermeidung der
Alexii Comn. Nov. a. 1084 et a. 1092. Kommentar Balsamons zum 98. Trull. Kanon (Ath. Synt. II, 539). 8 !gnat. ad Polycarp. c. 5. Tertull. de pudic. c. 4., ad uxorem 2, 9. 9 V. Mos. 22, 23. 24. 10 Matth. 1, 18-20. 11 Siehe die Kommentare Zonaras' und Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synl II, 539-541), und 7. kanonische Antwort Balsamons (Ath. Synt. IV, 453). 15. (Ath. Synt. VI. 180). u Die Novelle Alexii Comn. a. 1084; Blastares,
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590

IV. Tell. Das Leben der Kirche.

von dem erwahnten Kanon des Trullanischen Konzils angefilhrten Falle bestimmt, daB die Einsegnung des Verlobnisses gleichzeitig mit der Trauung vorgenommen werde ts.

. 183.
Das Braut-Examen.
Dem Verlobnisse, von welchem oben gehandelt wurde, wird gegenwartig nur der Charakter einer vor der EheschlieBung vorzunehmenden kirchlichen Zeremonie beigemessen. Damit jedoch gewisse Personen zu dieser Zeremonie zugelassen werden konnen, sowie damit erwiesen sei, daB aile filr eine gesetzliche Ehe erforderlichen Erfordernisse und keinerlei Ehehindernisse vorhanden sind, mit anderen Worten, urn von der Befahigung der Betreffenden, eine gesetzliche Ehe zu schlieBen, die Oberzeugung zu erlangen, ist in der Kirche das BrautExamen eingefilhrt. Dieses Exam en zerfallt in zwei Teile; der erste Teil betrifft die erwahnten Ehe-Erfordernisse (. 181), der zweite die Kenntnis der christlichen Lehre seitens der Brautleute. Der erste Teil des Examens wird vom dem Seelsorger in Gegenwart der Eltren oder Vormiinder der Brautleute und vor Zeugen, der zweite Teil von dem Seelsorger mit den Brautleuten allein vorgenommen. Vom ersten Teile des Examens erwahnen Simeon von Thessalo1 nica und die slavische Krmcija 2. Hiernach so lien die Brautleute vor dem Priester den festen EntschluB erklaren, miteinander die Ehe eingehen zu wollen, und bekennen, daB hiezu kein Zwang vorliege, kein Verwandtschafts-Verhaltnis zwischen ihnen bestehe und daB im allgemeinen kein Ehehindernis der Verbindung im Wege stehe. An die Aussage der Brautleute ist der Pfarrer nicht gebunden, vielmehr hat er nach AnMrung der Eltern oder Vormilnder, sowie der Zeugen, sich iiber die erwahnten Umstande die Oberzeugung zu verschaffen, und, wenn kein Anstand vorliegt, ein Protokoll aufzunehmen, welches alle Anwesenden unterfertigen. Dieses Protokoll wird in dem Pfarr-Archiv aufbewahrt. Es kann aber auch die beziigliche Eintragung in ein besonderes hiefiir bestehendes Buch erfolgen, in welches aile Anwesenden an der betreffenden Stelle ihre Unterschriften beisetzen. Gehoren die Brautleute nicht derselben Pfarre an, so wird dieses Examen von jedem der beiden Pfarrer in seiner Pfarre vorgenommen; das Resultat haben sich dieselben gegenseitig schriftlich mitzuteilen. Wird bei dem Examen
Diese hat sich im iibrigen durch Oewohnheit eingebiirgert, und es wird gewiB derjenige Oeistliche die Kanones nicht verletzen, welcher die Einsegnung des Ver!Obnisses und die Trauung getrennt vornimmt. . 183. 1 "Ober die heiligen Handlungen" Kap. 241 (276). ~ KnnCija. Kap. 50.
13

184. Das Aufgebot.

591

festgestellt, daB kein Ehehindernis obwalte, so kann der Pfarrer zum Aufgebote schreiten; im entgegengesetzten Faile aber hat er sich an den Eparchial-Bischof zum Zwecke der notwendigen Aufklarungen, bezieh-ungsweise wegen Erteilung der Dispensation von bestehenden Ehe-Hindernissen zu wenden 3 Bei dem zweiten Teile des Examens hat sich der Pfarrer die Oberzeugung zu verschaffen, daB den Brautleuten die FundamentalLehren des christlichen Glaubens und die hauptslichlichsten Gebete bekannnt sind. Dies geschieht aus dem Grunde, damit die Brautleute mit dem Wesen des Sakramentes der Ehe und mit der Heiligkeit der Verbindung, welche sie eingehen, vertraut sind, sowie damit sie ihre Kinder im Glauben und in der Fr5mmigkeit zu unterweisen verm5gen. Wird von dem Pfarrer wahrgenommen, daB den Brautleuten die notwendigen Kenntnisse im Glauben fehlen und ihnen die hauptslichlichsten Gebete unbekannt sind, so ist er verpflichtet, die Mangel durch Unterricht zu erglinzen und die Trauung nicht eher vorzunehmen, bis dieser Bedingung Genilge geleistet ist 4.

. 184.
Das Aufgebot.
Das Aufgebot ist zu dem Zwecke eingefiihrt, urn die volle Oberzeugung zu erlangen, daB der beabsichtigten EheschlieBung kein Hindernis im Wege stehe. Die Institution der Aufgebote wurde zuerst in der abendllindischen Kirche eingefiihrt 1. Eine kanonische Vorschrift tiber das Aufgebot ist fiir die orthodox-orientalische slavische Kirche in der Krmcija enthalten; sie bestimmt F olgendes : 1) Der Pfarrer ist verpflichtet, vor der Einsegnung des Verl5bnisses und vor der Trauung, in der Kirche nach beendeter Liturgie die Absicht bestimmter Personen, eine Ehe einzugehen, an drei aufeinanderfolgenden Festtagen zu ver3 Ober die Fragen, welche der Priester den Brautleuten beim Brautexamen zu stellen hat siehe Metroph. Crytop. Confess. Kap. 12 (Michalcescu, Thesaurus orthodoxias. S. 231-232. Kimmel, Monum. fid. eccl. or. II, 146). Siehe Nomokanon IX, 2 (Ath. Synt. I, 178). FUr Serbien siehe Ukas vom 4. April 1837 (Z. 1118), und fiber die Form des Brautexamens die Entscheidungen der bischoflichen Synode vom September 1869 Z. 23 und vom 7. Oktober 1895 Z. 103. FUr Montenegro siehe Art. 160 des Konsistoriai-Statuts 1904. In RujJ/and besteht wegen des Brautexamens in jeder Pfarre ein amtliches Prilfungsbuch, welches ebenso genau wie das Trauungsregister gefilhrt werden mu6. Art. 102 des Konsist. Statuts 1883. ' Krmcija 50. Kap. Diese Verordnung der Krmcija ist im . 122 des Suches iiber die Pflichten des Pfarrers erneuert. Vergl. auch . 125 desselben Buches. . 184. 1 Diese Institution hat in einzelnen frllnkischen Kirchen im XII. jahrhundert bestanden. lm jahre 1215 hat Papst lnnozenz Ill. die Verbindlichkeit dieser Institution fiir die gesamte abendlandische Kirche kundgemacht.

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IV. Tell. Das Leben der Kirche.

kUnden und die Olliubigen aufzufordern, ihnen allenfalls bekannte Ehehindernisse zu seiner Kenntnis zu bringen; 2) wenn die Brautleute verschiedenen Pfarren angehoren, muB das Aufgebot in heiden Pfarren vorgenommen werden; 3) im Faile der begriindeten Vermutung, daB von irgendeiner Seite die Schlie6ung einer ges~tzlichen Ehe absichtlich gehindert werden k5nnte, kann der Pfarrer mit bisch5flicher Oenehmigung sich mit einem Aufgebote begniigen, oder die Trauung auch oboe Aufgebot, vor zwei oder drei Zeugen vornehmen ; 4) das Aufgebot kann erst nach dem Braut-Examen erfolgen; 5) wird die Ehe nicht binnen zwei Monaten nach dem Aufgebote geschlossen, so mu8 das Aufgebot erneuert werden, wenn der Bischof keine andere VerfUgung erla8t 2. Oegenwartig sind die Aufgebote durch Staatsgesetze, welche die Kirche auch ihrerseits beobachtet, vorgeschrieben. Der weltlichen Obrigkeit steht auch das Recht der ganzlichen oder teilweisen Nachsicht des Aufgebotes zu s.

. 185.
Die Zeit zur EheschlieBung.

Die mit der EheschlieBung im allgemeinen verbundenen Lustbarkeiten warden dem Oeiste der christlichen Kirche widersprechen, wenn
2 Krm~ija 50. Kap. In den orientalischen Patriarchaten bestehen diese 5ffentIichen Aufgebote nicht, u z. aus dem Grunde, wei! der mit diesen Aufgeboten verbundene Zweck, das Vorhandensein von gesetzlichen Ehehindernissen in Erfahrung zu bringen, bei dem Brautexamen, welches vor Zeugen abgehalten wird, erreicht wird, indem der Geistliche hiebei die Oberzeugung erlangt, ob er die beabsichtigte Ehe nach dem Gesetze einzusegnen berechtigt ist. Auch in RujJ/and wurden die Eheaufgebote erst gegen Ende des XVIU. jahrhunderts gesetzlich vorgeschrieben (Synodal-Ukas vom 5. August 1775). a In 6sterreich beziehen sich die . 70-74 des burgeri. Gesetzbuches auf die Aufgebote. Der zweite Teil des . 71, da6 die Ehe von jenen, welche der r5m.kath. Kirche nicht angehOren, auch in der rom.-kath. Kirche des betreffenden Ortes aufgeboten werden mu6, wurde aufgehoben (Art. I und III des Gesetzes vom 31. Dezember 1868). Nach . 72 desselben Gesetzbuches mu6 das Aufgebot, wenn die Verlobten oder eines von ihnen in dem Pfarrbezirke, in welchem die Ehe geschlossen werden soli, noch nicht durch sechs W ochen wohnhaft sind, in jener Pfarre vorgenommen werden, wo sie wenigstens durch sechs Wochen ihren Ietzten Aufenthaltsort batten. Der . 73 bestimmt, daB fiir den Fall, als die Ehe binnen sechs Monaten nach dem Aufgebote nicht geschlossen wird, die drei Aufgebote wiederholt werden mUssen. Nach dem tisterr. bUrgeri. Gesetzbuche miissen die Aufgebote nicht unmittelbar hintereinander andrei Feiertagen vorgenommen werden, wie dies von der Krm~ija vorgeschrieben wird, denn der bezUgliche . 71 enthlllt diesfalls keine ausdriickliche Bestimmung. Nach Analogie des . 74 milssen diese Aufgebote innerhalb des Zeitraumes von sechs Monaten vorgenommen werden, wobei die Feiertage, an welchen dieselben zu erfolgen haben, dem Ermessen des kompetenten Geistlichen Uberlassen bleiben. Fiir Serbien siehe die . 83, 85, 86, 90 des bUrgeri. Gesetzbuches; fiir Ungarn . Zl. des XXXI. Gesetzartikels vom jahre 1894; fiir Montenegro Art. 159. 174 des Konsist. Statuts vom Jahre 1904.

. 185. Die Zeit zur EheschlieBung.

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diese an Tagen, welche, wie die Fasttage, von der Kirche zur Enthaltsamkeit und zur Betrachtung der Siinden bestimmt sind, oder an groBen kirchlichen Festtagen, welche die Christenheit, frei von allen irdischen Geschaften, in geistlicher Feier und Freude begehen soli, abgehalten wiirden. lm Hinblicke dar auf hat die kirchliche .Legislation jene Tage genau normlert, an welchen derartige Belustigungen nicht abgehalten werden und sonach keine EheschlieBungen stattfinden diirfen. Bei der Festsetzung dieser Tage ist die Kirche ebenso allmahlich vorgegangen, wie bei der Einsetzung der Fasttage und der groBen Feiertage. Den ersten kanonischen Anhaltspunkt dafiir, daB in den Fastenzeiten die Einsegnung der Ehe verboten sei, enthalt der 52. Kanon der Synode von Laodicea . Die von der morgenlandischen Kirche gegenwartig beobachteten Fastenzeiten wurden erst im XII. jahrhundert festgesetzt 2 Auf dieser Grundlage und mit Riicksicht auf den Grad der fiir gewisse groBe Festtage bestimmten kirchlichen Feier, wurden von der Kirche jene Tage bestimmt, an welchen EheschlieBungen nicht stattfinden dUrfen s. Diese Tage sind folgende: 1) Vom 14. November bis zum 6. janner; 2) die Osterfasten und bis zum ersten Sonntage nach Ostern; 3) die Fasten nach dem Sonntage Allerheiligen bis zum 29. Juni; 4) die Fasten vor dem Peste der Entschlafung Mariae vom 1. bis 15. August; 5) das Fest der Enthauptung des heiligen johannes des Taufers (29. August), das Fest der KreuzerhOhung (14. September) und die Mittwoche und Freitage des ganzen jahres 4 Beziiglich des Geistlichen, welcher an diesen Tagen eine Ehe einsegnen wiirde, enthiilt die Krmcija folgende Bestimmung: ,Kein Geistlicher soli, bei schwerer kanonischer Strafe, insbesondere der Absetzung, an diesen Tagen eine Ehe einsegnen und auch nicht gestatten, daB an denselben eine Ehe eingesegnet werde und Hochzeitsfeierlichkeiten stattfinden" 5. Nur im auBersten Notfalle kann dies von der vor. 185. 1 "Ott 0~ O!St ev tij TISOO!Xp!Xi<.OO't'ij jtXf.I.OO~ ~ j!S\IS&Ata e1tt't!SA5t\l 52. Kan. {Ath. Synt. Ill, 219); Balsamons 57. kanonische Antwort (lb. IV, 489); Blastares T, 5, (lb. VI, 463). 2 Dr. Zhishman ist der Meinung, daB bis zur Mitte des XIII. jahrhunderts nur wahrend der Osterfasten die EheschlieBung verboten war (Eherecht. S. 681 ). 3 Orthodoxes Bekenntnis, I. Teil 95. Antwort. ' Krmcija 50. Kap. II, 201 ; Orthodoxes Bekenntnis I. Teil 88. Antwort ; Pedalion (Ausgabe 1864) S. 94; Tomxov h.xktjatMtt%6\1 Mta t~\1 t&;w t~c; too Xptatoo Mqri.A'fj~ ex?<.A1JO[~~. IS?<.O. 1875. OISA. 273. In Ru.Piand hat sich die Praxis eingebiirgert, daB an dem Vortage eines Mittwoches und Freitages keine Ehe eingesegnet werden diirfe, u. zw. auf Grund der kirchlichen Berechnung des Tagesbeginnes (Necaew, Praktische Anleitung fiir die Geistlichkeit. II. Auf!. S. 220-221). 5 Erwiihnte Ausgabe, II, 201.
IUaJ, KJrchenrechl,

38

594

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

gesetzten KirchenbehOrde gestattet werden s. Eine in der von der Kirche verbotenen Zeit eingesegnete Ehe bleibt als solche giltig, insofern keine anderen, mit den gesetzlichen Bestimmungen Uber die Ehe im Widerspruche stehenden Momente vorliegen 7

. 186.
Die Trauung.
Die Trauung mu6, wenn kein Ehehindernis vorliegt und atle gesetzlichen Vorbedingungen erfllllt sind, offentlich vor Zeugen unter der vorgeschriebenen kirchlichen Feierlichkeit vollzogen werden. Dies erheischt die Eigentllmlichkeit der Ehe als Grundlage des gesellschaftlichen Lebens auf der Welt und als ein ,gro6es" Geheimnis des neuen Testamentes. Die heimlich geschlossene Ehe (Arl:&poratJ.(a, matrimonium clandestinum) wird von den Kanones entschieden verworfen und als nichtig betrachtet 1 Der Geistliche, welcher eine heimliche Einsegnung vollzog, wird schweren kanonischen Strafen unterzogen 2. Im Zusammenhange mit diesen kirchlichen Normen werden die heimlich geschlossenen Ehen auch durch die Gesetze der byzantinischen Kaiser, welche in die Kanonen-Sammlungen der morgenUindischen Kirche aufgenommen und zu allgemeinen Rechtsnormen in derselben wurden, verworfen s. Nach den Bestimmungen des Kirchenrechts und den kirchlichen Vorschriften der spateren jahrhunderte ist der Ort, an welchem die Ehe-Zeremonie vorgenommen werden soli, in der Regel die Pfarrkirche der Brautleute 4; in Ausnahmsfallen ist die Vornahme der Einsegnung der Ehe auch au6erhalb der Kirche gestattet 5, Gehoren die Brautleute verschiedenen Pfarren an, so wird im allgemeinen die Einsegnung in der Pfarrkirche der Braut vollzogen 6, Was die Zeit anbelangt, in welcher
6 7

Nxrovo.; ?tept V7JO'teta.; tiJ.; tmepevo6~oo 8eot6xoo Ath. Synt. IV, 589. Vergl. die Entscheidung des Patriarchen Manuel II. Kritopulos (Ath. Synt.
1

v,

116).
3

1. Kan. v. Laodicea und Kommentare zu diesem Kanon (Ath. Synt. Ill. 172). Siehe die in Anm. 7 des vorhergehenden Paragraphen angefiihrte PatriarchalEntscheidung. 3 Blastares f, 2 (Ath. Synt. VI, 154); Krmcija. Kap. 48. Tit. 4, 27. Krmcija Kap. 50 (II, 200); Simeon von Thessalonica, "Ober die heiligen Handlungen" Kap. 244 (279). Vergl. 4. kanonische Antwort des Petrus Chartophylax (Ath. Synt. V, 369), wonach in den K!Ostern die Ehe-Zeremonie nicht stattfinden darf. ~ Siehe 14. kanonische Antwort Balsamons (Ath. Synt. IV, 458), woselbst die 4. Novelle des Kaisers Leo des Philosophen angefiihrt wird, nach welcher gewisse heilige Handlungen im Notfalle auch au6erhalb der Kirche vorgenommen werden konnen. Vergl. den Kommentar Balsamons zum 31. und 59. Trull. und 58. Kan. v. Laod. (lb. II, 372. 400. lll, 224). 6 . 41 des Deklaratoriums (1779) fiir die Karlowitzer Metropo/ie. Nach der Krmcija 1st die Ehe-Zeremonie auch in der Pfarre des Brautigams zulassig, wenn

. 186.

. 186. Die Trauung.

595

die Einsegnung der Ehe vorgenommen werden kann, so soU diese nach der Liturgie oder zwischen der Matine und der Liturgie geschehen. Nach der Vesper oder zur Nachtzeit soli nach den Bestimmungen der Krmcija ,kein Priester es wagen, jemanden zu trauen, widrigens er sich einer Todsilnde schuldig machen und der gesetzlichen Strafe verfallen wilrde" 1. Zur Giltigkeit der Ehe ist die Anwesenheit von Trauzeugen, vor welchen die Brautleute ihren freien Willen, die Ehe zu schlieBen, kundzugeben haben, unbedingt notwendig. Die Zahl der Trauzeugen ist in der kirchlichen Gesetzgebung durch jene Stelle aus der heiligen Schrift normiert, welche bestimmt, worauf jede Verhandlung zu beruhen habe 8 Der fundamentalen kanonischen Bestimmung gemaB, nach der das Zeugnis eines einzelnen 9 nicht zu gelten habe, enthalt die fundamentale Kanonen-Sammlung der orientalischen Kirche den Grundsatz, daB bei der Trauung wenigstens zwei Zeugen zugegen sein milssen 10 ; dasselbe schreibt auch die bilrgerliche Gesetzgebung vor 11 Die Trauzeugen milssen volljahrig sein und aile jene Eigenschaften besitzen, welche im allgemeinen von Zeugen bei offentlichen Vertragen gefordert werden 1ll. Frauen sind von der Zeugenschaft bei Trauungen als ausgeschlossen zu betrachten 13. Das Recht der Ehe-Einsegnung steht dem Geistlichen der Pfarre zu; tiber dessen Ermachtigung auch einem anderen Geistlichen 14 Die hiebei zu beobachtende Feierlichkeit ist im Ritualbuche vorgeschrieben, in welchem auch die Form bei der ersten und zweiten EheschlieBung besonders bestimmt ist. Von gewissen kirchlichen Feierlichkeiten kann bei der Einsegnung nur dann Umgang genommen werden, wenn eine Gefahr die Vornahme der gesetzlichen Zeremonien hindert; in einem solchen Faile genilgt die ErkUirung der Brautleute, die Ehe schlieBen zu wollen, und die Lesung der Forme! des Ehe-Sakramentes seitens
eine derartige Gepflogenheit besteht (Kap. 50, II, 199). Soli die Ehe an einem dritten Ort, welcher weder die Pfarre der Braut noch des Brautigams ist, geschlossen werden, dann ermachtigt der zustandige Pfarrer den Seelsorger des betreffenden Ortes auf schriftlichem Wege hiezu, welchen Umstand der zustandige Pfarrer in sein Trauungsbuch eintragt. 6sterr. bUrgeri. Gesetzbuch . 81. 1 Kap. 50 (II, 201 ). 8 Matth. 18, 16. 9 75. Kan. Apost.; II. allgem. Konzil 2. Kanon; Karth. 132. Kanon. 10 Nomok. IX, 2 (Ath. Synt. I, 178); Blastares f, 2 {lb. VI, 154). 11 FUr 6sterreich . 75 des bUrgeri. Gesetzbuches; fiir Serbien . 91 des bUrgeri. Gesetzbuches. 12 Karth. 132. Kan.; Nomok. IX, 2 (erwahnte Stelle). Ia Balsamons Kommentar zum 70. Trull. Kan. (Ath. Synt. II, 469). 11 Krmcija. Kap. 50. (Erwahnte Ausgabe II, 199). . 75 und 81 des osterr. bUrgeri. Gesetzbuches; Art. 163 des Konsist. Statuts fiir Montenegro. 38*

596

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

des Geistlichei:t, worauf die Ehe als gesetzlich bestehend anerkannt wird. AuBer der kirchlichen Einsegnung wird von der orientalischen Kirche keine andere Form der EheschlieBung als gesetzlich anerkannt, mogen auch aile Vorbedingungen zur EheschlieBung beobachtet und keinerlei Ehehindernisse vorhanden sein. Daher wird der sogenannten Zivilehe, welche in einigen Uinderen durch Staatsgesetze eingefiihrt ist, seitens der orientalischen Kirche keine kirchenrechtliche Bedeutung beigemessen (. 205). Die vollzogene Trauung wird in die Trauungsmatrik eingetragen, aus welcher im Bedarfsfalle Ausziige verabfolgt werden. Der Seelsorger ist auch berechtigt Zeugnisse iiber die ordnungsmaBig vollzogene EheschlieBung auszufertigen, welche den Charakter offentlicher Urkunden haben 15. ill. Von den Ehehindernissen.

. 187.
Von den Ehehindernissen im allgemeinen.

Unter einem Ehehindernisse ('x.roAUtJ-11. -to6 j&.tJ.OU, impedimentum matrimonii) versteht man jenen Umstand, welcher der EheschlieBung entgegensteht, oder die bereits geschlossene Ehe als ungesetzlich erscheinen laBt. GemaB dem kirchlichen und biirgerlichen Charakter der Ehe kommt die Bestimmung dessen, was als Ehehindernis anzusehen ist, der gemeinsamen Entscheidung der Kirchen- und Staatsgewalt zu. Sobald in dieser Beziehung zwischen Kirche und Staat ein Einverstandnis obwaltet (. 180), kann diesfalls im morgenlandischen Kirchenrechte kein Zweifel entstehen. Die Ehehindernisse werden in absolute ( &.1t6AU't!l. -x.roAOtJ.!l.'tct, impedimenta absoluta) und relative (cr;(S'tt'X.tX 'X.OOAOtJ.!l.'t!l.1 impedimenta relativa) eingeteilt, je nachdem sie die Ehe iiberhaupt oder nur mit bestimmten Personen hindern. Durch einige Ehehindernisse der ersten Art wird die bereits geschlossene Ehe nichtig. Solche Ehehindernisse werden &.va-tps1t'tt'X.a -x.roA6tJ.a'ta (impedimenta dirimentia) genannt; andere Ehehindernisse, &.1tojopsu'tt'X.a 'X.WAUtJ.ata (impedimenta impedientia), lassen zwar eine giltige aber keine erlaubte Ehe zu 1.

. 80-82 des lMerr. bUrgeri. Gesetzbuches. In Serbien . 92 des bUrgeri. Gesetzbuches; in Montenegro Art. 164 des Konsist. Statuts vom jahre 1904. . 187. 1 Diese Einteilung der Ehehindemisse gilt gegenwlirtig im Patriarchate von Konstantinopel. Vergl. Zhishman. Eherecht. S. 213 und Zachariae, Geschichte des gr.-ram. Rechts . 3 und 4.

15

597
. 188.
A. Die absoluten Ehehindernisse.
Unter den absoluten Ehehindernissen lassen die einen iiberhaupt eine giltige Ehe nicht zustandekommen, und die geschlossene Ehe als nichtig erscheinen ; die anderen bilden nur ein Hindernis fUr die EheschlieBung mit bestimmten Personen. I. Zu den Ehehindernissen der ersten Art gehoren: 1) Die abnormalen Oeisteskrtijte. Dieses Ehehindernis ist die Folge des Eheerfordernisses, daB derjenige, welcher seine Zustimmung zum Abschlusse des Ehevertrages erkUirt, sich im normalen Geisteszustande befinde (. 181. 3). 2) Das Unvermogen zur Leistung der ehelichen Pjlicht. Dieses Ehehindernis ist die Konsequenz jenes Eheerfordernisses, welches den wesentlichen Zweck der Ehe bildet (. 181. 4). 3) Der Mangel der Zustimmung der Oewalthaber. Dieser Umstand bildet nur ein Ehehindernis fUr Minderjahrige im biirgerlichen Sinne und fUr diejenigen, welche fiber Anordnung der kompetenten Obrigkeit sich unter Kuratel (s'ltt'tpo'ltf;, curatela) befinden, daher unfahig sind, den Ehevertrag abzuschlieBen (. 181. 5). 4) Die gesetzlich bestelzende Elze. Seit der Erschaffung der Welt und des Menschen wurde die Ehe mit einer Frau (p. oYO"(!X~t!X) als die einzige, dem Zweck und Wesen der Ehe entsprechende Verbindung angesehen. Diesen Grundsatz erkHirte die alt-testamentarische Kirche als g5ttliches Gesetz 1. Die r5mische Gesetzgebung bestimmt, daB jeder mit der lnfamie bestraft werden solle, welcher mit zwei Frauen in ehelicher Verbindung zu Ieben beabsichtigf2. Das Verbot der Polygamie erhielt in der christlichen Kirche, welche jede geschlechtliche Verbindung eines Mannes mit einer Frau, auBer der gesetzlichen Ehegattin, als Unzucht bezeichnet, neue Kraft 3 Daher wurde jede gesetzlich bestehende Ehe zum absoluten Hindernisse fUr die SchlieBung einer zweiten Ehe. Der Mann, welcher zu Lebzeiten seiner Frau, und die Frau, welche zu Lebzeiten ihres Mannes eine neue Ehe schlieBen, verfallen sowohl der kirchlichen als auch der weltlichen Bestrafung4.
1 I. Mos. 2, 22. 4, 19. Cod. justin. V. 5, 2. Cf. Basilic. XXI. 2, 1. XXVIII. 5, 35; Nomok. XIII, 2 (Ath. Synt. I, 277). 3 I. Kor. 7, 4; 48. Kan. Apost.; Basilius d. Gr. 9. 77. 80. Kan.; Neoc. 3. Kan.; 4 Kommentar Balsamons zum 48. Kanon Apost. (Ath. Synt. II, 64) ; Blastates (lb. VI. 160). ' Matth. 5, 32; Basilius d. Gr. 9. 77. 80. Kan.; 87. Trull. Kan.; Prochiron XXXIX, 70; Krmcija. Kap. 48, Tit. 39, 70 (erwlihnte Ausgabe. II, 162); . 62 des osterreichischen bUrgeri. Gesetzbuches und . 206-208 des Strafgesetzbuches; . 69 a. und . 71 des serbischen bUrgeri. Gesetzbuches und . 135, 203 des Strafgesetzbuches. Vergl. Art. 186. u. 192 des bulgarischen Exarchal-Statuts vom jahre 1895; Art. 173. des montenegrinischen Konsist. Statuts.

. 188.

r,

598

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Eine Ausnahme hievon ist nur dann zuHissig, wenn die bestehende Ehe aus einem gesetzlichen Grunde getrennt wurde, und dem betreffenden Ehegatten von der kompetenten Obrigkeit das Recht eingeraumt wurde, eine zweite Ehe zu schlieBen. Denjenigen Teil, welcher, ohne daB er urn den Fortbestand der ersten Ehe wuBte, eine zweite Ehe geschlossen hat, trifft keine Bestrafung; allein die zweite Ehe wird als nicht bestehend angesehen 5 5) Die Schwiingerung der Braut. Wenn ein Mann mit einer Frauensperson, die nicht Witwe ist, eine Ehe zu schlieBen beabsichtigt, so ist er berechtigt, vorauszusetzen, daB dieselbe nicht geschwangert sei. 1st die Schwangerung jedoch erwiescn, so liegt ein absolutes Ehehindernis vor, und die unter solchen Verhaltnissen geschlossene Ehe wird so betrachtet, wie wenn sie gar nicht geschlossen worden ware 6 6) Die hohere Weihe. Nach den kanonischen Satzungen der Kirche bildet die Cheirotonie ein absolutes Ehehindernis ; daher kann derjenige, welcher ehelos die Weihe zum Diakon erhalten hat, oder dessen vor der Cheirotonie angetraute Ehegattin gestorben ist, keine Ehe schlieBen. Diese Bestimmung enthalten die Kanones bis zum VII. Jahrhundert 7 In diesem jahrhundert verbot das Trullanische Konzil den Subdiakonen die EheschlieBung s; seit dem gilt in der morgenlandischen Kirche die Norm, daB diejenigen, welche in den Dienst der Kirche zu treten beabsichtigen, nur vor Erlangung des Subdiakonates eine Ehe schlieBen konnen. Der bereits erlangte Subdiakonat hindert die EheschlieBung; die trotzdem geschlossene Ehe ist nichtig, und die Schuldigen unterIiegen der Strafe 9. 7) Das Keuschheitsgeliibde. Hier ist dieses Geltibde im weitesten Sinne und ohne Beschrankung auf bestimmte Personen zu verstehen.
&
6

Basilius d. Gr. 46. Kan.; 93. Trull. Kan. und die Kommentare Zonaras' und

Balsamons zu diesen Kanones (Ath. Synt. II, 523. 525. IV. 196).
Blastares f, 15 (Ath. Synt. VI, 183), wo die 93. Novelle Leo des Philosophen in dieser Hinsicht angefiihrt wird. Vergl. . 58 des osterreichischen bUrgeri. Gesetzbuches. 7 26. Kan. Apost.; IV. allgem. Konz. 14. Kan.; Neoc. I. Kan.; Karth. 16. Kan. Der 10. Kanon von Ancyra verfiigte, daB, wenn Diakonen bei ihrer Cheirotonie erkllirten, heiraten zu miissen, sie dies ohneweiters tun konnten. Dieser Kanon verlor jedoch nach dem Erlassen anderer diesbeziiglicher Kanones seine Bedeutung. Siehe den Kommentar Balsamons zum 10. Kanon von Ancyra und Blastares r, 2 (Ath. Synt. Ill, 40. VI, 153). 8 6. Kanon. Vergl. Nomok. IX, 29 (Ath. Synt. I, 210 u. ff.). 9 6. Kan. Basilius d. Gr. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (II, 23-24). Im Sinne der diesbeziiglichen kanonischen Lehre der morgenIandischen Kirche lautet auch . 63 des osterreichischen biirgerl. Oesetzbuches : ,Geistliche, welche schon hohere Weihe empfangen ..... k6nnen keine giltigen Ehevertrllge schlieBen". Fiir Ungarn siehe . 25 des XXXI. Oesetzartikels vom jahre 1894. Vergl. . 76, 3 dieses Buches (S. 283).

. 188. A. Die absoluten Ehehindemisse.

599

AuBer den MOnchen und Nonnen, welche beim Eintritt in das Klosterleben das Keuschheitsge!Ubde ablegten, gab es in alter Zeit jungfrauen, welche nicht in ein Kloster eintraten, sondern im weltlichen Gewande bei ihren Eltern und AngehOrigen lebten und sich Gott weihten. Diese gaben vor dem Bischof in der Kirche das Versprechen ab, daB sie ihr ganzes Leben in der Jungfraulichkeit verbringen werden. lndem sie sich Gott weihten, betrachteten sie sich als Braute Christi, welchem sie ihre jungfraulichkeit zum Opfer brachten, und wurden von der Kirche als heilige jungfrauen, spa1 7tcx.p&svot, angesehen und als solche auch benannt Sie durften keine Ehe schlieBen, denn sie batten dadurch ihrem Brautigam Untreue erwiesen. Doch diirften in dieser Beziehung Unzukommlichkeiten eingetreten sein, denn es bestehen einzelne Kanones, welche darauf hinwiesen und jene mit Strafen bedrohen, welche das abgelegte Geliibte miBachten. Die Vater des Konzils von Chalcedon sahen sich veranlaBt, die diesfalligen Kanones aus frtiherer Zeit zu erneuern und bestimmten mit dem 16. Kanon, daB jede solche jungfrau, welche das Geltibde miBachtet, aus der kirchlichen Gemeinschaft ebenso auszuschlieBen sei, wie die Monche und Nonnen, welche sich desselben Deliktes schuldig machten 1o. Der erwahnte Kanon uberlaBt es dem betreffenden Bischof, diese Strenge zu gebrauchen, d. h. dieselbe, wie Balsamon bemerkt, entweder anzuwenden oder sie zu mildern 11 Dies ist jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, daB der Bischof die von den erwahnten Personen geschlossenen Ehe als gesetzliche ansehen konne, denn dies wiirde den ausdriicklichen Bestimmungen des 6. und 18. Kanon Basilius d. Gr., dem 19. Kanon von Ancyra, welche alle vor dem Konzile von Chalcedon erschienen sind, und dem 44. Trullanischen Kanon sowie anderen spater erschienenen Kanones widersprechen; sondern es soli damit gesagt sein, daB der Bischof berechtigt sei, von der AusschlieBung aus der kirchlichen Gemeinschaft Umgang zu nehmen, und anstatt dessen strengere oder mildere BuBen aufzuerlegen 12.

8) Das Ehehindernis der nach der dritten Ehe verwitweten Ehegatten. Die Kanones gestatten dem nach der ersten Ehe verwitweten
Ehegatten die AbschlieBung der zweiten Ehe; sie gestatten auch die
10 Details tiber die Bedeutung und uber die Folgen des Keuschheitsgeliibdes sowohl der Monche und Nonnen als auch der heiligen jungfrauen siehe bei Zhishman, Eherecht. S. 485-489. 500-501. 11 Ath. Synt. II, 257. 12 Siebe Kommentare Balsamons zum 5. Kanon der I. II. Synode, des 19. und 27. Kanons Basilius d. Or. und Blastares r, 11. 14 (Ath. Synt. II, 664-667. lV, 146. 162. VI. 169. 183). ,Ordenspersonen von beiden Oeschlechten, welche feierliche Oeliibde der Ehe1osigkeit abgelegt haben, konnen keine giltigen Ehevertrlige schlieBen". . 63 des iisterr. biirgerl. Oesetzbuches. Vergl. . 212 dieses Buches,

600

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Abschlie6ung der dritten Ehe fUr den nach der zweiten Ehe verwitweten Ehegatten (. 203), jedoch unter Androhung der betreffenden KirchenbuBe. Die nach der dritten Ehe verwitwete Person kann keine neue Ehe schlieBen. Die diesbezilgliche kanonische Bestimmung wurde in der Synode von Konstantinopel im Jahre 920 erlassen, welche verfilgt, daB niemand eine vierte Ehe (tst(lpto~ rcitJ.o~) schlieBen dilrfe; die trotzdem geschlossene Ehe soli als nicht bestehend angesehen und die betreffenden Personen sollen durch AusschlieBung aus der Kirche bestraft werden ; selbst das Betreten der Kirche soli den Betreffenden wahrend des Bestandes dieser Ehe untersagt werden 13 Diese im Jahre 997 von Kirche und Staat bestatigte Synodalverordnung hat in aile Kanonensammlungen der morgenlandischen Kirche Eingang gefunden 14, und bildet das Verwitwetsein nach der dritten Ehe ein absolutes Ehehindernis u. II. Die Ehehindernisse, welche die EheschlieBung mit jedermann behindern, die bereits geschlossene Ehe aber nicht als nichtig, sondern nur als unerlaubt erscheinen lassen. Hieber gehOren: 1) Der Mangel des zur EheschliejJung erjorderlichen Alters. Der Mangel des durch die kirchlichen und staatlichen Gesetze vorgeschriebenen Alters fUr die AbschlieBung einer gesetzlichen Ehe (. 181. 2) bildet ein absolutes Ehehindernis. Wurde jedoch die Ehe vor Erlangung des vorgeschriebenen Alters geschlossen, so wird eine solche Ehe insolang als unerlaubt angesehen, bis die Ehegatten dieses Alter erreichen. 1st das vorgeschriebene Alter erreicht und wlinschen die Ehegatten in der ehelichen Verbindung zu verbleiben, dann schwindet das Ehehindernis, welches fur die Dauer des unreifen Alters bestanden hat, und es wird die Ehe unter der Voraussetzung als eine gesetzliche angesehen, wenn bei deren Schlie6ung aile anderen Eheerfordernisse beachtet wurden.
13 Dies ist der bekannte T611o~ rij~ svooasro~, welcher in Knncija Kap. 52 (erwahnte Ausgabe ll, 245 ff.) enthalten ist. Der Text des T6(10~ ist im Ath. Synt. V, 4-10 enthalten. Siebe im Nomok. XIII, 2; Kommentar Balsamons zum 4. Kan. Basilius d. Gr.; Blastares r, 4 (Ath. Synt. I, 288. IV. 103. VI. 159); Nomok. zum gr. Ritualbuch Kanon 52. a Ath. Synt. V, 11-19. Krmcija Kap. 51 (II, 230). 15 Siebe hieriiber die Synodalverordnungen von Konstantinopel unter dem Patriarchen joasaph II. (1560), Dionysius (1663), jakobus (1683) und die Verordnung des Patriarchen Constantinus vom 17. juni 1900 (Z. 3007) an den dabrobosnischen Metropoliten, in welcher es heiBt: , Was die Frage der vierten Ehe anbelangt, welche dort (in Bosnien) aus anderen serbischen L!lndern eingefiihrt wurde und welche im Zusammenhange mit anderen abendHindischen Neuerungen steht, so erklaren wir, daB die vierte Ehe von der Kirche aus gar keinem Grunde gestattet wird; denn dies ist von den heiligen Kanones streng untersagt. Auch erachtet die Kirche die aus einer solchen Ehe stammenden Kinder als nicht legitim". Siebe fUr Serbien die Synodalverordnung vom September 1865. Z. 45.

t8S. A. Die absoluten Ehehindernisse:

601

2) Die von der Kirche fiir die Eheschlie.Pung verbotene Zeit. Diejenige Ehe, welche in der von der Kirche verbotenen Zeit geschlossen wurde (. 185), wird als eine unerlaubte angesehen, und muB urn als eine gesetzliche Ehe zu gelten, von der kompetenten kirchlichen Obrigkeit nachtraglich konvalidiert werden. 3) Der Zwang und die Furcht. Da die Ehe eine auf dem freien Willen beruhende Verbindung ist, so erscheint dieselbe als ungiltig, wenn jemand hiezu gezwungen oder aus Furcht vor einem angedrohten Obel hiezu genotigt wurde. Der Zwang (~ta., vis), welcher darin besteht, daB jemand zu einer Handlung genotigt wird, kann ein physischer oder moralischer sein. Von dem ersteren kann bei der Ehe nicht gesprochen werden, wohl aber von dem letzteren, wenn namlich jemandem die Einwilligung zur Ehe durch Drohungen abgenotigt wurde. Furcht (~6~o<;, metus) ist die durch das Zuriickschrecken vor einem Obel hervorgerufene heftige Gemiitserregung. Der Zwang verhalt sich zur Furcht wie die Ursache zur Wirkung, weshalb auch beide Begriffe im Eherechte der ROmer nebeneinander erwahnt werden; sie heben die Einwilligung zur Ehe auf und beeintrachtigen die volle Freiheit, welche die Natur, die Kirche und der Staat in der Ehe fordern 1a. Damit die Furcht zum Ehehindernisse werde, muB sie durch ein faktisches Obel gerechtfertigt sein; daher muB bei Beurteilung dieses Ehehindernisses sowohl auf das Objekt der Furcht, namlich auf die Art des angedrohten Obels, als auch auf den Bedrohten und den Drohenden, das Augenmerk gerichtet werden, urn einerseits die GroBe des angedrohten Obels und anderseits den EinfluB wahrzunehmen, welchen die Drohung auf das Gemiit des Betreffenden ausgeiibt hat. Dieselben Grundsatze, welche Zwang und Furcht im romischen Rechte als Ehehindernisse erscheinen lassen, gelten auch im morgenlandischen Kirchenrechte 11. 4) Der Betrug wird dann als Ehehindernis arigesehen, wenn jemandem in unrechtlicher Weise eine andere Person als jene, mit welcher er die Ehe zu schlieBen beabsichtigte, unterschoben wird, oder wenn in arglistiger Weise die Wahrheit riicksichtlich des einen oder anderen Teiles der EheschlieBenden verheimlicht wird, so daB eine gesetzliche Ehe nicht zustande kommen kann. Wie das romische Recht, so betrachten auch das gegenwartige Kirchen- und Zivilrecht den Betrug als Ehehindernis 1s.
Cod justin. V. 4, 14. Basilic. XXVIII. 4, 32. f, 2 (Ath. Synt. VI, 154); Krmcija Kap. 48, Tit. 4, 22 (II, 88). Siebe fiir Osterreich . 55 des biirgerl. Gesetzbuches; fiir Serbien . 69 g. des burgeri. Gesetzbuches; fiir Ru]Jland Ukas vom 5. Jiinner 1725; fiir Bulgarien Art. 202 des Exarchal-Statuts vom jahre 1895; fiir Montenegro Art. 173 des Konsist. Statuts. 18 Basilic. XII. 1, 3, mit den beziiglichen Scholien (Ed. cit. I, 729-730); Nomok. XIII, 2 (Ath. Synt. I, "275 u. ff.); . 57 des osterreichischen biirgerlichen
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17

B~lfslares

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

5) Das Verlobnis wird im kanonischen Rechte der orthodoxorientalischen Kirche nur dann als Ehehindernis angesehen, wenn das selbe kirchlich vollzogen wurde und einer der verlobten Teile eine Ehe mit einer anderen Person schlieBen will. Oieses Ehehindernis hat seinen Grund darin, daB nach demselben Rechte das kirchliche Verlobnis mit der EheschlieBung gleich geachtet wird 19, In dieser Beziehung herrschts zwischen dem Ehehindernisse wegen eines kirchlich geschlossenen Verlobnisses und dem Ehehindernisse wegen des bestehenden Ehebandes kein Unterschied 20. Gegenwartig wird in der Regel die Einsegnung des Verlobnisses gleichzeitig mit der Trauung vollzogen, weshalb das in Rede stehende Ehehindernis keine praktische Bedeutung besitzt. Da jedoch die heiden Akoluthien getrennt vorgenommen werden konnen, so ergibt sich die Moglichkeit des Ehehindernisses wegen des Verlobnisses 21. 6) Lebensgefiihrliche Nachstellungen des einen verlobten Teiles gegen den anderen. Wenn nach dem fOrmlich geschlossenen Verlobnisse erwiesen wird, daB der eine verlobte Teil dem anderen lebensgefahrliche Nachstellungen bereitet hat, so ist dem schuldigen Teile die EheschlieBung verboten und unterliegt derselbe auch der Bestrafung22, 7) Die Verurteilung wegen eines Verbrechens. Der wegen eines Verbrechens zur Oeflingnisstrafe Verurteilte darf von dem Zeitpunkte seiner Verurteilung bis zur Beendigung seiner Strafzeit keine Ehe schlieBen. Oieses Ehehindernis ist durch die neueren weltlichen Gesetzgebungen vorgeschrieben 2s. Dassel be wird im kanonischen Rechte nicht ausdrllcklich erwahnt. Da die Ursache der Geflingnisstrafe ein Verbrechen ist und die Kirche die Verbrecher auf llingere oder kllrzere Zeit der Bu6disziplin unterwirft und ihnen wahrend dieser Zeit die EheschlieBung verbietet 24, so betrachtet auch das kanonische Recht, jedoch von einem anderen Standpunkte, die Verurteilung wegen eines Verbrechens als Ehehindernis.
Gesetzbuches; . 69 h. und . 77 des serbischen biirgerl. Gesetzbuches; russisches biirgerl. Gesetzbuch, Art. 53; Art. 209 des bulgarischen Gesetzbuches. 19 Nomok. XIII, 2 (Ath. Synt. I, 284 u. ff.), woselbst die hieriiber handelnde Novelle des Alexius Comnenus vom jahre 1084 angefiihrt ist. Krmcija, Kap. 43 (Erwllhnte Ausgabe II, 37 u. ff.). Siebe auch das Synodal-Dekret des Patriarchen johannes Vlll. (Ath. Synt. V, 52 u. ff.); Blasia res l', 15 (lb. VI, 180). ~ 0 Siebe . 182 dieses Buches. 21 Vergl. . 45 des IJsterreichischen biirgerl. Gesetzbuches. 22 Nomokanon XIV, 3 (Ath. Synt. I, 334). Vergl. . 119 des iJsterreichischen biirgerlichen Gesetzbuches ; . 69 e und . 81 des serbischen biirgerl. Gesetzbuches. 23 . 61 des iJsterreichischen biirgerlichen Gesetzbuches und . 27 des Strafgesetzes; serbisches burgeri. Gesetzbuch . 69 i und . 78. 1 ' Vergl. den 22. Kanon von Ancyra; Bas. d Gr. 56. 65. Kan. u. a.

, 188.

A:

Die absoluten Ehehindernisse.

603

8) Das Trauerjahr. In der griechisch-romischen Gesetzgebung wurde dem Trauerjahre, welches die Frau nach dem Tode des Mannes einhalten muBte und vor dessen Ablauf sie keine neue Ehe schlieBen durfte, eine besondere Beachtung zuteil. Die diesbezilglichen Normen wurden in ihrem vollen Umfange von der Kirche angenommen 25. Die Vorschriften fUr die einzuhaltende Trauerzeit beruhen auf der Achtung, welche die Frau dem hingeschiedenen Manne schuldig ist. Dieselben Vorschriften wurden sodann auch auf den Mann hinsichtlich des Todes der Frau ausgedehnt 26, Dazu kommen noch Rechtsgrilnde, speziell fUr die Witwe, urn die Abstammung des nachgebornen Kindes sicher zu stellen 27. Im Hinblicke auf diesen letzteren Umstand hat die neuere Gesetzgebung die Trauerzeit auf sechs Monate nach dem Tode des Mannes herabgesetzt ts. 9) Der Kriegsdienst. Dieses Ehehindernis wurde durch die neuere weltliche Oesetzgebung, welche die Bestimmung enthalt, wann und unter welchen Bedingungen ein Soldat eine Ehe schlieBen darf, normierf29. Die Kirche berilcksichtigt dieses Ehehindernis zunachst aus dem Grunde, wei! nach ihrer Lehre derjenige, welcher eine Ehe zu schlieBen beabsichtigt, durch keine Verpflichtungen, die das eheliche Leben storen konnten, gebunden sein soli, wie dies namentlich bei Soldaten der Fall ist, und ilberdies aus dem weiteren Grunde, wei! die Kirche in Ehe-Angelegenheiten, und sonach auch in der Festsetzung der Ehehindernisse, der weltlichen Gewalt die jurisdiktion zuerkennt (. 180). 10) Der Mangel des Aujgebotes. Da sowohl die kirchliche als auch die weltliche Gesetzgebung vor jeder EheschlieBung das vorgeschriebene Aufgebot fordern (. 184), so mu6 die Nichtbeachtung dieser gesetzlichen Vorschrift ein Ehehindernis bilden, wenn der betreffende Seelsorger von der kompetenten Obrigkeit nicht die Erlaubnis erhielt, eine Ehe ohne das Aufgebot einzusegnen so. 11) Mangel der erjorderlichen Dokumente. Wie das Aufgebot zur gesetzlichen EheschlieBung notwendig ist, ebenso ist auch die Beibringung alter zu diesem Zwecke erfordertichen Dokumente ein notwendiges Requisit. Hieber geMren die Dokumente des etwa in einer
Vergl. Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 140). Siebe Krmcija (aus der Ecloga). Kap. 49, Tit. 2, 7 (II, 178). ~ 7 Nomok. XIU, 2 (Ath. Synt. I, 276); Blastares f, 4 (lb. VI, 157). ~ 8 Vergl. . 120 u. 121 des listerreichischen biirgerl. Oesetzbuches. ~Q Siebe beispielsweise filr 6sterreich die Normal-Verordnung vom 10. juni 1812; das Hofdekret vom 19. jlinner 1830; . 44 des Gesetzes vom 5. Dezember 1868; Vorschrift iiber die Heiraten im k. u. k. Heere vom 4. juli 1887. 80 . 69 des tJsterrelchischen burgeri. Gesetzbuches; . 83-90 des serbischen burgeri. Gesetzbuches.
25

~6

604

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

anderen Pfarre anslissigen eheschlie6enden Teiles iiber die ZugeMrigkeit zu derselben, die Dokumente iiber die Bewilligung zur EheschlieBung seitens der vorgesetzten Obrigkeit, iiber die eventuelle Dispensation von einem Ehehindernisse u. s. w. 31. Wird die Einsegnung der Ehe von einem Geistlichen ohne jene Dokumente, welche im Falle eines Eheprozesses zum Beweise der Gesetzlichkeit der Ehe erforderlich sind, vollzogen, so verfallt derselbe, sowohl nach den kirchlichen als auch nach den weltlichen Gesetzen, schwerer Bestrafung s2.

. 189.

B. Die rela.tiven Ehehindernisse.


Relative Ehehindernisse sind diejenigen, welche der EheschlieBung zwischen bestimmten Personen im Wege stehen. Einzelne derselben rlihren aus dem Verwandtschafts-Verhaltnisse her, andere hinwieder sind au6erhalb desselben gelegen. Unter Verwandtschajt versteht man die Beziehung, welche zwischen zwei Personen durch die Abstammung der einen von der anderen, durch Abstammung beider von einer dritten Person, durch die Verbindung von zwei oder drei Familien, oder endlich durch ein der Verwandtschaft ahnliches Verhaltnis begrlindet wird. Hiernach wird die Verwandtschaft im weiteren Sinne eingeteilt in: 1) die Blutsverwandtschaft ( aorrvsw. ~~ cx.'tp.cx.tos) ; 2) die Schwagerschaft (&.ntatstcx.), welche aus der Verbindung zweier Familien (atrsve:tcx.) oder dreier Familien (tptjVevx) entsteht ; 3) die geistliche Verwandtschaft (aonsVlCl. 'lt'le:op.attx'fj); 4) die nachgebildete Schwagerschaft (o[ove;l &.n..tatstcx.), und 5. die Adoption (o[o-3-e;a(cx.). AuBerhalb des Verwandtschafts-Verhaltnisses erscheinen als relative Ehehindernisse die Religions-Verschiedenheit, die Entflihrung u.s. w. (. 195). . 190.

1) Die Blutsverwa.ndtscha.ft.
Die Biutsverwandtschaft oder auch natlirliche Verwandtschaft (~oat-x.-f) oorrsvsw, cognatio naturalis vel carnalis) ist die gegenseitige Beziehung, welche zwischen zwei Personen durch Abstammung der einen von der anderen, oder durch die Abstammung beider von einer dritten Person begriindet wird. Die in einer solchen Beziehung stehenden Person en werden Blutsverwandte (aorre:vsts, consanguinei) genannt.
31 . 78 des osterr. bUrgeri. Gesetzbuches; . 84 des serbischen bUrgeri. Gesetzbuches. 32 Siebe . 125 dieses Buches.

. 190. Die Blutsverwandtschaft.

605

Streng genommen stehen aile Menschen mit Rtlcksicht auf ihre Abstammung von gemeinsamen Ureltern in einer solchen verwandtschaftlichen Beziehung; allein sowohl die kirchlichen als auch die weltlichen Gesetze erkennen diese Beziehung nur bis zu einer bestimmten Grenze an. Zur Bestimmung dieser Grenze und zur genauen Feststellung der verwandtschaftlichen Beziehungen hat bereits die r6mische Gesetzgebung bestimmte Formeln und Bezeichnungen eingefilhrt. Dieselbe unterscheidet die Verwandtschaft nach Graden nnd Linien. Verwandtschajtsgrad (~a&tJ.6c,;, gradus) ist die durch Zeugungen vermittelte Niihe oder Entfernung der Verwandtschaft zwischen zwei Personen t und die ununterbrochene Reihe von Graden wird Linie ('ta~t;, IPil.tJ.tJ.1J, ordo, linea) genannt. Sie zerfiillt: 1) In die gerade Linie (so&sta, recta) u. zw. a) in die aujsteigende Linie (&.vwoaa, ascendentalis ), welche aus Personen besteht, von welchen ein bestimmtes Individuum in der ununterbrochenen Verbindung der Grade abstammt (bieber geMren der Vater, GroBvater, UrgroBvater u.s. w.); b) in die absteigende Linie (xattooaa, descendentalis), welche von einem bestimmten Individuum zu dessen Abk6mmlingen filhrt (hieher gehi:>ren der Sohn, Enkel, Urenkel u. s. w.). 2) In die Seiten- oder Querlinien ('ltAil."(lll.t, xata 'ltAatoc,;, obliquae, transversales, collaterales), welche Personen umfassen, die verschiedenen, beziiglich der gemeinschaftlichen Abstammung sich in einer Person vereinigenden Linien angeMren. Die Seitenverwandtschaft besteht zwischen einer bestimmten Person und deren Geschwister, oder zwischen ihr und den Abk6mmlingen des Bruders, des Oheims u.s. w. 2. Die Nahe oder die Entfernung der Verwandtschaft wird nach der Zahl der die Verwandtschaft zwischen zwei Personen vermittelnden Zeugungen bestimmt s. Urn die Niihe oder die Entfernung der Verwandtschaft zu bestimmen, wurde von den rOmischen Juristen ein l:tStJ.tJ.Il. t'Y)c,; aorrsvstac,; (stemma cognationis) verfaBt, welches in der Regel den Rechtssammlungen beigefilgt wurde 4. Gegenwertig bedient man sich in dem Patriarchate von Konstantinopel zu ebendiesem Zwecke des folgenden:
. 190. 1 ,Gradus dicti sunt a similitudine scalarum, Iocorumve proclivium, quos ita ingredimur, ut a proximo in proximum, id est in eum, qui quasi ex eo nascitur transeamus" . Digest. XXXVIII. 10, 10. . 10. Vergl. Balsamons ~tl.i"(vroat~ iiber die Seiten-Verwandtschaft (Ath. Synt. IV, 556. 560); Demetrius Chomatenus, Ober die Verwandtschaftsgrade (lb. V, 421 u. ff.); Michael von Thessalonica, Ober die Verwandtschaftsgrade (lb. V, 397). 2 'JI 'tOO "(EVOO<; astp~ tptai OOVStpSt!Xl taesm, tij 'tS 'tOW &vt6VtOOV 8'tjAOVOtt, tow 'lt!Xtt6vtrov, "Xcxi tli>V h to5 7tAot"(too. Demetrius Chomatenus, erwllhnte Stelle. Vergl. Nomokanon XIII, 2 (Ath. Synt. I, 280}; Blastares. B, 8 (lb. VI, 126). 8 'E'ltl.ia't'fj oov "(EvV'fjat~ eva ~a-3-p.ov &7totsAst. Demetrius Chomatenus, erwlihnte Stelle. Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 125). ' Ober das alte r6mische adp.p.cx siehe bei Zhishman, Eherecht. S. 219-220.

606
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IV. Tell. Das Leben der Klrche.

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. 190. Die Blutsverwandtschaft.

607

Nach diesem Ll~&.rpa.p.p.a. HiBt sich der betreffende Verwandtschaftsgrad Ieicht bestimmen. Zur Bestimmung des Verwandtschaftsverhaltnisses zwischen einzelnen Personen bedient man sich folgender Zeichen: O bedeutet den Stammvater, 0 jede andere mannliche Person, 6. die weibliche Person; & bedeutet den Tod einer mannlichen, lJ den Tod einer weiblichen Person; eine senkrechte Linie ( I ) bedeutet die Abstammung oder Zeugung, 0_6. die Verbindung zwischen Mann und Frau. Bei Berechnung der Grade in der geraden Linie wird die Zahl der die Verwandtschaft zwischen zwei Personen vermittelnden Zeugungen beachtet. Es sind zum Beispiele von A bis zu dessen UrgroBvater D in der geraden aufsteigenden Linie drei Zeugungen zu zahlen, QD namlich die Zeugung des C, des B und des A. Daher ist A mit dem UrgroBvater D im dritten Grade blutsverwandt I und umgekehrt. Zwischen Vater und Sohn oder Tochter besteht keine Mittelsperson; denn Sohn oder Tochter stammen I OB unmittelbar vom Vater ab. Es ist daher A mit seinem Vater B im ersten Grade blutsverwandt. Hiebei ist zu beriicksichI OA tigen, daB bei Berechnung des Verwandtschaftsgrades zwischen bestimmten Personen, mogen dieselben verschiedene Verwandtschaftsnamen filhren und in verschiedenen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen, die Zeugung jeder einzelnen Zwischenperson in Betracht kommt. Durch diese ununterbrochene Reihe von Zeugungen wird der Verwandtschaftsgrad zwischen bestimmten Personen festgestellt. Werden zum Beispiele in der aufsteigenden Linie Verwandtschaftsgrade gesucht, so wird von der betreffenden Person zu deren Vater, von diesem zu dessen Vater, welcher der GroBvater der gedachten Person und mit dieser im zweiten Grade blutsverwandt ist, ferner vom GroBvater zu dessen Vater, welcher der UrgroBvater der gedachten Person ist und zu dieser im dritten Grade der Blutsverwandtschaft steht, geschritten. Derselbe Vorgang gilt auch filr die absteigende Linie, nur wird hier vom Vater zum Sohn herabgegangen. In der Seitenlinie ist in dem morgenlandischen Kirchenrechte gleichfalls die Zahl der Zeugungen filr die Berechnung des Verwandtschaftsgrades zwischen zwei Personen maBgebend 5 1st der Verwandtschafts-

oc

~6o a'haosA.rpot, ot6n h Mo rsvv~oswv TCpozp-t_ovrat, wxt Mo &.7tors/..of>m ~a{J.p.oo<;. Demetrius Chomatenus, erwahnte Schrift (Ath. Synt. V, 422); Riastares. B, 8 (lb. VI, 126). Dieser Berechnung der Grade in der Seitenlinie folgt auch die heutige biirgerliche Gesetzgebung; z. B. . 41 des osterreichischen biirgerlichen Gesetzbuches, welcher bestimmt: ,Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwei Personen sind nach der Zahl der Zeugungen, mittels welcher in der geraden Linie eine derselben von der anderen, und in der Seitenlinie beide von ihrem nachsten gemeinschaftlichen Stamme abhlingen, zu bestimmen".

608

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

grad zwischen zwei Seitenverwandten zu hestimmen, so mUssen von heiden Personen die Grade der Aszendenten his zum gemeinsamen Stammhaupte oder bis zum Zusamrnentreffen beider Linien im gerneinsamen Starnrne verfolgt werden, oder man verfolgt die Grade der Aszendenten des einen Seitenverwandten bis zurn gerneinsarnen Starnrnhaupte, worauf mit der Zahlung der Grade in der absteigenden Linie his zu der Person des anderen Seitenverwandten fortgefahren wird. Die auf diesen Linien sich ergebende Zahl von Zeugungen gibt den Verwandtschaftsgrad zwischen zwei Seitenverwandten an. Dernnach ist der Bruder B mit dessen Schwester C irn zweiten Grade blutsverwandt; denn von B zurn gerneinsarnen A Starnrnhaupte A und von diesern zur Schwester C 0 /~ liegt je eine Zeugung oder je ein VerwandtschaftsBQ .6,C grad vor. Der Neffe E steht mit dern Oheirn B irn dritten Grade, die Geschwisterkinder D und E stehen I I 0.6, OE irn vierten, F und G irn sechsten, H und I irn achten Grade der Blutsverwandtschaft. I I FO .6.G FUr die Berechnung der Verwandtschaftsgrade sind nachstehende, auch auf dern Naturrechte beI I HO 01 ruhende Rechtsnormen festgesetzt: 1) Die Ehegatten sind als eine einzige Person anzusehen und konnen nicht als besondere Grade gezahlt werden ; sie gelten daher den iibrigen Verwandten gegeniiher als ein Grad; 2) Sohne und Tochter sind mit ihren Eltern stets irn ersten Grade blutsverwandt; 3) vollbiirtige Geschwister, rnogen deren noch so viele vorhanden sein, sind unter sich irn zweiten Grade blutsverwandt; 4) Geschwister, welche nur den Vater oder nur die Mutter gerneinschaftlich haben, werden als vollhlirtige Geschwister angesehen; 5) auf die Verwandten der weiblichen Linie haben riicksichtlich der Zahlung der Grade dieselben Bestirnrnungen Anwendung, welche fiir die rnannliche Linie gelten; 6) die Verwandtschaft ist im allgerneinen auf sieben Grade beschrankt. Dies wird in der geraden Linie darnit gerechtfertigt, daB nach den Gesetzen der Natur das Oberleben des siebenten Verwandtschaftsgrades geradezu ausgeschlossen sei, weshalb auch kein Grund vorliegt, tiber den siebenten Grad hinaus Verwandtschafts-Beziehungen festzustellen. In der Seitenlinie wfirde das Vorschreiben derartiger Beziehungen fiber den siebenten Grad, abgesehen von diesfalligen Schwierigkeiten, auch die Grenzen der natiirlichen Verwandtschaftsrechte fiberschreiten; denn die verwandtschaftlichen Beziehungen fiber den siebenten Grad hinaus sind an sich zu entfernte, urn eine widernatiirliche Verrnengung des Blutes (atl!OtLt~ta) zu heffirchten, oder urn gewisse Rechte durch solche Beziehungen zu begrfinden. Die Blutsverwandtschaft wurde sowohl in der mosaischen, als in

. 190. Die Blutsverwandtschaft.

609

der alt-r5mischen Gesetzgebung als Ehehindernis angesehen 6, Die griechisch-r5mische Gesetzgebung hat die diesbeztiglichen, von der alten Gesetzgebung erlassenen Normen angenommen und hat unter dem Einflusse der Kirche Gesetze erlassen, welche sowohl den ethischen, als auch den physiologischen Erfordernissen der Ehe entsprachen. Diese Gesetze wurden sodann von der Kirche in ihre Kanonen-Sammlungen aufgenommen 7. Bei der Blutsverwandtschaft werden die Ehehindernisse zwischen Aszendenten und Deszendenten von den Ehehindernissen in den Seitenlinien unterschieden. In der geraden Linie sind die ehelichen Verbindungen unbedingt untersagt s. Dieser Grundsatz gilt gegenwartig in allen orthodox-orientalischen Partikularkirchen 9, In der Seitenlinie ist nach dem allgemeinen Kirchenrechte die Ehe einschlieBlich des siebenten Grades verboten und erst zwischen Blutsverwandten des achten Grades dieser Linie gestattet 10. Auch diese Bestimmung ist heute, auBer im KOnigreiche Griechenland und in RuBland, iiberall wirksam 11. Nach dem Synodal-Rundschreiben vom 6. Marz 1873 ist in Griechenland die Ehe in den Seitenlinien nur bis einschlieBlich des sechsten Grades verboten, im siebenten Grade jedoch gestattet 12. In RuBland verbietet der Synodal-Ukas vom 19. janner 1810 die Ehe bis zum vierten Grade der Blutsverwandtschaft in der Seitenlinie 13

6 Ill. Such Moses. 18, 6-16. 20, 17-21. 27, 20. 22. 23; Digest. XXIII, 2: de ritu nuptiarum (Cf. Basilicor. XXVlJI, 4: Ilspt "(cXfL<OY X.~t a~cx.&screw~ "(cXfL<OY. 5: ITept X.SX.<OAntJ.~Y<OY "(cXfL<0\1 ). 1 Demetrius von Kyzikos, MeMt'1) (Ath. Synt. V, 354); Demetrius Chomatenus, erwllhnte Schrift (lb. V, 421); Ba/samons erwllhnte ~~!irvwcr~<; (lb. IV, 556); B/astares. B, 8 (lb. VI, 126). s ot &Y~ovts<; 1tfJO<; too; -x.cx.novta;, x.&Y I'~ s~ swofL<OY li>m "(rXfL<OY, s1t' ~7te~poY (in infinitum) x.wMoYt~~. B/astares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 127). 9 Siehe unten Anm. 12-14. 10 E'(; "(5 (L'~~ tOY 'fl'. ~~&[LOY 7tpO~IXtY<OY 6 e~ ct.TfLIXtO<; "(rX(LO<;, crurx.sxoofl'l)tCX.t. Blastares. B, 8 (lb. VI, 128). 11 Fiir die orth.-orient. s/avische Kirche in Osterreich-Ungam und Serbien siehe die gedruckte Krmcija, Kap. 50, Abschn. II (erwlihnte Ausgabe. II, 202); fiir die rumi'inische Kirche siehe lndreptarea legji, Kap. 191. 192, und ebenso . 92 des Moldauischen Oesetzbuches; fiir die orientalischen Patriarchate siehe T6fLO<; 1tepl cruYotxecr[(J)y der Synode von Konstantinopel unter dem Patriarchen Oregorius VI. vom 10. Februar 1839 (Ath. Synt. V, 175); fiir das bulgarische Exarchat vergl. das Synodal-Rundschreiben vom 2. juni 1890. Z. 10. 12 X p toto 1t o 6 A. o u ~uA.A.or~, creA. 312. 18 Ober diesen Synodal-Ukas, welcher, wie die russischen Kanonisten sagen, in der Oeschichte des russischen Eherechts epochale Bedeutung hat, siehe Paw/ow, ,Das 50. Kapitel der Korm(!aja kniga". S. 157 u. ff. 39 XUd llrclleoreehl.

610

IV. ieil. Das Leben der Kirche.

. 191. 2} Die Schwagerschaft.


Die Schwagerschaft ( &.yxta~s(a., affinitas) ist das durch eine Ehe zwischen zwei Familien begriindete Verhaltnis. Die Schwagerschaft wird atysvsa.;, welche in den kanonischen Quellen in die &.yxtatsta. aus der Verbindung von zwei Familien entsteht und nur eine einzige Ehe voraussetzt, und in die arx.ta~s(a. Ex ~ptjEVEta.;, welche durch zwei verschiedene Ehen zwischen drei Familienkreisen begriindet wird, unterschieden. I. Bei der Zahlung der Schwagerschaftsgrade zwischen Personen, welche zwei verschiedenen Familien angehOren, folgt die kirchliche und neben dieser auch die griechisch-romische Gesetzgebung den in dieser Beziehung fiir die Blutsverwandtschaft geltenden Normen. Der Grund hiefiir liegt in der Einheit zwischen Mann und Frau, sowie in der Wechselseitigkeit der beiderseitigen verwandtschaftlichen Beziehungen. Daher treten nicht nur die Verwandten der Frau zu dem Manne in verwandtschaftliche Verbindung und umgekehrt, sondern es sind auch die Blutsverwandten des einen Ehegatten mit dem anderen Ehegatten in demselben Grade verschwagert, in welchem sie mit dem betreffenden Ehegatten blutsverwandt sind. Die Blutsverwandten des einen Ehegatten (aoyysvsE;) sind mit dem anderen Ehegatten verschwagert ( &.yxta~sE;, affines) und das Verhaltnis zwischen zwei Familienkreisen wird nicht Blutsverwandtschaft ( aoyysvsta. cognatio ), sondern Schwagerschaft ( &.yxta~sta.) genannt. Wie bei der Blutsverwandtschaft so wird auch bei der Schwagerschaff einegerade Linie und eine Seitenlinie unterschieden. Das Schwagerschafts-Verhaltnis findet sonach statt: I) Zwischen einem Ehegatten und den Aszendenten und Deszendenten des andern, z. B. zwischen dem Schwiegersohne und der Schwiegermutter oder GroBschwiegermutter, oder zwischen dem Manne und der Tochter, Enkelin u. s. w. der Frau; 2) zwischen einem Ehegatten und den Seitenverwandten des anderen, z. B. zwischen dem Manne und der Schwester, Tante, Nichte u. s. w. seiner Frau; 3) zwischen den beiderseitigen Verwandten der Ehegatten, z. B. zwischen dem Vater oder Bruder des einen und der Schwester des and ern Teiles; 4) zwischen dem einen Ehegatten und dessen Verwandten einerseits und den Verwandten des andern Ehegatten aus erster Ehe andererseits, z. B. zwischen dem Stiefvater und der Stieftochter. Der Grundsatz, daB die Zahl der Zeugungen fiir die Zahlung der Grade maBgebend sei, gilt bei der Schwagerschaft wie bei der Blutsverwandtschaft. Der erwahnte Grundsatz, daB die Ehegatten als eine Einheit betrachtet werden und nur als ein Grad gelten, hat bei der

sx

. 191. 2) Die Schwligerschaft.

611

0 Mutter D der Frau ist mit letzD /~ terer im ersten Grade bluts0 CO QB verwandt, wei! eine Zeugung vorliegt. Daher besteht zwi/~ 6. QG 0 6. QQK schen dem Manne G und des- E6. F'-' H'-'II sen Schwiegermutter D der erste Grad der Schwagerschaft. 6.L Die Schwagerin E des Mannes G ist mit der Frau F im zweiten Grade blutsverwandt; daher besteht zwischen der ersteren und dem Manne G der zweite Grad der Schwagerschaft. Zwischen dem Vater C des Mannes G und der Schwagerin E desselben besteht der dritte Grad der Schwagerschaft, u. zw. wegen der Zeugung des Mannes G, wegen jener der Frau F und der Zeugung der Schwagerin E. Zwischen dem GroBvater A und der Schwagerin E besteht der vierte Grad der Schwagerschaft, wegen der in Betracht kommenden vier Zeugungen. Der Vetter H ist mit der Schwiegermutter D im fiinften Grade und mit der Schwagerin E im sechsten Grade verschwagert. Derselbe Vetter H, welcher mit der Witwe I eine Ehe geschlossen hat, ist mit der aus der ersten Ehe der I mit K stammenden Tochter L im ersten Grade verschwagert, wei! letztere mit ihrer Mutter, welche die Frau des H wurde und mit diesem als eine Einheit betrachtet wird, im ersten Grade blutsverwandt ist 2 Zu demselben Resultate gelangt man durch eine zweite Zahlungsweise, welche darin besteht, daB man die Anzahl der in der Familie des einen Ehegatten gefundenen Verwandtschaftsgrade zu den in der Familie des anderen Ehegatten gefundenen addiert. Man zahlt dabei die Zeugungen in der ersten Familie von einer bestimmten Person bis

Zahlung der Schwagerschaftsgrade besondere Bedeutung 1 Will man das Schwagerschaftsverhaltnis zwischen zwei Personen, sei es in der geraden oder in der Seitenlinie, bestimmen, so beginnt man unter Festbatten des Grundsatzes, daB Mann und Frau als Einheit betrachtet werden, mit der Zahlung wie bei der Verwandtschaft, von dem Blutsverwandten des einen Ehegatten ausgehend, und setzt diese Zahlung solange fort, bis man bei dem Blutsverwandten des anderen Ehegatten angelangt ist. Die Anzahl der dabei gefundenen Zeugungen gibt den gesuchten Schwagerschaftsgrad zwischen zwei Personen, d. i. zwischen dem Blutsverwandten des einen Ehegatten und jenem des andern Ehegatten, deren Schwagerschaftsgrad festzustellen ist. Ein Beispiel: Der Mann G und die Frau F werA den als Einheit betrachtet; die

. 191.
2

Die Schrift Balsamons iiber die Seitenverwandtschaft (Ath. Synt. IV, 562). Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 134).
1

39*

612

IV. Tell. Das Leben der Klrche.

zu einem Ehegatten und in der zweiten Familie vom zweiten Ehegatten bis zu der betreffenden Person. Nach der ersten Zahlungsweise gelangten wir zu dem Resultate, daB der Vetter H mit der Schwiegermutter D im fiinften Grade verschwagert sei. Nach der zweiten Zahlungsweise ergeben sich in der Familie des 0 bis zum Vetter H vier Zeugungen, so mit vier Grade; in der Familie der Frau F erscheint nur die Zeugung der Frau, also ein Orad. Die Summe der in den heiden 1 5, gibt den gesuchten Familien gefundenen Zeugungen, 4 fiinften Schwagerschaftsgrad s. Die Orundlage fiir das Ehehindernis der Schwagerschaft bildet in der morgenlandischen Kirche das Prinzip, daB die Ehe unter verschwagerten Personen nur dann gestattet sein solle, wenn keine Vermengung der Namen (cr6yx_ucr~; -t&V OVOIJ.U't'mV, confusio nominum) zu befiirchten ist, d. h. wenn durch die Ehe die Benennungen nicht verriickt und die natiirlichen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen zwei Personen nicht gestort werden, wenn altere Verwandte nicht die Stelle jiingerer oder umgekehrt einnehmen. Dieses Prinzip wurde in dem 87. Kanon Basilius des OroBen zum Ausdrucke gebracht und von den Oesetzgebern der folgenden Zeiten angenommen 1 Mit Riicksicht auf dieses Prinzip sind in dem Kirchenrechte die Grade der Schwagerschaft, in welchen die Ehe verboten ist, bestimmt. In der geraden Linie der Schwagerschaft sind analog der Blutsverwandtschaft die Ehen verboten. Selbst nach dem Tode eines Ehegatten ist dem iiberlebenden Teile die EheschlieBung mit Aszendenten und Deszendenten des verstorbenen Ehegatten untersagt. Diese Norm enthalten die Kanones, die griechisch-romische 5 und die gegenwartige kirchliche Oesetzgebung 6 In der Seitenlinie ist jede Ehe bis einschlieBlich des fiinften Grades der Schwagerschaft verboten 7, Im sechsten Grade ist die Ehe dann gestattet, wenn keine Vermengung der Namen zum Vorschein kommt. Daher kann mein Stiefsohn mit der Tochter meines Vetters (meiner

Eustathius Romanus, T7tOfl.V'1Jf.l.~ (Ath. Synt. V, 344). Vergl. iiber diese heiden Zahlungsweisen Zhishman, Eherecht. S. 300-305. ' 'EY of<; til to5 "(SYOO; <:mrxsoYt'.Y.t OY6p.ottr.t., SY 'tOO'tOli; 6 #(.I.O; &iMf.l.ltOc;. Dies ist die Form, in welcher der Grundgedanke Basilius des GroBen im T6f.!.O<; des Patriarchen Sisinnius ausgedriickt ist (Ath. Synt. V, 14). Vergl. Krmcija, 51. Kap. (erwahnte Ausgabe. II, 233); Demetrius Synkellos, MsMt'tj (Ath. Synt. V, 362); Basilius Achridenus, 'A7toxptatc; (lb. V, 389); Blastares. B, 8 (lb. VI, 130-132). ~ Basilius d. Gr. 79. 87. Kan.; 54. Trull. Kan.; Demetrius Chom. erwlihnte Schrift (Ath. Synt. V, 424); Balsamon, erwahnte Schrift (lb. IV, 559) ; Blastares. B, 8 (lb. VI, 130); Basilic. XXVIII. 5, 1 (Ed. cit. III. 198). 6 Krmcija. Kap. 48, Tit. 7, 12 (aus dem Prochiron); Kap. 49, Tit. 2, 2 (aus der Ekloga); X plato oo 6 A. o o Ilp6)(. YOf.I.L'X.OY. ~sA.. 86. 7 Patriarch johannes, llspt x.sxooAUf.I.SYOOV r&p.oov (Ath. Synt. V, 54); Demetrius Chomat., erwil.hnte Schrift (lb. V, 424}; Blastares. B, 8 (lb. VI, 130).
8

. 191. 2) Die Schwligerschaft.

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Base), welche im sechsten Grade verschwligert sind, eine Ehe schlieBen, wei! keine Namensvermengung entsteht; dagegen kann mein Enkel keine Ehe mit der Base meiner Frau schlieBen, wenngleich sie im sechsten Grade verschwagert sind, weil in diesem Falle die Base meiner Frau zur Enkelin und meine Frau die GroBmutter derselben wiirde, sonach eine Namensvermengung vorlage s. Desgleichen ist die Ehe im siebenten Grade der Schwligerschaft untersagt, wenn eine Namensvermengung zu befiirchten ist. Daher kann beispielsweise mein Sohn mit jenem Geschwisterkinde meiner Frau, welches mit meinem Sohne im siebenten Grade der Schwagerschaft steht, keine Ehe schlieBen, wei! dann zwischen meinem Sohne und mir ein Schwagerschafts-Verhaltnis entstehen wiirde 9. II. Bei der Schwagerschaft, die durch zwei verschiedene Ehen zwischen drei Familienkreisen (tptj'SVstct.) begrUndet wird, erfolgt die Zlihlung der Grade in derselben Weise wie bei der Schwligerschaft, welche aus der Verbindung von zwei Familien durch eine einzige Ehe entsteht (atysvs(ct.). Es sind in der 'tptysvs(ct. verschwagert: 1) Der eine Ehegatte mit dem Schwager (der Schwagerin) des andern Ehegatten, z. B. der Schwager B mit der Ehegattin E. Hier sind, wie ersichtlich, drei Familienkreise vorhanden, namlich die Familie A D A C, jene des Schwagers B und der Ehe0 gattin E. Die Ehegatten B und C, sowie D und E werden als Einheit angesehen; die Ge/~ schwister D und C sind im zweiten Grade 0 6 0 6 B '-' C D E blutsverwandt. Da nun die Verwandten des Mannes (oder der Frau) mit der Frau (oder dem Manne) in demselben Grade der Schwagerschaft stehen, in welchem sie mit dem Manne (oder der Frau) blutsverwandt sind, so ist der Schwager B mit der Ehegattin E im zweiten Grade der 'tptysvsct. verschwagert; 2) der eine Ehegatte mit den A B C Verwandten des anderen Ehegatten aus dessen erster Ehe, z. B. der Stiefvater A mit der Stief- 0 6 Q9: tochter G seiner Stieftochter D. Da D und B I E den einen und G und E den andern Grad D6 0 }%F bilden, so ist gemaB der Norm, daB Mann und Frau eine Einheit bilden, der Stiefvater mit der 6G Stieftochter seiner Stieftochter im zweiten Grade

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- T

Vergl. den T6fLO~ des Sisinnius (Ath. Synt. V, 14; Krmcija II, 233); Eustathius Romanus, erw!lhnte Stelle; Blastares, erwlihnte Stelle; Balsamon, oxo).,wv
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zum Nomokanon. XIII, 2 (Ath. Synt. I, 283). 9 Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 131). Einzelnheiten hieriiber in MeMt1j des Synkellos Demetrius (lb. V, 354 u. ff.). Siehe 50. Kap. der Krmcija (II, 206 u. ff.). Siebe fiir Griechenland das Synodal-Rundschreiben vom 6. Marz 1873. Fiir Ru.Pland

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

der -tpt"(Ys(a verschwagert; 3) die Familien von zwei Personen, welche aufeinanderfolgend eine dritte Person ehelichten, z. B. zwischen dem Schwager C aus der ersten Ehe und A B der Schwagerin G aus der zweiten Ehe 0 0 des E. Die Geschwister C und D, /~ /~ sowie F .und G, sind im zweiff'n Grade 0 ~ _. 0 _..6. .6. blutsverwandt. Im Ganzen Iiegen somit C D E F G vier Grade vor. Daher stehen C und G im vierten Grade der -tptjYstll.. Der Ehegatte E, welcher allein die dritte Familie vorstellt, wird dabei nicht gezahlt, wei! in der Schwagerschaft eine Person fUr sich keinen Grad zahlt; daher kann nach dem Gesagten der Ehegatte E in seinem Verhaltnisse zu den Verwandten seiner ersten Frau D oder der zweiten Frau F als besonderer Grad nicht gerechnet werden. Bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts waren die Ehen im ersten Grade der -tptjS'Ys(a, namlich die Ehe des Stiefvaters mit der Frau des Stiefsohnes und die Ehe der Stiefmutter mit dem Manne der Stieftocher verboten to. Spater wurde auch hier die Aufmerksamkeit auf die Namensvermengung ( a6rxoat~ -tclw ovop.&:crov) gelenkt und die Ehe verboten, wenn eine solche Vermengung zu befilrchten stand und das Schwligerschafts-Verhaltnis kein entferntes war. Als Grenze des Ehehindernisses der -tptrsve;(a wird der dritte Orad bezeichnet; im vierten Grade aber die Ehe als erlaubt erktart 11.

. 192. 3) Die Geistliche Verwandtschaft.


Unter der geistlichen Verwandtschaft (7tVsop.a-ttx-f) aoAA.svsta, cognatio spiritualis) versteht man das durch die Taufe zwischen dem Paten ( &.vri8oxo~) und dem Taufling ( &.vaasxt6;), sowie zwischen bestimmten beiderseitigen Verwandten begriindete Verhaltnis. Diese Verwandtschaft entsteht dadurch, wei! die Taufe als Wiedergeburt des Tauflings, und der Pate, welcher dieser Wiedergeburt anwohnt, als geistlicher Vater des Tauflings angesehen wird 1 Dieses Verhaltnis
siehe den erwahnten Ukas vom 19. jllnner 1810, nach welchem die Ehe nach dem vierten Schwagerschaftsgrade gestattet ist. 10 Vergl. Demetrius Synkellos, 'A'ltliV't'Yjat~ (Ath. Synt. V, 366); Blastares. B, 8: 'ltsp! tli>V $ox. tpt"(sVsta~ (Ath. Synt. VI, 133) ; Krmcija. Kap. 48, Tit. 7, 13. 14. und Kap. 50 (II. 202). 11 Diese Norm ist gegenwlirtig iiberall in Oeltung: Krmlija, 50. Kap. (II, 227); T6tto; des Patriarchen Oregorius von Konstantlnopel vom 10. Februar 1839; Ukas der russischen Synode vom 25. April 1841; Rundschreiben der Synode von Athen vom 6. Mllrz 1873; Art. 173,9 des Konsist. Statuts fiir Montenegro vom 1. janner 1904. . 192. 1 Siebe den Kommentar des Archim. johann zum 53. Trull. Kan. (II, 432-435).

192. 3) Die geistliche Verwandtschaft.

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wurde wegen der Pflicht, welche der Pate als Vertreter des leiblichen Vaters des Tauflings iibernimmt, demjenigen gleichgestellt, in welchem der Vater und die Kinder zueinander stehen. Hierin hat auch der Begriff der geistlichen Verwandtschaft, welche nach den Worte des 53. Trullanischen Kanon hoher (tJ.stCwv) steht als die leibliche, seinen Ursprung. Nachdem dieser Begriff in der Kirche sich eingebiirgert hatte, wurden bei der geistlichen Verwandtschaft, ebenso wie bei der Blutsverwandtschaft, Grade angewendet, und wie bei dieser, so wurden auch bei jener die Grade bestimmt, welche ein Ehehindernis bilden. Ankntipfend an die kirchliche Oberlieferung der ersten jahrhunderte erlieB Kaiser justinianus im jahre 530 eine Konstitution, nach welcher die Ehe des Paten mit dem Taufling verboten war 2. Das Trullanische Konzil verfiigte in dem erwahnten Kanon unter Strafandrohung, daB der Pate keine Ehe mit der Mutter des Tauflings, wenn dieselbe Witwe geworden war, schlieBen diirfe. Hiedurch war das Ehehindernis der geistlichen Verwandtschaft kanonisch festgesteiiP. Nach dem Erscheinen dieses Kanon wurden die Grade der geistlichen Verwandtschaft, in welchen die Ehen verboten sind, vermehrt und die Zahl der Ehehindernisse erhoht. Die Basiliken haben in dieser Beziehung eine Grenze bestimmt und sonach verboten: 1) Die Ehe des Paten mit dem Tauflinge; 2) die Ehe des Paten mit der Mutter des Tauflings; 3) die Ehe des Sohnes des Paten mit dem Taufling; 4) die Ehe des Paten mit der Tochter des Tauflings und 5) die Ehe des Sohnes des Paten mit der Tochter des Tauflings 4. Diese Verfiigung der Basiliken, welche in die Kanonen-Sammlungen der morgenlandischen Kirche aufgenommen wurde, wird als jundamentale Norm bei Bestimmung der Ehehindernisse der geistlichen Verwandtschaft angesehen 5 Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde auf Grund der Bestimmung des 53. Trullanischen Kanon, ,daB die geistliche Verwandtschaft hOher stehe als die leibliche", das E4ehindernis der geistlichen Verwandtschaft in demselben Umfange festgestellt wie bei der Blutsverwandtschaft, namlich his einschlieBiich des siebenten Grades s. Bei der geistlichen Verwandtschaft werden die Grade nur in der geraden absteigenden Linie, also vom Paten und vom Tauflinge zu deren Deszendenten gezahlt. In der aufsteigenden Linie kommt nur die
Cod. V. 4, 26. Vergl. Krmcija, 48. Kap., Tit. 7, 28 (aus dem Prochiron). Siehe meinen Kommentar zum 53. Trull. Kanon. ,Pravila" I, 535). ' Basilic. XXVIII. 5, 14. ~ Nomok. XIII, 5 (Ath. Synt. I, 303-304); Blastares. B, 8 (lb. VI, 138). 6 Die verschiedenen Synodal-Dekrete seit dem XIII. Jahrhundert, siehe bei Xptato3o6Ao!l 1Ip6x. vop.t'X.ov, asA.. 198-201. Vergl. Zhishman, Eherecht, S. 273-275, und Zachariae, Geschichte des griech.-rom. Rechts. S. 49-50,
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IV. Tell. Das Leben der Kircbe.

Mutter des T:tuflings in Betracht, mit welcher der Pate und dessen Deszendenten keine Ehe schlieBen kOnnen. Die Zahlung der Grade ist jener bei der Blutsverwandtschaft gleich, wobei die Hebung aus der Taufe der Zeugung gleichA 0'. .6 B I \ . . I gehalten wird. Z. B. der Pate A hat den TaufDO oD ling D aus der Taufe gehoben. Hier liegt ein Grad vor; daher stehen der Pate und der TautI im ersten Grade der geistlichen Verwandtling .6E schaft. Der Pate A und die Mutter B des Tl!.uflings stehen im zweiten Grade der Geistlichen Verwandtschaft, wei! man die Hebung aus der Taufe als einen Grad und die Zeugung des Tauflings als den zweiten Grad zahlt. Der Sohn des Paten C und der Taufling D stehen gleichfalls im zweiten Grade der geistlichen Verwandtschaft, ebenso der Pate mit der Tochter E des Tauflings. lm dritten Grade der geistlichen Verwandtschaft stehen der Sohn C des Paten und die Tochter E des Tauflings. Der dritte Grad bildet die Grenze des Ehehindernisses der geistlichen Verwandtschaft. Dies gilt als allgemeine fundamentale Norm 7.

. 193. 4) Die nachgebildete Schwii.gerschaft.


Die nachgebildete Schwagerschaft ( o[ove:l &."(Xtate:trx, quasi affinitas, affinitas ficta) ist das durch das Verlobnis zwischen dem Brautigam oder der Braut und gewissen zu denselben in verwandtschaftlichen Beziehungen stehenden Personen einerseits und der Braut oder dem Brautigam anderseits begrilndete Verhaltnis. Die nachgebildete Schwagerschaft wird aus dem Verlobnisse (p.Y't]OtsErx) abgeleitett und entstand aus der Gleichstellung des Charakters der Ehe mit jenem des Verlobnisses (. 182). Wie durch die Ehe zwischen bestimmten Personen gewisse Verwandtschafts- und Schwagerschaftsgrade entstanden, ebenso bildeten sich aus dem VerlObnisse gewisse Grade der nachgebildeten Scwagerschaft. Desgleichen begrilndeten, wie bei der Bluts7 Diese Norm gilt gegenwlirtig in Qriechenland im Grunde des erwlihnten Synodai-Rundschreibens vom 6. Mlirz 1873, nach welchem die EheschlieBung iiber den dritten Orad der geistlichen Verwandtschaft gestattet ist. KrmCija, 50. Kap. (erwahnte Ausgabe, II, 202). Die Bestimmung der Krmcija enthlilt auch der T6p.o.; des Patriarchen Oregorius vom 10. Februar 1839. Nach den Synodal-Ukasen vom 16. April 1874 und 31. Oktober 1875 ist in Ru)Jland die Ehe nur zwischen dem Paten und der verwitweten Mutter des Tliuflings, sowie zwischen der Patin und dem verwitweten Vater des Tauflings verboten. Dber die erwlihnten und iiber lihnliche Ukase, sowie iiber verschiedene andere Ehehindernlsse der geistlichen Verwandtschaft siehe A. Paw/ow, "Das 50. Kapitel der Krmcija" (russ.). S. 163-183. . 193. 1 Siebe , 182, Anm. 1 (S. 587 dieses Suches).

. 193. 4) Die nachgebildete Schwl!gerschaft.

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verwandtschaft und Schwagerschaft, gewisse Grade der nachgebildeten Schwagerschaft ein Ehehindernis. Die Zahlung der Grade stimmt mit jener bei der Schwagerschaft iiberein. Das rOmische Recht beschrankt das aus der nachgebildeten Schwagerschaft entstehende Ehehindernis auf die Ehe zwischen dem Sohne und der Braut des Vaters und umgekehrt, auf die Ehe zwischen der Braut des Sohnes und dem Vater; weiters auf die Ehe mit der Braut des Bruders und auf die Ehe zwischen dem Brautigam und der Mutter der Braut 2. Diese Bestimmung wurde auch von der Kirche, namentlich als das Ver!Obnis die kirchliche Einsegnung erfuhr, angenommen s. Gegenwartig ist nach dem Rundschreiben der PatriarchaiSynode von Konstantinopel vom September 1868 die Ehe zwischen dem Brautigam und der verwitweten Mutter der verstorbenen Braut untersagt. Z. B. A war mit D, B@ 6.C der Tochter der Witwe C, verlobt; stirbt nun die Braut D, so kann A nicht mit C, d. i. mit der A 0 ------- 4({ D Mutter seiner ehemaligen Braut, eine Ehe schlieBen und umgekehrt; denn es liegt mit Riicksicht auf die eine vorhandene Zeugung der erste Grad der nachgebildeten Schwagerschaft vor. Wenn der 98. Trullanischen Kanon die Ehe der Verlobten mit einem anderen Manne als Ehebruch strafbar erklart, so muB einer umso strengeren kirchlichen Strafe eine Ehe unterliegen, welche die Fundamentai-Normen der Familien- und Gesellschaftsmoral verletzt. Nach dem erwahnten Rundschreiben der gedachten Synode kann die Braut keine Ehe mit dem Sohne ihres verstorA B C 6. ------ 0 4({ benen Brautigams schlieBen. Z. B. A war mit dem Witwer B verlobt, dessen Sohn D ist; stirbt nun der Brautigam B, so kann A mit D keine Oo Ehe schlieBen, wei! zwischen ihnen der erste Grad der nachgebildeten Schwagerschaft besteht. Endlich kann die Braut auch keine Ehe mit dem Bruder des verstorbenen Brautigams schlieBen. Z. B. A war mit B verlobt, dessen Bruder c D ist; stirbt B, so kann A mit D keine Ehe schlie.6en, wei! zwischen ihnen der zweite 0 Grad der nachgebildeten Schwagerschaft be~~ steht. Bei der nachgebildeten Schwagerschaft A 6.. : 0 D sind die Ehen im dritten Grade gestattet 4. B Der Grund dieses Ehehindernisses liegt einer-

Instit. I. 10, 2; Digest. XXIII. 2, 14. . 1. 4; Basilic. XXVIII. 5, 1. 2. Verschiedene diesbeziigliche Verordnungen der Patriarchal-Synode in Konstantinopel siehe bei X pta to Bo 6 1.. o o llpox. VOf!.t'ltov, asl... 188-189. Krm~ija, Kap. 48, Tit. 7, 10. ' Xptato8o61..oo1 asl... 189-193.
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

seits in der durch die Kirche angenommenen Gleichstellung des Verltlbnisses mit der Ehe a, und andererseits darin, da.B bei der Ehe das Augenmerk nicht bloB darauf zu lenken ist, was gestattet ist, sondern auch darauf, was sich ziemt, was ehrwUrdig und der Natur nach gerecht ist 6, . 194.

5) Die Adoption.
Durch die Adoption (u[o{)osas(a, adoptio) entsteht ebenfalls eine Art der Verwandtschaft, welche vop.t-x.'IJ ~ "1t),aap.att-x.'l) aonsvsw. (legalis vel ficta cognatio) genannt wird. Dieses VerwandtschaftsVerhaltnis wird zwischen dem Adoptivvater und dessen Verwandten einerseits, und dem Adoptivsohne und dessen Verwandten anderseits begrUndet. Der auf gesetzlichem Wege Adoptierte tritt zu dem Adoptivvater in dieselben verwandtschaftlichen Beziehungen, in welchen er zu seinen Blutsverwandten steht. Die Grenze dieser Verwandtschaft, sowie die Zahlung der Grade bei derselben sind der geistlichen Verwandtschaft analog 1. Die aus der Adoption entstehende Verwandtschaft hat im allgemeinen einen bilrgerlichen Charakter; denn sie entsteht durch einen Akt der weltlichen Behorde 2 Erhalt aber die Adoption die kirchliche Einsegnung, so wendet auch die Kirchengewalt dem durch die Adoption begrtindeten Verwandtschafts-Verhaltnisse ihre Aufmerksamkeit zu, und beurteilt den Adoptierten rUcksichtlich der Ehehindernisse wie einen leiblichen Abkommling des Adoptivvaters s.

. 195. 6) Relative Ehehindernisse, welche auBerhalb des Begriffes der Verwandtschaft liegen.
Au.Ber den Ehehindernissen, welche aus dem Begriffe der physischen, geistlichen oder juristischen Verwandtschaft entstehen, gibt es
Asi:v srvoo ot&: too 1t1Xp6vto; iJ.smtlap.!Xtoc; to ~p.at5pov 'X.pr.ito; &ocp!XAii><; &1tocp~v1XaiJ.1Xt 1 h10l\11X<; sTviXt 'X.t>plooc; p.v"fjote[IX; 'X.IXt &t5xyooc; 1a o a VIX p. o 6 o IX c; t cji 1 ci 11. q> 'X.!Xt&: tljv rij; auvoot'X.~<; hpt~o),oj[IX<; otcia'X.5']1w. Nov. Alexii Com1

neni a. 1084. 6 Basilic. XXVIII. 5, 6 (Cf. Digest. XXIII. 2, 42 pr.). Vergl. Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 140). . 194. 1 Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 136). 9 Die Vorschrift fiber das durch die Adoption begriindete Ehehindernis in Basilie. XXVIII. 5, 8; vergl. auch XXVIII. 4, 24. a Krmcija. 50. Kap., erwiihnte Ausg. II, 202. Nach dem Synodai-Rundschreiben fiir Oriechenland vom 6. Mli.rz 1873 erstreckt sich das Ehehindernis der Adoption, Cl'ltOtiX\1 IXDtlj t5A~t1Xl ot' [epOAO'(LIX<;, bis einschlieBiich des sechsten Grades der absteigenden Linie (X p t at o 1t o 6 ).. o u l:u)..)..or~, aaJ... 313).

, 195. 6) Relative Ebehin. welche auBerbalb d. Begriffes d. Verwandt. liegen.

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noch einige Ehehindernisse, welche auBerhalb des Begriffes der Verwandtschaft liegen, u. zw.: 1) Der Raub. Im kanonischen Rechte versteht man unter Raub (&p1tt1.rfJ, raptus) die gewaltsame oder listige Wegfiihrung einer weiblichen Person an einen Ort, an welchem sie sich in der Oewalt des Entfiihrers befindet. Die weltlichen und die ki_rchlichen Gesetze betrachteten den Raub als Verbrechen und stellten ihn in die Reihe der absoluten Ehehindernisse 1. Der 27. Kanon des IV. allgemeinen Konzils bestimmt ri!cksichtlich des Raubes, ,daB diejenigen, welche Frauen rauben, wenn es auch geschieht, urn sie zu heiraten, oder diejenigen, welche den Raubern helfen, wenn sie Geistliche sind, ihre Stelle verlieren, wenn aber Laien, dem Anathem verfatlen sotlen" 2. Basilius der GroBe bezeichnet die mit der geraubten Person geschlossene Ehe als Unzucht und bedroht jenen Ort mit der AusschlieBung aus der kirchlichen Gemeinschaft, welcher dem Entfiihrer Unterstand gewahrt s. Das griechisch-rl)mische Recht entschied hierin so strenge, daB es die Todesstrafe fiir diejenigen festsetzte, welche beim Raube ergriffen wurden. Die zwischen dem Entfilhrer und der Entfiihrten geschlossene Ehe wurde als ungiltig angesehen 4. Die gegenwartigen Gesetze betrachten den Raub als absolutes Ehehindernis a. 2) Der Ehebruch. Zum Unterschiede von der Unzucht (1topvat1.) wird als Ehebruch (tJ.OtX(rJ., adulterium) die fleischliche Vermischung einer verheirateten Person mit einer andern, welche nicht ihr Ehegatte
Vergl. Blastares. A, 13 (Ath. Synt. VI, 101-114). Vergl. 92. Trull. Kan. ; 67. Kan. Apost.; Anc. 11. Kan. 3 22. 25. 30. 38. 42. 53. Kanon und Kommentare Zonaras', Balsamons und des Archlm. ]ohann zu denselben. sowie zu den in der vorstehenden Anmerkung angefiibrten Kanones. Nomok. IX, 30 (Ath. Synt. I, 214-230). Siebe das Dekret der Synode von Konstantinopel vom 2. August 1701 (r e 8 s roy .1t1Xtli~eta. I. 83-87. Cf. I, 187-189). ' Cod. Tbeodos. IX. 24, t. 23; Cod. Justin. I. 3, 54. IX. 13, 1; Nov. 143 und 150; Basilic. LX. 58, 1 (aus dem Procbiron). Siebe auch die 35. Novelle Leo des Pbilosophen: ITepl 1.p1t1X"(~' wxl. ~[IX; "(llYIXt%6<; (Zachariae. Ill, 122-123). 5 Die Krmcija enthiilt die Bestimmung (aus dem Procbiron), daB die Entfiibrer, falls sie beim Raube Waffen beniitzen, ,mit dem Scbwerte gepeinigt werden sollen", und daB die Mitschuldigen ,geschlagen, ibnen die Haare gescboren und die Nasen verstiimmelt werden sollen"; verwendeten sie jedocb keine Waffen, ,so sollen sie mit dem Verluste der H!lnde bestraft", und die Mitscbuldigen ,sollen gescblagcn, ihnen die Haare gescboren und mit der Verbannung bestraft werden" (II, 164; vergl. aucb I, 104). Fiir 6sterreich . 56 des biirgerl. Gesetzbuches; fiir Serbien . 69 g. und . 76 des biirgerl. Gesetzbucbes; fiir Griechentand IIotYt'lto<; Y6(.L0<; 1 &p-3-p. 280. 333, und das Synodal-Rundschreiben vom 28. September 1848; fiir RujJland Art. 205, 1. des Konsistorial-Statuts vom Jahre 1883; fUr Bulgarlen Art. 202 des Exarcbal-Statuts vom jahre 1895. Details fiber dieses Ehebindemis bei Zhishman, Eberecbt, S. 561-578.
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ist, bezeichnet s. 1st der Ehebruch erwiesen, so bildet derselbe ein absolutes Ehehindernis fiir die schuldigen Personen, sobald die erste Ehe, sei es durch den Tod eines Ehegatten, sei es durch die erfolgte Trennung, aufgel5st wurde. Die Kanones, welche den Ehebruch als ein iiber der Unzucht stehendes Verbrechen betrachten, bedrohen denselben mit schweren Strafen 7. Derselbe Standpunkt wird auch vom griechisch-rllmischen .Rechte vertreten s. Die Kanones und das griechischrllmische Recht erkHiren den Ehebruch als Ehehindernis fur jene Personen, welche dieses Verbrechens iiberwiesen werden 9 Diese Bestimmung enthalten auch die gegenwartigen Oesetze in den einzelnen Staaten 10. 3) Die Aujreizung zur Ehetrennung. Die kirchlichen und die weltlichen Oesetze gestatten die Wiederverheiratung dem gesetzlich getrennten Ehegatten, ohne dessen Verschulden die Ehe getrennt wurde. Diejenige Person, mit welcher der getrennte Ehegatte eine eheliche Verbindung eingeht, darf an der Ehetrennung kein Verschulden treffen und letztere auch nicht durch Aufreizung veranla.Bt haben 11. Die Mitschuld an der Ehetrennung und die Veranlassung derselben durch Aufreizung wird als strafbar betrachtet und bildet an sich ein absolutes Ehehindernis far jene Person, welche die Ehetrennung in der Absicht veranla.Bte, urn mit dem getrennten Ehegatten eine Ehe zu schlieBen 12 , 4) Das Verhtiltnis des Kurators. OemaB der Stellung, welche der Kurator (1tl'tpo1to~, curator) den Pflegebefohlenen gegeniiber einnimmt, verbietet das griechisch-rllmische Recht die Ehe zwischen dem Kurator und seiner Pflegebefohlenen, sowie die Ehe zwischen dieser und dem Sohne oder dem Enkel des Kurators, wofern das vormundschaftliche
Siebe den Kommentar Balsamons zum 48. Kan. Apost. und zum 4. Kanon des Gregorius von Nyssa (Ath. Synt. II, 64. IV, 312); Blastares. M, 14: Ilepi f.LOtxsl~~ {lb. VI, 374-379). 7 48. 61. Kan. Apost.; 87. Trull. Kan. ; Anc. 20. Kan.; Neoc. 8. Kan. ; Karth. 102. Kan.; Basilius d. Gr. 5. 58. 77. Kan.; Gregorius v. Nyssa. 4. Kan. 8 Digest. XLVIII. 5, 11. 15, 5; Cod. Theodos. IX. 7, 3; Cod. Just. II. 4, 18. XI. 9, 30 (poena adulterii); Nov. 134. Kap. 10. 12; Basilic. VI. 19, 8. XI. 2, 35. XXVIII. 7, 1. LX. 37, 1 sq. 42, 13. 9 Nomokanon XI, l. XIII, 5 (Ath. Synt. I, 252-253, 301 ff.). Blastares erw!ihnte Stelle. Siebe in der Krmcija (aus dem Prochiron) Kap. 48, Tit. 7, 24. 39, 64, 79; (aus der Ecloga) Kap. 49 Tit. 16, 9. 16. 1 Fiir Osterreich . 67 des biirgerl. Gesetzbuches; fiir Serbien . 69 I. und . 81. des biirgerl. Gesetzbuches. 11 Laod. 1. Kan. und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. III, 172); Kommentar des Archim. johann zu demselben Kanon (1, 422-423). 12 Vergl. Blastares. f, 13 (Ath. Synt. VI, 275). Fiir Osterreich. , 119 de~ biirgerl. Gesetzbuches und Hofdekret vom 26. August 1814,
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. 195. 6) Relative Ehehin., welche au6erhalb d. Begriffes d. Verwandt. liegen.

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VerhlHtnis noch bestehPB. Im Sinne dieser Bestimmung verbietet auch die Kirche derartige Ehen. Die trotzdem geschlossenen Ehen werden als ungesetzlich erkUirt 14. 5) Die Verschiedenheit der Religion. Durch das im Begriffe der Ehe gelegene Moment, daB dieselbe die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in aHem dem bilden miisse, was sich auf den Glauben bezieht, ergibt sich von sich selbst, daB dort, wo diese Gemeinschaft des Glaubens nicht gegeben sein kann, auch keine Ehe bestehen konne; daB also die Verschiedenheit der Religion zweier Person, welche eine Ehe schlieBen wollen, ein Ehehindernis bilden miisse. Dies ist im absoluten Sinne dann zu verstehen, wenn es sich urn die Ehe zwischen einem christlichen und einem einer nichtchristlichen Religionsgesellschaft angeMrenden Teile handelt. Dagegen ist in Faiien, in welchen es sich urn die Ehe orthodoxer Christen mit andersglaubigen Christen handelt, der obige Grundsatz im relativen Sinne aufzufassen. Die auf solche Weise entstandenen sogenannten Mischehen werden im . 204 behandelt. Zu Beginn der Kirche gab es Ehen zwischen Christen und Nichtchristen. Dergleichen Verbindungen wurden von der Kirche zwar nicht gebilligt, aber doch geduldet, wei! die Hoffnung hestand, daB auf diesem Wege der nichtchristliche Teil sich zum Christentum bekehren werde 15. Als jedoch das Christentum zur Staatsreligion im griechisch-romischen Reiche erhoben wurde und sich die Befilrchtung geltend machte, daB die juden in ehelichen Verbindungen mit Christen zum Abfalle vom Christentume verfiihren konnten, wurde vom Kaiser Konstantinus im jahre 339 eine Konstitution erlassen, durch welche jede eheliche Verbindung mit juden unter Androhung der Todesstrafe verboten wurde 16, Diese Konstitution wurde spater in die Kanonen-Sammlungen der morgenlandischen Kirche aufgenommen und allgemein bindend n. Das Verbot der Ehen zwischen Christen und Nichtchristen ist auch dermalen in den einzelnen Staaten gesetzlich normiert ts.

Basilic. XXVlll. 5, 27. u. a. Nomok. Xlll, 2, (Ath. Synt. I, 277). Kommentar Balsamons zum 27. Kanon Basilius d. Gr. (lb. IV, 162); Blastares. B, 8: 1tept smtp61tot> "ltiZt &f7JAL"lt<OV (lb. VI, 139. 140). Vergl. . 216 des IJsterreichischen burgeri. Gesetzbuches. 1 ~ Siebe hieriiber das I. Sendschreiben Paulus' an die Korinther. 7, 12-14. 16. Beispiele von Ehen aus den ersten Zeiten der Kirche zwischen getauften und nicht getauften Personen bei Zhishman, Eherecht. S. 507-508. 1 Cod. Theod. XVI. 8. 6; Cod. Justin. I. 9, 6; Basilicor. I. 1, 38. 17 Nomok. XII, 13; Blastares. 1', 12 (Ath. Synt. I, 271, VI. 175). 18 Siebe fiir Osterretrll ~ 64 des allgem. biirgerl. Oesetzbuches ; fiir Serbien . 69 und . 93, 8r
11

18

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. 196.

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Die Wirkungen der Ehehindernisse.


Jede bei Vorhandensein eines gesetzlich normierten Ehehindernisses geschlossene Ehe wird im allgemeinen als eine ungesetzliche Ehe (O.&zap. o~ y&p.o~, nuptiae illegitimae) bezeichnet. Das kanonische Recht sondert die nicht gesetzmaBig geschlossenen Ehen (p:~ svv6p. m~ ytvop.svmv y&p. ov, quae legitime non contrahuntur) nach der dem romischen Rechte entnommenen Einteilung in: 1) verbotene (&&sp.ttot, incestae, illicitae), welche zwischen Blutsverwandten geschlossen werden; 2) gesetzwidrige (7tap&vop.ot, nefariae ), z. B. die Ehe des Vormundes mit einer seiner Obhut anvertrauten weiblichen Person, und 3) verponte (xat&Y..pt'tot, damnatae), z. B. die Ehe mit einer Nonne. Aile Ehen dieser Arten miissen nach den Kanones getrennt werden (ota7t&.a{)u.t, dirimendas) t. Die Trennung oder Ungiltigerklarung der bei Vorhandensein der betreffenden Ehehindernisse bereits geschlossenen Ehe ist eine absolute (&7toA6tw~), wenn es sich urn ein O.vatpc7t'ttxbv xcol.op.a handelt; liegt dagegen nur ein chayopzo'ttxbv xcol.op.a vor, dann ist die Ungiltigerklarung nur eine relative ( azz'ttXO)~), d. h. es wird die Ehe insolange getrennt, bis jenes Hindernis, welches im Augenblicke der EheschlieBung die GesetzmaBigkeit (. 187) derselben vereitelte, beseitigt wird. Die anatreptischen Hindernisse sind: 1) die gesetzlich bcstehende Ehe (. 188. I. 4); 2) die Schwangerung der Braut (. 188. I. 5); 3) die hohere Weihe (. 188. I. 6); 4) das Keuschheitsgeliibde (. 188. I. 7); 5) die vierte Ehe (. 188. I. 8) ; 6) die Blutsverwandtschaft bis einschlieBlich des vierten Grades im Sinne des 54. Trullanischen Kanon; 7) die Schwagerschaft bis einschlieB!ich des vierten Grades im Sinne desselben Trullanischen Kanon ; 8) die Schwagerschaft, die durch zwei verschiedene Ehen zwischen drei Familienkreisen gebildet wird, bis zum ersten Grade; 9) die geistliche Verwandtschaft bis einschlieBlich des zweiten Grades im Sinne des 53. Trullanischen Kanon; 10) der Ehebruch (. 195. 2); 11) das Verhaltnis des Kurators (. 195. 4). Eine Ehe, welche bei dem Bestande cines der jetzt angefilhrten Ehehindernisse geschlossen wurde, wird getrennt und filr nichtig erklart.
. 196.
I Blastares. r, 9 (Ath. Synt. VI, 165). Balsamons Kommentar zum 16. Kanan von Chalcedon und zum 27. Kanan Basilius d. Gr. (lb. II, 258 IV, 162). Kommentar zum 19. apost. Kanon im Pedalion: 'A1to 't'ou;; jtl.p.oo:; aXAot p.sv Aa"('OY't'!'lt !X{)- 8 f' t 't' 0 t, ocrot '(tYOY't''Xt fLS't'a OO'(IcYWY r) atpS't'tY.ow, ?J.),')..ot OS 7t r1. p ri y 0 fL f) t, M3oo:; sivat, o't'av M~'lJ ma;; st:; rovrxlM hslY1JY, "~:; o1tola:; b 7trx't'~p 't'05 Ecrta3~ y~mo{)-sy E1tt't'po7toc;, X'Xt li.A'Aot Xa 't' aXp t t 0 t, xrx3oo;; stvrxt, Ot'XY 't'tYa<; M~'lJ s1;; 'AovalM dJV &ftspwfLSY1JY s1:; 't'OY E>sov, xa'Aorr.~rx[rxv. (erwahnte Ausgabe S. 20).

. 196. Die Wirkungen der Ehehindernisse.

623

Diese Verfilgung wird von jener Obrigkeit getroffen, in deren Wirkungskreis die Eheangelegenheiten gehOren, u. zw. von amtswegen, sobald sie von dem Bestande einer solchen Ehe Kenntnis erlangt, oder tiber die von einem Ehegatten erstattete Anzeige 2 Das hiebei vorgeschriebene gerichtliche Verfahren ist dasselbe, welches filr die Ehestreitigkeiten im allgemeinen vorgeschrieben ist (. 147. II. III). Die Wirkungen der Nichtigkeits-ErkHirung der Ehe betreffen: a) die Personen, welche eine ungesetzliche Verbindung geschlossen haben; b) den Oeistlichen, der eine solche Verbindung eingesegnet hat; c) die in einer solchen Verbindung geborenen Kinder. Die Kanones und die weltlichen Oesetze verhangen tiber diejenigen Personen, welche eine ungesetzliche Verbindung geschlossen haben, bestimmte Strafen, deren Beschaffenheit von der Natur des betreffenden Hindernisses abhangt; hiebei wird jedoch darauf Rticksicht genommen, ob die betreffenden Personen mit Absicht gehandelt haben, ob sie ihren Fehltritt bereuen und denselben freiwillig bekennen ~. Der Oeistliche, welcher eine solche Ehe einsegnet, wird, wenn seine Schuld erwiesen, von seinem Kirchenamte enthoben und abgesetzt 4 Die in einer solchen Ehe geborenen Kinder werden als uneheliche ( civsrro~t 7tex.fass, illegitimi) betrachtet. Sie treten in kein Verwandtschafts-Verhaltnis zu den ehelichen
Nomokanon XIII, 2 (Ath. Synt. I. 277). Der ~. 94 des osterr. biirgerl. Oesetzbuches enthalt folgende Bestimmung: ,Die Ungiltigkeit einer Ehe, welcher eines der in den . 56, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 75 und 119 angefiihrten Hindernisse (Entfiihrung, Eheband, Weihe oder Oeliibe, Religionsverschiedenheit, Verwandtschaft, Schwagerschaft, Ehebruch, Oattenmord, Abgang der Einwilligung und Trennung) im Wege steht, ist von amtswegen zu untersuchen. In allen iibrigen Fallen muB das Ansuchen derjenigen, welche durch die mit einem Hindernisse geschlossene Ehe in ihren Rechten gekrankt worden sind, abgewartet werden". . 95 bestimmt ,Der Ehegatte, welcher den unterlaufenen Irrtum in der Person, oder die Furcht, in welche der andere Teil gesetzt worden ist; ferner der Oatte, welcher den Urnstand, daB er nach den . 49, 50, 51, 52 und 54 (Minderjahrige und Militar-Personen) fiir sich allein keine giltige Ehe schlieBen kann, verschwiegen, oder die ihm erforderliche Einwilligung talschlich vorgewendet hat, kann aus seiner eigenen widerrechtlichen Handlung, die Oiltigkeit der Ehe nicht bestreiten". . 96 verfiigt: ,Oberhaupt hat nur der schuldlose Teil das Recht zu verlangen, daB der Ehevertrag ungiltig erklart werde; er verliert aber dieses Recht, wenn er nach erlangter Kenntnis des Hindernisses die Ehe fortgesetzt hat". Siehe . 93 des serbisclwn biirgerl. Oesetzbuches; Art 187 u. 188 des montenegrinischen Konsist. Statuts vom Jahr 1904. 3 54. Trull. Kan.; Anc. 25. Kan.; Neoc. 2. Kan.; Basilius d. Or. 68. Kan. und die Kommentare zu diesen Kanones. Blastares 1', 9 13 (Ath. Synt. VI, 169. 177); Krmcija (aus dem Prochiron), Kap. 48, Tit. 39, 63. 73. Basilic. XXVIIII, 6, 1. XXX. 1, 5. LX. 37, 39. 76. 77. Timotheus v. Alex. 11. Kan.; Nikephorus Confess. 153. Kan. (Pitra, II, 341); 64. kanon. Antwort Balsamons (Ath. Synt. IV, 495); 53. Kanon des Nomokanon zum Euchologion,
2

624

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Kindem und bleiben vom Erbrechte ausgeschlossen 5 Ereignet es sich aber, da6 zwei Personen in Unkenntnis der kirchlichen Vorschriften eine Ehe schlossen, von deren Gesetzlichkeit sie sich irrtUmlich iiberzeugt hielten, so beurteilen die Kanones eine solche Ehe nachsichtiger, indem sie, wenngleich die als ungesetzltch erwiesene Ehe fiir nichtig erkllirt wird, weder fUr jene Personen, welche eine solche Ehe geschlossen haben, noch fiir die in einer solchen Verbindung geborenen Kinder aile erwahnten Wirkungen eintreten lassen. Dasselbe gilt auch von dem Priester, welcher in Unkenntnis eine ungesetzliche Ehe eingesegnet hat6. . 197.

Die Beseitigung der Ehehindernisse. Die anatreptischen Ehehindernisse k5nnen nicht beseitigt werden,
und die bei dem Bestande eines dieser Hindernisse geschlossene Ehe mu6 getrennt werden (. 196). Diese Hindernisse kOnnte nur jene Obrigkeit beseitigen, oder es k5nnte, urn die moderne Terminologie zu gebrauchen, die Dispensation von diesen Hindernissen nur jene Obrigkeit erteilen, also eine ungesetzlich geschlossene Ehe konvalidieren, welcher das Recht zustand, die betreffenden anatreptischen Hindernisse zu normieren. Dies ware das allgemeine Konzil oder jene Obrigkeit, welche dieses Konzil im regelmaBigen Lebt:n im allgemeinen zu vertreten hat. Nur unter auBergewohnlichen Verhaltnissen, wenn die kirchliche Ordnung bedroht ist, oder wenn einem gr5Beren Obel oder einem Argernisse vorgebeugt werden soli, gestatten die Kanones der bisch5flichen Synode der betreffenden Kirche gegen einzelne Personen eine mildere Auslegung der Gesetze walten zu lassen t. Beziiglich der apagoreutischen Ehehindernisse, welche nicht durch das Okumenische Konzil festgesetzt sind, sondern nachtraglich von der Kirchenbehorde als eine Erweiterung der fundamentalen Gesetze nach den Orts- und Zeitverhaltnissen normiert wurden, kann jeder Bischof in seinem Gebiete die Aufhebung zugestehen, von diesen Ehehindernissen die Dispensation erteilen und die EheschlieBung gestatten. lst die Ehe bereits geschlossen, so kann sie vom Bischof konvalidiert werden 2 Insoweit aber einzelne von diesen apagoreutischen Ehehin5
6

B/astares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 129). B/astares. I', 9 (Ath. Synt. VI, 168). Theophil. v. Alexandria 13. Kan.; Bas.

. 197.

d. Or. 27. Kan.; 26. Trull. Kanon und Kommentare zu diesen Kanones. 1 'Ea.v jtSYtOL jtSAA'Ij t'i'j )(.a,,'J-oJ-oo 0l)(.OYO(J.LI1 jt1t60t0Y saeo-&a.t tOOtO sagt Basil. d. Or. in seinem 1. Kan. Siehe das Sendschreiben des Patriarchen Sophronius von Konstantinopel vom August 1864 (I' eo e ro v, ata.ta,et,;. I, 408). 2 I. allgem. Konzil 12. Kan.; 102. Trull. Kanon; 2. 5. 7. 19. Kanon von Ancyra; Petrus von Alexandria 11. Kanon; Basil. d. Or. 2. Kanon; Oregorius von Nyssa 4. 5. 7. 8. Kanon und Kommentare zu diesen Kanones.

. 197. Die Beseitigung der Ehehindernisse.

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dernissen von der biirgerlichen Oesetzgebung festgesetzt sind, kann die weltliche Oewalt von diesen Ehehindernissen die Dispensation erteilen und die Ehe konvalidieren s. Die Dispensation oder Nachsicht von einem Ehehindernisse bildet fiir diejenige Person, welche einer solchen Nachsicht teilhaftig wird, einen Gnadenakt seitens der Kirche, fUr welchen sich die betreffende Person der Kirche gegeniiber besonders dankbar erweisen soil. Diese Dankbarkeit soli durch ein gutes, gottgefalliges Werk praktisch dargetan werden. In der Regel geschieht dies durch Oblationen fur die Kirche oder fiir eine wohltatige Vereinigung, je nach der VerfUgung der Kirchenobrigkeit, welche die Dispensation erteilt hat. Oegenwartig wird diese Verftigung in der Regel als Ehebu]Je bezeichnet. Die Dispensation von einem Ehehindernisse muB vor der Eheschlie6ung unmittelbar bei der kompetenten Obrigkeit nachgesucht werden; ausnahmsweise kann dies vom Pfarrgeistlichen besorgt werden. Die Dispensation kann nur bei Vorhandensein besonders wichtiger und gerechtfertigter Ortinde erteilt werden. Diese Griinde zu prUfen, ist Sache der kompetenten Obrigkeit, welche nach dem Ergebnisse dieser Priifung die Dispensation gewahren oder dieselbe verweigern kann. Wird die Ehe ohne Dispensation geschlossen, so unterliegt der betreffende Teil der Bestrafung, namentlich im Faile des Verschweigens eines Ehehindernisses, fiir welches die Dispensation erforderlich war' Die Dispensation kann nach geschlossener Ehe dann nachgesucht werden, wenn das betreffende Ehehindernis vor der Eheschlie6ung unbekannt war und erst nach der EheschlieBung entdeckt wurde. In einem solchen Falle ist die zustandige Obrigkeit in der Erteilung der Dispensation viel nachsichtiger, urn jedes Argernis zu verrneiden und urn das Ansehen der Familie innerhalb der Orenzen der gesetzlichen Mllglichkeit zu wahren. Sobald das betreffende Ehehindernis beseitigt ist, tritt die Konvalidation der Ehe ein. Die Konvalidation erfolgt entweder a) durch die Dispensation oder b) durch den Wegfall der Ehehindernisse. Ober die Dispensation wurde bereits gesprochen. Die zweite Art der Konvalidation erfolgt: 1) durch die nachtragliche Erlangung des gesetzlichen Alters ; 2) durch das spater behobene Unvermllgen zur Erfiillung der ehelichen Pflicht; 3) durch die nachtdlgliche Einwilligung jenes Teiles, welcher durch Zwang, Furcht oder Betrug bei der EheschlieBung beei.nfluBt wurde; 4) durch die nachtragliche Erlangung der zur Ehe3 Nomok. XIII, 2 (Ath. Synt. I, 277). Der . 83 des lJsterr. biirgerl. Gesetzbuches bestimmt: ,Aus wichtigen GrUnden kann die Nachsicht von Ehehindernissen bei der Landesstelle angesucht werden, welche nach Beschatlenheit der Umstande sich in das weitere Vernehmen zu setzen hat". ' Siebe Anm. 3 des . 196. Fiir Osterreich siehe . 507 des Strafgesetzbuches.

llllaJ, llrehenreohl.

40

626

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Einwilligung n6tigen Geisteskrafte ; 5) durch die nachtrilgliche Einwilligung der Gewalthaber; 6) durch die nachtrilgliche Annahme des Christentums seitens des nicht-christlichen Teiles. Die Konvalidation der Ehe wird von jener Obrigkeit ausgesprochen, welche im allgemeinen in Eheangelegenheiten kompetent ist. Die Erklilrung der Konvalidation muB in das Trauungsbuch eingetragen werden, von welchem Zeitpunkte ab, die friiher als ungesetzlich angesehene Ehe zu einer gesetzlichen wird.

IV. Die Wirkungen der Ehe.

. 198. Die Reohte und Pflichten der Ehegatten.


Die Rechte und Pflichten der Ehegatten sind vorerst durch den Zweck, zu welchem die Ehe von Gott eingesetzt wurde, und ferner durch die kirchlichen und weltlichen Gesetze vorgezeichnet. Die ausfiihrliche Darlegung dieser Rechte und Pflichten geh6rt in das Gebiet der Moraltheologie und in das System des Zivilrechts. lm Kirchenrechte genUgt eine allgemeine diesbeziigliche Erwahnung. Die Rechte und PflichtetJ. der Ehegatten sind entweder gegenseitige oder solche, welche die einzelnen Ehegatten betreffen. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten sind : 1) Die Erfiillung der ehelichen Pflicht. Seide Teile sind an dieselbe gebunden, gemiiB dem zweifachen Zwecke der Ehe, namlih der Befriedigung des Geschlechtstriebes und der Zeugung der Kinder. ,Der Mann leiste der Frau die eheliche Pflicht", gebietet das neue Testament, ,und ebenso auch die Frau dem Manne; die Frau hat kein freies Recht iiber ihren Leib, sondern der Mann, ebenso hat der Mann iiber seinen Leib kein freies Recht, sondern die Frau; entzieht euch einander nicht, es sei denn mit gegenseitiger Einwilligung auf einige Zeit" 1. jeder Teil ist von dieser Pflicht befreit, wenn ein Ehebruch vorliegt oder wenn die Prinzipien der Sittlichkeit verletzt werden 2 2) Die elleliche Treue. Die Ehegatten sind zu gegenseitiger Liebe und Hingebung, sowie zur Pflege alles dessen verpflichtet, was zur WUrde und zur Erhaltung des Eheverhaltnisses beitragt 3 Die eheliche Treue wird durch jede moralisch unzuUissige Handlung, insbesondere durch den Ehebruch, welcher den Frieden, die Ehre und Wiirde der Familie vernichtet, verletzt. 3) Die Sorge fiir die Kinder. Die Kinder sind die Frucht der Liebe der Eltern, sind Blut von ihrem Blute; daher verpflichtet sowohl das g6ttliche als auch das menschliche Recht die Eltern, fUr die physische, geistige,
. 198.
~
3
1 I. Kor. 7, 3-5. Vergl. den Nomokanon zum Euchologion. Kap. 183. Koloss. 3, 18. 19. und Parallelstellen. Nomok. Xlll. 30 (Ath. Synt. I, 330-331).

, 199. Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern.

627

moralische und religitlse Erziehung der Kinder zu sorgen und ihnen die notige Anleitung zu erteilen, damit sie imstande sind, sich den selbstandigen Lebensunterhalt zu sichern und niitzliche Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Die VernachUissigung dieser Pflichten durch die Eltern wird von den Kanones mit den strengsten Strafen geahndet. Der 15. Kanon der Synode von Oangra lautet: ,Wenn jemand seine Kinder verlliBt und sie nicht erzieht und soviel er vermag zur gebiihrenden FrOmmigkeit anleitet, sondern unter dem Vorwande der Frtlmmigkeit sie vernachllissigt, der sei Anathema" 4 Die Rechte und Pflichten, welche die einzelnen Ehegatten betreffen, sind: 1) Der Mann ist nach gOttlichem Rechte das Haupt der Familie5, Er hat die Familie zu leiten und sich hiebei des wohlmeinenden Rates zu bedienen ; daher hat er auch den Anspruch auf Achtung und Oehorsam der Familie; 2) die Frau ist nach demselben Rechte der untrennbare Genosse des Mannes, sie hat ihn zu unterstiitzen und seinen Anordnungen zu gehorchen 6 ; sie erhlilt den Namen und den Stand des Mannes und ist verpflichtet, demselben an seinen Aufenthaltsort zu folgen. . 199.

Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern.


Die zwischen Mann und Frau geschlossene Verbindung ist entweder eine gesetzliche oder eine ungesetzliche, je nachdem dieselbe den Charakter einer giltigen Ehe an sich tragt oder ihr dieser Charakter abgeht; daher k5nnen auch die in einer zwischen Mann und Frau geschlossenen Verbindung geborenen Kinder eheltche (v6p.tp.ot, jVfJatot, legitimi) oder uneheliche (ciVSjjt>Ot, illegitimi) sein. Die in einer als giltig anerkannten Ehe geborenen Kinder gelten als eheliche; sie tragen den Namen des Vaters und sind seine Erben. Als eheliche Kinder werden auch die in einer unerlaubten, jedoch 5ffentlich geschlossenen Ehe, sowie die in einer wegen eines Ehehindernisses als nichtig erkHirten Ehe geborenen Kinder betrachtet. Der Beweis fUr die eheliche Abstammung der Kinder erfolgt mittels des Traungsbuches. oder durch andere Zeugnisse. Wird ein Kind von den Eltern als ein eheliches anerkannt, so ist jede diesbeziigliche Einwendung belanglos. Derjenige, welcher die Abstammung eines Kindes bestreitet, muB seine Behauptung durch Beweise erhlirten. Der Ehemann wird als Vater eines Kindes angesehen, solange der Beweis nicht erbracht wird, daB er zur Zeit, in welcher die Zeugung des
' Vergl. den Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (1, 382-383). 5 I. Mos. 3, 16; I. Kor. 11, 3; I. Tim. 2, 12; Tit. 2, 5 u. a. 6 Ephes. 5, 22; I. Petr. 3, 1 u. a.

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IV. Tell. Das Leben der Kirche.

Kindes geschehen konnte, der Mutter desselben nicht beigewohnt habet. Die au.Ber der Ehe geborenen Kinder heiBen uneheliche. In den kirchenrechtlichen Quellen werden die unehelichen Kinder unterschieden in: tpoatxo (naturales), welche in Konkubinate geboren sind, und wo nachgewiesen werden kann, daB zu der Zeit, in welcher das betreffende Kind gezeugt oder geboren wurde, eine Ehe zwischen den Eltern moglich war; v6-&ot (spurii), d. i. jene, deren unehelicher Vater bekannt ist, und ax6ttot (tenebrosi), d. i. jene, deren Vater unbekannt ist 2 Sie stehen zu ihrem Erzeuger in keinem Rechtsverhaltnisse; dagegen fiihren sie den Namen der Mutter und stehen zu ihr in den namlichen Verhliltnissen, wie deren eheliche Kinder s ; sie haben jedoch das Recht, vom Vater die Alimentation und Erziehung zu fordern 4. Urn dem Argernisse Einhalt zu tun und gro.Bere Obel zu vermeiden, gestattet sowohl das kirchliche als auch das biirgerliche Recht die Legitimation der unehelichen Kinder 5, Die Legitimation, welche darin besteht, da.B die unehelichen Kinder als eheliche angesehen werden, erfolgt: a) von Rechtswegen (ipso jure) in Betreff der vor der Ehe erzeugten Kinder durch die nachfolgende gesetzliche Ehe. Die solcherart legitimierten Kinder werden den ehelichen Kindem gleichgestellt, nur k<:>nnen sie den in einer inzwischen bestandenen Ehe erzeugfen Kindem das Recht der Erstgeburt und andere bereits erworbene Rechte nicht streitig machen 6, Die in einer ungesetzlichen Ehe geborenen Kinder konnen nicht legitimiert werden, wei! die zwischen den Eltem bestehende Verbindung nie eine gesetzliche werden kann 1; b) durch Begilnstigung seitens des Landesjilrsten, namlich im Faile des Todes des Erzeugers, oder wenn der Eingehung der Ehe gewichtige Griinde entgegenstehen s. Den Eltern obliegen sowohl den ehelichen als auch den legiti. 199.
1 Basilic. VII. 8, 5. XLV. 1, 16. XLVI. 1, 9. Vergl. . 138 des iisterreichischen bUrgeri. Gesetzbuches und . 113 und 114 des serbischen bUrgerlichen Gesetzbuches. 2 Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 129). 3 Basilic. XLV. 2, 7; Nomok. XIII, 5 (Ath. Synt. I, 305); iisterreichisches burgeri. Gesetzbuch, . 155-165; serbisches burgeri. Gesetzbuch. . 128-130. ' Basilic. XXXII. 2, 4; iisterreichisches burgeri. Gesetzbuch, . 166; serbisches burgeri. Gesetzbuch, . 131. 5 Basilic. lib. XXXII. tit. 1 et 2; Basilius d. Gr. 26. Kanon und Kommentar Balsamons zum 1. Kanon von Laodicea (Ath. Synt. lll, 172). 6 . I60 und 161 des iisterreichischen burgeri. Gesetzbuches; . 134 und 135 des serbischen burgeri. Gesetzbuches. 7 Die aus der 18. und 89. Novelle justinians entlehnten, bereits erwlihnten Stellen der Basiliken. 8 74. Novelle justinians; . 162 des osterreichischen bUrgeri. Gesetzbuches.

. 200. Die Grundlehre iiber die Ehetrennung.

629

mierten Kindem gegenUber gesetzlich bestimmte Pflichten (. 198). Hiernach haben die Eltern die Kinder solange in ihrer Obhut zu behalten, bis sie eine selbstandige gesellschaftliche Stellung erlangen, dieselben in die richtigen Bahnen zu lenken, sie zum elterlichen Hause zurUckzuleiten, wenn sie dasselbe verlassen haben, ihr Vermogen zu verwalten und sie zur Wahl jener Berufsart zu bewegen, welche ihren Neigungen am besten entspricht. Diese Aufgaben sind den Eltern sowahl vom natiirlichen, als auch vom positiven kirchlichen und bUrgerlichen Rechte auferlegt 9, Dagegen ist es Pflicht der Kinder, den Eltern Oehorsam und Ehrerbietung zu erweisen und dieselben, wenn sie in Not geraten sind, zu unterstiitzen to. Der 16. Kanon der Synode von Oangra verhangt das Anathem i.iber jene Kinder, welche ihre gHiubigen Eltern verlassen und ihnen nicht die gebiihrende Ehre erweisen.

V. Die Ehetrennung.

. 200. Die Grundlehre iiber die Ehetrennung.


Eine der wichtigsten Folgerungen aus dem Begriffe der Ehe

(. 178) ist die Unauj!Osbarkeit derselben auf die Lebensdauer der


Ehegatten. Die Ehe muB aber auch den Momenten, welche in der Definition der Ehe im r5mischen Rechte enthalten sind, namlich dem physischen, ethischen und religios-juristischen, entsprechen. Die Unauflosbarkeit der Ehe hat die Kirche dadurch noch mehr befestigt daB, sie die Ehe als ein groBes Oeheimnis der menschlichen Natur betrachtet, welches durch das Christentum einen religiosen Charakter erhielt und zum Symbole der Vereinigung Christi mit der Kirche wurde. Die Unauf!!)sbarkeit der Ehe ist nach der Doktrin der orthodoxorientalischen Kirche eine der wesentlichen Eigenschaften der Ehe. ,Was Oott verbunden hat, das soli der Mensch nicht trennen", heiBt es in der heiligen Schrift 1. Daher kann die gesetzlich geschlossene Ehe nur durch den Tod, oder durch ein anderes Vorkommnis, welches f sozusagen die kirchliche Idee der Unauflosbarkeit der Ehe besiegt, die I moralische und religiose Grundlage derselben zerstort, und ein Tod in anderem Sinne ist, gelost werden. Der Tod allein, mag er ein na- \ tiirlicher, moralischer oder religioser sein, vermag also die eheliche \

8 Blastares, II, 15 (Ath. Synt. VI, 378); . 147-151 des osterreichischen burgeri. Gesetzbuches; . 121-127 des serbischen burgeri. Gesetzbuches. 10 V. Mos. 5, 16; Eph. 6, 2; Koloss. 3, 20; Krmcija, Kap. 49. Tit. 2, 5; . 152-154 des osterreichischen burgeri. Gesetzbuches; . 120 des serbischen biirgerl. Gesetzbuches. , 200. 1 Matth. 19, 6. Die dogmatische Doktrin der orthodox-orientalischen Kirche hieriiber bei Makarius, Dogmatische Theologie. . 237, 2.

630

IV. Tell. Das Leben der Kirche.

Verbindung zu losen, die Ehe zu trennen. Diese Doktrin der orthodoxorientalischen Kirche beruht sowohl auf dem von ihr festgehaltenen Begriffe der Ehe als Sakrament des neuen Testaments, und auf der Bedeutung der Ehe far die Familie, die Oesellschaft und die Religion, als auch auf der positiven Lehre des neuen Testaments 2 Allein durch die Ehetrennung, welche der bei den Ehegatten eingetretene moralische oder religiose Tod verursacht, oder, urn den Ausdruck des Evangeliums zu gebrauchen, durch die ,Scheidung von Mann und Frau", wird das ; Oebot, ,daB der Mensch das nicht trennen solle, was Oott vereint \ hat" ebensowenig verletzt, wie durch die beztigliche Handlung der kirchlich anerkannten gesetzgebenden Obrigkeit. Diese Trennung erfolgt ! vielmehr von sich selbst, sobald die eheliche Verbindung zerstort, die Orundlage der Ehe zwischen den Ehegatten geschwunden ist, der Zweck der ehelichen Verbindung nicht mehr erreicht werden kann, mit einem Worte, sobald die Ehe nicht mehr besteht. Die betreffende Obrigkeit trennt also die Ehe nicht, sondern stellt nur in gesetzlicher Form die Tatsache fest, das eine gesetzliche Ehe ihrer Orundlage verlustig wurde, sonach durch Oott selbst getrennt sei. Dieselbe Strenge, welche die orthodox-orientalische Kirche in ihrer Doktrin Uber die Unauflosbarkeit der Ehe und tiber die Wahrung ihrer Heiligkeit bekundet, zeigt dieselbe auch in der Entscheidung tiber die Frage, wann eine Ehe als getrennt anzusehen ist. Das Institut der Ehe ist ebenso alt als das Menschengeschlecht, und die Oesetze bezUglich der EheschlieBung und Ehetrennung wurden lange vor der Begrilndung des Christentums festgestellt. Als sodann die Kirche dem Institute der Ehe ihre Sorgfalt zuwandte, konnte sie dasselbe allerdings in einer bestimmten Richtung reformieren, nicht aber in seinen Orundlagen umandern ; sie vermochte nur moralisch auf die bestehenden Ehegesetze und auf die Beziehungen zwischen den Ehegatten einzuwirken. Der Verfall der Sittlichkeit im romischen sozialen Leben zur Zeit der Begr!indung des Christentums war die Ursache, daB die romischen bUrgerlichen Oesetze, welche die Ehe im allgemeinen und die Ehetrennung im besonderen betrafen, weit von jener moralischen Auffassung der Ehe abwichen, welche von Natur aus in das Herz des Menschen eingepflanzt war. Das repudium, namlich die Trennung der ehelichen Verbindung, war dem Willen der Ehegatten Uberlassen, welche sich dieses Mittels dann bedienten, wenn sie es aus personlichen GrUnden fUr zweckmaBig erachteten. Sobald die conjugalis affectio, welche die erste Bedingung zur Ehe bildete, aufhorte, war jeder Teil berechtigt, das repudium anzuwenden, und zwar in der Weise, daB beide Ehegatten im Einverstandnisse sich fiir die Ehetrennung entschieden, oder dadurch, daB der eine Teil dem
2

Matth. 5, 32. 19, 3. 9;

~om.

7, 2; I. Kor. 7, 15. 39.

. 200. Die Orundlehre fiber die Ehetrennung.

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andern das libellunz repudii sandte, wodurch allein schon die Ehe als getrennt angesehen wurde s. Das romische Recht jener Zeit hat dieser Sache geringe Aufmerksamkeit zugewendet, so daB dem freien Willen zur Ehetrennung keine gesetzlichen Hindernisse im Wege standen. Die einzigen Schranken in dieser Beziehung waren durch die personlichen moralischen Oefilhle der Ehegatten gezogen. Die sp~teren, zur Einschr~n kung der im groBen Umfange zunehmenden Ehetrennungen erlassenen Oesetze waren bei dem Verfalle der Sittlichkeit in der romisclien Oesellschalt wirkungslos. Die einseitige, d. h. die auf der Kilndigung eines Ehegatten beruhende Ehetrennung war im allgemeinen beseitigt ; dagegen hestand die auf der wechselseitigen Erkl~rung der Ehegatten, die Ehe nicht fortsetzen zu wollen, beruhende Trennung (divortiunz ex consensu), welcher der gesetzliche Schutz zuteil war, weiter fort 4. Nach der erfolgten Ann~herung zwischen Kirche und Staat war es eine Hauptaufgabe der ersteren, bei dem allgemeinen gesellschaftIichen Verfalle dem Ehe-Institute die ihm gebilhrende Stellung einzur~umen und durch Zusammenwirken der kirchlichen und staatlichen Oesetzgebung die Heiligkeit der Ehe zu sichern. Die erste Sorge der Kirche war darauf gerichtet, jenes Oesetz zu beseitigen, nach welchem den Ehegatten die Ehetrennung ex consensu behufs SchlieBung einer neuen Ehe freistand. Die gegen diese Art der Ehetrennung gerichtete kirchliche Doktrin hestand bereits in den ersten Zeiten der Kirche 5. Ein mehrere ]ahrhunderte wahrendes Bemilhen war jedoch erforderlich, bis es der Kirche gelang, auch die griechisch-romische bilrgerliche Oesetzgebung zu veranlassen, gegen diese Art der Trennung der Ehe Stellung zu nehmen. Einzelne Kaiser, bis justinianus, erlieBen wohl Normen fiber die Ehetrennungsgrilnde 6 , allein durch kein Oesetz wurde die auf dem wechselseitigen Einverstandnisse der Ehegatten beruhende Ehetrennung untersagt. Kaiser ]ustinianus stellte in den ersten Jahren seiner Re- l gierung den Orundsatz auf, daB die Ehe durch die Obereinkunft beider l Teile trennbar sei 7. Erst spater wurde durch zwei Novellen desselben Kaisers das divortiunz ex consensu abgeschafft und gleichzeitig festge- 1 setzt, daB die Ehe nur wegen bestimmter Ursachen, auf Grund eines / richterlichen Ausspruches aufgelost werden dilrfe 8 Einige Jahre spater 1 stellte Kaiser Justinus das alte Oesetz, nach welchem die Ehe durch ',
3 Vergl. M. Troplong, de I' influence du christianisme sur le droit civil de Romains (Paris 1868). p. 205-214. Cod. justin. V. 17, 9: ,Si constante matrimonio, communi consensu tam viri quam mulieris repudium sit missum . . . . . licebit mulieri non quinquennium expectare, sed post annum ad secundas nuptias convolare". ~ Vergl. Nomok. Xlll, 4 (Ath. Synt. I, 294). 6 Cod. Theodos. Ill. 16, 1. 2; Cod. justin. V. 17, 8. 9. 7 Nov. 22: de nuptiis. Kap. 3. 4. 8 Siebe Anm. 14 und 15 dieses Paragraphen.

632

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Obereinkunft ('xlx.-t&. aoV(X.tVeatv) getrennt werden konnte, wieder herl.l. Drei Jahrhunderte muBten noch verflieBen, ehe in der griechisch-romischen biirgerlichen Gesetzgebung die Anschauung der Kirche iiber die Ehetrennung endgiltig befestigt wurde to. Seit dem . IX. jarhundert konnte die Ehe nur aus bestimmten Grunden durch die kompetente Obrigkeit getrennt werden. Die Ehetrennung durch gegenseitige Obereinkunft war nur wegen einer gerechtfertigten Ursache (ei5A.oro~ (X.t'tt(X.) gestattet, wenn namlich die Ehegatten nach einem vollkommeneren Leben strebten, welches nach der kirchlichen Doktrin in klosterlicher Abgeschiedenheit bestand. Dank den Bemiihungen der Kirche hat die griechisch-romische Gesetzgebung die Griinde bestimmt, aus welchen eine Ehe getrennt werden kann. D~ T.od~~l~in,. mag dieser ein natiirlicher, moralischer oder religioser sein, vern1ag die eheliche Verbindung auJzulOsen. Mit Beziehung auf -die erwiihnte diesbeziigliche Lehre des Evangeliums erlieB die Kirche besondere kanonische Vorschriften iiber die Griinde, welche in ihren Wirkungen einer der genannten Arten des Todes gleichkommen u. Die Kirche, welche diese Grande fiir ihr Gebiet festsetzte, muBte dafiir sorgen, das dieselben mit Riicksicht auf den kirchlich-bilrgerlichen Charakter der Ehe auch von der bilrgerlichen Gesetzgebung angenommen werden. Constantinus der GroBe erlieB im jahre 331 einvernehmlich mit den Bischofen ein Gesetz, mit welchem die Ehetrennung im allgemeinen, mit Ausnahme des Falles des Ehebruches (adulterium) oder wegen sonstiger Verbrechen der Ehegatten, welche die Todesstrafe oder lebensUingliche Kerkerstrafe nach sich zogen, verboten wurde 12, Die folgenden Kaiser, bis Justinianus, erlieBen bald strengere und bald mild ere Oesetze iiber die Ehetrennung ts. Kaiser justinianus beseitigte in einer Novelle vom jahre 542 die bis dahin in dieser Beziehung bestandenen Schwankungen, indem er die Oriinde festsetzte, aus welchen eine gesetzliche Ehe aufgelOst werden diirfe t4, Die in dieser Novelle aufgenommenen Orilnde sind: a) Verbrechen, welche die Todesstrafe nach sich ziehen; b) Ereignisse, welche in ihren Wirkungen dem natiirlichen Tode gleichgehalten werden;
Nov. a. 566 (Zachariae. Ill, 6). Vergl. Nomok. XIII, 4 (Ath. Synt. I, 298-299). Prochiron. XI, 4 (Krmcija, Kap. 49, Tit. 11, 4). Basilic. XXVIll. 7, 6. 11 Siebe den folgenden Paragraphen. 12 Cod. Theodos. III. 16, 1. 13 Siebe das Gesetz des Kaisers julianus vom Jahre 363, der Kaiser Honorius, Theodosius II. und Constantinus vom Jahre 421, die Gesetze der Kaiser Theodosius II. und Valentinianus Ill. aus den jahren 439 und 449 und das Gesetz des Kaisers Anastasius vom jahre 497 (Cod. Theodos. III. 13, 2. 16, 2; Cod. Just. V 17, 8. 9). u Nov. 117, c. 8. 9. 12; Basillc. XXVID. 7, 1. 3. 5.
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. 200. Die Orundlehre fiber die Ehetrennung.

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c) der Ehebruch, oder eine Handlung, welche den Verdacht des Ehebruches erweckt ; d) der Mangel eines wesentlichen physischen Erfordernisses zur Ehe, und e) die Wahl des keuschen Lebenswandels seitens

eines Ehegatten. In der erwahnten Novelle Justinians sind diese Grunde eingehend besprochen und wird uber dieselben im folgenden Paragraphen gehandelt werden. Durch diese Novelle, sowie durch eine weitere aus dem Jahre 556, wurde bestimmt, daB keine Ehe aus anderen als aus den in diesen Novellen angefiihrten Grunden, und nur durch richterliches Urteil aufgelost werden durfe. Im entgegengesetzten Faile sollen der Mann oder die Frau lebenslanglich in ein Kloster verwiesen und ihre ganze Habe zwischen ihren Erben und dem Kloster geteilt werden ; uberdies sollen diejenigen, welche eine Ehe wider das Gesetz als getrennt erklaren, der korperlichen Zuchtigung unterworfen und zu schwerer Kerkerstrafe verurteilt werden 15. Da die Bestimmungen der Novelle Justinians vom Jahre 542 uber die Grunde der Ehetrennung mit den bezuglichen Normen des morgenlandischen Kirchenrechts vollkommen libereinstimmen, und da die Novelle selbst im Einvernehmen mit dem damaligen Patriarchen von Konstantinopel, Mennas (536-552), sowie uber dessen Bemuhungen veroffentlicht wurde, so ist derselben schon in der ersten Redaktion der fundamentalen Kanonen-Sammlung der morgenlandischen Kirche, namlich in dem Nomokanon in XIV Titeln 16, welcher, wie bereits hervorgehoben wurde;lm X~hrjl_ynd_~rt als allgemein bindende Sammlung fur die Gesamtkirche kundgemacht wurde, ein geblihrender Platz eingeraumt worden. Hiedurch erhielten die Bestimmungen dieser Novelle in der morgenHindischen Kirche formelle Bedeutung und wurden in allen Ehetrennungs-Prozessen fur die Kirche maBgebend 17. Die in der griechisch-romischen Gesetzgebung und in \ der Kirchenpraxis der spateren Jahrhunderte erwahnten weiteren Grunde fiir die Ehetrennung ruhren nur von einer ausgedehnteren Anwendung der Bestimmungen der gedachten Novelle Justinians her 18 Nach dieser
'" Nov. 134, cap. 11: poena injusti repudii. Basilic. XXVIII. 7, 6. 16 Nomok. XIII, 4 (Ath. Synt. I, 294-296). Dieselbe Stelle aus dem Nornakanan ist auch in der KrmCija iibersetzt (Kap. 44, Tit. 13, 4). Diese Novelle ist auszugsweise in dem Syntagma des B!astares. f, 13 (Ath. Synt. VI, 176-177) enthalten. 17 Die praktische Anwendung der Bestimmungen dieser Novelle geht aus der kategorischen Art der Erwiihnung derselben seitens der anerkannten Kanonisten der morgenliindischen Kirche hervor. Balsamon sagt in seinem Kommentare zum 5. apostolischen Kanon: Sit too !l-~ Mscr{}-cxt crfJ~J.spov ?J).),roq, 1troq, crovot'l!.EOtOY OtOYO"fl1tOt05Y, stp:YJ Ex tOW CXlttOOY tcoY ZY tfi p"fl&St01l Yetxp~ 1tepte:XO!J.EYroY (Ath. Synt. II, 8); ebenso Zonaras im Kommentare zum 87. Trull. Kan. (lb. II, 506) und Aristenus im Kommentare zum 9. Kanon Basilius d. Or. (lb. IV, 123). Siebe Krmcija (erwiihnte Ausgabe. I, 229). 1s Vergl. Ecloga II, 13; Prochiron. Tit. XI; 31. Novelle des Kaisers Leo des Philosophen (Zachariae. Ill, 115-116); ~1jp.slrop.a des Kaisers Isaak Angelus vom jahre 1187 (Ath. Synt. V, 321-323).

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Novelle und nach den in den Kirchenrechtsquellen fiber die Ehetrennung enthaltenen Daten wurden die gegenwartigen im morgenlandischen Kirchenrechte bestehenden Ehetrennungsgriinde bestimmt 19.

. 201.
Die Ehetrennungsgriinde.

Nach dem Wesen und dem Inhalte der EhetrennungsgrUnde werden dieselben in solche, welche Strafen fUr jenen Ehegatten nach sich ziehen, durch dessen Verschulden die Trennung der Ehe erfolgte, und in solche, bei welchen keinen der heiden Teile eine Strafe trifft, eingeteilt 1. Strafen ziehen jene EhetrennungsgrUnde nach sich, mit welchen eine Verletzung der die Ehe betreffenden Gesetze verbunden ist. Liegt eine solche Verletzung nicht vor, so kann von einer Bestrafung nicht die Rede sein. Die Ehetrennungsgrtinde wurden teils von der Kirche, teils vom Staate festgesetzt. Im morgenlandischen Kirchenrechte haben die ersteren schon an sich einen positiven Charakter; von den letzteren gelten diejenigen, welche in die fundamentale Kanonen-Sammlung der morgenlandischen Kirche, namlich in den Nomokanon in XIV Titeln, aufgenommen wurden. Sobald in dieser Sammlung ein staatlicherseits festgesetzter Ehetrennungsgrund nicht aufgenommen erscheint, hat derselbe fUr das Kirchenrecht keine Giltigkeit und kann auf Grund desselben eine kanonisch giltige Ehetrennung nicht vorgenommen werden. Wurde dagegen ein staatlicherseits bestimmter Ehetrennungsgrund in die erwahnte Sammlung aufgenommen, so erlangte derselbe kanonischen Charakter und kann auf Grund derselben eine kanonisch giltige Ehetrennung
Dieselben sind namentlich im Nomokanon XIII, 4 (Ath. Synt. I, 294-301) und bei Blastares Syntagma f, 13: b t!itJ-O; Ex. 'ltolwi rlttui.lv M~trlt (lb. VI, 175-179) aufgezilhlt (eben so im Jateinischen Texte: in Beveregii, Sinodikon. II, pag. 73-75, und in Leunclavii, jus graeco-romanum. I, 507-510). Siebe die Kap. 44, 48 und 49 der Krmcija. O'ber die Ehetrennungsgriinde nach der heutigen blirgerlichen Gesetzgebung siehe fiir 6sterreich . 115 des allgem. biirgerl. Gesetzbuches; fiir Serbien . 94-97 des burgeri. Gesetzbuches; fiir Ruj/land Svod. zak. Tom. X, I. Teil, Art. 37-56; fiir Rumiinien Buch I. tit. V. Art. 211-215 des biirgerl, Gesetzbuches; fiir Oriechenlalld die Hexabiblos des Harmenopulos IV. 15, 2. 4. 6. 7. 1t. 13. 14; fiir Bulgarien Art 187, 1-10 des Exarchal Statuts vom Jahre 1895. und das Gesetz vom 21. Marz 1897. Art. 187-191; fiir Montenegro Art. 215-221 des Konsistorial Statuts vom Jahre 190t . 201. 1 Diese Einteilung beruht auf der 117. Novelle Justinians, und werden nach derselben auch die Ehetrennungsgrilnde bei Zhislunan, Eherecht. S. 119. 731-783, angefiihrt. ]. Hadschidls (De causis matrimonium dis3ociantibus) beobachtet folgende Einteilung: A. Mors, u. zw. I. mors naturalis: t) certa, 2) praesumpta; II. mors civilis. B. Fornicatio s. adulterium: 1) certum, 2) praesumptum (pag. 9-19). Th. Mandics (De causis connubium discindentibus) fiihrt als Trennungsgriinde an: den Tod, die Unzucht und den Abfall vom Glauben, welche ,stride canonici matrimonii dissovendi modi" sind (S. 25).
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, 201. Die Ehetrennungsgriinde.

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stattfinden. Im Nachstehenden sollen die EhetrenungsgrOnde der Reihe nach angefilhrt werden, u. zw. a) die von der Kirche festgesetzten und in den kanonischen Quell en begrUndeten ; b) die vom Staate bestimmten und von der Kirche angenommenen, und endlich c) die in den Zivilrechtsquellcn enthaltenen, von der Kirche weder materiel! noch formell angenommenen Ehetrennungsgri.inde. I. Die kanonischen Ehetrennungsgrilnde: 1) Der Ehebruch ist die Verletzung der ehelichen Treue durch den Ehegatten oder die Ehegattin. Dieser Grund fi.ir die Ehetrennung beruht auf dem gottlichen Rechte 2, in welch em auch die kanonischen Vorschriften, welche den Ehebruch als wichtigsten Grund fUr die Ehetrennung bezeichnen, begriindet sind a. Obereinstimmend mit den Kanones wird sowohl von den alten als auch von den neuen biirgerlichen Gesetzen der Ehebruch unter den ersten GrUnden fOr die. Ehetrennung angefOhrt 4 GemaB der erhabenen Auffassung der Kirche von dem Zwecke der Ehe, und mit ROcksicht auf das schwere Delikt, welches die Kirche im Ehebruche, den sie bezOglich der Strafe dem Morde gleichstellt, erblickt, hat sie auch jene vom griechisch-romischen Rechte erwahnten Faile, welche einen Ehebruch vermuten lassen und den Zweck der Ehe, sowie die Grundlage der ehelichen Verbindung zwischen den Ehegatten vernichten, als gerechtfertigte GrOnde fOr die Ehetrennung angenommen. Neben den vollzogenen und bewiesenen Ehebruch werden noch folgende, den Ehebruch begleitende Umstande als Ehetrennungsgri.inde angesehen: a) Gegen den Bestand der Ehe gerichtete lebensgefahrliche Nachstellungen des einen Ehegatten gegen den andern. In diesem Falle steht es dem unschuldigen Teile zu, die Ehetrennung anzusuchen. Der Ehegatte kann die Ehetrennung anstreben, wenn b) die Ehegattin sich der absichtlichen Abtreibung der Leibesfrucht schuldig macht und dadurch den Ehezweck verhindert; c) dieselbe in verbrecherischer Absicht den Gastmahlern fremder Manner beiwohnt; d) sie sich ohne cine gerechte Ursache und ohne Zustimmung des Mannes durch Nachte in fremden Hausern aufhalt, oder e) ohne Willen des Mannes anstandswidrige Unterhaltungsorte besucht. FOr die Ehegattin liegt der Grund die Ehetrennung zu verlangen vor, wenn : f) der Mann sie an andere Manner zu verkuppeln sucht; g) derselbe sie offentlich und ungerecht des Ehebruches anklagt; h) er offentlich oder geheim in seinem oder in einem anderen Hause mit einer anderen Frauensperson unerlaubten Umgang pflegt 5,
Matth. 19, 9. Vergl. Matth. 5, 32. Die einschlligigen Kanones im Nomok. XIII, 4 (Ath. Synt. I, 295) und bei Blastares. I', 13 (lb. VI, 176). ' Siehe Anm. 19. . 200 dieses Buches. ~ Nomokanon IX, 25. XIII, 4. 10 (Ath. Synt. I, 193, 295 312).
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636

IV. Tell. Das Leben der Klrche.

2) Der Abja/1 eines Ehegatten vom Christentum. Dieser Ehetrennungsgrund beruht auf gottlichem Rechte 6 Auf Grund dieses Rechtes bezeichnen auch die Kanones den Abfall vom Christentum als Ehetrennungsgrund 7. Die moderne bUrgerliche Gesetzgebung fUhrt diesen Grund fiir die Ehetrennung gleichfalls an s. 3) Die Hebung des eigenen Kindes aus der Taufe. Nach dem 53. Trullanischen Kanan ist die Ehe des Paten mit der verwitweten Mutter des Tauflings verboten (. 192). Die trotzdem geschlossene Ehe wird aufgehoben. Diese Bestimmung gab den AnlaB, daB Vater oder MUtter, urn einen gesetzlichen Grund filr die gewUnschte Ehetrennung zu find en, bei ihren eigenen Kind ern die Patenstelle einnahmen; sie erreichten auch ihren Zweck ohne Gefahr der Bestrafung. Urn diesem MiBbrauche zu begegnen, wurde in Obereinstimmung mit dem erwahnten Trullanischen Kanan im VIII. jahrhundert eine Novelle erlassen, in der eine solche Handlung als Ehetrennungsgrund ancrkannt und fUr den schuldigen Teil eine empfindliche Bestrafung, sowie das Verbot der Wiederverheiratung angeordnet wurde 9 4) Der Empjang der Bischofswilrde. Dieser Ehetrennungsgrund wird von dem 12. und 48. Trullanischen Kanan erwahnt. Nach der Vorschrift des 48. Trullanischen Kanan kann der zum bischoflichen Kirchenamte berufene Ehegatte die Ehetrennung fordern, wenn die Ehegattin hiemit einverstanden ist. In diesem Faile muB sich die letztere in ein von dem Bischofssitze entfernt gelegenes Kloster zurtickziehen; dem Bischof aber obliegt die Pflicht, der getrennten Ehegattin den notigen Lebensunterhalt zu verschaffen to. 5) Der Eintritt in den MIJnchsstand seitens eines Ehegatten. Auf Grund des 48. Trullanischen Kanan wurde bestimmt, daB auch dies als Ehetrennungsgrund angesehen werden konne; es ist jedoch erforderlich, daB der andere Ehegatte seine Einwilligung hiezu gegeben habe tt. II. Die Ehetrennungsgriinde, welche durch die bUrgerliche Gesetzgebung festgesetzt und von der Kirche als solche anerkannt sind: 1) Der Hochverrat. Der Hochverrat wurde von der weltlichen Obrigkeit im griechisch-romischen Reiche unter den EhetrennungsI. Kor. 7, 2-15. 72. Trull. Kan. und Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (II, 463-467). Nomok. I, 10 (Ath. Synt. I, 51); Blastares. f. 13 (lb. VI, 174). 8 . 94. 4 des serbischen biirgerlichen Gesetzbuches; Art. 215, 2 des Konsist. Statuts fiir Montenegro. u Vergl. Blastares. B, 8 (Ath. Synt. VI, 139) und 15. kanonische Antwort des Petrus Charlophylax (lb. V, 371). 10 Siebe die Kommentare Balsamons und Zonaras' zum 48. Trull. Kanon (Ath. Synt. II, 419-423). Vergl. Nomok.I, 23. XI, 8 (lb. I, 59. 258); Blastares. f, 17 (lb. VI, 190-191). 11 Nomok. XI, 1. XW, 4 (lb. I, 251. 297). Vergl hieriiber die 3. kanon. Antwort des johannes von Citrus (Ath. Synt V, 405).
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. 201. Die Ehetrennungsgriinde.

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grUnden als der erste hingestellt. Die Kirche hat den Hochverrat wegen der Schwere des Verbrechens und wegen der besonderen Strafbarkeit als Ehetrennungsgrund anerkannt 12 2) Die Verschollenheit des Ehemannes. 1st der Ehemmann verschollen, so steht der Frau das Recht zu, nach Ablauf der gesetzlichen Prist urn die Ehetrennung zum Zwecke der Wiederverheiratung anzusuchen. Dasselbe gilt auch fUr den Fall, wenn ein Ehegatte den andern boshaft verlassen hat 13 Die Kanones gestatten der Ehegattin die Wiederverheiratung nur dann, wenn der Beweis erbracht ist, daB der Mann gestorben sei 14. 3) Der Mangel der Leistuug der ehelichen Pjlicht. Die Ehetrennung ist in diesem Faile erst dann zulassig, wenn der Ehegatte von dem Zeitpunkte der EheschlieBung durch drei Jahre seine eheliche Pflicht zu leisten nicht vermochte t5. III. Die EhetrennugsgrUnde, welche durch die bilrgerliche Gesetzgebung normiert, von der Kirche jedoch nicht anerkannt sind: 1) Der Wahnsinn wird von dem griechisch-romischen Rechte als Ehetrennungsursache bezeichnet; derselbe bildet jedoch nach dem kanonischen Rechte der morgenUindischen Kirche keinen Auflosungsgrund 16 2) Der Aussatz (A.ffi~"f], lepra) wird nur in der Ecloga des Kaisers Leo des lsauriers als Ehetrennungsursache bezeichnet; in das kanonische Recht der morgenlandischen Kirche wurde diese Trennungsursache nicht aufgenommen 11. 3) Die Verurteilung zu einer mehrjiihrigen Kerkerstraje wegen eines begangenen Verbrechens. Dieser Ehetrennungsgrund ist durch die neuere bUrgerliche Gesetzgebung bestimmt, welche dem unschuldigen Teile gestattet, urn die Ehetrennung anzusuchen ts. 4. Die uniiberwindliche Abneigung. Die uniiberwindliche Abneigung wird als ein fUr die Angehorigen der orthodox-orientalischen Kirche geltender Ehetrennungsgrund in dem osterreichischen biirgerlichen Gesetzbuche vom Jahre 1811 und im rumanischen bilrgerlichen GesetzNomok. XIII, 4 (lb. I, 295). Nov. 117, c. 11; Basilic. XXVIIII. 7, 3. LX. 37, 13; Nomok. XIII, 3 (Ath. Synt. I, 293); Blastares. f, 5 (Ath. Synt. VI, 162). u 31. und 36. Kanon Basilius d. Gr.; 93. Trull. Kan. und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. II, 523-527). u Nov. 22, c. 6; Nov. 117, c. 12; Basilic. XXVIII. 7, 4; Nomok. XIII, 4 (Ath. Synt. I, 296). 16 Vergl. 15. kanonische Antwort des Timotheus v. Alex. und Nomok. XIII, 30 (Ath. Synt. I, 330). 17 Ecloga. II, 13. Vergl. Krmcija. Kap. 49, Tit. 2, 9 (erwahnte Ausgabe. II, 179). 18 . 115 des (Jsterreichischen bi.irgerl. Gesetzbuches; . 213 des rumt'inischen biirgerl. Gesetzbuches; . 94, 3 des serbischen bUrgeri. Gesetzbuches; Art. 45, Tom. X, der russischen Gesetzsammlung.
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

buche vom Jahre 1864 angefllhrt 19 Diese Ehetrennungsursache kennen jedoch weder das kanonische Recht der orthodox-orientalischen Kirche,
19 . 115 des osterreichischen biirgerl. Gesetzbuches und . 214 des rumiinischen biirgerl. Gesetzbuches. Dieser Ehetrennungsgrund wurde aus dem Ehepatente des Kaisers Joseph II. (vom 6. Mlirz 1786), welches im . 57. das odium capitate inter conjuges als Ehetrennungsgrund fiir die Protestanten erwlihnt, in das osterreichische biirgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Als hierauf mit dem Hofkanz1eidekrete vom 20. November 1820 bestimmt wurde, daB die Anordnung des . 115 des biirgerl. Gesetzbuches auch fiir Eben der ,nicht-unierten" Griechen in Osterreich zu gelten babe, wurde angenommen, daB dieser fiir die Protestanten bestehende Ehetrennungsgrund (odium capitale) auch fiir Angehorige der orthodox-orientalischen Kirche gelte. Demgemli6 wurde in Ehetrennungs-Prozessen vorgegangen. Hll.tte man jedoch dem wahren Sinne der zu Beginn des erwahnten . 115 angefiihrten Worte .gestattet das Gesetz nach ihren Religionsbegriffen" die notige Aufmerksamkeit gewidmet und diesen nicht wie Th. Dolliner (Ober die Aufllosbarkeit der Ehe zwischen nicht-katholischen christlichen Religionsverwandten, besonders zwischen nicht-unierten Griechen, zur Erlauterung des . 115 des allgem. biirgerl. Gesetzbuches [.Materialien fiir Gesetzkunde und Rechtspftege in den 6sterreichischen Staaten" von Dr. Karl Joseph Pratobevera. Wien 1821, Bd. V, S. 10-15]) die Bedeutung ,weil es den Religionsbegriffen ihrer Kirche gemaB ist" beigelegt, sondern dieselben nach ihrem wahren Sinne ,insojern es den Religionsbegriffen ihren Kirche gemliB ist" aufgefaBt, wie dies von Th. Pachmann (Lehrbuch des Kirchenrechts. Ill. Auflage. 1865. Bd. II, S. 406-408) nachgewiesen wird, so ware man nie zu der Behauptung gelangt, daB ,die uniiberwindliche Abneigung zwischen den Ehegatten" von dem kanonischen Rechte der morgenlandischen Kirche als Grund fiir die Ehetrennung angesehen wird. Die Richtigkeit letzterer Behauptung wollte zum Beispiele Kuzmany (Eherecht. S. 474) auf wissenschaftlichem Wege durch die unbegriindete Angabe nachweisen, daB dieser Ehetrennungsgrund im Nomokanon in XIV Titeln erwlihnt werde. Siebe meine neueste Abhandlung ,Die uniiberwindliche Abneigung als Ehetrennungsgrund nach dem osterr. biirg. Gesetzbuche". Wien, 1905. Erst in neuerer Zeit begannen die Zivilgerichte in Osterreich die Eben der orthodox-orientalischen Christen wegen uniiberwindlicher Abneigung zu trennen, wie es scheint deshalb, wei! sie wuBten, daB dies mit dem orthodoxen Kirchenrechte in Widerspruch steht. Wenn nunmehr diese Gerichte in der Trennung der Eben aus dem erwl!.hnten Grunde nachgiebiger geworden sind, so geschieht dies deshalb, wei! der Wiener Oberste Gerichtshof einen seltsamen, geradezu unbegreiflichen Standpunkt in Ehetrennungsfragen der Nichtkatholiken im Staate eingenommen hat, und von diesem seinem Standpunkte auch den Text des . 115 a. b. G. B., in welchem die uniiberwindliche Abneigung als Ehetrennungsgrund angefiihrt erscheint, auf eine sonderbare Weise interpretiert. In dieser Beziehung ist der Oberste Gerichtshof schon soweit gegangen, daB er im Monate Mai 1905 im Plenarsenate eine Entscheidung desselben Oerichtshofes vom 6. Dezember 1904, Z. 18088, deren Eintragung in das Judikatenbuch beschlossen, und in welcher ausgesprochen war, daB uniiberwindliche Abneigung nur dann Trennungsgrund im Sinne des . 115 a. b. G. B. ist, wenn sie beiderseitig ist, und daB das Gericht, bevor es einem solchen Trennungsbegehren stattgibt, vorher eine vorUlufige Scheidung von Tisch und Bett obligatorisch vorschreiben miisse, aufgehoben hat. Es wurde nlimlich bei der Beratung tiber einen im Revisionszuge vorgelegten Rechtsfall wegen Trennung einer Ehe zwischen orthodox-orientalischen Christen aus uniiberwindlicher Abneigung, in einem vom Prlisidium des Obersten Gerichtshofes einberufenen Plenarsenate. (aus fiinfzehn Mitgliedern) beschlossen

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. 201. Die EhetrennungsgrUnde.

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noch die Ubrigen bllrgerlichen Gesetzbiicher, welche die Ehetrennungsgriinde filr Angehi:>rige derselben Kirche behandeln 20. Soli wegen eines von dem Kirchenrechte der orthodox-orientalischen Kirche anerkannten Ehetrennungsgrundes die Trennung einer Ehe ausgesprochen werden, so ist sowohl nach den kirchlichen als nach den bllrgerlichen Gesetzen das beziigliche Verfahren mit Vorsicht durchzufiihren und das richterliche Urteil nicht zu Ubereilen, sondern es sind aile Umstande genau zu prilfen und die Versohnung, sowie der friedliche Ausgleich zwischen den Ehegatten wiederholt zu versuchen. Es kann sonach erst dann, wenn aile Versuche zu einer Wiedervereinigung der Ehegatten fruchtlos geblieben sind und ein gerechtfertiper Ehetrennungsgrund vorliegt, das richterliche Urteil geHillt werden. Ober das diesbeziigliche gerichtliche Verfahren wurde bereits gehandelt (. 147, II. III.).

(PienissimarbeschluB von 2. Mai 1905, Z. 2591), die vorerwlihnte im judikatenbuch eingetragene Entscheidung zu beseitigen und die Eintragung folgender Rechtsslitze in dasselbe Buch verfiigt: a) ,Fiir den Trennungsgrund der uniiberwindlichen Abneigung nach . 115 a. b. G. B. ist nicht erforderlich, daB die Abneigung eine beiderseitige ist. b) Zur Bewilligung der Ehetrennung wegen uniiberwindlicher Abneigung ist der im . 115 a. b. G. B. vorgesehene Versuch einer vorlliufigen Scheidung von Tisch und Bett nicht obligatorisch". Diese, vom Plenarsenate des Obersten Gerichtshofes geflillte Entscheidung ist nunmehr fiir aile kiinftige Zeiten in Fragen der Trennung wegen uniiberwindlicher Abneigung der zwischen den orthodox-orientalischen Christen geschlossenen Ehen, in Osterreich verbindlich, und ist hiedurch der endlose Weg den Ehetrennungen auch ohne jeden sachlichen Grund eroffnet worden. Wir haben diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ihrer Se1tsamkeit wegen verzeichnet, und bedauern nur, daB dieses Gericht so wenig das Kirchenrecht der morgenllindischen Kirche beriicksichtigt. Wir haben dieselbe aber auch als unicum dieser Art verzeichnet, denn in keinem europliischen Staate sind lihnliche Rechtsslitze zu finden.
'All.atliAAIX'l!.'t0\1 p.tao<; (uniiberwindliche Abneigung) wird als Ehetrennungsgrund in einer Entscheidung der Synode von Konstantinopel im Monate Dezember des jahres 1315 erwlihnt (Acta Patr. Const. I, 28-29). Diese Synodai-Entscheidung bezeichnet Zhishman (Eherecht. S. 788, Anm. 2) ganz zutreffend als ,durch keine kanonische Satzung gerechtfertigt". ]. Hadschits hat in seiner bereits erwlihnten Abhandlung (S. 39) das odium implacabile als eine Ehetrennungsursache juxta disciplinam orthodoxae ecclesiae orientalis sicherlich mit Riicksicht darauf angefiihrt, wei! auf Grund des . 115 des i.isterreichischen biirgerl. Gesetzbuches in der Metropolie von Kar1owitz sich die Praxis ausgebildet hat, Ehen auch wegen dieser Ursache zu trennen, nicht aber deshalb, wei! dieser Trennungsgrund durch die disciplina orthodoxae ecclesiae vorgeschrieben ist.
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

. 202. Die Rechtswirkungen der Ehetrennung.


Die Rechtswirkungen der Ehetrennung beziehen sich einerseits auf die getrennten Ehegatten selbst, und andererseits auf die in der Ehe erzeugten Kinder. Die Trennung lost in jeder Beziehung die eheliche Verbindung und versetzt die Ehegatten in jenes Verhaltnis, in welchem sie sich vor der EheschlieBung befanden. Die vermogensrechtlichen Angelegenheiten werden in den orientalischen Patriarchaten von der zust1indigen kirchlichen Obrigkeit, in den iibrigen autokephalen Kirchen von der staatlichen Obrigkeit im Sinne der bezilglichen Vorschriften geregeltl. Nach der ausgesprochenen Ehetrennung horen die wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten auf; sie sind daher in der Lage, eine neue Ehe zu schlieBen 2. In dieser Beziehung wird von der kompetenten Obrigkeit entschieden und hiebei auf die Beschaffenheit des Ehetrennungsgrundes, sowie darauf Bedacht genommen, welchen Teil das Verschulden trifft. Nach der 22. Novelle justinians wurde dem schuldigen Teile die Eingehung einer neuen Ehe erst dann gestattet, wenn nach erfolgter Ehetrennung fUnf jahre verflossen waren. Diese Bestimmung wurde auch in der kirchlichen Praxis angewendet, wobei jedoch auch die kanonischen Vorschriften ilber die BuBzeit, welche gewisse Ehetrennungsgrilnde nach sich ziehen, berilcksichtigt werden. Erst nach Ablauf dieser Zeit, und wenn angenommen werden kann, daB der betreffende Teil seine Schuld abgebiiBt habe, wird ihm die Wieder. 202.
I . 1264-1266 des iJsterreichischen bUrgeri. Oesetzbuches. Fiir die altere Zeit Zhishman, Eherecht, S. 792-795, und Zachariae, Oeschichte des griechischromischen Rechts, S. 64 u. ff. 2 In Serbien gestattet der . 102 des bUrgeri. Oesetzbuches ,die Scheidung vom gemeinsamen Leben" als ObergangsmaBregel vor der Kundmachung der Trennung. Auch der . 11 des Synodal-Statuts in Griechenland gestattet 'tOY &1to 'tp!XdC'tJC: Mt 'ltOt't'tjc; xwptilf!.OY (separatio quoad mensam et thorum). Dies ist auch im Patriarchate von Konstantinopel nach den . 512-517 der neuen Oerichtsinstruktion (68'tj"(t!Xt) 1899 gestattet. Auf die Bemerkung, daB dies ein abendlllndischer, der morgenlllndischen Kirche fremder Gebrauch sei, antwortet Theotoka folgendermaBen: ,Die Scheidung von Tisch und Bett, welche bei uns gebrauchlich ist, erscheint nur als eine provisorische, der Trennung vorbeugende MaBregel, welche von der in der abendliindischen Kirche bestehenden Scheidung ganz verschieden ist. Das Wesen dieser MaBregel besteht bei uns in Folgendem: Hat das kompetente kirchliche Oericht aile Mittel zur Aussiihnung der Ehegatten erfolglos angewendet, so bestimmt dasselbe zuerst 15 Tage zum neuerlichen Versiihnungsversuch. Verstreicht auch diese Prist fruchtlos, so verfiigt das Gericht die provisorische Scheidung (xwptof!.6c;} auf 3, 6 und 9 Monate (im Bedarfsfalle auch bis zu drei Jahren), bestimmt den Aufenthaltsort der Ehegatten und verpflichtet den Mann, eine bestimmte Summe fiir den Lebensunterhalt der Frau und der Kinder auszusetzen ". @so't6itot Nop.oAOj(ot. Seite 284 in der Anmerkung.

. 202. Die Rechtswirkungen die Ehetrennung.

641

verheiratung gestattet s. Dieser Grundsatz gilt fiir alle Ehetrennungsgriinde, mit Ausnahme des Ehebruches, welcher den schuldigen Teil von der Wiederverheiratung fiir immer ausschlieBt 4; dem anderen unschuldigen Teile steht das Recht zu, eine neue Ehe zu schlieBen, wenn jene Erfordernisse vorhanden sind, welche fiir jede gesetzliche EheschlieBung vorgeschrieben sind. Die Wiederverheiratung getrennter Ehegatten wird von dem Gesetze nicht nur gestattet, sondern dasselbe empfiehlt vielmehr den Ehegatten, sich zu versohnen und die Ehe zu erneuern a. Wird die eheliche Gemeinschaft erneuert, so ist alles dasjenige zu beobachten, was nach dem Gesetze bei SchlieBung einer Ehe beobachtet werden muB 6. Die aus einer getrennten Ehe stammenden Kinder werden dem unschuldigen Teile Uberlassen, vorausgesetzt, daB die kompetente Obrigkeit es nicht ratsamer erachtet, eine andere Anordnung zu treffen. Die Erziehungskosten miissen vom Vater bestritten werden, ohne Riicksicht darauf, ob er der schuldige oder unschuldige Teil ist; wenn er arm ist, die Mutter aber das erforderliche Vermogen besitzt, so geht diese Verpflichtung auf die Mutter tiber. Die Entscheidung hieriiber gehOrt zur Kompetenz jener Obrigkeit, welche die Ehetrennung ausgesprochen hat.

3 Nomok. IX, 2. XIII, 2 (Ath. Synt. I, 178. 276). In neuerer Zeit wird in einzelnen autokephalen Kirchen, der menschlichen Schwliche nachgebend, und urn dem gesetzwidrigen Konkubinat Uberhaupt entgegenzutreten, auch jenem Ehegatten gestattet eine neue Ehe einzugehen, welcher durch seinen Ehebruch die Trennung der ersten Ehe verschuldet hat, wobei eine solche Person vor der neuen Eheschlie.6ung, nach dem Grade ihres Verschuldens und der an den Tag gelegten Reue, nach dem Ermessen des geistlichen Gerichtes und im Sinne der diesbezUglichen kanonischen Vorschriften, der kirchlichen BuBe unterworfen wird. Siehe z. B. den Ukas der russischen Synode vom 18. Mlirz 1904, N. 1599, und Art. 240 des KonsistorialStatuts (bezw. Art. 20 des Synodal-Statuts) in Montenegro. Siehe die Synodal-Entscheidungen des Erzbischofs Dem. Chomatenus in Angelegenheiten der Ehetrennung im Cod. Monac. 62, welche Zhishman im Eherechte S. 733. Anm. 4. S. 735. Anm. 2. u. a. anfilhrt. Vergl. die neueste diesbezUgliche Synodal-Entscheidung fUr die russische Kirche, welche in der vorhergehenden Anmerkung angefilhrt erscheint. FUr die altere Praxis siehe T. Barsow, "Ober die Wirkungen der Ehetrennung im Falle des Ehebruches". St. Petersb. 1882. 5 Vergl. Nomok. Xlll. 2 (Ath. Synt. I, 274 u. ff.). 6 Fiir die Karlowitzer Metropolie siehe die Synodal-Entscheidung vom 29. September 1884, Nr. 7. Siehe . 118 des osterreichischen bUrgeri. Gesetzbuches. In Serbien findet nach der Synodal-Entscheidung vom 16. November 1899, Nr. 32 keine Trauung statt, wenn die getrennten Ehegatten das frUhere Eheleben fortsetzen wollen; dieselben empfangen nur nach der betreffenden BuBe vom Priester, welcher das vorgeschriebene Gebet verrichtet, den Segcn. FUr Bulgarien siehe die SynodaiEntscheidung vom l. November 1897, Nr. 1661; fUr Montenegro Art. 240 des Konsist.Statuts von 1. jlinner 1904. IWJi, llnhoamhl. 41

642

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

VI. Die au6ergewiihnlichen Eben.

. 203.
Die zweite und die dritte Ehe.
Die erste Ehe (1tptoto~ jci[io~), d. h. die eheliche Verbindung, welche ein Jilngling mit einer Jungfrau eingegangen ist, wird als regelmaBig, ordnungsmaBig und als fromm ( sotci~to~ ~tXt 6aLo;) bezeichnet. Dies ist die Lehre der heiligen Schrift, der Vater und Lehrer der Kirche, welche jenen eine besondere Achtung zuteil werden lassen, die im Faile der Verwitwung die korperliche Enthaltsamkeit beobachten und keine neue Ehe schlieBen 1 Daher wird die zweite Ehe (asutepO)'tX[iLtX) als Nachsicht ( OU)'XWP'Y)Ot~) gegen die menschliche Schwache und als etwas auBergewohnliches angesehen. Vom Standpunkte dieser Nachsicht wird den Christen die zweite Ehe gestattet 2. Die Gestattung der zweiten Ehe ist jedoch an gewisse Beschrankungen gebunden, welche dartun, daB die Kirche die korperliche Unenthaltsamkeit verwitweter Person en nicht billigt. Diesbeztiglich bestimmen die Kanones, daB: 1) derjenige, welcher eine zweite Ehe eingehen will, die betreffende BuBe erdulden mill)se s; 2) die zur zweiten Ehe schreitenden Person en nicht ebenso getraut werden konnen, wie dies bei der ersten Ehe der Fall ist, sondern es ist hiebei eine besondere Akoluthie zu beobachten 4; 3) der Priester dem Hochzeitsmahle der aL)'tX[iOt nicht beiwohnen dtirfe 5; 4) die aL)'tXtJ.Ot zu den hoheren Weihen nicht zugelassen werden dtirfen 6. Die Strenge, welche die Kirche hinsichtlich der Digamie bekundet, ist bezilglich der dritten Ehe eine noch groBere. Basilius der GroBe sagt in seinem 4. Kanon, daB diejenigen, welche die Grenze der zweiten Ehe tiberschreiten, nicht wtirdig seien, die Bezeichnung Mann und Frau zu fiihren, denn die dritte Ehe sei der Polygamie (1toAU)'tX[iLtX)
. 203.
1 I. Kor. 7, 8; Epiphan., haer. XL VIII, 9; Chrysost., de monandria. Kor. 7, 8. 39-40. Rom. 7, 3; Clem. Alex., Strom. Ill, 12. Ahtenag., Suppl. pro Christ. cap. 33; Greg. Naz., Orat. 31. Nomokanon XIII, 2 (Ath. Synt. I, 275). W eder das romische noch das alte deutsche Recht haben die zweite Ehe gutgeheiBen. Siehe Dr. ]. Unger, Die Ehe in ihrer welthistorischen Entwicklung (Wien, 1880).

s.

170 ff.

3 Laod. I. Kan.; Basil. d. Gr. 4. Kan.; johannes des Fasters 1tspi Otjcip.ooY tptjcip.ooY (Ath. Synt. IV, 438). Nikephorus von Konstantinopel 2. Kan. (Ath. Synt. IV, 427); Nicetas von Heraclea 1. Antwort (ib. V, 441). Siehe im Euchologion ,Akoluthie bei der zweiten Ehe".

?t1Xt

5 Neoc. 7. Kan. und Kommentar Balsamons zu diesem Kanon (Ath. Synt. III, 81). Erwahnte Antwort des Nicetas von Heraclea. 6 17. 18. a post. Kanon; Basil. d. Gr. 12. Kanon; Sendschreiben des Nikephorus Chartophylax (Ath. Synt. V, 399). Nomokanon I, 23. IX, 29 (ib. I, 59. 211). Blastares. f, 4 (lb. VI, 155-156); Nomok. zum Euchologion. Kan. 182.

. 203. Die zweite und die dritte Ehe.

643

oder der verwerflichen Unzucht (xe-x.oAaa11w; 'ltopve(a) gleichzustellen. Nach dern 50. Kanon desselben heiligen Vaters ist die dritte Ehe eine Entehrung der Kirche (pu'ltaa!la tiJ<; &-x.-x.kt;a(ac;). Da jedoch die dritte Ehe von der griechisch-rornischen Gesetzgebung seit den altesten Zeiten gestattet war und die Christen von dieser Erlaubnis Gebrauch rnachen wollten, so hat auch die Kirche, urn einern groBeren Obel vorzubeugen, die dritte Ehe gestattet, unterwarf aber diejenigen, welche die dritte Ehe zu schlieBen beabsichtigten einer fUnfjahrigen KirchenbuBe 7. Die Synode von Konstantinopel vorn Jahre 920 erlieB in dieser Beziehung folgende Anordnung: a) Wenn jemand 40 Jahre alt ist, keine Kinder besitzt und zur dritten Ehe schreitet, so soli er durch fUnf jahre vom Abendrnahle ausgeschlossen werden; b) wenn jernand in einern Alter von 40 jahren Kinder hat, so ist ihm die dritte Ehe nicht gestattet; c) ist jemand erst 30 Jahre alt und besitzt er Kinder aus frUheren Eben, so soll er wenn er die dritte Ehe schlieBt, durch vier jahre des Abendmahles nicht teilhaftig sein; d) ist jernand 30 jahre alt und kinderlos, so kann ihm die dritte Ehe gestattet werden ; er rnuB sich jedoch der betreffenden KirchenbuBe unterziehen und e) der Priester, welcher diese Vorschrift verletzt, wird der siebenjahrigen KirchenbuBe unterworfen 8 Die vierte Ehe (te-cpara!J-(a) ist in der morgenlandischen Kirche untersagt (. 188. I, 8). . 204.
Die Mischehen.

Nach der neueren Terminologie versteht man unter der Mischehe

(r&.!J-0<; !J-t'X.t6c;) die eheliche Verbindung zweier, verschiedenen christlichen Konfessionen angehorender Personen. Mit RUcksicht auf den im . 178 dargelegten religiosen Zweck der Ehe und im Hinblicke auf die Notwendigkeit, daB die Ehegatten sich in der Pflege religioser GefUhle unterstUtzen und in diesem Sinne gemeinsam auch auf ihre Kinder einwirken, was jedoch in einer Farnilie, in welcher Mann und Frau nicht eines Glaubens sind, untunlich erscheint, hat die Kirche die Mischehen niemals gutgeheiBen und halt auch dermalen an diesem Standpunkte fest. Wenn aber auch die Kirche eine Mischehe nicht gutheiBt, so muB sie diese doch dulden; denn Mischehen wurden seit den altesten Zeiten der Kirche geschlossen und standen unter dern Schutze der bUrgerlichen Gesetze. Zur Verhi.itung eines grbBeren Obels und urn Argernisse hintanzuhalten, rnuBte die Kirche in auBergewohnlichen Fallen solche Eben gestatten, wobei sie dafi.ir Sorge trug, daB der orthodoxe Charakter der Familie, welche aus einer Mischehe entstanden
1
8

Mein Kommentar zum 4. und 50. Kanon Basilius d. Gr. ,Pravila" II, 354. 403. T6tto~ 't~~ a11roasro~ vom jahre 920. Siebe tiber diesen T6tto~ Seite 115

Anmerkung 3 dieses Buches.

644

IV. Teil. Das Leben der Klrche.

ist, wenigstens im Wesentlichen erhalten werde, und die Kinder in der Lehre der orthodoxen Kirche erzogen werden. Dem Einflusse der Kirche ist es zu verdanken, daB die altere romische Gesetzgebung in diesem Sinne modifiziert wurde; und daB durch Kaiser justinianus neue diesbezfigliche Gesetze erlassen wurden. Wenngleich nur jene Ehe als vollkommen gesetzlich anerkannt wird, welche zwischen zwei Personen derselben Konfession geschlossen worden ist, so wird in Ausnahmsfallen die Mischehe gestattet; nur miissen die einer so!chen Ehe entstammenden Kinder in der orthodox-orientalischen Kirche getauft und nach ihren Grundsatzen erzogen werden. In eventuellen Eheprozessen muB der, der orthodox-orientalischen Kirche angehOrende Ehegatte dem nichtorthodoxen Ehegatten gegenfiber aile Vorteile genieBen t. Hiedurch war jedoch nicht jede Mischehe unterschiedslos gestattet. Es wurde zwischen der Ehe orthodoxer Christen und Haretikern und jener orthodoxer Christen und Schismatikern unterschieden. Ober die Ehen der orthodoxen mit haretischen Christen enthalt der 72. Trullanische Kanon folgende Bestimmung: ,Es soli keinem orthodoxen Manne gestattet sein, mit einer Haretikerin die Ehe zu schlieBen, und auch nicht einer orthodoxen Frau mit einem Haretiker. Sollte aber solches geschehen, so ist die Ehe als ungiltig zu betrachten und dieselbe als eine nichtige aufzulosen. Denn das was unvereinbar ist, dart nicht vermengt werden; das Lamm nicht mit dem Wolfe und das Volk der Siinder nicht mit der Gemeinde Christi vereinigt werden. Wer diese Vorschrift verletzt, soli aus der Kirchengemeinde ausgeschlossen werden. Wenn Unglaubige, bevor sie noch zur Gemeinschaft der Orthodoxen gehorten, durch die gesetzliche Ehe sich verbanden und dann der eine Teil das Gute erwahlend, sich dem Lichte der Wahrhcit bekannte, der andere Teil aber, welcher seinen Blick den gottlichen Strahlen nicht zuwenden wollte, im Irrtume verblieb, so sollen sie sich, wenn der unglaubigen Frau das Leben mit dem glaubigen Manne, und umgekehrt dem unglaubigen Manne mit der glaubigen Frau gefallt, nicht trennen nach den Worten des gottlichen Apostels: denn der ungliiu-

bige Mann wird geheiligt durch die glaubige Frau, und die ungltiubige Frau wird geheiligt durch den gltiubigen Mann" 2. Durch diesen Kanon
werden die kanonischen Vorschriften in dieser Frage a us friiherer Zeit s
Nov. CIX. 1. Nov. CXV. c. 3. . 14. Cf. Basilic. I. 1, 55; XXXV. 8, 36. Nomokanon XU, 2. 13 (Ath. Synt. I, 262. 271). M~ A.,;p.~avstw 'Ioo8rxro~ Xptcm. 204.
av~v,
1

'X.IXtli 'ttVIX 1tp6tpaotv

!J.~te XpLottavo~ 'Ioooi'JI[-xv, !J.~te a1pettxo~ 'X>xt &A.Mtpto~ rlj~ 1t(otsw~ XptO'ttiXYO[~ 1tpor; jli!J.OY OUVIX1t't'SO{)-w. Blastares. 12 (Ath.

r,

Synt. VI, 175). ~ Siebe mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila". I, 557-560. 3 Laod. 10. 31; Karth. 21; IV. allgem. Konzil 14. Kan. und meill Kommentar. ,Pravila". I, 362. II, 75. 91. 155.

. 204. Die Mischehen.

bestatigt und erneuert und jede Ehe zwischen einer orthodoxen Person und haretischen Christen mit Ausnahme jenes Falles, welchen der Apostel Paulus in der frUher angefUhrten Stelle erwahnt, verworfen 4. Die Frage, was unter der Haresie zu verstehen sei und wen die Kirche als Haretiker betrachtet, wurde bereits der Erorterung unterzogen 5, Das kanonische Recht der morgenlandischen Kirche beurteilt dagegen die Ehen orthodoxer Christen mit Schismatikern in anderer Weise. Die Kirche gestattet solche Ehen in Fallen begrUndeter Notwendigkeit und zur VerhUtung eines groBeren Obels. Es wurde bereits im . 149, 3. erwahnt, was unter dem Schisma zu verstehen sei, und wer als Schismatiker betrachtet wird. BezUglich der Ehen zwischen orthodoxen Christen und Schismatikern gelten folgende Normen: 1) derartige Ehen sollen mit allen Mitteln verhindert werden; erweist sich dies als untunlich, so ist 2) dahin zu wirken, daB der schismatische Teil den orthodoxen Olauben annehme; gelingt dies nicht, so ist 3) vom schismatischen Teil die schriftliche Verpflichtung zu fordern, daB er die Bewahrung des orthodoxen Glaubens und der orthodoxen Gebrauche in der Familie nicht behindern werde und 4) daB aile einer solchen gemischten Ehe entstammenden Kinder im Geiste der orthodoxen Kirche erzogen werden s. Die Frage der Mischehe zwischen Christen verschiedener Bekenntnisse ist in den einzelnen Staaten durch die biirgerliche Gesetzgebung normiert, und zwar je nach der Stellung, welche die orthodoxorientalische Kirche in dem betreffenden Staate den anderen Religionsbekenntnissen gegenUber einnimmt 7 Die diesfalligen biirgerlichen Normen werden von der Kirche insofern gewUrdigt, als diese mit den kirchlichen Vorschriften Uber die Mischehen nicht im Widerspruche stehen. Im entgegengesetzten Faile wird die Kirche wohl die bUrgerliche Giltigkeit einer Mischehe, nicht aber die Giltigkeit derselben als einer gesetzlichen kirchlichen Ehe anerkennen.

. 205. Die verschiedenen Arten der Ehe.


Die Kirchenrechtswissenschaft erwahnt verschiedene Arten der Ehe. Die eine Art betrachtet die Kirche als eine vollsUindig kanonische Ehe, wenn sie nach den kirchlichen Vorschriften geschlossen ist; die zweite
I. Kor. 7, 14. 5 . 149, 2 und siehe auch 225. Anm. auf S. 559 meines Werkes ,Pravila". 6 Vergl. X pLato oo 6 Ao u Hp6xelp. vottt-x.ov, aeA.. 216. Siehe bei Zhishman fiber die Zulassigkeit der Ehe mit Schismatikem (Eherecht. S. 524 ff.). 7 Siehe in 6sterreich das Oesetz vom 31. Dezember 1868; beziiglich der a us Mischehen stammenden Kinder das Gesetz vom 25. Mai 1868; in Griechenland das Gesetz vom 15. Oktober 1861. Vergl. hieriiber Zhishman, Eherecht. S. 555 ff.

646

IV. Teil. Das Leben der Kirehe.

Art erkHlrt sie nachtraglich als kanonisch, wenn das Ehehindernis beseitigt und den vorgeschriebenen Eheerfordernissen entsprochen wird; der dritten Art versagt die Kirche die kanonische Anerkennung. Zu der ersten Art geMrt die morganatische und die axiomatische Ehe ; zu der zweiten Art die Ehe durch einen Bevollmachtigten; zu der dritten Art die Zivilehe. 1) Die morganatische Ehe. Als solche wird diejenige Ehe bezeichnet, welche zwischen zwei Personen verschiedenen gesellschaftlichen Standes geschlossen wird. Bei dieser Ehe genieBen die Ehegatten und auch die Kinder nicht jene Rechte in Betreff des Standes und des Erbrechtes, welche sonst eine ordnungsmaBige Ehe mit sich bringt. Schon das alte r5mische Recht hat diese Art der Ehe nicht gutgeheiBen, dieselbe aber trotzdem ebenso geduldet, wie dies spaterhin durch jahrhunderte der Fall wart. Die Bezeichnung der Ehe als morganatische Ehe (matrimonium ad morganaticam) stammt daher, weil in dieser Ehe die Frau mit den Kindern sich mit der Morgengabe (donum matutinale)2, d. h. mit jenem Teile des Verm5gens des Mannes begnUgen muBte, welchen sie nach der Hochzeitsnacht erhielt. Obrigens wurden diese Ehen, wenn sie nach den kanonischen Vorschriften geschlossen worden sind, als gesetzliche Ehen angesehen und jeder anderen ordnungsmaBigen Ehe gleichgestellt. 2) Die axiomatische Ehe. In der griechisch-r5mischen Gesetzgebung wurde das &.~[rotJ-11. &v tal; &1tapxtat; als Ehehindernis angesehen, d. h. es war einem Provinzialbeamten und seinen Sohnen verboten, wahrend der Amtsfiihrung des ersteren sich mit einer Provinzialin zu verheiraten s. Eine solche Ehe wurde als ungesetzlich angesehen und konnte erst dann anerkannt werden, wenn der bdreffende Provinzialbeamte die Provinz verlieB. Das Motiv der Nichtanerkennung
. 205. 1 Cf. Digest. XXIII 2, 42. . 1. Basilic. XXVIII. 5, 5: Obx. approt.zt 6 jli(LO~ rij~ -3-t>j'IXtpb~ ~ sn6vlj~ too &etro(Lil.ttx.oo 7t:pb~ &m=;).s6-3-spov ~ ax.ljvtx.ov, ~ o[bv

OX.ljYt)(.OO ~ OX.ljVt)(.lj~. Glossa 'E~6~pt0'r0~ rlip Scrtt\1 0 'rOtOO'rO~ jli(LO~, )(.ll.t


&7t:p7t:~~.

Bei Christodulos (erwahntes Werk, S. 223) wird diese Ehe auf Grund der taesro.;, als verboten bezeichnet. lm Abendlande fiihrt diese Ehe die Bezeichnung matrimonium ad legem Salicam, weil sie am meisten bei den salischen Franken in Gebrauch war. Sie wird auch als Ehe zur linken Hand bezeichnet, urn symbolisch darzutun, daB die Frau nicht in die Familie des Mannes und auch nicht in seinen vollen Schutz tritt und daB sie daher auch an seiner gesellschaftlichen Stellung nicht teilnimmt; ebenso haben auch die Kinder keinen Anspruch auf den Namen und auf den Nachla6 des Mannes. 3 Bei Christodulos, S. 224. Digest. XXIll 2, 38. XXXIV. 9, 2. . 1. Basilic. XXVIII. 4, 20: '0 SY S7t:1XpxEt; xstpECrov o~~l)(.tOV oil ObVIX'rll.t j'IX(LSlV rljv sv IXO't'{j j'SW'tj{}ostall.V ~ rljv Ot')(.ljOlY axooall.V hst. Basilic. LX. 42, 2: 11'tj(LS6S'rl7.t ~ X.A'tjpOYO(LliX 3te xetpECrov 'rt~ o~~l)(.tOV SY S1ti7.p)(Eq 7t:1Xpi7.YO(Lffi.; s; ll.6'rij~ &:r&j"tj'rll.t.
2

8ux~opa x.otvrovtx.lj~

. 205. J?ie verschiedenen Arten der Ehe.

647

lag darin, daB an dem Grundsatze der Wahrung der Interessen des Offentlichen Dienstes und der Objektivit~t desselben festgehalten wurde. Von diesem Oesictitspunkte haben auch die Kanonisten eine solche Ehe als eine unerlaubte betrachtet 4 Die Kirche hat jedoch die LegaliHit solcher Ehen anerkannt, wenn sonst kein Ehehindernis vorhanden war. 3) Die Ehe durch einen Bevo/lmiichtigten (per procurationem). Diese Ehe liegt dann vor, wenn nicht die Braut und der Br~utigam persOnlich den Konsens erkl~ren, sondern wenn einer der beiden Teile durch einen Mandatar vertreten wird, welcher in Gegenwart von Zeugen den Ehevertrag fur den abwesenden Teil unterfertigt. Das beziigliche Mandat muB schriftlich abgefaBt, alles auf die Ehe Bezug habende enthalten und von der kompetenten Obrigkeit genehmigt sein 5. Die Kirche kann einen solchen Ehevertrag erst dann anerkennen, wenn die EheschlieBenden sich persOnlich dem zust~ndigen Seelsorger vorstellen, in Gegenwart von Zeugen ihre Einwilligung zur EheschlieBung best~tigen und den kirchlichen Segen empfangen; erst dann erkUi.rt die Kirche eine solche Ehe als kanonisch, wenn auch den sonstigen gesetzlichen Bestimmungen iiber die Ehe entsprochen wurde s. 4) Die Putativehe (matrimonium putativum). Diese Bezeichnung fiihrt jene Ehe, welche im Bestande eines Ehehindernisses, welches heiden Ehegatten oder wenigstens einem derselben nicht bekannt war, geschlossen wurde. Eine solche Ehe wurde als eine kanonische und die aus derselben stammenden Kinder als legitim angesehen 7. Wird das Ehehindernis bekannt, so ist sogleich von der kompetenten Obrigkeit die nachtragliche Dispensation der Ehe zu verlangen. In dieser Frage nimmt die Kirche einen moglichst nachsichtigen Standpunkt ein s. Kann aber die Dispensatio? nicht erteilt und die Ehe sonach nicht

' Balsamons Kommentar zum Nomok. XIII, 2 und zum 27. Kan. Basil. d. Gr. (Ath. Synt I, 278. IV, 162). ~ Digest. XXlll. 1, 5. L. 14, 3. Basilic. XXVIII. 1, 3. 14. LIV. 15, 3. Der . 76 des osterreichischen bUrgeri. Gesetzbuches lautet: ,Die feierliche Erkllirung der Einwilligung zur Ehe kann mittelst eines Bevollmachtigten geschehen; doch muB hiezu die Bewilligung der Landesstelle erwirkt, und in der Vollmacht die Person, mit welcher die Ehe einzugeben ist, bestimmt werden. 1st die Vollmacht vor der abgeschlossenen Ehe widerrufen worden, so ist zwar die Ehe ungiltig, aber der Machtgeber fiir den durch seinen Widerruf verursachten Schaden verantwortlich". 6 Kommentar Balsamons zum 27. Kanon Basilius d. Gr. (Atb. Synt. IV, 164). ' Cod. V. 5, 4. Digest. XLVlll 5, 38. . 7. Basilic. LX. 37, 39: 'E1tl. too ev &."(Yo(q. IWO(LSYOt> &.-&s(L[t"oo '(&(Lot>, otOrom Ot>'('(YOO(L1JY <p6at(, Ml. ~At'X.Ea, ?tal. ~
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Kommentar Balsamons zum 26. Trull. Kanan (Ath. Synt. II. 363). 1 Blastares f 7 9 (Ath. Synt. VI, 168).

648

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

konvalidiert werden, dann erfolgt die Trennung der Ehe, und das hierauf geborene Kind kann nicht mehr als legitim angesehen werden 9. 5) Die Gewissensehe (matrimonium conscienciae). jene Ehe, welche insgeheim, ohne Aufgebot, an einem verborgenen Orte, jedoch vor dem Priester und vor zwei Zeugen geschlossen wurde, fiihrte die Benennung Gewissensehe. Diese Form der EheschlieBung wurde unter auBergewohnlichen Verhaltnissen gebraucht, wobei zu bemerken ist, daB derartige Ehen nicht in das Trauungsbuch der Pfarre sondern in ein eigenes hiefiir bestimmtes Buch eingetragen wurden 10. Die Gewissensehen werden von der Kirche nicht anerkannt, da die Ehe offentlich in der Kirche geschlossen werden muB, und die geheimen Ehen (AC1-3-po1Tl!J-tC1) von den Kanones der morgenHindischen Kirche verworfen werden 11 (. 186). 6) Die Zivi/ehe (mariage civil) ist ein Produkt des Glaubens- und des sozialen Kampfes, welcher im westlichen Europa im XVI. jahrhundert begann und seinen Kulminationspunkt in der franzosischen Revolution erreichte. Diese Ehe wird unabhangig von der Kirche vor einem Staatsbeamten geschlossen. Die kirchlichen Aufgebote entfallen; dagegen erfolgen diese in der Form einer Kundmachung. Fiir die EheschlieBung selbst gelten die von der weltlichen Obrigkeit vorgeschriebenen Bestimmungen. Die Zivilehe ist fast in allen Staaten Westeuropas eingefilhrt und ist in den meisten derselben ob/igatorisch, d. h. es wird nur diese Ehe als gesetzlich anerkannt. Im Konigreiche Rumanien und in Ungarn besteht auch fiir die AngehOrigen der morgenlandischen Kirche die obligatorische Zivilehe. In einigen westlichen Staaten ist die Zivilehe eine fakultative, d. h. es ist den EheschlieBenden freigestellt, entweder die Zivilehe oder die kirchliche Ehe, welche auch die zivilrechtlichen Wirkungen nach sich zieht, einzugehen. In Osterreich besteht die Notzivilehe, welche jene Personen eingehen konnen, welchen die Kirche wegen bestimmter kanonisch normierter Ehehindernisse die EheschlieBung nicht gestatten kann. Solche Personen konnen eine Zivilehe schlieBen, falls keine biirgerlichen Hindernisse vorhanden sind (. 147 III). Die unabhangig von der Kirche geschlossene Zivilehe wird von der letzteren im Sinne der dogmatischen und kanonischen Lehre iiber die Ehe als nicht bestehend angesehen. Von der Kirche wird nur jene Ehe anerkannt, welche nach den in den Kanonensammlungen
Kommentar Balsamons zum 13. Kan. des Tbeopbilus v. Alexandria (Atb. Synt. IV, 352). 10 Schulte, Eberecht (Giessen, 1855), S. 69-70. 11 Das osterreichische bUrgeri. Gesetzbucb versagt solcben Eben die Anerkennung, wei! die feierliche ErkHirung der Einwilligung als ein wesentliches Erfordernis fiir die Ebe angeseben wird. Siebe . 75-77 und 124 desselben Gesetzbuches.
9

. 206. Allgemeine Obersicht.

649

enthaltenenen gesetzlichen Vorschriften geschlossen wird. Wollen die Ehegatten, daB die Zivilehe die Anerkennung der Kirche erlange, dann muB die Ehe auch in der Kirche geschlossen werden 12.

Viertes Kapitel.
Da.s genossenscha.ftliche Leben in der Kirche.
. 206.
Allgemeine Ubersicht.

Das genossenschaftliche Leben in der Kirche auBert sich im

Monchtume und in den kirch/ichen Bruderschaften. Das M5nchtum hat


den Zweck, den Menschen die M5glichkeit der tunlichsten moralischen Vervollkommnung durch Selbstbeherrschung und Erhebung des Geistes zu Gott zu bieten. Die kirchlichen Bruderschaften streben durch gemeinsames Wirken Vieler nach der Erreichung bestimmter Zwecke, welche auf die FOrderung der Kirche und ihrer Institutionen, sowie auf das moralische Wohl der Gesellschaft gerichtet sind.
I. Das Mtlnchtnm.

. 207. Die Bedeutung und Entstehung des Monchtums. Das Monchtum ist ein Produkt des moralischen Geistes des Christentums, welcher bei einzelnen Menschen das Streben nach hoherer Vervollkommnung wachruft. Das M5nchtum besitzt an sich nicht den Charakter der Notwendigkeit. In der Kirchengeschichte gab es eine Zeit, in welcher das M5nchtum nicht hestand. Der Klerus, ohne welchem das Christentum nicht gedacht werden kann, ist ein Institut des gottlichen Rechts; das M5nchtum hingegen besteht nicht auf Grund dieses Rechts und besitzt daher in der christlichen Kirche nicht jene Notwendigkeit wie der Klerus. Das Monchtum hat in der Kirche den Charakter einer
12 Siebe das Rundschreiben der bischl:ifl. Synode zu Karlowitz vom 17. September 1895. Uber die Form der Schlie8ung der Zivilehe in Ungarn siehe . 28-40 des XXXI ungar. Gesetzartikels vom jahre 1894. In Osterreich ist die Form der Schlie8ung der Zivilehe durch Art. 2 des Gesetzes vom 25. Mai 1868 vorgeschrieben; siehe auch die Ministerialverordnung vom 1. juli 1868 (R. G. BI. N. 80). Ober die Zivilehe im allgemeinen siehe Zhishman, Eherecht S. 160-165 und Berdnikow, Die Form der EheschlieBung bei den europ!lischen VOikern in ihrer historischen Entwicklung (in russ. Spracbe). S. 34 ff. Vergl. Leske u. Lowenfeld, Das Eherecbt der europaischen Staaten und ihrer Kolonien. Berlin, 1904.

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IV, Tell. Das Leben der Kirche.

Verbindung von Mannern, welche nach bestimmten Regeln ihr ganzes Leben Gott weihen und zur Festigung der Kirche, sowie als Vorbilder der christlichen Tugenden dienen sollen. Das Monchtum ist auch insofern von Bedeutung, als Monche nach wie vor zu den hochsten Kirchenamtern berufen werden. Oas MOnchtum hat sich allmahlich ausgebildet. In den altesten Zeiten der Kirche haben viele fromme Christen, urn Gott zu dienen und das ewige Heil zu erlangen, sich zur volligen Unterordnung ihrer Neigung zu irdischen Giltern verpflichtet; sie enthielten sich von allem, was ihren Geist und ihr Streben nach dem gesetzten Ziele abzulenken vermochte, verlieBen jedoch nicht die menschliche Gesellschaft und entsagten auch nicht den Diensten, welche ihnen Gesellschaft und Kirche auferlegten. Als die Christenverfolgungen, namentlich im III. jahrhundert, sehr groBe Oimensionen angenommen hatten, sahen sich viele der Frommigkeit ergebene Christen veranlaBt, Wiisten und Gebirge aufzusuchen, urn an diesen vereinsamten Orten mit groBerer Freiheit Werke der Frommigkeit verrichten und Ieichter den irdischen Versuchungen ausweichen zu konnen. Zu dieser Lebensfilhrung veranlaBte viele Christen auch die ZUgellosigkeit, welche in der Gesellschaft platzgriff, als die christliche Religion zur dominanten Religion im romischen Reiche wurde, und als sich dieser Religion viele aus den hoheren Standen mehr aus staatlichen GrUnden als aus Oberzeugung zuwandten. Oiese Umstande bewirkten es auch, daB fromme Leute sich ganzlich an vereinsamten Orten ansiedelten und nicht mehr zur menschlichen Gesellschaft zurUckzukehren dachten. Paulus von Theben (t 340), Pachomius der Groj3e (t 348), Antonius der Grofte (t 356), Hi/arion (t 371) und Makarius von Egypten (t 390), nahmen unter jenen, welche sich dem Einsiedlerleben widmeten, den hervorragendsten Platz ein; sie kOnnen als die Begrilnder des Monchtums bezeichnet werden. Diese Manner, welche wegen ihres heiligen Lebenswandels bekannt waren, vereinigten viele andere, den gleichen Lebenswandel anstrebende Manner urn sich, so daB zur Zeit des Pachomius die Zahl derselben siebentausend betrug. Wegen des Einsiedlerlebens wurden sie Anachoreten (&.vu.xmpY]tU.(, spp.tta.(, p.ovu.xo, 'X.U.AO')'Y]pot) und wegen der Lebensweise Asceten (cicr'X.Y]tU.() genannt. Pachomius der GroBe vereinigte zum erstenmale in Egypten viele dieser Anachoreten in Gruppen zum gemeinsamen Leben -x.owbv ~(ov (vita communis); daher nannte man sie auch -x.owo~(ta.t (coenobitae) und bezeichnete das gemeinschaftliche Wohngebaude als -x.ow6~tov (coenobium). Solche -x.ow6~tu. wurden auch bald in anderen Gegenden des Orients angelegt und filhrten die Bezeichnung p.ovu.crclJptu. (monasteria), in welchen mitunter bis zu hundert Monche lebten. lm IV. Jahrhundert begannen auch weibliche Personen sich diesem Leben zu widmen und wurden fUr dieselben

, 208. Die Regelung des M5nchtums.

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eigene Monasterien (tJ.OYIJ.ati)pt11. "(UYIJ.tXE~IJ.) errichtet. Die tJ.OYIJ.atfjpt11. at'ltAri, in welchen unter der Leitung eines Vorstehers Monche und Klosterfrauen untergebracht waren, wurden bald aufgehoben.

. 208. Die Regelung des Monchtums.


Anachoreten gab es vor Pachomius und nach der Einffihrung des
gemeinsamen Monchslebens. Die Anachoreten verbrachten ihr Leben vereinsamt unter Gebeten in einer Wiiste und ilbten sich nach ihrem Outdfinken im christlichen Streben. Besondere Regeln gab es in dieser Beziehung nicht, und es war auch die Moglichkeit ausgeschlossen, ihnen gewisse Regeln vorzuschreiben, da sie au6erhalb jeder Aufsicht standen. Anders verhielt es sich mit den Coenobiten, welche gemeinsam lebten, und deren Leben im Kloster, ihre wechselseitigen Beziehungen und ihre Stellung zum Klosteroberen durch besondere Regeln normiert waren. Nach Einfiihrung des gemeinsamen Lebens (. 207) hat Pachomius d. Gr. (urn das jahr 325) Regeln ffir seine Monche verfa6t, deren es 194 gab. Von diesen sind 142 Regeln im engeren Sinne, wahrend die iibrigen 52 Zuslitze und Erkllirungen der Orundregeln sind. Aile Regeln beziehen sich auf die Gebete, den Unterhalt, auf die Beschaftigung, auf das Monchsleben im Kloster und auf den Eintritt in die Bruderschaft des Klosters 1. Da die Regeln des Pachomius aile Seiten des Monchslebens nicht im einzelnen berfihrten, so trat die Erscheinung zutage, daB die Klosteroberen in einigen Klostern in verschiedenen Fragen nach ihrem eigenen Ermessen vorgegangen sind, wodurch mitunter Reibungen entstanden. Urn dem vorzubeugen, hat Basi/ius d. Gr. urn das Jahr 362 vollstlindige Regeln in katechetischer Form, d. i. in Fragen und Antworten verfa6t. Es gibt deren 50 groBere (opot XIJ.t& 'ltA6.to~) und 313 kiirzere (x11.t' E'ltt't'O(J-i)Y) Regeln, welche das klosterliche Leben normieren 2.
Der Heilige Hieronymus hat die Regeln des Pachomius aus der griechischen in die lateinische Sprache iibersetzt. Vergl. St. Schiwietz, Geschichte und Organisation der Pachomianischen KlOster im IV jahrhundert (Archiv. Bd. LXXXI S. 461 u. ff. 630 u ff. Bd. LXXXII. S. 217 u. ff. 454 u. ff. Bd. LXXXIII. S. 52 u. ff.) 2 Eine lateinische Obersetzung derselben in Migne, Patrol. gr. ed. lat. XVIIl, 477-662. Vergl. Krmcija, Kap. 61. 62. 63. 64. - In der Ausgabe von Migne der griechischen Vliter (LX, 1066) und in der russischen Ubersetzung im Hrist. Ctenije (vom jahre 1839) sind die Monchsregeln Antonius d. Gr. enthalten, welche eine gro8e Ahnlichkeit mit jenen des Pachomius und Basilius besitzen. Allein die Regeln, welche unter dem Namen des Antonius erschienen sind, beziehen sich zum gro6ten Teile auf das coenobitische Leben der Monche, welches dem Antonius unbekannt war und bei seinen Anhlingem nicht bestanden hat. Daher konnen die Regeln des
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Diese Regeln wurden auf Grundlage der heiligen Schrift, der Kirchensatzungen und der Regeln des Pachomius verfa.Bt. Im Wesentlichen enthalten die Regeln des Basilius folgende Bestimmungen: Der MOnch mu.B der Welt und den Annehmlichkeiten derselben entsagen; daher darf er kein Vermogen besitzen; aile Erwerbungen desselben miissen in das Eigentum des Klosters, welch em er angehort, iibergehen; er ist zu unbedingtem Oehorsam seinem unmittelbaren Oberen und allen Alteren gegenUber verpflichtet; er ist zur korperlichen Entsagung und zur Unterdriickung aller korperlichen Begierden verpflichtet und mu.B daher stets fasten und sich physischen Milhseligkeiten unterwerfen. Da das Ziel des irdischen Lebens des Monches die ewige Erlosung ist, so mu.B er sich ganz Oott weihen, seine Gedanken stets Oott zuwenden, immer im Oebete verweilen, sich der LekUlre der heiligen Bucher hingeben und im Verkehre mit seinem Briidern stets das Oesprach auf Oott und auf die ewige ErlOsung lenken. Das strenge Festbatten an diesen Vorschriften hat der Monch feierlich zu geloben. Dieses Oetobnis bildet den Inhalt der Monchsgelilbde, von welchen spater (. 211) die Rede sein wird. Die Regeln des Basitius, welche vom gesamten orientalischen Monchtum angenommen wurden, bildeten die Orundlage fUr die in den bedeutenderen orientalischen KlOstern verfa.Bten Statute oder Typika, welche von allen Ubrigen Klostern angenommen wurden. Urn die Mitte des IV. Jahrhunderts getangte das Monchtum vom Orient nach dem Okzident, als wahrend der Regierung des Kaisers Constantinus, Athanasius d. Gr. mit zwei MOnchen, Amonius und Isidorus, sich zu Rom in der Verbannung befand. Durch diese heiligen Manner wurden die Bewohner des Abendtandes mit dem Monchtum bekannt. Das Predigen des Athanasius ilber die Erhabenheit des Monchtums erweckte bei vielen im Abendlande die Liebe zu diesem Stande, obgleich das MOnchtum bier anfangs keine feste Wurzeln zu fassen vermochte. Erst als Ambrosius von Mailand gegen Ende des erwahnten jahrhunderts in seinen Homitien das Monchtum zu verherrlichen begann, und in der N!ihe von Mailand ein Kloster griindete, fOr welches er die ibm vom Basilius d. Or. Ubersendeten Monchsregetn vorschrieb, da begann erst im Abendlande das Monchtum festen PuB zu fassen. In dieser letzteren Beziehung haben Hieronymus aus Dalmatien (t 420) und Augustinus von Hippo (t 430) sehr viet beigetragen, so da.B es in der zweiten H!ilfte des V. Jahrhunderts in allen christlichen ProAntonius nicht diesem zugeschrieben werden, sondem sie sind eine Kompilation aus spllterer Zeit. Im Texte wurden sonach die Regeln des Antonius nicht beriicksichtigt, sondern die Regeln des Pachomius als erste Grundlage fiir die Regelung des Monchtums angenommen, was tatsllchlich auch zutrifft.

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vinzen des Abendlandes bereits Kl(}ster gab. In allen Klostern war das Monchsleben durch jene Regeln normiert, welche im Kloster des Ambrosius galten, also durch die Regeln Basilius d. Gr. Die Strenge der Regeln des Basilius, welcher sich die abendHlndischen Monche trotz ihrer Zuneigung zum Asketismus nur schwer anzupassen vermochten, war die Ursache, daB sich das Monchtum im Abendlande nicht so rasch entwickelte, wie dies im Morgenlande der Fall war. Auf diesen Umstand hat der bekannte Asket des Abendlandes Benedikt von Nursia (t 543), welcher zu Subiaco in der Nahe von Rom ein Kloster grUndete, sein Augenmerk gelenkt. Nachdem er die Ursachen kennengelernt hatte, welche die strenge Observanz der Regeln des Basilius im Abendlande verhinderten, verfaBte Benedikt fOr sein Kloster besondere den klimatischen und sozialen Verhaltnissen des Abendlandes angepaBte Regeln, in welche er in milderer Form die Vorschriften der Regeln des Basilius aufnahm. In dem von ihm spater am Monte Cassino errichteten bekannten Kloster hatte er Gelegenheit die Tauglichkeit seiner Regeln praktisch zu erproben. Dieses Kloster mit den Regeln des Benedikt diente fOr aile anderen abendUindischen Kloster bis zu Anfang des XIII. Jahrhunderts, als die neuen Monchsorden (Franziskaner, Dominikaner etc.) ins Leben traten, als Muster. Benedikt verfaBte 73 Regeln, deren Beziehung zu jenen Basilius d. Gr. wir bereits erwahnt haben 3. Nur eine Neuerung ist in diesen Regeln enthalten, worOber in den Regeln des Basilius nicht die Rede ist, d. i. der Noviziat, eine Einrichtung, die fUr die orientalischen Monche erst im IX. Jahrhundert zur Norm wurde. Die Monchsregeln Basilius d. Gr. dienten, wie erwahrit, als Grundlage fOr die Klosterstatute der bedeutendsten orientalischen Kloster. Die wichtigsten Statute sind jenes von Jerusalem, das Statut des Klosters Studion und der Kloster vom Berge Athos. Das Statut von Jerusalem wurde im Jahre 561 von Sabbas dem Gesegneten (~&.ppw; 6 iJrw.atJ.~Vos) fUr die Kloster Palastinas 4, das Statut des Klosters Studion wurde von Theodorus dem Hegumen dieses Klosters ('t'l)S tJ.OV'l)S to6 ~toua(ou) im Jahre 789 5, endlich das Statut der Athoskloster urn das Jahr 970 von Athanasius dem GrUnder der Laura auf dem Athos (t'YJS A.a.6pa.s to6 "A{).wvos) verfaBt 6 Dem Wesen nach sind diese Statute einander gleich; nur in Einzelheiten treten Unterschiede zutage, welche durch die ortlichen Verhaltnisse der betreffenden Kloster be3

Die neueste Ausgabe wurde von Edm. Schmidt (Regensburg, 1880) verfaBt. ' Bei Cotelerii Ecclesiae graecae munumenta. Ill, 220. 5 In lateinischer Obersetzung in der Ausgabe von Migne (Putr. gr. ed. lat.
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Ll, 1479).

Bei Ph. Meyer, Die Haupturkunden fiir die Oeschichte der Athoskll>ster (Leipzig, 1894). S. 101-140.

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grtindet sind. Am vollstandigsten stellt sich das Statut des Klosters Studion dar, welches im XI. Jahrhundert von Theodosius dem Monche des Hohlenklosters in Kiew ftir die dortige Laura angenommen wurde. Dieses letztere Statut wurde dann in allen russischen K!Ostern eingeftihrt 7 Das Statut des Klosters Studion bildet auch die Orundlage des vom Erzbischof Sawa ftir das Kloster Chilandar verfaBten Statutes sowie ftir die Statute aller tibrigen serbischen KlOster s. Durch das Klosterstatut des Theodorus Studita wurde die innere Regelung des Klosterlebens in der morgenlandischen Kirche ftir aile spateren Zeiten festgesetzt. Die besonderen heute bestehenden Statute verschiedener Kloster, sind nur durch die ortlichen und nationalen Verhaltnisse begriindete Modifikationen des Statutes des Klosters Studion. Bis zum vierten allgemeinen Konzil, in welchem zum erstenmale tiber das Monchtum und tiber seine Stellung in der Kirche verhandelt wurde, bestand das Monchtum, als cine besondere Vereinigung frommer Menschen, unabhangig von der kirchlichen Jurisdiktion 9. Bis zu dieser Zeit (451) hatten die KlOster eine selbstandige Verwaltung und war en nur von den Klosteroberen abhangig. Auch die Befreiung von den Monchsgeltibden wurde als zulassig angesehen. Die Monche bildeten in der Kirche einen besonderen Stand, welcher sich sowohl vom Klerus als auch von den Laien unterschied. Um die Monche in ihren asketischen Bcstrebungen nicht zu behindern, wurde den Monchen anfangs die Erlangung der geistlichen Wtirde nicht gestattet; sie muBten vielmehr in der nachsten Kirche dem vom Pfarrklerus zelebrierten Oottesdienste beiwohnen. Nachdem dann spater unmittelbar bei den Klostern Kirchen errichtet wurden, erhielt in der Regel der Beichtvater des Klosters und mitunter auch der Klosterobere die Weihe zum Priester (Hieromonach), welcher den Oottesdienst in der Klosterkirche ftir die Bruderschaft verrichtete. Als zur Zeit des Monophysitismus von den ihre Unabhangigkeit ausntitzenden, sich zu dieser Sekte bekennenden Monchen Unordnungen in der Kirche hervorgerufen wurden, da faBte
7 Makarius, Geschichte der russischen Kirche (in russ. Sprache) IV, 166 und VII, I. ff. 8 Eine kritische Ausgabe der Regeln des Klosters Chilandar wurde vom Bischof Demetrius verfaBt und im 31. Denkmale der konigl. serbischen Akademie (vom Jahre 1898) abgedruckt. In der Einleitung zu dieser Ausgabc wird die Behauptung des russischen Professors Dimitrijewski angefiihrt, daB das Typikon des Klosters Chilandar der Hauptsache nach eine Obersetzung des Typikon des Klosters Euergetidis bei Konstantinopel sei. Vergl. das Typikon des heil. Sawa fiir das Kellion in Karyes in Meyer Op . cit. S. 184-187. 9 Die Kanones der Synode von Gangra vom Jahre 340 beziehen sich nicht unmittelbar auf das Monchtum, sondern dieselben wurden gegen den asketischen Fanatismus der Anhanger des Eusthatius, des Bischofs von Sebaste erlassen. Siehe meine ,Pravila". 11, 37-48.

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das Konzil von Chalcedon den BeschluB, die Stellung der Klosterbruderschaften in der Kirche gesetzlich zu regeln und ihre Beziehung zur Kirchengewalt zu normieren. Dieses Konzil, welches das Monchstum als eine besondere, von dem Klerus und von den Laien verschiedene Vereinigung anerkannte, erlieB folgende Grundsatze: 1) Kein Kloster darf ohne die Bewilligung des kompetenten Eparchialbischofs erbaut werden; 2) aile Monche sind in jeder Beziehung dem betreffenden Eparchialbischof untergeordnet und von demselben abhangig; dassel be gilt von allen Klostern, welche der Bischof streng zu beaufsichtigen hat; 3) der Monch, welcher eines der Geltibde bricht und nicht reumtitig in das Kloster zurtickkehrt, verfallt dem Anathem; 4) kein Monch darf sich mit nichtklosterlichen Angelegenheiten befassen, den Fall ausgenommen, wenn ihm dies wegen eines Bedtirfnisses der Kirche vom Bischof gestattet wird; die Obertretung dieser Vorschrift wird mit der Exkommunikation bestraft 10. Im VI. jahrhundert wurde des Monchtum auch zum Gegenstande der staatlichen Gesetzgebung gemacht. Kaiser Justinianus erlieB einige Novellen, welche sich mit dem Monchtum und mit den Klostern befassen und die diesbeztiglichen Verftigungen des Konzils von Chalcedon eingehender darlegen u. Diese Novellen wurden in den Nomokanon in XIV Titeln aufgenommen und sind daher auch gegenwartig fUr alle Monche und KlOster der morgenlandischen Kirche giltig 12 Den Normen der staatlichen Gesetzgebung wurde in einigen Kanones des Trullanischen Konzils die kirchliche Sanktion zuteili3. Als sich die Notwendigkeit ergab, die Klosterdisziplin wieder herzustellen und zu festigen, welche zur Zeit des Bildersturmes dadurch gelockert wurde, daB infolge der Angriffe der Bilderstilrmer viele Kloster entvolkert und die Monche vertrieben wurden, da befaBte sich auch das VII. allgemeine Konzil mit dem Monchtum 14 Zur Zeit dieses Konzils lcbte und wirkte auch Theodorus Studita, welcher auf Grund der Kanones desselben Konzils und anderer aus frtiheren Zeiten stammender Bestimmungen tiber das Monchtum das von uns bereits erwahnte Klosterstatut verfaBte, welches das wichtigste Statut ftir das Monchtum des Morgenlandes wurde. Hiedurch wurde die allgemeine Regelung des Monchtums sowohl hinsichtlich der inneren als auch der auBeren Beziehungen beendet. Auch auf der neunten Partikularsynode (861) wurden einige
Siebe Kan. 3, 4, 7, 8, und 16 des IV. allgem. Konzils und meinen Kommentar. ,Pravila". I, 330 u. s. w. 11 Nov. V, LXXIX, CXXIII, CXXXIIl. 12 Siebe namentlich den XI. Titcl des Nomokanons. 13 Kan. 40-49. u Kan. 17-22.
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Kanones erlassen, welche nur die Aufgabe batten, einige Unzukommlichkeiten, welche in der Klosterdisziplin beobachtet wurden, auszugleichen 15. Die bisherigen Ausfiihrungen tiber die Regelung des Monchtums gelten sowohl fiir die Monche (!1-ovaxot, "'.tl.AOj'f]pOl) als auch fiir die Nonnen (!1-ovci.Cooaal, "'.tl.AOj'f]ptXl), nur mit dem durch das Geschlecht bedingten Unterschiede. Das von einigen frommen Mannern in den ersten Zeiten der Kirche gefiihrte vom W eltverkehre abgeschlossene asketische Leben, wurde auch in derselben Zeit von frommen, weiblichen Personen bekundet. Als im IV. jahrhundert begonnen wurde, Kloster fiir Monche zu errichten, wurden auch Nonnenkloster ins Leben gerufen. Im Orient wird zur Zeit Antonius d. Gr. ein TCap&svrov erwahnt, in welches die Schwester des Antonius als Nonne eintrat. Im Abendlande hestand zur Zeit des Ambrosius von Mailand fiir Nonnen ein sacrarium virginitatis in Bologna. Bis in die Zeit Pachomius d. Gr. lebten die Nonnen ebenso wie die Monche ohne bestimmte Regeln. Die von Pachomius fiir die Monche verfaBten Regeln wurden von seiner Schwester auch fiir die Nonnen eingefiihrt. Spater traten an Stelle der Regeln des Pachomius fiir die Monche die Regeln des Basilius, welch' letztere die Schwester des Basilius, die heilige Makrena, auch fiir die Nonnen in Anwendung brachte. Die Regeln des Basilius bildeten auch die Grundlage der Statute fiir die NonnenklOster. Im Abendlande zeigte sich ein gleicher Vorgang, da die fiir Monche angenommenen Regeln des heiligen Benedikt durch die heilige Scholastica auch fiir die Nonnenkloster angewendet wurden. . 209.
Die Organisation des Monchtums.

Fiir die Monche, welche in der morgenlandischen Kirche einheitlich organisiert sind 1, gelten unterschiedslos jene Regeln, welche Pachomius dem GroBen ihre Entstehung verdanken und die dann spater
. 209.

u Kan. 1-8. 1 In der abendlandischen Literatur werden die Monche der morgenlandischen Kirche ganz unzutreffend Basilia:zer oder Monche des Ordens vom heil. Basi/ius genannt. Der Grund hiefiir liegt in Folgendem: Als im Xlll. jahrhundert im Abendlande die beiden bekannten Bruderschaften der Franziskaner und Dominikaner entstanden, wurden dieselben ordines religiosi genannt. Da sich diese Bruderschaften vom abendllindischen Monchtum, welches bis zu dieser Zeit bestand, unterschieden, so wurde auch dieses letztere in einen besonderen Ordo zusammengefaBt. Die Mitglieder desselben wurden nach dem ersten Organisator des Monchtums im Abendlande, dem heil. Benedikt, Benediktiner genannt, so daB im Abendlande seit dem erwahnten jahrhundert aile Monche nach Orden unterschieden wurden. Gelegentlich der im XVI. jahrhunderte erfolgten Einbeziehung der orth.-or. KlOster Siiditaliens in die unierte Kirche, wurden auch die unierten M6nche in einen besonderen

. 209. Die Organisation des Monchtums.

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durch Basilius dem Gro.Ben eine weitere Ausgestaltung erfuhren. Diese Regeln haben sodann, erganzt durch gesetzliche Vorschriften der Kirchenund Staatsgewalt, in verschiedenen Klosterstatuten namentlich im Statute des Klosters Studion Aufnahme gefunden. Nach dem Grade des asketischen Lebens gliedern sich die M<>nche in Rhasophoren, in Monch~ mit dem kleinen Ordenskleide und in M<>nche mit dem graBen Ordenskleide. Rhasophoren ({;rJ.ao~6pot, pa.ao~opoUY't~) sind jene M<>nche, welche nach Zurilcklegung des kanonisch vorgeschriebenen Noviziates und nach Bekundung ihrer Wiirdigkeit ohne Ablegung der Ge!Ubde in den Stand aufgenommen wurden. Dieser Grad wird unter Beobachtung einer besonderen geistlichen Zeremonie, welche der Ktosterobere in der Kirche in Anwesenheit der Bruderschaft ausfiihrt, erworben. Dieser Name riihrt davon her, weil die betreffenden Monche berechtigt sind, ein besonderes Kleid (p&aov) zu tragen, wobei sie sich auch der Monchskappe (ox.a.p:'JAa.6xtov) zu bedienen haben 2 Die Rhasophoren sind verpflichtet, die Klosterregeln gleich den iibrigen Monchen des hOheren asketischen Grades zu befolgen und sind moralisch an die Monchsgeliibde gebunden, wenngleich sie dieselben nicht abgelegt haben. Denselben ist es auch untersagt, das Monchsgewand abzulegen und in den weltlichen Stand zuriickzukehren. Dieses Verbot hat jedoch nur einen ethischen Charakter, denn nach Batsamons Bemerkung im Kommentare zum 5. Kanan der neunten Partikularsynode ,geziemt es sich nicht, daB derjenige, welcher das Monchskleid angelegt hat, heute als Monch unter dem Volke erscheine und morgen wieder im weltlichen Gewande sich zeige; dies wUrde dartun, da.B mit dem heiligen Stande gespaBt wird; daher soil ein solcher Monch gezwungen werden, in seinem Kloster zu verbleiben" 3 Es kann jedoch einem Rhasophoren, welcher unter allen UmsUinden das Kloster verlassen und in den weltlichen Stand zurtickkehren will, dies nicht untersagt werden; er hat sodann auch das Recht, eine Ehe einzugehen 4. Die Monche mit dem kleinen Ordenskleide (p.t'X.p6ap;p.ot) fUhren
Ordo eingereiht und erhielten nach den Regeln Basil. d. Gr., welche von diesen Monchen beobachtet wurden, die Bezeichnung Basilianer. In diesem Sinne werden die orth.-or. Monche im Abendlande Basilianer genannt. Allein in der morgenliindischen Kirche gibt es gar keine Basilianer, denn das Monchtum dieser Kirche ist einheitlich organisiert, ohne die Gliederung in verschiedene Orden. In der orthodoxorientalischen Kirchenliteratur ist diese Benennung fiir die gr.-or. Monche nicht vorfindlich. 2 Ober die Bedeutung des piaoY und 'X/Xft1jAotOXtOY siehe Archim. Beniamin ,Neue Gesetztafel". IV, 83. 84. 3 Ath. Synt. 11, 665; vergl. auch den Artikel Balsamons fiber die Rasophoren in derselben Ausgabe IV, 497. Kirchenrechtliche Daten hieriiber bei Zhishman, Eherecht S. 493.
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llrcltDJechl.

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diese Bezeichnung zum Unterschiede von den M5nchen mit dem groBen Ordenskleide und haben die M5nchsgeliibde abgelegt. Ix~p.a. (Antlitz) bedeutet nach der kanonischen Terminologie die auBere Demut, welche die innere, seelische Reumiitigkeit bekundet 5 Nach dem Grade dieser Reumiitigkeit wird das axiJp.tx. p.t-xp6v, oder p.sytx. genannt 6. Bei dem betreffenden kirchlichen Akte legt der M5nch mit dem kleinen Ordensgewande die M5nchsgeliibde ab und gelobt: a) daB er alles vermeiden werde, was den k5rperlichen Begierden entspricht; b) daB er bis zum Tode gegen jedermann gehorsam sein, und c) daB er nie nach Eigentum streben werde. Als auBeres Abzeichen erhalt der M5nch mit dem kleinen Ordenskleide bei dem betreffenden kirchlichen Akte das 1ttx.ptx.oxtx.p."fJAIXOXtoY, oder 1tepl'XS!ptXAO.ttx.Y, und den Mantel (p.tx.YM!XV) 7 Die M5nche mit dem kleinen Ordenskleide k5nnen nicht mehr aus dem MOnchsstande treten und sind bis zum Tode an die abgelegten Oeliibde gebunden. Die Monche mit dem grojJen Ordenskleide (p.'YJjtXA6ax'YJtJ.Ol) oder die Monche 'tOO UjjSAl'XOtJ axiJtJ.IX'tO;, erlangen diesen Orad unter Beobachtung einer besonderen geistlichen Zeremonie in der Kirche, wobei sie die Oeliibde der M5nche mit dem kleinen Ordensgewande in strengerer Form erneuern und als auBeres Abzeichen das -xoo-xooAWY anstatt des 1ttx.p1X'Xtl!l"fJAtlOXtoY, und den mit Kreuzen gezierten Mantel, &vliAIX~ov, oder 1ttx.p1XttiXYM!Xv erhalten 8 Die MOnche mit dem gro8en Ordenskleide verpflichten sich, ihr ganzes Leben im strengen Fasten und in ununterbrochenem Oebete zu verbringen. Vom Klosteroberen kann nur jenem M5nche gestattet werden, sich dem strengeren asketischen Leben zu widmen, welcher durch dreiBig Jahre sich durch strenge Beobachtung aller M5nchsregeln ausgezeichnet hat. Dieser Art von MOnchen ahnlich sind die Anachoreten (iivtXxroP"fJ'tiXl), welche sich dem Einsiedlerleben unter stetem Fasten und unter Oebeten in einer vom Kloster getrennten Zelle hingeben. Bezliglich dieser MOnche bestimmt der 41. Trullanische Kanon, daB sie vor Beginn des Einsiedlerlebens ein Jahr auBerhalb des Klosters zu verbringen haben, urn den Beweis zu liefern, daB ihr EntschluB sich dem Einsiedlerleben zu widmen feststehe. Das einmal begonnene Einsiedlerleben kann nur tiber Erlaubnis des zustandigen Bischofs aus einem besonderen Orunde unterbrochen werden. Hieber gehOren auch die vom 42. Trull. Kanon erwahnten Eremiten (EP'YJ!ll'ttx.t), welche ihr ganzes Leben in einer Einocte verbringen.
~
6

Kommentar des Zonaras zum 3. Kanon von Ancyra. Ath. Synt. Ill, 25. Ath. Synt. II. 707. Ober die Bedeutung des Ausdruckes (1tXVOOtX~ 1 Beniamin, erwahntes Werk

IV. 91.
8

Beniamin IV, 96, 97.

. 209. Die Organisation des Monchtums.

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Das Monchtum nimmt nach seinen Satzungen und nach seiner Organisation eine besondere Stellung in der Kirche ein. Die Kanones unterscheiden auch die Monche vom Klerus und von den Laien 9. Wenn sonach ein Monch in den Klerus aufgenommen werden soli, so hat er, gleich einem Laien, aile hierarchischen Grade durchzumachen. Anfangs war es, wie bereits erwahnt wurde, den Monchen untersagt, in den Klerus einzutreten. Erst als im V. jahrhundert unmittelbar bei den Klostern Kirchen errichtet wurden, da erhielten einzelne altere Monche vom Bischof die Cheirotonie behufs Verrichtung des Kirchendienstes. Als im Laufe der Zeit das Monchtum in der Kirche und in der geistlichen Gesellschaft an Bedeutung gewann, wurden alle Monche, welche einen wichtigeren Dienst im Kloster versahen, zu Priestern geweiht. Die zu Priestern geweihten Monche filhren die Bezeichnung Hieromonachen ([spop.6vrqot); jene Monche welche die Weihe als Diakonen erhalten haben, werden Hierodiakonen (tepoatci:x.ovot) genannt; aile iibrigen Monche filhren die Bezeichnung p.6va.xot. Die Klosteroberen konnten auch nur Monche sein, also ohne die Cheirotonie als Presbyteri 10 Die Monche sind unterschiedslos vom zustandigen Eparchialbischof abhangig. Es kann daher nach der Lehre der morgenlandischen Kirche kein Monch gedacht werden, welcher sich nicht in die unbedingte Abhangigkeit und Untero'rdnung hinsichtlich des zustandigen Eparchialbischofs befinden wilrde, mag er auch irgendwelche hierarchische Wiirde bekleiden oder sonst einen Dienst versehen 11. Diese Bestimmung, welche im vierten Kanon des vierten allgemeinen Konzils zum Ausdrucke gelangte, wurde spater in allen das Monchtum behandelnden Kanones erneuert 12. Daher ist der Bischof nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, aile KlOster und Monche zu iiberwachen. Die Monche wieder sind in Befolgung der Monchsregeln verhalten, den Anordnungen des kompetenten Eparchialbischofs zu gehorchen und ohne die ausdrilckliche gegenteilige Bewilligung des Eparchialbischofs alles zu unterlassen, was auBerhalb des Rahmens der Monchsregeln gelegen ist. Mit bischoflicher Zustimmung konnen die Monche jeden Dienst in der Kirchenverwaltung verrichten. Balsamon erwahnt in seinem
' IV. allgem. Konzil. 2. 8. Kan.; 81. Trull. Kanon; VII. allgem. Konzil. 5. 9. 13. Kan. u. a. 10 Ba/samon erwahnt im Kommentar zum 5. Kanon von Karthago viele Hegumenen, welche die Priesterweihe nicht erhielten (&vispot rvovt~t), welche daher nicht berechtigt waren, neue Monche in den Stand aufzunehmen. (Ath. Synt. III, 312; vergl. auch II, 618). 11 Ausgenommen hievon sind die Monche der Stauropegiai-KIOster; siehe hieriiber . 213. 12 Siehe die betreffenden Kanones in "Pravila". II, 559. 42*

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IV. Tell. Das Leben der Kirche.

Kommentar zum erwiihnten Kanon von Chalcedon, daB den Monchen die Besorgung nicht nur kirchlicher, sondern auch staatlicher und nationaler Angelegenheiten (~rtOtAt'X.rl~ -x.al 8Yjt.J.OOtrt'X.cX~ 8oo).s(w;) Ubertragen wurde, jedoch nur mit Zustimmung des zustandigen Bischofs 13. Das Verhiiltnis der Unterordnung der Monche unter die BischOfe ist auch durch die Staatsgesetze normiert u. Nach dem 8. Kanon von Chalcedon soli jeder Monch wegen Ungehorsame seinem Bischofe gegenfiber exkommuniziert und nach dem 18. Kanon dessselben Konzils im Falle des Verharrens in der UnbotmaBigkeit abgesetzt werden.
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Der Eintritt in den Monchssta.nd. Es steht jed em frei in den Monchsstand zu treten; weder Stand, noch Beruf, noch ein begangenes Delikt bilden hiebei ein Hindernis. Der 43. Kanon des Trullanischen Konzils bezeichnet das Monchsleben als ein Leben der BuBe (ev t.J.'trtvoE~ Cmi]), und billigt es, sich diesem Leben zu widmen. Da jedoch das Leben der Monche durch besondere Regeln normiert ist, mUssen die Kandidaten des Monchsstandes bestimmte Eigenschaften nachweisen und auch faktisch den Beweis erbringen, daB sie dieses Standes wtirdig sind. Die Eigenschaften des Kandidaten des Mfinchsstandes prilft die kompetente Obrigket vor dem Eintritte desselben in das Kloster; iiber die Wiirdigkeit wird wahrend der Priifungszeit entschieden. I. Die vom Kandidaten des Monchsstandes geforderten Eigenschajten sind physischen und juristischen Charakters. Zu den Eigenschaften physischen Charakters gehoren: a) Das vorgeschriebene Alter. Die Kanones unterscheiden das Alter ffir den Eintritt in das Kloster, zur Obung im ktosterlichen Leben und zum Zwecke der Priifung von dem Alter for das Abtegen der GelUbde. Der 40. Trullanische Kanon bestimmt, daB zum Eintritt in das Kloster das vollendete 10. Lebensjahr erforderlich ist. Als Ursache der Aufnahme in das Kloster in so jungen jahren fiihrt dieser Kanon . den Umstand an, daB jeder angespornt werden soli, das Gute zu wiihlen und nicht lange dariiber erwligen soli. Derselbe Kanon gestattet dies jedoch nicht dem Klosteroberen aus eigener Machtvollkommenheit und betrachtet diesen Vorgang nicht als allgemeine Norm, sondern verfUgt, daB der Bischof darfiber zu entscheiden babe, ob ein zehnjiihriges Kind in das Kloster aufzunehmen sei, oder ob bis zu einem vorgeriickteren Alter zu warten ist. Die gewohnliche Norm in dieser Beziehung ist jene des 18. Kanon Basilius des GroBen, wonach als
u u

Ath. Synt. II, 229. justin. nov. V, 1. CXXIII, 21. CXXXI, 7.

210. Der Eintritt in den Monchsstand.

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Alter fiir die Aufnahme in das Kloster das 16. oder 17. Lebensjahr vorgeschrieben wird, wei! hiemit das Kindesalter bereits iiberschritten und das betreffende Individuum sich seiner Handlungen bereits bewuBt ist. Die vor diesem Alter abgegebenen AuBerungen bezeichnet Basilius als kindliche Kundgebungen ('lta.totx.a; tpmv6.;). Nach der erfolgten Aufnahme in das Kloster beginnt die Priifungszeit, nach deren Beendigung der Betreffei1de das 19. oder 20. Lebensjahr bereits erreicht hat und in die Reihe der Rhasophoren aufgenommen werden kann, wenn ihm von dem Beichtvater das vorgeschriebene Zeugnis seiner Wiirdigkeit zur Einkleidung erteilt wird. Die Monchsge!Ubde werden nach Analogie des 126. Kanon von Karthago von den Monchen nach voiJendetem 25. und von den Nonnen im Sinne des 15. Kanon von Chalcedon nach vollendetem 40. Lebensjahre abgelegt 1. b) Die norma/en Geisteskriijte. Vor Ablegung der Monchsgeliibde wird der Betreffende von der hiezu kompetenten Person dariiber befragt, ob er sich hiezu aus freien Stiicken entschlieBe, oder ob ein Zwang von irgendeiner Seite vorliege. Zur Beantwortung dieser Frage muB sich der Betreffende im Besitze normaler Geisteskrafte befinden. Daher diirfen nach den Kanones Schwachsinnige (i;Adh6trxt), Wahnsinnige (p.rxtv6p.Evc.t) und im allgemeinen Geisteskranke in den Monchsstand nicht aufgcnommen werden. Die an solchen Individuen vom Klosteroberen vorgenommene Tonsur hat keine Bedeutung und der Klosterobere verfallt der betreffenden KirchenbuBe 2. Was die Eigenschaften juristischen Charakters anbelangt, so verbieten die Kanones jene Personen in den Monchsstand aufzunehmen, welche durch bestimmte gesellschaftliche Verpflichtungen gebunden sind. Dasselbe bestimmen auch die Staatsgesetze. Dieser Norm liegt die Erwagung zu Grunde, daB der Gottesdienst und der Kirchendienst vollsUindig erfiillt und durch auBere weltliche Beziehungen des Menschen nicht behindert werden sollen. Oberdies soli unter der Ausrede dieses Dienstes das gesetzliche Recht des Staates und die jemandem als Staatsuntertan obliegende Pflicht nicht beeintrachtigt werden. Daher kann a) eine verehelichte Person in den Monchsstand nicht eintreten. Dies ist nur dann gestattet, wenn die Ehegatten diesbeziiglich freiwillig
Syntagma des Blastares M, 15, (Ath. Synt. VI, 390). Siehe den Kommentar des Archim. johann zum 40. Trull. Kanon (II, 409-416. In der Karlowitzer Metropolie ist zur Ablegung der Monchsgeliibdc das 24. Lebensjahr erforderlich (Monchsregeln 1899 . 8); in Oriechenland das 25. Lebensjahr (Diatagma vom 28. juli 1858); in Rujlland das 30. Lebensjahr (0 sost. IX. Art. 344) und das 25 Lebensjahr fiir jene, welche die Studien absolviert haben (Synodal-Ukas vom 29. Mai 1832). 2 Syntagma des Blastares M, 15 (Ath. Synt. VI, 382).
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1

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

eine Vereinbarung treffen und darauf eingehen, daB der eine oder der andere Teil in den MBnchsstand tritt s. Es ist jedoch dem betreffenden Teile nicht gestattet, gleich nach der Vereinbarung die Monchstonsur anzunehmen, sondern es miissen wenigstens drei Monate seit dieser Zeit verstrichen sein, urn das Verharren im Entschlusse wahrzunehmen und urn festzustellen, ob durch diese Vereinbarung fUr die betreffende Familie kein Nachteil erwachst. Die solcherart vereinbarte Trennung einer Ehe gehBrt in die Kompetenz des in Eheangelegenheiten zustandigen Gerichtes. Wird die Ehe gesetzlich als getrennt erachtet, so bleibt es dem im weltlichen Stande verbleibenden Teile freigestellt, eine neue Ehe zu schlieBen . b) Minderjahrige kBnnen ohne Zustimmung der Eltcrn oder Vormiinder in den Monchsstand nicht eintreten; ebendasselbe gilt beziigHch derjenigen, welche von den Eltern hiezu gezwungen werden s. c) Die in einem Mentlichen Dienstverhaltnisse befindlichen Personen, konnen ohne Zustimmung der kompetenten Obrigkeit in den Monchsstand nicht eintreten; dassel be gilt beziiglich der in gerichtlicher Untersuchung befindlichen oder hinsichtlich der mit Schulden belasteten Personen 6. d) Die Aufnahme in den Monchsstand gegen Entgelt wird ebenso als Simonie aufgefaBt, wie die entgeltliche Aufnahme in den Klerus 7, e) lm Sinne des Armutsgeli1bdes bestimmt der 6. Kanon der neunten Partikularsynode, daB der Kandidat des MC\nchsstandes vor dem Eintritte in das Kloster fiber sein VermC\gen zu verffigen babe. Besitzt er Kinder, so hat er sein VermC\gen nach dem Gesetze unter die Kinder zu verteilen; der etwa verbleibende Rest aber geht in das Eigentum des Klosters fiber. Wi1nscht der Betreffende, daB sein ganzes Vermogen unter seine Kinder verteilt werde, so hat auch ein gleicher Teil auf ihn zu entfallen, welcher dann in das Eigentum des Klosters fibergeht. Dieselben Grundsatze gelten auch fiir die Eltern des Kandidaten des MBnchsstandes s. II. Die Prilfungszeit (aoxttJ.!l.Ot!X). Vor der Aufnahme in den Monchsstand ist der betreffende Kandidat verpflichtet, unter der Leitung eines
Nomokanon XIII, 4. Syntagma des Blastares f, 13 (Ath. Synt. I, 296. VI. 178). ' Nov. CXXIII, 40. Syntagma des Blasiares, erwllhnte Stelle: To '1t5ptA.et1'{}osv 1tp6aol'/tOY 86YIX't1Xl 1tpor; b~piXY aoCt>"(tiXY sJ..{loetY. ~ Basilius d. Or. 18. Kanon und Kommentar hiez~ 6 Nomokanon IX, 32. XI, 3 (Ath. Synt. I, 222. 256). 7 VII. allgem. Konzil 19. Kanon. Siehe auch den 81. Kanon im Nomokanon zum gro6en Euchologion. 8 Nomokanon XI, 1 (Ath. Synt. I, 248).
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. 210. Der Eintritt in den Monchsstand.

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erfahrenen Monches, die Priifungszeit durchzumachen, d. h. er mu6 sich die Klosterregeln gut aneignen und die aufrichtige und feste Absicht bekunden, sich dem Monchsstande zu widmen. Die PrUfungszeit dauert drei jahre. Diese Bestimmung, welche der 5. Kanon der neunten Partikularsynode enthalt, muB streng beachtet werden, ,den Fall ausgenommen, wenn eine schwere Krankheit eine Abkiirzung der dreijahrigen PrUfungszeit erheischt, oder wenn ein frommer Mann auch im Laiengewande ein Monchsleben gefiihrt hat; fur einen solchen Mann ist zur vollstandigen PrUfung eine Zeit von sechs Monaten hinreichend". Der Klosterobere, welcher jemanden ohne Prfifungszeit in den Monchsstand aufnimmt, wird nach demselben Kanon mit der Absetzung von der Stelle eines Klosteroberen bestraft 9, Durch den zweiten Kanon der erwahnten Synode wird die FUhrung und Anleitung des Prfiflings zur wOrdigen Vorbereitung fOr den Monchsstand dem Klostervorsteher Obertragen. Im 2. Kanon der neunten Partikularsynode wird ein lilterer Monch erwlihnt welcher den PrOfling unmittelbar zu beaufsichtigen und ibn zur genauen ErfOllung der Monchsregeln anzuleiten hat to. Im 79. Kanon des Nomokanon zum gro6en Euchologion wird dieser altere Monch &v&.ao:xo; genannt, welchem dieselbe Aufgabe obliegt, wie dem Paten bei der Taufe, welch' letzterer die Sorge fOr die christliche Erziehung des Tliuflings tibernimmt.

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Die Monchstonsur.

Die Monchstonsur ((10WJ.Xtx-fj &1tox&.pat;) ist jener Akt, durch welchen der Kandidat des Monchsstandes formell in die Bruderschaft der Monche aufgenommen und zum vollberechtigten Mitgliede der selben wird. Dieser Akt wird feierlich nach der Vorschrift des EuchoIogion vorgenommen, wobei dem Betreffenden das Haupthaar in Kreuzform geschoren wird. Das Recht zur Vornahme der Tonsur steht dem Klosteroberen, Hegumen oder Archimandriten zu 1 Hiebei hat auch jener Monch zu
9 Von der Ableistung der Priifungszeit im Kloster sind gegenwiirtig im allgemeinen jene Personen enthoben, welche die theologischen Studien absolviert haben, und ebenso auch die verwitweten Geistlichen, welche in den Monschsstand einzutreten wiinschen. Siehe z. B. fiir Ruftland den Synodal-Ukas vom 29. Mai 1832,

N. 1789.
10 Vergl. Syntagma des Blastares M, 15 (Ath. Synt. VI, 382). Ober diesen Vormund geschieht im 2. Kanon der IX. Partikularsynode {Ath. Synt. II, 654) Erwiihnung. . 211. 1 Siehe Kommentar Balsamons zum 14. Kanon des Vll. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 618). Vergl. Ilpti~t~ 7tpo; p:tjtpo'ltof..lt'fjY 'ltctpa 'lttxtptlipxoo ataofL!V'tj 1

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

intervenieren, unter dessen Leitung der Kandidat die Priifungszeit zugebracht hat. Die Tonsur der Nonnen kann nur der Bischof vornehmen 2 Bei der Tonsur der Rhasophoren ist die Zeremonie kilrzer; wahrend der betreffenden Oebete erhalt der neue Monch das ptiaov und das "'.a.p:fJI..a.6x_wv. Feierlicher ist die Tonsur der Monche mit dem kleinen Ordenskleide. Der betreffende Kandidat bekennt Offentlich und feierlich, daB er aus freien Stucken ohne Zwang das heilige Oewand annehme, verspricht sodann im Kloster und im Eifer auszuharren und Iegt endlich die Monchsgeliibde (e1tarrs/..p.a.ta.) a) der Keuschheit, b) des Oehorsams und c) der Armut a b. I. Das wichtigste OelUbde, welches der Monch vor Oott und der Kirche ablegt, ist jenes der Keuschheit (1ta.p&sv(a.), welches er mit seinem Oewissen verbiirgt. Durch dieses Oe!Ubde entsagt der Monch offentlich und feierlich allen korperlichen Oenilssen im weitesten Sinne und bekraftigt durch den vor Oott abgelegten Eid das Versprechen, daB er sich unbedingt von diesen Oeniissen enthalten werde, namentlich daB er stets das schwarze, bescheidene Kleid nach den Bestimmungen der Klosterregel tragen, daB er an keiner weltlichen Belustigung teilnehmen, stets ergeben und fromm sein werde, daB er wahrend des ganzen Lebens gemaB den Klosterregeln fasten und sich his zu seinem Tode von korperlichen Beziehungen zum weiblichen Oeschlechte enthalten werde. Dieses letztere Moment bildet die Hauptgrundlage des Oeliibdes. Die Kanones widmen diesem Momente die grOBte Aufmerksamkeit und unterziehen jene Monche und Nonnen den groBten BuBen, welche dieses Ge!Ubde miBachten und sich der Unzucht ergeben wl.irden. Basilius der GroBe bestimmt hiefi1r in seinem 60. Kanon eine fUnfzehnjahrige BuBe, welche vom 44. Trullanischen Kanon auf sieben jahre herabgesetzt wurde, jedoch, nach der Bemerkung Balsamons, nur in dem Faile, wenn der Monch, welcher sich der Unzucht schuldig gemacht hat, dies aufrichtig bereut hat und wieder zum friiheren streng monchischen Leben zurUckgekehrt ist 3 Die Strenge der Kanones steigert
und ebenso Ilp<i~t~ otOOfLSY"tJ &7to fL"fltpo7toA.ltoo ek 67tlmto7toY im Ath. Synt. V, 550. 558. 1st der Klosterobere verhindert, diesen Akt vorzunehmen, so besorgt dies ein vom Bischof delegierter illterer Hieromonach. Kommentar Balsarnons zum 6. und 126. Kanon von Karthago (Ath. Synt. Ill, 312. 519). Ein Weltgeistlicher kann diesen Akt nicht vornehmen. Die beziigliche Norm ist im 82. Kanon des Nomo'X.OIJ(Lt'X.o~ 7ttx7tli~ 'X.Oopa6at kanon zum Euchologion enthalten, wo es heiBt: ooas 'X.(XMjapov. Pawlow fiihrt im Kommentar zu diesem Kanon (S. 211-213) die Entscheidung des russischen Metropoliten Cyprianus aus dem XIV. jahrhundert an, wonach ,einem Weltgeistlichen nicht gestattet ist, an einem Monche die Tonsur vorzunehmen; denn wie kann er sie, da er sie selbst nicht besitzt, an einem anderen vornehmen ?" 2 6. Kanon von Karthago. Vergl. den Kommentar des Zonaras zum 44. Kanon von Karthago (Ath. Synt. III, 410). a Ath. Synt. U, 410.

. 211. Die Monchstonsur.

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sich, wenn ein Monch oder eine Nonne eine Ehe schlieBt. Die Kanones betrachten eine solche Ehe als Unzucht, und der 16. Kanon von Chalcedon verfiigt fiir jeden Monch und fi1r jede Nonne im Faile des Eingehens einer Ehe, die AusschlieBung aus der kirchlichen Gemeinschaft. Derselbe Kanon gestattet aber dem Bischof in solchen Fallen milder vorzugehen. Dies ist jedoch nicht so aufzufassen, daB der Bischof berechtigt sei, die Ehe eines Monches oder einer Nonne als eine gesetzliche anzusehen, den dies wiirde den kanonischen Bestimmungen (15. Kanon von Chalcedon, 19. Kanon von Ancyra, 44. Trullanischer Kanon, 6. und 18. Kanon Basilius d. Gr. u. a.) zuwiderlaufen; der Bischof kann vielmehr an Stelle der AusschlieBung aus der kirchlichen Gemeinschaft eine andere BuBe treten lassen 4. Balsamon fiihrt in seinem Kommentar zum 16. Kanon der Synode von Chalcedon die Normen der griechisch-romischen Gesetzgebung an, wonach iibereinstimmend mit der Doktrin der Kirche, die Ehe eines Monches als Unzucht anzusehen ist und dieselbe nicht nur unbedingt zu trennen, sondern der Schuldige auch den schwersten korperlichen Strafen zu unterziehen ist5. Diese Doktrin ist im 77. Kanon des Nomokanon zum graBen Euchologion folgendermaBen dargelegt: ,Die Ehe des Monches oder der Nonne ist nicht als Ehe sondern als Unzucht anzusehen. Daher sollen sie, solange die Ehe nicht getrennt wird, die Kirche nicht betreten, sondern aus der Kirchengemeinde ausgeschlossen werden. Sollte sich aber der Fall ereignen, daB sie ohne BuBe sterben, so sollen sie nicht kirchlich beerdigt und keine Todenfeier veranstaltet werden, denn sie sind entfremdete Christen" 6 Die Kanones enthalten dariiber keine Bestimmung, daB der Monch oder die Nonne nach der Tonsur nach Belieben den MOnchsstand verlassen, daB sie von den Geliibden, namentlich von dem Versprechen, den Verkehr mit dem anderen Geschlechte zeitlebens zu meiden, entbunden werden, daB sie also den Monchsstand verlassen und eine Ehe schlieBen konnen; der Nomokanon enthalt vielmehr die Bestimmung, daB der Ml>nch welcher das Kloster verlaBt und in das weltliche Leben i.ibertritt, gewaltsam seinem Kloster zuri.ickgefiihrt werden muB, in welchem er zeitlebens fOr den Abfall von seinem Stande sich der BuBe zu unterwerfen hat 7. _ _l_l._D_as Oeliibde des Oehorsams (67Cct.'XllfJ). Nach den Monchs' Siebe meinen Kommentar zum 16. Kanon der Synode von Chalcedon. ,Pravila" I, 368-369. 5 Ath. Synt. II, 258. 6 Details hieriiber bei Zhishman, Eherecht. S. 500-505. 7 Nomokanon IX, 32 (Ath. Synt. I, 222}. Syntagma des Blastares M, 15 (Ath. Synt. VI, 395). Fiir Rujlland, Gesetzsammlung IX, Art. 253, 254, 255 und XIV, Art. 280; fiir Osterreich . 63 des biirgerlichen G~:setzbuches; fiir Serbien Entscheidung der bischoflichen Synode vom Oktober 1886 Z. 35 und vom September 1891 Z. 131. Vergl. Anm 3 . 212.

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

regeln, welche in allen Klosterstatuten enthalten sind, ist die Gehorsamspflicht des Monches eine absolute, so daB der Monch seinen Willen stets jenem des Klosteroberen in jeder Beziehung unterordnen muB; er ist daher zu keiner juristischen Handlung berechtigt. In eingehender Weise behandelt Basilius d. Gr. in seinen Monchsregeln die Pflicht des Gehorsams des Monches seinen Vorgesetzten gegeniiber, und der 2. Kanon der zehnten Partikularsynode hebt hervor, daB die Ge!Ubde der Monche die Pflicht des steten Gehorsams und des Lernens enthalten. Daher wird auch seitens der biirgerlichen Legislation den Monchen das Recht aberkannt, irgendeinen staatlichen Dienst zu verrichten, oder irgendeine privatrechtliche Handlung vorzunehmen s. Die Unterordnung des Monches unter seine Vorgesetzten und in erster Linie unter den Klosteroberen bringt es mit sich, daB der Monch allen Anordnungen derselben sich unbedingt ohne Widerspruch fUgen muB. Im entgegengesetzten Faile ,zeigt sich" nach dem Wortlaute des 113. Kanon des Nomokanon zum Euchologion ,der Monch als Gegner Gottes" und wird der Bestrafung unterworfen. Selbst jene Anordnungen des Klosteroberen, welche sich dem Monche als nicht gerechtfertigt darstellen, hat er zu befolgen; kann jedoch in einem so!chen Faile beim zusUindigen Bischof die Beschwerde erheben. III. Das Gelilbe der Armut (atvoxropa). Durch die Entsagung der Welt und allen weltlichen Dingen, kann der Monch kein Eigentum besitzen; es gehOrt vielmehr alles, was er auf irgendeine Weise erwirbt, dem Kloster. Basilius d. Gr. bezeichnet in seinen Monchsregeln das Privatvermogen des Monchs als Diebstahl (-x.AO'it~), und Theodorus Studita bestimmt in seinen BuBregeln, daB der Monch nichts eigenes im absoluten Sinne besitzen diirfe 9, Das siebente allgemeine Konzil hat auch einen im gleichen Sinne gehaltenen Kanon (19.) erlassen 10. Die neunte Partikularsynode hat im IX. jahrhundert aile diesbez!lglichen gesetzlichen Bestimmungen in einen Kanon zusammengefaBt (in den 6. Kanon) und verfiigt, daB der Kandidat des Monchsstandes vor der Tonsur Uber sein Privatvermogen verfilgen soli. Aile Erwerbungen nach diesem Zeitpunkte aber gehoren jenem Kloster, in welchem er die Tonsur empfangen hat. Die Bestimmungen dieses Kanon mit den betreffenden Vorschriften der bilrgerlichen und kirchlichen Legislation wurden bis in die Gegenwart in der morgenHindischen Kirche streng beobachtet 11
8 Nomokanon IX, 37 (Atb. Synt. I, 230). Fiir Osterreich . 192, 573, 581, 591 des bUrgeri. Gesetzbucbes. 9 20. BuBregel; dasselbe ist auch im Statut des Klosters Studion enthalten. 10 Siebe den Kommentar des Archim. johann zu diesem Kanon (II, 546-547. 11 Nomokanon XI, 1. Syntagma des Blastares M, 15 (Atb. Synt. I, 248, VI, 395). Siebe fiir Osterreich auBer vielen aueren Hofdekreten die Entscbeidung des Obersten Gericbtshofes vom 9. Dezember 1870; fiir RujJland Gesetzbucb IX, Art. 259 und X, Art. 1223.

. 212. Die Wirkungen der Monchstonsur.

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Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel kann nur hinsichtlich jener Monche gestattet werden, welche mit Genehmigung des Eparchialbischofs einen von der Klosterverwaltung unabhangigen Dienstposten auBerhalb des Klosters versehen. Die diesbeziigliche von Balsamon im Kommentar zum 6. Kanon der neunten Partikularsynode angefiihrte gesetzliche Bestimmung verfiigt, daB der M5nch iiber die vom Klosterdienste unabhangigen Erwerbungen nach freiem Ermessen verfOgen kann, wenn er beim Eintritte in den Monschsstand dem betreffenden Kloster etwas zugewendet hat; ist dies jedoch nicht der Fall gewesen, so hat er bei seinem Ableben dem Kloster den dritten Teil des erworbenen Verm5gens zu hinterlassen t2.

. 212. Die Wirkungen der Monohstonsur.


Durch die M<>nchstonsur wird der Kandidat formell in den Monchsstand aufgenommen. Diesen Akt betrachten die heiligen Vater und Leber der Kirche als ein Sakrament (!loari]pt~v), und vergleichen ihn mit dem Sakrament der Taufe und der Ehe. Der Monschsstand tragt gleich dem Sakrament der Taufe den Charakter der Unausloschbarkeit an sich, und das Band des Monchsstandes ist ebenso unloslich, wie das Eheband unter normalen Verhliltnissen. Daher bestimmte der 7. Kanon des Konzils von Chalcedon, daB derjenige, welcher sich dem Monchsstande gewidmet hat, demselben nicht mehr entsagen dOrfe; erfolgt die Entsagung trotzdem, so soli der Betreffende dem Anathem verfallen (civa&Sf1rttCsa8-at). Diese Lehre wurde sehr eingehend von Theodorus Studita in seinen verschiedenen Schriften dargelegt t. Der Nomokanon verfOgt, daB der Monch, welcher dem Stande entsagt, das Kloster
12 Ath. Synt. II, 672. Dies ist die 5. Novelle des Kaisers Leo (886-912) abgedruckt bei Zachariae, jus gr. rom. III, 73-76. - Das Eigentumsrecht der Monche ist dermalen in den einzelnen Staaten durch besondere Gesetze normiert. Das osterreicflische Hofdekret vom 7. juli 1827 bestimmt in dieser Beziehung Folgendes: ,Kein in der Komunitat lebender Ordensgeistlicher soli ein Seperat-Vermogen besitzen, wovon nur diejenigen eine Ausnahme machen, welche entfemt von ihrem Kloster oder Stifte als offentliche Professoren oder sonst in einer anderen Anstalt sich befinden, und in der Lage sind, eine eigene Haushaltung zu fiihren". Siebe meinen Kommentar zum 6. Kanon der IX. Partikularsynode in "Pravila" II, 279-281. Der Ukas vom 21. Februar 1766 gestattet in Ruflland den Klosteroberen bewegliches Vermogen zu besitzen, iiber welches sie zu Lebzeiten oder auf den Todesfall verfiigen konnen. Das Recht Vermogen zu besitzen, steht auch .den Monchen jener russischen Kloster zu, in welch en kein coenobitisches Leben eingefiihrt ist; dasselbe gilt fiir die Monche der idiorrhythmischen Kloster Griechenlands, von welchen im . 213 die Rede ist. . 212. 1 Insbesondere in seinem Schreiben an den Monch Gregorius (lib. II. ep. 165) und an die Hegumenie Euphrosina (ep. 196).

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

verta6t und sich dem weltlichen Leben widmet, sowohl von der Kirchenals auch von der Staatsobrigkeit zu strafen sei, ihm das zufallig erworbene Verm5gen abgenommen und er gewaltsam (&:x.c.ov) in das Kloster zuriickgebracht werden miisse 2 Die Kanones enthalten aber keine Bestimmung dariiber, daB der M5nch den Austritt aus dem M5nchsstande verlangen und die Kirchenbeh5rde ihm dies gestatten kann. Diese Frage kann auch mit Riicksicht auf die Lehre der morgentandischen Kirche iiber den Charakter des Monchsstandes in den Kanones nicht er5rtert werden s. Der Lebenswandel der Monche muB dem Stande gemaB eingerichtet sein. je bedeutender die Pflichten, welche jemand iibernimmt, desto gr5Ber die Verantwortung im Falle der Verletzung derselben. Dieser Orundsatz bezieht sich hauptsachlich auf die Angehorigen des M5nchsstandes, welche einen von der iibrigen Oesellschaft ganz verschiedenen Lebenswandel fiihren, und die selbst filr solche Handlungen, welche bei den iibrigen Olaubigen kaum beachtet werden, streng bestraft werden. Da die M5nche nach ihrem freien Willen feierlich geloben, ein frommes Leben zu fiihren, so mu6 jedes dieses Leben verletzende
~ Nomokanon IX, 32. Synt. des Blastares M, 16 (Ath. Synt. I, 222. VI, 395). Siebe auch das 44. Kapitel der Krmcija. 3 In der russischen Kirche ist dem Monchc gestattet, aus dem Monchsstande auszutreten, in den Laienstand zuriickzukehren und sich zu verehelichen. Die diesbeziigliche Norm ist im 36. Art. des Konsistorial-Statutes vom jahre 1883 und im Art. 349 des IX. Bandes der russischen Staatsgesetze Ausgabe 1886 enthaltcn. Bis zum April 1823 galt auch in RujJland die allgemeine kanonische Praxis, daB kein Monch aus dem Stande austreten und sich sodann verehelichen diirfe. In dem erw!lhnten Zeitpunkte wandte sich der Vorsteher cines Klosters in der jekaterinoslaver Eparchie, der Archimandrit joasaph Lebedinski, an die Synode mit der Bitte, ihm den Austritt aus dem Monchsstande zu gestatten (1. vollst!lndige Oesctzsammlung Z. 29. 413). Nach Ianger Beratung in der Synode und im Staatsrate wurde der Bitte des Archimandriten joasaph Folge gegeben, und wurden die oberwahnten gesetzlichen Verfiigungen erlassen. Das Verfahren in einem solchen Faile ist folgendes: Vorerst versucht der Klosterobere den betreffendcn Monch davon abzubringen den heil. Stand zu verlassen; bleibt dies erfolglos, so hat ein vom Bischof bcstimmter Oeistlicher diesen Versuch zu erneuern, und endlich hat das Konsistorium diesen Versuch vorzunehmen. Diese Versuche werden durch sechs Monate fortgesetzt, und gelingt es innerhalb dieser Zeit nicht, den betreffenden Monch von seiner Absicht abzubringen, so erteilt ihm das Konsistorium die Erlaubnis aus dem Monchs- und zugleich aus dem geistlichen Stande auszutreten (Siehe in meinen ,Pravila". I, 446-450 und 500-501). Der aus dem Monchsstande Ausgeschiedene ist berechtigt, eine Ehe zu schlieBen. Diese Praxis besteht seit 80 Jahren nur in der russischen Kirche. Wir haben uns an die besten gegenwartigcn Kanonisten RujJlands urn AufkHirung dariiber gewendet, wie die erw!lhnte Praxis der russischen Kirche mit den diesfalligen fundamentalen Lehren der morgenl!lndischen Kirche vereinbar ist. Aus den betreffenden Antworten ist zu ersehen, daB sie nicht in der Lage sind, die bezeichnete Praxis stichh!lltig zu rechtfertigen.

. 212. Die Wirkungen der Monchstonsur.

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Vorgehen derselben streng verurteilt werden. Die Kanones bedrohen daher jedes derartige Vorgehen der Monche mit einer Strafe, welche viel barter ist als jene, die in einem gleichen Falle iiber jene verhangt wird, welche sich dem Klosterleben nicht gewidmet haben 4, Das diesfallige Entscheidungsrecht steht der Klostervorstehung und dem kompetenten Bischof zu s. Die Monchstonsur und die abgelegten Geliibde ziehen eine gewisse Beschrankung der Monche in der AusUbung gewisser Rechte nach sich. So darf a) der Monch sich nicht mit weltlichen, militarischen, politischen, biirgerlichen und anderen ahnlichen Angelegenheiten befassen s. Daher konnen die Monche keine Vormundschaft Ubernehmen 7 und auch nicht als Zeugen in zivilrechtlichen Angelegenheiten fungieren s. b) Der Monch (Hieromonach) kann keine Ehe einsegnen ~. Dies gilt fUr die im Kloster lebenden Monche. Dagegen konnen die mit Zustimmung des kompetenten Bischofs im Pfarrdienste verwendeten Monche Trauungen vornehmen und jene Sakramente verwalten, deren Verwattung den Presbyteri zusteht. c) Der Monch kann nicht als Pate bei der Taufe fungieren 10. Dieses Verbot ist durch den Orundsatz begrUndet, daB der Monch mit der Welt nichts gemein haben dUrfe und daher auch nicht imstande ware, die kanonisch vorgeschriebene Obsorge fUr den Taufling zu betatigen 11.

. 213.
Die KlOster.

Anfangs lebten die Monche getrennt an einsamen vom Weltgetriebe entfernten Orten in den ihnen erbauten Zellen (ox.AAtov), weshalb man sie auch ox.sAJ..tro't(Xt nannte. Durch das Errichten solcher
Nomokanon IX, 29. XI, 5 (Ath. Synt. I, 210. 258). 5 Nomokanon XI, 4. 6 u. a. Synt. des Blastares M, 15 (Ath. Synt. I, 257, 258 u. a. VI, 393). 6 3. u. 4. Kanon des Konzils von Chalcedon und mein Kommentar. "Pravila". I, 331-339. 7 Syntagma des Blastares M, 15 (Ath. Synt. VI, 395). Vergl. . 192 des iisterr. biirgerl. Gesetzbuches. 8 Erwahnte Stelle im Syntagma des Blastares; vergl. . 581 und 591 des iisterr. biirgerl. Gesetzbuches. 9 Kanon 84 des Nomokanon zum Euchologion.. 10 87. Kanon des Nomokanon zum Euchoiogion. 11 Vergl. den Kommentar des A. Paw/ow zum 84. Kanon des Nomokanon zum Euchologion (S. 215), woselbst die Verordnung des Patriarchen Gregorius V. von Konstantinopel vom Monate Mai 1806 angefiihrt ist, in welcher die Verfiigung getroffen wird, da6 weder die Hieromonachen noch die BischOfe als Taufpaten und noch weniger als Trauzeugen fungieren diirfen.

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IV. Teil. Das Leben der Klrche.

Zellen an demselben Orte in geringen gegenseitigen Entfernungen entstand eine kleine Ansiedlung, welche nach ihrer Gestaltung "Aa6pr1.. (vicus) genannt wurde t und nach der Einftihrung des coenobitischen Lebens die Bezcichnung Monasteriwn (tMVrJ..~c-YJpt-JV) erhielt. Es gab besondere Monchs- und Nonnenkloster; auch gemeinsame Kloster ftir Monche und Nonnen waren nicht unbekannt, allein diese letzteren wurden im VIII. Jahrhundert durch das VII. allgemeine Konzil untersagt 2 . Nach der Bestimmung des 4. Kanon von Chalcedon darf ein Kloster nur mit Zustimmung des zustandigen Eparchialbischofs erbaut werden. In der neunten Partikularsynode wurde diese Bestimmung erneuert, und mit dem 1. Kanon dieser Synode die Anordnung getroffen, ,daB niemand ein Kloster ohne Wissen und Zustimmung des Eparchialbischofs errichten diirfe; nur wenn der Bischof zustimmt und die Bewilligung erteilt (max67too Ot)Vs~Mto~ xr1..l 7tttpS7tOVto~), sowie nach Verrichtung des vorgeschriebenen Gebetes, wie dies von altersher normiert ist, soli das Kloster erbaut werden. Das Kloster selbst und alles, was zu demselben gehort, ist in das vorgeschriebene Buch einzutragen (~ps~t<p sp.rxypri~sa&rJ..t), welch' letzteres im bischOflichen Archiv aufzubewahren ist". Im Sinne dieser kanonischen Grundnorm muB derjenige, welcher ein neues Kloster erbauen will, dies dem zustandigen Bischof in dessen Gebiet das Kloster errichtet werden soli, anzeigen, welcher die Erlaubnis hiezu dann erteilt, wenn er die Oberzeugung von der aufrichtigen Intention des Betreffenden ein Kloster zu erbauen gewonnen und sich versichert hat, daB den Betreffenden ein frommer Zweck ohne Schadigung anderer hiezu veranlaBt habe; wenn ferner konstatiert wurde, daB der Bauplatz geeignet ist und der GrUnder die Gewahr dafor bietet, daB er das Kloster vollstandig ausbauen und mit allem Erforderlichen ausstatten werde ~\. Nach erteilter Erlaubnis und nach Ausfertigung der betreffenden Urkunde tiber das Kloster und Ober das Vermogen desselben, wird vom Bischof bei der bczilglichen Feierlichkeit das heilige Kreuz in den Grund des neuen Klosters (tb ~trJ..opo7t"~jtoV) eingelegt und dassel be nach Vollendung des Baues geweiht 4 Das konsekrierte Kloster kann zu einer weltlichen Wohnstatte (Map.~xov 'X.rJ.."CrJ..'(COjtov) nicht umgewandelt werden, und ist das Klostervermogen stets im Eigentume des Klosters zu belassen. Die diesbezilgliche Vorschrift ist im 24. Kanon des Konzils von Chalcedon ent1 Daher wurde spater ein groBes Kloster mit mehreren Gebauden Laura bczeichnet. 2 20. Kanon . Siehe auch meinen Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila". I, 628. 3 Siehe den 17. Kanan zum VII. allgem. Konzil und die Kommentare des Zonaras und Balsamons zu demselben Kanon im Ath. Synt. II, 625. 626. Karthago 6. Kanan. Nomokanon III, 14. XI, 1. Btasiares, Syntagma E, 12 (Ath. Synt. I, 117. 247. VI, 263). Siehe auch den Kommentar Balsamons zum l. Kanan der IX. Partikularsynode (Ath. Synt. II, 650).

. 213.

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halten, und wurde durch den 49. Trullanischen Kanon sowie durch den 13. Kanon des siebenten allgemeinen Konzils erneuert. Diese Kanones normieren auch die Bestrafung desjenigen, welcher gegen diese Vorschrift handelt ( U'ltO'X.Sta&a.t E'X. nov x.av6vwv 7tt'tlt.J.tOtS) 5 . Fi.ir die lntegritat des Klostervermogens ist der Klosterobere und in erster Linie der zustandige Eparchialbischof verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit des Bischofs ist durch die ihm von den Kanones auferlegte oberhirtliche Pflicht begriindet, tiber alles das zu wachen, was der Kirche und den frommen Instituten gewidmet ist. Unter dem Klostervermogen versteht man aile nutzbringenden Vermogenssubstanzen (cd.>to6prta.) und alles bewegliche Eigentunt des Klosters. Nach der Anordnung des 12. Kanon des siebenten allgemeinen Konzils hat der Klosterobere das ganze bewegliche und unbewegliche Vermogen des Klosters bei personlicher Verantwortung gegenilber dem Eparchialbischof zu iiberwachen und dafOr zu sorgen, daB das Klostervermogen dem Kloster erhalten bleibe und daB dasselbe nicht in weltliche Hande ilbergehe. Sollte sich dieser letztere Fall ereignen, so ist nach dem Gesetze alles dem Kloster zuriickzuerstatten 6
5 Die Saekularisation der KlOster und Klostergiiter, welche in verschiedenen Staaten in den letzten Jahrhunderten vorgenommen wurde, muB von diesem Gesichtspunkte als ein antikanonisches Vorgehen betrachtet werden. Die Kirche hatte daher einen gerechtfertigten Grund ihre Stimme dagegen zu erheben, daB die KlOster aufgehoben und die Klostergebaude zum Zwecke des Staates verwendet wurden, oder daB die Klostergiiter fiir prophane Zwecke gebraucht wurden. Dieses Vorgehen des Staates kann jedoch nur dann miBbilligt werden, wenn durch die Saekularisation das Heiligtum prophaniert wird; denn es konnen Faile vorkommen, in wei chen die Saekularisation gerechtfertigt sein kann. lm Nomokanon (XI, 1) und im Kommentare Balsamons zum 24. Kanon von Chalcedon wird erwahnt, daB aus gerechtfertigten Griinden ( s; sr)),r.5-{wv abwv) das Kloster und das Klostergut auch zu anderen Zwecken verwendet werden konnen, daB also eine Art der Saekularisation doch gestattet sei. Das Kloster oder das Klostergut kann natiirlich niemals der Kirche entfremdet und in Privateigentum oder in prophanes Eigentum umgewandelt werdt:n. Konnen aber nach den Zeit- und Ortsverhaltnissen das Kloster und das Klostergut einen groBeren Nutzen dann gewahren, wenn sie zum Beispiele einer Erziehungsanstalt zugewendet werden, in welcher tiichtige Geistliche, gute Lehrer oder ein guter Nachwuchs fiir die schonen Kiinste etc. herangebildet werden, und wiirde diese Anstalt unter die unmittelbare Aufsicht der Kirchengewalt gestellt, dann wird ein solches Vorgehen nicht miBbilligt, denn von den Kanones wird cine solche Umwandlung der KlOster nicht beriihti, sondern sic verwerfen nur die Umwandlung der Kloster in weltliche Wohnstatten (-x.ocr!J.tlf.O: 'X.tX"W'(Ii>'(ttX) d. h. die Entziehung der KlOster dem EinfluBe der Kirchengewalt, so daB sie ihren kirchlichen Charakter verlieren und zu weltlichen Gebauden werden, in welchen ihr urspriingliches Heiligtum dadurch verletzt werden konnte, daB sie in die Hande von Unglaubigen fallen und vielleicht auch zu unmoralischen Zwecken verwendet werden konnten. 6 Siehe den Kommentar des Zonaras zum 12. Kan. des VII. allgem. Konzils (Ath. Synt. II, 593) und meinen Kommentar zu demselben Kanon. ,Pravila". I, 616.

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Es wurde bereits erwlihnt, daB alte Klt>ster samt den M6nchen vom zustlindigen Eparchialbischof abhangen und seiner Aufsicht und jurisdiktion sowohl in den liuBeren Beziehungen als auch hinsichtlich der inneren Verwaltung unterstellt sind. Der Bischof sorgt fOr die Erhaltung des Klosterverm6gens, fi.ir die Befolgung der Klosterregeln, fUr die Hintanhaltung von Neuerungen im Klosterleben ohne sein Wissen, fUr die Vermeidung von Anderungen in der Klosterverwaltung ohne seine Zustimmung. Der Bischof bestatigt die Wahl des Vorstehers und der Ubrigen mit verschiedenen Dienstesverrichtungen betrauten Person en; ebenso unterliegt der biscMflichen Bestatigung jeder BeschluB der Klosterbruderschaft, mag sich dieser auf die M6nche, auf die Novizen, oder auf die Verwaltung des Klosterverm6gens beziehen. Damit der Bischof sich personlich die Oberzeugung verschaffe, daB das Klosterstatut in jedem Kloster befolgt und die Anordnungen der KirchenbeMrde ausgefUhrt werden, visitiert der Bischof die KlOster pers6nlich, oder er entsendet einen Steltvertreter, welcher ihm Uber die Visitation eingehenden Bericht zu erstatten hat. Im Bedarfsfalle bestellt der Bischof einen besonderen Exarchen fUr die Eparchial-KIOster (s~apxoc; tow p.ovaot"r;ptov), welchem die Aufgabe obliegt, die Kloster der Eparchie zu Uberwachen und den Bischof Uber die Wahrnehmungen periodisch zu informieren 7. Im bischoflichen Konsistorium ist ein Mitglied, der Sakellarius, mit dem Referate Uber die Kl6ster betraut s. Mit RUcksicht auf das Verhaltnis der KWster zum Bischof als dem Oberhaupt der betreffenden Eparchie werden die Kloster EparchialK!Oster (s1tapxtaxa oder svoptaxri p.ovaot1Jpta) genannt. Eine Ausnahme in dieser Beziehung bilden die Stauropigial-Kloster oder Patriarchai-Kloster (atwJp01t'f)''(taxa, 7tatptapxtxa p.ovaot"f)pw.). Diese Kll:lster sind von den Bischofen, in deren Eparchien sie sich befinden unabhlingig; diesel ben sind vielmehr einem Patriarch en untergeordnet. Die erwahnte Benenmi.ng riihrt davon her, daB ein Patriarch das heilige Kreuz behufs EinfUgung in den Grund des Klosters (ataopo1t"tJjtoV, crucis fixio) und nicht der Eparchialbischof Ubersendet hat. Durch diesen Vorgang wurde das Privilegium der Unabhangigkeit des Klosters dem Eparchialbischofe gegeni.iber durch den Patriarchen festgestellt. In den Kirchenrechtsquellen kommt filr diese Art der Kl<>ster auch die Bezeichnung Patriarchal-K!Oster vor. In diesen Klostern wird bei den
Siebe die Verordnung des Patriarcben Germanus von Konstantinopel vom jahre 1247 im Atb. Synt. V, 110. In RujJland besteht fiir mebrere Kloster ein besonderer ,Aufseber", welcher aus der Zahl der Klostervorsteher gewlihlt wird, die Aufsicht iiber die betreffenden KlOster fiihrt und dem Konsistorium hieriiber Bericht erstattet. Art. 119 des Konsistoriai-Statuts und die ,Instruktion fiir die Klosteraufseber" vom 28. Mai 1828. s Siebe meine Abhandlung ,Die Dignitliten". Seite 131-132.
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betreffenden Gottesdiensten nicht der Name des Eparchialbischofs, sondern jener des Patriarchen kommemoriert; die Bestellung des Klostervorstehers, die Aufsicht tiber die Klosflerverwaltung, die Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Bruderschaft geh5ren in die Kompetenz des Patriarchen, welcher durch seine Exarchen diese Kloster beaufsichtigt. Das Recht des Stauropegion hat jeder Patriarch in allen Eparchien seines Kirchengebietes; der Patriarch von Konstantinopel tibt dieses Recht auch auBerhalb der Grenzen seines Gebietes aus 9. Zu den privilegierten Klostern gehoren auch die kaiserlichen KlOster, welche von frommen Herrschern zur Ehre Gottes gestiftet und mit allem Erforderlichen zur Erhaltung des Klosters und der Kirche sowie zum Unterhalte der Monche ausgestattet wurden. Diese Zuwendungen wurden von den Herrschern in besonderen Urkunden festgestellt, wodurch die Klostergiiter von jeder Staatsabgabe befreit waren. Ftir solche KlOster wurden besondere Statute erlassen, in welchen neben dem gewohnlichen Inhalte solcher Statute noch die privilegierte Stellung dieser Kloster hervorgehoben wurde 10. Die Kloster dieser Art waren dem zustandigen Bischof in geistlicher Beziehung nicht unmittelbar untergeordnet und wurden vollkommen selbstandig administriert. Die Klosterverwaltung besorgte der Klosterobere mit einer bestimmten Zahl alterer Monche, ohne hiefiir jemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Der Patriarch oder das Oberhaupt des betreffenden Kirchengebietes fiihrte die Aufsicht dartiber, daB in dem Kloster das Statut befolgt werde. Dieses Aufsichtsrecht Ubte der Patriarch ebenso wie bei den Stauropegialk!Ostern durch einen besonderen Exarchen, welcher jahrlich wahrend der graBen Fasten das Kloster visitierte. Der Patriarch war berechtigt, tiber Vorschlag der Klosterbruderschaft den Hegumen nach vollzogener kanonisch vorgeschriebener Prtifung zu bestellen. Oberdies erteilte der Patriarch oder der von ihm delegierte Bischof die Cheirotonie den fUr das Kloster erforderlichen Hieromonachen 11 Nach der von den Monchen beobachteten Lebensweise werden die Kloster in coenobitische und idiorrhythmische Kloster eingeteilt.
Kommentar Balsamons zum 31. apost. Kanon und das :EtjtAAtoY des Patriarchen Oermanus von Konstantinopel vom jahre 1247 (Ath. Synt. II, 40-42. V, 110 ff.). Siebe auch den Kommentar des Archim. johann zum 4. Kanon von Chalcedon (II, 268-269). In RujJland bestehen sieben StauropegialkiBster, welche unmittelbar von der heiligen Synode abhllngig sind (Ukase vom 19. luni 1742, 31. August und 9. September 1832 u. a.). Vergl. . 94. Anm. 8. 10 Siebe das Statut der Kaiserin Irene vom jahre 1120 fiir das Kloster zur heil. Muttergottes bei Konstantinope1 (Cotelerii Monum. eccl. gr. IV, 129-298). Vergl. Art. 10 des Statutes des Klosters Chilandar. 11 Siebe die Verordnung des Patriarchen Philotheus von Konstantinope1 vom 1. jilnner 1365 (Acta Patr. Constantinop. I, 448) und die Kap. 10, 11, 14, 21 des vorerwaltnten Statuts der Kaiserin Irene (Joe. cit. p. 168. 169. 179. 183). 43 lllai, llrekenroo~l.
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IV. Teil. Das Leben der Klrche.

Coenobitische Kloster (xrnv6~w.), von welchen bereits erw:ihnt wurde, werden ohne Rilcksicht darauf, ob sie als Eparchial- oder StauropegialklBster gelten, diejenigen KIBster genannt, in welchen die Monche ein gemeinsames Leben filhren, vom Kloster bekleidet und mit allem Notwendigen ausgestattet werden, die Mahlzeiten gemeinsam einnehmen, kein eigenes Vermogen besitzen und aile Einnahmen der Monche in die Klosterkassa flieBen. Aile Monche sind vom Klosteroberen (Hegumen, Archimandriten), welcher von ihnen gewahlt wird und von der zustandigen kirchlichen Obrigkeit bestatigt wird, abh:ingig. Die idiorrhythmischen (tatoppu{)-tJ.a) oder freien KlOster entstanden im XIV. jahrhundert. Die ersten Kloster dieser Art wurden am Berge Athos gegrUndet; spater sind sie auch in anderen Gegenden zu find en. Die idiorrhythmischen Kloster (vom Worte tat6ppu&tJ.o;, sui juris) wurden durch die auBeren gesellschaftlichen Verh:iltnisse im Orient, und durch das Oberwiegen des praktischen Geistes iiber den alten streng asketischen Geist bei einzelnen Monchen ins Leben gerufen. Die Klosterregeln, die Frommigkeit und das Oebet werden in diesen Klostern ebenso gehalten wie in den coenobitischen Klostern, nur das Geliibde der Armut (cnsvoxrop(rt.) wird anders aufgefaBt. jeder Monch hat sein eigenes Vermogen, verpflegt sich in seiner Zelle mit den von ihm selbst zubereiteten Speisen, nur an Sonntagen vereinigt sich die Bruderschaft zum gemeinsamen Mahle. Die Oebete und die kirchlichen Funktionen werden gemeinsam verrichtet. Die Monche widmen sich nach ihrer Wahl den Studien oder der handwerksm:iBigen Beschaftigung und entrichten ihren Verdienst zu einem bestimmten Teil filr die allgemeinen Klosterauslagen, wahrend sie den Rest fUr ihren Unterhalt und fUr die Beschaffung der zu ihrer Beschaftigung erforderlichen Utensilien verwenden. Fiir den Fall des Todes hinterlassen sie in der Regel ihr Privatvermogen einem Klosterbruder. Haben sie keinem solchen zum Erben eingesetzt, so iibergeht das ganze Vermogen in die Klosterkassa. Der Klosterobere wird jahrlich von den :ilteren Briidern in einer Versammlung der ganzen Bruderschaft gewahlt. Er sorgt fiir den regelmaBigen Gottesdienst, fUr die Einnahmen und Ausgaben zur Erhaltung der Kirche, der Klostergebaude und fUr den sonstigen Aufwand des Klosters und unterbreitet jahrlich der Bruderschaft die bezUgliche Rechnung. In den idiorrhythmischen Klostern zeigt sich, was die allgemeine Einrichtung des Klosterlebens anbelangt, eine Vermengung des anachoretischen mit dem coenobitischen Leben, beil:iufig in jener Art, wie dies zur Zeit der Organisierung des coenobitischen Klosterlebens durch Pachomius der Fall war 12. Die Monche dieser KlOster vertreten das
1 ~ Ober die idiorrhythmischen KlOster siehe Meyer, die Haupturkunden. S. 57 ff. Eine gewisse Ahnlichkeit besitzt im Abendlande der Orden der Karthauser (ordo

213. Die Kloster.

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Prinzip des personlichen SelbstbewuBtseins tiber die Aufgabe des Moochturns und daher trachten sie, durch ihre Lebensfiihrung und durch ihre Werke sich des Standes wiirdig zu erweisen. Dieses Prinzip, dessen Vorteile nicht in Abrede gestellt werden konnen, entspricht jedoch nicht dem Grundgesetze des Monchtums, wonach Armut und Unterordnung des eigenen Willens unter jenen des Klosteroberen die Grundbedingungen der Institution des Monchtums bilden. Da jedoch das Leben der idiorrhythmischen KlOster sich in der Praxis haufig der Institution des Monchtums nachteilig erwies, wurden zu verschiedenen Zeiten Synodalverordnungen erlassen, welche gegen diese Art der Kloster gerichtet waren 13. Den griechischen idiorrhytmischen KJostern ( deren es gegenwartig sehr wenige gibt) ahnlich, sind die russischen Kloster ohne gemeinsame Lebensfiihrung der Monche (neobSiezitelnie), welche in der zweiten Halfte des XVIII. jahrhunderts entstanden, als die russische Regierung zu den Klostern gehorige Dorfer inkamerierte und als Ersatz hiefiir die jahrliche Entrichtung einer bestimmten Summe Geldes anordnete. Die Monche solcher Kloster erhalten von diesen nur die Verpflegung, wahrend sie das sonst Erforderliche selbst erwerben mtissen. Ober das zu Lebzeiten erworbene Gut konnen die Monche nach eigenem Gutdtinken verfiigen und sind nicht verpflichtet, etwas hievon an das Kloster abzugeben. Hat ein Monch zu Lebzeiten tiber das erworbene Gut nicht verfiigt, so fallt nach seinem Tode alles jenem Kloster zu, welchem er angehOrt hat. Die Disziplin ist im tibrigen jener gleich, welche in den coenobitischen Klostern besteht nur mit der Abweichung, daB die Monche nicht berechtigt sind, den Klosteroberen selbst zu wahlen; dieser wird vielmehr von der kirchlichen Oberbehorde ernannt 14,

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Die innere Organisation der Kloster.
Die Kloster und Monche sind, wie bereits dargelegt wurde, ausnahmslos in jeder Beziehung dem zustandigen Eparchialbischof, die Stauropegialk!Oster dem Patriarchen untergeordnet. Die innere Verwaltung der Kloster wird vom Klosteroberen im Vereine mit der Bruderschaff nach den allgemeinen Klosterregeln und nach den in einzelnen Klostern bestehenden besonderen Statuten besorgt. Seit der Ausbildung des coenobitischen Klosterlebens wurde die
charthusiniensis, chartreux), welchen im XII. jahrhundert Bruno von Koln gegriindet hat. Siehe Dubois, La grande Chartreuse. Grenoble, 1876. u Siehe hieriiber zwei Dokumente aus dem XVI. jahrhundert bei Meyer, s. 212-218. 11 Gesetzbuch IX, Art. 354-363. X, Art. 1223, 1234. 43"'

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IV. Tell. Das Leben der Kirche.

Leitung des Klosters von einem besonderen Funktionar besorgt, welcher das ganze Klosterleben zu beaufsichtigen und zu leiten hatte. Dieser Funktionar wurde &.~~cX.r; genannt, gleichsam als Vater den iibrigen Monchen gegeniiber, welche untereinander die Bezeichnung BrUder (&.ael.epo) fiihrten. Hierin zeigt sich der Charakter der gegenseitigen Beziehungen der Mitglieder eines Klosters, welche f5rmlich eine geistliche Familie bilden, in welcher die jiingeren mit dem Klosteroberen durch die Kindesliebe und untereinander durch die Bruderliebe verbunden sind. Daher wurde ehemals das Kloster selbst als Bruderschaft (&.ael.ep&tov, &.ael.epo.tpto.) bezeichnet. Spater erhielt sich die Bezeichnung &.~~cX.r; nur als Ehrentitel des Klosteroberen, und es entstand die Benennung Hegumen (~ro611evor;) und Archimandrit (ripXt(.LO.Vapt't'tlr;) fur Vorsteher der M5nchskloster und Hegumenissin und Archimandritin fiir die Vorsteherin der Nonnenkloster. Die Benennung Archimandrit wurde den Vorstehern groBerer KlOster und die Bezeichnung Hegumen den Vorstehern kleinerer KlOster beigelegt 1, ohne daB jedoch die Rechte und Pflichten derselben einen Unterschied aufzuweisen batten 2 In den Kirchenrechtsquellen findet sich regelma.Big die Benennung Hegumen, wei! die Zahl der Kloster, welchen Archimandriten vorstanden, vie! kleiner war, als die Zahl jener Kloster, deren Vorsteher die Bezeichnung Hegumen fiihrten, und weil iiberdies der Titel Hegumen die gewOhnliche Bezeichnung des Klosteroberen war, wahrend die Benennung Archimandrit als ein privilegierter Titel nur fiir die Vorsteher bestimmter Kloster angewendet wurde. Zum Klosteroberen kann nur ein Mooch bestellt werden, der sich durch strenge Fr5mmigkeit, musterhaften Lebenswandel und durch die Fahigkeit auszeichnet, die Disziplin unter den Monchen und die Ordnung im Kloster mittelst seiner Autoritat zu erhalten a. Auf diese Voraussetzungen ist bei der Bestellung des Klosteroberen das groBte Gewicht zu legen; alle anderen auBeren Erfordernisse sind von untergeordneter Bedeutung, so daB auf Altersvorrang nach Lebensjahren oder nach dem Zeitpunkte der empfangenen Tonsur gar keine Riicksicht genommen wird; es geniigt vielmehr, daB der Betreffende von allen Monchen als der fiir die Stelle des Klosteroberen geeignetste angesehen werde 4 Besitzt ein Kloster keinen fiir diese Stelle geeigneten Monch, so
Meine Abhandlung "Die Dignitliten". S. 142. 144. "Caput monasterii idem est quod hegumenos sine archimandrites". (Beveregii Synodikon. II. Append. pag. 108). Die Bemerkung Meyer's (Geschichte der AthoskiOster S. 31. 37), daB der Hegumen der Vorsteher nur eines Klosters sei, wlihrend der Archimandrit als Vorsteher aller Kloster einer Eparchie fungiert, 1st durch nichts gerechtfertigt. 3 Nomokanon XI, 3. Syntagma des Blastares M, 15 (Ath. Synt. I, 255. VI, 393). 4 Nomokanon XI, 3 (Ath. Synt. I, 255).
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. 214. Die innere Organisation der Kloster.

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kann ein solcher aus einem anderen Kloster zum Vorsteher bestellt werden5. An der Wahl des Klostervorstehers nehmen normgemaB aile M<>nche des betreffenden Klosters teil. Da die Wahl von den Wahlenden im vollen BewuBtsein der Verantwortung, welche sie vor Gott und vor der Kirche iibernehmen, vollzogen werden muB, so besteht die Einrichtung, daB die Wahler vor der Wahl auf das Evangelium den Eid ablegen, daB sie gewissenhaft und ohne Leidenschaft wahlen werden. Die Wahl wird vom Bischof bestatigt, welcher den Gewahlten zum Hegumen oder Archimandriten bestellt und ihm das betreffende Dekret ausfertigt 6 Die Klosteroberen der Stauropegialkl<>ster ernennt der Patriarch oder die Synode 7. In jenen Klostern, in welchen besondere Stiftungsstatute bestehen, ist es dem Stifter gestattet, an der Wahl des Klosteroberen im Sinne der Bestimmungen des Statuts teilzunehmen 8 Die Rechte und Pflichten der Klosteroberen sind in dem ihnen vom Bischof bei der Inthronisation als Klosteroberen ausgefertigten Dekrete (8V'tCIAfJ.CI.) enthalten 9 Die wichtigsten Pflichten des Klosteroberen sind folgende: 1) die Beaufsichtigung der genauen Erfi.illung der Klosterregeln seitens der Monche und die vom Klosteroberen selbst beobachtete, den jiingeren Monchen als Muster dienende monchische LebensfUhrung; 2) die Sorge fiir die Verrichtung des Gottesdienstes in der Klosterkirche nach der Kirchenordnung in Anwesenheit aller M<>nche und No viz en; 3) die EinfluBnahme, daB nach den Bestimmungen des Statuts die Lebensgeschichten der Heiligen taglich vorgelesen werden ; 4) die Pflicht das Kloster ohne zwingenden Grund nicht zu verlassen und die Sorge dafUr, daB kein Monch ohne ausdrUckliche Erlaubnis des Klosteroberen das Kloster verHiBt; 5) die Visitation der M<>nchszellen bei Tag und Nacht, die Beaufsichtigung der Beschaftigung der Monche in der vom Gottesdienste nicht ausgefiillten Zeit, und die Zuweisung der fiir jed en Monch passenden Beschaftigung; 6) die Abhaltung von belehrenden Vortragen in der Monchsversammlung und die Veranlassung des Vorlesens und Auslegens der Monchsregeln;
4. Kanon der IX. Synode und Balsamons Kommentar (Ath. Synt. II, 661). Formularien im Ath. Synt. V, 570. 571. 573. 7 Silbernagel. S. 58. Nach Art. 65 des Gesetzes vom Jahre 1890 werden in Serbien die Vorsteher der KlOster erster Ordnung ( es gibt deren acht) von der bischoflichen Synode gewahlt und eingesetzt, die Vorsteher aller iibrigen KlOster von den hetreffenden Eparchialbischofen. 8 Verordnungen des Patriarchen Germanus von Konstantinopel vom Jahre 1233 und 1247 und des Patriarchen Manuel vom jahre 1250 (Ath. Synt. V, 107. 110 und 119) sowie die Verordnung des Patriarchen Philotheus vom Jahre 1365 (Acta Patr. Constantinop. I, 474). 9 Siebe das Dekret, welches in meiner Abhandlung ,Die DigniUiten" (S. 143) nach Leunclavius Qus gr. rom. I, 438) abgedruckt ist.
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

7) die Beaufsichtigung der Kloster5konomie sowie die Sorge dafUr, daB ohne sein Wissen nichts angeschafft oder verausgabt wird; 8) die Sorge fiir die ordnungsma6ige Pflichterfiillung seitens des Klosterokonomen, des Ekklesiarchen und seitens der Ubrigen Funktionare des Klosters und fUr die ordentliche Vorbereitung der Novizen fUr die Tonsur; 9) die jahrlich wenigstens einmalige Berichterstattung an die Kirchenobrigkeit in einem bestimmten Termine tiber das Klosterleben und das Verhalten der Monche sowie tiber die Klosterokonomie 10. Im Zusammenhange mit den erwahnten und den aus diesen letzteren entspringenden Pflichten stehen dem Klostervorsteher in seinem Kloster auch bestimmte Rechte zu. Der Klostervorsteher ist das Oberhaupt des Klosters; ihm sind aile Monche untergeordnet und bei allen Unternehmungen an seine Zustimmung gebunden. Im Falle eigenmachtigen Vorgehens seitens der Monche ist der Klostervorsteher berechtigt, sie nach den M5nchsregeln zu bestrafen n. Neben dem Vorrang in der Gewalt und dem Ehrenvorrange stehen dem Klosteroberen auch gewisse oberpriesterliche Rechte zu. Nach dem 14. Kanon des siebenten allgemeinen Konzils ist der Klosterobere berechtigt, Monche seines Klosters zu Anagnosten zu bestellen 12; nach dem 17. Kanon des Nikephorus Confessor kann der Klosterobere Monchen auch die Wiirde von Subdiakonen verleihen und ihnen sonach die Weihe a11er niederen Grade der hierarchia ordinis zukommen lassen 13. Nach den Kommentatoren ist der Klosterobere auch berechtigt, neue Monche in den Stand aufzunehmen 14. Die Rechte des Klosteroberen sind dem Charakter der Klostergemeinschaft gema6 durch das Verhaltnis desselben zu den Monchen als Vater zu seinen Kindem bedingt. Mit Riicksicht darauf kann die ]urisdiktion des Klosteroberen im Kloster nicht in despotischer Weise und nicht ausschlie6lich durch seine Person allein, sondern in milder Weise im Einvernehmen mit den alteren Klosterbriidern ausgeUbt werden.
10 Vergl. fiir Serbien Art. 68 des Gesetzes vom jahre 1890 und die Entscheidung der bischoflichen Synode vom April 1855 N. 9; fiir Rujlland Synodat-Ukas vom 13. Februar 1853 Z. 183; fiir Griechenland Synodalentscheidung vom 28. juni 1858; fiir die Hermannstadter Metropolie . 80 des Organisations-Statutes vom jahre 1869. 11 Siehe hieriiber im Testamentum des Theodorus Studita (Ausgabe Migne) und das 16. Kapitel des Statutes des Klosters Chilandar. 12 Mein Kommentar zu diesem Kanon. ,Pravila". I, 620. 13 "Pravila". II, 523. u Ilotetv 'tijv &1r6xapow. Die Kanones erwllhnen dieses Recht nicht ausdriicklich; allein Balsamon deduziert in seinem Kommentar zum 6. Kanon von Karthago (Ath. Synt. III, 312) dieses Recht aus der Analogie mit der Befugnis des Klosteroberen in seinem Kloster ohne Bewilligung des zustandigen Bischofs Anagnosten zu bestellen.

. 214. Die innere Organisation der Kloster.

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Diese Norm enthalten aile bestehenden Klosterstatute und in erster Linie das Statut des Klosters Studion, welches allen anderen Statuten als Muster diente 15. Der erwahnten Norm entsprechend soll in jedem Kloster ein dem Klosteroberen beigegebener Rat (~ooA.iJ) sowohl fUr die geistlichen als auch fUr die administrativen Angelegenheiten bestehen. Derselbe ist aus dem Kloster-Vikar, dem Beichtvater, dem Ekklesiarchen und dem Okonomen gebildet, welchen auch aile alteren M5nche, die durch einen musterhaften klOsterlichen Lebenswandel bekannt sind, beigegeben werden k5nnen. Die Mitglieder des erwahnten Rates werden Rate ( OUtJ.~ooA.ot) des Klosteroberen genannt und bilden drei Senate : den Senat filr die geistliche Oerichtsbarkeit, den Senat fUr die kirchlichen und gottesdienstlichen Angelegenheiten und endlich den Senat fiir die Klosterokonomie. Zum Klostergerichte (xptTI)ptov) gehoren unter dem Vorsitze des Klosteroberen: 1) der Klostervikar, welcher als der zweite im Kloster dem Range nach (asotsps6rov), oder im Statute des Klosters Chilandar als ,der erste Bruder nach dem Hegumen" bezeichnet wird 16. Der Klostervikar ist der Stellvertreter des Klosteroberen in dessen Verhinderung und unterstiitzt den letzteren in der Erfiillung seiner Pflichten. 2) Der Beichtvater (1tctt'fjp TCVOtJ.ctttx6~), welcher aus der Reihe der altesten und frommsten Hieromonachen entnommen wird, hat die Beichte der Monche vom Klosteroberen angefangen zu Mren t7. Ibm obliegt auch die Aufsicht tiber die Vorbereitung der Novizen zur Tonsur. 3) Drei oder vier altere Monche von musterhaftem Verhalten, welche als Mitglieder des Klostergerichtes (S'lttOt"f)tJ.OWipXctt) genannt werden ts. Der Ekklesiarch (hxA.r;atapxr;~) hat fiir die innere Ordnung der Kirche und fiir die genaue Verrichtung der kirchlichen Dienste nach dem Typikon zu sorgen 19 Demselben sind als Oehilfen beigegeben : der Parekklesiarch; dies em unterstehen der Protokanonarch und die Kanonarchen, welchen das Lesen der Kanones und Psalmen in der Kirche obliegt, und der Taxiarch, welcher die Aufgabe hat, fUr die Ordnung und Sauberkeit der Kirche und fiir die Instandhaltung alles dessen, was zum Oottesdienste notwendig ist, zu sorgen 20. Zur VerSiehe das Sendschreiben des Theodorus Studita an den neugewlihlten Klosteroberen Nikolaus (Ausgabe Migne). lm 17. Kapitel des Statuts des Klosters Chilandar ist diese Norm in schoner Weise zum Ausdrucke gebracht. 16 Theodorus Studita VI. Ode; Kap. 14 des Statutes des Klosters Chilandar. 17 Kap. 7 des Statutes des Klosters Chilandar; Kap. 35 des Statutes des Bischofs Nilus; vergl. den Ukas der russischen Synode vom Mai 1722. 1s Theodorus Studita VIII. Ode. tv Kap. 15 des Statutes des Klosters Chilandar; Kap. 23 des Statutes des Bischofs Nilus. 2 Kapitel 15 des Statutes des Klosters Chilandar; Theodorus Studita X. und XI. Ode.
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

richtung des Dienstes in der Klosterkirche sind aile Monche, welche die Weihe als Presbyteri empfangen haben (Hieromonachen) verpflichtet u. zw. im wochentlichen Turnus nach der vom Ekklesiarchen und Parekklesiarchen bestimmten Reihenfolge. Die Besorgung der Klosterokonomie obliegt unter der Aufsicht und unter Mitverantwortung des Klosteroberen dem Qkonomen (otx.ov6p.os). Der Dienst desselben wird wie der des Ekklesiarchen fUr das Kloster als sehr wichtig angesehen. Es werden daher auch der Okonom und der Ekklesiarch neben dem Klosteroberen als Hauptpersonen angesehen, ohne welche an ein ordnungsmaBiges Klosterleben nicht gedacht werden kann. UnterlaBt es der Klostervorsteher filr die Besetzung der Stelle eines Okonomen zu sorgen, so unterliegt der erstere der Bestrafung und es erfolgt die Bestellung des Okonomen durch den Bischof2t. Dem Okonomen obliegt die Beaufsichtigung des gesamten Klostervermogens, der Einnahmen und Ausgaben; er sorgt fUr die Erhaltung der vollen Integritat des Klostervermogens und hat die Aufgabe, den Obergang beweglicher oder unbeweglicher Vermogensteile in fremde Hande zu verhindern. Er verfaBt in einem bestimmten Zeitpunkte im Vereine mit dem Klostervorsteher und mit den angeseheneren (so),a[36atspot x.al. 1tpo6zovtss) Monchen den Voranschlag der Klosterauslagen fiir das ganze Jahr. Nach Ablauf jedes jahres hat er der Klosterversammlung tiber die Auslagen wahrend des Jahres sowie fiber die Einnahmen aus den Ertragnissen der Landereien, aus frommen Oblationen und milden Gaben Rechnung zu Iegen. AuBerordentliche Ausgaben sind an die Zustimmung des Klosteroberen gebunden. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Neuanschaffungen fiir das Kloster. Als Gehilfen bei Besorgung der Klosterokonomie sind dem Okonomen beigegeben: 1) der Parokonom oder der Stellvertreter des Okonomen, welcher den letzteren im Verhinderungsfalle zu vertreten hat. Dem Parokonomen obliegt auch die Sorge fiir das lkonomion, woselbst die Gewander und andere Vntensilien der Monche aufbewahrt werden. 2) Der Okonom der Metochien, welchem die Verwaltung der Metochien und der bei denselben bearbeiteten Grundstilcke obliegt 22 3) Der Duchiar, welchem die Verwaltung der Klosterkassa sowie die Empfangnahme und Ausgabe der Gelder obliegt. 4} Der Grammatikus oder Notar wird
21 VII. allgem. Konzil 11. Kanon. Siehe tiber die Wahl des Klosterokonomen das 15. Kap. des Statutes des Klosters Chilandar. In diesem Kapitel ist auch die fiir den Okonomen erforderliche Qualifikation angegeben . Siehe auch das 18. Kap. des Statutes des Bischofs Nilus. 22 22. Kap. des Statutes des Klosters Chilandar; Kap 24. des Statutes des Bischofs Nilus. Ober den Parokonom siehe das 14. und 23. Kap. des Statutes des Klosters Chilandar; tiber den Okonomen der Metochien (p.zt6xwv, Besitzungen unter der unmittelbaren Verwaltung des Klosters) 33. Kap. des Statutes des Klosters Chilandar.

215. Die Entstehung und der Zweck der Bruderschaften.

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aus der Reihe der gebildetsten M5nche gewahlt; er ist der Rechnungsflihrer des Klosters, verwaltet das Klosterarchiv, fungiert als Schriftflihrer in den Sitzungen der Bruderschaft, besorgt die Amtskorrespondenz des Klosters und verwaltet die Klosterbibliothek. AuBerdem obliegt ihm die Aufzeichnung aller wichtigen das Kloster betreffenden Ereignisse, weshalb er auch 01tOtJ.YYJ!J.tltOjpci)Oo~, Verfasser der Chronik genannt wird ~s. Alle erwahnten Funktionare und alle iibrigen mit bestimmten Aufgaben im Kloster betrauten Monche sind dem Okonomen untergeordnet 24, Die angefiihrten an der Klosterverwaltung teilnehmenden Personen sind nur in groBeren Klostern angestellt. In kleineren Ktostern mit einer geringen Anzahl von Monchen werden die einzelnen Funktionen unter die M5nche verteilt, und auch die Novizen mit minder wichtigen Aufgaben betraut.

II. Die kirchlichen Brnderschaften.

. 215. Die Entstehung und der Zwack der Bruderschaften.


Die Bruderschaft ( &.at::A)OOrlj~) ist ein Verein von Laien, welcher die Ausiibung von Werken der Andacht zum Zwecke hat und das Wohl der Kirche und der Gesellschaft anstrebt. Die Entstehung der Bruderschaften reicht in die altesten Zeiten der Kirche zuriick und kann mit den Agapen (&.jci7tat) der ersten Zeiten des Christentums in Verbindung gebracht werden. Wenngleich damals Bruderschaften mit einer Organisation im heutigen Sinne nicht bestanden, so gab es doch Vereinigungen Vieler, welche den Zweck hatten, den allgemeinen Bediirfnissen abzuhelfen. Die erste Art der Bruderschaften finden wir in der Kirche von Alexandria in der Verbindung der 1tapa~oAaYot, welche fiir die christlichen Kranken sorgten 1. lm IV. Jahrhundert wird eine Bruderschaft unter der Bezeichnung &.aox.YJt-IJptoY erwahnt, welche es sich zur AufStatut des Bischofs Nilus Kap. 19. Entscheidung des Patriarchen Mathias I. von Konstantinopel vom jahre 1398. u Hieher gehOren: der Beschlie6er, der Verwalter des Mahlzeittisches, der Strator ( atp!itoop, equorum curator) und andere. Siehe die Kap. 31 und 33 des Statutes des Klosters Chilandar; Kap. 21-25 des Statutes des Bischof Nil us {Dieses Statut befindet sich bei Mikloslch et Muller, Acta monasteriorum U, 426 sq.). Ober die verschiedenen untergeordneten Klosterdienste siehe Theodorus Studita IX. XU-XVII. Ode, und seine BuBregeln. . 215. 1 "Parabolani ex episcopi alexandrini arbitrio fiunt, qui non in dignitate constituti, vel curiales: et confectorum morbis curam gerere debent ejusque papae jussis obsequi". Collect. const. eccles. I, 3, 18. Cod. Theod. XVI. 2, 42. 43. Cod. Just. I. 3, 18. 43 1
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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

gabe machte, fiir die christliche Bestattung der Verstorbenen zu sorgen. Kaiser Constantinus hat fiir diese Bruderschaft eine ansehnliche Unterstiitzung aus dem Staatsschatze bestimmt, welche dann vom Kaiser Anastasius auf 70 Ooldpfunde jahrlich erh()ht wurde. Kaiser justinianus bestatigte diese Zuwendung durch eine besondere Novelle 2. Im Laufe der Zeit sind ahnliche Bruderschaften entstanden, welche der Hierarchie fiir die Erreichung des Zweckes sehr niitzlich waren, namentlich als die auBeren Verhliltnisse fiir die Kirche sich unglinstig gestalteten. Die Oeschichte erwahnt verschiedene Bruderschaften, welche die Kirche bei der Verrichtung guter Werke unterstiitzten. Hieber gehoren die Bruderschaften, welche die Beherbergung Fremder in hiezu besonders ausgestatteten Hausern (~evoaoxst~X.) zur Aufgabe batten; die Bruderschaften fiir die Erziehung verwahrloster Kinder ( op!p~X.Votpor.psta.), fiir die Pflege der Kranken (voaoxop.sta.), fiir die UnterstUtzung der Armen ('7ttroxoaoxet~X.), fUr die Unterstlitzung armer Oreise (jEpovtoxop.Etll), fUr die Aufnahme und Pflege der Findlinge (~pE!pOtpO!pElll), flir den Missionsdienst bei den Unglaubigen, und unter Umstanden fUr die Verteidigung des orthodoxen Olaubens gegen die Angriffe Andersglliubigen. Die letzterwahnte Aufgabe wurde von den Bruderschaften in jenen Fallen erftillt, in denen der rechtglaubigen Kirche eine Oefahr drohte und die Hierarchie nicht in der Lage war, den Angriffen Widerstand zu leisten a. Die Merkmale, welche die Mitglieder der Bruderschaften von den Monchen unterscheiden, sind folgende: 1) Die Mitglieder der Bruderschaften sind nicht zum gemeinschaftlichen monchischen Leben verhalten; 2) bei dem Eintritte in eine Bruderschaft ist die Ablegung der Oeliibde, welche fiir die Monche vorgeschrieben sind, nicht erforderlich; 3) jedem Mitgliede der Bruderschaft ist der Austritt aus derselben jederzeit gestattet; kein Mitglied iibernimmt irgendeine rechtliche Verpflichtung beim Eintritte; 4) gegen ein Mitglied der Bruderschaft konnen ZwangsmaBregeln zur Erflillung der obliegenden Pflichten nicht ergriffen werden ; dagegen steht es der Bruderschaft zu, im Sinne des betreffenden Statutes Mitglieder, welche ihrer Pflicht nicht nachkommen, auszuschlieBen.

. 216. Der juristische Charakter der kirchlichen Bruderschaften. Die Bruderschaften konnen nach der auferlegten Aufgabe gr()Ber oder kleiner sein, sie konnen sich auf einen Ort beschranken oder sich auf mehrere Orte, mehrere Provinzen erstrecken. Die Bruder2
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Nov. LIX.

Dies zeigte sich bei den kirchlichen Bruderschaften im westlichen RuBland im XV. und in den folgenden jahrhunderten.

. 216. Der juristische Charakter der kirchlichen Bruderschaften.

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schaften, welche sich den Missionsdienst zur Aufgabe stellen, erstrecken ihre Tatigkeit auf aile Staaten, in welchen sich eine ungetaufte zum Christentum zu bekehrende Bevolkerung vorfindet. Die Bruderschaften konnen entweder nur aus Laien, oder sie konnen sowohl aus Laien als auch aus AngehOrigen des geistlichen Standes gebildet sein. Die Bruderschaften sind ohne Rilcksicht auf ihre Verbreitung und Zusammensetzung von der kompetenten kirchlichen Zentralbehorde abhangig, welch' letztere auch die Auflosung derselben bei Vorhandensein gerechtfertigter Grilnde verfilgen kann. Die Stellung und die Rechte der Bruderschaften sind durch das von der Kirchenbehorde bestatigte Statut normiert (. 142). Ist in dem betreffenden Statute keine Ausnahme normiert, so gehort jedes Mitglied der Bruderschaft derjenigen Pfarre an, in welcher sich sein sUindiger Aufenthaltsort befindet. Obrigens kann die Eparchialbehorde fUr einzelne Bruderschaften besondere Kirchen mit eigenen Seelsorgen bestimmen, in welchem Faile diese Kirchen einen den Pfarrkirchen ahnlichen Charakter erhalten. Die Bestatigung der mit der Leitung der Bruderschaft betrauten Personen steht dem EparchiaiBischof zu; derselbe kann auch bei eigener Verantwortung einer Bruderschaft gestatten, mit einer andern, denselben Zweck verfolgenden Bruderschaft, auch auBerhalb der Grenzen des Staatsgebietes in Verbindung zu treten, in welchem Faile er der betreffenden Staatsbehorde die Anzeige zu erstatten hat 1. Die Konstituierung einer Bruderschaft ist unter Angabe des Zweckes und der Organisation derselben der weltlichen Behorde des betreffenden Ortes anzuzeigen. Bruderschaften, welchen die staatliche Obrigkeit keine besonderen Rechte eingeraumt hat und die von derselben auch nicht besonders genehmigt wurden, unterliegen den allgemeinen staatlichen Vereinsgesetzen. In Vermogensfragen halt sich die staatliche Obrigkeit an jene Normen, welche fUr jedes Privatvermogen bestehen 2.

Fiinftes Kapitel.
Der christliche Tod.
. 217. Die letzte christliche Wegzehrung.
Die Kirche, welche ihre getreuen Sohne von der Geburt angefangen das ganze Leben hindurch begleitet, und ihnen ihre sie heilig machende
. 216.

Siebe fiir 6sterreich die kaiser). Verordnung vom 27. Juli 1856. Fiir 6sterreich das Gesetz vom 15. November 1867; vergl. auch . 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867.
1

684

IV. Teil. Das Leben der Kirche.

Hilfe angedeihen laBt, gewahrt denselben auch ihren Beistand in der Stunde des Todes, damit sie als gute Christen dieses Leben beenden und wlirdig in das ewige Leben treten. Durch das Sakrament der Beichte eilt die Kirche dem Kranken zu Hilfe, damit er alle begangenen Siinden bereue und erteilt ihm die Absolution (. 172 II), damit er mit ruhigem Gewissen vor das gottIiche Gericht treten konne. Durch die Absolution, welche die Kirche dem Kranken gewahrt, erklart sie denselben der Eucharistie fiir wlirdig, dieser letzten und notwendigsten Wegzehrung (too tEAEOOtl'l.tOtl xl'l.l dvcx.rxcx.tota:cotl &~oa(r:m ), wie der 13. Kanon des ersten allgemeinen Konzils sich ausdriickt. Derselbe Kanan verfiigt auch, daB die Eucharistie niemanden versagt werden konne, welcher im Zeitpunkte des Todes seine Siinden bereut 1 Dieser Gebrauch besteht in der Kirche seit dem Beginne des Christentums und wurde stets genau eingehalten 2 AuBer der heiligen Eucharistie hat die Kirche fiir ihre schwer erkrankten Sohne auf Grund der heiligen Schrift noch ein Sakrament normiert, namlich die letzte Olung (to soz).awv). Zur Ausspendung dieses Sakramentes ist nach den kirchlichen Vorschriften die Anwesenheit von sieben Geistlichen erforderlich, und nur im auBersten Notfalle ist eine geringere Zahl zulassig. Vor dem Empfange der Ietzten CHung hat der Kranke die Beichte abzulegen, und nach der letzten Olung wird ihm die Eucharistie gespendet. Beim Herannahen des Todes kann die Eucharistie auch vor der letzten Otung gespendet werden. Der letzten Oiung wird nur jener schwer erkrankte Christ teilhaftig, welcher seine Siinden bereut hat, sich sonach bei BewuBtsein befindet. Die Ausspendung dieses Sakramentes ist untuntich, wenn die betreffende Person sich weigert, die Beichte abzulegen, oder wenn sie das BewuBtsein verloren hat. Ebensowenig kann dieses Sakrament wahrend einer Krankheit zweimal gespendet werden, mag die Krankheit von noch so Ianger Dauer sein. Oberdies ist die Ausspendung des Sakramentes nach eingetretenem Tode verboten s,
. 217.

Vergl. 6. 22. Kanon von Ancyra; 2. Kanon von Neocasarea; 8. Kan. von Karthago; 72. Kanon Basil. d. G.; 2. Kanon des Gregori us von Nyssa u. a. Siehe meinen Kommentar zum 13. Kanon des I. allgem. Konzils. ,Pravila". I, 216. 2 In den alten Zeiten der Kirche haben die Bischofe in den an die Presbyteri hinausgegebenen Instruktionen, denselben unter anderen wichtigen Dingen auch empfohlen, dariiber zu wachen, daB niemand in der Pfarre ohne die Eucharistie sterbe. Siehe die diesfalligen Daten im Kommentar des Beveregius zum 13. Kanon des I. allgem. Konzils. Tom. II. Annot. p. 79-80. Siebe . 172 Anm. 16 dieses Buches. a 164. Kanon des Nomokanon zum Euchologion. In der griechischen Kirche hestand die Gepflogenheit dieses Sakrament auch Verstorbenen zu spenden (b1tsp -cow B\1 Xptanjl 'X.Olfl-"fl{}E\I'Cro\1) 1 wenngleich dies mit der dogmatischen Grundlage dieses Sakramentes nicht iibereinstimmt Oak. 5, 14. Vergl. Mark. 6, 13. Lukas. 10, 34). Dieser Vorgang wurde im XIII. Jahrhundert vom Patriarchen Nikephorus II verworfen. Siehe den Kommentar zum erwlihnten Kanon im Werke von A. Pawlow.

685
. 218.
Die Beerdigung der Verstorbenen.
Die Kirche geleitet jedes verstorbene Mitglied unter Gebeten bis zur letzten Ruhestatte und beerdigt dasselbe in geweihter Erde (. 174. II.). Das kirchliche Zeremoniell bei der Beerdigung ist im Euchologion vorgeschrieben und ist verschieden bei Laien, Geistlichen, Monchen und Kindem. Ein besonderes Zeremoniell ist beziiglich des Trauergottesdienstes zu beobachten, wenn derselbe am Tage der Auferstehung Christi und in der Osterwoche abgehalten werden muB. Fur jedes Mitglied der Kirche, welches im Frieden mit der Kirche verschieden ist, muB ein Trauergottesdienst nach dem vorgeschriebenen Ritus zelebriert werden. Die kirchliche Beerdigung ist untersagt: 1) fiir diejenigen, welche der orthodox-orientalischen Kirche nicht angehoren, u. zw. in erster Linie fiir Nichtchristen, fiir Haretiker und Schismatiker; 2) fiir Kinder christlicher Eltern, welche ohne Taufe verstorben sind; 3) fiir widerspenstige Sunder, welche ohne Beichte und Reue sterben, obwohl denselben eine allgemein bekannte Todsilnde anhaftet und welche die Entgegennahme der Sakramente verweigern; 4) fiir Selbstmorder 1 ; 5) filr die im Zweikampfe Getoteten 2 ; und 6) fiir den gerichtlich zum Tode Verurteilten s. Die Leichname der erwahnten Personen diirfen vom orthodox-orientalischen Priester nicht gesegnet und auf dem geweihten orthodox-orientalischen Friedhofe nicht beigesetzt werden. Die Einsegnung des Leichnams ist auch dann verboten, wenn der betreffende Verstorbene die Verbrennung der Leiche angeordnet hat und dieselbe auch in Vollzug gesetzt werden soll4. Die neuere kirchliche Gesetzgebung der einzelnen Partikularkirchen gestattet dem orthodox-orientalischen Geistlichen einen andersglaubigen Christen unter Beobachtung eines besonders vorgeschriebenen Zeremoniells einzusegnen und denselben auch auf dem orthodox-orientalischen Friedhofe zu beerdigen, wenn weder ein Geistlicher der Konfession
. 218.
1 14. Kanon des Timotheus von Alexandria; 178. Kan. des Nomokanon zum Euchologion. 2 178. Kanon des Nomokanon zum Euchologion. 3 Die Staatsgesetze verfiigen, daB die Leichname der zum Tode Verurteilten nur in Anwesenheit der betreffenden Kommission ohne Beteiligung anderer Personen an einem besonders hiezu bestimmten Orte zu beerdigen sind. Siehe fiir 6sterreich . 404 der StrafprozeBordnung vom Jahre 1873; fiir Rujlland Punkt XIII des Medizinai-Statutes S. 923. ' Dieses Verbot hat im Prinzipe auch die Staatsgewalt erlassen.. Siehe fiir 6sterreich die Verordnungen des Ministeriums des Innern vom 5. Oktober 1891 Z. 20. 331 und vom 3. Mai 1892 Z. 9199.

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

des Verstorbenen noch ein Friedhof dieser Konfession irn betreffenden Orte vorhanden ist. Hiezu ist jedoch die Zustirnrnung des Eparchialbischofs erforderlich ~>. Bei der Beerdigung Verstorbener rnuB der Priester stets die Vorschriften der Sanitatsgesetze des betreffenden Staates berilcksichtigen. Er darf daher die Beerdigung erst nach Ablauf der vorgeschriebenen Zeit nach dern Eintritte des Todes und nach Vornahrne der gesetzlich vorgeschriebenen gerichtlich-rnedizinischen Todtenbeschau bewirken s. Jederrnann hat das Recht seine Beerdigungsstlitte zu bestirnrnen. 1st in dieser Beziehung keine Verfiigung getroffen, so erfolgt die Beerdigung auf dern zustandigen Pfarrfriedhofe. Die Beerdigung der Pfarrlinge steht dem kornpetenten Pfarrer zu; erfolgt die Beerdigung auBerhalb der Pfarre, welcher der Betreffende angehort, so hat der parochus proprius doch Anspruch auf die vorgeschriebene Epitrachelgebilhr. Derjenige Geistliche, welcher die Beerdigung in der Tat besorgt, hat auch Anspruch auf die betreffende Honorierung 7. Aus der in der alten Kirche iiblich gewesenen Eintragung der Narnen der Verstorbenen in die Dyptichen entstand die kirchliche VerfUgung, daB die Geistlichkeit die Namen der in einer Pfarre Verstorbenen in besondere BUcher einzutragen habe. Derrnalen nehrnen die Stelle dieser Bucher die Sterbernatriken ein, aus welchen die vorgeschriebenen Auszilge den kornpetenten Behorden ausgefolgt werden s.

Siehe fiir Rufl/and die Ukase der heil. Synode vom 24. August 1797 und 20. Februar 1800; fiir Serbien Verordnung der bischOflichen Synode vom September 1863 Z. 23; fiir Griechenland die Synodalverordnung vom 4. Februar 1870; im Patriarchate von Konstantinopel die Synodalverordnung vom M!irz 1869. In Osierreich enth!ilt der Art. 12 des Staatsgrundgesetzes vom 25. Mai 1868 hinsichtlich der FriedhOfe folgende Bestimmung: ,Keine Religionsgemeinde kann der Leiche eines ihr nicht AngehOrigen die anstandige Beerdigung auf ihrem Friedhofe verweigem: 1) wenn es sich urn die Bestattung in einem Familiengrabe handelt, oder wenn 2) da, wo der Todesfall eintritt oder die Leiche gefunden ward, im Umkreis der Ortsgemeinde ein fiir Genossen der Kirche oder Religionsgenossenschaft des Verstorbenen bestimmter Friedhof sich nicht befindet". Ober das Verhalten der orth.-or. Geistlichen bei der Beerdigung eines AndersgUiubigen am orth.-or. Friedhofe hat der Eparchialbischof zu entscheiden und dem Geistlichen die erforderliche Instruktion zu erteilen'. 6 Fiir Osterreich Hofdekret vom 10. April 1787 und die Ministerialverordnung vom 8. April 1857 und vom 3. Mai 1873 Z. 7080; fiir Serbien Art. 20 des Sanitlltsgesetzes vom 30. Mllrz 1871; fiir Ruflland Bd. XIII des Medizinal-Statutes, Art. 918. 7 Hiefiir bestehen in jeder Partikularkirche besondere Vorschriften .. 8 Siehe . 125 Seite 423 dieses Suches.
5

687

. 219.
Die Gebete fiir die Verstorbenen. Die Oemeinschaft des Oebetes ist nicht allein auf die lebenden Mitglieder der Kirche beschrankt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Verstorbenen, fUr deren Seelenheil Oebete verrichtet und Oottesdienste, insbesondere die Liturgie, abgehalten werden. Der Oebrauch des Oebetes und der Feier des Andenkens Verstorbener be stand bereits in der alt-testamentarischen Kirche 1, und wurde in die neutestamentarische Kirche Ubernommen. In den Constitutiones Apostolorum ist von der Pflicht der Olaubigen die Rede, Oebete zu erheben und Oott fiir die Seelen der Verstorbenen Opfer darzubringen, sowie die Verfi.igung enthalten, daB das Andenken an den Verstorbenen am dritten, neunten und vierzigsten Tage nach dem Ableben zu feiern sei. Insbesondere soli das jahrliche Andenken an die Verstorbenen mittels des Oottesdienstes und guter Werke gefeiert werden 2 Dermalen wird der Verstorbenen bei jedem Oottesdienste, insbesondere bei der Liturgie, gedacht. AuBerdem hat die Kirche besondere Tage bestimmt, welche ausschlieBlich dem Andenken der Verstorbenen geweiht sind. Diese Seelentimter bestehen darin, daB fUr aile Vater und BrUder, welche ihr irdisches Leben auf christliche Weise beendet haben und ebenso fUr jene, welche p!Otzlich gestorben sind und fUr diese daher keine Todtenfeierlichkeiten abgehalten werden konnten, Oebete verrichtet werden und die Liturgie zelebriert wird B. Das Andenken an die Verstorbenen kann mit Ausnahme einiger, durch die Kirchenordnung normierter Tage, zu jeder Zeit in Verbindung mit einer langeren oder kiirzeren kirchlichen Funktion gefeiert werden 4. Nach den Kanones der orthodox-orientalischen Kirche kann nur das Andenken jener gefeiert werden, welche in der kirchlichen Oemeinschaft gestorben sind. FUr AndersgUiubige war diese seit dem Beginne der Kirche verboten; die Kanones untersagen jed en Verkehr (aovs~ci.tJ.SVo~ tJ.6Vov) mit Andersglaubigen ebenso wie mit Exkommunizierten 5. Die Kanones der spateren Zeit enthalten sogar das strenge Verbot, die Graber Andersglaubiger zu besuchen sowie die Oemeinschaft mit denselben nicht nur in gottesdienstlichen Angelegenheiten, sondern auch im Privatleben zu pflegen G. Daher kann die orthodox. 219.
1 IV. Buch Mos. 20, 29; V. Buch Moses 34, 8; I. Buch der Konige 31, 13. II. Buch der Makkabaer 12, 45. 2 Const. Apost. VIII, 22. 3 Neue Gesetztafel IV. Kap. 23 und die Kirchenordnung. 4 Neue Gesetztafel dasselbe Kap. ~ 10. 45. 65. apost. Kanon und mein Kommentar zu den heiden letzteren Kanones. ,Pravila". I, 109. 111. 6 Laod. 6. 33. 37. Kan. i Timoth. von Alexandria 9. Kan.

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IV. Teil. Das Leben der Kirche.

orientalische Kirche als Reprasentantin der ewigen Wahrheit nur f!ir jene Gebete verrichten, welche an diese Wahrheit glauben, nicht aber f!ir jene, welche das als Wahrheit bekennen, was die orthodox-orientalische Kirche nicht als evangelische Lehre anerkennt 7.

7 Wenn die Kirche die Abhaltung von Gedllchtnisfeiern in der Kirche filr andersglllubige Verstorbene gestattet, so geschieht dies nur in auBergewohnlichen Fallen und im Hinblicke auf die Personen, filr welche, tiber Bitten Einzelner oder Behorden, diese Gedachtnisfeiern vorgenommen werden sollen. Hiebei stiitzt sich die Kirche auf die allgemeine christliche Liebe und auf das analoge Vorgehen bei der Beerdigung andersglllubiger Christen auf dem orth.-or. Friedhofe. Siebe Anm. 5. des vorigen Paragraphen.

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V. Teil.
Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den AndersgUiubigen.
. 220.
Allgemeine Ubersicht.
Die Kirche Christi ist auf der Welt einzig, sie ist allein bestimmt, bis ans Ende der Jahrhunderte zu bestehen, den Willen der Menschen nach dem Willen Gottes zu lenken und aile dem Reiche Gottes zuzufilhren. Daher hat die Kirche Christi den Charakter der unbedingten Notwendigkeit und besteht nach der gottlichen Bestimmung, urn jene Aufgabe zu erfi.lllen, die ihr der Stifter zugewiesen hat, namlich aile Menschen dem Christentume zuzuftihren. Bei Erfilllung dieser Aufgabe muB die Kirche in erster Linie mit dem Staate in Berilhrung treten und sodann mit allen jenen Glaubensgenossenschaften, welche auBerhalb ihrer Gemeinschaft bestehen. Hieraus entstehen bestimmte rechtliche Beziehungen zwischen der Kirche einerseits und dem Staate sowie den verschiedenen andersg!aubigen Genossenschaften anderseits. Diese Beziehungen werden in verschiedenen Systemen des Kirchenrechts als iiujJeres Kirchenrecht zum Unterschiede vom inneren Kirchenrecht bezeichnet, welch' letzteres die rechtlichen Beziehungen in der Kirche zu ihren Mitgliedern zum Gegenstande hat. Die Lehre tiber die rechtlichen Beziehungen der Kirche zum Staate ist besonders wichtig, wenn in Betracht gezogen wird, daB an vollstandige Ruhe und Ordnung dort nicht gedacht werden kann, wo die Rechtssphare verschiedener Individuen und hauptsachtlich verschiedener Genossenschaften nicht ordnungsmaBig bestimmt ist, und wenn tiberdies das Augemnerk auf die fUr die Gesellschaft nachteiligen Folgen gelenkt wird, welche dann zutage treten, wenn die Beziehungen zwischen Kirche und Staat nicht festgesetzt sind und wenn eine der beiden Gewalten ihre Kompetenzsphare tiberschreitet. Ebenso wichtig ist auch
IUal, llrcbenrochl.

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690 V. Teil. Das Verhllltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglliubigen.
die Lehre tiber die Beziehungen der Kirche zu den Andersglaubigen, wenn das Augenmerk auf die groBe Menge der Angehorigen anderer Glaubensgenossenschaften gelenkt wird, welche aile berufen sind, sich zum wahren christlichen Glauben zu bekennen und denen gegenliber die Kirche sich genau an die Gesetze der christlichen Liebe halten und gleichzeitig darauf bedacht sein mu6, daB aile sich in Christo vereinigen.

Erstes Kapitel.
Die Kirche und der Staat.
. 221.
Die Entstehung der Kirche und des Staates.
Die christliche Doktrin lehrt, daB Gott die Kirche gestiftet babe und daB auch der Ursprung des Staates in dem Weltplane der gottlichen Vorsehung gelegen sei. Kirche und Staat sind daher gottliche Einrichtungen, welche das ewige, beziehungsweise das zeitliche Wohl der Menschen bezwecken. Die christliche Dogmatik bezeichnet die Kirche als eine gottliche Institution; sie lehrt, daB Christus die Kirche gestiftet babe, daB dieselbe ein geistliches Reich sei, daB sie weder in zeitlicher noch in raumlicher Beziehung eine Begrenzung habe, daB sie bezwecke, die Menschen fUr das Seelenheil vorzubereiten und mit Gott zu vereinigen, und daB endlich die Kirche, ihrem Zwecke gemaB, tiber Mittel verfilge, welche in jeder Beziehung von jenen verschieden sind, die der weltlichen Macht zugebote stehen 1 Das kanonische Recht betrachtet diese dogmatische Lehre als eine vollendete Tatsache und entwickelt auf Grund derselben den rechtlichen Charakter der Kirche in der Welt. In dieser Beziehung, ebenso wie in ihrer Lehre tiber den Staat und die Staatsgewalt, ist die christliche Doktrin erschopfend. Gott ist nicht bloB der Schopfer des Menschen, sondern auch der Gesellschaft; durch Gott wurde in die menschliche Natur die Liebe zum gesellschaftlichen Leben und das Streben, sich mit anderen Menschen zu verbinden, eingepflanzt. In der Schopfung des Weibes, welches Gott dem ersten Manne als Genossen gab, lag bereits die erste Betatigung zu dem gottlichen Plane der Grilndung der Gesellschaft. Die Verbindung zwischen Mann und Frau, die Ehe, war die Grundlage der ersten gesellschaftlichen Gemeinschaft, die Grundlage der Familie. Die erste Familie konnte jedoch nicht auf den engen Kreis von Mann, Frau und der
, 221.
1

Siehe die , 48-51 dieses Buches.

221. Die Entstehung der Kirche und des Staates.

691

unmittelbaren Nachkommenschaft beschrankt bleiben, sondern muBte sich naturgemaB tiber die Grenzen der Familie ausdehnen und nach und nach eine groBe gesellschaftliche Einheit bilden. Da nun der Mensch nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen ist und es Hauptzweck des ersten Menschen war, seinen SchOpfer zu ehren, so muB dies auch der Hauptzweck der von diesem ersten Menschen stammenden Gesellschaft sein. Die Ehrung des Schopfers ist schon nach dem Gesetze der Natur das hOchste Bedtirfnis der Gesellschaft, sowie das notwendige Bestreben aller Menschen. Dieser dem Menschen von Gott eingepflanzte Zug erhielt jedoch infolge des Verfalles der Menschheit eine verkehrte Richtung; man suchte sich selbst, anstatt Gott, zu ehren. Hiedurch war die ursprtingliche Gesellschaftsordnung erschiittert, der Mensch sah sich seinem Schicksale iiberlassen, die Gesellschaft verlieB den ihr von Gott vorgezeichneten Pfad und schlug, den Zufalligkeiten der Zeit preisgegeben, einen ihr von der beschdinkten Vernunft angedeuteten Weg ein und eilte unbestimmten Zielen zu. Allein der Schopfer lieB in seiner ewigen Weisheit und unbegrenzten Giite den Menschen, die Gesellschaft, nicht in einer solchen ungewissen Lage, sondern versprach, von Mitleid zu seinen Geschopfen erfiillt, den Er!Oser zu send en, , wenn die Zeit in Erfiillung gegangen ist". Inzwischen aber hatte Gott, gleich nach dem Faile der Menschen, an Stelle der ursprtinglichen Organisation, schon in der ersten Familie dem Manne die Gewalt tiber die Frau und iiber aile tibrigen Familienglieder eingeraumt, und begriindete hiedurch schon bei Beginn des gesellschaftlichen Lebens der Menschen die oberste Gewalt eines einzelnen iiber die anderen, und beschrankte die Willkiir der einzelnen durch den Willen des obersten Gewalthabers. Die Familie bildet also den Ausgangspunkt der Herrschaft der menschlichen Macht, welche nach dem ausdriicklichen Gebote Gottes und im Namen der gottlichen Macht walten soli; die erste Familie war das Fundament fiir den Staat, indem sie demselben aile jene Eigenschaften verlieh, welche sie selbst besaB. Nach dem menschlichen Gesetze, welches die Grundlage der Organisation und Verwaltung der Familie ist, wird auch der aus der Familie entstandene Staat regiert. Zur Erhaltung der Ordnung in dem staatlichen Organismus, und damit die betreffenden menschlichen Gesetze, auf welchen dieser Organismus beruht, den durch die gottliche Vorsehung bestimmten Zweck verfolgen, hat Gott der Staatsgewalt, wie dem ersten Familien-Oberhaupte, die Macht eingeraumt, die Menschen in seinem Namen, durch Recht und Gerechtigkeit auf der rechten Bahn zu leiten. Das eben Angefilhrte ist eine von der heiligen Schrift, sowohl des alten als auch des neuen Testaments, bezeugte Wahrheit. ,Die Lebenden mogen wissen, daB der Hochste tiber die Reiche der Menschen herrschet, und dartiber setzet, wen er will", spricht Gott a us dem Munde des
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V. Teil. Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglltubigen.

Propheten Daniel2. ,Durch mich herrschen die Konige, und die Herrscher verordnen, was Recht ist; durch mich regieren die Ftirsten und die Oro Ben, aile Richter der Erde 3". ,Horet also ihr Konige, begreifet und belehrt euch aile, ihr irdischen Richter, daB euch die Macht vom Herrn und die Gewalt vom Hochsten eingeraumt ist 4.". Ahnlich au Bert sich die heilige Schrift des alten Testaments, indem sie uns Gott als denjenigen bezeichnet, welcher jedem Volke den Herrscher eingesetzt hat und dessen Teil Israel ist 5. Diese Lehre des alten Testaments wurde durch die Lehre und das Leben Christi, durch seine Apostel und die christliche Kirche aller Zeiten bestatigt. Christus, der Herrscher tiber Himmel und Erde, unterwirft sich der Macht des Pilatus; denn er anerkennt, daB die Macht, welche derselbe austibt, ihm von Gott verliehen wurde. ,Du hattest keine Macht tiber mich, wenn sie dir nicht ware von oben herab gegeben ", antwortete Christus, als ihm Pilatus seine Macht vorhielt 6. Diesen Gedanken der ewigen Wahrheit fi.ihrt Apostel Paulus in seinen Sendschreiben an. Er schreibt an die Christen in Rom: ,jeder unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine

Obrigkeit, ohne daft sie von Goff da ist; sondern die, welche da sind, sind von Gott verordnet. Wer also wider die Obrigkeit sich auflehnt,
der lehnt wider Gottes Ordnung sich auf; aber solche Emporer werden sich selbst Verdammnis zuziehen; denn nicht den guten, sondern den bosen Werken ist die Obrigkeit furchtbar. Willst du also ihre Macht nicht zu ftirchten haben, so tue was recht ist, und du wirst ihren Beifall erhalten; denn sie ist Gottes Dienerin, dir zum Besten. Tust du aber Bases, so filrchte dich; denn sie tragt das Schwert nicht umsonst, sondern sie ist Gottes Dienerin, die rachende, zur Strafgerechtigkeit des Obeltaters. Darum ist es notig, sich zu unterwerfen, nicht bloB aus Furcht vor Strafe, sondern auch a us Gewissenhaftigkeit 7 ". In demselben Sinne schreibt Petrus in seinem ersten Sendschreiben: ,.Unterwerfet euch deswegen, um Gaffes willen, jeder menschlichen Ordnung, sowohl dem Konige, der die hochste Gewalt hat, als den Statthaltern, die zur Bestrafung der Verbrecher und zur Belohnung der Rechtschaffcnen von ihm gesendet sind; denn das ist Gottes Wille 8 ". Gott ist also der Begrilnder jedes irdischen Reiches, weshalb auch jcder Mensch verpflichtet ist, sich der Staatsgewalt, welche tiber ihm waltet, zu unterwerfen, ohne Rticksicht auf die Form und Organisation derselben. Da
Dan. 4, 17. 5 21. Salomonis Proverbia. 8, 15. 16. ' Ecclesiastes 6, 1. 3. a Eccli. 17, 14. 15. 6 joh. 19, 10. 11. 1 Rom. 13, 1-5. 8 I. Petr. 2, 13-15.
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. 221. Die Entstehung der Kirche und des Staates.

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der Zweck jeder Gesetzgebung darin gelegen ist, die Gerechtigkeit liberal! zur Geltung zu bringen, so ist die Festigung dieser Gerechtigkeit unter den Menschen in jeder Beziehung die Hauptaufgabe derjenigen, welchen Oott die Regierung irdischer Reiche anvertraut hat. Diese Lehre der heiligen Schrift des neuen Testaments ist umso bedeutungsvoller, als die Staatsgewalt, von welcher Paulus spricht, keine christliche, sondern eine heidnische war, die jeden verfolgte, welcher nicht die heidnischen Ootter anerkennen wollte; und doch betrachtet die heilige Schrift diese Staatsgewalt als von Oott eingesetzt, und belehrt die Christen, sich ihr unterzuordnen: ,denn es gibt keine Obrigkeit, ohne daB sie von Gott da ist, sondern die, welche da sind, sind von Oott verordnet". Die Kirchenvater, die Ausleger des Wortes Gottes, verkUnden einstimmig die von Oott herrilhrende Einsetzung der Staatsgewalt 11 ; unter ihnen betont Augustinus ausdriicklich, daB alle irdischen Reiche durch die gottliche Vorsehung eingesetzt sind 10. Dieser Gedanke hat den menschlichen Geist zu allen Zeiten durchdrungen und aile jene Staatsoberhaupter erfUllt, die sich als Herrscher , von Gottes Gnaden" betrachten. Die Kirche, welche die Staatsgewalt als eine gottliche Institution anerkennt, schlieBt die Person des Landesftirsten in ihre taglichen Oebete und verrichtet bei jeder Liturgie eine besondere Andacht fUr das Wohl . und Heil desselben 11. In den kanonischen Satzungen bedroht die Kirche jene Laien und Kleriker mit empfindlichen Strafen, welche sich einer Beleidigung des Staatsoberhauptes schuldig machen 12. Aus dem Angeftihrten ist die Lehre der christlichen Kirche Ober den Staat und die Staatsgewalt deutlich zu entnehmen. Die Kirche anerkennt diese Gewalt als von Gott eingesetzt, sie verkiindet und gebietet die volle Ergebenheit der Staatsgewalt gegenilber und ahndet, ohne Riicksicht auf die Konfession, welcher der Trager der Staatsgewalt angehOrt, den geringsten Ungehorsam gegen denselben. Die kirchliche Satzung Ober den Oehorsam gegen die Staatsgewalt ist eine generelle, und kann die Obertretung derselben seitens christlicher Untertanen aus dem Grunde, wei! das Staatsoberhaupt ihrer Religion nicht angeh5rt, niemals und in keinem Faile gerechtfertigt erscheinen. Mit Riicksicht auf den Satz, ,daB alle Obrigkeiten, welche da sind, von Oott verordnet sind", ist jeder Christ nach der kirchlichen Lehre verpflichtet, dieselben schon deshalb wei! sie von Gott verordnet sind anzuerkennen und sich ihnen zu ftigen.
9 Iren., Adv. haeres. V, 24; Tertu/1., Apolog. c. 30; Chrysost., Hom. 23, 1 in Rom. 13; August., Confess. UI, 8. n. 2. 10 August., De civitate Dei. V, 1. 11 Siehe die Liturgien Basilius d. Gr. und des Chrysostomus. H Siebe dem 84. apostolischen Kanon und den Kommentar des Zonaras zu demselben (Ath. Synt. II, 108).

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V. Teil. Das Verhliltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglllubigen.

. 222. Die Selbstandigkeit der Kirchen- und der Staatsgewalt.


Wenngleich Kirche und Staat in einer und derselben gottlichen Quelle ihren Ursprung haben, so unterscheiden sie sich doch wesentlich voneinander. Beide sind selbsUindig, in ihren Gebieten unabhangig. Der Unterschied zwischen heiden liegt zunachst in ihrer Grtindung. Wahrend die Kirche unmittelbar von Gott gestiftet t und mit einer bestimmten Organisation ausgestattet wurde 2, sind die Staaten von Gott mittelbar gegrtindet worden, indem er namlich den Menschen das Streben nach Vereinigung einpflanzte, aus welchem die einzelnen Staaten entstanden, die durch menschliche Gesetze ihre innere Organisation erhielten 3. Ein weiterer Unterschied liegt darin, daB die Kirche weder ortlich noch zeitlich begrenzt, sondern allen Volkern der Welt zugedacht ist, wahrend sich jedes Staatsgebiet nur tiber einen bestimmten Raum erstreckt und ein bestimmtes Volk umfaBt. Hiezu kommt noch, daB es nur eine Kirche gibt und nur eine geben kann, wahrend der Staaten viele existieren, daB die Kirche unveranderlich und dauernd ist, die Staaten hingegen diese Eigenschaften nicht besitzen; denn die Staaten bilden sich und verschwinden, die Kirche aber wird in aile Ewigkeit bestehen. Oberdies bildet auch das Objekt beider ein Unterscheidungsmoment; denn der Staat beschaftigt sich mit dem Menschen als solchen, die Kirche aber mit dem Menschen als Christen, als Glied des Leibes Christi. Den Hauptunterschied aber zwischen Kirche und Staat bilden die Zwecke, welche beide verfolgen. Wahrend die Kirche es sich zur Aufgabe macht, den Menschen fiir das ktinftige ewige Leben vorzubereiten, ist der Staat berufen, demselben ein ruhiges und geregeltes Leben auf Erden zu sichern. Zur Realisierung ihrer Zwecke verftigen Kirche und Staat tiber eigene Mittel, und zwar die Kirche, als geistliches Reich, tiber geistliche, der Staat tiber irdische Mittel; wobei jedoch nach der kirchlichen Doktrin die Kirche in keinem Falle zur Erreichung ihrer Zwecke sich irdischer Mittel bedienen und eine materielle Gewalt in Anwendung bringen kann, urn jemanden zum Christentum zu bekehren oder urn gewisse, von dem Staate bestrittene und nicht anerkannte Rechte gewaltsam zu verteidigen. Dieser Unterschied zwischen Kirche und Staat begrtindet die Selbstandigkeit und Unabhangigkeit beider in ihren Gebieten.
Math. 16, 18. Math. 18, 20; Apostelgesch. 15, 28. 3 Petr. de Marca, der ehemals beriihmte Erzbischof von Paris, behauptete, daB die Macht der Herrscher unmittelbar von Gott herrilhre: ,certum et constantissimum esse debet apud pios et devotos regum cultores unicuique regum potestatem regiam immediate a divino numine conferi". De concordia sacerdotii et Imperii. Paris 1714. pag. 92.
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. 222.

222 Die Selbstandigkeit der Kirchen- und der Staatsgewalt.

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Der Zweck der Kirche, die Menschheit zu eriOsen und mit Gott zu vereinigen, kann naturgemaB einem anderen Zwecke nicht untergeordnet werden. Da dieser Zweck von Gott selbst der Kirche vorgezeichnet wurde, so muB sie zur Erreichung desselben unbedingt unabhangig und selbstandig sein. Sie ist ihrer Grundlage nach katholisch, und wiirde ohne diese Eigenschaft aufhoren, das zu sein, was sie ist; dies ware aber dann der Fall, wenn sie vom Staate abhangig ware und ihre Lehre nicht vollig frei und selbstandig jederzeit und allen Volkern verkiinden konnte. Christus hat die Grenze zwischen Kirche und Staat genau gekennzeichnet, als er durch die Worte ,gebet Gott, was Gottes, und dem Konige, was des Konigs ist" die Unabhangigkeit seiner Kirche hervorhob. Diese Unabhangigkeit und Freiheit der Kirche haben die Apostel klar zum Ausdrucke gebracht, als ihnen der jiidische Rat in jerusalem verbieten wollte, im Namen Christi zu lehren. ,Ob es vor Gott zu verantworten sei, euch mehr als Gott zu gehorchen", sprachen sie, ,das moget ihr selbst beurteilen. Man muB Gott mehr gehorchen als den Menschen" 4 In der nach-apostolischen Zeit hat die Kirche ebenfalls ihre Unabhangigkeit und Freiheit hervorgehoben und verteidigt; am entschiedensten betatigte sie sich in dieser Beziehung zur Zeit der Verfolgungen und als der Staat ihr gewaltsam die Freiheit entziehen wollte. Gleich der Kirche ist auch der Staat in dem ihm eigentiimlichen Gebiete vollkommen selbstandig und unabhangig. Der Staat, dessen Zweck in der Sicherung des irdischen Wohlergehens der Menschen besteht, kann in der Verwirklichung dieses Zweckes von niemanden gehindert werden. Der Staat kann von den bestehenden sozialen und nationalen Bedingungen moralisch abhangen; allein juristisch ist die Gewalt desselben von jeder anderen Gewalt, also auch von der Kirchengewalt, vollkommen unabhangig. Wird die Moral von der Staatsgewalt verletzt, so ist es Pflicht und Recht der Kirche, ihre Stimme dagegen zu erheben, sowie auf die Staatsgewalt einzuwirken, damit diese von der eingeschlagenen Richtung abgehe; der Staat aber kann diese EinfluBnahme der Kirche annehmen oder gegen dieselbe sich ablehnend verhalten und ganz selbstandig vorgehen. Im letzteren Faile muB die Kirche sich mit dem BewuBtsein begniigen, ihre Pflicht erfiillt zu haben und geduldig die Wirksamkeit des die ewige Gerechtigkeit verletzenden Gesetzes solange ertragen, als der abnormale Zustand im Staate dauert. Da der Staat nicht berechtigt ist, auf die Angelegenheiten EinfluB zu nehmen, welche auf die Erlosung der Menschen Bezug haben, kann sich auch die Kirche nicht in die von der Staatsgewalt nach den staatlichen Grundsatzen verwalteten Angelegenheiten einmengen. Damit jedoch
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Apostelgesch. 41 19. 5, 29.

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V. Teil. Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglaubigen.

bei der notwendigen Selbstandigkeit von Kirche und Staat in ihren Gebieten keine Vermengung der Angelegenheiten der einen und der anderen Gewalt eintrete, die Kirche ihren geistlichen Charakter nicht einbiiBe und mit der Staatsgewalt nicht in Konflikt gerate, hat sie durch besondere gesetzliche Bestimmungen ihren Dienern die Einmischung in weltliche Angelegenheiten untersagt. Der 6. apostolische Kanon bestimmt: ,Der Bischof oder Presbyter oder Diakon soil keine weltlichen Angelegenheiten auf sich nehmen; widrigens er abgesetzt werden soil". In dem 81. apostolischen Kanon wird dieser Satz in folgender Weise erneuert: ,Wir haben erwahnt, es sei nicht zweckmaBig, daB der Bischof oder Presbyter sich weltlichen Angelegenheiten hingebe, sondern er befasse sich mit den kirchlichen Bediirfnissen. Daher moge er sich davon entweder fernhalten, oder seine Absetzung gewartigen ; denn niemand kann, nach dem Gebote des Herrn, zwei Herren dienen". In demselben Sinne auBert sich auch der 83. apostolische Kanon: ,Der Bischof oder Presbyter oder Diakon, welcher sich mit dem Kriegsdienste befaBt und sowohl den romischen Dienst, als auch die geistliche Verwaltung besorgen will, soil abgesetzt werden; denn dem Konige gebiihrt ' was des Konigs, und Oott, was Oottes ist". Das VII. allgemeine Konzil brachte diese apostolischen Kanones denjenigen in Erinnerung, welche als Geistliche ihren Dienst vernachlassigten und sich Iieber mit weltlichen Angelegenheiten befaBten. Dieses Konzil, welches die fiir solche Geistliche bis dahin bestandenen Strafen bestatigte, schlieBt den 10. Kanon mit den Worten ,Iieber soli er die Kinder und die Hausgenossen unterrichten und ihnen die heilige Schrift vorlesen; denn dazu hat er die heiligen Weihen erhalten".

. 223. Das fundamentale Verhaltnis zwischen Kirche und Staat.


Der erwahnte Unterschied zwischen Kirche und Staat und deren Selbstandigkeit schlieBen ihre wechselseitigen Beziehungen nicht nur nicht aus, sondern erheischen sie vielmehr. Die Kirche ist nicht das Reich von dieser Welt; allein sie besteht in der Welt, und ihre Mitglieder sind gleichzeitig Mitglieder des Staates; daher sowohl durch die kirchlichen, als auch durch die weltlichen Gesetze gebunden. Wie ist nun nach der fundamentalen Lehre der morgenlandischen Kirche dieses Verhaltnis zwischen Kirche und Staat beschaffen? Nach den Vorschriften des positiven Rechts der morgenlandischen Kirche kann dieses Verhaltnis nur cine enge Verbindung zwischen Kirche und Staat sein, namlich ein Verhaltnis der wechselseitigen Hilfeleistung und Erganzung in dem, woran es dem einen und dem anderen Teile seiner Eigenschaft nach gebricht, und zwar zur Erzielung des zeitlichen und ewigen Heiles der Menschen. Diese Verbindung zwischen

. 223. Das fundamentale Verhaltnis zwischen Kirche und Staat.

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Kirche und Staat, welche sowohl durch das Recht, als auch durch die kirchliche Praxis der alteren Zeit genau normiert ist, war fiir das Menschengeschlecht immer wohltatig, solange sich Kirche und Staat streng in den ihnen vorgezeichneten Orenzen hielten und, dem allgemeinen Zwecke entsprechend, in bestimmten Angelegenheiten eine gemeinsame Tatigkeit entfalteten. So verhielt es sich aber nicht immer; denn sowohl die Trager der Kirchen- als auch der Staatsgewalt waren nicht stets von der reinen Idee der erhabenen Mission, welche die Kirche in der Welt hat, erfiillt. Der Kirche obliegt die Aufgabe, aile Volker zum wahren Glauben zu bekehren, ihnen die ewige Wahrheit zu verkiinden, sie in der Liebe zu Oott, zu ihrem Nachsten und zu sich selbst zu unterweisen, sie zu belehren, den andern das nicht zuzufiigen, was sie sich selbst nicht wiinschen, den Feinden Verzeihung zu gewahren, sich von jedem Obel fern zu batten, die irdischen Oenlisse zu verachten, damit sie heilig werden und sich mit Oott vereinigen. Diese Aufgabe der Kirche ist streng moralischer Natur, weshalb sie sich auch keiner irdischen Mittel bedienen kann, urn diese Aufgabe zu verwirklichen; sie kann vielmehr nur von geistlichen Mitteln Oebrauch machen, in der Oberzeugung, daB eine Zeit kommen miisse, in welcher die Welt zur Erkenntnis der Erhabenheit des geistlichen Prinzipes der Kirche gelangen und von derselben durchdrungen sein werde. In der Verwirklichung ihrer Aufgabe ist die Kirche, ohne RUcksicht auf die ihr von der Welt entgegengestellten Feindseligkeiten, stets entschieden vorgegangen. Die Kirche wurde von Christus der Mensch en, der Oesellschaft wegen eingesetzt; sto6t sie aber bei der Ausiibung ihrer Mission auf Widerstand, gelangt sie zur Oberzeugung, daB in dem einen oder anderen Staate das irdische Wohlergehen als Aufgabe der Welt angesehen werde, der erhabene Gedanke an die Ewigkeit vernachUissigt sei, die weltlichen Einrichtungen den von der Kirche gelehrten religiosen und moralischen Wahrheiten widersprechen, so konnen eine Verbindung zwischen Kirche und Staat, und jene Einheit, welche fiir das allgemeine Wohl der Menschen unbedingt notwendig ist, nicht bestehen, sondern nur solche Beziehungen zwischen Kirche und Staat obwalten, welche die Zeitverhaltnisse zulassen. Die Kirche nimmt, als selbstandige Institution, mit ihrem vorgezeichneten Zwecke und mit den ihr eigentiimlichen Mitteln, deren sie sich weise, aber entschieden, zur Erreichung ihres Zweckes bedient, dem Staate gegeni.iber eine auf Reziprozitat beruhende Stellung ein. Fiir die Kirche ist das Staatssystem belanglos; sie erblickt in dem Trager der Staatsgewalt den von Gott Gesalbten und zur Staatsregierung Bevollmachtigten und unterweist ihre Glieder, dieser Oewalt sich zu unterwerfen; zugleich aber erfi.illt sie entschieden ihre gottliche Mission, und bleibt es dem Staate Uberlassen, aus der Tatigkeit der
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V. Teil. Das Verhilltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglaubigen.

Kirche, in Angelegenheiten, welche das GlUck und den Fortschritt des Volkes betreffen, Nutzen zu ziehen. 1st jedoch der Staat von der Erhabenheit des Berufes der Kirche erffillt, von der Oberzeugung getragen, daB die Kirche auf das Volk nur einen wohltatigen EinfluB auszufiben vermag, und laBt ihr der Staat die notwendige Mithilfe zur leichteren Erffillung ihrer Aufgabe angedeihen, dann unterstfitzt auch die Kirche die Staatsgewalt, und es besteht zwischen Kirche und Staat jene Harmonie, welche ffir die Gesellschaft immer von Vorteil war. Nimmt dagegen der Staat der Kirche gegenUber eine unbestimmte Stellung ein und UberlaBt er die Kirche sich selbst, so wird hieraus nicht der Kirche, wohl aber dem Staate ein Schaden erwachsen, weil er der in den H!inden der Kirche befindlichen Waffen der Moral, tiber welche er niemals vollkommen verffigen kann, mag er sich als noch so fortschrittlich erachten und die von ihm vertretenen humanitaren Prinzipien noch so hervorheben, entbehren wird. Die Geschichte hat bisher noch nicht dargetan, daB der Fortschritt und die Humaniti:i.t ohne das Christentum irgendeine ernste Bedeutung batten; wohl aber besitzen sie im Vereine mit dem Christentum einen hohen Wert und erlangen nur durch das Christentum die Sicherung ihres Bestandes. Bei einem solchen Verhaltnisse zwischen Kirche und Staat wird vielleicht auch die erstere nach auBen eine Beeintrachtigung erfahren ; denn sie wird der ihr zur leichteren Erfilllung ihrer Aufgabe, sowie zu ihrer Entwicklung und Wirksamkeit in der menschlichen Gesellschaft notwendigen staatlichen Unterstotzung entbehren; allein in ihrem Wesen wird ihr hiedurch kein Schaden erwachsen, sondern es wird vielmehr in noch hoherem MaBe ihre erhabene Bedeutung und die innere Kraft, welche es ihr ermoglicht, auch ohne staatliche Hilfe unerschfittert dazustehen und als selbstandige Macht zu wirken, zur Geltung gelangen. Beobachtet der Staat der Kirche gegenUber eine gegnerische, feindliche Haltung, so wird die Kirche die ihr durch die Verh!iltnisse gebotene Stellung einnehmen, in sich selbst ihren Schwerpunkt suchen und die Zeit geduldig abwarten, bis die Gerechtigkeit Gottes zum Siege gelangt; niemals aber wird die Kirche aufhoren, ihre Lehre zu verkfinden und, zum Kampfe herausgefordert, mit ihren geistlichen Waffen, mogen auch viele ihrer Angehorigen unterliegen, entschieden und unentwegt in dem festen Glauben zu streiten, daB frUher oder spater der endliche Sieg auf ihrer Seite sein miisse. Als eine geistliche und unabhangigc Macht kann die Kirche auch auBerhalb des Staates bestehen und zur Erreichung ihrer Zwecke die ihr zu Gebote stehenden geistlichen Mittel gebrauchen, ohne die irdischen Hilfsmittel des Staates zu ben5tigen; allein der Staat, als irdische Macht, kann ohne die geistliche, moralische Kraft nicht lange bestehen; denn er wUrde in diesem Faile in eine Verbindung von Menschen verwandelt werden, welche, ohne moralische

s.

223. Das fundamentale Vcrhliltnis zwischen Kirche und Staat.

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Beherrschung, in der gewohnlichen physischen Kraftentfaltung ihre Lebensbahn durcheilen. Da jene moralische Kraft in der christlichen Kirche vorhanden ist, so kann die Kirche, mag sie vom Staate noch so verfo!gt sein, in vollcm Vertrauen jener Zeit entgegensehen, in welcher der Staat im eigenen Interesse die Annaherung an die Kirche suchen wird, urn sich die moralische Kraft nutzbar zu machen, iiber welche die Kirchc allein im vollen Sinne und bedingungslos verfiigt. Auch in der Zeit der Verfolgung wird die Kirche niemals von ihrer fundamentalen Lehre iiber das Entstehen und die Bedeutung der Staatsgewalt abweichen und ihre Mitglieder gewiB nicht aneifern, dieser Gewalt Widerstand zu leisten und die Gleichstellung mit den andersglaubigen Angehorigen desselben Staates gewaltsam anzustreben. Das Reich Christi ist kein Reich der Freiheit im politischen Sinne, sondern das Reich der Freiheit des Geistes und der Wahrheit, der Freiheit von Verirrungen und Siinden; diese Freiheit wird der Kirche keine irdische Macht zu entziehen vermogen. Dies ist der prinzipielle Standpunkt der Kirche bei Beurteilung ihres Verhaltnisses zum Staate. Von diesem Standpunkte aus ist ein Konflikt zwischen Kirche und Staat unmoglich, oder richtiger gesagt, es erscheint das Hervorrufen eines derartigen Konfliktes durch die Kirche ausgeschlossen. Wenn solche Konflikte sich dennoch nach wie vor ergeben, so ist die Veranlassung hiezu das AuBerachtlassen des erwahnten prinzipiellen Standpunktes, sowie das durch die menschliche Leidenschaft hervorgenrfene Oberschreiten der Grenzen der Wirkungssphare seitens der einen oder der anderen Gcwalt, urn die Oberhand zu gewinnen. Betrachtet man die Kirchengeschichte im allgemeinen, so gelangt man zum Rcsultate, daB, im Vergleiche zum Abendlande, im Gebiete der morgenlandischen Kirche sehr wenig Zerwiirfnisse zwischen Kirche und Staat stattfanden. Im Okzident wurden diese Konflikte meistens durch die Kirchengewalt hervorgerufen, wahrend, wenn sich solche im Bereiche der morgenlandischen Kirche ergaben, dieselben stets von der Staatsgewalt veranlaBt wurden. Diese Tatsache wird iibrigens durch die neue Kirchen-Verfassung erklart, welche im Abendlande nach der Kirchentrennung ins Leben gerufen wurde. Die Ursachen der Zerwiirfnisse zwischen Papst Gregor VII. und Heinrich IV., zwischen Johann XXII. und Ludwig dem Baier u. s. w. sind bekannt. Dieselben waren auch die Veranlassung zu jenem kirchlichen Organisations-Systeme, welches heute in der protestantischen Kirche obwaltet und das von der Kirchen-Organisation der apostolischen Zeit und der folgenden Jahrhunderte ganz verschieden ist. Der Grundsatz, daB die Staatsgewalt sich in jeder Beziehung den Vorschriften der Kirchengewalt unterordnen miisse und daB die weltlichen Souverane von dem Papste, welcher in bestimmten Fallen das Recht habe, sie

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V. Teil. Das Verhlutnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglaubigen.

des Thrones zu entsetzen und ihre Untertanen von der pflichtgemil.Ben Treue zu entbinden, abhangig seien, muBte notwendig im Abendlande eine ganz andere Anschauung Uber das Verhiiltnis zwischen Kirche und Staat hervorbringen, eine Anschauung, welche im Vergleiche zu dem prinzipiellen Standpunkte der in den ersten zehn Jahrhunderten in der Kirche vertreten wurde, als ganz neu erschien. Eine entschiedene Reaktion gegen diesen Grundsatz zeugte sich insbesonders in Frankreich unter Ludwig XIV., im romisch-katholischen Deutschland in der zweiten Halfte des XVIII. jahrhunderts und in Osterreich zu Ende desselben Jahrhunderts unter Kaiser joseph II. Diese Reaktion gelangte in den vier Artikeln, welche in der unter dem Vorsitze des beriihmten Bossuet im Jahre 1681 abgehaltenen groBen Versammlung des franz5sischen Klerus kundgemacht wurden und unter dem Titel nDeclaratio cleri gallicani" bekannt sind, zum Ausdrucke. Diese Artikel bestimmen: 1. Dem heiligen Petrus und dessen Nachfolgern ist in geistlichen und nicht in weltlichen Angelegenheiten die Gewalt eingeraumt; 2. der Papst ist den Beschliissen eines allgemeinen Konzils unterworfen; 3. die Macht des Papstes ist durch die in Frankreich geltenden Satzungen des Reiches und der Kirche beschriinkt; 4. die Entscheidungen des Papstes in Glaubenssachen sind nur dann unabanderlich, wenn sie von der ganzen Kirche angenommen und bestatigt sind. - In der gleichen Richtung auBerte sich das rOmischkatholische Deutschland durch den Bischof Hontheim, welcher die diesbeziigliche von ihm verfaBte Schrift unter dem Pseudonym Febronius im Jahre 1763 publizierte. Dieselbe Erscheinung zeigte sich in Osterreich, als joseph II. die Erlasse der kirchlichen Obrigkeit seinem ,Placet" unterwarf. - Die erste der angefiihrten Richtungen wurde Gallikanismus, die zweite Febronianismus, die dritte josephinismus genannt. Diese in der Praxis zutagegetretenen Kundgebungen tiber das Verhiiltnis zwischen Kirche und Staat haben auch eine theoritische Behandlung erfahren und fiihrten im Abendlande zu besonderen Systemen, welche man wissenschaftlich zu begrUnden bestrebt war. Es wurde das hierokratische System aufgestellt, welches dem Staate unbedingt jede Selbstandigkeit abspricht und demselben das Territorial-System mit der Devise "Cujus est regio, illius et religio" gegeniibergestellt. Der Kampf zwischen den Anhangern des einen und des andern Systems war ein sehr heftiger; wahrscheinlich urn diesem Kampfe ein En de zu mach en, wurde das Prinzip n von der freien Kirche im freien Staate", welches Minister Cavour fiir Italien adoptierte, aufgestellt. Hiemit wollte man jede Verbindung zwischen Kirche und Staat !Osen, so daB der Staat nicht berechtigt sein so11te, auf kirchliche Angelegenheiten EinfluB zu nehmen, und die Kirche nicht befugt sein sollte, die Staatshilfe in Anspruch zu nehmen und noch weniger in staatlichen Angelegenheiten ihren EinfluB geltend zu machen.

. 223. Das fundamentaie Verhiiltnis zwischen Kirche und Staat.

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Es ware i.iberfli.issig, sich in eine Analyse dieser Theorien einzulassen, und den Beweis zu erbringen, daB zum Beispiele die Theorie ,von der freien Kirche im freien Staate" den Naturgesetzen, nach welchen es ganz unmoglich ist, daB eine freie Kraft in einer anderen freien Kraft bestehe, zuwiderlauft. Diese Theorien waren durch die Organisation der abend!andischen Kirche bedingte, notwendige Erscheinungen. Im Oebiete der morgenlandischen Kirche kam Derartiges nicht vor. Wohl ergaben sich auch hier Konflikte zwischen der Kirchen- und Staatsgewalt; allein zunachst waren dieselben auBerst selten und wurden tiberdies stets von der Staatsgewalt, und zwar dann hervorgerufen, wenn letztere von der Kirche die Oenehmigung eines mit dem positiven Kirchenrechte im Widerspruche stehenden Vorgehens forderte, oder wenn die Staatsgewalt eine mit der fundamentalen Organisation der Kirche und mit dem historischen Leben derselben unvertragliche Institution mit Umgebung der Kirchengewalt und ohne Ri.icksicht auf die hiebei in erster Linie in Betracht kommende Kompetenz der Kirche, in den kirchlichen Organismus einzufi.ihren beabsichtigte. Aus der Zeit des byzantinischen Kaisertums konnen die Konflikte unter Leo VI. zu Anfang des zehnten, oder unter Michael Palaologus in der zweiten Wilfte des XIII. Jahrhunderts als Beispiele angefi.ihrt werden. Diese und almliche Konflikte im Oebiete der morgenlandischen Kirche haben seinerzeit Storungen in der Oesellschaftsordnung hervorgerufen; sie gingen aber nie so weit, daB neue Theorien i.iber das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat durch sie veranlaBt worden waren, oder daB das fundamentale Prinzip der alten Kirche eine Verletzung erfahren hatte, namlich das Prinzip des gemeinsamen Wirkens und der engen Verbindung der Kirchen- und der Staatsgewalt. Hiebei wurde nicht an eine Unterordnung der einen Oewalt unter die andere und auch nicht an Vereinbarungen (Konkordate) gedacht, nach welchen zwischen Kirche und Staat fi.ir einen festgesetzten Zeitraum bestimmte Beziehungen zu bestehen batten, die durch Anderungen der Verhaltnisse Modifikationen erfahren konnen. Die Lehre von dem gemeinsamen Wirken, sowie von der Verbindung zwischen Kirche und Staat, beruht auf der heiligen Schrift, wurde von der morgenlandischen Kirche immer verki.indet und hat auch das Recht derselben durchdrungen. In dem alten Testamente ist bereits der Ausspruch des Propheten Jesaias, ,die Konige werden die Pfleger der Kirche sein" t, und der weitere Satz, daB ,die Konige die Schirmer des Olaubens und der gottlichen Oebote sein werden" 2, enthalten. Hiedurch wurde der Grund zu jener Verbindung gelegt, welche zwischen der Kirchen- und der Staatsgewalt bestehen muB. Der bezliglichen Stelle
. 223.
2

1 jes. 49, 23. Regnorum. II, 5, 3.

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V. Teil. Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglliubigen.

aus einem Sendschreiben des Apostel Paulus wurde bereits gedacht. Die Kirchenvater idealisieren diese Verbindung und Obereinstimmung, indem sie die Selbstandigkeit der heiden Gewalten in den ihnen eigentumlichen Gebieten und die Ahnlichkeit derselben betonen, welche ihr wechselseitiges Verhaltnis im wesentlichen normierts. Chrysostomus hebt bei Erklarung der angefiihrten Stelle aus dem Sendschreiben des Apostel Paulus an die Christen in Rom, die Pflicht des Bischofs, sich der Staatsgewalt unterzuordnen, hervor; in der Erklarung des zweiten Sendschreibens des Apostel Paulus an die Korinther erwahnt Chrysostomus den Gehorsam, zu welchem die Staatsgewalt der Kirche gegentiber verpflichtet ist und erklart hiemit sowohl die wechselseitige Verbindung beider Gewalten, als auch den Charakter ihrer Verbindung 4 Der Bischof unterwirft sich der Staatsgewalt als Untertan des Staates, und nicht deshalb, wei! etwa die bischOfliche Oewalt von dem Reprasentanten der Staatsgewalt ausginge; ebenso unterwirft sich der Reprasentant der Staatsgewalt als Mitglied der Kirche, als siindiger Mensch, der sein Heil in der Kirche sucht, dem Bischof; keineswegs aber deshalb weil seine Gewalt in jener des Bischofs ihren Ursprung hatte. In dieser wechselseitigen Subordination der Kirchen- und der Staatsgewalt zeigt sich sowohl der Unterschied und die Selbstandigkeit derselben, als auch die Notwendigkeit ihrer wechselseitigen Verbindung wegen der beiderseitigen Anerkennung eines hOheren leitenden Prinzipes in der Menschheit. Mit Rticksicht auf die Notwendigkeit der Verbindung beider Gewalten zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes hat auch Christus den Unterschied zwischen dem, was Oottes und was des Konigs ist, hervorgehoben. Der Staat bedarf der kirchlichen Hilfe in geistlichen Dingen, namentlich aber wegen jener moralischen Kraft, durch welche in den Untertanen die Liebe und das Streben zum Outen wachgerufen wird; die Reprasentanten der Kirche ben5tigen die Staatshilfe, sowie die Oesetze des Staates, urn unter den Menschen freier und Ieichter die christlichen Anschauungen tiber das Oute und tiber die Oerechtigkeit verbreiten zu k5nnen. Die Kirche erfleht den Segen Oottes fiir den Reprasentanten der Staatsgewalt und erhebt die Ftirbitte "ftir sein Reich, ftir seine Erhaltung, sein Wohl und Heil, insbesondere damit ihm Oott zum Siege tiber seine Gegner und Feinde die Hilfe und Untersttitzung angedeihen lasse" 5, Der Staat seinerseits wahrt die Interessen der Kirche und wirkt dahin, daB diese ihren moralischen EinfluB auf die Oesellschaft frei ausilben k5nne, und die Volker hiedurch gliicklich werden. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurde von christlichen Kaisern das ebenerwahnte Verhaltnis zwischen Kirche und Staat zum Ausdrucke
3

Siehe . 221, Anm. 9. Siebe die groBe Ekthenie bei der Liturgie.

' Chrysost., Hom. 23, 1 in Rom. 13; Hom. 15 in 2 Cor. Cf. De sacerdotio 3, 1.
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. 223. Das fundamentale Verhaltnis zwischen Kirche und Staat.

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gebracht. Theodosius II. und Valentinian III. schrieben zur Zeit des Nestorianischen Streites an die alexandrinischen Bischofe Folgendes: ,Der Zustand unseres Reiches hangt von der Gottesverehrung ab, da zwischen ihr und dem Reiche viet Gemeinsames und Ahnliches vorhanden ist. Sie unterstiltzen sich gegenseitig und schreiten vor durch die beiderseitige Entwicklung, so daB der wahre Glaube durch die Gerechtigkeit leuchtet und der Staat sich in Bliite befindet, wenn er den Glauben und die Gerechtigkeit in sich vereinigt. Als Kaiser, von Gott eingesetzt, urn der Zufluchtsort der Frommigkeit und des Gliickes unseres Untertanen zu sein, sorgen wir stets fiir die Erhaltung der Verbindung zwischen Kirche und Reich, indem wir der gottlichen Vorsehung und den Menschen dienen. Der Vorsehung dienen wir durch unsere Sorge fiir das Gedeihen des Staates, den Untertanen, indem wir sie zu dem frommen Glauben und zu einem der Glaubigen wiirdigen Lebenswandel anleiten; denn es ist unmoglich, daB derjenige, welcher fiir das Reich Sorge tragt, nicht auch der Kirche seine Fiirsorge zuwende" 6, In noch klarerer Weise ist das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat in der 6. Novelle Justinians zum Ausdrucke gebracht: ,Zwei hohe Gaben sind dem Menschen von der gottlichen Gnade verliehen: das Priestertum und die Regierung des Staates; jenes besorgt den Kirchendienst, diese leitet die iibrigen Angelegenheiten des Mensch en; beide haben dense/ben Ursprung, beide sind Zierden des menschlichen Lebens. Daher liegt den Imperatoren namentlich die Ehre der Priester, welche ihnen durch fortgesetzte Fiirbitten bei Gott dienen, sehr am Herzen. 1st das Priestertum in jeder Beziehung wohl geordnet und Gott gefallig, und wird der Staat gut und gerecht verwaltet, dann wird die voile Obereinstimmung in allem zum Wohle der Menschen bestehen. Daher hegen wir die groBte Sorge fUr die Wahrung der gottlichen Glaubenssatze und fUr die Erhaltung der Ehre des Priestertums, und hoffen, daB wir hiedurch der hochsten Gnaden Gottes teilhaftig sein und daB uns jene Gnaden, die wir besitzen, erhalten bleiben werden" 7 Im Jahre 530 erlieB JustiHarduini. I, 1344. ,Maxima quidem in hominibus sunt dona Dei et superna collata dementia: sacerdotium et imperium, et illud quidem divinis ministrans, hoc autem humanis, praesidens ac dilligentiam exhibens, ex uno eodemque principia utraque procedentia humanam exornant vitam. ldeoque nihil sic erit studiosum imperatoribus, sicut sacerdotum honestas, cum utique et pro illis ipsis semper Deo supplicent. Nam si hoc quidem inculpabile sit undique, et apud Deum fiducia plenum, imperium autem recte et competenter exornet traditiam sibi rempublicam, erit consonantia quaedam bona, omne quicquid utile est, humano conferens generi. No;; igitur maximam habemus sollicitudinem circa vera Dei dogmata et circa sacerdotum honestatem, quam illis obtinentibus credimus, quia per eam maxima nobis dona dabuntur a Deo, et ea quae sunt firma habebimus". Nov. 6. praef. (Ed. cit. III, 16). Siebe dasselbe in Collectio LXXXVII capitulorum num. 1. (Pitra. II, 390); ebenso Krmcija, Cap. 42, 1 (erwlihnte Ausgabe. II, 7). Vergl. . 15, Anm. 5, dieses Buches.
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V. Teil. Das Verhliltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglliubigen.

nian ein Gesetz, nach welchem die Kanones dieselbe Gesetzeskraft haben sollten wie die kaiserlichen Gesetze, und welches die Bestimmung enthielt, daB dasjenige, was die Kanones verbieten, auch von den kaiserlichen Gesetzen verboten ist s. Diese Bestimmungen wurden spater in den Novellen justinians aus den Jahren 542 und 545 erneuert9. In der zwischen den jahren 879 bis 886 kundgemachten Epanagoge kaiserHeber Gesetze wird die Staats- und die Kirchengewalt in Byzanz, und ihr gegenseitiges Verhaltnis folgendermaBen geschildert: ,Der Imperator ist die gesetzliche Obrigkeit, das gemeinsame Wohl fUr die Untertanen; er belohnt oder bestraft unbefangen. Seine Aufgabe besteht darin, Gutes zu schaffen. Als Vorschriften hat er die heilige Schrift, die AussprUche der sieben okumenischen Konzilien, sowie die weltlichen Gesetze. Er muB sich im orthodoxen Glauben, und namentlich im wahren Glauben an die Dreieinigkeit, auszeichnen. Bei dem Erlassen der Gesetze soli er sich an die bestehende Gewohnheit halten, welche jedoch nur dann zu gelten hat, wenn sie zu den Kanones nicht im Widerspruche steht. Der Patriarch ist das lebende Bild Christi ; er soli durch Wort und Tat die Wahrheit vorstellen; sein Amt ist auf das Heil der ihm anvertrauten Seelen, auf die Belehrung und auf die unentwegte Verteidigung der Glaubenswahrheiten gerichtet. Der lmperator und der Patriarch, die weltliche Obrigkeit und das Priestertum, stehen zueinandar wie Korper und Seele und sind fiir den Organismus des Staates ebenso notwendig, wie Korper und Seele bei dem lebenden Menschen. In ihrer Verbindung und Obereinstimmung liegt die Wohlfahrt des Staates" to. Diese Auffassung Uber das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat war in der Kirche derart gefestigt, daB die letztere im Faile der Storung dieses Verhaltnisses stets ihr tiefes Bedauern kundgab. Als, nach den bilderstnrmenden Kaisern, Constantinus mit seiner Mutter Irene den Thron bestieg und die Orthodoxie zum Siege gelangte, begrilBten die Viiter des VII. allgemeinen Konzils die Wiederherstellung der frilheren Beziehungen zwischen Kirche und Staat mit Begeisterung. Die diesbezUgliche Stelle in den Akten des erwahnten Konzils lautet: ,Das Priestertum ist die Weihe und Befestigung der Herrscherwilrde; das Priestertum bewacht und besorgt das Himmlische. Die HerrscherwUrde leitet durch weise Gesetze die irdischen Angelegenheiten. jetzt ist die Scheidewand gefallen und die gewilnschte Obereinstimmung wiederhergestellt" u. Hiemit erhielt
8 Siebe . 15, Anm. 3, dieses Suches. ' Nov. 115. cap. 3. . 14; Nov. 131. cap. 1. Cf. Sasilic. V. 3, 2. XXXV. 8. 36. Vergl. . 15, Anm. 5, dieses Suches. 10 Zachariae, Collectio libror. juris graeco-romanum ineditorum. Lipsiae 1852 pag. 65 sq.

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. 223. Das fundamentale Verhiiltnis zwischen Kirche und Staat.

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die Doktrin tiber das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat, welche die Kirche der alteren Zeit verkilndete, und von der sowohl die Kirchenvater als auch die christlichen Herrscher durchdrungen waren, die kanonische Bestatigung. Die Kirche nahm es nicht libel, daB die christlichen lmperatoren, welche ihr eine solche Achtung und Ergebenheit bezeigten und fOr ihre Wohlfahrt und ftir den Fortschritt des wahren Glaubens in solchem MaBe sorgten, sich ,die Gottlichen" nannten und ihre Gesetze und Verordnungen als ,gottliche" bezeichneten 12. Diese Bezeichnungen wahlten sie nicht im Sinne ihrer heidnischen Vorganger, oder urn sich die Gewalt tiber die Kirche zuzeignen, sondern aus dem Grunde, weil sie an dem Glauben festhielten, daB die Staatsgewalt von Gott eingesetzt sei, und wei! sie auch ihren Untertanen zeigen wollten, daB ihre Gewalt von Gott stamme und sie ,von Gottes Gnaden" die Regierung des Staates besorgen. Diese Eigenschaft wird den Herrschern von der Kirche nach wie vor zuerkannt und sie reiht dieselben nach der in feierlicher Weise vorgenomm enen Weihe und Salbung unter die geheiligten Personen, welche einer hoheren Gnade Gottes teilhaftig werden. Constantinus der GroBe bezeichnet in seiner an die Mitglieder des Konzils von Nicaa gerichteten Ansprache die Bischofe als Bischofe ftir die Angelegenheiten des inneren kirchlichen Lebens und nennt sich selbst den Bischof in Angelegenheiten des auBeren kirchlichen Lebens, wogegen seitens der Kirchenvliter keine Einsprache erhoben wurde. Die Vater des Konzils vom Chalcedon akklamieren den Kaiser Marcian als ,Priester und Kaiser zugleich" 13, und Papst Leo der GroBe anerkennt die Gewalt der Kaiser, welche von den kirchlichen Interessen durchdrungen sind und fi.ir den Fortschritt der Kirche sorgen, als eine geistliclze Gewalt. Von Kaiser Theodosius sagt Leo, daB er nicht nur ein kaiserliches, sondern auch ein priesterliches Herz habe, wei! er cin Konzil nach Ephesus berufen und in seinen Gesetzen die Haretiker verurteilt habe 14 Den Kaiser Marcian nennt derselbe Papst ,Schirmer des Glaubens" wegen der Verurteilung des Eutyches 15. Auch die Vater der Kirche betrachteten den Schutz des Glaubens als eine Aufgabe der
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llrehollliG~I.

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V. Teil. Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglaubigen.

kaiserlichen Gewalt und wandten sich daher stets an dieselbe, wenn es sich darum handelte, ein Glaubensdogma gegeniiber einer Irrlehre zu befestigen. Die Kaiser haben solchen Ansinnen stets entsprochen, da sie darin die Erfilllung einer ihnen von Gott auferlegten Pflicht erblickten. Wenn die Vater der Kirche sich in solchen Fallen an die kaiserliche Gewalt wandten, so lag der Grund hiefilr nicht in der Ansicht der Kirchenvater, daB die gottliche Wahrheit an sich zu ihrer Befestigung und zur Verteidigung gegen Verunglimpfungen der Staatsgewalt bediirfe. Die Kirchenvater, wie die lmperatoren, hielten an dieser Wahrheit fest, wei! sie ewig ist und die Grundlage ihres Bestandes in sich selbst enthalt. Die Anschauung, daB die kaiserliche Gewalt berufen sei, die Reinheit des Glaubens zu befestigen und zu wahren, hat vielmehr ihren Ursprung in dem Streben, sowohl die zeitliche als auch die ewige Wohlfahrt des Menschen zu sichern, in demselben das Gute und Edle zu fordern und alles dasjenige hintanzuhalten, was das Wohl der Gesellschaft zerstoren und den Menschen von dem Pfade zum ewigen Leben ablenken konnte. Wegen der Schwache der menschlichen Natur, und wei! nicht jeder in der Lage ist, das moralische und religiose Motiv fi.ir die Verteidigung der Wahrheiten des Glaubens und der Moral zu begreifen, ist die Androhung iiberirdischer und irdischer Strafen fiir die Verunglimpfung dieser Wahrheiten unbedingt erforderlich, und dies umsomehr, als ohne diese Einschrankung der menschlichen Natur, der Weg zu kirchlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Unordnungen geoffnet ware. Die Notwendigkeit der Mitwirkung der Staatsgewalt zur Reinerhaltung des Glaubens wurde jederzeit anerkam'lt und die Idee dieser Notwendigkeit durchzieht die Gesetze aller gegenwartig bestehenden christlichen Staaten 16. Aus dem Angefiihrten ist auch die Teilnahme erklarlich, welche die Kaiser und deren Bevollmachtigte der Berufung, Abhaltung und SchlieBung der allgemeinen Kirchenversammlungen entgegenbrachten. Die Kaiser haben an den allgemeinen Konzilien nicht als Richter in Glaubensfragen und als kirchliche Haupter, sondern als Schirmer des Friedens und der Ordnung in der Kirche teilgenommen. Constantinus der GroBe sprach zu den in dem Konzile zu Nicaa versammelten Bischofen: ,Gott hat euch als Hirten der Kirche eingesetzt, daher habet ihr dasjenige, was auf die Kirche Christi Bezug hat, zu verhandeln" 17. Kaiser Marcian sagte in einer in dem Konzile zu Chalcedon gesprochenen Rede ,urn den Glauben zu bekraftigen und die Freiheit der Beratungen zu sichern, nicht urn irgendeine Gewalt auszuiiben, babe er dem Konzile selbst anwohnen wollen" 18 Kaiser Constantinus der
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Siehe z. B. fiir Osterreich die . 122 u. 123 des Strafgesetzbuches. Rujin., Hist. eccles. X, 2. Harduini. II, 466.

. 223. Das fundamentale Verhiiltnis zwischen Kirche und Staat.

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GroBe, welcher personlich an dem ersten allgemeinen Konzile teilnahm, verfolgte den Gang der Verhandlungen, maBigte als Schirmer des Friedens die Redner und lenkte sie auf den Gegenstand der Verhandlung, falls von demselben abgewichen wurde. Die Kaiser, welche den Konzilien nicht personlich anwohnten, lieBen sich durch Bevollmachtigte vertreten. Die Aufgabe dieser Bevollmachtigten ist aus folgendem Edikte, welches Theodosius II. und Valentinian III. an das III. allgemeine Konzil erlieBen, zu entnehmen: ,Fiir das allgemein Niitzliche und fiir dasjenige, was sich auf die Frommigkeit bezieht, haben wir groBe Sorgfalt; denn die Frommigkeit verschafft den Menschen auch die iibrigen Gnaden. Daher haben wir die zu eurer Versammlung notwendigen Anordnungen bereits erlassen. Da fiir die Erhaltung der Ordnung und des Friedens bei den Verhandlungen des heiligen Konzils gesorgt werden muB, haben wir veranlaBt, daB dasselbe in seiner Tatigkeit nicht gestort werde. Wenngleich wir iiberzeugt sind, daB ihr keine tiujJere Hilfe notig habet, urn den Frieden zu sichern, so hat uns doch unsere Sorgfalt fiir die Frommigkeit veranlaBt, auch hiefiir vorzukehren. Daher haben wir unserem obersten Wiirdentrager Candidianus den Auftrag erteilt, dem Konzile anzuwohnen; doch darf er an den Beratungen tiber Glaubensstitze keinen unmittelbaren Anteil nehmen, da es nicht schicklich ist, daft jemand, der nicht zur Zahl der Bischofe gehort, sich in Angelegenheiten der Kirche mische. Oberdies haben wir ihm aufgetragen, aile jene aus der Stadt zu schaffen, welche in derselben nichts zu tun hatten, und darilber zu wachen, daB die Disputationen nicht in Streitigkeiten ausarten und hiedurch die Wahrheit, welche eure heilige Versammlung zu untersuchen hat, nicht leide, sondern daB man jeden Vortrag mit Aufmerksamkeit hore und jeder seine Zustimmung oder seine Gegengriinde darlege und so durch Oberlegung und in Ruhe ein einmiltiger BeschluB gefaBt werden und euere heilige Versammlung die unwiderrufliche Wahrheit festigen konne. Vor allem haben wir unserem obersten Wilrdentrager Kandidianus befohlen, dafiir zu sorgen, daB kein Mitglied des Konzils den Verhandlungsort verlasse, urn nach Hause, an den Hof oder anderwartshin abzureisen; auch darf er nicht gestatten, daB vor Erledigung der dogmatischen Hauptfrage eine andere kirchliche Frage oder ein Antrag in Untersuchung gezogen werde. Dasjenige, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist, wird nach allseitiger Priifung jene Bestatigung erfahren, welche der rechtglaubigen Gottesverehrung geziemt .... " 19. Als einige An hanger des Monophysitismus von dem IV. allgemeinen Konzil verurteilt werden sollten, wandten sie sich im Appellationswege an den Kaiser, welcher dem Konzile aus diesem Anlasse Folgendes mittheilte: ,Wenn ich selbst den Streit hatte ent19

Harduini. l, 1345.

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V. Teil. Das Verhllltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersgliiubigen.

scheiden kBnnen, so hatte ich kein Konzil berufen .... jetzt aber befehle icb, daB ibr eucb bei ibm einfindet und von ibm lernt, was ibr nocb nicbt wisset.; denn was das heilige Konzil beschlieftt, das ist fiir

mich Oesetz, dem folge ich, daran glaube ich" 2o.


In den eigenhandigen Unterzeichnungen der Beschliisse der allgemeinen Konzilien durch die Kaiser, wodurch die letzteren diesen Beschllissen ihre Bestatigung erteilten, ist nichts der Kirchengewalt Widersprechendes oder Antikanonisches zu erblicken. Durch diese Unterzeichnungen wurde nur ein Wunsch der Kirche erfUllt, und sollten dieselben als Beweis daflir gelten, daB die Beschllisse der Konzilien als positive Staatsgesetze angenommen wurden. Die Kaiser bekundeten durch die Bestatigung der erwahnten Beschliisse, daB sie sich denselben als ergebene Sohne der Kircbe fligen, und daB sie als Reprasentanten der Recbte der Untertanen, sowie als Schirmer ihrer Wohlfahrt und ihres O!Uckes, der Kirche gegenliber filr aile Untertanen die BUrgschaft Ubernebmen, daB die kirchlichen Oesetze und Vorschriften geheiligt sein, daB sie von keiner Seite eine Verletzung erfahren und als Richtschnur im Leben und im Wirken aller AngehOrigen des Staates gelten werden. Die Staatsgewalt erschien bei der Teilnahme an den allgemeinen Konzilien nur als auBere, helfende und gesetzgebende Macht; wo diese auBere Teilnahme der Staatsgewalt aufhorte, da trat die selbstandige Kirchengewalt zutage. Die Mitwirkung der Staatsgewalt in kirchlichen Angelegenheiten wird von der Kirche im Prinzipe anerkannt und wird durch den Urnstand, daB es im historischen Leben der Kirche Herrscher gab, welcbe Haretiker waren und durch ihre Verordnungen die Orthodoxie verurteilten, sowie die Irrlehre in Schutz nahmen, nicht beeintrachtigt. Bevor eine neue, oder eine auf neue Art verkiindete Lehre in der Kirche als Irrlehre kundgemacht wird, bedarf es einer lange dauernden, allseitigen Prlifung derselben, und erst mit der allgemeinen Zustimmung der Kirche, welche entweder in einem allgemeinen Konzile oder durch schriftliche Vereinbarung der kirchlichen Haupter zum Ausdrucke gelangt, kann eine solche Lehre als Irrlehre erklart werden. Wie vielfach sind jedoch die Schwankungen der Geister selbst bei den Hauptern der Gelehrsamkeit in der Kirche, die gerade als solche, von besonderer Frl>mmigkeit erflillt und durch tiefes Wissen ausgezeichnet, nach Ergri.indung der echten Wahrheit streben, bis eine derartige ErkUirung erfolgt! Die Kirchengeschichte weist nicht wenige Beispiele auf, daB viele der ausgezeichnetsten Kircbenhirten zu Irrlehren solange hinneigten und dieselben sogar in eigenen Schriften verteidigten, bis die Stimme der
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. 223. Das fundamentale Verhllltnis zwischen Kirche und Staat.

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Gesamtkirche diese Lehren verurteilte und sie als lrrlehren bezeichnete. Solche Erscheinungen sind deshalb erklarlick, wei! einerseits in den lrrlehren nicht alles unrichtig war, dieselben vielmehr zahlreiche orthodoxe Satze enthielten, und wei! man andererseits die vermeintliche Richtigkeit dieser Lehren durch solche Griinde und solche Stellen aus der biblischen und aus der patristischen Geschichte nachzuweisen suchte, daB nur ein scharfes Auge und eine besonders genaue Kenntnis der orthodoxen Doktrin den Irrtum in den einzelnen lrrlehren zu ergriinden vermochten. Mogen auch einzelne orthodoxe Hirten zu Irrlehren hingeneigt haben, so taten sie dies aus Liebe zur Orthodoxie und in der vollen Oberzeugung, daB sie die Wahrheit verteidigen. Durch ihre beziiglichen schriftlichen Ausfiihrungen glaubten sie zur genaueren Unter- suchung der Wahrheit beizutragen. Wenn solche Erscheinungen bei den theologisch gebildeten und zur Verteidigung der Orthodoxie eingesetzten Kirchenhirten zutagetraten, urn wie vieles Ieichter konnten die gleichen Erscheinungen bei den christlichen Kaisern, welchen die theologische Bildung der Kirchenhirten mangelte und die erst in zweiter Linie und nur in auBerer Beziehung zur Verteidigung der Orthodoxie berufen waren, eintreten ! Die Stellung der Kaiser als Oberhaupter des Staates und aller Untertanen, als Spender der Gerechtigkeit fiir dieselben, welcher Konfession sie auch angeMren mochten, wurde namentlich durch das Auftreten von Irrlehren im Staate, welche fiir die Gesellschaft von groBerer Tragweite waren, erschwert. Die Folge des Auftretens solcher lrrlehren, welche weitgehende Disputationen zwischen den Vertretern der einen oder der anderen Glaubenslehre veranlaBten und welche auch zu Streitigkeiten ausarteten, war die, daB sich die Parteien an den Kaiser urn dessen Schutz und urn Anerkennung ihrer Lehre wandten. Das Schwanken, welches, wie erwahnt, gelegentlich des Auftretens einer Irrlehre bei den Kirchenhirten sich bemerkbar machte, zeigte sich bei den Kaisern, welche in solchen Fallen nicht nur den rechten Glauben zu schirmen, sondern auch den Frieden und die Ordnung in der Oesellschaft herzustellen batten, in noch hiJherem MaBe. Die Haretiker verstanden es, bei solchen Oelegenheiten aile moglichen Mittel, entweder unmittelbar oder im Wege hoher Staatswiirdentrager, anzuwenden, urn die Kaiser zu iiberzeugen, daB ihre Lehre die rechte sei und daB sonach die orthodoxen Hirten von der Kirche abgefallen seien. Auf diese Weise geschah es, daB die Kaiser den Versicherungen der Haresiarchen OehOr schenkten und, von dem Wunsche nach Wiederherstellung des Friedens erfiillt, der Orthodoxie widersprechende Anordnungen erlieBen. Bei diesem Vorgange waren sie iiberzeugt, die wahre kirchliche Doktrin zu verteidigen und die Verbindung mit der Kirche nicht zu Josen; doch war dem in der Tat nicht so. Den Beweis hiefUr liefern, mit geringen Ausnahmen, aile auf den Schutz der einen oder der anderen Irrlehre

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V. Teil. Das Verhllltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersgtllubigen.

gerichteten kaiserlichen Verordnungen. Hieraus ergibt sich, daB das fundamentale Prinzip, rilcksichtlich des Verhaltnisses zwischen Kirche und Staat, bei jenen Kaisern, welche sich einer Irrlehre anschlossen, dasselbe war, welches die rechtglaubigen Kaiser vertraten, nur mit dem Unterschiede, daB dort dieses Prinzip unrichtig ins Werk gesetzt wurde.

. 224. Der Wirkungskreis der Kirchen- und der Staatsgewalt.


Nach Darlegung des Prinzips der gegenseitigen Verbindung zwischen der Kirchen- und der Staatsgewalt, und nach Erllrterung der Notwendigkeit dieser Verbindung filr das allgemeine Wohl, sollen nun die von dem positiven Rechte bestimmten Grenzen gekennzeichnet werden, innerhalb welcher sich jede dieser Gewalten in ihrer legislativen Tatigkeit bewegen kann, ferner soli gezeigt werden, welche Angelegenheiten in die Sphare der einen und der anderen Gewalt, und welche in die gemeinsame Sphare beider gehOren. Eine Er5rterung dieser Fragen im Kirchenrechte ist nur rticksichtlich jener Staaten m5glich, welche den gesetzlichen Bestand der christlichen Kirche anerkennen und an der Norm festhalten, daB die von der Kirche in ihr Bekenntnis aufgenommenen fundamentalen Wahrheiten nicht berilhrt werden di.irfen. FUr das Kirchenrecht ist die Verfassung des Staates belanglos; dassel be betrachtet die Staatsgewalt vom allgemeinen Gesichtspunkte, ohne Rticksicht auf die Konfession des Staatsoberhauptes. FUr das Recht ist die Anerkennung der Kirche im Staate maBgebend. 1st dies der Fall, so stimmen die Normen tiber das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat in den betreffenden Staaten im Wesentlichen Uberein. Die Obereinstimmung dieser Normen in allen Staaten, in welchen der Kirche die Anerkennung zuteil wird,. ist ein Gebot der Notwendigkeit; denn ist der Staat von den Oberzeugung durchdrungen, daB das Christentum die Bilrgschaft fi.ir die Wohlfahrt der Gesellschaft und des Staates biete, so wird derselbe keinesfalls Vorschriften erlassen, welche mit den christlichen Wahrheiten im Widerspruche stehen oder einen Konflikt zwischen den kirchlichen und staatlichen Gesetzen hervorrufen konnten. Werden die gedachten Normen beobachtet, so kann das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat nur ein regelmaBiges sein. Kirche und Staat sind selbstandig und entfalten in den ihnen eigentlimlichen Gebieten die ihren Zwecken entsprechende Tatigkeit; da jedoch fUr das allgemeine Wohl die Verbindung zwischen Kirche und Staat unbedingt notwendig ist, so werden beide in Ausilbung ihres Berufes, innerhalb ihrer Grenzen, auch die gegenseitigen Int~ressen berUcksichtigen und in Fallen einer unmittelbaren lnteressengemeinschaft eine konzentrische Tatigkeit entfalten und nur solche Gesetze erlassen, durch

. 224. Der Wirkungskreis der Kirchen- und der Staatsgewalt.

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welche die Stabilitat ihrer Verbindung, sowie die allgemeine Wohlfahrt und der Friede gesichert werden. Die Wirkungsspharen der Kirche und des Staates sind durch die Natur der beziiglichen Angelegenheiten, sowie durch den Zweck, welchen Kirche und Staat verfolgen, bestimmt. In geistlichen Angelegenheiten, welche geistliche Zwecke verfolgen und das Seelenheil betreffen, ist die Kirche berufen, die betreffenden Normen zu erlassen ; die irdischen Angelegenheiten, welche die Erhaltung des Friedens und der Ordnung in der Gesellschaft bezwecken, mogen diese Angelegenheiten auch nicht immer materieller Natur sein, gehoren zur Kompetenz der Staatsgewalt. Ein gemeinsames Vorgehen beider Gewalten ist dann geboten, wenn es sich urn Angelegenheiten handelt, welche das geistliche Leben der Kirche und das irdische Leben des Staates zugleich betreffen. Die taxative Aufzahlung der zur Kompetenz der Kirche, zu jener des Staates und zur gemeinsamen Kompetenz beider geh5renden Angelegenheten, ist Aufgabe der Kodifikation des Rechts. Hier sollen diese Angelegenheiten nur in allgemeinen Grundziigen angefiihrt werden. 1) Zur ausschlieBiichen Kompetenz der Kirche gehoren aile Angelegenheiten geistlicher Natur, u. zw.: a) der Glaube und die christliche Moral; b) der Gottesdienst; c) die Sakramente, riicksichtlich ihres kirchlichen Charakters; d) die inn ere Verwaltung der Kirche; e) die Aufnahme UngU.iubiger oder AndersgHiubiger in die Kirche; f) die Aufnahme in den Klerus ; g) die Aufnahme in den Monchsstand und die Aufsicht iiber das Klosterleben; h) die Verwaltung des Kirchenverm5gens; i) die kirchliche Gerichtsbarkeit; j) die Gesetzgebung in Angelegenheit des inneren kirchlichen Lebens. 2) Zu der ausschlieBiichen Kompetenz des Staates gehoren: a) Die Beurteilung der biirgerlichen und politischen Lage der Untertanen, m5gen diese dem Laienstande oder dem Klerus angehoren; b) die privatrechtlichen Angelegenheiten; c) die Entscheidung bei Verletzungen der Staatsgesetze; d) die Beurteilung der biirgerlichen und politischen Bedeutung der von der Kirchenobrigkeit ausgegebenen Schriftstiicke; e) die Beurteilung der staatlichen Bedeutung der kirchlichen Funktionen und namentlich der Sakramente. 3) Zu der gemeinsamen Kompetenz der Kirchen- und der Staatsgewalt gehoren jene Angelegenheiten, welche unmittelbar sowohl die Kirche als den Staat betreffen, also: die Abgrenzung der Kirchengebiete, die Errichtung von Bistiimern, Pfarren u. s. w., die Einfiihrung von Feiertagen und die Anordnung der Feiertagsruhe, die Anlage kirchlicher Baulichkeiten, von Klostern, Friedhofen, kirchlichen Anstalten u. s. w., sowie die Untersuchung, ob dieselben den bautechnischen und sanitaren Vorschriften entsprechen, die confessionellen Schulen, insofern es sich urn die staatliche Anerkennung der Schulzeugnisse handelt, die

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V. Teil. Das Verhllltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglllubigen.

Besetzung von Bistiimern, Pfarren und anderen DienstpHltzen, die Fiihrung der Pfarrbiicher u. s. w. Da die Angelegenheiten, welche die Sphare der Kirche und des Staates zugleich beriihren, sehr zahlreich sind, ware eine erschOpfende Aufzahlung derselben auBerst schwierig. Bei Behandlung der in die erwahnte gemeinsame Kompetenz fallenden Angelegenheiten werden die in Betracht kommenden kirchlichen und biirgerlichen Wirkungen beriicksichtigt, und falls eine Sonderung derselben moglich ist, erlaBt jede der beiden Gewalten die in ihre Sphare gehOrigen Verfiigungen. 1st jedoch eine solche Sonderung nicht moglich, so ist zu priifen, ob die betreffende Angelegenheit in erster Linie das kirchliche oder das staatliche Gebiet betrifft; der hiernach als kompetent erscheinende Teil erlaBt sodann die maBgebende Entscheidung, welche dem anderen Teile zur Richtschnur zu dienen hat. Die zahlreichen Beriihrungspunkte, welche zwischen Kirche und Staat im Faile der wechselseitigen Verbindung bestehen, bringen es mit sich, daB viele kirchliche Angelegenheiten in die Sphiire des Staates fallen und daB in vielen Sachen biirgerlicher und politischer Natur auch die Kirche berufen ist, ihre Rechte geltend zu machen. Der groBe EinfluB, welchen die christlichen Herrscher der Kirche in bUrgerlichen und politischen Angelegenheiten einraumten, war die natilrliche Veranlassung, daB auch die Kirche dem Staate die weitgehendste Ingerenz in kirchlichen Angelegenheiten gestattete 1. Die Geschichte des Kirchenrechts lehrt, daB die Kirche dem Staate die Berechtigung gewahrte, Gesetze zu erlassen, welche sowohl die auBeren Angelegenheiten der Kirche, als auch das innere kirchliche Leben betrafen. Ein diesbezUgliches Beispiel liefert der 93. Kanon der Synode von Karthago, in welchem folgende Stelle enthalten ist: ,Die Kaiser mogen dafiir sorgen, daB die katholische Kirche, von der sie abstammen und welche sie durch die Macht des Glaubens erzogen hat, geschiltzt werde, und daB das hilflose Yolk nicht von jenen durch Drohungen bezwungen werde, welche dasselbe durch Oberredung zum Irrtume nicht zu verlciten vermochten .... Wir bitten daher, daB den Dienern der katholischen Kirche nicht nur in allen Stactten, sondern auch an allen Orten der benachbarten Besitzungen so bald als m5glich Schutz gewahrt werde". Dieses Beispiel ist in vielen anderen Kanones wiederholt und tritt namentlich in dem Konzile von Chalcedon deutlich zutage z. Hiedurch wurde das Recht des Staates, in Glaubensfragen seinen EinfluB geltend
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1 Ober die gegenseitigen Beziehungen der kirchlichen und biirgerlichen Gesetze siehe Fr. A. Biener, Geschichte der Novellen justinians (Berlin 1824). S. 175 u. :ff. Vergl. . 180 und 200. dieses Buches. 1 Siehe z. B. 7tp~t~ S'ltt'IJ des IV. allgem. Konzils. Harduini. II, 488.

. 224. Der Wirkungskreis der Kirchen- und der Staatsgewalt.

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zu machen, von der Gesamtkirche bestatigt. Bitten der bezeichneten Art haben die christlichen Imperatoren mit voller Bereitwilligkeit Geh<1r geschenkt, woftir die zahlreichen gesetzlichen Normen, welche zum Schutze des Glaubens erlassen worden waren, den Beweis Iiefern. Auch beztiglich des Gottesdienstes wurden von den Kaisern Normen erlassen; so zu Beispiele tiber die Kirchen und der en Einrichtung, tiber die Festtage, tiber die Diener der Kirche u. s. w. 3. Bei dieser legislatorischen Tatigkeit blieben die Kaiser immer im Rahmen der kirchlichen Gesetze, enthielten sich stets von einer eigenmachtigen EinfluBnahme auf die Angelegenheiten des inneren kirchlichen Lebens, und erlieBen die beztiglichen Gesetze nur tiber Verlangen der Kirche, urn den Glauben zu schiitzen und urn an der Erhaltung des Gottesdienstes im Sinne der kirchlichen Satzungen mitzuwirken. Allein auch in den Angelegenheiten des auBeren kirchlichen Lebens hat die Kirche den EinfluB des Staates anerkannt. Insbesondere hatte der Staat das Aufsichtsrecht tiber die kirchliche Verwaltung, das Recht die Anstellung der Diener der Kirche zu bestatigen, das Recht der Mitwirkung bei der Schaffung von kirchlichen Einrichtungen, das Recht, den kirchlichen Anordnungen durch staatliche Machtmittel den notigen Schutz angedeihen zu lassen u. s. w. 4 Diese und ahnliche Rechte konnte die Kirche der Staatsgewalt ohne Bedenken einraumen, da die letztere die hohe Bedeutung. der Kirche und deren wohltatigen EinfluB auf die btirgerliche Gesellschaft anerkannte und vom Geiste der Kirche durchdrungen war. In einem Staate, in welchem an den Normen festgehalten wird, ,daB die Kanones dieselbe Gesetzeskraft haben wie die Staatsgesetze" und ,daB dasjenige, was die Kanones verbieten, auch von den Staatsgesetzen verboten werde", kann die Kirche dem Staate die weitgehendsten Rechte einraumen, ohne daB hiedurch ihre Freiheit und Selbstandigkeit beeintrachtigt wtirde.

. 225.
Die gegenwartigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Das eben geschilderte Verhaltnis zwischen Kirche und Staat beruht auf den Normen des positiven Rechts der orthodox-orientalischen Kirche und hat auch gegenwartig fUr die letztere in allen jenen Staaten praktische Bedeutung, welche ihren gesetzlichen Bestand anerkennen. Abweichend ist die Doktrin der romisch-katholischen und der evangelischen Kirche tiber das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat.
Siehe . 15 dieses Suches. Vergl. IV. allgem. Konz. 4. 12. Kan.; 3. 38. Trull. Kan.; Ant. 5. Kan.; Karth. 48. 53. 67. 93. Kan.; I. II. Synode. 9. Kan. u. a., sowie die Kommentare zu diesen Kanones.
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V. Tell.

Das Verhllltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglaubigen.

Der Grund hiefiir liegt in der von der orthodox-orientalischen Kirche verschiedenen Organisation jener heiden Kirchen. Die romisch-katholische sowohl, als auch die evangelische Kirche hetrachten ehenfalls Gott als den Ausgangspunkt der kirchlichen und der staatlichen Gewalt und anerkennen die Verschiedenheit, welche zwischen diesen Gewalten besteht, sowie ihre Selhstandigkeit in den ihnen eigentiimlichen Gehieten. In diesen Beziehungen stimmt die Doktrin der heiden gedachten Kirchen mit dem Rechte der orthodox-orientalischen Kirche im groBen und ganzen iiberein. Das unterscheidende Moment in der Anschauung iiher das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat liegt darin, daB die romischkatholische Kirche die Souveranitat der Kirche, und die evangelische Kirche die Souveranitat des Staates vertritt. Der Papst ist in der romisch-katholischen Kirche der Trager der geistlichen Macht und wird als ahsoluter Souveran in der Kirche angesehen, welchem iiber die weltlichen Regenten eine derartige Machthefugnis eingeraumt ist, daB er gegehenen Falles die Untertanen selhst von dem Eide der Treue dem Staatsoberhaupte gegenilber entbinden kann 1 Die Souveranitat des Papstes erstreckt sich tiber die der romischkatholischen Kirche angehorenden Untertanen samtlicher Staaten. Zur Regelung der Glauhensangelegenheiten der Untertanen wurden ehemals und werden auch gegenwartig zwischen der romisch-katholischen Kirche und den einzelnen Staaten besondere Vereinbarungen, sogenannte Konkordate, ahgeschlossen. Das erste Konkordat wurde im jahre 1122 zwischen Papst Kalixt II. und Heinrich V. nach dem hekannten lnvestiturstreite geschlossen. Aile spateren Konkordate haben die Form internationaler Vertrage und wurden mit Riicksicht auf die Zeitverhaltnisse stipuliert, wobei die Kompaciscenten mehr oder weniger in den von ihnen behaupteten Rechten nachgaben. Solche Vertrage werden vom Papste nichf nur mit Staaten geschlossen, deren AngehOrige nur zum geringen Teile sich zur romisch-katholischen Kirche bekennen, sondern auch mit Staaten, in welchen die regierenden Hauser und die Mehrheit des Volkes dieser Konfession angehOren. Ohrigens hahen diese Vertrage, namentlich seit dem Vatikanischen Konzil vom Jahre 1870, ihre Bedeutung verloren. Von einzelnen Staaten wurden diese Vertrage gelost. So wurde in Osterreich das Konkordat vom Jahre 1855 durch das Gesetz vom 7. Mai 1874 seinem vollen lnhalte nach aufgehohen 2.
. 225.

Siebe c. 4. C. 15. qu. 6. Vergl. c. 13. X (V, 37). Ed. Gesetz, wodurch Bestimmungen zur Regelung der liuBeren Rechtsverhliltnisse der katholischen Kirche erlassen werden. Art. I: ,das Patent vom 5. November 1855 ist seinem vollen Inhalte nach aufgehoben". - Mit diesem Patente wurde das Konkordat vom 18. August 1855 kundgemacht. Das Konkordat ist bei F. Walter, Fontes juris ecclesiastici antiqui et hodierni (Bonnae 1862}, S. 280-289, abgedruckt; ebenso das Patent (lb. S. 301-303).
1
2

. 225. Die gegenwartigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat.

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In der evangelischen Kirche ist das oberste Kirchenregiment in die Hande des Landesherrn gelegt, welcher nicht nur in den auBeren, sondern auch in den inneren Angelegenheiten der Kirche, also auch in Glaubenssachen, Anordnungen erlassen kann. Diese von den protestantischen Theologen und Kanonisten vertretene Doktrin beruht auf der Lehre Luthers und anderer Reformatoren. Derselbe Grundsatz wird auch von der anglikanischen Kirche festgehalten B. Das oberste Kirchenregiment raumen die Protestanten nicht nur den der evangelischen Kirche angehorenden, sondern auch Landesherren anderer Konfession ein. Hiedurch ist sowohl bei den Protestanten, als auch bei den Anglikanern, das Verhaltnis zwischen Kirche und Staat normiert, nach welchem aile kirchlichen Angelegenheiten unterschiedslos in letzter Instanz der Staatsgewalt subordiniert sind. Das Verhaltnis der orthodox-orientalischen Kirche zum Staate richtet sich in den orthodox-orientalischen Staaten nach der Stellung, welche das orthodox-orientalische Glaubensbekenntnis als Staatsreligion einnimmt, sowie nach der Auffassung des Berufes von Kirche und Staat seitens der Trager der Staats- und der Kirchengewalt. In dem ottomanischen Reiche wurden der orthodox-orientalischen Kirche schon von Sultan Muhammed II., als die Turken das byzantinische Kaisertum sich unterwarfen, weitgehende Rechte und die selbstandige Kirchenverwaltung unter staatlichem Schutze gewahrt. Als im Laufe der Zeit infolge der inneren und auBeren Verhaltnisse diese Rechte illusorisch geworden waren, wurde durch den Hatti-Humayum vom 18. Februar 1856 die frilhere selbstandige Stellung der Kirche unter der Schirmvogtei des Staates wiederhergestellt. Durch die Konstitution vom 23. Dezember 1876 wurden der Kirche im ottomanischen Reiche dieselben Rechte, nur in anderer Form, zuerkannt. So steht die Sache nach den amtlichen Aufzeichnungen; in Wirklichkeit jedoch sind die Verhaltnisse andere 4. Das Verhaltnis der orthodox-orientalischen Kirche zum Staate in der osterreichisch-ungarischen Monarchie war in den Landern der ungarischen Krone und in den ilbrigen Landern ein verschiedenes. In den Landern der ungarischen Krone stand die orthodox-orientalische Kirche auf Grund alterer Privilegien im Genusse einer bestimmten, die kirchlichen und kirchlich-politischen Angelegenheiten betreffenden, staatlich geschiltzten Autonomic. Durch den ungarischen XX. Gesetzartikel vom Jahre 1847/48 wurde die vollkommene Gleichheit aller in Ungarn gesetzlich anerkannten Religionen gewahrleistet. Dieser Grundsatz ist im . 3 des erwahnten Gesetzartikels enthalten. Der . 8 desselben Gesetz3 Vergl. Ign . v. Dollinger, Kirche und Kirchen (Miinchen 1861). S. 53 u. ff. Siehe . 27 dieses Buches.

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V. Tell. Das Verhll.ltnls der Kirche zum Staat und zu den Andersglllubigen.

artikels garantiert den Angehorigen der orthodox-orientalischen Konfession das Verfiigungsrecht in Betreff ihrer Glaubens- und Schulangelegenheiten, unter der Aufsicht des Staates. Durch den IX. Gesetzartikel vom Jahre 1868 wurden die der orthodox-orientalischen Kirche durch den XX. Gesetzartikel vom Jahre 1847/48 gewahrten Rechte bestatigt und der gesetzliche Bestand der siebenbUrgischen Metropolie neben der Metropolie von Karlowitz anerkannt. Der . 3 des erwahnten IX. Gesetzartikels bestimmt, daB ,die OUiubigen der Karlowitzer und der siebenbOrgischen Metropolie, mit Aufrechthaltung des konstitutionell auszuiibenden obersten Beaufsichtigungsrechtes Sr. Majestat, berechtigt sind, ihre kirchlichen, Schul- und hierauf bezOglichen Stiftungs-Angelegenheiten innerhalb der Orenzen der Landesgesetze, abgesondert auf ihren, von den betreffenden Metropoliten vorerst Sr. Majestat anzumeldenden, periodisch einzuberufenden Kirchen-Kongressen selbstandig zu erledigen und zu ordnen, und im Sinne der auf diesen Kongressen festzustellenden, durch Se. Majestat zu genehmigenden Statuten durch ihre eigenen Organe selbstandig zu verwalten und zu leiten". Der . 9 desselben Gesetzartikels bestimmt noch im allgemeinen, daB die gr.-or. Glaubigen der erwahnten heiden Metropolien ,auch fernerhin in allen jenen Rechten belassen werden, welche sie bei selbstandiger Erledigung ihrer Kirchengemeinde- und Schulangelegenheiten, in der freien BenOtzung ihrer Kirchensprache, sowie in der Verwaltung ihres Kirchengemeinde-Vermogens und ihrer Stiftungen ausgeObt haben" 5. In denim Reichsrate vertretenen Landern hat die Stellung der orthodox-orientalischen Kirche verschiedene Phasen durchgemacht. Bis zu dem Jahre 1781 hatte diese Kirche keine rechtliche Stellung. Durch das Toleranzpatent des Kaisers Josef II. vom 25. Oktober 1781 wurde die orthodox-orientalische Kirche neben der romisch-katholischen und evangelischen Kirche gesetzlich anerkannt; allein die Gleichstellung der orthodox-orientalischen Kirche mit der romisch-katholischen Kirche wurde nicht erwahnt 6 Durch die kaiserlichen Patente vom 4. Marz 1849 und vom 31. Dezember 1851 wurde in Betreff aller gesetzlich anerkannten Religionen die Oleichheit vor dem Gesetze kundgemacht und denselben das Recht der selbstandigen Verwaltung ihrer konfessionellen Angelegenheiten, welche in dem erwahnten Toleranzpatente enthalten waren, gewahrleistet 7, Durch das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 wurde die vollkommene
Archiv fiir Kirchenrecht. Bd. 44, S. 270 u. ff. Das Toleranzpatent im lateinischen Originate bei K. Kuzmany, Urkundenbuch zum Bsterreichischen evangel. Kirchenrechte (Wien 1856). S. 139 u. ff. 7 Kaiserliches Patent vom 4. Mlirz 1849, . 2: ,Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen Bffentlichen Religionsiibung, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstlindig, bleibt im Besitze und Oenusse der fiir ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohltlitigkeitszwecke
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. 226.

Allg. Betracht. iiber d. Verhlilt. d. Kirche zu den iibrigen Religionsgesell. 717

Freiheit aller gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgenossenschaften kundgemacht. Artikel 14 des erwahnten Gesetzes lautet: ,Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist jedennann gewahrleistet. Der GenuB der bi.irgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhangig; doch darf den staatsbiirgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, insofern er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines anderen untersteht". Der Artikel 15 desselben Gesetzes bestimmt: ,Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgenossenschaft hat das Recht der gemeinsamen offentlichen Religionsiibung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbstandig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer fUr Kultus-, Unterrichtsund Wohltatigkeitszwecke bcstimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen" s.

Zweites Kapitel.
Die Kirche und die Angehorigen der iibrigen Religionsgesellschaften.
. 226.
Allgemeine Betrachtung iiber das Verhaltnis der Kirche zu den iibrigen Religionsgesellschaften.

Das Christentum ist auf der ganzen Welt verbreitet und umfaBt zahlreiche VO!kerschaften; allein nicht ein Dritteil der gesamten Menschheit untersteht den christlichen Gesetzen. Neben dem Christentume bestehen verschiedene andere Religionsgesellschaften und Religionsvereine, die jUdische und die muhammedanische Religion, der Polyteismus und der Gotzendienst in den mannigfaltigsten Formen. Die Anhanger dieser verschiedenen Religionen werden in der theologischen Terminologie Unglaubige genannt. Allein auch das Christentum bildet gegenwartig nicht mehr wie ehemals ein einheitliches Gauzes, sondern gliedert sich in verschiedene, voneinander abweichende Religionsgesellbestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Oesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen". Vergl. kaiserliches Patent vom 31. Dezember 1851. 8 Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 (R.-0.-Bl. Nr. 142.)

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V. Teil. Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglliubigen.

schaften, welche selbstandig bestehen und verwaltet werden. jede dieser Religionsgesellschaften erachtet sich als die wahre Kirche und bezeichnet die ihr nicht angehorenden lndividuen als Andersgliiubige (stsp6ao~ot). Es ist ein Oebot des Stifters des christlichen Glaubens, diesen iiberall zu verkiinden und alle Volker zu bekehren; hierin hat auch die Pflicht der Kirche, fiir die Verbreitung der christlichen Lehre zu sorgen (. 132) und die OHiubigen vor falschen Lehren zu bewahren (. 133), ihren Ursprung. Das gottliche Wort mu6 die Kirche nach dem Oebote ihres Stifters verkilnden, und der hiebei zu beobachtende Vorgang mu6 mit der Lehre des Stifters iibereinstimmen. Die fundamentale Idee des christlichen Olaubens in der Doktrin tiber die Beziehungen zu den Menschen ist die Liebe. Daher soU die Kirche in Ausabung des Predigtamtes von dem Geiste der Liebe gegen jedermann erfiillt sein, und die hiebei zur Anwendung gelangenden Mittel sollen der Ausdruck der Liebe sein. Die Kirche und deren Diener miissen in den Beziehungen zu den AndersgHiubigen ebenso von Liebe erfallt sein, wie bei der Bekehrung der UngUiubigen. Nur durch Liebe und gegenseitige Nachsicht konnen die gegenwartig zwischen den verschiedenen christlichen Religionsgesellschaften bestehenden Unterschiede ausgeglichen werden, und nur durch diese heiden Momente kann der Weg gebahnt werden, welcher zu ,einer Herde und zu einem Hirten" Hihrt. lm gegenteiligen Faile wird die zwischen den einzelnen christlichen Religionsgesellschaften bestehende Sonderung noch mehr gefOrdert werden, und die Statistik wird dann stets auf der einen Seite kaum einen vollen Dritteil von Kulturvolkern, auf der andern Seite aber zwei Dritteile von unzivilisierten Volkern aufzuweisen haben 1.

. 227. Die religiose Toleranz.


Zur Bezeichnung des Verhaltnisses zwischen den verschiedenen christlichen Religionsgesellschaften untereinander, sowie des Verhaltnisses des Staates zu denselben, kam in der Literatur des Abendlandes der Ausdruck Toleranz (tolerantia) im Obung, welcher eine allgemeine technische Bezeichnung wurde. Oema6 der fundamentalen Idee tiber das Verhaltnis der Kirche zu den Ubrigen Religionsgesellschaften (. 226) erscheint der erwahnte Ausdruck in dieser Frage als nicht entsprechend; denn derselbe schlieBt den Gedanken der christlichen Liebe aus. Wenn im Oebiete der Kirche von Toleranz gesprochen wird, so wird hiemit
. 226.
1 Nach den statistischen Angaben der letzten Jahre betrligt die Zahl der Menschen 1600 Millionen; hievon sind 1050 Millionen Ungetaufte und nur 550 Millionen Getaufte.

. 2'27. Die religiOse Toleranz.

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jenes Verhaltnis einer Religionsgesellschaft zu den ilbrigen Religionsgesellschaften gekennzeichnet, nach welchem, zufolge bestimmter auBerer Umstande, die Ubrigen Religionsgesellschaften geduldet, dieselben gleichgiltig beurteilt werden und den irrigen Lehren derselben keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Hier erscheint auf der einen Seite eine Religionsgesellschaft, welche eine privilegierte Stellung einnimmt und sich als orthodox erachtet, auf der anderen Seite befinden sich die ilbrigen, von der ersteren neben sich geduldeten Religionsgesellschaften. Mag auch in einem Staate die Toleranz einer Religionsgesellschaft den ilbrigen gegenilber aus den edelsten Intentionen entspringen, so ist doch die geduldete Religionsgesellschaft nie sicher, daB sich ihre Lage nicht andern und daB aus der geduldeten eine verfolgte Religionsgesellschaft werde. Dies ist die logische Folge aus dem Begriffe der Toleranz in der Kirche, und ein Beweis, wie sehr dieser Begriff der fundamentalen christlichen Lehre Uber die Liebe zuwiderlauft. Daher ist auch in allen Kulturstaaten, welche nach dem historischen Gesetze jenen Geist, von welchem die Kirche der apostolischen Zeit erfilllt war, in sich aufnahmen, von einer religiOsen Toleranz im allgemeinen nicht die Rede. Die Toleranz im Gebiete der Kirche sollte also gar nicht behandelt werden. Wenn wir uns dieses Ausdruckes dennoch bedienen, so geschieht dies aus dem Grunde, wei! derselbe in der abendlandischen Literatur allgemein gebraucht wird und wei! auch gegenwartig dieser Ausdruck das Verhaltnis der christlichen Religionsgesellschaften untereinander, sowie das Verhaltnis des Staates zu denselben kennzeichnet. Die religiose Toleranz wird in der Regel eingeteilt in die: a) dogmatische, b) kirchliche oder christliche, und c) staatliche. Die Frage tiber die dogmatische Toleranz, welche die orthodoxorientalischen Theologen abweichend von den romisch-katholischen und protestantischen Theologen beurteilen, gehort nicht in das Kirchenrecht. Die kirchliche Toleranz besteht in dem freundschaftlichen Verkehre mit den Angehorigen anderer Religionsgesellschaften, sowie in der Gewahrung jener brilderlichen Unterstiltzung, welche die christliche Liebe vorschreibt. Diese Toleranz ist eine Pflicht, welche die Vernunft und das Evangelium, die die Pflege unbegrenzter Liebe gegen jedermann anbefehlen, welcher Religion er angehoren mag, auferlegen. Allein mit Rilcksicht auf die Pflicht jedes einzelnen, die Vorschriften seiner Kirche strenge zu wahren und dieselben keiner Verletzung preiszugeben, sind von dem Kirchenrechte bestimmte Grenzen in dem Verkehre mit den Angehorigen der ilbrigen Religionsgesellschaften, und speziell auch fUr die communicatio in sacris mit denselben, gezogen. Mit den Ungltiubigen ist jede rituelle Gemeinschaft verboten. Die zahlreichen hierUber handelnden Kanones, welche jene Christen mit geistlichen Strafen bedrohen, die in eine solche Gemeinschaft mit Un-

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V. Teil. Das Verhaltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglauhigen.

gHiubigen, und insbesondere mit Juden, treten, begrtinden dieses Verbot damit, daB durch eine derartige Gemeinschaft der christliche Glaube erniedrigt und der Gefahr der Verletzung durch religiOse Gebrauche derjenigen preisgegeben werde, welche die Verktinder des Christentums stets zu bekehren trachten sollen 1. Rticksichtlich der Andersgliiubigen unterscheidet das morgenHindische Kirchenrecht christliche Religionen, welche eine in den fundamentalen Dogmen des christlichen Glaubens abweichende Lehre vertreten, und solche, welche in diesen Fragen keine wesentlichen Unterschiede aufweisen, sondern nur eine divergierende Lehre tiber einzelne Punkte der Verfassung und des Lebens der Kirche beobachten. Diese von dem morgenlandischen Kirchenrechte gemachte Unterscheidung zeigt sich praktisch in der Art der Aufnahme der Mitglieder der verschiedenen Religionsgesellschaften in die Kirche, in der kirchlichen Beurteilung der empfangenen Weihen, in den Satzungen der Kirche tiber die gemischten Ehen und in den Gebeten ftir die Angehtirigen dieser Religionsgesellschaften. Diese Punkte wurden bereits beharidelt (. 78, 171, 204 u. a.), und erscheint daher eine neuerliche diesbeztigliche Erorterung tiberfli.lssig. Das morgenlandische Kirchenrecht kennt nur die Unglaubigen und Andersglaubigen, mit welchen die Kirche auBerhalb ihres Gebietes in religiOsen Beziehungen stehen kann. Bezi.iglich ihrer eigenen Mitglieder kennt die Kirche keinen Unterschied in der Erftillung der kirchlichen Satzungen. Jeder Angehtirige der Kirche ist verpflichtet, sich ihren Gesetzen zu fiigen, und kann der Fall gar nicht eintreten, daB es einer Partikularkirche gestattet oder derselben das Recht eingeraumt wtirde, einzelne fundamentale kirchliche Satzungen nicht zu beobachten, oder an Stelle derselben gewisse besondere Einrichtungen zu schaffen, welche in der Gesamtkirche nicht bestehen. Diese Regel gilt sowohl in dogmatischen und liturgischen, als auch in Fragen der Verfassung und des Lebens der Kirche. Nach dem morgenlandischen Kirchenrechte kann es daher sogenannte ,Unierte", welche nur in gewissen Fragen den Angehorigen der Kirche gleichgestellt sind, in anderen Punkten sich aber von denselben ganzlich unterscheiden, nicht geben z. Fiir die auBeren religiOsen Beziehungen mit den Andersglaubigen gelten gegenwartig nach dem allgemeinen morgenlandischen Kirchenrechte folgende Grundsatze: a) die Kirche i.ibt eine auBere Jurisdiktion tiber die iibrigen christlichen Religionsgesellschaften, sowie i.iber deren
Vergl. 7. 65. 70. 71. Kan. Apost.; 11. 94. Trull. Kan.; Laod. 29. 37. 38. Kan.; Basilius d. Gr. 81. Kan.; Nomok. IX, 25. XII, 4. 9. XIII, 15. 19. 20 (Ath. Synt. I, 188. 268. 269. 314. 321). 2 Vergl. 12. 28. 32. 55. Trull. Kan. und 3. kanonische Antwort des Demetrius Chomatenus (Ath. Synt. V, 427).
. 227.
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. 228. Die staatliche Toleranz.

721

Mitglieder, nicht aus; b) in ihrem Gebiete wendet die Kirche ausschlie6Iich ihr Kirchenrecht an und entscheidet nach demselben aile ihrer Beurteilung zugewiesenen interkonfessionellen Angelegenheiten; c) die Frage, inwiefern ein von AndersgHiubigen vorgenommener kirchlicher Akt in der Kirche anerkannt werden kann, wird im Sinne der betreffenden kanonischen oder kirchlich-weltlichen Satzungen, unter RUcksichtnahme auf den Charakter der betreffenden Religionsgesellschaft, sowie auf die Art des beziiglichen Aktes entschieden; d) die Stellung der einzelnen Religionsgesellschaften im Staate hangt von den bezUglichen Staatsgesetzen ab.

. 228.
Die staatliche Toleranz.

Das Verhaltnis der Staatsgewalt zu den einzelnen Religionsgesellschaften ist von der im Staate herrschenden Richtung abhangig. MaBgebend fur dieses Verhaltnis ist insbesondere die Frage, ob in einem Staate eine gesetzlich anerkannte Staatsre/igion oder dominante Religion (religio dominans) besteht. In jenen Staaten, in welchen Staatsreligionen bestehen, nehmen die Ubrigen Religionsgesellschaften die Stellung tolerierter Religionsgesellschaften ein, und hiingt der Umfang der denselben eingeraumten Rechte, sowie das MaB der ihnen gewahrten Freiheit und Selbstiindigkeit von der Staatsgewalt ab. In solchen Fallen kann das Ma6 der staatlichen Toleranz theoretisch nicht festgestellt werden. Hier sind in erster Linie die politischen Staatsinteressen, die Zahl der Angehorigen der einen oder anderen Religionsgesellschaft, die historischen Rechte derselben u. s. w., ma6gebend t. In Staaten, in welchen keine gesetzlich anerkannte Staatsreligion besteht, gilt das Prinzip der Parittit (paritas) aller in dem betreffenden Staate gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften. Gelangt dieses Prinzip gesetzlich zum Ausdrucke, so ergeben sich aus demselben folgende Rechtsgrundsiitze: 1) j ede Religionsgesellschaft genie6t die gleichen Rechte im Staate, und die AngehOrigen aller Religionsgesellschaften sind in privatrechtlicher und politischer Beziehung gleichgestellt; 2) jede Religionsgesellschaft geniel\t die volle Freiheit in ihren Religionsiibungen und in der Verwaltung der inneren konfessionellen Angelegenheiten; 3) jedermann ist nach erreichtem reifen Alter berechtigt, sich das Religionsbekenntnis frei zu wiihlen, und ist hiebei notigenfalls von der Behorde zu schiitzen; 4) die AngehOrigen einer Religionsgesell. 228.

Vergl. fiir Ru.Pland die kaiser!. Ukase vom 12. Dezember 1904. und 17. April 1905. iiber die Religionsfreiheit.
1

lllld, llreheumhl.

46

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V. Teil. Das Verhliltnis der Kirche zum Staat und zu den Andersglliubigen.

schaft k5nnen nicht zu Beitdigen filr Zwecke einer anderen Religionsgesellschaft oder zur Enthaltung von der Arbeit an Festtagen einer ihnen fremden Religionsgesellschaft verhalten werden u. s. w.; 5) das VermOgen einer Religionsgesellschaft darf nicht zu Zwecken einer andern verwendet werden; 6) die Oeistlichen einer Religionsgesellschaft haben sich der Vornahme von Funktionen des Oottesdienstes fUr die Angeh5rigen einer and ern Religionsgesellschaft zu enthalten; 7) kein Kind kann zum Besuche der Schute eines andern Religionsbekenntnisses genotigt werden. In Schulen, welche von Angehorigen verschiedener Religionsgesellschaften besucht werden, soli dem Unterrichte eine solche Einrichtung gegeben werden, bei welcher auch der Minderheit die ErfUllung ihrer religiosen Pflichten ermoglicht wird; 8) keine Religionsgemeinde darf die Beerdigung der Leiche eines ihr nicht AngeMrigen auf ihrem Friedhofe verweigern, wenn fUr Genossen der Religionsgesellschaft des Verstorbenen ein Friedhof nicht vorhanden ist; 9) insoweit die bUrgerlichen Oesetze konfessionelle Verhaltnisse betreffen, mUssen dieselben im Sinne der Vorschriften der betreffenden Religionsgesellschaft beurteilt werden; 10) privatrechtliche Verhaltnisse, welche von dem Religionsbekenntnisse beriihrt werden, miissen unter BerUcksichtigung der Satzungen der betreffenden Religionsgesellschaft beurteilt werden; 11) jede Religionsgesellschaft hat den Anspruch auf eine im Durchschnitte gleichmaBige materielle Unterstiitzung seitens des Staates; 12) wenn zur Regelung bestimmter Rechtsverhaltnisse einer Religionsgesellschaft besondere staatliche Vorschriften nicht bestehen, so sind die fiir die Ubrigen Religionsgesellschaften erJassenen Normen in Anwendung zu bringen; 13) jede Religionsgesellschaft ist berechtigt, von den Ubrigen Religionsgesellschaften Anerkennung und Achtung zu fordern und ist hiebei n5tigenfalls von der Behorde zu schUtzen; 14) eine Religionsgesellschaft ist nicht berechtigt, in die Angelegenheiten einer anderen einzugreifen, und ist es Aufgabe des Staates, derartige Eingriffe abzuweisen, sowie die Freiheit und Selbstandigkeit jeder Religionsgesellschaft zu schirmen 2. Das Prinzip der Paritat ist gegenwartig in der osterreichischungarischen Monarchic (ausgenommen Kroatien und Slavonien) in den bezUglichen interkonfessionellen Gesetzen ausgedriickt, und zwar in den im Reichsrate vertretenen Liindern durch das Gesetz vom 25. Mai 1868 (R. G. Bl. Nro. 49) wodurch die interkonfessionellen Verhaltnisse der Staatsbtirger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden. Artikel 4 dieses Oesetzes lautet: "Nach vollendetem 14. Lebensjahre hat jedermann ohne Unterschied des Oeschlechtes die freie Wahl des
Siebe fiber die Stellung der im Staate gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften ]. C. Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht. II, 311 u. ff .. 317 u. ff.
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. 228. Die staatliche Toleranz.

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Religionsbekenntnisses nach seiner eigenen Oberzeugung und ist in dieser freien Wahl notigenfalls von der Behorde zu schiltzen. Derselbe darf sich jedoch zur Zeit der Wahl nicht in einem Geistes- oder Oemiltszustande befinden, welcher die eigene freie Oberzeugung ausschlie.Bt". Art. 5.: ,Durch die Religionsveranderung gehen aile genossenschaftlichen Rechte der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft an den Ausgetretenen ebenso wie die Ansprilche dieses an jene verloren" Art 6: ,Damit jedoch der Austritt aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft seine gesetzliche Wirkung habe, muB der Austretende denselben der politischen Behorde melden, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft die Anzeige iibermittelt. Den Eintritt in die neugewahlte Kirche oder Religionsgenossenschaft muB der Eintretende dem betreffenden Vorsteher oder Seelsorger personlich erklaren". Art. 7: , ... Es ist jedoch jeder Religionspartei untersagt, die Genossen einer anderen durch Zwang oder List zum Obergang zu bestimmen". - In den Landern der ungarischen Krone regelt der LIII. Gesetzartikel vom Jahre 1868 die Reziprozitat der gesetzlich rezipierten christlichen Konfessionen. . 1 desselben Gesetzes lautet: ,Unter Einhaltung der durch das Gesetz bestimmten Bedingungen und Formlichkeiten steht es Jedermann frei, in den Scho.B einer anderen Konfession, beziehungsweise zu einem anderen Glauben iiberzutreten". . 2: , Der Obertritt steht Demjenigen frei, welcher sein 18. Lebensjahr vollendet hat. lndessen konnen Frauen nach ihrer Verheiratung, auch wenn sie dieses Alter nicht erreicht haben, ilbertreten". . 8: ,Aile Handlungen des Obertretenen sind nach seinem Obertritte nach den Lehren jener Kirche zu beurteilen, zu welcher er iibergetreten ist, und die Prinzipien der von ihm verlassenen Kirche sind filr ihn in keiner Weise verpflichtend". Dassel be bestimmt auch der XLIII. Gesezartikel vom Jahre 1895 iiber die freie Religionsilbung. - In Kroatien und Slavonien bestehen die interkonfessionellen Gesetze nicht, wei! dort das Konkordat, welches im Jahre 1855 zwischen dem Papst und der osterreichischen Regierung abgeschlossen wurde, noch nicht aufge!Ost ist, sondern in jenen Provinzen auch heute noch als kirchliches und als Staatsgesetz Geltung hats, obwohl auch dort nach dem Vatikanischen Konzil (1870) von der Landesregierung einzelne Gesetze erlassen wurden, welche mit den bezilglichen Bestimmungen des Konkordats nicht iibereinstimmen. Die erwahnten, und die aus denselben noch ableitbaren Rechtsgrundsatze gelten filr jene Religionsgesellschaften, die im Staate gesetzlich anerkannt sind. Die staatliche Anerkennung wird einer Religionsgesellschaft unter der Voraussetzung erteilt, daB ihre Religionslehre, ihr
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Siehe Dr. F. Belaj, Katolicko crkveno pravo. Agram, 1893. S. 83. 46"'

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V. Teil. Das Verh:lltnis der Kirche zum Staat und zu den AndersgUI.ubigen.

Oottesdienst, ihre Verfassung, sowie die gewahlte Benennung, nichts Oesetzwidriges oder sittlich Ansto.Biges enthalt 4. Daher kann keine Sekte die staatliche Anerkennung und noch weniger den staatlichen Schutz in Anspruch nehmen, wenn ihr Bekenntnis etwas sittlich Ansto.Biges, oder jenen fundamentalen Wahrheiten Widersprechendes aufweist, auf welchen die Sittlichkeit aufgebaut ist.
' Vergl. . t des Oesetzes vom 20. Mai 1874 (R.-0.-BI. Nr. 68), betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften in 6sterreich.

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Berichtigungen und Zusatze.


Seite 9 Zeile 4 von oben ist anzufiigen: den biirgerlichen Gesetzen. S. 48 Anmerkung 11 lese man 00\ICXIJ-W. S. 110 Z. 17 von unten lese man: Beichtvater. S. 110 ist der Anmerkung 67 anzufiigen: N. A. Zaozerski und A.]. Chachanow Nomokanon Joanna Postnika v jego redakcijah gruzinskoj, grel!eskoj i slavjanskoj. Moskva, 1902. S. 116 Z. 6 v. o. lese man 1086 statt 1084. S. 118 Z. 21 v. o. lese man Georgius statt Gregorius. S. 122 Z. 5 v. o. lese man Niketas statt Nikolaus. S. 122 Anmerkung 8 lese man Niketas statt Nikolaus. S. 137 ist am Sch!usse des . 27 anzufiigen: Als die letzten Bogen dieses Buches gedruckt wurden, erschien das Statut ilber die Regelung der Kirchen- und Schulverwaltung der serbisch-orthodoxen Eparchien in Bosnien und der Herzegovina, welches die Allerhochste~kais. Sanktion in Ischl am 31. juli (13. August) 1905 erhielt. Dieses Statut zerfallt nach Vorausschickung der allgemeinen fundamentalen Satzungen, in sechs Hauptstiicke, welche folgende Gegenstande behandeln: 1) Die serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden, deren Organe: a) die Kirchenversammlungen und b) die Kirchen- und Schulausschiisse sind. 2) Die serbisch-orthodoxen Pfarren, deren Organe : a) die Pfarramter und b) die Pfarrgeistlichkeit sind. 3) Die serbisch-orthodoxen KlOster und klosterlichen Kirchengemeinden, deren Organe: a) die Konvente der Klosterbriider, b) die Klostervorstehungen, c) die klosterlichen Kirchenversammlungen, und d) die klosterlichen Kirchen- und Schulausschiisse sind. 4) Die serbisch-orthodoxen Eparchien, deren Organe folgende sind : a) fiir die rein geistlichen oder inneren kirchlichen Angelegenheiten, die Eparchiai-Kirchengerichte (geistliche Konsistorien}, b) fiir die auBeren Kirchen-, Schul- und okonomischen Angelegenheiten die engeren und weiteren Eparchiai-Verwaltungs- und Schulrate, und c) die Distriktsprotopresbyteri. 5) Die serbisch-orthodoxen obersten, beziehungsweise BerufungsbehOrden in den Kirchen- und Verwaltungsangelegenheiten aller vier Eparchien in Bosnien und Herzegovina, deren Organe: a) das oberste Kirchengericht und b) der oberste Verwaltungs- und Schulrat sind. 6) Die serbisch-orthodoxen Kirchenund Schul-, sowie die Kloster-Fonde, Stiftungen und Vermogensbestandteile, deren Gebahrung und Verwaltung den oben angefiihrten Organen der Kirchengemeinden, der Eparchien, sowie den allen Eparchien gemeinsamen Verwaltungsorganen anvertraut sind.

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Berichtigungen und Zus:ttze.


Das Ernennungsrecht der Bischofe fiir die Eparchien in Bosnien und der Herzegovina steht Seiner k. und. k. Apostolischen Majestat zu, wie dies in der am 16. (28.) Miirz 1880 zwischen der osterreichischungarischen Regierung und dem Patriarchate von Konstantinopel abgeschlossenen Konvention normiert ist. lm Sinne dieser Konvention verwalten die bosnisch-herzegovinischen Bischofe ihre Eparchien in allen spirituitllen Angelegenheiten, in dogmatischer Verbindung und kanonischer Abhllngigkeit und Unterordnung gegeniiber dem Patriarchate von Kon~tantinopel (~. 145 und . 197, 10). Die Griindung neuer und die Auflassung bestehender Eparchien, kann durch AllerhOchste EntschlieBung im Einvernehmen mit der Patriarchal-Synode in Konstantinopel (. 144) erfolgen. Das Recht der Kassation der Urteile des kirchlichen Obergerichtes steht nach dem Gesetze jederzeit der Patriarchai-Synode in Konstantinopel zu, welche die oberste lnstanz fiir aile Eparchien in Bosnien und der Herzegovina (. 224) ist. AuBer in rein geistlichen, entscheidet in allen iibrigen kirchlichen Angelegenheiten in Bosnien und Herzegovina das Laienelement, welches in allen Verwaltungsorganen mit zwei Dritteln vertreten ist; und im obersten Verwaltungs- und Schulrate sind zwanzig Laien und nur vier Geistliche, auBer den Bischofen (. 202). Dieses Statut ist nach dem Muster der fi.ir die Karlowitzer Metropolie im Jahre 1868, und fiir die Metropolie in Hermannstadt i.m Jahre 1869 herausgegebenen Statuten verfaBt. Die Bemerkung auf Seite 347 und 348 dieses Suches, gilt auch fiir dieses neue Statut fiir Bosnien und Herzegovina. S. 194 Anmerk. 15 lese man Ath. Synt. V, 11-19. S. 294 Anmerk. 24 lese man Triste statt Trieste. S. 369 ist der Anmerkung 9 anzufiigen: Siebe K. 'P !i AAlj, llspi. tJ.St!l.3a~sroc;
~max67rrov

W.x.ta to o(xa.wv t~c; op{}oo6~oo ava.'tOAlX'YJc; hXAljaicxc; 'Ev 'A&ijviXtc;, 1898.

S. S. S. S.

372 z. 11 v. o. lese man Eparchie statt Fparchie. 381 z. 7 v. o. lese man mit dem Bischof. 384 Z. 22 v. o. lese man v 't!Xl:c;. 535 ist der Anmerkung 9 anzufiigen: Vgl. K. 'PriAA.'1j, To &.v!X7t!l.AA'ltp[rotov
1

'rijc; hXA'1jatCXOtl'K'i)c; 1tSpt0 )1ltf.l<;; M'ta to OtX!l.lOV 't'i)<;; op3o06~oo &.viXtOAl'K'i)c; E'K'KA'1ja[cx~. 'Ev 'A{}~vcxlc;, 1903. S. 563 fiige man der Anmerkung 26 an: K. 'PIX AA'1), llspt 't<ilV fWOt'fjptro\1 't~c; !Lstcxvo[~Xc; 'K~Xi. 'tofi suxsAIXtoo 'X.!l.ta to 8t'K~Xtav 'rijc; 6p.'too6~oo &v!l.tOAt'K'ijc; Sx'KA'1j<lt1X<;. 'Ev 'A-3~v~Xt~, 1905.
S. 598 ist der Anmerkung 8 anzufiigen: Vgl. Dr. L. Qaugusch, Das Ehehindernis der hoheren Weihe. Wien, 1902. S. 602 ist der Anmerkung 18 anzufiigen: Vgl. Dr. L. Qaugusch, Der Irrtum als Ehehindernis. Wien, 1899. S. 619 Z. 4 v. o. lese man b.p1t(t"(~. S. 660 Z. 7 v. o. lese man Ungehorsam. S. 684 ist der Anmerkung 3 anzufiigen: K. 'P AA'1J, To Moarijptov tofi sbxsAa.oo. 'Ev A&ijv., 1905. s. 109 ff.

Register.
(Die groBen Zahlen bezeichnen die Seiten, die kleinen die Noten.)

Abbas, Klostervorsteher 676. Abdul-Medschid 133. Abendlandische Kanonensammlungen 169ff. Abendmahl, Materie und Minister 561 f.; - Ausschlit:Bung von demselben, s. Exkommunikation. Abfall vom Christen tum 489; als Ehetrennungsgrund 636;- Abfall vom geistlichen Stan de 281 ff. ; - vom Monchsstande 667. f. Abgaben, kirchliche 134. 542. 544. 545. Abhangigkeit von dritten Personen, Ehehindernis 586. 597. Abjuration der Ketzerei 559. Abneigung, uniiberwindliche, als Ehetrennungsgrund 637 f. Abraham Echellensis 86. Abrogatio legis 69. AbschlieBung der Ehe 594; - des Ver!Obnisses 588. Absetzung der Geistlichen 497. 504. 505; - der Bischofe 116. 117. 123. 475. Absolute Ordination 273. Absolution 510 f. Abt 676. Abtreibung der Leibesfrucht 516. Achrida, bulg.-serb. Erzbistum 306. 312. Administration einer erledigten Eparchie 387; - einer Pfarre 427; - des Kirchengutes 531 ff. Adoption, Ursache der cognatio legalis 618. Advokatur, Verbot fiir Kleriker 116. 250. Aelteste in der apostolischen Kirchenverfassung 226. 429. Afrikanische Synoden 96; - Kanonensammlungen 175 ' 8 Agapetae (geistliche Schwestern) 249 2 '. Agapius 95. 106. 190. Agathangelus Chartophylax 128. Agathon 107. Aktuar 391. Alexander, Bischof von Alexandria 85. 212. Alexander, Fiirst von Bulgarien 151. Alexandria, Patriarchat 131. 306. 307; - Synode 340. -Wahl des Patriarchen

331; - Wahl und Einsetzung der Bischofe 365; - Pfarr-Verfassung 412; - Pfarrepitropien 429. Alexius, Patriarch von Konstantinopel 115. Alexius Comnenus, Kaiser 53. 116. 193. 467. 542. 589. Allgemeines Recht 9. Altar 271. 568. 569. Alter fiir den Eintritt in die Hierarchie 120. 261 ; - in den Monchsstand 660. zur Erlangung der bischoflichen Wiirde 353; - zur Geliibdeablegung 660; zur EheschlieBung 584. 600; - der Zeugen vor den kirchlichen Gerich ten 483; - der Trauungszeugen 595. Altes Recht 10. Altes Testament, Rechtsquelle 41. 75. Ambon 271. Ambrosius von Mailand 569. 652. Amortisationsgesetze 529. Amphilochius von lkonium 100. 104. 106. Amtsabsetzung 281 ff. Amtsvergehen der Geistlichen 493. Arnunis, Monch 103. 107. Anachoreten 650. 651. 658. Anagnosten 242. 374. 421. 427. Analogie 66. Anastasius hi. 113. Anastasius, Kaiser 682. Anastasius II., Papst 172. Anathem 500. 506. Anathematisrnen 109. Anatolius, Patriarch von Konstantinopel 88. 322. Anatreptische Ehehindernisse (impedimenta dirimentia) 596. 622. Ancyra, I. Partikularsynode 92. AndersgUiubige 64. 119. 441. 557. 685. 718 720. Andronikus II. Palaologus, Kaiser 119. 524. 582. Angilram, Bischof 173 n. Anglikanische Kirche 715. Anklagen gegen Geistliche 481. AnklageprozeB 479 ff.

728
Annullation der Ehe 640; - der MOnchsgeliibde in RuBiand 668 3 Anstand des Klerus 117. 118. 120. 148. Anthemius, Kaiser 528. Anthimus IV., Patriarch von Konstantinopel 120. Antimensium 241. 374. 572. Antiochia, IV. Partikularsynode 93; - Patriarchat 131. 306. 307; - bischtifliche Synode 340; - Wahl des Patriarch en 331; - Wahl und Einsetzung der Bischtife 365; - Pfarr-Verfassung 412;Pfarrepitropien 429. Antonius der GroBe, Begriinder des MOochturns 650. 651 ~. Antworten, kanonische 46. 56. 112. Anwlilte vor den kirchlichen Gerichten 482. Anwendung der Kirchengesetze 56. Apagoreutische Ehehindernisse (impedimenta impedientia) 596. Apiarius 97. Apokrisarius 169. Apokryphen 77. Apostasie 489. 514. 515. 636. Apostolische Kirche 210; - Kanones 81 ff. - Konstitutionen 83. 161 ff.- Lehre 160. Appellation 96. 116. 485. 489. Appellationsinstanzen 474 ff. Arabianus, Bischof 95. Archaologie, kirchliche 18. Archidiakonen 24'l. 338. Archimandriten 245. 676. Archipresbyter 244. Arianer 85. Aristenus Alexius 113. 123. 185. Armenier 558. Armutsgeliibde 666. Arsenius, MOnch 188. Arsenius Ill., Patriarch von lpek 309. Asien 322. Asketen 650. Asketerion 681. Asylrecht der Kirche 468. 571. Athanasius der Gro6e 85. 94. 103. 652. Athanasius von Athos 653. Athanasius I., Patriarch von Konstantinopel 119. 582. Athenisches Syntagma (von Rhallis und Potlis) 80. 200. Athos, Kloster 112. 674. Attikus von Konstantinopel 96. Aufgebot vor der EheschlieBung 591. 603; - bei der Zivilehe 648. Aufnahme in die Kirche 553 ff. Aufreizung zur Ehetrennung als Ehehindernis 620. Aufsichtsorgane 399 ft. Aufsichtsrechte der BiscMfe 378 ff. Augustinus hi. 652 Aurelius, Erzbischof von Karthago 95. Ausbildung des Klerus 252 ff. Auslegung der Gesetze 64 ff. Aussatz, Ehetrennungsursache 637. AusschlieBung vom Amte 503. 504; - vom

Register. Klerus 504; - aus der Kirche 501. Authentische Obersetzung der heiligen Schrift 77. Autokephale Kirchen 131 f.; - Grundlage derselben 301 f. 314 f.; - der lllteren Zeit 303 ff. ; - gegenwlirtige 131. 307 ff. - Oberste Organe in denselben 317 ft. 338 ff. Autokephale Bischofe 322. 330 ; - Einsetzung derselben 331 ff.; - PersOnliche Rechte derselben 335 ff. Axiomatische Ehe 646. Bagadius 95. 106. Balsamon Theodorus 20. 53. 68. 91. 121. 123. 129. 186. 284. 286. 471. Basilianer 656 1. Basiliken (Basilicorum libri LX) 20. 129. Basilius der GroBe 104. 112. 113. 574. 651. Basilius, Erzbischof von Gortyna 89. Basilius 1., Mazedonier, Kaiser 128. 129. 194. Basilius II., Patriarch von Konstantinopel 118. Basilius, Bischof von Libyen 100. Baulast., kirchliche 533; - beim Stifterrecht 537. Beatifikation, s. Kanonisation. Bedingungen fiir den Eintritt in die Hierarchie 252 ff.; - fiir den Eintritt in das Monchtum 660 ft.; - bei der EheschlieBung 590 ff. Beeidigung beim Gerichtsverfahren 486. Begnadigung 512. Begrllbnis, kirchliches 685; - Entziehung desselben 685 f. Beichte 421. 447. 563. 684. Beichtgeheimnis 563. Beichtvllter 412. 563. 679. Bekenntnis, orthodoxes 74. 442. Beleidigungen gegen Geistliche 247. Belgrad, Wahl und Einsetzung des Metropoliten 333. Belustigungsorte, offentliche, Verbot des Besuches fiir Geistliche 248. 495. Benedikt von Nursia 653. Benediktion kirchlicher Sachen 567. 572; - der Ehe 594; - der KirchhOfe 570; Bernhard von Pavia 21. Beschlidigung 495. Besitzrecht der Kirche, Begriindung desselben 516 ff. Bestes Theodorus 186. Besteuerung des Kirchengutes 530. Betrieb des Wirtsgeschllftes, Verbot fiir Geistliche 248. Betrug, als Ehehindernis 601. Beveregius Guilielmus 202. Beweismittel im Prozesse 480 ff. Bewu6tsein, mangelndes bei der Eheschlie6ung 585. 597 ; - bei dem Eintritt in den MOnchsstand 661. Beziehungen zwischen dem Klerus und den Laien 218 ff.; - zwischen Kirche und

Register. Staat, fundamentale 696 ff.; - gegenwlirtige 713 ff. Bezirksprotopresbyteri 245. 400 ff. Bibel als Quelle des Kirchenrechts 38 ff. Bibelkanon 75 f. Bilderstiirmer 90. 98. Bilderverehrung 566. .. Bischofe 239. 356; - historische Ubersicht 350 - Erfordernisse fUr den Erwerb der 'bischoflichen Wiirde 118. 352 ff. ; Wahl und Einsetzung in lUterer Zeit 355; - Wahl und Einsetzung in der Gegenwart 365; - Kanonische Priifung 363; - Eid des Bischofs 366. 443; - Konsekration 344; - Inthronisation 368; Verhliltnis zur hoheren Kirchengewalt 371; - gegenscitige Beziehungen 118. 371 ff.; - Rechte und Pflichten 371 ff. 381 ff. ; - gesetzgebende Gewalt derselben 3'75. 456; - Unterhalt derselben 541; - jurisdiktion 380 461 ff. 473. 531 ; Lehramt 372 ff. Ordinationsrecht 374 ff.; - Ehrenrechte 380; - Residenz 382; - Recht der Begnadigung 117. 375. 512; - Versetzung 119. 369;- Zolibat 118. 636; - Demission 118; - Absetzung 117. 475; - Gehilfen derselben 388. s. Episkopat. Bischofliche Dispensation en 73. 376. 625; - Verordnungen 458; - Aufsicht 377. 532; - Begnadigung 375. 512. - Gerichtsbarkeit 473. - lnsignien 381. Bischofliche Synode 234. Bischofseid 63 19 366. 443. Bischofsmantel 381. Bischofsstab 381. Bistiimer, Errichtung derselben 300; Aufhebung derselben 117. Bittgange 375. Blagocinije (Protopresbyterat) 298. Blasphemie 495. Blastares Mattheus 53. 188. 195. Blutsverwandtschaft ( cognatio carnalis) 604 ff.; - Berechnung der Grade 605. Bonefidius 201 Bonifacius, Papst 96. Bosnien und Herzegovina 136. 724; Einsetzung der Bischofe 316. Bossuet 700. Bostra 95. 107. Brautexamen 421. 590. Breviarium canonicum Crisconii 175 48 Breviatio canonum Fulgentii Ferrandi 175 ''. Bruderschaften, kirchliche 619; - Zweck derselben 681 ; - rechtlicher Charakter derselben 682. Biicherverbote 446. Biirgerliche Gesetze als Quelle des Kirchenrechts 123 ff. Bukarest, Metropolit von 343. Bukowina, Metropolie der Bukowina und von Dalmatien 152. 313; - Synode 344; - Ernennung des Metropoliten 335; Ernennung der Bischofe 366. -Pastoral-

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konferenzen 405; - Pfarr-Verfassung 415; - Pfarrepitropien 433. Bulgarien, Patriarchal 306; - Exarchat 312;- Synode 345;- Exarchalrat 351; - Wahl und Einsetzung des Exarchen 334; - Wahl und Einsetzung der Bischi:ife 366; - Vikarbischofe 389; Eparchialversammlungen 398; - PfarrVerfassung 413; - Pfarrepitropien 430. BuBe 564; - BuBgrade 500. Calinicus, Patriarch von Konstantinopel 120. Calinicus, Patriarch von Ipek 309. Canones Apostolorum 81. 161. Canonica missio 237. Canonica obedientia 285. Capitula Augilramni 173 ' Caridi deJa Trikis 198. Cavour 700. Censurae (poenae medicinales) 502. Centuriatoren, Magdeburger 81. Cetinje, Metropolie 310. 330. Chalcedon, Konzil von 87. Character indelebilis 282 8 Charthophylax 121. 245. 391. Cheirothesie 271. Cheirotonie 121. 271 ff.; - Berechtigung zur Erteilung derselben 275 ff. ; - Erfordernisse zur Erlangung derselben 120. 257 ff. - Wirkungen derselben 280 ff.; - der Andersglliubigen 287 ff. ; - als Ehehindernis 283. 598; - Wirkungen der bischOflichen Cheirotonie 368 ff. Chilandar, serb. Kloster 192. 654. Chomatenus Demetrius 122. 513 14 ChorbischOfe 104. 244. 279. 389. Christentum 717. Christologie 87. Chrisam hi. 241. 374. 558. Chronologie, christliche 18. Chrysostomus johannes 112. 113. 702. Codex Theodosian us 19. 123; - justinianeus, repetitae praelectionis 19. 124; chalcedonensis 167; - canonum ecclesiae romanae 171 ; - canonum Dionysii exigui 171; - canonum ecclesiae africanae 95 ff. Coelestin, Papst 87. 97. Coenobiten 651. Coenobitische KlOster 650. 673. 674. Coenobium 650. 674. Collectio decretorum rom. pontificum 172; - Dionysio-Hadriana 172 ; - hispana 173;- canonum lsidori mercatoris 173ff.; - johannis Scholastici 169; - LX tituIorum 169; - LVII capitulorum 127. 176; - XXV capitulorum 127. 177; constitutionum ecclesiasticarum (tripartita, paratitla) 177 ff. . Communio laica u. clericalis 497;- in sacris 719. Concilium Quinisextum 88. Concubinatus 578.

730
Confessio orthodoxa 79. 442. Congrua sustentatio 548. Constantinus der GroBe, Kaiser 85. 195. 253. 522. 527. 540. 632. 682. 705. 706. Constantinus Pophyrogenitus 110. 524 704; - Copronymus 127; - Monomach 542; - Palllologus 130. Constantinus UI., Patriarch von Konstantinopel 116; - IV., 116. Constantinus Kabasilas 122; - Harmenopulos 130. Constantius, Kaiser 652. Constitutiones Apostolorum 83. 161 ff. Corpus juris canonici 9. Cotelerius johannes Bapt. 198. 202. Cremation 685. Crisconius Africanus 175 ' 8 Curiales 265. Cusa, FUrst von Rumllnien 486. Cypern, Erzbistum 48. 87. 131. 322; Synode 344; - Wahl und Einsetzung des Erzbischofs 331; -Wahl und Einsetzung der Bischofe 366. Cyprian hi. 90. 212. 223. 280. 356. Cyprian-Synode 90. 91. Cyrillus von Alexandria 87. 96. 108. 322. Cyrillus V. Patriarch von Konstantinopel 559. Cyrillus 11. Metropolit von RuBiand 192. Dabrobosnischer Metropolit 330. Dalmatien 153. 154. f. 330. s. Bukowina. Daniel, panon. Monch 198. Decimae 522. 545. Declaratio cleri gallicani 700. Declaratorium rescriptum in der Karlowitzer Metropolie 142. Decretales 172 "" Decretum Gratiani 89. Degradation 504. Delikte 489 ff.; - der Geistlichen 493 ff. Demission eines Bischofs 87. 118. Deposition, s. Absetzung. Dessuetudo 69. 71. Devolutionsrecht 324. Diakon 242. 427. Diakonat 238. 242. Diakonissen 259. 427. 428. Diebstahl 495. Dienstuntaugliche Oeistlichen 551. Digesten (Pandekten) 125. Dikirien 381. Dimissorialien 371. 509. Diodorus 104. Dionysio-Hadriana collectio 172. Dionysius Areopagit 237. Dionysius exiguus 171. Dionysius Monch 122. Dionysius von Alexandria 100. Dionysius Ill. Patriarch von Konstantinopel 119. Diozese 299 8 Dip1omatik 18. . Dispensationen 69. 73. 376. 625.

Register. Disziplin, kirchliche 119. 120. Disziplinarvorschriften fiir den Klerus in der Karlowitzer Metropolie 146. Divortium ex consensu 578. 631. Dobra Petrus 199. Dogmatik 17. Dogmen 57. Domizil 592 s. Domnus von Antiochia 108. Dotation des Klerus 541 ff. Doxapater Oregorius 185. Duchtar 680. Duhovni Reglament in RuBland 137. Duschan, Czar der Serben 253 6 Ecloga legum 127. Edikt von Mailand 158. 165. 527. Ehe, Begriff 577; - Sakrament 447. 578; - gesetzliche 642; - ungesetzliche 622; - zweite 642; - dritte 642; - vierte 115. 600. 622. 643; - verbotene 622; - gesetzwidrige 622; - verponte 622; - axiomatische 646; - durch Bevollmllchtigten 647 ; - gemischte 643; morganatische 646; - putative 647; Oewissensehe 648; - Zivilehe 648; der Kleriker 267. 598; - Wirkungen derselben 622 ff.; - Unauflosbarkeit derselben 629; - Trennung derselben 629 ff. Eheaufgebot 421. 591. 603; - nach biirgerlichem Rechte 648. Ehebruch 495. 635; - als Ehehindemis 619; - die den Ehebruch begleitenden Ehetrennungsgriinde 635. EhebuBe 625. Eheerfordernisse 583 ff. Ehedispensen 625. Ehegatten, Rechte und Pflichten 626 f. Ehegerichte, kirchliche 485; - biirgerliche 486 f. Ehegerichtsbarkeit 580 ff. Ehehindernisse 596; - Einteilung derselben 596; - absolute 597 ff. ; - relative 604 ff. ; - anatreptische 596. 622. 624; - apagoreutische 596. 622. 624; welche auBerhalb des Begriffes der Verwandtschaft liegen 618 ff.; - Wirkungen der Ehehindernisse 622 ff. - Beseitigung derselben 624 ff. Eheliche Pflicht 586. 597. 626. Eheliche Treue 626. Ehelosigkeit 267. 665. 668. Ehematrikeln 423. 596. Ehepatent josefs II. 638 2';. EheschlieBung 583 ff. ; - heimliche 594; - die Zeit zur Ehescblie6ung 592. Ehestreitigkeiten 485 ff. Ehetrennung, kirchliche Doktrin 629 ff. ; durch freie Obereinkunft 632; - wegen einer gerechtfertigten Ursache 632; Rechtswirkungen der Ehetrennung 640 f. Ehetrennungsgriinde 634 ff. Ehren-Metropollten 325.

Register. Ehrenrechte der Bischofe 380; - der Stifter 537 f. Eid, bischOflicher 366. 443. - des Pfarrers 411. Eidbruch 494. Ei~entum am Kirchengute 517 f.; - SubJekt desselben 519 ff. Eigentumserwerb 522 ff. Einfiihrung in den Klerus 257 ff. Einsegnung der Ehe 594. 595. Einsetzung der autokephalen Bischi:ife 331 ff. Einsperrung in ein Kloster 503. Eintritt in die Kirche 553; - in die Hierarchie 252 ff.; - ins Kloster 636. 660. Einweihung der Kirche 374. 567. Einwilligung, gegenseitige, als Grundbedlngung zur EheschlieBung 583. 601. Ekklesiarch 679. Elias von Kreta 122. Eltern, Beziehungen derselben zu den Kindem 627. 641 ; - Rechte und Pflichten derselben 626. 629. Enchiridion adeca carte manuala de canoane 199 14 Entfiihrung als Ehehindernis 619. Epanagoge 128. 704. Eparchia1-Bisch0fe 351 ff. Eparchial-Konsistorien 392 ff. Eparchial-Rat 395. Eparchiat-Synode (Metropotitan-Synode), Begriff, Berufung, Zeit, Ort und Wirkungskreis derselben 318 ff. Eparchial-Verfassung 351 ff. Eparchiai-Versammlungen 397 ff. Eparchie 298. 352; - Sedisvakanz derselben 387. Ephesus, Konzil von 87. Epigonation 381. Epilepsie 260. Episkopalgericht 472. 473. 477. Eplskopat 212. 238 f. . Episkopium 383. Epistemonarch 679. Epitimie 564. Epitome canonum Simeonis Magistri 168. Epitrachelgebiihren 546. Epitrachel-Taxordnungen 546. Epitropen 531. Epitropien in den Eparchien 395 f. ; - in den Pfarren 429 ff. 531. Eremiten 658. Erloschen der Gesetze 68 ff. ; - der Delikte und Strafen 509 ff. Ermahnung, als Strafe fiir Kleriker 502. Ersitzung, Erwerbungsart des Kirchengutes, Ersitzungszeit 527. 530. 539. Erwerbsflihigkeit der Kirche 516 f. Erwerbung der l(ircbengiiter 522; - durch . Rechtsgeschllfte unter Lebenden, auf den Fall des Todes, durch testamentarische, durch gesetzliche Erbfolge 523 f. ; durch Vermllchtnisse zu frommen Zwekken 525; -

731
durch Schenkung und Kauf

526.
ErzbischOfe 322 ; - Titular 323. Erziehung der Kinder aus gemischten Eben 643. 645. Erziehungsanstalten fiir Kleriker 256 f. ; 372 f. Erzpriester 400. Erzwingbarkeit des Rechts 59. 499. Eucharistie 561. 684. Euchologion 111. Eulogius von Alexandria 109. Eusebius von Nikomedien 92. Eustathius von Antiochia 85. Eustathius von Pamphylien 87. Eustathius von Sebaste 92. Eustratius aus Moldau 197. Eutyches, Archimandrit ~. 705. Evangelische Kirche 714. 715. Exarch von Bulgarien, dessen Wahl 334. Exarchat 299. Exarchen 243; - der serbischen Patriarch en 310. 311. 330; - Exarch von Grusien 341. Exekution des Urteils 485. 488. Exkommunikation, als Strafmittel 497. 499. 505. Exorzisten 242 20 428. Fakultative Zivilehe 648. Falcidia lex 525. Fastenzeiten 575. Febronianismus 700. Festtage 573. 574. Findlinge, Taufe derselben 556. Firmilian von Caesarea 50. Firmung (Salbung mit dem Chrisam) 447. 556. 558. Flavian von Antiochia 95. Frauen, Ausschlie6ung von der Cheirotonie

258.

Frauenk16ster 651. FriedhOfe 569 f. Fulgentius Ferrandus 185 u. Fundus instructus 550. Furcht als Ehehindernis 601. Gabriel Ill., Patriarch von Konstantinopel 120. 444. Gabriel IV., Patriarch von Konstantinopel 120. Gallikanismus 700. Gangra, Synode 92. Gasthlluser, Besuch und Hatten den Geistlichen verboten 248. 249. Gebahrung mit dem Kirchenverm6gen 226. Gebllude, kirchliche 530. 567. Gebet, Pflicht der Geistlichen zum tllglichen Gebete 285. Gebete fiir die Toden 687. Gebrechen, korperliche, Impediment zur Cheirotonie 260. Geburtsmatrikeln 423. Gehorsam, kanonischer 285. Geistlicher Stand 237. s. Hierarchie.

732
....

Register. 610; - der geistlichen Verwandtschaft 615. ' Grammatikus in den K!Ostern 680. Gratian 89. Gregorius von Nazianz 86. 106. Gregorius von Neoclisarea, Thaumaturgus 101. Gregorius von Nyssa 106. Gregorius V., Patriarch von Konstantinopel 120. Gregorius VI., Patriarch von Konstantinopel 445. Gregorius II .. Papst 173. Gregorius VII., Papst 699. Gregorius Presbyter 104. Gregorius Doxapater 185. Griechenland, autokephale Kirche 120. 131. 311; - Synode 341; - Wahl und Einsetzung des Metropoliten 331; - Wahl und Einsetzung der Bischofe 365; - Pfarr-Verfassung 412; - Pfarrepitropien 429; - Ehejurisdiktion 487. Grusten 306. 341. Hadrian l., Papst 89. 90. 110. 172. Handauflegung, s. Cheirotonie. Handel, Verbot desselben filr Kleriker 249. Handlungen, heilige 447; - Verwaltung derselben 448; - allgemeine Bestimmungen ilber die heiligen Handlungen 449; - das gottesdienstliche Leben der Kirche 560. Haresie, Begriff und Strafe 490. Hatti-Humayum vom J. 1856. 133. 715. Hattischerif vom J. 1839. 133. Hausoratorien 567. Hebrlier 755. Hebrliisches Recht 20. Hegumen 375. 676. Heiden 557; - Ehe mit Christen 621. Heilige Schrift 38. 75. Heiligenbilder 566. s. Ikonen. Heiligenverehrung 565. Heiligsprechung, s. Kanonisation. Heinrich IV. 699. Heinrich V. 714. Hellenische Kirche 559. Heraklius, Kaiser 19. 177. Hermannstadt, Metropolie 312. 716;- Wahl und Einsetzung des Metropoliten 332; -Wahl und Einsetzug der Bischofe 366; - Synode 345; - Nationai-KongreB 350; - Metropolitan-Konsistorium 350; - Eparchiai-Versammlung 399;- Eparchiai-Konsistorium 394; - Pfarr-Verfassung 414; - Pfarrepitropien 432. Herrscher, unterstehen den Gesetzen der Kirche 63. Hexabiblos des Constantinus Harmenopulos 130; - Erglinzung hiezu 189. Hierarchic, Begriff 236 ff.; - Hierarchia ordinis 238 ff. ; - Hierarchia jurisdictionis 243 ff.; - Eintritt in die Hierarchic 252 ff.; - Rechte und Pflichten der

Geistliche Standespflichten und Standesrechte 117. 246 ff. Geistliche Verwandtschaft 614. Geklagter im kirchlichen Gerichtsverfahren 482. Gelasius, Papst 446. Gelilbde 598; - der Monche 664 f.; als Ehehindernis 598; - Entbindung von denselben in RuBiand 668 a. Gemeindefriedhote 570. Gemeinden (Kirchengemeinden), s. Laien. Gemischte Ehen 643. Gennadius, Patriarch von Konstantinopel 109. Gennadius, Archimandrit 109. Genossenschaften, kirchliche 458. 529. 649. 681 ff. - Statuten derselben 458 f. Geographic, kirchliche 18. Georgius II., Patriarch von Konstantinopel 118. Gerasim Ill., Patriarch von Konstantinope1 120. Gerichte, kirchliche, 471. - Instanzen 472 ff. Gerichtsbarkeit, kirchliche 459 ff.; - der Bischofe 473. - der Metropolitan-Synoden 474; - der Patriarchal-Synoden 746; - in Ehesachen 485-489. Gerichtsverfahren in den verschiedenen Phasen 476 ff. - das gegenwartige Gerichtsverfahren 483; - bei Verschulden von Klerikern 484 ; - in Ehestreitigkeiten 485 ff. Germanus II., Patriarch von Konstantinopel 119. Gesegnete Orte 567; - Sachen 572. Gesetzbuch des serb. Kaisers Duschan 253 6 Gesetze 3; - juristische und kirchlichjuristische 4; - weltliche, als Quell en des Kirchenrechts 50 ff.; - konfessionelle, in Osterreich-Ungarn 715 f. - Anwendung und bindende Kraft der kirchlichen Gesetze 56 f.; - Eigenartigkeit der kirchlichen Gesetze 6. Gesetzgebung, kirchliche 44 ff.; - allgemeine kirchliche 392. 453; - besondere 453 f.; - weltliche 130 ff.; - bischofliche 456. Geschriebenes Recht 9. Gewissensehe 648. Gewissensfreiheit 717. Gewohnheit (consuetudo) als Rechtsquelle 47 ff. Gewohnheitsrecht 47. Glaubensbekenntnis 79. 442. 556; - beim Konfessionswechsel 559. Glaubenszwang 441. 717. Gleichstellung der Religionsgesellschaften 721. Glocken 572. Gottesdienst 560 ff. Gottliches Recht 9. Govora, Kloster 198. Grade der Hierarchic 238 ff.; - der Verwandtschaft 608; - der Schwagerschaft

Register. Mitglieder der Hierarchie 246 ff. ; - Beziehungen zwischen den Mitgliedern derselben 250 ff. Hierodiakonen 659. Hieromnemon 391. Hieromonachen 659. Hieronymus hi. 228 7 652. Hilarion, Begriinder des Mi:inchtums 650. Hilfsbischofe 279. Hilfspriester 425. Hipomnematograf 391. 681. Hippo, Synode 96. Hirtenbrief 457. Hirtenstab 381. Hispana, collectio canonum 173. 174. Hochverrat 119. 636. Honorius, Kaiser 528. Hontheim, Bischof (Febronius) 700. Hormisdas, Papst 172. lberin (Grusien), autokephale Kirche 306. 322. ldiorrhythmische KlOster 674. Ignatius Theophorus 223. Ignatius, Patriarch von Konstantinopel 99. 223. 231. Ignorantia legis 62. Ikonen (Heiligenbilder) 445. 566. Immunitat, kirchliche 528. 571. 572; - der Geistltchen 247. Impotenz 586. 597. 637. Index librorum prohibitorum 446. Indreptarea legji, rumanische Kanonensammlung 198. Infallibilitat der Kirche 210. 295. 439. Injurien gegen Geistliche 247. Innozenz Ill., Papst 89. Insignien, bischi:ifliche 381. Installation der Bischi:ife 368 5 Instanzenzug 472 ff. Institutionen justinians 125... Interkonfessionalgesetze in Osterreich-Ungarn. 722. Interpretation der Gesetze 64 ff. Inthronisation des Patriarchen von Konstantinopel 329. Ipek, serb. Patriarchat 307. 309. 311. 330. Irade vom j. 1853. 133. Irenaus von Lyon 212. 223. Irene, Kaiserin 90. 110. 704. Irrtum, Ehehindernis 601. Isaak Angelus, Kaiser 131. 363. 542. Isagogik 77. Isidoriana versio 170. Isidorische Falschung 173 ff. Isidorus von Sevilla 170. 173. Jagd, Verbot derselben fiir die Kleriker 249. Jaroslav, russ. GroBfiirst 192. Jassy, Metropolit von 343. jassy, Synode 443 . Jeremias II., Patriarch von Konstantinopel 119.

733
Jeremias Ill., Patriarch von Konstantinopel, 120. Jerusalem, Kirche von 306; - Patriarchat 131. 307; - Synode 340; - Wahl und Einsetzung des Patriarchen 331; - Wahl und Einsetzung der Bischi:ife 365; Pfarr-Verfassung 412; - Pfarrepitropien 429. Joachim III., Patriarch von Konstantinopel 120. Joachim IV., Patriarch von Konstantinopel 120. Johannes Chrysostomus 112. 113. 569. 574. Johannes der Faster 110. johannes VIII., . Patriarch von Konstantinopel 116. 589. johannes XI., Patriarch von Konstantinopel 119. johannes XII., Patriarch von Konstantinopel 363. johannes Scholasticus 50. 100. 169. 176. 179. johannes von Citrus 122. 195. johannes Zonaras 68. 123. 185 f. johann VIII., Papst 89. 99. johann XXII., Papst 699. johann Archimandrit 34. joseph !., Kaiser 142. joseph II., Kaiser 700. 716. josephinismus 700. julianus, Kaiser 528. julianus Priester 172. jungfrauen 599. jurisdiktion, kirchliche 711 ; - der Bischofe 372 ff.; - weltliche 711. juristische Gesetze 4; - Person en 536. jus arbitrii 466. 477. jus asyli 468. 571. jus divinum 7. 79. Justinianische Rechtssammlungen 124 ff. justinian der GroBe, Kaiser 19. 52. 124. 284. 295. 465. 521. 536. 580. 631. 632. 633. 644. 655. 682. 703. 704. justinian II., Kaiser 85. 295. justinus II., Kaiser 19. 130. 179. 631. juvenalis Jerosolymitanus 88. 322. Kabasilas Constantinus, Erzbischof 122. Kaiser, Schirmer der Kirche und ihrer Rechte 295. 701. 705; - Begnadigungsrecht 512 f. Kaiserliche Gewalt, ihr Verhaltnis zur Kirche 704. Kaiserliche Konstitutionen 123 ff. Kalender, gregorianischer 119. Kalixt II, Papst 714. Kandidaten des geistlichen Standes, Eigenschaften 259 ff. Kanon 8. Kanonarch 679. Kanonen-Sammlungen, griechische 167 ff. 184 ff.; - lateinische 169 ff.;- slavische 191 ff.; - rumanische 197 ff. Kanones 79 f.; - der Apostel 81 ; - der

734
allgemeinen Konzilien 84 ff.; - der Partikular-Synoden 90 ff.; - der hi. Vater 99 ff.; - Erglinzung der Kanones 110 ff. Kanonisation der Heiligen 565. Kanonische, Bucher der hi. Schrift 75 ff; - Antworten 46. 56; - Abhandlungen 56; - Entscheidungen 56; - Sendschreiben 46. 100. - Visitationen der Bischofe 379. - Priifung der Bischofe 363. Kanonischer Gehorsam 285. Kanonisches Recht 8. Kanonismen im Patriarchate von Konstantinopel 135 ff. Kanonisten-Recht 54 ff. Kanstrisios 391 . Kapelle 567. Kaplline 425. Karl VI., 142. Karlowitz, Metropolie 309. 716; - Synode 345; - Nationai-KirchenkongreB 348;KongreB-AusschuB 348; - MetropolitanKirchenrat 349;- Nationai-Schulrat 349; - Wahl und Einsetzung des Metropoliten (Patriarchen) 332; - Wahl und Einsetzung der Bischofe 365; - Eparchialversammlungen 399; - EparchiaiKonsistorien 394; - Pfarr-Verfassung 413; - Pfarrepitropien 431. Karthago, Synoden 95 ff. Katalog, geistlicher 237. 505. Katechese 440. Katechismus, ausfiihrlicher 79. 443. Katechumenen 217. 428. 557. Kathedralkirche 382. Katholikoi 243. Katholische Kirche 209. Kauf 534. Kaufvertrag 526. Kerkerstrafe 637. Ketzer (Hliretiker) 557. 558; - AusschlieBung derselben und ihrer Sohne von der Cheirotonie 262; - AusschlieBung vom kirchlichen Begrlibnisse 685. Ketzerei, s. Hliresie Ketzer-Taufe 90. Keuschheitsgeliibde 598. 664. Kinder, Taufe derselben 555; - unterstehen den Gesetzen der Kirche 63; eheliche und uneheliche 623. 627; Legitimation 628. Kirche, Begriff und Aufgabe 1 ff. 206. 695; - im Gebiete des Rechts 3 ff.; - Eintritt in diesel be 553. 557; - Oberhaupt 207; - Eigenschaften 209 ; - Einheit 211 ff.; - Zusammensetzung derselben 214 ff.; - Austritt aus derselben 488. 489; - Verhliltnis zum Staate 696 f.; Verhliltnis zu den Andersglliubigen 717 f. Kirchen, Konsekration derselben 374. 567. Kirchenlimter 244 ff. Kirchenbiicher 445. Kirchendiener 242. 427. K irchenfreiheit 695.

Register. KirchengeMude 569. Kirchengebiet 297 ff. - Errichtung der Kirchengebiete 300. Kirchengemeinden 298. 429 ff. s. Laien. Kirchengeschichte 17. Kirchengesetzgebung 451 ff. Kirchengewalt 227. 695. 711 ; - Entstehung derselben 228 ff. 694; - Bestlindigkeit 230; - Subjekt 231 ff ; - Zweige derOrgane derselben selben 235 f.; 290 ff. Kirchengut 515. 517; - Subjekt des Eigentums 519 ff. ; - Erwerb desselben 522 ff.; - Vorrechte 527 ff.; - Beaufsichtigung 378. 531; - Besteuerung 530; - Verwaltung desselben 531 ff.; - Mitwirkung der Gemeinden bei der Verwaltung des Kirchengutes 226. 532; - Gebahrung mit dem Kirchengute 226; - Verwendung desselben 533;- VerliuBerung 117. 534; - Slikularisation 530. Kirchenmatrikeln, s. Matrikeln. Kirchenrecht 7 ; - inneres und liuBeres 689; - Einteilung des Rechtes innerhalb desselben 9 f.; - Selbstlindi[keit 12;- als Wissenschaft 13 ff.; - uarlegung des Kirchenrechtes 15; - System desselben 21 ff.; - Quellen 37 ff.; - Sammlungen 157 ff.; - Literatur desselben 23 ff. Kirchenstrafen 496 ff. Kirchenvliter 531. Kirchenverfassung 205 ff. Kirchenvermogen, s. Kirchengut. Kirchenversammlungen 120. Kirchenwiirdentrliger 391 . Kirchenzucht 496; - iiber die Geistlichen 502; - iiber die Laien 499. Kirchliche Immunitlit 528. 571. 572. Kirchenweihe 568. Klliger im Gerichtsverfahren 480 ff. Kleidung der Kleriker 250. Klemens von Rom 163. 173. 223. 230. Kleriker 215. Klerus 216; - Einfiihrung in denselben 257 ff. ; - Eigenschaften der Kandidaten des Klerus 259 ff.; - Erziehung und wissenschaftliche Ausbildung desselben 252 ff. ; - Beziehungen zwischen demselben und den Laien 218 ff. ; - allgemeine Rechte und Pflichten des Klerus 247 ff.; - Beziehungen zwischen den Mitgliedern desselben 250 ff. ; - Gerichtsstand 464; - Beteiligung des Klerus an politischen Fragen 118. 120. 250; - Unterhalt desselben 539 ff.; - Vermogen desselben 548. KlOster 669; - Organisation derselben 675; - jurisdiktion iiber diesel ben 659. 672 ; - Verwaltung der KlOster 680; Organe fiir die kiOsterlichen Dienste 679; - Stauropegiai-KIOster 672; - kaiserliche 673; - coenobitische 674; idiorrhythmische 674; - Eparchiai-KIOster 672; - Filial-KIOster 119.

Register. Klosterbeitrlige 115. Klosterdisziplin 675 ff. Klosterfrauen, s. Nonnen. Klostemovizen 121. 663. 679. Klosterschulen 255. Klostervorsteher 117. 118. 676. Kniga pravil 82. 96. Kodex, s. Codex. Kommentare zu den Kanones 185 ff. Kommentatoren 123. 185-187. Komputation der Verwandtschaftsgrade 007; - der Schwligerschaftsgrade 611. Konfessionelle Schulen 253. Konkordat 701. 714. Konkubinat, s. Concubinatus. Konon 101. Konsekration der Kirchen 374. 567; - der KlOster 670. Konsistorial-ErHisse 458. Konsistorium, bischofliches 391. 392 ff.; Mitglieder desselben 393; - Wirkungskreis 395 ; - Hilfsorgane desselben 395 ff.; - als Gerichts-lnstanz 474; Metropolitan-Konsistorium in der Hermannstadter Metropolie 350. Konstantin der GroBe, s. Constantinus. Konstantinopel, Konzilien 86. 88. 90; Synoden 86. 95. 98. 109. 183. 285. 501.
559. 643.

735
Landbisch<>fe, s. Chorbischlife. Landesherr s. Kaiser. Laodicea, Synode von 93. Lateiner 560 u. Lateinische Kirchenrechtssammlungen 169. ff. Latrogamie 582. 594. Laura 670. Laurentius 171. Legate ad pias causas 525. Legitimation unehelicher Kinder 628. Lehramt der Bischlife 232. 372 ff.; 384. 439. 443. Lehre, kirchliche 120; - Verwaltung derselben 438 ff. Lehre der zwolf Apostel 160. Lehrp1an, theologischer 372. Leibeigene, s. Sklaven. Leibesfrucht, Abtreibung derselben 515. Leichenbestattung, s. Begrlibnis. Lektoren, s. Anagnosten. Leo, Patriarch von Konstantinopel 116. Leo 1., Papst 322. 705. Leo der Isaurier, Kaiser 127. 194. Leo der Philosoph, Kaiser 127. 130. 581. 701. Leo der Armenier, Kaiser 111. Leopold I, Kaiser 142. 309. Letojus 170. Leunclavius, johannes 201. Lex Falcidia 525. Ligaridi, Panteleimon 198. Literatur des Kirchenrechts 23; - Arbeiten iiber Rechtsgeschichte, Rechtsquellen u. s. w. 24 ff.; - systematische Werke 26. ff. ; - Arbeiten iiber das Recht der einzelnen Partikularkirchen 29 ff.; - Arbeiten iiber einzelne Teile des Kirchenrechts 30 ff. ; - Arbeiten fiir die kirchliche Praxis 34; - Periodische Zeitschriften 34 f. Liturgie 561. 574; - der vorgeweihten Gaben 574. Logothet 246. 391. Lucentius 88. Ludwig der Bayer 699. Ludwig XIV., Konig 700. Lukas, Patriarch von Konstantinopel 117. Lupul, moldauischer Fiirst 198 g. Luther 715. Macedonius 86. Magdeburger Centuriatoren 81. Mahmud II., Sultan 133. Maillinder Edikt 158. 156. 527. Makarius von Jerusalem 85. Makarius von Antiochia 120. Makarius von Egypten, Begriinder des Monchtums 650. Makrena 656. Malaxos Manuel 189. 198. Malerei, kirchliche 567. Mangel der notigen Geisteskrllfte, als Ehehindernis 585. 597; - der Zustimmung der Oewalthaber, als Ehehindernis 586.

Konstantinopel, Kirche von 306; - Patriarchat 132; - Synode 338; - gemischter Rat 339; - Wahl und Einsetzung des Patriarchen 329. 332. - Wahl und Einsetzung der Bischofe 365; Vikar-Bischofe 389; - Eparchialepitropie 395; - Eparchial-Rat 395; - PfarrOrganisation 412; - Pfarrepitropie 429. Konvalidation der Ehe 625. Konzilien, allgemeine 84 ff. ; - Begriff und Aufgabe 290 f. ; - Berufung 292 f. Autoritat 295 f.; - Teilnehmer an einem allgemeinen Konzil 294. Krankenanstalten 521. 524. 533. Krankheit 260. 514. 551. Kreis-Protopresbyteri 400 ff. Kreta, Kirche auf der lnsel 316. Kriegsdienst 250. 265. 603. Krmcija 192 ff. Kroatien 723. Kruschedol, Kloster 310. Kultus 447. 560 ff. Kuratoren 620. KUster 428. Laien 216; - Beziehungen zwischen dem Klerus und denselben 218; - Anteilnahme an den Bischofswahlen 356 ff. ; - Anteilnahme an der Bestellung der Pfarrer 410. 412 ff.; - Teilnahme in der hierarchia jurisdictionis 221. 346 ff.; unterstehen der Kirchenzucht 499; Pflicht derselben an dem Gottesdienste teilzunehmen 450. Lancelottus Paul 22.

736
597; - des Aufgebotes, als Ehehindernis 603; - der erforderlichen Dokumente, als Ehehindemis 603. Manuelll., Patriarch von Konstantinopel119. Manuel Comnenus 187. Manus mortua 529. Marcian, Kaiser 88. 528. 705. 706. Maria Theresia, Kaiserin 142. Markus, Patriarch von Alexandria 121. Matrikeln (Geburts-, Trauungs- und Sterbe-) 379. 423 f.;- Ausziige a us denselben 424. Matthaus I., Patriarch von Konstantinopel 360. Matthias, Apostel 355. Maximin, Kaiser 92. Maximus von Antiochia 88. 322. Maximus, Diakon 190. Megaloshemoi 658. Meineid 117. 494. Melchiades, Papst 173. Meletius von Antiochia 86. Menas, Bischof 107. Mennas, Patriarch von Konstantinopel 633. Mercator lsidorus 173. Methodius, slavischer Erzbischof 180. Metropolie, Begrift 299; - Benennung in den kanonischen Quell en 298 6 ; - autokephale von Karlowitz 309; - von Cetinje 310; - von Hermannstadt 312; in Serbien 314; - in Griechenland 311; - in Rumanien 314; - der Bukowina und von Dalmatien 313. Metropoliten 323 ft. ; - Rechte derselben 324; - Stellung zu dem Patriarche 327; - Einsetzung der heutigen autokephalen Metropoliten: von Karlowitz 332; - von Hermannstadt 332 f. ; - von Belgrad 333; - von Rumlinien 334; -von Athen 331 ; - von Petersburg 331 ; - von Cetinje 334; - von Czernowitz 335. Metropolitangericht, als erste und zweite Gerichtsinstanz 474; - als letzte lnstanz 475. Metropolitansynode 318. ft. Michael I., Patriarch von Konstantinopel 115. Michael II., Patriarch von Konstantinopel 116. Michael III., Patriarch von Konstantinopel 118. 187. Michael III., Kaiser 98. Michael VIII., Paliiolog, Kaiser 701. Michael Moxalios, rum/in. Hegumen 198. Mikroskemoi 657. Milderungsumstande bei der Strafverhangung 508. Mileve, Synode von 96. Militlirseelsorge 434. Mischehen 619. 643 ff. Missio canonica 237. Missionsdienst 441. Mitra 381. Monche 118. 217. 657; - Grade derselben 657 f.

Register. Monchsgeliibde 604 ff. Monchsregeln 651 ff. Monchsstand, Eintritt in denselben 660; - vorgeschriebenes Alter 660; - Priifungszeit 662 f. Monchstonsur 663; - Wirkungen derselben 667. Monchtum, Bedeutung Mnd Entstehung 649; - Regelung desselben 651; - Organisation desselben 656 ff. Mohammedaner 557. Moldau 155. 314. 343. Monogamie 576. Monte Cassino, Kloster 653. Montenegro, autokephale Kirche 131. 156; - Synode 346;- Wahl und Einsetzung des Metropoliten 334;- Wahl und Ein- setzung der Bischofe 365; - Pfarr-Organisation 416; - Pfarrepitropien 434. Moralische Gesetze, Unterschied von den juristischen Gesetzen 4. Moraltheologie 17. Mord 116. 495. Morganatische Ehe 646. Mosaisches Recht 20. Moxalios Michael 198. Muhammed II., Sultan 132. 133. 469. 715. Munera sordida, Befreihung der Kleriker von denselben 528.
Nachstettungen lebensgefahrliche, als Ehehindernis 602; - als Ehetrennungsgrund 635. Natiirliches (philosophisches) Recht 9; Kirchenrecht 13. Nektarius, Patriarch von Konstantinopel 86. 95. Nektarius von jerusalem 120. Neocasarea, Synode von 92. Neojustiniana, Kirche von 306. 322. Neophyten 262. Nepotismus 491. Nestorius 87. 109. Neues Recht 10; - in der abendllindischen Kirche 175. Neues Testament 39. 76. Nicaa, Konzilien 85. 90. Nikephorus Confessor 111. Nikephorus, Chartophylax 122. Nikephorus Phokas, Kaiser 362. Niketas, Chartophylax 122. 195. Nikodemus, griechischer Monch 190. Nikolaus von Myra 85. Nikolaus I., Patriarch von Konstantinopel 115. Nikolaus Ill., Patriarch von Konstantinopel 112. 116. 194. Nikolaus IV., Patriarch von Konstantinopel 116. Nikolaus I., Papst 98. 175. Niphon, walachischer Metropolit 199. Nominationsrecht der Landesherren 361. ff. Nomokanon, Be~riff 178; - in L Titeln 179. 191; - tn XIV Titeln (Nomoka-

Register. non des Patriarchen Photius) 181 ff.; - des Manuel Malaxos 189. 190; - des Cote1erius 198; - des Gregori us Doxapater 185; - in 228 Kapiteln 190 ; zum groBen Ritualbuche 190. Nonnen 375. 651. 656. Nottaufe 555. Notzivilehe 648. Novellen (novellae cmrstitutiones), justinians 19. 125; - nach justinian 19. 130. Noviziat, s. Priifungszeit. Obedientia canonica 285. Oberhaupt der Kirche 207 ff. Oberleitung in den autokephalen Kirchen 338 ff. Ober-Prokuror der russischen Synode 139. 340. Oblationen 516. 522. 531. 541. OeHentliches Recht 10. 12. Oekonom, Verwalter des Kirchenvermogens 226. 245 .. 391 . 531 . - KlosterOekonom 680. Oekumenische Konzilien, s. Konzilien. Oekumenizitlit der Kirche 210. 694. Oe1ung, letzte 447. 684. Oesterreichisch-ungarische Monarchic 715. 722. Omoforion 381. Orden, s. Basilianer. Ordination, s. Cheirotonie. Organe zur Verwaltung der heiligen Hand1ungen 448 f. Organismus, kirchlicher 214 ff. Ostiarii 242 2" . Otto, Konig von Griechenland 487. Ottomanisches Reich 133. 715. Osius, Bischof von Korduba 85. 94. Pachomius der GroBe, Begriinder des Monchtums 650. 651. 674. Plidobaptismus (Kindertaufe) 428. 555. Paisius von Alexandria 120. Panagia 381. Pandekten justinians 125. Papa 244. Paphnutius von Theben 85. Papst von Rom, seine Stellung im Abendlande 174. 175. 714. Parabolanen 681. Paramonarien 421 . 428. Paratitla (Collectio constitutionum ecclesiasticarum) 177. Parekklesiarch 679. Paritlit der im Staate anerkannten Religionsgesellschaften 721. Parochie, Bischofssprengel 298; - Pfarrsprengel, s. Pfarre. Parokonom 680. Partikularkirchen (autokephale Kirchen), Selbstlindigkeit derselben, historische Entwicklung 301 ; - Organisa~ion derselben, historisch-kanonische Obersicht 302 ff; - gegenwartige Lage 307 ff.

737
Partikularsynoden 90 ff. 317 ff. Paschasinus 88. Pastoralkonferenzen 373. 404 ff. Pastoraltheologie 18. Paterissa 381. Paten bei der Taufe 556; - die Ehe derseben mit dem Taufling verboten 614. 636. Patriarchalexarchen 329. Patriarchalgericht 476. Patriarchalsynoden 320 ff. Patriarchate 299; - orientalische 306; von Tirnovo 306; - von lpek 307 ; von Moskau 119. 193. 308. Patriarch en 326; - Entstehung 243; Privilegien 121 ; - Rechte derselben 327; - Einsetzung derselben nach den atteren Norm en 328; - Stellvertreter derselben 329. Patriarchen, orientalische, die von denselben erlassenen kanonischen Vorschriften 115 ff. Patriarchenstiihle, Zahl derselben 120. Patrimonium ecclesiae 549. Patronalsrecht in der Bukowina 539 ' Paulus von Theben, Begriinder des Mt>nchtums 650. Paulus Lancelottus 22. Paulus von Samosata 100. Pawlow Alexius 24. Peculium ecclesiae et clericorum 549. Pedalion 189. Pension, s. Ruhegehalt. Periodeuten 244. 400. Pers5nlichkeit, juristische 536. Peter der GroBe, Kaiser von RuBiand 137. 139. Petritzi Ignatius 198. Petrus von Alexandria 102. Petrus, Chartophylax 122. Pfarre 298. 407; - gegenwartige Lage 412. ff. 531. Pfarrepitropien 227. 429 ff. 533. Pfarrer 407; - Bestellung derselben 409 ff.; - Erfordernisse 411 f.; - Rechte und Pflichten 118. 417 ff.; - amtliche Tatigkeit derselben 422 ff. ; - Rechtsverh!Itnisse 416; - Verhaltnis zu der Gemeinde 222. 417; - Gehilfen und Stelvertreter derselben 425; - Unterhalt 543 ff. Pfarrerswahlen 412 ff. Pfarrgeistlichkeit 406. 543. Pfarrgemeinderate, s. Epitropen. Pfarrhauser 547. Pfarrkirche 406. Pfarrkonkurs 411. Pfarrkontribute 545. Pfarrlinge 417. 421. Pfarrmatrikeln 379. Pfarrvermt>gen 429. Pfarrverweser 427. Pflicht, eheliche 586. 597. 626. Philosophisches (natiirliches) Kirchenrecht 13. 16. 47

738
Philotheus, Patriarch von Konstantinopel
119. 359.

Register. guellen 121 H.; - Anwendung der Rechtsquellen 56 ff. Quellensammlungen 151 H. Quesnel Paschasius 171. Quinisextum concilium 88. Quintinus Heduus johannes 202. Ratio legis 66. Rationabilitat des Gewohnheitsrechts 47. Raub, als Ehehindernis 619. Realinjurien gegen Geistliche 247. Rechnungslegung durch die Administratoren des Kirchengutes 227. 532. Recht, kanonisches 8; - gottliches 9. 79 ; - allgemeines u. besonderes 9 - r6~isches 19; - hebraisches 20; ' - slavtsches 20; - Verhaltnis des weltlichen zum kirchlichen 9. 50 ft. 713. Rechte, personliche, der obersten Bischi>fe in den hetttigen autokephalen Kirchen 335 ft. Rechtsanalogie 68. RechtsbUcher justinians 124 ff. Rechtsfllhigkeit, biirgerliche der Kirche 522 ff. ' Rechtsphilosophie 19. Rechtsquellen 56 ft. Referendar 391. Regtement, geistliches, Peters des Gro6en
137.

Photius, Patriarch von Konstantinopel 98.


101. 181.

Pitra johannes Baptista 203. Plaketus von Antiochia 93. Platon von Moskau 140. Pneumatikos pater 563. 679. Poenae medicinales u. vindicativae 502. Politische Fragen, Beteiligung des Klerus daran 118. 120. 250. Polyandrie 576. Polygamie 576. 642. Positives Recht 9. Pat~s~as magisterii 220. 232. 235 ; - ordmts 220. 233. 235; - jurisdictionis 221. 227. 233. 235. Prasentantionsrecht 538. Pravila, rumli!lische Kanonensammlung 1~; - russtsche 203; - serbische 204. Predtgt 384. 419. 439. Presbyterai-Rat 233. 390. 395. Presbyterat 238. 241. 244. Presbyteri 251. Priesterschaft 215. Priesterseminarien 255. 372. Priesterweihe 271. 374. 447. Primaten 243. Primas von Rumanien 334. Primo-secunda Synodus von Konstantinopel 98. Prisca canonum translatio 170. Privatgottesdienst 375. 407. Privatrecht 10. Privatvermogen des Klerus 549. Privilegien 69. 72. 141. Prochiron Basilius des Mazedoniers 128.
194. 509.

Promulgation der Kirchengesetze 62. 292. Prophanierung der gesegneten Orte 571 - der heiligen Sachen 572. 573. ' Protekdikus 121. 245. 391. Protestanten 558. 715. Protestantische Kirche 289. 559. 716. Protodiakon 244. Protokanonarch 679. Protopresbyteralgericht 472 f. Protopresbyterat 298. Protopresbyteri 245. 391. 400 ff. Protosynkellos 246. 337. 380. Prozessionen 375. ProzeBverfahren, kirchliches 476 ff. Priifungszeit (Novizia) 653. 662. Psalten 242. 421. 427. Psellus Michael 184. Pseudo-isidorische Dekretalen 173. Putativehe 647. Quarta Falcidia 525. Quellen des Kirchenrechts 37 - im allgemeinen 38 ff.; - im bes~nderen 74 - allgemeine 75 ff.; - erganzend~ 113 ff.; - besondere 131 ff.; - Hilfs-

Religionsfreiheit 721. Religionslehrbiicher 373. 445. Religionslehrer 373. Religionsunterricht 373. 419. 440, Religionsverschiedenheit, Ausbildung des Ehehindernisses 621. 643 ff. Religionswechsel 721. Reliquien, heilige 566. 568. Repu~ium, libellum repudii 578. 630. Rescnptum declaratorium in der Karlowitzer Metropolie 142. Residenzpflicht 382. 422. 547. Resignation auf Kirchenamter 281. Reskrip!, Allerhtlchstes, vom 10. August 1868 m der Karlowitzer Metropolie 144. Responsa prudentium 55. Rhasophoren 657. Richter, kirchliche 471 ff. RitualbUcher 449. Rtimisches Recht 19. Romisch-katholische Kirche 99. 289. 559.
714.

Rom, autokephale Kirche von 304. Ruhegehalte der Geistlichen 551. Riige 502. Rumanien, autokephale Kirche 120. 132. 1!?5. 314 ; - Synode 343; - Wahl und Emsetzung des Primas 334 - Wahl und Einsetzung der Bischofe 365 VikarbischOfe 389;- Pfarr-Organis~tion 415; - Pfarrepitropien 433 - Ehejurisdiktion 487. ' Rumanisch.e Kanonen-Sammlungen 197 ff, Rundschre1ben 297. 458.

Register. RuBiand, Bekehrung 193; - Patriarchat 119. 193. 308; - autokephale Kirche 131. 137. 308; - Synode 120. 340; Hilfsiimter der Synode 341 ; - OberProkuror als Vcrtreter des Kaisers in der Synode 139. 341 ; - Lehr-Komite 341; - Zensur-Komite 341; - der Metropolit von Petersburg 331; - Wahl und Einsetzung der Bischofe 365; Vikarbischofe 389; - geistliche Verwaltungsorgane in den Eparchien 396; - Eparchial-Versammlungen 398; Pfarr-Organisation 413; - Pfarrepitropien 430; - Siikularisation der Kirchengiiter 530. Sabbas, der Gesegnete 653. Sabelius 100. Sachen, heilige, geweihte u. gesegnete 572. Siikularisation der Kirchengiiter 530; der KWster in RuBiand 671 ~. Sakellarius 245. 391. 672. Sakellion 245. 391. Sakkos 381. Sakramente 447. Sakrilegium 370. 494. Sa!!lmlungen des Kirchenrechts, allgemeine Ubersicht 157; - I. Peri ode bis zum Mailiinder Edikt 159 ff.; - II. Peri ode: rein kanonische Sammlungen 166 ff. ; kirchlich-weltliche Sammlungen 176 ff. ; - III. Periode 183 ff. Sanktion der Gesetze 4. Sardica (Sophia), Synode von 93. Sawa hi., serbischer Erzbischof 192. 195. 654. Schaguna, rumiin. Metropolit 199. Schenkungen 526. Schenkungsurkunde des Kaisers Constantinus 195. Schiedsgericht (jus arbitrii) 466. 477. Schiedsspriiche, bischofliche 477. Schisma 490. Schismatiker 558. 685. 720. Scholastica 656. Scholasticus johannes 50. 100. 169, 176. 179. Schrift, heilige, als Quelle des Kirchenrechts 38 f. 75 ff. Schulen, theologische 255. 372; - weltliche 373; - Elementarschulen 441; in den K!Ostern 255. Schulunterricht, EinfluB der Kirche auf denselben 373. 441. Schutzrecht des Staates 527 ff. 701. Schwiigerschaft (affinitas) 610; - Zahlung der Grade 611 ; - Grundsatz fiir das Ehehindernis 612; - Schwiigerschaft in drei Familien 613; nachgebildete Schwligerschaft (quasi affinitas, affinitas ficta) 616. Schwiingerung der Braut, als Ehehindernis 598.

739
Sedisvakanz 387; - Verwaltung der Eparchie wiihrend derselben 387. Seeleniimter 687. Seelsorge 118. s. Pfarrer. Segnungen, s. Benediktion. Selbstiindigkeit der Kirchen- und Staatsgewalt 694. Selbstmorder, Begriibnis derselben 685. Selbstverstiimmler 268. Seligsprechung, s. Kanonisation. Semiarianer 92. Seminarien 255. 372. Sendschreiben der Apostel 76; - der hi. Vater 100; - der orthodoxen orientalischen Patriarchen 78. 222. 442. Serbien, autokephale Kirche 120. 314; Synode 342; - das groBe geistliche Gericht 343; - Wahl und Einsetzung des Metropoliten 333;- Wahl und Einsetzung der BischOfe 365 ; - das Eparchialgericht 154. 393. 394; - PfarrOrganisation 413;- Pfarrepitropien 430. Sergius I., Patriarch von Konstantinopel 181. Sergius III., Patriarch von Konstantinopel 115. Siebenbiirgen, s. Hermannstadt. Simeon I., Patriarch von Konstantinopel 119. Simeon, Magister und Logothet 168. Simeon von Thessalonica328. 354. 360. 590. Simonie 109. 110. 490 ff. Sinai, autokephales Erzbistum 121. 311. 366; - Wahl und Einsetzung des Erzbischofs 331. Sinkelloi 246. Siricius, Papst 172. Sisinnius, Patriarch von Konstantinopel (Tomus Sisinnii) 194. Skenophylax 245. 391. Sklaven 265. Slavisches Recht 20. Slavonien 723. Soldaten, Unfiihigkeit zur Ordination 265. Sonntag 574. Sonntag der Orthodoxie 501. Sophiakirche, Synode 98. Spiel 248. Spiridion von Cypern 85. Staat, Enstehung 692; - und Kirche 691 f. Staatsgewalt 63. 695. 708. 710. Statsoberaufsicht fiber das Kirchenvermogen 529. 530. 532. Staatsreligion 721. Staatsunterstiitzungen fiir den Unterhalt des Klerus 541. Stand, geistlicher 215; - ein Ehehinder~ nis 598. Standesrechte und Standespflichten der Geistlichen 246 ff. Stationes fisci 520. Statistik, kirchliche 18. Statuten der Genossenschaften 458. 683; - der KlOster 652 f. 47*

740
Stauropegial-Kioster 672. 675. Stauropegion 327. 670. 672. Stellvertretung auf den allgem. Konzilien 294. Stephan von Ephesus 167. 185. Stephan, Ungro-walachischer Metropolit 198. Stephan, Fiirst von Rum ani en 197. Stephan, Bischof von Salona 171. Sterbematrikeln 423. Steuerfreiheit des Kirchengutes 528. Steuern, kanonische 541. Stiftbrief 537. Stifterrecht 119. 535 ff. Stiftungen, fromme 525. Stolgebiihren, s. Epitrachelgebiihren. Strafen, kirchliche, W esen derselben 498 ; - fiir Laien 499; - fiir Kleriker 502; - Verhiingen derselben 507; - Er!Oschen derselben 509. Strafgerichtsbarkeit 489. Strafmittel, kirchliche 496 ff. Strafrecht, kirchliches 489 ff. Strafverfahren 507 ff. Stunden, geheiligte 573. Subdiakonen 242. 572. Subintroductae (concubinae, agapetae) 249 21, Subjekt des Eigentums am Kirchengute 519; - der Kirchengewalt 231 ff. Sukzession, apostolische (hierarchische) 288 Sukzessionsrecht der Kirche 524. . Summarisches Verfahren 483. Siinde, Urteil iiber dieselbe 375. Suspension 503 511. Swiatoslaw, Bulgarenfiirst 192. 193. Sylvester, Papst 85. 173. 195. Symbole, orthodoxe 442. Symbolische Biicher 79. 442. Synagoge canonum 169. Synodalbeschliisse als Rechtsquellen 90 ff. Synoden 90 ff. 455 f. ; - permanente 338 ff. ; - periodische 342 ff. Synodikon des Beveregius 202. Synopsis canonum des Stephanus von Ephesus 167. 168. 185; - des Michael Pselus 184; - des Monches Arsenius 188. Syntagma, athenisches 200; - alphabetisches des Blastares 188. System des Kirchenrechts 21 ff. Systema consistoriale fiir die Karlowitzer Metropolie 143. Tarasius, Patriarch von Konstantinopel 60. 89. 90. 99. 109. 183. Taufe, rechtliche Bedeutung derselben 553; - Form und Materie derselben 554. 559; - Minister derselben 555; - bedingte 556. Taufmatrikeln 423. 557. Taufpaten 588; - von der Patenschaft ausgeschlossene Personen 556; - geistliche Verwandschaft derselben 615.

Register. Taxiarch 679. Territorialsystem 700. Tertullian 49. Testament, altes 75; - neues 76. Testierfreiheit der Geistlichen 549. Tetragamie 115. 600. 643. Theodorus Balsamon, s. Balsamon. Theodorus Bestes 186. Theodorus Studita 653. 655. 66'7. Theodosius I., Patriarch von Konstantinopel 118. Theodosius 1., Kaiser 86. 528. 705. Theodosius II., Kaiser 87. 123. 528. 703. 707. Theodosius, Monch 122. Theodosius von Kiew 654. Theologie 17. Theologische Lehranstalten 255. 372. Theophan Prokopovicz, Erzbischof von Pskov 137. Theophilus von Alexandria 95. 107. Thesalonica, Erzbischof . von 322. Tiberius, Kaiser 19. Tillet, joh. de 201. Timotheus von Alexandria 105. Tirnowo, bulgar. Patriarchat von 306. Titularbischofe 279. 388; - in Rumanien 343. 389. s. Vikarkischiife. Tod, kanonische Vorschriften iiber die sterbenden Christen 683 ff. Todte Hand, s. Amortisationsgesetze. Toleranz, religiOse 718; - Einteilung derselben 719; - staatliche 721. Toleranzpatent Josephs II. 716. Tomus unionis 115. Tonsur beim Eintritt in den Klerus 270; - beim Eintritt in den Monchsstand 375. 663. Tradition, als Quelle des Kirchenrechts 42. 49. 78. Translatio prisca 170. Trauerjahr 603. Trauung 594. Trauungsmatrikeln 423. Trauzeugen 595. Trikirien 381. Tripartita collectio 177, 182. Trullanisches Konzil 88. Trunkenheit 248. Tiirhiiter 428. Tiirkei 132. 347. 715. Uebung, s. Gewohnheitsrecht. Uebertretungen der Geistlichen 472. Uneheliche Kinder 266. 627; - Legitimation derselben 628. Unfiihigkeit zur Leistung der ehelichen Pflicht, als Ehehindernis 586. 597. 637. Unfehlbarkeit der Kirche 210. 295. 297. Ungarn 152. 486. 648. 715. 723. Ungeschriebenes Recht 9. Ungro-walachischer Primas 343. Ungetaufte, Unfahigkeit derselben zur Ordination 258.

Register. Unglaubige 441. 557. 685. 717. 719. Unierte 720. UnterRalt des Klerus 531 . 539; - der Bischofe und der Kirchenwiirdentrager 541 ff. ; - der Pfarrgeistlichkeit 543 ff. Unterkunft der Geistlichen 547. Unterricht, EinfluB der Kirche auf denselben 373. 441. Uniiberwindliche Abneigung, als Ehetrennungsgrund 637 f. Unzucht 619. Vater hi., Kanones derselben 88. 99 ff. Valentinian II., Kaiser 528. 752. Valentinian Ill., 123. 707. VerliuBerung des Kirchengutes 534. Verbot der Verwaltung heiliger Handlungen auf bestimmte Zeit (suspensio) 503 ; - bestimmter heiliger Handlungen (suspensio specialis) 503. Verbrechen, s. Delikte. Verbreitung der christlichen Lehre 439 ff. Verbrennung der Leichen 685. Verfahren, gerichtliches 476 ff. Verfassung der Kirche 205 ff. Vergehen der Geistlichen 472. Vergeudung des Kirchengutes 534. Verhliltnis zwischen Kirche und Staat 689. 696 ff. 713 ff. ; - der Kirche zu den Ubrigen Religionsgesellschaften 764. Verhllngen der Strafen 507 ff. Verkauf von Kirchengut 535. Verleihung der Kirchenlimter durch Simonie 491. VerlObnis 587; - begriindet die Anklage wegen Ehebruches 588; - als Ehehindernis 602. 616. Verlust q,::s Rechtes zur Verwaltung einer hi. Handlung 504. Vermlichtnisse zu frommen Zwecken 525. Vermengung der Namen 612. 614; - des Blutes 608. Vermogen, Eigentum am Kirchengute 517 ; - Subjekt des Eigentums 519; - Besitzrecht der Kirche 516; - Erwerbung dir Kirchengiiter 522 ff. ; - Vorrechte des Kirchengutes 527 ff.; - Verwaltung desselben 226. 531 . ff. - Gebahrung mit demselben 226; - Verwendung desselben 533 f.; - VerliuBerung desselben 534; - Bestandteile 515; - Beaufsichtigung durch die Staatsbehorden 532. Vermogen des Klerus 548. Vermogensrechte, kirchliches 516 ff. Verordnungen bischofliche 456. Verschiedenheit der Religion, als Ehehindernis 621. Verschollenheit, als Ehetrennungsgrund 637. Versetzung der BischOfe 369;- der Geistlichen 502. Versio Isidoriana 170; - prisca 170. Versorgung dienstuntauglicher Geistlicher 551.

741
VerstoBung aus dem geistlichen Stande 497. Verstiimmelung 268. Verteidiger des Ehebandes 485. Verurteilung religionswidriger Biicher 445. Verurteilung wegen eines Verbrechens, als Ehehindernis 602; - als Ehetrennungsgrund 637. Verwaltung der Kirch~, allgemeine Obersicht 437 ff.; - der Lehre 438 fl.; der heil. Handlungen 447 ff. ; - des Kirchengutes 226. 515. 531 ff.; - der Eparchie wlihrend des Sedisvakanz 387. Verwandtschaft, Blutsverwandtschaft 604; - Einteilung 604; - Aszendenten, Deszendenten und Seitenverwandte 605; Berechnung der Grade 607; - geistliche Verwandtschaft 614; - Ausbildung des Begriffes 615; - Bestimmung der Basiliken 615; - Grenze des Ehehindernisses 616. Verweis, s. Riige. Verwendung des Kirchengutes 533 ff. Verzicht auf geistl. Dienst 281. Verzichtleistung der BischOfe 87. 108. 282. Vikarbischofe 279. 343. 388. 389. Viktor, plipstlicher Legat 85. Vincentius Presbyter, plipstlicher Legat 85. Vincentius Lirinensis 78 . 439 ' Vinzenz jovanovich, Metropolit 143. 153. Visitationen durch die Bischofe 379; durch die Bezirksprotopresbyteri 403. Visitationsbericht 379. 403. Vitalis von Antiochia 92. Voellus et Justellus 202. Volk, Hiiter der Rechtgtaubigkeit der Kirche 222; - Rechte desselben in kirchlichen Angelegenheiten 221 ff. Vormund, Konsens zur Ehe 586. 597. Vorrechte des Kirchengutes 527 ff. Vulgata 77 2 Wahl der BischOfe 355; -in alterer Zeit 355 ff. ; - in der Gegenwart 365 f. ; der Pfarrer 413 f.; - der Pfarrepitropen 429 ff.; - der Klostersoberen 677. Wahnsinn, als Ehetrennungsgrund 637. Waisenhliuser 521. 525. 533. Wallachei 314. Weihe, hohere, als Ehehindernis 598. s. Cheirotonie. W erke der Quellen und Sammlungen des Kirchenrechts 200 ff. Wiederbesetzung der Bischofsitze 387. Wiedertaufe 553. Wiederverheiratung getrennter Ehegatten 641. Wirkungskreis der Kirchen- und StaatsGewalt 710 ff. Wissenschaftliche Bildung, Erfordernis fiir den Eintritt in die Hierarchie 252 ff. Wladimir, russische Provinzialsynode daselbst 192. W ohltlitigkeitsanstalten 528. 532. 682.

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Wucher 248. 268. Wiirdtmtrager, kirchliche 245; halt derselben 543.
j

Register.
Unterder Taufe 556; 488.

in Ehestreitigkeiten

Zachariae v. Lingenthal 24. 203. Zauberei 116. 268. Zbomik pravila 196. Zehnten 522. 545. Zeit, verbotene, fiir die EheschlieBung 592. Zeiten, geheiligte 573. Zeno, Kaiser 362. 528. Zensur, geistliche 445. Zentralorgane in den gegenwartigen autokephalen Kirchen 338 ff. Zeremonien 450. Zeugen vor dem kirchlichen Oeric hte 482; - bei den EheschlieBungen 595; - bei

Zivilehe 486. 596. 648; - Stellung der Kirche zu derselben 596. 648; - obligatorische 486. 648; - fakultative 648 ; - Notzivilehe 648. Ziviljurisdiktion im Patriarchate von Konstantinopel 347. 469. Zivilkontrakt, VerhlUtnis zum Ehesakrament 579. Zonaras johannes 68. 123. 185. 280. 284. 363. 382. 384. Zwang 507; - als Ehehindernis 601; beim Oeliibde 661. 664. Zweikampf 685. Zweite Ehe 266. 284. 642.

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