Leben Und Tod Im Alten Peru - Einleitung
Leben Und Tod Im Alten Peru - Einleitung
Inhalt
Impressum
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Mesoamerika
Andengebiet
Karte Andengebiet
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Karte Mesoamerika
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Chronologie
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Objektkatalog zu Mesoamerika
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Literaturliste zu Mesoamerika
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Danksagungen
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Einleitung
Die Kulturrume der vorspanischen Gesellschaften des Andengebietes, die die heutigen Staaten Bolivien, Ekuador und
Peru umfassen, sind durch die unterschiedlichen Klimazonen,
einer tropischen Landschaft am Ostabhang der Anden, einem
von tief eingeschnittenen Tlern durchzogenen Hochland bis
zur Kste, einer der trockensten Wsten der Welt, geprgt. Die
groen klimatischen Gegenstze haben eine auergewhnliche Landschaft und Artenvielfalt sowie mannigfaltige regionale Kulturen zur Folge, wie sie auf der Erde so nur selten zu
finden sind.
Die vielfltigen geographischen und kologischen Bedingungen des Andenraums stellten fr ihre Bewohner eine Herausforderung dar. Nur durch eine uerst geschickte, an die
heterogenen Begebenheiten angepasste Nutzung der verschiedenen Naturrume und kologischen Nischen konnten sie
ihre Subsistenz sichern. Auerdem waren diese unterschiedlichen geographischen Bedingungen immer wieder Anlass fr
die regionalen Gesellschaften, transversale Beziehungen zwischen diesen unterschiedlichen kologischen Nischen herzustellen und in grorumigen Austauschprozessen zu agieren,
die vom Regenwald bis zur Kste reichen konnten.
Der unterschiedliche Zugang zu Wasser und schlielich
auch die ungleiche Wasserfhrung der Flsse in den nrdlichen und den sdlichen Anden spielten sptestens seit dem
bergang vom Archaikum zum Formativum (ca. 3.000 v.Chr.)
eine entscheidende Rolle in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Anden sowie in der Herausbildung von
Glaubensvorstellungen. An der Kste entstanden mit der
Valdivia-Kultur im heutigen Ekuador im 4. Jahrtausend v.Chr.
die ersten Siedlungen von Fischern und Bauern sdlich des
Golfes von Guayaquil.
Als erste Stadt Amerikas und damit auch der andinen
Kulturen gilt jedoch Caral im Supe-Tal an der zentralen Kste
Perus (ca. 3.000 v.Chr.). In Caral wird sehr deutlich, dass es
sich um eine sorgfltig geplante Anlage handelt, wie an der
streng symmetrischen Organisation des Raums und der Anordnung von Baukomplexen entlang einer Achse deutlich
wird. Architektonische Elemente wie die vertieften Rundpltze sowie die Kammern mit zentralen Feuerstellen sind typisch
fr Caral. Ihre Ursprnge gehen auf das Spte Archaikum zurck. Caral ist zu einem Zeitpunkt gegrndet worden, die der
Keramikproduktion vorausging, und ist ein Beispiel fr die
frhe Entstehung komplexer Kulturen an der Kste Perus, die
auf dem Anbau von Pflanzen wie Bohnen, Skartoffeln und
Avocados, besonders auch aber auf der Nutzung der reichen
Meeresressourcen der Region beruhten.
Mit der Ausbreitung des Mais und der Entwicklung von Be12
wsserungs- und Terrassenanlagen sowie von Filtrationsgalerien konnten ab etwa 1000 v.Chr. Kstenregionen, Hochtler
und die steilen Abhnge des Hochlands landwirtschaftlich genutzt werden. Die Planung und Konstruktion von Systemen
knstlicher Bewsserung, die an der Nordkste Perus mehrere
Tler berspannen konnten, ist nur mit der Entstehung komplexer Gesellschaften und Staaten zu erklren. Ab etwa 2000
v.Chr. entstanden Siedlungen mit groen Plattformanlagen
wie zum Beispiel Sechn im Casma-Tal, Peru, die hufig dort
angelegt wurden, wo Bewsserungskanle von den Flssen abzweigten. Diese Anlagen weisen komplexe Ikonographien mit
Wesen auf, die durch Reizhne und andere Attribute als
Felide gekennzeichnet sind. Gleichzeitig verbreiteten sich in
dieser Zeit neue Technologien wie Tpferei und Weberei. Im
Hochland griff die Chavn-Kultur, benannt nach dem zentralen Fundort Chavn de Huantar im Callejn de Huaylas, Peru,
mit ihren Monumentalbauten und ihrer neuartigen Ikonographie Elemente der Kstenkulturen auf und entwickelte sie weiter. Keramik-Gefe und Steinskulpturen zeigen tierische und
tierisch-menschliche Mischwesen, hufig mit Felidenelementen. In dieser Zeit breitete sich auch die Kenntnis der Metallurgie aus.
Ab etwa 200 v.Chr. folgten Kulturen wie die von Paracas,
Nasca und Moche an der Kste mit ihrer berreichen Ikonographie auf Textilien, Keramiken, Gold- und Silberobjekten
sowie Wandmalereien und Reliefs, mit denen die Bauten ausgestattet wurden. Die Moche-Kultur an der Nordkste wurde
durch eine sehr komplexe Gesellschaft mit einer abgehobenen
Elite getragen, die ber staatenhnliche Einheiten herrschte
und auch Expansionsbestrebungen hatte. Die unterschiedlichen regionalen und berregionalen Gesellschaften interagierten miteinander und beeinflussten sich whrend der
folgenden Jahrhunderte kulturell, politisch und auch wirtschaftlich. Die einzelnen Regionen waren durch Handels- und
Austauschbeziehungen miteinander vernetzt. Nachfolgende
Kulturen an der Nordkste mit Zentren in Batan Grande und
Lambayeque behielten einen hohen Grad an Komplexitt bei
und zeichneten sich besonders durch eine intensive Nutzung
von Metallen, hauptschlich fr Schmuck und religise Objekte, aus.
Im Hochland entwickelte sich von 600 n.Chr. am Titicacasee die Tiahuanaco-Kultur mit Grobauten und einer eigenen
religisen Ikonographie, die um die sogenannte Stabgottheit,
ein frontal dargestelltes Wesen mit einem Strahlenkranz um
den Kopf und einem oder zwei Stben in den Hnden, kreiste.
Im zentralen Hochland Perus entstand, offenbar inspiriert
durch aus Tiahuanaco stammende religise Vorstellungen, der
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine berschussproduktion, die eine zunehmende soziale Arbeitsteilung erlaubte, durch die ein Groteil der Bevlkerung von der Nahrungsmittelproduktion befreit werden konnte, Voraussetzung
fr eine staatliche Entwicklung und die Grndung urbaner
Zentren war. Diese von der Nahrungsmittelproduktion freigestellte Bevlkerung konnte sich stattdessen spezialisierten
Ttigkeiten wie dem Handwerk und dem Handel widmen. Zu
betonen ist jedoch, dass diese Charakteristika in den verschiedenen Regionen der Anden recht ungleich verteilt waren. All
diese Entwicklungen waren weder homogen noch von linearem Charakter, sondern vielmehr von groen Unterschieden
und Diskontinuitten begleitet.
Den altamerikanischen Glaubensvorstellungen zufolge verdankten die Menschen ihr berleben den Gottheiten, die sie
in den Naturelementen manifestiert sahen. Die bernatrlichen Wesen machten den Menschen den Reichtum der Natur zum Geschenk und lenkten deren Geschicke. Als Gegenleistung waren die Menschen ihnen Verehrung und vor allem
Opfer schuldig. Um das allumfassende Gleichgewicht zu erhalten, musste dieses reziproke Verhltnis unter allen Umstnden aufrechterhalten werden. Eine Aufgabe oder auch nur Vernachlssigung der betreffenden Rituale wrde zwangslufig
den Zorn der Gottheiten hervorrufen. Dies bedeutete Drren,
berschwemmungen und Erdbeben, gefolgt von Hungersnten und Krankheiten. So opferten die Menschen regelmig
Schpferwesen, Gestirnen und den vielen anderen bernatrlichen Wesenheiten, die ihnen vor allem Fruchtbarkeit bringen
sollten. Dazu gehrten neben Nahrungs- und Trankopfern
auch die Opferung von Tieren und als hchste Gegengabe die
von Menschen.
Das reziproke Weltverstndnis zeigt sich auch im Handwerk, in der Weberei, der Tpferei sowie in der Architektur. In
der Ikonographie der Textilien, der Keramik und der Steinund Metallobjekte, auf den Gefkrpern sowie bei U-frmigen Strukturen und vertieften Rundpltzen in den urbanen
und religisen Zentren standen sich Elemente gegenber, die
sich wiederholten, einander spiegelten und ergnzten. Auch
die Abhngigkeit von den Mchten der Natur, die Fruchtbarkeit oder Zerstrung bringen konnten, findet ihren bildlichen
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Ausdruck. So sind mchtige Tiergestalten wie Feliden, Raubvgel und Schlangen, aber auch Mischwesen, die die verschiedensten Eigenschaften der Tiere mit dem Gttlichen verbinden, charakteristisch fr die andine Ikonographie. Die Objekte, die die Menschen produzierten, sind daher Ausdruck einer
Religiositt und geben trotz ihres offensichtlichen Realismus
nur scheinbar die Natur und den Alltag der Andenvlker
wieder. Vielmehr sind sie Ausdruck der kosmologischen Vorstellungen komplexer, staatlich organisierter Gesellschaften
mit z.T. sehr groen stdtischen und religisen Zentren, deren
Priester-Herrscher Reprsentanten dieser durch den Dualismus von Leben und Tod gekennzeichneten Kosmologie
waren.
Die Grber von Angehrigen der Elite, Mnner und Frauen, sind in diesen theokratischen Gesellschaften uerst reprsentative Rume, die die kosmologischen Vorstellungen widerspiegeln. Viele der hier gezeigten Objekte stammen vor allem
aus Grabzusammenhngen. Die genaue Herkunft ist hufig
nicht bekannt, da die meisten Objekte, die sich heute in den
Museen befinden, ber den Kunstmarkt dorthin gelangt sind.
Erst seit der zweiten Hlfte der 1980er Jahre, als in Peru immer
wieder neue spektakulre Grabfunde gemacht wurden, knnen wir uns genauere Vorstellungen darber machen, wie die
kosmologischen Vorstellungen der frhen Andenbewohner in
Raumkonzepte und mit einer bestimmten Anordnung von
Grabbeigaben bersetzt worden sind und wie sie mit ikonographischen Darstellungen auf Gefkrpern beispielsweise
der Moche-Keramik oder auf Textilien korrespondierten.
Deutlich wird, dass das Grab einen Raum des bergangs bzw.
der Transition darstellte, der es beispielsweise in der MocheGesellschaft dem Bestatteten ermglichen sollte, mglichst
leicht in die Nachwelt zu gelangen. Verbunden mit der Herrschernachfolge in der Welt der Lebenden garantierte dieser
bergang nicht nur den bestndigen Kreislauf von Leben, Tod
und einem Dasein in der Nachwelt, sondern auch den Erhalt
der politischen Macht.
Wenn wir also heute in dieser Ausstellung Objekte andiner
Kulturen betrachten, so handelt es sich dabei in groen Teilen
um Gegenstnde, die in der Absicht hergestellt wurden, die
Toten zu ehren, mit jenseitigen Welten Kontakt aufzunehmen
und dem Diesseits grundlegende Botschaften ber die Ordnung der Welt zu hinterlassen. Dabei spiegeln sie in Formen
und Darstellungen die Vielfalt und den Reichtum der andinen
Welt und ihrer Jahrtausende alten Kulturen wider.
Karoline Noack und Peggy Goede
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Verwendete Literatur
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Canziani Amico, Jos: Ciudad y territorio en los Andes: contribuciones a la historia
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Makowski, Krzyztof (ed.): Seores de los reinos de la luna. Lima 2008.
Nowack, Kerstin: Das Inkareich. In: Schtze der Anden: Die Inka-Galerie und
die Schatzkammern im Museum fr Vlkerkunde Hamburg. Mitteilungen aus
dem Museum fr Vlkerkunde Hamburg, Neue Folge 37. Hamburg 2006,
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Nowack, Kerstin: Lebensformen im Umbruch: Yns Yupangui zwischen Inkareich
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Quilter, Jeffrey and Luis Jaime Castillo Butters (eds.): New perspectives on
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Townsend, Richard F. (ed.): The Ancient Americas: Art from sacred landscapes.
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