VO Heldendichtung
VO Heldendichtung
M I T T E L A LTE R L I C H E H E L D E N D I C H T U N G
Sommersemester 2005, Prof. Dr. Alfred Ebenbauer
Nibelungenlied
Gilgamesch-Epos
Die Heldenlieder der lteren Edda
Hildebrandslied
Helden sind meist Aristokraten, oft sogar gttlicher Abstammung und oft werden sie
nach einer nicht-natrlichen Zeugung geboren;
Der Held stellt die Tat ber eigene Interessen und scheut dabei nicht den eigenen
Untergang;
Hufig gibt es einen Stamm, der sich gegen andere behaupten muss;
Es gibt einen Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft; die
auergewhnliche Tat zerstrt die Gemeinschaft entweder oder sie frdert sie;
Die Motivation der Helden ist keine persnliche; sie entscheiden sich nicht individuell,
sondern sind vom Schicksal bestimmt;
Der Held ist ein Typus, kein Individuum; es gibt in der Heldendichtung keine sich
entwickelnden Figuren wie im Roman; (Im Nibelungenlied hingegen gibt es doch
differenziertere Figuren);
Es geht meist um einen Kampf bis zum Tod; und nach dem Tod des Helden leben die
Werte, fr die er steht, weiter;
Hegel deutet das Epos nicht nur literarisch, er ordnet dem Epos bestimmte Werturteile zu:
Es soll die Weltsicht eines Volkes objektiv darstellen, den Geist einer Nation umfassen.
Er spricht von epischer Totalitt und dem Epos als Knigsdisziplin der Dichtung.
Problematik der Fehler:
Es gibt Erzhlbrche, z.B. blinde Motive oder Brche in der Figurencharakterisierung
(als Beispiel die Kriemhild des Nibelungenliedes) das wird als Hinweis auf die
Volksdichtungs-Theorie gesehen.
Auch gibt es z.B. beim Nibelungenlied mehrere Schreiber, mehrere Fassungen, also mehre
Varianten der berlieferung; und selbst wenn ein Autor bekannt ist, gibt es oft
verschiedene Varianten.
Verschriftlichung bedeutet in jedem Fall einen Bruch in der berlieferung.
Herrn also in die Rinderhaut, der Vogel kommt und (eine Ironie des Schicksals) mchte
den Knappen statt des eingenhten Herren mitnehmen. Der Knappe aber scheucht den
Vogel von sich weg und versteckt sich damit sein Herr gerettet wird.
4. Heldentugenden?
Das Nibelungenlied wurde als pdagogischer Text eingesetzt, weil es in Verbindung mit
den Tugenden Vaterlandsliebe, Treue, Tapferkeit usw. gebracht werden kann.
Unter dem viel gebrauchten Begriff der Nibelungentreue versteht man, dass Hagen von
seinen Gefhrten nicht an Kriemhild ausgeliefert wird. Der Begriff der Germanentreue
wurde in der NS-Propaganda gebraucht; Treue sei ein Wesenszug der Germanen. Aber
gerade im Nibelungenlied gibt es auch sehr viele Handlungen der Untreue: Der
hinterlistige Mord an Siegfried; der Betrug im Zusammenhang mit der Werbung um
Brnhild.
Wie problematisch der Treuebegriff ist, zeigt sich besonders im Nibelungenlied an der
Figur des Rdiger: Er hat Kriemhild Treue geschworen und kommt dadurch in einen
Gewissenskonflikt, weil er gegen seine Freunde kmpfen muss um sein Versprechen
einzuhalten.
Auerdem ist eine Eigenschaft der Helden sehr oft ihre Hybris, also ihre berheblichkeit,
ihr Hochmut.
Und wie aktuell und problematisch das Thema Helden sein kann, zeigt auch die
Geschichte des Siegfried-Kopfes, der 1923 in der Aula der Universitt Wien aufgestellt
wurde als Erinnerung an die Gefallenen des 1. Weltkrieges und die Inschrift
Ehre/Freiheit/Vaterland trgt. Es gab immer wieder Proteste dagegen, bis er 1979 nach
einem Beschluss weggeschafft wurde und jetzt in einem Verschlag untergebracht ist.
Achill, der Held des trojanischen Krieges, wird von seiner Mutter Thetis unverwundbar
gemacht (sie hatte eigentlich vor, ihn unsterblich zu machen, was aber nicht gelang), indem
sie ihn in den Totenfluss hlt. Weil sie ihn dabei aber am Fu halten muss, bleibt die
sprichwrtlich gewordene Achillesferse verwundbar.
brigens ist bei Homer von der Unverwundbarkeit des Achill gar nicht die Rede; dieses
Motiv wird erst viel spter, in der rmischen Kaiserzeit, hinzugefgt.
Zwei Beispiele von Unverwundbarkeit aus Ovids Metamorphosen:
Kyknos hat seine Unverwundbarkeit als Geschenk seines gttlichen Vaters Poseidon
erhalten. Er wird brigens von Achill gettet, indem er erwrgt wird.
Caemus war ursprnglich ein Mdchen, das von Poseidon vergewaltigt wird; als
Entschdigung dafr will er ihm einen Wunsch erfllen. Das Mdchen wnscht sich, dass
ihm so etwas nie mehr passiert und wird in einen Mann verwandelt, der auerdem noch
unverwundbar ist. - Auch er wird bei einem Kampf gettet, indem er lebendig begraben,
also erstickt, wird.
Woher kommt das Motiv der Unverwundbarkeit?
Die Unverwundbarkeit ist stets eine bedingte Unverwundbarkeit, es gibt dabei also sehr
oft eine verwundbare Stelle.
Dass das Motiv der Unverwundbarkeit ein relativ sptes ist, wurde am Beispiel des Achill
bereits angedeutet. Auch Siegfried ist in der skandinavischen Fassung seiner Geschichte (er
heit dort Sigurd) nicht unverwundbar. Auch bedeutsam erscheint, dass viele
(unverwundbare) Helden letztlich durch einen Verrat sterben. (Siegfried dadurch, dass
seine Frau dem vermeintlichen Beschtzer Hagen die verwundbare Stelle verrt, und auch
Achill der in den unterschiedlichen Versionen auf unterschiedliche Weise gettet wird
kommt in manchen Fassungen letztlich durch einen Verrat um).
Als Indiz fr die spte Einfhrung dieses Motives kann auerdem gelten, dass immer von
der Rstung der Helden die Rede ist, ein Unverwundbarer aber eigentlich keine Rstung
brauchen wrde.
Man kann auch sagen, dass das Motiv der Unverwundbarkeit und der verwundbaren
Stelle nicht zuletzt die Spannung einer Geschichte erhht;
und vielleicht hat es in gewisser Weise auch mit Schadenfreude zu tun, dass ein
Unverwundbarer eine verwundbare Stelle hat, also auch groen Helden etwas passieren
kann.
Das Motiv der Unverwundbarkeit gibt es nicht nur in der Heldendichtung, sondern auch in
der Mythologie. Wie zum Beispiel bei der Geschichte aus der Edda ber den Gott
Baldur.
Kurz der Inhalt:
Dem Gott Odin wird weisgesagt, dass sein Sohn Baldur sterben wird. Die Gtter bitten
deshalb alle Dinge, dass sie Baldur nichts tun. Und alle Dinge schwren das auch. Nur die
Mistel wird zu fragen vergessen. Eines Tages, die Gtter sind bei einem Spiel, wobei
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Dinge herumgeworfen werden, gibt der hinterlistige Gott Loki einem blinden Gott einen
Mistelzweig. Der Blinde wirft ihn auf Baldur und ttet ihn damit.
Mit Baldur wird auerdem die Symbolik des Jahreslaufes verbunden (der sterbende
Gott).
Die Romantiker sahen eine Parallele zwischen Baldur und Siegfried dann aber wre die
Unverwundbarkeit ein uraltes Motiv;
Georges Dumzil (1898 - 1986), ein frz. Indogermanist, hat eine ganz hnliche Geschichte
im Kaukasusgebiet gefunden.
Daher die Theorie, dass beide (die Geschichte Siegfrieds und die Baldurs) und auch die
Geschichte Achills auf eine gemeinsame ltere Wurzel zurckgehen knnten.
(Achill also ursprnglich ein Gott?)
Himmelsstieres zu tun). Gilgamesch trauert um seinen Freund Enkidu und lsst von ihm
ein Bildnis aus Gold anfertigen.
In seiner Trauer wandert Gilgamesch durch die Steppe; er will Utnapischtin aufsuchen,
einen von den Gttern unsterblich gemachten Vorfahren, und nach Tod und Leben
fragen. Er durchwandert das Innere eines Berges und muss das Wasser des Todes
berqueren. Schlielich kommt er zu Utnapischtin und dessen Frau, der ihm von der
Sintflut erzhlt, die er mit den seinen als einziger berlebt hat. Utnapischtin sagt
Gilgamesch, wenn er es schafft, 6 Tage und 7 Nchte nicht zu schlafen, kann er das Leben,
das er sucht, finden. Gilgamesch aber schlft bald ein. Er erfhrt aber von einer Pflanze,
die ewige Jugend verleiht und will sie findet. Er findet sie auf dem Rckweg, aber eine
Schlange kommt und frisst die Pflanze auf (die Schlagen huten sich deshalb und haben so
ewige Jugend). Zuletzt kommt Gilgamesch wieder nach Uruk zurck.
2. KALEVALA Finnische Heldendichtung
Der finnische Arzt Elias Lnnrot sammelte ab 1828 finnische Volkserzhlungen und
Volksgesnge und schuf daraus ein groes Epos. Dem seit 1809 russisch beherrschten
Finnland wurde dieses Epos Symbol neuer Volksgewissheit.
Liedtheorie (gilt heute als berholt):
damit ist die Annahme gemeint, dass etwa auch das Nibelungenlied oder die Ilias auf
hnliche Weise entstanden wren, dass also ein Dichter viele einzelne kurze Lieder zu
einem Ganzen verbunden hat.
Auf diese Weise knnte erklrt werden, wie in schriftloser Zeit so lange Epen entstanden
sind. Die serbische Heldendichtung besteht auch heute noch aus einzelnen Liedern.
Eine Gegensichtweise zur Liedtheorie besteht in der Annahme, dass ein gesamtes Epos
mndlich improvisiert wurde und spter eine Fassung davon aufgeschrieben wurde.
3. Indische Heldendichtung:
MAHABHARATA
Mahabharata = das groe Werk ber den Kampf der Bharat.
Vielleicht die umfangreichste Dichtung, die es je gab; ca. 200.000 Verse;
in 800-jhriger Entwicklung entstanden, im 4. Jhdt. v. Chr. abgeschlossen;
in Sanskrit geschrieben (daher fr die Forschung des Indogermanischen bedeutsam);
Es geht dabei um den Kampf zweier groer Familien; dazwischen eingeschobene Episoden
und Lehrgedichte.
Theorie von Georges Dumzil:
Nicht nur Sprache kann rekonstruiert werden, sondern auch Mythologie und somit auch
Sozialsysteme.
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Z.B. dass es in den indogermanischen. Kulturen einen obersten Gott (der oft das Wort fr
Vater im Namen fhrt) gibt, also keine oberste Gttin.
an Stelle Achills, gert an Hektor (ein weiterer Sohn des Knigs Priamos) und wird dabei
gettet. Achill rcht seinen Freund indem er Hektor ttet und seine Leiche an den
Streitwagen gehngt um die Stadt schleift. Priamos bittet Achill um die Leiche seines
Sohnes und Achill gewhrt die Bitte. Das ist alles, was in Homers Ilias steht.
Alles andere ist durch eine Reihe von Epen, den zyklischen Epen (epischer Zyklus),
angegliedert, wie Der Untergang Trojas (Iliupersis) die selbst verloren sind, aber deren
Inhalt aus spteren Aufzeichnungen bekannt ist.
Es gibt einen Streit darber, ob die Odyssee ebenfalls von Homer stammt, und darber, ob
Homer berhaupt ein einzelner Dichter ist.
Der Zweifel betreffs des selben Autors begrndet sich in einer Unterschiedlichkeit:
Die Ilias konzentriert sich auf die Figur des Achill, seine Tragik, seinen Seelenkonflikt und
auf die Schilderung der Kmpfe.
Die Odyssee dagegen ist eher eine Abenteuergeschichte als eine Heldengeschichte.
Adorno und Horkheimer behandeln dieses Thema in ihrem Werk Die Dialektik der
Aufklrung in einem Kapitel ber die Odyssee. Sie sehen die Odyssee als den ersten
Roman, weil es dabei nicht um heroische Kmpfe geht, sondern um die List und Schlauheit
des Odysseus, also eher um brgerliche als um heroische Themen.
Neben der Geschichte des Odysseus gibt es noch eine Reihe anderer Heimkehrergeschichten aus dem Umfeld des trojanischen Krieges:
Die Geschichte Agamemnons, der von seiner Frau und ihrem Geliebten umgebracht wird.
Die Geschichte des Idomeneo, des Knigs von Kreta, der bei einem Seesturm dem Gott
Poseidon verspricht, das erste Wesen, das ihm bei der Ankunft begegnet, zu opfern. Da
dieses erste Wesen aber sein eigener Sohn ist, opfert er diesen nicht und zieht sich dadurch
die Rache des Gottes zu. ... - Diese Themen gehen ins griechische Drama ein.
6. Rmische Heldendichtung
Die AENEIS des Vergil
Entstanden unter Kaiser Augustus; nicht abgeschlossen;
Es ist vor allem ein Staatsgedicht, hat also mit Staatspathos zu tun. Es wird z.B. dabei die
alte Feindschaft zwischen Rom und Karthago dadurch zu erklren versucht, dass Aeneas
Dido verlassen hat.
(Das Thema der Entstehung der Aeneis wird von Hermann Broch in seinem Roman Der
Tod des Vergil aufgegriffen.)
Vergils Quelle sind die zyklischen Epen um die Ilias.
Inhalt:
Aeneas (er ist ein Sohn der Gttin Aphrodite) flieht mit seinem alten Vater und seinem
Sohn aus dem zerstrten Troja. Er reist mit anderen Geflohenen mit dem Schiff ab und
kommt nach Karthago. Dort trifft er auf die Knigin Dido. Aeneas und sie verlieben sich
ineinander, aber auf Gehei der Gtter muss er weiterfahren. Dido ist darber verzweifelt
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und verbrennt sich selbst. Aeneas kommt mit den Seinen in das sptere Gebiet der Rmer,
nach Alba Longa, und begrndet dort eine Siedlung. (Seine Nachkommen spter sind
Romulus und Remus, die dann Rom grnden.)
Man kann in dieser Handlung Parallelen zur Odyssee (Seefahrt des Aeneas) und zur Ilias
(auch Aeneas belagert eine Burg) sehen.
Was es sonst noch an rmischer Heldendichtung gibt, steht beim Geschichtsschreiber
Livius. Es liegt nahe zu vermuten, dass er dabei auf ltere Heldendichtungen zurckgreift.
Z.B. Die Geschichte von Romulus und Remus; Der Raub der Sabinerinnen; Coreolan; u.a.
Man kann sagen, dass es Unterschiede im Heldenbild bei den Griechen und Rmern
gibt:
Hier der jugendliche, ungestme Achill, dort der schon ltere, abgeklrtere Aeneas, dessen
Haupttugend die pietas ist, das sich Ergeben in den Willen der Gtter, die Treue seinen
Idealen gegenber, Gelassenheit, alles, was sich im Begriff virtus zusammenfassen lsst.
7. Altfranzsische Heldendichtung Chanson de geste (= Lieder von den Taten)
Die Chanson de Roland (um 1100 entstanden)
Thema ist die Glaubensauseinandersetzung zwischen Christentum und Islam.
Die Dichtung ist parteiisch auf Seiten der Christen, ganz im Gegensatz zur Ilias, wo der
Dichter weder zu den Griechen noch zu den Trojanern hlt.
Der historische Hintergrund ist in der Vita Caroli magni (der Biographie Karls des
Groen) von Einhard zu finden, der etwa ber das Jahr 778 von der Treulosigkeit der
Vaskonen (= Basken) spricht und von der Schlacht von Ronesvalles berichtet; dabei wird
der Name Hruodlanders (=Roland) erwhnt.
Der Islam breitete sich von Nordafrika ber Spanien bis nach Frankreich aus (711
berschritt Tarik den Felsen des Tarik (= Gibraltar)). Die Araber kamen ber die
Pyrenen nach Frankreich bis Tours und Poitiers, wo sie in einer Schlacht 732 von Karl
Martell besiegt wurden. ber den Seeweg kamen sie ber Sardinien und Korsika in die
Provence.
Inhaltszusammenfassung der Chanson de Roland:
Karl d.Gr. kmpft in Spanien gegen die Sarazenen; nur Saragossa ist noch nicht von ihm
erobert, dort hlt sich der Sarazenenknig Marsilies auf. Einer seiner Vasallen rt ihm, zum
Schein sich Karl zu unterwerfen und das Land wenn Karl es verlassen hat
zurckzuerobern. So werden Boten zu Karl geschickt, der mit seinen Ratgebern bespricht,
ob man Marsilies trauen kann. Roland sagt nein, Ganelon (der Roland feindlich gesinnt
ist), sagt, man solle Marsilies trauen und begleitet die Boten. Ganelon verbndet sich
darauf mit den Sarazenen (vor allem um sich an Roland zu rchen). Er schmiedet mit
Marsilies einen Plan, der Karl abziehen lsst, whrend Roland mit einem kleinen Heer
noch zurckbleibt; dieses Heer wird von den Sarazenen im Tal von Ronesvalles
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angegriffen. Roland knnte Karl noch um Hilfe rufen, mittels des Olifant, einem
Blasinstrument; aber er lehnt ab, weil er nicht feig sein will. Es wird gekmpft; in Rolands
Heer gibt es viele Tote. In letzter Minute kann Roland aber doch Karl mit dem Olifant
herbeirufen; Karl kann die Sarazenen schlielich besiegen, aber Roland ist tot.
Weitere Bearbeitung des Stoffes:
Der Text wurde vom Pfaffen Konrad ins Deutsche bertragen: Rolandslied.
Der italienische Renaissancedichter Ariost machte aus dem Stoff seinen Orlando
furioso (= Der rasende Roland), was bedeutet, dass er aus einem Heldenepos eine
romantische Liebesgeschichte machte. Es geht dabei also um eine Zerstrung
altheroischer Epik im Sinne des Menschenbildes der Renaissance.
Als Antwort darauf hat Torquato Tasso den Stoff wieder neu aufgenommen und daraus
Das befreite Jerusalem gemacht.
Als zweites frz. Heldenepos gilt der Wilhelmszyklus (Guilleaume dOrange)
Das Epos spielt in der Zeit Ludwigs des Franken (einem Sohn Karls des Groen).
Wilhelm ist in Nordafrika gefangen. Der dortige Knig lsst seine Frau den Gefangenen
bewachen. Die Frau des Knigs und Wilhelm verlieben sich ineinander und fliehen in die
Provence. Die Frau lsst sich taufen und wechselt den Namen. Der Knig kommt mit
einem Heer nach und es kommt zu Schlachten.
Bearbeitung: Wolfram von Eschenbach bertrgt den Stoff in seinem Willehalm ins
Deutsche.
Weiters gibt es noch eine Flle altfranzsischer Epen, die bis heute noch nicht alle gnzlich
aufgearbeitet sind.
8. Spanische Heldendichtung EL CID El Cantar de mio Cid
Um 1140 verfasst; das Geschehen spielt im 11. Jhdt. Der historische Cid, Rodrigo Diaz,
wurde um 1043 geboren. Also hier nur geringer zeitlicher Abstand zwischen Geschehen
und Aufzeichnung, was einen bedeutenden Unterschied zu anderen Heldendichtungen
ausmacht. Ein weiterer Unterschied ist, dass es hier keinen tragischen Ausgang gibt.
9. Slawische Heldendichtung und Volksepik
Hier kurze Texte in Lied- bzw. Balladenform. Jedoch ist die Frage offen, ob diese Lieder
auf eine (verlorene) epische Form zurckgehen oder ob die einzelnen Lieder bisher noch
nicht zu einem Epos zusammengefasst wurden (vgl. dazu Kalevala und Liedtheorie).
Russische Heldendichtung:
Balladeske Form; der russische Begriff dafr: Byline.
Trger dieser Dichtung sind Spielleute, Rhapsoden, Barden. Dabei ist aber nicht bekannt,
ob diese die Texte auch selbst gedichtet haben.
3 Epochen russischer Heldendichtung:
- Kiewer-Kreis (9. 13. Jhdt.)
- Novgoroder-Kreis (14./15. Jhdt.)
- Moskauer-Kreis (15./16. Jhdt.)
Die bekannteste Heldendichtung ist das Igorlied.
Es wurde 1790 entdeckt; die Handlung spielt im 12. Jhdt. Die einzige Handschrift ist 1812
beim Napoleonkrieg verbrannt. (Es gab die Behauptung, es wre eine Flschung, was sich
aber nicht mehr verifizieren lsst, weil es die Handschrift nicht mehr gibt.)
Rainer Maria Rilke hat das Igorlied ins Deutsche bersetzt.
Inhaltlich geht es dabei um einen eigenmchtigen Feldzug des russischen Teilfrsten Igor
gegen ein Nomadenvolk im Jahr 1185; Igors Heer wird dabei vernichtend geschlagen, er
selbst und sein Sohn geraten in Gefangenschaft.
Dem Stil nach ist es in einem Klageton (Klage wegen der verlorenen Einheit Russlands)
gehalten.
Sdslawische Heldendichtung:
Der Philologe Vuk Karadzic (1787 1864) lenkte die Aufmerksamkeit darauf und
sammelte die Lieder in 9 Bnden. (Goethe war davon beeindruckt und versuchte eine
bersetzung.)
Nach Inhalt und Geist heroisch, volkstmlich, baladesk; die feudal-patriarchale Kultur des
Balkans wird darin widergespiegelt.
Das lteste Dokument stammt aus dem 14. Jhdt.
Thema sind vor allem die Trkenkriege, v.a. die Schlacht auf dem Amselfeld 1389;
der Hauptheld ist Marko Kraljevic.
10. Keltische Heldendichtung
Unter keltischer Heldendichtung ist irische Heldendichtung zu verstehen, weil aus
anderen keltischen Sprachen (Gallisch, Walisisch) keine Heldendichtungen bekannt sind.
Hauptwerk ist: Toin Bo Culagne (= Die Wegtreibung der Rinder von Culagne)
Es ist in Prosa geschrieben, was fr Heldendichtungen unblich ist.
Wann und wo es entstanden ist, ist nicht bekannt; die lteste Handschrift stammt aus der
Zeit um 1100.
Inhalt:
Knigin Medb und Knig Ailil herrschen ber vier Provinzen Irlands; ber die nrdliche
Provinz Ulster herrscht der Knig Conchobar.
Die Geschichte beginnt mit einem sogenannten Kopfkissengesprch des Knigs und der
Knigin; sie unterhalten sich also im Bett darber, wer von ihnen in seiner Herde den
besten Stier hat. Es stellt sich heraus, dass der Knig diesen besten Stier besitzt, die
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Knigin mchte deshalb einen noch besseren. Einen noch besseren gibt es allerdings nur in
Ulster. So werden Boten zu Knig Conchobar geschickt, doch, wie sich denken lsst, gibt
Conchobar den Stier nicht heraus. Das fhrt zu einem groen Krieg. Die Provinz Ulster
aber ist geschwcht: Einerseits, weil der Knig die besten Helden aus seinem Land
verbannt hat und diese auf der Seite des Gegners kmpfen, und andererseits, weil Ulster
unter dem Bann einer Fee steht, der bewirkt, dass die Mnner fr einige Zeit kampfunfhig
sind. Aber es gibt einen Superhelden: den siebzehnjhrigen Cuchullain (eine recht
eigentmliche Heldengestalt, die auer ihrer bermenschlichen Strke ihren Krper auch
verndern kann, die Augen herausdrehen usw.). Cuchullain steht letztlich dem ganzen
feindlichen Heer bzw. Teilen daraus allein gegenber. (Und im feindlichen Heer kmpfen
noch dazu seine Freunde, die exilierten Helden nmlich.) Cuchullain gelingt es jedenfalls,
die Kmpfe so lange zu bestehen, bis die Mnner von Ulster wieder kampffhig sind.
Zuletzt kmpfen auch noch die beiden Stiere gegeneinander: Der Stier von Ulster siegt,
stirbt aber nach dem Kampf an Erschpfung.
In dieser Geschichte kommen auch Tabus vor, die einer ber einen anderen verhngen
kann. Cuchullains Tabu etwa ist, dass er keine nackte Frau sehen darf. Auch von einer
Wunderwaffe namens gae bolga ist die Rede, von der aber niemand wei, was genau sie
ist.
Als weitere irisch-keltische Heldendichtung wre noch der Zyklus von Fin zu nennen, der
in den Ossian-Dichtungen weiterlebt.
Mutter, mindestens ebenso furchtbar, wird von Beowulf angegriffen, flieht ins Moor, wird
von Beowulf verfolgt und schlielich gettet.
Beowulf kehrt in seine Heimat zurck und wird dort spter Knig. Nach lngerer Zeit
seiner glcklichen Herrschaft wird das Land von einem Drachen bedroht. Der schon alte
Knig Beowulf zieht gegen ihn in den Kampf, ttet den Drachen, stirbt aber bald darauf
durch das Gift des Drachen.
Beowulf stirbt also nicht direkt bei einer Heldentat, sondern erst an deren indirekter Folge;
auerdem ist er bei seinem Tod bereits in hohem Alter; und es gibt keine groen Kmpfe
oder Kriege, keine seelischen Konflikte das macht einen wesentlichen Unterschied des
Beowulf zu den meisten Heldendichtungen aus.
Schwierigkeiten bei der Deutung des Beowulf-Textes:
Beowulf (sein Name bedeutet Bienenwolf oder Br) ist als historische Figur nicht
belegbar.
Ein groer seelischer Konflikt, den es bei den meisten Heldendichtungen gibt, fehlt hier.
Soll der Text mythologisch, heroisch oder christlich gedeutet werden? Fr eine
christliche Deutung knnte sprechen, dass das Ungeheuer Grendel als Nachkomme Kains
bezeichnet wird. Auerdem ist da die Frage nach der Bedeutung des Drachens. Ist es ein
mythologischer Drache, der die Welt bedroht? Soll er christlich gedeutet werden (vgl. hl.
Georg)? England wurde in der Mitte des 5. Jhdt. christianisiert trotzdem kann der Stoff
natrlich heidnische Wurzeln haben. (Skandinavien wurde brigens im 9. Jhdt.
christianisiert, in Island wurde die Annahme des Christentums im Jahre 1000 bei einer
Bauernversammlung beschlossen).
Der Text selbst ist formelhaft, es kommen immer wieder sich wiederholende Sprachwendungen vor.
2. Skandinavische Heldendichtung:
Skandinavische Heldendichtung hngt teilweise mit der deutschsprachigen Heldendichtung
zusammen. Die Stoffe stammen aus der kontinental-germanischen Heldendichtung. Jedoch
gibt es auch einen eigenstndigen skandinavischen Heldensagenkomplex, der bruchstckhaft erhalten ist.
Skandinavische Heldendichtung, genauer islndische und norwegische Heldendichtung, im
Mittelalter: Skalden-Dichtung.
Skalden: Dichter (seit dem 9./10. Jhdt.), die eine Flle von Texten berlieferten, die zum
Schwierigsten berhaupt gehren. Es handelt sich dabei vor allem um Frstenpreislieder
(Preislieder, Totenlieder ber Knige und Wikingerfrsten), aber es sind dies keine
Erzhlungen, sondern die Aufzhlung der Taten einzelner Frsten.
Schwierig sind diese Texte wegen ihrer artifiziellen Metrik und vor allem wegen ihrer
besonderen Stiltechnik: die Kenning (Plural: Kenningar) damit ist die Stilfigur der
Umschreibung gemeint. D.h. etwa Lanzenspiel fr den Kampf mit den Lanzen, oder
Trank Odins fr die Dichtung. Schwierig wird es also erst richtig, wenn mehrere
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Kenningar verbunden werden. Beispielsweise wenn der Sachverhalt: Ein Krieger macht
ein Gedicht ausgedrckt werden soll, so knnte das folgendermaen geschehen: Ein
Baum in der Schlacht macht den Trank Odins oder: Ein Sohn Tors braut den Trank
Odins ... Die Schwierigkeit wird noch dazu durch die verschiedenen Mglichkeiten der
Syntax erhht.
Im 13. Jhdt. wurde diese Dichtung jedenfalls kaum noch verstanden. Deshalb hat um 1300
der Islnder Snorri Sturluson ein Lehrbuch ber die Skaldendichtung (mit vielen
Textbeispielen) geschrieben.
Islndische Saga-Literatur:
Es gibt massenhaft Texte ber alle mglichen Themen. Und es sind (das als Besonderheit)
Prosatexte.
Skandinavische Heldendichtung im engeren Sinne ist kaum erhalten, aber sie ist
aufbewahrt in einer lateinischen Hexameterdichtung des dnischen Mnches Saxo
Grammaticus aus der Zeit um 1220, der eine Geschichte der Dnen (gesta danorum)
geschrieben hat, in der sich viele Geschichten u.a. die von Hamlet finden.
Die gesta danorum berichten vom Knigshaus Skjlungen (skjld/skjld = Schild; -ungen
= Bezeichnung fr ein Volk oder Knigshaus).
Helgi-Sage
(Nachzulesen in: Die Heldenlieder der lteren Edda)
Es handelt sich um 3 Lieder, wobei von zwei verschiedenen Figuren namens Helgi die
Rede ist. Es geht dabei um Kmpfe: Helgi ttet Hunding und seine Shne; Helgis
Geliebte ist eine Walkre.
Helgi selbst wird dann im Fesselhain gettet. Er hat eine Vorahnung von seinem Tod.
Das Motiv der Todesahnung spielt in der islndischen Dichtung eine groe Rolle. Nach
seinem Tod besucht seine Geliebte seinen Grabhgel und schlft bei ihm (Motiv des
Totenbeilagers).
Eine Anmerkung nebenbei:
Ludwig Uhland hat das Kapitel ber die Mythologie der Germanen aus Tacitus
Germania, in dem vom Stamm der Sueben (= Schwaben) gesagt wird, dass sie einen
heiligen Wald htten, den man nur gefesselt betreten drfe und in dem in regelmigen
Abstnden Menschenopfer dargebracht wrden, mit Helgis Tod im Fesselhain verbunden.
Die Helgi-Dichtungen sind in der Edda berliefert.
Die EDDA
ist die Hauptsammlung skandinavischer Gtter- und Heldenlieder.
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Der Name Edda (er bedeutet vermutlich Gromutter) wurde zuerst von Snorri Sturluson
fr sein Lehrbuch der Skaldendichtung verwendet. Von ihm stammt die Jngere Edda
oder Prosa-Edda; er hat dabei vermutlich auf ltere Dichtungen zurckgegriffen.
Im 17. Jhdt. wurden in Island ltere Handschriften gefunden: Der Codex regius.
Es gibt die Sichtweise, dass Siegfried berhaupt keine historische Figur war, sondern eine
mythologische Gestalt, also so etwas wie ein strahlender Lichtgott und sein Gegenspieler
Hagen ein finsterer Vertreter des Dunklen.
Als Vergleich dazu die Ilias: Einen Kampf um Troja mag es gegeben haben (er htte dann
etwa um 1200 v.Chr. stattgefunden), aber die dabei mitkmpfenden Gtter sind Mythos.
Und ein Wesen der Heldendichtung ist es, Geschichte mit dem Mythos (dem Kosmischen)
zu verbinden. Diese Theorie wurde vor allem von den Romantikern vertreten.
Die Gegensichtweise:
Mythologie (also Gtter) spielen gerade in der germanischen Heldendichtung keine Rolle.
Auch in der Edda spielen Gtter nur eine untergeordnete Rolle, kommen so gut wie gar
nicht vor.
Trotzdem gab es die Suche nach einem historischen Siegfried. Und in der frhen
Frankengeschichte wurde man fndig:
Die Franken waren der erfolgreichste der germanischen Stmme. Sie wurden immer
bedeutender bis Karl dem Groen und dem Frankenreich.
Die Frhgeschichte der Franken:
Das erste Knigsgeschlecht: Die Merowinger; der erste Knig: Chlodwig.
Eine frnkische Knigin Brunchildis ist bekannt, die einen Streit mit einer anderen
Knigin namens Fredegundis hatte. Auch ein Sigibertus oder Sigifredus kommt in deren
Umkreis vor. Die Theorie mit dem Streit der beiden Kniginnen funktioniert aber nicht
recht im Hinblick auf das Nibelungenlied.
Sigi-Namen waren bei den Franken sehr beliebt und blich.
- Das heit also: Die Geschichte um Siegfried wre eine merowingische?!
Theorie von Otto Hfler:
(dazu Buch von Otto Hfler: Siegfried, Arminius und der Nibelungenhort)
Otto Hfler geht davon aus, dass Siegfried mit dem Cheruskerfrsten Arminius
identisch wre.
Arminius, ein Huptling des Germanenstammes der Cherusker, war in seiner Jugend als
Geisel nach Rom gekommen. (Seine Geschichte ist durch den rm. Geschichtsschreiber
Tacitus bekannt und in Rom war auch eine Familie gens arminia bekannt, die den jungen
Germanen mglicherweise adoptiert haben kann.) Sein richtiger Name ist nicht bekannt,
aber er wurde spter auch Hermann genannt. (vgl. Heinrich von Kleist: Die Hermannsschlacht.)
Im Jahre 9 n.Chr. kamen die rmischen Truppen des Kaisers Augustus ber den Rhein um
die Germania libera zu erobern. Der rmische Feldherr dabei war Varius. In der
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Herder meinte: Poesie ist die Muttersprache des Menschengeschlechtes, d.h. dem Sinn
nach: Jede/r ist Dichter; jedes Wort schon kann Dichtung sein.
Vor allem in der Romantik ging man davon aus, dass bald nach den Geschehnissen das
Erzhlen davon stattgefunden hat und es im Laufe der Zeit immer poetischer geworden ist.
Gegensicht dazu aus dem 19./20. Jhdt. (v.a. von Andreas Heusler):
Nicht alle Menschen sind Dichter; es gibt nur etwa alle paar hundert Jahre ein
Dichtergenie, das aus einem inspirierenden Ereignis eine Dichtung macht.
Andreas Heusler versuchte die Entstehungsgeschichte des Nibelungenliedes zu
rekonstruieren und kam dabei auf 5 Stadien, in denen einzelne Dichter die Geschichte
jeweils neu gestaltet haben mgen. Das geschah allerdings groteils in schriftloser Zeit.
Zum 2. Teil des Nibelungenliedes:
1. Stufe: Ein Franke dichtet ein frnkische Burgundenlied - 5. Jhdt.
2. Stufe: Baiwarisches Burgundenlied - 8. Jhdt.
3. Stufe: sterreichisches Burgunden-Epos - um 1160
Zum 1. Teil:
1. Stufe: Frnkisches Brnhildlied - 5./6. Jhdt.
2. Stufe: Jngeres Brnhildlied - Ende 12. Jhdt.
In den Zwischenzeiten wre auswendig gelernt worden und in bestimmten Familien immer
weiter tradiert.
Der Ursprung wre ein kurzes Lied (lteste Form soll das Atli-Lied aus der Edda gewesen
sein). Dass daraus schlielich ein Epos geworden ist, htte mit dem Aufkommen der
Schriftlichkeit zu tun und auerdem damit, dass ltere Epen (z.B. die Aeneis) bekannt
waren, nach deren Vorbild das Epos des Nibelungenliedes schlielich gestaltet worden
wre.
Das Schema von Andreas Heusler kann jedenfalls helfen zu verstehen, wie es gewesen sein
knnte.
Jakob Grimm geht also davon aus, dass es hunderte einzelner Lieder gegeben haben mag,
whrend Andreas Heusler von nur fnf ausgeht. Nach Heusler gibt es keine Sagen, sondern
nur Dichtung. Sage meint dabei das Ungeformte; Heusler meint: Am Anfang war die
Fabel und Am Anfang war der Dichter.
Eine Gegenposition dazu:
Walter Haug: Am Anfang steht das Schema (also nicht der individuelle Dichter); die
Wirklichkeit wird nach gewissen Ordnungsprinzipien erfasst. (Vgl. dazu oben
Assimilisation).
Diese Theorie geht von der Frage aus, welche Mglichkeit neben den vorher angedeuteten
es noch an mndlicher Weitergabe von Literatur gibt.
Zwar sei in schriftloser Zeit das Gedchtnis der Menschen besser geschult gewesen, doch
sei es schwer vorstellbar, dass lngere Epen tatschlich auswendig gelernt worden seien.
Deshalb die Mglichkeit eines dritten Weges: das Improvisieren.
Parry und Lord haben in Serbien (wo mndliche Dichtung noch lnger lebendig war und
ist) Feldstudien betrieben und festgestellt, dass es zwischen Auswendiglernen und freiem
Erzhlen noch diesen dritten Weg der Improvisation gibt.
Der Erzhler oder Snger braucht dazu nur ein Handlungsgerst, den Rhythmus der Verse
und ein gewisses Formelinventar (also Ausdrcke, die immer wiederholt werden knnen).
Whrend des Erzhlens oder Singens kann dann die jeweilige Version mehr oder weniger
ausgeschmckt werden. Das heit also dann: Das schriftlich festgelegte Nibelungenlied
wre eine Version von vielleicht hundert mglichen.
Eine Szene aus dem Nibelungenlied zum Vergleich:
Strophe 1960:
Das Abendbankett im Saal. Hagen stellt fest, dass Kriemhild ihren Schmerz noch nicht
verwunden hat. Er sagt: So wollen wir Minne (hier: Erinnerung) trinken und den Wein des
Knigs darbringen. Daraufhin schlgt er Ortlieb, dem Sohn Kriemhilds und Etzels, den
Kopf ab.
Als Gegenstck dazu diese Szene in der skandinavischen Dichtung:
idrekssaga Dietrichsage, eine Prosaerzhlung aus der Zeit um 1260 in Bergen/Norwegen
(in Altnorwegisch) Der Text ist ein Inbegriff der Zyklenbildung, der Verbindung vieler
Sagen, zu denen auch die vom Untergang der Burgunden gehrt. Dass dabei das
Nibelungenlied bekannt war, ist anzunehmen, es gibt wrtliche bereinstimmungen, aber
es ist auch mglich, dass beide aus der selben Quelle geschpft haben.
Die gleiche Szene also:
Kriemhild fordert ihren Sohn auf, Hgni/Hagen ins Gesicht zu schlagen, also ihn zu
provozieren. Das Kind tut das und Hagen schlgt ihm daraufhin den Kopf ab.
Strophe im Nibelungenlied:
Metrik:
1. 3. Zeile: (.) x x / x x / / x // x x / x x / x /
4. Zeile:
x x / x x / / x // x x / x x / x x / x
(.) = Auftakt, der auch wegfallen kann
x = -Takt (bei x x jeweils erster Takt betont)
= -Takt
= Pause
oder so dargestellt:
1. Strophe:
2.
3.
4.
4 k(lingend)
4k
4k
4k
4 s(tumpf)
Reim:
4s
4s
4 m(nnlich)
a
a
b
b
Diese Strophenform ist ident mit den ltesten Minneliedern vom Krenberger, z.B.
Falkenlied.
Es ist nicht geklrt, ob diese Strophenform von der Lyrik in die Epik kam oder umgekehrt.
Die Annahme besteht, dass es bei den lteren Dichtungen (d.h. den verlorenen Vorbildern
aus dem 8. Jhdt.) Langzeilen und Stabreime, aber keine Strophen gab, so wie im
Hildebrandslied.
Entstehung und berlieferung des Nibelungenliedes:
Das Nibelungenlied ist wahrscheinlich in Passau in der Zeit zwischen 1190 und 1205
entstanden. Diese Datierung ist wegen der verwendeten Sprachform mglich. Da Wolfram
von Eschenbach aus dem Nibelungenlied zitiert, ist die Sptestgrenze festzulegen mglich.
Wie kommt man aber auf den Entstehungsort Passau?
Vor allem deswegen, weil Passau zu der Zeit das geistliche Zentrum war. Und auerdem
weil der Bischof Pilgrim (Bischof von 971 991) als wichtige Figur vorkommt.
Und in der Klage, die Fortsetzung und Kommentar zum Nibelungenlied ist, heit es, der
Bischof Pilgrim htte einen Schreiber namens Konrad die Geschichte zum Andenken an
seine Neffen in lateinischer Sprache aufschreiben lassen. Wann die Klage entstanden ist,
wei man nicht genau, jedenfalls aber in zeitlich engem Zusammenhang mit dem
Nibelungenlied. Ob es diese lateinische Chronik wirklich gegeben hat, darber gibt es
Spekulationen; auerdem lsst sich nicht klren, wer dieser Schreiber Konrad war.
In der Zeit um 1200 (also der Zeit der Niederschrift des Nibelungenliedes) war Wolfger
von Erla Bischof von Passau und der war ein besonderer Frderer der Dichtkunst. Er war
u.a. auch ein Frderer des Walther von der Vogelweide. (Im einzigen urkundlichen
Dokument, in dem Walther von der Vogelweide erwhnt wird, geht es darum, dass dieser
Bischof dem Dichter einen Pelz geschenkt hat.)
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(Die Teile IX. und X. sind Beitrge von Prof. Dr. Lydia Miklautsch)
Sie erklren, warum Dietrich ein Herrscher ohne Reich ist (als der er im Nibelungenlied
auftritt).
2. Aventrenhafte Dietrich-Dichtung:
- Kampf gegen Zwerge (Goldemar und Laurin)
- Kampf gegen Riesen (z.B. Eckelied)
- Kampf gegen Drachen (Virginal)
- Kampf gegen Menschenfresser (Wunderer)
- und ein Kampf mit dem grten Helden: mit Siegfried (Rosengartenkampf/Rheinkampfepen)
Diese Trennung in historische Dietrich-Dichtung und aventrenhafte DietrichDichtung liegt auch im Stil begrndet. Es handelt sich also dabei um zwei unterschiedliche, getrennte Verwirklichungen des Stoffes.
Vor allem bei der aventrenhaften Dietrich-Dichtung wird ein ungewhnliches Heldenbild
gezeigt: Dietrich wird als weinend, zgern, unwissend und auch als kleines Kind
geschildert. D.h. es geht um ein schillerndes und brchiges Heldenbild.
Vor allem die aventrenhafte Dietrich-Dichtung hatte groen Erfolg; diese Dichtung geht
schon in Richtung Abenteuerroman und wird in den sptmittelalterlichen Heldenbchern
tradiert.
Dietrich als Held:
Dietrich wird als der mittelalterliche Held gesehen, als Beispiel und Garant der
Ritterkultur. Besonders erwhnenswert dabei: Die Rezeption des Kaisers Maximilian.
Interessant ist das vor allem deswegen, weil Dietrich keine typisch heldisch agierende
Figur ist, etwa im Vergleich mit Siegfried.
Aber im Vergleich zu Siegfried stirbt Dietrich nicht er wird in einen Berg entrckt. Das
heit: Die Idee bleibt lebendig, die Idee einer bestimmten Form des Heldentums und
bestimmter Ideale.
Die Figur des Dietrich steht fr:
- Treue gegenber den Gefolgsleuten das ist absolut sein Prinzip. (Er verzichtet sogar
auf sein Reich, um seine Gefolgsleute zu retten.)
- Er ist ein besonnener Knig und Staatsmann; sein Handeln ist oft zgernd, er wartet, bis
er mit dem Kmpfen beginnt; wenn er aber damit beginnt, dann kmpft er sehr heroisch.
Sein Zgern wurde ihm auch oft als Feigheit ausgelegt.
- Er ist auch bestimmt durch sein exzessives Trauern, z.B. um seine Gefolgsleute.
Trauern gibt es auch bei antiken Helden (etwa Achill), aber bei Dietrich kann man schon
fast von einem Melancholiker sprechen.
gibt es ein Problem mit der Erbteilung. Nach Dietmars Tod nimmt Emenrich die Shne
Dietrichs zu sich und nimmt ihnen das geerbte Land weg. Es kommt also zum Kampf
zwischen Dietrich und Emenrich. Auf beiden Seiten spielen die Gefolgsleute eine groe
Rolle, wobei es dabei um Schwarz-Wei-Malerei geht: Auf Seiten Dietrichs die Guten,
auf Seiten Emenrichs die Bsen. Emenrich nimmt Dietrichs Gefolgsleute gefangen;
Dietrich verzichtet daraufhin, um seine Gefolgsleute zu retten (was im brigen nicht
gelingt), auf sein Reich. Er geht ins Exil zu Etzel. Auch das Thema der abtrnnigen
Gefolgsleute kommt dabei vor; und einige der Gefolgsleute finden den Tod, was Klage bis
hin zur Lethargie Dietrichs zur Folge hat. Am Ende wieder Kmpfe und das Weinen
Dietrichs. (So endet ja auch das Nibelungenlied.)
Inhalt Rabenschlacht:
Umfang: 1140 Strophen
Der Text beginnt mit der Klage Dietrichs, der sich bei Etzel aufhlt, ber den Verlust der
Gefhrten. (In einer Version geht es auch um Dietrichs Verheiratung, von der ansonsten nie
die Rede ist.)
Dietrich wird zum Kampf berredet. Ein Heer versammelt sich in Etzels Burg. Zwei Shne
Etzels und seiner Frau Helche wollen bei den Kmpfen dabei sein und drfen mit, weil
Dietrich Etzel verspricht sie zu beschtzen.
In der Schlacht die extrem grausam geschildert ist kommen die Etzel-Shne durch
ihren bermut um. Dietrich kommt als Trauernder zu Etzel zurck. Etzel glaubt Dietrich,
dass dieser keine Schuld am Tod der Shne hat und nimmt ihn wieder auf.
Der arme Dietrich
Warum und wie aus dem historisch uerst erfolgreichen Theoderich der arme Dietrich
der Dichtung geworden ist, ist eine spannende und lohnende Frage in der Forschung.
In jedem Fall aber wird Dietrich auch in der Dichtung positiv im Sinne von Ehre und
Nachruhm gesehen.
Bjorkaml
(Bruchstck nordischer Dichtung, von Saxo Grammaticus in lateinische Hexameter
bertragen)
Thema ist die unbedingte Treue der Gefolgsleute bis in den Tod. Im Tod ist der Held
heroischer als je zuvor. Es ist ein Dialog zwischen zwei Kriegern, einem jungen und
einem alten, letzterer hat geschlafen, whrend der Kampf beginnt. Der Knig und seine
Gefolgsleute gehen unter.
Deutung des Schlafes des alten Kriegers: Seine zweite Natur kmpf als Tier, als Br
(Berserkerkrieger oder Ekstasekmpfer). Im Kampf selbst sind Knig und Gefolgsleute
ein heroisches Kollektiv.
Monologische Mnnlichkeit
bedeutet nicht nur Ausschluss von Frauen, sondern auch Ausschluss von andern Formen
der Mnnlichkeit.
Heldendmmerung?
Die Mnner in den hfischen Romanen oder in der Minnedichtung entsprechen einem
anderen Mnnlichkeitsbild, dem dialogischen Mnnlichkeitsbild, in das auch
alternative Mnnlichkeitsbilder einflieen.
z.B. Siegfried:
sein Wesen: Kmpferische Kraft;
aber die Siegfried-Bilder in der Forschung differieren erheblich.
Im Nibelungenlied kommt Siegfried in eine hfische Welt, die dann unterlaufen wird.
(Eine Theorie von Jan-Dirk Mller: Siegfrieds Schichten (Gewand, Schutzschicht, Haut)
werden im Laufe seiner Geschichte abgetragen.)
Mit der Ttung des Helden wird im Nibelungenlied der Heroismus erst recht wichtig.
Zunehmende Heroisierung der Figuren (Untergang, aber Ehre bleibt).
Held und Heldentum zerstren im Nibelungenlied die Gemeinschaft, der kollektive
Untergang wird nicht zur Apotheose.
Bsp. Dietrich von Bern:
hnlich widersprchliche Deutung wie fr Siegfried.
Neben seiner Kraft auch das Motiv des armen, hilflosen Dietrich; seine Verzagtheit, sein
exzessives Trauern, das als Form von Autoaggression gesehen werden kann; Er ist also
nicht wirklich heldisch. Er ist in der Dichtung ein Knig ohne Reich, ohne
Brautwerbung, ... Er stirbt nicht, sondern wird in einen Berg entrckt. (Der Held wird
zum Fossil.)
Er kmpf dann, wenn alle andern Mittel versagen, dann aber kmpft er wirklich heroisch.
Bei neuen Heldendichtung werden moderne technische Errungenschaften einbezogen.
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Helden und die Vorstellung archaischer Mnnlichkeit sind, so scheint es, nicht tot zu
kriegen.