Mediencode 7595 72
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Cicero berichtet dem Volk, wie ihm in einer spektakulren Aktion handfeste Beweise gegen die
in Rom zurckgebliebenen Verschwrer Catilinas in die Hnde gefallen sind und er dem Senat
darber berichtet hat.
1. vobis, Quirites, quid senatus censuerit, exponam. 2. primum mihi gratiae ver-
bis amplissimis aguntur, quod virtute, consilio, providentia1 mea res publica
maximis periculis sit liberata. 3. deinde L. Flaccus et C. Pomptinus prae-
tores, quod eorum opera forti2 fidelique3 usus essem, merito ac iure laudantur.
4. atque etiam viro forti2, collegae meo, laus impertitur4, quod eos, qui huius 5
conferatur, hoc interest, quod17 ceterae bene gesta18, haec una conservata re
publica10 constituta est.
8. nunc quoniam, Quirites, sceleratissimi periculosissimique belli nefarios
1. Ich will euch, Brger von Rom, berichten, was der Senat beschlossen hat.
2. Zuerst wird mir mit den berschwnglichsten Worten gedankt, dass durch
meine Leistung, Entschlusskraft [und] Voraussicht der Staat von sehr groen
Gefahren befreit worden sei. 3. Dann werden die Prtoren L. Flaccus und C.
Pomptinus, deren tchtiger und zuverlssiger Dienste (im Lat. Sg.) ich mich
bedient htte, verdientermaen und zu Recht gelobt. 4. Und auch dem tchti-
gen Mann, meinem Kollegen, wird Lob erwiesen, weil/dass er diejenigen, die an
dieser Verschwrung beteiligt gewesen seien, von seinen persnlichen Ansich-
ten und politischen Absichten ferngehalten habe.
5. Und der Senat hat sich einer derartigen Milde bedient, Brger von Rom,
dass er glaubte, dass, nachdem der Staat durch die Bestrafung von [nur] neun
vllig verdorbenen Mnnern aus der so groen Verschwrung und so groen
Menge der Feinde im Innern gerettet worden sei, die (Gemter der) brigen zur
Vernunft gebracht werden knnten. 6. Und sogar ein Dankfest fr die unsterb-
lichen Gtter fr ihr einzigartiges Verdienst ist um meinetwillen beschlossen
worden, was mir als Nichtmilitr zum ersten Mal nach der Grndung dieser
Stadt zuteilgeworden ist, und zwar ist es mit diesen Worten beschlossen worden:
weil ich die Stadt von Brandstiftungen, von Mord die Brger, [und] von Krieg
Italien befreit htte. 7. Wenn man dieses Dankfest mit den brigen Dankfesten
vergleicht, gibt es diesen Unterschied, dass die brigen nach guter Fhrung des
Staates, dieses als einziges/nur dieses nach seiner Rettung beschlossen worden
ist.
8. Da ihr ja nun, Brger von Rom, die Anfhrer des verbrecherischsten und
gefhrlichsten Krieges gefangen und schon festgenommen haltet, drft ihr glau-
ben, dass alle Truppen Catilinas, alle seine Hoffnungen und Machtmittel nach
der Abwehr dieser Gefahren von der Stadt zusammengebrochen sind.
Nach der Verhaftung der Catilinarier ermahnt Cicero den Senat, auf ihn selbst und die Gefah-
ren, denen er ausgesetzt sei und gewesen sei, keine Rcksicht zu nehmen:
1. video, patres conscripti, in me omnium vestrum ora atque oculos esse con-
versos, video vos non solum de vestro ac rei publicae, verum etiam, si id depul-
sum sit, de meo periculo esse sollicitos. 2. est mihi iucunda in malis et grata in
dolore vestra erga me voluntas1, sed eam, per deos immortales2, deponite atque
obliti salutis meae de vobis ac de vestris liberis cogitate! 3. mihi si haec condicio 5
ris10 umquam vacua mortis periculo atque insidiis fuit. 5. ego multa tacui, multa
pertuli, multa concessi, multa meo quodam dolore in vestro timore sanavi.
6. nunc si hunc exitum consulatus mei di immortales2 esse voluerunt, ut vos
populumque Romanum ex caede miserrima, coniuges liberosque vestros vir-
ginesque Vestales11 ex acerbissima vexatione, templa atque delubra12, hanc 15
1. Ich sehe, Senatoren, dass auf mich die Gesichter und Blicke von euch allen
gerichtet sind, ich sehe, dass ihr nicht nur bezglich eurer und der Gefhrdung
des Staates, sondern auch, wenn sie abgewehrt ist, bezglich meiner Gefhr-
dung beunruhigt seid. 2. Eure persnliche Anteilnahme mir gegenber ist mir
angenehm im Unglck (im Lat. Pl.) und willkommen im Schmerz, aber gebt sie
auf, bei den unsterblichen Gttern, vergesst mein Wohlergehen und denkt an
euch und eure Kinder! 3. Wenn mir dieses Los meines Konsulats gegeben ist,
alle Bitternis(se), alle Schmerzen und Martern zu ertragen, will/werde ich sie
nicht nur tapfer, sondern auch gern ertragen, solange nur durch meine Anstren-
gungen/Mhen euch und dem rmischen Volk Wrde und Wohlergehen ver-
schafft wird.
4. Ich bin jener Konsul, Senatoren, dem nicht das Forum, nicht das Marsfeld,
nicht die Kurie, nicht sein Haus, nicht sein Bett zur Ruhe gegeben [sind], zuletzt
nicht [einmal] dieser Ehrenstuhl jemals frei von Todesgefahr und Nachstellun-
gen gewesen ist. 5. Ich habe viel verschwiegen, viel ertragen, viel nachgegeben,
viel durch meinen gewissen Schmerz in eurer Furcht geheilt. 6. Wenn jetzt die
unsterblichen Gttern gewollt haben, dass dies der Ausgang (= das Ende) mei-
nes Konsulats ist, dass ich euch und das rmische Volk aus dem erbrmlichs-
ten Morden, eure Frauen und Kinder und die vestalischen Jungfrauen aus der
bittersten Qual, die Tempel und Heiligtmer, diese schnste Vaterstadt von uns
allen aus dem scheulichsten Feuer, ganz Italien aus Krieg und Verwstung
herausreie (= rette), [dann] will ich auf mich nehmen, welches Schicksal auch
immer mir allein auferlegt wird.
Cicero spekuliert ber die Motive des M. Antonius und ruft ihn auf, lieber nach solch wahrem
Ruhm zu streben, wie ihn sein Grovater M. Antonius, ein berhmter Redner, besa, als sich an
den verhassten Gewaltherrschern Cinna und Caesar ein Beispiel zu nehmen.
1. non possum adduci, ut suspicer te pecunia captum esse. 2. nihil enim umquam
in te sordidum, nihil humile cognovi. 3. illud magis vereor, ne ignorans verum
iter gloriae gloriosum1 putes plus2 te unum posse2 quam omnes et metui a civi-
bus tuis quam diligi malis3. 4. quodsi ita putas, totam ignoras viam gloriae.
5. carum esse civem, bene de re publica mereri, laudari, coli, diligi gloriosum 5
illa secunda fortuna, libertate esse parem ceteris, principem dignitate. 10. ita-
que, ut omittam res avi tui prosperas6, acerbissimum eius supremum diem
malim3 quam L. Cinnae7 dominatum, a quo ille crudelissime est interfectus.
11. sed quid oratione te flectam8? si enim exitus C. Caesaris9 efficere non potest,
ut malis3 carus esse quam metui, nihil cuiusquam proficiet nec valebit oratio. 15
12. qua re flecte8 te, quaeso, et maiores tuos respice atque ita guberna rem publi-
cam, ut natum esse te cives tui gaudeant!
1. Ich kann nicht dazu gebracht werden, zu argwhnen, dass du durch Geld
bestochen worden bist. 2. Nichts Armseliges, nichts Niedriges habe ich jemals
in dir wahrgenommen (= niemals habe ich etwas Armseliges, etwas Nied-
riges ). 3. Jenes frchte ich mehr, dass du aus Unkenntnis des wahren Weges
zum Ruhm (wrtl.: den wahren Weg nicht kennend) es fr ruhmreich hlst,
als einziger mchtiger zu sein als alle, und du lieber von deinen Mitbrgern
gefrchtet als geliebt werden willst. 4. Wenn du allerdings so glaubst (= dass es
so ist), kennst du den ganzen Weg zum Ruhm nicht. 5. Ein wertgeschtzter Br-
ger zu sein, sich gut um den Staat verdient zu machen, gelobt, verehrt, geliebt zu
werden ist ruhmreich; gefrchtet zu werden aber und in Hass zu sein (= gehasst
zu werden) schafft bses Blut, ist verabscheuenswert, Zeichen von Schwche
[und] fhrt in den Untergang.
6. Wenn du, M. Antonius, dich doch an deinen Grovater erinnern wrdest!
7. ber ihn hast du doch viel und das sehr hufig von mir gehrt. 8. Glaubst du
[denn], jener habe Unsterblichkeit [dadurch] verdienen wollen, dass er wegen
der Erlaubnis, Waffen zu haben, gefrchtet werde? 9. Jenes war [sein] Leben,
jenes [sein] glckliches Geschick, in/an Freiheit den brigen gleich zu sein,
[aber] der erste an Wrde. 10. Daher mchte ich, um die Erfolge deines Gro-
vaters unerwhnt zu lassen, lieber den bittersten letzten Tag seines Lebens als
die Gewaltherrschaft des L. Cinna, von dem jener auf das Grausamste gettet
worden ist. 11. Aber wozu soll ich dich durch eine Rede umstimmen? Wenn
denn das Ende des C. Caesar nicht bewirken kann, dass du lieber wertgeschtzt
als gefrchtet werden mchtest, wird niemandes Rede irgendetwas (wrtl.:
irgendjemandes Rede nichts) ausrichten oder vermgen. 12. Deshalb ndere
dich bitte und nimm Rcksicht auf deine Vorfahren und lenke den Staat so, dass
deine Brger sich freuen, dass du geboren worden bist!
In einer Rede vor dem Senat im Tempel der Concordia geht Cicero mit dem amtierenden
Konsul Antonius, der die Nachfolge Caesars und somit die Alleinherrschaft erstrebt, scharf ins
Gericht:
1. cur armatorum corona senatus saeptus est1, cur me tui satellites2 cum gladiis
audiunt, cur valvae Concordiae3 non patent, cur homines omnium gentium,
maxime barbaros, cum sagittis ducis in forum?
2. praesidii sui causa se facere dicit4. 3. nonne miliens5 perire est melius quam
in sua civitate sine armatorum praesidio non posse vivere? 5
est rei publicae praesidium vel potius ipsa res publica, quae se10 nondum recu-
peravit10. 8. habet quidem certe res publica adulescentes nobilissimos paratos
defensores. 9. quam volent, illi cedant11 otio consulentes, tamen a re publica
revocabuntur.
10. et nomen pacis dulce est et ipsa res salutaris, sed inter pacem et servitutem 15
plurimum interest. 11. pax est12 tranquilla libertas, servitus postremum malo-
rum omnium, non modo bello, sed morte etiam repellendum.
1. Warum ist der Senat mit einem Kranz/Ring von Bewaffneten umgeben?
Warum hren mich deine Begleiter mit Schwertern an? Warum stehen die
Tren des Concordiatempels nicht offen? Warum fhrst du Menschen aller Vl-
ker, vor allem [aber] Barbaren, mit Pfeilen aufs Forum?
2. Das tue er wegen seines Schutzes/um sich zu schtzen, sagt er. 3. Ist es nicht
tausendmal besser, ums Leben zu kommen als in seiner eigenen Brgerschaft
ohne den Schutz Bewaffneter nicht leben zu knnen?
4. Aber nichtig/wertlos ist dieser Schutz, glaube mir; du msstest durch die
Hochachtung und Zuneigung der Brger geschtzt sein, nicht durch Waffen.
5. Diese wird dir das rmische Volk entreien und entwinden. 6. Aber auf wel-
che Weise auch immer du mit uns umgehst, solange du diese Plne gebrauchst
(= diese Absichten verfolgst), kannst du nicht, glaube mir, lange am Leben blei-
ben. 7. Das rmische Volk hat Leute, denen es die Lenkung (wrtl.: die Steu-
erruder) des Staates bertragen kann: wo auch immer auf der Welt diese sich
befinden, dort ist der Schutz des Staates oder besser der Staat selbst, der sich
noch nicht erholt hat. 8. Ganz bestimmt hat der Staat junge, sehr edle Mnner,
die als Verteidiger bereit stehen. 9. Jene mgen sich noch so weit zurckziehen,
indem sie sich um ihre Mue kmmern, dennoch werden sie vom Staat zurck-
gerufen werden.
10. Und das Wort Frieden ist angenehm und der Zustand selbst heilsam,
aber zwischen Frieden und Sklaverei ist ein riesiger Unterschied. 11. Frieden
ist ruhige/ungestrte Freiheit, Sklaverei das uerste aller bel, das nicht nur
durch Krieg, sondern sogar durch den Tod zurckgestoen/abgewehrt werden
muss.
Nach der Ermordung Caesars ist dessen General und amtierender Konsul Antonius der
mchtigste Mann in Rom. Als er aufgrund der Streitigkeiten im Senat, die Cicero nach Krf-
ten geschrt hat, nach Ablauf seines Konsulats zum Staatsfeind erklrt worden ist, belagert
er D. Brutus, den Statthalter von Norditalien, in dessen Amtssitz, der Stadt Mutina, um sich in
den Besitz dieser Provinz zu bringen. Im Senat wird die Entsendung einer Gesandtschaft nach
Mutina ins Lager des Antonius debattiert. Cicero hlt das fr Zeitverschwendung.
4. quid igitur aliud egistis, nisi ut hostem iudicaretis Antonium? 5. his ves-
tris decretis aut ille vos aequo animo aspicere poterit aut vos illum sine dolore
summo videbitis? 6. exclusit illum a re publica, distraxit, segregavit non solum
scelus ipsius, sed etiam, ut mihi videtur, fortuna quaedam rei publicae.
7. numquam parebit ille legatis. 8. novi hominis insaniam, arrogantiam; novi 15
perdita consilia amicorum, quibus ille est deditus. 9. Lucius quidem frater eius
familiam9 ducit. 10. sit10 per se ipse sanus, quod numquam erit: per hos esse11
ei tamen non licebit. 11. teretur12 interea tempus; belli apparatus13 refrigescent.
1. Wir schicken Gesandte zu einem Brger, dass er nicht den Feldherrn des
rmischen Volkes, dass er nicht [dessen] Heer, nicht Mutina belagern, nicht
angreifen, nicht die Felder verwsten, dass er [also] sich nicht wie ein Feind
verhalten soll?
2. Gut, [selbst] wenn er gehorchen sollte, wollen oder knnen wir ihn [noch]
als Brger gebrauchen (= Umgang mit ihm haben wie mit einem Brger)? 3. Ihr
habt beschlossen, dass im Senat beraten werden soll ber Ehrungen und Beloh-
nungen fr die, die sich um den Staat verdient gemacht haben und machen:
dass der erste dieser C. Caesar sei/ist, habt ihr entschieden, der die ruchlosen
Angriffe des M. Antonius von Rom nach Gallien abgewendet hat, dann habt ihr
die altgedienten Soldaten, die als erste Caesar gefolgt sind, dann jene himm-
lischen und gttlichen Legionen, die legio Martia und die vierte, anerkannt,
denen ihr, als/weil/obwohl sie nicht nur ihren [kommandierenden] Konsul ver-
lassen hatten, sondern sogar mit Krieg verfolgten, Ehrungen und Belohnungen
versprochen.
4. Was habt ihr also anderes getan, (wenn ihr nicht =) als dass ihr Antonius
zum (Staats)Feind erklrt? 5. Wird nach diesen euren Beschlssen entweder
er euch mit Gleichmut anblicken oder werdet ihr ihn ohne grten Schmerz
sehen [knnen]? 6. Ausgeschlossen hat ihn vom Staat, weggezogen, getrennt
nicht nur sein eigenes Verbrechen/verbrecherisches Verhalten, sondern auch,
wie mir scheint, ein gewisses Geschick des Staates.
7. Niemals wird er den Gesandten gehorchen. 8. Ich kenne die Tollheit
(= Durchgeknalltheit) des Mannes, seine Anmaung; ich kenne die verdor-
benen Absichten seiner Freunde, denen er ergeben ist. 9. Sein Bruder Lucius
jedenfalls kommandiert eine Truppe [von Freunden und Verwandten].
10. Mag er auch selbst durch sich (= was ihn selbst angeht) vernnftig sein was
er niemals sein wird : durch diese wird er es jedoch nicht (= keinesfalls) sein
knnen. 11. In der Zwischenzeit wird Zeit verschwendet, die Vorbereitungen
des Krieges khlen ab (beide Futur 1).
1. interea Verres cupiditate illa sua nota atque apud omnes pervagata, cum signa1
quaedam pulcherrima atque antiquissima Thermis2 in publico posita vidisset,
adamavit. 2. a Sthenio3 petere coepit, ut ad ea tollenda operam suam profitere-
tur seque adiuvaret. 3. Sthenius3 vero non solum negavit, sed etiam ostendit fieri
id nullo modo posse, ut signa1 antiquissima, monumenta P. Africani4, ex oppido 5
repertus est nemo, quin10 mori diceret satius esse. 8. itaque hoc adhuc oppidum
Verres invenit prope solum in orbe terrarum, unde nihil eius modi rerum de
publico per vim, nihil occulte, nihil imperio, nihil gratia, nihil pretio posset
auferre.
1 signum, i n. Gtterstatue.
2 Thermae, arum f. Thermae, Stadt an Siziliens Nordkste.
3 Sthenius, i m. Sthenius, Gastgeber des Verres, dessen Haus Verres schon geplndert hat.
4 P. Africanus P. Scipio Africanus Minor hat 146 v. Chr. Karthago zerstrt und viele sizilische
Kunstwerke, die er dort gefunden hatte, den jeweiligen sizilischen Stdten zurckgegeben.
5 Thermitanus Einwohner von Thermae.
6 incolumi illa civitate imperioque populi Romani nominaler abl. abs. solange jene Brgerschaft
und das Imperium Romanum unversehrt seien.
7 iste gemeint ist Verres.
8 ut hier: weil.
9 in primis Siculorum unter den ersten der Bewohner Siziliens.
10 quin der nicht (Konjunktiv wird nicht bersetzt).
1. Inzwischen verliebte sich Verres mit jener seiner bekannten und bei allen
verbreiteten (als Hendiadyoin: bestens bekannten) Gier, als er irgendwelche
sehr schnen und sehr alten Gtterstatuen in Thermae in der ffentlichkeit
aufgestellt gesehen hatte, in diese. 2. Er begann (von) Sthenius zu bitten, dass
er [ihm], um sie wegzunehmen, seine Hilfe versprechen und ihn untersttzen
solle/sollte. 3. Sthenius jedoch lehnte nicht nur ab, sondern erklrte auch, dass
dies auf keine Weise geschehen knne, dass die sehr alten Gtterstatuen, Erin-
nerungen an P. Africanus, aus der Stadt der Thermitaner, solange jene Brger-
schaft und das Reich des rm. Volkes unversehrt seien, weggenommen wrden/
werden knnten.
4. Scipio hatte nach der Beendigung des Krieges (gemeint ist der 3. Punische
Krieg, der 146. v. Chr. mit der vollstndigen Zerstrung Karthagos endete) dafr
gesorgt, dass die Bundesgenossen ihr Eigentum durch unseren Sieg wiederer-
langten, [und] dass allen Siculern nach der Einnahme Karthagos zurckgege-
ben wurde, was er [zurckgeben] konnte.
Satzbild:
Scipio curaverat + 2 aci
bello confecto
1. aci: socios recuperare,
2. aci: [ea], restituenda*
quae [restituere] potuit
5. Diese Gtterbilder und andere Dinge hatte Scipio nicht gleichgltig aufge-
geben, damit der schlaue Herr Verres sie wegschleppen knne, sondern den
Thermitanern zurckgegeben.
6. Als dieser da diese [Gtterbilder] verlangte und diese Angelegenheit im
Senat verhandelt wurde, leistete Sthenius sehr heftig Widerstand und erwhnte
viele Dinge, weil er ja unter den ersten der Bewohner Siziliens redegewandt ist:
es sei fr die Thermitaner ehrenhafter, die Stadt zu verlassen, als zuzulassen,
dass weggenommen wrden aus der Stadt die Denkmler der Vorfahren, Beute-
stcke der Feinde, Wohltaten des berhmtesten Mannes (= Scipios), Anzeichen
fr das Bndnis und die Freundschaft mit dem rm. Volk.
7. Die Gemter aller wurden bewegt (= alle waren gerhrt); es wurde nie-
mand gefunden/fand sich niemand, der nicht sagte, dass es besser sei zu sterben.
8. Und so hat Verres diese Stadt als bisher beinah einzige auf der ganzen Welt
gefunden, woher/aus der er nichts von derartigen Dingen aus der ffentlich-
keit durch Gewalt, nichts heimlich, nichts durch seine Amtsgewalt/-befugnis,
nichts durch Gunst, nichts durch Geld wegschleppen konnte (explikativer Konj.
im Relativsatz).
Der rmische Prtor Verres hat die ihm anvertraute Provinz Sizilien in seiner Amtszeit schamlos
ausgebeutet und ist auch vor Urkundenflschung nicht zurckgeschreckt. Eine eintrgliche
Methode der Bereicherung war, horrende Bestechungssummen zu fordern und die Betroffe-
nen zu zwingen, dafr bei der Gesellschaft der rmischen Steuerpchter einen Kredit aufzu-
nehmen. Mit dem Vorsitzenden dieser Gesellschaft, einem rmischen Ritter namens Carpena-
tius, steckte Verres unter einer Decke. Die Gesellschaft erhob hohe Zinsen auf die erzwunge-
nen Kredite und machte auf diese Weise ebenfalls ein gutes Geschft.
Cicero kommt Verres und Carpenatius auf die Schliche, als er die Ein- und Auszahlungsbelege
(tabulae) der Steuerpchtergesellschaft beschlagnahmt und sorgfltig prft. Dabei macht er
folgende Entdeckung:
modi nomina. 4. cum manifesto res flagitiosa litura2 tabularum1 atque insignis6
turpitudo teneretur, quaerere incipimus de Carpinatio7, quisnam is esset Ver-
rucius, quicum8 tantae pecuniae rationem haberet9. 5. haeret homo, versatur,
rubet.
6. ut res quam maxime clara et testata10 esse posset, in ius11 ad Metellum12 10
1 tabula Wachstafel, gemeint sind die in der Einleitung genannten Ein- und Auszahlungsbelege
(Kontoauszge) der Steuergesellschaft.
2 litura das Ausstreichen des Geschriebenen durch berstreichen des Wachses in den
wachsbeschichteten Schreibtafeln.
3 offensus beschlichen, befallen.
4 C. Verrucio Dat. fr C. Verrucius.
5 alter R das zweite R des Namens Verrucius.
6 in|signis, e unerhrt, beispiellos.
7 Carpinatius Carpinatius, der Vorsitzende der Steuerpchtergesellschaft; vgl. die Einleitung!
8 quicum mit dem.
9 tantae pecuniae rationem habere eine geschftliche Verbindung ber eine so hohe Geldsumme
haben.
10 testatus bezeugt.
11 in ius ad aliquem vocare vor Gericht rufen, vorladen bei jdm.
12 Metellus Metellus, der momentane Prtor (und damit oberste Richter) in Sizilien.
13 iste praetor gemeint ist Verres.
14 societas (atis f.) ac faeneratio (onis f.) gemeinsamer Betrug beim Geldverleih.
15 summe Adv. aufs hchste gespannt.
16 socii, orum m. die Steuerpchter.
1. Als wir die Wachstafeln in Hnden hielten, erblickten wir pltzchen Ausstrei-
chungen dieser Art wie gewisse frische Wunden der Tafeln. 2. Sofort von einem
Verdacht befallen, lenkten wir unsere Augen und Geist direkt auf diese Namen.
3. Gelder waren angenommen worden fr einen C. Verrucius, jedoch so, dass bis
zum zweiten R die Buchstaben unberhrt standen, die brigen (dagegen) alle
in der Austreichung waren; der zweite, der dritte, der vierte, sehr viele Namen
waren von derselben Art. 5. Als durch die Ausstreichung der Tafeln die schnd-
liche Angelegenheit und die unerhrte Gemeinheit offensichtlich (aufgedeckt)
wurde, begannen wir Carpinatius zu fragen, wer denn dieser Verrucius sei, mit
dem er eine geschftliche Verbindung ber eine so hohe Geldsumme habe.
5.Da hing der Mann fest, drehte und wendete sich, wurde rot.
6. Damit die Angelegenheit mglichst klar und bezeugt sein konnte, rief ich
Carpinatius vor Gericht bei Metellus und brachte die Wachstafeln auf den Mark-
platz/das Forum. 7. Es gab einen riesigen Menschenauflauf und, weil des Carpi-
natius gemeinsamer Betrug beim Geldverleih mit dem da bekannt war, warteten
alle hchst gespannt, was in den Tafeln enthalten war/sei. 8. Die Angelegenheit
teilte ich Metellus mit, dass ich die Tafeln der Steuerpchter in Augenschein
genommen htte; in diesen Tafeln bestehe eine intensive geschftliche Verbin-
dung eines C. Verrucius mit sehr vielen Namen; ich htte dies aus den monatli-
chen Datumsangaben erkannt, dass dieser Verrucius weder vor der Ankunft des
C. Verres noch nach dessen Weggang irgendeine geschftliche Verbindung mit
Carpinatius gehabt habe. 9. Ich forderte ihn auf, mir zu antworten, wer dieser
Verrucius sei. 10. Alle riefen aus der Versammlung, dass es nie (wrtl.: niemand
jemals) in Sizilien einen Verrucius gegeben habe.
C. Verres, Statthalter auf Sizilien, hatte in der Stadt Segesta eine alte, besonders schne Statue
der Gttin Diana gefunden und wollte diese unter allen Umstnden in seinen Besitz bringen.
Cicero, der Verres im Namen der Sizilier angeklagt hat, schildert die nheren Umstnde und
den Abtransport dieser Statue aus Segesta:
tote8 adductos esse operarios! 7. ii denique illud ignari totius negoti ac religio-
nis mercede accepta sustulerunt. 8. quod cum ex oppido exportabatur, quem10
conventum mulierum factum esse arbitramini10, quem10 fletum maiorum natu?
9. quorum nonnulli etiam illum diem memoria tenebant, cum illa eadem Diana11
Segestam Carthagine revecta12 victoriam13 populi Romani reditu suo nuntiasset. 15
10. quam dissimilis hic dies illi tempori videbatur! 11. tum imperator14 populi
Romani, vir clarissimus, deos15 patrios reportabat Segestanis1 ex urbe hostium
recuperatos, nunc ex urbe sociorum praetor6 eiusdem populi turpissimus atque
impurissimus eosdem illos deos15 nefario scelere auferebat.
1. Auerdem lud er die Beamten der Segestaner vor, holte gerade die besten
und adligsten zu sich, schleppte sie ber alle Marktpltze der Provinz herum,
kndigte jedem einzeln an, er werde ihn ins Verderben strzen [und] drohte
allen zusammen, er werde jene Brgerschaft ganz und gar vernichten. 2. Daher
beschlossen die Segestaner endlich, durch die vielen bel und ihre groe Furcht
besiegt, dem Befehl des Prtors zu gehorchen (dass gehorcht werden msse).
3. Unter groer Trauer und Seufzen der ganzen Brgerschaft, unter vielen Tr-
nen und Jammern aller Mnner und Frauen wurde das Standbild der Diana
zum Abtransport ausgeschrieben.
4. Seht, wie gro die religise Ehrfurcht bei den Segestanern gewesen ist.
5.Wisst, ihr Richter, dass niemand gefunden worden ist, weder ein Freier noch
ein Sklave, weder ein Brger noch ein Fremder, der gewagt htte, jenes Gtter-
bild [auch nur] zu berhren! 6. Wisst, dass einige auswrtige Handwerker aus
Lilybum hergebracht worden sind! 7. Diese transportierten schlielich, weil
sie die ganze Angelegenheit nicht kannten/in Unkenntnis der A. jenes [Gt-
terbild] ab, nachdem sie Lohn [dafr] bekommen hatten. 8. Als dieses aus der
Stadt gebracht wurde, knnt ihr euch vorstellen, was fr ein Zusammenlauf der
Frauen entstanden ist, was fr ein Wehklagen der lteren? 9. Von denen erin-
nerten sich einige noch an jenen Tag (hielten in Erinnerung), an dem gerade
jene[s] Diana[standbild] nach Segesta aus Karthago zurckgebracht worden
war und den Sieg des rmischen Volkes durch seine Rckkehr verkndet hatte.
10. Wie unhnlich schien diese Tag gegenber jener Zeit! 11. Damals brachte
der Feldherr des rm. Volkes, ein sehr berhmter Mann, die vterlichen Gt-
ter/Gtter der Vter den Segestanern zurck, die er aus der Stadt der Feinde
wiedergewonnen hatte: jetzt schleppte der sehr schndliche und charakter-
lose Prtor des gleichen Volkes aus der Stadt der Bundesgenossen genau jene
Gtter[bilder] durch ein ruchloses Verbrechen weg.
Der rmische Brger Gavius war aus nichtigem Anlass widerrechtlich vom Statthalter Siziliens,
dem rmischen Prtor Verres, verhaftet und zu Sklavenarbeit in den Steinbrchen von Syrakus
verurteilt worden. Er floh aus der Haft und machte auf dem Weg nach Rom in Messina Station,
wo er sich ber Verres beschwerte, was er, wie der Text zeigt, lieber nicht htte tun sollen.
Cicero schildert als Vertreter der Bewohner Siziliens das unglaubliche Verhalten des Verres
gegenber Gavius, einem rmischen Brger.
eoque ipso die casu Messanam Verres venit. 4. res ad eum defertur: esse civem Roma-
num, qui se Syracusis9 in lautumiis10 fuisse quereretur; quem iam ingredientem in
navem et Verri nimis atrociter minitantem ab se11 retractum esse, ut ipse12 in eum
statueret, quod videretur.
5. Verres agit hominibus gratias et eorum benivolentiam erga se diligenti- 10
gis in medio foro Messanae civis Romanus, iudices, cum interea nulla vox alia
illius miseri inter dolorem15 crepitumque plagarum16 audiebatur nisi haec: Civis
Romanus sum.
1. Gavius begann in Messina zu sprechen und sich zu beklagen, dass er als rmi-
scher Brger in Fesseln gelegt worden sei, (ihm sei der Weg =) er reise nach
Rom. 2. Der Arme erkannte nicht, dass es keinen Unterschied machte, ob er
dies in Messina oder bei Verres selbst in seinem Amtsgebude sagte; denn, wie
ich euch vorher dargelegt habe, hatte dieser da sich diese Stadt gewhlt, um sie
als Helferin seiner Verbrechen, Hehlerin seiner Diebsthle, Mitwisserin aller
seiner Schandtaten zu haben. 3. Daher wurde Gavius sofort zum diensthaben-
den Beamten gefhrt, und an genau diesem Tag kam Verres zufllig nach Mes-
sina. 4. Die Angelegenheit wurde ihm bermittelt: es gebe einen rm. Brger,
der sich beklage, in Syrakus in den Steinbrchen gewesen zu sein; dieser sei,
als er schon ins Schiff habe einsteigen wollen und [dem] Verres allzu wtend
gedroht habe, von ihm festgehalten worden, damit er selbst gegen ihn beschlie-
en knne, was ihm [richtig] scheine.
5. Verres dankte den Menschen und lobte ihre Beflissenheit und Aufmerk-
samkeit ihm gegenber. 6. Er selbst kam entflammt von Ruchlosigkeit und
besinnungsloser Wut aufs Forum. 7. Alle warteten ab, was er tun werde, als er
pltzlich befahl, den Mann herzuschaffen und mitten auf dem Forum zu ent-
blen und festzubinden und Ruten herbeizuholen. 8. Jener arme Mann schrie
[immer wieder], dass er rm. Brger sei.
9. Verres aber befahl, den Mann auf das Heftigste auszupeitschen. 10. Nieder-
gemacht wurde mit Ruten mitten auf dem Marktplatz von Messina ein rmi-
scher Brger, ihr Richter, wobei die ganze Zeit keine anderen Worte (im Lat.
Sing.) jenes armen [Menschen] zwischen seinen Schmerzensschreien und dem
Klatschen der Schlge gehrt wurden/zu hren waren als (wenn nicht) diese:
Ich bin rmischer Brger.
Der Stoiker Balbus beweist die Existenz einer gttlichen Vorsehung (providentia) fr die Welt:
1. nihil est autem praestantius deo; ab eo igitur mundum necesse est regi; nulli
igitur est naturae1 oboediens aut subiectus deus; omnem ergo regit ipse natu-
ram. 2. etenim si concedimus intellegentes2 esse deos, concedimus etiam pro-
videntes2 et3 rerum quidem3 maxumarum. 3. ergo utrum ignorant, quae res
maxumae sint quoque eae modo tractandae, an vim non habent, qua tantas res
sustineant et gerant? 4. at et ignoratio rerum aliena naturae1 deorum est, et sus- 5
in iis, quae humano in genere, ratio, eadem veritas utrobique sit eademque lex,
quae est recti praeceptio6 pravique depulsio7. 8. ex quo intellegitur prudentiam
quoque et mentem a deis ad homines pervenisse, cumque sint in nobis consi-
lium, ratio, prudentia, necesse est deos haec ipsa habere maiora, nec habere
solum, sed etiam his uti in maxumis et optumis rebus. 9. nihil8 autem nec8 15
maius nec8 melius mundo; necesse est ergo eum deorum consilio et providentia
administrari.
1 natura (Lebe-)Wesen.
2 intelligentes; providentes hier Adjektive; providens = providus.
3 et quidem und zwar.
4 cadere in aliquid zu etwas passen.
5 animans hier Adjektiv.
6 prae|ceptio, onis f. Vorschrift.
7 de|pulsio, onis f. Abwehr.
8 nihil nec nec die Verneinungen heben sich nicht auf: bersetzen Sie nec nec mit oder
(das erste nec bleibt unbersetzt!).
1. Nichts ist aber hervorragender als der Gott; dass von ihm also die Welt regiert
wird, ist ntig; folglich ist der Gott keinem Wesen gehorsam oder unterworfen;
also regiert er selbst jedes Wesen. 2. Wenn wir nmlich einrumen, dass die
Gtter verstndig sind, rumen wir auch ein, dass sie vorhersehend sind, und
zwar in Bezug auf die bedeutensten Dinge. 3. Wissen sie also nicht, welches
die bedeutendsten Dinge sind und auf welche Weise sie gehandhabt werden
mssen, oder haben sie nicht die Kraft, mit der sie so groe Dinge behandeln
und durchfhren [knnen]? 4. Aber einerseits ist die Unkenntnis der Dinge
dem Wesen der Gtter fremd, andererseits passt die Schwierigkeit, eine Auf-
gabe durchzufhren wegen Schwche, ganz und gar nicht zur Erhabenheit der
Gtter. 5. Daraus wird bewirkt, dass die Welt durch die Vorsehung der Gtter
verwaltet wird.
6. Gleichwohl ist es aber doch ntig, dass die Gtter beseelt sind, und nicht
nur beseelt, sondern auch im Vollbesitz ihres Verstandes und unter einander
in gleichsam brgerlicher Vereinigung und Gemeinschaft verbunden, indem
sie die[se] eine Welt wie einen gemeinsamen Staat regieren. 7. Es folgt, dass die
gleiche Vernunft in ihnen ist wie im Menschengeschlecht, die gleiche Wahr-
haftigkeit/Wahrheitsliebe auf beiden Seiten und das gleiche Gesetz, welches die
Vorschrift des Richtigen und die Abwehr des Schlechten ist. 8. Daraus kann
man erkennen, dass auch die Klugheit und der Verstand von den Gttern zu
den Menschen gekommen ist, und weil in uns Entschlusskraft, Vernunft [und]
Klugheit sind, ist es ntig, dass die Gtter genau diese in hherem Mae (wrtl.:
als grere) haben, und nicht nur haben, sondern diese auch gebrauchen in den
bedeutendsten und besten Dingen. 9. Nichts aber, weder etwas Greres noch
etwas Besseres, gibt es als die Welt; folglich ist es ntig, dass sie durch den Rat-
schluss und die Vorsehung der Gtter verwaltet wird.