Reinach Adolf Zur Theorie Des Negativen Urteils Lipps Festschrift 1911 PDF
Reinach Adolf Zur Theorie Des Negativen Urteils Lipps Festschrift 1911 PDF
196 J
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Zur Theorie des negativen Urteils. 19?
sieren pflegt. Andererseits aber begreift man darunter auch das
Zur Theorie des negativen Urteils. I benachbarte, aber durchaus geschiedene Teilgebiete zerlegen.
I Das muß nun näher aufgewiesen werden; es gilt die beiden berührten
l
Von · Urteilsbegriffe ·zu trennen und sie zugleich von yerwandten Ge
·
.ADoLF REINACH. bilden abzuscheiden, mit denen sie verwechselt werden können
und verwechselt worden sind.
·
Die großen Schwierigkeiten, auf welche die Logik von Anfang Wir knüpfen an einen Ten;ninus an, welchem wir seit F RANZ
an bei der Behandlung des negativen Urteils gestoßen ist, sind B:aENTANOS einflußreichen Untersuchungen in der Urteilstheorie
noch keineswegs befriedigend gelöst. Weitgehende Differenzen häufig begegnen. BRENTA.NO hat das positive Urteil als ein ,,An
bestehen noch nach den verschiedensten Richtungen hin. Nur erkennen" bezeichnet und ihm das negative Urteil als ein "Ver
zum Teil liegen diese Schwierigkeiten an dem negativen Urteil werfen" gegenübergestellt. Zweifellos sind diese Termini nicht
als solchem, zum anderen Teil liegen sie daran, daß auch die Be ohne weiteres und eindeutig verständlich; die Forscher, welche
stimmung des positiven Urteils noch nicht eindeutig gelungen sich ihrer bedient haben, haben sich denn auch keineswegs der
ist. Solange der Urteilsbegriff überhaupt mit Äquivokationen in ihnen liegenden gefährlichen Vieldeutigkeit immer entzogen.
und Unklarheiten behaftet ist, wird auch die Behandlung des Von Anerkennung und Verwerfung wird zunächst im Sinne einer
negativen Urteils darunter zu leiden haben. Es soll im Folgen w e r t e n d e n Zu- oder Abwendung gesprochen; so wird ein sitt
den der Versuch gemacht werden, die Probleme des negativen liches Tun anerkannt, ein unsittliches verworfen. Mit Recht
Urteils nicht etwa allseitig zu lösen, aber doch nach einigen
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haben BRENTA.NO 1 und MAR'i'Y 2. betont, daß dieser Begriff "einer
Richtungen hin einer Lösung näher zu bringen. In der ganzen liebenden Wertschätzung" oder einer "Genehmhaltung im Ge
Problemlage ist es begründet, daß wir zuerst mit einigen Erörte müte" in der Urteilstheorie keine Stelle hat. Was sollte es auoh
rungen über das Urteil überhaupt beginnen. 1 heißen, daß im Urteil "2.2 =4" die Gleichheit von 2.2 und 4
"geschätzt" oder im Urteil "2.2 5" die Gleichheit von 2.2 und 5
I.
=
1 Da ich mich hier auf die Darlegung des für meine Zwecke aller
notwendigsten beschränken muß, habe ich a uf literarische Auseinander I 1 Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis S. 56.
setzungen fast ganz verzichtet� Im übl'igen verweise ich auf die ausfiihr
licbel'e Darstellung in meiner Schrift "Urteil und Sachverhalt", die ioh in
! a Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik Ulld
t;prachphllosophie, Bd. I, S, 233.
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Kürze zu verö ffentlichen hoffe.
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i98 . . .Adolf .Reinach.. Zur Theorie dlllt negativen Urteils. 199
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. .
erkennen; aber auch hier ist das· Anerkennen kein Urteil. Welches -wä.rtigen wir uns einEm konkr�ten Fall: · es .möge zwischen ·mk
Urteil sollte es auch sein 1 Das Urteil "A ist b" 1 Gewiß nicht. und einem· anderen in Frage stehen, welche Farbe irgend ein
Denn dieses' U:rteil bezieht sioh ja evidentermaßen auf das b-seiri Gegenstand trägt. Ich tre� vor ihn hin und sehe, er ist rot. ·Es
des A, auf diesen Sachverhalt, die Anerkennung aber,. die wir ist mir hier gegeben das Rotsem des Gegenstandes, und indimi
jetzt im Auge haben, bezieht sich auf das Ur t e il "A ist b", A' .es mir zur Gegebenheit. kommt, erwächst mir die· diesbezügliche
I
Daß der Sachverhalt aber nicht dasselbe ist wie das Urteil :Oberzeugung; es erwächst mir die Überzeugung davon, oder
welches ihn setzt, b raucht nicht besonders betont zu werden : der .�Glaube'� daran, daß der Gegenstand rot ist. Man kann da
loh kann auf das gehörte Urteil auoh.erwidern: "Ja; A ist in der j bei sehr wohl von einem Urteil reden. Wir haben in der Tat
Tat b." Hier haben wir die Zusthnmungsanerkennung und·· da.S
Urteil in evidenter Verschiedenheit liebeneinander. Erst stiine n:i.
Ii
hier den Punkt, an dem sich ·der "belief" �Begriff _der englischen
Philosophie orientiert.
ich in dem "Ja" dem gehörten Urteil zu, und dann urteile ich Verfolgen wir den Fall noch eine Strecke weiter: loh wende
auch meinerseits ,,A ist b" .. Dieses Urteil kann man nun eben�
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t mich vqn dem Gegenstande ab, trete zu· der. anderen Person
falls als eine Anerkennung, und zwar als Anerkennung des Sach hin u'nd sage: "Der Gegenstand ist rot." Was liegt hier vor �·
I
verhaltes "b-sein des A" bezeichnen. Und gerade hierin liegt Die vorher gewonnene Überzeugung kann fortdauern, ich kann sie
die Gefahr der Verwechslung, von der wir sprachen. Zu I festhalten; auch wenn der Gegenstand nicht mehr vor mir steht�
stimmungsanerkennung und urteilende · Anerkennung ·sind, so• :I Mit dieser Überzeugung wende ich mich zu dem Anderen und
wohl als Akte, wie ihrer gegenständlichen Beziehung naoh grund -spreche die genannten Worte aus. Aber es ist keineswegs so;
verschieden. Wollen wir uns die hier liegende Äquivokatioti
zunutze machen, so können wir sagen: die Zustimmungsaner
I
I'
'als ob hier nun nichts weiter vorläge als die Überzeugung vom
Sachverhalte und das Ausspreoh�m bestimmter Worte. Indem
kennung ist Anerkennung einer urteilenden Anerkennung. 1 l ich die Worte ausspreche, meine ich mit ihnen etwas, meine ich
Mil.nohe Verwirrung in der Urteilstheorie erklärt sich dil.ra;lis,
.
daß man dem echten Urteil die zustimmende Anerkennung unter
I
'
das Gegenständliche, welches sie bezeichnen, und zwar meine ich
es in setzender, in behauptender Weise. Dieses Setzen oder Be-.
geschoben hat. Der Terminus Anerkennung verleitet dazu in
hohem Maße, und .ebenso oder in· noch höherem Maße der Ter
I haupte:q. stellt einen eigenen sehr bemerkenswerten Akt d�
Auch wenn ich sage: "Ist der Gegenstand rc;>t �" ziele ich meinend
•.
Ininus "Billigung", dessen sich W i n d e 1 b a n d zur Bezeichnung a'b auf Gegenständliches und zwar auf dasselbe, wie bei dem
.
des Urteils bedient. 11 Natürlich lassen sich für die Ausdrücke Satze: "Der Gegenstand ist rot". Aber jetzt haben wir nicht,
"verwerfen" oder "mißbilligen" ganz entsprechende Erwägungen wie vorhin, ein behauptendes, sondern ein fragendes Abzielen,
durchführen. Es hebt sich bei der aufmerksamen Vergegenwärtigung der beiden
·
Nachdem wir so Anerkennung und Verwerfung im Sinne Fälle das Spezifische des Behauptens mit aller Klarh�it heraus.
einer positiven bzw. negativen Wertschätzung und im Sinne der Oder man versetze sich in den Fall, in dem ein anderer die Be-.
Zustimmung bzw. Ablehnung eines Urteils ausgeschaltet haben, hauptung· "A ist b" ausspricht, und ich diesen Satz verstehend
gelangen wir zu der Frage, ob unsere Termini wenigstens innerhalb wiederhole, ohne jedoch die Behauptung zu teilen. Genau del'
der Urteilssphäre selbst einen eindeutigen Sinn besitzen. Wir identische Sachverhalt ist hier beide Male g�eint, aber nur im
haben schon angedeutet, daß dies nicht der Fall ist. Vergegen- ersteren Falle ist er b e h a u p .t e n d gesetzt.1 Wie das verstehende
I
' ,. . Nachsprechen der Behauptung positiv zu charakterisieren ist,
1 Die Zustimmung bezieht sich frej.l.ich nicht nur auf das Urteil im , sei dahingestellt; von einem Behaupten kann jedenfalls keine_
Sinne des Urteilsa.ktes, sondern auch im Sinne des Urteilsgelialtes. Doch
ist es nicht notwendig, diese e�as achwierige Unterscheidung hier durch- 1 Daß es. nicht angeht, die beiden Fälle a.ls ein "bloßes Aussprechen"
zuführen. . . . - . i von Worten zu charakterisieren, bei dem nur das eine Mru eine 'Üb e r•
a Vgl. bes. Beiträge. zur Lehre vom negativen Urteil. (Straßburger I z e u g u n g zugrunde liegt, während sie das andere Mal fehlt, ergibt
Abhandlungen zur Philosophie, S. 167ff.) · · · · - .
. � sich aus den folgenden Ausführungen.
I
200 AdoZf Beinach. Zur Theorie des negati11m Urteils. 201
:Rede se:i:Q. So sehen wir, da.ß es eigentUxnll(}he Akte' des Se�®s Intenaität des Gefühls. 1 Das hat er später etwas modifiziert.
J
oder Beha.uptens gibt; .sie liegen in edem po11itiven Urteile, dem ,,Ea ist falsch , .... , so h,eißt es im Ursprung sittlicher Erkennt
wir Ausdruck verleihen, vor. Wir werden diEltleB Behaupten nis, 2 daß der sog. Grad der Überzeugung eine Intensitätsstufe
auflluohen im aus g e s p r o c h e n e n Urteil; aber wir müssen des Urteilans sei, welche mit der Intensität von Lust und Schmerz
uns davor hüten, es auf rein Sprachliches reduzieren zu wollen. in Analogie. gebracht werden könnte." Aber Grade des Urteils
Man kann zugeben, daß ein Behaupten ohne sprachliche Ein will BRE'N'U,NO nach wie vor annehmen. Und ähnlich redet WINDEL�
kleidung sich nirgends aufweisen läßt. Aber das bedeutet nicht, UN:J? von einer graduellen Abstufbarkeit des "Überzeugungs�
daß beides identisch ist. Sowohl beim eigentlichen, lauten, als a1:1.ch gefühls" oder der "Gewißheit". 3 Auf die Behauptung angewail.dt,
beim inneren, atillen Sprechen gibt es em Beha.upten. D��os Sprechen ergibt eine solche Annahme ·überhaupt keinen Sinn. Entweder
ist in beiden Fällen ganz verschieden ch�akterisiert -...: freilich wird etwas behauptet oder es wird nicht behauptet; Grade des
werden wir uns davor hüten, das :i.nnere Sprechen a.ls bloße .. Behauptens aber gibt es nicht. Gewiß kann man auch von einem
j
Spra.ch v o r s t e l l u n g bezeichnen zu wollen, da ja die Vor I zögernden, widerwilligen Behaupten reden; aber es ist klar, daß
..,,_
stellung eines lauten Sprechens und ein inner�;:�s Sprechen offenbar ein solches Behatpten darum nicht ein geringeres oder minderes
durchaus verschieden silld. Während so das Sprechen in eigen Behaupten ist. Ganz anders steht es bei der Überzeugung. Hier
�rtiger Weise sich abwandelt, bleibt doch das Behaupten, welchem hat es in de:r: Tat einen guten Sinn, von Stufen oder Graden zu
es Ausdruck gibt, sowohl bei der äußeren als der inneren Rede reden. Neben der Überzeugung gibt es die Vermutung und den
durchaus da11selbe. Wie auch jene Abwandlung sich näher charak� Zweifel; mit ihnen sinkt der "Grad der Gewißheit" immer tiefer
terisieren mag: das spezifische Moment des Behauptens ist ihr herab. In diesem Zusammenhange kann äJ.so BRENTANO das Urteil
gewiß nicht unterworfen, und dies zeigt zur Genüge, wie fehle:r:� nicht im Sinne der Behauptung, sondern er muß es im Sinne der
haft es wäre, das Behaupten mit dem Sprechen zu identifizieren. Überzeugung im Auge haben; ihm selbst drängt sich denn auch
e,n der angeführten Stelle dieser Ausdruck auf. Die gefährliche
Auch das Behaupten nun, welches sich uns allmählich heraus
zuheben beginnt, kann sprachgebräuchlich als ein Urteilen be Doppeldeutigkeit des Anerkennungsbegriffes zeigt sich hier überaus
zeichnet werden - so gut oder vielleicht noch besser als die Über deutlich, wir wollen diesen Ausdruck daher im Folgenden ganz
zeugung. So sind wir also hier auf z w e i Urteilsbegriffe ge vermeiden und bei dem "setzende�". Urteil stets von Behauptung
stoßen, welche sich beide hinter dem vieldeutigen Terminus An reden. Zugleich hat sich jetzt ein erster fundamentaler Unter�
erkennung verbergen. Neben der anerkennenden Wertschätzung. schied zwischen Oberzeugung und Behauptung herausgestellt;
und der anerkennenden Zustimmung gibt es noch z w e i Fälle den wir noc)l etwas weiter ausführen wollen.
u r t e i I e n d e r Anerkennung. Im Grunde scheint es zwar der Sprach:. ·In psychologischen und logischen Betracht�gen finden wir
gebrauch nur zu erlauben, das B e h a u p t e n als ein Aner häufig eine Zusammenstellung des Urteilans mit anderen mehr
kennen zu bezeichnen; insofern aber Behauptung und "Qberzeugung oder weniger nahe verwandten Bewußtseinsakten. Da wird das
ständig konfundiert werden, wird zugleich die letztere 'unter Urteil einmal gegenübergestellt dem Zweifel _und der Vermutung,
jenem Terminus mitbefaßt. Die Urteilstheorie BRENTANOB gibt uns ein andermal der Frage oder Wunschaussage. Sehen wir näher
ein �ispiel dafür. Er spricht vom Urteil als Anerkennung und zu, so zeigt sich, daß dabei der Terminus Urteil in dem doppelten,
das weist uns, wenn wir die überhaupt nicht in die Sphäre der uns nun, geläufigen Sinne figuriert. Es geht nicht an, Vermutung
Urteilstheorie gehörigen Bedeutungen ablösen, zunächst auf die Be und Zweifel der Behauptung anZureihen; sie gehören vielmehr
hauptung hin. Andererseits aber redet BBENTANO von einer Grad als verschiedene Gewißheitsabstufungen neben die Überzeugung.
abstufung des Urteils, und das führt uns, wie unschwer ersichtlich,
'
sofort in eine andere Sphäre. In seiner Psychologie hatte BBENTANO 1 F�mpirische Psychologie, S. 292.
{:!Ogar von "I;ntensitäten" des Urteils gesprochen m Analogie zur I S, 67.
I
.... a a.. a. 0., S. 22 .
202 - Adolf Reinach. Zur Theorie da negativen Urteils. 203
Andererseits haben die Akte, welche in den Worten "Ist A b �·� 11chließt die· Überzeugung vöm Sein dessen, was in Frage gestellt
oder ."Wäre doch A b !" ihren Ausdruck finden, zweifellos nicht · wird, aus, genau so wie die echte Behauptung den Unglauben an
·
neben der Überzeugung, sondern neben der Behauptung ·· ihre .das Behauptete alisschließt·. Eine konventionelle Frage� bei der wir
Stelle. .das; was wir fragen, gauz. genau wissen, ist keine echte Frage; und
.Alles das sind nur indirekte Hinweisungen auf die Verschieden.. ebensowenig ist die Lüge, bei der das nicht geglaubt wird, was
heiten unserer beiden Urteilstypen. Die direkte und letzte Be� · tnan behauptet, ein echtes Behaupten. WiX·gehen auf diese an sich
stätigung kann uns hier, wie in anderen Fällen auch, nur die nicht unwichtigen. Zusammenhänge hier nicht weiter ein. Für
unmittelbare Wahrnehmung geben. Hier aber zeigt sich uns "mit uns haben ·sie lediglich die Funktion, die Trennung von Ober
zweifelloser Deutlichkeit: Einerseits die ·Überzeugung, die uns an zeugung und Behauptung noch einmal recht deutlich vor Augen
gesichts der Gegenstände erwächst, etwas was man mitunter -als !tu führen. Solche Wesensbeziehungen sind ja. offenbar nur dami.
Gefühl, mitunter wohl auch als Bewußtseinslage bezeichnet hat, möglich und nur dann verständlich, wenn es sich � nicht tim ein,
.
· gestelltsein zu sein. 1Den Begrüf der . VorstaUung fest zu um� es, wenn wir uns in· die ganz andersartigen Sphären der vergegen�
grepzen, ist freilich nicht leicht. HussERL hat gezeigt, mit wie �
wärti en, erinnerten, phantasierten,· gefühlten und (in der Weise
gro.ßen .Äquivokationen er behaftet ist.2 Sehen wir einmal ab von \'
der Zahlen) gedachten Gegenstände begeben. Sie alle sind für
der häufigen Bedeutung, in welcher man yon . Vorstellung im mich da, und das erlaubt es, die sie erfassenden Akte und alle
Gegensatze zux W a.hrnehmung spricht, so läßt sich von ihr in
anderen, deren intendierte Gegenständlichkeiten in. demselben
einem Sinne reden, der Wahrnehmung, Erinnerung, Phant�ie Sinne präsent sind, zu einer Gruppe zusämmenzufassen. Man
·und andere verwandte Akte gleichmäßig in sich befaßt. Eine
könnte die Frage stellen, ob mit dieser Bestimmung nicht über
prägnante Fassung des Ausdrucka "Vor-Stellung'' dient un'l zux haupt alle Akte um.faßt seien, welche sich auf Gegenständliches
Umgrenzung dieser sehr umfassenden Klasse von· Akten. Als beziehen, ob nicht jeder so intendie�e Gegenstand eben damit
vorgestellt gilt uns danach alles Gegenständliche, welches wir für mich "da-sei". So ist es aber ke�eswegs; indem wir nun
"vor" uns haben, oder um jedes anklingende räumliche Bild zu eine Klasse intendierender Akte abgrenzen, deren gegenständ
vermeiden,· welches uns "präsent" ist, welches für uns "da" dst, liches Korrelat in keinem Sinne vor-stellig ist, dürfen wir zugleich
Präsent ist mir das Blatt Papier, auf welches ich eben wahrnehmend hoffen, die bisherigen Ausführungen in ein helleres Licht zu setzen.
hinblicke, präsent ist mir der Mailänder Dom, den ich mir ver· Wir orientieren uns an sprachlichen Ausdr�cken. Ich zähle
gegenwärtige, das vergangene Erlebnis der Trauer, an das ich etwa die Gebirge Deutschlands auf, ich 11enne sie einem anderen
mich erinnere, eine Landschaft, die ich in der Phantasie imagi- oder sage sie 'mir auch selber her. Ich spreche dabei, vielleicht
niere. So grundverschieden alle diese Akte sind, so ist doch alles rasch nacheinander, eine große Anzahl von Namen aus. Aber
in ihnen Erfaßte :für mich "da", es steht gleic:Qsam vor mir, ist es liegt selbstverständlich viel mehr vor, als ein bloßes Aussprechen;
in diesem prägnanten Sinne von mir "vorgestellt". indem ich die Worte ausspreche, m e i n e ich etwas, ich meine eben .
Dieser . Begriff der Vorstellung erstreckt sich weit über die die Gebirge, welche die Namen bezeichn.en. Der absolut Sprachun
Sphäre der sinnlichen Gegenstände hinaus, in welcher er uxsprüng kundige würde si�h auf das Aussprechen der Worte beschränken,
lich seine Stelle hat. Auch die Schönheit eines Kunstwerkes, die ohne sie zu verstehen, d. h. hier eben, ohne die den ·Worten zuge
ich fühle, ist für mich da ; und ebenso ist mir etwa die Zahl 2� ordneten Gegenstände mit den Worten zu me�en. Wer dagegen_
deren Natul' ich mir an zwe1 beliebigen einzelnen Gegenständen die Worte verstehend ausspricht, zielt mit ihnen oder durch sie
vergegenwärtige, in eben dieser Vergegenwärtigung präse�t. hinduxch ab auf etwas anderes, und dieses andere ist das, worauf
Wir verkennen keineswegs die Fülle der Phänomene, welche h�er es ankommt. Es liegen hier Akte vor mit einer spontanen Richtung
zu unterscheiden sind. Nehmen wir allein die sinnliche Wahrneh auf Gegenständliches; es ist aber für jeden vorurteilslosen Be
mung, so ist ohne weiteres klar, daß das "eigentlich", im Vorder trachter nicht schwer einzusehen, daß von einer Präsenz dieser
grund Wahrgenommene ganz anders da ist, als der mitgegebene Gegenstände, von einer "Vorstellung" ihrer im oben umschrie
ffintergrund, und daß beide wiederum anders da sind, als dei' benen Sinne keine Rede sein kann. Gewiß k ö n n e n sie präsent
·
kleine Ausschnitt, mit welchem sich meine Aufmerksamkeit vor· sein; ich kann ein· Gebirge nennen und es giErichzeitig wahrnehmen
�ugsweise beschäftigt. Aber von einem "Dasein" können wir ·oder erinnernd mir vergegenwärtigen. Hier ist es dann allerdings
doch offenbar in allen diesen Fällen. sprechen,3 und ebenso steht vorgestellt, aber man sieht sofort, daß diese begleitende Vorstellung
gewöhnlich nicht vorhanden ist. oder wenigstens nicht vorbanden·
1 BRENTANO allerdings spricht von Vorstellung "im allerweitesten
zu sein braucht. Aber auch in den Fällen, wo der duxch den Namen
Sinne des Wortes" a. a.. 0., S. 15. . bezeichnete Gegenstand vorgestellt ist, müssen wir von der Vor
• Log. Untersuchungen, Bd. TI, S. 463 ff.
• Freilich da.rf man dieses da • sein nicht verwechseln mit dem stellung immer noch trennen den Akt des Meinens, der mit dem
ausdrücklichen mir g e g e n üb er -sein, von dem bei der HintePgrunds Aussprechen dea Namens verbunden ist. Auch hier ist es ja nicht
wahrnehmung natürlich keide Rede sein kann. (Vgl. TH. CoNRA.D, S. 157 !'10, als ob nichts weiter vorhanden wäre als eine Vorstellung des
dieses. Buches.) ,.
Gebirges und das bloße ·Aussprechen eines Wortes. Vielmehr
206 A.dolf Reinach. l
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Zur Theorie des negativen Urteils.
-zeigt eine aufmerksame Beobachtung das Folgende: die Vor I bote . als die des Meinans oder Ab�elens auf; und es bleibt unf!
stellung· ist ein Akt eigener Art, ein. schlichte!! rezeptives ,Ha.ben; . t nichts anderes übrig als vor der G�fahr verWirrender Äquivo·
des Gegenstandes, , das eine größere oder geringere Daue:�; be 1
ka.tionen zu warnen und insbesondere jenes, vorgestellte Gege:Q"
sitzen kann.. Tritt nun ein Aussprechen des Namens noch t
stände pointierende Meinen oder Abzielen als nicht hierhergehörig
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hinzu so ist � wenn anders der Name v er ·s t e h e n d aus.,
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espr chen wird damit verbunden einer jener eigentüm� ! zur Seite zu schieben. Zugleich kömien uns diese Erwägungen
dazu dienen, einen prinzipiellen Unterschied unseres Meinans
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liehen Akte, die wir aJs ein Meinen oder Abzielen auf bezeichneten. .von .allem Vorstellen herauszuheben. Allem Vorgestellten können
N e b e n die Vorstellung also tritt ein Meinen, welches sich von .wir uns :mit besonderem Interesse zuwenden, es herausheben
dem Vorstellen schon dadurch unterscheidet, daß es stets sprach':" a'\].s seiner Umgebung, uns bevorzugend mit ihm befasse�. In
lieh eingekleidet ist und daß ihm eine Spontaneität der Richtung der Sphäre des Meinans in unserem Sinne gibt es diese Modifi·
und eine zeitlich punktuelle Natur wesentlich sind. Vorstellen ).tationen nioh�. Man vergegenwärtige sich nur die Sachlage,
und Meinen sind in unserem Falle gewiß nicht beziehungslos: wenn wir im Flusse der Rede sukzessive auf eine Reihe von
Genau derselbe Gegenstand, der vorgestellt ist, ist ja zugleich Gegenständen abzielen. Von einem bevorzugenden, sich hin
�
gemeint. Diese Identität des Beziehllll;gspu tes de� bei e:O Akte � wendenden Meinen kann hier keine Rede sein.. Gewiß ist es mög�
_
aber darf. natürlich nicht dazu verleiten, s1e zu IdentifiZieren, lieh, siqh de:Q zuerst bloß gemeinten Gegenständen dann auch
indem man den unscheinbaren punktuellen Akt des Meinans auf zuzuwenden. Niemals aber kann das innerhalb des Meinans
gehen läßt in dem lang hingestreckten Akt des :V orstellens;
selbst geschehen, sondern dazu bedarf es eines eigenen neuen
Vielmehr sind beide nebeneinander vorhanden, und J6 nach den
Aktes, welcher die gemeinten Gegenstände zur Vorstellung bringt;
Umständen, wird man del' gesamten Sachlage dahin Ausdruck
nur dem so Vorgestellten können wir uns beachtend zuwenden.
geben, daß der erst nur vorgestellte Gegenstand überdies noch In noch prinzipiellerer Weise zeigt sich der fundamentale
in einem Akte des M:einens erfaßt wird, oder daß der zuerst bloß Gegensatz zwischen Vorstellen und Meinen bei folgender Er
gemeinte Gege:Qstand überdies noch in einem Akte der Vor.. wägung. Die Akte, in welchen Gegenstände vorgestellt werden�
stellung zur Gegebenheit kommt. sind durchaus verschieden, je nach der Klasse von Gegenständ'
Indem wir die eigentümlichen Akte, welche wir herauszu liohkeiten, auf die sie sich richten. Farben werden gesehen, Töne
heben suchen, als Akte des Meinans bezeichnen, verkennen wir :werden gehört, Dinge der Außenwelt werden sinnlich wahrgenom
nicht die Gefahren des Mißverständnisses, welche hierin einge.. men,· Zahlen werden gedacht, Werte werden gefühlt usw. Es
schlossen liegen. Einen Gegenstand meinet:�, auf ihn abzielen, ist eine selbstverständliche Forderung, überall� auch bei Tönen
das bedeutet ja auch, sich ihm "zuwenden", es auf ihn "a;bsehen" und Farben � das Gegenständliche scharf zu scheiden von den
oder welch andere Ausdrücke des pointierenden I:Qteresses zu Akten, durch welche es zur Vorstellung kommt. Alsdann aber
Gebote stehen :tnögen.1 Um ein Meinen in diesem häufig vor ergibt sich, daß hier eine Fü11e interessantester Wesensbeziehungen
.
kommenden Sinne handelt es sich uns t:�atür1ich nicht. Dieses besteht, daß den verschiedenen gegenständlichen Typen ver-,
� ich einem Gegenstand zuwendende Meinen setzt ja offenbar
schiedene 'l'ypen vorstellender Akte mit Notwendigkeit entsprechen.
seinem Wesen nach ili.e Präsenz des so "gemeinten" Gegenstandes Farben können eben n u r gesehen, Zahlen n u r gedacht we-rden.
voraus. Uns aber handelt es sich dagegen um jenes Meinen, des Man sieht sofort, daß dies sich bei dem Meinen ganz anders ver
.
sen auszeichnende Eigentümlichkeit es gerade ist, seine Gegen hält. Man spreche verstehend von Farben, Tönen, Werten, Zahlen,
stände weder vorzustellen, noch ihr Vorgestelltsein vorauszu Dingen, dann sind alle diese Gegenständ1ichkeiten gemeint, aber
setzen. Es stehen uns fur jene mit dem verstehendenAussprechen der qualitativen Verschiedenheit derselben entspricht· hier keine
von Worten verknüpften Akte, in denen wir auf unvorgestelltef! korrelative Verschiedenheit der meinenden Akte. Gewiß u nte r.,
• Vgl. dazu THEODOR LIP.Ps, Leitfaden der PsyChologie 1 S. 113 ff, r s o h e i d e t sich· das Meinen einer Farbe und einer Zahl, eben
.
HussERL, a. a. 0. II, S. 129 f.
Adolf Beinach. Zur Theorii: äet mgatifJen Urteil&. 209
208
vor-stellig, und doch sind nur Teile. von ihm ansebaulich repräsen
dadurch, daß das eine Mal die Farbe, das andere Mal die Zahl
tiert. ·Die Rückseite des Buches z. B. ist mir in keiner Weise
ge�eint ist, aber ein Meinen liegt doch eben in beiden Fällen
anschaulich gegeben, weder nehme ich sie wahr, noch pflege ich
vor; es gibt hier keinen Unterschied , der dem Unterschiede
normaler Weise aus der Erinnerung .oder Phantasie anschauliche
zwischen Sehen und Denken, wie wir ihn bei dem Vorstellen
-Repräsentation zu schöpfen. Man ist vielleicht einen Augenblick
von Farben und Zahlen vorfinden, entspräche.
versucht, in Hinblick auf diese Sachlage nur die anschaulich re·
Man wird unseren Unterschied zunächst identifizieren mit
präsentierten Teile des B�ches vorgestellt zu nennen. Aber was
dem zwischen anschauungserfüllten und anschauungslosen Akten,
vor mir sich befindet, ist doch das B u c h , der ganze Gegenstand
welcher in der Logik und Psychologie der jüngsten Zeit, insbeson
u nd nicht ein Geg�nstandstorso, ;Findet sich, daß die Rückseite
dere im Anschluß an BussERLS Logische Untersuchungen viel
·eines vorgestellten Dinges, etwa eines Gefäßes fehlt, so erleben
erörtert worden ist. Akte, welchen die Anschauung fehlt - so
wir eine ·Enttäuschung. Die auf den ganzen Gegenstand gerichtete
wird man sagen � sind eben das, was hier als Akte des Meinens
Intention wird teilweise nicht erfüllt eine solche Nichterfüllung,
herausgehoben worden ist. Eine solche Auffassung wäre indessen
�
oder besser eine solche Enttäuschung ist aber nur dann möglich,
grundverkehrt; es handelt sich hier um zwei durchaus zu trennende
Anschauungsfülle und Anschauungsleere gibt wenn die ursprüngliche Vorstellung ihre Intention auf den ganzen
Gegensatzpaare.
Gegenstand mit seiner anschaulich nicht gegebenen Rückseite
es sowohl bei dem Vorstellen als auch bei dem Meinen. Ein Vor
erstreckte , und bei der Drehung des Gegenstandes dann. ein
stellen, dem die Anschauung fehlt, ist damit keineswegs zum Meinen
·
am häufigf!t� auf . . . In zusammenhäng�?de� Re�e wird von be eigentlic;h immanent. · Während wir von einer Anschaulichke
it
liebig vi�len und komplizierten Gegenständhchketten gesprochen. d e s VorstelJens sprechen können, wird es beim Meinen
besser
Meinungsakt reiht sich an Meinungsakt in ra��hes_ter �olge ; �uf sein, statt von s e i n e r Anschaulichkeit von den anscha�lichen
alle durch die Worte bezeichneten Gegenstandhebkelten wird Bildern zu r&den, welche es b e g 1 e i t e n. · ·
·
·
von uns abgezielt, von einer Anschaulichkeit di�es Abzi ?lens Unsre Analysen haben die absolute Verschiedenheit von
Vor
oder Meinens ist aber bei vorurteilsloser Betrachtung m den meiste� stellen und Meinen zur Genüge dargetan; Sie habe11 insbeso
ndere
Fällen nichts zu bemerken.1 Hin und wieder freilich tauchen allerl& de�tlich gemacht, daß das anschauungslose Vorstell�
keines-
�nschauliche "Bilder" auf, vage, unbestimmte Umrisse der Gegen . wegs ein Meinen und daß das anschauungsbegleite
te Meinen
stände, von denen die Rede ist, oder auch von anderen, m�hr oder k?ines egs e� Vorstellen ist. Man hat in jüngster Zeit
� häufig
minder verwandten Gegenständen, bald beachtet, meist aber dte Frage erörtert, ob es absolut anschauungslose Bewußtseins
und normale� Weise unbeachtet. Sie tauchen auf, überd�uern akte gibt. Man hat übersehen, daß es sich hier in Wahrheit
�
häufig den Akt des Meinens, dem sie zugehören und versc�wmd�n mindestens z w e i Fragen handelt : um die Frage nach �schau�g�
wieder. Auf die sichere Folge der meinenden Akte s��eme� ste losem Vorstellen . und nach anschauungsfreiem Meinen . Daß
es
nur geringen Einfluß zu haben : es ist wie Wellengekrausel uber ein anschauungsfreies Meinen gibt, scheint uns zweifello�
. Da�
einem dahinfließenden Wasser . Man kann die Akte des Meinens, gegen ist es sehr fraglich, ob es absolut anschauungslose
Vor
welche in dieser Weise von "illustrierenden" Bildern . beg�eitet stellungsakte gibt. Zwar haben wir darauf hingewiesen
·
, daß
sind als anschauliche Akte bezeichnen, man darf aber nicht uber d,ie Rückseite eines jeden Dinges unanschaulich vorges
tellt ist ;
sehe�, daß die Anschaulichkeit hier einen ganz anderen Sinn be aber es handelt sich dabei ja nicht um eine selbständige
Vor
sitzt als bei der Vorstellung. stellung, vielmehr. ist die Rückseite mit-vorgesteHt in
der Vor
Es drängt sich vor allem auf, daß die �cliau� , w�lche stellung des gesamten Dinges . Vielleicht läßt sich die
. Ver
wir in Akten des Meinens mitrmter. vorfmden , s10h ihrer
·
•
U�teJ: Urteil. ist zweierlei zu verstehen.: einmal die Behauptung,,
·Blume stehend erschaue ich ihr 'Rotsein ;. und auf Grund dieses welch� sich in at;J.Schau�gsbegleiteten oder anschauungsfreien
·:Erschauens erivächst in mir die Überzeugung von diesem Sach �kte� d�s Meine11s auf Gegenstän4_liches bezieht, und ferner die
verhalt. Hier liegt der ÜberzeugUng offenbar. eine Vorstellung
·
Unterscheiden wir die Erlebnisse, in denen wir, wie bei der stehen, daß Sachverhalte von außen einfach gleichsam al;>geleseri.
"ü'beNeugung, e i n e S t e 1 1 u n g z u e t w a s einnehmen. Wir werden, sondern es ist stets vorausgesetzt, daß wir an einen be�
kennexi .als solch letztere Akte z. B. das Streben nach etwas, ..... stehenden Sachverhalt mit einer intellektuellen Stellungnahme zu
i
·die Erwartung von etwas und andere mehr. Durch diese Akt � einem widerstreitenden Sachverhalt herantreten. . Der wider
klasse zieht sich, im Unterschled zu der ersten, ein Gegensatz ·streitende Sachverhalt kann beispielsweise geglaubt, vermutet,
von Positivität und Negativität. Wir streben nicht nur positiv bezweifelt, dahingestellt oder auch nur in Frage gestellt sein ;
nach etwas, sondern können auch demselben Gegenständlichen indem wir den anderen Sachverhalt erschauen, verwandelt sich
Widerstreben. Beide Male haben Wir ein Streben, aber sozusagen die positive Überzeugung oder Vermutung, der Zweifel oder das
mit entgegengesetztem Vorzeichen. 1 Genau dasselbe nun finden Dahingestelltseinlassen in eine negative Überzeugung, oder es
wir bei der Oberzeugung. Wir haben uns bisher natürlicher findet die Frage in ihr ihre Antwort. Wir bemerken hier eine
weise stets an der positiven Überzeugung orientiert ; ilir steht Eigentümlichkeit des negativen Urteils, der wir jetzt allerdings
I noch nicht ganz gerecht werden können.
aber eine negative völlig gleichberechtigt gegenüber. Nehmen +
wir an, es wird von irgend jemand behauptet, eine Blume sei l Neben der negativen Überzeugung von einem Sachverhalte
rot, wir gehen an die Stelle, wo sie steht, um uns selbst zu I gibt es die positive Überzeugung vom kontradiktorischen Sach
überzeugen, und sehen, sie ist gelb. Mit der Frage, ob die Blume verhalte. Beide Urteile, der Glaube, daß A nicht b ist und der
wohl rot sei, sind wir an sie herangetreten ; jetzt erwächst uns Unglaube, daß A b ist, stehen sich ihrem logischen Gehalte nach
diesem Sachv:erhalte gegenüber eine negative Überzeugung, ein so nah als möglich. Indessen sind es durchaus verschiedene Ur
;,Unglaube", daß die Blume rot ist. Positive und negative "Ober-· teile, die keineswegs identifiziert· werden dürfen. Sowohl die
zeugung können sich auf denselben Sachverhalt beziehen ; suchen "Bewußtsein.Sseite"1 als auch die gegenständliche Seite sind beide
wir nach umschreibenden. Ausdrücken , so können wir sagen, Male grundverschieden : dem Glauben steht der Unglaube, dem
die eine ist Überzeugungszuwendung , die andere Uberzeugul:lgs b-sein des A das nicht-b-sein gegenüber. Der Unglaube einem
abwendung. Beide aber sind "überzeugte" Stellungnahme. Sachverhalte gegenüber verdient den Namen eines negativen
Das Überzeugungsmoment ist beiden gemeinsam, so wie das· . Urteils in erster Linie. Da es indessen in der traditionellen Urteils
Strebansmoment dem positiven Streben und Widerstreben ; es theorie durchaus üblich ist, die Urteile nicht nur nach ihrer Eigen
trennt sie von anderen intellektuellen Stellungnahmen, wie der tümlichkeit als Urteile, sondern auch nach den Eigentümlich
Vermutung oder dem Zweifel. Es ist dasjenige, was erlaubt, sie keiten ihrer gegenständlichen Seite zu benennen, so wollen wir auch
beide als ein Urteil zu bezeichnen, während der polare Gegensatz, die positive 'Überzeugung von negativen Sachverhalten in den
von welchem wir gesprochen · haben, die eine zum positiv:en,· die Kreis unserer Betrachtungen ziehen. Hat man doch gerade bei
t
andere zum negativen Urteil stempelt. . der auf Negatives gehenden 'Überzeugung - welche man freilich
Positive und negative Überzeugung stehen, rein auf ihr deskrip nicht von der auf Positives gehenden negativen -lJberzeugung
tives Wesen angesehen, einander gleichgeordnet gegenüber. Eine r
trennte - besondere Schwierigkeiten gefunden. Ilu:"e Behand
gewisse Verschiedenheit aber scheint sich herauszustellen, wenn lung wird sich auch für unsere späteren Erwägungen als förder
wir die psychologischen Voraussetzungen ihres Entstehans be
· lich erweisen..
achten. We:rm wir uns umsehen in der uns umgebenden Welt, Diese Schwierigkeiten haben ihren Ursprung in der etwas
so treten uns eine Fülle von Sachverhalten entgegen, die wir primitiven Auffassung, nach welcher sich das positive Urteil als ein
erschauen, und auf welche sich dann unsere Überzeugung be
zieht. Auf diese Weise können offenbar nilr positive Oberzeugungen I 1 Dieser Ausdiuck für das Urteil als solches im Unterschiede zu dem
erwachsen. Eine negative Überzeugung kann niemals so ent- I Gegenstä.ndlichen, auf das es sich b!!zieht, ist ohne weiteres verständlich.
Sa.chlich korrekter wäre es freilich, von der i n t e n t i o n a 1 e n Seite
� des Urteils zu reden. Ich muß hier auf die ausfiihrliche Erörterung dieses
1 V gl. LrPPS, a.. a. 0., S. 230 f. wichtigen Punktes in meiner in Aussicht gestellten Schrift verweisen .
216 .MOzr Beinacih. 217
Verbinden oder V'ereinen darstellt (eine Auffassung, die, ob nun We.senszusammenhänge bes�hen der Art, daß keineswegs jeder
:haltbar oder nicht, offenbar einen ganz verschiedenen Sinn hat, je intentionale Akt zu jedem beliebigen Gegei:).stän.dlichen paßt,
nachdem sie sich an der Überzeugung oder an der Behauptung .. sondern daß beiderseits no�wendige Zuordnungsverhältnisse vor�
.orientiert). Ein wahres Urteil liegt danach vor, wenn dem Akte des handen sind. So ist ea evident unmöglich, daß sieb, eine Über
Vereinigens eine tatsächliche reale Vereinigung in der gegenständ zeugung auf einen Ton, eine Farbe, ein Gefühl oder ein Ding der
lichen Welt entspricht. Die analoge Anwendung dieser Auffassung Außenwelt bezieht ; und ebenso unmöglich ist es, einen Ton oder
auf das negative Urteil mußte offenbar Schwierigkeiten begegnen. ein Dil!g usw. zu behaupten. Oder wenn wir aus der Sphäre der
Man faßte das Urteil als ein Trennen au.f, fragte dann aber vergebeJlS realen Gegenstände in die der ideellen, d. h· der außerzeitlichen
nach dem realen Verhältnis, welches durch dieses Trennen wider: Gegenstände übergehen : Was sollte es heißen, eine Zahl oder
gegeben wäre. Was sollte. es ·auch heißen - so betont WINDB!. ein� Begriff oder etwas dgl. zu glauben oder zu behaupten � In
BAND mit Recht 1, daß in dem schlichten Urteil "blau ist nicht welchem. Sinne wir auoh .den Urteilsbegriff nehmen mögen, es kann
grün'' einer Trennung Ausdruck gegeben wäre 1 Und wenn gerade sich wesensgesetzlich ein Urteil niemals auf diese Art von Gegen�
dieses Beispiel dazu verlocken könnte, etwa die Verschieden- _ stä.nd.liohkeiten beziehen, welche wir ganz verstä,ndlich als (reale
heitsrelation als das hier in Bettacht kommende reale Verhältnis ode:t ideelle) G e g e n s t ä n d e bezeichnen können .
zu betrachten, so wird schon die kurze Betrachtung eines Urteils BRENTANO und seine .Ailhänger freilich scheinen anderer An
•
wie "gewisse Funktionen sind nicht differenzierbar" von dem sicht zu sein.. Nach ihnen kann jedes beliebige Gegenständ,liche
Vergeblichen eines solchen Versuches überzeugen. So kam man geurteilt, d. h. "anerkannt" oder "verworfen" wei-den, ein Baum
dazu, die Negation überhaupt als ,,kein reales Verhältnis'', sondern oder eip Ton oder dgl. I!ier zeigt es sich, wie notwendig jene
lediglich als eine "Beziehungsform des Bewußtseins" ll zu be· begrifflichen Sonderungen waren, welche wir im Beginne dieser
trachten. Di�:? Negation s.oll etwas rein Subjektives sein, nach Da.rlegungen vorgenommen haben. Solange man mit einem so
SIGWART und einer Reihe anderer neuerer Logiker ein. Akt des vieldeu.tigen Term.inus, wie dem des Anerkennans operiert, ist
Ve:rwerfens. Indessen wenn auch zugegeben werden kann , daß es :w,ögllch, ihn belieb1gem GegenstänQ.lichem zuzuordnen. Es
· in der negativen Überzeugung von einem positiven SachverheJt gibt ja. in Q.er 'l'at einen Sinn des Anerkennans oder Billigens,
die Negativität rein der Bewußtseinsseite angehört, so scheitert in dem es sich wertend oder �stimmend auf Gegenstä.nde, auf
-doch jener Versuch an den Fällen, wo eine positive Überzeugung Ha.JJ.dlungen oder Satze z. B., beziehen kann. Scheiden wir
sich auf Negatives richtet. Die Möglichkeit solcher Fälle ist evi aber alle f:rem,den Bedeutungen aus up.d hepen das heraus, was
dent; die Logik hat nicht die Aufgabe, sie umzudeuten sondern wirklich als echtes Urteilen in ..t\nspruch zu nehmen ist , die
ihnen gerecht zu werden. Überz.eqglWg und das Behaupten, so wird sich niemand der Er�
Genau so wie die Behandlung des negativen Urteils eine Auf kenntnis verscb,ließen, daß diese intentionale:q Get\de ihrem
klärung des Urteilsbegriffes überhaupt zur Voraussetzung hatte, Wesen :nach niemals auf Gegenstän.de wie Farben oder Dinge
-müssen wir jetzt das Wesen des gegenstä.ndlichen Urteils oder Erlebnisse u. dgl. sich beziehen können. So stehen denn auch
k o r r el a t e s überhaupt untersuchen , bevor wir uns über �s BRENTANO und seine Anhänger in dieser Hinsicht ziemlich allein.
n e g at i v e Korrelat klar werden können. Wir werden auch jetzt Herrschend in der Logik ist seit ABisTOTELEB die Ansicht, daß
diese Untersuchung nur soweit führen können als es für unsere Gegenstands b e z i eh u n g e n im Urteile gesetzt werden. Und in
speziellen Zwecke unerläßlich ist. der Tat liegt es ja sehr nahe ; Wenn G e g e n s t ä n d e nicht
Wir wissen bereits, daß zwischen der "Bewußtseinsseite" geurteilt werden können, so scheinen nur R e 1 a t i o n e n von
·
des Urteils und dem Gegenständlichen., auf das sie sich bezieht, Gegenstän.den als Urteilskorrelate übrig zu bleiben.
. So verbreitet nun auch dieseAnsieht ist, einer nähereJl Prüfung
1 a.. a. 0., s. 169. hält sie keineswegs stand. Wir brauchen dazu nicht in eine eigene
• WINDEL:BAND, a. a, 0., S. 169. ReJ.I!,tions1ID.tersuchung einzutreten; es zeigt uns das schon eine
218 Adolf Reinacl1. Zur Theorie des negativen Urteil8. 219
kurze Erwägung. Nehmen wir Relationen, wie die der Ähnlichkeit sich nun das gegenständliche Korrelat dieses Urteils, das "rot-sein
oder Verschiedenheit, des Links oder Rechts, so gibt es allerdings der Rose " - welches wir als Beispiel für die Form "b-sein des A"
·Urteile, in denen solche Relationen geglaubt bzw. behauptet zu einsetzen können - näher bestimmen �
werden scheinen : "A ist B ähnlich" oder ;,A ist links von B". Da� Es ist ohi:l.e weiteres er�chtlich, daß wir das Rotsein der Rose
neben aber gibt es einen und gerade den häufigsten Typus von Ur scharf unterscheiden müssen von der roten Rose selbst. Die Aus
teilen, bei denen wir eine solche Relation auf der gegenständlichen sagen, die von dem einen gelten, gelten nicht von dem anderen. Die
Seite durchaus nicht finden können, so die Urteile der Form : "A ist rote Rose steht im Garten, sie kann welken ; das Rotsein der Rose
b". Nehmen wir als Beispiel das Urteil : "die Rose ist rot". Hier steht weder im Garten, noch hat es Sinn, von seinem Verwelken
müßte nach der traditionellen Lehre eine Relation zwischen der Rose ?;u reden. Man ist sehr geneigt, hier von bloß sprachlichen Argu
und dem Rot geurteilt sei.Jr, offenbar aber ist das gar nicht der Fall. mentationen zu reden und den Vorwurf zu erheben, Eigentüm
Natürlich gibt es solche Relationen, und sie. können auch in Urteilen lichkeiten der Sprache seien verwechselt mit Eigentümlichkeiten
auftreten : "Die Rose subsistiert dem Rot" ; "das Rot ist der Rose der Sachen. Es liegt uns sehr feme, solche Verwechslungen, wo
·inhärent". Hier haben wir die eigenartigen , konversen Rela sie wirklich vorliegen, zu verteidigen. Immerhin sollte man mit
tionen der dinglichen Subsistenz und Inhärenz. S i e werden solchen Vorwürfen etwas vorsichtiger sein, man sollte sie insbe
:aber in dem Urteil "die Rose ist rot" sicherlich nicht gesetzt. •
sondere niemals erheben, bevor man sich überlegt hat, was "bloße
Man darf sich nicht täuschen lassen durch die nahe gegenseitige Eigentümlichkeiten des Sprachgebrauches" eigentlich sind. KA-fT
Verwandtschaft unserer drei Urteile. Gewiß liegt ihnen allen spricht davon, daß er irgend ein Problem "vor" unberechtigt
derselbe sachliche Tatbestand· zugrunde, aber sie fassen diesen halte, heute verbietet uns das der Sprachgebrauch . · Nehmen
Tatbestand in verschiedener Weise und nach verschiedener Rich wir an, jemand handle diesem oder anderen Geboten des Sprach
· tung auf. Daß bei der Existenz des zugrunde liegenden Tatbe� gebrauches · zuwider. Dann würde man ihm allenfalls vorwerfen,
standes alle drei verschiedenen Urteile möglich sind, ändert nichts daß er sich sprachungebräuchlich ausdrücke, niemals aber wür de
-an ihrer Verschiedenheit. Wie die Urteile "A ist links von B" das, was er sagt, um des ungebräuchlichen Ausdruckes willen
und ,,B ist rechts von A" verschieden sind, wenngleich ihnen ein falsch sein, wenn es sonst richtig ist, . oder richtig, wenn es sonst
. genau identischer Tatbestand zugrunde liegt, so die Urteile "die falsch ist. Die Bedeutung der . Sätze wird ja durch den Ausdruck
Rose ·subsistiert dem Rot" und "das Rot inhäriert der Rose". nicht berührt, es handelt sich hier wirklich nur um einen "bloßen
Und beide wiederum sind bedeutungsverschieden von dem auf .Unterschied der Worte". Ganz anders liegt die 8-�e, wenn wir ·
denselben Tatbestand gegründeten Urteil : "die Rose ist rot". die Urteile " die rote Rose steht im Garten" und "das Rot-sein
Nur in den beiden ersten Urteilen finden sich Relationen auf der der Rose steht im Garten" einander gegenüberstellen. Um "sprach
gegenständlichen Seite ; das dritte Urteil weist bei vorurteils-· liche" Unterschiede handelt es sich da wirklich nicht. Das erste
loser Betrachtung nichts von einer Relation auf.l Wie aber läßt Urteil ist wahr, das zweite ist falsch, ist soga,r unsinnig. Das Rot
sein einer Rose kann a 1 s s o 1 c h e s nicht im Garten. stehen,
1 Man könnte versuchen, sich statt an die Relationen der (dinglichen)
ßena.u so wie etwa mathematische Formeln als solche nicht wohl
Subsistenz und Inhärenz an die allgemeinere Relation der (dinglichen) ·
riechend sein können. Damit ist aber gesagt, daß das Rotsein
Zugehörigkeit zu halten und sie unserem Urteil zuzuordnen. So meint
MAiuiE (Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Band 34, der Rose so gut wie eine mathematische Formel etwas ist, das
S. 5), das Urteil, die Rose ist rot, beziehe sich auf die Zugehörigkeit von seine Forderungen und Verbote stellt, von dem Urteile gelten
Rose und Rot. Aber wiederum müssen wir einwenden, daß die Urteile '
,die Rose ist dem Rot zugehörig ' und ,die Rose ist rot' bedeutungs i d e n t i t ä. t. Wir sind der sicheren Überzeugung, daß man derartige
v e r s c h i e d e n sind. So ist das erste umkehrbar (,das Rot ist der Rose Bedeutungsverschiebungen, so unerheblich sie in anderen Problemzu
zugehörig'), das zweite nicht. Mag man auch solche Bedeutungsunter sammenhängen tatsächlich sein mögen, auf das gena.ueste beachten muß,
schiede als u n e r h e b 1 i c h bezeichnen, so IIUMlht doch diese Unerheb wenn die Fr,gen, die wir hier behandeln, einer Lösung zugeführt werden
lichkeit aus der Bedeutungs v e r s c h i e d e n h e i t keine Bedeutungs- sollen.
-------- -
A dolf Reittach.
220 Ztw Theorie dtt� negativen Urteils. 22i
ch mit Untersch,ieden des.
und nicht gelten. Will man da wirkli in einem engeren Sinne, seien sie nun realer Natur wie Dinge Töne
wirklich sagen, zwischen
Sprachgebrauches komm en,
und
will
d.er
man
roten Rose b.estehe em "bloßer
� � � Ö.
Erle nisse, oder �eel er N tur, wie Zahlen oder S tze oder B griffe
�
� :
dem Rotsem der Rose als eme Gegenständlichkeit ganz anderer Natur die Sachverhalte
"sprachung�bräuchlich " zu
Unterschied von Worten " ; es sei nur zu unterscheiden. Wir kennen bisher nur e i n e Eigentümlichkeit
n 1 Was soll denn das
sagen, das ß,otsein der Rose stehe im Garte �
der S chverh te : sie -sind im Gegensatz zu den Gegenständen
für em merkwfudiger Sprachgebrauch sem,
der emen Ausdruck . �
·da-sJemge, . geglaubt bzw. behauptet wird.I Wir wollen
was rm Ur-teil
zuläßt und � nur dann.
wie das Rotsem der Rose allgemein dem noch ein paar weitere Bestimmungen hinzufügen. ·
ser Urteile auftritt � Und
verbietet, wenn er als Subjekt gewis Der Unterschied zwischen der Beziehung von Grund und
des Sprachgebrauches ein
vor allem : wie kann die Verletzung Folge und der zwischen Ursache und Wirkm;l.g ist heute Gemein
gar unsine nig n machen 1
sonst richtiges Urteil zu einem falschen oder 'gut in der Philosophie geworden. Es ist aber zu beach�n daß
Argumentationen mehr�
Es be� hier wirklich keiner weiteren es sie� hier nicht nur um einen Unterschied der beiderse tigen i
: · Der Satz "die rote Rose
soviele auch zu Gebote stehen mögen
·
lUIS n
t , BRENTANO
wie und STUMP11 den
bereits seit 1 898. Es ist nicht bekan
. Der � Ebenso, a.Uerdings ohne innerhalb des Urteils die Überze'ugung
Begriff des Urteilsinhaltes bzw. Sachv erhalte s näher aus �stalten
und die Behauptung zu unterscheiden, HUSSERL (a.. a. 0. I, s. 12, n, s. 48 '
sinhal tes, so wie er sich bei MARTY (vgl. bes. "Unter-
Begriff des Urteil S . 378, S. 4 1 6 f. usw.) und MElNONG (Über AnnahmenI• s • 44I 46 USW.· ) •
Zur Theorie des negativen Urteils. ·223
222 .Adolf Beinach.
der E x i s t e n z gewisser dinglicher Vorkommnisse im Auge, d. h .
Erlebnisses als Grund fungieren. Die Existenz eines Gegenstandes aber nichts anderes als die Wahrscheinlichkeit von Sachverhalte:q .
ist aber offenbar selbst kein Gegenstand, sondern ein Sachverhalt.
Ein wahrscheinlicher Baum dagegen oder eine unwahrscheinliche
Stets sind Sachverhalte und können n u r Sachverhalte Grund
Zahl sinq evideD.termaßen unmöglich, und zwar nicht, weil es sich
und Folge sein . Daß etwas so oder so Sich "verhält", ist Grund
gerade um einen Baum oder eine Zahl handelt, sondern weil die
für einen anderen Sachverhalt, der daraus folgt ; daraus daß alle
Gegenstandsform als solche Modalitäten ausschließt, wogegen die
Menschen sterblich sind, folgt die Sterblichkeit des Menschen CA.Ius.
Sachverhaltsform ganz allgemein und weseiltlieh sie zuläßt.
So gewinnen wir als eine weitere Bestimmung der Sachver•
Nach einer anderen Richtung hin unterscheiden sich die
halte ' daß sie und ausschließlich sie in der Beziehung von. Grund
Sachverhalte in positive und kontradiktorisch-negative. Auch das
und Folge stehen,l Alles was uns in der Wissenschaft oder im
ist ein Unterschied, wie wir ihn in der Welt der. Gegenstände nie
täglichen Leben als Begründungszusammenhang entgegentritt, mals antreffen können. Neben dem b-sein des A gibt es ein nicht
ist ein Zusammenhang von Sachverhalten . . Das gilt auch für b-aein des A. Beide Sachverhalte sind einander kontw.diktorisch ;
die Zusammenhänge, welche man unter dem Namen der Schluß der Bestand des einen schließt den Bestand des anderen aus.
gesetze zusammenzufassen pflegt : sie sind, richtig aufgefaßt, nichts Dagegen gibt es neben dem Ton c keinen Ton nicht-c, und neben
anderes als aJlgemeine gesetzmäßige Beziehungen von Sachver einem. Rot kein negatives Rot. Allerdings redet man von . nega
halten. Die fundamentalen Folgen, welche aus dieser Einsicht tiven Stellungnahmen. Aber positive und negative Stellung
·
für den Aufbau . der Logik erwachsen, liegen auf der Hand. In nahme , Liebe und Haß z. B., sind einander zwar entgegen
diesem Zusammenhang geht unser Interesse nach . einer anderen gesetzt, jedoch �cht kontradiktorisch-widersprechElnd. Nur wenn
Richtung. 2 dasselbe Subjekt derselben Sache gegenüber entgegengesetzte
Die verschiedenartigen Schlußgesetze, welche die tradi Stellungnahmen vollzieht, können wir von einer inneren Unein
tionelle Logik herauszuheben pflegt, müssen, wenn die Schluß stimmigkeit oder einem ,sich Widersprechen' dieses Subjekts
.gesetze als Sachverhaltszusammenhänge aufzufassen sind, in der ...
reden. Hier ist · aber von Widerspruch in einem offensichtlich
Verschiedenartigkeit der · Sachverhalte ihren Grund haben . Nach anderen Sinne die Rede. Das ·uns hier interess�de Verhältnis
zwei Seiten wollen wir solche Verschiedenartigkeiten betrachten. logisch-kontradiktorischer Positivität und Negativität gibt es
Sachverhalte können sich zunächst unterscheiden nach der Mo allein in der Sphäre der Sachverhalte.l
dalität. Neben dem schlichten Sachverhalt b-sein des A gibt es Positiver und negativer Sachverhalt sind einander durchaus
ein wahrscheinlich b-sein des A, ein möglicherweise b-sein . des koordiniert. Existiert irgendwo eine rote Rose , dann sind mit
A usw. Wir können hier auf die eigentümliche Natur d�eser Moda der Existenz dieses Dinges beliebig viele - p9sitive und negative
litätsunterschiede nicht eingehen. Das für uns Wichtige ist, daß - Sachverhalte gegeben. Die rote Rose existiert, die Rose ist rot,
es wiederum Sachverhalte und nur Sachverhalte sind, welche das Rot inhäriert der Rose ; die Rose ist nicht weiß, nicht gelb usw.
solche Modalitäten annehmen können. s Ein G e g e n s t a n d Die rote Rose, dieser dingliche Einheitskomplex ist der alleil diesen
kaD.n schlechterdings nicht wahracheinlich sein, eine solche Prädi Sachverhalten zugrunde liegende Tatbestand. Bei ihm reden wir
kation hätte bei ihm keinen Sinn, und wo man trotzdem. von einer von Existenz, · bei den auf ihm basierten Sachverhalten besser
solchen Wahrscheinlichkeit, etwa einer Wahrscheinlichkeit von von �estand.a E s "i s t z u b e a c h t e n , . d a ß i m. B e g r i ff e
Dingen, redet, so ist das nichts als ein unadäquater Ausdruck.
Man hat die Wahrscheinlichkeit der E x i s t e n z von Dingen oder 1 "Von ,konttadiktorischen Sachverhalten' bzw. ,kontradiktorisch
entgegengesetzten Objektiven' reden auch HusSERL (a.. a.. 0. I, S. 91, 92)
• Vgl. MEINONG a.. a.. 0. S. 21 Anm. 6, S. 216 usw., vgl. auch bereits .
und :MEINONG (a. a. 0. 8. 93).
HussERL a. a. 0. I, S. 242. TI, S. 36 f. usw. 1 Ebenso HussERL in terminologischer Fixierung a.. a. 0. II, S. 598.
a Vgl. weiter unten S. 251. Auch MEINONG redet bei seinen. Objektiven von einem Bestande, aber
• Vgl. MEINONG a. a.. 0., S. 80 ff,, auch schon HUSSERL a, a� 0. J, auch bei G e g e n s t ii. n d e n , wie Zahlen, Gestalten usw.. bei welchen
s. 1 3 f., s. 16.
224 Adolf Beinack. Tkeone
Zur des negati11tm Urteils, 225.
des S a. c h v e r h a. l t e s s e i n B e s t a n d k e i n e s w e g s a l s �ich, ob Definitionen für solche letzte gegenständliche . Gebilde,t
w e s e n t l i c h e s M o m e n t e i n g e s c h l o s s e n l i e g t. Gena.u wie Sachverhalt, Ding oder Vorgang, überhaupt möglich - sind,
so wie wir die (realen oder ideellen) Gegenstände von ihrer (realen und was sie, falls sie möglich wären, zu leisten vermöchten. Das
oder ideellen) Existenz trennen und ohne weiteres anerkennen, was uns in solchen Problemzusammenhängen einzig zu fördern
daß gewisse Gegenstände, wie goldene Berge oder rund� Vierecke vermag, ist, daß wir solche Gebilde aus der Sphäre bloßen Meinans
nicht existieren, oder sogar überhaupt nicht existieren können, oder inadäquaten Vorstellans heraus uns so nah als möglich rücken.
so trennen wii auch die Sachverhalte von ihrem Bestand und Das führt uns auf die Frage, wie eigentlich Sachverhalte uns
reden von Sachverhalten, wie dem golden-sein von Bergen oder zur Gegebenheit kommen. ZUnächst ergeben sich hier ja offenbar
'dem rund-sein von Vierecken, die nicht besteheil oder nicht be eigentümliche Schwierigkeiten. Nehmen wir unser Beispiel von
stehen können.l Insofern liegt eine weitgehende Analogie zwischen dem Rotsein der Rose. Ich sage doch und jedermann sagt es ebenso,
·Gegenstand und Sachverhalt vor ; dann aber tritt sofort ine daß ich das Rotsein der Rose "sehe", und ich .w.eine damit -
�
:fun<lamentale Verschiedenheit hinzu : wo ein Sachverhalt mcht nicht etwa, daß ich die Rose oder das Rot sehe, sondern ich meine
besteht da besteht notwendig sein kontradiktorisch .entgegen- _
das von der roten Rose evident Verschiedene, welches wir als den
;
·gesetzt r Sachverhalt. Für nichtexis� ren�e G e � e n s t ä. � d e
. � Sachverhalt bezeichnen. Aber hier stellen sich uns Bedenken
·dagegen gibt es entsprechende gegens����e EXJ.Stenzen ���� entgegen, sobald wir versuchen, uns von der Berechtigung dieser
Das Verhältnie kontradiktorischer PoSltiVItat und NegatiVItat Redeweise zu überzeugen. Ich sehe vor mir die Rose, ich sehe
·mit allem, was in ihm gesetzmäßig gegründet ist, hat eben nur auch das Rotmoment welches an ihr sich befindet. Aber damit
im Gebiet der Sachverhalte seine Stelle. scheint doch erschöpft zu sein, was ich sehe. Ich mag meine Augen
Bis jetzt gelten une1 die Sachverhalte als das, was im Urteil noch so scharf anstrengen, ein Rotsein der Rose kann ich auf
geglaubt und behauptet wird, was im �usammenhang von G�d diese Weise nicht entdecken.2 Und noch weniger kann ich negative
_
und Folge steht, was Modalitäten bes1tzt, und was 1m Verhalt S��ochverhalte sehen, das nicht-weiß -sein der Rose oder dgl. Und
nisse kontradiktorischer Positivitä.t und Negativität steht. Diese dooh meine ich etwas ganz Bestimmtes, wenn ich sage, "ich sehe,
Bestimmungen reichen insofern aus, als jedes Gebilde, für welc�es daß die Rose rot ist" oder "ich sehe, daß sie xt��� weiß ist" . Das
sie zutreffen, notwendig einen Sachverhalt darstellt. Schulgemaße ist ja keine l�e Redensart, sondern stützt sich auf Erlebnisse,
Definitionen des Sachverhaltes ·sind sie freilich nicht, aber es fragt in denen uns solche Sachverhalte wirklich gegeben sind. Aller
wir von einer, wenn auch ideellen E x i s t e n z sprechen würden (a.. a. 0. dings müssen sie in anderer Weise gegeben sein als die Rose und
S. 63 74}. Daß MEINONGunter bestimmten Voraussetzungen auch �on ihr Rot. So ist es in der Tat. Indem ich die rote Rose sehe, "er-
Wahrheit und Falschhe1t von Objektiven reden will, erklärt sich aus semer 8Chaue" ich ihr Rotsein, wird es von mir "erkannt". G e g e n
schon berührten Konfundierung von Sachverhalt und Satz. Sachverhalte .
wahr
oder falsch.
s t ä n d e werden gesehen oder geschaut, S a c h v e r h a l t e
bestehen oder bestehen nicht. Sätze sind
·
HussERL hat die Bezeichnungen wahr und· falsch, die er im ersten dagegen werden erschaut oder erkannt. Man darf sich nicht be�
Bande seines Werkes noch mitunter auf Sachverhalte angewandt hat, irren lassen durch die Redeweise, welche auch Gegenstände er
'im zweiten fallen lassen nachdem sich die Scheidung zwischen &tz und kannt sein lä.ßt, ehwa "als" :Menschen oder Tiere. Hier liegt eine
'Sachverhalt bei ihm d � hgesetzt hat. Aber auch der Ausdruck ,Gültig
leicht zu durchschauende Äquivokation zugrunde. Dieses Er
.keit' dessen er sich dort noch bedient, würde besser vermieden, da. er eben
kennen im Sinn e der begrifflichen Fassung ist etwas ganz anderes
falls 'im Gebiet der Sätze seine eigentliche Stelle hat. Volle Klarheit über
die Termini Wahrheit, Bestand und Sein bringt erst B. 597 f.
als das Erkennen im Sinne des Sachverhalts-Erschauens. Auch
..
1. Daß wir in der gewöhnlichen Rede unter Sachverhalt nur
,tatsäch in den angeführten Fällen werden: keineswegs die Gegenstände
liche Objektive', d. h. b e s t e h e n d e Sachverhalte zu verstehen pfleg�n
{MEINONG, a. a. 0. S. 101), scheint mir kein m;u-e
iohender Grund zu__sem
1 Unter "gegenständlichen Gebilden" und " Gegenstän.dlichkeiten"
.gegen die Beibehaltung eines Terminus, der, "?e �INON� sell�st ausf�,
verstehen wir in dieser Abhandlung sowohl Gegenstände als Sachverhalte.
den Vorzug hat, ,eine lebendige Bedeutung mJtzubrxngen . (Über Urteils
8 Vgl. dazu HussERL a. a. 0. II, S. 416. Ferner S.
gefühle usw. , Archiv für die gesamte Psychologie, 6. Band, S. 33.) 609.
Milnebener PhUQJI· Abhandlungen. lö .
(
226 · .Adolf Reinach. 227
werden nicht · gesehen oder gehört oder gerochen sondern ste we� � besonders hervorheben, daß es ein bloßes Vergegenwärtig
! en von
den erkann · t Aber auf diese Sphäre von Urteilen brauchen Wir Sachverhalten gibt, welches von keinem Erkennen begleitet
�· ist.
. .
em beli�b'Iges a.n-
· ·
ihr die Zwei zur anschauli chen Gegebenh eit. Wtr konnen
·
.
�lese derselben Rose usw. vergegenwärtigen.1 Es handelt sich
wieder um das, was HussERL eine kategoriale Anscha
offenbar
uung nennt,
sehr wichtigen Fälle anschaulichen Vorstelleus id�ller Gegenstände d. h . um eine anschauliche Vorstellung, �-,.$elbst keine sinn
_ liche
hier nicht näher untersuchen. HussERL hat ste emgehen� be ist, wohl aber in einer sinnlichen letztlich ihre Fundierung
, findet.
sprochen und bei ihnen von einer "k�tegori�len Anschauung ge-_ Daß die Sachverhaltsvergegenwärtigung kein Erkenne
. n ist, ist un
redet.l Wie von der sirinlichen, so mussen Wir auch von der kate mittelbar evident . Sie spielt indessen doch in erkenn
tnistheore
gorialen Vorstellung ·von Gegens�n�en das ec�te Erken:-e� von tischer Beziehung eine wichtige Rolle, insofern es ihr häufig
zu
Sachverhhlten unterscheiden. Es ISt Ja o�e w:e1te�s klar · die Art '!tommt, das Sa.tz-"Verständnis" und damit in vielen Fällen
die
wie uns die Zwei und die Vier gegeben smd, 1st eme ganz ander� Sachverhaltserkenntnis zu vermitteln. Wir können diese Zu
als die, in der wir das -Gleichsein von 2. 2 und 4 erfassen . .. Den sammenhänge hier nicht weiter verfolgen ; uns koiD.D:l.t
es nur
Sachverhalt erkennen wir ; die Zahlen werden geschau� , k�nnen darauf a.n, den Akt des Erkennans von allen andere
n Akten, in
aber ihrer Natur nach niemals erkannt werden. V'!tr konnen denen wir uns auf Sachverhalte intentional beziehen,
zu trennen .;
ganz allgemein sagen : Das Gegenständliche, welch�s die Elemente
der Sachverhalte bildet, wird wahrgenommen, wird gesehen, ge: 1 Ob es lieben der Sachverhalts v e r g e g e n w ä. r t i g u n g auch
, die W a h r n e h m \1 n g eines bestehenden Sachverhaltes gibt, ohne daJ3
hört oder kategorial erlaßt. Und auf Grund dieser "Vorstellungen zugleich ein Erkennen vorliegt, ist eine Frage, deren Erörterung hier zu
chen neuen Akten
·werden die Sachverhalte selbst in eigentümli weit führen würde, die aber wohl zu bejahen ist.
erkannt. Die dem Erkennen zugrunde liegenden Vor�tell�en 1 Wir können nach dem obiglln MBINONG keineswegs darin zustimmen,
sind verschieden je nach der Art des betr. Gegensta.ndlichen. daß ,Objektive' nur durch Urteile und Annahmen ,erfa.ßt' werden können.
(,'Über Annahmen' S. 131 ff.) Es gibt vielm!lhr ein (kategorial) Ver
• .
gegenwärtigen, ein Meinen, ein Erkennen und noch eine Reihe anderer
1 a. a. 0. II, S. 600 ff. .Akte, welche sich auf Sachverhalte ,erfassend' beziehen.
Zur Theorie de8 negatwm Urteila. �29
Adolf .Reinach.
einem vorgestellten Sachverhalte gegenüber erwachsende Ober�
�
gegenwärtigen, . es ist aber selb l!'eugung, welche wir früher als einen Typus des Urteils von anders
: ·· ·: Erkenne� ist :Q.i.cht das Ver
das BehauPten eines Sachverh
altes. Dem
. , .... · ..
·
I
:i.ID zweit en Simie , so köni ei n
quenz ziehen : nehmen wir Relation .st�d noch eme Rel&t1on, sondern es ist ein negativer Sachverhalt.
en, da sie dan n ja niem �s Sach .
Re1ationen niemals geurteilt werd .Dte negat1v� Sachverhalte bestehen genau in· demselben Sinne
n die Sachv erhal te einte ilen · in
:verhalte sind. Man könnte dan und genau nut derselben Objektivität �e positiven Sachver-
ständliche Elemente ent _
�
solche, in denen Relationen als gegen · h�lte. Eme subje tivierende Umdeutung der Negativität ist
chsei n von A und B - und solche,
halten sind - wie das Ähnli hier weder notwe?-�1g noch möglich. Neben der negativen Über
wie das Rotsein einer Rose.3
bei denen das nicht der Fall ist - zeu�g von positi':e� S�hverhalten steht nun in gleicher Be
.
:rechtigung die poSitive Überzeugung von negativen Sachver
· die Bestimmung, welche AME· .
1 So gi-undverschieden ist beides , daß halten ; be1de konnen .. den Namen negatives Urteil tragen. 1
Gegensta.ndstheorie' in den Unter
BEDER (,Beiträge zur Grundlegung der :
S. 72) und MEINONG (,ttber An·
�en �ten . Blick_ ein:l�chte�d, von einer Relation keine Rede
stheorie usw.
suchungen zur Gegenstand und Sein bat'
nahmen' S. 61) dem Objektiv geben :
es sei etw813, was ,Sein ist .auf daß
ens lassen sich �em
�he ::zugleich
Verwir r
u ng stifte n kan .
n "übrig ann • zetgen Sie, daß
MEINONGB der ·Sachverhalte
Einteilung
1mserer Meinung nach nur Form ,A ist' � ,A �� B ' (a. a.
tlichkeit als ein ,Sein' darstellen. S. 72) keine echte Dis
auch nicht alle Sachverhalte ohne Küns
0.
Man denke an die Sachverhalte , welch e den Urteilen ,es wird getanzt' � . on �t. .Als BeiSpxele. mogen dienen die Sachverhalte ,wa.rn:i-
oder
.
,mich friert' entsprechen.
, .
116� ' ,glatt-sem � dgl.,_ �e � eswegs in , Seinsobjektive' (Existenz der
Sinne 'Yärme) oder gar m ZWBlgliedrxge ,Soseinsobjektive' (Warm-sein irgend
• AMEsEDER a. a 0 . S. 72
schlägt für die Relationen im zweiten
HussE :aL a. a. 0. S . 609,
die Bezeichnung ,Relate ' vor. . Vgl. im übrig en
. �er Sache) umgedeutet werden dürfen. Diese eingliedrigen Sachverhalte
konnen geglaubt und behauptet werden. Wir erhalten . auf. d'16se wBISe
ME!NONG a. a. 0. S. 57 f. . ·
. Negative Überzeugung von positi:ren Sachverhalten und posi z.eugnng kommen können, daß ein Gegenstand rot ist, aber nie
tive Überzeuguli.g von negativen Sachvedu!Jten sind ruwh den zu der negativen, daß er gelb ist� Für dies letztere ist Voraus�
bisherigen Ausführungen der positiven Überzeugung von posi setzung, daß ich den Sachverhalt in irgend einer Weise, sei es
tiven Sachverhalten durchaus koordiniert. Blicken wir aber fragend oder zweifelnd oder dgl. · in Erwägung gezogen habe.
auf die Voraussetzungen, unter denen sie 'erwachsen, so zeigen Was geht nun vor, wenn wir aus dieser erwägenden Stellung zli
.sich bei beiden negativen Urteilen bemerkenswerte Eigentüm einer abschließenden Überzeugung gelangen � Wir treten vor
lichkeiten gegenüber dem positiven. Wir haben diese Verhält den Tatbestand in der existierenden Welt und erkennen, daß der
nisse bisher nur gestreift ; wir müssen sie jetzt etwas näher be Gegenstand rot ist. Indem dieser Sachverhalt uns dabei positiv
leuchten. Positive Sachverhalte können, wie wir uns früher einmal evident ist, erfassen wir den vfiderstreit, in welchem der in Er
ausgedrückt haben, "abgelesen" werden. Auf der sinnlichen wägung gezogene Sachverhalt, das Gelbsein des Gegenstandes zu
Wahrnehmung eines Dinges z. B . baut sich da�. Erkennen eines ibm steht, und damit gewinnt dieser zugleich jenes eigentümliche
ihm zugeordneten Sachverhaltes und die positive Uberzeu.gung auf. Gesicht, welches wir, um eine Benennung dafür zu haben, als
In dieser Weise kanD. niemals ein negativer Sachverhalt abgelesen negative Evidenz bezeichnet haben. Jetzt erst erwächst uns der
werden, noch eine negative Überzeugung entspringen. Betrach Unglaube an diesen Sachverha.it.
ten wir zunächst die negative Überzeugung. Die negative 'Überzeugung steht also unter zwei Voraus�
Sie hat, wie wir früher bereits ausgeführt haben, zur psycho setzungen : Es muß eine intellektuelle Stellungnahme zu dem zu
·
logischen Voraussetzung eine intellektuelle Stellungnahme zu dem gehörigen Sachverhalte vorangehen; und es muß ferner das Er
Sachverhalt, auf den sie sich bezieht, mag diese StellungnaJune kennen e"..nes widerstreitenden Sachverhaltes und das Erfassen
nun in einer positiven Überzeugung, einer Vermutung, einer dieses Widerstreites stattfinden . Mit de m Ersten ist die Ein
Frage oder dgl. bestehen. Mit ihr treten wir an einen dem erste� Btellung bezeichnet, welche Voraussetzup.g des Zustandekommans
Sachverhalt widerstreitenden Sachverhalt heran. Indem Wll' �
des Urteils ist. Es ist von spezifisch I ychologischem Interesse.
nun diesen erkennen, und zugleich Beinen Widerstreit mit dem Das Zweite ist dasjenige, aus dem die negative Überzeugung ihre
ersten Sachverhalt erfassen, steht dieser erste · Sachverhalt uns Gewißheit und ihre Berechtigung schöpft. Es ist von spezifisch
in einer ganz neuen Weise vor Augen, für die wir ke:irien passen• erkenntnistheoretischem Interesse ; wir wollen es als das F u n d a
-den Ausdruck besitzen und auf welche wir zunächst nur hinweisen m e n t des negativen Urteils bezeichnen .
· können. Der z w e i t e Sachverhalt, welcher erkannt wird, steht Wenden wir uns nun der positiven Überzeugung von negativen
uns in einer Weise gegenüber, die man als seine Evidenz charak Sachverhalten zu. Auch sie steht unter ganz besonderen Voraus
terisieren kann : I m E r k e n n e n wird uns dieser Sachverhalt setzungen. Würden wir uns darauf beschränken, die Sachverhalte
evident.1 Erfassen wir nun den Widerstreit, in dem der erste abzulesen, welche die Welt der realen und ideellen Gegenstände
Sachverhalt mit ihm steht , so gewinnt dieser jenes eigentüm uns gibt, so würde uns niemals ein negativer Sachverhalt .vorstellig
liche .Ansehen, welches wir am verständlichsten wohl als negative werden. Gewisse intellektuelle Stellungnahmen sind auch hier
Evidenz bezeichnen können. Erst auf Grund dieser negativen Vorbedingungen. Ich muß dem negativen Sachverhalt als solchem
Evidenz erwächst in uns die diesbezügliche negative Überzeugung. mein Interesse zuwenden, ihn bezweifeln, in Frage stellen oder dgl.,
Denken wir ein Beispiel durch. Indem wir die uns umgebende um ein Urteil über ihn zu gewinnen, Daß wir überhaupt zu dieser
Welt durchmustern , werden wir zwar zu der positiven Über- Stellungnahme kommen, ist verständlich, sobald einmal eine
negative Überzeugung von einem positiven Sachverhalt vorhanden
Sachverha.lt konsequent. durchführt, wird allerdings kaum mehr dazu neigen,
ist. Mit der positiven ÜberzPugung von einem negativen Sach
die Urtei1e nach den Sachverha.ltseigentümlichkeiten zu klassifizieren.
1 Unter Evidenz verstehen wir hier nicht ausschließlich den idea.ltm.
verhalte ist diese ja so nah verwandt, daß psychologisch die eine
Fall absoluter ·Selbstgegebenheit, sondern jede Gegebenheit von Sa.ohver" sehr wohl an die Stelle der anderen treten kann.
llalten in erkennenden Akten. Viel wichtiger als diese nsychologioohen VÖrbedingungen ist
Adolf Rein.ach. Zur Theorie des negativen Urteils. 235
234
· ..
\
überall nicht um
Selbstverständlich handelt es sich hier
Allerdings, d,iese Sachverhalte sind bei der Erkennensüber
" Zu beachten ist, daß es sich bei diesen Ausführung
� lediglich .um - zeugung vorstellig,1 in der Behauptung dagegen bloß gemeint.
·
es ein Historiker aus, der sich gegen die Ansicht wendet, der: los ist, wenn ich im Satzzusammenhänge verstehend eines dieser
König sei energisch gewesen. Das andere Mal trete es rein dar Worte ausspreche, über· das Aussprechen hinaus etwas vorhanden,
stellend im Flusse der historischen Erzählung auf. Man darf, -'-- den verschiedenen Worten "non", " oli", ,,nicht" usw . en�
den ganz verschiedenen Aspekt, den das Urteil in beiden Fällen: spricht ja eine identische Funktion -, aber ebenso. zweifelloa
besitzt, nicht übersehen. Das erste Mal die Wendung gegen das kein Abzielen auf Gegenstä.ndliches in unserem früheren Sinne.
widersprechende positive . Urteil : "der König war n i c h t �ner Was. sollte auch dieses Gegenständliche sein, welches dem ,,auch"
gisch". Das andere Mal die schlichte Darstellung : "In dieser. oder "abel'" entspräche 1 Um so dringender wird aber · damit
Zeit blühte das Land neu auf. Der König war nicht eben ener die Frage, was solchen "gegenstandslosen" Ausdrücken in Wirk
gisch, aber . . . . . " Man m� über solche , �une:h�blichen" Unter lichkeit entspricht. Wir wollen dabei nur von dem "und" und
schiede hinwegsehen. Das ISt uns sehr gleiChgiUtig, solange man; "nicht" reden. Eigentlich kommt es uns nur· auf das "nicht''
sie nur als Unterschiede zugibt. Und dem wird ID.!ln sich an: an. Das Heranziehen des anderen, neutralen Beispiels wird uns
gesichts der evidenten Sachlage ni�ht entziehen kö�en : einmal aber förderlich sein .
die polemische Richtung gegen em anderes Urteil , und dann WeDll ich saße.: "A und B sind c", so ziele ich an der Sub
die schlichte Setzung. In dem ersten Falle hat die traditionelle jektstelle ab auf das A und auf das B, nicht jedoch auch auf
Anschauung , wonach das negative Urteil sich .� �in Leugnen: ein "und". Trotzdem ist mit dem Abzielen auf . A und B nicht
oder Verwerfen darstellt, den Schein durchaus für Sich, dagegen. alles erschöpft, was hier vorliegt. A und B · werden nicht nur
liegt es im zweiten Falle bei vorllrlElilsloser Betrachtung viel �her, gemeint, sonc;J.ern sie werden gleic�eitig miteinander v e r b u n d e n.
von einem Setzen oder Behaupten zu reden. Jedenfalls ist es. \
Dieses Verbinden ist das, was dell "und" entspricht. Das "und"
nun klar geworden, daß diese ganze Frage, weit entfernt davon also verbindet, es faßt zusammen. 1 Und zwar kann es immer
selbstverständlich zu sein, einer näheren Untersuchung bedarf . .
nur zweierlei zusammen fassen� Will man A , B, C zusammen
Wir beginnen mit einer Analyse dessen, was im Worte "nicht" fassen, so sind zwei soloher verbindender Funktionen erforderlich :
zum Ausdruck kommt ; dieses ist es ja offenbar, was schon· A und B und C sind d. Zwar kann man statt dessen auch sagen :
ii.u�rlich das negative Urteil von dem positiven unterscheidet: A, B und C sind d, oder gar : A, B, C sind d, aber das Wegfallen
Wir haben bereits oben von "Worten" gesprochen und von des Ausdrucks besagt nicht das Wegfallen der Funktion. Es
den eigenartigen Akten des auf Gegenständliches gerichteten ist offensichtlich, daß die Und:..Funktion auch in diesen Fä.llen
Meinens welche beim verstehenden Aussprechen von Worten doppelt vorhanden ist. A, B, c · werden eben nicht beziehungslos
�
;orliege . HussERL redet hier von bedeutungverleihenden Akten, gemeint, sondern im verbindenden Meinen verknüpft:
insofern sie es ausmachen , daß wir nicht an· dem bloßen Wortlaut Von dem Verbinden, welches wir dem "Und" zuschreiben.
als solchem haften bleiben, sondern dieser für uTIS "Bedeutung" müssen wir auf das schärfste scheiden, was sich im verbindenden
gewinnt. So berechtigt nun auch dieser Begriff der �e�tung� Meinen für uns konstituiert der "Inbegriff" od�r das "Zusammen"
verleihenden Akte ist, und so wichtig er ist zur Orientierung von A und B . Diese - gewiß sehr vieldeutigen - Termini dürfen
des fundamentalen Begriffes der (idealen) Bedeutung aJs solcher nicht mißverstanden werden. Das Zusammen "A und B ", welches
von der wir hier nicht weiter zu reden haben - so muß doch be... sich im Funktionieren des Und konstituiert, ist vor allen Dingen
tont werden daß wir nicht an jedes Wort den Unterschied von kein räutnliches oder zeitliches Aneinander, ·es ist überhaupt
�
gegenständli hem Meinen und gemeintem Gegenstän dlichen an- keine. durch irgend welche, Un.d sei �;;; die entfernteste sachliche
.
knüpfen können. Wir erinnern an Worte, Wie "un d" , "aber" Verwandtschaft, bedingte Einheit. : Das Allerhaterogenste kann
.
•
;,auch",. "folglich", "nicht" usw., welche berm verste�end en ja miteinander durch das Und verbunden werden. Ebenso wenig
Ausspreche n von Sätzen verstanden erden, ohne daß WJr . doch
';
..
sagen könnten, sie seien von dem Memen von Gegensta.ndliohem. 1 Es sei gestattet,. statt : die Funktion, die mit dem Aussprechen
begleitet, so wie etwa die Worte "Sokrates " oder. "Baum". Zweifel-
des
"Und" vollzogen. wird, abkürzen� zu sagen� das· ,,Und " . ·
240 Adolf Beinach� Zur Theorie des negativen Urteils. 241
darf die Funktion des Verbindens verwechselt werden mit dei' sitze vo.n Mejnen und Vorstellen. Was uns neu aufgefallen ist,
synthetischen Apperzeption, in der wir vorgestelltes Gegenständ� ist der .a.ndere Gegensatz zwischen dem Vollzug der Funktion
liches zu einer Einheit. zusammenfassen. 1 Die Und-Funktion
· emerseits und dem Vol'Stellen des in der frunktion sich Eonsti.:.
findet sich ja in der Sphäre des Mefuens, in welcher Gegenständ� tuierenden andererseits.
liebes überhaupt nicht vorstellig ist. · Unsere Absicht geht im Grunde nicht darauf, das "Und"
Näher bezeichnen kann man das Zusammen, von dem. w.ir sondern das "Nicht" zu _klären. Seine Besprechung war aber ·
hier reden, wohl kaum. Man kann nur auffordern, hinzusehen vorteilhaft, insofern die Verhältniese bei ihm weniger kompli�
und sich von seiner Einzigkeit zu überzeugen. Beim verstehenden ziert liegen, und zugleich doch zu dem "Nicht" in mehrfacher
Aussprechen des Satzes ist es keineswegs vorstellig, ebenso wenig Pa-rallele stehen. Auch wenn ich sage "A ist nicht b", ist es nicht
wie es nach unseren früheren Untersuchungen die gemeinten angängig, von einem Abzielen auf ein "Nicht" zu reden in dem
Gegenstände als solche sind. Wenn ich sage : A und B und C und Sinne, in dem man doch von .einem Abzielen auf das A oder b
D sind e, so sind eine Reihe von Verbindungsfunktionen vor apreoben kann . Auch hier finden wir eine Funktion vor; bei deni
handen, aber der Inbegriff, der dabei erwächst, ist mir nicht präsent. ,,Und" sprachen wir von ein�m Verbinden, hier liegt etwas vor;
Was für dies Zusammen von vielen Gegenständen gilt, gilt auch für daa wir als ein "Negieren" bezeichnen können. Während aber
ein solches von zwei. Natürlich st-eht es mir frei, mir den Inbegriff zum Verbinden mindestens zweierlei gehört, das verbunden wird,
jederzeit vorzustellen. Dann erkenne ich ihn mit Sicherheit als betätigt sich die Negierungsftqktion an e i n e m Gegenständlichen.
dasjenige, was sich im verbindenden Meinen konstituiert hat. lhr Ort läßt sich ganz gena.u \Jestimmen. Weder das A noch das
Ohne diese Sicherheit könnten wir ja von einer Konstitution durch b kann negiert werden, sondern allein das b- s e i n des A ; in
die Funktion gar nicht reden. Aber im Flusse. der Rede selbst llllSerem Beispiel bezieht sich also die Negierwagsfunktion speziell
findet eine solche Vergeg�nwärtigung normalerweise nicht statt. a.uf das ,,ißt" und dadurch zugleich auf den ganzen, in dem Urteil
Wir finden hier einen anderen Gegensatz als unseren früheren sich aufbauenden, gegliederten und geformten Sachverhalt : A
zwischen Meinen und Vorstellen. Dem - "Und" entspricht ja kein ist b. Insofern ist der alte scholastisclloe Satz durchaus im Recht :
Meinen, sondern eine Funktion, speziell ein· Verbinden. 2 Dieses m propositione negativa negatio afficere debet · copulam.
Verbinden scheiden wir grimdsätzlich von dem Vorstellen dessen, Auch hier freilich müssen wir .einen Unterschied machen
was in ihm sich konstituiert. Dem Gegensatz von Meinen und zwischen der F u n k t i o n , dem woran sie sich b e t ä t i g t , und
Vorstellen desselben Gegenständlichen steht nun also gegenüber dem was in dieser Betätigung e r w ä c h s t. Indem das "ist" b:n
der ganz andere Gegensatz des Vollziehans einer Funktion und Sachverhalte negiert wird, erwächst der kontradiktorisch-negative
des Vorstellans dessen, was sich in ihrem VollZug konstituiert·. Sachverhalt. Es ißt nicht ganz leicht, sich die Sachlage hier
Gewiß gibt es auch ein Abzielen auf die Funktion ; wir n-ehmen deutlich zu vergegenwärtigen. Sicher . zu erfassen ist die Negie
es ja eben vor, wenn wir von ihr reden. Und davon wieder ist zu l'llln lgSfunktio , welche dem "nicht" entspricht, sicher zu erfassen
unterscheiden das Vorstellen der Funktion, das ·man etwa vornimmt, ist a.uch, daß sie sich an dem Elemente des Sachverhaltes, welches
wenn man unsere jetzigen Ausführungen sich verständlich zu in dem "ist�' .seinen Ausdruck findet, betätigt. Dieses "ist" wird
machen sucht. Andererseits ist es möglich, abzuz!elen auf das negiert und zu einem ,,ist nicht" gestempelt. · So ersteht ver
in der Funktion Konstituierte, so wenn wir vori dem Inbegriffe �ttelst der Negierungsfunktiol:"; der negative Sachverhalt. Er
. .,A und B" reden, und im Gegensatz dazu auch diesen Inbegriff ist uns im Vollzug des Denkens selbst keineswegs gegenwärtig ;
sich vorstellig zu machen. Das sind jeweils unsere alten Gegen- <ler Fortgang des Meinens läßt ihn gleichsam hinter sich. Aber
es steht uns jederzeit frei, ihn vorstellig zu machen und als das zu
1 Vgl. WPPS, a.. a.. o., s. 119.
erkßll.InIi , was in der Negation sich uns konstituiert hat. Wir
2 Von "Denkfunktionen" bat P:FÄNDBR unter speziellem
Hinweis llaben das Meine:Q. und Vorstellen der Negierungsfunktion, und
auf das "Und" in einer Vorlesung über Logik sohon im s·. S. 1906 gesprochen. w hAben ferner das Meinen und Vorstellen des negativen Sa.ch�
Mti:ilehener Philos. Abhandlnngen. "16
242 Adolf Reinack. Zuf' Theorie des neg!lti'llen UrteiZs. 243
...
verhaltes, welcher sich in ihr konstituiert. Und schließlich haben es vorkomiJt, ohne daß sie doch Urteile wären. Setzen wir den
wir den Gegensatz, auf den es uns hier ankommt : zwischen dem Fall , daß ich auf ein Urteil "A ist nicht b" erwidere : "A ist nicht
Vollzug der Negierung und dem Vorstellen des dadurch konsti b, � bezweifle ich sehr". Ein Verneinen ist in dieser Erwiderung
r
tuierten negativen Sachverhaltes. gewiß vorhanden, aber von einem w1rklichen Urteil "A ist nicht
Der Ausdruck Konstitution darf nicht mißverstanden werden ; b" - das dann etwa im zweiten Satzteile zurückgenommen würde
er soll natürlich nicht besagen, daß durch die Negierungsfunktion - kann man nicht ernstlich reden. Ein echtes, volles Behaupten
negative Sachverhalte "erzeugt", sozusagen hergestellt würden. .,
liegt im Vordersatz evidentermaßen nicht vor. Also haben wir
Wir wissen ja, negative Sachverhalte bestehen, genau so wie hier eine Verneinung, aber kein Urteil. Die Beispiele lassen sich
positive, ganz gleichgültig, ob sie von jemandem vorgestellt, vermehren : "Ist A nicht b � " "Angenoni.men A wäre nicht b"
erkannt.. geglaubt, gemeint · und behauptet werden oder nicht; usw. Überall finden wir Verneinungen, ohne daß doch Urteile
Daß 2. 2 nicht gleich 5 ist, dieser Sachverhalt besteht ganz unab vorlägen.
hängig von jedem ihn erfassenden Bewußtsein, ebenso gut wie das
Nun wird man wohl sagen, so habe man Verneintmg nicht
positive Gleichsein von 2.2 und 4. So werden auch negative
gemeint. Im Satze "A ist nicht b, das bezweifle ich sehr" und
Sachverhalte. genau so wie die positiven, wenn auch auf Grund
in dE\11 anderen angefiilirten Sätzen liege gar kein Verneinen vor.
des E r k e n n e n s von positiven Sachverhalten, erkannt und in
Es müsse noch etwas anderes hinzukommen damit der Satz zu
.diesem Erkennen gründet die urteilende Überzeugung von ihnen.
Werden die so geurteilten Sachverhalte dann noch einmal iil
einer urteilenden Vern�ung werde. D�m önnen wir nur zu k
stimmen. Aber was S('p noch hinzukommen 1 Vergleichen wir
Akten des Behauptens "hingestellt", so bauen sich dabei die
unse�en Satz mit dem Urteil : "A ist nicht b", so sehen wir es ganz
p o s i t i v e n Sachverhalte in Akten gegenständlichen Meinens
deutlich. Was dort, ohne es ehrlich zu behaupten, bloß wieder
auf. Die n e g a t i v e n Sachverhalte dagegen bedürfen zu ihrem
holend und nachfühlend hingestellt wurde, wird hier wahrhaft
Aufbau in dieser Sphäre einer Funktion, welche gewisse gemeinte
behauptet. Das Behauptungsmoment also ist es, was das
Elemente negiert. Das also ist der Sinn des Ausdrucks Konstitu
negative Urteil so gut wie das positive allererst zum Urteile
tion : nicht daß Sachverhalte an sich durch die Funktion erzeugt
macht.
würden, sondern daß sie sich vermittelst der Negation im Meinen
und für das Meinen aufbauen. Wir werden also sagen : es gibt Behauptungen in denen keine
'
Kehren wir zu unserer Ausgangsfrage zurück. Da nach Negierungsfunktion vorkommt - das sind die sog. positiven
unseren Darlegungen im negativen Urteil ein Negieren oder Ver Urteile. Und es gibt Behauptungen, in denen die Kopula des
neinen auftritt, so könnte man sagen : demgemäß ist das negativ& Sachverhaltes und damit der ganze Sachverhalt negiert wird. In
Urteil ein Yerneinen, und wir haben 8elbst unsere anfänglichen der Verneinungsfunktion konstituiert sieb. hier ein n�gativer
Bedenken gegen diese These beseitigt. Indessen dies hieße die, Sachverhalt, und dieser so konstituierte negative Sachverhalt
ist es, welcher in der negativen Frage in Frage gestellt, in der
Sachlage durchaus verkennen. Die Einteilung der Urteile in
Bejahungen und Verneinu:i:J.gen will doch gar viel mehr besagen,
r
t ,,
negativen Annahme angenommen und im negativen Urteil endlich
als daß es Urteile mit und ohne Verneinungen gibt. Man will behauptet wird. Dagegen gibt es keinen "Akt" des Bejahens,
und ebensowenig gibt es einen ;,Akt" des Verneinens, in deni
zugleich sagen, daß durch die Verneinung das Wesen des nega;.
tiven Urteils auch als U r t e i l vollkommen bezeichnet ist, daß, wir das Wesen des negatiy�n Urteils zu erblicken hätten. Viel
es genügt etwas als verneinend zu kennzeichnen, um es gleich� mehr stellt . sich das positive Urteil wie das negative als ein Be
zeitig als Urteil quaiif:izieren, und gerade das ist es, was wir in Zweifel haupten dar; und nur dadurch unterscheidet sich das negative Ur
setzen mußten. Diese Zweifel finden durch unsere· Funktions teil von dem positiven, daß in ihm das Behaupten auf einen in
analysen volle Bestätigung. Es ist nicht wahr, daß das Verneinen der Negierungsfunktion sich konstituierenden negativen Sach
das spezifisch Urteilsmäßige ausmacht ; es gibt Gebilde, in welchen verhalt geht. Diese Negierungsfunktion macht das negative Urteil
16*
L
Mol( .Reinach. Zur Theorie da negativen 245
244 · Urteils.
zum n e g a: t i v e n Urteil, das Behauptungsmoment macht es liehe Betonen hier leistet, das leistet bei dem gedruckten oder
zum negativen U r t e i 1.1 geschriebenen Satze der fette oder gesperrte Druck oder der
Wir haben anfangs von der Schwierigkeit für die gegnerische l Strich unter dem Wort. All das sind ganz verschiedene Ausdrucks
·Auffassung. gesprochen, das Moment aufzuweisen, welches die .zeichen, aber sie alle geben dem Gleichen Ausdruck, und a.uf
angeblichen Akte des Bejahens und Verneinans beide zu Urteilen dieses Gleiche kommt es uns hier an. Das findet eine Bestäti
macht. Für uns bestehen solche Schwierigkeiten nicht. Positives gung auch darin, daß das sprachliche Betonen desselben Wortes
·und· negatives Urteil sind · Urteile, insofern sie beide das spezi der logisch bedeutsamen Betonung von Verschiedenem zum Aus
fische Behauptungsmoment aufweisen. Der Name positives Urteil druck dienen kann. Man nehme das Urteil "A i s t b", da.s ein
·besagt nicht etwa das Vorhandensein eines besonderen Bejahungs mal der Behauptung ,,A war b", ein andermal der Behauptung
ak:tes oder einer besonderen Bejahungsfunktion, sondern lediglich "A ist nicht b" entgegentreten mag. Durch das Betonen desselben
das Fehlen der Nega.tionsfunktion. Eine willkommene Bestäti Wortes "ist" hindurch wird im ersten Falle das in ihm zum
gung dafür gibt uns die Tatsache, daß die Sprache zwar ein ,,nicht" Ausdruck gelangende zeitliche Moment, im zweiten die Positivitä.t
als Ausdruck der Negierung aufweist, daß aber im positiven des ,,ist"· im Gegensatze z� ,ist nicht" betont. Sicherlich ist
.Urteil keirie Partikel vorkommt, welche dort einer entsprechenden dies zweite Betonen etwas l:etztes, nicht weiter Zurückführbares .
Bejahungsfunktion Ausdruck gäbe. Auch für diese sprachliche Es hat nichts zu tun mit der Konstitution des betonten Gegen
Erscheinung vermag . uns . die übliche Auffassung des positiven ständlichen ; es muß aber .auch sehr genau geschieden werden
:und negativen Urteils keine Erklärung zu geben. von allem ,,Beachten" oder . ,,Apperzipieren", welches ja nicht
· Unsere . Auffassung leuchtet durchaus ein bei den schlichten in der Sphäre des Meineri.s sondern des Vorstellans seine Stelle
negativen Urteilen. Wie aber steht es mit den polemisch nega hat. Wir können hier .auf die bemerkenswerten Probleme des Be
#ven, welche wir oben von ihnen gesondert haben � Wenn ich mich tonens und auf di� Gesetzlichkeiten, denen es untersteht, nicht
,gegen einen anderen, der das b-sein eines A behauptet hat, wende, eingehen, wir heben nur das für unsere Zwecke Unerlä.ßliche heraus.
mit den Worten : "(Nein.) A ist n i c h t b", so scheint doch kaum Es gibt eine Betonung bei dem schlichten Meinen : "die
bestritten werden zu können, daß hier ein Verwerfen oder Ver R o s e (nicht die Tulpe) ist rot". Wir finden sie auch bei
neinen eine wesentliche Rolle spielt. Wir wollen dies auch gar dem, was wir Funktionen nannten : "A u n d B (nicht A allein)
;picht leugnen. Aber 'wir müssen darauf dringen, daß Verschie sind c". Hier haben wir ein betonendes Verbinden ; · das, was
denes hier strenge auseinandergehalten wird. in ihm sich konstituiert, näher das spezifische Zusammenhangs
An dem polemischen Urteile fällt zunächst das auf, was wir moment des Inbegriffes, erfährt in ihm die Betonung. Genau
als seine Betontheit bezeichnen wollen . Im Gegensatze zu dem. so finden wir neben dem schlichten Negieren ein betonendes Ne
schlichten negativen Urteile ist hier das ,,nicht" betont. Es wäre gieren ; das was hier betont wird, ist die Negativität des in ihm
recht oberflächlich gedacht, wenn man diese Betontheit der rein sich konstituierenden negativen Sachverhaltes. Alle diese eine
sprachlichen Sphäre zuschieben wollte. Gewiß gibt es auch ein Betonung tragenden Urteile �;.-tzen etwas voraus, dem gegenüber
BetOnen im Sprechen, welches sich rein auf die Wortlaute bezieht, die Betonung stattfindet. Die Negationsbetonung speziell richtet
aber diese Betonung ist nur Ausdruck für die Betonung in sich notwendig gegen ein anderes kontradiktorisches Urteil oder
unserem ersten, logisoh bedeutsamen, Sinne. Was das rein laut- einen kontradlktorischen Satz,1 ·welche der betonend Urteilende
verwirft. In zweierlei Hinsicht unterscheidet sich also das pole-
1 Kurz hinweisen wollen wir nol'll auf folgendes. Wie das Erkennen
den erkannten Sachverhalt in seinem Bestand erfaßt, so stellt das Be-
1 K o n t r a. d i k t o r i s c h heißen solche Urteile und Sätze, denen
. ha,upten den behaupteten - positiven oder negativen - Sachverhalt in
kontradiktorische Sachverhalte zugehören, a.nalog wie ma.n Sätze und
seinem Bestand hin, es fixiert gleichsam diesen Bestand. Man xnUß sieb
Urteile bezüglich ihrer M o d a l i t ä t unterscheidet, obwohl die ModeJi.
davor hüten, diese Fixierung des Bestandes eines Sachverhaltes mit der .
täten eigentlich nur den zugehörigen Sachverhalten inne wohnen.
P r ä. d i z i e r u n g des Bestandes von einem Sachverhalte zu verwechseln.
246 Adolf Beinach. Zur Theom da negativen Urteils. 247
misch negative von . dem schlicht negativen Urteil : es setzt em ist ·auch das negative Urteil ein Akt der AnerkennUng" 1 - in ·
kontradiktorisch positives Urteil (oder einen kontradiktorisch unserer Terminologie ein Akt der Behauptung. 2
·positiven Satz) voraus, gegen den sich der polemisch Urteilende Zugleich haben wir innerhalb der negativen Behauptung -
wendet, den er verwirft ; und es findet sich, was eng damit zusammen so dürfen wir wohl abkürzend die Behauptungen nennen, in denen
hängt, bei seiner Negationsfunktion eine Betonung, durch welchen sich ein Negieren findet - einen fundamentalen Unterschied
der Negativitätscharakter des Sachverhaltes dem entgegen gefunden : den zwischen schlicht und polemisch negativen Urteilen.
stehenden positiven Sachverhalt gegenüber herausgehoben wird: Die Logiker haben zumeist nur die polemisch negativen Urteile
Die Verwerfung richtet sich gegen das fremde Urteil, die Be behandelt, was um so näher lag, als diese um vieles häufiger ge
tonung bezieht sich auf den selbstgeSetzten negativen Sa.chverha.lt.t ·:fä.llt werden und speziell in wiBBenschaftlichen Zusammenhängen
- mit Ausnahme der historischen - fast allein vorzukommen
Durch diese Unterscheidungen ist die anfangs problematische
pflegen. Idealiter geE-prochen aber entspricht einem jeden pole
Sachlage nun geklärt. Auch das polemisch negative Urteil muß
misch negativen Urteil ein schlicht negatives und umgekehrt.
zweifellos als ein Behaupten charakterisiert werden ; daran kann
Dieselbe Unterscheidlplg läßt sich auch bei der positiven
dadurch nichts geändert werden, daß die Negierungsfun.ktion
dank der Betonung stärker heraustritt, als im schlicht negativen
:"""
Behauptung durchführen Dem schlichten Urteil ,,A ist b" steht
gegenü.ber das polemische ,,A i s t b", welches sich gegen ein
Urteil. Es gibt ja auch andere Gebilde, die nicht Urteile sind,
kontradiktorisch negatives Urteil oder einen kontradiktorisch
und in denen doch die Negierungsfunktion dieselbe hervorragende
negativen Satz wendet, und durch die Betonung des "ist" die
Rolle spielt (während allerdings die vorausgehende Verwerfung
Positivitä.t des zugehörigen Sachverhaltes heraushebt. Die Ver-
eines Kontradiktorischen bei ihnen fehlt). Man deJlke an die
. hältniese liegen hier dem negativen Urteile ganz analog ; nur daß
Anna.bme : "Angenommen A wäre n i o h t b". Fragen wir, was
dort die polemisch-negativen, hier dagegen die schlicht-positiven
diese Annahme von dem entsprechenden Urteil unterscheidet,
Urteile bei weitem häufiger realiter vorkommen. So können
so können wir nur auf das Moment des Behauptens auf der einen
wir also bei allen Urteilen überhaupt, insofern sie nicht Über
·und des Annehmens auf der anderen Seite hinweisen . . Daß man
zeugungen, sondern Behauptungen sind, den Unterschied zwischen
diese Sachlage mißverstanden hat, ist sehr begreiflich. Einmal
schlichten und polemischen Urteilen durchführen.
konnte man das Behauptungsmoment, über der, durch die Be
Die Bedeutung des "nicht" erschöpft sich nicht darin, einer
. tonung heraustretenden negierenden Funktion leicht übersehen,
Negierungsfunktion Ausdruck zu geben. Auch ·andersartige Funk
und sodann - und dies ist wohl das Wichtigere -:- lag es nahe, die
tionen können mit ihm verknüpft sein, ohne aber ihrerseits das
dem negativen Urteil vorausgehende Verwerfung des kontra
Urteil 'zu einem negativen zu stempeln. Dessen ungeachtet muß
diktorischen positiven Urteils für das negative Urteil selbst zu
eine Theorie des negativen Urteils ihrer Erwähnung tun, sei es
halten. ·
auch nur um ihre Konfundierung mit dem echten Negieren zu
So sehen wir, daß auch bei den polemischen Urteilen das
verhüten. Man braucht J1W' zwei Urteile, wie "A ist nicht b"
Behauptungsmoment den Urteilscharakter als solchen ausmacht.
und ,,A ist .- nicht b (son(fern c)" ins Auge zu fassen, um sofort
Damit ist mit dem alten logischen Dualismus gebrochen, welcher
einen fundamentalen Unterschied zu entdecken. Zunächst wird
die einheitliche Behauptung iD. zwei ganz verschiedene Akte zer:.
man diesem Unterschied wohl ,dahin Ausdruck geben, daß im ersten
spalten möchte, die dann - man weiß nicht recht warum -
beide den Namen Urteil führen sollen. Wir können daher Tn. 1 a. a. 0. S. 168.
LIPPs durchaus zustimmen, wenn er sagt : "Wie das positive, so • Nur dadurch kann es auch verständlich werden, daß einem jeden
Urteil in unserem jetzt maßgebenden Sinne eine p o s i t i v e Überzeugung
:rugrunde liegt. Wäre das negative Urteil ein ,Leugnen', so müßte es
1 Die Notwendigl;:eit unserer früheren Unterscheidw1g zwischen
aus einer n e g a. t i v e n Überzeugung von dem geleugneten Sachverhalt
"Verwerfung eines Urteils" und ,,negativem Urteil" zeigt sich hier sehr
·
enU!pringen.
<i"utlic:h, wo � beides nebeneinander haben.
248 .Adolf Be�nach. Z..W Theorie des negaUven Urteil8. 249
Fall das ,,nicht" sich auf das "ist", im zweiten auf das b bezieht, selben Sachverhalt ein notwendiges Element, da es nicht ge•
so daß nur daB eine Mal die Kopula, das andere Mal aber daß strichen werden kann, ohne durch ein anderes Element der Form
Prädikatsglied affiziert würde. Dabei können wir uns nun freilich A ersetzt zu werden. Dagegen ist in dem Urteile "der Wagen
Jllicht beruhigen. Es fragt sich, ob die Art dieser Affizierung beide ist schnell gefahren" das "schnell" kei·n notwendiges, sondern
Ma.re dieselbe ist. Das ist nun zweifellos nicht der Fall. Das eine ein für die formale Konstitution des Sachverhaltes unwesent
Mal findet ein Negieren statt ; daß "Sein" im Sachverhalte wixd liches Element. Sachverhaltselemente nun, welche durch das
verneint und es konstituiert sich dadurch · daß "Nichtsein". Da "nicht" zurückgewiesen werden, bedürfen, wenn sie notwendige
gegen kann in dem anderen Fall nicht davon geredet werden, sind, des Ersatzes durch andere der Form nach gleiche Elemente :
daß das b verneint wiirde, und daß sich in dieser Verneinung ein Nicht A ist b, ·sondern C ; A ist - nicht b, sondern c. Dagegen
"nicht-b " konstituierte. Es gibt überhaupt keine sich in einer �
ist bei unwesent 1ten Sachverhaltselementen eine Zurückweisung
Verneinung konstituierenden negativen Gegenstände. ohne Ersatz möglich : Der Wagen ist - nicht eben schnell -
Genau so verhält es sich in dem Urteil "Nicht A ist b (sondern gefahren . .
C)". Auch hier haben wir e:in "Nicht" ; aber auch hier kann keine Wir werden die Urteile, in denen eine Zurückweisungsfunk
Rede davon se:in, daß ein Verneinen stattfände, in dem sich etwa. tion auftritt, selbstverständlich nicht als negative Urteile bezeich
ein nicht-A konstituierte. Eine Funktion liegt freilich auch hier vor, nen, da in ihnen ja weder ein Negieren vorhanden ist, noch -
aber kein Negieren, sondern das "Wegschieben" oder ."Zurück was damit zugleich gesagt ist - in ihnen ein negativer Sachverhalt
weisen" eines im Flusse der Rede gemeinten �genstä.ndlichen. Wir behauptet wird, sondern nichts weiter vorliegt, als das Zurück
haben früher davon gesprochen, wie sich in der Behauptung der weisen eines Elementes aus dem sich aufbauenden Sachverhalt.
Sachverhalt sukzessive aus seinen Elementen aufbaut. Gewöhnlich Im Urteile "A ist - nicht .b, sondern c" wird ein p o s i ti v e r
nun geht dieser Aufbau ungestört vonstatten ; die Sachverhalts Sachverhalt, das lt-sein des /
behauptet ; daß innerhalb dieses
elemente folgen sich und ergänzen einander, ähnlich wie die Töne Behauptens das Wegschieben eines Sachverhaltselementes statt
einer Melodie. Es kommt aber auch vor, daß e in sich einstellendes findet, ka.rin daran nie hts ändern .
Element zurückgewiesen wird, - das sind die Fälle, in denen das Die Haupt�egriffe, welche wir in _diesem Abschnitt neu ein
"nicht" fungiert, von dem wir jetzt reden. Bei dem echten nega geführt haben, haben lediglich in der Sphäre des Behauptens,
tiven Urteil dagegen ist von einem Wegschieben oder Zurück nicht in der der erkennenden Übetzeugung ihre Stelle. Das gilt
weisen keine Rede. vor allem für den Begriff der Funktion. Während wir in der
Es gibt nun sehr verschiedenartige Sachverhaltselemente, Behauptung "A ist b und c" kraft der Verbindungsfunktion einen
notwendige und unwesentliche. Sachverhalte , wie sie in der einzigen Sachverhalt setzen , sind in der Sphäre der erkennen
Behauptung sich konstituieren, können ja nicht aus beliebigen den Überzeugung, iK uer es kein Verbinden gibt, z w e i Sachver
Elementen sozusagen ZW!ammengestoppelt werden , sondern halte vorstellig. Analog verhält es sich bei den übrigen FUnktionen.
unterstehen bestimmten Konstitutionsgesetzen. Insbesondere Sie alle tauchen nur in der Sphäre des Meinans auf. Freilich ist
wenn der ·Aufbau eines Sachverhaltes einmal begonnen hat, kaJin. ihre Verwendung keine beliebige, sondern sie muß in den Sach
er nicht beliebig abgebrochen oder vollendet werden, sondern verhalten selbst und ihren Verhältnissen eine Stiitze und Be-
fordert bestimmte, nicht dem Inhalt, aber der Form nach gesetz . rechtigung finden. Nur wenn ein negativer Sachverhalt besteht,
lich umschriebene Elemente hinzu, ganz entsprechend den Ver darf innerhalb des behauptenden Meineris eine Negierungsfunk
hältnissen bei dem Aufbau einer Melodie. Es kann z. B. wenn tion sich betätigen. Nur wenn Sachverhalte in bestimmten Be
ein Sachverhalt mit "die Rose ist" begonnen hat, nicht hier be gründungs- oder Gegensatzverhältnissen stehen, haben die Funk
liebig abgebrochen werden, sondern irgendein Element etwa der tionen des "folglich" und "aber" eine Berechtigung, usw. Auch die
Form b muß ergänzend hinzutreten und ist insofern ein not Unterschied� des Betont- und Unbetontseins, der schlichten und
wendiges Sachverhaltselement. Und ebenso ist die RoSe in dem• P?lemisch negativen Urteile, der negativen und der, ein Sach-
260 Zur Theorie des negativen Urteils. 251
verhaltselement bloß wegschlehenden Urteile haben nur in der -mehr auf Sachverhalte. Diese Sachverhalte "zerfallen in poSitive und
Sphäre des Meinens und nicht in der des Erkennans ihre Stelle. negative, und beide wiederum in bestehende und nicht bestehende.
Hat man das einmal klar gesehen, so kann man nicht mehr daran Besteht ein S achverhalt, so ist sein' Bestand unabhängig von allem
zweüeln, �ß mit der Scheidung des Urteils m erkennende Über� Bewußtsein ; es fehlt jede, aber auch j e d e Berechtigung, gerade
zeugung und Behauptung die ganze Urteilstheorie in zwei sehr die negativen Sachverhalte für bewußtseinsabhängig zu erklären.
verschieden zu behandelnde Teile zerfällt. Eiilen objektiven Bestand von Sachverhalten ü b e r h a u p t ab
.zuleugnen, das _ist der widersinnige Standpunkt des absoluten
IV. erkenntnis-theo:r)tisohen Skeptizismus ; denn Saohverha.lte sind ja.
Wir wollen kurz Stellung nehmen zu einigen hauptsächlichen das, was erka.ntlt und geurteilt wird. Teilt man diesen Skeptizis
mus aber nicht, so darf man auch den negativen Sachverhalten den
Problemen, die sich in der historiSchen Entwicklung der Logik
Bestand nicht absprechen wollen. Der objektive Bestand beider ist
an die negativen Urteile geknüpft haben, und damit die wichtigsten
unserer Resultate nach einmal beleuchten. Viel beetritten ist die ja gesetzmäßig mit einander verknüpft, wie es mit voller Wucht
die logischen Grundsätze aussprechen : Von zwei kontradiktorischen
Frage nach dem Orte der Negation. Ist sie ein "reales Verhältnisu
Sachverhalten muß .entweder der positive oder der negative be
oder etwas "bloß Subjektives" � Auf eine so vieldeutige Frage
·
wenn auch nicht auf der Bewußtseinsseite befindlich, doch etwas sich" durchaus an ; aber wie den Satz vom Urteil, so muß man ihn ��ch vom
Sachverhalte scheiden. Ein Satz ist wahr, wenn der zugehörige Sachverhalt
vom Bewußtsein wesentlich abhängiges ist, und insofern kein
besteht. Und zwei kontradiktorische Sätze können nicht beide wahr sein,
objektives Sein besitzt. Eine solche Meinung aber müSsen wir auf w e i 1 zwei kontradiktorische Sachverhalte nicht beide bestehen können.
das allerschärfste abweisen. Gewiß wird im negativen Urteil kein So führt auch hier das Satzgesetz auf ein Sachverhaltsgesetz zurück. Zu
reales "Verhältnis" gesetzt, aber im positiven braucht es ebenso gleich haben wir hier ein Beispiel dafür, in welchem Sinne wir oben gemeint
wenig der Fall zu sein,. Positive und negative Urteile gehen viel- ha.ben, daß große Teile der traditionellen Logik sich ihNm Fundamente
nach als allgemeine Sachverhalt.'llehro herau.'!!'tellon werden.
252 Ado�f Beinack.
253
Auffassung für durchaus irrig. Sie ist ganz haltlos in der Sphäre an unsere Feststellung_ denken, daß jede erkennende negative
der erkennenden Überzeugung. Wenn ich auf Grund des Erscha.uens Überzeugung und jede erkenne�de positive Überzengang von
des Rotseins einer Rose erkenne, daß sie nicht weiß ist, und meine einem Negativen das Erkennen eines positiven Sachverhaltes zur
Überzeugung sich auf diesen Sachverhalt bezieht, so haben wir Voraussetzung hat. Von der Voraussetzung eines positiven. U r �
überhaupt keine Funktion, kein "nicht", welches sich, sei es a.n t e i 1 s aberkann man hier nicht reden, da das Erkenrien eines
einem Prädikat, sei es an einer Kopula betätigen könnte, sondern positiven Sachverhaltes nicht dasselbe ist wie die Über-Zeugung ·
erkannt von uns wird der schlichte negative Sachverhalt. Erst von � Man -kann ferner da.ra.n denken, daß beide, die nega�
in der Behauptungssphäre tritt eine Negationsfunktion auf ; da tive Übjrzeugung und die Überzeugung vom Negativen, gewisse
aber betätigt sie sich an dem "ist" und nicht etwa an dem b . intellektuelle S teilungnahmen zur psychologischen Voraussetzung
Das wird umso klarer. wenn wir an den Fall denken, wo das "nicht'' haben. Aber nur bei der negativen Überzeugung richtet sich
wirklich auf das Pr ädik
at geht : ,,A ist - nicht b, sondern c". diese Überzeugung auf einen positiven Sachverhalt. Zudem
Hier wird das Prädikatselement in der Tat "affiziert", aber diese k a n n sie wohl eine Überzeugung , also ein Urteil über den
Affektion ist ein Wegschieben, und kein Negieren. positiven ·Sachverhalt sein, aber ebenso wohl eine Vermutung,
Hat man einmal eingesehen, daß die Negierungsfunktion sich ein Zweifel oder dgl. t
nur auf die Kopula beziehen kann, so wird auch die Rede vom So müssen wir a.1so die These, jedes negative Urteil setze
limitativen Urteil und von den propositiones infinitae überhaupt ein positives voraus, einschränken auf einen Fall, der lediglich .
hinfällig . Hier sollen negative Gegenstände als Prädikat oder Sub� bei der negativen Überzeugung - nicht eintreten m u ß , aber
jekt positiver Urteile fungieren : "die Rose ist nioh�rot" ; oder : eintreten k a n n. Ganz abzuweisen dagegen ist in dieser Sphäre
"die Nichtraucher steigen in jenes Abteil" . Man. hat sich hier die weitere Ansicht , das negative Urteil sei unmittelbar und
durch den sprachlichen Ausdruck täuschen lassen. Ein negatives direkt ein Urteil über jenes versuchte oder vollzogene positive
Rot oder einen negativen Raucher gibt es nicht. Heben wir die Urteil. 11 Nicht auf - ein Urteil bezieh� sich ja die negative Über
hier vorliegenden sprachlichen Abkürzungen auf, so lauten unsere zeugung sondern auf einen Sachverhalt.
Urteile : "die Rose ist etwas nicht�Ro�es (d. h. e�was, das nicht
· Gerade diese zweite Ansicht. weist nun allerdings darauf
rot ist)'' und : "die nichtrauchenden (d. h . die, welche nicht
hin, daß dabei die Orientierung nicht mehr an der Überzeugungs-,
rauchen) . . . . . " Beide Male sind es Sachverhalte, die negiert
sondem an der Behauptungssphäre genommen ist. Dort gibt es
werden, allerdings S�LChverhalte, welche. in den betreffenden Ur�
ja, wie wir wissen, in der Tat negative Urteile, welche sich gegen
teilen nicht selbst behauptet werden, sandem a.n der Subjekts..
kontradiktorisch positive Urteile wenden · und sie verwerfen.
bzw. Prädikatsstelle eine eigentümliche - hier nicht zu erörternde
·
Urteil hat, wie wir gesehen haben, kein positives zur Voraus
setzung, das es verwirft. Es spielt zudem besonders in :Be
schreibungen Un.d Erzählungen eine so große Rolle, daß es eine
durchaus einseitige Auffassung des negativen Urteils bedeutet,
wenn man wie KANT und viele andere der Meinung ist, die ver..;
neinenden Urteile hätten "das eigentümliche Geschäft, lediglich
den Irrtum abzuhalten".
Existenz als Gegenstandsbestimmtheit
Von
ÜTTO SELZ.
Inbalt.
Seite
.
§ I. Die Lehre von der Außerexistenz des reinen Gegenstandes . 255
§ 2. Das Erfüllungskorrelat des Existenzis.lbegriffs . . . . 260
§ 3. Existenz sJs Begriffsmerkmal . . . . . . . . . . . . 271
§ 4. Verschiedenheit der Gegenstände von Existenzsatzung und
E'xistenzvorstellung. Der Sinn des Existenzialurteils . . . 275
·§ II. Schluß : Die Umdeutungen des Existenzialbegriffs. Ergebnis . 287
§ I. D i e L e h r e v o n d e r A u ß e r e x i s t e n 2: d e s r e i n. e n
G e g e n s t a n d e s.
Wohl wenige Thesen haben sich auf dem Gebiete der Erkennt
nistheorie einer so weitverbreiteten Anerkennung zu erfreuen;
als die von HuME und KANT in die neuere Philosophie· eingeführte
�e, daß das Dasein keine Bestimmtheit der Gegenstände )
Ünd kein Merkmal der von ihnen gebildeten Begriffe sei. Dieser
Satz pflegt die ausdrückliche oder stillschweigende Grundvor
aussetzung dEir m�ten Erörterungen zu bilden, welche von Philo
sophen und Psychologen der Gegenwart dem Existenzialbegriff
oder Existenzialurteil gewidmet werden. Z�gi 4!89-!!!�r.tte nament-
" Jich kann man für eine solche Ansicht geltend machen.
l . D a s A r g u m e n t a u s d e r A n s c h a u u n g. Es geht
davon aus, daß es Gegenstände gibt, welche uns nicht nur ver
meintlich,· sondern wirklich selbstgegenwärtig sein, also in der
Anschauung im weitesten Sinne erlaßt werden können. Wenn
ich einen Ton höre oder einen Lichtschein sehe, so ist das hierbei
erlebte Phänomen ein solcher selbstgegenwärtiger Gegenstand.
Nicht der Ton oder: der Lichtschein, auf dessen Erfa.ssüng der
Wahrnehmungsakt sich richtet, ist im vollsten Sinne des Wortes