Kessler Ordensgeschichte
Kessler Ordensgeschichte
Skriptum
Kurzgefasste Informationen zur Vorlesung „Geschichte
der geistlichen Bewegungen und Orden“ für Studierende
zur Prüfungsvorbereitung
Inhaltsverzeichnis
- Ausschreibung
- Disposition
- Thesen
- Lernbegriffe
- Auswahlbibliographie
- Die Hauptpunkte der Vorlesung 1-6
1
Disposition
1.) Prima lectio: Einführung und Voraussetzungen christlicher
Askese
Geschichte der geistlichen Bewegungen: Vom Sinn und Zweck des Studiums der Ordensgeschichte in
der Theologie
Die Theologie der Gemeinschaften – Impulse des Vaticanum II
Askese in der antiken Welt: Die philosophischen Voraussetzungen
2
9.) DasOrdensleben zwischen Barock, Aufklärung und Revolution
im 17. u. 18. Jh.
Die neuen Frauengemeinschaften: Die Ursulinen, die Gründung von Mary Ward, die Vinzentinerinnen
Die Redemptoristen und die Palottiner
Die Auflösung der Gesellschaft Jesu als Vorwegnahme der Säkularisierung
10.) Das
Jahrhundert der Orden: Zerschlagung und Erneuerung des
Ordenslebens im 19. Jh.
Säkularisation und Restauration alter Orden und Neuansätze
Die Schwesternkongregationen
Die Missionsgesellschaften
3
Thesen zur Überblicksvorlesung:
Geschichte der geistlichen Bewegungen und Orden
im Christentum
Wintersemester 2008/09
1. These
Der neutestamentlich überlieferte Umkehrruf der Reichgottespredigt Jesu erfährt in
der nachapostolischen Zeit eine Ausgestaltung zu einer umfassenden asketischen
Lebensweise. Fördernde Elemente dieser Entwicklung sind vor allem religiösen und
philosophischen Zeitströmungen, die neben den politischen Gegebenheiten eine
Ausbildung des Mönchtums fördern. Es entwickeln sich das anachoretische und das
koinobitische Leben als Grundformen monastischer Existenz.
2. These
Das Mönchtum entwickelt sich von einer Gegenkultur der spätantiken Christenheit zu
einem Kulturträger der frühmittelalterlichen Gesellschaft. Im lateinischen Westen sind
Augustinus, Hieronymus und Ambrosius wichtige Impulsgeber dieser Bewegung. Die
Mönchsregel Benedikts bezeichnet einen Gipfelpunkt dieser Entwicklung.
3. These
Das 12. Jahrhundert ist in umfassender Hinsicht eine Zeit des Umbruchs und des
Aufbruchs. Die wirtschaftlich-sozialen und die kirchlich-ekklesiologischen
Veränderungen führen zu einem neuen Typos des Ordenslebens: Die Bettelorden
sind neue Interpretationen des monastischen Ideals der Nachfolge in einer urbanen
Welt.
4. These
Humanismus und Renaissance und die Veränderungen der geistigen und religiösen
Welt fordern einen neuen Ordenstyp: Der Regularkanoniker.
5. These
Wie keine andere Zeit bedeutet das 19. Jahrhundert nach der Säkularisierung eine
kreative Erneuerung des Ordenslebens: Es ist das Zeitalter der Kongregationsgründ-
ungen. Zu Beginn des 3. Jahrtausends ist die Stunde der geistlichen Bewegungen
(Movimenti) gekommen, die das asketische Ideal neu formulieren.
4
Lernbegriffe zur Prüfungsvorbereitung
Die genannten Personen, Begriffe bzw. Orte werden in der Prüfung als bekannt vorausgesetzt.
Mit der Thematik muss etwas verbunden werden können.
5
Ausgewähltes, kommentiertes und gegliedertes
Literaturverzeichnis zur Vorlesung „Geschichte der
geistlichen Bewegungen und Orden im Christentum“
(FFM Sankt Georgen WS 2008/09)
Nachschlagewerke:
DIP
M. Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, 2 Bde.,
Paderborn (Nachdruck) 1987.
Klassisches Standardwerk
Georg Schwaiger, Mönchtum, Orden, Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.
Ein Lexikon, München: Verlag C.H. Beck 1993.
6
Askese in der antiken Welt: Die philosophischen Voraussetzungen
K. Heussi, Der Ursprung des Mönchtums, Tübingen 1936.
Orientalisches Mönchtum
Das gallische Mönchtum: Das Inselmönchtum von Lérins: Johannes Cassian und
Martin von Tours
Clemens M. Kaspar, Theologie und Askese. Die Spiritualität des Inselmönchtums
von Lérins im 5. Jahrhundert, Münster 1991.
Mönchtum und Mission: Das iro-schottische Mönchtum und Reflexe auf dem
europäischen Kontinent – Columban, Pirmin, Bonifatius und Gallus
Arnold Angenendt, Monachi. Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen
des Mittelalters, München 1972.
L. von Padberg, Bonifatius. Missionar und Reformer, München 2003.
Ders., Christianisierung im Mittelalter, Darmstadt 2006.
M. Richter, Irland im Mittelalter. Kultur und Geschichte, München 1996.
In den Abschnitten über das irische Mönchtum erhellend.
Briefe des Bonifatius und Willibalds Vita Bonifatii (FSGA, A, Bd. 4b), hg. v. Reinold
Rau, Darmstadt 1968.
7
Mönchtum und das (karolingische) Reich
A. Borst, Mönche am Bodensee, Sigmaringen 1985.
Franz Prinz (Hg.), Mönchtum und Gesellschaft im Frühmittelalter, Darmstadt 1976.
Radikale Armut auf benediktinischer Basis: Cîteaux und Bernhard von Clairvaux
Jean Leclercq, Bernhard von Clairvaux. Ein Mann prägt seine Zeit, München 1990.
Bernardin Schellenberger (Hg.), Bernhard von Clairvaux. Der Weg der Leibe: aus der
geistlichen Lehre des Bernhard von Clairvaux, Leipzig 1990.
8
I. Crusius (Hg.), Studien zum Prämonstratenserorden, Göttingen 2003.
Kaspar Elm (Hg.), Norbert von Xanten. Adeliger – Ordensstifter – Kirchenfürst, Köln
1984.
9
Guter Überblick mit Quellenbeispielen
Helga Unger, Die Beginen – Martha und Maria sein. Eine Geschichte von Aufbruch
und Unterdrückung der Frauen (Teil II), in GuL 81 (2008) 280-298.
9.) Das Ordensleben zwischen Barock, Aufklärung und Revolution im 17. u. 18.
Jh.
Die neuen Frauengemeinschaften: Die Ursulinen, die Gründung von Mary Ward, die
Vinzentinerinnen
A. Conrad, Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen
Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts, Mainz 1991.
Die Schwesternkongregationen
10
11. Impulse für das Ordensleben im 20 Jh.
Charles de Foucauld und die Kleinen Schwestern und Brüder Jesu
11
Hauptpunkte der Vorlesung
12
Heute. Wenn die Kirchengeschichte vermittelt, dass sie Zugänge zu den Quellen und
Werkzeuge besitzt, die es ermöglichen Hell und Dunkel in der Kirche nebeneinander
stehen zu lassen, die Geschichte der Frauen weder zu vergessen, noch zu
verschweigen, tendenziöser Literatur kritisch zu begegnen, ist und bleibt sie für
verantwortete Theologie unverzichtbar.
Orden im eigentlichen Sinn sind organisierte Verbände geistlicher
Gemeinschaften. Im Kontext der kath. Kirche entstehen sie erst im hohen Mittelalter.
Voraus gehen monastische Verbandsbildungen. In der gegenwärtigen kirchlichen
Situation fiel in den zurückliegenden Jahren den sog. Neuen geistlichen
Bewegungen eine größere Bedeutung zu, Unter dem Pontifikat Johannes Pauls II.
kam ihnen auch kirchenpolitisch eine einflussreiche Rolle zu. Historische Darstellung
in kirchengeschichtlichem Kontext = historisch-kritische Methode bezogen auf das
Formalobjekt religiöse Gemeinschaften im Kontext der Kirche – angefangen von den
Anfängen christlicher Askese in der nachapostolischen Zeit über die monastischen
Aufbrüche im 3. bzw. 4. Jh. bis zu den neuen geistlichen Gemeinschaften unserer
Tage: Von dem Wüstenvater Antonius Eremita bis zu den Legionären Christi und den
Säkularinstituten mitten in der modernen Welt. Christliche Ordensgeschichte –
Formalobjekt Gemeinschaften auf der Basis evangelischer Askese.
Geistliche Bewegungen fallen nicht vom Himmel. Sie haben ihre
Voraussetzungen in den historischen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit: sozial,
politisch, philosophisch und nicht zuletzt sind auch die spezifisch religiösen
Strömungen eine entscheidende Voraussetzung, auf die eine
Gemeinschaftsgründung „antwortet“. Ordensgründerinnen und Ordensgründer sind
also weniger himmlisch motivierte Institutionengründer oder spirituelle Ich-AGs, die
Mitstreiter finden, als vielmehr charismatisch/organisatorisch begabte
Persönlichkeiten, die auf den Anruf ihrer antworten und dabei eine Gemeinschaft
formen.
Eine Vorlesung als historische Überblicksvorlesung über zwei Jahrtausende
erfordert eine konzentrierte Darstellung in einem engen zeitlichen Rahmen und damit
exemplarische Auswahl. Eine Überblicksvorlesung muss – aus Gründen der
Überschaubarkeit – auswählen und gliedern. Es kann also nicht darum gehen, alle
einzelnen Ordensgründungen bzw. –gemeinschaften vorzustellen. Es werden die
Hauptströmungen dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf dem lateinischen Westen
13
liegt, ohne den Orient bzw. das orthodoxe Mönchtum ganz aus dem Auge zu
verlieren.
Die Vorlesung möchte die Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit des
asketischen Ideals über die Jahrhunderte aufzeigen – Leben für Gott im Streben
nach persönlicher Vervollkommnung in der konkreten Gemeinschaft von Brüdern und
Schwestern im Dienst für Kirche und Welt. Dieses in der Spätantike ich
ausdifferenzierende Ideal hat sich in unterschiedlicher Vitalität bis in die
Postmoderne durchgehalten. Die je verschiedene Welt- und Kirchenzeit griff immer
wieder über die noch so abgeschlossenen Klausurbezirke und forderte bzw. förderte
das ihr gemäße klösterliche Leben. Die Anstöße großer Gründerpersönlichkeiten
sind dabei nicht außer acht zu lassen. Doch die Intentionen eines Franziskus von
Assisi oder eines Don Giovanni Bosco sind ihrer jeweiligen Zeit verbunden und ihre
Gründungen sind letztlich nur aus ihr heraus zu erklären: Franziskus ist Zeitzeuge
der hochmittelalterlichen Armutsbewegung, während Don Bosco im 19. Jh. mit den
sozialen Folgen der Industrialisierung konfrontiert war. Beide gründen
Ordensgemeinschaften und aktualisieren das Ideal der Nachfolge in ganz
unterschiedlicher Form. Ihre Intention muss sich mit der Realität ihrer Zeit verbinden
und ihr Werk bleibt in jedem Fall eine zeitbedingte Verwirklichung des alten
asketischen Ordensideals in unterschiedlicher Form.
Die Theologie der Gemeinschaften – Impulse des Vaticanum II und neue geistliche
Bewegungen
Ordensgeschichte. Orden nicht verstanden im Sinne einer kirchenrechtlichen
Definition.
CIC: Institute des gottgeweihten Lebens (vita consecrata anstelle des
Standesbegriffs: Status perfectionis). Ordensstand abgegrenzt gegen Kleriker- und
Laienstand.
Kanonistischer Versuch die Vielheit zu umschreiben. Im CIC von 1983 sicher
verbesserungsfähig.
Konstitutives Element für das Ordensleben ist die auf Dauer angelegte christliche
Lebensform, die von den evangelischen Räten bestimmt und in den drei klassischen
Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams konkret erfasst wird.
Welche Ordensgemeinschaften kennen Sie? _
14
Verschiedenste Ordensformen: Mönchtum, Bettelorden, Kongregationen,
Säkularinstitute, Einsiedler, Reglarkanoniker, Regularkleriker _.
15
besonderen Wert erachtet. Jesus zum reichen Jüngling: „Wenn du vollkommen sein
willst, geh und verkaufe, was du hast ...“. Dennoch ließen Jesus und seine Jünger
sich von reichen Freunden und Gönnerinnen das zum Leben notwendige geben und
Jesus hat keineswegs von allen in seiner Nachfolge materielle Armut gefordert.
Das Leben Jesu wurde als asketisches Vorbild gedeutet und verstanden.
Die Welt in der sich die christliche Missionspredigt ausbreitete, war asketisch
geprägt. In diesem ausgesprochen askesefreundlichen Milieu wurde die jesuanische
Botschaft des Gottesreiches auch asketisch verstanden und verkündet. Die ersten
Christen wollten in ihrer religiösen Praxis keineswegs hinter den Formen
nichtchristlicher Askese zurückstehen. Konkurrenzverhältnis
Die Botschaft Jesu und der Frühen Kirche ist sicher durch die spätjüdische
Bewegung der Apokalyptik asketisch beeinflusst und geprägt. Die drängende
Hoffnung auf das unmittelbare Hereinbrechen des „kommenden Äon“, des Endes der
Zeit führte zu einer Haltung, die mit asketischer Leistung verbunden war. Der starke
Dualismus zwischen den anbrechenden Reich des Lichts und dem Reich des
Dunkels bestärkte asketische Tendenzen. Zur Zeit Jesu ist der Einfluss diverser
jüdischer apokalyptischer Bewegungen nachweisbar. Die bedeutendste Gruppe
bilden die Essener, deren Heilserwartung durch die spektakulären Funde von
Qumran bekannt sind. Im Selbstverständnis dieser Gruppe stellten die sie den
„heiligen Rest“ Israels dar, der durch Bemühen um persönliche Reinheit das
endzeitliche Gottesvolk repräsentiert. Die asketische Praxis führt hier auch zur
Gemeinschaftsbildung und Absonderung von den übrigen Frommen.
Über eine weitere einflussreiche asketische Gruppe sind wir durch den hellenistisch
geprägten Philo von Alexandrien informiert. Er berichtet in seiner Schrift De vita
contemplativa von der jüdischen Gruppe der Therapeuten, die gemeinschaftlich die
wahre Schau (theoria – contemplatio) suchen und dazu in abgeschlossener
Gemeinschaft asketisch leben: „Die Tafel bleibt rein vom Fleisch, sie bietet statt
dessen Brot als Nahrung, als Zukost Salz, dem bisweilen Hysop als Gewürz
beigegeben wird, um den Feinschmeckern unter ihnen zu genügen. Die aufrechte
Vernunft nämlich rät ihnen, in Nüchternheit zu leben, wie sie den Priestern rät, in
Nüchternheit zu opfern. Wein ist nämlich ein Gift, das Tollheit erzeugt, köstliche
Leckerbissen aber reizen das unersättliche Geschöpf zur Begierde.“ (De vita
contemplativa 73f).
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Die knappe Schilderung liest sich wie eine Beschreibung des christlichen
Mönchsideals. Bei Philo verbinden sich alttestamentliches Gedankengut mit
hellenistischer Philosophie. Diese Vorleistungen werden von den Meistern der
christlichen Vollkommenheitslehre ohne jede Schwierigkeit vereinnahmt und
eigenständig weitergeführt. Die asketische Theorie und Praxis des Judentums
sind ganz selbstverständlich in die Ausbildung eines christlichen
Vollkommenheitsideals eingeflossen. Gleiches lässt sich von diversen
philosophischen Zeitströmungen des Hellenismus sagen.
Wichtige philosophische Impulse gehen von der antiken populärphilosophischen
Rezeption des Axioms der Pythagoräer aus, der Leib sei das Gefängnis der Seele.
Grundlegend wird die dualistische Ansicht: Die Seele muss aus dem Gefängnis des
Leibes befreit werden.
Plato und Platonismus: Die Seele gehört gar nicht dieser Welt an. Ihre Heimat ist die
unvergängliche Welt der Ideen. Dahin soll sie zurückkehren. Platos Gesamtlehre und
Anthropologie zielen letztlich auf eine asketische Praxis.
Einen weiteren entscheidenden Baustein für die Ausformung eines christlichen
Askeseideals lieferte die populäre Philosophie der Stoa. Askese wird dort geübt, um
sich von Scheinübeln zu befreien und das Ideal der a-patheia, der vollkommmenen
Leidenschaftslosigkeit zu erreichen. Nur das Freisein von Begierden führt in der
stoischen Konzeption eudaimonia.
Christliche Askese hat von Anfang an neben den jüdischen und den philosophischen
Einflüssen ihr eigenes Motivfeld. Im Spektrum der asketischen Motive innerhalb des
Christentums stand die Reich-Gottes-Botschaft und die Nachfolge Jesu an erster
Stelle. Freilich wurde deshalb die Gestalt Jesu immer stärker durch eine asketische
Brille gesehen. Im 3. Jh. wuchs vor allem in den Stadtgemeinden die Zahl der
enthaltsam Lebenden v.a. Frauen stark an.
Die sich bildenden christlichen Gemeinden leben in einer asketischen
Grundstimmung in fruchtbarer Assoziation und Assimilation, aber auch in kritischer
Dissoziation mit den (populär)philosophischen Stimmungen und Strömungen und der
Bewegung der Gnosis.
Es waren die philosophischen Schulen und die populärphilosophischen Strömungen,
die den Begriff der Askese aus dem Umfeld der handwerklichen Fertigkeit und
sportlichen Ertüchtigung auf das Feld der menschlichen Vervollkommnung gezogen
haben. Übung der Tugend ist ein Anliegen der Askese. Grunddaten sind:
17
- Einschränkung der Ernährung
- Zurückhaltung bei materiellem Besitz
- Beherrschung der Triebe, besonders des Geschlechtstriebs bis hin zur
völligen sexuellen Enthaltsamkeit.
Zusammenfassung:
Geschichte (allein) macht dumm: „We had the experience but we missed ist
meaning“ (Huxley) – Es bedarf der Reflexion, damit historische Kenntnis den
Horizont erweitert.
Ordensgeschichte: Orden bzw. deren Gründerinnen und Gründer fallen (für den
Historiker) nicht vom Himmel. Die Reich-Gottespredigt Jesu und die Wanderpredigt
der apostolischen Zeit ist nicht eine Individualbotschaft, sondern eine
Sammlungsbewegung. Religiöse Bewegungen sind der Ursprung für
Ordensentwicklung.
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Als Wiege des christlichen Mönchtums als außergemeindlicher asketischer
Bewegung gilt Ägypten. Entlang des Nils war die Kirche als erstes Volkskirche
geworden. Das führte zum Wandel des ekklesiologischen Selbstverständnisses: Eine
„Kirche der Heiligen“ wurde zur „heiligen Kirche“. Hier verließen vermutlich in der
Mitte des 3. Jhts. einzelne Christen ihre Gemeinden, um in einer von Askese
geprägten Sonderwelt zu leben. Recht früh dürften auch in Syrien Anfänge der
monastischen Lebensweise zu datieren sein. Palästina war gleichermaßen
Einflüssen aus Syrien und Ägypten ausgesetzt und an den heiligen Stätten
sammelten sich Pilger und Asketen. Im letzten Drittel des 4. Jhts. gründeten
römische Asketen hier Klöster. Im 4. Jht. werden dann auch in Kleinasien Mönche in
Quellen erwähnt.
Konstitutiv für das Mönchtum war der Auszug aus den gemeindlichen Strukturen, der
keineswegs überall und in gleicher Weise vollzogen wurde. Nach den ersten
Versuchen in verschiedenen Gebieten des Orient entstand eine Bewegung, die im 4.
Jht. die ganze Kirche erfasste. Die Gründe dieser Entwicklung werden bis heute
kontrovers diskutiert. Monokausale Erklärungen können dem vielschichtigen Prozess
nicht gerecht werden. Ein Bündel aus verschiedenen individuellen, kirchlichen,
politischen und ökonomischen Gründen mag zusammengewirkt haben: Sorge um
das eigene Heil im Kontrast zu einer verwässerten Gemeindeethik; Bewahrung der
asketischen Freiheit gegenüber den Ansprüchen einer organisierten Gemeinde;
Flucht vor wirtschaftlicher Not; Mentalität der Verweigerung angesichts der
Destabilisierung und des Niedergangs im Imperium Romanum. Legitimiert wurde die
monastische Askese durch die Nachfolge Christi, die jetzt von einem konsequenten
asketischen Evangelismus besetzt wurde.
Mehrere Gestalten sind zur Leitfigur des östlichen Mönchtums geworden: Antonius
wird als der Urvater der monastischen Bewegung in eremitischer Prägung stilisiert.
Seine Vita steht am Anfang der monastischen Literatur.
Anachoresis – Rückzug
Eremos – Einöde, Wüste nicht im geologischen Sinn, sondern unbewohntes Land.
Monachos – der allein Lebende
Die Vita Antonii hat diese Begriffe symbolisch aufgeladen. Der „Mythos der Wüste
war eine der dauerhaftesten Schöpfungen der Spätantike“ (P. Brown, Die Keuschheit
der Engel, 1991, 229). Wüste wurde zum Begriff einer Gegenwelt, einer Alternative
zum Leben in den Städten und Dorfgemeinschaften. Später schuf man durch
19
Klausurmauern künstliche Wüsten _ Einsamkeit und Abgeschiedenheit sollte die
Freiheit und Autarkie (auf Gott allein sich verlassen) des Mönchs sichern. Antonius
musste aber bald feststellen, dass die Wüste nicht einsam war. Er wurde dort nicht
von Menschen aus Fleisch und Blut heimgesucht, sondern vom Teufel und Dämonen
versucht. Doch der Asket bleibt standhaft. Der Teufel ist machtlos gegenüber einem
Asketen, der auf Gott vertraut und sich durch asketische Praxis wappnet.
20
Antonius der Ungebildete und Weisheit des Herzens
22
Geregelt wird die persönliche Armut: Gütergemeinschaft.
Besondere Bedeutung erhält der Gehorsam. Der Ursprung liegt bei den Anachoreten
(Abba dos moi rema) wird aber in der Gemeinschaft für das gesamte Leben wichtig:
sozialer Leitungsgehorsam gegen Führungsgehorsam.
Leitungsgehorsam raucht ein institutionalisiertes Leitungsamt: Abt als Klosteroberer.
Orientalisches Mönchtum
Die mönchische Bewegung verbreitet sich im gesamten Orient: asketische
Bewegung ist en vogue im 3. und 4. Jh. Besonders im syrischen Bereich kommt es
zuweilen zu bizarren bis schrillen Formen, von denen Theodoret von Kyros berichtet
(Säulensteher, Ketten tragende Mönche ...).
23
3.) Anfänge des westlichen Mönchtums im 4. - 6. Jh.
Ein wichtiger Faktor für die Ausbreitung des Mönchsideals war das stark am
östlichen Vorbild orientierte Wanderasketentum, das in seinen teilweise bizarren
Formen nicht überall kirchliche bzw. auch gesellschaftliche Anerkennung finden
konnte (vgl. die bissige literarische Sartire des Hieronymus: Ep. 22,14; 27-29; 34).
Die kirchliche Einordnung bzw. Domestizierung war eine wichtige Aufgabe, die in der
und von der westlichen Kirche nach und nach geleistet wurde. Reibungsloser konnte
24
der weit verbreitete Familienasketismus, der vor allem von Frauen praktiziert wurde,
zur kirchlich anerkannten und organisierten Mönchsaskese geführt werden. Wichtiger
Lehrmeister auf diesem Gebiet war Hieronymus. Während seiner römischen Jahre
(382-384) kümmerte er sich um asketische Damenzirkel. Zentrum dieser Kreise war
das Haus der aristokratischen Witwe Marcella auf dem Aventin. Hieronymus gab den
asketisch interessierten bzw. lebenden Frauen geistliche Weisung und biblischen
Unterricht. Er wies damit den Weg für die im abendländischen Mönchtum
selbstverständliche Verbindung von Askese und intellektueller Auseinandersetzung
ausgehend vom Schriftstudium.
Unter Ambrosius von Mailand wurde seine Bischofsstadt und Umgebung zu einem
wichtigen Zentrum monastischen Lebens mit mehreren Klöstern. Ambrosius wurde
vermutlich 333/34 in vornehmster römischer Familie in Trier geboren. Nach dem Tod
des Vaters als Prätorialpräfekt Galliens zog die Mutter nach Rom. Als Ambrosius ca.
20 Jahre alt war (seine Vita beschreibt ihn als adolescens) erhielt seine Schwester in
einer öffentlichen Feier durch Papst Liberius den Jungfrauenschleier, um dann in
asketischer Zurückgezogenheit bei der Familie zu leben. Ambrosius wurde röm.
Beamte und kam nach verschiedenen Stationen als Statthalter der Provinz Aemilia
Liguria in die Kaiserresidenz Mailand. 374 wurde er Bischof dieser Stadt. +397.
Als Bischof wirkte Ambrosius nicht nur politisch und kirchenpolitisch, er fördert
engagiert das asketische Leben von Jungfrauen: De virginis velandis. In seiern
Schrift De viduis fordert er die Witwen auf, nicht wieder zu heiraten und ihre
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Lebensform geistlich fruchtbar zu machen durch Gebet in der Gemeinde und Werke
der Nächstenliebe.
3.2 Das gallische Mönchtum: Die Insel von Lérins, Johannes Cassian und Martin von
Tours
Die führende und einflussreichste Persönlichkeit der gallischen Mönchslandschaft ist
Martin von Tours, vor allem durch seine geniale Biographie von Sulpicius Severus. Er
gründet das Missionskloster Ligugé und engagiert sich als Mönchsbichof
missionarisch. Auch bei Martin verbinden sich monastisches Leben und
Missionseinsatz. Es entsteht auch hier – ähnlich wie bei Augustin – die für das
abendländische Mönchtum bezeichnende Verbindung von weltentsagender Askese
und kirchlicher Seelsorge.
26
Ein weiteres Mönchszentrum mit Strahlkraft ist das Inselkloster Lérins, das von
Honoratus zwischen 405 und 410 an der Cote d’Azur gegründet wird. Die Mönche
entstammen der gallorömischen Adelsschicht und werden Bischöfe in Südfrankreich.
Der wichtigste Autor, der im gallischen Raum wirkt ist Johannes Cassian, der sich in
Marseille niederließ (+430/35). Johannes Cassian war in Bethlehem Mönch
geworden und hatte sich längere Zeit bei den ägyptischen Eremiten aufgehalten. Als
Priester kam er nach Südfrankreich, wo er durch seine Schriften zum großen
Theoretiker des Rhonemönchtums wurde. In seinen Schriften De institutis
coenobiorum et de octo principalium vitiorum remediis und in den XXIV Conlationes
Patrum legt Cassian ein umfangreiches Pogramm mönchischen Brauchtums vor und
vermittelt die Weisheit des Ostens. Später kommen in Gallien noch die monastischen
Zentren der iroschottischen Missionare hinzu.
Bis zum 6. Jahrhundert hatte das Mönchtum in Ost und West seinen Siegeszug als
feste kirchliche Institution vollendet. Als Gründe für den überraschend schnellen
Vorgang der Verbreitung und der weitgehenden Akzeptanz des Mönchtums im
Westen lassen sich festhalten:
1. Die Bejahung und bereitwillige Übernahme des asketischen Lebensideals in
weiten Kreisen der römischen Aristokratie. Der klassische secessus in villam
wird zum recessus in monasterium. Dazu kommt im Zeitalter der
Völkerwanderung der Verfall der antiken Zivilisation und damit das Fehlen
einer innerweltlichen Zukunftsperspektive, was eine nicht zu unterschätzende
Rolle für die oberen Schichten der Bevölkerung gespielt hat.
2. Die enge Verbindung von Bischof und Kloster, die eine monastiche Aktivität
der Bischöfe in ihren Diözesen und eine kirchliche Sozialisation der Mönche
forderte und förderte. Durch das Mönchtum blieb die Radikaliät des
Christlichen in der Kirche lebendig, wurde die allzu große Anpassung einer
Volkskirche an die Welt durchbrochen. Mönche setzten die geistlicheren und
missionarischeren Akzente.
3. Die allzu rasch vollzogen Christianisierung des Imperium Romanum brauchte
eine Zeit des Nachreifens und der Intensivierung: Der Begriff „conversio“
änderte vom 4. bis zum 6. Jh. seine Bedeutung: Was zuerst die Bekehrung
zum Christentum bezeichnete wurde jetzt zum Terminus technicus für den
Klostereintritt. Zunehmend war nur noch der Mönch Christ im Vollsinn. Galt im
4. Jh. die militia Christi für alle Getauften, so waren im 6. Jh. die Möche
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ausschließlich milites Christi bzw. Geistliche im Gegensatz zu den
Weltmenschen, den saeculares. Nach Cassian lebt man im Kloster nach dem
Evangelium, während die Weltmenschen weiter unter dem Gesetz blieben.
Mönchsprofess wurde zweite Taufe, eigentliche Christwerdung.
3.4. Benedikt und seine „Regula Monachorum“: Gregor und der Magister
Nur eine der vielen Mönchsregeln der Spätantike stieg zu wahrhaft abendländischer
Bedeutung auf: die Regula Monachorum, die Benedikt von Nursia (* um 480/490 - +
um 547) zugeschrieben wird. Darüber berichtet Gregor geschichtsträchtig in seinen
Dialogen: „Inmitten der vielen Wunder, durch die der Mann Gottes in der Welt
glänzte, leuchtete er auch ganz besonders durch das Wort seiner Lehre hervor. Denn
er hat eine Regel für Mönche verfasst, einzigartig in weiser Mäßigung (discretio),
lichtvoll in der Darstellung. Wer sein Leben und seinen Wandel genauer kennen
lernen will, der findet in den Vorschriften dieser Regel alles, was er als Lehrmeister
vorgelebt hat. Denn der Heilige konnte nicht anders lehren, als er gelebt hat.“ (Dial.
2, 36).
Wer war dieser Benedictus?: Benedikt entstammte einer bürgerlichen Familie aus
der Provinz Nursia im Sabinerland. Um 500 Studienaufenthalt in Rom und Rückzug
aus der Welt erschüttert durch die Gefahren des sittenlosen Treibens in der Stadt.
Zunächst Eremit in einer Höhle bei Subiaco; dann postuliert ihn eine
Mönchsgemeinschaft als Abt. Die Klosterleitung scheitert und er zieht sich wieder
zurück und sammelt Schüler um sich, die er in einem Klosterverband verteilte
(pachomianisch). Wegen Missgunst eines Priesters geht er mit einigen Schülern auf
den Monte Cassino (autonomes Einzelkloster). Dort widmet er das Apolloheiligtum in
eine Martinsoratorium um. Dort soll er eine Regel verfasst haben. Tod um 547 bzw.
später.
Die Wirkungsgeschichte Benedikts von Nursia und seiner Regel ist ein komplexer
Vorgang. Die einzige Information über die historische Person eines vir vitae
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venerabilis nomine et gratia Benedictus findet sich in den Dialogi Gregors des
Großen.
Dass Benedikt tatsächlich die Regel geschrieben hat, wird heute kaum mehr
angezweifelt. Eine andere Frage ist die nach der Originalität der Regula Benedicti (im
folgenden RB). In der Forschung hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die
sog. Regula Magistri (RM) Quelle und produktive Vorlage für die RB gewesen ist.
Anfangs brach für die benediktinischen Klöster eine Welt zusammen: Ihr großer
Gesetzgeber Benedikt soll abgeschrieben haben? Mittlerweile ist gerade dadurch die
eigentliche Originalität und Menschlichkeit der RB im Vergleich zur RM deutlich
geworden.
Im 6. Jh. existierten bereits eine Vielzahl von Mönchsregeln. Während Pachomius,
Basilius und Augustinus noch weitgehend Pionierarbeit leisteten, griff Benedikt auf
Vorbilder zurück. Seine Hauptquelle ist die Schrift (per ducatum evangelii) und die
Schriften des Johannes Cassian, der die östliche Mönchsspiritualität dem Westen
vermittelt hat. Ein Drittel der Regula orientiert sich freilich an der anonymen sog.
Regula Magistri. Die RB ist typisch westlich, da sie systematisch vorgeht und nicht
eine unsystematische Sammlung von Mönchsprüchen zu konkreten
Alltagsproblemen bietet. Die RB ist eher programmatisch denn Reaktion auf
Regelungsbedarf im Klosterleben (Konzeptregel).
Der Prolog spricht den Leser/Hörer unmittelbar an (Vater zum Sohn) und versucht für
die mönchische Lebensart zu werben und zu gewinnen. Auch der Abschluss der
Regel ist bezeichnend für den Grundcharakter der RB: Nichts Raues, nichts
Drückendes soll die Regel vorgeben (minima regula). Es geht um Liebe und Strenge
ist nur angemessen, insofern sie der Liebe dient. Es geht um die Grundhaltung des
Horchens und Ge-horchens und die Grundsatztugenden des kommunitären Lebens
sind im Kloster Liebe, Schweigen und Demut.
Die Eingangskapitel enthalten die grundlegende Klosterverfassung mit einer starken
Akzentuierung der Person und des Amtes des Abbas (Abtsregel). Vier Arten der
Mönche, von denen aber nur die Eremiten und die Koinobiten akzeptabel sind, weil
sie die Stabilitas (loci) leben. Gegen der Zerfall der Zeit und die Instabilität der
Völkerwanderungsepoche setzt die Regel mit dem Akzent auf Beharrlichkeit und
lokale Beständigkeit einen geschichtsmächtigen Gegenakzent.
Die Definition, die die RB dem Zönobium gibt, ist die einer Gemeinschaft unter einer
Regel und unter einem Abt. Dem Gehorsam, den die Mönche dem Abt und der Regel
29
entgegenbringen, entspricht die besondere Verantwortung des Abtes gegenüber der
Regel und dem göttlichen Gericht. Abt wird demokratisch gewählt bzw. in
schwierigen Krisen von den Nachbaräbten bzw. dem Bischof bestellt. Insgesamt
erscheint der Abt in der RB keineswegs als autoritärer Herrscher: Der Abt ist eher ein
primus inter pares, der ebenso der Regel untersteht und der den Rat der Brüder, ggf.
sogar des Jüngsten hören muss.
4.1 Die Mischregeln bis Benedikt von Aniane: Der Siegeszug der Regula Benedicti
Die Aufgabe des Mönchs ist nach der monastischen Tradition und der RB „wahrhaft
Gott zu suchen“ (58,7). Das kann auf sehr unterschiedliche Weise realisiert werden.
Bei der Übertragung dieses Ideals in die Praxis ist das Ambiente entscheidend:
Stadtkloster, Landkloster in größter Abgeschiedenheit, bischöfliches Seelsorgekloster
(Gallien), Klerikerkloster (Nordafrika).
Hauptaufgabe des Mönchs ist das „opus Dei“, verwirklicht in Gebet, Arbeit und
Lectio/Studium.
30
Dir Karolingerzeit ist die Epoche, in der die RB nach der Mischregelzeit immer mehr
zu der alleingültigen Mönchsregel schlechthin wurde. Vereinheitlichung aufgrund der
Reichseinheit.
Um 800 uneinheitliche Lebensregeln in den Klöster (RM, RB, Columbanregel)
789 Admonitio generalis: Karolingische Administration legt grundlegende
Regeln zur monast. Lebensgestaltung fest
794 Auf dem Frankfurter Konzil wurde die Benutzung der RB
vorgeschrieben/urgiert.
802, 816, 817, 818/19 Synoden und Hoftage in Aachen zur monastischen
Organisation und
829 Synode in Paris mit Bestrebungen zur Vereinheitlichung nach dem
Vorbild der RB
4.2 Mönchtum und Mission: Das iro-schottische Mönchtum und Reflexe auf dem
europäischen Kontinent – Columban, Pirmin, Bonifatius und Gallus
Von den britischen Inseln brachen Mönche auf um ihr monastisch-asketisches Leben
in der Fremde zu bezeugen. Ideal der asketischen Heimatlosigkeit: peregrinatio
propter Christum oder peregrinatio pro Dei amore. Ziel ist zunächst nicht die Mission,
sondern einfach das asketische Streben nach irdischer Heimatlosigkeit, um geistig
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immer mehr im Himmel beheimatet zu werden. Die Wandermönche faszinierten
durch ihre Strenge und Konsequenz oft verbunden mit großer Härte und Bußfertigkeit
(Stehen im Kalten Wasser bei dauerndem Psalmengebet, Hunderte von Kniebeugen,
Beten mit ausgestreckten Armen.
Columban der Ältere (gest. 597). Gebildeter Klostergründer aus einer der königlichen
Adelsfamilie Uí Néill und Asket in der Einsamkeit. Beim Aufbruch zur Gründung des
Klosters auf der Insel Iona schon über 40 Jahre alt: peregrinatio in eremo.
Gemäßigte Askese in widriger Umgebung und ziemlicher Abgeschiedenheit. Kloster
wurde zur Attraktion, wohl nicht zuletzt aufgrund literarischer Tätigkeit. Dann langsam
Neugründungen in England. Irisch-schottische Klöster übernahmen immer auch die
Seelsorge der umgebenden Bevölkerung.
Columban der Jüngere (ca. 543 - 615 in Bobbio) Brach mit ca. 50 Jahren nach
Jahren im Kloster Bangor. Um 590 brach er mit zwölf Gefährten auf das europäische
Festland auf. Im fremden Frankenreich gründete er in verlassenen Römerruinen
Klöster: Anegrates und v.a. Luxeuil, das bald große Ausstrahlungskraft gewinnen
sollte. Irische Klöster gerieten und Gegensatz zur fränkischen Kirchenorganisation
(Bischöfe). Columban suchte die Zustimmung der fränkisch-merowingischen
Herrscher. Childebert II. gab Zustimmung zu den Klostergründungen. Diese
Verbindung zum Königtum wurde epochemachend: das Kloster als Reichskloster, als
Mitte der Gesellschaft. Aber Columbans konsequente, aber politisch eher
ungeschickte Haltung bedeutete für ihn und seine Gefährten immer wieder
Vertreibung. So blieben sie dem Ideal der selbst gewählten Heimatlosigkeit treu und
zogen in die heidnische Gegend um den Bodensee – später nach Bobbio in
Norditalien. Am Bodensee bleibt der Columbanschüler Gallus zurück. Sankt Gallen
wurde eines der bedeutendsten, mächtigsten und bildungsreichsten Klöster des
Abendlands.
Weitere irische Mönche: Kilian und Gefährten
Primin(ius) (gest. um 750) Faßbar als Klosterbischof in der ersten Hälfte des 8. Jhts.
Herkunft unklar: Wohl Gallien (Aquitanien oder um Meaux). Wirkte zunächst in
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Alemanien, wo er an der Klostergründung der Reichenau beteiligt war. Dafür unter
dem Schutz Karl Martells 724. Danach gründete er mit gräfl. Unterstützung das
Kloster Murbach im Elsass. Monastisches Ideal vom klösterlichen Leben in der
Fremde und Freiheit vom Ortsbischof (eigener Abt-Bischof im Kloster). Vorbild
stammte aus dem brugundische Kloster Flavigny-sur-Ozerain und dem iro-
fränkischen Mönchtum. Eine wietere Gründung ist Kloster Hornbach in der Pfalz. Die
anderen Priminsklöster (Gengenbach, Schwarzach, Marmoutiers bis Niederaltaich)
sind wahrscheinlich nachträgliche Zuschreibungen, um den dortigen Gemeinschaften
die pirminianische Ordnung bzw. Observanz zu vermitteln. Kein Klosterverband mit
Oberabt: Äbte oder Reformen sollen nur aus Pirminsklöstern kommen: Monastischer
Markenschutz. Autorschaft des Missions- bzw. Pastoralbüchlein Scarapsus als
Pirminschrift fraglich (nur eine von sechs Handschriften).
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wo in Auseinadersetzung zwischen gallo-romanischem und germanischem Erbe eine
neue mittelalterliche Adelsgesellschaft entsteht.
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909 Stiftung des burgundischen Klosters Cluny durch den Grafen Wilhelm von
Aquitanien.
915 Weihe der Kirche Cluny I
1109 Weihe von Cluny III
1155 Tod des letzten großen Abtes von Cluny: Petrus Venerabilis
Die Gründung von Cluny ist zunächst ein adeliges Hauskloster (Kloster im Familien
besitz eines Adelsgeschlechts). Stiftungsurkunde des Wilhelm von Aquitanien von
909 hebt Aspekte hervor, die wenn auch nicht neu in ihrer Pointierung die
Geschichte des Mönchtums verändern:
Kloster gehört den Heiligen Petrus und Paulus (Relativierung des Grundbesitzes)
Bindung an den apostolischen Stuhl (Befreiung aus der bischöfl. Einflussbereich und
Jurisdiktion).
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RB eindeutige Grundlage mit klarer Anerkennung der FREIEN Abtswahl – d.h. freie
Entscheidung in inneren und äußeren Angelegenheiten des Klosters
Geistliche Aufgabe des Klosters klar definiert: Opus Dei Fürbitte und (Toten-
)Gedenken und Armenspeisung. Liturgie stand im Zentrum.
Cluny nach J. Wollasch „Freiheit ohne Schutz“ der sich zu einem erfolgreichen
„système écclésial“ etablierte. Abhängigkeit der Priorate vom zentral geleiteten
Klosterverband.
Ausbildung eines Zentralklosters mit Verband – Reformzentren: Hirsau (bei Calw)
Anderes Reformzentrum Gorze in Lothringen (Chrodegang von Metz).
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Wirtschaftsordnung und feudalen Herrschaftsstrukturen) und an der
kirchlichen Zentralmacht, um in der Beweglichkeit des Apostolates über eine
Rückbindung zu verfügen.
Der erste Ruf, um den reichen und abgesicherten Klöster zu entkommen, lautete: In
die Wüste, in die Einsamkeit.
Es entstehen drei Ordensgemeinschaften mit stark eremitischen Einschlag:
- die Kamaldulenser von Romuald von Ravenna (+ 1027) in Camaldoli in der
Toskana 1012 gegründet und von Petrus Damiani strukturiert und verbreitet.
- die Vallumbrosaner von Johannes Gualbertus in der toskanischen
Waldeinsamkeit von Vallumbrosa 1036 gegründet
- und schließlich die Kartäuser, die das Einsiedlerleben im Gegensatz zu den
vorgenannten Gemeinschaften nicht auf der Grundlage der RB regelt:
Bruno von Köln (1030-1101) gründet in Rückgriff auf das Ideal der ägyptischen
Eremiten (ohne Beachtung der RB!) eine Eremitengemeinschaft, in der einerseits
jeder für sich lebte, andererseits der Gottesdienst gemeinsame gefeiert wurde. Die
Kartause entsteht als eine Synthese bzw. Verbindung von Anachorese und Koinonia:
Eremitische Lebensweise mit einem Minimum an gemeinschaftlicher Struktur.
1084 in der Gebirgseinsamkeit eines unzugänglichen Hochtals bei Grenoble
gegründet: La Grande Chartreuse. Die Kartäuser (O.Cart.) leben in einer Siedlung
von kleinen Häuschen um eine Kirche. Ständiges Stillschweigen (abgesehen vom
wöchentlichen Spaziergang), gemeinsames Essen nur an Sonn- und Festtagen. Im
15. Jh. Höhepunkt mit der Entwicklung der Stadtkartausen. In der eremitischen
Tradition hat sich das Institut der Laienbrüder als konstitutiver Teil des Ordens
entwickelt, das später von den anderen Orden übernommen wurde. Dafür gab es
zwei Gründe (wirtschaftliche und religiöse):
1. Das Kloster wollte trotz langer Gebetszeiten von der eigenen Hände Arbeit
und nicht von Fron- und Fremdarbeit bzw. Ausbeutung leben.
2. Viele Laien und Hörige aus den unteren Schichten wollten auf ihre Weise am
klösterlichen Leben teilnehmen. Die Einrichtung der Laienbrüder, Konversen
eröffnete Ungebildeten den Zugang zum Klosterleben.
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5.2 Radikale Armut auf benediktinischer Basis: Cîteaux, Bernhard von Clairvaux und
die Anfänge des Zisterzienserordens
Derjenige, der die Kritik an Cluny scharf formulierte war Bernhard von Clairvaux (um
1090-1153). Er war nicht der eigentliche Gründer des Zisterzienserordens, wurde
aber sein einflussreichster Protagonist und Propagator.
Es gibt kein eigentliches Gründungsdatum der Zisterzienser (O.Cist.). Dokumente
sind nur in späteren Redaktionsstufen erhalten und nicht exakt datierbar.
Drei adelige Männer, die in jungen Jahren verschiedenen Formen monastischen
Lebens kennen gelernt und ausprobiert hatten, verließen um das Jahr 1098 das
Kloster Molesme, das sich in Absetzung vom cluniazensischen Ideal befand. Es ging
ihnen um die buchstäbliche Befolgung der RB. In unerschlossenem Gebiet
gründeten sie eine neue Gemeinschaft: Gebet und körperliche Arbeit sollten für die
Mitglieder dieser Gruppe gleichen Stellenwert haben: Roden, Feldarbeit, Herstellen
der alltäglichen Gebrauchsgegenstände, Klosterbau waren die selbstverständlichen
Aufgaben der Mönche (nicht wie in Cluny der Leibeigenen). Was dem Mönchtum an
kirchlichen, kulturellen und gesellschaftlichen bzw. politisch-sozialen Aufgaben im
Laufe der Geschichte zugewachsen war, sollte radikal verschwinden: kirchliche
Repräsentation (z.B. durch aufwendige Bauten), Kunst und Wissenschaft,
Herbergen. Verzicht auf Leibeigene und Zehntabgaben: Versuch eines
herrschaftsfreien Klosters. Ideal der Selbstversorgung für den eigenen Bedarf als
Verhinderung des Reichtums (Autarkie, gegen Cluny). Das bedeutete Handarbeit der
Mönche und Ausbildung des Instituts der Konversen. Die Verfassung des Ordens
verfasste der zweite Abt von Citeaux, Stephan Harding mit der Charta Caritatis.
Ansonsten der Versuch die Unabhängigkeit der Klöster einzuschänken:
Filiationssystem; d.h. die Neugründung bleibt als Tochter vom Mutterkloster
abhängig. Dazu kommt als Leitungsinstrument das jährliche Generalkapitel aller
Äbte.
Das Ideal war überzeugend. 1112 trat der junge Adelige Bernhard 23-jährig
zusammen mit 30 Verwandten in Cîteaux ein. Er war dadurch eine bedeutende Figur
in dieser Gemeinschaft. Tat sich hervor durch asketische Übungen, war voller
Tatendrang und nicht konfliktscheu. Jetzt stieg die Zahl der Mönche rasch an:
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Neugründungen: La Ferté (1113), Pontigny (1114), Clairvaux (1115) und Morimond
(1115). Primarbateien – Filiation. Im Jahr 1155 hatte Clairvaux 69
Tochtergründungen, von diesen wurden wiederum 75 Filialen gegründet und von
diesen 22. Insgesamt hatte Clairvaux 166 Filialklöster ins Leben gerufen. In
deutschen Landen wurde von Morimond aus das Kloster Kamp(-Lintfort) am
Niederrhein gegründet 1123, unterstützt durch den Kölner Erzbischof. Von dort
entstanden 14 Tochterklöster und diese vergrößerten den Orden um weitere 50
Filialen.
Bernhard war der nachgeborene Sohn einer burgundischen Adelsfamilie. Begeistert
vom monastischen Ideal. Mit 26 Jahren Abt und großer Verbreiter des
zisterziensischen Ideals von Einfachheit und Strenge. Clairvaux wurde zum Zentrum
der neuen Mönchsbewegung, deren Sprachrohr Bernhard war.
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Die sozialen Veränderungen und der wirtschaftliche Kontext für neue Orden
Das 12. Jh. ist historisch in vielfacher Hinsicht eine Zeit des Aufbruchs und
Umbruchs bzw. der großen Veränderungen, geistig und geistlich. Ferner werden die
Veränderungen dieses Saeculum richtungweisend für die folgenden mittelalterlichen
Entwicklungen. Die Blüte der (monastischen) Klöster kommt an ein Ende: Es wird die
Zeit der Kathedralen und vor allem ihrer Domschulen als intellektuellen Zentren.
Neue Begriffe von Bildung und vor allem von Individualität entstehen (Minne). Im 12.
Jh. ist ferner die große und differenzierte Bewegung einer europäischen Expansion
festzustellen. Ein Ausfluss ist die Kreuzzugsbewegung in den Orient. Aus der daraus
folgenden Begegnung zwischen Ost und West entfalten sich zwei klassische
Lebensformen in neuer Gestalt: Die höfische und die städtische Kultur. Ferner
veränderte sich die Ökonomie. Um die verfeinerten Bedürfnisse „standesgemäß“ bei
Hof und in der Stadt befriedigen zu können, bedurfte es der notwendigen Barmittel.
Es entsteht in großem Umfang eine Geldwirtschaft und ein Kreditwesen in den
Städten. Von den Bauern wurden jetzt nicht mehr Naturabgaben, sondern
Geldabgaben gefordert: Aus Lehensherren wurden Pachtgeber – auch in den
Klöstern. Das alles verändert die Kloster- und Ordensszene.
Die entscheidendste Veränderung des 12. Jh. für die Ordensentwicklung bleibt das
Phänomen einer umfassenden Urbanisierung. Das Römische Reich hatte über
städtische Strukturen verfügt, die jedoch mit dem Ende der Antike untergegangen
waren. Die Stadt war der benötigte Schau- und Marktplatz für die neuen kulturellen
und wirtschaftlichen Entwicklungen. Diese städtische Entwicklung verlief in Europa in
den verschiedenen Regionen unterschiedlich. Eine besondere Entwicklung nehmen
die norditalienischen Stadtzentren. Sie entwickeln „protodemokratische“
Verfassungen und Ordnungen in regierenden Gremien für die jeweiligen
Bürgerschaften. Selbstverwaltungsgremien, Handelszusammenschlüsse _ Die Stadt
und ihre Bevölkerung wurden zu einem neuen Versorgungszentrum mit diversen
Möglichkeiten der Entfaltung (auch der persönlichen) und boten ein
Kommunikationsnetz und Bildungschancen, denen die agraisch-hierarchische und
feudal begründete Klosterwelt (auf dem Land) unterlegen war. Das Sozialgefüge war
anders geworden. Es gab aber auch soziale Entwurzelung, wirtschaftliche
Abhängigkeit von stadtökonomischen Strukturen und die Ausbildung eines
arbeitenden Proletariats. Es entwickelte sich auch eine neue soziale Armut. Das
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klassische Dreiständesystem galt nur noch bedingt: Herrschafts-, Verteidiguns- und
Nährstand galt so nicht mehr. Auch die neuen Ordensformen der Benediktiner und
Zisterzienser wie auch die Ritterorden wurden in den neuen Städten in Frage gestellt.
Neben der sozialen Armut gab es auch einen neuen religiösen Hunger nach
angemessenen Formen des religiosen Lebens. Das Christusbild des allherrschenden
Königs in der Apsis (z.b. der cluniazensischen Kirchen) wird ersetzt durch das Bild
Jesu des erbarmungslos gekreuzigten Gottesknechts der Gotik. Der leidende Gott in
menschlicher Gestalt, der durch sein Leiden die Erlösung gebracht hat. Auch das
Marienbild der Himmelskönigin wandelt sich zur Mutter der Barmherzigkeit: der
liebenden, ja stillende Mutter bis zur Pietá _
Die Formen der Partizipation am religiösen Leben ändern sich ebenfalls unter diesen
neuen soziologischen Voraussetzungen. Die passive Heilsvermittlung wandelte sich
zum Wunsch der aktiven Teilhabe. Ein Leben in der Nachfolge wurde jetzt zu einer
Nachahmung des armen Christus. Ein neues Ideal einer vita apostolica – oft
institutionskritisch und nicht selten kirchenkritisch. Die neuen Klöster kamen in die
Städte. Die Wüste war nicht mehr draußen, sondern musste jetzt im Trubel der Stadt
gesucht werden.
Neben dieser soziologisch-wirtschaftlichen Veränderung sind für die Entwicklung des
Ordenslebens die Veränderungen der kirchlich-ekklesiologischen Koordinaten
entscheidend. War die Stadt als Sozialraum die Voraussetzung für die Lebbarkeit der
Armut als Verzicht auf gesicherte wirtschaftliche Einkünfte bzw. Grundlegungen
unentbehrlich, so brauchten die neuen Orden für Sprengung der klassisch-
klösterlichen Ortsbindung für die Wanderpredigt die Zustimmung des Papstes als
universalem Hirten der Kirche. In der gregorianischen Reform des 11. Jhs. hatte sich
das Papsttum mehr und mehr als Angelpunkt der Gesamtkirche etabliert. Dieses
Ekklesiologie war unter Papst Innocenz III. (1198-1216) voll entfaltet und es gelingt
gerade diesem Papst aus der heterodoxen Armutsbewegung die Bettelorden
(Mendikanten von lat. mendicare = betteln) kirchlich zu integrieren.
Zwei Namen und Persönlichkeiten sind unaufgebbar mit dem Beginn der Entwicklung
eines neuen Ordenstyps verbunden: Giovanni Bernardone mit dem Übernamen
Francesco wurde der Gründer der fratres minores (O.F.M) und der Kanoniker
Domingo de Guzmán der Gründer der fratres praedicatorum (O.P.). Als Bettelorden
im engeren Sinn zählen auch noch die im 13. Jh. etablierten Gemeinschaften der
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Karmeliten (O.Carm.) und die Augustiner-Eremiten (O.E.S.A. heute: O.S.A.). Im
Laufe der Jahrhunderte wurden kleinere Ordensgemeinschaften den Bettelorden
zugerechnet, so dass deren Zahl gegenwärtig über zwanzig beträgt.
Mit den Bettelorden entstand einer Ordenstyp, der sich von den monastischen bzw.
kanonikalen Gemeinschaften deutlich unterscheidet: Die Mitglieder sind durch ihre
Gelübde an den Orden, aber nicht an ein bestimmtes Kloster gebunden
(ortsunabhängiger Personalverband). Nicht nur die traditionelle persönliche Armut
des Ordensmitglieds wird gefordert, sondern das Eigentum des Klosters wurde
weitgehend abgelehnt. Der Orden ist in Provinzen mit mehreren Klöstern eingeteilt,
die wiederum ihre Oberen auf eine bestimmte Zeit wählen.
Domingo de Guzmán tritt als persönliche Gestalt hinter dem Objektiven seiner
Gründung zurück (im Gegensatz zu Franziskus). Dominikus im Unterschied zu dem
Laien Franziskus ein Priester und Kanoniker ist der Mann des Ausgleichs und der
kirchlichen Gestaltungskraft. Harmonie von Kontemplation und Verkündigung, von
Studium und Gebet, zentralistischen und föderativen, monarchischen und
demokratischen Elementen zeichnen seinen Predigerorden aus. Und in dieser
wesentlichen Konzeption, die etwas von einer ma. Summe an sich hat, konnten die
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Dominikaner, wenn auch unter großen inneren Spannungen, aber ohne Spaltungen
und Brüche als ein Orden die Zeiten überleben.
Im Languedoc hatte die kirchliche Predigt der Zisterzienser angesichts der
Armutsbewegung versagt, da die Mönche nicht „in der Weise der Apostel“ (= ohne
Besitz und umherziehend) lebten. Dominikus übernimmt die Lebensweise der
Apostel und erzielt durch Wanderpredigt mit mobilen Weltpriestern erste Erfolge. Es
wurde für eine allg. Predigterlaubnis die Unterstellung unter den Papst notwendig.
Der OP ist ein ausgesprochen apostolischer Orden: Ziel ist Predigt und Seelsorge.
Bestimmte monastische Elemente werden beibehalten: z.B. gemeinsames
Chorgebet; doch Apostolat und sogar das Studium (sic !) erhalten Vorrang. Armut
steht im Dienst der größeren Glaubwürdigkeit und Verfügbarkeit als
ortsunabhängiger Personenverband.
Neu ist die Aufgabe der Ortsgebundenheit des mittelalterlichen Klosters. Erstmals in
der Ordensgeschichte ohne Stabilitas loci. Die Gesamtkirche und Rom sind der
Referenzpunkt.
Neu ferner ein genossenschaftliches Gemeinschafts- bzw. Leitungsmodell im
Gegensatz zur abbatialen Verfassung.
Triadische Gliederung der Gemeinschaft: Generalmagister, Provinzmagister, Prior
der einzelnen Kommunität.
1181/82 Franz von Assisi wird als Giovanni Bernardone in Assisi geboren
1205 Hinkehr des Franziskus zu evangelischer Armut, Buße und Zurückgezogenheit
1209 päpstliche Bestätigung der franziskanischen Protoregula durch Papst Innozenz
III.: „und der Herr Papst hat es [die apostol. Wanderpredigt] mir bestätigt“ (Testament
15)
1220 Rücktritt des Franziskus von der Ordensleitung
1223 päpstliche Approbation der Ordensregel (Regula bullata)
1226 Tod des Franziskus in Assisi
1228 Heiligsprechung
1279 Päpstl. Bestätigung der franziskanischen Lehre, dass Jesus und die Apostel
keinen individuellen oder kollektiven Besitz gehabt hätten
1317 Päpstliche Verurteilung dieser Lehre als häretisch
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1322 Aufkündigung des päpstlichen Eigentumsrechtes an allen Gütern des Ordens.
Der Orden wird zum Eigentümer (nicht Nutznießer) seines Besitzes.
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Gehorsams mussten die Frauen die strenge Klausur befolgen; die Umkehrpredigt
und die soziale Arbeit bzw. Präsenz wurden nicht ihr Auftrag.
Franziskus wanderte bis in den vorderen Orient. Predigte 1219 erfolglos, aber
unbehelligt dem ägyptischen Sultan Melek-el Kamel. Die Zahl der Anhänger wuchs
exponential. 1220 legt Franziskus die Ordensleitung nieder und zog sich in die
Einsamkeit zurück. Das persönliche Ideal der Armut brauchte Adaptation für eine
Großgruppe. In der Einsamkeit seiner Klause empfing Franziskus die Stigmen.
Sonnengesang- neues Schöpfungs- und Weltverhältnis. Stirbt 1226 – 1228
Heiligsprechung.
Programm des Franziskus: Pauperistischer Evangelismus (Leben nach dem
Evangelium sine glossa), Betonung der Buße (Männer der Buße aus Assisi) und die
Option für gesellschaftlich Benachteiligte mit Identifikation („Mindere Brüder“). In den
ersten Jahrzehnten geschieht die Umwandlung einer Laiengemeinschaft von nicht
sesshaften Wanderpredigern in einen gefügten klerikalen Orden. In dieser Struktur
ließ sich die ursprüngliche Radikalität des Armutsideals des Franziskus nicht mehr
wörtlich realisieren. Dieser Umwandlungsprozess wurde sicher nicht ausschließlich
nur durch den Einfluss der päpstlichen Kurie gefördert, aber das Papsttum hatte
entscheidendes Interesse die institutionssprengende Kraft der Armutsbewegung zu
kanalisieren und die Franziskaner als effizienten Seelsorgeorden in der Stadt zu
fördern. Letztlich war es die mittelalterliche Stadt, die die Franziskaner und die
anderen Bettelorden durch Niederlassungspflicht in der Stadt und Klerikalisierung zu
dem formte, was sie wurden.
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