Nibelungensage
Nibelungensage
Allgemeines
Zuerst möchte ich einige allgemeine Betrachtungen zur Entstehung von
Heldensagen anstellen. Heldensagen gab es nicht nur bei den germanischen
Völkern, sondern sind uns bei zahlreichen Völkern bekannt. Man denke nur an die
römischen und griechischen Sagen, aber auch an das kirgisische Manas-Epos.
Allen Sagen gemein ist, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden,
nämlich während des Übergangs von der Stammesgesellschaft und der sich
herausbildenden Klassengesellschaft, der mit der Entwicklung einer herrschenden
Klasse, eines Staates und einer Verwaltung verbunden war oder einfacher
ausgedrückt, vom Übergang aus der Stammesgesellschaft in die Zivilisation.
Warum mit Beginn der Zivilisation und Staatenbildung sich bei den Menschen ein
solches Bedürfnis nach Festhaltung geschichtlicher Ereignisse entwickelte, vermag
ich nicht zu sagen. Vielleicht hängt dies mit der Entstehung einer bestimmten
Herrschaftselite zusammen, die ihre Herrschaft rechtfertigen musste, oder mit der
Bildung eines neuen Zusammengehörigkeitsbewusstseins, das mit der Reichs – und
Staatenbildung einherging.
Die Sagen sind jedoch keine Geschichtschroniken. Nach einer gewissen Zeit der
mündlichen Überlieferung setzte vielmehr der Prozess des Umerzählens ein, wobei
durch Reduktion, Assimilation, und Koordination neue Geschichten und
Konstellationen entstanden. Motive wurden vertauscht, umgeändert und anderen
Personen zugeordnet. Hinsichtlich der Nibelungensage befinden wir uns nun in der
komfortablen Situation, dass wir auf Grund römischer, griechischer, aber auch auf
Grund der Geschichtsschreiber der neugebildeten germanischen Reiche einen
weitestgehend guten Überblick über die historischen Ereignisse seit ca. des Beginns
unserer Zeitrechnung besitzen, so dass die ersten geschichtlichen Grundlagen der
Sagen erkennbar und eruierbar sind. Doch nicht nur dies. Die Geschichtsschreiber
haben uns zum großen Teil auch die ersten Sagen übermittelt, die sich noch nah
an die wirklichen geschichtlichen Ereignisse anlehnen.
Die germanische Staatenbildung setzte Ende des 4. Jh. ein und fällt somit
weitestgehend mit der Völkerwanderungszeit zusammen, an deren Ende das
Weströmische Reich untergegangen war und uns zahlreiche germanische Staaten
gegenübertreten. In diese Zeit fällt auch die Entstehung der Nibelungensage.
Doch nun zu den einzelnen historischen Motiven, Ereignissen und Personen des
frühen Mittelalters, die im Nibelungenlied zu finden sind.
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang noch, dass nach der Lex
Burgundionum König Gundobads zur königlichen Familie Gundahars weiterhin ein
Gebecca, Gondomar und Gislahar zählten, wobei Gebecca mit Gibech und Gislahar
mit dem Giselher der Sage in Zusammenhang gebracht werden kann, Gondomar
vielleicht mit Gernot. Die eben dargelegten Fakten sind bisher allgemein bekannt
und größtenteils anerkannt. Dennoch stellt der Untergang des ersten
Burgunderreiches nur eines von vielen Ereignissen dar, die zur Bildung der
Nibelungensage geführt haben.
An dieser Stelle möchte ich mich der Hagen von Tronje Gestalt zuwenden. Die
Bildung der Sagengestalt Hagens lässt sich gut nachvollziehen. Hagen von Tronje
verkörpert die gallisch-römischen Heerführer, die ähnliche Namen besaßen und von
den Germanen als eigene Könige angesehen wurden. Der bedeutendste Heerführer
diesbezüglich war Aetius. Wie aus dem Waltharius ersichtlich ist, lautete Hagens
Name ursprünglich von Troja. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die
Römer ihre Herkunft von den Trojanern ableiteten.
Aetius wurde um 392 in Dorostorum auf dem Gebiet des heutigen Bulgariens
geboren. Von etwa 405 bis 408 war Aetius Geisel beim Westgotenkönig Alarich, der
ihn wie ein Sohn behandelte und ihn das Kriegshandwerk lehrte. Während Aetius
als Geisel bei den Westgoten weilte, wurde sein Vater Gaudentius, der Magister
equitum war, durch meuternde Truppen ermordet. Nach seiner Rückkehr wurde
Aetius erneut zur Geisel. Diesmal jedoch bei den Hunnen, deren Oberkhan damals
Rua war. Hier lernte Aetius auch Ruas Neffen Attila und Bleda kennen, die mit
Aetius eines Alters waren und deren Vater Mundzuc ebenfalls bereits verstorben
war. Attila und Bleda können natürlich mit Etzel und Bloedel des Nibelungenliedes
in Verbindung gebracht werden. Parallel hierzu geriet Galla Placidia, die Schwester
des weströmischen Kaisers Honorius, 409, nach der zweiten Belagerung Roms als
Geisel zu Alarich. Am 23. Mai 410 schließlich wurde Rom, das Jahrhunderte lang
keinen Feind in seinen Mauern gesehen hatte, von Alarich erobert und mehrere
Tage lang geplündert. Dabei geriet Alarich auch ein beträchtlicher Schatz in die
Hände, auf den ich bei der Frage um den Nibelungenschatz noch zurückkommen
werde. Kurze Zeit später verstarb Alarich und wurde im Flussbett des Flusses
Cosenza in Kalabrien begraben. Die Westgoten leiteten kurze Zeit den Fluss um,
legten in das Grab den Leichnam Alarichs und ungeheure Schätze. Danach wurde
der Fluss wieder in sein Bett zurückgeleitet. Alle Gefangenen, die bei der
Grabanlegung beteiligt waren, wurden danach umgebracht, damit sie die Lage des
Grabes nicht verraten konnten.
414 heiratete Galla Placidia in der Geiselhaft Ataulph, den Nachfolger Alarichs.
Constantius aber, der Heerführer des Kaisers, versuchte mit allen Mitteln Galla
Placidias Rückkehr zu erreichen, da er diese selbst ehelichen und dadurch seine
Macht im Weströmischen Reich ausweiten wollte. Constantius zwang die Westgoten
bald nach Spanien zu fliehen. Hier wurde Ataulph im Jahre 415 ermordet. Im Jahre
416 einigte sich schließlich der Westgotenkönig Walja mit Westrom auf die
Rückgabe Galla Placidias. Galla Placidia heiratete hieraufhin Constantius und
gebar ihm zwei Kinder, eine Tochter Honoria sowie einen Sohn Valentinian. Die
eben genannten Ereignisse bilden unter anderem die Grundlage der
Walthariussage, die ja auch zur Nibelungensage zählt und zeigen, dass Aetius einer
der wichtigen Persönlichkeiten bei der Erklärung der Hagen von Tronje – Gestalt ist.
Es lohnt sich daher auch die weiteren Ereignisse, die sich teilweise nun im
Nibelungenlied widerspiegeln, zu verfolgen.
Nach dem Tod des Honorius 423 wurde Johannes neuer weströmischer Kaiser.
Galla Placidia aber erstrebte für ihren fünfjährigen Sohn die Kaiserwürde und
erschien daher mit einem oströmischen Heer ihres Neffen, des oströmischen
Kaisers Theodosius, in Italien. Johannes in seiner Not entsandte Aetius zu den
Hunnen, um diese um Truppen zu bitten. Aetius aber kehrte zu spät mit den
hunnischen Truppen zurück. Johannes war bereits gefangen und hingerichtet
worden. Nach einer unentschiedenen Schlacht zwischen Aetius und dem
oströmischen Heer einigten sich Galla Placidia und Aetius. Aetius wurde zum
Grafen ernannt und trat in Galla Placidias Dienste.
Hiernach begann der kometenhafte Aufstieg des Aetius. In zwei gallischen Kriegen,
der erste von 426 bis 431 und der zweite von 435 bis 440, besiegte Aetius
zahlreiche germanische Stämme, so die Westgoten, Franken, Juthungen und
Burgunder. Die Kämpfe gegen den Westgotenkönig Theoderich, der wohl mit einer
Tochter Alarichs verheiratet war, sind ebenfalls sicher in die Walthersage
eingegangen.
Ob die nachfolgende Episode Eingang ins Nibelungenlied gefunden hat, ist fraglich.
Ich will sie dennoch hier kurz berichten. Irgendwann in der Zeit der gallischen
Kriege fiel der Frankenkönig Chlogio in das Weströmische Reich ein. Aetius besetzte
zwei strategische Punkte beim Dorf Helena. Da hörten die Römer einen
Hochzeitsgesang der nahen Franken. Unbekümmert feierten die Franken ein
Hochzeitsfest. Aetius nutzte dies und griff die Franken plötzlich an. Der römische
Feldherr verwandelte das Hochzeitsfest bald in eine Feier für den Tod. Die
Girlanden und der Hochzeitsschmuck waren mit Blut befleckt und das
Hochzeitspaar wurde für immer getrennt.
Zu erwähnen sei auch noch, dass im Jahre 432 Galla Placidia Aetius als obersten
Befehlshaber der Truppen absetzte und ihren Günstling Bonifacius das Amt des
Oberbefehlshabers verlieh. Aetius wollte dies jedoch nicht hinnehmen und lieferte
mit seinen verbliebenen Getreuen Bonifacius eine Schlacht. Aetius unterlag zwar
und musste schließlich zu den Hunnen fliehen. Bonifacius wurde jedoch in der
Schlacht tödlich verwundet und verstarb kurz darauf. 433 überschritt Aetius mit
hunnischen Hilfskontigenten die weströmische Grenze und Galla Placidia musste
den beliebten Feldherrn wieder in Amt und Würden einsetzen. Nach Marcellinus
Comes tötete Aetius Bonifacius selbst mittels einer zuvor präparierten Lanze.
Später heiratete er wohl Bonifacius Frau Pelagia, die wohl eine gotische Adlige war.
Man kann hier vermutlich Parallelen zur heimtückischen Ermordung Siegfrieds
durch Hagen von Tronje mittels Speerwurf ziehen.
Nach Merobaudes und Frigeridus war Aetius übrigens ein hervorragender
Speerwerfer, der bereits als Kind das Speerwerfen mittels Eiszapfen übte. Des
Weiteren hielt nach Frigeridus Aetius wie kein anderer Hunger, Durst und
Nachtwachen aus. Verwiesen sei hierbei auf die Nachtwache Hagens mit Volker im
Nibelungenlied.
Nach einer Zeit des Friedens nach 440 brach der große Sturm bald über Europa
herein. Die nachfolgenden Ereignisse sind sicher ins Nibelungenlied eingegangen.
Nach dem Tode des Hunnenkönigs Rua im Jahre 434 wurden seine Neffen Bleda
und Attila Herrscher des riesigen Hunnenreiches. Im Jahre 445 ermordete Attila
seinen Bruder und wurde Alleinherrscher der Hunnen. Doch dies genügte dem
Hunnenkönig nicht. Er beschloss auch die beiden römischen Reiche zu erobern. Als
erstes schien ihm das militärisch und ökonomisch schwächere Weströmische Reich
die leichtere Beute zu sein. Hierbei kam ihm auch ein weiterer Vorwand zupass.
Honoria, Kaiser Valentinians Schwester, hatte um 449/450 eine Liason mit dem
Kämmerer Eugenius begonnen. Valentinian nutzte die Liason mit dem
nichtstandesgemäßen Kämmerer und setzte seine Schwester als Mitregentin ab. Er
verlobte sie mit dem Senator Herculanus. Eugenius wurde wohl hingerichtet.
Verwiesen sei hierbei darauf, dass Brünhild Kriemhild vorwirft, sie habe sich mit
einem Vasallen Gunthers verheiratet und hiernach Siegfried ermorden lässt.
Honoria nun wollte sich nicht mit den Gegebenheiten abfinden und entsandte
daher den Eunuchen Hyacinthus zu Attila, um den Hunnenkönig um Hilfe zu
bitten. Er bot dem Hunnenkönig Geld, wenn er Honoria helfen würde. Des Weiteren
übergab der Eunuch Attila einen kostbaren Ring. Attila nun kam die Gelegenheit
sehr recht und er legte die Bitte Honorias einfach als Heiratsversprechen aus. Attila
verlangte nunmehr durch Gesandte von Valentinian die Hand Honorias. Des
Weiteren drohte er Valentinian, sollte er etwas gegen seine Braut unternehmen.
Valentinian lehnte die Hochzeit jedoch ab. Attila forderte daraufhin, dass man ihm
Honoria übergebe und zeigte als Verlobungsbeweis den ihm gesandten Ring.
Gleichzeitig forderte Attila die Hälfte des Weströmischen Reiches und beschuldigte
Valentinian, Honorias Reichshälfte geraubt zu haben. Der Zusammenhang zum
Nibelungenlied ist eindeutig. Hagen und Gunther rauben Kriemhild den
Nibelungenschatz, worauf sich Kriemhild mit dem Hunnenkönig Etzel verheiratet.
Dies führt schließlich zur finalen Schlacht.
In der Geschichte nun folgte die gigantische Schlacht auf den Katalaunischen
Feldern. Ohne Valentinians Antwort abzuwarten, brach das gewaltige Heer Attilas,
die Angaben schwanken zwischen 500000 und 700000 Mann, auf. Aetius erwartete
einen direkten Angriff auf Italien und besetzte die Alpenpässe. Attila aber
überquerte den Rhein und fiel in Gallien ein. Attila ließ dabei Massen von Bäume
fällen und setzte mit dem Heer über. Vielleicht gibt es ja hier Parallelen zur
Überquerung der Donau durch die Burgunder. Für Aetius bestand nun die Gefahr,
dass Attila die Westgoten im westlichen Gallien ausschalten oder als Verbündete
gewinnen konnte. Danach wäre Westrom kaum noch zu halten gewesen. Aetius
entsandte daher den Avitus zum Westgotenkönig Theoderich. Avitus konnte
Theoderich auch überreden, dass sich das Westgotenheer mit dem römischen Heer
vereinigt. Das Heer der Verbündeten überraschte Attila bei der Belagerung von
Orleans. Attila zog sich zunächst zurück. In der Nähe von Chalon auf den
Katalaunischen Feldern kam es dann 451 zur gewaltigen Völkerschlacht, die auch
ins Nibelungenlied Eingang gefunden hat. In Attilas Heer befanden sich neben
Hunnen, Ostgoten, Gepiden, Skiren, Thüringern, Rugiern, ein Teil der Franken,
Sarmaten, slawische Völker und auch Burgunder. Auf römischer Seite standen
Westgoten, Alanen, Franken und der größte Teil der Burgunder.
Die Schlacht entspann sich vor allem um eine strategische Anhöhe. Das römische
Heer langte als erstes auf dem Gipfel an. Attila spornte nun sein Heer an, die
Anhöhe zu gewinnen. Man denke hier auch an den Kampf der Burgunder gegen die
Hunnen vom Saal herab. Der Kampf war so hart und unerbittlich, dass ein
Bächlein in der Nähe ganz von Blut anschwoll und die Verwundeten, welche den
brennenden Durst stillen wollten, tranken aus dem Bächlein ihr eigenes und
fremdes Blut. Auch hier muss auf das Nibelungenlied verwiesen werden, wo die
Burgunder, als Kriemhild den Saal anzünden lässt, das strömende Blut der Toten
trinken.
In der weiteren Schlacht fiel der Westgotenkönig Theoderich. Das hunnische Heer
geriet jedoch schließlich ins Wanken und zog sich in seine Wagenburg zurück. Das
Hereinbrechen der Dunkelheit beendete dann die Schlacht. Am nächsten Tag
befürchtete Attila den Sturm auf das Lager und ließ bereits Pferdesättel zu einem
Scheiterhaufen aufrichten, um sich im Falle der Niederlage selbst verbrennen zu
können. Diesbezüglich sei auf den Saalbrand im Nibelungenlied verwiesen.
Inzwischen hatten die Westgoten ihren toten König gefunden. Thorismund,
Theoderichs Sohn, wollte daraufhin das Hunnenlager angreifen. Aetius aber riet
von einem Angriff ab, wohl um den Sieg nicht mehr zu gefährden, da er wusste,
dass sich Attila nicht würde im Feindesland halten können. Die Westgoten zogen
daraufhin in ihre Heimat zurück. Attila wagte auch schließlich den Rückzug. Nach
Jordanis gab es in der Schlacht 180000 Gefallene, nach Hydatius 300000. Auch die
Burgunder hatten wieder hohe Verluste zu beklagen.
In den Konsularien, bei Gregor von Tours und auch bei Fredegar nun werden uns
ähnlichgeartete Sagen berichtet, wie Aetius alle Seiten überlistet, um schließlich in
den Besitz der Kriegsbeute zu gelangen. Diese Sage könnte auch auf die
Nibelungensage eingewirkt haben, als Hagen von Tronje sich in den Besitz von
Kriemhilds Schatz bringt.
Ein Jahr nach der gewaltigen Schlacht schaffte es Attila, für alle unerwartet,
abermals ein gewaltiges Heer aufzustellen. Der Hunnenkönig fiel diesmal direkt in
Italien ein. Aetius hatte sich in den Süden zurückgezogen und erwartete hier
oströmische Truppen. Die Lage war äußerst bedrohlich. Durch Seuchen wurde
Attilas Heer jedoch so dezimiert, dass sich der Hunnenkönig schließlich doch
wieder zurückziehen musste. Vor seinem Rückzug stieß er noch Drohungen aus, er
werde, wenn man ihm nicht Honoria mit der gebührenden Mitgift aus den
königlichen Schätzen senden würde, noch größeres Unheil über Italien bringen.
Kurze Zeit später jedoch im Jahre 453 verstarb Attila in der Hochzeitsnacht mit
seiner germanischen Braut Ildico. Bei der Hochzeitsfeier hatte Attila sehr dem
Weine zugesprochen und sich dann schlaftrunken in sein Schlafgemach begeben.
Während er seinen Rausch ausschlief, bekam er plötzlich Nasenbluten und
erstickte an seinem eigenen Blut. Am nächsten Tag wunderten sich Attilas Diener,
dass der König entgegen seiner Gewohnheit noch nicht aufgestanden war. Sie
erbrachen daher unter großem Geschrei das Schlafgemach. In dem Zimmer fanden
sie Attila tot auf dem Bett liegen. Ildico saß neben ihm, hatte ihr Haupt verhüllt
und weinte.
Dass Ildico, deren Namen Hildchen bedeutet, in die Kriemhildfigur Eingang
gefunden hat, ist allgemein anerkannt. In den Quedlinburger Annalen wird
berichtet, Attila sei von einem Mädchen erdolcht worden, da er deren Vater getötet
und es selbst geraubt habe. Im Nibelungenlied ist Attila einer der wenigen
Überlebenden. Allerdings hat sich auch das Motiv von Attilas Tod in der
Nibelungensage erhalten, jedoch an einer Stelle, wo man es nicht gleich vermutet.
Im Nibelungenlied wird Siegfried nach seiner Ermordung vor Kriemhilds Tür gelegt.
Die Thidrekssaga hingegen hat eine ursprünglichere Form erhalten. Hier brechen
die Burgunder Kriemhilds Schlafgemach auf und werfen die Leiche Siegfrieds in die
Arme Kriemhilds, wovon sie erwacht. Schön sieht man hier, wie Motive
verschmelzen oder einfach umgebildet werden. Nach Attilas Tod brach auch das
riesige Hunnenreich zusammen.
Ein Jahr später wurde jedoch Aetius von Kaiser Valentinian mit eigener Hand
ermordet, da der Kaiser Aetius Einfluss fürchtete. Wiederum ein Jahr später wurde
auch Kaiser Valentinian von Mitstreitern des Aetius auf dem Marsfeld getötet.
Valentinian hat auch starken Einfluss auf die Gunthergestalt der Sage ausgeübt,
was vor allem im Waltharius deutlich wird.
Aetius nun war bereits zu Lebzeiten eine Legende. Merobaudes schreibt, „Es gibt
kein Gebiet, keinen Platz und letztendlich keine Zunge, welche dich nicht preist.“
Aetius Einfluss auf die Hagen von Tronje Gestalt ist eindeutig. Die Frage stellt sich
jedoch noch, woher kommt der Name Hagen. Eine einfache Antwort wäre, dass es
eine Ableitung von Aetius ist. So nennt bereits Gildas im 6. Jh. Aetius Agitius. In
den Quedlinburger Annalen wird er Egidius genannt und in einer alten fränkischen
Chronik Egetius. Aetius Nachfolger in Gallien hieß Aegidius. Aus den eben
benannten Quellen geht jedoch hervor, dass mit Agitius eindeutig Aetius gemeint
war. Da es bei germanischen Namen häufig vorkam, dass ein H vor den Namen
zugefügt oder weggelassen wurde, könnte sich aus Hagitius Hagen entwickelt
haben. Noch im Waltharius wird Hagens Vater Hagathie genannt. Dass Aetius
Nachfolger Aegidius ebenfalls Einfluss auf die Hagengestalt ausgeübt hat, ist
wahrscheinlich. Der Frankenkönig Childerich war mit Aegidius verbündet.
Zusammen schlugen beide die Westgoten 463, wobei Friedrich, der Bruder des
Westgotenkönigs, fiel. In der Sage hingegen, die uns bei Gregor von Tours, Fredegar
und in der Liber historiae francorum überliefert ist, wird Aegidius als Gegner des
Frankenkönigs geschildert.
Chlodwig und Chrothechildis
In meinem weiteren Vortrag nun will ich genauer auf die Siegfriedgestalt eingehen
und damit auf die fränkische Geschichte und Sage. Wie bereits dargelegt,
verkörpert Siegfried quasi die Frankenkönige, wobei bereits in der Sage um
Siegfrieds Kindheit und Jugend ältestes fränkisches Sagengut zu Tage tritt.
So heißt es in der Liber historiae francorum, dass der Frankenkönig Chlogio
Tournai eroberte, nachdem er über den Rhein und durch den Kohlenwald gezogen
war. Mit dem Kohlenwald wurde schon zu Zeiten der Römer ein Teil des
Ardennenwaldes bezeichnet. Im Lied vom Hürnen Seyfrid nun sendet der Schmied
Siegfried in den Wald zu einem Köhler. Er hofft, dass Siegfried dabei von dem im
Wald lebenden Drachen getötet wird.
Die Sage von Siegfrieds Kindheit, welche uns in der Thidrekssaga berichtet wird, ist
bis auf das Schmiedemotiv fast identisch mit der Wolfdietrichsage. Die
Wolfdietrichsage wiederum kann zu großen Teilen der Sage um den Frankenkönig
Childerich zugeordnet werden, wie sie uns schon Gregor von Tours, aber auch
Fredegar und die Liber historiae francorum berichten. Des Weiteren wird in einer
Version des Wolfdietrich erzählt, dass Wolfdietrich vom Heiligen Georg ein Hemd
erhält, welches vor jeder Art von Waffen und vor dem Rachen der Drachen schützt.
Der Heilige Georg hatte es einst dem Helden Balmunt abgenommen. Der Heilige
Georg nun ist bekannt als Drachentöter. Sein Hemd schützt Wolfdietrich wie
Siegfried die Hornhaut und der Name Balmunt erinnert stark an Balmunc.
Ausführlicher will ich nun auf Childerichs Sohn Chlodwig eingehen, da dieser
extrem auf die Siegfriedgestalt vor allem des Nibelungenliedes eingewirkt hat.
Allerdings muss ich vorausschicken, dass die folgenden Jahreszahlen als auch die
Zeitabläufe sehr unsicher sind. Eine lange Zeit hatte man sich an die Angaben bei
Gregor von Tours gehalten, bis man merkte, dass Gregor kaum Chroniken
benutzte, sondern viel aus der mündlichen Überlieferung aufschrieb und dabei
nicht nach Jahreszahlen, sondern nach Personen ordnete. Doch nun zu Chlodwig.
Chlodwig wurde um 466 als Sohn Childerichs, des Königs der salischen Franken
geboren. Childerich starb um 481 und der erst 15-jährige Chlodwig wurde König im
Reich seines Vaters, dass nur einige Gaue der salischen Franken und wenige
gallische Landstriche umfasste. Chlodwig übernahm von seinem Vater die zivile
und militärische Verwaltung der Provinz Belgica Secunda. 486 griff Chlodwig
zusammen mit dem Frankenkönig Ragnachar das Reich des Syagrius an. Syagrius
war der Sohn des Aegidius und hatte das gallo-römische Reich seines Vaters
übernommen. Die Hauptstadt war Soissons. Childerich war noch Verbündeter und
als Föderat wohl Untergebener des Aegidius gewesen. Syagrius wurde geschlagen
und floh zum Westgotenkönig Alarich II.. Alarich aber lieferte Syagrius an Chlodwig
aus. Vielleicht spielte hierbei die Hochzeit des Ostgotenkönigs Theoderich mit
Chlodwigs Schwester Audefleda um 494 eine Rolle. Syagrius wurde in den Kerker
geworfen und dort heimlich ermordet. Syagrius Reich teilten sich Chlodwig und
Ragnachar. Nach der Liber historiae francorum gewann Chlodwig auch den Schatz
des Syagrius. Neue Hauptstadt Chlodwigs wurde Soissons. Von Soissons könnte
eine Verbindung zu Xanten bestehen.
Erwähnt sei hier auch noch, dass Godigisels Frau wohl Theudelinde hieß und in
der Sage sich Giselher mit Rüdigers Tochter Dietlind verlobt. Des Weiteren sei hier
noch angemerkt, dass in allen Sagen um Chlodwigs Brautwerbung, Chlodwig um
Chrothechildis wirbt, obwohl er sie noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Auch
Siegfried muss in Worms lange warten, bis er Kriemhild erblicken kann.
Nach dem Sieg über die Westgoten begann Chlodwig mit der Beseitigung der
anderen fränkischen Könige und einigte so das gesamte Frankenreich unter seinem
Zepter.
Nach Gregor von Tours sandte er zuerst Boten an Chloderich, den Sohn Sigiberts
des Hinkenden, und teilte ihm mit, er werde ihn unterstützen, wenn er seinen Vater
beseitigen und selbst König werden wolle. Als Sigibert durch den Buchonischen
Wald in der Nähe von Fulda streifte und jagte, schickte ihm sein Sohn gedungene
Mörder nach, die Sigibert töteten, als er zu Mittag in seinem Zelte schlief. Hier muss
natürlich auf den Tod Siegfrieds bei der Jagd verwiesen werden.
Chloderich informierte Chlodwig vom Tod seines Vaters und lud ihn ein, sich etwas
aus den Schätzen Sigiberts auszusuchen. Chlodwig schickte seine Leute zu
Chloderich. Dieser öffnete ihnen Sigiberts Schatztruhen. Chlodwigs Untergebene
baten Chloderich, er solle ihnen doch alle Teile aus der Truhe zeigen. Als sich nun
Chloderich tiefer in die Truhe beugte und seine Hände in das Gold versenkte,
schlug ihm einer von Chlodwigs Männern die Streitaxt in den Hirnschädel.
Chlodwig schlug nun den Franken vor, ihn als König zu akzeptieren. So gewann
Chlodwig das Reich der Rheinfranken ganz ohne Kampf. Dass diese weitere
Überlieferung Gregors ebenfalls in das Nibelungenlied Eingang gefunden hat, werde
ich an einer späteren Stelle zeigen.
Nach der Bluttat wandte sich Chlodwig gegen Chararich. Chlodwig lockte Chararich
und seinen Sohn in eine Falle und nahm sie gefangen. Er entkleidete sie der
Königswürde und steckte sie in ein Kloster. Als Chararichs Sohn jedoch Chlodwig
drohte, ließ Chlodwig beide enthaupten.
Den dritten fränkischen Teilkönig, Ragnachar von Cambray, griff Chlodwig an,
nachdem er viele seiner Männer mittels vergoldetem Erz bestochen hatte.
Ragnachars Männer waren mit ihrem König auch unzufrieden. Ragnachar besaß
einen Untergebenen namens Farro. Brachte man ihm Speise oder ein Geschenk, so
pflegte er zu sagen, dies sei nun genug für ihn und seinen Farro. Als Ragnachar
Kundschafter aussandte, um die Stärke von Chlodwigs Heer zu erfahren,
entgegneten diese, der Krieger sind dort mehr als genug für dich und deinen Farro.
Ragnachar wurde geschlagen und mit seinem Bruder Richar gebunden vor
Chlodwig geführt. Chlodwig spaltete beiden mit der Axt den Schädel. Als die Leute
Ragnachars merkten, dass Chlodwig sie mit vergoldetem Erz betrogen hatte,
beschwerten sie sich. Chlodwig aber entgegnete, sie sollten froh sein, dass er Leute,
die ihren Herren verraten haben, am Leben lässt. Ragnachars zweiter Bruder
Rignomer wurde auf Befehl Chlodwigs bei Le Mans ermordet. Land und Schätze
wanderten wieder in Chlodwigs Tasche.
Auffallend bei dieser letzten Geschichte um die Eroberung des Königreiches
Ragnachars ist, dass eine starke Namensidentität mit der nordischen Sage um
Sigurd besteht. So übergeben die Asen den Schatz Andvarafors Hreidmar und
seinen Söhnen Regin und Fafnir für die Tötung Otrs, der in Gestalt eines
Fischotters von Loki erschlagen worden war. Regin ähnelt Ragnachar, Hreidmar
ähnelt Rignomer und Farro ähnelt Fafnir. Eine Verbindung zwischen Sage und
Geschichte könnte daher durchaus bestehen.
Chlodwig starb im Jahre 511 eines natürlichen Todes. Das Reich wurde unter
seinen Söhnen aufgeteilt. Dass sich Chlodwigs Name in der Sage nicht durchsetzte,
dürfte vor allem daran gelegen haben, dass mehrere Könige der Rheinfranken
Sigibert hießen und auch Sigismund, der sogar eher zum katholischen Glauben als
Chlodwig übertrat, und sein Sohn Sigerich ebenfalls den Namensbestandteil Sig im
Namen trugen. Weiterhin könnte hier noch eine Rolle gespielt haben, dass nach
Sidonius Apollinaris ein Königssohn Sigismer, wohl ein Rheinfranke, um 470 eine
burgundische Königstochter, wohl die Tochter Chilperichs I., heiratete und dabei
herrlich geschmückt am burgundischen Hof erschien. Chlodwig nun heiratete
ebenfalls eine burgundische Königstochter, deren Vater ebenfalls Chilperich hieß.
Radegundis
Bereits ein Jahr zuvor hatten die Chlodwigsöhne Chlothachar und Theuderich das
Thüringerreich angegriffen und den Thüringern an der Unstrut eine vernichtende
Niederlage beigebracht. König Hermenefried, der als Irnfrit im Nibelungenlied noch
erkennbar ist, und seine Familie konnten fliehen. Seine Nichte Radegundis jedoch
und ihr Bruder gerieten in die fränkische Gefangenschaft. Um Radegundis kam es
zur Auseinandersetzung zwischen Chlothachar und Theuderich. Schließlich wurde
Radegundis Chlothachar zugesprochen. Nach seiner Rückkehr wurde die
zwölfjährige Radegundis zunächst in Ateia erzogen. Hier wandte sie sich bereits
stark dem christlichen Glauben zu. 534 lud Theuderich unter dem Vorwand
Friedensverhandlungen führen zu wollen, Hermenefried zu sich nach Zülpich. Hier
wurde der Thüringerkönig jedoch von der Stadtmauer in den Tod gestürzt.
Chlothachar nun heiratete Radegundis. Diese verweigerte sich jedoch Chlothachar
im Ehebett. Bald wurde gespottet, der König habe eine Nonne geheiratet und keine
Königin. Als Aufstände in Thüringen ausbrachen, ließ Chlothachar Radegundis
Bruder ermorden, da dieser aus der Gefangenschaft fliehen wollte. Radegundis
verließ daraufhin Chlothachar und wurde Nonne. All ihre kostbaren Kleider und
ihren Schmuck verschenkte sie an die Armen, darunter auch ihren kostbaren
goldenen Gürtel.
Auch hier finden wir die Motive der Nibelungensage. Radegundis wird wie Brünhild
aus einem fernen Land gewonnen. Sie verweigert sich auch wie Brünhild im
Ehebett. Des Weiteren wird Radegundis Gürtel besonders in den Quellen erwähnt.
Auch Brünhilds Gürtel spielt in der Nibelungensage eine bedeutende Rolle.
Brunichildis, Sigibert und Fredigundis
561 verstarb Chlothachar und hinterließ das Frankenreich seinen Söhnen Sigibert,
Chilperich, Guntchramn und Charibert. Ein Jahr später wehrte Sigibert den Angriff
der Awaren unter ihrem Chagan Baian ab. 565 oder 566 griffen die Awaren
abermals die Franken an. Die Franken wurden diesmal geschlagen und Sigibert
geriet in Gefangenschaft. Bei der Schlacht sollen sich die zauberkundigen Awaren
allerlei Spukgestalten bedient haben. Die Niederlage hatte jedoch keinerlei
Auswirkungen. Sigibert schloss mit den Awaren einen Vertrag und kehrte nach
Reims zurück. Ob der Titel Chagan, was Khan der Khan bedeutet, zur Bildung des
Namens Hagen beigetragen hat, muss fraglich bleiben.
Sigiberts fünfjähriger Sohn Childibert wurde sofort von Sigiberts Dienstadel in seine
Gewalt gebracht, der dann die Herrschaft in Sigiberts Reich übernahm. Chilperich
bekam Brunichildis in seine Gewalt. Er schickte sie jedoch lediglich in die
Verbannung nach Rouen. Die Schätze jedoch, die sie mit nach Paris gebracht hatte,
verleibte er seinem Vermögen ein. In der Geschichte wird nach dem Mord des
Gatten somit Brunichildis des Schatzes beraubt, so wie Kriemhild im
Nibelungenlied.
Chilperich sandte nun seinen Sohn Merowech mit einem Heer gegen Poitiers, um es
zu erobern. Merowech jedoch begab sich nach Rouen zu Brunichildis und heiratete
sie. Grund hierfür dürfte gewesen sein, dass Merowech der Stiefsohn Fredigundis
war und bei der Heimtücke und dem Einfluss Fredigundis auf Chilperich, auch um
sein Leben fürchten musste.
Chilperich wollte seinen Sohn daraufhin ins Kloster stecken. Auf dem Weg zum
Kloster aber wurde Merowech von Guntchramn Bosos Männern befreit und
flüchtete in die Basilika des heiligen Martin von Tours. Chilperich sammelte daher
ein Heer und zog gegen Tours. Fredigundis hingegen agierte wieder hinter den
Kulissen. Sie stiftete Herzog Leudast an, der in Fredigundis verliebt war. Leudast
versuchte nun Merowech aus der Basilika zu locken. Es gingen allerdings nur
Merowechs Diener auf Leudasts List ein. Die Diener wurden mit dem Schwerte
niedergehauen. Auch hier haben wir wieder ein Motiv aus dem Nibelungenlied.
Kriemhild stiftet Bloedel zum Kampf gegen die Burgunder an und die Hunnen
erschlagen alle Knechte der Burgunder. Merowech gelang schließlich die Flucht.
Allerdings wollte ihn der Dienstadel Sigiberts nicht helfen.
Brunichildis und Merowech ließen daher Prätextus, dem Bischof von Rouen, der
auch beide getraut hatte, fünf Bündel voll mit Kostbarkeiten zukommen. Prätextus
nun verteilte die Schätze unter dem Volk, um die Stimmung gegen Chilperich zu
schüren und Stimmung für Merowech zu machen. Die Sache flog jedoch auf.
Chilperich nahm Prätextus die restlichen Schätze weg und Prätextus wurde
verbannt. Auch hier finden wir wieder ein Motiv des Nibelungenliedes. Kriemhild
verteilt den Nibelungenschatz, um Stimmung gegen die Burgunder zu machen.
Auch die weiteren Ereignisse spiegeln sich im Nibelungenlied wider. Fredigundis
ließ über Chilperichs Gefolgsleute Merowech mitteilen, sie wollten Chilperich
verlassen und sich nun ihm anschließen. Er müsse jedoch zu ihnen kommen.
Merowech sammelte seine tapfersten Männern und begab sich zu den
vermeintlichen Überläufern. Man hatte ihm jedoch eine Falle gestellt. Auf einem Hof
schloss man Merowech ein und nahm ihn und seine Leute gefangen. Dann schickte
man Boten zu Chilperich. Noch bevor der König jedoch eintraf, hatte man alle unter
grausamen Qualen getötet. Chilperich erzählte man, Merowech habe sich von einem
Untergebenen aus Angst vor seinem Vater selbst getötet. Auch Fredigundis zweiter
Stiefsohn Chlodovech wurde auf Betreiben Fredigundis auf ähnliche Weise getötet.
Hier sind die Parallelen zur Nibelungensage auch gut zu erkennen. Kriemhild lädt
ihre Brüder an Attilas Hof. Hier werden sie eingeschlossen und getötet.
584 wurde Chilperich ermordet. Er war gerade von der Jagd zurück gekommen und
hatte eine Hand noch auf die Schulter eines Dieners gelegt, als ihm ein
Meuchelmörder ein Messer unter den Achseln in die Brust stieß und mit einem
zweiten Stoß den Bauch durchbohrte. Fredegar berichtet später, Brunichildis habe
einen gemeinen Mann namens Falco zu diesem Mord angestiftet. In der Liber
historiae francorum hingegen soll Fredigundis den Mord an Chilperich betrieben
haben, da Chilperich von ihrem Verhältnis mit Landerich erfuhr. Wahrscheinlich
hatten beide Frauen nichts mit dem Tod zu tun, sondern Chilperich fiel einem
Anschlag des Dienstadels zum Opfer. Jedoch besitzen wir auch hier die Schilderung
des historischen Ereignisses bei Gregor von Tours, der Zeitgenosse Chilperichs war,
und die bereits ersten Sagenbildungen bei Fredegar und in der Liber historiae
francorum. Und wie Sigibert der Hinkende wird Chilperich auf der Jagd ermordet,
nur ist die Königin diesmal Brunichildis und nicht Chrothechildis. Schön kann
man hier auch sehen, wie gleiche Motive in der Geschichte zur Verschmelzung in
der Sage führten.