Adler, Manfred - Die Söhne Der Finsternis - 3. Teil - Theologische Finsternis
Adler, Manfred - Die Söhne Der Finsternis - 3. Teil - Theologische Finsternis
Teil 3
Theologische Finsternis
Den
Freunden und Feinden
der Wahrheit
Manfred Adler
I. Teufelsglaube 8
II. Gottesglaube 90
Schlußwort 197
Anhang 198
Anmerkungen 213
5
Zuvor: Worte Gottes zur Meditation
„Laßt sie! Sie sind Blinde und Führer von Blinden. Wenn
aber ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in die
Grube fallen"(Mt 15,14).
6
„Den unnützen Knecht aber werft hinaus in die Finsternis
draußen; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein" (Mt
25,30).
7
I. Teufelsglaube
8
Die Einmütigkeit und Geschlossenheit der Konzils-
väter bei der Verabschiedung der einzelnen Konzilsdoku-
mente konnte an der einmal begonnenen Entwicklung
nichts mehr ändern. Der neue Geist der „Freiheit" griff
über auf die theologische Forschung und Wissenschaft
und führte zu einem theologischen Pluralismus, der auf
weite Strecken mit dem authentischen Glauben der kirch-
lichen Überlieferung nicht mehr zu vereinbaren ist. Der
progressive Stil der Demokratisierung und die neu ent-
deckte „Toleranz" in der Kirche haben zu dem Prozeß der
Aufweichung und Zerstörung der katholischen Einheits-
front ebenso beigetragen, wie der neue ökumenische
Enthusiasmus und der nach allen Seiten hin offene Dia-
log, der zunächst als neue revolutionäre Methode von
französischen Freimaurern propagiert und erst einige
Jahre später von Papst Paul VI. als neuer Weg der Kirche
offiziell bestätigt und gefordert wurde.
Die genannten Tendenzen hätten an sich nicht notwen-
dig zum Schaden der Kirche und zur unheilvollen geisti-
gen Verfinsterung im Bereich von Theologie und Glauben
führen müssen, hätte sich nicht schon vor und erst recht
nach dem Konzil der Geist der Finsternis durch viele offe-
ne Türen in die Kirche einschleichen können, um dort
geheim und offen sein Werk der Zerstörung im Namen
des Fortschritts durchzuführen. Schon Pius XII. mußte
sich entschieden gegen den heimtückischen und über-
mächtigen Einfluß wehren, den der „Gott dieser Welt" (2
Kor 4, 4) auf die modernistischen und progressistischen
Theologen ausübte. Verhindern konnte er indes diesen
dämonischen Einfluß nicht. Der Geist der Finsternis, der
„Gott dieser Welt", der auch Satan und Teufel genannt
9
wird (Offb 12, 9; 20, 2), hat schließlich nach dem II. Vati-
kanischen Konzil in der Kirche einen Freiheitsraum für
sein Wirken erhalten, der nicht nur skandalös genannt
werden muß, sondern offensichtlich auch einer seiner
großen Erfolge im Kampf gegen die Kirche und ihre
schwachen Hirten ist. Deren „demütige", ohnmächtige
Toleranz ist nach Überzeugung vieler nicht vom Heiligen
Geist inspiriert.
Mag dem sein, wie es will, der „Gott dieser Welt" hat
einzigartige Erfolge errungen. Die babylonische Sprach-
verwirrung in der modernen Theologie, der glaubenzer-
setzende theologische Pluralismus und die ihn bewirkende
Verblendung vieler sog. Theologen ist sein Werk. Er
macht die Massen, die sich seinem blendenden Licht öff-
nen, geistig blind, damit ihnen „das Licht der herrlichen
Botschaft von Christus" und die „Erkenntnis der Herr-
lichkeit Gottes auf dem Antlitz Jesu Christi" im Herzen
nicht aufstrahlen kann (2 Kor 4,2 ff).
Mit dieser Auskunft aus der Heiligen Schrift gibt Gott
selbst auf die quälende Frage vieler besorgter Christen
Antwort, wieso Theologie, die höchste aller Wissenschaf-
ten, so tief in den Abgrund der Finsternis hinabstürzen
konnte. Die wahre Theologie, die demütig und ehrfürchtig
das Offenbarungswort Gottes meditiert und reflektiert,
nimmt in der Tat unter allen Wissenschaften den ersten
Rang ein. Und das deshalb, weil sie nicht nur den Men-
schen und die Welt, sondern vor allem Gott, den Herrn
und Schöpfer der Welt zum Gegenstand hat.
Die Selbstmitteilung und Offenbarung Gottes in Jesus
Christus, dem Gottes- und Menschensohn, die von der
Theologie erforscht und den Menschen erschlossen und
10
vermittelt werden soll, ist für das Heil der Menschheit
unendlich wichtiger als alle Erkenntnisse und Wahrheiten
anderen Wissenschaften, so nützlich und notwendig diese
für den irdischen Menschen auch sein mögen. Letzte,
ewige und unfehlbare Wahrheiten wie die über das Sein
und Wesen Gottes, über Sinn und Ziel des menschlichen
Lebens, der Welt und der Geschichte, kann der geschöpfli-
che Mensch mit seiner begrenzten natürlichen Vernunft
nicht erkennen. Dazu bedarf er der Erleuchtung durch
den Heiligen Geist, ohne dessen Beistand die übernatür-
liche Offenbarung Gottes für den Menschen dunkel und
verschlossen bleiben müßte.
Theologen, deren Geist verfinstert ist und die daher die
göttlichen Wahrheiten nicht erkennen können, geraten
trotz hoher Intelligenz nicht selten deshalb in die Sackgas-
se einer geistlosen Theologie, weil ihnen die Demut man-
gelt, die eine unerläßliche Voraussetzung für die Erkennt-
nis der tiefen Geheimnisse Gottes ist. „Gott widersteht
den Stolzen, den Demütigen aber gibt er Gnade" (Spr 3,
34; 1 Petr 5,5). „Ein Greuel für den Herrn ist jeder Stolze,
er bleibt nicht ungestraft" (Spr 16, 5). Der Stolz und der
Trotz des Menschen führt zum Abfall vom Schöpfer, wie
Jesus Sirach (10,12) sagt.
Der Stolz ist die Wurzel vieler Sünden, die von Gott
trennen und den Menschen zur Torheit verführen. Im-
Buch der Weisheit lesen wir: „In eine Seele, die auf Bos-
heit sinnt, kehrt die Weisheit nicht ein, noch nimmt sie
Wohnung in einem Leib, der sich der Sünde ergibt" (1,4).
Viele theologische Torheiten sind somit durch das Wort
Gottes erklärt. Die wahrhaft großen und erleuchteten
Theologen sind immer demütige Menschen gewesen, die
11
sich ihrer totalen Abhängigkeit von Gott bewußt waren
und das Licht der Wahrheit im Gebet erfleht haben.
Gemäß der Verheißung des Herrn: „Bittet und ihr werdet
empfangen" (Joh 16,24), wurde ihnen Einsicht und Weis-
heit geschenkt.
12
Das behauptet jedenfalls der „katholische" Theologe
Herbert Haag, der in Tübingen lehrte. Im Jahr 1968 hielt
er an der Theologischen Fakultät der Universität Graz
eine Gastvorlesung über das Thema: „Die Entwicklung
der biblischen Vorstellungen vom Satan." Ein Jahr später
erschien in der von Hans Küng herausgegebenen Reihe
»Theologische Meditationen« (Einsiedeln 1969) seine
Schrift: »Abschied vom Teufel«. Das nicht geringe Aufse-
hen und die verschiedenen, teils heftigen Reaktionen, die
diese Schrift hervorrief, veranlaßten Haag, seine Gedan-
ken in einer Reihe von Vorträgen - auch in Funk und
Fernsehen - weiterzuverfolgen und schließlich 1974 eine
größere „wissenschaftliche" Arbeit mit dem Titel »Teu-
felsglaube« herauszugeben.
In diesem Buch von 554 Seiten, in dem Haag nach sei-
nen eigenen Worten „die umfassendste Arbeit über das
Thema Teufelsglaube vorlegt, die in der Geschichte der
Kirche geschrieben wurde" (S. 27), schreibt er: „In der
neuesten theologischen Literatur kommt der Teufel nicht
mehr vor - sicher nicht nur deswegen, weil er aus der
Mode gekommen wäre ... sondern weil er auch theolo-
gisch überflüssig geworden zu sein scheint. Man be-
schreibt das Problem des Bösen heute mit anderen Kate-
gorien.
Der Anfang dieser Entwicklung ist bei Bultmann zu
suchen, genauer bei seiner Feststellung, daß das mythi-
sche Weltbild überholt sei. Damit ist auch der Geister- und
Dämonenglaube hinfällig. Bekannt ist Bultmanns Äuße-
rung, man könne nicht moderne technische Einrichtun-
gen benutzen und gleichzeitig an Dämonen glauben. Vor
allem aber ist seine Warnung ernst zu nehmen, daß, wer
13
den Dämonenglaube für christlich erkläre, damit die
christliche Verkündigung heute unverständlich und un-
möglich mache...
Eine Realität kommt den kosmischen Gestalten, seien
es nun Engel, Dämonen, Teufel oder Weltregenten, nach
Bultmann nicht zu, es sei denn, eine mythische... Aus die-
ser Sicht ergibt sich notwendig, daß die Sünde nicht vom
Teufel verursacht ist. Immer wieder besteht Bultmann
darauf, daß die Sünde allein Sache des Menschen sei ...
Wenn die Bibel von einer „Knechtschaft unter dem Teu-
fel" spricht, ist das gleichbedeutend mit einer „Knecht-
schaft unter der Sünde".
Dennoch sind die Aussagen der neutestamentlichen
Schriftsteller, daß der Mensch nur Gott oder dem „Teufel"
angehören könne und daß er in den Kampf zwischen bei-
den einbezogen sei, sinnvoll. Sie geben nämlich der Tatsa-
che Ausdruck, daß der Mensch sein Leben nie selbst in der
Hand hat ... Die Entscheidung „Gott oder Teufel" ist...
gleichbedeutend mit der Entscheidung „Glaube oder
Unglaube" (S. 70 ff).
Nach Haag verdient die Tatsache besondere Beachtung,
daß der Teufel „für die Schülergeneration (von Barth und
Bultmann) offenbar uninteressant geworden ist, gleich-
gültig, ob man wie J. Moltmann von Barth beeinflußt ist,
ob man wie H. Braun, E. Fuchs oder M. Mezger von Bult-
mann herkommt oder ob man wie W. Pannenberg und D.
Solle zwischen den beiden steht. Der Teufel wird nicht mal
mehr erwähnt, es sei denn als mythologische Figur. So wie
man die biblischen Vorstellungen von den „letzten Din-
gen" (Himmel und Hölle) heute als Symbole auffaßt, die
für eine unvorstellbare zukünftige Wirklichkeit stehen; so
14
wie das „Letzte Gericht" den in aller ambivalenten Exi-
stenzerfahrung endgültigen Sinn des Lebens verdeutli-
chen ... soll, so sind auch Engel und Dämonen Sinnbilder
dafür, daß unser Weltbild begrenzt und relativ ist und der
ständigen Erweiterung in die transzendentale Wirklich-
keit hinein bedarf. Auch die Frage nach dem Ursprung
des Bösen lehnt die moderne Theologie als spekulativ ab.
Man hat eingesehen, daß sich der Widerspruch zwi-
schen dem guten, sinngebenden Gott und der Erfahrung
von Sinnlosigkeit, Leid und Bösem nicht lösen läßt. Gera-
de die theoretische Unlösbarkeit des Problems führt je-
doch zu einem neuen theologischen Ansatz: zu der Frage
nach dem konkreten Bösen, das sich vor allem im
unschuldigen Leiden manifestiert... Die Frage nach dem
Ursprung des Bösen wird so zur Frage nach der christli-
chen Existenzbewältigung...
Statt also dem Ursprung des Bösen nachzufragen, wen-
det sich die moderne Theologie der Aufgabe zu, mit dem
Bösen und dem Leiden in der Welt fertigzuwerden. Unter
Hinweis auf die Eigengesetzlichkeit und -Verantwortlich-
keit des Menschen betrachtet sie das - rational nicht greif-
bare - Böse nicht mehr theoretisch-spekulativ, sondern
konkret. Teufel und Dämonen haben höchstens noch die
Funktion, auf die übermenschliche Dimension des Bösen
hinzuweisen" (S. 72 f).
Die hier skizzierten Vorstellungen der „modernen
Theologie" sind einer gründlichen Kritik wert. Zunächst
darf man erstaunt darüber sein, mit welch unkritischer
Leichtfertigkeit - um nicht zu sagen Unverfrorenheit - ein
„historisch-kritisch" geschulter Bibelwissenschaftler es
wagt, die Phantasieprodukte einer bestimmten theologi-
15
schen Richtung (unter vielen anderen) als Ergebnisse der
„modernen Theologie" schlechthin zu bezeichnen.
Die Entmythologisierungsideologie Bultmanns und sei-
ner Nachbeter hat sich nicht einmal im Raum der moder-
nen evangelischen Theologie überall durchsetzen können.
Erst recht gibt es in der heutigen katholischen Theologie
zahlreiche „moderne Theologen" die das Entmythologi-
sierungsprogramm Bultmanns ablehnen, weil es auf zwei
falschen Voraussetzungen beruht: auf dem überholten
„modernen Weltbild" Bultmanns und dem damit gegebe-
nen falschen Wirklichkeitsverständnis und auf dem irri-
gen Interpretationsschema der Existentialphilosophie,
das von dem einseitig verengten Wirklichkeitsbegriff der
in sich geschlossenen, empirischen „welthaften Welt" ab-
geleitet ist und somit die transzendente Welt verfehlt.
Die existentiale Interpretation der Bibel ist ein Unter-
nehmen, das der Welt der Bibel fremd ist und daher ihrem
Inhalt und Wesen nicht gerecht werden kann. Neue
Erkenntnisse im Bereich der Atomphysik haben das Welt-
bild Bultmanns, das übrigens aus dem 19. Jahrhundert
stammt und gar nicht modern ist, längst überwunden.
Trotzdem ist es noch nicht überall in der Theologie gelun-
gen, die Nebelwolken der „modernen Theologie" aufzulö-
sen und klare Sicht zu gewinnen. So ist es beispielsweise zu
bedauern, wenn ein angesehener katholischer Exeget wie
R. Schnackenburg im Jahr 1971 in einem Nachwort zu
einem von ihm bereits 1952 veröffentlichten Aufsatz über
den „Sinn der Versuchungen Jesu bei den Synoptikern"
schreibt:
„Aktuell geworden ist auch wieder die Frage, ob man
den Satan (von allen mythologischen und vermenschlich-
16
ten Vorstellungen abgesehen) als personale geistige Macht
verstehen muß oder auch nur als Verkörperung des Bösen,
wie es durch das Handeln der Menschen geschichtsmäch-
tig wird, interpretieren darf. Heute würde ich nicht mehr
so entschieden wie damals für die erste Auffassung eintre-
ten. Die Debatte um die Entmythologisierung mahnt zur
Vorsicht. Die Frage, wie weit die an ein überholtes Welt-
bild gebundenen Aussagen des Neuen Testaments für
unser heutiges Verständnis - ohne Aufgabe des Offenba-
rungsgehalts - neu interpretiert werden können und müs-
sen, ist schwierig und von einem Exegeten allein nicht zu
beantworten. Dies gilt auch für den jetzt neu entbrannten
Streit um Engel und Teufel. Die Variabilität der Aussagen,
die vorgeprägten Stilformen, die vielfaltigen Wurzeln
gerade bei den Satans-, Dämonen- und Mächte-Vorstel-
lungen machen geneigt, Aussageweisen anzunehmen, die
nicht wörtlich und real auszulegen sind" (S. 274 f)-
Die Meinung R. Schnackenburgs läßt trotz ihrer vor-
sichtigen Formulierung die Verunsicherung erkennen, in
die dieser katholische Bibeltheologe von Rang durch die
Diskussion um die Entmythologisierung geraten ist. In-
zwischen hat zu den hier angesprochenen Fragen die
römische Kongregation für die Glaubenslehre eine Er-
klärung abgegeben, auf die später ausführlicher eingegan-
gen werden soll.
An dieser Stelle ist noch zu der von H. Haag dargelegten
Auffassung der „modernen Theologie" über die Entmy-
thologisierung der „letzten Dinge" eine kritische Anmer-
kung zu machen. „Himmel und Hölle" sind mehr als nur
Symbole für eine „unvorstellbare zukünftige Wirklich-
keit". Es sind Begriffe, die das endgültige und ewige End-
17
schicksal der Menschen ausdrücken, sei es das ewige
Leben in der beseligenden „Anschauung Gottes", in der
Herrlichkeit des jenseitig-vollendeten Gottesreiches, oder
die ewige Verdammnis, die in dem unvorstellbar qualvol-
len Ausschluß aus dem ewigen Gottesreich der Freude
und des Friedens besteht.
Nach dem eindeutigen Befund des Neuen Testaments
sind ewiges Leben und ewige Qual („Heulen und Zähne-
knirschen", „ewiges Feuer") als qualitativ bestimmte
Wirklichkeiten etwas ganz anderes als eine „unvorstellba-
re zukünftige Wirklichkeit", von der überdies nicht gesagt
wird, ob sie als jenseitig - ewige oder als nur diesseitige
und damit zeitlich begrenzte Zukunft zu verstehen ist. Da
in Bultmanns Weltbild Diesseits und Jenseits, Zeit und
Ewigkeit nicht denkbar sind, kann in seinem Denken nur
eine zeitlich begrenzte Zukunft in Frage kommen.
Ähnliches gilt von der Entmythologisierung des „letz-
ten Gerichts", das in der Heiligen Schrift nicht den „end-
gültigen Sinn des Lebens" bedeutet, sondern die end-
gültige End-Scheidung für das ewige Leben in der
Liebesgemeinschaft mit dem dreieinigen Gott (im Him-
mel) oder für das ewige Gericht im „ewigen Feuer" (der
Hölle). Doch diesen realen Sinngehalt schließt die ver-
schlagene Entmythologisierungssophistik der „modernen
Theologie" aus, wenn sie von einer „unvorstellbaren zu-
künftigen Wirklichkeit" faselt.
Um dies noch weiter zu begründen, braucht nur darauf
aufmerksam gemacht zu werden, daß bei den Bultmän-
nern nicht nur der Teufel, sondern Gott selbst entmytholo-
gisiert und zu einem menschlichen Existenzphänomen
entwirklicht wird, wie wir später eingehend darlegen wer-
18
den. Obwohl sie nach wie vor von „Gott" sprechen, mei-
nen sie doch nicht mehr den persönlichen, lebendigen,
transzendenten und immanenten Gott der Bibel, dem ein
objektives An-sich-Sein unabhängig vom Menschen und
der Welt zukommt. Nach R. Bultmanns Existentialtheolo-
gie ist Gott nur noch eine „Bestimmtheit des menschli-
chen Daseins", d.h. er existiert nur in, an oder mit dem
Menschen, nicht aber ohne ihn. Folgerichtig kann dieser
„Gott" nicht als Du dem Menschen objektiv gegenüberste-
hen. Mit Entschiedenheit lehnt Bultmann jede Objektivie-
rung Gottes ab. Wenn Gott aber kein personales Gegen-
über des Menschen mehr ist, kann man zu ihm weder
beten, noch eine Offenbarung von ihm erwarten. Das be-
deutet, daß man an ihn auch nicht mehr glauben kann.
Glauben an „Gott" könnte dann nur heißen, an sich selbst,
an eine menschliche Bestimmtheit - oder um mit H.
Braun zu sprechen, an die „Mitmenschlichkeit" glauben.
Wenn H. Haag bemerkt, daß nach der „modernen
Theologie" die Entscheidung „Gott oder Teufel" gleichbe-
deutend sei mit der Entscheidung „Glaube oder Unglau-
be", so ist nun hinlänglich klar, daß mit dieser Entmytho-
logisierungsphraseologie alles mögliche gemeint sein
kann, nur nicht der wirkliche Glaube an den persönlichen
Gott der Bibel und sein Offenbarungswort.
Analog dazu kann der „Unglaube", von dem die „mo-
derne Theologie" spricht, kein wirklicher Unglaube im
Sinne einer entschiedenen Ablehnung oder Leugnung des
persönlichen Gottes sein, der in Jesus Christus Mensch
wurde und sich in der Kirche bezeugt und offenbart. Ganz
konsequent gibt es für die theologischen Falschmünzer
dann auch kein übernatürlich-übermenschliches Myste-
19
rium mehr. Was ihnen bleibt ist der nackte Positivismus
und Rationalismus, die trostlose Gettoideologie der im
Diesseits Gefangenen, die ihre Ausweglosigkeit schließ-
lich mit irgendeinem „Prinzip Hoffnung" überspielen
müssen, um der Verzweiflung zu entgehen. Auf die Frage
nach dem Ursprung des Bösen und dem von Haag
erwähnten „Widerspruch zwischen dem guten, sinnge-
benden Gott und der Erfahrung von Sinnlosigkeit, Leid
und Bösem" gibt es dann freilich keine Antwort mehr.
Wenn nun aber die „modernen Theologen" kein wahres
Mysterium mehr anerkennen, sondern die „theoretische
Unlösbarkeit des Problems" dadurch zu kaschieren versu-
chen, daß sie sich der Aufgabe zuwenden, „mit dem Bösen
und dem Leiden der Welt fertigzuwerden" - was für jeden
realistisch denkenden Menschen unmöglich ist -, flüchten
sie nur in einen neuen sophistischen Trick. Denn das
„rational nicht greifbare Böse" kann auch als das „kon-
krete" Böse nicht überwunden werden. Übrigens ist jedes
Böse immer auch konkret, weshalb die Unterscheidung
zwischen dem theoretisch Bösen und dem konkret Bösen
abwegig ist.
Entlarvend ist in diesem Zusammenhang auch Haags
„Hinweis auf die Eigengesetzlichkeit und Eigenverant-
wortlichkeit des Menschen", was doch wieder eine Be-
stätigung dafür ist, daß der autonome Mensch nur sich
selbst verantwortlich ist. Das ist konsequent gedacht,
denn nach der Bultmann-Ideologie existiert kein persön-
licher und überweltlicher Gott, vor dem man sich ent-
scheiden könnte und verantworten müßte. Was aber
bleibt, ist das theoretisch und praktisch zu bewältigende
Problem des Bösen, oder wie Haag sagt: „Die übermensch-
20
liche Dimension des Bösen". Diese kann aber per de-
finitionem gar nicht bewältigt werden, weil das „Über-
menschliche" eben über alle menschlichen Kräfte hin-
ausgeht. Der Rest ist also die Phrase von der
„übermenschlichen Dimension des Bösen". „Teufel und
Dämonen haben höchstens noch die Funktion, auf diese
hinzuweisen", wie bei Haag zu lesen ist.
Muß man nach dieser exakten Textanalyse nicht auf-
richtigen Abscheu und Ekel empfinden vor der modernen
Teufels-Theologie, die in Wahrheit gar keine Theologie,
sondern ein teuflisches Lügensystem ist? Mit der Ent-
mythologisierung des Teufels und der Leugnung seiner
realen personalen Existenz ist die Entmythologisierung
des drei-persönlichen Gottes untrennbar verbunden,
wenn auch diese unerbittliche Konsequenz der sog. „mo-
dernen Theologie" von manchen katholischen Theologen
vielleicht nicht völlig durchschaut wird. Die Einschrän-
kung durch das „vielleicht" wird hier deshalb gemacht,
weil nicht sicher ist, ob sie nicht doch erkennen, daß mit
der modernen Entmythologisierungskampagne der Aus-
verkauf und die Liquidierung der christlichen Theologie
betrieben wird.
Die Leugnung der Transzendenz im Sinne einer über-
menschlichen und überweltlichen Wirklichkeit schließt
notwendig den Glauben an die Wirklichkeit des ewigen
Himmels und der ewigen Hölle aus. Man hat H. Haag mit
Recht vorgeworfen, daß er mit dem Teufel auch die Hölle
leugne. Für jeden, der logisch denken kann, ist das klar.
Nicht so für Professor Haag. Er wehrt sich nämlich gegen
diesen Vorwurf und erklärt: „Das Thema Hölle ist in die-
sem Buch strikt ausgeklammert, obwohl immer wieder
21
der Einwand zu hören ist, wenn es keinen Teufel gebe,
dann gebe es auch keine Hölle. Denn grundsätzlich stehen
die Begriffe Teufel und Hölle in keinem notwendigen
Zusammenhang" (S. 23).
Entweder ist Haag hier einem Irrtum zum Opfer gefal-
len, oder er will seine Leser bewußt täuschen. Tatsächlich
ist doch nach dem Wort Jesu „das ewige Feuer dem Teufel
und seinen Engeln bereitet" (Mt 25,41). Wenn es nun den
Teufel und seine Engel, die bösen Geister, nicht gibt, dann
kann es auch keine Hölle geben, die ihnen bereitet ist. Das
ist eine ganz logische Schlußfolgerung. Will man ihr aber
entgehen mit der Bemerkung, daß die „moderne Theolo-
gie" zu diesem Schluß nicht genötigt ist, weil für sie der
„Teufel" ja nur eine symbolische Gestalt ist, so ändert
diese Ausrede nichts an der Tatsache, daß dann auch die
Hölle für diese Theologie nur noch ein symbolischer
Begriff, aber keine ewige Wirklichkeit mehr ist. Somit
kann man also die ewige Wahrheit, daß es einen ewigen
Himmel und eine ewige Hölle (im wirklichen Sinn) gibt
nicht mehr glauben. Ist der Teufel nur noch eine mythi-
sche Gestalt, so kann auch die Hölle nur noch als Mythos
verstanden werden.
Haag gibt das ja selbst zu, wenn er sagt, daß „man die
biblischen Vorstellungen von den »letzten Dingen' (Him-
mel und Hölle) heute als Symbole auffaßt, die für eine
unvorstellbare zukünftige Wirklichkeit stehen" (S. 72).
Diese „unvorstellbare zukünftige Wirklichkeit" kann
aber im Falle der Hölle nicht das „ewige Feuer" sein, son-
dern allenfalls eine ungewisse, innerweltliche, d. h. zeitlich
begrenzte irdische Zukunftswirklichkeit, die man - im
uneigentlichen Sinn - höchstens als „Hölle auf Erden"
22
bezeichnen könnte. Da für Bultmann der „Dualismus"
von Diesseits und Jenseits, von Zeit und Ewigkeit aufge-
hoben ist und der individuelle Mensch nur ein zeitlich
begrenztes Dasein hat, kann es für ihn keine individuell
erlebbare ewige Zukunft geben, weder ewiges Leben, noch
ewige Verdammnis. Nach der Lehre des Neuen Testamen-
tes gibt es aber beides. Damit dürfte die ungeheuerliche
Tragweite des neuen Teufelsglaubens, wie er von der
„modernen Theologie" entwickelt und von dem „katholi-
schen" Theologen H. Haag akzeptiert und „wissenschaft-
lich" dargestellt worden ist, jedem nüchtern Denkenden
deutlich und klar aufgezeigt und als Teufelsideologie ent-
larvt sein.
Dennoch ist der Erfolg der „modernen Theologen" und
ihrer sophistischen Hirngespinste überwältigend. Die
„neuesten Ergebnisse der exegetischen Forschung" - wie
es so schön heißt - breiteten sich in der morschen westli-
chen Welt wie eine Epidemie aus und ließen die Herzen
ungezählter Progressisten höherschlagen. Endlich ist die
Menschheit vom Teufel erlöst! Zum Teufel - mit dem Teu-
fel!
„Zum Teufel! Wo steckt denn der Teufel?" Wer so fragt,
hat Anspruch auf eine aufrichtige Antwort. Hier ist sie: Er
steckt in den Gehirnen derer, die ihn leugnen. Er verblen-
det die theologischen Aufklärer, die u. a. auch „Glaubens-
bücher" und Katechismen geschaffen haben, in denen er
nicht mehr vorkommt. Mit Genugtuung bemerkt H. Haag
über das im Jahr 1969 von G. Miller und J. Quadflieg her-
ausgegebene Arbeitsbuch zur Glaubensunterweisung
„Glauben - leben - handeln", daß es „nicht mehr vom
Teufel oder Satan spricht, sondern nur noch vom Bösen
23
oder der Macht (den Mächten) des Bösen ..." Man hält also
an den bösen Mächten gemäß den biblischen Aussagen
fest, aber man glaubt sie nicht mehr personal wirksam ver-
stehen zu müssen. Daher wird auch im Zusammenhang
mit der Taufe nicht mehr von Exorzismen oder einer Absa-
ge an den Satan gesprochen. Es heißt lediglich: „Wenn der
Mensch getauft wird, sagt er sich von allem los, was ihn
von Gott trennt. Er widersagt dem Bösen und schließt sich
der Gemeinschaft der Kirche an ... In der Taufe wird der
Mensch durch die Liebe Christi befreit aus der Herrschaft
der Sünde." Beim „Letzten Gericht" schließlich ist von
Hölle oder Teufel überhaupt nicht mehr die Rede.
Den gleichen Geist atmet, wie zu erwarten, auch der
von denselben Verfassern herausgegebene Kommentar
zum Arbeitsbuch ...
Inzwischen war auch der Holländische Katechismus
erschienen, d e r . . . gewiß das „Neue Glaubensbuch" beein-
flußte. Nicht zuletzt die Aussagen über das Böse trugen
ihm den Protest der Glaubenskongregation ein. In der Tat
läßt sich der Teufel im Holländischen Katechismus
schwerlich als ein personales Wesen verstehen ... An kei-
ner Stelle gibt es einen Hinweis darauf, daß ein Teufel am
Zustandekommen der Sünde beteiligt ist. Der Holländi-
sche Katechismus war der Erste, der die Erkenntnisse der
neueren Theologie in die praktische Glaubensunterwei-
sung einbrachte. Seitdem wird auch in der neueren Religi-
onspädagogik der Glaube an die Existenz eines Teufels
abgelehnt."
An dieser Stelle merkt Haag an: „Die neuesten Publika-
tionen zum Thema führen das Stichwort Satan oder Teu-
fel überhaupt nicht mehr auf. So R. Bleistein, »Kurzfor-
24
mel des Glaubens - Prinzip einer modernen Religions-
pädagogik«, Würzburg 1971; A.Exeler/G. Scherer,
»Glaubensinformation - Sachbuch zur theologischen
Erwachsenenbildung«, Freiburg 1971; B. Dreher, Glau-
bensstunden für Erwachsene, 2 Bde., Graz 1971/72. M.
Niggemeyer, »Schuld und Sünde - Arbeitshilfen für den
katholischen Religionsunterricht«, Hl, Paderborn 1973,
erwähnt die Sündenfallgeschichte lediglich als „Bildmo-
dell für die Deutung der Sünde". Man begnügt sich mit
der Feststellung, daß es auf die Frage nach dem Bösen
letztlich keine Antwort gibt. Das Böse wird ganz konkret
erfahren und unter den Termini Schuld und Sünde
beschrieben; weder im Zusammenhang mit der Taufe,
noch mit der Erlösung ist von einem Teufel die Rede ...
25
Gewissens durch Bekenntnis, Geständnis, Sühne, Gnade,
Buße und Wiedergutmachung...
Auch das Neue Glaubensbuch, ein ökumenisches Werk,
nimmt Abschied von der alten Teufelsvorstellung . . }
Wohl wird auch hier noch im Anschluß an neutestament-
liche Textstellen vom Teufel gesprochen, aber die Aussa-
gen sind in einen theologischen Zusammenhang eingeord-
net. So wird die Dämonenaustreibung Jesu (Mt 12, 28) in
dem Sinn gedeutet, daß der Evangelist Jesus als ,Träger
des Geistes' (S. 238) zeigen will. Die Ablösung der Herr-
schaft Satans bedeutet die Begründung einer neuen Welt
mitten in der alten, ,ohne Angst, voll Zuversicht, getröstet,
heil und gesund, oder mit einem Wort: frei. Jesu Wirken
schiebt gleichsam die Grenzen, die nach seinen Worten
Satan dem Menschen gezogen hat, zurück und eröffnet so
dem Menschen einen Raum der Freiheit' (S. 136). Und
wenn die Jünger den Befehl bekommen, Dämonen auszu-
treiben (Mk 3, 15), geschieht das, um sie an Jesu Wirken
zu beteiligen (S. 339). Das harte Wort: ,Nicht Abraham,
sondern der Teufel ist euer Vater' (Joh 8, 44), ist Beweis
für die schon in neutestamentlicher Zeit einsetzende ,Ver-
teufelung' der Juden (S. 395), und die Bezeichnung des
Teufels als,Vater der Lüge' dient als Kontrastfolie zu Jesu
absolutem Wahrheitsanspruch (S. 493).
Ausdrücklich lehnt es der Verfasser des 8. Kapitels, J.
Blank, ab, ,daß sich beim Tode Jesu ein Erlösungsdrama
auf höherer Ebene abspielt: als Kampf zwischen Gott und
dem Teufel. Solche Denkmodelle, wie wir das heute nen-
nen würden, sind uns weitgehend fremd geworden' (S.
156). Die Mächte und Gewalten sind Nichtse (S. 402),
Reste antiken Heidentums (S. 66): ,Wir glauben heute
26
nicht mehr an Geister in der Luft, denen der Mensch
wehrlos ausgeliefert wäre' (S. 439), ,für uns sind solche
Aussagen (z. B. Rom 8,38 f; Kol 2,14 f; Eph 2,13 ff) mytho-
logisch' (S. 424). Denn das Böse kommt allein aus dem
Herzen des Menschen. ,Die Erzählung vom Sündenfall
schildert uns den Menschen wie er ist und immer sein
wird: einer, der oft und oft der Versuchung zur Sünde
erliegt und sich gegen Gott entscheidet. Die Anfälligkeit
für das Böse gehört offensichtlich zur Natur des Men-
schen, wie wir ihn kennen' (S. 324). Wie es für die .ersten
Dinge' keine Augenzeugen gibt, so gibt es für die ,letzten
Dinge' (Hölle) keine Prognosen (S. 530). ,Wir wissen
nichts über die letzten Dinge' (S. 540).
Mit solchen Aussagen übernimmt die katechetische Un-
terweisung langjährige Ergebnisse der exegetischen und
bibelkritischen Forschung. Das bedeutet zugleich, daß sie
die offiziellen lehramtlichen Verlautbarungen in der Teu-
felsfrage unterlaufen hat." So Prof. Haag (S. 90-94).
Die Frage, wie tief und wie weit die hier zitierten Irrtü-
mer bezüglich der Existenz personaler dämonischer We-
sen in das Bewußtsein des christlichen Volkes eingedrun-
gen sind, ist nicht leicht zu beantworten. Nach einer
Anmerkung von H. Haag sollen „Umfragen ergeben
haben, daß selbst von den katholischen Theologen ein
Drittel nicht mehr an die Existenz des Teufels glaubt und
nur 39 Prozent die Auffassung vertreten, die Papst Paul
VI. 1972 als verbindlich bekräftigt hat. Von den evange-
lischen Theologen lehnen 51 Prozent den Teufelsglauben
entschieden ab" (S. 20).
Ob die genannten statistischen Zahlen repräsentativ
sind, wird nicht gesagt. Ebenso ist ungewiß, für welche
27
Gruppen von Theologen sie eventuell gültig sein sollen.
Immerhin dürften in der dekadenten westlichen Welt
mehr Vertreter einer degenerierten Theologie anzutreffen
sein, als etwa in jenen Ländern, wo man die Mächte der
Finsternis am eigenen Leib und Leben zu spüren be-
kommt. Jedenfalls stehen alle Theologen und Christen,
die an die Existenz des personal Bösen nicht mehr glau-
ben, „außerhalb der biblischen und kirchlichen Lehre",
wie Papst Paul VI. bei der Generalaudienz vom 15.
November 1972 sagte.
28
kannt wird, seien es gute Geister (Engel), oder böse Gei-
ster (Dämonen).
Wenn es auch im Einzelfall nicht immer leicht sein mag,
Krankheiten und dämonische Einflüsse, wie etwa Beses-
senheit, mit letzter Sicherheit zu unterscheiden und von-
einander zu trennen, so ist es doch abwegig und mit dem
Dogma der Kirche unvereinbar, wenn R. Schnackenburg,
der wohl an die Existenz eines Teufels glaubt, im Anschluß
an O. Semmelroth die Meinung vertritt, „als Katholik
könne man weder mit Sicherheit sagen, daß es persönliche
böse Geister gebe, noch dürfe man als sicher behaupten, es
gebe sie nicht. In der Kirche müsse ein theologischer Plu-
ralismus möglich sein". 4
In der Kirche ist heute zwar vieles möglich, aber ein
schizophrener Pluralismus, der Irrtum und Wahrheit
gleichrangige Berechtigung zuerkennt oder auf Wahr-
heitsanspruch verzichtet, indem er die Wahrheitsfrage
ausklammert oder umgeht, hat in der katholischen Kirche
kein Existenzrecht. Wenn das unfehlbare Lehramt der
Kirche eine Frage bereits endgültig entschieden hat, wie es
bezüglich der Existenz böser Geister der Fall ist, bleibt für
einen theologischen Pluralismus kein Raum mehr. Er fin-
det seine Grenze immer an der Wahrheit, der er zu dienen
und die er immer tiefer zu erforschen hat. Die tiefere
Erforschung der Wahrheit darf indes niemals zur Aufhe-
bung oder Zerstörung der Wahrheit führen. Theologische
Forschung, die eine dogmatisch feststehende Wahrheit
nicht anerkennt, hört auf, legitim zu sein. Der illegitime
theologishe Pluralismus, der die Lehre der Kirche nicht
zur Kenntnis nimmt, dient nicht Christus, der die Wahr-
heit ist (Joh 14, 6), sondern dem „Vater der Lüge" und
29
dem „Verführer der ganzen Welt", wie der Teufel im
Neuen Testament genannt wird.
Ein überheblicher Theologieprofessor, der auf die
Papstansprache vom 15. November 1972 mit der Bemer-
kung reagiert hat, Papst Paul VI. „wisse in der Theologie
weniger Bescheid als ein erstsemestriger Theologiestudent
in Tübingen," 5 muß doch das Gelächter, das er dadurch
bei unerleuchteten Zeitgenossen hervorruft, für sich per-
sönlich als überaus peinlich empfinden. Merkt der blasier-
te Gegen-Papst nicht, daß er außerhalb einer von Gott
geoffenbarten und für alle Zeiten gültigen Wahrheit steht?
Hat er als Bibelwissenschaftler nicht schon aus dem Alten
Testament gelernt, daß Gott den Hochmütigen widersteht
und sie blind macht? Ebenso bedauernswert sind die
armen Blinden, die sich bereitwillig von einem Blinden
(ver-)führen lassen. Sie werden mit ihrem blinden Führer
gemeinsam in die Grube fallen, wie Jesus Christus sagt.
Ein ernstes Wort, eine göttliche Wahrheit, über die sich zu
meditieren lohnt.
Um so unbegreiflicher ist es, wenn heute nicht wenige
blinde oder verblendete Theologen ihre Lehrstühle dazu
mißbrauchen dürfen, um ewige Wahrheiten unseres Glau-
bens zu leugnen oder in Irrtümer umzudeuten. Damit
untergraben sie ja nicht nur den Glauben, sondern auch
die Glaubwürdigkeit der Kirche, in deren Auftrag und
Namen sie ihre finstere Theologie dozieren.
Die Narrenfreiheit nach dem II. Vatikanischen Konzil
geht sogar so weit, daß selbst Top-Häretiker ihre Irrlehren
nicht mehr zu widerrufen brauchen. Sie dürfen ihre ver-
derblichen „neuen Erkenntnisse" ohne ernsthafte Störung
30
überall verbreiten und unübersehbaren Schaden anrich-
ten. Ihr Beispiel macht Schule und führt immer tiefer in
die katastrophale Verwirrung, die heute die Kirche verfin-
stert und spaltet. Zwar wird es den Söhnen der Finsternis
nicht gelingen, die auf den Felsenmann (Petrus) gebaute
Kirche ganz zu zerstören, aber viele Menschen werden
durch die dämonische Brillanz ihrer Ideen und Sprache in
Unheil und Verderben geführt. Ihre Macht ist schon so
groß, daß viele verantwortliche Lehrer und Wächter des
Glaubens nicht mehr den Mut haben, mit gebotener Härte
entschieden und unbeirrt gegen sie vorzugehen. Man
fürchtet, die schon bestehende, aber vielen noch verborge-
ne Glaubensspaltung könnte offenbar werden. Deshalb
ziehen es heute viele Ober-Hirten vor, im Namen der Klug-
heit feige zu sein und ihre arglosen Schafe reißenden Wöl-
fen zu überlassen.
31
keit, höllisch zu jaulen. Und das tun sie sehr kräftig, denn
sie haben angesichts mancher „Fortschritte" nach dem II.
Vatikanischen Konzil allen Grund dazu.
32
2. Die Wahrheit des Glaubens
Das Wort Gottes, das Wahrheit ist (Joh 17, 17), offenbart
uns, wer der Satan ist und welche Rolle er mit den Dämo-
nen im Heilsplan Gottes und in der Heilsgeschichte
spielt.6
Das Alte Testament enthält, seinem vorbereitenden
Charakter entsprechend, noch keine ausgeprägte Lehre
über das Wesen und Wirken Satans und sein Verhältnis zu
den Dämonen. Im Hebräischen bedeutet Satan ursprüng-
lich ein feindliches Wesen und wird zunächst im Sinne
eines irdischen Feindes und Widersachers verstanden,
wobei schon der Gedanke zum Ausdruck kommt, daß die
genannten „Widersacher" die Strafe Gottes an Salomo zu
vollstrecken haben.
Die Bezeichnung Satans als dämonisches Geistwesen
findet sich erstmals in 1 Chr 21, 1, wo gesagt wird: „Der
Satan stand auf gegen Israel". Im Parallelbericht steht
dagegen für „Satan" noch der „Zorn des Herrn", der
gegen Israel entbrannte (2 Sam 24,1). In juristischem Sinn
erscheint Satan als Ankläger (Sach 3, 1 ff), im Buch Job
spielt er die Rolle eines himmlischen Staatsanwaltes. Hier
tritt er als einer der „Söhne Gottes" auf, noch nicht als
Widersacher Gottes, sondern nur als Feind des Menschen.
Er durchstreift die Erde, überwacht die Menschen und
wirkt nicht nur als Ankläger, sondern auch als Verleum-
der und Versucher. Sein Ziel ist, den Menschen zur Auf-
lehnung gegen Gott zu verführen und ihn in Unglück und
Verderben zu stürzen.
Damit sind bereits die ersten wesentlichen Züge des bib-
lischen Satansbildes angedeutet: Der Satan ist Geschöpf
33
und Diener Gottes. Seine menschenfeindlichen Pläne wie
Naturkatastrophen, Überfälle, Krankheiten und andere
Unheilstaten, darf er nur mit Erlaubnis Gottes verwirk-
lichen. Mit der Personifizierung des bösen Geistes Gottes,
der in 1 Kön 22, 21 ff zum Lügengeist in den Propheten
und bei Job zum persönlichen Satan wird, und des „Zor-
nes des Herrn" (2 Sam 24,1), der in 1 Chr 21,1 unter dem
Eigennamen „Satan" erscheint, hat die alttestamentliche
Offenbarung über den Satan zugleich den Höhepunkt
ihrer Entwicklung erreicht und die spätjüdische Auffas-
sung vom Satan als Gegenspieler Gottes und Feind des
Menschen eingeleitet, die dann im Neuen Testament wei-
tergeführt und vollendet wird.
Die endgültige Antwort auf die Frage nach dem Teufel
erhalten wir erst durch Jesus Christus und die neutesta-
mentlichen Schriften. Im Johannesevangelium sagt Jesus
vom Teufel (Diabolos - Durcheinanderwerfer), daß er
„von Anfang an ein Menschenmörder war und in der
Wahrheit nicht feststeht, weil Wahrheit nicht in ihm ist.
Wenn er lügt, spricht er so recht aus seinem eigenen; denn
er ist ein Lügner und der Vater der Lüge" (Joh 8,44).
Zum rechten Verständnis dieses johanneischen Jesus-
wortes ist zu beachten, daß mit der zeitlichen Bestimmung
„von Anfang an" nicht der Uranfang der Schöpfung
gemeint sein kann, weil diese ja nach dem Wort Gottes
ursprünglich „sehr gut war" (Gen 1,31), sondern vielmehr
der Anfang der Heils- und Unheilsgeschichte, die mit dem
Sündenfall Satans und seiner Engel begann. Schon
damals, vor der Erschaffung des Menschen, stand der
Satan nicht in der Wahrheit, weil er die Wahrheit des gött-
lichen Offenbarungswortes und die Wahrheit seiner eige-
34
nen geschöpflichen Wirklichkeit nicht wahrhaben wollte.
Er wurde zum Lügner, weil er das nicht sein wollte, was er
durch Gott und vor ihm wirklich war. Statt das Heil, das
Gott ihm angeboten hatte, zu akzeptieren und die Aufga-
be, die Gott ihm zugedacht hatte, zu erfüllen, verweigerte
er Gott den Dienst und verschloß sich in autonomer
Selbstisolierung und Selbstvergottung der Gnade Gottes.
Indem er die göttliche Offenbarungswahrheit und Schöp-
fungswirklichkeit ablehnte, verkehrte er sein eigenes
Wesen zur Lüge und wurde so zum Vater der Lüge, der
„Gottes Wahrheit mit der Lüge vertauschte", was im
Römerbrief (1,25) von allen gesagt wird, „die an Stelle des
Schöpfers das Geschaffene anbetend verehren".
Als er dann den ersten Menschen zum Ungehorsam
gegen Gott verführt hatte, war er zum „Menschenmörder
von Anfang an" geworden, zum Gewalthaber über den
Tod (Hebr 2, 14). „Durch den Neid des Teufels kam die
Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod" (Weish 2,
24; Rom 5, 12). Zusammen mit dem Satan wurden „die
Engel, die ihre Würde nicht wahrten, sondern ihre Wohn-
stätte aufgaben" von Gott „für das Gericht des großen
Tages mit ewigen Fesseln in der Finsternis verwahrt" (Jud
6). Nach Offb 12, 7 ging die Auflehnung der Engel gegen
Gott von einem Anführer aus, der „Drache" genannt wird
und mit „seinen Engeln" gegen „Michael und seine
Engel" kämpfte. „Doch sie richteten nichts aus, und es
blieb kein Platz mehr für sie im Himmel" (Offb 12,8).
In den synoptischen Evangelien wird der Satan von den
Pharisäern und Schriftgelehrten „Beelzebul" genannt.
Dieser galt als „Oberster" oder „Fürst der Dämonen" (Mk
3, 22; Mt 12, 24; Lk 11, 15). Satan hat die Nähe und
35
Freundschaft Gottes verloren. Jesus sah ihn „wie einen
Blitz aus dem Himmel stürzen" (Lk 10, 18). „Gestürzt
wurde der große Drache, die alte Schlange, die den
Namen Teufel und Satan trägt, der den ganzen Erdkreis
verführt; er wurde hinabgestürzt auf die Erde, und seine
Engel wurden mit ihm gestürzt" (Offb 12,9).
36
Dennoch gerät der Mensch durch eigene Schuld in die
Sklaverei Satans, denn niemand kann von ihm zur Sünde
gezwungen, sondern nur versucht werden (1 Kor 7, 5).
Wer sündigt, ist aber vom Teufel, dessen Lebenselement
von Anfang an die Sünde ist (1 Joh 3,8). Er ist der Urheber
der Sünde, der „noch jetzt wirksam ist in den Söhnen des
Ungehorsams" (Eph 2, 2). Seine Macht übt er zusammen
mit den bösen Geistern (Dämonen) aus, die ihm unterwor-
fen sind (Mt 25,41; 2 Kor 12,7; Eph 6,12). Götzendienst (1
Kor 10, 20) und Zauberei gehen von ihm aus. Wie der
wahre Gott, sucht auch Satan, der „Gott dieser Welt",
Menschen, die ihn anbeten, wie die Versuchung Jesu zeigt
(Mt 4,9). Allezeit richtet sich sein Haß auf Jesus Christus
und gegen das mit ihm gekommene Gottesreich und seine
Zeugen.
Die Kirche wird von ihm von Anfang an angegriffen,
bekämpft und verfolgt. So verführte er den Judas zum
Verrat (Lk 22, 3; Joh 6, 70; 13, 2+27) und Ananias und
Saphira zum Betrug (Apg 5, 3). In den ersten Christenge-
meinden erregte er schon Spaltung und Zwietracht (2 Kor
2,11; Offb 2, 24) und suchte mit allen Mitteln die aposto-
lische Verkündigung, besonders das Wirken des Völker-
apostels zu hemmen (1 Thess 2,18; 3,5; 2 Kor 12,7). Auch
für manche Krankheiten ist er verantwortlich (Lk 13,16; 1
Kor 5, 5). Zu Smyrna hat er seine „Synagoge" (Offb 2, 9)
und in Pergamum, dem Zentrum des Kaiserkultes, seinen
„Sitz" (Offb 2, 13). Er steht hinter dem „Tier aus dem
Meer" und dem „Tier vom Festland" (Offb 13) und ver-
führt und beherrscht durch sie die Bewohner der Erde mit
Lüge und Gewaltherrschaft. „Es wurde ihm gegeben,
Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen, und
37
es wurde ihm Macht gegeben über jeden Stamm und jedes
Volk, jede Zunge und jede Nation" (Offb 13,7). Die Heili-
gen werden in die Gefangenschaft geführt und mit dem
Schwert getötet (Offb 13,10).
Doch die Herrschaft des Tieres ist nicht von Dauer,
denn es wird „ins Verderben gehen" (Offb 17,8). Die Heili-
gen werden mit Christus siegen, der den Teufel bereits
geschlagen und seine Herrschaft gebrochen hat (Joh 12,
31). Er ist ja gekommen, um die „Werke des Teufels zu
vernichten" (1 Joh 3, 8). Mit seinem Auftreten auf Erden
und seinem Tod am Kreuz ist der Sieg über den Satan
schon errungen (Joh 12, 32 f)- Der „Fürst dieser Welt" ist
durch Jesus Christus schon gerichtet, entmachtet und
„hinausgeworfen". Er ist der Stärkere, der den Starken
fesselt und ihm die Beute entreißt (Mk 3,27). Für die Jün-
ger Jesu ist freilich der Kampf gegen Satan und die „Welt-
herrscher der Finsternis" (Eph 6, 12) noch nicht beendet,
denn endgültig wird die Macht Satans erst bei der Wieder-
kunft Christi (Parusie) überwunden (Offb 12,10 ff / 20,9 f;
Mt 25, 41), wenn der Endsieg Jesu Christi im Endgericht
offenbar wird.
Schon jetzt aber wird die Herrschaft Gottes über den
Satan und sein Reich in den Teufelsaustreibungen sicht-
bar (Mk 1,23 ff; Mt 8,28 ff; 17,14 ff; Apg 5,16; 8,7; 16,16;
19, 12), die von Jesus und den von ihm bevollmächtigten
Jüngern gewirkt werden und das bereits gegenwärtige
Gottesreich zeichenhaft bezeugen. Die Befreiung der
Besessenen aus der Gewaltherrschaft des Teufels zeigt an,
daß in Jesus, seinem Wort und Werk, die Gottesherrschaft
angebrochen ist und die Satansherrschaft überwunden
wird (Lk 11,20).
38
Die Berichte über die Dämonenaustreibung gehören
übrigens zur ältesten Schicht der synoptischen Überliefe-
rung und können als geschichtliche Tatsachen nicht
bestritten und entmythologisiert werden. Da es heute
immer noch Fälle dämonischer Besessenheit gibt und die
„Macht der Finsternis" immer noch ihre „Stunde" hat -
man braucht nur an die Massenverführung und den Mas-
senabfall vom Glauben zu erinnern, von der Eskalation
der Verbrechen und Unmoral ganz zu schweigen - sollten
die Gläubigen nüchtern und wachsam sein, denn „der
Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen
er verschlingen könne" (1 Petr 5,8).
39
Heute hat er viele Menschen unter seine Sünden- und
Todesherrschaft gebracht und seine Macht wird um so
größer, je näher die Vernichtung des Antichristen (2 Thess
2, 8) und das „Ende aller Dinge" (1 Petr 4,7) heranrückt.
Der Teufel weiß, daß „seine Zeit kurz ist" (Offb 12, 12)
und der „Tag des Herrn" (Apg 2, 20) bald kommen wird,
deshalb steigert er seinen Zorn und seine Aktivität. In den
letzten Zeiten wird seine Herrschaft ihren Höhepunkt
erreichen. Die „Epoche des Teufels" 8 oder die „endzeitli-
che Großoffensive Satans" 9 scheint bereits angebrochen
zu sein.
Die Erfolge Satans in Kirche und Welt sind heute in der
Tat ungeheuerlich. Ihren Gipfel erreichen sie in jener
Richtung der modernen Theologie, die nicht nur die Exi-
stenz des persönlichen Teufels, sondern auch die des per-
sönlichen, trinitarischen Gottes leugnet. Da diese finste-
ren Irrlehren in der Gegenwart wie eine Epidemie um sich
greifen und selbst bei rechtgläubigen Christen Verun-
sicherung und Verwirrung auslösen können, sah sich das
Lehramt der Kirche veranlaßt, die biblische Lehre und
den christlichen Glauben bezüglich des Teufels und der
Dämonen neu zu bekräftigen.
Papst Paul VI. tat dies am 29. Juni 1972, am Fest der
Apostelfürsten Petrus und Paulus, als er anläßlich des
neunten Jahrestages seiner Krönung in einer Homilie vor
den Kardinälen, dem Diplomatischen Korps und zahlrei-
chen Gläubigen mit bewegter Stimme sagte: „Wir haben
den Eindruck, daß der Rauch Satans durch irgendeinen
Riß in den Tempel Gottes eingedrungen ist. Es ist der
Zweifel, die Unsicherheit, die Infragestellung, die Unru-
he, die Unzufriedenheit, die Auseinandersetzung. Man
40
hat kein Vertrauen mehr zur Kirche ... Der Zweifel ist
durch Fenster eingedrungen, die nur für das Licht geöff-
net sein dürfen ... Man hätte meinen sollen, nach dem
Konzil würde die Sonne über der Geschichte der Kirche
scheinen. Statt der Sonne aber haben wir die Wolken, den
Sturm, die Finsternis, das Suchen, die Ungewißheit. Wir
predigen den Ökumenismus und wir trennen uns täglich
mehr voneinander. Wir reißen Abgründe auf, statt sie zu-
zuschütten.
41
Im ersten Teil der Ansprache betrachtet der Papst das
menschliche Leben und die Schöpfung Gottes, das gött-
liche Geheimnis der Erlösung und das übernatürliche
Endziel des ganzen Universums und erklärt, daß, „die
christliche Sicht des Kosmos und des Lebens von einem
siegesbewußten Optimismus erfüllt" ist. Dann ergänzt er
diese Sicht der Dinge durch den Hinweis auf die Wirklich-
keit des Übels in der Geschichte, das als „das sittlich Böse
... zugleich gegen den Menschen und gegen Gott gerichtet
ist". Dann erläutert der Heilige Vater in einem kurzen
Überblick die Lehre der Heiligen Schrift über das Böse
und den Bösen und bemerkt im Anschluß daran, daß „die-
ses Kapitel über den Teufel und über den Einfluß, den er
auf die einzelnen Menschen wie auf die Gemeinschaft, auf
ganze Gesellschaften oder auf die Ereignisse auszuüben
vermag, als ein sehr wichtiger Abschnitt der katholischen
Lehre neu zu durchdenken wäre, was heute aber kaum der
Fall ist".
42
beide ... auf die Skepsis des Menschen der naturwissen-
schaftlich exakten Empirie stoßen" 12
Demgegenüber ist zu bedenken, daß das Totschweigen
oder gar die Leugnung der Existenz Satans und seines
Wirkens in unserer dämonisierten Welt für viele Men-
schen eine ernste Gefährdung ihres Heils bedeuten kann.
Wenn man den hinterhältigen Todfeind des Menschen -
und das ist der Teufel - nicht mehr ernstnimmt und seine
finsteren Anschläge und Machenschaften nicht mehr
bekämpft, steht das ewige Heil vieler Menschen in Frage.
Ferner dürfte es nicht zutreffen, daß der „Mensch der
naturwissenschaftlich exakten Empirie" wenig Verständ-
nis für übersinnliche Phänomene habe. Eher scheint das
Gegenteil der Fall zu sein, wie das große Interesse für
parapsychologische Fragen (Psi) und der weltweite Rum-
mel um den Film »Der Exorzist« beweist.
Ausschlaggebend für eine intensivere Erörterung der
Dämonologie in der Theologie sind letztlich rein theologi-
sche Gründe. Und gerade diese Gründe legen im Zeitalter
der Entmythologisierung, wo der Teufel als personales
Wesen geleugnet wird, eine vertiefte Erforschung und
Verkündigung des Geheimnisses der Bosheit (mysterium
iniquitatis) dringend nahe.
Der Traktat über den Teufel ist keineswegs ein periphe-
res Thema oder eine Randerscheinung der christlichen
Theologie. Mit dem Glauben an den Teufel und sein
geschichtsmächtiges Wirken steht und fällt nicht nur die
christliche Lehre von den letzten Dingen (Eschatologie),
sondern auch die Lehre von der Erlösung (Soteriologie)
und damit auch die Lehre vom Erlöser (Christologie).
Letztere aber steht schließlich in einem notwendigen
43
Zusammenhang mit der Gotteslehre im engeren Sinn,
d.h. mit der Theologie schlechthin. Es ist gewiß nicht
zufallig, wenn die Theologie, die mit der Entmythologisie-
rung des Teufels begonnen hat, in letzter Konsequenz mit
der Entmythologisierung und Leugnung Gottes endet.
(Wir haben dies bereits angedeutet und wollen später noch
ausführlicher darauf eingehen). Wenn also mit der Sata-
nologie tatsächlich die gesamte christliche Theologie steht
und fällt, ist es nicht verantwortbar, diese Lehre vom Teu-
fel an den Rand zu drängen oder gar totzuschweigen.
Paul VI. vertritt mit Recht die Meinung, daß die theolo-
gische Auseinandersetzung mit dem Teufel und seinem
Einfluß in der Welt heute dringend notwendig ist. Im letz-
ten Teil seiner Ansprache vom 15. November 1972 fragt
der Papst nach den Anzeichen, die für das tatsächliche
Wirken des Teufels sprechen und nach den Mitteln, die
zur Verteidigung gegen ihn angewandt werden können.
Auf die erste Frage antwortet er: „Wir werden sein unheil-
volles Wirken überall dort vermuten können, wo die Leug-
nung Gottes radikale, scharfe und absurde Formen an-
nimmt, wo die Lüge sich heuchlerisch und mächtig gegen
die offenkundige Wahrheit behauptet, wo die Liebe von
einem kalten, brutalen Egoismus ausgelöscht wird, wo der
Name Christi mit bewußtem und aufrührerischem Haß
bekämpft wird (vgl. 1 Kor 16, 22 /12, 3), wo der Geist des
Evangeliums ins Reich der Märchen verbannt und ver-
leugnet wird, wo die Verzweiflung das letzte Wort behält
44
zur zweiten Frage: Wie kann man sich gegen das Wirken
des Teufels verteidigen? Die Antwort ist einfach zu formu-
lieren, wenn auch ihre Durchführung schwierig ist. Wir
können sagen: Alles, war uns vor der Sünde bewahrt,
schützt uns eben dadurch vor dem unsichtbaren Feind.
Die Gnade ist und bleibt die entscheidende Verteidigung.
Das Freisein von Sünde erweist sich gleichfalls als Stärke.
Und jeder erinnert sich, wie die Apostel in ihrer Unterwei-
sung die Rüstung eines Soldaten als Symbol für die Tugen-
den verwandten, die den Christen unverletzbar machen
können (vgl. Rom 13,12; Eph 6,11 / 6,14-17; 1 Thess 5,8).
Der Christ muß gleichsam ein Soldat sein, muß wachsam
und tapfer sein (1 Petr 5,8). Er muß bisweilen zu besonde-
ren asketischen Übungen greifen, um bestimmte Angriffe
des Teufels abzuwehren. Jesus belehrt den Christen durch
den Hinweis auf das Heilmittel „Gebet und Fasten" (Mk
9,29). Der Apostel rät ihm, als wesentliche Richtlinie ein-
zuhalten: „Laß dich nicht vom Bösen überwinden, son-
dern überwinde das Böse durch das Gute" (Rom 12, 21;
Mt 13,29).
Während die lichtvollen Worte des Papstes von vielen
rechtgläubigen Christen dankbar begrüßt wurden, rea-
gierten die Söhne der Finsternis teils mit mitleidigem
Lächeln auf diesen „Rückfall ins Mittelalter", teils ließen
sie sich in blinder Arroganz zu schulmeisterlichen, ja
sogar höhnischen und spöttischen Bemerkungen gegen
Paul VI. hinreißen. Die Verblendung mancher „mündiger
Christen" äußerte sich in Formen, wie sie ähnlich nach der
Enzyklika „Humanae vitae" (1968) zu beobachten waren,
wenngleich nicht mit derselben Heftigkeit und Schärfe
wie damals.
45
Der Zusammenhang beider Ereignisse scheint ver-
ständlich. Denn die durch die sexuelle Revolution abge-
stumpften Seelen haben die Antenne für geistige Realitä-
ten weithin verloren und sind damit auch blind geworden
für den Satan, den geistigen Vater der gott- und men-
schenfeindlichen sexuellen Entartung, Verirrung und Ver-
wirrung unserer Zeit. Die profilierten „katholischen" Irr-
lehrer haben sich nach der päpstlichen Lektion im Jahr
1972 nicht nur nicht zur Wahrheit bekehrt, einige von
ihnen haben sogar den wahnwitzigen Versuch unternom-
men, den Irrglauben pseudowissenschaftlich zu begrün-
den.
In dem 1974 erschienenen Buch »Teufelsglaube« haben
sie die Frage: Sind die biblischen Aussagen über Satan,
Teufel, Dämonen und böse Geister verbindliche Glau-
bensaussagen, so daß sie uns zum Glauben an böse außer-
weltliche und personale Mächte verpflichten? ... mit
einem deutlichen Nein beantwortet (S.24). Im Schlußwort
dieses Buches, das „zu einem reineren und reiferen Glau-
ben führen will", wird sogar behauptet, „daß wir es beim
Teufelsglauben mit etwas Heidnischem und zutiefst
Unchristlichem zu tun haben. So ist der Glaube an Dämo-
nen von der Religion Israels immer als etwas mit der
Offenbarung Gottes Unverträgliches angesehen worden.
Außer Gott gibt es in Glauben Israels keine überirdischen
Mächte, die im Leben des Menschen eine Rolle spielen ...
Das Alte Testament als Ganzes ist eine einzige Verurtei-
lung jedes Teufelsglaubens ...
Aber auch die Satansaussagen des Neuen Testaments
sind ... nicht Zeugnisse einer verbindlichen göttlichen
Offenbarung. Satan war nicht Gegenstand der Verkündi-
46
gung Jesu noch hat Jesus sein Wirken als Kampf gegen
den Satan verstanden. Ihm ging es um das Heil der Men-
schen und ihre Befreiung von der Sünde, die in den Vor-
stellungen des damaligen Judentums mit der Gestalt des
Satans in Verbindung gebracht wurde. Daß Jesus den
Satansglauben seiner jüdischen Umwelt deutlich zurück-
gewiesen hat, konnte jedoch nicht verhindern, daß sich
dieser in den neutestamentlichen Schriften in verschiede-
ner Weise Raum zu verschaffen wußte ...
Der Teufel ist für die Erklärung des Bösen in der Welt
nicht nur unbrauchbar, er ist auch unnötig. Die empiri-
schen Wissenschaften, denen wir unter anderem den Ein-
blick in die evolutive Entstehung der Welt verdanken, leh-
ren uns auch das Böse neu verstehen. Im Hinblick auf die
Evolution sagt R Teilhard de Chardin: ,Die unvermeidli-
che Schattenseite des Gelingens, das durch einen derarti-
gen Prozeß verwirklicht wird, ist doch, daß der Erfolg mit
einem gewissen Prozentsatz von Abfall bezahlt werden
muß. In der Ordnung des Anorganischen sind es physi-
sche Mißtöne und Zerstörungen, in der des Lebens ist es
das Leiden, und in der der Freiheit ist es die Sünde: Es gibt
keine Ordnung im Werden, die nicht auf allen Stufen
Unordnung in sich schließt' (Zitiert bei A. Haas, »Teilhard
de Chardin Lexikon II«, Freiburg 1971,354).
Noch wichtiger jedoch scheint mir eine andere Erkennt-
nis zu sein: daß der christliche Glaube mit dem Abschied
vom Teufel nichts verliert, sondern nur gewinnt. Die Bot-
schaft des Evangeliums, die weithin in eine Drohbotschaft
vom Teufel verkehrt worden war, wird wieder zur unge-
schmälerten Frohbotschaft Gottes ... Gerade weil Jesus
seine Sendung nicht darin gesehen hat, den Satan zu über-
47
winden, sondern den Menschen die Liebe Gottes in seiner
Liebe nahezubringen - eine Liebe, die er am Kreuz vollen-
dete - bleibt er der ,Anführer auf dem Weg ins Leben'
(Apg 3,15). In seiner Nachfolge weiß sich der Christ beru-
fen, mit dem Bösen in der Welt zu leben und das Böse
durch das Gute zu überwinden (Rom 12,21).
Deshalb kann der Kreuzestod Jesu ohne Teufel auch
nicht das Geringste an Bedeutung und Wert verlieren. Er
bleibt das erschütternde Manifest der vergebenden Liebe
Gottes zu den Menschen und die allein gültige Weisung
für den Gläubigen. Denn nur die Kraft der Liebe vermag
die verhängnisvolle Übermacht des Bösen zu durchbre-
chen und zu mindern. Deshalb bedarf ein Evangelium, das
nichts weiß,,außer Jesus Christus, und zwar den Gekreu-
zigten' (1 Kor 2, 2) keiner Ergänzung durch den Teufel"
(S. 503 ff).
Es ist klar, daß derart massive Angriffe auf die Wahr-
heit des Evangeliums nicht ohne Antwort von Seiten des
kirchlichen Lehramts bleiben konnten. Früher hätte man
Häretiker wie Professor Haag und Genossen zum Wider-
rufaufgefordert und sie im Falle der Weigerung von ihren
theologischen Lehrstühlen gejagt und aus der Gemein-
schaft der Kirche, deren Glauben sie provokativ leugnen,
ausgeschlossen. Heute ist man zur Freude der Antichri-
sten und zum Jaulen der Hölle gegen Irrlehrer dieser Art
noch „barmherzig" und „tolerant" und begnügt sich im
Kampf gegen ihre verderbliche Pseudotheologie mit
„Erklärungen". Ob dieser neue Stil im Zeitalter des „Plu-
ralismus" in einem ursächlichen Zusammenhang steht
mit dem „Rauch Satans", der nach Papst Paul VI. durch
„irgendeinen Riß in den Tempel Gottes" und nach Mei-
48
nung anderer sogar durch weitgeöffnete Fenster und
Türen in das Innere des Vatikans eingedrungen ist?
Wie dem auch sei, jedenfalls kam die „Erklärung" der
Kongregation für die Glaubenslehre am 25. Juni 1975.
Das Thema: „Christlicher Glaube und Dämonenlehre". 13
Das Dokument, das von theologischer Tiefgründigkeit
und umfassender Sachkenntnis zeugt, geht von der Glau-
bensnot unserer Tage aus und nennt die verschiedenen
Meinungen, die heute über den Satan und die Dämonen
vertreten werden. So „sind manche der Ansicht, daß jed-
wede Stellungnahme unmöglich sei, geradeso, als ob man
die Frage einfach auf sich beruhen lassen könne. Sie
führen ins Feld, daß die Bücher der Heiligen Schrift es
nicht zuließen, sich für oder gegen die Existenz des Satans
und seiner Dämonen auszusprechen. Weit häufiger je-
doch wird die Existenz des Teufels offen in Zweifel gezo-
gen. Manche Kritiker meinen, die Haltung Christi in die-
ser Frage ausmachen zu können. Sie geben an, daß keines
der Herrenworte die Wirklichkeit der Dämonenwelt als
erwiesen hinstelle. Dort, wo die Existenz der Dämonen-
welt bejaht wurde, werde lediglich das entsprechende
jüdische Schrifttum wiedergegeben, oder die Stellen hin-
gen von der neutestamentlichen Überlieferung und nicht
von Christus ab, da sie nicht Teil der zentralen Frohbot-
schaft seien, noch unseren Glauben fördern und uns damit
freistellen, sie aufzugeben.
Andere wiederum, weit objektiver, aber gleichzeitig
radikaler, nehmen die Aussagen der Heiligen Schrift über
die Dämonen in ihrer wörtlichen Bedeutung; sie fügen
aber sofort hinzu, daß sie in der Welt von heute unan-
nehmbar seien, auch für die Christen. Auch sie geben
49
diese Stellen auf. Für einige schließlich hat die Idee vom
Satan, welchen Ursprung sie auch immer hat, keine Be-
deutung mehr ... Für die einen wie für die anderen seien
die Namen Satan oder Teufel nichts anderes als Personifi-
kationen, die dem Mythos entstammen oder irgendeine
Aufgabe zu erfüllen haben. Sie hätten nur den Sinn, den
Einfluß des Bösen und der Sünde auf die Menschheit dra-
matisch zu unterstreichen. Lediglich also eine Redeweise,
die unsere Zeit entmythologisieren sollte, um für die Gläu-
bigen einen neuen Weg zu finden, ihnen die Verpflichtung
einzuschärfen, mit ganzer Kraft gegen das Böse in der
Welt zu kämpfen.
Diese Stellungnahmen, die immer wieder mit dem
Anschein der Wissenschaftlichkeit vorgetragen und von
Zeitschriften und gewissen theologischen Wörterbüchern
verbreitet werden, können die Geister nur verwirren."
Im folgenden untersucht die „Erklärung" die wirk-
lichen Aussagen des Neuen Testaments und stellt zu-
nächst fest, daß Jesus nicht einfach den Dämonenglaube
seiner Zeitgenossen übernommen haben könne, weil eben
nicht alle den gleichen Engel- und Dämonenglauben hat-
ten. Die Sadduzäer glaubten z.B. im Gegensatz zu den
Pharisäern weder an eine Auferstehung noch an Engel
oder Geister. „Wie kann man daher behaupten, Jesus und
mit ihm die Schriftsteller des Neuen Testamentes hätten
in der Ausübung und Übertragung der Gewalt der Teu-
felsaustreibung an andere nichts weiter getan als kritiklos
die Ideen und Praktiken ihrer Zeit anzuwenden? Sicher-
lich, Christus und noch mehr die Apostel waren Kinder
ihrer Zeit und machten sich deren Kultur zu eigen. Doch
hat Jesus Christus auf Grund seiner göttlichen Natur und
50
der Offenbarung, die mitzuteilen er gekommen war, seine
Umwelt und seine Zeit überragt und sich von ihrem
bestimmenden Einfluß freigemacht. Es genügt übrigens,
die Bergpredigt zu lesen, um sich von seiner geistigen Frei-
heit und von seiner Überlieferungstreue zu überzeugen ...
Als die Pharisäer ihn anklagten, die Dämonen zusammen
mit dem Anführer der bösen Geister auszutreiben, hätte er
sich ihren Unterstellungen entziehen können, indem er
sich den Sadduzäern anschloß. Doch dadurch hätte er sein
Wesen und seine Sendung geleugnet. Er mußte also, ohne
den Glauben an die Geisterwelt und die Auferstehung auf-
zugeben, den er mit den Pharisäern gemeinsam hatte, sich
von ihnen lossagen und sich in nicht geringerem Maße
auch den Sadduzäern widersetzen. Wenn man also heute
behaupten will, daß die Aussagen Jesu über den Satan nur
einer seiner kulturellen Umwelt entlehnten Lehre Aus-
druck gäben, erscheint dies von vornherein als eine Auf-
fassung, die sehr wenig über die damalige Zeit und die
Persönlichkeit des Meisters informiert ist...
Auch die wichtigsten Heilungen der Besessenen wurden
von Christus in Augenblicken gewirkt, die in den Berich-
ten über seine Heilstätigkeit entscheidend sind ... Ohne
den Satan jemals zum Mittelpunkt seiner Verkündigung
zu machen, sprach Jesus von ihm nur in den offensichtlich
entscheidenden Augenblicken, und zwar in wichtigen
Erklärungen ... Die Aussagen fügen sich gut in das Ganze
ein, sie wiederholen sich immer wieder und stimmen auch
inhaltlich überein; sie sind nicht zufällig, und es ist nicht
möglich, sie wie erfundene Begebenheiten zu behandeln,
die es zu entmythologisieren gilt... Der Satan, dem Jesus
mit seinen Teufelsaustreibungen entgegengetreten ist,
51
dem er begegnet ist in der Wüste und in der Stunde seines
Leidens, kann nicht einfach das Produkt der mensch-
lichen Gabe sein, Märchen erzählen zu können und Ideen
zu personifizieren ..."
In den Schriften des hl. Paulus wird zwischen Sünde
und Satan klar unterschieden. „In der Sünde sieht Paulus
nämlich vor allem das, was sie wesentlich ist: ein persona-
ler Akt des Menschen und auch der Zustand der Schuld
und Verblendung, in den der Satan den Menschen effektiv
zu stoßen und darin zu belassen versucht (Eph 2, 1-2;
2 Thess 2, 11; 2 Kor 4, 4 ) . . . Der Apostel... fordert, dem
Satan zu widerstehen (Eph 6, 11-16), sich nicht von ihm
beherrschen zu lassen; ihm keine Gelegenheit oder Nach-
giebigkeit einzuräumen (Eph 4,27; 1 Kor 7,5) und ihn mit
Füßen zu treten (Rom 16, 20). Denn für ihn ist Satan ein
persönliches Wesen, ,der Gott dieser Welt' (2 Kor 4,4), ein
hinterlistiger Widersacher der verschieden ist von uns
Menschen und von der Sünde, die er uns einflüstert. Wie
das Evangelium sieht ihn auch der Apostel wirksam wer-
den im geschichtlichen Verlauf der Welt, in dem, was er
als das .Geheimnis der Bosheit' bezeichnet (2 Thess 2, 7)
... und schließlich in dem endzeitlichen Abfall, der zur
Anbetung des Menschen führt, der sich an die Stelle Got-
tes setzt (2 Thess 2,3-4 / 9-11). Sicher ist, daß der Satan zur
Sünde verführt, aber er ist verschieden von dem Bösen,
das er vollbringen läßt."
Dieselbe Lehre enthält auch die geheime Offenbarung
und das Johannesevangelium, wo der Teufel niemals eine
Personifizierung der Sünde oder der Versuchung ist.
Nach dem kurzen Überblick über die Lehre der Kir-
chenväter wendet sich die „Erklärung" dem 4. Lateran-
52
konzil (1215) zu, das die wichtigste dogmatische Lehr-
entscheidung über die Dämonen im Laufe der Kirchen-
geschichte verkündet hat. Diese dogmatische Aussage
lautet: „Wir glauben fest und bekennen mit aufrichtigem
Herzen ..., daß Gott der eine Ursprung aller Dinge ist, der
Schöpfer der sichtbaren und unsichtbaren, der geistigen
und körperlichen Wesen. Er hat in seiner allmächtigen
Kraft zu Anfang der Zeit in gleicher Weise beide Ordnun-
gen der Schöpfung aus dem Nichts geschaffen, die geistige
und körperliche, das heißt die Engelwelt, die irdische Welt
und dann die Menschenwelt, die gewissermaßen beide
umfaßt, da sie aus Geist und Körper besteht. Denn der
Teufel und die anderen bösen Geister sind von Gott ihrer
Natur nach gut geschaffen, aber sie sind durch sich selbst
schlecht geworden. Der Mensch jedoch sündigt auf Einge-
bung des Teufels."
Nachdem dieser Text gründlich interpretiert und die
Vorgeschichte der Lehraussage, ihr zeitgeschichtlicher
Hintergrund und ihre dogmatische Bedeutung aufgezeigt
worden ist, wird die Lehre der Päpste und der Konzilien
kurz erwähnt.
Auch das II.Vatikanische Konzil, das sich mehr für die
Gegenwart der Kirche als für die Lehre der Schöpfung
interessierte, hat es nicht unterlassen, zur Wachsamkeit
gegenüber dem Wirken Satans und der Dämonen aufzu-
rufen. Wie die Konzilien von Florenz und Trient hat es mit
dem Apostel daran erinnert, daß Christus uns „aus der
Macht der Finsternis befreit". Indem die Konstitution
Gaudium et spes nach der Art des hl. Paulus und der Apo-
kalypse die Heilige Schrift zusammenfaßt, sagt sie, daß
unsere Geschichte, die Gesamtgeschichte, „ein harter
53
Kampf ist gegen die Mächte der Finsternis, ein Kampf,
der schon am Anfang der Welt begann, und, nach dem
Wort des Herrn, bis zum letzten Tag andauern wird".
An anderer Stelle wiederholt das II. Vatikanische Kon-
zil die Ermahnungen des Ephesserbriefes, „die Waffenrü-
stung Gottes anzulegen, um den Ränken des Teufels
widerstehen zu können". Denn wir müssen, wie dieselbe
Konstitution die Laien erinnert, „kämpfen gegen die fin-
steren Weltherrscher und die bösen Geister". Es über-
rascht schließlich auch nicht, daß dasselbe Konzil, wo es
die Kirche als das bereits begonnene Reich Gottes darzu-
stellen beabsichtigt, auf die Wunder Jesu hinweist und zu
diesem Zweck gerade die Exorzismen anführt. Es war
genau in diesem Zusammenhang, daß Jesus das bekannte
Wort gesprochen hat: „So ist also das Reich Gottes zu
euch gekommen."
Im Anschluß daran zeigt die „Erklärung", daß die
Liturgie als „der konkrete Ausdruck des gelebten Glau-
bens" Zeugnis ablegt vom Wirken der Dämonen, indem
sie auf die Gefahren hinweist, die uns von ihnen drohen
und uns im Kampf gegen sie hilft. Wenn auch durch die
neue Liturgiereform „das besondere Amt des Exorzisten
in unseren Tagen noch nicht völlig abgeschafft ist, so ist es
doch auf einen gelegentlichen Dienst reduziert und kann
de facto nur noch mit Erlaubnis der Bischöfe ausgeübt
werden, ohne daß ein besonderer Ritus für dessen Vollzug
vorgesehen ist. Eine solche Regelung bedeutet natürlich
nicht, daß der Priester nicht mehr die Macht zur Aus-
übung des Exorzismus hat, noch daß er ihn nicht mehr
vollziehen darf. Dennoch verpflichtet uns dies, festzustel-
len, daß die Kirche dadurch, daß sie diesem Amt keine
54
spezifische Handlungsweise mehr zuteilt, den Exorzismen
nicht mehr die Bedeutung zuerkennt, die sie in den ersten
Jahrhunderten gehabt haben. Diese Entwicklung verdient
durchaus in Erwägung gezogen zu werden."
Für diejenigen, die in der Liturgiereform noch andere
schwache Stellen meinen beklagen zu müssen, bleibt ein
zweifacher Trost: Liturgische Reformen sind nicht ewig
und nach dem II. Vatikanischen Konzil schneller möglich
als früher, weil der reformatorische Grundsatz „Ecclesia
Semper reformanda", den die Katholische Kirche auf die-
sem Konzil übernommen hat, immer und allezeit (semper)
ermöglicht, Fehler und Fehlentwicklungen zu beseitigen.
Jedenfalls wird die geschichtliche Entwicklung in der Kir-
che und in der Welt dazu beitragen, daß der Glaube an die
Macht Satans und der Dämonen wie auch die Einsicht in
Bedeutung und Notwendigkeit der Exorzismen in der Kir-
che nicht schwächer, sondern stärker werden wird.
Es ist übrigens „falsch zu behaupten, daß die Exorzis-
men vom neuen Taufrituale abgeschafft worden seien. Der
Irrtum ist so offenkundig, da das neue Ritual für das
Katechumenat vor den gewöhnlichen, sog. .größeren'
Exorzismen sogar noch .kleinere' Exorzismen eingefügt
hat, die über die ganze Dauer des Katechumenates verteilt
sind und in der Vergangenheit unbekannt waren. Die
Exorzismen bleiben also erhalten. Heute wie gestern bitten
sie um den Sieg über ,Satan', ,den Teufel', ,den Fürsten
dieser Welt' und die ,Mächte der Finsternis' ... Die Feier
der Kindertaufe bewahrt ebenfalls, was auch immer man
darüber sagt, einen Exorzismus, was nicht bedeutet, daß
die Kirche diese Kinder als vom Satan besessen betrach-
tet; doch glaubt sie, daß auch sie aller Wirkungen der Erlö-
55
sung Christi bedürfen. Vor der Taufe trägt nämlich jeder
Mensch, das Kind wie der Erwachsene, das Zeichen der
Sünde und der Einwirkungen Satans." Auch bei der Spen-
dung der übrigen Sakramente wird der Glaube an das
Geheimnis des Bösen in keiner Weise verleugnet.
Der Schlußteil der Erklärung bekräftigt noch einmal
die klare und feste Lehre der Kirche über die dämonischen
Mächte, die im Laufe der Jahrhunderte nie in Frage
gestellt worden war, weshalb es bisher für die Kirche noch
nicht notwendig gewesen ist, die Existenz Satans und der
Dämonen von Seiten des Lehramtes dogmatisch zu defi-
nieren. Der Glaube an das Wirken des Teufels und der
bösen Geister geht auf Jesus Christus zurück und ist
untrennbar mit dem Geheimnis der Erlösung verbunden.
Es folgt schließlich die Feststellung Papst Pauls VI., daß
derjenige, der die „furchtbare, geheimnisvolle und beäng-
stigende Wirklichkeit" des Bösen, das eine lebendige, gei-
stige Wesenheit ist, nicht anerkennt, „den Bereich der bib-
lischen und kirchlichen Lehre verläßt; ebenso wer aus ihr
ein in sich stehendes Prinzip macht, das nicht wie jegliche
Kreatur von Gott seinen Ursprung hat, oder wer sie als
eine Pseudo-Realität, als eine begriffliche und phantasie-
volle Personifizierung der unbekannten Ursachen unser
Übel erklärt".
Roma locuta - causa finita? Keineswegs gilt dies für die
Häretiker von heute. Prof. Haag schrieb in seinem Teufels-
buch (1974), ein Jahr vor der Veröffentlichung des römi-
schen Dokuments, „daß der Teufelsglaube ein Anachro-
nismus ist, und zwar nicht nur für den aufgeklärten'
Bürger des 20. Jahrhunderts, sondern gerade auch für den
Christen" (S. 388).
56
Als Christ protestiere ich gegen diese verstiegene An-
maßung und weise sie mit der Behauptung zurück, daß die
Leugnung Satans und der Dämonen in der Tat „einem
Verrat am Neuen Testament gleichkommt", genauer
gesagt, einem Verrat am Evangelium Jesu. Jeder Christ,
der am Glauben der Kirche festhält, darf mit Recht for-
dern, daß diejenigen, die diesen Glauben verraten, die Kir-
che verlassen, zu der sie nicht mehr gehören, oder zum
Glauben der Kirche zurückkehren. Wenn sie jedoch mei-
nen, vor ihrem Gewissen die Rückkehr zum Glauben
nicht mehr vollziehen zu können, sollten sie den Mut
haben, die Konsequenz zu ziehen, die ein redlicher
Mensch einfach ziehen muß: sie sollten Abschied von der
Kirche nehmen.
Prof. Haag hat dies noch nicht getan, er hat sich aber
auch von seiner Irrlehre noch nicht distanziert. Im Gegen-
teil. Auch nach der Erklärung der Glaubenskongregation
ist er im Abseits geblieben, wie aus einem Vortrag hervor-
geht, den er als Antwort auf die „Erklärung" im West-
deutschen Rundfunk gehalten hat. Danach findet es der
Irrlehrer zunächst befremdlich, daß sich ein vatikanisches
Dokument mit dem Teufel befaßt, das nicht einmal eine
offizielle Verlautbarung des kirchlichen Lehramtes sei,
sondern nur eine anonyme, von einem „Experten" verfaß-
te und von der Glaubenskongregation als „sichere Basis"
empfohlene Studie.
Wenn es freilich zuträfe, was sowohl Befürworter als
auch Kritiker der römischen „Erklärung" vermuten, daß
nämlich diese Form der Erklärung deswegen gewählt
wurde, weil nicht alle römischen Prälaten oder Theologen
bereit gewesen seien, ihren Namen unter dieses Dokument
57
einer in progressistischer Sicht „fraglichen Glaubensver-
pflichtung" zu setzen, dann wäre dies freilich noch kein
Beweis für die Nichtexistenz der dämonischen Mächte,
wohl aber der sicherste Beweis dafür, daß der Satan und
einige seiner „Theologen" auch im Vatikan sitzen und
sogar in der Glaubenskongregation ihren destruktiven
Einfluß ausüben. (Satan ist ja schon im Neuen Testament
als Geist der Spaltung am Werk).
Wenn es ferner wahr ist, daß der Präfekt dieser Kongre-
gation in den letzten Jahren schon mehrmals um die Ent-
lassung aus seiner Verantwortung gebeten habe, weil er
mit dem Arbeitsstil dieser Kongregation nicht mehr ein-
verstanden sei, so wäre dies eine mögliche Bestätigung
unserer These. Jedenfalls ist Prof. Haag nach wie vor der
Meinung, daß sich der Teufelsglaube nicht aus der Heili-
gen Schrift erheben läßt, und er fragt deshalb, worin dann
eigentlich seine Heilsnotwendigkeit bestehen soll und was
der Christ, der an Teufel und Dämonen glaubt, dem vor-
aus habe, der „nur" an Gott und Jesus Christus glaubt?
„Das eigentlich Befremdliche an dem jüngsten vatikani-
schen Dokument über die Dämonenlehre", so schloß
Haag wörtlich seinen Vortrag, sei allerdings „nicht seine
Anonymität, nicht seine wissenschaftliche Unzulänglich-
keit, nicht einmal seine Unfähigkeit, auf andere Positio-
nen zu hören und sich mit deren Argumenten auseinan-
derzusetzen", sondern vielmehr die Tatsache, daß es „in
der heutigen Stunde, in der namenlosen Not der Kirche"
überhaupt geschrieben und veröffentlicht wurde.
In unserer Zeit, „die von weltweiten, wirtschaftlichen,
politischen und religiösen Problemen geschüttelt wird, wo
der Mensch um seine existentielle Grundlage bangt, wo
58
viele Gläubige sich resigniert von der Kirche zurückzie-
hen, weil sie dort doch keine Lösung für ihre Fragen zu
finden glauben, wo Altes zerbrochen und Neues noch
nicht sichtbar ist, in einer Zeit, wo der Mensch, Christ oder
nicht, nach einer Lebenshilfe schreit - da weiß dieses römi-
sche Dokument nichts Wichtigeres zu tun, als die Men-
schen zu ermahnen, nicht etwa fester an Gott zu glauben
und auf ihn zu vertrauen, sondern fester an den Teufel zu
glauben. Es weiß nichts anderes zu tun, als die alte, her-
kömmliche und im Grund heidnische Lehre von Teufeln
und Dämonen in aller Breite und behäbiger Gewichtigkeit
wieder aufzulegen, ohne Verständnis für die Glaubensnot
und das Desinteresse vieler Gläubigen, allein darauf be-
dacht, daß nur kein Jota von einem vermeintlichen Glau-
bensgut, das ohnehin nur noch ein kleiner Teil der Gläubi-
gen akzeptiert, verloren gehe. Statt Ballast abzuwerfen,
hegt und pflegt man alte Lasten, statt zu heilen und zu hel-
fen, rückt man Randerscheinungen in die Mitte, statt den
Menschen für einen echten Gottesglauben frei zu machen,
bindet man ihn an unnötige und hinderliche Fesseln." 14
59
liest, wird kein einziges Wort finden, das eine derartige
Unterstellung rechtfertigen würde.
Und daß die römische Erklärung nicht dem Menschen
in seiner Glaubensnot helfen wolle, ist ebenso falsch. Das
Gegenteil ist der Fall. Freilich wird hier der wirklichen
Glaubensnot nicht mit einer „historisch-kritischen
Methode" begegnet, die den wahren Glauben aus der
Schrift heraus entmythologisiert, sondern mit der Herme-
neutik (Verstehenslehre) des Heiligen Geistes, der das
Lehramt der Kirche und die Kirche als Ganzes in alle
Wahrheit einführt und sie vor verderblichem Irrtum
bewahrt. Wer die Wahrheit - gelegen oder ungelegen -
kompromißlos verkündet, dient damit immer auch dem
Menschen und seiner Freiheit. Wer dagegen die Unwahr-
heit propagiert, führt die Menschen in die Unfreiheit und
vermehrt nur noch die „namenlose Not der Kirche" und
die „weltweiten Probleme", unter denen die Menschheit
zu leiden hat. Eine letzte Frage bleibt aber: Wie lange wird
das gläubige Volk es noch hinnehmen, daß theologische
Irrlehrer - wie H. Haag und seine Gesinnungsgenossen -
im Namen der Kirche die Lehre der Kirche verfälschen
dürfen?
60
3. Das Selbstzeugnis der Dämonen
Wenn immer jemand den Versuch unternimmt, im Na-
men irgendeiner „Wissenschaft" unbestreitbare Tatsa-
chen leugnen oder zerreden zu wollen, gerät er zwangsläu-
fig ins Abseits, verspielt seine Autorität, macht sich bei
den Wissenden lächerlich und zieht sich schließlich nicht
zu unrecht harte Kritik zu. Das gilt auch von jenen „Auto-
ritäten", die sich unter dem Schein der „Wissenschaftlich-
keit" krampfhaft bemühen, das Phänomen der dä-
monischen Besessenheit zu leugnen oder ins Irreale
umzudeuten.
So hat ein hervorragender Kenner der modernen sata-
nistischen Esoterik in einer Schrift über den Satanismus
innerhalb der Freimaurerei den auf diesem Gebiet meist
ahnungslosen Theologen und Klerikern folgende Sätze ins
Stammbuch geschrieben: „Da wälzt man die Heilige
Schrift, um den Teufel zu beweisen oder zu leugnen. Da
wälzt man Bücher über Parapsychologie, Faktor Psi, Tele-
kinese, Tiefenpsychologie und weiß Gott was, um den
lästigen Teufel endlich ganz loszuwerden, und übersieht
dabei das Kleine, das Naheliegendste. Ich meine das
Zeugnis jener Männer, die den Teufel und seine Kompli-
zen schon oft weit gesprächiger und zerknirschter vor sich
hatten als die Richter eines Schwurgerichts ihre armen
Sünder: die Exorzisten. Auf ihr Zeugnis verzichten heißt
den Hochmut auf die Spitze treiben, heißt das eigene Vor-
urteil über das Urteil von Augenzeugen stellen ...
Wer ohne Herumreden um klare Fakten an Disziplinen
wie Satanologie und Dämonologie herantritt, wo, wie in
jeder echten Wissenschaft, nur die Fakten gelten, braucht
61
nicht an die Existenz Satans zu glauben oder darüber zu
spekulieren, er weiß um sie. Wenn man vom Exorzismus
und von exorzistischer Erfahrung spricht, wird man vor
allem die beiden Bücher von P. Adolf Rodewyk nennen
müssen.
Der voreilige »Abschied vom Teufel«, mit dem ein
damonologisch ahnungsloser Theologe sich blamieren zu
müssen glaubte, wurde außerdem allein schon durch den
Tatsachenbericht »Die Macht Mariens über die Dämo-
nen« von P. Benedikt Stolz OSB ad adsurdum geführt.
Natürlich sind Exorzistenberichte nicht die einzigen
modernen Erkenntnisquellen der Dämonologie. Wer sich
in dieser Wissenschaft besonders gründlich informieren
will, braucht nur den Versuch zu machen, einen Blick in
die ,Esoterik' des modernen Satanismus zu werfen und
sich gewissermaßen bei den ,Fachleuten' des Satanismus
umzusehen. Von deren Existenz, Literatur, Wirksamkeit
und weltbeherrschendem Treiben haben Dilettanten vom
Schlage eines Herbert Haag wohl kaum einen Schimmer,
sonst würden sie ihre ,theologischen Meditationen' über
den Teufel schleunigst aus dem Verkehr ziehen ...
Der moderne Mensch wird seinem vielgerühmten Rea-
lismus immer dann rasch untreu, wenn ihm Phänomene
begegnen, die nicht in sein Weltbild, sprich Weltvorurteil,
passen."15
Zu diesen Phänomenen gehört heute zweifellos und
trotz des weltweiten Rummels um den Film »Der Exor-
zist« die Tatsache der dämonischen Besessenheit, d.h. das
Offenbarwerden von Dämonen in Menschen, die als
„besessen" gelten. Bei den Besessenen ist „das Zentrum
der Persönlichkeit, das Ich als bewußt wollendes und han-
62
delndes, von fremden Mächten lahmgelegt, die den Men-
schen verderben wollen und ihn gelegentlich bis zur
Selbstzerstörung treiben (Mk 5, 5). Das Ich ist so lahmge-
legt, daß die Geister als Subjekt des Redens erscheinen." 16
Diese Art von dämonischer Selbstoffenbarung mag viel-
leicht überraschen, wenn man annimmt, daß der Teufel
und die bösen Geister am liebsten unbekannt und uner-
kannt bleiben und ihre gott- und menschenfeindlichen
Aktivitäten möglichst geheim und unauffällig betreiben
wollen. Nach dem Satanisten Ch. Baudelaire soll die größ-
te List Satans gerade darin bestehen, die Menschen glau-
ben zu machen, daß es ihn gar nicht gebe. Andererseits
aber will der Teufel von den Menschen auch kultische Ver-
ehrung bis zur Anbetung, wie die Versuchung Jesu und die
Geschichte des Satanismus bis in unsere Gegenwart her-
ein zeigt.
Jedenfalls ist im göttlichen Heilsplan das häufige Auf-
treten von Besessenheit in der „Fülle der Zeit" ebensowe-
nig zufällig wie die für die letzten Zeiten angekündigte
ungeheuere Machtentfaltung der Dämonen. Mit dem Auf-
treten des Christus beginnt die Entmachtung Satans, des-
sen Herrschaft durch den wiederkommenden Herrn end-
gültig gebrochen werden wird. Gegenwart und Sieg des
Gottesreiches werden schon jetzt in den Dämonenaustrei-
bungen offenkundig.
Wenn heute gewisse Theologen die Existenz dämoni-
scher Wesen leugnen und viele blinde Zeitgenossen nicht
mehr an dämonische Besessenheit und Satanismus glau-
ben, so ist das ein gewaltiger Erfolg der endzeitlichen
Satansherrschaft. Der „Vater der Lüge" versteht es glän-
zend, sich sowohl zu verleugnen, als auch kultische Vereh-
63
rung erweisen zu lassen und trotzdem „unglaubwürdig"
zu bleiben. Denn diejenigen, die nicht mehr an seine Exi-
stenz glauben, werden alles aufbieten, um reale Phänome-
ne wie Besessenheit und Satanismus entsprechend umzu-
deuten, oder wie man heute sagt: neu zu interpretieren.
So betrachtet etwa H. Haag jede Form des Satanischen
als „Protest gegen eine verwaltete und technische Welt.
..., die für ursprüngliche Erfahrungen kaum noch Mög-
lichkeiten bietet". Dabei liegt es selbstverständlich nahe,
„in einer durch christliche Traditionen geprägten Gesell-
schaft gerade gegen diese prägenden Faktoren zu rebellie-
ren und sie durch Pervertierung außer Kraft zu setzen."
Schließlich bemüht er noch S. Freud, wenn er meint, man
könne diese Pervertierung „als einen Abwehrmechanis-
mus, der in der Verkehrung ins Gegenteil besteht, be-
schreiben, wobei der ödipale Haß in Liebe, also die negati-
ve Vater-Imago ins Gegenteil umschlägt" (S. 501).
Mit etwas mehr Phantasie hätte man wahrscheinlich
noch einige Erklärungen mehr anführen können, um sa-
tanische Realitäten aus unserer Welt hinauszuinter-
pretieren. Doch hätte auch dadurch der Eindruck nicht
verwischt werden können, daß der Verfasser von »Teu-
felsglaube« und seine Mitarbeiter mit dem Kapitel „Sata-
nismus", dem nicht ganz 12 Seiten ihres Buches gewidmet
sind, schlechthin überfordert waren. Erst recht muß das
auch von ihren Ausführungen über das Thema „Besessen-
heit" gesagt werden, wenngleich sich diese auf 50 Seiten
erstrecken, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß
die Leugnung und Umdeutung dieser Phänomene den
Verfassern etwas mehr Mühe abverlangte und dement-
sprechend auch mehr Raum in Anspruch nahm. Dennoch
64
gehen die Fehldeutungen dieses Kapitels und ihre oft
abwegigen und oberflächlichen Begründungen so weit an
der Wirklichkeit vorbei, daß es nicht schwer ist, sie zu
widerlegen. Allein die Fakten von Illfurt (1865-1869)
genügen schon, um gewisse „wissenschaftliche" Phanta-
siekonstruktionen wie Seifenblasen platzen zu lassen.
Zuvor sollen aber noch die wesentlichen Aussagen des
Neuen Testaments über die dämonische Besessenheit in
Erinnerung gerufen werden. Von der eigentlichen Beses-
senheit als einem abnormen und dauernden Zustand spre-
chen erstmals die synoptischen Evangelien (Mt, Mk, Lk).
Dabei werden sowohl in den summarischen Berichten
(Mk 1,32; Lk 6,18), als auch in den konkreten Einzelschil-
derungen (Mk 1, 23 ff / 5, 2 ff) die Besessenen von den
Kranken stets deutlich unterschieden.
Bei allen Besessenen zeigen sich schwerste körperliche
und seelische Störungen. Manche werden durch den Dä-
mon stumm (Mt 9, 32; Lk 11, 14), taubstumm (Mk 9, 25)
oder stumm und blind gemacht (Mt 12,22). Andere erlei-
den Tobsuchtsanfälle und Krampfzustände (Mk 1, 26 / 9,
18 ff; Lk 4, 35) oder sind mondsüchtig (Mt 17, 15). Jesus
unterscheidet stets sorgfältig zwischen Krankheit und
Besessenheit und dementsprechend auch zwischen der
Vollmacht, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben
(Lk 13,32).
Nicht jede Krankheit wird im Neuen Testament auf den
Einfluß böser Geister zurückgeführt. Alle Krankheiten
aber sind insofern Werke des Teufels, als sie charakte-
ristisch sind für „diese Welt", deren Fürst der Satan ist. In
diesem Sinne sagte Jesus von der Frau, „die schon acht-
zehn Jahre einen Geist des Siechtums hatte" und ge-
65
krümmt war, daß sie „der Satan schon achtzehn Jahre
gebunden hielt" (Lk 13,11-16; vgl. Apg 10,38).
Jesus Christus erwies seine messianische Sendung vor-
nehmlich in der Austreibung der bösen Geister und verlieh
die Vollmacht dazu den zwölf Aposteln (Mt 10,8), den 72
Jüngern (Lk 10, 17 ff) und schließlich seiner Kirche als
Zeichen seines Sieges über den Satan, den „Herrscher die-
ser Welt" (Mk 16,17; Apg 8,7 /16,16 ff).
Daß Jesus Krankheit und Besessenheit nicht einfach
identifiziert, sondern die Besessenheit als ein Phänomen
eigener Art betrachtet, „geht aus dem Vergleich zwischen
Krankenheilung und Exorzismus hervor, und zwar beson-
ders klar dort, wo Kranke und Besessene gleiche Sympto-
me aufweisen: Man vergleiche etwa die Heilung eines
Taubstummen (Mk 7,33 ff) mit dem Exorzismus am taub-
stummen Besessenen (Mk 9, 25). Den Kranken steht der
Herr als teilnahmsvoller, gütiger Arzt gegenüber; das
gebietende Wort, die heilende Gebärde sind stets an sie
selbst gerichtet.
Ganz anders bei den Besessenen. Hier wendet sich Jesus
gegen ein verborgenes, unheilstiftendes Wesen, das ein-
deutig als Urheber des pathologischen Verhaltens bezeich-
net wird (Mk 9,18; Lk 13,16). Er stellt ihm Fragen (Mk 5,
9) oder gebietet ihm Schweigen (Mk 1,25), bedroht es (Mk
I,25), wirft es hinaus (Mk 1,34), verbannt die zuweilen in
Scharen in einem einzigen Besessenen hausenden Dämo-
nen in eine Schweineherde (Mk 5,110- Von dem Besesse-
nen hinwieder wird gesagt, daß er einen bösen, einen
unreinen Geist hat (Mt 9,32), daß dieser in ihm wohnt (Lk
II, 26) und sowohl das Verhalten als die Aussagen des
Besessenen entscheidend bestimmt. Beim Nahen des
66
Herrn befällt ihn eine oft bis zum Paroxysmus gesteigerte
Furcht; er wirft sich zu Boden (Mk 5,6), fleht um Gnade,
Aufschub, Schonung (Mt 8, 29-31). Er behauptet, das
übernatürliche Wesen des Herrn zu kennen (Mk 1,24+34 /
3,12 / 5, 7); er wehrt sich, läßt an seinem Opfer noch ein-
mal seine ganze ohnmächtige Wut aus (Mk 1, 26 / 9, 26),
muß aber auf das Machtgebot des Herrn, das zuweilen
sogar in die Ferne wirkt (Mk 7, 29) weichen, so groß die
Zahl seiner Verbündeten auch sein mag. - Alle diese Aus-
sagen machen es dem Exegeten, ja dem gewissenhaften
Historiker unmöglich, die Realität der Besessenheit auch
nur im geringsten in Frage zu stellen."17
67
Mächte des Teufels kämpft. Es ist etwas anderes, das sie
zur Sprache bringen:
1. Diese Erzählungen warnen davor, den Widerstand zu
dramatisieren, der - oft unerwartet und unverständ-
lich - unter den Menschen aufbricht, wenn sie von Jesu
Gottesverkündigung getroffen werden (vgl. Mk 1, 21-
28). Die sofortige Zustimmung des heilsbedürftigen
Menschen zu dem in Jesus ergehenden Heilsangebot
Gottes ist offensichtlich nicht selbstverständlich. Den-
noch ist dieser Widerstand gegen Jesu Wort nicht ein-
fach etwas Satanisches, sondern die Folge einer
bestimmten menschlichen Verfaßtheit.
2. Die Berichte von Jesu Exorzismen lassen beispielhaft
erkennen, daß keine innerweltliche Macht - und wäre
sie noch so zerstörerisch - in der Lage ist, dem Wohlwol-
len Gottes auf die Dauer Widerstand zu leisten. Die
Erzählungen von Jesu Dämonenaustreibungen wollen
also diejenigen ermutigen, die daran glauben, daß Gott
unser Heil wirkt, und aus diesem Glauben zu leben ver-
suchen.
3. Unter den Berichten von Jesu Dämonenaustreibungen
kommt dem sogenannten Beelzebulstreit (Mk 3, 22-30)
eine besondere Bedeutung zu. Er zeigt nämlich, wie sehr
jene, die bislang im Namen Gottes für das Heil der Men-
schen wirkten, in Gefahr sind, das Heilswirken anderer
zu verteufeln, sobald diese nicht mehr zum eigenen
Kreis, zur eigenen Glaubensgemeinschaft gehören. Alle
derartigen Verdächtigungen, die das Gute bei den Geg-
nern nicht gelten lassen wollen, übersehen jedoch, daß
Gott das Heil eines jeden Menschen will. Daher kann
keiner zum Widersacher Gottes werden und in Teufels
68
Namen wirken, wenn er Menschen Gutes tut, die bis
dahin zu leiden hatten" (S. 386 f)-
Nach dieser lächerlichen „Aufklärung" braucht der
Vollständigkeit halber nur noch nach der „Neuinterpreta-
tion" des Phänomens „Besessenheit" gefragt zu werden.
Nach H. Haag ist Besessenheit „eine geschichtliche'
Krankheit, wie auch ihre primäre Ausdrucksform, die
Hysterie, als zeitbedingte Konfliktreaktion zu verstehen
ist. Die Funktion des Exorzisten hat heute der Psychothe-
rapeut übernommen" (S. 439). Nun wissen wir also, was
von Dämonen und Besessenen zu halten ist. Die „moderne
Theologie" - genauer gesagt: ein „moderner Theologe",
der seinen Verstand bei Bultmann abgegeben hat - hat
gesprochen.
Aber die Sache ist damit noch nicht erledigt. Die Theo-
rie der Bultmann- und Haag-Theologie ist nämlich von
der Erfahrung widerlegt. Es gibt klassische Fälle von
Besessenheit und Exorzismen in der Geschichte der Kir-
che - auch aus neuester Zeit -, die dieselben Merkmale
aufweisen, wie die im Neuen Testament berichteten und
ohne die Existenz dämonischer Geistwesen nicht zu er-
klären sind. Bevor das an einem klassischen Fall demon-
striert werden soll, wollen wir uns in einem zusammenfas-
senden Überblick im Anschluß an W.C. van Dam 18 die
Besessenheitsphänomene, die sich aus dem neutestament-
lichen Befund ergeben, vergegenwärtigen.
Es sind:
1. Heftiges Widerstreben gegen alle göttlichen Einflüsse
(Mk 1,24; 5,7; Mt 8,29; Lk 4,34; 8,28).
2. Eine auffallend starke Körperkraft (Mk 5,3 f; Apg 19,16).
69
3. Störungen in den organischen Funktionen (Mk 9,17-25;
Mt 9,32 ff /12,22 ff; Lk 11,14).
4. Das Sprechen eines anderen aus dem Besessenen (Mk 1,
24+34 / 3,11 / 5,7-9 ff; Mt 8,29; Lk 4, 34-41 / 8,28; Apg
16,17/19,15).
5. Selbstverwundungen (Mk 5, 5) und Selbstmordversu-
che (Mk 9,22).
6. Ein unruhiges, aggressives Verhalten, eine wütende
Erregung (Mk 1,23 / 5,7 / 9,18-20).
7. Ein geschärftes Wahrnehmungsvermögen, übernatür-
liche Kenntnisse,Wahrsagen (Mk 1,24+34 / 3,11 / 5,7 /
9,20; Lk 4,41; Apg 16,17 /19,15).
8. Besondere Erscheinungen beim Ausfahren des Dämons
(Krämpfe, Schreien, zu Boden fallen) (Mk 1, 26 / 5, 13 /
9,26; Lk 4,35-41; Apg 8,7).
9. Erschöpfung, aber völlige Genesung nach erfolgter
Austreibung (Mk 5,15 / 7,30 / 9,26 ff; Apg 5,16).
Das Rituale Romanum (1952) nennt drei Kennzeichen,
die Kriterien einer Besessenheit sein können („esse pos-
sunt"). Es sind folgende:
1. Mehrere Worte in einer unbekannten Spräche spre-
chen, oder solches Reden verstehen (Ignota lingua lo-
qui pluribis verbis, vel loquentem intellegere).
2. Entferntes und Verborgenes enthüllen (Distantia et
Occulta patefacere).
3. Kräfte, die über das Alter oder die Bedingungen der
Natur hinausgehen (Vires supra aetatis seu conditio-
nem naturam ostendere).
Nach dem Rituale Romanum von 1952 (Titulus 12,
Kap. 1, Nr. 3) sind das mögliche Kennzeichen (Signa) ei-
ner dämonischen Besessenheit, keine unfehlbaren Beses-
70
senheitskriterien, wie H. Haag unsachlich unterstellt (S.
428).
Die genannten Kennzeichen, wie sie von W. C. van Dam
und vom Rituale Romanum genannt werden, können wir
ausnahmslos bei den besessenen Kindern von Illfurt fest-
stellen, deren Geschichte nun so ausführlich dargelegt
werden soll, als es notwendig ist, um die Irrtümer der
Dämonenleugner überzeugend zu widerlegen.
R Sutter 19 berichtet: In Illfurt, das 10 km südlich von
Mühlhausen im Elsaß liegt und im Jahr 1860 rund 1200
Einwohner zählte, wurde am 21. August 1855 Theobald
und am 29. April 1857 sein Bruder Josef Burner geboren.
Die Kinder waren beide still, mittelmäßig begabt und von
schwächlicher Konstitution. Vom achten Lebensjahr an
besuchten sie die Volksschule. „Im Herbst 1864 wurden
sie von einer merkwürdigen Krankheit befallen. Ein
zuerst herbeigerufener Arzt aus Altkirch konnte sich die
Krankheit ebensowenig erklären wie andere zu Rate gezo-
gene Ärzte. Die von ihnen verschriebenen Arzneien hatten
keinerlei Wirkung. Theobald wurde bald so mager, daß er
nur mehr einem wandelnden Schatten glich.
Vom 25. September 1865 an zeigten sich an beiden Kna-
ben ganz abnormale Erscheinungen. Auf dem Rücken lie-
gend drehten sie sich mit unheimlicher Schnelligkeit wie
ein Kreisel. Dann begannen sie mit wuchtiger Kraft die
Bettstellen und andere Möbel zu bearbeiten, ohne die ge-
ringste Müdigkeit zu verspüren, auch wenn es noch so
lange dauerte. Sie nannten das,dreschen'. Darauf wurden
sie vor Krämpfen und Zuckungen geschüttelt; dann be-
mächtigte sich ihrer eine solche Niedergeschlagenheit,
daß sie stundenlang wie leblos dalagen.
71
Nicht selten wurden sie von einem wahren Wolfshunger
befallen, den nichts zu stillen vermochte. Manchmal
schwoll ihr Unterleib ganz unförmig an und es schien den
Kindern, als bewege sich etwas wie eine Kugel im Magen
oder laufe auf und ab wie ein lebendes Wesen. Oft hielten
sie die Beine gleich biegsamen Ruten fest zusammen-
gewunden und kein Mensch vermochte sie zu trennen ...
Wenn die Kinder auf ihren Stühlen saßen, wurden sie
mit diesen oft von unsichtbarer Hand in die Höhe geho-
ben, dann wurden die Knaben in eine Ecke geschleudert,
während die Stühle in eine an dere Ecke flogen ... Die
schrecklichen Krämpfe und Mißhandlungen aller Art
setzten den Knaben derart zu, daß sie das Bett hüten muß-
ten und ihr Leib unförmig anschwoll. Brachte man zufal-
lig einen geweihten Gegenstand - Kreuz, Medaille oder
Rosenkranz - in ihre Nähe, gerieten sie in heftige Wut.
Sprachen die Anwesenden die heiligen Namen Jesus,
Maria, Josef aus, zitterten und bebten beide ...
Oftmals lagen die Kinder stundenlang ruhig und teil-
nahmslos da. Plötzlich veränderte sich dann ihr Wesen.
Sie wurden aufgeregt und gestikulierten und schrien in
einem fort. Ihre Stimme war jedoch nicht die eines Kin-
des, sondern eine rauhe, heisere Männerstimme. Dabei
hatten die Kinder den Mund meist geschlossen; es war
offenbar, daß nicht sie selbst, sondern andere unsichtbare
Wesen aus ihnen redeten. Stundenlang konnten sie unun-
terbrochen rufen:,Nudeln, Knödel, Wasserschnitten!' Es,
war nicht zum Aushalten, und die Eltern wußten sich
nicht mehr zu helfen ...
Ganz auffällig war die Angst der Kinder vor geweihten
Gegenständen, ihr heftiger Widerwille gegen Kirche, Ge-
72
bet und Gottesdienst, ihre häufigen entsetzlichen Flüche
und unflätigen Reden, die den Kindern vorher völlig
fremd gewesen waren. Auch redeten und antworteten sie
in den verschiedensten Sprachen; sie sprachen geläufig
Französisch, Latein und Englisch und verstanden auch
die verschiedenen französischen und spanischen Dialekte.
Kein Wunder, daß immer mehr Leute die bedauernswer-
ten Knaben sehen wollten. Die geistliche und weltliche
Obrigkeit sah sich genötigt, sich mit ihrem Schicksal zu
befassen und die Sache aufs gründlichste zu untersu-
chen."
73
sten, nannte sich Solalethiel, den Namen des anderen
gelang es nicht in Erfahrung zu bringen ...
Ypes war mit Taubheit geschlagen; solange er Theobald
beherrschte, war dieser vollständig des Gehörs beraubt
und zwar so, daß er auf eine dicht neben dem Ohr abge-
schossene Pistole gar nicht reagierte. Erst im Augenblick
seiner Befreiung erhielt der Knabe das Gehör wieder."
Die Kinder unterhielten sich längere Zeit in fremden
Sprachen. Eines Tages sprachen sie eine halbe Stunde
lang in tadellosem Französisch, obwohl Josef noch kaum
lesen konnte. Einmal unterhielten sie sich sogar den
ganzen Tag in dieser Sprache.
Als einmal zwei Studenten, die bei den Marienbrüdern
in Besançon studierten, während ihrer Osterferien nach
Illfurt kamen, um die besessenen Kinder zu sehen, gingen
sie „in das Haus Burner und blieben dort bis ein Uhr
nachts. Sie waren ganz verwundert, die Kinder mit einer
Männerstimme reden zu hören, ohne daß ihre Lippen sich
bewegten. Sie stellten ihnen einige Fragen in baskischem
Dialekt, der dem spanischen gleicht ... Die Knaben aber
beantworteten alle ihre Fragen auf Französisch ... Einmal
hielt der Teufel mitten in seinem Geschwätz inne und rief:
,Still, jetzt haben wir ihn!' Man fragte ihn: ,Wen denn?' -
,Na den jungen Mann, der im X-schen Lokale in Schlett-
stadt tanzt.' Dabei nannte er die Wirtschaft und die
Straße. Plötzlich schrie er:,Aha, jetzt haben wir ihn! Jetzt
ist er bei uns!' - Die sofortigen Nachforschungen in
Schlettstadt ergaben tatsächlich, daß in jenem Wirtshaus
und zur selben Stunde ein junger Mann mitten im Tanz
vom Schlag gerührt und tot niedergefallen war ...
74
Der Höllengeist weiß genau, was sich in weiter Entfer-
nung, ja selbst in den entlegendsten Ländern ereignet. Er
kennt aber nicht minder die Weltgeschichte und offenbar-
te oft Dinge, die zeitlich weit zurücklagen und von denen
die Anwesenden keinerlei Kenntnis hatten. Noch mehr, er
sagte zuweilen Dinge auf Tage und Wochen voraus, die
zum Erstaunen aller genau eintrafen ... Er weiß mehr, als
Sterbliche nur ahnen.
Oftmals sagte er den Besuchern auf den Kopf zu, was
sie Böses getan hatten. Er warf ihnen ihre geheimsten
Sünden vor, so daß sie vorzogen, schleunigst wieder zu
verschwinden ... Theobald verkündete mehrmals den Tod
einer Person voraus. Zwei Stunden vor dem Ableben einer
Frau Müller kniete er auf das Bett und machte die Gebär-
de des Läutens; ein andermal machte er eine volle Stunde
lang dieselbe Gebärde. ,Für wen läutest du?' fragte man
ihn. - ,Für Gregor Kunegel!' antwortete er. Zufällig war
die Tochter dieses Mannes anwesend. Sie erschrak heftig
und sagte zu Theobald: ,Lügner, mein Vater ist nicht
krank, er arbeitet ja zur Zeit am Neubau des Knabensemi-
nars in Zillisheim als Maurer.' - ,Mag sein, aber er ist
soeben abgestürzt. Geh und schau einmal nach!' Es war
tatsächlich so. Der arme Mann war vom Gerüst abgestürzt
und hatte sich das Genick gebrochen; es war im selben
Augenblick, als Theobald läutete. Kein Mensch in Illfurt
wußte etwas von dem Unglück ...
Der Zustand der beiden Besessenen war ein fort-
währendes Martyrium. Ihr bloßer Anblick flößte allen
Besuchern größtes Mitleid und Entsetzen ein ... Für die
guten Niederbronner Schwestern Severa und Methula war
die Bewachung und Betreuung der Kinder eine überaus
75
harte Aufgabe. Bald wurden die Fenstervorhänge von
unsichtbaren Händen heruntergerissen und die fest ver-
schlossenen Fenster sprangen mit unheimlicher Schnellig-
keit von selbst auf; bald wurden Stühle, Tische und andere
Möbel umgeworfen und im Zimmer von Geisterhand
umhergeschleift; bald bebte das ganze Haus wie von einem
gewaltigen Erdbeben....
Über vier Jahre mußten die armen Kinder in diesem
schauderhaften Zustand verharren ... Einmal besuchte
ein Offizier des in Mühlhausen liegenden afrikanischen
Regimentes aus Neugierde die beiden Besessenen. Als
diese seiner ansichtig wurden, machten sie ihm eine so
genaue und eingehende Gewissenserforschung in bestem
Französisch, daß der Offizier ganz kleinlaut die Flucht
ergriff und sich gründlich bekehrte. Ebenso erging es
einem Schulinspektor aus Mühlhausen und noch zwei
anderen Herren, die der Vorwitz nach Illfurt getrieben
hatte. Auch aus ihnen machte das teuflische Treiben in der
Folge gute Christen."
Trotz der jahrelangen Belästigungen und der ungezähl-
ten Leiden, denen die bedauernswerten Kinder ausgesetzt
waren, trotz aller schmutzigen und unaussprechlichen
Bosheiten, die von den Geistern Satans ausgingen, muß
festgehalten werden, daß durch die Offenbarung ihres
dämonischen Wesens auch viel Gutes geschah. Zahllose
Bekehrungen, die von den bösen Geistern sicher nicht
gewollt waren, sind geschehen und viele Ungläubige wur-
den durch das Zeugnis der Dämonen wenn nicht bekehrt,
so doch bloßgestellt oder lächerlich gemacht.
Das war z.B. der Fall bei dem Gerichtsarzt Dr. Krafft.
„Nachdem der Polizist Werner seinen ersten Bericht an
76
die Unter-Präfektur in Mühlhausen geschickt hatte, sand-
te der Unter-Präfekt Dubois de Jancigny sofort den Ge-
richtsarzt Dr. Krafft nach Illfurt, um die Kinder gründlich
zu untersuchen und seine Ansicht in einem Bericht darzu-
legen. Dr. Krafft war Protestant und ungläubig. Mit einer
Miene voll Hohn und Spott näherte er sich den Kindern
und ließ sich vom Bürgermeister den Ursprung des Übels
und die verschiedenen Erscheinungen der Besessenheit
erklären.
77
ben, daß von einer Nervenkrankheit keine Rede sein
könne.
Da nahm ihn Herr Anton Zürbach, ein Gemeinderats-
mitglied, auf die Seite und bat ihn, mit ihm auf der Haus-
flur hinauszugehen. Dort angekommen nahm er zwei Glä-
ser und füllte sie mit frischem Wasser. Hierauf reichte er
dem Arzt ein drittes, ebenfalls mit Wasser gefülltes Glas
und bat ihn, mit der Fingerspitze einen Tropfen dieses
letzteren Wasser in eines der beiden mit frischem Wasser
gefüllten Gläser zu tun. Nachdem dies geschehen war, bot
der Arzt den stets von Durst gequälten Knaben die beiden
Gläser an. Jeder nahm mit großer Hast sein Glas. Theo-
bald trank das seine in einem Zuge aus, Josef jedoch führ-
te das seine nicht einmal an die Lippen, sondern warf es zu
Boden mit den Worten: ,0 diese Schweinerei!'
Dr. Krafft, aufs höchste verwirrt, kehrte auf den Haus-
flur zurück, um den Inhalt des dritten Glases zu untersu-
chen: ,Ei', sagte er, ,dieses Wasser hat doch keinerlei
besonderen Geschmack!' - ,Und wenn auch', meinte mit
Recht Herr Zürbach, ,der Kleine hat ja das Glas nicht ein-
mal zum Munde geführt'. - ,Ja, was ist denn das für Was-
ser?' fragte der Arzt. - ,Es ist Weihwasser', antwortete der
Gefragte. ,Davon verstehe ich nichts', erklärte der Arzt,
sah auf die Uhr und sagte: ,Ach, es ist Zeit zur Bahn!' Und
fort war er. Das spöttische Lächeln war ihm vergangen ..."
Die Bischöfliche Behörde ordnete auf Veranlassung des
Dekans von Altkirch, Kanonikus Lemaire, am 9. April
1869 eine kanonische Untersuchung des Falles an. „Am
13. April begaben sich die drei ernannten Kommissions-
mitglieder: Kanonikus Stumpf, Regens des Priestersemi-
nars in Straßburg, Apollinaris Freyberger, Dekan von
78
Ensisheim, und Nikolaus Sester, Stadtpfarrer von Mühl-
hausen, nach Illfurt, um das Nötige zu veranlassen ...
Nach der Protokollaufnahme, die sich auf Aussagen der
Zeugen und auf eigene Beobachtungen stützte, reichte die
Kommission ihren Bericht der bischöflichen Behörde ein,
damit das weitere veranlaßt würde. Herr Superior Stumpf
schlug vor, die Knaben nach Straßburg in eine klösterliche
Anstalt zu bringen und dort den Exorzismus vorzuneh-
men. Herr Superior Spitz bot dazu das Waisenhaus in
Schiltigheim an. Auf Wunsch des Herrn Generalvikar
Marula wurde vorerst nur der Ältere ins Waisenhaus über-
führt, wo er fünf Wochen lang bis zu seiner Befreiung in
der Pflege der Schwestern verblieb ..."
Unter den Zeugen, die von den Vorgängen in Illfurt auf
Grund eingehender Beobachtungen ausführlicher berich-
tet haben, sind vor allem Professor Lachemann aus St. Pilt
und der Polizeibeamte Werner von Illfurt zu nennen, der
anfänglich noch ganz ungläubig war, im Laufe der Zeit
jedoch ein vorbildlicher Christ wurde.
„Im November 1868 wurde Herr Werner benachrich-
tigt, daß wieder einmal eine größere Ansammlung von
Leuten vor dem Hause Burner stattfände, um Zeugen der
teuflischen Erscheinungen in den beiden Kindern zu sein.
Herr Werner begab sich sofort dorthin und bemerkte bei
den Kindern voll Erstaunen einen ungewöhnlich furchtsa-
men und blödsinnigen Ausdruck; sonst hatte er sie immer
heiter, lebenslustig und geweckt gefunden ...
Schon wollte Herr Werner wieder fortgehen, da bat ihn
ein anwesender Herr, noch eine Weile zu bleiben, denn der
Anfall beginne bald. So blieb er denn. Und richtig, nach
einer Weile rief der Älteste: ,Da ist er! Da ist er!' Alsbald
79
schwoll sein Leib unnatürlich auf. Sein Atem wurde pfei-
fend, und seine Brust ging auf und ab wie ein Schmiede-
blasebalg. Herr Werner stemmte sich mit aller Kraft gegen
Brust und Bauch des Knaben, um den Bewegungen Ein-
halt zu tun. Ein anwesender Mann half ihm, bald noch ein
dritter und ein vierter. Der Polizist überließ hierauf seinen
Platz einem anwesenden Müller, der ungewöhnlich kräftig
war. Alle vier Männer drückten mit solcher Gewalt auf
den Leib des Besessenen, daß die Bettstelle krachte, jedoch
ohne jeglichen Erfolg. Aus Furcht, es könnten dadurch
innere Organe verletzt werden, bat sie Herr Werner, vom
Knaben abzulassen. Dieser aber rief: ,Ach was, ich spüre
absolut nichts. Ihr könnt noch einige Männer zu Hilfe
rufen, sie werden ebensowenig ausrichten.'
80
Knabe vom Hausgeistlichen der Anstalt, Herrn Hauser,
und dem Kaplan Schrantzer aufs genaueste beobachtet.
81
So rief er immer wieder, wenn der Name eines großen
Heiligen genannt wurde, besonders als man betete: ,Alle
heiligen Engel und Erzengel, bittet für uns!' Als der Pater
zur Anrufung kam: ,Vor den Nachstellungen des Teufels,
erlöse uns, o Herr!' bebte der Besessene und zitterte am
ganzen Leibe, schrie entsetzlich und drehte und wand sich
so heftig, daß man ihn kaum halten konnte.
Nach dem Beten der Litanei stand der Pater vor ihm
und verrichtete die im Rituale vorgeschriebenen Gebete,
während der Besessene immer schrie:,Stinker, hinaus aus
dem Schweinestall!' Beim Gloria Patri rief er: ,Ich will
nicht!', d.h. dem Vater, Sohn und Heiligen Geist die Ehre
geben.
Vor der Lesung des Johannesevangeliums zeichnete der
Pater das kleine Kreuz auf Stirne, Mund und Brust des
Besessenen, der wie ein Hund heulte und nach der Hand
des Paters schnappte, um ihn zu beißen. Da sagte P. Sou-
quat auf Deutsch: ,Du Geist der Finsternis, zertretene
Schlange, als Priester des Herrn befehle ich dir im Namen
Gottes: ,Sage mir, wer du bist!' Der Teufel rief: ,Das geht
dich einen Dreck an, du Stinker, ich sage es wem ich will!'
Darauf erwiderte der Pater: ,Das ist eben deine stolze Hal-
tung und Rede, die du vor dem allmächtigen Gott hieltest,
als er dich aus dem Himmel schleuderte. Aber ich befehle
dir:,Weiche von hier, Satan, aus dieser Kirche, du gehörst
nicht in das Haus Gottes, du gehörst in die Finsternis der
Hölle!' Da schrie der Teufel: ,Ich will aber nicht, meine
Zeit ist noch nicht da!'
Nach dreistündigem Gebet und von der Anstrengung
ganz von Schweiß durchnäßt hielt der Pater inne und ent-
fernte sich, um ein andermal die Arbeit fortzusetzen.
82
Theobald wurde aus der Kapelle gebracht und beruhigte
sich alsbald ... Am folgenden Tag, nachmittags um 2 Uhr,
kamen die Herren abermals aus der Stadt und der Pater
begann aufs neue den Exorzismus. Diesmal wurde Theo-
bald in eine Zwangsjacke gesteckt und auf einen roten
Sessel gebunden. Der Teufel aber tobte ärger denn je. Er
hob den Sessel mitsamt dem Knaben in die Höhe und
schleuderte die wachhabenden Herren bald links, bald
rechts. Dabei brüllte und schäumte er schrecklich.
Als nach ungefähr zwei Stunden Litanei und liturgische
Gebete zu Ende waren, erhob sich der Pater und redete
den Besessenen an: Jetzt, unreiner Geist, ist deine Zeit
da! Ich befehle dir im Namen der katholischen Kirche, im
Namen Gottes und in meinem Namen als Priester des
Herrn, daß du mir sagst, wie viel ihr seid!'" Die Teufel
nannten ihre Namen nicht sogleich, später jedoch gaben
sie sich unter den Namen Orobas und Ypes zu erkennen.
Dem Befehl aber, in die Hölle zu fahren, folgten sie nicht.
Der Priester führte zitternd und schwitzend den Kampf
mit dem Kruzifix in der Hand fort. Aber die Teufel wichen
nicht.
„Schließlich nahm der Pater eine Muttergottesstatue
zur Hand und sprach: ,Siehst du da die heilige Jungfrau
Maria? Diese muß dir den Kopf nochmals zertreten ...
Also du willst nicht weichen! Ich habe es dir befohlen im
Namen Jesu, im Namen der katholischen Kirche, im
Namen des Heiligen Vaters, des Papstes, im Namen des
Allerheiligsten Sakramentes. Du hörst nicht auf die Stim-
me des Priesters. Nun aber, Satan, befiehlt es dir die heili-
ge Gottesmutter. Sie zwingt dich, von hier auszufahren.
Also, unreiner Geist, weiche vor dem Angesichte der
83
Unbefleckten Empfängnis. Sie befiehlt dir, zu weichen!'
Unterdessen beteten alle das Gedenke.
84
Als um sechs Uhr die heilige Messe begann, fing der
Besessene an, mit den Füßen zu lärmen und sich nach allen
Seiten zu drehen, so daß man ihm Hände und Füße fesseln
mußte ... Als der Priester die heiligen Gewänder abgelegt
hatte, kniete er, nur mit Chorhemd und violetter Stola
bekleidet, am Fuße des Altars nieder und begann die für
den Exorzismus vorgeschriebenen Gebete: zuerst die Aller-
heiligen-Litaneien und einige Beschwörungsformeln...
Während der Lesung des Johannesevangeliums fing
der Besessene an, den Pfarrer mit Schimpfworten zu über-
häufen und rief: ,Ich gehe nicht fort!' Drei Stunden nach-
einander bemühte sich der Exorzist um den Knaben ...
Die Anwesenden fingen an, sich zu entmutigen. Doch der
bereits todmüde Seelsorger ermunterte sie immer wieder,
auszuhalten und den Rosenkranz zu beten ... Jetzt kam
der Pfarrer vom Altar zurück, an dessen Stufen er eine
Weile innig gebetet und eine Novene versprochen hatte.
Zum Knaben gewendet sprach er: ,Ich beschwöre dich im
Namen der unbefleckten Jungfrau Maria, dieses Kind zu
verlassen!' - Wütend antwortete der Teufel:,Warum muß
jetzt dieser auch mit der großen Dame kommen! Jetzt
muß ich fort!' - Auf diese Worte hin erfaßte eine unbe-
schreibliche Erregung alle Anwesenden, die nun über-
zeugt waren, daß die Stunde der Befreiung gekommen sei.
Nochmals wiederholte der Pfarrer dieselbe Beschwö-
rung. ,Ich muß fort', schrie der Teufel wiederum, ,ich will
in eine Schweineherde fahren!' - ,In die Hölle!' rief der
Pfarrer. Ein drittes Mal ertönte die Beschwörungsformel
und wiederum bat der böse Geist: ,Ich will in eine Gänse-
herde fahren!' - ,In die Hölle!' lautete die Antwort. - ,Ich
kenne den Weg dorthin nicht, ich will in eine Schafherde
85
fahren!' Und ein letztes Mal erscholl der kategorische
Befehl:,In die Hölle!'
Mit dem Ruf: ,Jetzt bin ich gezwungen, fortzuziehen!'
streckte sich der Knabe, wand sich hin und her, blähte die
Backen auf und machte eine letzte krampfhafte Bewe-
gung. Darauf wurde er still und unbeweglich. Als man
ihm die Fesseln abnahm, sanken die Arme herab und der
Kopf fiel nach hinten. Nach einer Weile hob er die Arme
und streckte sich wie einer, der vom Schlaf erwacht... Alle
Anwesenden waren erschüttert. Dankbaren Herzens bete-
ten sie das Te Deum, die Mutter-Gottes-Litanei, das Salve
Regina und andere Gebete, die vielfach vom Schluchzen
unterbrochen wurden ... Wie bewunderten alle, nah und
fern, die Macht der Himmelskönigin, die auch hier wieder
einmal den höllischen Drachen überwunden hatte!
In einem Garten gegenüber dem früheren Burnerschen
Hause wurde kurz darauf eine schöne Statue der Unbe-
fleckten Empfängnis in vergoldetem Gußeisen auf hoher
Steinsäule aufgestellt. Das Denkmal ist zehn Meter hoch
und überragt alle umliegenden Gebäude. Auf dem Sockel
steht in lateinischer Sprache die Inschrift:
Zum ewigen Andenken
an die Befreiung der zwei Besessenen
Theobald und Josef Burner
erlangt durch die Fürbitte Mariens,
der unbefleckten Jungfrau,
im Jahre 1869.
Herr Pfarrer Brey hatte es sich nicht nehmen lassen,
diesen Beweis der Dankbarkeit gegen die Himmelsköni-
gin zu errichten ... War es doch ganz auffallend, daß gera-
de die Unbefleckte Empfängnis sowohl in Schiltigheim als
86
auch in Illfurt den höllischen Drachen überwunden und
ihm den Kopf zertreten hatte." Am 3. April 1871 starb
Theobald, sein Bruder Josef bekam Arbeit in Zillisheim
und starb dort im Jahre 1882 im Alter von 25 Jahren.
Soweit der Tatsachenbericht von Illfurt.
Der Leser wird gespannt sein und fragen, was unser
gelehrter Herr Professor Haag zu diesem auf den Aussa-
gen und Protokollen von gewissenhaften und glaubwürdi-
gen Zeugen beruhenden Bericht zu sagen hat. In seinem
Buch »Teufelsglaube« ist von all dem, was ich hier geschil-
dert habe, keine Silbe erwähnt. Die Tatsachen von Illfurt,
die seine Thesen widerlegen, werden von Haag einfach
totgeschwiegen. Nur an zwei Stellen seines Buches
erwähnt er die Illfurter Kinder beiläufig, so in der Anmer-
kung 59 auf Seite 407, wo er schreibt, daß die Kinder vier
Jahre lang (1865 - 1869) besessen waren, nachdem ihnen
eine schlecht beleumundete Frau einen Apfel zu essen
gegeben hatte. Sehr „geistreich" fügt der gelehrte Herr
dann sofort den Kommentar an: „Die Entlehnung des
Märchenmotivs aus,Schneewittchen und die sieben Zwer-
ge' ist wahrscheinlich." Die zweite Äußerung findet sich
auf Seite 427, wo festgestellt wird, daß ein „zeitgenössi-
scher Arzt die Besessenheit der Illfurter Knaben, die von
1865 - 1867 dauerte, zu Recht als Gehirnreizung und Veit-
stanz diagnostizierte; heute ist man geneigt, das unge-
wöhnliche Gebaren der beiden mit kindlichen Verhaltens-
störungen zu erklären."
Der genannte Arzt, der dieses veitstänzerische Urteil
über die Illfurter Kinder abgab, war der deutsche Physio-
loge Prof. Dr. Hoppe, der damals in Basel dozierte. In sei-
ner Stellungnahme diagnostizierte er „eine hysterisch-
87
choreatische (Chorea d.h. Veitstanz) Verwirrtheit" und
erklärte die Vorgänge so: „Die ganze Seele oder das beseel-
te Gehirn der beiden Knaben hat den Teufelsspuk selbst
gemacht, wie auch die Heilung zustandegebracht, und
dies war mittels der Gehirnorganisation und des geistigen
Gehirnmechanismus möglich ... Die Kinder zeigten ein
allseitiges und großes Wissen; aber es steckte gleichfalls in
ihnen, ist auch nichts Unerhörtes und Neues, man hat es
nur nicht beachtet; überdies wird es durch bestehende
Gehirnreizung befördert..."
88
der Parapsychologie: das Reden und Verstehen fremder
Sprachen sowie das Wissen unbekannter, zukünftiger
Dinge" (S. 427).
Er hält aber mit dem Hinweis auf die von A. Rodewyk
gemachten Mitteilungen über Magdas Sprachverständnis
dieses für nicht glaubwürdig. Auf das Phänomen Illfurt
geht er gar nicht ein. Er schweigt es tot und gibt zuletzt zur
Frage der „Glossolalie" folgenden Geistesblitz von sich:
„Wer trotzdem an der Glossolalie festhalten möchte, muß
immerhin mit der Möglichkeit einer einfachen lautlichen
Imitation oder einer unbewußten Reproduktion früher
aufgefangener Sprachbrocken rechnen. Schließlich gibt es
auch Glossolalie im strengen Sinn, jene Regression auf
eine frühkindliche Bewußtseinsstufe, die sich in einem
unverständlichen Lallen äußert" (S. 428).
Damit hat sich der gelehrte „Wissenschaftler" endgül-
tig disqualifiziert. Unglaublich, was Menschen glauben
müssen, wenn sie die Wahrheit nicht glauben wollen.
Indessen bezeugen sogar die Dämonen die Großtaten Got-
tes.
89
II. Gottesglaube
Wer alles weiß, hat keine Fragen mehr. Da wir als endliche
Wesen nur wenig wissen, haben wir viele Fragen. Durch
die Begrenztheit und Geschichtlichkeit unserer irdischen
Existenz werden wir zwangsläufig zu fragenden Wesen,
denen aufgegeben ist, die Wirklichkeit fragend einzuho-
len. Dabei stoßen wir erfahrungsgemäß immer wieder an
letzte, unüberschreitbare Grenzen des Erkennens und
Wissens. Schon ein Kind kann mehr fragen, als alle Wis-
senschaften beantworten können. An den Grenzen unse-
res Wissens begegnen wir dem Geheimnis, dem Myste-
rium.
90
Der Franzose André Frossard hat uns auf diese Fragen
eine ganz persönliche Antwort gegeben in dem aufsehen-
erregenden Buch »Gott existiert - ich bin ihm begegnet«.20
Nach seinem Bericht kommt er aus einer Familie, „in der
die Existenz Gottes nicht einmal eine Frage wert war".
Ohne Taufe und Religionsunterricht ist er in einem sozia-
listischen Milieu aufgewachsen und gehörte - wie er selbst
schreibt - zur Kategorie der perfekten Atheisten, „für die
der Atheismus kein Problem mehr ist". Und doch ist die-
ser Atheist, „für den sich das Problem der Existenz Gottes
gar nicht mehr stellte", als Zwanzigjähriger plötzlich von
der Existenz Gottes mit einer so absoluten Gewißheit
überzeugt, daß er nicht nur an einen existierenden Gott
glaubt, sondern sogar behauptet, von Gottes Existenz zu
wissen - und zwar deshalb, weil er ihm selbst begegnet ist.
Es war am 8. Juli 1935 zwischen 17.10 Uhr und 17.15
Uhr. Als er um 17.10 Uhr die kleine Kirche der ewigen
Anbetung in der Rue d'Ulm in Paris betrat, um dort einen
Freund zu suchen, war der Sohn des ehemaligen General-
sekretärs der französischen KP noch ein gelassener Athe-
ist. Fünf Minuten später war er von Gottes Existenz und
der Wahrheit des katholischen Glaubens felsenfest über-
zeugt.
Er schreibt: „Als ein Skeptiker und Atheist der äußer-
sten Linken war ich eingetreten, und größer noch als mein
Skeptizismus und Atheismus war meine Gleichgültigkeit
gewesen: Mich kümmerten andere Dinge als ein Gott, den
zu leugnen mir nicht einmal in den Sinn kam, so sehr
schien er mir längst nur mehr auf das Konto der mensch-
lichen Angst und Unwissenheit zu gehören - ich ging
wenige Minuten später hinaus als ein katholischer, aposto-
91
lischer, römischer Christ, getragen und emporgehoben,
immer von neuem ergriffen und fortgerissen von der Woge
einer unerschöpflichen Freude ... Meine Gefühle, meine
innere Welt, meine Gedankengebäude, in denen ich mich
schon häuslich eingerichtet hatte, waren nicht mehr da,
selbst meine Gewohnheiten waren verschwunden, mein
Geschmack verwandelt."
Erstaunlich an diesem Bekenntnis ist, daß hier ein
Mensch Gott fand, der ihn gar nicht gesucht, ja der nicht
einmal nach ihm gefragt hatte. Und er fand ihn in der viel-
geschmähten katholischen Kirche. André Frossard ist
nicht der einzige, dem diese Gnade geschenkt wurde.
Swetlana Allilujewa, die Lieblingstochter des Massenmör-
ders Stalin, die ebenfalls „von Kindheit an durch Gesell-
schaft und Familie zum Materialismus und Atheismus
erzogen worden war", erkannte mit 35 Jahren, daß „es
sinnlos ist, ohne Gott zu leben" und ließ sich taufen. 21
Viele andere könnten von einer ähnlichen Begegnung
mit Gott und ihrer Bekehrung zu ihm berichten. Doch
werden Erfahrungen und Erlebnisse dieser Art den
ungläubigen Zeitgenossen mehr oder weniger als zweifel-
hafte Selbsttäuschungen und Illusionen erscheinen, die
keinerlei Beweiskraft haben. Wem das göttliche Licht des
Glaubens noch nicht aufgeleuchtet ist, dem ergeht es wie
einem Blinden, der die Sonne auch dann nicht sehen
kann, wenn sie hellstrahlend am Himmel steht.
Der gewöhnliche Weg zum Glauben geht übrigens nicht
über solche außerordentlichen Gnadenerweise, sondern
über die Verkündigung durch überzeugte Glaubenszeu-
gen. Der Glaube des Christen kommt vom Hören (Rom
10,17) des Wortes Gottes, das der Gläubige aufnimmt und
92
sich zu eigen macht. Solcher Glaube ist nicht nur mensch-
liche Entscheidung, sondern immer auch und zuerst
Geschenk Gottes. Wie aber ist es dann zu erklären, daß
viele Christen diesen geschenkten Glauben verloren
haben und nun theoretisch oder praktisch im Lager des
Atheismus stehen, der mehr denn je in unserer westlichen
Welt auf dem Vormarsch ist? Und ist es nicht das größte
Ärgernis unseres Jahrhunderts, das man einmal das
„Jahrhundert der Kirche" genannt hat, daß es heute zum
ersten Mal in der Geschichte des Christentums dem Athe-
ismus gelungen ist, in die christliche Theologie einzudrin-
gen und eine Verwirrung in der Kirche zu stiften, wie sie
bisher noch niemals erlebt wurde?
Der Atheismus der Massen und erst recht der Atheis-
mus der Theologie kann mit natürlichen Argumenten und
Begründungen allein nicht erklärt werden. Bei aller diffe-
renzierten Betrachtung und Beurteilung des vielgestalti-
gen Atheismusproblems der Gegenwart muß doch zuerst
die Aussage der Heiligen Schrift über den Satan, der „den
ganzen Erdkreis verführt" (Offb 12,9) und das Wort Got-
tes aus den Herzen der Menschen hinwegnimmt, so daß sie
nicht glauben und gerettet werden (Lk 8, 12), unbedingt
anerkannt und berücksichtigt werden. Der Satan ist in der
Tat der geistige Vater der Rebellion gegen Gott und die
Natur und der letztverantwortliche Urheber der weltwei-
ten atheistischen Revolution unserer Tage.
Während er einerseits in unserem Jahrhundert seine
größten Erfolge aufweist und überall auf der Welt Haß
und Lüge, Terror und Massenmorde, Glaubensabfall und
abscheulichste Verbrechen aller Art inszeniert und ver-
breitet, gelingt es ihm andererseits sog. christliche „Theo-
93
logen" so zu verblenden, daß sie zur gleichen Zeit seine
personale Existenz unbekümmert leugnen.
Allerdings ist das noch nicht sein größter Triumph. Den
absoluten Gipfel erreicht seine gott- und menschenfeind-
liche Strategie erst in jener Richtung der „modernen
Theologie", die den ewigen, überweltlichen (transzenden-
ten) und zugleich innerweltlichen (immanenten), persön-
lichen Gott der biblischen Offenbarung und der gesamten
christlichen Tradition frech leugnet. Genau das geschieht
heute, und zwar so unverschämt und raffiniert, daß man
beredt wie eh und je von „Gott" spricht, in Wirklichkeit
aber mit dem Wort „Gott" nicht mehr Gott meint, son-
dern irgendeine menschliche Befindlichkeit. Das ist der
größte Sieg des „Vaters der Lüge" (Joh 8,44).
Sophistische Falschspieler haben zwar zu allen Zeiten
versucht, die Werte umzuwerten und dabei Worte umzu-
werten. Was aber die Söhne der Finsternis in der moder-
nen Theologie mit der radikalen Verfälschung des Wortes
„Gott" anstreben, nämlich die „Endlösung der Gottesfra-
ge", ist in der Geschichte ohne Beispiel und darf ohne
Übertreibung als eine geistige Revolution bezeichnet wer-
den, die in ihrer Bedeutung und Wirkung alle anderen
Revolutionen der Vergangenheit und Gegenwart weit
übertrifft.
In einem fragmentarischen Überblick soll dieses Unter-
nehmen hier näher dargelegt und erläutert werden. 22 Die
Wegbereiter der genannten „Endlösung" waren die Theo-
logen K. Barth, R. Bultmann, P. Tillich und D. Bonhoeffer.
Karl Barth, der als „bedeutendster Dogmatiker des mo-
dernen Protestantismus" gilt23, hat nach dem 1. Weltkrieg
mit einigen anderen Theologen die „dialektische Theolo-
94
gie" begründet, die als Gegenbewegung zur „liberalen
Theologie" des 19. Jahrhunderts der Gottesfrage nicht
nur neue und verstärkte Aufmerksamkeit schenkte, son-
dern ihr auch eine andere Interpretation gab.
Durch seine neue Gotteslehre ist der junge Karl Barth
ungewollt zu einem Bahnbrecher der gottlosen Theologie
geworden. In einem Aufsatz über „Das Wort Gottes und
die Theologie" schreibt er 1925: „Wir sollen als Theologen
von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als
solche nicht von Gott reden." Zwischen Gott und Mensch
besteht nach Karl Barth ein unendlicher qualitativer Un-
terschied, der weder durch Anschauung und Gefühl, noch
durch denkerische Bemühung überwunden werden kann.
Gott ist niemals „mit dem identisch, was wir Gott nennen,
als Gott erleben, ahnen und anbeten". Zwar kann Gott
geglaubt werden, aber der Glaube hebt die Entfernung zu
dem „ganz anderen" Gott nicht auf und ermöglicht kei-
nerlei Gemeinschaft mit ihm.
Wenn man Gott vom Menschen so radikal distanziert,
daß Gott gar nicht mehr erkannt und von ihm nicht mehr
gesprochen werden kann, so ist das praktisch schon eine
Vorstufe des „christlichen Atheismus", wenngleich theo-
retisch noch an einer Existenz Gottes festgehalten wird.
Die traditionelle katholische Theologie weiß zwar auch
um den ganz anderen Gott, dessen Gedanken nicht unsere
Gedanken und dessen Wege nicht unsere Wege sind, wie
Jesaja sagt (Jes 55, 8 f). Aber sie hat immer gelehrt, daß
zwischen dem jenseitig-überweltlichen (transzendenten)
Gott und dem dieseitig-endlichen Menschen aufgrund der
biblischen Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Men-
schen eine Ähnlichkeitsbeziehung besteht, die es ermög-
95
licht, wahre Aussagen über Gott zu machen und wirkliche
Erkenntnisse von ihm zu gewinnen. Wenn diese auch nur
Ähnlichkeitscharakter haben und die Unähnlichkeit da-
bei größer ist als die Ähnlichkeit, so war doch die Brücke,
die Gott und Mensch im Prinzip der Analogie des Seins
(analogia entis) miteinander verband, nie abgebrochen
werden.
Karl Barth jedoch lehnte gerade dieses Prinzip als
Erfindung des Antichristen radikal ab und sah in der Tat-
sache, daß die katholische Theologie daran unerschütter-
lich festhielt, den einzigen Grund, weshalb man nicht
katholisch werden könne. 24 Die Kritik an Karl Barths
Auffassung war unvermeidlich und wurde auch von libe-
ralen protestantischen Theologen, vor allem von A. v. Har-
nack vorgetragen, der schon sehr früh und klar die Konse-
quenzen von Barths theologischem Irrtum erkannt und
die Überzeugung ausgesprochen hatte, „daß derjenige,
der das Band zwischen Schöpfung und Schöpfer, zwischen
Geschichte und Glauben, zwischen Welt und Gott so zer-
schneidet wie K. Barth, sich auf die Dauer nicht vor der
Barbarei und dem Atheismus retten wird". 25
Als Theologe, dessen Aufgabe ja gerade das Sprechen
von Gott ist, mußte nun K. Barth einen Ausweg suchen,
um die unüberbrückbare Kluft zwischen Gott und Mensch
überwinden zu können. Er fand ihn, indem er den Begriff
der „Aktualität" Gottes einführte. Nach Barths „Aktua-
lismus" ist Gott nicht eine Wirklichkeit, die Sein und
Dasein hat, sondern Gott ist nur als Handelnder beim
Menschen im Augenblick, da er sich in seinem Wort dem
gläubigen Menschen offenbart. Gott ist, wie K. Barth in
einer Formel sagt - „Offenbarung und nicht Offenbart-
96
heit"26, ein Gott, der nicht als Seiender, sondern immer
nur als Kommender zu verstehen ist, über den also auch
keine theologischen Sätze mit letzter Gewißheit ausgesagt
werden können.
97
lichen und unmöglichen Abenteuer. Was eine solche Theo-
logie wert ist, braucht nicht weiter erörtert zu werden.
Der marxistische Philosoph Milan Machovec hat in sei-
nem Buch »Marxismus und dialektische Theologie« die
Auffassung vertreten, die Theologie K. Barths habe durch
die absolute Verjenseitigung Gottes den modernen Atheis-
mus, der Gott längst aus allen Bereichen der Welt ver-
bannt hat, bestätigt. Machovec betrachtet K. Barths Theo-
logie als eine Etappe auf dem Weg des Christentums zum
Atheismus und meint, daß mit D. Bonhoeffer die christ-
liche Theologie überhaupt ihr Ende gefunden habe.27
Er schreibt: „Wir möchten darin den logischen Ab-
schluß des Zweitausendjährigen Weges der Theologie se-
hen, der .Wissenschaft von Gott', die eine Position nach
der anderen aufgeben mußte, bis sie sich nun endlich ent-
schließt, auch von ihrem Eckstein, von Gott selbst zu las-
sen."
Ob man mit einem solchen Urteil K. Barth gerecht wird,
der doch immer wieder von „Gott im Himmel oben" ge-
sprochen hat? Theoretisch hat der K. Barth der dialek-
tischen Periode Gott sicher nicht geleugnet, aber er hat
mit der radikalen Entgegenständlichung (Entobjektivie-
rung) und totalen Verjenseitigung (Transzendenz) Gottes
einen fundamentalen theologischen Irrtum begangen und
damit einen entscheidenden Schritt zur atheistischen Ent-
wirklichung Gottes getan. Er wollte gegen eine extreme
Vermenschlichung und Verweltlichung Gottes im bürger-
lich-christlichen Sinn angehen und fiel dabei in das ande-
re Extrem der Entweltlichung und Entwirklichung Got-
tes.
98
Gegen Ende des Jahres 1963 gab K. Barth in einem Ge-
spräch mit dem evangelischen Theologen K. Bockmühl
selbst zu, daß er in seiner Theologie einen Fehler gemacht
haben mußte. Damals war die deutsche Übersetzung des
Buches »Honest to God« unter dem Titel »Gott ist anders«
erschienen,28 ein Buch, das der anglikanische Bischof
John A. T. Robinson in der Absicht geschrieben hatte, den
Glauben an den persönlichen Gott, der in der Bibel be-
zeugt wird und von der Christenheit bislang geglaubt wur-
de, zu überwinden, damit das Christentum in der heutigen
Welt überhaupt noch bestehen und überleben könne.
Die sensationelle Schrift, die mit einer Startauflage von
300000 Exemplaren auf den Markt kam, beunruhigte K.
Barth sehr. Er gab seiner Sorge darüber Ausdruck, daß er
an dieser neuesten Entwicklung innerhalb der christlichen
Theologie nicht ganz schuldlos sei und bemerkte dazu:
„Manchmal denke ich, das Problem John Robinson ist
vielmehr ein Problem K. Barth. Was habe ich falsch ge-
macht, daß das jetzt schon wieder möglich ist, - die Hef-
tigkeit und Breite dieser Reaktion?" 29
Führende Vertreter der amerikanischen „Gott-ist-tot"-
Theologie haben als überzeugte Anhänger des jungen K.
Barth ihre Theologie begonnen und dessen theologische
Ansätze radikal zu Ende gedacht. „Man kann ihnen die
Konsequenz darin nicht absprechen: Wenn Gott rein
unweltlich existiert und in die Wirklichkeit dieser Welt
nicht eingeht, wenn er in ihr nicht mehr vorkommt, dann
können und müssen wir vielleicht sogar gänzlich auf ihn
verzichten; denn ein von der Welt und ihrer Wirklichkeit
getrennter Gott ist eben kein wirklicher Gott; ein Gott der
absoluten Transzendenz und Überweltlichkeit kann den
99
Menschen nicht interessieren. Es ist die größere Konse-
quenz, auf einen solchen Gott zu verzichten und für ihn
einen Ersatz zu suchen in der Verabsolutierung einer welt-
lichen Kraft oder Gegebenheit." 30
Wenn auch der spätere Barth die Auffassung seiner
früheren Jahre zu revidieren versuchte, so konnte doch
dieser Versuch nicht ganz überzeugen und die Weiterent-
wicklung seiner ursprünglichen Ideen in Richtung eines
atheistischen Christentums nicht aufhalten.
Aber noch mehr als K. Barth hat R. Bultmann den
Prozeß der Zerstörung des biblischen Gottesglaubens vor-
angetrieben. Bultmann ist zweifellos der bis heute ein-
flußreichste und umstrittenste Theologe im Protestantis-
mus des 20. Jahrhunderts. Zuerst war er mit K. Barth
wesentlich am Aufkommen der dialektischen Theologie
beteiligt, ging später aber eigene Wege. Sein Name ist un-
trennbar mit dem sog. Entmythologisierungsprogramm
verbunden, von dem auch Gott betroffen ist.
Ähnlich wie K. Barth verwirft auch Bultmann den
Glauben an einen persönlichen Gott, der dem Menschen
und der Welt als wirklich existierend gegenübersteht. Mit
aller Entschiedenheit lehnt er eine solche Objektivierung
Gottes ab. Schon 1925 schreibt er in einem Aufsatz mit
dem Titel: „Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?" fol-
gende, für seine ganze Theologie programmatischen
Sätze: „Versteht man unter ,von Gott' reden, ,über Gott'
reden, so hat solches Reden überhaupt keinen Sinn ... Wer
durch Gründe bewogen wird, Gottes Wirklichkeit zu glau-
ben, der kann sicher sein, daß er von der Wirklichkeit Got-
tes nichts erfaßt hat; und wer mit Gottesbeweisen etwas
über Gottes Wirklichkeit auszusagen meint, disputiert
100
über ein Phantom. Denn jedes ,Reden über' setzt einen
Standpunkt außerhalb dessen, worüber geredet wird, vor-
aus. Einen Standpunkt außerhalb Gottes aber kann es
nicht geben, und von Gott läßt sich deshalb auch nicht in
allgemeinen Sätzen, allgemeinen Wahrheiten reden, die
wahr sind ohne Beziehung auf die konkrete Situation des
Redenden. Man kann über Gott sinnvoll so wenig reden
wie man über Liebe reden kann ... Liebe ist keine Gege-
benheit ... sie besteht nur als eine Bestimmtheit des
Lebens selbst ..." 31
101
oft nur wenig oder nichts von der theologischen Hinter-
welt, der sie entstammt.
102
R. Bultmanns Menschen- und Weltbild ist in sich ein-
heitlich und geschlossen, so daß es eine Aufspaltung in
zwei Wirklichkeiten wie Diesseits und Jenseits, Zeit und
Ewigkeit, Natur und Gnade ebensowenig geben kann wie
ein Eingreifen übernatürlicher Mächte in das Leben und
die Welt des Menschen.
103
Eigentlichkeit als Geschenk verdanken, als inkonsequen-
ten „Exklusivitätswahn" bezeichnet.
Durch den genannten Vorbehalt kann Bultmann zwar
verbal dem Vorwurf begegnen, er habe Gott mit der Exi-
stenz des Menschen gleichgesetzt und ihn als „Bestim-
mung des Menschen" zu einem Existential, d.h. zu eine
Existenzmerkmal des Menschen gemacht. Dennoch bleibt
bei einer redlichen Beurteilung der Gesamtaussagen Bult-
manns - seine Predigten eingeschlossen - keine Möglich-
keit mehr, von einer „Tat Gottes" im Sinne eines außer-
halb des zeitlichen Menschen und der geschlossenen Welt
existierenden und handelnden Gottes zu sprechen.
Man kann logischerweise Gott nicht entmythologisie-
ren und dann nachher die Tat des bereits entmythologi-
sierten Gottes von der Entmythologisierung ausnehmen.
Der Gott, von dem Bultmann engagiert zu sprechen weiß,
ist weder als Gegenüber des Menschen („Objekt"), als
außerhalb des Menschen existierendes Person-Wesen
(„Du"), noch als irgendeine überweltliche Wesenheit
denkbar. Man kann ihm deshalb auch nicht mehr personal
begegnen in Anbetung, Gebet und Gottesdienst. Wenn
man trotzdem noch „betet" und „Gottesdienst" feiert,
muß man diese Formen menschlichen Verhaltens immer
im entmythologisierten Sinn verstehen.
An diesem Punkt wird unausweichlich deutlich, daß die
existentialistische Verdiesseitigung Gottes ebenso zur
Entwirklichung und zum Verlust Gottes führt wie die
radikale Verjenseitigung Gottes durch K. Barth. Ein Irr-
tum ruft den anderen, ein Extrem berührt das andere.
Man hat für diesen Vorgang, der bei Barth und Bultmann
je anders verläuft, aber zum gleichen Ergebnis führt, das
104
Bild vom Radargerät und seiner Reichweite gebraucht.
„Ein solches Gerät kann sowohl durch zu große Höhe wie
auch durch einen Tiefflug wirkungslos gemacht werden
... ohne Bild gesprochen: Gott kann sich weder bei der
radikalen Verjenseitigung, noch bei der radikalen Verdies-
seitigung als Gott bemerkbar machen. Er verliert in
beiden Fällen die Wirksamkeit und die Wirklichkeit."
Ferner zeigt sich bei der Auseinandersetzung mit Bult-
manns Entmythologisierungsmethode, „daß das philoso-
phische Denkschema des Existentialismus den Theologen
in einen geistigen Engpaß führt, in dem die Frage nach
dem Sein und Wesen Gottes gar nicht mehr gestellt wer-
den kann ,.." 35
Mag man in R. Bultmanns Theologie bezüglich der
Gottesfrage noch eine gewisse Unklarheit und Wider-
sprüchlichkeit bemängeln, so ist dies bei seinem Schüler
Herbert Braun nicht mehr möglich. Braun hat die Inkon-
sequenz seines Lehrers aufgedeckt und den Prozeß der
Vermenschlichung Gottes geradlinig zu Ende geführt. Als
Schriftausleger (Exeget) tat er dies weniger mit Hilfe der
Existentialphilosophie als vielmehr mit exegetisch-prag-
matischen Methoden.
Wie R. Bultmann kennt auch H. Braun nur eine Wirk-
lichkeit, die sog. „welthafte Wirklichkeit die den Gesetzen
der Natur untersteht und Gegenstand der Naturwissen-
schaften ist. Braun geht dabei von der Annahme aus, daß
die uns zur Zeit noch unbekannten Naturgesetze in Zu-
kunft alle einmal erkennbar sein werden. Über die sog.
empirische Wirklichkeit hinaus existiert für ihn nichts. Es
bleibt somit kein Raum mehr für die Existenz oder das
Handeln eines außer- und überweltlichen Gottes, Wunder
105
kann es wie schon für R. Bultmann nicht mehr geben. Es
existiert nur die diesseitige, naturgesetzlich und ge-
schichtlich geschlossene „welthafte Welt". So ist die Theo-
logie Brauns in der Tat eine Theologie ohne Gott, eine
atheistische Theologie. Weil aber der Begriff „atheistische
Theologie" in sich schon mehr als absurd ist - er ist nicht
nur sinnig, sondern irrsinnig - darum sollte man das
System der Braunschen Hirngespinste ehrlicherweise
nicht mehr „Theologie", sondern eher „Anthropologie"
(Lehre vom Menschen) nennen.
Doch H. Braun denkt nicht daran, das unredliche Spiel
mit dem Wort „Gott" aufzugeben. Er entmythologisiert
den biblischen Gottesbegriff und funktioniert ihn um in
„das Phänomen des gewissensmäßigen, getrosten, über-
zeugten Handeln-könnens." Die Vokabel „Gott" bezeich-
net hier eindeutig ein menschliches Existenzphänomen.
In einer anderen Definition, die ebenfalls von der sittli-
chen Verantwortlichkeit des Menschen ausgeht, nennt er
„Gott" das „Woher meines Umgetriebenseins. Mein
Umgetriebensein aber ist bestimmt durch das ,Ich darf
und ,Ich soll', bestimmt durch Geborgenheit und Pflicht.
Geborgenheit und Pflicht aber kommt mir nicht aus dem
Weltall, sondern vom anderen her, vom Mitmenschen."
Nach einer anderen These ist „Gott" dort, „wo der
Augenblick in seiner Gefülltheit genommen und gelebt
wird." Die bekannteste Formulierung Brauns, die seine
verschiedenen Gottesaussagen gleichsam zusammenfaßt
und auf einen Nenner bringt, lautet schließlich ganz ein-
fach und schlicht: „Der Mensch in seiner Mitmenschlich-
keit impliziert Gott... Gott wäre dann eine bestimmte Art
der Mitmenschlichkeit." 36
106
Es ist nicht verwunderlich, wenn diese Art von „Theolo-
gie" bei gläubigen Christen aller Konfessionen Entrü-
stung und Entsetzen ausgelöst hat. Bemerkenswert ist
aber auch die Tatsache, daß sie selbst von entschiedenen
Atheisten abgelehnt und verurteilt worden ist. So hat z.B.
der ehemalige evangelische Theologe Joachim Kahl in sei-
nem rabiaten antichristlichen Pamphlet »Das Elend des
Christentums« die Entmythologisierungspraxis ganz all-
gemein „organisierte Unehrlichkeit und Zweideutigkeit"
genannt. 37
Der katholische Dogmatiker L. Scheffczyk schlägt vor,
die Auffassungen Brauns vom Gott „Mitmenschlichkeit"
nicht mehr als „Humanismus", sondern als „Hominis-
mus" zu bezeichnen, weil hier nämlich zum Unterschied
von allen anderen Formen des Humanismus erstmals das
Menschliche (Humanum) an die Stelle Gottes gesetzt
wird.38 Der Begriff „atheistisch" trifft nach den strengen
Regeln der Logik für dieses System des Humanismus
nämlich deshalb nicht zu, weil eben menschliche und mit-
menschliche Befindlichkeiten in ihm zu „Gott" gemacht
werden.
Die satanische Pervertierung der Menschwerdung Got-
tes in Jesus Christus ist damit theologisch sanktioniert:
Der Mensch wird Gott und ist Gott. Mit welchen billigen
Tricks der Exeget Braun die konkreten Aussagen von Gott
im Neuen Testament umdeutet und vergewaltigt, soll hier
nicht näher dargelegt werden. Mehr als 1 OOOmal offenbart
sich in der Bibel der lebendige, persönliche (theistische)
Gott als „Ich" und wird von den Menschen als „Du" ange-
sprochen. Diesen persönlichen Gott aus der Bibel mit dem
Hinweis auf das überholte antike Weltbild entmythologi-
107
sieren zu wollen ist nicht zuletzt deshalb unmöglich, weil
ja das antike Weltbild den einen (mono-theistischen) Gott
gar nicht kannte, sondern vom Polytheismus, d.h. vom
Glauben an viele Götter, beherrscht und bestimmt war.
Unter den bahnbrechenden Theologen des modernen
Protestantismus, die ebenfalls den Glauben an den per-
sönlichen Gott der Bibel aufgegeben haben, nimmt Paul
Tillich eine Sonderstellung ein. Schon 1929 vertrat er die
Meinung, daß zentrale Begriffe des Christentums, vor
allem auch das Wort „Gott" fragwürdig geworden seien
und dringend einer Neuinterpretation bedürften. Er
spricht davon, daß „die überwältigende Macht des Wortes
,Gott' neu zu verstehen und zu formulieren" sei. Dies sei
um so notwendiger, als die alten Formeln von Gott von
vielen Zeitgenossen nicht mehr verstanden würden, was ja
schließlich auch zu der bekannten Erfolglosigkeit der Kir-
che und zur Krise des Christentums geführt habe.
Von der gleichen Voraussetzung geht später auch
Bischof Robinson aus. Die quälende Frage ist für beide:
Wie können oder müssen wir die theologischen Aussagen
von Gott und seinem Wort so attraktiv machen, daß sie bei
den heutigen Menschen ankommen? Tillich, der die
gegenwärtige Glaubenskrise nicht in der modernen säku-
larisierten Welt, sondern im Versagen des theologischen
Denkens und der kirchlichen Verkündigung begründet
sieht, stellt deshalb die Forderung auf: „Begriffe mußt du
retten, ehe du Seelen retten kannst." 39
Wie will nun P. Tillich den Begriff „Gott" retten?
Zunächst möchte er den alten Begriff vom jenseitigen und
übernatürlichen Gott reformieren und dem All-Einheits-
Bewußtsein des modernen Menschen und seiner Ge-
108
schichte so anpassen, daß Gott mit der geschaffenen Welt
nicht einfach identifiziert wird. Zu diesem Zweck führt er
den Begriff „Gott über Gott" ein, der im sog. „absoluten
Glauben" zu erfassen ist. Da der alte Gottesbegriff durch
das Gegenüber von Gott und Mensch das Verhältnis bei-
der so gestaltet, daß Gott zum Konkurrenten des Men-
schen und der Mensch zum Sklaven Gottes wird, muß
man diesen theistischen Begriff von Gott aufgeben, was
Nietzsche mit der Parole „Gott ist tot" mit Recht getan
habe.
Die neue Gottesvorstellung lautet in der Formel Til-
lichs: „Gott über Gott", d.h. der neue Gott überschreitet
(transzendiert) den alten, wie er überhaupt den Menschen
und alles endliche Sein „unendlich" überragt. Durch die-
sen neuen Gottesbegriff will Tillich dem Menschen die
Angst vor der Sinnlosigkeit nehmen und ihm Mut zum
Dasein geben. Sein „Gott über Gott" ist aber kein persön-
liches Wesen, sondern lediglich eine symbolische Formel
für die Überwindung und Überwindbarkeit von Sinnlosig-
keit und Verzweiflung. „Gott über Gott" ist also keine
inhaltlich bestimmte und gegebene Wirklichkeit, sondern
eine Formel, die nur im „absoluten Glauben" erfaßt wer-
den kann.
Der „absolute Glaube" wieder ist nichts anderes als der
„Mut zum Sein", der auch vor dem Nichtsein und der
Sinnlosigkeit nicht verzweifelt, sondern ihnen sein muti-
ges oder trotziges „Trotzdem" entgegenhält, es ist „der
Mut der Verzweiflung", wie Tillich selber sagt. 40 Der
„absolute Glaube" wird deshalb so genannt, weil er von
jedem Glaubensgrund, -gegenständ und -inhalt losgelöst
ist und nur in Beziehung zu sich selbst existiert. Als sol-
109
eher ist dieser „Glaube" irrational, ohne jede einsichtige
Basis und im günstigen Fall nicht mehr als eine suggestive
Formel, die nur vom Menschen her, also subjektiv zu
begründen ist. Doch sieht Tillich auch einen objektiven
Grund für diesen Glauben, nämlich in der Struktur des
Seins, dessen tiefster Grund „Gott" heißt.
War früher Gott als die Spitze des Seins verstanden
worden, so wird er jetzt dessen Tiefe genannt. P. Tillich
erklärt das so: „Der Name dieser unendlichen Tiefe und
dieses unerschöpflichen Grundes allen Seins ist Gott. Jene
Tiefe ist es, die mit dem Wort Gott gemeint ist. Und wenn
das Wort für euch nicht viel Bedeutung besitzt, so über-
setzt es und sprecht von der Tiefe in eurem Leben,... von
dem, was euch unbedingt angeht, was ihr ohne irgendei-
nen Vorbehalt annehmt. Wenn ihr das tut, werdet ihr viel-
leicht einiges, was ihr über Gott gelernt habt, vergessen
müssen, vielleicht sogar das Wort selbst. Denn wenn ihr
erkannt habt, daß Gott Tiefe bedeutet, so wißt ihr viel von
ihm ... Wer um die Tiefe weiß, weiß auch von Gott." 41
Der „Gott" Tillichs ist als Grund des Seins oder als
„Seinsmächtigkeit" nicht etwa dem Sein voraus, ihm
über- oder vorgeordnet, sondern nur ein Teil der einheit-
lich verstandenen Gesamtwirklichkeit. Damit kommt bei
ihm Gott als begründende Ursache des Seins, als vor- und
überweltlicher Schöpfer nicht in Frage. Sein Gott hat kein
Sein an sich und für sich, keine Existenz unabhängig vom
Sein der in sich geschlossenen Gesamtwirklichkeit. Aus-
drücklich lehnt Tillich ab, „daß Gott eine Person ist". Er
betrachtet Gott nur als „das fundamentale Symbol für
das, was uns unbedingt angeht" - und bezeichnet sogar
einmal „Gott" als das Symbol für Gott.
110
Was er darunter versteht, macht er mit folgendem Ver-
gleich deutlich: „Der Mensch, der Apollo anbetet, ist in
konkreter Weise unbedingt ergriffen, denn sein letztes
Anliegen ist in der Gestalt des Apollo symbolisiert. Der
Mensch, der Jahwe, den Gott des Alten Testaments, ver-
ehrt, hat ein unbedingtes Anliegen und ein konkretes
,Bild' dessen, was ihn unbedingt angeht. Das ist der Sinn
der scheinbar so paradoxen Feststellung, daß ,Gott' das
Symbol Gottes sei." Der Sinn dieser sophistischen Wort-
spielerei ist mit anderen Worten der: Weder Apollo noch
Jahwe haben eine wirkliche und wesenhafte Existenz.
Wirklich existiert nur der Mensch, dessen unbedingtes
Anliegen mit dem „Bild" oder „ Symbol" Gott identifiziert
wird. „Gott" ist also nur das Symbol für eine menschliche
Befindlichkeit. P. Tillich sagt selbst, „daß durch diese
Deutung des Gottesbegriffs eine Diskussion über die Exi-
stenz oder Nicht-Existenz Gottes sinnlos wird ... Wenn
,Existenz' sich auf etwas bezieht, das im Ganzen der Wirk-
lichkeit vorgefunden wird, so existiert kein göttliches
Wesen ... ,Gott' ist das fundamentale Symbol des Glau-
bens, aber es ist nicht das einzige ... Glaube ist nicht das
Fürwahr-Halten von Geschichten, sondern er ist die
Annahme von Symbolen, die unser unbedingtes Ergriffen-
sein im Bild göttlichen Handelns ausdrücken." 42
Folgerichtig muß P. Tillich auch die Gottesbeweise ab-
lehnen. Außerdem kann er das Gebet nicht mehr als per-
sönliche Zwiesprache des Menschen mit Gott verstehen.
Er spricht freilich noch vom Gebet, doch kann nach seiner
Auffassung etwa das Bitt- oder Fürbittgebet nicht den
Sinn haben, „daß man von Gott erwartet, er solle bereit
sein, in existentielle Gegebenheiten einzugreifen." 43 Ja er
111
sagt sogar, wenn das Gebet „auf die Ebene einer Zwiespra-
che zwischen zwei Wesen herabgezogen wird, ist es blas-
phemisch und lächerlich." Nach seiner Definition ist
Gebet vielmehr „die Gegenwart des Mysteriums des Seins
und eine Manifestation dessen, was uns unbedingt an-
geht." 44 Beten und Meditieren kann in diesem Verständnis
nur heißen, sich in die Tiefe des eigenen Seins zu versen-
ken, wo man letztlich mit sich selbst allein ist.
Die Gedanken Tillichs wurden von der sog. „Gott-ist-
tot"-Theologie aufgenommen und durch sie konsequent
und radikal weitergeführt. Der amerikanische Theologe
Thomas Altizer meint, daß Tillich seine Theologie nicht
konsequent durchgehalten habe, sondern auf halbem Weg
stehengeblieben sei. Er wolle nun den radikalen Tillich in
einer atheistischen Interpretation des Christentums zu
Ende denken. Als Tillich kurz vor seinem Tod noch mit
dieser Theologie konfrontiert wurde, soll er gesagt haben:
„Das geht zu weit." 45
Wahrscheinlich hat Tillich selbst nicht erkannt, wel-
chen Prozeß er mit seiner Neuinterpretation des Gottesbe-
griffs tatsächlich eingeleitet und vorangetrieben hat. Die
„Gott-ist-tot"-Theologie ist jedenfalls der Schlußpunkt
einer breiten theologischen Bewegung, die irrtümlich
glaubte, den absoluten, lebendigen, persönlichen Gott der
biblischen Offenbarung durch andere, unpersönliche Ge-
gebenheiten ersetzen zu können.
Das Ende dieses verhängnisvollen Irrtums ist die absur-
de atheistische Theologie, die „Gott-ist-tot"-Theologie,
deren Hauptvertreter die radikalen amerikanischen
Theologen Thomas Altizer, Paul van Buren und William
Hamilton sind. Sie verstehen ihre Theologie nicht mehr
112
nur als Kommentar zu den Gedanken der führenden
europäischen Theologen des Protestantismus wie K.
Barth, R. Bultmann, P. Tillich oder D. Bonhoeffer, son-
dern als eigenständige, neue amerikanische Theologie.
Gleichwohl sind sie durchweg Schüler dieser alten Lehrer.
Besonders stark sind alle radikalen amerikanischen
Theologen von Dietrich Bonhoeffer beeinflußt, der Profes-
sor für systematische Theologie in Berlin war. Wegen sei-
nes Widerstandes gegen die nationalsozialistische Tyran-
nei wurde er verhaftet und 1945 im KZ Flossenbürg
ermordet. Während seiner Haft entwarf er erstmals die
Konzeption eines „religionslosen Christentums." Er
schreibt: „Unsere gesamte 1900jährige christliche Verkün-
digung baut auf dem ,religiösen Apriori' der Menschen
auf. Christentum' ist immer eine Form (vielleicht die
wahre Form) der Religion gewesen. Wenn nun aber eines
Tages deutlich wird, daß dieses ,Apriori' gar nicht exi-
stiert, sondern daß es eine geschichtlich bedingte und ver-
gängliche Ausdrucksform der Menschen gewesen ist,
wenn also die Menschen radikal religionslos werden - und
ich glaube, daß das mehr oder weniger bereits der Fall ist
... - was bedeutet das dann für das Christentum'? Unse-
rem ganzen bisherigen Christentum' wird das Funda-
ment entzogen, und es sind nur noch einige ,letzte Ritter'
oder ein paar intellektuell Unredliche, bei denen wir reli-
giös' landen können.
Sollten das etwa die wenigen Auserwählten sein? Sollen
wir uns eifernd, pikiert oder entrüstet ausgerechnet auf
diese zweifelhafte Gruppe von Menschen stürzen, um
unsere Ware bei ihnen abzusetzen? Sollen wir ein paar
Unglückliche in ihrer schwachen Stunde überfallen und
113
sie sozusagen religiös vergewaltigen? Wenn wir das alles
nicht wollen, wenn wir schließlich auch die westliche
Gestalt des Christentums nur als Vorstufe einer völligen
Religionslosigkeit beurteilen müßten, was für eine Situa-
tion entsteht dann für uns, für die Kirche? Wie kann Chri-
stus auch der Herr der Religionslosen werden? Gibt es
religionslose Christen?...
Die zu beantwortenden Fragen wären doch: Was bedeu-
tet eine Kirche, eine Gemeinde, eine Predigt, eine Liturgie,
ein christliches Leben in einer religionslosen Welt? Wie
sprechen wir von Gott - ohne Religion ...? Wie sprechen
... wir,weltlich' von Gott...? Wie sind wir Herausgerufe-
ne, ohne uns religiös als Bevorzugte zu verstehen, sondern
vielmehr als ganz zur Welt Gehörige ...? Was bedeutet in
der Religionslosigkeit der Kultus und das Gebet ...? Die
paulinische Frage, ob die Beschneidung Bedingung der
Rechtfertigung sei, heißt meines Erachtens heute, ob Reli-
gion Bedingung des Heils sei. Die Freiheit von der Be-
schneidung ist auch die Freiheit von der Religion. Wie die-
ses religionslose Christentum aussieht, welche Gestalt es
annimmt, darüber denke ich nun viel nach ... Vielleicht
wird hier gerade uns, in der Mitte zwischen Osten und
Westen, eine wichtige Aufgabe zufallen." 46
Mit diesen Überlegungen hat D. Bonhoeffer den ent-
scheidenden Impuls zur Endlösung der Gottesfrage gege-
ben und die moderne atheistische Theologie herausgefor-
dert. Seine Fragen werden in der amerikanischen
„Gott-ist-tot"-Theologie, die ebenso dekadent ist wie die
Gesellschaft, aus der sie kommt, endgültig beantwortet.
William Hamilton, ein Hauptvertreter dieser Theologie,
bezeichnet sich selbst als einen „harten Radikalen", dem
114
zum Unterschied von den „weichen Radikalen" nicht nur
die Form, sondern auch die Sache der biblischen Botschaft
problematisch geworden ist. Sein Weg begann bei K.
Barth und führte über D. Bonhoeffer und das Problem des
Leidens in der Welt schließlich zur Frage des Todes Got-
tes, die er in seinem Buch »The new essence of Christiani-
ty« (Das neue Wesen des Christentums) 1961 erstmals auf-
greift.47 Damals verstand er unter der Rede vom Tod
Gottes nicht nur den Tod der falschen Gottesbilder - und -
-Vorstellungen, sondern stellte bereits die Frage, „ob Gott
nicht selbst entschwunden ist".
In dieser Phase seiner Theologie war Hamilton noch ein
„weicher Radikaler", der mit dem „Tod Gottes" nur die
Abwesenheit Gottes in der Welt ausdrücken wollte, wäh-
rend er die Hoffnung auf eine Rückkehr Gottes noch nicht
radikal ausschloß. Später bekennt er jedoch, „daß wir
nicht anbeten ..., daß wir nicht glauben ... ," sondern
„versuchen, andere davon zu überzeugen: Gott ist tot! -
das heißt der Gott der Vergangenheit..., der Erfüller der
Nöte und Löser der Probleme." Am Beispiel der Ödipus-
Sage erklärt er, daß nach dem Tod des Vater-Gottes jetzt
auch die Mutter-Kirche aus unserer Welt zu verschwinden
habe. Der Weg der Christenheit, die in der Reformation
das Kloster verlassen habe und in die Welt aufgebrochen
sei, dieser Weg der Säkularisierung muß heute radikal zu
Ende gegangen werden.
Nachdem der Tod Gottes für Hamilton unwiderruflich
feststeht, tritt er die Flucht in den Gehorsam gegen Jesus
an. Das heißt für ihn: Jesus im Nächsten finden und für
den Nächsten Jesus werden. Doch wer ist Jesus, wenn es
keinen lebendigen Gott mehr gibt? Jesus tritt an die Stelle
115
Gottes und gibt den Menschen alle notwendigen Orientie-
rungshilfen. Ihm gilt es treu zu sein im Einsatz für eine
bessere Welt. Wenn nun aber mit dem Tod Gottes zwangs-
läufig der Glaube und die Hoffnung gestorben sind, gibt es
dann für die Menschheit ohne Gott noch Hoffnung auf
Zukunft?
Hamilton sieht das Problem der Hoffnungslosigkeit
und er findet zu deren Überwindung den Glauben an
einen „neuen Optimismus", indem er einfach die radikale
Theologie zu einer „optimistischen Theologie" erklärt. Er
sagt: „Die radikale Theologie ... bezieht sich auf ein neues
Gefühl der Hoffnung und des Optimismus im Leben Ame-
rikas heute, auf eine Überzeugung, daß wesentliche Ver-
änderungen im Leben der Menschen gemacht werden
können und gemacht werden. Der neue Optimismus ver-
sucht, sich zu einem Ja zur Welt des raschen Umbruchs zu
erziehen, zu einer Welt der Technologien, der Automation
und der Massenmedien..."
Soviel mag genügen. Wir sehen, daß auch Hamilton
Gott durch das „Prinzip Hoffnung" ersetzt hat. Doch
dürfte sein neuer Optimismus eher einem irrealen
Wunschdenken als einer begründeten Hoffnung entsprin-
gen. Wer heute noch im Leben Amerikas die Grundlage
für einen neuen Optimismus erkennen wollte, könnte
nicht mehr ernstgenommen werden. Darf man in diesem
Zusammenhang vielleicht die tiefen-psychologisch inter-
essante Frage stellen, ob die amerikanische „Gott-ist-tot"-
Theologie nicht so etwas wie eine Verzweiflungstheologie
ist, die den gesellschaftlichen, moralischen und politi-
schen Bankrott Amerikas widerspiegelt und ihn auf Gott
projiziert?
116
Wenn man bedenkt, daß die Weltmacht Amerika, die
vor 200 Jahren von Freimaurern geschaffen wurde und
von ihnen bis zur Stunde regiert wird, unaufhaltsam
ihrem Untergang entgegengeht, dann ist das Aufkommen
einer Art Untergangsstimmung, die sich in einer schon
entwurzelten Theologie leicht niederschlagen und in einer
totalen Verzweiflung zum Ausdruck bringen kann, durch-
aus möglich. Hamilton scheint selbst eine Andeutung in
dieser Hinsicht zu machen, wenn er in seiner Abhandlung
über „Die Gestalt einer radikalen Theologie" 48 tiefgrün-
dig bemerkt, daß die persönliche Erfahrung, 40 Jahre alt
zu sein und somit nicht mehr viel vor sich zu haben (!),
neben den Briefen Bonhoeffers und der Ohnmacht des
Christentums wesentlich zu seiner radikalen theologi-
schen Einstellung beigetragen habe.
Für Paul van Buren, der wie Hamilton 1924 geboren ist
und die „Gott-ist-tot"-Theologie noch radikaler vertritt,
waren die theologischen Leitideen von K. Barth, R. Bult-
mann und D. Bonhoeffer sowie die Sprachanalyse von
Ludwig Wittgenstein (1889-1951) bestimmend. Wittgen-
stein war naiv genug, zu glauben, daß er mit seinem 1918
veröffentlichten „Tractatus logico-philosophicus" alle
philosophischen Probleme gelöst habe. In seiner Sprach-
analyse, die nur die in sich geschlossene, naturwissen-
schaftlich erkennbare, empirische Welt des Positivismus
als Wirklichkeit voraussetzt und zu deuten versucht, ist
für die Frage nach Gott kein Raum. Nach ihm kann die
Sprache nur endliche Sachverhalte beschreiben. Diese
sind atomare Sachverhalte, die in ihrer Gesamtheit die
Wirklichkeit im Ganzen darstellen. Da Gott in dieser
Wirklichkeit nicht vorkommt, oder wie Wittgenstein sagt,
117
„sich nicht der Welt offenbart" (Tr 6, 432), kann nicht
nach ihm gefragt werden. Eine Frage aber, die es nicht
gibt, kann logischerweise auch nicht beantwortet werden.
Wittgenstein formuliert das positiv so: „Wenn sich eine
Frage überhaupt stellen läßt, so kann sie auch beantwortet
werden" (Tr 6,5).
Natürlich gibt es für ihn auch „Unaussprechliches".
Über dieses sagt er: „Wovon man nicht sprechen kann,
darüber muß man schweigen" (Tr 7). Das also ist der
Weisheit letzter Schluß, daß man von Gott schweigen
muß. Der „Theologe" van Buren nimmt diesen letzten
Schrei einer unsinnigen Philosophie deren Sätze - wie
Wittgenstein selbst sagt - von einem, der ihn versteht, „am
Ende als unsinnig" erkannt werden, so ernst, daß er in sei-
nem Buch »The secular meaning of the Gospel« (Reden
von Gott in der Sprache der Welt, 1963) behauptet, nicht
nur Gott, sondern sogar schon das Wort „Gott" sei tot. Es
sei ein sinnloses Wort, weil es keine nachweisbare Wirk-
lichkeit zur Sprache bringe und deshalb in einer Sprache,
die von Wirklichem spricht nicht funktionieren könne.
Von dieser Grundposition ausgehend muß van Buren
der Theologie eine neue Ortsbestimmung geben. Sie steht
nun nicht mehr im Dienst der Kirche, sondern hat eine
kulturelle Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen. Die
zentrale Frage ist dabei für ihn nicht „was Religion sei,
noch weniger, was religiöse Wahrheit sei, sondern was die
Religion für die Menschen getan hat und was sie heute für
sie tun kann". Die säkulare Gesellschaft fordert vom
Christen einen säkularen Glauben. Um vom Christlichen
wenigstens noch etwas zu retten, tritt auch van Buren den
Rückzug auf Jesus an. Das Wesentliche an Jesus von Na-
118
zareth sieht er in dessen Freiheit, die ihn frei machte von
aller Furcht und Sorge, frei für den Nächsten bis zum
Kreuz. Nach Jesu Tod begann diese Freiheit auf die Jün-
ger überzugreifen, sie wurde „ansteckend", und die Jün-
ger, die an dieser Freiheit teilnahmen und in ihr den letz-
ten Sinn ihrer Geschichte erkannten, verkündigten sie als
Evangelium für alle Menschen.
119
Und die Antwort des lebendigen Gottes? Wird er zu
alledem schweigen? Nein. Er wird sich der Welt offenba-
ren in einem Weltgericht, wie es die Weltgeschichte noch
nicht erlebt hat. Dieses Gericht kommt von Tag zu Tag
näher auf uns zu. „Es ist schrecklich, in die Hände des
lebendigen Gottes zu fallen" (Hebr 10,31).
120
Der Horizont dieses neuen Glaubens liegt wieder in der
Zukunft, in der Erwartung des „Reiches", in dem alle
Gegensätze wie Gott und Welt, Sakral und Profan zusam-
menfallen. Gott stirbt in seiner ursprünglichen, jenseiti-
gen Form ab und wird ganz Fleisch im Wort oder Leib
Jesu „und hört damit auf, als der Gott, der allein Gott ist,
gegenwärtig und wirklich zu sein". Der Prozeß der Vernei-
nung Gottes betrifft, wie Th. Altizer schreibt, nicht nur
einen „falschen Gott", sondern vielmehr den Gott, den wir
selbst anbeten, sofern wir in der Vergangenheit leben, der
sterben muß, um einen neuen Glauben zu ermöglichen,
der in der Gegenwart leben kann ...
Gerade weil wir die Erben einer Geschichte sind, in der
Gott wirklich gegenwärtig war, müssen wir die konkrete
Wirklichkeit von Gottes Rückzug aus unserer Zeit weiter-
sagen ... Bisher war der Theologe nicht in der Lage, klar
vom Tod Gottes zu reden ... Nun, da wir gelernt haben,
daß wir nicht mehr von Gott reden können, müssen wir
lernen, von der Wirklichkeit seines Todes zu reden ... Ein
theologischer Satz, der den Tod Gottes verkündigt, muß
bedeuten, daß Gott im Wort des Glaubens nicht mehr
gegenwärtig ist ... Wir Christen sind aufgerufen, nur
Christus die Treue zu halten ... und darum sollten wir
schon vorbereitet sein auf die Erscheinung Christi ohne
Gott... Gerade dadurch, daß wir in Freiheit den Tod Got-
tes wollen, können wir unserer Zeit gegenüber offen sein
und offen sein für den Christus, der immer gegenwärtig
ist, für das Wort, das mit unserem Fleisch eins wurde. Nur
der Christ kann den Tod Gottes wahrhaftig verkünden". 49
Die „Gott-ist-tot"-Theologie, die wir hier als radikale
Theologie kennengelernt haben, ist keineswegs als ge-
121
schlossene Einheit vorzufinden. Andere amerikanische
Theologen wie etwa Harvey Cox und Gabriel Vahanian,
der 1961 ein Buch mit dem Titel »The Death of God« (Der
Tod Gottes) herausgab und dadurch entscheidend zum
Aufkommen des Schlagwortes vom „Tod Gottes" beige-
tragen hat, sprechen zwar auch vom Tod Gottes, verste-
hen diesen jedoch nicht im atheistischen Sinn, sondern
lediglich als Überwindung der nach ihrer Meinung
falschen Gottesbilder, zu denen freilich - leider auch - die
manchmal mißverstandene Vorstellung vom Gott des tra-
ditionellen christlichen Glaubens gehört.
Auch der anglikanische Suffraganbischof von Wool-
wich, John Robinson, der mit seinem Buch »Honest to
God« - »Gott ist anders« weltweites Aufsehen erregte, ist
jenen „Gott-ist-tot"-Theologen zuzurechnen, die den tra-
ditionellen Gottesglauben, oder wie Robinson sagt, das
„Image" des bisher geglaubten Gottes radikal verändern
und der Mentalität des „modernen Menschen", der mit
dem alten Gott nichts mehr anfangen kann, anpassen wol-
len. Da Robinsons Buch nur die theologischen Gedanken
von R. Bultmann, P. Tillich und D. Bonhoeffer populari-
siert, brauchen wir hier nicht mehr näher darauf einzuge-
hen.
Daß die „Gott-ist-tot"-Theologie auch in Deutschland
zahlreiche Anhänger gefunden hat, ist kein Geheimnis
mehr. In ihrer radikalsten Form wird sie bei uns z.B. von
Dorothee Solle vertreten. Ihr 1965 veröffentlichtes Buch
»Stellvertretung« trägt den bezeichnenden Untertitel
»Ein Kapitel Theologie nach dem Tode Gottes«. Sie hat
auch eine Aufsatzsammlung unter dem Titel »Atheistisch
an Gott glauben« herausgegeben und ihr atheistisches
122
Glaubensbekenntnis in dem 1969 erschienenen Aufsatz
»Gibt es ein atheistisches Christentum?« zusammenge-
faßt. 50
Hier schreibt sie: „Authentisch christliches Verhalten
ist heute praktisch atheistisches Verhalten ... Wenn Chri-
stus heute wiederkäme, wäre er Atheist ... Theistisches
Verhalten wartet auf Gottes Eingreifen, darin ist es anti-
christlich." Im Anschluß an Antony Flews „Parabel vom
Gärtner, den es gar nicht gibt",51 sieht D. Solle die wichtig-
ste Aufgabe des heutigen Christen in der politischen Ak-
tion. Da es Gott als Gärtner der Welt nicht gibt, ist es unse-
re Sache, „was aus dem Garten der Welt wird". Wie
Christus, der nicht zu Gott betete, sondern sich selbst und
dem Nächsten half, worin Frau Solle den „Entwurf Chri-
sti" oder das „Ethos Christi" zu erkennen glaubt, soll auch
der Christ die wahre Liebe, die bei Jesus politisches Han-
deln gewesen sei, im politischen Engagement verwirk-
lichen. Die Hauptinitiatorin des „politischen Nachtgebe-
tes" erwartet von einem Sozialrevolutionären christlichen
Atheismus, der sich nur noch dem Namen nach von den
verschiedenen Spielarten des linksrevolutionären, neo-
marxistischen Humanismus unterscheiden dürfte, die
wirksame Bekämpfung und Beseitigung der beklagens-
werten „elenden Zustände" in der heutigen Welt.
Das genaue Gegenteil jedoch ist als Frucht des Huma-
nismus ohne Gott nach dem Aufweis unserer neuesten
Geschichte festzustellen. Nur Schwachsinnige oder blinde
Ideologen können heute noch daran glauben, daß irgend-
ein gottloser Humanismus eine bessere, menschenwürdi-
gere Welt aufzubauen vermag. Er wird vielmehr die „elen-
den Zustände" noch verschlimmern und auf die ganze
123
Welt ausdehnen. Wenn nämlich die geplante Weltregie-
rung in der One World eines Tages Wirklichkeit werden
sollte, wird statt eines universalen Humanismus eine tota-
le weltweite Unfreiheit und Unmenschlichkeit die
Menschheit tyrannisieren. Unzählige Millionen Menschen
sind in unserem blutigen Jahrhundert bereits dem huma-
nistischen Wahnsinn geopfert worden und eine noch
schrecklichere Massenvernichtung wird in der Zukunft
die Folge des atheistischen und autonomen Humanismus
sein.
Der lebendige Gott der Offenbarung, der dreipersön-
liche (trinitarische) Gott, der Vater, der Sohn und der Hei-
lige Geist, wird den Untergang der Humanität überleben.
Seine Zeugen aber werden in der Letztzeit zu einer immer
kleiner werdenden Minderheit zusammenschrumpfen
und überall auf der Welt dem tödlichen Haß der dämoni-
schen Mächte und ihrer irdischen Funktionäre ausgesetzt
sein. Denn am Ende unserer Geschichte wird die Welt-
herrschaft Satans und seiner Elite ihren Höhepunkt errei-
chen und die gesamte Menschheit versklaven. Für die
Zeugen des lebendigen Gottes wird dann die ganze Welt
zum Archipel Gulag. Sie werden, wie die Christen der
ersten Jahrhunderte, ihrem Gott unter der Erde begegnen,
wie der erleuchtete Russe F. M. Dostojewski in einer pro-
phetischen Vision angedeutet hat.
In seinem Roman »Die Brüder Karamasow« läßt er
Mitja Karamasow einen Tag vor seiner Verbannung nach
Sibirien zu Aljoscha sagen: „Wenn man Gott von der
Erdoberfläche verjagt, werden wir ihn dort unter der Erde
willkommen heißen ... Und dann werden wir ... aus den
Eingeweiden der Erde unserem Gott eine tragische
124
Hymne singen, aus der Erde hervor unserem Gott, bei
dem die Freude ist. Es lebe Gott und es lebe seine Freude!
- Ich liebe dich, Gott!"
125
2. Der neue Glaube Teilhard de Chardins
Wer nach den geistigen Ursachen der gegenwärtigen Fin-
sternis innerhalb der katholischen Theologie fragt, muß
zuerst von der Ideologie Teilhard de Chardins reden.52
Kaum jemand hat nämlich zur Verunsicherung und Ver-
wirrung der katholischen Theologie und zu der daraus fol-
genden Verfälschung des katholischen Glaubens mehr
beigetragen als dieser Jesuitenpater, der, wie wir wissen,
nicht nur geistig, sondern auch formal der Freimaurerei
angehörte.
Über die Bedeutung von Teilhards Theologie schreibt
N. M. Wildiers, der ebenfalls - zumindest innerlich - der
Freimaurerei eng verbunden ist: „Selten ist in der Ge-
schichte der Theologie das Denken eines Autors innerhalb
so weniger Jahre Thema so zahlreicher und häufig leiden-
schaftlicher Untersuchungen und Diskussionen gewesen
- was um so bemerkenswerter ist, als der Autor selbst sich
keineswegs als ein Theologe ausgab und seine Schriften
auf diesem Gebiet eher als bloße Vorschläge ansah. Die
Zahl und die Qualität dieser Untersuchungen von manch-
mal recht divergierender geistiger Grundhaltung zeigen
mit Evidenz, wie sehr dieses Denken die Aufmerksamkeit
der Theologen gefesselt hat und in welch außergewöhnli-
chem Maße es die theologische Reflexion unserer Zeit
anregt...
Um einen Autor recht zu verstehen, genügt es nicht, die
verschiedenen Punkte der Lehre zu prüfen, die er uns vor-
legt. Vor allem muß man sich über das Problem möglichst
klar werden, zu dem diese Lehre eine Lösung liefern soll.
Welches ist also die zentrale Fragestellung, auf die Teil-
126
hard eine Antwort geben wollte, das Problem, das in der
Mitte all seines theologischen Denkens steht?
Ohne jeden Zweifel - und in diesem Punkte scheint
Übereinstimmung zu herrschen - war das zentrale Pro-
blem Teilhards das, was man in unseren Tagen allgemein
mit dem Terminus Säkularisation bezeichnet. Der von
Teilhard benutzte Terminus »Religion der Erde« (Der
Gott des voran) und die den heutigen Theologen liebe
Säkularisation bezeichnen nämlich dieselbe ideologische
und soziologische Wirklichkeit."
Wildiers unterscheidet dann „um der größeren Klarheit
willen" zwischen Säkularität, Säkularisation und Säkula-
rismus. Unter Säkularität versteht er „im allgemeinen die
Anerkennung des Eigenwertes der Erde und des irdischen
Tuns des Menschen - ein menschliches Tun, dessen wich-
tigsten Teil in unseren Tagen die Wissenschaft, die Tech-
nik und die Organisation der Gesellschaft bilden." Mit
Säkularisation bezeichnet er „den historischen und sozio-
logischen Prozeß, der zu dieser Einsicht führt und der
durch eine fortschreitende Befreiung des Menschen in sei-
nem wissenschaftlichen und politischen Tun von jegli-
chem Eingriff der Theologie und der Metaphysik charak-
terisiert ist." Unter Säkularismus schließlich soll, jegliche
Haltung oder jegliche Lehre verstanden werden, die in
ausschließlicher Weise die Werte des irdischen Lebens
preist auf Kosten jeglichen religiösen oder metaphysi-
schen Anliegens".53
Wir nehmen diese Unterscheidung zur Kenntnis und
fragen „um der größeren Klarheit willen": Kann zwischen
den hier definierten Begriffen Säkularisation und Säkula-
rismus überhaupt ein wesentlicher Unterschied bestehen,
127
wo doch die Säkularisation darauf abzielt, den Menschen
von jedem überirdischen (metaphysischen und theologi-
schen) Einfluß fortschreitend zu „befreien"? Säkularisa-
tion kann also unmöglich zur sog. Säkularität führen. Sie
muß vielmehr im Säkularismus enden, weil sie im Prinzip
und im Ziel mit diesem identisch ist. Säkularisation und
Säkularismus lassen per definitionem nur die Anerken-
nung der irdischen Wirklichkeit zu. Tatsächlich ist der
Zielpunkt der fortschreitenden („progressiven") Säkula-
risation nicht die Anerkennung des Eigenwertes der Erde
und des irdischen Tuns des Menschen, wie Wildiers
„Säkularität" beschreibt, sondern die ausschließliche Ver-
herrlichung der „Werte des irdischen Lebens" im sog.
Säkularismus.
Durch seine begriffliche Unterscheidung hat also der
Theologe und Teilhardinterpret Wildiers „um der größe-
ren Klarheit willen" in Wirklichkeit eine Unklarheit kon-
struiert, ein Vorgehen, das er von seinem Meister gelernt
haben dürfte. Denn die Unklarheit ist für Teilhards
gesamtes Schrifttum charakteristisch, wie wir später
sehen werden. Teilhards konfuse Phantasie versucht
immer wieder Unvereinbares zu vereinen und weil das
sachlich nicht gelingen kann, muß er Zuflucht zu einer
definitorischen Vernebelungstaktik nehmen, die mit un-
sauberen Methoden arbeitet, um scheinbar Probleme
lösen zu können, die in Wirklichkeit unlösbar sind.
Das ist wohl der Hauptgrund, weshalb Teilhards
System von vielen nicht verstanden wird. Unklare und
verschwommene Formulierungen mit logischen und sach-
lichen Widersprüchen vermischt, öffnen der Mehrdeutig-
keit Tür und Tor und bieten der emotional geladenen Pro-
128
paganda gewisser Ideologen die Möglichkeit, die geplante
geistige Verwirrung auf breiter Ebene gerade dort hervor-
zurufen, wo man eine bestimmte geistige Einheitsfront
gezielt aufbrechen und zerstören will.
Daß Teilhard und seine Ideologie tatsächlich Bestand-
teil und Instrument einer weltumspannenden antichrist-
lichen bzw. antikatholischen Strategie sind, werden wir
nachher zeigen. Jedenfalls muß unter diesen Umständen
Teilhards Evolutionismus nach wie vor umstritten sein
und in der Sicht des überlieferten christlichen Glaubens
als mit diesem Glauben absolut unvereinbar bezeichnet
werden. Wenn Wildiers meint, daß Teilhard dem theologi-
schen Problem der Säkularität eine wirklich christliche
Lösung „in voller Übereinstimmung mit den traditionel-
len Gegebenheiten des Glaubens gab", 54 so kann davon
überhaupt nicht die Rede sein. Auch E. Rideau täuscht
sich sehr und interpretiert Teilhards theologische Thesen
sicher falsch, wenn er schreibt: „Gegen Teilhards Theolo-
gie gibt es, trotz manchem was man gesagt hat, keine
grundsätzlichen Einwände. Selbst in seinen kühnsten
Gedanken unterzieht sich Teilhard äußerster Sorgfalt,
jeden Irrtum zu vermeiden und den Gehalt der Dogmen
zu bewahren." 55 Wer so urteilt, kennt entweder Teilhards
Gedanken oder die katholischen Dogmen nicht, oder er
versteht von beiden nicht viel.
Ebenso bedenklich scheint eine Behauptung des Jesui-
tengenerals P. Arrupe zu sein, der gesagt haben soll: „Die
Bilanz des Wirkens von Teilhard ist positiv; er ist einer der
großen Denker unserer Zeit." 56 Daß Teilhard de Chardin
ein großer, in gewissem Sinn vielleicht sogar ein genialer
Mensch war, wird niemand bestreiten, der seine Geschich-
129
te und sein Werk einigermaßen kennt. Doch ein großer
Denker war Teilhard mit Sicherheit nicht. Seine Genia-
lität liegt nicht im Bereich des Denkens, sondern in dem
der Phantasie; in einer außergewöhnlichen Begabung zur
mythologischen Dichtung; in der meisterlichen Kunst,
Begriffskonstruktionen mit faszinierendem Pathos zu
einem geschlossenen, wenn auch unlogischen System zu-
sammenzukombinieren. Was damit gemeint ist, hat J.
Maritain treffend auf die kurze Formel gebracht: „Mit
Teilhards Doktrin befinden wir uns im Bereich der
.Großen Fabel'." 57
Ähnlich urteilt E. Gilson: „Teilhards Theologie ist eine
Art christlicher Gnosis, und wie alle ihre Formen von
Markion bis in unsere Tage, ist sie eine ,theology-fic-
tion'," 58 eine theologische Fiktion also, d.h. eine theolo-
gische Dichtung bzw. Erdichtung. Der Sprachwissen-
schaftler A. Drexel sieht in der Zukunftsvision des
Teilhardschen Panevolutionismus „die größte Utopie der
Geschichte". 59 An diesem Punkt melden sogar manche
Freunde Teilhards deutliche Kritik an. So schreckt z. B. E.
Rideau nicht davor zurück, „die Teilhardsche Vision der
Geschichte als einen Mythos zu bezeichnen" und betont,
daß sich „für die Zukunft des Menschen weder philoso-
phische noch naturwissenschaftliche Prognosen aufstel-
len lassen, denn vor dem Geheimnis der Freiheit müssen
Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie ver-
stummen". 60
Teilhard versteht sich selbst als Naturwissenschaftler
und nicht eigentlich als Theologe. Wie urteilen nun seine
„Fachkollegen" über seine wissenschaftliche Qualifikati-
on? Teilhard ist auch in diesem Kreis umstritten. Es gibt
130
hervorragende Forscher und Gelehrte, die Teilhard nicht
als Wissenschaftler anerkennen. So hat der bekannte fran-
zösische Biologe Jean Rostand behauptet, daß „Teilhard
kein Biologe ist; er hat weder die Ausbildung, noch die
Kenntnisse, noch den Geist eines Biologen ... Er ignoriert
systematisch die Embryologie". Der englische Anatom
und Zoologe Peter Bryan Medawar, der 1960 den Nobel-
preis für Medizin erhielt, spricht von geistiger Verwirrung
bei Teilhard, dessen übertriebene Ausdrucksweise auf
Hysterie schließen lasse.
Über Teilhards Werk »Le Phenomene humaine« (Der
Mensch im Kosmos) schreibt Medawar: „Teilhard prakti-
ziert eine unexakte Wissenschaft und hat darin eine
gewisse Geschicklichkeit erreicht. Er hat keine Ahnung,
was ein logisches Argument ist und was ein Beweis. Er
wahrt nicht einmal die herkömmlichen Formen wissen-
schaftlicher Schriftstellerei, obgleich er sein Buch aus-
drücklich als wissenschaftliche Abhandlung bezeichnet...
Ich habe Teilhards Buch mit wirklicher Pein, um nicht zu
sagen, mit Verzweiflung gelesen und durchgearbeitet.
Anstatt über die Lage des Menschen im allgemeinen die
Hände zu ringen, sollten wir lieber unsere Aufmerksam-
keit dem zuwenden, was reparabel ist: vor allem der
Leichtgläubigkeit, mit der die Leser ein solches Täu-
schungsmanöver hinnehmen ..."
Der Anthropologe und Zoologe Gerhard Heberer, der
durch seine Werke über die allgemeine Abstammungsleh-
re und Evolutionsforschung hervorgetreten und bekannt
geworden ist, gab 1965 - zehn Jahre nach Teilhards Tod -
folgende Erklärung über Teilhard und dessen wissen-
schaftliche Qualifikation ab: „Pater Teilhard de Chardin
131
lernte ich zuerst durch eine Veröffentlichung über die
Steingeräte aus dem ,Sinantropus' (Homo erectus peki-
nensis) - Fundort von Choukoutien (seit 1927) kennen,
die einen guten Eindruck auf mich machte und mich
außerordentlich interessierte. Teilhard de Chardin ist mir
dann durch verschiedene paläontologische Fachveröf-
fentlichungen als Spezialkenner fossiler Säugetiergrup-
pen bekannt geworden. Zweifellos leistete er gute Feldar-
beit, aber es bestand kein Anlaß, ihn für einen Forscher zu
halten, der seine Kollegen in auffallender Weise überrag-
te.
Erst das Studium allgemeiner Schriften über die Proble-
me der Evolution und der Hominiden-Phylogenie zeigte
ein theoretisches Gefüge, in welchem das Faktenmaterial
eingebettet dargestellt wurde, das methodisch derart
abwegig - spekulativ, bis zum Abgleiten in mystifizierend
- religiöse Regionen, erschien, daß ich längere Zeit darauf
verzichtete, mich weiter mit dem Autor zu beschäftigen,
denn hier war der Boden des naturwissenschaftlich Erfaß-
baren weithin verlassen worden!
Im Laufe der gegenwärtigen Teilhard de Chardin-Welle
habe ich dann versucht, mir weitere Kenntnisse über ihn
zu verschaffen, um in Diskussionen mich nicht nur als
unbelehrbar, sondern als durchaus im Bilde befindlich zu
erweisen. Ich sah allerdings von der Methode her keinen
Zugang zu dem geradezu glorifizierten Werk Teilhard de
Chardins.
Ich persönlich halte es für nicht richtig, wenn ein
Paläontologe, von dem verbreitet wird, daß sein Name zu
den führenden gehöre, für den angeblichen Wahrheitsge-
halt seines spekulativ-mystischen Systems in Anspruch
132
genommen wird. Dies ist weithin geschehen und geschieht
immer weiter! Eine leicht emotional beeinflußbare Öffent-
lichkeit ist dieser Diskussion mehr oder weniger hilflos
ausgeliefert und sieht nicht die, man möchte sagen, uner-
hörte Mischung von Wissenschaft und Phantasie.
133
könnte, im philosophischen Sinn materialistisch ist, son-
dern mit dem Glauben übereinstimmt". 62
Fast wie billiger Spott auf den großen Aquinaten wirkt
es, wenn Friedrich Heer Teilhard zum „Thomas des 20.
Jahrhunderts" erklärt. Die Lobredner Teilhards und sei-
nes evolutionistischen Weltbildes, in dem Wissenschaft
und Glauben angeblich versöhnt sein sollen, gehen minde-
stens von zwei falschen Voraussetzungen aus. Denn
erstens war Teilhard weder ein herausragender Naturwis-
senschaftler, noch ein großer Theologe, der zur Schaffung
einer solchen Synthese befähigt gewesen wäre. Zweitens
sind Teilhards wesentliche Ideen nicht neu. Darauf hat
vor allem der evangelische Theologe und Religionswissen-
schaftler Ernst Benz (Marburg) aufmerksam gemacht. 63
Ohne Zweifel wird Teilhards naturwissenschaftliche
Leistung vielfach überschätzt. Das kann man u. a. daran
erkennen, daß in dem dreibändigen Sammelwerk »Evolu-
tion after Darwin«, das anläßlich des 100jährigen Ju-
biläums von Darwins Hauptwerk (1859) von führenden
Anthropologen und Biologen der ganzen Welt herausge-
bracht wurde, der Name Teilhard de Chardin in keiner
einzigen der naturwissenschaftlichen Abhandlungen vor-
kommt, die sich mit der Evolution im allgemeinen und der
Herkunft und Entwicklung des Menschen im besonderen
befassen. Dieser Tatbestand scheint die radikale Kritik
jener Naturwissenschaftler zu bestätigen, die Teilhards
naturwissenschaftliche Qualifikation in Frage stellen oder
leugnen.
Wenn nun aber Teilhard „es unternommen hat, sich als
Theologe mit der Evolutionslehre auseinanderzusetzen
und eine neue Zusammenschau naturwissenschaftlicher
134
und theologischer Erkenntnisse zu entwickeln, so ist er
auf europäischem Boden ein Spätling und Nachzügler der
auf dem Boden des Kontinents im Bereich der katholi-
schen Theologie eine Aufgabe nachholt, die von der angel-
sächsischen und nordamerikanischen Theologie bereits
unmittelbar im Anschluß an das Auftreten Darwins und
der von Darwin beeinflußten Naturwissenschaftler und
Philosophen, vor allem aber in den drei letzten Jahrzehn-
ten des vergangenen Jahrhunderts mit aller Sorgfalt und
Gründlichkeit wahrgenommen und auch von der deut-
schen protestantischen Theologie bereits seit Beginn des
20. Jahrhunderts systematisch behandelt wurde. Es gibt
keine einzige der Ideen Teilhards die nicht... in der theo-
logischen Diskussion der Wende vom 19. zum 20. Jahr-
hundert zur Sprache gekommen wäre". 64 Trotz dieses
Urteils schließt E. Benz einige aktuelle Besonderheiten
der Teilhardschen Theorie natürlich nicht aus.
Treten wir nun etwas näher an Teilhard selbst heran
und fragen wir ihn, was er eigentlich gewollt und worin er
seinen persönlichen, ureigensten Auftrag als Forscher und
Priester gesehen hat. Die Frage ist notwendig, weil Teil-
hard tatsächlich von einem außergewöhnlichen Sen-
dungsbewußtsein erfüllt war. Pater Teilhard, der im Alter
von 34 Jahren ohne Vorbereitung in den Krieg eintrat,
schreibt in »Le Pretre«, einer Schrift, die 1918 an der
Front entstand:
„Weil ich Priester bin, will ich - im Rahmen meiner
Kräfte - von nun an der Erste sein wenn es gilt, zu erfah-
ren, was die Welt liebt, verfolgt und leidet; der Erste, wenn
es gilt zu forschen, mitzufühlen und sich abzumühen; der
Erste, sich zu entfalten und sich zu opfern - ich will in wei-
135
terem Sinne Mensch und in edlerem Sinne Erdenbewoh-
ner sein als irgendwelcher Diener dieser Welt. Ich will
einerseits in die Dinge eintauchen, und wenn ich mich mit
ihnen vereinige durch die Herrschaft über sie noch das
letzte Teilchen ewigen Lebens aus ihnen herausholen, das
in ihnen liegt - damit nichts verlorengeht. Ich will gleich-
zeitig durch die Befolgung der Evangelischen Räte im
Verzicht all das wiedergewinnen, was die dreifache
Begierde an himmlischer Flamme in sich schließt, ich will
die Kraft, die in der Liebe, im Gold und in der Unabhän-
gigkeit eingeschlossen ist, in Keuschheit, Armut und
Gehorsam heiligen. Deshalb habe ich meine Gelübde,
mein Priesteramt in den Geist einer Bejahung und Ver-
göttlichung der Kräfte dieser Erde gekleidet (darin liegen
meine Kraft und mein Glück ...)." 65
136
Flamme" spricht, die in der widergöttlichen „dreifachen
Begierde" eingeschlossen sein soll.
137
..., mußte man besser sehen lernen, um ihn andere sehen
zu lehren ... Dafür allein lohnte es sich zu leben ...
Als er mir im Jahre 1916 seine erste Schrift zusandte,
»La Vie cosmique«, kündigte er mir sie an als ,Mon testa-
ment d'intellectuel - Mein Testament eines Intellektuel-
len'. Er vermutete, daß dieses sein erstes Werk sein einzi-
ges bleiben könnte, und er wollte, daß es bewahrt würde.
Alle vier Kriegsjahre hindurch schickt er die Essays die
nacheinander folgen, mit dem gleichen Gedanken ins
Hinterland ... Er ist ... überzeugt, daß das Licht, das er
erblicken durfte, weitergegeben werden mußte. In diesem
Punkt hat er sein ganzes Leben lang seine Meinung nicht
geändert". Charakteristisch für den Visionär Teilhard de
Chardin ist sein Wort: „Soweit ich mich an mich erinnere,
habe ich stets nach vorwärts gespannt gelebt."67
In einem Brief an Maguerite schreibt Teilhard am 4.
Juli 1915: „Wir leiden voller Ungeduld darunter, zu etwas
Unbekanntem, Neuem unterwegs zu sein ..." (S. 66). Am
20. September 1915 schreibt er Maguerite, daß er oft betet
und Gott sehr darum bittet, „er möge uns gemeinsam an
seinem Reich arbeiten und einander helfen lassen, ihn
mehr zu lieben" (S. 82). Und am 7. Oktober 1915 schreibt
er seiner Base: „Opfern wir Gott unser Dasein a u f . Gebe
Gott, daß wir bis zuletzt seine Arbeiter bleiben" (S. 85).
In einem Brief vom 2. Februar 1916 kommt erstmals
sein großes Anliegen deutlich zum Ausdruck: „Es muß
meiner Meinung nach tatsächlich eine gesunde Aussöh-
nung geschaffen werden zwischen Gott und der Welt, zwi-
schen den entsagenden Bestrebungen des Christentums
und denen der unausrottbaren Leidenschaft, die uns
durch und durch erzittern läßt, wenn wir etwas von der
138
Seele des großen Alls verspüren, dessen unleugbarer Teil
wir sind. Aber meine Gedanken irren noch - gleich einem
Schwärm wilder Enten, der über der Allier kreist - über
die weiten Horizonte, die diese ehrgeizigen Ziele im Geist
und im Herzen wachrufen, ohne noch den genauen Mittel-
punkt zu finden, in dem sie sich niederlassen" (S. 110).
Im übrigen irren Teilhards Gedanken unendlich weit
von der Wirklichkeit ab, wenn er die Auffassung Margue-
rites teilt, die im heiligen Paulus „den sichersten Theoreti-
ker eines gewissen christlichen Pantheismus" sieht. Am 9.
April 1916 schreibt Teilhard: „Wir, die wir glauben, wir
haben die Kraft und den Stolz, unter unserem Glauben an
die Welt den Glauben an Gott zu haben: und dieser tritt
hervor und bleibt, selbst wenn jener unter der Einwirkung
gewisser Erfahrungen zu Fall käme" (S. 117).
Allem Anschein nach steht hier Teilhards Glaube an
Gott im Rang unter dem Glauben an die Welt. Nicht klar
genug ist dabei welcher Glaube in jedem Fall für Teilhard
der bleibende ist. Sollte es hier sein Glaube an Gott sein, so
ist es 1934 eindeutig der Glaube an die Welt der alles über-
dauert. In seinem Glaubensbekenntnis aus diesem Jahr
erklärt nämlich Teilhard feierlich: „Wenn ich infolge eines
inneren Umschlagens nacheinander meinen Glauben an
Christus, meinen Glauben an einen personalen Gott, mei-
nen Glauben an den Geist verlöre, so scheint mir, ich
würde unbezwinglich weiter an die Welt glauben. Die
Welt (der Wert, die Unfehlbarkeit und die Güte der Welt),
sie ist letzten Endes das erste, das letzte und das einzige,
an das ich glaube. Aus diesem Glauben lebe ich. Und die-
sem Glauben werde ich mich, das spüre ich, im Augen-
blick des Todes über alle Zweifel hinweg überlassen." 68
139
Mehrfach bringt Teilhard die Uberzeugung zum Aus-
druck, daß es notwendig ist, „auf dem Boden einer auf-
richtigen Liebe zum natürlichen Fortschritt die An-
sprüche und die Absolutismen der Gläubigen und der
Ungläubigen miteinander in Einklang zu bringen." 69
Mit anderen Worten wiederholt er am 2. April 1929 in
einem Brief an Valensin die gleiche Erkenntnis und sieht
jetzt seine einzige Stärke und seine „Berufung" darin, „die
Liebe zur Welt und die zur Kirche zur Synthese zu brin-
gen". Bereits am 31. Dezember 1926 schreibt er, daß er sich
„unserem Herrn jederzeit als eine Art Versuchsfeld ange-
boten habe, damit er darauf im Kleinen die Verschmel-
zung der beiden großen Erscheinungsweisen der Liebe,
der Liebe zu Gott und der Liebe zur Welt, bewirke - eine
Verschmelzung, ohne die meiner Überzeugung nach kein
Reich Gottes möglich ist". H. de Lubac sieht hierin zu
Recht den Grundzug von Teilhards Lebensprogramm. 70
Teilhard will ein Pionier Gottes sein und er fragt:
„Kann Gott es übrigens zulassen, daß diejenigen sich von
ihm trennen, die ohne persönlichen Stolz und ohne per-
sönlichen Ehrgeiz, aus Liebe zur Kirche und zur Wahr-
heit, ihm unbegrenzt vertrauend und seinen göttlichen
Willen allem anderen vorziehend,,Pioniere' zu sein versu-
chen?" 71 Im Hinblick auf die Erfüllung des Willens Gottes
macht Teilhard in einem Brief vom 5. Dezember 1916 an
Maguerite eine ebenso aufschlußreiche wie ehrliche Be-
merkung, wenn er schreibt, „daß er bei all seinen Be-
mühungen wirklich den leidenschaftlichen Wunsch hatte,
den Willen Gottes zu verwirklichen - wenn auch vielleicht
nicht immer auf eine recht christliche Weise, wie es not-
wendig geweser wäre". 7 2
140
Eine schwere Prüfung war für ihn die ständige Ableh-
nung seiner theologischen Schriften seitens der kirch-
lichen Obrigkeit, die in keinem Fall eine Druckerlaubnis
erteilte. Enttäuscht schreibt er am 23. Dezember 1916:
„Bei all dem sehe ich kaum, wie meine Ideen anders das
Licht der Welt erblicken werden als im Gespräch oder in
Form von Manuskripten, die unter der Hand herumge-
reicht werden. Der Wille des Herrn geschehe. Ich bin ent-
schlossen, meinen Weg geradeaus weiterzugehen, weil ich
mir selber treu sein muß - um wahr zu sein ..." 73
Am 9. Januar 1917 bekennt Teilhard, daß seine „Vorlie-
be für die Erde recht seltsam und auf den ersten Blick
recht antichristlich ist. Aber gerade weil ich diesen heidni-
schen Seelengrund so stark empfinde, fühle ich mich bes-
ser gerüstet, um in Kenntnis der Sache (von gleich zu
gleich) mit den Anbetern der Welt zu sprechen - auch
sicherer der möglichen Verbindungen und der Quasi-Ver-
söhnung zwischen zwei Leidenschaften, die ich tatsäch-
lich in mir etwas zu verbinden glaube und die ich jeden-
falls erfahre: jene für die Welt und jene für Gott". 74
Die Entstehungsgeschichte seiner Gedankenwelt läßt
sich klar verfolgen, wenn man die Aussagen in seinen
Kriegsbriefen mit seinen späteren Äußerungen und
Schriften vergleicht. Am Beispiel seiner neuen Christolo-
gie tritt das besonders deutlich hervor. Es geht ihm dabei,
wie er in einem Brief vom 1. September 1926 aus Tientsin
schreibt, um das „Offenbarwerden eines größeren Chri-
stus". 75
Im Jahre 1933 formuliert Teilhard das christologische
Problem mit den Worten: „Was muß aus unserer Christo-
logie werden, damit sie in einer neuen Welt sie selbst
141
bleibt?" Nach seiner Ansicht muß die bisherige Lehre von
Christus einer Korrektur insofern unterzogen werden, als
„Christologie und Evolution in Einklang zu bringen"
sind. Um dies zu erreichen, muß zunächst die traditionelle
Lehre von der Erlösung geändert werden. In der neuen
Erlösungstheorie wie sie der Evolutionist Teilhard ver-
steht, „hört das Übel ... auf, ein unbegreifliches Element
zu sein, um zu einem natürlichen Zug in der Struktur der
Welt zu werden".
Das Übel ist jetzt ein unvermeidlicher sekundärer
Effekt des Schöpferaktes. Die Schöpfung ist nach Teil-
hard „die fortschreitende Einswerdung des Vielen ...
Unter diesen Umständen ist das Übel im Universum ...
ein Feind, ein Schatten, den Gott unvermeidlich allein
durch die Tatsache entstehen laßt, daß er sich zur Schöp-
fung entscheidet ... Es ist ein Abenteuer, ein Risiko, eine
Schlacht, in die er sich ganz und gar einläßt. Beginnt nicht
vor unseren Augen das Geheimnis des Kreuzes größer zu
werden und sich zu erhellen?"
Sind diese Sätze von einem gehirnkranken „Theolo-
gen" geschrieben? Jedenfalls sind sie als unchristlicher
Unsinn zu beurteilen und zu verurteilen. Denn hier wird
der christliche Erlösungsgedanke im Namen des größeren
Kreuzes so radikal verfälscht, daß der Sühnetod Christi
für die Sünde - als Geheimnis der Bosheit verstanden -
keinen Sinn mehr hat. Konsequent fährt der naturalisti-
sche und rationalistische Gnostiker Teilhard fort: „Ich
sage es ganz offen. Es ist mir unmöglich gewesen, ehrlich
vor einem Kruzifix das Leid mitzufühlen, solange mir die-
ses Leid als Sühne für eine Sünde dargestellt wurde, die
Gott hätte vermeiden können.... Alles aber ändert sich in
142
beeindruckender Weise auf der Leinwand einer evolutiven
Welt, wie wir sie ausgespannt haben."
Kaum hat Teilhard diese Sätze geschrieben, macht er
wieder einen unkonsequenten Rückzieher und gibt zu ver-
stehen, daß sich auf der „evolutiven Leinwand" doch
nicht alles geändert hat. Denn plötzlich ist Jesus - wenig-
stens verbal - der, „der die Sünden der Welt trägt; das
moralische Übel wird geheimnisvoll durch das Leiden
kompensiert. Doch wesentlicher als das ist er Derjenige,
der strukturell in sich selbst und für uns alle die Wider-
stände überwindet, die das Viele der Einswerdung entge-
genstellt: die der Materie inhärenten Widerstände gegen
den geistigen Aufstieg". Jesus ist jetzt der „Christus Uni-
versalis, d. h. der Christus der Evolution", „der die von der
Konstruktion her unvermeidliche Last jeder Art von
Schöpfung trägt. Er ist das Symbol und die Geste des Fort-
schritts, der Messias, den wir unzweifelhaft alle er-
warten", wie Teilhard meint. 76
Die Verteidiger Teilhards unter den Theologen können
also getrost behaupten, daß Teilhard an Christus fest-
gehalten hat. Sie müssen sich aber fragen lassen: An wel-
chem Christus? Von J. Maritain und vielen anderen Kri-
tikern die Teilhard anscheinend besser gelesen und
verstanden haben als seine blind ergebenen Apologeten,
müssen sie sich sagen lassen, daß der Christus der Evange-
lien ein anderer ist als der kosmische Christus, der das
„Evolutionsprinzip eines sich bewegenden Universums"
sein soll.
Der „größere" kosmische Christus Teilhards ist in
Wahrheit ein verfälschter Christus, der mit dem Christus
der Offenbarung nichts mehr zu tun hat. In der konstruk-
143
tiven Phantasiewelt Teilhards ist er Schritt um Schritt
gewachsen, bis er seine Endgestalt im universalen Chri-
stus der Evolution gefunden hat. Die Entwicklung des
kosmischen Christus verläuft zunächst so, daß „die wahre
Erde", die für ihn „der auserwählte Teil des Universums
ist", „sich im Begriffe langsamer Absonderung befindet"
und „allmählich Leib und Gestalt gewinnt in Christus",
wie Teilhard am 9. Januar 1917 schreibt.
Am 5. Februar 1917 meint er: „Christus ist nicht nur die
allervollkommenste Individualität, die durch unsere
menschliche Gesellschaft gegangen ist. Er ist außerdem in
seinem mystischen Leib die Fülle und die (in Bildung
befindliche) Gestalt des auserwählten Kosmos - so daß die
besonderen Schönheiten und Tönungen der Seelen ihre
endgültige Bedeutung erst als Züge und Pinselstriche in
der himmlischen Physiognomie der großen und einzigen
Endwirklichkeit erlangen. Auf diese Weise vollenden wir
Christus ..." 78
Hier wird also der mystische Leib Christi, der nach den
Zeugnissen des Neuen Testamentes nur aus Christus und
den mit ihm durch die übernatürliche Gnade verbunde-
nen menschlichen Personen besteht, die seine Glieder
sind, künstlich erweitert und „vergrößert" durch einen
sog. „auserwählten Kosmos". Der auserwählte Kosmos ist
aber noch nicht der ganze Kosmos und man muß anneh-
men, daß Teilhards teilkosmischer Christus vom Februar
1917 noch nicht die Endgestalt des kosmischen Universal-
Christus ist.
Am 29. März 1917 teilt Teilhard mit, daß er die Aufgabe
für den Rest seines Lebens darin sieht, seine Mystik wei-
terzuentwickeln, eine Mystik, „die im Herzen jeder Mate-
144
rie und jeder Aktion leidenschaftlich Gott sucht". 79 Zwei
Tage später ist er schon wieder einen Schritt weiter. Jetzt
erkennt er nämlich die zwei Elemente, die für ihn das
Leben zusammenfassen: neben der „absoluten Abhängig-
keit von der schöpferischen und heiligmachenden Kraft
Gottes ist das zweite Element das „machtvolle Eindringen
der Gottheit in alles, was uns umgibt und was wir tun, so
daß für uns alles zu Gott wird, der sich hingibt und sich
verwandelt". 80 Damit hat der Pseudo-Mystiker einen
neuen, entscheidenden Schritt auf dem Weg zum all-kos-
mischen Christus getan.
145
tion" bezeichnet werden kann, 83 wird der „Christus-
Redemptor" (Erlöser-Christus) zu dem größeren „ Chri-
stus-Evolutor", zum Trans-Christus, zum „Herz der
Welt", zum „Herz der Materie", zum „Motor der Evoluti-
on", 84 zum „göttlichen Funken", 85 zur „Spitze des Univer-
sums", 86 zum „ Christus-Universalis", der „eine Synthese
aus Christus und dem Universum ist", 87 „ein universelles
kosmisches Zentrum, in dem alles zum Ziel kommt, in
dem alles sich erklärt, in dem alles sich fühlt, in dem alles
gesteuert wird". 88 Teilhard sagt ausdrücklich, daß dieser
Christus sich für den Christen „mit der ganzen Wirklich-
keit des Universums umkleidet". 89 „Er ist das Alpha und
das Omega, der Anfang und das Ende, der Grundstein
und der Schlußstein, die Fülle und der Erfüllende. Er ist
jener, der vollendet und jener, der allem seine Konsistenz
gibt. Zu ihm hin und durch ihn wird in der Klage und im
Bemühen die universelle Konvergenz allen geschaffenen
Geistes." 90
146
Diese Gedanken hat Teilhard 1924 niedergeschrieben.
Die Genesis seines universalen Christus war also verhält-
nismäßig kurz. Sie dauerte nur wenige Jahre. Die Funk-
tion des universalen Christus-Evolutor findet nun nach
Teilhard ihren Abschluß in der Parusie Christi. Diese
kann aber erst dann eintreten, wenn die Menschheit biolo-
gisch „bis zu einem gewissen evolutiven kritischen Punkt
der kollektiven Reifung" gelangt ist.93 Dieses Ziel der
natürlichen Evolution ist dann erreicht, wenn eines Tages
„alle Substanz jener Materie, die überhaupt vergöttlicht
werden kann, in die Seelen übergegangen sein wird ...:
Dann ist unsere Welt zur Parusie bereit". 94
In dieser Sicht ist „die Parusie der Abschluß des Wir-
kens, das Christus in der Evolution zukommt. Aber bereits
mit seiner Person, wie mit seiner ganzen Erlösungstat und
seinem sakramentalen und mystischen Fortleben in der
Kirche ist Christus in die Evolution miteinbezogen. Mit
seiner menschlichen Natur ist Christus jener Teil des
.Punktes Omega', der in die Welt, in die Evolution einge-
taucht ist, und deren Mittelpunkt, treibende Kraft und
Endziel er bildet. Ja, insofern Christus von Anfang an in
der ganzen Evolution vorgeplant war, war er von jeher im
Anfangsstoff der Welt bereits enthalten. Unter dieser
Rücksicht bezeichnet ihn Teilhard als das,Alpha'". 9 5
Im monistischen Weltbild Teilhards bilden nicht nur
Schöpfung und Erlösung, sondern mit diesen zusammen
auch Kosmogenese, Noogenese und Christogenese eine
natürliche Einheit. Die Kosmogenese gipfelt in der Noo-
genese und diese wird fortgesetzt und vollendet in der
Christogenese. Mit dieser evolutiven Christologie glaubt
Teilhard de Chardin einen unserer Zeit entsprechenden
147
„größeren Christus" erkannt und den Menschen verkün-
det zu haben. Schon am 13. Dezember 1918 war er davon
überzeugt, „daß die Kirche vor der Notwendigkeit steht,
das Dogma auf eine wirklichere, umfassendere - auf eine
fast möchte ich sagen, kosmogonischere - Weise darzubie-
ten. Das menschliche Bewußtsein und das Wesen des Dog-
mas selbst verlangen es". 96
Als Teilhard dies schrieb, klagte er bitter darüber, daß er
sich „manchmal von der Unfähigkeit beherrscht fühle,
dieses Licht anderen sichtbar zu machen und zu verbrei-
ten. Wo werde ich die Seelen finden, die sehen ...? Keiner
meiner besten Freunde versteht mich bisher von Grund
aus ... Und dennoch glaube ich wirklich ..., daß ich etwas
sehe; und ich möchte, daß dieses Etwas gesehen wird ...
Was mich beruhigt, ist das absolute Vertrauen darauf, daß
der Lichtstrahl auf die eine oder andere Art zum Leuchten
kommen wird, wenn in ,meinem Evangelium' ein echter
Lichtstrahl vorhanden ist". 97 Er meint, daß dieses neue
Evangelium „der heutigen Welt gesagt werden muß, da-
mit sie gerettet werden kann!" 98
Ohne Zweifel war Teilhard subjektiv felsenfest davon
überzeugt, mit seinem „neuen Evangelium" sowohl dem
Reiche Gottes als auch der Welt gedient zu haben. In
einem Brief aus dem Jahre 1933 schrieb er an seinen Bru-
der: „Ich habe am Reich Gottes mehr gearbeitet, als man
denkt." Und gleichzeitig bestand sein einziger Ehrgeiz
darin, „die Spur eines logischen Lebens zu hinterlassen,
das ganz gespannt ist auf die großen Erwartungen der
Welt". 99 Teilhard hatte nur den Wunsch, „in die Funda-
mente des Neuaufbrechenden geworfen zu werden". Als
„Pilger der Zukunft", 100 für den „die Welt nur nach vor-
148
wärts interessant ist",101 sah er die Stunde kommen, „da
die Welt durch ,eine siegreiche und im vollen Sinne
menschliche Kirche' mit der christlichen Vision ausge-
söhnt, ihre Seele wiedergefunden haben würde".
149
Bewußt hat Teilhard in diesem Text das Wort „Heilig-
keit" in Anführungszeichen gesetzt. Denn seine Heiligkeit
ist nicht mehr die des traditionellen Christentums, son-
dern eine neue „Heiligkeit", „die einem intensiven Eins-
sein mit der Erde entwächst". 104 Auf dem Weg zu dieser
„Heiligkeit" muß man nach Teilhards Meinung gegen die
„Vorliebe für das selbstsüchtige, beschauliche Leben ...
angehen", 105 denn „gesund ist nur die Lehre von der Ak-
tion, die uns alles entschlossen, energisch in Angriff neh-
men läßt, ohne dem leeren Gerede allzuviel Raum zu
geben". 106
150
sehen glaubte, blieb er zeitlebens ein Blinder. Das ist seine
Tragik.
Diese Tragik hat freilich auch eine komische Seite inso-
fern, als dieser geistig Blinde sich berufen und gesandt
fühlte, die Kirche zu reformieren. Im Jahr 1926 erklärte
er: „Wir sind in Wirklichkeit nicht mehr katholisch; son-
dern wir verteidigen ein System, eine Sekte", und 1929
versteigt er sich zu dem wahnwitzigen Urteil: „Das ist das
einzige, was ich sein kann: eine Stimme, die, gelegen oder
ungelegen, immer wieder sagt: Die Kirche wird so lange
dahinsiechen, als sie sich nicht frei macht von der künst-
lichen Welt einer bloßen Theologie von Worten, eines
quantitativen Sakramentalismus und subtiler Andachts-
übungen, in denen sie sich einspinnt, um wieder neu
Gestalt anzunehmen in den tatsächlichen Hoffnungen der
Menschen...
Natürlich merke ich deutlich genug, was an dieser Ein-
stellung paradox ist: Wenn ich Christus und die Kirche
brauche, dann muß ich Christus so hinnehmen, wie die
Kirche ihn mir bietet, mit ihrem ganzen Bündel von Riten,
von Verwaltung und Theologie. Das werden sie mir jetzt
vorhalten, und das habe ich mir oft genug selber gesagt.
Aber jetzt kann ich mich der sich aufdrängenden Einsicht
nicht mehr entziehen, daß der Augenblick gekommen ist,
da das christliche Empfinden Christus aus den Händen
der Kleriker ,retten' muß, auf daß die Welt gerettet
werde."
Teilhard sieht die Kirche in der Gefahr, ihren „endgül-
tigen Bankrott und den vollkommenen Bruch mit der
Menschheit" zu riskieren. Er fühlte sich im Kern seines
Wesens an einen „Organismus" gebunden, bei dem er
151
immerfort „Beschränktheit und Verfall" wahrnahm. Aus
diesem Grund nannte er sich einmal „hyper-katho-
lisch".107 Die größten Schwierigkeiten und Sorgen in der
Kirche machten ihm die Integralisten. Doch versichert er
am 20. Mai 1924 dem lieben Fräulein Leontine, „daß es
keiner Macht auf der Welt gelingen wird, weder die Rich-
tung noch die Intensität jeglicher Einflußnahme, deren
ich fähig bin, zu ändern". 108 Im Jahre 1929 gesteht er der
„liebsten Freundin" Leontine, daß er „eine ziemlich hefti-
ge kirchenfeindliche, um nicht zu sagen christentums-
feindliche Krise durchgemacht habe." 109
Schon während des Ersten Weltkrieges zeigte sich ein
gewisser „unkirchlicher" Affekt bei Teilhard. Er lernte
1916 einen Priester aus den Kolonien kennen, der als Feld-
geistlicher zu seiner Brigade kam und, wie Teilhard
schreibt, „keineswegs ,kirchlich'" war. Mit diesem Prie-
ster hat er „sogleich ... sympathisiert". 110 Am 20. März
1932 erklärt Teilhard, warum er selbst die Kirche nicht
verlassen wolle. Er schreibt seiner „lieben Freundin", daß
er sich nach seiner Rückkehr in das Ordensleben „wieder
in das Mindestmaß an ekklesiastischer Ordnung eingefügt
habe", diese Ordnung aber nicht mehr so „ernst" nehme,
daß er darunter sehr litte. Dann fährt er fort: „Zudem sage
ich mir, wenn ich weniger tief in der Kirche wurzelte, wäre
ich auch weniger in der Lage, an ihrer Befreiung zu arbei-
ten." 111
Später hielt er einem aus der Kirche ausgetretenen Prie-
ster vor, daß es besser sei, in der Kirche zu bleiben, um
„von innen her an der Reform zu arbeiten". 112 Hier liegt
Teilhard auf derselben Linie wie namhafte Apostaten und
Häretiker, die als Modernisten vor ihm die Kirche schon
152
„reformieren" wollten oder die mit dem Top-Häretiker
Hans Küng es heute versuchen.
Bei manchen modernen Häretikern kommt noch ein
etwas materialistischer Gesichtspunkt ins Spiel. Sie haben
erkannt, daß man als Häretiker in der Kirche nicht nur
besser „reformieren", sondern auch mehr „verdienen"
kann. In der nachkonziliaren Epoche, wo so viel vom
„Dienst" der Kirche gesprochen wird - besonders vom
„Weltdienst" - darf man schließlich das „Verdienen"
nicht außer acht lassen. Auf diesem Gebiet scheint Teil-
hard jedoch ganz anders gedacht zu haben. Er war ein
selbstloser „Diener dieser Welt", was zu seiner Ehre hier
nicht verschwiegen werden soll.
Teilhard wußte allerdings, daß zwischen seiner geisti-
gen Welt und der Roms ein Abgrund gähnte. 1926 schreibt
er im Anschluß an den Vortrag eines „sympathischen Pro-
fessors der Harvard-Universität über das Erwachen des
Denkens im Tierreich: „Ich dachte an den Abgrund, der
die geistige Welt, in der ich mich befand und deren Spra-
che ich verstand, von der theologischen und römischen
Welt trennt, deren Idiom mir ebenfalls bekannt ist." 113
Auf derselben Ebene liegt seine Feststellung: „Rom und
ich haben zwei verschiedene Konzeptionen der Welt."
Teilhard war sich also klar bewußt, daß sein Glaube
nicht mehr derjenige der römisch-katholischen Kirche
war. Aus diesem Grund bezeichnete er sich auch als „hy-
per-katholisch" und betrachtete jene, die sich seinem
wahnwitzigen Fortschrittsglauben widersetzten, als
„schädliche Ketzer". 114 Wenn er trotzdem immer wieder
von der Anhänglichkeit und Treue zur Kirche spricht, lebt
153
er anscheinend in der illusionären Vorstellung, diese Kir-
che in seinem Sinne umfunktionieren zu können.
So schreibt er 1936 seiner „treuen Freundin": „Was
immer mehr mein Interesse und meine innere Sorge
beherrscht... ist... das Bemühen, eine neue Frömmigkeit
(oder nennen wir es ... ein besseres Christentum) in mir
aufzubauen und um mich zu verbreiten, eine Frömmig-
keit, in der der persönliche Gott aufhört, der jungstein-
zeitliche' Großgrundbesitzer von ehedem zu sein, um zur
Seele der Welt zu werden, nach der unser kultureller und
religiöser Zustand verlangt ..." 115
Teilhard nennt sein „besseres Christentum" auch „Neo-
Christentum", ein Christentum oder eine Religion, die
nicht von der Tradition oder der Vergangenheit lebt, son-
dern die Religion von morgen ist, die „von der heutigen so
verschieden sein wird wie es der Affe vom Menschen ist".
In dieser Religion wird nicht mehr der Gott und Vater
unseres Herrn Jesus Christus angebetet und verehrt, son-
dern - wie Teilhard 1952 schreibt - „die Synthese aus dem
christlichen Gott (dem Gott von oben) und dem marxisti-
schen Gott (dem Gott von vorne), der einzige Gott, den
wir von nun an im Geist und in der Wahrheit anbeten kön-
nen".
Wenn Teilhard hier sagt, daß „wir von nun an" den
„alten" Gott, der seit mehr als 1900 Jahren in der Kirche
verehrt wurde, nicht mehr anbeten können, bringt er
damit seinen Abfall vom katholischen Glauben in erschüt-
ternder Weise zum Ausdruck. „Von nun an" wissen wir,
daß der unveränderliche Gott der Offenbarung nicht mehr
der Gott Teilhards ist. Dieses Bekenntnis schließt ferner
die Ablehnung dessen ein, was die Christen von Anfang an
154
von diesem Gott geglaubt haben und was die nach Teil-
hards Auffassung „schädlichen Ketzer" innerhalb der
Kirche, die er einmal Integristen, ein andermal Integrali-
sten nennt, heute noch von ihm glauben.
Was vor dem „von nun an" liegt, ist heute nicht mehr
gültig. Teilhard relativiert damit die Wahrheit absolut,
radikal und total. Der Gott aber, der nach Teilhard „von
nun an" als der „einzige Gott" im Geist und in der Wahr-
heit angebetet werden soll, existiert nicht in der Wirklich-
keit, sondern nur in der phantastischen Fabelwelt Teil-
hards. Denn eine Synthese „aus dem christlichen Gott"
und einem „marxistischen Gott" gibt es nur für Geistes-
kranke, d. h. eine solche Synthese existiert nicht.
Es ist auch irreführend in diesem Zusammenhang von
einem besseren oder neuen Christentum zu sprechen, weil
ein besseres Christentum nicht ohne geschichtliche Konti-
nuität mit seinem Ursprung, d. h. mit dem geschichtlichen
Christus und seiner Offenbarung, denkbar und möglich
ist. Teilhards neues Christentum ist ein bis in die tiefsten
Wurzeln verfälschtes Christentum, ein Pseudochristen-
tum, das in Wahrheit nichts anderes ist als ein neuer
Humanismus, der im Gewände christlicher Begriffe und
Symbole auftritt, nicht um das wirkliche Christentum zu
erneuern, sondern um es zu zerstören. Diese Feststellung
ist objektiv zu verstehen und sagt nichts aus über die sub-
jektiven Absichten und Bestrebungen Teilhards, über die
nur Gott zu urteilen und zu richten hat.
Im Rahmen dieser Abhandlung würde es zu weit gehen,
alle Irrtümer Teilhards, die dem überlieferten christlichen
Glauben widerstreiten, im einzelnen zu widerlegen oder
auch nur anzuführen. Das haben andere Autoren ausführ-
155
lich und gründlich genug getan. 116 Aber ein kurzes Wort
über Teilhards utopischen Fortschritts- und Zukunfts-
glauben und dessen Konsequenzen soll an dieser Stelle
doch noch gesagt werden. Teilhard, der „Pilger der
Zukunft", gehört zu jenen Futuristen, die den Bruch mit
der Vergangenheit vollzogen haben, mit der Gegenwart
und ihren Problemen nicht fertiggeworden sind und des-
halb in der Flucht in die Zukunft das Heil sehen.
156
Teilhard näheren Aufschluß über seinen Zukunftsglau-
ben.120 Drei Super-Wirklichkeiten werden danach die
Zukunft bestimmen: Die Super-Menschheit, der Super-
Christus und die Super-Caritas (Liebe). Unter der „Super-
Menschheit" versteht Teilhard „den höheren biologischen
Zustand, den zu erreichen die Menschheit bestimmt
scheint, wenn sie, die Bewegung, aus der sie historisch her-
vorgegangen ist, bis ans Ende vorantreibend, dahin
gelangt, sich vollständig mit Leib und Seele in sich zu tota-
lisieren ... Von den fernsten Prähominen (Pithecanthro-
pus, Sinanthropus) bis hin zum Homo Sapiens über die
komplexe Gruppe der Neanderthaloiden läßt sich defini-
tiv eine Bewegung festhalten, die die menschliche Gruppe
von schwach zu hoch zerebralisierten und sozialisierten
Zuständen vorantreibt ... Bisher hat sich die Menschheit
... beständig in Richtung sich steigernder Zustände psy-
chischer Organisation bewegt. Räumt man dies ein, so gibt
es keine Grund, es wäre sogar absurd, anzunehmen, sie
bewege sich nicht noch immer in derselben Richtung. Hin-
ter uns gewiß eine ,Untermenscheit', vor uns folglich und
ebenso gewiß eine Super-Menschheit die einzige Wirklich-
keit ..., die fähig ist, die Millionen von Jahren auszufüllen
und zu rechtfertigen die dem Denken vielleicht noch blei-
ben, um sich auf der Erde zu entwickeln".
Über die Gestalt dieser Super-Menschheit glaubt Teil-
hard sagen zu können, daß sie nach dem biologischen
Gesetz der Kephalisation und dem kosmischen Gesetz der
Komplexität auf dem Weg „einer tiefgreifenden organi-
schen Transformation kollektiven Typs" sich entwickelt,
die derzeit „in Richtung super-sozialisierter Gruppie-
rungen" im Gange ist. Diese Bewegung nennt Teilhard
157
„Kollektivisation" oder „Super-Sozialisation", die beide
„Super-Personalisation" bedeuten.
Die Evolution des Universums „vollendet sich notwen-
dig nach vorn in einem Super-Bewußtseins-Pol, in dem
alle personalisierten Bewußtseinskörner überleben und
,super-leben'. Es kulminiert in einem Punkt Omega". Die-
ser deckt sich mit dem „größeren Christus" Teilhards,
dem kosmischen Christus. - „Ein durch die Theologie
fixiertes universelles christliches Zentrum und ein durch
die Anthropogenese postuliertes universelles kosmisches
Zentrum: die beiden Brennpunkte kommen letzten Endes
in dem historischen Milieu, in das wir gestellt sind, not-
wendig zur Koinzidenz (oder zumindest zur Deckung mit-
einander). Christus wäre nicht der einzige Beweger ... des
Universums, wenn das Universum sich in irgendeiner
Weise, und wäre es auf einer niedrigeren Stufe, außerhalb
von ihm gruppieren könnte ... Christus nimmt hic et nunc
für uns der Position und der Funktion nach den Ort des
Punktes Omega ein."
Der Christus-Omega ist als Christus-Evolutor zunächst
der, „der erfüllt: kein Element in keinem Augenblick der
Welt hat sich je bewegt, bewegt sich und wird sich jemals
bewegen außerhalb seines lenkenden Einflusses (influx).
Der Raum und die Dauer sind voll von ihm. Physisch und
buchstäblich ist er weiter der, der vollendet: die Fülle der
Welt wird erst in der endgültigen Synthese zu Ende ge-
bracht, in der ein höchstes Bewußtsein über der höchst
organisierten totalen Komplexität erscheinen wird - und
da er, Christus, das organische Prinzip dieser Harmonisa-
tion ist, wird das ganze Universum ipso facto von seinem
Charakter geprägt, durch seine Entscheidung gezeichnet,
158
durch seine Gestalt beseelt. Physisch und buchstäblich
gibt er schließlich, da in ihm alle Linien der Welt konver-
gieren und sich miteinander verknüpfen, dem ganzen
Gebäude aus Materie und Geist seine Konsistenz. Und
folglich vollendet sich und kulminiert in ihm, ,dem Haupt
der Schöpfung', in universellen Dimensionen und über-
natürlichen Tiefen und doch in Harmonie mit der ganzen
Vergangenheit der grundlegende kosmische Prozeß der
Kephalisation." Teilhard nennt diesen Christus, den
„Beseeler und Sammler aller biologischen und geistigen
Energien, die das Universum erarbeitet hat", schließlich
„Christus Evolutor" und sieht in ihm „die ausschließlich
und ins Allgemeine erhobene Gestalt, unter der der Chri-
stus-Erlöser und Heiland sich von nun an unserer Anbe-
tung anbietet".
Die Konsequenzen, die sich daraus für unser Leben und
unsere Liebe ergeben, beschreibt er als Universalisierung,
Dynamisierung und Synthetisierung unserer Liebe.
„Unsere Liebe universalisiert sich ... Da sich im Univer-
sum alles letzten Endes auf Christus-Omega hinbewegt;
da letzten Endes die ganze Kosmogenese durch die
Anthropogenese hindurch in einer Christogenese ihren
Ausdruck findet, lädt sich das Wirkliche in der Unver-
sehrtheit seiner greifbaren Schichten mit einer göttlichen
Gegenwart. Wie die Mystiker ahnten und erahnten, wird
alles physisch und buchstäblich in Gott liebbar; und
umgekehrt wird Gott in allem, was uns umgibt, greifbar
und liebbar...
Unsere Liebe dynamisiert sich ... Um den Super-Chri-
stus zu lieben, müssen wir um jeden Preis in uns selbst und
in jedem unserer Ko-Elemente (hauptsächlich in den
159
anderen ,Denkkörnern' - unseren Brüdern) das Univer-
sum und die Menschheit voranbringen. An der totalen
kosmischen Evolution mitwirken, ist die einzige Tat, in
der sich in adäquater Weise unsere Hingabe an einen
Christus-Evolutor und Universalis auszudrücken vermag.
Und aufgrund eben dieses Faktums synthetisiert sich die
Caritas ... Gleich den zahllosen Farbtönen, die sich in der
Natur verbinden, um ein einziges weißes Licht zu ergeben,
verschmelzen die unendlichen Modalitäten des Tuns,
ohne sich ineinander zu vermischen, unter dem mächtigen
Einfluß des Christus Universalis in einem einzigen Farb-
ton; und in dieser Bewegung übernimmt die Liebe die
Führung: die Liebe, nicht nur gemeinsamer Faktor, kraft
dessen die Vielheit des menschlichen Tuns dahin gelangt
sich zu verknüpfen, sondern die Liebe als höhere univer-
selle und synthetische Form der geistigen Energie, in der
alle anderen Energien der Seele sich transformieren und
sublimieren, sofern sie nur in das ,Feld Omegas' geraten
... Für die Super-Menschheit ein Super-Christus. Für den
Super-Christus eine... Super-Liebe."
Man kann Christus, wie er in der Heiligen Schrift geof-
fenbart ist, und das wahre Wesen der Liebe kaum „großar-
tiger" mißdeuten und verfälschen, wie es hier bei Teilhard
geschieht. Schon am 10. Juli 1916 schrieb er von der Front:
„Ja, die moralische und soziale Entwicklung der Mensch-
heit ist sehr wohl die echte und natürliche' Folge der orga-
nischen Evolution. Diese Entwicklung erscheint uns häß-
lich, weil wir sie von zu nahe sehen und weil der freie Wille
seine ihm eigene und ausgesuchte Verderbtheit hat; aber
in Wirklichkeit ist sie der normale Abschluß einer Arbeit,
die zweifellos nur deshalb so ,edel und lautlos' ist, weil wir
160
sie aus großer Ferne sehen - so wie die Schrapnells rund
um ein Flugzeug, aus großer Entfernung gesehen, eine
anmutige, rein ornamentale Szene zu sein scheint."121
Wer solchen provokativen Unsinn denken und schrei-
ben kann, setzt sich dem Verdacht aus, ein krankhafter
Phantast zu sein, der in seiner irrealen, utopischen Fern-
sicht die grausame und oft verbrecherische Gegenwarts-
wirklichkeit und das je und je geschehende Böse als sol-
ches nicht mehr ernst nimmt. Teilhards Zukunftswahn
geht von der Voraussetzung aus, daß die noch immer und
unaufhörlich voranschreitende Menschheit „wahrschein-
lich noch viele hunderttausend Jahre" braucht, bis ihre
„kollektive Organisation oder Sozialisation" abgeschlos-
sen ist, eine Bewegung, die gerade eben erst begonnen
hat.122
In einem Vortrag in der Französischen Botschaft in
Peking (1941) sagte Teilhard, daß die „Menschheit in sich
noch eine gewaltige Reserve, ein gewaltiges Konzentrati-
ons-, das heißt Fortschrittspotential birgt...,Energetisch'
und biologisch gesehen, ist die menschliche Gruppe noch
ganz jung, ganz frisch. Aus dem Vergleich mit dem, was
uns die Geschichte der anderen lebenden Gruppen lehrt,
ergibt sich, daß sie, organisch gesprochen, noch mehrere
Millionen Jahre zu leben und sich zu entwickeln hat". 123
Nach Teilhards Ansicht vollzieht sich die Kollektivie-
rung der Menschheit zwangsläufig unter dem Druck der
sozialen, technischen und wissenschaftlichen Verhältnis-
se. „Da die menschlichen Moleküle aneinander gedrängt
werden und je mehr man sie aneinander drängt, können
sie, auf Grund ihrer Natur und Struktur, gar nichts ande-
161
res tun, als sich untereinander mit Leib und Seele zu ver-
kitten."
162
lichen" oder „organischen Evolution" verharmlost und
von Teilhard sogar verherrlicht.
An diesem Punkt setzt dann auch die schärfste Kritik
an Teilhards Eschatologie an. So schreibt E. Benz: „Hier
droht der eschatologische Optimismus in den eschatolo-
gischen Leichtsinn umzuschlagen ... Die futuristische
Distanz gegenüber den bedrängenden Problemen der Ge-
genwart führt bei Teilhard manchmal zu einer erstaun-
lichen Gefühllosigkeit, ja zu einer Unmenschlichkeit,
deren nur eine letzte intellektuelle Abstraktion fähig ist,
zur Gefühlskälte eines Kommissars der Weltevolution.
Dies tritt deutlich an seiner Einstellung zum Krieg und
zur Atombombe hervor."127
Soweit ich sehe, ist dies der härteste Vorwurf, der gegen
Teilhard je erhoben wurde. Und leider ist er berechtigt,
was sich an einigen Äußerungen Teilhards leicht nachwei-
sen läßt. Während in der Literatur des Ersten Weltkrieges,
sei es von Seiten linker oder anderer Autoren immer wie-
der die Brutalität und Entsetzlichkeit sowie die physi-
schen und moralischen Zerstörungen dieses irrsinnigen
Krieges beklagt werden, sind in den Kriegsbriefen Teil-
hards solche Verurteilungen des Krieges nicht zu finden.
Im Gegenteil. Am 10. Juli 1916 schreibt er an Marguerite,
daß er seinem Freund Boussac, der „durch den Krieg
etwas düster gestimmt war", zu beweisen versuchte, „daß
er durch seine Mitwirkung bei der Schlacht letzten Endes
am Fortschritt der Natur mitwirkte, die er so sehr liebt".
Boussac gab ihm darauf die menschlich und sachlich ein-
zig richtige Antwort, „daß er das brutale Vorgehen der
Militärs und das unaufrichtige Verhandeln der Diploma-
ten nie mit den edlen und lautlosen Umwandlungen der
163
Natur verwechseln, ja beide niemals miteinander verglei-
chen könnte".
Ganz anders der hirnverbrannte Ideologe Teilhard de
Chardin. Dieser „große Denker" meinte, „diesen Ver-
gleich dennoch aufstellen" zu müssen und glaubte, daß die
Empörung Boussacs, die er oft auch empfindet, auf einer
„Illusion" beruht.128 Eine ungeheuerliche und unüberbiet-
bare Gefühlsroheit offenbarte der „edle Priester" in einem
Brief vom 2. November 1916, wo er über das verwüstete
Schlachtfeld von Douaumont folgende Sätze schrieb: „Im
Grunde beobachte ich, daß ich eine gewisse Depression
und eine gewisse tote Zeit hinter mir habe, was zum Teil
an der wenig aktiven Rolle lag, die meine Einheit spielte
... Von einem mehr beobachtenden und fast ,dilletanti-
schen' Gesichtspunkt aus habe ich die Romantik der
Gegend und der Lage in kleinen Zügen zutiefst ausgeko-
stet. Wenn man vergißt, daß man einen Leib hat, den man,
wie eine Schnecke ihr Haus, über den Morast dahinschlep-
pen muß, gewährt das Gebiet von Douaumont ein begei-
sterndes Schauspiel. Stelle Dir eine Unermeßlichkeit von
völlig düsteren und kalten Anhöhen vor, die verwildert
wie eine Wüste sind, bewegter als ein Feld. All das haben
wir wieder zurückgewonnen ... Von den ,Boches' sind bei-
nahe keine Überreste zu sehen - nur in der Umgebung
mancher Unterstände ein paar entsetzliche Bilder, denen
der Blick jedoch ohne zu zucken begegnet ..." 129
Den letzten Satz muß man zweimal lesen. „Überreste"
von „Boches", - „entsetzliche Bilder", doch der Blick
begegnet ihnen „ohne zu zucken". Wenn ein geistig oder
seelisch Kranker sich in dieser Art ausdrücken würde,
könnte man das verstehen. Für einen katholischen Prie-
164
ster ist ein solches Bekenntnis vernichtend. Es zeugt von
einer stumpfen und verwüsteten Seele. Nur beiläufig sei
hier noch erwähnt, daß Teilhard in seinen Kriegsbriefen
für die Deutschen fast immer das Schimpfwort „Boches"
gebraucht. Nur ganz selten schreibt er „die Deutschen".
Am 23. August 1916 schildert Teilhard seine Erlebnisse
während einer entsetzlichen Schlacht vor Verdun und
schreibt dann anschließend: „Beim Anblick dieser Stätte
herber Mühsal fühlte ich mich ganz ergriffen von dem
Gedanken, daß ich die Ehre hatte, an einem der zwei oder
drei Punkte zugegen zu sein, in denen zur jetzigen Stunde
das gesamte Leben des Alls zusammenströmt und wieder
zurückflutet - schmerzliche Punkte, an denen jedoch (ich
glaube immer mehr daran) eine große Zukunft herausge-
arbeitet wird." 130
Am 23. September 1917 schreibt er aus der Etappe:
„Wir leben hier ruhig ... Es reizt mich ein wenig, dieses
Gefühl der Fülle und des Übermenschlichen kurz zu ana-
lysieren und zu rechtfertigen, das ich so oft an der Front
erfahren habe und das, wie ich fürchte, der Grund für
meine Sehnsucht nach dem Kriege ist. Mir scheint, man
könnte zeigen, daß die Front nicht nur die Feuerlinie ist,
die Korrosionsoberfläche der Völker, die sich bekämpfen,
sondern auch in gewisser Weise die ,Front der Woge', die
die menschliche Welt ihren neuen Geschicken entgegen-
trägt." 131 In einem Brief vom 25. September 1917 spricht
Teilhard vom „Heimweh nach der Front" und gibt einige
Gründe dafür an, warum die Front ihn „unüberwindlich
anzieht". 132 Am 4. August 1916 ärgert er sich darüber,
beim Roten Kreuz zu sein und begründet es so: „Es ist ja
offenbar eine äußerst göttliche und priesterliche Rolle,
165
von Berufs wegen Öl und Wein auf die Wunden des
Daseinskampfes zu gießen; aber ich kann nicht umhin,
festzustellen, daß ich im Wesen weit eher dem Bohrer glei-
che, der vordringt, als dem Öl, das den Vormarsch des
Fortschritts sanfter gestaltet." 133
166
Ahnlich wie die Stellungnahme zum Krieg war Teil-
hards Beurteilung der Atombombe. E. Benz schreibt dar-
über: „Der Abwurf der Bombe über Hiroshima hat Teil-
hard mit einer enthusiastischen Bewunderung des
wissenschaftlich-technischen Fortschritts erfüllt, den die-
ses Ergebnis der Teamarbeit ein naturwissenschaftlichen
Supergehirns für die Menschheit darstellte. Er hat in meh-
reren Vorträgen über die gewaltige Förderung der Evolu-
tion gesprochen, die die Beherrschung der Atomkraft für
die Menschheit und für das menschliche Bewußtsein dar-
stellt. Bezeichnenderweise beziehen sich seine Betrach-
tungen nicht auf Hiroshima, sondern auf die erste Ver-
suchsexplosion in Arizona und auf die späteren
Atomversuche in Bikini...
Die Toten und Verletzten von Hiroshima sind für ihn
unvermeidliche Opfer auf dem Wege der Erfüllung dieser
Pflicht, die Evolution voranzutreiben, und die Rechtferti-
gung solcher Opfer besteht darin, daß die Atombombe
letzthin gerade durch ihre überdimensionale Vernich-
tungsmöglichkeit zum Garanten des Friedens wird ... Die
Möglichkeit eines katastrophalen Ausgangs dieser Evolu-
tion weist er lächelnd zurück - schließlich gebe es ja einen
planetarischen Selbsterhaltungstrieb des Lebens!"135
In Teilhards utopischer Zukunftserwartung offenbart
sich deutlich seine freimaurerische Seele. Mit vielen Brü-
dern der Freimaurerei glaubt er an den ewigen Frieden in
der kommenden One World, an die Vereinigung von
Nichtchristen und Christen in einer Welt-Einheitsreligi-
on, die er schon in einigen Generationen kommen sieht,136
an die Versöhnung des atheistischen, antichristlichen und
antihumanen Kommunismus mit dem Christentum. Wie
167
viele Freimaurer bagatellisiert auch er den satanischen
Kommunismus und seine weltbedrohende Gefahr und
glaubt mit dem Hochgradmaurer Jacques Mitterand an
die Transzendierung des Kommunismus in Richtung
eines neuen und freien Humanismus.
Damit sind wir an dem Punkt angelangt, wo es notwen-
dig ist, ein Wort über den Freimaurer Teilhard de Chardin
zu sagen. Die folgenden Informationen über seine Zu-
gehörigkeit zur Freimaurerei kommen aus Spanien,
einem Land, um das die Freimaurer schon seit Jahrzehn-
ten kämpfen, und sie stammen von einem Mann, der dort
bekannt ist und etwas gilt: Don Pablo Maria de la Porcion.
Er hat seine Enthüllungen erstmals am 13. April 1968 in
der hervorragenden spanischen theologischen Zeitschrift
»Que Pasa« in Madrid veröffentlicht. Sein aufsehenerre-
gender Artikel wurde von der großen argentinischen Zeit-
schrift »La Tradición« im Juni 1968 in vollem Wortlaut
übernommen und erschien dort unter dem Titel: „Teil-
hard de Chardin, der Prophet des Antichrists". Dieser
Artikel von Gilberte Coté-Mercier ist 1971 in deutscher
Übersetzung von Eduardo Hugentobler in der Schweizer
katholischen Zeitschrift »Das Zeichen Mariens« abge-
druckt worden. Die nun folgenden Ausführungen stützen
sich im wesentlichen auf diesen Text.137
Don Pablos Thesen wollen nicht als bloßer Verdacht,
sondern als konkrete Anklage gegen Teilhard verstanden
werden. Er gründete seine Anklage zunächst auf das
zuverlässige Zeugnis dreier Freunde: „Der eine von ihnen,
hochgestellter Funktionär eines weitverzweigten Netzes
von Industrie-Unternehmungen, war zur Zeit der Spani-
schen Republik eingeschriebenes Mitglied des freimauri-
168
schen ,Großorients von Spanien', im 33. Grad, ,iyiartinez
Barrio' ... Der Zweite, Inhaber des Lizentiats der Natur-
wissenschaften, gehört - oder vielmehr gehörte noch Ende
1965 - zur Loge des .Symbolismus' und ist immer noch, bis
jetzt, persönlicher Freund des Logenbruders Alec Mellor.
Der Dritte, von Beruf Mediziner, befindet sich in den Ver-
strickungen der .Valentinianischen Gnosis'. mit der er
schon seit Jahren in sehr regen Beziehungen steht." Weni-
ge Tage nach der Wahl von Papst Johannes XXIII.
besuchten diese drei Freunde Don Pablo und sagten ihm:
„Durch die literarischen Werke eines der unsern werden
wir nun daran gehen, die große Revolution vorzubereiten
und in die Priesterseminare der katholischen Kirche ein-
zudringen."
Zu diesem Zeitpunkt konnte Don Pablo den tieferen
Sinn dieser Worte noch nicht erkennen und nicht wissen,
wer mit dem „einen der unseren" gemeint war. Erst im
Sommer 1966 ging ihm ein Licht auf: es war Teilhard de
Chardin. Einer der drei Freunde war dann auch ehrlich
und offen genug, dies zuzugeben und Don Pablos Ver-
dacht zu bestätigen.
Zweitens sprechen für die Mitgliedschaft Teilhards in
der Freimaurerei die Erklärungen des Justizministers der
Vichy-Regierung unter Marschall Petain, der anfangs der
vierziger Jahre das »Livre d'Or de la Synarchie« (das gol-
dene Buch der Synarchie), ein Verzeichnis hervorragender
Logenmitglieder in seinen eigenen Händen hielt und darin
den Namen Teilhard de Chardin las.
Teilhard war damals in Frankreich, selbst in Fachkrei-
sen, nur wenig bekannt. Obwohl der Justizminister die
Bedeutung und den unschätzbaren Wert dieses Doku-
169
mentes nicht einmal zu ahnen vermochte, verfaßte er dar-
über einen Kommentar, in dem es wörtlich heißt: „ ... und
Pierre Teilhard de Chardin ist der Vertreter der Synarchie
bei der katholischen Kirche ..." Dieser Satz ist wahr-
scheinlich der wichtigste Beweis für die Logenzugehörig-
keit Teilhard de Chardins. Die Erklärungen des Justizmi-
nisters sind von Ministerpräsident Pierre Laval bestätigt
worden. Beide kannten Teilhard persönlich nicht.
Unter „Synarchie" versteht man die gemeinsamen Be-
strebungen der Freimaurerei und anderer Geheimgesell-
schaften, einen einheitlichen Weltstaat mit einer einheit-
lichen Weltregierung und einer einheitlichen Weltreligion
zu schaffen. Aus der „alten Kirche" soll eine „neue Kir-
che" werden, indem man die alte von innen heraus
umfunktioniert. Politisch erstrebt die Synarchie, die als
Zusammenfassung von geheimen Kräften der verschie-
densten „Orden" zu verstehen ist, „die Integration aller
sozialen und finanziellen Mächte, die diese Weltregierung
unter sozialistischer Führung ... zu tragen und zu fordern
hat." 138
Don Pablo weist sodann auf die Tatsache hin, „daß
sämtliche Freimaurerlogen, ohne jeglichen Unterschied,
eine gewaltige Propaganda für Teilhards Werke entfalte-
ten und die Verbreitung derselben in großartigster Weise
förderten; zuerst wohlgetarnt, ganz im stillen und verbor-
genen, mit aller damals noch gebotenen Vorsicht, doch
inzwischen obliegen sie ihrem Infiltrationsgeschäft schon
ganz ungehemmt und mit unverschämter, zynischer
Offenheit. Der bestätigten Informationen und Beweise
dafür sind inzwischen nur zu viele geworden ... Eine
gewisse Art von Gesellschaften, die bis jetzt, getreu ihrer
170
Maulwurfsarbeit, nur im Untergrund vegetiert haben,
sind nun dabei, ins volle Licht des Tages aufzutauchen
und sich Namen zuzulegen, die gleich oder ähnlich klin-
gen wie .Freunde von Teilhard de Chardin'. Bei näherer
Prüfung kann man unschwer erkennen, daß alle diese
Gruppen und Grüppchen von der Loge, den Rotariern,
den ,Lions', und was der ähnlichen Nachtschattenge-
wächse noch mehr sind, gebildet und insgeheim oder auch
ganz offen gefördert werden".
Im Sommer 1966 erfuhr Don Pablo von zwei Freunden,
die Freimaurer waren, daß die international arbeitende
Freimaurerei Anweisung gab, die Werke Teilhards mit
vereinten Kräften so weit wie nur möglich zu verbreiten,
vor allem auch im katholischen Spanien. Dieses Geständ-
nis stimmt überein mit den diesbezüglichen Aussagen pro-
minenter Freimaurer wie Yves Marsaudon (vom Conseil
Supreme de France), Charles Riandey (wiederholt Groß-
sekretär und Bundesrat der Grande Loge de France),
Alexandre Chevalier (Großmeister des Grand-Orient de
France) und Marius Lepage (Stuhlmeister der Großorient-
Loge „Volney" von Laval).
Was gestern noch Geheimnis war, pfeifen heute schon
die Spatzen von den Dächern. Es ist auch kein Geheimnis
mehr, daß Teilhard Mitglied des Martinistenordens war,
dessen geistiger Vater der französische Aftermystiker
Louis Claude Martin, Marquis de Saint ist, auch Louis
Claude de Saint-Martin genannt. Er ist 1743 geboren,
wurde nach juristischen Studien Offizier und Anhänger
der theosophischen Lehre von Jakob Böhme und lernte
1768 in Bordeaux Martines Pasqually kennen, einen Ver-
treter der pantheistischen jüdischen Kabbala, die als gno-
171
stische Geheimlehre zwischen dem 7. und 15. Jahrhundert
ausgebildet wurde 139 und den bemerkenswerten Satz ent-
hält: „Man hüte sich, die Todespille aus Strychnin den
Christenhunden ohne eine verhüllende Beigabe vorzuwer-
fen, sondern wickle sie vielmehr in ein saftiges Stück
Fleisch." Louis Claude Martin war 1769 Freimaurer
geworden und gründete schließlich ein auf templerischer
Grundlage beruhendes Hochgradsystem. 140
Ein ausgezeichneter Kenner der Geheimgesellschaften
sieht in Louis Claude de Saint-Martin den „wohl bedeu-
tendsten unter den französischen Illuminaten ..., der den
von ihm mitgeschaffenen ,Martinezismus' Pasquallys zu
neuen geistigen Höhen führte ... Saint Martin hatte die
Lehre seines Meisters Pasqually weitgehend übernommen
und fortentwickelt... Er erhöhte im Gegensatz zu seinem
Lehrer die Bedeutung der Gestalt Christi ... Nach Saint-
Martin ist ,vom Urquell des Lebens an bis auf den gering-
sten Keim der Materie alles eine ununterbrochene Pro-
gression, ein fortgehender Ausstrahl des Urlichts, eine
Reihe von Potenzen, die aus der Einheit, als der Grund-
wurzel aller Zahlen fließen...'
Saint Martin hatte als Pseudonym für seine Arbeiten
den ,Philosophe Inconnu', den ,Unbekannten Philoso-
phen' gewählt. Diese Bezeichnung, war seiner Verbindung
zu den Straßburger ,Superieurs Inconnus' entnommen,
deren Mitglied er mit aller Wahrscheinlichkeit gewesen ist
... Daß hier ein enger, zumindest geistiger Zusammen-
hang mit den Rosenkreuzern des deutschen Sprachraums
bestanden hat, hat schon Marx nachgewiesen. Die Statu-
ten der ,Philosophes Inconnus' waren weitgehend iden-
tisch mit denen der sogenannten Prager Gold- und Rosen-
172
kreuzer ... Saint Martin starb im Alter von 60 Jahren am
13. Oktober 1803 in Aulnay ...
Die (jüngeren) Martinisten (nicht Martinezisten) des 19.
und 20. Jahrhunderts leiten ihren .Ordre Martiniste' von
Saint-Martin ab, obwohl nachweislich keine direkte Suk-
zession besteht oder bestehen kann, da er selbst keine
organisierte Anhängerschaft hinterlassen hat. Ein Teil sei-
ner Lehre wurde allerdings in den Nachfolgegesellschaf-
ten des 19. Jahrhunderts ... und von den stets nur durch
einzelne Mitglieder auftretenden ,Philosophes Inconnus'
oder,Supérieurs Inconnus' (S.. I..) weitervermittelt." 141
Als Gründer des modernen Martinistenorden gilt nach
dem Internationalen Freimaurer Lexikon der okkultisti-
sche Schriftsteller Marquis Stanislas de Guaita, der um
das Jahr 1884 den Orden gegründet hat. Ohne die verwor-
rene Entwicklung der jüngeren Martinisten hier weiter
verfolgen zu wollen, sei nur noch erwähnt, daß im Jahre
1931 in Lyon eine Generalkonstitution des Martinistenor-
dens vom Ordensrat herausgegeben wurde. Nach diesen
Satzungen ist der Martinistenorden, der „unter den
Auspizien unbekannter Oberer" wirkt, gnostischen Cha-
rakters. Seine drei Kampfziele sind: „Die Reintegration
des menschlichen Wesens in seiner ursprünglichen Rein-
heit, die Annäherung des Menschen an Gott, die Vergeisti-
gung der Menschheit."
Es ist nun kein Zufall, wenn in den Schriften Teilhard
des Chardins immer wieder deutlich wird, daß er die
Ideen Saint-Martins nicht nur kannte, sondern diese teil-
weise auch in sein System aufnahm. E. Benz, dem das Ver-
dienst zukommt, in der deutschen Teilhard-Literatur auf
diese Tatsache hingewiesen zu haben, nennt Louis Claude
173
de Saint Martin einfaehhin den „Ahnherr der Ideen und
der Terminologie Teilhards". 142
174
seiner Ansprache hat Mitterand die Freimaurerei auch
wörtlich als „Contre-Eglise" (= Gegenkirche) bezeichnet.
Im Dialog, den reguläre Freimaurer heute mit Vertre-
tern der katholischen Kirche führen, wird immer wieder
betont, daß es die Freimaurerei nicht gebe und daß man
eben unterscheiden müsse zwischen antikirchlichen Lo-
gen, wie eben dem französischen Groß-Orient und ande-
ren (regulären) Logen, die nicht antikirchlich oder gar
antichristlich eingestellt seien. Dagegen ist festzustellen,
was ich bereits in meiner Schrift über die antichristliche
Freimaurerei 143 an zahlreichen Beispielen nachgewiesen
habe, daß die autonome Geisteswelt aller auf dem Boden
der „alten Pflichten" stehenden Logen, und dazu gehören
gerade die „regulären" humanitären Logen wegen ihrer
offenbarungsfeindlichen und antidogmatischen Einstel-
lung mit dem christlichen Offenbarungsglauben schlecht-
hin unvereinbar ist. So hat z.B. der Patriarch der deut-
schen Nachkriegsmaurer, Theodor Vogel, 1955 in Essen
offen erklärt, daß „der Freimaurer jeden Dogmaglauben
ablehne". 144
Nun ist aber der katholische Glaube seinem Wesen nach
ein dogmatischer Glaube. Da alle Freimaurer immer wie-
der bekennen, daß sie sich selbst bis heute treu geblieben
sind, kann sich also in ihrem Wesen nichts geändert
haben. Wohl aber haben sie ihre Strategie und Taktik
gegenüber der katholischen Kirche geändert, was ich in
der obengenannten Schrift über die antichristliche Frei-
maurerei dargelegt habe. Aus all dem kann nur der Schluß
gezogen werden: Wenn der Freimaurer jeden Dogmaglau-
ben ablehnt, lehnt er notwendig auch den katholischen
Glauben ab. Dann ist er auch antikirchlich orientiert,
175
denn die Kirche ist ja auf dem Fundament des Glaubens
aufgebaut. Ist aber jemand antikirchlich orientiert, dann
ist er auch antichristlich, weil es authentisches Christen-
tum ohne Kirche nicht gibt.
Wohl gibt es ein sog. säkularisiertes Christentum, und
manche rechnen diesem die Freimaurerei zu. Angesichts
unserer glasklaren Logik ist der Versuch, authentisches
Christentum und reguläre oder irreguläre Freimaurerei
miteinander zu versöhnen, aussichtslos und hoffnungslos.
Um so unverständlicher ist dann freilich die Tatsache, daß
einige „progressive" Kardinäle - unter ihnen auch Kardi-
nal Döpfner - „katholische" Freimaurer, die konsequent
aus der Kirche ausgetreten waren, auf ihren und ihres
Großmeisters Wunsch hin wieder in die Kirche aufnah-
men, ihnen aber gleichzeitig erlaubten, Mitglieder der
Loge bleiben zu dürfen. Mit dieser Methode ist es den Frei-
maurern gelungen, schon vor mehreren Jahren die
Exkommunikation „katholischer" Freimaurer zu unter-
laufen und in gewissem Sinn bereits aufzuheben.
Schon auf dem Konzil haben freimaurerfreundliche
Hierarchen und bewußt oder unbewußt unter freimaureri-
schem Einfluß stehende Konzilsväter - von einem verstor-
benen französischen Kardinal wird sogar behauptet, daß
er formell Freimaurer war - das Konzil so manipuliert,
daß es das „89" der Kirche werden konnte, wie der prom-
aurerische Kardinal Suenens 1971 in Brüssel sagte: „Le
concil c'est 89 dans l'eglise." Die Zahl 89 dürfte eine
Anspielung auf die große freimaurerische Revolution von
1789 sein, deren Parole „Gleichheit, Freiheit und Brüder-
lichkeit" übrigens erstmals von Louis Claude de Saint-
Martin geprägt wurde.
176
Die freimaurerische Revolution ist über Teilhard de
Chardin hinaus in der nachkonziliaren Kirche in vollem
Gang, die unheilvolle Verbrüderung mit den Freimaurern,
deren Lakaien nicht nur gewisse Kardinäle der sog.
„Rheinallianz" sind,145 sondern auch hohe und höchste
Würdenträger im Vatikan, hat der Kirche schon jetzt un-
absehbaren Schaden zugefügt und wird, wenn dem Spiel
mit der Elite Satans in der Gegenkirche nicht unverzüg-
lich ein Ende bereitet wird, zu einer Katastrophe in der
Kirche führen, wie sie die Geschichte noch nicht erlebt
hat.
Neben Teilhard, dessen „neuer Glaube" an den Fort-
schritt und den Christus und Gott der Evolution nicht nur
den progressistischen Holländischen Katechismus stark
beeinflußt hat, sind heute zahlreiche theologische Irrleh-
rer am Werk, die hauptsächlich die Irrtümer der liberalen
und existentialen evangelischen Theologie in die katholi-
sche Theologie übernehmen und sie hier als „neue Theolo-
gie" verkaufen. Meister in diesem Metier ist der in Tübin-
gen lehrende Schweizer Theologe Hans Küng, mit dem L.
Scheffczyk gründlich abgerechnet hat in der empfehlens-
werten und für breitere Kreise verständlichen Schrift:
»Aufbruch oder Abbruch des Glaubens?« Zum Buch H.
Küngs »Christ sein«.146
Wenn Küng auch von ganz anderen theologischen
Grundpositionen ausgeht als Teilhard de Chardin so hat
er mit diesem doch manches gemeinsam, vor allem das
Prinzip Vieldeutigkeit. Außer Küng gibt es viele gleichge-
sinnte Söhne der Finsternis, die innerlich längst nicht
mehr katholisch sind und dennoch in katholischen Prie-
sterseminarien oder an theologischen Fakultäten die
177
Gottheit Christi leugnen und die Theologie Satans ver-
künden dürfen. Solange dieser Zustand andauert, be-
trachte ich es nicht als Unglück, wenn manche Priesterse-
minare leerstehen oder langsam leer werden. Der Satan
hat angesichts dieser Vorgänge wohl allen Grund zum
Jaulen und seine irdische Elite sieht - wie schon so oft in
der Kirchengeschichte - das Ende der Kirche nahen.
Doch die Söhne der Finsternis werden das Ende der „Infa-
men" nicht erleben. Die göttliche Kirche wird sowohl ihre
Gegner als auch ihre Verräter überleben und ihnen das
„Requiem" singen.
178
3. Zeichen des lebendigen Gottes
Der Gott des Alten Bundes, der „Gott Abrahams, Isaaks
und Jakobs" (Ex 3,6), ist ein „lebendiger Gott" (Jos 3,10;
Ps 83, 3), kein toter Götze wie die Götter der Heiden, die
Nichtse sind (1 Kor 8, 4). Der lebendige Gott ist ein Gott
der Offenbarung, der sich seinem Volk und allen Völkern
zu erkennen gibt durch gewaltige, staunenerregende
Machttaten und Zeichen. In Jesus Christus, seinem ewi-
gen Sohn, der in der Zeit Mensch wurde, hat sich dieser
unbegreiflich große Gott selbst in der „Fülle der Zeit" (Gal
4, 4) den Menschen geoffenbart und ihnen zahllose Zei-
chen seiner Existenz, seiner Gegenwart, seiner barmherzi-
gen Liebe und seiner göttlichen Macht gegeben.
Die heilsgeschichtliche Offenbarung Gottes geschah
und geschieht auch heute noch nicht nur durch Worte
(Wortoffenbarung) sondern immer auch durch Taten
(Tatoffenbarung) Gottes. Das unerhört Neue der Gottes-
offenbarung Jesu ist sein Zeugnis vom trinitarischen Gott,
dem dreieinigen Gott, dessen einziges Wesen in drei ver-
schiedenen göttlichen Personen lebt. Auf den Namen des
dreieinigen Gottes sind nach dem Willen Jesu alle Men-
schen zu taufen, die an ihn und seine Frohe Botschaft vom
Reiche Gottes glauben. „Christ sein" heißt also zuerst und
zuletzt nicht „Mitmenschlichkeit" praktizieren, sondern
auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes getauft sein und Lebens- und Liebesgemeinschaft
mit dem dreieinigen Gott haben, der in jedem begnadeten
und gläubigen Menschen lebt und wirkt.
In der Gemeinschaft mit dem lebendigen trinitarischen
Gott verwirklicht der Christ sodann in Glaube, Hoffnung
179
und Liebe die ihm von diesem Gott gestellte Aufgabe, die
im großen Gebot der Gottes- und Nächstenliebe ausge-
drückt ist. Dieser christliche Gottes- und Weltdienst, bei
dem sich die im Christen anwesende göttliche Liebe zu-
sammen mit der menschlichen Liebe auswirkt, ist unend-
lich mehr als irgendeine rein „humanitäre" Mitmensch-
lichkeit, zu der auch Nicht-Christen, sowohl edle als auch
unedle „Humanisten" ohne Gott fähig sind.
Der trinitarische Gott, der einzig wahre Gott, außer
dem kein anderer Gott existiert, offenbart sich also in
Jesus Christus und dieser lebt und wirkt in der von ihm
gestifteten Kirche in der Geschichte fort. Jesus Christus
hat seine Kirche auf den Felsenmann Petrus gegründet
mit der Verheißung, daß die Mächte des Todes und der
Unterwelt sie nicht überwältigen werden (Mt 16, 18). Die
einzige Kirche die heute noch wie eh und je auf Petrus
gebaut ist, ist die heilige, katholische und apostolische
Kirche. Und in dieser Kirche offenbart sich Gott nach wie
vor in Wort und Zeichen, damit alle Menschen guten Wil-
lens ihn erkennen und zum ewigen Leben gelangen kön-
nen. Die Zeichen Gottes können Heils- oder Gerichtszei-
chen sein und sind als solche immer Zeichen seiner
barmherzigen und gerechten Liebe zugleich.
Wer von den Zeichen der barmherzigen Liebe Gottes,
den Heilszeichen in der katholischen Kirche der Gegen-
wart sprechen will, kann unmöglich den Ort übersehen, an
dem wie sonst nirgendwo auf unserer Erde diese Zeichen
in großer Zahl offenbar werden: Lourdes. „Seit der Him-
melfahrt unseres Herrn geschahen in keinem anderen Teil
der Welt so viele Wunder wie gerade in diesem gesegneten
Winkel der Pyrenäen." 147 Tausende von Heilungen leibli-
180
cher und seelischer Art, die für den Menschengeist
geheimnisvoll sind und bleiben werden, sind solche Zei-
chen. Wenn in der Tat nur ein Bruchteil von ihnen von der
Kirche offiziell als Wunder im strengen theologischen
Sinn anerkannt worden sind, so hat das verschiedene
Gründe, die in den Schriften der Präsidenten des Ärzte-
büros von Lourdes wie Le Bec, Leuret oder Olivieri nach-
gelesen werden können. Hier genügt die Feststellung, daß
es Zeichen gibt, die als Wunder gelten, andere werden
nicht als Wunder offiziell anerkannt, obwohl auch sie
außergewöhnliche Zeichen sind, die Gottes machtvolle
Liebe bezeugen.
Nur ein einziges solches Zeichen, das bis heute von der
Kirche noch nicht als „Wunder" anerkannt ist, sei hier
kurz beschrieben. Der frühere Präsident des Ärztebüros
von Lourdes, Dr. Leuret, berichtet: „Gérard Baillie aus St.
Pol sur Mer in Nordfrankreich erblindete im Alter von
zweieinhalb Jahren infolge einer erklärt unheilbaren
Krankheit, die eine allmählich fortschreitende Zerstörung
des inneren Gewebes der beiden Augen, der Gefäßhaut
des Augapfels und der Netzhaut wie der Sehnerven nach
sich zieht. Im Alter von zweieinhalb Jahren und einigen
Wochen darüber wird er als Flüchtling aus der Gegend
von Dünkirchen in die Kinderblindenanstalt von Arras
gebracht. Diagnose: Doppelseitiger Gefäßhaut- und Netz-
hautschaden - Verkümmerung des Sehnervs - unheilbare
Blindheit. Er bleibt zwei Jahre dort, und keine der zahlrei-
chen Untersuchungen, die man mit ihm anstellte, ließ
auch nur den geringsten Zweifel an seiner Blindheit auf-
kommen.
181
Im Alter von fünf Jahren findet er in Lourdes plötzlich
das Augenlicht wieder. Am folgenden Tag wird er von
einem namhaften Augenspezialisten untersucht Diagno-
se: Doppelseitiger Gefäßhaut- und Netzhaut schaden -
Verkümmerung der Sehnerven - dieser Knabe sieht
nichts, er kann unmöglich etwas sehen! Indessen: er sieht,
und als er zum Abschluß seiner Pilgerfahrt ganz selbstver-
ständlich zu der Kinderblindenanstalt zurückkehrte, von
der er aufgebrochen war, bat man ihn nach vierundzwan-
zig Stunden, das Blindenheim zu verlassen. Von diesem
Tage an besuchte er die normale Schule und lernte wie die
anderen Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen.
182
unerklärlich bleiben müssen ohne eine übernatürliche
Einwirkung.
1. Ein blindes Kind kann sehen, zwei Jahre lang, ohne die
selbst für einen beschränkten Gebrauch des Augen-
lichts nötigen Organe zu besitzen.
2. Ein krankes Kind wird von einer Krankheit geheilt, von
der man bisher noch niemanden gesunden sah." 148
Mir scheint dieses Zeichen eines der größten Wunder zu
sein, das je in Lourdes geschah. Doch vergessen wir nicht
das größte Zeichen von Lourdes, das Urzeichen: Maria,
die Unbefleckte Empfängnis, die vom 11. Februar bis zum
16. Juli 1858 als das „Große Zeichen am Himmel" (Offb
12,1 ff) insgesamt 18mal der 14jährigen Bernadette Sou-
birous erschien und ihr eine wichtige Botschaft für das
Heil der kranken Welt und der armen Sünder anvertraute.
Mit diesem großen Zeichen vom Himmel hat Gott nicht
nur seine eigene Existenz bezeugt und bewiesen, daß es
noch eine andere Welt gibt, die jenseitige, übernatürliche
Welt „drüben", aus der Maria in unsere Welt „herüber" -
kam, er hat damit auch die Lehre der katholischen Kirche
von der Unbefleckten Empfängnis Mariens bestätigt, die
erst vier Jahre vor den übernatürlichen Erscheinungen in
Lourdes von Papst Pius IX. feierlich als unfehlbare Glau-
benswahrheit (Dogma) verkündet worden war, eine
Wahrheit, die von den Irrgläubigen und Ungläubigen -
trotz tausendfacher Zeichen in Lourdes - nicht geglaubt
wird.
Maria nannte sich selbst bei der Erscheinung am 25.
März 1858 die „Unbefleckte Empfängnis" - ein Titel, den
Bernadette nicht verstand, und den sie ihrem Pfarrer mit-
teilen sollte. Um ihn nicht zu vergessen, sagte sie sich ihn
183
auf dem Weg zum Pfarrhaus immer wieder vor.149 Für den
sehr kritischen Pfarrer Peyramale war dies der untrüg-
liche Anhaltspunkt, der ihn an die Echtheit der Erschei-
nungen glauben ließ. Durch die außerordentlichen und
übernatürlichen Ereignisse in Lourdes bestätigt der drei-
einige Gott - dessen Lobpreis in dem feierlichen Gloria
Patri et Filio et Spiritui Sancto nach jedem Rosenkranzge-
setz und im Credo am Schluß der abendlichen Lichterpro-
zession in Lourdes gesungen wird - auch die Marien- und
Heiligenverehrung der katholischen Kirche. Denn er
wirkt seine Wunder und Zeichen auf das Gebet der Gläu-
bigen hin, die ihn dort anrufen und um die Fürsprache der
Gottesmutter und der hl. Bernadette bitten. Kurz und gut:
Gott selbst bezeugt, daß die katholische Kirche mit ihrem
Glauben und ihrem Kult seine Kirche ist, die Kirche Jesu
Christi, die vom Leib Christi lebt und der (mystische) Leib
Christi ist. In diesem Leib nimmt Maria nach Christus den
ersten und höchsten Platz ein.
184
Am 13. Oktober haben 50000 bis 100000 Menschen die-
ses Wunder in Fatima und im näheren Umkreis des Er-
scheinungsortes gesehen: das Sonnenwunder. Da Fonseca
berichtet über dieses einzigartige Schauspiel: „Der Regen
hörte plötzlich auf, die Wolken zerrissen und die Sonnen-
scheibe wurde sichtbar; doch sie war silbern wie der Mond.
Mit einem Male begann die Sonne mit ungeheurer Ge-
schwindigkeit wie ein Feuerrad um sich selbst zu kreisen,
gelbe, grüne, rote, blaue und violette Strahlenbündel wer-
fend, die Wolken, Bäume, Felsen, Erde und die ungeheue-
re Menge in phantastische Farben tauchten. Einen Augen-
blick hielt sie an, dann begann der Tanz der Feuerscheibe
von neuem. Noch einmal stand sie still, um dann ein drit-
tes Mal den wunderbaren Anblick zu bieten, noch farben-
prächtiger, noch glänzender als vorher. Atemlos, verzückt
stand die Menge. Plötzlich hatten alle den Eindruck, als
löse sich die Sonne vom Firmament und eile auf sie zu. Ein
vieltausendstimmiger Schreckenschrei gellte auf. Dann
klang es durcheinander: ,Ein Wunder, ein Wunder!' - ,Ich
glaube an Gott!' - ,Ave Maria!' - ,Mein Gott, Barmherzig-
keit!' - Und die Leute warfen sich in dem Schlamm auf die
Knie und beteten laut einen Reueakt. Dieses Schauspiel
dauerte gut zehn Minuten ..."
Der Bischof von Fatima schrieb darüber in einem Hir-
tenbrief: „Das Sonnenphänomen vom 13. Oktober 1917 ...
war etwas Wunderbares und hinterließ in allen, die das
Glück hatten, es zu sehen, einen unauslöschlichen Ein-
druck. Die Kinder hatten im voraus den Tag und die Stun-
de angegeben, in der es eintreten sollte. Die Kunde davon
verbreitete sich schnell in ganz Portugal, und obwohl das
Wetter unfreundlich war und es in Strömen regnete, fan-
185
den sich Tausende und Tausende von Personen dort ein,
die der letzten Erscheinung beiwohnten und Zuschauer
aller Phänomene waren durch die das Tagesgestirn der
Königin des Himmels und der Erde seine Huldigung dar-
brachte, jener Königin, die heller strahlt als die Sonne im
Mittagsglanze (Hld 6,9).
Dieses Phänomen wurde von keiner Sternwarte regi-
striert und war darum nicht natürlich: es wurde jedoch
von Personen aller Stände und sozialen Schichten beob-
achtet, von Gläubigen und Ungläubigen, Journalisten der
bedeutendsten portugiesischen Tageszeitungen, und auch
von Leuten, die vom Orte des Geschehens mehrere Kilo-
meter entfernt waren, wodurch die Erklärung, es könne
sich um eine Massenillusion handeln, hinfällig wird." 151
Das große Sonnenwunder bedarf keiner weiteren Inter-
pretation mehr. Im Anschluß an dieses „große Zeichen am
Himmel" wurde Fatima neben Rom und Lourdes zum
größten Wallfahrtsort der katholischen Kirche. Die Fati-
mabewegung breitete sich in der ganzen katholischen
Welt aus und wurde durch die „Peregrinatio" der Fatima-
madonna in vielen Ländern der Welt wirksam gefördert.
Zahlreiche Heilungen und noch mehr Bekehrungen wur-
den seither aus Fatima gemeldet: Zeichen vom Himmel
und Zeichen der Zeit, die auch bei nichtkatholischen
Christen großes Aufsehen erregten und beachtenswerte
Stellungnahmen auslösten.
So schrieb 1956 eine Gruppe evangelischer Christen aus
Dresden in einem Memorandum über die Marienvereh-
rung in der evangelischen Kirche: „Eine vorurteilslose
Kritik steht in Lourdes, Fatima und anderen mariani-
schen Gnadenorten vor übernatürlichen Tatsachen, die in
186
engster Verbindung mit der Jungfrau Maria stehen - seien
es ihre Erscheinungen oder die nachfolgenden wunderba-
ren Gebetserhörungen auf Anrufung ihrer Fürbitte hin -
und für die es einfach keine natürliche Erklärung gibt.
Wir wissen - oder wir sollten es eigentlich wissen -, wie
streng wissenschaftlich in Lourdes und Fatima die Kran-
kenheilungen auch von nichtkatholischen Ärzten unter-
sucht werden und wie lange es dauert, ehe die katholische
Kirche dazu schreitet, eine Krankenheilung als ein Wun-
der zu erklären ..."
Über den Sinn dieser übernatürlichen Zeichen lesen wir
in dem Memorandum aus Dresden: „Kommt Gott nicht
dem modernen Unglauben in erschütternder Weise entge-
gen? Wie will der Ungläubige, der um diese Tatsachen
weiß, sich jemals rechtfertigen wenn er weiter in seinem
Unglauben beharrt...? Wenn Maria bei ihren Erscheinun-
gen zur Welt spricht, kann es nur mit Gottes Willen
geschehen. Kann es da nicht unheilvollster Irrtum sein,
wenn wir ohne weiteres die Ohren dagegen verschließen
...? Soll alles Zeitgeschehen mehr und mehr den Mächten
der Finsternis verfallen, ohne daß wir diese gottgegebene
Macht des Lichtes zu unserer Rettung erfassen ...?
Heute, wo es um Sein oder Nichtsein des Christentums
in diesem oder jenem Lande geht, wäre es letzte Verant-
wortungslosigkeit, die Stimme Gottes, der durch Maria
zur Welt spricht, nicht hören zu wollen - nur, weil sie über
die katholische Kirche zu uns dringt ... Auf keinen Fall
dürfen diese Dinge bei uns noch länger totgeschwiegen
werden! Wir müssen sie prüfen: vorurteillos, gründlich
und ohne Aufschub, denn der Untergang droht an unse-
ren Grenzen, und es besteht die Möglichkeit, daß wir
187
durch Nichtanerkennung und Nichtbefolgung der Bot-
schaften Gottes durch Maria die rettende Hand, die der
Himmel uns noch einmal reicht, zurückstoßen.
Wir fordern nicht nur die evangelisch-lutherische Kir-
chenleitung zu einer Untersuchung und Stellungnahme
auf, sondern bitten auch alle anderen christlichen Ge-
meinschaften, wie sie sich auch nennen mögen, sich mit
den diesbezüglichen amtlichen Erklärungen der katho-
lischen Kirche auseinanderzusetzen und unser Verlangen
nach einer sachlichen Prüfung dieser unendlich wichtigen
Tatsachen allerorten nachdrücklich zu unterstützen. Sind
diese nicht zu widerlegen, so müssen auch alle Konse-
quenzen daraus gezogen werden!" 152
Es war vorauszusehen, daß diese Forderung erleuchte-
ter evangelischer Christen in ihrer Kirche weder den ge-
wünschten Widerhall finden, noch die notwendigen Reak-
tionen auslösen würden. Noch betrüblicher ist allerdings
die Tatsache, daß selbst in der katholischen Kirche viele
den Ernst dieser Zeichen des lebendigen Gottes noch nicht
erfaßt haben und sich beharrlich um die Konsequenzen
drücken, die sich daraus für uns alle unausweichlich erge-
ben.
Aus diesem Grund gab Gott uns 1953 noch einmal ein
erschütterndes Zeichen vom Himmel: die weinende Ma-
donna von Syrakus.153 Ein Bild des Unbefleckten Herzens,
das den Eheleuten Angelo Jannuso und Antonina Giusto
zu ihrer Hochzeit am 21. März 1953 von einer Verwandten
geschenkt wurde, begann in der Frühe des 29. August
1953 über dem Bett von Antonina plötzlich an zu weinen.
Ihr Mann war zur Feldarbeit gegangen, und die Frau lag
mit einer Art Schwangerschaftsvergiftung zu Hause. Die
188
Krankheit verursachte ihr fürchterliche Schmerzen. Bei
Tag und Nacht wurde sie von Krämpfen geschüttelt,
manchmal verlor sie dabei die Sehkraft. Bis etwa 8.30 Uhr
konnte sie am 29. August nicht sehen, da erwachte sie aus
einem Krampf und sah, wie das Bild der Madonna weinte.
Ihr Kopf lag am Fußende des Bettes, als sie die ersten Trä-
nen aus den Augen des toten Gipsbildes fließen sah. In die-
sem Augenblick war sie geheilt. Mit Unterbrechungen
flössen die Tränen auch an den folgenden Tagen bis zum 1.
September 1953. Wissenschaftliche Untersuchungen er-
gaben, daß das Weinen des Bildes nicht natürlich erklärt
werden kann. Die Tränen wurden fotografiert, später in
einem Saugröhrchen aufgefangen und schließlich auch
chemisch analysiert. Das Ergebnis dieser Analyse: „Das
Aussehen, der ph-Wert und die Zusammensetzung geben
Anlaß, die untersuchte Flüssigkeit in ihrer Zusammenset-
zung dem menschlichen Tränensekret gleichzusetzen.
Syrakus, 3. September 1953
189
Ungezählte Menschen haben die Tränen der Madonna
mit eigenen Augen gesehen, Millionen pilgerten nachher
nach Syrakus, viele fanden wieder den Weg zur Kirche
und den Sakramenten, d.h. zu Christus zurück. Die Welle
der Bekehrung wurde unterstützt durch viele Heilungen.
In kurzer Zeit waren 600 Heilungen erfolgt, 180 wurden
durch die Presse veröffentlicht.
Am 12. Dezember 1953 gaben die Bischöfe Siziliens fol-
gende Erklärung zu dem Tränenwunder ab: „Die zur übli-
chen Konferenz in Bagheria (Palermo) versammelten
Bischöfe von Sizilien haben den ausführlichen Bericht des
Erzbischofs von Syrakus Baranzini über das ,Weinen' des
Bildes vom Unbefleckten Herzen Mariens angehört, das
sich wiederholt am 29., 30., 31. August und am 1. Septem-
ber dieses Jahres in Syrakus (Via degli Orti 11) ereignete.
Nach gründlicher Sichtung der Zeugenaussagen in den
Originalberichten sind sie einmütig zu dem Schluß
gekommen, daß die Tatsächlichkeit des Weinens nicht in
Zweifel gezogen werden kann. Sie hegen den Wunsch, die
Äußerungen der himmlischen Mutter möge alle zu heilsa-
mer Buße und zu lebendiger Verehrung des Unbefleckten
Herzens Mariä aufrufen. Sie erhoffen die baldige Errich-
tung eines Heiligtums zur bleibenden Erinnerung an das
Wunder.
t Kardinal Ruffini, Erzbischof von Palermo."155
190
Sieht man aber von den Maßstäben ab, die die Kirche an
solche Ereignisse legt, so läßt sich kein Vergleich anstellen
zwischen den Erscheinungen und dem Sprechen der Got-
tesmutter einerseits und den Tränen der Madonna von
Syrakus andererseits. Bei den Erscheinungen und späte-
ren Visionen, ebenso bei den Worten, die Maria sprach,
handelte es sich um wenige oder einzelne Menschen,
denen dieses Ereignis zuteil wurde: eine Kontrolle ist
daher, genaugenommen, unmöglich. Die Wirklichkeit des
Geschehenen läßt sich nur auf indirektem Weg feststellen,
nämlich aus den heilsamen Folgen, die sich aus dem
Ereignis ergeben.
Im Fall der Tränen aber steht die Tatsache unter der
Kontrolle eines jeden, der die Tränen sah, berührte, sam-
melte und schließlich prüfte. Es sind Tränen, die aus
einem bescheidenen Madonnenbild herabflossen, und die
Zeugen dafür sind Legion. Sie stammen aus jedem Stand,
aus jeder sozialen Schicht, aus jeder Konfession. Jede
Möglichkeit der Halluzination oder Suggestion ist ausge-
schlossen. Wir befinden uns auf dem Boden der sichersten
historischen Wahrheit." 156
Das sind nur einige große Zeichen, die Gott in unserer
Zeit geschehen ließ, damit wir uns bekehren und gerettet
werden. Darüber hinaus ist die ganze Kirchengeschichte
voll von Wundern und Zeichen, die Gott auf die Fürspra-
che der Heiligen gewirkt hat. W. Schamoni hat in seinem
Werk »Wunder sind Tatsachen«157 eine umfangreiche
Dokumentation solcher Wunder-Tatsachen aus Heilig-
sprechungsakten vorgelegt. In der Tat: Gott ist wunderbar
in seinen Heiligen, die ihn bezeugen und deren Heiligkeit
er durch Wunder und Zeichen bestätigt. Genaugenom-
191
men bestätigt Gott aber in den Verdiensten der Heiligen in
erster Linie seine Gnade, ohne die das Zeugnis der Hei-
ligen undenkbar wäre. Die Heiligen haben durch ihre
heroische Christusnachfolge ihrem Herrn in außerge-
wöhnlicher und vorbildlicher Weise gedient und werden
deshalb vom Vater geehrt, gemäß dem Wort Jesu: „Wenn
einer mir dient, wird der Vater ihn ehren" (Joh 12,26).
192
Pius IX. (+ 1854) und das der leiblichen Aufnahme Ma-
riens in den Himmel durch Papst Pius XII. (1950).
193
Seit dem 14. Jahrhundert wird Maria mit dem Titel
Corredemptrix - Miterlöserin geehrt. Dieser Titel darf
allerdings „nicht im Sinne einer Gleichstellung der Wirk-
samkeit Mariens mit der Erlösertätigkeit Christi, des ein-
zigen Erlösers der Menschheit (1 Tim 2, 5) aufgefaßt wer-
den. Da sie selbst erlösungsbedürftig war und auch
tatsächlich von Christus erlöst wurde, so konnte sie nicht
der Menschheit die Erlösungsgnade verdienen ... Ihre
Mitwirkung an der objektiven Erlösung ist eine indirekte,
entfernte Mitwirkung, insofern sie ihr ganzes Leben frei-
willig in den Dienst des Erlösers stellte und mit ihm unter
dem Kreuze litt und opferte. ,Sie hat ihn', wie Pius XII. in
der Enzyklika ,Mystici Corporis' (1943) bemerkt, ,auf
Golgotha zusammen mit dem gänzlichen Opfer ihrer Mut-
terrechte und ihrer Mutterliebe dem ewigen Vater darge-
bracht als neue Eva für alle Kinder Adams' (D. 2291)... In
der Kraft der von Christus verdienten Erlösungsgnade hat
Maria durch ihr geistiges Eingehen auf das Opfer ihres
göttlichen Sohnes für die Menschen Sühne geleistet und
die Zuwendung der Erlösungsgnade Christi verdient. Auf
diese Weise hat sie an der subjektiven Erlösung der Men-
schen mitgewirkt." 159
Durch ihre Fürbitte im Himmel wirkt Maria an der
Zuwendung aller Erlösungsgnaden an die Menschen mit.
Viele Theologen und die letzten Päpste sind davon über-
zeugt, daß Maria als geistige Mutter aller Erlösten, als
„Mutter der Kirche" (Paul VI.) und „Urbild der Kirche"
(Ambrosius) uns nicht nur in Christus alle Gnaden ge-
schenkt hat, sondern daß sie durch ihre ständige mütter-
liche Fürbitte auch für das übernatürliche Leben ihrer
Kinder sorgt, indem sie an der Austeilung aller Gnaden,
194
die durch die Kirche vermittelt werden, mitwirkt. Schon
1921 hat die Kirche die Verehrung der „Mittlerin aller
Gnaden" durch Einführung eines diesbezüglichen Festes
in die Liturgie gestattet.
Auch das II. Vatikanische Konzil hat auf die mittleri-
sche Funktion Mariens hingewiesen und von Maria
gesagt: „Indem sie Christus empfing, gebar und nährte,
im Tempel dem Vater darstellte und mit ihrem am Kreuz
sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in
durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoff-
nung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederher-
stellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb
ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter. Diese Mut-
terschaft Marias in der Gnadenökonomie dauert unauf-
hörlich fort, von der Zustimmung an, die sie bei der Ver-
kündigung gläubig gab und unter dem Kreuz ohne Zögern
festhielt, bis zur ewigen Vollendung aller Auserwählten.
In den Himmel aufgenommen, hat sie diesen heilbrin-
genden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fahrt durch
ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen
Heils zu erwirken In ihrer mütterlichen Liebe trägt sie
Sorge für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilger-
schaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen,
bis sie zur seligen Heimat gelangen. Deshalb wird die seli-
ge Jungfrau in der Kirche unter dem Titel der Fürspreche-
rin, der Helferin, des Beistandes und der Mittlerin angeru-
fen. Das aber ist so zu verstehen, daß es der Würde und
Wirksamkeit Christi, des einzigen Mittlers, nichts abträgt
und nichts hinzufügt." 160
Die heilige katholische und apostolische Kirche, die auf
Petrus gegründete Kirche Jesu Christi, dankt dem leben-
195
digen, dreieinigen Gott für das große Gnadengeschenk,
das er ihr in Maria geschenkt hat, und für die vielen
großen Zeichen, die er der gesamten Menschheit durch
Maria, das „große Zeichen" der Apokalypse, immer noch
gibt. Ihre Lichtgestalt legt Zeugnis von Gott ab, von dem
das Neue Testament sagt, daß er „Licht ist" (1 Joh 1, 5)
und „in unzugänglichem Lichte wohnt" (1 Tim 6,16). Wer
zu Maria seine Zuflucht nimmt, sie vertrauensvoll anruft
und kindlich verehrt, wird mit ihr die Finsternis überwin-
den und „Licht im Herrn" sein (Eph 5,8). Möge ihre Für-
bitte dazu beitragen, daß aus den Söhnen der Finsternis
„Kinder des Lichtes" werden (Joh 12, 36), die „dem
unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott" die Ehre
geben (1 Tim 1,17) und die Großtaten dessen verkünden,
der sein Volk „aus der Finsternis in sein wunderbares
Licht berufen hat" (1 Petr 2,9).
196
Schlußwort
Vielleicht hat mancher Leser dieser Schrift über die „theo-
logische Finsternis" mehr erwartet, als ihm hier geboten
wurde. Aus dem Pluralismus der theologischen Irrlehren
sind hier nur zwei Glaubens-Fragen herausgegriffen und
besprochen worden: der Teufelsglaube und der Gottes-
glaube. Auf dem engbegrenzten Raum, der ohnehin schon
gesprengt und überschritten wurde, konnten weitere theo-
logische Probleme nicht mehr behandelt werden, wenn
nicht auf eine einigermaßen gründliche Auseinanderset-
zung von vornherein verzichtet werden sollte. Der Verfas-
ser wollte darauf nicht verzichten und hat sich deshalb auf
die beiden buchstäblich letzten Wahrheiten des christli-
chen Glaubens beschränkt, auf die Wirklichkeit Gottes
und des Teufels und einschlußweise auch auf die damit
verbundenen Endschicksale der Menschen: Himmel und
Hölle. Wenn in diesem Zusammenhang noch nach einer
Rechtfertigung dieser Schrift gefragt werden sollte, so
kann sie nur darin bestehen, für die Wahrheit Zeugnis zu
geben und die Ruhmestaten dessen zu verkünden, der uns
„aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen
hat" (1 Petr 2,9).
197
Anhang
198
eine Antwort, die nichts zu vertuschen, sondern möglichst
Klarheit in dieses tragische Geschehen zu bringen ver-
sucht. Im folgenden nehmen deshalb der Bischof und das
Bischöliche Ordinariat Würzburg zu den wichtigsten Fra-
gen Stellung.
200
2. Das, was man als „Besessenheit" bezeichnete, kann
nach heutiger Sicht zwei Tatbestände umfassen: Es
kann - und das war es wohl meist - eine schwere
Erkrankung sein. Es kann auch - solche Erfahrungen
der Mystik lassen sich kaum leugnen - ein besonders
tiefes Eintauchen des Menschen in den Leidensweg
Jesu sein, der nach Aussage der Bibel bis in das Erlebnis
der Gottverlassenheit ging. Beispiele dafür sind aus
dem Leben der Heiligen bekannt.
3. Unter „Exorzismus" ist deshalb nicht eine, mit magi-
schen Mitteln arbeitende Teufelsaustreibung zu verste-
hen. Exorzismus ist nichts anderes als das Gebet der
Kirche im Namen Jesu für einen Menschen, der seiner
nicht mehr mächtig ist, sich ausgeliefert fühlt, sogar
selbst nicht mehr beten kann. Wer den Exorzismus
anders versteht oder ihn anders vollzieht, steht gegen
das Glaubensverständnis der Kirche.
4. Dieses Gebet schließt selbstverständlich medizinische
Hilfeleistung niemals aus, es verpflichtet sogar dazu.
Beten heißt nämlich nach christlichem Verständnis
nicht, Gott etwas abzwingen, sondern sich in den Willen
Gottes stellen. Gott will aber, daß ein Mensch dem ande-
ren Menschen mit allen Mitteln hilft. Zu diesen Mitteln
gehört für einen Kranken die medizinische Hilfe. Für
jemanden beten, ihm aber eine Heilbehandlung vorent-
halten, ist unchristlich.
201
chen Ordinariat die Tatsachen nicht lückenlos bekannt
sind. Das Wissen der behandelnden Ärzte ist nicht ohne
weiteres zugänglich, da diese an die Schweigepflicht
gebunden sind. Ein fachärztliches Gutachten liegt noch
nicht vor. Die aufgetretenen Symptome - soweit öffent-
lich bekannt - sind dem Psychiater nicht fremd. Sie
gehören dem medizinischen Bereich an. Überdies
bezeichnet das Rituale Romanum Äußerungen, durch
die sich der „Dämon" mit Verstorbenen identifiziert,
als unglaubwürdig (Tit. XII, Cap. I, n. 14).
2. Der Bischof hat die Erlaubnis zum Gebet des Exorzis-
mus erteilt in der Überzeugung, die als letzte Hoffnung
mit großer Zuversicht vorgetragene Bitte der jungen
Frau, ihrer Familie und der Priester nicht ablehnen zu
dürfen. Maßgebend für ihn war, daß Anneliese Michel
die harte Prüfung ihres Leidens als religiöser Mensch
voll Bereitschaft auf sich nahm, hineingenommen in
das Kreuz Christi, wobei sie freilich kirchliche Hilfe
erwartete.
3. Die öffentliche Wiedergabe von Tonbandaufnahmen,
die Äußerungen der Patientin enthalten, stellt einen
bedauerlichen Eingriff in die Intimsphäre dar. Ein mit
dem Exorzismus betrauter Priester, der dabei mitwirkt,
verletzt seine Verschwiegenheitspflicht und verstößt
gegen die Anweisungen des Rituale Romanum, wonach
für die betroffene Person „abseits von der Menge" der
Exorzismus zu beten ist und nur „wenige" anwesend
sein sollen. Sinn dieser Vorschrift ist der Schutz des Per-
sönlichkeitsrechtes des Betroffenen.
4. Niemals kann ein Exorzismus ärztliche Hilfe ersetzen.
Mit Entschiedenheit sind Äußerungen zurückzuweisen,
202
durch die der Eindruck entstehen könnte, als ob die
Behandlung in einem Nervenkrankenhaus ein Übel sei,
vor dem ein Patient bewahrt werden müßte.
5. Eine strafrechtliche Würdigung des Falles ist Sache der
staatlichen Behörden.
203
gäbe der Kirche sein, den Menschen Schrecken vor dem
Bösen einzujagen. Wer dies tut, handelt verantwor-
tungslos. Aufgabe der Kirche ist es, den Menschen
Zuversicht und Sicherheit aus dem Glauben an die
Erlösung zu geben, ihnen den Sinn ihres Lebens und
Leidens zu zeigen und sie zum Widerstand gegen das
Böse und zum Eintreten für das Gute zu befähigen.
Würzburg, 11. August 1976
t Josef, Bischof von Würzburg
25.8.1976
Hochwürdigster, sehr geehrter
Herr Bischof Dr. Josef Stangl!
Sie sind vielen als gütiger und väterlicher Priester und
Bischof bekannt. Umso mehr sind Ihre Freunde und
Glaubensgenossen von dem tiefen Leid mitbetroffen, das
Ihnen durch eine öffentliche Kampagne zugefügt wird,
die von gewissen Kreisen gegen Ihre Person und den
Glauben unserer Kirche in Gang gesetzt worden ist. Zwei-
felhafte Humanisten wollen offensichtlich den tragischen
„Fall Klingenberg" zu einem „Fall Stangl" machen. Was
Ihren Gegnern nicht gelingen dürfte, das ist nun in uner-
warteter Weise durch Ihre „Erklärung zum Geschehen
von Klingenberg" vom 11. August 1976 Wirklichkeit
204
geworden. Die theologischen Aussagen dieser „ Klärung",
die als Sonderbeilage zum Würzburger Diözesanblatt Nr.
16 am 12. August 1976 und in der „Deutschen Tagespost"
vom 17. August 1976 veröffentlicht wurde, enthalten
nämlich so schwerwiegende Irrtümer, daß ich es - unbe-
schadet der Ehrerbietung, die ich Ihnen schulde - als
schwere Gewissenspflicht betrachte, Sie, Herr Bischof,
darauf aufmerksam machen zu müssen.
Meine Kritik richtet sich dabei nur auf Aussagen der
ersten beiden Abschnitte Ihrer Erklärung, die unter den
Titeln stehen: „Was lehrt die Kirche über Teufel und
Dämonen?" und „Was versteht die Kirche unter Beses-
senheit' und,Exorzismus'?"
Was den ersten Abschnitt betrifft, so wird hier die ver-
bindliche Lehre der Kirche über Teufel und Dämonen
ganz und gar verfälscht dargestellt. Wenn man davon aus-
geht, daß in Jesus Christus das Fleisch gewordene Wort
Gottes (Joh 1, 14) selbst zu uns spricht, und daß in kirch-
lichen Lehräußerungen, wie etwa denen des in Ihrer
„Erklärung" genannten 4. Laterankonzils (1215), dieses
offenbar gewordene Wort Gottes im Heiligen Geist erklärt
und den Menschen verkündet wird, dann kann man hier
nicht einfach von einem „menschlichen Reden" sprechen,
das „auf dem Hintergrund der jeweiligen Zeit" zu verste-
hen ist. Gottes Wort gilt für alle Zeiten: „Himmel und
Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht
vergehen" (Mt 24,35). Das ist unbestritten.
Nicht unbestritten ist freilich der Aussageinhalt des
Wortes Gottes, das, was das Wort Gottes wirklich sagen
will und welche Aussagen der Heiligen Schrift von der
205
kulturellen Umwelt und dem Weltbild der Bibel abhängig
sind und welche nicht.
Ihre Behauptung in Punkt 1, wonach „ein Blick auf das
Weltbild der Bibel zeigt, daß sich der Mensch des bib-
lischen Kulturraumes die Welt ohne Dämonen nicht vor-
stellen konnte", ist nachweislich falsch. Sie wird widerlegt
durch die geschichtliche Tatsache, daß es Zeitgenossen
Jesu gab, die nicht an Engel und Dämonen glaubten. So
z. B. die Sadduzäer, die behaupteten, „es gebe weder Auf-
erstehung noch Engel oder Geistwesen" (Apg 23,8). Diese
Menschen konnten sich also sehr wohl die Welt ohne
Dämonen vorstellen, woraus zu schließen ist, daß die
Frage nach der Existenz von Teufel und Dämonen (wie
auch die Frage nach der Existenz Gottes) vom biblischen
Weltbild ebenso unabhängig ist wie von jedem anderen
Weltbild.
Es hat im 19. Jahrhundert ungläubige Wissenschaftler
gegeben, die erklärten, daß es weder für Gott noch für den
Teufel in ihrem „modernen Weltbild" Raum gebe. Zur
gleichen Zeit waren andererseits gläubige Wissenschaftler
von der Existenz Gottes und des Teufels fest überzeugt.
Das gleiche gilt auch für unser 20. Jahrhundert und sein
„modernes Weltbild". Es ist daher falsch, wenn in Ihrer
„Erklärung" im Hinblick auf Teufel und Dämonen gesagt
wird, daß das biblische Weltbild „auch von entsprechen-
den späteren kirchlichen Äußerungen vorausgesetzt wird,
ohne daß es damit im einzelnen als verpflichtender Teil
der kirchlichen Lehre angesehen werden muß". Die in die-
sem Zusammenhang wichtige Lehrentscheidungen des 4.
Laterankonzils (1215) über die Erschaffung und das
Wesen der Geisterwelt ist keine Aussage, die an irgendein
206
Weltbild gebunden ist, sondern eine Glaubensaussage, die
absolut unmythologisch ist und in jedem Weltbild und
Kulturraum und zu jeder Zeit Gültigkeit hat. Das Konzil
sprach damals göttliche und damit ewige Wahrheiten aus,
Wahrheiten, die übergeschichtlich und überzeitlich sind
und stets zum Glauben verpflichten.
Wenn Sie in Punkt 2 erklären, daß es unter Berücksich-
tigung des Zusammenhangs, in dem solche Aussagen ste-
hen, dort, „wo vom Teufel oder von Dämonen die Rede ist,
letztlich immer um die Macht Gottes geht", so ist dies nur
dann richtig, wenn damit die Macht Gottes über den per-
sonalen Teufel und die personalen bösen Geister (Dämo-
nen) gemeint ist. Das kann aber in Ihrer „Erklärung" des-
halb nicht der Fall sein, Herr Bischof, weil nach Ihrer
Ansicht mit dem überholten biblischen Weltbild auch der
Glaube an personale böse Geister hinfällig geworden ist.
Diese Auffassung ist aber mit der Lehre des Neuen Testa-
mentes und dem überlieferten, unfehlbaren Glauben der
katholischen Kirche, der immer gelten wird, schlechthin
unvereinbar.
Es ist außerdem nicht richtig, wenn Sie meinen, daß
sowohl „Bibel wie kirchliche Lehräußerungen nicht eine
Lehre über den Bösen, eine ,Satanologie' entfalten wol-
len". Im Gegenteil: Sowohl das Neue Testament wie die
Lehre der Kirche bieten eine theologisch klare Lehre über
das Wesen und Wirken Satans und der Dämonen, eine
solide „Satanologie" und „Dämonologie". Sie finden diese
Lehre zwar nicht mehr im Holländischen Katechismus
oder in dem ökumenischen Neuen Glaubensbuch, wohl
aber in den rechtgläubigen dogmatischen Lehrbüchern,
wie etwa in dem »Grundriß der katholischen Dogmatik«
207
von Prof. Ludwig Ott (Eichstätt), um nur eines dieser
Werke zu nennen. Zuletzt hat die höchste kirchliche Lehr-
autorität in der Erklärung der Kongregation für die Glau-
benslehre vom 25. Juni 1975 die Dämonenlehre (Dämono-
logie) in der Sicht des überlieferten christlichen Glaubens
ausführlich dargelegt, nachdem Papst Paul VI. schon in
zwei Ansprachen während des Jahres 1972 einige notwen-
dige und wesentliche Wahrheiten des Glaubens über den
Teufel und die Dämonen neu bekräftigt und eindringlich
in das Bewußtsein der Gläubigen gerufen hatte.
Wenn Ihre „Erklärung" dann in Punkt 3 feststellt, daß
dort, wo „differenziert etwas über das Wesen und Verhal-
ten von Teufeln oder Dämonen" ausgesagt wird, solche
Aussagen „falsch sind und dem Geist des Neuen Testa-
mentes und der kirchlichen Überlieferung widerstreiten",
so ist das also eine total irrige Meinung, die im Namen des
Neuen Testamentes und der kirchlichen Überlieferung
entschieden zurückgewiesen werden muß.
Im zweiten Abschnitt Ihrer „Erklärung", in dem die
kirchliche Lehre über „Besessenheit" und „Exorzismus"
verständlich gemacht werden soll, stellen Sie fest, daß
nach der Lehre der Kirche „der Mensch durch Glaube und
Taufe im Heil Gottes ist, und daß auch die Nichtgetauften
am Heil Gottes teilhaben" und „so der Mensch grundsätz-
lich der Macht des Bösen entzogen ist". Diese Aussage ist
nicht unbedingt richtig. Sie trifft nämlich nur dann zu,
wenn Getaufte und Nichtgetaufte nicht im Zustand der
Todsünde leben. Wer im Zustand der Todsünde ist, lebt
praktisch im Unglauben und hat, solange dieser Zustand
andauert, keinen Anteil am Heil Gottes. Stirbt schließlich
ein Mensch im Zustand der Todsünde, dann ist er, ob
208
Getaufter oder Ungetaufter, ewig vom Heil Gottes ausge-
schlossen. Er befindet sich dann unentrinnbar in der
Macht der Finsternis, unter der Herrschaft oder Knecht-
schaft Satans. Diese biblische Lehre galt nicht nur in der
Kirche von gestern, sie gilt auch heute und sie wird immer
gelten.
In Punkt 2 wird dann das, was das Neue Testament und
die beständige Lehre der Kirche unter Besessenheit ver-
steht, umgedeutet und verfälscht. Schon die Formulie-
rung: „Was man,Besessenheit' bezeichnete" - („Besessen-
heit" in Anführungszeichen und „bezeichnete" in der
Zeitform der Vergangenheit) - bringt zum Ausdruck, daß
es heute keine Besessenheit mehr gibt und daß das, was
man früher Besessenheit nannte, in Wirklichkeit gar keine
Besessenheit gewesen ist. „Nach heutiger Sicht" so mei-
nen Sie, kann die sogenannte „Besessenheit" zwei Tatbe-
stände umfassen: erstens kann es sich dabei um „eine
schwere Erkrankung" handeln und zweitens um ein
mystisches „besonders tiefes Eintauchen des Menschen in
den Leidensweg Jesu, der nach Aussage der Bibel bis in
das Erlebnis der Gottverlassenheit ging". Dazu ist zu
sagen: Die erste Erklärung ist falsch, die zweite ist absurd.
Zum Ersten: Nach dem Neuen Testament hat Jesu stets
sorgfältig zwischen Besessenheit und Krankheit unter-
schieden und niemals beide identifiziert. Vergleicht man
seine Krankenheilungen mit seinen Teufelsaustreibungen,
so zeigt sich, daß er die Besessenen ganz anders behandel-
te als die Kranken, was besonders dort deutlich zum Aus-
druck kommt, wo Besessene und Kranke die gleichen
Symptome aufwiesen: vgl. z. B. die Heilung des Taubstum-
men (Mk 7, 33 ff) mit dem Exorzismus an dem taubstum-
209
men Besessenen (Mk 9,25). Während der Herr den Kran-
ken wie ein gütiger und verständnisvoller Arzt begegnet
und sein göttliches Heilswort und seine heilende Geste
stets an die Kranken selbst richtete, ist sein Verhalten
gegenüber Besessenen von ganz anderer Art. Bei ihrer
Befreiung wendet sich Jesus gegen verborgene, unsichtba-
re Wesen, die als Urheber des abnormalen Verhaltens gel-
ten (Mk 9, 18; Lk 13, 16), gegen die Dämonen, denen er
Fragen stellt (Mk 5, 9), Schweigen gebietet (Mk 1, 25),
droht (Mk 1,25) und sie aus dem Besessenen hinauswirft
(Mk 1,34). Umgekehrt ist auch das Verhalten der Besesse-
nen gegenüber Jesus wesentlich von dem der Kranken
unterschieden. Wer die betreffenden Stellen im Neuen
Testament aufmerksam liest, wird das immer wieder
bestätigt finden. Nach dem Befund des Neuen Testamen-
tes ist also die dämonische Besessenheit eine nicht zu leug-
nende Tatsache. Sie mit Krankheit zu identifizieren ist
unmöglich. Das schließt freilich nicht aus, daß es für uns
Menschen nicht immer leicht ist, im Einzelfall zwischen
Krankheit und Besessenheit zu unterscheiden.
210
wenn man bedenkt, daß sie von einem katholischen
Bischof vorgetragen wird.
Nach diesen abwegigen theologischen Aussagen er-
übrigt es sich, auf weitere Ausführungen des theologi-
schen Teils Ihrer „Erklärung" einzugehen, wie etwa auf
Ihre Erläuterung des „Exorzismus", ein Begriff, der
bezeichnenderweise ebenfalls in Anführungszeichen ge-
setzt ist. Ist nämlich das Wesen der Besessenheit falsch
interpretiert, dann kann auch der Begriff Exorzismus
nicht richtig erklärt sein.
In meiner Schrift: »Theologische Finsternis«, die zur
Zeit im Druck ist, sind alle hier besprochenen Fragen ein-
gehend und ausführlicher, als es in diesem Brief möglich
ist, dargelegt. Hier finden Sie auch die Hirngespinste
moderner theologischer Abenteurer und Freidenker, die
„Abschied vom Teufel" genommen haben, gründlich
widerlegt.
Sehr geehrter Herr Bischof! Wesentliche theologische
Aussagen Ihrer „Erklärung" stehen in krassem Wider-
spruch zu der authentischen und unfehlbaren Lehre der
katholischen Kirche über die Existenz, das Wesen und das
Wirken von Teufel und Dämonen. Ihre theologischen
Thesen orientieren sich nicht an der Lehre der Kirche,
sondern an den Irrlehren des in Tübingen lehrenden
Schweizer „Theologen" H. Haag ... Daß seine Ideen, die
vom höchsten Lehramt der Kirche mehrfach zurückge-
wiesen wurden, bei der Bevölkerung einer dekadenten,
von Unglaube und Unmoral zersetzten Gesellschaft, weit-
hin Anerkennung und Zustimmung finden, wie neueste
Umfragen von Meinungsforschern in der Bundesrepublik
Deutschland gezeigt haben, ist nicht verwunderlich.
211
Erschütternd aber muß für jeden gläubigen Christen die
Feststellung sein, daß die häretische Teufelsideologie eines
„katholischen Theologen", der längst nicht mehr auf dem
Boden der biblischen und kirchlichen Lehre steht, nun
sogar Aufnahme in ein bischöfliches Lehrschreiben gefun-
den hat.
Dies Ihnen schreiben zu müssen, ist für mich schmerz-
lich, Herr Bischof! Unser Heiliger Vater, Papst Paul VI.
hat 1972 erklärt, daß derjenige, der die Realität des Bösen,
das „eine wirkende Macht, ein lebendiges, geistiges Wesen
ist", nicht anerkennt, „außerhalb der biblischen und
kirchlichen Lehre" steht. Wenn dieses harte Urteil auch
für die theologischen Aussagen einer bischöflichen Er-
klärung zutrifft, kann dann der betreffende Bischof noch
als Lehrer des wahren Glaubens angesehen werden und
sein verantwortungsvolles Amt in der Kirche ausüben?
Mit dieser Frage beende ich diesen Brief, sehr geehrter
Herr Bischof, und bleibe mit katholischem Gruß Ihr in
Christus ergebener
P. Manfred Adler
212
Anmerkungen
1
H.Haag: »Teufelsglaube«, Tübingen 1974. Mit Beiträgen von K.
Elliger, B. Lang und M. Limbeck.
2
J.Feiner u. L.Vischer (Hrsg.): »Neues Glaubensbuch - Der
gemeinsame christliche Glaube«, Freiburg-Zürich 9/1973
3
Der Text der Papstansprache vom 15. November 1972 ist in der
Wochenausgabe des »L'Osservatore Romano« 47/1972 (24.11.
1972)abgedruckt
4
Teufelsglaube - Für und Wider, in »Deutsche Tagespost« vom 18.
März 1975, S. 6
5
Vgl. F. Holböck in »Stimme des Glaubens«, Augustl975, S. 13 f
6
Vgl. zum Ganzen H. H a a g (Hrsg.): »Bibel-Lexikon«, Einsiedeln
2/1968
J.B.Bauer: »Bibeltheolog. Wörterbuch«, Graz, Wien, Köln 1959
G.Kittel: »Theoig. Wörterbuch z. Neuen Testament«, Stuttgart
E.v. Petersdorff: »Dämonologie« (2 Bde.), München 1956/57)
7
Ziegler: »Engel u. Dämonen im Lichte der Bibel«, Zürich 1957, S.
114 ff
8
Vgl. A.Böhm: »Die Epoche des Teufels«, Stuttgart 1955
» Vgl. M. Adler: »Zeichen der Zeit«, Leutesdorf 5/1975, S. 18-36
10
Zitiert nach B. Günther: »Unser größter Feind - der Teufel«,
Linz, Wien, Passau 1973, S. 6 ff
11
Zitiert nach der deutschen Wochenausgabe des »L'Osservatore
Romano« 47/1972 (24.11.1972)
12
»Herders Theologisches Taschenlexikon«, Freiburg 1973, S.227
13
Das Dokument, das im Auftrag der Glaubenskongregation von
einem französischen Theologen erarbeitet wurde und im Urtext
französisch geschrieben ist, erschien in deutscher Übersetzung in
Nr. 27 und 28 der deutschen Wochenausgabe des »L'Osservatore
Romano« (4. und 11. Juli 1975). Der Christiana-Verlag (CH-
8260 Stein am Rhein) hat denselben Text in einer Kleinschrift mit
dem Titel: »Christlicher Glaube und Dämonenlehre« 1975 her-
ausgebracht
14
Vgl. Publik-Forum, 4. Jhrg., Nr. 24 (28.11.1975), S. 17
15
Vgl. H.Baum: »Freimaurerischer Satanismus heute«, Stein am
Rhein 1975, S. 12 f
213
16
W. Foerster in G. Kittel: »Theologisches Wörterbuch zum Neuen
Testament«, Stuttgart 1935, Bd. II, S. 19
17
M. Prager in J. B. Bauer: »Bibeltheologisches Wörterbuch« S. 74 f
18
»Dämonen und Besessene«, S. 112
19
»Satans Macht und Wirken«, Gröbenzell 6/1966. P. Sutter hat sei-
nem Werk folgende Dokumente zu G r u n d e gelegt: Berichte des
Pfarrarchivs Illfurt, Aufzeichnungen v. Prof. Lachemann aus
St.Pilt, Berichte des Polizeibeamten Werner von Illfurt an die
Präfektur von Mühlhausen, Dokumente von Herrn Pfarrer Brey
und Herrn Spies, ein Offener Brief des Herrn Generalvikars
R a p p von Straßburg, ein Dankbrief Theobalds an den Anstalts-
geistlichen Hauser in Schiltigheim u.a.
20
»Herder-Taschenbuch Nr. 435«, Freiburg 1970. Die Originalaus-
gabe erschien unter dem Titel »Dieu existe. Je Tai rencontre«,
Paris 1969
21
Swetlana Allilujewa, »Zwanzig Briefe an einen Freund«, Wien,
1967, S. 109, vgl. auch ihr zweites Buch: Das erste Jahr, Wien
1969, S. 131 ff
22
Z u m Ganzen: L. Scheffczyk, »Gott-loser Gottesglaube?«, Re-
gensburg 1974
K.Bockmühl, »Atheismus in der Christenheit«, Wuppertal 1969
J Ratzinger (Hrsg.), »Die Frage nach Gott«, Freiburg 1972
H.J.Schultz, »Wer ist das eigentlich - Gott?«, München 1969
J.A.T. Robinson, »Honest to God - Gott ist anders«, München
1963
J. Schmitz, »Totengräber Gottes?« Leutesdorf 1970
G. Siegmund, »Gott ist nicht tot«, Leutesdorf 1972
»Theologisches Forum«, Heft 1 und 2, Düsseldorf 1971
B. Schlink, »Zum ersten Mal, seitdem es Kirche Jesu Christi gibt
. . . « . D a r m s t a d t 1971
H. Z ä h m t , »Die Sache mit Gott«, München 1966
H. Vorgrimmler/R. Vander Gucht, »Bilanz der Theologie im 20.
J a h r h u n d e r t « , 4 Bde., Freiburg 1970
J. Kahl, »Das Elend des Christentums«, Reinbeck 1968, Roh-
wolt-Taschenbuch Nr. 1093
23
"Theologisches Forum«, Heft 2, S. 64
24
Kirchliche Dogmatik, I 1, München 1932, VIII
214
25
L. Scheffczyk, a. a. O., S. 78
26
Weitere Belegstellen f ü r die folgenden Ausführungen ebd. S. 80 ff
27
Vgl. K.Bockmühl, a. a. O., S.101
28
München 1963
29
K. Bockmühl, a. a. O., S. 110
30
L.Scheffczyk, a. a. O., S.89
31
R. Bultmann, »Glauben und Verstehen I«, Tübingen 1958, S. 26 f
32
A. Läpple, »Biblische Verkündigung in der Zeitwende«, 3. Bd.,
München 1966, S. 164
33
J. Hirschberger, »Kleine Philosophiegeschichte«, Freiburg
3/1963, S.204
34
R. Bultmann, »Zum Problem der Entmythologisierung, in:
Kerygma und Mythos II«, H a m b u r g 2/1965, S. 184
35
L. Scheffczyk, a. a. O., S. 110 f
36
H. Braun, »Die Problematik einer Theologie des Neuen Testa-
ments«, in: »Gesammelte Studien zum Neuen Testament und sei-
ner Umwelt«, Tübingen 2/1962, S. 325-341
37
Rohwolt-Taschenbuch Nr. 1093, S. 104
38
L. Scheffczyk, a. a. O., S. 123
39
ebd. S. 130
40
ebd. S. 133
41
P. Tillich, »Religiöse Reden I«, Stuttgart 3/1952, S. 55 f
42
P. Tillich, »Wesen und Wandel des Glaubens«, Ullstein-Taschen-
buch Nr. 318, Berlin 1961, S. 58 ff
43
P. Tillich, »Systematische Theologie I«, Stuttgart 1956, S. 307
44
ebd. S. 153
45
Van de Pol, »Das Ende des konventionellen Christentums«,
Wien, Freiburg-Basel 1967, S. 377
46
D. Bonhoeffer, »Widerstand u. Ergebung«, München 1970, S. 305
ff
47
Zum Ganzen vgl. J. Schmitz, »Totengräber Gottes?«, Leutesdorf
1970
48
In: »Theologie im Umbruch«, München 1968
49
Th. Altizer, »Schöpferische Verneinung in der Theologie«, in
»Theologie im Umbruch«, S. 83 ff
50
Merkur, Stuttgart 23/1969, Heft 249, S. 33-44
51
Theoig. Forum, Heft 1: »Gespräch mit dem Atheismus«, S. 34 f
215
52
Z u m Ganzen: Die zehnbändige Gesamtausgabe der Schriften
Teilhard de C h a r d i n s ist in deutscher Übersetzung vom Walter-
Verlag in Ölten und Freiburg und vom Verlag C. H. Beck in Mün-
chen herausgebracht worden. Unter dem Patronat eines französi-
schen Herausgeberkomitees erschienen Teilhards Werke in den
Editions du Seuil in Paris, ebenso die Bände I (»Der Mensch im
Kosmos«) und 8 (»Die Entstehung des Menschen«), die bei C. H.
Beck herauskamen. Die deutsche Ausgabe im Walter-Verlag
erschien unter dem Patronat von Joseph Bernhart, Ladislaus
Boros, Hedwig Conrad Martius, Bernward Dietsche, Alois Gug-
genberger, Adolf Haas, Friedrich Heer, Johannes Hürzeler, Josef
Vital Kopp, Marcel Pobe, Adolf Portmann und Maria Schlüter-
Hermkes. Beim Walter-Verlag sind folgende Bände erschienen:
»Der göttliche Bereich« (2)
»Das Auftreten des Menschen« (3)
»Die Schau in die Vergangenheit« (4)
»Die Z u k u n f t des Menschen« (5)
»Die menschliche Energie« (6)
»Die lebendige Macht der Evolution« (7)
»Wissenschaft und Christus« (9)
»Mein Glaube« (10)
Der Verlag Alber in Freiburg und München gab die Briefe Teil-
hards aus den J a h r e n 1914 bis 1919 unter dem Titel »Entwurf
und Entfaltung« (1963) heraus, Teilhards Reisebriefe von 1923-
1939 erschienen in demselben Verlag bereits 1958.
Briefe an Leontine Zanta, Freiburg-Basel-Wien 1967 (Herder-
bücherei). Aus der Fülle der Teilhard-Literatur seien folgende
Werke genannt:
H. de Lubuc: »Teilhard de C h a r d i n s religiöse Welt«, Freiburg
1969
Ders: »Der Glaube des Teilhard de Chardin«, Wien-München
1968 G.Crespy: Das theolog. Denken Teilhard de Chardins,
Stuttgart 1963
A. Haas: »Teilhard de Chardin-Lexikon«, 2 Bde., Freiburg 1971
(Herderbücherei)
S. Daecke: »Teilhard de C h a r d i n und die evangelische Theolo-
gie«, Göttingen 1967
216
Teilhard de Chardin, »Studien und Berichte der Kath. Akademie
in Bayern», Bd. 39, Würzburg 1967, mit Beiträgen von Claude
Cuenot, Adolf Haas, Norbert Luyten, Alois Guggenberger, Heimo
Dolch und Emilie Rideau
P. Chauchard u. H.Cuypers: »Für und wider Teilhard de C h a r -
din«, Roven-Verlag Ölten und München 1963
E. Benz: »Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung«, München
1965
B. Delfgaauw: »Teilhard de C h a r d i n und das Evolutionspro-
blem«, München 2/1966
W. Klein: »Teilhard de C h a r d i n und das II. Vatikanische Kon-
zil«, München-Paderborn-Wien 1975
H. E. Hengstenberg: »Evolution und Schöpfung«, München 1963
Ders: »Mensch und Materie«, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz, 1965
D. v. Hildebrand: »Teilhard de C h a r d i n s neue Religion», in: »Das
Trojanische Pferd in der Stadt Gottes», Regensburg 3/1968, S.
339-376
Oliver A. Rabut: »Gespräche mit Teilhard de Chardin«, Frei-
burgBasel-Wien 2/1963
J. Maritain: »Teilhard de C h a r d i n und der Teilhardismus«, in:
»Der Bauer von der Garonne«, München 1969, S. 124-133 und S.
257-263
A. Drexel: »Ein neuer Prophet? Teilhard de C h a r d i n - Analyse
einer Ideologie«, Stein am Rhein 2/1971
A. Drexel: »Die größte Utopie der Geschichte«, Goldach o. J.
J. Meurers: »Sehnsucht nach dem verlorenen Weltbild«, Mün-
chen 1963
53
Vgl. Vorwort zu »Mein Glaube«, S. 14 ff
54
ebd. S. 19
55
In:Teilhard de Chardin, »Studien und Berichte der Kath. Akade-
mie in Bayern«, S. 173
56
ebd. S. 175
57
J.Maritain, a. a. O. S. 127
58
Zitiert ebd. S. 126
59
Vgl. A. Drexel: »Die größte Utopie der Weltgeschichte«, Goldach
60
Vgl. Teilhard de Chardin, »Studien und Berichte der Kath. Aka-
demie in Bayern«, S. 171
217
61
Zu den kritischen Äußerungen der Professoren Rostand, Meda-
war und Heberer vgl. D. v. Hildebrand, a. a. O. S. 340 ff
62
Vgl. P. C h a u c h a r d u. H. Cuypers: »Für und wider Teilhard de
Chardin«, S.66 f
63
Vgl. E. Benz: »Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung«, S. 240
ff
64
ebd. S. 241
65
Zitiert in: »Entwurf und Entfaltung«, S. 11 f
66
Vgl. Mein Glaube, S. 77 ff
67
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 43 Die folgenden Zitate ebd.
Z u m Vergleich wird die Seitenzahl in Klammern angegeben.
68
-Mein Glaube«, S. 120
69
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 144
70
Vgl. »Briefe an Leontine Zanta«, S. 44
71
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 153
72
ebd. S. 179
73
ebd. S. 187
74
ebd. S. 199
75
Vgl. »Geheimnis und Verheißung der Erde«, S. 106
76
Vgl. »Mein Glaube«, S. 93 ff
77
"Entwurf und Entfaltung«, S. 199
78
ebd.S.217
79
ebd. S. 231
80
ebd. S. 232
81
ebd. S. 253
82
ebd. S. 291 f
83
Vgl. »Mein Glaube«, S. 285
84
ebd. S. 289 f
85
ebd. S. 162
86
ebd. S. 154
87
ebd. S. 151
88
ebd. S. 153. Vgl. auch: »Wissenschaft und Christus», S. 37 ff
89
Vgl. »Die Z u k u n f t des Menschen«, S. 292
90
Vgl. »Wissenschaft und Christus«, S. 61
91
ebd. S. 97
92
ebd. S. 97 f. Vgl. dazu: »Mein Glaube«, S. 90 f
93
Vgl. »Die Z u k u n f t des Menschen«, S. 353
218
94
Vgl. »Der göttliche Bereich«, S. 122
95
J. Fellermeier, a.a.O., S. 373
96
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 324
97
ebd. S. 325
98
ebd. S. 328
99
Vgl. »Geheimnis und Verheißung der Erde«, S. 13
100
ebd. S. 63
101
ebd. S. 67
102
ebd. S. 14
103
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 346
104
ebd. S. 156
105
ebd. S. 245
106
ebd. S. 190
107
Vgl. »Briefe an Leontine Zanta«, S. 39 ff
108
ebd. S. 70
109
ebd. S. 91
1,0
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 138
111
»Briefe an Leontine Zanta«, S. 104
112
ebd. S. 47
113
Vgl. »Geheimnis und Verheißung der Erde«, S. 99
114
Vgl. »Briefe an Leontine Zanta«, S. 65
115
ebd. S. 111
116
Vgl. die Werke und Abhandlungen von H. E. Hengstenberg, A.
Drexel, D. v. Hildebrand, J. Maritain, J. Fellermeier u.a.
117
Vgl. «Briefe an Leontine Zanta«, S. 100 f
118
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 365
119
ebd. S. 370 f
120
Vgl. zum folgenden: »Wissenschaft und Christus«, S. 202 ff
121
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 132
122
Vgl. »Das Auftreten des Menschen«, S. 171
123
Vgl. »Die Z u k u n f t des Menschen«, S. 99
124
ebd. S. 326 f
125
ebd. S. 202 f
126
ebd. S. 97 f
127
Vgl. »Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung«, S. 249 ff
128
Vgl. »Entwurf und Entfaltung«, S. 131
129
ebd. S. 167
219
130
ebd. S. 143
131
ebd. S. 246
132
ebd. S. 248 f
133
ebd. S. 140
134
ebd. S. 222
135
»Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung«, S. 251 f
136
Vgl. A. Haas: »Teilhard de Chardin-Lexikon«, Bd. 2, S. 287
137
Vgl. »Das Zeichen Mariens«, 1971, S. 1374/78,1386/88,1418/22
138
Vgl. Graber: »Athanasius u. die Kirche unserer Zeit«, Abensberg,
S. 33
139
Vgl. Lennhoff-Posner: »Intern. Freimaurerlexikon«, Sp. 805 ff
140
ebd. Sp. 999 ff (Stichwort Martin usw.)
141
ebd. K.Frick: »Die Erleuchteten«, Graz 1973, S. 601 ff
142
Vgl. »Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung«, S. 298 Weitere
Literatur über Louis Claude de Saint-Martin und dessen Schrift-
tum: F. X. Baader, Bd. 12 seiner Werke, herausgegeben von F.
H o f f m a n n , J. Hamberger u.a. (Nachdruck Aalen 1963) Vgl. E.
Miers: Lexikon des Geheimwissens, Freiburg 1970 S. 355
143
Vgl. M. Adler: »Die antichristliche Revolution der Freimaure-
rei«, Jestetten 4/1989
144
ebd. S. 110
145
Vgl. R. M. Wiltgen: »Le Rhin se jette dans le Tiber«, Paris (Der
Rhein fließt in den Tiber)
146
Erschienen im Christiana-Verlag, CH-8260 Stein a.Rh.
147
Vgl. R. Le Bec u. F. Leuret: »Die großen Heilungen von Lourdes in
ärztlichem Urteil«, Wiesbaden 1953 S. 43 Vgl. zum Ganzen: A.
Olivieri: Gibt es noch W u n d e r in Lourdes?, Aschaffenburg, 1973
A. Ravier: »Lourdes - Land der Frohen Botschaft«, herausgege-
ben vom L'Oeuvre de la Grotte, Lourdes
148
Zitiert bei G. Siegmund: »Das W u n d e r im Lichte der modernen
Medizin«, Meitingen 1954, S. 15 f
Vgl. auch Le Bec-Leuret, a. a. O. S. 23 f
149
Vgl. A. Ravier, a .a. O., S. 43
'so Yg| L , G o n z a g a ¿ a Fonseca: »Maria spricht zur Welt«, Innsbruck
Wien-München 15/1963, S. 42
151
ebd. S. 93 f u. 97 ff
152
Vgl. »Una Sancta«, Heft 2,1956, S. 88 ff
220
153
Vgl. dazu: O. Musumeci, »Die Muttergottes von Syrakus hat
geweint«, Wiesbaden 1955
154
ebd. S. 99 f
155
ebd. S 159 f
156
Zitiert in: »Maria siegt«, 25. Jhrg. Nr. 8/76, S. 60 f
157
In 2. Auflage erschienen 1976 im J.W.Naumann-Verlag, Würz-
burg, Christiana-Verlag, Stein a. Rh. und Veritas-Verlag, Linz
158
Vgl. M.Adler: »Zeichen der Zeit«, Leutesdorf 5/1975, S.38 ff
159
Vgl. L.Ott: »Grundriß der kath. Dogmatik«, Freibg., 1970, S. 256 f
160
Vgl. Lumen gentium, Nr. 61 f
221
Weitere empfehlenswerte Bücher
von Manfred Adler:
Die Söhne der Finsternis (1)
Die geplante Weltregierung
U n t e r d e r M a s k e von D e m o k r a t i e u n d F o r t -
schritt v e r s u c h e n die „ S ö h n e d e r F i n s t e r n i s "
die g a n z e M e n s c h h e i t einer globalen D i k t a t u r
von F r e i m a u r e r n , s k r u p e l l o s e n G e s c h ä f t e m a -
chern und kommunistischen Diktatoren zu
u n t e r w e r f e n . Es zeigt sich in e r s c h r e c k e n d e m
A u s m a ß i m m e r mehr, wie einseitig die M a s s e n -
m e d i e n i n f o r m i e r e n u n d gesteuert w e r d e n . 7 2 Seiten, D M 6.80