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YOLUMEN XVtL McmLt
ORIENTALIA
CHRISTIANA
PERIODICA
COMMENTARI] DE RE ORIENTALI AETATIS CHRISTIANAE
SACRA ET PROFANA EDITI CURA ET OPERE
PONTIFICII INSTITUTL ORIENTALIUM STUDIORUM
PONT. INSTITUTUM ORIENTALIUM STUDIORUM
PIAZZA SANTA MARIA MAGGIORE, 7
ROMA
1951
TE Athos Library
PD Ayopertce BeBALOBH} KNIndex Voluminis XVII-r951
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‘Poooy (G. Hofmann S. J.) oe se
La pritve de Jésus par un Moine de V'Eglise d’Orient. Sa genése et
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git
Pac,
469-472
476-477
473-474
243-245
493-494
475
480-484
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478-479
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492-493,
230-231
224-226
495-496
233-234
491gra Index Voluminis XVII-195i
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— Untersuchungen iiber die Authentizitdt ciniger asketischer Texte,
iiberliefert unter dem Namen “Ephracm Syris » (I. Ortiz
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ZIEGLER, A., Der Slawenapostel Methodius im Schwabenland
(S. Saka’ S. J.)
Alla scripta ad mos missa
‘Tu. Krauser—H. FE, Kuny-Th, D, Moschonas - Kuryias,
Boupan et Bosscagrt — W, Sicynsky—I,. Popowycz etc.
Js Muvser ~H, Ch. Purcu- A. W. Zmcrmr-ete. 6. 1s +
PAG.
226-228
231-232
484-486
494-495
250-252
506-508Der Streit um die Géttlichkeit
des Namens Jesu
in der russischen Theologie ‘)
Wie in einem auf dem ersten Kongress fiir Orthodoxe Theolo-
gie 1936 2u Athen gehaltenen Vortrag (), so auch in seiner ausfiihr-
lichen Studie «Wege der russischen Theologie» stellt Erzpriester
G. Florovskij in der Geschichte der russischen Theologie « ctwas
sehr Tragisches » fest. Er nennt es cine « Spaltung im orthodoxen
Bewusstsein », eine gewisse « schépferische Verwirrung », « Unklar-
heit der Wege ». Der Gedanke habe sich abgetrennt, habe sich losge-
lést von den Tiefen, sei zu spat zu sich selbst und zum Bewusst-
sein seiner unheilvollen Losgeléstheit zuriickgekehrt (*). Ein krank-
hafter, seltsamer Riss zwischen Theologie und Frommigkeit
habe sich bemerkbar gemacht, zwischen theologischer Gelehr-
samkeit und auf Gott im Gebet gerichtetem Gedanken, zwischen
theologischer Schule und kirchlichem Leben, « Riss und Spaltung
zwischen ‘ Intelligenz ’ und ‘ Volk’ innerhalb der Kirche », In ganz
charakteristischer Weise habe sich dies gezeigt in den « Wirren
auf Athos » 1912-1913, in den Streitigkciten um die Gottesnamen
und um das Jesusgebet (*). Fiir diesen Tatbestand macht Florov-
skij die Einfiihnmg der westlichen, katholischen wie protestan-
tischen Theologie in Russland verantwortlich.
Die Frage, ob diese These stimmt, lassen wir einstweilen auf
sich beruhcn. Jedenfalls ist der Streit um dic Gottlichkeit des
(*) Siche die Bibliographie am Ende des ganzen Artikels
() Westliche Einfliisse in der russischen Theologie, Procés-Verbaux
du Premier Congrés de Théologie Ovthodoxe & Athénes, Herausgegeben von
Prof. H. A, ALIVIsaros, Athen 1939, S. 212-231; 229.
(®) Procés-Verbaux, S, 229.
(*) Hymu pyccxazo 6oeocsosia, Paris 1937, S. 502-503.
Acai322 B. Schultze S. J
Namens Jesu, wie Florovskij mit Recht behauptet, sehr charakte-
ristisch und aufschlussreich fiir den damaligen - und zum Teil auch
noch heutigen — Stand der russischen Theologie. Aus diesem Grande
wenden wir uns diesem Gegenstande zu, obschon der Streit an
sich wohl nicht jene Bedeutung hat, die ihm seiner Zeit von denen
beigemessen wurde, die an ihm beteiligt waren (*). Doch soll schon
zu Anfang hervorgehoben werden, dass sich in jener Verwirrung
und Unklarheit auch sehr tiefe und echte Christusfrémmigkeit
offenbarte und dass in jener theologischen Kontroverse sicherlich
Ansiitze zu tieferem theologischen Versténdnis vorhanden sind,
insbesondere Bausteine zur Errichtung einer Theologie des Namens
Jesu.
Wir betrachten nacheinander: 1. den Verlauf des Streites im
allgemeinen; 2. die Parteigiinger der Géttlichkeit des Namens,
Hilarion und Aritonius (Bulatovit); 3. die Gegner, vor allem S. V.
Troickij; 4. die Verurteilung der neuen Lehre; 5. anschliessende
Kontroversen; und 6, Bedeutung und Tragweite des Streites.
1. Verlauf des Streites im allgemeinen.
Tlorovskij hat die hauptsachlichen Daten und Freignisse,
soweit sie fiir uns wichtig sind, kurz zusammengestellt: « Die Ge-
schichte des ‘ Aufruhrs auf Athos ’ ist noch nicht geschrieben wor-
den; es existiert nur eine polemische und sehr parteiische Literatur.
Der Streit brach aus um das Buch des Ménches der grossen Wei-
he (*) Hilarion ‘ Auf den Bergen des Kaukasus, Unterredung zweier
Starzen-Aszeten (*) iiber dic innere Einigung unserer Herzen mit
dem Herr durch das an Jesus Christus gerichtcte Gebet, oder
geistliche Tatigkeit der zeitgendssischen Finsiedler, Zusammen-
gestellt vom Einsiedler der Kaukasusberge Ménch der grossen Weihe
Hilarion, 1. Auflage Batalpaginsk 1907, 2. verbesserte und stark
erginzte Auflage 1910, 3. Auflage Kiewer Héhlenkloster 1912.
Erst wurde dieses Buch in Ménchskreisen mit grosser Sympa-
thie aufgenommen; doch bald argerte sich manch einer an jener
Kiihnheit, mit der Hilarion von der géttlichen Gegenwart (¢)
() Z. B, Huncaasie, S. 65: letzter Ansturm Satans gegen Christus.
(*) Russisch: cxamonaxn.
(*) Statt « Aszeten » heisst es im richtigen Buchtitel « Einsiedler ».
(*) Russisch: conpucyrcrmie, d. h. eigentlich « Mitgegenwart ».
eeDer Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 323
im Gebete spricht und den angerufenen Namen Jesus ‘Gott
selbst’ nennt. Fiir Hilarion war dies anscheinend nicht sosehr eine
theologische Behauptung als vielmehr eine einfache Beschreibung
der Gebetswirklichkeit. Doch schien eben dieser Gcbetsrealismus
zu kiihn. Psychologismus (') bei Ausdeutung des Gebetes erschien
manchen ungefahrlicher, demiitiger und frommer, Nun begann der
Streit in der Presse, besonders in der Zeitschrift ‘Der russische
Ménch’ (*), die im Poéaev-Kloster herausgegeben wurde, und
gegen Hilarion sprach sich Erzbischof Antonius sehr scharf aus.
Das gesamte polemische Material wurde in der Folge im anonymen
Sammelband ‘ Die heilige Orthodoxie und die Haresie der Gétt-
lichkeit des Namens’ zusammengestellt, Charkow 1916; vgl.
auch das Buch von S. V. Troickij (*) ‘Uber die Gottesnamen und
die Vergittlicher des Namens’, Petersburg 1914 (aus dem ‘ Bei-
blatt der Kirchlichen Nachrichten’ des Hl. Synods), Auf Athos
nahm der Streit mit einem Male die Form der Rascrei und des
Aufruhrs an, und alle theologischen Bewcisginge wurden durch
Leidenschaft und Reizbarkeit verdunkelt. Man musste den Streit
mit Gewalt, fast mit Gewalttdtigkeit unterbrechen. Die Anhin-
ger Hilarions wurden unter dem Namen ‘ Vergéttlicher des Na-
mens’ (‘) fiir Haretiker erklart (sie selbst nannten sich ‘ Verhertli-
cher des Namens’ (*) ihre Gegner aber ‘ Bekampfer des Namens’) (*),
und cinige Hundert Ménche wurden gewaltsam vom Athos ausge-
wiesen und verschleppt und in verschiedenen Kléstern Russlands
verstreut angesiedelt (auf Grund einer Verfiigung des Hl. Synods
vom 29. August 1913). Doch blieb die Frage im wesentlichen
unentschieden » (*).
(}) Psychologismus findet Florovskij insbesondere in der Sote-
riologie des Metropoliten Antonius (Chrapovickij), Siche O caepmu rpecm-
noil, Hpasocaasuan Mucas, II, Paris 1930, S. 148 ff. Vgl. unsere Studie
La nuova soteriologia russa, Orientalia Christiana Periodica 12 (1946)
S. 144-145.
(*) Pyccritt Huoxs,
(*) Sprich: Troitski.
() Russisch: umaGoncuxt,
(*) Russisch: anacnasusr. Sie selbst nannten sich waecsasibs.
(*) Russisch: nua6opusr. Die Neuerer nannten ihre Gegner uxeSoputt,
statt umenoGopnbt oder uaaSopnbt. Vgl. Erzb. ANTONI, O Hosoms a21ce-
yueniu, 8. 873.
() Frorowskry, Hymu pyccrazo 6ozocaosis, S, 571-572.
ee324 B. Schultze S. J.
Konkrete Einzelheiten bringt Troickij im Kapitel « Kampf
mit dem Aufruhr auf Athos ». Er berichtet, dass in den russischen
Athoskléstern anfanglich drei Viertel aller Ménche der neuen Lehre
anhingen, dass aber ihre Zah] nach dem Eintreffen der vom HI.
Synod gesandten Untersuchungskommission auf nur ein Viertel
hinabsank. Dieser vierte Teil, zu dem die Fiihrer der Bewegung
gehérten, wurde nach Russland geschafft. Es waren immerhin
noch 621 Ménche, der 15. Teil aller Bewohner des Athos. In Russ-
land machten diese verstindlicherweise crbitterten Ménche fiir
ihre Lehre Propaganda; und es kam ihnen zu statten, dass sie sich
leicht als Martyrer ausgeben konnten und dadurch die Sympathie
weiterer Kreise gewannen ().
Ubrigens hatte der Streit auf Athos in Russland ein kurzes,
entfernteres Vorspiel. Schon in den Jahren 1870-1880, als die erste
Ausgabe der Werke des 1908 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen
Erzpriesters Johannes von Kronstadt erschienen war, kam es zu
Auseinandersetzungen. Theophanes der Klausner nahm gegen
Johannes Stellung, liess aber sehr bald von seinem Widerstand
ab. Die Anhanger der neuen Lehre verlegen die Anfange des Strei-
tes in die Mitte des 19, Jahrhunderts und fiihren sein Entstehen
~ ahnlich wie spater Florovskij - auf den Einfluss der westlichen,
lateinischen, nach ihrer Meinung nominalistischen Theologie zuriick,
deren hervorragenden Vertreter sie u. a. in Barlaam Calaber, dem
bedeutenden Gegner des theologischen Palamismus, erblicken (*).
Die Vertreter der beiden Parteien bringen gegeneinander ver-
schiedene Anschuldigungen vor. Die Verehrer des Namens werden
des Pantheismus beschuldigt, magischen Aberglaubens, des Gét-
zendienstes, der Vermengung von géttlicher Wesenheit und Ener-
gie, des Dytheismus, des Eunomianismus, des Barlaamismus, der
Falschung von Texten, des Mangels an Wahrhaftigkeit und des sy-
stematischen Gebrauchs der Liige (). Die Verehrer des Namens
legen ihren Gegnern Subjektivismus zur Last, Rationalismus,
Nominalismus, Barlaamismus, ungenaue Ubersetzung und
schung (‘).
() TRrorekryy, S. 172 ff, Exzb, Nikon im Art, Masodw, Vgl. unten
S. 370, Anm, 2 ff.
(*) Haacaasie, S. 79-80,
() Vgl. Troree2y, S. 148-149; 176, Kol. 1. - Vgl. auch unten S, 361 f
(*) Vgl. Huacaasie, 8. 65 f.Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 325
2, Die Parteigénger dev Géttlichkeit des Namens.
Hilarion.
Der Verfasser des Buches « Auf den Bergen des Kaukasus »,
das Anlass zum Ausbruch des Streites gab, war zuerst Monch im
tussischen Athoskloster des hl, Panteleimon, dann in einer Toch-
tergriindung dieses Klosters, benannt Neu-Athos Simono-Kana-
nickij-Kloster (1). Da er sich nicht eingewohnen konnte, verliess
er - ohne Segen seines Oberen, wie einige erzahlen - den Heili-
gen Berg uad begab sich in die Einsamkeit des Kaukasus (?). Einer
seiner kaukasischen Mitm6énche, dem Hilarion das Manuskript
' seines Buches zur Durchsicht gegeben hatte, bat ihn, das Buch
, nicht zu verdflentlichen, oder, falls er dies dennoch vorhabe, wenig-
,Stens zwei wesentliche Anderungen anzubringen: er solle nicht
_behaupten, 1. dass der Name Jesus Gott selber sei, und 2. dass
,jener, der sich das Jesusgebet nicht zu eigen mache, nicht kénne
‘ gerettet werden (?). Da Hilarion nur auf dic zweite Behauptung
zu verzichten bereit war, sagte ihm der befreundete Monch Kummer
und Zwietracht voraus (*).
Hilarions Buch, das u. a. sehr lebendige, anschauliche Natur-
betrachtungen enthalt, die der Seele zum Aufstieg 2 Gott ver-
helfen kénnen, verfolgt, wie zu Beginn des Vorworts gesagt wird,
den einzigen Zweck, das Jesusgebet méglichst vollstandig zu
erklaren (). « Jesusgebet nennen wir nichts anderes als die andach-
tige Anrufung des erlésenden Namens unseres Herm Jesus Chri-
stus - zu jeder Zeit, bei jeder Beschiftigung und an jedem Ort,
wie ein jeder es vermag, seinen Kraften, seinem Hifer und Gut-
diinken entsprechend » (*). Ehrlich gesteht der Verfasser, da er
nur vom Jesusgebet handeln und sich nicht iiber das gesamte
() Am Schwarzen Meer gelegen, am Fusse des Kaukasus. L. 1
DENsov, Mpasocaasuse onacmupu Pocciiicxo Uanepiu, Moskau 1908, S.
367-369.
() Pacnomry, S. 5.
(*) Vgl. jedoch unten $. 326. Anm. 3.
(*) Pacuomyy, S. 6.
() Wir zitieren nach der 2. Auflage; S. V.
(*) Ebda, - Auf der gleichen ersten Seite des Vorworts wird auf
das Leben des heiligen Gregorius Palamas, in der russischen Dobroto-
Ijubie im 5. Band, verwiesen.326 B. Schultze S. J
geistliche Leben verbreiten will, die ganzliche Einscitigkeit seines
Unternehmens, das auch keinerlei Anspruch ethebe auf Gelehrsam-
keit oder eine der zeitgenéssischen Wissenschaft entsprechende
logische Darlegung des Gedankens (!). Doch wird schon zu Be-
ginn betont, dass dies Gebet allein nicht rettet, dass es den Glau-
rben und die Beobachtung des ganzen evangelischen Gesetzes
voraussetzt, besonders der Gottes- und Nichstenliebe, der Demut
usw. (). Anderseits aber ist dieses Gebet doch notwendig, damit
iyder Mensch das géttliche Leben in sich trage: « Deshalb sagt auch
Symeon der Neue Theologe, dass, wenn wir hier, in diesem Leben
den Herm nicht sehen, wir ihn niemals sehen werden: wenn wir
uns hier nicht mit ihm vereinigen, werden wir uns niemals mit
ihm vereinigen. Doch den Herm sehen und sich mit ihm verei-
nigen ist ohne gnadenhaftes Gebet unméglich » (),
Die umstrittene Lehre legt Hilarion im dritten Kapitel dar unter
dem Titel «Im Namen Gottes ist Gott selbst gegenwartig ». Einer der
beiden Starzen tragt sie vor: « Vor allem muss man in sich jene unaban-
derliche, sowohl mit der géttlichen Offenbarung wie auch mit den Be-
griffen des gesunden Menschenverstandes iibereinstimmende Wahrheit
behaupten, dass im Namen Gottes Gott selbst zugegen ist, mit scinem gan-
zen Wesen und (allen) seinen unendlichen Eigenschaften. Selbstredend
muss man dies geistig verstehen, — mit erleuchtetem Herzen und nicht
mit jenem fleischlichen Verstande, der sich unrechtmassig ins geistige
Gebiet eindrangt und leiblich geistige Gegenstande 2u ertasten trachtet
und, da er sie nicht versteht, einwendet: ‘Wie kann uns dieser sein
Fleisch zu essen geben ?’ (Joh. 6, 52). Oder er wendet auch noch ein, in
volliger Unkenntnis der Sache: ‘Wie kann ein Mensch geboren werden,
wenn er schonalt ist ?” (Joh, 3, 4). Kann er etwa in den Schoss seiner Mut-
ter zuriickkehren und wiedergeboren werden ?’ (Joh. 3, 4). Der Herr aber
sagt: ‘Was vom Geiste geboren ist, ist Geist’ (Joh. 3,6), d. h. geistige
Gegenstande sind geistig zu verstehen, im Lichte ihrer Erleuchtung durch
die Gnade.
«Par jeden treuen Diener Christi, der seinen Gcbieter und Herm
liebt, der eiftig zu ihm betct und seinen heiligen Namen andachtig und
liebevoll in seinem Herzen tragt, ~ ist sein alles schaffcnder, anbetungs-
wiirdiger und allmachtiger Name gleichsam (‘) et selber — der alles len-
kende Herr-Gott und unser kostbarster Erléser Jesus Christus, vor allen
() Ebda., S. XVII-XVIN.
(*) Ebda,, S. IX; XVII; ausfilhrlich S. 47 ff.
(@) Ebda., S. VII. Dies Gebet ist zur Seelenrettung notwendig
und unersetzlich: S. 60.
(*) Russisch: Kak 6pr.Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 327
Zeiten vom Vater geboren, mit ihm eines Wesens und ihm in allem
gleich.
« Anders kann es auch nicht sein. Gott ist ein gedankliches, geistiges,
geistiger Schau zugangliches Wesen, und derart ist auch sein Name; in
gleicher Weise sind auch unsere Seelen geistige, gedankliche Wesen; nur
ist der Abstand zwischen ihnen und Gott unendlich, wie es sich eben zwi-
schen Gott und Geschépf geziemt; ‘und auf Grund dieses ganzen Tatbe-
standes ist unsere Beziehung zu ihm und geschieht unsere Annaherung
an ihn geistig, fir leibliche Augen unsichtbar, durch die inneren Krafte
der Seele. Mit einem Worte, alles geschieht auf dem Gebiete des Geistes,
wo keinerlei Leibliches am Platze ist. Von diesem Standpunkt her ist
nun jedem dentlich, dass der Name des Herrn Jesus Christus unmdglich
von seiner heiligsten Person abgetrennt werden kann. Das Wissen darum
und um so mehr das Erfiihlen dieses erhabensten Geheimnisses ist derart
kostbar in unserem geistlichen Leben, dass es ihm als Mittelpunkt und
als Grundlage dient. Gerade deshalb ist davon mit solchem Nachdruck,
mit solcher Kraft und Uberzeugung die Rede.
« Dieses gittliche Erfithlen gibt unserem Gchete zum Sohne Gottes
Kraft, Festigkeit und Freiheit von Zerstreuung, Fs sammelt in einem
Punkte - im Herzen ~ all unsere inneren Krafte und durchdringt mit
seinem Scin unsere ganze geistige Natur, in der Sammlung und Linheit
all ihrer Krafte, wie der Sonnenstrahl das Glas durchdringt. Und unsere
Seele, von gittlichem Lichte erleuchtet, das iiberreichlich vor: Herm
Jesus ausstrémt, der in seinem allgéttlichen Namen west, steigt nun-
mehr gleichsam natiirlich und ohne Schwierigkeit zur hichsten Stufe
der geistlichen Vollkommenheit auf. So wird der Mensch in allem geisti
geheiligt und mit Gott verbunden. Dies geschieht nun in folgender Weise:
«Wenn der Mensch, angetricben durch géttlichen Wink, ohne Trag-
heit, mit aller ihm méglichen Anstrengung, ohne Mithen und Zeit zu
sparen, bei jeglicher Beschaftigung, Tag und Nacht im Geist oder mit den
Lippen den Namen Gottes im heiligen Jesusgebet anruft: ‘Herr, Jesus
Christus, Sohn Gottes, erbarme dich iiber mich Siinder ! ’, indem er selbst-
verstandlich zugleich hiermit, soweit es in seinen Kraften steht, alle
iibrigen Gebote des Ivangeliums erfiillt, in tiefster Selbsterniedrigung
und im Bewusstscin seines stindigen Zustandes und scines Angewiesen-
seins auf gittliche Hilfe, dann geschieht mit ihm itber kurz oder lang,
nach dem Wohlgefallen des Herzenskenners, etwas Wunderbares und
(doch) ganz Natiirliches, Der Name des Herrn Jesus Christus wird sozu-
sagen gleichsam Fleisch, der Mensch fiihlt deutlich mit dem inneren Ge-
fiihl seiner Seele im Namen Gottes Gott selbst.Dieses Erfiihlen des Herm
selbst und seines Namens verschmilzt zur Identitat, derzufolgefes unmog-
lich ist, eins vom andern zu unterscheiden, Dies wird aber seinerscits
verstandlich, wenn man erwagt, dass, wenn der Herr Jesus Christus in
seine géttliche Persénlichkeit unsere Natur aufnahm und mit einem ein-
zigen Namen Gottmensch heisst, weil ‘in seinem Fleische die ganze Fiille
der Gottheit wohnte ’ (Kol. 2, 9), dann zweifellos diese Fiille seiner gétt-
lichen Vollkommenheiten auch in seinem hochheiligen Namen Jesus Chri-
stus wohnt, Man kinnte so sagen: Wenn sie im Fleische sichtbar wohnte —328 B. Schultze S. J
“Jeiblich ', dann wohnt sie in seinem heiligen Namen
dern geistig und nur durch das Herz oder durch den Geist erfahIbar. Und
siche da, wenn wir diesen Namen in unser Herz aufnchmen, beriihren
wir in ihm, nach einem Worte des hl. Makarius des Grossen, gleichsam das
Wesen Christi selbst, seine gottmenschliche Natur; und in dieser inneren
tiefsten Herzens-Binigung, die gleichsam eine Verschmelzung des eigenen
Geistes mit dem Geiste Christi ist, das heisst mit seiner Gottmenschheit,
sind wir mit ihm, nach dem Zeugnis des hl. Apostels, ‘ cin Geist ’ (1 Kor.
6, 17). Wenn wir nun auf Grund dieses ausserst nahen und engen Bundes
mit ihm oder diescr Vercinigung, die gleichsam eine Verschmelzung ist,
nun unvermeidlich auch an Christi Tigenschaften teilnehmen: an sei-
ner Giite, Liebe, an seinem Frieden, an seiner Seligkeit, u. a, — dann
verkosten wir fiihlbar, wie gut der Herr ist. Infolgedessen werden wir
zweifcllos auch selbst nach dem Bilde dessen, der uns geschaffen hat, gut,
sanftmiitig, ohne Falsch, demitig, tragen wir im Herzen eine unaussprech-
liche Licbe zu allen und fithlen in uns das ewige Ieben. Und nur
ein solcher Mensch, der um seiner Herzens-Verbindung mit dem Herm
willen nicht getauscht wird, da er deutlich durch seinen Geist im Namen
Jesus Christus seine géttliche Gegenwart fihlt, (ihn selbst), kann vor
der ganzen Welt bezeugen, dass der Name des Herrn Jesus Christus er
selber ist, Gott der Herr; dass sein Name nicht trennbar ist von seinem
heiligsten Wesen, sondern mit ihm eins ist, indem er sich hierin nicht
auf Verstandeserwagungen stiitzt, sondern auf das Gefiihl seines vom
Geist des Herrn durchdrungenen Herzens.
«Hierher gchért das Wort des hl. Apostels: ‘Wer an den Sohn
Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich’ (1 Joh, 5, 10), Natiirlich handelt
es sich hier um ein Erfithlen der gnadenhaften Gegenwart des Herrn Jesus
im Herzen, d. h. im Tempel des innercn Menschen, um ein glaubhaf-
tes Ethorchen und greifbares Erfithten; ganz genau so vernimmt auch der,
welcher ‘in sich die innere Gebetswirkung durch den Namen des Herm
Jesus erfahrt, deutlich in seinem Herzen Jesu erlésende Gegenwart, sein
Leben und sogar, wenn man sich so ausdriicken darf, gleichsam seinen
Atem. Eben in cine solche ganz nahe Vereinigung mit dem Herrn versetzt
uns das Jesus-Gebet. In diesem Namen ist das ewige Leben, denn in ihm
ist der ewige Gott mitzugegen und gegenwartig.
«Nach den Worten der heiligen Vater gibt es keine innigere Eini-
gung als die, welche zwischen Gott und unserer Seele stattfindet. Dies
geschieht am innigsten und fiihlbarsten beim inncren Jesusgebct, in dem
unser Geist gleichsam mit dem geistigen, unsichtbaren Wesen des Herm
Jesus Christus sich auflésend verschmilzt (1),
«Diese Liebe oder dieses géttliche Gedenken, das einen Ausdruck
im Gebete findet, vereint notwendigerweise unseren Geist mit dem Herm
“in eins’: eine Einigung, in der wir, durch unsern Geist an seinem gott
chen Wesen teilhabend, Teilhaber am géttlichen Leben werden » (*)
() InaRion, S. 11-13.
(*) Ebda., S. 14.Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologic 329
ra
we
Zum besseren Verstandnis dieses langen, grundlegenden Tex-
tes sollen ein paar Worte gesagt werden iiber sein Verhiltnis zur
palamitischen Frémmigkeit, iiber seine theologische Pri:
iiber die Kchthcit des darin beschriebenen Erlebnisses und iiber
die hauptsichlichen Thesen, um die es dem Verfasser geht.
Ganz offenbar handelt wie das ganze Buch, so auch dieser
Text, von der typisch palamitisch-hesychastischen Ubung des
Jesusgebetes. Hierzu wird ausfiihtlichste Anleitung gegcben.
Zwar ist hier nicht die Rede von der palamitischen Technik
(Atemiibungen, Achten auf den Schlag des Herzens, Konzentra-
tion auf dic Mitte des Leibes) (+), Wohl aber finden sich die wesent-
lichen Elemente dieser Ubung auch hier: die Wiederholung des
Jesusgebetes, die Konzentration aller Scelenkrafte im Herzen,
die von Christus ausgehende Lichtwirkung oder Erleuchtung, dic
geheimnisvolle Hinigung.
Zwar hat der Verfasser zunachst die Absicht, die durch Ubung
des Jesusgebetes sich vollzichende Finigung des Christen mit
Christus zu beschreiben; doch sucht er dieses Erlebnis ausserdem
theologisch zu erklaren und (wie wir noch sehen werden) durch
Beweise zu erharten. Dabci fallt auf, dass die Darlegung nicht
nur, wie in der Hinleitung ausdriicklich bemerkt wurde, Gelchr-
samkeit und Wissenschaft ausser acht lasst, sondern eine Reihe
(}) Auch sonst erscheint diese Technik bei Hilarion recht reduziert.
In den Kapiteln, in denen im cinzelnen die Rede von den drei Stufen des
Jesusgebetes ist, Kap. 11-13, S. 47-60, von seiner miindlichen, verstand-
lichen und geistigen Verrichtung, wird bei det verstandlichen Verrich-
tung bemerkt, man solle die Gebetsworte «yor sich hin » sprechen, vgl.
Ps. 15, 8, oder besser in der Brust oder im Halse (S. 55). Die hdchste Art
der Vertichtung des Jesusgebetes findet nach Hilarion im Geiste stat,
«der mit seinem Inhalt das Seelen-Gefiihl oder Herz durchdringt und
den ganzen Menschen geistig macht » (S. 57): «die innerste, tiefste, trau-
lichste Seite im Menschen heisst Herz. Sie ist nichts anderes als das
innere Gefiihl der Seele oder iiberhaupt die Kraft ihrer Empfindungen,
wie auch die Psychologie lehrt, dass wir drei Seelenkrafte besitzen: Ver-
stand, Wille und Gefiihl » (S. ror). Wir finden also bei Hilarion diese
Dreiteilung der geistigen Seelenkrafte, aber auch die alte Tricho-
tomie «Leib, Scele und Geist », die der dreifachen Abstufung des Jesusge-
betes zugrunde liegt.ae B. Schultze S. J.
theologisch falscher Ausdriicke enthalt. Es ist die Rede von « Chri-
“sti Wesen », von seiner « gottmenschlichen Natur », vom « Geiste
‘Christi, d. h. seiner Gottmenschheit », vom « geistigen, unsicht-
baren Wesen des Herrn Jesus Christus ». Man hat bei dieser Be-
schreibung den Eindruck, als ob der Verfasscr mehrfach vergesse,
dass der Mensch kein reiner Geist ist und dass Christus nicht nur
die géttliche, sondern auch die menschliche Natur zu eigen hat.
Kurz gesagt, die beanstandeten Ausdriicke klingen monophysi-
tisch. Doch sind sie gewiss nicht so gemeint; sie lassen sich wohl
auch im Zusammenhang richtig verstehen (+).
Da die theologisch ungenaue Sprache ja nur ein Mittel ist,
das nachtriglich den Inhalt des voraufgegangenen Erlebnisses
andeuten soll, bildet sic allein keinen hinreichenden Grund, die
Echtheit des beschriebenen Erlebnisses und seinen wahren my-
«stischen Charakter zu Jeugnen. Gewiss haben bei Beurteilung der
Echtheit zunichst die Normen der Offenbarung und Theologie
Bedeutung. Doch muss auch die psychologische Seite beachtet
und gepriift werden. Wir schliessen die Méglichkeit der Echtheit
des geschilderten Erlebnisses nicht aus. Nur bemerken wit, dass
sich Griinde fiir und wider anfiihren lassen und uns deshalb eine
*tatsachliche Entscheidung nicht méglich ist. Fit die Fchtheit
spricht u. a. der Umstand, dass die Darlegung ruhig und friedlich
ist, dass alles Andacht, Frémmigkeit, Glaubensgeist atmet, dass
aus allen Zeilen des Buches eine tiefe, echte Christus- und Gottes-
liebe hervorleuchtet. Gegen die Echtheit kénnte man vielleicht
geltend machen, dass Hilarion seinen Vorgesetzten gegeniiber
sich nicht geniigend gelchrig und gehorsam zeigte (falls das diber
ihn Berichtcte der Wahrheit entspricht). So scheint es auch nach
dem Worte des Herrn: « An ihren Friichten kénnt ihr sie erkennen »
' (Matth. 7, 16; 20) gegen die mystische Begnadigung der die Gott-
heit des Namens verteidigenden Athosménche zu sprechen, dass
anlisslich der Streitigkciten so viele Menschlichkeiten, Unvoll-
kommenheiten und Leidenschaften zu Tage traten.
Doch untersuchen wir hier nicht die Frage der Echtheit des
Erlebnisses, sondem die Frage nach den theologischen Schluss-
folgerungen, die Hilarion und seine Anhianger aus diesem Erleben
zogen. Es sind vor allem die drei folgenden: 1. im Namen Gottes
” ist Gott selbst, im Namen Jesu ist Jesus Christus selbst zugegen;
() Vgl. unten S. 337; 344.
eeDer Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 33t
2. der Name des Herrn ist (gleichsam).der Herr selber; 3. der Name
Gottes und Jesu Christi ist nicht von seinem Wesen trennbar.
Hine doppelte Identitat oder besser Verschmelzung wird behaup-
tet: die zwischen dem Geiste des begnadeten Menschen und dem
Geiste Christi (Teilhabe an der géttlichen Natur) und die zwischen
Gottes oder Christi Namen und Wesen (Teilhabe des Namens am
Wesen). Wie aus einem Vergleich von Punkt 2 und 3 hervorgeht,
wird das Verhaltnis vom Namen zum Wesen bald mehr als Iden-
titat, bald mehr als Unterscheidung, wenn auch bei unzertrenn-
licher Verbindung gefasst. Die gelegentliche Hinzufiigung des
mildernden Wortes « gleichsam » und die Bemerkung, dass von der
Gebetserfahrung die Rede sci, scheinen allerdings darauf hinzu-
deuten, dass die doppelte Identitat oder Verschmelzung nicht
értlich zu nehmien ist, dass es sich um cin in menschliche Worte
Potwendig nur ungenau fassbares gnadenhaftes, mystisches Erle-
ben handelt. Doch werden anderseits die Identitat von Name und
Person und die Géttlichkeit des Namens gewéhnlich derart betont,
dass die Behauptungen Hilarions und noch mehr die seiner Anhiin-
ger eben dadurch einen dogmatisch-theologischen Charakter anneh-
men und deshalb auf ihren Wahrheitsgehalt hin genaucr unter-
sucht werden miissen. Zu diesem Zweck ist es angebracht, ein
paar grundsiatzliche Erwagungen iiber die Philosophie und Theo-
logic des Namens vorauszuschicken, bevor wir unsere Untersu-
chung fortsetzen.
ate
Zur Philosophie des Namens.
Im Namen ist gewissermassen die ganze Philosophie enthalten. Im
Namen des Menschen steckt die ganze Anthropologie; im Namen Gottes
die ganze Theodizee. Die Frage nach dem Wesen und der Natur des Na-
mens ist dusserst komplex, Der menschlichen aus zwei Wesensteilen, Geist
und Fleisch oder Scele und Leib, bestehenden Natur entsprechend, bil-
det das volle menschliche Wort eine Finheit aus je zwei Bestandteilen,
einem kérperlichen und einem geistigen: dem dusserlichen, durch die
‘Sprechorgane (Stimmbander, Mund, usw.) hervorgebrachten hérbaren
Laut entspricht im kérperlichen Teil die dazu gehdrige Vorstellung und im
geistigen Teil das geistige Wort oder der Begriff. Name heisst das Wort
nicht sosehr, insofern es eine Ausserung des Sprechenden ist, als viel-
mehr, insofern es etwas nennt oder bezeichnet (!). Der Name bedeutet
0) Lateinisch stammt «nomen » von der Wurzel « no », die « notare »,
«notum reddere » bedeutet.
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