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Schulzte Der Streit Um Die Göttlichkeit Des Namens Jesu

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YOLUMEN XVtL McmLt ORIENTALIA CHRISTIANA PERIODICA COMMENTARI] DE RE ORIENTALI AETATIS CHRISTIANAE SACRA ET PROFANA EDITI CURA ET OPERE PONTIFICII INSTITUTL ORIENTALIUM STUDIORUM PONT. INSTITUTUM ORIENTALIUM STUDIORUM PIAZZA SANTA MARIA MAGGIORE, 7 ROMA 1951 TE Athos Library PD Ayopertce BeBALOBH} KN Index Voluminis XVII-r951 LAUTH, R., Die Philosophie Dostojewskis in systematischer Dar- stellung (B. Schultze S. J.) i Leys, R., S. J., L’image de Dieu chez saint Grégoire ie Nysse (lL. HL) LYONNET, S., S. J., Les origines de la version arménienne et le Diatessaron (1, Ortiz de Urbina S. J.) oe Mekhitay, Numéro spécial de la Revue arménienne Pazmaveb pu- blié @ l'occasion des Célébrations Commémoratives du Deu- xiéme Centenaire de la mort du Vén. Abbé Mekhitar (1749- 1949) (G. Hofmann S. J.) Pcs METTE, H, J., Russische Geschichte, vornehmlich des 19. und 20. Jahrhunderts (A. M. Ammann S. J.) aa MUrnEer, G., Lexicon Athanasianum, Lieferungen 5-9 (L. Ortiz de Urbina S. J.) MUtr.Ler, L,, Solovjev und der Protestantismus @. ‘Schultze s. ‘. ) MysLivec, J., Dod studie 2 dajin byzantshého uméni (G, Olt S.J.) NAaUTIN, P., Hippolyte. Contre les Hévésies. Fragment, étude et édi- tion critique (1. Ortiz de Urbina S. J.) ee PAPAMICHAEL, G., MéSmwog 6 Pemuds, 6 agdrog goons tiv ‘Poooy (G. Hofmann S. J.) oe se La pritve de Jésus par un Moine de V'Eglise d’Orient. Sa genése et son développement dans la tradition religieuse byzantino- slave (B. Schultze S. J.) : : : Reallexikon fiir Antike und Christentum, Mieferungen 3 4 4 or- tiz de Urbina S. J.) ‘ Rexcman, S., A History of the Crusades, Vol. I, The "First Crue sade and the Foundation of the Kingdom of Jerusalem (J. Gill S. J.) Bee eeeeeeeeereeeers a Sutron, K. M., Catalan Domination of Athens 1311- 8 (J. Gill S. J.) Pee eeeeeeee a Srecmunp, A., O.S. B., Die Oberlielieferung der priechischen christlichen Litevatur in dey lateinischen Kirche bis zum awélften Jahvhundert (I, Ortiz de Urbina S. J.) 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Der Gedanke habe sich abgetrennt, habe sich losge- lést von den Tiefen, sei zu spat zu sich selbst und zum Bewusst- sein seiner unheilvollen Losgeléstheit zuriickgekehrt (*). Ein krank- hafter, seltsamer Riss zwischen Theologie und Frommigkeit habe sich bemerkbar gemacht, zwischen theologischer Gelehr- samkeit und auf Gott im Gebet gerichtetem Gedanken, zwischen theologischer Schule und kirchlichem Leben, « Riss und Spaltung zwischen ‘ Intelligenz ’ und ‘ Volk’ innerhalb der Kirche », In ganz charakteristischer Weise habe sich dies gezeigt in den « Wirren auf Athos » 1912-1913, in den Streitigkciten um die Gottesnamen und um das Jesusgebet (*). Fiir diesen Tatbestand macht Florov- skij die Einfiihnmg der westlichen, katholischen wie protestan- tischen Theologie in Russland verantwortlich. Die Frage, ob diese These stimmt, lassen wir einstweilen auf sich beruhcn. Jedenfalls ist der Streit um dic Gottlichkeit des (*) Siche die Bibliographie am Ende des ganzen Artikels () Westliche Einfliisse in der russischen Theologie, Procés-Verbaux du Premier Congrés de Théologie Ovthodoxe & Athénes, Herausgegeben von Prof. H. A, ALIVIsaros, Athen 1939, S. 212-231; 229. (®) Procés-Verbaux, S, 229. (*) Hymu pyccxazo 6oeocsosia, Paris 1937, S. 502-503. Acai 322 B. Schultze S. J Namens Jesu, wie Florovskij mit Recht behauptet, sehr charakte- ristisch und aufschlussreich fiir den damaligen - und zum Teil auch noch heutigen — Stand der russischen Theologie. Aus diesem Grande wenden wir uns diesem Gegenstande zu, obschon der Streit an sich wohl nicht jene Bedeutung hat, die ihm seiner Zeit von denen beigemessen wurde, die an ihm beteiligt waren (*). Doch soll schon zu Anfang hervorgehoben werden, dass sich in jener Verwirrung und Unklarheit auch sehr tiefe und echte Christusfrémmigkeit offenbarte und dass in jener theologischen Kontroverse sicherlich Ansiitze zu tieferem theologischen Versténdnis vorhanden sind, insbesondere Bausteine zur Errichtung einer Theologie des Namens Jesu. Wir betrachten nacheinander: 1. den Verlauf des Streites im allgemeinen; 2. die Parteigiinger der Géttlichkeit des Namens, Hilarion und Aritonius (Bulatovit); 3. die Gegner, vor allem S. V. Troickij; 4. die Verurteilung der neuen Lehre; 5. anschliessende Kontroversen; und 6, Bedeutung und Tragweite des Streites. 1. Verlauf des Streites im allgemeinen. Tlorovskij hat die hauptsachlichen Daten und Freignisse, soweit sie fiir uns wichtig sind, kurz zusammengestellt: « Die Ge- schichte des ‘ Aufruhrs auf Athos ’ ist noch nicht geschrieben wor- den; es existiert nur eine polemische und sehr parteiische Literatur. Der Streit brach aus um das Buch des Ménches der grossen Wei- he (*) Hilarion ‘ Auf den Bergen des Kaukasus, Unterredung zweier Starzen-Aszeten (*) iiber dic innere Einigung unserer Herzen mit dem Herr durch das an Jesus Christus gerichtcte Gebet, oder geistliche Tatigkeit der zeitgendssischen Finsiedler, Zusammen- gestellt vom Einsiedler der Kaukasusberge Ménch der grossen Weihe Hilarion, 1. Auflage Batalpaginsk 1907, 2. verbesserte und stark erginzte Auflage 1910, 3. Auflage Kiewer Héhlenkloster 1912. Erst wurde dieses Buch in Ménchskreisen mit grosser Sympa- thie aufgenommen; doch bald argerte sich manch einer an jener Kiihnheit, mit der Hilarion von der géttlichen Gegenwart (¢) () Z. B, Huncaasie, S. 65: letzter Ansturm Satans gegen Christus. (*) Russisch: cxamonaxn. (*) Statt « Aszeten » heisst es im richtigen Buchtitel « Einsiedler ». (*) Russisch: conpucyrcrmie, d. h. eigentlich « Mitgegenwart ». ee Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 323 im Gebete spricht und den angerufenen Namen Jesus ‘Gott selbst’ nennt. Fiir Hilarion war dies anscheinend nicht sosehr eine theologische Behauptung als vielmehr eine einfache Beschreibung der Gebetswirklichkeit. Doch schien eben dieser Gcbetsrealismus zu kiihn. Psychologismus (') bei Ausdeutung des Gebetes erschien manchen ungefahrlicher, demiitiger und frommer, Nun begann der Streit in der Presse, besonders in der Zeitschrift ‘Der russische Ménch’ (*), die im Poéaev-Kloster herausgegeben wurde, und gegen Hilarion sprach sich Erzbischof Antonius sehr scharf aus. Das gesamte polemische Material wurde in der Folge im anonymen Sammelband ‘ Die heilige Orthodoxie und die Haresie der Gétt- lichkeit des Namens’ zusammengestellt, Charkow 1916; vgl. auch das Buch von S. V. Troickij (*) ‘Uber die Gottesnamen und die Vergittlicher des Namens’, Petersburg 1914 (aus dem ‘ Bei- blatt der Kirchlichen Nachrichten’ des Hl. Synods), Auf Athos nahm der Streit mit einem Male die Form der Rascrei und des Aufruhrs an, und alle theologischen Bewcisginge wurden durch Leidenschaft und Reizbarkeit verdunkelt. Man musste den Streit mit Gewalt, fast mit Gewalttdtigkeit unterbrechen. Die Anhin- ger Hilarions wurden unter dem Namen ‘ Vergéttlicher des Na- mens’ (‘) fiir Haretiker erklart (sie selbst nannten sich ‘ Verhertli- cher des Namens’ (*) ihre Gegner aber ‘ Bekampfer des Namens’) (*), und cinige Hundert Ménche wurden gewaltsam vom Athos ausge- wiesen und verschleppt und in verschiedenen Kléstern Russlands verstreut angesiedelt (auf Grund einer Verfiigung des Hl. Synods vom 29. August 1913). Doch blieb die Frage im wesentlichen unentschieden » (*). (}) Psychologismus findet Florovskij insbesondere in der Sote- riologie des Metropoliten Antonius (Chrapovickij), Siche O caepmu rpecm- noil, Hpasocaasuan Mucas, II, Paris 1930, S. 148 ff. Vgl. unsere Studie La nuova soteriologia russa, Orientalia Christiana Periodica 12 (1946) S. 144-145. (*) Pyccritt Huoxs, (*) Sprich: Troitski. () Russisch: umaGoncuxt, (*) Russisch: anacnasusr. Sie selbst nannten sich waecsasibs. (*) Russisch: nua6opusr. Die Neuerer nannten ihre Gegner uxeSoputt, statt umenoGopnbt oder uaaSopnbt. Vgl. Erzb. ANTONI, O Hosoms a21ce- yueniu, 8. 873. () Frorowskry, Hymu pyccrazo 6ozocaosis, S, 571-572. ee 324 B. Schultze S. J. Konkrete Einzelheiten bringt Troickij im Kapitel « Kampf mit dem Aufruhr auf Athos ». Er berichtet, dass in den russischen Athoskléstern anfanglich drei Viertel aller Ménche der neuen Lehre anhingen, dass aber ihre Zah] nach dem Eintreffen der vom HI. Synod gesandten Untersuchungskommission auf nur ein Viertel hinabsank. Dieser vierte Teil, zu dem die Fiihrer der Bewegung gehérten, wurde nach Russland geschafft. Es waren immerhin noch 621 Ménche, der 15. Teil aller Bewohner des Athos. In Russ- land machten diese verstindlicherweise crbitterten Ménche fiir ihre Lehre Propaganda; und es kam ihnen zu statten, dass sie sich leicht als Martyrer ausgeben konnten und dadurch die Sympathie weiterer Kreise gewannen (). Ubrigens hatte der Streit auf Athos in Russland ein kurzes, entfernteres Vorspiel. Schon in den Jahren 1870-1880, als die erste Ausgabe der Werke des 1908 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Erzpriesters Johannes von Kronstadt erschienen war, kam es zu Auseinandersetzungen. Theophanes der Klausner nahm gegen Johannes Stellung, liess aber sehr bald von seinem Widerstand ab. Die Anhanger der neuen Lehre verlegen die Anfange des Strei- tes in die Mitte des 19, Jahrhunderts und fiihren sein Entstehen ~ ahnlich wie spater Florovskij - auf den Einfluss der westlichen, lateinischen, nach ihrer Meinung nominalistischen Theologie zuriick, deren hervorragenden Vertreter sie u. a. in Barlaam Calaber, dem bedeutenden Gegner des theologischen Palamismus, erblicken (*). Die Vertreter der beiden Parteien bringen gegeneinander ver- schiedene Anschuldigungen vor. Die Verehrer des Namens werden des Pantheismus beschuldigt, magischen Aberglaubens, des Gét- zendienstes, der Vermengung von géttlicher Wesenheit und Ener- gie, des Dytheismus, des Eunomianismus, des Barlaamismus, der Falschung von Texten, des Mangels an Wahrhaftigkeit und des sy- stematischen Gebrauchs der Liige (). Die Verehrer des Namens legen ihren Gegnern Subjektivismus zur Last, Rationalismus, Nominalismus, Barlaamismus, ungenaue Ubersetzung und schung (‘). () TRrorekryy, S. 172 ff, Exzb, Nikon im Art, Masodw, Vgl. unten S. 370, Anm, 2 ff. (*) Haacaasie, S. 79-80, () Vgl. Troree2y, S. 148-149; 176, Kol. 1. - Vgl. auch unten S, 361 f (*) Vgl. Huacaasie, 8. 65 f. Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 325 2, Die Parteigénger dev Géttlichkeit des Namens. Hilarion. Der Verfasser des Buches « Auf den Bergen des Kaukasus », das Anlass zum Ausbruch des Streites gab, war zuerst Monch im tussischen Athoskloster des hl, Panteleimon, dann in einer Toch- tergriindung dieses Klosters, benannt Neu-Athos Simono-Kana- nickij-Kloster (1). Da er sich nicht eingewohnen konnte, verliess er - ohne Segen seines Oberen, wie einige erzahlen - den Heili- gen Berg uad begab sich in die Einsamkeit des Kaukasus (?). Einer seiner kaukasischen Mitm6énche, dem Hilarion das Manuskript ' seines Buches zur Durchsicht gegeben hatte, bat ihn, das Buch , nicht zu verdflentlichen, oder, falls er dies dennoch vorhabe, wenig- ,Stens zwei wesentliche Anderungen anzubringen: er solle nicht _behaupten, 1. dass der Name Jesus Gott selber sei, und 2. dass ,jener, der sich das Jesusgebet nicht zu eigen mache, nicht kénne ‘ gerettet werden (?). Da Hilarion nur auf dic zweite Behauptung zu verzichten bereit war, sagte ihm der befreundete Monch Kummer und Zwietracht voraus (*). Hilarions Buch, das u. a. sehr lebendige, anschauliche Natur- betrachtungen enthalt, die der Seele zum Aufstieg 2 Gott ver- helfen kénnen, verfolgt, wie zu Beginn des Vorworts gesagt wird, den einzigen Zweck, das Jesusgebet méglichst vollstandig zu erklaren (). « Jesusgebet nennen wir nichts anderes als die andach- tige Anrufung des erlésenden Namens unseres Herm Jesus Chri- stus - zu jeder Zeit, bei jeder Beschiftigung und an jedem Ort, wie ein jeder es vermag, seinen Kraften, seinem Hifer und Gut- diinken entsprechend » (*). Ehrlich gesteht der Verfasser, da er nur vom Jesusgebet handeln und sich nicht iiber das gesamte () Am Schwarzen Meer gelegen, am Fusse des Kaukasus. L. 1 DENsov, Mpasocaasuse onacmupu Pocciiicxo Uanepiu, Moskau 1908, S. 367-369. () Pacnomry, S. 5. (*) Vgl. jedoch unten $. 326. Anm. 3. (*) Pacuomyy, S. 6. () Wir zitieren nach der 2. Auflage; S. V. (*) Ebda, - Auf der gleichen ersten Seite des Vorworts wird auf das Leben des heiligen Gregorius Palamas, in der russischen Dobroto- Ijubie im 5. Band, verwiesen. 326 B. Schultze S. J geistliche Leben verbreiten will, die ganzliche Einscitigkeit seines Unternehmens, das auch keinerlei Anspruch ethebe auf Gelehrsam- keit oder eine der zeitgenéssischen Wissenschaft entsprechende logische Darlegung des Gedankens (!). Doch wird schon zu Be- ginn betont, dass dies Gebet allein nicht rettet, dass es den Glau- rben und die Beobachtung des ganzen evangelischen Gesetzes voraussetzt, besonders der Gottes- und Nichstenliebe, der Demut usw. (). Anderseits aber ist dieses Gebet doch notwendig, damit iyder Mensch das géttliche Leben in sich trage: « Deshalb sagt auch Symeon der Neue Theologe, dass, wenn wir hier, in diesem Leben den Herm nicht sehen, wir ihn niemals sehen werden: wenn wir uns hier nicht mit ihm vereinigen, werden wir uns niemals mit ihm vereinigen. Doch den Herm sehen und sich mit ihm verei- nigen ist ohne gnadenhaftes Gebet unméglich » (), Die umstrittene Lehre legt Hilarion im dritten Kapitel dar unter dem Titel «Im Namen Gottes ist Gott selbst gegenwartig ». Einer der beiden Starzen tragt sie vor: « Vor allem muss man in sich jene unaban- derliche, sowohl mit der géttlichen Offenbarung wie auch mit den Be- griffen des gesunden Menschenverstandes iibereinstimmende Wahrheit behaupten, dass im Namen Gottes Gott selbst zugegen ist, mit scinem gan- zen Wesen und (allen) seinen unendlichen Eigenschaften. Selbstredend muss man dies geistig verstehen, — mit erleuchtetem Herzen und nicht mit jenem fleischlichen Verstande, der sich unrechtmassig ins geistige Gebiet eindrangt und leiblich geistige Gegenstande 2u ertasten trachtet und, da er sie nicht versteht, einwendet: ‘Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben ?’ (Joh. 6, 52). Oder er wendet auch noch ein, in volliger Unkenntnis der Sache: ‘Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er schonalt ist ?” (Joh, 3, 4). Kann er etwa in den Schoss seiner Mut- ter zuriickkehren und wiedergeboren werden ?’ (Joh. 3, 4). Der Herr aber sagt: ‘Was vom Geiste geboren ist, ist Geist’ (Joh. 3,6), d. h. geistige Gegenstande sind geistig zu verstehen, im Lichte ihrer Erleuchtung durch die Gnade. «Par jeden treuen Diener Christi, der seinen Gcbieter und Herm liebt, der eiftig zu ihm betct und seinen heiligen Namen andachtig und liebevoll in seinem Herzen tragt, ~ ist sein alles schaffcnder, anbetungs- wiirdiger und allmachtiger Name gleichsam (‘) et selber — der alles len- kende Herr-Gott und unser kostbarster Erléser Jesus Christus, vor allen () Ebda., S. XVII-XVIN. (*) Ebda,, S. IX; XVII; ausfilhrlich S. 47 ff. (@) Ebda., S. VII. Dies Gebet ist zur Seelenrettung notwendig und unersetzlich: S. 60. (*) Russisch: Kak 6pr. Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 327 Zeiten vom Vater geboren, mit ihm eines Wesens und ihm in allem gleich. « Anders kann es auch nicht sein. Gott ist ein gedankliches, geistiges, geistiger Schau zugangliches Wesen, und derart ist auch sein Name; in gleicher Weise sind auch unsere Seelen geistige, gedankliche Wesen; nur ist der Abstand zwischen ihnen und Gott unendlich, wie es sich eben zwi- schen Gott und Geschépf geziemt; ‘und auf Grund dieses ganzen Tatbe- standes ist unsere Beziehung zu ihm und geschieht unsere Annaherung an ihn geistig, fir leibliche Augen unsichtbar, durch die inneren Krafte der Seele. Mit einem Worte, alles geschieht auf dem Gebiete des Geistes, wo keinerlei Leibliches am Platze ist. Von diesem Standpunkt her ist nun jedem dentlich, dass der Name des Herrn Jesus Christus unmdglich von seiner heiligsten Person abgetrennt werden kann. Das Wissen darum und um so mehr das Erfiihlen dieses erhabensten Geheimnisses ist derart kostbar in unserem geistlichen Leben, dass es ihm als Mittelpunkt und als Grundlage dient. Gerade deshalb ist davon mit solchem Nachdruck, mit solcher Kraft und Uberzeugung die Rede. « Dieses gittliche Erfithlen gibt unserem Gchete zum Sohne Gottes Kraft, Festigkeit und Freiheit von Zerstreuung, Fs sammelt in einem Punkte - im Herzen ~ all unsere inneren Krafte und durchdringt mit seinem Scin unsere ganze geistige Natur, in der Sammlung und Linheit all ihrer Krafte, wie der Sonnenstrahl das Glas durchdringt. Und unsere Seele, von gittlichem Lichte erleuchtet, das iiberreichlich vor: Herm Jesus ausstrémt, der in seinem allgéttlichen Namen west, steigt nun- mehr gleichsam natiirlich und ohne Schwierigkeit zur hichsten Stufe der geistlichen Vollkommenheit auf. So wird der Mensch in allem geisti geheiligt und mit Gott verbunden. Dies geschieht nun in folgender Weise: «Wenn der Mensch, angetricben durch géttlichen Wink, ohne Trag- heit, mit aller ihm méglichen Anstrengung, ohne Mithen und Zeit zu sparen, bei jeglicher Beschaftigung, Tag und Nacht im Geist oder mit den Lippen den Namen Gottes im heiligen Jesusgebet anruft: ‘Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich iiber mich Siinder ! ’, indem er selbst- verstandlich zugleich hiermit, soweit es in seinen Kraften steht, alle iibrigen Gebote des Ivangeliums erfiillt, in tiefster Selbsterniedrigung und im Bewusstscin seines stindigen Zustandes und scines Angewiesen- seins auf gittliche Hilfe, dann geschieht mit ihm itber kurz oder lang, nach dem Wohlgefallen des Herzenskenners, etwas Wunderbares und (doch) ganz Natiirliches, Der Name des Herrn Jesus Christus wird sozu- sagen gleichsam Fleisch, der Mensch fiihlt deutlich mit dem inneren Ge- fiihl seiner Seele im Namen Gottes Gott selbst.Dieses Erfiihlen des Herm selbst und seines Namens verschmilzt zur Identitat, derzufolgefes unmog- lich ist, eins vom andern zu unterscheiden, Dies wird aber seinerscits verstandlich, wenn man erwagt, dass, wenn der Herr Jesus Christus in seine géttliche Persénlichkeit unsere Natur aufnahm und mit einem ein- zigen Namen Gottmensch heisst, weil ‘in seinem Fleische die ganze Fiille der Gottheit wohnte ’ (Kol. 2, 9), dann zweifellos diese Fiille seiner gétt- lichen Vollkommenheiten auch in seinem hochheiligen Namen Jesus Chri- stus wohnt, Man kinnte so sagen: Wenn sie im Fleische sichtbar wohnte — 328 B. Schultze S. J “Jeiblich ', dann wohnt sie in seinem heiligen Namen dern geistig und nur durch das Herz oder durch den Geist erfahIbar. Und siche da, wenn wir diesen Namen in unser Herz aufnchmen, beriihren wir in ihm, nach einem Worte des hl. Makarius des Grossen, gleichsam das Wesen Christi selbst, seine gottmenschliche Natur; und in dieser inneren tiefsten Herzens-Binigung, die gleichsam eine Verschmelzung des eigenen Geistes mit dem Geiste Christi ist, das heisst mit seiner Gottmenschheit, sind wir mit ihm, nach dem Zeugnis des hl. Apostels, ‘ cin Geist ’ (1 Kor. 6, 17). Wenn wir nun auf Grund dieses ausserst nahen und engen Bundes mit ihm oder diescr Vercinigung, die gleichsam eine Verschmelzung ist, nun unvermeidlich auch an Christi Tigenschaften teilnehmen: an sei- ner Giite, Liebe, an seinem Frieden, an seiner Seligkeit, u. a, — dann verkosten wir fiihlbar, wie gut der Herr ist. Infolgedessen werden wir zweifcllos auch selbst nach dem Bilde dessen, der uns geschaffen hat, gut, sanftmiitig, ohne Falsch, demitig, tragen wir im Herzen eine unaussprech- liche Licbe zu allen und fithlen in uns das ewige Ieben. Und nur ein solcher Mensch, der um seiner Herzens-Verbindung mit dem Herm willen nicht getauscht wird, da er deutlich durch seinen Geist im Namen Jesus Christus seine géttliche Gegenwart fihlt, (ihn selbst), kann vor der ganzen Welt bezeugen, dass der Name des Herrn Jesus Christus er selber ist, Gott der Herr; dass sein Name nicht trennbar ist von seinem heiligsten Wesen, sondern mit ihm eins ist, indem er sich hierin nicht auf Verstandeserwagungen stiitzt, sondern auf das Gefiihl seines vom Geist des Herrn durchdrungenen Herzens. «Hierher gchért das Wort des hl. Apostels: ‘Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich’ (1 Joh, 5, 10), Natiirlich handelt es sich hier um ein Erfithlen der gnadenhaften Gegenwart des Herrn Jesus im Herzen, d. h. im Tempel des innercn Menschen, um ein glaubhaf- tes Ethorchen und greifbares Erfithten; ganz genau so vernimmt auch der, welcher ‘in sich die innere Gebetswirkung durch den Namen des Herm Jesus erfahrt, deutlich in seinem Herzen Jesu erlésende Gegenwart, sein Leben und sogar, wenn man sich so ausdriicken darf, gleichsam seinen Atem. Eben in cine solche ganz nahe Vereinigung mit dem Herrn versetzt uns das Jesus-Gebet. In diesem Namen ist das ewige Leben, denn in ihm ist der ewige Gott mitzugegen und gegenwartig. «Nach den Worten der heiligen Vater gibt es keine innigere Eini- gung als die, welche zwischen Gott und unserer Seele stattfindet. Dies geschieht am innigsten und fiihlbarsten beim inncren Jesusgebct, in dem unser Geist gleichsam mit dem geistigen, unsichtbaren Wesen des Herm Jesus Christus sich auflésend verschmilzt (1), «Diese Liebe oder dieses géttliche Gedenken, das einen Ausdruck im Gebete findet, vereint notwendigerweise unseren Geist mit dem Herm “in eins’: eine Einigung, in der wir, durch unsern Geist an seinem gott chen Wesen teilhabend, Teilhaber am géttlichen Leben werden » (*) () InaRion, S. 11-13. (*) Ebda., S. 14. Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologic 329 ra we Zum besseren Verstandnis dieses langen, grundlegenden Tex- tes sollen ein paar Worte gesagt werden iiber sein Verhiltnis zur palamitischen Frémmigkeit, iiber seine theologische Pri: iiber die Kchthcit des darin beschriebenen Erlebnisses und iiber die hauptsichlichen Thesen, um die es dem Verfasser geht. Ganz offenbar handelt wie das ganze Buch, so auch dieser Text, von der typisch palamitisch-hesychastischen Ubung des Jesusgebetes. Hierzu wird ausfiihtlichste Anleitung gegcben. Zwar ist hier nicht die Rede von der palamitischen Technik (Atemiibungen, Achten auf den Schlag des Herzens, Konzentra- tion auf dic Mitte des Leibes) (+), Wohl aber finden sich die wesent- lichen Elemente dieser Ubung auch hier: die Wiederholung des Jesusgebetes, die Konzentration aller Scelenkrafte im Herzen, die von Christus ausgehende Lichtwirkung oder Erleuchtung, dic geheimnisvolle Hinigung. Zwar hat der Verfasser zunachst die Absicht, die durch Ubung des Jesusgebetes sich vollzichende Finigung des Christen mit Christus zu beschreiben; doch sucht er dieses Erlebnis ausserdem theologisch zu erklaren und (wie wir noch sehen werden) durch Beweise zu erharten. Dabci fallt auf, dass die Darlegung nicht nur, wie in der Hinleitung ausdriicklich bemerkt wurde, Gelchr- samkeit und Wissenschaft ausser acht lasst, sondern eine Reihe (}) Auch sonst erscheint diese Technik bei Hilarion recht reduziert. In den Kapiteln, in denen im cinzelnen die Rede von den drei Stufen des Jesusgebetes ist, Kap. 11-13, S. 47-60, von seiner miindlichen, verstand- lichen und geistigen Verrichtung, wird bei det verstandlichen Verrich- tung bemerkt, man solle die Gebetsworte «yor sich hin » sprechen, vgl. Ps. 15, 8, oder besser in der Brust oder im Halse (S. 55). Die hdchste Art der Vertichtung des Jesusgebetes findet nach Hilarion im Geiste stat, «der mit seinem Inhalt das Seelen-Gefiihl oder Herz durchdringt und den ganzen Menschen geistig macht » (S. 57): «die innerste, tiefste, trau- lichste Seite im Menschen heisst Herz. Sie ist nichts anderes als das innere Gefiihl der Seele oder iiberhaupt die Kraft ihrer Empfindungen, wie auch die Psychologie lehrt, dass wir drei Seelenkrafte besitzen: Ver- stand, Wille und Gefiihl » (S. ror). Wir finden also bei Hilarion diese Dreiteilung der geistigen Seelenkrafte, aber auch die alte Tricho- tomie «Leib, Scele und Geist », die der dreifachen Abstufung des Jesusge- betes zugrunde liegt. ae B. Schultze S. J. theologisch falscher Ausdriicke enthalt. Es ist die Rede von « Chri- “sti Wesen », von seiner « gottmenschlichen Natur », vom « Geiste ‘Christi, d. h. seiner Gottmenschheit », vom « geistigen, unsicht- baren Wesen des Herrn Jesus Christus ». Man hat bei dieser Be- schreibung den Eindruck, als ob der Verfasscr mehrfach vergesse, dass der Mensch kein reiner Geist ist und dass Christus nicht nur die géttliche, sondern auch die menschliche Natur zu eigen hat. Kurz gesagt, die beanstandeten Ausdriicke klingen monophysi- tisch. Doch sind sie gewiss nicht so gemeint; sie lassen sich wohl auch im Zusammenhang richtig verstehen (+). Da die theologisch ungenaue Sprache ja nur ein Mittel ist, das nachtriglich den Inhalt des voraufgegangenen Erlebnisses andeuten soll, bildet sic allein keinen hinreichenden Grund, die Echtheit des beschriebenen Erlebnisses und seinen wahren my- «stischen Charakter zu Jeugnen. Gewiss haben bei Beurteilung der Echtheit zunichst die Normen der Offenbarung und Theologie Bedeutung. Doch muss auch die psychologische Seite beachtet und gepriift werden. Wir schliessen die Méglichkeit der Echtheit des geschilderten Erlebnisses nicht aus. Nur bemerken wit, dass sich Griinde fiir und wider anfiihren lassen und uns deshalb eine *tatsachliche Entscheidung nicht méglich ist. Fit die Fchtheit spricht u. a. der Umstand, dass die Darlegung ruhig und friedlich ist, dass alles Andacht, Frémmigkeit, Glaubensgeist atmet, dass aus allen Zeilen des Buches eine tiefe, echte Christus- und Gottes- liebe hervorleuchtet. Gegen die Echtheit kénnte man vielleicht geltend machen, dass Hilarion seinen Vorgesetzten gegeniiber sich nicht geniigend gelchrig und gehorsam zeigte (falls das diber ihn Berichtcte der Wahrheit entspricht). So scheint es auch nach dem Worte des Herrn: « An ihren Friichten kénnt ihr sie erkennen » ' (Matth. 7, 16; 20) gegen die mystische Begnadigung der die Gott- heit des Namens verteidigenden Athosménche zu sprechen, dass anlisslich der Streitigkciten so viele Menschlichkeiten, Unvoll- kommenheiten und Leidenschaften zu Tage traten. Doch untersuchen wir hier nicht die Frage der Echtheit des Erlebnisses, sondem die Frage nach den theologischen Schluss- folgerungen, die Hilarion und seine Anhianger aus diesem Erleben zogen. Es sind vor allem die drei folgenden: 1. im Namen Gottes ” ist Gott selbst, im Namen Jesu ist Jesus Christus selbst zugegen; () Vgl. unten S. 337; 344. ee Der Namen-Jesu-Streit in der russischen Theologie 33t 2. der Name des Herrn ist (gleichsam).der Herr selber; 3. der Name Gottes und Jesu Christi ist nicht von seinem Wesen trennbar. Hine doppelte Identitat oder besser Verschmelzung wird behaup- tet: die zwischen dem Geiste des begnadeten Menschen und dem Geiste Christi (Teilhabe an der géttlichen Natur) und die zwischen Gottes oder Christi Namen und Wesen (Teilhabe des Namens am Wesen). Wie aus einem Vergleich von Punkt 2 und 3 hervorgeht, wird das Verhaltnis vom Namen zum Wesen bald mehr als Iden- titat, bald mehr als Unterscheidung, wenn auch bei unzertrenn- licher Verbindung gefasst. Die gelegentliche Hinzufiigung des mildernden Wortes « gleichsam » und die Bemerkung, dass von der Gebetserfahrung die Rede sci, scheinen allerdings darauf hinzu- deuten, dass die doppelte Identitat oder Verschmelzung nicht értlich zu nehmien ist, dass es sich um cin in menschliche Worte Potwendig nur ungenau fassbares gnadenhaftes, mystisches Erle- ben handelt. Doch werden anderseits die Identitat von Name und Person und die Géttlichkeit des Namens gewéhnlich derart betont, dass die Behauptungen Hilarions und noch mehr die seiner Anhiin- ger eben dadurch einen dogmatisch-theologischen Charakter anneh- men und deshalb auf ihren Wahrheitsgehalt hin genaucr unter- sucht werden miissen. Zu diesem Zweck ist es angebracht, ein paar grundsiatzliche Erwagungen iiber die Philosophie und Theo- logic des Namens vorauszuschicken, bevor wir unsere Untersu- chung fortsetzen. ate Zur Philosophie des Namens. Im Namen ist gewissermassen die ganze Philosophie enthalten. Im Namen des Menschen steckt die ganze Anthropologie; im Namen Gottes die ganze Theodizee. Die Frage nach dem Wesen und der Natur des Na- mens ist dusserst komplex, Der menschlichen aus zwei Wesensteilen, Geist und Fleisch oder Scele und Leib, bestehenden Natur entsprechend, bil- det das volle menschliche Wort eine Finheit aus je zwei Bestandteilen, einem kérperlichen und einem geistigen: dem dusserlichen, durch die ‘Sprechorgane (Stimmbander, Mund, usw.) hervorgebrachten hérbaren Laut entspricht im kérperlichen Teil die dazu gehdrige Vorstellung und im geistigen Teil das geistige Wort oder der Begriff. Name heisst das Wort nicht sosehr, insofern es eine Ausserung des Sprechenden ist, als viel- mehr, insofern es etwas nennt oder bezeichnet (!). Der Name bedeutet 0) Lateinisch stammt «nomen » von der Wurzel « no », die « notare », «notum reddere » bedeutet. ee

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