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Schlatter: Der Glaube Im Neuen Testament

Autor: Adolf Schlatter (1852-1938) war ein Schweizer evangelischer Theologe und Professor für Neues Testament und Systematik in Bern, Greifswald, Berlin und Tübingen.

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Schlatter: Der Glaube Im Neuen Testament

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XJniversity of Chicago Library


GIVEN BY

Beside the maz7t topic ihis Book also ireats of

Subject No. On paffe Stibject No. Onpage


§1
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DER GLAUBE IM NEUEN
TESTAMENT.
EINE ITERSÜCHÜNG ZUR NElITESTAMENTLlCffl THEOLOGIE.

EINE

VON DER HAAÖER GESELLSCHAFT ZUR VERTHEIDIGÜNG DER


CHRISTLICHElsr RELIGION

GEKRÖNTE PREISSCHRIFT
VON

A. SCHLATTER,
LIC, THEOL. DOZEMT IN BEKN.

II
MtecpoosiDcw^Ti "*

L EIDE N. — E. J. B R I L L.
1885.
llWQi

INHALT.
Seite
EINLEITENDES 1-10
Unfrucht'baxkeit der Reflexionslitteratar über den Glauben j die ge-
scWchtliclie Aufgabe; der Rückblick auf die vorcbristliclie Zeit; die
Darstellung der Gemeinde neben derjenigen der Apostel; das Verhält-
niss der geschichtlichen Untersuchung zum Glauben.

I. Der Glaube vor Jesus 11-105


ERSTES KAPITEL: der Glaube in der Palästinensischen
Synagoge 11- 54

]DN, ]DKJ!, DDK, j'DXn-, die alttestamentliche


Der Begriff von
Beziehung der Treue und des Glaubens auf Gott; die aramäischen
Aequivalente für JIDX und l'DNH; der Glaube an das Gesetz das zer- ;

theilte Lehre; die Koordination von Glauben


Herz; der Glaube an die
und Werken; das Postulat unbedingter Zuversicht; das Glaubenshin-
derniss und seine Folgen; der verborgene Gott; das doppelte Ergebniss.

ZWEITES KAPITEL : der Glaube bei den Griechen und in


der griechischen Synagoge 55-105
Der Grundbegriff von T«r7i5 und ttiittsvsiv; Polyb's Sprachgebrauch;
die juridischeund philosophische ma-rti;; die Ablösung der tt/ö-t/s von
den Göttern; ihre politische Ausbildung; die Parallelen zwischen Po-
lybs Sprachgebrauch und dem semitischen "Wort; die Septuaginta der ;

Eintritt von oc^i^dstx in's jüdische Griechisch; der Glaube bei Josephus ;

seine Definition hei Philo; die Gegensätze gegen den Glauben; seine Ein-
heit mit der Treue; er ist der Lohn der Frömmigkeit; seine Beziehung
auf die Schrift; seine Darstellung an Abraham und Mose; die un-
tergeordnete Stellung des Glaubens im Ganzen des Systems; dessen
jüdischer Charakter.

II.Der G-laube in den Worten Jesu 106-232


DRITTES KAPITEL: Johannes der Täufer ....... 106-110
Das Zurücktreten des Glaubens hinter die Busse in der Taufpredigt.

VIERTES KAPITEL: Die Worte Jesu über den Glauben in


den Synoptikern 111-164
Jesu Eingehn in die Taufpredigt; der Sprachgebrauch von T^tirrtq ;
IV INHALT.
Seite

der Glaube als absolute MacHt über die Welt; die unbegrenzte Zuver-

der Glaube in der natürlicben Lebenssphäre ;


die an Jesus ge-
sicht;
zur messianischen Erwartung; er
richtete Bitte; sein Verhältniss
und Bedingung der Heilung; seine Beziehung auf Jesu ge-

ist Ziel

sammte Thätiglceit, auf Jesu Tod, auf die künftige Errettung; Busse
und Glaube; Glaube und Liebe; der Ursprung des Glaubens aus Gott.

FÜNFTES KAPITEL: der Glaube im vierten Evangelium 165-208 .

Der Sprachgebrauch; die Wahrheit; der Glaube Bejahung


derMes-
sianität Jesu; sein Verhältniss zu Jesu Wort und Werk, zur Schrift
und zum Täufer; die Glaubenshindernisse; Jesu Tod und Auferstehn;
die Bedingungen seines Entstehns; Glaube und Erkenntniss;
Glaube

und Liebe; die Immanenz Jesu in den Glaubenden; der Glaube Em-
pfang des Geists.
SECHSTES KAPITEL: Zusammenstellung der beiden evangeli-
schen Berichte 209-232
Einheit und Differenz zwischen den Synoptikern und Johannes; der
der Glaubens-
verborgene Christus der Synoptiker; ihre Bedeckung
seine Beleuchtung des
raahnung; der enthüllte Christas des Johannes;
der
Glaubens; die Wiederkehr der synoptischen Momente bei Johannes;
Glaubensakt als Grund der beiden Evangelientypen.

III. Die neue Gemeinde der Glaubenden 233-535

SIEBENTES KAPITEL : die Glaubensstellung der apostolischen


Gem.einde 233-304
Der Glaube der
Benennung der Gemeinde; als Hauptmoment
als

christlichen Erömmigkeit; der Schriftbeweis für denselben ; die Genesis


der glaubenden Gemeinde; die Ausbreitung des Sprachgebrauchs; die
des Glau-
psychologische Zweiheit im Glaubensakt; Ursprung und Ziel
bens in Gott; der Glaube durch Christus; seine Auferstehung das
Glaubensmotiv; der Glaube an Christus; er ist Bedingung zum Ein-
gang in's Eeich; der Glaube und das Gesetz; der Glaube als gegen-

wärtiges Gut; die Treue; die Wahrheit; die Synonyme des Glaubens;

Glaube und Busse.

ACHTES KAPITEL; die Paulinische Glaubenspredigt . . . 305-393


Die Darstellung des Glaubens an Abraham; er ist Bejahung des Todes
und der Auferstehung Jesu; der Mangel der Gerechtigkeit als Glau-
bensmotiv; die Antithese zwischen dem Glauben und den Werken ; Glaube
und Gesetz; der Verzicht auf die Gerechtigkeit; die Unfähigkeit zum
Wirken; der Glaube Grund der Kechtfertigung die Gemeinschaft des ;

Todes und Lebens Jesu; der Werth des Glaubens durch Gnade be-
dingt; der Glaube Gottes Wirkung; seine Unerlässlichkeit; sein ethi-
scher Charakter; die Lösung von der Sünde die Begründung der Liebe ;
;

die Erfüllung des Gesetzes; die Nichtigkeit des Glaubens ohne Christus ;
seine AUgeuugsamkeit; die Freiheit gegenüber dem Gesetz; der Gegen-
satz zur Ascese; der Glaube und die ethischen
Imperative die Wurzel ;

des Werks; Glaube und Erkenntniss; die geschichtliche Begründung


des Glaubens ; der Universalismus ; der Glaube als das einigende Prin-

cip für die -Gemeinde.


INHALT. V
Seite
NEUNTES KAPITEL: die Palästinenser 394-451
Der Mangel an Dialektik bei Jakobas ;
die Bejahung der Einzigkeit

Gottes; die TJeberordnung des Glaubens über alles Irdische; der Tod
des Glaubens ohne Werke; seine Vollendung aus den Werken; seine
Verletzung durch Verachtung- des Armen; er ist Sieg in der Anfech-
tung; der Glaube in der Bitte; die Antithese zwischen Glaube und
Begierde; das Gesetz; das historische Motiv der Polemik; der Kon-
flikt mit Paulus in Antiochien; die Betonung der Glaubensfreude bei
Petrus; Glaube und Hofien; die christliche Pflicht die ethischen Wir-
;

kungen Gottesgemeinschaft in der Gemeinde bei Johannes; die


der

Gegenwart Jesu in der Gemeinde ; die Einheit seiner Erscheinung ; der


Glaube der Sieg über die Welt.

ZEHNTES KAPITEL : der Hehräerbrief 452-475


Der Glaube Gegenständ der Apologie; seine Definition; sein sach-

licher Inhalt
; das ihm gegebene göttliche Zeugniss; seine Begründung
durch den Schöpfungsakt; der Beweis aus der Geschichte; der Anfänger
und Vollender des Glaubens; der Unglaube; die^ Furcht vor Gott,

ELFTES KAPITEL: der Glaube und die Gnosis 476-488


Die Betonung des guten Werks ; die natürliche Pflicht ; der Werth
des guten Werks vor Gott; die Gnosis Zerstörung des Glaubens; der
Glaube Bewahrung der empfangenen Lehre.

ZWÖLFTES KAPITEL: die Resultate der apostolischen Predigt 489-535


Das Verhältniss zur Synagoge; die Genesis des Paulinismus; Jakobus
und Paulus; Johannes; das Ziel Jesu.

ERLÄUTERUNGEN 536-585
Die Benützung der jüdischen Litteratur; Polybs Sprachgebrauch von

m^arrt/;;
Philo's Sprachgebrauch; Mths. 33, 23; die Schwankungen

der synoptischen Parallelen; der objektive Genitiv an ma-ri^; die


Präpositionen bei ma-TSvstv; hxfcpidyimt; Luk. 18, 8; Luk. 7, 47;

ä^tjQi^Q und oi^.fiö(v6Q bei Johannes; der Sprachgebrauch von Tria-Tti;

in den Briefen; Eöm. Rom. 4, 17—21; Rom. 4, 2;


6, 8; xKotj und
vTTXxoii TTfo-TSioi;; 2 Kor. 4,18; Eöm. 12, 6; vTrötrraa-ig-

REGISTER 586-591
EmLEITENDES.

Unfruchtbarkeit der Reflexionslitteratar über den Glauben — die ge-

schichtliche Aufgabe — der Rückhlick auf die vorchristliche Zeit — die Dar-

stellung der Gemeinde nehen derjenigen der Apostel — das Verhältniss der

geschichtlichen Untersuchung zum Glauben.

Der Macht, mit der Wort und Begriff: Grlaube in den Ge-
schiclitslauf eingegriffen haben entspricht eine ausgebreitete Litte-
,

ratur, die sich mit demselben in philosophisch-dogmatischer Re-


flexion beschäftigt, die jedoch ihrem Erkenntnisswerth und ihrer

praktischen Fruchtbarkeit enge Grenzen gezogen fand. Die innern

Vorgänge, welche durch das Wort Glaube vom übrigen seeli-

schen Geschehen abgegrenzt und fixirt werden, enthalten aller-

dings ,
ob sie im menschlichen Zusammenleben oder in Richtung

auf Gott zu Stande kommen, ein sehr bedeutsames Problem in


sich. Die Frage nach den Bedingungen und dem Verlauf jener

Willenssynthesen, durch welche das Ich sich selbst einem Du


gegenüber öffnet oder verschliesst Gemeinschaft stiftend oder
,

verhindernd, und nach dem Verhältniss der Abhängigkeit und


Unabhängigkeit ,
in welchem, dieselben zur Wahrnehmung stehen ,

berührt ein Grundphänomen des geistigen Lebens; aber unsere

psychologische Analyse ,
zumal wenn es sich um Vorgänge han-
delt, die der Sphäre des WoUens angehören, steht bekannt-
lich rasch an ihrem Ende. Noch hinderlicher freilich war jenen

Erörterungen über Glaube und Wissen u. dgl. eine Selbsttäu-

schung über den Grund der jenen Synthesen Macht und Wirkung
,
2 DEB GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT.

giebt. Dieselben operiren


in der Regel an einem abstrakten Glau-

bensbegriff, in welcbem vom vertrauenden Verhalten der Bezie-


der ihm seine konkrete Be-
bungspunkt desselben abgelöst ist,
stimmtheit giebt und nun wird übersehen dass die Untersuchung
,
,

dadurch zugleich von dem abgezogen ist was dem Glauben Kraft
,

und Wirkung giebt. Diese


haftet am Wesen und Wirken dessen ,

dem das Ich sich vertrauend öffnet, und nicht am formalen

Verlauf des psychischen Processes. Sie kann darum im Glau-

bensbegriff niemals entdeckt werden, wenn er zu einem leeren

Formbegriff geworden ist, der nur den gesetzmässigen Verlauf

der Relation, in die wir durch Glauben treten, zu bestimmen

sucht, von der Realität aber, auf die das glaubende Verhalten
bezogen ist , abstrahirt. Die Frage nach Grund und Recht Werth ,

und Kraft irgend eines Glaubensakts ist von der Frage nach
Wesen, Kraft und Wirkung seines Objekts abhängig und nicht
durch Erörterungen über den formalen Verlauf des Glaubensakts
beantwortbar.
Weit fruchtbarer zur Klärung der Fragen, die sich für unsre

Zeit an den Glauben knüpfen, ist die geschichtliche Untersu-

chung ,
wie und wodurch das Wort Glaube zu seiner machtvollen

Stellung im geistigen Leben der Menschheit kam. Es geschah


diess durch die Ereignisse, welche die neutestamentliche Ge-

meindebildung bewirkten. Wenden wir Untersuchung auf


die

das, was uns das neue Testament als Glaube vorhält, so ver-
zehrt sie sich nicht an einem leeren, abstrakten Pormbegriff,

sondern siean konkrete, aktuelle Glaubensbethätigung


tritt

heran, durch welche der Glaube in seiner Vollständigkeit mit


seinem Grund und Objekt und darum auch mit seiner Wirkung
und seinem Werth zur Wahrnehmung gelangen kann. Und zwar
liegt er uns hier in göttlich begründetem, normativem Vollbe-
stande vor. Wenigstens ist auch für denjenigen, der den Offen-

barungszweck der neutestamentlichen Ereignisse und Lehrbildung


und den in ihm begründeten normativen Charakter der neutes-
DIE GESCHICHTLIOHli ATJPGABB. 6

tamentlichen Schrift vorerst in Frage stellen will ,


dies unverkenn-
bar: der Glaubensbegriff des neuen Testaments ist geschichtlich
die Ursache, dass Glaube für immer zum Grundwort der Fröm-
migkeit wurde und die Wahl zwischen Religiosität und Irreli-

giosität sich zur Entscheidung zwischen Glaube und Unglaube


gestaltet hat; so wird hier die Stelle gefunden sein, wo sich

der Einblick in Werth und Wesen des Glaubens öffnen muss.

Der Zweck der folgenden Untersuchung ist somit Darlegung


dessen, was das neue Testament Glaube nennt. Das Datum,
welches sich der Beobachtung zunächst darbietet, ist das Wort
und unsre nächste Aufgabe somit sprachgeschichtlicher Art; wir
haben der Bewegung, in welche das Wort Glaube in der neute-
stamentlichen Periode versetzt worden ist, nachzugehn. Diese
ist aber von der Gedanken- und Lehrbildung abhängig; denn

diese ist Motor, welcher das Wort in Bewegung versetzt


der

und ihm eine Geschichte giebt. Die sprachgeschichtlichen Vor-


gänge werden nur durchsichtig durch die Geschichte des Be-
griffs, und die Aufgabe bestimmt sich somit dahin, einen Ab-

schnitt aus der neutestamentlichen Lehrbildung zu verstehn. Diese

weist wiederum auf das göttliche Handeln zurück, aus dem die

neutestamentliche Gemeinde mit ihrer Lehre und Schrift entsteht ,

und der Schlusspunkt der Untersuchung wäre somit diess ,


dass
der neutestamentliche Glaube in seinem göttlichen Grund und
Eecht erkennbar wird. Die Kategorien: Empirie, welche den
Thatbestand wahrnimmt ,
und Spekulation ,
welche denselben be-

greifend durchblickt, drücken, wenn sie auch unterschiedne


Funktionen des Erkennens benennen doch wie alle Eintb eilungen
,

des geistigen Geschehens in einzelne Vermögen oder Punktionen ,

nur einen relativen Gegensatz aus; im reellen Erkennen sind


sie nicht durch eine Scheidewand getrennt, sondern bedingen

sich gegenseitig und kommen nur in und mit einander zur


Vollendung. Einer Geschichte der neutestamentlichen Begriffe,
welche dieselben nur statistisch benennt und chronologisch ordnet ,
4 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT.

fehlt der Kopf ;


verstanden ist der neutestamentliche Glaubensbe-

griff erst dann, wenn er in seinem Grund erfasst ist und dieser

findet sich in Gott. Eine Voraussetzung, welche die Freiheit

und Unbefangenheit der Untersuchung bände, ist damit in


keiner Weise aufgestellt: ihr Resultat darf lediglich aus ihr selbst

erwachsen. Gerade dann, wenn die neutestamenthche Begriffs-

bildung nur als Produkt zeitlich menschlicher Faktoren dar-

gestellt ,
an ihr negirt wird ,
also die göttliche Kausalität — und
die Ignorirung Gottes hat seine Negation in sich - wird die

UntersuchuDg von vorn herein in eine dogmatische Prämisse


geknechtet, da negative Dogmatik doch wohl auch Dogmatik

ist, es fi'ägt sich nur ob richtige,

Glaube ist ein inneres Gesehehn und wir betreten mit seiner

Darstellung das Gebiet der Geschichte. Dieser Begriff findet um


so mehr hier volle Anwendung, weil der neutestamenthche

Glaube, auch nachdem er durch Jesus begründet war, in der


Gemeinde nicht in starrer ünbeweglichkeit existirt, sondern in

eine lebensvolle Entfaltung eingeht ,


in jeder einzelnen apostoli-

schen Gestalt individuell bestimmt. Diese Mannigfaltigkeit ent-

springt unmittelbar aus dem Werth, den die menschliche Per-

sönlichkeit in der Individualität ihres Lebens vor Gott hat. Wir


haben an dieselbe keine Postulate zu stellen, weder im Sinne
einer mechanischen Einheit, als müsste sich derselbe Glaubens-

begriff überall im neuen Testament wiederfinden, noch haben


wir den Gegensatz zu postuliren wie es jene Metaphysik that
, ,

die ohne den Gegensatz kein Princip der Bewegung besass; wir
haben überhaupt nicht zu postuHren sondern wahrzunehmen,
was geschehen ist. Wenn die Geister nach Gottes Ordnung ein
individuelles Leben führen ,
so werden wir auch in ihrem Glauben
Mannigfaltigkeit finden, doch wird ihr die Einheit nicht fehlen,
wofern ihr eigenartiges Leben in Gott ist. Die For-
begründet
mel; Einheit in der Verschiedenheit hat realen Grund, sie

beruht darin, dass der eine Gott einer Vielzahl von Person-
DEE EÜCKBLTCK AUF DIE VORCHRISTLICHE ZEIT. 5

lichkeiten, von denen jede ihr eignes Leben bat und baben soll ,

innewirkt.
Es wäre für unsre TJntersucbung eine wesentlicbe Erleicb-

terung, wenn die Ansiebten über die litterarbistoriscben Yer-


neuen Testaments weniger zerspalten und verworren
bältnisse des

wären; denn das ürtbeil über den Gang der Lebrbildung ist
wesentlicb durcb dasjenige über die Gescbicbte der neutestament-

licben Sebriften bedingt. Können wir aucb viele Einleitungsfragen

offen lassen , ganz lässt es sieb docb nicbt vermeiden ,


dass sieb

die Darstellung in Positionen stellen muss, die kontrovers sind,


obne in die Erörterung derselben eintreten zu können ^).
Nun
ist abei die Litterargescbicbte des neuen Testaments von der Ge-
scbicbte der Lebre nicbt weniger abhängig als diese von jener,
denn die Geschiebte der Lebre bat das neutestamentlicbe Scbrift-
tbum erzeugt und gestaltet, wie denn schliesslich für das TJr-

theil über Verfasser und Zeit einer Schrift das Yerständniss


ihres Inhalts das wichtigste Moment ergiebt. Die Einleitung
ist ihrerseits auf die neutestamentlich theologische Arbeit ange-
wiesen und wird durch Reinigung von einer beträcht-
sie die

lichen Zahl unrichtiger Prämissen erhalten die nach und nach ,

traditionell zu werden drobn.

Für die geschichtliche Betrachtung ist es nicht unwichtig,


zunächst festzustellen, wie sich Wort und Begriff Glaube vor
der christlichen Gemeinde gestaltet haben und zwar in den
beiden Gebieten, in welche die Gemeinde hineinwuchs, in der
Synagoge und im Griechenthum. Dieser Rückblick beeinträchtigt
den neu anhebenden, original schaffenden und gebenden Cha-
rakter der Tbätigkeit Jesu nicht. So wenig sich Jesus aus der

1) Zu den Fragen die ich offen lasse, gehört das Verhältniss der Pastoralbriefe zu
,

Paulus und die Frage nach der Identität des Apokalyptikers mit dem vierten Evan-
gelisten.Keiner ernsten Kontroverse fähig scheint mir die Einordung des vierten Ev.
und ersten Johannishriefs in die Palästinensische Gruppe, da ja die Sprache heider

Schriften ein ununterhrochner Aramaismus ist. Schwieriger ist die Frage hinsichtlich
des ersten Petrushriefs; seine Uncchtheit scheint mir nicht wahrscheinlich gemacht.
6 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT.

deduciren lässt so we-


vorangelienden Gestaltung der Geschichte ,

nig verhält er sich zu derselben nur verneinend


und abw^eisend
mit Abbruch jedes Zusammenhangs. Der vorhandne geistige Be-
sitz wird einer gründlichen Reinigung aber nicht der Beseiti-

gung und Zerstörung unterworfen, vielmehr senkt er seine


Wirkung hinein in das naturhaffc Gegebne und geschichtlich
Gewordne, er zieht darum die "Wahrheitselemente in demsel-
ben an sich und giebt sich in ihnen sein Organ. Es baut sich
das ganze Lehrwort Jesu und darum auch der Begriffskreis
der Gemeinde aus den Materialien auf, die in Israel herausge-

bildet waren, so dass kein einziger neutestamentlicher Begriff


ohne Vorbildung in der Theologie der Synagoge ist. Dieses
geistige Medium ,
in dem sich die Thätigkeit Jesu und das Leben
der Gemeinde vollzogen hat ,
wird dann wahrnehmbar wenn über
,

den vorhandnen sprachlichen und begrifflichen Besitz ein Inven-


tar aufgenommen wird ;
damit stellt sich zugleich die principielle ,
Neues gebende Bedeutung der Thätigkeit Jesu deutlich ins Lieht.
Dazu bedürfte es freilich der philologischen Vorarbeiten und
nur mangelhaft vorhanden.
diese sind sogar auf griechischem Gebiet

Der sprachgeschichtliche Standpunkt unsrer Kommentare charakte-


risirt sich dadurch dass für auffallende Worte und
,
Wendungen aus
den Tragikern ,
aus Plato etc. Belege beigebracht werden; d. h. man
arbeitet mit dem Material des IVten Jahrhunderts, welches unter dem

Gesichtspunkt gesammelt wurde die Klassicität des neutestamentli-


,

chen Griechisch fest zu stellen, und der üebergang von diesem


ästhetischen Gesichtspunkt zur geschichtlichen Betrachtung der
neutestamentlichen Gräcität, welche dieselbe nicht mit einzelnen
Mustern ästhetisch vollendeter Rede, sondern mit der lebenden

Sprache ihrer Zeit und Umgebung in Beziehung setzt, vollzieht


sich nur langsam. Der
Synagoge wandte sich die Arbeit vollends
erst neuerdings wieder zu. Wird ein geschichtlicher Rückblick

angestellt, so pflegt man auf das alte Testament zurückzusehn


und etwa noch auf die Septuaginta und die Apocryphen, als
DIE DARSTELLUNG D. GEMEINDE NEBEN DERJENIGEN D. APOSTEL. 7

gäbe es keine Rabbinen, Pharisäer und Synagogen, als wäre das


Israel Jesu und der Apostel nicht längst schon die Heimath

geworden, die den Schriftinhalt nicht


einer theologischen Arbeit

nur als Satzung für das Handeln sondern auch als Begriff und
System für den Gedanken auszugestalten strebte. Diese Arbeit
ging irre, aber sie war wie mit grosser Kjraftanstrengung so
auch mit eminentem Erfolg durchgeführt, denn sie umspannte
Denken und Leben des gesammten Volks sogar bis in die Diaspora
kinaus. Auch der Sprachwechsel ,
der sich auf Palästinensischem

Boden vollzogen hat, wird gewöhnlich ignorirt und neben das


alttestamentlich hebräische Wort unmittelbar das griechische
des neuen Testaments gestellt ; nun wirkte zweifellos das Schrift-

wort in seinem eignen originalen Bestand fort und fort auf den
Gedanken der Synagoge ein, aber ohne Bedeutung und Folge
war es darum keineswegs, dass das Israel Palästina's sein Ge-
dankenleben nicht mehr im alten Sehriftwort sondern in ara-
mäischer Rede lebt. Ich weiss sehr wohl, wie ungenügend der
im folgenden gegebne Versuch ist, sowohl das griechische Trlo-rig

als das der Synagoge zur Darstellung zu bringen er dürfte


pDTI ,

aber wenigstens den Werth eines Wunsches haben der auf eine
,

wenig gepflegte aber nicht unwichtige Seite der neutestament-


lichen Arbeit zielt.

Innerhalb des neuen Testaments sondern sich sehr bestimmt


Jesu Lehrthätigkeit und diejenige des Apostolats, und doch
hat der ummittelbare üebergang von Jesus zu den einzelnen

Apostelgestalten oft eine schädliche Verzeichnung des historischen


Bildes mit sich geführt. Die Lehrthätigkeit der Apostel vollzieht

sich inmitten einer Gemeinde, die mit ihnen und unter sich
in einer gemeinsamen Üeberzeugung geeinigt ist.
Allerdings
entsteht dieselbe erst durch die apostolische Predigt; aber
auch diese durch jene bedingt. Keine Schrift des neuen
ist

Testaments wendet sich an nicht christliche Leser, alle sind für


die Gemeinde geschrieben und darum auch aus dem ihr ge-
8 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT.

meinsamen Gedankenkreis heraus. Auf dieses Gemeingut der


muss die Aufmerksamkeit nicht weniger
Gesammtgemeinde
gerichtet sein ,
als auf die individuelle Besonderheit der einzelnen

apostolischen Männer; ist dasselbe auch nicht überall mit zwei-

felloser Sicherheit zu fixiren, so ist es doch nicht unmögHch,


die durchgehende Stellung der apostolischen Christenheit wahr-
zunehmen und darzustellen; die Briefe geben in ihren überall

wiederkehrenden Grundgedanken hierüber lehrreichen und deut-


lichen Aufschluss. Werden die Apostelgestalten von der Gemeinde,
in der sie leben und für die sie denken und reden , isolirt ,
s-o

erhalten die einzelnen Lehrbildungen nothwendig ein abstrakt


theoretisches Gepräge, sie sinken ihres Grundes und Zweckes
beraubt zu blossen Gedankengebilden herab. Nur so konnte
man die Berührungen zwischen ihnen in lauter litterarische Be-
nützungen umsetzen und die Briefschreiber mit einer Bibliothek

ausstatten, aus der sie allerlei Citate entnehmen, weil man ig-
norirt ,
dass sie in einer Gemeinde lebten die von denselben
,

Gedanken durchdrungen ist und eine einige Sprache führt. Darum


verwandelte sich, was mit und neben einander in derselben Ge-
meinde lebt und zusammen ihren Reichthum und ihre Kraft

ausmacht, in einander ablösende Perioden, als müsste Paulus


zuerst begraben und vergessen sein, ehe ein Petrinischer Brief
oder der Hebräerbrief möglich wäre u. s. f. Mit dergleichen Fik-
tionen projicirt mau nur die eigne Situation des Exegeten in
die Geschichte zurück ; dieser liest allerdings den Petrusbrief nach
dem Römerbrief und den Hebräerbrief nach dem Petrusbrief
und vermittelt sich ihre Gemeinsamkeit durch Yergleichung
der schriftlichen Dokumente, aber in Wirklichkeit sind diese
Briefe von einem bewegten und kräftigen Gemeindeleben
umgeben, das, weil es die Persönlichkeit nicht unterdrückte
sondern erneuerte und stärkte, einer reichen Mannigfaltigkeit
von Gedankengängen neben einander Raum gab, und doch alle

aneinander band in einer festen Gemeinsamkeit,


DAS VERHÄLTNISS D. GBSCHTCHTL. UNTERSUCHUNG ZUM GLAUBEN. 9

So sehr das Ziel der folgenden Untersuchung Geschichte ist

in der vollen Objektivität, die allein einer Darlegung den


Charakter der Greschichte giebt, so wenig es sich mir um Dar-

stellung meines Grlaubens handelt, sondern um Wahrnehmung


und Wiedergabe dessen, was durch die Männer des neuen Testa-
ments als Glaube erlebt, gedacht und beschrieben ist, so will
ich es doch nicht unausgesprochen lassen, dass mir das, was
ich an Einblick in die neutestamentliche Glaubeusstellung besitzen

mag, nur im engsten Zusammenhang mit dem, was ich selbst


durch die Gnade Gottes und Christi an Glauben empfangen habe ,

zugänglich geworden scheint ,


wesshalb es mir kaum denkbar ist ,

dass ohne eignes glaubendes Verhalten nur durch Vermittlung


der Phantasie, die auch fremde seelische Zustände nachzubilden
und nachzuempfinden strebt, der neutestamentliche Glaubensbe-

griff durchsichtig werden könnte. Derselbe ist so eigenartig be-


stimmt und die Aussagen über denselben wachsen so unvermittelt
aus dem eignen glaubenden Verhalten der Gemeinde heraus,
dass sie wohl mit ISTofchwendigkeit einen wunderlichen , unver-

ständigen ,
unwahrscheinlichen Charakter behalten , wenn das
Innenleben des Beobachters sich iu gegensätzlicher Richtung
bewegt, wie denn das neue Testament selbst das Bewusstsein
um seine ünverständlichkeit für anders gerichtete Geister ener-

gisch in sich trägt 1 Joh. 3, 1. 1 Kor. 2, 15. Es wäre


ein grund- und rechtloses Urtheil , wenn diese dienende

Mitwirkung der eignen Glaubensstellung an sich schon unter


die Anklage gestellt würde, Alteration des historischen Cha-
rakters der Untersuchung zu sein, als wäre es Förderung und
nicht vielmehr Verhinderung der historischen Einsicht ,
wenn
die aufzufassenden Ereignisse der eignen Erfahrung schlechthin

entzogen sind. Im eignen Erleben des Glaubens an Jesus Hegt


vielmehr die Möglichkeit, der Antrieb und die Ausrüstung zu
wahrhaft geschichtstreuem Verständnis? des neuen Testaments ,

wie denn alle unsre Gedankenbildung und ürtheilsfällung an


10 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT.

eine empirische Basis gebunden ist und sich von ihr nicht lösen
kann. Damit ist zugleich gesagt, dass alle solche Untersuchun-

gen weit hinter ihrem Ziele zurückbleiben und den Glaubens-


begriff der Schrift niemals zu erschöpfender Darstellung bringen ;

derselbe geht in der Fülle, Klarheit und Geschlossenheit, mit


der er das Verhalten zu Gott in seinem Grunde , Yerlauf und

Erfolg auffasst, zweifellos noch weit über das hinaus, was die

folgende Darstellung hervorheben kann.


I.

DER GLAUBE TOK JESUS.

BESTES KAPITTEL:
Der Glaube in der Palästinensischen Synagoge.

Der Begriff von ]DN, |OKJ, HDK, |'DXn —


die alttestamentliche Beziehung
der Treue und des Glaubens auf Gott —
die aramäischen Aequivalente
für flDJ? und
j'DXH
— der Glauhe an das Gesetz —
das zertheilte Herz —
der Glaube an die Lehre — die Koordination von Glaube und Werken —
das Postulat unbedingter Zuversicht — das Glaubenshinderniss und seine

Folgen
— der verborgene Gott — das doppelte Ergebniss.

Unser »Glauben" geht durcli das neutestamentlielie mirTsveiv auf


das alttestamentliche »fest sein am Herrn" Hin''!! zurück.
pu3^?n
In seinem primären Stamm besitzt das Verbum, so weit wir
die israelitische Rede kennen ,
als Aktivum eine ganz specielle
Bedeutung ,
diese aber mit festem ,
volksthümlichem Sprachge-
brauch. "iÜH steht vom Tragen des Bands in der Ausbiegung

des Gewands an der Brust, Klgl. 4, 5. cf. Num. 11, 12.


Ruth. 4, 16, oder an der Wölbung der Hüfte, Jes. 60, 4.

nJOK ist das Weib, welches das Kind seiner wartend mit sich

herumzutragen pflegt, 2. Sam. 4, 4 Ruth. 4, 16 vgl. den er-


weiterten Gebrauch von 2. Kön. 10, 1. 5. Jes. 49, 23.
JDJ^
12 DIB. GLATJBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

Bsfch. Eine durchsichtige Analogie besteht zwischen dem


2, 7.

das Kind tragenden Weib und den das Gebäude tragenden


Pfosten ,
auch sie sind niDDJ*, 2. Kön. 18, 16. Dieser Gebrauch

des Aktivums stellt ausser Frage, dass die an der Wurzel haf-

tende sinnliche Anschauung das Halten und Tragen ist. Der

Begriff stützen entspricht der Wurzel in so fern weniger, weil

die lokale Vorstellung des „unten seins" in derselben schwerlich

mitgedacht ist, und es dürften darum die Begrifie »Grund"


»Fundament" u. dgl. von der Begriffsentwicklung des Stammes
fern zu halten sein ^).

Neben dem aktiven j?p^^


steht das Zustandswort
JDJ^,
es blieb

impersonal ,
und auf einen speciellen Sprachgebrauch beschränkt
als das Wort der Eidesleistung. »Es hält, es gilt" antwortet

der Bescbworne auf den über ihn gesprochnen Fluch und


ebenso bekräftigt der Hörer den Lobpreis Gottes, oder er

bestätigt damit im Gespräch das Gesagte ausdrücklich als

wahr und gültig, 1 Kön. 1, 86. Jer. 11, 5. vgl. 28, 6.


Das aktive Halten zuständlich gewandt wird zur Festigkeit
und von hier aus zur ungefährdeten Sicherheit und unantast-
baren Gültigkeit, analog wie in einem und demselben Stamme
neben dem Schneiden das Kurz sein, neben dem Werfen das
Hoch sein, neben dem Drehen das Stark sein u. s. f. steht.

1) In Bezug auf die Frage, 6h die in ]D^ vorliegende Bedeutung wirklich den Aus-

gangspunkt des Wortes bildet, oder selbst eine Abzweigung ist vielleicht erst vom
Keflexivstamm aus, enthalte ich mich der Vermuthungen; nur daran ist zu erinnern ,
dass der konkrete Charakter einer solchen
Verwendung nicht gegen ihre Ursprüng-
ligkeit spricht. Allgemeinbegriffe sind niemals Wurzeln, nimmermehr erster Inhalt
des Denkens und Sprechens, ihre Herstellung ist vielmehr das Geschäft der fort-
schreitenden Sprachbildung und die
Bewegung der Wurzeln vollzieht sich nicht durch
'

Besonderung eines Allgemeinbegriffs in seine einzelnen Fälle sondern durch Auffindung


von Analogien, die oft höchst phanthasievoll in scheinbar weit von einander ablie-
genden Dingen denselben Vorgang schaut. Wir mögen uns refiexionsmässig den
sprachbildenden Process dadurch verdeutlichen, dass wir von den einzelneu konkreten
Verwendungen des Worts Allgemeinbegriffe abstrahiren, haben uns aber bewusst zu
bleiben dass solche
,
Allgemeinheiten nicht historische Grössen sondern lediglich liillfs-
konstruktionen sind.
DER BEGRIPF VON JDJ^i, DÖK, D^^lÜi^. 13

Zu grösserer Beweglichkeit gelangte der Stamm in der Fe-

mininbildung r\D^ , neben der H^IDK wolil als jüngere Bildung

steht, und im reflexiven Sekundärstamm |DJ^1 Auch in diesen

Worten ist die Grundvorstellung die der Festigkeit, wobei der


Reflexivstamm Produkt der eignen Thätigkeit des
dieselbe als

Menschen oder Dings anschaut: es selbst macht sich fest, es


»hält sich." Der Sprachgebrauch hat eine grosse Mannigfaltigkeit

von Erscheinungen in der Natur und zumal im menschlichen


Leben als Bethätigung von Festigkeit aufgefasst. Nur selten
dienen die Worte zur Bezeichnung eines direkt physischen
Grehaltenwerdens. So heisst das Kind ?D^^J, das an der Mutter

festsitzt, Jes. 60, 4; HilDi^ wird der festgehaltne Arm, Ex.


17, 12; tD^^3 ist die feste Wand, die den eingeschlagnen Pflock

sicher hält Jes. 22, 23. 25 oder das festgefügte Haus ,


das

nicht zusammenfällt, 1 Sam. 2, 35. 25, 28. 2 Sam. 7, 16.

1 Kön.
Jl, 38, wobei die Festigkeit des Hauses übertragen
wird auf die Sicherheit und den Bestand des gesammten Le-

bensglücks. Es »hält sich" aber auch der Bach, der in der


Sommerhitze nicht versiegt, Jer. 15, 18. Jes. 33, 16, die Edel-

rebe, die werthvolle und reichliche Frucht bringt, Jer. 2, 21,


der Weg, der glücklich zum Ziele führt. Gen. 24, 48, das

Volk, das unversehrt die Kriegsnoth übersteht, Jes. 7, 9. 39, 8,

Friede und Wohlfahrt ,


dauerndem Bestände gelangen Jer.
die zu ,

14, 13, der Sohn , der den Yater bestattet nach seinem Willen,

Gen. 47, Verwandte, der dem Stammesgenossen die


29, der

Tochter zum Weibe giebt, Gen. 24, 49, der Bote, der seinen

Auftrag ausrichtet, Prov. 25, 13, der Zeuge, der gültiges

Zeugniss ablegt, Jer. 42, 5. Ps. 89, 38. Jes. 8, 2. Prov. 14,

5. 25, der Kriegsmann, den der König zu jedem Auftrag ver-

wenden kann, 1 Sam. 22, 14, das Weib, das sich dem Ehemann
zu eigen giebt und keinem sonst, Jes. 1, 21, der Richter,
der sich nicht bestechen lässt, Ez. 18, 8. Sach. 8, 16. 7, 9.
14 .BEB, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. 1.

Prov. 29, 14. Exod. 18, 21, der Priester, der Gott dient nach
der Regel seines Priestertliums ,
1 Sam. 2, 35. Mal. 2, 6: sie

alle machen sich für die, mit denen sie in Verbindung stehn,
fest. Das Mass ,
an dem sich das Verhalten dieser mannigfalti-

gen Dinge und Personen als DtD^^ darstellt, ist weder ein ab-

strakt logisches, etwa »Uebereinstimmung der Erscheinung mit

der Wirklichkeit", noch ein abstrakt ethisches etwa der Begriff


der ))Pflichtmässigkeit", sondern wie überall in der Sprache ist

auch hier der das Wort gestaltende Faktor das konkrete Be-
dürfen und Begehren des lebendigen Menschen wenn die Dinge ;

und Personen die auf sie gerichtete Erwartung nicht täuschen,


dann erweisen sie sich als 't'D^l Nur ganz vereinzelt ist das

Mass, an welchem die Festigkeit gemessen wird, statt


Hoffnung
und Begehrung Furcht und Schmerz, so wenn Deut. 28, 59
den Menschen gründlich und lange
die Plage, die quält, |DK!J

heisst, aber auch hier empfängt sie dieses Prädikat in der

B-ede dessen, der sie sendet und diess in der Absicht, dass sie

das Volk schwer treffe, nicht aber im Sinne des Leidenden; er

selbst hätte die Plage schwerlich ?DJ^O genannt.


r v: y•

Im menschlichen Verhalten hat die DDK ihre nächste Stelle

in den gegebnen, bestehenden Gemeinschaftsformen zwischen


Mensch und Mensch; sie erst begründen die Ansprüche und

Erwartungen, denen gegenüber der andre seine Festigkeit zu


bethätigen hat. Sie ist nicht sowohl der die Gemeinschaft stif-
tende als der die vorhandne Gemeinschaft anerkennende und

bethätigende Akt. Daher bildet sie mit IDn ein festverbundenes

Wortpaar, das sich gegenseitig ergänzt. Was '^D^ nennt, die


anhebende ,
in eignem Trieb gebende Güte, liegt zunächst nicht
in dieses fügt andrerseits zu *1Dn das Moment der Kon-
riDt^ ,

stanz hinzu und hebt die Güte über die augenblickliche Regung
des Erbarmens oder die einzelne
Hülfeleistung zu einem blei-
DEE BEGEIFF VON jÜt^3, HD^^, HilÜi^. 15

benden Verband hinauf. Die Sprache lässt dabei in nüK die

geistige und den äussern Thaterweis ungeschieden,


Innenseite
sie denkt keineswegs nur an das was in die Gesinnung fällt , ,

vielmehr sind die thätige Hülfeleistung, die Gewährung des

Versprochenen ,
die Ausrichtung des Auftrags u. s. f. erst recht

riDh? vgl. 'nj;^» riDJ^S Ps. 69, U; man thut nD?? wie man
"IDPi thut, Gen. 32, 11. Ez. 18, 9. Jes. 25, 1. Prov. 12, 22.

Neh. 9, 33; man giebt sie, Mich. 7, 20; man schickt sie, Ps.

43, 3, 57, 4. Ebenso wenig wird die als Festigkeit zusammen-


gefasste Vielheit der Vorgänge in ihre einzelnen Bestandtheile

aufgelöst : das Wohlwollen ,


das für Hass und Neid verschlossen ist,

die Wahrhaftigkeit ,
die nichts verheimlicht und nicht lügt , das

Vertrauen ,
das dem Genossen gegenüber keinem Verdachte Eaum
giebt, die Beständigkeit, die in Glück und Unglück, beim
Fest und in Gefahr dieselbe bleibt, der Muth, der ohne Furcht
dem Genossen zur Seite steht, die Geschicklichkeit, die den
Dienst auch auszurichten weiss und die Hülfe wirklich beschafft,
nicht diess oder jenes, nein all diess zusammen ergiebt nDb?.

Der Sprachgebrauch hob die riDJ< in gewissen Verhältnissen

besonders hervor z. B. am Zeugen. Mit dem Formalbegriff


Wahrheit ist der Gedanke auch hier keineswegs erschöpft; die

Zähigkeit und Treue des Gedächtnisses, die das gesehene un-

vergessen bewahrt, Unbeugsamkeit und Unbestechlichkeit,


die

die der Verheimlichung oder Entstellung der Sache nicht zu-

gänglich ist ,
die sieghafte Kraft des Zeugnisses ,
die sich gegen
Bestreitung und Einrede behauptet und im Spruche des Richters
ihre Anerkennung findet, das zusammen ergiebt des Zeugen

Festigkeit. Ebenso wird sie am Richter hervorgehoben und au


ihm nennt sie jene Festigkeit ,
die auf nichts schaut als auf das

Recht, darum auch das was materiell Recht ist, findet und
schafft ,
und so die auf den Richter gesetzte Erwartung nicht
täuscht. Woran bei der HD^^ des Richters vor allem aus
16 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

gedacht ist, zeigt Exod. 18, 21. Darum wird sie auch dann
besonders hervorgehoben , wenn es gilt einem Armen wider den
Reichen Recht zu gewähren, Prov. 29, 14.
Von solcher Verwendung aus tritt HO^ in gegensätzliche

Beziehung zum Schein. Man erwartet vom dürren Sandboden

kein Wasser und begehrt vom Feinde keinen Dienst. Die Er-

wartung, welcher die Person oder Sache in HÖK entsprechen

soll, setzt in denselben Anhaltspunkte voraus, die sie wecken


und berechtigen; wird sie doch nicht
gab sich der erfüllt, so

Gegenstand einen täuschenden Schein. Daher verdünnt sich DD^?


im Abstraktionsprocess, den die Sprache vollzieht, zu einem
ähnlichen Gedanken, wie er in unserm Wirklichkeit liegt, so
wenn Jeremia sagt: Gott habe ihn ]1D8^5 gesandt, Jer. 26, 15,

oder auf der Sprachstufe der Chronik : ^ID^? ''^l7^^ ein wirklicher

Gott, der es wahrhaft ist, 2 Chr. 15, 3, in den vom Stamm


abgezweigten Adverbien D3Q5^ u. s. f. Die Uebergänge zeigen

Stellen wie Jos. 2, 12: Rabab begehrt ein HÖ^? HlJ^ ein wirk-

liches Zeichen, das, weil es ohne Arglist gegeben und darum


auch bei der Einnahme der Stadt respektirt wird ,
sich dadurch

als ein wirkliches Zeichen erweist, dass es die Hausgenossen


wirksam schützt.

Zugleich verinnerlicht sich der Begriff. Die menschlichen


Gemeinschaftsformen haben ihren objektiven Bestand auch
dann, wenn die aus ihnen fliessende Hülfe verweigert wird
und der von ihnen zu erwartende Dienst sich in sein Ge-
gentheil verkehrt, werden aber dann als leere, äussereForm,
zur Lüge. Der Kläger giebt sich den Schein des Ij;, auch
wenn er lügt, der Richter fungirt und giebt ein ÜÖSi^ü, •
T :

auch wenn er bestochen und sein Entscheid somit das


Gegen-
theil des tSÖE^D ist. So wird r\D'^ zur Negation der Verstel-

lung, der Heuchelei, der nur auswendig angenommenen Form.


DER BEGRIPI' VON [DN^ , TD^^ , ^i")D^^. 17

Sie greift so nachdrücklicli in das Innenleben hinein, und hebt


die dem Handeln entsprechende Richtung der Gesinnung und

des Willens heraus denn nur dann wenn , ,


diese die Basis des

Handelns bildet, ist dasselbe fest. So wendet sich das Wort


zum Begriff: Aufrichtigkeit, Redlichkeit; es wird erläutert als

»die ganze Seele und das ganze Herz", Jer. 32, 41 vgl. 1 Sani.
12, 24; es hat als Synonyme ih'^ D*?, D''Dn, D^S öh neben

sich, Jes. 38, 8. 2 Chron. 19, 9. Rieht. 9, 16. Jos. 24, 14;

oder es tritt der Begriff »gerade" in seine Nähe, 1 Kön. 3, 6.

Hab. 2, 4. Neh, 9, 13; wo keine Krümmung, keine Wen-


dungen und Drehungen sind, da ist die HJ^D^^, Deut. 32, 4.20.

So tritt die HÖ^, so sehr sie zunächst im Handeln des

Menschen ihre Stelle hat, auch in besondre Beziehung zur


Rede. Auch sie erregt Erwartungen ,
welche getäuscht oder
erfüllt werden, auch sie vergeht als leerer Schein in Nichts
oder sie erweist sich als unumstösslich fest, auch sie bietet

Sicherheit bald nur als Mittel zur Befeindung, bald aber in

Wahrheit zu Wohlthat und Hülfe. Desshalb fällt der Sprache

Gewicht darauf, dass auch die Rede DQ^? zu ihrer Eigenschaft

habe-.n^K nS'l, Jer. 9, 4. Sach. 8, 16 vgl. nm flött^, Prov.

12, 19. Jer. 7, 28. x4.uch hier ist das Wort nicht nur Formal-

begriff, der etwa die üebereinstimmung mit dem objectiven


Sachverhalt aussagen würde, auch benennt es nicht nur die
Aufrichtigkeit, die der Innern Gesinnung unverfälschten Aus-
druck giebt, sondern die Rede erhält vor allem aus durch ihre
rechtliche und wohlwollende Absicht ^D^^ zur Eigenschaft.

Der Fluch ,
und sei er noch so sehr der wahre Ausdruck aufrich-
tigen Hasses ,
ist kein HDJ^ "IDI darum , spricht der Fromme nicht

erst mit Worten sondern schon iu seinem Herzen JlDS^, Ps. 15, 2.

Die Festigkeit des Worts liegt nicht nur im Verhältniss des


Redenden zu demselben, sondern auch in der Beziehung des-
2
18 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

selben zum Hörer. Für ihn wird das Wort HDi^ durch, den

Beweis. Wenn Brüder Benjamin nach Egypten holen und


die ,

dadurch das geforderte Wahrzeichen beibringen, dann ^3ÖS'


:i T"

DDnan, dann hält sieh ihr Wort, Gen. 42, 20. Nicht das kon-

stante Yerhältniss ,
in welchem ihr Wort jetzt schon zur Wirk-
lichkeit steht, wird mit diesem yielm ehr erhält
|Di^J ausgesagt,
es die HD^^ erst dann, wenn das als Beweis geforderte Ereig-

niss eingetreten ist. Derselbe Gedanke liegt vor, wenn jÖS^J

von der auf die Zukunft bezüglichen Zusage steht, die sich

dadurch festigt, dass das Versprochene geleistet wird, 1 Kön.


8, 26. 1 Chron. 17, 23 f. 2 Chr. 1, 9. 6, 17, oder wenn
die nDi< als Resultat der genauen Untersuchung dem Worte

zuwächst, Deut. 17, 4. 13, 15. 22, 20, wenn Richter und
Hörer den Zeugenbeweis als gültig anerkennen mit dem Wort
n?D8<, parallel pl!^*,
»er hat Recht", Jes. 43, 9, wenn ein

Wort, an dem man zweifelt, DÖJ^ wird dadurch, dass man mit

eignen Augen die Sache sieht, 1 Kön. 10, 6.

Von hier aus gelangt der Begriff zu einem ähnlichen Inhalt

wie unser »Wahrheit". Jene Festigkeit, die dem Worte durch

Untersuchung, Beweis und eigne Wahrnehmung zu Theil wird,


wächst aus der ursprünglichen bleibenden Beschaffenheit des- ,

selben hervor. Das Wort fällt nicht um, sondern hält sich auf-

recht, wenn es eine Wirklichkeit hinter sich hat, die es aus-

spricht ,
einen Willen , der zu ihm steht ,
eine Kraft ,
die es

realisirt. Die üebergänge im Gedanken zeigen Stellen wie


1 Kön. 17, 24: nach der Erweckung ihres Knaben sagt das
Weib zu Elia: jetzt habe ich erkannt, dass du ein Mann Got-
tes bist und das Wort des Herrn in deinem Munde ist PiD^-
Diese bezieht sich auch hier noch deutlich auf die Durchführung

des Worts in der hinzutretenden Thatleistung , ist aber doch als


die auch schon dem blossen Worte bleibend und von Anfang
DEE BEGRIFF VON nDt^, HIllÜN. 19
|D^?i,

an inliärirende Eigenschaft gedacht. Analog überträgt sich für


den Richter die r\12ii vom Motiv der Urtheilsfällung auch auf

den Inhalt derselben, sie wird wenn sie aus Unpartheilichkeit

und Unbestechlichkeit hervorgeht ,


auch inhaltlich TÜK sein

und haben, sofern sie einen unbestreitbaren, wahren, als Recht

und Gesetz ojffenbaren Spruch fällt. Oder wenn es vom Priester

heisst Mal. 2, 6: in seinem Munde ist HÖK mifl, so einigt

sich in diesem Gedanken wiederum beides: die Beziehung


auf die Aufrichtigkeit und Treue ,
mit der er Gott ergeben
seines Priesterdienstes waltet, und die Beziehung auf die

materielle Richtigkeit seiner priesterlichen Weisung, die dem


göttlichen Willen unverfälschten Ausdruck gab. Wenn aber
weiter Gottes Thora selbst als HDK beschrieben wird, Ps.

119, 142. Neh, 9, 13, wenn sie als Summe des göttlichen Worts,

Ps. 119, 160, als Prädikat des prophetischen Gesichts erscheint,


Dan. 10, 1. 21. 8, 26. 11, 2 vgl. Koh. 12, 10, so ist das

persönliche Moment aufrichtiger Sinnes- und redlicher Hand-


lungsweise im Gedanken des Worts zurückgetreten, diese HDK
ist sachlich gefasst, sie eignet der Weisung in ihrem objekti-
ven Bestand, weil dieselbe in sich selbst wahr und gerecht ist.
Am ausgeprägtesten liegt diese Wendung bei Daniel vor, wenn
der König, der das Gesetz aufhebt und den Höchsten lästert,
die nÜ5< zur Erde wirft, 8, 12, oder wenn die Frucht der

Heimsuchung doppelseitig bestimmt wird als Umkehr von


unsern Sünden und Achtsamkeit auf Gottes ^D^^, 9, 13 hier ;

ist die ^D^5 in objektivem Bestände dem Menschen vorgelegt,


die gegebne Wahrheit und das ihm gestellte Recht in
Israel

ihrer Umwandelbarkeit und heiligen Gültigkeit. In diese ob-

jektive Bahn lenkt übrigens nur pi'D^ ein, während HJlD^^


V v: T v:

dem menschlichen oder göttlichen Verhalten in aufrichtiger


Redlichkeit und zuverlässiger Treue eigen bleibt.
20 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

An einem beschränkteren Kreis von Erscheinungen hat der

Sprachgebrauch die Hifilbilduug festgehalten. Unsicherheit,

Schwankung erfährt der Mensch auch in seinem eignen Innen-

lehen durch Furcht und Verzagtheit , durch Argwohn und Ver-


dacht, durch Zweifel und Sorge. Den Gegensatz zu diesen un-

gehaltenen und unbefestigten Zuständen der Seele, die Bethä-

tigung der Festigkeit nach innen hin durch ZuTersichfc und


Vertrauen nennt ^), X Sam. 27, 12. Eicht. 11, 20.
J'ÖlStn

Prov. 26, 25. Mich. 7, 6. Hieb. 15, 15 , wesshalb es seinen

Gegensatz hat im bebenden Herzen, Jes. 7, 9 und in der

angstvollen Hast, Jes. 28, 16. Nur dichterisch erhält es ein

anderes Subjekt als den Menschen, Hiob 39, 24, wo es auf

die Erregung des ßosses bezogen ist; wenn das Schlachthorn


ruft , T^t2^'' is7 ,
da hält es nicht mehr an sich und bleibt nicht

stehn in ruhiger Festigkeit, Wohl aber kann die Zuversicht

einen sachlichen Beziehungspunkt haben; es glaubt nicht an


sein Leben, wer sich in unruhiger Angst unsicher fühlt, Deut.
28, 66, Hiob. 24, 22. Darum kann sich an das Verbum auch
womit das Wort den Begriff der gewis-
ein Infinitiv schliessen,

sen Erwartung gewinnt wäre ich nicht gewiss des Herrn


:
,

Güte zu sehn, sagt der Psalmist 27, 13 vgl. Hiob 15, 22 und
baut nun darauf den Imperativ : warte auf ihn :
H^p ; diese

verlangende Erwartung hat in jener zuversichlichcn Festigkeit

ihr Fundament. Doch auch in die flüchtigen Verhältnisse, die

das Leben beständig zwischen den Menschen knüpft wie sie ,

schliesslich jede Rede stiftet, tritt beständig ein gewisses Mass

von Vertrauen hinein. So verdünnt sich der Begriff zu dem-

1) ]'PJ>5n
wird als eines der vielen innerlichen Kausative zu fassen sein, das Fest-

sein, welches im Trauen liegt, wird nioht als ruhende Eigenschaft sondern als Her-

stellung der Festigkeit aufgefasst und sofern diese sich auf ein ühjekt bezieht, wird
dieses mit 3 angeschlossen sie ruht auf ihm und haftet an ihm. Vom Standpunkt
:

des Hebräischen aus dürfte dagegen nichts einzuwenden sein. Wie verhält sich aber
die syrische und vollends die arabische Parallelform dazu?
DIE BEZIEHUNG DER TUETJE AUE GOTT. 21

jenigen Trauen, mit dem die Rede eines andern als zuverlässig

aufgenommen wird, 1 Kön. 10, 7. Prov. 14, 15. Gen. 45, 26. Hab.

1, 5. Jer. 40, 14. Jes. 53, 1. Thren. 4, 12. cf. Exod. 4, 1. ff. ^).

Hifilische Nomina wuchsen keine ausdem Yerbum heraus,


es behält in H^lDi^ und nD5< die ihm entsprechenden Nomi-

nalbildungen. Allerdings bieten diese die besondre Weise, in


der das Verbum das menschliche Festsein fasst, nicht für
sich allein sondern eingeschlossen in seinen umfassenderen Be-
griff; njIDK sagt mehr als ?*D^?^,
' besagt aber dieses auch.
T v: •
v: V

Mit |D^^i theilt sich in die beiden Seiten aller Gemein-


pD^H
schaft, Dem Geben hier entspricht das Nehmen dort, der

Aktivität die Reeeptivität, Macht sich der IDJ^J dem andern


dadurch fest ,
dass er in Güte und Hülfe für ihn thätig wird ,

so bethätigt der ^D^^Ü dadurch seine Festigkeit, dass er ihm


vertraut.

Mit centraler Bedeutung tritt der Gedanke: nD8^ Festigkeit

auch in die Gottesanschauung ein. Im lebensvollen Verbände,


in welchem das Volk und innerhalb desselben alle seine Glie-

der zu Gott stehn, wird auch Gott Subjekt der Treue, die er
dem Volke dadurch erweist, dass er »mit ganzem Herzen" an
demselben handelt in einem völligen und fehllosen Werk, Jer.

32, 41. Deut. 32, 4, In ihr ist begründet, dass das Volk von
seinem Gotte nicht nur einzelne Erweisungen von Gunst und
Hülfe erfährt, sondern in ihm eine allzeit vorhandne und wirk-
same Hülf- und Heilsmacht hat; sie giebt seiner Güte die
Konstanz auf tausend Generationen. Die Betonung, die der

Begriff als Eigenschaft Gottes im alten Testament erfährt.

1) In diesem geschwäcMen Gebrauch schliesst es sich Person und Sache, der man

glauht, mit 7 an; nicht das Haften an, sondern die Zuwendung zu derselben kömmt
hier in Betracht und es kann einen Ergänzungssatz mit '3 erhalten Ex. 4, 5. Hiob
9, 16. Einen Akkusativ erhält es dagegen nirgends; Rieht. 11, 30 dürfte Ptii
präpo-
sitionell kräftig gedacht sein.
22 DEB. GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

hängt unmittelbar mit seiner Grundstellung zusammen. Wäre


zwischen Volk und Gott eine naturhafte Zusammengehörigkeit

gedacht, so würde an dieser wie an allem Naturhaften der


Gedanke der Konstanz unmittelbar haften und ein Bedürfniss ,

ihn zu betonen, läge nicht vor. Nun leitet sich aber das Band,
das Gott zu Israels Gott macht, so fest und ausschliesslich es

gedacht ist ,
nicht auf ein Naturverhältniss zurück ,
sondern auf

Berufung und Auswahl der Väter auf die Hülfe die dem Volke , ,

von Gott wiederfuhr auf Bundstiftung also auf Geschichte, auf


, ,

Thaten Gottes, auf göttliches Wollen und Wirken. Jene Geschichte,


welche das Verhältniss des Volkes zu Gott begründete gehört der ,

Vergangenheit an ;
den Vätern gab Gott Bund und Eid ,
sie

errettete er und machte sie zu seinem Erbe; das Bindeglied


zwischen jener Vergangenheit und der Gegenwart des Volks
ist Gottes Treue. In ihr beruht der Werth dessen, was die
Väter erlebten ,
für die spätem Generationen ,
sie giebt dem
einstigen Bundesschluss seine fortwirkende Gültigkeit und
Segenskraft, sammelt sich aus der Prophetie ein
Andrerseits
zunehmender Schatz von Verheissungsworten. Wie die Gemeinde
ihrer Wurzel in der Vergangenheit sich bewusst war, und dort
ihr Verhältniss zu Gott begründet sah, so lernte sie auch hin-

aussehn inZukunft auf ein Ende der Tage, aber auch


die

zwischen dieser Zukunft und der noch so ganz anders gearteten

Gegenwart liegt das Baud in der Treue Gottes, Ps. 89. Auf
sie fällt um so mehr Gewicht, weil das Volk in seiner Abtrün-

nigkeit sein Verhältniss zu Gott beständig zerreist; darum


hängt die Erhaltung desselben allein daran ,
dass Gott in seiner

eignen Festigkeit ihm seine Güte nicht entzieht. Dem zuchtlo-

sen Umherschweifen des Volks steht der Heilige gegenüber als

der, welcher sich fest und treu beweist, Hos. 12, 1.

Zugleich wird die Treue auch Postulat für das Verhalten des
Volks zu Gott; für seinen Dienst war das ganze Herz und die

ganze Kraft gefordert, eben damit aber r\t2^ im Vollsinn des


DIE BliZIEHTJlSr» DER TREUE ATJP GOTT 23

Begriffs, wie er Aufrichtigkeit, Vertrauen, beharrende Bestän-

digkeit, Gehorsam in sich schliesst, vgl. 1 Sam. 12, 24. Jos.

24, 14. Jes. 48, 1. Ps. 78, 8. Noch häufiger erscheint sie in
der Prophetie als das ,
was Gott vom Menschen für den Menschen
fordert, wie denn diess einen der grossen, heiligen Grundzüge

der Prophetie ergiebt ,


dass sie als ersten dringendsten Imperativ

Gottes den Dienst nennt, den der Mensch dem Menschen zu


leisten hat. So erscheint sie als Kardinaltugend bald mit der
Güte verbunden, Hos. 4, 1, bald mit dem B,echt, Jer. 5, 1,
aber auch allein für sich selbst alles nennend, was Gott vom
Menschen will, Jer. 5, 3 vgl. Hab. 2, 4 Jes. 26, 1 ff. Sie

kann diese Stelle erhalten um der das ganze Leben umspan-

nenden Fülle willen, die in ihr zu einer Einheit zusammenge-


fasst ist: sie verzweigt sich in alle Lebensbeziehungen, sie ver-

knüpft Inwendiges und Auswendiges sie umfasst das Herz und ,

das Wort und die That sie reicht hinein ins tiefste Innenleben
,

und spricht von Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Sinns und


erstreckt sich zugleich auf die Thatleistung welche Recht und ,

Güte gewährt, sie ist gegenüber den Menschen zu bethätigen


und gegenüber Gott, und diess nicht als flüchtige vergängliche

Regung, sondern als ausharrende Beständigkeit; so liegt in

ihr ein Ganzes, in der That wie Jer. 32, 41 sagt: 2/ /2

Vertrauen und Hoffnung zu Gott haben sich im alttesta-

mentlichen Israel manches Wort dienstbar gemacht. Die Pro-

phetie und die Psalmdichtung erstrebten, wie sie selbst in star-

ker Zuversicht zu Gott wurzeln, ausdrücklich die Erweckung


und Erhaltung derselben auch in der Gemeinde und bedurften
darum reichlichen sprachlichen Ausdruck für sie, doch T^D^^i*!

wird mit seinen Synonymen verglichen


,
relativ selten von ,

dem Gott hingegeben Vertrauen gebraucht wo es aber erscheint, ;

steht es mit grosser Prägnanz. Etymologie und Sprachgebrauch


24 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

machen diese Erscheinung durchsichtig. Wie die HDi^ in der

schon begründeten und bestehenden Gemeinschaft ihre Stelle

hat, so hat auch ^D^iH Gott gegenüber da seinen Ort, wo er

geredet und gehandelt hat. Für das Verlangen nach Gottes


Hülfe und die Bitte am seine Gaben für jenes Vertrauen das , ,

sich erst hoffend und suchend an ihn wendet, bot sich nicht

TD^^n als zutreffender Ausdruck dar; dafür wird jene Wortreihe

ausgeprägt, die so oft und so energisch in der Prophetie und


im Psalter wiederkehrt, das heisst vTilH und 7n', mp,n3n,
T]Dn zu oder an Gott. Dagegen fordert Jesaja, nachdem er
T T

König und Volk die Leitung Gottes, welche sie sicher durch

die beginnende gefahrvolle Zeit hindurch geleiten wird, ange-


boten hat, nun TÖJ^n 7, 9, und analog braucht die Erzäh-

lung das Wort wiederholt in der Geschichte der egyptischen


Errettung, Ex. 4, 31. 14, 31. Num. 14, 11. 20, 12,
19, 9.
nachdem Gott die erlösende Hülfe dem Volke zugesagt und
auch geleistet hat. So steht das Wort auch von Abraham, Gen.

15, 6, welcher der ihm gewordnen Verheissung ohne Zweifel


und Einrede traut. Sodann liegt in der Festigkeit der Gedanke
an Anstrengung und überwundnen Widerstand; sie wird an
dem Stosse offenbar, den sie aushält und abwehrt. Wie die
gegenseitige Verbundenheit dann als Treue in's Bewusstsein
tritt ,
wenn sie durch Schwierigkeit , Kampf und Opfer hindurch
sich behauptet, so tritt auch die vertrauende Festigkeit Gott

gegenüber dann hervor, wenn er Schwieriges verheisst oder

fordert, und seinerRede Verhältnisse entgegenstehn welche ,

dieselbe als unmöglich und unthunlich erscheinen lassen und


darum Zweifel und Verdacht erregen. Am Glauben Abrahams ,

wie am Glauben und Unglauben des aus Egypten ausziehenden


Geschlechts wie am Glauben
, ,
zu dem Jesaja mahnt , tritt

dieses Moment heraus. Jene ßuhe, die im Blick auf Gott von
der Furcht und Sorge frei und sicher ist, nennt zunächst
DIE BEZIEHUNG DES GLAUBENS AUF GOTT. 25

nt33; pDt^n ist vertrauender Entscheid für Gott wider die von
- T
v; v ' •

ihm abziehenden Eindrücke; es hat die niedergehaltne Versu-

chung in sich.
Gott richtet durch die Prophetie an das Volk sein Wort; so

findet auch jene Verwendung des Glaubens welche in ihm die ,

Aufnahme der ßede andrer denkt, im Verhalten zu Gott ihre


Stelle. Wirft das Volk die Prophetie zur Seite, »so glaubt es

nicht", Jes. 53, 1. Ais Zweck der prophetischen Prädiktion wie ,

sie nur Israel zu Theil wird und den Heiden nicht, wird
darum hervorgehoben: »dass ihr mir glaubt," Jes. 43, 10 —
V nicht '3 —
und zwar in einem Sinne, der deutlich über
die Aufnahme einer einzelnen ,
konkreten prophetischen Aussage

übergreift, da sich daran die Erkenntniss schliesst, dass er sei,

jene prägnante Formel, die den Herrn allein als Gott, ihn
nun aber wirklich als Gott bezeugt. Die göttliche Rede über-

haupt, vor allem aus die, welche ihn selbst in seinem Dasein

und Wesen kund giebt ,


soll als wahr und gewiss erfasst wer-

den, und diess wird hier »ihm glauben" benannt. Verwandt


ist die Jonasstelle 3, 15, welche von den Niniviten, welche die

prophetische Drohung als eintreffend behandeln, sagt: sie glaub-


ten Gott: D^nS^n ^wviri.
Von That und Werk ist solcher Glaube keineswegs ab-

gesondert. In der Glaubensmahnung Jesaja's 7, 9. 28, 16


ist das Vertrauen, welches sich auf die göttlich dargebotne
Hülfe verlässt, das Hauptmoment; dasselbe schliesst aber in

jenen Situationen den Verzicht auf die Hülfe Assurs und


Egyptens, auf Lüge und Treubruch, auf die geheimen, vor
Gott zu verbergenden Pläne in sich und wird so unmittelbar
zur aktiven Treue welche thut was Gott sie heisst. Im Rück-
, ,

blick auf die Geschichte der Wüstenwanderung heben das Deu-


teronom 1, 32. 9, 23 und das zweite Königsbuch 17, 14 das

nicht-glauben als die Sünde der Väter hervor nach Num. 14, 11
26 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

und sie interpretiren dasselbe durch nielit gehorchen, wider-


Nackens und Verwerfung des göttlichen
spenstig sein, Härte des
Gebots; der Unglaube der Väter vollzieht sich in ihrer ünbot-

mässigkeit die der Weisung Gottes nicht gehorcht. Daher wird


,

Ps. 119, 66 der Glaube auf die Gebote Gottes


bezogen:
hielt mich fest an deinen Geboten ihnen
'n^ll^Üp Tl-iD^n, ich ,

vertrauend und ihnen treu. Die Errettung Daniels wird Dan,

6, 24 damit motivirt: er glaubte an seinen Gott; darin liegt


zuvörderst das Vertrauen auf die errettende Macht Gottes ,
allein

das Wort greift wohl zugleich weiter zurück; dass er in sol-

chem Vertrauen die Gebetsübung nicht unterlässt trotz des

Verbots und das Martyrium auf sich nimmt, das heisst: er

glaubte Gott.
Wie TDi^n in solchem Gebrauch zum vollen Begriff, der in

nj^Üi^ zusammen gedacht ist ,


überleitet ,
so kann auch in H^^O^?
T -: T -•;

das Vertrauen zu Gott heraustreten als ihr Hauptinhalt. Die

Prophetie setzt den Menschen vor Gott in eine empfangende


Stellung und darum besteht seine Treue zu Gott wesentlich
darin, dass er ihm vertraut: er stütze sich auf seinen Gott

riÖJ^?
Jes. 10, 20. Das gerechte Volk, welches D*:i^DX be-

wahrt, wird dadurch charakterisirt ,


dass es sich auf den
ewigen Fels verlässt , Jes. 26, 1 ff. ;
denn wer auch im Gericht
über Jerusalem im siegreichen
Babylon aus dem Gedanken an
den Herrn Zuversicht und Ruhe zieht, der bleibt der
treue,
weil er der trauende ist. Auch Hab. 2, 4 giebt der Gegensatz
gegen den vermessenen Ohaldäer

,
dessen Seele in ihrem über-

müthigen Trotze nicht gerade ist, der Treue der Gerechten


einen stark receptiven Sinn; sie besteht in dieser Situation
darin ,
dass sie sich vor solchem üebermnth nicht beugt sondern
an der Verheissung, ob sie auch zögert, festhält. Beide Stellen
verbinden zugleich die HjlDf^ mit der
Gerechtigkeit vgl. Gen.
15, 6, zu der sie ebensowenig in tritt als zur Güte.
Gegensatz
DIE BEZIEHUNG DBS GLA.UBENS Aü¥ GOTT. 27

Wie in den menschlichen Verhältnissen der Mann der JlÖK

derjenige ist, der recht thut und recht hat, also ist, so
p''1)S

ist es auch im Verhältniss zu Gott die HJ^Dt^ ,


welche jenes
T •::

gerade Herz und jene reine Hand ergiebt ,


die man Gott zeigen
kann als Gerechtigkeit. Darum wer sich mit Gerechtigkeit

gürtet, der gürtet sich auch mit n3lD}<?, Jes. 11, 5, und es

ergiebt eine innerlich fest gebundene Begriffsfolge : der Gerechte

in seiner HilD^«, Hab, 2, 4. Ez. 18, 9.

Der hebräische Wort- und Begriffskreis musste in's Aramäi-


sche hinübergeleitet werden, eine Uebertragung ,
die allerdings

durch die Gleichartigkeit beider Dialekte erleichtert war; doch


bildeten gerade die religiösen Begriffe ein speciell hebräisches
Sprachgut, und wurden darum durch diese Wandlung wesent-
lich berührt ').

In Bezug auf liegt die merkwürdige Thatsache vor,


|*D^^^I

dass es unverändert aramäisch fortlebt, ohne dass auch nur


seine hebräische Bildung vollständig aramaisirt würde; die übri-

gen Glieder der Familie ^D^^> Hj^Di^? lÜH^, auch die andern
Yerba der Zuversicht: HLD^,
- H^p, v^nlH wandern nicht hin-
T T •

über ,
an ihrer Stelle entfaltet sich IDE^ ,
das wohl von Haus
aus mehr aramäisch als hebräisch gewesen sein wird, aber doch
noch in's hebräische hineinragt, aramäisch zu einer ausgedehn-
ten Wortfamilie mit dem Begriffe der Hoffnung der stand- ,

haften Erwartung und festen Zuversicht ,


und neben ihm VTH ;

nur erhält sieht ohne Wandlung fort, und zwar nicht


pD^n
nur als religiöser Begriff, sondern mit dem ganzen Kreis der

Verwendung , den das hebräische Wort sich erworben hat *).

1) Ueber die Verwendung der rabbinischen Litteratur für die neutest. Exegese siehe
Erl. 1.

2) Auch, das Aramäische -besass den Stamm |DN theils mit dem Begriff der Bestän-
digkeit und Dauer, theils mit demjenigen des Beschwerlichen, Ermüdenden:
"JD'n
28 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

Mit seiner Form verblieb ihm auch seine Konstruktion. Aller-

dings wird Kausativbedeutung der Form im Sprachgefühl


die

des Aramäers als erloschen za betrachten sein, wäre sie noch

lebendig gewesen, so wäre wohl ein regelrechtes aramäisches


Kausativ gebildet worden ;
nunmehr heisst ^DTI ohne dem

Sprachgefühl lebendige Etymologie, ohne Zusammenhang


mit

seiner Wurzel einfach »trauen". So fern das Vertrauen an


seinem Objekt haftet als in seinem Grund, behält es sein

auch
3. Doch nimmt die Konstruktion von
pDT) mit 7 zu,

in Bezug auf Grott, zum Theil darum weil sich der Grlaube als

der erste anhebende ,


den Anschluss an Gott in sich tragende
Akt darstellt ').

Ergiebt der Abbruch des Yerbums von seiner Wurzel einen


Verlust für das Wort ,
so liegt ein solcher auch in seiner Tren-

nung von seinen Verwandten ;


derselbe wird aber zum Theil

dadurch Avieder ersetzt, dass die Aequivalente für tOJ^H und

nilQ^^ von pD*n aus gebildet werden. Verloren geht der Wort-

gruppe ihre objektive Verwendung, in das Erbe von XIDK, so-


fern es Sicherheit und Wahrheit bedeutet, tritt
t^lS^p »
das ein

Adjektiv ^'^0p, l^'*^p, redlich, wahrhaftig, und ein Abstraktum

neben sich hat. Jenes


')l^^^p, Wahrhaftigkeit, |D^^i dagegen,
das die Treue meint ,
findet seinen Ersatz in ?D*nÜD ; allerdings

steht eigenthümlicH selbständig daneben; gab es ein altes Aramäisches


]D'n oder ist

das T'P'n der Synagoge und das _J^j»(n der syrischen Kirche nur das fortlebende
hebräische ]'p>{n? Ich wage Iceine Vermiithung. Das jüdische Aramäisch bedarf
noch sehr sprachgeschichtlicher Bearbeitung;, wozu auch die Frage gehört, wie weit
der Koran in seinem religiösen Wortschatze von demselben abhängig ist.

1) v'on 7 zum transitiven Gebrauch war der Sehritt für den Araraäer klein; daher
treten gelegentlich die Suffixe an ,
so auch im Hebräisch der Mischna DK TTOH
nnti'J/Dn bv U'DXD U'N Xini ilHH^ 'iDH'V:/ n'jn, Dem. 4, 2. Sur. I, 89; anch ein
Passiv wird gebildet nicht nur im Partie. IP'np sondern auch verbal: die Worte
lUP'nri'. Onlc, Gen. 42, 20.
DIB ATJAMAEISCHBTSr ABQUIVALENTE. 29

ist das Verhältniss beider Formen zu pD\1 nicht völlig kon-

gruent; der ?D5^i war als Subjekt der HilDt^ gedacht in ihrem
T :: V T v:

Vollsinn, wie sie auch das Trauen in sich schliesst; dasselbe


war nicht nur von ihm empfangen sondern auch als von
als

ihm bewährt vorgestellt; ?D^nD benennt den Verlässlichen und


Treuen als den Empfänger des Vertrauens ,
als den ,
an welchem
dasselbe haften kann ,
den x^tQ7ri<rrot; ,
und es stehen sich nun in
den beiden Participialbildungen zwei Formen entgegen, von
denen die aktive nur den Geber, die passive nur den Em-
pfänger des Vertrauens, jene den Trauenden diese den Treuen
nennt, wobei freilich beide einander lautlich und begrifflich so
nahe stehn, dass das Ineinanderfliessen der Begriffe auch hier

sich leicht vollzog.

Das Aramäische ist gelenkig in Abstraktbildungen, aus Viy'Ts

erwuchs ^J^Tl
"
;
so ist nun ein Wort vorhanden ,
das den Akt
T

des Vertrauens nicht nur verbal sondern auch substantivisch be-

nennt, abgesondert vom übrigen Inhalt der HilÜS^, das somit


T v:

Glauben als bleibende Haltung und Eigenschaft des Menschen


ausdrücken kann. Nan ist aber merkwürdig ,
dass ^3D*n

docli
T

wieder den aktiven Begriff treuen Sinnes und Handelns in sich

aufnimmt, also n)l1Qt< voll vertritt und mit tSti^p in das Erbe

von nÜS sich theilt. Man thut ^^n13D*^, die Güte und Treue
V Vi TT"
wird häufig zu J^Dl^DTll ^^n1D^Ü ;
von Gottes I^D^H zu sprechen
T T T " ••
: T •

ist eben so gebräuchlich wie hebräisch von Gottes r\f2'^ ge-

redet wird. Nun ist allerdings die alte Fassung des Begriffs
im hebräischen HD^^ und Hj^ÜJ^ bei dieser Erweiterung des
V v: T

Wortes direkt mitwirksam, da der Schrifttext auf Gedanke


und Wort der aramäischen Judenschaft einen durchgreifenden
Einfluss ausübt, immerhin zeigt diese Wendung des Worts,
wie fest das in HJ^QX zusammengefasste für das israelitische
30 DER GLAUBE IM NEUE:?! TESTAMENT. I.

Denken verknüpft war. Aus dem Gesammtinlialt des festen

Verhaltens wird das Trauen ausgesondert und einzeln benannt,


aber der verengerte Begriff erweitert sich, wieder, das abgeson-
derte Moment zieht den ganzen übrigen Inhalt der njVJ^f wie-
T v;

der an sich und pDi^H biegt in I^DTi zu seinem Ausgangs-

punkt zurück.
Bei der Theilung, welche den Inhalt von n08^ in und
üti^p
I^DTl auseinanderlegt, wird vor allem aus diejenige HÖK,
welche der Richter zu bethätigen hat, als S^üÜ^Tp benannt; die

Männer der HüK, Exod. 18, 21, sind


Wpl die Richter
fnsil,
Hab. 12
^:^p^p 'Jn Targ.
Jes. 1, 21. i, Jer. 11, 20, pri*
Ü]^r) Targ. Gen. 31, 37 oder i^DST^IpS, Targ. Jes. 11, 4. Prov.

29, 14. Lev. 19, 15 u. s. f.


i::3l5:^p"T p^ Targ. Jes. 28, 6. Sach.

7, 9. 9, 17. Mich. 3, 8. 6, 8. Hos. 6, 4. Ps. 43, 1 u. s. f.

sagt der für Sodom bittende Abraham zu


^Tl p5K m^)p
Gott Targ. Onk. Gen. 18, 25 vgl. Jerusch. Num. 16, 34.
1 Sam. 2, 30. Jes. 28, 6 Deut. 4, 8
{mcoS'p lÜ'^^ p/3*p
Deut. 16, 18 dem Richter wiid
\Wp_ pini; pü^^^f? [^^"n;
der
zugerufen, i^ü^lp nachzustreben Deut. 16, 20. p1 ist

nämlich abstrakter gedacht als das alte LDÖ2^0. Während letz-

teres nichtnur den formalen Akt der ürtheilsfällung


bezeichnet,
sondern zugleich das durch das richterliehe Handeln
festgesetzte
und hergestellte Recht, so nimmt gerne ein Prädikat zu sich
p1 ,

um das ürtheil als Recht zu bezeichnen, und es erhält diese

sichernde Bestimmung konstant in U^p. Die Weise wie sich der


,

Begriff der Gerechtigkeit in der Synagoge gestaltete, liess hier

eine Lücke, in welche


eintrat; das regierende
ü^p, Wort, aus
der Gruppe ,
welche die Gerechtigkeit benennt ,
ist in der Syna-

goge ^Di, das wohl das Resultat des richterlichen Spruchs, aber
DIE AEAMAEISCHEN AEQUIVALBNTE. 31

nicht seinen Inhalt ,


das materielle Recht ,
zu benennen geeignet

war. Der Sprachgebrauch gestaltet sich auch für das littera-

rische Hebräisch der Schule dem aramäischen analog: Tj^l^

nÖS^n p1 lautet die von der Mischna vorgeschriebne Doxolo-

gie bei schlimmer Nachricht, Berat. 9, 2. Sur. I, 32; vgl. Ps.


Bsra 11, 41 :
judicasti non cum veritate ;
wenn die Barmherzigkeit

und Langmuth weicht, und das Gericht allein übrig bleibt,


dann stabit veritas, 7, 33. Für den Zeugen bleibt dagegen

p^riD das lobende Prädikat: p^HQ THD Targ. Jes. 8, 2. Prov.

14, 5. 12, 17 vgl. Kn^3D'n:i nm Jes. 59,4, da es sich für

diesen sehr wesentlich darum handelt, dass er Glauben verdiene


und erlange; doch kann der Zeuge auch nach dem objektiven
Inhalt seines Zeugnisses beschrieben werden als i^üti^^pl S^iriD
T T T ; •
: -:

Prov. 14, 25 vgl. Ps. 93, 5. Ein weiteres Gebiet, das an

^EiDJi'lp
T :
I
übergeht, ist die Prädicirung der Rede nach ihrer

Wahrheit und Gültigkeit: U^p im, Onk. Gen. 42, 16. h^D

ÜÜp, Jes. 45, 19 Sach. 8, 16. Jer. 9, 5. Ps. 15, 2. Jerusch.

Exod. 10, 29 r]0r2 ^DUnÖ n-in ^lam, Targ. Jer. Num. 16, 34.

^m I^K b3 Targ. Jes. 38, 19. 41, 26. 43, 9. Hiob. 24, 25.

Vgl. Jes. 32, 8. So auch vom prophetischen


'^^Ön^^ ^liDSrip
Wort: 1 Sam. 6 '*3J im Gegen-
Ui^p ^^5^0« Targ. 9,
^?t3i2^^p

satz zu den
t^1p0 *^D3 Targ. Hos. 9, 7; so auch vom Eid:

UlÜp:: ^01^ Targ. Jer. Deut. 6, 13. J^I^ti^lpÜ ist die ständige

Formel der Versicherung und Betheuerung ,


oder es wird gesagt :

dies ist
la^yp "p vgl. Dan 2, 47: &^in
Jl^nb« H üV^p [D
Vrhi^ rhi^ vgl. Jerusch. Num. 22, 37 VW^p \ü. Analog be-
zeichnet nun auch das rabbinische r\t2i^ die Korrespondenz des
Denkens und der Rede mit der Wirklichkeit: der Weise heisst

das erste das erste und das letzte das letzte und von dem was
32 DEß GLAUBE IM NEUEN TES'fAMENT. I.

er nicht gehört hat , sagt er : ich habe es nicht gehört ,


und er

bekennt die Wahrheit jlDJ^n ^1? HIID, Pirk. Ab. 5, 8. ^Dt^


nDX3: es verhält sich wirklich so, wie sie sagten, Schabb. 1, 3

Sur. II, 4. Wahrheit — HD^ — Recht und Frieden sind die

drei Fundamente der Welt, Pirk. Ab. 1, 18. vgl. den Siraciden:

sprich nicht gegen die Wahrheit, 4, 25 den Tod kämpfe


;
bis in

für die Wahrheit, 4, 28. Wie Inhalt der Rede, so wird sie
auch Gegenstand der Erkenntniss Targ. Jes. 51, 7 t^ü"^^ ^^T'
parall. die Lehre meines Gesetzes ist in ihren Herzen. So ist

sie, wie schon bei Jeremia die HDU^, Wesensbenennung Gottes:

DpV -
n^J< H)r] OTp D'nSj^"% Targ. Jer. 10, 10. Was ist die
T v: I
: T v:•

^D^?? Gott selbst, der erste — i<


— der mittlere — D —
und der letzte — r\ ^)-

Damit entzieht sie sich aber dem Handeln keineswegs vielmehr ,

ist KÜI^p n^ir festgeprägt: Targ. Jes. 1, 21. 16, 5. 26, 9 f. 59,

14, 15. Hos. 4, 1. Jer. 2, 21. u. s. f., vgl. Sir. 27, 9 :


sp^ä^sißact tvjv

dÄi^ösioiv ;
alle Werke Gottes sind ütJ^p Dan. 4, 34. Insbesondere

wird l^t^p zum Prädikat des rechten Gottesdiensts :


D^^p H/^
von Henoch, Gen. 5, 24.
i:^p:i "^ Targ. Jer. Jes. 38, 3.

Jos. 24, 14 ?i:Dnn3fc«T «ts'^p ^^rl'7^ö


t". tt: innr ^Sr^? Jer. Deut.
'
,:-:": - - -•

6, 5. »Sy Jes. 59, 4. Jer. Deut.


tilii^p:: ^E^jP'l pi3"11p
33, 19, vgl. Pseud, Esra: servire deo in veritate, 8, 26. "T^T]

l3t^pÜ, Targ.
Mich. 2, 7. 1 Kön. 2,4.3, 6. Ps. 86, 11.
^Sh
{^•Jt:^1p-1 Smi^D, Hos. 10, 12par.: KfiniK föSlK D»p. Auch

t^tSti^p ergiebt also, wenn sie Charakter des Menschen wird,

eine durchgreifende Bestimmtheit desselben ,


eine Kardiualtugend ,

die sein ganzes Verhalten in üebereinstimmung mit dem gött-

1) Vgl. Buxt, unter HD^.


DIE ARAMAEISCHEN AEQUIVALENTE. 33

liehen Willen und Wesen setzt; tOjJ^p steht darum neben 13T

und n*Dn als Bezeichnung der gesammten Frömmigkeit Tärg. :

Ps. 60 ,
6 die der Yäter lässt Gott Israel gemessen vgl.
E3«i^p

Targ. Mich. 7 ,
20 ;
der Gerechte besteht wegen seiner C3l2^p Hab.

2, 4. Jes. 32, 8.
Das naehbiblische |''D^5ri
und pD'H bleibt völlig in der Bahn
des alttestamentlichen Worts. Der Siracide z. B. braucht es in
sehr intensivem Sinn vom vollen ,
rückhaltlosen Vertrauen ; auch
dem Freunde darf es nur langsam zu Theil werden ,6,7; auch

den eignen Kindern nicht unbedingt, 35, 21 f. vgl. 19, 4. 12, 10.
36, 31 es steht vom Selbstvertrauen mit dem jedes Werk muthig
; ,

und zuversichtlich getrieben werden soll. 35, 23 :


1^033 pD^^H ,

von der Zuversicht, die der Vater aus dem Leben der Kinder

zieht 16, 3^); der Handwerker, der für seinen Beruf lebt hat im ,

Gegensatz zum Schriftgelehrten sein Vertrauen auf seine Hände


gesetzt, Vn*5 rOt^n 38, 31. Auch wenn 13, 11 gesagt wird:
TT : ' • v: v

glaube den vielen Worten des Fürsten nicht ,


so besagt die
Mahnung nicht nur: halte sie nicht für wahr, sondern sie for-

dert sorgsame Vorsicht ,


die auch durch seine Freundlichkeit sich
nicht zu unbedachter Offenheit hinreissen lässt; ebea so 19,
15 : traue nicht jedem Wort ! Die Mischna braucht es von der

Gewährung des Kredits im Verkehrsleben ,


Sabb. 23 , 1 . Sur.

II, 72, von der Zuversicht zu sich selbst, die sich über jeden

Fall hinaus wähnt, Pirk. Ab. 2, 4^ lD^i73


pD^H. Oder es drückt

die feste vollendete Ueberzeugung aus, die sich der Thatsäch-

lichkeit eines Ereignisses gegenüber bildet: als Israel Mose wei-


nend mit zerrissnem Gewand vom Berge herabkommen sah ,

1) 16, 3 besagt: sei nicht schon darum sorglos und voll Zuversicht, weil du
Kinder hast und dieselben am Leben sind wobei der Gegensatz nicht nur darin liegt ,
,

dass sie sterben können, sondern darin, dass nur rechtschaffene Kinder Gewinn und
Glück sind.

3
34 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

rnn« n'ö Dil«


I r;
- . -:
h^^i^i;' "^jü
1.
.^ .....
mtyn
I ... ^n^^:^
^
ns,
y . . ;
Jerusch.ii.

Num. 20, 29.

Das Bedürfniss nach, einem Wort, das den Glauben sub-


stantiyisch. benennt, macbte sieh, auch für die hebräisch schrei-
benden geltend: HilDN wird sehr receptiv gewandt, es wird

gesagt D*D^n DilD^^, Glaube an die Weisen, Pirk. Ab. 6, 5, ähn-

lich auch beim Siraciden: wer das Geheimniss des Freundes

verräth ,
bat die ^J1Ö^' vernichtet, 27, 16, nämlich im Gekränk-
T v:

ten das Vertrauen ,


damit allerdings zugleich den ganzen Verband
freundschaftlicher Treue ,
der in jenem wurzelt. Wer als Freund an
jemand handelt, erwirbt sich dessen DJID«, 22, 23, und mit
T v:

derselben Theilnahme an allem Glück gesetzt, das dem


ist die

andern zufallen mag; der Weise erbt sie in seinem Volk, 37,

26, da nennt sie das Vertrauen und die Achtung den bewundern- ,

den Anschluss des Volks an ihn. Nun erst mit dem substanti-
vischen ']2!2''^ und n^lü« oder HJDK war die Möglichkeit ge-
T • T •"; TT -:

geben, den Menschen nach seinem glaubenden Verhalten zu


prädiciren : man hat Glauben J^HirDil r\w Hin, Jerusch. Gen.

15, 6 IJDnilnS n^S Targ. Deut. 32, 20. vgl. Psd. Esr. 13, 23:
habent opera et fidem ad fortissimum ;
man kommt zum Glau-
ben, ^<»aC^ nll'D'n^ '^ n'^m^ Jerasch. Gen. 16, 5; man er-

mangelt ihn: KDIiDM HDriÜ, Jerusch. Num. man


TT""!-: 11, 32; ist

klein an ihm_, nJDN


TT"; ''^üp
• - l; vgl. die schon von Buxtorf citirte

stelle: Sot. fol. 48. 2.

Aber auch die IjOTl und H^ID^^ bleibt kräftig auf das Han-
T T v: ••

dein bezogen: «ni3D*n


T T "
IDi;
- Targ. -:
Jes. 11, 5. 59, 14. Prov.

12, 22. &^ni:D*n '121^


" T Targ. Hab. 1, 12. Auch beim Siraciden
T T "

steht rla-Tiv 7roivi(70ii parallel mit dem Begriff: die Gebote hal-
ten als Inbegriff der ganzen Frömmigkeit, 15, 15. Wie die
üeberhebung ,
die auf Reichthum und Macht wider Gott pocht,
DIE ARAMA.EISCHBTSr AEQUIVALENTE. 35

und die Heuchelei, welche Opfer und Ungerechtigkeit zusam-


men fügt, das schlimmste Böse am Menschen sind, so sind
ihm das Gegentheil der Üeberhebung, die HT^J^, und dasGegen-
TT-:

theil der Heuchelei, die ^J'1D^^J die Haupttugenden, sie stehn


T W
1, 27 beisammen als das, worauf das göttliche Wohlgefallen
ruht; darum »steht diese auf ewig", 40, 12.

|}2J<3
wird darum zur umfassenden Bezeichnung des Frommen :

?D^<i1 lÜ'* T»Dn pn)S sind seine Namen, Pirk. Ab. 6, 1; kommt
'
T V: V TT: T • '
.
- •

ein Pharisäer in eine Stadt, so fragt er: wer ist hier ?Qt<J,

Dem. 4, 6 Sur. I, 90, wie. schon der Siracide sagt : den D"'JDK3
T v: V

wird die Weisheit gegeben durch göttliches Schaffen schon im


Mutterschoss , 1, 14. Dieses »treu" besagt weit mehr als das
alte »die verlässlichen friedlichen Israels", 2 Sam. 20, 19, auch
mehr als das D''i1Dt^ des 12^ea Psalms, es liegt die feste blei-

bende Stellung im Gesetz darin. Es wird zumal Ehrenprädikat


der Patriarchen ;
sie sind die TJÜTlO ^''DilÖ t^n'^D, Jerusch.
tt: '•:••• '
t;-
Gen. 40, 12. Zur Treue gehört die Erprobung; man wird als
treu erfunden pTlD HDRIS^K, Onk. Gen. 19, 15. Jerusch. Deut.

33, 8. vgl. 1 Makk. 2, 52. Sirach. 44, 19; als treu gerechnet
[D™ 3^nriK, Targ. Jer. 2, 26 i). Von Gott wird
p^nü und
[DS^Ü
zumeist mit Bezug auf seine Verheissung und Lohnzu-

sicherung gesagt; treu ist dein Arbeitsherr, der dir erstatten


wird den Lohn deiner Arbeit, Pirk. Ab. 2, 16. 6, 4:\ Sara

1) Der Siracide hat in


}p^l noch, kräftig das Geschelien mitgedacht: die Bitte
um Erfüllung der Prophetie erhält die l^rm -7'i<»3J -UDN» 36, 21: durch die Erfüllung
ihrer Verheissung werden die Propheten festj so wird von der "Weisheit
gesagt: sie bereitet
sich bei den Menschen ihr Nest und macht sich fest bei ihnen, indem sie ihren Werth

ihnen erfahrbar macht j DHÖIf f PJ'JJl ; ebenso steht das Wort vom Gesetz, das sich in
seinem Heilswerth bewährt au dem
der es hält 36, 3, und von der Gnade Gottes,
die sich dem Menschen thatsächlich zu erfahren giebt, 50, 34 l'nOn -IJDJ^ IDN'
vgl.
36, 17. 39, 3. Anch oih^kvsiv 31, 4 gehört wohl hieher.
36 DER GLAUBE IM ISEUEN TESTAMIüNT. I.

spricht nach der Geburt ihres Sohns: wie tren ist der, welcher
Abraham die Yerheissung gab DHID«'? 1^3*7 ^^W2Ü tD^HD
! HD
Jerusch. 1 Q-en. 21, 7 vgl. Onkel.

Die innere Gestaltung des Begriffs Glaube ist von der Grund-
Synagoge sich sammelnde
stellung abhängig, welche die in der
Gemeinde sich gab; sie stand auf der den Vätern gegebenen
Thora Gottes als auf dem Fundament iihrer Existenz. Das Ge-
setz nach seinem ganzen Inhalt festzuhalten und zur Ausführung
zu bringen, darin sieht sie ihre erste und wichtigste Aufgabe
und die Grundbedingung ihres Bestehns und Gedeihens; das
Ziel ,
das ihre ganze Kraft auf sich zieht ,
heisst Treue für Gott
und bestimmt sich konkret zur Treue gegen das Gesetz.
diese

Diese Grundtendenz der Synagoge konnte den Glaubensbegriff


nicht unbetont bei Seite liegen lassen, gerade von ihr aus er-
hält er vielmehr Gewicht: Israel muss Gott trauen, wenn es

ihm treu bleiben soll.

Sowohl in Bezug auf den Ursprung als auf das Ziel des Ge-
setzes war die üebernahme desselben durch einen Vertrauensakt
bedingt. Es lag der Gemeinde vor als Wille und Gebot Got-
tes; sein göttlicher Ursprung und sein heiliges Recht soll von
ihr anerkannt und bejaht werden. Es steht weiter vor der
Gemeinde als der Weg zum Lebensglück für Volk und Indi-
viduum ,
aber diese Folge liegt nicht schon in der Gesetzestreue
an sich selbst, sondern knüpft sich an dieselbe als ihr Lohn
durch Gottes vergeltende That. Wer sein Heil in der Gesetzes-

treue sucht, der erwartet es von Gott. Es liegt somit in ihr


ein Vertrauensakt zur lohnenden Gerechtigkeit Gottes ,
welcher
die von dieser zu erwartenden Güter über alles andre setzt und
um ihretwillen auf jenes Glück verzichtet, das sich nur durch

Emancipation vom Gesetze erwerben lässt.


Die Schwierigkeiten, die sich der Gesetzeserfüllung entgegen-

stellten, trieben zunächst den Glaubensimperativ in Beziehung


auf den Heilswerth der Gesetzeserfüllung hervor. Als im
DJEE, GLAUBE AN DAS GESETZ. 37

zweiten Jahrhundert die Verlockung gräcisirenden Lebensge-


nusses ein ausgebreitetes Renegatenthum schuf und schliesslich

blutige Verfolgung die Gesetzestreue auf die Probe stellte, da


schieden sich aus der Menge des Volks die »Treuen" und sie

waren zugleich die Trauenden die für das Gesetz eifernd ihr ,

Leben wagten in der üeberzeugung dass Gott in der Allmacht


, ,

des Wunders sie retten könne und sie um der Treue gegen das

Gesetz willen aus dem Tode heraus erwecken werde zur mes-
sianischen Herrlichkeit. Die Rede des sterbenden Mattathias an

seine Söhne, 1 Makk. 2, 49 ff., ist wesentlich Glaubensmahnung,

sie hebt bervor, wie der Eifer für das Gesetz göttlich belohnt
und gekrönt worden ist; sie beginnt die Reihe der Vorbilder
mit dem Glauben Abrahams, sie fasst die Geschiebte der drei

Männer Dan. 3 in das Wort: sie glaubten und wurden errettet.

Ebenso hebt das vierte Makkabäerbuch Abraham ,


der den Sohn

opfert, Daniel in der Löwengrube, die drei Männer im Feuer-


ofen hervor als Beispiele des Glaubens und schliesst das Mar-

tyrthum der Makkabäerzeit an als Erweis desselben Glaubens


zu Gott Kßii—v^£ig Quv rv\v avTViv Tritxriv s]t; tov hov s^ovrsg
edit. Haverk. pg. 518. Durch ihren Glauben bezwang die mak-
kabäische Mutter die Qualen p. 516 und sie zeigte in ihrem
Tode die Aechtheit ihres Glaubens pg. 518.
Aber auch in ruhigen Zeiten fehlte es der Gesetzestreue nicht
an Scliwierigkeiten welche nur vertrauend zu überwinden sind.
,

Man kann nicht Gottes Knecht sein, sagt der Siracide, ohne
Glauben, 2, und zwar darum nicbt, weil Gott den From-
1 ff.

men in Versuchung führt im Ofen der Erniedrigung. In solchem


üngläck gilt es : 1^ [QKn 2, 6 im Gegensatz zum feigen
,

Herzen — '?]1
-
37 — und zum lahmen Arm — HO"! T* vgl.
I -•
T T T

Jes. 7, 9 — und zum Wandeln auf dem Pfade der Gottlosig-


keit und des Gesetzes zugleich. Die Bethätigung solcben Ver-
trauens ist die ausharrende, unerschütterte Gesetzeserfüllung
38 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT, l.

und die geduldigeBeugung der Seele vor Gott. Im Blick auf


solche Versuchung und Noth die über den Frommen kommt,
,

wird gesagt: der Verständige verlässt sich auf das Gesetz,


minS pOK^ als auf seine Wohlfahrt und es erweist sich ihm
,

seinerseits treu, 36, 1 ff.


Gegenüber dem Glücke des Sünders
verglichen mit der eignen mühsamen und arbeitsvollen Existenz

wird gesagt: staune nicht an die Werke der Sünder, glaube


dem Herrn und bleibe bei deiner Arbeit ,
denn in den Augen des
Herrn ist es leicht, schnell den Armen plötzlich reich zu ma-
chen, 11, 21. So bedarf es auch zum Empfang der Weisheit

des Glaubens, 4, 16, weil sie zuerst krumm mit dem Menschen

handelt, ihm Furcht und ihn plagt mit ihrer harten


einflösst

Zucht. Nur wer vertrauend aushält und durchdringt durch den


abschreckenden Schein, dem offenbart sie sich in ihrer LiebHch-

keit und ihrem Werth. Die Unentbehrlichkeit des Glaubens


sowohl zur Erfüllung des göttlichen Willens als zur Erlangung
der göttlichen Gabe liegt dem Siraciden somit darin, dass der

Werth des Gottesdiensts und der Gesetzestreue nicht unverhüllt


und sichtbar in die Erfahrung tritt. Die relative Unabhängig-
keit des natürlichen Lebens mit seinen Gütern und üebeln
vom Verhalten zu Gott und zum Gesetz ergiebt einen der Ge-
setzestreue entgegenstehenden Schein, der nur durch einen Ver-
trauensakt durchbrochen wird.
Auf Anerkennung des Gesetzes nach seinem göttlichen
die

Ursprung und Recht ist der Glaube in der Esraprophetie be-


zogen. Es bildet den Unterschied Israels von den Heiden ,

dass dieses Gott kennt und seinen Verordnungen glaubt 3,

32, während die Heiden den Bünden Gottes widersprechen


und seinen Verordnungen nicht glauben 5, 29 '). Aber auch

1) Tuis testamentis non credetant raiig $ta6ijKixtQ <tou ouk S'jrtcrrevirav. ^ta^xvf
geht über in den Begriff Gesetz Verordnung, vgl. J'J?'p
DER GLAUBE AN DAS GESETZ. 39

Israels Gesetzesübertretung geht auf die Verweigerung des

Grlaubens gegenüber dem Gesetze zurück. Der Süudenweg wird

7, 23 in vier Parallelsätzen beschrieben ,


von denen je zwei
so zusammengeordnet sind, dass der negative Ausdruck dem
positiven antithetisch entspricht: sie machten sich Gedanken
und zogen vor den Betrug der Sünden, sie spra-
der Eitelkeit
chen dazu: der Höchste sei nicht und erkannten seine Wege

nicht, sie verachteten sein Gesetz und verläugneten seine


Bünde an ,
seine Satzungen glaubten sie nicht ^) und seine Werke

vollbrachten sie nicht. Wie dem eiteln Gedanken die Bejahung


Gottes und dem Sündenbetrug die Erkenntniss seiner Wege
entgegensteht, so der Verachtung des Gesetzes der auf Gottes

Satzungen Glaube und der Verläugnung seiner Bünd-


gestellte
nisse das Thun seiner Werke. Läugnung Gottes und Verachtung

des Gesetzes sind somit die beiden Momente des Sündigens und
zwar hat letztere ihr positives Gegenstück im Glauben an das
Gesetz, Die Anerkennung des Gesetzes in seiner verpflichtenden
Kraft ist von der Bejahung seiner Heilsbedeutung nicht ab-
trennbar. Wäre dasselbe von Israel wirklich als »Gesetz des

Lebens" erfasst, so würde es dasselbe erfüllen; der dem Ge-


setz Ungehorsame glaubt Mose nicht, welcher ihm erklärt,
dass das Gesetz sein Leben sei 7, 59 f. ,

Wenn die Rede 1. Makk. 2, 52 den Glauben Abrahams so

citirt : er wurde in der Versuchung TDi^i erfunden und es wurde


T v: v '

ihm gerechnet zur Gerechtigkeit ,


so ist das Lob seines Glau-

bens Gen. 15, 6 unmittelbar mit der Opferung Isaaks kombinirt ,


auf welche die »Versuchung" vgl. Gen. 22, 1 unverkennbar
weist. Nicht schon in der Bejahung der göttlichen Verheis-

sung sondern noch mehr in der That die Gott den Sohn zum ,

Opfer bringt erweist er sich als den Glaubenden wie denn kein
, ,

1) Tn legitimis ejus fidem non haluerunt: Iv roZg voiJ!./[ji,oig


ahröv om ixioiTsva-av.
40 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

Moment im Leben Abrahams in der Synagoge so herausgeho-


ben wird, wie das Isaaksopfer, vgl. auch Sir. 44, 20. Es ist
diess für die Gestaltung des Glaubensbegriffs charakteristisch.
Indem der Synagoge als die fundamentale Manifestation Gottes
das Gesetz vor Augen steht, stellt sich ihr das ganze Verhal-
ten zu Gott als Thätigkeit dar, als ein Dienst, welcher der

göttlichen Forderung genügt, und in dieser Gedankenrichtung


wird auch der Glaube zur energischen Aktivität, zur Hingabe
der Person an Gott, die alles für ihn zu leiden und zu thun
entschlossen ist. Die Völligkeit der Hingabe, die im Glauben

gedacht neuen Gegensatz, der als Zertheilung


ist, ruft einen
des Herzens benannt wird. So heisst es von Jakob, der seinen

Söhnen nicht glaubt: zertheilt war sein Herz: H^S/ 5*70?


Jerusch. I Gen. 45, 26; H^^'? ^b^H Jerusch H cod. 1. Der Be-

griff wird aber auch auf Gott bezogen nach dem Isaaksopfer ;

betet Abraham: aufgedeckt und bekannt ist vor dir, dass in


meinem Herzen nicht Theilung war damals als du mir sagtest,

dass ich Isaak zum Opfer bringen soll, Jerusch. II Gen. 22, 14.

Auf Abraham wird inAnlehnung an Ur Kasdim auch die Glau-


bensthat der drei Männer Dan. 3 übertragen und als Gegenbild
zu ihm steht Haran da : zertheilt ward das Herz Harans , indem
er sprach: wenn Nimrod Sieger ist, bin ich von seiner Parthei

und wenn Abraham Sieger ist ,


bin ich von seiner Parthei ; darum
kam er im Feuer um, Jerusch. Gen. 11, Jakob fürchtet,
28.

dass unter seinen Söhnen einer sei , dessen Herz zertheilt ist ,

dass er hingehe und fremden Göttern diene, Jerusch. II Gen.


49 Einl. ').
Der faktische Zustand der Gemeinde trieb auf diesen

1) Vgl. Hos. 10, 2. 11, 7. 1 Kön. 18, 21. Prov. 26, 28. 38, 23. Ps. 44, 19.
Sckon der Siracide stellt das sTrißdivetv £m ^60 rplßovg dem ma-Teüstv entgegen ,

2 , 12 ; vgl. 40, 12.


DAS ZERTHEILTE HEEZ. 41

BegriÄ. Gottesdienst und. Gesetzeserfüllung war das eine grosse

Interesse, um das sicli ganze Leben Jerusalems bewegte.


das
Das vom Gesetz verpflichtete Subjekt war ja nicht nur der
Einzelne sondern das Volk als Ganzes ;
die Vertreter des Gesetzes

konnten sich darum nicht damit begnügen, für sich selbst der

Gesetzeserfüllung obzuliegen wenn die Mehrzahl oder auch


;

nur eine Minderzahl der Gemeinde Uebertreter des Gesetzes


blieb, war ihm nicht Genüge geschehn und das Ziel der Ge-
setzestreue unerreichbar; denn so stand die Gemeinde doch

nicht als Ganzes rein und wohlgefällig vor Gofct und es konnte
darum auch die Bedeutung des Gesetzes als Heilsbedingung
nicht in Kraft treten. Daher richtet sich der Eifer der Ge-
setzestreuen darauf, die Gemeinde in all ihren Gliedern unter

das Gesetz zu beugen; an Frömmigkeit jedes Einzelnen


die

knüpfte sich ein öffentliches Intresse, und sie wird darum auch

beständig von allen kontroUirt. Die Unterordnung unter die


Gesetzeszucht wurde so zwar allgemein aber zugleich in wei-

tem Umfang nur äusserliche Akkommodation und die direkte Ab-


hängigkeit Ansehns und der socialen Stellung von der
des

Gottesdienstlichkeit wirkte fälschend und korrumpireud bis

hinauf zu den Gesetzeseiferern selbst. Heuchelei wird darum


ein Begriff, welcher der Zeit geläufig war, wie denn schon
der Siracide den Heuchler sehr wohl kennt vgl. auch die Kla-

gen des Sal. Psalters. Ihr gegenüber tritt die Bedeutung in-
nerlicher, aufrichtiger Bindung an Gott um so mehr in's Licht
und diese unzertheilte Völligkeit des Verhaltens hebt sieh als

Wesen und Charakter des Glaubens heraus.

Das Gesetz bot jedoch nicht nur Gebote sondern auch Lehre
dar und diese verlangt nicht weniger Anerkennung und Auf-
nahme als die Satzung, die auf das Werk hinzielt. Auch für

die Aneignung der in der Schrift dargereichten Erkenntniss trat

|*Ö*n
ein ,
das ja für die vertrauende Aufnahme der Rede an-
drer längst üblich war. Der Hauptbegriff der Lehre bildet na-
42 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

türlich die Gottesanschauung der Schrift, der einige Herr, Is-

raels Gott. Für das Bingehn und die Theilnahme an derselben


bot sich der Begriff dar: glauben an den Namen des Herrn,
n t:Y^^ rü^n, Targ. Ps. 106, 12. Jerusch. I Exod. 14, 31

Gen. 21, 33. Darum zielt dem Heiden gegenüber die Mahnung
auf Glauben. Die Rabbinen verstanden nicht mehr, wozu die
Patriarchen neben ihre Altäre Bäume pflanzten; es wird ein
Garten daraus, in dem Abraham den Vorübergehenden Speise
und Trank darbot; und er verkündigte ihnen daselbst: bekennt
und glaubt an den Namen des Herrn, des ewigen Gottes: ^"^1^J
^r2^V^
T -
: :
^<nS^?
T T v:
'">i «id'd
t
üp:^
:
" lyam,
•• • : :
Jerusch. i Gen. 21, 33.

Mit Rücksicht auf das frühere Heidenthum der Familie Abra-


hams wird von Sara gesagt: sie trat mit Abraham ein in den
Glauben an Gott, Jerusch. Gen. 16, 5. Für die Völker ist zur

Theilnahme am messianischen Reiche Bedingung, dass sie glau-


ben an den Gott Abrahams: dann versammeln sich die Gros-

sen der Völker, die Völker welche gläubig sind an den Gott

Abrahams, DHID«"! ^Tt^b T^D^HD *"!



«*Dj;, Targ. Ps. 47, 10.
tt:-: TT I.;.. .. :

t

Solcher Glaube ist nichts weniger als ein Gegensatz zu jenem


Glauben, der das Gesetz Gottes über sich nimmt; Gesetz und
Lehre bestehn vielmehr untrennbar in einander; das Gesetz

ruht auf der Kenntnis Gottes, und diese kann keinen andern
Effekt haben als Uebernahme seines Gebots Für die innere

Gestaltung des Glaubensbegriffs war aber die Beziehung des-


selben auf den Lehrsatz bedeutsam. Das alte „fest sein am
Herrn" war ein Akt, der einzelne konkrete Lebensmomente
erfüllte ; wenn die Rede Gottes an Abraham ergangen ist und
er sie nun nicht bezweifelt, damit hat er Gott geglaubt; wenn
der Feind vor den Thoren steht, dann gilt es: glaubt ihr nicht,
so bleibt ihr nicht. Die Lehre tritt als eine konstante Grösse

in das Bewusstsein derer ein ,


die sie reeipiren ;
der Glaube
wird damit ein zuständliches , beharrendes, diejenige Form des
mm GLAUBE AN DIE LEHEE. 43

Bewusstseins ,
die sich aus der Herrschaft der Schriftlehre über

dasselbe ergiebt.

Das prophetische Wort ruft mit seiner Verweisung in die


Zukunft in besonderm Masse zu einem Vertrauensakte auf,
darum verknüpft sich auch I^ÜTl in besondrer Weise mit der

Weissagung. Den absoluten Gebrauch des Begriifs bei Jesaja

vermag Targum nicht mehr anzueignen, der Glaube,


sich das

den er von Ahas fordert, wird bestimmt als Grlaube an die


Worte der Propheten , Targ. Jes. 7, 9 ,
der Glaubende Jes.

28, 16 wird beschrieben als »der Gerechte, welcher an dieses

glaubt." So wird auch Exod. 14, 31 der Glaube an Moses

erläutert als Glauben an seine Prophetie vgl. Jerusch. II

Exod. 19, 9.

Das Gesetz nannte dem Volke und dem Einzelnen bestimmte


Pflichten ,
Werke , ?*3C3 pl^l^^ ;
erst in der thatsächlichen

Leistung des gesetzlich vorgeschriebnen gelangt dasselbe zur

Erfüllung und nach dem Werk des Israeliten bemisst sich darum
sein Verhältniss zu Gott und seine Theilnahme an den .
göttli-
chen Gütern; seine Werke bilden seinen Schatz vor Gott, Ps.
Esr. 7, 53. Die Kammer, in der sich Israel birgt vor Gottes
Zorn ,
sind gute Werke, und die Mahnung Jes. 26, 20 bedeutet
darum: gehe hin mein Volk, mache dir gute Werke dass sie

dich decken in der Zeit der Noth ! cf. Targ. Jes. 26, 20. Der
Glaube gehört dem Innenleben an und sondert sich dadurch
von den Werken, er ist Bedingung und Voraussetzung der
Werke doch nicht selbst ein Werk. Doch auch der Glaube ist

ein unbedingt gefordertes, göttlich gewollt, und also verdienst-

lich, und sofern in der Anerkennung Gottes und der Bejahung


seines Gebots als des Wegs zum Leben der innere Grund alles
gesetzmässigen Handelns liegt, kann der Glaube auch allein

genannt werden als die Charakteristik des Gerechten. So stellt


Ps. Esra 6, 5 den Sündern diejenigen gegenüber, welche durch
44 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

Glauben sicli einen Schatz sammeln ^).


Soll aber vollständig

benannt werden, was die Gerechtigkeit des Menschen vor Gott


ausmacht ,
so muss beides zusammengestellt werden man wird
:

gerettet und entflieht dem Gericht Gottes durch seine Werke

und durch den Glauben , Ps. Esr. 9, 7 Versuchung der


: in der

letzten Zeit werden die bewahrt, welche Werke und Glauben


an den Allmächtigen haben, 13, 23. Davon, beide wider ein-
ander in Gegensatz zu stellen, ist diese Unterscheidung der-
selben weit entfernt; sie entsprechen sich vielmehr als die

beiden zusammengehörenden Leistungen ,


in denen der Gehorsam

gegen Gott besteht. Indem das Gesetz das Verhältniss zu Gott


beherrscht, ist der regierende Begriff, der die Gottesanschauung

gestaltet , derjenige des Richters : der Mensch handelt und Gott


beurtheilt sein Handeln und misst ihm die seinem Werthe ent-

sprechende Folge zu. Dieser göttlichen Beurtheilung unterliegt


sowohl der Glaube als das Werk; der Glaube wird von Gott
in Anrechnung gebracht als Gerechtigkeit, er ergiebt T3T, ebenso
T

auch die Werke und es greifen somit Glaube und Unglaube


mit folgenreicher Wirkung in das Lebensschicksal ein. Abraham
ist durch die Gerechtigkeit seines Glaubens der Erbe der Yer-

heissung geworden ,
aber warum wurde ihm gesagt ,
dass sein

Geschlecht in fremden Lande dienstbar sein muss? darum, weil


er nicht geglaubt hat, Jerusch. I Gen. 15, 13. Wie der Segen
der von Abraham ausgeht ,
der Lohn seines Glaubens ist ,
so

ist die Noth, die sein Geschlecht betrifft, die Straffolge seines

Glaubensmangels. Damit zerbrach das Leben für die Synagoge


in eine zersplitterte Vielheit. Die einzelnen Erweisungen des
Glaubens oder Unglaubens in der innern Sphäre und die ein-
zelnen Erfüllungen oder Uebertretungen der Gebote im Handeln

1) Qui fidei thesaurizaverunt: oi v'hrst dii<rccvpt(TaiVTEg. Schwerlich ist der Glaube


selbst als Schatz gedacht.
DIE KOORDINATION VON GLAUBEN UND WERKEN. 45

werden jede für sicii in Anreelanung gebraeM; der Begriff

Grerechtigkeit löst sieb auf in einen Plural :


pDT ,
und er fin-
•t :-

det im menscblicben Sein und Handeln nirgends mebr die leben-


dige Einheit; zu einer Einheit wird das Leben lediglich durch
die Rechnung zusammengefasst welche nun die
göttliche ,
ein-

zelnen Glaubens- und Werkverdienste addirt und gegen die

üebertretungen abwägt und summirt in das Resultat eines

Schlussurtheils.

Die Betonung des Grlaubens ergab darum keinen Durchbruch


durch den Nomismus, sie ist vielmehr selbst eine Aeusserung
desselben. Denn der Glaube trat der Synagoge selbst unter den

Gesichtspunkt eines verdienstlichen Werks, nur dass diese Lei-


stung in das intellektuelle, das »Werk" in das praktische Leben
fiel. Damit zersetzte sich aber im Glaubensbegriff gerade das-
jenige Moment ,
das ihn erzeugt hatte , das Vertrauen zu Gott.

Auch im Glauben steht so der Mensch nicht empfangend vor


Gott, seiner Güte hingegeben, sondern auch im Glauben ver-

hält er gebend und leistend für Gott. Des Menschen ist


sich

die Aktivität und Gott ist in Passivität gestellt. Das ist das
tief unfromme Moment, das die Theologie der Rabbinen zerstört

und den Gottesdienst der Synagoge getödtet hat.

Dieselbe intensive Anstrengung mit der ,


die Synagoge das
Gesetz durchzuführen strebt, legt sich auch in die Glaubens-

forderung hinein. Sie stellt sich das Postulat, das Vertrauen


zu Gott als ein unbedingtes in allen Lebensverhältnissen zu

bethätigen. Joseph bat den gefangnen Mundschenk des Pharao,

seiner zu gedenken ;
der rabbinische Ausleger fragt : war das
Recht? und antwortet: nein, „es Hess Joseph fahren die Gnade
droben und die Gnade drunten und die Gnade die ihn begleitet
hatte aus dem Hause seines Vaters und verliess sich auf den

Obersten der Schenken, im Fleische handelte er und gedachte


nicht an die Schrift, dass geschrieben ist: verflucht ist

der Mann, der sich auf Fleisch verlässt", Jerusch. Gen 40,
46 DEE, GLA.ÜBB IM TSTEUETST TESTAMENT. I.

23 ^).
Izates von Adiabene fürchtet sicli vor der Beschneidung
im Blick auf die Unrahen , die unter seinen ünterthanen daraus
erwachsen werden ; ein Jude kömmt und hält ihm solches

Zögern als sündlich vor, er beschneidet sich sofort und Gott


zeigt ,
indem er ihn rettet ,
dass » denen die auf ihn blicken
und ihm Frucht ihrer Frömmigkeit nicht
allein vertraun ,
die

verloren geht", Jos. Ant. 20, 2, 4. So sprach man in Palästina.

In Jotapata macht Josephüs den Vorschlag, dass das Loos den

bezeichne, der sterben soll: »dem fürsorgenden Gotte glaubend


setzt er die Rettung auf's Spiel", B. J. 3, 8, 7. Er heuchelt
natürlich ,
aber er drückt den Gedanken der Frommen aus und

spricht ihre Aus dem Gebot, das Manna nur für


Sprache.
einen Tag zu sammeln, folgert der Rabbi: wer hat, was er
heute zum Essen braucht und sagt was werde ich essen ? ,
:

dem fehlt der Glaube, Tanch. fol. 29, 4. Philo klagt den Ge-
brauch des Arztes als Glaubensmangel an: wenn den Zweiflern
etwas gegen ihren Willen zustösst, so fliehen sie, weil sie
schon vorher nicht fest dem helfenden Gotte glaubten ,
zu den
Hülfsmitteln ,
die das Gewordene bietet ,
zu den Aerzten ,
Kräu-
tern ,
Arzneien , genauer Diät ,
zu allem was bei dem sterblichen

Geschlecht an Hülfsmitteln sich findet, und wenn ihnen jemand


sagt : flieht doch ihr Elenden zum alleinigen Arzt der Krank-
heiten der Seele und lasst die fälschlich so benannte Hülfe

von der dem Leiden uuterworfnen Kreatur her fahren ,


so lachen

sie und spotten und sagen: morgen dann! und sind, wenn ir-

gend etwas zur Abwehr der vorhandnen üebel geschehen kann,


nicht Willens ,
Gott anzuflehn ;
freilich wenn nichts ,
was Men-
schen thun, genügt, sondern alles, auch das hochgefeierte sich
als schädlich erweist, dann verzichten sie in ihrer Rathlosig-

1) Josephus hat zwar nicht diesen wohl aber den analogen Zug, das Joseph ab-
sichtlich sich nicht gegen Potiphar vertheidigt habe, weil er es Gott anheimstellte.
Dies zeigt, dass solche Deutungen alt sind.
DAS POSTULAT TJ'N BEDINGTER ZUVEESICHT. 47

keit auf die andern und fliehen gezwungen die


Hülfe von ,

Feigen spät
, und mit Mühe zu Gott dem alleinigen Heiland,
De sacrific. Abel. Mang. I, 176, 23 ff. Und er spricht damit
nicht einen Gedanken aus, der ihm allein angehört; yielmehr
zeigt der Siraeide, 38, 1 ff, dass die Frage, oh in Krankheit

die Hülfe des Arztes gesucht werden dürfe, auch in der Palä-
stinensischen Synagoge seit Alters besprochen war: der Herr
schuf Heilkräuter aus der Erde und ein verständiger Mann
verschmäht sie nicht : wurde nicht vom Holz das Wasser süss ,

so dass erkannt wurde seine Kraft ? . . . . Kind ,


in deiner
Krankheit sieh nicht zur Seite ,
sondern bete zum Herrn und er

wird dich heilen weg Verfehlung und mache die Hände


;
schaffe

gerade und das Herz rein von jeder Sünde, gieb Weihrauch
und Speisopfer und fettes Opfer als wärest du nicht mehr.
Und auch dem Arzte gieb Raum dean auch
;
ihn schuf der Herr
und er nicht, denn auch seiner bedarfst du; es
verlasse dich

giebt Fälle, wo auch in ihren Händen das Gelingen ist, denn


auch sie bitten den Herrn dass er es ihnen gelingen lasse
, ,

zur Erquickung und Heilung zu neuem Leben, 38, 4 f. 9 ff.

Die Krankheit als ein gerichtlicher Eingriff Gottes in's Leben


des Menschen setzt Sünde voraus und ruft darum den Kranken
zur Busse und zum Opfer auf, doch diess sehliesst für die

nüchterne Verständigkeit des Siraciden den Gebrauch des Arztes


nicht aus, aber die Weise, wie er die ärtzliche Hülfe ausdrück-

lich in Zusammenhang stellt mit Gottes Wirken und auch die


Schrift aufruft zum Zeugniss für sie, zeigt, dass er religiöse

Bedenken gegen dieselbe vor Augen hat, Gedanken, wie sie

Philo ausspricht, dass ein starker Glaube sich nur an Gott


wenden kann.
Nach denselben Normen ,
welche diese Postulate für die in-

Lebensführung aufstellen, suchten die leitenden Män-


dividuelle

ner der Synagoge auch das geschichtliche Handeln des Volks


zu gestalten. Der Pharisäer verlangte, dass die Gemeinde dem
48 DEE GLÄ.UBE TM NEUEN TESTAMENT. I.

G-esetze lebe, uüa alles andre unbekümmert, obne Reflexion auf


die Folgen, welche die unbeugsame Durcbfübrung desselben
haben möchte, diese stellte er Gott anheim; er hielt die Reichs-

erwartung von Geschlecht zu Geschlecht aufrecht, aber ob er


auch täglich um den Anbruch des Reichs beten mochte ,
und
zwar, wie die zahlreichen Apocalypsen zeigen, in der festen

Zuversicht ,
dass es vor der Thüre sei ,
dass die Römerherrschaft

bald zusammenbreche und der Christus sofort erscheine ,


er

betete, mehr nicht, er handelte nicht, die Einführung des

Reichs ist Gottes Sache ,


ihm überliess er es , dasselbe zu schaf-

fen mit einer weltbewegenden Wunderthat. Israel verlasse sich

auf seinen Gott !


')

Die Synagoge fand es aber schwierig, über das Glaubens-

postulat hinaus zur reellen Bethätigung des Glaubens zu ge-

langen; die Aeusserungen aus der Synagoge sind alle sehr ver-
trauensleer. Ihre Gottesanschauung, wie sie sich dieselbe am
Gesetz gebildet hatte, stand dem Glauben als unüberwindliches
Hinderniss entgegen. Sie hat allerdings Güte und Gnade aus
derselben nicht völlig eliminirt ,
sondern Gottes Gnade und Ver-

gebung dem Sünder sehr bestimmt geöffnet. Der Begriff, welcher


auf des Menschen Seite der göttlichen Güte entspricht als Be-

nennung dessen ,
was dieselbe empfängt ,
ist jedoch nicht Glaube
sondern Umkehr in Busse, SOVD, H^ICl^n ,
in sittlicher Lei-
T : T :

stung und Anstrengung


— HDVn IDl^ Busse »thun" ist fest

geprägt
— allerdings nicht eine Leistung mit positiv verdienst-
lichem Resultat, doch eine solche, die das geschehne Böse so-

1) Josephus hat allerdings in der Abgrenzunj^ der Partheien seiner Darstellung,


wie bemerkt wurde, einen irreleitenden philosophischen Anstrich gegeben, und
oft

doch bezeichnet er wohl den entscheidenden Punkt völlig richtig, wenn er die Diffe-
renz zwischen den verschiednen Gruppen des Volks in die Weise setzt, wie das
menschliche und göttliche Handeln zu einander in Verhältniss
gestellt wird. Im
Masse dessen was von Gott erwartet wird, trennten sich der Sadducäismus und
der Pharisäismus einerseits, der Pliarisäismns und das Zelotenthura andrerseits.
DAS GLAÜBENSHINDEENISS UND SEINE FOLGEN. 49

weit es dem Measehen möglich, ist ,


wieder aufhebt und reparirt.
Nun ist aber Busse nicht der normale Status des Menschen,
sondern erst dann nöthig, wenn es zur Verirrung kam; die-
jenigen welche nicht sündigten, und diejenigen welche umkehr-
ten von der Sünde, Targ. Jes. 10, 21, die Gerechten, welche
das G-esetz bewahrten von Anfang an, und die Schuldigen

welche umkehrten zum Gesetz, Targ. Jes. 33, 13, das sind die
beiden Gruppen in der Gemeinde ,
welche zwar beide an Gottes
Gütern und Reich theil haben, doch so dass die Umkehrenden
immerhin tiefer stehn als die Gerechten. Und nur diese zweite,
tiefer stehende Gruppe bedarf und empfängt göttliche Gnade.
Der Gerechte dagegen sucht den Empfang der göttlichen
Gabe bei Gottes Rechtlichkeit, die sein Handeln anerkennt in
dem ihm eignenden Werth. Wären in den fünf Städten
selbst

des Jordanthals 50 Gerechte, 10 in jeder Stadt, so wäre die

Vergebung die denselben zu Theil wird nicht mehr nur Barm-


, ,

herzigkeit sondern wenigstens einigermassen in ihrem eignen


Verhalten begründet; verzichtet Gott auf die Forderung, dass
sich Gerechte finden müssen ,
dann vergiebt er wegen seines
Erbarmens, Jerusch. Gen. 18, 21 ff. Diese Gedanken sind alt;
auch die Esraprophetie sagt : wenn du dich unsrer erbarmst ,

während wir nicht Werke der Gerechtigkeit haben dann wirst ,

du Erbarmer heissen; denn die Gerechten, denen viele Werke


aufbewahrt sind bei dir, o Herr, empfangen aus den eigenen
Werken Lohn 5
darin aber wird deine Gerechtigkeit und Güte
verkündigt ,
wenn du dich derer erbarmst guten ,
die nicht auf

Werken können, 8, 31 ff. Das Werk wird streng als


stehn

eigne Leistung des Menschen gefasst, so trägt es den Anspruch


auf Lohn in sich selbst, und wer dieselben hätte, der bedürfte
der Barmherzigkeit Gottes nicht ^).
Damit ist in der Gottes-

1) Ancli im Psalt. Sal. regen sich ähnliclie Gedanken, 9, 7 ff. Wer Gerechtigkeit

wirkt, erwirbt sich Lehen beim Herrn, und wer Ungerechtes thut, dessen Seele ist
4
50 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. 1,

anschauung die Gnade auf eine untergeordnete Stufe herabge-

setzt, sie ist neben der vergeltenden Rechtlichkeit ein sekun-


däres ,
ein Surrogat für dieselbe ,
das nur dann wirksam wird ,

wenn jene, Gottes wesentlicher Charakter, wegen der mensch-


lichen Sündigkeit nicht wirksam werden kann. Die Schätzung
der göttlichen Gnade und das Vertrauen zu Gott stehn aber
in unmittelbarer Korrespondenz, das Sinken des einen hat im
Sinken des andern seinen direkten Reflex.
Die Folgen waren zwiefacher Art. Die Esraprophetie ver-

kündigt die Wandlung des trauernden Zions zur herrlichen

Freudengestalt des himmlischen Kürze ge-


Jerusalems als in

schehend; dennoch ist der Gedankengang des Buchs trostlos.

Das schwere Geschick Israels, sein neues Exil, ist unmittelbar

Enthüllung seiner Schuld und dokumentirt dieselbe in ihrer


Grösse, von Gesetzeserfüllung kann somit keine Rede sein, so

regt sich in dem Buche etwas von Höllenangst. Bitter zieht

sich die Klage durch dasselbe : oh Adam was hast du gethan !

7, 48 ; es steht unter dem Schrecken des Worts ,


dass viele

geschaffen aber wenige Auserwählte sind, dass das Leben ein

Kampf ist ,
in dem der Sieg wenigen zufällt und wer weiss ,

ob den Sieg gewinnt? Esra rekurrirt allerdings von dem


er

mangelnden Werk auf den Glauben Israel hat das Gesetz nicht ;

erfüllt ,
aber es bleibt ihm doch vor den Heiden der Ruhm ,

dass es Gott kennt und an seine Bünde glaubt! 3, 32. Aber

Beruhigung findet der Gedankengang in dieser Betonung des


Glaubens nicht, und zwar darum nicht, weil derselbe selbst
nur als verdienstliche Leistung in Betracht kömmt und darum
sich sofort mit dem Bewusstsein verbindet, dass diese Leistung

dem Verderben verfallen, denn die Urtheile Gottes gesckehn in Gerechtigkeit; doch
wem Gott gnädig sein, wenn nicht denen, die den Herrn anrafen, wem sollte
sollte

er die Sünden vergeben , wenn .nicht denen die gesündigt haben ? Die Gerechten wirst
du segnen und nicht genau sein in dem, was sie sündigten, und deine Güte waltet
über den reuigen Sündern.
DAS GLAUBENSHINDERNISS UND SEINE FOLGEN. 51

ungenügend sei und die faktische Erfüllung des Gesetzes nicht

ersetzen kann. So wird all diese Klage und Angst schliesslich

lediglich auf die Freiheit des Menschen verwiesen, kraft deren


er mit eignem Willen Gott leugnet und das Gesetz verwirft ,

und auf den Raum zur Busse, der dem Menschen bis zum
Tode geöffnet ist, 9, 11 ').

In andrer Bahn bewegt sich ihrer Hauptrichtung nach die


talmudische Litteratur. Schon der Siracide sagt: in jedem
Werke sei voll Zuversicht zu dir selbst, denn auch das ist

Bewahrung der Gebote, 35, 23; er warnt damit vor scrupulöser

Aengstlichkeit ,
sie ist gegen den Sinn des Gesetzes, das dem
Menschen als Grund der Zuversicht und nicht der Beängstigung
gegeben und der Pharisäismus zog in der That aus der
ist,

Energie, mit der er sich den Lehrsatz der Thora einprägt sich
zur Weisheit und ihn durchführt in der Praxis sich zur Gerech-

tigkeit, ein hochgesteigertes Selbstbewusstsein. Dieses ist aber nur


einem kleineu Kreise zugänglich, der grossen Menge des Volks
ist es von vornherein unmöglich ,
die Uebertretung des Gesetzes

zu vermeiden. Aus der Masse der Gemeinde ,


dem r"ll<n D]^ ,

sondert sich der Kreis derer aus, die es über sich genommen
haben, treu zu sein, ?D^?:l r\Vrb V^j; '73pDn Dem. 2, 2.

Sur. I, 82; aber auch diese Treuen stehen noch nicht auf dem
Gipfel der Gesetzeserfüllung, über sie wird erst noch der 'nDH
T

emporgehoben, so dass es schliesslich nur der dem Studium


der Thora hingegebne Stand des Schriftgelehrtenthums ist, der

sich den Ruhm beilegen kann, Gottes Gesetz zu halten, und

1) Es wäre für den Gedankengang Ijezeichnend, wenn wirklich 9, 7 (qui poterit

effugere per opera sua et per fidem in qua credidistis) der Glaube als Stützpunkt der
Zuversicht erschiene: »der Glaube, auf den ihr vertraut habt". Es entspricht der
ganzen Stellung Esra's, dass er den Glauben nicht selbst als Zuversicht erlebt son-
dern als Pflicht betrachtet, die, wenn sie erfüllt worden ist, Grund zur Zuversicht
wird. Aber der Relativsatz in qua credidistis (crediderit ?) könnte auch nur den
Zweck haben, den Glauben als Israels Besitz, in deua sie faktisch stehn, zu kenn-

zeichnen: der Glaube, den ihr habt.


52 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. I.

dieser Rulim wird nur dadurch erlangt, dass das Gesetz

in System juridischer Satzungen aufgelöst wird, das vom


ein

Innenleben abstrahirt und es relativ frei gibt nur die Aussenseite ,

des Handelns normirt und an ihr sich und Gott für befriedigt
hält. Nun begründet sich diese Zuversicht allerdings nicht aus-
schliesslich auf das eigne Handeln ,
die Mängel desselben de-
ckend und ergänzend tritt der Bundesgedanke dazu die Auswahl,

Israels, das Verdienst der Yäter und seine stellvertretende

Kraft ,
der Heilswerth der Beschueidung u. s. f. Darin ist gött-
liche Güte angeschaut und darum ein Moment des Vertrauens
zu Gott enthalten. Aber die gesetzliche Leistung und die Bun-

desgnade von einander losgerissen und gegen einander


sind

verselbstständigt. Die Erfüllung der Gebote ist lediglich Werk


des Menschen, so wird die Bundesgnade zum ergänzenden
Surrogat für die Mängel desselben herabgedrückt und dadurch
ihrerseits entheiligt und ihres ethischen Charakters und Zieles

beraubt.
Mit dieser Gestalt der Gottesanschaung ,
welche ihr wesent-
liches Moment in Gottes Richten hat, steht eine andere Ten-

denz ,
welche das theologische Denken der Synagoge beherrscht,
in innerer Uebereinstimmung ;
dasselbe ist auf Gottes Erhaben-

und Unfassbarkeit gerichtet, es sondert


heit, üeberweltlichkeit
ihn ab von der Berührung und Gemeinschaft mit den Menschen ,

damit aber auch den Menschen von einer lebensvollen Bezie-

hung zu Gott selbst, Diess äussert sich nicht nur in der Ver-

hüllung des Gottesnamens ,


in der Anknüpfung der göttlichen

Wirkungen an Gottes »Sprechen", Gottes »Wohnen", sondern


noch tiefgreifender darin, dass der auf das Verhältniss zu Gott

gerichtete Gedanke ,
bei dem
was von Göttlichem in der Sphäre
,

des menschlichen Erlebens, Hörens, Redens vorhanden ist,

stehen bleibt und nicht zu Gott selbst vorzuschreiten wagt.


Die Weise, wie die Targume den Schrifttext wiedergeben, ist

in dieser Hinsicht oft sehr charakteristisch. Der Prophet sagt:


DAS DOPPELTE ERGEBNISS. 53

G-ott suchen ,
das Targum : Lehre von Gott her suchen ,
der

Prophet: zu Gott umkehren, das Targum: zum Gesetz oder


zum Dienst Gottes umkehren, der Prophet: den Herrn kennen,
das Targum : die Furcht des Herrn kennen ,
der Prophet : von
Gott weichen, das Targum: von seiner Furcht sich entfernen.

Die Stelle, die im Gedanken der Schrift Gott innehat, erhält

nun die Religiosität; nicht Gott, sondern die Frömmigkeit ist


das heilsame, werthvolle, errettende. Diess heeinflusst auch
den Glaubensbegriff; auch er bleibt an den Manifestationen
Gottes innerhalb der Welt haften ,
man glaubt an das Gesetz ,

an die Prophetie, an den Namen Gottes; wie mau nicht Gott


'"»
dient, sondern vor Gott dient, D"lp H^Ö,
-
vor Gott betet
t't: :

u. s. f., SO glaubt man auch vor Gott, \onp li^ü'^H, Targ. Jes.

43, 10. Gott tritt in die Ferne als der verborgene, den das
Verhalten des Menschen nicht erreicht, es vollzieht sich vor

ihm als dem erhabenen Beschauer, der es wahrnimmt, beur-


theilt und zur Vergeltung aufbewahrt, aber ein Verband, der
die Geschiedenheit von ihm überwände, entspringt ihm nicht.
So bieten die Ueberreste der Litteratur aus der Synagoge

zum ürtheil der Evangelien über die Resultate der synagogalen

Frömmigkeit die Veranschaulichung. Jesus kennt in der Syna-


goge Mühselige und Beladene, denen das Gesetz als schwere
Last auf der Seele liegt, Mths. 11, 28. 23, 4. Aeusserungen wie
die Esraprophetie veranschaulichen diese Belastung. Neben jene
Gedrückten stellt er die Zuversichtlichkeit des Pharisäers: ich

danke dir Gott etc., welche sich, wenn sie den Defekt ihrer

Gesetzeserfüllung wahrnimmt, darauf zurückzieht: wir habea


Abraham zum Vater; die talmudische Litteratur giebt zu jenem
Gebet in kolossalem Massstab die Variation. In beiden Stel-

lungen wird der Glaube betont als ein unentbehrlicher ,


wesent-
licher Bestandtheil der religiösen Pflicht, aber hier wie dort

legt sich nicht der Grundtrieb der Frömmigkeit in ihn hinein,


54 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. I.

dieser drängt yielmehr über den Glauben hinweg, dort von


Furcht getrieben, hier vom Kraftgefühl eigner Leistungsfähig-
keit, zur Herstellung eines Gott wohlgefälligen Werks. In diesem

erst wird für den Yerband mit Gott die feste, sichere Begrün-

dung erwartet und gesucht und über ihm starb das vertrauende

Verhalten zu Gott ab.


ZWEITES KAPITEL.
Der Glaube hei den Griechen und in der griechischen

Synagoge.

Der Grundbegriff von •}Ti(rTic, und Tria-Tsvetv Polybs Sprachgebrauch die


; ;

juridische und philosophische Tria-Ttg; ihre Ablösung von den Göttern;


ihre politische Ausbildung; die Parallelen zwischen Polybs Sprachge-
brauch und dem semitischen Wort; der Sprachgebrauch der Septua-
ginta; der Eintritt von xÄi^dsia in's jüdische Griechisch; der Glaube
bei Josephus; seine Definition bei Philo; die Gegensätze gegen den
Glauben ; die Einheit des Glaubens mit der Treue ; der Glaube als Lohn
der Frömmigkeit; die Beziehung des Glaubens auf die Schrift; die
Darstellung des Glaubens an Abraham und Mose; die untergeordnete
Stellung des Glaubens im Ganzen des Systems; sein jüdischer Charakter.

Seit Alexander strömte die griechische Rede in den Osten ,

an Kraft der Ausbreitung dem Aramäischen weit überlegen. Die-


selbe besass in Tria-Tog 'jntTTsvstv -jricrTiq eine Wortgruppe, welche
sich zu
pD^^^^
und seinen Verwandten in merkwürdiger Ana-

logie entwickelt hat.


Schon nach ihrer anschaulichen Naturseite sind beide Wort-
familien einander analog; das semitische Wort erwuchs aus
dem Halten und Tragen, das griechische aus dem Binden.

Allerdings bleiben die hebräischen Worte nach Art der ganzen

semitischen Sprachbildung weit näher bei ihrem Ausgangspunkt


stehn ,
wie denn die Wurzel in ihrer Naturbedeutung noch lange
in der Sprache fortlebt ,
während der Grieche dieselbe schon frühe
56 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. 11.

vergass über den geistigen Verhältnissen, die er als Gebunden-


heit auffasst und benennt ^).

Ein Gebundenes, tikttov ,


ist vor allem aus der Eid, er wird
es nicht erst dadurch, dass er treu gehalten wird, auch der

gebrochene Eid ist und bleibt xkttoi; — xoirx S' opxicc iTKTrx,

TTixrvjcoiv IL 4, 157 — denn er ist es kraft seiner eignen Un-


antastbarkeit ,
er wird es mit dem Eidesopfer ,
das ihn unter

die Wacht der Götter stellt — opy.i(z Tria-ra rciiu,övT£g II. 2, 124
etc. Unter den Kampfgenossen ist derjenige Trityroraroq ,
der von

der Seite des Gefährten nicht weicht ,


auch nicht in der Noth —
TncrröroiTog [/.slvxi of/,oK^yiv IL 16, 147; &7n(rToq ist der Jüngling

in Uebermuth oder der Wüthende, der


seinem unbesonnenen
kein Erbarmen kennt, denn beide achten kein heiliges Band,
sie sind Ungebundnen, IL 24, 207. 3, 106.
die

Das Wort bedurfte eines Kausativs, da die Bande welche zwi- ,

schen den Menschen bestehn, vielfach auf ausdrücklicher Stiftung


beruhen. Durch den Eid wird der Schwörende dem Empfänger des

Eides TTKTTÖq gemacht


— opKCiS rm TrKrrm&i^vaii ,
Od. 15, 436.
Durch Stiftung oder Erneuerung der Gastfreundschaft machen
sich Männer gegenseitig TtKTroc —
xelpötq r' xXXtIjXcüv ^.aßiTtjv koc)

'TTio'TotxTOiVTO ,
IL 6 ,
238. Solche Verbände entstehn nicht nur durch

innerliche Zuneigung, sie vollziehn sich in bedeutsamen Hand-


lungen und bedürfen des Wahrzeichens, das ihren Bestand
dauernd garantirt. Das nächstliegende ist der Handschlag, zu
ihm treten gegenseitige Gaben als die bleibenden Pfänder der
Gemeinschaft. Das Wort beschränkt sich aber nicht nur auf

Verbindungen ganze die das wer immer Leben umfassen;


dem andern fremd und unbekannt entgegentritt dem liegt vor ,

allem ob, dass er sich rKTrög mache durch das freundliche Wort,
das seine wohlwollende Absicht kund giebt ,
da fremd und feind

1) Nur -Trsiffixci hat sich vereinzelt und von den übrigen Verwendungen der Wur-
zel isolirt als Name des Seils erhalten.
DEE GETJNDBBGEIFF VON 7ri(rTlC UND TTKTTSVaiV. 57

zunächst zusammenfallen, II. 21, 286. Aucli das Inwendige des


Menschen bedarf des 7n(Traj^>jvxi ,
wenn und Ungewiss-
Zweifel

heit, Furcht und Argwohn es in Schwankung und Erregung


versetzen. Wem das beweisende Zeichen dargeboten wird, das

ihm jeden Zweifel nimmt ,


von dem heisst es : TTKrrco&y} iu) öuf/,qi ,

Od. 21, 218.


Neben dem Kausativ wächst aus tticftÖi; das zuständliche Verbum
Tnarsusiv, TtitTrög sein, hervor, zumeist als Benennung derjenigen
Sicherheit, die sich im Innern des Menschen bildet mit der
Abwesenheit von Zweifel und Verdacht. Im Verband mit dem
Genossen bezeichnet es schon wegen seiner zuständlichen Be-

deutung nicht die Bethätigung der Gemeinschaft in Dienst und


Hülfe sondern die bleibende innere Basis derselben, Vertrauen
und Ergebenheit, tt/ö-t;?dagegen behält den ganzen Begriff un-
getheilt in sich ,
so dass es ebensowohl die der Sache selbst an-

haftende Zuverlässigkeit ,
als die in das Gemüth fallende Sicher-

heit der Zuversicht, ebensowohl die in thätiger Hülfe bewiesne


Treue als das auf das Thun des andern sich verlassende Ver-
trauen nennen kann.
So besteht zwischen \X^^, ??:DNJ, PDJ<n, HÖJ^ und r\:^V2)^

einerseits , TTKTrdi; TricrTiicraifrQoit und Triirraöijvxi ,


itKTTswsiv und TiirrK;

anderseits eine genaue Parallele. Sowohl der Hebräer als der

Grieche übersetzen die Grundanschauung des Fest-oder Gebun-


denseins zunächst in 's Reflexive ;
weiter sondern sie aus der gan-
zen vollen Vorstellung den Gedanken der Zuversicht und des
Vertrauens ab und geben ihm sein eignes Verbum, während
ihnen die Substantive hier wie dort für den gesammten Begriff
verwendbar bleiben.
Was nun aus Triarög and seiner Familie geworden war ,
als

sie zu den Asiaten kam, die ihr Griechisch nicht aus Büchern,
weder aus Homer noch aus Plato ,
sondern aus dem gesproch-
nen Worte der zahlreichen griechischen Männer lernten, die
sich als Beamte, Soldaten und Händler im Orient herumtrie-
58 DER GLAUBE IM NEUETST TESTAMENT. KAP. II.

ben ,
dafür haben wir einen edeln, kräftigen Zeugen in Polyb ^).

Mit dem uralten Spacbgebraucb nennt auch Polyb Eid und

Unterpfand roi ttio-tx, er beisst weiter das wabre und darum


verlässlicbe Wort TTKrrÖQ. Der Dicbter und Mytbograpb ist da-
gegen ^TiiaroQ , xTitTTov sind Mäbrcben und TJebertreibungen das ,

Unmögliche und desshalb Unglaubliche. Aber auch das ,


was in
sich selbst der reellen Zuverlässigkeit entbehrt , heisst iriaroq ,

wofern es nur den Eindruck der Wahrheit und Festigkeit macht


und Glauben findet. Auch der unzuverlässige Mann und das
irreleitende Wort werden durch äussere ,
künstliche Mittel Tcmröq.

Analog ist auch das wirklich geschehende ciTritTrov, wenn es näm-


lichErwartung und Glaube übersteigt. Im Verkehr zwischen
Mensch und Mensch nennt ttkttÖ'; die Zuverlässigkeit und Treue ,

die einer dem andern als Freund oder Diener erweist. Auf das

Vertrauen beschränkt liegt es nur in der Wendung Tna-rät;

^(izxs7(TÖixi vor :
arg und sorglos sein. "A7r»(7T0? kann
gesammte die

Verweigerung eines friedlichen und freundlichen Verhältnisses


in sich schliessen, das argwöhnische Misstrauen zusammen mit
der hinterlistigen Uebelthat, oder es tritt die thätige Seite im
Wort hervor, es bezeichnet den, der frevelnd bestehende Ver-

pflichtungen durchbricht; oder es bezieht sich allein auf die


seelische Seite des Begriffs: ix7ri(XTooq ^laxela-öxi bildet zu Tnaraq

^KZ'AsltrQoii den direkten Gegensatz mit dem Sinn : kritisch ge-

stimmt sein ,
zweifeln ^).

Ylhriq bezeichnet nach seinem Hauptgebrauch diejenige Ver-


und Treue, welche der Mensch handelnd dem Men-
lässlichkeit

schen erweist. Sie besondert sich nach dem verschiedenartigen

üebersicht über den Sprachgebraucli Polybs


1) Die vollständige giebt Erl. 2.
das sich jedoch noch mehr als Tta-rög, weil es
2) Neben •Kiirröq,
stellt ä^tÖTriffrog ,

zunächst das Urtheil der Zuverlässigkeit ausdrückt, das dritte über die Person fällen,
auf den blossen Schein einschränkt. Polyb sagt: a^tOTria-raQ -.psuSsiTäai , ^tocßo^ocQ

oi^toTicrrcüQ ivtsvxi; TTia-rSiQ ^'^vSstrSan hätte er doch schwerlich gesagt. Davon


xiXTX%i07ri(7TevS(j-6aii , den Kredit andrer untergraben, ihre Glaubwürdigkeit bestreiten
und herabsetzen.
POLYBS SPRA.CHGEBRA.UCH. 59

Charakter der mensclilichen Beziehungen überaus mannigfach. Sie


tritt in gewissem Masse in jeden menschlichen Verkehr hinein ,

allerdings vorwiegend mit negativem Inhalt als Sicherung vor

grundlosem Angriff und üebelthat; sie gebührt auch noch dem


Feinde; denn auch ihm gegenüber ist nicht jede Grausamkeit

und Hinterlist erlaubt. Wo sie gänzlich fehlt ,


da ist der Mensch
verthiert und hinausgetreten aus der menschliehen Natur 1 , ,

81,8. Reicheren Inhalt gewinnt sie im freundlichen Zusammen-


leben der Menschen. Jedes Yersprechen und jeder Auftrag legt
der Zuverlässigkeit dessen, der jenes giebt und diesen über-

nimmt, ihre besondere Bewährung auf; alle Rechtsverhältnisse


des privaten oder öffentlichen Lebens nehmen sie in Anspruch.
Eine ausgedehnte Verwendung findet das Wort sodann in den

Verbindungen des politischen Lebens, diess um so mehr weil


dieselben nicht schon von Natur gegeben sind, sondern durch

Entschluss und Stiftung der Betheiligten entstehn ,


darum auch
nur im bewussten , konsequentem Anschluss der Verbündeten
aneinander Bestand und Kraft besitzen. Dabei liegt beiden
Theilen Trio-rigden Schwächern gestaltet sie sich zur
ob; für

Ergebenheit und Unterwürfigkeit, für den Stärkern besteht sie


in der G-ewährung des Schutzes und der Vortheile, die er dem
andern zugesagt hat. Das Wort sinkt in solchem Gebrauch bis
zu einer Ergebung hinab, die vorbehaltlos auf Gnade und
Ungnade geschieht; ja selbst der, welcher vom andern Erge-
bung fordert mit der bestimmten Absicht, ihm keineSchonung
zu gewähren, ruft ihn in seine Trlimg hinein ').
Das Wort kann
aber auch hineintreten in die zartesten sittlichen Verhältnisse,
und nimmt hier die volle Hingabe alles theilender und gebender
Liebe in sich auf; vgl. 8. 17, 9, TcxTpU £zsiv^i(ih(nv zoirxrvjv
svvoioiv Kou Trhriv.

1) Doch ist solcher Gebrauch mehr römisch als griechisch, und er ist bezeichnend
für die kalte, formal juridische Sinnesweise des Römers; vgl. in dieser Hinsicht
die Eintheilung der fides in eine bona und mala; die mala fides nannte der Grieche
nicht Tia-Tti; sondern «.xiarricc.
60 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

Ausser von der Person wird tc'kttk; mit dem Begriff Zu-

verlässigkeit , Sicherheit, auch noch ausgesagt vom Worte, von


der Ermahnung, vom Entschluss, von den Gründen, aus denen
etwas erklärt wird. Wenn die Ereignisse bestätigend zum Worte
hinzutreten ,
erhält dieses tt/Vt/? ;
auch das treffliehe Wort hat
sie noch nicht an sich selbst. Durch die Ausführung erhält sie

der Entschluss ,
durch die eigne Lebensführung des Mahnenden
die Ermahnung, durch die Betrachtung der Natur der aufge-
stellte Grund. Ueberall ist es die Thatsache, die dem Wort und
Gedanken die Trhrit; giebt.

Auch die Akte, Zeichen und Pfänder, durch welche die Ver-
bände geschlossen werden, heissen mit festem Sprachgebrauch

05/ TT/Vrf/^. Von hier aus verdünnt sich das Wort, so dass es

oft unserm Garantie entspricht. Auch mit der Rede verknüpft

es sich in diesem Sinn: diese oder jene Thatsache ist für die

Behauptung tt/o-t/?, Bewährung und Beweis.


Oft tritt in der Verwendung des Worts der Gedanke an das
Vertrauen ,
welches die Zuverlässigkeit verdient und empföngt ,

dominirend hervor, und gibt ihm den Begriff: Achtung, Gel-

tung ,
Kredit. Weit häufiger nennt das Wort das Vertrauen das ,

man bei andern geniesst ,


als dasjenige ,
das man selbst andern
erweist ; doch auch leztere Wendung liegt in einigen ,
wenn auch
wenigen Stellen vor. Wie das Pfand der Treue, so heisst auch

das Zeichen und der Erweis der Vertrauens selbst Trhrit; ,


z. B.

das anvertraute Amt, der gegebene Auftrag u. s. f.

Gegenüber dem Wort und Bericht andrer wird rrlcrTtg unserm


Glauben parallel ;
doch an eine lockere, unsichere Annahme an ,

einen geringern Grad des Wissens ist dabei nicht gedacht,


vielmehr besitzt Tria-rt^ für Polyb voll und ganz den Begriff:
Gewissheit , üeberzeugung ^).

1) Natürlich lösen sich die vei'schiednen Seiten des Worts nicht von einander ab
und es sind desshalb die Stellen sehr häufig, wo mehrfache Bedeutungen des Worts
mit einander anklingen, z. B. die thätig erwiesene Zuverlässigkeit das aus ihr ent-
POLTBS SPRACHGEBRAUCH. 61

Zu TrlcTTig im Sinne von Vertrauen bildet otirKTrioi den kon-


trären Gegensatz: es nennt Misstrauen und Verdacht.
Ui(yrsv£iv bezeichnet nach seinem häufigsten Gebrauch die

gute Zuversicht, den Gegensatz zur Sorge und Niedergeschla-

genheit, wobei der Dativ antritt für das, worauf mau sich ver-
lässt. Solche Zuversicht kann sich eben so wohl auf Sachliches ,

Besitz , Fertigkeiten ,
Vortheile aller Art ,
stützen als auf
Personen und deren Hülfe. Ist die Zuversicht in einer be-

stimmten einzelnen Richtung auf eine Person oder Sache be-

zogen, so entspricht das Wort unserm: jemand trauen. Damit


tritt das Verbum in die Lücke, welche der Gebrauch des Sub-
stantivs offen Hess. Das Vertrauen, das man selbst andern er-

weist, nennt Polyb selten mit dem Substantiv, er fasst es als


Akt und benennt es darum verbal: tiutsusiv odi&r 'nifxrelxroci. Mit
einem Accusativ (tt/ctt.
rivi ri) hat Polyb das Wort in diesem

Sinne nicht konstruirt, dagegen fügt er den Inhalt der Zuver-


sicht durch einen Satz mit ^/o't/ oder als Ace. c. Inf. an. Er
bildet hiervon ein persönliches Passiv mit dem Begriffe: Ver-
trauen erhalten oder besitzen, und hiezu stellt er auch einen
Accusativ: mit etwas betraut, beauftragt werden. In Bezug auf

Rede und Wahrnehmung heisst Trta-Tsvstv : sich auf dieselbe ver-

lassen, Zutrauen fassen, glaubea, wovon wiederum ein Passiv


gebildet wird: es wird geglaubt. Auch beim Gebrauch des Ver-
bums denkt Polyb nicht an eine defekte, innerlich gebrochne
Gewissheit, so dass etwa das Glauben nur da statt hätte ,
wo
uns die Kenntniss der Dinge nur durch andere vermittelt wird;
im Gegentheil: man glaubt auch dem, was man mit eignen
Augen sieht, vgl. z. B. 15, 36, 6. Was geglaubt wird, kann
mit S/oV; oder dem Accus, c. Inf.
angegeben werden, dagegen
findet sich der Gedanke: »etwas glauben" nicht; an einer ein-

Vertrauen, und der aus denselben dem Treuen erwachsende Kredit, oder
s|u-iugeiide
die Bedeutung Beweis mit der aus ihm entstehenden Zuverlässigkeit des Worts und
der aus ihr erwachsenden Sicherheit der Ueberzeugung in den Lesern.
62 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

zigen Stelle nähert sich TTK^revstv einem nur transitiven Gebrauche,


1, 38, 6.

^ATTigTsTv folgt allen Verwendungen von tticttsusiv, und zwar


nicht nur mit dem negativen Begriff, dass Zuversicht, Yertrauen
und Glaube nicht da sei , sondern als deren direktes Gegentheil ;

esnennt die Besorgniss und Muthlosigkeit den Argwohn und ,

Verdacht, den Zweifel und die Ungewissheit ').


Der Trieb des damaligen Griechisch, der Bedeutsamkeit der

Worte durch Zusammensetzung nachzuhelfen ,


dehnt sich auch
auf TTKTTsvsiv aus. Polyb braucht neben iTT/cTTfrv häufig 5/
«TTzo-Tfry,

neben ttkjtsvsiv ^ix-, kxtx-^ xTroTiiarrsvsiv ; ^ixTriarevstv versieht

er mit doppeltem Objekte: jemand etwas anvertrauen, xxra-

1) Die Konstruktion der Worte ist folgende: der dem die Zuverlässigkeit erwiesen

wird, wird konstant mit rrpö? eingeführt: vi


TtpSi^Ttvx'Tr.^diuryipsiv tviv tt.
•Trpöz rtva. xi

TTpög Tivoi TTiffTstii. rideträoii ^ea-rstg. vpiq nva u. s. f. Beachte auch slq in den Wen-

dungen :
a,vDt.KpsiiA(7ai rijv it. stg riva, 8 , 21 , 3. Sevoirdsvai ts^v tt. elg tivx 6 , 35,
8. hxSstri^evsfv ri^v rivog nt. sIq tivcc 3, 88, 8. xvaÄaiße7v rjjv v. slg oStov 6, 9, 3.

]?iir denjenigen, bei dem man Vertrauen findet, steht konstant Trapix: via-nv 'e^g/v

TiVi 7n(!-rivsa-&ai rivi 6 7rs7ria-rsvix.svog Trxpix 3, 69, 1.


T«p« , Tcxpoi , Paif-icttav avvjp

Seltener vtto: xhrZ'M rvyxcivsiv vttö rtvog 12, 14, 7 7r;a-T£t/fl5jva< rijv ZTttiMshetxv

Twv ÜÄuv VTTO Tou ßcKTt^süig 31, 26, 7. 'E« kann für den die Treue leistenden stehn:

il SK rtmv TTia-Ttg 34, 8,'"'5'' '''•5. 7, 1 vgl. '^x^'^


^'^ Tivog
A, 39,11. 7ri(rrsvovTSg
ix TMv SiX7rsi/,voi/,£Vci}v
räv Kccpx^^oviav 3, 40, 7. aTriarsiv rtvi £k
Tf) Trxpova-ix

rtvog. 5, 5, 10. "TTitTTog y/yvea-dM ix rivog 38, 3, 11. Der Gegenstand, an dem

ma-Ttg erwiesen wird, tritt mit vspt an: ij nspi roiig Trpsa-ßsvriiig tt. 15, 4, 10.
TrttrTctia-xträxt Trsp) rö3v 'd/^wv.
TTspi Tijg BperrxvtKvjg TrsTricrTSVxhon 34, 5, 8. 16, 37, 3.
An TTta-reig tritt der Gegenstand, der durch sie verbürgt wird, häufig mit vTsp an:
Ttösa-Öxt TTta-TStg vTTsp Tvig q>Mxg 3, 67, 7. 9, 37, 11. cf. 18, 18, 7. vta-rsOeiv

TOUTu T&v ÖKoov 3. 43, 2, oder mit ct/: nia-rsig Äxßslv sTt rövroig 8, 37, 1
VTTsp

Id)' ä mit Inf. 11, 39, 12. TrurrMo-xtr^xi ii(p'


S 18, 32, 6. §tx steht bei dem, was

das Zutrauen weckt: $(x rüv xvxKpiarsm r/ricmva-xt 8, 19, 8; häufig ^t» bei xTria-Tsh
zur Angabe des Motivs 3 ,
35 ,
4 ,
41 ,
8. Beachte ^ 9r/b-r<5 ksItxi Isv rölg eTTOf^ivotg

9 14 3. Zweimal Werthbestimmung „Vertrauen


steht bei Triarrsvö^vai der Genitiv der

erhalten im Betrage von", 6, 56, 13. 18, 38, 6. Das Tempussystem steht in voller
in welchem das Vertrauen
Kraft: ttkj-tsvctxi vergegenwärtigt denjenigen Moment,

fefasst und gewährt wird, Trsvia-Tevtchcet denkt ebenfalls an einen bestimmten einzel-

nen Akt des Vertrauens, diesen aber zusammen mit der bleibenden Vertrauensstel-

lung, die in ihm ihren Anfang nahm, üeber den object. Gen. vergl. Erläut. 6;
über 'jrsma-rsviJLsvog 16, 22, 5 Erläut. 12.
DIE JURISTISCHE TlffTtC. 63

und txTroTncrrsvsiv liaben den Begriff der Zuversiclit, beide wohl


mit tadelndem Sinn ,
so trauen , dass nichts als Zuversicht übrig

bleibt und alle Vorsicht und Klugheit verschwunden ist. liKnä-


(Taaöoci braucht auch Polyb noch reciprok von gegenseitiger
üebereinkunft ,
oder mit sachlichem oder persönlichem Objekt
mit dem Sinn: die Sache gewiss, die Person zuverlässig machen.
Unter den Faktoren ,
welche diese Ausbreitung des Worts be-
wirkt haben, verdienen zwei Momente besondere Beachtung.
n/(7T/^ stand in der griechischen Gerichtssprache in eigenarti-

gem Gebrauch. Da die Wahrzeichen, welche die auf Treue be-


ruhenden Verhältnisse dokumentiren ,
in vielen Fällen den rich-

terlichen Entscheid bedingen mussten, so erweiterte sich der


Gebrauch des Worts auf alle Beweismittel, die vor Gericht zur

Verwendung kommen. Für Zeugen ,


Folter ,
Eid ,
aber auch für
die in der Sache selbst liegenden Beweismomente, für den Zu-

sammenhang der That mit der frühern Lebensführung, den


Nachweis eines möglichen Motivs u. s. f., für all dies ist 'Trhraig
das technische Wort i). Wenn uns Tiartg öfter in der Bedeu-

tung »Beweis" begegnet, so liegt hier deutlich eine Rückwir-

kung der forensischen Sprache auf die sonstige Rede vor, und
dieses Moment musste auch für die Ausbreitung des Worts zu
den Asiaten von besondrer Bedeutung sein; denn die der Ge-

richtssprache angehörenden Worte gehören zu denjenigen Bestand-


theilen der Sprache, die zuerst und am ausgebreitesten in den

Mund der Asiaten kamen.

Aber auch an der Veräusserlichung von Tncrrög zur Bezeich-

nung des blossen Scheins dürfte die Gerichtssprache nicht un-

betheiligt sein. Die Aristotelischen Rhetoriken heissen den


redlichen, wahrhaftigen Zeugen uM^ivög aber noch nicht yriaroq;

TKXTÖt; wird er erst dann, wenn sein Zeugniss in die Reihe der
7ri(nsiq tritt, Eindruck macht und nicht eliminirt werden kann

1) Vgl. die Aristotel. Rhetor. 3 355 ff. edit. berol.


64 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

durch die Gegenparthei. Es ist die Aufgabe der Partheien, die


eignen Zeugen tckttovc ,
die der Gegner oLTriarovq zu machen.
Da dürfte die erste und wirksamste Ursache zu Tage treten,
die TTKTTÖc: seinen edeln, vollen Klang nahm und es auch für

Schein und Fälschung brauchbar machte.


Ein zweiter Faktor, der auf die Geschichte des Worts Ein-
fluss hatte, ist der, dass auch die philosophische Sprache sich
des Worts bemächtigte. So wie sich das Nachdenken auf den
Verlauf des Erkennens und die Methodik des Lehrens richtete,

trat ihm sofort 7ri<TTig als ein höchst bedeutsamer Bestandtheil

desselben entgegen. Mit einem Akt innerer Zustimmung erfasst


der Mensch den ausgesprochnen Gedanken als wahr, er traut
dem Argument baut auf den Syllogismus
, ;
es liegt darin ,
dass

er dem Gedachten Wahrheit zuerkennt, eine innere Hingabe


an dasselbe ^) ;
zur Benennung dieser Vorgänge bot sieh leicht

TT/Vr/c und Dabei spaltet sich der Sprachgebrauch


TrKrrsvsiv dar.

in zwei Linien. Einerseits schliesst jedes Wissen auch in seinen

höchsten Formen einen .


solchen Akt innerer Zustimmung in
sich ,
durch den es erst zu Stande kommt und Gewissheit wird,
und es treten darum Glaube und Wissen neben einander als

Synonyme^). Andrerseits tritt in 's Liebt, dass in diesem Akt


innerer Zustimmung der Sitz des Irrthums liegt. Das »Wissen"
ist immer wahr, ein »falsches Wissen" giebt es nicht, wohl
aber eine falsche ^r/Vr/ff, also eine TricrTii; die ohne Wissen ist.

Von hier aus wird Glauben und Wissen zu einem Gegensatz 3).

1; Vgl.
Phädon 89, D,
Die Seele soll sich selbst
2) Vgl. Phäd. 83, A: glauben in allem, was sie durch
sich selbst denkend erfasst. Polit. 10, 603 A der dem Mass und vernünftigen Den-
ken glaubende Theil der Seele ist ihr bester Theil, Aoy<(7/z5i ma-TSvsiv. Arist. Nie.

Eth. 1146b man glaubt dem, was


man weiss oder auch nur meint. Anal,
prior. B
68 b man glaubt durch Syllogismus oder Induktion. Anal. post. 72 a man glaubt

durch Beweis ttkttsvsiv re xoä st$svxt.

3) Gorg. 454 C. Polit. X 601 E. TTfcmi; bp$i^. vgl. den Gegensatz zu sma-KsTTTEardixi

Theät. 144 E. Phädon. 107 B.


DIE PHILOSOPHISCHE Trhrig. 65

Die Möglichkeit des Irrthums liegt darum in der Zustimmung,


weil sie auch ohne wirkliche Kenntniss des Gegenstands auf
Anzeichen hin ,
die das Objekt nicht völlig erschliessen , ge-
währt werden kann und thatsächlich oft in solcher Weise voll-

zogen wird. In solchen Fällen hebt sich der Yertrauensakt

um so bedeutsamer hervor, weil das ürtheil dann in weit grös-


serem Masse in ihm beruht, als wenn das Objekt in voller

Wahrnehmung dem Geiste gegenwärtig ist. Eine solche vor-

greifende Zustimmung ist nicht nothwendig falsch ,


immerhin
bleibt sie auch dann ,
wenn sie nicht fehlgreift ,
an Sicherheit
hinter dem Wissen zurück. So theilte sich nun für Plato das

Erkennen vierfach; unter das wirkliche Erkennen fallen die

mathematische und die metaphysische Denkoperation, ihnen

gegenüber stehn als Meinung {^c^x.) Glaube [Triaric) und Ver-


muthung. Nun bleibt allerdings diese Verselbstständigung der

TTtTTig ZU einer besondern Form des Erkennens speciell Plato-

nisch; Aristoteles behielt sie mit gutem Grunde nicht bei; er


nennt Glaube die bejahende Zustimmung ,
die in jedem Wissen
enthalten ist. Es war aber für die gesammte Gestaltung des
Worts von grosser Bedeutung, dass dasselbe mit solch intellek-

tueller Wendung in der philosophischen Litteratur vorlag. Diese

Einflüsse sind auch bei Polyb sichtbar, wenn er z. B. die

Ueberzeugung von der Vergänglichkeit alles Natürlichen »einen


Glauben" nennt, oder es als den Zweck seiner Geschichtschrei-
bung bezeichnet, nicht einzelne Kentnisse zu geben, sondern
ein »Wissen und Glauben", d. h. eine feste gewisse Einsicht,

welches den gesammten Yerlauf der Ereignisse umfasst ').


Und
auch für die Asiaten ist dieses Moment nicht unwichtig, denn
zu den Anziehungspunkten, welche diese zur griechischen Rede

führten, gehörte, wenn auch nur für kleine Kreise, doch für

1) Vgl. das nach Porm und Inhalt eine intressante Parallele zur neutest.
Predigt
hildende Dictum Epiktets : si ßouÄst xyca.öb? slvcsi vplaTov Tr/a-reva-ov '(Sri xxxb^ el.

frgm. Stob.

5
66 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

diese mit starker Kraft bald auch die pMlosophiscke Litteratur


des Griechenthums.

Nicht nur iu seiner Anfangsgestalt, wie sie uns Homer


zum Theil vergegenwärtigt, sondern auch noch bei Polyb geht

das griechische Wort in mancher Beziehung mit dem hebräischen


'l''f2^r]
und nDJ< parallele Wege. In einer Hinsicht freilich

scheiden sich dieselben TÖllig: zu den Gröttern hat Polyb's


ithm; keine Beziehung, nicht weil der Begriff an und für sich,

religiöser Verwendung widerstrebte; er sagt öfter: sich aufs


Glück verlassen , r^ tüx^ Tta-rsvsiv ;
in derselben Linie läge auch

der Gedanke: sich auf die Götter verlassen, roTg hoig Trurreösiv,

doch dieser Gedanke fehlt; denn Polyb hat keine Götter mehr:

rüx^ ist die Macht, die über dem Beschliessen und Handeln
der Menschen steht, und diese bietet dem Yertraueu und der

Zuversicht keinen Stützpunkt dar. Der Vernünftige verlässt

sich nicht aufs Glück sondern auf seine eignen Erwägungen


und Berechnungen ,
ov rfj rv^^ äAAä roJg crv?^?\.oyia-i:/>o7g, 10, 7, 3.

3, 7. Ja Misstrauen ist die Stellung, welche der ry^jf gegenüber


einzunehmen ist, xTrKTTsTv t^ Ty%^, 1, 35, 2. 15, 15, 5; denn
sie durchkreuzt das menschliche Handeln und Wohlergehn un-
berechenbar. Die Treue und ihre Wahrzeichen haben allerdings
auch für Polyb eine religiöse Beziehung; es ist eine religiöse

Pflicht, die beschwornen Verträge auszuführen, oa-iöv ia-ri ro


TOiq Trlarsig ßsßxiow, 9, 36, 12 und der Treubruch ist nicht nur
,

gegen die , welche das Vertrauen gewährten sondern auch gegen


die Gottheit Ruchlosigkeit , oicreßsia sU to ösJov kx) touc TrirTrsu-

(TixvTiz?, 4, 17, 11. Er verläugnet und bestreitet den alten Volks-

glauben nicht, welcher die Pfänder der Treue als Sache der

Götter betrachtete ^).


Allein diese Trio-Tig verbindet doch nur

1) &S(av 'k'kttsic, o{j,M(TXvric, sagen die Koriather Thuk. 5, 30, vttrTOi äsüv rn)
Troisla-Sxi, Cyrop. 4, 3, 7. Hieher gehört auch Eur. Med. 414 :
xvSpäa-f (ilv SöÄiai

ßovÄcef, ösSiv J' ol/KSTt ma-TiQ 'dpiups; es handelt sich um die heiligen Bande, üher
DIE ABLÖSUNG DER TTiaTK; VON DEN GÖTTERN. 67

den Menschen mit dem Menschen ;


eine 7ri(rrig die ihn mit den
ö-öttern verbände, kennt Polyb nicht. Die römische Frömmig-
keit nennt er ^sic-i^txiizovia ,
nicht ohne bewusste Betonung des
Übeln Klangs, den das Wort hat, so sehr er den Zusammen-

hang zwischen der römischen Religiosität und Grösse wahrnimmt


und geltend macht, 6, 56, 6 ff.
Die 'TTicTTig war auch im Munde der Griechen nicht immer
von den Göttern so vollständig abgelöst. Schon die intellek-

tuelle Wendung des Worts setzte es zu denselben in Beziehung.

Unter die Trhrig fällt vor allem aus dasjenige Wissen, das nur
auf Mittheilung andrer beruht und von den G-öttern hat man
nur durch die IJeberlieferung der Vorzeit Kunde, und indem
die fromm gestimmte Philosophie in diesen Traditionen nicht
leeren Wahn sondern bedeutsame Wahrheit sah, forderte sie

für den Mythus Q-lauben. Der Platonische Sokrates »glaubt",


der Mythus von den Todtenrichtern sei wahr, er »glaubt" den
Weibern, dass keiner seinem Schicksal entrinnt. Dem Gesetz
folgend soll man den Söhnen der Götter glauben, was sie über
diese verkündet haben. Und indem die von Sokrates ange-
regte Philosophie selbst Erkenntniss G-ottes sucht als Ziel aller
Weisheit, überträgt sich ihr auch diejenige Trlcmg, welche die

in Beweis und Wissen wohl begründete üeberzeugung nennt,


auf die Götter. So sagt Plato: der Menge muss man es hin-

gehen lassen, wenn sie sich in religiöser Hinsicht einfach an


das Gesetz hält; die Wächter des Staates dagegen haben die

Pflicht, sich jede nur mögliche 7ri(rrt? in Bezug auf die Götter

zu verschaffen. Es müssen von ihnen die Gottesbeweise auf-

gesucht und ausgebildet werden, sie sind das, was in Bezug


auf die Götter zur festen üeberzeugung und Gewissheit, zur

welche die Götter wachen und in deren Schutz sie selbst tt. bethätigen. Wenn sich

Meyer zu Köm. 3, 22. tt/itti? Ivjo-oti auf «die klassischen Ausdrücke Tria-rtq dsüv u. s.f."

beruft, so hat er vgl. Meyer zu Mrc. 11, 23 nur diese Medeastelle im Sinn, die mit
'/Glauben an die Götter" nichts zu schaffen hat.
68 DBE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

Trhriq führt ').


Bei Polyb findet sich höchstens eine Annähe-

rung an eine solche Verwendung von Trhrii; wenn er von den ,

Bargylieten sagt: es ist bei ihnen das Gerede verbreitet und


es wird bei ihnen geglaubt, dass ihr Q-ötterbild weder von

Regen noch Schnee getroffen werde, Kxroi7r£(pviijci(rTcn koc] TTf^r/-

crrevraij 16, 12, 3. Der Gedanke: man glaubt nur! liegt es

auch hier nicht in der Wahl des Wortes, im Gegentheil es


wird damit gesagt , dass diess der dortigen Bevölkerung als un-

bestreitbare Wahrheit gilt; doch bleibt die religiöse Seite an je-


nem Glauben ganz unberührt, es wird lediglich die Thatsache

festgestellt, dass sich solche Vorstellungen in der Menge fin-

den, die man


hingehen lassen muss, die aber kein Ge-
ihr

schichtsschreiber als Wirklichkeit behandeln darf.

Die TTia-Tii; trat aber zu den Göttern nicht nur nach ihrer
intellektuellen Seite in Beziehung; für die Frömmigkeit des
Volks sind die Götter hülfreiche Mächte, auf deren Eingreifen
man vertraut. Aeschines beginnt eine seiner gerichtlichen Re-
den mit der Phrase: mit Zuversicht bin ich hieher gekommen
zuerst auf die Götter sodann auf die Gesetze und auf euch,
TrsTTKTT evicoog y^Kco TrpÜTov i/^h Toici hoJg ,
c. Ktes. Aber auch
hier zeigt die koordinirte Aufzählung : die Götter ,
die Gesetze,

ihr, die innere Schwäche dieser auf die Götter gestellten Zuver-

sicht; die Götter zählen mit in der Zahl der schützenden,

günstigen Faktoren, das Vertrauen tritt zu ihnen nicht in

andre Beziehung als zu den übrigen Dingen und Personen, die


dem Sprechenden in seiner angefochtnen Lage zur Seite stehn,
und aus dem Blick auf die Gesammtheit derselben wächst seine
Zuversicht hervor. Tiefer fromm sagt die Bpinomis: den Göt-
tern vertrauend bete! TricrrsiKTOig roig ßsoTg su^ov 980. 0, ohne

Zweifel und Bedenken, ob auch das Gebet den Göttern wohl-

1) Gorg. 534 A. 512 E. Tim. 40 E. Nom. 966 C. ttSa-äv ria-rtv }i.xßsiv t&v oh-

(tQv Tspi ösUv.


DIE ABLÖSUNG DER TT/Vr/? VON DEN GÖTTERN. 69

gefällig sei. Wenn der Menscli das Grösste und Höchste was ,

in seinem Sinne liegt, zum Preise der Götter sagt, so sei er

bei solchem Gebete getrost : er hat gethan , was er konnte.

Noch merkwürdiger tritt der Glaubensbegriff hervor, wenn


Xenophon die Anerkennung der Götter durch Socrates damit

beweist, das er ja den Göttern geglaubt habe, Mem. 1, 1, 5.

Die Götter anerkennen voi^l^siv rohe; dsovq ,


das war ein acht

griechischer Begriff. Die Götterverehrung ist ein Bestandtheil

des vofzog, der Yolkssitte und der sie normierenden Staatsord-

nung. Darum ist es Pfficht der Einzelnen, voßi^siv rovg &soüg^


sie anzuerkennen. An Sokrates bemerkten seine Gefährten eine
andre Stellung zu den Göttern : er glaubte ihnen, Tricrrsüsiv toIq

ösoJi;. Dieser Eindruck stand in Zusammenhang mit den gött-


lichen Weisungen ,
die Sokrates erwartet , die er nach seiner

Aussage auch empfängt und als gewisse Wahrheit behandelt


und seinen Freunden mittheilt, ohne Sorge, dass er durch den

Gang Dinge widerlegt werde. Das der Prophetie sich


der

nähernde Element in Sokrates welches der Gottheit in Rede ,

und Weisung ein lebendiges Eingreifen in's menschliche Leben


zuschrieb, und zwar nicht nur als Hoffnung sondern als er-
lebte Thatsache, weckt sofort den Glaubensbegriff. Allein er
brach nicht durch denn dieses lebensvolle Verhältniss zur
,

Gottheit erscheint als ein singuläres Eigenthum des Sokrates,


Es ist bezeichnend, dass auch Plato da, wo er von der Ruhe

spricht, mit welcher der Mensch die üngewissheit der Lebens-


dauer zu betrachten hat, sagt: wir haben das den Göttern zu
überlassenund den Weibern zu glauben, dass niemand seinem
Geschick entrinnt, Gorg. 512 E. Den Weibern glauben! warum
nicht den Göttern? Sie stehn nicht als lebendige redende Po-
tenzen vor dem Bewusstsein, so dass zu ihnen ein innerliches
Yerhältniss desGlaubens und Trauens möglich wäre. Jenen
fernen unbekannten Mächten gegenüber ist Resignation, die
sich in ihre Entscheidung fügt, das einzig mögliche. Auch die
70 DEE, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. 11.

Stoa hat diese Linie nicht überschritten; auch ihre G-rundstim-

mung drückt sich den Gröttern gegenüber in den Begriffen aus :

den Göttern folgen, nachgeben, gehorchen ihnen trauen, Tncrrsü- :

(Txi ToTg hoiq dieser Begriff wird nicht erreicht. Es kam somit
,

Polyb die Verknüpfung der TitTriq mit den Göttern nicht in


einem festen , durchgreifenden Sprachgebrauch entgegen ,
und
er selbst hatte bei seiner atheistischen Denkweise keine Motive,
diesen Gedanken neu zu bilden ;
die Folge ist ,
dass bei ihm
von Glaube an die G-ötter nicht gesprochen wird; was andre

ihr Vertrauen zu den Göttern heissen mögen, fällt ihm unter


den Begriff: Glaube an das Glück, und dieser unter das ürtheil :

Unvernunft, Von einer der Gottheit selbst eignenden und von


ihr bethätigten tt'kttic; kann nun vollends keine Rede mehr sein.

Wohl Mehrzahl der Griechen, die nach Asien zogen, um


die

dort Geld und Glück zu finden waren mit ihm in dieser Hin-,

sicht eines Sinnes.

Nach einer andern Richtung ist dagegen das griechische


Wort weit reicher entfaltet als das hebräische. Die Bedeutung,

welche die "Triarig in allen ihren Wendungen für das staatliche

Leben hat ,
tritt bei Polyb sehr energisch hervor. Jede Wahl
eines Beamten oder Offiziers ist ein Akt des TTKrTsusiv -^
wer die

Macht in den Händen hat, nimmt Triarig auf sich; es ist die

Aufgabe einer klugen Staatsleitung, sich mit andern in iricrrK;

zusammenzuschliessen ,
dafür zu sorgen, dass die tt'kttk; intakt

bleibe u. s. f. Erst spät und in schwachen Anklängen tritt diese

politische Treue in den Inhalt von mJ'IDK: wegen der Gerech-

tigkeit und Treue, Simon seinem Volke bewahrte, machten


die

sie ihn zum Hohenpriester, 1 Makk. 14, 35 vgl. 8, 16. *3D*

n"^^ö j^*np-n'^_ ninn pnsvt' ^'^y^. ^V. 'Wr^ü riir'iö


\^'r\'2V

Onkel. Gen. 41, 34. 35. Es macht sich in dieser verschiednen

Entfaltung des Worts die durchgreifende Differenz griechischer

und orientalischer Geschichte geltend. Zu jenen Korporationen


DIE POLITISCHE AUSBILDUNG DER 7r/(7Tt$. 71

auf griechiscliem Boden, die mit thätiger Theilnahme aller

ihrer in gemeinsamem Handeln allgemeine Intressen


Glieder

verfolgten und dadurch der Trhrig eine über die individuellen


Verhältnisse erweiterte Verwendung gaben, findet sich auf
asiatischemBoden kein Analogon. Dort lebten sie zunächst in
den naturhaft begründeten Stammesverbänden dann kamen die ,

grossen Staatsbildungen über sie als ein Geschick, das sie pas-
siv erlitten. Nach dem Exil sammelte sich allerdings auch
Israel zu einer fest verbundenen Genossenschaft, aber sie hatte

neben sich nicht ihres gleichen; sie war isolirt, und durfte,
wenn sie bestehen sollte, keine Verbindungen nach aussen hin

eingehn und für ihr eignes Zusammenleben lag das einigende


Band in der gemeinsamen Unterordnung aller unter das eine
und selbe unveränderliche Gesetz. Wenn der Pharisäer in frem-

der Stadt fragt : wer ist hier |D^^J ,


so bespricht diese Treue

zunächst nicht von einem Verband mit ihm selbst, sondern


von der Gebundenheit an das Gesetz; von hier aus finden sie

sich nun zusammen als Genossen; so wird freilich auch hier


Tr/ff-T/i? die Wurzel einer engverbundenen Genossenschaft, aber
TTifTTig an Gott.
Andrerseits tritt da, wo auf hebräischem Boden die HÖ^
in's öffentliche Leben eingreift, die Trio-rtg bei Polyb nicht auf.

Er sagt zwar vom Schiedsrichter, er sei um seiner tt/o-t/ij wil-

len zu seinem Amt gewählt worden, 2, 39, 10 cf. 4; doch der

Gedanke, dass Trla-ra; die konstante Eigenschaft des Richters


und der Rechtspflege zu bilden habe, ist nicht griechisch. Das
Verhältniss zwischen dem Richter und Recht suchenden ist

äusserlicher gedacht, er steht hier nicht vor diesem als der

treue, der ihm kraft seiner eignen innern Gebundenheit an


das Recht den erbetnen Schutz gewährt; die juridisch-politische

Umgrenzung und Fixirung der richterlichen Funktion bedeckt


das persönliche, ethische Moment in derselben, darum ist es
nur der von den Partheien selbst gewählte Schiedsrichter, an
72 DER GLAUBE IM NEüBK TESTAMENT. KAP. II.

dem 'n-icrrig als nothwendiges Erforderniss zu seinem Amt her-

vorgelioben wird. Analog liat sich das Zeugniss von der !r/crr/$

abgelöst, es hat seinen Zweck in derselben, 2, 38, 11.21, 9, 4,

aber sein Werth wird dadurch bezeichnet, dass es hocpyh ist;


zu dem vollen Gedanken, der im »treuen Zeugen" hegt, findet

sich bei Polyb nichts| entsprechendes.


Die Parallelen zwischen beiden Worten finden sich in der

Sphäre des individuellen menschHchen Verkehrs. Unter den


Triarrsig steht der Eid vorne an, 8, 2. 4, 17, II5 aus ihm fliesst

TT. als Pflicht; wer den Eid „gelöst hat" durch Leistung des
Beschwornen, hat sie bewahrt, 6, 58, 4. Sie soll sich darum
auch aus ihm ergeben als Eigenschaft Polyb hebt an den
; Römern
hervor, dass sie allein schon kraft der aus dem Eide sich er-

gebenden Bindung in der Verwaltung der öffentlichen Gelder


ehrlich handeln 5/' ^yrij? , rj?? xizra rh opKOV iriarsag rvipsTv ro

Kxd^KOv , 6, 56, 14. Man schwört Tr/o-rf/, sofern der Wille, dem
Andern verlässliche Gewähr zu bieten, den Eid erzeugt, 3, 25, 7.
So ist auch in Israel (Öt< in erster Linie Prädikat des Eids

und. man schwört nÜK3. Kein Begriff wird weiter mit Tria-ng

und Tiarsüsiv so oft von Polyb zusammengestellt als derjenige des

Wohlwollens: svvoix za.) TirltTTig ist ein fest verbundnes Wort-

paar, wohlwollend werden und Treue bewahren treten in Pa-


rallele, 17, 15, 10 vgl. 8, 17, 2; der wohlwollende traut, 5,

57, 8; wiederum giebt das Wohlwollen der andern eine feste Basis
für das eigne Trauen 3, 34, 7. cf. 5, 20, 5 ,
die CpiXavdpaTritx. ;

hat die Kraft in sich, die tZTriarix zu überwinden, 1, 81, 8. 79, 1 ;

macht auch sie den Menschen nur noch xTicrörspog ^


so ist das

Urtheil gerechtfertigt, dass kein lebendes Wesen roher und


ruchloser werde als der Mensch, Das sind die griechischen Ge-

genbilder zum hebräischen T\12'^'^ "IDH. Unter den Thätigkeits-

worten ist der Begriff: bewahren fest mit tt.


zusammenge^
schlössen :
Tvipslv , "^lari^psh , ^nxCpvÄXTTsiv tviv tt. Diese Verbin-
Trlo-Tig UND nilöK- 73
T v:

dung entspringt dem Eindruck dass die tt. im menschliclien ,

Zusammenleben das normale und natürliche sei, sie stellt vor


dem Sprachbewusstsein nicht als erst herzustellendes und zu
schaffendes, sie folgt aus den gegebnen oder durch eignes
Handeln gestifteten Verbänden und es gilt nur sie festzuhalten
und nicht aufzugeben. Die Parallele dazu ist HJ^Di^ "IDÜ^-
-
T v: T

Immerhin stehen hebräisch neben der Bewahrung der Treue


Wendungen wie die : nj1DJ< suchen ,
Jer. 5, 1 ; HD^^ kaufen,

Prov. 23, 23; sie haben bei Polyb kein Aequivalent. Die tt.

ist allerdings Gegenstand des Strebens ,


sofern sie Achtung und
Kredit also Macht ist, 2, 47, 5 vgl. Sir. 22, 23. Zum Gegen-
stand scharfsinnigen angestrengten Suchens müssen die Treu-
,

pfänder gemacht werden, damit sie den Andern möglichst bin-


den, 8, 2; doch nur in diesen äussern Beziehungen stellt sich

die TT. als Ziel des Trachtens dar. Es geht durch Polybs Begriff
und Gebrauch von Trlcrri^ ein tief naturalistischer Zug. Sie ist

zweifellos da, wo sie vorhanden ist, ein Glück und Gut; wer
sie hat und bewahrt, verdient Lob; aber ein kräftiger Impe-

rativ, der sie fordert und als Ziel hinstellt, das zu suchen und
zu erreichen ist, Kegt ihm fern. Er erörtert, 1, 81, die [Jrsaclien
warum alle tt. in den Menschen untergehen kann; er nennt

korrupte Sitte und schlechte Erziehung und unter den mitwir-


kenden Paktoren in erster Linie Gewaltthätigkeit und Eigennutz
der Regierenden, so sinkt der Mensch unter das Thier hinab,
aber der ethische Gesichtspunkt, dass doch solche Yerthierung
nicht ein naturhaftes Leiden sei, das der Mensch willen- und
hülflos über sich ergehen lassen muss, bricht nicht klar und
kräftig durch. Er stellt die ehrenhafte Zuverlässigkeit der
Römer und ihre Heiligung des Eids und die meineidige Schur-

kerei der Griechen neben einander, 6, 54,18 — 14, mit energischer

Empfindung dafür, wie verderblich dieser Banquerott an Treu


und Glauben für sein Volk gewesen sei; er beobachtet auch
74 DER GLAUBJß IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

im römischen Leben scharf, 18, 18, 2, das rasche Sinken der


Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit, aber wie ein Naturverhängniss

vollziehen sich vor ihm diese Processe, die in ganzen Volks-


körpern die früher vorhandne und heilig gehaltne Trla-Tig unauf-
haltsam zerstören, er nimmt sie wahr, und empfindet schmerz-
haft das üebel, das in ihnen liegt, aber es stellt sich ihm
als unabwendbar dar, als ein Beleg zu der durchgreifenden
Wahrheit, dass alles der Yerderbniss unterliegt.
Charakteristisch ist ,
dass dem häufigen HDK T\]^^ griechisch

kein Parallel ausdruck gegenüber steht; dieses nicht darum, weil


die 7ri<rrig nicht auch für Polyb das kräftige Motiv zum Han-
deln wäre, und demselben ihre eigenartige Bestimmtheit gäbe,
aber die Umgrenzung des Begriffs ist eine schärfere , engere ,

die Abstraktion vorgeschrittener. Das innere Band, welches die


Menschen einander verbindet, wird für sich angeschaut und be-
nannt, und von den einzelnen Handlungen, die aus ihm folgen
und es erhalten , abgesondert. Die Thaten lösen sich von der
TTis-Tti; ab, als deren >^
Erweisung"
— xTro^si^xa-öoit Tr/o-T/v ; Polyb
kann sagen: gar nichts thun, nur die Treue bewahren, Trpd^ocg

fjch xttT^uc ov^sv ^loiCpvXtk^oii; §f iJ.6vov Tviv tt. 22 ,


4 ,
4. Yollends

jener tt., welche in der Geltung und Achtung andrer besteht,


also rein der geistigen Sphäre angehört, können die Thaten
entgegentreten als ihr Gegenglied ,
ovts xxto, rijv iviirriv ovts xarot

roiq Trpd^sig , 18, 38, 5, Hier sind dieselben Motive wirksam,


welche auf palästinensischem Boden jenes liD^H ,
das die innere
T

Zuversicht und Festigkeit bezeichnet, neben die Werke stellt

als ein von denselben unterschiedenes.


Jene Personifikation der Dinge die auch ihr Verhalten unter den
,

Begriff Trlcmg fasst liegt von Polybs scharf verständiger Sprach-


,

gestalt abseits. Immerhin erscheint auch bei ihm das Wort als Be-
sitzer einer ihm eignenden ir. und zwar in einer der hebräischen

Begriffsfassung völlig parallelen Weise. Das Wort ist auch hier


TrlcTTK; UND nSlÜfc^- 75
T v:

noch niclit für sich allein Besitzer derselben, es mag schön,


richtig ,
zutreffend gesagt sein ,
aber so lange es nur Wort ist,
ist es nicht mit Trhri? begabt, es erhält dieselbe durch die

Werke, §/' xvtcov tSiv spyav ,


aus der Wahrnehmung des That-
bestands, iz ri?^ koctcc 0v<Ttv hcopiizg. und wenn von hier aus
TTKTTÖi; sich dahin verj&üchtigt ,
dass es nur noch den Eindruck

der- Zuverlässigkeit nennt, ob auch diese reell fehlt, so ist auch


diess hebräisch nicht ohne Analogie, nicht als ob
|Dl^i jemals
den Lügner nennen könnte, der sich durch die Künste des

Trugs andern glaubhaft macht; aber in den juridischen Defini-


tionen der Mischna erhält das Wort immerhin einen sehr for-
malen Sinn ,
es bezeichnet den ,
dessen Aussagen in einer Frage
des heiligen Rechts Beweiskraft haben ; auf den Inhalt der Aus-

sage wird dabei nicht reflektirt, sondern nur auf die formalen
Erfordernisse 5
die ihn zur Ablegung eines gültigen Zeugnisses

befähigen ^) .

Spricht Polyb von der 'Tv'Krrn; des Redenden, so ist in dem


Wort von Beziehungen zusammen-
eine reiche Mannigfaltigkeit

gefasst. Zur Trian^ des Geschichtsschreibers gehört, 3,9,5, nicht


nur sein redliches Bemühn, die Wahrheit zu fassen und wie-

derzugeben ,
die äussern Faktoren ,
die ihm dasselbe ermöglichen

und erfolgreich machen, sein zeitgenössisches Yerhältniss zu


den Ereignissen, seine aktive Betheiligung an denselben, die
Beweiskraft, die sein Wort dadurch erhält und unwillkürlich
im Urtheil des Hörers bethätigt , all diess macht seine Tr/crr/g aus.

Wenn Scipio zu seinen Truppen spricht, so entsteht seine

mang ,
die seinem Worte das Grewicht verleiht, 3 , 64 , 4 ,
aus
dem Zusammenwirken all der innern und äussern Momente,
die ihn zu seiner einflussreichen Stellung erhoben haben. Da
ist ein ähnlicher Vollsinn in dem Worte gedacht wie in **1U1

nD«, pJ^i "ri^, t^^Di'? r^Ki u. s. t Aber von hier aus bewegt

1) Vgl. z. B. Pea 8, 3. 3. Surh. I, 69. Erub. 5, 5. Surh.. II, 104.


76 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

sich das griechisclie Wort nicht zum Gedanken der Wahrheit

hinüber, diese Stelle war schon besetzt: ;; rov Ksyovrot; tt. k(zi

vj räv Ks'yoi/.svücv oixyjhicc sagt Polyb, wohl aber zum Begriff


der Achtung, des Kredits, der Autorität- Nur vereinzelte An-
klänge finden sich im hebräischen n^^tDS^ nach dieser Seite, so

wenn der Siracide den Weisen M^^OK erben lässt, Sir. 37 ,


26.
T v:

Es tritt auch hier wieder der auf die Verhältnisse des socialen
Zusammenlebens gerichtete Zug der griechischen Sprachbildung
heraus.

Wie der Hebräer so bedarf auch Polyb zum Ausdruck des-

sen ,
was TTKxrsvsiv nennt ,
keines Nomens ;
denn neben dem

häufigen Verbum steht ttIo-tic sehr selten im Sinne des Ver-


trauens und der Zuversicht. Die zuversichtliche Stimmung und
Stellung wird wohl als thätiges Verhalten kraftvoll ausgezeich-
net; handelt es sich dagegen um eine zuständliche Benennung
des Menschen, so treten zum Vertrauen die ihm verbundenen
Momente, welche mit ihm die Gemeinschaft stiften und erhal-
ten, hinzu. Es ist derselbe Vorgang, wie wenn hebräisch aus
dem Gesammtinhalt der r\f2i^ das Trauen wohl verbal aber

nicht substantivisch besondre Benennung erlangt oder wenn


aramäisch ^^DTl zurückbiegt in den umfassenden Sinn der

Treue und Ergebenheit. Ebenso wenig als ist Polybs


|''Q^n

TTKTTeveiv auf das Gedankenleben eingeschränkt, es ist im Ge-

gentheil die Basis der Entschlüsse des Handelns und der Wag-
,

nisse. Wenn Hannibal über die Alpen mitten durch die Gallier
hindurch in Italien einbricht, oder wenn das karthagische
Schiff an der römischen Flotte vorbei in den blokirten Hafen
fährt, dergleichen ruht auf einem 'Tricrrsvaoii. Daher kann es

auch das Selbstvertrauen nennen, TritTTsusiv ocutu 6, 2, 10, wie

1DV1?:3 iii'ijj? \'mr\.


Das im Gedankenleben sich vollziehende 'TVKXTevsiv steht bei

Polj^'b neben dem Wissen und Erkennen, ohne dass das Ver-
TTltTTlC UND nilDt^ 77
T v:

hältniss beider Begriffe zu einander als schwierig empfunden


würde und besondre Reflexionen weckte, gerade wie das hebräi-
sche t*D&^n mit nl^l und HD^Pi in keinerlei Kollisionen

tritt. Das intellektuelle Tricrrsvsiv ergiebt sich als Resultat und


Frucht der erkennenden Thätigkeit, vgl. 1, 4, 10. 5, 5, in

analoger Weise, wie das im Handeln bethätigte TTKrTsveiv der

Basis bedarf, auf die es sich stützt und aus der es entsteht. Je
voller ein Vorgang den Q-egenstand erkennbar macht, so um
stärker ist die tt/Vt/?, die ihm entspringt, daher gehören Sehen

und Glauben zusammen als die einander unmittelbar entspre-

chenden innern Ereignisse. Es ist die höchste Spitze des ^rio--

rsTv wenn man nicht einmal dem was man sieht glaubt
, , vgl.

5, 18, 10. 8, 23, 1. 10, 14, 8. 15, 28, 6. Nur dadurch


deutet auch bei Polyb ein Gegensatz zwischen Glauben
sich

und Erkennen an dass er auch dann wenn es sich um Ge-


, ,

fälschtes ,
Täuschendes und Unwahres handelt ,
tthttsüsiv braucht
und zwar mit einem gewissen Nachdruck, 16, 12, 3. 2, 52,4.
5 ,
42 ,
9. Dasselbe Motiv gestaltet aber auch den Sprachge-
brauch für dasjenige ttio-tsüsiu, welches im Handeln enthalten

ist;auch hier wird es besonders dann hevorgehoben wenn es ,

zu einem Wagniss treibt welches scheitert und sich also täuscht.


,

Die Karthager »trauen" auf ihre Fertigkeit im Segeln der römi- ,

schen Kampfweise gegenüber umsonst, der römische Feldherr

»traut" auf die Festigkeit seiner Stellung und wird geschlagen.

Gerade wenn real die Bedingungen zur Zuversicht und Üeber-


zeugung fehlen ,
fällt ihr Dasein aufund wird bemerkt.
In seinem Urtheil über den Werth des Vertrauens ist Polyb
getheilt. Das Trauen hat viel Unheil angerichtet ,
8 ,
2 , ja das
Thier ist hierin weiser als der Mensch ,
es mistraut dem Ort ,

wo es einmal Gefahr lief; aber die Menschen und Staaten


bleiben trotz aller Erfahrung in derselben ihrer Begehrlichkeit
entspringenden Zuversichtlichkeit, 15, 21, 5. Ttcrrsüeiv erhält

darum öfter tadelnde Prädikate ; £v>i$üg TTKrTsvcroct 4 ,


10 , 1, ö^icog
78 DEE GLAUBE IUI NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

Kßi) (zapirac, 4, 85, 4, Trpo^slpooc 5, 27, 1 , sIk^j xa) dKpircj^ 8 ,


1 ,

8. Es sckeint ihm, das Leben wäre leicMer, wenn man sici.

des Trauens entsctlagen könnte, er fühlt das irrationale Mo-


ment in demselben, das sich dem berechnenden. Denken ent-
zieht ,
d. h. das ethische Moment ,
das auch in den Andern an
das Ethos appellirt. Allein ro fjt.^'hav) Tria-Tsvstv s'ig rskog aTrpixxTou,

8, 2, 2; wir müssen einander trauen und wer sich die mö-


glichen Garantien — äJ iv^sxöfisvxt Tria-rsig
— verschafft hat,

ehe er traut ,
ist auch dann nicht zu tadeln ,
wenn sein Ver-
trauen an der Treulosigkeit der Andern scheitert und ihm Scha-
den bringt. Auch auf dem intellektuellen Gf-ebiete giebt es ein

tZTncTTsJv, welches einfältig ist, 4j 41, 8. Polyb empfindet ge-


genüber dem räsonnirenden und kritisirenden lügenden und ,

trügenden Griechenthum dass auf diese Weise


,
die Basis aller

menschlichen Gemeinschaft zersetzt und untergraben wird. Auf


hebräischem Boden überwiegt noch der erstere Gedanke ,
die

Warnung vor übereiltem Vertraun. Gott gegenüber ist aller-

dings der Imperativ nöthig: vertraue ihm! dagegen im Ver-


kehr mit den Menschen bedarf die Neigung und Fähigkeit zum
Vertrauen der Warnung vor dem üebermass. Während Polyb
in einer Gesellschaft steht, deren Kraft und Fähigkeit zu glau-

ben tief geschädigt und geschwächt ist, gehört ^Ö^n einer Ge-

meinde an ,
die weit fester geeinigt sich vertrauend an einander
schliesst.

Die innere Verwandschaft beider Wortfamilien stellte es aus-

ser Frage, wie sich der griechisch redende Jude pD^H erhalten

könne. Die griechische Bibel, das erste uns erhaltne Produkt


dieser Wandlung, das zugleich sehr einflussreich sprach bildend

auf das jüdische Griechisch wirkte, ist, so viele Hände au ihr

gearbeitet haben mögen,


darin in ihrem Sprachgebrauch völlig

einheitlich: der tQ^^ ist Triarög und ^D^?^ ist tckttsüsiv bis

hin zu den vocoi TTKTTail, Deut. 28, 59, dem ü^cop tkttÖv^ Jes. 33, 16
DEE SPRACHGEBRAUCH DER SEPTUAGINTA. 79

und dem Rosse ,


welches ou ^vi Tria-rsvcrsi, Hiob. 39, 24, während
die übrigen Yerba der Zuversicht in rsTroiösvon, sKtti^siv^ vttoijcs'

vsiv ihr griechisches G-ewand erhalten. Lag in der Ge-


|DJ^J
danke :
zuverlässig und sicher werden ,
so bot sich hiefür ttiittoo-

&>jvxi dar, Ps. 78, 8. 37. 2 Sam. 7, 16. 1 Kön. 8, 26. 1 Chr.

17, 23. 2 Chr. 6, 17. vgl. Sir. 27, 17. 29, 3. nm und nJIÜf?

spalteten sich wie für den aramäischen so auch für den grie-
chischen Juden. Häufig tritt 7ri(XTig für sie ein, da, wo sie

als Sinn und Verhalten des Menschen gedacht sind Deut. 32, 20. ,

1 Sam. 26, 23. Jer. 5, 1. 3. 2 Kön. 12, 15. Hab. 2, 4. Zu


einerScheidung zwischen dem aktiven und receptiven Moment
in nilDK nöthigte Tricmg den üebersetzer nicht da es ebenfalls ,
T v:

beide Seiten der menschlichen Gemeinschaft umspannt. Dagegen


fügte es sich in den objectiven Gebrauch der hebräischen Worte
nicht. Dafür bot das Griechische einen Begriff, auf den grie-
chisches Denken und Reden überhaupt nicht verzichten konnte :

xXvjkiX: Nannte HDi^ als menschliches Verhalten die von Arg


und Falsch freie Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, bezeichnete
sie denjenigen Charakter der Rede, welcher ihr durch Beweis,
Untersuchung und eigne Erfahrung zuwächst, trat sie in Ge-

gensatz zum täuschenden in nichts zerrinnenden Schein als das

wirkliche und bleibende: in all diesen Wendungen berührte sie

sich mit der nicht hehlenden und verbergenden xKvjhioc des

Griechen, zumal in der abstrakteren Gestalt, welche HD^^ in

der Gedankenarbeit der Schule erhalten hat. So wird ^\'t2^^ IDPi

überwiegend sT^soc xoi) txÄridsnx,, der nüi^ 0*^^ ein xvnp xKviHg,

Neh. der o
äXv^kUg, Ps. 31, 6. u. s.
7, 2, HÖ^ ^^ ösog rijg f.

Schon auf griechischem Boden war xX^öivog ,


»was Art und
Wesen der Wahrheit an sich hat", zu reichem objektivem Ge-

brauch gelangt für das, was in kräftiger Energie dem Namen,


den es hat, und der Erwartung, die es erregt, entspricht. Die
80 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

Römer, sagt Polyb, sind dann zu fürchten wenn sie :pSßog

oiX\jQivöq umgiebt , 3, 75, 8 ; geht es auf einem Schlachtfeld


mörderisch zu, so war das (^ä.xv) iz}<.vi6ivvi kx) ßxpßaptx^, 3, 115, 2;

ein Leben ,
das sich nicht in Täuschungen und Misserfolgen
verliert sondern fruchtbar und erfolgreich wird ,
ist ßlog oiKvi&tvoc,

1, 35, 9, und wer eine zutreffende Wahl trifft, ist zpirvig

ixK>idiyoi; Tov ßsKrlovog ^ 1, 35, 10. So eignete sich das Wort


trefflich zur Prädicirung derjenige Dinge, denen HDt^ als fester

verlässlicher Wesensbestand zugeeignet war; es wird gesagt:

Kpla-iq tzXvj&ivvj^ Jes. 59, 4, ttöA/c aK^öivvj, Sach. 8, 3, KÖyoc; xÄ>j-


öivog Dan. 10, 1, ßovXvj uXvjöivvi, Jes. 25, 1, oißTrsXot; oiKv,&ivvj ,

Jer. 2, 21, und im Gottesnamen cikyj&ivoc für HDt^ DI, Exod.

34, 6 vgl. Jes. 65, 16. Die Grenze zwischen tt/o-t/c und dhy,ösia,

wird ähnlich gezogen wie zwischen


l^LDK^^p
und Kn^JD^n, und
das Verhältniss der aramäischen Worte zu einander ist schwer-
lichohne Einfluss gewesen auf die griechische Sprachgestalt,
nur dass für Gottes HDK und ^]1^Ö^^ durchweg xÄtidsioi ein-
V V T v:

tritt; von Gottes iria-ric ist in der Septuaginta nur vereinzelt die

Rede, vgl. KU. 3, 23, Jer. 32, 41, weit weniger häufig als in den

Targumen von Gottes l3D*n gesprochen wird , dagegen hat auch


die Septuaginta hoc tt/o-toV, Deut. 32, 4. 7, 9. Jes. 49, 7 ').

Dieser Eintritt von xhr^ösix als ein Hauptbegriff in's grie-

1) Die spiitei-n Bibelübersetzer haben hieran nichts geändert; Aquila bethätigt seine

Anforderungen an die Genauigkeit des griechischen Textes in dieser Beziehung nur


darin, dass er auch ]niN durch TreTTKTTMizsvajQ wiedergiebt, die Hände Mose's TTiimi;
werden lässt, Exod. 17, 13 u. s. f. Erscheint n>1DN durchweg mit 5r/<7T;?, JIDN mit

ÄA>}öf<flj gegeben zu liaben. Auch in den andern Uebersetzungen theilen sich die bei-

den Worte in das Erbe von DOX und HJ-IDN, vgl. 1 Makk. 7, 18 «Ai^äe;« xxi zpia-it;

mit 14, 35 yi ^inaioa-vv)^ axi i^ Ttfa-Titi; Sir. 7, 30 "sv ötA^öe/Ä 'spyxXsa-dat mit 41, 16
Ttlcrrst suSo)ciiie7erSxt , x^y^svetv 31, 4 mit 5r/«7To§ 36, 3. Psalt. Sal. 17, 17 'e/eo? kx)
oLKvi^six mit 17, 45 ttio-tii; kcü StKxioa-uvi^; 14, 1 tt/ittöc Kvpioi; toii; xyx'KÜtriv xvtov
£v «Aj^ös/«. In der Sept. tlieilt sich mit «Aj^fle/a und TTta-rti; auch Sinxioa-övy; in das
Gebiet von riDX, da wo diese auf das Handeln und Richten bezogen ist als dessen
Ehrlichkeit, vgl. Exod. 18, 21. Ez. 18, 8. Sach. 7, 9. Gen. 34, 49.
DER SPRA.CHGBBRA.'UCH DIE SEPTÜAGINTA, 81

chische Judentlium ist niclit bedeutungslos ; denn das Wort verhielt

sich zur jüdischen Rede doppelseitig, es gab ihr und empfieng


von ihr. Der Ausgangspunkt desselben, ist specifisch griechisch.

Wie in der aktiven Wendung von ttiö: ttsiÖsiv das Wort domi-
nirt, sofern dem Grriechen die gewinnende Macht der Rede
das Bindende ist, was die Menschen zusammenbringt, so zielt
auch xK^Hg 1
der nicht hehlende und verbergende ,
von Anfang
an auf die Beschaffenheit der Rede, damit aber auch des Den-
kens, und wenn der Begriff auch auf sachliches übertragen

wird, sofern auch den Dingen und Verhältnissen Wahrheit zu-


kömmt, die ihr Wesen nicht in Schein verbirgt und verhüllt,
sondern nach seinem wirklichen Bestand offen zu Tage giebt,
so behält xXviösioc. doch eine engere Beziehung zum intellektu-
ellen Leben, als sie DDK auch in seiner abstrakteren Gestalt

besass. Nun erst hatte der Jude ein Wort, das ausdrücklich

auf die Helligkeit und Richtigkeit des Erkennens und Redens


wies. Wiederum erhielt der Wahrheitsbegriff dadurch eine

schwer wiegende Vertiefung, dass er in das G-edankengefüge


von nÖJ*^ eintrat; er blieb damit nicht nur in der logischen

Sphäre beschlossen als Eigenschaft am Vorstellungsleben; jene


Wahrheit, welche die Erbin von HDK ist, wird nicht nur ge-

dacht und gesprochen ,


sondern auch gethan ; sie ist zum Willen
in enge Beziehung gesetzt, und damit in's Grundwesen des
Menschen eingeführt; so wird in ihr ein Ganzes gedacht, das

sowohl sein Erkennen als sein Wollen erfüllt und somit sein

gesammtes Wesen durchleuchtet und regiert. So reflektirt sich

in diesen sprachgeschichtlichen Vorgängen der grosse welthi-


storische Process, oder richtiger gesprochen, aus dergleichen
kleinen Momenten setzt sich der welthistorische Effekt zusam-
men der den intellektuellen Erwerb des Griechenthums mit
,

dem was auf Israels Boden erwachsen war zusammenschmolz.


, ,

Wie sich Wort und Begriff Glaube im griechischen Juden-


82 DER GLA.UBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

thum gestaltete, da wo nur die griechische Bibel gelesen wurde


und daneben auch die ganze hellenische Litteratur , dafür haben
wir wenigstens einen Zeugen in Philo. Er ist allerdings eine
eigenartige Persönlichkeit mit individuellen Zielen, die ihrem

Denken und Streben besondre Aufgaben stellt; er vergegenwär-


tigt desshalb nicht sofort das ganze griechische
Judenthum,
und Schlüsse, wie der bereits traditionell gewordene Syllogis-
mus: Apollos war ein Alexandriner, folglich ein Philosoph in
Philo 's Art, sind thöricht. Bedeutende Persönlichkeiten sind

jedoch auch in ihrer Eigenart Zeichen ihrer Zeit und sonder-


lich original war Philo 's Denken schwerlich, es dürfte in ho-

hem Masse von der Tradition abhängig sein ,


und zwar nicht nur
von griechisch philosophischen sondern auch von synagogalen
Ueberlieferungen man pflegte ihn bisher zu einseitig nur von
;

der griechischen Seite aus anzusehn. Neben ihm giebt auch

.Tosephus wenigstens einigen Bericht.


Bei Josephus breitet sich die Wortgruppe in die ganze Man-
nigfaltigkeit des menschlichen Verkehrs aus in analoger Weise
wie bei Polyb ,
nur dass bei ihm die Worte um ein beträcht-

liches blasser, abstrakter, geworden sind.


leerer Sie erheben

sich selten zum einheitlichen Ausdruck eines vollen , ungetheil-


ten Lebensaktes, der Sinn und That als ein Ganzes umfasst.
Das kräftige Tncrrsvsiv rivi Polybs mit dem Sinne: sich auf

etwas verlassen und daraus eine freudige muthige Zuversicht


ziehn ,
nur spärlich
findet sich bei Josephus ,
es tritt in TnarTsvstv

nicht ausschliessHch aber doch vorwiegend Beziehung auf


die

Rede und Denken hervor. TliaTig und TTiarröc werden öfter


zu blossen Formbegriffen, welche die sichre Konstanz und
feste Ergebenheit benennen ohne Rücksicht auf ihre Motive

und den innern Werth, den diese dem Verhältniss verleihn.


Mit diesem griechischen Sprachgut mischen sich nun die

Nachwirkungen des biblischen und synagogalen j^D^H : tti-

Q-Tivcrcii TTsp) ciVTou T^ h^ Ant. 2, 6,5. f/,ovcp


rü $6^ rrsTTKrTsuKS-
DER GLAUBE BEI JOSEPHUS. 83

voii Aut. 20 , 2,4 '^ysf^övi ra ds^ TrsTriorrsuKsvan Änt. 3 ,


14 ,
4.

r^ KißsfAOVi 6e^ ti^tsvsiv B. J. 3 , 8 , 7. ^oippslv t^ too hov


^viCPcf) TreTTia-TSOx^Tsg Ant. 3, 2, 2. roiovraj ßoii&^ TrsTritTTsvxörsg ,

^ ^uvafAi? zx) roi fjcixpx Troiija-xt [Asy (zKa. Ant. 2, 15, 5. vjixslg

roTg l^ioiq yptx.i^i^octnv TrsTKTTsvictzizsv c. Ap. 1 ,


8. TrsTria-rstJxxf^su

ori Aäv/^A afzlÄsi rq) &s^ Ant. 10 , 11 ,


7. rolq vtco Mccv(rscog

'7rpo(pviTsv6sitTt "TTspi rou hov TrsTna-rsvKÖreg c. Ap. 2 ,


39. o vof^oösTi^g

rijv TTspi rov hov tt'kttiv 6V£Cp6(7i^asv oifjLsrxzivvjTOv rolg oisi ysvt^tro-

(läyoiQ c. Ap. 2 16. TrsTTKJTSuxörsg fjOij^sv ylvsadxi §/%« rijg tou


,

öeov Trpovolag Ant. 4, 4, 1. TTKTTSvovrsg sTTKTMTrslv hov rovg

sxvToöu ßioug c. Ap. 2,16. oi /zovov shxi xaxov^ auroTg ttstckttsm-

xoTsg sl Trpx^oil ti Txpx robg vofiovg j? x6<yov sIttsiv Tvctp ixslvovg

TTxpaßiatydslsv c, Ap. 2, 32. sx»a-Tog Trsir'KrrsvKS ort rdig robg

vofzovg 'Bici<pu?^ci^ci(n s^axsv o ösog '/svia-^xi ts tfxKiv xx) ßlov df/^sivu

XoißsJv c. Ap. 2 ,
30. ^uvdfASi t^ toü Qsou xTricrrsIv pe^xuia^ig Ant. 2 ,

12, 2. T^ rav dvöpäxcov ayvom zx) xttkttIx als ürsaehe am Untergang


Jerusalems durch Nebukadnezar Ant. 10 ,
8 , 3 u. s. f. : der-

gleiclien Gedankengefüge sind nicM auf griech.ischem Boden


erwachsen, das ist der synagogale Beitrag zur Gestaltung dieser

Wortfamilie bei Josephus.


Philo's •) Sprachgebrauch, berührt sich mit Josephus darin ,

dass TTiaTig auch bei ihm an Bewegung, Leben und That


arm wird und sich intellektualisirt. Weitaus am häufigsten
braucht er das Wort mit dem an das Zeichen und Pfand der
Treue angeschlossenen Begriff: Beweis, doch so dass ihm dabei

jede Beziehung auf Schutz vor Gefahr und Ermöglichung des


Trauens verloren gieng; es wird dabei lediglich an das Ent-
stehn einer beruhigten, geschlossnen üeberzeugung gedacht,
und alles was eine solche je nach der Art des in Frage ste-

henden Gegenstandes herbeiführen kann, hier die unmittelbare

1) Die vollständige Uebersicht über den Sprachgebrauch PhiIo''s giebt Erl. 3 Die
Zahlen beziehn sich auf Mangey.
84 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

Wahrnehmung, dort denkende Beurtheilung der Verhältnisse,


dort das Schriftzeugniss ,
wird 7ri(7Tig genannt. Wo Philo in

TTicrrig ein thätiges Verhalten denkt, ist dasselbe Bewahrung einer


übernommenen Ausübung eines empfangnen Amts,
Pflicht,

Bethätigung der Redlichkeit und Wahrhaftigkeit. Ein Gedanke,


wie Polybs tt/o-t/? jcä; Koivmloc Trpayfzxrav^ lag nicht in Philo's

Richtung ; auch svvoicx, Koä Tricmg hat in seiner Rede nur schwache
Anklänge, 2, 86, 19, 386, 15. Mit dem alttestamentliehen
riÜ5^ und n^^QK steht er in keiner Berührung, da er nur die
V :•: T v:

griechische Bibel und in dieser wieder vorzugsweise das Gesetz

liest und erklärt; der griechische Pentateuch bot ihm aber an


Stelle von ^ID^^ xÄiiösia. Der Einflüss ,
den die Schrift auf seine

Gestaltung der Wortfamilie übt, vermittelt sich durch ihr irKTreü-


siv. Das Gesetz sprach zwar nur selten vom Glauben, aber an
Stellen, an denen der Begriff kraftvoll hervortrat. Es setzte
die Gerechtigkeit Abrahams in sein Glauben, es hob dasselbe

weiter in der Geschichte der Wüstenwanderung hervor, und


beides sind gerade diejenigen geschichtlichen Momente, auf

welche die Aufmerksamkeit der Synagoge zumeist gerichtet


war. Auch Philo's Glaubensbegriff nährt sich an den Aussagen
der Schrift über Abrahams Glauben und Israels Unglauben und
von dem hier dargebotenen ttkttsusiv aus füllt er auch Trhriq
mit einem Inhalt, der den griechischen Gedanken weit über-

fliegt.

Berührt er sich hierin mit Josephus, so erhält sein Sprach-

gebrauch eine eigenthümliche Färbung durch die wissenschaft-


liche Haltung, die Philo's Denken hat. Er sucht seinen Begrif-
fen eine geschlossene, einheitliche Gestalt zu geben und sie bis

dahin zu vertiefen ,
wo sie Wesensprädikat Gottes und des Men-
schen sind. Er ist nicht den einzelnen konkreten Lebensvor-

gängen zugewandt, in denen ein Trauen oder Treu sein ent-


halten ist, sondern dem Bleibenden in denselben, was als ihr
DIE DARSTELLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 85

Wesen, ihr Grund, ihr Gesetz sie alle erzeugt und erhält und
werthyoll macht. Das Grundmoment ,
auf das er vta-roi;, ma-Tti;,

TCKrrevstv immer wieder zurückführt, womit er also diese Be-

griffe definirt, ist der Ausschluss der Wandlung, das mit sich

selbst identische , in sich selbst beharrende Sein. Das Tiö-rcV ist

das ^rpsTTTov ^ was nicht rpoTräg Kot.[Jt.ßix,vsi , xKXivviq zx) txppsTTi^g

rpoi; TxvTx ^övixfzit; ,


a,7n(TTov ist das ocvi^pvroy, itkttsvsiv die Er-

gebenheit ,
die nicht mehr schwankt, rix-Xxvrs^si. Dieser Gedanke

beherrscht seinen ganzen Sprachgebrauch Tgl. 1, 82, 39. 409,


38. 190. 606. Es wiederholt .sich auf dieser schon hoch in die
Abstraktion hinaufgeführten Sprachstufe derselbe Vorgang, der
im ersten Werden des Glaubensbegriffs enthalten ist: wie sie

damals den Trauenden als den benannten, der »Festigkeit be-

thätigt", so greift auch Philo, wenn er positiv das Grundmo-


ment im Glauben benennen will, zur Festigkeit. Der Glaube
ist ox^poTcüryi kx) ßeßaiOTxryi ^iciöstni; 1, 409, 39 , ßsßxiörvii; mi
^hrig 1, 568, 16, ßsßaiog Triarig 1, 228, 31. 340, 13.

DizKivvic zoi) ßsßoiiordryj Tria-rig 2, 413, 17, ßsßaiÖTocrtx, ttkt-

rsvsiv 2, 40, 8. 248, 26. Er wird umschrieben als: ßs-


ßa-icäg xciTsiX>}0ivizi 1, 487, 12; u7rspsi(Xix<xöix.i y,ou crrvip'KTacrQoit

2, 39, 6. 413, 15 ; ßsßxlcog za) auXivac opf/,s7v 1, 486, 12,


aK?,ivccg xix) TTtzyicog apvjpsla^oii 2, 39, 42, als »Stehen bei Gott",

1, 409, 36, wie Philo mit dem häufig von ihm gebrauchten Worte
Deut. 5, 31 sagt ^).

1) Die Konstruktion, die für ^r/a-r;« im Sinne der treuen Ergebenheit längst üblich
war, überträgt sich bei Philo konstant auch auf ttIo-tk; im Sinne des Vertrauens:

^ TrpoQ Tov dsbv TTia-Tiii. Ist die Treue oder das Vertrauen zwar auf den Gegenstand
nach seinem Inhalt bezogen, doch so, dass nicht er der eigentliche Empfänger des-
selben ist, auf den es hinstrebt, so tritt wie bei Polyb "Trspl ein: i\ Trspi avTtjv tt.

1, 530, 29. fi Tep< t«? Quo-ixq via-rti; 1, 345, 14. In 4 Trsp/ to h -TTta-rig 1, 606, 10

umschreibt 5rfp/ den Besitzer der Tia-rti;. Eigenthümlich ^ 'ev oKiyoi^ ^r/W/? 1, 344,
24. üeber den Genitiv an Tria-riQ siehe Erl. 6. Das Verbum hat konstant den
Dativ, der vereinzelt auch in instrumentaler antritt, 1, 339, 6. vsfi
Bedeutung
steht analog wie beim Substantiv 3, 416, 12. 1, 138, 35. 487, 7. vta-rsvstv dsoij
-^spi
86 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. 11.

Glaube ist Tugend unter den Tugenden die Königin, 2, 39, 19,
,

die vollendetste derselben, 1, 485, 43, dann nämlicb wenn er


auf Gott gerichtet ist. Formal ist die Hingabe an die Welt
von derjenigen an Gott nicht unterschieden; man glaubt dem
Sichtbaren, rolq cpoiivofJt,hoiq Tria-Tsvsiv 1, 10, 4, den Sinnen, 1,

151, 8, den natürlichen Gütern, 2, 38, 16. 1, 485, 51, den

eignen Gedanken und Schlüssen, 1, 132, 40; doch 6 h^ ttstti-


(TTsvKthg das ist der wahrhaft glaubende und zwar schliesst der

auf Gott gestellte Glaube jedes andere Vertrauen aus: »allein


Gott glauben" lautet die bezeichnende Formel »ohne Hinzu-
nahme eines andern", 1, 485, 47. Er hat eine intellektuelle

Seite ,
er ist Ueberzeugung axKtvvig ßeßalx v7r6Ä>}4>t?
,
xix)

2, 442, 27, die zwar nicht Erkenntniss des göttlichen We-


sens, wohl aber Gewissheit von seinem Dasein und seiner Vor-

sehung in sich schliesst. Er greift jedoch zugleich weit über


die intellektuellen Vorgänge hinaus , glaubend sucht und hat
der Mensch sein Gut in Gott, ja er ist noch mehr als Ver-
trauen ,
er ist Vertrautheit mit Gott. Den Gegensatz zum Glau-
ben formulirt Philo sehr charakterisch durch svBoiü^siv , sv^oiocir-

[Aoq oder i7rxf4,(por£pi^6iv , iirötf^CpoTspicrfiö? , £7rx[A,(p0T£pi<TTviq , nach


der intellektuellen Seite hin durch xTropslv , sttsxsiv. Diesen

Zuständen innerer Entzweiung Schwankung und ünschlüssigkeit ,

steht auf der andern Seite (XtckttsIv gegenüber, der entgegen-


gesetzte Pol zu TTiaTsveiv, vgl. 2, 175, 25. Auch das xtckttsIv

ist feste Haltung ,


entschlossener Wille , jedoch versagtes Ver-
trauen, festgehaltene Abweisung.
Dem Glauben an Gott steht einmal das Heidenthum entgegen ,

auch ein Glaube, sofern die Vergötterung der Welt nicht nur
darin besteht, dass sie als die ursachlich wirkende Kraft be-

bleibt mehr auf dem intellektuellen Gebiet als rntTTSveiv fleSi. Mit 'stti wird Anlass
und Motiv des Glaubens oder Unglaubens eingeführt: XTria-TSiv 'em roii; Äeyoi^evoig

2, 92, 40. uvKTTsia-öcci It' 161, 48. 'sttI


e/jyo;? 2, t^ ysvsa-et (nämlich Isaaks)
VKTT£V<7CCi 1, 605, 20.
DIE DAESTBLLXnSTG DES GLAUBENS BEI PHILO. 87

trachtet wird, rb ociriov, vielmehr ist mit diesem Gedanken


der andere unabtrennbar verbunden, dass die Güter und die

üebel durch die als göttlich betrachteten Dinge bewirkt vrerden.


Der astrologische Chaldäismus glaubt dem Himmel, aus ihm
ist Abraham versetzt worden in den Glauben an den, der
den Himmel regiert, 1, 486 vgl. 2, 412.442. Die Vergötterung
der Sterne ist Glaube an das Erscheinende, 1, 10, eben darum

irrender Unglaube, 1, 363. Zu aller Mantik bildet die Antithese

der Glaube an den einen Herrn der Welt, 2, 125, 40. Einem
Menschen, und sei es der römische Caesar, göttliche Ehre zu

erweisen, ist Unglaube gegen den Wohlthäter der ganzen Welt,


2, 562, 35.
Dieser Gegensatz gegen das glaubende Verhalten ist aber
nicht der einzige und relativ leicht zu überwinden. Dasselbe
schliesst weiter die Abwendung von den Gütern des natürlichen

Lebens in sich. Geld, Ehre und Macht, Freunde, Gesundheit


und Kraft etc. bieten sich dem Menschen als Basis der Zuver-
sicht dar, als Stützpunkte, auf die er sein Leben gründet, wer
aber jenen Dingen traut ,
traut Gott nicht ,
xTricrrsi t^ $s^ ,

und wer Gott traut, traut jenen nicht, 2, 38, 15 ff. 1, 485, 49 ff.

Wer darum in der Krankheit sich zunächst an den Arzt und


die Heilmittel und die Diät hält, und dann erst, wenn alles

ihm nichts hilft, an Gott sich wendet, der verhält sich nicht
glaubend, sondern schwankt nach beiden Seiten hin als £^«|C«-

cporspi(TT^g , 1, 176. Glaube zu Gott ist Unglaube gegenüber


allem gewordenen, ^ -^rpog rb yan^rbv oiTTtcrrix1, 609, 9. Der
Glaube ist die Anerkennung, dass die Dinge und der Mensch
selbst nichts sind ohne Gott, dass alles Gottes Eigenthum ist;

er ist die Unterordnung aller Güter und des eignen Selbsts


unter Irgend etwas sich zuzueignen und so sieh selbst
Gott.

Gott vorzuziehn , oivrbv 'n-porifAÖi.v ösov ist Gottlosigkeit ; denn ,

das Gott gebührende Vertrauen wird ihm damit nicht er-

zeigt, 1, 176. Darum ist der Glaube der Gegensatz zur Selbst-
88 DAS GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. II.

iebe , (piKoc'jTix ,
das fleckenlose ,
herrliche Opfer , das der

Mensch in wahrhafter Festfeier Gott darbringen kann, 1, 154, 25,

indem er alles hei Gott sucht und Yon ihm erwartet, und an-

erkennt, dass alles kreatürliche mit Einschluss seines eignen

Wesens völlig von Gott abhängt.


Ein analoger Gegensatz wie hier zwischen dem Glauben und
dem Begehren des Menschen öffnet sich auf dem
natürlichen
intellektuellen Gebiete. Der Mensch vertraut seinen geistigen
Kräften, seinen Sinnen und seiner Yernunft, txTroirsfzvuvstv rov

?5;5v vovv xoi) Tvjv ahh(Tiv^ 1, 609, den Sinnen, indem er sich
dem Wahne ergiebt, als würden sie ihm die Welt er-

schliessen, der Yernunft, indem er sich beruhigt bei ihren

vernünftigen Wahrscheinlichkeiten Yermuthungen, Schlüssen, bei ,

den sIxÖtcc jccc) Tnöxvix,, den evKayoc, den slxao-iixi und l^ioi Xo-

yia-fjLoi^ vgl. 1, 132. 2, 106. Das ist ein »'TTpoTriarsösiv", das


der Wahrheit verlustig macht; es gilt sich selbst und a.lles

gewordene der
anzuklagen, 1, Thorheit 457, und Gott zu

glauben, dann nur strebt der Mensch auf die lautere Wahrheit
hin, 1,10.
Die Gestaltung des innern Yerhaltens in TrltTTig und xTruTTix

ist unmittelbar durch die objektive Trla-ng und xtckttIx des

Seienden bedingt. Mövcfi ös^ ttkxtsvsivI denn f/,övoi; o hot; tckttÖi;,

1,486,3.128, 1. Alles Gewordne ist xTrKTTov, 1, 486, 1; denn


das Gewordene ist wandelbar und der Zerstörung unterworfen
und hat darum ätt/c-t/ä in sich, 2, 412, 47. Alle Güter und
Kräfte des Menschen sind unsicher , verlierbar ; die erkennenden
Funktionen führen lediglich zu relativen Ergebnissen '),
sie las-

1) Vgl. die reicMiche Benützung der slceptisclien Argumente 1, 383 ff. Philo ist

der erste, der die Skepsis zur Stützung des Glaubensbegriffs verwendet hat, doch

noch nicht in dem Sinne, um Glaube und Erkenntniss in Gegensatz zu stellen. Es


stehen bei ihm vielmehr wie ein zwiefaches Glauben so auch ein zwiefaches Er-

kennen sich gegenüber, nämlich die begrifHiche Verarbeitung der sinnlichen Wahr-

nehmung einerseits und der Gottesbegriff, das reine vo^t6v, andrerseits, womit sich

unklar der andre Gegensatz verbindet zwischen einer Erkenntniss, die syllogistisch
DIE DABSTELLTJNG DES GLAUBENS BEI PHILO." gg

sen den Mensclieii in Wahn und leerer Meinung , o'lii(Ti<; , So-

tCi^a-K;, xsva) ^ö'|ä/; er wird durct sie doch nur zum '^ozjicrta-ocpoi; ,

1, 36 3 j
13 u. öfter. Gott dagegen stellt in seiner ungetheil-

ten Festigkeit dem Gewordnen gegenüber als das seiende und


ursäcliliche ,
als der allein weise und allein selige ,
1 , 457,
155, und weiter, was zur Begründung des Vertrauens Tor al-
lem aus in Betracht kommt als der gütige der alles kann , ,

und das Beste will, 2, 39, dessen Gabe alle Güter der Menschen
sind. Der glaubende vertraut dem Könige der sich nicht ,

durch die Grösse seiner Herrschaft zum Schaden seiner Unter-

gebnen überhebt, sondern in Menschenfreundlichkeit jedem


das Mangelnde bessern will , 1, 343, 10. Ungläubig ist der,
welcher nicht glaubt, dass jetzt und immer den Würdigen
die Gnaden Gottes reichlich zugetheilt werden, 1, 119, 31;
7r£7r£ipxfj!,svo(; r^q iu a.Txo'iv rou hov xpi^a-roTyiTOf; hat Abraham
geglaubt, 1, 455, 13. Man glaubt dem errettenden Gott, crccriipt

h^ 1, 176.
Ukttsösiv und TricrTOi; ehat bleiben Philo eng verbunden. Der
Glaube Abrahams , Gen. 15, 6, und die Treue Mose's ,
Num. 12, 6 ,

werden als eine und dieselbe innere Stellung zu Gott unmittel-

bar zusammengestellt, 1, 132, 42. Die Güter und Kräfte, von


denen der Mensch sein Vertrauen abwendet, um es allein auf
Gott zu richten behalten auch für Philo ihren relativen Werth
, ,

sie 'sind ein göttliches Depositum , TnzptxxxrtxÖJiJcij ,


wie häufig
gesagt wird. Wo nun Gott allein vertraut ,
er also als der al-

leinige Herr über dieselben anerkannt wird, da werden Seele


und Wort und Leib nicht auf den Menschen selbst bezogen

aus Gottes "Werlcen zu Gott selbst aufzusteigen sucht, und einem //Sehen Gottes",
das ihn aus sich selbst erfasst in einem direkten Realkontalct zwischen Gott und

der Seele. Von jener niedern Erkenntniss zu dieser höhern bildet die Skepsis die
Brücke; mit ihr wird die Zuversicht, welche sich an den niedern Erkenntnissformen
genügen lassen will, zerstört und Bahn gemacht für den neuen, auf Gott gewandten
Glauben der aber zugleich eine neue Erkenntniss ist.
,
90 DEIt, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. 11.

und SO Gott entwendet , vocrcpic^scröizi ;


der Mensch lebt so mehr Gott ,

als sich selbst, ^^a-xi ös^ (a^KKqv vj loiurc^ 1, 488, 32, und be-
wahrt damit dem, der ihm alles, was er hat, anvertraut hat —
Tr&TTia-revxcöi; von Gott, 1, 491, 17
— eine heilige und unver-
letzliche TTiarig , 1, 487, 44. Analog bildet die von Gott ver-
liehene Weisheit und Erkenntniss eine 7rciptx,}cxT0id'^Kyi ßiooCpsKscr-

rä,roov ^oy/jcccrcov, 1, 389, 40, und der Glaube ,


der sie als Ueber-

zeugung fest hält, ist zugleich Treue, die dieses anvertraute


Gut bewahrt. Wer darum vollkommen glauben könnte, "der
wäre auch vollkommen TKrrog wie Gott selbst ,
und es ist somit

auch der Glaube Abbild einer Tugend, die Gott selbst besitzt,

1, 606, 8 ff.

Damit ist zugleich der Werth des Glaubens aufgedeckt; er

einigt mit Gott, er ist, wie mit dem aus der Septuaginta ge-

nommenen Worte gesagt wird, der Leim, mit dem der Mensch
sich Gott anleimt, womit er aus der Unruhe und Nichtigkeit
des Gewordenen in die Festigkeit und Ruhe Gottes tritt ,
1 ,

456, 35. 409, 35 vgl. 230. Darum ist der Glaube an sich

selbst und nicht erst durch die an ihn geknüpften Gaben ein

Gut, ja das einzige nicht täuschende und feste Gut, 2, 39, 1,


wie denn die tZTria-rix ein Uebel ist, 1, 568, 30 &. Er ist der

Lohn, der Kampfpreis, oiöXov den der Sieger nach beendetem


^

Kampf von Gott erhält, 2, 412, 34, Kampfpreis darum,


weil der Mensch nicht zuerst Gott, sondern zuerst den eignen

sinnlichen und geistigen Kräften vertraut


— vgl. das bezeich-
nende TTpoTTiarrsveiv
— und nur dadurch dass er die Ohnmacht
und Nichtigkeit seines eignen Besitzes erfährt, zum Glauben
vordringt. Er »erleidet" den Glauben, 1, 609, 8 vgl. 1, 475, 39, ist
von ihm in Besitz genommen, 1, 340, 13 ; derselbe ist ein Zustand,

^{iz$£(Tig, den er anzieht, indem er die innere Entzweiung, wie


sie den Zustand der unbefestigten Seele bildet, auszieht, 1, 409, 36,
und diesen Zustand erlebt er als das Resultat seiner Frömmig-
keit. Der Glaube ist darum ein Ruhm, in Gen. 15 6 ist Abrahams ,
DIE DARSTELLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 91

Lob göttlich bezeugt, und zwar niclit nur im zweiten sondern


gerade im ersten Yersglied, 2, 38, 11. Gott bewundert den
G-lauben Abrahams , 2, 39 ,
36. Es liegt darum für Philo darin ,

dass Abraham der G-laube zur G-erechtigkeit gerechnet wird,

nichts paradoxes ;
denn es giebt nichts ,
was so gerecht wäre ,

wie die XJebung eines auf Gott allein unvermischt und unver-

mengt gerichteten Glaubens. Das ist das der Natur entspre-

chende, das gerade und das allein ist das Werk der Gerech-

tigkeit , ^iKxio(rvvijg xvto f^dvov spyov 1 ,


486 ,
6 ff. Nicht die

Zuerkennung der Gerechtigkeit an den Glaubenden ist ihm in

Gen. 15, 6 das Paradoxe, vielmehr der Glaube selbst. Uns er-

scheint wegen unseres vielfachen Unglaubens der Glaube, der

Gott allein vertraut ,


als etwas verwunderliches und darum sagt ,

die Schrift uns zur Beschämung, dass das Gerechtigkeit sei;

desshalb ist es, so oft er Gen. 15,6 citirt,


— und der Spruch
gehört zu den oft von ihm angeführten Schriftworten

immer nur der erste Theil des Wortes, der seine Aufmerksam-
keit auf sich zieht, der zweite ist die unmittelbar sich an-

schliessende Folge aus dem Werthe, den der Glaube in sich

selber trägt.

Somit weist Philo dem Glauben in der auf Gott gerichteten

Lebensbewegung eine sehr bestimmte Stellung zu: er ist nicht


ihr Anfang, sondern ihr Ende, nicht ihre Begründung, sondern
ihr Ziel. Nur vereinzelt treten Wendungen des Begriffs auf

wonach der Glaube das Verhältniss zu Gott nach seinem Wer-


den und Wachsen bedingt , so wenn gesagt wird , gerade Abra-
ham ,
der durch Lernen zur Vollendung komme werde das Gut
,

des Glaubens zu Theil ,


weil der Lernende dem Lehrenden glau-
ben müsse ; fehle das Vertrauen ,
so sei Unterweisung nicht mö-
glich, 2, 416, 10. Aber dieser Gesichtspunkt, dass der Glaube

Bedingung des Lern»ns sei, wird nicht weiter verfolgt. Glaube


und Hoffnung scheiden sich darum für Philo sehr bestimmt;
diese ist das erste Saamenkorn, das Gott in die Seele des Men-
92 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

seilen legt, als Erreger all seines Strebens, aucii desjenigen,

das sich auf Gott richtet, 2, 410; der Glaube hat gefunden:

nicht mehr zu suchen ist des Glaubenden Werk ,


1 ,
487 ,
6 ,

und auch dann, wenn der Glaube Zuversicht zu künftiger Gabe


Gottes ist, wird ihm die erfahrne göttliche Hülfe als Basis un-

terlegt, 2, 175, 9. Darum verbindet sich Glaube uüd Dank auf's

engste. Die an Gott begangen wird durch Ver-


xTria-Tix ,
die

götterung eines Menschen oder durch Missbrauch seiner Gaben,


ist zugleich ^xotpiTTicc gegen ihn, 1, 516, 47. 2, 562, 36 vgl.
1, 442.

Völlig erreichbar ist das Ziel, das als Glaube der Frömmig-
keit vorgehalten ist, nicht. Schon die intellektuelle Seite am
Glauben bleibt unvollkommen und zwar nicht nur durch mensch-
,

liche Sündigkeit, sondern kraft metaphysischer Nothwendigkeit.

Niemand, auch kein Engel, kann in Bezug auf Gott fest und
gewiss glauben, Trocyicci; 'Tricrrsusiv Tsp) ösou , weil Gottes Natur

unerkennbar ist, es lässt sich über Gottes Substanz, Qualität

Eelation, Bewegung u. s. f. nichts sagen, 1, 128. Diese Ver-

borgenheit des göttlichen Wesens ist aber eine unaufhebbare


Schranke des Glaubens. Philo hat den Glauben vom Erkennen
nicht getrennt ,
und darum ist ihm der Gedanke gänzlich fremd ,

dass der Glaube ein Ersatz für den Defekt der Erkenntniss
bilden könnte, vielmehr ergiebt sich, der Glaube als Gewinn
und Frucht aus der Erkenntniss und die Ünvollkommenheit
der letztern überträgt sich darum unmittelbar auf ihn. In sol-

chem Gedankengang kömmt er der Beziehung des Glaubens auf


Gottes Namen sehr nahe, 1, 128. Weil kein völliges Glauben

Gott gegenüber möglich ist, kann der Mensch auch nicht bei

ihm selbst, sondern nur bei seinem Namen schwören, denn


niemand kennt Gottes Natur ,
es ist ein Grosses ,
dass wir
seinen Namen zu erkennen im Stande sind, der das deutende
Wort ist, epfjLvivslic höyoc ,
der Gott der Unvollkommenen nur ;

der Weise und Vollendete hat im ersten Gott seinen Gott. Aus
DIE DAESTELLTJNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 93

derselben Argumentation würde sich aueli die Beschränkung


des Glaubens auf den Namen Gottes ergeben, allein die Schrift

sagte ausdrücklich: er hat Gott geglaubt; so dringt das ara-


mäische "n Ü^m r^D^n bei Philo noch nicht in's Griechi-

sche vor ^).

Aber auch in der Sphäre des Willens stehn dem Glauben


nicht zu überwindende Hemmnisse entgegen. Auch Abraham hat

wenigstens momentan gezweifelt denn ,


es glaubte Abraham Gott ,

doch als Mensch glaubte er! Der Dualismus des menschlichen


Wesens ,
der göttliches und sterbliches Geist und Leib in ihm ,

einigt, macht vollkommenen Glauben unmöglich. Letzterer nö-

thigt den Menschen mit seinem Zug und Trieb immer wieder,
den sinnlichen Gedanken und Gütern Werth beizumessen ,
und
verunmöglicht es ihm, sich stets allein auf Gott zu stützen,

1,605 f. Gerade weil der Glaube Theilnahme an der göttlichen

Tugend und Vollkommenheit ist, wird er nur unvollkom-


men des Menschen Besitz, denn die göttlichen Tugenden gehen
nur in schwachem Abbilde in den Menschen ein.

Yon Gott aus überträgt sich der Glaube auch auf die Rede

Gottes, also auf die Schrift. Am Zeugniss der Schrift über

1) Auch das in den Targvimen konstante "H X'V3XD3 |D\n hat bei Philo kein
direktes Gegenhild darin, dass er den Glauben speciell auf den Logos bezöge. Dieser
wird nur an einer Stelle und auch hier nur indirekt mit w/ö-t/s in Bezug gesetzt. Es
ist Gottes TTia-TiQ, dass sein Wille konstant auf das Dasein der Welt gerichtet ist,

so dass er dieselbe niemals aufhebt; sofern nun solche TitrTtq eine Relation Gottes

zur Welt benennt, entsteht sie, wie das gesammte Verhältuiss Gottes zum Kosmos,
aus dem Worte. Dieses steht scheidend und zugleich verbindend zwischen dem Ge-
wordnen und Schaffenden, beiden Bürge, Gott zur treuen Festigkeit seines Schöpfer-
willens, dem Menschen zur Hoffnung, dass der gnädige Gott sein Werk nicht versäumen
wird ,
] ,
503 , 5 ; allerdings ist der Text zweifelhaft. Sofern nun Gottes cr/ö-r/e die

menschliche Tta-rtq begründet, geht auch diese auf den Logos Gottes zurück. Aber
auch diese indirekte Beziehung bleibt nur Andeutung. Philo weiss sich den ihm
überlieferten Logosbegriff nur in so weit verständlich und werthvoU zu machen,
als ihm die griechische Logik und Metaphysik hiezu Hulfsmittel bot. So wird der
Begriff vorwiegend auf die denkende Relation Gottes zur Welt eingeschränkt und
bleibt damit dem TTta-rsveiv fern.
94 DER GLAUBE IM NI}UE:sr TESTAMENT. KAP. 31.

Abraham, dass er das Gesetz gehalten habe, haben wir nicht


zu zweifeln, denn dem gegenüber, was Gott erklärt, geziemt
es dem Menschen aufs festeste zu glauben 2 40, 7. Gott ist
, , ,

Hirte, wie der Psalmist, Ps. 23, 1, verbürgt und zwar sicher,
denn er ist Prophet, a kxXov xkttsusiv, 1, 308, 16. Nachdem
die wunderbare Wasserspende in der Wüste erzählt ist, fährt
er fort: wer dem Glauben verweigert, tovtok; xritTTslv kennt ^

Gott nicht und hat ihn nie gesucht, 2, 114, 36; denn
solche Wunder sind Kleinigkeiten , verglichen mit dem ,
was an
göttlichen Werken in der Natur vor uns steht. Die göttlichen

Aussprüche , ^pj^o-jC^o/ ,
haben Gegenstand des Glaubens zu wer-
den vgl. Tciig ^pyi(jfj(,oli; kTTKTTslv, 2, 118, 38. 175, 25. 386, 37,
und diess auch dann, wenn sie noch unerfüllt in die Zukunft

weisen, 2, 388, 7. Mit der ganzen Synagoge ist auch Philo

überzeugt ,
dass die Schrift Verheissungen enthält ,
welche Israel
noch nicht erlebt hat aber erleben wird, vgl. 2, 179, 15, und
dieselben glaubend festzuhalten, ist sein Beruf, zu dem es gött-

lich verpflichtet ist.

Art und Werth des Glaubens stellt die Schrift zumeist an


Abraham dar. Wie Noah nach Gen. 6, 9 mit ständigem Bei-
namen der Gerechte heisst ,
so führt Abraham den Namen : b

5r/(7Tö'^, 1, 259, 23. Die doppelte Dreizahlvon Typen, welche


die Genesis bietet : Enos Henoch und Noah Abraham Isaak und
, , ,

Israel ,
deutet Philo als Entfaltung der Frömmigkeit nach ihren

verschiedenen Stufen und Formen: Hoffnung, Busse und Ge-


und Schauung Gottes, worauf nun
rechtigkeit, Glaube, Freude
Mose folgt, Prophet, Priester, Gesetzgeber und König.
der

Die Deutung der Figuren wird wenn immer möglich ihren , ,

Namen entnommen, weil Philo in den durch die Schrift ihnen


gegebnen Namen die göttlich gültige, sinnvolle Enthüllung ihres
Wesens sieht. Bei Abraham aber tritt dafür der Glaube ein.

Wie Isaak als seliges Lachen und Israel als Sehauung Gottes
durch ihren Namen bezeichnet sind, so hat die Schrift als
DIE DAESTBLLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 95

Abrahams Besitz und Gut den Glauben hervorgehoben, er ist

vor allen andern o Tricrrög , 2, 412. Diesen Ruhm giebtihmdie


Schrift zunächst darum, »weil er zuerst eine feste
Ueberzeugung
hatte, dass es eine einzige oberste Ursache giebt und dass sie
für die Welt und das was in ihr ist, sorgt". Sein Vater war ein

Chaldaer ,
hielt also die Sterne und den Himmel für Götter ;

Abraham wanderte aus aus dem Ort der Ohaldäer ,


in seiner

Sehnsucht nach Erkenntniss des Seienden , geleitet durch Got-

tessprüche, und weil er rastlos den Einen suchte und nicht


nachliess ,
bis er eine helle Vorstellung von Gottes Dasein und Vor-
sehung erlangt hatte ,
darum sagt die Schrift von ihm ,
er zuerst

habe Gott geglaubt, 2, 442. Er schaute zuerst hinauf über alles


sinnliche und denkbare und stützte sich mit sicherm ürtheil und

festem Glauben auf Gott, 2, 412. 1, 486. Weiter bezeugt die


Schrift Abrahams Glaube darin, dass ihm das Land, in wel-
ches er zu wandern hat, noch nicht gezeigt wird, Gen. 12, 1.
Weil seine Seele Gott nicht erst auf Grund der Erfüllung dankt ,
sondern aus der Erwartung des Künftigen heraus ,
an die Hoff-

nung gebunden und angehängt und ungetheilt dafür haltend ,

das, was nicht gegenwärtig war, sei gegenwärtig wegen der


festen Treue dessen, der das Versprechen gab, fand sie den
Glauben als vollkommenes Gut, uusv^oiixa-TOi i/Ofii(rxa-x r^^vi TrapsT-

voti Tx ß>] TTxpövTOi "^ici rijv rov vttoctxoi^svou ßsßanorccryjv "Tt'kttiv ,

1, 442. Dieselbe Stellung zeichnet die Schrift an Mose, wenn


sie ihm sagt, du sollst das Land sehn, aber hinein kommen
wirst du nicht.

Der Glaube Abrahams zeigt sich ferner darin, dass er mit

Gott frei und vertraut reden kann in 7ra,ppi](7i(n : was wirst du


mir geben? Gen. 15, 2. So wie ein Freund mit dem Freund
in Rede und Gegenrede dürfen die zu Gott sprechen ^ ja zu
ihm schreien, welche im Drang nach der Weisheit Gott geglaubt

haben, tovc; spart (yoCpiocq ösc^ TSTncrrsvfcÖTx^ 1, 475. Dahin ge-


hören auch alle die kühneu Gebetsworte Moses ; streiche mich
96 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

aus dem Buclie des Lebens! habe Yolk geboren?


ich. dieses

u. s. f. Solche Txpp'^o-ix ist die Aeusserung und das Vorrecht


•wahren Glaubens — ov [zövov Ksysiv xx) ßo^v xX\^ {^"^ij xoCi koc-

roißo^v £^ txKi^öovg Trhrsag KOi) cctto <yvii7lov tdv 7rix,6ovg ^xppsli.

1, 475, 39.
Diese Zuversicht hat aber zugleich die Furcht Gottes in sich.
Herr , IscnroToi, ,
was wirst du mir geben ? fragt Abraham ,

und Herr nennt er ihn in diesem Momente ,


weil er sagen will :

»ich verberge mir deine überschwängliche Macht nicht ich kenne ,

das schreckende deiner Herrschaft; in Furcht und Zittern trete


ich Yor dich und doch wieder muthig; den hast mir gesagt, <::?m

mich nicht zu fürchten, du hast mir die Zunge der Zucht ge-
geben, zu erkennen, wann ich reden soll, du hast mir den

zugenähten Mund gelöst und geöffnet, du zeigtest mir, was ich

sagen soll, jenes Gotteswort bestätigend: ich werde deinen


Mund öffnen und dir zeigen ,
was du reden sollst .... bin ich

nicht aus Vaterland und Verwandschaft vertrieben und dem


väterlichenHause fremd geworden ? Aber du Herr, bist mir das ,

Vaterland, du die Verwandschaft, du der väterliche Herd, du


die Ehre die freie Rede der grosse herrliche, nicht verlierbare
, , ,

Reichthum. Warum sollte ich nicht wagen zu sagen, was ich


denke ? Und doch ich bekenne , dass ich mich fürchte und nie-
.

dergeschlagen bin, nicht als hätte ich einen unverbundnen

Streit in mir, Furcht und Zuversicht, sondern einen ineinan-


der Zusammenklang. Unendlich labe ich mich an
gemischten
dieser Mischung die mich gelehrt hat nicht ohne Furcht frei-
, ,

müthig zu reden und nicht ohne Freimuth mich zu fürchten.


Denn ich lernte mein Nichts zu messen und die überschweng-
liche Höhe deiner Wohlthaten zu übersehn ,
und wenn ich mich

selbst wahrnehme als Erde und Asche, dann gerade wage ich
es ,
vor dich bittend zu treten, gering geworden — rxTrsivbg ys-

yovcog
— zur Erde geworfen ,
in die Elemente aufgelöst ,
bis

dahin, dass es mir schemt, ich bestehe nicht mehr", 1, 477.


DIE DAESTELLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 97

Das Wort Abrahams Gen. 18, 27 stellt also in keinem Wider-

spruch zu seinem Glauben, vielmehr »dann gerade ist der

rechte Zeitpunkt da , dass das Geschöpf bittend vor den »Schöpfer

trete, wenn es seine Nichtigkeit erkannt hat."

Anders verhält es sich mit dem Zweifel Abrahams. Wenn ihm


in Gen. 15, 6 Glaube zugeschrieben wird ,
so ist damit nicht nur
sein Verhalten zu jener bestimmten göttlichen Zusage beschrieben ,

sondern diese Stelle nennt seinen bleibenden innern Besitz; die

Frage Gen. 15, 8 kann darum nicht Ausdruck eines Zweifels

sein. Abraham hält auch jetzt fest, dass ihm das Erbe zu

Theil werden wird, er fragt nur nach der Weise, wie er das-

selbe erlangen kann, 1, 487. Das Lachen Abrahams Gen. 17, 17


ist das Lachen freudiger Hoffnung, 1, 602, so auch das Lachen
Sarah's, der Sinn ihres Worts Gen. 18, 12 ist der: bisher ist

mir noch nie mühelos von selbst ein Gut zu Theil gewor-
den, der aber, der es verhiess, ist mein Herr und älter als
die ganze Schöpfung, dem man glauben muss, 1, 603, 36.

130, 51. Allerdings das Wort Abrahams: wird dem Hundert-

jährigen ein Sohn werden? Gen. 17, 17 ist Zweifel, aber nicht
umsonst ist gesagt: er sprach in seinem Herzen, iv t^ '^avoic^

xvTov, denn nur als flüchtige Regung in seinem Geiste hat ihn

der Zweifel bewegt, wie er dem Menschen unvermeidlich ist,

der in seiner Leiblichkeit der unbeweglichen Festigkeit Gottes

nicht theilhaft werden kann , 1, 605 ff.


^).
Die Bitte dagegen ,

dass Ismael leben möge vor Gott, Gen. 17, 18, ist keineswegs
Unglaube, vielmehr in ihrer Weise ebenfalls ein Glaubensakt;
denn die receptive Kraft des Menschen bleibt vielfach hinter
der Fülle des göttlichen Gebens zurück ;
er muss sich darum
genügen lassen an den Gütern, die ihm zugänglich sind und

1) Doch wird auch dort die andre Möglichkeit wenigstens offen gelassen, dass das
Wort Isaak möge gerade
Bitte sei: dem 99 jährigen geboren werden weil diess eine ,

vollkommene Zahl sei.

7
98 DER GtAüBE TM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

danken für das, was er erhalten kann. Eine Bitte wie die

Abraham's : schenke mir das , was meinem Vermögen entspricht ,


auch wenn es klein ist, vertraut in ihrer Bescheidenheit dem
Gott, der in Unparteilichkeit bei sich selbst das Ijedem ent-

sprechende abwägt und zumisst, 1, 612. So wird auch in der

Darstellung des Gesprächs der Engel mit Abraham, Gen. 18,


10 ff., in der Schrift de Abrah. 2, 17 der Zweifel nicht völlig

beseitigt, aber auch hier, trotzdem jene Schrift nicht nur


den Lehrgehalt der Genesis auslegen, sondern zunächst die

geschichtlichen Vorgänge selbst erzählen will ,


sehr geschwächt ,

namentlich dadurch , dass der Zweifel nur auf die für Men-
schen gehaltnen Engel eingeschränkt und von Gott fei^ne

gehalten wird. Auf die Antwort: ist bei Gott etwas un-

möglich? habe sich Sara geschämt und ihr Lachen abgeläügnetj


denn sie wusste, dass Gott alles möglich ist, da sie schon von
den Windeln an diese Lehre erlernt hatte.
Diese Tendenz , die Patriarchen zu verherrlichen und den Ge-

danken an Versündigungen derselben möglichst fern zu halten^


istnicht nur Philo 's Eigenthum, sondern geht durch die ganze

Synagoge durch, sie findet sich analog bei Josephus, in den Tar-
gumen etc. Philo wurde durch seinen geschichtslosen Schriftbegriff
in dieser Bahn festgehalten ,
er begehrt nur Lehre Weisheit Vor-
, ,

bild von der Schrift ,


die Geschichte der Väter scheint ihm nur
dann Werth zu haben, wenn sie die Verkörperung des gött-
lichen Gesetzes ist darum kann sie nicht auch Darstellung ihrer
;

Schwäche und Sündigkeit sein, das göttliche Wort muss über-

all einen Imperativ enthalten ,


überall ein Vollkommenes ,
we-

nigstens Gutes und Gott Wohlgefälliges nennen, überall die


Weisheit Gottes offenbaren als das einzige Objekt, das in ihm
zur Darstellung gelangen kann, und solche muss sich darum
auch unter den anstössigen Berichten finden als das Mysterium,
das in ihnen geheimnissvoll angedeutet ist. Aber auch sein

Glaubensbegriff erschwerte es ihm, einen Glauben zu denken,


DIE DAHSTELTiüNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 99

der mit Zweifel und Unglaube ringt, und docli niclit aufhört,
Glaube zu sein, sondern in der That je und je feste Glaubens-
akte zu Stande bringt. Er denkt den Glauben nicht konkret,
wie er die einzelnen Momente im Verhalten der Persönlichkeit
erfüllt, er denkt abstrakt an die Tugend: Glaube, so ist er

eine bleibende Bestimmtheit der Seele ;


er denkt ihn als Öieges-

preis ,
so trägt sich der Kampf nicht in den Glauben hinein ;

dieser ist beendet ,


wo der Glaube ist ,
er ist niclit Wurzel son-
dern Frucht der Gotteserkenntniss ,
also wie diese ein unverlier-

barer immer gewonnener Besitz, und wenn im Blick auf


für

den Leib und das Naturleben des Menschen dieser Tugend


auch Schranken gesetzt werden, so wird diese Einschränkung
doch wieder möglichst reducirt, damit die Herrlichkeit des
Glaubens, wie sie Gott am Bilde Abrahams darstellen will,

ungetrübt und ungeschädigt sei.

Diese Herrlichkeit des Glaubens offenbart sich in Abraham


weiter darin ,
dass er sich Gott fürbittend für das gottlose
Sodom naht, 1, 41, im Glauben, dass wenn nur ein
45 6 , klei-

ner Ueberrest von Tugend noch vorbanden ist Gott sich , des-

selben erbarmt, so dass er das Gefallne aufrichtet und das


Erstorbne zum Leben anfacht, 1, 455, 13. Wie hier die Für-

bitte Abrahams, so wird 1, 273, 24 das Isaaksopfer mit Gen.


15, 6 verknüpft. Die Hingabe des Sohns, den Abraham nicht
für sich selbst geboren haben will ist Bethätigung jenes Glau- ,

bens der alles als Bigenthum Gottes anerkennt , wie er in der


,

Einsicht in die Nichtigkeit des Gewordenen und in die Festig-


keit begründet ist. Und wenn schliesshch Abraham
Gottes
nach Gen. 15, 15 Frieden besass, während er doch heimathlos

umherwandert, und von Krieg und Hunger betroffen wird, so


wäre ihm diess freilich ein harter, schwerer Streit gewesen,
hätte er nicht den göttlichen Worten und Sprüchen geglaubt,

1, 514. In Glauben hatte er an Gottes ßuhe Theil,

Analog wird der Glaube an Mose dargestellt. Wenn er die


100 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

Berufung Gottes am Dornbuscli ablehnt, war er niclit ungläu-


big ,
vielmebr : TKXTsuav S' o/zag TraptjrsTro tvjv ;:^e/poToi'/<5i5v
2 ,

93, 42. Wenn er dem Pharao entgegentritt, so ist er im


Gegensatz zu der von der Ungerechtigkeit leidenschaftlich um-
hergetriebnen Seele das Bild des Glaubens in seiner Festig-

keit, der bei Gott zum Stehen kömmt, 1, 409. Sendet er die
Kundschafter aus, so erklärt er: unsre Waffen, Kriegsmittel,
unsre Kraft liegen allein im Glauben, 2, 116, 49. Wenn er

dem Volke ankündigt, dass sie das Manna nicht auf den fol-

genden. Tag behalten dürfen, so sagt er: glauben müsst ihr


Gott, da ihr seine Wohlthaten erfahren habt in Dingen, die
alle Hoffnung überstiegen, 2, 175, 9, Wählt er, während er

doch Josua kennt, ihn nicht selbst zum Nachfolger, bittet er

vielmehr Gott, er möge den Hirten über sein Yolk bezeichnen,


so glaubt er nicht voreilig sich selbst, ov TrpoTricrTsvccv savrS),

sondern fleht den. Aufseher über die unsichtbare Seele, der

alleinden Menschen kennt, an, dass er den besten wähle, 2,


384, 45. Verlangt er darnach Gott zu sehn, so ist diess frei-
lich ein unmögliches Begehren ,
aber der innere Sinn dieser
Bitte ist der: tv^ ilßvi ttots d-'psv^ovg ^ö^-^g ßsrxÄxßcov xßsßxiou
iv^ottxs-ßou ßsßiztoT(ZTy]v Ticrriv xXXix.^vjTtxi 1, 228, 30. Diese selbe
Gottesliebe ist die Wurzel jenes mächtigen Vertrauens — ocvr^

rovTCfi nämlich rw dsoCpiXsJ f^txXia-Tx TrsTrtiTTsvxdg 1, 389, 7


— in
welchem er erklärt ,
dass Gott das Erbe der Leviten sei ,
womit
er auf irdischen Besitz verzichtend ,
Gott für das Gut des Wei-
sen erklärt. Dergleichen Lehren gehören, aber nicht denen an,
die nach beiden Seiten hin schwanken sondern nur denen die , ,

von festem Glauben ergriffen sind, 1, 340, 13.


So lebendig und inhaltsreich Philo den Glaubensbegriff ge-

staltet, Hauptbegriff, in dem er das Verhältniss zu Gott kon-

zentrirte, ist er ihm dennoch nicht. Diese Stellung konnte er


nicht mehr erhalten, nachdem er als das Ziel der Frömmigkeit
an deren Ende gestellt war. Für das theologische Denken ist
DIE DARSTELLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 101

die Hauptfrage stets die, wie sich die Religiosität im Menschen

begründet und der Menscli zu Gott kommt; und diejenigen


Begriffe, welche bestimmen, wie der Anschluss an Gott ge-
wonnen wird ,
bilden darum das Centrum jedes theologischen

Systems. Diese Stelle füllt aber bei Philo nicht der Glau-

bensbegriff aus, vielmehr steht hier bei ihm eine doppelte


Begriffsreihe, eine intellektuelle: Wissen, Weisheit, Erkent-
niss Gottes, und eine praktisch-ascetische: Abwendung der

Begierde vom Gut, Repression der Lust. Beide


natürlichen

Weisungen greifen formal und material in einander; jene Wis-


senschaft ist vor allem aus Güterlehre ^ sie strebt das wahrhaft

Seiende darum zu erkennen ,


weil sie in ihm das wahrhaft Gute
zu finden hofft, Sie fordert zu diesem Zwecke Abwendung von
der sinnlichen Vorstellung; das Sinnliche ist aber zugleich das

Gebiet der Lust und Begier. So greifen die Ascetik und die

Logik in einander, und diese Ascetik, die ihren positiven In-

halt in der zur Erkenntniss Gottes emporsteigenden Weisheit

hat, ist der Weg zu Gott.


Nun wird sich auch Schneckenburgers ')
unbestimmter Ein-
druck :
saepissime Philo sensu paene Paulino de 'ttio-tsi
loquitur ,

durch ein helles, deutliches Urtheil ersetzen lassen. Philo em-

pfand lebendig das Grosse, das im Glaubensakte vor sich geht;


dass das Hinausstreben des Ichs über sich selbst nicht resultat-

los ist, sondern zu einem befriedigten Ende gelangen kann in


einer Gott vertrauend hingegebnen Lebensgestalt ,
das sind Vor-

gänge, die ihm in ihrer Bedeutsamkeit in's Licht traten und


seine Verwunderung erregt haben. Auch ihm wie Paulus be-

herrscht eine grosse Antithese sein theologisches Denken: dort


steht das Seiende, hier das Gewordene, dort das Unsichtbare,

rein Geistige, hier das Sinnenfällige, Leibliche ,


und das Bedeut-
same am Glauben ist nun diess, dass in ihm dieser Gegensatz

1) Sclineclcenburger Jakobusbr. 133.


102 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. 11.

Überbrückt und der Mensch ö-ott verbunden ist, der G-ewordne

dem umgewordnen Schöpfer, der durch seine Leiblichkeit der


Natur angehörende dem unsichtbar über die Welt Erhabenen.
Darum wird auch für Philo der Glaube ein doppelseitiger
Akt, der ein negatives und ein positives Moment in sich hat,

er ist Verzicht auf das Menschliche und Bejahung Gottes in


seiner Vollkommenheit und Güte. Der Glaubende fällt und
steht zugleich, »er fällt aus dem eignen Wahn heraus, und
wirft den Weisheitsdünkel ab, und aufgerichtet wird der Gott
liebende Sinn, der auf dem Unwandelbaren gegründet ist",

1, 605. Das ist in Philo's


Gedankengang Mo- das parallele

ment zur Paulinischen Predigt. Aber bei Philo berührt die


Antithese zwischen Gott und dem Menschen dasjenige Gebiet
noch nicht, wo sie bei Paulus ihren originalen Sitz hat und
in aller Schärfe aufbricht, die Gestalt unsers WoUens und
Handelns. Auf dem intellektuellen Gebiet stellt er den Glau-
ben der Selbstzuversicht entgegen, die in den Sinnen und dem

Begriffsvermögen die Mittel der Erkenntniss zu besitzen meint ,


an diesem Besitz übt er seine Kritik, um an ihr die Selbst-
zuversicht scheitern zu lassen, damit Raum entstehe für einen

neuen Erkenntnissakt, welcher den der Sinnlichkeit und Be-

greifbarkeit entzogenen Gott fasst ,


auf den nun das überzeugte
Trauen gerichtet ist; aber er führt nicht auch den Willen
durch eine ähnliche Antithese hindurch, er bekämpft nicht
wie die Zuversicht zur erkennenden so auch diejenige zur sitt-
lichen Kraft; er stellt nicht, wie er über den eignen Wahrheits-

besitz die Gotteserkenntniss stellt, so auch über das eigne,


sittliche Verhalten ein Wollen ,
Streben ,
Handeln das von Gott
,

dem Menschen als Gabe Gnade gegeben wird. Die sitt-


der

liche Reinigung fällt dem Menschen zu als sein eignes Werk.


Allerdings bildet wie überhaupt die Güte Gottes so auch seine
Willigkeit zu vergeben Grund und Inhalt des Glaubens ;
der

Sündopferritus z. B, hat den Zweck , festen Glauben zu erzeugen.


DTE DARSTELLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 103

dass Gott denen, welche ihre Sünden bereuen, gnädig ist,

2, 248, 27. Er spricht von der auf die Opfer gestellten Zuver-
sicht als von etwas berechtigtem, wenn sie nur von der aber-

gläubischen Werthschätzung des materiellen Opferakts gereinigt


wird, 1, 345, 14. Darum bildet aber keineswegs Grlaube die

Weisung ,
die dem Sündigenden gegeben wird. In Reue Busse
, ,

Besserung, Reinigung der Seele hat sich dieser zuerst gut zu

machen, und nun »wenn er nichts Böses neu verübt und das
alte Böse abgewaschen hat", darf er ohne Furcht zu Gl-ott hin-
treten, 1, 274, 10. Das vertrauende Verhalten zu Gott setzt
das gute Gewissen voraus, das die Reinheit und Lebendigkeit
seiner Liebe zu Gott dem Menschen bezeugt, 1, 474, 5. Die
Heiligung liegt für Philo vordem Glauben, und der grosse
Effekt des Glaubens besteht zwar darin ,
dass er den sinnlichen ,

in seinen leiblichen und geistigen Kräften nichtigen Menschen


mit Gott einigt ,
nicht aber darin ,
dass er den Sünder mit
Gott verbände. Bei Philo ist der Glaube die Gerechtigkeit des

Gerechten ,
bei Paulus die Gerechtigkeit des Gottlosen, Rom. 4, 5 ;

das ist zwischen beiden der durchgreifende, principielle Unter-


schied.

Es ungeschwächt, unvermittelt der Unterschied zwischen


ist

Judenthum und Christenthum. Die »guten Werke" der Palästi-


nenser sind hier freilich verseh wunden ; Philo 's Ttio-rog ist nicht

derjenige, nach dem der Pharisäer fragt; er verzehntet Kümmel


und Münze nicht. In der Aneignung der geistigen Güter,
welche das griechische Leben bot, verinnerlicht sich ihm der

Glaubensbegriff; denn in dem Kampf, in den er sich hiebei

hineingetrieben sieht, ist er zu einem Vertrauensakt genöthigt,


der auf sich selbst verzichtet und an Gott sich hält. Jene Ver-

nunft, welche die Wahrheit verdirbt und sich als Traum er-

weist, jener schein weise Sophist, der in der lügnerischen Mei-

nung befangen bleibt, ist ja thatsächlicb nichts anderes als das

griechische Wissen ,
das sich in die Welt ausbreitet und dabei
104 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. II.

atheistisch bleibt. Philo kämpft gegen dasselbe für seinen Gott,

theoretisch mit den Waffen, welche die sokratische Logik nach

ihrer skeptischen wie nach ihrer positiven Seite ihm bot, aber
er empfindet zugleich das ethische Moment in diesem Gegensatz.

Die Selbstzuversicht, auf der jene von Gott abgewandte Weis-


heit steht, ist falsch, sie negirt den Glauben an Gott, sie ist

üeberhebung, rvCpoq ^
welche die Welt und den Menschen zu
etwas macht ,
was sie nicht sind , und ihnen zuschreibt was Gott ,

allein ist und giebt. An der Rath-, Trost- und Gottlosigkeit


des heidnischen Denkens bricht ihm die Selbstzuversicht, aber

nur so weit als die Erfahrung des Griechenthums ihn dazu


nöthigt ,
nur auf intellektuellem Gebiet. Das Gesetz dagegen
hält er fest; er gräcisirt es, er verwandelt es in eine Philoso-

phie, aber es bleibt auch so Gesetz. Ehe man glauben kann,


gilt es sich der Leitung der ascetischen Weisheitslehre hinzu-

geben, und nur wer sich nach ihrer Vorschrift zur Vollkom-
menheit emporgerungen hat, hat nun Glauben erlangt. So ist
seine Stellung doch nicht wesentlich anders als die des Palä-

stinensers, welcher an das Gesetz glaubt, nur dass er seiner

Thora einen eigenartigen Inhalt giebt. Die intellektuelle Seite


an seinem Glaubensbegriff ist zugleich der Punkt, an dem
sich derselbe an jene griechisch-philosophische Trhrn; anschliesst ,

welche die innere Zustimmung benennt mit der sich das Erken-
,

nen abschliesst und üeberzeugung wird. Was aber in seinem

Glaubensbegriff über diese intellektuelle Funktion hinaus liegt,

jenes Halten und Hängen an Gott, das ihm allein leben will
und nicht sich selbst noch der Welt, das greift weit über alle

griechischen Formen der Trhrtg hinaus, das ist jüdisches Gut.


So zeigen Philo 's Darlegungen höchst bedeutsam, einmal
wie ausgebildet und mächtig der Glaubensbegriff die Syna-

goge durchwirkt, und sodann wie wenig er ihr zur Befriedi-


gung dient. In ersterer Hinsicht erwäge man eine Aeusserung

wie die im Bück auf die Weigerung Mose's Ex. 3: obwohl


DIE DARSTELLUNG DES GLAUBENS BEI PHILO. 105

glaubend lehnte er docli die Watl ab. Dem Verbalten Mose's

gegenüber entsteht ihm sofort die Frage: ist das nicht Glau-

bensmangel? und er setzt diesen Gredanken eben so unmit-


telbar in den Lesern voraus. Glaubensmangel ist aber in sei-

nen und ihren Augen ein Vorwurf, der die Frömmigkeit in ihrem
innersten Wesen trifft, gegen den er Mose vorsorgend schützt.

Glaube an Gott! das lebt in der Gemeinde als ein Imperativ,


der von der Anerkennung Gottes unabtrennbar ist. Und doch
schaut Philo zum Glauben empor als zu einer Sache, die man
sich kaum zuschreiben darf. »Uns wegen unsres vielfältigen

Unglaubens erseheint der Glaube wunderbar !" 1 ,


486 ,
10.

Doch ist gewöhnlich nicht »Unglaube" das Wort, mit dem er

das Verhalten der eignen Gemeinde benennt; sie hält ja den

Gottesgedanken fest. Aber wie auf palästinensischem Boden der


Begriff: »getheiltes Herz" gebildet wird, so hat Philo sein
67rxi^<:p0T£pi(rTy]q und sv^oioccrrjig. Der gewöhnliche Fromme ist

zwiegetheilt ; Gott und die Welt, das Sichtbare und Unsicht-


bare regieren ihn. Der Glaube steht vor ihm als Ziel, doch als

unerreichtes Ziel ,
dem der Mensch auf dem weiten Weg philo-

sophischer Aufhellung seines Denkens und ascetischer Reini-

gung seines Begehrens zuzustreben hat, das aber nur der Voll-
kommene erreicht.
II.

DER GLAUBE IN DEN WORTEN JESU.

DEITTES KAPITEL.
Johannes der Täufer.

Das Zurücktreten des Glaubens hinter die Busse in der Taufpredigt.

Die Gemeinde, vor die der Täufer trat, besass Wort und
Begriff: Glaube in fester Prägung; sie brachte ibm denselben
nicht weniger ausgebildet entgegen als den Begriff; Busse.
Doch die Weisung, welche der Täufer bei der Nähe des Him-
melreichs an Israel zu richten hat, ist nicht Glaubensmahnung
sondern Busspredigt; jene tritt in der Taufpredigt, so weit sie
uns vorliegt, ganz zurück. Es deutet sich damit sehr bestimmt
und charakteristisch an, dass ein Neues im Werden ist. So

mannigfaltig sich der Glaubensbegriff gestaltet hatte ,


stets lag in

ihm die Tendenz, die Gemeinde in derjenigen religiösen Stel-

lung ,
welche sie bereits besass ,
zu erhalten und zu stärken.

Die Glaubensmahnung sprach vom festen Anschluss an das


Erkannte und Gegebene. Die Taufpredigt dagegen hat das

entgegengesetzte Ziel; sie wollte die Gemeinde herausheben


DER TAUPEE. 107

aus derjenigen Stellung ,


die sie sich G-ott gegenüber gab. Johan-
nes achtet das Volk mit aller seiner Gesetzestreue der Waschung
bedürftig und treibt es in's Jordanbad , damit war die gesammte
gottesdienstliche Leistung der Gemeinde als werthlos negirt.
Die beiden Gruppen, in welche die synagogale Theologie die

Gemeinde theilte, Gerechte und Bekehrte


nÜlti^H ""^^D — —
sind auf eine reducirt; ein Verhalten zu Gott, das am Reiche
Theil gäbe, findet sich in Israel nicht. Neben den ßussfertigen
stehen hier nicht die Gerechten , die der Umkehr nicht bedürfen ,

sondern die ünbussfertigen , denen Johannes das Reich als be-

vorstehenden Zorn verkündigt ,


Mths. 3 ,
7 ff.
,
der sich an der

Spreu Israels offenbaren wird mit nicht zu löschendem Brande.


So stellt er gerade die Vertreter des Gesetzes, welche die Glau-
benstreue gegen Gott und sein Gebot als die grosse Volksauf-

gabe betrachteten und betrieben, zuerst und zumeist unter das


Gericht. Für eine solche Predigt war nicht Glaube sondern Um-

kehr — D*in —
dasjenige Wort, welches das eine
(AETmoslv
Noth wendige nannte. Jene Zuversicht: »wir haben Abraham
zum Vater!" in der man sich Gottes and seines Reichs ge-

tröstet und jeden Zweifel am Empfang der Reiehsherrlichkeit

niederschlägt ,
steht als das grosse Hinderniss vor ihm das ge-
,

brochen werden muss , und er lässt sie scheitern am Zorne Gottes ,

der für den unfruchtbaren Baum die Axt bereit hält ,


und an
der Freiheit seiner Gnade, die sich aus Steinen Kinder Abra-
hams zu schaffen vermag.

Während Johannes seinen besondern Jüngerkreis in sein

Fasten und Gebet hineinzog, Mths. 9, 14. Luc. 11, 1, sum-


mirt sich dem Volke gegenüberseine Weisung in die einfachen

sittlichen Grundnormen: Recht und Güte. Damit tritt zugleich


derGrund ans Licht, auf dem sein negatives ürtheil über das
fromme Leben und Streben der Synagoge steht denn mit dem ; ,

was er den Getauften vorhält als »die Frucht ihrer Umkehr",


ist zugleich die Stelle bezeichnet, an der er den Schaden der
108 UEB GLÄ.ÜBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. III.

Gemeinde sucht. Nun hat es sich der Erinnerung der Zeitge-

nossen mit gutem Grunde eingeprägt, dass er dem Zöllner

oder dem Söldner erklärte, er solle Zöllner und Söldner bleiben ,

doch nun in Ehrlichkeit und Rechtlichkeit, dass er überhaupt


der Taufversammlung diess als neue Pflicht auferlegte, dass sie

nun zu geben im Stande sei, und zwar nicht in den Tempel-


kasten, sondern dem, der ohne den deckenden Mantel neben

ihnen am Jordan übernachten müsste und keinen Vorrath an

Speise mitzunehmen hatte auf seine Pilgerfahrt ,


Luc. 3, 10 — 14.
Das Gebrechen der Gemeinde, um dess willen sie sich waschen
muss und eine Umkehr zu vollziehen hat , liegt ihm also nicht

zunächst in der gottesdienstlichen Sphäre ,


nicht in der Weise ,

wie Israel betet, opfert, die Schrift versteht und lehrt, son-
dern sein Schaden findet sich auf dem Gebiet der einfachen
sittlichen Normen, wie sie sich auf das Zusammenleben der
Menschen unter einander beziehn ,
von hier aus wird die Fröm-
migkeit der Gemeinde Unreinheit und;ihr Gottesdienst nichtig

und werthlos. Das ist das Erhabene in der Stellung des Täu-

fers, dass er die ganze gottesdienstliche Anstrengung und ge-


setzestreue Arbeit der Synagoge an den sittlichen Grundnormen
misst, er vollzieht nicht in schriftgelehrter Reflexion sondern

von innen heraus und original den Rückgriff von der 13D"'n,
wie sie die Synagoge fordert, auf die JIDJ^ der Propheten,

darum wird sein Wort auch an der Stelle, wo es sich um die

Weisung an Umkehrenden und Bussfertigen handelt, noch


die

nicht Glaubenspredigt. Die Gemeinde bedarf zunächst nicht das ,

dass man ihr sagt; glaube an Gott und zweifle nicht an ihm;
wohl aber diess, dass man ihr vorhält: stiehl nicht und geize
nicht; darin besteht ihr Schaden und darum findet sich hier
auch ihre Heilung.
Nun enthielt die Taufpredigt zugleich die
Ankündigung der
Nähe des Reichs, und zwar als deren erstes, grundlegendes
DER TAITFER. 109

Moment, aus dem die Aufiorderung zur Umkehr ihr Motiv und
ihre Kraft zog. Diese Botschaft ist von der G-emeinde als G-ot-

tes Wort und Wahrheit aufzunehmen, sie soll geglaubt wer-


den. Aber eine besondre Betonung des Glaubens ergab sich
dem Täufer von hier aus nur dann, wenn die Aufnahme der
Reichspredigt auf innere Hindernisse und Schwierigkeiten stiess ^).

Solche bestehen aber für ihn und seine Hörer zunächst noch
nicht, Mchts fehlt Israel weniger als die Willigkeit ,
die Reichs-

botschaffc zu hören ; es strömt in Schaaren hinzu und selbst


Rabbinen und Pharisäer treibt der Reiz der Reichsverheissung

an den Jordan hinaus. Und wenn das Reich nun anbricht und
der Christus kömmt, bedarf es dann noch des ausharrenden,
die Anfechtung überwindenden Glaubens? Der Täufer spricht
von einem Reich voll welterneuender Macht. Sein eignes Wort
kann noch verachtet werden und vor ihm fällt der schlechte

Baum noch nicht ,


aber er fällt vor dem ,
der als der Stärkere

nach ihm kommen wird ;


er selbst hat nur im Wasser das Mit-
tel seines Wirkens, darum ist auch sein Werk nichts im Ver-
gleich mit dem Wirken dessen, der Geist und Feuer zur Ver-
fügung hat ,
der in so völlig neuer und höherer Kraft sein Werk
betreiben wird , dass der Täufer ihm dabei in keiner Weise
helfen und dienen kann ; jener tritt unter die Gemeinde wie der
Worfler auf die Tenne, ein Christus, der nicht G-lauben in

Anspruch nimmt, weil man ihn sieht, erlebt und erfährt in

seiner Königsmacht ^). Für den Täufer besteht die


offenbaren

Frage noch nicht, ob wohl die Gemeinde den Christus auf-


nehmen werde er hat ja die Wurfsehaufel und wirft die Spreu
,

zur Seite; er führt die Axt und fällt den dürren Baum; wohl
aber besteht für ihn die andre Frage und zwar mit einer ihn

1) In der Bede des Täufers bei Johannes, nachdem Jesus seine Wirksamkeit be-
tritt darum der
gonnen hat, Glaubenshegriif hervor: Joh. 3, 36,
%) Vgl. Mtths, 11, 2 ff.
110 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IIJ.

innerlichst bewegenden und in's Fasten treibenden Macht: ob


wohl der Christus aufnehmen wird. Diese Frage
die ö-emeinde

jfindet ihre Lösung in der Umkehr darum heisst die Folgerung


; ,

welche Johannes aas der Reichspredigt zieht noch nicht G-laube


,

sondern Busse, und die Taufe, die auf das Reich rüstet, war
nicht Glaubens-sondern Busstaufe.
VIERTES KAPITEL.
Die Worte Jesu über den Glauben hei den Synoptikern.

Jesu Eingehn in die Taufpredigt; der Sprachgebrauch von Tria-rti; der


Glaube als absolute Macht über die Welt, und als unbegrenzte Zuver-
sicht; der Glaube in der natürlichen Lebenssphäre; in der an Jesus
gerichteten sein Verhältniss zur messi anlachen Erwartung; Ziel
Bitte;
und Bedingung der Heilung; seine Beziehung auf Jesu gesammte
'Thätigkeit,auf Jesu Tod, auf die künftige Errettung; Busse und

Glaube; Glaube und Liebe; der Ursprung des Glaubens aus Gott.

Dei* erste Evangelist liat auch die Verkündigung Jesu in den

Täuferspruch zusammengefasst , und damit Jesu Wirksamkeit


als Fortsetzung der Arbeit des Täufers dargestellt. Dieses Zeug-
niss über den innern Character der Predigt Jesu wird durch
zahlreiche Worte Jesu bestätigt wie sie uns in den Synoptikern
,

vorliegen. In vielen derselben kehren die Gesichtspunkte der

Taufpredigt wieder, nur sind sie noch machtvoller auf ihren


einfachsten und darum tiefsten Inhalt konzentrirt.

Während der Täufer sich selbst vom kommenden Christus

sonderte als unfähig zu jeder Dienstleistung und Mitwirkung


mit ihm, stellt Jesus den Täufer unmittelbar mit sich zusam-
men: sie arbeiten an einem Werk. Dem Lehrsatz der Rabbi-

nen, die von der Erscheinung Elia's die Wiederbringung alles


Verlornen, die Herstellung aller Schäden in der Gemeinde
erwarten — aTrotcxTd^raa-ig TrävTccv, Mths 17, 11 — hält er den
Täufer entgegen. Israel bedarf nichts andres, als was ihm Jo-
hannes gebracht hat; denn die Umkehr wäre die Wiederbrin-
112 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

guug des Verlornen. Der Frage nach seinem göttliclien Rechte


stellt er die Vorfrage: .ob der Täufer von Grott gesandt gewe-
sen sei oder nicht, und zwar nicht mit Beziehung auf seine
messianisehe Verheissung, sondern ausdrücklich mit Hervorhe-

bung seiner Busstaufe. V^^er nicht weiss, ob der Täufer aus


Grottes Auftrag zur Busse rief , der hat kein B-echt zur Prüfung
seiner göttlichen Vollmacht, noch auch die Fähigkeit zu ihrer

Wahrnehmung. Die Anerkennung seines Berufs ist somit durch


das richfcige Verhältniss zum Täufer bedingt, Mths. 21, 23 ff.

So verschieden sie in ihrem Auftreten sind, so sind sie doch


Boten und Zeugen der einen und selben Weisheit Gottes, die

Abweisung des einen schliesst die Missachtung des andern in


sich , Mths. 11, 7 ff. Wie mit dem Täufer , so stellt sich Jesus

auch mit den frühern Propheten in eine Reihe; denn wie die
Knechte ,
Sohn den Auftrag an die dem Herrn
so hat auch der ,

des Weinbergs gebührenden Früchte zu mahnen. Er setzt damit

auch den Zweck seines Kommens in die Busspredigt.


Auch Jesu Wort verwarf die Frömmigkeit Israels als werth-
los und sündig vor dott. Am Weinberg Israels wuchs keine
Frucht für Gott, Mths. 21, 33 ff.; sein Feigenbaum trägt nur
Blätter, Luk. 13, 6 f. Sein Dienst am Gesetz ist in Wahrheit

Auflösung des Gesetzes ,


nicht nur TJebertretung in Unverstand

und Schwäche, sondern die Beseitigung desselben und seine

förmliche Abrogation, Mths. 5, 17 ff. 15, 3 ff. 23, 23. Die

gottesdienstliche Arbeit der Synagoge hat ihren Lohn dahin,


sie ist nicht Dienst Gottes ,
Mths. 6 ,
1 ff. So werden prophetische
Strafworte wie Jes. 29, 13. Jer. 7, 11 voll auf das zeitgenös-
sische Geschlecht angewandt. Sie sind das Volk, das Gott nur
mit den Lippen ehrt und dessen Herz ferne von ihm ist, Mths.
15 7 sie sind die Leute welche stehlen morden ehebrechen
, ; , ,

u. s. f. den Tempel treten, und denselben da-


und hernach in

durch zur Räuberhöhle machen, Mths. 21, 13.

Wie der Täufer ,


so hält auch Jesus der jüdischen Frömmig-
JESU BTJSSPEEDIGT. 113

keit die einfaclien göttlichen G^rundgebote entgegen. Der Vor-


wurf, dass ihre Satzung das G-ebot Gottes aufhebe, wird an

dem Gebote belegt: du sollst Vater und Mutter ehren, Mths


15, 3; dass ihnen an solchen Weisungen nichts liegt, macht

sie zu dem Volke, das Gott nur mit den Lippen ehrt. Ebenso

thut die Bergpredigt den Inhalt des Gesetzes gegen die rab-
binische Auflösung desselben an den Grundordnungen Gottes
dar, wie sie das Verhältniss der Menschen zu einander re-

geln: am Verbot des Todschlags und Ehebruchs, am Eid


und an der Wahrhaftigkeit, an der Rechtsnorm und am

Liebesgebot. Die Verstümmelung dieser Normen macht aus

ihrer Verehrung des Gesetzes in Wahrheit dessen Auflösung.


Es ist auch hier zu allernächst HD?^ in ihrem einfachsten
Sinn gefordert, und in solchem Zusammenhang findet sich auch
TricTTig einmal mit dem Begriff der treuen Zuverlässigkeit: rb
eKsog Kü) ^ ;r/(7r/^ stehen Mths. 23, 23 ')
als die Stellvertre-

ter des alttestamentlichen HÖi^l IDH. Es wird dort dem


Rabbinismus die Nichtigkeit seines Eifers am Gesetz damit dar-

gethan, dass er gerade »das schwerere im Gesetz" d. h. das

wichtigere, das, was dem Gesetz Hauptsache ist, fahren lässt.


Nun summirt Jesus diesen Hauptinhalt des Gesetzes in drei
Begriffen: Rechtlichkeit und Erbarmen und Treue. Nicht dass

Gott den Zehnten erhalte, sondern dass der Mensch empfange,


was ihm an Recht, Güte und Treue gebührt das ist der ge- ,

wichtige Wille Gottes im Gesetz, und diess so sehr, dass Jesus

das Liebesgebot in seiner allerdings hoch greifenden, aber


nüchtern praktischen Fassung, Mths. 7,12, den ganzen Inhalt
des Gesetzes und der Propheten nennt. Dieser Betonung des

Liebesgebots entspricht, dass Jesus dem Verhalten zum Gelde,


zur Ehre und zur Macht eine entscheidende religiöse Bedeutung
giebt. Maramonsdienst und Gottesdienst sind wider einander,

1) Die Auslegung der Stelle findet sich Erl. 4.


114 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

und wer vor den Menschen scheinen will, bringt sich um den
Lohn hei Gott. Auch das sind Momente, die Israels Frömmig-
keit entwerthen und zerstören.

So zieht auch Jesus aus der Nähe des Reichs zuvörderst das
Gebot: kehrt um. Der Täufer hatte Recht, wenn er dem Volke
dieFrage vorlegte ob "wohl der Christus wenn er komme die
: , ,

Gemeinde aufnehmen werde; er nimmt sie in der That so, wie


sie ist, nicht auf. Die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und
Pharisäer schliesst vom Reiche aus, Mths. 5, 20. Für die »Ge-
rechten" ist er nicht da, Mths. 9, 13. Wenn sich die Phari-

säer an ihm ärgern, so vollzieht sich damit nur der innerlich

nothwendige Gang der Dinge, denn sie sind ein Gewächs,


das nicht von seinem Yater gepflanzt ist, und darum ausge-
wurzelt werden muss, Mths. 15, 13. Der Weinberg wird denen

genommen , die seine Frucht verweigert haben, Mths. 21, 40 ff.,

und die Söhne des Reichs werden hinausgeworfen in die Fin-

sterniss, Mths. 8,12.


Es sind nicht nur geschichtlich gewordene und darum vor-
übergehende Yerhältnisse und Einflüsse, welche die Umkehr zur
unerlässlichen Bedingung für die Theilnahme am Reiche machen ;

der Gegensatz gegen das Reich reicht vielmehr in das innerste

Wesen des Menschen hinein. Allerdings vollzieht Jesus nirgends

eine abstrakte Scheidung an den Hörern zwischen dem, was


sie als Menschen und dem, was sie in Folge des Rabbinismus

als Juden sind; allein wenn diejenige Lebensgestaltung, deren


Ende Verderben ist, im grossen Thor und breiten Weg ihr

Bild erhält ,
also als das unmittelbar sich darbietende bezeichnet

wird, während der Weg in's Leben erst gesucht werden muss
und von wenigen gefunden wird Mths. 7, 13; wenn er so ein- ,

fache Lebensverhältnisse wie die Liebesübung des Vaters am


Sohn heraushebt als bedroht durch die Bosheit der Hörer,
Mths. 7, 11; wenn er in direkter Beziehung auf seine eignen
Jünger die Schuld des Menschen vor Gott auf zehntausend
JESU BUSSPEEDIG-T. 115

Talente schätzt, eine Bedeutung durch die hun-


ZaU, die ihre

dert Denare empfängt, welche das von den Menschen einander

erwiesene Unrecht benennen Mths. 18, 24 so ist deutlich dass


, , ,

hier von sittlichen Defekten gesprochen wird, die nicht nur

Folge einer besondern historischen Bewegung sind, sondern


solche Urtheile treffen das menschliche Wesen nach seinem
naturhaft gegebenen ,
bleibenden Bestand. Die zum Himmelreich
führende Gerechtigkeit verträgt sich nicht mit dem Worte den :

Feind hassen ,
und schliesst die Beurtheilung des Zorns als einer
Todsünde in sich ,
Mths. 5, 43. 22 ;
Zorn and Hass haben aber
in der seelischen Organisation des Menschen tiefe Wurzeln. Hebt
der Vorwurf: sie fressen unter langem G-ebet die Häuser der
Wittwen, eine Yerirrung des sittlichen und religiösen Lebens
hervor an welcher der Rabbinismus direkt ursächlich betheiligt
,

ist ,
so haben dagegen die Bilder vom Manne ,
dessen Feld wohl

getragen hat, oder vom andern, der herrlich und in Freuden

lebte, nichts speciell Jüdisches an sich, und Weisung, den


die

Schatz im Himmel zu sammeln und sich der Frage: was wer-

den wir essen? zu entschlagen, setzt sich in offenen Kampf


mit Begehrungen, welche im Menschen mit der Kraft von
Naturtrieben auftreten. Der Bussruf erhält dadurch eine uni-
Bedeutung, und der Eintritt in's Reich nimmt für jeden
verselle

Menschen den Charakter einer durchgreifenden Innern Wen-


dung an.

Eine Busse, die als Umkehr von der Härte zur Güte und
vom Geld zu Gott gedacht ist, greift unmittelbar in's mensch-
liche HandelnEs entspricht dem Ernste, mit dem die
ein.

Theilnahme am Reich an die Umkehr gebunden wird, dass


Jesus That und Werk sehr nachdrücklich als die unerlässliche

Heilsbedingung geltend macht. Auf die Frage: was muss ich


thun, um das ewige Leben zu erben? giebt es keine andre
Antwort als die: halte die Gebote, Mths. 19, 16 ff., und zwar
jene einfachen Weisungen, von denen das fromme Israel ur-
116 DEE GLAUBE IM STEUEN TESTAMENT. KAP. lt.

theilt : ich bewahrte diess von Jugend an. Die Regel in welche
,

die ganze Schrift zusammengefasst wird, besagt, was den Leu-


ten gethan werden muss ,
Mths. 7, 12, und es ist nar eine kon-
krete Veranschaulichung derselben, wenn dem Schriftgelehrten
der Samariter vorgehalten wird mit der Weisung : thue das !

Luk. 10, 37. Die welche den Willen Gottes thun, sind ihm

verbunden, Mths. 12, 50, und aus der Jüngerschaft werden


die weggewiesen , mögen sie auch weissagen und Wunder thun
in Jesu Namen , welche die Gesetzlosigkeit wirken ,
Mths. 7, 23.

Allein die Wiederholung und Weiterbildung der Taufpredigt


ergiebt für Jesu Lehrthätigkeit erst den Ausgangspunkt; sie

überschreitet dieselbe dadurch, dass sie die Ankündigung des

kommenden Reichs Bezeugung in die die seiner Gegenwart und


Verheissung des künftigen in den Hinweis auf den erschienenen
Christus überführt; damit tritt nun auch der Glaube als ein

Hauptbegriff in Jesu Lehrwort ein ^).

Die sprachliche Gestalt der Wortgruppe bleibt in den Gnomen


Jesu in den Grenzen, welche das aramäische rQ^H ihr zog.

IlKTTot; steht vom treuen Knechte und Verwalter zusammen mit


dyoi^dg oder mit ^pdvißot; ,
Mths. 25, 21. 23; 24,45. Die An-
tithese zu TTicyrög ist ci^txoi;, Luk. 16, 10. Wird der Begrifi der
Treue verbal gewandt so wird gesagt Trtarog shxi sttI
,
: t; Mths.

25 21. 23 oder Tncrrög ehai oder yivs(r2rxi iv tiv! Luk. 16


, ,
10. 11.

19,17, wozu ^ iv oKiyotg TricrTii? Philo 1, 344, 24 zu verglei-


chen ist 2). Ui<7rcü6i^voii fehlt. Uityrig nennt einmal Mths. 23 ,
23
die den Menschen erwiesne Treue, sonst giebt es überall den

Begriff von TrtcrTsvsiu in substantivischer Form. Die Verbindun-

gen mit Verba welche das Wort eingeht sind einfach tt/o-t/v
, ,
:

'izsiv Mrk. 4, 40. 9, 42. 11, 22. Mths. 17, 20. 21, 21. Luk.

1) Ueber die Schwankungen der Parallelen vgl. Erl. 5.


2) Zu Trta-TiHÖQ Mrk. 14 , 3, Joh. 13, 3, das auclx Melier gehören wird, habe ich
nichts neues beizubringen vgl. Wichelhaus Leidensgesoh. 74 ff.
DER SYNOPTISCHE SiPRACHGEBRAUCH. 117

17, 6 Trhriv suphnsiv Mths. 8, 10. Luk. 7,9. 18,8 7rpogSrs7vty.t

irltxriv Luk. 17, 5 e^ihmsv vi Trlcrrig Luk. 22, 32, wozu Jerem.
7 ,
28 Sept. zu vergleichen ist. Dazu ersclieint in fester Prägung
die Tormel : j? t/Vt/? croy (riarccKsv crs Mrk. 5 ,
34. Mths. 9 ,
22.

Luk. 8, 48. Mrk. 10, 52. Luk. 18, 42. 7, 50. 17, 19. An
adjektivisclien Bestimmungen treten zu tt/Vt/? nur die Bezeich-

nungen der Quantität: man hat Glauben wie ein Senfkörnlein,

Mths. 17,20. Luk. 17, 6, oder der G-laube ist gross, Mths. 15,
28 ,
so gross wie sonst nirgends , Mths. 8 ,
10 Luk. 7 ,
9. Für
Rede ungewöhnlich aber als Wiedergabe semitischer
griechische

Wortkomposition nahe liegend wird einmal gesagt: '^hrig ^sov


Mrk. 11, 22; das auf Q-ott gerichtete Vertrauen gehört ihm
zu, es ist sein ^).

Hkttsvsiv steht, wie diess semitisch und griechisch gleich-

massig üblich ist, oft ohne alle Ergänzung als in sich ge-
schlossener Begriff: sich vertrauend oder glaubend verhalten,

Mrk. 9, 24. 5, 36. 15, 32. Mths. 24, 23. 26. Luk. 8, 13.

22, 67, oder es erhält in der gewöhnlichen Weise den Dativ:


dem Täufer glauben Mths. 21 ,
26 ff. u. prll. vgl. Luk. 1 , 20,
oder den Objektssatz ,
der den Inhalt des Vertrauens bestimmt ,

Mths. 9, 28. Mrks. 11, 23. Mit Dativ und Akkusativ: einem
etwas anvertraun, steht es einmal bei Lukas 16, 11. Der nur
transitive Gebrauch fehlt ganz, ebenso das Passivum. Eigen-
thümlich dagegenist die dem
Beziehung des ttiittsvsiv auf den ,

das Vertrauen gilt, durch Präpositionen, eine Nachwirkung

der semitischen Konstruktion des Worts und zugleich Folge der

eignen iunern Fülle des Begriffs, der nach einem scharfen an-
schaulichen Ausdruck strebt für das Verhältniss , in das der Glaube
zu seinem Gegenstande tritt. Verwandt worden hiezu sind
f/$, iTTi und iu^). liKrrsvEiv sig /xutÖu steht einmal, Mths. 18, 6;

1) TJeter den Genitiv bei Tr/a-r;? siehe Erl. 6.

2) Ueber h slg ^t/ bei Trtcrrsvsiv siehe Erl. 7.


118 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

es fasst den Glauben in seiner Bewegung zu seinem Objekte

bin, als Zuwendung zu ibm. Auch stI fübrt Mtbs. 27, 42 das
Grlaubensobjekt selbst ein, allerdings bei stark schwankendem
Texte (flsyr^, stixöt^, ex' ocvt6v) ',
der durcb stti mit dem Dativ
genannte wird Zuversiebt tragend gedacht, sie gründet
als die

sich auf ihn als auf ihren Stützpunkt. Nicht ganz in dieser
Weise wird sttI in Luk. 24, 25 gebraucht sein: unverständig

und am Herzen langsam zu glauben »auf allem", was die Pro-

pheten geredet haben. Hier dürfte das mit Itt/ angeschlossne


Grlied nicht sowohl das Objekt als das Motiv des Gf-laubens

nennen. Als der eigentliche, letzte Zielpunkt des Glaubens ist

der Christus, wenn auch nicht genannt, so doch gedacht, und


zu einer festen, in Jesus den Christus erfassenden Zuversicht
hätte sich ihnen, wenn sie aufgemerkt hätten, als kräftiger
Grund das dargeboten, was die Propheten geredet haben, zumal
wenn ihre Rede in ihrer Gesammtheit erfasst wird, zu der
auch die Leidensweissagung gehört. Diesem fV/ dürfte sv in

Mrks. 1, 15 sehr nahe stehn: thut Busse uad glaubt »im"

Evangelium. Wenn auch Targ. Jes. 53, 1 KT K^HlDian V12'r\.. TD-


T T T : :
• ' . I

eine Parallele zum Ausdruck des Markus giebt, so läge doch,

wenn der Gedanke bei Markus nur der wäre, dass das Evan-
gelium geglaubt werden soll ein Aramaismus vor
, der im ,

neuen Testament sonst kein Analogen hat; vielmehr wird mit


diesem sv das Evangelium in ein ursächlich wirksames Verhält-

niss zum Glauben gestellt sein, analog wie Johannes sagt: h


TOÖTü} TKTTsüoßsv oTi ,
Joh. 16, 30. Vgl. iv Mrk. 9, 38. 29.

3, 22. Weiss Das Evangelium erzeugt und trägt Glau-


ad. 1.

ben ,
aus ihm erwächst er und an ihm haftet er. Der erste

Satz jener zusammenfassenden Wiedergabe der Predigt Jesu

giebt an ,
was das Evangelium ist die Zeit : ist erfüllt und das
Reich nahe, diese Botschaft ist das Evangelium, und Markus
stellt sie im Unterschied von der Form des Täuferspruchs bei
Matthäus voran, denn in ihr besteht ihm die Hauptsache in
DEE SYNOPTISCHE SPRACHGEBRAUCH. 119

Jesu Wort. Nan verkündigt aber Jesus niclit nur Gottes That
und Gabe, sondern er fordert auch ein menscliliches Handeln
und zwar in doppelter Richtung: der Mensch soll umkehren

und glauben. Diese Forderung steht aber mit der Reichsnähe


im engsten innern Zusammenhang, die Reichsbotschaft bietet
sich selbst dem Glauben dar als das, was ihn weckt und trägt,

worauf er sich seinerseits zu stützen und was er zu erfassen


hat. dehnt sich diese Schlussbestimmung im Gedan-
Vielleicht

ken des Evangelisten auch auf den Bussruf aus, denn auch
die Umkehr soll in Folge der Reichsnähe geschehn und hat
darum in der Reichsbotschaft ihr Motiv. Immerhin ist der

Zusammenhang derselben mit dem Glauben der unmittelbarere,

und das Evangelium wird darum vor aUem aus als Grund des

Glaubens gedacht sein.

Die negativen Bildungen: «tt/ctto^ Mrk. 9, 19. Mths. 17, 17.

Luk. 9, 41. vgl. 12, 46 und <zm<7Tlx Mrk. 9, 24. (Mths. 17,
20?) vgl. Mrk. 6, 6 Mths. 13, 58 nennen den vollendeten

Gegensatz zu TTKrTsusiu, wobei ^7rt(7Tog stark in den Gedanken


der treubrüchigen Verlogenheit hinübergreift, es hat seine
alte Parallele »verdreht" neben sich; ysvsx ^rigrog kou hs-

s-Tpafif^svij lehnt sich an Deut. 32, 20 an. Aber auch die zwi-
schen den beiden Endpunkten in der Mitte liegenden Zustände
der Spaltung erhalten ihren sprachlichen Aasdruck und zwar
in neuer Weise, durch hxKpibnvoii '), geschieden, zerspalten
sein, gleichsam in zwei Partheien, in zwei Theile innerlich zer-
fallen sein, Mths. 21, 21. Mrk. 11, 23; verwandt ist das dem
Matthäus eigenthümliche hc^Toi^siv 14, 31 vgl. 28, 17. Zu ver-
gleichen ist das aramäische ^70 und Philo 's sv^oiä^siv und

s7ra/x0oTspi^£iv. Mehr nach der positiven Seite hin benennt den

Gegensatz zum Glauben oA/yoV/crrö? an Glauben klein, die


;

direkte Uebertragung eines aramäischen Wortgefüges; es be-

1) Vgl. Erl. 8.
120 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

zeichnet den, dessen Grlauben rasch ein Ende nimmt, so wie

sich schwierigere Anforderungen an sein Vertrauen stellen,

den der die Zuversicht nicht bewahren kann auch in ernster

Situation ;
er ist kurz am Glauben ,
sofern derselbe rasch wieder

in sein Gegentheil umschlägt ').

Ein Synonym steht neben ttkttsvsiv nicht; sXTri^siv und s'Att/?

fehlen den Synoptikern ganz ^J , uTro/^ivaiv steht einmal ,


dort

allerdings mit grosser Prägnanz, Mths. 10^ 22. 24, 13. Mrks.
13, 13, TcsTcoiHvod fehlt, auch ocKvihio!. deutet sich nur an,
ro »Ki/i^ivöv. Luk. 16,11. Von Gott wird Tricrrig und Tria-rög nirgends
ausgesagt, ohne dass auch hier ein Synonym dafür einträte;
es wird synoptisch weder von Gottes HüN noch von Gottes

"IDH gesprochen.

Noch ein Wort aus dem Kreise derjenigen, aus denen der

Glaubensbegriff hervorgeht, tritt in Jesu Rede sehr eigenartig


hervor, so sehr, dass die Evangelisten darauf verzichteten, es

in griechische Rede zu fassen: uf^T^v. Es ist nicht sowohl die

wider die Gedanken der Hörer streitende Paradoxie der Aussage ,

welche dieser Verstärkung derselben ruft. So bilden z. B. der


Schluss in der Debatte über den Sabbath, des Menschen Sohn
ist des Sabbaths Herr, Mths. 12, 8, mit seiner Verweisung an
Jesu Souveränität, die ihrerseits bestimmt, was Sabbath und
Sabbathsfeier ist ,
oder das letzte Wort in der Erörterung über

1) amirrslv hat nur


der Schluss des Markus 16 ,11.16 und Lukas in der Oster-

letzterer mit griechischer Ortung: XTrta-rstv rtvi 24, 11 oc.irto'rsiM 'xtto


geschichte,
ryji X'^P^^ '^^' öavfJLci^siv 34,41. d^iyöma-rog 4 Mal hei Mths. 6, 30.8, 26.14, 31.
16, 8 und einmal bei Luk. 13, 38, dazu oMyoma-Ttai Mths 17, 20 X B. Mrks. hat
das Wort nicht. Die TJehertragung vonanalogen semitischen Kompositionen durch

zusammengesetzte Worte im jüdischen Griechisch 1,


ist häufig :
fiODcpoiii^spsva-tg Sir.

12. 20, i/,axp6äv//,oi; , o^iydßiog Sept. Hioh. 14, 1, irK^yipoH«p$ix, c7x^vjpoTp&x,vihoq,

o^^tyd^vxoi; u. s. f.

3) Luk. 6, 34. 35 Iatt/^s/v und aTrsÄTTi^stv vom Verkehr zwischen den Menschen;

die Stelle trägt die Sprachfarbe des Lukas. Auch vTrofiov^ gehört nur Lukas an
21, 19, ebenso 7re<o-3i5v«< 16, 31.
DER SYNOPTISCHE SPRACHGEBEAUCH. 121

seinen mit den Zöllnern, ich bin nicht gekommen


Umgang
G-erechte zu rufen, Mths. 9, 13, steeliende Paradoxa; sie werden

aber in aller Ruhe und Q-elassenheit hingestellt, so sehr sie

mit den Voraussetzungen und Ansprüchen der Hörer in absolu-


tem Widerstreit stehn. Amen steht vielmehr bei der Yerheis-

sung, bei Lob und Tadel, da wo das Wort zum richterlichen


Urtheil wird, das ewige Güter nimmt oder giebt, also da, wo
in das Wort der Wille des Redenden eintritt, eine Entschei-

dung gebend, der nun bleibende Gültigkeit zusteht. Es liegt


in diesen Worten allerdings ein Paradoxon, weil ihre Bedeu-

tung, da sie Ausdruck seines Willens sind, unmittelbar Yon


seiner Persönlichkeit abhängt, er aber als Mensch wie sie vor
den Hörern steht, während sein Wille und Wort als Gesetz

und Macht auftritt, das Reich öffnend oder verschliessend ,

darum werden sie ausdrücklich durch Amen als ein festes und
gültiges hingestellt trotz allem gegentheiligen Schein. Es tritt

in diesem Amen Jesu der Grundbegriff der Wurzel wieder auf,


welcher an der Aussage nicht nur oder zunächst die intel-

lektuelle Richtigkeit derselben heraushebt, sondern den fes-

ten Willen, der sie trägt und durch die That realisirt. Darin

lag die Unübersetzbarkeit des Worts für die griechische Evan-


gelienschreibung; denn «Aj^öw^ ,
mit dem es Lukas hie und da

ersetzt, ist, wie Luthers »wahrlich", zu eng in die intellek-


tuelle Sphäre eingeschränkt ^).

1) Vcrheissung Mths. 10, 43. 17, 30. 18, 13. 34, 47 u. s. f. Lob und Tadel,
überhaupt der richterliche Spruch 5, 36. 6, 3. 10, 15. 18, 3 u. prll. 35, 13. 40.
auch 8, 10. 11, 11. 13, 17. Mrk, 13, 43. Auch in Mths. 5, 18, das für die
Hörer wenigstens in der Theorie kein Paradoxon bildete, wird ein starkes Wil-
lensmoment in dem Amen zum Ausdruck kommen, sofern Jesus aller Auflösung des

Gesetzes gegenüber die Unverbrüchlichkeit desselben wesentlich auch als Norm seines

eignen Handelns und Juchtens hinstellt, ebenso Mrk. 8 13, sofern der Zeichenforde-
rnng sein sie abweisender Wille fest und unerschütterlich entgegensteht, x^ii^aq für
Luk, 9, 37. 13, 44. 31, 3 vgl. STr^xAijSsitxq Luk. 4, 35. Bei Johannes ist der
Oi(ji.^v

Gebrauch des verdoppelten Amens ganz analog; nur an wenigen Stellen geht es über
zur Bekräftigung eines gegebenen Thatbestands , in den sich die Gedanken der Hörer
nicht finden wollen: 8. 58. 13, 24.10,7.16, 30. Mit Mths. 5, 18 vgl. Job. 5, 19.
122 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

Ueber Wesen und Wirkung des Glaubens geben die Synop-


tiker eine zwar der Form nach, paradoxe, inhaltlich, aber sehr

reiche Definition:

Mrk. 11, 20—24. vgl. Mths. 21, 20 f.

Der Glaubende gebietet den Bergen mit Erfolg. Die ältere


Auslegung half sich gegen dieses Wort Jesu wie unvollkomme- ,

nes Wissen sich stets vorerst zu helfen pflegt: sie machte aus
solchem Glauben eine besondere Glaubensspecies ,
fides mirifica.

Wo ist aber Synoptikern von anderm Glauben die


in den
Rede? Auch bezieht sich die Stelle keineswegs nur auf Wun-
derthätigkeit. Sie hebt in ihrer kühnen Paradoxie scharf heraus ,

dass der Glaube in seinem Erfolge nicht an menschliches Kön-


nen und Vermögen gebunden ist. In ihm kann der Mensch
auch das, was ihm unmöglich ist. Aber das ist nicht in ihr

enthalten, dass die vom Glauben ausgehende Wirkung in ihrem


Verhältniss zum übrigen Naturlauf nothwendig und stets die
Form des Wunders habe, und als schöpferischer Akt Gottes
von jenem sich sondere. Das Wunder ist nicht ausgeschlossen ,

geht doch das Wort von einem solchen aus, ist aber nicht
allein Auge gefasst, vielmehr lässt das Wort die Weise,
ins

wie Gott dem Glauben seinen Erfolg verschafft, völlig unbe-

stimmt; das fällt Gott anheim. Jesus will dasjenige Ver-


hältniss beleuchten, in welchem das menschliche Können zu
der vom Glauben ausgehenden Wirkung steht. Diese fehlt

dem Glauben auch dann nicht, wenn sie der eignen Kraft;

des Glaubenden so absolut entzogen ist, wie die Bewegung


des Bergs.

Wer den Bergen gebieten kann, ist zum Herrn der Welt
eingesetzt. Der Glaube Befähigung und Ausrüstung
ist damit als

zu einer Wirksamkeit bezeichnet, von der jede Grenze und


Schranke weggenommen ist, die in königlicher Freiheit und
Macht vor Natur und Menschheit steht ,
allem Widerstand über-
DIE UNBEDINGTE ZÜVEESICHT. 123

legen, jedem Mangel gegenüber reich. Dieser Effekt ist nicht

aus der eignen inneren Kraft des Glaubens abgeleitet, vielmehr


soll gerade die hochgespannte Kühnheit des Ausdrucks dazu
dienen, um klar zu stellen, dass der Grlaube alles, was er hat

und wirkt, empfängt. Die Kraft, welche Berge versetzt, ist


ausschliesslich Gottes Eigenthum. Der Mensch bewegt den Berg

nicht selbst, er redet ihn an, doch das ist für sich allein nicht

Kraft und Macht. Wirkung hat dieses Befehlswort darum ,


weil

dasselbe zugleich ein Bittwort ist, an Gott gewandt; in dem


unmittelbar folgenden Spruch über das Gebet löst sich das

Räthsel, welches die Verheissung in ihrer ersten Gestalt ent-


hält. Der Glaube ist darum Quellpunkt einer Wirksamkeit nach
aussen hin, weil er zuerst im Verhältniss zu Gott eine Thä-

tigkeit erzeugt und gestaltend durchdringt ,


nämlich das Bitten ,

und diess in einer Weise, dass es vor Gott Werth hat und

Erhörung findet. Darum ist die Wirkung des Glaubens ohne


Schranke und Grenze ,
den Bergen gebietend ,
weil die Bitte

Gott gegenüber in keine Bedingung und Einschränkung ge-


sondern alles von ihm erbitten darf und alles von
fasst ist,

ihm erhält. Durch Glauben tritt also der Mensch in dasjenige


Yerhältniss zu Gott, in dem er alle Güter und Gaben Gottes
erbitten kann und empfängt, so dass die ganze königliche
Kraft Gottes für ihn wirksam wird.
Jesus giebt der GebetserhÖrung sehr präcis keine andern Be-

dingungen als nur Glauben. Von allen sonstigen Charakteren


der Person wird ausdrücklich abstrahirt: wer immer glaubend
bittet , dg xv sliri^ ,
der empfängt ,
ihre sonstige Beschaffen-
heit bildet kein Hinderniss ,
das ihr die Gewährung der

Bitte entzöge, ebenso wenig als der Inhalt der Bitte, und
greife sie noch so unmöglich macht,
hoch, dieselbe07 <x 'kxvtcx.

ahsJorßs, Mrk. 11, 24. Vom Bittenden wird nur das eine ge-

fordert, dass er »unzertheilt sei in seinem Innern". Dabei be-


darf es keiner künstlichen Mittelglieder, um zwischen dem
124 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. IV.

erstaunten Ausruf des Petrus und dem Worte Jesu über die

Macht des G-laubens Zusammenliang herzustellen etwa in der


Weise: Jesu eigner Glaube sei die wirkende Kraft in jenem
Zeichen gewesen, so solle auch der Jünger Glauben haben.
Vielmehr manifestirt jener Ausruf höchst charakteristisch, weil
naiv unreflektirt, das Gegentheil des Glaubens, das was Jesus

»Zertrennung" nennt. Der Jünger will nicht Jesu Wunder-


macht in Frage stellen und ist doch erstaunt über den Erfolg,
den sein Wort erlangte, er setzte somit voraus, der Baum
werde bleiben, wie er war. Eben diess ist die Spaltung, sie ist

nicht Glaubensverweigerung, aber auch nicht Alleinherrschaft

des Glaubens , so dass er die gesammte innere Haltung der


Person beherrschte, sondern sie ist ein Nebeneinanderwirken

entgegengesetzter Eindrücke, ein Zusammenbestehn sich auf-

hebender Erwartungen. Von der Macht Jesu geht die eine

Reihe von Eindrücken aus, welche in der Erwartung endigt,


dass sein Wort mit unbegrenzter Kraft sich realisire, an der
sichtbaren Realität der Dinge und der Ohnmacht des Menschen

gegenüber der festen Geschlossenheit des Naturlaufs haftet die


andre Reihe und sie wird in der Erwartung wirksam Jesu Wort ,

bleibe ohne Resultat. Der Konflikt beider zertheilt den Menschen


»in seinem Herzen" ,
er spaltet Denken und Wollen der Person.
Analoge innere Zertheilung wie in diesem Ausruf nimmt Jesus
auch im Gebete der Jünger wahr. Gänzlicher Mangel an Vertrauen
würde nicht bitten, die Bitte ist das Ergebniss zu Gott sich
wendender Zuversicht, aber neben derselben steht der Gedanke,
das Erbetene sei doch nicht erreichbar, so dass der Bittende
sein Vertrauen selbst negirt, und dadurch sein Bitten unfrucht-

bar macht. Jene königliche Machtstellung der Welt gegenüber


hat also ihre Bedingung in einem königlichen JBewusstsein, das
sich solche Macht und Freiheit gegeben weiss, und diess mit
einer Gewissheit, die das ganze Denken und Streben der
Persönlichkeit ohne Einschränkung in eine einige ungetheilte
tm UNBEDINGTE ZTJTEÄSICHT 125

Zuversicht zusammenfasst , die keine entgegenstellende Befürcli-

tung neben sich übrig lässt. Diese Zuversicht der Welt gegen-
über setzt aber eine ebenso unbedingte Zuversicht zu Gott voraus ,

die ihn als den Gebenden erfasst ,


von dem alles ,
auch das

Grösste, mit furchtloser Sicherheit erwartet werden darf. Und


zwar belässt Jesus diese Zuversicht nicht in abstrakter Allge-

meinheit, sie soll zum voll bestimmten Akte werden, der die
einzelnen konkreten Momente des Lebens erfüllt und angesichts
der bestimmten Bedürfnisse, aus denen die Bitte entsteht ,'^
be-

thätigt wird. Der Bittende soll Gott zutrauen, dass er ihm


diess sein Bedürfniss deckt, ja gedeckt hat, wie der Markus-
text die Völligkeit und Sicherheit der Zuversicht prägnant zum
Ausdruck bringt.
Stellen wie Mths. 7,. 7 ff.
zeigen, worin die Kraft des Glau-
bens objectiv beruht. Die Zuversicht wendet sich an den gütigen

Gott, an den Vater, und die schrankenlose Unbedingtheit


seinerGüte giebt dem Glauben seine alles erlangende Kraft.
Der Böse giebt nicht, der Gütige giebt und Gott ist der eine
Gute, der darum dem zu ihm gewandten Vertrauen stets ent-

spricht. Damit deckt sich zugleich auf, warum der Glaube die
unerlässliche Bedingung der Gabe ist, selbst aber keine Bedin-

gung und Begrenzung ertragt. Gott ist in W^ahrheit der Gütige


und er ist es absolut, als solcher will und soll er vom Men-
schen erkannt sein, er wird aber nicht in seiner Güte bejaht,
sowie die Zuversicht eine beschränkte und gebrochne ist. Solche

Negation der göttlichen Güte ist ein verwerflicher, sündiger


Akt, er tastet Gott an in seiner Herrlichkeit, er denkt ihn
hinein ins eigne böse Wesen. Darum wendet sich Jesus von
dem ungläubigen Geschlecht, das zugleich das verdrehte ist,

zürnend ab ,
nur seine Geduld — avopi^Ji
— erhält das Band der
Gemeinschaft mit demselben fort, Mths. 17, 17. Auch im Jün-

gerkreise wird der Glaubensmangel ernst gerügt, der Glaube

dagegen belobt, Mths. 8, 10. 15, 28. Jesus charakterisirt ihn


126 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

damit als ethiscli werthvoU, und dieser Werth bestellt darin,

dass er die Gott eignende Güte anerkennt, wesshalb er auch


die Bewährung seiner Wahrheit dadurch empfängt, dass ihm
die gebende That Gottes entspricht.
Gottes Geben hat in Jesu Wort umfassenden Inhalt. Es reicht
Brod und Gewand dar, darum hat der Glaube auch in dieser

Sphäre des Lebens seine Stelle. Es bethätigt sich der Sünde


gegenüber ,
denn Gottes Verhalten gegen sie ist unter die Regel

gestellt: ich erliess dir die ganze Schuld, weil du mich batest,
Mths. 18, 32. Luk. 15. 18, 9 ff. Aber auch das Reich mit
seinen positiven Gütern ist göttliche Gabe und darum Gegen-
stand des menschliehen Bittens. Dieser Umfang des göttlichen

Gebens bestimmt unmittelbar auch und Umfang des


Inhalt

Glaubens ,
aus dem die empfangende Bitte erwächst. Der Glaube
ist damit, dass ihm die Gabe Gottes bedingungslos zugesagt
ist, Centrum des Jüngerlebens hineingestellt, er ist Lösung
ins

von Schuld und Strafverhaffcung dann wenn und darum weil ,

er bittet, Empfang und Besitz der Lebensgabe, wie sie das


Reich bringt, die Kraft zu jener Thätigkeit, die nicht nur

selbst das Reich besitzt, sondern es auch andern vermittelt ,


die

Schlüssel des Himmelreichs handhabt und jenes Richteramt auf


Erden führt, das im Himmel
gültig ist, Mths. 16, 18 ff., diess

alles darum weil Jesus nichts von dem


, ,
was Gott giebt und
wirkt, dem Glaubenden versagt. In dieser Stellung Jesu, die
dem glaubenden Bitten um seiner selbst willen und nur ihm
das göttliche Geben und zwar unbegrenzt, auch das höchste
Gut, zusagt, trat das sola fide in die Welt.
Das Wort Jesu über die Berge versetzende Kraft des Glau-
bens findet sich bei Matthäus nochmals im Gespräch Jesu mit
den Jüngern nach deren vergeblichem Versuche, den Mond-

süchtigen zu heilen, und dort mit einem neuen bezeichnenden


Moment: wenn ihr Glauben wie ein Senfkörnlein habt, so

werdet ihr diesem Berge sagen: geh weg von hier dorthin!
DIE XJNBEDINGl'E ZUVERSICHT. 127

und nichts wird euch unmöglich sein, Mths. 17, 20^). Jesus

unterschied den Glauben nur in Hinsicht auf Stärke und In-


tensität. Gottes gebende G-üte ist in allen Erweisungen des
Glaubens das eine selbige Objekt, auf das er gerichtet ist; er

ist darum, so mannigfach die Gaben Gottes und darum auch


der Inhalt der Zuversicht sind, seinem Wesen nach ein einiger.

Seiner Stärke nach kann er jedoch sehr verschieden sein, da


er ein Willensmoment in sich hat ; darum kömmt er hier stark ,

dort schwach, gross oder klein zu Stande, hier mit einer In-

tensität, an der alle gegentheiligen Eindrücke und Kegungen


machtlos hinfallen ,
dort nur in geringer Festigkeit ,
so dass er

rasch andern Regungen weicht. Wo er aber auch nur in sei-

nem kleinsten Masse ist — und Glaube »wie ein Senf körn-

lein" nennt das denkbar kleinste Glaubensniass — erbittet

er von Gott alles, auch das Höchste. Das Paradoxe der Stelle

liegt darin, dass die unbegrenzte Wirkung schon dem ersten,


schwächsten Anfang des Glaubens einverleibt wird. Sei das

Vertrauen zu Gott auch noch so klein ,


so wie nur Vertrauen
zu Gott wirklich vorhanden ist ,
also Gottes Güte erfasst wird ,

wird sie als eine schrankenlose erfahren, aber auch als solche

bejaht, als eine Güte, die reine ganze Güte ist, die man um
alles bitten darf, weil sie alles giebt. Wird der Güte Gottes
Ende und Grenze gesetzt, so ist der Glaube nicht nur klein,
sondern gar nicht da, der Mensch verhält sich Gott gegenüber
damit ungläubig. Die unbedingte Zuversicht wächst dem Glau-
ben nicht erst auf einer besondern vorgeschrittenen Stufe zu,

die Gnomen Jesu in


1) Die Tradition, aus der die Synopsis schöpft, erhielt
lehrhaftem Intresse zur Unterweisung der Gemeinde lebendig, darum lösten sich die-
selben vielfach von ihrer historischen Umgehung ah, und wurden mit verwandten
Momenten neu komhinirt. Daraus folgt jedoch nicht, dass nicht auch solche sekun-
däre Kombinationen auf sehr richtigen, zutreffenden Erinnerungen beruhen und das
Urtheil und Verhalten Jesu in den fraglichen Situationen scharf zur Darstellung

bringen können. Wo für die Gnomen über den Glauben der historische Anlass sich

finde, oh Mths. 17 oder Mrk. 11, darüber dürften alle Vermuthungen ziemlich
werthlos sein.
128 DEK GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAI». IV.

sie bildet nicht nur einen höhern Stärkegrad desselben , sondern

sein Wesen ,
das von seinem ersten Anfang an in ibm vorban-
den ist. Der Grlaube bestebt als unbedingte Zu versieht oder er
besteht nicht. So bringt dieses Wort denselben Gedanken scharf
zum Ausdruck, welcher in der Parallelstelle in der Antithese
zwischen Glauben und Zerspaltung enthalten ist. Jede Beschrän-

kung der Zuversicht, welche die Güte Gottes zwar bejaht,


aber doch wieder irgend wie und wo in Frage stellt, und an

diesen oder jenen Umständen umschlagen lässt in ihr Gegen-

theil, ist nicht Glaube sondern innerer Streit. Glauben heisst

unzerspalten sein, darum erschrickt auch der kleinste Glaube


nicht davor, dem Berge zuzurufen: gehe weg!
Auch diese Stelle bringt sehr bezeichnend zum Ausdruck,
dass die Wirkung des Glaubens nicht in ihm selbst ihre pro-

duktive Ursache hat ,


auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt
des Verdiensts, wie er der Synagoge so geläufig war. Dann
würden wir eine Proportion erhalten zwischen der Stärke des
Glaubens und der Grösse seines Erfolgs, so dass die Gabe,
welche der Mensch empfängt, um so grösser würde, je grösser
sein Glaube wäre, Jesus hat seine Verheissung sehr präcis
dahin formulirt, dass der Glaube, wie klein er auch sei, wenn
er nur Glaube ist, alles empfängt. Die Stärke des Glaubens
soll wachsen, Kleingläubigkeit ist ein Tadelwort; dem unbe-
dingten Inhalt und Werth des Glaubens entspricht auch eine
kräftige Entfaltung desselben im Verhalten des Menschen, dem
konstanten Geben Gottes eine ununterbrochne Zuversicht. Aber
die Gabe Gottes bemisst sich nicht nach der Intensität des

Glaubens ,
sondern wird dem Glauben bedingungslos zu Theil ,
und sei er auch noch so klein. So erweist sich die göttliche
Güte dem Glauben gegenüber in ihrer frei gebenden
auch

ünbedingtheit in dem sie am bittenden Vertrauen selbst dessen


,

Schwäche und Kleinheit übersieht und nicht einen bestimmten


Stärkegrad desselben als Bedingung der Gabe fordert, sondern
t)IE UNBEDINGTE ZUVEESICHT. 129

auch im scliwaclien Vertrauen nur das Vertrauen sieht und


lohnt.

Ist der Glaube schon als Senftkörnlein Berge versetzende


Kraft, so folgt daraus, dass die Jünger in jenem Momente,
da ohnmächtig vor dem Kranken standen, keinen Grlauben
sie

hatten, auch nicht einmal sein kleinstes Mass, Willigkeit und

Fähigkeit zum Glauben wird ihnen damit nicht verneint.


Doch Jesus fasst den Glauben nicht nur als abstrakte Idee

und irreale Willigkeit. Es galt für sie in jenem Moment,


angesichts der bestimmten ihnen gestellten Aufgabe Glauben
zu bethätigen, und hier hatten sie solchen nicht, sie waren
bewegt von der Frage, ob es ihnen wohl möglich sei, diesen
Kranken zu heilen also ohne Vertrauen zu Gott. Das schliesst
,

jedoch keineswegs aus ,


dass ihnen ihr „Kleinglaube" als Grund
ihresUnvermögens bezeichnet wird. Allerdings gesteht Jesus
mit dem folgenden Worte den Jüngern gar keinen Glauben

zu; allein gerade der »an Glauben geringe" ist derjenige, der
sofort bei irgend welcher Schwierigkeit den Glauben verliert
und nicht mehr zu bewahren vermag. Darin ,
dass immer wieder
in den konkreten Situationen des Lebens das glaubende Ver-

halten ausbleibt, beweist der Mensch »Kleingläubigkeit" und


desshalb bedarf er eines grossen Glaubens, damit er auch da,
wo das Glauben schwierig wird, Glauben übt.

Dasselbe Wort Jesu erscheint bei Lukas noch an dritter Stelle


und dort wieder in einer eigenartigen Beleuchtung: Luk. 17, 5.

Auch diese Form der Gnome nennt mit kühnem Bilde als

Wirkung des Glaubens etwas schlechthin Unmögliches: statt

der Erde soll das Meer dem Baume zum tragenden und näh-
renden Boden werden, in den er eingepflanzt ist, und auch
hier wird diese machtvolle Wirkung, die über alle Begrenzung

hinausgehoben ist, schon dem kleinsten Masse des Glaubens

zugeeignet. Der neue Gesichtspunkt liegt darin, dass hier

nicht eine offenbare Aeusserung des Glaubensmangels den Anlass


9
130 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

ZU diesem Worte giebt , sondern die Bitte der Jünger ,


die Jesus

um Glaubensstärkung angebt. Aucb sie ist damit als das Ge-

gentheil des glaubenden Verhaltens cbarakterisirt ,


und zwar
nicht nur darum, weil sie aus dem Bewusstsein hervorgeht,
nicht genügenden Glauben zu besitzen, sondern in der Bitte
selbst liegt ein Moment, das zum glaubenden Verhalten in
Gegensatz steht und es zerstört. Die Bitte setzt voraus dass ,

der Glaube ein gewisses Mass erlangt haben müsse, um werth-


voll und wirksam zu sein. Es liegt in ihr die Reflexion auf

die Grösse des Glaubens, und die Befürchtung, derselbe sei

nicht gross genug. Darum antwortet Jesus mit einem Worte,


das den Glauben in seinem geringsten Bestand als unbedingte
Zuversicht beschreibt und mit der grössten Wirkung begabt.
Solche Reflexion und Furcht entfernt aus dem Glauben, was
ihn zum Glauben macht, die Unbegrenztheit des Vertrauens,
diess darum ,
weil so die Wirksamkeit des Glaubens aus Gott ,

wo sie der Glaube sucht, heraus verlegt wird in den Menschen

und in sein Glauben hinein. Sie behandeln ihn damit als eine

Leistung, die bis auf einen gewissen Grad gesteigert sein muss,
damit sie ihren Effekt erziele ,
die Gott mit um so grösserer

Zuversicht vorgewiesen werden kann , je grösser sie ist. Indem


nun Jesus antwortet : der Glaube sei nicht vorhanden ,
er er-

warte denn alles von Gott, und empfange auch alles, so wie
er da ist, sei er noch so klein, lenkt er den Gedanken und
die Erwartung des Glaubenden ausschliesslich auf Gott hin

und schneidet jede Reflexion auf sich selbst ab; auch nicht auf
Mass und Stärke seines Glaubens hat sie der Glaubende hin-

zulenken, er hat nicht zu fragen, ob auch wohl sein Glaube

gross genug sei ,


und sich auch nicht dessen zu getrösten dass ,

sein Glaube so gross sei. Er fällt damit heraus aus der Glau-
bensstellung da er dadurch
,
sich selbst und sein eignes Glau-

ben als Ursache der erhofften Güter betrachtet, Gott gilt's in's

Äuge zu fassen ,
ihn allein in seiner väterlichen Hülfswilligkeit ,
DIE UNBEDINGTE ZÜVEKSICHT. 131

darin besteht der Glaubensakt ,


und er wird von Gott gehört und
mit der höchsten Gabe gekrönt, sei er wie er sei. Mit dieser Antwoit
war ihre Bitte abgewiesen und doch im vollsten Masse erfüllt.

Abgewiesen wird sie um der Illusion willen, die in ihr liegt,


als besässen sie doch immerhin einigen Glauben; erfüllt ist sie,
,

da ja Jesu Antwort das Glaubenshinderniss in ihnen beseitigt


und die Furcht zerstört, die ihr Glauben hemmt, dadurch dass
er sie abzieht von der Reflexion auf das subjektive Mass ihres

Glaubens und sie auf dessen objektive Kraft und Wirkung


fixirt. Gerade in ihrer Doppelseitigkeit hat die Antwort, mögen
auch Erinnerungen an andre Aeusserungen Jesu in die Form
des Spruchs einfliessen, die Garantie ihrer vollen geschichtlichen

Richtigkeit: eine Bitte, die den Jüngern so berechtigt scheinen


musste, mit solch scharfem Schnitte von der in ihr liegenden

Selbsttäuschung zu reinigen und doch durch die scheinbare

Abweisung hindurch zu
gewähren, Lukas
das ist Jesu Art.

schliesst das Wort von dem Knechte an, der aus seiner Arbeit
keinen Anspruch auf sonderlichen Dank abzuleiten hat auch ;

Lukas hat somit Jesu Antwort auf die am Glauben haftende


Im augeschlossnen Wort wird die Refle-
Selbstbeschauung bezogen.
xion auf Grösse und Werth des gethanen Werks verwehrt,
welche aus ihm die Forderung von Lohn und Dank zieht,
damit wird die dienende Stellung verlassen; im ersten Wort
wird die Reflexion auf Grösse, und Werth des Glaubens abge-

lehnt, damit tritt man aus dem glaubenden Verhalten heraus.

Der Begriff: Verdienst wird korrigirt und zwar an beiden

Stellen, wo die Synagoge^ dasselbe suchte, im Glauben und


im Werk.
In der natürlichen Sphäre des Lebens stellt Jesus den Glau-
ben der Sorge entgegen, Mths. 6, 30. Luk. 12 28. Er erinnert ,

an das göttliche Geben das nicht nur Seele und Leib sondern
, ,

auch Nahrung und Kleidung umfasst, an Vögeln und Lilien


sich dem Menschen versichtbart ,
und bis zum vergänglichen
132 DEÄ GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KA!?. IV.

Gras des Feldes herabsteigt. Auf das göttliche G-ebeii hat sich
ein Yertrauensakt zu begründen der von Gott erwartet dass , ,

er die Menschen nähren und kleiden wird. Sofern nun die

Sorge als sich ängstende Bebümmerniss gedacht ist, ist mit


dem Glauben als ihrem Gegentheil beruhigte Zuversicht ver-
bunden; allein Angst und Kummer erschöpfen den Begriff
fz£pi{zvx nicht, vielmehr drückt die Frage: was werden wir
essen and trinken? in erster Linie das begehrliche Trachten
nach diesen Dingen aus. Es ist also mit dem Glauben Stillung
dieser Begierdenzusammengedacht ; wendet der Mensch die Be-
gehrung nach den natürlichen Gütern auf Gott, sucht er bei
Gott die Befriedigung seines Bedürfens, so tritt damit nicht
nur die Befürchtung sondern auch die Begehrung in ihr ge-
ordnetes , berechtigtes Mass. Der Glaube ist auch hier als ein

unzerspaltner Akt gedacht, nicht zugleich vertrauend auf Gott


und begehrend auf Dinge gerichtet, sondern es legt sich
die

die ganze Seele in den Glaubensakt hinein.

Die Weise wie die an Gott angeschlossne Erwartung zu


,

ihrer Erfüllung gelangt ,


bleibt auch Mths. 6 völlig offen. Der

Anspruch, dass sie sich noth wendig in der Form des Wunders

vollziehe, liegt auch hier gänzlich fern* Jesus verweist im Ge-

gentheil auf die Natur, als auf die grosse Yersichtbarung der

Fürsorge Gottes. Er selbst empfängt Brod imd Gewand nicht


auf dem Wege des Wunders und denkt auch für den Jünger-

kreis, so buchstäbliche Bedeutung der Hinweis auf die Yögel,

welche weder säen noch ernten, für sie haben sollte, die natür-

liche Vermittlung des göttlichen Gebens an sie ausdrücklich

mit, Mths. 10, 10. Nicht der Arbeit, sondern der Sorge, nicht
dem äussern Verhalten, sondern der Innern Richtung des Be-

gehrens und Streben s stellt Jesus den Glauben entgegen ,


und
die auf die äussern Güter gerichtete Arbeit tritt in diesen

Gegensatz nur insofern ein, als sie Aeusserung der Sorge ist.

Ebensowenig ist andrerseits der Glaube in diese natürlichen


DIE NATÜRLICHEN GÜTER. 133

Vermittlungen des göttlichen Wirkens eingegrenzt. Ist das

Schiff in Gefahr, fehlt das Brod, so liegt für Jesus in sol-

cher Situation nicht eine Schranke des G-laubens, sondern

Mahnung und Antrieb zu ihm, Mths. 8, 26 vgl. 14, 81. 16, 8.

Er behandelt Gottes Geben im vollen Sinn als unbegrenzt, so


hat auch der Glaube objektiv keine Grenzen. Weil für Jesus
nichts so natürlich ist, dass es nicht mehr Wirkung Gottes
wäre, und nichts so weit über die natürlichen Bedingungen,
Kräfte und Wirkungen hinausreichend, dass es auch dem

göttlichen Wirken entzogen wäre, darum soll der Glaube auch

das natürliche umfassen, denn auch diess ist Gabe Gottes,


und Natur absolut entzogene zu seinem Inhalt
er darf das aller

machen, denn auch diess liegt noch im Bereich der göttlichen


Kraft. So wird das Wunder, weil es die ünbegrenztheit der

göttlichen Hülfe veranschaulicht ,


ausdrücklich als Glaubens-
motiv hervorgehoben, Mths. 16 ,
9 ff., doch ohne dass hierin die

Zusage eines neuen Wunders läge, wie denn auch die Erzäh-

lung nicht mit einem solchen schliesst. Die Gewissheit, welche


der Glaubensakt in sich hat und festhält, besagt, dass die

Hülfe für alles Bedürfen in Gott vorhanden ist; die Ausdeh-

nung derselben auch auf die Weise, wie Gott seine Hülfe

darreicht, setzt bestimmte göttliche Zusage und Ermächtigung

voraus; ohne solche fällt eine derartige Erweiterung der Zuver-


sicht unter den Begriff: Yersuchung Gottes, Mths. 4,7, und
damit ist der Glaubensakt in seinem innersten Wesen zerstört.

Daraus ,
dass Gott die Yögel ,
ohne dass sie säen und ernten ,

nährt, folgt nicht, das keiner von ihnen todt zur Erde fällt,

sie fallen, doch auch ohne Gott, Mths. 10, 29, So


diess nicht

u-nbegrenzt die Hülfsmacht Gottes und ihr entsprechend Bereich


und Recht des Glaubens ist, so ist er doch nicht Sicherheit
vor jeder Schädigung des Lebens nach seiner Naturseite. Ohne
Gott geht den Jüngern kein Haar verloren ,
Mths. 10, 30 ,
aber
diess verunmöglicht nicht, dass ihnen nicht nur der Mantel
134 BEB, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

und Rock von ungerechter Hand genommen wird, 5, 40, son-


dern aucli der Leib, 10, 28. Der Glaubende erfährt Qott nicht
immer und nicht nur als den Gebenden, darum behält neben
der Weisung: glaubt ihm, die andre: fürchtet ihn! ihre unge-

schwächte Kraft. Darin Erschwerung aber


liegt allerdings eine ,

nicht eine Begrenzung und Schwächung des Glaubens, darum

weil das principielle Moment im göttlichen Handeln dennoch

Güte und das Endresultat desselben darum die vollkommene


Lebensgabe ist. Auch der Lebensverlust wird Grund des Lebens ,

und das hingenommene Uebel Grund der Tröstung, Mths. 10 ,

39 u. prll. Mths. 5, 4. Luk. 16, 25. Das ist die Stelle, wo


der dem natürlichen Bedürfen gegenüber geforderte Glaube
mit gesammten Glaubensstellung zusammenhängt, wie sie
der

durch die Reichspredigt dem Jünger ermöglicht und angewiesen


ist. Nur jene umfassende Zuversicht, die sich aller Hemmung
und Schranke in Gott
übermächtig weiss, auch dem wird
Lebensverlust gegenüber unbeschränkt und angebrochen blei-

ben, weil sie ihn als Lebensgewinn erfasst; dazu bedarf es

jenes Glaubens, der sich den Bergen gebietend, zum Herrn der

Welt erhoben sieht, und damit auch zum Herrn über jedes
Uebel und den Tod.
Der Glaubensbegriff bleibt im wesentlichen derselbe wenn ,

Jesus zu denen, die von ihm selbst Heilung begehren und

empfangen, vom Glauben spricht. Das Heilungsbegehren ist,


wie immer es ausgedrückt werden mag ,
eine Bitte ,
welche die
Kraft Gottes anruft, und es hat darum in ungetheiltem Ver-

trauen zu geschehn. Ein neues tritt in diese Verwendung des


Glaubensbegriffs dadurch hinein, dass hier die helfende Macht

Gottes von Jesus aus wirksam wird; er steht vor dem Men-
schen als der Geber und Mittler der erbetnen Hülfe, und der
Glaube bezieht sich darum in solchem Falle wesentlich auf ihn,
er wird zur Zuversicht, dass der angerufene Jesus den Schaden
heilen kann und wird. Jesus hat von den Bittenden sehr
DIE ANETJFÜNG JESU. 135

bestimmt auch seiner Person gegenüber eine unbegrenzte Zu-


versicM gefordert. Auf die Bitte: w^enn du irgend kannst,
hilf uns, dich unser erbarmend, antwortet er: jenes, wenn
du kannst — alles ist dem Glaubenden möglich, Mrk. 9, 22 — 25.
Die der Bitte gegebne Bedingung wird nicht übersehen , sondern
ausdrücklich abgelehnt. Das Schwanken des Bittenden erfolgt
hier nicht aus einem auf Gott bezognen Zweifel, sondern dieser

bezieht sich auf Jesus; nicht Gottes Allmacht, sondern Jesu

Vermögen wird in Frage gestellt. Auch zweifelt der Bittende

im Blick auf die ergreifende Grösse des Jammers nicht an


Jesu Erbarmen, wohl aber an Macht, und auch in
seiner

Bezug auf sie ist er nicht hoffnungslos. Der Bedingungssatz


will schwerlich sagen: wenn du etwas kannst, vielleicht
kannst du aber nichts ;
die Voraussetzung desselben wird vielmehr
du hast andern wunderbar geholfen
sein: du kannst ja vieles; ,

und wenn du nun irgend welche Kraft hast so hilf auch jetzt. ,

Der Bedingungssatz ruft zu dem erbetnen Werk Jesu, ganze


Kraft auf, aber gerade dieser Appell an das gesammte Können ,

das Jesus besitzt, hat die Furcht in sich, dasselbe sei begrenzt
und reiche nicht hin zar Hebung dieser Noth, zumal nachdem
die Jünger die Heilung resultatlos versuchten. Das ist nicht

»Glaube"; Jesus fordert für sein Vermögen dieselbe Unbedingt-


heit der Zuversicht ,
wie sie in der an Gott gerichteten Bitte

enthalten sein muss. Seine Antwort weist die in der Bedinsfunsf

liegende Frage nach der Möglichkeit des Erbetnen von sich


ab; ihm gegenüber hat sie keine Stelle, denn im Blick auf
ihn gilt nur das positive: du kannst; wohl aber besteht die

Frage nach der Möglichkeit des Erbetnen für den Bittenden;


in Bezug auf ihn ist es fraglich, ob er kann, nämlich ob er

zu erlangen im Stande ist, was er erbittet. Und auch hier


schliesst sich die Frage völlig , so wie er glaubt ;
denn dem Glau-
benden ist alles möglich, weil er alles empfängt. Die neue
Bitte des Vaters: ich glaube, hilf meinem Unglauben, ist ein
136 DUR GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

höher gesteigerter Glaubensakt als die erste ; die Grenzen ,


in

welche die erstere Jesu Vermögen fasste, sind beseitigt, nur


die ethische, im Bittenden selbst geforderte Bedingung bleibt
übrig, und im Blick auf sie wendet er sich an eine Hülfswil-

ligkeit, die auch der Unfähigkeit zum Glauben die Hülfe nicht

versagt ,
ein Glaubensakt doch noch nicht ein unzerspaltner denn
, ,

er ringt mit seinem Gegensatz, wie denn die Bitte gleichzeitig


Glaube und Unglaube bekennt. Der Evangelist deutet darum an ,

dass das Motiv die Heilung zu voUziehn für Jesus nicht nur
, ,

im Bittenden lag, sondern zugleich in andren Momenten der


Situation, die eine Weiterführung des Gesprächs verhinderten. Das
innere Verhalten zu ihm, wie es sich in der letzten Bitte kund

giebt, verunmöglicht Jesus die Heilung nicht, ist aber noch


nicht diejenige Stellung, in die er den Bittenden sich gegen-
über setzen will. Mit dieser Beziehung der Zuversicht auf Jesus
erhalten wir nun nicht einen zweifachen, unterschiednen Glau-

ben, von denen der eine an Gott, der andre an Jesus sich

wenden würde. Die Antwort an den Bittendea, der Jesu Helfen


begrenzt denkt spricht sofort vom Glauben überhaupt und der
, ,

Gedanke würde durch die Eintragung einer Alternative: wem


glauben? dir oder Gott? gründlich zerstört. Gottes ist die
Kraft im Wirken Jesu; wer Jesus vertraut, stellt darum seine
Zuversicht auf Gott. Gottes Kraft ist aber ihm in unbegrenzter

Fülle gegeben, darum auch ihm gegenüber das Vertrauen


ist

ebenso unbedingt, wie gegenüber Gott. Die an ihn gestellte


Bitte ist in vollem Sinne Gebet und alle
Anforderungen, die

an dieses gestellt sind , übertragen sich auch auf sie.

Die helfenden Thaten Jesu in ihrer göttlichen Signatur, wel-


che sie als Aeusserungen einer schöpferischen Kraft kennzeich-
net, die spricht und es geschieht, stehen vor dem Volke mit
der ganzen überzeugenden Kraft des Faktums , der Erfahrung.

Das ist Moment, welches Vertrauen und zwar


dasjenige in

unbedingter Völligkeit in den Bittenden möglich macht und wo ,


es
DIE ANRUFUNG JESU. 137

vorhanden ist, werden an dasselbe weiter keine intellektuellen

Anforderungen gestellt. Nicht die begriffliche Klarheit sondern die ,

Kraft des vorhandenen Verlangens und Vertrauens bildet für Jesus


das Motiv, von Glauben und von grossem Glauben zu sprechen.
An den Trägern des Lahmen wird diess als Glaube hervorge-
hoben, dass sie sich durch das Hinderniss, auf welches sie
stossen, nicht zurückgehalten, durch das Dach den Weg bah-

nen, ohne dass in Frage kömmt, ob und wie weit sie ein

helles ,
entfaltetes Bewusstsein darüber besitzen ,
warum sie von
diesem Jesus solches erwarten, Mrk. 2, 5. Darum wird auch
vom Heiden grosser Glaube ausgesagt, ja grösserer Glaube als
ihn Israel besitzt, Mths. 8, 10. 15, 28, wenn er mit einer
Zuversicht ,
die mit dem blossen Worte befriedigt ist und
die Gegenwart Jesu nicht fordert, oder mit einer Intensität
des HofEens, die auch Abweisung Stand hält, seine
harter

Bitte stellt, ohne dass Art und Grad seines Verständnisses für
Grund und Bedingung der in Jesu wirksamen Kraft Gottes
oder auch nur seines Gottesbewusstseins untersucht würden. So

gewiss sich aber die üeberzeugung : er hilft, unmittelbar aus

der Anschauung seiner Person und seines Wirkens erheben


kann, die Wahrnehmung treibt durch sieb selbst in's Denken
hinein, sie Frage nach ihrem Grund,
entlässt aus sich die

und damit auch nach dem Grund und Recht jener Zuversicht,
zum^l da die an Jesus sich wendende Bitte vor einer eigen-
artigen Schwierigkeit steht, die nur durch »Trauen" überwun-

den wird. Das Verlangen, das doch nur in Gottes Kraft Erfül-

lung finden kann, wendet sich hier an einen Menschen, der


den Schranken des menschlichen Wesens und Könnens unter-

geben vor dem Bittenden als seines gleichen steht. Der Bit-
tende sah sich unwillkürlich vor der Frage: woher kommt
ihm diess alles? Mrk. 6, 2. Er musste sich Eechenschaft geben ,

warum er von diesem Menschen göttliche Kräfte erwarte, und


diese Frage konnte, wenn die Zuversicht in ihrer ünbedingtheit
138 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

auf Jesus gerichtet bleiben sollte ,


nur darin ihre Antwort fin-

den ,
dass ihm irgendwie ein geeiuigtes Yerhältniss zu Gott

zugeschrieben wurde. Sehr anschaulich, frisch und originell


tritt diese intellektuelle Arbeit ,
zu welcher der Glaubensakt führt
und in welcher er sich befestigt ,
am Hauptmann von Kapernaum
hervor, Mths. 8, 8 — 10. Auch in seinem Worte ist, wie Mrk.
9 ,
23 ,
die Zuversicht auf Jesus selbst bezogen, und von allen
Schranken befreit: Jesu Wort hat die Bedeutung eines Befehls ,

der den Naturlauf beherrscht und in sich selbst die Gewähr


trägt, dass er geschieht. Sie tritt aber hier nicht mehr nur als

Verlangen auf, das aus dem Bedürfniss einerseits, aus der

wahrgenommenen Wirkung Jesu andrerseits entsprungen, noch


nicht durch das Denken hindurchgegangen ist. Der Hauptmann

begründet sich seine Zuversicht verständig, und als das Medium


zu solchem Verstehn dient ihm seine eigne Stellung ,
kraft

deren es im geordneten , organisirten Bereiche seiner Thätigkeit


nur seines Wortes bedarf, damit der gewollte Effekt erfolge.
Indem er nun die von Jesus ihm zufliessenden Eindrücke zusam-

menfasst in den Begriff »Herr", ergiebt sich ihm aus der Analogie
seiner Stellung mit derjenigen Jesu die Zuversicht, dass auch
Jesu Wort als Aeusserung eines herrschenden Willens unbe-
dingten Vollzug finden wird. Die denkende Entfaltung dessen ,

was in der Stellung, die Jesus faktisch einnimmt, enthalten

ist, leistet seinem Vertrauen sofort höchst wesentliche Dienste,


sie erleichtert und stärkt dasselbe, sie dient ihm als »Grund,"
auf dem es festen Stand gewinnt. Seine Aussage bleibt jedoch
noch beim Verhältniss Jesu zur Welt stehn ,
die Ursachen und

Bedingungen seiner Herrschaft, kraft deren er der Gebieter


über den Naturlauf ist, deckt sie nicht ab. In dieser Hinsicht
musste der Gedankengang eines Israeliten von vornherein an-
ders gerichtet sein. Dieser trug eine kräftige, theologische
Gedankenwelt in sich, die ihn sofort darauf wies, nach dem
Verhältniss dieser Herrschaft zu Gott zu fragen ;
er konnte
DIE ANRUFUNG JESU. 139

diesen Gebieter nicht un verbunden neben den stellen, den er

als Herr über alles kannte, neben den einigen Gott. Er fand
aber auch, in seiner theologischen Gedankenreihe bereits Mittel-

begriffe vor, die ihm das Verhältniss Jesu zu Gott fassbar und
benennbar machten. Der Christusbegriff war, wenn auch in

jener Unsicherheit und Schwankung, die allen auf die Zukunft

bezüglichen Begriffen eigen sind ,


so doch in seinen wesentlichen

Grundlinien längst vorhanden. War nun der Bittende im Stande ,

ihn auf Jesus zu übertragen, vermochte er ihn um Hülfe an-


zurufen als den Davidssohn, Mths. 20, 30. 15, 22, so besass
hierin seine Zuversicht eine wirksame Stützung, denn sie weiss

nun, warum sie von diesem Menschen auch das Höchste er-

warten kann. Darum bezeichnet die Antwort Jesu an den

Hauptmann Israel vor allem aus als zum Glauben berufen. In

seiner Kenntniss Gottes und in seiner messianischen Erwartung


besitzt es eine höchst wesentliche Ausrüstung zum Glauben ,

die es ihm erleichtert, sich an Jesus mit voller Zuversicht zu


wenden ,
weil ihm von seinem geistigen Besitzthum aus Inhalt
und Grund der Wirksamkeit Jesu verständlich und durchsichtig
werden kann.
Das Verhältniss, in welches der Begriffsschatz Israels zum
glaubenden Verhalten trat, war jedoch doppelseitig. Die von
der und Schriftgelehrsamkeit dargebotnen Begriffe: der
Schrift

gesalbte König Gottes Sohn


,
boten ihm eine höchst bedeut-
,

same Förderung, sofern sie dem Vertrauen die Einsicht in sein


Recht und seinen Grund einpflanzten. Andrerseits aber war
mit der vorhandnen messianischen Begriffsreihe die Frage ge-

geben, ob sich die Gestalt Jesu mit dem traditionellen Inhalt


derselben wirklich decke. Nun stand die herrschende Christus-

dogmatik zur Erscheinung Jesu in scharfem Kon-


wirklichen

trast, und vor der daraus entspringenden Frage ob er wirklich ,

der Christus sei, stand erst noch die andre; ob er überhaupt


die Merkmale göttlicher Sendung aufweise, ja auch nur die-
140 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

jenigen Frömmigkeit und Heiligkeit. Christolo-


menschlicher

gische Gegensätze waren und sind immer in ihrem Ursprung

theologischer A.rt. Der Gregensatz der schriftgelehrten Christus-

dogmatik gegen Jesus wurzelte in der Differenz der Gottesan-


schauung hier und dort. Nicht nur das Chris fcusideal der Syna-

goge ,
sondern auch das ,
was sie als göttlich ,
von Gott gewollt
und Gottes würdig achtete, lag weit ab von der Wirklichkeit
des Lebens Jesu ,
so dass sie nicht nur ihr Ohristusbild ,
sondern
auch ihr Gerechtigkeits- und Frömmigkeitsideal durch ihn negirt
sah. Und zwar erfolgte die Negation desselben auf Jesu Seite
nicht nur faktisch durch den Thatbestand seines Handelns und

Lebens j
sondern auch ausdrücklich in scharf formulirtem ürtheil
durch die Busspredigt und das in ihr enthaltene Gericht über
den Gottes- und Gesetzesdienst der Synagoge. Da öffnete sich

eine tief greifende, in die Gründverhältnisse der Persönlichkeit


hinein reichende Glaubensschwierigkeit. Jesus fixirt diesen neuen

Gegensatz zum Glauben im Begriff »Aergerniss" ').

Der Zwiespalt zwischen der geltenden Begriffsreihe und Jesu


thatsächlicher Erscheinung trieb zu einer Wahl zwischen beiden.
Wurden die geltenden frommen Tendenzen und Begriffe fest-
gehalten ,
so war die Konsequenz die ,
dass sein Verhältniss zu
Gott negirt wurde, bis zur Statuirung teuflischer Kräfte in
ihm. Damit war das Yertrauen eine Unmöglichkeit. Dieses be-

durfte, sollte es als ein unbedingtes, wie Jesus es fordert, zu


Stande kommen, der Wahrnehmung und Bejahung seiner gött-

lichen Sendung kraft deren Gott in ihm wirksam ist es kam


, ;

darum nur durch einen Verzicht auf die eingenommene fromme


Stellung zu Stande und hat in der Beugung unter den Bussruf
seine innere Vorbedingung. Hier liegen die Faktoren, welche
bewirken ,
dass Israel, von dem Jesus urtheilt ,
es sei vor allen

1) Mrk. 6, 3 vgl. 6, Mths 13, 21 vgl. Luk. 8, 13. Mths 11, 6. a-mvSce ^^^siv
rov ma-Teijovroi Mrks 9, 43. Mths 18, 6. Mths. 36, 31 ff.
vgl. Luk. 33, 33.
DIE ANRUFUNG JESU. 141

andern befähigt, ihm eine volle Zuversicht entgegenzubringen —


oy§£ SV Tqj 'lo-p^j^A
— weil es vor allen andern zum Verständ-
niss Wirkens ausgerüstet
seines ist, dennoch den Glauben als

unübersteigliche Schwierigkeit an sich erfährt.

Auch bei den Heilungen wird der Grlaube in voller Aktualität

gefasst, wie er unmittelbar die Bitte gestaltet und füllt. Ein


bleibendes Verhältniss zu Jesus war damit noch nicht noth-

wendig gegeben: die geheilten Aussätzigen gehen davon ohne


Dank. Es ist aber der synoptischen Erinnerung lebhaft gegen-

wärtig ,
dass Jesus die Geheilten ausdrücklich darauf hinzuweisen

pflegte ,
dass ihr Glaube ihnen half ^).
Wenn so das Faktum ,

nachdem es geschehen ist, nach seiner innern Bedingung


nochmals beleuchtet wird, so wird die Absicht Jesu darauf

zielen, dasselbe für den Geheilten auch für die Zukunft frucht-
bar zu machen. Als das bleibende Resultat, welches er seinem
Erlebniss entnehmen soll ,
wird somit diess herausgehoben : er

soll nun Kraft und Werth des Glaubens kennen. Dadurch tritt

die Heilung zum Glauben in ein Doppelverhältniss ,


sie setzt

ihn voraus und will ihn wiederum wirken, indem sie ihn
zum festgehaltnen ,
bewahrten Anschluss an ihn gestaltet. So
werden den
Jüngern einem Moment der Verzagtheit die
in

frühern Zeichen vorgehalten als Glaubensmotiv auch in der ge-

genwärtigen Situation. Hat die erlebte Hülfe nicht die Wir-


kung ,
Glaube als bleibenden Besitz im Menschen zu begrün-
den, so liegt der Grund darin, dass das »Verstehn" unterblieb,

die nachdenkende Verwerthung des Erlebten; den kleingläu-

bigen Jüngern gilt die Frage: versteht ihr noch nicht? ovTra
voelTs', Mths. 16, 9.

Jesus behandelt den Glauben auch für die von ihm selbst

erbetene Hülfe als die einzige, aber unerlässliche Bedingung.

Diese Abhängigkeit seines Heilens vom Glauben ist im Sinne

1) Mrks. 5, 34. Mths 9, 33. Luk. S, 48. Mrks 10, 53. Luk 18, 43. 17 ,
19
142 DEU GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

der Evangelien nicht piiysisclier Art, wie schon daraus her-

vorgeht, dass nicht heim Kranken selbst, sondern bei dem


für ihn Glauben gedrungen wird. Wenn der
Bittenden auf
Vater nicht glaubt, wird der Sohn nicht geheilt, Mrks. 9, 23.
Nicht der sterbenden Tochter, sondern dem verzagenden Yater
wird gesagt: nur das eine unterlass nicht, zu glauben! Mrk.

5, 36. Der G-laube des Hauptmanns bringt seinem Knechte,


derjenige der Kananäerin ihrer Tochter die Heilung ; auch in
der Geschichte des Gichtbrüchigen wird bedeutsam nicht auf
den Glauben des Kranken selbst ,
sondern auf denjenigen seiner

Träger hingewiesen, Mrk. 2, 5^). Die Wirkung des Glaubens,


wenn er Heilung erlangt, fällt so wenig in die physische
Sphäre, wie wenn er Berge versetzt, sondern sie erwächst aus
ethischem Grund. Jesus verneint und zerstört kein Vertrauen,

das in ihm Gottes helfende Macht fasst und ehrt. Dieser innern

Beziehung zwischen Glaube und Hülfe entspringen die Formeln:


nach deinem Glauben geschehe dir, Kixrx rviu Ticrriv <tov^ Mths.
9, 29, oder: so wie du geglaubt hast, Mths. 8, 13. Er weiss sich

ermächtigt, die göttliche Gabe mit dem menschlichen Ver-


trauen in volle Korrespondenz zu setzen, so dass die Harmonie
zwischen der auf ihn gestellten Erwartung und dem von ihm
gewährten Gut ungebrochen bleibt. Diese Korrespondenz tritt

in der Kraft einer objektiven göttlichen Regel auf, die auch


ohne einen bewussten Willensakt Jesu wirksam wird. Das blut-
flüssige Weib fasst heimlich die Quaste seines Mantels, und
die Kraft geht von ihm aus, wobei freilich wohl mit bestimm-
ter Absicht die persönliche Relation zwischen ihm und der

1) Es dürfte in jener Erzählung ein Gegensatz bealsiclitigt sein zwiscTien den

Trägern und dem Kranken. Jene zeigen Glauben, dieser bedarf erst der Aufrichtung
zu demselben, weshalb er auch nicht sofort das heilende Wort empfängt, sondern
zunächst die Beseitigung des Hindernisses, das seine floffnung auf Heilung hemmt
und bricht, indem Jesu seinem Schuldbewusstsein ein Ende macht, und ihm "Verge-
hung gewährt.
DIE ANRUPÜNG JESU. 143

Geheilten nachträglich hergestellt wird. Er lässt sie nicht


heimlich verschwinden, und sich nicht wie ein sachliches Heil-
mittel nützen. Er bezeichnet ihr scharf den Punkt, durch den
die Berührung seines Gewandes ihr zurHeilung wurde; nicht
diese für sich allein, sondern ihr Glaube half, und dieser wird
durch dieses Eingreifen Jesu auf sein bewusstes, persönliches
Wollen und Handeln bezogen,- als die Gabe seines Worts: sei

gesund! hat sie ihre Heilung hinzunehmen. Von andern Bedin-


gungen als vom Glauben wird auch im
Yerhältniss zu Jesus
die Gabe nicht abhängig gemacht. Keine Erörterung der in der

sittlichen Sphäre liegenden Ursachen des Leidens hat statt,

keine Unterscheidung in solche, die der Heilung würdig und

unwürdig sind. Ja der Glaube durchbricht selbst die Schranke,


die den Heiden von Israel trennt, so energisch sie Jesus gel-
tend macht. Wo die Hülfsbedürftigkeit ein Verlangen nach
Hülfe erzeugt, das sich als Zuversicht an ihn anschliesst, sind

alle Bedingungen zu seinem Geben und Helfen realisirt. An-


drerseits weist Jesus eben so bestimmt jede zweifelnde Bitte ab ,

weil sie in ihm Gottes Macht und Güte antastet, der ihn

Israel zur Hülfe und Heilung gegeben hat. Es ist ein einiger

Glaubensakt, den er für sich wie für Gott, fordert ,


in derselben

ünbediiigtheit und in derselben Unerlässlichkeit.

Jesu Ziel greift weit hinaus über einzelne Thaten der Hülfe
dem mannigfachen Jammer des menschlichen Lebens gegenüber;

er tritt als der Christus vor sein Volk ,


und das Gut ,
das er

ihm bringt, benennt sich mit dem Vollbegriff: Gottes ßeich


und Königthum. Wenden sich schon die einzelnen Hülfeleis-
tungen an den Glauben, so nimmt diese umfassende Bedeutung
seiner Person und Wirksamkeit vollends das Vertrauen des

Menschen in Anspruch.
Auf das Gleichniss von den beiden Söhnen des Vaters, von
denen der eine die im Weinberg verweigert, hernach
Arbeit

aber reuig geht, der andere dieselbe unterthänigst zusagt und


144 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

niclit geht, folgt dasWort, das um des Glaubens an den


Täufer willen das Eeich Zöllnern und Dirnen zusagt und we-

gen der Verweigerung des Glaubens an den Täufer den Gerech-


ten Israels das Reieh verschliesst Mths. 21, 31. 32.
,

Der Täufer steht vor der Gemeinde nicht als gebender, son-
dern als mahnender, wie denn Jesus hier die Wirksamkeit des
Täufers in seinem »Bade" konzentrirt, 25, also zu allernächst
an seinen Bussruf denkt. Der Glaube ist darum ihm gegenüber
zunächst nicht erwartende und bittende Zuversicht , sondern
die vertrauende Unterordnung unter seine Leitung, die ihn in

seinem von Gott gegebnen Berufe anerkennt. Dem Täufer glauben,


das istBeugung unter sein Zeugniss von der Nothwendigkeit
der Umkehr, Gehorsam gegen die Aujfforderung zur Taufe,

williges Eingehn in die Weisungen der Taufpredigt, wiederum


umfasst Nichtglauben die Ablehnung der Bussmahnung,
das

die Weigerung sieh taufen zu lassen überhaupt die ganze nega-


,

tive Stellung zu ihm. Darum ist dieses Nichtglauben an den


Sanhedristen eine offenkundige Thatsache, die nicht zu verber-

gen ist, 26. Auch hier tritt der Glaubensbegriff in direkte Be-

ziehung zu Gott. Weil die Taufe des Johannes vom Himmel


war, weil der Yater durch sie seine Söhne aufforderte, hinzu-
gehn und in seinem Weinberg zu arbeiten, weil somit der
Weg des Johannes der Weg der Gerechtigkeit war, darum
war Israel dem Täufer Glauben schuldig. Das Nichtglauben
ihm gegenüber ist Verweigerung des Gehorsams gegen Gott,
das Verhalten jenes Sohns, der trotz der Weisung des Vaters
nicht in den Weinberg geht, und darum Schuld.

Auch Jesu Werk dem Himmel", auch er steht vor


ist »aus
dem Volke von Gott ihnen gesandt. Wie er ihr Verhalten
als

zum Täufer in Glauben und Nichtglauben scheidet, so über-


trägt sich dieselbe Scheidung analog auf ihre Stellung zu ihm.
Wenn die des
Täufers zusammengefasst wird in
Ablehnung
den Begriff: ihr glaubtet ihm nicht, so fällt das Verhalten
DIE ANEEKENKTJNG DE& MESSIANITAT JESU. 145

desjenigen Israels, das den Sohn und Erben des Weinbergs


Mnausstösst und tödtet ,
und den Boten der zum bereiten Mahle
,

lädt, wegtreibt, ja misshandelt, unter denselben Begriff, und


wie die Zöllner und Dirnen dem Täufer glaubten, so sind die

»Kleinen", die Jesu Jüngerkreis bilden, »an ihn glaubende",


Mths. 18, 6. Mrk. 9, 42 ').
Ob der Täufer selber mahnte, ihm
zu glauben oder nicht, ändert am innern Charakter ihres Han-
delns und an der Schuld desselben nichts. Am Faktum selbst,
an dem vom Himmel her ihm gegebnen Beruf haftet der

Glaubensimperativ, der auch von jedermann in Israel in sei-

nem heiligen, unabweisbaren Recht empfunden wird, so wie

zugestanden ist, dass die Taufe ein prophetisches Werk gewe-


sen sei, Mths. 21 ,
25. Noch viel mehr liegt in derjenigen Stel-

lung, die Jesus von Gott gegeben ist, der Ruf zum Glauben,
auch wenn er ihn nicht ausspricht in ausdrücklichem Befehl
und drängendem Geheiss. Dass er bei Israel Glauben sucht
und zwar jenen unbedingten Anschluss, der ihn als Herrn be-
handelt, welcher gebieten kann, das bedarf nicht erst der

Erklärung; ausgesprochen wird nur diess, dass er ihn nicht


fand ,
Mths. 8 ,
10.

Die Zöllner und Dirnen, die dem Täufer glaubten, gehen


ein in's Reich, die am Gesetz Fehllosen erlangen dasselbe

nicht, weil sie ihm nicht glaubten; es ist also der Glaube Ein-

gang in's Reich. Diess ist im Grunde schon damit ausgespro-


chen ,
den Leidenden von Jesus gewährten
dass die einzelnen ,

Gaben nur an den Glauben gebunden sind; denn in jenen


geniesst man das Dasein des Reichs. Wenn Jesus den Dämonen
gebietet in Gottes Geist, so hat diess seinen Grund darin,
dass Gottes Reich gekommen ist, Mths. 12, 28, und dasselbe

gilt von dem gesammten machtvollen Handeln Jesu ,


welches

1) Wenn auch die üeberlieferung dieser Gnome schwankt, so wird damit noch
nicht unsicher, dass Jesus vom Glauben an ihn in einem Sinne sprach, der das ge-
sammte. Jüngerverhältniss in sich schloss.

10
146 DEE GLAUBE IM NüUEN TESTAMENT. KAP. IV.

Leiden Ibeendigt, dem Tode überlegen ist, Sünden erlässt. Das


sind »Zeichen" des Reiclis ,
weil sie Ausfluss und Folge des-

selben sind, königliche Wirkungen Gottes. Diese Kräfte der

Gottesherrschaft, in denen das gekommene Reich sich kund


thut, empfängt aber jeder, der glaubend bittet; schon damit
ist der Glaube als Antheil am Reich behandelt. Und wenn
vollends der Zusammenhang zwischen Glaube und Hülfe als
umfassende Regel ausgesprochen wird, die dem Glaubenden
jede Gabe zusagt, so ist der Glaubende um seines Glaubens
willen voll und ganz in das Reich hinein versetzt. Eine Stel-

lung ,
den Bergen gebietet ist königlich
die , , ßoi,(nK6ix ,
und
zwar Antheil an Gottes Königthum, da alle Wirkung des

Glaubens Gottes Wirkung ist. Mit jenen Verheissungen und

jener Praxis Jesu steht somit diese Erklärung in vollem Ein-


klang, die dem Glauben und zwar in seinem Anschluss an

Johannes das Reich zusagt.


Auch der sittlich korrupte Mensch, der Zöllner und die

Dirne, erlangen glaubend das Reich, denn in dem Johannes

entgegengebrachten Vertrauen liegt Lösung von ihrem verdorb-


nen Zustande. Die Anerkennung desselben als des von Gott
ihnen gesandten Boten hat das Eingehn in den Bussruf und
die üebernahme der Busstaufe in sich; so hebt der Glaube die

Erfüllung des göttlichen Willens in ihnen an und sie gleichen


dem Sohne ,
der zwar zuerst erklärt : ich will nicht ,
dann aber
doch in den Weinberg geht. Sie finden nun durch ihre Umkehr eine

Vergebung, welche die Verdorbenheit ihres bisherigen Lebens


göttlich bedeckt; ihre Taufe wird ihnen zur göttlich gültigen
Reinigung. Andrerseits wird alle Gesetzestreue durch die Glau-

bensverweigerung werthlos und nichtig, denn dieselbe ist ein

Akt des Ungehorsams gegenüber Gott, und setzt desshalb allen

sonstigen Gottesdienst herab auf die Stufe jenes: »ja Herr!"

mit dem der zweite Sohn die Aufforderung des Vaters beant-

wortet, sie macht aus ihm leeren heuchlerischen Schein. Hätte


BIE ANERKENNUNG DER MESSIANITAT JESU. 147

der G-esetzesdienst trirklich das Verlangen in sich, Gottes Wil-


len zu erfüllen, so wäre die glaubende Stellung dem Täufer
gegenüber seine Konsequenz; das Ausbleiben derselben deckt

die innere Unwahrheit ihrer ganzen Frömmigkeit auf. Hat das


Verhalten zum Täufer entscheidende Bedeutung für den Wertb
desgesammten Handelns vor Gott, so kömmt solche noch viel
mehr dem Verhalten zu Jesus selbst zu. Die Abweisung seines
Ohristusrechtes offenbart das Geschlecht »als böse und ehebre-

cherisch", als trotz aller Gottesdienstlichkeit in tieferem Ver-

derben befangen als das von Gott gerichtete Sodom und die
Heidenstadt Tyrus. Dagegen antwortet Jesus auf das Bekennt-
niss zu ihm als dem Christus mit der Lebensverheissung und
der Oeflfnung des Reichs, Mth. 16, 18 ff., und zwar wendet
sich der Ruf in seine Jüngerschaft auch an die ,
deren bisherige

Lebensentfaltung eine korrupte war, ja an sie zumeist.

Schon in einem Worte Jesu tritt der Glaube in enge Be-

ziehung zur Passion , Luk. 22 ,


31. 32. Er vergleicht das ,
was
der Jüngerkreis in der Passion erfährt, dem Geschütteltwer-
den des Weizens im Siebe, es wird damit offenbar, was Spreu
ist oder achtes Korn; und zwar hat diese Erprobung derselben
einen jenseitigen Hintergrund : der prüfende ist der Satan. Dieser
hat vor Gott die Realität uöd Solidität ihrer Jüngerschaft in

Frage gestellt, sie stehen unter seiner Anklage, und sind


herausgefordert aus der sie schützend umgebenden göttlichen
Güte in seine Macht, damit der innerste Thatbestand, der dem
Verhältniss der Jünger zu Jesus zu Grunde liegt, an's Licht

herausgestellt werde. Diess geschieht durch die Kreuzigung Jesu,,


sie bildet die Krisis, in der sich der Anschluss der Jünger an
Jesus zu erproben hat. Nun ist die Gefahr, in der Petrus
steht, für ihn überwunden, wenn sein Glaube nicht aufhört.
Auf die Erhaltung des Glaubens richtet sich Jesu fürbittende

Sorge, auf seine Beseitigung also des Satans Einwirkung,


um ihn dreht sieh der Kampf; denn er ist das, was die Jün-
148 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAf. tV.

ger durcli diesen Moment hindurcli rettet, was im besondern


Petrus im Verband mit Jesus und dadurcb im Jüngerkreise
erhält. DieserGebrauch des Worts steht dem eben erörterten
nah. Wie der die Jordantaufe über sieh nehmende Zöllner dem
Täufer glaubt, so glaubt Jesu der Jünger, der seinem Ruf

folgte und mit ihm wandert, weil er in ihm den Christus

fasst, nur dass in diesem Zusammenhang im Glauben das Mo-


ment des Trauens wieder stärker heraustritt als dort. Auch der An-
schluss an den Täufer hat ein Vertrauensmoment in sich, sofern
ihm der göttliche Charakter seiner Sendung zugetraut werden
muss. Wenn aber Jesu Wirken mit dem Kreuze schliesst,
das sich als der absolute Gegensatz zu seiner Christusstellung

darstellt, so wird der Anschluss an ihn ToUends Vertrauens-


erweis. Nur durch einen Akt energisch angespannten Trauens
wird es möglich, ihn, den dahingegebnen und gekreuzigten,
dennoch als den Christus fest zu halten. Dieses Trauen ist
auch hier in einem ungetheilten Akt auf Gott und Jesus ge-
wandt, lieber dem sterbenden Christus steht der den Christus

in den Tod gebende Gott. Wird das V^ertrauen an Jesus irre,


dann auch an dem Gotte, der ihn sterben lässt; hält der Jün-

ger dagegen am Gekreuzigten als am Christus fest, so kann


er diess nur dadurch, dass ihm sein Vertrauen zu Gott nicht
bricht ^).

Nun fasst die Stelle aber nicht nur diejenige Glaubenser-,

schwerung in's Auge ,


die in der Passion Jesu überhaupt und

darum für alle Jünger gleichraässig enthalten ist: sie blickt

zugleich auf die besondere Gefahr, in der Petrus durch seine

Verleugnung steht. Jesus beurtheilt sie mit diesem Worte nicht

1) Es ist bedeutungslos, dass während die Synoptiker sonst nicht vom


nicht
Glauhen des an Jesus sprechen, unter dem Kreuze gesagt wird: steige
Volks
herab, damit wir dir glauben, Mth. 27, 42. Mrk, 15, 32. Die Passion ruft dem
Glaubensbegriff. Einem Chrisrus, der am Kreuze hängt, schliesst man sich nur durch
TTta-Tiq an.
DIlii ANERKENNUNG DER MESSIANITÄT JESU. 14Q

alsEnde und Untergang seines Glaubens wohl aber als Bedro- ,

hung und Grefährdung desselben. In jenem Moment gewinnen die


vom Leiden Jesu veranlassten Strebungen des Misstrauens und
Gedanken des Zweifels in ihm die Oberhand und führen zu
einer seinen Anschluss an Jesus negirenden That. Von hier

aus gewinnt er denselben nur durch einen Vertrauensakt


wieder ,
der nun nicht nur die Katastrophe , die über
Jesus ergeht, sondern auch seinen eignen Fall zu überwin-
den hat, und nicht nur über das räthselhafte ürtheil Got-

tes, das Jesus in den Tod giebt, sondern auch über die Selbst-

verurtheilung hinübergreifen muss, durch die er sich selbst als


den der Jesus verlassen und verleugnet hat, von ihm scheidet;
so wird für ihn die Frage, ob er noch im Stande sei, zu Jesus

ein ungebrochnes Vertrauen zu fassen, besonders ernst und


schwer. Jesus hat die Gewissheit, dass er dessen fähig sein
wird und zwar durch göttliche Gabe, die er für ihn erbeten
hat. Im Blick auf seinen Glauben, der auch die Verleugnung

überdauern wird, bringt ihm Jesus schon jetzt eine Güte ent-

gegen, die ihm dieselbe vergeben hat.


Auch in der Auferstehungsgeschichte tritt der Glaubensbe-

griff heraus
— Luk. 24, 11. 25. 41. Mth. 28, 17. Mark.
Schluss — zunächst für die üeberzeugung von der Wirklich-
keit des Vorgangs ,
doch ohne dass sich der Begriff von seinem

sonstigen Inhalt völlig ablöst. Die Verneinung der Auferstehung


hätte auf Jesus verzichtet, und jener Glaube, der ihn als den
Christus fasst, hätte aufgehört. Dagegen ist mit der üeberzeu-

gung von seiner Auferstehung ein neuer Anschluss an ihn ge-


wonnen dem ; ,
welcher sich als dem Tode entnommen und
neuen Lebens theilhaft kundgegeben hat, wird nun wiederum
und nun erst recht die Messianität vertrauend zuerkannt.

Aber auch zur künftigen Offenbarung des Eeichs tritt der


Glaube in Beziehung Luk. 18 8. Die Tage des Menschen-
, ,

sohns sind als noch künftig Gegenstand des Bittens für den
150 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

Jüngerkreis und diess um so melir, je melir sieb ihre Stellung

in der Welt zur Bedrückung und zum Leiden gestaltet. Jesus


behandelt die Bitte auch gegenüber diesem höchsten Ziele als

wirksame Macht. Wenn sich schon der ungerechte Richter vor

ihr beugt ,
wie viel mehr ist sie vor dem Gotte der Gerechtig-

keit wirksam von Seiten seiner Auserwählten! Die Willigkeit


zum richterlichen Eingreifen, in dem für die Seinen die volle

Erlösung liegt, lebt in Gott und die Bitte um dieselbe findet

darum rasch — h tüxsi


— ihre Antwort. Aber dieser Willig-

keit Gottes zur endgültigen Erlösung tritt der Blick auf die

Gestaltung der Dinge auf Erden beschränkend entgegen: wird


sich Glaube finden? jener Glaube, der
hier die Voraussetzung
zu dem im Gleichniss dargestellten Verhalten ist, welcher bittet
wie die Wittwe unablässig und ohne zu ermüden ,
von der
Macht der Bitte überzeugt? Im Himmel ist der gerechte Rich-

ter ,
bereit seine Hülfe mächtig zu offenbaren ,
aber wo sind

auf Erden diejenigen, die sich an ihn wenden und zuversicht-


lich seine richtende That anrufen? Wird nun das Kommen
des Menschensohns, von dem die Stelle spricht, auf die Parusie

bezogen , so sagt Jesus , er werde bei seinem neuen Kommen


diesen Glauben ,
zu dem er ermahnt ,
schwerlich vorfinden ,
also

unerwartet und ungebeten kommen ,


und es entspräche diesem
Gedanken, dass die gerichtliche Seite seines Kommens für die

Rede im Vordergrunde steht, 17, 26 ff. Ist dagegen in


dem Worte an das Resultat gedacht, das seine irdische Gegen-
wart unter den Menschen haben wird, so ist diese Zuversicht,

welche Gott um die völlige Erlösung bittet, auf Jesu Person

bezogen, sie kann und soll aus seiner Gegenwart folgen, in


dem auf ihn gestellten Vertrauen läge Trieb und Befähigung
zu einem Bitten, das zuversichtlich das göttliche Eingreifen
anruft, wie sich denn dieses durch die neue Gegenwart
Jesu vollziehen wird. Weil ihm aber, ob er auch gekommen
ist, Glaube verweigert wird, und noch viel mehr versagt wer-
DIE ANEEKENNUNG- DER MESSIANITÄT JESU. 151

den wird, Daclidem seine sichtbare Gegenwart ihr Ende gefun-


den hat, so fehlt es auch an jenem Bitten, von dem das
Gleichniss spricht ^).
Jedenfalls ist damit dem G-lauTben ein

neuer Inhalt gezeigt, sofern er auch die endgültige Erret-

tung umfasst-und zu ihr wirksam wird, so dass dieselbe erlangt


wird als Antwort Gottes auf die an ihn glaubend sich wen-
dende Bitte. Da aber diese richterliche und darum befreiende

Offenbarung Gottes noch künftig ist, also erwartet und


erst

erbeten sein will, während doch das Erwartete hier die Grösse
einer die Welt umfassenden Machtwirkung hat, und die Bitte auch
nicht sofort ihre Erhörung findet, sondern dem Zögern Got-
tesgegenüber anhaltend bleiben muss, und diess in Druck und
Angst der Welt, und ohne dass der Christus sichtbar gegen-
wärtig ist, so ist dem Glauben mit der neuen Verheissung auch

eine neue Aufgabe gestellt. Was in solcher Situation die Erwartung


aufrecht hält und ihr die innere Festigkeit und Kraft zum Bitten
giebt, kann nur eine kraftvoll über die Welt hinausgreifende,
an Gott und Christus haftende "Vertrauensstellung sein.
Im synoptischen Lehrwort Jesu stehen somit die beiden Be-
griffe: Umkehr und Glaube neben einander; beide nennen die
aus der Nähe des Reichs sieh ergebende Folge beide darum ,

auch die seinen Besitz vermittelnde Bedingung; beide werden


von Jesus in derselben absoluten Weise hingestellt. Ebenso

unbedingt wie er den sündigen Akt richtet und das gute Werk
fordert, hat Jesus in Wort und That dem Glauben eine Ver-

heissung gegeben ,
die von jeder andern Bedingung befreit ist
und ihn an sich selbst zur Kraft macht, die das Höchste em-

pfängt. Beide Begriffe sind differenten Inhalts. Der Ruf zur


Umkehr geht vom fordernden Willen Gottes aus. An der Dif-

ferenz zwichen dem, was Israel gehört hat als den Alten ge-

sagt, und dem, was Jesus ihnen als Inhalt des göttlichen

1) Vgl. über die Stelle Erl. 9.


152 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

Gesetzes nennt, bemisst sieb, die Nothwendigkeit und das


Wesen der Sinnesänderung. Darum ist das Ziel der Busspredigt

Tbat und Werk, sie geht aus in die Weisung, sein Wort zu

tlmn; wer es bort und tbut, der erst bat sieb weise ein Haus
gebaut ,
das nicht zerfällt. Die Mahnung zum Glauben geht aus
Yon der gebenden Güte Gottes, sie verheisst und schenkt. Beide

Imperative wenden sich nicht an verschiedne Hörer, so dass


etwa die Jesus noch fern stehende Volksmenge nur unter den
Bussruf gestellt und der Jüngerkreis nur zum Glauben aufge-
fordert würde; sondern die Busspredigt setzt sich sehr ener-
gisch im Jüngerkreise fort. An diesen sind eine grosse Zahl

der Drohworte Jesu gerichtet, die seinen richterlichen Strafernst


in Aussicht stellen. Das Wort vom Unkraut, das verbrannt

wird, und von den Fischen, die weggeworfen werden, von den
thörichten Jungfrauen und dem untreuen Knechte, vom Manne,
der kein hochzeitliches Kleid hatte, und vom unversöhnlichen

Knechte, der den Peinigern übergeben ward, vom Salze, das


dumm und vom Ausschluss derjenigen aus dem Eeiche,
wird,
die nicht wie ein Kind werden, all diess spricht von den Glie-

dern des Reichs und den Genossen der Jüngerschaft, so dass


sich hier auf neuer höherer Stufe die an Israel gerichtete Buss-

predigt wiederholt. Wie der Gottesdienst Israels darum als schlecht-

hin werthlos verworfen wird, weil ihm die sittliche Unterlage

fehlt, so wird auch dem Anschluss an ihn alle


Verbeissung
entzogen, wenn er nicht mit dem Thun des göttlichen Willens

verbunden Ebensowenig wendet sich die dem Glauben ge-


ist.

gebne Verbeissung nur an den Jüngerkreis; wo immer Glaube


ist, und sei er in einem heidnischen Weibe oder in einem Aus-

sätzigen Samariens, empfängt er, was er begehrt. Beide Wei-


sungen wenden sich also an dasselbe Subjekt und haben neben

einander ihre konstante Gültigkeit.


Indem Jesu Wort und Verhalten in dieser doppelten Linie

sich bewegt, indem er einerseits die sittliche Norm mit uner-


BUSSE UND GLAUBE. 153

bittlicliem Ernste handhabt, an derselben das rQensclilich.e Han-


deln misst und richtet und auf Grund derselben sehr bestimmte

Forderungen an das eigne Thun des Menschen stellt in einer

Dringlichkeit, die, wenn sie unerfüllt bleiben, mit totalem Ver-


derben droht, in dem kein Bitten mehr hilft, und indem er

andrerseits der Bitte als solcher die G-ewähr der Erfüllung

giebt, dann wenn und darum weil Vertrauen in ihr enthalten

ist, so und That gleichmässig neben ein-


bringt er in Begriff
ander in gleichwerthigem Bestand das Recht Gottes und die
Güte Gottes zum Ausdruck und zur Bethätigung, das Recht
Gottes, welches das Handeln des Menschen für Gott gebietend
normirt, die Güte Gottes, die selbst für den Menschen handelt
und ihm aus ihrem eignen Motiv heraus ihre Gaben giebt,
beides als absolute Macht, das Recht Gottes als ein absolutes,

so dass kein Jota desselben fällt, es werde denn gethan, und


ob daran der Mensch verderbe in gänzlichem Ruin, die Güte
Gottes als eine absolute, die kein » Senf körnlein" Vertrauen
dahin fallen lasst, ohne ihm zu gewähren, was es Gottes Güte
erwartend zugeschrieben hat, gesetzt auch es handle sich um
die Bewegung des Berges oder um das Wachsen der Sykomore
im Meer. Beide Potenzen stehen in Jesus nicht wider einander,

sie sind in ihm ein völlig geeinigtes, in einander will er sie

mit einem und demselben Willen, geeinigt schaut er sie in


einer und derselben Intuition. Weil aber Recht und Güte
in Gott real ein einiges sind, so sind auch im mensch-
lichen Verhalten die Beugung unter Gottes Recht in der
Busse und die Zuwendung zu Gottes Güte im Glauben un-
trennbar mit einander verwachsen sowohl in ihrem Entstehn als
in ihrem Resultat.

Wie entsteht der Glaube? Den für Brod und Gewand


sorgenden heisst Jesus Vögel und Lilien ansehn, damit er
wahrnehme, wie Gott sorgt. Dem Heiden ist es natür-

lich, dass er spricht: was werden wir essen? weil er den


154 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

Vater nicht kennt, der weiss, was er bedarf, Mths. 6, 32 vgl.

7. Aus der Kenntniss Grottes entsteht das Vertrauen, denn die-


selbe ist Einblick in Gottes Gütigkeit. Nicht anders soll der

Glaube ihm selbst gegenüber entstehn. Auf mangelndes Ver-


trauen antwortet er: wie lange soll ich bei euch sein? Mths.
17 ,
17 ; aus der Wahrnehmung seiner Person und seines Wir-
kens könnte und sollte Glaube entstehn. Dem zweifelnden Täu-
fer hält er das entgegen, was jedermann an ihm sieht als

durch ihn gethan; die Zeichen der Zeit liegen allen klar vor

Augen, wie die Zeichen, welche das Wetter künden. Aus dem
offenbaren Thatbesfcand seines Handeins soll der Glauben wer-

den, denn jener zeigt ihn in seiner Güte als den, der helfen
kann. Darum verwundert sich Jesus über den Unglauben, Mrk.
6, 6 vgl. Mths. 17, 17, weil dieBedingungen zum Glauben
an ihm voll
gegeben sind, so dass es nur der verstehenden

Wahrnehmung und Aneignung seines Worts und Werks bedarf ,

damit derselbe zu Stande kömmt.


Den Grund, warum derselbe dennoch ausbleibt, hat Jesus
sehr bestimmt in der ethischen Sphäre gesucht; wer böse ist,

muss lästern ,
Mths. 12, 34 ,
die Zeichenforderung charakterisirt

das Geschlecht als böse und ehebrecherisch ,


denn die hellen Zei-

chen der Zeit werden nur vom Heuchler nicht gesehn, Mths.

16, 1 ff. Am Widerstreit gegen das göttliche Gebot geht die


Kraft und Willigkeit unter, das Reich und den Christus in
ihrem Dasein und Heilswerth wahrzunehmen, sie werden im
bösen Geschlecht zum verborgnen Schatz und zum Mahle ,
zu
dem vergebens geladen wird. Darum verwunderte sich Jesas,

wie über den Unglauben ,


so auch über den Glauben zumaj im

Heiden, im Blick auf die Innern Hemmnisse, die ihm entge-


genstehn, Mths 8, 10. Er stellt desshalb den Bussruf vor die

Glaubensmahnung jener erst macht dieser Bahn da erst mit der


, ,

Sinnesänderung Gott als Gut und Hülfe so wahrnehmbar wird, dass


ein Akt ganzen Verlangens und Vertrauens zu ihm möglich wird.
BUSSE UND GLAUBE. 155

Schon für die Bethätigung des Grlaubens in den Naturver-

hältnissen Lebens macht sich die Abhängigkeit des Glau-


des

bens von der Umkehr geltend. Die Polemik gegen die Glau-

bensweisung Jesu Mths. 6. zieht ihre Kraft zumeist daraus,


dass sie sich eine Willensriehtung vorstellt ,
welche auf die

Frage: was es zu essen gebe, keineswegs verzichtet hat, viel-


mehr die Naturseite des Lebens möglichst reichlich gemessen
will und nun doch mit den Vögeln des Himmeln weder säen

noch ernten mag, und nun verurtheilt sie einen solchen Willen
als sittlich falsch und diess mit vollem Recht; denn die Glau-

bensstellung stellt sich in dem Moment als ethisch unzulässig

dar, wo die sittliche Seite am Glaubensakt selbst, die in ihm

liegendeRegelung der Begier, übersehn und abgelehnt wird.


Der »Heide", der nach Speisen und Kleidern trachtet, muss
freilich arbeiten, sparen, sorgen; sonst stiehlt oder bettelt er.

Jene Polemik denkt sich ferner eine Willensrichtung ,


welche
auf die Sorge verzichtet hat, doch ohne dass an ihre Stelle

eine neue Thätigkeit tritt, und fällt wiederum über sie ein

negatives Urtheil, und auch hierin hat sie Recht, denn so wie das

Naturleben aus der Unterordnung unter Gottes Reich und Ge-

rechtigkeit heraus gelöst wird und Speise und Kleid das Haupt-
intresse des Glaubens werden, so dass er nur in ihnen seinen
Inhalt hat und Gott nur benützt werden soll als der Spender
der äussern Güter, wird die Glaubensstellung ethisch falsch.
Nur treffen diese ürtheile Jesu Wort nicht, da dieses nicht
nur die Arbeit ,
welche der Begehrung zur Befriedigung ver-
helfen würde, sondern die Begehrung selbst negirt, und die
Sorge nicht dazu entfernt, um einem thätigkeitslosen Geniessen
der natürlichen Güter Raum zu geben, sondern um eine neue

Thätigkeit zu ermöglichen, die auf Gottes Reich und Gerech-


tigkeit gerichtet ist, der alles natürliche Geniessen ja selbst die

Lebenserhaltung unbedingt untergeordnet wird. Diese Lösung


von der natürlichen Begehrung, die Reich und Gerechtigkeit
156 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

in ihrem unvergleicMichen Werth über alles andre stellt, ist

aber nicbt nur die Bedingung der sittlichen Reinheit des Glau-

bens, sondern zugleich die Bedingung seiner G-enesis und sei-


nes Bestehns; das, woran der Mensch in begehrlichem Trachten

gebunden ist, giebt er nicht vertrauend dem göttlichen Geben


anheim. Eine solche Lösung des Trachtens von den natürlichen
Gütern ist aber Sinnesänderung, (^sravoiix.

Analog gestaltet sich das Verhältniss zu den geistigen Gü-


tern des Reichs. Der Selbstzuversicht, welche das Reich nicht
nur als ihr unzweifelhaftes Eigenthum betrachtet, sondern sich

auch für geeignet hält, die erste Stelle in demselben zu erlan-

gen, stellt Jesus »die Kleinen" entgegen, welche an ihn glau-

ben, Mths. 18, 6. Beide Begriffe sind innerlich mit einander

verknüpft: weil sie klein sind, glauben sie. Es liegt im Ver-


trauen eine Abwendung vom eignen Können und Vermögen, es

entspringt desshalb der Hülfsbedürftigkeit ,


die sich nicht selbst

genügt. So wird auch am Hauptmann von Kapernaum und am


Kananäischen Weibe stark die demüthige Bewahrung ihrer

Stellung herausgehoben, die sie von Jesus sondert. In dieser


Demuth liegt der Antrieb zu einem Verhalten, das voll und

ganz Vertrauen ist und aus ihr heraus erwächst es in seiner


Für
Intensität. die Weisen und die Gerechten sind dagegen
die Güter des Reichs darum nicht vorhanden, weil sie in den

Ergebnissen ihrer eignen frommen Thätigkeit befriedigt und


keiner Hülfe bedürftig, darum aber auch zu keinem ver-

trauenden Anschluss an Jesus willig sind. Der Bruch der


Selbstzuversicht, die Wandlung aus jener Grösse, die aus der

gewonnenem Weisheit und Gerechtigkeit heraus Gott nur zu


danken hat, in jene Kleinheit, die wiederum bitten muss,
vollzieht sich aber in einer Umkehr, Mths. 18, 3, sie erst

stellt somit die Innern Bedingungen her, durch die Glaube

bethätigt werden kann.


Andrerseits greift auch der Glaube, wenn er an Jesu Hülfe
iBtJSSB tJND GLitJEE. 157

und Grabe entspringt, als Motiy und Kraft zur Sinnesänderung


in das Wollen und Handeln des Menschen ein. Wie die Aner-

kennung des Täufers in dem aus dem Himmel ihm gegebnen


Beruf zur Uebernahme der Busstaufe führt, so hat auch der
vertrauende Anschluss an Jesus die Willigkeit in sich, in seine

Weisung einzugehn. Er wird zur Nachfolge ihm nach. Der


Gütige, an den sich das Vertrauen anschliesst, ist zugleich der

Heilige, und das die Güte Jesu erfassende Vertrauen öffnet

darum den Willen auch für die in seiner Heiligkeit liegende

Norm ,
wie sie sich in seinem eignen Handeln als Vorbild ,
in

seinem Wort als Gebot zum Ausdruck bringt, zumal da die


Güte, an die der Glaube sich anschliesst, selbst Princip und

Inhalt der von ihm geforderten Heiligkeit ist.


Wie sich Umkehr und Glaube in ihrem Ursprung gegen-
seitig bedingen, so endigen beide auch in demselben Resultat.
Neben der Verheissung ,
die dem Werke und neben derjenigen ,

die dem Glauben gegeben ist, steht noch eine dritte Verheis-

sung, nämlich die, welche der Liebe gegeben ist. Diese kehrt
sehr bestimmt und häufig in Jesu Worten wieder. Wer Barm-
herzigkeit übt , empfängt solche ,
Mths. 5,7; wer nicht rich-

tet, wird nicht gerichtet, Mths. ff.; wer vergiebt, dem wird
7, 1

vergeben, Mths. 6, 14 ;
durch Liebe wird man Gottes Sohn Mths, ,

5, 45 und durch Friedensstiftung, Mths. 5, 9; die Gesegneten


des Vaters sind die, welche Liebe übten, und die aus dem
Reiche ausgeschlossnen haben die Liebesübung versäumt, Mths.
25 ,
32 ff. Diese der Liebe gegebne Verheissung zu verklausu-

liren, so das etwa stillschweigend die Bedingung des Glaubens


hinzuzudenken sei, ist Ungebühr. Jesus hat auch diese Ver-

heissung absolut hingestellt; der Werth, welcher der Liebe


selbst innewohnt ,
macht sie zur Heilsursache ,
sie ist die Summe
des Gesetzes , grosse Gebot Gottes
das welches seinen
erste ,

ganzen Willen in sich hat und das darum die Norm abgiebt

für den Richter, nach der er seine Scheidung trifft. Nun haben
158 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

aber CFmkelir und Grlaube gleiclimässig in der Liebe ihr Ziel,

und in der ihr gegebnen Verheissung einigt sich darum das,

was der Umkehr und was dem Glauben zugesagt ist. Zur Liebe ,

nämlich zu jener, die ihren absoluten Charakter gewonnen

hat, der nicht an das Verhalten der Andern gebunden ist, son-
dern ihm in freier Grabe spontan entgegenkömmt, steigt die

Darlegung über den wahren Inhalt des Gesetzes auf, Mths.


5 ,
1 7 ff. ,
als zu dem ,
was die menschliche Vollkommenheit
ausmacht als Abbild der göttlichen VoUkomenheit , 5, 48. Der

positive Inhalt, der Bussforderung ist somit das Liebesgebot.


Im selben endigt Glaubensmahnung. In der natür-
Ziele die

lichen Sphäre gehen vom glaubenden Verhalten nicht nur ne-

gative Wirkungen aus in Kepression der natürlichen Begier,


sondern Jesus lässt Mths. 6 den Glauben auch positiv wirksam
und fruchtbar werden. Die Weisung, dass der Schatz im Him-
mel und nicht auf Erden zu sammeln sei, 6, 19, ff., hat in der

Ueberwindung der Sorge ihre Bedingung, ^loc, rovro, ö, 25. Sie


erst schafft der richtigen Verwendung der Naturgüter Bahn,
in welcher Geld und Gut zum Mittel wird, göttliche Güter zu
erwerben in der Hand der dienenden und gebenden Liebe, vgl.

Luk. 16, 1 ff. Es tritt also schon diese einfachste Form des

Glaubens zur Liebe in nahe innere Beziehung, er bedingt ihre

Entfaltung Das Gebenwollen entspringt


zur gebenden That,

daraus, dass das Nehmenwollen untergeht und dieses erstirbt


daran, dass sich der Mensch auf das göttliche Geben verlässt.
In Bezug auf die Sünde nennt das Wort: ich vergab dir,

weil du mich batest! Mths. 18, 32, die Stelle, welche in der

Vergebung der Glaube hat. Daneben steht jedoch der andre

Satz: ich vergebe dir nicht, weil du nicht vergabst, 18, 34,

und die der Bitte gegebne Gnade wird, wenn die Liebesübung
ausbleibt, entzogen, so dass der Besitz derselben in ihr seine

Bedingung hat. Nun sind aber Glaube und Liebe hier nicht
nur in zeitlicher Aufeinanderfolge gedacht, sondern in ein
GLAUBE UND LIEBE. 159

ursächliches Verhältniss zu einander gestellt: solltest nicht

auch du dich erbarmen, wie ich mich deiner erbarmt habe?


18, 33. gewährte Vergebung wird der eignen
Die der Bitte

Liebesübung zum treibenden Motiv. Das Wort Jesu an Petrus ,


das von Jesu Fürsorge für seinen Glauben spricht, schliesst
mit der Erinnerung, dass der Zweck, um dess willen der

Glaube in ihm auch über die Verleugnung hinüber erhalten


wird, nicht in ihm selber liegt: und du stärke einst dich

wendend deine Brüder. Die Gabe ,


die er empfängt ,
zielt zu-

gleich auf die Brüder hin und hat den Aufruf zu einer Thätig-

keit in sich, die dieselbe für die andern nutzbar macht, ein

Hauptpunkt im synoptischen Lehrwort Jesu, der das Licht


nicht anzündet ,
damit es unter den Scheflel gestellt werde ,

sondern damit es allen leuchte. Indem Petrus selbst erfährt,


wie unbedingt Jesus vergebend und gebend allem Glauben ent-

spricht, ist er hierin befähigt, aber auch verpflichtet zu einer


die Brüder stützenden Thätigkeit im Jüngerkreis.
Die Worte, die vom Werth und von der Macht des Glau-
bens reden ,
weisen nicht in das Innenleben ,
nicht auf die Be-

friedigung und Beseligung, die der Glaubende für sich selbst

aus seiner Zuversicht zieht; jene Worte zeichnen den Glauben


als den Sieg, der die Welt überwunden hat, als königliche

Machtfülle, die wirken kann. Diess macht die Grösse und den
Werth des Glaubens aus ,
dass er die Befähigung zum Werke
ist. Dieses Werk aber ist Liebeswerk. Sehr sinnvoll und in

engem innerm Zusammenhang schliesst sich bei Markus 11, 25


an die der glaubenden Bitte gegebne Verheissung die Mahnung
an: wenn ihr betend steht, vergebt, wenn ihr etwas wider
einen habt! Um so bedeutsamer ist dieses Wort hier angefügt,

da die That Jesu, von der die Rede ausgeht, ein Gerichtszeichen
ist. Die Thätigkeit der Jünger hat sich nicht in dieser Rich-

tung zu bewegen, sie haben nicht als Richter und Rächer an


der Weit zu handeln, die Gotteskräfte, die dem Glauben ver-
160 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

heissen sind, maclien sicli nicht feindseligem Sinne dienstbar,


die Bitte empfängt dieselbe nur dann, wenn sie die Liebe in
sicli bat, dem entsprechend ,
dass die Erhörung derselben im
Blick auf die Verfehlungen des Bittenden einen Akt göttlichen
Vergebens in sich trägt.
Der Zusammenhang zwischen Liebe und Glauben
innere
kömmt auch dadurch hell zum Ausdruck, dass Jesus die Lie-
besthätigkeit unter den Gesichtspunkt der Treue stellt. Auch
diese erscheint Bedingung des göttlichen Gebens. Jesus
als

stellt sein ganzes Verhalten unter das Gesetz: wer da hat, dem

wird gegeben, Mths. 13, 12. 25, 29. Der am Mammon treuo
wird in die ewigen Hütten aufgenommen und der in den
kleinen Verhältnissen des Jüngerlebens treue empfängt das
Reichsgut in grossem Mass. Mit dieser Bindung der göttlichen
Gabe an die Treue erleidet der Makarismus über die Armen
und Kleinen und die der glaubenden Bitte an sieh selbst ge-

gebene Verheissung keine Einschränkung, weil die in der

Treue enthaltene eigne produktive Thätigkeit des Jüngers nicht


auf einen ihm ursprünglich eignen Besitz sondern auf Gottes
Gabe bezogen ist. Das aktive »treu" geht dem empfangenden
Vertrauen in Jesu Wort genau parallel. Wie er in Bezug auf
Brod und Gewand von Glauben spricht, so ist auch der »un-

gerechte Mammon" der Ort, an dem Treue bewiesen werden

muss, Luk. 16, 11. Wie der Glaube mit höherem Inhalt im
Jünger verhältniss wiederkehrt, so bildet auch das von Jesus
seinen Jüngern eingehändigte Gut und die von ihm ihnen an-

gewiesne Stellung das Objekt der Treue, Mths, 25, 23. Luk.
19, 17. Mths. 24, 45. Luk. 12, 42. Ist der Glaube Erwartung
der Gabe, Verwerthung derselben und darum
so ist die Treue

nur Fortsetzung, Vollendung, also die Wahrheit jenes Glau-


bens, der die Gabe begehrt und empfängt. Die Verwerthung
der Gabe besteht nun im Natur- wie im Jüngerverhältniss in
der Mittheilung derselben an andere, also im liebenden Dienst,
GLAUBE UND LIEBE. 161

Sie widerstrebt, weil sie Gabe der Grüte ist, selbstischer Ver-

wendung, so dass der im Glauben liegende Wille ,


der die Gabe
Gottes aus der Hand seiner Güte empfangen will, treubrüchig

abreisst, es sei denn er finde im Liebeswillen seine Fortsetzung.

In der eignen Güte hat das auf Gottes Güte gerichtete Ver-

trauen, das auf erfahrner Güte beruht und Güte neu erfährt,
seine richtige Konsequenz und der Buss- und Glaubensruf leiten
,

also das menschliche Wollen und Handeln in dieselbe Bahn,


nämlich in die Liebe hinein.
Noch unmittelbarer einigt sich der Glaube mit demjenigen
Lieben ,
das auf Gott und Jesus selbst gerichtet ist. Dem sündi-
gen Weibe wird die Vergebung gewährt um der Liebe willen,
die sie Jesus erweist, Luk. 7, 47, und daneben steht das andre
Wort : dein Glaube hat dir geholfen. Liebe und Glaube stehn also

hier zusammen als Ursache einer und derselben Gabe *),


ohne dass
hierin ein Räthsel liegt; denn ein Vertrauen, das Jesus in so
umfassendem Sinne als den Gütigen erfasst, dass von ihm für

Leben Aufrichtung und Heilung erwartet wird,


ein verdorbnes

kann nur durch künstliche ßegriffsgrenzen von der Liebe ab-


getrennt werden; es ist in sich selbst schon werdende Liebe,

es strebt schon mit allen Kräften der Seele über das eigne Ich
hinaus auf den hin ,
den es erfasst, und treibt darum, so gewiss
es wahrhaft ist, die Liebesäusserung aus sich heraus. So hat
Jesus das Jüngerverhältniss überhaupt als Liebe zu ihm be-

schrieben und sich dem verweigert, der ihn nicht über alles

liebt, Mths. 10, 37 ff. Auch dieses Lieben lässt sich von jenem
Glauben, von dem er z. B. zu Petrus spricht, der sich ver-
trauend ihm als dem Christus anschliesst, nicht sondern als

ein von ihm geschiedener Akt, es hat in ihm Anfang und

Grund, nur ist die Liebe der höhere und reichere Begriff, der
den Anschluss an Jesus noch voller und umfassender benennt ,

1) Siehe üter die Stelle Evl. 10.

11
162 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. IV.

indem er ihn über die dem eigaen Mangel und Bedürfen ab-

helfende Gabe Jesu binausfülirt zurHingabe an Jesu Person


selbst im Blick auf die ihm selbst innewohnende Lebensherr-
lichkeit. Die Liebe nennt so das Ganze, in das der Glaube

führt, in dem er nicht untergeht, sondern bleibend als ein

wesentliches Moment fortbesteht und seine Reife erlangt.

Der Zusammenhang zwischen Glaube und Liebe kann aller-

dings abreissen denn er ist nicht naturhafter Art. Der Enecht


,

kann um Vergebung bitten und darum haben, und sie doch


sie

nicht haben ,
weil er den Mitknecht richtet oder er kann das ,

Talent empfangen und für sich selbst besitzen und doch des
Eeichs verlustig gehn weil er sich seinem Dienst entzieht.
,

Ebenso stehn Glaube und Lieblosigkeit in dem Worte Mths.


7, 21 ff neben einander, denn die Wunderthat im Namen
Jesu schliesst den Glauben ein und die Gesetzlosigkeit

avoßix — ist durch die Bergpredigt selbst yoU bestimmt als

Losbindung vom Liebesgebot, 5, 17 ff. 7, 12. Jesus setzt

somit voraus, dass die Zuversicht zur Bedeutung und Kraft


'

seines Namens zu einer bis zur Weissagung und zum Wunder

sich steigernden Wirksamkeit führen und doch von innerm


Gegensatz gegen Gottes Gebot begleitet sein könne. In solchem
Falle ist der Glaube null und nichts, und er bildet keinen

Verband mit Jesus und Gott. Aber bleibt hiebei der Glaube
selbst intakt? Kann
auch bei innerm Gegensatz wider Got-
er

tes Gesetz in der Lieblosigkeit fortbestehn als unbedingte un-

getheilte Zuversicht zu Gott? In der selbstischen, herrischen

Ausnützung der ihm übertragnen Stellung liegt die Untreue


des über das Gesinde gesetzten Knechts, Mth. 24, 49; mit der

selbstischen Reflexion ,
dass seine Arbeit für den Herrn geschehe
und dieser ihren Ertrag an sich ziehe, ohne dass sie ihm selbst

zu gute komme, zeichnet Jesus die Bosheit desjenigen, der sein

Talent vergräbt, Mths. 25, 24; aber an beiden hat er scharf den
•^n der Lieblosigkeit liegenden Vertrauensbruch herausgehoben j
GLAUBE UND LIEBE. 163

jener denkt: er zögert! dieser beurtheilt ihn als hart, (TK^yipot; ,

beides ist des Glaubens Ende und Gegentheil.


Die dem Glaubenden gegebene Verheissung macht ihn zum
Herrn über die Welt, aber nicht zum Herrn über Gott; indem
er vielmehr alles nur glaubend und bittend erlangt, ist er Gott

völlig unterthangemacht und in die umfassendste Abhängigkeit


von ihm hineingestellt und diess nicht nur objektiv im realen
Effekt des Glaubens, sondern auch subjektiv in der Gestaltung

seines Strebens und Wollens. Wer Bergen effektvoll gebieten

will, will mit Gottes Kräften wirken; indem er aber glaubend


dieselben erbittet und erlangt, handelt er in der Gewissheit,

dass sich die Kräfte zur Bewegung des Bergs nur in Gott fin-

den und nicht seinen Besitz bilden, sondern Gottes alleiniges

Eigenthum sind und ihm nur daram zufliessen weil Gott gütig ist. ,

Das Streben, über die Kräfte Gottes selbstherrlich zu verfügen,


also nicht nur die Welt sondern auch Gott sich unterthan zu

machen, hebt das Grundmoment im Glauben auf, es negirt

jenes sh tx.</oiö6q, dass einer und zwar nicht der Mensch son-
dern Gott der gute ist. Glaubend in selbstischer Absicht bitten

ergiebtdarum einen Selbstwiderspruch ,


der nicht mehr Glaube
sondern Zerth eilung und Zerspaltung des Herzens ist. Darum
hat Jesus seinem Worte über die Macht und Freiheit des
Glaubenden keine äussere Einschränkung und Begrenzung ge-
geben, als müsste diese erst noch ausdrücklich der Willkür

entzogen und der Norm Gottes unterthan gemacht werden ; sie

hat ihre Grenze und Schranke in sich selbst; als an den Glau-
ben gebunden beruht und besteht sie in Gott, damit aber nur

in der Unterordnung des eignen Begehrens unter Gott, in der

Einfügung des eignen Willens in Gottes Willen, d. h. sie hat


die Umkehr zu Gott und die Liebe Gottes in sich.

Obwohl aber der Glaube die Busse unter sich und die Liebe
über sich hat, die beide das göttliche Geben nicht weniger
bedingen als er selbst, so führt diess doch in Jesu Wort zu
164 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IV.

keinerlei Begrenzung und Bedingtheit des ölaubensakts son- ,

dern er liat auch seinerseits ein Ganzes zu bleiben, das nichts

ist als volle ungebrochne Zuversicht zu G-ott. In den Moment,


da dem Berge zugerufen wird: gehe weg! schiebt Jesus kei-
nerlei reuige Reflexion über die geschehene Sünde und keinen
berechnenden Ueberblick über die bewährte Treue und voll-
brachte Liebesthat ein, nun gilt es nur zu glauben, diess aber

ganz, die Erwartung soll sich wie vom eignen Vermögen so


auch vom eignen Verhalten lösen, und an Gott allein in der
ünbegrenztheit seiner Macht und Güte angeschlossen sein. Die

Frage, ob dem Menschen eine ungebrochne Vertrauensstellung


möglich sei da er doch durch eine Umkehr hindurchgehen muss
, ,

alsoden sittlichen
Gegensatz gegen Gott in sich
trägt, ob
sichdennoch im Menschen ein auf Gott gewandter Wille fin-
den könne, in dem sein ganzes Innenleben geeinigt wäre,
erhält darin ihre Antwort, dass Jesus den Glauben nicht nur
als Akt des Menschen sondern als Wirkung Gottes im Men-
schen betrachtet hat. Er bittet für den Glauben des Petrus,
denn Gott gründet und erhält ihn, er antwortet auf das Be-
kenntniss desselben: das hat dir Gott geoffenbart; er freut sich
der Unmündigen um ihn her, jener »Kleinen, die an ihn

glauben", denn Gott hat ihnen geoffenbart, was er den Wei-


sen verborgen hat. So ist der Glaube für Jesus nach seinem

ganzen Verlauf ein göttliches; begründet auf die


gebende frei

Güte Gottes, aus deren Anschauung er entspringt, gefolgt von


der That Gottes der alles was seine objektive Wirkung aus-
,

macht, angehört, beruht er auch in seinem Entstehn in einer


göttlichen Wirksamkeit, durch die allein im Menschen, der
den Vater nicht kennt, Mths. 11, 27, eine wahrhaft Vertrauen
in sich tragende Zuwendung zu ihm entsteht. In diesem seinem

göttlichen Ursprung liegt vollends die Gewähr für seine alles

von Gott erlangende Macht.


FÜJSTFTES KAPITEL.

Der Glaube im vierten Evangelium.

Der Jotanneisclie Sprachgebraucht ;


die Watrheit; die Bejahung der Messia-
nität Jestt; ihr Verhältniss zum Wort uad Werk Jesu, zur Schrift und
zum Täufer; die Glauhenshindernisse ;
Jesu Tod und Auferstehnj die

Bedingungen für das Entstehn des Glaubens; Glaube und Erkenntniss;


Glaube und Liebe ; die Immanenz Jesu in den Glaubenden ; der Glaube
Empfang des Geists.

Es sind der Zahl nach wenige Begriffe, in denen Johannes


das Wort Jesu reproducirt inhaltlich ist aber in sie alle eine
;

grosse Fülle gefasst und sie sind eigenartig ausgewählt; auch

Glaube gehört zu ihnen und zwar als Hauptbegriff, der durch


das ganze Evangelium wiederkehrt, wie in der Zeichnung der
Situationen durch den Evangelisten, so auch im Worte Jesu
selbst. So häufig aber »glauben", ttkttsvsiv ,
zur Verwendung
kömmt, so überaus einfach bleibt der Sprachgebrauch.

UitTTtg Treue und Tncrrö? treu, doch nicht nur sie, auch
aTTKXTsTv aTT 1(7x1IX. ohiyoTTKXTog oMyoTriiTTlx, ja selbst Tthriq Glaube
fehlen sammt und sonders im Evangelium. Zu Triarsustv bildet
einfach ov Tno-rsvsiv den Gegensatz.Nur im Worte an Thomas,
20, 27, tritt aus der Wortfamilie zu dem immer wiederkehren-
den "TrKTTsÜEiv noch ciTTio-Tog ungläubig und Trirrrög = gläubig hinzu.
Hier reichen dem Evangelisten Tria-rsüsiu und ov Trio-raveiv nicht

mehr aus, er will das bleibende Resultat nennen, wie es sich


166 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

für die gesammte Beschaffenheit der Person aus dem Glauben


oder Nicht glauben ergiebt. Im Glaubensakt oder in der Glaubens-

verweigerung vollzieht sich ein »Werden", yivscr^oct Tna-rög oder


a,7nuToq ,
das der Person ihre bleibende Bestimmtheit giebt und
zur Eigenschaft derselben wird. Von abge- dieser einen Stelle

sehn kömmt aus der ganzen Wortgruppe nur Tricyrsveiv vor.


Die Modifikationen des Verbalbegriffs, wie sie das griechische

Tempussystem bot, hat sich der Evangelist angeeignet, und er ver-


wendet mit Nachdruck auch das Perfektum TrsTncrTsvicivxt zur

Benennung des definitiven bleibenden Zustands, der aus dem


Glaubensakt erwächst. Fest bestimmt ist der Anschluss des

Objekts an das Yerbum: man glaubt zu Jesus hin, ttkttsvsiv elg

avTQv. Bei andern Glaubensobjekten tritt der Dativ an :


Mose, den
Worten oder Werken Jesu, der Schrift glauben, vgl. auch:

glaube mir, 4, 21. Wird gesagt »an das Licht glauben", 12, 36,

so wird damit von der festen Regel des Sprachgebrauchs nicht

abgewichen, denn das Licht ist Christus selbst. Der Wendung:


an Jesus glauben steht nur die Formel an Gott glauben,
: TrKrrsvsra

elg Tov bsöv parallel, 14, 1 vgl. 12, 44. Im BHck auf die Pas-

sion wird den Jüngern gesagt: wendet euer tkttsusiv hin zu


Gott ,
die innere Situation ,
in welche sie durch Jesu Leiden
versetzt werden , bringt es mit sich ,
dass ihr Vertrauen nicht

als in Gott ruhend, sondern als zu ihm hinstrebend, ihn suchend


und fassend gedacht ist. Häufig ist ferner der Objektssatz mit

ori ;
einmal wird mit tovto die vorangehende Aussage ,
welche
dem Glauben seinen bestimmten Inhalt giebt, wiederholt : irKTTSvsiq

70VTD] 11, 26. Es bleibt somit das Wort vollständig auf der
Stufe des Aramäischen und es liegt in demselben auch nicht

eine Spur von Gräcismus vor. V^I^^T] und sein Gegensatz J^7
I . .. T

PQTl, dazu t^^D'^D und ••


seine Negation werden in's Griechische
I

T•• : :

übersetzt; dem ^"IX, 7, Ü J''D^'^ entspricht TTKrrsvsiv sl? ,


riui

und ort. Was nicht direkt ein aramäisches Aequivalent bei sich
DER JOHANNEISCHE SPRACHGEBRAUCH. 167

liat, bleibt fern, eine Wahrnehmung, die sich bekanntlich am


ganzen Sprachschatz und Wortgefüge des Evangeliums machen
lässt, es ist vollständig Wiedergabe aramäischen Worts.
Es entspricht dieser aramäischen Haltung der Eede, dass

Johannes auch D^w^3 pÖH in's Griechische hinüber nimmt:

TrKTTsüsiv sig 70 Synagoge vom Glauben an


ovofioi. Redet die

Gottes Namen so spricht Johannes vom Glauben an Jesu Namen


, ,

in der Rede Jesu nur 3, 18, sonst noch 1, 12. 2, 23. Die

Konstruktion mit sU macht den Namen in derselben Weise


zum Objekt des Glaubens wie die Person selbst, von der er

überhaupt nicht abstrahirt wird. Der Name erschliesst ihr We-


sen und Werk, wesshalb er auch 3, 18 voll bestimmt erscheint:
an den Namen des einigen Sohnes Gottes glauben.

Die lockerern Beziehungen des Begriffs treten in durchsichtiger


Weise an: mit iv der Grund, in dem das TTKrTsvsii/ beruht

16, 30; mit W t; das sachliche Motiv 4, 39. 41, mit ^id
Tivoc der das ttio-tsusiv vermittelnde 1, 7. Intressant ist irifjTsusiv

TTsp) Tou rü0Kov oTi 9, 18, weil es zeigt, wie deutlich sich der

Evangelist auszudrücken weiss, wenn er von einem %ia-r£U£iv

sprechen will, das nicht Anschluss von Person an Person zu


bleibender Verbundenheit ist. Einmal wird das Wort von Jesus
mit doppeltem Objekt gebraucht: ttkttsvsiv ocutov ocvtoIc; 2, 24.

Auch bei Johannes hat Tria-Tsustu kein Synonym neben sich :

TTSTToi^svxi TTsi^rscr^ixi fehlcu ganz , dagegen tx^rsi^sTv 3, 36 ;


utö-

fjt,ov}i u7rof4sv£tv eXTriq fehlen ,


und doch waren beide Begriffe in
der apostolischen Sprache so kräftig entfaltet; sKttI^siv steht

ein einziges Mal von Trio-Tsvsiv scharf geschieden zur Charakte-

ristik des Judenthums, 5, 45.


Dagegen tritt das alte Begriffspaar der Schrift HDI^I "IDH

gewichtig in die Sprache des Evangelisten ein, doch nicht in


seinem synoptischen Gewand als to sKsoq Tta) vj Tria-rtq, sondern
als ^ x^P^^ '^^^ ^ xKvjbsioi,.) und nicht an die von den Menschen
168 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

ZU übende sondern an die von Grott ausgehende nD^^"^ lÜPi

hat er gedacht. Beschrieb die Schrift Gott als den, der »gross
an Güte und Treue" ist, nannte sie diess als seinen göttlichen

Charakter ,
als seine Gottesmajestät ,
nun ,
eben diess war
Jesu Eigenthum Werk, und sein persönlicher Besitz und
zugleich seine Gabe an die Welt, 1, 14. 17'). Doch so

bedeutsam der Prolog den Begriff verwendet ,


in die Reden
Jesu tritt er nicht ein, so wenig als das »Wort". Wohl aber
kehrt /z^jj^shz für sich allein in den Reden Jesu wieder als

Hauptbegriff, theils bezogen auf einen einzelnen Ausspruch, 4,


37. 16, 7. 10, 41, vorwiegend aber mit umfassendem Sinn mit
grosser Prägnanz. Der reale Sinn des alten flDS^ und J^üU^p
V v: T 'V :

ist festgehalten auch im griechischen Wort. Die Mhii^rsix ent-


steht nicht erst durch menschliches Erkennen und Reden, sie
wird überhaupt nicht, sondern besteht in vollkräftigem Sein
vor und über der geistigen Thätigkeit der Menschen. Nur in-

nerhalb des Kosmos kommt ihr ein »Werden" zu, 1, 17; hier
erhält sie erst durch bestimmte Ereignisse ihr Dasein und ihre

Macht, dadurch dass Zeugniss gegeben wird für sie, 5, 33. 18,
37. Als über der Welt und dem Menschen bestehend ist sie
ein göttliches. Ausdrücklich Gott zugeignet als ä^vj^stoi rou

Sreou wird sie abgesehen vom rec. Text 17, 17 nirgends; eben-

sowenig als von Gottes Licht oder von Gottes Leben spricht
Johannes von Gottes Wahrheit. Er unterscheidet nicht ein dop-

peltes Licht, menschliches und göttliches, sondern Licht und


Leben sind ein einiges ,
Gott allein eignendes ,
und was in der

Welt Licht und Leben hat, hat Theil an göttlicher Wirkung


und Gabe. Ganz ebenso hat er den Wahrheitsbegriff konzen-

die Beziehungspunkte der Erscheinung Jesu zum alten


1) Der Prolog hebt überhaupt
Testament hervor; was das alte Test, an göttlichen Manifestationen kennt, ist in ihm
wesenhaft vorhanden: er ist das Wort, die Schechina, 1, 14, die Gnade und Wahr-
heit, der Exeget ty*\3D, der den von niemand geschauten Gott zugänglich macht.
DIE WAHRHEIT. 169

trirt zu einer ungetheilten Einheit, sie zerfällt ihm nicht in eine

menschliche und göttliche ,


sie ist Gottes Art und Wesen ,
er

ist lAQvot; xKvi^ivoq^ IV ,


3 ,
sie ist sein Wesen, aber so, wie es
sich der bewussten G-eistigkeit des Menschen kund giebt. Da-

rum treten „Wahrheit und Leben" zusammen und bilden in


ihrer Vereinigung den Weg zu Gott, 14, 6. Darum ist Jesus
»die Wahrheit", weil in ihm das in Gott verborgne gegenwär-

tig ist und der Welt sich ofienbart. Desshalb treten weiter
Geist und Wahrheit zusammen und der Geist ist »der Geist der

Wahrheit", 14, 17. 15, 26. 16, 13. Sie wendet sich an das
Erkennen und an das Thun beide Formeln, ytuä^Kstv ; tvjv ^Kvi^sixv
und TToislv rvjv äKvj^sioiv werden gebraucht, 8, 32. 3, 21. Ja, ihre

erste und nächste Beziehung hat sie zum Thun des Menschen und
erst von hier aus tritt sie in das Erkennen ein, 7, 17. Sie macht
sich zur Wurzel des menschlichen Seins. Der Mensch kann aus der
Wahrheit sein, 18, 37, wie er aus Gott sein kann und beides

fällt sachlich zusammen, vgl. 18 ,


37 mit 8 ,
47 f. Ihr Gegen-
satz ist \p£v^og f
welcher Begriff nicht nur den Betrug andrer
nennt ,
sondern zugleich das gesammte Gebiet des Scheins ,
der

nichtigen, imaginären Gedanken und Tendenzen bezeichnet. Wie


die Wahrheit Gott eignet, so charackterisirt die Lüge den Sa-

tan, und den, der in seinem innern Wesen von ihm abhän-
gig und gestaltet ist, ihn zum »Yater" hat, 8, 44. Die reale
Wendung von oiKvi^sioi, rief dem Gebrauch von tzÄifSrivöt; neben
demjenigen von xXtj^ijg. Letzteres bleibt Relationsbegriff, es
fordert ein anderes Subjekt, gegen das die Person oder Sache
wahr ist; tx^ij^ivog betrachtet die Sache nach ihrem eignen
Wesen und Bestand, es wird ihr damit äKiljbsioi, als ihre Art

und ihr Charakter zugeeignet an sich selbst '').


Die Beziehung
von dXi^bwg auf den Gedanken »Idee", so dass es das, was
seiner Idee entspreche, benenne, trägt einen fremden Begriff,

1) Vgl. über den Unterschied beider Adjektive Erl. 11.


170 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

ein griecliisches Gebilde in das Evangelium ein. Der Gegen-


satz, auf den sich xK^^ivog bezieht, ist nicht der zwischen
Urbild und Abbild, da ja nicht das Nachbild der ixKyj^si»

entgegensteht, sondern xpsu^og. Das Wort bezieht sich also auf

den Gegensatz von vresenhafter ,


kraft- und werthvoUer Rea-
lität und leerem, trügendem Schein. Bis in's Einzelne des Ge-
brauchs hinein bleibt die Johanneische dXyj^stx, bei ihrer semi-
tischen Wurzel. Sie verbindet sieh mit f^xpTvpeJv einerseits ,
5 ,

33. 18, 37. 5, 31. 8, 13. 14. 17. 21, 24. 19, 35, zpivstv

andrerseits, 8, 16; hier hat die flDt^, S^E^Ji^lp seit Alters ihre
V v: T :
1

signifikante Stelle; rijv o:.Kv}b6i(x.v Xsysiv, XoiXsiv^ yvavxt, ttoisiv^


SV xKijb-sii^ rpocrxvvsTv haben unmittelbar ihre semitischen Aequi-
valente vgl. Seite 31 f. Der in seiner Sendung wahrhaftige
7, 28 hat seine Parallele in der Sendung HDiO Jer. 26, 15.

28, 9, o'^yjyeJv iv r^ aXvjd^siix. Träcr^ in Ps 25 ,


5 o'^vj'yvjfTov [as stt)

Tj^y xX^ibsiav (rou vgl. Ps. 86 ,


11 und im Wandel auf dem
Wege der Wahrheit, Targ. Hos 10, 12. Dem Begriff hnjKsvai
Bv Tfj «A;^&f/« nähert sich KüSi'p^ O^pflK, Hab. 2, 4. Ist die

i%KT^3^£ioi Prädikat des Lichts, 1, 9, so stellt auch schon der Psal-


ter dein Licht und deine HQ}^ zusammen. Sogar die wahrhaftige

Rebe, 15, 1, hat ihr Gegenstück in der Prophetie, Jer. 2, 21,

ÄiWTTfAo? ot,Xvi^ivvj Sept., und auch das specifisch Johanneische


slvxi SK T^t; xK^^Bsiac ist nicht ohne alle Analogie im sonstigen
Sprachgebrauch; sagt dieser von wahren und zuverlässigen
Dingen und Ereignissen: sittiv s^ Axi^^siag oti Dan. 2, 47, . . .

so sagtJohannes mit vertieftem Sprachgebrauch von den


es

Personen selbst nach ihrem ganzen Bestand '). Der alten PD^^

gegenüber ist freilich die starke Betheiligung der Erkenutniss

an der SiX^i^aioi ein neues, doch in dieser Richtung bewegte


sich der Begriff in der Synagoge schon längst, Johannes be-

1) Vgl. 1 Joh. 2, 21.


DIE WAHRHEIT. 171

wahrt ikn auch in seiner engen Beziehung zur Erkennt-


jedocli
niss vor der Verflüchtigung ins Leere der Abstraktion. Die

Wahrheit bleibt ihm durch die Eraft seiner Gottesanschauung,


wie sie ihm aus der Kenntniss Jesu ersteht, ein inhaltlich

reiches ,
bestimmtes ,
ein reales ,
lebendes ^).

Nicht nur in seiner sprachlichen sondern auch in seiner


innern G-estalt ist das Johanneische Glauben höchst einfach

bestimmt. Nathanael nennt Jesus Gottes Sohn und König Israels,


Jesus antwortet ihm: du glaubst, 1, 51. Er nennt sich dem Blind-
gebornen als den Sohn Gottes, und nun ist dessen Antwort:

ich glaube, 9, 38. Auf das Bekenntnis des Thomas erwiedert

er : du hast nun Glauben, "TTSTrta-revKixg 20, 29. Fordern die

Juden Jesus auf, es ihnen zu sagen, wenn er der Christus sei,

so lautet die Erwiederung Jesu: ihr glaubt nicht, 10, 25.

Der Glaube ist somit Anerkennung Jesu in seinem messiani-


schen Beruf. Die Erwartung sofortiger Hülfeleistung liegt nicht

nothwendig in ihm, obgleich sich der Glaube unter gegebenen


Verhältnissen zu solcher Bitte gestalten kann und muss. Die
Zuversicht, mit welcher der Königliche die ihm für seinen Sohn
gegebene Verheissung hinnimmt, heisst Glaube an Jesu Wort,
4, 50, und das Tadelwort an Martha: wenn du glaubtest!

1) Natürlicli erscheinen auch einzelne Begriffs Verknüpfungen ,


die schwerlich irgend

wo sonst ein Analogen hahen : so die Verbindung der Wahrheit mit ßpaa-tq , ttöitii; ,

HpTog, 6, 55. 33. dyia^eiv h t^ xÄ^äsio^ 17, 17. 19, an letzterer Stelle jedoch in
starker Annäherung an den Gehrauch von XülJ>-1p3,
die Verknüpfung vonfAsü&sp/^
und SiÄijS/sta 8, 33; kxovsiv ri^v &hvßsiocv Trtxpai roüSteoS 8, 40; die konstante Benen-

nung des Geists als 7n/svfzx rjj« x^ijästixg 14, 17, 15, 36. 16, 13; vgl. I Brf. 5, 6,
die übrigens darin ihre
Vorbildung hat, dass Gott in der a^i^ästa. sein Wesensprädikat
hat. Die Briefe gehen an neuen im Evangelium nicht vorliegenden Wendungen:

'dpyov xa) a^i^Stsia 1, 3, 18 a^^ijBstx kxi xy^TTf} II, 3 &yx7rxv 'sv af^^^sly. I, 3, 18

II, 1. III, 1. 'Trspmareiv h otKyßieia. II, 4. III, 3. 4. ^ k7\-^^six {j (zhovara sv

vifMV xxi i4,eä' i^ii&v 'iarat 11, 2. ^ oiÄvßeioi trou III, 3. t^aprvpsJtrSrai vii avTljg

TiJe diKj^^sixg III. 13, a-uvEpyov yivsT^ut rp si^ifSrs/x III, 8, Wendungen, die,
etwa von der lezten abgesehen, alle im Bereich des semitischen Begriffs bleiben; zu

«yxTrxv h uhtßsici vgl. oi xyaTrävrec rov xvpiov £v x^ijBsto:. Psalt. Sal. 14, 1. 10,
4. 6, 9.
172 DER GLAUBE IM ISTBUBN TESTAMENT. KAP. V.

bezeichnet ihren Zweifel, ob sich wohl Jesus jezt dem Tode

übermächtig erweisen werde, als ö-laubensmangel. Aber der


wesentliche Charakter des G-laubens liegt hier nicht in der

Zuversicht, mit der in einer indiyiduellen Nothlage eine ein-


zelne Gf-abe momentan erwartet und erbeten wird, sondern im
Glauben ist ein bleibendes, umfassendes Yerhältniss zu Jesus

gedacht, Anschluss an ihn als an den Christus, Gottes Sohn.


So wird in den Heilungsgeschichten der Glaube nicht in der
Bitte herausgehoben ,
sondern als das Resultat des Wunders ,

sofern es den Geheilten in ein bleibendes Verhältniss zu Jesus

Der Glaube des Bhndgebornen besteht für Johannes nicht


stellt.

darin, dass er von Jesus die Oeffnung des Auges erwartet,


sondern darin, dass er, nachdem und weil er sehend geworden

ist, Jesu Gottessohnschaft bejaht. Das Begehren : komm herab


und hilf! manifestirt nicht Glaube sondern das nicht Vorhan-

densein desselben, 4, 48. Wohl aber glaubte der Königliche

nach dem Zeichen mit seinem ganzen Haus ,


4 ,
53. Desshalb
wird mit auffälliger, stark heraustretender Verschiedenheit des

Sprachgebrauchs von demjenigen der Synoptiker das Verhalten


der Umgebung Jesus zu ihm beständig in den Glaubensbegriff
gefasst, auch wenn kein einzelnes konkretes Begehren an ihn

gerichtet wird. Die Jünger, 2, 11. 20, 8, die Juden im Tempel,


8, 30, viele der Obersten, 12, 42, ja wenn es nicht gehindert
wird, das ganze Volk, 11, 48, glaubten an ihn. Wiederum die

Juden glaubten nicht, 12 87, keiner der Obersten, 7, 48, auch


,

seine Brüder nicht, 7,5. Der Eindruck, der von Jesu Wort

und Werk ausgeht, stellt seine Umgebung beständig vor die


Frage, ob er der Christus sei, und diese Frage wird bejaht
oder verneint, wesshalb bei Johannes dem Glauben stets das

nicht Glauben, ov TrKrrsueiv ,


nicht xtkttsIv gegenübersteht.
Was immer jenem negativen Verhalten positiv zu Grunde lie-

gen mag ,
für Johannes ist das das bedeutsame Moment ,
dass

der Anschluss an Jesus in Anerkennung seiner Messianität nicht


Dllfl BEJAHUNG DEB, MESSIANITÄT JESU. 173

ZU Stande kam; dieses negative Resultat ist das für die ganze
Stellung zu Gott entscheidende.
So wenig im Glauben eine bestimmte ,
auf eine einzelne Noth
bezogene Bitte enthalten ist, so voll ist er doch von Erwar-
tung, da sich die messianisehe Stellung Jesus nicht zuschreiben
lässt, ohne dass er eben hiemit Ziel einer umfassenden, un-

begrenzten Erwartung wird, welche die höchsten Güter, die


Vermittlung des göttlichen Lebensbesitzes an die Welt bei ihm
sucht. Und diese Erwartung bleibt hier so wenig, wie in der

Bitte um eine einzelne Hülfe, in schwankender Unsicherheit.


Glaube ist sie nur dann, wenn sie befriedigt und zu sicherer

IJeberzeugung geschlossen ist. Denn nur dann wird Jesus in

seiner Bedeutung, besitzt, bejaht. Er tritt


die er für die Welt
in den des Lichts und Lebens ermangelnden Kosmos als die

alles in sich befassende Gabe Gottes ^ccpsx rov S^sov 4 10 , :; , ;

er ist für sie das Licht und das Leben. Der Glaubende schaut
nicht nach einer Gabe aus ,
die ihm ferne wäre ,
er sucht nicht

nur, er bejaht, dass in Jesus die Wahrheit und das Leben


erschienen sind, er hat darum, und was er hat, ist »ewiges
Leben", und dies desshalb ,
weil Jesus der Welt solches giebt.

Eine andre Bedingung zum Empfang der Gabe Jesu als den
Glauben giebt es nicht. Unterbleibt der Anschluss an Jesus,
so bleibt der Mensch, was er ist, verhaftet an Finsterniss und
Tod den er mit dem ganzen, ohne den Christus licht- und leb-
,

losen Kosmos theilt und sein finstres, hinsterbendes Wesen

wirkt sich aus in seine lezte Konsequenz, die Verlorenheit, 3,


16. 8, 24. Weil aber in Christus das Licht und das Leben in
die Welt eintrat ,
so bedarf es ,
um empfangen und
dieselben zu

zu besitzen, nichts anderes als des Glaubens an ihn, und die

in ihm enthaltene Erwartung hat darum die Gewissheit in sich,

dass sie in Jesus ihre Erfüllung besitzt.

Damit dass die im Glauben eingeschlossne Erwartung] bei


Johannes umfassenden Inhalt hat, erhält dieselbe nicht einen
174 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

abstrakten Charakter , vielmehr wird er wie bei den Synoptikern

so auch hier höchst bestimmt als aktuelles inneres Erlebniss

gedacht; es sind konkrete Eindrücke und Wahrnehmungen, aus


denen die Zustimmung zu Jesu Messianität als Entschluss und
That des Glaubenden erwächst. Den Ausruf Nathanaels, wie er
unmittelbar aus dem Eindruck ,
den Jesu Wissen auf ihn macht,

hervorbricht, nennt Jesus Glauben, 1, 51. Analog wird die

Wirkung, die das so eben gesprochne Wort Jesu auf die Hörer
hat, indem es die üeberzeuguug wirkt, er sei wirklich wie er
ihnen sagt, von Gott gesandt, Glauben genannt, 8, 30. Aber
solch momentanes, unmittelbares Ergriffensein von der geisti-

gen Macht Jesu kann auch wiederum hinfallen und der An-
näherung an ihn nicht bleibender Anschluss sondern Abwen-
dung von ihm folgen. So behandelt Jesus die Juden, die zu
ihm Glauben gefasst haben 8 31 noch nicht als wahrhafte
, , ,

Jünger; er zeigt ihnen den Weg, wie sie diess erst zu


werden haben, nämlich durch Bleiben in seinem Wort. Und
nun werden aus den Glaubenden in rascher Wendung wiederum
nicht Glaubende. Die Verheissung, dass sie als seine Jünger
die Wahrheit erkennen und in der erkannten Wahrheit die
Freiheit finden werden , beleidigt sie ,
die Voraussetzung der-

selben ,
dass sie jetzt Knechte seien ,
wird von ihnen scharf

zurückgewiesen, sie haben als Abrahams Söhne längst, was er


ihnen erst geben will. Diese Abweisung seiner Gabe ist des

Glaubens Gegentheil, und nun schliesst sich sofort Jesu Er-

klärung an: ihr sucht mich zu tödten, sie, die eben noch als

gläubig gewordne bezeichnet waren. Jesus leitet damit ihren


Protest gegen seine Verheissung hinaus auf seine letzte unaus-

weichliche Konsequenz, gerade in diesem Moment mit durch-


dringender Wahrheit, weil nichts so sehr als ihr in sein Ge-
gentheil umschlagender Glaube die ganze Tiefe und Schärfe
des Gegensatzes offenbart, in dem sie zu ihm stehn. Sie kön-
nen sich vor ihm, der sie der Knechtschaft beschuldigt, nicht
DEE BEJAHUNG DER MESSIANITÄT JESU. 175

als die Freien behaupten ,


ohne den Wunsch und Willen :
weg
mit ihm !
^) Aehnlich wird nach dem ersten Auftreten Jesu in

Jerusalem gesagt: viele glaubten an ihn, aber sofort beigefügt:


Jesus vertraute sieh ihnen nicht ,
2 ,
24. Einem von Jesus als

dauernd und bleibend geschätzten Glauben hätte er seinerseits

vertrauend geantwortet, wie er Nathanael, dem Israeliten ohne


Falsch, sofort verheisst, er werde den Himmel offen sehn. Und
doch ob auch Jesus in der Voraussicht, die Zustimmung dieser

vielen zu seinem Auftreten werde keine bleibende sein, die-

selbe für nichtig achtet, so heisst sie doch, weil sie jetzt

wenigstens eingeht auf Jesu Wort und Werk, Glaube. Als Ver-

anschaulichung dieser Glaubenden tritt im folgenden Nikode-


mus auf, dem jedoch, wie er die Erklärung Jesu, dass dem
Menschen eine Geburt von oben nöthig und erlangbar sei,
beharrlich von sich weist, gesagt wird: ihr glaubt nicht, 3, 12.

Sogar die Obersten, die sich nicht zu ihm zu bekennen wagen


und die Herrlichkeit der Menschen mehr lieben als die Herr-
lichkeit Gottes, heissen doch „Glaubende", 12, 42, so nach-
drücklich betont wird ,
dass nicht glauben kann ,
wer Ehre
von den Menschen nimmt und die von Gott gegebne nicht
sucht, 5, 44. Allein es soll die innere Anerkennung bezeichnet
werden ,
die Jesus trotz ihrer sittlichen Schwäche und Verdor-

benheit ihnen abnöthigt, und diese Bejahung des göttlichen


Charakters seines Worts und Werks wird Glaube genannt.
Nicht nur der Glaube der Juden, auch derjenige der Jünger be-
steht nicht ohne Unterbrechung fort. Auf ihre Versicherung dar- :

um von Gott ausgiengst, antwortet Jesus:


glauben wir, dass du
jetzt glaubt ihr, 16, 21, nicht in der Absicht, ihr Glauben
zu bezweifeln ^) nein wenn sie aus der Macht seines Wissens
; ,

1) ist nur eine Ausflucht der Verlegenheit, wenn man an einen Subjelctswech-
Jils

sel in der Stelle dachte. Die Gegenrede der Juden bezieht sich direkt auf Jesu Ver-

heissung und wird auch ausdrücklich vom Erangelisten als »Antwort" bezeichnet. So
können die Antwortenden auch nur die angeredeten "Glaubenden" sein.

der Texte ist ungehörig.


3) Das Fragezeichen
176 DEE GLAUBE IM NEÜJllN TESTAMENT. KAP. Y.

den Schluss ziehen, dass er von Gott ausgieng, das ist Glaube
und Jesus bestätigt ihre Versicherung: desshalb glauben wir.
Aber freilich nur »jetzt", apri^ glauben sie und die Stunde ist

da, wo sie sich zerstreuen und ihn allein lassen. Der Gegen-
satz schränkt deutlich ihr Glauben auf den gegenwärtigen Mo-
ment ein, da er noch unter ihnen steht und sein Innerstes
ihnen erschliesst. Allerdings hat er ihnen, 16, 27, gesagt: ihr
habt mich geliebt und geglaubt, dass ich Yon Gott ausgieng.,
aber dieses rückblickende Lob berechtigt nicht, dem Glaubens-
begriff eine unbelegbare Wendung zu geben, etwa: nur der

Glaubensheroismus, nicht der Glaube bleibe aus. Sie haben ihn

geliebt und an ihn geglaubt, sie glauben auch jetzt noch,


doch nicht mehr im Moment der Passion. Dieses wandelbare,

unbefestigte Glauben stellt freilich nicht das Ziel des Jüngers


dar, daraus muss eine bleibende Bejahung werden, die von
Jesu Macht und Recht nicht mehr lässt, jenes »erkannt und

geglaubt haben", 6, 69, wie es der Jünger von sich sagt, jenes

»gläubig geworden sein", zu dem Thomas vom Auferstandnen


aufgerufen wird ,
20 ,
27.

Die Befestigung des Glaubens, die ihn zum bleibenden Cha-


rakter Menschen macht, geht mit der Bereicherung Hand
des

in Hand, die er in seinem Inhalt erfährt. Der Glaube erfasst

nicht sofort die ganze Bedeutung Jesu, diese tritt ihm erst
nach und nach in's Licht, darum wird der Glaube ein man-
nigfaltiges, in seinem Inhalt sich bereicherndes und wach-
sendes, je mehr er das Ganze der Bedeutung Jesu zu er-
fassen vermag. Die unentwickelten Formen des Glaubens
heissen desshalb ,
weil sie sich noch nicht auf die gesammte
Bedeutung Jesu beziehn, nicht Unglaube sondern auch ihrer-
seits Glaube. Nikodemus nennt Jesus Lehrer von Gott ge-
kommen und eine solche Benennung Jesu heisst der Evangelist

»Glaube an seinen Namen" 2, 23, wenn auch der Ein-


blick in Jesu Stellung damit noch lange kein vollständiger
DIE BEJAHUNG DER MESSIANITÄT JESU. 177

umfassender ist. Verwandt ist das Urtheil des Volks: er ist

ein oder der Prophet! 4, 19. 6, 14. 7, 40; noch voller ist der

Glaube bestimmt, wenn Jesus als der Christus, Israels König


erkannt ist, 1, 50. 4, 26. 7, 41 neben 40. 11, 27, Doch
so gewiss diess Glaube ist, so wird doch von den Jün-

gern, die ihm von Anfang an den Christusnamen entgegen-


bringen, nach dem Z'eichen von Kana bedeutsam gesagt: er

machte seine Herrlichkeit offenbar und seine Jünger glaubten


an ihn, 2, 11, und nach der Auferstehung heisst es wie-
derum nachdrücklich von dem ungenannten Jünger: er sah
und glaubte, 20, 8. Mit dem Thomasbekenntniss mit dem das ,

Evangelium schliesst, steht auch der Glaube inhaltlich an sei-

nem Ziel.

Die ganze Vielheit der Glaubensaussagen von der einfach-


sten bis zur reichsten wird von dem höchst charakteristi-

schen Ausdruck umspannt: glaubt, dass ich bin, 13, 19. Was
dieses »ich" in sich schliesst, ist damit noch nicht beleuchtet
und bestimmt, und es ist schwerlich zulässig, wenn wir nach
eignem Gutdünken dem Satze ein Prädikat geben, das er nicht
hat, etwa: dass ich der Christus bin u. dgl. Vielmehr ist diess

die erste einfachste Funktion des Glaubens, festzuhalten: er

ist! ihn anzuerkennen als den daseienden, vorhandnen, wirk-

lichen, als äKvi&sioc,. Die Stelle sieht hinaus auf die Passion.
Dann haben sie ihn nicht als den Entschwundnen und ünter-

gegangnen zu betrachten, dann gilt es zu glauben: er ist.


Analog wird den Juden gesagt: ihr glaubt nicht, dass ich
bin ,
8 ,
24 ,
und damit wird der Unglaube auf seine radikale ,

principiellste Gestalt zurückgeführt. Sie streiten ihm sein Dasein

ab, und lassen ihm nicht gelten, was er doch thatsächlich


vor ihren
Augen ist. Allein dieser einfachste Ausdruck des
Glaubens nimmt zugleich die ganze Fülle desselben in sich
auf. Diese absolute Bejahung seines Seins, die dasselbe hin-
stellt als unerschütterliches Faktum: ich bin, ruft zu einer
12
178 DER GLAUBE IM NEUETST TESTAMENT. KAP. V.

unbedingten Zuversicht auf. Solches Sein ist schliesslich Q-ottes

Prädikat, und ein Glaube , der ihn erfasst als den welcher
ist, erkennt ihm die Unzerstörbarkeit und Festigkeit dessen

zu, der »das Leben hat in sich selbst", 5, 2&. Schwerlich ist

der Ausdruck ohne Rückbeziehung auf alttestamentliche Vor-


bildungen. TTKxrsüsiv ort eyä sif^i fordert der Prophet für Gott,

Jes. 43 ,
10 ; sodann dürften Stellen wie Deut. 32 39 und ,

vor allem aus der Name Grottes, Ex. 3, 14, im Hintergrunde


stehn. Was Gott in seiner Offenbarung an Israel demselben
zunächst zur Anerkennung vorhält, dass er ist, der er ist,
das überträgt sich auch auf Jesu Erscheinung, auch er steht
vor den Menschen als der, welcher ist, und der Glaube hat
ihm gegenüber dasjenige zu bejahn, was Israel in seinem Got-
tesnamen von Gott aussagt.
Allen Formen des Glaul)eiis ist diess wesentlich, dass Jesu

Verhältniss zu Gott erkannt und bejaht wird. Ein Lehrer von


Gott gekommen, sagt Nikodemus und darum ist sein Wort
Ausdruck des Glaubens. Ebenso bezeichnen ihn die Namen
Prophet und Christus von Gott gesandt. Darauf wird sehr
als

ernst der Nachdruck gelegt, als auf den Punkt, der für die

gesammte Stellung zu Jesus entscheidend ist. Am Grabe des


Lazarus dankt Jesus vor dem Volke für die Auferweckung
desselben ,
damit alleglaaben ,
dass Gott ihn gesandt hat ,11, 42.

Das Ziel der Glaubensbegründung in den Jüngern wird so


bestimmt: sie glaubten, dass du mich sandtest, 17, 8, nicht
anders auch das Ziel, zu dem die Welt gebracht werden soll,

17, 21. Das anerkennende Wort: jetzt glaubt ihr! wird den

Jüngern zu Theil nachdem ,


sie erklärt haben : wir glauben dass ,

du von Gott ausgegangen bist, 16, 30 vgl. 27. Die Sendung


durch Gott setzt sich in Jesu bleibendem Verbände mit ihm
fort und auch dieser wird als der wesentliche Inhalt des Glaubens

genannt: der Glaube erfasst, dass er im Vater ist und der


Yater in ihm, 14, 11. 10, 38. Die gesammte Bedeutung
DIE BEJAHUNG DEE MESSIANITÄT JESU. 179

Jesu für die Welt ,


also aller Werth und alle Wirkung des

Glaubens hat darin ihren Realgrund, dass Gott derjenige ist,


welcher ihn sandte und in welchem er mit seinem ganzen
Sein und Wirken ist; darum liegt an dieser Stelle des Glau-
bens Nerv.
Auch das Nichtglauben tritt in verschiedner Form und
Abstufung auf. Von den Brüdern wird z. B. gesagt: nicht
einmal sie glaubten , 7 ,
5 ; denn sie stossen sich an der ga-
liläischen Verborgenheit Jesu, am Mangel von Offenbarung
der Welt gegenüber. Derselbe Gedanke findet aber auch im
Jüngerkreise noch während der letzten Reden Jesu Ausdruck,
14, 22, und auch den Jünger, dem der Vater noch als der

verborgne and unbekannte erscheint, fragt Jesus desshalb:

glaubst du nicht? 14, 10. Weder dieser noch jene sind damit
den Juden gleichgestellt. Die Brüder setzen ausdrücklich voraus ,

dass Jesus, wenn er nach Jerusalem geht, dort Zeichen thun


wird und darin besteht gerade ihr Unglaube, dass sie Jesus

auffordern: lass deine Jünger deine Werke sehn! Die Juden


dagegen verhören den geheilten Blinden in der Absicht, das
Zeichen als ungeschehen zu annuUiren, und ergeben sich in
die Wirklichkeit des Zeichens erst angesichts der nicht zu be-

seitigenden Aussage seiner Eltern ,


9 ,
1 8 ff. Dort liegt der An-
stoss darin, dass seine Zeichen nicht öffentlich sind, hier darin

dass er ,
ein solcher Mensch ,
Zeichen thut. Die Abweisung Jesu
kann von sehr verschiednen Momenten in seiner Erscheinung

ausgehn und auch dann noch, wenn schon innere Beziehung


zu ihm vorhanden ist, doch noch gewissen Seiten seines We-
sens und Werks gegenüber fortbestehn. Seine definitive bleibende
Gestalt hat der Unglaube dann gewonnen, wenn er bei dem

Urtheil anlangt: dieser Mensch ist nicht von Gott, 9, 16. Wie
für den Glauben, so ist auch für den Unglauben Jesu Ver-
hältniss zu Gott der entscheidende Punkt.

Der Aufruf zum Glauben liegt unmittelbar in der Weise, wie


180 DER GLAUBE IM NETJElSr TESTAMENT. KAP. T.

sicK Jesus der Welt darstellt und bezeugt. Die Frage: wer bist
denn du? ist innerlich, grund- und rechtlos, weil sie das was
er konstant der Welt bezeugt, überhört, 8, 25. Er steht sich
offenbarend vor den Menschen ,
und das ,
was er aus sich heraus

ihnen kund giebt, kann nur Konsequenz in ihnen finden:


eine

unbedingtes Vertrauen, das sich ihm als dem von Gott ausge-
gangnen Erretter und König der Welt hingibt. Sein Wort
und Werk, die beiden Medien seiner Selbstbezeugung sind ,

darum auch die beiden Glaubensmotive, wobei das Werk mit


seinem wunderbaren Charakter, der es zum Zeichen macht,
eine eigenthümliche Bedeutung erhält. Durch ein Wunder des
Wissens wird Nathanael gläubig, auf demselben Wege wird
auch die Samariterin von Jesus zum Glauben geführt; aus der

Erkenntniss, dass Jesus nicht der Frage bedarf, sondern in sei-

nem eignen Wissen das die Jünger bewegende schaut und löst,
entspringt der Glaube der Jünger, 16, 30. Die Zeichen in
Jerusalem, vor allem aus das Lazaruszeichen, wirken in den
Juden Glauben, das Zeichen zu Kana in den Jüngern, 2, 11.
23. vgl. 7, 31. 11, 45. 12, IJ. Der Blinde wird darauf ver-

wiesen ,
dass er den Sohn Gottes »
gesehen hat" in der heilenden
That, nicht nur hört in seinem Wort, 9, 37 vgl. 6, 36. Jesus
selbst macht Juden wie für die Jünger als
die Zeichen für die

Glaubensmotiv geltend, denn sie sind sein Zeugniss, um dess

willen oder dem sie Glauben schuldig sind, 10, 25. 38, 14, 11,

das Gott für ihn ablegt ,


5 ,
36. um der Werke willen ist

Israels Unglaube unentschuldbare Sünde, 15, 24. 12, 87.

Andrerseits wird auch bei Johannes die Zeichenforderung rund-


um abgewiesen und sofort als die auf seinen Tod hinzielende

Tendenz charakterisirt, 2, 18 ff. Es sind die murrenden Juden,


welche fragen: was thust denn du für ein Zeichen? 6, 30; in

ihrer Aufforderung ; lass deine Jünger deine Werke sehn ,


offen-

baren die Brüder ihren Unglauben, 7, 3 ff. Die Bitte um das

Wunder wird als Nichtglauben getadelt, 4, 48, und das Evan*


JESU WO ET UND WERK. 181

gelium scMiesst mit der Seligpreisang derer, welche nicht sehn


und doch glauben 20 29. , ,

Es fehlt nicht den Gedankengang aufdecken,


an Stellen, die

aus dem diese beiden Reihen von Urtheilen über den Glauben
erwachsen und in dem sie ihre innere Einheit haben: Joh. 14,

10. 10, 38.


Jesu Wort schliesst sein Verhältniss zu Gott und zu den
Menschen auf; es ist das erste und nächste Mittel seiner Selbst-

bezeugung auf das er den Jünger den er fragen muss glaubst


, ,
:

du nicht? zuerst verweist. Und zwar entsteht das Anrecht seines


Worts auf Glauben nicht nur daraus, dass es sie ausdrücklich
seiner Sendung durch den Vater und seiner bleibenden Gemein-

schaft mit ihm versichert, sondern sein gesammtes Eeden hat


in Gott seinen Ursprung und tritt darum mit allen Cha-
rakteren des Göttlichen vor den Menschen; dieser soll im
Stande sein ,
die Art Gottes in der Rede Jesu wahrzunehmen ,

womit sein Wort als Basis eines vollen Vertrauens erkannt


ist. Wer nun in seinem Wort die göttliche Belbstbezeu-

gung wahrnimmt, der »glaubt ihm^\ er hat in diesem Mo-


ment noch nichts vor sich als Jesu Person, es sind die an ihr
selbst zu Tage tretenden göttlichen Charaktere, auf die das
Vertrauen und die
Anerkennung bezogen Neben der Fähig- ist.

keit, in seinem Wort schon seine Gemeinschaft mit dem Vater

wahrzunehmen , Forderung des Zeichens Glaubensschwäche.


ist die

Denn dann ist das Wort, das an sich selbst schon voll zurei-

chender Glaubensgrund wäre, ohne die ihm entsprechende


Glaubensfolge geblieben, und der erste Aufruf zum Glauben er-

wies sich somit Nicht erst nach der Auferweckung des


als fruchtlos.

Lazarus sondern vor derselben wird an Martha die Frage ge-


stellt: ich bin die Auferstehung, glaubst du das? denn nicht
That sondern schon Jesu Zusage ist voll zureichendes Glau-
erst die

bensmotiv und wenn sie nicht als solches wirksam wird sondern
;
,

der Glaube erst am Werk entspringt, und somit des »Sehens"


182 DER GLAUBE TM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

ZU seinem Entstelin bedarf, so tritt damit eine relative TJnwil-

ligkeit und TJufäMgkeit zum Anschluss an Christus zu Tage,


ein Widerstand, der erst vor der sicMbar werdenden Bezeugung
seiner Herrlichkeit weicht. Nun wäre aber ein Wort, da? nu r
Wort und Eede bliebe, niemals Glaubensgrund. Ein nur reden-
der Christus hilft der Welt nichts, da das Wort für sich allein

noch nicht Wirkung und Gabe ist, die in den reellen Bestand
des Menschen eingreift. Desshalb ist nicht das Reden, son-

dern das Thun Christus Glaubensgrund: wenn ich nicht


des

thue^ so glaubt mir nicht, 10, 37. Sein Wort kann es nur
darum sein, weil es die Gewähr in sich schliesst, dass das

Werk ihm folgt, und diese Sicherheit bietet es desshalb, weil

es aus Gott stammt. Der Vater spricht nicht nur , sondern er


thut seine Werke, "noisl tx spycx, aurov , 14, 10, und zwar als

der, »der in Jesu bleibt", so dass das Werk, welches Gott thut,
zugleich Werk Christi ist und der Glaube sieh auf ihn rich-

ten kann. Indem das Werk den Menschen vor die vollendete

Gabe Gottes stellt, vor das zum Ziel gekommene Wort, das
sich durch den Hinzutritt des Werks in seiner Gotteskraft ent-
hüllt hat, liegt in demselben ein erneuter und verstärkter Glau-

bensimperativ: wenn ihr mir nicht glaubt, so glaubt um der


Werke selber willen, Das Wort sagt Werke
^ix ra, spycc auTcc.

an, aber es ist noch nicht das Werk selbst; wenn nun »die
Werke selber" - rk spyoi xvrä ^)
-
vorliegen ,
so ist damit die

Offenbarung Christi eine vorgeschrittenere, entfaltetere ,


und die

Glaubensaufgabe somit erleichtert. Darin liegt die Glauben


wirkende Kraft des Werks sowohl für die zum Glauben willi-

gen als für die unwilligen, für die Jünger wie für die Juden.
Die Glaubens Willigkeit empfängt im Werk jene Stärkung,
welche die Erfahrung mit der ihr eignenden Gewissheit und

1) Vgl. das ceiiTÖg bei Polyb. J/ xurmv tSiv 'ipyuv hxßeiv rijv tt/ö-t/v 1 , 35 , 4 ;

hl' a.liTöSv Tmv TTpayi^drav 7, 33, 2.


JESU WORT UND WERK. 183

Sicherlieit gewährt, die ün Willigkeit zum Glauben liat im


Werk ihre faktische Widerlegung, so dass die mit ihr ringen-
den Glaubensmotive aus ihm energische Kräftigung ziehn. Bleibt

jedoch auch dieser Glaubensimperativ erfolglos und wird auch


vor dem vollbrachten und in seiner Gottesart und seinem
Heils werth unverkennbaren Werk Christus Vertrauen und An-
erkennung verweigert, so ist die Unfähigkeit zum Glauben,
das ov '^vvoia^xi TTKrTsusiv, dargethan ,
1 2 ,
37 ff. ,
und die in der

Abweisung Christi liegende Sünde ohne Entschuldigung, 15, 24.


Kömmt dagegen der Glaube wenigstens am Werk noch zu
Stande, so führt der so gewonnene Anschluss an Christus hin-
ein in Wesen und Inhalt seiner Person; aus jenem Glau-

ben, der dem Werk gewährt wird, folgt ein neuer Glaube,
der ihn in seiner bleibenden Gemeinschaft mit dem Vater
fasst, 10, 38.
In andrer Hinsicht tritt das Wort über das Werk empor,
sofern es nämlich Jesu Bedeutung und Gabe umfassender zum
Ausdruck bringt als die einzelnen Thaten, die als Zeichen in'

sein irdisches Leben fallen. Diese treten freilich für Johannes


nicht nur um ihrer Form willen zum Glauben in Bezie-

hung, weil in ihnen eine die Grenzen der Natur und des
Menschen schlechthin überschreitende Kraft zu Tage tritt, son-
dern die inhaltliche Bestimmtheit dieser Kraft ,
nicht" nur ihr

Quantum sondern ihr Quäle, das durch sie hergestellte Gut


macht diese Thaten zum Glaubensmotiv. Die Auferweckung des
Lazarus ist Johannes darum so bedeutsam, weil sie Jesus als
den ,
der die Auferstehung und das Leben
Analog ist ,
manifestirt.

tritt Heilung des Blinden der Begriff Licht, in der


in der

Speisung der Tausende der Begriff Brod heraus und auch das
Zeichen von Kana heisst schwerlich nur desshalb Kundgebung
seiner Herrlichkeit, weil es ein dem Naturlauf Unmögliches
vollbringt, sondern darum weil es den Unterschied aufdeckt, in

den sich Jesu Wirken zur bisherigen Stellung Israels und wohl
184 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. T.

auch. ZU der des Täufers setzt: dort stellt das alte Reinigkeits-

wesen mit seiner Busstrauer ,


hier der Christus ,
der die Freude

Gabe gewährt. So liegt auch in


der Hochzeitsfeier durch seine

der wunderbaren Bethätigung seines Erkenn ens das Glauben

wirkende Motiv nicht nur in der üebernatürlichkeit desselben,


sondern darin dass Jesus den Menschen durchschaut in seinem
innern Bedürfen, so dass man ihn nicht erst fragen muss,

16, 30. Allein diese Zeichen sind doch nur Versichtbarung


eines unsichtbaren Wirkens Jesu in einer Form und an einem
Stoff, welche nicht den universellen bleibenden Charakter seines
Werkes ergeben, weil sie der irdischen Sphäre entnommen sind.
Er giebt Wein und Brod, wie sie der irdische Mensch bedarf.
Öffnet das Auge demjenigen Licht und setzt den Todten in

dasjenige Leben, das den irdischen Verhältnissen entspricht.

Definirt man die Zeichen bei Johannes nur als symbolische

Darstellungen der im Worte Jesu enthaltnen Gedankenreihe,


so wird dadurch der Gedanke des Evangelisten insofern ver-

netzt, als dieselbe ihre Bedeutung für ihn sehr wesentlich

darin haben, dass sie „Werke", spyx, sind, Realwirkungen,


und zwar Werke Gottes, welche Zeugniss gebend die Ver-

heissung Jesu stützen und bestätigen, 5, 36. Die Werke be-


halten für ihn eine vom Wort unterschiedne besondre Bedeu-
tung, darum weil sich in ihnen der Wille und die Kraft

offenbart, die vom Wort genannten Güter real zu schaffen.

Das Zeichen hilft jedoch nur einzelnen und zwar mit einer

Gabe, die noch der irdisch-sinnlichen Sphäre angehört und


darum nur andeutend auf die jenseitige, reelle, göttliche Gabe
hinweist. Das Wort deckt dagegen die Gabe Jesu in ihrem über-
weltlichen und ewigen Inhalt auf, und diess um so mehr, weil

dieselbe nicht einen von Jesu Person unabhängig fortbeste-

henden Effekt bildet, sondern an ihm selbst haftet: seine Ge-


meinschaft mit den Menschen ist ihr Licht und Leben. Je
unmittelbarer der Mensch mit Jesus selbst verbunden ist, je
JESU WORT UND WERK. 185

direkter sein Glaube sicli auf den eignen Inhalt der Person

Jesu bezieht, um so vollständiger und wirksamer ist er in die

Gabe Jesu hineinversetzt. In dieser Hinsicht geht das Wort


hinaus über das Zeichen und ist reicher als dasselbe, weil

jenes enger und persönlicher mit Jesus in Beziehung setzt

als dieses.

Aus der Doppelheit der Offen barungsmittel ,


durch die sich
Jesus der Welt erschliesst, aus dem Nebeneinanderstehn von
Wort und Werk und dem Verhältniss gleichzeitiger Heber- und
Unterordnung beider unter einander erhalten die Doppelurtheile
Jesu über das Verhältniss des Glaubens zum Wunder ihre volle

Durchsichtigkeit und Einheit. Schon im Wort enthüllt sich

Jesu Yerhältniss zu Gott, darum ist ein auf das Werk war-
tender Glaube seh wach, doch erst im Werk ist Jesu Stellung
zu Gott ganz aufgedeckt, darum ist erst das Werk das end-

gültige durchschlagende Glaubensmotiv, an dem Glaube und


Unglaube zu ihrem reifen völligen Bestand gelangen. Andrer-
seits ist das sichtbare Werk des irdischen Christus nur Zeichen ,

während das Wort die ganze Gabe Jesu benennt und darbietet,
und diess so dass es in sich selbst die Leben gebende Kraft
hat, darum ist schon das Wort voll und ganz Glaubensgrund
und die Willigkeit zum Glauben bedürfte des Zeichens nicht.

Wird aus dem Worte Jesu an den Königlichen: wenn ihr


nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht, 4, 48,
gefolgert, dass das Werk bei Johannes nur Hülfsmittel für die

Glaubensschwäche sei ,
so setzt man dieses Wort mit der im gan-
zen Evangelium stetig wiederkehrenden Betonung des Werks als

der göttlich gegebnen Basis des Glaubens in Widerstreit. Das

Werk ist dem Evangelisten zum Christusbilde so unentbehrlich

wie nur irgend einem Juden wie jedem rationalen Denken


,

überhaupt. Eine Gedankenbildung Idee und Wort die den , ,

reellen Bestand des Menschen und der Welt unberührt


Hesse,
gilt Johannes nichts ,
am allerwenigsten als Manifestation Gottes ,
186 DER GLATJBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

als Enthüllung seiner Herrlichkeit. Daher erhalten wir bei


Johannes konstant jene Zusammenfügung der Begriffe zu ver-
Ibundnen Paaren ,
von denen der eine in's Erkennen ,
der andre

in's "Wesen des Menschen eingreift: » Licht und Leben", »Wahr-


heit und Leben", »Wahrheit und Geist", und zwar so dass beide

untrennbar verbunden sind in wechselseitiger Kausalität: das


Leben ist der Menschen Licht und das Licht führt ins Leben,
der Geist leitet in der Wahrheit die, welche aus der Wahrheit
sind. Der Leben und Geist gebende ist der Wirkende. A.lleia

das »Werk", welches der Königliche erbittet, verhält sich zu

dem, was der Christus als Werk Gottes in der Welt ausrichten

soll, nur als Zeichen. Der Tadel Jesu bezieht sich schwerlich

nur auf die Form der Bitte, welche Jesu eignes Herabkommen
nach Kapernaum wünscht und sich eine andere Weise der

Heilung nicht vorstellen kann als die durch Jesu eigne Ge-
genwart vermittelte. Das Verlangen an sich selbst, der Kum-
mer, aus dem es geboren ist, die Betrachtung des Todes, die

in ihm liegt, thut die Abwesenheit des Glaubens im Bittenden


kund. Wie Gabe, die er mit seinem Begehren
gering ist die

sucht, verglichen mit dem, was der Glaube hätte. Der Sohn
kehrt ihm in's Leben zurück, doch in ein Leben, das immer
noch neuen höhern Lebensgabe in sich
die Bedürftigkeit einer

hat und an sich selbst noch nicht vom »Sterben ia der Sünde"
löst. Weit höher als die äussere Seite der Gabe greift diejenige

Wirkung derselben, die in das Innenleben fällt: der Glaube,

dem die Verheissung gegeben ist, dass in ihm auch der Ge-

storbne lebt, 11, 25. Und dieser Glaube sollte auch ohne das
Zeichen entstehn und bestehn, auch wenn der Sohn stirbt.

Jesus spricht aus, dass seine Umgebung zu solchem Glauben


nicht fähig sei; dem Bittenden schiene angesichts des sterben-
den Knaben die Lebensgabe Gottes nicht vorhanden. Jesus
stellt sich ihm als macht- hülf- und werthlos dar, es sei denn
er greife mit einer momentanen sinnenfälligen Machtwirkung
JESU WOET UND WERK. 187

in seine Noth. ein. Er tiiut es, da ja die Bitte nicht grund-


los und die Erhaltung des Sohns, ob auch in Jesus das über
das Sterben übergreifende Leben erschien ,
für den Vater ein

G-ut und eine Gl-abe ist. Doch er gewährt die Bitte in einer

Form, die den Bittenden zu einer kräftigeren Bethätigung des


Vertrauens nöthigt, als diejenige ist, die er spontan Jesus ent-
gegenbringt. Er muss sich an der Yerheissung Jesu genügen
lassen, und soll so erfahren, dass in Jesu Wort die volle Le-

bensgabe enthalten
ist; bahnt sich die Fähigkeit zu einer
so

G-laubensstellung an, welche auch das Wort, das nicht nur


dem vor dem Tode bewahrten sondern dem Sterbenden Leben
giebt, bejahen kann. In Parallele mit dem Wort an den Kö-
niglichen wird dasjenige an die Jünger, 11, 15, zu stellen sein:
ich freue mich ,
dass ich nicht bei Lazarus war damit ihr
, glaubt.

Angesichts des sterbenden Lazarus wäre den Jüngern der Grlaube


erloschen, weil derselbe Gedanke, der von Seite der Juden am
Grabe geäussert wird: konnte dieser, der die Augen des Blin-
den öffnete, nicht machen, dass auch dieser nicht starb? 11, 37,
auch ihr Gedanke gewesen wäre. Auch die Jünger sind noch
nicht im Stande, angesichts des die Yerheissung scheinbar auf-

hebenden Verlaufs der äussern Ereignisse die Zuversicht den-


noch zu bewahren. Darin liegt die Nothwendigkeit des Zeichens
und zugleich der in der Bitte um dasselbe liegende Glaubens-
defekt.

Vollends durchsichtig ist, w^arum die Zeichenforderung nach


der Tempelreinigung und das Verlangen: thue was Moses that,

gieb Brod vom Himmel! nach der Speisung der Tausende, und
das Begehren der Brüder: thue deine Zeichen in Jerusalem!

abgewiesen werden; denn in all diesen Begehren liegt nicht


nur kein Glaube ,
sondern die direkte ausdrückliche Verweigerung
desselben. Die Wahrheit seines ürtheils über den Kultus"^ Israels,
wie er es in der Säuberung des Tempels zum Ausdruck bringt,
und sein Recht reinigend in denselben einzugreifen, wird mit
188 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

der Forderung, dass er sich, legitimire durcli ein Zeichen, aus-


drücklich in Frage gestellt; sein Handeln wird nicht als in sich
selbst berechtigt und Gottes Sinn gemäss anerkannt. Die Auf-
forderung es Mose gleich zu thun negirt alles was Jesus an
, ,

Wort und Werk dem Volke darbot ^


als werthlos , und die

Weisung der Brüder kritisirt sein Verhalten als ungenügend


für den, der den Christusanspruch erhebt. Jesus hat der Q-lau-
be'nsverweigerung nie Zeichen entgegengestellt, die üeberwin-

dung und Heilung derselben geschieht nicht durch Steigerung


der Machtwirkuug sie muss in ethischen Potenzen sich finden
,

oder sie findet sich nicht, zumal da in allen drei Fällen die

Verweigerung des Vertrauens sich nicht nur auf sein Wort sondern
direkt auf sein Werk bezieht. Er steht vor den Sanhedristen

nicht nur als der, welcher den Tempel reinigen möchte, son-
dern er hat ihn gesäubert und sie vor ein vollzognes Faktum

gestellt, doch sie beugen sich unter dasselbe nicht. Die Rede
in Kapernaum geht vom vollbrachten Zeichen aus, doch dieses

brachte Empfänger nicht über den Gedanken hinaus: wir


die

haben Brod bekommen! 6, 26. Die Brüder haben seine Thaten


vor Augen, leugnen sie auch nicht: wenn du solches thusb,
Welt! und gerade so erscheint ihnen sein
so offenbare dich der

Verhalten ungenügend und anstössig. Solche Kritik seines Wir-


kens hat Jesus konstant auf sein Sterben verwiesen. Sie lehnen
sein Recht
den Tempel zu reinigen ab er wird ihn nicht nur
, ,
:

reinigen sondern neu bauen doch erst nachdem sie ihn abge-
, ,

brochen haben. Sie begehren mehr als nur Brod er wird sie :

in andrer Weise speisen, aber mit seinem Fleisch und Blut.


Er soll sich der Welt offenbaren: er wird es thun, doch erst

dann, wenn seine Zeit voll geworden ist und sich derHass der
Welt an ihm vollzogen hat. Sein Sterben bringt für das ,
was

jetzt in seinem Verhalten dunkel und anstössig ist ,


die Lösung,

aber freilich in einer Weise, die dem falschen Moment in


der Zeichenforderuug nicht entgegenkömmt. Die höhere und
DEE TATJFER UND DIE SCHRIFT. 189

neue Stufe seines Wirkens ,


die mit seinem Sterben beginnt ,

macht vollends den Anschluss an ihn zu einem Vertrauensakt.


Sind schon die Worte, die von seinem Sterben reden, den
nicht glaubenden ein Aergerniss, 6, 61 ff., wie viel mehr das
Faktum selbst!

Auch das Zeugniss des Täufers und der Schrift bieten sich
dem Glauben zur Stützung an: wer Mose glaubt, glaubt auch
Jesus, 5, 45
— 47.
Die auf Mose gerichtete Erwartung der Judenschaft wird nicht
in den G-laubensbegriff gefasst, sondern als auf ihn gesetzte

Hoffnung beschrieben, ^ätiksvxi slg Mavar^jv, offenbar als Parallele

zu TrsTrKTTsvjcsvcii alq x^kttov , jedoch deutlich von ihm unterschie-


den, wie denn die auf Jesus gesetzte Erwartung nie Hoffen
heisst. Jene auf Mose gerichtete Zuversicht sieht sich schliess-

lich getäuscht, Mose tritt vor Gott als Ankläger gegen die
auf ihn hoffenden auf, und diess desshalb weil sie zwar

auf ihn hofften, aber ihm nicht glaubten Dieser Gegen-


satz zwischen Glauben und Hoffen ist für den Glaubens-

begriff des Evangeliums charakteristisch. Sie legen sich um


des Gesetzes willen in voller Zuversicht die Heilsgüter bei ,

doch das istnicht Glaube! Glaube wäre Anerkennung die

Mose's in dem von Gott ihm gegebnen Beruf, nicht eine


eigenwillige Erwartung, die von ihm Güter erhofft, die
nicht er verleiht, und aus seiner Schrift etwas macht, was sie

nicht ist. Fände Moses bei ihnen Glauben, so wäre hierin un-
mittelbar Glaube an Jesus gesetzt, weil Moses über ihn schrieb.

Schwerlich ist damit nur an einzelne weissagende Worte ge-


dacht, sondern wie Jesus, 2, 19, den Tempel mit sich
zusammenfasst, so dass der Tempel zum Bild und Zeichen
für den Christus wird, so bezieht er hier das ganze Gesetz auf
sieh ,
denn um seinetwillen ist Israel gegründet als sein Eigen-

thum und in ihm ist der Hirte, Herr und Gott erschienen, von
dem Mose als vom Herrn und Gott Israels zeugt, zu dessen
190 UEU GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

Eigentlium Mose das Yolk bereiten will. Die Aneignang dessen


was die Schrift über G-ott und seinen Willen sagt, wäre die

Befähigung zum Glauben an ihn, wie wiederum die Ablehnung


des Schriftzeugnisses von Gott auch den Gegensatz wider ihn
zur Folge hat. In der Antithese zwischen Mose's »Schrift",

7P«iC4jC*(XTö5 , und Jesu »Wort", p^f/^xrix, wird der Gedanke liegen ,

dass die Schrift als ein gesetzlich gültiges auftritt. Mose hat
sein Wort in Schrift yerfasst als ewiges unverbrüchliches Gesetz,

das mit göttlicher Autorität vor Israel steht, Glauben ausdrück-


lich fordernd ,
und darum intensiv zu demselben aufrufend. Jesus

fasst sein Wort nicht in Schrift und tritt nicht als der Gesetz-

geber vor sie, sondern als der, der in seiner Lehre und Mah-
nung allen Erfolg in der innern Kraft und Wirkung seines

Wortes sucht. War die gebietende Schrift ihnen nicht Glau-

bensgrund ,
so noch viel weniger sein leicht zu verachtendes
und rasch vergessnes Wort. Im Verzicht auf die gesetzgebende

Stellung liegt zugleich der Verzicht auf ein richterliches und

anklagendes Handeln. Mose ,


der Gesetzgeber ,
ist zugleich der

Ankläger gegen die ,


die ihm und mit ihm auch Jesus Glauben
versagen. dagegen steht nicht als der Ankläger Israels
Jesus
vor Gott; doch bleibt darum ihr Unglaube nicht ungerichtet,

er ist schon gerichtet durch das Gesetz. In analoger Weise

hatte der Täufer den Beruf Glauben zu wecken in allen

als Jesu Zeuge, 1, 7. 5, 33; da wo man den Täufer kennt findet ,

darum Jesus mehr Glauben als anderswo, 10, 42, wie denn
die Hauptjünger aus dem Kreise des Täufers stammen. Es ist
des Volkes Schuld, dass sie die Taufpredigt erfolglos verhallen

li essen, und in ihrem Verhalten gegenüber dem Täufer ist schon


ihre Ablehung seines Zeugnisses begründet ,
5 ,
35 ^). Sowohl
die Schrift als der Täufer haben aber für den Glauben, so

1) 5, 35 enthält eine kurze, aber inhaltlich genau entsprechende Parallele zu


Mths. 11, 7—19.
DER TÄUFER UND DIE SCHRIFT. 191

wichtig sie an sich sind, doch nur sekundäre Bedeutung. Weil


Jesus die Hörer retfcen will, beruft er sich auf den Täufer, nicht
weil er durch sein Zeugniss Grlaub Würdigkeit empfienge
erst ,

5 , 34. Ebenso tritt der Schriftbeweis nur unterstüzend als Hülfe

für die Glaubensschwachen zu seinem Selbstzeugniss hinzu ,


ohne
ein centrales, selbständiges, wesentliches Moment in demselben

zu bilden, vgl. 10, 34 ff. Nicht erst durch Legitimation an


der Schrift wird er Träger des Glaubens. Das Wort des Täu-
fers wie der Schrift sind von seiner Person unterschiedne ,

ausser ihr liegende Glaubensmotive, er hat aber die Glaubwür-

digkeit in sich selbst und genügt in der Herrlichkeit seines

eignen Wesens dem auf ihn gesetzten Vertrauen voll als Grund.
Neben der Selbstoffenbarung Jesu, welche Glauben wirkt
und trägt, stehn in seiner Erscheinung andre Momente, an
denen sich der Gegensatz gegen ihn begründen und befestigen
kann. Dahin gehört alles, was seine menschliche Niedrigkeit
ausmacht: er ist der Nazarener, 1 ,
47 ,
der Galiläer, 7, 41. 52,

der Sohn Josephs ,


dessen Yater und Mutter man kennt , 6, 42,
von dem man weiss, woher er ist, 7, 27; er hat nicht studirt,
7, 15, und kein Oberster glaubt an ihn, 7, 48. Ferner ent-

zündet sich der Widerspruch am Gegensatz Jesu zum Gesetzes-

ideal des Pharisäismus. In dieser Hinsicht hebt das Evangelium


den Sabbath heraus als denjenigen Punkt, an dem die im
Verhalten Jesu liegende Beseitigung der pharisäischen Satzung
in der Praxis immer wieder sichtbar ward, 5, 16 ff. 7, 19 ff.

9, 14 ff. Aber auch der Gottesbegriff der Synagoge bildet die

Basis zur Einrede; sein Wort erscheint als lästerlich, da es

die Grenze, die dem Menschen Gott gegenüber gestellt ist,

durchbricht, 5, 18. 8, 59. 10, 33. Schliesslich wird auch seine

Verheissung, weil sie den Juden als an göttlichen Gütern arm


behandelt und ihm dieselben erst durch Jesu Gabe vermitteln

will, Motiv der Glaubensverweigerung, 8, 33. 41. Alle diese


Einreden sind nicht nur willkürlich ersonnene Verdächtigungen,
192 DER GliAüBl! IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

sondern beruhen auf Momenten ,


die in der Erscheinung Jesu real
enthalten sind,, und sie sind es, die dem Anschluss an ihn
den Charakter des Trauens geben. Es gilt durch seine Mensch-
heit hindurch unter Preisgabe des Ruhms und Stolzes Israels

mit Yerzicht auf die geltenden Begriffe von Grott and gött-
lichem Wesen ,
von Heiligkeit und Gesetz in ihm den zu fassen
, ,

der im Vater ist, ein Akt, der alles was im Menschen an

Kräften des Vertrauens und der Hingabe liegt, in Thätigkeit


versetzt.

Auch bei Johannes tritt die Passion und im Zusammenhang


mit ihr die Auferstehung zum Glauben in besondere Bezie-

hung, weil sie ihn in erhöhtem Mass in Anspruch nimmt:


euer Herz werde nicht erschüttert; glaubt an Gott und auch

an mich glaubt, 14, 1. Nur hier wird der zu Gott gewandte


Glaube von demjenigen, der sich an Jesus hält, ausdrück-
lich unterschieden. Auch für Johannes bleibt aller Glaube

völlig auf Gott bezogen; er besteht darin, dass Jesus in seinem


Verhältniss zu Gott gefasst wird, und entsteht aus seinem
öelbstzeugniss desshalb, weil ihn dasselbe als von Gott ausge-
hend kund thut, weil er seine Worte von ihm hört und in

seinem Namen seine Werke thut, 14, 10. 10, 25. Sofern nun
Jesus nichts für sich selber ist, sondern in völliger Abhängig-
keit vom Vater steht, wendet sich der Glaube nicht an ihn,
sondern in ihm an den Gott, in dem er alles hat, 12, 44 vgl.

5, 24. Wie alles auf Jesus gerichtete Vertrauen Glaube an


Gott ist, so ist ebenso sehr alles glaubende Verhalten zu Gott

auf Jesus konzentrirt. Nur hier im Blick auf die Passion, wo


Jesus als der sterbende den Glauben nicht mehr tragen zu
können scheint, sondert sich die Glaubensmahnung. Jetzt gilt

es, sich vertrauend an Gott zu halten, doch sofort tritt die

zweite Weisung hinzu: und auch an mich glaubt. Er bleibt,


ob auch in den Tod dahin gegeben, der, in dem ihr Ver-

trauen seinen Ziel- und Stützpunkt zu finden hat. Sie bedürfen


JESU TOD. 193

dieser Malinung jetzt in besondrem Mass ,


da in seinem Ster-
ben die Yersuehung liegt, das auf ihn gesetzte Vertrauen weg-
zuwerfen. Jesus bereitet sie darum auf dasselbe vor, damit sie

dann glauben, 13, 19. 14, 29, dock in der Gewissbeit, dass

in jener Stunde ihr G-laube zeitweilig fallen wird, 16, 31. Das
den Glauben bedrohende in seiner Passion Trennung von
ist seine

ihnen ,
sein Weggang ,
ohne dass sie im Stande sind ihm zu ,

folgen, 14, 29. 13, 33. Dem Unsichtbaren gegenüber wird


der Glaube schwer. Aber auch die Weise seines Todes wirkt
als Glaubenserschwerung, und zwar hat der Evangelist stärker
noch den Unglauben Israels und die Schmach des Kreu-
als

zes den Verrath durch den eignen Jünger herausgehoben;


ihn sagt Jesus voraus, damit sie glauben, 13, 19, und auch
die Verleugnung des Petrus ist durch die Verbindung des sie

ankündigenden Worts mit der Glaubensmahnung 14, 1 unter


diesen Gesichtspunkt gestellt. Wenn auch Jesu eigne Jünger

fallen ,
so liegt hierin ein Moment ,
das beängstigend ,
ver-

wirrend, die Zuversicht zu Jesus erschütternd wirken kann;


doch auch der Fall der Jünger ist nicht die Widerlegung des

Glaubens, als hätte er in Jesu Ohnmacht seinen Grund. Er


hat sie dennoch alle bewahrt ausser dem Sohn des Verderbens,
damit die Schrift erfüllt werde, 17, 12, und auch ihm gegen-
über erweist sich Jesus siegreich darin ,
dass er seinen Verrath

von Anfang an klar durchschaut.

Begründet wird das Vertrauen, das an ihm auch in seinem


Sterben festhält, durch den Ausblick auf Jesu Rückkehr zu
ihnen und ihr erneutes Beisammensein. Die Gemeinschaft zwi-
schen ihnen endet mit Jesu Sterben nicht, darum ist es auch
nicht Negation des Glaubens. Vielmehr erhält sie mit seinem
Tode einen neuen reicheren Inhalt; er ist heilsam für sie,

weil er Hingang zum Vater ist; nun kann er ihnen alles

geben, vor allem aus den Geist; nun wird er wahrhaft das
Brod des Lebens als der, welcher sein Fleisch für das Leben
13
194 DER. GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

der Welt gibt, nun ist das Resultat ihres Verbandes mit ihm
diess ,
dass sie seine Herrlichkeit sehn. Als Hingang zum Vater
ist sein Sterben enthüllt durch seine Auferstehung, welche
den Jüngern zugleich die Fortdauer seines Verhältnisses zu
ihnen bezeugt. Darum ist sie die Aufrichtung und Voll-

endung ihres Grlaubens. Schon das leere Grab hat für den
empfänglichen Sinn diese Wirkung, 20, 8, noch mehr aber die

Erscheinungen des Auferstandenen. Mit dem Glauben, der vor


dem Anferstandnen jeden Zweifel überwindet und Jesu Wesen
voll erfasst und ausspricht ,
schliesst das Evangelium ,
20 ,
29.

So ist der Glaube eine inhaltlich reiche, lebensvolle Aktivität ,

das vom Menschen für Gott zu wirkende »Werk." Die Auffor-


derung Jesu, die in 's ewige Leben bleibende Speisung zu wir-
ken, wird von den im synagogalen Gesetzesdienst befangnen
Hörern sofort als Mahnung zu irgend welchen Gott darzubrin-

genden Werken verstanden, 6, 29. Der Vielzahl der Werke,


die sie im Auge haben, stellt Jesus den Glauben entgegen

als das eine Werk, das ihnen Gott gegenüber obhegt. Er fallt

den Hörern nicht unter den Begriff »Werk", mit dem sie an
eine nach aussen gehende verdienstliche Leistung denken in ,

welcher sie selbstthätig den Grund ihres ewigen Lebens her-


stellen. Von all solchem »Wirken" sind sie weggewiesen auf

die Anerkennung von Gott ihnen gesandt ist durch


dessen, der
Gottes eigne That und der ihnen die Speisung in 's Leben gibt
als seine eigne Gabe. Solch glaubendes Verhalten, so wenig es
Werk ist in ihrem Sinn, so völlig es nur Aufnahme des von
Gott gegebnen ist, bildet einzig und allein die von ihnen zu
leistende Aktivität, und sie ist in der That eine solche, ein

»Wirken", spyoic^sdöoii 6, 27, freilich ein Wirken, das in seiner

receptiven Richtung dem Geben Gottes seine Allgenugsamkeit


und Unbedingtheit ungeschmälert lässt, wie sich denn die

Lebensspeisung zugleich auf das Geben des Menschensohns


wie auf das Wirken der Hörer zurückleitet, 6, 27. Ja auch
DIE VOEAUSSETZUNGEN DES GLAUBENS. 195

dieses Wirken ist nicht nur in dem Sinn »Werk Gottes", dass
es für Gott geschieht: Gott selbst ist in ihm der Wirkende.

So absolut die Mittlerstellung Christi zwischen Gott und der


Welt bestimmt wird, so völlig nur in ihm Leben bejaht wird,
so wenig ist damit für das Evangelium eine Gottesvorstellung

verbunden, welche Gott in Passivität versetzte und die Welt


seinem Wirken verschlösse. Nicht nur beruht die Erscheinung
Jesu auf Gottes Sendung und sein Besitz und Vermögen auf
Gottes Geben ,
5 , 26, sondern auch die Wirkung die von Jesus
,

auf die Welt ausgeht, ist durch göttliches Wirken auf dieselbe

bedingt und vermittelt. Mag Jesu Wort und Werk von der

Herrlichkeit Gottes noch so hell und voll zeugen, so fasst die


Welt in ihrer ünkenntniss Gottes die Selbstoffenbarung Jesu
nicht; seine Zeichen bleiben nach ihrer Innern Seite unver-
standen und wirkungslos, 6, 26, sein Wort ärgert, 6, 61. Darum
beruht das Kommen zu ihm auf göttlichem Ziehen, 6, 44, die

den Glauben begründende Wahrnehmung in göttlichem Lehren,


6, 45, und der Glaube ist an sich selbst schon die Verwirk-

lichung des Prophetenworts, das allen das Gelehrtsein durch


Gott verheisst, 6, 45. Darin liegt der Werth und die Kraft,

die der Glaube für Jesus hat, wesshalb er ihn als voll zurei-

chendes Motiv zur Lebensspendung behandelt. Wo immer ihm


verlangendeund vertrauende Wahrnehmung seiner Gabe ent-
gegenkömmt, hat er das Wirken seines Vaters vor sich, aus
dem allein Glaube entsteht, und sein eignes Wirken ist nun
unter das Gesetz gestellt, dem Glauben stets und voll das zu

gewähren, was er bei ihm sucht, um den Glaubenden das


Leben zu bieten, dazu ist er gesandt, 6, 37. Sie sind die Gabe,
die Gott ihm bietet und die er darum nicht wegstösst; ihr An-
schluss an ihn beruht auf einem ursprünglichen Eigenthuras-
verhältniss zu Gott dein sind sie und du hast sie mir gegeben
:
,

17, 9. Durch diesen ursprünglichen Gottesverband, aus dem der


Glaube entsteht, reicht Jesu Beziehung zu den Seinigen über
196 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

ihre bewusste , persönliche Beziehung zu ihm hinaus. Die Schafe

sind des Hirten ,


schon ehe er in die Hürde tritt ,
darum ken-
nen sie ihn und hören seine Stimme ,
10 ,
3 ff. Es tritt somit
der Glaube vermittelnd in ein lebensvolles Wechselverhältniss
zwischen dem göttlichen Wirken und der Thätigkeit Jesu hinein :

wie niemand zu ihm als durch den Vater kömmt, so leitet er

wiederum die Seinigen zum Vater hin. Eine fundamentale Be-

ziehung Gottes zum Menschen setzt diesen in den Verband


mit Jesus dadurch, dass sie Glauben in ihm begründet, und
Jesus führt ihn nun, in die volle Gottesgemeinschaft ein, indem
er dem Glauben zu seinem Effekt und Resultat verhilft.

Das den Glauben erzeugende göttliche »Ziehn" ist nicht in

Analogie einer physischen Kraft gedacht, sondern geistartig


und darum gliedert es sich dem eignen geistigen Verhalten des
Menschen ein: es wird zu einem »Hören von Gott her", und
dieses Hören vollendet sich in menschlichem Lernen, 6, 45.
Darum hebt das Hineinwirken Gottes in den Menschen, aus
dem die Glaubensbegründung entsteht ,
das ethische Moment am
Glauben nicht auf, vielmehr ist jene fundamentale Beziehung
zu Gott, aus welcher der Glaube entsteht, wesentlich ethischer
Art. Das grundlegende Sein aus Gott ist ein Sein aus der Wahr-
heit ,
welches zum Thun der Wahrheit wird 18, 37. 3, 21 es , ;

ist ein in sich Haben der Liebe Gottes, 5, 42. In drei Wen-
dungen steigt die Nikodemusrede in rückgreifender Bewegung
hinab zur einfachsten Beziehung des Menschen zu Gott; auf das
Geborenwerden aus dem Geiste, 3 9, folgt der Glaube an den —
Sohn, 10—18; auf den Glauben an den Sohn das in Gott ge-
,

thane Werk, 19 —
21. Die Rede ist trinitarisch gebaut: Geist,

Sohn, Gott, und zwar deutet die dritte Wendung die zweite und
die zweite die erste. Die Genesis des Glaubens wird entfaltet und

zurückgeführt auf das in Gott gethane Werk. Der Mensch ist in

Wille und Wahl, in seinem dyxTrxv, bestimmt durch den Innern


Charakter seines Handelns; von seinen Werken aus entscheidet
DIE VORAUSSETZUNGEN DES GLAUBENS. 197

sicli, ob das durch Christus an ihn herantretende Licht von


ihm begehrt oder abgewiesen wird, und der Glaube erweist sich
somit als Frucht und Ergebniss des ihm vorangehenden sittlich
bestimmten Verhältnisses zu Gott. Analog hat das dem Sein aus
Gott entgegenstehende Sein aus dem Teufel die dem Willen des
Teufels entsprechende Begehrung in sich, den Mordsinn und
die Lügenlust, 8, 44, und in diesen Begierden ist die Unfähig-

keit zum Glauben gesetzt. Glaube und Unglaube sind somit


durch das Handeln des Menschen bedingt, jener darin dass er

seine Werke in Gott thut, 3, 21, dieser darin, dass er die


Werke des Teufels thut, 8, 39 ff.

Man hat diese Zurükleitung des Glaubens auf einen ursprüng-


lichen Verband mit Gott uud die aaaloge Begrüadung des

Unglaubens aus der Satanskindschaft Dualismus genannt sie ;

ist es nicht in dem Sinne als würden innerhalb der Natur des
,

Menschen zwei einander entgegengesetzte Wesenheiten unter-


schieden. Das Evangelium schreibt den Glaubenden nicht eine

eigenartige Struktur des Geistes zu ,


welche den Nichtglaubenden
fehlte. Anthropologische Bestimmungen ,
die den Menschen in sei-

nem naturhaft gegebnen Wesensbestand in 's Auge fassen , liege u


dem Gesichtskreis des Evangeliums überhaupt fern. Dieser Dualis-

mus des Evangeliums ist nichts anderes als der ethische Gegen-
satz zwischen Liebe und Hass und der mit ihm eng verfloch-
tene zwischen Wahrheit und Lüge, der aber nicht nur in sei-

nen Erscheinungen gefasst wird, wie er sich im Bewusstsein


und Willen des Menschen vollzieht, sondern in seinem wesen-
haften Grund. Er entsteht durch die Beziehungen ,
in denen

»diese Welt" zum Jenseits steht, dadurch dass der Kosmos

Wirkung Gottes und Wirkung des Teufels erfährt. Diese doppelte

Beziehung setzt für das bewusste , persönliche Leben des Menschen


die Möglichkeit einer zwiefachen Abhängigkeit und Bedingtheit ,

die es nun allerdings in einen absoluten Gegensatz spaltet,


weil derselbe die nicht zu vermittelnde Schärfe der ethischen
198 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

Antitliese in sich hat. Wahrheit und Liebe werden im Evange-


lium nicht von Gott abgelöst, sondern erhalten ihren Realgrund
in einem väterlichen Verhältniss Gottes zum Mensehen. Analog
wird aber auch Böse
mit seiner metaphysischen Basis
das

zusammengedacht. Auch Hass und Lüge haben ihren Vater,


der sie im Menschen zeugt. Diese principielle Betrachtung
des sittlichen Verhaltens, welche durchschaut in die in ihnen
sieh kundgebenden Lebensbezüge der Persönlichkeiten hinein,
hat zur Folge ,
dass sich der gemischte Zustand des menschlichen

Verhaltens, wie Erfahrung zunächst zeigt, für das


ihn die

Evangelium den
auflöstreinen Gegensatz. Der Mischungs-
in

zustand ist nicht nur auf die Dauer real unmöglich sondern ,

der Grundtrieb im Menschen kann schon während desselben in


Wahrheit doch nur ein einiger sein; entweder ist er göttlich

bestimmt, oder wenn nicht göttlich, dann teuflisch. Ursprüng-


lich ist dieser Gegensatz nicht. Alles was geworden ist, ist

durch das Wort geworden und es hat also der Lügner, der als
solcher den Teufel zum Vater hat, vor seiner Beziehung zum

Satan eine solche zu Christus. Für den ursprünglichen Gottes-


verband liegt das anhebende, produktive Moment in Gott,
wie schon der Begriff Vater und Bjndschaft unmittelbar in
sich schliesst. Weiter zurück beleuchtet jedoch das Evangelium die

Genesis dieser Zweiheit nicht. Es steht still bei dem Faktum,


dass der Kosmos nach seinem ganzen Umfang von Gott in
Christus geschaffen, 1, 3, und von Gott in Christus geliebt ist,
3,16, dass aber innerhalb der Menschheit ein absoluter Gegensatz

vorliegt, der nicht nur das Bewusstsein und Wollen der Men-
schen gegensätzlich bestimmt, sondern im Vorhandensein oder
Fehlen reeller Lebensbezüge zu Gott begründet ist, dass also
der Verband mit Gott ein eingeschränkter ist, wesshalb auch

der Glaube, der aus jenem entspringt, nicht universal sein


kann, 12, 89.
Woher der dominirende Lebensinhalt, die regirende Liebe
DIE VORAUSSETZUNGEN DES GLAUBENS. 199

im Menschen stammt ,
ob aus Gott oder nicht aus Gott , das
offenbart sich darin, wie er sich Christus gegenüber verhält.
Darum heisst dass Nichtglauben nicht nur Sünde, sondern die
Sünde : die überführende Kraft des Geistes wird der Welt zeigen ,

was die Sünde ist, nämlich diess, dass sie nicht glauben an
mich ,
16 ,
9 ;
denn hierin findet der ethische Gegensatz gegen
Gott sein Ergebniss und seine Vollendung. Israels Unglaube

zeigt, dass es Gott niemals sah noch hörte, 5, 37, Dennoch


wäre alles, was es in diesem Zustand der Gottentfremdung

gethan hat ,
ihm nicht Sünde ,
es würde daraus keine göttliche

Verurtheilung desselben, kein Lebensverlust folgen, wenn nicht

Jesus mit seinem Wort zu ihm gekommen wäre, 15, 22; in


seiner Abweisung wächst die Geschiedenheit von Gott aus zu

jenem scharfen klaren Gegensatz, der „die Sünde" ist. Diese


Bünde hat das Gericht unmittelbar in sich selbst: der nicht
glaubende ist gerichtet, 3, 18. Im Glauben oder Unglauben
tritt die Grundtendenz des Menschen in's Licht und darum ist

in der Theilung der Menschen in glaubende und nicht glau-


bende das göttliche Richten eingeschlossen als vollzogener
Thatbestand, darum, diess die weil Glaube und Unglaube
durch göttliches Handeln in gerechter Folge herbeigeführten

Ergebnisse des menschlichen Wollens und Handelns sind. In-


dem der Glaube in seinem Entstehn ein göttliches Handeln
in sich hat, jenes Ziehen und Lehren Gottes, wodurch er

zu Stande kommt und weiter ein umfassendes göttliches Han-


deln nach sich hat ,
nämlich die gesammte Lebensgabe so ,

stellt die Versagung des Glaubens den von ihr Betroffnen

hinaus aus dem Bereich des göttlichen Gebens, er ist damit

nicht nur als dem Gerichte einst verfallend gekennzeichnet,


sondern schon jetzt unter dasselbe gestellt. Der Glaube dagegen

erfährt in der Entstehung und Begabung seines Glaubens ein

göttliches Geben, das ihn in freier Güte dem göttlichen Rich-


ten entnommen hat. In dieser göttlich gewirkten Scheidung der
200 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

Menschen kömmt dieselbe Norm zur Geltung, nach der die


letzte Krisis vor sich geht: es werden gesondert die, welche
das Schlechte thaten, und die, welche das Grute thaten, vgl.

3, 19 ff. mit 5, 29.


Sehr eng und nachdrücklich verbindet sich mit dem Glau-
ben das Erkennen. Der Jünger hat wie geglaubt so auch er-

kannt , 6,69; wer nicht erkannt hat


Frage ,
dem gilt die :

glaubst du denn nicht? 14, 10; der Glaube ist somit, wenn
er vorhanden ist, auch von Erkenntniss begleitet. Die inhalt-

lichenBestimmungen des Glaubens werden alle auch auf das Er-


kennen übertragen dass er ist 8 28 :
, , ,
dass ihn der Vater

gesandt hat j 17, 25, dass er im Vater und der Yater in ihm ist ,

14, 20, das wird wie geglaubt so auch erkannt. Neben dem
Glauben steht die wahrnemende Beschauung Jesu, SrsupsJv avröv

6, 40. 12, 45, als dasjenige Verhalten, dem die Verheissung


gegeben ist. Andrerseits sind beide Begriffe in ihrer Verwen-

dung eigenartig abgegrenzt. Während der Glaube konstant auf


Jesus bezogen ist, wird wie Jesus so auch Gott sehr nachdrück-

lich Objekt der Erkenntniss genannt. Die innere Geschie-


als

denheit der Welt von Gott, aus der ihr Handeln Jesu und

seinen Jüngern gegenüber erwächst, wird nicht als Unglaube


gegen Gott, sondern als Unkenntniss Gottes benannt, 7, 28.
8, 55. 15, 21. 16, 3. 17, 25. Das Resultat, das aus der
Kenntuiss Jesu dem Menschen zuwächst, ist Kenntniss Gottes,

8, 19. 14, 7; Gott und Jesus kennen ist ewiges Leben, 17, 3.
Dem entspricht, Bezug auf den Geist nicht
dass auch in

vom Glauben an ihn, wohl aber von seiner Erkenntniss, ja


Beschauung gesprochen wird, 14, 17. Christus gegenüber wird
der Glaubensinhalt zumeist dann als Gegenstand der Erkennt-
niss eingeführt, wenn
Erhöhung Christi und die mit
auf die

ihr beginnende Vollendung seines Wirkens hingewiesen wird.


Während Gegenwart gesagt wird: glaubt, dass ich
für die

bin! wird gesagt: dann wenn ihr den Menschensohu erhöhen


GLAUBE UND EEKENNTIflSS. 201

werdet, werdet ihr erkennen, dass ich bin, 8, 28. An jenem


Tage ,
da die Jünger den Wiedergekommenen betrachten ,
dass

er lebt, und sie auch leben, dann werden sie erkennen, dass
er im Vater ist und der Vater in ihm, 14, 20 vgl. 10. Auch
diess ist für das innere Verhältniss beider Begriffe zu einander
nicht ohne Bedeutung ,
dass zwar sehr nachdrücklich von Jesu
Q-otteserkenntniss und Gottesschauung gesprochen wird, 7, 29.

8, 55. 10, 15. 17, 25, doch nie von Jesu Glaube zu Gott,
was um so bemerkenswerther ist, weil Jesus sein Verhältniss

zum Vater den Jüngern als das vollkommene Urbild vorhält,


nach dem ihr eigenes Verhältniss zu ihm gestaltet ist: wie er
im Vater ist und der Vater ihm, so sind die Jünger in ihm
in

und er in ihnen ; wie er den Vater kennt so kennen die Sei-


,

nigen ihn; wie er in des Vaters Liebe bleibt, so die Jünger

in seiner Liebe ;
wie er des Vaters Gebote hält , so der Jünger

seine Gebote; wie er die Seinigen liebt, so die Jünger einander.


Aber neben diese zahlreichen Parallelen tritt nicht eine analoge

Yergleichung auch für den Glauben , so dass wir etwa ein


Wort des Inhalts erhielten: wie ich an den Vater glaube, so

glaubt an mich, es wird überhaupt Jesu Verhalten zu Gott


niemals in den Glaubensbegriff gefasst.
Jeder der beiden Begriffe hat also seine eigene Sphäre
der Verwendung, und das beide unterscheidende Moment wird
darin zu suchen sein, dass im Glauben eine eigenartige Bethä-

tigung des Willens mitgedacht ist. Der Grundinhalt des

Worts, das Trauen, ist bei Johannes keineswegs verschwunden,

er klingt nicht nur in einzelnen Stellen an, in denen der


Glaube der Gegensatz zur Erschütterung und zum Verzagen
wird, TO!>px(r<TS<T^xi "SsiKi^v 14, 1. cf. 27. 11, 40, sondern durch-
zieht den ganzen Sprachgebrauch. Ist Gott erkannt, so ist er
kraft der Fülle seines Lebens und seiner Herrlichkeit dem

Menschen als sein alleiniges Gut offenbar. Die Hingebung an


ihn ist mit seiner Erkenntniss unmittelbar gegeben, da ihn
202 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. V.

diese nicht anders als in seiner Grösse und Herrlichkeit erfas-

sen kann: wer Grott kennt, hat die Liebe Gottes in sich.

Wohl aber geschieht der Anschluss an den, der als der

Gebende Welt kommt, jedoch im Fleisch verborgen,


in die

durch einen Vertrauensakt, zumal Yon Seite derjenigen, die


in ihrer ünkenntniss Gottes eine Menge innerer Hemmnisse
und Einwürfe zu überwinden haben. Der erste, bei dem
von Glauben gesprochen wird, ist nicht umsonst jener Na-
thanael, der zunächst urtheilt: was kann von Nazareth Gutes
kommen? und die Darstellung schliesst mit jenem Thomas,
dessen Zuversicht zu Jesus so tief erschüttert ist ,
dass auch

das Zeugniss Jünger von seiner Auferstehung sie nicht


der

aufrichtet, sondern nur sein eignes Sehen. Der Sieg, der diese
Hemmnisse überwindet und im Gewordnen das ewige
Fleisch

Wort erfasst, ist ein Vertrauensakt und aus ihm erhält der

Glaube neben der Erkenntniss selbständigen Inhalt und eigen-

artige Bedeutsamkeit. Darum tritt der Glaube dann zurück ,

wenn Jesus als »der Lebende"


den seinigen wieder offenbar
wird ,
darum wird auch Jesu eignes Verhalten zu Gott nicht
in dieses Wort gefasst; denn wenn auch ihm obliegt, sich auf

Gottes Hülfe zu verlassen, wie diess in der Bitte liegt: rette

mich! 12, 27, und im Wissen, dass der Vater ihn hört, 11, 42,
und damit von ihm gefordert ist, dass seine Seele der Erschüt-

terung zugänglich ist, 12, 27, so fällt doch jene Zuwendung


zu Gott, Bedeutung sich erst bewusst wird und
die seiner

über innere Hemmungen hinweg den Anschluss an ihn ver-


trauend gewinnt, nicht in sein Verhältniss zu Gott, das nicht
ein Finden Gottes sondern ein Sein in ihm ist ^).

1) Wird der Johanneisclie Glaute dem Erkennen selbst zugerechnet als dessen

letzter abschliessender Akt, als jene Ueberzeugtheit , mit welcher die Zuversicht im
erkennenden entspringt ,
seine Erkenntniss sei wahr , so wird das Nebeneinanderstehn

beider Begriffe unverständlich. Aus der intuitiven Art des Johanneischen Erkennens
lässt sich das Bedürfniss, die Gewissheit von der Erkenntniss ausdrücklich zu unter-
scheiden und zu betonen, nicht herleiten, denn das ist nicht ein Johanneischer Ge-
GLAUBE UND ERKENNTNISS. 203

Weil der Grlanbe an der Selbstbezeugung Jesu entspringt,


so hat er seine Voraussetzung in einer -wahrnehmenden und
das Wahrgenommene erkennenden Thätigkeit, welcher die bei-
den Medien der Offenbarung Jesu ,
Wort und Werk ,
eine doppelte

Richtung geben zum Hören und zum Sehn. Der Stellung des
Worts entsprechend fällt auf das Hören der Hauptnachdruck:
wer sein Wort hört und dem glaubt, der ihn sandte, tritt in
die richtige Stellung zu Jesus, 5, 24; während in der Unfähig-

keit sein Wort zu hören der Unglaube begründet ist, 8, 43.


Jesus giebt sein Wort den Jüngern, sie nehmen es, erkennen

wahrhaftig ,
dass er von Gott ausging ,
und glauben ,
dass Grott

ihn sandte, 17, 8; so folgen sich die innern Vorgänge offenbar


in genetischer Ordnung. Der Glaube hat aber Erkenntniss nicht
nur vor sich und desshalb in sich, sondern auch nach sich,
denn Gottes und Christi Erkenntniss bildet einen wesentlichen

Bestandtheil der Gabe, welche der Glaubende empfängt. Kömmt


der Glaube durch erkennenden Einblick in Jesu Wort und
Wesen zu Stande, so leitet er auch ein Erkennen Gottes neu
ein ,
das ausserhalb des Glaubens unerreichbar ist : wenn du
glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehn, 11, 40. Denn
im Glauben ist nun jene Beziehung zu Gott gewonnen, welche
den Menschen in den Bereich der göttlichen Wirkung und
Gabe, ja Einwohnung stellt. Erst hiemit tritt der Mensch in

die Kenntniss Gottes ein, denn Leben und Erkennen hat

danke, dass die intuitive Erkenntniss ihrer selbst weniger gewiss sei als Reflexion

und Syllogismus. Jenes Erkennen wie es Johannes denkt, hat die Gewissheit nicht
als etwas anderes, erst noch hinzuzufügendes nehen sich; er hat ein Erkennen im
Auge, das mit ewigem Leben in eins gesetzt werden kann, 17, 8, das also auf reel-
lem Verband mit Gott beruht. Bekanntlich hat aber gerade dasjenige Wissen, das
in wesenhaften Relationen begründet ist, die volle Helligkeit und Kraft der Gewiss-
heit in sich. Werden die beiden Begriffe wie Erkenntniss und Gewissheit neben ein-
ander gestellt, so fällt jede Möglichkeit, einen Unterschied zwischen ihnen festzuhalten
weg. Aber auch die Verwendung des Glaubensbegriffs widerstrebt einer solchen
Fassung, da er auch noch sehr anfängliche und unbefestigte Zustände mit umfasst.
Der Evangelist hätte nicht vom Glauben der Juden gesprochen, dächte er im Glau-
ben das die Erkenntniss abschliessende and vollendende Moment.
204 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V,

Johannes untrennbar zusammengefasst. Erst Christus vermittelt


desshalb der Welt mit dem Leben zugleich die Erkenntniss Got-

tes ,
sodass im Glauben wie jenes so auch diese empfangen wird.
Das unbefriedigte Verlangen: zeige uns den Yater! ist Zei-

chen ,
dass Jesus nicht erkannt worden ist ,
und leitet dess-

halb zur andern Frage fort: glaubst du nicht, dass ich im


Vater bin ? 14 ,
9. 10. Fasst der Glaubende Grund und Inhalt
seines Auge, so kann jenes Verlangen nach der
Glaubens in's

Schauung Gottes nicht mehr als unbefriedigtes in ihm sein.


Der Glaube erweist sich auch diesem Verlangen gegenüber als
dessen Stillung und Befriedigung ;
er hat die Gewissheit in sich ,

dass Gott schaubar und erkennbar geworden ist in Jesus und


je unmittelbarer und enger das Zusammensein mit Jesus sich

entfaltet, um so voller und reicher wird in seiner Erkenntniss

die Erkenntniss Gottes, die dem Glaubenden steigend nicht


mehr nur als Hoffnung sondern als Gabe und Gut zu eigen wird.
Die Hinwendung zu Jesus wird zur Liebe zu ihm. Schon
von seinem Ursprung an hat der Glaube] Liebe in sich denn ,

in Liebe zum Licht und zu Gott besteht die Glaubensfähigkeit,

3, 19. 5, 42; er hat weiter Liebe zu seinem Inhalt, denn das


Verhalten Jesu zum Glaubenden ist Liebe ,
da er ihn nicht
als seinen Knecht sondern als »seinen Freund" behandelt, 15, 14 ff.

dem entsprechend ,
dass der gesammte Wille Gottes ,
der in
Jesu Verhalten und Wirken offenbar wird ,
Liebe ist ,
3 ,
15 ;

in ihr liegt Motiv der Sendung Jesu, welche der Glaube


das
anerkennt. Darum steht beides neben einander: ihr habt mich

geliebt und geglaubt, dass ich vom Vater ausging, 16, 27.
Analog wird die Endgestalt des Unglaubens, das Positive in

diesem negativen Verhalten ,


als Hass Jesu und Gottes benannt

15, 23. Der Liebe des Glaubenden kömmt antwortend nicht


nur Jesu sondern auch des Vaters Liebe entgegen ,
14 ,
21 ;

und es tritt somit der Glaube zur Liebe Gottes in ein analoges

üoppelverhältniss wie zur Erkenntniss: der Glaube hat sie vor


GLAUBE UND LIEBE. 205

siclL als Grund und nacli sicli als Folge. So besiimmt der ge-
sammte Kosmos als Objekt der göttlichen Liebe genannt ist,

3, 16, so bestimmt wird wiederum Gottes Liebe im Gegensatz


zur Welt dem zugeeignet, der Jesus liebt, 14, 23. Erweist sich
Gottes Liebe an der Welt darin dass er ihr seinen Sohn giebt , ,

so bethätigt sie sich an dem, der den Sohn liebt, dadurch, dass
der Yerklärte Christus zum Menschen kömmt und diess nicht

allein, sondern der Yater mit ihm. So verläuft wie die erken-

nende Beziehung zu Gott so auch der Liebesverband mit ihm,


den der Glaube begründet, in einem lebensvollen Wechsel-
verhältniss von der Liebe Gottes aus ,
die der Welt als solcher

sich zuwendet in der Gabe des Sohns, durch die Liebe des

Glaubenden zum Sohne hindurch zur neuen Liebe Gottes, der


nun selbst mit dem Sohne bleibend bei dem Menschen wohnt,
f4,0vijV TTCCp'' aVT^ TTOlsT , 14, 23.
Diese Stellung zu Gott hat auch für den Glaubenden die

Möglichkeit in sich zu Werken , sogar zu grösseren als sie

Jesus that, 14, 12, und zwar werden auch hier wie in den

Synoptikern von den Werken des Glaubenden alle Schranken


entfernt, oti a,v 14, 13. Diese Werke sind Gaben, in denen

Jesus selbst der Wirkende bleibt: ich werde es thun, 14, 14,
und die Aktivität der Jünger in denselben ist Bitten ,
das ihnen

nun in seinem Namen ohne Hinderung und Grenze möglich ist.

Sehr nachdrücklich tritt auch der Begriff: Gebot in den Gedan-

kengang des Evangeliums. Jesus steht nicht nur als der gebende ,

sondern auch als der gebietende vor den Seinigen, und zwar
fasst er alles, was er zu gebieten hat, in das eine Gebot zu-
sammen, welches Liebe unter einander fordert in dem Yoll-
sinn, wie er ihnen an sich selbst die Liebe aufgedekt hat.

Diejenigen Weisungen ,
die sich auf das Verhalten zu Gott
beziehn, empfangen ihre dringliche Kraft aus dem eignen
Bedürfen des Menschen; wer leben will, muss glauben; sie
werden darum nicht unter den Begriff: Gebot gestellt. Das
206 DER GLAUBE IM NEÜEls TESTAMENT. KAP. V.

aber ,
was der Jünger dem Jünger zu erweisen liat ,
das ist

Jesu »Gebot", da tritt eine autoritative, fordernde Willens-

erklärung von Seiten Jesu ein, er scbreibt ibnen ihre Lebens-


arbeit und Aufgabe vor, und diese wird in die Liebe konzen-
trirt. Das Verbalten zu seinem Gebote wird als »Bewabrung"
desselben benannt, so dass dieser Grundbegriff des Gesetzes —
\"l1^D ^IDvi^ — bier auf höherer Stufe wiederkehrt. Mit dem
Halten der Gebote wird die Liebe zu Jesus identificirt ,
und diess

nach beiden Seiten hin : nur der welcher ihn liebt ,


wird sein Gebot

bewahren, und nur der liebt ihn, welcher sein Gebot bewahrt,

14, 15. 21. Darum bedingt die Bewahrung der Gebote den
bleibenden Besitz der Liebe Jesu, 15, 10. Wenn nicht unmit-
telbar der Glaube sondern zunächst die Liebe mit der Erfüllung

des Gebots zusammentritt, so ist diess darin motivirt, dass die

Liebe zu Jesus als die thätige Kraft gedacht ist, der die vom
Jünger in der Welt zu lösende Aufgabe zufällt, während der
Glaube in seinem receptiven Begriffe bleibt und seinen Bezie-

hungspunkt nicht im eignen, sondern in Jesu Wirken und


Geben hat; sofern aber der ganze Verband mit Jesus auf dem
Glauben an ihn beruht, tritt auch die Bewahrung des Gebots
als Frucht und Folge des Glaubens hervor.
Die Einheit, in welche die göttlichen Kräfte und Güter für
die Welt mit Jesu Person gesetzt sind, wird mit seinem Weg-
gang aus der Welt nicht aufgehoben. Das Leben, das sich

als Jesu eigner Besitz in ihr begründet hat, erhält sich in

den Glaubenden nicht unabhängig von seinem Ursprung und


Geber, vielmehr besteht es auch als ihr ewiges Leben in Jesu
persönlichem Verbände mit ihnen: er ist in ihnen und sie hie-

durch in ihm. Auch auf dieser höchsten Stufe der Gemeinschaft,


wo jedes scheidende Auseinanderseiu beseitigt und ein wahr-
haftes Ineinanderleben Jesu und der Glaubenden gedacht ist,

wird das Verhältniss nicht physisch, unpersönlich, willenlos,


es bleibt ethisch bestimmt und ergiebt darum einen Imperativ;
DER, GEIST. 207

bleibet in mir! Er giebt der Glaubensweisung ihre vollendete

Gestalt, welche ihr da zukömmt, wo die Beziehung zu Jesus


nicht mehr nur äusserlich im Sehen seines Werks und Hören
seines Worts vermittelt, sondern innerlich geworden ist, wo er

darum nicht nur in einzelnen Erweisungen seines Berufs er-

kannt ist ,
welche durch einen Vertrauensakt Basis eines innern
Anschlusses an ihn werden, sondern wo der gesammte, volle

Inhalt seiner Person wirksam geworden ist als der Grund und
die Kraft, der Ort und das Mass, worin sich der Glaubende
mit seinem eignen Leben hineingestellt sieht und worin er

auch mit einem fest gewordnen Willen verbleiben wilL


Wie die Nikodemusrede den Glauben an Christus zurückleitet
auf den ursprünglichen Gottesverband, der im Thun der
Wahrheit durch das in Gott gethane Werk besteht, so leitet
sie auch die Geburt aus dem Geist auf den Glauben an den

Sohn zurück. Die zweite Wendung der Rede deutet in analoger


Weise die erste, wie die dritte die zweite ^); sie erklärt, wie
so es in der Welt des Fleisches, wo alle Aktivität und Pro-
duktivität des Fleisches doch immer wieder nur in Fleisch endet ,

zum Dasein und Wirken des Geistes kömmt. Dieses folgt


aus der Erhöhung des als Geber des Lebens in die Welt ge-
sandten Sohns , vgl. 7,39, von ihr aus entsteht jene Aktivi-

tät des Geistes in der Welt, durch welche der Mensch eine
Zeugung von oben empfängt, und es ist somit der Glaube an
den Christus nach seiner objektiven realen Seite der empfan-,

gende Akt für ein Leben das nicht aus Fleisch sondern weil
, ,

aus Gott, darum aus Geist entsteht, vgl. 1, 12. Damit sind
wie Art und Bedeutung der Wirksamkeit Jesu, so auch Inhalt
und Kraft des Glaubens vollends in ihrem Grunde aufgedeckt.
Nun ist durchsichtig ,
warum der Glaube an Jesus Besitz ewigen

Lebens, Quellpunkt der Gotteserkenntniss, Begründung einer

1) Vgl. Seite 196.


208 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. V.

solchen G-emeinschaft mit Gott und Christus ist, die ein Sein

Gottes und Christi im Menschen ergiebt. Er ist diess dadurch,


dass er den Menschen in den Bereich der Wirksamkeit des
Geistes stellt. Damit ist zugleich das Verhältniss des Glauben-
den zur Welt auf seinen höchsten Ausdruck gebracht: er steht
nun selbst als der Geber lebendigen Wassers vor ihr, das als

zeugende Kraft beschrieben ist, 7, 38. Die Befähigung zu sol-

eher Wirkung liegt im Glauben dadurch, dass er im Christus

des Geistes theilhaft macht.

So ist dem Glauben im Evangelium nach allen Richtungen


hin eine centrale Stellung gegeben. Ei hat ein ursprüngliches

Yerhältniss zu Gott vor sich , das in ihm zu seinem wirksamen


Abschluss und fruchtbaren Resultat gelangt, und er begründet
und beginnt ein neues Verhältniss zu Gott, das alle Beziehun-

gen des Lebens, das Erkennen wie das Lieben, die Stellung

zu Gott wie die zur Welt zu ihrer ewigen Vollgestalt erhebt.

Diese centrale Stellung eignet dem Glauben als der unmittel-

bare Reflex der centralen Bedeutung, die Jesus gegeben ist.


SECHSTES KAPITEL.
Zusammenstellung der beiden evangelischen Berichte.

Einheit und Differenz zwischen den Synoptikern und Johannes; der ver-

borgene Christus der Synoptiker; ihre Bedeckung der Glaubensmah-


niing; der enthüllte Christus des Johannes; seine Beleuchtung des
Glaubens: die Wiederkehr der synoptischen Momente bei Johannes;
der Glaubensakt als Grund der beiden Evangelientypen.

Was die Synoptiker und was Johannes als Jesu Wort über
den Glauben geben ,
steht zu einander in einem höchst lehr-
reichen Verhältniss gleichzeitiger Einheit und Differenz. Beide

Zeugnisse heben folgendes übereinstimmend hervor:


Jesus hat den Glauben als das voll zureichende Motiv zur Ge-

vrährung der göttlichen Hülfe und Gabe behandelt;


er hat um des Glaubens willen alle Verfehlungen und Defekte
übersehn und vergeben, und um des Unglaubens willen alle

auf Gott und das Gesetz gerichtete Thätigkeit als Schein und
Sünde verworfen;
er hat dem Glauben ein unbegrenztes göttliches Geben zuge-
sagt, so dass dem Glaubenden um seines Glaubens willen alles

zu Theil wird ,
was von Gott her dem Menschen gegeben wird ;

er hat desshalb den Glauben nicht auf der Stufe einer be-

dingten Erwartung gelassen, sondern ihn als ungebrochne Ge-


wissheit gefordert, welche die göttliche Gabe als für den

Glaubenden vorhanden und ihm gegeben weiss;


er hat diese unbedingte Zuversicht auch in Bezug auf sein

eignes Wirken erwartet und gefordert;


14
210 DER GLATJBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

er hat den offenbaren Thatbestand seines Lebens als zurei-

chenden Grund zu solcher Zuversicht behandelt, so dass sie

unmittelbar aus Selbstbezeugungseiner als die dieser entspre-


chende Konsequenz zu folgen hat;
er hat innerhalb derselben namentlich das Wunder hervor-

gehoben als geeignet Glaubensmotiv zu werden, sofern in ihm


seine helfende Macht in ihrer Unbegrenztheit sichtbar wird ,

jedoch gleichzeitig jede Zeichenforderung abgewiesen , welche das


Wunder von ihm als seine Legitimation forderte ;
er hat dadurch

die Nothwendigkeit sich vertrauend ihm gegenüber zu verhalten ,

als unerlässlich geltend gemacht, so dass der Mensch durch

keine sichtbare Machtwirkung über sie hinweggehoben werden


kann und darf ');

er hat die Glaubensverweigerung aus böser Willensrichtung


abgeleitet, und als Schuld behandelt, ja als Schuld über alle

Schuld 2);

er Unglauben ihm selbst gegenüber mit der Ab-


hat den

weisung des Täufers und dem Gegensatz gegen die Schrift als
innerlich eins zusammengefasst ,
so dass jener in diesem schon

enthalten und begründet ist ^) ;

1) Wenn Jesus den wankenden Täufer auf die Zeichen verweist als auf das, was
ihn davor bewahren kann, sich an ihm zu ärgern, Mths. 11, 4 ff. und wenn er
den Dörfern am See die Zeichen vorhält als das was die Grösse ihrer Schuld ergieht ,
,

11, 21 ff., so ist diess derselbe Gedanke, wie das Johanneische.- den Werken glau-
ben. Daneben steht auch synoptisch die absolute Abweisung der Zeichenforderung.
Die genaue Parallele in der Behandlung des Zeichens ist nm so bedeutsamer, weil
die Doppelstelluug Jesu dem Wunder gegenüber nicht unmittelbar durchsichtig ist,
sondern ein gehendes Problem in sich hat.
tief

2) Darin dass der welcher böse ist , aus dem bösen Schatze seines Herzens Läster-
worte hervorbringen muss, Mths. 13, 33 ff., und die böse Generation darum ungläubig
in Zeichen sucht, weil sie böse ist, und als böse kein Zeichen erhält, also in ihrem

Unglauben gelassen wird, Mths. 13, 39 ff., liegt die synoptische Parallele zur Johan-
neischen Begründung des Unglaubens aus dem mit den teuflischen Begierden überein-
stimmenden Willen.
3) Das synoptische Wort: ihr habt dem Täufer nicht geglaubt, darum nenne ich
auch den Grund meiner Macht nicht, und das Johanneische: ihr glaubt Mose nicht,
darum auch mir nicht, sind Parallelen. Die Zusammenfassung der Verwerfung Jesu
i)lE SYNOPTIKER UND JOHANNES. 211

er hat Entstehung und Bestand des Glaubens auf ein Inne-


wirken Gottes im Menschen zurückgeführt, so dass das ver-
trauende Verhalten zu ihm an sich seihst schon eine göttliche
GJ-abe ist;

er hat den Glauben von der Liebe, welche den ganzen In-
halt des göttlichen Gebots ausmacht, unabtrennbar gedacht,
weil der Glaube in seinem eignen Wesen auf die Liebe weist
und die Liebe in ihrer Völligkeit den Glauben mit seiner un-

bedingten Zuversicht in sich hat, so dass die Verheissung des


Lebens beiden gegeben werden kann, ohne dass die eine Ver-

heissung die andre stört.


Neben dieser sehr wesentlichen Einheit geht durch die ge-
sammte Darstellung beider Zeugen eine grosse Differenz. Die
Synoptiker erinnern zwar an mehrfache Anlässe, bei denen
Jesus im Jüngerkreise über Wesen und Kraft des Glaubens

sprach, sie bieten aber schliesslich nur eine einzige Gnome,


die sich lehrhaft über den Glauben ausspricht, und diess eine

Wort ist seiner Form nach ein Eäthsel, in ein Bild gefasst,

dem der Stachel des Paradoxen eignet. Auch der Ermahnung zum
Glauben kömmt synoptisch in der Rede Jesu kein grosser Raum
zu ; alle synoptischen Worte über den Glauben richten sich an be-
stimmte Persönlichkeiten mit seelsorgerlichem Zwecke, sie grei-

fen Unglauben strafend ,


Glauben weckend in den innern Lebens-
stand einzelner Personen ein, von deren individuellen Glauben
oder Nichtglauben sie reden. Es findet sich bei den Synoptikern

keine Gnome ,
viel weniger eine längere Rede ,
die das Verhält-

niss des Reichs zum Glauben an Jesus auf einen universellen

Ausdruck brächte. Bei Johannes gehen dagegen die bestimmten


Definitionen, die den Glauben an Jesus als die Bedingung für

mit der Verwerfung der Schrift und des Gesetzes liegt auch synoptisch vor im Gleich-
niss von den Weingärtnern, Mths. 21 , 33 ff., in der Gerichtsrede üher den Rabbinismus,

Mths. 23 u. 9. f.
212 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

den Besitz der raessianischen Gabe nennen ganze ,


durch, das

Lehrwort Jesu an Juden und Jünger hindurch.


Bei den Synoptikern steht neben der Glaubensmahnung, ja
reicher entfaltet und schärfer betont als diese, diejenige Be-

griffsreihe, welche im Bussruf ihre praktische Spitze hat, wie


denn Markus in der summarischen Zusammenfassung der Lehre
Jesu aus der Nähe des Reichs' einen doppelten Imperativ ablei-
tet: kehrt um und glaubt, Mrk. 1, 15. Bei Johannes stellt

sieb dagegen der Glaube als das alleinige Ziel der gesammten

Tbätigkeit Jesu dar, so dass sich auch sein Lehren konstant


auf Grund und Feucht des Glaubens bezieht; ßSTmoiix, und
[j(.sroivos7v gehören nicht zum Johanneischen Sprachgut.
In den Synoptikern tritt der Glaube auch in die natürliche

Lebenssphäre hinein, er bezieht sich auch auf Brod und Ge-

wand, auf die Hülfe im Sturm und auf die Heilung in der
Krankheit. Sofern sich das göttliche Wirken ,
welches diese Gaben

gewährt, nicht nur durch Jesus vermittelt, behält der Glaube


neben seiner Beziehung zu Jesus eine von ihr unterscheidbare

Beziehung zu Gott. Diese natürliche Sphäre der Glaubensbethä-


tigung wird von Johannes völlig übersprungen vom Glauben der ; ,

Brod und Kleider erwartet , spricht er nicht ;


auch die an Jesus

gerichtete Bitte um Heilung ist ihm noch nicht Glaube. Für


ihn hat der Glaube ein einziges Objekt, weil er nur ein ein-

ziges Verlangen in sich hat und nur eine einzige Gabe sucht;
Jesus und das in ihm erschienene Leben in der Erkenntniss

und Liebe Gottes, welches ewiges Leben ist. Glauben das heisst

»glauben an ihn", 'ttk^tsvsiv s'ig avTÖvl Keine andre Begriffs-

verbindung vermag irgendwie die Alleinherrschaft dieses einen


Gedankens zu durchbrechen. In dieser einen Bethätigung des
Vertrauens ist ihm alle glaubende Beziehung zu Gott enthal-
ten ,
sie ist der eine nothweudige Glaubensakt ,
ausser dem kein
wahrhaft auf Gott gerichteter Glaube zu Stande kömmt. Diese
Konzentration alles Glaubens auf Jesus tritt als Differenz in
DIE SYNOPTIKER UND JOHANNES. 213

alle Parallelen zu den synoptiselien Worten hinein. Wenn


Jesus synoptisch die Sanhedristen daran erinnert, dass sie dem
Täufer glauben verweigerten und ihnen auseinandersetzt, wie
sie damit dem Reiche ferner stehen als die Zöllner und Dir-

nen, so wird der Glaube einfach auf den göttlichen Ursprung


der Bussmahnung bezogen, wobei den Hörern selbst über-

lassen bleibt, zu bedenken, ob sie nicht auch Jesus Glau-


ben schuldig sind, und was die Glaubensverweigerung ihm
gegenüber für Folgen haben wird; hält er ihnen dagegen
bei Johannes ihren Unglauben gegen Mose vor, der diesen

zu ihrem Ankläger macht, so wird ausdrücklich an das Zeug-


niss Mose's über Jesus gedacht und hervorgehoben, dass der
Mose gewährte Glaube ihm gegenüber Glauben zur Folge
haben müsste. Auch bei Johannes erklärt Jesus wie bei den
Synoptikern in den letzten Tagen den Jüngern, dass sie

im Glauben zu analogen Werken befähigt seien, wie er sie

selber that, und auch bei ihm ist die Unterweisung über die

unbedingte Macht der Bitte ein wesentlicher Bestandtheil sei-

ner letzten Reden, aber auch hier bleibt der Glaube in seinem
überall wiederkehrenden Begriff: wer an ihn glaubt, wird die

Werke, die er thut, auch thun, und was in seinem Namen


gebeten ist, wird der Vater geben, 14, 12 ff. Diese Differenzen
sind nichts weniger als zufällig sondern erwachsen aus der

Grundstimmung und den obersten Gesichtspunkten, welche die

beiden Evangelientypen gestaltet haben.


Im synoptischen Bilde verhüllt der Christus sein Wort zu-

nehmend, je mehr es sich um Ziel und Art seines eignen


Wirkens handelt. Matthäus hebt zwei grosse Volksreden hervor
als Veranschaulichung der Lehrthätigkeit Jesu, die Bergrede
Mths. 5 —
7, und die Rede am See, Mths. 13. Auch die erstere
ist Reichspredigt, denn das Reich bedingt und gestaltet ihren

ganzen Inhalt, doch nicht so, als käme Inhalt und Gabe,
Begründung und Geschichte^ des Reichs zur Darstellung ; sie be-
214 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

stimmt vielmelir die sittlichen Anforderungen , welche das Reich


an die Hörer stellt, nnd diese Rede ist in die klarste Durch-

sichtigkeit gegossen. Die zweite Rede setzt dagegen Gründung,


Art und Inhalt des Reichs auseinander und sie ist ausschliess-
lich Gleichniss, unverständlich für das Volk und auch den
Jüngern nur theilweise gedeutet *).
Noch vollständiger als

die Reichspredigt wird das Christuszeugniss bedeckt, ja jene


dient selbst als Decke für dieses. Wie das Gleichniss das Reich

zugleich darstellt und verbirgt ,


so öffnet und verhüllt die Reichs-

predigt zugleich das Christuszeugniss. Die Frage nach dem


Christus war mit der Reichspredigt unmittelbar gestellt; wer
das Reich verkündete, bezeugte damit, dass er das Geheimniss
des Christus kenne; wer es als nahe ansagte, verkündete damit

den Christus als nah und wer es als gegenwärtig behandelte,


gab zu erkennen, dass der Christus gegenwärtig sei. Insofern

war in der Reichspredigt das Christuszeugniss enthalten. Nun


trennt aber Jesus beides in seinem öffentlichen Auftreten; jene

wirft er unter das Volk, dieses nicht; neben dem Worte: das
Reich ist nah, ja mitten unter euch, steht nicht eben so frei

nnd unverhüllt das andre Wort : ich bin der Christus ! Seine

Rede bewegt sich konstant auf dieses Ziel hin ; spricht er z. B.


Mths. 11, 7 ff. über die Bedeutung des Täufers, so gehn die

Aussagen der Rede unmittelbar bis an's Christuszeugniss, denn


ist Johannes Elia, so ist er selbst der Gesalbte, aber diese

Folgerung wird nicht ausgesprochen: wer ein Ohr hat, höre!


Jede drängende Frage, die ihn nöthigen will, sich als den
Christus zu bezeichnen, wird strenge abgewiesen; die Erör-

terung seiner Vollmacht lässt er in bewusster Absicht an

1) In dieser Bedeckung des Keichsbegriffs liegt die Schwierigkeit, auf welche die
isolirteBetrachtung der Synoptiker immer wieder stösst. Man sehe, was für leere
Ahstraktionen unsre neutest. Theologien als Jesu Reichsbegriff bieten: »ein religiös-
sittliches Institut" u. d. gl., Bestimmungen, deren schattenhafte Abstraktheit ihre

Qeschichtswidrigkeit
von vornherein ausser Frage stellt,
DBB. TEEBOR&ENE CHEISTUS. 215

einer Gegenfrage sclieitern; das Verlangen nach einem Zei-


chen wird daran erinnert, wie trefflich die Frager zu beur-
theilen wissen, wie morgen das Wetter Sogar dem
sein wird.

wankenden Täufer kömmt er nicht einen Schritt entgegen über

das hinaus, was er allem Yolk vor Augen stellt. Seine Ant-
wort enthält zweifellos ein messianisches Selbstzeugniss , da
Johannes nicht auf einen andern warten, sondern an ihm sich
nicht ärgern soll, doch nicht er selbst, sondern seine Werke
haben für ihn zu zeugen ,
und der Täufer soll auf demselben

Wege durch dieselbe innere Arbeit wie jedermann in Israel,


nämlich durch die aufmerksame Erwägung seines Werks, zur

Lösung seines Zweifels gelangen. Auch den eignen Jüngern


hält er den Christusnamen nicht entgegen. Wenn er die Be-

nennung: der Sohn des Menschen, die zweifellos eine messia-

nische Beziehung in sich hat, zur Selbstbezeichnung braucht,


so verhüllt er damit gleichzeitig absichtlich die Messianität. Er
lässt die Jünger mit sich wandern, um sie gelegentlich zu fra-

gen, für wen sie ihn halten, sie bleiben sich selbst über-
lassen ;
ihre Ueberzeugung ,
dass er der Christus sei ,
muss in
ihnen selbständig erwachsen, er verhält sich zu ihr nur bestä-

tigend, und zugleich wird ihnen geboten: sagt es niemand.


Auch der Einzug in Jerusalem durchbricht diese Zurückhaltung

nicht, da die messianische Aussage auch hier auf Jesu Seite


nur in einem Thatgleichniss besteht, dessen Yerständniss vom
aufmerkenden Eingehn seiner Umgebung in seinen Sinn abhing.
Darum bleibt auch jetzt noch der Gedanke möglich, er selbst

eigne sich die Christusstellung nicht zu. Man sagt ihm auch
jetzt noch: Meister; schilt deine Jünger; hörst du nicht, was
diese sagen ? Jesu Antwort fordert zwar die Kundmachung sei-

ner Messianität als absolute Nothwendigkeit ,


die Steine müss-
ten schreien ,
thäten es die Jünger nicht ,
doch er selbst ruft
den Christusnamen nicht in das Volk hinein. So sind es im
synoptischen Christusbild zwei einzige Momente, in denen
216 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

Jesus seine Messianität uEverhüUt ausspricht, beide sind höchst

bezeichnend; das eine Mal geschieht es im Kreise der Jünger,


das andre Mal vor seinen Richtern ,
dem Sanhredrin und Pilatus ,

Mths. 16, 17. 26, 64. 27, 11; das erste Mal geschieht es als

Basis zur Leidensweissagung, das andre Mal im Moment des

Sterbens selbst.
Der Bussruf in hüllenloser Schärfe ,
der in klarster Durchsich-

tigkeit auseinander setzt, was Gerechtigkeit und Sünde ist,

daneben die Reichspredigt in Gleichnissen, und neben den das


Wesen des Reichs doch noch andeutenden Gleichnissen die Be-
zeugung seiner Messianität nur im Moment des Todes, sonst
aber das Yerbot: sagt es niemand! so baut sich synoptisch
die Lehrthätigkeit Jesu auf, in einer grossartigen Konception.
Der regierende Gesichtspunkt derselben ist ein machtvoller

Realismus, der aufs vollkommenste den Begrifien: »Reich

Gottes", „Christus" entspricht, in die Jesus Ziel und Art seines

Wirkens fasst. Diese Begriffe greifen weit über die intellektu-


elle Sphäre hinaus und sprechen von Kraft und Wirkung,
welche den Menschen und die Welt in ihrem Wesen erfasst

ihnen zur Erneuerung. Und doch ist das Reich auf das Wort
gestellt und hat in der Lehre seine Begründung, weil es das
bewusste , personhafte Leben des Menschen nicht ungeistig
ignorirt, vielmehr hier gerade sich begründet. Darum tritt der

»König" lehrend auf, doch nun mit einem Lehrwort, das reelle

Wirkung sucht , nicht nur Begriffsbildung, das auf das Sein des
Menschen zielt und nicht nur auf sein Bewusstsein, und jede
Gedankenbildung, die nicht aus der innern Wesensbestimmt-

heit der Person selbst hervorgeht, als null und nichtig wer-
thet, ja direkt verunmöglicht. Er hat das Reich nicht so in
seinem Worte aufgeschlossen, dass ein Yerständniss desselben

möglich wäre, ohne reelles Eingehen in dasselbe, er hat den


Christusnamen nicht in den Mund des Volks gelegt, so dass

derselbe nachgesprochen werden könnte ohne innere Beziehung


DER VERBORGENE CHEISTUS. 217

ZU ihin, er behandelt Wort und Begriff lediglich als Mittel,


als „Same", der um dess willen gesät wird ,
was aus ihm an reeller

Lebensgestaltung im Menschen und in der Welt erwachsen soll.

Dieser Realismus bestimmt sich synoptisch näher als absolute

Durchführung des göttlichen Gebots. Während es dem Hörer


anheimgegeben bleibt, ob und wie ihm die Reichspredigt die
Frage wecke, wo denn der Christus sei, und ob und wie Jesu
Erscheinung in Wort und Werk dieser Frage zur Antwort diene,
während es dem Hörer zugewiesen wird, die Ueberzeugung zu
gewinnen, dass das Reich erlangbar, also gegenwärtig und
werthvoll sei, tritt der Bussruf, der das Gesetz interpretirt
und an ihm den Menschen misst, als das einzige Wort Jesu

auf, das unverhüllt jedermann dargeboten wird. Es ist damit


alles Verständniss des Reichs und des Christus von der Aneig-

nung des Bussrufs


abhängig gemacht. Sie ergibt jenen Besitz,
der die Bedingung zum Empfang weiterer Gabe ist, Mths. 13 ,

12. Wenn sich die Reichshoffnung am Bussruf gereinigt, durch-


leuchtet und mit Inhalt gefüllt hat, so dass das Reich als

Erfüllung des Gesetzes gefasst ist und die Bitte: dein Reich

komme, bestimmt zu der andern: dein Wille geschehe!


sich

dann wird sich die Reichshoffnung auf Jesus wenden und sich
in ihm erfüllt und befriedigt sehn ,
und wer für seine Christus-

hoffnung in ihm die Realität erkannt hat, der darf und soll

ihn nun auch Christus nennen und sein Bekenntniss wird ihm
als Gottes Offenbarung bestätigt und mit der höchsten Gabe
gelohnt; doch nur dann wird dasselbe als werthvoll geschätzt,
wenn es aus der Unterwerfung unter Gottes Recht und Gesetz
herausgewachsen ist. Bleibt dagegen sein Wort in ethischer
Hinsicht wirkungslos, so soll auch kein Yerständniss des Reichs
und der Messianität Jesu zu Stande kommen; die welche die
Gesetzlosigkeit wirken kennt er nicht und sie hält er folgerichtig
,

auch von seiner Erkenntniss fern. Darum fällt auf die Reichs-

predigt der Schleier des Gleichnisses und der Christusuame wird


218 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

mit Schweigen bedekt, und das Gesetz Gottes tritt allein un-
verhüUt hervor, weil kein andrer Weg in's Reich und in die
Gemeinschaft des Christus geöffnet wird als der durch das Ge-

setz hindurch.

Der Realismus dieser Lehrthätigkeit und ihre Gebundenheit

an das göttliche Gebot hat weiter zur Folge ,


dass der Gedanke
sofort auf die Resultate hin geleitet wird, die sich aus Reich
und Christus zu ergeben haben, nicht aber bei den begrün-
denden Momenten festgehalten wird. Das synoptische Wort

beschäftigt sich ausdrücklicher mit dem Jünger als mit dem


Christus selbst. Wir erhalten das Wort: ihr seid das Licht

der Welt, aber nicht das andre: ich bin das Licht der Welt;
es wird nicht gesagt, dass Jesus die Schlüssel des Himmelreichs
habe ,
wohl aber ,
dass er sie dem Jünger gebe. Diesem wird ge-

sagt, dass sich durch sein Wirken die richterliche Scheidung


vollziehe unter den Menschen in göttlicher Gültigkeit, so dass
er eine Lösung oder Bindung wirkt, welche den Gerichtsakt
Gottes in sich hat; von Jesus selbst wurde nicht gesagt, dass

sich von ihm aus die göttliche Krisis vollzieht. Die Liebe und
Geduld und Vergebung, die der Jünger zu üben hat, wird
weit reicher besprochen als die, welche Jesus selber übt. Ener-

gischer als die Verheissung: ich komme zu euch, tritt die

Mahnung auf: wartet auf mich. Analog wird am Bild des Jün-
gers sein Verhältniss zu den Menschen heller beleuchtet als

sein Verhältniss zu Gott. Die Stellung, die Geld und Gut im


Jüngerleben haben sollen ,
wird scharf präcisirt ; wie es sich
mit dem Geiste Gottes verhalte, der in ihnen reden wird zur

gegebnen Stunde, bedeckt. Die Liebe zum Nächsten


bleibt

wird in mannigfacher Weisung dargestellt; wie die Liebe zu


Gott sich entfalte, darüber erhalten wir kein Bild, und doch
ist diess das erste und vornehmste Gebot. Für das Fortbestehii
ihrer Gemeinschaft unter einander in gegenseitiger Vergebung,
in Tragung der Kleinen in lieber-
,
Vermeidung herrschsüchtiger
DER VEB.BOEGENE CHRISTUS. 219

Hebung u. s. f., trägt Jesus eingehend Sorge; wie sich seine

Gf-emeinschaft mit ihnen forterhalten wird, darüber finden sich


nur Andeutungen, Mths. 18 ,
20. 28, 20. Nicht mit den ur-
sächlichen Momenten beschäftigt sich das Lehr wort, denn diese
sind gegeben und durch sich selbst wirksam. Der Christus ist

da, aber der Jünger soll werden; das Verhältniss zii Grott be-

gründet sich in Gottes eigner That, er vergibt in seiner Gnade,


aber die Auswirkung desselben im entsprechenden Verhalten zu
den Menschen nimmt des Jüngers Thätigkeit in Anspruch;
sein Vergeben muss errungen werden und auf diese Wirkung
zielt das Wort. Damit tritt der starke Zug des synoptischen

Wortes in die Zukunft in innern Zusammenhang; dort erst

findet sieh die gesammte Kraft und Wirkung des Reichs ,


dort
erst das eigentliche Kommen des Christus in seiner königlichen

Machtfülle ,
dort erst die Erfüllung des Gesetzes im Welt erneu-
ernden Richterakt, dort überhaupt die Resultate von dem, was
in der Erscheinung Jesu begründet ist.

Auch die Form der Lehrthätigkeit Jesu erhält von liier aus
ihr Licht. Sie nimmt mit einer Häufigkeit ,
die auf Absicht

weist, die Gestalt des Räthsels an. Neben dem vollendeten


Räthsel des Gleichnisses stehen synoptisch zahlreiche Gnomen
mit paradoxer Fassung :
selig die Armen ,
Leichen begraben die

Leichen, ich rufe keine Gerechten, kein Zeichen als das des

Jonas, der Kleinere ist der Grössere, Erste Letzte, der Herr

David Davids Sohn u. s. f. Das Lehrwort bleibt ferner konstant

an einenkonkreten [Anlass im Verhalten seiner Umgebung

gebunden. Die Unterweisung seiner] Jünger über das Gebet er-


folgt erst auf ihre Bitte, Luk. 11, Iff. So wichtige und tief-

greifende Gesichtspunkte ,
wie sie in den Aeusserungen Jesu
über Sabbath und Reinheit liegen, welche die gesammte Stel-

lung zum Gesetz neu gestalten werden nicht als Theorie über,

den Begriff des Sabbaths und der Reinheit vorgetragen; Jesus


wartet, bis sich Widerspruch gegen sein Verhalten erhebt, und
220 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Vf.

nun erst deckt er seine Stellung zu beidem auf. Den Schnitt in

das Selbstbewusstsein der Jünger, die sich für die Grossen im


Himmelreich halten, vollzieht Jesus, so wichtig er ihm ist,

denn die Theilnahme am Reich hängt davon ab, dennoch erst

dann, als sich dasselbe im bestimmten Begehren äussert: nenne


uns den Grrössten im Himmelreich Mth. 18 , ,
1 ff. u. o, f. Nun ha-
ben zwar Räthsel und G-leichniss für dasDenken einen erregenden
Reiz ,
der es in lebhafte und bleibende Bewegung setzen kann ;

nicht minder liegt in der Individualisirung des Lehrworts eine


eminente intellektuelle Hülfe für die Hörenden ,
da dasselbe
hiedurch in unmittelbare Beziehung zu ihrem geistigen Bestände
tritt und so in ihrem eignen Innenleben stets das Faktum
neben sich hat, das ihm Anschaulichkeit verleiht. Aber eine

solche Gestaltung des Lehrens setzt den Begriff und die Formel
in ihrer Allgemeinheit vollständig hintan über der erziehenden

Einwirkung auf die einzelne Persönlichkeit ,


sie hat darauf ver-
zichtet ein fertiges Wissen in den Geist des Hörers einzufüh-
ren ,
und bietet sich ihm nicht als Ersatz der eignen innern
Arbeit an; sie nöthigt zur Selbstthätigkeit und zwar nicht nur
zu einer intellektuellen ,
sondern da das in solcher "Weise indivi-
duell applicirte Wort einen Imperativ in sich schliesst ,
vor
allem aus zu einer ethischen Arbeit ,
von deren Eintritt sie ihren

ganzen Erfolg abhängig macht.


Nach Form und Inhalt ist die synoptische Behandlung des
Glaubensbegriffs durch diesen Grandcharakter des Christusbil-
des bedingt. Auch über den Glanbeu geben die Synoptiker nur
einen Räthselspruch , auch von ihm ist nur auf gegebnen, be-

stimmten Anlass die Rede, wenn den Jüngern ein vergeblicher


Versuch, einen Kranken zu heilen, ihre Ohnmacht vergegen-
wärtigt, Mths. 17, 20, oder ein Ausruf des Petrus seine innere

Spaltung zu Tage giebt, Mrks. 11, 21, oder der Glaube des
Heiden beschämend neben dem Verhalten Israels steht, Mths.

8 , 10. Auch am Glauben wird nur dessen objektive Wirkung


DER VERBORGENE CHRISTUS. 221

beleuchtet Vorbedingung und Ausrüstung zur Wirksamkeit


,
als

der Jünger, wird er berausgehoben- Eine Eingliederung dessel-


ben in den Verlauf des Innenlebens liegt diesem Lebrwort

völlig fern ,
das vom Hoffen gar nicht , von der Geduld
nur an einer einzigen Stelle spricht. Sein Ziel Hegt nicht in
der auf Glauben und Hoffen reflektirenden Begriflfsbildung, son-

dern darin Mensch zum Glauben bewogen und zum


dass der

Hoffen aufgerichtet sei; dem Thatbestand des glaubenden und


hoffenden Verhaltens folgt das Bewusstsein um denselben sofort
nach. Ebenso unterlässt Jesus alle begrif3.iche Erklärung über das
Verhältniss der Buss- zur Glaubensforderung. Dasselbe ist nicht

willkürlich bestimmbar ,
sondern im Verlauf des geistigen Lebens

göttlich geordnet ;
wo nur Umkehr und Glaube faktisch entstehn ,

werden sie sich zu einander in ihr geeinigtes Verhältniss set-

zen. Dasselbe sodann auch verstehend zu bestimmen, das fällt

als eine sekundäre Aufgabe dem Hörer und Thäter seines

Wortes zu.

Aber auch die Seltenheit der Glaubensmahnung hängt un-

mittelbarvon den dominirenden Gesichtspunkten des synoptischen

Evangelien typus ab denn sie ist mit der Bedeckung des mes-
;

sianischen Selbstzeugnisses gegeben. Wie Jesus synoptisch


niemand anspricht: ich bin der Christus, so ruft er auch nie-
mand zu: glaube an mich! Wenn aber Markus dennoch in

seiner Lehrsumme, 1 , 15, neben den Ruf zur Umkehr denjeni-

gen zum Glauben stellt, so entsteht daraus keine Disharmonie

zwischen dem zusammenfassenden Worte und seiner übrigen Dar-

stellung; jenes spricht vielmehr den Gesichtspunkt aus, der

diese begründet und erzeugt. Wie das ganze Reden und Wirken
Jesu im Sinne der Synoptiker ein fortlaufendes Christuszeugniss

ist, so ist es auch ein fortwährender Glaubensimperativ , den wie


Jesus so auch der Evangelist als völlig deutlich und verpflich-
tend behandeln, ob er auch unausgesprochen bleibt ;
stellt doch
Jesus durch sein Reden und Handeln beständig die faktische
222 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

Basis zu einem vertrauenden Verlialten zu ihm her. Aber gleich wie


und darum weil das Ohristuszeugniss nicht in das Yolk hinein-
gerufen wird ,
ebenso soll der Hörer das ihm in Jesus vorliegende

Glaubensmotiv selbst wahrnehmen und auf dasselbe in eigner


That eingehen. Diess wird, soll aber auch nur dann geschehn,
wenn der Bussruf angenommen und das von Jesus vorgehaltne
Gebot Gottes als recht und gut ergriffen ist. Und ist der Glaube
entstanden, so wird der Glaubende in seinen Gedanken nicht
mit sich selbst beschäftigt, sondern auf das hingewiesen, was
aus dem im Glauben begründeten Anschluss an Jesus in sei-
nem Werk zu folgen hat und einst als die vollendende Offen-

barung des Eeichs folgen wird.


Der vierte Evangelist stellt nicht einen verborgnen Christus dar,
der das Gesetz Gottes enthüllt , sich selbst aber verhüllt vor dem
unbussfertigen Geschlecht und erst in einem neuen Kommen of-
fenbar werden wird ; er ist erfüllt von dem Bewusstsein wir sahen :

seine Herrlichkeit; er zeichnet Jesus als den der sich der Welt
erschlossen hat ,
der ,
indem er sich der Welt öffnet ,
ihr zeigt ,

dass er die Lebensgabe für sie in sich trägt; er schaut nicht

nur hinaus auf Resultat und Folge der Erscheinung Jesu, son-
dern hinein in den Grund jener Folge, in die wirkenden Kräfte ,
die jenes Resultat ergeben. Das Gleichniss mit seiner Hülle fällt ,

die Busspredigt wird übergangen ^);


vorbereitende auf die

Reichspredigt mit ihrer noch unbeantworteten Frage nach dem


Christus und ihrer in die Zukunft weisenden Yerheissung wird
in der ersten Rede Jesu ,
die der Evangelist gibt , hingewiesen ,

dann aber tritt sofort das Christuszeugniss ein, mit dem das
Reich nach seiner Gegenwart, nach Grund und Inhalt aufge-

1) Und zwar sowohl am als an Jesus. Würden wir einen Busse predigen-
Täufer
den Täufer und einen zum Glauben
rufenden Jesus erhalten, so läge hierin ein irre-
leitendes Momentj nun aber hebt der Evangelist sowohl am Täufer als an Jesus
das Eine heraus ,
Was ihm das Entscheidende und Wesentliche ist, nämlich das ,
was
Jesu Bedeutung aufschliesst und das glaubende Verhalten zu ihm begründet.
bM ENTH^TLITE CHRISTUS. 225

deckt Nicht die Weisung für den Jünger, sondern das


wird.

Zeugniss vom Wesen und Wirken des Christus, nicht die Dar-
stellung des Yerhältnisses ,
in das der Jünger zur Welt und
zum Menschen treten soll, sondern die Zeichnung seiner Ver-

bundenheit mit Christus und in ihm mit Gott, nicht der Aus-
blick in die zukünftige Wirksamkeit Jesu ,
sondern der Ein-
blick in die in ihm erschienene und vorhandne Lebensfülle ist

der Inhalt dieses Christusbilds. Und diese Begriffe, die Jesus

nach seiner Geeintheit mit dem Vater und nach seiner gegen-

wärtigen Wirkung auf die Glaubenden benennen ,


sind sämmt-
lich aufgeschlossen in ihrer principiellen Bedeutung. Keiner

derselben ist ohne synoptisches Gegenbild, aber was synoptisch

Mysterium und Andeutung bleibt, ist hier entfaltet in seinen

Reich thum und durchleuchtet zu heller Durchsichtigkeit. Damit


fällt auch Yom Glauben Räthsel Verhüllung und Bedeckung ab
, ,

in diesen die Bedeutung Jesu enthüllenden Worten tritt er hell

beleuchtet in den Vordergrund. Ein neuer Glaubensbegriff ist

es keineswegs; denn die Beurtheilung und Werthung des Glau-


bens ist in den beiden Evangelientypen dieselbe. Neben der
synoptischen Zeichnung des Glaubens, neben jener Zuversicht,
die Jesus alsden von Gott gesandten König fasst und nun
auf jedes : wenn da kannst verzichtet hat weil sie sein Wort
!
,

als schöpferische Kraft und darum durch sich selbst sich voll-
ziehenden Befehl fasst, die nun unbegrenzte Hülfe und Gabe
Gottes erwartet, ohne dass aus der eignen Schwäche und Sün-

digkeit Zweifel und Furcht die Zuversicht begrenzend folgen

dürften, und diess mit einer Erwartung, welche die göttliche


Gabe nicht als ein erst zu suchendes ,
an Bedingungen geknüpf-
tes Gut vor sich hat, sondern ihrer als eines vorhandnen, dem
Bittenden jederzeit zugänglichen Eigenthums gewiss ist ,
so dass

der Glaubende Menschen und Dämonen in der Gewissheit


gegenübersteht, dass auf sein Wort die Berge weichen und die
Sykomoren im Meere wachsen, dass ihn also nichts schädigen
224 HER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

und Lindern kann, vielmehr alles in Gottes Kraft ihm unter-


geben und dienstbar ist: neben diesem Glauben geben die
Johanneischen Bestimmungen über denselben nichts Hetero-
genes oder ISTeues; wer diesen Glaubensbegriff in sich trug,
der sprach: jeder, der an mich glaubt, geht nicht verloren
sondern hat das ewige Leben. Die Werthschätzung des Glau-
bens ist hier und dort dieselbe, nämlich eine schlechthin abso-

lute, da ihm hier und dort ein unbegrenztes Geben unbedingt


zugesagt ist. Darum ist auch die innere Gestalt des Glaubens
hier und dort dieselbe, nämlich Zuversicht, die nur Zuversicht

ist, weil sie jedes Bedürfniss von Gott gedeckt weiss. Aber alle

Gedankengänge, die synoptisch neben der Glaubensweisung


stehn, sind hier entfernt, und der Glaube selbst wird nach
seinem Werden und Entstehn ,
nicht nur in seiner
Wirkung
und Fruchtbarkeit aufgedeckt. Steht er in den Synoptikern
hinter der Busspredigt und in der Glaubensweisung selbst die

Beziehung desselben auf Jesus hinter seiner Beziehung auf Gott ,

so hat Johannes den Glauben als den grundlegenden Faktor

im ganzen Verhältniss zu Gott und im Glauben selbst das

auf Jesus gewandte Vertrauen als den grundlegenden Faktor


im ganzen Glaubensverband vorangestellt als denjenigen Punkt
, ,

an dem jene unbedingte Zuversicht, die sich von Gott alles

gegeben weiss entspringt und allein entspringen kann.


,

Die Differenz beider Darstellungen fällt in die Weise wie die ,

einzelnen Momente im Gedanken- und Lehrgang Jesu geordnet


und gruppirt sind ,
und hier haben Differenzen zwischen den Evan-

gelien ihre naturgemässe Stellung, denn die Zusammenordnung der


Worte und Handlungen Jesu zur Einheit eines Gesammteindrucks

ist diejenige Seite an der Evangelienschreibung, an welcher die

eigne selbsthätige Arbeit der Evangelisten vor allem aus her-

vortreten muss. Die Vielheit der Erinnerungen und Eindrücke


musste in ein Gesammtbild zusammengefasst werden ,
eine innere

Arbeit, von der die schriftstellerische Auswahl und Anordnung


DER ENTHÜLLTE CHRISTUS. 225

der einzelnen Worte und Handlungen Jesu nur den letzten ,


relativ

unwichtigen Ausläufer bildet; das wesentliche an derselben

fällt vielmehr vor die litterarische Reflexion: es bestand


in der Herausbildung der dominirenden Gesichtspunkte, unter
denen Jesus und seine Thätigkeit angeschaut wird. Das Ver-
hältniss der Johanneischen Begriffe zum synoptischen Worte
Jesu zeigt zweifellos, dass an der aufgedeckten Durchsichtigkeit
derselben die Arbeit des Jüngers mitbetheiligt ist, der die Be-

deutung Jesu und seines Worts in ihrem innersten Wesen zu


fassen begehrt und sie nur im Zusammenhang mit seinem eig-

nen Innenleben so zu erfassen im Stande ist wie er sie fasst.

Das vierte Evangelium und damit auch sein Glaubensbegriff ist


zweifellos in jedem Wort Frucht und Ergebniss der eignen in-
nersten Lebensarbeit und Glaubensentwiklung dessen, der es
schrieb. Tritt dieser persönliche Antheil des Evangelisten an der
Gestalt seines Evangeliums bei Johannes unmittelbarer, macht-

voller, man darf wohl sagen kühner hervor, so beruht doch auch die
Konception der Synoptiker selbstverständlich auf einer analogen
Jesu Erscheinung sich deutenden Arbeit. Sind sie zum Theil

Sammelwerke, so besagt das nur, dass diese innere Arbeit


denen zufiel, die ihnen ihren Stoff bereiteten, d. h. der ürge-

meinde. Der Jakobusbrief ist für die Genesis der Synoptiker ein

höchst intressantes Dokument, da er sich zu denselben ganz

analog verhält, wie der erste Johannesbrief zum Johannesevan-


gelium. Männer, die so dachten und lehrten wie der Jakobus-
brief, haben den synoptischen Evangelientypus gestaltet, wie
Johannes den Typus seines Evangehums '). Das Verhältniss
beider Christusbilder zu einander dokumentirt aber ebenso un-

1) Der Schluss aus der Verwandachaft der Johannisbriefe mit dem Evangelium
auf Ungeschichtlichkeit desselben ist nicht stringenter als wenn aus der Verwand-
schaft des Jakobusbriefs, dieser ,apostolisclien Bergpredigt", mit den Synoptikern,
auf die Ungeschichtlichkeit der letztem geschlossen würde.

15
226 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KA1>. YI.

verkennbar, dass hier und dort die innere Arbeit niclit im


Leeren operirt, sondern Aneignung und Wiedergabe dessen ist,

»was sie gehört und gesehen haben", 1 Joh. 1,1, und diess

gilt auch für den Glaubensbegriff.


Führt das synoptische Wort, in seinem Grunde verstanden
und durchschaut ,
auf ein andres Resultat als dasjenige ist , das

Johannes gab ')


? Warum ist der sündige und sterbliche Mensch
im Glauben zu unbegrenzter Macht und Freiheit über die Welt
emporgehoben? worin liegt der objektive Grund dieser Macht
des Glaubens? und wie entsteht subjektiv jene Zuversicht, die

Gott gegenüber alle Zerspaltung überwunden hat und das ihr

unerreichbare und unmögliche sich gegeben weiss? Warum gilt

Jesus gegenüber kein: wenn du kannst? warum kann er eine


Zuversicht fordern, die sich an seinem blossen Wort genügen

lässt als Gewissheit, dass sein Wort unbegrenzte Macht in

sich hat? Warum liegt in dieser an Jesus angeschlossnen Er-

wartung keine Beeinträchtigung der Beziehung zu Gott? Wa-


rum versinkt mit dem Glauben alle Sündigkeit des Menschen,
auch die der Zöllner und Dirnen, vor Gott? Warum ist an-
drerseits Abweisung Jesu schlimmer als Sodomiterei und Götzen-
dienst? Der welcher diese Verheissungen und IJrtheile sprach,
war sich ihres" Grundes bewusst; grundlos werden sie haltlos.

Der Grund kann verschwiegen und bedeckt werden, doch feh-


len kann er nicht, ohne dass das ganze synoptische Wort in
nichts zerfällt. Wird er aber aufgedeckt und ausgesprochen,

so wird sich nichts anderes finden als das Johanneische Wort,


dass Gott seinen eingebornen Sohn in die Welt sandte, damit

jeder der an ihn glaubt, ewiges Leben habe.


Kein Moment am synoptischen Glaubensbegriff wird durch
Johannes negirt. Synoptisch fordert Jesus die Ueberwindung

1) Die Frage ist hier niclit in ihrem ganzen Umfang sondern nur in Beziehung

uf den Glanhenshegriff zu erörtern.


DJB KONGETJENZ DER CHRISTÜSBILDER. 227

des auf Speise und Geld im GHauben,


gericliteten Trachtens
damit Raum entstehe für das Trachten nach Gottes Reich und

Gerechtigkeit. Hiezu verhält sich das vierte Evangelium wie die

Erfüllung zum Postulat. Brod und Geld sind hier in der That

verschwunden, ein Intresse ist das dominirende und füllt das

gesammte Streben, die auf den Christus und in ihm auf das
Reich und die Gerechtigkeit Gottes gewandte Liebe. Es spricht
nicht von der Regelung der natürlichen Verhältnisse; denn
diese sind ihm mit der Erkenntniss Christi und Gottes unmit-

telbar geregelt und herabgesunken an ihren untergeordneten


Ort. Der Glaubende ist nicht »von der Welt" und hat darum

auch seine Lust und sein Gut nicht an der Welt. Das Evan-

gelium stellt sich in die Stellung als in eine gewonnene und


erlangte, zu der das synoptische Wort aufruft.

Das synoptische Wort verleiht dem sittlich richtigen Ver-


halten in den natürlichen Lebensverhältnissen gegenüber dem
Besitz, der Ehre, dem Rechte des Nächsten und seiner Noth
und Sünde absoluten Werfch ; die Reichsgabe fällt demselben zu ,

auch wenn die , welche die Liebe übten ,


nicht wissen ,
dass

sie damit Christo dienen. Aber auch Johanneisch steht vor dem
Verband mit Christus ein Sein aus Gott, das zum Eigenthum
Gottes macht, eine Zugehörigkeit zur Herde Christi, die ihn
noch nicht kennt, ein Lieben des Lichts und der Ehre Gottes,
das in ihm seine Werke vollbringt, ein Sein aus der Wahr-
heit, das zum Thun der Wahrheit wird, das sich, da es der

glaubenden Beziehung zu Christus vorangeht, nur in den


natürlichen Lebensverhältnissen bethätigen kann. Und diesen

fundamentalen Bezügen zu Gott ist auch Johanneisch ein abso-


luter Werth zuerkannt, denn sie sind der Grund, auf dem der
ganze Verband mit Christus und die aus ihm erwachsenden
Güter stehn.
Das vierte Evangelium spricht von der Umkehr nicht, aber
fehlt darum dieabsolute Handhabung des göttlichen Gebots?
228 DEß GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

Die Verurtheilung des Menselien und Juden ist Johanneisch.


nicht minder umfassend als synoptisch. Die im Bussruf liegende

Erklärung, dass der sittliche Zustand des Menschen ihn vom


Reiche ausschliesse , liegt bei Johannes in schärfster Formuli-

rung vor, wenn dem Jesus sich nähernden Judenthum, wie es


Nikodemus repräsentirt die Nothwendigkeit einer Geburt aus
,

dem Geiste vorgehalten wird. Zweifellos sind beide Begriffe

keineswegs identisch, die Umkehr ist vielmehr synoptisch oft


einfach auf die sittlichen Grundnormen bezogen : halte die Ge-
bote ! aber die Differenz liegt auch hier nur darin ,
dass der

synoptisch in seinen elementaren Grundzügen bleibende Begriff


einer innern Wandlung Johanneisch in seinem Yollsinn ausge-

sprochen ist und zwar so, dass er nicht nur als Postulat auf-

tritt, sondern in seinem Princip aufgedeckt und damit in sei-

ner Möglichkeit klar gestellt wird.


Nach Johannes schliesst sich Jesus Juden und Jüngern in
der Herrlichkeit seiner Lebensfülle auf, doch nicht so, dass
bei ihm der Erscheinung Jesu das Paradoxon fehlt. Wir erhal-

ten nicht einen Christus, der nur Durchsichtigkeit und aufge-


deckte Yerständlichkeit wäre. Den ersten Aufenthalt Jesu in
Jerusalem charakterisirt er durch zwei Bilder, das eine ist eine

öffentliche Scene, die im Tempel vor den Spitzen der Juden-


schaft verläuft, sie drükt Jesu negatives ürtheil über den Got-

tesdienst Israels aus und endigt in einem von niemand durch-


schauten Räthselwort; die andre Rede enthüllt Jesu ganzes
Wirken bis hinaus zum Leben erzeugenden Wehen des Geistes
in der Fleischeswelt sie ist an einen einzelnen Mann gerichtet
;

in Nacht, und diesem einen, dem der Einblick in Jesu


der

Gedanken geöffnet wird, werden sie absichtlich zunächst in


ihrem scharfen Gegensatz zu seinen Erwartungen vorgehalten,
so dass er den Eindruck hat, Jesus wolle Unmögliches. Auch
Johanneisch bietet Jesus seinen Christusnamen nicht jedermann

dar; vielmehr ist auch hier das Brgebniss seiner Lehrthätigkeit


DIE KONGRUENZ DER CHRISTÜSBILDER. 229

diess , dass ihm der Jude den Vorwurf macht :


sage es uns doch ,

wenn du der Christus bist, und alle diese


Begehrungen bleiben
ebenso schlechthin unerfüllt wie bei den Synoptikern. Johannes
hat bekanntlich diese abweisende Haltung Jesu überaus ener-

gisch zur Darstellung gebracht.


Johannes stellt an Jesus ein helles unerschöpflich reiches
Bewasstsein um G-rund und Inhalt seiner Sendung dar und es
tritt damit das begriffliche Moment am Glauben mehr hervor
als im synoptischen Wort, aber ihr Realismus geht der Lehr-

thätigkeit Jesu damit nicht verloren. Die Macht der Johannei-


schen Rede liegt zumeist darin, dass der Tiefblick derselben

sich mit einer unerreichten, man möchte fast sagen — Kind-


lichkeit eint. Der Glaube tritt für Johannes in's Centrum der
ganzen Beziehung zu Gott, das Gewicht der endgültigen Krisis
liegt auf ihm, aus der ewiges Leben erwächst, aber auch die
vollendete Scheidung von Gott, und doch wie einfach bleibt
dieses glauben an ihn! Psychologische Analysen bleiben ihm
völlig fern ;
ohne die Begriffe hineinzuführen in die Reflexion ,

welche sich dieselben stückweise zusammensetzt, und ohne im


Bedürfniss nach Beweisführung in einen dialektischen Process
einzutreten, behält das Wort Jesu einen Positivismus, der die

Verhältnisse ,
in denen er selbst und die Welt zu Gott stehn ,

direkt in ihrer Wahrheit benennt und so seinem Wort in der


That die Haltung des Zeugnisses gibt, das von dem spricht,
was er gesehn hat, 3, 11. Der Erkenntnissbegriff des Evan-
geliums ist selbst völlig realistisch gestaltet: »Leben" nennt
das Ziel der Erscheinung Jesu und seiner ganzen Lehrthätig-
keit und das Erkennen wird betont, weil und soweit es ein

wesentliches Moment des Lebens ist.

Jesus war der Yerborgene, der in dem Manne, der das

Senfkorn in die Erde legte, oder in dem Weibe, das den Sauer-

teig im Mehl verbarg, sich sein Gleichniss gab, und die Kon-
ception der Synoptiker ist voll historisch, d. h. aus der An-
230 DEE GLÄ.UBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

schauung Jesu und der Wahrnehmung seines Verhaltens ent-


sprungen. Aber ein Ganzes gibt sie nicht. Auf die Bergpre-
digt und die Yeranschaulichung der Heilungen Jesu Kap. 8
und 9 lässt Matthäus sofort das vernichtende ürtheil über
Israel folgen; schon Kap. 10 behandelt Israel als verloren, in

Kap. 11 hält Jesus dem Volke die völlige Yergeblichkeit seiner


eignen Wirksamkeit mit sammt derjenigen des Täufers vor und
lässt Kapernaum tiefer stürzen als Sodom und Tyrus, Kap. 12
deckt die Bosheit der geistigen Leiter Israels auf bis zur Dro-

hung der ünvergeblichkeit ihrer Sünde in dieser und jener


Welt und Kap. 13 erklärt die Weissagung Jesaja's für erfüllt,
welche der prophetischen Predigt nur Verstockung zum Resul-
tate gibt. Dasselbe wiederholt sich in Jerusalem, er zieht ein

und sein Wort ist sofort und nur Wehe und Gericht. In den
dunkeln Ernst dieses Christusbildes bringt Johannes Lieht,
dadurch dass er zeigt, dass das verurtheilende Wort nicht das

einzige Wort Jesu war, sondern seine Voraussetzung im posi-


tiven Selbstzeugniss hat. Das synoptische Strafwort über das

ungläubige Geschlecht begründet sich in einer Lehrthätigkeit

Jesu, welche diesem den Inhalt seiner Gabe ersehloss und so


die Motive des Glaubens darbot, und aus ihr empfängt es seine

Erklärung.
Auch synoptisch begrenzt die Handhabung des göttlichen Ge-

setzes und Rechts und die richterliche Punktion des Christus


die Güte Gottes, der er dient und die sein eignes Verhalten

bestimmt, nicht. Die Buss- und Glaubensmahnung stehen neben


einander von denen jene die Sündigkeit des menschliehen Verhal-
,

tens herauskehrt und auch der korruptesten


richtet, diese

Lebensgestalt verheissend sich zuwendet, ohne dass die letztere


durch die erstere eingeschränkt wird sie tritt eben so absolut
,

wie diese neben sie, diess darum, weil auch synoptisch alle
Handhabung des Rechts und Gerichts der vergebenden und

gebenden Güte Gottes eingeghedert und von ihr dominirt ist.


DIE KONGRUENZ DEE CHRISTÜSBILDER. 231

Das G-esetz summirt sich im Liebesgebot der Zweck des Chris-,

tus ist Berufung der Sünder der Makarismus über die Armen
,

beginnt und regirt sein Wort. Johannes beschreibt die Fülle


Christi als dnade um Grnade, und zwar nicht als eine ver-

borgene unter dem Strafwort verhüllte, sondern dem ganzen


Charakter seines Christusbilds entsprechend , als eine sich offen-

barende Gnade, und darum fasst er Jesu ganzes Wort in die

Glaubensmahnung. Aber auch er spricht ausdrücklich aus und ,

zwar nicht als einen nebensächlichen Gedanken, vielmehr be-

dingt derselbet das ganze Verhalten Christi in Wort und That,


dass im Kommen des Christus und im Glauben an ihn die

Krisis real wird, die das Recht Gottes an der Welt vollzieht.

Er deckt auch den Grund auf, aus dem jene Koordina-


hier

tion von Recht und Güte entsteht sie beruht darin dass die , ,

Liebe Auswirkung das Recht vollzieht,


G-ottes in ihrer eignen

negativ indem die Scheidung von ihr in sich selbst das Gericht

ist, positiv, indem sie das Gute in eigner Wirkung in der

Menschheit schafft ;
der Christus wird durch sie zum Weinstock ,

der die Rebe in die Fruchtbarkeit versetzt ,


während die von ihm
geschiednen Zweige verdorren.
Beide Evangelientypen wurzeln mit ihrer Grundstimmung im
Glaubensakt nach den beiden Momenten ,
die in ihm geeinigt
sind. Der Blick auf den Christus als auf den Verborgnen em-

pfindet die Schranke, die im Vertrauen überwunden ist. Jesu


Macht und G-abe trat in seiner irdischen Erscheinung noch
nicht in ihrem gesammten Inhalt hervor: man muss ihm ver-

trauen. Die Johanneische Betrachtung Christi versenkt sich in


das positive Moment des Glaubens: er hat sich geoffenbart, er

ist für uns das Licht und das Leben, wir dürfen und sollen
ihm Das Zusammenbestehn beider üeberzeugungen
vertrauen. ,

der Gewissheit dass das gesammte göttliche Gut von ihm zu


,

erlangen ist, mit dem Bewusstsein, dass dasselbe noch nicht


zur Erscheinung kam und nicht unmittelbar Inhalt der Er-
232 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VI.

fahrung und des ErlelDens wird, gestaltet die Beziehung zu ilini

zum Grlaubensakt. Das eine Moment scUägt im einen, das


andre im andern Evangelientypus vor. Beide dokumentiren

gerade in ihrer Verschiedenheit, dass Jesus seine Jünger in der


That in ein glaubendes Yerhalten zu ihm hineingesetzt hat
und diess so dass es ihnen als Trieb und Kraft zu einem in eigner
,

innerer Arbeit erworbenen und darum individuell bestimmten


Verständniss seiner Erscheinung und Wirksamkeit fruchtbar
ward.
III

Die neue Gemeinde der Glavhenden.

SIEBEIsTTES KAPITEL.

Die Glaubensstellung der apostolischen Gemeinde.

Der Glaube als Benennung der Gemeinde; das Hauptmoment der christ-
lichen Frömmigkeit; der Schriftbeweis für denselben; die Genesis der

glaubenden Gemeinde; die Ausbreitung des Spracligebrauolis ; die psy-


cbologische Zweiheit im Glaubensakt; Ursprung und Ziel des Glaubens
in Gott; der Glaube durch Christus; seine Auferstehung; der Glaube
an Christus; die Bedingung zum Eingang in's Keich; der Glaube und
das Gesetz; der Glaube als gegenwärtiges Gut; die Treue; die "Wahr-

heit; die Synonyme des Glaubens; Glaube und Busse.

Die neue Gemeinde, welclie auf der üeberzeugung dass


,

Jesus der Christus sei , stand , bedurfte des Namens. Für den Ver-
kehr der Gemeindeglieder untereinander war von Jesu Zeit

her der Jüngername gegeben ,


und die Apostelgeschichte zeigt ,

dass er weiter lebte. Nicht nur jener Kreis ,


der sich schon um
Jesus selbst gesammelt hatte ,
sondern wer immer zur Gemeinde
hinzutrat, nannte sich Jesu Jünger. In den Briefen erscheint
derselbe jedoch auch nicht ein einziges Mal. Er entsprach den
neu gewordnen Verhältnissen nicht mehr völlig. Der Meister,
um den die Jünger sich gesammelt hatten, war nicht mehr

gegenwärtig ,
und wenn auch ihm gegenüber eine
ihre Stellung

lernende blieb ,
so hob sich doch nicht mehr das Lernen als
234 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

das Wesentliche und Charakteristische an ihrem Verhältniss zu


ihm heraus. Wie der Rabbiname für Jesus verschwand, wie sie
ihn nicht mehr wie einst ihren Lehrer ,
sondern den Christus ,

ihren Herrn ,
nannten ,
so trat auch der ihm entsprechende
Jüngername in der Sprache der Gemeinde zurück. Dafür wurde
der Brudername lebendig und derselbe trat sehr kräftig auch
in die griechische Christenheit hinüber als die eigentliche Be-

zeichnung des Q-emeindeglieds. Doch diese Benennung gab wohl


der innigen Verbindung der Gemeindeglieder unter einander
Ausdruck, aber das Hauptintresse der Gemeinde, ihr Verhält-
niss zu und Gott, blieb durch sie unbenannt. Dieses
Christus
kam zur Sprache wenn sie sich die Knechte Gottes oder Christi
,

nannten und diese Selbstbezeichnung dehnt sich in der Sprache


,

des ersten Jahrhunderts weit aus. Sie hätte dem Namen ent-

sprochen ,
mit dem die Gemeinde Jesus beständig nannte : Herr
ist Jesus, Rom. 10, 9. 1 Kor. 12, 3. Doch behielt der Be-

griff eine vorwiegende Beziehung auf bestimmte vom Herrn


ertheilte Aufträge und wurde weniger Benennung des Christen-

stands überhaupt als Berufsname für die Boten Jesu, wenn


auch in weiterm Sinn als der Apostelname.
Zwei Begriffe erhielten völlig den Werth feststehender Be-
nennungen, in welchen die Gemeinde ihre innere Stellung zu
Gott zum Ausdruck brachte: sie nannten sich die Heiligen und
die Glaubenden. Ein hohes Bewusstsein hat den ersten dieser
Namen erzeugt ^) ;
er zeigt, mit wie fester Zuversicht der Jün-

gerkreis die grössten Güter sich zueignete als sein Eigenthum ,

darum weil er zum Christus hinzugetreten war. Er nannte sich in

wird bei Paulus mit fester Prägung von den Christen Judäas Köm. 15, 25,
1) ^ytot
26. 31. 1 Kor. 16, 1. 2 Kor. 8, 4. 9, 1. 12, doch ebenso auch zur Anrede an
seine eignen Gemeinden gebraucht Rom. 1 7. 1 Kor. 12. 2 Kor. 1 1 und wo er
, ,

überhaupt von den Christen redet spricht er von den Heiligen Rom. 12, 13. 1 Kor.
,

6, 1. 2. 14, 33. 2 Kor. 13, 12. Phil. 4, 21. 22. 1 Thess. 3, 18 cf. Rom. 8, 27,
auch 1 Tim. 5, 10, häufig in der Apocalypse und Apostelgeschichte, dazu Hehr. 3,
1 heilige Brüder als Anrede ,
und Jud. 3.
DER NAME DER GEMEINDE. 235

seiner Verbundenheit die Gemeinde nämlicli Gottes, ^ ixx^ija-iix

seil, rou hov, '"• und übertrug dadurcb den Ehrennamen


vHp ,

Israels auf sich in der Gewissheit, dass Israels Beruf und Ver-

heissung in der dem Christus angeschlossnen Schaar Wahrheit


geworden sei. Davon war der Begriff „heilig" untrennbar, die
Gemeinde Gottes ist das heilige Volk. Die ganze Gabe Gottes

lag in diesem Namen ,


ihr Antheil am Reich ,
ihr Verband
mit Christus, ihre Zugehörigkeit zu Gott.
Der Name hat objektiven Inhalt: er bezog sich auf die im
Christus vollbrachte That Gottes durch welche ,
er die Gemeinde
für sich ausgesondert und verbunden und damit „gehei-
sich

liget" hat. Er rief noch nach einem andern Namen, der den
alten Benennungen die Gott fürchtenden Frommen Gerechten
: , ,

parallel ging, indem er ihr Verhalten zu Gott, den Charak-


ter ihrer neuen Frömmigkeit bezeichnete. In dieser Hinsicht
nannten sie sieb die Glaubenden. Die Apostelgeschichte heisst die

Gemeindeglieder wechselnd Jünger, Brüder, Glaubende und


letzteres tritt ebensosehr als fester Name auf wie ersteres, 2,
44. 4, 32. 15, 5. 18, 27. 19, 18. 21, 20. Schon die ersten
Paulinischen Briefe zeigen diesen Sprachgebrauch in vollem
Gange. Um die Christen Achaja's und Mäcedoniens zu bezeich-
nen, wird gesagt: alle in Macedonien und Achaja glaubenden,

1 Thess. 1, 7. In Korinth wird die Bevölkerung eingetheilt in


Glaubende und Ungläubige, 1 Kor. 14, 22. 23. 6, 6. Tritt
nur der eine Gatte in die Gemeinde und der andre nicht, so
hat jener ein ungläubiges Weib oder einen ungläubigen Mann,
1 Kor. 7, 12. 13. 14. Werden die Gemeindeglieder von jemand
zu Gaste geladen, der nicht zur Gemeinde gehört, so ruft sie

»einer der Ungläubigen", 1 Kor. 10, 27. Der Name hat in


solchen Stellen seinen Begriff noch voll in sich; wenn von den
Glaubenden Achaja's die Rede ist, so richtet sich der Gedanke

in der That auf ihren Glauben , denn durch diesen sind sie
236 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. YII.

berufen, sich an den Thessalonicliern ein Beispiel zu nehmen.

»Ungläubig" nennt nicht nur den Mangel äusserer Beziehung


zur Gemeinde, sondern die Glaubensverweigerung gegenüber
dem Eyangelium. Es äussert sich diess charakteristisch darin,

das ungläubig, «jt/ctto^, in 1 Kor. 14, 23. 24 Paulus zur Be-

zeichnung der Nichtehristen nicht genügt, er fügt noch die


andre Benennung „Laie" ihiir^jg hinzu, er unterscheidet zwi-
schen dem, der noch in ünkenntniss des Christenthums steht
und vom Evangelium noch nichts gehört hat, und demjenigen,
der bereits eine gegensätzliche Stellung zu demselben einge-
nommen hat ^).
Wenn ein Jude oder Heide einem Christen in
Freundschaft oder vollends in der Ehe verbunden ist, so trat

ihm das Evangelium nahe, und wenn er dennoch der Gemeinde


fern bleibt, ist er ungläubig, 1 Kor. 7, 12 f. 10, 27. Auch in
1 Kor. 6, 6 tritt dem Bruder der Ungläubige schwerlich nur

mit dem negativen Sinn gegenüber, dass er noch nicht Christ


ist, sondern in dem positiven Sinn, dass er vom Evangelium

nichts wissen will wer mit dem Bruder vor dem Heiden
5

streitet, übersieht hier das Einigende dort das Trennende 5


wie
ihn das Evangelium mit dem Bruder brüderlich verbindet ,
so

trennt es ihn vom Heiden desshalb ,


weil dieser ihm den Glau-
ben versagt. Gerade weil das Wort in solchem Gebrauch sei-

1) Im Gedanken, der Idiot sei eine Art Katechumene, äussert sicli das richtige

Gefühl, dass der Idiot der Gemeinde näher gerückt wird als der ^jr/oro?. Allein
ist doch nur ein rein negativer Begriff, der von beginnendem AnschlusX an
i$tu>Tii<;

die Gemeinde schlechthin nichts aussagt, sondern den so genannten nur von ihr son-
dert als nicht zu ihr gehörig. Eine Tautologie kann man nur dann in beiden Namen

finden, wenn man '^tiitto? seines IJegriffs entleert. Die Unterscheidung beider erhält
aus dem Pragmatismus der Stelle ihr Gewicht. Paulus will die Gemeinde daran
erinnern, dass die Heiden und Juden, welche sie besuchen, zu ihr in einem ver-
schiednen Verhältniss stehn, theils stehn sie der Sache einfach noch fern, theils
sind sieschon feindselig und widerwillig. Sogar die unbefangne Unwissenheit
ihr
wird abgestossen durch die Un Verständlichkeit der Zungenrede, wie viel mehr die Un-

gläubigen; wiederum nicht nur den Unwissenden sondern auch die Ungläubigen beugt
die Macht der Prophetie.
DER NAME DER GEMEINDE. 237

nen innerlichen Begriff keineswegs verliert, zeigen solche Stel-


len sehr anschaulich, wie die Gemeinde bis in ihre alltägliche

Rede hinein das unterscheidende Kennzeichen, nach dem sie


sich selbst benennt und von denen unterscheidet die ihr gegen- ,

über stehn, im Glauben fand. Solche Selbstbenennung ist eine

wichtige und lehrreiche Thatsache. Weil sie als freie Neubil-

dung zu Stande kömmt und nicht einer traditionell schon


befestigten Namengebung entnommen werden kann, auch nicht
von irgend welcher Absichtlichkeit dirigirt wird sondern natur- ,

wüchsig aus dem vorhandnen Gedanken- und Sprachschatz der


Gemeinde erwächst , ermöglicht sie einen vielsagenden und
zuverlässigen Blick in das Innere der Gemeinde, sie deckt

auf, welche Gedanken, Motive, Strebungen in ihr die Grund-


strömung bilden ,
was sie als ihren werth vollsten Besitz und
ihre wichtigste Aufgabe empfindet und betont, und wenn sie
sich nun als die Glaubenden von den andern als den Ungläu-
bigen unterscheidet, so dokumentirt sich hierin, dass ihr in

ihrem Verhalten zu Gott Glaube als das wesentliche Moment


erscheint.

Die Kraft dieses Sprachgebrauchs beweist sich darin, dass er

sprachbildend auch Tncrrög ergreift ,


und dasselbe in eine Bahn
lenkt, die ihm sein griechischer Gebrauch nicht vorzeichnete.
Das Wort wird im Sinne von »gläubig" der Gegensatz zu
XTriarTO^ ').
In der Apostelgeschichte und in den Pastoralbrie-
fen ist dieser üebergang eine vollzogene feststehende Thatsache.

Dier Mutter des Timotheus soll als Christin bezeichnet werden,

darum wird gesagt, sie war ^vvyi ^lou^aix Tricrrii Act. 16, 1.

cf. 10 ,
45. Gehört ein Sklave einem Christen ,
so hat er einen

^scTTrhiji; TtKTToq ,
1 Tim 6 ,
2. Zum
niemand ge- Bischof soll

wählt werden ,
dessen Kinder der Gemeinde fern stehen und
Heiden geblieben sind; seine Kinder sollen gläubig sein, tsüvx

1) Das Einzelne
über Trurrög siehe Erläut. 13.
238 DEU GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP.. VII.

T/o-ri ,
Tit. 1 ,
6. Die Wittwen werden von der Unterstützung
der Gemeinde dann ausgeschlossen, wenn sie Angehörige von
Gemeindegliedern sind da sie nur dann von der Gemeinde
,

unterhalten werden sollen, wenn sie auf heidnische Verwand-


ten angewiesen wären. Diess wird so ausgedrückt: €"i nq
TTiiTT^ zvjpm sz^h so sorge sie selbst für sie,. 1 Tim. 5, 16.
Auch in solchen Stellen ist die innerliche Bedeutung des Worts
keineswegs dahingefallen. Die Pflicht der Verwandten, die Ver-
wittwete bei sich aufzunehmen beruht nicht in der äussern Mit-
,

gliedschaft in der Gemeinde, sondern in ihrem Glauben, denn


wer die Seinigen nicht versorgt verläugnet den Glauben 1 , ,

Tim. 5, 8. Der Sklave steht darum zu seinem christlichen Herrn


in einem andern Verhältniss als zu einem heidnischen, weil

dieser an Christus glaubt, also dem gemeinsamen Herrn ange-


hört, wie denn auch das »gläubig" 1 Tim. 6, 2 sofort nach-
drücklich wiederholt wird; weil er gläubig ist und geliebt, soll
ihm der Sklave um so eifriger dienen. Und wenn die Mutter

des Timotheus gläubig heisst, so schwebt dem Erzähler in der

That jjder
in ihr wohnende Glaube" vor, 2 Tim. 1,5. Aber
der Begriff „gläubig" ist hier vollends fest zum Namen für die

Glieder der Gemeinde ausgeprägt.


Das Emporwachsen des Begriffs Glaube zur Benennung der
Gemeinde steht in vollem Einklang mit der Weise, wie sonst
in den Briefen vom Glauben die Rede ist. Verbreitet sich die

Nachricht vom Ohristenthum einer Gemeinde, so wird ihr

Glaube verkündigt, Rom. 1 ,


8. 1 Thess. 1,8. 3, 6 cf. Kol.

1, 4. Eph. 1, 15. Philem. 5. Soll Werth und Frucht der


christlichen Lehrthätigkeit bezeichnet werden, so wird gesagt:
durch sie seid ihr gläubig geworden, 1 Kor. 8, 5. Der Ver-
folger der Gemeinde zerstört den Glauben, Gal. 1, 23; kommt
einer der Gehülfen des Apostels in die Gemeinde, so ist sein

Zweck , sie zu des Glauben Gunsten , vrsp rijg TritrrsMi; ,


zur Meh-
rung und Kräftigung desselben zu ermahnen, 1 Thess. 3, 2,
DER NAME DER GEMEINDE. 239

Kommen Christen zusammen ,


so ermuntern sie sich an ihrem ge-
genseitigen Glauben, Rom. 1, 12. Denkt man zurück an die An-

fänge seines Christenthums ,


so sagt man damals als
: wir GHauben
fassten, Rom. 13 ,
11. Wer die christliche Haltung einer Gemeinde
in Erfahrung bringt, kennt ihren Glauben, 1 Thess. 3,5. Soll

der Gemeinde innerer Fortschritt zugeschrieben werden ,


so wird

gesagt: euer Glaube wächst, 2 Kor. 10, 15. 2 Thess. 1, 3.


Wird sie sur Selbstprüfung aufgefordert, so lautet die Mah-
nung: prüft ob ihr im Glauben seid, 2 Kor. 13, 5. Der Zwei-
fel am Werth des Christenthums einer Gemeinde nimmt die
Form an: ohne Grund geglaubt haben, 1 Kor.
ihr müsstet

15, 2, und das Lob für sie lautet: durch den Glauben stehet
ihr ,
2 Kor. 1 ,
24. So wird beständig zuerst an den Glauben
gedacht und der Glaube genannt, wenn sich der Blick auf die
Frömmigkeit der Gemeinde richtet. Darum ist an solchen Stel-
len in den Kommentaren die Bemerkung häufig ,
Glaube bedeute
hier die christliche Religiosität überhaupt, ein unrichtiger Ge-
danke, darum weil der Glaube auch in solchem Gebrauch sei-

nen bestimmten, scharf gefassten Begriff bewahrt und nicht


zur Bezeichnung des gesammten frommen d, h. auf Gott be-

zognen Verhaltens verallgemeinert wird. Diess dagegen ist an

jenem Eindruck richtig ,


dass ein solcher Gebrauch von Glaube
nicht möglich wäre, wenn die Gemeinde nicht Glauben als

den Hauptakt ihrer ganzen Frömmigkeit betrachtete. Es prägt


sich hierin ungesucht und darum um so deutlicher aus, dass

sie ihr gesammtes Verhalten und Verhältniss zu Gott durch


Glauben bedingt weiss und diesen desshalb für das wesent-
lichste und wichtigste an ihrem religiösen Besitze hält.
'
Diese Betonung des Glaubens charakterisirt nicht nur den
Verkehr des Apostel Paulus mit den von ihm geleiteten Ge-
meinden, sondern geht durch, den ganzen Briefkreis durch,
so verschiedenartig er ist. Die Apostelgeschichte spricht da,
wo die apostolische Predigt Eingang findet, beständig vom
240 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Glauben ^).
Petrus scheidet die Gremeinde von ihrer Umgebung
als die, welche glauben, von den Ungläubigen, »TTKrTouvTsg, 1
Petr. 2, 7. Für Jakobus besteht das, was die Gemeinde cha-
rakterisirt und brüderlich einigt, darin, dass sie Glauben hat,
und Hauptstück der ihr ertheilten Belehrung, wie
es bildet ein

sie denselben haben soll, eap. 2. Der zweite Petrus- und Ju-
dasbrief kennzeichnen die Leser als die, welche Glauben em-

pfangen haben, 2 Petr. 1, 1. Jud. 3. Der Hebräerbrief gibt


seiner ganzen lehrhaften Darlegung ihr praktisches Ziel und
Ende inGlaubensmahnung, und für Johannes ist Glaube
der
der centrale Akt, auf den die Verkündigung Christi hinzielt
und aus dem der Lebensbesitz der Gemeinde entsteht, Joh. 20 ,

31. Was die Selbstbenennung der Gemeinde in 's Licht setzt ,

bestätigt der Lehrinhalt der Briefe überall: die neue Gemeinde


war in allen ihren Theilen mit vollem klarem Bewusstsein eine
Gemeinde der Glaubenden.
Sehr instruktiv ergibt sieh diess ferner aus der Weise, wie
die Fragen erörtert werden ,
welche ^in der Gemeinde verschie-
den beurtheilt wurden und darum eine gegenseitige Verständi-

gung nöthig machten. In der Gemeinde Antiochiens droht ein


Riss zu entstehn wegen der Frage, ob ein jüdischer Ohrist die

Speiseordnung des Gesetzes ignoriren dürfe. Die ersten Männer


der Gemeinde urtheilen verschieden: Jakobus warnt vor der
gänzlichen Beseitigung des Gesetzes; Petrus und Barnabas
schwanken und geben dieser Warnung Gehör; Paulus erklärt

aufs schärfste, dass dieses Verhalten sich in Gegensatz stelle


zur Wahrheit des Evangeliums. Wo sucht man nun die Basis zur

Verständigung ? Paulas geht in seiner Antwort an Petrus und die


jüdischen Christen auf das Wesen des Glaubens ein und zeigt,
dass ihr Verhalten mit Art und Inhalt des Glaubens sich nicht

1) Lukas geht in dieser Hinsicht im Ev. den beiden andern Synoptikern, in der

Apostelg. dem Johannesevang. parallel.


DAS HAUPTMOMENT DEE FRÖMMIGKEIT. 241

vertrage. »Wir sind an Christas gläubig geworden", ^J/^f/c sie

Xptarov ^lyjaouv S7nt7r£v(rxf/>£V , Gal. 2,16; damit ist der gemein-

same Boden genannt auf dem sie alle stehn das Grundfak-
, ,

tum von dem aus alle üir Verhalten beurtheilen und normiren.
,

Was den Glauben verletzt, hat in der Gemeinde nicht Raum


und Statt ,
das ist die gemeinsame üeberzeugung ,
und die Dif-

ferenz in der besondern Frage entsteht daraus, dass das Ver-


hältniss zwischen der Beobachtung der Speisorduung und dem
Glauben von ihnen verschieden beurtheilt wird. Gelingt es

Paulus ihnen zu zeigen, dass ihr Handeln dem Glauben wider-


streitet ,
so achtet er die Einigung gewonnen denn den
für ;

Glauben an Christus gibt in der Gemeinde keiner preis er ,

steht in ihrem Bewusstsein zuvörderst als Grund und Wurzel


ihres Ohristenthums.

Der Römerbrief ermöglicht dieselbe Beobachtung. Paulus sah


sich gegenüber der Gemeinde zu Rom veranlasst Inhalt Werth , ,

und Kraft des Glaubens in's Licht zu stellen, und zwar unter
dem Eindruck, dass den römischen Christen seine eigne Glau-

bensstellung bisher noch fremd sei, ja dass sie vielleicht; der-

selben ein gewisses Misstrauen entgegenbringen werde. Der


Brief hat deutlich gegen Paulus gerichtete Einwendungen und
Polemik vor Augen ,
er ist bestrebt ,
der eignen Stellung durch

umfassendste Begründung Klarheit und Sicherheit zu geben ,


und
erhält dadurch eine apologetische Haltung; aber dieser Gedanke
an eine mögliche Differenz bringt nicht mit sich, dass der
Glaube der Gemeinde als etwas Neues vorgehalten würde, was
ihr erst jetzt als Heilsweg bezeichnet werden müsste, vielmehr
ist der regierende Gedanke
der den ganzen Brief beherrscht
, ,

der: Gemeinde
die glaubt und weiss sehr wohl, dass sie jene
Güter, deren sie sich getröstet, im Glauben an Christus besitzt ,

und Paulus bezweckt ihr gegenüber nur diess, die Bedeutung


und Kraft des Glaubens, den sie mit ihm theilt, ins Licht zu
stellen. Die Frage, über welche mit der Gemeinde gesprochen
16
242 DBE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Vir.

werden muss, ist keineswegs die: ob G-laube die claristliche

Stellung sei, sondern es handelt sich ausschliesslich um die


andre Frage, ob Glaube allein, Glaube ohne Gesetz das der
Gemeinde göttlich gewiesne Verhalten sei. So beweist der Rö-
merbrief sehr lehrreich , wie auch in denjenigen Theilen der

Gemeinde, denen die Paulinische Predigt erst verständlich ge-


macht werden musste, der Glaube von Anfang an als das
Grundmoment in ihrem Verhältniss zu Gott und Christus
erfasst wird.

Aber auch da wo es sich um scharf wider einander stehende

Gegensätze handelt wo Paulus vor einem Verhalten steht auf


, ,

das er mit dem Anathem antwortet, weil es die Grundlagen


der Gemeinde zerstört und ihr Verhältniss zu Christus negirt,

wie in Galatien oder Korinth oder Kolossä, bleibt die Un-


und Heilsbedeutung des Glaubens ausser Frage.
entbehrlichkeit

Auch im Galaterbrief z, B. wird nicht davon gesprochen ob ,

die Gemeinde Glauben zu bethätigen habe oder nicht, nicht


einmal davon, ob der Glaube Antheil am Christus und am
Reiche gebe, sondern dass der Glaube auch Abrahams Kind-
schaffc sei, dass in der natürhchen Abrahamskindschaft und
in Israels Gesetz und Verheissung nicht ein Gut liege ,
das im
Glauben noch nicht enthalten wäre ,
sondern durch etwas ande-
res als Glaube z. B. durch Beschneidung erst noch gesucht
und erworben werden müsste, das ist die These, um die sich

der Kampf bewegt; auch hier handelt es sich ausscbliesslich

um die Allgenugsamkeit des Glaubens. Die Gemeinden werden


nicht dadurch verwirrt, dass ihnen gesagt würde: der Glaube
ist nichts! sondern ihr Glaube wird auch von den gegen Pau-
lus kämpfenden Männern acceptirt als die selbstverständliche

Voraussetzung für alle Mitgliedschaft in der messianischen

Gemeinde, aber gleichzeitig als etwas ungenügendes und un-


vollendetes behandelt verglichen mit derjenigen Stellung, welche

der glaubende Jude durch Gesetz und Abrahamskindschaft


DAS HAUPTMOMF.NT DER FRÖMMIGKEIT. 243

vor Gott besitzt. Der »Unverstand" der Galater besteht niclit

darin, dass sie sich fragten: thaten wir Recht daran, dass wir

glaubten? mit solchen Gedanken beschäftigt sich der Brief in


keinem Wort ,
sondern sie fragten sich : sollen wir nicht Got-
tes und und des Reichs wegen noch mehr thun als
Christi

nur glauben? würde nicht der Anschluss an's Judenthum un-


sern Antheil am Reich mehren fördern sichern vollenden ?
, , ,

In solchem Hinausstreben über den Glauben lag allerdings


faktisch die Zerstörung desselben ,
doch nicht nominell nicht ,

im Bewusstsein der dem Gesetz sich zuneigenden Gemeinden.


Sie wollten gläubig sein und bleiben, eben darum setzt ihnen
der Brief auseinander, dass ihr Verhalten den Glauben zer-

stört und negirt.


Nur ein einziger Brief denkt sich in der Seele der Leser die

Frage ,
ob sie auch Recht daran thaten zu glauben der He- ,

braerbrief; er enthält eine Ermunterung zum Glauben und

einen Beweis für die Unerlässlichkeit desselben ,


der voraussetzt ,

dass die Leser des Glaubens müde werden könnten. Diess ist

aber auch derjenige Brief, welcher seinen Lesern ernst die Gefahr
des Abfalls und der Yerleugnung Christi vorhält. Ihre Frage
nähert sie einem Fall, der den Bestand der Gemeinde total
zerstören würde, und der Brief ist darum in seiner Weise nicht
minder als die ganze übrige Brieflitteratur Zeuge dafür ,
dass

die Gemeinde die Wurzel und den Grund ihres ganzen Daseins
und Besitzes im Glauben erkennt.
Auch der Schriftgebrauch der Gemeinde drückt dasselbe
Bewusstsein aus. Die Aussagen der Schrift über den Glauben

pD^^^ sind relativ wenig zahlreich, um so bedeutsamer ist die

Vollständigkeit und Häufigkeit mit der


,
dieselben in den Schrift-

citaten des neuen Testaments erscheinen. Wie sie die messiani-

sche Weissagung mit dem gekommenen Christus zusammen-


hielt und sich von ihm aus jene deutete, so vergleicht sie auch
244 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAME"NT. KAP. VII.

ihre Glaubensstellung mit der Schrift und hebt mit Nachdruck


alles heryor, was das alte Testament an Aussagen über den
Glauben enthielt. Es bildete sich in der Gemeinde in analoger
Weise wie ein messianischer Schriftbeweis so auch ein Schrift-
beweis für die Heilsbedeutung des Glaubens aus. Für Paulus
war Gen. 15, 6 ein höchst wichtiges Wort; es zeigte ihm,
dass er im Glauben auf dem Wege Abrahams bleibe, wodurch

sichihm Jesu Werk, aus dem der Glaube erwächst, mit der
Rede und Verheissung Gottes an die Väter zu einem einheitli-
chen die Zeiten umfassenden göttlichen Rath zusammenschliesst.
Aber auch in der jüdischen Gemeinde wird der Vorzug und
Ruhm des Glaubens mit Gen.
15, 6 bewiesen, Jak. 2, 23, und
Jakobus selbst schaut nicht weniger auf Abraham als auf den ,

mit dessen Glaube der Glaube der Gemeinde innerlieh ein-

stimmig zu bleiben hat. Ebenso stellt der Hebraerbrief unter


denen ,
welche durch Glauben die Verheissung ererben Abraham ,

vorne an als den, an welchem des Glaubens Art und fester

Grund wahrzunehmen sei, Das Wort Hab. 2, 4 ist für


6, 13 ff.

Paulus für sich allein schon genügend den Anspruch dass , ,

aus dem Gesetz Gerechtigkeit zu ziehen sei, zu beseitigen, Gal.


3, 11, und in dieses selbe Wort, welches Glaube, Gerechtig-
keit und Leben so zusammenordnet ,
dass der Glaube die Wur-
zel des Ganzen istund aus ihm nun Gerechtigkeit einerseits
Leben andrerseits erwachsen, beide untereinander und mit dem
Glauben untrennbar in eins verknüpft, fasst er den Grundge-
danken des Römerbriefs, 1, 17. Aber auch der Hebraerbrief,
der in Uebereinstimmung mit seinem messianischen Schriftge-
brauch auch für den Glauben einen ausführlichen Schriftbe-
weis führt, um zu zeigen, wie die Schrift von der Schöpfungs-

geschichte an durch die ganze Geschichte Israels hindurch


überall Glauben in Anspruch nimmt und ihm alle göttlichen

Gaben und Segnungen gewährt ,Darlegung mit


leitet diese

demselben Prophetenwort ein, das auch ihm den zutreffenden


DER SCHRIFTBEWEIS PUR DEN GLAUBEN. 245

Ausdruck für die Stellung und Aufgabe der G-emeinde gibt, 10, 38.
Ebenso wird die zweite Stelle, an welcher das Gesetz vom
Glauben sprach, die Geschichte der
Wüsteuwanderung ,
betont.

Sie bot sich der Gemeinde sehr natürlich als Bild ihrer Zwi-

schenstellung dar zwischen jener Hülfe, die ihr in der Erschei-

nung Christi gegeben ist, und der vollen Errettung, welche


sein neues Kommen ihr bringen wird. Auch Paulus hat diese
Parallele eingehend ausgeführt, 1 Kor. 10, Iff., doch ohne ihr
eine Beziehung auf den Glauben zu geben, er benützt sie zur

Warnung vor sittlicher Yerirrung, Der Hebraerbrief dagegen


hebt in dieser Parallele die in ihr enthaltne Glaubensmahnung

heraus, 3, 12 ff., und der Judasbrief citirt sie im selben Sinn,


5. Die Geschichte der Rahab
doch das Zeugniss für
,
in der

den Glauben nicht unmittelbar gegeben ist, wird nicht nur


vom Hebraerbrief, 11, 31, sondern auch von Jakobus ,
2 , 25, in
diesem Sinne angeführt. Jes. 28 ,
16 ,
welche Stelle der Ge-
meinde um ihres messianischen Inhalts willen besonders wich-

tig sein musste, weil hier der Glaube direkt zu dem göttlich

gelegten Eckstein in Beziehung tritt, erscheint nicht nur bei

Paulus im Römerbrief zweimal, 9, 33. 10, 11, sondern auch


bei Petrus, 1 Petr. 2, 6. Im Blick auf den Unglauben Israels
citiren Paulus ,
Rom. 10 16 und Johannes 12 38
, , , , ,
sehr gleich-

artig Jes. 53, 1. Die Psalmstelle, welche »glauben" in einer


dem apostolischen Gebrauch verwandten Weise hat, fehlt un-
ter den Paulinischen Schriftcitaten nicht, Ps. 116, 10. 2 Kor.
4, 13. Diess zeigt, dass die Schrift in der Gemeinde ausdrück-
lich und gleichartig nach ihren Aussagen über den Glauben
durchforscht worden ist, und es dokumentirt sich auch in die-
sem Schriftgebrauch die Bedeutung, welche der Glaube für
sie hat.

Der von unsrer Betrachtung zurückgelegte Weg hat die

Faktoren bereits in's Licht gestellt, welche dieses Resultat er-

gaben. Die Gemeinde entstand inmitten des Judenthums, vom


246 DER GLAUBE IM l^ETJEN TESTAMENT. KAP. VII.

geistigen Besitz der Synagoge nicht abgelöst, vielmelir vom


kräftigen Bestreben erfüllt, die Gemeinscbaft mit den übrigen
Gliedern des Volkes lebendig zu erkalten. Schon damit war
dem Glauben in der Gemeinde eine wichtige Stelle gegeben ,

es bildet den Ruhm Israels, „an Gott glaubt." Dazu


dass es

kömmt ihr neues , besondres Bigenthum , die Erinnerung an


Jesus und an sein Wort, und dieses stellte wiederum Glauben
in den Mittelpunkt ihres Verhaltens. Jene Geschichten und
Sentenzen der Synoptiker, die in der Betonung des Glaubens
ihre Spitze haben, stehn darum in unsern Evangelien, weil sie

zuerst in denGemeinden ungezählte Male erzählt und wieder-


holt worden sind, und diess nicht als geschichtliche Reminis-

cenz, sondern mit dem ernsten Willen, in ihnen Sinn und


Gebot ihres Herrn zu erkennen. Es ist in dieser Hinsicht lehr-

reich, dass sich wenigen Worten Jesu, welche in


unter den
den Paulinischen Briefen wieder erscheinen auch die Gnome vom ,

Berge versetzenden Glauben findet, 1 Kor. 13, 2, und zwar


zur Bezeichnung des vollendeten Glaubens, 7ta.<Tix, vi Trla-Tig; das

Wort Jesu nennt Paulus alles ,


was der Glaube werden und er-

langen kann. Noch unmittelbarer bleibt die Glaubensstellung


des Jakobns einerseits, des Johannes andrerseits an die evan-

gelischen Erinnerungen angeschlossen. Das synoptische Chris-


tusbild in's einzelne die Ausführungen des Jako-
bestimmt bis
busbriefs, und die innere Identität zwischen den Johannes-

briefen und dem Johannesevangelium zeigt wie vollständig ,

Johannes in seiner eignen Lehrthätigkeit durch das bestimmt ist,

was er als Jesu Wort in sich trägt. Doch bezeichnen beide


Motive den Grund noch nicht vollständig ,
aus dem die Beto-

nung des Glaubens in der Gemeinde erwächst. Die Gemein-

samkeit, welche in dieser Hinsicht zwischen der alten und


neuen Gemeinde besteht, macht die Thatsache nur um so

bedeutsamer, dass die neue Gemeinde sich gleichwohl nach


dem Glauben nennt, also im Glauben das Neue sieht, was sie
DIE GENESIS DER GLAUBENDEN GEMEINDE. 247

vorher nicht besass und ausser ihr nicht vorhanden ist, was
ihre Umgebung nicht hat, so sehr sie sich des Glaubens rühmt.

Die Worte Jesu bezeichneten der Gemeinde allerdings hell und


bestimmt Glauben Aufgabe, und das Bild, welches
als ihre

Johannes von Jesus zeichnet setzt hell in's Licht wie macht-
, ,

voll sich im ersten Jüngerkreise mit der Erinnerung an Jesus


die Glaubensmahnung verband ^). Aber der Glaube wird der
Gemeinde nicht desshalb zu ihrem Namen weil ihn Jesus ,

gefordert hat, sondern weil sie ihn besitzt und übt. Sie nennt
damit nicht nur ihre Pflicht sondern ihr inneres Eigenthum,
die Stellung, in der sie sich thatsächlich weiss und findet.

Nicht nur in dem, was Jesus vom Glauben gesagt hatte,


sondern in dem, was er ihr thatsächlich geworden ist, liegt
die Kraft , welche Wort und Begriff Glaube in der Gemeinde zur
Herrschaft bringt. Mit durchdringendem Tief blick hat Johannes
am Schluss seines Evangeliums den Werdemoment der Gemeinde

als einer Gemeinde der Glaubenden aufgedeckt: weil du mich

gesehen hast, glaubst du, 20, 29. Angesichts des Auferstand-


nen war der Glaube im Jüngerkreise nicht mehr nur Gebot
und Begriff, sondern lebendige Wirklichkeit und Kraft. Jesus
der Christus ! das hatte für sie mit der Auferstehung die volle

Bedeutung eines eignen Erlebnisses, in dem alle vertrauende

Hingebung an ihn, die in ihrem frühern Terkehr mit ihm


entstanden war, ihre Fixirung und Festigung empfing. Jesus
der Christus! die umfassendste Hülfe und Gabe Gottes war
also vollbrachte That. Vom Christus ist das Keich nicht ab-

trennbar, und wenn auch Jesu Wirksamkeit und der Anbruch

1) Die Vorstellung, dass die Gesichtspunkte des vierten Evangeliums erst mit der
Abfassung desselben in der Gemeinde vorhanden und wirksam gewesen seien, vergisst,
dass der Mann da war vor dem Buch und nicht umsonst als eine Säule der Gemeinde

galt. Das Buch flog nicht eines Tages magisch aus ihm heraus, sondern die An-
schauung, aus der es erwächst, ist vom Manne untrennbar, und darum in seiner Wirk-
samkeit auch für die Gemeinde längst vorhanden, ehe das Buch geschrieben war.
248 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

des Reiclis auseinandertraten und dieser erst noch der Zu-


kunft angehört ,
so ist doch diese Zukunft für die Gemeinde
des Christus keine üngewissheit mehr; sie wird das Reich er-

erben, es ist mit seiner göttlichen Lebensgabe ihr Eigenthum

geworden , jetzt noch im Himmel aufbewahrt ,


doch bereit ge-
offenbart zu werden in letzter Zeit ,
Jak. 2 ,
5 ff. 1 Pefcr. 1,3
ff. Als die welche den Christus kennen und dem Auferstand-
nen verbunden und darin des Reichs gewiss sind, stehn sie

jetzt schon zu Gott in einem neuen Verband völliger Zuver-


sicht. Damit war eine Gemeinde von Glaubenden in 's Dasein

gesetzt.
Die Stellung, welche der Glaubensakt im Leben der Ge-
meinde hat, gab dem Wort in ihrer Rede eine reiche Entfal-

tung. Die Wortfamilie hat nun folgende Glieder : Trlarig ,


das
neben seiner vorwiegenden
Verwendung für den Glauben auch

im thätigen Sinn der Treue von Gott und Menschen in Ge-


brauch bleibt, TTiaTsvsiv 7n(Trsü(Tixi und TrsTria-TeuKSvai Tri^rog ,

zunächst in seinem üblichen Sinn treu, oder mehr objektiv

gewandt: zuverlässig, vertrauenswerth ,


dann aber als die zu-

ständliche Benennung des ttkxtsvccv gläubig, xtckttIoc Unglaube,

xTTKTTo^ ungläubig oder mehr aktiv untreu, Ap. 21, 8, ver-


einzelt in der griechisch geläufigen objektiven Wendung : un-

zuverlässig unglaublich ,
Akt. 26,8, xTrurrslv ungläubig sein ,

TTtcrTsvdijvxi u. sein Perf. betraut werden mit etwas ,


einmal auch
als reines Passiv zu Tnarsveiv Glauben finden, 1 Tim. 3, 16,

einmal mit kausativer Wendung: sich als zuverlässig und


glaubhaft erweisen, sich Glauben verschaffen, 2 Thess. 1, 10,
und endlich einmal TTKrTco^y^von fest werden ,
2 Tim. 3 ,
14.

ÖÄiyoTTKrTOi; geht nicht in die Sprache der Briefe ein, wohl


darum weil das Wort als die direkte Uebersetzung eines ara-
mäischen Wortgefüges etwas fremdartiges behielt ').

1) Üeber die einzelnen Glieder der Wortfamilie vgl.


Erl. 13.
DIE AUSBREITUNG DES SPRACHGEBRAUCHS. 249

Der Glaube riclitet sich auf Gott : man sagt :


^ ^((rr^ v(amv

Vi TrpoQ rov dsöv 1 Thess. 1,8. Tr/firrz? st) Ösöv Hebr. 6, 1. ol

TrsTncrrsuKÖret; rqj ös^ Tit. 3, 8. Act. 16, 34. o i^vi Ttarsvau r^

Ss^ 1 Job. 5, 10. cf. Act. 27, 25. TTKrTog slg ^siv 1 Petr. 1,

21. äff TS TVjv tt'kttiv uf4,uv xx) sKtti^x shoii sU öeov 1 Petr. 1 ,

21. TTKTTSVStV STl TOV ^IKXIOVVTIX, TOV XffeßvjV RÖm. 4, 5. TTKrTSVStV

Sir) TOV sysipavTiz ^Ij^jouv Rom. 4 ,


24.

Der Glaube besteht durch Christus ot 5/' xurov ttio-to) slg ^söv

1 Petr. 1, 21. vj tt'kttk; yt §/' ocvrou Act. 3, 16.

Der Glaube geht auf Christus hin. Die Gemeinde prägt in


fester Wendung aus: Glauben Jesu und glauben zu Jesus hin

TitTTiq 'IvifTov Xp/ö-ToD Gal. 2, 16. 3, 22. Rom. 3, 22. 26. Phil

3, 9 Eph. 3, 12. Apoc. 2, 13. 14, 12. TrivTiq ^ tov uiov tou

ösov Gal. 2 , 20 ^ viffTig tov Kvpiov vjiJi^Siv Itja-ov Xpi<rrov T%q

^ö^Jig Jak. 2, 1. Vgl. Act. 3, 16. TTKrTsvsiv slg XpKXTÖv. Gal.

2, 16. Phil. 1, 29. Rom. 10, 14. 1 Petri 1 , 8. 1 Joh. 5, 10.


13 Act. 14, 23. 10, 43. ;? sig Xpi^Tov TricrTig Kol. 2, 5. Aci
20, 21. 24, 24. 26, 18. TriaTevstv sr) tov Kvpiov Act. 9, 42.

11, 17. 16, 31. 22, 19. TKTTsuiTOit t^ xvplq} Act. 18, 8.

5, 14.
Der Glaube beruht auf Christus, ttkttsösiv sVayTw , zugleich
mit dem durch slg angefügten Ziele, zu dem der Glaube führt

sig ^ooviv xlmiov 1 Tim. 1 ,


16 ; sonst nur im alttestamentl.

Citat.

Der Glaube besteht in Christus, im Lebensverband mit


ihm wird er bethätigt, vj t/Vt/? via,mv sv Xpi(7T^ Kol. 1 ,
4.

Eph. 1, 15. TricTTtg VI SV xP«^t^ 1 Tim. 3, 15. 1, 13. 1 Tim.


1, 14.
Man glaubt an den Namen Jesu: -^ Trla-Tig tov ovöf^aTog

OtÖTOV Act. 3, 16. TrKTTSUCrxi T^ OVÖflXTl TOV VfOV XVTOV lyj(T0V

XpioTTov 1 Joh. 3, 23. TncTTsvsiv slg to ovof^a tov viov tov ösov

1 Joh. 5, 13.

Das begriffliche Moment am Glauben wird durch den Ob-


250 DEK GLÄ.ÜBE IM TSTEUEN TESTAMENT. KAP. VIT.

jeblssatz bestimmt :
glauben , dass Gott ikn aus den Todten auf-
erweckt hat Rom. 10 ,
9 ,
dass Jesus starb und auferstand
1 Tbess. 4, 14, dass wir auch mitleben werden Rom. 6,8,
dass Gott einer ist Jak. 2, 19, dass Gott ist und ein Vergel-

ter für die ist ,


welche ihn suchen Hebr. 11,6, dass Jesus der

Christus der Sohn Gottes ist Joh. 5, 1. 5, ich glaube Gott, dass

es so sein wird ,
wie mir gesagt worden ist Act. 27 ,
25 ; vgl.:

syvoonhoii Kxi TTSTTKrTsuKsycii Tviv ixyocTrviv viv s%si ßsog h vjßiv

1 Joh. 4, 16. 5;Ä TVjq x^piTO? rou xupiov TKrTsvoi^ev a-cü^yjvxt

Act. 15, 11. Triirriv sxsi rou (tco&^voh Act. 14, 9. Tio-Tsvei

(pa'ysJv Rom. 14, 2.

Von andern Beziehungspunkten des Glaubens als Gott und


Christus finden sich: Trio-rit; rov svx'yysKiov Phil. 1, 27. vj tt'kt-

riq Ti^q hegysldq rov &sou rov i^slpavroq oivrbv sk vsxpäv Kol.

2, 12. TTiffTsvacct r\fi tzK^hlcji , r^ rpsü^si, TritxTiq x>.yj^£ia,q 2 Thess.

2, 11 ff. TTiorrsveiv rolq iTpo<pvirot,iq Act. 26, 27. Tn^rrsvaoii r^

^iXiiTTroo evoiyyeXic^ofjoiui^ Act. 8 ,


12. TriaTsvsiv -Trmi rolq xtzroc

rov v6{jCov kou rolq iv rolq TrpoCpvjraiq ye'ypoipcpcivoiq Act. 24, 14.

ßi] TTxvr) 7ru£Üf<C(xri xi7rsvsiv 1 Joh. 4, 1. TrsTriarsvxsvixi slg riiv

f^^ocprvpioiv rov ösou 1 Joh. 5 ,


10 ^).

Von Verbalbegriffen werden mit dem Glauben verbunden:


7rl(rriv sxsiv Jak. 2 , 14 ff. Rom. 14, 22. 1 Kor. 13, 2. 1 Tim.

1, 19. Act. 14, 9. mM h rfj Trlarrsi 2 Kor. 13, 5 vgl. o ix

Tria-rscog Ivja-ou Rom. 3, 26, Gal. 3, 7. 9. Rom. 4, 16. shxi Trh-

rscoq Hel)r. 10 ,
39 h Tria-rsi ^ijv Gal. 2 ,
20. vgl. zocroc Trhriu

oi7robvv}(TKSiv Hebr. 11 ,
13. TrspiTrarslv ^i^ Tria-rscoq 2 Kor.
5, 7, r>]pslv rvjv Tttcrrtv lyjcrou Apoc. 14, 12. 2 Tim. 4, 7.

STTi^sveiv r^ xTrKrrlc^ Rom. 11, 23. iß(A.BVsiv r^ Tricrrsi Act.


14 ,
22. (j^Evsiv £v Trhrsi 1 Tim. 2 ,
15. rfj Tr/Vrf/ harvjxhxi
2 Kor. 1 ,
24. Rom. 11, 20. h r^ Trhrsi crr^siv 1 Kor.

16, 13. £v'Buvxf4,ccöyjvoii r^ Triarst Rom. 4, 20. arspsova&oii r^

1) üeber die Konstruction von vttrric, und "TTKTrsijsiv vgl. Erl. 7.


DIE AÜSBEEITTJN& DES StRACHaBBB.AUCHS. 251

TirhTsi Act. 16 , 5. ßsßaioucrßxi Kol. 2 ,


7. ffrspso) r^ tt'kttsi 1

Petri 5 ,
9. sttiixsvsiv rvj 'ttIcttsi rsösÄicofzhoi xctl s^ptzToi Kol.

1 ,
23. ^sT^xi rviv Tthriv Jak. 2 ,
18. ttoisiv h xTiaria, 1 Tim.

1, 13. TTspifTtrhsiv TTtcTTSi 2 Kor. 8, 7. irXvjpvjg '^hrsco'; Act.

6, 5. 11, 24. vyicilvsiv sv r^ tticttsi Tit. 1 ,


13. 2 , 2. sttoi-

KO^OfisJv eoivrovt; t^ Tria-rsi Jud. 20. hrps0s(T6(Zi roTg Xo'/oiq r>jg

iriuTsäq 1 Tim. 4, 6. ^iüksiv Tr/crr/v 1 Tim. 6, 11. 2 Tim. 2,

22. icizriUVTciv sig rijv svoryiToc ri^g Trlcrrscci; rov viov rou Srsov Epli.

4,13. MKelv TfJ TTia-rsi Phil. 1, 27. STTCi'/covi^scydoii t^ TTicrTei Jud.

3. iz^ccvi^sffdoii Tov xocKov xycövac, ryjg Triarsccg 1 Tim. 6,12. iv^u-


(roc(T^ot,t öupxicoi Trhrsug 1 Tliess. 5 , 8. a.vc.Kix.ßeHv rov dvpsov r?jg

TTifTTsag Bph.. 6, 16.

Der Glaubensanfang wird neben dem zunächst liegenden


TricTTsvaizi benannt als: "kcx-x^lv Tricrriv 2 Petr. 1, 1. VTraxovsiv t^

TTicrrsi Act. 6 ,
7. Tria-nv Traps^stv von Gott Act. 17 ,
31. Trlcmg

'hi^oroii rivi sv ra TrvsvßizTi 1 Kor. 12, 9. öi^Iv ixoipicröij tö slg

muTOv TTKrTsvsiv Phil. 1 ,


29. avoJ^ixi ööpocv Tciarscog von Gott Act.
14, 27. TrKvipovv spyov "Trhrsag iv ^uvoif^st von Gott 2 Thess.
1, 11. uTTspsTrKaöviza'sv Vj x(x,pig rov xvplov ßsra, -Trhrsoog 1 Tim.

1 ,
14. vj a.TToi'^ 7ra,poi'Bo^£7(rßi rolg äyioig %i(rrig Jud. 3. Der Leh-
rende ist Diener, durch welchen die Gemeinde gläubig wurde,
TTitTrsvcnzi ^/' xvrSov 1 Kor. 3 ,
5 ,
so dass ein Kupisvstv r^g tt/V-

rsag unstatthaft ist ,


2 Kor. 1 ,
24. Er verkündigt den G-lauben
als ein Evangelium , svoi'y'yeXl^saQoci rvjv Trio-riv Gal. 1 23. Der ,

Gegensatz hiezu ist TrophJv rijv Tria-riv Gal. 1 ,


23. Vgl. TTOipa-

KtzXsJv vTTsp ryjg Triffrscog 1 Thess. 3, 2. zarocpri^siv roi varspvi-

(jf^ocroi rijg Triarscog 1 Thess. 3, 10. rinrog yivsa-öcci iv Tricrrsi 1

Tim. 4, 12. (MfjLsIor^oii rviv Tthriv avrSiv Hebr. 13, l.TroipocxoKov-

dijcr^i r^ TTiirrsi 2 Tim. 3, 10. (yroixslv rolg 'ixve(;i t>^^ Triarsag

TOV Tnzrpog vi^öov 'Aßpxxf/, Rom. 4, 12.

Der Glaubensverlust wird benannt: dtrhvsTv -rfj


7ri(yrsiJiöm. 4:

19. 14, 1. oipv£l(7^ix,i rvjv tt/ö-t/v Apoc. 2, 13. 1 Tim. 5, 8.

xrsösTv rviV rhriv 1 Tim. 5 ,


12. ocirotxrvivoci rvig Trhrsoog 1 Tim,
252 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP- VII.

4, 1 Vgl. Hebr. 3, 12. (^TroTrXxvijd^ijvixi xtto rijq ttIcttsuc 1 Tim.

6, 10. <x(TToxsiv rij^ 7ri(TTscog 1 Tim. 1, 6. Trsp) rvjv tt/o-t/v 1 Tim.


6, 21, vxvxysTv TTspli ryju Trhriv 1 Tim. 1, 19. oiZoxi[A,oc Trsp)

ryjv TTiarriv 2 Tim. 3, 8. xvoiTpsTrsiv rijv ttI^tiv 2 Tim. 2, 18.

'^ix(Trps<psiv XTiG Tijc TTiCTTsai; Act. 13, 8.

Vom Glauben selbst als Subiekt werden, folgende Thätigkei-

ten ausgesagt : er ist im Menschen , ^ b o-o) iricrTig 2 Tim. 1 ,

5. jj SV txKKiliKoig Trhri/; Rom. 1, 12 vgl. ^ xoiQ' vf^cig 7ri(7Ttg

Eph. 1, 15. oö Trdvrav vj Trhric ,2 Thess. 3, 2. svoiksi sv croi 2


Tim. 1, 5. 'U^sv Gal. 3, 25. xTreKa^.vipö^i Gal. 3, 23. aöU-
vsTxi 2 Kor. 10, 15. vTrspxv^ävet 2 Thess. 1, 3. svepysiTxi
Gal. 5, 6 vgl. Philem. 6. a-vvspysJ Jak. 2, 22. xsksvcotxi Rom.
4, 14.

Als Genitiv wird er verbunden mit folgenden Begriffen:


dfcoi] irhrsax; Gal. 3, 2. 5 vgl. jJ Trla-rig ff xKoijg Rom. 10,
17. 'JTTXKOvi Trltsraccg Rom. 1, 5. 16, 26. vj xxpx riji; Trkrsug
Phil. 1 ,
25. TrKyjpoChopix rijg Triarscog Hebr. 10 ,
22 vgl. TtKvipo-

cpoprjösig Rom. 4, 21. ro arspsaf^x r^g 'jrhrsoog Kol. 2, 5. ro

^0}cif4,iov Tijg Trlcrrsag 1 Petr. 1 ,


7. Jak. 1 ,
3. xyoov ri?^ Tritrrscog

1 Tim. 6, 12. jj Koiucüvlx rij^ Trhrsoog aov Philem. 6. oIksioi

r>jg Trhrsug Gal. 6, 10. 'Bikxio(tvvvj Trhrsoog Rom. 4, 11. 13

vgl. Vj h Tria-Tsag ^iKxioa-vvv] Rom. 10, 6. '^ly.aiocrvvvi vi hot, Tritr-

rsag Xparrov Phil. 3, 9. ;? xxrx Tviariv ^uxiotrüwi Hebr. 11, 7.

&äpx^ iriaTsag 1 Thess. 5 ,


8. o övpsog rvig Trhreag Eph. 6,
16. Tö ,Jjjf|64^ TJ?^ Trhrsccg Rom. 10, 8. oJ AoVo/ r^c Trhrscog 1

Tim. 4, 6. Ipyov rjj^ -Tria-rsMg 1 Thess. 1 ,


3. 2 Thess. 1, 11

vgl. f%£/v f/J/flJ vom Glauben Jak. 2 ,


14. ;? <?!>%»? t^.? Trhrecog

Jak. 5, 15. ro fjt,V(XTi^piov rij? TrlcrTsag 1 Tim. 3, 9. vo'jKO^ tt/o"-

TfW£ Rom. 3, 27. f^^irpov Trhrscog Rom. 12, 3. vj xvxXoyix


T^g iria-TSug Rom. 12, 6. 7rv£Vf/>x rijg TritTrsccg 2 Kor. 4,
13. Christus ist o riji^ TrlirTsag ^px^yog kxi rs^siccTjjg Hebr.

12, 2.

An adjektivischen Benennungen liegen vor: ttäö-« i^ Trhrig


DIE AUSBREITUNG DES SPRÄCHGEBRAUCHS. 253

1 Kor. 13, 2. tt/Vt/? ksvv] , f/,»T(xia 1 Kor. 15, 14. 17. vgl. «f-

xhcüTOii VI TTto-Tit; Rom. 4, 14. sifcüj 7nar£V(T0iL 1 Kor. 15, 2.

tt'kttic; vsjcpä, (zpyvj Jak. 2, 17. 26. 20. jj ttpütvi tt/W/^ in zeit-
lichem Sinn 1 Tim. 5, 12. f/,iix Tri^rtg Eph. 4, 5. vgl. evoVj?^

TJ?? TTicrrscag 4, 13. \<x6ri(jt,oq Trhrii; 2 Petr. 1, 1. äo/vj; Tricmg

Tit. 1 ,
4. xuuT^KpiTog TTia-Tic 1 Tim. 1 ,
5. 2 Tim. 1 ,
5. ;J

^j^/ojTÄr;^ WjCtiSy ^rhrig Jud. 20.

Als Gegensätze stehn dem Glauben gegenüber neben dem

zunächstliegenden xTCKTrioc. '^ixjcpt&ijvaci rij xTivTicf, Rom. 4, 20.

14, 28. 1. Jak. 1, 6, auch 2, 4 in seiner Beziehung zu 2,1.


Jud. 22, vgl. ^irjjifxo? und xKarciaraTog Jak. 1,6; uTrocrroÄr^

Hebr. 10, 39; wird der Glaube als vTröcrTxff-ii; definirt, so ist
der Unglaube Wegstehn von Gott: xxp^la, •Trovvjpa, ixTriarixg iv

TW (%7ro7Tijvai ä.nvo öeov ^avrog Hebr. 3 ,


12. Gegensätzlich bei-

geordnet wird dem Glauben das Werk; ttIcttiv s^^tv hat zum
Gegensatz spyci s^eiv Jak. 2 ,
14 , das TrKrrsveiv das sp'yoc'^scr^oii

Rom. 4, 5, die Tria-rig Itjcrov die 'ip'/ix, vöf^ov Gal. 2, 16. Ein
andrer Gegensatz, in den der Glaubensbegriff überall tritt, ist

seine Antithese zum Sehn: slg ov [/,yj bpavTsg TrtaTsvovTeg Si 1

Petr. 1,8; ^tk 7ri<TT6aq bildet den Gegensatz zu 5«' f ;§oy$ 2 Kor.

5, 7. vgl. Hebr. 11, 1. Joh, 20, 29. Zum Erkennen tritt im


Bereich des ganzen neuen Testaments der Glaube nirgends in
Anthithese.
Koordinirt erscheint der Glaube mit der Liebe: das ist das

Gebot Gottes, dass wir dem Namen seines Sohnes glauben und
einander lieben, 1 Joh. 3, 23. Paulus hört von Philemon die
Liebe und den Glauben ,
den er zum Herrn Jesus und gegen
alle Heiligen hat, Philem. 5. vgl. 1 Thess. 3, 6. 2 Thess. 1,

3 ;
der Panzer des Glaubens und der Liebe ,
1 Thess. 5 ,
8 vgl.

1 Tim. 1 ,
14. 2 Tim. 1, 13. Die Glieder der Gemeinde sind
gläubige und geliebte ,
1 Tim. 6 ,
2. Oder es wird ihm die

Hoffnung verbunden: Glaube und Hoffnung sind zu Gott hin,


1 Petr. 1, 21. So ergiebt sich die bekannte Dreizahl: Glaube,
254 DBE GLÄ.UBB IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Hoffnung ,
Liebe 1 Kor. 13, 13; das Werk des Glaubens und
die Mühe der Liebe und die Standhaftigkeit der Hoffnung ,
1

Thess. 1, 3. vgl. 5, 8. Sie liegt auch im Hebräerbrief vor:


zu Gott hinzutreten in der Fülle des Glaubens, das Bekennt-
niss der Hoffnung festhalten, auf einander achten zum Eifer
der Liebe, 10, 22 ff.
vgl. 6, 10—12 Liebe Hoffnung Glaube.
, ,

Oder es tritt zum Glauben die Geduld ,


sowohl in der Form
der standhaften Tragkraft gegenüber dem Leiden , ötto^ov:^ ,
als

in der Form des ruhigen zuversichtlichen Wartens auf Gottes


Hülfe, fzoiKpo^u(/JiZ. Der Glaube wirkt Standhaftigkeit Jak. 1,2, ,

Geduld und Glaube in allen Verfolgungen 2 Thess. 1 ,


4. Apoc.
13, 10. Glaube und geduldiges Warten Hebr. 6, 12. Nicht
nur an ihn zu glauben sondern auch für ihn zu leiden bildet
,

das was die Gemeinde für Christus thun kann to ÖTrsp Xpta-rov
,
;

Phil. 1 ,
29. So finden sich neben einander : die Werke ,
die

Liebe, der Glaube, der Dienst und die Geduld, Ap. 2, 19.
Bekennen , o^oMysTv ,
und glauben sind in Parallele gestellt

Rom. 10, 9 ff'. Die Erkenntniss tritt zum Glauben: wir haben
die Liebe Gottes erkannt und geglaubt, 1 Joh. 4, 16. Glaube
und Erkenntniss der Wahrheit, derjenigen nämlich die auf

Frömmigkeit zielt, Tit. 1, 1. ol Triürro) xx) sTrsyvuzoTsq r^v xXvj-


Ö£ixv 1 Tim. 4, 3. Glaube und Erkenntniss des Sohnes Gottes

Eph. 4, 13. Glaube und Wahrheit, 1 Tim. 2,7; Glaube und


gute Lehre 1 Tim. 4, 6 unwissend handeln in Unglauben 1

Tim. 1, 13.
Die Heiligung tritt zum Glauben: Heiligung des Geists und
Glaube der Wahrheit 2 Thess 2, 13; reines Herz und gutes
Gewissen und ungeheuchelter Glaube 1 Tim. 1 ,
5 vgl. 1,19.
3 ,
9 ;
befleckte und ungläubige Tit. 1 ,
15. Glaube und Liebe
und Heiligung mit Bescheidenheit 1 Tim. 2, 15. Die Pastoral-
briefe haben auch längere Aufzählungen: Wort Wandel Liebe

Glaube Reinheit 1 Tim. 4, 12. Gerechtigkeit, Frömmigkeit


Glaube Liebe Geduld Sanftmuth 1 Tim. 6, 11. Gerechtigkeit
DIE AUSBREITUNG DBS SPEACHGEBRAUCHS. 255

Grlaube Liebe Friede 2 Tim, 2, 22. Lehre Führung Yorsatz Glaube


Langmuth Liebe Geduld Verfolgung Leiden 2 Tim. 3 ,
10.

Dabei bildet gewöhnlich Glaube und Liebe das zunächst ver-


bundne Wortpaar. Eigenthümlich ist die Zusammenstellung :

die Gebote Gottes und den Glauben Jesu bewahren Apoc. ,

14, 12.

Sinnesänderung und Glaube treten zusammen; Sinnesände-


rung von den todten Werken weg und Glaube hin zu Gott,
Hebr. 6, 1. Die Sinnesänderung zu Gott hin und der Glaube
zu unserm Herrn Jesus hin, Act. 20, 21. Gott verkündigt den
Menschen ihren Sinn zu ändern, indem er allen Glauben dar-
bietet, Act. 17, 30. 31 vgl. TTllTTSUTCii; STTSG-Tps^pSV st) TOU KVpiOV

Act. 11, 2L vgl. Mrk. 1, 15.

Inhalt und Wirkung des Glaubens bestimmt sich in folgen-

den Begriffsverbindungen: an der Person Jesu wird er beson-


ders auf seine Auferstehung bezogen: die Gemeinde ist gläubig
an den Gott, der Jesus aus den Todten auferweckt und ihm
Herrlichkeit gegeben hat, in Folge davon wendet sich ihr
Glaube und Hoffen hin zu Gott, 1 Petr. 1 ,
21 vgl. Rom. 4,
24. 10, 9. 1 Thess. 4, 14; ohne Christi Auferstehung ist der

Glaube leer und nichtig, I Kor. 15, 14 ff.; so — d. h. auf


Grund der ihnen verkündigten Auferstehung Jesu — sind sie

gläubig geworden, 1 Kor. 15, 11. Wir glauben, weil wir wis-
sen, dass der, welcher Jesus auferweckt hat, auch uns mit
ihm auf erwecken wird, 2 Kor. 4, 14. Gott bietet allen Glau-
ben dar, dadurch dass er Jesus von den Todten auferweckt
hat, Act. 17; 31. Der Glaube vermittelt die Theilnahme der
Gemeinde an der Auferstehung Jesu ihr wurdet mit ihm auf- :

erweckt durch den Glauben welcher aus der Wirkung des Gottes
, ,

der Jesus auferweckt hat, folgt, Kol. 2, 12. vgl. Rom. 6, 8.

Ebenso ist die Heilsbedeutung des Todes Jesu durch Glauben

bedingt: er ist Gnadenthron durch Glauben, lÄximipiov ^loi Trla-rsa^

Rom. 3 ,
25 ;
er wohnt in den Herzen durch Glauben Eph. 3,17. ,
256 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Die Verheissung des Geistes wird durch den Glauben em-


pfangen, Gal. 3, 14. Tgl. 2. 5. Act. 19, 2. 11, 17. Als die
Glaubenden wurden wir versiegelt mit dem heiligen Geiste der
Verheissung, Eph. 1, 13. Zu Heiligung des Geists und Glaube
der Wahrheit erwählt Gott den Menschen, 2 Thess. 2, 13. Als
die in einem Geiste stehenden kämpfen sie auch mit einer Seele

im Glauben des Evangeliums, Phil. 1, 27.

Aus Glaube geht das apostolische Wort hervor wir glauben ;


,

darum reden wir; 2 Kor. 4, 13. Das Wort wird wirksam in


den Glaubenden, 1 Thess. 2, 13; es ist Kraft Gottes jedem

Glaubenden, Rom. 1, 16. Er ist bedingt durch das Hören ,


Rom.
10, 14. vgl. Eph. 1,13. Durch Glauben wird das Wort Gottes
mit den Hörern vermischt, Hebr. 4, 2.

Die Errettung der Seelen ist das Resultat des Glaubens ,


ro

reKoi; Ttjt; t'kttsöo^ a-coTtjpix ^v^Sov 1 Petr. 1 ,


9. lo-^cifv Trhrsoot;

slg TTspiTtoivitTiv 4^vx>iq Hebr. 10 ,


39. cf. Jak. 2, 4: ßij 'hvvxrxi vi

TTia-Tig (xa(Tai xutöv, Das Evangelium ist Kraft Gottes zur Er-

rettung jedem Glaubenden, Rom. 1, 16; es gefiel Gott wohl die


Glaubenden zu erretten, 1 Kor. 1, 21. Wenn du glaubst wirst ,

du errettet werden, Rom. 10, 9 ff. Act. 16, 31; er erwählte

uns in Glaube an die Wahrheit zur Errettung, 2 Thess. 2, 13;


in Gottes Kraft werden wir bewahrt durch Glauben zur Erret-

tung, 1 Petr. 1,5. Durch Glauben sind wir errettet worden,

Eph. 2 ,
8. Die Schrift macht uns weise durch den Glauben
zur Errettung, 2 Tim. 3, 15. Im Blick auf die gemeinsame

Errettung gilt es ob den Glauben zu kämpfen ,


Jud. 3.

Man
glaubt zu ewigem Leben 'ttio-tsüsiv sU ^coi^v oaiiviov 1 Tim.
,

1,16. Die Glaubenden wissen, dass sie ewiges Leben haben, 1 Joh.

5, 13. Der Glaubende ist aus Gott geboren, 1 Joh. 5,1. Durch
Glauben ererben wir die Verheissung, Hebr. 6, 12. Gott hat die
für die Welt Armen erwählt als durch Glauben reich, Jak. 2, 5. Wir
sind durch den Glauben Söhne Gottes, Gal. 3, 26, und Söhüe Abra-
hams, Gal. 3, 7, mit dem gläubigen Abraham gesegnet, Gal. 3 ,
9.
DIE AUSBREITUNG DES SPRACHQ-EBRiLÜCHS. 257

Gott spricht den, der aus dlauben ist, gerecht, ^ikociouv tov
SK 7ci(TTscüg Iviaov Röm. 3,26, tt'kttsi 'BinoiiQixTdo&i Rom. 3 , 28,
'Bioc Trhrsag Röm. 3, 30. Glai. 2, 16, sk 7r!(rT£Cäg Röm. 3,
30. 5, 1. Gal. 2, 16. 3, 8, 24, und mit ganz analogem
Sprachgebrauch Jak. 2, 21 f.: ^ixaiova-dtzi oöx sk Trbrsag (j(.6vov ;

TTocQ 'TTKTTevojv ^iKOiiovTöi.1 Act. 13, 39. Daher TricrrsüsTiZi eU


hicxiocrüv^v Röm. 10, 10. Christus ist zur Gerechtigkeit dem

Glaubenden Röm. 10 4. Gerechtigkeit Gottes offenbart sich


, ,

aus Glauben in Glauben, Röm, 1, 17; sie ist durch Glauben,


Röm. 3, 22. Mit Benützung von Gen. 15, 6 wird gesagt: der
Glaube wird als Gerechtigkeit in Anschlag gebracht, ^oyl^srai
vj TTifTTiq a]q ^iKxiocrvvyiv Röm 4, 5. 9, oder: dem Glaubenden
wird Gerechtigkeit in Anschlag gebracht, r^ Tia-Tavovri ^ixoiio^rüvvi

Äoyl^sTxi Rom. 4, 11. In Christus hat der durch Liebe wirk-


same Glaube Kraft ,
Gal. 5 ,
6. Sofern nun das Gericht Gottes
ein künftiges ist ,
wird gesagt : wir erwarten durch Geist aus
Glauben die Hoff'nnng der Gerechtigkeit, Gal. 5, 5. Der He-
bräerbrief sagt: Erbe werden der dem Glauben entsprechenden
Gerechtigkeit, KKijpovöf/,og ylvsa-öxi riig icciTOi ttIo-tiv ^ixxiocyvvyig

Hebr. 11, 7. Verwandt ist der Begriff: von Gott Zeugniss em-

pfangen im oder durch den Glauben , (jLxpTup^^i^va.i ev Trhrei ,

^ix Ti^g TTia-Tscog Hebr. 11,2. 39.


Durch Glauben empfängt man Vergebung der Sünden und
Los unter den Geheiligten, Act. 26, 18. 10, 43. Gott reinigt
das Herz durch den Glauben^ Act, 15, 9. Glaube und Taufe
treten zusammen: sie glaubten uud wurden getauft, Act. 18,8.
vgl. Mark. 16, 16.
Wir besitzen durch den Glauben die Hinzuführung zur Gnade,
Röm. 5 ,
2. Wir sollen mit wahrhaftigem Herzen in Fülle des
Glaubens zu Gott hinzutreten ,
Hebr. 1 ,
22. Wir haben die

Freudigkeit und die Hinzuführung in Zuversicht durch den


Glauben an Christus, Eph. 3, 12. Der Glaube bedingt das An-
rufen, Röm. 10, 14. Man soll im Glauben bitten, Jak. 1, 6.
17
258 DER GLATJBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, Jak. 5, 15.

Die Wunderkräfte kommen aus Glauben ,


Gal. 3 ,
5. 1 Kor.

13, 2. Der Name


kräftigte den Lahmen auf Grund
Christi

des Glaubens an seinen Namen und der Glaube gab ihm die

Gesundheit, Act. 3, 16.


Gott mit ganzer Freude im Glauben, Rom. 15, 13.
erfüllt

Als Glaubender freut man sich, Act. 16, 34. Durch den gegen-

seitigen Glauben ermuntert man einander, Rom. 1 ,


12. Der
Glaube muss in Kampf festgehalten und bewahrt werden, Phil.

1, 27. 1 Tim. 6, 12. Jud. 3. Wer den Glauben bewahrt hat,


hat den Lauf vollendet, 2 Tim. 4, 7. Der Sieg, der die Welt
überwunden hat, ist der Glaube, 1 Job. 5, 4. 5. Festim Glau-
ben widersteht man dem Satan, 1 Petr. 5, 9. Durch Glauben
löscht man seine feurigen Pfeile Eph. 6 16. , ,

Der Glaube wird durch Liebe wirksam, Gal. 5,6. Friede und
Liebe wird von Gott gegeben mit Glauben , Eph. 6 , 23. Die

Freunde des Apostels, seine Kinder im Glauben, Tit. 1 ,


4. 1

Tim. 1, 2, lieben ihn im Glauben, Tit. 3, 15. Der Glaube


wirkt zu den Werken mit und erhält aus den Werken seine

Völligkeit, Jak. 2 , 22 cf. 1


,
3. 4. Im Glauben reicht man die

Tugend dar, 2 Petr. 1,5.


Durch Glauben erkennen wir, dass Welt Schöpfung
die

Gottes ist ,
TTiCTSi vosTv Hebr. 1 ] ,
3. Die Schrift macht weise
durch den Glauben, 2 Tim. 3, 15. Die Gemeinschaft des Glau-
bens wird wirksam in Erkenntniss des dem Menschen gegebnen
Guts auf Christus hin ,
Philem. 6.

Neben diesem reichen Gebrauch des Worts für das Verhal-

ten der Gemeinde zu Gott und Christus wird Glaube nur höchst

spärlich im menschlichen Verkehr gebraucht. Paulus drückt


damit einmal die volle Gewissheit aus ,
die eine Nachricht ,

allerdings nur in gewissem umfang, für ihn hat, /xc-pog ri

TVKTreÜM I Kor. 11, 18; doch auch hier ist bezeichnend , dass

dieses Glauben sofort durch eine von Gott her stammende


DIE AUSBEEITTJNG DES SPEAGHGEBEAUCHS. 259

Notkwendigkeit begründet wird: es muss so sein '). Es steht


dem religiösen G-ebrauclie noch näher wenn das Misstrauen der ,

Gemeinde zu Jerusalem gegen Paulus so bezeichnet wird: sie

glaubten nicht, dass er ein Jünger sei, /^jj in(TTs6ovrsq oti hrh
[jcoi&viTvig Act. 9 ,
26 ,
oder wenn die Liebe dadurch in der uner-

schöpflichen Kraft ihres Vertrauens beschrieben wird, dass ge-

sagt wird: Tria-reüsi TtävTot, 1 Kor. 13, 7. In der erstem Stelle

hängt das Vertrauen unmittelbar davon ab, in welchem Ver-


hältniss sein Empfänger zu Jesus steht, nnd in der letztern

ist das Glauben keineswegs nur ein auf die Menschen ge-
richtetes Verhalten; würde das Motiv des Vertrauens, wel-

ches die Liebe erweist, im Menschen gesucht, so könnte ihm

unmöglich ein unbegrenzter Inhalt gegeben werden; als die


alles glaubende kann sich die Liebe nur dadurch erweisen, dass
sie ihr Vertrauen auf Gott bezieht, dessen Gabe und Hülfe sie

in voller Zuversicht für den erwartet und erbittet, auf den sie

geht; in Gott gewinnt und besitzt sie die Unbegrenztheit des

Vertrauens auch gegenüber denjenigen im menschlichen Han-


deln liegenden Momenten ,
die das Vertrauen zu begrenzen und
aufzuheben geeignet sind. Somit ist das Wort im neutestament-
lichen Briefkreis fast ausschliesslich für das Verhalten zu Gott

und Christus ausgesondert.


Dagegen treten Tna-röc und auch mit dem Begriff der
7ri<TTi<;

Treue kräftig in die Rede der Gemeinde ein. Treue wird von
Gott ausgesagt; menschlicher Unglaube macht sie nicht zu

1) Die Beifügung von [/.spog ri kann nicht den Zweck haben, die Nachrichten,
die er erhalten hat, zum Theil als unzuverlässig darzustellen; sie entspringt vielmehr
daraus, dass sich ttkttsvsiv auf seine Einsicht in die göttliche Nothwendigkeit der

atpsa-siQ bezieht. ]3iese will er aber nicht über alles das ausdehnen, was in Korinth
geschehen ist. Er will nicht sagen, dass die konkreten Vorgänge sammt und sonders
durch die göttliche Leitung der Gemeinde nothwendig seien. Die Schranke jenes $s7

ist aber auch die seines Tria-Tsvsiv, Was drüber hinaus geht, das ist ihm auffällig und
räthselhat't und begegnet in ihm nicht jener unbedingten Gewissheit, mit der er das
als göttlich nothwendig erkannte bejaht.
260 DER GLAUBE TM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIl.

nichte , KXTOcp'ysiu tvju t. tov hov Rom. 3 ,


3 ;
als Synonym tritt

erläuternd hinzu xXvi^m ylvsa-dai, und 7rta-T0<; f^csvet bildet den Gegen-
satz zu sxvTov xpvslaboii ,
2 Tim. 2 ,
13. Sie beweist sieb, in der

Befestigung der Gemeinde, in Folge deren sie am Tage Cbristi

ohne Anklage ist ,


1 Kor. 1 ,
9 ,
in der Weise ,
wie die Yersu-

cbung bemessen wird, 1 Kor. 10, 13, in der Weise, wie zur

apostolischen Predigt die ihr entsprechende göttliche That


hinzutritt, 2 Kor. 1, 18, vgl. 1 Thess. 5, 24. 2 Thess. 3, 3.

Dem treuen Schöpfer sollen die Leidenden ihre Seelen über-

geben, 1 Petr. 4, 19. Treu und gerecht ist Gott indem er ,


dem
Bekennenden die Sünden vergibt ,
1 Joh. 1 ,
9. Der welcher
die Yerheissung gab, ist treu, Hebr. 10, 23, vgl. 11, 11 tti-

(TTOv vj<yili(Ti!c.<xöxi TOV sTrxyysiXiiizsvov.

Jesus istZeuge Ap. 1,5, der Amen der treue


der treue , ,

und wahrhaftige Zeuge, 3 14 wenn er wiederkommt, heisst er , ;

treu und wahrhaftig, 19, 11. Jesus wurde ttkttoc äpxispev!, toc

'TTßoQ rov ßsöv Hebr. 2 , 17; er ist dem treu, der ihn machte, 3, 2

TTKyrog dg vlbg im tov oIkov abrov mit Anschluss an Num. 12,


7. Hebr. 3, 6.

•Ki^Toq ist dasWort, 2 Tim. 2, 11. Tit 3, 8. 1 Tim 3, 1,

verlässlich und jeder Aufnahme werth, 1 Tim. 1 , 15. 4, 9 ; das

der Lehre entsprechende zuverlässige Wort, Tit. 1,9. Die Worte


sind TticTOi zoi) xÄvidivol^ Ap. 21, 5. 22, 6.

In Bezug auf das Verhältniss zu Gott und Christus wird

gesagt: die Berufnen und Auserwählten und Getreuen, Ap. 17,


14 Ygl. die Feigen und 'Treubrüchigen und Verworfenen, Ap.
21 8. Es gilt treu werden bis zum Tod, Ap. 2, 10. Der ge-
,

tödtete Antipas war o fzxprv; ßov o ttk^tÖc, (f^ou) Ap. 2, 13.


Vom Haushalter wird nur diess gefordert: ttkttos supe&^vizi^ 1

Kor. 4, 2. Paulus hat vom Herrn Barmherzigkeit empfangen


treu zu sein, 1 Kor. 7 ,
25. Christus hielt ihn für treu, indem
er ihn zum Dienst bestimmte, 1 Tim. 1 ,
12.

Es steht vom Verband der Gemeindeglieder unter einander:


DIE Ä.USBREITUNG DES SPRACHGEBRAUCHS. 261

der treue Bruder, 1 Petr. 5 ,


12 . Kol. 4 ,
9 ,
das treue Kind 1

Kor. 4, 17; der treue Diener, Kol. 1, 7. Eph. 6, 21. Das


Grehörte soll Menschen übergeben werden,
zuverlässigen die

im Stande sein werden, auch andre zu lehren, 2 Tim. 2, 2.

Mit Beziehung auf den gesammten menschlichen Verkehr


wird gesagt: Güte Treue Sanffcmuth Gal. 5, 22, von den ,

Sklaven :
f^ij vo<T(pi(^6[/,svoi xKKoi Träcrocv Tr'Kjriv evlsiv.vü[/,svoi oiyot&i^v^

Tit. 2, 10, von Frauen Tria-rai iv ttccitiu ^


1 Tim. 3, 11; ttkstov

TTOislg ixv sp'yä.o'^ sU rob^ a.'SsXCboü? ,


3 Joh. 5.

Mit gut griechischer Wendung steht xttkttov Act 26 ,


8 von
der Thatsache der Auferstehung als Verneinung ihrer Realität

und Glaubwürdigkeit : äTricrrov Kpivsrxi vroipci ricri &] o hoc

vsxpovg &<ysipsi.

Der Sprachgebrauch der Gemeinde für Triang im receptiven


Sinn des Glaubens geht weit originaler neue Bahnen als der-

jenige für TTio-rög und TvidTiq im Sinne der Treue. Für dieses

werden vorwiegend diejenigen Redeformen benützt welche sich ,

auf semitischem und griechischem Boden herausgebildet haben.


Das festgeprägte ttkxto? o hoc ,
oti oder mit dem Particip : tti-

cTTog 6 KOiXäv u. s. f. hat seine Analogien in der syuagogalen

Rede, vgl. Seite 35; 'ttktto: svpa&^voci übersetzt jÖTlQ nDH'i^k^,


vgL auch Jos. B. J. 2 ,
18 ,
4 XTntrroq svplarKsaöxt ;
das Pauli-
nische ^Xsvi'/Avoc shoii hat im rabbinischen V?^
TT /SpDH
TTia-TOc
.. 1- -
;

|D^?3 n1\l7 ein intressantes Analogon ,


hier wie dort wird die

Treue zu Gott als inneres Verhalten eng mit der Glaubwürdig-


keit und Autorität ,
die an ihr im Verhältniss des Treuen zu seiner

Umgebung haftet , zusammengefasst nur dass ,


sie hier als mensch-
liche Leistung dort als Gabe Gottes betrachtet wird. Anderes
^st mehr griechisch ,
so das treue und jeder Annahme werthe
Wort der Pastoralbriefe , vgl. Polyb :
svTrxpä.'^sKTog kk) Tno-rog 10,

2, 11. vgl. 8, 13, 2. Trapoi^x^g d^iaS^^jvxi kx) 'xiarscog 1,5,


5; zu Trhriv svBaiKvvixdoii Tit. 2, 10 vgl: &vx7ro'§£i^<xcröixi ttI-
262 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. TU.

(TTtv Polyb 1, 82. 9 sTrihUvv^Öxi tt. Philo 2, 161 48. rh


1,

o-Cpla-t ßißciiov rvjg TTia-Tsag STn^si^oiadai Jos. Ant. 13, 16, 2,

auch schon Sept. Prov. 12, 18: STri^siKvvf^hii tt'ktth; ^


erwiesene

Treue; zu ttkxtov i^'yi^a-oitrdxi tivoc vgl. Polyb. 3,9,4. Der Sprach-


gebrauch für TrifXTtq Glauben bildet sich zum Theil daraus,
dass Wendungen ,
die ausserhalb der Gfemeinde für menschliche

Treuverhältnisse ausgebildet sind, mit dem Grlaubensbegriff sich


füllen. So gehn rvipsly rvjv tIcttiv, dcpityroia-^xi Tijg Trier sag Po-

lyb frg. 79. Philo 1, 631, 10. Jos. Yit. 17. 25. vgl. f^/Vr^ö--
^oii Tijg Trpog ßs Trhrsag Vit. 33, £f4,f4,svsiv r^ TrlaTsi Polyb 1, 43,
3. 3, 70, 4 vgl. Jos. Yit. 9. 11. 22. 65 sf^f/,£V6iv r^ Trpog

'Pa3f4.iztovg 'TTtcrrsi, drs^elv tvjv '7ri(rTiv Pol. 8 ,


2 ,
2. 11 , 29, 3
über auf das glaubende Verhalten zu Gott. Auch der Ueber-

gang von -tthttö? in den Begriff gläubig gehört hieher. Zu xp-


velcT^oci rviv Trlcmv vgl. j^ Trsp) riju Tritrriv a,pvvj(jig, Philo 1 , 141 ,

20 ;
zn ^oKif^tov r>jg Trhrsoog und tx^önißog Trsp) r^v tt. Jos. c.

Ap. 2 ,
4 ^OKi{j(,(x,t,siv Tivk TTia-Tsag ,
zu ßsßaioucSrcit rfj tt'kttsi
,

Ktx,ro(, tt'kttiv ßsßoiioi Jos. Vit. 56 und die häufige Verbindung


des Begriffs mit -TritTrig und TTto-rsusiv bei Philo; zu 'ip^ou tti-

neben den zunächst liegenden J^ÜI^DTI Philo 2


(TTscog
TT" ^'H^^lp
T
,

386, 16. Neben tt'kttiv Koixslv 2 Petr. 1, 1 steht Trlcrrsag Ka-

p^ejv Philo 1 ,
608 ,
8 ;
neben TcKvip^g Triarsag <ykiJt,eiv xma-Tixg
Philo 1, 413, 37. U'kttiv Tro^ps%siv Act. 17, 31 ist nicht nur

mit dem Begriff Garantie bieten. Beweis verschaffen griechisch


eine häufige Wendung , sondern hat auch in Jos. Ant. 3 1 , ,

6 eine Parallelle, wenn von Mose, der dem Volke das Manna
als seine Speise bezeichnet, gesagt wird: yeuößsvog rovr avToTg

TTocpsl^s Trta-Tsvsiv vgl. im aktiven Sinn tt/o-t/v Traps^siv slg hog


ro ^v}g Ant. 1 , 19, 9. B. J. 2, 8 ,
7. Zu 1 Thess. 5, 8 vgl.

t'kttiv hlvü- 01,(7^01,1 Philo 1 ,


409 ,
80 ,
beides übrigens in Nach-
wirkung des hebräischen *ti^57. Tri<7rig und ixKilj^sioc stellt auch

Josephus zusammen: äXvi^£l(X,g tt'kttiv nai ^d^xv ^siori/irog Tr(zpot,


DIE AUSBKEITÜNG DES SPßACHGBBßlUHS 263

Toic ox/^oic x7roCl)sp£(r^xi von Daniel, Ant. 10, 11, 7 vgl. B.


J. 4, 5, 4. Aber alles was so an vorliegendem spraclilicliem
Material benützt wird ,
wird dadurch, dass es dem neuen und
vollen Begriff ,
der in der Gemeinde lebt ,
dienstbar wird ,
neu

geprägt.
Es ist für die Kraft, mit der die Gemeinde das Wort
handhabt ,
charakteristisch ,
dass von der griechisch ausgebrei-
teten, mannigfaltig gewordenen Verwendung desselben nur ein
kleiner Bruchtheil in die Rede der Briefe eingeht. Die Kom-

positionen sind gänzlich verschwunden; von an- ab- durch-

vorglauben wird nicht gesprochen,, das Wort hat wieder in

seiner einfachen Gestalt Kraft und Fülle erlangt. Die objek-


tive Wendung von TricrTtg: Garantie, Beweis bleibt dem neuen
Testament ganz fremd, so geläufig sie der griechischen Rede
war, ebenso die Beziehung der Tr/crr;^ auf die blosse Erschei-
nung der Personen und Dinge unter Abstraktion von ihrem
Innern Wesen , ja ausdrücklich mit dem Gedanken an einen
Gegensatz zwischen dem reellen Verhalten und der Geltung
und Achtung, die ihnen eingeräumt wird. Man vergleiche z. B.

Wendungen wie sie Josephus hat: xvSrpcoTrog ycviq kxi TrpoCpvjTcv

TTia-Tiv STTibeic oivr^ B. J. 2, 13, 5. ^aivoq tt'kttiv sTribslvxi rolq

s\p£U(7fj(,£votg B. J. 2, 21, 2. rix </£ [zviv sIkotoc Triarrov sttoisi tov

Trpo^oTViv B. J. 3 ,
7 ,
33 u. s. f.
Dergleichen hat innerhalb der
neutestameutlichen Verwendung des Worts keinen Raum mehr.
Relativ gering sind die adjektivischen Benennungen der Tria-Tig'^

es zeigt diess ,
wie wenig der Begriff noch in die Abstraktion

hineingezogen ist, er hat nicht die Bedeutung eines Gattungs-


begriffs ,
der eine Vielheit verschiedenartiger Vorgänge umfasst
und darum adjektivisch bestimmt werden muss. Man vergleiche
damit Philo's Sprachgebrauch ,
der allerdings überhaupt an
einem Uebermass von Adjektiven leidet und darin die Schwäch-
lichkeit seiner Rede zu Tage giebt: TriirTig ^^o^og 2, 91, 1.

xxbxpa xx) ckloxog 2, 62, 31. 'ispx kx) muKoq 1, 487, 44.
264 DER ßLAUBE IM NEUETST TESTAMENT. KAP. VII.

ßsßciioi 1, 228, 31. 340, 13. 442, 47. 2, 56, 50 223, 28.
679, xKXivvjQ Kx) ßsßxiOTärv) 2 ,
413 ,
15. xpriog kx) Trsp) ttixv-

rot, TcKilipvie;
1 ,
606 ,
9. xjcpacToi; kx) xf4,tyyig 1 ,
486 ,
8. iAi^S-;;^ ,

x^>i^£(rripx 1, 517, 17. 475, 39. 461, 10. 2, 123, 49. «w-
Tupog 1, 168, 5. xTTKTToq 1, 665, 2. ßsl^ccv 1, 141, 20. (TizCp^g

rpxvvjc; hxpyvjq efj^^cpxvvjq häufig ; IxxvtI] 2 ,


647 ,
48. sf/,0VTO(; diri-

(TTiäi 1, 287, 42. TTKrrsvsiv Trxrlcog 1, 176, 23. 128, 15. /3f/3<x;-

örxTx 2, 40, 8. 248, 27. iu,SiX^ov (axKkttx 1, 10, 42. 529,


42. TTÄvy 1, 196, 16. x^ev^Sig 2, 412, 43. Kixv TrpOTrta-Tsusiv

1, 386, 36. elg ättäi/ xTntTTstv 2, 401, 29. ix^öf^ug xTritneiv

2, 118, 33. In der Q-emeinde bleibt das Wort unmittelbar

ibrem konkreten Erlebniss und Yerhalten angescblossen und


hat darum eine keiner Beschreibung bedürftige Durchsich-

tigkeit.
Sehr reich entfaltet sind dagegen die genitivischen Verbin-
dungen des Worts ,
während in dieser Hinsicht der ausserbi-

blische Sprachgebrauch arm ist. Polyb hat an verwandtem ein-


zig opoi T^g Trhreag 25 ,
4 ,
3 ,
Philo nur TTia-rsccg UTrspßoK^ ,

(TVfzßoKov , TssifMipiov , sXs'/xog , sp'yov ; otriaTixg 'ixvog (txix.


copx''-).

Die reiche genitivische Verwendung des Worts in den Briefen


st theils Nachwirkung der semitischen Wortkomposition, vor
allem aus aber Folge der Kraft, mit welcher der Glaube als

Princip gefasst ist, dem eine Mannigfaltigkeit von Zuständen

und Handlungen als in ihm enthalten und von ihm ausgekend


angehört.
Die innern^ :

Bewegungen und Vorgänge , die den Glau-


bensakt bilden, werden überall sehr gleichartig aufgefasst. Die-
selbe Doppelbeziehung \
des Glaubens ,
welche schon in den

Evangelien vorliegt ,
kehrt stets wieder. Bald tritt in demsel-

ben die zustimmende Anerkennung der gegebnen göttlichen

1) Etwas anders geartet sind


die Fälle, wo der Genitiv anj ein Substantiv mit trans-

itivem antritt wie v/ffTSoog Pol. 2. 61, 11. Sstyi^tx Trta-rsia? PMl.
Begriff (pv?i,(xieij

2 , 62, 39. a.'KKTTicic, 5rpox«At/fi/ita , 5/a:/3oA«/ Phil. 2, 208, 17 j 2, 44«, 26.


DIE PSYCHOLOGISCHE ZWEIHEIT IM GLAUBEN. 265

Wahrheit, Erwartung und freudige Zuversicht


bald die feste

zur verheissnen göttlichen Hülfe hervor, ohne dass sich ir-

gendwo die beiden Seiten der Grlaubeusstellung von einander


lösten ; vielmehr hängt Vorwiegen des einen oder an-
das
dern psychologischen Faktors je von der Tendenz des ein-
zelnen Gfedankengangs ab. Paulus sagt Rom. 10 , 9 kurz
und einfach: glauben, dass Gott Jesus auferweckt hat. Da
ist der Grlaube Bejahung dessen, was Gott an Jesus ge-
than hat. Wenn er aber den Glauben an Abrahams Ver-
halten so hebt er kräftig die unge-
zur Darstellung bringt,

brochne, von Gottes Macht und Güte nicht lassende Stärke der

Zuversicht hervor. Wie Rom. 10, 9 und 4 ,


18 ff. neben ein-
ander stehn, ganz ebenso gestaltet sich das Verhältniss zwi-
schen Jak. 2, 19 und 1,6. Glauben dass Gott ein einiger ist:
da ist der Glaube innere Gebundenheit an die Wahrheit. Wenn
aber der Glaube als die Eigenschaft der Bitte erscheint, kraft
deren der innere Streit fern gehalten und das Hin- und Her-

geworfen werden überwunden ist, so steht der Glaube vor uns


als völlige Zuversicht zum gebenden Gott. Der Hebräerbrief be-
schreibt das Wesen des Glaubens in zwei Worten und auch
hier bezieht sich das eine auf den Wahrheits- ,
das andre auf
den Hoffnungsgehalt des Glaubens. Der Glaube ist Bestehn auf
gehofftem, also. Zuversicht, Ueberführung von nicht sichtbarem,
also Zustimmung, Hebr. 11, 1.

Als Ausgangspunkt aller innern Vorgänge, die in den Glau-


bensakt fallen, tritt stets die Bejahung der gegebnen göttlichen
Wahrheit voran. Um die einfachste Gestalt des Glaubens zu
nennen , sagt der Hebräerbrief: glauben dass Gott ist und
dass er denen ,
die ihn suchen ,
ein Vergelter ist ,
Hebr. 1 1 ,

6. Ebenso handelt es sich Paulus in Rom. 10 ,


9 darum ,

dem Glauben einen möglichst einfachen Ausdruck zu geben ,

er soll dargestellt werden als das ,


was nicht vom Himmel
erst

oder aus dem Hades herbeigeholt werden muss sondern dem,


266 DBE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Menschen nahe ist, in seinem Herzen und in seinem Munde;


darum wird er auf die Bejahung der Auferstehung Jesu redu-

cirt, doch nicht um nur eine unvollkommene Anfangsstufe des


Glaubens zu nennen; vielmehr ist solcher Glaube Gerechtigkeit

und hat die Errettung zur Folge, 10, 9. 10. Auch die Formel
Jak. 2 , 19 beabsichtigt nicht ,
einen verstümmelten ungenü-

genden Glauben zu beschreiben; im Gegentheil wer dies wirk-

lich glaubt, ist gläubig. Auf die psychologischen Verknüpfungen ,

welche von der erkennenden Erfassung Gottes überleiten in den


Willen zu dem auf Gott gerichteten Verlangen und Hoffen ,

wird gar nicht reflektirt. Die unlösliche Einheit beider innern


Akte ist für die Briefe im Bestände ihres eignen glaubenden
Verhaltens unmittelbar gegeben, weil sie in der objektiven
Beschaffenheit des göttlichen Verhaltens begründet ist. Die Ge-
meinde steht vor der Realität Gottes und seines Christus, die
als Wahrheit bejaht werden soll, und eben damit findet sie sich

Gottes Hülfe und Gabe gegenüber, auf welche sie vertrauen


kann und darf. Der in seiner Wahrheit erkannte Gott ist in
seiner Hülfsmacht erfasst, und im Christus ist zugleich der

Helfer und Erretter gefunden. Die Gemeinde trennt zwischen


Gottes Wahrheit und Güte, zwischen Jesu Königstellung und
Heilandsamt nicht, darum Glaube überall zugleich
ist ihr der

ein Akt der Zustimmung und der Zuversicht. Die Sphäre in ,

der die individuelle Gestaltung des Glaubens in den verschied-

nen Charakteren und Gruppen der Gemeinde zu Tage tritt, ist


nicht die psychologische Umgrenzung und Bestimmung des

Glaubensaktes. Auch der Synagoge gegenüber lag nicht in die-

ser Richtung das Unterscheidende. Der Wechsel in der Beto-

nung beider Momente am Glaubensakt liegt in ganz analoger


Weise schon jüdisch überall vor, bei den Rabbinen, bei Philo,
bei Josephus. W^enn der Targumist sagt: Sara kam mit Abra-

ham in den Glauben Gottes, so denkt er an das monotheis-


tische Bekenntniss ; sagt er : weil Abraham nicht glaubte ,
DIE PSYCHOLOGISCHE ZWEIHEIT IM GLAUBEN. 267

miisste Israel leiden in Egypten, so denkt er an die Festig-

keit der Zuversicht, die Gottes Verheissung unbedingt bejaht.


Philo hebt im Glauben oft sehr ausschliesslich die üeberzeugung
hervor, die Gottes gewiss ist, aber das hindert ihn nicht, ihn

zugleich Hingabe an Gott zu denken die alles über ihm


als ,

hintansetzt und in ihm allein ihr Gut sucht und hat. Wenn

Josephus sagt: Mose hauchte Israel ein für allemal den Glau-
ben an Gott ein, so denkt er an das, was Jakobus 2, 19 zum
Ausdruck bringt; spricht er von denen, die auf Gott blicken
und nar ihm glauben so schwebt ihm ein ähnliches Verhalten
,

vor, wie es Paulus Rom. 4 an Abraham darstellt. Der Inhalt der

Gottesanschauung wird überall zugleich als Motiv für den Wil-


len empfunden; er entlässt sofort einen Imperativ aus sich

heraus, der zu einer an Gott angeschlossnen Zuversicht aufruft.


Für die Gemeinde, die den Christus als gekommen verkündigt,
war dieser Imperativ vollends unabtrennbar mit ihrem auf Gott

gerichteten Denken verknüpft, und die Unterschiede, die in

der Fassung des Glaubens in ihr bestehn, bewegen sich darum


nicht um das Verhältniss des Glaubens zum Intellekt ,
sie sind

überhaupt nicht psychologischer, sondern theo- und christolo-


gischer Art ,
sie stammen nicht aus der Form, sondern aus dem
Inhalt des Glaubens her'). Was den Glauben individualisirt ,

das ist Weise, wie jeder unter den neutestamentlichen Män-


die

nern Jesus und von ihm aus Gott betrachtet. Jeder hat sein be-
sondres Verhältniss zu Jesus, in dem alle die zahllosen Momente,
welche die Individualität konstituiren ,
mitwirksam sind; für

jeden hat Jesus einen besondern Werth


darum gewinnt auch ,

für jeden die Gotteaanschauung ihren eigenartigen Inhalt, und

1) Diess gilt analog voa der ganzen Geschichte der Kirche. Auch der protestan-
tisch-katholische Streit, oh der Glaube nur assensus oder assensiis et fiducia sei, wäre
für sich allein kaum mehr als ein leerer Wortstreit ,
wenn ihm nicht als sehr reelle
Diflerenz eine verschiedene Würdigung Christi zu Grunde läge. Auch die modernen
Differenzen im Glaubenshegriff sind theo- und christologischer Art.
268 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

von hier aus bestimmt sicli auch der GlaubenshegrifP individu-

ell, wie und weil ihr glaubendes Verhalten selbst ein individu-
elles war. In allen aber war der Glaube Resultat tiefgreifender
innerer Erlebnisse und hat darum alles, was an geistigen
Kräften im Menschen ist, in sich. Darum richtet sich auch
ihr Gedanke, so weit er sich mit dem G-lauben beschäftigt,
nicht auf dessen formalen Verlauf, sondern auf seinen realen
Grund und Erfolg, und im Glaubensakt zusammengefasste
die

Vielheit seelischer Vorgänge wird nicht in schulmässiger Ab-

straktion aufgelöst und gegen einander isolirt, sondern wie sie


als Einheit erlebt wird, so wird sie auch überall als Einheit

gedacht ,
die nicht zerspalten wird.

Objekt und Ziel Erkennens, Verlangens und Wollens,


alles

das sich im Glauben zusammenfasst ist Gott. Es ist einleuch-,

tend, warum im Blick auf das Heidenchristenthum die Bezie-

hung des Glaubens auf Gott öfter ausdrücklich betont wird.


Den heidenchristlichen Lesern sagt Petrus sie verdanken Christo ,

das, dass ihr Glaube nun auf Gott gerichtet sei, 1 Petr. 1, 21.

Den Glauben der Thessalonicher benennt Paulus als Glaube zu

Gott angesichts ihres frühern Götterdiensts, 1 Thess. 1,8. Die


Apostelgeschichte fasst das, was der Gefängnisswärter in Philippi
durch die Predigt des Paulus empfängt, dahin zusammen: er

glaubte Gott, TrsTKrTsuna- r^ Srsä 16, 34. In allen diesen

Stellen geht der Glaubeusbegriff weit über das monotheistische


Bekenntniss hinaus. Das Petrinische: »gläubig an Gott", wie
es nun von den Heiden gilt, ist Folge der Auferweckung Jesu
und hat die auf Gott gerichtete Hoffnung neben sich. Der zu

Gott gewandte Glaube der Thessalonicher hat nicht nur den


sondern auch die Erwar-
Dienst des lebendigen Gottes in sich ,

tung Jesu, des Retters vom kommenden Zorn. Und des Gefän-

gnisswärters Glaube an Gott ist im Sinne des Textes offenbar

nichts anderes und geringeres als jener Glaube an den Herrn


Jesus Christus, von dem Vers 31 die Rede ist, welcher in der
TJESPEUNG TIND ZIEL DES GLAUBENS IN GOTT 269

Errettung sein Ziel und seinen Inhalt hat. Doch auch im jü-
dischen Kreise wird die Beziehung des Glaubens auf Gott gern

und kräftig betont. Die Gemeinde hat keineswegs das Be-


wusstsein, als käme durch sie ein »neuer Glaube" in die Welt.

Sie glaubt an Gott, an denselben, an den die Väter glaubten.


Der Weg der Gemeinde ist für den Hebräerbrief die direkte

Fortsetzung desjenigen Yerhaltens, auf das der Mensch, von der


Schöpfung her gewiesen ist und das die Väter alle bethätigt
haben, Hebr. 11. Jakobus drückt den Inhalt des Glaubens aus
mit dem Worte, welches das Bekenntniss Israels bildet: Gott

ist ein einiger, 2, 12, und für Paulus wandeln die Glaubenden
und zwar alle Juden und Heiden gleichmässig der Spur Abra-
hams nach ,
Rom. 4. Das schliesst aber nicht aus dass auch ,

die jüdischen Kreise ihren Glauben an Gott auf ihren Anschluss


an Christus zurückführen als erst mit ihm gewonnen und er-

langt ,
und darum als das Neue betrachten ,
was für sie vorher
nicht vorhanden war. Der Hebräerbrief z. B. nennt neben der
von den todten Werken sich abkehrenden Sinnesänderung den
Glauben zu Gott hin als Grundlage der Christenstellung, Hebr,
6 ,
1 . In der Umkehr liegt der frühernFrömmigkeit gegenüber
eine Wendung, die ein Neues herbeiführt; jene wird dadurch

nicht nach ihrer objektiven Wahrheit verneint; wohl aber be-


durfte die Person selbst einer durchgreifenden Aenderung um
der todten Werke
willen, mit denen ihre Frömmigkeit zusam-
menbestand.Verbunden mit der Sinnesänderung ist auch der
Glaabe an Gott als ein Neues bisher noch nicht vorhandnes

gedacht, wie denn beides als die Wirkung des »Anfangswortes

von Christo" bezeichnet ist. Auch hier greift dieser Glaube zu Gott
weit über die Bejahung seines Daseins hinaus in intensiver

Fassung als Zuwendung zu ihm, die ein neues Verhältniss des


Vertrauens setzt und erhält, das »auf GehoStem Stellung genom-
men hat". Dieses Bewusstsein, jetzt erst an Gott zu glauben,
war für die jüdische Gemeinde damit gegeben, dass sie so
270 DEB GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

wenig einen doppelten Glauben, wovon der eine auf Gott, der
andre auf Christus gerichtet wäre kennt als Jesus selbst. Die ,

auf Gott und die auf Christus gesetzte Zuversicht liegen ihr
nicht neben einander als zwei getrennte Akte, sie fallen sach-
lich zusammen. Der »Glaube an den, der Jesus auferweckt

hat", wie Paulus Rom. 4 24 den, rechtfertigenden Glauben definirt


und zwar nicht nur halb sondern ganz, ist nichts anderes als

der Jesu hingegebne Glaube, Trio-ng ^Ivifxov. Jener Glaube bei


Jacobus ,
durch den die Armen reich sind, 2, 5, und derjenige,
um desswillen alle Anfechtung für Freude gehalten werden soll,

1, 2, lassen sich nicht von einander trennen, jener ist 2, 1 als


Glaube an Christus hängt unabtrennbar
beschrieben ,
dieser

zusammen mit der an den gebenden Gott sich wendenden Zu-


versicht 1 6 beide sind mit einander eins. Aehnlich verhält
, ;

sieh 1 Petr. 1 ,
8 zu Vers 5, 7 und 21. Welche Ausbildung
der christologische Begriff besitzen mag ,
das steht der Gemeinde

fest, dass Christi Erscheinung und Wirken Gottes That ist;

ihre ganze Stellung hat darin ihre Basis > dass »der Christus

Gottes ist". Was das hohepriesterliche Gebet als den Innern


Besitz der Jünger bezeichnet: sie glaubten, dass du mich sand-
test, bildet in der That das Eigenthum der gesammten Ge-
meinde, und diess gibt ihrem Glauben die innere Einheit,
welche mit einem und demselben Akt Gott traut, weil sie auf

den Christus baut, und auf den Christus baut, weil sie Gott
vertraut. Desshalb ist aber auch zu Gott gewandter Glaube erst

damit da ,
wenn Herrn und König seines
der ,
den Gott als

Reichs der Gemeinde gegeben hat, erkannt und erfasst wor-


den ist.

Doch nicht nur sein Ziel hat der Glaube in Gott, sondern
auch seinen Ursprung und Grund. Ueberall spricht sich in den
Briefen kraftvoll die Ueberzeugung aus, dass der Glaube nicht
im Glaubenden selbst seine Ursprünge hat, vielmehr ihm als
ein Erlebniss widerfährt, das zwar sein volles persönliches
URSPRUNG UND ZIEL DES GLAUBENS IN GOTT. 271

Wollen und Handeln anruft ,


aber nicht ein Produkt desselben

ist, vielmebr eine Wirkung von oben, eine Gabe, die Gott in
die Seele legt. »Äucli wir haben geglaubt", }ccc) vifji.£l(; sTriarsö-

a-oif^sv, erklärt Paulus, Gal. 2, 16, von sich selbst und den übri-
gen Glaubenden : der Glaube war unser Entschluss und unsre
That, die in einer bestimmten Absicht erfolgte, wir glaubten

damit wir gerechtfertigt würden. Zugleich aber nennt er den


Glaubenden »den aus Glauben", o iz TricrTsai; denn nicht die ^

Person producirt und gestaltet ihr Glauben ,


sondern der

Glaube bestimmt, trägt und regiert die Person. Der Hebräer-


brief nennt den Glauben Bestehn also verhält sich der Mensch ,

im Glauben thätig, denn er steht fest hin, er nennt ihn aber


weiter Üeberf ührung ,
und diese erlebt der Mensch an sich und
verhält im Glauben empfangend und nun beschreibt
sich also ;

er ihn als eine Kraft, welche den Menschen in die mannigfal-

tigste Thäfcigkeit zu versetzen vermag. Wie unabhängig vom


menschlichen Beschliessen und Wollen sich Jakobus den Glau-
ben denkt, zeigt der Hinweis auf den Glauben der Dämonen,
in denen er Angst wird, 2, 19. Er ist eine
zu höllischer

Macht, die den Menschen ergreift uad sich unterthan macht,


die er auch, wenn er in teufliches Wollen geräth, tragen

muss, weil er die Wahrheit und das Bewusstsein um dieselbe

nicht auslöschen kann.


Beschreiben die Pastoralbriefe den Glaubensverlust als Schiff-

bruch an demselben, als Verfehlung desselben, a,<yTOxs~tv ^


so ist

auch hier die Voraussetzung die, dass Glauben oder Nicht-

glauben nicht allein vom Wollen des Menschen abhängig ist.

Man erleidet seinen Verlust allerdings nicht ohne eignes Wol-


len ,
doch gegen die Absicht als die nicht gewollte Folge des

eignen unrichtigen Verhaltens. Das auf Glauben gerichtete Be-

gehren gelangt nicht schon durch sich selbst, sondern nur un-
ter bestimmten Voraussetzungen zum Ziele ,
die über dem Wil-
len des Menschen stehn: da wo die Gnade sich reichlieh
272 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

erweist, ist der Glaube da, 1 Tim. 1, 14. Die Apostelgeschichte


beschreibt Entstehung des Glaubens als dem Glauben ge-
die

währten Gehorsam Act. 6 7. Die Verkündigung Christi wirkt


, ,

ihn als inwendige Regung und Bewegung, in welcher der


Anspruch liegt, dass der Mensch seinen Willen ihr hingebe.
Verweigert er denselben ,
so Glaube abgewiesen und
ist der

der Mensch ungläubig; gibt er seinen Willen jenem Antrieb

hin, so »gehorcht er dem Glauben" und ist nun 7rs7ci(TTsuy,caq.

Desshalb ist es Gott der dem Menschen »die Thüre des Glaubens"
,

öffnet, Act. 14, 27. In solchen Begriffsyerbindungen spricht sich der


Eindruck aus, dass der Glaube, so gewiss er des Menschen Wollen
und Handeln voll in sich hat, doch in seinem Werden und
Entstehn über ihn hinausreicht, er bricht in ihm auf als

Macht, die das Wollen des Glaubenden sich unterwirft und


an sich zieht, aber nicht aus ihm entsteht, er ist »geschenkt",
XapK^^h, Phil. 1, 29.

In Doppelbeziehung tritt der Glaube zu Christus:


dieselbe

er geht von ihm aus und wendet sich auf ihn zu. Durch

Christus glaubt ihr an Gott, 1 Petr. 1, 21; damit ist die nächste

Beziehung genannt, in die Christus zum Glauben tritt; denn


darin dass er geoffenbart wurde ,
20 ,
ist jenes Vertrauen
und jene Zuversicht zu Gott begründet, welches die Gemeinde
nunmehr hat und das ihr gesammtes Leben trägt. Dieselbe
Gedankenverbindung findet sich in der Petrinischen Rede,
Act. 3, 16, Bezug in
jenen auf bestimmten Glaubensakt,
mit dem Petrus die Heilung des Lahmen von Gott erwartet ;

derselbe ist Glaube durch ihn, vj '^hriq vj S/' oivTov. In jene


zuversichtliche Stellung, die Gott solches zutrauen darf und
um des Vertrauens auch empfängt, ist Petrus durch
willen

Christus versetzt ').


Höchst energisch hat Paulus diese Bezie-

1) Die Heilung wird sowohl nach ihrer subjektiven als objektiven Seite auf Chris-
tus zurückgeführt: ./auf Grund des Glaubens an seinen Namen hat Jesu Name ihn

geheilt", die objektive Kraft der Heilung ist sein; aber auch das innerliche Moment,
DER GLAUBE DüECH OHEISTÜS. 273

hung ausgedrückt, wenn er sagt: der Glaube kam und ward


geoffenbart damit ,
dass Christus kam und geoffenbart wurde ,

Gal. 3, 23. Und wenn in der Gemeinde sieb die Wendung


ausprägt: »Jesu angehörender Glaube", so wird
Tria-Ttg '1>](tou ,

in dieser Zueignung des Glaubens an Jesus wesentlich auch der

Gedanke liegen dass der Glaube in ihm Grund und Ursprung


,
hat.

Dass insbesondre die Auferstehung Jesu als Grund und


Quellpunkt des Glaubens heraustritt, entspricht dem faktischen

Gang der Gemeinde wie denn ihre Aeusserungen über den Glau-
,

ben der Natur der Sache nach der unmittelbare Abdruck und
Reflex ihres eignen glaubenden Verhaltens sind. Dasselbe Fak-

tum ,
das im ersten Jüngerkreis dem Glauben festen Bestand

und unerschütterliche, weil auf Erlebniss beruhende Gewiss-


heit brachte , Jesu Auferstehung ,
mit welcher seine Messianität
ihnen vor Augen stand, musste sich auch in der Glaubens-

predigt hervorheben als das, was den Glauben als Grund und
Motiv trägt und hervorruft. „So predigen wir und so habt
ihr geglaubt", ovrac sTTKmüa-tzrs 1 Kor. 15, 11, nämlich so,

dass Christus am dritten Tage auferstanden ist nach der Schrift.


Also: um der ihnen verkündigten Auferstehung Jesu willen,
auf sie sieb stützend fassten sie Glauben, Darum wäre, gesetzt
Jesus sei nicht auferstanden, ihr Glaube ohne Grund und
Motiv, flscJJ ,
und gegenstandslos, zsvcv 1 Kor. 15,2.14. Denn
Christi Auferstehung ist dasjenige Faktum ,
welches ihnen zu
Gott und Christus ihr Vertrauen gab '). So sagt die Areopagi-

welches Petrus zur Heilung befähigte, ist durch Jesus hergestellt; der Glaube, der
solches von Gott erhat und empfing, ist Glaube durch ihn: «und der Glaube, der
durch ihn entstand, gab ihm diese Gesundheit". Nachdem so ausdrücklich die Bezie-

hung des Glaubens zu Jesus mit J/' xvrou bestimmt ist, ist es unzulässig, ein »an
ihn" einzuschieben, etwa darum weil unmittelbar vorher der Glaube im Namen
Jesu seinObjekt babe. So wenig die Heilung des Lahmen aufhört Gottes That zu
sein, weil sie Jesu Name wirkt, Vers 13, so
wenig hört der Glaube auf durch Jesus
bewirkte Zuversicht zu Gott zu sein , weil er auf Jesu Namen geht.

]) Wollte Paulus sagen: das habt ihr geglaubt, so hätte er auch geschrieben
rovTo STTKTTSvcraTS; er sagt aber oVrag und TTia-reva-xt ist darum nicht anders zu

18
274 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. EAP. YtL.

tische Rede, Act. 17, 31: Gott hat durch die Auferweckung
Jesu allen Glauben dargereicht i).
Eine doppelte Weisung ergeht
in der Evangeliums von Gott her an alle: er
Predigt des
befiehlt allen Busse und richtet an alle die Glaubensweisung,

diese aber nicht nur als Befehl, sondern Gott selbst hat

zum Glauben Grund und Antrieb hergestellt durch die Aufer-

weckung Jesu, welche Glauben erzeugen und tragen kann und


soll , vgl. 1 Thess. 1 ,
8 ff. So bezeichnet es auch Petrus als

Folge und Frucht der Auferweckung und Verklärung Jesu


durch Gott, dass nun Glaube und Hoffen der Gemeinde sich

nirgends anderswohin richten als auf Gott. Wenn der Jakobus-

brief die Auferstehung nicht erwähnt, so ist doch sehr bezeich-

nend der Christus der Herrlichkeit als derjenige genannt, dem


der Glaube der Gemeinde zu eigen gehört ,
2 ,
1 ;
als der welcher

Herrlichkeit hat und geben kann that er ,


sich seiner Gemeinde
in seiner Auferstehung kund.

Nun steht aber der Christus zu der göttlichen Gabe, welche


die Gemeinde erwartet und besitzt, voll und ganz in aktivem
Verhältniss, er stellt sie nicht nur dar in Wort und Zeichen,
er wirkt sie; denn er bringt das Eeich, er ist der Richtende
and Errettende. Wie das Eeich in seinem künftigen Anbruch
Werk Christi ist, so ist auch der gesammte gegenwärtige

Bestand der Gemeinde von ihm gab ihr die


hergestellt: er

Yerheissung, er nahm in seinem Sterben ihre Sünde dahin, er


vermittelte ihr den Geist, Act. 2, 33. Wie einst den Besitz

fassen als wie es Paulus auch 1 Kor. 3, 5. 15, 2 hat: in solcher Weise unter
dieser Voraussetzung auf diesen Grund hin unter dem Antrieb dieser Verkündigung
wurdet ihr gläubig.
1) Mitten unter
den Kernbegriffen der apostolischen Predigt, ümlcehr, Vergebung

Gottes, Richteramt Christi wird Trafixeiv Triariv nicht als Gräcismus aufzufassen
sein mit seiner griechisch allerdings geläufigen Bedeutung: Garantie bieten, wodurch
die .AufcTwecliuiigJtsu als die göttliche Bürgschaft belrachtet wäre, die Jesu Rich-

teramt glaublich macht, wir werden Tr/trT/s in seinem christlichen Vollsinn zu fassen
haben.
DER GLAUBE AN CHRISTUS. 275

des Reiches selbst ,


so empfängt die Gemeinde aucli ihre Anwart-
schaft auf dasselbe aus seiner Hand. Darum richtet sich ihr

Vertrauen auf ihn: auf ihn hin, slg ocutov^), geht ihr Glaube,
und wenn derselbe Jesu Glaube heisst, so gehört er ihm nicht
nur unter dem Gesichtspunkt an, dass er ihn veranlasst und
erzeugt, sondern auch in der Hinsicht, dass er an ihm haf-
tet und auf sein Wirken und Geben traut. An der prägnanten

Formel : »hin zu ihm glauben" , sie; ocvtov , wird der Eindruck

mitbetheiligt sein ,
dass die vertrauende Verbundenheit mit ihm
nicht aus unmittelbarem ,
direktem Verkehr entspringen kann.
Die Propheten reden unmittelbar zum Menschen in der Schrift,

man glaubt »ihnen", Act. 26, 27; die Wahrheit fasst mit

überzeugenden Kraft direkt die Erkenntniss des Menschen,


ihrer

man glaubt »ihr", 2 Thess. 2, 12; der Name Jesu liegt nach
seinem Inhalt den Menschen offen vor als ein gegebenes, man
glaubt ihm oder glaubt ihm nicht ,
1 Job. 3 ,
23. Aber von
Jesus her treten keine unmittelbaren Aeusserungen und Wirkun-
gen an die Gemeinde heran, auf die sie direkt mit Gewährung
oder Verweigerung des Vertrauens zu antworten hätte, sondern

sie muss den Unsichtbaren suchen ,


es liegt im Vertrauen ,

wenn es zu Stande kömmt, ein besondrer Akt der Zuwendung


hin zu ihm. Für diesen Anschluss des Glaubens an Jesus selbst
kömmt nicht nur sein Handeln, sondern auch sein Wesen in
Betracht, kraft der Abhängigkeit, in der jenes von diesem steht.
Was er thut und schafft, ist bedingt durch Wesen und Kraft
seiner Person. Dass sein Werk nach seinem ganzen Inhalt und
Bestand Werk Gottes ist, hat darin seinen Grund, dass seine
Person in voller wesenhafter Geeintheit mit Gott steht. Weil
die Gemeinde auf die Frage, wer ihr Gott sei, nicht nur ant-
wortet: wir haben einen Gott den Vater, sondern sofort fort-
fährt: und einen Herrn Jesus Christus, 1 Kor. 8,6, darum

].) Vgl. über slt; Erläuterung 7.


276 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP, YII.

gibt sie ihren Glauben Jesu hin ,


ihm selbst , seiner Person ,

und je mehr sie hineinblickt in die innere Lebensfülle Christi,

je mehr der Christusbegrifi ,


der ihn zunächst in seiner könig-
lichen Stellung gegenüber der Welt und der Gemeinde fasst,

sich ihr entfaltet nach seiner innern Seite, nach den Realbe-

dingungen solch königlichen Wirkens in Jesu eignem Wesen,


um so weniger bildet Jesus für den Glauben nur den Durch-
gangspunkt, der zwar sein Entstehn vermittelte, über den er
aber hinausstrebte ,
nein ,
er selbst ist das Objekt und Ziel ,

in dem das glaubende Verlangen und Erwarten ruht, ohne


dass es sich damit irgendwie von Gott löst, da ja der Chris-
tus alles, was er ist und thut, aus und in Gott hat.

Die Macht, mit welcher der Glaube an Christus angeschlos-


sen wird, prägt sich in der Sprache der Gemeinde höchst

energisch darin aus ,


dass alle Beziehung des Glaubensbegriffs
auf die menschlichen Träger des Evangeliums ausgeschlossen
bleibt. In den Evangelien finden wir Verbindungen wie: dem
Täufer glauben ,
Mose glauben , analog in der Apostelgeschichte :

den Propheten glauben, 26, 27 vgl. Joh. 2, 22; in deiselben


Linie läge der Gedanke: den Aposteln glauben. Aber nur in
Act. 8, 12 wird gesagt: sie glaubten Philippus, der ihnen
das Evangelium verkündigte sTri^rsvaoiv r^ O/A/VttijiJ svx'yysÄi-
,

^ofAsvc}! ,
und auch hier liegt in der Situation ein bestimmtes
Motiv, das den Ausdruck erzeugt, sofei'n der Evangelist dort
dem Zauberer entgegensteht und die Glaubenden früher an
diesem hingen, nun aber Vertrauen zu Philippus fassten. Ver-
wandt ist noch in 1 Joh. 4, 1 die Verbindung des Glaubens-
begriffs mit den Geistern ,
welche in die Gemeinde hinein wir-
ken und reden ,
wo aber der Glaubensbegriff schon nicht mehr
auf den Menschen selbst, sondern auf den höhern, jenseitigen,
unsichtbaren Grund und Quell der menschlichen Thätigkeit auf ,

das TcvaxjyLot. , bezogen ist. Niemals wird in den Briefen der

Mensch, und sei es der vou Christus selbst ausgesandte Bote,


DER GLAUBE AN CHEISTUS. 277

zum Glauben in ein anderes Verhältniss gestellt, als in das

seiner dienstliclien Vermittelung :


»Diener, durch welche ihr
zum Glauben kamt", sind die Lehrenden, 1 Kor. 3, 5. Das Mo-
tiv, welches hier dem Sprachgebrauch kraftvoll die Grenzen

steckt, von Paulus energisch ausgesprochen worden gegen


ist

ein Verhalten ihm gegenüber, das sich dem »Glauben" nä-

herte:wurde Paulus für euch gekreuzigt oder wurdet ihr auf


den Namen des Paulus getauft? 1 Kor. 1, 13; darum sind
wir nicht Herr eueres Glaubens ,
2 Kor. 1 ,
24. Ein Widersinn

wäre es den Glauben auf den Menschen zu richten , weil nicht

er der Gemeinde gegeben hat ,


was ihren Besitz und ihr Gut
ausmacht; was sie hat, verdankt sie Jesus, seinem Tode und
ihrer Taufe auf ihn ,
darum bleibt ihr Glaube nach Inhalt und
Ziel ausschliesslich angeheftet an. ihn.

Aber auch nichts Sachliches wird in der Sprache der Ge-


meinde Objekt des Glaubens. Nur einmal sagt Johannes: wir
haben die Liebe erkannt und geglaubt, welche Gott zu uns
hat ,
und auch sie ist ja nichts sachliches ,
sondern unmittelbar
Gottes Wille und Verhalten selbst. Aber Wendungen wie die:

an die Erlösung, Sündenvergebung, Auferstehung u. s. f.


glau-
ben bleiben .der Sprache der Briefe ganz fremd. Solche Wir-

kungen und Gaben Christi erhält man und wird man erhalten
durch Glauben ,
der Glaube aber geht nicht auf die Gabe ,
sondern
auf den der sie gibt und geben wird. Auch wenn Grund und
Inhalt des Glaubens durch einen Objektssatz bestimmt wird ,
erhält

derselbe ausschliesslich in dem, was Gott und Christus ist, sei-


nen Inhalt, üeberzeugungen wie die, dass auf Grund der gött-
lichen Berufung uns alles zum Guten dienstbar wird, oder dass

wir mit Jesus auferstehen werden, heisst Paulus nicht Glaube


sondern Wissen, Rom. 8 , 28. 2 Kor. 4, 14. Die Einsicht dass

Gott den Menschen ohne Werke des Gesetzes durch Glauben

rechtfertigt, ist nicht selbst wieder Glaube, tt/Vt/^, sondern


ein Erkenntnissakt, ein P^c^i^eaSriZt Rom. 3, 28, s'i^svizi Gal.
278 DER GLAUBE IM KEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

2, 16^). Dass Jesus auferstanden ist, das dagegen »glauben"

wir ;
das ist das Faktum , dem jener volle innere AnscUuss
gilt, wie ihn der Glaubensbegriff ausdrückt. Der Johanneisclie

Sprachgebraucli bleibt in dieser Hinsicht der Paulinischen Rede


völlig parallel. Dass wir aus dem Tode in 's Leben hinüberge-
schritten sind ,
dass wir ihm ähnlich sein werden ,
das wissen

wir; dass Jesus der Christus ist, das glauben wir, cf. 1 Joh.

3, 14. 2. 5, 1 ff.

Nicht einmal das Evangelium, das doch als Botschaft von


dem was Gott gethan hat, als etwas göttliches vor dem Men-
schen steht, und das erste und nächste Band bildet, das ihn
mit Christus in Beziehung setzt, erscheint als des Glaubens

Objekt und Ziel. An einer einzigen Stelle ist vom Glauben an


das Evangelium die Rede, Phil. 1, 27: a-vvocS^ÄsTv r^ Trhreirou
svizysxlov; sein ist der Glaube in ähnlich umfassendem Sinne,

wie er Christi ist, als durch dasselbe gewirkt und auf das-
selbe gewandt. Schon andrer Art ist der Gedanke, wenn der

Glaube der Wahrheit zu eigen gegeben wird, TriaTu; xM^sioe-c


2 Thess. 2, 13.; freilich sind die Wahrheit und das Evangeli-
um nicht zwei gesonderte Dinge, vielmehr »hat Gott euch zum
Glauben an die Wahrheit gerufen durch unser Evangelium";
oi?4^si(x, weist aber über das Wort und die Rede hinaus auf
den wesenhaften Grund derselben; a,Xv)bsix ist das Evangelium
so wie es in seinem unbedingten Werth dem Bewusstsein des

Mensehen aufgedeckt ist, vgl. 2 Kor. 4, 2 ff., und darum ist

mit dieser Benennung desselben zugleich der Grund bezeichnet ,

warum aus ihm Glaube zu entstehen hat. Es bleibt auch für

das Evangelium bei der Bestimmung: aus Hören durch das


Wort Christi kömmt der Glaube, Rom. 10, 17, und dieses
»durch" verwandelt sich für die apostolische Sprache nicht

in ein »an". Der Glaube wendet sich nicht nur dem Wort,

1) üeber Rom, 6,8 siehe Erläuterung 13.


DER GLAUBE AN CHRISTUS. 279

sondern um des Wortes willen der Person Christi zu ^).

Er erfasst ilin nach dem universellen Inhalt seines Wirkens


in seiner allen sich in gleicher Weise zuwendenden Bedeutung.
Alle singulären, nur dem Erleben der Einzelnen angehörenden

Glaubensmotive treten völlig zurück über dem universellen

Glaubensgrund, wie er sich in Jesu Gottessohnschaft und sei-


ner königlichen Stellung im Reiche allen darbietet. Es ist in
dieser Hinsicht höchst lehrreich ,
wie z. B. Paulus von der ihm
zu Theil gewordnen Erscheinung Jesu spricht. Sie schuf und
beherrschte und gab seinem Glau-
seine ganze innere Stellung

ben bleibend seine individuelle Färbung und Haltung, aber sie


bildet keineswegs den Mittel- und Angelpunkt, um den sich

sein inneres Leben bewegt. Sein eignes persönliches Erlebniss


ist nur Mittel, das bestimmt war, ihm Jesus als den aufer-

standnen Herrn der Herrlichkeit zu zeigen und dadurch seinen


Glauben auf ihn zu lenken und an ihn zu binden, nun aber
an ihn nach seiner universellen Bedeutung, an ihn als den,
der für alle gestorben und für alle auferstanden ist. Das ist

das Verlangen, das in seinem Glauben lebt: Christi Tod und


Auferstehung zu erfassen nach ihrer Kraft und Gabe, hierin
hat sein inneres Leben seinen Mittelpunkt. Damit richtet es

sich aber auf ein Moment in der Erscheinung Jesu das universelle ,

Bedeutung hat. Noch weniger band er den Glauben andrer an


die ihm gewordne Erscheinung fest. Er erzählt sie seinen Ge-

meinden, damit sie seinen eigenartigen, selbständigen Apostel-


beruf neben den Zwölfen und weiterhin seine Stellung zum
Gesetz verstehn ,
Gal. 1 ,
15. 1 Kor. 9 ,
1. Sie dient ihnen

auch insofern zur Glaubensbefestigung, als sie eintritt in die

Reihe der Zeugnisse, durch welche der Auferstandne sich

lebend erwies, 1 Kor. 15 ,


8. Doch nur als ein einzelnes ,
be-

1) 2 Thess. 1, 10 ist anders geartet vgl, Erläuterung 12.


280 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT, KAP. VII.

glaubigendes Zeugniss kömmt sie für die Gemeinde in Betracht ,

niclit als Kern und Ziel ihres Glaubens ,


denn derselbe ruht
nicht in diesen oder jenen individuellen Erlebnissen, so wichtig

sie für das Entstehn desselben in der einzelnen Persönlichkeit


sein mögen, sondern in der Menschheit und Welt umspannen-
den Reichsgabe Christi ,
VT'ie sie in seinem ewigen und allen

ganz sich zuwendenden Wesen begründet ist. Das gab dem


Glauben der Gemeinde in allen die starke Identität, die ihn
zur Wurzel eines Gemeindelebens machte und jenen festen

Zusammenschluss in demselben hervorbrachte, der sich stärker

erwies als alle bisherigen Verbände. Im Anschluss an den einen


und selben Herrn ,
der dieselbe umfassende Gabe ,
das Reich ,

allen gewährt, wurden die Glaubenden unter einander eins.

Der Glaube ist Folge der Reichsgabe Gottes , Wirkung der

Erscheinung des Christus ;


aus solchem Thaterweis der göttlichen

Gnade erwächst die auf Gott und Christus gestellte Zuversicht.

Ebenso sehr für den Eingang in's Reich die


bildet er jedoch
Bedingung, sofern noch künftig ist. Die Gemeinde des
dieser

Christus geht in das Reich ein, darum weil sie seine Gemeinde
ist ,
und sein und an ihn angeschlossen dadurch dass
ist sie ,

sie ihn als den Christus erkennt und fasst also im Glauben. ,

Diesen Charakter ,
Bedingung zum Eingang in's Reich zu sein ,

erhält der Glaube um


Anerkennung so mehr, weil der der
Messianität Jesu und Gegeninstanzen im Wege
Hindernisse
"

stehn deren üeberwindung einen Vertrauensakt ergibt. Der


,

Christus ist seiner Gemeinde fern, unsichtbar; das Reich, in

das er sie führt , künftig ,


ihr als Verheissung eigen ,
welche
aber über die Gegenwart schlechthin hinausgreift, ja zu ihr
einen direkten Gegensatz bildet; die der Welt Armen sind im
Glauben reich ,
Jak. 2 ,
5. Diese Unsichtbarkeit des Christus
und Reichs macht den Anschluss an ihn nur dem möglich, der
in einem festen Vertrauen zu ihm bleibt. Im ganzen Briefkreis
stellt sich darum der Glaube dem Sehen gegenüber ,
er wird
DIE BEDINGUNG ZUM EINGANG IN DAS EEICH. 281

dadurcli ernst und wiclitig, weil das Sehen der Gemeinde noch
unmöglich ist. Johannes sehliesst das Evangelium mit dem
Preise des Q-laubens ,
welcher ohne zu sehn glaubt ,
20 ,
29. Ihn
nicht zu sehen, überhaupt ihn nie gesehn zu haben, und doch
au ihn zu glauben, so definirt Petrus das Verhältniss der hei-
denchristlichen G-emeinden zu Jesus ,1,1,8. Der Hebräerbrief

hebt diesen Gegensatz zum Sehen als einen wesentlichen Grund-

zug des Glaubens heraus ,


und sagt den Wankenden ,
dass die
hierin liegende Aufgabe allen Zeiten gestellt gewesen sei und
niemand unter den Alten das Zeugniss Gottes empfangen habe,
er habe denn geglaubt, ohne zu sehn, 11, 1. Aber auch für

Paulus liegt im Glauben nicht nur der ßeichthum sondern auch


die Schranke für die gegenwärtige Lage der Gemeinde denn ,

der Glaube ist Gegensatz zur Gestalt sJ^g und sie erst macht , ,

dadurch, dass sie Wahrnehmung und unmittelbaren Verkehr


gewährt, volle ganze Gemeinschaft mit Jesus möglich. Der
Glaubensverband mit ihm bleibt immer noch ein Fernesein
von ihm ,
2 Kor. 5 ,
7.

Und läge die Glaubensschwierigkeit nur in der gegenwärti-

gen Unsichtbarkeit Christi und des Reichs Allein was sicht- !

bar ist von ihm scheint seine Königsstellung direct zu negiren.


,

Er, der als Christus bekannt werden soll, endete am Kreuz,


und seine Gemeinde erntet von ihrem Anschluss an ihn nicht
Errettung, sondern Bedrängniss und Verfolgung, es muss der
Glaubende also nicht nur ohne zu sehn ,
sondern wider das ,

was er sieht,glauben und damit wird sein Verhalten vollends


ein Trauen, das von Jesu Macht und Güte überzeugt an ihm
festhält allen scheinbar gegentheiligen Erlebnissen zum Trotz.

Das Abendmahl bezeichnete der Gemeinde den Punkt ,


von dem
aus Jesu Tod als fruchtbarer und heilsamer Bestandtheil seines

messianischen Wirkens za erfassen war, und die Auferstehung


hob vollends den Gedanken auf, als läge in Jesu Tod die

Negation seiner Christusstellung. Allein das hinderte nicht, dass


282 DER, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

das Kreuz uach seiner der Messianität Jesu entgegenstellenden


Seite scharf und schwer empfunden ward. Auch die Petriui-

schen Reden in der Apostelgeschichte stellen zwar das Kreuz

Jesu zum Glauben schon in ein inneres Yerhältniss, so dass es

zum Glaubensgrunde wird ,


doch nur in der Weise ,
dass es

Israel als das grosse Busszeichen vorgehalten wird ,


welches die
alte Gemeinde Entfremdung von Gott überführt und mit
ihrer

dem Gerichte bedroht und desshalb aufs dringlichste zum Glau-


ben an den Christus ruft. Aber gerade diese Verbindung von

Kreuz und Glaube, welche in demselben den Ungeheuern Fre-


vel Israels vor Augen hat, ruht in der tiefen
Empfindung,
dass an sich selbst Kreuz und Messianität wider einander stehn:
dennoch ist er der Christus, ob er gleich der gekreuzigte ist.

Höchst kraftvoll lebt derselbe Eindruck auch in Paulus, der


doch nichts anderes als sein Wissen betrachtet als Jesus und
ihn als gekreuzigten. Gleichwohl bleibt ihm das Kreuz Aerger-
niss, Thorheit und Schwachheit, nicht nur scheinbar sondern
so reell ,
an dieser göttlichen Thorheit alle Weisheit der
dass

Welt ,
nicht nur die der Griechen sondern vor allem aus die der

Synagoge, scheitern muss, und diess um so mehr, je mehr sie

Weisheit und Einblick in Gottes Grösse und Majestät be-


ist

sitzt, weil keine Weisheit in einem Gekreuzigten den Christus

und in einem Kreuzwort Gottes Evangelium zu entdecken ver-

mag. Darin erweist sich, dass Gottes Wohlgefallen darauf

zielt, die Glaubenden zu retten, weil nur ein Vertrauensakt


die Brücke bildet von der Aussenseite des Ausgangs Jesu zum

gnadenvollen Inhalt seines Todes und zu seiner Messianität

überhaupt, 1 Kor. 1, 18. 20.


Auch im Geschick Gemeinde kehrt ein ähnlicher Gegen-
der

satz wieder : die messianische Gemeinde die Erbin des Reichs


,

und seiner Herrlichkeit , wird verfolgt ,


und zwar um ihres Glau-

bens willen ,
weil sie zum Christus steht und ihn bekennt. Auch
darin liegt eine Glaubensschwierigkeit, was keineswegs verneint
DIE BEDINGUNG ZUM EINGANG IN DAS REICH. 283

ist, wenn Jakobus und Petrus die Verfolgung als Bewährung


des Glaubens und darum als wertbvoll preisen. Denn seine Be-

währung ist sie darum ,


weil sieihm entgegensteht als seine
scheinbare Widerlegung, als »Versuchung" wirkt und zum Wei-
chen drängt , vttoo-to?,^ Hebr. 10 ,
39. Darum nöthigt sie den
Glaubenden zu kräftiger Glaubensbethätigung und bewährt ihn
so. In diesem Zusammenhang wird der Glaubensimperativ na-

mentlich den jüdischen Kreisen der Gemeinde wichtig, vgl. Ja-


kobus und den Hebräerbrief. Denn ihnen brachte die Ausschei-

dung dem jüdischen Volksthum Israels um so schwerere


aus

Anfechtung, je mehr die Bande, welche sie mit demselben zu-


sammenhielten, in ihr innerstes religiöses Leben hineinreichten.
Aber auch auf heidnischem Boden trat dieselbe Glaubensaufgabe
früh genug ein. »Fest durch Glauben" lautet die Mahnung des

ersten Petribriefs im Blick auf die Bedrängniss der kleinasiatischen


Christen, und angesichts der antichristlichen Feindschaft der
heidnischen Königreiche sagt die Offenbarung: hier ist Glaube
der Heiligen, 13, 10. 14, 12. Doch auch bei Paulus nimmt
der Glaube diese Wendung, so wie er zu oder von Bedrängten

spricht, so in den Thessalonicherbriefen, 1, 3, 2 ff. 2,1,4, so


im Blick auf sich selbst, 2 Kor. 4, 13. Indem er das Sterben
Christi an sich selbst erfahrt in steter Preisgabe seines eignen
Lebens in den Tod , ist er auf Glauben gewiesen und nur in ihm

liegt die Kraft, auch in solchen Verhältnissen den Apostelbe-


ruf fortzusetzen: »wir glauben, darum reden wir." Weil der
Anschluss an Christus Opfer fordert, die zumal für den jüdi-
schen Christen sich steigern können zur einschneidensten Schärfe ,

zum Ausschluss aus der Volksgenossenschaft und Synagoge,


aus Freundschaft und Familie, stellt sich Glaube als die uner-

lässliche Bedingung zum Eingang in das Reich dar, denn ohne


ihn trägt man die Drangsal nicht.
Wer aber den Glauben bewahrt, der empfängt das Reich.
Unter diesen Gesichtspunkt, Bedingung für den Reichsempfang
284 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

ZU sein, wird der Glaul»e in der Predigt der Gemeinde von

Anfang an und überall gestellt, auch in der palästinensischen.


Es war diess die unmittelbare Folge aus dem Verhalten Jesu
seinem Jüngerkreise gegenüber. Das Band, das diesen mit Jesus
verbunden hatte, bestand darin, dass er ihnen als der Chris-

tus galt, darum folgten sieihm nach, und darum hatte er


ihnen die Verheissung des Reichs gegeben. Es konnte auch jetzt
für die neu zur Gemeinde hinzutretenden der Anschluss an
ihn in nichts anderem bestehn als im Glauben ,
der ihn als den

Christus bekannte ,
und die Reichsverheissung konnte den Glau-
benden jetzt nicht weniger zugehören als den ersten Jüngern,
denen Jesus selbst seine Christusherrlichkeit als Auferstandener

gezeigt und das Reich zugesagt hatte um ihres Glaubens wil-


len. Aber war der Glaube die einzige Bedingung zum Empfang
des Reichs? Nicht in dem Sinne, als ob die Gemeinde sich
nur glaubend verhalten dürfte. Ebenso fest als diess, dass der
Glaube des Reichs theilhaft macht, steht der Gemeinde die

andre Gewissheit, dass das Gebot Gottes von jedem, der in das
Leben eingehen will, erfüllt werden muss. Sie war in diesen
nüchternen sittlichen Ernst ein für allemal durch Jesu Wort

hineingestellt, und die Briefe vergegenwärtigen in grossartiger

Weise die Thatsaehe, dass bei aller Kraft und Gluth der Hoff-
nung, die täglich dem Kommen Jesu entgegenharrte und auf

eine die Welt mit überlegener Macht neu schaffende Wirkung


Gottes hingewandt war, der Blick für die gegenwärtigen sitt-
lichen Aufgaben nicht nur ungetrübt blieb, sondern gerade um

jener willen diese mit durchdringender Schärfe und voller Hin-

gabe Jakobus steht mit seinen jüdischen Gemeinden


erfasste.

in einer Erwartung der nicht zugerufen werden muss hoffet


,
:

doch ! sondern : seid nicht ungeduldig ,


wartet ruhig !
f^axpo^rv-

ßijcrixTS] und doch wie voll und ungetheilt wendet sich das
Denken und Trachten dem gegenwärtigen Moment zu, einzig
darauf bedacht, dass das Wort Jesu von der Gemeinde gethan
DER GLAUBE "ÜND DAS GESETZ. 285

werde in Gott wohlgefälligem Werk. Das war das Resultat und

Ergebniss der Lehrarbeit Jesu ; so dachte und handelte jene

Gemeinde, welche den Ruf Jesu zum Thun des göttlichen

Willens, wie er in den Evangelien vorliegt, gehört und zwar


so gehört hätte, dass sie ihn unvergessen bewahrte und von
Mund zu Mund überlieferte als die Weisung ihres Herrn. Es
steht somit die Gemeinde vor einer doppelten Aufgabe und von
ihr ist ihre Errettung abhängig: sie hat sich einmal glaubend

zum Christus zu bekennen und sie hat sodann thätig den guten
und vollkommenen Willen Gottes und Christi zu erfüllen. Dabei

lag ihr zunächst die Reflexion darüber ganz fern ,


in welchem
Verhältniss beide
Aufgaben zu einander und zum Reichsem-
pfang stehnund wie sie sich gegenseitig bedingen, zusammen-
ordnen und einigen. Sie glaubt und sie thut, was sie als gut
vor Gott erkennt, und das war ihre wesentliche und entschei-
dende Aufgabe ,
nicht aber die andre ,
Glaube und Werk den-
kend zusammenzufassen in die Einheit eines Begriffs. Die
innere Lebensbewegung der Gemeinde führte aber bald zu Pro-

blemen, welche auch eine lehrhafte Bestimmung beider Auf-


gaben nach ihrem gegenseitigen Verhältniss nöthig machten.
So wird die Beziehung zwischen Glaube und Werk zu einer

Frage, welche die apostolische Lehrthätigkeit beschäftigte und


zwar in verschiedner Weise, so dass der individuelle Charakter
derselben zum Theil von dieser Frage ausgeht.
Als die eine alles umfassende
Aufgabe in sittlicher Hinsicht
hatte das Wort Jesu der Gemeinde die Liebe genannt, und sie

sah sich damit nicht nur vor ein Gebot gestellt, sondern fand
sich mitten im Lieben drin als in einer kraftvoll sie bestim-

menden und bewegenden Realität. Sie waren nun Knechte eines

Herrn, Glieder eines


Reichs, Empfänger derselben göttlichen

Gabe und damit auch unter einander verbunden; die erlebte

Güte Gottes wurde zum Quell des eignen Liebens. So sah sich
die Gemeinde in jene Dreiheit des Innern Verhaltens hinein-
286 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

geführt : Glauben Hoffen Lieben ,


eine Dreibeit ,
welche nicht
aus dem logischen Bedürfniss nach einem Schematismus für

das ethische Verhalten ,


sondern unmittelbar aus den reellen

Faktoren, welche die Gemeinde schufen, entspringt, darum


gehört sie auch nicht nur dem Gedanken des Paulus ,
sondern
findet sich auch im Hebräerbrief, 10 ,
22 — 24. 6 ,
10 — 12, und
klingt bei Petrus an, I, 1, 21, 22. Der Christus ist gekommen
und das Reich steht offen, darum glauben sie; der Christus

wird kommen und die Vollendung des Reichs in Verklärung


des Menschen und der Welt ist erst künftig, darum hoff'en

sie. Der Christus ruft zur Thätigkeit, zum Handeln und schafit
demselben wie ein Objekt, denn in ihm sind sie verbunden
zur Gemeinde ,
so auch innern Antrieb ,
denn in ihm erfahren

sie Gottes Güte und Liebe; darum lieben sie.

Und das Gesetz? Eine Frage nach dem Verhältniss des Glau-
bens zum Gesetze existirte für die Anfänge der Gemeinde nicht;
eine solche knüpfte sich an das Gesetz zunächst nur vom

Gebot Jesu aus, also mit Beziehung auf das von der Gemeinde
zu vollbringende Werk. Jesus hatte das Handeln der Seinigen
n eine Bahn hineingelenkt, die zum traditionellen Gesetzes-

dienst in scharfem Gegensatze stand. Gerade jene Ordnungen


des Gesetzes, auf welche sich die fromme Thätigkeit der Syna-
goge zumeist richtete , ßeinigkeit ,
Sabbath u. s. f.,
hatten sich an
Jesu Verhalten und Wort als Zeichen erwiesen, das für sich
allein leer und werthlos ist und der Füllung von innen heraus
bedarf und nur als Hinweis und Anleitung zu dieser innern
Realität Raum und Statt erhalten hatte im Gesetz. Doch ein
Gegensatz wider das Gesetz ergab sich aus dieser veränderten

Stellung zu demselben nicht, wie denn Jesus selbst die innere


Identität seines Gebots mit dem Gesetz kräftig bezeugt hatte.
Die Werthung der einzelnen Bestaudtheile des Gesetzes war
eine völlig neue geworden ,
diese selbst aber waren damit noch
nicht abrogirt. Gott begehrt nicht den Sabbath sondern Barm-
DER GtAUBE UND DAS GESETZ. 287

herzigkeit, damit war der Sabbath uicht Terboten; nicht "Wa-

schung der Hände sondern Reinigung des Herzens, aus dem


die wirkliche Verunreinigung kömrat, erfüllt das Gebot, daraus
folgte nicht, dass Hände waschen etwas Böses sei. So war die
Gemeinde vom Gesetzesdienst der Synagoge abgelöst; zwischen
der Mischna und dem Jakobusbrief giebt es keine Vermittlung,

da liegt eine »Sinnesauderung" f^srävcicx, dazwischen, doch nicht


so ,
dass Gesetzesdienst und Gesetzesauf hebuug wider einander
standen, sondern die Gemeinde erfüllt auch ihrerseits das Gesetz
und zwar mit dem Bewussisein, dass sie nun erst »in das

vollkommene Gesetz hineingeschaut" habe, wobei in unge-


brochner Gemeinschaft mit der gesammten Gemeinde Israels

auch die äussere Satzung fortbesteht.


Zwischen dem Glauben und dem Gesetz ergaben sich dage-

gen zunächst keinerlei Konflikte; die Verhältnisse blieben viel-


mehr in den Anfängen der Gemeinde genau dieselben wie sie ,

für den um Jesus selbst gesammelten Jüngerkreis bestanden

hatten. In dem Worte: wir haben den


Christus gefunden, mit

dem die ersten


Jünger an Jesus sich anschlössen lag keinerlei ,

Frage, ob wohl das Gesetz noch gültig sei. Ganz analog ge-
staltete sich die Stellung für diejenigen, welche nun zur Ge-

meinde hinzutraten: der Christus und das Gesetz standen als

differenteDinge neben einander, die sich nicht berührten und


darum auch nicht störten. Dns Gesetz war ein gegebnes, längst
vorhandnes und als göttlich gegebnes bestand es fort, doch
das Reich war nicht durch das Gesetz gekommen, sondern der
Christus bringt das Reich, und die Erscheinung des Christus
ist allem gegenüber, was Israel bisher besass, eine neue Gabe

und That Gottes. Sie muss erkannt und bejaht werden, der
Anschluss an den Christus muss erlangt werden; so nur, also
nur durch Glauben, geht man ein in's Reich während alle

Gesetzestreue uicht in's Reich bringt dann ,


wenn sie den
Christus verwirft, also ungläubig ist. Der Rabbi, der im Rathe
288 DER GLAUBE IM NJjJUEN TESTAMENT. KAP. VII.

derer sass,den Christus kreuzigten, und moclite er ein


die

vollendetes Muster der


Gesetzeserfüllung sein, war dem Reiche
fern und fremd, ihm kam es zum Gericht, worüber die ein-
schneidenden Strafworte Jesu über das ungläubige Geschlecht
keinen Zweifel Hessen. Eine Unterordnung des Glaubens un-
ter das Gesetz lag in dieser Zusammenfügung beider keines-

wegs. Es waren geschichtswidrige Vorstellungen, wenn man


sich dachte, die erste Gemeinde habe Christi Wirken und den
Glauben an ihn als »Ergänzung" des Gesetzes betrachtet; als
wäre E,eieh und Christus irgend jemand von sekundärem

Werth gewesen ,
der überhaupt diese Begriffe ernst nahm ,
wie
es die erste Gemeinde offenbar that. So wenig ihr das ewige
Leben der Auferstehung eine »Ergänzung" des gegenwärtigen
Lebens war, sondern das allein wahrhaftige Leben, um dess
willen sie das gegenwärtige willig preisgab ,
so wenig ihr

Jesus ein Nachtrag zum Gesetz war ,


sondern der Christus der ,

König, der Herr, der Weltrichter und Weltvollender, der Sohn


Gottes ,
für den sie sich von den Interpreten des Gesetzes ver-

folgen wenig ihr die Gemeinde des Christus ein An-


liess ,
so

hang zur Gemeinde Israels war, sondern »die Gemeinde Gottes",


seine Heiligen und Auserwählten das wahre Israel und erkorne ,

Volk Gottes ,
während das den Christus verwerfende Israel

seinem Fall entgegengeht, ebensowenig war ihr der Glaube

ein ergänzender Zusatz zur Beobachtung der Satzung, sondern


die neue grosse Gottesgabe, in der ihr geschenkt war, was
das Gesetz nicht gab noch geben konnte und sollte, nämlich
das Reich. Daher bildeten sich auf heidnischem Gebiet zunächst
noch ohne Reflexion auf die Tragweite der Sache und .ohne
Üeberblick über die aus ihr sich ergebenden Folgen einfach

durch üebertragung der Jerusalemitischen Predigt in die grie-


chische Welt gesetzesfreie Gemeinden. Wie die apostolische

Predigt in Jerusalem weder das Gesetz predigte noch das Gesetz


bekämpfte, wie sie nicht im Gesetz und Gesetzesdienst ihren
DEE GLAUBE UND DAS GESETZ. 289

Inhalt weder positiv noch negativ hatte, sondern den Christus

verkündigte als gekommen und zum Grlauben an den Christus


rief, wurde mit dem üebergreifen der Predigt in die Dia-
so

spora dem Heiden der Glaube vorgehalten als das was ihn zum ,

ßeichsgenossen macht, und es war die unmittelbare Folge der


gegebnen Verhältnisse , dass der glaubende Heide das Gresetz
nicht hielt — er war ja nicht Jude
— und der glaubende Jude
das Gesetz hielt, darum weil er Jude war. Dieselbe Ignorirung
des Gesetzes kehrt auch später in der apostolischen Predigt
überall wieder, wo nicht jüdischer Gegensatz zu bekämpfen ist.

Wie Paulus bei der Gemeindegründung auf heidnischem Boden


vorging, wenn ihm nicht der Gesetzesdienst störend in den

Weg tritt, darüber geben die Thessalonicherbriefe sehr lehr-


reiches Zeugniss : das Gesetz wird in denselben einfach nicht

erwähnt; ebensowenig existirt es im ersten Petribrief; in der


Apokalypse wird nicht von ihm gesprochen, und das vierte
Evangelium erledigt die ganze Frage mit der einfachen Anti-
these: das Gesetz durch Mose, die Gnade und Wahrheit durch
Christus. Das ist die reife Frucht aus der innern Stellung, in
die Jesus selbst seine Jünger hineingewiesen hatte und welche
darum die Urgemeinde von Anfang an besass: das Reich ist

ein Neues, über alles gegenwärtige völlig hinausliegendes, in


sich selbständiges und durch sich selbst kommendes, der Chris-
tus bringt es und niemand sonst, und er gibt es dem Glau-
benden, der Glaube ist das Band, das mit Reich und Chris-

tus in Gemeinschaft nun zwei Gruppen von


setzt. Freilich als

Glaubenden neben einander standen, dem Gesetz untergebne


und vom Gesetz freie, da erwuchs die Frage mit Macht, wie
sich denn der Glaube zum Gesetz verhalte; und in's Licht zu
stellen, was das Gesetz neben dem Glauben noch sei, wurde
eine Hauptaufgabe der apostolischen Lehrarbeit und auch in
dieser Richtung war die Stellung und Arbeit der Männer im

apostolischen Kreise eine mannigfaltige, doch nicht so, als wäre


290 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KA.]?. VII.

das Resultat der apostolisclien Predigt :


glaubende Heiden neben
glaubenden Juden von irgend jemand im apostoliscben Kreise
bekämpft worden ,
das war und blieb vielmehr die gemeinsame
Basis aller: das Gesetz begründet den bisherigen Bestand Is-

raels, am Christus dagegen und am Reich hat man im Glauben


theil; man ist »im Glauben reich und [Erbe des Reichs", Jak.
2, 51).
Der Christus ist nicht nur in der Zukunft wirksam und
hülfreich und seine erste Erscheinung hat nicht nur die Bedeu-

tung einer Verheissung, sondern sie hat die Gemeinde in ein


neues Yerhältniss zu Gott hineingestellt, in einen »neuen
Bund" , xaivv] ^tx^s^Kij ; desshalb ist der Glaube auch an sich
schon Gut und Kraft für den Glaubenden und nicht nur An-
theil an künftigem Erbe, weil er in sich selbst schon

neuer, früher nicht vorhandner Anschluss an Gott ist. Er


gestaltet das Gebet neu, erzeugt die Bitte, und ist die Kraft
in ihr, welche ihr Erhörung bringt, Jak. 1, 5. 5, 15. Er ver-

mittelt dadurch nicht nur den Besitz des umfassenden Gutes,

welches im Reiche dem Menschen zu Theil wird, sondern er

empfängt fortwährend die dem unmittelbaren Bedürfniss ent-


sprechenden Gaben Gottes sowohl in der geistigen wie in der
leiblichen Sphäre. Diese bittende Kraft des Glaubens macht
die Gemeinde auch des Wunders theilhaft, das vor allem
aus für den Thäter desselben im Glauben die Bedingung hat.

1) AntiocHen war nicht Paulinisclae Gründung und doch gesetzesfrei von Anfang
an, wie aus Gal. 2, 4 folgt. Damit ist die Stellung der ürgemeinde sehr charakte-
ristisch in's Licht gestellt. Dieses Faktum und der Bericht der Apostelgeschichte
über die Petrinische Predigt in Jerusalem erklären sich gegenseitig und dienen ein-
ander desshalh zur Bestätigung Bei Johannes lässt sich von der Paulinischen Lehre
vom Gesetz keine Spur aufzeigen, das weist darauf, dass der Johanneische Gedanke

sowenig als derjenige des Jakobus durch den Eömerbrief hindurchgegangen istj er

ist das originale Endergebniss der uraposlolischen Zwciheit; Gesetz und Christus,
Israel und Himmelreich.
DEB WEBTH DES GLAUBENS FÜE DIE GEGB1SWAET. 291

Es ist Gottes und Christi Antwort auf das Vertrauen, welclies


der das Wunder wirkende auf ihre Heilsmacht setzt; auf
Grund des Glaubens hat Jesu Name den Lahmen geheilt,
Aeb. 3, 16; als Folge des Glaubens wirkt Gott die »Kräfte"
in der Gemeinde, Gal. 3, 5 vgl. 1 Kor. 12, 9. 13, 2.

Auch im Empfänger knüpft es an die Zuversicht an, mit der


er Gottes Hülfe erwartet. Aber der GlaubensbegrifE ist durch

seine umfassende Beziehung auf Jesus in der Gemeinde hinaus-


gewachsen über die Benennung einer Erwartung, die sich
nur auf eine einzelne Hülfeleistung bezieht. Die an Jesus
selbst gerichtete Bitte um Heilung schloss als Folge des un-
mittelbaren Verkehrs mit ihm auch eine Zuwendung des Ver-
traueas zu ihm nunmehr, da die apostolischen
selbst in sich;

Männer das Wunder vermitteln und zwar nicht nur Gliedern


der Gemeinde sondern auch Juden und Heiden, stellt sich

der Glaube vielmehr als Folge und Wirkung denn als Grund
und Bedingung desselben dar. Der Lahme in Lystra hat Glau-
ben aber derselbe wird bedeutsam bestimmt » Glaube dass ihm
,
:

geholfen werde", Tthnv 'ix^^ t°^ aoo^nvxi Acfc. 14, 9. Die Sa-
maritaner werden nicht geheilt, weil sie glaubten, sondern
nachdem sie geheilt waren, glaubten sie, Act. 8, 12^). Auch
in Jak. 5, 14 ff. wendet der Glaube der für den Kran-
ken Bittenden diesem Vergebung und Heilung zu. Analog wie
das in die Natur eingreifende Wunder sind auch alle Kräfte

des heiligen von Got gegeben der innere Besitz


Geistes ,
die

der Gemeinde sind, des Glaubens Erwerb, vgl. Rom. 12, 3.

Gal 3, 2.
Aber nicht nur einzelne Güter göttlicher Art treten durch
den Glauben in das gegenwärtige Leben der Gemeinde hinein,
sondern die ganze Haltung des Bewusstseins und Begehrens

Ij Auch in dieser Hinsicht geht Lukas im Ev. den übrigen Synoptikern, in der

Ai)Ostelg. Johannes parallel.


292 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

wird Gott gegenüber im CTlauben neu. Der Erlass der Sün-


den gehört zunächst zu den künftigen Gütern der Gemeinde,
da er nicht minder eine
gerichtliche That Gottes ist als die

Bestrafung ;
wie diese der Zukunft angehört so auch jene; dann
wenn der Christas kommt den Ungläubigen zur Verurtheilung ,

sieht die glaubende Gemeinde sich von ihren Sünden losgespro-


chen. Indem aber der Erlass der Sünden mit dem gesammten
Reichsbesitz, von dem er unabtrennbar ist, jetzt schon ver-
heissenes Erbe der Gemeinde ist, so wird er, da sie ja jetzt

schon seiner gewiss ist und sein darf, zu einem gegenwärti-

gen Gut. Gott hat ihr vergeben ,


darum wird sie nicht ver-

urtheilt werden , wie denn der Eintritt in die Gemeinde durch


die Waschung geschieht, Vergebung welche die Zusage der
im Hinweis auf Jesu Tod gewährt. Die Taufe wird aber dem
Glaubenden gegeben, wenn und weil er sich an Jesus als an
den Christus hält. Es ist somit der Glaube Befreiung von der
Furcht vor dem göttlichen Gericht, vor dem Tode, vor dem
Teufel; er hat die volle Zuversicht in sich, dass die Sünde
mit sammt allen ihren Folgen überwunden und Gottes gebende
Liebe jetzt und für immer den Glaubenden zugewandt ist. Als
Gemeinde der Glaubenden rufen sie nun Gott als Vater an.
Damit ist auch die Stellung zur Welt und zu den Menschen
eine neue geworden. Ihrem Glauben entnimmt die Gemeinde
Motiv und Kraft des Handelns. In den Werken zeigt er sich ,

Jak. 2, 14, und wie die Liebe zur dienenden Mühe und die

Hoffnung zur standhaften Geduld willig und tüchtig machen,


so der Glaube zum Werk 1 Thess. ,
1 ,
3. Er bedingt die Furcht-
losigkeit und Freiheit mit der die Gemeinde die natürlichen

Dinge nützen kann, Rom. 14, die ünerschrockenheit, mit der


sie den diesseitigen und jenseitigen Gewalten widersteht 1 Petr. ,

5, 9. 1 Thess. 3, 5. Eph. 6, 16. 1 Job. 5, 4, die Verbun-


denheit, die sieh im Zusammenleben ihrer Glieder untereinan-

der bethätigt, und die über die natürlichen Unterschiede hin-


DEE WERTH DES GLAUBENS FÜR DIE GEG-ENWART, 293

weg die Liebesgemeinschaft herstellt uad bewahrt, Gral. 6, 10.

Eph. 4, 13. Jak. 2, 1 ff. Die Gemeinde hat sich immer vol-
ler den Werth zum Bewusstsein gebracht, den der G-laube an

sich selbst für den Glaubenden hat; an's Licht zu stellen,

was ihn schon jetzt zum werthvolJen Besitzthum der Gemeinde


macht ,
diess bildet ein wesentliches Moment in der Bewegung ,

die sich in den apostolischen Lehrbildungen vollzieht.

In der aktiven Bedeutung der Treue und zugleich mit um-


fassendem Sinn von der gesamraten christlichen Stellung wird
TTKTTÖg wohl nur in der Apokalypse gebraucht in jenem Kli-

max: berufen und erwählt und treu, 17, 14, wo je der folgende

Begriff die Ausgestaltung und Befestigung des vorangehenden


nennt: die Berufung vollendet sich in der Auswahl und diese
wirkt sich aus in der von Gott nicht weichenden Festigkeit.
Sonst wird das Wort im Blick auf einzelne christliche Aufgaben

gebraucht, im Gedanken an das Leiden um Jesu willen und


das in demselben zu bethätigende Zeugon für ihn, Apoc. 2, 10.

13, oder in Beziehung auf einen bestimmten Auftrag, wie ihn


die Sendung des Paulus in sich schloss. Er bezeichnet die Treue
als seine Amtspflicht, und zwar als die einzige, alles in sich

befassende ,
1 Kor. 4 ,
1
Amtsgabe
ff., als seine ,
die ihm durch
Jesu Barmherzigkeit zu Theil geworden ist und die Bedeutung
seines Raths für die Gemeinde bedingt 1 Kor. ,
7 ,
25 als die
,

Voraussetzung seines Amts, in welcher seine Berufung in das-

selbe ihren Grund hat, 1 Tim. 1, 12. Es ist auffallend, dass


das Verhalten der Gemeinde zu Gott nicht häufiger unter den

Gesichtspunkt der Treue gestellt wird, da es keineswegs nur


empfangender Art ist, sondern sich in reicher Thätigkeit zum
Dienst Gottes und Christi gestaltet; der receptive Sinn des
Worts trat im Verhältniss zu Gott mit überwiegender Kraft
hervor und hat seine,; Verwendung für das Christo zu leistende

Werk begrenzt. Für den Verband, in dem die Gemeinde selbst

untereinander steht ,
wird dagegen tt/otö-? gerne gebraucht ; hier
294 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. VII.

war festem Zusuminenschluss in verlässlicher Treue ein neues


Gebiet zu eigenartiger ,
intensiver Erweisung geschaffen wie aber ;

das ganze Geraeinschaftsverbältniss in der Beziehung zu Chris-


tus seinen Grund hat und nur aus dieser Gehalt, Reichthum
und Festigkeit gewinnt, so haftet auch die Treue, die dem
andern zur Basis seines Vertrauens wird, nicht nur an der
menschlichen Persönlichkeit und ihrem Yerhalten und Yermö-

gen, sondern der Diener oder Sohn ist dem, welchem er ver-

bunden ist, »treu im Herrn."


Mit 7rl(7Tic bleibt d^yiSrsitx. dann wenn dieses den Charakter
des göttlichen oder menschlichen Verhaltens benennt, auch in
der apostolischen Sprache noch in enger Beziehung. Auf IDH
^D^0 gründet sich der Gedanke, wenn Paulus Gottes ä^yj^sioc

und sKso^ einander gegenüberstellt, von denen jene an Israel sich be-

thätigt dadurch dass Christus ihm zum Diener geworden ist ,


dieses

an den Heiden sich offenbart, die mit einem neuen Anfang frei

gebender Güte herzugerufen werden, Rom. 15, 8. Zu verglei-


chen ist auch die nicht täuschende Gnade , oiKvibvig %ä,pic 1 Petr.

5 ,
12. Auch Paulus denkt in ßt,x^^eioi nicht eine ruhende Eigen-

schaft, überhaupt ein misslicher Begriff; er schaut sie vielmehr


wie als Grund so auch als Resultat des göttlichen Handelns

an. Nicht nur vom Worte Gottes, sondern von Gott selbst
wird gesagt: er wird wahr, oi,K>i^^^ yi'yvstr^oii Rom. 3, 4, so

eng die Beziehung ist, in welche die Treue und Wahrheit zur
Rede Gottes treten diese ist der ;
erste göttliche Akt ,
welcher
nun in Gottes Treue seine Weiterführung und Vollendung
findet, indem sie neben die Verheissung deren Erfüllung stellt.

Dabei vollzieht sich das Werden nicht nur in der menschlichen

Erkenntniss, in der sich Gott schliesslich als wahr herausstellt,


sondern als ein voll realer Process , so gewiss Paulus eine gött-

liche Geschichte denkt, die sich durch eine Reihe göttlicher


Akte durchbewegt, mit Verbeissungen beginnt und mit Er-
DTE WAHRHEIT. 295

füUungslliateri endigt; so ist aueli jenes Werden, das den


Mensehen zum Lügner macht , 3,4, nicht nur ein Bewusst-

seinsvorgang sondern sehr thatsächlicher Art, es geschieht


dadurch dass ungläubigen Gedanken Tendenzen Worte und
die , ,

Akte sich negirt und widerlegt finden durch den Thatbestand


des göttlichen Verhaltens. Als das Endergebniss des göttlichen
Handelns ist die Wahrheit zugleich der Erweis der göttlichen
Treue. Doch greift a^iid^st^. in seinem Inhalt über Trirrrii; hinaus ;

7ri<yriq denkt an den gütigen , gebenden ö-otteswillen in seiner

Festigkeit; xXvjBsiix nimmt auch den Inhalt des göttlichen


Richtens in sich auf: die Kpla-ic Gottes ist kxt" xKvj^stxv dadurch ,

dass sie Gottes Recht an allen gleichmässig vollzieht und


böses Handeln in allen verurtheilt und vergilt ,
Rom. 8 ,

2; seine zpitrsic sind xxyj^ivxi , Ap. 16, 7. 19, 2 vgl. 6, 10.


Darum ist die Wahrheit Gottes inhaltlich kongruent mit

allem, was die göttliche Gerechtigkeit ausmacht, Rom. 3, 7


vgl. xÄvi^ivoc zx) ^iKxiocAp. 16, 7. 19, 2. 15, 3. Ebenso
gehört die Grösse ,
Hoheit Absolutheit des göttlichen Lebens
,

wesentlich zu ihr ,
Rom. 1 ,
25. Darum benennt sie umfassend
den aufgedeckten, der Wahrnehmung zugänglich gewordnen
Thatbestand des göttlichen und menschlichen Handelns in ihrer

Bezogenheit auf einander. Die aus der vernünftigen Betrach-

tung der Welt gezogene Kenntniss Gottes und seines Rechts


setzt den Menschen in ein Verhältniss zur xXij^stx, das sich

zu Gehorsam oder Ungehorsam ihr gegenüber gestalten kann,


Rom. 1, 18. 2, 8; der Anspruch weise zu sein in Verbindung
mit Eifersucht ,
Streit etc. ist ein Ruhm ,
der sich gegen die

Wahrheit gegnerisch stellt , xxTXKtzuxxtrSrxi xxrx r^t; xT^vj^sixe;

Jak. 3, 14; die apostolische Predigt ist (pxvspufri: x^y^bsixc 2


Kor. 4, 2. u. s. f.

Auch dem Worte wird wie mcrög so auch xKvj^eix zum


Prädikat gegeben; vgl. ttkttoi; kx) xÄvjBrtvög Ap. 21, 5. 22, 6.

[Ji,xpTvg Tio-rog xx) xÄyj^ivög Ap. 3, 14. nt<7Tog steht zumal


296 DE"R, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP VIT.

vom verheissenden Wort, x?,-^^six hat aiicb umfassendere Ver-

wendung. Hebt Paalus ^ kX'/j^six rov svxyysXiov heraus , Gal.

2,5, 14, so neant sie den vollen unverhüllten, unverkürzten


Bestand desselben, auch nach seiner normativen Seite, wonach
es nicht trügende und irreleitende Weisung giebt; die dem
Evangelium zukommende xK'^^six ist das Ziel auf das die Ge- ,

meinde mit geradem Fusse hinzustreben hat op^o'rto^slv Tplc ,

T'/jv xx^i^siciv Tou svxy/sKiov^ dadurch dass sie sich nur von ihm

leiten lässt und alles was in ihm gegeben ist.


sich aneignet,

Die Weise, wie der Wahrheitsbegriif in den Briefen behan-


delt ist, zeigt, wie eng für die Gemeinde die Gestaltung ihres

Bewusstseins in und üeberzeugung und diejenige


Erkenntniss
ihres Handelns zur üebereinstimmung mit Gottes Gebot sich
in einander fügten. Die Wahrheit ist sehr kräftig als Füllung

der Erkenntniss gedacht , sTriyvco(Tiq rtjc; xX^j^fsixg Hebr. 10 ,


26
Rom. 2, 20. Tit. 1 ,
1. 1 Tim. 4, 3. 2 Petr. 1,2; aber eben
so sehr, wenn auch '?roi67v rvjv xKyi%?iix.v dem Johanneischen
Sprachgebrauch eigen bleibt ,
ist sie auf den Willen bezogen :

v'TTot.Kovi oiKvjbsixi; 1 Petr. l ,


22 ,
iTf.i^s(T^xi r^ iiM^^eia Gal.

5, 7 Rom. 2, 8. So veranschaulicht der Begriff, wie wenig


die Gemeinde zwischen ihrer Doppelaufgabe ,
Gottes Gabe und

Gottes Gebot zu bewahren ,


einen Gegensatz empfand , der

besondrer Vermittlung bedürftig wäre. Der Inhalt des göttlichen


Redens und Handelns, welcher die Wahrheit gleichzeitig zum
Erkennen und Gehorchen in Beziehung setzt, gestaltet auch
das Verhalten der Gemeinde unmittelbar zu beidera ,
zum
Glauben und zum Werk.
Mit der Entfaltung des Glaubensbegriffs überschreitet der

Gedankengang der Briefe die Realistik der Lehrthätigkeit Jesu


und tritt in die Darstellung und Benennung des seelischen In-
nenlebens ein. Es folgte diess aus der veränderten Situation,
in der die apostolische Lehrthätigkeit stand. Während die Er-

scheinung Jesu beständig in Wort und Werk die Basis zum


DIE SYNONYME DES GLAUBENS. 297

AnscUuss an ihn real herstellte ,


rief das apostolische Wort
zum Glauben an den Unsichtbaren, und war darum darauf
gewiesen, Grund und Art desselben in 's Wort zu fassen, es
war damit in Sphäre der Innern Bewegungen und Erleb-
die

nisse hineingeführt. Darum gelangen auch die dem Glauben


verwandten Begriffe in den Briefen zu reicher Ausbildung.
Die Konzentration von Titrrit; auf Grott und Jesus Hess einen
weiten Raum frei für Worte ,
die den Gedanken der Zuversicht
und des Vertrauens ausdrücken. Eine Zuversicht z. B. welche
sich auf »Fleisch" d. h. auf menschliche Thätigkeit und Eigen-
schaft gründet, heisst nie Glaube, zur Benennung solchen
Selbstvertrauens tritt Treiroi^hxi 7rs7roi^-/io-ig ein, Rom. 2, 19. 2
Kor. 1,9. 10 , 7. Phil. 3 ,
3. 4. Analog wird jede zwar be-
rechtigte, göttlich gegründete, doch inhaltlich auf menschliches
Handeln und Erleben bezogne Zuversicht nicht Glaube sondern
TCSTOi^hxi genannt, z.B. das Vertrauen, das Paulus seinen Ge-

meinden entgegenbringt, oder das ihn im Blick auf seine

eigne Arbeit erfüllt, Gal. 5, 10. Phil. 1, 6. 14. 25. 2 ,


24. 2

Thess. 3, Für üeberzeugungen die nicht unmittelbar die


4. ,

persönliche Beziehung zu Gott und Christus ausmachen, steht


^sTTsiafzivoi; in häufigem Gebrauch, vgl. Rom. 15, 14. Hebr.

6, 9. 2 Tim. 1, 12. Rom. 14, 14. 8, 38. Für den Anschluss


an andre Führer und Häupter als Christus bot sich 7rsi^e(r^oit
dar, Act. 5, 36. 37; doch auch vom christlichen Verhalten zu
Gott wird -zsibea^on gebraucht da, wo nicht sowohl seine Gabe

als Anspruch an Wille und That des Menschen in Frage


sein

kömmt, Gal. 5, 7. Rom. 2, 8. Hebr. 13, 17. Bei Lukas


nähert sich tskt^^vxi dem ttkj-tsvvxi sofern es von der zu- ,

stimmenden Aufnahme des apostolischen Worts gebraucht wird ,

Act. 17, 4. 28, 24; analog braucht er ttsI^siv häufig von der

Lehrthätigkeit des Apostels, 13, 43. 18, 4. 19, 8. 28, 23. So


hätte sich ein Aktivum zu '^Kj-rsüetv ergeben mit dem Begriff:
zum Glauben bringen , gläubig machen ,
doch bleibt dieser Ge-
298 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

braucli Lukas eigen. Die Gremeinde hatte in grösseren Kreisen


kein Bedürfniss, ein Kausativ zum Glauben zu bilden, denn
die menschliche auf Glauben gerichtete Thätigkeit ward von
ihr viel zu energisch in die dienende Stellung hinabgesetzt,
als dass sie dem Glauben parallel Gegenstand eigner Benen-
nung würde ;
der ,
der den Glauben wirkt ,
ist Gott allein. Für
Paulus ist TTsl^eiv vielmehr ein Gegensatz zu dem, was ihm
obliegt ;
das Kreuzwort ist kein ttsi^ck; Koyoc; ,
1 Kor. 2 4 vgl.
,

Gal. 1 , 10, und wenn er 2 Kor. 5,11 das Wort auch von seiner

Thätigkeit braucht ,
so tritt es auch dort deutlich als eine niedrige

Bezeichnung derselben auf, die sofort näherer Bestimmung be-


darf, wenn sie von ihm gelten soll: Gott aber sind wir offen-
bar. Dieser Gegensatz zeigt,was ihm am Gebrauch und Begriff
von TTsi^siv unangenehm ist dasselbe könnte auch ein ver- :

decktes Handeln sein, es lässt geheimen Nebenabsichten, täu-

schenden Mitteln Raum. Allerdings sucht er die Menschen zu


gewinnen und ihnen sein Wort annehmlich zu machen, doch
so dass er vor Gott nichts zu verbergen hat und auch dem Be-
wusstsein seiner Gemeinden völlig lauter und durchsichtig bleibt.

Aber auch unmittelbar in Bezug auf Gott stellen sich neben


TricTTig Worte, welche die Zuversicht und Freudigkeit der Er-
wartung und des Vertrauens ausdrücken ,
so 7r£7roi^'/i(Tiq Eph.
3, 12 vgl. Phil. 1,6, y.!x,v%o!,(Tbxi 1 Kor. 1, 31. Rom. 5, 11

vgl. 2. Hebr. 3, 6. vgl. Jak. 1,9, wr.6(TTx<Tic Hebr. 3, 14;


auch gewinnt diesen Sinn da die Ermächtigung zur
Trappviaix ,

offnen freien Rede mit Gott ohne Hemmung durch Furcht und

Scham die gesammte Vertrauensstellung kennzeichnet , Eph.


3, 12. Hebr. 10, 19. 35. 3, 6. 4, 16. 1 Joh. 3, 21. 5, 14.

vgl. 2, 28. 4, 17. Zu solchem Ruhm, Freimuth und Freudig-


keit bildet der Glaube den grundlegenden Akt, vgl. Rom. 5, 1 ff.

Eph. 3, 12. 1 Tim. 3, 13; jene Worte nennen die aus dem
vertrauenden Auschluss an Christus sich ergebende Gestaltung

des gesammten Empfindens und Bewusstseins ,


das nun Gott ge-
DIE SYNONYMiE DES GLAUBENS. 299

genüber den Charakter der Lust und Willigkeit gewonnen hat.


Sehr kräftig gehört auch vTrof^ov^ und vTroßsi/eiv der Sprache
der Gemeinde an, nur bei Johannes fehlt der Begriff in den
Briefen wie im Evangelium: Apokalypse dagegen zeichnet
die

ihn aus. Er nennt die standhafte Beharrung und wird auch


direkt auf Christus bezogen , vTroi^iovvi tqu Xpia-rcv 2 Thess. 3 ,
5

vgl. Apoc. 3, 10. Auch zu ihr verhält sich der Glaube als der

begründende Akt, Jak. 1, 3 vgl. Eöm. 5, 1 ff.


Eigenthümlich
ist die Stellung der Hoffnung, darum weil der Gebrauch des

Worts weit grössern Schwankungen unterliegt, als sie der

Glaubensbegriff aufweist. Während dieser in keinem Briefe

fehlt, sondern überall als Hauptmoment am christlichen Ver-


halten heraustritt, erscheint das Hoffen bald als der die ge-
sammte Christenstellung in sich fassende Begriff, bald fehlt er

ganz. Im ersten Petribrief steht sie allein ,1,3, oder neben

dem Glauben, 1, 21, als die Gabe, in welche Gott die Gemeinde
durch Christi Auferstehung hineingesetzt hat. Im Hebräerbrief
erscheint das Festhalten der Hoffnung als die wesentliche

Heilsbedingung, 3, 6. 6, 11. 7, 19. 10, 23. Auch Paulus


definirt die christliche Stellung mit dem Wort: in Christus

Hoffnung haben, XpKrrai sv Kor. 15, 19, und


vjÄiriKÖrs? eJvxt 1

zwar soll diese Bestimmung nicht nur eine einzelne Seite, son-
dern den gesammten christlichen Besitz benennen; das ist

das Ergebniss des Evangeliums, dass ein auf Christus gegrün-


detes Hoffen im Menschen entsteht. Darum stellt Paulus die

Hoffnung in analoger Weise wie den Glauben als das hin,

wodurch wir gerettet sind Rom. 8 , ,


24. Im Jakobusbrief dage-

gen und in der Apokalypse also gerade da wo Christi Werk , ,

und die Erlösung der Gemeinde mehr als sonst irgendwo in


der Zukunft gesucht wird ist vom Hoffen nicht die Rede
,
ihr ,

Sprachgebrauch bleibt in dieser Hinsicht auf der Stufe der

Evangelien. Der erste Johanuisbrief nennt die Hoffnung an einer


Stelle als das ,
was die Gemeinde kennzeichnet ,3,8; aber
300 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. TU.

dieser vereinzelte Gebrauch ist um so bedeutsamer, da der Brief

seine sonstigen Begriffe stets wiederholt und immer neu be-


leuchtet und bestimmt, und auch an jener Stelle zielt die

Mahnung nicht auf das Hoffen hin ,


um die richtige Konsequenz
desselben ist es ihr zu thun. Wechselt der Sprachgebrauch über-

haupt ,
so erhält das Hoffen auch zum Glauben eine verschiedene

Stellung, Es geht ihm voran : auf gehofftem steht man glaubend,


Hebr. 11, 1, auf Hoffnung glaubt man, Rom. 4, 18, und sie

bildet zugleich die Frucht und das Ergebniss des im Glauben

begründeten Verhältnisses zu Gott: als die um der Auferste-

hung Christi willen gläubig gewordenen haben wir unsre Hoff-


nung auf Christus gesetzt, 1 Kor. 15, 17 ff.; als das Ender-

gebniss des im Glauben erlangten Besitzes nennt der Römer-


brief die Begründung der Hoffnung im Menschen Rom. 8 , ,
24
ff.
vgl. 5 2 f
,
weil das Ende des Glaubens Errettung
.
;
ist ,

tritt zu dem auf Gott gestellten Glauben sofort die auf ihn

gewandte Hoffnung hinzu ,


1 Petr. 1 ,
21 vgl. 9. Diese wech-
selnde Gestaltung des Sprachgebrauchs wird in der Passi-

vität, die dem Hoffen eignet, begründet sein. Es entspringt


als Pathos aus der Wahrnehmung der Güter, welche die gött-
liche Verheissung dem Menschen nahe bringt; die Begehrung
streckt sich sofort nach denselben, darum bildet das Hoffen

den mütterlichen Boden ,


aus dem heraus der Glaubensakt
erwachsen kann ;
doch erst wenn das Ethos zum Pathos kömmt ,

wenn dass Wollen und Trachten der Person in fester Ent-

scheidung und Bindung in das Hoffen sich hineinlegt



und diess ergiebt den Glaubensakt — wird es göttlich
werthvoU und seinerseits in derselben Weise wie der Glaube,

den es in sich schliesst, zum Empfang des Gehofften wirksam,


weil »Hoffnung nicht beschämt wird" vom gütigen Gott, Rom.

5, 5'). Darum kann sie völlig ignorirt werden, so sehr sie

1) Desshalb liegt kein Grund vor iu Röi». S, 34 r^ sätISi yaidtn^sv den Dativ
DIE SYNONYME DES GLAUBENS. 301
'

real vorhanden ist und Gedanke und Begehrung des Redenden


in dieZukunft streben. Die Verknüpfung des Innenlebens mit
der Zukunft ist objektiv im Gang des Werkes Christi gesetzt,
es braucht darum nicht auf sie reflektirt zu werden als auf
einen besonders hervorzuhebenden subjektiven Akt, der Ge-
genstand Mahnung werden müsste. Weil die Ofienbarung
der
des Reichs und Christus noch künftig ist, nimmt das christ-

liche Innenleben unmittelbar den Charakter der Hoffnung an.


Wiederum wo dieser Verband mit der Zukunft abzureissen
droht, kann er betont werden als das wesentliche Moment, an
dem die Seligkeit der Gemeinde hängt.
Zwischen Busse und Glauben vollzieht sich in der aposto-

lischen Predigt eine ähnliche Bewegung ,


wie sie das Yerhält-
niss Jesu zum Täufer zeigt: sie beginnt als Bussruf und wird
immer völliger Glaubenspredigt. Die Petrinischen Reden der

Apostelgeschichte zeigen, wie die erste apostolische Verkündi-

gung in der Forderung der Umkehr ihr praktisches Ziel besass;

als das grosse Busszeiehen wird das Kreaz gepredigt, und die

Heilsbedingung ist ihr mit der Umkehr nicht unvollständig

benannt, vielmehr bezeichnet sie Israel alles, was es bedarf,

darum weil diese Busspredigt


— und diess unterscheidet sie

von der Taufpredigt


— den Glaubensimperativ in sich schliesst.
Das positive Ziel, dem sich die Sinnesänderung zukehren soll,

ist damit ,
dass die Nothwendigkeit derselben an der Kreuzigung

Jesu dargethan wird, bestimmt. Die Verwerfung des Christus


ist die Schuld Israels; die Wendung, die von ihm gefordert
vsdrd, ist folgerichtig Anschluss an ihn. Indem der Glaube in
den Begriff: Sinnesänderung eingeschlossen, und so der den

anders zu fassen als in "Wendungen wie •Ktsrsi SiKatovir&oit u. s. f. Der Glaube wird
zur Errettung aus demselben Grunde kansal, den Köm. 5, 5 für das Hoffen
elicn

nennt, darum nämlich, weil ihn Gott nicht beschämt. Soll die Definition: Dativus
modi sagen ,
dass das Hoffen nicht die produktive Kausalität für die Errettung sei.

so gilt diess vom Glauben ebenso.


302 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Verband mit Gott und Christus begründende Akt als Bruch


mit der bisherigen Willens- und Lebensrichtung und der in
ihr enthaltenen Gottlosigkeit beschrieben wird, trat auch in
der Predigt der Gemeinde die negative Seite derselben, die Ver-

urtheilung des menschlichen Wesens und Wollens, als das erste

principielle Moment hervor. Diese Gestalt der Verkündigung


nach aussen hin hat in der Gemeinde seihst die ihr entspre-

chende Folge darin ,


dass auch hier der Imperativ ,
der zu dem
das Gesetz Gottes erfüllenden Werk aufruft, und die Warnung,
welche die sittlichen Defekte der Gemeinde aufdeckt, die cen-
trale Stelle in der Lehrthätigkeit erhalten. Dem Bussruf gegen-
über der Synagoge entspricht eine Gestaltung des Lehrworts
in der Gemeinde, wie sie der Jakobusbrief enthält.

Auch den Heiden rief die apostolische Predigt zu einer tief-

greifenden Wendung auf, sTnfrrpoCpyj Act. 15, 3, und doch konnte


sie hier der veränderten Situation entsprechend nicht nur als

Busspredigt auftreten. Dem Heiden musste der positive Inhalt


des christlichen Gedankens ,
der als Idee bereits zum Besitz der

Synagoge gehörte Gott, Reich, Christus u. s. f. erst vermittelt


:

werden. Diesem positiven Ausgang der Predigt, die den messi-


anischen Begriff von seinen Wurzeln aus in den Hörern bil-
den musste, entsprach Glaubensmahnung, und für Pau-
die

lus wurde die Heidenpredigt voll und ganz Glaubenspredigt.


Für ihn hat der Glaube ebensowenig die Umkehr ausser und
neben sich, als für die Jerusalemiten die ßsrizvoix von der

Anerkennung Jesu gesondert war. Der Glaube ist für Pau-


lus durch seinen Inhalt völlig ethisch bestimmt. Der Chris-
tus kommt als der Helfer aus der Sünde; der Heide glaubt
an ihn nicht ohne dass damit zugleich Lösung aus dem
die

Trachten des Fleisches gegeben ist, Rom. 8, 5 ff. Auch Paulus


benennt gelegentlich die Wendung zu Gott als Sinnesänderung,
so im Blick auf dasjenige Verhältaiss zu Gott, in dem der Mensch
ß,uch von der Thätigkeit Christi abgesehen steht. Er erfährt in
GLAUBE UNt) BUSSE. 303

seinem Naturverband mit Gott nicht nur göttlichen Zorn son- ,

dern auch göttliche Güte und Geduld, die den Zweck hat ihn
zur Sinnesänderung zu leiten, und dieselbe wäre Hülfe für ihn,
wenn sie zu Stande käme ,
Rom. 2 ,
4. Wird aber Christus
in's Auge gefasst, und die Weise wie sich nun durch ihn das
Verhältniss des Menschen zu Gott gestaltet ,
so erhält die Frage :

was sollen wir thun? ihre volle Antwort in dem einen Wort:
glaube an den Herrn Jesus Christus, Rom. 10, 9. Act. 16,30.
Ein analoger Gedankengang, der nicht von der menschlichen
Sünde und Strafbarkeit, sondern von der göttlichen Güte und
Hülfe ausgieng und darum nicht das negative, sondern das
positive Moment im menschlichen Verhalten zu Gott, nicht
die Busse sondern den Glauben, vorn an stellte, war aber auch
auf jüdischem Boden sehr wohl möglich bei einer innern Le-

bensgestaltung, welche sich in die von Christus aufgeschlossnen


Güter versenkte, und über ihnen den Gegensatz der Synagoge

gegen ihn zwar nicht übersah, vielmehr in seiner Tiefe durch-


schaute, aber zugleich sich über ihn emporgehoben fand. So
steht im Palästinensischen Kreise Johannes mit seinem Glau-
bensbegriff, der nun ebenfalls die Umkehr nicht neben sich,
sondern in sich hat.
So sehr das apostolische Wort zur Glaubenspredigt wird,
der Begriff: Busse blieb ihm unentbehrlich. Es war in der
Konzentration der ganzen auf Verbindung mit Christus
die

gerichteten Thätigkeit in den Glauben ein doppeltes zu einer


Einheit zusammengefasst : ein neues Verhalten zu Gott und
eine neue Stellung zur natürlichen Lebenssphäre und der in
ihr vorhandnen Korruption. Die Gemeinde machte die Er-

fahrung, dass beides, so sehr es innerlich auf einander wies


und nur zusammen ein geeinigtes Wollen und Verhalten ergab ,

doch nicht immer mit einander gegeben sei, wie diess schon
Jesu Wort ausgesprochen hatte. Der Magier Simon glaubt,
Act. 8, 13, und hat doch ein Herz voller Bosheit, 8, 21. Im
304 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

Korinth waren alle glaubende und doch leitet Paulus — sicher

mit erleuchtetem Tiefblick — die Verwirrungen und Störungen


in der Gemeinde darauf zurück, dass viele ihre alten heidni-

schen Sünden zumal des geschlechtlichen Lebens nicht bereut

hätten, fjci^ fzeravc^a-siVTSi; 2 Kor. 12, 21. So behielt die Um-


kehr, die den Abbruch der sittlich korrupten Lebensverhält-
nisse fordert, auch neben dem Glauben in der Predigt der
Gemeinde bleibend ihre Stelle, und es findet sich desshalb auch
beides zusammengestellt als Zuwendung zu
vereinigt erst die

Gott ergebend. Sinnesänderung von den todten Werken weg


und Glaube zu Gott hin ist wie der Hebräerbrief 6
, sagt der ,
l ,

Grund der Christenstellung; Sinnesänderung zu Gott hin und


Glaube zu unserm Herrn Jesus Christus hin, so wird Act. 20 ,

21 die Paulinische Predigt zusammengefasst.


ACHTES KAPITEL.
Die Paulinisclie Glauhenspredigt.

Die Darstellung des Glaubens an Abraham die Bejahung des Todes


j

und der Auferstehung Jesu; der Mangel der Gerechtigkeit als Glau-
bensmotiv; die Antithese zwischen Glauben und Werken; Glaube und
Gesetz; der Verzicht auf die Gerechtigkeit; die Unfähigkeit zum Wir-
ken; der Glaube Grund der Rechtfertigung; Gemeinschaft des Todes
und Lebens Jesu; der Werth des Glaubens durch Gnade bedingt; der
Glaube Gottes Wirkung; seine Unerlässlichkeit; sein ethischer Charak-
ter; Lösung von der Sünde; Begründung der Liebe; Erfüllung des
Gesetzes; die Nichtigkeit des Glauhens ohne Christus; seine Allgen ug-
samkeit; die Freiheit gegenüber dem Gesetz der Gegensatz zur Ascese;
;

der Glaube und die ethischen Imperative; die Wurzel des Werks
Glaube und Erkenntniss; der Universalismus: das einigende Princip
für die Gemeinde.

In der Gemeinde der Glaubenden ist Paulus wieder vor allen


andern derjenige, welcher »den Glauben als ein Evangelium
verkündigt bat", Gal. 1 ,
23.

Bei der centralen Stellung des Glaubens im Lehrgange des

Apostels und bei der Schärfe, mit der alle seine Begrifie

gefasst sind, ist es lehrreich, dass sich bei ihm nirgends eine

Stelle findet, welche sich einer Definition des Glaubens nähert.


Er hat und Durchsichtigkeit eines Erleb-
für ihn die volle Kraft

nisses ,
das keiner abstrakten Umgrenzung und Beschreibung

bedarf. Dagegen hat er den Glauben Abrahams dargestellt in


der Absicht, die Gleichartigkeit desselben mit dem Glauben der

Gemeinde darzuthun ,
und hier tritt an's Licht ,
was für ein

inneres Geschehen er Glauben nennt:


20
306 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Rom. 4, 17—21 ').

Gott sagt zu Abraham: icli habe dich zum Vater vieler Völ-
ker gesetzt, 4, 17, so dass Abraham nicht nur die Verheissung
erhält ,
er werde einst Vater sein
Erklärung ,
sondern die

Gottes ,
habe ihn zum Vater gemacht er ist's vor ihm und
er , ,

diess darum, weil er die Todteu leben macht und von Nicht-
seiendem als von Seiendem spricht. Diese Benennung Gottes
zielt nicht nur in's Allgemeine; so handelte er vielmehr in je-
nem Moment, dadurch dass er aus dem todten Abraham Völ-
ker erstehen lässt und in seiner Verheissung von Geschlechtern

spricht, die noch nicht sind, denen erst diese seine Verheis-

sung Existenz verleiht. In dieser von keiner Schranke einge-


schlossnen Schöpfermacht Gottes hat die Vaterschaft Abrahams
jetzt schon volle objektive Eealität, sie ergibt für den Glau-
bensakt Inhalt und Grund, Wahrheit und Recht.
Doch nur vor Gott ist Abraham Vater und zwar nur darum ,

weil er Todten lebendig macht, vor den Menschen und


die

sich selber ist er es nicht. Die göttliche Zusage macht ihn zu

dem, was er in sich selbst nicht ist noch durch sich selbst

werden kann und aus ,


dieser Situation empfängt sein Verhal-

ten die Eigenart des Glaubens. Seine Lage trägt einen Gegen-

satz in sich, er ist Vater und er ist es nicht, und dieser Ge-

gensatz überträgt sich auch in sein Inneres, er hofft und er

hofft nicht ,18, und die Lösung für diese doppelte Bewe-

gung seiner Seele, der einigende Akt derselben, in dem dieses

doppelte Motiv seine Folge hat, ist ein Trauen, das von sich
selbst nichts erwartet ,
aber die Verheissung Gottes ganz bejaht.
Ohne zu hoffen glaubte er , ttöj/?'
sKiriloi iTrhrsvasv ;
denn
er nahm seine Erstorbenheit wahr ,
19. Diese Hoffnungslosigkeit

bildet für Paulus zum glaubenden Verhalten keinen Gegensatz ,

sie gehört vielmehr wesentlich zu demselben. Gerade darum,

1) Die exegetische Erörterung des Einzelnen siehe Eri. 14.


ABEiHAMS GLATJBE. 307

weil er nicht hoffen kann, ist er zum Glauben veranlasst, zur

Bethätigung eines Vertrauens, das Glottes Wirken in Anspruch


nimmt. Indem Abraham klar und scharf seine Erstorbenheit

sieht, ohne sich den wirklichen Thatbestand zu verhüllen und


doch noch irgendwie bei sich selbst die Kraft zu suchen, der
Vaterschaft theilhaft zu werden, verzichtet er auf sich selbst,

und damit kömmt es nun zu einer unbeschränkten, ganzen


Bejahung der göttlichen Zusage, die ihm die Vaterschaft nicht

durch ihn selbst ,


sondern durch Gottes im Todten Leben schaf-
fende That verleiht.
Aber zugleich gilt von ihm : er hoffte und weil er hoffte ,

glaubte er: fV sXTrl'Bt eTrlirrsvcrsv. Er fasst verlangend das Gut,


das ihm die Zusage Gottes vorhält und aus dem Zusammensein
dieses Hoffens und jener Hoffnungslosigkeit bricht der Glau-
bensakt hervor, der die Vaterschaft bejaht als Realität, als ihm
gegeben, doch rein und ganz um Gottes willen. Mit ihm ist

der Verzicht auf die Hoffnung in seine Sphäre eingeschränkt:


er gilt so lange, als Abraham sich selbst in's Auge fasst, und
die Hoffnung ist festgebunden an ihren wahren Grund, an
Gott allein. Darin dass beides neben einander steht ohne sich
aufzuheben und zu stören, dass Abraham sich selbst als erstor-

ben sieht und doch im Blick auf die Verheissung Gottes nicht
in zwiespältiges Schwanken zertheilt ist, in ein Hoffen und
Nichthoflen zugleich ,
indem alle Eindrücke ,
welche aus der
Gewissheit der eignen Erstorbenheit erstehn, völlig überwun-
den sind, sowie Gottes Verheissung in's Auge gefasst wird,
so dass diese dennoch eine ungetheilte, ganze Zustimmung
erfährt, darin besteht recht eigentlich der Glaubensakt. Darum
ist er Stärke , hs'Suvxf^üSry] rf? TritXTsi 20 ;
die aus dem Ein-
blick in den eignen Tod erwachsenden Strebungen zu be-
herrschen und zu stillen, den Verzicht auf sich selbst zu er-

tragen, ohne dass auch Gott gegenüber aus ihm Zerspaltung


und Zerrissenheit folgt ,
das ist Kraft. Diese Stärke wächst
308 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

dem Glaubenden dadurcli zu, dass er sich Gottes Wesen ver-

gegenwärtigt nach, seiner Herrlichkeit in seiner unbegrenzten


Macht und Wahrheit: er gab Gott Ehre. Die direkt persön-
liche Beziehung zu Gott selbst erweist sich somit als das für
das Entstehn des Glaubens entscheidende Moment. Die Werth-

schätzung, die seiner Zusage gewährt oder vorenthalten wird,


hängt davon ab ,
ob Gott in seiner Gottesherrlichkeit erfasst

und geehrt wird oder nicht. Damit ist der Glaube in die in-
nersten ethischen Verhältnisse der Person hineingeführt und

zugleich in seiner sittlichen Unerlässlichkeit aufgezeigt. So gewiss


Abraham Gott ehren will, so gewiss bleibt ihm keine andre
Wahl als dass er ihm glaubt.
Mit dem Glauben gegeben was die Verheissung zu
ist alles

ihrer Verwirklichung bedarf; durch denselben wurde er Vater,

18. Weil ihm zugesagte Gabe aas Gottes Schöpfermacht


die

entspringt, sind mit der im Glauben liegenden Willigkeit sie


zu empfangen Bedingungen dafür gegeben, dass
alle sie Erleb-

niss, That und Wahrheit wird.


Die Gemeinde steht durch die Auferweckung Jesu in einer

Situation, die derjenigen Abrahams gleichartig ist, Rom. 4, 24.

25. Eine Aufforderung zu glaubendem Verhalten liegt in der-


selben darum, weil sie sich in ihrem Grund und in ihrer Folge

auf die Gemeinde bezieht. Paulus gibt dem Sterben wie dem
Leben Christi seinen Grund in dem ,
was der Mensch ist ; er

stirbt um des Menschen willen und er lebt um des Menschen


willen ,
Rom. 4, 24. In unserm Fall ist seine Dahingabe in den
Tod begründet — Trccps^ö^yj ^i^ rx, TcocpxrTdjf/.xra. vjf^cöv ; in uns-

rer Rechtfertigung, wie sie in seinem Tode göttlich vollzogen


ist , liegt das Motiv zu seiner Auferweckung — nysp^vi hx rijv

^iKüiicüo-iv yj[xS)v. Macht sich darin, dass der Christus stirbt, der

Fall des Menschen in seiner ganzen Bedeutung und Schwere


geltend, so erweist sich die Rechtfertigung, die der Mensch
in Jesu Tod von Gott empfangen hat, darin in ihrer vollen
JESU TOD UND AÜFEESTEHUNG. 309

Realität und Wirksamkeit, dass der Christus aus dem Tode


auferweckt wird als Erstling der Entschlafenen ,
damit alle in

ilim leben, nach der göttlichen Grundordnung, dass der Gte-


rechte leben wird. Die Gemeinde hat somit durch die Aufer-

weckung Jesu eine göttliche Zusage empfangen, die ihr eine


Gabe von höchstem Werthe zu eigen gibt: wie Gott Abraham
zum Vater setzt so hat er die Gemeinde zu Gerechten gemacht
, ,

worin unmittelbar auch die Lebensgabe eingeschlossen ist. Aber


auch die Gemeinde ist nicht vor und durch sich selbst sondern
vor Gott gerecht und lebendig, und auch sie nur vor dem
Gott, derTodten lebendig macht und das Nichtseiende
die

als seiend ruft, wesshalb er auch den Gottlosen gerecht zu

sprechen vermag. Auch bei ihr steht die göttliche Zusage ,

welche ihr gegeben ist, ihrem eignen Zustand und Vermögen


in scharfem Gegensatz gegenüber und hat nur in der unbe-

grenzten Macht der göttlichen Gnade ihre Wahrheit. Schon


der objektive Vorgang macht ihre Lage derjenigen Abrahams

analog : Gott gab ihr den Christus wie Abraham den Sohn so ,

dass Tod und Leben, Ohnmacht und Macht in seiner Gabe


zusammenwirken. Der Christus wird in jene Herrlichkeit des
Lebens, die ihn nun erst wahrhaft zum Christus macht, da-
durch hineingestellt, den Tod dahingegeben wird.
dass er in

Dieser selbe Gegensatz haftet aber auch an der Beziehung, in


welcher Jesu Auferstehung zur Gemeinde steht. Sie sieht
sich von Gott als gefallen und als gerecht behandelt in einem
und demselben göttlichen Akt, als gefallen darin dass der

Christus stirbt, nicht wegen eigner sondern wegen ihrer JJe-

bertretung ,
die darin dass der Christus stirbt ,
ihre volle Verur-

theilung erfährt; als gerecht darin, dass der Christus aufer-

weckt wird, womit der Menschheit ganze Lebensgabe auf-


die

geschlossen ist. Dadurch dass der Mensch von Gott als gerecht
behandelt ist, ist er folglich zu etwas gemacht, was er in sich
selbst nicht ist, er erfährt vielmehr seinen Fall konstant an
310 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. EAP. VIII.

sich und sieht auch im Tode Jesu das göttliche ürtheil in seiner
Schärfe wider sich , und doch ist er gerecht ,
Gott hat ihn im
Sterhen Jesu als den Gerechten hingestellt. So steht die Ge-
meinde wie Abraham zugleich in Hoffnungslosigkeit und in

voller, gewisser Hoffnung. Alle Hoffnung auf Gerechtigkeit


und Leben stirbt angesichts der Dahingabe Christi, volle freu-

dige Hoffnung ersteht angesichts der Auferweckung Jesu. Auch


sie ist dadurch, dass sie nicht hoffen kann und doch hoffen

darf und soll ,


zum Glaubensakt geführt. Dass sie angesichts
des Todes Jesu ihren Fall bejaht den Einblick gewinnt in ihre
,

Sündigkeit, das göttliche ürtheil wider dieselbe anerkennt und


auf sich selbst verzichtet und angesichts des auferweckten Chris-
tus ohne innere Spaltung gewiss und froh die von Gott ihr

gegebene Gerechtsprechung und Lebensgabe erfasst, das ist ihr


Glaubensakt. Er setzt sie unmittelbar in den Besitz der Ge-
rechtigkeit ,
ohne dass der Empfang der göttlichen Gabe irgend
eine andre Bedingung hätte. Sie steht nicht vor einer erst in

die Zukunft weisenden göttlichen Aussage, sondern vor einer


vollendeten That, da bedarf es auf Seite der Gemeinde nur der

Bejahung, dass Gott in seinem ürtheil der wahrhaftige und


gerechte und im Stande ist, den welchen er gerecht nennt,
auch nach seinem ganzen Lebensstand einzusetzen in Wesen
und Frucht der Gerechtigkeit. Allerdings ist auch der Glaubens-
akt, zu dem die Gemeinde aufgerufen ist, eine kraftvolle That;
denn sie hat mitten in der konstanten Erfahrung ihres gefall-
nen Wesens bei voller Beugung unter die göttliche Yerurthei-

lung desselben dennoch die Gerechtssprechung Gottes ungetheilt


als volle Realität zu bejahn. Aber auch für sie ist wie für

Abraham solcher Glaube eine unerlässliche Nothwendigkeit.


Ihre eigne Beschaffenheit kann ihr nicht mehr gelten als Got-
tes "ürtheil und That. Sie darf die Wahrhaftigkeit und Macht
der Gnade, welche ihr den Auferstandnen gegeben hat, nicht

in Frage stellen. Will sie Gott Ehre geben, so glaube sie und
DER MANGEL DER GERECHTIGKEIT ALS GLAÜBENSMOTIV. 311

werde dessen voll, dass Gott ihr ia Jesu Tod und Auferstehn
Gerechtigkeit und Leben verliehen hat.

Die Darstellung des Glaubens an Abraham erhält eine we-


sentliche Ergänzung durch die Weise wie sich Paulus in Antio- ,

chien vor Petrus über Grund Absicht iind Werth ihres Glau- ,

bens ausgesprochen hat, denn hier kömmt nun auch das


Verhältniss zum Gesetz in Betracht:
Gal. 2, 16.

Wir alle,, erklärt Paulus, haben darum unser Vertrauen auf


Christus gesetzt, weil wir von der Unmöglichkeit überzeugt

sind, durch Erfüllung des Gesetzes ein gerechtsprechendes Ur-


theil von Gott zu erlangen. Wir begegnen sofort wieder einer

Parallele zur Einsicht Abrahams in seine Erstorbenheit ;


auch
hier baut Paulus den Glauben auf die geschwundene Hoffnung

auf, Tvoip l'K'Tti^ot, sTria-revasv 'j aufgegeben ist die Hoffnung gegen-
über dem Gesetz und dem von ihm vorgezeichneten Werk. Yen
hier aus erstreckt sich die Hoffnungslosigkeit aber sofort auf
das ewige Geschick des Menschen. Der Hoffnung auf Rechtfer-

tigung bietet sich zunächst nichts anderes zur Basis dar als das
Gesetz. Es scheint die Norm zu bilden, die der richterliche

Akt Gottes handhabt; sein Urtheil scheint sich auf das Yer-
hältniss des Menschen zum Gesetz beziehen zu müssen wer ;

soll Rechtfertigung erlangen, wenn nicht der, welcher das


Gesetz thätig erfüllt? Die Gemeinde hat erkannt, dass das
Gesetz diese Hoffnung nicht trägt, dass sie in demselben kein
Mittel besitzt ,
um Rechtfertigung zu gewinnen ,
und wenn sie

nicht gerechtfertigt wird, ist sie verurtheilt. Bei der vollkom-


menen Gerechtigkeit Gottes kann sich der richterliche Akt nur
in ein Doppelurtheil zerlegen ,
^LKxicoa-ic oder xix,rixxp(o-ig ,
in der

Verneinung des einen ist Bejahung des andern gesetzt.


die

Nicht das sagt Paulus ,


dass der Mensch aus den Werken des

Gesetzes verurtheilt werde ;


nein ,
nicht das ,
was er auf Geheiss

des Gesetzes thut, bringt ihm Verdammung, aber all diess


312 DBB, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

bringt ihm auch nicht Rechtfertigung, es schützt und rettet


ihn vor der Verdammung nicht, und in ihr liegt die absolute
Verlorenheit.

Diese Einsicht ist als Bedingung und Grund für das Werden
des Glaubens gedacht ;
dieser kömmt nicht zu Stande ,
so lange

die Hojffnung auf das Gesetz gerichtet bleibt. Daher jenes stei-
gernde: auch wir! xon) -^ßsl^ ,
obschoD Juden und nicht Sünder
aus den Heiden. Im Blick auf den Heiden stellt sich sofort

Glaube als das einzige Verhalten ihm Gott gegen-


dar, das
über möglich ist. In seinem Polytheismus und seiner gesetzlo-
sen Lasterhaftigkeit hat er offenkundig keine Gerechtigkeit, er
hat jene Hoffnung, die sich für den Juden an das Gesetz
schliesst ,
und die dieser zuerst preisgeben muss ,
nicht ,
er steht

mit keinem Rechtsanspruch vor Gott, kann aus seinem Werk


keine Zuversicht schöpfen, er kann nur willig und dankbar
hinnehmen was Gott ihm gibt
, ;
denn ihm hilft niemand wenn ,

nicht Gott ihm hilft, so kann er von vornherein keine andre

Stellung Gott gegenüber einnehmen als die des Glaubens. Wenn


nun aber »auch wir", die wir nicht Sünder aus den Heiden
sind, sondern die Werke des Gesetzes vollbrachten, uns zum
Glauben wandten, so setzt diess die Erkenntniss voraus, dass
auch wir, ob auch mit Gesetz und Werk begabt ,
dennoch von
der Rechtfertigung ausgeschlossen sind. Das ist das Geständniss ,

das unmittelbar im Glaubensakt enthalten ist; der Glaubende

bekennt dadurch dass er glaubt, fern von der Gerechtigkeit zu


sein und zwar so fern, dass sie für ihn durch kein Wirken
erreichbarund darum durch das Gesetz nicht zu gewinnen ist.
Für sich allein würde diese Einsicht nicht Glaube sondern
Rathlosigkeit begründen ,
darum tritt zu jener negativen Ueber-

zeugung sofort eine positive Erkenntniss hinzu ,


zu jenem Nicht
hoffen das Hoffen: sV bXtti'Si s7rl(7Tsiia-sv : »wir glauben, weil wir
wissen ,
dass man nicht gerechtfertigt wird ,
wenn nicht durch

Glauben an Christus." Die Gerechtigkeit stellt sich also nur so


DEE MANGEL DER GERECHTIGKEIT ALS GLAUBBNSMOTIV. 313

lange als unerreichbar dar, als Gf-esetz und Werk in's Auge
gefasst werden ,
sie ist als erreichbar erkannt , sOj!
wie auf
Christus geschaut wird ,
und diess so sehr ,
dass sich der Glaube

an Christus als das ergibt , was Rechtfertigung erlangt und somit


Gerechtigkeit ist ;
denn das was ein rechtfertigendes XJrtheil
Gottes begründet, ist Gerechtigkeit. Die Gemeinde weiss also,
dass in Gottes Gerieht nicht das Verhältniss zum Gesetz son-
dern das Verhalten zu Christus das entscheidende Moment er-

gibt ,
sie weiss weiter , dass das Yerhältniss ,
in das sie Christus

gegenüber zu treten hat, Glaube ist und nichts anderes, dass


sie folglich im Glauben an Christus aller Yerdammniss und
Verlorenheit entnommen ist, und aus dieser Erkenntniss, wel-

che das vom Gesetz vergeblich erhoffte in Christus als gegeben

schaut, wächst nun der Glaubensakt selbst hervor, mit dem


die Gemeinde ihr Vertrauen nun auch wirklich auf den gestellt
hat ,
in dem sie Errettung und Rechtfertigung besitzt ^).

Die Motive des Glaubens bedingen Art und Ziel des Stre-
bens ,
das in ihm enthalten ist. Er ist seinem Wesen nach

Begehren, Tendenz: »wir wurden gläubig, damit wir gerecht-

fertigt würden." Doch damit ist das im Glauben liegende Stre-


ben noch nicht Das Streben nach Rechtfertigung
voll bestimmt.

liegt in jedem Verlangen nach dem Reiche, darum auch im


Glauben an Christus, so gewiss der Glaubende nach dem mes-
sianischen Reiche strebt. Es fragt sich aber ,
wie nun der Mensch
als glaubender die Rechtfertigung sucht: »wir sind gläubig
geworden, damit wir aus Glauben an Christus und nicht aus
Werken des Gesetzes gerechtfertigt würden." Entspringt der

1) Die neue Erkenntniss ist durct das hinzufügende ixy (/.^


vom Standpunkt des

Juden aus formnlirt, der die Werke des Gesetzes gethan hat und doch sich in ihnen
nicht gerechtfertigt weiss , dem nun za den Werken hinzu als ein zweites und neues ,
ohne das die Rechtfertigung überhaupt unerreichbar bliebe , der Glaube wahrnehmbar
wird in seiner Rechtfertigung erlangenden Bedeutung. Eine Addition von Gesetzes-
werken und Glauben als zusammen den Grund der Rechtfertigung ausmachend liegt

selbstverständlich darin nicht j


eine solche ist schlechthin antipaulinisch.
314 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VlII.

Glaube aus der Einsicht, dass das dem Menschen mögliche


Werk nicht Gerechtigkeit ist ,
so kann das in ihm enthaltne
Streben nicht mehr darauf zielen irgend welches Werk vor
Gott geltend zu machen; jegliche Stützung auf Werk und Ge-
setz würde Motiv und Grund des Glaubens wieder aufheben.
Der Glaubende kann von sich selbst nichts mehr erwarten, da
er gerade darum sein Vertrauen auf Christus setzte, weil er
sich selbst als unvermögend erkannte. Der Verzicht auf das
eigne Können und Wirken, der im Glaubensakt enthalten ist,

ist der Natur der Sache nach ein umfassender ,


bleibender. Der
Glaubende ist für immer aus der wirkenden in die empfangende

Stellung getreten, in der er alles Gute nicht bei sich sondern

bei Christus sucht. Ebenso mächtig wird das im Glauben lie-

gende Streben durch das positive Glaubensmotiv bestimmt.


Wurzelt er in der Erkenntniss ,
dass er Gerechtigkeit ist , so

kann er nicht in sich selbst unbefriedigt sein; Furcht und


Bedenken haben in ihm keinen Raum ,
als bedürfte er noch

eines andern neben Christus und dem Glauben an ihn. Mit einem
solchen über Christus hinaus greifenden Streben wäre er wie-
derum in seiner Wurzel zerstört. SeinVerlangen kann auf
nichts anderes gehen als eben darauf zu glauben und die

Rechtfertigung zu erlangen als des Glaubens Frucht. Wie der

Verzicht auf sich selbst, so ist auch die Bejahung der Gabe
Christi eine umfassende ,
bleibende. Der Glaube hat das Bewusst-
sein seiner Allgenugsamkeit pn sich, er besteht entweder als

unbegrenzte ganze Zuversicht, dass er in Christus Reich und


Rechtfertigung besitzt als die ihm gegebne Gabe ,
die ihm nicht
verloren geht ,
oder er besteht nicht.
Diess ist die einzig mögliche Stellung für jeden Menschen.
Die Rede steigt zu umfassender Allgeraeinheit empor. Dem
Heiden wird der Glaube zuerst zugewiesen als das einzige, was
er vor Gott haben kann, aber auch wir Juden sind gläubig

geworden in der Erkenntniss ,


das uns kein andrer Weg zur
DER MANGEL DER. GERECHTIGKEIT ALS GLAüBENSMOTIV. 315

Eeclitfertigung offen stand, diess aber nicht so als würden sich

die Glaubensmotive für den Juden nur in Folge besondrer in-


dividueller Yerirrung und Versündigung ergeben; vielmehr
»alles vras Fleisch ist wird nicht gerechtfertigt aus seinen
Werken." Der Mensch als Mensch ist kraft des ihm wesentlich
anhaftenden Charakters auf Glauben gewiesen. Alle Differenzen
in der individuellen Lebensführung, die ganze Stufenleiter ethi-

scher Bildung und Missbildung, sittlicher Tüchtigkeit und Yer-


kommenheit durchbrechen die Gleichartigkeit des Grundver-
hältnisses nicht, in dem alle zu Gott stehn. Nirgends erreicht
das Werk die Höhe ,
dass es vor Gott Gerechtigkeit wäre ,
und
nirgends sinkt es so tief, dass dem Mensehen seinetwegen der

glaubende Zutritt zu Christus verwehrt wäre. Für alle vermit-

telt sich der Besitz der göttlichen Güter in gleicher Weise von

Christus aus auf demselben Wege des glaubenden Anschlusses

an ihn. Sowohl die negative als die positive Seite des Glaubens,
sein Verzicht wie die Gabe die er bejaht , haben beide univer-
selle Wahrheit und Gültigkeit.
Als Paulus der Gemeinde in Rom sein Evangelium ausein-
anderlegte, hat er genau denselben Gedankengang eingeschla-

gen ,
mit dem er nach dem Galaterbrief Petrus in Autiochien
seine Stellung auseinandersetzte, so dass Gal. 2, 16 in seinen

einzelnen Sätzen die zusammenfassenden Inhaltsangaben für die

grossen Gedankengruppen des Römerbriefs gibt, eine merk-

würdige Veransehaulichung des Werths, den diese Ueberzeu-


gungen für Paulus hatten, und der Festigkeit, mit' der er sie
fixirte, sie tragen seine ganze Predigt von Antiochien bis nach
Rom. Das vorangestellte negative Glaubensmotiv : wir wissen ,

dass ein Mensch aus Werken des Gesetzes nicht gerechtfertigt


wird, kehrt auch im Römerbrief an erster Stelle wieder: Rom.
1, 18 — 3, 20, und diess mit demselben Fortschritt des Ge-
dankens vom Heiden zum Juden. Was es heisst, ein Sünder
aus den Heiden sein, das beleuchtet auch der Römerbrief zu-
316 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

erst, und nun stellt auch, er den Juden dem Heiden gleich,
dadurch dass auch ihm der Mangel der Gerechtigkeit nachge-
wiesen wird ,
letzteres in lebhaftem Ringen mit der auf das
Gesetz sich stützenden Zuversicht, in der Voraussetzung dass
diese ihm als Glaubenshinderniss entgegenstehe, und der Glaube
nicht zu stände komme, wenn es nicht gelingt, die Hoffnung
vom Gesetz abzuziehn durch die Einsicht, dass die Werke
nicht Gerechtigkeit sind. Daran schliesst sich nun das positive
Glaubensmotiv: wir wissen, dass wir durch den Glauben an
Christus gerechtfertigt werden, Rom. 3, 21 — 5, 21. Und wie
Paulus im Galaterbrief die beiden Motive zusammenfasst in ein

einiges Wissen, so sind auch im Römerbriefe beide Lehrgänge

eng verbunden als die beiden Hälften eines antithetisch, korre-

spondirenden Gedankengangs. Jenem »wenn nicht!" sxv ixvj,

Gal. 2, 16, welches dem Auge des ungerechten Juden einen

neuen vom Gesetz ihm noch nicht gezeigten Weg zur Gerech-

tigkeit aufdeckt, entspricht jenes vuv) Sf, Rom. 3, 21, welches


die bisherige Betrachtung, die den Menschen nur vor das Ge-
setz stellte, aufhebt und den reellen Sachverhalt einführt, wie

er sieh durch Jesu Tod und Auferstehn gestaltet hat. Das


dritte, die praktische Konsequenz des glaubenden Verhaltens,

dass der Glaubende nicht doch wieder auf das Gesetz zurück-

greifen sondern seine Gerechtigkeit nur im Glauben suchen

kann, nennt den Grundgedanken von Rom. 6 — 8, wo der be-

antwortete und beseitigte Gedanke ebenfalls der ist, ob denn


wirklich für. die ethische Aufgäbe der Gemeinde das Gesetz
entbehrlich und auch für die christliche
Lebensführung alles
im Glauben enthalten sei, was die Gemeinde bedarf. In An-
tiochien wie Rom gab also Paulus seinem Gedankengang den

Ausgangspunkt in dem den Glauben bedingenden Verzicht auf


Gesetz und Werk, von hier aus schreitet er fort zu dem in
ihm enthaltenen Gerechtigkeitsbesitz, um zu endigen mit der

Darstellung seiner AUgenugsamkeit ,


die für die Gegenwart
GLAUBE ODEE WERKE. 317

und Zukunft die ganze Gabe Gottes zum Eigenthum des Men-
schen macht.
»Aus Glauben an Christus und nicht aus Werken des Ge-
setzes", damit sind beide wider einander gestellt als Gegensatz.
In jeder Sprach- und Gedankenform in der Synagoge wie in
der Gemeinde wurden Werk und Glaube von einander unter-
schieden, aber diese Scheidung hatte zunächst die Folge, dass
beide koordinirt neben einander stehn und zusammen die Auf-

gabe des Menschen benennen, Paulus genügt diese Unterschei-

dung beider nicht, ihm schliessen sie sich gegenseitig aus und
zwar ohne dass er sich irgendwo auf den Gedanken einliesse,
ob und warum sie sich nicht zusammenfügen lassen ,
ohne ein-
ander zu schädigen. Sein Denken bewegt sich stets und sofort

im Gegensatz beider gegen einander und die Frage ist immer


nur die: ob Glaube oder Werk das errettende sei. Die Un-

mittelbarkeit, mit der er diesen Gegensatz handhabt, wird


lehrreich durch seine Auslegung von Gen. 15, 6 veranschau-
licht, Köm. 4, 3 — 5^): »wenn Abraham aus Werken gerecht-
fertigt wurde ,
so hat er Ruhm ;
aber bei Gott hat er keinen ;

denn was sagt die Schrift?" «Abraham glaubte Gott und es


wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet." Dem Wirkenden da-
gegen wird der Lohn nicht angerechnet aus Gnaden sondern
nach Schuldigkeit; dem aber, der nicht wirkt, dagegen an den
welcher den Gottlosen gerecht spricht, glaubt, wird sein Glaube
als Gerechtigkeit angerechnet." Auf die Frage, ob Abraham

jenen Ruhm besitzt, den eine als Folge der Werke erlangte

Rechtfertigung verleiht, geben ihm beide Sätze der Schrift-

aussage Antwort: er glaubte, so hatte er keine Werke; Gott


rechnete ihm die Gerechtigkeit zu, so besass er sie nicht als

seinen eignen Besitz. Aus Abrahams Glauben wird unmittelbar


gefolgert: er wirkte nicht, mit einem Schluss, der Paulus so

1) Vgl. Erläut. ]5.


318 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP, VIII,

selbstverständlicli und durchsichtig ist, dass er ihn niclit aus-


drücklich zieht. Er folgert nicht nur: er glaubte, also rühmte
er sich seiner Werte nicht und machte sie vor Gott nicht

geltend und stützte seine Zuversicht nicht auf sie ;


nein ,
er

schliesst: er glaubte, also hatte und vollbrachte er keine Werke.


Der erlaubende ist ein nicht wirkender, der Wirkende ein nicht

glaubender ,
das eine ist für Paulus mit dem andern gegeben :

(ji,yi spyoc^öf/.svog Tntxrsüav Si nennt die beiden von einander nicht


zu trennenden Seiten eines und desselben Verhaltens zu Q-ott.

Nicht weniger charakteristisch ist die Folgerung aus Hab 2 ,

4 im Galaterbrief, 3, 11: »es ist offenkundig, dass im Gesetz


keiner bei Gott gerechtfertigt wird; denn „der Gerechte wird
aus Glauben leben"; das Gesetz ist aber nicht aus Glauben;
sondern „wer dieses thut, wird darin leben". Würde also

irgend einer am Gesetz gerechtfertigt, so wäre das Schriftwort


nicht mehr wahr, dass der Gerechte aus Glauben leben wird.

Auch hier ist es als eine unmittelbar durchsichtige Vorausset-

zung behandelt, dass beides nicht zusammenbestehn kann, dass


man nicht gethan hat, was das Gesetz befiehlt und doch zu-
gleich aus Glauben lebt. Der am Gesetz gerechte wäre voll
und ganz gerecht, er hätte den Willen Gottes gethan, das

Reich wäre sein ,


er würde leben ,
aber glauben und aus dem
Glauben das Leben ziehn , das läge völlig ausserhalb seiner

Stellung ,
darum weil er aus seinem Werk und eben damit nicht
aus Glauben leben würde. Damit ist nicht gesagt, dass er in

keinem Verhältniss zu Christus stünde; denn wer das Gesetz


Gottes erfüllt, kann nicht Feind Christi sein, er wäre Bürger
im Reiche Christi, ihm dem Haupt über alles untergeordnet
und eingegliedert etwa wie Paulus Christus das Haupt nennt
auch für alle himmlischen
Gewalten, aber jenes eigenartige
Verhältniss zu Christus, welches Glaube ist, hätte er nicht und
könnte er nicht haben, denn er selbst wäre der Handelnde,
er selbst würde sich das Reich öffnen ,
er wäre das ,
was er ist ,
GLAUBE ODER WERKE.

niclit durch. Christus und darum auch mit


Erwartung seiner

und seinem Yertrauen nicht gebunden an ihn allein. Soll darum


das Wort des Propheten wahr werden und der Grlaube für den
G-erechten der Grund des Lebens sein ,
so folgt daraus ,
das nicht
einer am Gesetz gerecht geworden ist.

Fragt Paulus seine G-emeinde, woher sie den Geist habe,


so lautet die Frage: aus Werken des Gesetzes oder aus dem
Hören des G-laubens? Gal. 3, 2. Hier giebt es nur ein Dilemma
und eine dritte Möglichkeit: aus einer Kooperation von Glaube
und Werk existirt nicht. Und er formulirt den Gegensatz zwi-
schen beiden prägnant damit
sehr ,
dass er den Werken des
Gesetzes das Hören des Glaubens — (ZKoii tt'kttsoöq — entgegen-
stellt. Auch der Glaube ist Thätigkeit und Aktivität, nämlich
Hören ,
durch Hören wird man gläubig und durch Glauben
hörend; wie das Gesetz zum Werk treibt und im Werk seine
Erfüllung findet, so hat der Glaube darin seinen Ursprung,
seinen Bestand und seine Wirkung, dass der Mensch hört,
und beides verträgt sich nicht mit einander: will der Mensch
wirken, so bedarf er keiner neuen Kunde und Botschaft, das
Gesetz sagt ihm ,
was er zu thun hat ,
auf etwas anderes hat
er nicht zu horchen ;
tritt er dagegen in hörende Stellung zu
Gott ,
so hört das Wirken- auf ^).
Beides ,
Werk und Glaube und ihr Gegensatz in seiner Schärfe,

die keine Vermittlung erträgt, sind göttlich begründet, da der

Mensch vor einer doppelten Kundgebung Gottes steht, von


denen die eine nur Werk, die andre nur G-laube als das ihr

entsprechende Verhalten fordert. Der Zweiheit von Werk und


Glaube im menschlichen Verhalten zu Gott entspricht im gött-
lichen Verhalten zum Menschen die Zweiheit: Gesetz und
Christus. Werk und Gesetz einerseits ,
Christus und Glaube an-
drerseits sind bei Paulus unlöslich verbunden als die einander

1) Ueber ockovi TriffTsug siehe Brl. 16.


320 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

innerlich entsprechenden Faktoren. Wie die Werke dem Ge-


setz angehören von ihm befohlen und auf seine Erfüllung
als

zielend — sp^x v6[j(,ou —


so gehört der Glaube Christus an

nach seinem Grund und nach seinem Ziel als von ihm aus
entstehend und auf ihn hingewandt — iria-Tig p;;p/(rTö[;. Gesetz
und Glaube ebensowenig verbinden wie Christus
lassen sich

und Werk. Das Gesetz ist Forderung an den Menschen, und


ihr gegenüber ist Glaube unmöglich, weil in der Forderung

nichts enthalten ist, worauf sich die vertrauende Erwartung


richten könnte; das Gesetz handelt ja nicht für den Menschen,

es schafft nichts in ihm und für ihn ,


es befiehlt , allerdings

es verheisst aach, doch nur für den Fall, dass das Befohlne
vom Menschen gethan ist, und es droht zugleich für den Fall ,

dass es unterlassen wird. Der Weg zur Verheissung im Gesetz

führt also nur durch sein Gebot hindurch, und zunächst hat
der Mensch nur dieses vor sich; er selbst ist es und er allein,

dem das Handeln vom Gesetz zugewiesen wird. Darum gibt


es aus demselben nur eine Folge : Werk ,
oder vielmehr ,
da
dasselbe eine Vielzahl von Geboten in sich schliesst und unab-
lässig mit seiner Forderung das Leben begleitet: Werke, epya,

vöf/,ou. Christus gegenüber haben dagegen Werke keine Stelle,

er handelt für den Menschen er ist der schaffende und gebende.


,

Dadurch ist er gerade der Christus, dass er die Verheissung,

welche das Gesetz nur in ferne Aussicht stellt, erfüllt und


verwirklicht hat, dass er das Reich, die Gerechtigkeit, das

Leben brachte und gibt, nicht aber den Menschen diess erst
wirken heisst. Hat das Gesetz nur eine Folge: nicht Glaube
oder Glaube und Werk sondern Werk, so hat auch die Er-

scheinung und Gabe Christi nur eine Folge: nicht Werk oder

Werk und Glaube , sondern Hören , was er thut und gibt ,

Trauen auf das ,


was er ist und schafft ,
Glaube allein.

Die göttliche Begründung dieses Gegensatzes macht ihn für


den Menschen unaaf hebbar. Entweder Glaube oder Werk einen ,
DIE ANTITHESE ZWISCHEN GLAUBE ÜNT) GESETZ. 32 1

dritten Weg gibt Gemeinde nickt, entweder stellt


es für die

sie sich in den Bereich der Wirksamkeit Christi oder dann

steht sie unter dem Gesetz, ob sie es hält oder nicht. Eben-
sowenig steht eine Kombination beider in ihrer Willkür. Pau-
lus hat den Gemeinden ,
welche geneigt waren um des Gesetzes

willen die Beschneidung zu übernehmen, erklärt, damit haben


sie ihr Verhältniss zu Christus ganz gelöst und an das Gesetz sich

ganz verpflichtet ,
Gal. 5 ,
2 ff , gesetzt auch ihr eigner Wille

ginge nur darauf, einiges aus dem Gesetz sich anzueignen


und unterstützend ihrem Verhältniss zu Christus hinzuzufügen.
Solch halbe Anerkennung des Gesetzes scheitert am göttlich

gegebnen Bestand desselben. Wer sich dem Werke zuwendet,


hat im Gesetz die Weisung, die ihm bestimmt, was er zu
wirken hat ,
und nur in der Erfüllung des ganzen Gesetzes steht

der Wirkende am Ziel. Ebensowenig entspricht der Stellung


Christi eine halbe, eingeschränkte Anerkennung. In seiner

Christusherrlichkeit fasst ihn nur der, der bei ihm allein alles sucht.

Der Sinn dieser Antithese wird völlig missverstanden, wenn


ihr als Motiv Geringschätzung des Werks an sich, Abwendung
vom thätigen Leben unterlegt wird. Die Basis, auf die der

ßömerbrief die alleinige Geltung des Glaubens stellt, besteht

darin, dass Paulus alle Kenntniss Gottes und seines Gesetzes


und jede Zuversicht zu ihm als völlig werthlos ,
null und nichtig
hinstellt ohne das Werk ,
welches den Willen Gottes thut, Rom. 2.

Der Jude besitzt im Gesetz alles ,


was er in seinem Verhältniss
zu Gott bedarf, wenn er nur thut, was das Gesetz ihm sagt;

ja Paulus dehnt diesen Satz ohne allen Vorbehalt auch auf


den Heiden aus im Blick auf diejenige Kenntoiss des Gesetzes,
die auch er besitzt die Vorhaut wird als Beschneidung gelten
:
,

wenn sie die Rechte des Gesetzes hält, Rom. S, 26; denn die

Norm des göttlichen Richtens lautet: jedem der das Gute wir-

ket^ Lob! 2, 10. Das ist die überraschend einfache, aber gross

gedachte Basis der Paulinischeu Glaubenspredigt : es handelt


S22 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Till.

sicli um das Thun des Guten ,


es gibt keine Surrogate für
dasselbe, kein Mittel, durch das der Meuscb. Gottes Gunst und
Gabe sich verschaffen könnte, während er das Böse wirkt; diese
Einsicht ist für Paulus, so elementar sie ist, das völlig durch-

schlagende Motiv,' das jede andere Stellung zu Gott als Glau-


ben unmöglich macht; aus ihm und nur aus ihm entspringt
die Glaubens Willigkeit. Damit ist dem Werk ausdrücklich die

Hauptstelle im Leben zugewiesen und das Geschick des Men-


schen ist von ihm bedingt. Die Pauhnische Predigt ist so lange
unverstanden ,
als das göttliche Grundgesetz ,
das den Eckstein
derselben bildet: Lob jedem, der das Gute wirkt, mit ihr un-

vereinbar scheint.
Die zweite Besprechung des Gesetzes im Römerbrief, welche
die Unfruchtbarkeit desselben nach ihrem Innern Grund beleuch-
tet, Rom. 7, endigt auf demselben Punkt. Das Gesetz gibt

Grosses, vernünftige Einsicht in das Gute, ja mehr als Ein-


sicht ,
innere Zustimmung , Verlangen und Begehren nach dem-
selben, es schafft einen Dienst Gottes in der Vernunft des

Menschen, 7, 25; aber das Wirken und Vollbringen des Guten


fehlt. Wenn jene Einsicht praktisch bethätigt und jene Billi-

gung in den Thatbestand des Lebens übergeführt werden soll,

so zeigt sich Unvermögen und Gebundenheit und das Handeln


setzt sich zum Wollen in Gegensatz. Im Blick auf den Man-
gel des Werks beruhigt sich aber Paulus an jener vernünftigen
Einsicht und Freude am Gesetze keineswegs; wer das Voll-
bringen des Guten nicht hat, ist ein elender Mensch; denn
alle Billigung des Gebots ist nichtig und werthlos, wenn es

nicht zur faktischen Erfüllung desselben kömmt. Aber auch


in der Sphäre der christlichen Frömmigkeit stellt Paulus, 1 Kor.
1 3 ,
den Ideen- und den Thatgehalt des Lebens in dasselbe Ver-
hältniss zu einander, wie er es Rom. ,2 und 7 in Bezug auf
das Gesetz normirt. Alle nach innen gewandte Geistes Wirkung,

alle Erkenntniss, allen Glauben erklärt er für nichts ohne die


DIE ANTITHESE ZWISCHEN GLÄ.XJBE UND GESETZ. 323

Liebe, und sie fasst er mcht abgewandt vom thätigen Leben


als bescbauliche Versenkung in Gott, sondern sehr nüchtern
als dienende helfende Arbeit; sie wirkt. Das Motiv zur Pauli-
nischen Antithese zwischen G-laube und Werk ist somit nicht

Abwendung vom Werk an sich umgekehrt ein starkes unge- ;

theiltes Verlangen nach dem Werke ist ihr Grund.

Es ist darum ein Missgriff, wenn man in den Begriff » Werk"

einen ethischen Defekt hineinexegesirt ,


entweder so dass man
dem Werk den Nebenbegriff des Aeusserlichen gibt ,
da der
nach dem Gesetz Wirkende Gott nur das äussere Resultat und

Ergebniss Wirkens darbiete, während Gesinnung und


seines

Wille davon abgesondert sei, oder so dass man im Werk et-


was selbstisches sucht Hervordrängen des menschlichen Ichs
,
ein

in eitler Selbstüberhebung. Tausend und tausend Werke des


Gesetzes mögen sinn- und willenlos nur in Anbequemung an
den Buchstaben des Gebots zu Stande kommen oder von Eitel-
keit und falschem Selbstruhm durchsäuert sein. Paulus wusste
das sehr wohl. Aber von all dem enthält der Begriff »Werk"
nichts. Er nennt lediglich das ,
was das Gesetz wirklich fordert ,

die Aufgabe ,
die es stellt ,
in ihrer ganzen Grösse ;
Gedanken ,

Wünsche Entschlüsse alles was nur dem Innenleben angehört


, , ,

ergibt noch nicht Erfüllung des Gesetzes, dieses begehrt die

vollbrachte That: aoiTsp^oc^saSfxi. Im ganzen negativen Theil

des Römerbriefs 1 —
3 hält Paulus dem Juden nur ein einziges

Argument entgegen, diess dass ihm die guten Werke fehlen;


er steht mit dem Heiden im selben Elend unter demselben

göttlichen Zorn, weil er wie jener das Böse thut, 2, 1. Unselig


ist der Mensch nicht darum ,
weil er das Vollbringen anstrebt,

das soll er, sondern weil er nicht zum Vollbringen gelangt ,

Rom. 7, und der Fluch des Gesetzes gilt nicht dem der thut,

sonderm dem der das Wirken unterlässt, und sein Fluch ist

Gottes Gericht, Gal. 3, 10. 12. Darin manifestirt sich wieder

die Grösse des Paulinischen Gedankens, dass er von allem was


324 DEE GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAiP. VIII.

den Werken des Gesetzes entstellendes anhaften mag, absieht


und ihnen nicht vorhält, dass es doch nur Scheinwerke seien.
Er selbst hat einst Gott gedient am Gesetz, nicht in gesin-

nungsloser Legalität, sondern so dass sein ganzer Sinn und


Wille in seinem Werke lag ,
und nicht in aufgeblähter Eitelkeit ,

sondern so dass er Gott Ehre geben wollte. Er hat wie Jesus


auch zugesehn am Opferkasten, wie sie einlegten, oft genug

geschah's mit gedankenloser Aeusserlichkeit oder in korrupter


Eitelkeit, aber dazwischen hinein kam die Wittwe, die ihr
letztes Scherflein einlegte gehorsam dem Gebot und Gott zur
Ehre, ein »Werk des Gesetzes", aber nichts ethisch defektes. Er
nimmt den Gesetzesdienst so rein, so aufrichtig, so ernst als

er nur gefasst werden mag, und in dieser Form und nicht


nur in entstellter verdorbner Gestalt stellt er ihn dem Glauben

gegenüber als dessen Gegensatz.


Ebenso wenig liegt das Motiv der Paulinischen Antithese in
innerem Widerspruch und Kampf gegen das Gesetz. Dasselbe ist für
Paulus ohne Abzug und Hintergedanken voll und ganz Gottes
Gesetz. Mit der Insinuation, Paulus trage eine gegen das Gesetz

gerichtete Tendenz in sich, er betrachte es als mangelhaft, so


dass Tadel und Polemik gegen dasselbe statthaft sei ,
hat man
die Darstellung des Paulinismus schlimm verwirrt. Bei dieser

Voraussetzung scheitern Sinn und Verstand der Paulinischen Briefe


unheilbar an der Absurdität, dass etwas getadelt und bekämpft

würde, was doch gleichzeitig nach Form und Inhalt unbedingt


als göttlich respektirt wird. Auch die schärfsten Worte über das
Gesetz, dass es ein Dienst der Verdammung, die Kraft der

Sünde ,
ein tödtender Buchstabe ,
der Uebertretungen
wegen ge-
geben sei, sind nicht als Vorwurf wider das Gesetz gedacht,
denn gerade solche Aussagen ruhen in der Voraussetzung, dass
das Gesetz Gottes Gesetz ist, darum hat es die Kraft zu ver-

dammen, Zorn zu wirken und zu tödten. Paulus sucht im Ge-

setz keine helfende, errettende Macht, es ist eine richterliche


DIB ANTITHESE ZWISCHEN" GLAUBE UND GESETZ. 325

Erweisung G-ottes wider die Sünde, aber anter diese beugt er


sich, voll und ganz ; er empfindet es als Last und Noth ,
aber
hadert über dieselbe nicht mit Gott. Das Gebot ist beilig, ge-
recht und gut und auch der Dienst der Verdammung bat
Herrlichkeit, wenn sich auch nicht die ganze bleibende Herr-
lichkeit Gottes in ihm ofiFenbart, ßöm. 7, 12. 2 Kor. 3, 7 fiP.

Da deckt sich der Glaubensakt des Apostels auf in seinem

Realbestand, freilich zunächst nur nach seiner negativen Seite,


wie sieb denn von vornherein nichts anderes erwarten lässt ,
als

dass der Glaubensbegrilf des Paulus in seinem eignen glauben-

dem Verhalten ruht als in seinem Princip ,


das alle seine

lehrhaften Aussagen über den Glauben gestaltet und regirt,


er spricht vom Glauben so wie er von ihm spricht darum weil ,

er glaubt ^). So bejabt er auch das Gesetz nacb seinem Inhalt


und Recht und in seinen Wirkungen so schmerzlich und leben- ,

zerstörend sie für den Menschen sind, unbedingt. Er hat dess-

halb dem Gesetz gegenüber ein völlig beruhigtes Bewusstsein,


seine Stellung ist demselben konform ,
er anerkeunt und handhabt
es nach dem ihm göttlich gegebnenl Wesen Zweck und Werth. ,

Man verwirrt darum den Paulinischen Gedanken, wenn man


in der Zugehörigkeit der Werke zum Gesetz einen Makel der-
selben sucht; nein, dass die Werke dem G-esetz zugeeignet sind

als von ihm befohlnen und seinetwegen vollbrachten, er-


die

gibt ihren Werth vor Gott; in seinem Ansehluss an das Ge-


setz steht das menschliche Wirken so voll und ganz menschlich
,

es ist, doch noch mit Gott in Zusammenhang und hier ist


darum ihm Rechtfertigung und Lohn erwächst.
die Stelle , aus der

Auf die Frage, warum Paulus im Blick auf die Rechtfertigung


nur von den Werken des Gesetzes spreche, ist die Antwort

1) Viele exegetische Missgriffe rühren daher, dass man sich anwillkürlich Paulus
seihst Verhalten zweifelnd, vertrauensleer, in Streit und Zwiespalt
in seinem eignen

mit Gott, mit einem Wort ungläuhig denkt. Aus einem ungläuhigem Innenleben ab-
geleitet zerfallen seine Aussagen über den Glauben nothwendig in Konfusion und
Disharmonie.
326 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Till.

einfach den G-edanken hat Paulus nicht der Erörterung


die:

werth gehalten dass auch ein anderes Werk


, welches Gott ,

nicht als gut geordnet hat, yor ihm Werth haben könnte als

Gerechtigkeit. Will der Mensch die Gerechtigkeit wirken, so


kann es ihm nicht mehr fraglich sein ,
ob er nach dem Gesetz
wirken wolle oder nicht. Sind seine Werke nicht Werke des
Gesetzes ,
so wirkt er das Böse ,
das vom Gesetz verbotne und
verwehrte, und sein Werk ist üebertretung und Fall. Als Weg
zur und zum Empfang der göttlichen Güter
Rechtfertigung
kömmt kein andres Wirken in Betracht als das dem Gesetz
entsprechende. Zweifellos hat es seinen innern Grund, dass

Paulus dem Glauben in so fester Prägung die Formel: Werke


des Gesetzes entgegenstellt. Er scheidet einmal damit das grosse
Gebiet desjenigen Handelns, dessen Motive und Ziele in den
Naturverhältnissen des Lebens liegen ,
das den Verkehr mit der

Natur und den Menschen bildet, aus der Betrachtung ab. Zu

jenem rein natürlichen Handeln bildet der Glaube keinen Ge-


gensatz, beides gehört verschiednen Sphären des Lebens an,
in der Antithese Glaube oder Werk fallen beide Glieder in das

Verhältniss zu Gott; es handelt sich um dasjenige Wirken, das


göttliche Güter erstrebt und Stiftung und Erhaltung des Ver-
bands mit Gott bezweckt. Diese Bezogenheit des Wirkens auf
Gott kömmt dadurch zum Ausdruck, dass die Werke dem Ge-
setz zugeeignet sind. Sodann deutet sich in dieser Benennung
der Werke an dass es auch im Verhältniss zu Gott Handlun-
,

gen und Werke gibt, die nicht im Gegensatz zum Glauben


stehn weil sie aus dem Glauben selbst und nicht aus dem
,

Gesetz entstehn. Nur dasjenige Handeln ,


das im Gesetz Basis .

und Ziel hat und um des Gesetzes willen gethan wird, weil

dem Gesetz Genüge geschehen soll, steht dem Glauben anti-

thetisch entgegen. Insofern deutet allerdings diese Benennung


der Werke auf den Punkt hin, aus dem ihre Nichtigkeit

folgt, wie die entsprechende Bezeichnung des Glaubens: Glaube


DIE ANTITHESE ZWISCHEN GLAUBE UND GESETZ. 327

Christi , 7ri<TTit; ^/j/o-töl) ,


die Stelle nennt, aus der dem Glauben seine

Kraft und sein Besitz zufliesst, diess aber nicht in dem Sinn,
als läge in der Beziehung der Werke auf das Gesetz selbst ein
ethischer Makel, in ihr liegt vielmehr das göttliche Moment
an denselben und der Grund, der sie überhaupt dem Glauben
entgegeu stellt als ein andrer Weg zur Rechtfertigung.

Warum Glaube and Werk sich gegenseitig ausschliessen ,


er-

gibt sich unmittelbar aus der Weise, wie Paulus den Glau-
bensakt bestimmt. Wirken ist Kraft, der Glaube dagegen Ver-
zicht auf sich selbst. Der Wirkende genügt der Forderung
Gottes ,
er hat also ,
er besitzt er ist reich an göttlich werth-
,

vollem Leben; der Glaubende begehrt zu empfangen, er selbst


hat nicht ,
sondern ist arm. Doch der Glaube ist nicht nur Bitte

um eine sondern Bejahung der von Gott gegebnen


künftige,
Gabe: der Christus ist gekommen und der Glaubende hat ihn
erkannt. Glaube und Werk stehn also einander gegenüber wie

Gottes Gabe und eigner Erwerb, wie Gottes Schaffen und eig-
nes Vermögen, wie Gottes That und eigne That. Der Sinn der
Frage , ob Glaube oder Werk das Verhältniss zu Gott bestimme ,

ist einfach der: ob Gott oder der Mensch der wirkende sein
soll. Darum steht dieser Gegensatz für Paulus über aller Erör-

terung und Beweisbedürftigkeit. Wie ja und nein verhalten


sich die beiden innern Richtungen zu einander, keiner Verbin-
dung und Zusammenfügung fähig, nach der einen Seite wie

die Hülfsbedürftigkeit zu der sich selbst genügenden Kraft ,


wie
die Abhängigkeit, welche die Gabe sucht, zu der Selbstständig-

keit, die für sich selber sorgt, nach der andern Seite wie der

Besitz der göttlichen Güter zu dem Mangel derselben, der sie


erst sucht und erstrebt, wie die Gewissheit des Reichs zu der

Üngewissheit ,
die erst künftig seiner gewiss zu werden hofft,
wie der Ruhm an Gott zu der Furcht vor ihm.
Die antipaulinischen Tendenzen vertraten keineswegs die

Rechtfertigung aus Werken in der Weise, wie Paulus diesen


328 1)EE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Begriff bestimmt. Dieser absolute Verzicbt auf alle Hülfs- und


Ersatzmittel, welche den Defekt des eignen Handelns ergänzen
und decken, lag in keines Juden Sinn. In der Synagoge stellte

man die Zu versiebt zum Gesetz auf das Vorrecht Israels und
die Abrabamskindscbaf t ,
der christlicbe Judaist stellte sie auf
seinen Anschluss an den Christus. Beide versuchen eine Addi-
tion von Glaube und Werk, eine gegenseitige Ergänzung des
einen aus dem andern. Diese Antithese: Glaube oder Werk ist

die scharfe Spitze, die Paulus gegen den Judaismus kehrt, und
v^rird von diesem nicht im mindesten getheilt. und doch behan-
delt er dieselbe als unmittelbar gegeben; er entfaltet ihre bei-

den Glieder, er zeigt, vs^as das Werk sein muss und wozu es

führt, und was der Glaube ist und gibt, -aber jenes ent-

weder — oder zwischen beiden legt er ,


wie er es selbst in

seiner Seele trägt, unmittelbar auch in die seiner Leser und

Gegner hinein. Er behandelt damit die These der Gegner von


vornherein als undenkbar und in ihrer Unmöglichkeit auch
ihnen selbst durchsichtig. Auch für sie gibt es nur eine Wahl
zwischen Glauben und Wirken wie für ihn selbst. Der Wir-
kende weiss, dass er nicht Gott glaubt, sondern mit seiner
Zuversicht an sich selber haftet. Er kann die Gabe Gottes nicht
als ihm gegebene bejahn, denn im Streben sie erst zu erwer-
ben und in der Furcht sie möchte ihm entgehn, macht er sich
an 's Werk. Wiederum brach im Glaubenden mit intensiver

Klarheit, die das Innerste seines Ichs beleuchtet, das Bewusst-


sein auf, dass er nicht so gehandelt hat ,
dass Gerechtigkeit daraus

entstand ,
dass er also nicht wirken kann. Aber er hat den
Christus erkannt und damit den Einblick gewonnen in die
Gabe Gottes ,
in ihren Reichthum ,
ihre Völligkeit ,
ihren abso-
luten Charakter, der keiner menschlichen Nachhülfe und Er-

gänzung bedarf, und das »Werk" versinkt. Darum behandelt


Paulus, so oft ihm zweifellos Sätze wie der entgegengehalten
wurden: »entrinnen werden die, welche Werke und Glauben
DEK VERZICHT AUF BIB GBRECBTIGKEIT. 329

an den Allmächtigen haben", die Zusammenfügung beider nie


auch nur als eine Möglichkeit, die der Erörterung bedürfte,
und diess in klarstem Durchblick durch den Thatbestand der

synagogalen Frömmigkeit ;
wie sehr ,
das zeigt das Geschick des

synagogalen Glaubensbegriffs.
Das Werk von Gottes Gesetz dem Menschen vorge-
isb die

zeichnete Gerechtigkeit folgt nun daraus , dass der Glaube


5 ,

über dem das Werk verschwindet, auch Verzieht auf die Ge-

rechtigkeit ist? Gewiss; eine andere Antwort hat Paulus nicht

gegeben. Der Glaube ist Verzicht auf die Gerechtigkeit, so-


fern Menschen eigene ist und aus seinem eignen Han-
sie des

deln erstehen soll, und damit doch kein Fall in die Ungerech-

tigkeit. Damit dass die menschliche Gerechtigkeit verneint ist,

ist nicht alle Gerechtigkeit negirt; gibt es eine Gerechtigkeit

des JVEenschen, so gibt es nicht minder eine Gerechtigkeib Got-

tes. Stellt der Mensch in eignem Handelu das ,


was in seinem
Verhältniss zu Gott gerecht ist, her, so ist er der gerechte

und es kam eine Gerechtigkeit zu Stande, welche die seinige


ist; stellt Gott durch göttliches Wirken das, was im Verhält-
niss des Menschen zu ihm gerecht ist, her, so hat sich Gott

als der Gerechte erwiesen und sme Gerechtigkeit offenbart.

Zwischen diesen beiden Wegen, wie Gerechtigkeit entstehen

kann, hat der Glaube die Entscheidung getroffen ,


er verzichtet

auf die menschliche Gerechtigkeit und verneint sie, doch nur


so dass er Gottes Gerechtigkeit anerkennt und bejaht. Auch
der nach dem Gesetz wirkende erwartet eine Erweisung göttli-
cher Gerechtigkeit ,
doch erst künftig ,
nachdem er selbst ge-

handelt und seine Gerechtigkeit gewirkt hat; nun erst tritt

der Moment
ein, wo
an Gottes Gerechtigkeit wendet,
er sich

dass sie die seinige rechtfertige. Aber die Gerechtigkeit Got-


tes ist nicht nur künftig, jetzt noch verborgen und unwirk-

sam : sie ist offenbar geworden ,


sie deckt sich ab im Evange-
lium, Rom. 3, 21. 1, 17. Der Christus starb und auferstand.
330 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Tod ist G-ericlit ,


uiclit Grnade und Grabe ,
zumal der Tod des
Christus. Als der im Fleische lebende wird er yon Gottes Gle-
ricbt getroffen, das nicht ihm selbst sondern denen gilt, zu
denen er »herausgesandt" ist, denen sein ganzes Leben und
Wirken, darum auch sein Sterben hingegeben ist. Es ergeht
somit im Tode Jesu die Verurtheilung E,öm. 8,8 wider — —
alles Fleisch ,
nicht als Wort oder Idee sondern als Gottes That ,
der seinen Sohn dahin gibt und damit alle unter das ürtheil
des Todes stellt. Gott hat hier als Richter gehandelt und zwar
als gerechter Richter, das Fleisch ist des Todes werth. Aber
der Gerichtsakt ist zugleich Gnadenakt. Der Tod Jesu ist der
Akt der Sühne ,
durch den Gott der Welt die Sünde nicht an-

rechnet, in dem er seine Liebe dem Menschen zuwendet, er

gibt ihm aus dem Tode den erhöhten und verherrlichten Chris-

tus ihm zum Erretter, in welchem er Geist, Leben und Reich


empfängt. So ist der Tod Jesu vollends Offenbarung der Ge-
rechtigkeit, und zwar der Gerechtigkeit Gottes allein , ^tKaioa-vvvi

Srscv. Was der Mensch bisher von Gott erfuhr, das war Zorn
und Geduld, vgl. Rom. 1, 18 mit 17, und 3, 25. 26. Hier ist

mehr als Zorn. Der Zorn gestaltet die Sünde aus zu ihren
zerstörenden Folgen, Rom, 1, 18 ff. 4, 15; er ist nicht un-
recht ,
vielmehr Handhabung des Rechts ,
doch noch nicht jene

Gerechtigkeit Gottes , die sich in Jesu Sterben offenbart. Er


richtet zwar die Sünde und zerstört das Böse , doch nicht so
dass der Mensch in ein Verhältniss zu Gott gelangte ,
das Ge-

rechtigkeit in sich hat, er verdirbt an Gottes Zorn. Gerech-

tigkeit ist aber auch mehr als Geduld ,


die dem Sündigenden
die Folgen der Sünde erspart und statt zu richten, vergibt;
auch sie ist nicht Unrecht, denn sie ist Güte, aber auch sie

ist noch nicht Gottes ganze Gerechtigkeit denn das Fleisch


volle ,

bleibt lebend und das Böse wird nicht dahingegeben in den

Tod. Im Tode Jesu steht der Mensch vor einer That Gottes,
die Zorn und Gnade in ungeschiedner Einheit wirksam in sich
DEE VERZICHT AUF DIE GBEEGHTIGKBIT. 331

hat, welclie Fluch ist wider den Sünder und Segen für den
Sünder zugleich Gal. 3 13. 14 in der das Fleisch Verurtheilung
, , ,

erfährt doch nicht so dass der Mensch verdirbt und der Mensch
, ,

göttlich geliebt und begabt wird ,


doch nicht so dass die Sünde

ungerichtet bleibt. Hier ist beides zugleich zur vollen Wahrheit


und Wirksamkeit gelangt: der Gegensatz Gottes wider den
Sünder und der Liebesverband Gottes mit dem Sünder; hier
hat die Welt erfahren, was es heisst: Gott ist gerecht. Der
Glaubende bejaht Gottes Gerechtigkeit, er gibt es auf, eine

eigene zu suchen, aber er sieht diejenige ^Gottes ,


wie sie Gott
in Jesu Sterben als ein offenbares Faktum vor ihn hingestellt

hat, er preist sie und das ist ein gerechter Akt. Das ist die

kühne Paradoxie der Paulinischen Predigt: durch Verzicht auf


die Gerechtigkeit führt sie in die Gerechtigkeit, nämlich durch

Preisgabe der menschlichen in die Bejahung der göttlichen Ge-


rechtigkeit und der Akt ,
der diese Wendung vollzieht ,
und
das Streben nach einer eignen Gerechtigkeit still stellt und
dafür erkennt und erfasst: Gott ist gerecht, das ist der Glaube.

Zum Werk und zum Glauben ist der Mensch von Gott auf-

gerufen im Gesetz und im Christus ,


doch nicht so ,
als wäre
beides einander koordinirt und gleichwerthig ,
als würden beide
Wege Rechtfertigung erreichen. Das eine Glied der Antithese :

Gesetz ,
Werk , eigne Gerechtigkeit , erweist sich als hülf- kraft-

und werthlos und das andre Glied: Christus, Glaube, Gottes

Gerechtigkeit allein als Gut und Kraft, sowie der Thatbestand


des menschlichen und göttlichen Handelns in seiner Wahrheit
zur Erkenntniss gelangt. Das ist die eigenthümliche Kraft der
Paulinischen Lehrbriefe, dass ihre anthropologische und chris-

tologische Betrachtung eine genaue Parallele bildeu. Der Ge-


dankengang hat einen doppelten Ausgangspunkt im Menschen
und im Christus ,
doch von beiden Punkten her treffen die

Linien in einem Ziel zusammen ,


so dass am Christus der
Mensch und am Menschen der Christus zur Erkenntniss kömmt.
332 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIIT.

Die Entscheidung zwischen Werk und Glaube liegt in der

Frage: thut der Mensch wirklich das Gesetz? Es ist eine Illu-

sion — ^p6V(rfiix Rom. 3, 7 — wenn sich der Mensch, so wie


er sich thatsächlich verhält, einer eignen Gerechtigkeit fähig
dünkt ,
wenn er sich einbildet ,
das nach dem Gesetz über ihn

zu fällende ürtheil sei noch offen und die Möglichkeit durch


dasselbe Rechtfertigung zu erlangen, noch vorhanden. Als das

Gesetz vor den Menschen trat, erwachte an demselben die Be-

gier und damals starb der Mensch vom Gesetz verurtheilt und
dem Tod anheimgegeben, Rom. 7, 10. Der Wirkende hofft

noch Rechtfertigung, während er längst schon verurtheilt ist;

er sclireibt sich die Kraft zum Werke zu und ist schon längst
todt , durch dasselbe Gesetz todt ,
von dem er noch Leben hofft.

An diesem Selbstwiderspruch verzehrt sich das Wirken. Darum


erhält die auf das Gesetz gestellte Hoffnung sofort eine unsitt-
liche Richtung und nöthigt zu laxer ßeurtheüung des Bösen;
angesichts der Uebertretung des Gesetzes bedarf sie als wesent-
liches Moment ihres Bestehns die Hoffnung auf göttliche Pro-
sopolepsie, auf Willkürakte göttlicher Gunst: »ich werde ent-
rinnen!" auf eine Güte, die nicht auf Sinnesänderung zielt,

Rom. 2, 1 ff. Der Weg der Werke führt also sofort in Kon-
flikt mit der Gerechtigkeit Gottes, er bedarf den Gedanken:
Gott werde sich ungerecht finden lassen in Partheilichkeit.

Allerdings sind dem Menschen Werke des Gesetzes möglich;

denn das einzelne Gebot ist für sich allein nicht unerfüllbar,

aber die Rechtsordnung des Gesetzes normirt nicht nur ein-

zelne Momente des Lebens., sie zielt auf eine durchgreifende

Beseitigung der Begier, wie sie konstant in Besitz und Gut


des Nächsten übergreift. Aber die Begier ist auch ihrerseits

gehalten und getragen von einem Gesetz ,


das in der natürlich

leiblichen Organisation des Menschen und darum bringt


lebt

es das Gesetz, auch da wo es seinen höchsten Erfolg im Men-

schen erreicht und seine Vernunft sich unterthan macht, doch


DIE UKpIhIGKEIT ZUM wiekSn. 333

nur zu einem konstanten Zwiespalt in demselben, so dass in


seinem Begehren Gesetz wider Gesetz steht und zwar fällt ,

demjenigen Gesetz ,
das in seinem Leibe ,
so wie ihn ASünde
und Tod gestaltet haben ,
wirksam ist ,
die Obmacht zu ,
es

beherrscht das Handeln und drängt die Unterwerfung unter


das geistartige Gesetz in das Innenleben zurück, in die Sphäre
der irrealen Idee, des effektlosen Wünschens und WoUens;
faktisch bleibt der Mensch, so sehr er mit seiner Vernunft
dem Gesetze sich angeschlossen haben mag, so gewiss er auch
Werke des Gesetzes zu Stande bringt, dennoch der begehrliche.

Verzichtet der Glaubende auf eigne Gerechtigkeit, so gibt er


nur ein unwahres Scheingebilde preis; kehrt er sich vom Werk
ab ,
so unterlässt er was er nicht vermag lässt er das Gesetz
, ;

fahren, so gibt er auf, was er nicht erfüllen kann, was ihn


längst schon verurtheilt hat, woran er nur Gottes Zorn und
damit Tod gewinnen kann. Nicht dem gesetzestreuen
den
Menschen wird gesagt: glaube und gib das Gesetz auf, son-
dern dem, der das Gesetz längst schon von sich wies mit dem
ersten Aufwachen der verbotnen Begier ;
nicht dem Starken wird
zugemuthet, dass er auf das Wirken verzichte, sondern das

Unvermögen im Glauben eingestanden wird ist dem Men-


,
das ,

schen reell eigen und wesenhaft in ihm begründet darum durch ,

kein Wirken überwindbar. Zur Abwendung von der eignen und


zur Anerkennung der göttlichen Gerechtigkeit wird derjenige
aufgerufen der von eigner Gerechtigkeit nur dadurch sprechen
,

kann, dass er die göttliche negirt, und Erwartungen an Gott


stellt, die sich nicht erfüllen können, es sei denn Gott werde
ungerecht. Darin liegt das Recht des Glaubens ,
aber auch seine
Unerlässlichkeit ,
dass er die Wirklichkeit des menschlichen
Wesens unverhüllt zum Ausdruck bringt; er entsteht durch

Offenbarung der Wahrheit am Bewusstsein ,


2 Kor. 4 ,
2 ,
als

Trhrig tkKvi^sioig ^
2 Thess. 2, 12.

Ebenso erweist sich das Werk an der Brkenntniss Christi


334 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

als niclitig. Angesiclits des gestorbnen Christus gibt es für

Paulus nur ein ürtbeil; dass weaü einer für alle starb folglich ,

allestarben, 5, 2 Das göttliche ürtheil, das Jesu


Kor. 15.

Tod in sich enthält, umfasst mit ihm alle, und stellt alle in
dieselbe Todes Würdigkeit hinein; wer lebt noch vor Gott , nach-
dem der Christus starb? Der Wirkende beurtheilt aber sich

selbst nicht als vor Gott todt^ er will leben, er negirt das
ürtheil Gottes, wie es ihm das Kreuz Christi sichtbar macht,
erklärt ein anderes ürtheil für erreichbar und macht damit
Jesu Kreuz grundlos und leer, 1 Kor. 1, 17. Gal. 2, 21. und
da er das Kreuz nicht beseitigen kann ,
so ist die Folge die ,

dass er sich ihm


ärgert und Feind des Kreuzes Christi
an
wird. Verkennt der Mensch, indem er sich nach dem Gesetz

wirkend verhält, sein eignes Wesen, so wird er sich auch


nicht in die Gestalt Christi finden, denn diese ist durch den
Thatbestand des menschlichen Lebens bedingt und stellt den-
selben nach seinem Werth vor Gott in's Licht. Dem illusori-

schen Menschheitsbegriff entspricht das illusorische Christusbild


und auf Grund desselben die Verneinung und Bekämpfung des
erschienenen Christus, So kömmt der Wirkende, weil dasselbe

ürtheil, welches das Gesetz über ihn enthält, ihm auch am


Christus entgegentritt und er es hier wie dort verneint, nicht
nur mit dem Gesetz sondern auch mit Christus in Widerstreit.

Er wird auch an dieser Stelle fortgetrieben zur Leugnung der


Gerechtigkeit Gottes, und dem Streben, welches zunächst ein

Jagen nach dem Gesetz der Gerechtigkeit war , wird Christus ,

weil dasselbe nicht aus Glauben sondern als aus Werken des Ge-

setzes bethätigt wird ,


zum Stein des Anstosses ,
an dem der Fall

geschieht, Rom. 9, 31. Aus dem Kreuze Christi lässt sich keine

andere Folgerung ziehn als Glaube mit seinem Verzicht auf


Werk, Gesetz und Gerechtigkeit. Gott hat den Menschen da-
mit thatsächlich als ungerecht hingestellt, es bleibt ihm nichts
übrig als das zu bejahn.
DIE UISPÄHIGKEIT ZUM WIRKEN. 335

Mit dem Tode Jesu hat die vom Gesetz ausgesprochene Yer-

urtheilung des Menschen ihre Bethätigung und Durchführung

erlangt ,
Eöm. 8 ,3, und damit das Gesetz selbst sein Ende ge-

funden, Rom. 10, 4 vgl. Kol. 2, 14 Die Lösung vom Gesetz,


wie sie im Glauben enthalten ist, ist somit göttlich gewollt
und begründet, und nicht ein eigenmächtiger Riss des Men-
schen durch ein Band, in das ihn Gott gebunden hat. In dem
Bewusstsein ,
dass das Gesetz unerfüllbar und in seinem Resul-
tat ein Dienst der
Verurtheilung sei, wäre dem Glaubenden
das Recht noch nicht gegeben sich vom Gesetz abzuwenden , ,

sofern das Gesetz als von Gott gegeben nur göttlich, nicht

menschlich beseitigt werden kann ,


welches auch die Resultate
seien ,
die sich aus dem Gesetzesdienst ergeben. Nun aber nach-
dem Christus das Ziel des Gesetzes voll in sich
aufgenommen
hat und in wirksamer Kraft durchführt, was das Gesetz wohl
als Ziel vor sich hatte, aber nicht realisirte ,
hat dasselbe seine

göttliche Abrogation erlangt ,


und die Folge ,
welche der Mensch
hieraus zu ziehen hat, kann nur die sein, dass er das Ende
desselben in Christus dankbar anerkennt. Bindet er sich auch

jetzt noch an dasselbe, so hat es allerdings wieder seine volle

Gültigkeit für ihn, doch nur darum weil er selbst unter dem
Gesetz sein will, Gal. 4, 21, und dieser Wille verneint den
Willen Gottes ,
der ihn nicht mehr unter das Gesetz stellt ,
son-
dern ihm Christus gegeben hat. Auch dasjenige Moment im
Wirken, welches abgesehen von Christus seine göttlich gerechte

Seite ausmacht, wird gegen Christus festgehalten widergöttlich.


Der Wirkende gegen Gottes und damit auch
richtet das Gesetz

gegen des Gesetzes eignen Sinn und Willen auf.


Es entspricht diesem Gedankengang, dass Paulus den Glau-
bensmangel nicht nur ov 'ttkttsvsiv sondern dTncTTslv /zTriaTix zu
nennen pflegt. Bleibt der Glaube aus, so tritt an seine Stelle

eine mannigfaltige und energische Aktivität, die sich gegensätz-


lich gegen Gott und Christus bethätigt, vgl. 2 Thess. 2, 11,
$36 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIH.

Solcher Unglaube kann sehr wohl durch religiöse Motive und


Formen sich YoUziehn, so in Israel, dessen Eifer für Gott und
das Gf-esetz es zum Unglauben führt ,
Eöm. 10 ,
2 ,
so auch in
der Q-emeinde selbst in denen ,
welche das Evangelium verdeckt
nennen und über dasselbe in ein höheres Licht hinausstreben,
2 Kor. 4, 4. Hier wie dort ist es aber eine Religiosität, die

aus der von Gott dem Menschen gewiesnen Stellung herausge-


treten ist und eiuen Bruch mit der Wahrheit in sich schliesst.

Israels Eifer für Gott ist erkenntnisslos, Rom. 10, 3 vgl. 1 Tim.
1 ,
13 ,
in einer grossen Selbsttäuschung, und darum kömmt auch
sein Wille in Konflikt mit Gott: rj? '^iKcx.ioawj^ rov ^sov oöx

Jene Ungläubigen
vTTSTxyiia-civ. in der Gemeinde haben geblen-

dete Gedanken vo'iißXTiz


— — die unfähig sind die Botschaft
von der Herrlichkeit Christi sich anzueignen. Ihr Bedürfniss
nach einer fremdartigen über das apostolische Wort hinausgrei-
fenden Weisheit beruht in derVerkennung der Erscheinung
Christi, die ihnen arm und werthlos erscheint. In solch illu-
sorischem Menschheits- Gottes- und Christusbild, das die glau-
bende Anerkennung Christi und Gottes verwehrt, thut sich für
Paulus ein Zusammenhang des Unglaubens mit der jenseitigen
Geisterwelt kund. Wie es der wahrhaftige Gott ist welcher ,

spricht, es werde Licht! so ist es der Gott dieses Aeons, der

die vernünftige Thätigkeit des Menschen zu finstern, lichtlosen


Resultaten führt ,
ob welchen die Wahrnehmung der Herrlich-

keit Gottes im Angesicht unmöglich wird, 2 Kor. 4 4 f.


Christi ,

Somit führt der Weg der Gesetzeswerke, ob auch das Gesetz

Gottes Gebote gibt und die von ihm vorgezeichneten Werke


das Gute und Gerechte sind ,
doch in einen allseitigen Wider-
streit mit Gott : der Wirkende kennt sich selbst nicht, bestreitet

das Urtheil des Gesetzes, verkennt seinen Zweck, sieht nicht,

dass es ein Ende hat, kämpft gegen den Christus, negirt sein
Sterben und sein Leben ,
tastet Gottes Gerechtigkeit und Herr-
lichkeit an, sein Verhalten ist Ungerechtigkeit
— a5;x/(X Rom.
DIE RECHTFERTIGUNG. 337

3,5, Lüge — ^sv(T^» Rom. 3,7, und in den Illusionen, in

denen er sich bewegt ,


offenbart sich schliesslich statt eines gött-

lichen ein satanisches Moment.


Der Glaube ist dagegen Gehorsam. Neben oiicovj TrifTrsag prägt
Paulus auch VTroiKovi Tri^rsag ,
Köm. 1,5. 16, 26'). Das Hö-
ren auf Gott führt unmittelbar zur Unterordnung unter ihn,
womit der Glaube zu einem Akt des Gehorsams wird , vgl. vttotx-

yvivoci Rom. 10, 3. Nicht als wäre das Wort Christi, das der
Glaubende hört, ein Gesetz, es verkündigt ihm vielmehr die
Gabe Gottes , aber auch so spricht es seinen annehmenden Wil-
len an und diess um so mehr, weil es nicht nur Gottes Grosse
und Güte ,
sondern auch des Menschen Nichtigkeit und Sündig-
keit offenbart. Im Glauben fügt sich der Mensch in Gottes

Werk, und tritt bewusst und wollend in die Stellung ein, die
Gott ihm bereitet hat; das gibt ihm den Charakter der Ge-
horsamsbethätigung.
Vor den Augen aller Welt hat Gott gerichtet, nicht nur

denkend oder redend, sondern handelnd, indem er Christus


sterben lässt, doch so dass der Gerichtsakt zugleich Gnaden-
akt ist. Da der eine für alle stirbt ,
wird sein Sterben für jene
zum Erlass der Sünde, Schuld und Strafe, zur Darbietung des
Christus als des Auferstandenen und in ihm des Reichs. Weil
der Gerichtsakt Gottes im Tode Jesu den Mensehen von Sünde
und Zorn löst, mehr noch, weil er ihn positiv zum Ziel sei-
ner Liebe macht und ihm alles^ gewährt was der Gerechtigkeit ,

verheissen ist , so ist Jesu Tod für ih Gerechtsprechung, ^/Ki»/W/$ ;

denn nicht als der verurtheilte und bestrafte sondern als der

freigesprochne und belohnte, also als gerecht erklärte und be-


handelte geht er aus Gottes Richten hervor, wie es in Jesu
Tod That und Faktum ist %
siehe Erl. 16.
1) Ueber vTdKoij Teitrrmc,

Der Bechtfertigungsbegriff hat dadurch nicht gewonnen, sondern ist nur


3)
dass sich in der traditionellen Exegese das recht-
schwieriger und dunkler geworden,
23
338 DBB, G-LATJBE IM TSTEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Der Glaubende sieht, dass er gerechtfertigt ist, er nimmt


den Lieheswillen Gottes, der sich ihm zuwendet, ohne ihm
selbst Sünde in Anrechnung zu bringen, als volle Wahrheit au
und auf, er bejaht, dass Gott ihn als gerecht hingestellt hat,
dass er also vor ihm aller Sünde und Verlorenheit ledig und
aller Güter ,
die der Gerechtigkeit zugeordnet sind , theilhaft ist ;

und weil er in Christus vor eine göttliche That gestellt ist,

die sich ihm als vollendete Gabe darbietet, so ist seine eigne
Aktivität an derselben in keiner andern Weise betheiligt als
so ,
dass er sie in ihrer Wahrheit und Wirklichkeit anerkennt.

Im Glauben hat das Urtheil Gottes diejenige Wirkung im Men-


schen erreicht , auf die es zielt ,
und sein Inhalt ,
seine Kraft und
Wirkung geht darum unmittelbar im Glauben über in des
McD sehen Besitz und Eigenthum: er ist als Glaubender von
seiner Sünde und ihrer Todesfolge los, er ist gerecht.
Ist das göttliche Richten zunächst Offenbarung der eignen

Gerechtigkeit Gottes, so geht diese nun auch über auf den


Menschen und wird des Menschen Eigenthum. In der Offenba-
rung seiner Gerechtigkeit behandelt Gott den Menschen als
gerecht, und die Wirkung und das Ergebniss derselben ist,

dass nicht nur Gott vor dem Glaubenden, sondern auch der
Glaubende vor Gott als der Gerechte steht; aber sie bleibt auch
als des Menschen Besitz voll und ganz Gerechtigkeit Gottes,
^iKixio<T6vyj ^£0v ,
denn sie ist rein und ganz Gottes Gabe und

That.
Indem Gott im Tode Jesu als Richter handelt, ist das Re-
sultat desselben Gerech bsprechung, 'Bixoiicctrtg; indem er als Vater

fertigende Handeln Gottes vom Tode Jesu abgelöst hat und in ein jenseitiges ver-
borgnes ForumGottes verlegt worden ist, wo es nun auf einen göttlichen Gedanken
reducirt ist, der dem Menschen nicht wahrnehmbar wird als That. Paulus schliesst
die Rechtfertigung unmittelbar mit Jesu Tod zusammen. Er verweist den Glaubenden

nicht auf einen jenseitigen, in Gott beschlossnen Gedanken, der nicht Gegenstand
menschlicher Gewissheit werden kann, sondern der Glaube hat sichtbaren faktischen
Inhalt und aus diesem fliesst ihm helle klare Gewissheit zu.
DIE EECHTFEETIGIJNG. 339

handelt, Einsetzung in die Sohnesstellung, vtoösala. Aehnlich ver-


halten sich Rechtfertigung und Versöhnung zu einander; jene

benennt das in Jesu Tod gegebene Gut, wenn in ihm die Of-

fenbarung der Gerechtigkeit Gottes hervorgehoben wird geht da- ;

gegen der Gedanke von der Bethätigung der Liebe Gottes aus die ,

der Mensch im Sterben Jesu erfährt, so benennt sich die Wir-

kung desselben als xxrotKh.ocyvj. Diess sind nicht zeitlich zu son-

dernde Akte, vielmehr wird Gottes Gerechtigkeitund Liebe,


Gottes Vater- und Eichterstellung in einer und derselben Gabe
von der Welt erfahren; eines ist im andern enthalten und
darum steht diess alles auch zum Glauben im selben Verhält-
niss: man ist im selben Glauben wie in die Gerechtigkeit so

auch in die Liebe Gottes versetzt und steht im selben Glauben


vor dem Richter als ein Gerechter und vor dem Vater als

ein Sohn.

Man schiebe doch nicht ein »gleichsam" in den Gedankendes


Apostels ein: der Glaubende betrachte sich »wie wenn" er ge-
recht wäre. Man zerstört damit den Paulinischen Gedanken in

seiner Wurzel, denn man zersetzt damit den Glaubensakt, in


dem derselbe ruht. Dieses »gleichsam" überträgt diejenigen
Eindrücke ,
die dem Bewusstsein um das eigne Wesen und Ver-
halten angehören ,
auf das Verhalten Gottes ;
es ist der Aus-
druck innerer Zerspaltung ,
ein Wort des ^iciKptvö/zsvo;. Handelt

es sich um sein eignes Sein und Wirken, so hält sich Paulus

weder für gleichsam gerecht, noch für gleichsam ungerecht, sondern


für ungerecht in voller Realität, für verurtheilt von Gott, für dahin-

gegeben in den Tod und zwar in den ewigen Tod. Den entgegenge-
setzten Charakter und Inhalt erhält sein Wesen und Geschick

jedoch durch das was Gott für ihn gethan hat und der Glau-
, ,

bensakt ,
welcher der göttlichen That entspricht besteht gerade ,

darin, dass er sich nicht nur gleichsam, sondern in absoluter

Realität gerecht weiss ,


und diess einfach darum ,
weil er sich

von Gott gerecht gesprochen weiss. Gott hat ihm seine Sündig-
340 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

keit nicht nur gleichsam vergeben und ihm nicht nur gleich-
sam alles geschenkt ,
was irgend ein Gerechter empfangen kann ,

sondern Sünde und Tod »sind ihm, dem Glaubenden, abgenom-


men, Leben und Reich ist ihm, dem Glaubenden, geschenkt von
Gott ,
also höchst real. Dass nun Gottes Urtheile für Paulus nicht
nur gleichsam Wirklichkeiten siad ,
sondern das allerrealste dass,

er, wenn sich ein Zwiespalt ergibt zwischen dem sichtbar ge-

genwärtigen Dinge und dem göttlichen Urtheil


Bestand der
über dieselben, den Schein und die Nichtigkeit in den Dingen
sucht und nicht in Gott, dass ihm Welt und Menschen in
Wahrheit so sind wie sie vor Gott sind, das gerade ist sein

Glaubensakt. Wenn er im Blick auf sich selbst nicht anders

urtheilen kann als: ich bin ungerecht und todt, so liegt hierin

lediglich die Nötbigung, ein Verhalten Gott gegenüber zu be-


thätigen, das den Charakter des Trauens hat. Durch einen an
Christus angeschlossnen Yertrauensakt fügt er zu jener Gewiss-
heit: ich bin ungerecht, die andre: ich bin gerecht, zu jenem
ürtheil: ich bin verloren, das andre: ich bin gerettet. Das
erste hat seine Wahrheit, in dem was er selber ist, und seine

Unwahrheit darin, dass was Gott ihm gab; das


es ignorirt,
zweite hat volle Wahrheit, denn was Gott dem Menschen gibt
und thut, bestimmt und gestaltet sein Wesen und Leben real,
wobei ihm nur insofern für die
Gegenwart eine Schranke ge-

setzt ist ,
als die Gabe Gottes in der irdisch-fleischlichen Le-
bensgestalt des Menschen noch nicht nach ihrem ganzen Inhalt
wirksam und offenbar wird ,
sondern diesen erst in der Zukunft
zur vollen Ausgestaltung bringt.
Wie der Glaubende in Rechtfertigung und Versöhnung in
den Besitz dessen tritt was Gottes richterliches und väterliches
,

Handeln in Jesu Tod ihm bereitet hat, ebenso findet auch

das, was im Kreuze Jesu Handeln und Erleben ist, sein Sterben
und Auferstehn, Fortwirkung im Glaubenden. Angesichts
seine

des Todes Jesu behauptet sich der Glaubende nicht mehr als
DIE GEMEINSCHAFT DES TODES JESU. 341

lebend, sondern er zieht jenen Sehluss aus dem Sterben des

einen auf den Tod aller. Paulus schaut nicht mit den Gedan-
ken auf das Kreuz, dass das Natürlich-menschliche zwar an
Jesus dem Tode verfallen sei, an ihm selbst aber in's Reich

eingehen werde ,
dass es von Gott an Jesus gerichtet ,
an ihm
selbst geschätzt und erhalten werde; nein, Jesu Tod ist sein

eigner Tod ,
zumal da in ihm das Fleisch in verbotnen Gelüsten
wirksam und gegen das Gesetz Gottes kämpft, Jesus aber
ist

von keiner Sünde wusste und also dem Tode nur dadurch un-
tergeben wird ,
dass er an die Stelle der Sünder trat. So kann
er nicht anders als auch sich mit ihm für gestorben achten :

ich bin mit Christus an den Pfahl gehängt, das ist im Blick
auf Jesu Tod das Glaubenswort. Auch hier hebt ein eingeschob-

nes »gleichsam" den Gedanken des Apostels auf, seine Theil-


nahme an Jesu Tod ist ihm nicht nur Bild und Gleichniss ,

sondern eine sehr ernste, folgenreiche Wirklichkeit. Sie beruht


ohne irgend ein gleichsam in der Tragweite, die der Tod Jesu
in Gottes und Jesu Wille und Absicht hat. Die in ihm ent-

haltene Verurtheilung gilt seinem eignen Fall, der Sühnwerth


desselben deckt seine eigne Sünde, die Beseitigung der fleisch-

lichen Lebensgestalt an Jesus zielt darauf, ihm selbst den


Fleischesleib auszuziehn ,
Kol. 2, 11. In der Gemeinschaft mit

Christus wird das Sterben, das an sich ein üebel und Gericht
ist ,
Gut und Gabe ;
nun
ist die Frage nach dem Erretter

aus dem Leibe Todes beantwortet. Im Kreuz, an dem


dieses

der Christus seinen Fleisches- und Todesleib dem Tode übergab ,

ist auch ihm die Befreiung aus demselben gegeben, und damit
die Aufhebung der naturhaften Nöthigung zur Sünde, die

Vernichtung des widergöttlichen Gesetzes in seinen Gliedern ,

die Lösung von der von Gott geschiednen Verbundenheit an


die Welt. Und es ist auch hier unmittelbar der Glaube das-

jenige, was die Theilnahme am Tode Jesu herstellt, weil


auch sie Gottes Gabe ist.
342 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Verhängt die Yerurtheilung Tod, so verleikt die Gereclit-

sprechung Leben, "Bixixlao-K; t^co^g ,


Rom 5, 18; der Gerechte
wird leben. Darum ist Christus von Gott nicht nur in den Tod
gegeben, sondern auch auferweckt und die Tragweite dieses
göttlichen Handelns reicht ebenso weit als diejenige des Ster-
bens Jesu. Es liegt auch hierin eine Gabe für alle, denn mit
dem himmlischen, in's wahrhaftige Leben erhobnen Dasein
Christi ist die Eealbedingung dafür gegeben, dass der Mensch
derselben Lebensgestaltung theilhaft wird ,
1 Kor. 15, 20 ff.

Es folgt darum aus der Auferstehung Jesu derselbe Schluss,

wie aus seinem Kreuze, dass einer für alle lebt, folglich alle

leben. Angesichts der Auferstehung Christi bejaht der Glau-

bende, dass Gott ihm das Leben gegeben hat; seine Gewiss-
heit: ich bin mit Jesus gekreuzigt, setzt sich in dem analogen
Worte fort: ich wurde mit ihm auferweckt, und auch hier ist

es nichts anderes als dei Glaube ,


der in den Besitz des Lebens

setzt, wesshalb ihn Paulus der Auferweckung als ihre Ursache


anschliessen kann: av op
xx) (rwi^y äp^yire ^/ä tyjq Trhrsaq,
Kol. 2, 12.

Tod und Auferstehung bilden diejenigen Momente wo Jesus ,

als der Christus der Welt bezeugt und offenbart ist, doch nicht

als wäre sein Verband mit dem Menschen auf jenen einen

Moment beschränkt, er tritt vielmehr mit ihm in eine blei-


bende Gemeinschaft. Des Glaubens Folge ist desshalb die, dass

Christus dem Menschen ein Sein in ihm gibt, shoii iv XpicT^,


Rom. 8 ,
1 ,
und sich ein Sein und Leben im Menschen, ^f; iv
sf^o) XpKTTog, Gal. 2, 20. Hier greift nun nicht mehr nur die

That, sondern auch das Wesen Christi bestimmend in sein

Verhältniss zum Menschen ein. Für ihn, der Gottes Bild und
Sohn' ist, ist Geist Wesensprädikat; stellt er den Menschen in

eine Verbindung mit sich selbst, welche ein Wohnen und Le-
ben Christi in ihm heissen darf, so ist der Mensch des Geis-

tes theilhaft geworden als seines Eigenthums, auch diess durch


DIE GEMEINSCHAFT DES LEBENS JESU. 343

Glauben, in dem das ganze Verhältniss zu Ciiristus begründet


ist. Das ist das Höchste, was der glaubenden Gemeinde zu
gegenwärtigem Besitze gegeben ist, und darum auch des Glau-
bens höchste Bewährung. Soll er in seiner ganzen Bedeutung
dargestellt werden, so wird gesagt: habt ihr nicht den Geist

empfangen aus dem Hören des Glaubens? Gal. 3, 2 ff. Damit


hat der Glaube eine Frucht und Wirkung erlangt, die schon

über ihn selbst hinausführt in eine neue höhere Gestaltung


des Verhältnisses zu Gott; damit ist eine Einwohnung Gottes
eingeleitet, die sich in einer Unmittelbarkeit vollzieht, die

nicht mehr nur durch den Vertrauensakt begründet und erhal-

ten wird.

Der Verzicht, der im Glauben liegt, verwandelt sich somit


nach seinem ganzen Umfang in Gewinn. Jener umfasst den

gesammten Lebensinhalt der Person das ihr gegebne Gesetz :


,

das von ihr vollbrachte Werk, ihre Gerechtigkeit, ihr Leben:


als dievon Gott in den Tod gegebne steht sie da und sie er-
kennt die Ursache dieses Todes in sich selbst, in ihrem eignen
Wesen und seinem Gegensatz wider Gott, von dem sie sich
nicht lösen kann, in ihrem Fleisch. Es ist eine Reduktion des

Menschen auf nichts, die ihm nur noch das eine möglich
macht Glaube Zuwendung zu dem, was Gott gethan hat aber
:
, ;

dadurch wird jener Verzicht in allen Beziehungen zum Gewinn.


Im selben Akt, durch den er sich mit allem was er nach dem
Gesetze wirkt, als verurtheilt wahrnimmt, ist er gerechtfertigt;

darin dass er sich als todt erkennt, ist er auferweckt und in's

Leben versetzt; indem er sich in seinem wesenhaften Gegen-


satz zu Gott, wie er in seinem Mangel an Geist begründet ist,

durchschaut, ist er in den Besitz des Geists gestellt und die-


ser die wirksame Kraft in ihm. Diese Fruchtbarkeit, welche
die Preisgabe der Gerechtigkeit zur Gerechtigkeit und die Ver-

neinung des Lebens zum Leben und den Mangel des Geists
zum Geistbesitz macht, liegt im Verzieht natürlich nicht an
244 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

sich, selbst, sondern dadurch dass in ihm zugleich die Zuwen-

dung zu Gott enthalten ist, welcher derselben den ganzen Le-


bensinhalt Christi zu eigen gibt. So ist der Glaubende in der
That , wie Paulus sehr bezeichnend sagt, der aus Glauben, o sk

Tr'KTTscäQ ^
sofern er mit seinem ganzen Sein aus Glauben heraus
entsteht. Der Glaube hat sich als Princip und Wurzel seiner

ganzen Existenz erwiesen.


Darum konnte Paulus, wenn das Gesetz, Deut. 30, 11 — 14,
von einem Gebot Gottes sprach, welches dem Menschen nahe
ist und nicht erst vom Himmel oder von jenseits des Meers her

geholt werden muss, sondern ein im' Herzen und Mund des

Menschen gegenwärtiges Wort ist, sagen: das ist die Glau-

bensgerechtiglieit. Sie ist diejenige Gerechtigkeit, die keiner

Himmel- noch. Hadesfahrt bedarf, Christus ist gekommen und


auferstanden, damit ist sie dem Menschen gegeben. Sie ist
diejenige Gerechtigkeit, welche in einem dem Menschen nahen
Worte besteht ,
nämlich im Worte des Glaubens — pvifix ttI-

a-rscci;
— welches ausspricht ,
dass Jesuskam und auferstand und
also der Herr ist, was des Glaubens Wort ist, darum weil es
dazu verkündigt wird, damit es Glauben wirke, und weil es da,

wo Glaube entsteht, gefasst und bekennend wiederholt wird.


Dieses Wort ist wie das Gesetz sagt im Herzen als Glaube
, ,

und im Munde als Bekenntniss und in diesem Glaubenswort


ist ganzem Bestände Ge-
die Gerechtigkeit erlangt zu vollem ,

rechtigkeit, Gebot die das


Gottes zur Erfüllung bringt. So ist
im Glauben realisirt, was das Gesetz über die Nähe des gött-
lichen Gebots und seine Einwohuung im Menschen sagt, Rom.
10, 6-10.
Wenn der Glaube in einer Totalität von Wirkungen zu Ge-
rechtigkeit und Leben fruchtbar wird, findet sich der Grund,
der ihm diese principielle Bedeutung verleiht, lediglich in Got-
tes Gnade : desshalb aus Glauben, damit nach Gnade ,
Rom. 4 ,

16. Er hat in keiner Weise den Charakter einer an der gött-


DIB GNADE. 345

liehen Gabe mitwirkenden Leistung, nicht einmal in der

Weise ,
dass doch wenigstens die Bitte und Erwartung vom
Menschen ausgienge als das erste und veranlassende Moment
für das göttliche Geben; dieses ist vielmehr schlechthin das

erste, anhebende Handeln und der Glaube erwartet die Gabe,


weil sie ihm in Christus dargeboten ist ,
nicht aber wird sie

ihm dargeboten, weil er sie erwartet hat. So bethätigt sich

darin, dass der Glaube für den Menschen Gerechtigkeit und


Leben wird, Gottes gebende Güte, die aus ihren eignen
frei

Impulsen heraus handelt, durch sich selbst zum Geben bewo-

gen, ohne sich abhängig zu machen von irgend einer ihm


vorgängigen Leistung des Menschen. Damit ist die Stel-
lung des Glaubenden hoch emporgehoben über diejenige des
Wirkenden. Das höchste was dieser in seiner Gottesanschauung
erreicht ,
ist das ,
dass er in Gott vergeltende Eechtlichkeit

denkt, und auf diese begründet sich seine Zuversicht. Er sucht


darum für Gott ein Motiv herzustellen ,
das ihn innerlich zum
Geben nöthige ,
ein öCpsiXvjßx ,
Rom. 4 , 4. Am Auferstandenen
sieht der Glaubende, dass Gott ohne zu vergelten, vergibt und
ohne zuerst zu fordern, gibt in einer Liebe, die wahrhaft
Eeindesliebe ist, Hörn. 5, 10. So sind nun alle Schranken
und Grenzen von der Güte Gottes abgestreift, und damit wird
auch die Zuversicht zu ihm unbedingt.
Weil in der Rechtfertigung Gnade wirksam ist, besteht auch

jenes bekannte Dilemma für Paulus nicht: entweder ist der

Glaube wirklich Gerechtigkeit, dann gilt nicbt mehr, dass

Gott den Gottlosen gerecht spreche oder der Glaube ,


ist sei-

nem eignen Wesen nach nicht Gerechtigkeit, dann zerfällt

Gottes Urtheil, das ihn Gerechtigkeit heisst, in Unwahrheit.

Dergleichen Schlüsse stehn logisch und ethisch noch tiefer als

jener Gedanke des Wirkenden : ist Gott nicht verpflichtet ,


so

gibt er nichts. Denn hier ist Gott vollends in Passivität ver-

setzt, und darauf reducirt, das menschliche Verhalten zubeur-


346 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

theilen. Weil Paulus einen gebenden Gott hat, kat ihn diese

»Schwierigkeit" seiner Rechtfertigungslehre nicht gedrückt.


Wäre Gott nur der Beobachter des menschlichen Wirkens und
somit der Mensch allein der Handelnde ,
dann könnte allerdings
von Qlaubensgerechtigkeit aber auch von Glaube keine Rede sein
, ,

dann müsste der Mensch wirken und er stürbe hülflos an sei-


nem Werk. Weil aber der Gott des Paulus sich nicht damit

begnügt ,
das Verhalten des Menschen zu kritisiren, sondern

gebend und schaffend in sein Leben eingreift und zwar gerade


dann wenn er urtheilt und richtet darum besteht für Paulus
, ,

beides zusammen: dass der Gottlose gerecht gesprochen wird,


also zur Rechtfertigung im Glaubenden selbst kein Motiv und
Grund vorhanden ist, und dass der Glaube Gerechtigkeit ist

und diess so völlig und real, dass er das Urtheil Gottes: du


bist gerecht, für den Menschen begründet und trägt. Die Eini-

gung beider Sätze liegt einfach darin ,


dass Gott in Gnade
handelt, in einer frei anhebenden, schaffenden Güte, welche
die Gottlosigkeit vergibt und sie damit annullirt und dem
Glaubenden alles gibt, was in seinem Wesen und Wol-
len allseitig gerechte Yerhältnisse herstellt. Vom Begriff der

Gnade aus war es Paulus auch von Bedeutung, dass in der

Aussage der Schrift über den Glauben Abrahams von Zurech-


nung die Rede ist. Er fasst den Begriff nach der Weise, wie
er die Schrift las, scharf und denkt in ihm den Gnadenakt.
Er will damit keineswegs die Rechtfertigung nur in die ideelle

Sphäre einschränken, wohl aber damit ausdrücken, dass der


Glaube nicht auf dem Wege einer natürlichen oder rechtlichen

Noth wendigkeit seine Frucht wirkt, sondern durch Gottes güti-

gen Willen, der gerne gibt, der aach dem Gottlosen gegen-
über nicht gebunden ist sondern auch ihm sich als Grund
,

und Ziel des Vertrauens darbietet, und auch in ihm Glaube


wirken will und kann, weil er auch ihm Gerechtigkeit als

neue Schöpfung — KXiuif KTiim: ,


2 Kor. 5, 17 — schenkt.
DIE GNADE. 347

Die Furcht, als würde durch die Unabhängigkeit der Gabe


Gottes von allem menschlichen Wirken, wie sie aus der Spon-
taneität der göttlichen Güte folgt, die Stellung des Menschen
unsicher und die Frucht und Wirkung des Glaubens zweifel-
haft, als wäre die Erreichung der Gerechtigkeit und des Lebens
sicherer und leichter, wenn sie durch das eigne Handeln des
Menschen bedingt wäre, lässt Paulus tief unter sich. Ihm gilt
das Gegentheil: darum aus Glauben, damit nach Gnaden, auf

dass die Verheissung fest sei, Eöm. 4, 16. Unsicherheit und


Furcht haftet am menschlichen, nicht aber am göttlichen Wir-
ken in der ünbedingtheit seiner Güte. So gewiss Paulus selbst

glaubt und Gott eine ungebrochne Zuversicht entgegenbringt,


konnte er nicht anders schliessen als so nach Gnade also :
,

fest. Hierin ist sein Denken unmittelbar durch sein eignes

glaubendes Verhalten bestimmt. Er traut seinem Gott so, dass

ihm nur das, was aus Gottes eigner Güte folgt, sichrer Besitz

und Eigenthum in des Wortes vollem Sinne ist.


Mit Theorien, welche die Glaubensmahnung als ein willkür-
liches Statut betrachten ,
durch das nunmehr mit Rücksicht
auf die menschliche Schwäche an Stelle der vielen und schwe-
ren Werke der Glaube als einzige und leichte Heilsbedingung
gefordert sei ohne innern Zusammenhang seiner seligmachenden

Bedeutung mit seinem Inhalt und Wesen, hat Paulus nichts


gemein; er würde ein Bewusstsein, dem der Glaube als etwas
willkürliches erscheint , was nur kraft einer gesetzlichen Anord-
nung nothwendig und heilsam sei schwerlich Glaube genannt
,

haben. Die That Gottes kann dem Menschen nicht jenseitig


und seinem Innenleben fremd bleiben, wenn ihre Gabe Besitz
und Gut des Menschen werden soll sie muss in seinem geis- ;

tigen Wesen und Leben ihre Wirkung und Folge finden; eine
rein naturhafte Umwandlung ,
die nicht in, sondern nur an der
Persönlichkeit bewusst- und willenlos geschähe, würde dieselbe
in ihrem geistigen Wesen herabsetzen, während sie in Christus
348 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VII.

gerade zu wahrliaft geistigem Charakter emporgeliobeii werden


soll. Die in Christi ErscheinuDg offenbare und wirksame Grnade
hat aber nur im Vertrauensakt ihre direkte geradlinige nothwen- , ,

dige Fortsetzung und Fortwirkung. Und auch diese Folge hat


der Mensch aus Grottes That nicht isolirt von ihm za ziehn.
Das apostolische Wort, welches das Hören des Glaubens er-
möglicht ,
vermittelt dem Menschen zugleich Kraft Gottes Rom. ,

1, 16 vgl. 1 Kor. 1, 18, zu der sich das Wort freilich nur


dann, aber auch dann sofort gestaltet, wenn ihm Glauben
entgegenkömmt. Damit vermittelt dasselbe dem Menschen ein ihm
innerlich werdendes Rufen Gottes, das ihn über das Aergerniss

des Kreuzes hinweg hebt und ihm dessen Innenseite aufschliesst,


1 Kor. 1, 24 vgl. 21. Diese Kraft Gottes, in welcher der

Glaube begründet ist, erfährt der Mensch in seinem Innenleben


durch Gottes Geist ,
1 Kor. 2 ,
4. 5. Während der bewusst-

und willenlos zum stummen Götzen getriebne Heide sich von


vornherein als von keiner Wirkung des Geistes Gottes berührt

zeigt, während aber auch der Jude, welches immer sein Ruhm
sei, sich als vom Geiste Gottes geschieden zeigt, weil und so

lange er Jesus verflucht, ist das Jesus als den Herrn beken-

nende Wort Kennzeichen und Beweis für Dasein und Wirksam-


keit des Geists, weil es nur in ihm zu Stande kömmt, 1 Kor.
12 ,
3 ; eben diess aber ist das Glaubenswort ,
Rom. 10 ,
8.

Die Selbigkeit des Glaubens zwischen Paulus and seinen Ge-


meinden ruht darin ,
dass sie denselben Geist haben ,
und die-

ser ist Geist des Glaubens als der im Menschen Glauben wir-

kende, 2 Kor. 4, 13 ').


Der Ruf zu Gott als dem Vater ist

Kennzeichen und Werk des Geists, Rom. 8, 15. Gal. 4, 6.

Paulus hat also im Gedanken an ein lebendiges Ineinander-


wirken des göttlichen Geists und menschlichen Ichs die Bezie-

hung zwischen Geist und Glaube doppelseitig bestimmt. Aus

1) Ueber 2 Kor. 4, 13 siehe Erl. 17.


DER GLAUBE GOTTES WIUKÜNG. 349

dem Hören des Grlaubens wird der Geist empfangen ,


Gal. 3 ,

2, und vom Geiste das zustimmende und ergreifende Wort des

Glaubens gewirkt. Dieselbe Doppelbeziehung dürfte in Rom. ] ,

17 auch zwischen dem Glauben und der Gerechtigkeit Gottes

ausgesprochen sein er ist Grund ihrer Offenbarung aber ebenso


:
,

die Wirkung Gott deckt im Erangelium dem Men-


derselben.

schen seine Gerechtigkeit auf in Folge des Glaubens, sx. Trlo-Tsag,


und zugleich sU ttIttiv, so dass Glaube daraus entsteht. Er trägt
die ganze Kraft persönlicher Entschliessung und Begehrung in
sich — xa) vjiielg ^TricrreiKyxfjisv, Gal. 2, 16
— doch nicht als

den spontan anhebenden Faktor, sondern als erzeugt und ge-

tragen durch Gottes Wirken. Damit aber dass der Glaube in


seinem eignen Werden und Entstehn von Gott abhängt ,
bleibt

die Vermittlung der Gerechtigkeit und des Lebens völlig in


Gott beschlossen auch an der Stelle, wo sie in der Persönlich-

keit des Menschen selbst sich vollzieht; jene erweisen sich da-

durch vollends als Gabe der Gnade, %<x.iii<t[j^(x,,


denn auch der
Glaube ist xoc^ktUv ,
Phil. 1 ,
29.

Das göttliche Geben bricht ,


wenn es im Menschen seine Folge

nicht findet ,
fruchtlos ab. Darum gehört der Glaube unabtrenn-
bar zum Versöhnungswerk und dasselbe ist für den Menschen
nicht vorhanden ohne ihu. Als die einzig zulässige und rich-

tige Folge aus der Gnade erhält er die Bedeutung eines ursach-

lich mitwirksamen Faktors zum Gerechtigkeits- und Lebensbe-


sitz. Paulus gibt dem göttlichen Handeln den Glauben in ganz

analoger Weise als vermittelnde Ursache bei wie die objektiven


im Tode Jesu liegenden Momente; er sagt gleicherweise: wir
wurden in Jesu Blut gerechtfertigt, Rom. 5, 9, durch den Los-
kauf der in seinem Tode geschehen ist, Rom. 3, 24, und wir
wurden gerechtfertigt aus oder durch Glauben Rom. 3 28. 5 , , ,

1. Oder er stellt beide ursächlichen Faktoren ausdrücklich neben


einander: Gott hat Christus hingestellt als Gnadenthron durch
Glauben in seinem Blute, Rom. 3, 25, womit die von Chris-
350 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

tus .ausgehende Gnadenwirkung in analoger Weise wie aus sei-

nem Sterben so aus dem Glauben des Menschen abgeleitet ist;

wie er der Vermittler der Gnade wird als der welcher sein Blut

geopfert hat, so wird er es andrerseits dadurch, dass sich der


Glaube an ihn schliesst. Paulus hat das Werk Christi nicht

getheilt in zwei getrennte Akte ,


Ton denen der eine nur ob-
jektiv, der andre nur subjektiv begründet wäre, sondern das
eine und selbe göttliche Rechtfertigen und Versöhnen vollzieht

sich in dem was in Jesus geschah, und sodann, indem es


übergreift in die subjektive Sphäre, in dem was im Menschen
geschieht im Glauben. Diese Zusammenschau des Todes Jesu
und des Glaubens als Vermittlung eines einigen ungetheilten
göttlichen Handelns zeigt, wie unmittelbar im Gedanken des

Paulus Jesu Tod und der Glaube an einander gebunden sind


wie der Grund und die Folge wie das Objekt und sein Reflex
,

im Subjekt. Diese Konsequenz ist von Gott gewollt; in dem


was an Christus geschehen ist, ist sein Wille enthalten, dass
der Mensch ihm glaube. Daher kann Paulus vom Gesetz des
Glaubens reden vöiwo-; Trla-rsing^ Rom. 3 27. Der Mensch steht
, ,

nun vor einer göttlichen Ordnung, die sein Verhalten als

Glaube normirt und zwar so, dass sie im Glauben ihren gan-
zen Inhalt hat.
Das Band zwischen dem göttlichen Wirken und dem mensch-
lichen Glauben ist nicht nur logischer, sondern ethischer Art.

Verweigert der Mensch der Wahrheit die Aufnahme in sein

Innenleben, so liegt das Motiv hiezu in einer falschen Willens-

steliung. Die Wahrheit kann nur wegen ihres Zusammenhangs


mit dem Recht, das von ihr aus seine Beleuchtung empfängt,

Objekt des Widerwillens werden und Abweisung erfahren. Durch


Ungerechtigkeit hält man
Wahrheit darnieder, Rom. 1, 18;
die

dem Gehorsam gegen die Wahrheit steht der Gehorsam gegen


die Ungerechtigkeit entgegen, 2, 8; im Wohlgefallen an der

Ungerechtigkeit glaubt man der Wahrheit nicht, 2 Thess. 2^


DER ETHISCHE CHAEAKTER DES GLAUBENS. 351

12 cf. 10. Findet dagegen die Wahrheit im Menschen Raum


und Bahn, schaut er sich selbst wie er ist und Gott in seiner
Wahrheit und Gnade wie er ist so ist damit die Ungerechtigkeit
,

in seinem Wollen durchbrochen und das erste, grundlegende


Moment der Gerechtigkeit in ihm realisirt.

Der Glaubensakt bildet darum die genaue Antithese zu dem-


jenigen Verhalten, das Paulus als die Wurzel des ganzen heid-
nischen Elends heraushebt, Rom. 1, 18 ff. Der Heide kennt
Gottes Wahrheit und Recht, er ehrt aber Gott nicht als Gott,
insbesondere nicht dankend für das Gute, was er ihm gibt.
Er vertauscht die Wahrheit gegen leere Wahngebilde und zieht

seine Herrlichkeit hinab in's Irdische; daraus folgt seine ganze

Verkommenheit, die Preisgabe in die Korruption des Lasters.


Mit Jesu Tod und Auferstehn steht der Mensch wiederum vor
der Frage, ob er Gott in seiner Wahrheit, Herrlichkeit, Güte
anerkennen will. Glaubt die Gemeinde, so bejaht sie Gottes

Wahrheit, ehrt ihn als Gott und dankt ihm für seine Gabe.
Sie setzt damit an die Stelle des heidnischen Verhaltens einen

Akt, der jenem diametral entgegengesetzt ist und die in ihm


begonnene Entwicklung in der Wurzel abbricht. Freilich hat
Paulus jene Loslösung von Gott, durch die der Mensch zum
Heiden wird, nicht Unglaube genannt, so dass auch im Aus-
druck der Unglaube als Princip des Verderbens für die vor-
christliche Welt, der Glaube als Grund der Errettung für die

Gemeinde gegen einander stünden. Er verallgemeinert den Glau-


bensbegriff nie über die Gabe Gottes in Christo hinaus. Allein
darin, dass und die Verweigerung des
jene Entehrung Gottes
Danks den natürlich gegebnen Verhältnissen des
auf die in

Lebens enthaltne Güte und Wahrheit Gottes sich bezieht und


nicht auf die in Christus erschienene Gnade, liegt doch nur ein
Unterschied im Inhalt der göttlichen Kundgebung, die abwei-
send oder aufnehmend beantwortet wird ; dagegen subjektiv nach
der ethischen Seite bildet der Glaube ,
der Gottes Gabe in Chris-
352 DER GLAUBE IM NBXJElSf TESTAMENT. KAP. VUI.

tus hört und dankbar erfasst, die totale Wendung zu jenem

Verhalten, das Gott in seiner Güte kennt und ihn nicht ehrt
noch ihm dankt. Es zerfällt somit das göttliche Handeln ,
wenn
es auf das heidnische Verhalten als Zorn antwortet und dem-
selben Heiden, wenn er an Christus glaubt, Reich und Selig-
keit gibt ,
nicht in zusammenhangslose, einander widersprechende

Akte; es ist vielmehr ein in sich einiges Verhalten Gottes,


das sich selbst gleich bleibt und ohne Ansehn der Person rich-

tet ,
wenn die Verleugnrmg der göttlichen Güte die Preisgabe des
Menschen und Anerkennung derselben die Aufnahme
die des

Mensehen in Gottes Gnade und Leben zur Folge hat.


Auch mit demjenigen Verhalten, welches dem Gesetze gegen-
über das normale ist, so weit überhaupt im fleischlichen Men-
schen ein normales Verhalten zum Gesetz zu Stande kömmt,
bleibt der Glaube in innerer Parallele. Das Gesetz kann wenigstens
diess erreichen, dass ihm der Mensch zustimmt als gut, (7v(j!.Cpy],u,i

TU vc{^i^ oTi ko!,k6i; 5


E.öm. 7 , 16, und sich am Gesetze freut,

arvvißo[jt,o!,i t^ v6yt.c^ ,
7 ,
22. So bringt das Gesetz immerhin die

Vernunft des Menschen zur Unterwerfung und zum Dienst un-


ter Gott und wirkt eine Scheidung, in der sich das »Ich" des

Menschen ablöst und sondert von der in ihm wohnenden Sünde.


Der Glaubensimperativ verlangt Christo gegenüber nichts ande-
res Zustimmung zum Wollen Gottes wie es in Christi Tod
, ,

und Auferstehung sich kund gibt, Mitfreude an dem, was Gott

gethan hat , Oeffnung der Vernunft ,


2 Kor. 4 , 4, gegenüber
dem Licht, das Gott dem Menschen leuchten lässt. Der sittli-

che Schaden des Juden, für den er verantwortlich ist und der
ihm Zorn einträgt, ihm darin, dass er zwar
besteht auch bei

die Ausgestaltung der Erkenntniss und Wahrheit im Gesetze


hat, aber sie faktisch verleugnet und bei Seite wirft. Zu diesem

Verhalten wiederum das direkte Gegentheil;


bildet der Glaube

er setzt vielmehr das normale Veihalten zum Gesetz der neuen

Offenbarung Gottes gegenüber fort. Allerdings geht nun die


DER ETHISCHE CHARAKTER DES GLAUBENS. 353

Folge des Glaubens völlig hinaus über das, was dem Menschen
die Zustimmung zum Gesetze verschafft, doch diese Differenz

in der Folge ist objektiv begründet in der gänzlich difPerenten

Art und Wirkung des Objekts, an das hier und dort der in-
nere Anschluss zu Stande kömmt. Die Freude am Gesetz das ,

nichts schafft und gibt, sondern nur gebietet, ändert den rea-
len Zustand des Menschen nicht. Die Freude aber, welche aus
der schaff'enden Gnade, dem gerechtsprechenden Gott, dem
auferstandnen Christus entspringt, lässt den Menschen nicht

im Elend ,
sondern ist in sich selbst Besitz der göttlichen
Güter. Nach der subjektiv menschlichen Seite aber ist das Ver-

halten, welches das Gesetz im Menschen wirkt, demjenigen, zu


welchem der Mensch in der Glaubenspredigt aufgerufen wird,

parallel. Auch hier zersplittert sich die göttliche Weisung nicht


in eine willkürliche Mannigfaltigkeit.

Wenn schon durch die Zustimmung zum Gesetz eine Schei-

dung des Ichs von der Sünde eintritt, so dass nicht mehr
»ich" sondern »die in mir wohnende Sünde" das Böse voll-

bringt, Rom. 7, 17. 20, so ergibt die glaubende Bejahung


des Todes Jesu vollends einen Akt durchgreifender Lösung des

persönlichen WoUens vom korrupten, sittlich verwerflichen


Triebleben ,
das in seiner Begier als von Gott gerichtet und
dem Tode dahingegeben erkannt ist. »Wir waren im Fleisch",
Rom. 7, 5, nun sind wir's nicht mehr, die Person hat sich
von demselben gelöst und jener Wunsch, der die Frage er-
zeugt: wollen wir nicht bei der Sünde bleiben? ist zerstört:
wir, die wir der Sünde gestorben sind, Rom. 6, 2.

Todt für das Böse ! diese absolute Negation desselben ist die dem
Glaubenden eigne Willensstellung, und zwar nicht nur als

Wunsch : wäre ich todt ! oder als Vorsatz : ich will ihm sterben !

sondern als Faktum: ich bin ihm todt. Nicht die Sünde stirbt
zunächst durch Christi Kreuz und den Glauben daran, denn
sie hat im menschlichen Wesen eine naturhafte Begründ ung
23
354 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

wohl aber stirbt der Glaubende für das Böse, aucb für die in
ihm selbst wohnende und wirkende Sünde. Im bewussten eig-
nen Wollen sind die Bezüge zur Sünde gelöst und das Böse
ist damit reducirt auf seinen naturhaften Bestand und aus dem

persönlichen Leben hinausgedrängt. Paulus nennt gerne die


Taufe als denjenigen Moment, in welchem der Mensch der
Sünde stirbt, wobei er auch Symbolik des Vor-
die äussere

gangs im Auge hat, der den Menschen im Wasser untergehn lässt


und in dasselbe versenkt als wie in ein Grab. Aber dieser

Gleichnisswerth der Taufe ruht auf ihrer Innern reellen Bedeu-

tung. Das dem Sünder bereitete Bad hält ihm als ein Abbild
des Todes Jesu dessen Frucht und Wirkung vor, die Verur-

theilung, die in demselben liegt, sofern er durch das Bad als


unrein und dem Tod verfallen bezeichnet ist, aber auch die
Gnade des Ereuzes, sofern ihm dasselbe Reinigung vorhält und
den Zutritt zur Gemeinde des Christus öffnet. So versetzt das
Getauftwerden in Tod Jesu hinein; denn es bezeichnet
den

denjenigen Moment, wo Tod und Auferstehung Jesu nach


ihrer innern Bedeutung dem Menschen vorgehalten und von

ihm in einer That, die sein bisheriges Leben negirt und schliesst

und ein neues beginnt und angeeignet werden. Damit


, ergriffen
dass Paulus das Absterben von der Sünde in die Taufe verlegt,

bestimmt er die Lösung vom Bösen nicht als das Ergebniss einer
allmählichen sittlichen Entwicklung, sondern als einen einheitlichen

Akt, als eine durchgreifende Wenduug des Willens, die ihm ein

für allemal eine neue Richtung und Bestimmtheit gibt und zwar ,

bildet diese innere Wendung die Basis und Voraussetzung der gan-

zen Christenstellung; der Gedanke: wir wollen bei der Sünde


bleiben , negirt die Taufe und das was in ihr geschehen ist , greift

also bis hinter die Taufe zurück in 's heidnische Denken hinein.

Darum ist diese Lösung von der Sünde vom Glauben nicht zu
sondern, wie denn dieser die innere Seite am Tauf begeh-
ren bildet. Die vertrauende Erfassung des Todes Jesu gibt
DIE LÖSUNG VON DER SÜNDE. 355

dem Wollen diejenige Bestimmtheit, welche dem objektiven


Inhalt dessen, was Grund des Glaubens wird, entspricht.
Christus starb der Sünde, damit ist auch der Glaube Ver-

neinung derselben. Die Zustimmung zum Gericht Gottes wird


zum Selbstgericht; indem der Glaubende durch einen ern-

sten umfassenden Verzicht auf sich selbst hindurchgeht, hat


er damit vor allem aus und in erster Linie auf die Sünde
verzichtet. Beugt er sich unter Jesu Tod und eifasst er ihn
als seinen eignen Tod ,
so gibt er das Süadliche preis mit-

sammt seiner naturhaften Wurzel und zwar unbedingt, rund


und ganz. Sein Wille ist von der Sünde abgezogen, so ge-
wiss als er glaubt. Das Weise, wie die Theilnahme am
ist die

Tode Jesu jetzt schon für den Glaubenden mitten im Fort-


bestand seines natürlich-sündlichen Wesens Erfahrung, Er-
lebniss und Gegenwart ist, und es zeigt sich hier vollends,

wie unpaulinisch es ist, wenn in das Glaubens wort: mit


Christo gekreuzigt ein »gleichsam" eingeschoben wird. Hat
dasselbe seine Wahrheit in
der Bedeutung des Todes Jesu
vor Gott in Gedanken und Willen, sofern im Tode
dessen
Jesu dem Glaubenden das Eeich geöffnet ist, welches Fleisch
und Blut nicht erben ,
hat desshalb die Aneignung dieser

Gabe zunächst den Charakter einer Hoffnung, dass auch


der Glaubende von seiner Fleischlichkeit erlöst einer vom
Geist erfüllten, verklärten Lebeusgestaltung theilhaft werden
wird, so hat das Mitbetroffensein vom Tode Jesu nun auch
eine sehr reelle gegenwärtige Seite, die im Zustand und
Verhalten des Glaubenden als seine Eigenschaft vorhanden
ist, zwar noch nicht nach seiner äussern ^^
leiblichen Seite,
wohl aber in derjenigen Sphäre, welche das] innerste^ We-
sen seiner Person ausmacht und zwar darin, dass das an
Fleisch und Sünde gebundene Wollen, Trachten, Lieben ge-
richtet , negirt und gestorben ist. Wenn der Glaube die vermit-
telnde Ursache für Gerechtigkeit und Leben ist, so ist er es
356 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

auch krafb dieses seines sittlichen Inhalts, darum weil in ihm


der Mensch der Sünde stirbt.

In analoger Weise ergibt die Theilnahme an der Auferste-

hung Jesu nicht nur einen künftigen ,


sondern auch schon einen

gegenwärtigen Besitz des Glaubenden, da ja durch das Selbst-


gericht und die in ihm enthaltne Verneinung des fleischlichen

Wollens keine Leere, kein Stillstand des Willens und Lebens,


kein Todeszustand entsteht, vielmehr dem Menschen unmittel-
bar der positive Inhalt der That Gottes, ihre Gabe dargeboten

ist, und die Zuversicht, welche dieselbe ohne innere Einsprache


und Widerrede sich aneignen kann und darf, wird um so fes-

ter und gewisser, je mehr der Tod Jesu innerlich miterlebt und
angeeignet ist: wenn wir mit ^Christo starben, so glauben wir,
dass wir auch mitleben werden mit ihm, Rom. 6, 8. Diese

Zuversicht, welche der künftigen Theilnahme an der Lebens-


herrlichkeit Jesu gewiss ist, ergibt aber auch schon eine neue

Lebensgestaltung für die Gegenwart, xxivor-^q t^avjg Rom. 6, 4.

Wird Bejahung des göttlichen Gerichts sofort zum Selbst-


die

gericht, so wird auch die Bejahung der Liebe Gottes und der

Christusstellung Jesu sofort Willensbestimmtheit, die auf Gott

in Christo gerichtet, in ihm ihr Motiv und Ziel besitzt. Der


Verband ,
in den die Liebe Gottes den Menschen zu sich stellt ,

kann nicht erkannt urd erfasst werden ,


ohne dass der Mensch
sich selbst Gott verbindet und seine A.n gehörigkeit an Gott

bejaht und eben damit auch seinerseits aufrichtet, Rom. 7, 4.


Das Glaubenswort: Herr ist Jesus, schliesst unmittelbar in

sich: ich bin sein Knecht; leben wir, so leben wir für den

Herrn ,
mein Leben ist Christus. Und diese Hinwendung des

Lebens auf ihn ist, so gewiss der wahrhaftige Gott und der
wahrhaftige Christus in seiner Gerechtigkeit erkannt und Grund
des Glaubens ist ,
ein CJnterthanwerden unter die Gerechtigkeit,

hvÄuS'^vxi T^ ^iKxiocrvuTi] Rom. 6, 18, da sich Gott von seinem

heiligen und guten Willen nicht lösen lässt. Damit ist das
DIE LÖSUNG VON DEE SÜNDE. 357

negative Verneinung des sündigen Begehrens,


Ergebniss, die

positiv ergänzt und vollendet


zur Bindung des WoUens an das ,

was göttlich gerecht ist.

Dasselbe Resultat ergibt sich aus dem Yerhältniss des Geistes

zum Glaubenden. Derselbe ist nicht nur Leben in IJnzerstör-

barkeit und Herrlichkeit,] sondern zugleich heiliges Wollen,

ein Begehren, £TnbviJt,ely Gal. 5, 17, das dem Fleische direkt

entgegengesetzt ist, weil es das göttlichen Wollen ist. Er tritt

darum sofort in Beziehung zum menschlichen Wollen und Trach-


ten und wird ethische Potenz als die neue Norm ,
nach welcher
der Glaubende liebt ,
die ihm nun nicht mehr äusserlich als blosse

Vorschrift, ypocf/.f/.oi, entgegensteht, sondern in ihm ist als Kraft und


Wirksamkeit. Diese neue Richtung und Bewegung des Denkens
und Wollens, überhaupt der ganzen Lebeusbethätigung ,
fasst

Paulus unmittelbar mit der jenseitigen vollendeten Lebeusgestalt


zusammen. Damit ist ein göttliches und darum unzerstörbares
im Menschen entstanden, was seine jenseitige und künftige

Erneuerung als deren Realgrund in sich schliesst. Es ist die

beginnende Umgestaltung in Christi eigne Herrlichkeit , 'ho^x ,


2
Kor. 3, 18, als Wirkung der Auferstehung Christi ewiges
Leben mitten in der Fleischlichkeit und Sterblichkeit. Der
Glaube ist nicht anders das kausale Moment zur Rechtfertigung
als so ,
dass er ein Gott hingegebnes und darum der Gerech-
tigkeit positiv unterthanes Leben schafft.

Mit der Abwendung des Vertrauens vom eignen Ich und


dem völligen und alleiuigen Anschluss desselben an Gott und
Christus ist; die selbstische Verkehrung des Willens durchbro-
chen. Wer Christo lebt, lebt nicht mehr sich; der Verzicht auf
das eigne Ich ist der Tod der selbstsüchtigen Verknechtung
des Wollens an dasselbe und damit die Geburt der Liebe. Je-
nes »für Gott und Christus leben" ist, weil es Grund und Ziel

des Lebens über das Ich hinausversetzt und dasselbe völlig

ein- und unterordnet in Gottes und Christi Willen und Wirken ,


358 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

unmittelbar Liebe, Gottes und Christi Liebe, damit aber auch


Liebe zum Menschen. Paulus lässt sie ungeschieden sie ;
ist ihm
in ihrer Richtung auf den Menschen nichts anderes als in

ihrerRichtung auf Gott, 1 Kor. 13. Ist einmal die Lösung


des Menschen vom eignen Selbst zu Stande gekommen so ist ,

sein Verhalten, ob es sich Gott zuwendet oder dem Menschen,

Liebe, die nicht das ihrige sucht, und diess um so mehr, weil
die That Gottes, an die der Glaube sich anschliesst und aus
der er seinen Inhalt und seine fruchtbare Kraft erhält, ihrer-

seits die Offenbarung der Liebe ist. Dieses Lieben des Menschen
ist in derselben Weise Gottes Liebe , äyöcTTVi tov ^sov Rom 5, 5,

Tov Xpitrrov , 2 Kor 5 ,


14 ,
wie die Gerechtigkeit des Glaubens

Gerechtigkeit Gottes ist. Aus der dem Menschen zugewandten


Liebe Gottes und Christi entspringt es, es ist der Uebergang
derselben in das Innenleben des Glaubenden selbst. Ebenso ist

sie mit dem Geist gesetzt, wie denn die Begründung in Gott,
im Christus und im Geiste sich noth wendig stets zusammen-
finden. Die Liebe ist vor allem andern das Pneumatische, 1

Kor. 13; im Geiste Gottes wird die Liebe ausgegossen in das

Herz des Menschen ,


Rom, 5 ,
5. Wird der Glaube Ursache
der Gerechtigkeit und des Lebens, so wird er es nicht anders

als so, dass er den Moment bildet, in welchem mit dem Ver-
zicht auf eignes Recht, eigne Kraft, eignes Leben in der Be-

jahung der gebenden Gnade Gottes und Christi die Liebe im


Menseben entsteht. Mit jenem ȟrtheil", dass mit dem Einen
alle starben , damit sie Christo leben — und dasselbe bezeich-

net den Moment, wo der Glaube in ihm entstand, das tti-

(TTsva-xi — ward Christi Liebe für Paulus die regirende Macht,


die sein Wollen fasst, umschlossen hält und in ihre eigne
Bahn leitet, (xvuixsi i^ßä? 2 Kor. 5, 14, und so gewiss und
so weit als die Liebe all sein Handeln hervorbringt als kräfti-

ges Motiv, so gewiss gilt; nicht mehr ich lebe, sondern Chris-

tus lebt in mir, Gal. 2, 20.


DIE BEGRÜNDÜNG DER LIEBE. 359

Darum ist die Liebe grösser als der Glaube. Der höhere
Werth derselben ist damit noch, nicht benannt, wenn sie

als sich äussernd dem


Glauben gegenübergestellt wird als
dem im Innenleben beschlossnen Akt. In den formalen Kate-
gorien äusserlich und innerlich liegt
für sich allein keine Auf-

hellung ihres verschiednen Werths dieselben sind überhaupt ,

völlig ungeeignet, Liebe und Glauben von einander zu unter-


scheiden ,
weder ist der Glaube ohne Aeusserung , wenn er
Berge
versetzt, 1 Kor. 13, 2, noch ist die Liebe ein nur nach aus-
sen gewandtes, vielmehr unterscheidet Paulus ausdrücklich die
Aeusserungen der Liebe, die Hingabe des Eigenthums, ja die
Selbstaufopferung von der Liebe selber, 1 Kor. 13, 3, und
heisst jene Aeusserungen werthlos ,
wenn sie nicht in der Liebe

ein Inneres besitzen ,


aus dem sie erwachsen als aus ihrem
Motiv. Die Liebe ist der Zielpunkt des göttlichen Willens , der

wiederum den Ausdruck und den Inhalt des göttlichen Wesens


bildet. Sie ist die Summe des Gesetzes, das Geistartige, worin

die üebereinstimmung mit Gott für den Menschen erreicht ist.


Die Gieichgestaltung mit Gottes Willen und die Mitwirkung
mit ihm ist erst dann gewonnen, wenn die Liebe Christi im
Menschen lebt. Darum ist der Glaube ohne sie nichts, denn
er gelangt ohne sie nicht zu seiner Wirkung und zu seinem
Ziel. Wie das Werk Gottes in Christus für den Menschen un-
fruchtbar bleibt, wenn es nicht in ihm zuKonsequenzseiner

gelangt im Glauben, so ist wiederum der Glaube unfruchtbar


und nutzlos, wenn er nicht zur Wurzel der Liebe wird, wenn
nicht jenes Wollen und Handeln aus ihm geboren wird, das

Gott und dem Bruder hingegeben ist. Wenn sich Paulus, 1

Kor. 13, 2, den Glauben zu seiner Fülle entfaltet und doch


den Menschen an Liebe leer und den Glauben also werthlos

denkt, so streitet diess nicht gegen den engen Kausalverband,


in den Paulus Glaube und Liebe zu einander setzt. Denn die

Liebe wird aus dem Glauben nicht durch einen physischen wil-
360 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. K.AP. VIII.

lenlosen Konnex, dieser kann darum gelöst werden durch ver-


kehrtes Wollen und das Yerhalten der Korinthischen G-emeinde,
,

die einen Reichthum an charismatischen Kräften zeigt, aber


in den Gebrauch derselben ein selbstisches Moment einfliessen

lässt, bewegt ihn, den Gedanken scharf auszusprechen, dass


kein Geistbesitz und auch keine Glaubenskraft Werth hat ohne
die Liebe. Ganz analog denkt er das Erkennen zu seinem Ziel
gelangt, und doch ist nach 1 Kor. 8, 1 ff. in
aber liebeleer,

Wahrheit keine Erkenntniss da, wo die Liebe fehlt, weil das

menschliche Erkennen auf einem Erkanntsein beruht von Gott


her ,
welches das innerste der Persönlichkeit ,
ihr Wollen ,
nicht

unberührt lässt, sondern dasselbe göttlich gestaltet zur Liebe.

Analog gilt der Satz ,


dass ohne Liebe nicht geglaubt wird ,
sie

ist es ja, die »alles glaubt". Die Scheidung von Glaube und
Liebe setzt einen real unmöglichen Fall zum scharfen Ausdruck
für die Unentbehrlichkeit der Liebe ,
sie hat aber darin ihre

Wahrheit, dass mit der vertrauenden Zuwendung zur Liebe

Gottes die Frage nicht mit einem Male erledigt ist, sondern
sich im Verlauf der Lebensbewegung immer neu stellt, ob der

Mensch mit seinem eignen Wollen in Gottes Wollen eingehen


will und das was er im Glauben besitzt und empfängt, frucht-

bar machen will im Dienst Christi für die Brüder. Diese Aus-

wirkung des Glaubens zur Liebe kann durch sündiges Wollen


unterbleiben und damit ist zunächst der Werth des Glaubens
vor Gott ,
mit ihm aber auch sein Wesen als gewisse Zuversicht
zu Gott zerstört.

Der Glaube setzt den Menschen somit allseitig in ein ge-

rechtes Verhalten hinein ,


er ist gegenüber dem eignen natür-
Wesen Lösung von demselben, gegenüber Gott
lich-sündlichen

Bindung an ihn, die ihm lebt, gegenüber den Menschen Hin-

gabe an sie in der ihnen dienenden Liebe. Damit sind alle

Lebensbezüge im Glaubenden gerecht gestaltet und es hat sich

erwiesen, dass die Rechtfertigung, die Gott dem Menschen in


DIE ERFÜLLUNG DES GESETZES. 361

Christi Tod gewährt hat, den Grlaubenden nicht nur gerecht


nennt, sondern ihn aus und durch Glauben in die Gerechtig-
keit hineinstellt. Damit kehrt nun auch das Werk auf neuer

und höherer Stufe im Glauben wieder. Jener Dienst Gottes und


Christi, jenes Leben für ihn in der Liebe ist ein neues Han-
deln und Wirken; indem die Liebe zum Glauben hinzutritt,
hat dieser ein Organ erlaugt, durch welches derselbe, so sehr
er zunächst ein rein receptives Verhalten ist, eine Thätigkeit

entfaltet und Werk erzeugt , Gal. 5 ,


6. Doch das Verhältniss
desselben zur Eechtfertigung hat sich umgekehrt; suchte der
Mensch die Rechtfertigung auf Grand des Werks, so empfängt
er nun das Werk durch die Rechtfertigung. Mit dem Werk ist

auch das Gesetz zu seiner neuen und nun erst wirklichen Gel-

tung fimj Menschen gelangt. Denn da es sich zusammenfasst im


Gebot der Liebe, so isfdas was das Gesetz als gerecht feststellt
, ,

To ^iKOiiüsfjix Toü vöf4,ov, im Glaubenden erfüllt ,


Rom. 8 ,
4. Die

Lösung vom Gesetz durch die Fluch und Gericht desselben


,

vom Menschen weggenommen wird, ist zugleich Aufrichtung


desselben nach seinem positiven Inhalt, da jener Imperativ des

Geists, in dem der Glaubende den wirkenden Trieb und regi-


renden Impuls seines Handelns hat ,
mit der Norm des Gesetzes
inhaltlich identisch ist. So wandelt sich auch in Beziehung auf
Werk und Gesetz der im Glauben liegende Verzicht in Gewinn;
indem sich der Mensch unfähig erkennt zum Wirken des Guten
und sich dadurch zum Glauben getrieben und genöthigt sieht,
ist er befähigt zu wahrhaft gutem Werk und indem er sich

vom Gesetz abwendet hin zu Christus, weil er jenes nicht

erfüllen kann, kehrt das Gesetz in ihn ein als »Gesetz des

Geists", Rom. 8, 2.

Eine Annäherung der Glaubensgerechtigkeit an die Gerech-

tigkeit der Werke liegt darin nicht. Nicht nur ist aller Geist-
und Liebesbesitz des Menschen ein Empfangenes, so dass alle

Arbeit für Gott and Christus und alle fruchtbare Anstrengung


362 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

der Liebe niemals für den Mensciien Ruhm und Verdienst

ergibt, die empfangene G-abe wird aucb nicht in dem Sinn


Besitz des Menschen, dass er sie unabhängig von Christus und
dem Geiste besässe. Der Charakter des Menschen, nach dem
was er in sich selbst ist und hat, bleibt fleischlich und unter
die Sünde verkauft auch im Glaubenden. Es gilt auch von
ihm: in mir d. h. in meinem Fleische wohnt kein Gutes. Es
ist lediglich der Lebensverband mit Christus und in ihm mit
Gott, welcher den Glauben zur Erfüllung des Gesetzes macht.
Darüber hat sich Paulus aufs unzweideutigste ausgesprochen

gegenüber dem Gedanken: Christus könnte nicht auferstanden


sein ,
1 Kor. 15 ,
14 ff.

Seiner eignen Gemeinde, deren Glauben an Gott er nicht in

Frage stellt ,
welcher er auch zugesteht ,
dass sie sich von ihren J^

heidnischen Verirrungen gereinigt hat, 6, 11, annuUirt er alle

Wirkung ihrer christlichen Frömmigkeit, gesetzt


reclitfertigende
Jesus wäre nicht auferstanden. Wird der Auferstandne wegge-
dacht, so ist ihr Gläubigsein keine Lösung von den Öünden,
sondern lässt sie in denselben und nicht Errettung sondern , ,

sie sind die Verlornen mit allem was in ihrer Persönlichkeit

vorgegangen sein mag. Ohne seine göttliche Basis ist der Glaube ,

wie er nun die Religiosität der Gemeinde bildet, so wenig Ge-

rechtigkeit als die vorchristliche Frömmigkeit. Dieses ürtheil

ist die direkte Folgerung aus der Grundstellung des Apostels.


Ihm ist nichts was der Mensch und thut, sondern das was
ist

Gott in Christo thut und gibt, Gerechtigkeit und Leben. Darum


ist die auf den Glauben gerichtete Hoffnung, die ihn als ver-

dienstliche Leistung vor Gott geltend macht, ebenso trüglich


wie der Ruhm der Werke. Der Glaube ist nicht selbst Grund
der Zuversicht, der Glaubende glaubt an Christus und nicht
an seinem Glauben, sein Glaube hat nur so viel Werth, Besitz
und Kraft als das Geben Christi in sich schliesst; fällt dieses

weg und bleibt der Glaube somit nur als menschliches Erleb-
DIE NICHTIGKEIT DES GLAUBENS OHNE OHEISTUS. 363

niss und Verhalten übrig, so ist er leer und kraftlos, so gut


wie alles menschliche ; isolirt von Christus ist der Glaube nichts.
Darum tritt auch sowie es sich um die sittliche Lebensauf-

gabe handelt, nie der Glaubensbegriff in der Motivirung der-


selben voran. In —
Rom. 3 5 dominirt er; denn hier handelt es
sich darum, wie der Verband mit Gott begründet und erlangt

wird; in Rom. 6 8 erscheint er, von Rom 6, 8 abgesehen,
nicht mehr, sondern die sittliche Mahnung wird aus der Ge-

meinschaft des Todes und Lebens Christi und aus dem Besitz

des Geistes abgeleitet. Dasselbe zeigt der Galaterbrief: nicht


als Früchte des Glaubens sondern als Früchte des Geists sind
Liebe Friede Freude u. s. f. bezeichnet. Der Erinnerung an die

heidnische Lasterhaftigkeit der Korinther wird nicht entgegen-

gehalten : aber ihr seid gläubig geworden ,


sondern ; ihr habt

euch gewaschen ,
seid gerechtfertigt und geheiligt worden im
Namen Jesu und im Geiste unseres Gottes, 1 Kor. 6, 11. Die
Sündlichkeit der Unzucht wird nicht damit dargethan, dass sie

dem Glauben widerstreite, sie wird klargelegt als Abbruch der


gliedlichen Gemeinschaft mit Christus ,
1 Kor. 6 ,
15 ff. Zwei-
fellos ist die ganze Gemeinschaft mit Christus und der Geist-
besitz dem Glauben gegebne Gabe und alles was sittlich aus

jenem folgt, ist darum in diesem gesetzt, allein diese Folge


und Kraft hat er nicht nach seinem psychischen Bestände,
sondern in seinem über das menschliche Bewusstsein und Sein

hinausgreifenden Grund ;
das dem Glauben entsprechende Geben
Gottes ,
Christi und des Geists verleiht ihm seinen den Menschen
erneuernden Effekt. Auf diese reel]e Seite am Glaubensakt greift
darum die Ermahnung immer wieder zurück; denn in ihr und
nicht in seiner menschlich-seelischen Seite ist begründet, dass

der Glaube nicht ohnmächtig ist wie die Zustimmung zum


Gesetz ,
sondern »das Gesetz des Geists des Lebens" im Men-

schen wirksam macht.


Bis hinaus zum höchsten Ziel der Welt, da Gott in allen
364 DER GLATIBE IM NETTEN TESTAMENT. KAP. VIII.

alles sein wird, Termittelt sieh die Offenbarung und Gabe Gottes
an dieselbe durch das Wirken Christi, und da dieses dem Glau-
benden zu Theil wird, so erhält der Glaube durch den abso-
luten Inhalt des Werkes Christi eine unbegrenzte Allgenugsam-
keit. Wie der Glaube in der Begründung der Verbundenheit

mit Gott keinen andern innern Vorgang neben sich hat ,


der
ihm koordinirt werden könnte Ergänzung, es als seine wie
für Paulus neben dem Glaubensakt nicht noch eine von ihm

zu unterscheidende Busse oder Bekehrung gibt, da jenes Ver-


stummen vor Gott in der Erkenntniss der Sünde ,
Rom. 3, 19,

jenes Wissen ,
dass das eigne Werk nicht Gerechtigkeit ist, Gal.

2, 16, sich allerdings vom Glauben unterscheiden lässt als ein


ihm vorangehender und ihn bedingender Akt, doch Heilsam -
keit und Fruchtbarkeit nicht für sich allein sondern nur in

sofern besitzt, als es Voraussetzung und Motiv zum glaubenden


Verhalten ist, so ist er auch für die Erhaltung und Vollen-

dung der Beziehung zu Gott der alles in sich sehliessende


Grund. Paulus nennt das aus der Versöhnung mit Gott sich erge-
bende höchste Resultat, »dass er euch heilig und fleckenlos
und ohne Anklage vor ihn stelle", als der Gemeinde sicher zu

Theil werdend, »wofern ihr im Glauben bleibt", Kol. 1, 22.


23. Und zwar bleibt ihm der Glaube durch das ganze Cbris-

tenleben hindurch ein mit sich selbst gleichartiges Verhalten.


Auch der Glaube geht ein in die Bewegung und Entfaltung,
deren das geistige Leben des Menschen fähig ist: er kanu und
soll wachsen, 2 Kor. 10, 15. 2 Thess. 1, 3; diess schon
darum ,
weil er durch den Einblick in das Wesen und Wirken
Christi bedingt ist. Darum entsteht er auf i Grund der ersten

anhebenden Verkündigung Christi noch nicht sofort in seinem


vollendeten Bestand, sondern es fehlt ihm in seiner Erstlings-

gestalt nothwendig noch vieles, es gibt v<7T£p:j(A,xTa ri^q tcI-

arscog, 1 Thess. 3, 10 vgl. den Gegensatz zwischen i^'Jjirtoi und


rsÄsiot ,
1 Kor. 2 ,
6. 3 ,
1 ff. Auch seine Intensität ist grosser
DIE ALLGENTJGSAMKEIT DBS GLAUBENS. 365

Mannigfaltigkeit fähig, 1 Kor. 13, 2, wie er denn über-

haupt für jeden Grlaubenden individuell bemessen ist, Rom. 12,


8. Aber die göttliche Werthung des Glaubens ist nicht durch die

inhaltliche Vollständigkeit und intensive Kräftigkeit desselben

bedingt, so dass er erst auf einer gewissen Stufe Zugehörigkeit


zu Christus würde ,
sondern wo nur immer glaubende Zuwen-
dung zu ihm vorliegt, wird der untheilbare Christus — ou f^s-

ßspKTTai 1 Kor. 1, 13

mit seiner gesammten Liebe, Kraft
und Gabe wirksam. Die Mannigfaltigkeit die durch das Wachs- ,

thum des Glaubens in demselben gesetzt ist, ergibt darum für


Paulus nicht eine Theilung desselben in innerlich geschiedne
Zustände ,
etwa so ,
dass ein suchender und ein besitzender

Glaube auseinanderträten. Eine solche Scheidung im Glauben


hätte sich unvermeidlich ergeben, wenn er die Rechtfertigung
und Versöhnung als einen nur im Innenleben des Menschen
sich vollziehenden Akt Gottes dächte. Dann würde derselbe

im inneren Verhalten zu Gott zur Epoche und dasselbe


würde sich in zwei Perioden zerlegen, in einen Glauben der

nach Gerechtigkeit und Versöhnung verlangt, und in einen


solchen ,
der sich nun auf Grund der empfangnen Rechtferti-

gung und Versöhnung vertrauend an Gott hält. Von einer


solchen Scheidung im Glauben findet sich aber bei Paulus keine

Spur und zwar darum nicht, weil ihm die Rechtfertigung und
Versöhnung in Christo göttlich und gegeben
bereitet ist. Der
Glaube steht vor einer vollendeten That Gottes und ,
er wird

darum nicht erst allmählich zur Gerechtigkeit, sondern ist sie,

so wie er überhaupt vorhanden ist. Der Glaube ist allerdings


wie Besitz so auch Streben nach der Rechtfertigung, vgl. Rom.

5, 1 mit Gal. 2, 16. 17. Dieser Doppelcharakter wächst ihm zu ,

weil der Glaubende eine richterliche That Gottes als geschehen

vor sich hat und einer andern in der Zukunft entgegensieht.


In Tod und Auferstehung Christi ward Gottes Gerechtigkeit
offenbar und dadurch ist Rechtfertigung erlangt, im Kommen
366 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

des Christus geschieht die neue Offenbarung des gerechten gött-

lichen Richtens und im Blick auf sie wird Rechtfertigung im


Glauben gesucht und erwartet. Aber diese Doppelstellung des

Glaubens ergibt nicht eine Theilung des christlichen Verhaltens


in zwei unterscheidbare Perioden ,
sondern sie dehnt sich gleich-

massig durch das ganze christliche Leben hindurch. Der Glaube


ist Ton seinem ersten Entstehn an Besitz der Rechtfertigung und

er bleibt, so sehr er sich entfalten mag, Streben nach ihr.

Das Wachsthum ,
das sich am Glauben vollzieht ,
bestimmt sich
somit als fortschreitende Aneignung dessen, was göttlich von

Anfang an Besitz und Eigenthum des Glaubens ist.

Sofern nun die Offenbarung Christi noch künftig ist,


erst

und die Gegenwart sich für die Gemeinde zur Theilnahme


an seinem Leiden und Sterben gestaltet, und nicht nur zum
Genuss seines Lebens, 2 Kor. 4, 10 ff.
vgl. Kol. 1, 24, haftet

am Glauben und seinen Wirkungen jetzt noch eine Schranke,

ja Beschränkung gibt wesentlich dem Yerhältniss zu


diese

Christus den Charakter des Glaubens der an ihm festhalten- ,

den Vertrauensbethätigung ,
doch nicht so als wäre ihr die
Gabe nur in Jesu Yerklärung gezeigt und verheissen ,
da sie

auch in ihrem eignen Wesensbestand Thaten Gottes, Real Wir-

kungen Christi erlebt in seiner Einwohnung in ihr und in dem


damit gegebnen Besitz des Geists, welche insofern über den
Glaubensakt hinausführen, als sie ein gewisses Sehen und Er-
leben seiner Gnade ermöglichen ,
wie denn darum der Geist

Angeld und Erstling heisst. Sehr bezeichnend tritt Gal. 2 ,


20
der Glaubensbegriff erst da ein, wo Paulus das Leben Christi
in ihm dadurch beschränkt, dass er auch so noch im Fleische
lebt. So weit Christi Leben in ihn eingeht, ist seine Beziehung
zu ihm mehr als Trauen, nämlich "Wahrnehmung und Empfang
seiner Gaben. Aber diese Immanenz Christi in ihm enthebt
ihn dem Fleische noch nicht, das volle Resultat des Verhält-

nisses zu Christus liegt noch nicht vor, die Gestalt ist noch
DIE ALLGENUaSAMKEIT DES GLAUBENS. 367

nicht gegenwärtig, 2 Kor. 5 , 7, das Leben noch mit ihm ver-

borgen in Gott, Kol. 3, 1, und diese Fortdauer des Fleisches in

seiner Sündigkeit und Sterblichkeit bewirkt, dass das Leben


Christi in ihm auf seiner Seite Leben im Glauben an Christus
ist. Darum tritt 1 Kor. 13, 13 der Glaube als das für die Ge-

genwart nicht aufzuhebende der künftigen Form der Gottes-


gemeinschaft gegenüber. Dann wenn der göttliche Erkenntniss-

akt, welcher sich dem Menschen mit der Intensität des lieben-
den , Gemeinschaft suchenden und stiftenden Kennens zugewandt
hat ,
zum Grunde eines ihm gleichartigen menschlichen Kennens,
das Gott erfasst , geworden ist ,
ist das Verhältniss zu Gott über
den Glauben hinausgeführt. Nun reicht jenes künftige Verhält-

niss schon in die Gegenwart der Gemeinde hinein durch ihre


charismatische Begabung, welche sich zu jenem verhält wie der
Theil zum Ganzen, to ix [Aspovi;
— ro TeXeiov 13, 10. Wie die

Prophetie über jenes Hoffen hinausführt ,


welches sich darum der
Herrlichkeit Gottes getrost rühmt weil ,
es sich auch ohne Einblick
in Inhalt und Verlauf der Zukunft an die allmächtige Gnade Gottes
hält, so geht die Erkenntniss mit ihrem Einblick in Gottes
Wesen und Wirken über jenes Glauben hinaus, das sich ver-
trauend Gott ergibt, gewiss dass in ihm Errettung ist. Nun
sind aber diese das künftige Verhältniss zu Gott vorbildenden
Güter noch nicht selbst das Vollkommene, weder dringt das
Erkennen zu Schauung Gottes und Christi vor, die nicht
einer

durch einen Spiegel vermittelt und nicht nur auf Deutung


eines Räthsels verwiesen wäre, noch enthüllt die Prophetie
das Handeln Gottes nach seinem ganzen Inhalt
vollendende
und Verlauf. Darum heben sie den Glauben und das Hoffen
nicht auf, unterliegen vielmehr selbst als ein unvollkommenes
der Beseitigung. Aller Geistbesitz muss der Gemeinde immer
auf's neue zum Motive werden ,
sich Gott vertrauend zu über-

lassen, und diess ihr Glauben »bleibt" in seinem Werth und


in seiner Wirkung ,
als das was für die Gegenwart durch
368 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

niclits entbehrlicli wird und in seiner Folge und Frucht ewig


ist. Darum liebt auch die im Glauben liegende Schranke der

Lebensentfaltung den absoluten Charakter der Zuversicht nicht


auf. Diese Schranke ist nicht in einem subjektiven Defekt des
Glaubenden begründet, noch weniger freilich in einem Defekt
Christi, sondern in der Gestaltung und Ordnung des göttlichen
Wirkens ,
welches den Christus offenbaren wird zu seiner Zeit,
1 Kor. 15, 23. Den dem Glauben gegebnen Besitz und die

in ihm enthaltne Zuversicht könnte nur das beschränken, was


der Heilsmacht Christi Schranken setzte, diese aber ist iinbe-

greuzt, wie denn die vollkommene Lebensgestalt Folge seiner


Offenbarung ist ,
darum bleibt auch der Glaube eine unbedingte ,

unbegrenzte Zuversicht.

Die ünbeschränkheit des Glaubens, die keine Begrenzung

erträgt, hat Paulus zu wichtigen praktischen Resultaten geführt ;

sie machte es ihm unmöglich, dem Gesetz um seiner selbst

willen ,
darum weil es Gesetz ist ,
in der Gemeinde irgend welche
Bedeutung einzuräumen in welcher Form dasselbe geltend ge-
,

macht werden mochte. Ob es als Bedingung für die Zugehörig-


keit zur messianischen Gemeinde oder als Vollendung derselben,
ob es als Weg in die Gerechtigkeit oder in die Weisheit, ob

es für den Heiden oder ob es für den Juden aufgerichtet wird,


die Stellung des Paulus blieb gegen alle Formen und Stufen
der Bindung an das Gesetz dieselbe völlige Ablehnung, denn
der Glaube lässt für Paulus neben sich keinen Raum für irgend

eine Tendenz, die über Christus hinübergreift. Wird neben


Christus irgend etwas z. B. das Gesetz als vor Gott werthvoll

und wirksam geltend gemacht, so sind seiner erlösenden Kraft


Schranken gesetzt und die Zuversicht zu Christus ist nicht
mehr unbegrenzt und damit der Glaube in seinem wesentlichen

Charakter zerstört. In der Zurückwendung vom Glauben zum


Gesetz liegt der Vorwurf gegen Christus, dass er der Sünde
diene, Gal. 2, 17. 18.
DIE PEEIHEIT GEGENÜBER DEM GESETZ. 369

Der Glaube suelit in Christus gerechtfertigt zu werden und


ist desshalb Verzicht auf die "Werke des Gesetzes, 2, 16, vgl.

Seite 311 ff.


Derjenige der in Christus die Gerechtigkeit sucht,
hat somit das Gesetz abgehrochen; er wird darum in diesem auf
Christus gerichteten Trachten als Sünder erfunden, wenn das
Gesetz doch noch irgendwie bindende Norm ist und darum eine

Lösung Ton ihm nicht statthaben darf. Wenn der Glaubende

wieder zum Gesetz zurückkehrt, so baut er wieder auf, was


er in seiner Abwendung vom Gesetz zu Christus hin abgebro-
chen hat, und bezeichnet damit seine Lösung vom Gesetz als

Uebertretung. So klagt er Christus an ,


denn der Glaubensakt
ist durch Christus selbst hervorgerufen, er rief sie ab vom
Gesetz hin zu sich und weckte jenes Streben, das in ihm
und nicht im Gesetz die Rechtfertigung sucht. Bindet das
Gesetz doch vor Gott und ist es Sünde sich von ihm zu
lösen, so hat Christus, der den Glaubenden vom Gesetz löste
und an band, ihn in die Sünde geführt. Ein solcher Vor-
sich

wurf gegen Christus negirt aber den Glaubensakt nach seinem


Inhalt und Grund total. Der Glaubende sucht in ihm den

Begründer der Gerechtigkeit, er kann nicht zugleich in ihm


den Beförderer der Sünde sehn. Damit dass in der Rückkehr
der jüdischen Männer zum Gesetz ein solcher Vorwurf gegen
Christus enthalten ist, setzt sie sich zum Glauben in unver-
söhnlichen Zwiespalt und ist von der Wahrheit des Evange-
liums abgewandt, Gal. 2, 14.
DieArgumentation des Paulus in Antiochien bezeichnet
scharf den Punkt, der für ihn die Unmöglichkeit in sich trug,

sich in irgend einer Weise dem Gesetze unterthan zu machen:


er kann seinen Herrn nicht anklagen, als bedürfte er noch
irgend etwas neben ihm als wäre er im Glauben an ihn noch
,

ein Sünder und die alleinige Gebundenheit an ihn, welche die


Freiheit vom Gesetz als Kehrseite in sich hat nicht volle , , gött-

lich-gültige Gerechtigkeit. Das Gesetz ist ihm darum verschlos-


24
370 BEB ftLAUBB IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

sen und unzugänglich geworden, weil sein ganzes Vertrauen,


Hojffen und Trachten an Christus angeschlossen ist und er das-

selbe nicht spalten kann und darf, und die Intensität der Hin-
gabe ,
in der Paulus zu Jesus steht ,
wird dadurch hell beleuch-
tet, dass 6r einVerhalten wie dasjenige des Petrus und Barnabas
in Antiochien als Störung des Glaubens empfand. Veranschau-
licht manden Gegensatz zwischen der judenchristlichen
sich

und Paulinischen Stellung durch den reformatorischen Kampf


gegen den katholischen Kultus, so darf, wenn die Parallele

nicht gänzlich irreleiten soll, nicht übersehen werden, dass

Paulus den objektiven Inhalt der gesetzlichen Handlungen, schlech-

terdings nicht negirt. Die Eeformatoren hielten Messe , Rosen-


kranz etc. nicht für Gottes Gebot, waren vielmehr davon

überzeugt, dass dergleichen Handlungen der Wahrheit Gottes


und dem Sinne Christi au sich widerstreiten. Paulus war aber
mit der ganzen Gemeinde davon überzeugt, dass Gott Be-
schneidung und Sabbath geboten habe, dass Christus, der von
keiner Sünde wusste, beschnitten war und Sabbath hielt als
unter das Gesetz gethan. Was ihm die Bindung an das Gesetz
unmöglich machte, war die aus Begrenzung der
ihr folgende

Gnade und Kraft Christi und damit auch der auf ihn gerich-
teten Zuversicht, die Werthschätzung menschlicher Aktivität
und Leistung und die in ihr gesetzte Beeinträchtigung des
Glaubens ,
der alles in Christus sucht und hat. Die Erörterung

der Gesetzesfrage in der Gemeinde war darum um vieles

schwieriger, innerlicher als der reformatorische Kampf: es galt

nicht nur den Riss durch eine Kette, die meuschliche Ver-
kehrtheit und Tyrannei aufgelegt hatte, sondern Lösung aus
einem Bande,^ das mit der ganzen Heiligkeit und ünantast-
barkeit göttlicher Stiftung und Verpflichtung die Gemeinde
band.
Darum sucht Paulus diese Lösung auch nicht auf dem Wege
der Kritik der einzelnen gesetzlichen Bestimmungen. Der Rö-
DIE PEEIHEIT GEGENÜBER DEM GESETZ. 371

merbrief enthält keine dahin zielende Aeusserung, der Galater-


und Kolosserbrief geben sie nur als Folgesatz zu den prin-
cipiellen Erörterungen, die das Gesetz als Ganzes fassen und
die Lösung von ihm nach seinem gesammten Bestände durch-
führen, Gal. 4, 9 ff. Kol. 2, 16 ff.; die Erörterung in An-
tiochien lässt sich auf den Werth der Speiseordnung gar nicht
ein. In einem Verbot wie das ,
welches die Begier verbietet ,
Köm. 7,7, also gerade da ,
wo das Gesetz sein innerstes un-
antastbares Wesen offenbart ,wo eine Abwendung von ihm
unmöglich scheint, weil es sich an der Vernunft jedes Men-
schen als gut, heilig und geistlich bezeugt, da ist die Stelle,

wo die Lösung vom Gesetz erlangt werden muss; nur der,


welcher das Gesetz in die eine das Fleisch und seine Begier

verurtheilende Norm zusammenfassen kann und von dem so

bestimmten Gesetze sich gelöst weiss, ist frei von ihm. Hier
findet sich aber auch der Punkt, wo sich das Verhältniss zum
Gesetz nach seinem ganzen Bestand entscheidet und dem Men-
schen nichts übrig bleibt als jener Glaube ,
der auf das Gesetz
und seine Werke ein für allemal verzichtet hat. Nun erst

nachdem Lösung von der gesetzlichen Verpflichtung über-


die

haupt zu Stande kam, ist auch innerlich ethisch das Recht


vorhanden auf den Ertrag und Nutzen der einzelnen gesetz-
,

lichen Handlungen zu reflektiren und sie im Vergleich mit ,

Christi Gabe arm und schwach, Bindung an die Elemente der

Welt zu nennen ohne dass darin Auflehnung gegen das Gebot


, ,

Ungehorsam, xvof^U, lag. Im Glauben war nun Recht und


Macht zur Kritik des Gesetzes gegeben, denn nun blieb auch
auf der als arm und schwach und nebenein gekommen er-
kannten Satzung die volle Majestät des göttlichen Gebots ,
nun
wurde die Freiheit nicht gesucht durch Entwürdigung des Ge-

setzes, sondern sie war gewonnen gegenüber dem in seiner vol-

len Würde und Grösse gefassten Gesetz.


Wenn desshalb dieselbe gesetzliche Handlung, die Paulus
372 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

danii ,
wenii sie ihm als Heilsvermittlung vorgehalten wurde ,

schlechthin abwies, ohne solchen Gegensatz gegen Christus vor

ihm lag ,
wenn es dem Verkehr mit den Menschen ,
der Sphäre
der Liebe angehörende Motive waren, welche auf sie wiesen,
so konnte derselbe Paulus jeden gesetzlichen Akt ohne Beden-
ken voUziehn ; denn dieselbe absolute Bindung an Christus allein ,

die ihn dem Gesetze völlig verschluss, wurde ihm, wenn die

Beobachtung desselben dem Evangelium den Weg bahnte, zum


treibenden und nöthigenden Motiv das ihn für die Juden zum ,

Juden machte und ihn z. B. bewog ,


der Gemeinde in Jerusalem
durch ein Opfer förmlich zu bezeugen, dass ihm das Gesetz
nicht weniger das heilige Gesetz Gottes sei als ihr. Die gesetz-

lichen Akte bilden desshalb für ihn in vollem Sinne eine Sphäre

der Freiheit, sie sind ihm ebensowenig wie geboten, verwehrt,


er kann sie wie unterlassen ,
so voUziehn ,
ohne dass diese Wahl
ein Moment der Willkür enthielte, er muss sie lassen, dann
wenn in ihnen ein Gegensatz zum Glauben liegt, er muss sie

voUziehn, dann wenn die Liebe ihrer bedarf; sie sind sündig,

dann wenn sie die Gnade Christi und Gottes schmälern und

begrenzen, und geboten dann, wenn sie dem Bruder dienen


und ihn bewahren vor Aergerniss ^).
Noch weniger als das Israel gegebne Gesetz hat irgend ein

selbstgemachtes Heiligungsgesetz neben dem Glauben Raum:


es ist Glaubensschwäche, wenn einer nur Gemüse isst, Rom.
14, 1 ff.
=').

Der üeberzeugung des Asceten ist damit nicht in formeller Hin-


sicht ein Mangel zugeschrieben, als wäre sie unsicher, schwan-

1) Die Beurtheilung, die das Pauliniscte Verhalten erfahren hat, zeigt, wie schwer
uns der Begriff der Freiheit zugänglich ist. Man konnte sich dieselbe oft nur als
negative Bindung denken, welcher der gesetzliche Akt ein innerlich unmögliches
geworden ist. Für Paulus hatte sÄsvSep^a seinen vollen Begriff, er hatte dem Gesetz
gegenüber zu allem Macht.
2) Ueber h^xpia-ii; siehe Erl. 8,
DER GEGENSATZ ZUR ASCBSE. 373

kead, in sich gespalten; die üeberzeugung des »Scliwachen"


tann vielmehr subjektiv grosse Kraft und Festigkeit besitzen;
es "wird auch von ihm ausdrücklich gefordert, dass er in seinem Den-

ken zum festen sichern Schluss und Ergebniss gekommen sei,

iu r^ Ulij} voi 7r?,i}po(^opsi(72ra, Rom. 14,5 ; es wird verboten ihn ,

in seiner üeberzeugung zu verwirren und zu erschüttern, da-

durch dass Zweifel in ihm geweckt werden, 14, 1. Andrerseits

ist für den, der sich keine ascetische Regel auferlegt, die
Gefahr keineswegs ausgeschlossen ,
dass er innerlich zerspal-
ten handle und 14, Aber mag auch der Ascet
so sündige, 23.

noch so sehr überzeugt sein, dass Fleisch und Wein für ihn

gefährlich sind und dass er der Feiertage bedarf, mag er


auch sein Handeln auf den Herrn beziehn und es ihm
thun, ihm dankend darob, dennoch ist sein Handeln Glau-
bensschwäche. Warum, setzt Paulus Rom. 14 nicht ausein-

ander, er stellt absichtlich den Asceten und den Freien


neben einander ,
und hebt heraus ,
dass beide in Folge ihrer

inneren Stellung zu ihrem Thun berechtigt sind; es liegt ihm


hier nicht daran sachlich ein Urtheil über die beiden Stellun-

gen abzugeben und den Schwachen zur Stärke emporzuheben ,

sondern daran, dass die Gremeinschaft zwischen beiden durch


die Differenz ihres ürtheils und Verhaltens nicht gestört und
gebrochen werde. Nur im Eingangswort, das den Asceten am
G-lauben schwach nennt, spricht sich sein Urtheil aus, und er
konnte es bei dieser Andeutung lassen, nachdem der Römer-
brief vorangegangen ist. Nachdem er den G-lauben entfaltet
hat als die Hinzuführung in die Gnade durch Christus, in
welcher der Mensch weiss , dass ihm alles zum Guten mit-
wirkt und ihn nichts von der Liebe Gottes scheidet, als Mit-

gestorben und Mitauferstanden sein mit Christus, das von


Fleisch und Welt die Lösung und mit Gott im Geist Verbun-
denheit schafft, so ist unmittelbar deutlich, dass in der Furcht,
welche die Ascese in sich schliesst, und in ihrem Streben den
374 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Verband mit Gott durch der Natur angeiiörende Mittel wenn


auch nicht zu begründen ,
so doch zu bewahren, ein Gegensatz
zum Glauben enthalten ist ^). Der Glaube erweist sich wie dem
Gesetz auch der Natur gegenüber als Freiheit kraft der
so

TJnbegrenztheit seines an Christus hingegebenen Vertrauens,


das nichts mehr fürchtet im Blick auf ihn und nichts mehr
sucht als ihm zu leben. Der Glaubende kann die der Natur
entnommenen Güter brauchen und Gott ob ihnen danken, und
sie lassen und auch hier ist der Gebrauch derselben oder
,

der Verzicht auf sie nicht der Willkür anheimgegeben, sondern

durch die Liebe bestimmt, Ihre Grenze hat diese Freiheit da,
wo ihr Grund und Princip ein Ende hat: alles was nicht aus

Glauben ist, ist Sünde, 14, 23, wobei auch hier »nicht aus
Glauben sein" erläutert wird durch die innere Zertheilung,
welche die Selbstverurtheilung zur Folge hat. Der Glaube ist
damit in voller Actualität auf die bestimmte Handlung bezogen ,

die in Frage steht, vgl. ttkttsüsi CpocysTv, 14, 2. Er wird zur


Zuversicht, die sich göttlich ermächtigt weiss zu diesem Thun;
wo sie fehlt, ist der Akt Sünde, mag das sachliche Moment
an demselben noch so sehr der Freiheit des Menschen anheim-

gegeben sein. Das falsche Wollen, das in solchem Handeln


liegt, ist gegen Gott und Christus gewandt, es liegt Nicht-

achtung Gottes, Geringschätzung der göttlichen Ermächtigung


in ihm.

In diesem oiv^svelv t^ 7ri<rr£i kehrt der in ohtyÖTria-Tot; liegende


Gedanke wieder. Dasselbe ist nicht synonym mit Unglauben,
nicht jeder Glaubensverband mit Christus wird dem Asceten ver-

neint, aber es nennt einen innern Zustand, welchem dem Na-


turleben gegenüber die Zuversicht zu Christus rasch zusam-
menbricht. Dieser Gebrauch des Glaubensbegriffs ist seiner

Beziehung zum Wunder verwandt. Wie der ,


welcher das Wort

1) Vgl. von den Asceten in Kolossä: ob Kpuretv tj)v ks(Poc?i,i^v. Kol. 3,19.
DER GEGENSATZ ZUR ASCESE. 375

der Heilung spricht, der Zuversicht bedarf, dass Gott ihm


dieselbe gewähren wird, und wie nur in solcher Zuversicht,

in ihr jedoch unmittelbar die Ermächtigung zu seinem Handeln


und die Kraft desselben liegt
— Act. 3,16 — ,
so hat auch
der Gebrauch der Natur seine Voraussetzung in der Gewissheit ,

dass ein von Gott gegebnes angeeignet und genossen wird ,

und in dieser Zuversicht liegt Eeeht und Grund zu solchem

Genuss, nur dass es sich dort um den Empfang einer neuen


erst zu schaffenden Gabe handelt, hier dagegen um Gebrauch
und Nützung einer vorhandnen. Wie aber im Wunder die auf

Heilung gerichtete Zuversicht nicht unabhängig vom Glauben


an Christus ist, vielmehr durch ihn entsteht, so ist auch die
innere Ermächtigung zum freien Gebrauch der Natur das kon-
krete Resultat der auf Christus gewandten und in ihm Leben
und Gerechtigkeit als ihr Eigenthum bejahenden Zuversicht ').
Neben der Freiheit vom Gesetz und von jeder ascetischen
Heiligungsregel stehn in den Paulinischen Briefen zahlreiche
an die Gemeinde sich wendende Imperative, welche durchaus
die Absicht haben, ihr ihre Pflicht darzustellen, an die ihr
Wollen und Handeln unbedingt gebunden sein muss, so dass
die Ablehnung derselben Schuld ergibt und den Verband mit

Gott zerreisst — 1 Kor. 6 ,


9 — ,
nicht zwar so als wollten

diese Imperative der Gemeinde ihre Aufgabe vollständig und

1) Wenn gleich es nicht die Absicht von Rom. 14, 23 sein kann, das Handeln

des Äsceten als Sünde zu verurtheilen im Widerspruch mit der vorangehenden Dar-
legung, so folgt daraus doch nicht, dass hier der Glaubensbegriff rein formal und
abstrakt gedacht sei als /,feste Ueberzeugang," so dass von ihrem Inhalt völlig ab-
strahirt und darum auch die üeberzeagung des Asceten tr/o-T/e genannt wäre. Der
Schlussatz fasst nur den Freien in's Auge und gibt ihm zu bedenken, dass die

Rechtmässigkeit seines Handelns darin bestehe, dass es wirklich aus Glauben her-
vorgehe. Daraus folgt für den Schwachen allerdings die analoge Regel, dass auch er
nicht aus innerer Zerspaltung heraus handeln soll. Aber Paulus hat es in der gan-
zen Darstellung offenbar absichtlich vermieden, die Ueberzeugung des Schwachen
Glaube zu heissen; er sagt nicht: Tria-Ts'-Jei JM%mct, cpayelv , sondern nur TTia-TSi/ee

^ctyslv TOtvr« Rom. 14, 3.


376 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

erschöpfend nennen, sie bezeiclinen itr nur die durchgreifenden

Grundzüge derselben, während jeder einzelne in der Gemeinde


einen individuell auf ihn selbst gerichteten Willen Gottes vor
sich hat, den er wahrnehmen und ausführen soll, Eöm. 12, 1 ff.

So durchdringt ein göttliches Gebieten das ganze christliche

Leben, doch für Paulus liegt auch hierin für die Ailgenugsam-
keit des Glaubens und seine bedingungslose Zuversicht keine

Störung oder Begrenzung.


Träte jener Wille Gottes ,
der sich gebietend und fordernd an
den Glaubenden wendet ,
inhaltlich als etwas anderes und gegen-
sätzliches zur Erscheinung Jesu hinzu ,
so würden wir aller-

dings zwei Heilsbedingungen erhalten etwa| Glaube und Hei- ,

ligung, womit die Allgenugsamkeit des Glaubens negirt wäre.


Alleindie Sendung und Auferweckung Christi ist selbst schon

auf Sünde und Gerechtigkeit bezogen als Gericht über die


Sünde und als Gründung der Gerechtigkeit; das göttliche Ge-
bot, welches der Gemeinde gestellt ist, steht mit dem Urtheil
Gottes ,
das an Jesus offenbar und wirksam ist ,
in voller inne-

rer Korrespondenz; es ist der Gemeinde das verboten, was sie

in Jesus negirt sieht ,


und das geboten ,
was ihr in Jesus

gegeben ist. Die Imperative expliciren somit lediglich die Stel-


lung, welche ihr als der an Christus glaubenden zukömmt; ja
mehr noch: sie hat, indem sie durch Glauben in jenes ürtheil
Gottes zustimmend und bejahend eingegangen ist ,
die Stellung

schon eingenommen und erlangt ,


die ihr das göttliche Gebot
als von ihr festzuhalten vorhält. Die Aufgabe der Gemeinde be-
stimmt sich somit dahin ,
was sie glaubend empfangen hat, zu
bewahren was sie glaubend geworden ist auch zu sein in ihrem
, ,

Handeln und Leben. Auf der Gemeinde liegt der Imperativ,


sich der Sünde für todt zu halten in absoluter Negation der-

selben , Rom, 6, 11 ff., aber diese Forderung gründet sich im


Faktum: wir, die wir der Sünde gestorben sind, ßöm 6, 2,
Die Gemeinde soll sich und ihre Glieder Gott als Werkzeuge
DIE ETHISCHEN IMPEEATIVE. 377

der Grereclitigkeit dargeben, aber das Gebot ist Ausdruck ihrer


reellen Lebensgestaltung : sie sind die aus den Todten für Gott

lebenden , Rom. 6 , 13; sie soll nach dem Geist wandeln weil ,

sie durch Geist lebt, Gal. 5, 25. Rom. 8, 5 ff.; sie hat den
alten Sauerteig auszuscheiden, weil sie von ihm frei und abge-
sondert ist, 1 Kor. 5, 7. Allerdings bedürfen jene Aussagen,
welche benennen, was Christus für den Menschen gewirkt und

begründet hat, der ihnen korrespondirenden Imperative noth-


wendig. Das Gestorbensein mit Christus hat seine wesentliche
und unentbehrliche Fortwirkung und Vollendung darin, dass
nun auch » die Glieder die auf der Erde sind todt gemacht
, ,

werden", Kol. 3 ,
5 vgl. 3 ,
und das Leben im Geist besteht
nicht ohne den Wandel nach der Norm und Weisung des

Geists. Denn die Wirkung Gottes im Menschen wird Princip


einer Lebensbewegung, die auf sein Wollen und Handeln ab-
zielt und in die dasselbe fortwährend einzutreten hat, und
weil die der göttlichen Gabe entgegengesetzten Potenzen nicht
nur in der äussern Umgebung des Menschen liegen, sondern in
seinem eignen seelischen und leiblichen Wesen, ist er mit den
wechselnden Situationen, in denen er sich findet, immer neu
zur Willensentscheidung genöthigt, die fortgesetzt gegenüber
seiner eignen dem Geiste noch gegensätzlichen ,
fleischlichen Be-
schaffenheit das affirmirt ,
was Christus ist und that ,
doch nicht
so als zerfiele das Leben in eine zusammenhangslose Vielheit
von Willensakten, vielmehr ist wie früher der Sünde, so nun
durch den Glauben der Gerechtigkeit gegenüber eine Verknech-

tung gesetzt, "^ou^cob^vxi t0 ^tKoitoa-vvifi ,


Rom. 6, 10 ff, die eine

feste fortwirkende Bindung der Person an sie ergibt. Sündiges


Wollen zerreisst freilich diesen Zusammenhang ,
die Gemeinde
kann fallen und kein Empfang göttlicher Gaben ist an sich
schon Garantie gegen solchen Fall, 1 Kor, 10, 1 ff, wesshalb
Furcht ein Moment im Christenleben bleibt, das nicht ver-

schwinden kann und darf, 2 Kor. 7, 1. Phil. 2, 12. Aber


378 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

solclier Fall bricht niclit nur durch ein Gebot durch, sondern
fällt aus der von Christus ausgehenden Wirkung und G-abe
Grottes heraus ;
er zerstört nicht nur das Sollen sondern auch ,

das im Glauben begründete Sein der Gemeinde. Darum liegt


im Glauben kein Trieb, sich Yom Gebot abzuwenden, vielmehr
Verlangen und Begehren, den Willen Gottes zu erkennen und
zu thun, und die Selbstthätigkeit zu der das Gebot ruft, und ,

die Furcht, welche im Blick auf Gottes Strafernst in sie ein-

tritt, ergeben nicht Begrenzungen der Zuversicht, sondern viel-

mehr Stärkung und Vollendung derselben, denn sie treiben


zur unbedingten Hingabe an den in welchem der Gemeinde ,

zu dem ihr gestellten Gebot die Wirklichkeit, Kraft und Geist

gegeben ist. Diese Korrespondenz zwischen Sein und Sollen,


die nicht durch Akkommodation des Gebots an das schlechte

Begehren zu Stande kömmt ,


sondern dem Sollen seinen abso-
luten Inhalt lässt — todt für die Sünde !
präciser lässt sich

die absolute Negation des Bösen nicht aussprechen


— die

aber das Sollen nicht nur als Postulat sondern zuerst als

Thatbestand im Sein der Gemeinde aufstellen kann ,


darum
weil es in Christus Wirklichkeit und Gabe ist — das ist der

Triumph Ethik des Paulus und des Hauptbegriffs der-


der

selben, seines Glaubens, neben dem alle sonstigen ethischen

Gedankengänge Kant und Hefbart inbegriffen Kindereien sind.


, ,

Darin dass der Glaubende das Gebot nach seinem vollen In-
halt fasst, als sein eignes Wollen und Handeln verpflichtend,
und den Straf ernst Gottes unbedingt bejaht, kraft dessen der
Sold der Sünde Tod ist, Köm. und doch mit unge-
6, 23,
brochner Zuversicht sich Gottes rühmen und die Gerechtigkeit

bejahen kann als seinen Besitz ,


um dess willen was Christus
ist, darin liegt der Thatbeweis dafür, dass der Glaubende nicht

mehr unter, sondern im Gesetze steht, hvof^oq Xpi<rrov, und das


vom Gesetz als gerecht festgestellte erfüllt in sich trägt ,
1 Kor.

9, 21. Rom. 8, 4.
DEK GLAUBE DIB WUBZEL DES WEßKS. 379

So entsteht das Werk als des Glaubens Werk, da er die


Kraft und Befähigung zu demselben ist 1 Thess. 1 3. 2 , ,

Thess. 1,
11 , und Werk des Glaubens und Mühe der Liebe
und Standhaftigkeit der Hoffnung werden neben einander ge-
stellt. Wie die Mühe der Liebe darum genannt
ist, weil sich
in ihr die Liebe erprobt und bewährt, und die Standhaftigkeit

der Hoffnung darum, weil sie in der Beharrung sich erhält


und ToUendet, so hebt Paulus analog nicht den Glauben
allein ,
sondern das Werk des Glaubens als Besitz der Gemeinde
darum hervor, weil der Glaube in der Arbeit und Leistung, zu
der er befähigt und treibt, sein Siegel und seine Wahrheit

hat. Darum geht auch die Bitte da, wo sich der Blick auf die

Vollendung der Gemeinde richtet, darauf, dass Gott in ihr das


Werk des Glaubens voll machen möge denn erst im Werke ,

hat der Glaube sein Ziel erreicht, im vollen Werk sein ganzes
Ziel, 2 Thess. 1, 11. So erscheint der Glaube auch 1 Kor.

13, 2 neben der Rede und Erkenntniss im Anschluss an Jesu


Wort Ausrüstung und Befähigung zum Werk. Zumal in dieser
als

Hinsicht wird er als durch Stufen hindurchgehend gedacht —


•KM» 1^ 'TTio-Ttg
— und als individuell sich besondernd, vgl. 1

Kor. 12, 9. Er tritt damit in die Reihe der Charismen, die


als individuelle Gabe einzelnen durch den Geist gegeben sind.

Der eine hat die Zuversicht, die sich in einer konkreten Situ-
ation —
und wohl an das Wunder gedacht
zunäctist ist —
erwartend und bittend an Gott wenden kann der andre hat ,
sie

nicht, dem welcher ,


sich ermächtigt und gekräftigt sieht Gott die
helfende That glaubend zuzutrauen ,
ist diess ein ihm per-
sönlich gegebnes Charisma. Doch ist der Glaube nicht nur die

Kraft zum Wunder, sondern zu jeder christlichen Thätigkeit.


Er bestimmt in seinem individuellen Maass und Charakter die
dem einzelnen obliegende Pflicht. Die Schranke des Trachtens ,

(ppovsTv ,
welche
gegen üeberhebung abgrenzt und zur
es die

besonnenen Lebensauffassung macht (rcocppovslv liegt im Maass , ,


380 DEE GLAUBE IM NEUißN TESTAMENT. EAP. VIII.

des Glaubens, wie es Gott dem einzelnen zugetheilt kat, Rom.


12, 3. Diese Bedeutung kömmt dem Glauben darum zu, weil
fruchtbare menschliche Thäfcigkeit auf stetigem göttlichem Geben
beruht, das wiederum mit dem Glauben göttlich in Korrespon-
denz gesetzt ist ^). So bestimmt sich für jeden einzelnen die

Aufgabe dahin, den in ihm yorhandnen Glauben voll wirksam


zu machen in Dienst und Arbeit für das menschliche Zusam-
menleben durch das Organ, das der Glaube in der Liebe em-

pfangen hat.
Nun ist auch deutlich, wie Paulus seine Glaubenspredigt auf

Geltung des Werks gründen kann, warum er sie


die alleinige

mit dem Satz anhebt jedem der das Gute wirket, Herrlichkeit,
:
,

Rom. 2 1 ff. Der Glaube ist der Weg zum Werk denn er
, ,

ist der Weg in den Geist und in die Kraft, so dass durch das

dem Glauben gewährte Gut der Mensch zur Mitarbeit mit


Gott befähigt wird als cwapyoq tov 3"ioü. Die alleinige Heils-

bedeutung des Glaubens folgt daraus und hat darin ihre Fes-
tigkeit, dass es auf keinem andern Wege zum Wirken des
Guten kömmt als allein durch Glauben, allein dadurch dass
der Mensch verzichtet auf sich selbst und dem vertraut ,
der

ihm den Christus gegeben hat als das Haupt des Leibes, von
dem aus derselbe belebt und geleitet wird. Der Satz: allein

durch Werke, mit dem der Römerbrief beginnt — Kap. 2



und der andere : allein durch Glauben ,
mit dem er fortfährt ,

sind für Paulus Korrelata. Weil der Mensch das Gute zu wir-
ken hat, es aber nicht vermag, darum ist er zum Glauben
genöthigt an den Gott, der allein das Werk voll machen kann
und es voll macht als des Glaubens Werk, und weil er im
Glauben an Christus alle Bedingungen zum Wirken dessen

besitzt, was gerecht und gut ist vor Gott, weil im Glauben

Wille und Kraft empfangen wird, Gott sich selbst darzageben

1) üeber Rom. 12, 6 siehe Erl. 18.


DER GLAUBE DIE WUEZEL DBS WERKS. 381

als Werkzeug der Gerechtigkeit, darum ist der Glaube allein

das errettende. Beseitigt wird nicht das Werk, sondern jede


Addition heider, wohei die Gerechtigkeit halbirt wird theils in
ein göttliches, theils in ein menschliches Wirken und die Herr-

lichkeit — ^ö^x — getheilt wird theils zu göttlichem, theils

zu menschlichem Eigenthum ,
so dass Gott nur anfängt und
der Meusch vollendet, oder der Mensch anfängt und Gott nur
zu vollenden braucht ,
immer aber der Mensch in seiner Fleisch-

lichkeit eine gesonderte Bedeutung und ein eignes Vermögen


Gott gegenüber behaupten will. Für Paulus ist es Gott allein,
deui Gerechtigkeit und Liebeund Geist eigen sind,
,
Herrlichkeit

der nicht nur anfängt sondern auch vollendet und wie das

Wollen so auch das Vollbringen schafft. Gott aber gründet so,


dass der Grund gauch zur Folge wird ,
und hebt so an, dass der

Anfang zur Vollendung führt. Darum wird im Glauben das


Gute dem Menschen so zu eigen, dass er als Glaubender das
Gute wirkt.
Darum hat die Paulinische Predigt denselben Schluss wie der

Gedankengang der übrigen Gemeinde: auch er schaut hinaus

auf Christi Richten ,


das einem jeden nach seinem Handeln ver-

gelten wird ,
2 Kor. 5 ,
10. Das messianische Gericht bezieht
sich kraft seines vollendenden abschliessenden Charakters nicht

auf Glauben sondern auf Werk ,


nicht auf den innern Grund ,

der den Verband mit Gott trägt, sondern auf das Resultat und

Ergebniss, welches aus der Gabe Christi in der Gemeinde er-


wachsen ist. Der Kommende sucht die Frucht, nicht die Wur-
zel. Allein dieser Ausblick auf das über das Werk ergehende
Gericht wiederum keine Beeinträchtigung der Glaubensge-
ist

wissheit, vielmehr »erwarten wir


durch Glauben die Hoffnung
der Gerechtigkeit", Gal. 5,5, weil im vertrauenden Anschluss
an Christus Begehrung und Vermögen zu demjenigen
Lust,
Handeln gegeben sind, welches von Christus Lob empfängt,
1 Kor. 4, 5.
382 DBB. GLATJBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

Die Darlegung blieb bis jetzt insofern unvollständig, weil


sie nur Wollen und Handeln des Menschen in 's Auge fasste
und vom Erkennen abstrahirte; doch entfalten sich die beiden

Aeusserungen des Lebens , Erkennen und Wollen ,


in steter Wech-
selwirkung ,
und Paulus bewährt darin die durchdringende Kraft
seines Erkennens, dass er seine ethischen und erkenntnissthe-
oretischenAussagen in genaueste Beziehung zu einander setzt.
Er hat den Glauben in dasselbe Verhältuiss zur Weisheit wie zur

Gerechtigkeit gestellt und die beiden ersten Kapitel des ersten

Korintherbriefs , die sich auf den Begrifi Weisheit beziehn,


bilden darum sachlich eine zwar gedrängte aber völlig korres-

pondirende Parallele zu Rom. 1 — 8, Auch der Empfang der Weis-


heit geht wie derjenige der Gerechtigkeit durch eine Antithese hin-

durch; wie dort die eigne Gerechtigkeit des Menschen und die
Gerechtigkeit Gottes wider einander stehn ,
so hier die Weisheit

der Welt und diejenige Gottes ,


darum wird wie durch Verzicht auf
Gerechtigkeit die Gerechtigkeit so durch AnnuUirung der Weisheit
Weisheit erlangt ,
nach demselben Gesetze, dass der Mensch, um
das göttliche zu empfangen, auf sein eignes Gebilde verzichten muss.
Die Weisheit ihrem BegrifPe nach Erkenntniss Gottes,
ist

1 Kor. 1 ,
21 ;
bleibt Gott unerkannt, so ist der Erkenntniss-

besitz desMenschen nichtig und null, denn nur von Gott aus
werden die Welt und der Mensch hell, sie bleiben unerkannt,
so lange sie nicht in ihrem Verhältniss zu Gott verstanden
sind. Darum ist die Weisheit darauf gewiesen , Aneignung der
Weisheit Gottes zu sein; in ihm ist sie original, sein Schaffen
und Handeln ruht auf einem Ganzen göttlicher Gedanken,
welche nachzudenken Aufgabe und Ziel der menschlichen Weis-
heit ist. Nun schreibt sich die Welt Weisheit zu ,
der Grieche
sucht sie wenigstens als das Gut, auf das zuerst, ja allein sein
Trachten geht, 1, 22; der Jude rühmt sich ihrer als seines

Besitzes, er hat das stolze Bewusstsein ,


ein Licht zu sein für

die ,
welche in der Finsterniss sind ,
ein Erzieher der Thöriehten
GLAUBE UND ERKENNTNISS. 383

und ein Lehrer der Unmündigen u. s. f., Rom. 2, 19. Jene


Machthaber in Jerusalem, die den Herrn der Herrlichkeit kreu-

zigten ,
sind zugleich die Besitzer der Weisheit Israels ,
1 Kor.

2,8, und verdanken ihre Macht ihrer Wissenschaft. Paulus be-


handelt diese Weisheit nicht als Prahlerei und leeren Schein ,

so wenig als die Gesetzesgerechtigkeit. Er gehörte einst selbst

zu jenen Weisen ,
und Disputatoren dieser Zeit
Schriftgelehrten ,

1 Kor. 1 ,
20 ,
und hatte auch an jener Gedankenwelt Theil ,

die den Ruhm der Synagoge bildete, und er wusste, dass in

jenem auf Gott und Göttliches gerichteten Denken grosser Ernst


und kräftige Energie enthalten war. Jenes Weisheitsstreben ist
nicht an sich unberechtigt; denn Gott entfaltet vor dem Men-
schen in seinem Wirken seine eigne Weisheit, worin der Antrieb
für die Welt liegt, auch ihrerseits Weisheit zu gewinnen, denn
Weisheit wird nur durch Weisheit erfasst. Aber in ihrem Resultat
blieb diese Weisheit nichtig und leer: sie erkannte Gott nicht,

1,21, seine Weisheit blieb jedem Auge verborgen und kam in


keines Menschen Herz , 2 ,
7 ff. Der Thatbeweis für die ün-

kenntniss Gottes ,
in der die Welt ,
Israel mit inbegriffen steht, ,

ist Jesu Kreuz; dasselbe Faktum, welches die Gerechtigkeit des


Menschen annulHrt ,
ist auch für seine Weisheit die Offenbarung
ihrer Nichtigkeit. Der Tod Jesu ist Gottes Gericht wie über
das Begehren, so auch über das Denken des Menschen, und
auch diesem letztern gegenüber ist dieses Gericht nichts weni-

ger als nur Deklaration ,


sondern sehr real ,
eine That von

durchgreifender Wirkung, welche die Weisheit der Welt be-

seitigt und vernichtet, 1, 19. Indem Jesus in den Tod dahin-


gegeben wird ,
wird die errettende Predigt Thorheit. Die Erschei-

nungsseite am Kreuz ist Schwäche, Schmach das volle Gegentheil,

der Gottesherrlichkeit ,
darum ist es nicht Offenbarung der gött-
lichen Weisheit, vielmehr Verhüllung derselben, Bedeckung der
Majestät seines Raths. So hat Gott die weise Welt vor eine

Thorheit hingestellt; sucht sie nur Weisheit, so wendet sie sich


384 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. VIII.

von ihr ab ; behauptet sie dieselbe zu besitzen und beurtbeilen


zu können, was Gott ist und tbut und wie der Christus sich

offenbaren werde, so ärgert sie sich an ihr ,


und diess um so mehr
je weiser sie ist, je grösser und erhabener ihre Erwartungen
von Gottes Kraft und Herrlichkeit sind, je mehr Einblick sie

hat in das absolute Wesen Gottes. Gott hat seine rettende


That so gestaltet ,
dass kein Denken in ihr Gottes Offenbarung

und Gabe erkennt. Indem aber die Weisheit der Welt sich selbst

wider Gottes Hülfe behauptet, deren sie doch, so gewiss sie


Gott nicht erkennt, bedarf, schlägt sie in Narrheit um, denn
eine Weisheit, an der der Mensch verdirbt, ist damit faktisch
als Thorheit offenbar ,
1 ,
20. Wie Israels Gerechtigkeit ihm
der Grund des Falls wird, so wird ihm auch seine Weisheit
zum Verderben ,
denn wie jene ,
so treibt auch diese es in sei-

nen Widerstreit und Kampf gegen den Christus hinein.


Diese Verhüllung der Weisheit Gottes im Kreuze zur Thor-
heit hat darin ihren Grund, dass Gott nicht die Weisen son-
dern die Glaubenden erretten will, 1, 21. In diesem Zusam-

menhang tritt der Glaube zum Erkennen in energischen Gegen-


satz, als ein Trauen, das auf die eigne Fähigkeit zum Ter-..

ständniss und zur Beurtheilung des göttlichen Handelns ver-


zichtet hat, und nicht Weisheit für sich selbst in Anspruch
nimmt ,
wohl aber ,
ob es auch nicht versteht ,
Gott sich hingibt
in der Gewissheit, dass auch das Thörichte an Gott weiser ist

als die Menschen. Darum erklärt Paulus, in seiner Lehrthätig-


keit dem göttlichen Verhalten konform auf alle Weisheit verzichtet
zu haben, weil er in den Hörern auf Glaube zielt ,
und zwar auf
einen Glauben, der in Gottes Kraft begründet sei ,
2 ,
5. Wie
die Aufrichtung des Gesetzes zur Folge hätte, dass Christus

vergeblich gestorben wäre, so würde auch die Umwandlung


des Evangeliums in »Wortweisheit" das Kreuz entleeren; da-
durch würde es seines Grundes und Inhalts beraubt, 1, 17.
Nicht Gedanken sondern errettende Liebe bietet Gott im Kreuze
GLAUBE UND ERKENNTNISS. 385

Cliristi der Welt dar, eine Liebe, welche aus der E*raft in die

Schwäche, aus der Herrlichkeit in die Schmach und damit


auch aus der Weisheit in die Thorheit niedersteigt. Diese Liebe,
welche der Mensch durch das Kreuz empfängt, vermittelt ihm

zunächst nicht Lehre, wohl aber Kraft, 1, 18, und das Ver-

halten, durch welches dieselbe angeeignet wird, ist nicht Den-


ken und Urtheilen, sondern Vertrauen; in ihm allein hat die

helfende Liebe Gottes ,


welche Christus der Welt erweist das ihr ,

entsprechende Korrelat.
Die Unfähigkeit des auf Gott gerichteten Denkens ist in

der Beschaffenheit des menschlichen Wesens und Begehrens


begründet. Erkenntniss Gottes setzt eine wesenhafte Verbin-

dung mit Gott voraus, welche die Welt nicht hat, da


die Tiefen Gottes dem Geiste erschlossen sind und Geistbesitz

darum die Bedingung zum Verständniss des göttlichen Han-


delns ist, der Mensch aber nicht in einem solchen Verhält-
niss zu Gott steht, welches ihm Theil gäbe an Gottes Geist. Er
ist nach seiner Innern Seite benannt ein »seelischer" Mensch
und aus seiner wesenhaften Geschiedenheit von Gott folgt die

Unfähigkeit, sich Göttliches erkennend anzueignen, 2, 11. 14.


Gott bleibt ihm der Verborgene, wie schon die Menschen um
ihn her ihm verschlossen sind, so lange sein Erkennen nur
aus seinem eignen geistigen Leben entspringt. Sein Gegen-
satz gegen Gott prägt sich auch im ethischen Charakter seines
Erkenntnisstrebens aus, es bläht auf, 8, 1 vgl. Kol. 2 ,
18 ,

und sucht den Selbstruhm des Fleisches ,


1 ,
29 ,
auch dann wenn
die Gedankenbildung theologischer Art ist und sich um Gött-
liches bewegt. Wegen dieses selbstischen Triebes bildet die

Erkenntniss den Gegensatz zur Liebe ,8,2, und der fleisch-

lichen Weisheit steht die Lauterkeit und Einfalt Gottes ent-

gegen, 2 Kor 1, 12. In ihm ist auch die Unfähigkeit begrün-


det ,
im Werke Christi mehr als Thorheit zu sehn. Gott hat
seine Weisheit geordnet nicht auf seine, sondern auf unsre
25
386 DER GL^lUBE im neuen TESTAMENT. KAP. VlII.

Herrlichkeit hin ,
2 ,
7 ; der die göttliche Gedankenreihe gestal-
tende Wille ist somit Liehe, auch das menschliche Denken
muss von ihr bestimmt und gestaltet sein und ihr seine Maasse
und Werthbestimmungen entnehmen will es Gottes Handeln ver- ,

stehn. Die
Verhüllung Gottes, die im Kreuze liegt und auf ihn
den Schein des üngöttlichen wirft, ist davon unabtrennbar,
dass Gott für den Menschen handelt und seinerseits vollbringt,

was dieser nicht that. Damit dass der Christus an die Stelle des

Menschen tritt, ist gegeben dass er nicht in der Gestalt Got-

tes erscheint und handelt sondern als der, der zur Sünde ge-
macht worden ist. Das ist nun allerdings am Maasse selbstischen

Denkens gemessen Thorheit ,


es kann nicht anders beurtheilt

werden, so lange die Liebe unerkannt ist. Wenn die Synagoge


eine Machtoffenbarung Gottes fordert, durch die er sich selbst
und seinen Christus behauptet wider die Welt und die ,
Selbsthin-

gabe Christi in den Tod für gotteslästerlich erklärt, so kennt

sie die Liebe nicht, und diess darum weil sie dieselbe nicht

hat. Dasselbe Moment, welches die Gesetzesgerechtigkeit ver-

dirbt , korrumpirt auch ihre Weisheit : das Fleisch hört bei

allem Dienst' am Gesetz nicht auf zu begehren ,


und diese selbe

selbstische Begier erzeugt auch jenen Gottesgedanken, von dem


aus Christi Sterben als das absolut un göttliche erscheint. Darum
gilt Paulus der Dünkel als Beweis dafür ,
dass nichts erkannt

worden ist ;
wenn aber einer Gott liebt ,
der hat Gott erkannt ;

denn er ist von ihm erkannt ,


8 ,
2. 3.

Daraus ,
dass der Verband mit Gott nicht auf Gottes Lehren

und des Menschen Verstehn begründet ist, sondern auf Gottes


Liebe und des Menschen Vertrauen und somit das Denken und
Erkennen in demselben erst eine sekundäre Bedeutung und ab-
geleitete Stellung hat , folgt jedoch nicht ,
dass der Glaubensakt

blind, grund- und vernunftlos sei; vielmehr hat er für Paulus

in einem Erkenntnissakt seine nothwendige Voraussetzung.


Das Kreuzwort wird der Welt als Evangelium vorgelegt, also
GLAUBE UND EEKENNTNISS. 387

benannt und gedeutet nacli seinem göttlichen Motiv und Ziel,


das ergibt ein Wissen um Gottes That welches die Basis des ,

vertrauenden Verhaltens wird. Dasselbe entsteht daraus, dass


sich die evangelische Verkündigung als Offenbarung der Wahr-
heit an jedem Grewissen bewährt, 2 Kor. 4, 2, und in Greist
und Kraft ihren Beweis erhält, 1 Kor. 2, 4. Dasselbe enthüllt
den Menschen sich selbst in seiner Ungerechtigkeit und Gott
in seiner die Gerechtigkeit darbietenden Gnade und wenn und
weil der Mensch das weiss ,
ist die Glaubensfähigkeit in ihm
hergestellt, Gal. 2, 16 vgl. 2 Kor. 4, 4 ff. Der Glaubensakt
bleibt aber von diesem Wissen deutlich unterschieden ,
er gehört

nicht selbst dem Bereich des Wissens und Erkennens an ,


denn
er hat Begehren des Menschen in sich, die Zuwendung
das
des Willens hin zu dem den das gehörte und verstandne und
,

als Wahrheit erkannte Wort ihm nahe bringt.


Wie der Verzicht auf die eigne Gerechtigkeit sich als Be-

gründung der göttlichen Gerechtigkeit erweist, so zeigt sich

auch die Preisgabe der Weisheit als der alleinige Weg in die-

selbe, 1 Kor. 3, 18. Dasselbe Kreuzwort welches Thorheit ist,

st die Verkündigung Weisheit,der so wenig sein erster und


inächster Zweck Mittheilung von Weisheit ist ,
2 ,
6 ff.

Es bricht die reale Geschiedenheit, in welcher der Mensch


Gott gegenüber steht, es vermittelt ihm den Geistbesitz und
erschliesst ihm damit den Einblick in Gottes Handeln. Das

göttliche Wirken bleibt dem Bewusstsein nicht jenseitig, weil


es sich durch Geist vermittelt. Der Geist ,
selbst der Wissende ,

ist auch der Wissen erzeugende: wir wissen, was uns von Gott

geschenkt worden ist, 2, 12. Indem durch Glauben dem Men-


schen ein vom Geist bestimmtes und geleitetes Forschen mög-
lich wird, ist er selbst zwar allen andern, unverständlich ge-

worden, ihm aber wird alles zugänglich, 2, 15; denn er steht


in einem lebendigen Lehr- und Lernverband mit Gott, ^t'^XKTo)
7rv£Üi4>iXT0i? ÄÖ^oi, 2, 13. Die Frage des Propheten: wer hat des
388 DER GLAUBE IM NEUEN" TESTAMENT. KAP. VIII.

Herrn Sinn erkannt? hat für ilin eine positive A.ntwort erhal-

ten, denn er hat Christi Vernunft, 2 ,


16. Der Geist führt ein

in den geistigen Besitz Christi und in ihm ist wiederum die

Herrlichkeit Gottes wahrnehmbar ,


2 Kor. 4 ,
6. Indem nun
das ganze Wirken Gottes von der Person Christi ausgeht von
der Schöpfung bis zur WeltvoUendung wird die Erkenntniss ,

Christi in den Vollkommenen in der That zur Weisheit d. h. zu


einer Totalität der Erkenntnisse, welche nun wahrhaft Gottes

Weisheit, Aufnahme des göttlichen Gedankens in's eigne Er-


kennen ist und Beurtheilung dessen was gut vor Gott ist , ,

möglich macht, 1 Kor. 1, 30. Kol. 2, 3. Rom. 12, 2. Kol.

3, 10. Darin dass der Glaube nicht nur in ethischer, sondern

auch in intellektueller Beziehung sich als der frachtbare, den

Reichthum der göttlichen Güter erschliessende Akt erweist, be-


währt er sich wieder in seiner Allgenugsamkeit.
Ob der Glaube nach seiner ethischen oder intellektuellen

Wirkung als Wurzel der Gerechtigkeit oder der Weisheit in's


Auge gefasst wird, er ist alles, was er ist, durch Christus.
Jesus ist Glaubensgrund, Glaubensinhalt und des Glaubens
Kraft. Damit ist unmittelbar gegeben ,
dass der Glaube der un-

terscheidende Besitz der neuen Gemeinde ist ,


den die vorchrist-

liche Zeit nicht mit ihr theilt. Der Glaube kam und ward
geoffenbart, damit dass Christus kam und geoffenbart wurde,
Gal. 3, 23 ff., er wird als Evangelium verkündigt, dadurch
dass Christus verkündigt wird, Gal. 1 ,
23. Die Zeit unter dem
Gesetz war noth wendig die glaubenslose Zeit, nicht nur durch
Schuld der Menschen, sondern durch göttliche Ordnung, da
der Glaube nicht entstehen kann noch irgend welchen Werth
besitzt, bis ihm sein Grund und Inhalt göttlich dargeboten und
der gekommen ist, an den sich nun der Mensch vertrauend
wenden darf. Er ist das Resultat, auf das hin die gesammte
Geschichte angelegt ist, das sie aber erst mit Christus erreicht.

Die menschliche Geschichte greift in einheitlichem Zusammen-


DAS ZIEL DEB, GESCHICHTE. 389

hang auf Adam zurück als eine ungebrochne Kette von Sünde
und Tod, in die sich der einzelne gebunden findet ohne sein

persönlicbes Wollen, er stellt sich nicht selbst als Sünder hin


und in das Sterben hinein ,
beides yollzieht sich in der Mensch-
heit als ein vollendetes Resultat, das keiner aufhebt. Schon
dieser in Adam gesetzte Anfang menschlicher Geschichte ermög-
licht dem Menschen kein andres Verhältniss zu Gott als Glaube

allein. Auch das Gesetz tritt in diesen Zusammenhang sünd-


licher Entwicklung hinein, es bricht denselben nicht, schärft

und vollendet ihn vielmehr, da es die Resultate der Sündigkeit

zur Offenbarung bringt, und gerade damit wirkt es auch seiner-


seits zur Glaubensbegründung mit, sofern es dem Menschen
vollends nur Glauben übrig lässt. So nimmt der Glaube auch
das Resultat des Gesetzes voll in sich auf. In diese Verkettung
von Sünde und Tod tritt nun der Christus, der in Gehorsam
gerechte und durch Auferstehung lebende, als ein neuer An-
fang der Geschichte. Erweisen sich Sünde und Tod als wirk-
same Potenzen wider das Wollen eines jeden einzelnen, so

durchwirken von Christus aus Gerechtigkeit und Leben die

Menschheit mit ebenso umfassender Kraft. Sie sind in Christus


für die Yielen nicht weniger real und wirksam vorhanden ,
wie
Sünde und Tod nicht erst in ihnen begründet sind. Darum
hat die von von Wirkungen darin
Christus ausgehende Reihe

ihre Folge, dass der Mensch glauben kann und darf. Im Glau-
ben liegt der Einheitspunkt, in dem die von den beiden Häup-

tern der Menschheit ausgehenden Linien zusammenlaufen. Durch


den Ungehorsam des einen in die Sündigkeit und Sterblichkeit

hineingestellt, durch den Gehorsam des andern in Gerechtig-

keit und Leben versetzt kann der Mensch nichts anderes sein

als ein Glaubender, Rom. 5, 12 ff.

Diese Beziehung der gesammten göttlichen Leitung der Ge-

schichte auf den Glauben findet auch in der Weise ihre Offen-

barung ,
wie Israel göttlich geschaffen und geleitet wird. Nicht
390 DER GLAUBE IM NETJElSf TESTAMENT. KAP. Vlll.

das Gesetz wird zuerst gegeben, sondern die Verheissung und


die erste göttliche Forderung zielt nicht auf Werke, sondern auf
Glauben. Israel verdankt seine ganze Existenz einem Glaubens-
akt und der Werthschätzung ,
die Gott dem Glauben gewährt.
Alles was Israel durch das Gesetz als seine eigene Leistung

geboten ist, kam als ein sekundäres hinzu zu der in freier

Gnade dem Glauben zuerkannten Gerechtigkeit Abrahams; die


Beschneidung ist Siegel der Glaubensgerechtigkeit und die Abra-
ham göttlich yerliehene Vaterstellung bezieht sich auf die Glau-

benden, wie Abraham selbst dieselbe durch Glauben erlangt,


Rom. 4, IJ. Man darf allerdings die Rechtfertigung Abrahams
und diejenige der an Christus Glaubenden einander im Sinne
des Paulus schwerlich völlig gleichsetzen, nicht als wäre in die

Rechtfertigung Abrahams irgend welche Ilnvollkommenheit ein-


zutragen ,
denn es findet sich nirgends eine Spur , dass Paulus

die absolute Fassung der Begriffe: Gerechtigkeit und Rechtfer-


tigung irgendwie aufgegeben hätte. Wen Gott rechtfertigt, also

als gerecht behandelt, dessen Verhältniss zu Gott ist voll und


ganz normal. Auch im Glaubensakt nach seiner subjektiven
Seite liegt die Differenz nicht, vielmehr hebt Paulus in dieser

Hinsicht gerade die Uebereinstimmung zwischen Abrahams Ver-


halten und demjenigen der Gemeinde hervor, wohl aber liegt
im Objekt des Glaubens ein Unterschied und diess ist das für
Frucht und Wirkung des Glaubens entscheidende Moment. Die

Yerheissung, die Abraham gegeben wird, schliesst zwar die


ganze Gabe Gottes an die Welt in sich, sie zielt auf den

Christus, Gal. 3, 16 ff., und damit auf den Geist, Gal. 3, 14

vgl. Rom. 4 ,
1 3 ff.
;
doch nur als Verheissung. Der Jesus

hingegebne Glaube wendet sich dagegen an den Gott, der das


Verheissene in ihm gegeben hat, und damit ist die thatsäch-

liche Gründung der Gerechtigkeit und des Lebens im Menschen


selbst gesetzt. Daher ist die Gerechtigkeit Gottes nicht schon
in Abraham »geoffenbart", sondern erst bezeugt, Rom, 3, 21,
DAS ZIEL DER GESCHICHTE. 391

enthüllt aber als nun gegenwärtiges durch Christus und


ein

darum erst »aus Glauben Jesu", Rom. 3, 26. Die Beziehung


des Glaubens Abrahams auf den verheissenden Gott sfibt auch
der ihm zu Theil gewordnen Rechtfertigung einen verheissen-
den Charakter, der in die Zukunft weist. Die Bedeutung, die

Abraham für Paulus besitzt, beruht darin, dass in der Weise,


wie Gott sein Verhältniss zu ihm gestaltet, derselbe Wille
Gottes wirksam und offenbar wird, auf dem die Gnade
ist

Christi für die Glaubenden beruht. Diese ist damit kundgethan


als der stetige , ewige Wille Gottes ,
der auch für die gesammte

Führung Israels die Basis gebildet hat.

Dass sich das göttliche Geben durch Glauben vermittelt,


steht in innerer üebereinstimmung mit dem Universalismus der
göttlichen Ziele ;
Gott erweist sich darin als der ,
welcher nicht
nur der Juden sondern auch der Heiden Gott ist, Rom. 3, 29.

Es ist zwar ein unrichtiges Urtheil, wenn die Paulinische Hei-

denmission einfach als logische Folgerung aus dem Glaubens-


begriff betrachtet wird. Wo ein lebendiger Gottesbegriff vor-
iegt
— und Paulus hat einen solchen ,
— da steckt den Umfang
göttlicher That und Gabe nicht menschliche Logik, sondern
göttliche Rede und Sendung ab, und diess um so mehr, wenn
dieselbe dem Glauben zu eigen gegeben wird ,
also als That
freier Gnade sich kund gibt. Paulus führt auch seine Thätig-
keit unter den Heiden ausdrücklich auf bestimmte göttliche

Weisung zurück, Rom. 1, 5. Gal. 2, 7 f.


Eph. 3 ,
1 ff. Kol. 1 ,

25 ff. Nun freilich schlössen sich der üniversalismus und der


Glaubensbegriff zusammen zu einem völlig harmonischen Ge-

sammtbegriff. Dem die Theilnahme am Reiche begründenden


Verhalten ist im Glauben eine Einfachheit und Innerlichkeit

gegeben ,
in die keine partikulare Besonderheit mehr hineinragt.
Im klaubenden Verhalten sind die Grundkräfte des Menschen
in Aktivität und nicht die individuelle Gestalt der einzelnen

Persönlichkeiten und menschlichen Genossenschaften, hier gilt


392 DER GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP, VIII.

in der That, dass es bedeutungslos sei, ob der Menscb Mann


oder Weib Knecht,
oder Freier , Jude oder Grieche sei. So weist
der Glaubensbegriff auf den üniversalismus hin. Andrerseits
erhält auch der Glaube erst vom üniversalismus aus seine un-

bedingte Zuversicht. Nun da gesagt werden konnte jedem :

Glaubenden, dem Juden zuerst und auch dem Griechen steht ,

die Allgenugsamkeit des Glaubens und die ünbegrenztheit der

göttlichen Gnade hell im Licht.

Es bedurfte der ganzen individuellen Eigenart des Paulini-


schen Glaubens zur Durchführung der Mission so wie er sie ,

betrieb. Sie hat in jenem totalen Verzicht auf sich selbst, der
im Stande ist, nachdem das Heidenthum in seiner Laster-
haftigkeit in's Auge gefasst ist, zu sagen: wir Juden thun
dasselbe ! Rom. 2 ,
1 ,
der sich also dem Heiden völlig

gleichzustellen vei-mochte als in derselben Sündigkeit ste-

hend ,
ihre unentbehrliche
Vorbedingung. Aus seiner Glau-

bensstellung erwuchs Paulus die Reinigung von aller jüdischen


Selbstüberhebung, die es nicht lassen konnte, auf den Sünder
aus den Heiden herabzusehn. Nicht minder bedürfte er zu sei-

ner Missionsarbeit jener unbeschränkten Zuversicht zu Chris-

tus, die dem Heiden sagen konnte: ihr seid beschnitten in der

Beschneidung Christi, Kol. 2, 11 ff. Daher kam jener Muth,


der so scharf er sich die heidnische Korruption vergegenwärtigte
und so sehr ihm dieselbe einen dämonischen Hintergrund hatte ,

doch frei von aller jüdischen Aengstlichkeit in voller Siegeszu-


versicht im Heidenthum sich bewegte. Die lehrhaften Aussagen
des Paulus universalistischer Art sind weit mehr als logische Folge-
rungen aus seinem Lehrbegriff ,
sie sind erarbeitet und erworben
in glaubendem Verhalten zu Gott; sein Glaube ward ihm zam

einigenden Bande, das ihn mit dem Heiden zusammenschloss.


So kommt durch den Glauben ein weiteres Moment am Werke
Christi ,
das demselben sehr wesentlich ist ,
zu seiner vollen Aus-

wirkung : sein Gemeinschaft stiftender Zweck. Der eine Glaube,


DIE EINIGUNG IM GLAUBEN. 393

Eph. 4 ,
5 ,
mit seinem Yerzicht auf die selbstischen Lebens-

ziele, durch den man niemand mehr nach Fleisch kennt, 2


Kor. 5, 16, und mit seiner Anfügung an den einen Christus,
der in allen alles ist, Kol. 3, 11. Gal, 3, 28, erzeugt eine

geeinigte Gemeinde über alle Naturgrenzen hinüber und auch


über die Scheidung Israels von den Heiden hinweg. Wie die
Einheit des Glaubens die Einheit der Gemeinde, so weit sie

durch die apostolische Thätigkeit entsteht , begründet und trägt ,

so bildet andrerseits die Begrenzung und Mannigfaltigkeit des-

selben in der Gemeinde das Zeichen ibres unvollendeten ,


noch
im Werden stehenden Zustandes ,
und Einheit des Glaubens
an den Sohn Gottes nennt darum in und mit der Einheit
seiner Erkenntniss das Ziel, dem die Gemeinde entgegenzustre-
ben hat, und dem die in ihr göttlich begründete Mannigfaltig-
keit der Gaben und Aemter mit der gesammten Bauarbeit und

gegenseitigen Dienstleistung aller ihrer Glieder dienen muss,


Eph. 4, 13. Das volle reife Mannesalter der Gemeinde, wie es

ihr durch die Fülle Christi zugedacht und zubereitet ist , ergibt
nicht eine Vielfältigkeit des Glaubens, die ihn in allen einzel-

nen Glaubenden irgendwie defekt Hesse oder nur in wenigen,


in den Trägern eines besondern Amts, zu seinem Vollbestande
brächte ,
sondern Einheit des Glaubens aller ,
durch welche die

ganze Gabe, die im Sohn Gottes der Gemeinde geschenkt ist,

von allen angeeignet wird, ist dieser als ihr Ziel vorgehalten,

in welchem auch ihre Verbundenheit unter einander zu ihrer

Vollendung gelangt.
¥EU:N^TES KAPITEL.

Die JPalästinenseT.

Her Mangel der Dialektik bei Jakolins: die Bejahung der Einzig-

keit Gottes; die Ue"berordnung des Glaubens über alles Irdische; der
Tod des Glaubens ohne Werke; seine Vollendung aus denselben; der
Sieg in der Anfechtung; der Glaube in der Bitte; die Antithese zwi-
schen ihm und der Begierde; das Gesetz; das historische Motiv der

Polemik; der Konflikt mit Paulus in Antiochien; die Betonung' der


Glaubensfreude bei Petrus; Glaube und Hoffen; die christliche Pflicht;
die ethischen Wirkungen der Gottesgemeinschaft bei Johannes; die

Gegenwart Jesn in der Gemeinde; der Glaube der Sieg über die Welt.

Die maclitvolle ,
schart bestimmte christliclie Individualität ,

mit der uns der Jakobusbrief bekannt macht, bietet in ihrer


Weise dem Verständniss nicht geringere Schwierigkeit als Pau-
lus. Der Gedanke des Briefs besitzt nicht nur jenen gedräng-

ten Reichthum, der jenen Schriftstücken eignet, welche die

Ergebnisse einer langen und intensiven Lebensarbeit zum


Ausdruck bringen sondern es tritt dazu noch erschwerend die
,

uns fremdartige Methodik einer rein jüdischen Gedankenforma-


tion, die nur ein geringes Bedürfniss hat, ihre Erkenntnisse
dialektisch mit einander zu verknüpfen und zu vermitteln und ,

der Ausbreitung und Entfaltung völlig ermangelt.


logischen
Das griechische Element im Paulinischen Denken, mag er es
schon von Tarsus mitgebracht oder erst in seinem lehrhaften

Verkehr mit den Griechen sich angeeignet haben ,


seine dialek-

tische Kraft, die einen Entwurf von so scharfer, durchgebildeter

und durchsichtiger Gliederung zu erzeugen vermochte ,


^iwie|
er
DIE EINZIGKEIT GOTTES. 395

z. B. dem Hauptabsclmitt des Römerbriefs zu Grunde liegt,


erleichtert die wissenschaftliche Reproduktion seiner Predigt.
Dieses Moment fehlt Jakohus, ohne dass doch seine Abwesen-
heit einen Mangel an durchschauendem principiellem Erkennen
bedeutete. Der Jakobusbrief enthält im Gegentheil sehr viel

Theologie ,
ein in die Tiefe dringendes Erkennen ,
aber in einer
uns frem(3 artigen Form ,
da sein Denken in einer ungegliederten,

zusammengefalteten Konzentration verharrt. Die exegetische Ar-


beit kann darum nirgends weniger als hier nur statistisch ver-
fahren in Aufzählung und Zusammenordnung der unmittelbar

vorliegenden Aussagen ;
sollen diese uns Modernen verständlich
werden, so müssen sie zuerst zerlegt werden in ihre einzelnen

Glieder und die logischen Bänder müssen aufgesucht und her-

ausgestellt werden, welche diese Fülle und Vielheit zusammen-

halten, die Jakobus unmittelbar als Einheit in sich trägt. Na-


türlich ist erst dann eine Yergleichung mit Paulus möglich ,

wenn Jakobus zunächst für sich in seinem eignen Gedanken

begriffen ist.

Jakobus charakterisirt den Glaubenden mit dem Wort: du

glaubst, dass Gott ein einiger ist, 2, 19, und diess in einer

Darlegung, welche zeigen will, was der Glaube für die Erret-
tung des Menschen bedeute und nicht bedeute. In solchem
Zusammenhang muss der Glaube nach seinem vollen Begriff
in's Auge gefasst sein und diese Bestimmung desselben ist

somit im Sinne des Jakobus eine zureichende Benennung sei-

nes Wesens. Sonst bliebe die Einrede offen : von dieser Fassung
des Glaubens gelte allerdings, dass er nichts nütze und todt

sei, doch der Glaube sei nicht genügend bestimmt, würde er


z. B. auf Christus bezogen ,
so wären jene negativen Drtheile
über ihn nicht mehr statthaft. Diese Einrede steht mit der
Tendenz der Stelle in Widerspruch und besteht für das Den-
ken des Jakobus nicht. Auch er hält zwar solchen Glauben
für ungenügend und der Ergänzung bedürftig ,
aber das , was
396 DBB, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

ZU ihm hinzutreten muss, ist nicht wieder Glaube, nur mit


reicherem Inhalt und andrer Form ,
so dass etwa zum Glauben
an Gott noch der Glaube an Christus hinzukommen müsste,
sondern das, was der Glaube bedarf, ist etwas anderes als

Glaube ,
nämlich Werk. Wer die Einzigkeit Gottes bejaht ,
dem
gesteht Jakobus ohne Vorbehalt zu, dass er glaubt. Darum
schreibt er auch den Geistern Glauben bei, weil ihnen die

Einzigkeit Gottes in ihrer ünleugbarkeit offenbar ist.

Das ßekenntniss Israels ,


welches dasselbe jeden Tag mit den
Worten des Gesetzes betet, nennt somit auch den Glaubens-
inhalt der Gemeinde ;
sie ist mit Engeln und Dämonen ,
der

Schrift und den Rabbinen im selben Glauben eins: ein Gott!

Nach seiner Form ist der Glaube hier deutlich der intellektu-

ellen Sphäre zugewiesen uud Bejahung der Wahrheit Gottes


als

gefasst, da ja in den Dämonen nicht ein Willens- und Liebes-


verband mit Gott gedacht werden soll. Nun stehn aber neben
dieser Stelle andre Aussagen , welche den Glauben sowohl nach
seiner Form als nach seinem Inhalt anders bestimmen. Der
Glaube der Gemeinde bezieht sich auf UDsern Herrn Jesus
Christus der Herrlichkeit ,2,1 und neben dem bebenden Glau-
ben erscheint 1 ,
5 ein Glaube ,
der Gott zuversichtlich bittet ,

dessen Gegensatz der innere Streit — ^iixxpiv£(y^ixi


— und die

doppelte Seele — ^i-i^jvxoi;


— ist ,
und dessen Wirkung als feste

Einigung und Sammlung aus innerer Unruhe und Schwankung


zwischen widerstreitenden Begierden und Erwartungen heraus
beschrieben wird. Es verliert also der Glaube im Sinne des
Jakobus mit der Hervorhebung der Einzigkeit Gottes die Be-

ziehung auf Christus nicht und Vertrauen und Zuversicht son-


dern sich mit seiner intellektuellen Fassung von ihm nicht ab.
Warum bestimmt nun Jakobus gerade an derjenigen Stelle,

welche den Glauben nach seiner errettenden und rechtfertigenden


Kraft betrachtet, denselben als Bejahung der Einzigkeit Gottes ?

Jakobus kämpft gegen eine Werthschätzung des Glaubens,


DIE EINZIGKEIT GOTTES. 397

welche von ihm Dinge erwartet, die er für sich allein nicht
leistenkann. Er setzt voraus, die Leser rühmen und getrösten
sich ihres Glaubens. Nun ist der erste und nächste Ruhm, den
der Israelite sich zueignet, der, dass er die Einzigkeit Gottes

bejaht. Das ist die Scheidewand, die ihn von den Heiden son-
dert ,
das heilige Erbe der Väter ,
das Siegel der Auswahl Israels.
Wird die Verdienstlichkeit des Glaubens an dieser Stelle zer-

trümmert, so werden sich die Leser ihres Glaubens überhaupt


nicht mehr rühmen. Das ist der konkrete Anlass, aus dem
diese Benennung des Glaubens erwächst; doch ist mit dieser
historischen Reflexion noch nicht aufgehellt, wodurch es Jako-
bus möglich wird, vom christlichen Inhalt des Glaubens in
diesem Zusammenhang abzusehn, wie so in seinem Sinne das
vom Glauben an die Einzigkeit Gottes gesagte unmittelbar auch
auf den Glauben an den Christus der Herrlichkeit sich überträgt.
Man könnte einen Analogieschluss in der Stelle sehn, etwa
in der Art wie mit dem Glauben an die Einzigkeit Gottes
:
,

so verhalte es sich auch mit jedem inhaltlich anders bestimm-

ten Glauben ,
wie jener so verschaffe auch dieser die Errettung
nicht. Ein solcher Gedanke ,
der eine real unverbundne Viel-
heit von Glaubensformen nur logisch zusammenordnete ,
wäre
nur dann möglich, wenn der Glaube abstrakt formal gefasst
würde als Ueberzeugung von einzelnen Wahrheiten abgesehen
von ihrem Inhalt und der durch denselben bedingten Wirkung
auf die Persönlichkeit des Glaubenden denn nur dann Hessen ,

sich inhaltlich verschiedne Glaubensakte unter dasselbe ürtheil

zusammenfassen. Diese Voraussetzung trifft aber nicht zu. In


den Dämonen existirt der Glaube nicht als abstrakte ,
interesse-

und wirkungslose Annahme, sondern als Macht ,


die ihr Bewusst-
sein unlöslich bindet, sie glauben und beben. Beide Bestimmun-
gen werden zu einander in ein Kausal verhältniss zu setzen sein ;

gerade weil sie glauben, zittern sie. Die Einzigkeit Gottes in


ihrer Realität, die sie sich nicht verbergen können, seine un-
398 DEE GLAUBE IM NETTEN TESTAMENT. KAP. IX.

vergleicUiclie Majestät, die alles teuflisclie Wollen in Ohnmaclit


niederdrückt und richtend verfolgt, ist Grund und Quell ihrer

Angst. Allerdings wird mit aller Schärfe gesagt ,


dass der Glaube

die Errettung nicht wirke; daraus folgt aber nicht, dass er als

schlechthin wirkungslos gedacht sei ,


vielmehr wird Jene Nega-
tion damit begründet, dass der Glaube auch der Quellpunkt

höllischer Schrecken ,
also in einer der Errettung diametral ent-

gegengesetzten Weise wirksam werden kann. Wie so folgt nun


aber aus der Nichtigkeit des Glaubens an die Einzigkeit Gottes ,

welcher beben macht, auch die Nichtigkeit des Glaubens an den

gebenden Gott, welcher die Seele zur ungetheilten Zuversicht


einigt ? Und doch will Jakokus zeigen dass kein Glaube für ,

sich allein die Seligkeit wirkt.

Nur dann ist die Stelle durchsichtig und zusammenhängend,


wenn Jakobus mit dieser Definition des Glaubens die in ihm

mögliche Mannigfaltigkeit auf ihre Grundgestalt zurückführen


nnd ihn in seiner realen Wurzel fassen will. Er nennt weder
nur ein einzelnes Beispiel aus den vielen Glaubensformen, noch
die Totalität dessen, was Inhalt des Glaubens in der Gemeinde
ist wohl aber denjenigen Glaubensinhalt der in allem Glauben
, ,

wiederkehrt als das wesentliche und begründende Moment.


Ebenso beschreibt er nicht die Gesammtheit der innern Vor-

gänge, die sich mit dem Glauben verknüpfen, wohl aber nennt
er dasjenige subjektive Moment am Glauben, aus dem sich

alles das, wozu er im Menschen wird und führt, ergibt. Ein


Gedanke wie der: man müsse nicht nur an Gott, sondern auch

an Christus glauben, ist Jakobus fremd; »nur" an Gott glauben !

hat denn hier ein »nur" seine Stelle? als gäbe es ein andres
Gut neben und über Gott als wäre nicht Gott der Geber aller
,

guten Gaben ,
als wäre der Glaube an Christus nicht Glaube
an Gott ,
als würde der an Gott glauben ,
der nicht an sei-

nen Christus glaubt! Vielmehr geht aller Glaube nach seiner

objektiven Seite auf die unvergleichliche Einzigkeit und


DIE EINZIGKEIT GOTTES. 399

Grösse Gottes zurück; auf was immer der Glaubensakt sich

beziehen mag, der Glaubende anerkennt Gott als den einigen


in seiner und bejaht angesichts des göttlichen
Gottesmajestät
Worts und Werks Gott als Gott. Nach seiner subjectiven Seite
ist üeberzeugtheit ,
die Gottes gewiss ist, des Glaubens Qrund-
moment. Der Mensch bedarf, um gläubig zu sein, nichts anderes
als der Gewissheit ,
welcher Gott in seiner Einzigkeit unerschütter-
lich fest geworden ist; alles übrige was der Glaube werden
kann :
Erwartung ,
Vertrauen ,
Zuversicht , Festigkeit ,
Ruhe u.

s. f. wurzelt in ihr. Wenn Jakobus in dieser Benennung des


Glaubens seine principielle Gestalt bezeichnet, dann hat seine
Argumentation volle Kraft, dann kann er sagen: du glaubst,
dass ein einiger Gott ist ,
nun wohl ,
das ist in der That
Glaube ,
aber errettet bist du damit nicht ,
es sei denn dass
solcher Glaube durch das Werk lebendig wird, dann wirst du
gerechtfertigt.
Der Zusammenhang dieser Grundform des Glaubens mit der-

jenigen Gestalt, in welcher er 1 ,


6 erscheint, ist leicht wahr-

nehmbar. Der gebende Gott — Trxpa, rov ^i^ovro^ ^sov 1,5 —


das ist nicht eine zufällige, nebensächliche Eigenschaft Gottes,

sondern sein wesentliches Prädikat; als der Gebende, von dem


jede gute Gabe kömmt, handelt er am Menschen. Die Zuver-
sicht ,
welche getrost bittet ,
hält also lediglich das fest ,
was
Gott thatsächlich für den Menschen ist, sie ist im Glauben an
den einigen Gott gesetzt. In die Weise, wie sich für Jakobus
der Glaube an Christus mit dem Glauben an Gott zusammen-
schliesst, gibt das ürtheil einigen Einblick, dass die Hintan-

setzung des armen Bruders hinter den Reichen eine Verletzung


des Glaubens sei, ^i/XKpi^ijvxi , 2,1. 4 ^).
Denn hat nicht Gott

1) Nach 2, 1, wo vom VerMltniss der Partheiliohkeit znm Glauben die Redeist,

kann in 2, 4 SiXKpiiHjvai nicht anders als im Sinne von 1, 5 vgl. 3, 17 verstanden


werden. Die Mahnung geht zunächst dahin den Glauben nicht zugleich mit Parthei-
liohkeit zu haben; die Begründung geschieht dadurch, dass die Unzulässigkeit des
400 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

die Armen auserwählt als reich im Glauben und Eiben des


Reichs? Diese Auswahl Grottes wird von ihnen verachtet, wenn
der Arme in ihren Augen nichts gilt ,
und damit setzen sie sich

mit ihrem Glauben in Widerstreit und negiren ihn. Wenn nun


schon derjenige den Glauben aufgibt, der die Auswahl Gottes,
welche den Armen reich gemacht hat ,
missachtet , wie yielmehr
hat ihn derjenige verläugnet, der jene Brwählung, durchweiche
Jesus zum Christus der Herrlichkeit erhöht ist ,
verwirft ? Will
die Wahl Gottes am Christen geehrt sein, so noch vielmehr
am Christus selbst. Glaube an Gott und Unglaube an Christus
bestehn also nicht zusammen und diess darum nicht, weil die
Messianität Jesu auf göttlichem Willen und göttlicher That be-

ruht. Wie der Eingang des Briefs: Gottes ujid des Herrn Jesu

Christi Knecht nicht von einem doppelten Dienstverhältniss

spricht ,
sondern von einem einheitlichen ,
in dem Jakobus
darum zu Jesus steht, weil er Gottes Knecht ist und damit er

Gottes Knecht sei, so spricht Jakobus auch nicht von einem

doppelten Glaubensverhältniss zu Jesus und zu Gott, sondern


die Gemeinde ist Jesu Glauben schuldig, weil sie das, was Gott
ist, that und gab, anzuerkennen hat.

Die starke Einheit, in die Jakobus den Glauben zusammen-

fasst, hat in der Weise, wie er den Gesetzesbegriff gestaltet,


eine instruktive Parallele. Er heisst die eine Sünde IJebertretung
des ganze Q Gesetzes ,
2 ,
10 ff. Die beiden Urtheile : damit dass ihr
den Armen stehen heisst ,
habt ihr das ganze Gesetz gebrochen
und werdet vom Gesetz gerichtet ,
und : wenn ihr den einen

Nebeneinander in die Unmöglichkeit desselben übergeführt wird, die gerügte Parthei-


den Glauben. Sie geben durch die Bevorzugung des Reichen Gedanken
lichkeit zerstört
und Gelüsten in sich Raum, die mit ihrer Anerkennung Jesu als des verherrlichten
Christus in Widerspruch stehn, treten also in innerer Zerspaltung aus dem Glauben
heraus. Neben diesen Vorwurf, der sie der Abwendung von Christus beschuldigt,
tritt als Rüge des Unrechts das sie am Bruder begehn
zweites die ,
: Richter böser
Gedanken. Beides wird im folgenden entfaltet: der erste Vorwurf 5 —7, der zweite
8—13.
DIE EINZIGKEIT GOTTES. 401

Gott glaubt ,
nämlich nicht mit todtem sondern mit dem im
Werke lebenden Glauben ,
seid ihr selig ,
sind gleichartig ge-

dacht: hier wie dort wird im Einfachen das Ganze geschaut


weil es gewürdigt wird in seiner principiellen Kraft. Jenen Ue-

bergang vom einen Gebot auf das ganze Gesetz vollzog Jako-

bus nicht durch einen Analogieschluss ,


etwa in folgender Ar-

gumentation analog wie du dieses Gebot übertreten hast


:
,

könntest du auch die andern übertreten er setzt im Gegen- ;

theil voraus ,
dass das ganze übrige Gesetz gehalten sei ,
und
gleichwohl wird mit der einen Sünde das ganze Gesetz gebro-
chen. Die Vielheit der Gebote ist auch hier nicht nur durch
ein formales Band logischer Gleichartigkeit verbunden ,
sondern
als eine reale Einheit gefasst. Ebenso ist auch in jenem einen Glau-
ben der ganze Glaube real enthalten. Die Einheit des Gesetzes
besteht darin, dass das ganze Gesetz vom einen Gott ausgeht;

desshalb dehnt sich das Verhältniss, in das der Mensch durch

die üebertretung zu Gott tritt, sofort auf das


ganze Gesetz aus,
er verweigert nicht nur dem bestimmten einzelnen Gebot son-

dern Gott den Gehorsam und tritt damit gegenüber dem gan-
zen Gesetz aus der gehorchenden Stellung heraus. Wird durch
die Einheit Gottes das Gesetz eine untheilbare Einheit ,
so nicht

minder die Verheissung ,und Gabe Gottes auch sie erhält durch ,

die Einheit und Selbigkeit Gottes der hier spricht und handelt
, ,

einen unzerreissbaren Zusammenhang. Wie das Gebot Gottes


nicht zugleich an der einen Stelle gehalten und an der andern
übertreten ,
sondern nur entweder ganz gehalten oder ganz
übertreten wird, so wird auch das Wort der Wahrheit, das er

dem Menschen gegeben hat, nicht hier geglaubt und dort zu-

gleich verworfen, sondern wo wirklich Glaube ist, da ist es

ganz bejaht; denn


es ist der eine und
den selbe Gott, der zu

Vätern geredet hat und der Jesus zum verherrlichten Christus


erhob. Wie im Gehorsam ,
so tritt auch im Glauben der Mensch
in ein Verhältniss zu Gott selbst und ein solches besteht nicht
26
402 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KA.P. IX.

"Wirklich , ohne dass es sich auf alles ausdehnt ,


was von Gott
her den Menschen kund gegeben wird. Wie die einzelne Sünde
durch die Einheit Gottes eine absolute Bedeutung gewinnt ,
so

dass sie alle übrige Gesetzeserfüllung negirt, so erhält auch


der Glaube durch sie eine universale Tragweite und in dem auf
Gottes Einheit gerichteten Glaubensakt ist principiell das ganze

glaubende Verhalten gesetzt.

Andeutungen über das Wesen des Glaubens finden sich


Alle

in uuserm Briefe nur beiläufig; denn als das eine Lehrziel,

dem alle Aussagen über den Glauben dienen steht ihm


seine ,

diess vor Augen dass die Gemeinde den Glauben nach seinem
,

Werthe richtig würdigen lerne. In dieser Beziehung stehen nun


zwei Reihen von Aussagen neben einander: es tritt in der Ge-

meinde beides zu Tage, Geringschätzung des Glaubens, welche


seine Bedeutung nicht anerkennt und falscher Ruhm des Glau- ,

bens, welcher ihn über sein Maass erhöht. Darum ist die Ten-
denz des Briefs abwechselnd eine verschiedne ;
da wo die Leser

den Glauben gering halten, preist er ihn; da wo sie ihn rüh-

men, da schilt er ihn.


Wenn die Gemeinde das arme Gemeindeglied verächtlich be-
handelt ,
so achtet sie den Werth ,
den der Glaube besitzt ,

nicht ;
denn der für die Welt Arme ist im Glauben reich ,2,5.
Was dem Versammlung tretenden Reichen Rücksicht
in die

erwirbt ,
das sind seine goldnen Ringe und sein glänzendes Ge-

wand; das was der arme Bruder in die Gemeinde bringt, das
ist sein Glaube. Sollen nun fragt Jakobus im Verhalten der
, ,

Gemeinde jene als werthvoll erscheinen und dieser alswerthlos?


Das wäre ein falsches Gericht ! Zwischen dem Werth des Glau-
bens und demjenigen ,
der dem äussern Besitz zukömmt ,
besteht

für unsern Brief schlechthin keine Vergleichbarkeit. Der Glaube


ist ein unbedingt werthvolles ,
der äussere Besitz versinkt ihm
gegenüber in nichts. Denn der Glaube ist Besitz des Reichs,

nicht nur Erwartung desselben und Hoffnung auf dasselbe; der


DIE UNTERORDlSfUNG A.LLBS IRDISCHEN. 403

Glaubende hat, er ist reich, wie der Erbe reich ist im Eeich-
thum seines Vaters, in dessen Besitz er künftig treten wird.

Darum wandelt der Glaube die Besitzverhältnisse völlig um ,

der Arme wird durch ihn reich , der Reiche ohne ihn arm , vgl.

1, 9 ff.
5, 1 ff. Wenn die Gemeinde diesen Werth des Glau-
bens in ihrem Urtheil und Verhalten nicht anerkennt, so wird
sie von »bösen Gedanken" regirt, 2, 4, sie weicht bestochen
vom Gelde wie ein feiler Richter von der Bahn der Gerechtig-
keit und des Gesetzes ab , sie wirkt Sünde ,2,9. Den Glauben
über alles irdische ! und zwar nicht nur in der Theorie sondern

im Handeln, das ist Bezug auf den Glauben der erste Im-
in

perativ des Briefs, und wo ihm nicht gehorcht wird, wird ge-
sündigt gegen das Gesetz.
Eine zweite Veranlassung, den Werth des Glaubens in Frage
zu ziehn, ergab sich der Gemeinde aus der Anfechtung, die
sie um ihres Glaubens willen zu leiden hat. Die Mahnung des

Briefs geht dahin:


Anfechtung Freude, und zwar darum, ist

weil sie dem Glauben zur Bewährung dient und dadurch den

Menschen in den Besitz der ausharrenden Standhaftigkeit ver-


setzt ,1,2. Auch hier liegt wieder dieselbe absolute Werthschätz-

zung des Glaubens vor. Wie er aus der Armuth Reichthum


macht, so wandelt er das Leiden in Freude um; wie es kein
Gut gibt ,
das ihm gegenüber in Betracht käme so , gibt es
auch keinen Verlust keinen Schmerz
, ,
der neben ihm ein üebel

bliebe; er ist nicht nur jedes Opfers werth, sondern jedes Op-
fer wird dadurch zum Gewinn und Gut, dass es den Glauben

festigtdenn um der Stärkung willen


; ,
die der Glaube aus der

Anfechtung zieht, kann und soll man sich derselben freun. Das
aber ist deutlich ,
dass eine \,

Fassung des Glaubensbegriffs in


unserm Brief ,
die denselben zu einer abstrakten leeren Meinung
macht ,
das Verständniss desselben Verfehlt. Ein Glaube ,
der

den Armen nicht nur zufrieden macht mit seiner Armuth,


sondern ihm in derselben das Bewusstsein gibt, er sei reich,
404 DER GLAUBE IM NEUEK TESTAMENT. KAP. IX.

und zwar ein Bewusstsein, das Basis des Handelns wird, das

sich nicht mehr vor den goldnen Ringen und dem glänzenden
Gewand des Reichen beugt ,
ein Glaube ,
der zum Leiden wil-

lig macht, und nicht nur diess, der im Blick auf seine innere
Förderung des Leidens sich freuen kann ,
ein solcher Glaube
ist Kraft , er hält das ganze Denken und Wollen des Menschen
in sich ,
er ist nicht eine Abstraktion sondern Bestimmtheit und ,

Charakter des Innersten in der Persönlichkeit.


Dieser absolute Werth des Glaubens haftet nicht am Glau-
bensakt für sich ,
sondern an dem ,
was Gott dem Glauben
gibt: weil Gott die Armen auserwählt hat, darum sind sie

kraft des Glaubens reich, 2, 5. Der Glaube ist somit das


Zeichen der Auswahl Gottes als ihre Verwirklichung, soweit
sie schon den gegenwärtigen Yerhältnissen angehört; darum
ist er schon Besitz des Reichs ,
so sehr dasselbe noch künf-

tig ist. Jene Zugehörigkeit zu Gott ,


aus welcher der Ein-
tritt in das Reich sich ergibt ,
ist nicht erst künftig ,
son-
dern besteht Gegenwart; Gott hat den Menschen in einen
als

Verband der Liebe und Gemeinschaft zu sich gestellt, und


die Frucht und Folge ,
eben darum auch die Bürgschaft
und Garantie, sowie die stete Vermittlung desselben ist der

Glaube, darin hat er seinen unvergleichlichen, alles, was die

Welt in sich schliesst, überragenden Werth: er ist Verband


mit Gott.
Und dennoch so hoch der Glaube damit erhoben ist ,
so sehr

alles Glück und Leid der Erde über ihm verschwindet, wenn
nun die Gemeinde schon den Glauben als ihre Errettung rüh-
men und sich seiner als ihrer Gerechtigkeit getrösten will, so

schlägt Jakobus mit scharfem Wort solchen Ruhm nieder: der

Glaube kann den Menschen nicht erretten, er ist für sich al-

lein unwirksam, ä.p'yv! ^


und ohne Werke todt, vsKpoc 2, 14 ff.

Die exegetische Tradition hat diese Stelle behandelt wie den

Ausspruch Jesu über die Allwirksamkeit des Glaubens; sie hat


DEE TOD DES GLAUBENS OHNE WEEKE. 405

für dieselbe eine besondre Species des Glaubens geschaffen


todter Glaube , fides mortua ,
und nun Aussage des Briefs
ist die

erledigt: sie bezieht sich nur auf eine besondre Art oder Abart
des Glaubens, den »lebendigen Glauben" geht sie nichts an.

So wenig es für Jakobus zwei Arten von Leibern gab, solche


die ohne Geist lebendig sind, und solche die ohne den Geist
todt sind, so wenig er es nur als eine Abart und Unart des
Leibes betrachtete, dass er vom Geist getrennt zum Leichnam
wird ,
so wenig hat Jakobus zwei Species von Glauben unterschie-
den ,
eine solche ,
die für sich^ein lebendiges wäre, und eine solche,

die für sich ein todtes wäre sondern


,
aller und jeder Glaube, sei er
noch so sehr entfaltet in Erkenntniss noch so warm in gefühlvoller ,

Innigkeit und noch so stark an Intensität der üeberzeugung ,

aller (rlaube ,
so lange er nur Glaube ist ,
ist ihm unfruchtbar und
todt. Heisst er ihn unwirksam , xpyj^ 2 ,
20 ,
so ist aus dem
Kontext unmittelbar deutlich, welches »Werk", welche Frucht er
dem Glauben damit verneint, jene, welche die Gemeinde so

gern von ihm erwartet und so willig ihm zuschreibt ,


indem
sie sich des Reichs theilhaftig achtet, weil sie glaubt. Nicht

jede Wirkung ist damit dem Glauben abgesprochen ,


sondern
die eine
grosse Wirkung, ankömmt, ohne auf die alles die

alles werthlos ist, nämlich die Errettung und Einfährung in's

Reich. Eben darum nennt er ihn auch etwas todtes. Er


denkt dabei nicht an den üebergang vom Leben zum Tode,
so dass der Glaube damit als ein zuerst lebendes, nunmehr
aber Lebens beraubtes bezeichnet wäre, vsKpöc nennt den
des

Todeszustand als fertige, bleibende Beschaffenheit'). Wie der


Hebräerbrief böse Werke todte Werke heisst, 6, 1. 9, 14,
weil sie durch ihren sündigen Charakter vom Leben im Voll-
sinn des Wortes ausgeschieden und abgetrennt sind und darum
auch nicht in's Leben helfen ,
so heisst hier der Glaube in sei-

1) vexpbi; txvTOÖ bekanntlich = sein Leichnam, z. B. Jos. B. J. 1, 9, 1.


406 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

ner Sonderung vom Werk etwas todtes, weil er für sich allein
noch nicht Besitz und Aeusserang »des Lebens" ist, eines sol-

chen, das diesen Namen verdient, vielmehr im Tode lässt.

Wer nur glaubt, der »lebt" noch nicht.


Nun ist freilich solche Nutz- und Fruchtlosigkeit des Glau-
bens ein abnormes. Nicht damit er etwas todtes sei, ist er der

Gemeinde gegeben und es ist Tadel und Vorwurf für sie, wenn
man sie fragen muss was nützt euch euer Glaube ?
: er soll und
darf nichts nutzloses und unfruchtbares sein. Allein dasjenige,

was den Glauben fruchtbar und werthvoU macht und ihm in's

Leben hilft, das ist nicht mehr nur Glaube, sondern Werk.
Der Hinzutritt des Werks hat für den Glauben dieselbe Bedeu-

tung ,
wie das Innesein des Geists für den Leib ^). Nur so

lange ist der Glaube etwas todtes, als er vom Werk gesondert
ist. Diese Parallele ,
in der Jakobus Leib und Glaube einerseits ,

Geist und Werk andrerseits einander gleichstellt, ist oft geta-

delt worden als nicht sachgemäss. Dem sichtbaren Leibe sei

der Glaube verglichen ,


das innerliche und unsichtbare ,
und
dem Geiste, der nun seinerseits unsichtbar und innerlich ist,

das Werk, das nach aussen hervortretende und sichtbar wer-

dende. Dieser Anstoss am Bilde rührt einfach daher, dass man


einen dem Bilde fern liegenden Gesichtspunkt in dasselbe ein-

trägt. Dm das Yerhältniss der beiden Faktoren zur Wahrneh-


mung andrer handelt es sich schlechterdings nicht. Werk und
Geist treten in Parallele als die belebenden Kräfte und aus kei-

nem andern Grund, ebenso sind Leib und Glaube zusammen-


gestellt als das für sich allein todte ,
was erst durch ein anderes ,

1) Der Gedanke, dass in 2, 26 nur der Begriff Tod ausgedrückt sein solle, ein
werkloser Glaube sei voll und ganz todt wie ein geistloser Leib, hat die ausdrück-

liche Gegenüberstellung des %wp<c TrvsvfiXTOQ und xcaptg 'spyouv wider sich. Damit
ist der Vergleichungspunkt nicht nur in den Todeszustand gelegt, sondern auch in
die Todesursache, die hier wie dort in der Scheidung und Sonderung von dem liegt,
worin das Todte sein Leben hat.
DER TOD DES GLAUBENS OHNE WEEKE. 407

nämlicli durch den Geist und das Werk, Leben empfängt. Aber ,

pflegt
man weiter einzuwenden, gerade der Glaube gebe den
Werken das Leben, nicht aber umgekehrt die Werke dem
Glauben. Nun wäre allerdings das Bild des Jakobus sehr un-

glücklich gewählt, wenn diess seine Meinung wäre; er sagt


aber mit klaren, dürren Worten, wenn man nur lesen wollte,

diess: dass der Glaube an sich ein todtes sei und zum Leben
komme durch das Werk, und dieser Gedanke hat in jenem
Bilde sein vollständig passendes Gewand. Lebend wird der
Glaube durch das Werk nicht in dem Sinne, dass er dadurch

erst in's Dasein Der Begriff »Leben" geht weit über den
träte.

Gedanken »Existenz" hinaus. Auch der Leib existirt ja nach der


Sonderung vom Geist fort als Leichnam so kann auch Glaube 5

vorhanden sein ohne Werk. Es handelt sieh überhaupt nicht


um die psychologische Genesis des Glaubens ,
nicht darum ,

ob Glaube oder Werk zuerst im Mensehen vorhanden sei ,


ob
das Glauben vom Handeln oder das Handeln vom Glauben
nach der natürlichen Mechanik unsres menschlichen Wesens

abhängig sei, in dieser Hinsicht mag der Glaube das frühere

und bedingende sein. Weder das Entstehn noch das Dasein ,


wohl
aber die Bedeutung ,
der Werth ,
die gerecht und selig machende
Kraft entsteht dem Glauben erst durch den Hinzutritt des
Werks. Dann nur wenn er mit dem Werk verbunden ist, trägt
er dem Menschen Errettung und Rechtfertigung ein, und nur
dann ist er nichts todtes mehr.

Fragen wir nach dem Grunde, der aus dem Glauben in sei-

ner Isolirung vom Werk etwas Todtes macht, so stellt uns


Jakobus diesen Tod zunächst an der Liebe dar, 2, 15. Er hat
vom Glauben gesagt: was nützt er denn? nun, dasselbe lässt

sich auch von der Liebe sagen ,


auch sie nützt nichts , nämlich

jene theilnehmende ,
vielleicht sehr empfindungsvolle Liebe ,
die

den Mangel des Bruders wahrnimmt und mit freundlichem


Worte ihn mahnt ,
demselben abzuhelfen ,
aber nichts für ihn
408 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

thut. Wie solche im Worte sich erschöpfende Liebe zum Bru-


der sich verhält, so verhält sich der Glaube, für sich allein

betrachtet, zu Gott. Das Bild öffnet tief die innern Motive,

die Jakobus bestimmen ;


es zeigt ,
was für ein Verlangen heiss

und stark in dieser Seele 'lebt. Die Bedeutung des Bildes ist

damit noch lange nicht gefasst, dass man in ihm die Nich-

tigkeit leeren Geschwätzes dargestellt findet. Das Charakteristi-


sche an dem gezeichneten Verhalten besteht vielmehr darin ,

dass der dem andern zu erweisende Liebesdienst richtig, hell

und klar empfunden und im Wort bezeichnet wird, aber nur


im Wort. Analog sieht der Glaubende, was Gott ist und that,
er spricht Gott an und spricht von ihm ,
zutreffende Worte
zweifellos ,
welche das Verhältniss zu Gott richtig erfassen und be-
nennen , aber doch nur Worte ! Das ist des Glaubens Schranke ,

er bleibt in der Sphäre des Bewusstseins und darum des Worts ,

er ist an sich selbst nicht Werk. Er stimmt dem, was Gott


ist ,
bei ;
er anerkennt die Majestät Gottes und die Grösse seiner
Gnade ,
er bekennt sich zu ihm und zu seinem Christus ,
aber

was ist das alles ? doch immer nur Wort ! Und Worte sind

nichts lebendes; wirken heisst leben! Diese Worte der Aner-

kennung und des Bekenntnisses bedürfen eines lebendig ma-


chenden Geists ,
sonst sind sie dürres ,
welkes Laub und der
Geist fährt in diese Todtengebeine dann, wenn das Werk zu
Stande kömmt, wenn der Mensch nicht nur von seinem Gott
spricht, sondern es für ihn zum Handeln bringt. Es wäre für

die Kirche rühmlicher, wenn sie den innern Schmerz nnd das
starke Verlangen ,
aus dem die Stelle des Jakobus geboren ist ,

lebendiger in sich nacherlebt hätte, dann hätte sie auch sein

Urtheil richtiger verstanden. Zweifellos: der Glaube ist von


unschätzbarem Werth ,
wenn er mit der Leere und Dunkelheit
des Bewusstseins verglichen wird da, wo er fehlt. »Ein einiger

Gott," Jakobas gäbe dieses Wort nicht preis auch nicht um,
eine Welt , vgl. 1 ,
2. Er weiss sehr wohl ,
wie viel die Bin-
DER TOD DES GLAUBENS OHNE WEBKB. 409

dung des Bewusstseins an Gott wie sie aus der Maclit der ,

Wahrheit über den Menschen folgt, bedeutet. Aber soll denn


Wort und Rede das Einzige sein, was der Mensch seinem
Gotte gibt? Soll die G-emeinde des Christus sich damit befrie-

digen und beruhigen, dass sie sich zu Gott bekennt? will sie

Gott ihr Handeln versagen und verweigern? will sie nichts

für Gott thun? Jene Innerlichkeit, die nur Innenwelt ist und
die reelle Gestalt des Lebens unberührt und unverändert lässt,

liegt auf Jakobus als eine schwere Last: nicht nur denken,

reden, für Gott handeln! das ist seine Begier.

Der Hinweis auf die teuflischen Geister deckt den Grund


noch weiter auf, warum der Glaube für sich allein etwas todtes

bleibt. Er deutet auf die Möglichkeit hin ,


dass Bejahung
der Wahrheit Gottes und böser Wille in der Person neben
einander bestehn. Der Glaube ist nach seiner einen Seite
ein vom Willen der Person unabhängiges Erlebniss. Das Fak-
tum drängt sich in seiner Wahrheitsmacht dem Geiste auf;
und wenn auch das Erkannte sofort den Willen anspricht, so

ist doch das das Geheimniss des Bösen, dass der Geist in sich
diesen Zusammenhang zerreissen und seinen Willen dem er-

kannten Gott verweigern kann. Das Bekenntniss zu Gott und


Christus scheidet darum die Gemeinde noch nicht von der In-

nern Gleichartigkeit mit den Dämonen ab und bewahrt sie

desshalb auch nicht vor ihrem Geschick; im Gegentheil wenn


der Glaube allein bleibt wenn Gott das Werk und damit der
,

Wille versagt wird, so vollzieht der Glaubende in sich den-

selben Riss, der das Wesen der Dämonen zerspaltet, er kennt


Gott und verfestigt sich doch in innerm Gegensatz wider ihn.
Bei einem solchen Innern Riss wird der Glaube Schuld ,
Verurthei-

lung, damit drückende Last, der Quell höllischer Angst. Wer


nur glauben will, wer also sein Handeln von Gott absondern
will, dem wird darum, weil er nur glaubt, nur sein Recht zu
Theil, wenn ihm das Loos der Teufel widerfährt. Für den blos-
410 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX,

sen Glauben ist die Hölle bereitet; so voll und ganz gilt das
Wort: der Glaube ist für sieh allein ein todtes Ding.

Die Veranscbaulicliung des Glaubens durch das unthätige


Mitleiden nimmt auch ausdrücklich auf diejenige Seite
vielleicht

am Glauben Rücksicht, wonach er Vertrauen auf Gottes Han-


deln ist. Jenes Mitleiden, das bis zum Worte reicht und wei-
ter nicht, sagt dem Dürftigen: iss doch, wärme dich doch!
und handelt selber nicht. Es weist dem andern die That
zu und entschlägt sich ihrer. So appellirt der Glaube an Gottes

Handeln, er spricht zu ihm: öffne uns das Reich, gib uns


den Kranz des Lebens u. s. f. und unterlässt seinerseits das

Handeln ').
Der Glaube der Dämonen und derjenige der

Gemeinde unterscheiden sich allerdings darin sehr wesent-

lich, dass der Dämon in seinem Glauben vor Gott zittert,

während die Gemeinde in dem ihrigen auf Gott hofft und sich

seines Reichs freut. Allein mit dieser Differenz ist noch keine
reale Trennung zwischen der Gemeinde und den Dämonen be-

gründet. So lange sie nur erwartet ,


dass Gott handle , und selbst

nicht handelt, so lange sie nur hofft ,


dass Gott ihr seine Gabe
schenke und an ihr sein Werk wirke, und selbst nicht wirkt,
ist ihr Glaube todt, auch wenn er sie noch nicht ängstigt,
sondern erquickt und freut, sie sorge dafür, dass sie Gott

gebe, was Gottes und für ihn wirke, was er sie wirken
ist,

heisst. Dann erst ist ihrGlaube geschieden von dem, was der
Dämon hat, wie das Leben von dem Tod.
Wenn Jakobus sagt, dass erst das Werk den Glauben aus
dem Tode heraushebe ,
so ist klar ,
dass er das Werk nicht
mit dem Glauben identificirt; vielmehr tritt das Werk zum
Glauben hinzu als ein anderes und neues. Beide stehn einander

1) Allerdings haftet an solchen Bildern des Jakobus einige Unsicherheit, wie weit
sie in seinem Sinne Anwendung auf die dargestellten Verhältnisse finden sollen; so
lange aber die Anwendung eine nahe liegende und durchsichtige ist, wird sie auch
in der Absicht seiner geistvollen Darstellung liegen.
DER TOD DES GLAUBENS OHNE WERKE. 411

gegenüber wie Wissen und Wille, wie Reden und Handeln,


wie Vertrauen auf Gottes That und eigne That, wie Reception
und Aktivität ;
das eine Moment folgt nicht naturhaft aus dem
andern mit unzerreiss barer Nothwendigkeit diese Folge kann ,

abbrecken wie die Erfahrung lehrt sie beruht auf einem neuen
, ,

Wollen, das im Glauben an sich noch nicht enthalten ist,

Darum ist das Werk nicht unmittelbar schon im Glauben ein-

geschlossen, sondern tritt als ein Zweites zu ihm hiazu. Allein


das folgt daraus nicht, dass das Werk ohne Beziehung zum
Glauben sei. Schon in der Yergleichung des Glaubens mit dem
Leibe liegt, dass Werk und Glaube ein göttlich zusammen-

gefügtes Ganzes bilden. Leib und Geist sind für einander ge-
schaffen und die Erstorbenheit des Leibes kömmt durch eine

Trennung zu Stande, welche der Bestimmung beider zuwider-


läuft. Nicht minder veranschaulicht die von der Barmherzigkeit

hergenommene Yergleichung diesen Zusammenhang. Barmher-


zige Regung und barmherzige Gabe sind doch zu einander
nicht beziehungslos, so wenig sie identisch sind, so sehr es zur

letztern eines neuen eignen Entschlusses bedarf, der oft genug


ausbleibt. Die Barmherzigkeit als innere Regung und als Wort
ist nach ihrem ganzen Wesen auf die That hin angelegt, sie
verliert ihr naturgemässes Ziel, wenn sie abbricht, ehe es zum
Geben kömmt. Aber auch Berufung auf die Dämonen illus-
die

trirt diesen Zusammenhang. Es bedarf um Gott vor Augen zu ,

haben und doch ein Dämon zu sein, eines teuflichen WoUens;


ein normales ist jener bebende Glaube nicht. Wenn also die

ganze Stelle die todte Nutzlosigkeit des Glaubens als einen

Vorwurf behandelt, so hat diess darin seinen Grund, dass der

Glaube nach seinem eignen innern Wesen vom Werk nicht


abgelöst werden darf. Ein unfruchtbarer Glaube ist darum etwas
abnormes, weil ein seines Werks beraubter Glaube abnorm ist

und der Ordnung Gottes widerstreitet. Die ganze Selbstbezeu-

gung Gottes wirbt nicht nur um des Menschen Bewusstsein


412 •
DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

und Rede, sondern um seinen Willen und sein Handeln. Die


Wahrheit Gottes wendet sich an unser Thun, das Wort Gottes

verlangt nicht Hörer sondern Thäter. Wie der Leib Organ des
Geistes ist, so ist der Glaube dem Menschen gegeben als Mit-
tel und Werkzeug damit er handle und wie die Barmherzig-
, ,

keit zum Geben drängt, so strebt der Glaube zum Werk, nur

der sündige Wille hält ihn auf. Desshalb erwartet Jakobus von
seinen Lesern nicht den Einwand, dass'er Glauben und Werke
trenne sondern umgekehrt den andern dass er beides vereinige
, ,

und vermische, so fern er den Glauben für nutzlos erkläre


ohne das Werk. Aecht judaistiscb lässt er den Leser antworten,
2, 18: Glauben und Werke haben jedes für sich seinen Werth ;

der eine hat Glauben ,


der andre hat Werke jedes ist für sich
;

ein Verdienst; wer Glauben hat, dem rechnet Gott den Glau-
ben an wer Werke hat dem bringt Gott diese in Anrechnung ').
, ,

Die Antwort des Jakobus lautet: zeige doch deinen Glauben!

1) äAA' £ps7 Ti? gibt sich deutlich als Einrede, und die Darlegung im Test scheint
mir zu zeigen, worin sie besteht. Möglicherweise ist die Einrede: irv Tria-nv 'i%etq

xaySi 'spya 'sxm nicht als Dialog mit Jakohus gedacht, sondern nur Ausdruck des

allgemeinen Gedankens: der eine hat diess, der andre jenes. Hat Jakobus das a-ö
der Einrede auf sich selbst bezogen, so liegt dieser Pormulirnng des Einwands da.?
Bewusstsein zu Grund, dass er selbst nicht gegen sondern für den Glauben spreche,
dass es ihm nur darum zu thun sei, dass der Glaube nicht unnütz und unfruchtbar
sei. So lässt er sich antworten : nun wohl du eiferst für den Glauben , du hast ihn ,

lass dir daran genügen, du


durch ihn gedeckt, wie andre durch ihre Werke.
bist

Die Schwierigkeit des folgenden Satzes liegt darin, dass derselbe nicht an die Form,
sondern an den Sinn der Einrede angeschlossen ist. Ihrem Sinne nach ist die Ein-
rede Vertheidigung der Verdienstlichkeit des Glaubens auch ohne Werk; darum wird
vollständig zutreffend dem Gegner zugemuthet, dass er den Glauben zeige, auf den
er sich verlässt. Daraus entsteht aber eine Inkongruenz mit der Form der Einrede,
in der der Gegner den Glauben dem andern überliess, sich selbst aber die Werke
zueignete. Diese Inkongruenz ist jedoch nur formal, weil diese Vertheilung lediglich

abstrakt den gesonderten Werth beider Dinge aussprechen will während ihr Zweck ,

Abweisung der an den Glauben gestellten Anfoi'deruug ist. Der Gegner will faktisch
den Werth seines Glaubens schützen und bei dieser Absicht behaftet ihn der Nach-
,

satz. Ob x^P'? oder 'in gelesen wird, gibt einen geringen Unterschied. Der ironische
Klang, den das %wp/5 hat, empfiehlt dasselbe nicht. Das sx , das einfach und unum-
wunden die sittliche Aufgabe nennt, die demjenigen gestellt ist, der sich seines

Glaubens rühmt, gibt einen voll zutreffenden Gedanken, %wp/c dürfte Besserung sein.
DER TOD DES GLAUBENS OHNE WERKE. 413

Was nützt ein Glaube, den man nicht zeigen kann? Es ist

aber unmöglich den Glauben in andrer Weise zu zeigen als im


Werk. Die Rede: ich glaube, ist noch kein Erweis desselben.
Auch hierin zeigt [sich der Glaube für sich allein als todt : was
lebt, das thut sich kund. Sofern nun der Glaube im Werk
seine Offenbarung hat, sind beide zu einander in innerliche

Beziehung gesetzt; der Glaube ist auf das Werk gewiesen als
auf seineAeusserung und Kundgebung. Aber auch das Werk
kömmt nicht ohne den Glauben zu Stand wenn es Erweis des ,

Glaubens ist. Es empfängt aus diesem sein Motiv der Glaube ,

bestimmt ihm Weg und Ziel. Aus der Wahrheit die der Mensch ,

erfasst und vor der er sich gebeugt hat ,


wächst bei richtigem
Verhalten das Handeln heraus, so dass nun der Glaube be-
stimmt, was und wie gehandelt wird.
Das innere Yerhältniss zwischen Glaube und Werk wird am
Glauben Abrahams dargestellt. Jakobus erwartet, dass sich die
Leser auf Abraham berufen werden, der beweise, wie schon
der blosse Glaube von Gott als Gerechtigkeit betrachtet werde.

Weniger sicher ist, ob auch die Berufung auf Rahab in den


Gedanken der Leser zu verlegen ist; Jakobus köunte sie auch
zur Verstärkung seines Schriftbeweises selbst citiren. Jedenfalls
sind beide Beispiele höchst treffend gewählt: dort »unser Va-
ter" Abraham ,
der gerechte ,
von dem die Schrift ausdrücklich

sagt, dass seinGlaube vor Gott seine Gerechtigkeit gewesen


sei ,
hier die Heidin die Kananäerin die Dirne die doch wahr-
, , ,

lich keine »guten Werke" hatte, und dennoch errettet und in


die Gemeinde Israels eingepflanzt wird, weil sie an die Macht
des Gottes Israels glaubt. So stellen beide Beispiele den Glau-
ben in seinem Werth und seiner Kraft in 's Licht, doch diese
selben Beispiele sind für Jakobus zugleich eine helle Illustration

dafür, dass der Glaube ohne Werke nichtig ist. Die- Gemeinde
hat Recht, wenn sie im Glauben Abrahams ihr Vorbild sieht,

sie glaube nur wie Abraham ,


so bleibt ihr die Rechtfertigung
414 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

nicht aus; sie gehe nur die Bahn ßahabs, so wird ihr Glaube
ihr dasselbe bringen, was Rahab um seinetwillen erlangt hat.

Aber die Abraham, wenn sie »nur"


Leser glauben nicht wie

glauben! Abraham brachte Gott seinen Sohn zum Opfer dar,


das war nicht nur Glaube sondern Werk, Wenn Abraham der

Verheissung Gottes glaubte, wenn dieser Glaube ihm zur Ge-

rechtigkeit gerechnet wurde, Gen. 15, 6, wenn er in inniger

Vertrautheit zu Gott stand und Gott ihm selbst den Namen


gab: mein Freund, Gen. 18, 7 Targ. ler. Philo 1, 401 resip.
Noe 281, lag nun darin für Abraham ein Dispens vom Werk?
Konnte er sich nun an seinem Glauben und an seiner Gottes-
freundsehaft genügen lassen und das Werk entbehren? Um-
gekehrt! nun fordert Gott den Sohn von ihm. Und wie, wenn

Abraham ihm denselben verweigert hätte, wäre er auch dann


noch der gerechtfertigte, auch dann noch Gottes Freund? wäre
ßahab gerettet worden, wenn sie die Kundschafter verrathen
hätte? Nun erst, nachdem Abraham Gott den Sohn geopfert
und damit das Werk vollbracht hat ,
steht er vor Gott als der

gerechte da. Ist somit Abraham Beweis dafür, dass der Glaube
unwirksam ist, dpyi^, sofern auf den höchsten Gewinn, auf Er-
rettung und Gerechtigkeit , geschaut wird ,
da ihm ja der

Glaube das Isaaksopfer nicht erspart, so ist er zugleich Beweis

dafür, wie und wo der Glaube wirksam werden kann und


muss. »Du siehst ja, dass sein Glaube zu seineu Werken
mitwirkte !"
^)
Abraham hätte sein Werk nicht vollbracht ohne

1) Die iDeiden Sätze :


ßP^eTsti; 'ort vt tt/W/; a-vv^pysi roig 'ipyoiQ cti/rov xxt 'ex tuv

'ipyaiv VI '!ria-riq STS?i.£ia>öii 2,33 heljen das Verhältniss zwischen Glaube und Werk nacli
seinen beiden Seiten hervor; der zweite Satz nennt den Einflusi? der Werke auf den
Glauben ,
so wird der erste den Einfluss des Glaubens auf die Werke nennen. Sie

bedingen einander wechselseitig; der Glaube wirkt mit zum Entstehn der Werke und
empfängt seinerseits aus den Werken VoUendang. Wird der Dativ rott^ 'ipyoiQ ahrov
nur auf (T!/!/
bezoa;en, also gefasst: er wirkte mit den Werken, nämlich zur Eeohtfer-

tigung, so wird diese Korrelation der beiden Sätze gebrochen. Auch bietet der Kon-
text kein Objekt, das sich leicht zu (rvvspye7v konstruiren Hesse. »Rechtfertigung" ist

ein richterlicher Akt Gottes ,


den der Mensch erleidet , Stxxicij^^vcit pass Sollte Jako-
DER TOD DES GLAUBENS OHNE WERKE, 415

Glauben; Opferung Isaks war eine Glaubensthat, die das


die

Yertrauen auf Gottes Güte und Macht aufs iiöchste in Anspruch


nahm. So bezeichnet ihnen Abraham ,
wie der Glaube wirksam
werden kann ,
nämlich als Antrieb ,
Hülfe und Kraft zum Werk ,

und zeigt ihnen, wie mächtig in dieser Sphäre der Glaube


er

aktiv werden kann. Es liegt im Zusammenbestehn jenes u^yov

Yers 20 und dieses (TuvepyBiv Vers 22 ein treffender, scharf

gedachter Gedanke. Wenn die Gemeinde vom Glauben die

allerhöchste Leistung erwartet ,


nämlich die dass er sie errette ,

so täuscht sie sich ;


allein damit ist nicht gesagt ,
dass sie nicht

grosses von ihm erwarten darf ! Gewiss ,


er leistet ihr vieles ,

er ist ein kräftig wirksamer Gehülfe, nämlich zum Werk und


so nur dass er zum Werk mithilft, wird er auch fruchtbar zu

jenem höchsten Ziele und trägt Rechtfertigung und Errettung


ein, aber nicht für sich allein.
Wirkt der Glaube zum Werke mit ,
so geht auch wieder vom
Werk Wirkung auf den Glauben aus: er wird aus den Wer-
ken ein vollendetes , i| spyrn areXsia^vi ,
2 ,
22. Der volle Be-
stand, den der Glaube aus den Werken gewinnt, wird sich
zunächst darauf beziehn, dass er nun die erwartete göttliche

Gabe wirklich empfängt und in seiner Hoffnung sich nicht als


Täuschung und Selbstbetrug erweist, sondern in Erfüllung
geht. Aber auch der eigne Charakter des Glaubens seine innere ,

Beschaffenheit selbst gestaltet sich neu in Folge des Werks.


Es ist für den Gedanken des Briefs bezeichnend, dass derselbe

nirgends den Begriff: ungläubig, ccttkttoi; X7ria-Ts7v, hai; er reüek-


tirt nirgends auf ein feindseliges Widerstreben gegen Gott

bus gesagt haben: der Mensch bewirke den Att Gottes? Der Spruch Gottes folgt aus,

s«, den Werken, davon ist aber //Rechtfertigung bewirken" noch sehr different. Die-
ser Gedanke wäre nur möglich, wenn der Begriff Sixxiouäiivoci abstrakt von Gott ab-
gelöst würden so abstrakt denkt Jakobiis nicht. Zu den '^pyx passt dagegen das Ver-
bum vortrefflich, sie ergeben sich aus einem ifyx^siräcit, also auch aus einem ^üvepyetv.
Der erste Wirkende ist die wollende und handelnde Person und ihr Glaube ist dabei
ihr (TVvspySi;.
416 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. £X.

und sein Wort, wohl im Zusammenliang mit der Konzentration


des Grlaubens auf das Bekenntniss zum einigen Gott diess ist ;

auf Israelitischem Boden der Besitz aller; der einige Gott trat
allen in's und band dasselbe mit unangefochtener
Bewusstsein
Macht ;
aber darum handelt es sich nun ob die Anerkennung ,

Gottes ein ungetheiltes Ganzes ist, ob nicht im Innern des


Menschen gegentheilige Momente liegen, welche jene Aner-

kennung beschränken und aufheben ob der Mensch tz^idiKpirog ,

ist. Ist nun der Glaube vorhanden das Werk aber nicht , ,

so tritt hierin Zerspaltung zu Tage. Würde Abraham Gott


den Sohn verweigern ,
so würde er negiren ,
was er im Glau-
ben bejaht; als der Glaubende bejaht er, dass Gott in seiner

Verheissung der treue und wahrhaftige, in seinem Gebote der

gerechte und gütige ist, Versagung des Werks ver-


mit der

neint er diess und die »doppelte Seele" ist da, das Ja und
Nein zugleich ,
des Glaubens Gegentheil und Widerspiel. Das

Ausbleiben des Werks lässt somit den Glauben nicht intakt,


es ist an sich selbst schon als Riss im Verhalten des Menschen
auch ein Defekt des Glaubens. Und zwar wird innere Zerspal-

tung für die ganze Haltung des Menschen folgenreich: der ge-
theilte dem Gewoge des Meers dem ewig unruhigen
gleicht , ,

das vom Winde stürmisch erregt aber auch schon von jedem ,

leisen Lufthauch gefächelt wird, 1, 6. Der sittliche Zwiespalt

in der Person verunmöglicht ihr jeden festen einheitlichen Akt :

sie hofft und hoff't wieder nicht ,


will und will nicht ,
meint
zu wissen und zweifelt, traut und traut doch wieder nicht. Da
fehlen die Innern Bedingungen zu einer ganzen, vorbehaltlosen
Bejahung der Grösse und Güte Gottes, zu einer auf Gott ge-
stellten Erwartung die nicht im nächsten Moment wieder in
,

Frage gezogen würde: die »völlige" Zuversicht ist dahin. Er-

gibt sich Mensch mit seinem ganzen Wesen, also


aber der
auch mit Wollen und Handeln Gott, fügt er zum Glauben das
Werk hinzu ,
so gelangt an der Einheit seines Verhaltens auch
DIE VOLLENDTJKG DES GLAUBENS. 417

der Glaube zu seinem vollen Bestand, arsKsia^i^. So lange der

Glaube isolirt vom Werke betrachtet wird, setzt Jakobus die

Versicherung : man habe Glauben ,


unmittelbar mit dem Glau-
ben selbst als eins: was nützt es, wenn einer sagt, er habe
Glauben ? kann der Glaube ihn erretten ? 2 ,
1 4 ,
als wäre
kein Unterschied zwischen dem Vorgeben, man habe Glau-
ben ,
und dem Glauben selbst ! diess einfach darum ,
weil

Bewusstsein und Wort unmittelbar zusammenhängen. Wer


will beurtheilen, ob er in seinem Vorgeben heuchelt, ob er
sich selbst täuscht? Es drückt sich in solcher Rede immer-
hin eine gewisse Bindung des Bewusstseins an Gott aus. In
der Region des Bewusstseins und der Rede scheiden sich der
Glaube ,
der es wirklich ist ,
und derjenige ,
der es nur vorgeb-

lich ist ,
nicht ; der Unterschied zwischen beiden liegt im Werk.
Tritt das Werk dann sagt der Mensch nicht nur er
hinzu , ,

glaube, dann glaubt er voll and ganz, denn damit bethä-


tigt er eine ungebrochne Zuversicht zu Gott.
Es blieb in der bisherigen Darstellung räthselhaft, wie so
Jakobus einerseits den vielen, immer neu zu übenden Werken
den Glauben als eine ungetheilte Einheit entgegensetzen und
diese Einheit so energisch betonen kann, dadurch dass er alle

Mannigfaltigkeit desselben auf seine erste einfache Grundform


reducirt, während er doch so verschiedne Zustände wie den
vor Gott bebenden und den Gott um jede gute Gabe zuver-
sichtlich bittenden Glauben unter denselben Begriff befasst.
Erwächst der Glaube einheitlich aus einer Wurzel ,
woher
kömmt ihm denn solche Differenz? was treibt ihn in Gegen-

sätze auseinander ? Nun hat sich dieses Räthsel gelöst. Was den
Glauben gegensätzlich scheidet, liegt nicht im Glauben an sich
selbst, weder im Glaubensinhalt, denn der einige Gott ist der-

selbe für alle ,


noch im seelischen Glaubensakt ,
denn dieser er-

gibt sich aus der Weise wie Gott kund thut, für alle
sich

analog, sondern die Verschiedenheit im Charakter und Werth


27
418 , DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

des Glaubens entspringt aus dem Verhältniss ,


in das sich das

Werk zum Glauben stellt. Der bebende Glaube hat teuflisches

Wollen und Wirken neben sich; stehn aber neben dem Glau-
ben Abrahams Werke, so ist er ungebrochne, freudige Zuver-
sicht, die bitten kann und empfängt. Das ist das Recht jener

exegetischen Tradition ,
die aus unsrer Stelle die Eintheilung

des Glaubens in lebendigen und todten ,


fides viva und mortua ,

entnahm. Es stehn sich bei Jakobus in der That nicht nur


Glaube und Werk, sondern auch zwei Gestaltungen des Glau-
bens gegenüber ein unnützer Glaube und ein helfender Glaube,
,

ein Glaube der zur Verdammniss, und ein Glaube der zur Recht-

fertigung führt, ein Glaube der lebt, und ein Glaube der todt
ist. Exegetisch falsch und dem Verständniss der Stelle schädlich

ist diese Eintheilung des Glaubens nur dann, wenn übersehen


wird, dass für Jakobus die Scheidelinie zwischen beiden Arten

des Glaubens nicht in irgendwelcher Beschaffenheit des Glau-


bens an sich selbst liegt, sondern allein und ausschliesslich

im Werk.
Mit der Einsicht ,
dass der Glaube unfähig ist den Menschen
zu erretten ,
tritt für Jakobus keinerlei üngewissheit ,
Furcht
und Angst in sein Verhältniss zu Gott, als würde damit dass
der Glaube die Rechtfertigung nicht erlangt, diese für den Men-
schen unzugänglich oder unsicher. Jakobus ist der festen Zuver-

sicht, dass wie Abraham und Rahab aus ihren Werken das

gerechtsprechende Urtheil Gottes erlangt haben, universell

jedem Menschen die Rechtfertigung zu Theil werden kann


durch sein Werk. Absichtlich wird die Rechtfertigung nicht
dem Glauben und dem Werke zusammen zugeschrieben son- ,

dern nur dem Werk, 2, 21. 25, und diess auch in dem Satze:
ihr seht, dass der Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und
nicht aus Glauben allein ,
cvk, ix, Trhrscüg iu.övov ,
2 ,
24 ;
denn
hier steht dem positiven Gliede: »aus Werken" das negative:
»nicht aus Glauben" zunächst absolut entgegen, und das
DIE VOLLENDUNG DBS GLA.UBENS. 419

beigefügte»nur" enthält den Gedanken, dass mehr vorhanden


sein muss als nur Glaube, wenn man Rechtfertigung finden

will, dass Kraft und Werth des Glaubens viel zu gering sei

als dass man nur durch ihn in Gottes ürtheil als gerecht bestehn
könnte. Eine Addition von Glaube und Werk ,
welche dieselben
von einander sonderte und jedes für sich mit seinem eignen
Werth vor Gott in
Anschlag brächte, liegt der Stelle fern.

Gerade darum weil Jakobus Glaube und Werk nicht geschieden


und gesondert haben will , knüpft er die Rechtfertigung nur an
das Werk ,
welches den Glauben nicht ausser sondern in sich hat.
Aus dieser Verknüpfung von Rechtfertigung und Werk folgt

jedoch keineswegs, dass Jakobus das rechtfertigende ürtheil


Gottes dahin reducirte ,
dass es lediglich den dem menschlichen

Werk an sich selbst innewohnenden Werth benennen würde ,

so dass in der Rechtfertigang das aktive Moment allein auf

Seite desMenschen läge und Gott nur die sittlich nothwendige


Konsequenz aus dem menschlichen Handeln zöge. Wenn die
kananäische Dirne darum gerechtfertigt wird, weil sie die

Kundschafter schützt, liegt denn wirklich in ihrer That der


zureichende Grund des Lohns, den sie empfängt? Warum
überwiegt diese eine That alle ihre sonstigen Werke ,
alle Werke
des Götzendiensts und der Unzucht? So sehr die Rechtfertigung
Antwort Gottes ist auf ihr Werk, so sehr bleibt sie ein sou-

veräner Akt einer gebenden Gnade, die darum gerecht


frei

erklärt, weil sie zugleich vergibt. Oder wenn Abraham's Opfer


von Gott als volle ganze Gerechtigkeit gewerthet wird ,
die ihn

endgültig in den Besitz der Yerheissung setzt, so findet auch


hier das Werk einen Erfolg ,
der über alle Maasse der mensch-
lichen Berechnung und Vergeltung hinausgreift. Darum wird
die Rechtfertigung ausdrücklich nicht auf alle Werke des Men-
schen gleichmässig bezogen ,
so dass die Gesammtheit des Han-
delns die Gerechtigkeit ergäbe; einzelne Akte des Menschen
sind es, die in ihrem innern Werth alles andre sündige Han-
420 DEE GLAUBE IM" NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

dein vor Gott überwiegen, i^ spycov ^iKatovrai xv^pccTrog, aber

nicht SK rav spyoov. Mit solcber Auswahl, die das eine Werk
vergibt und das andre krönt, wird aber die Eechtfertigung
zu einem »Ruhm der Barmherzigkeit wider das Gericht." Läge
für Jakobus in der Rechtfertigung die Kausalität allein auf des
Menschen Seite, so würde sie für ihn mit derselben innern

Nothwendigkeit ,
welcher das Denken der Synagoge unterlag,

zum Gegenstand der üngewissheit und der Furcht; sie wird es

nicht, denn er schaut auch im rechtfertigenden Gott den ge-

benden Gott. Die Ünerlässlichkeit des Werks zerstört ihm das


Grundverhältniss zwischen Mensch und Gott nicht, kraft des-
"

sen Mensch empfangend vor der Güte Gottes steht aus


der ,

der jede gute und vollkommene Gabe kömmt. Wollend hat er

uns geboren, ßouKvi^£)q xTrsuvi^Tsv i^fiai; 1 IS wollend recht- , , ,

fertigt er auch. Die von ihm gebornen ruft er zum Werk,


aber Gott ist es in seiner Güte, der ihrem Werke mit dem
Kranz des Lebens das Siegel der Gerechtigkeit verleiht. Jako-
bus bewährt damit selbst praktisch, dass das Werk den Glau-
ben nicht einschränkt und negirt, vielmehr umgekehrt völlig
macht. Je weniger er den Glauben etwas für sich selbst sein
lässt , je vollständiger seine Bedeutung darin aufgeht, »Gehülfe"
zu sein zum Werk, um so freudiger und gewisser wird seine

Zuversicht, mit welcher er dem göttlichen Richten als seiner

Rechtfertigung entgegenschaut ,
darum weil Gott der gebende ist.

Mit der lebensvollen Wechselbeziehung zwischen Glaube und


Werk auch das Bindeglied erkannt, das die beiden entge-
ist

über den Werth des Glaubens


gengesetzten ürtheile des Briefs
einigt. Das eine erhebt den Glauben über allen Besitz und alles

Leiden der Menschen und preist ihn als das Erbrecht zum
Reich und das Zeichen der Auswahl Gottes, und das andre
entwerthet ihn als nutz- und fruchtlos bis in die Hölle hinab

und bindet die Rechtfertigung nur an das Werk. Jakobus folgt


in seiner Beleuchtung des Glaubens dem Wechsel, der sich im
DIE VOLLENDUNG DES GLAUBENS. 421

Urtheil der Gremeinde über den Werth des Glaubens vollzieht.

Dieselbe schätzt ihn sehr verschieden, wenn er die üebernahme


von Leiden mit sich führt oder wenn er als Anrecht auf das
Eeich betrachtet wird, in der Selbstbeschauung an der eignen
Person oder in der Würdigung des Bruders ,
zumal des Armen.
Handelt es sich um's Werk, so rühmt die Gemeinde den Glau-
ben ,
so dass das Werk über ihm zurücktritt ; handelt es sich

dagegen ums Leiden, so ist dieser Preis des Glaubens beträcht-


und das Leiden verschwindet ihnen ob dem Glau-
lich reducirt,

ben nicht. In der Selbstbespiegelung gilt er als voll zureichen-

der Grund des Reichsbesitzes, am Bruder gilt er Aveniger als

der goldene Schmuck. Diesem Widerstreit des Verhaltens tritt

der Brief mit seinem Doppelurtheil entgegen, und gesetzt

dasselbe behielte für den Begriff eine Schwierigkeit, der

Wille, der es trägt, ist ein in sich einiger; ethisch ist

dieseDivergenz im Urtheil über den Glauben durchaus rein


und durchsichtig- Den Glauben da zu preisen, wo er andre
nicht vor Verachtung schützt, und ihn da gering zu halten,
wo Gegenstand des Selbstruhms wird, das ist ein sittlich
er

einiges und harmonisches Verhalten, denn es ist der Doppelakt


der Liebe, die aller selbstischen Blähung entgegen den Werth

dessen was dem Bruder gegeben ist zur Anerkennung bringt.


, ,

Und wenn der Glaube da hoch gewerthet wird, wo die Uu-


willigkeit zum Leiden ihn gering schätzt,
und da gering, wo
die Unwilligkeit zum Werk ihn hoch hält, so ist auch dieses
Verhalten wiederum von allem inneren Zwiespalt frei, wie denn

auch das Zurückweichen vor dem Leiden und vor dem Werk
aus derselben Willensstellung entspringt und sittlich gleichartig

ist. Es ist auch hier der Gott kräftig hingegebne Liebes wille,
der auf den Einsatz der ganzen Person dringt; so weit der

Euhm des Glaubens diesen fördert, wird er bejaht, so weit er

ihn hindert, negirt. Aber auch die intellektuelle Einheit fehlt

den beiden Urtheilen des Briefs keineswegs. Wenn Jakobus


422 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

mit der Schrift Abraham in jenem Moment ,


da er Gott glaubte
und nur glaubte ,
ohne noch ein Werk zu vollbringen , gerecht
nennt wegen seines Glaubens — und Jakobus beabsichtigt nicht,
dieses ürtheil der Schrift, das ihm ein Urtheil Gottes ist, an-

zutasten und in eine nur scheinbare illusorische Gerechtigkeit

aufzulösen, Abraham war Glauben gerecht


in seinem wenn —
Gott ihn sodann als seinen Freund behandelt und benennt,

dem er seinen Rath offenbart — und Gottes Freundschaft

schliesst die ganze Gabe Gottes in sich — wenn nun aber

Gott Abrahams Yerhältuiss zu sich hinausführt über den blos-


sen Glauben, wenn er ihm nicht nur seine Verheissung gibt,

dass er ihr nicht widerspreche, nicht nur seinen Rath offenbart

als seinem Freund, sondern ihm auch ein Gebot gibt, das ihn
für ihn handeln heisst, wenn er damit sein bisheriges Verhal-
ten noch nicht als volle Gerechtigkeit und ganze Erfüllung
seines Willens hinstellt ,
nun aber nachdem ihm Abraham den
Sohn gegeben hat, ihm das Zeugniss ertheilt, er sei gerecht
vor ihm, durch ein neues Verheissungswort : so ist der Begriff,

der diese ganze Geschichte als ihr Gesetz gestaltet und zu


einer festen Einheit zusammeuschliesst ,
der einer lebensvollen
in fortschreitender Bewegung stehenden Liebe auf Gottes wie
auf Abrahams Seite. In Gott geht die Liebe von der Verheis-

sung zur Erfüllung, im Menschen vom Glauben zum Werk,


und weil die Liebe das Treibende in dieser Bewegung ist, gibt
sie schon dem Anfang derselben absoluten Werth, sie rechnet
schon den Glauben zur Gerechtigkeit, und hat doch nicht schon
im Anfang ihr Genüge, sondern treibt über denselben hinaus
bis dahin ,
wo der Mensch Gott alles gegeben und von ihm
empfangen hat. Ganz analog mit Abrahams Weg hat Gott
alles

den Gang der Gemeinde gestaltet. Gott hat sie auserwählt und
in seine Freundschaft gesetzt ,
so dass das Gut Abrahams ihr Eigen-

thum ist, und ihr Besitz hebt auch für sie im Glauben an, Gott steht
vor ihr als der ,
dem sie zu vertrauen hat ; aber auch sie leitet
DIE VOLLENDUNG DES GLAUBENS. 423

Gott über den G-lauben hinaus ,


er ruft sie zum Werk und folgt
sie diesem Ruf, so ist der Lohn ihrer Arbeit der, dass sie im
Gericht des gerechten Gottes in ihr Erbe ,
das Reich , eingesetzt
wird. Auch Bewegung und Fortschritt: auf Gottes Seite
hier ist

von jener Auswahl welche die Gemeinde jetzt schon in die


,

Freundschaft Gottes stellt und damit zum Werk aufruft, zu

jener Rechtfertigung ,
welche ihr Werk lobt und lohnt und ,
sie in

der künftigen Reichsgenossenschaft die Freundschaft Gottes neu er-


fahren lässt ;
auf des Menschen Seite Fortschritt vom Glauben , der
die Grösse Gottes und die Herrlichkeit seines Christus erkennt
und bejaht, zum Werk, das für Gott alles thun und alles lei-

den kann aber auch hier zerfällt diese Bewegung nicht in


; ein

unverbundnes Vielerlei, sondern ein einiger Gedanke und Wille


Gottes, Güte, erzeugt, trägt und vollendet den Ver-
dieselbe

band der Gemeinde mit Gott, und ein und dasselbe Verhalten
des Menschen entspricht derselben die Hingabe der Liebe die ver-
, ,

traut, wenn Gott wirkt, und handelt, wenn er den Menschen


wirken heisst.

Auch auf dem Standpunkt", der sich in der Formel ausdrückt:

du hast Glauben und ich habe Werke, können die beiden ür-
theile mit einander wechseln ,
dass der Glaube das Reich be-

sitze und dass es durch die Werke erlangt werde, wie diess
z.B die Esraprophetie veranschaulicht ,
aber unmöglich könnte

vom einen und selben Glauben zugleich gesagt werden er errette :

und er errette nicht. Jenem Standpunkt, der Glaube und Werk

gegen einander isolirt, ist es wesentlich, dass er dem Glauben


einen eignen selbständigen Werth beilegt. Ebenso wenig wäre
auf einem Standpunkt, der die Rechtfertigung von Gottes geben-
der Güte ablöst und nur an das menschliche Handeln anschliesst

als dessen logisch und ethisch nothwendigen Annex und so das

göttliche Handeln in eine Vielheit zusammenhangsloser Akte aus-


einander fallen lässt, von einer und derselben Person die Dop-

pelaussage möglich, dass sie im Glauben erwählt und aus Wer-


424 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

ken gerechtfertigt sei. Weil aber für Jakobus das Werk nicht

Surrogat für den Glauben ist, ebensowenig als der Glaube für

das Werk, sondern beides die nicht zu scheidenden Erweisun-

gen des Gott hin gegebnen Lebens sind ,


weil er ,
damit parallel,
keine Erwählung Gottes kennt, die nicht den Willen in sich
schlösse, den Erwählten zu rechtfertigen aus seinem Werk, und
keine Rechtfertigung und Vollendung der Auswahl
,
die nicht Ziel

wäre ,
die im Glauben den Menschen zum Freund Gottes macht,
weil ihm Gottes Handeln als ein vollkommenes Geben vor der
Seele steht, als das ungetheilte Ganze emes Willens ,
einer Güte,

und ebenso das menschliche Handeln als das ungetheilte Ganze


einer völligen Hingabe an Gott, darum konnte Jakobus beides
miteinander sagen: durch Glauben reich und nur aus Werken

gerecht, je nachdem er Grundlegung oder Vollendung, Mittel


oder Ziel Bedingung oder Resultat der ganzen Gottesfreundschaft
,

in's Auge fasste. Der Glaube ist Reichsbesitz, denn der durch

Gottes Güte gesetzte Anfang ist sofern er anhebt und gründet, ,

das Ganze, und der Glaube ist nicht Reichsbesitz, denn der

Anfang ist werthlos ,


wenn er nur Anfang bleibt und der Grund ,

ist nichts ,
wenn er keine Folge hat ,
ein solcher Grund ist todt.

Jakobus setzt noch an zwei andern Stellen Glaube und Werk


zu einander in Beziehung; sie ergeben dasselbe Resultat. Er
hat — und es ist diess ein sprechender Beleg für die princi-
pielle Schärfe ,
mit der er denkt — den rücksichtsvollen Empfang
des Reichen in der Gemeinde ,
wobei ihm sofort ein Sitz ange-
wiesen wird . während der Arme stehen oder sich auf den Boden
setzen kann, als
Antastung des Glaubens beurtheilt, 2, 1
ff.

So sehr sein Gedanke am konkreten einzelnen Vorgang haftet ,

so energisch verfolgt er denselben in seine Konsequenzen; er


beleuchtet eine solche Vertheilung der Plätze in den Ver-

sammlungen bis dahin ,


wo sie sich als Leugnung Christi ,
sei-

ner Herrlichkeit und seines Reichs ergibt. Dieses ürtheil war


wohl für seine ersten Leser nicht weniger überraschend als für
DIE VEEACHTÜ'NG DES AHMEN. 425

uns; es mochte ihnen ihre Anerkennung der Messianität Jesu

völlig unerschüttert scheinen auch wenn sie den Reichen anders


,

empfiengen den Armen.


Eine Antastung des Glaubens
als

liegt für ihn in solchem Handeln darum weil in der Ehre , ,

die sie dem Reichen erweisen trotz seiner Christusfeindschaft

um seines Reichthums willen, und in der Geringschätzung, mit


der sie den Armen behandeln wegen seiner Armuth trotz seines

Glaubens, thatsächlich das Urthejl enthalten ist, dass die Herr-

lichkeit, welche Christus hat und gibt, für nichts zu achten

sei im Vergleich mit dem irdischen Gut und das Verhältniss zu


ihm bedeutungslos sei neben der äussern Stellung des Menschen.

Damit ist Glaube und Werk in Beziehung auf diese konkrete

Frage genau in derselben Weise unterschieden und geeinigt wie


in der allgemeinen Erörterung, 2, 14 ff. Auf der einen Seite

steht die Bejahung der Herrlichkeit Jesu » Glaube", auf der an- ,

dern Seite die Weise wie die Gemeinde ihr Zusammenleben

ordnet, »Werk". Beides fällt nicht zusammen, vielmehr kann


sich bei allem Preis und Ruhm der Herrlichkeit Jesu »das Ansehn

der Person" in aller Hässliehkeit geltend machen. Der Zusam-

menhang zwischen Glaube und Werk ist nicht unzerreissbar.

Und doch drängt und treibt der Glaube unmittelbar zum Werk
und zwar um seines Inhalts willen. Wenn sie als die Glauben-
den Jesu Herrlichkeit bejahn, so haben sie in ihr das Maass,

nach dem sie nun die Dinge und Menschen zu schätzen haben.
Glauben sie wirklich ,
so steht Jesus als der Verherrlichte vor

ihrer Seele als deren centrales Objekt, auf das sie nunmehr alles
beziehn ,
an dem alles nach seinem Werth und ünwerth ihnen
in's Licht tritt. Und zwar gehn vom Glauben
Impe- nicht nur

rative ,
Normen
Weisungen an das Handeln
,
aus er ist viel- ,

mehr Motiv und Kraft desselben, avvepyög zum Werk. Damit


dass sie den Christus der Herrlichkeit kennen, sind sie that-

sächlich in eine neue Werthung aller Lebensverhältnisse hinein-

gestellt ,
es können ihnen die goldnen Ringe und das glänzende
426 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

Gewand nicht mehr als »Herrlichkeit", ^o^x, gelten, der Arme


kann ihnen nicht mehr verächtlich erscheinen ,
sondern steht in
der vollen Würde der göttlichen Erwählung vor ihnen. Darum
bedarf der Glaube zu seinem eignen Bestehn des Werks, er ist

nicht völlig ohne dasselbe; eine Schätzung der Dinge und Men-
schen ,
welche Christus und das Reich ignorirt ,
ist an sich selbst,

auch wenn auf ihre Motive nicht weiter reflektirt wird und
ihre Konsequenzen nicht ausdrücklich und bewusst gezogen
werden ein Heraustreten aus dem glaubenden Verhalten
, des ,

Glaubens Gegensatz —
^loizpi^^vizi ,2,4. Allein die Stelle bie-

tet nicht nur ein anschauliches Beispiel zur allgemeinen Erör-

terung über Glaube und Werk , sondern bestimmt zugleich höchst


bezeichnend ,
was Jakobus unter den Werken denkt ,
die zum
Glauben gehören wie der Geist zum Leib. Der Glaube bestimmt,
welchen Platz der Reiche und der Arme erhalten so vollständig ,

hängen Glauben und Wirken von einander ab. Es sind nicht


nur einzelne sonderliche Situationen, welche die Pflicht mit sich

führen, dass zum Glauben das Werk hinzutrete, vielmehr nor-


mirt und bestimmt der Glaube das Handeln konstant bis in die
scheinbaren Kleinigkeiten des täglichen Lebens hinein; er ge-
staltet den ganzen Verkehr mit den Menschen neu und damit
die gesammte Lebensführung. Wenn die Weise wie die Plätze ,

in den Versammlungen ausgetheilt werden, vom Glauben aus

geregelt ist, kann noch irgend etwas in den Versammlungen

geschehn ,
was den Glauben nicht berührte ? An sich ist es ja

völlig bedeutungslos, wer hoch oben auf dem Sessel oder tief

drunten »unten am Schemel" sitzt, und doch greift auch diese

Kleinigkeit in iliren Motiven bis in ihr Verhältniss zu Christus


hinein. Wie nun ,
wenn Streit und Kampf in der Gemeinde
ist ,
4 ,
1 ,
wenn sie den Brader nicht etwa nur stehen lassen
sondern verläumden und richten ,
4 , 11, wenn das Wort ,
das

unbezähmbare ,
wie ein Feuer die Gemeinde durchwüthet ,3,1
ff., wenn sich jedermann als Lehrer vordrängt in jener Eitel-
DIE VERÄCHTUNG DES ARMEN. 427

keit ,
die sich gerne reden hört ,3,1, wenn sie als » vergess-
liche Hörer" das Wort der Wahrheit in der Gemeinde miss-
achten ,
1 ,
22 ,
oder nicht mit Sanftmuth es aufnehmen , son-
dern in Zorn gegen dasselbe sich auflehnen, 1, 19 ff., geht
nun dergleichen ohne Verletzung des Glaubens ab? ist das
nicht ebenso unverträglich mit der Bejahung der Herrlichkeit

Christi und des Reichs als die gerügte Vertheilung der Sitze?
Alle Mahnung des Briefs ist in selber Weise der Ableitung
aus dem Wesen des Glaubens fähig ,
wie die 2 ,
1 gegebene ,

und die Stelle zeigt somit ,


dass im Sinne des Jakobus alle Wei-
sung des Briefs nur dasjenige Handeln nennt, das im Inhalt
des Glaubens unmittelbar gesetzt und darum zu seinem völligen

Bestände unentbehrlich ist. Mau kann mit vollem Rechte sagen:


der ganze Brief ist Glaubeusmahnung, er fordert nur das eine,
dass die Gemeinde den Glauben so habe ,
wie man ihn haben soll.

Einen weitern Beleg für die Richtigkeit der gegebenen Be-


stimmungen bietet die Stelle 1 ,
2 ff . dar. Hier erhalten wir

folgende ursächlich unter einander verknüpfte Begriffsreihe:

Anfechtung, bewährter Glaube, Standhaftigkeit , völliges Werk,


völliger ganzer Bestand der Person. Die Anfechtung stellt in

Frage, ob Gabe Gottes, wie sie sich im Reich zusammen-


die

fasst, in ihrem einzigartigen Werth erkannt und geschätzt ist,


darum ist sie Glaubensprobe und wird nur durch einen Glaubens-
akt getragen; dass Gott als Gott und der Christus als Christas

und das Reich als der Gemeinde Eigenthum erfasst und festge-
halten wird ,
das ist der Sieg in der Anfechtung. Darum ist

auch die Rückwirkung derselben auf den Glauben eine stär-

kende nicht nur mit Beziehung auf die Selbstbeurtheilung so-


, ,

fern der Mensch erst an der Erfahrung inne wird, ob und wie

weit er glaubt ,
sondern auch faktisch weil er durch die schmerz-
,

liche Erfahrung zu einem neuen gesteigerten Yertrauensakt ge-


nöthigt wird, der nun noch weit intensiver als ohne die An-
fechtung Verlangen und Hoffnung an Gott anschliesst und an
428 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

sein Reich. Darum wird mit der Bewährung des Glaubens un-

mittelbar die Standhaftigkeit verknüpft ').


Glaube und Behar-
rung werden unterschieden, da sie sich auf inhaltlich entge-

gengesetzte Verhältnisse des Lebens beziehen. Bejaht der Glaube


die Gabe Gottes, so trägt die Standhaftigkeit die Uebel des
Lebens als dem, was in
ausharrende Tragkraft gegenüber all

Heiz und Druck die Glaubensstellung der Gemeinde erschwert


und bedroht. Sie sind jedoch ob auch unterscheidbar in und
mit einander da: Glaubenstüchtigkeit und Standhaftigkeit sind
die verbundne Frucht der getragnen Anfechtung. Doch wird nicht
der Glaube aus der Standhaftigkeit abgeleitet sondern die Stand- ,

haftigkeit aus dem Glauben. Dieser ist Wurzel und Basis der
ganzen Begriffsreihe. Aus dem Blick auf die Güter, die in Gott
und seinem Christus liegen ,
fliesst die Tragkraft die sich durch
,

kein Leiden brechen lässt. Der mangellose völlige Bestand der


Person ist aber mit dem Glauben allein noch nicht gegeben,
auch nicht mit dem bewährten Glauben der die Beharrung neben ,

sich hat, sondern tüchtiger Glaube und völliges Werk, das ist

Vollkommenheit. Auf ein völliges Werk hat sich das Streben


der Gemeinde zu richten, wenn sie nach einem ganzen reifen
"Wesen verlangt, und zwar wird auch hier angedeutet, dass
der Hinzutritt des Werks zum Glauben nicht in naturhafter

Weise erfolgt. Die Beharrung soll das Werk haben, sx^tcc es ,

kann ihr aber auch fehlen, es bedarf der Aufmerksamkeit und


Wachsamkeit der steten neuen Willensbethätigung damit das
, ,

Werk zum Glauben tritt und zwar unverkürzt und unverstüm-


melt mit seinem vollen Maass. Doch nur durch den Glauben
hindurch führt der Weg zum Werk. Vom siegreich bestandnen

Kampf geht es nicht unmittelbar fort zum völligen Werk, so

I) Ob uater hoKiiiiov das Leiden selbst als Bewährmittel des Glaubens gedacht wird,
oder ob das Wort als Eigenschaftswort
= Bewährtheit zu fassen ist, ändert an der

wenig. Jedenfalls ist die vTTOi^ovvi erzeugende Wirkung des l^ei-


Begriffsverknüpfung
dens durch seine Eigenschaft Bewährmittel des Glaubens zu sein bedingt.
DIE SIEG IF DER ANFECHTUNG. 429

dass nur die Aktivität nacli aussen hin in's Auge gefasst würde ,

vielmehr wird ausdrücklich auf die innerliche Basis des Werks

hingewiesen ,
in der Glaubenstüchtigkeit hat das völlige Werk
die Yoraussetzung. Der siegreich bestandene Kampf hat darum
auch auf das Werk Einfluss, weil er das innere Yerh alten zu
Gott in Glaube und Geduld neu bestimmt.
Die Entfaltung des
Glaubens und des Wirkens gehen darum einander parallel, weil
dieses von jenem abhängig ist. So liegt auch in dieser Stelle die

Unterscheidung von Glaube und Werk ,


die sich zu einander ver-

halten wie Anfang nnd Fortgang ,


wie Grundlage und YoUen-

dung ,
und die starke Zusammenfassung beider zu einem ganzen,
ungetheilten , ein »Yölliges", rsKeiov^ ergebenden Christenstand.
Zugleich beleuchtet die Stelle wieder in eigenartiger Weise ,
wie
sich im Sinne des Jakobus der Begriff „Werk" bestimmt. Ist

denn nicht auch üeberwindung der Anfechtung That, Ak-


die

tion? Und doch spricht Jakobus, so lange es sich nur um die

Abwehr der Anfechtung handelt, noch nicht von einem Werk.


Jene schafft noch keine positive Frucht ,
sie erhält und behauptet
den eignen Glaubensstand, darum ist derjenige selig, der be-

harrt, 5, 11. 1, 12. Das »Werk" aber ist Dienst dem andern
gethan, nicht schon jenes Thun, mit dem der Glaubende sich

selbst durchringt durch die Noth und den Kampf des Lebens ,

sondern Erfüllung des Gesetzes, dessen königliches Gebot Lie-


ben heisst. Auch von dieser Seite her tritt das Werk zum Glau-
ben als ein anderes hinzu. Der Glaube hat sein Motiv im eig-
nen Bedürfen ,
das Werk im Bedürfniss des Bruders. Der Glaube

entspringt aus der Beziehung zu Gott, das Werk aus der Ge-

meinschaft mit den Menschen. Wenn nun beides neben ein-

ander gestellt wird als zusammen erst die YoUkommenheit be-


wirkend, so ist energisch betont, dass die Gemeinde ihren Be-
ruf nicht nur im Genuss der göttlichen Güter und Gaben ,

sondern ebenso wesentlich in der einander gegenseitig dienen-


den Arbeit zu suchen hat. Der Bruder muss dessen gemessen,
430 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

was der Glaubende durch seinen. Glauben in Gott bat und von
Gott empfängt. Wille und Werk Gottes zielen auf Gemeinschaft
unter den Menschen hin.
Auch wenn der Glaube abgesehen 70m Werk für sich selbst

betrachtet wird, kömmt ihm eine Thätigkeit zu, nämlich das

Bitten ,
1 ,
5 ff. Es stellt an ihn eine eigenartige Anforderung,
da die Bitte eine ganze , ungebrochene Bejahung der Willigkeit
Gottes, das Erbetene zu geben, erfordert. Die Schwierigkeit der-
selben liegt nicht nur darin, dass diese Zuversicht in's Unsicht-

bare und Zukünftige greift, sondern wie Jakobus mit jener ein-
fachen aber tief greifenden Bemerkung: »er schmäht nicht"

TFOipx, rov ^i^övTO? S^sov zou ß>} ovst^l^ovroi; — andeutet, zumeist
darin ,
dass die Bitte Enthüllung und Eingeständniss des eignen

Mangels und zwar sehr oft nicht nur eines naturhaften sondern ,

auch eines sittlichen Defektes ist ,


und darum nicht nur mit dem
Zweifel an der Möglichkeit der Gewährung des Erbetenen son- ,

dern noch mehr mit den aus dem Schul dbewusstsein entsprin-
genden Regungen der Furcht und Verzagtheit zu kämpfen hat.
Es gilt in der Bitte die Bejahung einer Willigkeit zum Geben,
die einmal ohne alle Nebenzwecke und Hintergedanken reine

Freude am Geben ist — Trxpa. tov '^i^övtoc, Srsou ^TrÄüc — die

weiter nicht nur Erbarmen mit dem naturhaften Leidenszustand


ist, sondern auch dem Bösen gegenüber gebende Güte bleibt.

Ein solches Vertrauen zu Gott kömmt nicht zu Stande bei


innerer Zerspaltung ,
welche wie sie den Menschen in allen seinen

Wegen unbeständig macht, auch sein Bitten in Hoffnung und


Furcht, in Zuversicht zu Gott und Angst vor ihm zerreisst.

Dass nur der Glaube die Möglichkeit der erhörbaren Bitte ist ,

ergibt ein weiteres wichtiges Bindeglied zwischen ihm und


dem Werk. Einmal dehnt sich dadurch für die Gemeinde die

Sphäre des helfenden Dienstes über den Bereich ihres eignen Ver-
mögens hin aus. Sie steht auch solchen Nothständen, welchen
sie selbst nicht abzuhelfen vermag, wie z. B. Krankheit, den-
DER GLAUBE IN DER BITTE. 43 1

noch nicht
ohnmächtig gegenüber sie kann bitten und : ,

diess auch dann wenn der Nothstand einen gerichtlichen Cha-


,

rakter hat und auf einem strafenden Eingreifen Gottes beruht ;

auch dann verschafft sie durch ihr Bitten dem Leidenden Erlass ,

5 ,
13. Sodann ist die im Glauben liegende Möglichkeit des
Bittens beim Werk für den Thäter selbst you eminenter Bedeu-

tung darum, weil er zum Werk der Weisheit bedarf, 1, 5.


Jakobus hat den Weg zur Vollkommenheit in den Begriffen:
Glaube, Beharrung, Werk beschrieben, keiner unter denselben
bezieht sich auf die intellektuelle Sphäre ,
keiner nennt den Er-

kenntnissbesitz. Und doch war Jakobus nicht verborgen ,


wie

vollständig allesHandeln von der Fähigkeit richtiger IJrtheils-


bildung abhängt, wie wenig Werth ein Wohlwollen hat, das
der Weisheit entbehrt. Nennen denn wirklich Glaube und Werk

den vollen Bestand (reXsiön^c) des Menschen? gehört nicht


auch die intellektuelle Kraft dazu ? soll der Glaube an ihre Stelle

treten? In der That mit dem Glauben ist für Jakobus auch

die Weisheit vorhanden ,


aber nicht in dem Sinne ,
als würde
die Weisheit durch ihn entbehrlich, er ist nicht Surrogat
für jene, nicht Dispens von jener, so wenig als vom Werk.
Der Mensch bedarf zur Yollkommenheit nichts anderes als

den Glauben, weil der Glaubende da, wo er der Weisheit

ermangelt ,
bitten kann und Weisheit empfängt ;
er erfährt eine

innerlich sich vermittelnde göttliche Leitung ,


welche ihm Weg
und Ziel des Handelns weist. So wird der Glaube auch für das
Erkennen fruchtbar nach der Regel: credo ut intelligam, nur
nicht in dem karrikirten Sinne ,
wobei das credo selbst zu nichts
andrem gemacht wird als zu einem verstümmelten und verhüllten
Wissen, das vom Erkennen abgelöst dem Geiste von aussen
her eingebildet wird., sondern im Sinne eines lebendigen Ler-

nens von Gott ,


bei dem der Mensch die Frage stellt und Antwort

empfängt ,
weil er diess glaubend thut. Dieser Zusammenhang
zwischen Glaube und Weisheit hat aber darin seine Yorausset-
432 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

zung, dass die Weisheit nicht als Selbstzweck, sondern voll


und ganz als Mittel und "Werkzeug zum Werk gedacht ist.

Irdische Weisheit und Unordnung, obere Weisheit und Frieden


sind unmittelbar zusammengefasst 3, 15 ff. Als dem Wege ,

aus Unordnung hinaus in den Frieden hinein eignet der


der
Weisheit Werth und Nothwendigkeit. Darum weil die an Gott

gestellte Frage nicht selbstisch begründet ist, nicht nur auf

Mehrung des eignen Erkenntnissbesitzes ,


auf Steigerung der

eignen intellektuellen Kraft zielt, kann sie glaubend gestellt


werden und wird sie gewährt.
Neben dem Glaubensdefekt nennt Jakobus noch ein andres

Hinderniss des Gebets: die auf die Lust gerichtete Begier, 4,


1 ff. ,
da ein Gebet ,
in dem der Wille enthalten ist das Erbetne

in Lüsten zu verbrauchen, iv ra-lg ^"Sovxli; ^ocTravciv , erfolglos


ist.Analog werden auch in Bezug auf die Versuchung beide
Momente neben einander genannt. Der Sieg in der Versuchung
ist der Glaube ,1,3, also beruht das Unterliegen in dersel-

ben auf Glaubensmangel. Daneben steht die andre Aussage,


dass dasselbe aus der Hingabe an die Begierde folge. Von der

Begierde hinausgezogen und geködert wird der Mensch ver-


sucht, 1, 14. Begier und Glaube stehn also wider einander.
Der Glaube schätzt das irdische Gut im Blick auf Christi Herr-

lichkeit für nichtig, die Begier zieht es an sich und strebt von
Gott weg auf die Welt , (piP^ltx tov m<jimx) 4 ,
4 ;
sie kann
darum nicht von Gott ihre Erfüllung und Befriedigung erwar-
ten ,
und wenn sie sich auch in die Form der Bitte kleidet ,

so streiten an solcher Bitte Form und Inhalt wider einander ,

da sich ein widergöttliches Begehren an Gott wendet. Der


Mensch ist damit »zerspalten" und kann sich, auch wenn er

bittet, nicht vertrauend zu Gott verhalten und nicht hoffen,


dass Gott ihm seinen Willen erfüllen wird.

Die sündige Entwicklung des Menschen wird in eine Drei-


heit von Begriffen gefasst: Begier, Sünde, Tod, welche der
DIE NEGATION DEE BEGIERDE. 433

Dreiheit Grlaube, Werk, Leben 'gegensätzlich entspricht. Die Be-


gier ist für sich allein nicht im Stande aktiv zu werden son- ,

dern bedarf eines befruchtenden Akts , (TuKKoißoixToc 1 ,


15 ,
um
zur That und dadurch zur Sünde zu werden. Diese Befruch-
tung wird ihr dadurch zu Theil, dass sich »der Mensch", die
Person in ihrem eignen bewussten Wollen, ihrem »Zuge" er-

gibt. So wenig sie aber für sich allein die Sünde hervorbringt,
so bestimmt und gestaltet sie Inhalt und Charakter der
sehr

sündigen That: sie »gebiert" sie. Nicht die Begier an sich ist
schon tödtend, sondern aus dem Werk des Menschen erwächst
ihm der Tod, die völlig gewordne Sünde zeitigt ihn in sich
und die Begier wirkt denselben nur insofern, als sie die Mut-
ter der Sünde wird. Wir haben hier eine Gedankenverknüpfung ,

welche dem Verhältuiss zwischen Glaube und Werk genau ent-

spricht. Der Unfruchtbarkeit der Begier in ihrer Isolirung ent-

spricht die Nutzlosigkeit des isolirten Glaubens, der Zugkraft


der Begier die Triebkraft des Glaubens ,
kraft deren er Gehülfe

wird zum Werk, der Kooperation von Mensch und Begier, aus
der die Sünde entspringt, das Zusammenwirken von Mensch
und Glaube, aus der das Werk entsteht, der Geburt des Todes
aus der vollendeten Sünde das Vermögen des völligen Werks

Rechtfertigung zu empfangen. Nur ist jedenfalls nicht zufällig ,

dass der Kausalzusammenhang zwischen den einzelnen Momen-


ten der sündigen Entwicklung weit energischer und direkter
ausgesprochen wird als Bezug auf das gerechte Verhalten
in

zu Gott. Es wird nicht gesagt, dass der Mensch den Glauben


befruchte zum Werk, wohl aber dass er in der Begier die

Sünde zeuge, nicht dass der Glaube das Werk, wohl aber dass
die Begier die Sünde nicht dass das Werk das Leben wohl
, ,

aber dass die Sünde den Tod gebäre. In der sündigen Ent-

wicklung liegt die kausale Kraft, welche die ganze Bewegung


trägt, im Menschen allein; hier verhält er sich productiv, frei-
lich was er producirt und schafft, ist Tod. In der gerechten
28
434 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

Lebensbewegung dagegen liegt die wesentlich kausale Kraft


nicht im Menschen wesshalb weder sein Glaube für das Werk
,

noch sein Werk für das Leben der zeugende Faktor ist sondern ,

ßou^>i^£ig aTTsnuyiasv -^[^oIq : Gott hat uns geboren. Der ursäch-


liche Zusammenhang zwischen der Begierde und der Sünde
bewirkt nun, dass sich das Verhältniss, das zwischen der

Unterlassung des Werks — sie ist Sünde, 4, 17 — und


dem Glauben besteht, ebenfalls auf die Begierde und ihre
Beziehung zum Glauben überträgt. Es ist hier und dort das-
selbe Verhältniss, dort nur auf vorgeschrittner Stufe, hier noch
im Innenleben des Menschen, Wie das Fehlen des Werks un-
mittelbar Glaubensdefekt ist, so auch die Begierde die reale ist

Aufhebung des Glaubens. Damit wird nun auch der Weg zum
Glauben wenigstens nach einer Seite hin sichtbar. Lösung von
der Begierde, Sonderung der Person von derselben, so dass
sie ihr ein äusseres geworden ist, was den Menschen aus sich

selbst herauszöge, s^ey^.asa^ot.i 1, 14, ist Bedingung und Voraus-


setzung des Glaubens. Der Mann mit »der doppelten Seele"
wird dieselbe los ,
dadurch dass er seine Hände reinigt und sein
Herz heiligt ,
4 ,
8 ;
in die Freundschaft Gottes tritt man da-

durch, dass die Freundschaft der Welt aufgegeben wird, 4,4;


Gnade wird dem gewährt, der sich vor Gott demüthigt, 4, 6.
9. 10, Aus einem Akt der Entgegensetzung gegen den Teufel

und der Unterwerfung unter Gott, vTroTocy^vai 4, 7, erwächst


der Glaube ,
mit einem Wort : er hat seine Wurzel in der Um-
kehr: ßsrdvoi».
Der Zweiheit von Glaube und Werk entspricht in der Sphäre
der göttlichen Bezeugung an den Menschen ebenfalls eine Zwei-

heit: der Christus und das Gesetz. Letzteres hat darin seine

Bedeutung, dass es dem Menschen das Werk nennt, welches


er zu vollbringen hat. Wer ein Thäter des Wortes, das die
Gemeinde von Jesus empfangen hat, sein will, der muss sich
herabbeugen zum Gesetz, 1, 25; denn Wort und That der
DIE NEGATION DJEE. BEGIERDE. 435

Gemeinde werden gerichtet werden durch das Gesetz, 2, 12.


Aus der Bedeutung, die das Werk für den Eingang in das
Reich hat, folgt unmittelbar, dass auch das Gresetz ein unent-
behrliches Gut ist, von dem die Gemeinde sich nicht lösen

kann, so gewiss sie nicht auf das Werk verzichten will; auch
das Gesetz tritt in die Reihe der Heilsmittel. Es steht jedoch ,

ebenso wenig als Glaube und Werk beziehungslos auseinander


fallen, unverbunden neben oder gar wider Christus und dessen

Wort. Christus führt durch sein Wort die Gemeinde nicht vom
Gesetz ab ,
sondern vielmehr in dasselbe hinein ,
denn das Wort,
dessen Hörer die Gemeinde geworden ist, öffnet ihr den Ein-

blick in das vollkommene Gesetz 1 25. Die Norm und der


, ,

Antrieb ,
der vom Glauben auf das Handeln ausgeht ,
führt zur

Gesetzeserfüllung. Die Verachtung des Armen z. B. fällt nicht


nur aus dem glaubenden Verhalten, sondern auch aus dem
Gesetz heraus als Lieblosigkeit; das ^txxpi^ijvxi, 2,4, erweist

sich auch als Trxpaßixffig ^


2 ,
9. Es ist der Christus selbst, wel-

cher die Gemeinde durch das Gesetz richten wird ,5,9 vgl.
2 , 12 ,
und jener Richtakt schliesst sie nicht vom Reiche aus ,

öffnet ihr dasselbe vielmehr ,


so dass das Reich ihr zufällt durch
einen Akt Christi, der das Gesetz handhabt als unverletzliche

Norm. Der Gedanke des Briefs bewahrt darin vollständige Kon-


sequenz, dass, wie der Glaube im Werk sein Ziel und Leben
hat, so auch das Verhalten Christi auf das Gesetz abzielt: sein
Wort öffnet dasselbe, sein Richten handhabt es, in der Reali-

sirung des Gesetzes kömmt das Reich. Wie Glaube und Werk
sich zu einem einigen ungetheilten Verband mit Gott zusam-
mensehliessen ,
so treten auch Christus und das Gesetz zusam-
men als eine einige Offenbarung Gottes, als die beiden Zeugen

eines widerspruchfreien göttlichen Willens, der durch Christi


Wort zur Erfüllung des Gesetzes und durch die Erfüllung des

Gesetzes in Christi Reich einführt.

Die innere Einheit ,


welche die Gesetzgebung und die Sendung
436 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

Christi als ein Gotteswerk verbindet, findet einen prägnanten


Ausdruck darin, dass das Gesetz als Freiheit beschrieben wird,

1, 25. 2, 12. Soll »Gesetz der Freiheit" zunächst besagen:


das den Freien gegebne Gesetz, so hebt im Sinne des Jakobus
das Gesetz diese Freiheit nicht auf, sie besteht auch nicht trotz

des Gesetzes , von ihm gewähr-


sondern durch das Gesetz als ein

tes Gut. Während zunächst am Christus der Gedanke der Befreiung


haftet ,
sofern er der Erretter ist , und am Gesetze derjenige
der Dienstbarkeit ,
da es Gehorsam fordert ,
so vertauscht Jako-
bus in kühner Paradoxie gegen einander: Christi
die Begriffe

Knecht und Gesetz der Freiheit, zum scharfen Ausdruck der


vollen Einheit, die zwischen der Wirkung beider besteht: das

Gesetz stört die vom Christus der Gemeinde verliehne Freiheit

nicht, sondern seine Erfüllung erweist sieh selbst als die Frei-
heit ,
and Christus abrogirt die Unterwerfung nicht die das Ge- ,

setz fordert, er macht vielmehr selbst den Menschen zu Got-


tes Knecht.
Das ganze Gesetz wird vom Liebesgebot beherrscht, darum
steht es mit Christus, der Freiheit und dem Glauben in innerer

Einheit. Die Liebe ist nicht gegen den Christus, wird vielmehr

gerade an ihm und seinem Worte als der königliche, alle Ge-
bote regirende Wille im Gesetz offenbar. Die Liebe ist auch
nicht gegen die Freiheit, vielmehr selbst allerhöchste Freiheit,

innerstes Wollen des Menschen selbst, nicht Unterjochung un-


ter äussern Zwang in Unlust und Zwiespalt gegen das Gebot;
ein Gesetz, das in allem was es befiehlt, vom Liebesgebot aus
verstanden und erfüllt sein will ,
lässt und macht frei. Die Liebe
ist endlich auch nicht wider den Glauben ,
der seinerseits Frucht

und Ergebniss der Liebe ist, nämlich der göttlichen, in dessen


Gütigkeit und Gebens Willigkeit er Ursprung und Inhalt hat.
Die Weisung des Gesetzes zielt nicht auf eine Gott darzubrin-

gende Leistung, sondern auf das, was dem Bruder gebührt,


1, 27. Desshalb gibt es auch nicht einen doppelten Weg in 's
DAS GESETZ. 437

Reich ,
entweder die vom Gesetz vorgeschriebne Leistung an
Grott oder Gottes Geben durch den Christus, sondern Gott gibt
das Reich als seine That und Gabe durch Christus und darum
durch Glauben ,
während das Gesetz für den Bruder sorgt und
bestimmt ,
was ihm gegeben werden muss und damit die Glau- ,

bensstellung in die ihr entsprechende Aktivität verwandelt. Es


sind die beiden Seiten eines und desselben Verhaltens von Gott ,

gute Gaben zu erwarten und zu empfangen, und dem Bruder


solche zu geben. Indem der Antrieb der vom Vertrauen auf ,

Gottes Güte auf das eigne Handeln ausgeht ,


darauf zielt ,
auch
dem Bruder Gütigkeit zu erweisen ,
ist er dem Befehl des Gesetzes

kongruent. So gewiss die Hinwendung zur Güte Gottes zur Liebe


Gottes wird und als solche über die leere Rede hinausstrebt so ,

gewiss schaut sie in's königliche Gesetz hinein und bleibt bei
demselben ,
denn nur im menschlichen Zusammenleben findet sich
die Sphäre, wo die Liebe zu Gott mehr sein kann als Wort.
Damit dass das Werk nach seiner Innenseite benannt Liebe ist,

findet die Weise ,


wie Jakobus Glaube und Werk unterscheidet
und doch wieder zusammenfasst ,
ihr volles Licht. Glaube und
Werk, das heisst nichts anderes als Glaube und Liebesthat, darum
sind sie einander beide unentbehrlich wie Leib und Geist ,
darum
hat der Glaube das Bewusstsein in sich todt zu sein, weil er,

wenn er nicht nach dem Werk begehrt, leer an Liebe wäre,


darum erhält er erst aus diesem Werk seine Vollendung, weil
nur die Liebe voll und ganz vertraut.

In die Frage, ob die Werthschätzung des Glaubens, vor der


Jakobus die jüdische Gemeinde warnt, weil sie zum Werke läs-

sig macht, auf die Paulinische Predigt zurückgehe, so dass sich


die Polemik des Jakobus direkt oder indirekt auf Paulus bezöge ,

werden geschichtswidrige Einbildungen eingetragen ,


wenn man
sich den Glaubensbegriff oder den Rechtfertigungsbegriff oder
auch nur die Hervorhebung von Gen. 15 6 als erst von Paulus ,

ausgehend denkt

das alles war schon synagogales Gut und darum
438 DER GLA.UBB IM NEUEN TESTAMENT. KAP, IX.

der Urgemeinde eigen. Diess dagegen ist deutlich dass die in ,

den Lesern vorausgesetzten Gedanken von der Stellung des Pau-


lus weit abliegen. Der Einwand: du hast Glauben, ich habe

Werke ,
2 ,
18 , negirt den Gedankengang des Römerbriefs ge-

nau so vollständig wie denjenigen des Jakobus, spricht dagegen


mit aller Schärfe den Gedanken aus, der das Judenthum ver-
heertund den antipaulinischen Judaismus erzeugt hat. Der
Ruhm, den die Leser aus dem Bekenntniss Israels zum eini-

gen Gott ziehn, hat ebenfalls zu Paulus keine Beziehung, und


die gesammte Tendenz, gegen welche die Stelle streitet, ist der
Paulinischen Predigt völlig fremd. Ein selbstgefälliges Haften
des Glaubens an seiner Yerdienstlichkeit ,
die sich von der sitt-

lichen Aufgabe um des Glaubens willen dispensirt, hebt alles

das auf, was für Paulus den Glauben zum Glauben macht.
Immerhin ist nicht undenkbar, dass die Paulinische Glaubens-

predigt in jüdischen Kreisen sich judaisirte und die Aufmerk-


samkeit auf den Glaubensbegriff lenkte ohne den Inhalt, den
ihm Paulus gegeben hatte; allein dieser Gedanke macht nur
eine leere Möglichkeit namhaft, irgend eine Nöthigung zu einer

derartigen Kombination lässt sich nicht aufzeigen. Sich des Glau-


bens zu rühmen mnsste der Jude nicht erst durch missverstand-
nen Paulinismus lernen : » wer kennt dich und wer glaubt an
deine Bündnisse ,
wenn nicht Israel ?" Hier war die Beurtheilung
des Glaubens als an sich werthvoll und verdienstlich von Haus
aus heimisch ,
zumal in der Gemeinde ,
die im Glauben an Jesus
als den Christus sich gesammelt hatte ,
in diesem Glauben das
Reich sich zusprach und zusprechen durfte und den Glauben
rühmte und rühmen durfte als das, was sie zu Auserwählten
Gottes und zum wahren Israel machte. Zwischen dem berech-

tigten Ruhm des Glaubens — und derselbe bleibt so lange sitt-

lich richtig, als er den Werth des Glaubens in der Güte Got-
tes sucht — und dem sittlich falschen Glaubensruhm, der den
"Werth desselben in ihm selbst sucht, ist die Grenze fein und
DAS HISTORISCHE MOTIV DER POLEMIK. 439

leicht zu überschreiten. Das Bedürfniss, für die Mahnung des

Briefs zum Werk ein singuläres Motiv zu suchen und ihr eine
historische Spitze zu geben, dürfte darum nur eingebildet sein,
sie bedarf einer solchen Motivirung ebenso wenig als die Aus-

einandersetzung über die Schädlichkeit der Zunge oder die War-


nung vor Zurücksetzung des Armen ,
sie hat ihr voll zureichendes

Motiv unmittelbar im Gemeindeleben ,


wie denn zur Stunde noch
durch kräftige G-laubenspredigt sofort falscher Ruhm der Gläu-

bigkeit fast unvermeidlich entsteht.


Wer die Einheit in Glaube und Gesetz zwischen der Gemeinde
und Israel betonte nnd am Christus die Erfüllung des Gesetzes

und an der Gemeinde die Herstellung des wahren Israels her-

aushob, konnte nicht mit leichtem Herzen irgend eine Ord-

nung des Gesetzes preisgeben ,


so bewusst und bestimmt er auch
die Reichsgenossenschaft weder für sich selbst noch für irgend
jemand an die Speiseordnung, vielmehr an Glaube und Liebe

band. Mit der Erklärung des Jakobus: im Glauben reich und


in ihm zum rechten Gottesdienst getrieben ,
der darin besteht ,

sich der Wittwen und Waisen anzunehmen und sich selbst von
der Welt unbefleckt zu halten ,
war die Heidenfrage gelöst. Wie
er neben den Vater Israels die Heidin in ihrer Lasterhaftigkeit
stellt als aus ihren Werken gerechtfertigt und zwar nicht durch

Beschneidung und Speiseordnung, sondern durch den im Glau-


ben an den Gott Israels den Brüdern gethanen Dienst, ebenso
ist auch Heide gerecht durch den Glauben sofern er
jetzt der ,

in der Liebe thätig ist, und in dieser lag für den Heiden zu-

nächst kein Motiv ,


seine Thätigkeit auf Speiseordnung und Sab-
bath zu richten. Aber damit war für den jüdischen Mann die

Frage noch nicht beantwortet ,


ob er selbst befugt sei ,
die

Speiseordnung abzuwerfen ,
und hier kam es zwischen den Pa-
lästinensern und Paulus zum Konflikt. Wir haben keine Ge-

ringschätzung der Heiden in die Yer Weigerung der Tischgemein-


schaft einzutragen. Wer im Stande war den vornehmen Jeru-
440 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP IX.

salemiten, wenn er in die Gemeinde kam, stehn zu lassen


und dem armen Bruder den Sitz einzuräumen, 2, 1 ff., hat
aucli den heidnischen Bruder nicht verächtlich behandelt, son-
dern auch in ihm die Auswahl Gottes und den herrlichen
Namen, der über ihm genannt war, geehrt und die Gemein-
schaft mit ihm höher geschätzt als die Gemeinschaft derer, die
diesen Namen lästerten. Allein mochte er ihm auch mit Freu-
den den eignen Sitz in der Gemeinde überlassen, so war damit
noch nicht gesagt, dass er nun auch unreine Speise geniesse
und vor den Tisch des Heiden geführt nicht antworten sollte:

niemals kam etwas Unreines in meinen Mund! Das königliche


Gesetz fordert Liebeserweisung, nur von ihr aus erhält alle

Gesetzeserfüllung Werth, und in der relativen Gleichgültigkeit


der Speiseordnung gegenüber dem Liebesgebot lag für Jakobus
die Möglichkeit auch mit den heidnischen Brüdern und mit

jenen jüdischen Männern, welche die Speiseordnung nicht


hielten, die Gemeinschaft zu pflegen. Andrerseits aber ergaben
sich im Blick auf Israel gerade aus dem königlichen Gebot der
Liebe kräftige Motive, das Gesetz zu erfüllen mit voller in-
nerer Freiheit, doch nicht weniger ernst als die Synagoge es

that, damit wenigstens durch sie keine Scheidewand gebaut


würde zwischen der Gemeinde und den für das Gesetz eifernden ,

vielmehr auch am kleinsten Gebot, das Israel von Gott gege-

ben war, zur Darstellung komme, dass der Christus nicht das
Gesetz auflöst, vielmehr in das vollkommene Gesetz einführt.

Sogar dem Heiden gegenüber war für den Israeliten der Wunsch
nahe liegend und sehr verständlich, dass er die Speiseordnung
auf sich nehmen möchte, nicht um seiner selbst willen, aber
um Israels willen, damit sich dieses nicht am Christus und sei-

ner Gemeinde ärgere. Und wenn es der Heide nicht that, soll-

ten es nicht wenigstens die jüdischen Gläubigen thun, und vor


allenandern die Zwölfe und Petrus, die berufen waren Israel
den Weg zu bahnen in das Reich ? Mit dem aufgeblasnen Scheit-
DEE KONFLIKT IN ANTIOCHIEN. 441

wort »Judaismus" ist doch wahrlich noch tein Verständniss da


für die Aufgaben und Kämpfe und für die innere Grösse der

Männer, welche die junge Christenheit leiteten.

Paulus beurtheilte die Bewahrung der Speiseordnung auch im


V^erkehr mit den heidnischen Gemeindegliedern als Glaubens-

mangel, sie weist auf einen Defekt im Verhältniss zu Christus


zurück, weil diese Betonung der Satzung auch im Gemeinde-
leheu ihr doch wieder als solcher verbindliche Kraft zuschreibe

und so wieder baue, was im Glauben an Christus abgebrochen


war. Wir haben dieses Urtheil nicht zu beanstanden. An der

principiellen Fassung von Gesetz und Glaube ,


wie sie der Jako-
busbrief ausspricht, lag der Mangel nicht: damit dass das Ge-
setz als das Gebot erfasst ist den Nächsten zu lieben als sich

selbst, ist Gottes und Christi Wille klar, rund und wahr be-
nannt und indem Jakobus, weil er Jesu Wort hören und thun
will ,
sich herunterbeugt zum Gesetz und dabei bleibt ,
so ist

sein Verhältniss zum Gesetz nicht Verletzung des Glaabensakts

sondern Bethätigung desselben. Aber wenn es nun galt vom


Liebesgebot aus das Verhalten zur einzelnen bestimmten Satzung
zu regeln und zu beurtheilen ,
wie weit dieselbe noch gehandhabt
werden dürfe ,
so lag den Männern ,
welche die Gemeinschaft mit
Israel betonten, die Gefahr nahe, der Satzung mehr Werth ein-
zuräumen als ihr nach ihrer eignen Bedeutsamkeit zukam darum ,

weil sie Satzung des Gesetzes war. Die Lösung vom Gesetz war

geschehn, damit dass es zum Gesetz der Freiheit geworden


war und vom Liebesgebot aus beurtheilt und erfüllt wird ,
aber
mochte auch die Bindung an das Gesetz eine freie sein ,
nicht
in Nebenordnung des Gesetzes zu Christus hin, sondern in

Einfügung desselben in Christi Wort und Werk, so fiel es


doch den jüdischen Männern schwer, diese Freiheit nicht nur
in Erfüllung ,
sondern auch in Nichtachtung des Gesetzes zu

bethätigen dann ,
wenn die christliche Gemeinschaft sie forderte ;

es fehlte also der Lösung vom Gesetz subjektiv au Kraft. Pau-


442 DER GLATTBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

lus ,
der in der That sagen konnte : ich bin um Christi willen

dem Gesetze todt, hatte in solchen Fragen eine besondre Gabe


und Aufgabe ,
auf die er im Galaterbrief mit vollem Eecht
als auf sein Privileg, das keiner mit ihm theile, hingewie-
sen hat.
Der erste Petrusbrief beginnt mit demselben Gedanken, der
auch bei Jakobus die Reihe der Mahnungen eröffnet, dass

nämlich im Glauben eine Freude enthalten sei, die alles Leiden


für Christus überwiege. Aber während der Jubel des Glaubens

bei Jakobus verhüllt im Hintergrunde bleibt ,


durch jenen Ernst

bedeckt, welcher der Gemeinde ein in Wort und Werk fehl-

loses Verhalten als ihre Aufgabe vorhält, bricht er bei Petrus

hell hervor:

1, 8. 9.

Jakobus lässt die Glaubensfreude völlig unausgesprochen, oivsy,-

>,äKviTo<; ,
er redet von ihr nur im Blick auf das Leiden ,
wel-
ches sie stören könnte , und auch sie wird ihm Imperativ : haltet

die Drangsal für volle Freude ,


weil sie
Bewährung des Glaubens

ist ;
bei Petrus gelangt die Freude zum Wort so ,
sehr sie sich

bewusst ist, dass kein Wort ihr genügt, er vergegenwärtigt

sich das Frohlocken ,


das aus dem Glauben seiner Leser hervor-

brechen wird, mit der Herrlichkeit, die es nicht nur vor sich
hat als Gegenstand ,
sondern in sich trägt als Eigenschaft xxpx ,

'^e^o^oi7^hn ,
weil es selbst ein Theilhaben und Geniessen an
der ewigen Herrlichkeit Gottes ist, 5, 10. 4, 14. Diese Freude

gehört zwar nach ihrem vollen Bestand und Genuss der Zu-
kunft an , überträgt sich aber ,
da Bewusstsein künftigen Jubels
selbst schon Freude ist, auch in die Gegenwart. Die gegen-
wärtige Stellung der Gemeinde hat zwar nicht nur in ihrem .

Verhältniss zu ihrer feindseligen Umgebung, sondern auch in

ihrer Beziehung zu Jesus einen Mangel in sich: sie lieben

Jesus und vertrauen auf ihn, ob sie ihn auch weder sahn noch
sehn. Sie entbehren den Verkehr mit ihm und haben ihn auch
DIE GLAUBENSFEEUDE. 443

nie genosseD ,
wie diess dem ersten Jüngerkreis zu Theil ge-
worden ist, das gibt ihrer Liebe zu Jesus den Charakter des

Trauens. Aber sie sind in ihrem auf ihn gewandten Glauben


ihm so verbunden ,
dass sie nur jetzt — otpTi
— ihn nicht sehn ,
sie werden ihn sehn ; er wird sich für sie offenbaren und diess

so, dass ihnen mit seiner Offenbarung die unvergängliche und


unbefleckte Lebensgestaltung verliehen wird ,
wie sie in Jesu

Auferstehung und Verklärung ihnen offenbar und im Glauben


an ihn ihr Erbe geworden ist. Darum besitzen sie im Glauben
mehr was den Propheten eigen war, ja selbst mehr als
als

was das Leben der Engel in sich schliesst, 1, 10 f.; darum


ist er ihnen auch Grund einer Freude ,
die kein Wort zurei-

chend zum Ausdruck bringt.


Dieser Richtung des Glaubens, welcher derselbe zur unsag-
baren Freude wird in der Gewissheit, dass in ihm die himm-
lischen Güter Erbe des Menschen geworden sind, entspricht,
dass die Hoffnung als das wesentlichste und werthvoUste Mo-
ment im innern Verhalten und Leben herausgehoben wird.
Wir sind durch Jesu Auferstehung in eine lebende Hoffnung
hinein neugeboren ,1,3, wesshalb als die Frucht der Erscheinung
und Auferweck ang Jesu sofort neben den Glauben die auf Gott

gewandte Hoffnung tritt, 1, 21, und sie als das genannt wird,

was die Gemeinde von ihrer Umgebung unterscheidet und


darum den Gegenstand der christlichen Apologie bildet, 3, 15.

Wie Jakobus, so eilt auch der Gedankengang dieses Briefs

über den Glauben hin zu dem ,


was aus ihm erfolgt ,
doch nicht
nur zur Arbeit und Aufgabe der Gemeinde, sondern, weil er
sich ihren innern Besitz freudig vergegenwärtigt, zunächst zu

ihrer Hoffnung hin. Sie ist das beseligende Resultat, das der
Anschluss an Christus der Gemeinde jetzt schon vermittelt und ,

die Weise, wie das raessianische Gut als ein gegenwärtiges von
ihr angeeignet, erlebtund genossen wird. Doch nur für den
auf das Ziel der Christenstellung hinstrebenden Gedanken ord-
444 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

uet sich die Hoffnung dem Grlauben über; wendet sich derselbe

dagegen rückwärts auf die Faktoren, welche die Stellung der


Gemeinde erzeugten und tragen, so hebt sich der Glaube als

der grundlegende, den ganzen Besitz der Gemeinde mit Eiu-


sehluss ihrerHoffnung bedingende Akt hervor. Er ist der An-
fang der Errettung, welche vollendet, was im Glauben begon-
nen und begründet ist 1,9; er ist das von Christus beab- ,

sichtigte und erreichte Resultat seiner Wirksamkeit, die gött-


lich gewollte Folge und Frucht Aulerweckung und Ver- seiner

klärung ;
um der Glaubenden willen wurde Christus geoffenbart,

und das Ziel seiner ersten ,


irdischen Erscheinung bestimmt sich
dahin : es sollte Glaube und Hoffnung zu Gott durch ihn

entstehn, 1, 21. Er bildet ferner das Bindeglied zwischen der

Gegenwart und Zukunft der Gemeinde, denn durch den Glau-


ben ist sie in die sie schützend bewachende Kraft Gottes ein-

geschlossen ,
1 ,
5. Wenn somit der noch künftige Charakter

des Erbes in die an demselben haftende Hoffnung und Freude


keine Unsicherheit und Furcht hineinträgt, so ist diess durch

die Bedeutung des Glaubens bedingt, so fern durch ihn der

Mensch der Kraft Gottes sich zur Bewahrung vor Fall und
Verderben theilhaft wird. In einer konkreten Beziehung tritt

der Einschluss in die Bewachung Gottes , 0pouptx ,


welchen der
Glaube herstellt, ans Licht, wenn der Sieg wider den Satan,

der darum als der Erreger menschlicher Feindschaft wider die

Gemeinde wirksam zu werden vermag, weil er ihr Widersacher


und Ankläger vor Gott ist, ihr dvrßiKOc im Glauben beruht, ,

5, 9, so dass, so lange der Glaube bewahrt wird, der Antheil


der Gemeinde an den messianischen Gütern auch für den Satan
unzerstörbar ist. Endlich ist auch der Glaube dasjenige was der ,

Gemeinde die Anerkennung und Billigung Christi in seiner

künftigen Offenbarung verschaffen wird. In der Leidenswillig-


keit bewährt wird er dann als Lob, Herrlichkeit und Ehre
erfunden ,
i ,
7. 2 ,
7 ;
er ist also das ,
was Christus wenn er
GLAUBE UND HOPFEN. 445

könunt, bei seiner Gemeinde sucht und an ihr mit der Lebens-

gabe krönt.
Doch nicht nur zur hoffenden Vergegenwärtig ung der Gabe
im Glau-
Gottes geht der Gedanke des Briefs vorwärts über den
ben gesetzten Grund des christlichen Lebens hinaus sondern ,

er eilt wie Jakobus auch sehr ernst und eingehend zu den prak-

tischen Konsequenzen hin ,


welche die Gemeinde fär ihr Begeh-
ren und Handeln aus ihrem Yerhältniss zu Gott zu ziehen hat.
Glauben und Hoffen einerseits, Leiden und Handeln andrerseits
treten als die Doppelaufgabe der Gemeinde neben einander nicht ,

zusammenhangslos ,
da alles Glauben ,
Hoffen ,
Leiden und Wir-
ken der Gemeinde auf Jesus bezogen ist ,
doch auch nicht zu-
sammen gefasst in einen einzigen Akt , weder in den Glauben
noch in das Werk. Die Imperative, welche der Gemeinde ge-
stellt sind ,
erhalten ihre Kraft dadurch ,
dass sie durch Jesu

Sterben , also durch eine Lösung welche durch die Dahin-,

gabe seines Lebens zu Stande kam, in ihr Verhältniss zu Gott

hineingestellt ist, 1, 18 ff, 2, 21 ff. 3, 18 ff. Darum haftet

an Jesu Tod die Pflicht, dass sie auch ihrerseits von der Sünde
sich löse; geht sie auf dieselbe ein, so erlangt sie die Verge-
bung der Sünde ,
die Jesu Tod nach göttlichem Willen ihr ver-
schafft : die Heiligung des Geists hat ihr Ziel im Gehorsam ge-

gen Christus, V'irotK.ovj '1^(701) xpicrrov ,


und diesem wird Entsün-

digung zu Theil ,1,2. Nun bildet es für das Handeln der


Gemeinde, aber auch für ihr Glauben eine besondre Erschwe-

rung, dass sie dieselben unter Druck und Verfolgung zu üben


hat. Der Glaube hat dadurch die faktische Lebensgestalt der

Gemeinde gegen sich, ihm fällt die Aufgabe zu mitten in der


Betrübniss im Vorblick auf die erlangten Güter Freude und

Hoffnung zu begründen. Praktisch hat die Gemeinde die Auf-


gabe ,
und gütiges Handeln ix'/ci^oTrouDi den
durch löbliches , ,

Widerstand zu überwinden, den ihre feindselige Umgebung ihr

entgegenstellt, 2, 12 ff; sie muss also denen Gutes thuu, die


446 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAI-, IX.

sie missliandeln ,
und sie nur darum quälen , weil sie sich vom
sündigen Treiben derselben gesondert bat. In dieser Verfloch-
tenheit ihres christlichen Wirkens und Leidens, dya^TroisTv
xa) TTOitrxsiv 2 ,
20 , liegt die Schwere ihrer Pflicht. JNach
beiden Seiten greift Jesu Leiden hülfreich ein. Einmal bietet

es sich ihnen als Vorbild dar, an dem sich die Willigkeit zum
unschuldigen Leiden stärken kann , sodann liegt in ihm die Ge-
währ, dass dasselbe ihrem messianischen Besitz nicht wider-
streitet; vielmehr fügt Christi Leiden auch für sie das Leiden
in ihren Beruf ein ,
2 ,
21 ff. Ihr Leiden erhält durch das sei-

nige den Charakter einer Fortsetzung desselben, der Theilu ahme


an Christi Leiden, 4, 13, und als solche wird es selbst Grund
der Hoffnung und Freudigkeit. Immerhin schliesst der Brief an
Jesu Tod vorwiegend den Imperativ an, der zur Lösung von
der Sünde und zum Leiden, wie Jesus litt, aufruft. Mit ihm

verknüpft sich zunächst die negative und vorbereitende Wir-

kung, die Aufhebung des sündlichen Begehrens, 4, 1 ff.,

während die positive Wirkung der Grnade und ihre Gabe in


Jesu Auferstehn und Offenbarung heraustreten. Aus Jesu Kreuz

schöpfe die Gemeinde den Ernst, der sie von der Sünde schei-
det, und die Willigkeit zum Leiden, aus Jesu Auferstehn da-

gegen ihre Zuversicht zu Gott und ihre Freude am ewigen Gut.


Keiner unter den neutestamentlichen Briefen steht in seiner

ganzen Gedankenformation dem Jakobusbrief so nah wie der


erste Johannisbrief. Auch hier ist die ganze Energie des Worts
auf die Auswirkung der Gemeinschaft mit Gott im realen Le-
bensstand Gemeinde hingewandt: wandeln im Licht ist
der

Gemeinschaft mit Gott, 1, 5 f. Der Begriff Gebot wird nachdrück-


lich auf Christus übertragen, das Verhältuiss der Gemeinde zu
ihm bestimmt sich dahin, dass sie seine Gebote zu bewahren

hat 2,4 während Gesetzlosigkeit oivo[Aicx. das Wesen der Sünde


, , , ,

ausmacht, 3,4. Das Wort Jesu bewahren wird als synonym


behandelt zu dem Begriffe: seine Gebote bewahren, 2,5 vgl. 4
DIE SITTLICHE ERNEUERUNG. 447

Vgl 7. Die Gemeinde hat im Gegensatz zu der Begier, welche


auf die Welt gerichtet ist, den Willen Gottes zu thun, 2,17;
sie soll die Gerechtigkeit thun , 2,29. 3,7 , während sie von der
Sünde durch ihr Yerhältniss zu Christus schlechthin gesondert
ist. Wie aus bösen Werken der Hass entspringt, 3, 12, so bildet

das Thun der Gerechtigkeit die Möglichkeit der Liebe und in

dieser summirt sich das Gebot Jesu und Gottes, und zwar in

einer Liebe, die Wahrheit ist ,


und diess ist sie nur als Werk, 3,18.
Diese Bethätigung der Gottesgemeinschaft im menschlichen
Handeln hat den vollen Ernst einer Bedingung für den Fort-
bestand derselben. Ohne sie besteht kein Verband mit Gott,
sie ist das Kennzeichen für die erlangte Erkenntniss Gottes für ,

das Seinund Bleiben in Christus, für die Geburt aus Gott,


für das völlige Theilhaben an seiner Liebe 2,5. 29. 3,6 ff. 10. ,

An der Liebe zum Bruder wird erkannt, dass der üebertritt


aus dem Tode in's Leben vollzogen ist, 3,14; sie bedingt das
Bleiben Gottes im Menschen, 4,12. Darum hängt auch die

furchtlose Freudigkeit , Trocppviarix ,


des Menschen Gott gegenüber
von seinem Lieben Johannes erhält in Trxf^vicrioc die Beziehung
ab.

Rede lebendig sie tritt darum theils in jenem


des Begriffs auf die ,

Moment hervor, wo die Gemeinde vor dem wiedergekommenen


Christus steht und ihn nun fröhlich anreden darf, 2, 28, 4, 17,

theils dann, wenn sie Gott in der Bitte anspricht, 3, 21. 5, 14.

Aber sowohl am Tage des Gerichts als in der Stunde des Gebets
ist solche Freiheit und Zuversicht der liede wie vom Glauben,

5, 14. 2, 28, so auch vom liebenden Verhalten des Menschen

bedingt, 3, 21. 4, 17, da die Furcht nur der Liebe weicht i

aus den Werken erlangt, um mit Jakobus zu sprechen, der


Glaube seine Völligkeit.
Gottes und Jesu Gebote fliessen unmittelbar aus ihrem eignen

Lebensinhalt. Gott ist Licht, darum kann die Gemeinde nicht


in Finsterniss wandeln ,
1 ,
5 ff. In Jesus ist keine Sünde ,

darum kann sie nicht sündigen, 3, 5 ff., er is gerecht, darum


448 DEE G-LAÜBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. IX.

muss sie die Gerechtigkeit thun, 3,7.2,29. Er ist mit seinem

eignen Handeln für sie das Beispiel, die Norm und das Ge-

setz, das ihr Verhalten regelt, sie soll, wandeln, wie er wan-
delte, 2, 6, in der Welt sein, wie er ist, 4, 17. Diese nor-
mirende Kraft hat Gottes und Jesu Leben und Verhalten jedoch
nicht nur darum weil es sich der Gemeinde zu erkennen
,

gibt, so dass sie sich einen Begriff von göttlicher Gerechtig-


keit und Liebe machen kann, sondern mehr noch, weil es
sich in einer Lebenszeugung dem Menschen wesenhaffc mit-

theilt; als der aus Gott gezeugte und aus ihm seiende ist er

auch in die Gleichartigkeit des Verhaltens mit ihm hineinge-


stellt ,
so dass eine Lösung von der Sünde in ihm begründet
ist, von der gilt: er kann nicht sündigen, 3, 9. 5, 18. Die-
ser unmittelbare Zusammenhang zwischen der Gabe, welche
die Gemeinde empfangen hat, und der Aufgabe, die ihr ge-

stelltist, hat zur Folge, dass der Willensgegensatz gegen


diese auch jene schlechthin aufhebt und verneint. Doch nicht

jede Sünde zerreisst den Verband mit Gott, da Gott in seiner


Treue und Gerechtigkeit das von ihm begründete Leben im
Menschen auchSündigen hindurch erhält, sofern
durch sein
sich derselbe durch das Bekeuntniss der Lüge verschliesst und in

die Wahrheit und das Licht hineinstellt. Zugleich sind im Blute


Jesu einerseits ,
1 ,
7 ,
im Verband des Verherrlichten mit seiner Ge-

meinde ,
der ihn zu ihrem Parakleten macht, andrerseits, 2, 1,

göttliche Faktoren wirksam, welche ihr Vergebung vermitteln.


Aber das erste und nächste Wort ,
welches an die Gemeinde zu
richten ist ,
heisst :
sündigt nicht ,2,1; nur wer im Lichte wan-
delt, was sich darin bewährt, dass die der Gemeinschaft unter-
einander feindlichen Hemmnisse überwunden sind und eine solche
wahrhaft möglich geworden ist, den reinigt Jesu Blut, 1, 7.

vgl. 1 Petr. 1 ,
2 1).

1) Damit ist nur positiv formulirt was Jesus Mtth. 6, 13 will und nach der nega-
tiven Seite hin ausdrückt.
DIE GE&BNWAET JESU IN DER GEMEINDE. 449

Wie Jakobus ,
so fasst auch Johannes den gesammten Gedan-
keninhalt der Gemeinde in dessen theologisches Princip zusam-

men; sagt Jakobus: einer ist Gott, so sagt Johannes: Gott ist

Licht und in ihm ist keine Finsterniss, das ist die apostolische

Botschaft, diejenige Verkündigung, die als machtvolles Princip


das gesammte Denken und Handeln der Gemeinde zu gestalten
hat. Aber während nun bei Jakobus das Mittelglied zwischen

der Majestät Gottes, des Vaters der Lichter, und dem der Ge-
meinde zu Theil gewordnen göttlichen Gut ,
nämlich dem Chris-

tus, bedeckt bleibt als der


Verborgene, von der Gemeinde ge-
trennte, steht er Johannes aufgedeckt im Centrum seiner Seele
als der welcher den Lebensbesitz und die Gemeinschaft mit
Gott für die Gemeinde in sich trägt, so dass sie in ihm
ist, bleibt und lebt und dadurch aus und in Gott ist. Darum
erscheint auch der Glaube an seinen Namen nicht nur als die-
nendes Organ zur Ausrichtung der Liebesarbeit an den Brü-
dern, sondern er tritt wie die Erkenntniss, die Wahrheit, die

ünföhigkeit zur Sünde ,


die Gerechtigkeit ,
die Liebe als Haupt-
funktion der Gemeinde hervor: der Glaubende ist aus Gott ge-

zeugt 5,1. Mit der Antastung Christi verschliesst sich der


,

Mensch den Antheil an Gott, das Haben des Vaters; er macht


sich ,
indem er den Licht- und Lebensbesitz sich selbst zuspricht,

und sich so an diejenige Stelle setzt, die er Christus verneint,


zum Antichrist. Denselben Kanon, nach welchem Paulus den
Geistbesitz in der Menschheit abgrenzt, überträgt Johannes auf

die Geisterwelt, 4, 1 ff.; was immer von Wirkungen und Zu-


ständen ,
die in der Prophetie ihr Analogen haben in der Ge- ,

meinde sich findet und das Wirken höherer Mächte in derselben


kundthut, muss nach der Regel geprüft und beurtheilt werden,
ob Jesus bejaht wird oder nicht; für Menschen und Geister

ergibt das Bekenntniss zu Jesus das Sein aus Gott. Dabei fällt
ihm der Nachdruck nicht nur auf die Einheit Jesu mit dem
Vater ,
sondern ebenso sehr auf sein Gekommensein im Fleisch.
29
450 DEE GLAUBE IM NJÜUEN TESTAMENT. KAP. IX.

Er bat in Jesu Person und Erscheinung keinen Gegensatz dort ,

den Sohn Gottes, hier das Fleisch, dort das göttlich herrliche,
hier das menschlich niedrige ,
dort das Leben , hier den Tod. Er
fasst ihn in eiae machtvolle Einheit; Fleisch und Tod sind nicht
Begrenzung und YerbüUung seiner Herrlichkeit^ vielmehr deren
Vermittlung und Oifenbarung darin ward die Liebe Gottes offen-
:

bar, und wer darum Jesu Fleisch verneint, der läugnet ihn.
Auch Jesu Sterben gehört zu den Erweisungen seiner Mes-
sianität und Gottessohnschaft; er kam nicht nur durch das
Wasser der Taufe, welche die Offenbarung seines messianischen
Berufs beginnt, sondern auch das Blut des Kreuzes vermittelt
sein Kommen als Christus und Gottessohn ,
5 ,
6 ff. Dieses hört

auf Gegeninstanz gegen Jesu Messianität zu sein und wird zur

zeugenden Kraft für sie, dadurch dass es den Geist vermittelt,


welcher in eminentem Sinne der Zeuge ist, da, wo er wirksam
Avird, Wahrheit mit ihrer Herrschermacht und ünzerstörbarkeit

im Bewusstsein und Sein des Menschen aufgeht. So steht der


Mensch vor Wirkungen Gottes, die als dessen Zeugniss für
Jesus den unbedingten Imperativ des Glaubens in sich tra-

gen: er darf Gott nicht zum Lügner machen. Dieses Zeugniss

Gottes beginnt mit dem Worte derer ,


welche verkünden ,
was
sie gesehen und gehört haben ,
1 ,
1 ff., besteht aber nicht nur

in demselben, sondern greift über in die Sphäre der Realwir-

kung in doppelter Hinsicht, einmal sofern Gott an Jesus in


Taufe und Tod in eigner That dessen Stellung zu ihm und
zur Welt offenbar gemacht hat, sodann sofern er in der Ge-
meinde durch den Geist wirksam wird und da diese Wirkung
in der Gabe ewigen Lebens endigt ,
ist auch mit ihm erst das

Zeugniss Gottes für Jesus voll benannt. Wer diesem Zeugniss


Gottes sich glaubend hingibt
— TrsTTia-TsvKevtzi s'ig riju f^aprupiizv

der glaubt nicht nur dem redenden ,
sondern zugleich dem wir-
kenden und gebenden Gott.
Die Punktionen des aus Gott entstehenden Lebens in eine
DIE GEGENWART JESU IN DE» GEMEINDE, 451

»Heilsordnung" an einander zu reihen, liegt dem Briefe fern.


Der Christ glaubt ^ erkennt, liebt, thut die Wahrheit und die
GS-erechtigkeit ,
und eines bedingt das andre und nur im Zu-
sammenbestehn aller einzelnen Thätigkeiten erhält und vollendet
sich das Leben aus Gott. Immerhin ist auch hier dem Glauben
eine anhebende, begründende Stellung zugewiesen. Als die

Geburt aus Gott ist er der Werdemoment der Liebe ,


darum
weil diese sich vom Erzeuger auch auf den Erzeugten, vom
Vater auf seine Kinder überträgt ,5,1, und kraft der kö-

niglichen Stellung Jesu über die Welt ist er der Sieg ,


der diese

überwunden hat und mit ihm sind die Gebote Gottes nicht
mehr schwer. So steht der Johanneische Brief völlig in der

Position, die Jesu Wort den Jüngern wies: beschrieb Jesus

ihnen den Glauben als königliche Freiheit und Macht, die der

Welt Herr geworden ist, doch so dass er diese Macht dem


Recht und Gebot Gottes bedingungslos unterwarf, so trägt
Johannes den Glauben nicht nur als Kampf, der mit der Welt

ringt, auch nicht nur als Sieg, der einst erlangt werden wird,

in sich ,
sondern als einen Sieg ,
der die Welt kraft dessen was
Jesu ist, überwunden hat, und Ziel und Resultat dieses Sieges

ist diess ,
dass » wir seine Gebote bewahren und seine Gebote
sind nicht schwer".
ZEHI^TES KAPITEL.
Der JlehTäeTbrief.

Der Glaube Gegenstand der Apologie; seine Definition; sein sacMi-


cher Inhalt; das ihm gegebene göttliclie Zengniss; seine Begründung
durch den Schöpfungsakt; der Beweis aus der Geschichte; der Anfän-
ger und Vollender des Glaubens; der Unglaube; die Furcht vor Gott.

Der Hebräerbrief bespricht die glaubende Stellung der Ge-


meinde unter einem neuen und merkwürdigen Ge-
bistoriscli

sichtspunkt. Alles Denken und Lehren über Wesen und Wirkung


des Glaubens ,
das bisher zur Darstellung kam ,
erwuchs unmit-
telbar aus dem Glauben selbst und entsprang dem Bestreben ,

Gabe und Aufgabe des erlangten und vorhandnen und als kost-
baren Besitz hochgehaltnen Glaubens in's Licht zu stellen. Auch
der Kampf für den Glauben wider den Gesetzesdienst hatte
nicht einen Gegner vor sich , der in Frage stellte ob wohl Chris- ,

tus Glauben verdiene, eswar auch ihm nur zu zeigen, was


alles im Glauben ,
dessen üuerlässlichkeit und Recht er nicht

bestritt, enthalten sei. Diese frische, ungebrochne Glaubenskraft


ist in den Kreisen, welche der Hebräerbrief in's Auge fasst,

geknickt. Der Brief beleuchtet absichtlich den Unglauben und


seine Folgen und zwar nicht im Blick auf solche, die aus-

serhalb der Gemeinde stehn ,


sondern zur eignen Warnung der

Leser, es steht ihnen also Unglaube nah, 3, 7 ff. 4, 1 ff. 6,


4 ff. 10, 26 ff. Er führt ferner einen eingehenden Schriftbe-

weis für den Glauben ,


um zu zeigen ,
wie alles göttliche Wir-
DIB APOLOGETISCHE TENDENZ. 453

ken und Geben von der Schöpfung an bis zu Jesu Verklärung


Q-lauben forderte und begründete aber auch, segnete und lohnte,
und im Zusammenhang mit diesem Glaubensbeweis gibt er auch
eine Definition des Glaubens ,
eine Formel ,
die nicht den Glau-
bensinhalt oder die Frucht des Glaubens ,
sondern den Glau-
bensäkt selbst nach seinen wesentlichen Merkmalen bestimmt,
11, 1. Die Reflexion ist zum Glauben hinzugetreten, und zwar
nicht jenes Nachdenken, das aus den Impulsen des Glaubens
selbst geboren sich hineinsenkt in das was den Glauben trägt ,

als Grund und ihm folgt als Frucht, sondern die zweifelnde
Reflexion ,
die den Glauben selbst nach seinem Recht und Werth
in Frage stellt und zur Rechenschaft zieht. Der Glaube ist den
Lesern des Briefs zur schweren Pflicht geworden und der Ge-
danke lebt in ihnen ,
ob sie auch fernerhin glauben wollen. Der
Brief geht in diese innere Stellung der Leser ein, er versteht

ihre Glaubensmattigkeit und Erschlaffung; denn sie ist nicht

nur subjektiv in der persönlichen LTnwilligkeit der Leser be-

gründet ,
sondern steht mit der objektiven Gestalt und Art des
Christenthums in Zusammenhang; der Glaube hat in der That
eine Seite, die ihn zur schweren Aufgabe macht, von der aus
er zum Problem wird zum Gegenstand ,
der Apologie und darum
auch der Definition. Das Eigenthümliche dieser Erörterung des

Glaubens liegt somit darin ,


dass sie Lehre über den Glauben

gibt, die nicht in ihm selbst ruht als in ihrem Princip und

Grund, sondern ihn vor sich hat als ihr Objekt, das erst in's

Licht gestellt und begründet werden muss.

Es sind jüdische Kreise, die im Glauben matt geworden


sind. Der Brief vergleicht die Stellung der Gemeinde mit der-

jenigen Israels, den neuen mit dem alten Bund, wobei er das

Höchste heraushebt, was Israels Verband mit Gott begründete:


dort stehn die Engel, durch die das Wort Gottes an Israel

ergangen ist, dort Mose, dem die Schrift das Zeugniss


gibt,
dass er im ganzen Hause Gottes treu sei, dort Aaron den Gott
,
454 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP.

berufen hat zum Priester, dass er für die Mensclien vor ihm stehe
mit Gabeii und Opfern für ihre Sünden, dort das Heiligthum,
das Abbild der himmlischen Dinge, dort das Opferblut und
Besprengungswasser, welches die unrein gewordnen wieder hei-
ligt, 2, 2. 3, 2. 5, 1. 4. 8, 5. 9, 13. Hätte die Glaubeus-

schwäche der Leser in der Ueberschätzung des alten Bundes


ihre Wurzel, so würden wir eine Polemik erhalten, welche nicht

die Herrlichkeit sondern vielmehr den Mangel und die Schranke


desselben heraushöbe. Der Brief vergegenwärtigt aber absichtlich

den Lesern Israels Besitz in seiner ganzen Grösse, Hoheit und

göttlichen Begründung. Nicht darin ,


dass die Leser geneigt wären

die Engel zu verehren oder den Priesterdienst der Aaroniden


und das Opferblut im Heiligthum Jerusalems als ihre Seligkeit

zu betrachten, nicht im Werth dessen was Israel besitzt, liegt


das Versuchliche, was ihre Glaubensstellung erschüttert, son-
dern im scheinbaren Un werth dessen was in der Gemeinde an ,

dessen Stelle getreten ist. Was steht all dem gegenüber ? Jesus,
er allein ! Jesus ,
der zwar hoch erhaben ist über alle Engel als

der Sohn ,
der Erbe ,
der Schöpfer und Herr der Welt und hoch ,

erhaben über Mose, wie der Sohn über dem Knechte steht und
der welcher das Haus herstellt, über dem der im Hause dient,
und hoch erhaben über Aaron als der ewige Priester ,
der sich

selbst Gott opfert und in 's himmlische Heiligthum eingeht, dort

priesterlich waltend. Aber all diess ist unsichtbar: »jetzt sehn


wir noch nicht ihm alles unterworfen ,
wohl aber sehen wir den ,

der ein wenig unter die Engel herab erniedrigt worden ist,

Jesus", 2, 8. 9. Was die Gemeinde erlebt und gesehen hat ,


ist

das ,
dass er des Fleisches und Blutes theilhaft war wie sie bis

zur Sterblichkeit hinab. Er ist höher als Aaron denn


,
er hat die

Himmel durchschritten und ist offenbar geworden vor Gott ,


aber
eben damit ist er der Gemeinde fern , verborgen ,
sie nimmt
nichts wahr von seinem Werk. War das die Erfüllung der Ver-

heissung? Und diese Frage erhält ihr Gewicht und ihre ver-
DIE APOLOGETISCHE TENDENZ. 455

sucbliche Kraft durch den Druck ,


der auf der Gemeinde liegt ,

10, 32 ff. Wenn sie Jesus aufgeben, sind sie rem Leiden
los und was ihnen dann von rehgiösen Gütern bleibt ,
das
ist Gesetz, Verheissung und Priesterthum Israels. War das
nicht Reichthum verglichen mit dem was der Gemeinde als ,

Habe und Besitz zugefallen war? Dort war doch nicht nur
der Mensch ,
der in den Brüdern gleich geworden ist
allem ,

sondern Engel ,
himmlische Majestäten dort war Mose der , ,

unzweifelhaft von Gott bestätigte und beglaubigte ,


dort das

Priesterthum mit seiner göttlichen Einsetzung. Darum fasst der

Brief jene Güter nach ihrem ganzen Inhalt und Werth in's Auge ,

um zu zeigen, wie weit Jesus und das in ihm der Gemeinde

gegebene sie übertrifft , und zwar so dass die ganze Betrachtung

um Sterben und himmlische Verborgenheit sich


Jesu Menschheit ,

konzentrirt.Ihn, den Menschen, den Gestorbnen, den unsicht-


bar gewordnen gilt es der Gemeinde erkennbar zu machen als
Gut und Gabe, die alles was Israel an offenbaren, sichtbaren

göttlichen Gütern besitzt ,


zum Schatten macht. Desshalb schliesst

sich aber auch an die Erörterung über Jesu Gottessohnschaft


und Priesterthum nicht einfach die Glaubensmahnung an glaubt :

ihm nun ! sondern es wird auch noch der Glaube selbst Gegen-
stand lehrhafter Erörterung, und zwar darum, weil sich der

Anstoss der Leser ob vielleicht auch nicht bewusst und aus-


drücklich so doch faktisch auf das glaubende "Verhalten an sich
selbst und nicht nur auf den Glaubensinhalt bezieht. Die Glau-

bensforderung erscheint als anstössig, als Gegeninstanz gegen


den Werth des neuen Bundes ,
der als Erfüllung der Verheissung

Erfahrung und Erlebniss faktischen Besitz bringen soll und darum


,

nicht mehr nur auf Glauben weisen kann. Desshalb werden nicht
nur die Üeberbringer der göttlichen Rede und die Mittler und
Priester der beiden Bünde mit einander verglichen, sondern die

Parallele dehnt sich auch auf die subjektive Stellung der beiden

Gemeinden aus und zwar zunächst unter dem Gesichtspunkt,


456 DEE, GLAUBE IM NETJEN TESTAMENT. KAP. X.

dass die Gleichartigkeit derselben hier und dort hervorgehoben


wird. Die Glaubenspflicht ist nicht erst der neuen Gemeinde

auferlegt, sie hat lediglich das zu üben, was alle Gerechten und
die Väter Israels za bethätigen hatten, sie würde also mit der

Preisgabe des Glaubens abtreten von dem Wege auf den das ,

fromme Israel aller Zeiten gestellt war und auf dem es alles er-
langte, was es an göttlichen Gaben empfieng. Dann verbindet
sich aber mit der Betonung der Gleichartigkeit ihrer Stellung

zugleich der Hinweis darauf, dass kraft des Werkes Christi

ihre Glaubensstellung eine hoch bevorzugte ist gegenüber den


Alten, da Christus ihnen zum »Vollender des Glaubens" ge-
worden ist.

So lange der Glaube die Lernenden wie den Lehrenden als


wirksame Macht erfüllte und regirte, lag ein Bedürfniss nach
einer Definition desselben nicht vor.
Frage So wie aber die

nach Recht oder Unrecht des Glaubens auftrat, war die Nöthi-

gung gegeben scharf in's Auge zu fassen was denn eigentlich


, ,

im Glauben der Gemeinde auferlegt sei. Die Antwort des Briefs

besagt: der Glaube ist Bestehn bei Gehofftem, Ueberführung


von nicht gesehnen Dingen, 11, 1 ^).
Der Glaube ist somit ein Verhältniss zu objektiven über dem
Menschen liegenden, göttlichen Realitäten 7r/34;^p^iK(35r« daramist , ;

sein Wesen einmal von der Beschaffenheit dieser seiner Objekte

abhängig, sodann aber kömmt es auf die Art und Weise der

1) Man hat dagegen Einsprache erhoben, dass Hehr. 11, 1 eine Definition des
Glaubens zu nennen sei, und die ganze Erörterung über den Glauben hat zweifellos
eine unmittelbar praktische Abzweckung, wie übrigens der ganze Brief. Derselbe ist
nichts weniger als eine oder mehrere theoretische Abhandlungen mit eingestreuten
Paränesen. In der Mahnung des Briefs liegt sein Centrum und seine Einheit, sie

gestaltet alle seine lehrhaften Erörterungen; so sind es auch die Innern Bedürfnisse der
Leser , welche bedingen , dass der Glaube gerade so und nicht anders beschrieben wird.
Doch geht die Absicht der Stelle offenbar dahin, zu bestimmen, was der Glaube sei-
nem Wesen nach ist urjd darum stets war und immer sein muss, so mannigfaltig sich

die Glaubensübung gestalten mag, wenn auch am Wesen des Glaubens dasjenige her-
ausgehoben wird, was von den Lesern in ihrer persönlichen Lage vor allem aus beach-
tet werden muss.
DIE DEFINITION. 457

Beziehung zu denselben an. Glaube bat da statt, wo sieb dem Men-


scben göttlicbe Güter darbieten; als solche sind die Glaubens-

objekte damit charakterisirt ,


dass sie als Gebofftes bestimmt

sind , sK'7n<^6^svx. Sind sie Grund und Ziel des Hoffens ,


so sind sie

Güter, die in den Besitz des Menseben treten als Gabe für ihn ,
doch
erst in seinen künftigen Besitz. Ist das göttlich Gut nicht mehr ein
gebofftes sondern ein empfangenes ,
so ist das Verhältniss zu ihm
nicht mehr Glaube ,
sondern Schauen und Haben. Darum erhält

das Glaubensobjekt noch ein zweites Prädikat: es wird nicht

gesehn. Der Begriff ist nicht metaphysisch gedacht, als würde


es sich um den Wesensgegensatz handeln zwischen sichtbarem
und unsichtbarem. Das liegt hier wenig im Worte als 2
so

Kor. 4, 18 oder Rom. 8, 24 f. Die göttlichen Akte und Gaben,


auf die sieh der Glaube bezieht, sind vielmehr dann, wenn sie

eintretenund gesehehn sehr oft wahrnehmbar dann aber nicht


, ,

mehr Glaubeusobjekt. Es wird freilich mit Absicht gesagt nicht :

sichtbares fasse der Glaube ,


und nicht : noch nicht sichtbares ,

denn Glaube soll


der nur auf künftiges eingeschränkt
nicht

werden. Auch die grundlegende That Gottes, durch die er die


Aeonen bereitet hat, ist Glaubensgegenstand, 3, ebenso das blei-

bende Grund verhältniss Gottes zum Menschen ,


kraft dessen er

ein Yergelter ist denen die ihn suchen ,


6. Und die Glaubens-

stellung der Gemeinde bezieht sich ja sehr wesentlich auf ge-

schehenes , vergangenes. Dass Jesus dem ,


der des Todes Gewalt

hat, in seinem eignen Sterben die Macht nahm, dass er in's

himmlische Heiligthum eintrat mit einem ewig wirksamen Opfer ,

das sind Dinge, an die der Glaube der Gemeinde direkt sich
anzuschliessen hat, 10, 22, aber nichts künftiges, nicht »noch

nicht sichtbares", wohl aber »nicht gesehenes", göttliche Gaben


und Wirkungen die nicht in die Wahrnehmung und Erfahrung
,

fallen. Es stehn darum auch nicht zwei Klassen von Glaubens-

objekten neben einander :


gebofftes und unsichtbares ,
sondern
das Gehoffte ist auch seinerseits selbst ein nicht gesehenes. Der
458 DER GLAUBE IM KEUEN TESTAMENT. KAP. X.

Grund, wesshall) das Glaubensobjekt der Beschauung entzogen


ist, ob es an sich unschaubar ist oder ob es erst künftig der

Wabrnehmung sich darbieten wird, fällt für die Stelle ganz


ausser Betracht. Sie betont diess, dass der Glaube, wo immer
er bethätigt wird, nicht mit Dingen die in die Wahrnehmung
fallen, sondern mit Dingen die ihr entzogen sind, zu schaffen
hat. Der zweite Begriff ist der allgemeinere ,
er dehnt das glau-
bende Verhalten aus z. B. auch auf göttliche Gebote und Ge-
richtsankündigungen. Zugleich aber ergänzt er
— und das ist

das wesentliche Motiv, wesshalb er zur ersten Bestimmung hin-


zutritt — die Zeichnung der eigenthümlichen Situation ,
in der

sich der Glaubende findet. Er hat gehofftes vor sich, darin liegt
die Glaubens, der in der Hoffnung seine Be-
Möglichkeit des
dingung hat; kann der Mensch das ihm dargebotne nicht als Gut
erkennen, auf das sich sein Verlangen hinwendet, so kömmt
es nicht zum Glauben. Er hat aber weiter nicht sichtbares vor
sich, darin Nöthigung zum Glauben, zu einem Akt
liegt die

des Trauens, der in kräftiger Willensanspannung Werth und

Kraft der vorgehaltnen Dinge ,


ob sie auch nicht sichtbar sind,
dennoch bejaht.
Es gilt nun weiter das Verhältniss zu benennen, in welches

der Glaubende zu den so bestimmten Glaubensobjekten tritt:


diess geschieht in den Begriffen Bestehn und Üeberführung. :

Weichen und Glauben waren im Anschluss an das Wort Ha-


bakuks im vorangehenden einander entgegengestellt, dem Weichen
«

tritt nun das »Stehn" gegenüber, der uiroaroXili die vToa-ronTn; ^

welche Stellung nimmt und behält ').


Der Begriff »Bestehn des
Gehofften" wäre allerdings am einfachsten gefasst, wenn die

Hypostasis dem Gehofften selbst eignete als dessen fester Be-


stand. Dann würde Wortgefüge den Werth des Glaubens
das

ausdrücken, der das Gehoffte dem Glaubenden sichert, so dass

1) Ueber tivöiTTCttnc, siehe Brl. 19.


DIE DEFINITION. 459

es ihm nicht entgeht und zerrinnt. Allein das zweite Glied der

Definition verwehrt diese Fassung. Die »Ueberführung der un-

sichtbaren Dinge" zeigt ,


dass das Verhältniss ,
in welchem der
Glaubende zum Glaubensobjekte steht, beleuchtet werden soll;
so wird auch das erste Glied nicht nur eine Aussage über den

objektiven Effekt des Glaubens bieten, sondern ein subjektives


Moment nennen, das in das Verhalten des Glaubenden fällt.
Wollte man dieses dadurch gewinnen, dass man erklärt: der
Glaube sei das Bestehn der gehofften Güter im Glaubenden,
sie gewännen damit in ihm Dasein, Wirklichkeit und Wirk-
samkeit ,
so ist gerade das
Hauptmoment der Definition das- ,

jenige ,
welches den Verband zwischen dem Glaubensobjekt und
dem Glaubenden im vorliegenden Wortlaut selbst nicht
enthält,

ausgesprochen, sondern muss vom Leser hinzugedacht werden.


Für den Gedanken dass der Glaube das Bestehn der gehofften
,

Güter in uns sei, ist der Begriff »in uns" nicht nebensächlich,
und darum im Ausdruck nicht entbehrlich. Wir werden darum
die Beziehung des Glaubenden zum Glaubensobjekt im Begriffe
»Stehn" zu suchen haben; Subjekt der Hypostase ist der Glau-

bende, vgl. 3, 14. Nicht »Weichen", sondern festes , freudiges ,

zuversichtliches Stehn, das ist Glaube.

Nun zeigt aber weiter das zweite Glied ,


dass sich das Ver-

hältniss Glaubenden und dem Glaubensobjekt


zwischen dem
von diesem aus begründet. Der Glaube ist eine von der gött-
lichen Realität Wirkung, die in das persönliche
ausgehende
Leben des Menschen eingeht und dasselbe zu entsprechender
Aktivität aufruft, doch nicht im eignen Wollen und Handeln
des Menschen gesetzt und begonnen wird. Das Gehoffte ermög-
licht das feste Stehn, es wirkt die Zuversicht und wehrt dem

Weichen. Und da der Grund der Zuversicht ihr auch den


Inhalt und das Ziel bestimmt, so ist der Glaubende, wenn er

auf dem dargebotnen Verheissungsgute Stellung nimmt, dem-


selben bleibend zugewandt.
460 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

Der zweite Begriff »Ueberfülirung", f Af^^ö«; ist ein aktives ,

Wort und fordert ein Subjekt, welches überführt der Genitiv ^

muss dasselbe darbieten. Die unsichtbaren Dinge überführen den


Menschen von ihrem Dasein und ihrer Wirklichkeit und machen
ihn ihrer gewiss. Das Wort weist auf durchbrochnen Wider-
stand und überwundnen Gegensatz; es nennt sonst die Wider-

legung des Irrenden und die Bestrafung des Fehlenden. Das


nicht sichtbare liegt als solches dem Menschen fern und er-

scheint ihm als das Irreale. Er bedarf einer Ueberführuug ,


die

sein am Wahrnehmbaren haftendes Denken und Trachten durch-


bricht. Dabei wird allerdings üeberführung mit sammt
die

ihrem Resultate nicht als abgewiesen und zurückgedrängt, sondern


als an 's Ziel gelangt gedacht, wo sie Gewissheit des Glaubens-

objektes wird. Aber nicht als menschlicher Akt, sondern als

eine vom Glaubensobjekt selbst begründete innere Stellung,


nicht als »sich Gewissheit verschaffen", sondern als »Gewiss-
heit empfangen und darum haben" ist der Glaube definirt.

Wie der zweite Genitiv das Glaubensobjekt noch umfassender

und allgemeiner benennt als der erste ,


so steigt auch das zweite

Thätigkeitswort zum ersten und einfachsten Grundakt des

Glaubens hinab. Dass der Mensch von den Dingen Gottes

aus, ob sie auch unsichtbar sind, Bezeugung erfährt, die ihn


in ihrer Wahrheitsmacht in|ierlich bindet, das ist das erste

wurzelhafte Moment im Glauben, und weil nun diese Dinge


zugleich Gehofftes, verheissne Güter sind, ist mit jener Innern

Bindung an dieselben ein festes bleibendes Stehn auf dem dar-


gebotnen Gut gesetzt. Die zweite Bestimmung hebt also zunächst
die intellektuelle Seite am Glauben hervor, wenn auch nicht

ausschliesslich, da die üeberführung nicht zu Stande kömmt,


wenn nicht auch der Wille sich ihr fügt, in der ersten tritt

dagegen die Willensrichtung auf die von Gott dargebotnen


Güter voran, Die zweite Aussage hebt darum mehr die Passivität
im Glauben, die erste die in ihm liegende Aktivität heraus.
tolE DEFINITION. 461

''So allgemein der Glaube damit bestimmt iwst, so dass alle

Formen und Stufen desselben von seiner einfachsten Aeusserung

an umfasst sind, so und ganz hat diese Benennung des voll

G-laubens Stellung der Gemeinde vor Augen. Sie ist in


die

eminentem Sinn zu »gehofftem" in Verhältniss gesetzt. Der


Christus ,
der Herr über die künftige Welt , jj olfcovßsv;^ ^ fj(.sX-

Xo\j'7ot' 2, 5, der Hohepriester der künftigen Güter, tot, [zsX-

Kovroc. uyx'^oi 9, 11, hat sie vor das Verheissungsgut gestellt,


doch auch jetzt noch »gehofftes nicht gesehenes." Was
es ist

er gewirkt hat entzieht sich der Wahrnehmung er trat wie der


, ,

Hohepriester in's Allerheiligste ,


dem Auge des Volks entzogen

durch einen Vorhang, und


von seinem priesterlichen er ist

Gange noch nicht zu seiner Gemeinde zurückgekehrt, 9, 28.


Aber die Gemeinde ist von dem was sie nicht geschaut ,

hat, »überführt" und dessen gewiss, dass er doch der Sohn


Gottes und aller Dinge Erbe und ihr ewiger Priester ist ,

der ihr die Vollendung bringt ; sie steht auf dem gehoff-
ten Gut und hat sieh um seinetwillen gelöst vom Altar
und Priesterthum ,
vom Gesetz und Engelwort und besitzt die
Basis und Kraft ihres ganzen Bestands in dem, was ihr in

ihm verheissen ist. Ist es nun eine unzulässige Zumuthung,


dass sie ihr Bekenntniss festhalte ,
4 ,
14 ,
ihre Zuversicht und
den Ruhm der Hoffnung bis an 's Ende fest bewahre ,3,6, dass
sie nicht hinfalle, &,&•, oder weiche, 10, 38, sondern stehe ,
da
wo sie sich hingestellt hat und überzeugt bleibe von
,
dem wovon
,

sie überführt worden ist ,


ob sie auch noch fernerhin hoffen und
auf das Sehen verzichten muss?
Das Objekt des Glaubens wird in der Definition Hebr. 11,1 sach-
lich bestimmt Trpü'/iJi.xTcc. Doch schliesst diess nicht aus dass er
:
,

an die Person des handelnden Gottes angeschlossen wird, wie


denn da, wo es sich um
Grundlage der Christenstellung
die

handelt ,
der Glaube beschrieben wird als zu Gott hingewandt ,

•7ri(TTiq stt) 3"£o'y ,


6 ,
1 . Es scheiden sich aber für die Betrach-
462 DER GLAUBE IM ISBUEN TESTAMENT. KAP. X.

tung die verborgne , jenseitig bleibende Person und die von ihr

ausgehende, in das menschlicheLeben eingreifende That mit


dem Gut, das diese dem Menschen bleibend verschafft. Das
göttlich gegebene Gut ist Glaubensgrund und um seinetwillen

richtet sich der Glaube auf Gott. Es hängt damit zusammen ,

dass der Glaube niemals direkt auf Christus bezogen ist, irla-Tiq

XpioTTOv oder ein verwandter Ausdruck findet sich nicht, und


doch ist der innere Besitz der Gemeinde unserm Briefe völlig

durch die Person Jesu bedingt. Sein erster Satz spricht nicht
umsonst die göttliche Majestät Jesu aus, die ihn auch von den

Engeln absolut scheidet, womit von vornherein die ünver-

gleichlichkeit des neuen Bundes gegenüber dem alten festge-


stellt ist, weil alles was jener in sich schliesst, Jesu Wort,
Tod und Eingang Himmel, Wort und That dessen ist,
in den

der sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt hat.

Auch die Erörterung seines Priesterthums greift konstant auf


das Wesen Jesu zurück ,
sowohl auf sein göttliches Wesen kraft ,

dessen er der ewig lebende ,


als auf sein menschliches Wesen ,

kraft dessen er der mitleidige Priester ist. Aber auch im Blick


auf Jesus bezieht sich das glaubende Verhalten auf das, was er
seiner Gemeinde als Besitz und Eigenthum verschafft hat. Die

Frage nach dem Recht des Glaubens bestimmt sich dahin :

was ist durch Jesus dem Menschen an göttlichen Gütern


zu Theil geworden? In ihnen liegt das Glaubensmotiv
und ihre Aneignung in Erkenntniss und Wille ist der

Glaubensakt.
Der Brief stellt i^aTikvom und Triarig neben einander als die

Grundlage der Ohristenstellung ,6,1, doch nicht als wäre bei-


des von einander unabhängig. Das böse Herz ist dem Unglau-

ben hingegeben, 3, 12, und in der Ablegung der Sünde liegt


die Bedingung für den erfolgreichen Lauf, der in der Glaubens-

übung besteht ,
12 ,
1. Auch objektiv geht die Befreiung von
der Sünde und der Hinzutritt zu Gott von derselben Thatsache
DIB DEFINITION. 463

nämlich von Jesu Sterben aus. Jene ist der Gemeinde im Tode
Jesu wie als Befreiung von der Schuld so auch als Befreiung
vom sittlich falschen Wollen gegeben, da durch ihn das Be-

wusstsein des Menschen mit seiner Selbstverurtheilung und sei-

nem Schuldgefühl aber auch mit seiner Begehrung von den todten
Werken abgelöst und rein gemacht wird ,
9 ,
14. Doch darin
liegt nur die negative Vorbedingung für das messianische Werk;
darum erhält auch der Glaube nicht in der Lösung von der
Sünde seinen Inhalt. Die Darbietung der positiven Lebensgüter
in himuilischer Gabe ist erst das völlige Werk des Christus
und auf diese gründet sich der Glaubende.
Dieser sachliche Inhalt des Glaubens nähert ihn seinen Syno-

nymen, der Standhaftigkeit , vttoj^ovjIi ,


der harrenden Geduld, /^ä-

Kpo^ußioi ,
der furchtlosen Freudigkeit, Tnxpp^o-iiz, und vor allem aus
der Hoffnung, sXttU ,
wie denn dieselben öfters als dasjenige
erscheinen was den Heilsbesitz v^ermittelt und bewahrt, 3,6.
4, 16. 6, 12. 15. 18. 10, 23. 35. 36, doch ohne dass der
Glaubensbegriff' damit seinen eigenartigen Inhalt verlöre. Der
Brief denkt allerdings Glauben und Hoffen unabtrennbar zu-

sammen, jener hat dieses von Ä.nfang an in sich, da er ja


auf Gehofftem steht, und weil die Güter, welche Christus

der Gemeinde bietet ,


ihrem wesentlichen Inhalt nach in die Zu-
kunft reichen, lässt er es nicht hinter sich als ein überschrit-

tenes ,
vielmehr bleibt er im gegenwärtigen Aeon konstant Hof-
fen. Gleichwohl fallen die beiden Begriffe nicht schlechthin

zusammen ,
denn während die Hoffnung ein erst künftiges Ver-
hältniss zu den messianischen Gütern in's Auge fasst, ist der

Glaube ein jetzt schon gewonnenes , gegenwärtiges Verhältniss


zu denselben. Die messianischen Güter sind zwar als mensch-
licher Besitz künftig ,
als göttlich begründet und im Werke Jesu
enthalten aber gegenwärtig; zu diesem ihrem gegenwärtigen
Bestände setzt der Glaube den Menschen in einen Realverband.
Darum bildet er den das Ende begründenden »Anfang", dpx>}
464 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

Tijg ÖTTCKrToiarscäg 3 ,
14 ,
durch ihn wird die Hoffnung mehr
als nur menschliches Wünschen ,
sofern sie in ihm eine gött-

liche Begründung im Menschen selbst erhält und dadurch G-e-

wissheit wird, die sich der messianischen Güter als ihres Eigen-

thums rühmt, ein }caiüxi^f4.iz besitzt, 3, 6. Analog verhält sich

der Glaube zur festen Standhaftigkeit zur getrosten Freudig- ,

keit, zu der des Wartens fähigen Geduld als das begründende

Moment; all diess hat im innern Anschluss an die göttlichen


Güter seine Wurzel.
Der themathische Gedanke, welcher dem Durchblick durch
die Schrift Hebr. 11 zu Grunde liegt und in ihm seinen Schrift-
beweis empfängt, ist aber nicht nur in der Definition des

Glaubens enthalten, sondern Hebr. 11, 2 hat für die fol-

gende Darlegung ebenso grundlegende Bedeutung wie 11 ,


1.

Diese führt aus ,


dass der Glaube in den Alten sich bewährt
hat als Kraft und Wahrheit ,
dass sie nicht umsonst glaubten ,

sondern durch ihn all das erlangten, was die Schrift Grosses
und Herrliches an ihnen preist. Nicht nur die Q-laubensaufgabe
zieht sich durch die ganze Geschichte Israels durch, sofern es
immer galt ,
auf Gehofftem fest zu stehn ,
sondern es tritt auch
der nicht trügende Werth des Glaubens eben so universell in ihr

zu Tage ,
da er Israel alles verschaffte was es besitzt ; in die-

sem wurde den Alten Zeugniss zu Theil. Als der Zeuge, der
für sie eingetreten ist, ist Gott gedacht; dass und wie er für

sie Zeugniss gab ,


erfahren die Leser aus der Schrift ,
doch nicht
so ,
als bestände im Sinne unserer Stelle das Zeugniss Gottes
nur in ihrer lobenden Erwähnung in der Schrift. Auf den fak-
tischen Geschichtslauf ist der Gedanke des Briefs gerichtet, mit

dem er den Bericht der Schrift über denselben unmittelbar


zusammenfasst. Darum ist das Zeugniss G-ottes als ein Gut
gedacht, das die Alten selbst erlebten und zwar als ein durch

ihren Glauben vermitteltes :


[jiKpTvpvi^evTsg ^ix riji; ttIcttscj^ ,
3 cf.

39; denn es ist nicht nur als Wort sondern in erster Linie als
DER BEWEIS AUS DER SCHÖPFUNG. 465

Thatzeugniss gedacht, vgl. Vers 4 ').


Alles was ihnen an gött-
licher Anerkennung, Auszeichnung und Segnung zu Theil ge-
worden ist, womit die Stellung, welche sie in der Schrift ein-

nehmen ,
und die Weise, wie sie dort erwähnt werden ,
unmittelbar

zusammenhängt ,
kam ihnen um des Glaubens willen zu ;
in

ihrem Glauben lag der Grund wesshalb » sich Gott nicht schämte,
,

ihr Gott zu heissen", sondern sich zu ihnen bekannte in Wort

und That. Der Lohn ihres Glaubens liegt theils in ihrer Ge-
genwart, indem sie empfiengen was ihnen verheissen war, und
das zunächst nicht sichtbare sich für sie in ein Erlebtes ver-

wandelte, darum weil sie glaubten, theils aber fällt die Gabe,
die ihrem Glauben gegeben ist ,
in die Zukunft ,
doch als ihr

sicherer Besitz ,
darum weil Gottes Zeugniss bereits über sie

ergangen ist.

Schon der Ursprung der Welt aus dem Worte Gottes gibt
der Stellung des Menschen den Charakter des Glaubens, Hebr.

11 ,
3. Als aus Gottes Wort entstanden ist das Sichtbare nicht

auswahrnehmbaren Ursachen geworden sondern der Grund aus , ,

dem es entsteht, ist selbst unsichtbar. Damit wird ein funda-


mentaler Gotteswille wirksam, weicher der Welt keine wahr-
nehmbare Basis geben wollte, sondern sie auf das Wort stellte

als auf ihren Grund, damit alles Sichtbare über sich hinaus-
weise und schon der erste Erkenntnissakt, der die Welt als

geworden erkennt ,
ein Unsichtbares erfasse. Gründet sich die

Gemeinde glaubend auf ein Unsichtbares ,


das auch ihr nur
durch ein Wort Gottes kund geworden ist ,
so ist ihre Stellung

somit analog dem Grundverhältniss ,


in dem alles Gewordne
steht ,
und in Einklang mit der Grundordnung Gottes wie ,

sie schon in dem Entstehn der Welt zu Tage tritt. Es besteht


aber nicht nur eine Analogie zwischen der Stellung der Ge-

1) Dieses lixpTvpyjäijvxt des Hebräerbriefs ist ein Parallelbegriff zum ^iKxica^^vou


des ßömerbriefs. Ist dort Gott als Kicliter gedacht, so hier als der Zeuge, der für
den Glaubenden einsteht.

30
466 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

meinde und dem Ursprung und Bestand der Welt, sondern


auch die Erkenntniss des letztern entstellt selbst aus Glau-
ben und hat in ihm allein ihre Möglichkeit. Wenn das Den-
ken ,
vosTv , durchbricht durch das Erscheinende und Gottes
Wort als das die Welt erzeugende erfasst, so hat diess darin
seinen Grund, dass das Unsichtbare sich selbst dem Menschen
innerlich bezeugt und von seiner Eealität überführt als sxsyxog ,

zugleich auch seinem Begehren und Yerlangen als Gut sich

darbietet, das sich allein als zuverlässig kund gibt. Ohne


solchen Realverband mit den göttlichen Dingen und ohne die

Bewahrung desselben in der bewussten persönlichen Grund-


steUuhg des Menschen bliebe das Denken am Sichtbaren haften
und würde niemals das göttliche Wort als den Erzeuger und

Träger aller Sichtbarkeit fassen, so nämlich dass ihm diess

helle, lichte, gewisse Erkenntniss wird. Nun liegt aber hierin


ein Grundmoment Frömmigkeit, die nach ihrem ganzen
der

Bestand dadurch bedingt ist, dass Gott als Schöpfer und Herr
der Welt erkannt wird; sie ist folglich von ihrem elementarsten
Inhalt an auf Glauben gestellt. Die Leser, jüdische Männer,

sind davon entfernt den Ursprung der Welt aus Gottes


weit

schaffendem Worte in Frage za stellen; wem verdanken sie


aber diesen Erkenntnissbesitz? Nicht dem »Sehen", sondern
demselben Glauben, dessen Beziehung auf Christus müde
sie in

sind. Wollen sie wirklich vom Glauben lassen gilt ihnen das ,

Unsichtbare nichts ,
so weichen sie über das erste Blatt der Schrift

zurück und heben nicht nur das ,


was die neue Gemeinde be-

sitzt, sondern die ganze Stellung Israels auf.


Auf den Naturverband mit Gott baut sich die persönliche

Verbindung mit ihm auf; aber auch hier ist schon in de-
ren einfachsten Bethätigungen Glaube dasjenige, was sie er-

zeugt und fruchtbar macht; denn für jedes Herzutreten zu


Gott, ob es nun wie bei Abel in einem einzelnen Opferakt

geschieht oder wie bei Henoch zum bleibenden Besitz göttlichen


DEE BEWEIS AUS DEB, GESCHICHTE. 467

Wohlgefallens führt ,
ist allein G-laube das treibende Motiv ; das-

selbe hat die Bejahung des göttlichen Seins in sich also sÄsyx^^ °^ ,

ßXs7ro(j(,hoov; doch auch hier tritt sofort zum intellektuellen der

Hoffnungsinhalt des Glaubens hinzu. Die Bejahung der Existenz


Gottes allein bringt noch niemand zu Gott; im Hinzutritt zu
ihm liegt auf ihn gestellte Erwartung ,
die in ihm den Ver-
gelter, von dem Lohn zu erlangen ist, erfasst, 6. Die Frucht,
die dem Glauben als der den Hinzutritt zu Gott hervortrei-
benden Kraft zufällt, ist Gerechtigkeit. Er war dasjenige, was
Ä-bel das göttliche Zeugniss ,
er sei gerecht vermittelte 4
, , ;

ebenso wird Noah Erbe der dem Glauben zukommenden Ge-

rechtigkeit , TJJ.? xaroi, Triariv diKixio(Tvv>ig }c?^iipovöf^og, 8. Auch hier

entsteht die Gerechtigkeit für den Menschen aus dem ürtheil


Gottes ,
das dieser als sein Zeuge über und für ihn ablegt , sie ist

darum ein Erbe, das er aus Gottes Hand empfängt, und das-

jenige Verhalten, welches das Anrecht an dieses Erbe gibt,


weil es von Gott als Gerechtigkeit geschätzt und bezeugt wird ,

ist der Glaube. Und doch bleibt die Begriffsfassung eigenartig

unterschieden von der Paulinischen Glaubensgerechtigkeit. Der


Unterschied wird unklar definirt wenn gesagt wird der Glaube ,
:

sei hier selbst als Gerechtigkeit gedacht,^ bei Paulus dagegen


nicht ; denn auch für Paulus und ganz Ge-
ist der Glaube voll

rechtigkeit. Aber es fehlt hier jener Zusammenschluss der mensch-


lichen mit der göttlichen Gerechtigkeit, wie sie in Jesu Tod

offenbar geworden ist, zur einen ungetheilten Gottesgerechtig-

keit, die als Gottes Besitz und That zugleich des Menschen
Gut und Eigenthum wird. Hier ist der Glaube als menschlicher

Besitz betrachtet, als das gerechte Verhalten des Menschen


zu Gott. Sehr bezeichnend ist in dieser Hinsicht der Wechsel
des Bilds ,
mit dem die göttliche Gerechtsprechung benannt wird :

hier ist's der


Zeuge, fjcxpTvp>]^>juxt bei Paulus der Richter, ,

^ijcxia^ijvxt. Der Spruch des Richters greift schaffend in die


Verhältnisse des von ihm betroffnen ein und gestaltet sie aktiv
468 DBB, GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

neu ; der Spruch, des Zeugen benennt den vorhandnen , gegebnen


Thatbestand. Darum liegt auch der Stelle die Antithese von
Werk und Glaube gänzlich fern; vielmehr ist der Glaube ge-
rade als Trieb und Kraft zum Werk gefasst und als solcher

ist er die Gerechtigkeit.


Der Gerechte wird kraft des Glaubens leben, 10, 38; darum
erhält Abels Blut durch seinen Glauben die Fähigkeit, zu re-
den und Gott als Richter und Eächer seines Todes herbeizu-
rufen. Es ist sehr wohl möglich, dass der Brief diese Rede des
Blutes Abels präsentisch denkt; fort und fort ergeht von ihm
der Appell an Gottes Gerechtigkeit, bis im vollendeten Reiche
Gottes Abel den vollen Ersatz erlangt haben wird für seinen

unschuldigen Tod. Noch mehr erlangte Henoch durch seinen

Glauben; ihm ward Gott nicht nur Rächer nach dem Tode son- ,

dern der Retter vor dem Tod.


Ein neues Moment tritt bei Noah hervor: indem er durch

Glauben Gott gehorsam ward und die Errettung erlangte, ver-

urtheilte er zugleich die Welt. Denn er brachte dadurch an's

Licht ,
dass die Welt lediglich an ihrer eignen Schuld zu Grunde

ging. Der Brief rechnet diess mit zu Noah's Grösse; so stellte

er Gottes Ehre hervor und erwies ,


dass Gott gütig und gerecht ,

die Welt aber ungerecht ist, und in diese hohe Stellung trat
er durch Glauben ein denn dieser wirkte in ihm die Lösung von
,

der Welt.

Beide Seiten an der Glaubens Wirkung, der in ihm gesetzte


Verband mit Gott und der in ihm enthaltene Verzicht auf die

sichtbare Welt, werden auch an den Vätern Israels hervorge-


hoben. Die Patriarchen waren Fremdlinge und gaben um der
himmlischen Stadt willen die irdische Heimath preis; Mose ach-
tete Aegyptens Schätze und den Zorn Pharao's für nichts über

dem Unsichtbaren ; die spätem ertrugen Noth und Tod um der


Auferstehung willen. Diesem Verzicht steht ein um so grösserer
Besitz gegenüber. Die Väter wurden von Gott zu Erben der
DEE BEWEIS AUS DER GESCHICHTE. 469

Verheissung gemaclit und grüssten von ferne die Stadt Gottes ,

die dieser auf das Ende


Tage der. bereitet hat, als ihr Vater-

land. Mose erkannte den Reichthum , der in der Sehmach Christi

verborgen ist. So ist der Glaube der Gemeinde mit demjenigen


Israels nur nach seiner Form eins, sofern er festgehal-
nicht
tene Hoffnung auf Unsiclitbares ist, sondern auch in seinem
Inbalt: eine und dieselbe Verheissung bildet hier wie dort das

Glaubensgut, das 6?,7n^öf/,svov. Was den Vätern zugesagt wurde,


ist, nach seinem vollen Inhalt benannt, nichts anderes als das,

was durch Christus der Gemeinde zu Theil geworden ist. Auch


fKr den Hebräerbrief hat somit der Glaube eine Antithese in
sich , aber nicht zunächst die zwischen Sünde und Gerechtigkeit ,

Fleisch und Geist ,


sondern die zwischen den irdischen und den
himmlischen Dingen ,
zwischen dem sichtbaren und dem unsicht-
baren Gut. Die negative Seite am Glauben stellt sich dar als

Verzicht auf den gegenwärtigen, wahrnehmbaren Besitz, als

Loslösung von dem was nur Schatten und Parabel ist, als Miss-
achtung der Schande, Duldung der Schmach Christi, Verur-
theilung der Welt, der das Hinzugetretensein zu Gott und
zur himmlischen Gottesstadt entgegensteht.
Die Väter haben die Verheissung nicht erlangt, sie starben

alle, und diess machte ihr Verhältniss zu Gott zur Glaubens-

stellung, 11, 39. 13 ^).


Das göttliche Motiv, das ihnen die
verheissenen Güter noch vorenthielt, lag im göttlichen Vorblick
auf die künftigen Geschlechter, die mit ihnen derselben Ver-
heissung theilhaft werden sollten, 11, 40. Dadurch erhält der

im Verhalten der Väter liegende Imperativ für die Gemeinde vol-


lends seine energische Kraft. Sie kann sich nicht weigern ihnen im ,

1) Der Wechsel in der Konstruktion, nicht tio-tsi sondern stccrx 7r/a-r;v


aTrsäavov,
ist die nothwendige Folge des Sachverhalts: nicht der Glaube war der Grund, dass
sie starben, wohl aber entsprach ihr Sterben dem Charakter ihres Verhältnisses zu
Gott, das auf Glauben beruhte, und in der Weise wie sie starben, bethätigten sie
denselben, 21.
470 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

Glauben nachzufolgen ,
da sie um ihretwillen warten ,
entbehren ,

dulden, glauben mussten.


Zu der Reihe der Zeugen für Wesen und Werth des Glaubens
tritt Jesus selbst hinzu, 12, 2. Der Gegensatz zwischen seinem
Kreuz und seinem Throne setzt den Glaubensakt, wie er der
Gemeinde obliegt, in Analogie mit seinem eignen Verhalten.
Auch Jesus hatte ein zu Hoffendes vor sich : Freude ,
aber diese
ist zunächst bedeckt durch die im Kreuze liegende Schmach. Der
Glaubensakt gestaltet sich darum auch für ihn zur v7ro{ji,ovyi ,
die

das Kreuz in Nichtachtung der an ihm haftenden Schande trägt.


Doch sieht die Gemeinde an ihm nicht nur den Glaubensakt
in seiner Tragkraft, sondern zugleich auch den Werth solcher

Glaubensbethätigung vor Gott , denn als der ,


welcher das Kreuz

getragen hat, setzte er sich zur Rechten des Throns.


Er veranschaulicht aber nicht nur an seinem Verhalten ,
was
der Glaubensimperativ in sich schliesst ,
so dass dieser durch ihn

als durch das höchste Glaubensbeispiel der Gemeinde vollends

bestätigt wird, sondern er hat für sie den Glauben begrün-


det und vollendet als TVjq Trhrsco^ txpxw^? kou jsKsicorviq Hebr.

12, 2. Am Schluss dieser geschichtlichen Betrachtung, welche

die ganze alttestamentliche Glaubensbewährung überschaut kann ,

Jesu den Glauben anfangende und vollendende Thätigkeit nicht


nur auf das subjektive Verhalten in den einzelnen Gläubigen

bezogen sein ,
so dass er als der benannt wäre welcher ,
in ihnen
die Glaubensübung weckt und vollendet, sondern die beiden

Begriffe: Anfänger und Vollender weisen Jesu seine geschicht-


liche Stelle im Verlauf der Glaubensentwicklung an sie schauen ;

ebensowohl nach rückwärts auf die alttestamentliche Zeit als

nach vorwärts auf die Stellung der Gemeinde. Ist er der Anfänger
des Glaubens, so hat er denselben in die Welt eingeführt, so

dass er vor ihm nicht vorhanden war und von ihm aus erst

möglich wird. Und doch geht die Glaubensgründung bis auf


den Schöpfungsakt zurück, 11, 3. Der scheinbare Widerspruch
DER ANFÄNGER UND VOLLENDER DES GLAUBENS. 471

zwiohen beiden Aussagen löst sich sofort dadurch, dass zum


Begriff- Anfänger der andere: Yollender des Glaubens tritt,

womit er als derjenige, welcher den Glauben nach seiner Voll-

gestalt ermöglicht und verwirklicht, bezeichnet ist. Mit dem

Begriffe: neu anhebende Wirkung Jesu in


Vollendung ist die

Zusammenhang und Einheit gesetzt mit der ihr vorangehen-


den Glaubensbethätigung und dadurch die Benennung Jesu als

xpxiJ^og Tijg t'kttsooq mit der vorangehenden Betrachtung des

alten Testaments in Einklang gebracht; mit dem Begriff: An-


fang dagegen ist Jesus von der Reihe der übrigen Glaubens-
zeugen abgesondert und die Glaubensstellung der Gemeinde
als eine erst durch ihn ihr zu Theil gewordene Gabe gekenn-
zeichnet. Der zu seiner Völligkeit erhobne Glaube ist der frühem
Geschichte gegenüber ein von Jesus empfangenes
neues ,
erst ,

vgl. 6,1. Die den Glauben anhebende und die ihn vollendende
Wirkung Jesu sind nicht als zwei unterschiedne ,
auseinander
fallende Akte gedacht, vielmehr ist er dadurch des Glaubens

Anfänger geworden, dass er dessen Vollender ist; als solcher

ist er der Führer für eine neue Reihe von Glaubenden gewor-
den, die nun auf dem von ihm dargebotnen Hoffnungsgut
Stellung genommen haben. Damit gelangt die apologetische

Beleuchtung des Glaubens zu ihrem machtvollen Schluss. Die

Glaubensaufgabe der Gemeinde stellt die Messianität Jesu so

wenig in Frage dass sie j


vielmehr deren nothwendige Folge
und kostbares Ergebniss ist: er erst hat den Menschen völlig
zum Glauben gebracht. Zugleich tritt so die Parallele zwischen
der Glaubensstiellung der alten und neuen Gemeinde über den

Gesichtspunkt der Gleichartigkeit empor ;


auch in dieser Hinsicht
ist die neue Gemeinde bevorzugt vor der alten. Wie das Gesetz

überhaupt nichts zu seinem vollen bleibenden Bestände brachte


, ,

ovTsv srsXshtTsv 7 19 so kam auch der Glaube unter ihm


, ,

nicht über seine Anfangsgestalt hinaus, während Christus ihn

seiner Gemeinde in seinem vollen , ganzen Maass ermöglicht hat.


472 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

Der Brief hat Besprechung der Grlaubensaufgabe nicht an


die

den Anfang sondern an das Ende seines Gedankengangs gestellt.


,

Zuerst entfaltet er Jesu Tod und Unsichtbarkeit nach ihrem Heils-

inhalt und lehrt die Gemeinde das in ihnen enthaltene Aerger-


niss überwinden, dadurch dass er ihr Jesu priesterliches Wirken
darin zeigt ;
er reiht dieselben damit positiT in seinen messiani-
schen Beruf ein und legt die Güter dar, die durch dieselben

der Gemeinde zugekommen sind. Und nun erst nachdem Jesus

gerade in seinem Tode und Eintritt in den Himmel als der Hohe-
priester der zukünftigen Güter erkannt ist, als der welcher die
bessere Hoffnung eingeführt hat und Bürge eines bessern Bundes

geworden ist, nachdem sich herausgestellt hat dass wir auf Grund ,

des Todes Jesu im Besitze eines solchen Priesters in Völligkeit

des Glaubens herzutreten dürfen zu Gott ,


10 ,
22 ,
nun erst

fasst er die Glaubensaufgabe selbst in's Auge, denn nun ist

sofort klar ,
wie und warum Jesus der Vollender ,
also auch An-

fänger des Glaubens geworden ist. Der Unterschied zwischen


den sterblichen und sündigen Aaroniden und dem zum vollen-

deten, ewig lebenden Priester erhöhten Jesus, zwischen der


irdischen Hütte, die nur Gleichniss war, und dem himmlischen

Heiligthum ,
in dem Jesus waltet ,
zwischen dem Thieropfer und
dem Blute Jesu, der sich selbst durch ewigen Geist Gott dar-

gebracht hat, zwischen dem fleischlichen Gebot mit der von


ihm Reinheit des Fleisches und der Reinigung des
erreichten

Gewissens von den todten Werken überträgt sich sofort auch


auf die Glaubensstellung. Sind die gehofften Güter höhere und
reichere geworden, hat sich der von Gott dargebotene Be-
sitz gemehrt, so tritt auch der Glaube in eine neue Gestalt,
und wo das gehoffte Gut sich als ein vollkommenes erweist,
da auch der Glaabe zu seiner Völligkeit gelangt.
ist

Die Schrift sprach aber nicht nur vom Glauben sondern auch ,

vom Unglauben Israels; das aus Egypten errettete Geschlecht

erlangte die Verheissung um seines Unglaubens willen nicht.


DER UNGLAUBE. 473

Und aucla in dieser Hinsicht fülirt der Brief die Parallele zwi-

schen der alten und der neuen Gemeinde durch, sofern die

Schuld und die Folgen des Unglauhens für sie nicht weniger ernst
und unselig sind als für jene, 3,7 — 4, 13. Dem Geschlecht
der Wüstenwanderung war die Verheissung gegeben, dass es
in Gottes Ruhe eingehen werde, aber weder der Auszug aus

Aegypten und die in ihm erlebte göttliche Errettung, 3, 16

vgl. 2, 2 f., noch das göttliche Wort, das sie hörten, 4, 2,


sichertenihnen für sich allein den Empfang des verheissenen

Guts, vielmehr wurden sie von demselben ausgeschlossen, und


diess um ihres Sündigens, 3, 17, ihres Ungehorsams, 18 ,
ihres

Unglaubens willen, 3, 19. Dieser deckt sich als die innerste,

letzte Ursache ihres Falles auf. Er äusserte sich in der Versu-

chung Gottes, die ihn erproben wollte, trotzdem seine Werke


vor ihren Augen standen in vierzigjähriger Erfahrung sei-

ner Hülfe ,
Güte und Geduld ,
3 ,
9. Er bestand darin ,
dass

ihnen das göttliche Wort nur ein gehörtes blieb, xö'yog

oinom 4,2, geschieden von ihrer Person ,


nicht aufgenom-
men und zusammengeschmolzen mit ihrem eigenen Sein; darum
wurde ihnen das göttliche Wort unfruchtbar. Die Situation der

Gemeinde ist derjenigen jenes Geschlechtes analog. Der Christus


ist zwar nun gekommen doch nicht so dass die ganze Ver-
, ,

heissung Gottes schon damit zur Erfüllung gelangt wäre; auch


für sie ist Verheissung übrig geblieben, 4, 1 '). Allerdings ste-
hen sie im Besitz eines erlangten Gutes, sie haben Theil am
Christus , //.frö%o/ tov xpkttov 'ysyövoi.ucsv 3 ,
14 ,
und damit ist

1) Der Gedanke: die Verheissung bleibe darum für die spätem übrig , weil sie jene
nicht erlangt haben, bis sich jemand finde, der sie erlange, ist misslich, diese

Uebertragung derselben von den einen auf die andern versteht sich keineswegs von
selbst, auch müsste, wenn an die von den Vätern nicht erlangte und darum übirig
bleibende Verheissung gedacht wäre, der Artikel vor l^rÄyysA/iS! stehn. Vgl. xwo^st-
^rsa-^xi und 9, und kizitoi 3.
6 Dort ist der Gedanke der, dass die Werke der

Schöpfung mit der Ruhe Gottes, in der sie endigten, noch nicht die vollkommene
Ruhe gebracht haben, vielmehr solche übrig lassen als ein erst künftiges.
474 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. X.

eine Heilsbotschaft an sie gerichtet, svyiyysKKTiihoi i(riziv 4,2.


Doch der Eingang in die Ruhe Gottes mit ihrer vollendeten

Sabbathfeier ist auch für sie noch ein übrig bleibendes, wie sie

es für Israel auch nach der egyptischen Errettung blieb. Sie ist

ihr aber durch Grottes Wort vorgehalten Gott hat in seinem Sohne
:

zu ihr geredet, wie er auch die Yäter sein Wort hören liess, so dass
das »Heute" des Psalmsworts, da die Stimme Gottes vernommen
wird, für sie Gegenwart und Wirklichkeit geworden ist. Nun
täusche sich aber die Gemeinde nicht: wir, die wir glauben,

gehen in die Ruhe ein ,4,3. Weder in der empfangenen Gabe


Gottes noch im Hören seines Worts liegt der Grund der Er-

rettung ,
wenn die Gemeinde nicht durch Glauben das Wort in
sich aufnimmt und mit sich zusammenschliesst. Steht sie von
Gott weg, womit das böse dem Unglauben hingegebene Herz
zu Stande kömmt, 3, 12, so geht auch ihr wie Israel die

Verheissung verloren ,
sie bleibt zurück ,4,1, wird fortgeris-

sen, 2,1, fällt dahin, 6, 6. Der Anstoss an Christus hält ihm


vor, dass nur Wort und Rede gebracht habe und nicht
er ja

das Reich selbst. Die Gemeinde schätze aber das Wort nicht

gering; an ihm entscheidet sich der Reichsbesitz, denn das gött-

liche Wort ist eine energische Kraft und wird dem Ungehor-
samen mit Schwertesschärfe in Scheidung von Seele und Geist
zur tödtenden Macht, 4, 12 f.

Daher tritt in dem Briefe neben dem Ruf zum Glauben die

Mahnung zur Furcht sehr betont hervor. Auch in dieser Hinsicht


ist die Stellung der neuen Gemeinde der alten parallel, und
zwar so, dass für sie die Antriebe zur Furcht noch kräftiger
sind als für jene. Das Gesetz begründet Furcht, Christi Wort
noch mehr 2 ,
1 ,
ff. Jenes ward durch einen Menschen über-
,

bracht, 10, 28, oder wenn auf die göttliche Vermittlung dabei

gesehen wird ,
durch Engel ,
2 ,
2 ;
dieses ist Gottes Rede in

dem über Engel und Mose hoch erhabnen Sohn. In seinem Wort
wird die Gottesmajestät des Christus verachtet und der Geist
DIE FURCHT VOR «OTT. 475

Gottes misshandelt, 10, 29. Darum wird die neue Gemeinde,


wenn sie das Wort Christi verachtet und sich ihm widersetzt,
um so weniger entrinnen ,
als die welche dem Gesetze nicht
unterthan wurden , je höher derjenige steht ,
der als Gottes
Bote ,
3 ,
1 ,
ihnen gegeben ist.
Liegt in der Gottesmajestät
Jesu ein zur Furcht antreibender Imperativ ,
so bildet seine

Menschheit, in welcher er selbst litt und versucht ward und


so zum Mitleiden und Erbarmen befähigt ist, das Vertrauen

weckende, zum Herzutritt ermunternde Moment, 2, 17 f. 4,


15 ff. In der Doppelheit seines Wesens wird Jesus zugleich zum

Begründer der Furcht und des Vertrauens für die Gemeinde,


beides vollendet sich an ihm und zugleich löst er sie von der
Furcht des Todes und des Teufels in seinem eignen Tod ,
2 , 14.

Damit dass die Furcht lediglich an Gott und Christus selbst an-

geschlossen wird, wirkt sie auch nicht zerspaltend in das Ver-


trauen hinein. Es erweist sich auch unter diesem Gesichtspunkt,
wie unentbehrlich und heilsam der Gemeinde Jesu Niedrigkeit
und Tod ist. An ihm, der selbst versucht ward und litt, ge-
winnt sie jene Zuversicht ,
in der auch die Furcht vor dem Gott ,

der ein verzehrendes Feuer ist, nicht Bruch sondern Begrün-

dung und Stärkung des an die künftigen Güter angeschlossnen


Glaubens wird. So tritt auch hier das, was zunächst Glaubens-
hinderniss und Erschwerung der Freudigkeit scheint, vielmehr
als Grund und Kraft einer ungeschwächten, vollendeten Zuver-
sicht zu Gott an's Licht.
ELFTES KAPITEL.
Der Glaube und die Gnosis.

Die Betonung des guten Werks; die natürliche Pflicht; der Werth
des guten Werks vor Gott; die Gnosis Zerstörung des Glauhens; der
Glaube Bewahrung der empfangnen Lehre.

Wie der Kampf um das Gesetz , so war auch die gnostisehe

Gährung den innern Gang der Gemeinde von durchgreifen-


für

der Bedeutung. Der Gegensatz gegen dieselbe gestaltet sich in

denjenigen Briefen, welche bereits die Anfänge der Gnosis vor


Augen haben, doppelt; sie stellen sich zunächst auf den prak-
tisch-sittlichen Boden und bekämpfen die Gnosis als Lust an
der Sünde in ungeheiligtem , verunreinigtem Willen. Der aus der
Berührung mit dem Christenthum gewonnene Besitz äussert und
verzehrt sich nur dann in träumenden Spekulationen wenn ,

die ethischen Konsequenzen desselben nicht gezogen werden und


der Mensch somit an sittlich falsche Begehrungen gebunden
bleibt, 2 Petr. 1, 9. vgl. 1 Tim. 1 ,
19. 4, 2. 6 ,
5. Tit. 3,11.
Im Gegensatz zu solch leerer Gedankenproduktion, die über ein

ungeheiligtes und ungereinigtes Wollen und Handeln deckend

hingebreitet wird wird die Gemeinde darauf hingewiesen dass


, ,

ihre Beziehung zu Gott durch Christus in nüchterner, sitt-

licher Arbeit sich zu bethätigen hat. Daher tritt z, B. in den


Pastoralbriefen aus einem ähnlichen Interesse, wie es die Dar-

stellung des Jakobusbriefs beherrscht, das gute Werk stark in


DIE BETONUNG DES GUTEN WEEKS. 477

den Vordergrund der Mahnung. Nicht auf thörichte Untersu-

chungen und angeblich in das Verständniss des Gesetzes ein-


dringende Grübeleien ,
sondern auf löbliche Werke hat der ,

welcher auf Gott sein Vertrauen stellt, seine Sorge zu richten,


Tit. 3, 8 ff. ;
denn diese bilden zwar keineswegs Grund und
Motiv der göttlichen Gnade ,
2 Tim. 1 ,
9. Tit. 3,5, wohl aber
das Ziel und Resultat, das diese im Menschen herstellen will,
Tit. 2, 11 f. 2 Tim. 3, 17. Wenn darum der innere Besitz
der Gemeinde in's Auge gefasst wird, so geht der Gedanke
über den Glauben hinaus zu einer Vielheit ethischer Momente:

Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glaube, Liebe, Standhaftigkeit ,

Sanftmuth, 1 Tim. 6, 11 vgl. 2 Tim. 2, 22. 3, 10. 1 Tim.

4, 12. Namentlich wird dem Glauben die Liebe ausdrücklich

beigesellt ;
erst ihre Vereinigung nennt die göttliche Gabe und
das Ziel der christlichen Verkündigung in seiner Vollständig-

keit, 1 Tim. 1 ,
14. 2 Tim. 1, 13. So hält auch der zweite
Petrusbrief der Gemeinde die Fülle der Tugenden vor ,
die sie

kraft dessen, was ihr Gott gegeben hat, darreichen soll, als
deren erste der Glaube genannt wird ,
so dass er als die Grund-
lage mit allem, was die Gemeinde an Tugend aufweisen soll,
verbunden wird ,
2 Petr. 1 5 ff
,
Damit ist an die Stelle der
.

Tendenz ,
den Glauben als Ursprung und Wurzel der gesamm-
ten Lebensbewegung gegen die andern Momente
christlichen

derselben abzugrenzen und in seiner innern Völligkeit und ün-

bedingtheit herauszuheben ,
das andre Bestreben getreten ,
den-
selben als ihr erstes Glied einer mannigfaltigen ,
reichen ,
das ge-
sammte Leben umspannenden Kette ethisch werthvoller Thätig-

keiten einzureihn.

In dieser Verkettung mit den übrigen Tugenden ist der Glaube


nicht nur das Bedingende sondern auch seinerseits durch jene

bedingt. Die Mahnung habe Glauben erweitert sich dahin


:
, :

habe Glauben und ein gutes Gewissen, 1 Tim. 1, 19. 3, 9;


nur so wird der Glaube bewahrt. Er wird als Gabe Gottes in
478 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XI.

den Sünder hineingelegt, da der reicMiclie Erweis der Gnade


von Q-laube und Liebe begleitet ist als von seinen Wirkungen ,

1 Tim. 1, 14, so dass der Glaube »in Christus" ist, ursächlich durch
ihn bedingt und im Lebensverband mit ihm sich erhaltend ; aber
weil die Gnade Gottes eine sittlich reinigende ist, bedingt die

Befleckung des Gewissens auch den Yerlust des Glaubens und


die Unfähigkeit zu demselben. Neben den Glauben tritt das
reine Herz und das gute Gewissen als das woraus die Liebe
entsteht, was also die Bedingungen dazu herstellt, dass die

göttliche Weisung — und Tnx.pxyysKlx wird den gesammten In-


halt des göttlichen, apostolisch der Gemeinde vermittelten Wor-
tes zusammenfassen — zu ihrem Ziele gelangt ,
1 Tim. 1,5.
Die ascetische Unnatur der gnostischen Heiligkeitstendenz
brachte es mit sich ,
dass dem guten ,
löblichen Handeln aus-

drücklich die Naturverhältnisse als die Sphäre bezeichnet wer-


den, worin es sich zu bethätigen hat. Nicht der Einblick in

jenseitige Geheimnisse Gottes, sondern sittlich tüchtige Lebens-

führung ,
namentlich auch rechtschaffene Verwaltung des eignen
Hauses machen zum Diakonat und Presbyterium geschickt; auf
diesem Gebiet sind die auszeichnenden Eigenschaften zu suchen ,

welche die Gemeinde bei der Wahl ihrer Vorsteher leiten sollen.

Kinder zeugen ,
das Haus regiren das ,
ist die Aufgabe der christ-

lichen Frau, 1 Tim. 5, 14 cf. 10. Nicht Lehrthätigkeit und

Emancipation vom Manne sondern Kinderzeugung ist das was ,

das Weib selig machen wird 1 Tim. 2 15. Wer für die sei-
, ,

nigen nicht sorgt, hat den Glauben verleugnet, 1 Tim. 5, 8.


Auch die sittlich richtige Behandlung des Geldes wird stark be-

tont : im Streben nach Reichthum irrt man vom Glauben ab 1 ,

Tim. 6, 10.
Es ist damit diesen sittlichen Funktionen an sich Werth vor
Gott zuerkannt. Die Umdeutung jenes craSriia-sToci ,
1 Tim. 2, 15 ,

auf irdisches Wohlbefinden vergewaltigt den Text; der Brief

sagt ,
dass die Ausübung des mütterlichen Berufs für das Weib
DIE NATÜRLICHE PFLICHT. 479

der Weg zur Erlangung der himmlisclien Güter sei, natürlicli

nicht olme die innern Momente des christliclien Verhaltens : das

Bleiben in Glaube, Liebe und Heiligung verbunden mit be-


scheidener Bewahrung ihm zukommenden Stellung ist dabei
der

die Yoraussetzung. Mit dem Ausschluss von jenen Thätigkei-

ten, die unmittelbar im Eeich und Christus ihren Inhalt ha-


ben ,
ist das Weib in seinem Antheil an den messianischen Gü-
tern nicht verkürzt; allerdings sind jene dem Herrn gethaner
Dienst und werden von ihm vergolten und belohnt , aber in
dasselbe Verhältniss, Mittel zum Reichsempfang zu sein —
(Ta^y}(TST(x,i 5 / oi Tijg TSKvoyovixg

tritt für das Weib die Erfül-

lung der mütterlichen Aufgabe; auch sie wird ihm vom Herrn
mit der Reichsgabe gelohnt. Derselbe Gedanke ist ausgespro-
chen, wenn der, welcher die Sorge für die Seinigen der Ge-
meinde anheimgibt, schlimmer als ein Ungläubiger heisst, 1
Tim. 5,8; was immer in ihm an Verehrung und Dienst Christi
sein mag, bildet schlechthin kein Surrogat für den Riss durch
die in den Naturverhältnissen des Lebens liegende Ordnung
Gottes; sein Glaubensbesitz wird durch diesen völlig werthlos
und er sinkt unter den Ungläubigen mit all seiner Gottlosig-
keit herab, so gewiss als der Mangel des Glaubens die gerin-

gere Schuld ergibt verglichen mit der Weigerung, den erlang-


ten Glauben zu bethätigen in seiner ethischen Konsequenz. Man
konnte in einer Gemeinde nicht anders urtheilen, in welcher
Worte wie Mth. 7, 21 ff. 15, 3 ff. Luk. 12, 47 f. als Aus-

sprüche ihres königlichen Herrn ,


des Sohnes Gottes , lebendig
waren.
Wie die natürlichen Gemeinschaftsverhältnisse, so bildet auch
das christliche Gemeindeleben mit seinen dienstlichen Verrich-

tungen eine Sphäre, in welcher dem Herrn wohlgefälliges und


von ihm gelohntes Werk vollbracht werden kann. Auch im
Gemeindeamt wird ihm nicht umsonst gedient ; wer seinen Dienst
an der Gemeinde wohl versieht, der wird von ihm zu einer
480 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XI.

»schönen Stufe" emporgehoben, die seiner Arbeit und Hinge-

bung vergeltend entspricht, und die nächste direkt der Glegen-

wart angehörende Frucht, die aus solcher Arbeit erlangt wird,


ist die ,
dass vom Glauben alle Hemmungen in Furcht und

Selbstanklage abfallen ,
so dass sich der Blick mit freudiger Zu-
versicht auf Christus und sein Urtheil richten kann, 'ttoT^Kvi

TTxppijcriix SV rl<TT£i r^ sv Xpiar^ 1 Tim. 3, 13'). Was unter


dem aus der dienenden Arbeit in den Glauben eintretenden

freien und freudigen Sinne verstanden ist, ergibt das Beispiel


des Paulus der im Rückblick auf seine apostolische Thätig-
,

keit sich vom gerechten Richter den Kranz der Gerechtigkeit

gegeben weiss, 2 Tim. 4, 8.


Hat man das in den Paulinischen Hauptbriefen gegebene : al-

lein durch Werke, welches das Korrelat zum sola fide bildet,

überhört, ist Rom. 2 ein Ueberbleibsel aus dem Pharisäismus


des Paulus und 1 Kor. 1 8 ein mit seiner übrigen Predigt schwer

vereinbares Räthsel, so müssen solche Aussagen freilich als

Schwächung und Beeinträchtigung des Paulinismus erscheinen.

Allein auch in 1 Kor. 9 ,


23 ff. hat Paulus die hingebende ,

aufopferndeDurchführung seiner Apostelarbeit die Bedingung


genannt, an der für ihn die Theilnahme am Evangelium, also
am Reiche hängt, und wenn er 1 Kor. 9, 16 ff. ausführt,
dass ihm im Blick auf die ünfreiwilligkeit seiner Berufung die
Apostelarbeit für sich allein nicht genüge ,
dass er etwas haben

müsse ,
was Ausdruck seiner freiwilligen Hingabe an Christus und
Bethätigung einer Liebe sei, die aus eignem Trieb alles thun
und leiden kann, dass er desshalb auf die Unterstützung der

Gemeinden verzichte, weil er ein Kizvx>}/^oi begehre, eine Leis-

1) Analog ist der Gedanke, wenn der Rücktritt der Frauen aus dem Gemeinde-
dienst um der
Verheirathung willen als are&eTv rijv vfUTvjv •jrio'Tiv charakterisirt
wird, 1 Tim. 5, 13. Es war eine Bethätigung des Glaubens, wenn sich dieselben
den Anforderungen des Dienstes unterzogen. Das Begehren nach der Ehe gibt die
damals eingenommene Glaubensstellung auf.
DEE WEETH DES GUTEN WEEKS VOE GOTT. 481

tung, die ihm Jesus lolmen könne, weil er sie ungezwungen,


für ihn vollbracht habe, so hat er damit den Begriff: Verdienst

und Lohn nicht weniger energisch gehandhabt, und diess in

einer Sache, die in die innersten konstanten Motive seines per-

sönlichen Handelns hineinreicht ,


als wenn dem zum Gremeinde-
amt berufenen gesagt wird, es sei ihm damit Gelegenheit ge-
boten zum Erwerb einer schönen Stufe vor Gott. Analog
machen auch schon die altern Briefe den göttlichen Werth rich-

tiger Gestaltung der Naturverhältnisse geltend. Die unordent-


lich wandelnden, die angezeichnet werden sollen, 2 Thess. 3,

14, stehen denen, welche ihre Angehörigen der Güte der Gemeinde
anheimgeben und dadurch unter die Ungläubigen herabsinken,
sehr nah; der Gehorsam der Kinder ist Gott wohlgefällig im
Herrn ,
Kol. 3 ,
20 ; der Knecht erlangt dafür ,
dass er seinen

Dienst im Gehorsam Christi übt, von ihm die im Erbe beste-


hende Vergeltung, Kol. 3 ,
24. Durch Knechtsdienst das Erbe
und durch Kinderzeugung die Seligkeit erlangen ,
das sind par-
allele G-edanken und der letztere ist desshalb, weil er die Na-
turseite am weiblichen Berufe hervorhebt ,
nicht schwieriger als

der erstere ;
betont wird dieselbe ,
weil gerade sie auf Grund
eines falschen Heiligkeitsideals verachtet wird.

Die Motive zur Betonung des Werks liegen allerdings für


diese Briefe nur im Gegensatz zur Gnosis, sondern der
nicht

Gang der Gemeinde wies durch sich selbst darauf. Die Erst-
lingsarbeit, die sich mit angespanntester Hingabe die funda-
mentalen Resultate aus der Erscheinung Jesu aneignete, war

gethan. Diese waren nun in feste Begriffe gefasst und prak-


tisch in fixirte Lebensformen umgesetzt. Die Gemeinde war nun
über Jesus orientirt ,
er war der Christus ,
in seinem Sterben

der Versöhner ,
in seinem Auferstehn der Geber ewigen Lebens ;

sie kannte ihr Verhalten zu ihm, es war Glaube; das Gesetz


war überwunden ,
die Gemeinde der Glaubenden als solche organi-
sirt. Die weitere Aufgabe bestimmte sich dahin ,
den empfan-
31
482 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XI.

genen innern Besitz auszuwirken im Werk in den naturhaft

gegebnen Verhältnissen. Diese Aufgabe trat um so dringliclier

kervor, weil die Gnosis sich derselben entschlug und über


die gewonnenen Resultate zu rermehrtem Geist- und Erkennt-
nissbesitz vordringen wollte und damit die Gemeinde nicht nur
nicht weiterführte, sondern ihren erlangten Besitz zersetzte

und verdarb. Aber auch ihr Streben, die apostolische Predigt

durch eine neue, höhere Weisheit zu überbieten, ruht in dem


Bewusstsein ,
dass Gemeinde zu einem gewis-
die Bildung der
sen Abschluss und Ende gelangt sei und ein weiterer Fort-
schritt derselben auf neuer Bahn gesucht werden müsse. Für
die apostolischen Kreise lag aber diese neue Bahn nicht nur im
Gebiet der Erkenntniss ,
sondern vor allem aus in dem des Werks.
Damit hängt auch zusammen ,
dass für das Verhalten der Gemeinde
zu Gott neben dem Glaubensbegriff auf den allgemeinen, um-
fassenden Begriff der Frömmigkeit
— suaißsia — zurückge-
griffen wird. Er hat an sich keinen specifisch christlichen In-

halt, sondern nennt das erste, einfachste, fundamentale Verhalten


zu Gott: die um ihn sich kümmernde und ihn ehrende Scheu;
eben darum eignete er sich dazu ,
das praktische Resultat der

im Glauben gesetzten Beziehung zu Gott, in dem diese enden


soll als in ihrem bleibenden Ergebniss ,
zu benennen : der
Glaubende hat das aus seinem Glauben davon zu tragen ,
dass

er nun fromm geworden ist.


Der Gegensatz gegen die Gnosis konnte nicht nur durch ihre

Konsequenzen begründet werden, sondern es musste


ethischen

auch im Innenleben der Gemeinde der Punkt bezeichnet wer-


den ,
auf dem die Wege sich schieden. In dieser Richtung war
der Gegensatz eines doppelten Ausdrucks fähig. Entweder
konnte Erkenntniss gegen Erkenntniss gestellt werden, die

wahre Gnosis gegen die pseudonyme, oder die Abweisung liess

sich nicht auf die inhaltliche Beurtheilung der Gnosis ein ,


sondern
machte generell die Ueberschätzung des Erkennens als das schei-
DIE GNOSIS ZERSTÖRUNG DES GLAUBENS. 483

deude Moment geltend und stellte ihr andere innere Vorgänge


als die Grundakte des acht christlichen Verhaltens entgegen ,

und unter diesen bot sich der Glaube als die der Gnosis ent-

gegenzuhaltende Antithese dar. Die letztere Stellung war der


Gemeinde dann gewiesen, wenn sie es mit einem Erkenntniss-
streben zu thun hatte, das in seinen Motiven und Zielen die
christliehe Stellung gänzlich aufhob und darum nicht nur in
einzelnen Resultaten, sondern nach seinem ganzen Verlauf und
Ergebniss abzulehnen war. Noch in kleinern Verhältnissen

zeigen die beiden Korintherbriefe den Fortgang von der erstem


zur letztern Position. Während Paulus im ersten Briefe dem
Weisheitsstreben ,
das ihm in Korinth begegnet, insofern ent-

gegenkömmt, dass er im Kreuzwort


die Weisheit Gottes auf-

zeigt und die Bedingungen zur Erlangung derselben nachweist,


und nur das der Gemeinde auseinandersetzt warum er in seiner ,

begründenden Predigt ihr nicht Weisheit geben wollte noch


konnte, tritt im zweiten Briefe der fleischlichen Weisheit nicht

mehr Gottes Weisheit, sondern Gottes Einfalt ^)


und Lauterkeit
entgegen, 1, 12, und die Bollwerke, die gegen die Erkenntniss
Gottes sich erheben, sollen zerstört, 10, 5, jeder Gedanke
in den Gehorsam Christi gefangen genommen werden, und an
die Stelle der Rechtfertigung, dass ihnen als unmündigen von

Paulus keine Weisheit gereicht werden konnte 1 Kor. 3 1 ff , ,


.

2 ,
1 ff. tritt die Mahnung
, prüft euch ob ihr im Glauben
:
,

seid, 2 Kor. 13, 5. Eine ähnliche Bewegung in der Stellung


zur Gnosis liegt zwischen dem Kolosser- und den Pastoralbrie-
fen. Dort hält Paulus einer von Christus sich lösenden Weis-
heitsascetik , welche in die himmlischen Regionen eindringen
und mit den Kräften der Geisterwelt in Kontakt treten will,
Christus vor als den, in dem der Gemeinde die ganze Fülle

1) dyiörm 3 Kor. ], 13 dürfte aus dem Anstoss au Gottes uvhÖT^t; geflos-


sen sein.
484 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XI.

Gottes erschlossen und gegeben ist und zwar so, dass in ihm
auch alle Schätze der Weisheit verborgen sind. In den Pasto-
ralbriefen wird dagegen der Gnosis nicht wieder Gnosis, son-
dern sehr bestimmt '^rla-rn; entgegengehalten als das scheidende
Moment. Dass jene Gnosis am Glauben Schiffbruch litt, stellt
ihre Werthlosigkeit ausser Frage, und die Gemeinde kann sich

schon desshalb nicht in sie einlassen, weil die Haushalterschaft

Gottes auf Glauben gegründet ist, 1 Tim. 1, 4.

Der Glaube wird desshalb nicht vom Erkennen abgesondert.


Die Gemeinde ist die Säule und Basis der Wahrheit 1 Tim. 3 , ,

1 5 ,
und die Glaubenden haben sie erkannt ,
1 Tim. 4,3, wäh-
rend die Gnosis durch Abwendung von der Wahrheit zu Stande
kömmt. Der auf die Tugendreihe gerichtete Eifer macht die
Gemeinde nicht anthätig und unfruchtbar zur Erkenntniss

Christi, bietet ihr vielmehr die innern Bedingungen zu dersel-

ben dar ,
2 Petr. 1,8. Noch weniger drängt in den Johan-
neischen Briefen die Antithese gegen die Gnosis den Erkennt-

nissbegriff zurück ;
die Intensität ,
mit der Johannes ihn

fasst, so dass sich ihm das ganze Ich in das Kennen hin-
einlegt und es zu einem vollen Liebes- und Lebensver-
bande macht, schied sein Erkennen von allem, was die Gno-
sis als Erkenntniss pries ,
ab ;
diese trat ihm nicht als ein gleich-

artigesneben jene Erkenntniss, von der er sprach ;


nicht in der
Wahrheit begründet, ist sie an Licht leer und gehört der
Lüge an. Es ist eine bedeutsame, für den neutestamentlichen

Glaubensbegriff wichtige Thatsache ,


dass ,
so bestimmt der Gno-
sis der Imperativ: glaube! entgegengehalten wird, dennoch im
Bereiche des neuen Testaments nirgends eine üeber- oder Un-

terordnung des Glaubens über oder unter die Erkenntniss vor-

liegt ,
weder in dem Sinne, dass der Glaube Ersatz für die nicht er-
reichbare Erkenntniss sei noch in der entgegengesetzten Rich-
,

tung, dass die Erkenntniss die höhere Stufe zum Glauben sei

und diesen in sich aufhebe ;


beide stehen neben einander ,
nicht
DIE BEWAHRUNG DER LEHRE. 485

wider einander gegensätzlich, ebenso wenig für einander vika-

rirend, in der reellen ,Lebensbewegung eng verflochten, doch


unterschieden ,
in und mit einander bestehend und mit ein-
ander zur Vollendung gelangend ,
doch so dass der Glaube
als der anhebende Akt die principielle Bedeutung besitzt.

Wird der Gnosis der Glaube entgegengestellt , so ist der

Gegensatz gegen sie nicht nur in die innerliche Sphäre des


subjektiven Verhaltens zu Gott verlegt sondern es wird im Glau- ,

ben zunächst an den Inhalt desselben gedacht, er wird gefasst


als die Anerkennung des Gottes und des Christus ,
welchen das

apostolische Wort der Gemeinde vorgehalten hat. Der Glaube


erscheint darum als eine schon vor dem subjektiven Verhalten

objektiv vorhandene Macht ,


als ein der Gemeinde real gegebnes

Gut, Es treten darum nicht nur Erkenntniss der Wahrheit und

Glaube, sondern auch Wahrheit und Glaube neben einander,


1 Tim. 2, 7, ebenso Lehre und Glaube, 1 Tim. 4, 6; er bil-

det das Objekt der göttlichen Oekonomie, 1 Tim. 1,4, den


Inhalt des der Gemeinde übergebnen Worts, 1 Tim. 4, 6.

Eine Reihe von Wendungen, die zunächst für den lebenden


und wirkenden Herrn selbst ausgeprägt wurden , übertragen
sich nun auf den Glauben. Man verläugnet Christus Mths. 10 , ,

33 ,
man verläugnet den Glauben ,
1 Tim. 5 ,
8 ;
man setzt

Christus bei Seite, Job. 12, 48, man setzt den Glauben bei
Seite, 1 Tim. 5, 12; das Mysterium Gottes und Christi, Kol.
2 ,
2. 4 ,
3 ,
ist das Mysterium des Glaubens .,
1 Tim. 3 ,
9 ;
die

Oekonomie Gottes hat ihren Inhalt darin ,


allem in Christus
das Haupt zu geben, Eph. 1, 10; sie hat ihren Inhalt im

Glauben, 1 Tim. 1, 4; das Kind im Herrn, 1 Kor. 4, 17, ist

Kind im Glauben , 1 Tim. 1 ,


2. Dieser üebergang der Begriffe

zeigt, wie energisch im Glauben der Gedanke an Gott und


Christus dominirt, auf die der ganze Bestand und Werth des
Glaubens bezogen ist, wie energisch aber andrerseits von der

Gottesanschauung und der Erinnerung an Jesus aus der Gedanke


486 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XT.

weiterstrebt zum glaubenden Anschluss an sie. Sehr ähnlich


nennt auch der Judasbrief den Glauben das den Heiligen ein-
mal und für immer übergebne Gut, das als ein göttlich ver-

liehenes ein äyiccTOiTOv ist, Jud. 3. 20. Auch hier ist er nicht

nur als die innerliche Yertrauensstellung zu Gott, sondern als

der objektiv vorhandene Besitz der Gemeinde gedacht, denn

jene begründet sich nicht in einem einmaligen und abschlies-

senden Akt, auch denkt die Stelle nicht an die einzelnen

glaubenden Subjekte, sondern fasst die gesammte Kirche zu-


sammen als in gleicher Weise Empfänger des
Glaubens,
nur in Yerbindung mit den Heiligen allerorts kam das hei-

lige, der Kirche übergebene Depositum, der Glaube, auch den


Lesern zu , vgl. 2 Petr. 1,1.
Doch Glaubenslehre heisst Tthrn; auch in diesen Briefen

nicht, der Begriff zerfällt nicht in seine beiden Seiten, so dass


das objektive und subjektive Moment ,
der Inhalt und dessen Aneig-

nung sich von einander lösten. Vielmehr ist der Gegensatz zur

Gnosis dadurch, dass er als Trhrig bestimmt wird, nicht aus-


doch auch sehr wesentlich in das subjektive Ver-
schliesslich,

halten zu Gott und Christus verlegt. An die Stelle der »Fra-

gen", der Analyse der Christus- und Gottespersönlichkeit nach


ihrem genetischen Process, setzt die tt/Vt/c die zur TJeberzeu-

gung gewordene und in sich befriedigte und gewisse Reception


der im apostolischen Wort der Gemeinde gegebnen Wahrheit.

Bildet der Glaube den Gegensatz zur Frage dadurch, dass er

einen festen Inhalt hat, jenen Gott und Christus, wie ihn
die Briefe wiederholt in kurzen Formeln definiren während jene ,

erst sucht und resultatlos in's Leere greift, so ist der Glaube
solch fester Besitz doch nur dadurch, dass er sich Gott und
Christus ergibt und ihn bejaht und ergreift, und nach dieser

Seite ist er ebenfalls der Gegensatz zur ^i^n^crtg ,


welche dadurch
mit den göttlichen Dingen in Kontakt treten will ,
dass sie die-

selben genealogisch zerlegt und begreifend sich ihrer zu be-


DIE BEWAHRUNG DER LEHRE, 487

mächtigen versucht. Wird sie darum als den Glauben verfeh-


lend beschrieben, so ist damit allerdings gesagt, dass ihre

Gottesanschauung und ihr Christusbegriff von demjenigen ,

welcher der Gemeinde gegeben ist, abweichen, zugleich aber,


dass aufnehmende, zustimmende Haltung dem letztern
sie die

gegenüber nicht zu gewinnen im Stande war; nicht nur der


Glaubensinhalt, sondern auch die Glaubenskraft und Glaubens-

willigkeit wird ihr verneint. Ebenso ist ,


wenn Gottes Oekono-
mie auf den Glauben bezogen wird, mag nun an Gottes eigne

Haushalterthätigkeit gedacht sein, die seinem Hause die ihm


zukommenden Güter austheilt, oder mag von menschlicher
Berufsarbeit die Rede sein, welche Gott mit der Verwaltung
seiner Gaben Glaube keineswegs vom gläubigen
betraut, der

Verhalten der Gemeinde abgelöst, durch dieses tritt sie in den


Besitz der göttlichen Gaben und in ihm vollzieht sich der

menschliche Verwalterdienst, so dass in solchem Gedanken-


gefüge der Begriff ebensowenig nur den lehrhaften Inhalt
des Glaubens nennt, als wenn Timotheus das Kind des Apos-
tels im Glauben ist. Auch im Judasbriefe wird der Kampf, zu
dem die Leser aufgerufen werden ,
nicht nur für den Glauben ,

sondern auf Grund desselben geführt, iTraiyavi^scrBrai r^ Tria-Tsi,

Jud. 3; es ist also auch hier die innere Aneignung dessen,


was der Kirche Glaube gegeben ist im Begriffe mitgedacht ;
als ,

darum ist der Glaube auch der Grund, auf dem die Selbster-

bauung der Gemeinde sich vollzieht, 20. Das, was geglaubt


wird, ist Trlo-rig doch nur dann, wenn und weil es geglaubt
d. h. Objekt innerer Aneignung geworden ist. Daher bleibt

neben dieser objektiv gewandten Tricmg in Ticrreösiv unge-


schwächt das Vertrauen das stark hervortretende Hauptmo-
ment, Tit. 3, 8. 2 Tim. 1, 12 vgl. Jud. 5.

Wie bei der Betonung des Werks, so ist auch in dieser

Entgegensetzung des Glaubens gegen die Gnosis das Bewusst-


sein wirksam, dass die Werdezeit der Gemeinde zu ihrem
488 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XI.

Abschluss gelangt sei; sie hat ein auf gewisser Erkennt-


nis» beruhendes Verhältniss zu Gott erlangt und muss es

nicht erst suchen. Von der Erscheinung Jesu und den von ihr

zunächst hervorgerufnen Ereignissen aus war der geistige


Besitz der Gemeinde mit erstaunlicher Kraft, Originalität
und Mannigfaltigkeit emporgewachsen; die erste und wichtig-
steAufgabe der folgenden Geschlechter war nun die, das Ge-
wonnene zu erhalten und dieser Anschluss an den in der
,

Gemeinde vorhandnen Besitz fiel ihr mit Fug und Recht unter
den Glaubensbegriff, denn er war Anschluss an ein göttlich

gewirktes und gegebnes Gut. So endigt die Bewegung, in


welche die neutestamentliche Zeit den Glaubensbegriff versetzte,
mit einer Gestaltung desselben ,
die dem synagogalen Aus-
gangspunkt derselben parallel geht ;
hier ist wieder wie in der

Synagoge Bewahrung der göttlich der Gemeinde ver-


die treue

liehnen Wahrheit, Weisung und Verheissung im Glauben das

Hauptmoment, aber der Inhalt, zu dessen Bewahrung die Ge-


meinde aufgerufen wird, ist ein neuer geworden, denn er ist

die ewige Lebensgabe Gottes darch Christus in Offenbarung


seiner Gnade Tit.,
3 4 der mit allem was er in sich
, ,

schliesst, selbst auf Glauben hinweist und ihn als unbegrenzte,


volles Hoffen in sich tragende Zuversicht ermöglicht und be-

gründet.
ZWÖLFTES KAPITEL.
Die Resultate der apostolischen Predigt.

Das Verhältniss zur Synagoge; die Genesis des Paulinismns; Jako-


bus und Paulus; Johannes; das Ziel Jesu.

Aus Glauben heraus entsteht die apostolische Glemeiiide mit


ihrer Lehrhildung, ihrer neuen Schrift, ihrer Innern und äus-
sern Organisation ;
das ist ein Faktum ,
welches Licht gebend

jedem der Glauben aber auch jedem der Wissenschaft sucht


, , , ,

zu Hülfe kömmt. Schrift Symbol Dogma kirchliche Ordnung


, , ,

und christliche Sitte sind insgesammt erst secundäre Momente;


das primäre und für sie alle produetive war der auf Jesus ge-
richtete Glaubensakt. Der Jüngerkreis hat von Jesus keine
Lehr Vorschrift ,
kein System von Begriffen keine ascetische ,

Regel ,
kein heiliges Buch ,
keine Kirchenordnung empfangen ;

was er bei ihm und durch ihn erlangte, das war der vertrau-
ende Anschluss an ihn. Und dieses Verhalten Jesu, wonach
er seinen ganzen Erfolg in den Glauben setzte, erwies sich als
fruchtbar zur Schöpfung einer neuen geistigen Welt. Das
Gottes- und das Selbstbewusstsein ,
das Erkennen und das
Wirken, der Dienst an den Menschen und die Herrschaft über
die Natur, die Ausbreitung der Thätigkeit nach aussen und
ihre Sammlung nach innen, Reinigung und ihre positive
ihre

Entfaltung die Fähigkeit zur Hoffnung und Freude und die


,

Willigkeit zum Entsagen und Leiden Furcht und Liebe der , ,


490 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Xlt.

ganze ReicMlium der menscillichen Funktionen wird vom Grlau-


ben aus zu neuer Thätigkeit und Fruchtbarkeit erregt. In keiner

Richtung erwies er sich als Hemmung und Fessel, in allen als


der Kraft schöpfende Akt.

Was Synagoge als Hinderniss des Glaubens empfand ist


die ,

verschwunden und weggeräumt, Theorie und Praxis der syna-

gogalen Theologie waren in der Trennung und Zerstücklung


dessen untergegangen, was doch nur geeinigt ein lebendiges
ist. Sie zerbrach das Gresetz in eine Vielheit yon Geboten, in
der jedes vom andern unabhängig ist und das eine gehalten,

das andre gleichzeitig übertreten werden kann, so dass sie

die Gerechtigkeit dadurch gewinnt, dass sie die gehaltnen Gebote


summirt, gegenüber den nicht gehaltnen abwägt und den
üeberschuss der erfüllten über die nicht erfüllten als Gerech-

tigkeit deklarirt, eine zerstückte Gerechtigkeit, die nie ein

Ganzes wird. Sie spaltete weiter an der Gesetzeserfüllung das


innere Motiv und das äussere Resultat, in dem sie die gött-

liche Forderung um ihres gesetzlichen Charakters willen zunächst

auf das objektive Ergebniss des Handelns bezieht und dieses vor
allem aus mögliclist zu sichern sucht, wobei das innere Gesche-
hen in der Persönlichkeit selbst relativ frei bleibt. Sie scheidet die

Leistung an Gott und diejenige an den Menschen, da zwar


auch für diesen das Gesetz Barmherzigkeit fordert, doch dane-
ben Opfer für Gott verlangt in Sabbath und Reinigkeit, Zehn-
ten und Gebet, und nur diess letztere ist Gottesdienst. Sie

subordinirt dabei die Arbeit für den Menschen unter diejenige


für Gott, die als die erste Pflicht auch dann noch Werth
behält ,
wenn dem Menschen versagt wird ,
was ihm ge-
bührt. Sie trennt weiter Glaube und Werk, da man einmal

glauben muss, was das Gesetz lehrt, sodann auch thun soll,

was es gebietet, wobei auch hier das eine vom andern unab-
hängig wird ,
so dass ihr der Glaube an die Gesetzeslehre durch

gesetzwidriges Handeln, so gewiss dasselbe Sünde ist, dennoch


T)AS VEEHIlTNISS ZUR SYNAGOGE. 491

nicht berülirt wird und seinen selbständigen Werth behält,


wenn gleich natürlich die Verbindung der Gesetzeskenntniss
mit der praktischen Beobachtung desselben höhere Verdienst-
lichkeit besitzt. Sie scheidet endlich die G-laubenspflicht selbst

in eine Vielheit entsprechend der Mannigfaltigkeit des Schriffc-

inhalts, da jede Aussage der Schriftlehre für sich Glauben


fordert, so dass sich neben die yielen r^'\)it2 die vielen HlllD^
stellen. Mitten in diesem Stückwerk eines von einander losge-
rissnen Vielerlei war kein Raum mehr zu einem ganzen Glau-

bensakt, der eine ungebrochne, unbegrenzte Völligkeit, eine

Totalität von Zuversicht in. sich trüge.

Man vergleiche damit denjenigen apostolischen Tropus, wel-


cher derSynagoge am nächsten steht, den Jakobusbrief. Jene
Rechnung der Synagoge, durch die sie sich aus den vielen
beobachteten Geboten eine Gerechtigkeit herausaddirt ,
ist ver-

sunken: das Gesetz ist eine Einheit, die in jedem Gebote ganz
gebrochen wird, so dass nicht Gesetzeserfüllung und Gesetzes-
übertretung neben einander im Leben Raum haben. Ihr Rechts-

begriff, der ein äusserlich bestimmbares Maass für das fromme


Handeln sucht, ist verschwunden: das königliche Gebot im
Gesetz, mit dem es erfüllt wird, ist das der Liebe; es

normirt also das Inwendige am Handeln, denn was nicht


aus der Liebe ist, ist Sünde. "Was die Synagoge Gottesdienst
hiess ,
ist gefallen , denn das Werk für den Bruder und das-

jenige für Gott sind bei Jakobus identisch und alle Gottes-

dienstlichkeit nicht dem Bruder die gute Gabe gewährt,


,
die

istSelbstbetrug. Der Intellektualismus der Synagoge, der dem

Studium der Lehre einen eignen unabhängigen Werth zuschreibt ,

ist negirt: Wissen, Glauben, Wirken sind eine untrennbare


Einheit, da jene nur dann Werth und Leben haben, wenn
sie mit dem Werk geeinigt sind ,
und ihr einiges Objekt ist der

einige Gott. Da ist die innere Einheit an allen Stellen, wo sie

die Synagoge verloren hat, gewonnen und damit die Fähigkeit


492 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

erlangt ,
einen geeinigten Willen in den Glaubensakt zu legen,
der ihn zum Gegensatz der Zerspaltung macht.

Deckt sich wie bei Paulus und Johannes das christliche In-
nenleben noch mehr ab als es bei Jakobus geschieht, so tritt

auch die machtvolle Einheit desselben um so deutlicher hervor.

Hier hat das geistige Leben unverkennbar, so reich es ist, ein

Centrum ,
aus dem es mit seiner ganzen Fülle ersteht und in
das es stetig vsdeder zurückkehrt, und dieser centrale Akt des-

selben ist ihr Glaubensakt. Aber auch da wo das logische


Element relativ unentfaltet ist wie bei Petrus, dessen Gedanke

der welche Vergan-


Mannigfaltigkeit der Erlebnisse zustrebt,
genheit, Gegenwart und Zukunft der Gemeinde füllen, fährt
Denken und Handeln keineswegs zersplittert auseinander. Stellt
Petrus auch die Pflicht der Gemeinde und ihren Besitz, ihr

Handeln und ihr Glauben ,


den Imperativ in Jesu Kreuz und
die Gabe in demselben ,
die Entsagung ,
zu der sein Tod auf-

ruft, und Freude, die seine Auferstehung gibt, neben ein-


die

ander, ohne sie weiter mit einander zu vermitteln in die Ein-


heit eines Begriffs, so schliessen sich doch alle Gaben und
Aufgaben der Gemeinde, mannigfach sie sind, in eine reale
so

Einheit zusammen, da alles was für sie geschah, durch sie

geschehen soll und an ihr geschehen wird, von Jesus ausgeht.


Und was ist diese allseitige Verknüpfung der gesammten Le-
bensführung mit Jesus anderes als der konstant festgehaltene

und in alle Verzweigungen des Handelns einströmende Glau-


bensakt?
Auf synagogalem Boden wird in den Glauben in allen Dar-

stellungen und Anpreisungen desselben ein Moment der Re-


flexion auf sich selbst eingemischt; es ist stets ein Lob und
Ruhm des Menschen gläubig zu sein. Sehr instruktiv ist in

dieser Hinsicht das Idealbild des Glaubens, welches Philo mit

Hülfe der Schrift entwirft, zu dem er bewundernd als zu einer

entlegnen Höhe der Lebenseutfaltung emporblickt, ja auf das


DAS VBRHÄLTNISS ZUE SYNA.GOGE. 493

er auch Gott mit Bewunderung herniedersehn lässt: Q-ott be-


wunderte den Glauben Abrahams Und doch ist der Glaube ! ,

so lange er Gegenstand der Bewunderung sein soll, nicht in's

Dasein getreten, noch auch nur möglich schon desshalb nicht, ,

weil Selbstbewunderung psychologisch unmöglich ist und der


Glaube wenn er unser eignes Verhalten geworden
, ist ,
uns eben
damit durchsichtig und begreiflich ist ,
noch mehr aber darum ,

weil im Glaubensakt Auge und Verlangen auf den gerichtet


sind, dem geglaubt wird auf sich selbst zurückgebogen wendet
;

er sich nicht mehr Gott zu und der Glaubensakt erlischt. Die

Synagoge kam in der Betrachtung des Glaubens nicht vom


menschlichen Subjekte los. Diese Reflexion des Glaubens
auf sich selbst ist im apostolischen Glaubensakt radikal getilgt.

Allerdings zeichnet uns Paulus das glaubende Verhalten Abra-


hams als eine heroische That ,
doch das Grosse in derselben
besteht ihm darin, dass er Gott Ehre gab, Rom. 4. Der He-
bräerbrief blickt auf die Geschichte Israels, wie sie aus dem
Glauben heraus wurde ,
mit dem Bewusstsein zurück ,
dass diese

Kette von Erlebnissen etwas unbeschreiblich Grosses und Be-

wunderungswürdiges sei Hebr. 1 1 doch so dass er jedem


, ,

Gliede der Gemeinde unterschiedslos denselben Weg anweist


und Glaubensübung zumuthet. Jakobus trägt das starke
dieselbe

Verlangen in sich, mehr zu haben als nur Glauben, und stellt


die intensivste Aeusserung der Gebetskraft unter den Gesichts-

punkt: Elias war ein Mensch wie wir, 5, 17, und für Paulus
Triumph den nur das Gesetz des Glaubens erreicht
besteht der , ,

während er dem Gesetz der Werke unmöglich ist, darin, dass


das Rühmen durch jenes ausgeschlossen ist, Rom. 3, 27. Ueberall

erscheint der Glaube als das nahe liegende , gegebene ,


der Ge-

meinde in ihrer Situation unumgängliche, so dass in seinem


Ausbleiben Sünde Schuld und Fall läge und nur die Glaubens-
,

übung die gerade, richtige Führung des Lebens ergibt, und


die tiefe Verwunderung, die ihn allerdings begleitet, haftet
494 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

nicht am Glauben selbst, sondern an Gottes That und Gabe,


die ihn begründet und ihm folgt.
Alle Grenzsteine ,
welche die synagogale Theologie dem Glau-
ben setzte, sind verschwunden. Wie kann, fragt Philo, der
Glaube unbegrenzt sein da unser Verstehen Gott gegenüber ein
,

begrenztes ist? Sind doch die Grenzen der Erkenntniss noth-

wendig auch solche des Glaubens! Auch dem apostolischen Ge-


danken ist das Erkennen nur Stückwerk, doch der Glaube
»bleibt". Er geht über alle Schranken des Yerstehens hinaus und
ersetzt dessen Mängel, denn er bejaht Gott nicht nur so weit
als er begreifbar ist und seine Güte nicht nur in dem Maasse
als sie uns durchsichtig wird, sondern den ganzen Gott in
seinem ganzen Werk, sei es begreifbar oder nicht, scheine es
Thorheit und Schwachheit oder Weisheit und Herrlichkeit,
führe es vorerst zum Tode oder Leben. Was von Gott in Christo

erkennbar ist ,
dient dem apostolischen Glaubensakt zu einer Pro-

lepsis, die alles was Gottes ist in Zeit und Ewigkeit umspannt.
Wie kann, argumentirt Philo weiter, der Glaube unbegrenzt
sein, da der nur göttlich bestimmt
menschliche Wille nie

werden kann, sondern den natürlichen Motiven unterworfen


bleibt ,
so dass er sich immer wieder von Gott abgezogen sieht ?
Auch hier geht der Glaubensakt der Gemeinde über denjenigen
Philo's hinaus; sagt sich dieser glaubend vom scheinweisen

Sophisten los, so kehrt sich diese glaubend auch vom schein-

heiligen Asceten ab. Gottes Macht und Gabe hat in der Natur

nicht ihre Grenze, also auch der Glaubensakt im natürli-

chen Bedürfen nicht seinen Gegensatz, er umfasst auch die-


ses Lebensgebiet und weiss sich nach Seele und Leib versorgt

in Gott.

Flieht der Ascet vor der mit dem Naturleben verflochtnen

Sündigkeit, so sind freilich Sünde und Glaube unvereinbar ,


aber

der Streit zwischen beiden endigt im apostolischen Kreise nicht


damit , dass der Glaube an der Sündigkeit dahinsänke ,
sondern
DAS VERHÄLTNISS ZUR SYNAGOGE. 495

damit, dass er an ihr sich neu entzündet und steigert, weil er

in ihr die Nothwendigkeit der göttlichen Hülfe immer neu er-


lebt. So steht dem Philonischen Schluss weil und so lange wir :

sündigen, können wir nicht glauben, apostolisch der andere


Schluss entgegen: weil wir Sünder sind, darum glauben
wir; jener ist ein Akt des Unglaubens, dieser selbst ein Q-lau-

bensakt.

Auf Synagoge liegt die siegreiche Obmacht Rom 's als


der
schwerer Druck und bricht ihr die Glaubenskraft. Die Gemeinde

trägt sie, ist ihr unterthan und weiss sich von ihr frei. Dort
steht die Esraprophetie ,
hier die Apocalypse ,
beide bis auf einen

gewissen Punkt mit einem identischen Gedankenkreis ,


denn beide
schauen das himmlische Jerusalem und vor demselben das Re-
giment des Thiers über die Erde, dort aber ist Klage und der
bange Zweifel: wer wird entrinnen? hier ein immer neu an-
hebendes Lob- und Siegeslied.
Der innere Grund zu Wandlungen liegt darin dass
all diesen ,

der Mittelbegriff zwischen Gott und Welt ein neuer geworden


ist. Die Passivität ,
in welche die synagogale Theologie Gott da-

mit versetzte ,
dass er ihr im Gesetzgeber und Richter aufging ,

ist verschwunden und an die Stelle des passiven trat der ge-

bende Gott, damit auch an die Stelle des unerreichbar verbor-

genen der sich offenbarende. Indem die Synagoge die Vermit-

telung zwischen Gott und der Welt im Gesetze suchte fand sie ,

sich gerade in ihrem Mittelbegriff, der die Beziehung Gottes und

des Menschen zu einander ausdrücken sollte, von Gott weg auf


sich selbst gewiesen; daher stammt jene konstante Reflexion

auf sich selbst, jene Begrenzungen des Glaubens die ihm innen ,

und aussen Schranken vom


setzten , jener Verlust der Einheit, der
Werk zum Glauben vom Glauben zum Werk vom einen Werk
, ,

zum andern vom einen Glauben zum andern flieht um das


, ,

eine am andern zu ergänzen ;


auf sich selbst verwiesen findet

der Mensch in sich nie ein absolutes, sondern stets nur ge-
496 DEB, GLA.UBB IM NEUEN TESTAMENT. KAP. S.II.

brochenes. Nun aber trat in die Mitte zwiscben Gott und den
Menscben der Christus ,
der zu diesem kömmt ,
für ihn stirbt

und lebt, und so über dem göttlichen Gebieten und Richten


einen neuen höhern Akt Gottes als das Oentrum seines Han-
delns sichtbar macht, sein Geben; damit war die fassbare Ba-

sis gegeben ,
wie sie der Glaubensakt zu seinem Entstehn bedarf,

aus der er Einheit und Totalität gewann.


Kein Wahrheitsmoment des synagogalen Begriffs ging der
Gemeinde verloren. So ernst als nur irgendwelche Schriftgelehr-

samkeit bejaht der apostolische Glaubensakt in allen seinen


Pormeu Gottes Kecht und das in ihm enthaltene Postulat an
den Menschen und das aus ihm sich ergebende Gericht über

ihn. Paulus ist Sünde todt wie Johannes glau-


glaubend für die ,

bend nicht sündigen kann; Jakobus schaut glaubend in das


vollkommene Gesetz hinein und wird dessen Thäter, und der
Hebräerbrief hat neben dem Glauben die durchdringende Furcht,
die auf die Weisung Christi noch ernster und eifriger hören
will als auf das Gesetz. Nirgends wird der Blick auf die gött-

liche Güte zur Auflösung oder auch nur Schwächung der abso-
luten Negation alles Bösen nirgends aber auch die unumwun-
,

dene Anerkennung des göttlichen Rechts wider den Sünder zur

Begrenzung und Schmälerung jener Gewissheit, die Gottes ver-


gebende und gebende Güte bejaht. Auch dieser Riss im Gedan-
ken der Synagoge —
und er ist vielleicht unter allen der
schlimmste —
wonach die Beobachtung des Gesetzes von der
Gnade und diese von jener dispensirt, ist geheilt und auch hier
ist Jesus der die Einheit vermittelnde, da er wie in seinem

Wort so auch in seiner Person lebend und sterbend der Welt Recht
und Güte Gottes als ein geeinigtes erwiesen hat.
Auch das Wahrheitsmoment in Philo's Stellung kömmt zu
seinem Rechte. Steht ihm der Glaube erst am Ende des from-

men Strebens als der Lohn und Siegespreis der sittlichen An-
strengung, so ist er auch dem apostolischen Kreise das Ergeh-
DIE GENESIS DES PAULINISMUS. 497

niss und Resultat aller Frömmigkeit. Für Jakobus wird er aus


den Werken vollendet ; aus der Liebe zum Liebt ,
welche die
Wahrheit thut und damit ihre Werke in Gott vollbringt, ent-
steht er nach Johannes, und auch bei Paulus fehlt das ent-

sprechende Moment nicht, da auch für ihn die Unfähigkeit für


Wahrheit und Glaube im Gehorsam gegen die Ungerechtigkeit

besteht. Allein die Folge hie von ist nicht die, dass er ihnen in
die Ferne träte als ein kaum erreichbares Ziel, zu dem es lan-

ger Vorbereitung bedarf; wir haben ihn, erklärt Jakobus, als


das nahe ,
in Herz und Mund lebendige Wort wie Paulus
, sagt.
Der Glaube ist ihnen ebenso sehr wie das Ende und Resultat,
der erste Anfang und die Wurzel aller Frömmigkeit tritt doch ,

mit Christus ein neuer schaffender Akt Gottes in 's menschliche


Leben ein ,
aus dem im Menschen, sei er wie er sei ,
Glaube mit
allen seinen reichen Folgen entstehen kann und soll.

Hat Jesus damit, dass er seiner irdischen Thätigkeit kein

greifbares ,
fixirtes Resultat gab und kein wahrnehmbares Pro-
dukt derselben in die Häude der Jünger legte, ihnen den Glau-

bensimperativ im umfassendsten Sinne gestellt, so bleibt der-


selbe doch nicht ein leeres blosses Postulat, sondern erhält
durch Jesu Lieben und Geben für die Seinigen Realität und
Kraft.

Fragen wir nach der Genesis des Paulinischen Glaubens so ,

sind wir schondarum weit über die Erörterungen und Kämpfe,


die sich um die praktischen Probleme der Heidenmission be-

wegten, hinausgewiesen, weil der Glaubensbegriff bei Pailus


nicht nur ein logisches Gebilde ist, das er als Postulat aus

irgend welchen Prämissen gewänne, nach dessen Anweisung er


sich nun in seiner Imagination ein gläubiges Verhalten vorstellte,

sondern derselbe ruht mit seinem ganzen Inhalt im Faktum sei-

ner eignen glaubenden Zuwendung zu Gott, deren unmittelba-


rer Reflex er ist. Es handelt sich bei Paulus nicht nur um die
genetische Erklärung eines Begriffs, sondern darum: wie kam
32
498 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

sein Glaube zu Stande? Das heisst: wir sind auf seine Bekeh-

rung gewiesen, auf deren Eigenart Paulus selbst seine Sonder-

stellung in der Gemeinde zurückgeleitet hat.


Mit durchdringender Gewalt zerbrach die Erscheinung Jesu
für Paulus all sein frommes Streben, indem sie ihn dessen

überführte, dass er doch gegen den Christus gekämpft hatte;


damit ihm jene scharfe Antithese, die seinem
entsprang in

Denken zu Grunde liegt und ihre Spitze wider den Menschen


kehrt, den sie mitsammt aller seiner Frömmigkeit und Gerech-
tigkeit als sündig verwirft. Nachdem seine ganze religiöse Ak-
tivität ihn nicht vor dem Ansturm gegen den bewahrt hatte,
der sich ihm doch als Christus erwies , ja mehr noch , nach-
dem gerade sein Dienst am Gesetz und sein Eifer für Gott

das Motiv gewesen waren, das ihn in diesen Kampf hinein

getrieben hatte, so war damit nicht nur das, was unfromm


an seinem Streben war, die Mängel desselben, sein Zurück-
bleiben hinter dem Gesetz in Schwäche und Ohnmacht, nein,
gerade seine Frömmigkeit und Gottesdienstlichkeit ,
die Kraft
und Energie, mit der er Gesetz gewiesnen Werke
die vom
vollbrachte, als Feindschaft gegen Gott aufgedeckt und gerich-
tet.Aeusserungen wie Gal. 1, 13 f. Phil, 3, 4 f. zeigen, dass
Paulus an dem gesteigerten Selbstbewusstsein das der Phari- ,

säismus aus der hingebenden Beobachtung des Gesetzes zog,


vollen Antheil hatte. Je intensiver aber seine Anstrengung
und je ungebrochner seine Zuversicht zu Gott
und sein Euhm
am Gesetz gewesen war, um so vernichtender war dieses Ge-
richt über seine ganze jüdische Frömmigkeit und um so voll-

ständiger und schärfer der Bruch in seinem Innern, als sein

Gesetzesdienst als Sünde und seine Schdftgelehrsamkeit als

Thorheit vor ihm stand. Darin lag die Nöthigung zu jenem


totalen Verzicht auf Gerechtigkeit, Werk, Gesetz, überhaupt
auf sich selbst, der seine Glaubensstellung charakterisirt. Doch
dieselbe Erscheinung Jesu, welche ihm seinen Gegensatz gegen
'

DIE GENESIS DES PAÜLINISMUS. 499

Gott in hüllenloser Klarheit sichtbar machte, zeigte ihm den-


selben völlig überwunden ,
da er ja mit ihr den Christus fand ,

nicht als Rächer seiner Feindschaft, sondern als den, der ihm
sein Reich öffnete und ihn in seinen Dienst berief, alles aber
ohne dass wirkend dabei betheiligt war, alles aus
er irgendwie

Gott, der ihm mitten in sein Widerstreben hinein durch einen


Akt rettender Barmherzigkeit seinen Sohn geoffenbart hatte,
so dass ihm nichts übrig blieb, als von sich selbst weg zu
sehn, und alles Vertrauen von sich abzuziehn und es an den
fest zu binden, der ihm rettend als der Auferstandene erschie-

nen war, mit jener in sich gewissen und geschlossnen Beja-


hung der vollbrachten göttlichen That, wie sie nun für immer
die Stärke des Paulinischen Glaubens gebildet hat. So hat jene

Wahrnehmung Jesu ,
die ihm alle am Gesetz erreichbare Weis-
heit und Gerechtigkeit und allen Ruhm des Judenthums aus-
löschte und doch zugleich den Christus und das Reich auf-

sehloss, unmittelbar den Kern des Römerbriefs aus sich heraus-

gesetzt.
Aus dieser Lebensgeschichte konnte nur die völlige Identifi-

cirung des Glaubens mit Christus folgen, die demselben unter


dem Gesetz keine Stelle Hess. Die Aussagen des Paulus über
das Gesetz berühren sich enge mit rein jüdischen Aeusserungen
und diess zeigt, dass er schon als Pharisäer in ähnlicher Weise

das Gesetz betrachtete, nämlich als den grossen Imperativ


Gottes, der nichts als Gebot ist und nur den Menschen in
seiner eignen Kraft wirken heisst, so dass dieser, wenn er

dasselbe erfüllt, das Gabe der Gnade, sondern


Reich nicht als

aus der Hand der vergeltenden Gerechtigkeit empfängt. Zu

einer solchen Stellung war die Lage in welche Paulus durch ,

die Erscheinung Jesu versetzt war, der totale Gegensatz. Ohne


dass irgend ein Imperativ an ihn gerichtet wird, vielmehr im
selben Moment, wo er sein ganzes Werk göttlich vernichtet

und gerichtet sieht ,


erlebt er einen Akt der Gnade ,
der das
500 BEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

höchste Ziel seines HoflFens und Wirkens ,


den Christus und
das Reich, zu seinem Eigenthum machte, so dass er es nur

zu bejahen hat. Das war für ihn


Neues, so »geglaubt" ein

hatte er noch nie; von hier aus gesehn war seine frühere Le-

bensperiode, ja überhaupt Israels Leben glaubensleer; Werke,


l*DtD ?n3li^ ,
füllten sie aus ,
aber Glaube ,
dieses Vermögen ,

die göttliche Gabe als eine gegebene hinzunehmen, das war


erst von dem Tage an, da er Christus sah, sein innerer

Besitz ^).

Indem Paulas bei seinem Kampf gegen Jesus Tora Pharisäis-


mus ausgieng, bildete das Gesetz das Maass, an dem er Jesu

Messianität prüfte, wobei in allen Erwägungen, ob Jesus der


Christus sei, das Kreuz im Vordergrunde stehen musste. Es
traten also schon im vorchristlichen Denken des Paulus Ge-
setz und Kreuz zu einer scharfen Antithese gegen einander, so

gewiss er für das Gesetz gegen den Gekreuzigten eiferte. Zu


diesem Gegensatze zwischen beiden führte die anklagende Be-

deutung des Kreuzes, welche es zur Offenbarung der Sünde


macht. Diese trat ihm auch im Zeugniss der ürgemeinde zu-
nächst entgegen, die ihm »das Wort vom Kreuze" als Buss-
ruf an Israel nahe brachte, welches den Heiligen und Gerech-
ten sich zur Schuld verworfen, und getödtet habe ^).
Wir wer-
den uns vorzustellen haben, dass Paulus diesen Gegensatz tief

erfasste und sich hell zum Bewusstsein brachte, dass, wenn


wirklich der Christus am Kreuze von Israel verworfen endigte,

1) Hat der synagogale Werlcbegriff zutiäclist das glaubende Verhalten absorbirt, so


wird er durch die Bekehrung des Paulus selbst dazu mitwirksam, dass der Glaube
in's Centrum der christlichen Predigt trat, eine jener Wendungen der Geschichte,
die billig an Rom. 11, 33 erinnern.

2) Die Stellung des Paulus war der Ürgemeinde gegenüber etwas Neues, doch so
dass diese durch ihre Busspredigt zur Genesis derselben kausal wird ;
hierin wird auch
der Einfluss des Stephanus auf Paulus zumeist zu suchen sein. Ein Urtheil wie Act.
7 ,
52 öffnete die Augen über den Gegensatz zwischen dem Kreuz und dem Gesetz.
DTE GENESIS DBS PAULINISMUS. 501

in der That Merin die völlige Yerurtheilung Israels liege, der

Thatbeweis für seine Ungerechtigkeit mitten in seinem G-eset-

zesdienst, so dass ihm das Aergerniss des Kreuzes nicht nur

darin lag, dass es alle Eeichsherrlichkeit des Christus vermis-


sen Hess, sondern zumeist auch darin, dass es dem heiligen
Volke Gottes alle Heiligkeit nahm und seine Gesetzeserfüllung

als nichtig erwies und so schliesslich dem Gesetze selbst die

Fähigkeit bestritt , Gerechtigkeit zu wirken ^).


Wenn Paulus

später die lebendige Empfindung in sich trug, dass jedes Hin-


ausgreifen über Christus diesem den Vorwurf mache, dass er

der Sünde diene, und daraus für seinen Glaubensakt dessen


Völligkeit und Zartheit gewann, Gal. 2, 17, so dürfte auch
hierin ein tief reichendes biographisches Moment enthalten sein.
Entweder diente Jesus der Sünde ,
oder wir dienen ihr ,
in die-

ses Dilemma fasst sich seine vorchristliche Stellung, wobei das-


selbe dadurch seine Schärfe empfieng, dass er nicht nur die

Frömmigkeit andrer Leute, sondern auch seine eigne Gesetzes-


treuedem Kreuze entgegenstellen konnte, für deren Lauterkeit

1) Lässt man Paulus von einem angeblichen Gegensatz zwischen der sühnenden
Bedeutung des Kreuzes und dem Gesetz ausgehen, so macht man einen schlechten ,

ethisch korrupten Gedanken zum Centrum seiner Lebensgeschichte; denn der Ge-
danke, dass die Vergebung die verpflichtende Kraft des Gebots auflöse, ist schlecht.
Auch das Gesetz bot für begangene Uebertretung Sühne dar, so dass dass Kreuz als
allerhöchste Sühne neben das Gesetz und seine Forderung treten konnte, ohne dass
sich ein zwischen beiden ergab, wie auch die Urgemeinde die im Tode
Gegensatz
Jesu Vergebung pries, ohne dass ihr darob das göttliche Gebot fraglich
enthaltene
wurde. Die Unmittelbarkeit, mit der Paulus später Gnade und Recht als einig denkt ,
so dass das Evangelium ohne weiteres als Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes
er
definirenkann, womit ihm die Gnade nicht ausgeschlossen, vielmehr in ihrer höch-
sten Erweisung eingeschlossen ist, zeigt, dass er keinen Widerstreit zwischen Gnade
und Gebot in Gott kennt; wäre diess das treibende Motiv gewesen, so würden wir
in seiner chi'istlichen Stellung eine Vertnittelung zwischen beidem erhalten. Die Frage
war nicht kann Gott vergeben neben dem Gesetz? sondern die: brauchen wir,
die:

die dem Gesetz treuen, eine solche Vergebung, wie sie das Kreuz in sich schliesst?

sind wir in solchem Maasse sündig, wie es das Kreuz voraussetzt? Und dieser Ge-

danke, Israel sei zu fromm, als dass es den Christus kreuzigen könnte, war zwar
blind, doch nicht schlecht.
502 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

und Ernst sein Gewissen ihm aucli noch in seiner christlichen


Zeit Zeugniss gab, als er sich mit so durchdringender Schärfe
heurtheilte. Auch sein eigener Gottesdienstwar nichtig, wenn
wirklich der Christus am Kreuze gestorben war und wie konnte ,

er werthlos sein, da er ja Dienst des göttlichen Gesetzes war?


Doch alle solche Erwägungen, wir mögen sie uns noch so
entfaltet denken, endigten nur in einer Frage: gesetzt er wäre
der Christus, so kömmt die Gerechtigkeit nicht durch das Ge-
setz, eine Frage, die er sich verneinte, so gewiss als er der

Yerfolger war, bis ihm das Faktum der Messianität Jesu vor
Augen stand und die Frage, wer der Diener der Sünde gewe-
sen sei ,
dahin beantwortete ,
dass er selbst mit seinem Dienst

am Gesetz nicht Gott sondern der Sünde gedient hatte. Nun


war aber auch zur Erkenntniss der sühnenden Bedeutung des
Todes Jesu in ihm Raum gemacht, und in dasselbe Kreuz,

gegen das sich zunächst sein Unglaube kehrt, senkt sich nun
sein ganzer Glaubensakt hinein.

In dieser durchgreifenden Abhängigkeit seines Gedankens


von der Wendung, welche sein Lebensgang durch die Erschei-

nung Jesu nahm, erweist sich der Paulinische Glaubensbegriff

als Jesu eignes Werk.

Gleichzeitig setzt die Kongruenz desselben mit der individu-


ellen Lebensgeschichte des Apostels hell in's Licht, wie sehr
derselbe sein persönliches Eigenthum ist ,
nicht ßepetition einer

Formel, die ihn von aussen her normirte, sondern die von in-
nen heraus erwachsene Gestalt seines eigensten geistigen Lebens,
sein freies Produkt.

Darum ojäenbart sein Glaubensakt zugleich mit der Grösse


der Barmherzigkeit Christi den Adel und die Lauterkeit seiner

eigenen Persönlichkeit. Indem Paulus keine Entschuldigung der


Sünde suchte ,
weder so ,
dass er das Gesetz anklagte als die

Ursache seines Falls und aus einem Verfolger Jesu ein Hasser
und Verfolger des Gesetzes wurde, noch so, dass er in der
DIE GENESIS DBS PAÜ LINISMUS. 503

empfangnen Grnade irgend welche Erlaubniss zur Sünde sah,


indem er vielmehr das Gesetz ohne Hinterhalt bejahte sich
seihst zur Verurtheilung und die Gnade als absolut ergriff zur

Zusammenfassung aller seiner Kräfte in den Dienst der Gerech-

tigkeit, so manifestirt sich an diesem geradlinigen, von allen,

krummen Winkelzügen freien Verlauf seines Glaubens der sitt-

liche Werth seines Yerhaltens sowohl in seiner christlichen als

jüdischen Zeit. Das war der Ertrag und Lohn der Aufrichtig-
keit und Entschiedenheit, mit der er als Pharisäer dem Gesetz ,

als Ohrist Jesu diente, so dass er auch damit, wenn er Gottes


Grundgesetz dahin definirt: ewiges Leben jedem, der mit Be-

harrung im guten Werk Herrlichkeit sucht ,


Rom. 2,7, das
Resultat seiner eignen Lebensführung zum Ausdruck bringt.
Darum besteht in Paulus durch den Glaubensakt ein drei-
faches Selbstbewusstsein in einander : das sein ganzes Handeln
umfassende Bewusstsein seiner Sündigkeit ,
ein gutes Gewissen ,

dass sich nichts vorzuwerfen hat, sondern der Normalität sei-

nes Verhaltens sich bewusst ist, vgl. 1 Kor. 4, 2 ff. 1 Tim.


1 ,
12 ,
und beides begründend und einigend das Bewusstsein
der durch göttliches Vergeben und Geben ihm verliehenen Ge-
rechtigkeit ').

Die von Jesus ausgehende Wirkung erschöpft sich in dieser


einen Gestaltung des Glaubens nicht. Neben Paulus steht Ja-

kobus mit einem geistigen Eigenthum, das jenem gegenüber


durchaus original ist.

Schon die Formation ihres Erkennens ist bei beiden sehr ver-

schieden. Charakteristisch ist in dieser Hinsicht, wie beide

1) Ich gestehe gerne, dass mir diese dreigeeinte Gestalt des Selbsthewusstseins

etwas undefinirbares , im höchsten Sinne wunderbares in sich hat. Uebrigens ist nicht

unwichtig, dass der Lebensgang des Paulus, so sehr er ein Dokument der dem Sün-
der sich zuwendenden Barmherzigkeit Gottes ist nichts weniger als eine Legitimirang
,

sittlicher Nachlässigkeit darstellt, vielmehr zugleich aufs hellste zeigt, wie reich sich

jede sittliche Anstrengung lohnt. So erweist sich nicht nur im Begriff, sondern auch
im Erlebniss des Apostels Recht und Gnade geeint.
504 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

den Ruhm am Gesetz beseitigen, Paulus dadurch, dass er die

Erfahrung und Geschichte analysirt und die gesetzliche Leis-


tung, wie sie thatsächlich
vorliegt, einer Prüfung unterstellt,
während Jakobus, 2, 10, auf den Gottesgedanken zurückgeht
und den Ruhm am Gesetz an der Einheit Gottes scheitern lässt.
Da ist eine grosse Synthese vollzogen ,
die zur einzigen üebertre-

tung in raschem Durchblick die ganze Summe der in ihr enthal-


tenen Wirkung hinzufügt und sie bis dahin hinausbegleitet, wo
sie ganzen Gesetzes ergibt, weil sie den
sich als Negation des

Widerstreit gegen den einigen Gott in sich schliesst. Während


Paulus der Sündigkeit des Menschen genetisch in der Entfal-

tung der Persönlichkeit und psychologisch in der Zerspaltenheit


der Innern Kräfte nachgeht, vgl. Rom. 7, 7 ff., fixirt Jako-
bus ,
vor der Frage stehend ,
wie der sündige Akt entsteht ,
1 ,

14 f., rasch den Punkt, in welchem er beginnt : nicht in Gott ,

sondern in der eignen Begier ,


und nun ,
nachdem so das Prin-

cip der ganzen Erscheinung bezeichnet ist, verfolgt er es sofort


vorwärts in seiner Wirkung bis zum letzten Resultat. Beide

beschäftigen sich mit der immer wiederkehrenden Schwierigkeit


des Gemeindelebens, dem Richten der Brüder über einander,
aber während Paulus bei solchem Anlass auf's genaueste in die
konkreten Verhältnisse eingeht und die Motive auseinanderlegt,
welche das Urtheil bestimmen müssen, fragt Jakobus, 4, 11,
nach der Tragweite solchen Richtens; wie weit reichen seine

Folgen? trifft es nur den Bruder? vielmehr auch das Gesetz,


aus dem heraus der Bruder handelte ,
es erweist sich somit als

eine Preisgabe der normalen Stellung zum Gesetze, das nicht


beurtheilt ,
sondern gethan sein will und es fällt schliesslich
,

auch das Richten an der Einzigkeit Gottes, kraft deren nur


einer Gesetzgeber und Richter ist. Jakobus und Paulus unter-
scheiden sehr analog eine doppelte Weisheit , diejenige der Welt
und diejenige Gottes. Paulus erörtert Wesen und Ursprung der
Weisheit von oben ,
1 Kor. 1 und 2 ,
Jakobus schaut auf ihre
JAKOBÜS UND PAULUS. 505

Wirkungen, 3, 15 f., denn diese ergeben die Grenze welche die ,

obere von der irdischen Weisheit scheidet. So blickt er überall mit


eilendem Gedanken vom Princip hinaus auf sein Resultat; von
derWurzel zur Frucht, vom Grund zur Folge, das ist die
Richtung seines Denkens, er sucht das Ganze und fügt darum
zum ursächlichen Moment sofort seine Wirkungen hinzu zar
Einheit eines vollendeten Seins.
Wie wenig erfahren wir überhaupt aus dem Jakobusbriefe
über die Genesis der Gemeinde! Und doch beschäftigt er sich
ausschliesslich mit dem Gemeindeleben und hat in ihm seinen

einzigen Gegenstand. Er beginnt mit der Anfechtung, die so

tief in die Gemeinde eingriff, es folgt das ihr gepredigte Wort


und das rechte Hören desselben, die CJeberwindung der socia-
len Unterschiede in der Gemeinde, der Ruhm der Gläubigkeit

und ihr Einfluss auf die Willigkeit zum Werk, die Begierde

zu lehren, überhaupt die Rede mit dem unsäglichen Schaden,


den sie fort und fort im menschlichen Verkehre stiftet, die

Weisheit und ihr Werth für die Gemeinschaft, Krieg und


Streit in derselben und ihre üeberwindung ,
die üeberhebung
über den Bruder ,
die Fürbitte und ihre Kraft u. s. f., alle diese

Erörterungen beziehn sich auf Verhältnisse, wie sie sich aus


dem Zusammenleben der Gemeindeglieder ergaben ; überall spricht

der erfahrne Gemeindeleiter ,


dessen Interesse auf die ungestörte

Erhaltung und fruchtbare Entfaltung des Gemeindelebens zielt ^).

Aber auf Ursprung und Bildung der Gemeinde geht er nicht

ein, er schaut nicht auf den Weg zurück, den sie hinter sich

hat ,
und auf die Weise ,
wie sie geworden ist ,
sondern er fasst
sie in ihrem gegebnen Bestände und weist ihr von dem Punkt

1) Auch der Jakobustrief ist nicht eine theologische Dissertation, sondern ein
Brief, d. h. er verfolgt einen konkreten Zweck, nämlich den, die Diasporagemeinden
in der richtigen Tülirung des Gcmeindelebens zu unterstützen. Diess ist bei der Ver-

gleichung mit Paulus nicht zu übersehn; wir haben von Jakobus keine Darstellung,
die sich über die Gründung und das Werden der Gemeinde ausspricht.
506 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

aus ,
auf dem sie steht ,
den Weg vorwärts zu ihrem Ziel. Sein
Denken bethätigt sich nicht in der Rückschau, die das Gege-
bene zergliedert auf seinen Ursprung hin sondern im Yor- ,

blick, der es zu seinem völligen Bestände weiterführt und in


diese Bahn will er auch die Aufmerksamkeit der Gemeinde lei-

ten. Wie ganz anders Paulus ! er verfolgt die Aufgaben der


Gemeinde stets bis in den Ursprung ihrer Christenstellung zu-
rück. Von Christus und vom Geiste aus empfangen alle ein-

zelnen Weisungen ihre Begründung und Beleuchtung und der


Blick haftet unverwandt an der Wurzel, aus der die Gemeinde
mit allem ihrem geistigen Besitz erwuchs und aus der sie alle

Gestaltung und Regelung ihres Lebens zu schöpfen hat.


Der durchschneidende Bruch im Leben des Paulus gab sei-
nem Denken diese Gestalt. Er ging aus seinem Judenthum
gänzlich arm hervor, wie aller Gerechtigkeit, so auch aller

Kenntniss Gottes baar; er musste neu anheben und sich die

Basis erst suchen und erkennend erschliessen ,


auf der er neu

stehen konnte. Kein Lehrgesetz bestimmte ihm hiebei den Weg ;

er hatteden Herrn gesehen aber nicht Begriff Lehre Schrift , , ,

von ihm empfangen die Offenbarung Jesu die den Schöp-


5 ,

fungsmoment für sein christliches Leben bildete, war That,


nicht Wort. Als er in die Gemeinde kam, fand er es nicht

anders; sie hatte von Jesus ebensowenig eine Lehrvorschrift

empfangen als er selbst, sondern war von ihm auf den That-
bestand seines Lebens und Wirkens verwiesen als auf den
Grund ,
aus dem sich ihr Vertrauen zu ihm zu erzeugen hat ,

wobei als das Hauptmoment in demselben diess hervortrat, dass

sie ihn den Auferstandenen gesehn hatten. Eben hier ent-


als

springt auch der Glaube des Paulus; er hatte den Gekreuzigten


als Herrn der Herrlichkeit gesehn. Damit war ihm die That
Gottes gegeben ,
die er als die Basis seiner neuen Existenz er-

fasst. Sich erkennend aufzuschliessen ,


was Jesu Tod und Auf-

erstehung ist ,
zu ermessen ,
was in ihnen als Gabe und Wir-
JAKOBUS UND PAULUS. 507

kung Gottes beschlossen liegt, das ist das Ziel seines Erkerinens
und darob wird er zum gewaltigen Analytiker.
Der Jakobusbrief gieng nicht durch einen solchen Brach hin-
durch. Er trägt das geistige Besitzthum der Synagoge in sich ,

zu dem nun Jesu Wort und Yerherrlichung hinzutritt ,


dem
vorhandnen Eigenthum zur Reinigung, Erfüllung und Yollen-

dung. Darum schaut er zu Gott auf als dem längst geoffen-


barten und gekannten, und ist bestrebt allen neuen Besitz an

ihn anzuschliessen ,
damit das alte Eigenthum nun zu seiner

Fülle und Kraft ausgestaltet und der gegebene Grund mit sei-
nem Resultat zusammengefasst werde zur Einheit eines unver-
kürzten ,
lebensvollen Ganzen. So wird die Grundrichtung sei-

nes Denkens Synthesis.


Für die Gestaltung des Glaubensbegriffs ist schon dieses lo-

gische Moment keineswegs bedeutungslos. Richtet sich die Be-

trachtung auf die Principienund Ursprünge der christlichen


Stellung, so steht der Glaube schon logisch im Centrum der-

selben ,
da er den Werdemoment bildet ,
in welchem der einzelne
wie die Gemeinde ihre christliche Existenz erlangten. Auf die

Frage: wie kömmt der Mensch zu Gott? war die Antwort;


durch Glauben und nur durch ihn. In einem synthetisch auf
die Endergebnisse des christlichen Verhaltens gerichteten Ge-
dankengang gestaltet sich das Verhältniss der Begriffe wesent-
lich anders ;
er hat im Glauben nicht mehr seinen Mittelpunkt ,

sondern eine Durchgangsstufe, da die Beziehung zu Gott im


Glauben nicht ihre Vollendung sondern ihre Begründung hat.
Auf die Frage was soll der welcher Gott kennt ? ist die Ant-
:
,

wort :
glauben ,
doch nicht nur glauben ,
er soll an's Werk ,

und je kräftiger der Gedanke zum Ganzen und Vollendeten vor-


wärts strebt, um so rascher wird er sich durch den Glauben

hindurch bewegen zum Werk.


In der Gedankenbewegung des Paulus hebt sich im Glauben
selbst der Werdenioment desselben zuerst heraus ;
er deckt'; des-
508 DEE GLAUBE IM NBUETST TESTAMENT. KAP. XII.

sen Genesis ab und analysirt die Yerliältnisse ,


aus denen nichts
anderes als der Griaubensakt folgen kann und muss, und diese

Motivirung des Glaubens bildet einen wesentlichen Theil seiner


Lehrarbeit. Jakobus reflektirt in seinem Briefe nirgends aus-
drücklich auf Motiv und Grund des Glaubens; ihn beschäftigt
die andere Frage ,
nicht wie die Gemeinde den Glauben erlangt ,

sondern wie sie ihn hat. Das Interesse seines Gedankengangs


ist auf Folge und Wirkung des Glaubens gerichtet ,
er möchte

zeigen, nicht wie begründet er ist, sonderm wie er zu seinem


Ziel gelangt und Errettung bringt.
Die logische Linie des Paulus führt für den Glaubensinhalt
auf göttliches Handeln hin, da durch göttliches Wirken glau-
bender Anschluss des Menschen an Gott zu Stande kömmt ;
die

Thaten Gottes, die gebend in 's menschliche Leben hineinwir-


ken ,
hebt Paulus heraus und explicirt sie nach der in ihnen
beschlossnen Fülle. Darum definirt er den Glaubensinhalt so:

glauben, dass Jesus auferstand, oder an den rechtfertigenden


Gott. Jakobus gibt dem Glauben das zum Inhalt, was Gottes
und Jesu Wesen als bleibenden Charakter in sich hat: Gottes

Einzigkeit, Jesu Herrlichkeit. Seine Definition hebt nicht her-

aus, was geschah, sondern das was ist. Zwischen dem irdi-

schen Leben Jesu und seiner Herrlichkeit liegt selbstverständ-

hch auch ihm die Auferstehung, doch er erwähnt sie nicht.


Er erinnert nicht an den Akt der Verherrlichung Jesu; die
Gemeinde halte in ihrem Denken und Handeln das fest, was

als das Resultat seiner Auferstehung Jesu bleibende Lebensge-

stalt geworden ist.


Schon dieses logische Moment bedingt weiter, dass für Paulus
die Beziehung des Glaubens zu Jesus das Centrum seines Ge-

dankens bildet; denn er fasst ihn in seinem Emporsteigen zu

Gott, das er von Christus aus gewinnt, au dem er entsteht.


Jakobus nimmt Grund und Resultat der gesammten göttlichen

Offenbarung in die Einzigkeit Gottes zusammen. Dass Jesus


JAKOBÜS UND PAULUS. 509

kömrat, lehrt, stirbt, anfersteilt, Herrlichkeit hat, wieder-


kömmt: Kraft und Grund zu all dem ist der einige Gott, und
Ziel und Resultat von all dem besteht darin, dass Gott nun

für die Gemeinde Gott sei, ihr offenbar in seiner Gottesma-

jestät als der einige, so dass sich wie für die Synagoge so
auch für sie der Glaube in dem Wort aussprechen lässt: wir

glauben an den einigen Gott.


Noch stärker als die differirende Formation der erkennenden

Thätigkeit wirkt ein ethisches Moment auf die Verschiedenheit


der Lehrform ein, von dem auch jene zum Theil abhängig ist.

Die ganze Antithese zwischen Gesetz und Werk einerseits ,

Christus und Glaube andrerseits ist Jakobus fremd. An dem


was bei Paulus die negative Seite am Glaubensakt bildet, am
Einblick in den eignen Tod und in die Fleischlichkeit unsres
Begehrens, die alle eigene Gerechtigkeit verunmöglicht, am
Yerzicht auf sich selbst, haftet der Gedanke des Briefs nicht.

,Der Mensch wende sich der Güte Gottes zu ,


die ihm in guten
und vollkommenen Gaben entgegenkömmt. Darum richtet er
sich auch sofort hin zum Gesetz, das nicht nach seiner verur-

theilenden Kraft, sondern in seiner zur Liebe weisenden und


darum in die Freiheit führenden Heilsamkeit betrachtet wird.

An die Tragweite der Sünde, auch derjenigen, welche die Ge-


meinde ignorirt, z. B. 2, 1 ff., wird nur darum erinnert damit ,

sie sich ihrer Aufgabe, der Erfüllung des Gesetzes,


positiven
mit ganzer Energie zuwende. Dieselbe Absicht beseelt den Ge-
danken auch dann, wenn das Wohlgefallen an den vielen ge-
haltnen Geboten zerschlagen wird; die Gesetzeserfüllung soll

nicht als Absolution für irgend eine tJebertretung dienen ,

darum wird die Gemeinde daran erinnert, dass mit dem einen
Gebot das ganze Gesetz gebrochen ist. Die Absicht geht auch
hier nicht auf Lösung vom Gesetz ,
vielmehr auf völlige Bin-

dung an dasselbe.
Die Differenz in der Form des Gewissens, die hier zu Tage
510 DER GLAUBE IM NEüElSf TESTAMENT. KAP. XII.

tritt, bezieht sich nicht auf die Schärfe, mit der Gottes Recht

und Grebot empfunden und der Gemeinde vorgehalten wird ;

denn auch nach dem Urtheil des Jakobus hat sich die Ge-
meinde vor Gott rund und ganz als schuldig zu bekennen, da
sie beständig das ganze Gesetz übertritt und jeder zum Sünder
wird an dem Kanon ,
dass demjenigen ,
welcher weiss Gutes zu
thun und es nicht thut, diess Sünde ist, 4, 17. Allein neben
dieser Verurtheilung der Gemeinde steht unmittelbar die Ge-

wissheit, dass sie in der Auswahl und Freundschaft Gottes


steht, im Werk der Liebe die Menge der Sünden bedecken
und Rechtfertigung mit dem Kranz des Lebens empfangen wird.
Jedes dieser beiden ürtheile tritt auf als in sich selbst gewiss
und fest, ohne dass ein Bindeglied zwischen ihnen gezeigt
würde. Die Willigkeit Gottes zu vergeben ist der göttlich ge-

legte Grund, auf dem die Gemeinde steht und den sie glau-
bend festzuhalten hat, so dass ihr Yerhältniss zu ihm durch
das, was in ihrem Verhalten der Yerurtheilung unterliegt»
nicht erschüttert wird und ihre ganze Aufmerksamkeit sofort
und ausschliesslich auf das Thun des Guten hingewandt sein

darf. In Paulus traten durch die Weise seiner Bekehrung die

beiden Glieder jenes Doppelurtheils mit solcher Kraft wider


einander ,
dass er sie mit einander vermitteln und in ihre Einheit

verknüpfen muss durch die Entfaltung dessen ,


was Jesu Kreuz
in sich schliesst. Er kömmt nicht unmittelbar vom Sündigen
zum guten Werk ,
vom Bruch des Gesetzes zu seiner Erfüllung ;

er gelangt auch zu diesem Ziel, aber nur durch einen Verzicht

hindurch, der zunächst allem entsagt, um alles von Christus


aus zu empfangen. Darum haftet er mit seinem ganzen Denken
an Jesu Kreuz ,
durch welches ihm die Verurtheilung der Fluch ,

und Tod, den er in sich trägt, in Leben, Rechtfertigung und


Segnung Gottes umgewandelt ist; der Jakobusbrief erwähnt

dagegen Jesu Sterben nicht. Hier ist aber zugleich die Stelle,
an welcher der Glaube seine unvergleichliche Bedeutsamkeit für
JAKOBUS UND PAULUS. Sil

ihn gewinnt, da er subjektiv die Synthese für jenen Gegensatz

ist, der üebergang aus der Verurtheikmg in die Versöhnung,

die Geburt des Lebens im Todten desshalb ist der Glaube sein ,

alleiniges Gut.
Es musste sich folgerichtig in beiden Männern auch Art und
Ziel ihres christlichen Strebens Terschieden gestalten. Paulus
hat als .unschätzbaren Gewinn durch seinen Lebensgang diess

empfangen, dass ihm die Gabe Gottes, welche Jesus der irdi-
schen Gegenwart des Menschen vermittelt, sichtbar, werthvoll
und gross geworden ist, ohne dass er sich von der Zukunft
löst ,
in der auch er lebt ,
doch auf Grund dessen ,
was Gott
für ihn vollbracht hat und in ihm vollbringt. Damit dass er in

den erschienenen Christus erkennend hineinblickt, wird der


Glaube sich selbst nach Grund, Inhalt und Folge durchsichtig
und zum Bewusstsein gebracht um sein Wesen und seine Kraft.
Da kann jenes Gefühl, welches Jakobus ausspricht, dass doch
der Glaube als blosse Innerlichkeit und Rede noch etwas ge-
ringes sei, nicht die Grundstimmung sein, da Hochzeitsleute
nicht fasten können, wenn der Bräutigam bei ihnen ist, son-
dern hier hat die entgegengesetzte Empfindung ihre Stelle dass ,

der Glaube eine unvergleichliche "Würde besitzt, weil er die

Wahrheit, Gerechtigkeit und Gnade Gottes bejaht, und einen


unschätzbaren Werth in sich hat, da er das ganze Elend der
menschlichen Lebensverderbniss versinken macht. Hier wird der
Glaube als ein Evangelium verkündigt, suay^sKi^scrSrixi r-/iv

7ri(TTiv Gal. 1 ,
23.

Der Zielgedanke ,
den Jakobus der Gemeinde vorhält ,
heisst :

Vollendung, tIksiov, ein ganzes Wesen. Derselbe war im mes-


sianischen Begriff unmittelbar enthalten, da der Christus die

vollendete Weltgestalt schafft. Er weist in die Zukunft und


dort wurzelt der Brief mit seinem ganzen Denken und Trachten,

so dass ihm die Gegenwart nur Rüst- und Wartezeit ist. Darum
eilt sein Denken zu den grossen Synthesen, in rascher Zusam-
512 DEE GLAUBE IM NETJBN TESTAMENT. KAP. XII.

menscliau den Endresultaten des Geschehens zu, darum trachtet


sein ethisches Streben ohne Zergliederung der alten Sündigkeit
mit ungetheilter Energie der positiven Erfüllung des Gesetzes
nach : die ganze Person ist nach vorn gewandt der Zukunft zu.

Die Folge dieser Stellung ist die energische Unterordnung des

Innenlehens unter das Werk ,


die alles hlosse Hören Erkennen,
,

Reden bekämpft, da ja nicht Erkenntniss, sondern That


Rüstung auf das Reich ist. Wie bedeckt bleiben nicht nur die

vergangenen Ereignisse, welche die Gemeinde gründeten, auch


nicht nur die gegenwärtigen Beziehungen Gottes und Jesu zu

ihr, nein, auch die Zukunft, so sehr der Brief in ihr lebt,

überhaupt die ganze Sphäre des göttlichen Seins und Handelns.


Jakobus kennt sehr wohl ein Innewirken göttlicher Kräfte und
Güter in der Gemeinde, da ja Gottes Wille den Glaubenden
erwählt und durch sein Wort zum Erstling seiner Schöpfungen

geboren hat, da er ihm mit errettender Kraft das Wort ein-


pflanzte, da er ihm von oben her Weisheit gibt zu sittlicher

Bestimmung seines Wollens und Handelns da er den Geist in ,

ihm wohnen lässt, der die Freundschaft Gottes begründet und


diejenige der Welt aufhebt, und wenn das zerstörende Wort
von der Hölle aus in Brand gesetzt ist, so fehlt es auch dem

Worte des Glaubens, das Gott preist und die Herrlichkeit

Christi bekennt, und dem Worte der Liebe, das den Bruder
segnet, nicht an einem metaphysischen Hintergrund, aber Ja-

kobus lässt ihn bedeckt. Mit ehrfurchtsvollem Schweigen schaut


er zum einigen Gott und verherrlichten Jesus empor, nicht als

müsste er sie erst suchen als die unbekannten, doch gerade


weil er im gekannten Gotte ruht, setzt Aufgabe und
er die

das Ziel seines Lehrworts nicht in die Mehrung der Erkennt-


niss in den Einblick in die Beziehung Gottes zum Glaubenden,
,

da das Bedürfniss der Gemeinde nicht in der Sphäre des Wis-


sens liegt, wohl aber im Werk, welches dem ihr geschenkten
Wissen Wahrhaftigkeit und Fruchtbarkeit verleiht. Die Vollen-
JAKOBtJS UND PAULUS. 513

dung der Erkenntniss wird ihr kommen, wenn der Christus

kömmt, doch jetzt ist derselbe noch verhorgen und das Reich
noch bedeckt und Gottes grosse Thaten noch nicht geschehn,
ohne dass sie Jakobus in Lehre und Begriff antecipirt. Mit der

Bedeckung der göttlichen Dinge tritt aber auch der Glaubens-


akt still und verborgen in's Innenleben zurück und sein Werth
stellt sich im Ganzen dieses realistischen Lehrgangs anders als

bei Paulus dar: »nur" Glaube! sagt Jakobus, 2, 24, wie


wenig ist das noch! denn es ist noch nicht das Völlige, noch
nicht das erreichte Ziel. Aber gerade in diesem Schweigen und
in dieser Unterordnung des Gedankens unter das Werk ist ein

kraftvoller Glaubensakt enthalten, der auf Beweisführungen,

begrijffliche Erklärung und anschauliche Darstellung der Herr-


lichkeit Jesu und seiner Zukunft verzichten kann, weil er
ihrer gewiss ist und gesammte Handeln
diess so, dass sich das

auf jenes Ziel hinlenkt. Diese Zurückhaltung des Gedankens

der göttlichen Sphäre gegenüber ist doch nur die negative


Seite seines Glaubens. Jeder Glaubensakt hat ein repulsives
Moment ,
seinen ihm korrespondirenden Unglauben in sich ,
wie

umgekehrt jeder Unglaube seinen Glauben, da der Wille in


eine neue Verbindung nur durch Lösung aus den ihr entgegen-
stehenden Verbänden tritt. Der Unglaube des Jakobusbriefs

gegen all das


richtet sich ,
was der Mensch sein Wissen Hören,
,

Lehren, Glauben heisst.


Wir dürfen in ähnlicher Weise wie für Paulus so auch für
Jakobus den Versuch wagen, seinen Gedanken aus dem Ver-
lauf seiner Lebensgeschichte heraus genetisch zu rekonstruiren ,

da uns immerhin einige bedeutsame Daten aus derselben gege-


ben sind. Er war Jesu Bruder, stand während der Zeit seines
messianischen Wirkens in innerem Gegensatz zu ihm, sah den
Auferstandenen und blieb nun zeitlebens in Jerusalem als das
Centrum der jüdischen Gemeinde. Diese Daten gehen mit sei-
nem Brief zu einem Ganzen zusammen und machen die Gene-
33
514 DEE GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Xll.

sis desselben vorstellbar. Sie beleucliteii zunächst seine gescHos-

sene Koncentration, die sich nur in einer Richtung bewegt mit

energischer Abwehr alles dessen, was diesem einen Streben


hemmend entgegentritt, worin Jakobus eine starke Yerwandt-
schaffc mit Paulus zeigt. Neben diese geistige Aehnlichkeit tritt

nun, begründend und erklärend, der parallele Verlauf ihres


sie

Lebens. Dasselbe zerfällt auch für Jakobus in zwei gegensätz-


liche Hälften, da auch für ihn der Glaube erst einer Periode

des Unglaubens folgte, wobei der Wendepunkt für beide der


Anblick des Auferstandnen war. Die Folge war eine analoge
wie bei Paulus, nämlich die starke Entfaltung eines negativen
Moments in seinem Glaubensakt, der sich mit innerer Nöthi-

gung gegen dasjenige Verhalten kehrt woraus der frühere Un-


,

glaube entsprang, und das von sich abhält und ausschliesst ,

was die einstige Versündigung bildete und den Gegensatz gegen


Jesus begründete^). Dieser bewegte sich aber bei Jakobus um ein
anderes Objekt als bei Paulus; während bei diesem das Gesetz
das Kampfesobjekt bildete , lag dieses bei Jakobus im christologi-
schen Begriff, und diess bedingt auch die Richtung, in der
sein Glaubensakt sich abschliesst und repellirend wirksam wird.
An der Differenz zwischen Jesu Verhalten und seinen eignen

christologischen Postulaten hatte sich sein Anstoss an ihm und


die Glaubensverweigerung entzündet, die sich in einer zweifeln-

1) Man wird nicht einwenden, dass damit die Sünde zu einem konstitutiven Fak-
tor der apostolischen Lehrhildungen gemacht sei; denn nicht als fortbestehende son-
dern als aufgehohene und vergebene hat sie diese Bedeutung, wogegen sich nur ein
illusorischer Begriff der göttlichen Vergebung sträuben kann, als bestünde sie darin
die Sünde folgenlos zu machen. In diesem Sinne wird nichts Geschehenes ungeschehen
gemacht, wohl aber besteht die Vergebung darin, dass ihre Polgen zum Guten ge-
wandt werden und der Schaden in Gewinn umgesetzt wird. Nicht die individuelle

Eigenart der apostolischen Tropen weist an sich schon auf das sündliche Moment im
Leben der apostolischen Mäuner hin, da der Begriff des Individuellen den des Sünd-
lichen nicht einschliesst ,
wohl aber diess, dass die Individualität auch in ihnen noch
kein Ganzes ist, sondern Lücken hat, die der Ergänzung au einander bedürfen. Ohne
dasselbe würde Eph. 4, 13 nicht auch für den apostolischen Kreis ein Ziel nennen,
das dieser erst zu suchen hatte.
JAKOBÜS UND PAULUS. 515

den , unzufriednen Kritik äusserte , vgl. Joh. 7 , 2 fi. ,


welche
von Jesus Grösseres, Macht, Herrlichkeit, Offenbarung forderte ,

bis die Auferstehung dieselbe niederschlug. An ihr sah er, dass

er selbst, nicht Jesus, in einer irre greifenden Ekstase befan-

gen war, vgl. Mrk. 3, 21. Stand er zunächst als der Wissende
Jesus gegenüber, der den Ansprach erhob, ihm zu rathen und
Weg und Ziel der Messianität zu weisen, so ist er nun der
Nichtwissende, der still und gebeugt vor Gott und Christus
als der Sphäre des Geheimnisses steht, die er nicht in seinen

Begriff fasst , noch seinem Urtheil unterwirft. Aus seiner nahen


brüderlichen Beziehung zu Jesus hatte er einst die Fähigkeit
abgeleitet, ihn zu beurtheilen, und den Anspruch, dass sein
Gedanke für ihn Bedeutung und Gewicht haben müsse; nun
trat ihm der Bruder in die Stellung des Herrn und er in die-
jenige des Knechts, der lediglich darauf bedacht ist, das Ge-
bot seines Herrn zu thun. Nachdem er sich an der Verborgen-
heit Jesu gestossen und schliesslich erlebt hatte ,
dass er gerade so

der Erbe der Herrlichkeit wurde , bejaht er ihn nun als den Ver-

borgenen und schweigt im Bewusstsein dass er Jesu so nahe stand,

und ihn so wohl gekannt, und doch nicht erkannt hatte, son-
dern die Nichtigkeit und Unzulänglichkeit seiner Begriffe Jesu

gegenüber handgreiflich erlebt hatte und es mit Augen sah wie ,

die Paradoxie des göttlichen Handelns sie über den Haufen warf.
Nicht als ob er auf Gedanke und Erkenntniss verzichtete, aber
er wendet nun seine Kritik, die er einst gegen Jesus kehrte,
dem Menschen zu, damit dieser sich selbst beurtheilen lerne;

hat er es doch erlebt, wie » man sich selbst täuscht und wenn ,

man seine Zunge nicht zügelt, sein Herz betrügt!" Sein Lehr-

wort wird zum Spiegel, darin der Mensch sein eigenes Ange-
sicht beschauen soll, und zwar so, dass er nicht mehr ver-

gesse, wie er gestaltet ist, 1, 23.


Damit war die Paulinische Formel: allein aus Glauben, so

wenig sie ihm unverständlich sein musste, doch nicht das


516 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAJ. Xll.

seinem Innenleben konforme Gefäss; denn diese setzt die ent-

gegengesetzte Riclitung des Denkens voraus, die »mit aufge-


decktem Angesicht die Herrliclikeit Christi in sich spiegelt",
2 Kor. 3, 18. und Kraft besteht darin, dass
Ihre Wahrheit
Paulus Glaube und Gabe zusammenschaut und den Glauben nie
nur als menschliches Verhalten denkt, sondern stets als über
das Ich hinausreichenden, in Gott hineinlangenden Akt, also
nie ohne Hinzunahme Christi, seines Todes und Lebens und
Geistes nie ohne Hinzunahme Gottes und seiner Gnade, die
j

dem Glauben gebend entspricht. Darum ist der Glaube in sich

selbst ein Ganzes, weil mit ihm das ganze Wirken Christi und
damit der ganze Inhalt der göttlichen Gnade Eigenthum des
Menschen geworden ist, so dass auch seine sittliche Neuge-
staltung in ihm enthalten ist, nicht als Wirkung des psychi-

schen Mechanismus oder menschlicher Willenskraft, sondern


weil Gott und Christus nicht nur als Vorstellung den Inhalt
des Glaubens bilden, sondern für und in dem Glaubenden
wirksam werden als die von der Sünde erlösenden. So wie aber
am Glauben nur das in Betracht kömmt, wonach er Akt des

Menschen ist — und diese Zuwendung zum Menschen, die an


ihn die Frage stellt, wie er sein Verhältniss zu Gott auffasst
und gestalten will, charakterisirt den Jakobusbrief — ist die

Paulinische Formel eine Unmöglichkeit, denn der Verband mit


Gott ist zerrissen, wenn ihm der Mensch das Werk versagt.
Die Wendung, die in das Leben des Jakobus fällt, griff

lange nicht so tief , wie der Bruch ,


den Paulus in sich erlebte.

So wie sich der Kampf um das Gesetz drehte, stand sofort

alles auf dem Spiel, nicht nur die Dogmatik sondern auch die
Ethik bis zum letzten sittlichen Begriff hinaus, während bei
Jakobus der Kampf und damit auch der Bruch in die intellek-

tuelle Sphäre fällt und nicht ausschliesst ,


dass beide Perioden

seines Lebens durch einen grossen gemeinsamen religiösen Be-


sitz verbunden sind der von jenem Bruch unberührt und uner-
,
JAKOBIJS UND PAULUS. 517

seMttert bleibt. Zu dem was er von Hause aus als jädische


Frömmigkeit besass, trat Jesus in keinen Gegensatz, das
sab er vielmehr durcb ihn bestätigt, gepflegt und genährt,
und was ihn zum Widerspruch gegen Jesus trieb ,
das erwies
sich auch am Maass seiner
jüdischen Frömmigkeit gemessen
als unfromm. Es war Selbstüberhebung, Einbildung, die zu
verstehen und lehren zu können meinte, während sie von
Gottes Gedanken nichts begriff, ün Willigkeit das Wort Jesu
nicht bloss zu hören, sondern auch zu thun, Leidensscheu
die nicht den Weg Abrahams
gehen mochte, der Gott seinen
Sohn zum Opfer gab: das alles richtete schon das Gesetz. Die
Wendung, die im Glauben an Jesus für ihn enthalten ist,
bringt darum Frömmigkeit nicht Aufhebung,
seiner jüdischen

sondern Reinigung, damit aber Schärfung und Bekräftigung.


Sie befreit jenes Verlangen nach Wirkung, Kraft und Realität,

aus dem heraus er Jesus zuruft: lass deine Werke sehen! Job.

7, 3, vongegen Gott gekehrten Spitze, ertödtet es


seiner

aber nicht, sondern gibt ihm nur die richtige Direktion; nun
ruft er diess sich selbst und der Gemeinde zu, denn hier ist

die Stelle, wo das Werk ausbleibt. Darum bleibt seine Fröm-


migkeit eine kontinuirliche , wie denn die Betonung des Werks ,

die Verhüllung Gottes ,


die Reduktion des Lehrworts auf den

Imperativ ,
der dem Menschen seinen Weg normirt ,
in völliger

Identität mit hervorstechenden Charakterzügen der synagogalen


Theologie stehn. Diese Kontinuität seines innern Lebens setzt
sich in seiner von ihm unermüdlich festgehaltnen Arbeit in
Jerusalem fort und auch diese ist für die Gestaltung seines
Gedankengangs nicht bedeutungslos.
Auf heidnischem Boden war die Lehrarbeit als ein neuer An-
fang stets darauf gewiesen, den Werdemoment der Christen-

stellung an's Licht zu ziehn, wodurch sich das Lehrziel nach


1 Kor. 3, 5 bestimmte: Diener, durch welche ihr gläubig ge-
worden seid. Zugleich trat hier der Unterschied zwischen der
514 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Xll.

sis desselben vorstellbar. Sie beleuchten zunächst seine geschlos-

sene Koncentration, die sich nur in einer Richtung bewegt mit

energischer Abwehr alles dessen, was diesem einen Streben


hemmend entgegentritt, woriu Jakobus eine starke Verwandt-
schaft mit Paulus zeigt. Neben diese geistige Aehnlichkeit tritt

nun, sie begründend und erklärend, der parallele Verlauf ihres


Lebens. Dasselbe zerfällt auch für Jakobus in zwei gegensätz-
liche Hälften, da auch für ihn der Glaube erst einer Periode

des Unglaubens folgte, wobei der Wendepunkt für beide der


Anblick des Auferstandnen war. Die Folge war eine analoge
wie bei Paulus, nämlich die starke Entfaltung eines negativen
Moments in seinem Glaubensakt, der sich mit innerer Nöthi-

gung gegen dasjenige Verhalten kehrt , woraus der frühere Un-


glaube entsprang, und das von sich abhält und ausschliesst ,

was die einstige Versündigung bildete und den Gegensatz gegen


Jesus begründete ^).
Dieser bewegte sich aber bei Jakobus um ein
anderes Objekt als bei Paulus; während bei diesem das Gesetz
das Kampfesobjekt bildete , lag dieses bei Jakobus im christologi-
schen Begriff, und diess bedingt auch die Richtung, in der
sein Glaubensakt sich abschliesst und repellirend wirksam wird.
An der Differenz zwischen Jesu Yerhalten und seinen eignen

christologischen Postulaten hatte sich sein Anstoss an ihm und


die Glaubensverweigerung entzündet , die sich in einer zweifeln-

1) Man wird nicht einwenden, dass damit die Sünde zu einem konstitutiven Fak-
tor der Lehrbildungen gemacht sei; denn nicht als fortbestehende son-
apo9toli«chen
dern als aufgehobene und vergebene hat sie diese Bedeutung, wogegen sich nur ein
illusorischer Begriff der göttlichen Vergebung sträuben kann, als bestünde sie darin

die Sünde folgenlos zu machen. In diesem Sinne wird nichts Geschehenes ungeschehen
gemacht, wohl aber besteht die Vergebung darin, dass ihre Folgen zum Guten ge-
wandt werden und der Schaden in Gewinn umgesetzt wird. Nicht die individuelle
Eigenart der apostolischen Tropen weist an sich schon auf das sündliche Moment im
Leben der apostolischen Männer hin, da der Begriff des Individuellen den des Sünd-
lichen nicht einschlicsst, wohl aber diess, dass die Individualität auch in ihnen noch
kein Ganzes ist, sondern Lücken hat, die der Ergänzung au einander bedürfen. Ohne
dasselbe würde Eph, 4, 13 nicht auch für den apostolischen Kreis ein Ziel nennen,

das dieser erst zu suchen hatte.


JAKOBUS UND PAULUS. 515

den , unzufriednen Kritik äusserte , vgl. Joh. 7 , 2 ff . ,


welche
von Jesus Grösseres, Macht, Herrlichkeit, Offenbarung forderte ,

bis die Auferstehung dieselbe niederschlug. An ihr sah er, dass

er selbst, nicht Jesus, in einer irre greifenden Ekstase befan-

gen war , vgl. Mrk. 3 ,


21. Stand er zunächst als der Wissende
Jesus gegenüber, der den Ansprach erhob, ihm zu rathen und
Weg und Ziel der Messianität zu weisen, so ist er nun der
Nichtwissende, der still und gebeugt vor Grott und Christus
als der Sphäre des Geheimnisses steht, die er nicht in seinen

Begriff fasst ,
noch seinem Urtheil unterwirft. Aus seiner nahen
brüderlichen Beziehung zu Jesus hatte er einst die Fähigkeit
abgeleitet, ihn zu beurtheilen, und den Anspruch, dass sein
Gedanke für ihn Bedeutung und Gewicht haben müsse; nun
trat ihm der Bruder in die Stellung des Herrn und er in die-

jenige des Knechts, der lediglich darauf bedacht ist, das Ge-
bot seines Herrn zu thun. Nachdem er sich an der Verborgen-
heit Jesu gestossen und schliesslich erlebt hatte , dass er gerade so

der Erbe der Herrlichkeit wurde , bejaht er ihn nun als den Ver-

borgenen und schweigt im Bewusstsein dass er Jesu so nahe stand ,

und ihn so wohl gekannt, und doch nicht erkannt hatte, son-
dern die Nichtigkeit und Unzulänglichkeit seiner Begriffe Jesu

gegenüber handgreiflich erlebt hatte und es mit Augen sah wie ,

die Paradoxie des göttlichen Handelns sie über den Haufen warf.
Nicht als ob er auf Gedanke und Erkenntniss verzichtete, aber
er wendet nun seine Kritik, die er einst gegen Jesus kehrte,
dem Menschen zu, damit dieser sich selbst beurtheilen lerne;

hat er es doch erlebt, wie » man sich selbst täuscht und ,


wenn
man seine Zunge nicht zügelt, seia Herz betrügt!" Sein Lehr-
wort wird zum Spiegel, darin der Mensch sein eigenes Ange-
sicht beschauen soll und zwar so dass er nicht mehr ver-
, ,

gesse ,
wie er gestaltet ist ,
1 ,
23.

Damit war die Paulinische Formel: allein aus Glauben, so

wenig sie ihm unverständlich sein musste, doch nicht das


516 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. Xll.

seinem Innenleben konforme Gefäss; denn diese setzt die ent-

gegengesetzte Richtung des Denkens voraus, die »mit aufge-


decktem Angesiclit die Herrliclikeit Christi in sich, spiegelt",
2 Kor. 3, 18. Ihre Wahrheit und Kraft besteht darin, dass
Paulus Glaube und Gabe zusammenschaut und den Glauben nie
nur als menschliches Verhalten denkt, sondern stets als über
das Ich hinausreichenden, in Gott hineinlangenden Akt, also
nie ohne Hinzunahme Christi, seines Todes und Lebens und
Geistes, nie ohne Hinzunahme Gottes und seiner Gnade, die
dem Glauben gebend entspricht. Darum ist der Glaube in sich
selbst ein Ganzes , weil mit ihm das ganze Wirken Christi und
damit der ganze Inhalt der göttlichen Gnade Eigenthum des

Menschen geworden ist, so dass auch seine sittliche Neuge-


staltung in ihm enthalten ist, nicht als Wirkung des psychi-

schen Mechanismus oder menschlicher Willenskraft, sondern


weil Gott und Christus nicht nur als Vorstellung den Inhalt
des Glaubens bilden, sondern für und in dem Glaubenden
wirksam werden als die von der Sünde erlösenden. So wie aber
am Glauben nur das in Betracht kömmt, wonach er Akt des

Menschen ist — und diese Zuwendung zum Menschen, die an


ihn die Frage stellt, wie er sein Verhältniss zu Gott auffasst
und gestalten will, charakterisirt den Jakobusbrief — ist die

Paulinische Formel eine Unmöglichkeit, denn der Verband mit

Gott ist zerrissen, wenn ihm der Mensch das Werk versagt.
Die Wendung, die in das Leben des Jakobus fällt, griff

lange nicht so tief, wie der Bruch, den Paulus in sich erlebte.
So wie sich der Kampf um das Gesetz drehte, stand sofort

alles auf dem Spiel, nicht nur die Dogmatik sondern auch die
Ethik bis zum letzten sittlichen Begriff hinaus, während bei
Jakobus der Kampf und damit auch der Bruch in die intellek-
tuelle Sphäre fällt und nicht ausschliesst dass beide Perioden ,

seines Lebens durch einen grossen gemeinsamen religiösen Be-


sitz verbunden sind der von jenem Bruch unberührt und uner-
,
JAKOBUS UND PAULUS. 517

schüttert bleibt. Zu dem was er von Hause aus als jüdische


Frömmigkeit besass, trat Jesus in keinen Gegensatz, das
sali er vielmehr durch ihn bestätigt, gepflegt und genährt,
und was ihn zum Widerspruch gegen Jesus trieb das erwies ,

sichauch am Maass seiner jüdischen Frömmigkeit gemessen


als unfromm. Es war Selbstüberhebung, Einbildung, die zu
verstehen und lehren zu können meinte, während sie von
Gottes Gedanken nichts begriff, ün Willigkeit das Wort Jesu
nicht bloss zu hören, sondern auch zu thun, Leidensscheu
die nicht den Weg Abrahams gehen mochte, der Gott seinen
Sohn zum Opfer gab: das alles richtete schon das Gesetz. Die
Wendung, die im Glauben an Jesus für ihn enthalten ist,
bringt darum Frömmigkeit nicht Aufhebung,
seiner jüdischen

sondern Reinigung, damit aber Schärfung und Bekräftigung.


Sie befreit jenes Verlangen nach Wirkung, Kraft und Realität,

aus dem heraus er Jesus zuruft: lass deine Werke sehen! Joh.

7, 3, von gegen Gott gekehrten Spitze, ertödtet es


seiner

aber nicht, sondern gibt ihm nur die richtige Direktion; nun
ruft er diess sich selbst und der Gemeinde zu, denn hier ist

die Stelle, wo das Werk ausbleibt. Darum bleibt seine Fröm-


migkeit eine kontinuirliche ,
wie denn die Betonung des Werks ,

die Verhüllung Gottes ,


die Reduktion des Lehrworts auf den

Imperativ, der dem Menschen seinen Weg normirt, in völliger


Identität mit hervorstechenden Charakterzügen der synagogalen
Theologie stehn. Diese Kontinuität seines Innern Lebens setzt

sich in seiner von ihm unermüdlich festgehaltnen Arbeit in


Jerusalem fort und auch diese ist für die Gestaltung seines
Gedankengangs nicht bedeutungslos.
Auf heidnischem Boden war die Lehrarbeit als ein neuer An-
fang stets darauf gewiesen, den Werdemoment der Christen-

stellung an's Licht zu ziehn, wodurch sich das Lehrziel nach


1 Kor. 3, 5 bestimmte: Diener, durch welche ihr gläubig ge-

worden seid. Zugleich trat hier der Unterschied zwischen der


518 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XH.

Gegenwart und Vergangenheit scharf hervor Gesetz und Chris- ,

tus, Werk und Glaube scheiden sich und Glaube allein wird
der Charakter derjenigen Gemeinde, die aus den Heiden um
den Christus sich sammelte. Für Jakobus, der in der jüdischen
und zudem schon organisirten Gemeinde die den Glauben ,

»hat", steht, kann nicht 1 Kor, 3,5 den Dienst nennen, den
er ihr leisten kann, wohl aber bedarf sie der Anleitung zum
völligen Werk und damit zum fruchtbaren Besitz ihres Glau-
bens. Dabei war der Synagoge gegenüber die christliche Pre-

digt Fortbildung des schon vorhandnen geistigen Eigenthums


und dieser Gemeinbesitz musste dem Israeliten wichtig und
theuer sein, so
wenig er sich desshalb die Kluft, welche die

Synagoge von ihm schied, verbergen musste. Jakobus hat ein


scharfes Bewusstsein um diesen Gegensatz. Wer den Armen

missachtet, während ihn Gott erwählt hat, ist des Gesetzes


schuldig; wie viel mehr ist der ein Uebertreter des Gesetzes,
der ihn verfolgt und zwar nur darum, weil der herrliche
Christusname über ihm genannt ist? Jene Geringschätzung
des Armen ist das Gegentheil des Glaubens, aber was thutder,

der ihn hasst und drückt, und nicht bloss ihn, sondern auch
den Christus selbst lästert? Sie »sagen, sie haben Glauben",
machen aber dadurch dass sie Jesus verwerfen und seine Ge-
meinde ausstossen ,
ihr Bekenntniss zu Gott zur Lüge und ihren
Gesetzesdienst zur üebertretung. Gerade dadurch dass Jakobus
die Identität des Glaubens und des Gesetzes für Israel und die

Gemeinde betont ,
auch den Gegensatz gegen dasjenige
spricht er
Israel ,
das Christus verwirft aufs schärfste aus. Erst in der Ge-
,

meinde Christi ist der Glaube an Gott und der Gehorsam gegen sein

Gesetz Wahrheit ,
sie erst sind die zwölf Stämme die heilige Ge-
,

meinde, das wahrhafte Israel, 1 1. Würde Jakobus gegen die Sy-


nagoge polemisiren ,
so wäre sein Urtheil : Heuchelei uTroxpiTxl ,
!

wie es ja diese jüdischen Männer gewesen sind, denen die


richtenden Worte Jesu über die Synagoge unvergesslich blieben
JAKOBUS UND PAULUS. 519

und die sie forterhalten haben mit einer so bewunderungs-

würdigen Schärfe. Das alles schloss aber nicht aus, dass es

dem Jerusalemiten ein Lebensinteresse blieb, das einigende


Band zwischen Gesetz und Christus, Israel und der Gemeinde
zu betonen und auch hier eine Synthese zu voUziehn, die mit
Freuden durch Christus Israels Bekenntniss zur Wahrheit und
Israels Gesetz zur Erfüllung gebracht sieht ,
so dass ihm der
Unterschied zwischen einst und jetzt nicht nur im Glauben
besteht, sondern vielmehr darin, dass jetzt zu dem was Israel

wusste, hoffte, glaubte und nur als Wort und Lehre besass,
die Erfüllung, das Faktum, die Realität gekommen ist, und
auch aus solchen Motiven heraus ist iür Jakobus das Grund-
wort der neuen Zeit nicht Glaube sondern Werk.
Jakobus hat aus seiner frühern Zeit noch einen Besitz mit

hinübergenommen, den Paulus nicht in dieser Weise besass:


Jesu Wort, zu dessen ersten und nächsten Hörern Jakobus

gehört. Nicht als wäre der PauHnische Gedanke neben Jesu


Wort eine andere Lehre, entsteht er doch aus einem an
Jesus hingegebnen Glauben. Die Erkenntniss und das Ge-
ständniss der Hülflosigkeit erwächst in Paulus dm'chaus urwüch-

sig und ist nichts weniger als Anlehnung an eine tradirte

Formel, und doch nur die Bejahung des ürtheils Jesu über
die menschliche Sündigkeit. Das Paulinische : ich gelüstete ,
also

bin ich todt, Rom. 7, 7 f., und das Ürtheil Jesu: du zürnst,
also bist du des Gerichts schuldig, Mt. 5, 22, sind einander

parallel, so dass sich im negativen Moment des Paulinischen

Glaubens der Bussruf Jesu fortsetzt, nicht nur als Imperativ


sondern als eigne Willensstellung des Glaubenden. Ebenso ori-

ginal äussert sich in Paulus der Ruhm und Jubel des Glaubens
und er hat Gottes Gabe zum Theil mit neuen Begriffen genannt
zum kräftigen Ausdruck ihres universellen und gegenwärtigen
Inhalts. Doch schliesst das vom Könige, der mit
Gleichniss

seinen Knechten rechnete, vom Mahle, zu dem von der Gasse


520 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

geladen wird, vom verlornen Sohn u. s. f. den Menschen eben


so absolut in Gottes die Sünde annullirende Grnade ein, als
wenn Paulus sagt: wir wurden aus Glauben gerechtfertigt.

Verlangt Jesus eine unbedingte, über die Zerspaltung empor-


gehobne Zuversicht, so erfüllt die Stellung, welche Paulus der
Gemeinde anweist, diesen Anspruch, sie hat alle Begrenzung
und Bedingtheit von sich abgestreift und weiss alle Störungen
im Verhältniss zu Gott beseitigt und die Totalität seiner Gaben
sich Und wenn Jesus zugleich für den Menschen
geschenkt.
das gerechte und gütige Werk fordert so hat Paulus alle Fülle ,

und Kraft des Glaubens dazu verwandt, im guten Werk Jesu


wohlgefällig zu sein, worin vollends das Siegel liegt, dass sich
sein Glaube in Jesu Bahn bewegt. Aber das Band, das ihn in
derselben hält, ist nicht die Tradition der Worte Jesu. Er
stand auf dem ,
was er selbst gesehn hat , auf der Erhöhung
des Gekreuzigten, in ihr hat sein Denken sein objektives Mo-
ment, das sich Licht gebend und empfangend mit seinem

Lebensgang zusammenschliesst. Darum ist die Identität seines


Worts mit Jesu Wort nicht die der Kopie mit ihrem Original,
nicht einmal die der freien, selbst genialen Reproduktion,
sondern jener Einheit des Typus vergleichbar, die dem Knaben
und dem Manne die Identität derselben Persönlichkeit gewährt.

Nicht äusserlich sondern innerheh begründet lässt sie darum


seinem Wort ungeschmälert die Eigenschaft, der neue Erwerb
seiner eignen Lebensarbeit zu sein, den niemand im Apostel-
kreise in derselben Weise besitzt wie er. Auch nach dieser Seite

fällt für Paulus die Beziehung zu Jesus ausschliesslich in den


Glaubensakt.
Der Jakobusbrief zeigt nicht nur konstant Anklänge an ein-
zelne Sentenzen Jesu ,
sondern bleibt auch in seiner gesammten

Haltung nach Inhalt und Form der Lehrthätigkeit Jesu eng


angeschlossen. Ihr entnimmt er sein Material, nicht in histori-
schem Citat, sondern als selbständige Reproduktion desselben
JAKOBÜS UND PAULUS. 521

für die gegeawärtigen Bedürfnisse der Gemeinde. Damit ist


erklärt, wie so Jakobus von der Verurtheilung der Sünde
unmittelbar in die Gewissheit der Rechtfertigung übergehen
kann: das Bindeglied ist Jesu Wort, das zugleich das Gesetz
als unantastbaren Willen Gottes handhabte und an ihm alles
Böse richtete, und zugleich eine Gnade bethätigte, die dem
Glaubenden alles gab. Darum hält auch Jakobus der Gemeinde
beides neben einander vor: einmal dass sie durch das Gesetz

gerichtet werden wird und sodann dass sie die im Glauben


von Gott erwählten Erben des Reiches sind, ohne dass er
eine andere Begründung beider Sätze bedarf als den Blick auf

Jesus, der so sprach und handelte. Damit ist auch der ganze
ethische Realismus dieses Lehrgangs vollends in seinem Grunde
aufgedeckt. Man denke au eine Scene wie die: »wer sind
meine Brüder? die, welche den Willen meines Vaters thun!"
Hätte sie nicht in den Betheiligten nachhaltig fortgewirkt, so

wüssten wir nichts von ihr und sie stünde nicht in den Evan-

gelien. Sie mag zunächst in Jakobus einer bittern Reaktion

gerufen haben, nun aber war diese überwunden und nun

bejaht er es: ja, die welche den Willen Gottes thunl Die

Unterordnung alles Wissens und Redens unter das Werk, das


Geheimniss, das über den göttlichen Dingen bleibt, die Be-

deckung des Christus in Verborgenheit, die Abwendung der

Begriffe von der Erklärung des göttlichen Handelns und ihre


Koncentration auf die Beleuchtung des menschlichen Thuns,
die Gründung der Lebensarbeit auf die Zukunft, die Abzwec-

kung des Werkes Christi auf die Erfüllung des Gesetzes, die

Summation desselben in der Liebe, die absolute Schätzung


derselben, so dass in ihr der wahrhaftige Gottesdienst und die

Gesetzeserfüllung besteht, die Gewährung der Reichs-


völlige

verheissung an jede Liebesübung Verneinung jeden Ruhms


,
die

der Jüngerschaft und des Glaubens ohne Werk, die Bedingt-


heit des Glaubens durch die Busse, die Lösung im Glauben
522 DER GLAUBE TM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

von den natürliclien Gütern ,


seine schrankenlose Gebetsfreudig-

keit; in alle diese Stellungen wies ihn unmittelbar Jesu Wort.


Der Antrieb, der für ihn im Glauben liegt, geht darauf, das,
was er an Worten Jesu in sich hat, zu fassen und in die von
ihnen vorgezeichneten Maasse sich und die Gemeinde hinein-
zustellen. Er sucht nicht vom Worte Jesu aus ein neues er-
kennend zu gewinnen; das Wort der Wahrheit ist gepflanzt;
Jesus hat diess volbracht; was ihm selbst nun noch obliegt,
das ist der Ruf zum Werk.
Durch seinen engen Anschluss an Jesu Wort erweist sich

der Glaube des Jakobus ebenso wie derjenige des Paulus als
Jesu Werk.
Die gleichzeitige Wahrheit beider Formeln kann nur dann

paradox scheinen, wenn der Kreislauf des Lebens unbegriffen


bleibt, der sich konstant durch Eeception und Aktion, Vertie-

fung und Erhöhung, Descendenz und Ascendenz, Entäusserung


und Yerselbstigung hindurch bewegt und immer aus der einen
Richtung in die andre wiederkehrt und soll er normal bleiben , ,

wiederkehren muss ').


Keines der beiden Momente kann sich

vom andern lösen und gegen dasselbe isoliren, ohne dass es

selbst mitsammt der ganzen Lebensbewegung zerfällt und


schlecht wird. Eine Beugung vor Gott, die nicht zugleich

Aufrichtung der Person zu kräftigem Lebensbestande ist, ist

1) Die standhafte Behauptung der Kirche, dass sich Jakob us und Paulus nicht
widersprechen, besteht ohne alle logische Hexerei und Taschenspielerei. Logische Pa-
rallelen treten überall da auf, wo eine Zweiheit von Paktoren zu einem einheitlichen

Process an einander gebunden sind. Seimus quia facimus und facimus quia scimus ist

gleichzeitig wahr; der Wille setzt den Grund und der Grund den Willen, beides
gilt; ohne Gedanke kein Wort und ohne Wort kein Denken, ohne Form kein Stoff
und ohne Stoff keine Porra etc. Auch Seite 348 trat eine solche Doppelformel hervor :

ohne Geist kein Glaube und ohne Glaube kein Geist. Der Widerspruch ergibt sich

jeweilen daraus, dass wir das Simultane in Succession auflösen müssen, üebrigens war
die moderne Betonung des Widerspruchs zum Theil nur die Reaktion gegen das

unbefugte Postulat des altern Protestantismus, der von Jakobus absolut Paulinisches
forderte, so augenscheinlich er anderes als Paulus sagt, wenn auch nicht sich

gegenseitig auflösendes.
JAKOBTTS TJND PAULITS. 523

ebenso schlecht als die Selbstüberhebung, die sich vor Gott


nicht beugen mag , sondern auf sich selber stehen will ;
eine

Entäusserung an Gott, die sich nicht sofort selbst wieder ge-


winnt, ist abnorm wie eine Verselbstigung die sich nicht las- ,

sen und geben mag ; empfangen wollen nur um zu empfangen ,

ist erfolglos wie jedes wirken wollen , das sieh gegen die Gabe
verschliesst. Die eine und erste Bewegung des Lebens ist der
Glaube als der Akt der Unterwerfung, Hingabe und Entäusse-

rung, welcher Grund und Gesetz des Lebens aus uns selbst
hinaus in Gott hinein verlegt, ein unumgängliches, weil Gott
den Menschen nicht von sich scheidet, sondern ihm den Le-
bensgrund und das Lebensgesetz in ihm gegeben hat, selbst

auch nicht nur ein anfängliches, sondern ebenso sehr ein ab-

schliessendes, in das sich alle Aktivität mit ihrem gesammten

Ertrag immer wieder zu vollenden hat. Indem aber die Unter-


werfung unter Gott angesichts seiner Güte den Charakter des
Vertrauens hat weist sie selbst schon darauf hin dass ihr Re-
, ,

sultat nicht Knechtung und Verarmung ist, sondern als die

sich selbst erniedrigenden werden wir erhöht und als die sich

hingebenden befreit und als die nicht aus und für sich selbst

wirkenden zum Wirken befähigt, damit aber auch zu demsel-


ben berufen, da uns Gott nicht darum sich unterwirft, weil er
uns annulliren will, sondern darum, damit wir in ihm leben,
also auch mit ihm wirken. Kömmt die Lebensbewegung nicht
zu diesem Ziel, so ist sie korrupt.
Auf Gott bezogen werden beide Momente der Lebensbewe-
gung zu einem absoluten zu einer Totalität weil der
, , sie tra-

gende Wille und Akt Gottes jeder Zeit ein Ganzes ist. Um
der absoluten Güte Gottes willen ist der Glaube ein absolutes ,

das durch die Einmischung irgend eines andern Faktors zer-

setzt wird. Wir haben uns im Glauben nur glaubend zu ver-

halten, weil wir eine Güte vor uns haben, die völlige Güte
ist. Aber dieselbe Güte setzt wie unser Empfangen so auch
524 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

unser Wirken und dieses ist darum niclit weniger absolut ge-
fordert und niclit weniger absolut wertbvoll und heilsam als
der Glaube, so dass aucb das Werk, wofern es nur in seinem
Grund und Ziel auf Gott bezogen ist, uns Gerechtigkeit, Leben,
die ganze Gabe Gottes vermittelt. Hier gilt: totum in toto et

totum in qualibet parte.


Die Scheidung beider ist stets zugleich Vermischung und
Konfusion beider, indem das vom andern losgelöste Glied zu-

gleich für das andere vikariren und seine Stelle aasfüllen soll.

Der Einmischung des Wirkens in das Glauben tritt die Pau-


linischeFormel entgegen und schafft Raum für einen ganzen
Glaubensakt. Der Einmischung des Glaubens in's Wirken, die

jenen an die Stelle von diesem setzt , widerspricht die Formel


des Jakobus und räumt die Verhinderung des Werks hinweg.
Die Unterscheidung beider ergibt zugleich ihre Einigung ').

Das Dritte, in dem beide in einander greifen, ist die Liebe.


Bestimmt sich der Glaube zum Lieben, so hat er den üeber-

gang in's Wirken erreicht, und wird das Wirken zum Lieben,
so ist es von falscher Selbständigkeit befreit und die ßück-
wendung zum Glauben jederzeit offen ^).
So war es auch die Kraft der Liebe, welche die beiden ein-

ander äusserlich widerstreitenden Formeln erzeugt hat, und


darum liegt auf der Präcision und' Energie ,
mit der dieselben
im apostolischen Kreise herausgearbeitet werden ,
eine grosse

1) Das Verhältniss des Glaubens zum Erkennen ist demjenigen zum Wirken
durchaus analog, wesshalb dieselbe Doppelformel auch hier gilt. Es ist ebenso wahr,
dass der Glaube ohne Erkenntniss todt, leer und nichtig ist, wie dass ohne zu ver-
stehn geglaubt werden muss. Das gangbare: entweder glauben oder wissen ist, soll
es definitive Bedeutung haben, nichts als eine Absurdität, wie schon
längst z. B.
schon von Paulus gesagt worden ist, wenn man nur lesen wollte.

2) Zu aller übrigen Konfusion haben wir auch noch die Entgegensetzung der
Liebe gegen den Glauben erhalten. Wer Formeln brauchen kann wie die: nicht glau-
ben sondern lieben, beweist, dass er weder liebt noch glaubt, übrigens auch nicht
denkt. Die Liebe glaubt. Glaube an Gott und Liebe znr Welt, das freilich ist ein

Gegensatz.
jakoiöus und :&AuLtJs. 525

Erhabenheit. Die Doppeltendenz der Liebe, der Wettstreit der


in ihr enthalten drückt sich in diesem Widerspruch aus.
ist,

Um diefreigebende und schaffende Gnade Gottes zu preisen,


ist Paulus kein Wort zu. scharf; was ist der Glaube werth?
alles!der ganze Christus und das Reich ist sein, schon der

Glaube und nur er ist Gerechtigkeit. Damit ist aber die andere

Frage noch nicht erledigt, was dem Glaubenden selbst in sei-


nem Urtheil der Glaube werth sein darf. Nichts! antwortet
Jakobus, thun was Gott will, das ist Liebe zu Gott, und nun
ist auch ihm kein Wort zu scharf, das zu einer Hingabe an
Gott antreiben kann, die That uud Wahrheit ist.
Entsteht aus dem Drang der Liebe nach dem Wirken im
Glauben des Jakobus ein Defekt? Der Preis des Werks ist nur
dann ein solcher ,
wenn er den Mangel des Vertrauens zu Gott
decken und ergänzen soll. So ähnlich nun Jakobus das Ver-
halten des nur Glaubenden derjenigen Stellung macht, die Pau-
lus dem unter dem Gesetz stehenden zuweist, sofern, wie die-
ser dem Gesetze zustimmt und sich an ihm freut, doch nur
in seiner Vernunft ,
nicht auch mit seinen Gliedern ohne Werk,
so der nur Glaubende Gott zustimmt und sich seiner Güte freut
doch ohne Werk, doch das Resultat der Betrachtung
so ist

hier und dort ein gänzlich anderes. Bei Paulus endigt der Blick

auf das Gesetz mit der Klage : ich elender Mensch bei Jakobus
!

folgt aus der Betrachtung des Glaubens die feste freudige Ge-

wissheit, in ihm das Organ zu haben, mit dem er wirken

kann, und zwar so dass Gott das Werk krönen wird als Ge-

rechtigkeit. Da steht hinter dem Postulat des Werks nicht

Klage, Zweifel und Furcht, sondern eine ungebrochne Zu-


versicht.

Die Allgenugsamkeit des Glaubens wird durch den auf das


Werk gerichteten Willen nur dann durchbrochen, wenn in ihm
ein Hinausstreben über die dem Glauben gegebene Gabe Gottes
enthalten ist. Er strebt aber nicht über diese hinaus, wenn er
526 DEÄ GLAUBE IM NETTEN TESTAMENT. KAP, XIl.

im Werk den ö-lauben erweisen und vollenden will, damit


dieser am Leben erhalten bleibe. So ist der auf das Werk ge-
richtete Wille zugleich auf Grlauben gerichtet und selbst ein

Glaubensakt. Nicht die Willigkeit zum Werk ,


nein ungekehrt
die ünwilligkeit zu demselben gibt die AUgenugsamkeit des
Glaubens preis und zwar an derjenigen Stelle, wo sie sich

zuerstund vor allem aus bewähren muss, in der üeberwindung


der innern Hemmungen und Hinderungen, die dem Wirken
des Guten entgegenstehn.
In jener schmerzlichen Empfindung, die nach Wirkung ver-

langend den Glauben als ein geringes werthet, läge nur dann
eine Beschränkung der dem Glauben wesentlich eignen Befrie-
digung und Beruhigung, wenn diese im Glaubensakt selbst zu
holen wäre. Hier wird sie aber nur mit Zerstörung des Glaubens

gesucht. Enthält aber jenes Gefühl der Geringschätzung des


Glaubens nicht auch Geringschätzung der Gabe Gottes, ent-

springt es vielmehr aus dem Blick auf das vollkommene Gut,


zu dem der Glaubende berufen und befähigt ist ,
so ist es selbst

ein Effekt des Glaubens und wird wie zur Uebung des Werks
so auch zu erneuter, gestärkter Bethatigung des Glaubens
wirksam.
Auch Paulus hat die Unfähigkeit zum Wirken des Guten
als Elend getragen und Gott desshalb durch Christus gedankt,
weil er durch ihn von jenem Jammer das Gute nicht vollbrin-
gen zu können, befreit ist. Vollends die ünwilligkeit zum
Werk, jenes Wort, das im Blick auf Gottes Gnade bei der

Sünde bleiben will, hat er als die totale Vernichtung der


Glaubensstelluug und als Verleugnung der Taufe behandelt.
Er hat darum sein ürtheil: ohne die Liebe bin ich nichts!
und sein Streben , das Wohlgefallen Jesu zu erwerben als Folge
seines Thuns ,
nicht als einen Glaubensdefekt beurtheilt. Man
bilde sich doch nicht ein , dass Paulus das Verlangen ,
aus dem
Jak. 2 entsprungen ist, nicht zu würdigen gewusst habe nach
JAKOBTJS UND PAULUS. 527

seiner vollen Wahrheit und Herrlichkeit. Paulus ,


der sich dess-
halb von Synagoge und Gesetz geschieden weiss weil ihm unter ,

dem Gesetz die Erfüllung desselben im guten Werke fehlen


würde , war der letzte ,
der Jakobus nicht verstand. Jedem der
,

das Gute wirket, Herrlichkeit! das ist bei Paulus Gottes Grund-
gesetz.
Es äussert sieh allerdings in der Darlegung des Jakobus ein
Zweifel, doch nicht ein Zv?eifel an Gott und seinem Geben,
wohl aber am Menschen, an der Aufrichtigkeit der Gemeinde,
die Furcht, der Glaubende verstecke hinter dem Glauben den
Schalk, der das Gute nicht thun mag. Diesen Zweifel kennt
Paulus auch und er gibt ihm noch in schärferer Form Aus-
druck als Jakobus, wenn er, Rom. 6, 1, nicht nur fürchtet,
der Glaubende könnte sich um des Glaubens willen die An-

strengung des Werks erlassen, sondern er könnte sich des


Glaubens selbst direkt als eines Motivs zum Sündigen bedienen,
da ja Gottes Gnade um so grösser werde , je grösser die Sünde
sei, so dass sich das Sündigen als Bethätigung des Glaubens
darstellt. Die Tendenz, die Paulus hier im Glaubenden als

möglich voraussetzt, ist ethisch noch korrupter als das Ver-


halten des »leeren Menschen", den Jakobus schilt. Beide begeg-

nen dieser Gefahr in ihrer Weise, Paulus, indem er des


Glaubens Grund analysirt und zeigt, wie in Jesu Tod und
Auferstehung für den Glaubenden Scheidung von der Sünde

begründet und geboten ist, Jakobus, indem er vorwärts geht


zur Wirkung, nach welcher der Glaube strebt, und die zer-
störende Folge erwägt, welche die Unterlassung des Werks für
den Menschen und sein Glauben hat. Der Fall des Glaubens
in eine ethisch heillose Zuversicht ist verhütet, sei es dass sich

der Glaubende mit Paulus in Jesu Tod und Leben einschliesst

als in sein eignes Sterben und Leben ,


sei es dass er mit Jako-

bus aus allem Glaubensruhm heraustritt in die That.


Ohne Zweifel ist Paulus der reichere von beiden; denn was
528 BEE GLAUBE IM NEüEl^f TESTAMET^T. KAI». Xll.

Jakobus bat, hat er auch und er besitzt zudem noch etwas,


was Jakobus fehlt. Der ernste scharfe Imperativ des letztern ,

der beständig von allen innern Vorgängen wegweist zum


Werk, aus Furcht jene möchten sich korrumpiren, zeigt eine

Begrenzung des Selbstvertrauens ,


die Paulus nicht theilt ,
der

sich freudig dem Denken ergibt, allerdings bereit in jedem


Moment überzugehen zur That, aber ebenso intensiv auf die

Pflege der Erkenntniss Christi bedacht ,


der darum seinen Glau-
ben mit ienem hellen Selbstbewusstsein durchleuchtet, durch das
derselbe seines Werthes undjfseiner Kraft voll bewusst wird und
sie geniesst, ohne Furcht, dass er damit aufhörte Glaube, Ab-

wendung vom eignen Ich und Verzicht auf sich selbst zusein,
vielmehr in der Gewissheit ,
dass er , je mehr er seiner selbst

bewusst wird, um so mehr Glaube wird und um so ausschliess-

licher an den gebunden ist, aus dem er seinen ganzen Besitz

gewinnt. Die Grenzen des Selbstvertrauens sind aber für den


Glaubenden mit denjenigen des Gottvertrauens kongruent, so
dass die Schranke des erstem auch die Stelle bezeichnet, wo

letzteres sein Ende hat. Die Verhüllung des Innenlebens bei


Jakobus weist allerdings darauf, dass ihm auf der Person Jesu
eine Hülle liegt, die für Paulus nicht vorhanden ist. Doch hier

gilt, dass sich der Mensch nichts nehmen kann, es werde ihm
denn gegeben von oben ,
so wie das andere Wort ,
dass der

Leib nicht bestünde, wenn er nur Auge wäre. Die Kirche hat
es aber reichlich erlebt, dass sie eines Lehrworts, wie es Jako-

bus gibt, immer wieder bedarf, und für die ürgemeinde war
dasselbe zweifellos von hohem Werthe schon darum, weil sie

unter den Disputationen und Distinktionen der Synagoge her-


angewachsen ist.

Bedürfte noch einer Vermittlung zwischen Jacobus und


es

Paulus ,
Johannes gäbe sie ^). Das logisch-analytische Bedürfniss

1) Auch der Hebräerbrief gibt sie in seiner Weise, nämlicli auf dem Standpunkt
einer sorgfältig die reichen Ergebnisse der apostolischen Zeit sammelnden und ver-
JOHANNES. 529

und Vermögen, das den Römerbrief hervorgebracht hat, ist


ihm ebenso fremd als Jakobus, mit dem er den eilenden Blick
theilt, der sofort im principiellen Moment dessen absoluten
Inhalt fasst und es über alle Zwischenstufen und Mittelformen

hinweg mit der Totalität seiner Wirkungen zusammenschliesst.


Er hat kein Bedürfniss etwas stückweise zu sagen zuerst die ,

Negation zu entfalten, um dann erst die Position folgen zu

lassen, den Menschen für sich in's Auge zu fassen, um dann


erst zu Gottes That emporzusteigen, zunächst das Fleisch zu
beobachten in seiner eignen Regung, um hernach den Geist
zu betrachten in seinem Werk; er schaut und sagt stets das

Ganze, darum auch stets dasselbe und seine geistige Bewegung


vollzieht sich in einem Kreislauf, der sich beständig um ein

und dasselbe Objekt herumschliesst. Dieses ist nun aber nicht


wie bei Jakobus der Mensch sondern wie bei Paulus Jesus den er
, ,

unverwandt als den Grund und Inhalt seiner ganzen Christen-

stellung vor sich hat. Darum ist ihm die göttliche Sphäre
nicht verhüllt, so dass er sie unausgesprochen Hesse; fasst er

ähnlich wie Jakobus seinen ganzen Gedankengang in eine Aus-

sage über Gott zusammen, so hebt diese nicht Gottes Einzig-


keit heraus, kraft deren er von der Welt und dem Menschen

unterschieden ist, sondern das offene, erkennbare Moment in

Gott ,
das den Verband des Menschen mit ihm begründet er : ist

Licht , wie er diess an dem ,


der als das Licht der Welt gekom-

men ist, gesehen hat.


findet er sich in der ethischen Antithese des
Ebensowenig
Römerbriefs, durch die ein von der Sünde lösendes, rechtter-
erste Bedürfniss und der erste Inhalt
tigendes ürtheil Gottes das

Darum beschreibt er den Glauben als die Kraft zum Werk


knüpfenden Reflexion.
und fasst ibn zugleich als Hinzutritt zu Gott auf Grund der priesterlichen Gabe Jesu
wie als Bewahruug der in der Zukunft lebenden Hoffnung. Pur die alte und neue

Gemeinde ist er ihm zugleich das verbindende und unterscheidende. Der Grundton
des Gedankengangs ist aber überall der Jerusalemitische.
34
530 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

des Glaubens wird; denn durch Jesus steht er im Licht , so dass

er im Lichte wandeln kann. Auch sein Denken hat eine grosse

Antithese Tor sich ; Licht und Finsterniss ,


Wahrheit und Lüge ,

Liehe und Hass , Gott] und Welt ,


er hat sie aber , so voll die

ganze Schärfe des ethischen Gegensatzes in ihr lebt, in ihrer


kosmischen Bedeutung vor sich. Während für Paulus beide

Glieder seiner Antithese: Fleisch und Geist, selbstisches Gelüs-


ten und göttliches Lieben, eigne Ungerechtigkeit und göttliche

Gerechtigkeit in seine eigne Erfahrung fallen, so dass er sie

beide durchlebt, Johannes seine Antithese einzig


entsteht für

und allein von Christus aus; an seinem Lichte erweist sich die
Welt als dunkel, an seinem Leben sieht er sie als todt. Steigt
Paulus empor aus dem Tiefpunkt einer völligen Reduktion auf

nichts zum Besitz der göttlichen Güter, so sieht sich Johan-


nes in seiner Gemeinschaft mit Jesus zu Gott erhoben und da-
mit auch von der Welt geschieden, und von dieser Höhe
herab schaut er nun in den Gegensatz der Welt gegen Gott
hinein.

Der genetische Schlüssel zu dieser Stellung ist uns von Jo-


hannes selbst gegeben m
den reichen biographischen Andeutun-

gen, die das Evangelium enthält. So gestaltete sich das geis-

tige Leben dessen, der von Jesus aufgenommen und in


sich

seine Liebe eingeschlossen fand, und nun mit ihm den Wider-

streit der Menschen gegen ihn durchlebt.

So erhält auch sein Glaube seine Eigenart. Er eilt nicht

sofort vorwärts zumund Werk, sondern bringt sich


Gesetz
voll zum Bewusstsein, was im Glauben an sich selbst enthal-
ten ist. Glauben an den ,
den Gott gesandt hat ! da hat kein
herabsetzendes »nur" seine Stelle, das ist der Besitz des ewigen

Lebens. Aber dieses Selbstbewusstsein um seine Kraft und sei-

nen Werth erlangt sein Glaube nicht dadurch, dass er das

Yerhältniss Heiden und Juden zu Gott analysirt und den


des

Erfolg des menschlichen Könnens und Handelns erwägt, und


JOHANNES. 531

ihm den Inhalt des Kreuzes und der Auferstehung Jesu ent-

gegensetzt und die Folgen der Gabe Gottes erläutert, um nun


daraus den Schluss zu gewinnen auf die Nothwendigkeit und
Kraft des Glaubens ,
sondern er vergegenwärtigt sich das Chris-
tusbild ,
und sucht es in allen seinen einzelnen Zügen sich

nach seiner vollen Bedeutung durchsichtig zu machen, damit


er in ihm den sehe, der voller Gnade und Wahrheit war, und

wenn sich nun daraus in unzweifelhafter Gewissheit ergibt:


Gott hat Zeugniss gegeben, so ist das für ihn das durchschla-

gende , jede Frage erledigende Motiv an dem er befriedigt haf- ,

tet als an dem von Gott ihm dargereichten Glaubensgrund,

1 Joh. 5 ,
6 f.

Er fasst Jesus dabei in seiner Totalität, ohne dass die ein-

zelnen Akte seines Lebens, sein Sterben, sein Auferstehn, sich


besonders für ihn •
heraushöben. Für ihn definirt sich der

Glaube so: glauben, dass er der Christus, der Sohn Gottes


ist. Soll ein einzelnes Moment am Leben Jesu besonders be-
tont werden, so ist es das anfängliche, auf das seine Erschei-

nung zurückgeht: er ist gekommen im Fleisch, worin schon


die ganze Gabe Gottes enthalten ist.

Er zerlegt Glauben nicht in einen Doppelakt, so dass


den
er die Einkehr in sich selbst und die Zukehr zu Gott, die Be-

jahung des Mangels und diejenige der Gabe von einander


schiede; im Verständniss Christi liegt ihm diess alles beschlos-

sen. Darum gibt er ihm sein Analogon nicht im Sterben und


Auferstehn, vielmehr in der Geburt, die da, wo bisher kein

Leben war, solches erstehen lässt. Die repulsive Kraft seines


Glaubens richtet sich gegen all das, was Christus gegensätzlich
widersteht, gegen alles was dem Bereich der Lüge und des
Hasses angehört, so dass er auch keiner dialektischen Ausein-

andersetzung bedarf, um sich von Synagoge und Gesetz zu

lösen; von den »Juden" ist er total geschieden, darum weil


sie sich an Jesus ärgerten. In der Richtung auf Gott liegt für
532 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT KAP. XII.

ilin keine Glaubensschwierigkeit, da ja der Glaubende an Jesus


die Liebe Gottes vor sich bat; nur in der Richtung auf die
Welt wird der Glaube Kampf und auch hier ist er durch Chris-

tus der Sieg, der überwunden hat.

Die Gabe Jesu nennt er vorwiegend mit dem umfassenden


Begriff: ewiges Leben, und darin liegt die Befähigung zum
Thun der Gerechtigkeit. Hebt Paulus an derselben die Auf-

hebung der Schuld und Sünde als das erste hervor, dem er

sodann den Dienst der


Gerechtigkeit folgen lässt, geht so

Johannes den entgegengesetzten Gang: dem in das Licht und


die Liebe verpflanzten öffnet er, wenn er sündigt, die Verge-
bung, welche er bei Jesus finden kann. Auch hier darf nicht der
eine Gedankengang auf Kosten des andern geltend gemacht
werden. Der erlösende Akt Gottes hat sein negatives und sein

positives Moment, die Lösung von der Sünde und die Bildung
einer gerechten Lebensgestalt ungetheilt in sich und führt

darum ebensowohl von der Gleichgestaltung mit dem göttlichen


Willen in den Besitz der Vergebung als vom göttlichen Verge-
ben aus in die .Gerechtigkeit.
Zu allen Einzelgestaltungen der apostolischen Predigt bietet

Jesu Wort die Totalität ,


die vereinigt in sich trägt ,
was sich

in jenen individuell besondert. Er sprach jenes :


gebt Gott ,
was
Gottes ist, neben dem er jedes andere Interesse versinken

lässt, und bestimmte jenes Geben durch das eine Liebesgebot;


die Fortwirkung hiervon ist der Glaube des Jakobus, der nach
dem einen verlangt ,
Gott das Werk der Liebe zu geben ,
wie
es Abraham und Rahab Er sprach jenes: kommt zu
thaten.

mir alle! das allen in ihm Kenntniss Gottes, Ruhe und Le-

ben öffnet; ihm antwortet der Johanneische Glaube, der Jesus


erfassend in ihm den Lebensbesitz Gottes sich erschlossen

weiss.Er beugte sich zum Sünder herab in der Macht einer


Gnade, die ihn zum Glauben und durch Glauben zum Reichs-
besitz erhob ,
in der Paulinischen Glaubenspredigt hat dieses
DAS ZIEL JESU. 533

Handeln Jesu seine machtvolle Folge. Er wies auf die Zukunft


hin in ihrer ünsichtbarkelt als auf das Ziel, auf welches der

Jünger zu warten und sich zu rüsten hat in nicht ermattender


Freudigkeit ; so beschreibt der Hebräerbrief den Glauben als das

Band, das die Gemeinde mit ihrem gehofften Besitz rerknüpft


und das sie in festem Beharren erhalten muss. So lagern sich
alle Glaubensformen der apostolischen Zeit um Jesus und sein

"Wort herum als Entfaltung der Keime, die er gepflanzt hat.


Was sie in Sonderrichtungen auseinanderlegen, trug er als ein

Ganzes in sich.

Warum ging Jesus diesen Weg, auf dem sich sein ganzes

Wirken dahin konzentrirte ,


die Basis für den Glaubensakt

herzustellen, dadurch dass er Gott als den Gebenden erkenn-


bar macht?
Es ist ein sich selbst zerstörender Widerspruch, wenn der

Mensch meint, Gott nur als Objekt behandeln zu können, das


sich ihm im Denken und Empfinden erschliessen soll zu Er-

kenntniss und Beseligung ,


ohne dass er ihn als Subjekt in sei-

ner eignen Weisheit und YoUkommenheit anerkennen will. Das


heisst schliesslich sich über Gott erhöhen wollen. Darum stellt
r

Jesus vor die Aneignung des göttlichen Wissens uns zur Er-

kenntniss, vor den Empfang des göttlichen Lebens uns zur

Verherrlichung den Glaubensakt, der sich vor Gottes Wissen


und Wollen beugt. Die Gründung der Gemeinde auf Glauben
ist das Zeugniss Jesu für die Superiorität Gottes über den

Menschen ,
womit er ihn als den lebenden wirkenden gütigen be-
, ,

handelt hat.
Nichts sachliches bot Jesus seinen Jüngern dar ,
weil er das

Herz des Menschen nicht mit herzlosem füllen, die Person


nicht an unpersönliches binden, sondern seine eigenste persön-
licheBeziehung zum Menschen zu dessen Gut und Glück ma-
chen will. Auf den ihm hingegebnen Glauben konnte der die
Gemeinde gründen, der in der Gewissheit stand: ich bin bei
534 DER GLAUBE IM NEUEN TESTAMENT. KAP. XII.

euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt, und diess mit
einem Lebensreichthum ,
der ihn für alle zum wahrhaftigen
Weinstoek macht. So liegt in der Gründung der Gemeinde auf

Glauben zugleich das umfassendste Selbstzeugniss Jesu für sein


der Zeit überlegenes Geben und Lieben, für seine Königs-
macht.
Indem Jesus das normale Verhalten des Menschen mit Glau-
ben beginnen lässt, hebt es mit einem Nichtwissen und Nicht-

wollen, mit Lösung vom eignen Lebensinhalt und Verzicht auf


sich selber an. Die Erhöhung erhält damit ihre Bedingung und
Begründung in der Erniedrigung, die Begabung in der Ent-
äusserung. Für den Sünder, der seine Produktion verdorben
und die Fähigkeit zu derselben verloren hat, ist diess der ein-

zig gangbare und gerechte Weg. Indem Jesus uns das göttliche
Geben durch Glauben vermittelt ,
führt er es bis zu dem Punkt
hinab, wo es sich dem Sünder zugänglich macht.
gab seinen Jüngern nicht sein Erkennen statt ihres
Jesus

eigenen und setzte nicht sein Wirken an Stelle des ihrigen er :

gab ihnen keine Surrogate für ihre eigene Aktivität, welche


sie derselben enthöben, so dass ihr eigner Lebensprocess ge-
bunden und still gestellt würde. Er band ihr Verlangen an ihn
und gestaltete dasselbe zum Kraft schöpfenden Akt, und aus
dieser neu verliehenen Lebenswurzel erhebt sich nun ihr Er-
kennen und Wirken ,
zweifellos als seine Gabe , aber nicht nur
als eine geliehene ihrem Wesen fremd bleibende, sondern voll
und ganz als ihr eigenster Erwerb und Besitz ,
der nicht von
ihnen aber in ihnen begründet in der Bethätigung ihrer Frei-
heit und behalten wird. Indem Jesus den Berührungs-
erlangt
punkt zwischen uns und Gott in den Glauben verlegt, leitet
er uns das göttliche Geben so zu, dass in ihm Raum und Aus-

rüstung zum intensivsten Selbstwirken im Erkennen und Thun


enthalten ist. Die Gründung der Gemeinde auf Glauben ist

somit der Ruf zur Freiheit und die Befähigung zu ihr, das
DAS ZIEL JESU. 535

Ende der Vormundschaft, die Gewährung der Sohnesstelhing ;

wir sind in die Würde von Mitarbeitern Gottes eingesetzt.


Mit dieser Einsicht, dass nicht nur die dem Glauben gegebne
Verheissung, sondern auch die Glaubensforderung selbst

Offenbarung einer absoluten Güte ist, vollendet sich das

Glaubensmotiv.
EELAUTBEUNGEN.

1.

Die Benützung der jüdischen Litteratur für die


neutestamentliche Exegese.

Ygl. Seite 27. Der chronologisclie und historisclie Wirrwarr in


den Sammelwerken der Rabbinen lässt sich durch die hellenisch-
tische Litteratur wenigstens einigermassen heben. Sie liefert den
Beweis, dass die exegetische Tradition der Targume und Mi-
drasche in beträchtlichem Umfang vorchristlich ist. Wird z. B.
Gen. 4, 8^ von den Jerusch,. Targ. so erläutert: Kain klagte
Gott der Ungerecbtigkeit an und läugnete die künftige Ver-
geltung, Abel bejaht Gottes Gerechtigkeit, das kommende Ge-
richt, die Auferstehung der Todten und das ewige Leben, so
erhält diese Auslegung durch Philo migr. Abr. 399. Mang. 1 ,
447 ihre Datirung, wobei der Fall um so instruktiver ist, weil
das Moment im Texte, welches die Tradition erzeugte, nur
hebräisch vorlag, während die Sept. in andrer Weise geholfen
hat. Die Tradition kann folglich nur palästinensisch sein wan- ,

dert aber, obgleich ihr Grund für die


Synagoge
griechische
nicht erkennbar war, auch nach Alexandrien als jedermann
bekanntes Gut, denn Philo behandelt sie als ebenso bekannt
wie den Schrifttext selbst und bezieht sich auf sie, ohne sie
erst anzuführen. Ebenso erhält die Deutung von Gen. 1 1 im ,

Fragmententargum im :
Anfang d. h. in der Weisheit, durch
Philo leg. alleg. I, 48 Mang. 1, 51, 47 ihre chronologische
Fixirung wo Philo unter den vielen Namen welche die Weis-
, ,

beit in der Schrift hat, auch den anführt: (xpxv]. Die Deutung
von als Benennung Gottes aus Gen. 22, 4 vgl. Gen.
DIpD
28, 32. Ex. 24, 10 ist älter als Philo: xvrog o Srebg kxXsTtxi
quod a deo mitt. 574 Mang. 1, 630 vgl. Mang. 1 229.
TÖTTot; , ,

Die Deutung des kuschitischen Weibes Mose's Num. 12, 1 , ,


DTE RABBINISCHEN QUELLEN. 537

von der äthiopischen Königstochter, wie sie das Jerusch. Targ,


neben andern Deutungen gibt, wird bekanntlich von Josephus
in aller Ausführlichkeit dem Schrifttext völlig koordinirt er-
zählt, etc.
Solche Datirungen stellen fest, dass die jüdischen Sammlun-
gen, so spät sie sind und so vielerlei Bestandtheile sie in sich
halten, doch zweifellos auch eine Quelle vorchristlicher Ueber-
lieferungen sind. Da nun das Evangelium, ehe es griechisch
war, aramäisch und palästinensisch war und die neutestament-
liche und die rabbinisch- theologische Sprachbildung also auf
eine gemeinsame Wurzel zurückgehn, so wird nach einer ähn-
lichen Methodik wie diejenige nach der die indogermanische
,

Sprachvergleichung gearbeitet hat, das beiden Bildungen ge-


meinsame als Trennung vorgängige sprachliche und
der ihrer

begriffliche Besitz zu betrachten sein. NDv^/ '^H und ^«jj


ata-
viog, 0T\^ V'^ und xpiarig r^q yshvvig ^V^'^T\ J^PID iind b §f u- ,

rspoQ boivocroq , t<'DS2^"l v^H und o'i ayysKoi kx) a-i "Svvcifzsii; ,

Hrhin Hn*ID':D und jj ß^crO^slx töD a^oD , «^Dt:^31 I^'IDN* und


^oiTVip -^fACäv b sTTovpöcvioi; , Ty7 pÜUHti^*
und oi(ps^vj(7srix,i aÖT^ ,

S^S^t^lplS ri/Ö und TTpoa-KuvsTv sv äx^^siix. etc. sind durch


ihre gegenseitige Korrespondenz in dasjenige Jerusalem und in
diejenige Synagoge zurück verlegt, aus der das Evangelium her-
vorging. Analog verhält es sich auch mit dem Glaubensbe-
griff; so spät die jüdischen Quellen sind, die uns den Glauben
an den Namen des Herrn, den Glauben an die Worte der
Propheten, die an den Gott Abrahams gläubigen Heiden, die
am Glauben kleinen, die im Herzen zertheilten geben, die
Kongruenz dieser jüdischen Worte mit der neutestamentlichen
Sprache zeigt dass sie schon dem vorchristlichen Israel eigen sind.
,

Die Esraprophetie zähle ich zur palästinensischen Synagoge,


ohne die Frage präjudiciren zu wollen, ob sie ursprünglich
hebräisch oder aramäisch oder griechisch geschrieben sei. Mir
scheint unzweifelhaft, dass ein Jude der griechischen Diaspora
keinen so ausgeprägten Semitismus schrieb. Ihre üebereinstim-
mung mit der von der Sept. gegebenen Zählung der egypti-
schen Jahre beweist für einen Griechen nichts, da diese auch
Targ. Jer. Ex. 12 40 sich findet und die Exegese von Gen.
,

15, 13, auf der sie beruht, nach welcher von dem Moment
an, wo Gott mit Abraham redete, 400 Jahre zu zählen sind,
jedenfalls nicht griechisch sondern palästinensisch ist, Dass
schon die Sept. diese Exegese in den Text aufnahm, beweist
wiederum, wie alt solche Traditionen sind.
538 ERLÄUTERUNGEN.

2.

Polyhs TTia-Tii;.

ti^övoci roi TrKTTx TTsp) (rv{^[/<ot,xio!'g 2 ,


22 ,
3 ; Kaßelv rot, T^itnot

iroipx rivoq UTrsp Tijg ciaUpoiKsixq 2 , 41 ,


15.
xyoivioi <7£ fjt,'^ TTOTf ov TTSity^^^g TGiq KoyoiQ zx'iTrep ovji
afji>o7g

TTKTTotg 15, 7, 1; ev^soog -^ysTcrBcii ttccv to Ksyöfisvov ttkttov 3,


9, 4; svxapix^sKTOTSpag xoc) ^Krrorspocg ttoisIv Txg'i'^ixg sTrivolocg
10, 2, 11; SK, Tijg Toioivrvig ^mA^xyccyloig ttocv to KsyöfAsvov vir'
oiVTOv 7ri7Tov e</i<yvsTO 38 3 11 5/ä rvjg XoiBopixg vr/rsKcißs
, , ;

TTiaTorspog ßh xvrog (pxvijarstrBfiXi ^ctpx^op^ijg 5f fjcaXKov x^icobv!-


(tsitBxi iyjcafjCiix,irTixag X7ro0txa£ig xvtov 8, 13, 2.12,13,3.
rkg
Ol TTKrro) Tccv (pixccv 8, 25, 3. 9, 11, 3 täv ;t;/A/Äp;iift?i' oJ i 5r/- ;

Tjj^siÖTOiToi xa) TTKrräTXTOi 14, 3, 5. 31, 22, 8. 10, 18, 15.


c^KocKog UV Kix) Trp^og r^ (pÖ7€t TrtvToog §f toc Trpog mCirbv "^ixKsi-

fisvog 3 ,
98 ,
5.

&7ri7rog.

oi'Tro^vjpiccbsvTsg oJg sxv (lev (Tvyyvooi^viv rivk Trpocrxy^g aou (piKoiv-


B^puTTiav £7nßou?<,v]v xou 7rxpx?^oyi(rfibv vj'yoüiAevoi ro <TVf^,ßx7vov ,
oiTTKrTorspoi ic(x) ^V(Tfji.sv£(rTspoi yiyvovTOii 'Trpog rovg CpiA«vS'pw7roüVT«5
1, 81, 85 TTCiVTav dTTiarTOTOiTog Kix) '7rxpxvo[jc>äTot,rog 26, 5, 9.
W(7T£ rolg XTpovoyiTag ^sccfjcsvoig a^'ZKTTDv ipxivsiT^oii ro '/tyvof/,£-
vov 10, 14, 8; ctTrhro} ro K£<y6[j(.£vov somivxi ^oxeT ricri 18, 18,
7. 15, 13. 32, 8, 8. 9, 21, 2. 34, 5, 7. aTTKrrov yjv ro rm
XTrobv^axovroov TrÄijBog 39, 2, 12; ^Trio-roi ixß(pi(rßijrouf4,£vcov ߣ-
ßxiursii 4, 40, 3.
XTTio-rccg /zvr£%£tv 1, 58, 3; 0/ airhroog '^ioiX£iiJ(,£voi si §;;...
4, 42, 6.
Tiffrig.

A, Die gegen andere in Wort und That bethätigte Zuverlässigkeit.

rvip£lv , '^iot.ryjp£7v rijv Trpög riva, tt. 1, 7, 7. 3, 90,13.5,54,


1. 77, 6. 78, 6. 6, 56, 13; cf. 14 h' ocörm rvig Kxroi, rov

opxov 5r. r^pElv ro Xix^i^xou ; ri^pslv riiv 1:. xocrk rov opxov 10 ,
16, 6; r£rijpvixsvizi t^v tt. xa) KaXvxhon rov opxov 6, 58, 4;
aucH sonst mehrfach.
lia(pu^ärr£tv rijv Trpog riva x. 1, 78, 8. 7, 14, 2. 16, 40,
6. 17, 15, 10. 18, 24, 9. 20, 13, 3. 22, 4, 3. 22, 27, 2.
^övxvTxt rijv TT. £v ro^TCfi r^ ߣp£i ^icicCpvKtx,rr£iv in Beziehung
auf Bestechlichkeit 18, 18, 2.

vofAi^ovr£g 'ixaiv ro £^vog tt. yt^ikKi^rrot. räv 'EÄKi^vtxwv 38 1 8 ; , ,

£f4,ߣV£iv rU Trpög rivoc ir. 1 ,


43 ,
3 ; rijv tuv KaKruv oi^£(rioiv
POLYBS SPRACHGEBRAUCH. 539

ovK £(^f/>ivetv SV Tf? 5r. 3 ,


70 ,
4 ; rijv (A.eyhTViv oheiÖTyinz mi tt.

r/v) ivd'n-o^sl^xa-bixi 1 ,
82 ,
9 ; tt. vjv btv'/xxvov ixslvoii; Trocps-

(rzm^hoi 10, 37, 1 4, 33, 11;


; (x.vTsX£(y^ai ä^yi^ivoög rijg tt.

xTrspsiheaboci iTx<TOiv rijy i^ avToov %ä,piv kx) w. aU Tiva 24, 7, 1.


TTpoqsvk'yKOiuboci TT. ot,(jL(x. %cä xpsia,v 3 98 4; [AS'/ia'Tviv tt. 27 , , ,

14, 2; 15, 26, 3. 5/^öVö;;


TTcxpoiitxTtxri^so-SrccI ri slg tvjv Tivog tt.

(ttä/sös^.) fK riiv liJsyTOi/


rivog tt.
2, 11, 5 und oft; ayxsipi^siv
sxvrov slg tv\v tt. 10, 40, 2 und mehrfach; 'TrocpocKccßslv ^ Ttpoa-
^sxsfP^xi sU rm tt. 2 11 10. 12. 3, 29 8. 15, 4, 2; ttoc- , , ,

poi'KOiXslv slq r^v Tivog tt. 18, 21, 5; KsTarSrxi sv r^ rivog tt. 3,
15 ,
5 ; h'hi^(TX(T^ix.i Tiva, slg tvjv rivog tt. 10 ,
34 ,
1 ; h'Bs^sßivoi
slg TyjV tt. 6, 17, 8; sy,^s<rp(.svsiv rijv SKOiTspcov
rijg trvyxXjjTOv
TT. slg 33, 8; oibsTsh t^v tt. 8, 2,5, Tohg op-
oLKKijKovg 3,
Kovg xoii rviy ir. 11, 29, 3; itpohoüvoii tv\v itpog tivx tt. 2, 61,
10 TTUVTCig rovg TVjg tt. opovc vTrspßahsiv 25
;
4 3 ; ciCphroi(y- , ,

^Oii rijg TT. fr. 79 svT^oißag ^lOiKsTa-^xi xpbg rijv roioiVTVjv tt.
j

3, 52, 4.
BrappsTv stt) t^ 9, 11, 4; ßsßxio-
"jrpoysysvvjfJt^h^fl tt. Trpög rivoc

rspOi OiVT^ VI
SK 8 , 5. TTpOVTTCipXSt Tlv)
TOVTCCV VTTXpXSl
"TT. 24 ,

h%vpk (Tvvji^siix xcc] TT. , 20 , 8 ; j? rav Kx^nyQVßs- TTpög rivx 31


vav TTi ^s7 KsTtrB^xi sv rotg STTOßsvoig 9 , 14 3 ; {isyKXTOV ^sTyfjCOi ,

TTsp) Tov ri ^vvxTxi 7rpoxips(ng zxÄoxxyx^iKi) xx) "tt. 7, 12, 9.


xxTCqv y] 57. 22, 21, 11; irspi Trhsiarov 7roi£7(r2rxi rijv Trsp) rovg
Trpsaßsurxg tt. 15, 4, 10; Trsp) TÄslovog TroisJi^bxi ttvjv TTxrpßx
xx) riju TXVTVjg 5r. TTspißKsTTTOV xx) ßxxxpiaryjg ^vvxarrsixg
ryjg
von Scipio 10, 40, 9; tov xxtx p^spog %f//3/5-^öv tüv Trpxyßx-
Tcov TTOisl^bxi ^ix Tijg Tcöv (piXoov TT. 2, 4: , 1 ag xvt^ ^oxsT ',

(rvp(,0spsiv ix Tiig l^ixg tt. 28


ßsßxtovv to ^Ikxiov ^t^pcoaii^
,
1 ,
9 ;

TT. 3 ,
23 ,
4 ; ö(psiKs(T^xi , opcvvvxi ^yjpco(ri(^ tt. 3 22 9. 25 7 , , , ;

xvxXxßslv Tijv TCOV xoivuv TTpövoixv xx) -TT. s'ig Ci(pxg XVTOVg 6, 9, 3.
siivoix xx) TT. 3, 98, 2. 4, 33, 11. 11, 12, 2 cf. 7,
14, 5; TTXTpog e%f/v 'hixbs(nv xxtx tviv svvoixv xx) it. itpog
rivx 8, 17,rovg yovslg svvoix xx) tt. 7, 8, 9; tt.
9; vj irpog
xx) ;^«/)^Tö$ XTro^ofTig 2, 49, 9; clxsioTvig xx) tc. 1, 82, 9; (pi-
KlX xx) TT. 10 34 \\ n S^ XVTMV %«p/? Xx) TT. 24 , 7 ,
, ,

1 (Tuvi^^stx xx)
;
TT. 31 , 20 8 tt. xpix xx) %pf/flj 3, 98 , , ;

4, 37, 7; (puXxxij tt. xx) Trpxyf^xTccv xoivccvix 2, 61, 11.


10,
5, 35, 1. 16, 40, 3; jJ tt. xx) vj oKvj xx?^oxxyx^ix 2, 39, 10
cf. 7, 12, 9; jj Twv xoivuv Trpovoix xx) tt. 6, 9, 3.

B. Die Zuverlässigkeit des Worts.

Xoyog f%f/ TT. 5/(^ tSöv ttxKxi ysyovoTcov 4 , 33 ,


1 ; xx) ßvjv
ro 'Kxp EupiTTi'Bifi TTxKxt xxKoog slp^^bxi ^oxovv rörs ^/' xvräv
Tuv spycov eXxßs rvjv tt. 1 ,
35 ,
4 ;
to vj(uv sv sTTxyysKixi xx)
540 BRLÄUTEEUNGEN.

0X(T€i f4.övov eip-^fjt,£vov vvv S/' a.uTuv Tcöv Trpxyf^drcüv rtjv ir. f/Ajj-
(p£ 7, 13, 2. 8, 4, 1. 05/ (/.SVovu xXvibsii; xhlxi tov peJv s^co
Tov TTOVTOV at'B' sWiv, ovx f'? ifi'^ropixKV e%ovcr(»i ^i^yvi[/,(X,roov rijv
TT. &ky sK rij^ xctTCi 0V(riv Sreapicug 4, 39, 11. 6, 54, 4.
18, 20, 3. rx TsXsvTocJßi ys^ovörx ixcivijv xv TrapciiTXOi tt.

Tolg v(p^ vi[A,ouV s'tpjjßsvoit; 4 ,


38 ,
7 ; ßovÄofjiSvoc tt. Trocpa^asv-
d^eiv Tolq ߣKKov<Ti Xe^ea^oii 32, 16, 2; hoi, kx) tx Tij(; 'Trpoxi-
p£(7scog f4.vi [zövov 'Bioi T}^g i^ߣT£pcig x'!ro(pix(7£Cog xXXoi xa) 5/' ocvtSiv

rcov xpxypKZTcov Tritrrsccg Tvyxxv^ 2 , 42 ,


2 ; ^väyKyi Ko!>ßßäv£iv
t'vjv Trpäryjv tt. TViv 7ri%ptxiU£(Tiv 11, 10, 2. Ygl. oöx iv p(.ixp^
7rpo<r?^xßßdv£(y^(Xi tvjv tov (rwyypa.Cpsccg tt. ro Sf irMtov £^ muTcov
Toov 7!:p<x<y[jt,ä,Tav Tag ^oxip{,ix(7!xg
7roi£l(Tbo!,i 3 ,
9 ,
5 ; Trpbg tvjv

^Ex£xpciTOvg TT. ex7r£p£i(y(xpe.£vog 12 11 7. , ,

C. Pfand ,
Garantie ,
Beweis.

£/V)v £v'^£XÖl/.£V(X>l '7thT£ig OpZOl TeHVOC yUV0c7K£g ,


TO [A£yitJTOV
•7rpo'/£<yovag ßiog 8, 2, 29, 2, 2; 3.
vttep 7ri(TT£cov (tuv- a?/ tüv
bijxoii 5 37
,
3 £vtoxov[J!,£voi>i
, ; oi[ji(poT£poig 7ri<7T£ig 2 49 9. , ,

51, 7; STT/ Tuv (T^xylcov Toug opxovg xoä Tkg tt. '^i'^ovix.i xXX^Xoig
4, 17, 11; TT. 5;5öW vt^p oi(rq>xK£iocg 9, 27 11. 8 20, 10; tSj/ ,
,

ETTOcy/E^iüiv 3, 100, 3; Xizߣ7v TOig tt. fCp' fy pcyj'^ivci ß^tsv)


(j!.vyi(xix%xvj<T £iy 11, 30, 3. 29, 12; Ktx.ßs'iv tt. T^g £]^i(Tßhoig2i\ ^

9, 10. 4, 17, 9. 24, 6, 6. 8, 2, 2. 17, 9. 27, 8. 9, 31, 4.


7roi£T(rSrai Tag tt. Trpög tii/x 5 35 1 TiB£(T^xi 7ri(TT£ig Trpög tivx
, , ;

vTclp Tvjg (piKiag 3, 67, 7. 5, 60, 10; &^£T£lv


kx) (TV!j(,ßoi,xiix,g

Txg Trpög tivx tt. 24, 6, 7. 23, 16, 5; ^xp'' ov^h 7roi£7o-Sfxt
Tag TT. 16, 13, 3; oirtöv fVr; to Tag iyypaTTTovg 7ri(rT£ig ߣßxi-
ovv 9, 36, 12; ixvx(TX£vä^£iv txc ßeyia-Txg -tt.
irxp'' xv^puTTOig
9, 31, 6.
bf/^vjpovg ^oüvxi 7ria'T£Ci}g xxpiv , t'kttiv tovtcüv 15, 18, 8. 21,
14, 8. 31, 12, 2; ixxviiv tivi 7rxpix£<y^cii tt'kttiv ^rpog ti 2,58,
7. 52, 4. fgr. gr. 65; px^iov uT£p tovtov Kxߣ'iv tt. 18, 18,
7; xvt6^£v £X£iv TVjv TT. 12, 21, 9; xP^^^f^^^^ ßxpTvpl^ Trpog
tt'kttiv tcöv itpyifjcSvctiu 23, 1, 9. 21, 9, 4. 2, 38, 11; Ixxvov
VTTxpxst xpx£l Ttpog
-)
TT. 12, 20, 3. 3, 10, 7.
7rxpx'§£lypcxTx Trpog tt. 10, 47, 6; ÖTro^£l'yf4,xTog xx) tt. £V£Xsv
6, 54, 6; VTr£pTi^£(rbxi tvjv tt. Tijg (7T£pvi^£i(xvig XTro(pX(r£Cüg 7,
13, 5.
D. Kredit, Vertrauen, das man bei andern geniesst.

f/,£'y i(TTVjv TTxpx, Tivt TT. £%f/:/ 30, 2, 1. 32, 22, 5; Tri<TT£ag

Tuyx^^^'^ Tf^piX' Tivij VTTO Tivog 6, 2, 13. 12, 14, 7; ttepittoit^-


7X(rbxi T. irapx tivi 13, 4, 8.
24, 9, 6; TrhT£cog xvTtTroi£T(rSrxi
2, 47, 5; ^lopB^ouff^xi tv^v xvtuv tt. Trxpx ToTg (TU[JLiAX%oig 1,7,
POLYBS SPEACHGEBEAUCH. 541

12: xpi!iixx(T^xi 'AxoiioJg xa)


2, 39, 4; rovi; köyou? t^ tovtccv tt.

rav (Xvri7raKiravo[A£vcüv r^ tt. 11, 10, 6; jj Tcpaysys- sjißciÄsIv


vt^f^hvi TV. 5, 2, 10.6. 7. 5, 78, 4; ;? toxi Xsyovrog tt.
7, 11,
xoi) ^ rm Ks<yo(jLsvm oiKvibsix 3, 64, 11; (TkottsTv ÖTTSp r^g rav
s<y%£ipi(Tix,vroov rijv Trp^^iv TricTscog 8, 18, 6; Triarriv riv) 7rxp<z-
<rKev(kt,siv Trpog roug TToXirxg 8 26 7. 9 ; ov^svog ^surspsusiv ovre , ,

xxra rijv zxTa rag Tpx^sig 18, 38, 5 aTToßxÄsTv rijv


tt. ovre
riVl
TTXpOi TT.
7, 14, 5.
VITtocp meivoig /xTro^oxvi a-urov ntx.) tt 1 43 4 cf. 6 2 13; , , , ,

TT. )Cßi) ^övaf4,ig 32, 22, 5. 13, 4, 8; Tpoo-nza-liz xa) tt. 1 i^ jj ,

9, 2, (Tvyyvccf^^j za) tt. 12, 14, 7; ^ tt. kou xl hvoiai räv Trpoiy-
pcxruv 11 ,
10 ,
6.

Objektiv gewandt : rijv Trpbg rovg 'izrovs xiriivrvjcnv a^locv ttoi-


sTcr^xi r>jg syKsxstpKJ-f^ivijg aurSi tt., aün^ §' ^v vj (jCPpa.y\g zou rb

rov ßxaiÄsag 16, 22, 2; j^ tj;? eCPo^eiocg tt. slg rovg 'itt-
oSifia
TTslg 6, 35, 8; £<y%sipi^siv riv) rix.6ryjv rviv tt. 5,41,
(zvoiri^sroii

2; rapocXoißslv rvjv tt. rocvrijv 8, 27, 8 cf. TrapxKxßsJy h ttI-


crsi rvjv ttöKiv Trocpd rivog 22 , 25 3. ,

E. Vertrauen ,
das man selbst erweist.

(Xf^£r<ziJ:,iXiirov ociiroTg easarSroii tjjv tt. 24, 12, 11. 7rci<Tix>v eU


rivoc xvxzp£[/,(>i(ro!,i rijv tt. 8 ,
21 , 3. f4,£yii?.^v evvoixv koc) it. £V£p-
<yci^£(r^xi rolg TroÄiriaoTg jcx) Trpog tzvrbv zai Trpbg ra, Mivk TTpäy-
(AOiroi 10, 17, 15, vgl. die Stellen unter D.
F. Ueberzeugung ,
Gewissbeit.

ort f4£v ovv Tra,(ri rolg ov(riv vTroKairxi Cpdopx ztx) ßarocßo^^tj ,

(T^fSov ov Trpocr'^sT ÄÖycov Izxvvi yxp vj ri?? 0v(X£oog dvocyK'/j Trocpx-


(TrijtTOii rvjv roioivrviv tt. 6, 57, 1; Traipocriov 5/' (x.vr^g rijg icrropl-

xg tKxvijv Trot.pi(7r»va,i tt. rolg oiaovovtriv 4 ,


40 ,
3 ; ri^g xpx^jg
(zyvoouiAhvig vj
ax) vij A/' xfiipia-ßijrov.uivyig ov'^a rxv 'i^vjg ovi^sv
'
oJdvr£ TTxpx'^ox^g x^ioo^livoii xx) Tri<7r£ag orav ^' ;?
Tr£p) rotvrvjg
bfjcoKo'yov(A£vyi TriX,px(rK£VX(T^^ ^o^x ,
ror vj^^ JCtx) b avvsx^g ^öyog
iZTTO^oxijg rvyxxvei Trxpx rolg XKOvouirtv 1 ,
5 ,
5 ; TroivraKägßpx-
XV rt voiAitrrsov (Tvi/,ßoi'KKe(r^oii rvjv zaroc f/,£pog l(yropitzv Trpbg r^v
rccv oXav £[jcTr£ipioiv xx) tt. 1, 4, 10; Tr£pi '/£ f^ijv rov Ttxp ohov
'
rbv ßiov oiK^b£V£iv pcEylirri^v iTTOiiliaxro (tttov'^vjv roiyxproi ßpotxax
xoi) roc rvxovrx txTro(peciv6fj(.£vog ߣyixK^v i^xocrsÄatTra tt. rolg xxov-
ovtriv 11, 10, 4, vgl. die Stellen unter B. und C.
xTiarix,
yjv ä(TxCpixg XTri7rUg xTxvrtx, TrX^pn 1, 67, 11; a^ap-
<z//,i^lxg

<yd^£(rSrxi XTria-rlxg puaog xx^ axvrov 5 98 , 7 ov^Eig xv


xx) , ;

£xav elg Trpö^viXov (XTTKxrlxv xx) xxrx(ppövyj(Tiv s^ccxsv sxvröv 32 ,

8, 10; ri2f£ig uirb rijv o\l/iv rv\y ruv 'Pcüf^xim Tvpo^orvirx xx) yca-
542 erlIuteeungjün.

•yoiXo^vXtioiv Kap^vj^ovlav a,7n(7Tiav kx) ßizpuTyjrx mit


TTüipoc rijv

Beziehung dass die Karthager öeisseln gefordert, die


darauf,
Römer sie frei gegeben hatten 3 99 7. , ,

ßovKo[/>6vm rüv xv^pdiTrav ßij ßovov tzjcousiv äAAä; ztx) ßKsTrstv


Tov Xsyovroi tioi TViv XTriaTixv räv (zvot,'yopsvo[j(,hoov 18, 29, 8.

7n<TTSVSlV.

A. aktiv.
TTKTTsvsiv T(z7i; o^vpoTviari TCüV TOTTccv S, 67, 9 und oft; T^ TX-
XvvoivTsTv 2, 10, 6; rxJt; ix räv tottcov da-^xÄsiatg
1, 23, 9.

I, 74, 6; ToiTg %sp(Ti 3, 10, 6. 44, 7, 5; t^ rivog (T\iiJ(,y!,ix,^ic(.


3, 15, 8 cf. 10, 6, 2; tj? nvog i^s^psiiji 24, 12, 2; t^ ^tä-
pov(Tic^ Tivög 3, 40, 7; T^ ttX^^si tcüv a-0£v'^ouy)Tuv 5, 52, 5 cf.

II, 32, 7. 33, 3. 15, 13, 2; tizT? s/^Trsipixig tcov vi'ysfJt,6voov

Kxi Tx7g xpsTxTg 11, 29, 5, 20, 7; t^ tüv ttoXitoov siivoicf,


6.

3, 34, 7 cf. 5, 20, 5; roilg avvSr^jcxtg 5, 37, 4; t/V/ ttkttsv-


(jxg xv'^pdai xa.) roTCOig 'AT/vlßxg sTrsßxKsTO nxraXvsiv tviv 'Pccfixi-
cüv '^uvot.tTTsiot.v 2, 14, 15, 1, 9; TridTsvcrxvrsg 'Az'^-i^ xvsdi-
2.

^xvTo TOV ^ÖÄ€f/,ov .4, 48, 13. frg. bist. 6. 11 29, 4. 5 60, 2. , i

xuT^ TTKTTeüsiv xoc) To7g xp>JiJ(.oi(Tiv 6, 2 10 cf. 16 30 4; , , ,

T^ (Gegensatz vovv f^f/j/) 10, 3, 7; ov r^ tv^^ ir.


TU%}j TT.

äxxoc rolg arjKKoyiaiAolg 10, 7, 3. Der Dativ nennt nicht den —


Grund sondern den Anlass der Zuversicht tt^ roxi 'Po'Blou tqX-
,
:

7rt(;rsv(7xvT£g xx) TTKsiovg XTrsboippi/ic/xv rb 7rxpx7rK^(riov ttoisTv


l/,i^

1 ,
47 ,
3. — Ohne Dativ : sie eilen mit dem Kopfe des Macha-
nidas der Phalanx nach, ^f^p/v rou 'n-ia-rsvo-xvrxg 'in ßxX?>,ov
XVUTTÖTTTCCg Kx) TsbxppyjXOTCOg '7r0lVI(TX<T^Xl Tfly fV/^/Cöp^jCJö'i/ 11 , 18, 7.
'Axxibg xx) ^tx rav xvxxp'KXscov toov tou 'Apixvou xx) (/.xKkttx
^ix TÜv TTxpx TOV Nixofjixxov (Tvv^yißxTcov 7n(jTs6(Txg 8 ,
19 ,
8 ;

TXq XXTX [J(,ipOg STTlVOlxg XUTUU


'
^IXTTKTTÖiv i^l^TX^S /jiSTiX Js
TXVTX TTl^TSmxg XX) VO{Jt,it!,CäV öidXVSl (JXJV &fci 'yl'yV£(J^Xl T}jV £7rt-

ßovKv^v 8, 19, 3; iir) rötrov 7n(rT£V£iv mT£ 3, 52, 7; Srxpp£Tv


xx) 7ri(rr£V£iv xvtov <Tvv£p'ybu £^£iv vof/,i^ovTx xKvj^ivootxtov 3, 11,
8. 4, 17, 11. ^ ^

rolg §f '7ri(TT£Üov'T£g ccg uTn^xöoig xou cplKoig x},vj^ivolg ttxu to

TTxpxTrlTTTOV ff hoißou 7rxpx'y'/iÄÄ£iv 3, 12, 6; ^ix rb fixKiarx


Tovrcji xx) XP^^^<^' "^P^^ '^^'^ £7nCj)xvs(TrxTxg '?rpx^£ig il ,
7ri!rr£V£iv

17, 1, 79, 12. 80, 3. 8, 19, 5; ßh tt. To7g tvxov<tiv 9,


'l.

14, 3; /ocJ^^fw TT. ';>x^lcog 8, 23, 11; tö f4,>i^£v) tt. iig riXog x-
TTpxxTOv 8 2 2 ; slx^ xx) xxpiTCüg '7n(rT£vaxg olg vjxI<tt ixP^^ 8,1,
, ,

8 ; T. T^ 7rxpov(T\ii xxTX<Trx(r£i 4 7 7 ; jC«}; tt, tjj vro tov arpx- , ,

TT/iyou '/fysvpjfiiv^fi cpiKxv^pooT^ici, Trpbc rovg <xJ%(C4i5;AcüTöy? 1 ,


79 ,
11.

i7XsiplX£iy (T(pxg xvTCfi 21, 2, 10 cf. frg. 102] TrxvTxg xx) tt.

£vvoug xuT^ xx) 7r£7n(rT£VXi}Txg 'ix^iv 5, 57, 8.


POLYBS SPRACHGEBEAUCH. 543

TOVT^ STrSTTKXrsÖZSl JCOi) ^ISTSTXÜTO TTSp) TJ?? öAJ^? STTlßovXijg \Q ,

37 3 , ;
svoi xxBicrrdvsiv (xr poiTVj'yov kou tovtoo ttivtsvsiv virep tccv
oÄuv 2, 43, 2. 22, 25, 3.

ff^xÄsTv Totq rav 7n(rr£V(riivTav sKirilxg 11, 2, 11. 10,25,9.


3, 81, 8.
iriiTTSvsiv el^da-tv riiv xKyj^eiocv 15, 26, 6. 34, 5, 9. 8.
TOiq
31, 34, 13, 2. 7, 3, 4. 34, 5, 8; Tncredaxi roig ypcc-
14, 5.

0ofjiivoig 5, 42, 9. 3, 26, 5. 3, 75, 2; oi TTSTTKrrsvxörsg rdic


s]pvif/.hoiq 9, 33, 1. 10, 38, 1. 16, 11, 6; .wj^Sf:// rav ģ^of4.s-
VCOV O^toog XX) tklCpiTOOg TT. 4, 85, 4; OpÖOVTSq TO ysyOVOq ßij TTl-
crrsvcrxi roJg i7V(4,ßixivov(n 5 18, 10. Oline Dativ ot ^s r^g
, :

STrot^yyeKioct; p^h xiTpcivag yjzoutxoiv cu fiyjv stt'kjtevÖv ys 1 46 5. , ,

45, 28, 6. 23, 4. 38, 5, 5; tx Trocpx 0u(tiv yiyvoßsvci Km)


iroipx Tviv Koivi}v hvoiav tSiv div^paircüv slg ccttiz^ ßh xx) Trpcörov
ffiroutik^Oßsv Ol,
(jiiv 'i^sh k 5f xxovtrxi xäpiv tov yvmat ro (Jt,Vi §o-
XQIIV "^UVOiTOV shiXl ^lOTt '^UVXTOV SCTTIV ,
OTXV ^S TTKTTSUCüpcSV Ovtsig
To7g TTxpot, (pü(Tiv iyxpovl^cüv sö^oxel 15, 36, 6.
^lort oder ort treten an :
Trsp) ttocvtcov AmjivjT plc^i TttfTTsvsi ^löri
Toc (J!,sv ysyovs ra. ^s saT/xt xx^diTrep ^iKixiöv iari ylyvsa-Srxi 24;
2, 9; 7n7T£U(rxg sv-Jj^cäc oti 7rotij(70vri!ii tov sttÖcvo^ov 4, 10, 1,
pc^vjTt. oTt vevixviKocaiv von den Thebanern nach, der SeUacht bei
Leuktra 2, 39, 8; ovx kv svxspSiq ^vvxtro tt. ^löri 10, 47, 9.
8. 18, 17, 7. 40, 4, 7.

ag mit absol. Genetiv für die illusorische Zuversicht: Trpoxsi-


pccg TTKXTsvd'aivTsg ag dTrsyvcoxoTOg ßo^bslv T(x.p(jvvjpi^og 5 72 7. , ,

Acc. c. Inf. TTKyTsvovrsg tXTrb tov KpoiTi^Tov yiyvscrd-xi tvjv stti-


ßoKvjv 8, 19, 4. 12, 12, 3. 25, 8. vgl. oirsp ovTs TrKTTswai
pähov 1
,
38 ,
6.

B. passiv.

Mit persönlichem Subjekt: xv^psg '7rp£(rßvTspoi xa) pctzKia-Tx ttio--


Tsvoptsvot 16, 31, 4; stkttsvovto Troipot, Tolg TapavTivoig 8, 26,
10. 22, 12, 11; OTTO Tijg tuv iTKTTev^evToov x^scrlizg j^TTVj^sig 8 ,

23, 10. 2, 5. 2, 7, 9.
TtKTTSVe^T^Od TTSp) TOÖV OXCOV 13, 2, 3. ö TTSTTKrTSVßivog •TFOipX

'Pwjaa/av a,vvip 3, 69, 1. 8, 20, 6.


TTSTricrTsucrSrcii ti tSiv (pv^iXXT>jpiav 8, 17, 5; TriiXTsu^'yjvcii tviv

STTiiAsKeix.v Tööv oXoov xjTTO Tou ßocTiKsoog 31, 26, 7; t^Aävtou 1x6-
vov 7n(7Tsv3ri^vcii 6, 56, 13; Tpjg xvTrpou xau toöv sv txÖt^ rpoad-
^uv 18, 38, 6.
Trpbg TO TTicrTsvecrBrat lihi rpxTTsi xtXTtx, tivoc. Köyov 32 ,
21 ,
9.

18, 28, 9.
Mit sachlichem Subjekt :
'^locßoKvi 7n(TTsiiöp(,sv>i Tnxp'ivioig 1 8 ,

28, 8. 27, 13, 14. 11, 25, 9; oux hexa Tijg wiboivoTviToq
544 ERLÄUTERUNGEN.

TMU xycüviMv
slpi^fisvav Tncrevbyi TTxpoi naiv 3 , 9 , 2 ; (Jt,vi
fj!,\j

yap yiyvoiAhov tövtov (die Niederlage des Perseus) mi tti-


(yrsv^hroq oujc äv iuoi "^oxsT 7r£i^oipp^ij(Toct rolg BTrirocTTOßhon; 'Av-
rio^ov 29 , 11,13; %xrx7rs(^i!j[ji,i(TTXi aou TSTriarrsvTxi Trapx rolg
BapyvXivjTiX'ii; 'hiori ro rvjg 'Aprsßi^o? xyai^fj(,ci oüts viCpSTOCi ro
TrxpciTrxv ovra ßpBXSTxi 16, 12, 3.
Mit Acc. c. Inf. UTO^^sf^ciJo? b 'Loomßiou Trxpijv raura TCikvTcc

i^^ÄUKCüi; KOi) 7rsxi<xT£vf/,ho(; izurov ßsv ocv'^px ys'yovBvot.i 'hioc rv}v


SK^ijfAiaiu xx) 'tioi TO yixzebotnv cti/M?^i^xsvxi rovq Ss kxto, rviv 'AAf -

^xv^pstxv civhpöiTroBx xx) ßKÖ-xocg ^ixßsvstv 16, 22, 5.

tZTrKTTsTv.

roig 'A%o!.idis xriffreiv nicht wegen übler Gesinnung aber ^

wegen mangelnder Waffeniibung 4 7 6. 22 7. (paßslcr^oii , , ,

ovthx TvKvjv TQvq bsovc aTTicrrsTv §1 roji; xXaitTToiq räv TTxpövrcüV


,

17, 1, 7; tzTriarslv xvr^ xx) cpvKxTTaa^xi 9, 18, 9. 5, 87, 2.


5, 10. 3, 35, 4. 60, 8. 98, 1. 10, 35, 6; ScirKTreh t^ t6x^
15, 5, 5. Ohne Dativ: vx0£ kx) ßsßvxcr' xTriarelv aus Epicbar-
mos 18, 23, 4 und 31, 21, 14; 3, 11, 9.
Mit Dat. und Inf. hrpkßXacrxv xoKKovg olg vj'TritTTVjCTXv 'ixsiv
:

xsxpvßßevov ^ix(popou 4, 18, 8.


S)v robg ßh sxTrKyjrrofjcsvoui; rviv xtrsßsixv rohq 'S" oc'inarovvrxg
Tovg V xyxvxKTovvTxq stt) toIq yiyvoßhoK; TrporrTpsxeiv 2 ,
59 ,
2.

3, 41, 8. 11, 3, 4. 15, 28, 6.


2rxvßix^ovTsg ro ysyovog ^Triarouv roTg bpafj(,£voig 8 23 , , 1 5 rtjj
'
^£ fjcsys^ai Tijg rxvixg ouhxi^Sig XTriarr^reov av>i^£g yüp 4,41,
8. 3, 61, 1.
aTi i^aWov vi7rl(rrsi rx, Kay6[J!jayx Trap) tov Upovcriou 32 26 , ,
4.
Tig yap ovx xv X7n<rT^<7Xi Trag 'PccjjCxToi TTOÄ^xJg vjTrvii/.evoi (juk-

Xxig ofzccg ovk a'ixaiv ohi TVja-xv 9 ,


3 ,
6.
i^^Tig x>Tric-ro\jßävv} xKXi!jKoig 10, 16, 9.

Komposita.

xxTXTTKTTauaiv TxTg ^vvxßeiri 2, 3, 3; roTg a-^arepoig


l^ixtg

7rpxyf4,x(7i 3 ,
80 ,
3. 70 7 roig Trxpovai xxipoTg 5
,
34 3. , ,

^iXTricTTSÜaiu Ti]v stt) riz^a tov Txvpou '^uvxarsixv 'A%«ic5 5 , 40 7. ,

'irpog rohe fih vXoci^aig rÖTvoug vTTOTFTccg al^ov roTg ^s aTrtTra'Boig kou
^iholg otitaTrhrsvov 3, 71 ,
2.

^ixTrit^raTv cc^Kv^Koig 4, 71, 6. 8, 23, 9. tov tottov vTroTraöaiu


xx) ttxvt) t^ (pxivoßiva 15, 21, 6; tjj tu^^ 1 35
"^ixxKTralv , ,

2; Tolc (x'CpaTäpoic Trpxypi.xa-t 25, 5, 8. 16, 24, 2. 1, 67, 13.

5, 40, 2. 61, 4. 47, 5. 52, 4. 13, 5, 1. 31, 6, 5. 20,


4. 35, 3, 6. Ohne Dativ 2, 21, 5. 36, 6. 8, 19, 2.
PHILO'S SPRACHGEBRAUCH. 545

hiXTropsTv KOi) hocTriarslv 1, 78, 5. 32, 13, 9. 15 21 5 , , ;

svKoißsicrbxi zoä '^loiTricrrsiv Tolq XeyoiJi.hoiQ 3, 52, 6. 4, 8, 12.


12, 14, 5.
Medial: to ttoKu ßspog rav xv^puTrav haTri^ToviJcsvQv xoc) ^oxovv
axTxvs) jcäS^' vttvov xjcovsiv rav }^syof4,svuu ^lä. rb TTxpci^o^ov rov

cru/zßxivovTOi; 18 29 7. , ,

Tia-Tcoa-Xßsvoi Tirsp) rav oKccv Trpog (x.\KvjKov(; icp' a 18 ,


22 ,
6.
rovrov ^la ttKsiÖvoov KÖyoov 7ri<Trcccrcif4,svoi; zx) 7rcc,px(ni£uiziyx^
svvouv xvT^ zx\ TrpöS^vpiov 8, 17, 2; TrKrrcjo-xa-B^xi rxt; TTporsivo-
(jt,evxq ^copsxg 1 ,
43 , 5.

x^iÖTTicyTog.

xvvjp X. 11, 10, 1; TO Tvic, livx'yysTdxq x. 3, 44, 7; 'kxv-


Toaq hoiJt.i(rxfji,£v xvtviv (die Tafel Hannibals) TTt/s/ ye rav toiovtccv
x^iÖ7ri7Tov shxi 3, 33, 18.
ol x^ioiridToog\peu^öf4,£voi rav crvyypxCpmv 3, 33, 17; rxvrx
T^sysiv xvTOv ovtok; x^i07fi(xrco(; mza 12, 9, 3 5 x^ioTrlarrug ivislq
rxt; xxr" xuroov ^ixßoXxg 28 , 4 , 10.
y.xrx^ioiruxrsvea^xi roov r^^Äizovruv xv'Spüu 12, 17, 1.

3.

Philo' s TTicrrig ').

TTifTrög.

(TO(pov xx) TTio-rbv fzh svpsTv svx [jcovov spyov , (pxvÄav ^s ro Trkij^og
xvxplSrfzyjTov 1, 64, 22 cf. 2, 272, 18; 7ri(rro) KpiSrsursg 1 , 289 ,

36 ; vopccov xpi(TToi (pvKxn&g zx) iSräv 7ri(rro) rxf4,ixi 1 , 369 ,


3; pcv^-
CpüXx^ TCKTrvj 1, 204, 17; irKrrog roürou pcxprvg
IJt,^ vof^o^sn^c
1, 166, 36; TTicTTOTspog ou^£)g vCpyjyvir]^; -/vapl/zov f/^xprvpslv von
Aristoteles in Bezug auf sein Zeugniss über Piaton 2 , 490 28 ; ,

TTKyrbv zx) rovro xvecpxivsro vom dritten am Dornbusch Mose


gegebnen Zeichen, das erst später vollziehbar ist 2, 93, 38;
Tnarorepx o^l^ig ccrm 1, 369, 13. 2, 124, 1.
Q ^izxiog N5£ 'Aßpxxpc 6 TTia-rög 1
,
259 23 , , ;
^sog zx) yrpbg
xXvjbsixv ßövog zi^yrög 1, 486, 3; tt. [AÖvog b ^sbg xx) s'i rig
^sc^ 0lXog zx^xTTsp M.a(r>jg 1 128 1
, ,
; iisu^avöpcoig Tiarbv xKvj-
^vi Srsbv (Tv^zplvstv 1, 364, 8; b^sbg zx) Äsyav tt. sa-ri 1 ,
ISl ,

35 ;
oö ^/' opzov TT. b bsbg x'k'Kx IC xvrbv zx)
b opzog ßsßxiog

1, 181, 39; b marbg rov ^soü ßcüfiög 1, 190, 23.

1) Die Zahlen beziehen sich auf Mangey.

85
546 EELÄUTERUNGEN.

Num. 12, 7, das Lob Mose's, citirfc: 1, 132, 44. 108, 10.
78, 22. 128, 1.
Deut 32, 4 ^sbg tt/o-to? citirt 1, 606, 12.

voi 1, 427, 23.

(xa-sßsix? KOi) tz2rsÖTy;Tog sroiTpot Trpog ^s rovg bßoiouq octckttoi 1 ,

368, 38; \psvhpKOTPiTo? xTria-röroiTog 1, 412, 14; davpiCßii^uog


oc-irKTroq XTrsi^'Jjq 2, 268, 42. Tö^'log irpoq TtkxT^oe, ttc^vtih rviv
01HTIV ^TTicrog cag s'i Kxi ti xpyi(TTOv ip'/xo-xtro ßsravosTv £v2rug 2 ,
595, 31; o'i ä^ina-Toi ovroi die KoracMten 2, 178, 16.
ocTTKJTog s'i
fjci^ 7rs7ri(TT£UK£V xiz) vvv Kou äia) Tixg rov ^sou xä,-
piTOig xCpdövag roTg d^ioig 7rpo<Tvsf4.sa-Srxi 1, 119, 31; KOiv el

oc-n-KTTOi 'ye'yöviZ<riv rivsg 2, 546, 7.

<y£V6(ng ^ i^ soivrrjg ot,7Ti(Trog 1


Trdvrca 486 2 cckovi vi c&TTKTTog , , ;

Ka) xßißxiog 2, 10, 24. 358, 13; Triarig a^Tia-rog 1, 665, 2.


Dass der Mensch das Meer befährt, ist ro T^vrav dTriar-
tÖtxtov 7rpx'yi/,ciTCüv 2 362 7.
, xpoc'yfjcoi oc-tckttov
, hx) /zsJ^ov
yi KiXTX 'yvüf/^viv ^xvbpcoTrivyjV 1
28, 10; ta: ocTncroc Koi>[J!,ßocvsi ttIo-tiv
,

durch den Eid 1, 622, 19; das Manna o^Triarog oxl^ig 2, 112,
49; die Traube der Kundschafter xirKTTog ^soc 2, 117, 44; die
Ereignisse am rothen Meere i^v^uv xTrta-rorspx 2, 174, 4; rb
TTsp) ro Trpa.'/ijco!,
aTrio-rov von der Grebart Isaaks 2, 17, 25; &7ri(T-
Td xiz) /u,£l^ovx aX'Tri'Bcov von der Erhöhung Josephs 2, 76, 37;
aTTihai^oicrb/x-i xxkttix. icßc) (AsyäcKa, von Bileams Zauberei 2, 122,
39; ocTTKyroi irpa^atq vom goldnen Kalbe 2, 160, 14; ccttio-tov
1(Tcog ro7g ßvj TTSTrov^dtriu (zp£Tijv rb ^£'yöiu,£vov ,
dass nämlich der
Tugendhafte jedem Schmerze überlegen sei 2 ,
449 ,
39 ; a-Cpo'^pci
aTTia-Tov iuoßi^ov al Tcciog TQcrxvrvjv £v'Bi^£XTixi ߣT(xßo^i]v irpog rx-
votvrix, 2, 556, 27.
izxot,pi<Troog xx) XTrhrug Cpu(7f/ r|J ^ous-^ Trpo.jfVf^S'J^v«? 1, 516, 47.

TricTTig.

A. Gewähr, Garantie, Beweis.

TTicrrtg rüv jOtfAAoWwv r£K£iaaig 2, 179,


i^ rSiv 'n-po<y£'yov6rcüV
TTicrrcg toov 125, 12; XÖ^ov tt. apyov
rot. if^^avij 2,
15; oih')\Ko3V

2, 678; (Tix>(p£(TTÖt.Ty^g Isyyug 7roiptzx£iߣv>ig tt. 2, 190, 19; ^ ivxp-


y£ix rpocv'/iv Tnzpixovo'iz tt. 2, 253, 39; svxpyvi 7r.'^6viz(jSr£ Äoiߣ7y
£^ aV OpOiTS 2, 75, 13; £(A(:piXV£(TT(kTyjV TT. £%f/ Tl TVIV K£X^£'lOrCiV
vßvj 1, 12, 46; df^ccprupog it. oCpSrxXf4,o7g ßaßxioupcsuti 1, 168,
5 ; T'/iv iXvx^iTrÄaiTiv £X<^v ov 7r£piTTi}v &,XXo(, irpbg aXayX'^^ ßaßtxi-
orspxg TT. vom Traum Pharao's 2, 56, 50; TTpa-yi^oi ovrug a^-
PHILO'S SPRACHGEBRAUCH. 547

Xoycav xKvjbso-Tspoiq tt. 2, 123, 49. G-ott wirkt am Sinai im


Geiste der Anwesenden die Vorstellung seiner Gegenwart elg
ßsßizioTO!,T^y TT. Tcöv f/,s\ÄÖuTcov vo[xo^£T6j(TB'xt 2 ,
679 und auch
,

sonst sehr häufig.


Plural ro fJisv xsCpx^txiov s'ipviToci
:
roiq Vs TriaTaiq vip^y^jasrai ,

1, 594, 31. 2, 59, 34. 1, 566, 1; Trhrscov rolg ovrag £(/,(px-


vetTiv 7f poq lAaprvpioiv ag x'^^Kov^ivoiq oö^sßix
xpe'toi 2, 507, 13.
506, 6; äT^vj^aiocq ßtkfroivoq xi (rvv hoycti t. 2, 362, 16. 565,
45 soiv Tr^croii a,] ^su^sTg mboivÖTv^rsq 'hisXsyx^aaiv vtto
; toov xXp}-
S"5v TTtiTTsav 1, 517, 17; biAOKoyov^iv räXvi^kg ^ cif^x kou rccg'^ia.
rcöv spyav tt.
sCpizp/jiS^oi/rsg 2, 537, 38; rii? tovtcov tt. ai xvoc-
ypoiCphrsg ^ijKov<Tt xP^<^f^oi 1, 573, 1. 35l ,
46. 384, 10.

B. Zuverlässigkeit in der Ausübung einer Pflicht.

TOtraivTifl Tria-Tsaq sxpW'Xto vTTspßoh^ von Joseph der sich beim ,

Getreideverkauf nicht bereichert 2, 77, 34; /^fr^ xotpocg xx)


ä^ÖKov TT. xv^^fTXi Txg x-yiXxc 2 9 1 ttxvtx irpxrrsiv kx^x- ,
1
, ;

p^ Kx) x^oKarxTi^ tc. vom Politikus 2, 62, 31 rnv 7ri(rriv Upxv tcx) ;

xavKov ovrcäg ^ixCßuKxTTstv 1, 487, 44. 287, 41; i^ xsp) xvrvjv


TT. von Abrahams Verhalten zu Sara mit
üebertragung auf die
unwandelbare Hingabe an die Philosophie in den vorbereiten-
den encyklischen Studien 1 ,
530 ,
29 ; ^s7^f/,x T^g irpog ocitxv
TO xvTou CpiXxv^pooirixg icx) iThTsag ep'yov von Mose,
oyi.oCpij'Kov
der nicht seinen Söhnen sondern Josua die Nachfolge überträgt
2, 386, 16; ix£T>jg xxrxCpv/aiv ßx- cog stt' xitväov ispov tj^v ra
(TiKaciog TT. ycxi rijv von den in Aegypten
xtto rSiv olxyjTÖpccv aXsov
einwandernden Israeliten 2, 86, 19; Mose lix rocrovToiv axäy-
X^v Ty}v axvTov tt. sTri^si^Xfiavog 2, 161, 48; /M-j; tvjv iv oKiyoig
TT. (pvKxTTa ^yjpx TÜjg av xXaio(Ti -T^iaraoog 1, 344, 24; opicog iri-
(Tracog ßaßxiörxrov crvfjcßsXov 1 341 48 oü 7ri(7Taag ^ TToKvopxlx ;

— Von , ,

Tax,iAvipiov 2, 271, 45. Gott: tov vrro^xoßavou ßaßxio-


vi

T»Ti) 1 442 47 ;
TT. ,Trap) rb , ;J
ov Trhrig v] xpTiog kx) •jtxvtx
mit Bezug auf die gesammte ünwandelbarkeit und Be-
TTKrjpvjg

harrung Gottes in Wesen und Willen 1 606 10. , ,

Im Uebergang zu A /^vi TtoisTcr^xi TirpoicxKußf^'X Triiyrtv xTria-rlxg


:

2, 208, 17; opxog Trlo'Taag evaxx 7rxpxhxiJ(,ßxvaTxi 1, 127, 49;


rx av'BoiX^ofAavx rm
7rpxyfji,XTccv opKqi ^tXKpivarxi xx) rx xßaßxix
ßaßxiovTXi xx) rx xttkttx Kx[jt,ßxvai ttIcttiv 1 622 20 tJj? , , ;

TTpog xvTov 7ri(TTacog xyxf^avog rov ocvBpx tt'kjtiv xvri'^i^uaiv xvrSi


^aog rviv §/' opxov ßaßxiacriv av v7ri(TX£T0 ^apaaiv 2 39 37 ; , ,

^abg axvTou xx) pcxprupix ßaßxiorxryi 1, 128, 49; o "Sxxtv-


nr,

Kiog ßaßxiOTvig xx) tt. 1, 568, 16. 30. 569, 42. 665,
9.^598,
2; TT. »xoxlg oöx haa-Tiv 2, 358, 13; Cpixixv xx) Trpbg rovg rscog
548 ERLÄUTEEUNGEN.

sU ßsßoiiorikTvjv TT. ofAOvolug TTOiovf^svoi vom Besuch Jerusalems


2 ,
223 ,
28.

C. Vertrauen.

sv(Tsßsici xx) TT. 1 ,


456 ,
39 ;
TT. ;} irpbg tov ^sov 2 ,
89 ,
1 ; >^ irpog
TO ov TT. 2 ,
39 , 18; f^öviij V'^rspsi'^scrBrxi icoä ^ri^pi^str^xi bs^ ßSToc
kx) unKivotiq KXt ßsßxtOTixri^i; tt. 2, 413,
lirxvpo'yvä/jiouog Aayia-fAOij
17 spxa^mxi T^q Trpog ^sou 5r. 2 39 29 ^ Ts^siorairy} ÄpsToov tt. 1
; , , ; ,

485, 43; ri^u Trpbg Srsbv t. ttixÖsTv 1, 609, 8; tt. jiv sTrhrevtrs >;

vj \pvx>] S"£^ 1, 442, 41; oi^Kov xlpsTo-bxi rijv Trpog tov ^sov
TT. 2, 412, 34; aicpärcp xa) xf^iysJ t^ Trpog S'fov ßöuov tt. xe-
%pn(T^xi 1, 486, 8; oux STrxf^Cporspi^ovrsg aXXoc ßeßxi^ tt. xx-
rs(Txvjfzsvoi 1, 340, 13; sv'Soixa-f^ov xx) sTrxf/.CpoTspKTf^bv xßsßxlou
^vx^g 'Bix^sasig X7ro^u<TXf4,£vog Tfjv ox^porxryjv xx) ßsßxiorxrviv
^ix^siTiv tt'kxtiv iv'^va-xaSrxi l 409 39 vi^vj xx) xxraßoxv i^ , , ;

xhvi^ovq lt. xx) XTTO yvvjaiov rov Tvx^ovg ^xppsT 1 475 39 , , ; ij

TT. ^g sKxx&v xv^puTTog mit starker Zusammenfassung des Ver-


trauens mit der unwandelbaren Treue 1, 606, 8 vgl. 1, 154,
25; ixTSTf^iif^hog tt'kttiv kx) Trxpxxxrx^ilixvjv ßiaCpsÄsaTxrav ^oy-
l^xtcav (pvAx^xi (AVI ^uuxßsvog 1, 389, 39; hpoup'yixi xx) vi Trsp)
Txg %(rixg tt. 1
, 345, 14.
— Mehr intellektuell: ix rijg stts-
%0U7Vig xTrta-rixg s\g tt. rav Ksyoi/.hav [isrxßxKslv 2, 95, 5;
(Avi^s'TroTS T>jg Trpog 2rsbv tt. xx) x<pxvovg VTCoXvj^sciog xC^KTTXßsvog
1, 631, lO; vf^vi TTors x\p£v'$ovg ^o^ng f^srxAxßuv xßeßxlov ev-

^oixarjzov ßsßxiorxrviv tt. x>.Kx^X(Tbxi 1, 228, 31.


In menschlichen Verhältnissen :
syyuZf^xi , x^ioxosag slßi Trpog
tt'kjTiv 2, 551, ro
kvxpyhrxrov '^sl'/f^.x Tria-rsag
28; 'hxxruKiov
iariv ijv TTSTrta-rsvxsv o rs ßxcriKsvg 'Bvjfiog r^ TroXtrix^ xx) o tto-
Äirixog rc^ ßxcriKsvovri ^ijf/,t^ 2 62 38 ^oüKoi Cpi^uv xx) (ru<y-
ysväv Trpoxpi^hrsg slg ttIttiv 2, 450 49. Mit üebergang zu
, ,

,
;


dem was vertrauend der Treue übergeben wird : hs^px rijg Ttsp)
,

izsi^ova TTicrriv xpvvjcrscog 1, 141, 20; bvjpx rijg ev 7rX£i0(7i Trhrs-


cog 1 ,
344 ,
25 vgl. die Stellen unter B.

D. üeberzeugung.

i^si Tritrriv
s</'/svs(r2rxi rxTg ^ixvolxig Trap) roi> /^v] supvii^xrx
xvbpdoTTOU rovg vdiu.ovg shxi 2 182, 34 oi (to^kttx) ü^vj^victxv ao- , ;

(pixv TTi^xvav sJvxt KÖyav £up^(nv xäa" ob Trpx'ypcxrav xKvjbsfrrx-


rvjv TT. 1, 463, 10; rviv xAijSrsvoua-xv xv^px(riv (p/Aj^v tt. oöx £f/,x-
S-fv 1, 363, 35; rb exvr^ ßxprvpsTv fxxvov rjjg ^s xC^" sri-
f^i]

ov zpii^ov (Tvvvtyopixg xßeßxiov s\g tt. 1, 386, 2; täDt« ixxvvjv


PHILO'S SPRACHGEBE AUCH. 549

TT. sp'yoiffoiaboii ^vv(ki/,6Vtx, roiq (ivj (pt},ovatKag sxov<n 2 ,


647 ;

vfAsTg EVTXvboi ^loiTpixpßiTs 2, 65, 28.

Von den Brüdern Josephs : X7n<rrlixg xx) f^KravB-pcc^len; d^spa-


irsürovq ^iizßoÄait; äroXstTsiv 2, 44, 26; ^ 7rX£DV£^ioc> xm ^ irpog
aXXvjXovg X. 2, 46, 27; rviv sfiCpvrov k, ßiäinxa^xi 1, 287,42;
ofivbg sU tX7n(TTitx.v bTTovoeiroii 2, 195, 4; rrroXvopjclx rsKf^vjpiov
ätt/o-t/«? 2, 271, 45; /^»j Troielabixi TpoxxÄVfjCfJix tti^tiv XTTKyTiot.q

2, 208, 17.
Tviv SV rolq KXKoiq otroi ysvijTX xx) (p^r^prä xxrsiÄyiCpivxi x7ti<T-
rixv 2, 412, 47.
xoii oi%a,pi(rrlx 'jrpog tov rov xö(r//,ou Txvrog svap-
XTriffTix ofjiou

ysmv 35 ; kxki^ouo-i sxvrovg Tj^g xTriarixg von den am


2 ,
562 ,

Sabbath Manna suchenden 2, 176, 31; ^ Trpog ro ysvvijTOv d. 1 ,

609 ,
9 ; i%vo? jj a-xiccv jj cipxv xTria-rixg "BSxeabxi 1 ,
606 ,
3.

486, 11. 568, 32.


eirsxovax 2, 95, 5; ;5 ^vyyevvig ^ev^oho^oixrx x. 1, 363,
u.
35 ; ykiA-H ^WiTOv xT^icrrixg ix ßovov rov ^oxsJv ^pTi^f/,£vov 1 ,
TO
413, 38; ^ix ro (piKÖvsixov s-ttitvi^sÜsiv XTriaTixv 2, 253, 40.

TTiareueiv.

XXKO) ^OÜXOl ^SlTTTOrXig TDig SXVTOöV iTTirlSrSVTXl (XTCCaSl 7ri(TT€V-

(Txvrsg j? poäfJ!')^ 2, 33, 23; rivi TriiTTsvTsov', xpxys ^yspcovixig jj

"^o^xig xxi rißxig >j Trspioucricf, tt^^ovtov yj vyslx xx) £vxt(räi^<Tix j^


piüjK^ xx) xxXKsi o-üf^xrog 2, 38, l5. 1, 485, 5l; pcovi^ 3-f^
XCi}p)g sripov '^poaTTxpxhyj-^sooq ov pd'^iov Tfiarrsdaxi 1 ,
485 , 47.
486, S; TKTTsvsiv rotg (pxivo[j(,evoig yt^xh^ov % S'f^ 1, 10, 4.
133, 4. 9. 343, 10. 475, 3. 606, 33. 611, 42. 2, 39,
16; yiM TrsTTia-TSVxoTsg Trx'/icog r^ a-aTi^pi S'fcü 1, 176, 23; tti-

(TTSUa-Xl ßi}^£v) TCOV £V y£V£<T£l TTpO TOV XyEVVVjTOV XX) TTXVTUV TfX-
2 443, 8 xpiarov ouv r^ S"f ^ 'rt£7n(TT£vx£vxi xx) ß>i roig x(tx-
rpog , ;

(phi Koyi<jfj(,oig xx) rxlg xßsßxiotg sixxcrixig 1, 132, 40; oIccvmv

xXoyovtTi ev) t^ tov xö<rfAOV vj'ysiiovi 7ri(rT£vovTsg 2, 125, 4:1 ; tov g


XOiX^x'iXovTxg ovpxv^ 7r£7ri<yT£VX£vxi 1 ,
486 ,
39 ; irhTig viv £7ri-

<TT£V(T£ Jj v//y%^ S'f ^ 1


,
442
d^psv^äg 7ri<rT£V(rxg d'a^ 2 , ,
41 ;
o

412, 46; £oix£ 'Aßpxxf/^ 7r£p) Tvjg 'l<rxxx £vdoixt^£tv y£U£cr£ag £0''
f 7rpÖT£pov iÄiysTO 7n(TT£ii<rxi 1, 605, 21; äxöXovbov ovx vjv iv-
^oiX(rxt Tq) ^£7ncrT£vxÖTi 1, 605, 26. 606, 2; to ßlv xTropsTv

£V$DtxZ,ovTog TO Ts /4,y}xeTi ^yjTslv 7r£7n<rT£Vx6Tog spyov 1 , 487 , 4;


vj TO ov xv£v'^oix(TTog ßsßxiOTVjg ^ xiyETxi 7r£7n(rT£vxivxi 1 ,
TTsp)

273, 24; ovTsv töov ^waptsvccv •jrKrTEVsiv ^vvxtxi Trxylag Trsp) b'sov
7ri(TT£vtTXi 1, 128, 25; Muvirvig 7n(rT£vav of/,cog icxp-ifiTEno tviv xsi-
550 EELAUTEEUNGEN.

poTOvloiv 2,93, 42. totxvtyi tov bsoCpihoui; Trspioua-Ios, ^pj^r«/ Mwy-


CTjJ? aars xvrcp rovrcp TrsTnffrsvKÜg d^epfjcorspoii; xoii [/.sit^otriv vi KXTßi
räq eripav :^f4,Mv ÄÖ^oig ts xx) ^oyi^aaiv s'icoSrs XP^<^^'^' 1
xkoocc; ?

339, 7; ;5 ^vvocf^tg iv fzövc^ tu TrKTTsusiv S^sai ksTtxi 2, 116 , 49. 175,


9 ;
ö (iTToaxöß^vog xvpiog /jiou kx) TrpsaßÖTspcg Trua-yiq ysvhecüg fV-
Tiv^ TTiaTsüsiv xvciyxx7ov 1, 603, 41. 130, 51.
Gen. 15, 6 citirt 1, 132, 42. 443, 2. 485, 35. 605, 23.
2 38 13; darauf angespielt
, ,
273 24. 456 41 2 442 25. 1
, , , .
, ,

Exod. 4, 3 citirt 1, 82, 29; Num. 14, 11: 1, 446, 39.


Mccuo-sT TreirKTTSVKSvoii vom Volke in der Wüste 2, 112, 20;
Mccvcxai XsyovTi ttkttsiisiv ort ßövov tov '^sqv ^ xpi(rig sarTi 1 662, ,

29; TrpoCp^TT^ aoiKov ttkttsiisiv 1, 308, 16; ^Aßpockfi bsoTTpoTrioig


KCii TKTi bstyCpciTOig '^STria-Tsvxcüg 1, 5l4, 40; TTSp) oov o 2rsog Ofji,o~

hOysT Tl TCpOtT^ZSV XV^pälTTOUg Ü] ßsßaiOTXTOi TTKrTSVSlV 2, 40, 8.


Im menschlichen Yerkehr: tov f^avSravovTx TriaTsvaoti ^s7 t^
"^i^dtryiovTi Trsp) av
2, 41 6, 12; ^ </vvyi ^ Trpo tuv
vCpvj'/sTTOii
aÄÄccv ttkttsvsiv
2, 639; 6KiZT0VTixpx>l? ^ i^öcKkttoi, sttIo--
äCpsiXs
Tsvsv 2, 529, 42. (piKoit; xts x^svloutri ttkttsvtsov 1, 198, 42.
196, 16. 457, 32. 2, 264, 1.
Gen. 45, 26 citirt 1, 509, 16.
Tolg xTra.^ 22 To7g aTrot^ 7rtzpx'^o^s7o-i 1
Cpavs7(yi tt. 1 ,
383 , ; ,

387, 26; üg oiKvi^hi To7g jcoiTs^sucrfzsvoig TrsTritTTsvjcsvixi 1, 325,


35. 388, 25; TTKyTsvsiv <x7ri(TT0ig Trpd^scri von Mose, der auf
die Mittheilung Gottes hin die Errichtung des goldnen Kalbs

glauben muss 2, 160, 14.


Mit OTi: ßi; TTKJTsvovTsg OTi Sfsov asicKvipaiAKi Cpvcriv von Cali-
gula 2 599 35 Tria-Tsvo-xi oti s7no-xi\psTai 6 S^sog to opxTizov
, , ;

ysvog 1,487, 8; "va ßsßocioTspov Tna-TsiKraaiv oti oJg


439, 2.

Xf^XpTljßXTUV slcspXSTOil /XSTiXpcSÄSllX "äSCO TOV ^SOV f%OÜ(J"/ 2,


248, 27. 1, 455, 13.
Mit Acc. c. Inf.: 1, 119, 31 cf. unter ^TriirTog; 2, 67, 2.
Mit Acc. Tix ^'sKTog TTsp) (TÜpca, Xsydßsvx xyoc^a ttäsovsxt^^xtx
piovov ,
ov TTpcg dÄtj^sixv ovtoc xyoi^^x TrsTncTSVKÖTsg 1 193, 14. ,

Mit Acc. und Dat.: Txg yjviixg tiv) xicrTsmoci 1, 143, 13;
iritTTig yjv TrsTritrTsvKsv 6 ^>jpt,og t^ 7roKiTiy,c^ 2 ,
62 ,
39 ; vgl. tvjv
IspOiV 'n-OipOCKXTOC^^iCVIV ßOVU T(p TrSTTKTTSVKOTl (Gott) CpvACi^lXt 1 ,

491, 17.
Passiv mit persönlichem Subjekt: dpsTi) ^ ttsttIo-tsvtxi to xoi-
Vh TTOÄlTSUf^X TrpUTXVSVSlV 2, 279, 21.
toü TTitTTSub^voii %ip/v xa,TX0sü^ov(ri slg opKov xvSrpuTTOi 1, 181, 33.
Mit sachlichem Subjekt: to tov icapTrbv Cßxa-xsiv Trspinx^ocl-
pS0-2^lXl OU TTCiVV T^ SV0!,p'/s7 TrSTTlCTTSUTXl 1, 346, lO; TO f^SV XXVj-
^sg o\psi 7n<TT£vö/jC>£V0v (TriorTouizevov 9) to ?£ xjjsd^og xko^ fgr. zu
Ex. 23, 1.
PHILO'S SPEACHGEBEAUCH. 551

ö ßh sKsivoig (den natürlichen Gütern) TtsTKTrevmi; ocTTKrtsl

S'fijj h Ts xTrta-Tcöv inslvoig irsTthTsvas ös^ 2, 39, 15; xTicrrija-oii

<ysv6(Tsi 1 ,
486 ,
1 ; ouz sv^oiixt^ovtyi f/.6vov äAA«; xa,) dTKTroixri von
denen, welche das Manna aufbewahrten 2, 175, 25; iKSrtißug
dTTia-Telv ro7g Zpijo-^oT'; 2, 118, 33; Mavcrilg oux d^voav stt) rdlg

Xsyoi^hoK; ocTTKrTyi^ovroa; rohg bf/>o(!)vXovi; 2, 92, 40. 93, 6. 1,


606, 46; 6 voüi; dyoi^^/jcocToCpopsJ ro otyci^ov Ka,v xTritTTäffi rivsg
Tay yavtroißavav aoCßloii; 2, 437, 14; sl ^i ng rovroig (den
ijt,vi

Wundern des Wüstenzugs) xTno-rsl, ^sbv out oJhv ovt' it,vjTT^(X6


•TTooTröTs 2, Il4, 36.

xbrnoiTOV x7niTTDvvTc& TTßii^avBijvoii 2, 416, 13; ßij Tolq 'koKs-


yi^ioiq £l(rci7rizv {ZttkttsJv an; ov ^vvyi(XO(/,£VDii; ttots f/,s^oip[j(,ö(r(X>(T^Ki

Trpog To h<T7rovhv2, 401 ,


26. 1 , 509, 14. 2, 446, 7. 146, 9. 555, 25.
Mit ACC. XTTKTTVlCOVCri Ol b£0i(;dlX.£V0i TOiq OiVTOlq ^S(i£Xioig OCVCil-

pabshotc TroÄaig ai TroTe ^nKT^vjirotv 2, 438, 16.


Passiv: von den
Korachiten Ma)V<x^g KTticTalTcx.i ivr^ 'ipyoig
XTTEp oivoi0£p£-cii TTpog ^£ov Tif4,}jv 2, l6l 48; h V7ro\p!iXtg shai ,

cög oi'7ti(TT£7<T^ai 2, 4:4^ 15. 1, 181, 33.

7n(yTovar2rxi.

STTOilVOV XCC)^poyOV OVX OVTOOg vi tSiV KEyOVTCOV irKTTOVTlXt ^öux-


/u,ig ag vi toov yavo/jüvuv ixK0£ioi 1, 453, 28. 554, 26. 2,591,
4l. 273, 10; ag xoc) ^loi ttokkSov xa) iixoTcov zoä äXy^bivm Stti-
(TTa<räiji£^ot 2, 445, 4; KÖyog Jf savTOV tq axCpsg 7n(7Tov/jC£Vog
1, 346, 38; TriaTova-drixi xiz) {jt^oipTvpalcrboii XÖycp S"£/^ 1 , 128,48;
7ri(TTov(T^xi soiVTOv vom schwörenden Gott 1, 128, 36.
<rUßߣß>lX£V TVIV [ihv VI(J!,£T£pOiV yvdf^JIV OpXO} TOV ^£ opXOV OiUTOV
b£i<) 7r£7ri(TTSi(r2rxi 1, 181, 38; to TrpÜTOv zeCptkXoiiQV oiKvibsit^ ßa-
ßatoTiXT:/; TraTrlarTUTai 1 ,
280 44. 300 23. , ,

Komposita.
i[^V£'?ri(rT£VK£ Tx7g iiU(rbyi(T£(yiv ag iKCivccJg BjjpautTHii to ixTog «lar-
Sry^Tov 1, 151, 8.
X7r07n7T£V£iv Tolg Wioig KoyKTi^olg 1, 132, 45.
oiKOUC^^voti TGvg ^vo oJg acxTiv vi ävTiXoyioc xa) [jt,vi tcJi hip^ Trpo-
7na'T£V£iv opxg oti t^ ^A^x{4, ov 7rpo'7r£7ri(rT£vxe xxtx Tijg
,
zx) i^i)v

yvvxiKog xXXx ^ßu(7i xvt^ xvTiKoyixg xCpopf^iiv 1, 100, 20; ^jj


a/ö5V toTc (x,Cpxv£(Tt Trp. 1 386 36, 2 , 1 06 34 ; sxvtc^ Trp. 2 , , , ,

384 ,
45 ;
Ivx p^.yj'Siig xvSrpcüTrcov oJg ou TTxpacrTiv xßsßxicfl ^päfiavog
alxxrricf, fjcxxpxv xCpaarTcog "TrpoTntXTavT^ äAA' a%pi töcv irpxy^Jt.ikTaiV
aX^m xou a\g sxxittx xxi iTTt^a^ug xvtx xuyxdxijcavog
1, 425, 42.
"Sixxvxjjxg

vgl. 2, 401, 24. —


Passiv: tvjXikxvtxi hxßoXx)
TpoTTKrTauovTxi 2, 530, 13.
552 EELÄUTERUNGEN.

'SioiTTKrTsTv: die Engel hören dem Liede Mose's zu ^rsaaröfisvot

m ^vvaroci tov avrov rpOTrov


vjXiop kou ae>^yivyi KOii r^ roov ciX^cov

(zcrrspoov X°PV [J^s(Jt,ovcrmb(x,i 2 387 24.


Travisp^ , ,

x^tOTTtarog: 1, 181, 29. 617, 39. 2, 76, 39. 659.

4.

Matth. 23, 23.

vgl. Seite 113. Wird tä ßapürspa als das Schwierigere gefasst,


so kömmt ein entschuldigendes Moment in die Stelle , das nicht
hineingehört. Nicht dass sie statt des schwierigen das leichte
wählen, wohl aber dass sie sich auf das geringfügige und ne-
bensächliche statt auf die Hauptsache verlegen, ist »Narrheit,
Blindheit und Heuchelei", wobei eine solche Verwendung des
Begriffs »Schwere" in einer so semitisch gefärbten Eede wie
Matth. 23 nicht auffällig sein kann, cf. ßccpog 2 Kor. 4, 17.
x,pi(7tg ist nicht auf die intellektuelle Funktion richtiger ürtheils-

fällung, auch nicht auf ein nur negatives Handeln inAhnduug


des Unrechts einzuschränken sondern Kpivsiv ist biblisch überall
,

That die Eecht schafft und zwar vor allem aus positiv in Fest-
,

setzung und Leistung dessen, was dem andern von Rechts we-
gen gebührt. Indem nun neben apian; als dasjenige Verhalten,
welches im Verkehr mit den Menschen gerechtes fordert und
leistet zunächst sXaog
,
der Vertreter von "IDH, tritt erhalten
, ,

wir eine kurze aber vollständige Parallele zu Matt. 5. Hier wie


dort wird der Synagoge der für sie unfassbar paradoxe Vorwurf
gemacht, dass ihr Lehrstand das Gesetz nach seinem wesent-
lichen Inhalt beseitige, und hier wie dort wird derselbe in die
beiden als Klimax über einander aufgebauten Normen der Ge-
rechtigkeit und Liebe gefasst. Auge um Auge, sagt das Gesetz:
xphig; doch dazu fügt es das Liebesgebot: sXsog. Wenn nun
noch als drittes TrlcrTiq dazu tritt, so lässt sich für die Fas-
j;

sung: Glaube sagen, dass sie bei dem regirenden Sprachgebrauch


bleibt da 'tt'kttic; als Treue in den Evangelien ohne anderes Bei-
,

spiel ist. Sodann erhalten wir damit eine deutlich unterschiedene


Dreiheit, da, wie der zweite Begriff einen wesentlich andern
Inhalt hat als der erste, wiederum der Glaube neben dem Er-
barmen ein neues wäre, während die Grenzen zwischen der
Barmherzigkeit und Treue fliessende sind. Mit diesem dritten
Gliede würde sich die Summation des Gesetzes zu einem geist-
vollen Ganzen abrunden, dadurch dass mit ihm das angegeben
würde was das Gesetz für Gott fordert und der religiöse In-
, ,

halt des Gesetzes nicht unberücksichtigt bliebe, da das erste


MÄ.TTH. 23, 23. 558

Gebot ,
wenn das andre ihm gleicli ist immerhin diess
auch, ,

"bleibt: du Gott lieben. Wir hätten damit eine genaue Wie-


sollst

dergabe 'der Micha 6, 8 gegebenen Dreiheit göttlicher Forde-


rungen und auch die Parallele mit Mat. 5 würde sich fortsetzen ,
sofern sich auch dort an das Liebesgebot die Kritik dessen
anschliesst, was die Synagoge für Gott leisten will. Auch hier
läge eine machtvolle Polemik gegen den Pharisäismus vor, so-
fern nicht diess, dass der Mensch Gott etwas bezahle, sondern
dass er ihm, dem gebenden und helfenden, vertraue, als das
genannt wäre, was das Gesetz zumeist und zuerst für Gott for-
dert. Allein 'iXsog xx) Trla-rig sind durch das alte Testament so
fest verknüpft, dass wir sie hier, wo der Schriftinhalt angege-
ben werden soll, wohl nicht von einander trennen dürfen. Auch
brächte das folgende thut diess auf den Glauben bezogen eine
: !

beispiellose Wendung hervor, die in Job. 6, 29 nur eine schein-


bare Parallele hätte, da dort der Ausdruck durch die Rede der
Juden motivirt und eben damit durchsichtig gemacht ist. Hier
dagegen weist vrotsTv tvjv Trhrtv auf die ^?ri1iD*n ''13J7 hin. T T •• ••
: T

So ,
gefasst nennt
Spruch der Ge- als das gewichtige im
setz Gebote, die auf den Verkehr mit den Men-
nur solche
schen gehn, parallel mit Matth. 19, 16 19 und noch mehr —
mit Matth. 7,12. Auch hat die Treue neben der Güte immer-
hin einen eigenen Inhalt, da damit ausgesprochen ist, dass das
Gesetz nicht nur einzelne Regungen und Erweisungen von Er-
barmen, sondern eine solche Güte fordert, welche in sich
Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit hat. Auch die Weise, wie
der Spruch bei Lukas, 11, 42, überliefert ist, deutet darauf,
dass Triartg als Treue gefasst wurde; denn die Dreiheit: Richten,
Erbarmen Glauben hätte sich schwerlich in die Zweiheit Rich-
, ,
:

ten und Liebe Gottes umgesetzt wohl aber Hess sich Erbarmen,

und Treue in den einen Begriff: Liebe zusammenfassen, wobei


Lukas damit, dass er die Liebe in Beziehung zu Gott setzt, zu-
gleich auf die religiöse Seite am Gesetz hinweist, womit sie
sich natürlich dem Menschen nicht entzieht, wie sie denn das

Gegenstück zum Richten bleibt.


5.

Die Schioankungen der synoptischen Parallelen.

Vgl. Seite 116. In allen Synoptikern finden sich Gnomen, in


welchen der Glaubensbegriff ihrer Reproduktion durch den

Evangelisten augehören wird. Bei Lukas tritt er schon mehr


heraus als bei Markus und Matthäus, vgl, Luk. 8, 12mitMrk.
4, 15. Mi 13, 19, Luk, 8, 18 mit Mrk. 4, 17. Mi 13, 21.
554 eelIuterungen.

Bei Matth. ist der Heuchler der Eepräsentant derjenigen, die


das Gericht Christi trifft, bei Luk. der Ungläuhige, Luk. 12,
46 neben Mat. 24 51 ,
der Jüngerschaft werden die aTTK^roi
;

entgegengesetzt, so dass der aus jener ausgeschlossene dasselbe


Leos erfährt wie diese, wobei zugleich Unglaube und Untreue
zu einander in Beziehung gesetzt sind; der Knecht stellt sich
dadurch, dass er nicht Tna-rog ist, den aTricrroi gleich. Auch in
der G-nome über das Aergerniss der Kleinen, Mt. 18, 6 Mark.
9, 42, wird durch Luk. 17, 2 fraglich, ob nicht das erklärende
Satzglied welche an mich glauben welches hervorhebt, was ihnen
:
,

in Jesu Augen Grösse und Würde gibt und die unerbittliche


Bestrafung ihrer Aergerung begründet, den Evangelisten und
weiter zurück der Tradition des Spruchs in der Gemeinde an-
gehört. Auch die Summation der Lehre Jesu bei Markus 1 , ,

15, gehört insofern hieher, als ihr der Täuferspruch, Mat. 3 2, ,

zu Grunde liegt, der nach seinen beiden Gliedern erläutert


wird, die Nahe des Reichs durch das Vollgewordensein der
Zeit, der aus ihr folgende Anspruch durch die Hinzufügung
des Glaubens zur Busse. So gewiss darin, dass Markus den
Imperativ Jesu mit der Bussmahnung nicht vollständig auszu-
drücken glaubt, sondern die Glaubensmahnung als dem Worte
Jesu ebenso wesentlich betont nicht Missverstand sondern Ver-
,

ständniss Jesu enthalten ist so ist damit doch noch nicht aus-
,

ser Frage, ob die sprachliche Koordination beider Imperative,


die sich in der apostolichen Lehrsprache wiederfindet, schon
Jesus selbst angehört. Die ganze Erscheinung hat nichts auffal-
liges; bemerkenswerth ist im Gegentheil, dass sie nicht in weit
grösserem Maasse statt findet trotzdem ja für das Denken und
,

Reden der Gemeinde, welche das Spruchmaterial den Synopti-


kern überliefert hat, der Glaube zuvörderst stand. Es tritt auch
hierin zu Tage, wie treu diese Sentenzen bewahrt und repro-
ducirt worden sind. Auch in den Heilungsgeschichten schwan-
ken die Parallelen sofern nicht überall an gleicher Stelle auf
,

den Glauben hingewiesen wird. Es stand in der Erinnerung der


Gemeinde fest, dass Jesus von denen, die von ihm Hülfe be-
gehrten Glauben verlangte wobei nun im einzelnen bei der
, ,

Weise wie diese Aufzeichnungen entstanden sind die Dar-


, ,

stellung variren musste, und sie konnte es, ohne dass dadurch
die scharfen, klaren Linien verwischt würden, in welche die

Erinnerung der Gemeinde das Verhalten Jesu fasst.


6.

Der objektive Genitiv an %l(rTtg.

vgl. Seite 117. Polyb schliesst den Genitiv an TrtaTsig, Trlirrii;


DER OBJEKTIVE GENITIV. 555

im Sinne von Unterpfand Garantie Beweis TrhraK; rccv siray-


, ,
:

ysXiSiV 3, 100, 3; Triarig T>jg irpoc, rot, [^sKKovra xoivcoviixt; 2 ^2, ,

4; ToÖTCöv TTiiTTiv s0sps 38, 5, 4, vgl. 23, 1, 9. 21, 14, 8.


frg. 65. Parallel damit erhält auch der objektiv gewandte Ver-
trauensbegriff denselben: >\ Tjjg icpohion; iriarig 6 35 8. Andrer , ,

Art sind die Fälle wo vor rhrK; ein Thätigkeitswort steht


, ,

zu dem brachylogisch ein auf beide bezogener Genitiv antritt:


vj TCüv xoiv^v Trpövoioi ica) TridTtt; 6 9 3 vj r^v oÄav if^TTSiplx , , ,

Kx) TTiartg 1, 4, 10, Nur an zwei Stellen könnte an einen sog.


obj. Genitiv gedacht werden. Polyb weist auf die mannigfaltigen
Interessen hin, über die der Senat entscheidet, indem er die
Steuern vergibt, für die wichtigen Eechtssachen die Richter
bestellt u. s. f. ;
^ib Tix,i/Tsc slg tjjv nzun^g tr/Vr/j' svtsBsßhoi xoc)

^s^iorai; ro Tijg ZP^^"^'^ ottviXov suKccßug s^ovci Trpog rot-g £V(rTCi<Tsig


Kai tag (XVTiTtpiX^sic tSöv tjJc avyxKvjTov ßo\jKviiAot.Tocv 6 17,8. Auch ,

hier wird jedoch nicht an die tt. welche dem Senat erwiesen ,

wird, sondern an diejenige, die er selbst gewährt oder versagt,


gedacht sein die hier in seiner Willigkeit Vortheile und Be-
,

günstigungen zuzuwenden besteht; diese Macht des Senats zu


nützen ist das Band, in das hinein das Volk gebunden ist,
wobei Wendungen wie y,siabot>i h r^ nvog tt. TrocpotKocßsIv sU ,

TViv TT. u. s. f. zu vergleichen sind, cf. 10, 34, 1. Auch wenn


10, 40 ,
9 von Scipio gesagt wird ,
er habe nie nach dem Kö-

nigthura gestrebt, sondern iTroiwccTo rijv Tra.rpi'Sx


5rf/3/ TrXsiovog
xx] ravTijg 7ri(7Tiu rijg TTspißXsTrrov kx) pt^xxxpKrTijg '^vvoiCTTsixg,
ryjv
dürfte die üebersetzung fides erga ipsam ungenau sein , da auch
hier tt. sondern das von der Troer plg
nicht die Leistung Scipio 's ,

ihm gewährte Gut welchem Frucht und Lohn seines Lebens


,
in

liegt, bezeichnen wird, die Achtung und Anhänglichkeit der


Vaterstadt an ihn so ergibt t. einen wohlerwogenen Gegen-
;

satz zu ^vvoctrreicx, sofern sie dasjenige nennt


,
worin Scipio's ,

Macht und Einfluss steht, den er nicht auf Zwang, sondern


auf die vertrauende, freie Unterordnung der andern unter
ihn begründet. Ein sicheres Beispiel, wo sich an tt. im Begriff
Treue oder Vertrauen ein objektiver Genitiv anschlösse, ist mir
bei Polyb nicht bekannt.
Philo sagt nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch TitTrig rav
ßsKT^övTm 2, 179, 15, TthTKr savrov 1, 128, 49 u. s. f. Aus-
serdem hat er an zwei Stellen den obj. Gen. an tt. mit dem
Begriff Ueberzeugung Gewissheit zur Angabe des Inhalts der-
,

selben, wie auch Triarsvsiv in solcher Bedeutung gelegentlich


transitiv gebraucht wird nämlich 2 95 5 sk rijg STrsxovfrng
, , ,
:

XTia-Tixg e]g Tricmv roov Keyo^svoov [zsTxßxXsTv wozu Jos. B. J. ,

1, 24, 6 zu vergleichen ist: elg Tria-Ttv rüu Xsyof^svcäv vttx^B^jjvxi ,


556 EELlUTERUNGEN.

und in der DejSnition der "Weisheit 1, 463, 10; xX^bsffT^krvi


7ri(rTicTTpoi^fjt.drcov, im Gegensatz zu ihrer sophistischen Defini-
tion TTiboi.vav T^oyoov £vp>]crt(;
: wobei sämmtliche Begriffe derselben
,

zu einander in Antithese stehn; oiXyjbs(; und iri^oivöv sind bei


Philo häufig Gegensätze, den Kayoi stehen die irpayiAocTOi ent-
gegen und der supwiq die Triarii; sofern letztere nicht, ein auf
,

Entdeckungen ausgehendes Suchen, sondern den festen, zur


Ueberzeugung gewordenen Erkenntnissbesitz benennt. Mit per-
sönlichem Objekt und als vertrauendes Yerhalten gedacht er-
hält TT. meines Wissens bei Philo nie den objektiven Genitiv.
Die Häufigkeit, mit der neutestamentlich der Empfänger des
Glaubens im Genitiv angeschlossen wird ist somit durch den grie- ,

chischen Sprachgebrauch nicht motivirt, wenn gleich die Wendung


griechisch nicht beispiellos ist, cf. TröXsfiov s^evsyxeJv Trhrsi av(j(,[j(.(x,-
Xav prll. ttXvi^si TrsTroiSrörsi; Jos. B. J. 6, 6, 2. Dagegen hat er seine
,

direkte Yorbildung in der aramäischen Wortkomposition, vgl.


&?^DC^
-
ni3D*n" Jerusch. Gen. 16, 5, wie überhaupt der neu-
T : :

test. Genitiv stark durch den stat. constr., resp. 1, beeinflusst

ist. Aus solchem Sprachgebrauch erzeugt sich die Formel:


i^TVVt2 ]^)^'' niiD^n und daraus Trhrig 'lyjcrov Xpio-rov, das im
Eömer- Galater- Philipper- und Epheserbrief (Rom. 3 22. 26 ,

Gal. 2, 16. 20. 3, 22 9 Eph. 8,


4, 13), bei
Phil. 8, 12 cf.

Jakobus (2, 1) und in der Apokalypse vorliegt (2, 13. 14, 12),
womit auch Act. 3, 16 in Analogie tritt, während Trla-rn; ^eov
nur Mrk. 11, 22 erscheint (doch vgl. Yatik. Gal. 2, 20 j?

üeber die Art des Zusammenhangs der damit zwischen Je- ,

sus und dem Glauben ausgedrückt ist, sagt der Genitiv für
sich allein nichts. Er bringt nur das zum Ausdruck, dass der
eine Begriff dem andern verbunden und zugeeignet ist, wobei
die Art dieser Verbindung nur durch den gesammten Gedan-

kengang ihre Bestimmung erhält. Nun hat die apostolische


Rede Jesus zum Glauben nie nur in die passive Relation des
Objekts gestellt, so dass er als das gedacht würde, was ge-
glaubt wird, sondern derselbe ist ihr nach Ursprung, Inhalt
und Wirkung durch Jesus bedingt und auf ihn bezogen und
die gesammte Fülle dieser Beziehungen erzeugt den Genitiv.

7.

Die Präpositionen sv , iiq ,


stti bei Triarsüsiv.

Vgl. Seite 117. Die Septuaginta hat noch vorherrschend die


vom Griechischen gebotene Konstruktion von Tricrrsüsiv mit dem
DIE PRÄPOSITIONEN. 557

Dativ: imcrrsvasv t^ Hat man diess im Blick auf TritTTstisiv


2rs^.
s]q und 57r/ eine ungenaue Wiedergabe von 3 pDXJl genannt,
so übersieht man, das diese Sprachformen erst innerhalb des

jüdischen Griechisch geschaffen wurden und der Septuaginta


nicht als gegebene vorlagen, sowie dass der Dativ an ttkttsvsiv
griechisch nicht nur eine flüchtige, geschwächte Relation aus-
sagte, sondern auch die volle, auf den andern sich verlassende
Zuversicht auszudrücken im Stande war. Immerhin verwischte
sich damit die Differenz die in der doppelten Konstruktion
,

des aram. und hebr. Verbums zum Ausdruck kömmt. Akte,


die nach ihrer Intensität und Bedeutung weit auseinander lie-

gen, waren damit in dieselbe Sprachform gefasst. Daher macht


sich bei den üebersetzern das Bestreben geltend , tkttsvsiv tiv'i
zu verstärken, damit es das feste Halten und Haften an dem,
welchem man traut, prägnanter ausdrücke. So wird sfA'z-icrTsvsiv
öfter gebraucht, das den Begriff »an" doch wenigstens am
Verbum ausdrückte Deut. 1 32. Rieht. 11 20. 2 Chr. 20 ,
, , ,

20 vgl. den üebersetzer des Siraciden 1, 12. 2, 10. 4, 17.


19 und öfter, und denjenigen des ersten Makkabäerbuchs 1, ,

30. 7, 16. 12, 46. Es tritt aber auch der Anschluss des Ob-
jekts mit Präpositionen auf. Der Üebersetzer des Hiob hat xani
gebraucht, doch nur bei oö Tia-Tsvsiv Misstrauen
,
also wo von
und Argwohn die Rede ist, 24, 15, 15. Oder
22. 4, 18.
es wird ü einfach mit iv wiedergegeben und gesagt : STTiarTavsv .

iv T^ ^s^ Dan. 6 23. Jer. 12 6. Ps. 78 22 auch sf/,7ri(rTsu€iv iv 2


, , , ,

Chr. 20, 20, xocTiXTncrTsiieiv iv Mich. 7,5, eine Konstruction ,

die freilich völlig ausserhalb des griechischen Sprachgefühls lag.


Sie scheint nirgends als im Bereich der Septuaginta vorzu-
liegen. Der üebersetzer des Siraciden hat sein Griechisch oft
gewaltsam genug hebräisch geformt, doch Tria-rsusiv iv hat er
nicht gesagt. In 35 21 /Cä^ 7ri(TTsv(r^q iv o'^op txTrpocrxÖTra xou iztto ri-
,
:

•xvcov <Tov
cpüKoc^oci ist iv nicht anders gedacht als in der Anti-
^

these hiezu: iv txvti spycjj Triarsvs r^ ^y^f? (^ov. Tricrrsösiv ist


im ersten Satze absolut gefasst und iv gibt die Situation an ,

in der , so sehr sie za furchtloser Sicherheit einlädt , das tticttsv-


siv doch nicht statthaben soll.
Im neuen Test, könnte neben Mark. 1 15 nur noch in ,

Rom. 3 25 die Frage entstehn ob 7ri<rTig mit iv konstruirt


, ,

sei da das Tria-rig iv Xptcrrä der Gefangenschafts- und Pastoral-


,

briefe sichtlich die ganze Prägnanz des die Gemeinschaft mit


Christus benennenden iv in sich fasst. Aber auch Rom. 3 25 ,

dürfte Paulus sowohl mit ^(a Tchrsooq als mit iv tw oii[Axri ocv-
Tov den regirenden Begriff des Satzes, nämlich ]Kot.<7Tvipiov be-
558 KRLÄUTERUNGEN.

stimmen nach der subjektiyen und objektiven Vermittelung ,

durch welche die sühnende Bedeutung Jesu zu ihrem Erfolg


und Resultat gelangt. In Joh. 3, 15 mit seinem stark schwan-
kenden Text hat, wenn das von B gebotene sv ocvt^ gelesen
wird ,
die Verbindung : 7ra,q b t^kttsvoov h (Zvt^ alle Analogie
der Johanneischen Rede gegen sich wenn nicht ,
iv xur^ zu-
gleich zu 6%f/v ^cüijv oumiov bezogen wird.
Der griechische Sprachgebrauch legte die Verwendung von
'fV;näher, das mit dem Dativ Motiv und Grund der Zuversicht
einzuführen pflegt, vgl. Seite 6S und 85; vom Grlaubensmotiv
zum Glaubensobjekt ist der Schritt klein. Richtet sich das Ver-
trauen auf eine Persönlichkeit, so wird es darum geschehen,
und begründet hat, und man glaubt
weil sie solches veranlasst
fV avT^. So muss nach Rom. 9, 33. 10, 11. 1 Petr. 2, 6
in der Sept. Jes. 28, 16 eV oiurqi sich gefunden haben, vgl.
3 Makk. 2, 7 ißTrtarsvcrxi im SfsS). Griechischer ist Luk. 24,
25 gedacht, wenn die im Text gegebene Exegese richtig ist,
bei der die Verwendung von stti dem Philonischen Gebrauche des-
selben nah verwandt bleibt. Neben diesem sprachlichen Motiv
spricht für jene Auslegung das sachliche dass die Fassung von
,

im TTcco-iv oh sX(kM(Tt>!,v Ol "TrpoCpvjTOii als Glaubensobjekt dem


Vorwurf Jesu die Gestalt gibt ihr glaubtet nicht an alles was
:
,

die Prophetie enthält, nur an einiges, z. B. nur an die Weis-

sagung vom Königthum des Christus und nicht an diejenige


von seinem Leiden. Eine solche Theilung des Glaubens liegt
aber der Gedankenrichtung des neuen Testaments fern der Vor- ;

wurf wird vielmehr dahin gehn, dass ihr Unverstand und die
Langsamkeit ihres Herzens es überhaupt nicht zum Glauben
gebracht haben während doch die ganze prophetische Ver-
,

kündigung zur Begründung und Stützung des Glaubens vor


ihnen lag.
Mit sm 3"£^ TrKrrsvsiv war der Glaube als bestehender, an
Gott haftender gedacht; soll er als Zuwendung zu Gott be-
zeichnet werden —
und als der den Anschluss an Gott vermit-
telnde Akt trat er schon der Synagoge in's Bewusstsein so tre- —
ten die Präpositionen mit dem Akkusativ ein, und zwar nicht
nur eV/, sondern auch, wohl unter dem Einfluss von 7, sU-

Den Zweck der göttlichen Züchtigung des Sünders nennt die


Sapienz: /W via-rsvo-cca-iu im (ts 12, 2; der bisher von Gott
,

abgekehrte wendet sich nun dem früher nicht beachteten Gotte


zu, vgl. 4 Macc. Hav. 518 Tijv avTviv tt'kttiv sU tov ^sbv sx£iv;Ps.
:

Esra. 13, 24: qui habent opera et fidem ad fortissimum auch Sir. ,

38, 31. Man stelle eine Wendung wie Targ. Ps. 47, 10:
DIE PRÄPOSITIONEN. 559

i^rhih pD^HD n «"Di? neben 1 Petr. 1,21: ößScg robg tti-

cTToug sU Srsöv, SO dürfte sich die sprachliche "Wurzel des neut.


slg aufdecken.
Tno-rsvsiv slg im Römer- (10, 14) Ga-
Xpicrröv ist Paulinisch ,

later- (2, 16) Philipper- (1, 29) und Kolosserbrief (2, 5 sU »5

XpKTTov Trhrig) ferner Petrinisch (1


, 8 cf. 21) und häufig bei ,

Johannes und in der Apostelgeschichte. Dem oft gebrauchten


n-ia-rs'jsiv ^sqi entspricht keineswegs ebenso häufig TTKrrsvsiv
XpKXTü) ; dieses findet sich nur in der Apostelg. und auch dort
nur vereinzelt, 5, 14. 18, 8 cf. 16, 15; dazu tritt noch 1 Job.
3, 23; TTKneüsiv r^ öi/öfjt,ix.Ti rcv vJcü ocutov, "Wiederum bleibt
TTia-Tsvetv slg Bsöv vereinzelt neben dem durchgreifenden Tna-rsv-
siv slg Xptaröv.Paulus hat nur letzteres, während er von Gott,
wenn er eine Präposition der Zuwendung braucht, stt! sagt,
Rom. 4, 5. 24. Die Apostelgeschichte hat 7ri(rT£U6iv slg 2rs6v
ebenfalls nicht, sagt aber neben slg Xpicrröv auch stt) Xpiaröv ,

9, 42. 11, 22, 19. An dieser Abstufung des


17. 16, 31.

Sprachgebrauchs dürfte der aramaisirende Charakter der For-


mel: TTio-Tsüsiv slg betheiligt sein. Die Palästinenser Petrus und
Johannes haben ihr solennes 'jvkttsvsiv slg Xpia-rcv und analog
TTicTTsüsiv slg ^sdv, 1 Petr. 1, 21. Joh. 14, 1. Paulus behält
slg für Christus ersetzt es aber wo ihm nicht der festgeprägte
, ,

Ausdruck der Gemeindesprache zufliesst, sondern er denselben


neu bildet durch sttL Die Apostelgeschichte dehnt den Gebrauch
,

von sTTi auch auf Christus aus und der Hebräerbrief hat nur ,

fV/, allerdings auch nur eine Stelle, welche dem Glauben den
beifügt, zu dem er sich kehrt.
Das Fehlen der Wendung Tria-rsösii/ Xpiarä ausser in der
Apostelgeschichte kann nicht damit motivirt werden, dass die
Gemeinde den Glauben weniger direkt und persönlich auf
Christus bezogen hätte als auf Gott. Auch Johannes braucht
den Dativ mit Vorliebe für Gott, vgl. den Wechsel des Aus-
drucks 1 Br. 5 10 und doch ist ihm Jesus zweifellos der
, ,

erste, ja gewissem Sinn einzige Empfänger des Glaubens.


in
Paulus sagt, von den Pastoralbriefen abgesehn, nirgends Tr/o-ray-
stv r^ S-f(5J ausser im Schriftcitat Rom. 4, 3. Gal. 3, 6. Wo
er aber den rechtfertigenden Glauben in eignem Wort benennt ,

heisst er ihn ttkttsvsw stt) 3:sov da, wo er ihn in seiner Gleich-,

artigkeit mit Abrahams Glauben definirt und darum als Glaube


an Gott beschreibt, Rom. 4, 5. 24. Mit dieser Formel tritt
aber die andere, Gal. 2, 16 ff., -kkttsüsiv slg Xpia-röv völlig in
Parallele, so weit es sich um die Relation des Glaubens zu
dessen Empfänger handelt. Da für Paulus Christus nicht nur
560 EE.LÄUTEEUNG-EN.

eine passive Darstellung und Versiehtbarung des göttlichen


Willens sondern voll und ganz Person ist deren eignes Handeln
, ,

und Leiden Lieben und Geben den Besitz der Gemeinde wirkt und
,

erhält, so gewinnt auch der Glaube an ihn den Charakter


einer voll persönlichen Relation, und dieser gibt tckttsüsiv sig
nicht weniger bestimmten Ausdruck als das von Gott gebrauchte
TTia-rsvsiv sttL Dass ttkttsvsiv slg für Christus ausgesondert wird,
wird daraus zu begreifen sein, dass die Gemeinde vor allem
aus für den auf ihn gewandten Glaubensakt einer solennen
Formel bedurfte so dass sich der aramaisirende Ausdruck zu-
,

meist für ihn einbürgerte, vgl Seite 275.

8.

Vgl. Seite 119. Das Wort bezeichnet nicht den Zank und Streit ,

vielmehr die Scheidung der Streitenden sei es auf dem Kampf- ,

platz dadurch dass die Streitenden von einander lassen und aus-
,

einandergehn sei es in Rechtshändeln dadurch dass der richterli-


, ,

che Spruch gefällt und die streitigen Verhältnisse geordnet werden.


Das eigenthümliche der neutestamentlichen Verwendung des Worts
liegt darin, dass die bewirkte Scheidung und Theilung nicht im
Verhältniss zu andern sondern in der eignen Persönlichkeit sich
,

vollzieht. Hat jenes Vli^, das Targ. Jerusch. I und II zu Gen. 6, 6

von Gott gebraucht ist : Jer. I n^lQKDS \^r\''b^ V1H\ Jer. II

n''!i7 DJ? P'l^l) einen festen ausgebreiteten Sprachgebrauch

hinter sieb ,
so dürfte diese Wendung von ^ixKpi^ijvon in ihrem
Grunde aufgedeckt sein. Es liegt mir nichts paralleles vor als
etwa noch Gen. 31, 36 p'? D^ piK vgl. Jer. 12, 1: pD^Ö
T T ' . I.. - .
^
1 ,. . .

"HQ^riÖ Jedenfalls liegt in diesem ein ähn-


73p /. 'BiocKpi^vivoii

licher Gedanke wie in 1i?Ö.

^läzpKng nennt den Akt, der das ^txKpi^ijvtxi hervorruft und ,

diess auch Rom. 14, 1. Es kann allerdings ürtheil heissen,


doch stets mit der wesentlichen Bestimmung, dass durch das-
selbe Streitende getrennt werden und ihr Verhältniss zu ein-
ander geschieden wird. Tritt ein Genitiv an, so ist die nächstliegende
Funktion desselben die, dass er dasjenige nennt, was zerlegt
und geschieden wird in gesonderte Gruppen. ^ixKpicrsig ^ixKoyicF-
lAoov wird heissen: Scheidung der Gedanken, Zertheilung der
Erwägungen in entgegengesetzte Richtungen. Aehnlich wie hier
hochoyicr^oi braucht Paulus Rom. 2 15 Koyi^iAoi von der das ,
"^laxpi^iivM. 561

Handeln begleitenden und gestaltenden Ürtheilsbildung vgl. Mth.


,

15, 19. Nimmt die Gemeinde die am Glauben Schwachen auf,


so darf diess nicht in der Absicht, aber auch nicht mit dem
faktischen Resultat g'esehehn, dass durch die von der Gemeinde
auf sie übergehenden Einflüsse ihr Urtheil erschüttert und ver-
wirrt wird. Der Uebergang zur freien Lebensführung wird ihnen
damit nicht verschlossen, aber es muss, wenn er statt haben
soll,
im vovi; zur TrXvipoCpopioi, gekommen sein so dass es st, 'tt'kx-
,

Tsooqgeschieht. Die gewöhnliche Fassung, die an das Richten


über die Gedanken der Schwachen denkt, löst ^iiZKpia-ig von
^ixxpivicrbtxi 23, ab, und statuirt für einen einfachen, gang-
,

baren Gedanken einen wunderlichen, entlegenen Ausdruck ohne


Sprachgebrauch.
9.

LuL 18, 8.

Vgl. Seite 151. Es liegt nahe, die Wendnng söphxsiv rvjv Trltrrtv
im selben Sinne zu fassen, wie sie Luk. 7, 9 vorliegt; diess
ist aber nur dann möglich wenn sÄ^dv an die irdische Gegen-
,

wart Jesu denkt. Wird dasselbe auf die Parusie bezogen so ist ,

an eine gedacht, die schon ehe sie gefunden wird, bethätigt


tt.

wurde, da die Parusie Jesus in einer Richter- und Königsstel-


lung offenbar macht, die nicht mehr Glauben in Anspruch
nimmt. Damit ist aber der Begriff anders gewandt als in 7 9 , ,

wo Jesns den Glauben dann und dadurch findet, dass er ihm


erwiesen wird. Die Artikulirung von tt. weist jedenfalls auf das
Gleichniss zurück, das damit als die Darstellung der von Jesus
erwarteten tt. bezeichnet ist. Doch liegt hierin für die Fassung
der Frage kein Ausschlag gebendes Moment, da Jesus den um
die letzte grosse Hülfe bittenden Glauben sehr wohl als Frucht
,

und Resultat an seine irdische Gegenwart angeschlossen haben


kann, da er aus der ihm dargebrachten tt. entspränge. Spricht
e'A&wv von der Gegenwart, so blickt svp-Jtaei auf diejenige Zu-
kunft hinaus in der die Situation der Jünger derjenigen der Witt-
,

we gleichen wird; dann wird noch viel weniger Glaube ent-


stehn als jetzt, wo derselbe ihn, den Gekommenen, als seine
Basis und sein Motiv vor sieh hat. Auch fV) rijic yvji; besitzt,
wenn von der Gegenwart Jesu gesprochen ist, einen bedeut-
samen Gegensatz. Ist die Situation des Gleichnisses eingetreten ,

so muss der Glaube seine Hülfe im Himmel suchen beim


unsichtbaren Gott, während sich Jesus jetzt auf der Erde ihm
als Grund und Stütze darbietet, ihm nah und erreichbar in
wahrnehmbarer Gegenwart. Bleibt sogar jetzt der Glaube aus,
so wird er noch viel weniger diejenige Aufgabe lösen, die ihm
36
562 ERLÄUTERUNGEN.

im Bilde der Wittwe vorgehalten dagegen von der Pa- ist. Ist
rusie die Rede, so seinen Gegensatz einfach
liat stt) ri^? yijg
im Kommen Jesu aus dem Himmel als der Bote des angeruf-
nen Richters, der im Himmel ist. Es v^^ird wohl au der Stelle
stets eine offene Frage haften, da vielleicht schon die Weise,
w^ie der Spruch griechisch formulirt ist er steht in einer —
stark semitisirenden Umgebung —
namentlich die participiale
Einfügung des spxsa^on aus der bewussten Absicht hervorgieng,
der Frage nicht zu präjudiciren ob Jesus an sein erstes oder,

an sein künftiges Kommen gedacht habe.


10.

Luh. 7, 47.

Vgl. Seite 161. Das Wort über das sündige Weib: ihre vielen
Sünden sind ihr erlassen ,
zu einer Aussage
weil sie viel liebte ,

über den Erkenntnissgrund und nicht über den Realgrund der


Vergebung zu machen, ist und bleibt unnatürlich, als ob es
sich um eine Demonstration dessen handelte, woran die dem
Weibe gewährte Vergebung erkennbar sei. Diess ist sie unmit-
telbar dadurch das Jesus das Weib nicht von sich stösst wie
, ,

er ihr denn in ausdrücklicher Zusage den Erlass der Sünden


ausspricht. Wie überall in den Evangelien so ist auch hier die
ai(p£(rig That, handelnde Erweisung des Erbarmens und der
Güte Gottes und Jesu am sündigen Menschen, wesshalb sie
erkennbar ist in Jesu Verhalten. Im Blick auf die Weise wie
er handelt, kann die Frage nach Kennzeichen der Vergebung
nicht entstehn. Wohl aber entsteht die Frage nach dem Recht
und Grund solcher ocCpsaiq^ und darauf gibt Jesus Antwort. Er
hat keine ihrer vielen Sünden wider sie geltend gemacht son- ,

dern sie alle ihr erlassen, weil sie viel liebte; in ihrer grossen
Liebe lag für ihn das Motiv, wesshalb er ihr den Zugang zu
ihm Nun stellt Jesus an den beiden Schuldnern
gestattet hat. ,

40 ff. und im zweiten Gliede von Vers 47 die Liebe zugleich als
,

Frucht und Wirkung der Vergebung dar, so dass Liebe und Verge-
bung in ein Doppel verhältniss zu einander treten indem Jesus da ,

vergibt, wo ihm Liebe entgegenkömmt, und da Liebe entstehen


soll wo er vergibt ein zwar tiefgreifender aber höchst einfacher
, ,

Gedanke, da ja bekanntlich Liebe an Liebe entsteht und darum


auch Jesu Güte und des Weibes Liebe einander gegenseitig antwor-
ten. Beide Seiten am Verhältniss werden im Blick auf das ver-
schiedene Verhalten derer hervorgehoben an die das Wort ge- ,

richtet ist. Als Frucht der Vergebung wird die Liebe geltend
gemacht polemisch zu Händen des Pharisäers, der in seiner
Lieblosigkeit die Auff'orderung hat sich zu fragen, ob ihm ver-
LUK. 7, 47. 563

geben sei. Als Grund der Vergebung wird sie herausgehoben


als Rechtfertigung für das Weib in zartester Krönung der Güte ,

mit der Jesus sie behandelt. Sie hat in ihrer Liebe ihm eine
Gabe erwiesen der er die Gegengabe nicht schuldig bleibt. Das
,

Schlusswort nennt dem Weibe aller Kritik seines Verhaltens


und allem Zweifel gegenüber dasjenige Moment in ihrer Liebe,
das Jesus werthvoU ist und seine Gabe erlangt hat und be-
wahrt: das Vertrauen. Zu solch lebeusTollen Handlungen Jesu,
die allseitig aus den zartesten persönlichsten Beziehungen zu
,

den Betheiligten entstehn, liegt Maass und Schlüssel nicht in


einer formelhaften Abstraktion.

11.

Das Jolianneisclie ä.Ki^^iv6q und äXvibyig.

Vgl. Seite 169. Gott heisst xX^^vji; im Blick auf seine Kund-
gebung und Rede an den Menschen ,
3 33 ^Kvjbii^oi; im Blick
, ,

auf seinen eignen Lebensinhalt, durch den ähvi^sios, sein Wesen


ist, 17, 3. Die Eigenschaft des Zeugnisses, dÄi^dii/ou zu sein,
wird noch unterschieden von (zX>iSrij Ksysiv 19, 35; jenes ist ^

es, weil der welcher gesehen hat, Zeugniss gab, im Gegen-


satz zu einer Darstellung, welche, sei sie nun wahr oder
falsch, doch kein Zeugniss ist, weil sie nicht auf Autopsie be-
ruht. Der f^xpTvpltx, steht dagegen das lügende Zeugniss
oiKvibyiq

gegenüber, wesshalb das Zeugniss dessen der für sich selbst


zeugt, nicht ouz xkvi^ivv} sondern ovk xK^bvjt; ist, da er zwar
,

zeugt, aber um seiner selbstischen Tendenz willen täuschend


und trüglich während Gottes Zeugniss nichts anderes sein kann
,

als xXvi^vig 5, 31. 32. Damit steht 8, 13 fi. in üebereinstim-

mung denn dort handelt es sich nicht darum ob Jesus Zeuge


, ,

sei oder nicht da er offenkundig Zeugniss gibt , wohl aber


,

darum ob dieses seinen Hörern den Thatbestand seines Wesens


richtig benenne und erschliesse oder nicht. Liegt ein Wort in
den Ereignissen erfüllt vor, so ist es d^yj^ivög geworden, 4,
37 ; xÄi^Sryig ist es seinem Inhalt nach kraft der reinen Inten-
tion des Redenden, in dem kein Unrecht ist, 7, 18 vgl. 10,
41. 19, 35. Auch in 7, 28 vgl. mit 8, 26 ist der Wechsel
der Worte wohl motivirt. In 8 26 handelt es sich um das , ,

was Jesus den Menschen sagt und sofern er nur das von Gott ,

gehörte spricht, um das, was Gott ihnen sagt. Darum werden


sie darauf hingewiesen: der welcher mich sandte, hi izX>]2r;ic, ev
täuscht nicht, sondern gibt sichre Leitung und helles Licht.
In 7 28 handelt es sich um die Frage woher Jesus komme
, ,
,

ob er gesandt sei oder nicht, daher wird gesagt: der welcher


mich sandte ist xh-^^mq er hat auch im Akt seines Sendens
, ,
564 ERLÄUTERUNGEN.

aÄ0stx in sich. Das Licht wird wahrhaftig genannt, 1,9,


weil es nicht einem täuschenden Licht, sondern der Finsterniss
entgegengesetzt werden soll der Anbeter weil der genannt
, ,

sein soll, in Anbetung kömmt im Ge-


dem es es wirklich zur

gensatz zu einer Anbetung, die nicht Anbetung ist, weil sie


nicht weiss was sie anbetet 4 23. Der Satz mein Richten
, , ,
:

ist x^yj^yic wäre aus der Beschaffenheit desselben zu begründen


, ,

sofern es aus Recht und Gerechtigkeit entspringt, vgl. 8, 13.


7 ,
18 während der Satz mein Richten ist xXvi^ivyj damit be-
,
:
,

gründet wird ich bin nicht allein sondern ich und der mich sen-
:
,

dende, 8, 16; wenn er also richtet, so ist gerichtet mit einem


ürtheil bei dem es sein Verbleiben hat, und diese Festigkeit em-
pfängt es dadurch dass es zugleich von Gott ausgeht. Es
,

wird somit auch 6, 32 und 55 der Wechsel der Worte


nicht willkürlich sein. Dem was nicht Himmelsbrod war, tritt
das wahrhaftige Himmelsbrod entgegen, während bei xKvi^viq
ßpaxng an den gegentheiligen Schein gedacht sein wird, der an
seinem Fleisch und Blut haftet , als wäre es unfähig zu nähren
und Leben zu begründen da er ja dasselbe nur durch eignen Tod
,

der Welt gibt; doch diese Speise trügt nicht. Natürlich ist das
xKyi^ivov für seinen Beobachter, Hörer und Empfänger auch
ocXvj^äq aber der Gesichtspunkt unter dem die beiden Adjek-
, ,

tive ihr Objekt betrachten, istein differenter; &Xv!^si: fasst es


in seiner Kundgebung und Aeusserung , xKvi^ivöv in seinem eig-
nen Wesensbestand.

12.

Der Sprachgebrauch von 'rrhriq in den Briefen.

Ygl. Seite 248. Die Briefe vergegenwärtigen den allmähligen


üebergang von Tria-röcin den Begriff: gläubig anschaulich. Ehe
die Gemeindeglieder ol yria-rol genannb wurden, war für die der
Gemeinde fern bleibenden ol än-iaToi in Gebrauch. Der erste
Korintherbrief hat izticttoc in fester Prägung, 6, 6. 7, 12. 13.
14. 10, 14, 22. 23, stellt aber den ciiria-TOn; noch nicht
27.
Tohq Tricrroüq sondern Tobq TruTTsvovrixc entgegen. An ocTriorroq haf-
tete auch im griechischen Sprachgebrauch der Gedanke des
Zweifels und Verdachts, vertrauensloser Abwendung. In der
Antithese 2 Kor. 6, 15 tritt dagegen dem xtio-toc Tna-rög ent-
gegen; die sprachliche Korrespondenz der beiden Worte führt
auch zur begrifflichen Gleichgestaltung derselben, und diese ist
dadurch erleichtert, dass die Stelle an die feste, konsequente
Beharrung in der Christenstellang denkt die sich in keine Ver- ,

mischung und Akkommodation mit der entgegenstehenden Le-


DER SPRACHGEBRAUCH DER BRIEFE. 565

bensrichtung einlässt. Doch ist deutlich der Glaube als das ge-
dacht, was in Konsequenz und Treue fest zu halten ist; der
im Glauben bleibende ist tt/dttö.;, vgl. Job. 20 27. Paulus ,

nennt, Gab 3, 9, mit der Synagoge Abraham o TTKrrög vgl. >


^
Philo AßpcckiJ!, 6 Tncrrög 1
: 259 23. Dieses Tncrrog ist aber
, ,

in enge Beziehung zu jenem iTrlo-Tsvasv gesetzt, 3, 6, das


die Schrift von ihm aussagt: als o Tna-TsvfTocg ist er b ttkttöc.
Doch wird nicht ohne Begriffsdifferenz statt <yvv t^ Tnarsv-
(TOiVTt ^Aßpxxß: o'vv rro Tr/irTw 'Aßpaciß gesagt sein; tt/o-töV
vergegenwärtigt sein glaubendes Verhalten in seinem blei-
benden Resultat; aus seiner Glaubensübung trägt er nun
diess davon dass er jt/cttöV ist. Sodann findet sich 7ri(Tr6<;
,

in den Ueberschriften der Gefangenschaftsbriefe, Kol. 1, 2.


Eph. 1, 1. Ob im Kolosserbrief: ol iv KoKofracclg ocytoi zx) tti-
(TTo) ochsKCpoi SV Xpio-Tqi, ayiog für sich allein gedacht ist, als

Benennung des Verbandes mit Gott, wozu nun ttio-to) oc^skCpoi


tritt zur Vergegenwärtigung ihrer Verbindung unter einander
und mit dem Schreibenden, oder ob d^sÄCßog der dominirende
Begriff ist dem auch ^yiog angeschlossen wird vgl. Hebr. 3 ,
, ,

1 jedenfalls steht ttktto) x^sXCpoi dem -Tnaroc; x'^sKCpöc Kol. 4, 9. 1


, ,

Petr. 5,12, noch nah. Allerdings ist auch dann wenn Paulus der ,

Gemeinde Onesimus als Triarog i^f A4)ö? vorstellt ,4,9, derselbe


vor allem aus als gläubig bezeichnet, denn alle Trla-Tig die der ,

Bruder der Gemeinde erweist und für sie besitzt, beruht in


seinem ivKTravaoci gegenüber dem Herrn. In der Ueberschrift des
Epheserbriefs hätte ivKTTog deutlich den Begriff ausharrender
Treue, wenn zu lesen wäre: rolg dyioig roTg oixnv kx) 'Tria-roTg sv

Xpicrrcf> 'IjjcroD. Denn ungläubige Heilige ist ein kaum denkbarer


Gedanke, leichter ist derjenige an untreue Heilige, sofern die
beharrende Festigkeit zu der durch Gottes Berufung empfan-
genen Heiligkeit hinzuzutreten hat als ein ihr folgendes wesshalb ,

sie auch mit einem steigernden ax} an jene angeschlossen wer-


den kann, während der Glaube als das, was überhaupt erst in
die Heiligkeit versetzt, von ccyiog nicht abgelöst sein kann.
Aber auch bei dem auffallenden Schwanken der Zeugen hin-
sichtlich des SV 'ECPsac>)bleibt die Verbindung roTg dyloig roTg
cvTiv Koc) TTiaroig und die in ihr enthaltene Eintheilung der Siyioi
in solche, welche »auch TncTTOi" sind, und solche, welche
nur ^<yio( sind, seltsam. Man wird hinter roTg ovo-tv einen
Ortsnamen erwarten und wer nicht iv '"Ecphc.i lesen will, der
wird eine Lücke im Texte zu statuiren haben Immerhin wird
auch so das dem xyiog nachfolgende Triaroc eine steigernde Be-
deutung haben. Es nennt die subjektive Seite am Ohristenstand
der Leser, und zwar da sie ja schon als Heilige charakterisirt
566 EELÄUTERUNGEN.

sind, nicht sowohl dasjenige Verhalten, welches dieGabe Got-


tes empfängt, sondern dasjenige, welches sie bewahrt, ü-zo-to;

wird er die Heiligen nennen, sofern sie durch das Verharren


im Glauben ihre Heiligkeit sich erhalten und dieser bleibende
Glaube ist ihre Treue die sich ebensowohl wie der Anfang und
,

Ursprung des Ohristenlebens sv XpiaT^ vollzieht.


Die Apokalypse braucht TTKTTog ebenso aber auch ,
aitifTToc ,

stark aktiv: oi ^siÄo) jcx) ocTria-rci y,x) sß'BsKv^/jCivoi u. s.f. werden


hinausgeworfen, 21, 8. Stehen die Feigen voran, so wird zu-
nächst an diejenigen Glieder der Gemeinde gedacht sein, welche un-
ter dem Druck der Verfolgung von Christus abgefallen sind. Diese

Feigen haben die Treue gebrochen sind also xTritTToi und haben ,

sich an heidnischen Dingen befleckt. Im Gegensatz dazu wer-


den die Sieger über die Könige der Erde o\ ^t/o-tu/ genannt 17, ,

14. Auch hier ist nicht nur an den Glauben als im Innenleben
beschlossnen Vorgang gedacht, da es sich ja um den grossen
Weltkampf handelt in welchem der den Sieg gewinnt welcher
, ,

•KKTToc; •yiv£Toci bis zum Tod, 2, 10. Allein jene handelnde


Untreue ist zugleich Unglaube und diese handelnde Treue zu-
gleich Glaube; die Aufgabe, welche die Treue zu leisten hat,
besteht darin den Namen Jesu festzuhalten und die ihm zukom-
,

mende TT '[(TT ig nicht zu verleugnen 2, 13. ,

Deutlich receptiven Sinn hat ttkttoi; 1 Petr. 1 21 Vat. etc. ,

und mit gesichertem festem Sprachgebrauch in der Apostel-


,

geschichte, 10, 45. 16, 1 vgl. 16, 15, und in den Pastoral-
briefen, 1 Tim. 4, 3. 10. 12. 5, 16. 6, 2. Tit. 1, 6. Doch
auch Act. 16, 15 heisst tcexplxccrs //,£ Tria-rviV rw kh/j/V ehoii
schwerlich nur: ihr habt mich für gläubig an den Herrn ge-
halten; TTitTTVi ra xvpicfi wird nicht das subjektive Verhalten der
Lydia sondern ihr objektives Verhältniss zum Herrn benennen.
,

zsuplKiXTs weist auf einen bestimmten vollzogenen offenbaren , ,

Akt, und ein solcher ist die Taufe. Dadurch dass ihr Paulus
die Taufe gewährt hat, hat er sie für tt/o-ti^ dem Herrn erklärt.
In derselben lag aber nicht nur ein Tnarrsüsiv ihrerseits sondern ,

auch ein Tna-rsvSri^vxt von Seiten des Herrn, er hat ihr die
messianischen Güter zugesagt. Darum wagt sie die Bitte, die
einen Vertrauenserweis von Seiten des Apostels in sich schliesst.
Wenn sie nach seinem Urtheil dem Herrn Triarryi ist, so dass
er ihr seine Gaben verleiht, vgl. 1 Tim. 1, 12, so darf sie
auch ihre Bitte an ihn stellen; ist sie dem Herrn Tnarji so ist ,

sie es auch ihm. So bleibt der Ausdruck auch an dieser Stelle

Wendungen wie tskvov Tnaröv, 1 Kor. 4, 17, viKsvii^svoq vtto


Kvpiov TCKTTog sjvxi, 1 Kor. 7, 25, verwandt, wobei allerdings
das was sie dem Herrn ttk^tj^ macht, ihr Glaube ist.
DER SPEACHGBBRAUCH DER BEIEEE. 567

Es magnicht ganz ohne Einfluss auf diesen Anschluss von


an TTKyTsvsiv gewesen sein, dass TTKrroi; griechisch wenn
TTtcrTog
auch nur vereinzelt, so doch immer noch im receptiven Sinn
des Trauens fortexistirte. Aber die wirksamste sprachliche Vor-
bildung auch hier auf jüdischem Boden, yvvn 'lov^xlx iri-
liegt
(TTii ,
Act. 16
1 genau so bezeichnet der Pharisäer diejenige
,
:

fromme Stellung, die seinen Anforderungen entspricht, vgl.


Seite 36. Er füllt den Pormbegriff der Festigkeit und Verläss-
lichkeit mit dem Gedanken an die Gesetzeserfüllung aus in der ,

Gemeinde macht der Glaube an Christus den Triardt; , und diese


Füllung verband sich mit demselben um so leichter, weil grie-
chisch und aramäisch Treue und Glauben sprachlich zusammen-

gehörten. Die Nn?^^? r^D^HD sind für die Tnaro) iii; bsov nicht

nur Bezug aut


in die Präposition, vgl. Seite 559 , sondern auch
in Bezug auf den Eintritt von Triarög an die Stelle von Tntrrsv-
ovrsg das sprachliche Vorbild gewesen. So fliesst nun auch grie-
chisch der Begriff von TricrTsven/ in ;r;(7T0? zurück, vgl. Seite 262.
Es bricht überhaupt für den Gedanken der Briefe, was wir
als Treue und Glauben scheiden, nicht auseinander. In Rom.
3 , ff hat Paulus Israel zunächst als Subjekt eines göttlichen
2
TTifTTsv^iivaii bezeichnet. Das Wort ist gewählt, um die Werth»

Schätzung Gottes, die er Israel zuwendet, und die in ihr be-


gründete Würde des Juden hervorzuheben dieser ist der Empfän- ;

ger göttlichen Vertrauens geworden, das ihm ein Gut von so


umfassender und bleibender Bedeutung, wie es die Worte Got-
tes sind, übergeben hat. In diesem '^tkttsv^jjvxi hat Israel Got-
tes erfahren, aber nun legt sich sofort in den Begriff
TTia-Tig
die ganze Aktivität Gottes hinein die seine ^öyia durchführt
,

zur Verwirk] icbung. Auch auf Seite Israels ruft das •TrtcrrsuB'^voii
der tt'kttic aber auf seiner Seite hätte dieselbe im TTKrrsüsiv be-
,

standen. Darum tritt jenem 7n(XTsv2rijvoii dmcrTsTv und der Trlcmt;


Gottes die xTricrTlix Israels mit dem Begriff des Unglaubens ent-

gegen wobei,
derselbe allerdings auch seinerseits nicht nur als
seelische Regung, sondern als Aktivität gedacht ist, sofern es
den Christus verworfen hat und auch jetzt noch verwirft. Aus
diesem Wechsel der Beziehungen ergibt sich im Gedanken des
Paulus keinerlei Inkoncinnität die ttIc-tic empfängt ihren Inhalt
;

aus der Stellung dessen der sie übt auf Gottes Seite ist sie die
, ;

That der Hülfe und die Gabe des Reichs, auf des Menschen
Seite ist sie Glaube, der auf sein Wort vertraut. Ganz analog
ist 2 Tim. 2, 13 gedacht.
Der apostolische Sprachgebrauch scheidet sich eigenthümlich
in zwei Gruppen dadurch, dass der Glaube bald überwiegend
568 EELAUTERUNGEN.

verbal benannt wird als TTKxrsvstv ,


bald überwiegend substanti-
visch als 7rl(TTic. Auf jener Seite stehn Evangelium und Briefe
des Johannes ,
die bei ihrem häufigen nur ein einziges
Tna-reüsiv
TTiaTi^ haben, 1, 5, 4, und die Apostelgeschichte, in der eben-
falls weit überwiegt; auf der andern Seite stehn die
TTia-Tsiisiv

Apocalypse, die Trta-Tsvstv nicht hat, Jakobus, vgl. ^/Vr/y £%£/v


2, 1. 14, der Hebräer brief die Gefangenschaftsbriefe, unter
,

denen dem Kolosserbrief ttkttivsiv ganz fehlt die Pastoralbriefe , ,

aber auch die altern Paulusbriefe haben Tria-Ttg vorwiegend. Der Ga-
laterbrief z. B. hat neben seinem häufigen Trlari? ausser im Ci-
tat 3, 6 TTicrrsvsiv nur noch zweimal, 2, 16 und 3, 22, dort
im Rückblick auf den Werdemoment der Glaubensstellung, da
sie, die Juden, in der Erkenntniss ihrer Ungerechtigkeit und
der Heilsbedeutung des Glaubens wirklich Glauben fassten hier ,

noch neben Tiaric zum Ausdruck dessen dass die in Jesus


, ,

begründete und von ihm im Menschen gewirkte xlaric das Ver-


halten desselben bestimmt hat und in seine persönliche Lebens-
richtung übergangen ist. So tritt auch Rom. 3, 22 zu Triarig
noch TTiaTsvsiv hinzu, um die Bewegung, welche das gerechte
Verhalten Gottes vollzieht, vollständig zu benennen von ihrem
Ausgangs- zu ihrem Zielpunkt hin. Die Gerechtigkeit ist ein
Handeln und Geben Gottes von Gott geht sie aus ^iKxioffuvij
, ,

S-föD, sie vermittelt sich dem Menschen durch den an Jesus


haftenden, ihm hingegebnen Glauben und wird ihm zu Theil
als ihm zufallende Gabe, sofern er in seinem eigenen Verhal-
ten ein Glaubender geworden ist.
Nur im passiven '^laTsuSf^voci ti wird irKTTSvsiv von Gott aus-
gesagt, sonst trägt TTKneveiy die Energie und Vi^irksamkeit des
göttlichen Verhaltens zum Menschen nicht, es bleibt für des
Menschen Beziehung zu Gott reservirt obwohl damit dass dem , ,

Menschen Gott gegenüber ein TncrTo^ shai obliegt allerdings ,

göttliches Vertrauen ihm zugewandt ist. Aber auch das passive


TTiffTsu^^vaA bleibt eigenartig beschränkt. Die fundamentalen
Gaben Gottes, Errettung, Reich, Geist, werden nie unter den
Gesichtspunkt göttlicher Vertrauenserweisung gestellt. Paulus
braucht es von Israel dem das verheissend auf die Zukunft
,

weisende Wort übergeben ist Rom. 3,2, und im Blick au±


,

sich selbst von seinem Apostelamt, Gal. 2, 7. 1 Kor. 9, 17.


1 Thess. 2, 4. 1 Tim. 1, 11. Tit. 1, 3.
Das griechisch geläufige Passiv zu Tria-rsvstv riui liegt nur 1
Tim. 3, 16 vor; nicht das Verhalten der Menschen zu Christus
soll benannt werden, sondern das, was Christus erlangt hat
als Resultat und Frucht seiner Erscheinung und Verkündigung,
lieber der Welt hat er ^ö^x, in der Welt 7ri7Tig gefunden als
,
DER SPRACHGEBRATJCH DER BRIEPE. 569

das Ziel ,
in dem sein Kommen endigte ,
und zum Ausdruck dieses
Gedankeus bot nach dem gewöhnliclien Spracli-
sich das Passiv
gebraucL. dar. Dabei hat s7riGT£v2f>} iv xöa-f/.a eine analoge An-
tithese in sich wie die beiden andern auf die irdische Sphäre

bezüglichen Aussagen: icpxvspu^fij h (rapzi und s}cnpvx% sv eSr-


veaiv. Dass er in der
gegen Gott gegensätzlichen Welt Glauben
fand, das ist mit das Mysterium der Frömmigkeit, Zugleich
steht s'Tnaisvbvj zum vorangehenden Glied in Antithese, wie
dieses zn seinem "Vorgänger: obwohl nur im Himmel sichtbar
und den Heiden nur in der Verkündigung nahe gebracht, hat
er doch Glauben erlangt.
In 2 Thess, 1 , 10 liegt dagegen in 'Triarsv^^voci der üeber-
gang vom empfangenen Vertrauen zur bethätigten Zuverlässig-
keit vor, so dass Trio-rsubTivon den Gedanken sieh glaubhaft
machen und als glaubwürdig erweisen gewinnt. sTia-rsväi/i rb
'^ßm £<?)' i/jxaic
fiaprüptov kann jedenfalls nicht heissen : es wurde
von euch geglaubt. Nicht die Gemeinde ist als dem Zeugniss
sich zuwendend gedacht sondern das Zeugniss ist der Gemeinde
,

zugewandt, es ist also in Tricrrsv^pjvxi eine Aktivität des Zeug-


nisses gedacht, es betbätigt sich an ihnen als 7ri(rröv, verläss-
lich, glaubhaft und darum geglaubt. Der Satz begründet auch
nicht nur den Begriff „an den Glaubenden", was einen sehr
geringfügigen Fortschritt des Gedankens ergäbe, sondern der
Hauptgedanke, dass der Herr mit seinem Kommen an den
Glaubenden sich verherrliche, erhält darin seinen Grund, dass
das Zeugniss an ihnen treu und verlässlich wurde und Glauben
wirkte. Als ttkjtÖv und Tricrrsv^h ruft es dem von dem es zeugt , ,

und gibt es das, was es verheisst. Darum kann sich auch der
Gedanke »an jenem Tage" daran anschliessen dessen Trennung ,

von dem nächsten Satze durch einen Gedankenstrich , so schul-


meisterlich logisch sie ist, dem lebendigen Gedanken der Stelle
ein hässlich hinkendes Ende gibt. Hätte sich das Zeugniss
nicht an ihnen bewahrt in seiner verlässlichen Kraft so gälte ,

die eben ausgesprochne Verheissung ihnen nicht, aber voll und

ganz macht sich das Zeugniss erst an jenem Tage wenn Jesus ,

wirklich gekommen ist und an seinen Glaubenden sich ver-


herrlicht hat, an ihnen tt/cj-tcv. Das was jetzt im Glauben der
Gemeinde an Bewährung des Zeugnisses vorliegt und das, was
der Tag Jesu ihm an solcher verleihen wird, das hat Paulus
unmittelbar zusammengedacht als die von einander nicht trenn-
baren Glieder einer Kausalkette, darum reisst auch der Aorist
seinen Gedanken nicht von »jenem Tage" los.
Bin solcher Uebergang von 'Kiarsv^^vai in's Aktivum hat
Analogien in der Septuaginta. Bot ?Dä<J den Begriff zuverläs-
570 EELiTJTEÄTJNGEN.

sig werden, zwar gewöhnlich TnaruSri^voit zur


so benützt sie

Wiedergabe dieses Gedankens


aber auch 7n<yTsu^vivix,i übernahm
,

diese Funktion. In Gen. 42, 20 wird die Meinung der Üeber-


setzung sein: eure Worte werden geglaubt werden; auch in
der Doppelübersetzung 1 Sam. 3 21 schliesst sich sTrKyTsvbvi ,

Tov ysvsd^xi an. das griechisch häufige Tna-Tsusa-bai


TTpoCpvirT^ii

an, sofern der Gedanke sein wird, Samuel wurde von Gott
damit betraut, Prophet zu werden. Dagegen in der Verheis-
sung sfjCTficrTsvbjjcrao-^s 2 Chr. 20 20 ist das Passiv zwar noch , ,

lebendig aber das was empfangen wird ist hier nicht Ver-
, ,

trauen, sondern Gottes hülfreiche Treue; das Wort wird sagen


wollen: ihr werdet Gottes Treue erfahren. Der Passivbegriff ist
untergegangen und der Gedanke treu sein Vertrauen erzeigen :
,

mit Tria-rsv^yjvüii verknüpft, wenn es heisst: sTrKTTsv^vi ^A'/^oug


SV r^ Axßi^, Sam. 27, 12, wobei allerdings die Versetzung
1
der Namen in den Texten zeigt, dass man sich an der Wen-
dung stiess. Der Thessalonicherstelle genau entsprechend sagt
der üebersetzer des Siraciden ifiTno-rsvSr^jvoii von den Prophe-
ten und der Weisheit, 36, 21. 1, 15, mit dem Begriff der
Bewährung und erwiesenen Zuverlässigkeit er bildet sogar davon ;

wieder eiu Aktiv, if^Tncrsveiv r/, die Sache tkttÖv machen,


ihr 'jrhrit; geben 50 24. Auch da
,
wo nicht unmittelbar
, ,

mitbetheiligt ist finden sich Spuren dass sich das pas-


[Di^i , ,

sive "TTKrTsv^vivoct aktiv gestaltete. TrsTrKrreviJihog sagt Polyb 16 ,

22 5 mit dem Gedanken


,
er war überzeugt. Josephus sagt
:

Ant. 16, 7, 2 von Antipater: rovra r^ rpoTra TromÄccg sktts-


pisXvjXvbai TOV TTiZTipx ßövog VTrsp rijg ixstvou a-aTvipixg ccttocvtx
TrpaTTsiv ocvToc TTSTntTTsvKdoc. Da liegt ein kausativ gedachtes
tt'kttic verschaffen. Das
7ri(TT3V£iv vor, sich geht noch über jenes
TTKTTsubvivat , Glaubeu begründen und erlangen hinaus. ,

Wie 2 Thess. 1, 10 mit geringer Sinnverschiedenheit statt


sTria-TsvS^yi sTTKrToo^vj stehen könnte, nur dass die Beziehung des
Zeugnisses zum Glauben
der Gemeinde weniger ausdrücklich
hervorgehoben wäre so zeigt auch die einzige Stelle der Briefe,
,

welche XKrra^vivoi.i hat, dasselbe in starker Annäherung an


Tna-Tsvsiv 2 Tim. 3, 14. Es steht im Anschluss an „Lernen"
,

als das geschlossne Resultat desselben, zur Benennung der fes-


ten XJeberzeugung und Gewissheit dessen welcher erkannt hat , ,

von TTta-Tsviiv nur dadurch unterschieden dass es die Gewiss- ,

heit nicht als eignen innern Akt der Zustimmung, sondern als
ein ihm zu Theil gewordenes Erlebniss beschreibt bei dem er ,

sich nicht thätig sondern empfangend verhielt.


EÖM. 6, 8. 571

13.

Rom. 6, 8.

Vgl. Seite Die Bestimmung des Glaubens durch ort xx)


278.
(yvv^vi7oi/.£v würde vom sonstigen neutestamentlichen Spraeh-
xvTc^
gebrauch abweicben wenn vom logischen Zusammenhang zwi-
,

schen zwei üeberzeugungen die Rede wäre so dass die Gewiss- ,

heit dass wir mit Christus leben werden


, aus der Gewissheit, ,

dass wir mit ihm gestorben sind, gefolgert würde. Bewegte


sich die Argumentation nur in dieser logischen Sphäre so wäre ,

der Gebrauch von -ttkttsvsiv für ein einzelnes Moment der


christlichen üeberzeugung singulär und ohne Analogie mit der
sonstigen Verwendung des Glaubensbegriffs. Allein jene Stelle
spricht nicht von einem logischen, sondern von einem geneti-
schen Zusammenhang, der in der reellen Lebensbewegung der
Gemeinde sich vollzieht. Nicht aus der üeberzeugung ,
dass wir
gestorben sind ,
dem Faktum dass wir starben
sondern aus , ,

folgert Paulus das Tncrrsvsiv und aus diesem Faktum der Todes-
gemeinschaft mit Jesus ergibt sich nicht nur ein logischer Akt ,

sondern der Glaube in


seinem specifisch Paulinischen Sinn.
Dadurch dass der Mensch, sich selbst durch Jesu Tod in den
Tod versetzt sieht in ein Gestorbensein,
welches A ntheil ,

an Jesu Sterben ist sowohl nach der gerichtlichen Seite


desselben als nach seiner sühnenden Wirkung als nach der von
dieser unabtrennbaren ethischen Folge in Lösung von der Sünde ,

sind im Menschen Realbedingungen hergestellt zum Glau-


die

bensakt, zu einer Zuversicht, die abgezogen ist vom eignen


Selbst, und auf den Christus in voller Bejahung seiner Gabe
hingewandt ist, wobei nun speciell das Leben Jesu als der In-
halt des Glaubens heraustritt, das nunmehr wie sein Sterben
als des Menschen eigner Besitz bejaht werden kann so dass ,

aus ihm das Mitleben mit Christus folgt. Die Gedankenbewe-


gung der Stelle ist folgende: zunächst wird der Antheil der
Gemeinde an Christus nach seinem objektiven Thatbestand
benannt Vers 5 wie er ihr durch die Taufe zu Theil gewor-
, ,

den ist. Diese ist das Abbild des Todes Jesu to of^oicofjtoc tou ,

^oivxTou oivTov mit dem sie zusammengewachsen ist, da sie ja


^

darin, dass sie getauft ist, den dauernden Charakter ihres


Lebens besitzt worin auch der Antheil an Jesu Auferstehung
,

liegt. Sodann wird die in 's Innenleben der Gemeinde fallende


Yermittelung dieser Gemeinschaft mit Christus dargelegt, und
diess zunächst in Bezug auf Jesu Tod, Vers 6. Der Anschluss
an denselben vollzieht sich in dem Erkenntnissakt, dass unser
alter Mensch mit ihm gekreuzigt wurde, und in dieser Auf-
572 EELAUTERUNGEN.

nalame der Einpflanzung in seinen Tod in dass bewusste Innen-


leben wie sie in diesem Erkennen enthalten ist, vollendet sieb
,

das Mitgestorbensein mit ihm, nun erst ist es eine vollzogene


Thatsache: «TTfS-i^ivo^fv o-vv Xpi<rT^ , 8. Aus diesem nun auch
innerlich gewordenen ,
zum eignen
Erlebniss gestalteten Theil-
haben an Jesu Tod erwächst ein neuer innerer Akt, welcher
der Theilnahme an Jesu Auferstehung analog entspricht und
sie analog bedingt wie die Vers 6 genannte Erkenntniss das
,

Theilhaben an seinem Tode, und dieser neue innere Vorgang


ist der Glaubensakt, der des Lebens in Christo gewiss ist.
TVKTTsvsiv nennt somit auch hier wie überall den centralen Akt
der Zuwendung zum Christus ,
und das singulare in der Wen-
dung besteht nur darin dass ,
dieBedeutung Jesu ,
die den In-
halt des Glaubens ergibt, in ihrem Endergebniss beschrieben
ist auf dem Punkt, wo Gabe in den Besitz des Menschen
seine
übergegangen ist, so dass sein Leben zum Leben des Glau-
benden wird. Dabei ist es für den Sprachgebrauch von ttkttsusiv
lehrreich dass Paulus den Innern Anschluss an den Tod Jesu nicht
,

Tncrrsvsiv sondern yivätxxsiv nennt 6 wohl aber für die Aneignung , ,

seines Lebens braucht, 8. Die Folgen seines Todes


'^kttsvsiv
bilden so unentbehrlich und heilsam sie sind doch nur die
, ,

negative Vorbedingung seines Werks, erst von seinem Leben


aus ergibt sich ein Verhalten zu Gott, das jene Völligkeit der
Zuversicht und des Vertrauens in sich hat, wie sie das apos-
tolische TTiarsvsiu zum Ausdruck bringt.
14.

Rom. 4, 17—21.
Vgl. Seite 306. Die Anknüpfung von xix.T£vxvTi ov STricrTeuasv
2fsov rov t^uoTTCiovvTCi; an og eirriv Trarifp Trdvroov yj(j(.Öcv beraubt
jenes Satzglied aller pragmatischen Kraft, während die macht-
volle Prädicirung Gottes ausser Frage stellt, dass dasselbe we-
sentlich in den Gedankengang eingreifen soll. Einmal reisst jene
Verknüpfung das xathocvri etc. heraus aus der Gen. 15 und
17 beschriebnen Situation im Leben Abrahams und versetzt es
in die Gegenwart. „Er ist unser aller Vater" nennt das jetzt
bestehende und bleibende Verhältniss Abrahams zu seinen Kin-
dern, das er allerdings vor Gott besitzt, doch das ist ein
selbstverständliches. Die Prädikate Gottes weisen in jenen Mo-
ment, da Gott Abraham zum Vater vieler Völker setzte. Sodann
verliert die Aussage so ihren Gegensatz: vor Gott, nicht vor
ihm selbst noch vor andern. Jetzt ist Abraham in offenbarem
Thatbestand der Vater vieler Völker geworden damals war er's ,

desshalb, weil er es vor Gott war und nur desshalb.


ROM. 4, 17—21. 573

Die beiden Scbwieriglceiten welche der Anknüpfung der


,

Worte an das Schriftwort entgegenstehn sind geringfügig,,

Paulus fährt nicht fort: vor mir, dem du geglaubt hast, son-
dern geht sofort über in die dritte Person, ein sehr natürhcher
Wechsel. Nur der von der Schrift erzählte Spruch Gottes wird
in direkter Anrede an Abraham wiedergegeben, seinen eignen
erläuternden Zusatz legt Paulus dagegen nicht Gott in den
Mund, sondern schliesst ihn als sein eignes Wort in dritter
Person an. Sodann versetzt der Satz: angesichts des Gottes u.
s. f. in jenen Moment da Gott diess zu Abraham sprach wäh-
, ,

rend nicht die Rede Gottes selbst, sondern das sie berichtende
Schriftwort angeführt ist. Aber der
Wegfall der Unterscheidung
zwischen dem Wort Gottes an Abraham und dem Bericht der
Schrift über dasselbe ist Paulus geläufig. Das Schriftwort ver-
setzt ihn direkt in jenen Moment, da Gott solches sprach,

vgl. Gal. 3 ,
8 , wo die Schrift Abraham die Yerheissung gibt.
Nach dem gangbaren Sprachgebrauch von ttix/j' iXTrßx würde
TTixp' sXtti'Boc, sTria-Tsussv heissen: er glaubte unerwarteter Weise,
er oder man konnte nicht hoffen, dass er glauben werde.
Hier dagegen bezieht sich das Hoffen von dem fV iÄTrßi und ,.

TT^p' iXTrßx reden nicht auf das Eintreten oder Nicht-eintreteu


,

des Glaubensakts sondern auf das was Inhalt und Objekt des
, ,

Glaubens ist; das was Abraham glaubte, war ihm Tra^p^ sätt^x,
womit nicht nur eine Aussage über objektive Verhältnisse ge-
geben ist, sondern subjektiv Abrahams Hoffen verneint wird,
und zwar nicht nur vor, sondern im Glaubensakte selbst. Jene
nur objektive Passung von Trxp^ sÄTrßx „hoffnungs widrig" hat
allen Sprachgebrauch gegen sich, da dasselbe stets die Erwar-
tung in denjenigen verneint, denen etwas Trap' sätti'^x wie-
derfährt.
oi> KXTsvonasv^ 19, würde nicht heissen: er zog seine Brstor-
benheit nicht in Betracht; xarxvosiv heisst nicht erwägen,
überlegen; sondern es bezeichnet das zum Wahrnehmen ge-
wordne Sehn das zum Erkennen gewordene Denken es fasst
, ,

die erkennende Funktion in ihrem Ende und Resultat. Der


Satz würde heissen er sah und wusste nichts davon dass sein
: ,

Leib erstorben war. Auch Mth, 7 3 heisst ov koctocvosIv tvjv


,

^oüGv nicht; du bedenkst und erwägst nicht, dass du einen


Balken hast, wodurch überdiess das Verhältniss beider Fragen,
Vers 3 u. 4, in Konfusion zerfällt. Die zweite Frage mit ^
der ersten voraus und eröffnet
eingeleitet setzt die Negation
auf Grund der Ablehnung der ersten Frage eine zweite Mög-
lichkeit, was voraussetzt, dass nicht die erste Frage schon
vom Bewusstsein um den eignen Balken spricht, ou xizTocvosJg
574 ERLlüTERUNG-EN.

heisst dort: du nimmst nicht wahr und merkst nichts


auch
davon oder wenn du diese Blindheit ablehnst und dir hewusst
,

bist ,
dass du einen Balken im Auge hast wie kannst du dann ,

zu deinem Bruder sagen etc. ? Für Abraham ergibt darum jenes


Dv v,o(.T£v6-/itTsv einen Gedanken von sehr zweifelhafter Wahrheit,
auch ohne, alle unbefugte Einmischung der Zweifel Abrahams.
Konnte Paulus sagen er erkannte nicht dass er erstorben war ?
:
,

Sodann hat Paulus das Prädikat erstorben selbständig gestellt


als die Qualität, in welcher Abraham seinen Leib wahrnimmt
oder nicht wahrnimmt. Im letztern Fall ruft der Gedanke ei-
nem Gegensatz als erstorben nahm er ihn nicht wahr als was
:
,

denn? als lebendigen? Dazu ist der reelle Gedanke der Stelle
der direkte Gegensatz, ou hat exegetisch keinen Platz im
Satze und das Eindringen desselben bezeugt nur diess dass die ,

Eigenart des Paulinischen Glaubens der griechischen Kirche früh


auffällig und unverständlich war. Die Meinung die Erinnerung ,

an Gen. 17, 17 habe das ov entfernt, ist wenig wahrscheinlich.


Dem Anstoss an der Glaubenskraft die Paulus hier von Abra- ,

ham aussagt war mit der Streichung des oi) nicht geholfen
, ,

sie bleibt ohne dasselbe nicht weniger stark und gross; dazu
hätte auch i^^ vor a^bsv^(TOi(; gestrichen werden müssen damit ,

etwa ein Gedanke wie der entstehe: wenn er sich selbst ansah
da wurde er schwach, aber an der Verheissung Gottes richtete
er sich auf. Dergleichen hat kein Text gethan. Der Einwand ,

Paulus hätte schreiben müssen er erkannte zwar seinen eignen


:

Leib als erstorben, zweifelte aber an der Verheissung Gottes


nicht, das [jlvi a(rb£vvi(Tix,q r^ Trhrsi habe in dem Satze keine
logische Stelle, übersieht, dass für Paulus die Einsicht in die
Erstorbenheit zum Glaubensakt selbst gehört als dessen erstes
wesentliches Moment. Jenem Wunsche entsprechend hätte Pau-
lus dann geschrieben, wenn ihm die Wahrnehmung des eignen
Tods ein Gegensatz zum Glauben wäre, dieser baut sich aber
auf jene auf; darum ist die erste Folge die aus dem (jcvj xa^s- ,

vija-ixi T^ ttIo-tsi erwächst und in der es sich bethätigt: zxrs-


v6^(rsv , die freilich nicht für sich allein ,
sondern nur zusammen
mit dem, was „gegen
Verheissung Gottes hin", slg tviv
die
s'TTOi'yysKixv rov ^soü geschah den Glaubensakt ergibt. Für £/'<:,
, ,

das in ungewöhnlicher Weise den Beziehungspunkt zu lioiy.pi^vj-


vxt ergibt, erschöpft man mit Abstraktionen wie: in Bezug,
in Hinsicht auf u. dgl. ein Denken wie das des Paulus nicht.
Er hat im vorangehenden Abraham sich selbst zugewandt ge-
dacht; nun kehrt er ihn ab von sich und wendet ihn auf die
Verheissung Gottes hin. Hätte er Gott den Glauben versagt,
so wäre die Folge der Glaubensverweigerung Zerspaltung ge-
ROM. 4, 17—21. 575

wesen; schlectthin hätte er sich von Grottes Wahrheit, Grösse


und Güte doch nicht lösen können, sie hätten als Macht sein
Bewusstsein beherrscht; in der diriarioi, aber läge ein Wi-
derstreben gegen sie, eine Negation derselben, also entstünde
aus ihr der innere Riss. Zerrissenheit ist Schwäche darum tritt ,

zu "hisKpi^viivs^vvoiß^d^ in Antithese, das zugleich zu d(rSr£vii(Txg


den Gegensatz bildet. Damit erhält auch der Dativ rj? 7ri<rrsi

eine leichte Doppelbeziehung; gegenüber ^ax^KfiB^yat r^ dTna-rl^


bezeichnet er den Glauben als die Kraftquelle für Abraham,
gegenüber d^Srsr/ja-ixi r^ 'rriarsi bezeichnet er den Glauben als
das gekräftigte. Beides fällt sachlich zusammen und wird darum
von Paulus auch zusammen gedacht. Die Kräftigung des Glau-
bens ist die Kräftigung Abrahams dieser wird durch das Stark-;

werden seines Glaubens stark. Die Participien nennen den Akt ,


in dem Abraham seine Kraft bethätigt und den er nur als
iv'§iivxf4,u^£)c rU 7rl(yTst vollbringen kann. Das nachfolgende
TTkvjpoCpoßyi^sii; zeigt, dass die Bestimmung: Gott Ehre gebend
nicht einen Rückblick auf den vollendeten Glaubensakt darstellt,
der vom Standpunkt des Beobachters aus ein Urtheil über sei-
nen "Werth abgäbe. Der Glaube besteht vielmehr darin, dass
der Mensch Gott Ehre gibt, wobei in ^o^cx. auch hier beides
zusammengeschlossen ist : die reale Gottesherrlichkeit und deren
Reflex im Bewusstsein und Verhalten des Menschen. In der
Glaubensverweigerung negirt der Mensch Gott seine Herrlich-
keit.

15.

Rom. 4,2.
Vgl. Seite 317, Man wird in Rom. 4, 2 niemals einen Pau-
linischen Gedanken finden ,
wenn die Worte äAA' ou Trphg Srsöv
in die mit sl begonnene Folgerung einbezogen werden ,
so dass
aus der vorausgesetzten Rechtfertigung Abrahams aus Werken
geschlossen würde, diesem Falle
in habe er keinen Ruhm bei
Gott. Dass ^iKOiiovv hier wie überall den richterlichen Spruch
Gottes bezeichnet kann nicht fraglich sein wer aber von Gott
, ;

auf Grund seiner Werke gerecht gesprochen ist, der hat ein
Ka.vx>j!^oi und zwar %po(; ^söv. Es war eine wunderliche Unklar-
heit, wenn z. B. Meyer sagte: der aus Werken gerechtfertigte
könnte nicht sagen, Gott hat mich gerechtfertigt, als wäre er
überhaupt gerechtfertigt, wenn ihn nicht Gott gerecht gespro-
chen hat. Die Negation des koctjxviiaoc und die Bejahaug der
Rechtfertigung aus Werken sind unvereinbar; Paulus hat Ge-
rechtigkeit der Werke und kxüx'I!^^ untrennbar zusammenge-
dacht. Folglich ist das aus dem hypothetischen Vordersatz er-
576 ERLÄUTEEUNGEN.

schlossene: sp(;;si xxoxill^^^ und txXhä setzt nicht die Folgerung


fort, sondern stellt dieser den realen Thatbestand entgegen.
Was immer Abraham an Ruhm besitzen mag was immer er ,

Tor den Menschen gelten mochte zu Gott hin als er vor Gott , ,

stand hatte er keinen Ruhm


,
wie diess dadurch gewiss und ,

offenbar ist, dass ihm die Schrift keinen solchen zuschreibt,


vielmehr erzählt, dass er die Gerechtigkeit glaubend als Ge-
schenk der Gnade erlangt hat. Weil die Schrift nichts weiss
von einem y.xvxilf^'''' Abrahams vor Gott, so fällt die ganze
Hypothese von der Rechtfertigung desselben aus Werken dahin.
Dieser Gedanke ist für Vers 2 auch durch die mit yccp an-
geschlossne Erörterung 3 fl. gefordert die nicht auseinander-
, , ,

setzt, wie so die Werkgerechtigkeit kein KtxöxJif^'X' vor Gott


ergäbe sondern lediglich diess
,
dass Abraham aus Glauben ,

durch Gnade gerecht wurde und folglich kein Kxvx^f^'X' vor


Gott besass.

16.

XKoi] und VTTlZKoh TrhTSCOq.

Vgl. 319 u. 337. Wird auch in izo'^ oft nicht nur an


Seite
den Akt des Hörens gedacht sondern zugleich an das Gehörte
, ,

so geht doch der Begriff Hören im Worte niemals unter; Pre-

digt, Verkündigung heisst es nicht. Wenn die Sept. z. B. Jes.


53, 1 T\'^M2ü mit (Xmvj wiedergibt, so beweist diess keinen
r :

Sprachgebrauch für otKovi in der Bedeutung Predigt, sondern


nur diess, dass der Uebersetzer bei HX^lD^ auch an den Akt
T :

des Hörens dachte und das Wort etymologisch möglichst genau


wiedergab. Dass Paulus «.ko^ aktiv denkt, stellt Rom. 10, 14
ff. ausser Zweifel, da er dasselbe von p^fjt^tx. Xpiarov unterschei-
det. Die cixo'Ji ist nicht selbst das Wort sondern entsteht durch ,

das Wort. Die genetische Folge der Vorgänge die substanti- ,

visch benannt lautet: Triarit;, xKoii^ pljf4,x Xpio-rov wird zuerst ver-
bal bestimmt und lautet in dieser Fassung Triareiiaxi ^zovo'xi , :
,

xyipvaasiv XTrotrTxMjvxi. Das Ki^puyf^a. der Ausgesandten wird


,

durch p>jf4.ix. XpiaTou das axoixTOii durch tZKOiij


,
das TncrTeucrxi ,

durch Triam; wiederholt. Zweifellos schwebt ihm dabei den Aus-


druck gestaltend Jes. 53, 1 vor, aber xhotj bedeutet ihm auch
dort nicht Predigt, sondern ein Hören fand er in jeuer Stelle
geweissagt; entnimmt ihr diess, dass Israel zwar im Besitz
er
eines Hörens aber dennoch nicht zum Glauben kömmt
ist , ,

weil das dtcovstv nicht zum viroLKOveiv wird. Auch der Gedan-
kengang von Gal. 3, 2 ff. verträgt keinen andern Begriff.
Paulus stellt dort den Geistesempfang i^ xKonq Triarsooq in Ana-
XXoi] VT^D UTTiZICoi} w/Vrf«?. 577

logie mit dem, was Gott an Abraham gethan hat, den Gott
nicht aus Predigt über den Glauben, auch nicht aus einer
Glauben wirkenden Predigt sondern aus Glauben gerechtfertigt
,

hat, damit wir die Verbeissung des Geists empfangen, nicht


durch Predigt vom Glauben sondern durch Glauben, 14. Dieser
Schlusssatz der Erörterung greift deutlich auf Vers 5 zurück;
er zieht das Resultat derselben, welches nun die Uebereinstim-

mung zwischen dem was Gott an Abraham that, und dem was
die Gemeinde erfahren hat, zur Darstellung bringt, so dass
sich die der Gemeinde zu Theil gewordene Gabe als Erfüllung
der Abrahamsverheissung ergibt. Dieser Gedankengang macht
klar, dass in Vers 2 und 5 der Glaube den Hauptbegriff bil-
det und auch dort der Geistempfang auf ihn zurückgeführt wird.
Das weist darauf, dass in axo-Ji nicht ein der Trio^riq selbständig

gegenüberstehender Begriff gedacht ist, sondern ein Vorgang,


der unmittelbar zur 7Ti(jric gehört und in ihr sich vollzieht,
und diess ist das Hören. Damit wird nicht nur der Gegensatz
zu den apyot, vöß,ov scharf uud prägnant, sondern auch der Ge-
brauch von iz wird durchsichtig. Paulus braucht ix nicht für
entferntere kausale Relationen, sondern stets für die direkte
Ursache, die ihre Wirkung unmittelbar aus sich hervorgehen
lässt. Den Geist empfängt man nicht „aus" der Predigt, son-
dern durch sie, hier hätte nur ^id seine Stelle. Nicht einmal
die dxo'^ wird „aus" dem Worte abgeleitet, sondern kömmt
^loi
pytf^aroc Rom 10, 17, zu Stand. Zum Geistempfang hat
,

das Wort vollends nur eine vermittelnde Stellung; wohl aber


istder Glaube und das in ihm enthaltene Hören derjenige Akt ,

der unmittelbar zu demselben wirksam wird.


Diese Fassung von .zko'^wird dadurch gestützt, dass
Trldrsac
Paulus auch vTrocKovi gebildet hat. Nur dogmatische
Triirrsag
Formeln die nicht völlig mit dem Gedanken des Apostels kon-
,

gruent gewesen sind haben die Ablösung des Gehorsams vom


,

Glauben, sei es als dessen Folge oder als ihm geleistet, bewirkt.
Wenn Paulus Rom. 1 5. 16 26 das durch die göttliche Of-
, ,

fenbarung und durch seine Apostelsendung zu erzielende Re-


sultat als vTTOizoyi Trhrscog beschreibt, so ist auch hier Glaube
der Hauptbegriff; diesen will ja der ganze Brief darstellen als
das der That Gottes in Christo entsprechende und von ihr ge-
forderte Verhalten; auf ihn und auf nichts anderes als auf ihn
zielt nach dem ganzen Brief der göttliche Wille bin. Darum
kann uTrajcos^ nur den Glauben selbst charakterisiren nach seinem
Wesen und Werth. Das Gehorchen liegt im Glauben ebenso
unmittelbar als das Hören. Als Gehorsam wird er beschrieben ,

weil er in seiner ünerlässlichkeit und Würde gefasst werden


37
578 ERLÄUTERDNGEN.

soll. Das grosse Ziel der Apostelarbeit, dass durch


ist das
sie der glaubend Gott unterthan wird. Rom. 10, 16
Heide
ist auch hiefür eine beweisende Parallele. Yon den einander
bedingenden Erfordernissen zu jener Anrufung Gottes, die der
Errettung theilhaft macht: Sendung, Verkündigung, Hören,
Glauben, sind auch für Israel die erstem gegeben, die Boten
sind zu ihnen gesandt, sie haben gehört, 18, aber nicht ge-
horcht, 16. Und nun wird das öü% u7roiKov(Toi,i belegt durch das
Schriftwort, welches von dem ou tvkjtsvctoci t% dxo^ spricht.
Beides ist für Paulus identisch: der TrtcrTsvcraig ist der vTraxovcrx?,
durch dieses kömmt jenes zu Stande. Yon vTrixuovstv r^ Tricrrsi ,

Act. 6. 7 ,
ist das Paulinische uttizkovi ttIo-tsco,; insofern unter-
schieden, als jenes das Werden des Glaubens zerlegt in zwei
Momente ,
in die Trhrig einerseits das Eingehn der Persön-
,

licheit in dieselbe andrerseits. Paulus lässt den Glaubensakt


ungetheilt; dasselbe Verhalten, welches vertrauender Anschluss
an Christus ist, ist zugleich fügsame Unterordnung unter Got-
tes Wille und Werk.

17.

2 Kor. 4, 13.

Vgl. Seite 348. Neben die Herrlichkeit seines


Apostelberufs,
die ihn zum Diener des neuen Bundes macht,
hat Paulus ihr
Gegenbild, seinen Leidenslauf, gestellt. Diesen hat er allein zu
tragen die Korinther nehmen an ihm nicht Theil
,
vielmehr ,

wird in ihnen Christi Leben wirksam in ihm dagegen Christi ,

Tod. Aber so differenfc die Gestalt ihres Lebens ist, eines hat
er mit ihnen gemein: denselben Geist des Glaubens. In seiner
Situation, da er den Genuss des Lebens Christi mit seinem
Innern Reichthum und seiner sieghaften Kraft entbehrt und
von Jesus nur die eine Wirkung erfährt, dass er ihn hinein-
zieht in seinen Leidens- und Todesweg, ist er auf Glauben ge-
wiesen. Zu ihm ist er aber auch göttlich befähigt; denn er hat
auch in seiner Lage jene Gabe, die als Angeld und Erstling
des göttlichen Erbes von Christus aus dem Menschen zufliesst:
Geist und dieser bethätigt sich auch in ihm als Glaubensgeist.
.

Und darin besteht die Gemeinsamkeit zwischen ihm und ihnen


bei aller Verschiedenheit ihrer Situation. Denn auch für sie ver-
mittelt Wirksamkeit des Lebens Jesu in ihnen durch
sich die
Geist und durch Glauben
genauer dadurch dass der Geist in
, ,

ihnen als Glauben wirkend und erhaltend Trvsvf/^a Trhrsag wird.


Indem so dasselbe Princip, das in ihnen wirksam ist zum Ge-
nuss des Lebens Christi, auch in ihm wirksam ist, besitzt er
2 KOE. 4, 13. 579

deD Antrieb und die Kraft zur Fortführung seiner Apostelar-


beit mitten in seinem konstanten Sterben; weil auch er glaubt
wie sie, darum redet er. Dadurch dass er in seiner Situation
das MotiT zu seinem Reden nur im Glauben schöpfen kann,
der mitten im Stenben vom Leben zeugt ist seine Stellung dem .

Schrift wort
konform, das im Grlauben der Rede ihren Grund
gibt.«Diese Glaubensübuug in der er mit ihnen eins ist, ruht
,

in der Gewissheit, dass er, der die


Tödtung Christi tragen
muss nicht anders als sie die jetzt schon sein Leben gemes-
, ,

sen, mit Jesus auferweckt vor Gott stehen wird. Eine Yerglei-
chung zwischen dem Glauben des Apostels und des Psalmisten
kann man nicht ohne dass ihr Kontext
in der Stelle finden ,

zerrissen wird.
vergleicht sowohl vorher
Sie als nachher das
Loos des Paulus ausdrücklich mit demjenigen der Gemeinde,
vorher nach seinem Gegensatz, Vers 12, nachher nach seiner
Selbigkeit: auch uns mit euch, 14. Das ro xvrö muss seinen
Beziehungspunkt im vorangehenden haben und kann ihn nicht
erst nachträglich empfangen wodurch es zunächst einfach un-
,

verständlich würde, und es hat ihn um so sicherer dort, weil


das vorangehende die Stellung der Gemeinde und diejenige des
Apostels zu Christus in Antithese stellt. Der üebergang von
der gegenwärtigen Verschiedenheit dessen, was sie von Chris-
tus her erfahren, zur endgültigen Gleichstellung im Besitz sei-
nes Auferstehungslebens vermittelt sich in der Selbigkeit ihrer
Glaubensstellung, die im Besitz desselben Geistes begründet ist ,
womit zugleich der Grund bezeichnet ist, wesshalb er in seiner
Apostelarbeit mitten im Leiden und Sterben aufrecht bleibt.
Der Gedanke, es wäre ein geringfügiges Lob des Paulinischen
Glaubens, wenn er sagen würde, er glaube nicht weniger als
sie, bleibt sehr auf der Oberfläche, Gerade die Selbigkeit ihres
Glaubens bei der Verschiedenheid ihrer Stellung setzt die Kraft
seines Glaubens in's Licht; ein anderes ist's zu glauben im
Genuss des Lebens Christi und zu glauben unter der Wirkung
seines Todes. Das ist seines Glaubens Bewährung, dass auch
er ,
Koa viiJt^slc; ,
in seiner Lage glaubt.
18.

Rom. 12, 6.

Vgl. Seite 380. Unter den mannigfaltigen Formen der christ-


lichen Thätigkeit, welche der umfassenden Regel unterstellt
sind dass sie dem individuellen Maass des Glaubens zu ent-
,

sprechen haben Rom, 12 3 hat Paulus die Prophetie noch


, , ,

in specieller
Weise vom Glauben abhängig gemacht. Sie ist in
580 EELATJTEEUNGEN.

besondrem Maasse mehr als Diakonie und Lehre Empfang gött-


licher Gahe, wie sie denn dem Wunder verwandt ist. Darum
ist nicht nur überhaupt ihr Entstehn durch Glauben bedingt,
sondern auch Inhalt und Art der dem einzelnen gewährten
Prophetie ist dem Maasse seines Glaubens von Gott angepasst.
Der Verbalbegriff, welcher den Satz beherrscht, ist zunächst
derjenige des Habens; allerdings lösen sich die folgenden Glie-
der der Aufzählung von demselben und gehen in Imperative
über, und ein solcher liegt auch schon hier vor. Aber der Im-
perativ fordert nur die Bewahrung des empfangenen Besitzes
und im ersten Gliede ist das sxovrsi; noch regirender Begriff,
wie denn xxrx ri^v oiv(x.Ko'yioLv rtjc Tr/o-r^cyc der vorangehenden
allgemeinen Bestimmung zxTCi tvjv xöcpiv rJjv 'Bo^slacx.v vi(juiv ge-
nau entspricht. Der Satz: haben wir Prophetie, so haben wir
sie im Verhältniss zum Glauben, nennt folglich zunächst die

göttliche Regel welche die Zutheilung der prophetischen Offen-


,

barung bedingt. Und nach dieser Seite hin hat die Bestimmung
nichts auffälliges. Es liegt dieselbe Begrenzung des göttlichen
Wirkens in das Maass des menschlichen Glaubens vor, wie
wenn die Heilung und Hülfe dem Menschen wiederfährt „nach
seinem Glauben", nur hier in Bezug auf Gottes Rede, dort in
Bezug auf ein göttliches Handeln und einer ümdeutung von
,

tt/ö-t;«? die es zur Bezeichnung des Lehrinhalts der Schrift oder


des apostolischen Worts macht ,
mit welchem die Prophetie stets
in üebereinstimmung zu bleiben habe, bedarf es nicht. Allein
Paulus macht diese göttliche Regel zugleich deutlich als Norm
für das eigne Verhalten des Propheten geltend, und in den
Indikativ: so haben wir sie, tritt zugleich die Mahnung: so
sollen wirsie haben. Die folgenden Glieder der Aufzählung

enthalten unverkennbar eine Mahnung an den, welcher die


Gabe besitzt. Somit wie Gott die dem Propheten verliehne
Prophetie in üebereinstimmung setzt mit seinem Glauben,
so hat auch der Prophet selbst diese üebereinstimmung zu
wahren. Sachlich am leichtesten wäre der Gedanke, dass Pau-
lus an die pädagogische Rücksicht auf den Glaubensstand der
Gemeinde dächte, dem sich die Mittheilung neuer Offenbarung
in liebender Weisheit anzupassen hat. Aber die Beziehung der
TritTTic auf den Glauben der Hörenden durchbricht den Kontext

hart. Die „uns" gegebene Gnade bedingt Art und Verwendung


des Charisma und alle folgenden Glieder nennen diesem Ober-
begriff entsprechend den eignen Besitz des Begabten, den er
fruchtbar zu machen hat. Erinnert man daran, dass die Hel-
ligkeit, Innigkeit und Macht der prophetischen Rede vom
Maasse des Glaubens abhängt, so ist allerdings eine solche
ROM. 12, 6. 581

Korrespondenz vorhanden aber dieselbe wird sich unmittelbar her-


,

stellen ohne dass sie zum. Gegenstand der Mahnung werden muss.
.

Die Weisung wird nicht auf die Aussprache und Kundgebung der
Prophetie, sondern auf deren Empfang zu beziehen sein, wobei an
1 Kor. 14, 1 zu erinnern ist: es gibt auch in Hinsicht auf
die Prophetie ein (^vjKovv toc. ttvsvijlxtixoc und wobei weiter 1 ,

Kor. 14, 24 ff. in Betracht zu ziehen ist, wonach die Prophe-


tie in den Verkehr mit den einzelnen Persönlichkeiten hinein-
tritt und nicht nur auf das Gesammtgesehick der Gemeinde

gerichtet ist. Der prophetisch Begabte soll sich dessen bewusst


sein dass die Erleuchtung die er empfangt von seinem eignen
, , ,

Glauben abhängt, und darum mit vollem, starkem Glauben in


den Situationen die sein prophetisches Eingreifen anrufen an
, ,

Gott sich bittend wenden. Der zu vermeidende Fehler liegt dann


nicht in einem Hinausgreifen über die Analogie des Glaubens ,

da er nicht mehr Prophetie empfängt als seinem Glauben ent-


spricht wohl aber im Zurückbleiben hinter dem was ihm an
, ,

Erleuchtung zugänglich wäre wenn er glaubte. So bleibt die


,

Mahnung in Uebereinstimmung mit den folgenden Gliedern,


welche sämmtlich darauf weisen, dass die Gabe nicht brach
liegen darf, sondern gebraucht werden muss. Nun ist die
Prophetie als Rede Gottes nicht eine menschliche Arbeit, wie
^ixKovtoi ^i^a(ricci?^lci 7rxpx!cÄ>i(n^ u. s. f. ,
aber in ihrer Abhängig-
keit vom Glauben auch in ihren Besitz ein Willensmoment
tritt
und das ist die mahnende Seite an der Aussage dass der Prophet ,

die Weissagung im Verhältniss zum Glauben habe. Zugleich ist


die Stelle sehr instruktiv dafür, wie sich Glaube und Treue für
den apostolischen Gedanken identificiren da hier das Maass des ,

Glaubens unmittelbar auch das Maass der Treue ergibt.

19.

VTroa-Txarig.

Vgl. Seite 474. In v'^öa-roijn; gehi der Begriff » Stehn" niemals


verloren. Auch seine abstraktere Wendung, in der es die Wur-
zel unseres Substanz geworden ist gebt vom Stehen aus im Gegen-
,

satz zum Schein, der sich auflöst und verschwindet, oder zu

jenen Wirkungen der Dinge, die an diesen haftend nicht zu


selbständigem Bestände gelangen. So sagt Philo: c!iu<yi^ Kx2r'
soiVTviv v7röcrTiz<Tiv QU'/. i%£i p£7 5' (XTrb räv Trporspav ^v^paKog zx)
,

cpKoyog 2, 504, 38; l^locv UTroa-rxa-tv s^siv 2, 505, 35; to,


,

Tou crüf/^xroc irKeovszrvji^xrx vrph UTröorrijvxi (p^sipsrxi Tijg craiix,x~

TiKjji; oxxrixg xe) psoixTyjg 1, 257, 22 etc. Der Akt des Stehens
582 ERLÄUTEEUNGEN.

verbindet leicM mit dem Gedanken an das, was besteht,


sich.

so dasB das Wesen der Dinge, das ihren bleibenden


v'7rd<TT/x(7ig

Bestand ausmacht, nennt, so Hebr. 1, 3, vgl. o voyiTvjq vTroa-rä,-


o-£ug Kocrf^oc Philo 1 ,
649 14 etc. Dahin dürfte auch Sap.
, ,

16, 21 gehören, wofern dort der Genitiv a-ou zu streichen ist;


den mannigfachen Wandlungen des Manna stellt dann t^ uttö-
ffTxaic sein ursprüngliches , bleibendes Wesen entgegen welches ,

in seiner Süssigkeit die Süssigkeit Gottes offenbart. Der Ueber-


gang vom Bestehn zum Wesen ist eben so einfach als wenn z. B. ,

Polyb das, was beim Schwemmen des Erzes im Sieb zurück-


bleibt, (xi VTrooräosii; oder j^ b'KÖ'jTot.<n<; nennt, 34, 9, 10, vgl.
unser „Satz".
Auf uTröo-ri^vis/ den Begriff des zähen,
geistiges übertragen hat
muthigen, gegen Furcht und Schmerz unempfindlichen Stand-
haltens, unserm „Ausstehen" analog, oder mehr aktiv denjeni-
gen des wagenden, unternehmenden Muths, unserem „sich
unterstehen" parallel. vTro^Jt^^-jxi wird in solchem Gebrauch tran-
sitiv, vgl. vrccFr^voi.i Ktzprspäc Trxvrac x.dfy:,iXT0V ,
Philo 1, 185,
26 ;
&.^^ovi: vro(yTjjvixi Philo ,
2 ,
557 ,
39 ; 'ysvuo'Jcog rov ttoKs-
jxov TovTov Pol.
1, 6, 7; Tovg vTrsyavrloug Polyb. 1, 17, 12;
TTÖvovi; Jos. A. 3, 2, 3; rjji/ %psiotv tocütviv Pol. 15, 31, 6; roi

•TrocpatusBivTix, v7to rov ßoitrihscüg Troiyjcrstv vvia-Ti^iTiXv Jos. A. 10,

4, 3; oKlyv}^ xvT^ ri^viv u0ieTroi(TBxi rav rsKüv Jos. A. 12, 4,


4; vTTOrrT^ocißsvoi 7roii^(TX(7Öxi tviv rpizTrs^izv Jos. A. 12, 2, 9.
Daher hat x^vTroarizToc nicht nur den Begriff: was nicht steht,
haltlos und grundlos ist vgl. Pol. 1 5 3 sondern gewinnt
, , , ,

auch passiven Begriff: unerträglich, nicht auszubalten vgl. Pol. ,

4, 8, 10. Jos. B. J. 1, 6, 5. etc. Ueber diesen verbalen Ge-


brauch geht v7rö(yTxcrts in Stellen wie Pol. 6 55 2. 4 50 , , , ,

10. Jos. Ant. 18 ,


1 ,
6 nicht
Zuversicht heisst dashinaus ;

Wort in keiner derselben so traditionell ihre Gitation in


,

den Kommentaren als Beleg für den Begriff Zuversicht gewor-


den ist.

Im Gebrauch der Septuaginta ist zunächst diess deutlich ,

dass auch ihr der Begriff Stehen im Hauptsache ist. Wort die
Sie braucht es für nO^^D Ps. 68, 3, Hiob 22, 20,
C3'p Dip*
Deut. 11, 6, DVD 1 Sam 13, 23. 14, 4. Ez. 26, 11, 35^n
Nah. 2, 7, vgl. 1 Sam, 13, 21. Da will sie überall den Ge-
danken der Stellung, des Bestehns ausdrücken vgl. den Eintritt ,

von vTröarix.o-ig für TlD Jer. 23, 22. Bestehn, Existenz wird
sie auch dann im Sinne haben, wenn sie °l*7n durch UTrötrrxaig
gibt, vgl. Ps. 138, 15. In Deuteron. 1, 12 0ep6tv rov kottov
vfjicüv Ktx) rvjv U7rö(rrix(r(u vpcäv x(x) rotg oivnKo'yioic bpf-av wird der
ÖTToa-TOicrig, 583

Ausdruck an uTrotxrijvxi rob^ Tro^eßlov? u. s. f. angeschlossen sein j


so dass v/jcccu einen object. Genit. ergibt, zugleich, mit Bindung
an o:D«fc^?:o.
_

Vom Begriff des muthigen Standhaltens aus bot sich das


Wort zur Wiedergabe von Ez. 19 5. Ruth 1 12, und
mpH, , ,

ri7nin dar, Ps. 38, 8, in Parallele mit u7ro[ji.QVTl}; vgl. vTro(Tr^vx>i


für 7n* Mich. 5 ,
7. Diese Verwendung des Worts ist vom
griechischen Sprachgebrauch etwas ab weich eud, sofern der
Grieche die gegen Druck und Schmerz oder in Arbeit und
Anstrengung bethätigte Widerstandskraft im Auge hat während ,

hier das beharrende feste Stehn auf die Erwartung von Gütern
und Hülfe bezogen ist, sie enthält aber keine grössere Umbie-
gung des Worts, als sie z. B. gleichzeitig u7rof/.ov:^ erfährt, nur
dass für dieses ein fixirter Sprachgebrauch zu Stande kömmt ,

für v7r6<xTix,<Tig dagegen nicht.


Auch der üebersetzer der Salomonischen Psalmen hat vtto-
(TTXü-icverwandt, 15, 7. 17, 26. Er sagt vom Davidssohn, er
werde die Sünder aus dem Erbe Verstössen, den üebermuth
derselben zerschlagen wie Töpfergeräth mit eiserner Ruthe ,

zerschmettern ihre ganze vzÖT-ztrig. Da ist uttSo-tciccti; nicht nur


ein subjektiver Begriff, Hoffnung, Zuversicht. Die eiserne Ruthe
ist nicht nur gegen geistige Vorgänge gekehrt, sondern trifft

die Personen in ihrer trotzigen , mächtigen reichen sorglosen , ,

Position und es wird mit Wellhausen zu übersetzen sein :


„ihren Bestand." Analog wird 15, 7 gesagt, dass Feuerflamme
und Zorn vom Angesicht des Herrn ausgehn, öKo^rpeva-xi 7roc(y(av

Die nächstverwandte Parallele zu Hebr. 11, 1 die mir be- ,

kannt ist gibt Ps. Esr. 8


5
36 substantiam operum bonorum
,
:

habere vTröa-rxcriv 'ipyuv xyoc^Siv sxsiv.


,

Die Formel ist darum interessant, weil sie einen sachlichen


Genitiv bietet. Auch hier nöthigt nichts dazu den Begriff ste-
hen als erloschen zu betrachten, vielmehr wird jenes r/? utto-
<TTVj76roii Sept. Ps. 129
,
3 zu vergleichen sein. Gute Werke
, ,

machen, dass der Mensch vor Gott besteht; wer sie hat, hat
einen festen gesicherten unverlierbaren Stand vor ihm. Das
, ,

gibt freilich auch Zuversicht aber vTrcdtoca-iq nennt nicht nur,

sie, sondern das reale Verhältniss, in welches der Mensch


durch seine guteo Werke zu Gott tritt.
Auch 2 Kor. 11, 17 ist vTröaroaxic mit einem Genitiv ver-
bunden: ciVTv, inröa-Txcng rvjc, k3cvx''1(^£ccc. Hier die Bedeutung
-^

Zuversicht einzuschieben ist lediglich Nothbehelf, da das Wort


so zu einem Anhängsel wird welches zocüx^i'^i'; nicht bereichert ,
584 eelItjtbrungbiT.

und die Rede somit lediglich schwächt. Und was soll xurt^ ?
Dasselbe weist darauf, dass die v^Trocrocfric, ein offenkundiger,
den Lesern vor Augen liegender Thatbestand ist, eine That,
nicht eine Empfindung und Stimmung. Das nächstliegende
.

dürften YerbalVerbindungen sein, wie vTvoßrkq 'kocvtoc '^pä<rxi


JCiX,) TTOi^slv Jos. A. 12, 11, 2, TÄ (Jl^Sy l(XT OC U(pliTTX(rBlZl
,
A. ,

12 ,
6 ,
3 etc., so dass uTrda-rxtxig rijt; jcxuxw^'^? den Verbal-
gedanken modT^voii Kix.'JXi^(TO!.abo!.i in sich trüge. Die Deutung:
in dieserSache des Rühmens, ist zu abstrakt; v7rö<rTiX(Tig be-
nennt diese Sache als ein Wagniss, ein Unterfangen. Er »un-
tersteht sich", sich zu rühmen — das Richtige dürfte auch hier
sehr nahe liegen —
und handelt, in dem er sich das heraus-
nimmt, als ein Thor. Nun ist auch xvrv} völlig durchsichtig;
dass er sich kühn und unverhohlen in die Position dessen
stellt, der sich rühmt, das sehen die Leser. 2 Kor. 9, 4 empfiehlt
eine analoge Fassung; auch dort ist die v7rö<7T(X<Tit; durch xuri^
aus dem Innenleben des Apostels herausverlegt und als wahr-
n.ehmbarer' Thatbestand bezeichnet. Er hat den Macedonen ge-
sagt, sie sind in Achaia bereit: das ist seine uTröa-rxa-n; das ,

was er sich herausgenommen hat sein Unterfangen und darin


, ,

hofft er nicht beschämt zu werden, wenn nun die Macedonen


mit ihm nach Korinth kommen.
Für Hebr. 3, 14. 11, 1 ist der G-edanke Stehn schon durch
den Gegensatz von u^röVracr/^ zu ujtöcttöAj^ einerseits, 10, 39,
zu izTrofrryjvoci womit der Unglaube 3, 12 definirt wird, an-
,

drerseits sicher gestellt


, , vgl. Trea-av 3 ,
14 TrxpxTrscrsTv 6 6 ,

TTizpxppvijvxi 2, 1. So unrichtig und so richtig es ist x7rö(7TX(rig


,

3, 12 als Verzagtheit zu definiren, gerade so falsch nnd wahr


ist die Anmerkung: ÖTröa-riztrig heisse in 3, l4 und 11, 1 Zu-
versicht. Der Aasdruck wird aber nicht an das transitive vtto-
aryjvixl rivcx. oder r; anzuschliesen sein; denn kraft des vttö er-
hält das Objekt des ÖTroo-rijvixi unvermeidlich die Eigenschaft
einer Last, welche die Tragkraft in Anspruch nimmt, sondern
aus dem intransitiven uttocttvivoci Stellung nehmen fest hinstehn
, ,

erwachsen, wobei nun der Genitiv Grund und Ziel dieser fes-
ten Stellungnahme nennt. Für den Genitiv ist zu vergleichen
spyov dyxS^ou Rom. 2, 7.
vTTCßoi^i^
Der uTTOirrixa-ig ist ^ ixpxi!i zugeschrieben, 3, 14, nicht weil sie
als unvollkommen charakterisirt werden soll, da der Vers keinen
Tadel enthält, sondern lediglich die christliche Aufgabe nennt,
wie sie sich allen stellt; auch ist nicht auf eine frühere Zeit
zurückgewiesen , da sie noch standen während sie jetzt nicht
,

mehr stehn. Der Anfang erhält seine Deutung durch das Ende,
auf das mit f/>expi raKoug hingewiesen ist. Die Stellung, in die
VTrOffTOilTiq. 585

sie zu den gehofften Gütera getreten sind, ist noch nicht das
Endgültige, weil sie noch nicht der Genuss der Güter ist, so
gewiss sie inihrer vTroo-rocinq Christi theilhaft geworden sind.
Darum sind jene noch iXTft^oiJ^svoi und die vTrofrrxa-i^ selbst ist
'^ xpxi , desshalb muss sie fest gehalten werden und wird , nicht
,

bewahrt werth- und fruchtlos ja zum tiefen Fall. Insofern wirkt


, ,

in der Wahl des Worts der griechische Sprachgebrauch zweifel-


los mit, der in VTröarciong den ernsten, zu Kampf und Anstren-
gung bereiten Stand bezeichnete.
SACHREGISTER.

Abraham's Glaube 24, nach Philo 94—99, hei Paulus SOG-


SOS, 390, bei Jakobus 413—415.
Aergerniss an Jesus 139—140, 191, in der Gemeinde 280

282, 454, 455.
Ascese, 372—375, 494.
Auferstehung Jesu, ihre Beziehung zum Glauben 149, 193,
247, 273—274, 342, 356, 362,
Bitte, 123, 134—138, 150, 171—172, 290, 430, 432.
Busse, ihr Verhältniss zum Glauben, synagogal 49, bei Philo
102—103, beim Täufer 106-110, Jesu Busspredigt 111—
116, ihr Verhältniss zum Glauben 151—157, 221, 227—
231, in der Gemeinde 301—304, bei Paulus 364, bei Jako-
bus 434, im Hebräerbr. 462. »

Furcht, Glaubenshinderniss 50, 135; geeinigt mit dem Glau-


ben bei Philo 96, in Jesu Wort 133—134, bei Paulus 377 ,

378, im Hebräerbr. 474.


Gerechtigkeit Gottes 329

331; Gerechtigkeit des Glaubens,
alttest. 26, synagogal 44, bei Philo 91, bei Paulus 308 —
316, 337—338, 345—347, 360—362, 365—366, bei Ja-
kobus 418—420, im Hebräerbr. 467.
Gericht im Unglauben 199, im Tode Jesu SSO, über die Werke 381.
Gesetz, in der Synagoge 36—39. 45, 490, bei Philo 103—
105, in Jesu Wort 151, 152, 213—218, 227, 228, in der
Gemeinde 286-290, bei Paulus 311—315, 319—327,332,
Ende desselben 335, seine ErfülluDg 361, die Freih(3it in ihm
368—372, 376—378, bei Jakobus 400—401, 434—437,
49 1 bei Johannes 448.
— 52,
,

Gnade Gottes, ihre Herabsetzung in der Synagoge 48


Grund des Glaubens 125 126, — 496; Einheit mit Gottes
Recht 153, 231, 496, bei Paulus 344—347, bei Jakobus
422—423.
Heidenmission, 391, 439 — 441.
SACHEEGISTER. 587

Hören, der Ursprung des Glaubens 196, 319.


Hoffen, in der Sprache 299—301, bei Petrus
apostolischen
443—444, im 463—464, Grund des Glaubens,
Hebräerbr.
306, 407, 457, 458, Gegensatz zum Glauben 189.
Liebe Gottes 385, 386, ihre Stellung in Jesu Wort 157—163,
204—205 in der Gemeinde 285 bei Paulus 357—360 bei
, ,
,

Jakobus 421—423, 436—437.


Logik Jesu, 219—220, die Paulinische und bei Jakobus 503

508, bei Johannes 529.
Mose's Glaube bei Philo 99—100, Glaube an ihn 39, 189.
Name Gottes, Glaube an ihn 42, 92; Name Jesu 167, 249.
Rechtfertigung, siehe Gerechtigkeit.
Satan, den Glauben bedrohend 147, Unglauben wirkend 197, 336.
Schrift, Glaube an sie, synagogal 41—43, Philonisch 94, bei
Johannes 189 — 191; Schriftbeweis für den Glauben 243 —
245, 464—469.
Sehen und Glauben 77, 181, 280—281, 457—458.
Sorge, 46, 131—134, 155.
Sünde, Grund Unglaubens 154, 197, 350, 432—434,
des
Folge des Unglaubens 39, 199, 332—336, der Glaube die
Befreiung von ihr 146

147, 853 356. —
Taufe des Johannes, 106, 107, 144—147, die christliche 354.
Tod Jesu, in den Evang. 147-149, 192-193, in der Ge-
meinde 281—282, bei Paulus 330 331, 341, 355, bei Pe- —
trus 445—446, bei Johannes 450, im Hebräerbr. 455,472,
Treue Gottes, 21—22, 35, 88, 259—260; der Menschen alt-
test. —
13 15, 23, 25, synagogal 35, griechisch 58 59,
— ,

70 — 74, bei Philo 89, in Jesu Wort 160, in der Gemeinde


260—261, 293—294.
Wahrheit, alttest. 18 — 19 ,
synagogal 28
— 33 , jüdisch-griechisch
79—81, bei Johannes 168—171, in der Gemeinde 294— 296.
Werke Jesu, das Glaubensmotiv 180 187, der Glaube das —
Werk Gottes 194; von Jesus gefordert 115, von der Ge-
meinde 284 — 285;
das Verhältnisss des Werks zum Glau-
ben, 25, synagogal 43, griechisch 76, in Jesu Wort
alttest.

159, 196, 205, bei Paulus 811—334, 371, 379—381,


bei Jakobus 405—418, 424-430, bei Petrus 445, bei
Johannes 447, im Hebräerbrief 468, in den Pastoralbr. 476 —
482, abschliessende Betrachtung 522 528. —
Wissen, sein Verhältniss zum Glauben griechisch 04—65,77,
bei Philo 86, 88, 92, 102, in den Evang. 137 154, 200— ,

204, in der Gemeinde 265-267, bei Paulus 382—388, bei


Jakobus 431, im Hebräerbrief 466, in den Pastoralbr. 482 —
483, abschliessend 494, 524.
588 SACHREGISTER.

Wort prophetisclies Glaube an dasselbe 25, 43,* Jesu 181


,

,
185, apostolicbes 278, Gottes 473—474.
Wunder, durch Glauben vermittelt 132—133,142,290—291,
375, Glauben wirkend 141, 172, 180—188, 291, ungläu-
bige Wundersucht 154, 187—189.
Zweifel, synagogal 40, bei Philo 86 93 97 —
99 in den Evang.
— , ,


,

119 124, bei Jakobus 415, Zweifel am Glauben 452 456.


SCHEIFTSTELLEN,
die eingehender erörtert sind.
Et. Matth.
590 SCHEIFTSTELLEIir.

Rom. Seite Gal. Seite


3, 22, .
SCHRIPTSTELLEN. 591

Jak.
KÜEEEKTUREN.

Seite 16, Zeile 4 von unten statt ü|^£3: Ü3:?>D.

19, . TJmwanclelbarkeit: Unwandelbarkeit,


sieht: sich.

'
tren: treu.
I aneinander: an einander.
63, Anmerk. Zeile 5 von oben statt 3, 88, 8: 3, 33, 8.

68 , // statt rta-Tiq :
t/o-t/5.
71, Zeile 15 von ohen statt bespricht: spricht.
72, Zeile 14 von unten statt r\m3: XipX3.
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