Albert Landau (HRSG.) - Rezensionen Zur Kantischen Philosophie 1781-87. 1-Albert Landau (1991)
Albert Landau (HRSG.) - Rezensionen Zur Kantischen Philosophie 1781-87. 1-Albert Landau (1991)
3ur
.feantifc{)en ~~Hofop~ie
1781-87
Herausgegeben
von
Albert Landau
*
Aus den Textvorlagen wurden folgende Klammem ohne Entsprechungen
iibernommen: 43s Dinge.) Entspredi.ung? Druclifehfer? 167' sinnlichen) Ent-
prediung woliC in tferse[ben Zeife vor empirischen, 232' (Wenn Entspredi.ung woliC
nru:h z. 6 abzuhalten. - 29512 (Dieser Ent.sprediung vielfeieht naeli. 296' qua tali.)
.f 312' zuriickfiihren.) Ent.sprediung vielfeiefLt vor 311' Wir wiirden 390" [Was
.... · •. Mendelssohn ent.spr. Klitmmer·,]" vielfeiefLt naeli. Z.20 Begriffe. 395., [Auf diese
Kliunmer ,]" vielfeiefLt naeli. 396s kiinne! 439, derselben?) Entspredi.ung vielfeiefLt
vor Z.ll v. o. Dai! .der 547 17 (Etwa Ent.sprediung vielfeiefLt in Zeife 22 v.o. naeli.
1787). 760u (Dieses Entsprediung vid'feiefi.t naeli. 761 12 schliessen. 765"wider-
spricht.) Entspredi.ung vidfeiefi.t in Zeife 10 v. o. vor Hiezu
In den Originalen werden die A nfiihrungszeiehen unten bei Zitaten ge-
legendich ohne entsprechende Abfiihrung verwendet, z.B.: 9415 , 139",
2312, 232', 242,, 243', 259.,, 357", 545 10• Ebenfalls finden sich nicht selten
Aile Rechte fiir diese Ausgabe und Copyright© 1991 by Anfiihrungszeichen oben ohne Entsprechung, z.B.: 94 10, 96.,, 98", 98,, 105,,
Alben Landau Verlag, Asmusstr. 20, 6440 Beb.ra l0612, 113,, 251', 251u, 2527, 358', 359,, 629 11• In den Vorlagen wird in
diesen Fallen vorausgesetzt, dal! der Beginn bzw. das Ende des jeweiligen
Satz: Albert Landau Verlag
Grundschrift: Garamond Antiqua (AGFA Compugraphic) Zitates aus dem Textzusammenhang hervorgeht.
Belichtung: W. Kuhlmann, Bremen Steht nach einem Satzende ein Gedankenstrich, so fehlt in den
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., GOttingen Originalen oft der Punkt.
Printed in Germany 1991
ISBN 3~928185-00-4 Ln
ISBN 3-928185-01-2 Ld
Inhaltsubersicht
I. Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII
Verzeichnis der Rezensionen . VIII
Ubersicht der Rezensionen: Zeitschriften XXXI
'Obersicht der Rezensionen: Autoren . . .. XXXVIII
ISBN 3-928185-01-2 Ld
Vorwort
Der vorliegende erste Band der Rezensionen zur Kantischen Philosophie
enthalt alle im Zeitraum von 1781 bis 1787 in deutschen .gelehrten" Zeit-
schriften erhaltenen und aufgefundenen Rezensionen und Anzeigen zu
Werken Kants und seiner ersten Anhanger und Gegner. Auch eine Reihe
von Buchbesprechungen, die sich nicht ausdriicklich auf Kant beziehen,
aber wichtig flir die Phase der ersten Rezeption der Kantischen Philoso-
phie sind, wurden aufgenommen. Natlirlich gehoren auch die von Kant
selbst verfaBten Rezensionen zu dieser Sammlung.
Nicht beriicksichtigt wurden Meldungen und Kurzanzeigen in den
,politischen" Zeitungen, wie z. B. dem »Hamburgischen Corresponden-
ten«, da sie in der Regel zu unbedeutend sind; wichtige Nachrichten aus
·• der Gelehrtenwelt wurden ohnehin in den .gelehrten" Zeitungen nachge-
druckt, wie z. B. die Nachrichten iiber die Universitat Konigsberg (vgl.
S. 577), die die »Gothaische gel. Zeitungen« aus der »Vossischen Zeirung«
(Berlin) iibernommen haben. Einige Zeitungen und Zeitschriften, die in
der Sammlung selbst nicht vertreten sind, sollen jedoch, wie alle anderen,
zusammenhangend in einem Kommentarband zur Rezensionensammlung
dargestellt werden.
Ich danke Herrn Prof. Dr. Fumiyasu Ishikawa (Sendai) dafur, daB er
mir die Wiedergabe der in seinem Besitz befindlichen Radierung Kant in
seinem Arbeitszimmer von Heinrich Wolff (Konigsberg 1912) ermoglicht
hat; ich danke Herrn Dr. W. Lehrke (Weimar) daflir, ein Bildnis von Chri-
stian Gottfried Schlitz ausfmdig gemacht zu haben, und ich danke Herrn
Peter Denk (Hamburg) fur seine Version der Zentenar-Fraktur.
N ariirlich ware dieser Band nicht ohne die Mirwirkung zahlreicher Bi-
bliotheken zustande gekommen. Vor allem gilt mein Dank den Mitarbei-
tern der Universitatsbibliothek Heidelberg und der Niedersachsischen
Staats- und Universitatsbibliothek in Gottingen.
Meiner Frau danke ich fur ihre Mitarbeit.
Verzeichnis der Rezensionen Altonaischer Gelehrter Mercurius. AltoM 1773-86. (Kirtfmer Nr. 297)
31. Stuck. Altona, den 31 Julii, 1783. S. 243-45: Riga, Prolegomena
zu einer jeden kUnfiigen Metaphysick, die als Wzssenschaji wird auf
1781
treten kOnnen, von Immanuel Kan~ bey Hartknoch, 1783, S. 222,
~ranr[urter gere~rte ~n;eigen. Fnmiifurt a. M. 1772-90. (Kirtfmer Nr. 288) 8vo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
N"'·LVII. u. LVIII. Den 17. u. 20. Jul. 1781. s. 456-61: Riga. Kritik Altonaischer Gelehrter Mercurius. 33. Stuck. Altona, den 14 August,
der reinen Vernunft von Imanuel Kant. Professor in KOnigsberg, 1783. s. 257-58: Kan man sich in der Metaphysick auf gesunden
bei Hartknoch, 1781. S. 856. gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Menschenverstand herufen? (Aus Kant's Prolegomenen.) . . . . . . . . 32
IBot~ai[dje gefe~rte ,8eitungen. Gotlia 1774-1804. (Kirtfmer Nr. 308) Neun 91euef!e 0:ritl[dje 91adjridjten. Funf und Dreilligstes Stuck. Greifswald
und funfzigstes Stuck, den fiinf und zwanzigsten Julius, 1781. S. den 30. August 1783. s. 280: Hr. Prof. Kant [...] (AnWs< au Proltqo-
488: Konigsberg. (Nacfuicht iiber Kant) . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . 6 mena) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 34
91euelle 0:rltl[dje 91adjridjten. GrcifswaU£1775-1807. (Kirtfmer Nr. 313) ~ITgemeine beut[dje il3ibftot~ef. BerlUt1765-96. (Kin:/imr Nr. 248) Anhang
Vier und Vierzigstes Stiick. Greifswald den 3. November 1781. zu dem sieben und drey:(ligsren bis zwey und funfzigsten Bande
S. 345 6is 346: Critik der reinen Vernunft, von Immanuel Kant, der allgemeinen deutschen Bibliothek. Zweyte Abtheilung. (Herlist
Prof. in Konigsberg. Riga bei Hartknoch 1781. 2,Aiph. 97Bog. in 1783) S. 838-862: Kritik der reinen Vernunft, von Immanuel Kant.
8. Kost. 2 Rthlr. 8 gr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Riga, 1781. 856 Seiten, in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
IBot~ai[dje ge[e~rte ,8eitungen. Sechs und achtzigstes Stiick, den fiinf
1782
und zwanzigsten October, 1783. Fortsetz""9: Sieben und achtzigstes
,8ugabe ;u ben IBottingi[djen ~n;eigen Don ge[e~rten ®adjen. Giittingm Stuck, den neun und zwanzigsten October, 1783. S. 705-10 wu[
1770-82. (Kin:/imr Nr. 279, vg( Nr. 187) 3. Stuck, den 19. Januar 715-18: Riga. Prolegomena zu einer jeden kUnfiigen Metaphysik, die
1782. S. 40-48: Riga. Critik der reinen Vernunji. V&n Imman. Kant. als Wissenschafi wird aufireten k6nnen, von Immanuel Kant Bey
1781. 856 S. Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Joh. Fr. Hartknoch. 1783. 222 Seiten gr. 8. (16 gl.) . . . . . . . . . . . 55
IBotljai[dje ge[e~rte ,8eitungen. Acht und sechszigstes Stuck, den vier
und zwanzigsten August, 1782. S. 560-63: Riga. Critik der reinen
1784
Vernunfi, von Immanuel Kant, Professor in Konigsberg. Verlegts J.
Fr. Hartknoch 1781. 856 S. gr. 8. (2 rthlr. 8 gl.) . . . . . . . . . . . . 17 IBot~ai[dje ge£e~rte
,8eitungen. Zwolftes Stiick, den elften Februar, 1784.
~uflifdje il3!6Uotl)ef, ;ur Jtenntnl~ bef! gegenroiirfigen ,8ul!anbef! ber Sitera• S. 95: Vermoge einer Nachricht [...] (Nadiridit iiber Sdiuftz wufKant) . .. 64
tur in ~u~ranb, ~erauf!gegeben Don .(:)artnlldj Subroig 0:~rl[lian il3acmei• Uberfidjt ber neuef!en 'P~ifo[op~l[djen Sltteratur Don ilo~ann 0:~rl[lian
f!er. St. Peters6wy, Riga wuf Leipzig 1772-89. (Kin:limr Nr. 292) Des sie- Sofjiuf!. Gera 1784-85. (KUtfimr: feM) Erstes Stuck. Gera 1784. s. 51
benten Bandes fiinftes und sechstes Stuck. 1782. S. 411: .Kritik der 6is 70: Prolegomena zu einer jeden kiinfiigen Metaphysik die als Wis·
reinen Vernunji von Immanuel Kant, Professor in Konigsberg, senschaji wird aufireten kannen, von Immanuel Kant 222 S. gr. 8.
Riga, verlegts Johann Friedrich Hartknoch, 1781." 856 Octavsei· Riga bey Hartknoch. 1783. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
ten; kleiner Druck.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IBotljaifdje gefe~rte ,8eltungen. Sechs und drey:(ligstes Stiick, den fiinften
May, 1784. S. 308: Die Kritik der reinen Vernunji [...] (~
1783
von Heinicke). . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . 77
~ai[onnlrenbef! <.zler;eldjnl~ neuer )!;lldjer. Kiinigsfie!y 1782-84. (Kirtfmer IBottingl[dje ~n;eigen Don gefe~rten ®adjen. Giittingm 1753-1801. (Kirtfmer
Nr. 362) No. VII. April1783. S. 97-100: Versuch einer Anleitung zur Nr. 187) 79. Stuck. Den 15. Mai 1784. S. 794-98: Frankfort am
Sittenlehre fur aile Menschen, ohne Unterschiede der Religion, nebst Mayn. Bey Varrentrapp Sohn und Wenner erscheinen: Hessische
einem Anhange von den Todesstrafen. Erster Theil. Berlin, 1783. bey Beytriige zur Gelehrsarnkeit und Kunst. Erstes Stiick. 1784. gr.
Stahlbaum. 1fl. 24. gl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Octav, 184 Seiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
X Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XI
3enai[c(le ge(c~tte ,3eitungen. Jenn 1765-86. (Kin:fmer Nr. 253) Ein und
vierzigstes StUck. Freytags, den 21. May, 1784.5. 327-28:jena. Un-
1785
ser Herr Hofrath Ulrich hat [...) drucken lassen: De philosophiae
ratione universe quaedam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG.Jma 1785-1803. (Kin:liner Nr.
\llot~ai[c(le gc(e~tte
,3eitungcn. Sechs und funfzigstes StUck, den vier- 388) Numero 4. Donnerstags, den 6ten Januar 1785. Beylage zu
zehnten Julius, 1784. 5. 468: jena. Ktinftige Michael[...) (An1Ulnd"i- Numero 4. 5. 17-20 utuf 21-22: RIGA und LEIPZIG, bey Hart-
9W19 VOlt U&idis Komperu!ium) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 knoch: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von joh.
i!Jetic(lte bet aiTgemeincn i!Juc(l~anblung bet \lle(e~tten. Dessau utuf Leipzi!J Gottfi: Herder: Quem te Deus esse iussit et humana qua parte loca-
1781-84. (Kin:liner Nr. 352) Achtes StUck. (1784) 5. 862-64: Kant. tus es in re disce. - Erster 7beil. 318. 4. 1784. {1 Rthl. 12 gr.) . . . . . 109
(AnlUlnd"Ujtmg VOlt Heinedie.s J\:tififet) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 'Jlfirn6etgifc(le ge(e~rte ,3citung. V. StUck. Dienstag den 18 Januar 1785.
~ai[onnltenbe~ 'ller;elc(lnlp ncuer i!Jfic(ler. No. XVIII. September 1784. 5. 42-46: Berlinische Monatschrift. Herausgegeben von F. Gedike
5. 273-74. Philosophie der schOnen Kunste, von joh. Christ. Konig und J. E. Biester. Oktober, November und December. 1784. bey
etc. Nurnberg, 1784. 3 fl. .............. , ........... 81 Haude und Spener. 8. 30 kr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
\llottinglfc(le \!Jn;eigen oon gele~rtcn e>ac(len. 170. StUck. Den 23. Oct. itler teut[c(le !l.Jlerfur. Weimar 1773-89. (Kin:liner Nr. 4471) Februar 1785.
1784. 5.1700-04: Frankfurt am Mayn. Hessische Bl?j'triige zur Gelehr- 5.148-74: Schreiben des Pfarrers zu ***an den H. des T. M. Uber
samkeit und Kunst. Zweytes Stack. 1784. von S. 185-372. . . . . . . . 82 eine Recension von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte
\!Jnton ~riebtlc(l i!JUfc(linM QBoc(lcntUc(le 'Jlac(lrlc(lten oon neuen 2anbc(lat• der Menschheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
ten, geograp~l[c(lcn, flatl[lifc(len unb ~iflori[c(lcn i!Jfic(lern unb e>ac(len. ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Anhang zum Marzmonat
llerU1t 1773-88. (Kin:liner Nr.1069) Des zwolftenJahrgangs Sechs und (1785). Olint SeitmmliC Erinnerungen des Recensenten der Herderschen
vierzigstes StUck. Am flinfzehnten November 1784. 5. 367-68: Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit {Nro. 4 und
Berlin. Bey Haude und Spener: Berlinische Monatsschrift. Novem· Beil. der Allg. Lit-Zeit) uber ein im Februar des Teutschen Merkur ge-
b.r 1784. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 gen diese Recension gerichtetes Schreib.n. . . . . . . . . . . . . . . . . 132
~ai[onnlrcnbe~ 'llet;cic(lnip neuet i!Jfic(let. No. XXIII. December 1784. ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 80. Donnerstags,
5. 353-54: Berlinische Monatsschrift. Monat November 1784. Berlin, den 7ten April 1785. 5. 21-23: RIGA, b. Hartknoch: Grundlegung
bei Haude und Spener. 24 gl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 zur Metapbysik der Sitten von Immanuel Kan~ 8 Bog. 8. . . . . . . . 135
~al[onnirenbe~ 'llet;eic(lnip ncuet i!Jfic(ler. No. XXIV. December 1784. itlen!rofirbig!citen aM bet pWofop~lfc(len QBe(t. Leip<i!J 1785-88. (Kin:liner
5. 381-82: Berlinische Monatsschrift, herausgegeb.n von E Gedicke Nr. 553) Zweites Quartal 1785. (April) 5. 242-47: Erliiuterungen
und ]. E. Biester. 2ten jahrgangs. 12tes Stack oder Monat December. tiber des Herrn Professor Kant Kritik der reinen Vernunft. Von
1784. 24 gl. Der jahrgang 9fl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 johann Schulze, Koniglichem Preullischen Hofprediger. Konigs-
\!JITgemclne beut[c(le i!J16Hot~ef. Des neun und funfzigsten Bandes erstes berg 1784. 8. (16 gr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
StUck. 1784. 5. 3-19: johann Heinrich Lamberts, ehem. Konig!. Pr. 3enaifc(le gde~tte ,3citung. Neun und dreyfligstes Stiick. Montags, den
Oberbauraths und Mitglieds der Konig!. Acad. der Wissensch. zu 16. May 1785. S. 310-12: jena. lm Crokerischen Verlag sind diese
Berlin, deutscher gelehrter Briefwechsel. Herausgegeben von joh. Ostermesse fertig worden: lnstitutiones logicae et metaphysicae. -
Bernoulli - Berlin, bey dem Herausgeber; und Dessau in der Buch- Scholae suae scripsit I. A. H. Ulrich. 426 S. gr. 8. ohne Vorrede und
handlung der Gelehrten, I. Bd. 432 Octavseiten 3 Bogen Vorrede Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
und Reg. 3 Kupfert. II. B. 1782. 512 Octavs. 3 Kupfert. . . . . . . . . 84 \llot~ai[c(le ge(e~tte ,3citungen. Sechs und vierzigstes StUck, den achten
\!![gemcine beut[c(le i!Ji6Hot~ef. Des neun und funfzigsten Bandes zwey- Junius, 1785. 5. 369-70: jena. lnstitutiones logic"' & Metaphysic"'.
tes StUck. 1784. 5. 322-56: Prolegomena zu einer jeden ktinftigen Schol"' su"' scripsit .Jo. Aug. Henr_ Ulrich, Ser. Due. Saxo-Coburg a
Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten konnen. Von Im- consil. Aul. Moral. & Polit. P. P. 0. sumtibus vidu"' Crockerian..,.
manuel Kan~ Riga bey Hartknoch. 1783. 8. 222 Seiten. . . : . . . . 85 1785. 579 Seiten 8. (1 thlr. 4 gl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
XII Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XIII
<J1iimbctgifd)c gcfc~ttc ,3citung. Lt. StUck. Dienstag den 28 Jun. 1785. Kant. Riga, bei Joh. Friedr. Hartknoch, 1785. 186. S. und 14. S.
S. 417-21: lnstitutiones Logicae et Metaphysicae. Scholae suae Vorr. 8. (8 gr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
scripsit Jo. Aug. Heinr. Vlrich, Ser. Due. Sax. Cob. a Cons. Au/. Altonaischer Gelehrter Mercurius. 37. StUck. Altona, den 15. Sep- V
Moral. el Polit. P. P. 0. Jenae, sumtib. viduae Croekerianae, 1785. tember 1785. S. 291-95: Riga. Grundlegung zur Metaplrysick der Sit·
gr. 8. 2 fl. 12 kr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 ten von Immanuel Kant, bey Hartknoch, 1785, S. 128, 8vo. ...... 219
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 162. Dienstags, \11[gemcine bcut[d)e )!;ib!iot~e!. Des zwey und sechzigsten Bandes zwey·
den 12ten Julius 1785. Numero 164. Donnerstags, den 14ten Julius tes Stiick. 1785. S. 509-13: Hessische Beytriige zur Gelehrsamkeit
1785. Numero 178. Freytags, den 29ten Julius 1785. Numero 179. und Kunst. Erstes Stuck. Frankfurt, bey Varrentrapp, Sohn und
Sonnabends, den 30tenJulius 1785. Beylage zu Numero 179. Sonn- Wenner, 1784. 184 Seiten gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
abends, den 30ten Julius 1785. S. 41-44, 53-56, l17-18, 121-24 <J1euc[le 1\:titifd)e <J1ad)tid)ten. Vierzigstes StUck. Greifswald, den I
wuC 125-28: KONIGSBERG, bey Dengel: Erliiuterungen ilber des Octab. 1785. S. 314-16: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Herrn Professor Kant Critik der reinen Vernunft von johann von Immanuel Kant, Riga 1785. in 8. kost. 8 gr. und: Erlauterungen
s,
Schulze, Konig!. Preu1lischem Hofprediger 200 gr. 8. (16 gr.} in tiber des Her~n Prof. Kant Critik der reinen Vernunft von M.
Beziehung auf die Critik der reinen Vernunft von Immanuel Kant. Johann Schultz, Konig!. PreuB. Hofpr. Konigsberg 1784. in 8. 14
Riga bey Hartknoch 1781. 856 S. gr. 8. (2 Th. 8,gr.} und die Pro· Bog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
legomena zu einer jeden kiinftigen Metapbysik die a!s Wissenschaft 2J1aga;tn bet 'j)~l!o[op~te unb fd)onen 2ttetatut. Mainz 1785-86. (Kin:linu
wird auftreten konnen von Immanuel Kant. 1783. 222 S. gr. 8. (16 Nr. 554) Ill. Heft. 1785. S. 256-66: Erliiuterungen der theoretischen
gr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 und praktischen Philosophie, nach Herrn Feders Ordnung. Meta·
<J1iitnbctgifd)c gc!c~ttc ,3cltung. LIX. StUck. Dienstag den 26 Jul. 1785. plrysik. Frankfurt am Main 1784 in 8. von 572 Seiten. (Vaf.: Tittel) .. 225
S. 481-84: Berlinische Monatschrift, herausgegeben von E Gedike \!lottinglfd)e \11n;etgen oon ge!e~tten e>ad)en. 172. Stiick. Den 29. Oct.
und f. E. Biester, Merz, April, Ma)l 1785. bey Haude und Spe- 1785. s. 1739-44: Riga. Bey J. Fr. Hartknoch; Grundlegung zur
ner, 8. 30 kr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Metapbysik der Sitten. Mm Immanuel Kant 1785. 128 Seiten in
\!lotljaifd)c ge!e~tte ,3dtungen. Sechs und sechzigstes Stiick, den sieb· Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
zehnten August, 1785. Sieben und sechzigstes StUck, den zwanzig· ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 271. Dienstags,
sten August, 1785. Beylage zum sieben und sechzigsten Stiick, den den 15ten November 1785. S. 153-56: RIGA und LEIPZIG bey J.
zwanzigsten August, 1785. S. 533-36, 537-44 wu( 545-50: Riga. Fr. Hartknoch. Ideen zur Philosaphie der Geschichte der Menschheit,
Grundlegung zur Metaplrysik der Sitten, von Immanuel Kant. Bey von Johann Gottfried Herder. Zweyter Theil. 344 S. 8. 1785. . . . . . 233
Joh. Friedrich Hartknoch. 1785. 128 Seiten gr. 8. (8 gl.) . . . . . . . 183 ltlen!roiitblg!eiten a~ bet p~t!ofop~ifd)en Qlle!t. Viertes Quartal. 1785.
ilenaifd)e ge!c~tte ,3eitungen. Acht und sechzigstes StUck. Freytags, den S. 680-81: A. H. Vlrich insfitufiones logicae et Metaphysicae, lenae,
26. August 1785. S. 537-38: Leipzig. Bey Schwickert: Ernst Platners apud viduam I. R. Croeckeri. 8 m. (1 thlr. 4 gl.) . . . . . . . . . . . 240
philosophische Aphorismen, nebst einigen Anleitungen zur philo- \!lot~alfd)c ge!e~tte ,3ettungen. Acht und neunzigstes Stiick, den sieben·
sophischen Geschichte. Erster Theil, neue umgearbeitete Ausgabe ten December, 1785. S. 800; ]ena. (Nadiridit ilber Sdimid) ......•. 240
550 Seiten in Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 \!lottingifd)e \11n;etgen oon ge!e~tten e>ad)en. 197. StUck. Den 12. Dec.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Beylage zu Numero 208. 1785. S. 1987-91: Breslau. Bey G. LOwe: Uber die Lehre des Spino-
Freytags, den 2ten September 1785. S. 265-67: LEIPZIG, im za, in Briefen an den Herrn M. Mendelssohn. 1785. 215 Seiten in
Schwickertschen Verlage: Ernst Platners philosophische Aphorismen Octav. U nter dem Vorberichte macht sich als Verf. bekannt Herr
nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte; Erster Fr. H. Jacobi (Churpf. G. Rath}. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Theil. Neue durchaus umgearbeitete Ausgabe. 550. S. 8. . ....... 198 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 295. Dienstags,
ltlen!roiitblg!etten au~ bet p~i!ofop~ifd)en Qlle!t. Drittes Quartal. 1785. den 13ten December 1785. S. 297-99: JENA, im Crokerischen Ver-
S. 433-67: Grundlage zur Metaphisik der Sitten von Immanuel lage: Institut:icnes Logicae et Metaplrysicae. Scholae suae scripsit ]o.
XN Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XV
Aug. Henr. Ulrich, Ser. Due. Saxo.-Cob. a consil. 'au!. Moral. et Po- :tti&ingifdje gefe~tte l!ln;eigen. 14. Stiick. Tiibingen den 16. Febr. 1786.
lit. P. P. 0. 1785. gr. 8. 426 und 153 S. ohne Vorrede und Register. . 243 S. 105-12: Riga. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von Imma-
nuel Kant. 1785. S. 128. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
?leue \leip;iget \!lde~tte ,3eitungen. XXIII. Stiick. Donnerstags, den
23sten Februar, 1786. S. 351-63: Breslau. Bey Gottl. LOwe, Ober die
1786
Lehre des Spinoza, in Briefen an Hrn. Moses Mendelssohn, 1785. 8.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG . Numero 1. Montags, den 215 s..................................... 283
2ten Januar 1786. Numero 7. Montags, den 9ten Januar 1786. Sp. 1 <:neue \leip;iget \!lefe~tte ,3eitungen. XXVI. Stiick. Donnerstags, den 2ten
6is 6 uruf 49 6is 56: BERLIN, bey Voll und Sohn: Moses Mendelssohns Marz, 1786. S. 415-16: Leipzig. De notione existentiae disserit et ad
Morgenstunden oder Vorlesungen uber das Daseyn Gottes. - Erster audiendam orationem, qua novum munus professorium, elementissi-
Theil1785. 330 S. 8. (1 Rthlr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 me sibi demandatum, auspicabitur, observantissime invitat Frederi-
:tti&ingl[dje gde~tte ~n;elgen. Tii6i119en 1783-1807. (Kirdiner Nr. 367) 4. cus Gottlob Born,· philosoph ice Doctor et Professor publicus extra
Stiick. Tiibingen den 12 Jan. 1786. S. 32: Erlangen. Sieg der prakti· ordinem designatus. 2T B. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
schen Vernunft uber die spekulative. Eine Einladungsschrift von ]. E :tti&ingi[dje ge!e~tte l!ln;elgen. 19. Stiick. Tiibingen den 6 Merz 1786.
Breyer, Hofrath und ordentl. Lehrer der Philos0 phie. 1785. 20 S. s. 148-51: Leipzig. Bey G. J. Goschen: Versuch uber den Grundsaz
in 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 des Naturrechts nebst einem Anhange von Gottlieb Hufeland der W.
\!lottingi[dje ~n;elgen oon gefe~tten eiadjen. 8. Stiick. Den 14. Januar W. und b. R. D. 1785. 287 S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
1786. S. 65-71: Berlin. Bey Chr. Fr. Voll und Sohn: Moses <JJlagahin ber 'J)~i[o[op~ie unb [d)onen \literatut. IV. Heft. (.Miir< 1786)
Mendelssohns Morgenstunden oder Vorlesungen uber das Daseyn S. 340-52: Moses Mende/sohns Morgenstunden, oder Vorlesungen
Gottes. Erster Theil. 370 Seiten in Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . 262 uber das Daseyn Gottes; 1. Theil, Berlin 1785, 12. . . . . . . . . . . . 290
\l'tfutft[dje gefe~tte ,3eitung. Erfurt 1780-96. (Kirtfiner Nr. 348) Fiinftes ~enai[dje gefe~tte ,3eitungen. Ein und zwanzigstes Stiick. Montags, den
Stiick, am fiinf und zwanzigsten Januar, 1786. S. 33-34: ]ena. lnsti- 13. Marz 1786. S. 161-65: Berlin. Bey Voll und Sohn: Moses Men·
tutiones logicae et Metaphysicae. Scholae suae scripsit Jo. Aug. delssohns Morgenstunden, oder Vorlesungen tiber das Daseyn Got-
Henr. Ulrich, Seren. Due. Saxo-Cob. a Consil. Au!. moral. et Polit. tes. Erster Thei/1785. Ein Alph. gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
P. P. 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 \l'tfutft[dje gefe~rte ,3eitung. Dreyzehntes Stiick, am vierzehnten Merz,
\!lot~al[dje ge!e~tte ,3eitungen. Siebentes Stiick, den fiinf und zwanzig- 1786. S. 99-100: Marburg. 1m Julius vorigen Jahres brachte der Hr.
stenJanuar, 1786. S. 56: Vom Hrn. Prof. Kant[... ] (Nacliridit) . . . . . 266 Professor Bering eine gelehrte Dissertation pro loco[...] Sie handelt:
\!lottingi[d)e l!ln;eigen oon gefe~tten e>ad)en. 18. Stiick. Den 2. Febr. de regressu successivo (...]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
1786. S.169-75:]ena. Bey G. J. Goschen: Versuch uberden Grund· \!lottingl[dje l!ln;elgen oon ge!e~rten eiadjen. 44. Stiick. Den 18. Marz
satz des Naturrechtes. Nebst einem Anhange. von G. Huftland d. W. 1786. S. 436-38: ]ena. In der Crokerschen Buchhandlung: lnsti-
W. u. B. R. D. 1785. 294 Seiten in Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . 268 tutiones logicae et metaphysicae; 426 S. ohne das Register; und
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 36. Sonnabends, Initio philosophiae de natura divino. 153 S. Octav. Scholae suae
den llten Februar 1786. Sp. 292-96: BRESLAU, bey LOwe: Uber scripsit /. A. H. Vlrich. 1785. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn. tti&ingi[dje ge!e~tte l!ln;elgen. 23. Stiick. Tiibingen den 20 Merz 1786.
Mit dem Motto: Llo<; !LO! 1rou CJTOJ. 215 Seiten 8. 1785. . . . . . . . . 271 S. 178-83: Berlin. Moses Mendelssohns Morgenstunden oder Vorlesun-
<:neue \lelp;lget \!lefe~tte ,3eltungen. Leip<i!J 1785-87. (Kirdinu Nr. 396) gen uber das Daseyn Gottes. Erster Theil. 1785. 370 S. in 8. . . . . . . 299
XIX. Stiick. Dienstags, den 14ten Februar, 1786. S. 289-94: Gera. \l'r[utn[dje gefe~tte ,3eltung. Vierzehntes Stiick, am zwanzigsten Merz,
Ubersicht der neuesten Philosophischen Litteratur, von johann Chri· 1786. s. 105-07: Leipzig. Goschen verlegt: Versuch uber den Grund-
stian Lossius, lsten Bandes lsten Stuck, 1784 bey Christoph Friedrich satz des Naturrechts - nebst einem Anhange- von Gottlieb Hufe-
Beckmann 8. brochirt, jedes Stiick kostet 8 gr. . . . . . . . . . . . . 276 land, d. W. W. und B. R. Dr. 1785. 294 Seiten, in 8. (12 Gr.) . . . . . 302
XVI Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XVII
2lffgemeine beutfdje ilJibliot~ef. Des flinf und sechzigsten Bandes erstes 2!llgemeine beutfdje ilJib[lotlje!. Des sechs und sechzigsten Bandes zwey-
Stiick. 1786 (Anf•"9 April). S. 158-62: Versuch lib~r die Na:ur und tes Stuck. (Mai 1786) S. 447-63: Grundlegung zur Metaphysik der
das Daseyn einer materiellen Welt. Aus dem Enghschen. Riga, bey Sitten von Immanuel Kant. Riga, bey Hartknoch. 1785. 8. 128 S. . . 354
Hartknoch, 1783. 8. 286 Seiten . . . . . . . . . . . . . . . . · .. · · · 304 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 109. Montags, den
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Dienstags, den 18ten April 8ten May 1786. Numero 113. Freytags, den 12ten May 1786. Sp.
1786. Sp. 113-16: LEIPZIG, bey G. J. Goschen: Versuch uber ~ 249 6is 234 wu! 281-82: LEIPZIG, bey Goeschen: Friedrich Heinrich
Grundsatz des Naturrechts. - Nebst einem Anhange, von Gottlreb jacobi wider Mendelssohm Beschuldigungen betreffend die Briefe uber
Hufeland, d. W. W. u. B. R. D. - 1785. (12 gr.) . . . . . . . . . . . . 305 die Lehre des Spinoza. 127. S. 8. 1786. 1!l1d: BERLIN, bey VoB und
l!lot~aifdje ge£e~tte ,3eitungen. Zwey und dreyJligstes Stiick, den zwey Sohn unter dem Titel herauskam: Moses Mendelssohn an die Freunde
und zwanzigsten April, 1786. S. 265-68: London. [richtig: Breslim] Lessings. Ein Anhang zu Herrn jacobi Briefwechsel uber die Lehre des
Ober die Lehre des Spinoza, in Briefen an den Hrn. Moses Mendels· Spinoza. XXIV: und 87 S. 8. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
sohn. Llo<; #lOt n:ou eniD. Bey Gottl. LOwe. 1785. 215 S. 8. {12 gl.) ... 308 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 110. Dienstags,
tilblngifdje ge£e~tte 2!n;eigen. 33. Stuck. Tiibingen den 24 April 1786. den 9ten May 1786. Sp. 261-64: RIGA, bey Hartknoch: Metaphysi-
S. 258-64: Jena. lnstitutiones logicre & metaphysicre S. 426; und sche Anfangsgriinde der Naturwissenschaft von Immanuel Kant.
Initio philosophire de natura divino s. theologic:e.rationalis·S. 153. 8. 158 S. gr. 8. 1786. (12 gr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Scholce suce scripsit Jo. Aug. Henr. Ulrich seren. Due. Saxo-Cob. a ilenaifdje ge!e~tte ,3eltungen. Acht und dreyiligstes Stuck. Freytags, den
consil. aul. moral. & polit. P. P. 0. 1785. . . . . . . . . . . . · .. · · · 309 12. May, 1786:S. 297-300: Frankfort und leipzig. Bey den Gebrii-
ANNALES LITERARII. APRII.IS ANN! MDCCLXXXVI. HefmstadH 1782 dern Pfahler: Uber Herrn Kants Moralreform, von Gottlob August
6is 1789. (Kin:hner Nr. 358) s. 348-54: Institutiones logicae et meta- Tittel. 1786. 93 S. gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . _ . . . . . . . . . . . 378
physicae; scholae suae scripsit IO. AUG. HENR. VLRICH, Seren. Due. ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 119. Freytags, den
Saxo-Cob. a consil. aul. moral. et polit. P. P. 0. Ienae sumt1bus 19ten May 1786. Sp. 329-330: JENA, in der Crokerischen Buch-
· ·· ·viduae Croecker. 1785. pagg. 426 et 153. 8. . . . . . . . . . . . · · · 313 handlung: Critik der reinen Vernunft im Grundrisse zu Vorlesun-
.!ttifi[dje ilJe9tciige ;ut neue[len l!lefdjidjte bet l!lefe~tfam!eit. Leipzig 1786 gen, nebst einem W6rterbuche zum leichtern Gebrauche der Kan-
6is 1791. (Kin:hner Nr. 398) Des Ersten Bandes. Erstes Stiick. Leip- tischen Schriften von M. Carl Christian Erhard Schmid. 1786. 284
zig 1786. S. 202-13: .Die Grundlegung der Metaphysik der Sitten S. 8. (12 gr.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380
von Immanuel Kant (Riga, 1785. 8) habe ich nun kennen gelernt IBottinglfdje 2ln;tlgen oon ge!e~tten ®adjen. 79. Stiick. Den 20. Mai
[...]. . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . : .. 318 1786. S. 787-89: Marburg. De regressu successiuo handelt eine Dis-
:Xuffifdje ilJibliot~e!. Des zehnten Bandes Erstes, Zweytes, Dnttes putation Herrn job. Bering Prof. der Logik und Metaph. 73
Stiick. 1786. s. 163-65: .Prolegomena zu einer jeden kiinftigen Quarts. 1785. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten konnen, von Im- ilenalfdje gefe~tte .3eitungen. Ein und vierzigstes Sriick. Montags, den
manuel Kant. Riga, bey Johann Friedrich Hartknoch, 1783." 222 S. 22. May, 1786. S. 327-28: Jena. Critik der reinen Vernunft, im
in Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · .. · · · 324 Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem WOrterbuche zum leich-
:Xuffifdje ilJlb[!ot~e!. elicf. 5.165-66: .Grundlegung zur M_etal'hysik der tern Gebrauch der Kantischen Schriften von M. Carl Christian Er-
Sitten von Immanuel Kant Riga, bey Johann Fnedrtch Hart- hard Schmid. Im Verlag der Crokerischen Buchhandlung. 1786.
knoch, 1785." 128 S. in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . · · .. · · · 325 294 Seiten in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
2!ffgemelne beut[dje ilJib[!ot~et. Des sechs und sechzigsten Bandes erstes ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG. Numero 125. Freytags, den
Stiick. (Mai 1786} s. 92-123: Erlauterungen tiber des Herrn Profes- 26ten May 1786. Numero 126. Sonnabends, den 27ten May 1786.
sor Kant Critik der reinen Vernunft von ]oh. Schultze, Konig!. Sp. 377-84 wu! 385-92: LEIPZIG, bey Goschen: die Resultate der
PreuBischem Hofprediger. Konigsberg, bey Dengel, 1784. 8. 254 ]acobiscben und Mendelssohmchen Philosophie kritisch untersucht von
Seiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 einem Freywilligen 1786. 255 S. 8. (16 gr.) . . . . . . . . . . . . . . . 383
XVJII Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen X1X
' mus, ein philosophisches Fragment von Adam Weishaup~ Herzoglich
~rantfurter gdcbrte Qln;eigen. Nro. XLIII. Den 30. Mai 1786. s. 337-40:
Frankfurt und Leipzig. Uber Herrn Kant's Moralreform, von Gott- Sachsengothaischen Hofrath, bey Grattenauer, 1786, S. 125, 8vo. . . . . 415
lob August Tittel, bei Pfahler, 1786, 93 S. in 8vo. . . . . . . . . . . . 398 \!lotbatfc(le gdebrte .3etUtngen. Sechs und sechzigstes Sttick, den neun·
QBir;burger gelebrte Qln;etgen. Wi"'6'"9 (= Wil146'"9) 1786-96. (Kin:hnu zehnten August, 1786. S. 545-50: Leipzig. Die Resultate der Jacobi·
Nr. 397) XLIII. Sttick. Minwoch den 31 May 1786. S. 402-06: Er· schen und Mendelssohnschen Philosophie; kritisch untersucht von
lang. Sieg der praktischen Vernunft tiber die spekulative. Von Job. einem Freywilligen. Bey Goschen. 1786. 255 Seiten 8. (16 gl.) . . . . . 417
Friederich Breyer hochfiirstl. Brandenburgischen Hofrathe, der \!lotbatfc(le gelebrte .3ettungen. Zwey und siebenzigstes Sttick, den neun·
Philos. D. und ord. offend. Lehrer. 1785. S. 20. in 4. . . . . . . . . . 400 ten September, 1786. S. 600: Stuttgardt. Hr. Prof. Abel[... ] ...... 418
tiibtngifc(le gelebrte Qln;etgen. 45. Sttick. Ttibingen den 5 Jun. 1786. 91eue ~eip;iger \!lelebrte .3titungen. CVIII. Sriick. Donnerstags, den
s. 358-59: Frankfort und Leipzig. Ober Kants Mora/reform, von G. 14ten September, 1786. CIX. Sttick. Sonnabends, den 16ten Sep-
A. TitteL 1786. in gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 tember, 1786. S. 1713-18 wuC 1729-33: Leipzig. Priifong der Men·
delssohnschen Morgenstunden, oder aller spekulativen Bweise for das
Altonaischer Gelehrter Mercurius, 23. Sttick. Altona, den 8. Junii
Daseyn Gottes, in Vorlesungen, von Ludwig Heinrich Jakob, Doktor
1786. S. 177-79: Ober einen Satz aus Kants Metaplrysick der Sitten. .. 403
der Philosophie in Halle. Nebst einer Abhandlung, vom Herrn Pro-
Q:rfurfi[c(le gelebrte .3eitung. Drey{ligstes Sttick, am vier un_d .zwanzig-
sten Junii, 1786. S. 233-35: Frankfort und Leipzig. Uber Herrn
fessor Kant 1786, bey Heinsius, 21 Bogen und 4 Bogen Vorrede +
in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
Kant's Mora/reform. Von Gottlob August Tittel. Bey den Gebriidern
\!lottingifc(le Qln;eigen oon gelebrten teiac(len. 148. Sttick. Den 16. Septem·
Pfahler. 1786. (6 Gr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
ber 1786. S. 1473-81: Leipzig. Bey G. J. Goschen: Resultate der Ja·
91eue ~etp;igcr \!ldebrte .3titungen. LXXXI. Sttick. Donnerstags, den cobischen und Mendelssohnschen Philosophie; kritisch untersucht
13ten Juli, 1786. S. 1293-96: Frankfurt und Leipzig. Bey den Ge- von einem Freywilligen. Non quis? Sed quid? 1786. 255 Seiten
briidern Pfahler: Ober Herrn Kants Moral-Reform, von Gottlob Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
Aug. Titte4 1786, 93 S. gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 91eue ~etp;iger \!lelebrte .3eitungen. CXII. Sttick. Sonnabends, den 23sten
91iirnbergt[c(le gelebrte .3eitung. LVI. Sttick. Freytag den 14 Julius 1786. September, 1786. S. 1777-82: Copenhagen und Leipzig. Bey Christ.
s. 441-44: Ober Materialismus und Idealismus. Ein philosophisches Gottlob Proft: Ober graue Vorurtheile und ihre Schiidlichkeit Erwie-
Fragment von Adam Weishaup~ Herzoglich Sachsengothaischem sen durch Grundsiitze der Vernunfikritik von Samuel Heinicke, Di-
Hofrath. Niimberg, bey Grattenauer, 1786. 125 S. in 8. 24 kr. . ... 409 rector des Chursachs. Instituts fiir Stumme in Leipzig, 1787 in 8.
91eue~e ~ritjfc(le 91ac(lrtc(lten. Acht und zwanzigstes Stiick. Greifswald 456 Seiten, ohne den Vorbericht auf 16 Seiten. . . . . . . . . . . . . 431
den 15. Julii 1786. S. 220-22: Friedrich Heinrich Jacobi wieder \!lotbaifc(le gelebrte .3ettungen. Acht und siebenzigstes Sttick, den drey-
Mendelssohns Beschuldigung betreffend die Briefe tiber die Lehre lligsten September, 1786. S. 641: Jena. Critik der reinen Vernunji im
des Spinoza. Leipzig bei Goschen 1786. 127 S. in 8. Kost. 12 gr. Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem Wiirterbuche zum leichtern
Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie Gebrauch der Kantischen Schrijien, von M Carl Christian Erhard
kritisch untersucht von einem Freiwilligen. Leipzig 1786. Kost. 16 Schmid. In der Krokerschen Buchhandlung. 1786. 294 Seiten in 8.
gr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 (12 gl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
I!Joc(laifc(le gelebrte .3eitungen. Ein und sechzigstes Sttick, den zweyten il3iblioc(ler ber neu~en c(leologt[c(len, Pbilofopbtfc(len, unb fc(lonen ~itteratur.
August, 1786. s. 506 -11: Niimberg. Ober Materialismus und Idea· Ziitidi 1784-86. (Kin:hner Nr. 376) Dritten Bandes, zweytes Sriick.
/ismus. Ein philosaphisches Fragmen~ von Adam Weishaup~ Her- S. 270-334: Antiphadon, oder Priifung einiger Hauptbeweise fiir
zog!. Sachsen·Gothaischen Hofrath. Bey E. C. Grattenauer. 1786. die Einfachheit, und Unsterblichkeit der Seele in Briefen. In Kom-
125 Seiten 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 million bey Krusius in Leipzig. 1785. . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
Altonaischer Gelehrter Merr:urius. 31. Sriick. Altona, den 3. Au- Q!Ugemetne beutfc(le il3ibltotbet. Des acht und sechzigsten Bandes zwey-
gust 1786. S. 242-44: Niimberg. Ober Materialismus und Idea/is· tes Stiick. 1786 (OI<L) S. 311-79: Moses Mendelssohns Morgenstunden
XX Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XXI
oder Vorlesungen tiber das Daseyn Gottes. E:.Ster Ibeil. Berlin, l!lot~atfdje ge[e~rte .3eitungen. Neunzigstes StUck, den elften November,
1785. bey Vol> und Sohn. - Veriinderte Auflage, ebend. 1786. 8. . . 441 1786. s. 752: Gottingen. (Nacliric!it iliier Feder) . . . . . . . . . . . . . . . 470
l!lottingifdje ~n;eigen oon gele~rten e>adjen. 162. StUck. Den 12. Oct. :l:ilolngifdje gele~rte ~n;eigen. 91. StUck. Tiibingen den 13 Nov. 1786.
1786. S. 1628-29: Lemgo. Im Verlag der Meyerschen Buchhandlung S. 725-27; Nurnherg. Vher Materialismus und Idealismus. Ein philo-
ist nun auch der -Grundrift der Seelenlehre von unserm Hrn. Prof. sophisches Fragment von Adam Weishaup~ Herzoglich Sachsen gotha·
Meiners erschienen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 ischen Hofrath. 1786. 8. S. 125. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470
lfrfurnfdje gefe~rte ,3eitung. Neun und vierzigstes StUck, am sechs- ALLGEMEINE 'LITERATUR-ZEITUNG. Numero 278. Dienstags,
zehnten Oktober, 1786. S. 386-87: Jena. In der Cr6kerischen den 21ten Novmber 1786. Sp. 359: Hr. Kant in Konigsberg besorgt
Buchhandlung: Kritik der reinen Vernunft, ein GrundriB zu Vor- eine zweyte Auflage seiner Kritik der reinen Vernunfi [...] ...... 471
lesungen, nebst einem Worterbuche, zum leichten Gebrauch der l!lottinglfdje ~n;eigen oon gefe~rten e>adjen. 186. StUck. Den 23. Nov.
Kantischen Schriften, von M. Karl Christ. Erhard Schmidt. 1786. 1786. S. 1871-72: Jena. In der Crokerschen Buchhandlung: Critik
294 Seiten, in 8. (12 Gr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 der reinen Vernunft, im Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem
ilenalfdje gefe~rte ,3eitungen. Sechs und achtzigstes St\ick. Freitags, den Worterbuche zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften.
27. October, 1786. S. 681-82: Leipzig. Bey Heinsius: Prlifung der Von M. Carl'Christian Erhard Schmid. 1786. 294 S. Octav. . . . . . 472
Mendelssohnschen Morgenstunden, oder aller spekulativen Bewei- >.;>aiTifdje srteue l!le[e~rte .3eitungen. Hafk 1766-92. (Kin:hner Nr. 258)
.se flir das Daseyn Gottes, in Vorlesungen von Ludwig Heinrich 95stes StUck, Montags den 27sten November 1786. S. 757-58: Vor
Jakol; Doktor der Philosophie in Halle. Nebst einer Abhandlung einiger Zeit hat der Herr K.irchenrath auch, unter dem Namen
von Hn Professor Kant. 1786. 334 S. in 8. ohne die Vorrede und Frankfurt und Leipzig eine kleine Schrift von 93 Seiten in Octav
einige Bemerkungen vom Hn Professor Kant, die zusammen LX uher Herrn Kant's Mora/reform drucken lassen. . . . . . . . . . . . . 472
S. betragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 l!lottingifdje ~n;eigen oon gefe~rten e>adjen. 190. StUck. Den 30. Nov.
1786. 5. 1910-12: Nurnherg. Bey Ernst Chr. Grattenauer: Vber
ilenalfdje gele~rte ,3eitungen. dilL s. 682-84: Ebendaselbst. (= I.eipti9) In
der Mtillerschen Buchhandlung: Philosophische U nterhaltungen.
Materialismus und Idealismus. Ein philosophisches Fragmen~ von
· Erster Band. 1786. 222 S. in 8. Dieser Band enthalt folgende Ab-
Adam Weishaup~ HerzogL Sachsengothaischem Hofrath. 1786. 125 S.
Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
handlungen: [...] 3} Vher Kants Prolegomena zu einer jeden kunfiigen
S»eue \!elp;tger l!lefe~rte .3eitungen. CXUI. StUck. Sonnabends, den 2ten
Metaphysik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450
December, 1786. S. 2266-72: Stuttgart!. Bey Johann Benedict Mez-
ALLGEMEINE LiTERATUR-ZEITUNG. Numero 259. Montags, den ler: Vher die Quellen der menschlichen Vorstellungen. Von Jacob
30ten October 1786. Numero 260a. Dienstags, den 31~ October Friedrich Abe4 Lehrer der Psychologie und Moral bey der hohen
1786. Numero 267. Mittwochs, den 8ten November 1786. Sp. 193 Carls·Schule zu Stuttgard. 1786. 286 S. in gr. 8. . . . . . . . . . . . . 474
6is 198, 201-07 wuf 265-72: RIGA, bey Hartknoch: Grundlegung l!lottingifdje ~n;etgen oon gefe~rten e>adjen. 191. StUck. Den 2. Decem-
zur Metaphysik der Sitten, von Immanuel Kant 1785. 128 S. 8. und: ber 1786. S. 1914-18: Riga. Metaphysische Anfangsgrtinde der
FRANKFURT und LEIPZIG: Vher Herrn Kant's Mora/reform von Naturwissenschaft von Immanuel Kant. Hartknoch; 1786; 158
Gottlob August Titte/1786. 93 S. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Octavs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
Altonaischer gelehrter Merr:urius. 44. StUck. Altona, den 2. Novem-
ber 1786. S. 350-52: Weimar. Der Monat August des teutschen Mer·
kur entbiilt folgende Aufsatze. 1) Briefe tiber die Kantische Philo-
sophie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 1787
l!lotljaifdje gefe~rte ,3eitungen. Acht und achtzigstes StUck, den vierten ilenaifdjegefe~rte ~n;etgen. Jena. (KUtfiner Nr. 407) Erstes StUck. Man-
November 1786. S. 736: Marhurg. (Nacliric!it iiber Verliot d<r Kantisdien tags, den 1. Janner 1787. Zweytes StUck. Freytags, den 5. Jan-
Pliifosopliie). • . • • . . . • • . • • . . . . • . . . . • . , . . . • . . . . . 470 ner 1787. S. 3-5 wuf 13-15: Stutgart. Im Mezlerschen Verlag ist
XXII Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen xxm
noch 1786 herausgekommen: Jakob Friedrich Abel's Einleitung in losophie in Halle. Nebst einer Abhandlung von Herrn Professor
die Seelenlehre. 459 S. ohne Vorrede, Plan und Einleitung auf Kant. 1786. Bey Joh. Sam. Heinsius. Die Vorrede und Hrn. Kants
XXXII Seiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Abhandlung nehmen LX, und die Vorlesungen selbst, nebst einem
i)mn!funer gefe~rte ~n!elgen. Nro. IV. Den 12. Januar 1787. 5. 27-29: Anhange 334 Seiten 8. ein. (1 rthlr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
Jena. Kritik der reinen Vernunft im Grundrisse zu Vorlesungen, ?leue ~eipjiger ~efe~rte .3eitungen. XXVI. Stiick. Donnerstags, den 1sten
nebst einem Worterbuche zum leichten Gebrauch der Kantischen Marz, 1787. 5. 401-07: Leipzig. Bey Sommern: De Philosophorum
Schriften, von M. Karl Christian Eberhard Schmid, in der Krokeri- ambitione veritatis studio utilissimo, quaedam diffuerit. Mag. Goff/.
schen Buchhandlung. 1786. 294 Seiten in 8vo. . . . . . . . . . . . . 485 Jac. Frid. Wolf, ad aedem Petri Catech. B. S. 46. . . . . . . . . . . . . 505
tiibingifd)e gefe~rte ~n!eigen. 8. Stiick. Tiibingen den 25 Jan. 1787. i\tnai[d)e gefe~rte \lln!elgen. Neunzehntes Stiick. Montags, den 5. Marz,
5. 57 6is 64: Leipzig. Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohni· 1787. 5. 149-52: Riga. Bey Hartknoch sind noch 1786. auf 158 S.
schen Philosophic, kritisch untersucht von einem Freywilligen. 1786. gr. 8 herausgekommen: Metaphysische Anfangsgriinde der Natur-
255 S. in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 wissenschaft, von Immanuel Kant. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
?leue ~eip!lger ~efe~rte .3eltungen. XCIV. Stiick. Sonnabends, den 27ten !Bottlngifd)e ~n!eigen oon gefe~rten ®ad)en. 38. Stiick. Den 8. Marz
Januar, 1787.5.187-92: Niirnberg. Bey Grattenauer: Ober Materia- 1787.5. 369-74: Gottingen. Bey Dieterich: Ober Raum und Caussa-
lismus und Idealismus. Ein philosophisches Fraf71U!1!..t von Adam Weis· litii~ zur Priifong der Kantischen Philosophie Von f. G. H Feder. 268
haupt. 1786. S. 125. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 S. Octav, und 2 Bogen Vorrede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509
?leue ~tiP!iger ~efe~rte .Seitungen. XVI. Stiick. Dienstags, den 6ten ?leue[le \l:rltl[d)e ?lad)rid)ten. Zehntes Stiick. Greifswald den 10. Marz
Februar, 1787. 5. 249-52: Riga. Metaphysische Anfangsgriinde der 1787. 5. 73-75: Metaphysische Anfangsgriinde der Naturwissen-
Naturwissenschaft von Immanuel Kant 1786. gr. 8. S. 158. . . . . . 495 schaft von Immanuel Kant. Riga 1786. 158 S. in 8. Kost. 8 gr. . . . . 512
~ottingifd)e ~n!eigen oon gefe~rten 0ad)en. 24. Stiick. Den 10. Februar tiibingifd)e gefe~rte \lln!figen. 22. Stiick. Tiibingen den 15 Marz 1787.
1787. 5. 238-39: Leipzig. Bey Heinsius: Priifong der Mendelssohn- 5. 170-74: Jena. Critik der reinen Vernunft im Grundrisse zu Vorle-
schen Morgenstunden, oder aller speculativen Beweise fiir das Da- sungen nebst einem Worterbuche zum leichteren Gebrauch der Kanti-
seyn Gottes in Vorlesungen von Lud. Heinr. Jacob, Doctor der schen Schriften von M Carl Christ Erh. Schmid. 1786. 294 S. in 8... 514
Philosophic in Halle. 1786. 334 Seiten Octav. . . . . . . . . . . . . . 497 .ltarf ~bofp~ \l:iifar'6 'J)~Ifofop~lfd)e \llnnafen. Niimb"!!1787-93. (Kirtfuu:r
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 42a. Sonnabends, Nr. 556) Des ersten Theiles erster Band. Niirnberg 1787. 5.190-94:
den 17""Februar 1787. Sp. 389-92: LEIPZIG, bey Heinsius: Priifung Prtifung der Mendelssohnschen Morgenstunden. Nebst einer Ab-
der Mendelssohnschen Morgenstunden oder alter spekulativen Beweise handlung von Herrn Professor Kant Leipzig, 1786. bey]. S. Hein-
for das Daseyn Gottes in Vorlesungen von Ludwig Heinrich Jakob, sius. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
Doctor der Philosophic in Halle, nebst einer Abhandlung von Hn. .ltarf \llbolp~ \l:iifar'6 'P~ifo[op~lfd)e ~nnafen. Des ersten Theiles erster
Prof. Kant. 1786. 394 S. 8. (1 rthlr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 Band. Niirnberg bey Johann Adam Stein. 1787. 5. 194-99: Meta-
?leue ~elp!lger ~efe~rte .3eitungen. XXII. Stiick. Dienstags, den 20sten physische Anfangsgtiinde der Naturwissenschaft von Immanuel
Februar, 1787. S. 337-48: Leipzig. In der Miillerischen Buchhand- Kant Riga, bey Johann Friedrich Hartknoch. 1786. 158. S. gr. 8... 521
lung: Philosophische Unterhaltungen. Erster Band, 1786. kl. 8. S. 222 .ltarf \llbofp~ \l:iifar'6 'P~Ifo[op~ifd)e \llnnafen. Des ersten Theiles erster
mit Lateinischen Lettern. Sechs Unterhaltungen sind in diesem Band. Niirnberg 1787. 5. 243-62: Grundrill der Seelenlehre von C
Bandchen enthalten: [...) S. 346-47: 3} Uber Kants Prolegomena Meiners, Professor der Philosophic in Gottingen. Lemgo. 1786. in
zu einer jeden kiinftigen Metaphysik. . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 der Meyerschen Buchhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524
~ot~alfd)e gefe~rte .3eitungen. Sechszehntes Stiick, den vier und zwan- ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 82. Donnerstags,
zigsten Februar, 1787. 5. 129-33: Leipzig. Priifong der Mendelssohn- den 5~ April 1787. Numero 83. Freytags, den 6= April 1787. Nu-
schen Morgenstunden, oder aller spekulativen Beweise for das Daseyn mero 84•· Sonnabends, den 7"" April 1787. Sp. 25-32, 33-40,
Gottes, in Vorlesungen, von Ludw. Heinrich Jakob, Doctor der Phi- 41-48: LEMGO in der Meyerschen Buchhandlung: Grundrifl der
XXN Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XXV
Geschichte der Weltweisheit von C Meiners, Prof~or der Philoso- Mendelssohnschen Morgenstunden, oder aller speculativen Beweise
phie in Gottingen 1786. 302 S. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 fur das Daseyn Gottes in Vorlesungen, von Ludwig Heinrich jacob,
l!lot~at[d)e gefe~rte ,3eitungen. Acht und zwanzigstes Stuck, den sieben- Doktor der Philosophie in Halle. Nebst einer Abhandlung von
ten April, 1787. S. 240: Das zu Marburg ergangene Verbot, uber die Herr Prof. Kant. Leipz. 1786. 1 Alph. . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
Kantische Philosophie zu lesen [...] (Nadiridit) . . . . . . . . . . . . . 556 ~uffi[d)e ~ibliot~er. Des zehnten Bandes Viertes und Funftes Stuck.
~rfurfi[d)e gefe~rte ,3eihmg. Siebzehntes Stuck, am achten April, 1787. 1787. S. 468-69: .Metaphysische Anfangsgtiinde der Naturwissen-
S. 1.29-33: Leipzig. Priifong der Mende!ssohnischen Morgenstunden schaft von Immanuel Kant. Riga, bey Johann Friedrich Hart-
oder aller spekulativen Beweille fur das Daseyn Gottes, in Vorle- knoch, 1786." 158 Octavseiten; ausser der Vorrede von XXIV Seiten .. 590
sungen, von Ludwig Heinrich Jakob, Doktor der Philos. in Halle. ~[gemetne beut[d)e ~tbliot~et. Des vier und siebenzigsten Bandes erstes
Nebst einer Abhandlung vom Hrn. Prof. Kant. Bey Heinsius. Stuck, 1787. S. 184-96: Einleitung in die Seelenlehre von Jacob
1786. (1 Rthl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Friedrich Abe~ Prof. der Psychologie und Moral an der hohen
i\enaifd)e gefe~rte ~n;eigen. Neun und zwanzigstes Stiick. Montags, den Karlsschule. Stutgart, bey Metzler. 1786. Ober die Quellen der
· 9. April, 1787. S. 226-30: Ohne Angabe des Druck- und Ver- menschlichen Vorstellungen von jacob Friedrich Abel. Stutgart,
lagsorts ist auf 2 Bogen in gr. 8. erschienen: Die verzweife!te Meta- 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
physik. 1787. (Veifasser:J. H. 06ereitJ . . . . . . . . ._,. . . . . , . . . . . 560 ~[gemetne beut[d)e ~ibllod)ef. Des vier und siebenzigsten Bandes zwey-
~ranffurter gefe~rte ~n;eigen. Nro- XXIX. Den 10. April. 1787. s. tes Stiick, 1787. S. 333-44: Metaphysische Anfangsgtiinde der Na·
227-29: Leipzig. Ptiifung der Mendelssohnschen Morgenstunden, turwissenschaft von Immanuel Kan~ Riga, bey Hartknoch 1786. 8.
oder aller spekulativen Beweise fiir das Daseyn Gottes, in Vorle- 158 S. und 1 f Bogen Vorrede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
sungen. von Ludwig Heinrich Jakob, Doktor der Philosophie in \!lot~aifd)e gele~rte ,3eitungen. Zwey und vierzigstes Stuck, den sechs
Halle, nebst einer Abhandlung von Herrn Professor Kan~ bei und zwanzigsten May, 1787. S. 352: Giittingen. (Nadiridit iilier Journal
Heinsius, 1786. 334 Seiten, in Svo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 von Feder wuC Meiners) . . . . • • • . . • . • • • • . . . . . • • • • • . • • 607
l!lod)aifd)i gefe~rte ,3eitungen. Zwey und dreyiligstes Stiick, den ein und tUbingifd)e gele~rte ~n;eigen. 46. Stiick. Tubingen den 7 Jun. 1787.
zwanzigsten April, 1787. Drey und dreylligstes Stiick, den fiinf S. 364-68: Leipzig. Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden
und zwanzigsten April, 1787. S. 267-71 wuC 273-77. Giittingen. oder alter spekulativer Beweise fur das Daseyn Gottes in Vorlesungen
Uber Raum und Caussalitii~
zur Priifong der Kantischen Philoso- von L. H. Jakob, Doktor der Philosophie in Halle. Nebst einer Ab-
phie, von johann Georg Heinrich Feder. Priifet alles und das Gute handlung von Herrn Professor Kan~ 1786. S. 334. in 8. . . . . . . . . 607
behaltet. Bey J. C. Dieterich. 1787. 268 Seiten und 30 Seiten Vor- tUbingifd)e gele~rte ~n;eigen. 47. Stuck. Tubingen den 11 Jun. 1787.
rede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 S. 371-75: Lemgo. Grundrift der Seelenlehre von Chr. Meiners Profes-
i\enat[d)e gele~rte ~n;etgen. Drey und dreyiligstes Stuck. Montags, den sor der Philosophie in Giittingen. 1786. S. 200. in 8. . . . . . . . . . . 610
23. April, 1787. Funf und dreyiligstes Stuck. Montags, den 30. .leieli[d)e \!lele~rte ,3ettungen. Kie£ 1787-91. (Kittliner Nr. 414) Funf und
April, 1787. S. 258-62 wu[ 277-80: Giittingen. Dietrich verlegt: zwanzigstes Stuck. Mittwoch den 20sten Junius 1787. S. 195-99:
Uber Raum und Causalitat, zur Priifung der Kantischen Philoso- Hamburg. 1787. Bei Carl Ernst Bohn wird verlegt: Uber die Griin·
phie, von johann Georg Heinrich Feder. Mit dem Motto: priifet de der menschlichen Erkenntnifl und der naturlichen Religion. Von
alles, das gute behaltet. 268 Seiten in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 job. Alb. Heinr. Reimarus, der Arzeneygelehrtheit Doctor. 12 Bo-
l!lot~al[d)e gele~rte ,3eitungen. Drey und dreyiligstes Stuck, den fiinf gen in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613
und zwanzigsten April, 1787. S. 280: Konigsberg. (Nacfui<ht iiber Kant -?aUi[d)e <Jleue l!lele~rte ,3eitungm. 51stes StUck, Montags den 25sten
u. a.) • . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . 577 Junii 1787. S. 365-72: Seitdem die Kantische Kritik der reinen Ver-
i\o~. \l:~rij1op~ :Coeberletn au6erlefene t~eologifd)e ~ibflot~et. Leipzig 1780 nunft [...]. Rewtsionen von: Priifong der Mendelssohnschen Morgenstun-
6is 1792. (Kitdiner Nr. 2148) Vierter Band erstes Stiick. Leipzig, ver- den, oder alter speculativen Beweise for das Daseyn Gottes, in Vorle-
legts Joh. Gatti. Imman. Breitkopf, 1787. S. 109-32: Priifung der sungen von Ludwig Heinrich Jakob, Getzigem iiffentlichen Professor
XXVI Verzeichnis der Rezensionen Verzeichnis der Rezensionen XXVII
der Philosophie zu Halle,) Leipzig, 1786, bey H~insius, 1 Alph. 2 gart. Plan einer systematischen Metapbysik von jacob Friedrich Abe~
und einen halben Bogen in Octav, (1 Rthlr.) und: Ober das Verhalt· Profellor der Philosophie an der hohen Schule zu Stuttgart. 1787.
nift der Metapbysik zu der Religion, von Aug. Wilh. Rehberg, gehei· 232 S. in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
men Kanzley-Sekretar in Hannover, Berlin bey Mylius, 1787, 11 lllot~aifdje gele~rte ,3ettungen. Zwey und sechzigstes StUck, den vienen
und einen halben Bogen in Octav, (12 Gr.) . . . . . . . . . . . . . . 617 August, 1787. S. 512: Einen Beweis (...] gibt des Hrn. M. Schmidts
i\enaifdje ge[e~tte ~nheigen. Ein und fiinfzigstes StUck. Montags, den Lehrbuch der Kritik der r. V. (NadirichtJ . . . . . • . • . . . . . . . . 644
25. Junius, 1787. S. 405-06: Frankfurt und Leipzig. Ver;uch Uber ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 186b. Sonnabends,
die Natur der spekulativen Vernunft. Prlifung des Kantischen den 4ten August 1787. Sp. 313-19: NURNBERG, bey Grattenauer:
Systems. 1787 12f Bogen. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Uber Materialismus und Idealismus, ein philosophisches Fragment
lllot~at[dje ge[e~tte ,3eitungen. Ein und funfzigstes StUck, den sieben von Adam Weishaup~ herzogl. sachsengothaischen Hofrath. 1787.
und zwanzigsten Junius, 1787. S. 424: Weimar. (Nachricht illicr Rein- 125 s. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645
fiolii) . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . 624 'Jleue 2tiPhiget l!lele~rte ,3eltungen. XCIV. StUck. Sonnabends, den llten
l!lot~aifdje ge[e~tte ,3eitung. Zwey und funfzigstes StUck, den dreyilig- August, 1787. S. 1489-92: Riga. Bey Hanknoch: Critik der reinen
sten Junius, 1787. S. 426-32: Breslau. David Hume fiber den Glau· Vernunft von Immanuel Kan~ Zweyte bin und wieder verhesserte
ben oder Idealismus und Realismus. Ein Gesprach ,von E H jacobi. Auf/age. 1787. 884 S. in gr. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
Nacpe, Kat J.llJ.I.Vat; d:maTstv. dp9pa Tav-ra Trov q>psvwv. Epicharm. l!lottingifdje ~nhtigen oon ge[e~tten eladjen. 134. Stiick. Den 23. Au-
Fragment. Troch. Bey Gottlieb Loewe. 1787. 136 Seiten 8. und VIII. gust 1787. S. 1339-43. Berlin. Bey Aug. Mylius: Uber das Verhiilt·
Seiten Vorbericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 nift der Metapbysik zur Religion. Von A. W. Rehberg, G. Canzl. Seer.
ANN ALES LITERARII.!VNIVS ANN! MDCCLXXXVII. S. 543-47: Uber in Hannover. 1787. 175 S. Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
Raum und Caussaltiit, i. e. de spatio et rerum causis ad tentandam ~iibingifdje ge[e~tte ~nhelgen. 70. StUck. TUbingen den 30 Aug. 1787. s.
philosophiam Kantianam. - Auctore I. G. H. FEDER. Gottingae ap. 554-58: Gottingen. Ober Raum und Caussalitiit zur Priifung der
Dieterich. 1787. 8. pagg. 267. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Kantischen Philosophie von joh. Georg Heinrich Feder. 1787. 268 S. 8. 655
eidjlefi[dje 'j:)tootn;ta(b!atter. Sttterarifdje lr~tonl! oon eidj[eften. Breslfiu ~ITgemeine beutfdje ~lbliot~e!. Des fiinf und siebenzigsten Bandes zwey·
1786-91. (KUtftmr Nr. 1168 u. 4556) Julius 1787. S. 201-05: Schlesi- res StUck, 1787. S. 487-95: Critik der reinen Vernunft im Grund-
sches Bardenopfer fiir 1787. Gesammlet und auf eigne Kosten her- risse, zu Vorlesungen, nebst einem W6rterbuche zum leichtern
ausgegeben von Kausch. 152 S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 Gebrauch der Kantischen Schriften, von M. Carl Christian Erhard
~tanlfuttet geJe~rte ~nheigen. Nro. LVI. Den 13. Jul. 1787. s. 443-45: Schmid. Jena, in der Crokerochen Buchhandlung, 1785. 8. 294
Koppenhagen und Leipzig. Uber graue Vorunheile und ihre Schad- Seiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658
lichkeit, erwiesen durch Gesetze der Vernunftkritik von Samuel .li:tinfdje ~e~ttage hUt neueflen lllefdjtdjte ber \lle[e~rfam!dt. Des Zweyten
Heinicke, Director des Kuroachsischen Instituts fiir Stumme in Bandes Zweytes StUck. (1787) S. 406-36: Grundrift der Seelenle.hre,
Leipzig, bei Proft, 1787. S. 456. in 8vo. . . . . . . . . . . . . . . . . 634 von C Meiners, Professor der Philosophie in Gottingen. Lemgo, im
l!lottingtfdje ~n;etgen oon ge[e~rten eladjen. 120. StUck. Den 28. Julii Verlage der Meyerischen Buchhandlung. (Herausgekommen an
1787. s. 1205-08: Breslau. Bey Gottl. LOwe: David Hume uber den der Michaelsmesse 1786.) 8. 200. Seiten, nebst einer Vorrede etc.
Glauben. Oder Idealismus und Realismus. Ein Gesprach von Fr. H 2 f Bogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665
jacobi. 1787. 230 S. Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 l!lot~aifdje gele~rte ,3ettungen. Drey und siebenzigstes StUck, den zwolf-
'mithburger ge[e~rte ~n;etgen. LX. StUck. Samstags den 28 Julius. 1787. ten September, 1787. S. 595-98: Stutgardt Plan einer systematischen
s. 586-88: Riga. Metaphysische Anfangsgrlinde der Naturwissen- Metapbysik. V<m jac. Friederich Abe~ Prof. der Philosophie an der
schaft von Immanuel Kant. Bey J. E Hanknoch 1786. . . . . . . . . 637 hohen Schule zu Stutgardt. In der Erhardischen Buchhand-
~iibingifdje gele~rte ~n;etgen. 61. StUck. TUbingen den 30 Jul. 1787. 62. lung. 1787. 232 Seiten 8. und 16 Seiten Vorrede Zusatze und Ver-
StUck. TUbingen den 2 Aug. 1787. S. 481-87 wuf 489-91: Stutt· besserungen. (14 gl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673
XXVII! Verzeichnis der Rezensionen Vcrzeichnis der Rezensionen XXJX
<Jleucnc 1Wtifc9c ')lac9tic9teu. Acht und Dreilligstes Stuck. Greifswald '))cue ~eip;iget I!Jefe~tte ,3eltungen. CXXVIII. Stiick. Dienstags, den
den 22. September 1787. S. 304: Die zwote hin und wieder ver- JOsten October, 1787. CXXIX. Stiick. Donnerstags, den 1sten No-
mehrte Auflage von Hrn. Kants Critik der reinen Vernunft ist auf vember, 1787. S. 2039-45 wuf 2054-61: Gottingen. Bey Dietrich:
884 S. in 8. Riga 1787 erschienen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 Uher Raum und Caussalitiit zur Priifung der Kantischen Philosophie
i)cnaifc9c gcCe~tte mn;eigcn. Sieben und siebenzigstes Stuck. Montags, von Georg Heinrich Feder. 1787, S. 268, in 8. . . . . . . . . . . . . . . 712
den 24. September 1787. Acht und siebenzigstes StUck. Freitags, ~tan!futtcr gdc~ttc mn;etgcn. Nco- LXXXVIII. Den 2. November 1787.
den 28. September, 1787. S. 607-09 wuf 615-17. Jena. Fur die S. 697-99: Breslau. David Hume tiber den Glauben oder Idealis-
Crockersche Bucbhandlung ist unter der Jahreszahl 1788 in diesem mus und Realismus, ein Gesprach von Friedrich Heinrich Jacobi,
Jahre gedruckt worden: Eleutheriologie, oder tiber Freyheit und bei LOwe, 1787. S. 2JO. in 8vo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722
Nothwendigkeit, zum Gebrauch der Vorlesungen in den Micha- 'lllit;butger gdc~tte mn;etgcn. LXXXVIII. Stiick. Samstags den J Novem-
elisferien, vonfoh. Aug. Heinr. Ulrich. 7 +B. gr. 8. . . . . . . . . . . 676 ber. 1787. S. 867-68: Ciithen. Nach Kantischer Manier aufgeloste
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Numero 2J8. Donnerstags, Axiomen von Moses Mendelssohn, nebst einem Gutachten von
den 4~ October 1787. Sp. 39-40: Mit wahrem Vergniigen [... ] (Nach- Hrn. Fried. Nikolai. Suum cuique. In der Glandenberg. Buchhand-
richt iilier die Aujlie[JIU'!J. cfes vatiots c£er Kantisdien Pliifosopftie in Martiwy) . . 680 lung 1787. S. 84. in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723
l!lottingifc9t mn;eigcn oon ge{e~ttcn eia<9cn. 159. Stiid;, Den 6. October l!lottinglfc9c mn;eigen oon ge[e~tten eiac9en. 175. Stiick. Den J. Novem-
1787. 5.1585-88: Leipzig. Denkwurdigkeiten aus der philosophischen ber 1787. 5.1745-49: Hamburg. Bey C. F. Bohn: Uher die Griinde
W.l~ herausgegeben von Karl Adolph Cisar, Prof der Philosophie auf der menschlichen Erkenntnifi und der naturlichen Religion. Von f. A.
der Universitiit zu Leipzig. Vierter Band. 1787. S. 200 Octav. In der H Reimarus. 1787. 172 S. Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724
Mtillerschen Buchhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680 l!lottinglfc9e mn;eigen oon ge[e~tten eiac9en. 177. Stiick. Den 5. Novem-
i)enaifc9c gde~tte mn;eigen. Zwey und achtzigstes Stiick. Freitags, den ber 1787. S. 1774-76: Stuttgart. Plan einer systematischen Metaphy-
12. October 1787. S. 647:Jcna. (Nadiridi.t iilier K. L. Rri11Jlofd) . . . . . 681 sik. Von f. Fr. Abel, Prof an der hohen Schute zu Stuttgart 1787. 2J2
'lllit;butget gde~tte mn;eigcn. LXXXIII. Stuck. Mittwochs den 17 Okto- S. Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727
ber. 1787. LXXXIV. Stuck. Samstags den 20 Oktober. 1787. LXXXV. l:fibingifc9e ge{e~tte mn;dgen. 90. Sriick. Tiibingen den 8 Nov. 1787.
Stuck. Mittwochs den 24 Oktober. 1787. S. 814-19, 822-29, s. 713-20: Brefilau. David Hume uher den Glauhen oder Idealismus
834-41: Gottingen. Uber Raum und Caussalitat. Zur Priifung der und Realismus von Friedr. Heinrich Jacobi. 1787. 2JO S. in 8. . . . . . 728
Kantischen Philosophie. Von Joh. Georg Heinrich Feder. Mit dem i)cnaifc9e gde~rte mn;etgen. Neunzigstes Stiick. Freitags, den 9. Novem-
Motto: Priifet alles, das Gute behaltet. Bey Joh. Christ. Dieterich ber 1787. S. 715-18. Frankfort am Mayn. In der Gebhardischen
1787. s. 268. in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Buchhandlung: Kantische Denkformen oder Kategorien von Gott-
'))cue 2eip;iget l!leCe~tte ,3eitungen. CXXVI. Stuck. Donnerstags, den lob August Tittel. Mit dem Motto: Wer die Sonne des Tages nicht
25sten October, 1787. CXXVII. Stiick. Sonnabends, den 27sten tragen mag, des sey- die Nacht! 1787. 111 S. in gr. 8. . . . . . . . . 733
October, 1787. s. 2009-16 wuf 2018-24: Hamburg. Bey Bohn: ')leue ~dp;iget lllefe~tte ,3eitungen. CXXXIV. Stiick. Dienstags, den 13ten
Oher die Griinde der menschlichen Erkenntnifi und der naturlichen November, 1787. s. 2131-36: Breslau. Bey LOwe: David Hume uher
Religion, von Job. Alb Heinr. Reimarus. der Arzneygelahrheit den Glauben, oder Jdealismus und Realismus ein Gespriich von Fried-
Doct. in kl. 8. 1787. S. 172. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 ·rich Heinrich Jacobi. in 8. 2JO S. 1787. . . . . . . . . . . . . . . . . . 736
·')leue 2eip;lget l!lde~tte ,3eltungcn. CXXVIII. Stuck. Dienstags, den ')leue 2eip;iget I!Je[e~tte ,3dtungcn. CXXXV. Sriick. Donnerstags, den
JOsten October, 1787. S. 2033-35: Leipzig. Wir haben aus dem vo- 15ten November, 1787. CXXXVI. Stiick. Sonnabends, den 17ten
rigen Sommer-Decanate unsers verdienstvollen Herrn Doct. Pezold November, 1787. S. 2150-55 wuf 2168-72: Frankfort und Leipzig.
noch eine merkwiirdige Schrift desselben anzu:ieigen. De argumen- Ohne Namen des Verlegers {Stuttgard in der Ehrhardischen Buch-
tis nonnullis, quibus, Deum esse, philosophi probant, observationes handlung): Versuch uher die Natur der speculativen Vernunft. Zur
quaedam. 2 Bog. in 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 Priifong des Kantischen Systems. 1787. 8. 278 S. . . . . . . . . . . . . 740
XXX Verzeichnis der Rezensionen
I!Jot~aifdje gefe~rte ,Seitungen. Zwey und neunzigste; Stiick, den sieb- Ubersicht der Rezensionen: Zeitschriften
zehnten November, 1787. S. 745-46: Jena. In der Criikerschen
Handlung ist erschienen: Eleutheriologie, oder uber Freyheit und
Nothwendigkeit. Zum Gebrauch der Vorlesungen in den Michaelis-
ferien, von]. A. H Ulrich. 1788. 106 Seiten in 8. . . . . . . . . . . . 745 Altonaischer Gelehrter Mercurius.
I!Jottingifdje 21n;eigen oon gefe~rten ®adjen. 183. Stiick. Den 17. No- Kant: Prolegomena. 31. Juli 1783. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
vember 1787. S. 1831-32: Frankfort und Leipzig. Versuch iiber die Text aus Kants Prolegomena. 14. Aug. 1783. . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Natur der speculativen Vernunft, zur Priifung des Kantischen K.ant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 15. Sept. 1785. . . . . . . . 219
Systems. 1787. 174 S. Octav. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747 Ub~r einen S~tz aus Kants Metaphysik der Sitten. 8. Juni 1786. . . . . . 403
\neue ~eip;iger I!Jefe~rte ,Seltungen. CXXXVI I. Stiick. Dienstags, den WeiShaupt: Ober Materioli5mus und ldeali5mus. 3. Aug. 1786. . . . . . . . 415
20sten November, 1787. CXXXVIII. Stiick. Donnerstags, den 22sten Rembold: Bnefe fiber die Kantische Philosophie. 2. Nov. 1786. . . . . . . . 469
November, 1787. S. 2178-84 mu{ 2197-2204. Stuttgard. In der Er-
hardischen Buchhandlung: Plan einer systemati5chen Metaphysik, 21llgemeine beutfdje iljibfiot~et. (Berlin)
von Jacob Friedrii:h Abe4 Professor der Philosophie an der hohen Kant: Critik der reinen Vernunft. Herbst 1783. . . . . . . . . . . _ . . . . 34
Schule zu Stuttgart 1787. 8. 232 Seiten, und 12 Se\ten Zusiitze. . .. 748 Lambert: Briefwechsel. Ende 1784. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
I!Jot~aifdje gefe~rte ,Seitungen. Vier und neunzigstes Stiick, den vier und Kant: Prolegomena. Ende 1784. . . . . . . . . . . . . . . . _ . . . . . . 85
zwanzigsten November, 1787. S. 761-66: Hamburg. Ober die Tiedemann: Anfangslose Succession. 0. tL Na~ tL Metaphys. Herbst 1785.. 222
Griinde der menschlichen Erkenntnift und der natiirlichen Religion, anon.: Versuch fiber d. Natur u. d. Daseyn e. rna~ Wflt ca. April 1786. . . 304
von Joh. Alb. Hinr. Reimarus, der Arzeneygelahrheit Doctor. Bey Schultz: Erlauterungen. Mai 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
C. E Bohn. 1787. 172 Seiten in 8. (12 gl.) . . . . . . . . . . . . . . . . 757 Kant: Grundlegung zur Metaphytik der Sitten. Mai 1786. . . . . . . . . . 354
~tiblngifdje gefe~rte 21n;elgen. 96. Stiick. Tiibingen den 29 Nov. 1787. Mendelssohn: Morgenstundcn. Herbst 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . 441
· S. 761-67: Frankfurt und Leipzig. Versuch iiber die Natur der specu- Abel: Einleitung in die Seelenlehre. ca. Mai 1787. . . _ . . . . . . . _ . . 590
lativen Vernunft zur Priifung des Kanti5chen Systems. 1787. S. 278. Kant: Metaphys. Anfangsgriinde der Naturwissenschaft. ca. Juni 1787. . .. 601
in 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . _ .. 762 Schmid: Critik der reinen Vernunft im Grundrisse. Herbst 1787. . . . . . 658
~iibingifdje gefe~rte 21n;elgen. 100. Stiick. Tiibingen den 13 Dec. 1787.
iljfifd)ing~ 'mod)entlid)e \nad)rid)ten. (Berlin)
S. 799-800: Erlangen. Sieg der prakmchen Vernunft iiber die speku-
Kant: Idee einer allg. Geschichte in weltbiirgerL Absich~ 15. Nov. 1784. . . 82
lative. Dritte Abtheilung. [...] Herausgegeben von Johann Friedrii:h
Breyer, [... ] 1787. 20 S. 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 ~irterarl[d)e \l:~roni! oon eid)le[ien. (Breslau)
\niirnberglfdje gefe~rte ,Seitung. Cl. Stiick. Dienstag den 18. Dec. 1787.
Kausch: Schlesi5ches Bardenopfer. Juli 1787. . . _ . . . . . . . . . . . . . 633
S. 803-06. Analekten fiir Politik, Philosophie und Literatur, in
Eriirterungen und Nachrichten, welche in Deutschlands siimtli- iljeri~te _bet allgemein~n iljud)~anbfung ber I!Jefe~rten. (Dessau u. Leipzig)
chen Journalen vermiJlt werden. Leipzig, 1787 8. 8 Bog. 30 kr. . .. 766 Ankund1gung von He~mkes Kritiker. Aug. 1784. . . . . . . . . _ . . . . 78
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Gena)' Nachr.: Reinhold ist a. o. Prof. u. wird iiber Kant lesen. 12. Okt. 1787. . 681
Herder: Ideen. Erster Theil. 6. Jan. 1785. . . . . . . . . . . . . . . 109 Tittel: Kantische Denkformen oder Kategorien. 9. Nov. 1787. . . . . . . . 733
Erinnerungen des Rezensenten von Herders Ideen. Marz 1785. . 132
Kant: Grundlegung zur Metaplrysik der Sitten. 7. April!785. . . 135 .ltidifdje I!Jde6tte .3eitungen.
Kant, Schultz: Cr. d. r. V.- Erliiuterungen. 12. bis 30. Juli 1785. 147 Reimarus: Oberdie GriindedermenschL Erkenntni.ft. 20.Juni 1787. . .. 613
Platner: Philos. Aphorismen, 2. Auf/. 2. Sept. 1785. 198
Herder: Ideen. Zweyter Theil. 15. Nov. 1785. . . . . . . . . . . 233 ~aifonnitenbe~ ~ildjetoet0 eidjnt~. (Konigsberg}
Ulrich: lnstitutiones log. et met. 13. Dez. 1785. . . . . . . . . . 243 (Schulz}: Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre. April1783. . . . . . . . 24
Mendelssohn: Morgenstunden. 2. u. 9. Jan. 1786. . . . . . . . . 249 Konig: Philosophie der schOnen Kunste. Sept. 1784. . . . . . . . . . . . . . 81
Jacobi: Oberdie Lehre des Spinoza. II. Febr. 1786. . . . . . . . . 271 Kant: Ideen zu einer allg. Geschichte. Dez. 1784. . . . . . . . . . . . . . . 83
Hufeland: Versuch ii. d. Grundsatz d. Naturrechts. 18. April1786. . . . . . 305 Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufkliirung? Dez. 1784. . . . . . . 84
Jacobi, Mendelssohn: Wider M.s B. -An d. Fr. Lessings. 8. u. 12. Mai 1786. 368
Kant: Metap/rys. Anfangsgriinde der Naturwissenschaft. 9. Mai 1786. . . . . 374 \!:iifat~
lt>en!roiltb!g!eiten au~ bet P6ilo[op6ifdjen Qlle(t. (Leipzig}
Schmid: Critik des reinen Vernunft im Grundrisse. 19. Mai 1786. . . . . . 380 Schultz: Erliiuterungen. ca. April 1785. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Wizenmann: Die Resultate. 26. u. 27. Mai 1786..... , . . . . : . . . . . 383 Kant: Grundlegung zur Metaplrysik der Sitten. Sommer bis Herbst 1785. . 203
Kant, Tittel: Grund/. - 0. Hrn. Ks Moralrefarm. 30. 10. - 8. II. 1786... 450 Ulrich: lnstitutiones logicae et metaphysicae. Herbst 1785. . . . . . . . . 240
Nachr. iiber die 2. Auf!. der Cr. d. r. V. 21. Nov. 1786. . . . . . . . . . . 471
Jakob: Priifong des M. Morgenstunden. 17. Febr. 1787. . . . . . . . . . . 498 lt>obedein~ ~Metle[ene t(leologifdje iJ;ibHot(le!. (Leipzig}
Meiners: Grundri/f der Geschichte der WeltweisheiL 5. bis 7. April1787. . 534 Jakob: Priifung der M. Morgenstunden. ca. Friihjahr 1787. . . . . . . . . . 578
Weishaupt: Ober Materialismus und Idealismus. 4. Aug. 1787. . . . . . . . 645
Nachr. iiber Aufhebung des Verbots der Kantischen Philos. 4. Okt. 1787. 680 .lttitifdje iJ;e9triige 0ut neueflen I!Jefdjidjte bet I!Jele6tfam!eit. U..ipzig}
Kant: Grundlegung zur Metaplrysik der Sitten. I. Hiilfte 1786. . . . . 318
Meiners: Grundri/f der Seelenlehre. 2. Hiilfte 1787. . . . . . . . . . . . . 665
i)enat[dje gele6tte .3eitungen
Ulrich: Programm u. d. KanLPhilos.zu seiner Vorlesung. 21. Mai 1784. . .. 78
<neue \leiphfget l!lele6tte .3eitungen.
Ulrich: lnstitutiones logicae et metaphysicae. 16. Mai 1785. . . . . . . . . 142
Lossius: Obersicht der neuesten philos. LitL 14. Febr. 1786. . . . . . . . . 276
Platner: Philo~ Aphorismen. 26. Aug. 1785. . . . . . . . 197
Jacobi: Ober die Lehre des Spinoza. 23. Febr. 1786. . . . . . . . . 283
Mendelssohn: Morgenstunden. 13. Miirz 1786. . . . . . . . . . . . . 295
Born: De notione exsistentiae. 2. Marz 1786. . . . . . . . . . . . . . . . 287
Tittel: Ober Herrn Kants Moralrefarm. 12. Mai 1786. . . . . . . . 378
Tittel: Ober Herrn Kants Moralrefarm. 13. Juli 1786. . . . . . . . . . . . 407
Schmid: Critik der reinen Vernunft im Grundrisse. 22. Mai 1786. . 382
Jakob: Priifong der M. Morgenstunden. 14. u. 16. Sept. 1786. . . . . . . . 419
Jakob: Priifong des M. Morgenstunden. 27. Okt. 1786. . 449
Heinicke: Ober graue Vorurtheile und ihre Schad!.ichkeiL 23. Sept. 1786... 431
anon.: Philosophische Unterhaltungen. 27. Okt. 1786. . . . . . . . 450
Abel: Ober die Que/lender menschL Vorstellungen. 2. Dez. 1786. . . . . . 474
Weishaupt: Ober Materialismus und Idealismus. 27. Jan. 1787. . . . . . . . 490
i)enaifdje gde6tte ~n 0 eigen. Kant: Metaplrys. Anfangsgriinde der Naturwissenschaft. 6. Febr. 1787. . .. 495
Abel: Einleitung in die Seelenlehre. I. u. 5. Jan. 1787. . . . . . . . . . . 482 anon.: Philosophische Unterhaltungen. 20. Febr. 1787. . . . . . . . . . . . 500
Kant: Metap/rys. Anfangsgriinde der Naturwissenschaft. 5. Miirz 1787. . 507 Wolf, G. J. F.: De Philosophorum ambitione. I. Miirz 1787. . . . . . . . . 505
Obereit: Die verzweifelte Metaplrysik. 9. April1787. . . . . . . . . . . . 560 Kant: Critik der reinen Vernunft, 2. Auf/. 11. Aug. 1787. . . . . . . . . . 650
Feder: Ober Raum und CaussalitiiL 23. u. 30. April1787. . . . . . . . . 572 Reimarus: Ober d. Griinde d. menschL Erkenntni.ft. 25. u. 27. Okt. 1787. . 700
Abel: Versuch iiber die Natur der spekulativen Vernunft. 25. Juni 1787. . 623 Pezold: De argumentis nonullis. 30. Okt. 1787. . . . . . . . . . . . . . . 711
Ulrich: Eleutheriologie. 24. u. 28. Sept. 1787. . . . . . . . . . . . . . . 676 Feder: Ober Raum und CaussalitiiL 30. Okt. u. I. Nov. 1787. . . . . • . . 712
XXXVI Obersicht der Rezensionen: Zeitschriften 'Obersicht der Rezensionen: Zeitschriften XXXVII
Jacobi: David Hume uber den Glauben. 13. Nov. 1787.' . . . . . . . . . . 736 Jacobi: David Hume uber den Glauben. 8. Nov. 1787. . . . . . .. 728
Abel: Versuch uber die Naturder spek. Vernunft. 15. u. 17. Nov. 1787. . . 740 Abel: Versuch uber die Natur der spekulativen Vernunft. 29. Nov. 1787. . . 762
Abel: Plan einer system. Metaphysik. 20. u. 22. Nov. 1787. . . . . . . . . . 748 Breyer: Sieg der praktischen Vernunft, 3. Abt 13. Dez. 1787. . . . . . . . 765
()lfirnbergifdje ge!e~rte 3eitung. il'>ib!iot()el bet neuj1en t()eor., vWof. unb fdjonen l!ittetatur. (ZUrich)
Kant: Idee zu einer allg. Geschichte. 18. Jan. 1785. ., . . . . . . . . . 119 Spazier: Anti-Phadan. ca. Herbst 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
Ulrich: lnstitufiones logicae et metaphysicae. 28. Juni 1785. . . . . . . . . 145
Kant: Vulkane im Monde. Unrechtmiill. d. Btichernachdr. 26. Juli 1785. . 182
Weishaupt: Ober Materialismus undldealismus. 14. Juli 1786. . . . . . . . 409
anon.: Analekten fur Politik, Philosophie u. Literatur. 18. Dez. 1787. . .. 766
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 12. his 30. Ju!i 1785. . 147 Nachr.: K. schreibt tiber Geschichtsphilosophie.
~uffifd)e ~ibliot~er,
1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 l!lot~al[d)e ge[e~tte .3eitungen, 7. Febr. 1784. . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Idee zu einer allgemeinen Geschkhte in weltbUrgerlkher Abskht. Nachr.: K. will Mendelssohnschen Gottesbeweis widerlegen.
~tifd)ing6'lBiid)entlid)e ~ad)tid)ten, 15. Nov. 1784. . . . . . . . . . . . . 82 l!lod)ai[d)e gele~tte .3eltungen, 25. Jan. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . 266
~al[onnitenbe6 ~tid)e<oe<;eid)nlp, Dez. 1784. . . . . . . . . . . . . . . . 83 Nachr.: Kantische Philosophie in Marbutg verboten.
~umbe<gi[d)e ge[e~tte .3eitung, 18. Jan. 1785. . . . . . . . . . . . . . . . 119 l!lot~aifd)e ge[e~tte .3eitungen, 4. Nov. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . 470
Beantwortung der Frage: Was ist Aufkliirung? Nachr. tiber das Verbot der Kantischen Philosophie in Marburg.
~alfonni<enbe6 ~tid)e<oe<;etd)nlp, Dez. 1784. . . . . . . . . . . . . . . . 84 l!lot~al[d)e ge[e~tte .3eltungen, 7. April1787. . . . . . . . . . . . . . . . 556
0. d. Vulkane im Monde. Von d. Unrechtmii/figkeit d. Biichernachdrucks. Nachrichten tiber Kant und Konigsberg.
~umbe<glfd)e ge[e~tte .3<1tung, 26. Juli 1785. . . . . . .. 182 l!lot~ai[d)e ge[e~tte .3eltungen, 25. April1787. . . . . . . . . . . . 577
Grundlegung zur Metapbysik der Sitten. Nachr.: Verbot der Kantischen Philosophie aufgehoben.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 7. Aprill785. 135 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 4. Okt. 1787. . . . . . 680
l!lotljal[d)e ge[e~tte .3e!tungen, 17. Aug. 1785. . . . . • . . . . . . . . 183
Altonaischer Gelehrter Mercurius, 15. Sept. 1785. . . . . . . . . . . . . 219 Kausch, J. J.
iOen!rotitblg!elten au6 bet p~i[ofopMd)en 'lBdt, Sommer I Herbst 1785... 203 Schlesisches Bardenopfer.
~euene 0:tinfd)e ~ad)tid)ten, I. Okt. 1785. . . . . ·: . . . . . . . . . . 223 ~lttetatifd)e Q:~toni! oon ®d)lepen,Juli 1787. . . . . . . . . . . . . . . 633
l!lottinglfd)e ~n;eigen oon ge[e~tten ®ad)en, 29. Okt. 1785. . 229
~tiblnglfd)e ge[e~tte ~n;eigen, 16. Febr. 1786. . . . . . . . . . . . . 277 Konig, J. Chr.
.1\:tlt. ~e9ttnge ;ut neueAen l!le[d). b. l!lde~tfam!eit, I. Hi.lfte 1786. . 318 Philosophie der schOnen Kumte.
!Jiufllfd)e ~lbliot~er. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 ~aifonni<enbe6 ~tid)e<oet;eid)nip, Sept. 1784. . . . . . . . . . . . . . . . 81
~ffgemelne beut[d)e ~ibliot~er, Mai 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
Lambert, J. H.
A!tonaischer Gelehrter Mercurius, 8. Juni 1786. . . . . . . . . . . . . . 403
Briefwechsel.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 30. Okt. his 8. Nov. 1786. . . 450
~Ugemeine beutfd)e ~lbUotlje!, Ende 1784. . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Metapbysische Anfongsgriinde der Naturwissenschaft.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 9. Mai 1786. . . . . . . . . . 374 Lossius, J. Cbr.
l!lottlngifd)e ~n;eigen oon ge[e~tten ®ad)en, 2. Dez. 1786. . . . . . . . . . 479 Oberskht der neuesten philosophischen Litteratur.
~eue ~elp;lg« l!le[e~tte .3eltungen, 6. Febr. 1787. . .......... 495 ~eue ~eip;iget l!lelt~tte .3eitungen, 14. Febr. 1786. . . . . . . . . . . . . 276
i\enal[d)e ge[e~tte ~n;elgen, 5. Miirz 1787. . . . . . . . . . . . . . . . 507
~euene 0:tl«fd)e ~ad)tid)ten, 10. Miirz 1787. . . . ........... 512 Meiners, Chr.
'!)~llo[op~lfd)e ~nnaren, ca. April1787. . . . . . . ......... 521 Grundrift der Seelenlehre.
~uffifd)e ~ibliod)e!, 1787. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 l!liittingifd)e ~n;elgen oon ge[e~tten ®ad)en, 12. Okt. 1786. . . . . . . . . 447
~Ugemelne beutfd)e ~ibliod)e!, ca. Juni 1787. . . . . . . . . . . . . . . . 601 (~ranffurtcr geld)rte 2Cn~dgcn, 20. April1787, St. 32, S. 251-53)
'lBit;butge< ge[e~tte ~n;elgen, 28. Juli 1787. . . . . . . . . 637 'll~llofop~ifd)e ~nnalen,
1787. . . . . . . . . . . . . . . . . . 524
Nachr. tiber die bevorstehende 2. Auf!. der Critik d. r. V. ~tibingifd)e gele~tte ~n;elgen,
11. Juni 1787. . .. . . .. 610
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 21. Nov. 1786. . 471 (ANNALES UTERARTI, Aug= 1787, S. 119-30)
Critik der reinen Vernunft, 2. Auf/age 1787. (~rfut~[d)t gtk~tl< .Btllung, 24. August 1787, St. 40, S. 313-17)
~eue ~elp;lge< l!le[e~tte .3eltungen, 11. Aug. 1787. . . .. 650 .1\:tit. ~e9ttiige ;ut neueAen l!lefd). b. l!le[e~t[am!elt, 2. Halfte 1787. . .. 665
~euene 0:tlrtfd)e ~ad)tid)ten, 22. Sept. 1787. . . 676 (ALLGEMEINE UTERATUR-ZEITUNG, Supplemente 1787, Sp. 276-80)
Nachricht tiber bevorstehende Metaphysik der Natur. Grundrift der Geschkhte der Weltweishei~
l!lod)al[d)e ge[e~tte .3eitungen, 25. Juli 1781. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 5. his 7. April1787. . . . . . 534
XLIV Obersicht der Rezensionen: Autoren Obersicht der Rezensionen: Autoren XLV
Mendelssohn, M. ®ott!ng!f~e '21n;eigen uon gefebtten eia~en, 23. Aug. 1787. . 652
Morgenstunden oder Vorlesungen uber das Daseyn Gottes. (<Jlcuc i!dphlgct !Bdc6rtc ,3dlllngcn, 20. u. 23. Okt., St. 124-25, S. 1975-79 u. 1986-97)
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 2. bis 9. Jan. 1786. . . 249
(J)affifc9c <]}cue ~e[e{lrte .Scitungen, 2.Jan. 1786, St. 1-2, S. 1-11)
Reimarus,J. A. H.
Ober die Gmnde der menschlichen Erkenntnifl.
Qlottingif~e '21n;elgen uon gdebtten eia~en, 14. Jan. 1786. . . 262
Jt!e(l[~e Qlefebtte .3eltungen, 20. Juni 1787. . .. . . . . 613
('1l3lr$&urger gde6rte ~n.;clgen, 15. u. 18. Febr. 1786, St. 13-14, S. 115-19 u. 123-26)
(A/tonaischer Gelelmer Mercurius, 19.Juli 1787, St. 29, S. 236-39)
(?lcuenc Q:rltifctc: ?lac(lrlc(lten, 25. Febr. 1786, St. 8, S. 58-60)
<Jleue 2elp;igt! ®efeb!t< .3<itungen, 25. u. 27. Okt. 1787. . . . . 700
\lJlaga;ln b. 'PbUof. unb [~onen 21ttetatut, ca. Febr. I Miirz 1786. . . 290
Qlottingl[~e '21n;elgen uon gefebtten 6a~en, 3. Nov. 1787. . . . . . 724
CGot(lalfc(le ge£d)rte ,3dtungrn, 11. u. 15. Man 1786, St. 20-21, S. 161-66, 169-75)
Qlocljal[~e gefeb!t< .3eltungen, 24. Nov. 1787. . . . . . . . . . . . . . . 757
3enaif~e gdebtte .3eitungen,13. Miirz 1786. . . . . . . . 295
~iibingif~e gelcljrte '21n;dgen, 20. Mlirz 1786. . . . . . . . . . . . . 299 Reinhold, C. L.
C9liirn&crglfc(le gdd)rte .Stltung, 17. April1786, S. 241-46) Schreiben des Pfarrers zu ***
'21ffgemeine beut[~e llli6lloclje!, Herbst 1786. . . . . ·' . . . . . . . . . . 441 ~eut[~t! \lJlet!U!, Febr. 1785. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
(ANNALE$ UfERARII, Nov. 1786, S. 396-411) Briefo iiber die Kantische Philosophie.
<Jtrit. ~t()trage6Ut neucnen Gefc(lic(lte bet Ge[d)rfamfdt, 1786, S. 35~~89) Altonaischer Gelehrter Mercurius, 2. Nov. 1786. . . . . . . . . . . . . . 469
C/DObedetn~ 2htDu[cfme t(leol. ~ib[lot9d, 1786, S. 639-62} Nachr.: R. wird Prof. in Jena.
An die Freunde Lessings. ®oclja!f~e gefeb!t< .3eitungen, 27. Juni 1787. . . . . .... 624
(i,)aUifd)e ?lcue Gde(me .3dtungen, 9. Febr. 1786, St. 12, S. 93-96} Nachr.: R. ist a. o. Prof. u. wird iiber Kant lesen.
{!Jlrue i!dP!Igct eere{)tte .3dtungrn, 25. Febr. 1786, St. 24, S. 369-75} 3ena!f~e gefebtte '21n;eigen, 12. Okt. 1787. . . . . . . . ...... 681
(IBOttinglfd)e 2ln!tlgrn, 3. Aprill786, St. 53, S. 526-27)
(!Bof9aif~c gcfe{)ctt 3tltungm, 22. April1786, St. 32, S. 269-71)
Schmid, C. Chr. E.
Nachricht iiber Schmids Vorlesungen.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 8. u. 12. Mai 1786. . . . . . 368
®ocljal[~e gefebtte .3eitungen, 12. Juli 1785. . . . . . . . . . . . . 240
{!Jliitn&ergifd)t gc!djrte .3dtung, 22. Mai 1786, Sr. 41, S. 321-28)
Critik der reinen Vernunft im Grundrisse
Obereit, J. H. ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 19. Mai 1786. . . 380
Die verzweifelte Metaphysik. 3ena![~e gefeb!t< .3eltungen, 22. Mai 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . 382
3enai[~e gefe~tte '21n;eigen, 9. April1787. . . . . . . . . . . . . . . . . 560 ®ocljal[~e gefeb!te .3eitungcn, 30. Sept. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . 434
Pezold, Chr: Fr. ll'tfuttl[~e gefeb!t< .3eitungen, 16. Okt. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . 447
De argumentis nonullis. ®ottingi[~e ~n;eigen uon gefebtten eia~en, 23. Nov. 1786. . . . . . . . . 472
<Jleue ~eip;lgt! Qlefebtte .3eitungen, 30. Okt. 1787. . . . . . . . . . . . . 711 ;ltan!fu!tt! gefe~!te '21n;eigen, 12. Jan. 1787. . . . . . . . . . . . . . . . 485
Platner, E. ~u6!ngt[~e gefe~!te '21n;elgen, 15. Miirz 1787. . .......... 514
Philosophische Aphorismen, 2. Aufl '21Ugemelne beut[~e llll6(loclje!, Herbst 1787. . . 658
<Xiiblngt[~c gc~ttc 2ln;ctgcn, 25. April!785, St. 33, S. 257 -64) Nachr. tiber die Cr. d. r. V. im Grundrisse.
(!BOttingifd)t 2ln,;elgrn, 30.Juni 1785, St. 102, S. 1019-21) ®ocljal[~e gefebtte .3eltungen, 4. Aug. 1787. . . 644
{!Jltut i!tiP!Igtr !Bc!djtte ,3dtungen,20. August 1785, St. 97, S. 1537-39)
Schultz, J-
3enal[~e gefe~!te .3eltungen, 26. Aug. 1785. . . . . . . . 197 Nachr.: S. schreibt Erlauterungeo zur Cr. d. r. V.
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 2. Sept. 1785. 198 Qlocljai[~e gefebtte .3<itungen, 7. Febr. 1784. . . . . . . . . . . . . . . . 64
Rehberg, A. W. Erliiuterungen uber Kants Cr. d. r. V.
Ober das VerhJl.tnifl der Metaphysik zu der Religion. :Oen!roiitb!g!elten aud bt! Pblfo[. 'll.left, Friihjahr 1785. . . . . . . . . . . 140
.l)affl[~e <Jleue Qlefeb!t< .3eitungen, 25. Juni 1787. . . . . . . . . . . . . 617 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 12. bis 30. Juli 1785. 147
XLVI Dbersicht der Rezensionen: Autoren Obersicht der Rezensionen: Autoren XLVII
91eue~e ll:titl[d)e 9lad)tld)ten., 1. Okt. 1785. . . 223 Ankiindigung der Jnstitutiones logicae et metaphysicae.
?Iffgemetne beut[d)e illtbnotvel, Mai 1786. . . 326 l!lotvat[d)e gefevtte Betumgen, 14. Juli 1784. . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Nachricht iiber Schultz und Konigsberg. lnstitutiones logicae et metaphysicae.
l!lo!Vat[d)e gefevrte Beitungen, 25. April1787. 577 i)enat[d)e gefe9tte Bettungen, 16. Mai 1785. . . . . . . . . . . . . 142
®o!Vai[d)e gefcvrte 3ettungen, 8. Juni 1785. . . . . . . . . . . . . 144
Schulz, J. H.
91iirnbetg!fd)e gefe9tte 3ciUmg, 28. Juni 1785. . . . . . . 145
Vmuch einer Anleitung zur Sittenlehre. :Oenfroiitblgfciten auli bet PVIfo[opvifd)cn 'l!left, Herbst 1785. . . . . . 240
~ai[onnlrenbeli illiid)met;eid)nt~, April 1783. . . . . . . . . . . . . . . 24 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 13. Dez. 1785. . . . . . . . . 243
Spazier, K. !;l:tfutti[d)e gefevrte Bettungen, 25. Jan. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . 266
Anti·Phadon ®ottingt[d)e ?In;etgen oon gefevrten II:Sad)en, 18. Marz 1786. . . . . . . . 298
(Got~alfdje gdd.me .gmungcn, 20. Juli 1785, St. 58, S. 466-71) :tiibtngifd)e gefevrte ?In;etgen, 24. April1786. . . 309
(~ranrfurta gdt9rte ~nhdgcn, 30. August 1785, St. 69, S. 549-52} ANN ALES LITERARII, April1786. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
(ry"~cuejle ~rltifd)e ?lad}rldjtm, 8. u. 22. Okt. 1785, St. 41 u. 43, S. j23-27 u. 339-41) Eleutherrologie.
<Gi.lttlnglfd)e ~n,;dgm, 15. Okt. 1785, St. 163, S. 1634-37) i)enai[d)e gefe9ttc ?In;ctgen, 24. his 28. Sept. 1787. . 676
(AllGEMEINE llTERATUR-ZEITUNG, Supplemente 1785, $,.208) ®o!Vatfd)e gefevrte Bettungen, 17. Nov. 1787. . 745
illibf. bet neu~en t9eor., p9ilo[. u. fd)onen \llttetatut, Herbst 1786. . . 436 Weishaupt, A.
Ober Materialismus und Idealismus.
Tiedemann, D.
'l1iitnbergifd)e gefevrte Bettung, 14. Juli 1786. . . . . . . .. . 409
0. d. Moglichkeit e. anfangslosen Succession. 0. d. Natur d. Metaphysik.
l!lot9ai[d)e gefevrte Beitungen, 2. Aug. 1786. . .... . .. 414
l!lottingi[d)e ?ln;etgen oon gefe9tten II:Sad)en, 15. Mai 1784. . . . . . . . . . 77
Altonaischer Gelehrter Mercurius, 3. Aug. 1786. . . .... . .. 415
~[gemetne beut[d)e illtbnot9ef, Herbst 1785. . . . . . . . . . . . . . . . 222
:tiibtngi[d)e gefe9tte ?In;etgen, 13. Nov. 1786. . . . . . . . . . . . .. 470
Fort;. d. Priifung v. Hrn. Prof Kants Gedanken ii. d. Natur d. Metaphysik.
l!lotttngt[d)e ?In;ctgen oon gefevrten II:Sad)en, 30. Nov. 1786. . . . . . .. 473
l!lottingi[d)e ~n;etgen oon gefe9tten ead)en, 23. Okt. 1784. . . . . . . . . 82
91eue \lctp;iger l!lefe9rte Beitungen, 27. Jan. 1787. . . . . . . . ... 490
Tittel, G. A. ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 4. Aug. 1787. .. .. .. 645
Er/auterungen (Metaphysik). Wizenmann, Th.
'lllaga;tn bet 'Pvtfo[opvte unb fd)onen \litteratut, ca. Okt. 1785. . 225 Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie.
Ober Herrn Kants Moralreform. ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 26. u. 27. Mai 1786. . 383
i)enai[d)e gefe9tte Beitungen, 12. Mai 1786. . . . . . . . . . . . 378 91eue~e
ll:titlfd)e 91ad)rid)ten, 15. Juli 1786. . . . . . . . . . . . . . . . . 411
~tanffutter gefe9tte ~n;eigen, 30. Mai 1786. . . . . . . . . . . . .... 398 <??rue i!dpjlger ~de~rte ,3dtungen, 1. Aug. 1786, SL 89, S. 1409-13)
:tiibingl[d)e gefe9tte ~n;eigen, 5. Juni 1786. . . . . .......... 403 (jjranffurtct gdc~rte ~tlhelgen, 18. Aug. 1786, St. 66, S. 523-25)
91eue \letp;tger l!lefe9tte Bettungen, 13. Juli 1786. . . . . . . . .... 407 l!lo!Vat[d)e gefe9tte Bettungen, 19. Aug. 1786. . . . . . . . . . . . . . . . 417
!,lafft[d)e neue l!lefe9tte Bettungen, 27. Nov. 1786. . .......... 472 ®ottingt[d)e ~n;etgen oon gefevrten II:Sad)en, 16. Sept. 1786. . . . . . .. 426
i;l:rfutnfd)e gefe9tte Bettungen, 24. Juni 1786. . . . . . . . . . 405 ~[gemetne beut[d)e illibUo!Vef, Herbst 1786. . . . . . . . . . . . . .. 441
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG, 30. Okt. bis 8. Nov. 1786. . 450 (?liirnbagifd}c gde{lrtc ,3tltung, 3. Nov. 1786, St. 88, S. 719-19)
Kantische Denkformen oder Kategorien. tiibingifd)e gefcvrte ~n;etgen, 25. Jan. 1787. . . . 486
i)enat[d)e gefe9tte ?In;etgen, 9. Nov. 1787. . . . . . . . . . . . . 733 (QBirAburger gdd)rte ~njdgrn, 14.juli 1787, St. 56, S. 546-48)
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3ranffarrt am Wlal}n
&co ~en Cfi~enbersifd}en Cfr6e11,
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~Srblrr tibrrjt(!rn fl•unte. .Suinfti!l t\lirb 111111 fd}ou
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.ltnnt11'id)trl' flriii,l Nt ~treUrn j,unndtn, in n•rld}en ~iga.
S?trr (Sj r u tJ c ben ~Cinn lie~ ~llii!!;cr~ nid}t red}t gt=
troffrn flat ; 1111ll n•rmt ~ann em nentl' UtbrrjrUrr, .fttitif bet telnen 'llemun~ oon Jmanuel .It ant, 'J)tofef[ot in Jtonigtlbetg, bei
mir gebi•ri!lrn .!tt#ttn auf.qm'itirt, fid} ~it <!i r oli i= -?attfnodj, 1781. ®. 856. gt. 8.
f d} t ~1·beit nub bie <!rinntl'lllllltll btr .li:unfhid}trr Herr Kan~ den man bisher nur aus kleinen Schriften als einen unsrer
an •Jlu!jt me~d}t. .tlan"ibtr nibgen l.'llnn unfere
!llad}fommru jidj ll'tiblid) fl'turn. !mir tt'oUru in. scharfsinnigsten Weltweisen bewunderte, giebt uns hier ein gr6sseres
bttTm mit bitftr Utbrritl!nug l)tr.;!id) ~nfritbrn frt)tt; Werk, das ihn aufs neue, als einen selbstuntersuchenden, von aller Sectire-
benn n•ir ba~tnt'l Urfarue. - l!tl finb bitr itid)r, rey freien Philosophen, als guten teutschen Schriftsteller darstellt. Denn
wie beim bentjdJen 3ntlin, erlauternbe !Hnmerfun. auch selbst bei den abstrakten Wahrheiten, die er bier vorzutragen hat,
gtn brigrfugr, Nr ~od) wirflid) birr fo nbt{)ig finb, verlaBt ihn sein Talent, deutlich und angenehm zu schreiben, nicht. Unsre
aU irgtnbll'o. !!lbrr (SJebulb! !HUt ubtbigt l!rlaute= Zeiten, die er weit entfernt ist, fiir so kleingeisterisch zu halten, als man-
rangen foUru in btrn €ad)regifler llorfommen, baG che Schriftsteller sie ausschreien wollen, nennt er die Zeiten der Kritik, die
S}m mr 0 il t uber feiutn i}.lliniutl autlar()eittn toiU. alles priifen wollen, und [457] selbst Religion und Gesetzgebung in ihre
Untersuchung nehmen. Kein Wunder, daB man auch die ersten Grundsiit-
ffiiga. ze der Philosophie bezweifelt, zumal da sie durch die entscheidenden
Machtspriiche der Systematiker verdachtig geworden waren. Die Vernunft,
.!tritif btr reiuen IDrrnuuft uon ~manuel .!tan t, sagt daher Herr Kant, wird so zu reden aufgefodert, ganz von vorne sich
I)Jrofejfor iu.li:onigr,&erg, ()ei S?artfnod), 1781. selbst zu priifen. Er giebt also hier nicht Kritik tiber Bucher und Systeme,
e. 856. gr. s. . sondern eine Kritik des Vernunftvermiigens iiberhaupt, in Ansehung aller
.!')err ~ant, ben mdn ()ie{)rr nur 411~ fleinr_n Erkenntnisse, zu denen sie, unabhangig von aller Erfahrung, streben kann,
ecf}riften altl eintu llll(rtl' fd)arflinuigfien !!Bt!tll'tl= folglich die Entscheidung von der Miiglichkeit oder Unmoglichkeit einer
fen ()ewunberte, gir()r uutl {)ier eiu grojferttl !lllrrf, Metaphysik iiberhaupt und die Bestimmung sowol der Quellen, als des
bal! ibn auft! neue, alii tinen ftlbfiunterfudjenben, Umfangs und der Grenze derselben, alles aber aus Principien. Das, was
11011 aUrr 6tctirtl) frtiru I)Jl)ilofop{)rn , alii gntrn sich auf das erste Principium bauen lrult, will er in einem andern Buche,
teutfdjeu €<i)riftfitller tarfitUt. :Oenu And} ft!b~ unter dem Titel: Metaphysik der Natur, ausfiihren. In der allgemeinen
flti ben abflraften l!Babr{)eiten, bit er bier uor.;utra= Einleitung giebt der Verfasser eine Idee von der Transcendentalphiloso-
gen bdl 1 t~crl~Pt i{)n fein Zalent1 bentlidj unb ans~· phie, von dem U nterschiede analytischer und synthetischer U rtheile, und
ne~m 311 fcbl'tibrn, nicbt. Unfre Seiten, bie er we1t von der Eintheilung der Transcendentalphilosophie. Die Kritik der reinen
entfernt ifi 1 fur i~ fleingtiflerifd) 311 ~alten, ~~~ Vernunft ist die vollstandige Idee der Transcendentalphilosophie, aber die-
ntdnd)e 6d)riftfitller fie atttlfd}rtitn tt•olltn, nrnnt tr se Wissenschaft noch nicht selbst, weil sie in der Analysis nur so weit
bie ;lei ten tier .ltritif, bie e~Ueil pniftn tllollen 'fe~b~ geht, als es zur vollstandigen Beurtheilung der synthetischen ErkenntniB a
priori erforderlich ist. In der Kritik der reinen Vernunft erscheint zuerst
die transcendentale Elementarlehre. Der erste Theil der Elementarlehre ist
4 ijtan!futtet gefe~tte 2fn!eigen- 17. u. 20. Juli 1781 .!tanto .letltl! bet tetnen !llemun~ 5
·'
- '
transcendentale Asthetik, worunter der Verfasser nicht die universelle die Ideen iiberhaupt, die transcendentalen Ideen, das System derselben. Im
Theorie der schonen Wissenschaften (die er S. 25. fiir unmoglich erkliirt) zweiten Buch untersucht er die dialektischen Schliisse der reinen Ver-
sondern eine Wissenschaft von allen Principien der Sinnlichkeit versteht. nunft, die Paralogismen derselben, {Paralogismen der Substantialitiit, der
Zu dieser Wissenschaft rechnet der Verfasser die Betrachtungen vom Simplizitat, der Personalitiit, der Idealitat) die Summe der reinen Seelen-
Raum, von der Zeit, {der Verf. gesteht der Zeit empirische Realitat zu, lehre, die Antinomie der reinen Vernunft, das System der kosmologischen
spricht ihr aber die [458] absolute und transcendentale ab) und die Folgen, Ideen, die Antithetik der reinen Vernunft {wo vier Thesen und Antithesen
die sich daraus herleiten lassen. Der zweite Theil der Elementarlehre be- angefiihrt werden) das Interesse der Vernunft bei diesem Widerstreite, die
greift die transcendentale Logik. In der Einleitung wird von der Logik transcendentalen Aufgaben der reinen Vernunft, insofern sie schlechter-
iiberhaupt, von der allgemeinen insbesondre, von der Eintheilung dersel- dings miissen aufgeloBt werden konnen, die sceptische Vorstellung der
ben in Analytik und Dialektik gehandelt. Das erste Buch der transcenden- kosmologischen Fragen durch aile vier transcendentale Ideen, den tran-
talen Analytik giebt eine Analytik der Begriffe, und redet von dem Leitfa- scendentalen Idealism als den Schliissel zur Auflosung der kosmologischen
den der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe, von dem logischen Dialektik, die krieische Entscheidung des kosmologischen Streits der Ver-
Verstandesgebrauche iiberhaupt, von der logiochen Function des Verstan- nunft mit sich selbst, das regulative Princip der reinen Vernunft in Anse-
des in Urtheilen {von der Quantitat, Qualitat, Relation und Modalitat hung der kosmologischen ]deen, den empirischen Gebrauch des regulati-
derselben) von den reinen Verstandesbegriffeq oder Kategorien, von den ven Princips der Vernunft in Ansehung aller kosmologischen Ideen, die
Principien einer transcendentalen Deduction iiberhaupt, von den Grun- Auflosung der kosmologischen Idee von der Totalitiit der Zusammenset-
den a priori zur Moglichkeit der Erfahrung, der Synthesis der Apprehen- zung der Erscheinungen von einem Weltganzen, Auflosung der kosmolo-
sion in der Anschauung, der Synthesis der Reproduction in der Einbil- gischen [460] Idee von der Totalitat der Theilung eines gegebenen Ganzen
dung, der Synthesis der Recognition im Begriffe, von der Moglichkeit der in der Anschauung, Auflosung der kosmologischen Ideen von der Totali-
Kategorien. als Erkenntnissen a priori, von den Verhaltnissen des Verstan- tat der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren U rsachen, die Moglich-
des zu Gegenstiinden iiberhaupt und der Moglichkeit, diese a priori zu er- keit der Caussalitiit durch Freiheit in Vereinigung mit dem allgemeinen
kennen, endlich von der summarischen Vorstellung von der Richtigkeit Gesetze der Naturnothwendigkeit, Erlauterung der kosmologischen Idee
und einzigen Moglichkeit dieser Deduction der reinen Verstandesbegriffe. einer Freiheit in Verbindung mie der allgemeinen Naturnothwendigkeit,
Das zweite Buch der transcendentalen Analytik stellt eine Zergliederung Auflosung der kosmologischen Idee von der Totalitiit der Abhangigkeit
der Grundsatze dar, beschreibt die transcendentale U rtheilskraft iiber- der Erscheinungen · ihrem Daseyn nach iiberhaupt, das Ideal der reinen
haupt, den Schematismus der reinen Verstandesbegriffe, das System aller Vernunft, das transcendentale Ideal, die Beweillgriinde der spekulativen
Grundsatze des reinen Verstandes, den obersten Grundsatz aller analyti- Vernunft, auf das Daseyn eines hochsten Wesens zu schliessen, die
schen U rtheile, den obersten Grundsatz aller synthetischen U rtheile, die U nmoglichkeit eines ontologischen Beweises vom Daseyn Gottes, die
systematische Vorstellung aller synthetischen Grundsatze des Verstandes, U nmoglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Daseyn Gottes, die
die Axiome der Anschauung, die Anticipationen der Wahrnehmung, die U nmoglichkeit des physikotheologischen Beweises, Kritik aller Theologie
Analogien der Erfahrung, nemlich den Grundsatz der Beharrlichkeit, den aus spekulativen Principien der Vernunft, den regulativen Gebrauch der
Grundsatz der Erzeugung, [459] den Grundsatz der Gemeinschaft, die Ideen der reinen Vernunft, die Endabsicht der natiirlichen Dialektik der
Postulate des empirischen Denkens iiberhaupt, den Grund der Unterschei- menschlichen Vernunft. Die transcendentale Methodenlehre (worunter
dung aller Gegenstiinde, die Arnphibolie der Reflexionsbegriffe durch Ver- der Verfasser die Bestimmung der formalen Bedingungen eines vollstandi-
wechslung des empirischen Verstandsgebrauchs mit dem transcendentalen. gen Systems der reinen Vernunft versteht) wird folgendermassen abgehan-
Hierauf folgt die transcendentale Dialektik; bier wird gehandelt vom tran- delt. Er erlautert die Disciplin der reinen Vernunft im dogmatischen
scendentalen Schein, von der reinen Vernunft als dem Sitze des transcen- Gebrauche {angenehm ist besonders S. 727. u. f. der Beweill, daB weder
dentalen Scheins, von der Vernunft iiberhaupt, vom logische:O. Gebrauche Definitionen, noch Axiomen, noch Defmitionen in dem Sinne, darinnen
der Vernunft, von dem reinen Gebrauche der Vernunft. Das erste Buch sie der Mathematiker nimmt, von der Philosophic konne geleistet, noch
der transcendentalen Dialektik erortert die Begriffe der reinen Vernunft, nachgeahmt werden) die Disciplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres
6 f!lot~. geL .3. - 25. Juli 1781 I <:neuene lftltl[d)e <:nad)tld)ten - 3. Nov. 1781
polemischen Gebrauchs, die U nmiiglichkeil' einer sceptischen Befriedi-
gung der mit sich selbst veruneinigten reinen Vernunft, die Disciplin der
reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen, Disciplin der reinen Ver-
nunft in Anse{461)hung ihrer Beweise, den Kanan der reinen Vernunft,
den letzten Zweck des reinen Gebrauchs unsrer Vernunft, das Ideal des
hiichsten Guts als ein Bestimmungsgrund des letzten Zwecks der reinen
Vernunft, das Meynen, Wissen und Glauben, die Architektonik der reinen
Vernunft, das ist, die Kunst der Systeme der Geschichte der reinen Ver-
nunft.
lftitif bet ttlnen \Bemun~, oon Jmmanutl .ltant, il)tof. In .1tonig6betg. 31iga btl
+
-?attfnod) 1781. 2 ~lfp~. 9 ~og. In 8. .ltofl. 2 31t~[t. 8 gt.
'
9lcuc~c Q:citi[d)t 'Jlad)rid)tcn - 3. November 1781 9
., schiede der analytischen und symhetischen Urtheile an, und empfiehlt die
lezteren. Ein System der Begriffe a priori uberhaupt, heillt Transcendental-
philosophie. Es mussen keine Begriffe in dieselbe hineinkommen, die
irgend etwas Empyrisches in sich haben. Die Wissenschaft von allen Prin-
cipien der Sinnlichkeit a priori, nennt er transscendentale Asthetik; die
Wissenschaft, welche die Principien des reinen Denkens enthalt, transscen-
dentale Logik. Es giebt zwo reine Formen sinnlicher Anschauung, [346]
Raum und Zeit. Beide sind keine empyrische Begriffe, sondern bios sub-
jective Bedingungen aller unserer Anschauung. Die transscendentale Ana-
!ytik ist die Zergliederung unsrer gesammten Erkenntnill a priori in die
Elemente der reinen Verstandeserkenntnill. Hier handelt er erst von dem
Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe, dann von der
logischen Function des Verstandes in Urtheilen. Die reinen Verstandes-
begriffe nennt er mit dem Aristoteles Cathegorien, und er beschreibt die
Arten der Deduction dieser Begriffe; darauf geht er zur Analytik der
Grundsatze und ihrer Arten fort. - Die transscendentale Dialectik ist die
Logik des Scheins, welche bemuht ist, den Schein transscendentaler Dr-
theile aufzudecken, dall er nicht betriige. Hier handelt er die Lehre von
transscendentalen Vernunftschlullen, imgleichen die verschiednen Arten
der Paralogismen der Vernunft ab. Merkwiirdig stellt er in gegenuber-
stehenden Seiten eine Probe einer Antithetik oder Antinomie gewiller
transscendentalen Ideen auf. Tief philosophirt und fruchtreich sind darauf
die Abschnitte vom transscendemalen Ideal, von den Beweisen fUr das
Daseyn des hochsten Wesens, die Critik aller speculativen Theologie. -
Die transscendentale Methodenlehre handelt vom dogmatischen und pole-
mischen Gebrauch der reinen Vernunft, imgleichen den Hypothesen und
Beweisen. Den Namen der Architectonik der reinen Vernunft, nimmt
Herr Kant anders als Lambert, der in seinem grollen ontologischen Wer-
ke, das Gebaude aller menschlichen Erkenntnill darunter versteht. Ihm ist
sie die Kunst der Systeme; (und zwar etymologisch richtiger. Syrbius hat
in seiner Philosophic darunter eine Art der Propadeutik der Philosophie
vortragen wollen.) Es ist lehrreich, darinn den Plan der philosophischen
Wissenschaften nach seinem Sinn zu lesen. Der lezte Abschnitt, die
Geschichte der reinen Vernunft, ist nur eine kurze Angabe, die in den
Systemen kunftig ausgellihrt werden mullte. Wir haben unsre Leser nur
von der Absicht und den Gegenstanden dieses Buchs belehren wollen. Es
ist ein Werk fUr das Studium und nicht fUr eine Recension. Wir wiin-
,·. , schen, dall es fUr unsre Systeme genutzt werden moge. Seine scharfsinnige
und gedrangte Schreibart verursacht bei der Tiefe der Gegenstande freilich
einige Muhe: allein man uberwindet sie Ieicht im Gebrauch.
JUga.
Critik der reinen Vernunft. Von Imman. Kant. 1781. 856 S. Octav. Dieses
Werk, das den Verstand seiner Leser immer iibt, wenn auch nicht immer
unterrichtet, oft die Aufmerksamkeit bis zur Ermiidung anstrengt, zuwei-
len ihr durch gliickliche Bilder zu Hiilfe kommt, oder sie durch unerwar-
tete gemeinniitzige Folgerungen belohnt, ist ein System des hiihern, oder,
wie es der Verf. nennt, des transcendentellen Idealismus; eines Idealismus,
der Geist und Materie auf gleiche Weise umfagt, die Welt und uns selbst in
Vorstellungen verwandelt, und aile Objecte aus Erscheinungen dadurch
entstehen lailt, daB sie der Verstand zu einer Erfahrungsreihe verkniipft,
und daB sie die Vernunft in ein ganzes und vollstandiges Weltsystem aus-
zubreiten und zu vereinigen, nothwendig, obwol vergeblich, versucht. Das
System des V. beruht ohngefahr auf folgenden Hauptsatzen. Aile unsere
Erkenntnisse entspringen aus gewissen Modificationen unserer selbst, die
wir Empfindungen nennen. Worin diese befindlich sind, woher sie riih-
ren, das ist uns im Grunde vollig unbekannt. Wenn es ein wirkliches Ding
giebt, dem die Vorstellungen inhariren; wirkliche Dinge unabhangig von
uns, die dieselben hervorbringen: so wissen wir doch von dem einen so
wenig, als von dem andern, das mindeste Pradicat. Demohnerachtet neh-
men wir Objecte an; wir reden von uns selbst, wir reden von den KOr-
pern, als wirklichen Dingen, wir glauben beyde zu kennen, wir urtheilen
tiber sie. Die Ursache hievon ist nichts anders, als dafl die mehrern Er-
scheinungen etwas mit einander gemein haben. Dadurch vereinigen sie
sich unter einander, und unterscheiden sich von dem, was wir uns selbst
nennen. So sehen wir die Anschauungen der aussern Sinne [41) als Dinge
und Begebenheiten ausser uns an; wei! sie aile in einem gewissen Raume
neben einander und in einer gewissen Zeit auf einander erfolgen. Das ist
fiir uns wirklich, was wir uns irgend wo und irgend wann vorstellen.
Raum und Zeit selbst sind nichts wirkliches ausser uns, sind auch keine · GhSttingtn,
Verhaltnisse, auch keine abstrahirte Begriffe; sondern subjective Gesetze
unsers Vorstellungsvermiigens, Formen der Empfindungen, subjective Be-
aebfucft tiep 3o• ~ri~a tit~.
dingungen der sinnlichen Anschauung. Auf diesen Begriffen, von den
Suga&e hU Den \BBttingi[lj)en 2lnjeigen- 19. Januar 1782 13
l
seinigen bestimmt. Diese Gesetze des Verstandes sind alter, als die Erschei-
nungen, bey welchen sie angewandt [42] werden: es giebt also Verstandes-
begriffe a priori. Wir iibergehen den Versuch des Verf., das ganze Geschaf-
te des Verstandes noch weiter aufzuklaren, durch eine Reduction desselben
auf vier Hauprfunctionen, und davon abhangige vier Hauptbegriffe, nem-
lich Qualitat, Quantitat, Relation und Modalitat; die wieder einfachere
unter sich begreifen, und in der Verbindung mit den Vorstellungen von
Zeit und Raum die Grundsatze zur Erfahrungskenntnill geben sollen. Es
sind die gemein bekannten Grundsatze der Logik und Ontologie nach den
idealistischen Einschrankungen des Verf. ausgedruckt. Gelegenheitlich
wird gezeigt, wie Leibnitz auf seine Monadologie gekommen sey, und es
werden ihr Bemerkungen entgegengesezt, die grolltentheils auch unabhan-
gig von-dem transcendentellen Idealismus des V. erhalten werden konnen.
Das Hauptresultat aus allem, was der V. iiber das Geschiift des Verstandes
angemerkt hat, soli denn diell seyn; dall der rechte Gebrauch des reinen
Verstandes darinne bestehe, seine Begriffe auf sinnliche Erscheinungen an-
zuwenden, und durch Verbindung beyder Erfahrungen zu formiren; und
dall es ein Millbrauch desselben und ein nie gelingendes Geschafte seyn
wird, aus Begriffen das Daseyn und die Eigenschaften von Objecten zu
schliessen, die wir nie erfahren konnen. (Erfahrungen, im Gegensatz auf
blosse Einbildungen und Traumereyen, sind dem Verf. sinnliche Anschau-
ungen, mit Verstandesbegriffen verbunden. Aber wir gestehen, dall wir
nicht einsehen, wie die dem Menschenverstande insgemein so leichte Un-
14 3ugabe ;u Den \!Jottingi[d)en ~n;elgen - 19. Januar 1782 Jean ttl 1\:rltir Der rclnen mernun~ 15
-~
terscheidung des Wirklichen vom Eingebildeten, bloB Moglichen, ohne durch das BewuBtseyn, aus. Es liiBt sich also aus demselben nichts von den
ein Merkmal des Erstern in der Empfindung selbst anzunehmen, durch reellen Eigenschaften des Wesens, das unter dem Ich vorgestellt werden
blosse Anwendung der Verstandesbegriffe zureichend gegriindet werden soli, schliessen. Daraus, daB der Begriff vom Mir das Subject vieler Siitze
konne; da ja auch Visionen und Phantasien, bey Triiumenden und ist, und nie das Priidicat irgend eines werden kann, wird geschlossen, daB
Wachenden, ais [43] ausserliche Erscheinungen im Raume und in der Zeit, Ich, das denkende Wesen, eine Substanz sey; da doch dieB leztere Wort
und iiberhaupt unter sich selbst aufs ordentlichste verbunden vorkommen bloB das Beharrliche in der iiussern Anschauung anzuzeigen bestimmt ist.
konnen; ordentlicher bisweilen, dem Anscheine nach, als die wirklichen Daraus, daB in meinen Gedanken sich nicht Theile ausser Theilen finden,
Ereignisse.) - Ausser dem Verstande tritt nun aber noch zur Bearbeitung wird auf die Einfachheit der Seele geschlossen. Aber keine Einfachheit
der Vorstellungen eine neue Kraft hinzu, die Vernunft. Diese bezieht sich kann in dem, was ais wirklich, d. h. als ein Object iiusserer Anschauung,
auf die gesammleten Verstandesbegriffe, wie der Verstand auf die Erschei- betrachtet werden soli, statt finden; wei! die Bedingung davon ist, daB es
nungen. So wie der Verstand die Regeln enthalt, nach welchen die ein- im Raum sey, einen Raum erfiille. Aus der Identitiit des BewuBtseyns wird
zelnen Phiinomene in Reihen einer zusammenhangenden Erfahrung auf die Personalitiit der Seele geschlossen. Aber konnte nicht eine Reihe
gebracht werden: so sucht die Vernunft die •obersten Principien, durch Substanzen einander ihr BewuBtseyn und ihre Gedanken iibertragen, wie
welche diese Reihen in ein vollstandiges Weltganze vereinigt werden kon- sie einander ihre Bewegungen mittheilen? (Ein auch von [45] Hume und
nen. So wie der Verstand aus den Empfindun.gen eine Kette von Objecten !angst vor ihm schon gebrauchter Einwurf.) Endlich wird aus dem Unter-
macht, die an einander hiingen, wie die Theile der Zeit und des Raums, schiede zwischen dem BewuBtseyn unserer selbst, und der Anschauung
wovon aber das lezte Glied immer noch auf friihere oder entferntere iiusserer Dinge ein TrugschluB auf die Idealitiit der leztern gemacht; da
zuriickweiset: so will die Vernunft diese Kette bis zu ihrem ersten oder doch die innern Empfindungen uns eben so wenig absolute Priidicate von
iiussersten Gliede verlangern; sie sucht den Anfang und die Griinze der uns selbst, als die aussern von den KOrpern angeben. So ware also der ge-
Dinge. Das erste Gesetz der Vernunft ist, daB, wo es etwas Bedingtes giebt, meine, oder, wie ihn der Verf. nennt, der empirische Idealismus entkriiftet,
die Reihe der Bedingungen vollstandig gegeben seyn oder his zu etwas nicht durch die bewiesene Existenz der Kiirper, sondern durch den ver-
Unbedingtem hinaufsteigen miisse. Zufolge desselben geht sie auf eine schwundenen Vorzug, den die Oberzeugung von unserer eigenen Existenz
zwiefache Art tiber die Erfahrung hinaus. Einmai will sie die Reihe der vor jener haben solite. - U nvermeidlich seyn die Widerspriiche in der
Dinge, die wir erfahren, vie! weiter hinaus verlangern, ais die Erfahrung Kosmologie; so lange wir die Welt als eine objective Realitiit betrachten,
selbst reicht; wei! sie his zur Vollendung der Reihen gelangen wilL Sodenn und ais ein vollstandiges Ganzes umfassen wollen. Unendlichkeit ihrer
will sie uns auch auf Dinge fiihren, deren iihnliche wir nie erfahren haben, vergangenen Dauer, ihrer Ausdehnung und ihrer Theilbarkeit seyn dem
auf das Unbedingte, absolut Nothwendige, Uneingeschriinkte. Aber aile Verstande unbegreiflich, beleidigen ihn, wei! er den Ruhepunct nicht fin-
Grundsiitze der Vernunft fiihren auf Schein, oder auf Widerspriiche, wenn det, den er sucht. U nd die Vernunft findet keinen hinlanglichen Grund,
sie ausgedehnt werden, wirkliche Dinge und ihre Beschaffenheiten zu zei- irgendwo stehen zu bleiben. Die Vereinigung, die der Verf. hiebey ausfin-
gen; da sie bloB [44] dem Verstande zur Regel dienen sollten, in der Erfor- det, das iichte Gesetz der Vernunft, soli, wenn wir ihn recht verstehen,
schung der Natur ohne Ende fortzugehen. DieB allgemeine Urtheil wendet darinne bestehen, daB diese den Verstand zwar anweise, Ursache von Ursa-
der Verf. auf aile Hauptuntersuchungen der speculativen Psychologie, Kos- chen, Theile von Theilen ohne Ende aufzusuchen, in der Absicht, die
mologie und Theologie an; wie er es iiberall bestimmt und zu rechtferti- Vollstiindigkeit des Systems der Dinge zu erreichen; ihn doch aber zu-
gen sucht, wird nicht vollstandig, doch einigermassen durch das Nachfol- gleich auch warne, keine U rsache, keinen Theil, den er je durch Erfahrung
gende begteiflich werden. Bey der Seelenlehre entstehn die Trugschliisse, findet, fiir den lezten und ersten anzunehmen. Es ist das Gesetz der Ap-
wenn Bestimmungen, die bloB den Gedanken ais Gedanken zukommen, proximation, das Unerreichbarkeit und bestandige Anniiherung zugleich
fiir Eigenschaften des denkenden Wesens angesehen werden. Der Satz: Ich in sich schlieBt. - Das Resultat von der Kritik der natiirL Theologie ist
denke, die einzige QueUe der ganzen riisonnirenden Psychologie, enthalt den bisherigen sehr ahnlich. Siitze, die Wirklichkeit auszusagen scheinen,
kein Priidicat von dem Ich, von dem Wesen selbst. Er sagt bloB eine ge- werden in Regeln verwandelt, die nur dem Verstande ein gewisses Verfah-
wisse Bestimmung der Gedanken, nemlich den Zusammenhang derselben ren vor{46]schreiben. Alles, was der Verf. hier Neues hinzusezt, ist, daB er
16 ,3ugabe ;u ben !Bottingl(d)cn '2!n;eigen - 19. Januar 1782 !Botbal(d)c gelevctc ,3eitungen - 24. August 1782 17
..
•
das praktische Interesse zu Hiilfe ruft, und moralische Ideen den Ausschlag bey Gegengriinden iiberwiegende dauerhafte Griinde nothig machen: so
geben laBt, wo die Speculation beyde Schaalen gleich schwer, oder viel- folgt auch eben daraus, daB wir an die starkste und dauerhafteste Empfin-
mehr gleich leer gelassen hatte. Was diese leztere herausbringt, ist folgen- dung, oder den starksten und dauerhaftesten Schein, als an unsere ausserste
des. Aller Gedanke von einem Eingeschrankten Reellen ist dem von einem Realitiit, uns halten miissen. DieB thut der gemeine Menschenverstand.
Eingeschrankten Raume ahnlich. So wie dieser nicht moglich seyn wiirde, Und wie kommt der Riisonneur davon ab? Dadurch, daB er die beyden
wenn nicht ein unendlicher allgemeiner Raum ware: so ware kein be- Gattungen von Empfindung, die innere und aussere, gegen einander auf-
stimmtes endliches Reelles moglich, wenn es nicht ein allgemeines unend- bringt, [48] in einander zusammenschmelzen oder umwandeln will. Daher
liches Reelles gabe, das den Bestimmungen, d. h. den Einschrankungen der der Materialismus, Anthropomorphismus u. s. w.; wenn die ErkenntniB
einzelnen Dinge zum Grunde !age. Beydes aber ist nur wahr von unsern der innern Empfindung in die Form der aussern umgewandelt, oder damit
Begriffen, ein Gesetz unsers Verstandes, in wie fern eine Vorstellung die vermengt wird. Daher auch der Idealismus; wenn der aussern Empfmdung
andere voraussezt. - Aile andere Beweise, die mehr darthun sollen, findet ihr Rechtsbestand neben der innern, ihr Eigenthiimliches, angefochten
der Verf. bey seiner Priifung fehlerhaft oder unzulanglich. Die Art, wie wird. Der Skepticismus thut bald das eine, bald das andere; urn alles durch
der Verf. endlich der gemeinen Denkart durch moralische Begriffe Griinde einander zu verwirren und zu erschlittern. Unser Verfasser gewissermassen
unterlegen will, nachdem er ihr die speculativen entzogen hat, iibergehen auch; er verkennt die Rechte der innern Empfindung, indem er die Begrif-
wir Iieber ganz; wei! wir uns darein am weni.&sten finden konnen. Es giebt fe von der Substanz und Wirklichkeit als der iiussern Empfindung allein
allerdings eine Art, die Begriffe vom Wahren und die allgemeinsten Geset- angehorig, angesehen wissen will. Aber sein Idealismus streitet noch mehr
ze des Denkens an die allgemeinsten Begriffe und Grundsatze vom Recht- gegen die Gesetze der iiussern Empfindung, und die daher entstehende un-
verhalten anzukniipfen, die in unserer Natur Grund hat, und vor den serer Natur gemiisse Vorstellungsart und Sprache. Wenn, wie der Verfasser
Ausschweifungen der Speculation bewahren oder von demselben zuriick- selbst behauptet, der Verstand nur die Empfindungen bearbeitet, nicht
bringen kann. Aber diese erkennen wir in der Wendung und Einkleidung neue Kenntnisse uns liefert: so handelt er seinen ersten Gesetzen gemaB,
des Verf. nicht. wenn er in allem, was Wirklichkeit betrifft, sich mehr von den Empfin-
Der lezte Theil des Werks, der die Methodenlehre enthalt, zeigt zuerst, dungen leiten liisset, als sie leitet. Und wenn, das Ausserste angenommen,
wofiir die reine Vernunft sich hiiten miisse, das ist die Disciplin; [47] zwey- was der Idealist behaupten will, alles, wovon wir etwas wissen und sagen
tens die Regeln, wornach sie sich richten miisse, das ist der Canon der rei- konnen, alles nur Vorstellung und Denkgesetz ist; wenn die Vorstellungen
nen Vernunft. Den Inhalt davon konnen wir nicht genauer zergliedern; er in uns modificirt und geordnet nach gewissen Gesetzen just das sind, was
laBt sich auch aus dem Vorhergehenden schon gutentheils abnehmen. Das wir Objecte und Welt nennen: wozu denn der Streit gegen diese gemein
ganze Buch kann allerdings dazu dienen, mit den betrachtlichsten Schwie- angenommene Sprache? wozu denn und woher die idealistische Unter-
rigkeiten der speculativen Philosophie bekannt zu machen; und den auf scheidung?
ihre eingebildete reine Vernunft allzustolz und kiihn sich verlassenden
Erbauern und Verfechtern metaphysischer Systeme manchen Stoff zu heil-
samen Betrachtungen vorhalten. Aber die Mittelstrasse zwischen aus-
schweifenden Skepticismus und Dogmatismus, den rechten Mittelweg, mit
Beruhigung, wenn gleich nicht mit volliger Befriedigung, zur natiirlich-
JUga.
sten Denkart zuriickzufiihren, scheint uns der Verf. nicht gewahlt zu Critik der reinen Vernunft, von Immanuel Kant, Professor in Konigs-
haben. Beyde, diinkt uns doch, sind durch sichere Merkmale bezeichnet. berg. Verlegts J. Fr. Hartknoch 1781. 856 S. gr. 8. (2 rthlr. 8 gl.) Unter der
Zuvorderst muB der rechte Gebrauch des Verstandes dem allgemeinsten Menge von Biichern, die seit Jahr und Tag zum Vorschein gekommen
Begriffe vom Rechtverhalten, dem Grundgesetze unserer moralischen Na- sind, ist das gegenw1irtige eins von denen, die auf eine Bekanntmachung
tur, also der Beforderung der Gliickseligkeit, entsprechen. Wie daraus bald die ersten Anspriiche machen diirfen. Wir holen also mit Vergniigen nach,
erhellet, daB er seinen eigenen Grundgesetzen gemaB angewendet werden was wir versiiumt haben, nicht so wohl urn uns in das Detail des Werks
miisse, welche den Widerspruch unerrraglich und zum Beyfall Griinde, einzulassen, denn hierzu miiste eine eigene Abhandlung geschrieben wer-
18 I!Jot~ai[d)c gclc~rtc 3citnngcn - 24. August 1782
den, sondern nur, urn unsere Leser mit dem Hauptgegenstande des Werks
und seiner Eintheilung, bekannt zu machen, und die Augen des Publi-
kums auf dasselbe, als auf ein Werk hin zu leiten, das der deutschen Na-
tion zur Ehre gereicht, und das, wenn gleich sein Inhalt dem allergrollten
Theil des lesenden Publikums unverstehbar ist, doch als Monument von
der Feinheit und hochst subtilen Denkkraft der menschlichen Vernunft
aufgestellt zu werden verdient. Nachdem der tiefsinnige und gelehrte Ver- ..
fasser die Ursachen kiirzlich angegeben, die die Metaphysik urn den Cre-
dit gebracht haben, auf welchen sie doch die gerechtesten Anspriiche
machen kann, bestimmt er in der Vorrede, was er unter Critik der reinen
Vernunft verstehe; nemlich nicht eine Critik der Bucher und Systeme, son-
dern die Critik des Vernunftvermogens iiberhaupt, in Ansehung aller Er-
kenntnisse, zu de{56l]nen sie, unabhiingig von alter Erfahrung, streben
mag, mithin die Entscheidung der Moglichkeit oder Unmoglichkeit einer
Metaphysik iiberhaupt, und die Bestimmung,so wohl der Quellen, als des
Umfanges und der Grenzen derselben, alles aber aus Principien. Auf die-
sem Wege schmeichelt sich der Verf. die Abstellung aller Irrungen ange-
troffen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungsfreyen Gebrauch
mit sich selbst entzweyet batten; und behauptet, dall nicht eine einzige
metaphysische Aufgabe seyn miisse, die hier nicht aufgelost, oder zu deren
Auflosung nicht wenigstens der Schliissel dargereicht worden. Jede Er-
kenntnill heillt rein, die mit nichts Fremdartigen vermischt ist. Besonders
wird aber eine Erkenntnill schlechthin rein genannt, in die sich iiberhaupt
keine Erfahrung oder Empfindung einmischt, welche mithin vollig a priori
moglich ist. Nun ist Vernunft das Vermogen, welches die Principien der
Erkenntnill a priori an die Hand gibt. Daher ist reine Vernunft diejenige,
welche die Principien, etwas schlechthin a priori zu erkennen, enthalt. Ein
Organon der reinen Vernunft, wiirde ein Inbegrif derjenigen Principien
seyn, nach denen aile reinen Erkenntnisse a priori konnen erworben, und
wiirklich zu Stande gebracht werden. Da dieses aber sehr vie! verlangt ist,
und es noch dahin steht, ob auch iiberhaupt eine solche Erweiterung unse-
rer Erkenntni£!, und in welchen Fallen sie moglich sey; so konnen wir
eine Wissenschaft der blossen Beurtheilung der reinen Vernunft, ihrer
Quellen und Grenzen, als eine Vorbereitung zum Organon der reinen
Vernunft, und wenn dieses nicht gelingen sollte, wenigstens als Vorberei-
tung zu einem Canon derselben ansehen, nach welchem allenfalls dereinst
das vollstandige System der r. V., es mag nun in Erweiterung, oder blosser
Begrenzung ihrer Erkenntnill bestehen, so wohl analytisch als synthetisch
dargestellt werden konnte. Eine solche Wissenschaft heillt nicht Doctrin,
sondern nur Critik der reinen Vernunft, und ihr Nutzen ist wiirklich nur
®otpaifd)c gdcprtc ,3citungcn - 24. August 1782 21
negativ; sie dienet nicht zur Erweiterung, sondern nur zur Uiuterung un-
serer Vernunft, und halt sie nur von Irrthiimern frey. Zur Critik der rei-
nen Vernunft gehort demnach alles, was die Transscendental-Philosophie
ausmacht, und sie ist die vollstiindige Idee der Transscendental-Philoso-
phie, aber diese Wissenschaft noch nicht selbst, wei! sie in der Analysis
so weit geht, als es zur vollstiindigen Beurtheilung der synthetischen Er-
kenntnill a priori erforderlich ist. Der Verf. nennt aile Erkenntnill trans-
scendental, die sich nicht so wohl mit Gegenstiinden, sondern mit unsern
Begriffen a priori von Gegenstiinden iiberhaupt beschiiftiget; und ein
System solcher Begriffe wiirde Transscendentai-Philosophie heissen. Das
Werk ist in zween Haupttheile eingetheilt, in die transscendentale Elemen-
tarlehre und Methodenlehre. Jener enthiilt zween Theile, nemlich [562] die
transscendentale Asthetik, und die transscendentale Logik. Die Asthetik
handelt in zween Abschnitten, vom Raume und von der Zeit. Die Logik
aber begreift zwo Abtheilungen unter sich: 1. die transscendentale Analy-
tik; insonderheit die Analytik der Begriffe, und der Grundsiitze; 2. die
transscendentale Dialectik, insonderheit von den Begriffen der reinen Ver-
nunft, und von den dialectischen Schliissen der reinen Vernunft. Die trans-
scendentale Methodenlehre zerfiillt in vier Hauptstiicke; deren erstes die
Disciplin der reinen Vernunft, das zweyte den Canon der reinen Vernunft,
das dritte die Architectonik der reinen Vernunft, und das vierte die Ge-
schichte der reinen Vernunft enthiilt. Da die Hauptstiicke wieder ihre
Abschnitte, und mehrere dieser letztern wieder ihre Unterabtheilungen
haben, so konnen wir uns, da die Anfiihrung ihrer Uberschriften schon
zu viel Raum einnehmen wiirde, in kein Detail einlassen, sondern miissen
uns begniigen, nur einige Gedanken des Verfassers als Vorschmack, beson-
ders fiir Lehrer der Metaphysik, denen das Daseyn dieses Buchs noch
nicht bekannt seyn sollte, mitzutheilen. Der Verf. nennt aile Vorstellungen
rein, (im transscendentalen Verstande,) in denen nichts, was zur Empfin-
dung gehort, angetroffen wird. Demnach wird die reine Form sinnlicher
Anschauungen iiberhaupt im Gemiithe a priori angetroffen werden, worin
alles Mannichfaltige der Erscheinungen in gewissen Verhiiltnissen ange-
schauet wird. Diese reine Form der Sinnlichkeit, wird auch selber reine
Anschauung heissen. So, wenn ich von der Vorstellung eines Korpers das,
was der Verstand davon denkt, als Substanz, Kraft, Theilbarkeit etc. inglei-
chen was davon zur Empfindung gehort, als Undurchdringlichkeit, Hiirte,
Farbe, etc. absondere, so bleibt mir aus dieser empirischen Anschauung
noch etwas iibrig, nemlich Ausdehnung und Gestalt. Diese gehoren zur
reinen Anschauung, die a priori, auch ohne einen wiirklichen Gegenstand
der Sinne oder Empfindung, als eine blosse Form der Sinnlichkeit im Ge-
22 '3ot~aif~e gefebrte .Seitungen - 24. August 1782 Jiulfif~e )l)ibfiot9ef - 1782 23
miithe statt findet. Eine Wissenschaft von a)Ien Principien der Sinnlich- welcher die Vorstellung der Zeit, mithin auch der Veriinderung, gar nicht
keit a priori, nennt der Verf. die transscendentale Jfsthetik. Die Deutschen vorkame. Es bleibt also ihre empirische Realitiit als Bedingung aller un-
bedienen sich des Worts Asthetik, urn dadurch das zu bezeichnen, was an- serer Erfahrungen; nur die absolute Realitiit kann ihr nicht zugestanden
dere Critik des Geschmacks nennen. Baumgarten fallte nemlich die Hoff- werden; sie ist nichts als die Form unserer innern Anschauung. Wenn man
nung, die critische Beurtheilung des Schi:inen unter Vernunftprincipien zu von ihr die besondere Bedingung unserer Sinnlichkeit wegnimmt, so ver-
bringen, und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein schwindet auch der Begriff der Zeit, und sie hangt nicht an den Gegen-
diese Bemiihung ist vergeblich, wei! gedachte Regeln oder Criterien, ihren stiinden selbst, sondern bloB am Subjecte, welches sie anschaut.
Quellen nach bloB empirisch sind, und also niemals zu Gesetzen a priori
dienen ki:innen, wornach sich unser Geschmacksurtheil richten miiBte;
vielmehr macht das letztere den eigentlichen Probierstein der Richtigkeit
der erstern aus. Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von aussern ,.li:ritif ber reinen Q3ernunfl oon Jmmanuef .li:ant, 'l)rofelfor tn
Erfahrungen abgezogen worden, und stellt gar [563] keine Eigenschaft ir- .ltontgtlberg, :lltga, oerfegt6 ilo~ann 8rtebrtc~ .(Jartfno~, 1781."
gend einiger Dinge an sich, oder sie in ihrem .VerhaltniB auf einander, vor,
856 Pctaufeiten; !ftiner :Orucf.
keine Bestimmung derselben, die an den Gegenstanden selbst haftete; son-
dern er ist nichts anders, als nur die Form .aller Erscheinungen ausserer
Sinne, d. i. die subjective Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns
aussere Anschauung mi:iglich ist. Dieses gilt auch von der Zeit. Sie ist nicht
D ieB Werk besteht aus zweyen Hauptabtheilungen: I. Transcendf:ntale
Elementarlehre. Deren erster Theil enthiilt die transcendentale Asthe-
tik, in welcher erst von dem Raume, und dann von der Zeit gehandelt
etwas das fiir sich selbst bestiinde, oder den Dingen als objective Bestim- wird. Der zweyte Theil oder die transcendentale Logik besteht aus der
mung anhienge; sondern nichts anders, als die Form des innern Sinnes, d. transcendentalen Analytik und der transcendentalen Dialectik. - II. Die
i. des Anschauens unserer selbst und unsers innern Zustandes. Sie ist die transcendentale Methodenle.hre hat die vier Hauptstiicke: die Disciplin, den
formale Bedingung a priori aller Erscheinungen iiberhaupt, der aussern Canon, die Architectonik und die Geschichte der reinen Vernunft.
und innern (unserer Seelen); der Raum hingegen ist, als die reine Form .Reine Vernunft ist (nach S. 11.) diejenige, welche die Principien, etwas
aller iiussern Anschauung, als Bedingung a priori, bloB auf iiussere Erschei- schlechthin a priori zu erkliiren enthiilt."
nungen eingeschriinkt. Aus dem Gesagten folgt, daB die Zeit zwar eine em- Mehr mi:ichten wir von diesem Buche, wei! es so groB ist, wohl sagen;
pirische Realitiit, d. i. subjective Giiltigkeit in Ansehung aller Gegenstiinde, aber das liillt sich in der Kiirze nicht thun; und von einem ganz aus-
die jemals unsern Sinnen gegeben werden mi:igen, habe, aber gar keinen landischen, das uns nur wegen des einheimischen Verlags angeht, muB das
Anspruch auf absolute Realitiit machen ki:inne. Gegen diese Meinung ist Gesagte genug seyn.
dem Verfasser folgender Einwurf gemacht worden: Veriinderungen sind
wiirklich (dieses beweist der Wechsel unserer eigenen Vorstellungen, wenn
man gleich aile iiussere Erscheinungen, sammt deren Veriinderungen leug-
nen wollte.) Nun sind Veriinderungen nur in der Zeit mi:iglich, folglich ist
die Zeit etwas Wiirkliches. Ich gebe, antwortet Hr. K. das ganze Argument
zu. Die Zeit ist allerdings etwas Wiirkliches, nemlich die wiirkliche Form
der innern Anschauung. Sie hat also subjective Realitiit in Ansehung der
innern Erfahrung, d. i. ich habe wiirklich die Vorstellung von der Zeit
und meiner Bestimmungen in ihr. Sie ist also wiirklich nicht als Object,
sondern als die Vorstellungsart meiner Selbst als Objects anzusehen. Wenn
aber ich selbst, oder ein ander Wesen mich, ohne diese Bedingung der
Sinnlichkeit anschauen ki:innte, so wiirden eben dieselben Bestimmungen,
die wir uns jetzt als Veriinderungen vorstellen, eine ErkenntniB geben, in
t>erfucf) einer 'ltnleitung 3ur Sittenlel)re fiir alle menfcf)en, ol)ne Un-
terfcf)ie6 ber ~eligion, nebjl: einem 'ltnl)ange von 6en ~obesjl:rafen.
!erjl:er ~l)eil. ~erlin, J7S3. bey Stal)lbaum. J fl. 24 gl.
ieser erste Theil soli, nur als Einleitung zu einem neuen morali-
D schen System, die psychologische GruQdsatze, auf die in der Folge
gebauet werden soli, von der Stelle, die der Mensch in der Stufenleiter der
Wesen einnimmt, von seiner empfindenden, denkenden und durch Willen
thatigen Natur, von Freyheit und Nothwendigkeit, vom Leben, dem Tode
und einem kiinftigen Leben, vor Augen stellen; ein Werk, das durch seine
Freymuthigkeit und noch mehr durch die, aus den vielen sehr auffallen-
den Paradoxen dennoch hervorleuchtende gute Absicht des selbstdenken-
den Hrn. Verfassers, bey jedem Leser ungeduldige Erwartungen erregen
muG, wie doch eine auf dergleichen Pramissen gegriindete Sittenlehre aus-
fallen werde..Recensent wird erstlich den Gang der Gedanken des Hrn. V.
kiirzlich verfolgen und zum Schlusse sein Urtheil iiber das Ganze beyfii-
gen. Gleich zu Anfange wird der Begrif der Lebenskraft so erweitert, daB
er auf aile Geschopfe ohne Unterschied gehet, namlich bios als der Inbegrif
alter in einem Gescbapfe vorhandenen und zu seiner Natur gehorigen Kriifte.
Daraus folgt denn ein Gesetz der Stiitigkeit aller Wesen, wo auf der grossen
Stufenleiter ein jedes seinen N ebenmann iiber sich und unter sich hat,
doch so, daB jede Gattung von Geschopfen zwischen Grenzen steht, die
diese nicht iiberschreiten konnen, so lange sie Mitglieder derselben Gat-
tung bleiben. Daher giebt es eigentlich nichts Lebloses, sondern nur ein
kleineres Leben und die Gattungen unterscheiden sich nur durch Grade
der Lebenskraft. Seele, als ein vom Korper unterschiedenes Wesen, ist ein
blosses Geschopf der Einbildung; der erhabenste Seraph und der Baum
sind beyde kiinstliche Maschinen. So vie! von der Natur der Seele. Ein
ahnlicher stufenartiger Zusammenhang findet sich in allem Erkenntnisse.
Irrthum und Warheit sind nicht der Species nach unterschieden, sondern
nur wie das Kleinere vom Grosseren, kein absoluter Irrthum findet statt,
sondern jedes ErkenntniG, zu der Zeit, da es beym Menschen entsteht, ist
vor ihn wahr. Zurechtweisung ist nur Hinzuthuung der Vorstellungen, die
Jlaifonnitcnbe~ ~Ud)eroer;eic{)ni~ - April 1783 27
vordem noch fehleten, und vormalige Warheit wird in der Folge, durch
9hifonlifttnbtt5 ··' den blossen Fortgang der Erkenntnill, in lrrthum verwandelt. Unsere Er-
kenntnill ist, gegen die eines Engels, Iauter lrrthum. Die Vernunft kann
f8et:&tid)nttl.
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neuet
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' . . .
nicht irren; jeder Kraft ist ihr Gleis vorgezeichnet. Die Verurtheilung der
[98] Vernunft durch sich selbst geschieht auch nicht alsdann, wenn man
urtheilt, sondern hinter her, wenn man schon auf einer andern Stelle ist
und mehr Kenntnisse erworben hat. Ich soli nicht sagen ein Kind irret,
sondern es verstehts noch nicht so gut, als ers kiinftig verstehen wird, es
ist ein kleineres Urtheil. Weisheit und Thorheit, Wissenschaft und Unwis-
senheit verdienen also nicht Lob, nicht Tadel, sie sind bios als allmiilige
Fortschritte der Natur anzusehen, in Ansehung deren ich nicht frey bin.
Was den Willen betrift, so sind aile Neigungen und Triebe in einem ein-
zigen, namlich der Selbstliebe enthalten, in Ansehung deren aber jeder
Mensch seine besondere Stimmung hat, die doch auch von einer allgemei-
nen Stimmung niemals abweichen kann. Die Selbstliebe wird jedesmal
durch aile Empfindungen zusammen bestimmt, doch so, dall entweder die
dunklere, oder die deutlichere doran den grollten Antheil haben. Es giebt
also keinen freyen Willen, sondern dieser steht unter dem strengen Gesetze
der Nothwendigkeit; doch, wenn die Selbstliebe durch gar keine deutliche
Vorstellungen, sondern bios durch Empfindung bestimmt wird, so nennt
man dieses unfreye Handlungen. Aile Reue ist nichtig und ungereimt; denn
der Verbrecher beurtheilt seine That nicht aus seiner vorigen, sondern ge-
genwanigen Stimmung, die zwar freylich, wenn sie damals statt gefunden
hatte, die That wiirde verhindert haben, wovon aber falschlich vorausge-
setzt wird, dall sie solche auch hatte verhindern sollen, da sie im vorigen
Zustande wirklich nicht anzutreffen war. Die Reue ist bios eine millver-
standene Vorstellung, wie man kiinftig besser handeln konne, und in der
That hat die Natur hiebey keine andere Absicht, als den Zweck der Besse-
rung. Auflosung der Schwierigkeit wie Gott der U rheber der Siinde seyn
konne. Tugend und Laster sind nicht wesentlich unterschieden. (Hier ist also
wiederum der sonst angenommene specifische Unterschied in blossen Un-
terschied den Graden nach verwandelt). Tugend ohne Laster kann nicht be-
stehen, und diese sind nur Gelegenheitsgriinde besser zu werden, (also eine
Stufe hoher zu kommen). Die Menschen konnen sich tiber das, was sie
Tugend nennen, nicht vergleichen, ausser iiber die, ohne welche keine
menschliche Wohlfarth moglich ist, d. i. die allgemeine Tugend; aber von
dieser abzuweichen ist dem Menschen schlechterdings unmoglich, und
der, so davon abweicht, ist nicht lasterhaft, sondern aberwitzig. Der
Mensch, der ein allgemeines Laster beginge, wiirde wider die Selbstliebe
handeln, welches unmoglich ist. Folglich ist die Bahn der allgemeinen
28 Jlaifonnirenbeo ~U<!leroer;eidjntp - April 1783 Qler[ud) einer 'tlnfeitung ;ur eiittenfe~re 29
Tugend so eben, so gerade und an beyden 'Seiten so verzaunt, daB aile alles menschliche Thun und Lassen in blosses Marionettenspiel verwan-
Menschen schlechterdings drauf bleiben miissen. Es ist nichts als die be- delt, den Begrif von Verbindlichkeit ganzlich aufhebe, daB dagegen das
sondre Stimmung jedes Menschen, welche unter ihnen hierinn einen Un- Sollen, oder der Imperativ, der das practische Gesetz vom Naturgesetz un-
terschied macht; wenn sie ihre Standorte verwechselten, so wiirde einer terscheidet, uns auch in der Idee ganzlich ausserhalb der Naturkette setze,
eben so handeln wie der andere. Moralischgut oder bose bedeuten nichts indem er ohne unseren Willen als frey zu denken, unmoglich und unge-
weiter, als einen hohern oder niedrigern Grad von Vollkommenheit. Men- reimt ist, vielmehr uns alsdenn nichts iibrig bleibt, als abzuwarten und zu
schen sind in Vergleichung gegen Engel und diese gegen Gott lasterhaft. beobachten, was Gott vermittelst der Naturursachen in uns vor Ent-
Daher, wei! keine Freyheit ist, aile riichende Strafen ungerecht sind, schliessungen wirken werde, nicht aber was wir von selbst, als U rheber
vornamlich Todesstrafen, an deren Stelle nichts als Erstattung und Besse- thun konnen und sollen; woraus denn die grobste Schwarmerey entsprin-
rung, keinesweges aber blosse Warnung die Absicht der Strafgesetze aus- gen muB, die allen EinfluB der gesunden Vernunft aufhebt, deren Rechte
machen miisse. Lob, wegen einer ersprieB!ichen [99] That, ertheilen, zeigt gleichwohl der Herr V. aufrecht zu erhalten bemiiht gewesen. Der practi-
wenig MenschenkenntniB an; der Mensch war eben so gut dazu gestimmt sche Begrif der Freyheit hat in der That mit dem speculativen, der den
und aufgewgen als der Mordbrenner ein Haus anzuziinden. Lob hat nur Metaphysikern ganzlich iiberlassen bleibt, gar nichts zu thun. Denn wo-
die Absicht urn den Urheber und andre zu ahnlichen guten Thaten aufzu- her mir urspriinglich der Zustand, in welchem ich jezt handeln soli, ge-
muntern. Diese Lehre von der Nothwendigkeit nennt·der Herr Verf. eine kommen sey, kann mir ganz gleichgiiltig seyn; ich frage nur, was ich nun
seelige Lehre, und behauptet, daB durch sie die Sittenlehre allererst ihren zu thun babe, und da ist die Freyheit eine nothwendige practische Voraus-
eigentlichen Werth erhalte, wobey er gelegentlich anmerkt: daB bey Ver- setzung und eine Idee unter der ich allein Gebothe der Vernunft als giiltig
brechen gewisse Lehrer, die es so Ieicht vormahlen, sich mit Gott zu versoh- ansehen kann. Selbst der hartnackigste Scepti{lOO]ker gesteht: daB, wenn
nen, in Anspruch genommen werden sollten. Man kann die gute Absicht es zum Handeln kommt, aile sophistische Bedenklichkeiten wegen eines
unseres Verfassers hiebey nicht verkennen. Er will die bios biissende und allgemein-tauschenden Scheins wegfallen miissen. Eben so muB der ent-
fruchtlose Reue, die doch so oft als an sich versohnend empfohlen wird, schlossenste Fatalist, der es ist, so lange er sich der blossen Speculation er-
weggeschafft wissen, und an deren Statt feste Entschliessungen zum besse- giebt, dennoch, so bald es ihm urn Weisheit und Pflicht zu thun ist, jeder-
ren Lebenswandel eingefiihrt haben; er sucht die Weisheit und Giitigkeit zeit so handeln, als ob erfrey ware, und diese Idee bringt auch wirklich die
Gottes durch den Fortschritt aller seiner Geschopfe zur Vollkommenheit damit einstimmige That hervor und kann sie auch allein hervor bringen.
und ewigen Gliickseeligkeit, obgleich auf verschiedenen Wegen, zu ver- Es ist schwer den Menschen ganz abzulegen. Der Herr Verf. nachdem er
theidigen, die Religion vom miiBigen Glauben zur That zuriick zu fiihren, jedes Menschen Handlung, so abgeschmackt sie auch andern erscheinen
endlich auch die biirgerliche Strafen menschlicher und vor das besondere mag, aus dem Grunde seiner besonderen Stimmung gerechtfertigt hatte,
sowohl als gemeine Beste ersprieB!icher zu machen. Auch wird die Kiin- sagt S. 137: .Ich will alles schlechterdings und ohne Ausnahme, alles, was
heit seiner speculativen Behauptungen demjenigen nicht so schreckhaft mich zeitlich und ewig gliicklich machen kann, verlohren haben, (ein ver-
auffallen, dem bekannt ist, was Priestley, ein eben so sehr wegen seiner messener Ausdruck) wenn du nicht eben so abgeschmackt gehandelt hat-
Frommigkeit, als Einsicht hochgeachteter englischer Gottesgelehrte, mit test, als der andere, wenn du nur in seinem Standorte gewesen warest." Al-
unserem Verf. einstimmig behauptet, ja noch mit mehr Kiinheit ausge- lein, da doch, nach seinen eigenen Behauptungen, die groBte Uberzeugung
druckt hat, und was nun schon mehrere Geistliche dieses Landes, obgleich in einem Zeitpuncte davor nicht sichern kann, daB nicht in einem ande-
weit unter ihm an Talenten, ihm ohne Zuriickhaltung nachsprechen, ja ren Zeitpuncte, wenn das Erkenntnill weiter fortgeriickt ist, die vorige
was nur neuerlich Herr Prof. Ehlers von der Freyheit des Willens vor Warheit hinten nach Irrthum werde, wie wiirde es da mit jener ausserst
einen Begrif gab, namlich als einem Vermogen des denkenden Wesens, gewagten Betheurung aussehen? Er hat aber im Grunde seiner Seele, ob-
seiner jedesmaligen ldeenlage gemaB zu handeln. Gleichwohl wird jeder un- gleich er es sich selbst nicht gestehen wollte, voraus gesetzt: daB der Ver-
befangene und vornemlich in dieser Art von Speculation genugsam geiibte stand nach objectiven GrUnden, die jederzeit giiltig sind, sein U rtheil zu
Leser nicht unbemerkt lassen: daB der allgemeine Fatalism, der in diesem bestimmen das Vermogen babe, und nicht unter dem Mechanism der bios
Werke das vornehmste, aile Moral afficirende, gewaltsame Princip ist, da er subjectiv bestimmenden U rsachen, die sich in der Folge andern konnen,
30 Altonaischer Gelehrter Mercurius- 31. Juli 1783 Kants Prolegomena 31
stehe, mithin nahm er immer Freyheit zu de~ken an, ohne welche es kei- be ein Gniige zu thun, sehr tief in die Natur der Vernunft, in [244] sofern
ne Vernunft giebt; eben so muB er auch Freyheit des Willens im Handeln sie bios mit reinem Denken beschaftigt ist, eindringen miissen. Sie erfan-
voraus setzen, ohne welche es keine Sitten giebt, wenn er in seinem, wie den ein bequemeres Mittel, und beruften sich auf den gemeinen Men-
ich nicht zweifle, rechtschaffenen Lebenswandel den ewigen Gesetzen der schenverstand. Die Zweifel des Hume gaben den Untersuchungen des Ver-
Pflicht gem:ill verfahren, und nicht ein Spiel seiner Instincte und Neigun- fassers in der speculativen Philosophie eine ganz neue Richtung. Er gab
gen seyn will, ob er schon zu gleicher Zeit sich selbst diese Freyheit ab- ihm deswegen kein Gehor in Ansehung seiner Folgerungen, die bios daher
spricht, wei] er seine practische Grundsatze mit der speculativen sonst riihrten, wei! er sich seine Aufgabe nicht im Ganzen vorstellte, sondern
nicht in Einstimmung zu bringen vermag, woran aber, wenn es auch nie- nur auf einen Theil derselben fie!. Der Verfasser versuchte zuerst, ob sich
mande gelange, in der That nicht vie! verlohren seyn wiirde. - - t. nicht Hume's Einwurf allgemein vorstellen liesse, und fand, daB der Begrif
der Verkniipfung von Ursache und Wirkung bey weitem nicht der einzige
sey, durch den der Verstand a priori sich Verkniipfungen der Dinge denkt,
vielmehr, daB Metaphysick ganz und gar daraus bestehe. Er suchte sich ih-
iga, Prolegomena zu einer jeden kunftigen Metaphysick, die als Wissen- rer Zahl zu versichern, und da ihm dies nach Wunsch, namlich aus einem
R schaft wird auftreten konnen, von Immanuel Kan~ bey Hartknoch,
1783, S. 222, Bvo. Diese Prolegomena sind ni9~t fur Lehrlinge, sondern fur
einzigen Princip, gelungen war, so gieng er an die Deduction dieser Begrif-
fe, von denen er nun versichert war, daB sie nicht, wie Hume besorgt hatte,
Lehrer, und dienen nicht, den Vortrag dieser Wissenschaft anzuordnen, von der Erfahrung abgeleitet, sondern aus dem reinen Verstande entsprun-
sondern die Wissenschaft selbst erst zu erfinden. Die Absicht des beriihm- gen seyn. Diese Deduction war das schwerste, das jemals zum Behuf der
ten Verfassers ist, aile die, die es der Millie werth finden, sich mit Meta- Metaphysick unternommen werden konte. Ja es konte dem Verfasser die
physick zu beschaftigen, zu iiberzeugen, daB es unumganglich nothwendig bisherige Metaphysick nicht die mindeste Hiilfe leisten, wei! jene De-
sey, vor allen Dingen die Frage aufzuwerfen: Ob auch so etwas, wie Meta- duction zuerst die Moglichkeit einer Metaphysick ausmachen soli. Da es
physick, iiberhaupt moglich sey? Ist sie Wissenschaft, wie komt es, daB dem Verfasser nun mit der Auflosung des Humischen Problems nicht bios
sie sich nicht, wie andre Wissenschaften, in allgemeinen und dauernden in einem besondern Faile, sondern in Absicht auf das ganze Vermogen der
Beyfall setzen kan? Ist sie keine, wie geht es zu, daB sie doch unter dem reinen Vernunft gelungen war: so konnte er sichere, obgleich immer nur
Scheine einer Wissenschaft unaufhorlich groB thut, und den menschli- langsame, Schritte thun, urn endlich den ganzen Umfang der reinen Ver-
chen Verstand mit unaufhorlichen, aber nie erfiillten Hofnungen hinhalt? nunft vollstandig und nach allgemeinen Prinzipien zu bestimmen, welches
Es ist nicht so was unerhortes, daB nach Ianger Bearbeitung einer Wissen- dann dasjenige war, was Metaphysik bedarf, urn ihr System nach einem
schaft,. weri.n man Wunder denkt, wie weit man schon darinnen gekom- sichern Plan auszufuhren. So entstand das Werk, das er Kritik der reinen
men, endlich sich jemand die Frage einfallen l:illt: Ob und wie iiberhaupt Vernunft iiberschrieb. Dieses bleibt auch immer die Grundlage, worauf
eine solche Wissenschaft moglich sey? Der Verfasser sucht denkende Leser sich die Prolegomena nur als Voriibungen beziehen. Denn jene Kritik
dahin zu bringen, daB sie nicht nur an dem, was bisher Metaphysick hieB, muB als Wissenschaft systematisch und his zu ihren kleinsten Theilen da
zweifeln, sondern sie auch zu iiberzeugen, daB es eine solche Wissenschaft stehen, ehe noch daran zu denken ist, Metaphysik auftreten zu lassen, oder
gar nicht geben konne, wenn nicht die vom Verfasser vorgetragene Forde- sich auch [245] nur eine entfernte Hofnung zu derselben zu machen. Man
rungen geleistet werden. Es giebt ihm zufolge noch keine Metaphysick. Es erhalt hier den Plan jenes vollendeten Werkes, der nunmehr nach analyti-
ist eine giinzliche Umschaffung derselben nach einem bisher ganz unbe- scher Methode ange'tegt seyn darf, da das Werk selbst durchaus nach syn-
kannten Plane nothig, man moge sich dagegen noch so sehr strauben. Seit thetischer Lehrart abgefaBt seyn muste, damit die Wissenschaft aile ihre
der Entstehung der Metaphysick habe sich keine Begebenheit zugetragen, Artikulationen als den Gliederbau eines ganz besondern Erkenntnill-
die in Ansehung des Schicksals dieser Wissenschaft hatte entscheidender vermogens in seiner natiirlichen Verbindung vor Augen stelle.
werden konnen, als der Angrif, den David Hume auf dieselbe machte. Al-
lein das der Metaphysick von jeher ungiinstige Schicksal habe gewollt, daB
er von keinem verstanden worden. Seine Gegner hatten, urn seiner Aufga-
32 Altonaischer Gelehrter Mercurius- 14. August 1783
selbst die Zahl vier; oder ziehe in Gedanken von • einem Puncte zum andem meisten Theilen weit weniger; nicht, glauben wir, wei! die Schreibart des
. allerley Linien, und kan nur eine einzige ziehen, die sich in allen ihren Thei- Verfassers gealtert, sondern wei! die meisten Materien, die er hier bearbei-
len ahnli.ch ist Aber ich kan aus dem Begriffe eines Dings durch meine ganze tet, ihrer Natur nach, von Sinnlichkeit und Anschauung zu entlegen sind,
Denkkraft ni.cht den Begrif von etwas anderm, dessen Daseyn nothwendig als dall sie mit aller Bemiihung des Schriftstellers ihnen wieder kiinnten
mit dem erstern verkniipft is~ herausbringen, sondem muft die Eifahrung zu genahert werden. Der eigentliche Zweck dieses Werkes ist, die Grenzen
Rathe ziehen, und, obgleich mir mein Verstand a priori (doch immer nur in der Vernunft zu bestimmen, und sein Inhale, zu zeigen, dal! die Vernunft
Beziehung auf mogliche Erfahrung) den Begrif von einer solchen Verkniipfung allemal auller diesen Grenzen ausschweift, so oft sie etwas von der Wirk-
(cler Cauftalitiit} an die Hand gieb~ so kan i.ch ihn doch nich~ wie die Begriffe lichkeit irgend eines Dinges behauptet. Indessen, die Aufhebung aller Sy-
der Mathemati.ck a priori in der Anschauung darstellen, und also seine steme bringt natiirlicher Weise ein neues hervor. Es giebt gewisse Grund-
Mogf.i.chkeit a priori darlegen, sondem dieser Begrif samt den Grundsiitzen satze, deren der Mensch durchaus niche entbehren, oder deren er sich
seiner Anwendung bedarf immer, wenn era priori giiltig seyn sol4 eine Recht- nicht entschlagen kann. Wenn man also die U ngiiltigkeit derselben in
fertigung und Deduction seiner Moglichkeit. allen den Bedeutungen, in denen sie bisher gebraucht worden, gefunden
• zu haben glaubt; so ist man geniithigt, einen neuen Sinn fiir sie zu suchen,
man mull ausdriicklich fiir sie ein neues Gebaude von Ideen auffiihren,
nachdem man aile die niedergerissen hat, worin sie bisher waren aufbe-
.'
r. Prof. Kant zu Konigsberg, hat bei Hartknoch zu Riga, drucken wahrt worden. -
H lassen: Prolegomena zu einer jeden kiinftigen Metaphysik, die als
Wissenschaft wird auftreten kiinnen, in gr. 8 kost. 16 gr., welche eine
Der Verfasser, urn sein System begreiflich zu machen, hat niithig gefun-
den, auch eine neue Terminologie einzufiihren. Es wiirde unmiiglich seyn,
Erlauterung und auch Vertheidigung seiner auch von uns angezeigten sich dieser zu bedienen, urn von jenem einen kurzen Begriff zu geben. Es
Kritik der reinen Vernunft enthalten. Vornemlich beschwert er sich iiber wird aber vielleicht eben so unmiiglich seyn, die Gedanken des Verfassers
den Recensenten in den Giittingischen Anzeigen, dal! er ihn niche in aller ihrer Eigenthiimlichkeit mit Worten einer mehr popularen Philo-
verstanden babe. Schwebte der wiirdige und geistvolle Mann niche oft zu sophie auszudriicken. Die Terminologie ist der Faden der Ariadne, ohne
sehr in den Wolken, wahlte er sich nicht seine eigene Terminologien, und welchen oft auch der scharfsinnigste Kopf seine Leser durch das dunkle
waren seine Perioden weniger beladen; so miigte er der Gefahr weniger Labyrinth abstrakter Spekulationen nicht wiirde durchfiihren kiinnen.
ausgesetzt seyn. Wenn dieser auch niche immer deutlich sieht, so fiihlt er doch zu seiner
Beruhigung, dal! er den Faden noch immer in seiner Hand halt, und hofft
auf einen Ausgang. Das Tageslicht des gemeinen Menschenverstandes, so
viel Miihe man sich auch geben mag, es in diese finstern einsame Gange
zu bringen, kann sie doch selten hinlanglich erhellen, urn den Weg sicht-
.1\:citil bee cetnen Q3emun~, oon Jmmanuef .!tant. ~lga, 1781. 856 ®eiten,
bar zu machen, den man vorher durch eine Art von Gefiihl fand. [840]
In 8.
U nterdessen aile Kenntnisse dieser Art miissen doch auf eine oder die
err Kant ist aus den philosophischen Schriften, womit er bisher das andere Art mit den bisherigen Vorstellungen zusammengehangen werden
H Publikum beschenkt hat, als einer der tiefsten und griindlichsten
Denker und zugleich als ein Mann bekannt, dem eine schiine und frucht-
kiinnen, wei! sie doch ganz unfehlbar, aus diesen, wenn auch nnr gelegent-
lich, entstanden sind. Sie miissen sich also auch in eine gewohnlichere
bare Einbildungskraft auch fiir die abgezogensten Begriffe oft sehr passen- Sprache, wiewohl vielleicht mit einigem Verlust ihrer Genauigkeit, iiber-
de und gliickliche Bilder darbeut, wodurch sie auch fiir den weniger setzen lassen. Hier ist also das System des Verfassers, so wie es sich in dem
scharfsinnigen Leser [839] fal!lich und nicht selten anziehend werden. Die Kopf des Recensenten ausgebildet hat. Er hofft, dal! die Veriinderungen,
Tiefe seines philosophischen Genies hat er in keinem seiner Werke noch die es dadurch erlitten, wenigstens nicht griiller und nachtheiliger fiir
so sehr, wie in dem gegenwartigen, gezeigt: aber von der andern Eigen- dasselbe seyn werden, als die, welche es in dem Kopf jedes andern Lesers
schaft des angenehmen und popularen Vortrags hat dieses Werk in seinen erleiden mull, wenn es verstandlich oder brauchbar seyn soli.
f
36 21ITgcmcinc beutfd)c ~ibfiotbct - Herbst 1783
Was bleibt iibrig, als daB Raum und Zeit s~bjektive Gesetze unsers Vor- theilung? Wodurch wird ihre Vollstiindigkeit bewiesen? Wenn dieB Ver-
stellungsvermogens, Formen der Empfindungen, Einrichtungen unserer standesbegriffe a priori, und nicht bios logische Classifikationen der Priidi-
N atur sind, die allen Eindriicken, wodurch diese modificirt wird, hinwie- kate a posteriori sind: so miissen sie aus der Natur des Verstandes hergelei-
derum diese beyden ihr eigenen allgemeinen Formen, als ihren Stempel tet werden. Scheint es nicht, daB oft auch in dem tiefsinnigsten System, die
aufdriickt. - Mit allen diesen Worten ist etwas zu bekanntes verbunden; Grundbegriffe bios durch Association entstehen, und der Scharfsinn nur
und deswegen so ausgedriickt, scheint diese Meynung immer noch be- beschiiftigt ist, sie durch unerwartete Anwendungen, die er davon zu rna-
fremdlich. Der Verfasser sagt: Raum und Zeit sind subjektive Bedingungen chen weiB, zu rechtfertigen?)
der sinnlichen Anschauung: und in der That verschwindet das Schwierige, Der Verstand hat bey der Verwandlung sinnlicher Bilder in Erfahrungs-
wenn fremde Ideen, durch unbekanntere Worter ausgedriickt werden. I [er)kenntnisse, ein doppeltes Geschiifte; er formirt Begriffe, indem er die
I
DieB ist einer von den Grundpfeilern des Kantschen Systems. Durch I Erscheinungen nach den Categorien ordnet; und er macht Grundsiitze, die
Erscheinungen werden uns die Data zu den Objekten geliefert. Erschei- nichts anders als Ausdriicke seiner eigenen Gesetze, und der Regel des
nungen unterscheiden sich aber von andern Vorstellungen, nur durch die I sinnlichen Anschauens sind. U m Begriffe von Objekten zu Stande zu
subjektive Bedingung, daB Raum u_nd Zeit damit verbunden sind. Aile un- bringen, ist dreyerley nothig: 1. die successiven Eindriicke miissen in Eine
sere Begriffe von Existenzen werden .also darnach gepriift werden, ob sie Empfindung von dem Sinne selbst vereinigt werden; [843) 2. mehrere
mit den Vorstellungen von Raum und Zeit bestehen konnen. vollstiindige Empfindungen miissen durch Hiilfe der Einbildungskraft zu
Aus diesen Erscheinungen nun bildet der 'Verstand Objekre. Er selbst
bildet sie: denn er ist es, der mehrere successive kleine Veriinderungen der
I Einer Wahrnehmung verbunden werden, indem diese die vergangene
Anschauung erneuert, wiihrend daB sich eine neue darstellt; 3. mehrere
Seele in ganze, vollstandige Empfindungen vereinigt; er ist es, der diese Wahrnehmungen miissen durch das BewuBtseyn unserer selbst vereinigt
Ganzen wieder so in der Zeit an einander hangt, daB sie als U rsache und
Wirkung auf ein{842]ander folgen; wodurch jedes seinen bestimmten
I seyn, als gehorig zu Einem und demselben Ich. U m Grundsiitze zu bilden,
miissen nach einem neuen Ausdruck des Verfassers, die Categorien sche-
Platz in der unendlichen Zeit, und aile zusammen die Haltung und Festig- matisirt, d. h. anschaulicher, unmittelbar auf Erscheinungen anwendbarer
keit wirklicher Dinge bekommen; er ist es endlich, der durch einen neuen gemacht werden: und dieses geschieht durch die Verbindung derselben mit
Zusatz von Verkniipfung, die zugleichseyende Gegenstiinde von den den Vorstellungen von Raum und Zeit, als den Bedingungen der Anschau-
successiven unterscheidet, und auf diese Weise, indem er in die Anschau- ung.
ungen der Sinne, Ordnung, RegelmaBigkeit der Folge, und wechselsweisen Analytische Grundsiitze sind, welche bios den schon vorhandenen Be-
EinfluB hineinbringt, die Natur im eigentlichen Verstande hervorbringt, griff des Subjekts entfalten; synthetische, welche ihm ein neues Priidikat
schafft, und ihre Gesetze nach den seinigen bestimmt. - zusetzen. Die letztere konnen nur gemacht werden, wenn das Subjekt zur
Sinnliche Anschauungen allein geben blosse Triiumereyen. Verstandes- Anschauung gebracht wird; (Etwas neues an einem Dinge zu entdecken,
begriffe allein geben bios eine Regel der Ordnung, ohne Sachen, die geord- muB man es vor sich sehen.) und von den Categorien findet also dieB
net werden sollen; sinnliche Anschauungen mit Begriffen verbunden, ge- keine Statt, als wenn sie schematisirt werden. Der erste analytische Grund-
ben Objekte, scheinbare Wirklichkeiten. Diese Gesetze des Verstandes sind satz ist der des Widerspruchs. Er sagt nichts weiter, als, daB wo ich eine
alter als die Erscheinungen, bey welchen sie angewandt werden: es giebt Funktion des Verstandes durch die andre aufbebe, ich keine vornehme.
also Verstandesbegriffe a priori. Herr K. setzt vier allgemeine Funktionen Der allgemeine synthetische Grundsatz ist der, welcher aussagt, daB aile
des Verstandes fest, und leitet daraus vier allgemeine, auf Erscheinungen Erkenntnisse a priori, die zur Formirung einer Erfahrung nothwendig
anwendbare Begriffe, d. h. Categorien her, Qualitiit, Quantitiit, Relation sind, aile Begriffe, ohne welche die Erscheinungen sich nicht in Gegen-
und Modalitiit. Unter dem ersten stehet die Realitiit, die Negation und die stande geben, oder die Gegenstande nicht in zusammenhangendes Ganze
Einschriinkung; unter dem zweyten das Allgemeine, das Besondere, und verbinden lassen, als objektiv giiltig angesehen werden miissen.
das Einzelne; unter dem dritten die Inhiirenz, die Caussalitiit, und die Wenn nun die Caregorie der Quantitiit kombinirt wird mit Raum und
wechselseitige Inf!uenz; unter dem vierten die Moglichkeit, die Existenz, Zeit; so entsteht das Axioma: daB alles was ist, (niimlich in der Erschei-
und die Nothwendigkeit. (Aber auf welchem Grunde beruht diese Ein- nung) exrensiv sey in Raum und Zeit. Nichts kann als da seyend vorge-
40 ~[gemeine Deutfd)e ilJi6Uot~e! - Herbst 1783 Jtant& .lttitif Det teinen 'llemun~ 41
• und eine Dauer ausfiillt.
stellt werden, wenn es nicht einen gewissen Raum einen andern Zeitpunkt gestellt, man es erfahren wiirde. Nothwendig end-
- Aus der Verkniipfung des Begriffs der Qualitat mit Zeit- und Ortsbe- lich ist, was mit dem Wirklichen nach den (845] allgemeinen Gesetzen,
stimmungen, entsteht der Grundsatz: jedes empfundene Ding, Qedes in worauf aile Erfahrung beruht, verkniipft ist. Diesem zufolge giebt es
der Erscheinung wirkliche) muB eine Innere GroBe, einen Grad von Reali- nichts nothwendiges als die Wirkungen; die aus den U rsachen folgen: folg-
tat haben. - Durch eine Anwendung dieses Grundsatzes kann man zeigen, lich sind es immer nur Zustande, Veranderungen, Begebenheiten, deren
daB die Verschiedenheit der specifiken Schwere, nicht aus mehr oder min- N othwendigkeit wir einsehen, nie Substanzen. Diese sind nie Wirkungen;
dern leeren Zwischenraumen in den Korpern allein erklart werden diirfe; sie sind das beharrliche immerwahrende, an welchem die Abwechselung
sondern aus dem ungleichen Grad der Realitat ih{844]rer Grundtheile von U rsachen und Folgen erst merklich wird. Alles also, was wir als
herkommen konne. Wiirde die dritte Categorie, die der Verhaltnisse, Sub- Gegenstande betrachten und benennen, sind nur Erscheinungen, die aber
stantialitat, Inharenz, und wechselseitige Verkniipfung, verglichen mit den durch den Verstand nach seinen eignen Gesetzen, vermoge der in der
drey Hauptbestimmungen der Zeit, Beharrlichkeit, Folge, und Zugleich- Categorie ausgedriickten Funktionen zusammengefugt, nach Raum und
seyn: so entstehen drey Grundsatze, die der Verfasser Analogien der Zeit durchgangig verkniipft werden; und aile Begriffe von Existenz und
Erfahrung nennt. 1) In allen Erscheinungen ist das Substantielle nichts an- Substanz, nebst allen daran klebenden, entstehen, wenn die Gesetze des
ders als das Beharrliche, neben welchem andere Vorstellungen abwechseln, reinen Verstandes, der in die Erscheinungen, Einheit und System bringt,
die die Accidenzien ausmachen. Die Folge des Veranderlichen, also die mit den Gesetzen der Anschauung gleichsam gemeinschaftlich operiren,
Zeit, wird erst durch das Beharrliche merklich, woran es ist, wie voriiber- welche letztere die Zeit- und Ortbestimmungen fordert. Ob es auBer
gehende Schattenbilder einen Grund haben miissen, auf dem ihre Bewe- diesen Objekten, die nur durch Regeln des Verstandes und der Anschau-
gung gesehen wird. So wie also der Begriff der Zeit zu jeder Existenz noth- ung modificirte Eindriicke sind, noch andre gebe, die man Dinge fur sich
wendig ist: so ist es auch die Beharrlichkeit der Substanzen. Der Begriff nennen konnte, wei] ihre Existenz unabhangig von unserer Vorstellungsart
von Schopfung, von Vernichtung ware fur uns eine Aufhebung alles Den- ware: das ist uns zwar vollig unbekannt; und diese Dinge, wenn es deren
kens; und also eine Ungereimtheit. 2) Alles, was geschieht, muB auf etwas giebt, sind fur uns ohne aile Pradikate, also nichts. IndeB sind wir durch
anderes folgen, woraus es regelmaBig flieBt. Denn wo Ein Zeitpunkt ist, da ein ander Gesetz unsers Verstandes gleichsam gezwungen, sie proble-
ist auch ein vorhergehender. Dieser kann nicht leer seyn. Die Folge aber matisch anzunehmen. Und dieB ist es eben, was zu dem Unterschiede
zwischen dem Vorhergehenden und Nachfolgenden muB regelmaBig seyn, zwischen Phanomeuis und Noumenis, in der alten achten Bedeutung
wei! die Zeit eine continuirliche GroBe ist. 3) Alles was zugleich ist, muB AnlaB gegeben hat; Worter, die eine unausweichliche und doch nie zu
in einer wechselseitigen Gemeinschaft seyn. - Auch gleichzeitige Dinge beantwortende Frage anzeigen. -
machen successive Eindriicke. Wodurch unterscheidet sie also der Verstand Die bisherigen Grundsatze zogen wir aus den Categorien, indem wir sie
von successiven? durch eine andre Art von Verkniipfung. - Und welcher in den Erscheinungen gleichsam substantialisirten. Die reinen Vorstellun-
Unterschied kann Statt finden, als daB, da bey den successivis die Einwir- gen des Verstandes konnen aber auch ohne Riicksicht auf Objekte mit ein-
kung einseitig ist, nur vorwarts von U rsache zur Wirkung, sie bey den ander verglichen werden. DieB ist eigentlich was Reflexion heiBt; und die
simultaneis doppelt und gegenseitig werde. Verhiiltnisse, die alsdenn unter ihnen gefunden werden, sind keine andere
Endlich wende man die Categorie der Modalitat, Existenz, Moglichkei~ als die der Einerleyheit und der Verschiedenheit, die des Innern und
und Nothwendigkeit, auf die Bestimmungen an, die dem Anschauen zum AuBern, die der Einstimmung und des Widerspruchs, die endlich des Be-
Grunde liegen: und man wird finden, daB jene Worter ebenfalls nur ge- stimmbaren und Bestimmten, oder der Materie und der Form. Da aber die
wisse Verschiedenheiten in unsern Vorstellungen bezeichnen, und auf Din- Vorstellungen einen doppelten Charakter haben: einen, wenn sie nur im
ge an sich in dieser Bedeutung nicht anwendbar sind. Moglich fur uns ist, reinen Verstande, als Ausdriicke seiner Funktionen vorhanden sind; [846]
was erfahren werden kann, was mit den formalen Bedingungen der Erfah- und einen andern, insofern sie auf Erscheinungen angewandt werden; und
rung iibereinstimmt. Wirklich, was mit den materiellen Bedingungen der in den Empfindungen gleichsam eingewickelt liegen: so bekommen auch
Erfahrung iibereinstimmt, das heiBt, was unmittelbar angeschaut wird, die oben bezeichneten Verhiiltnisse einen doppelten Sinn. 1) Die Verschie-
oder das, wovon man deutlich einsieht, daB an einem andern Platz, in I denheit in den Begriffen vom reinen Verstande gedacht, kann nur in der
.j
42 ~ITgemeine ~eut[ctje if>lbliotbef - Herbst 1783 ole ant~ .ltritif ~er relnen Qlernun~ 43
Verschiedenheit der Merkmale liegen; denn 'auBer diesen enthalt ein Be- besondern Bestimmungen, die vom raumlichen und zeitigen Daseyn ab-
griff nichts. Die Verschiedenheit in den Anschauungen liegt in dem Un- hangen.
terschiede des Orts und der Zeit, wei! diel! die Bedingungen der sinnlichen Hier also ersteigen wir die Spitze metaphysischer Hohe, zu untersu-
Anschauung sind. - 2) Wenn der Verstand das Innere der Dinge ohne chen: was ist Etwas? Wenn von einem Objekte, einem Dinge geredet wird,
Riicksicht auf sinnliche Erscheinungen sucht, so finder er nichts als sein was wird gemeynt? Nichts als eine durch sinnliche Anschauung gegebene,
eignes Denken, was er mit diesem Namen belegen konnte. Das Innere der von dem Verstande bearbeitete, und unter Begriffe gebrachte Vorstellung.
Dinge, wie sie uns in der Anschauung vorkommen, bedeutet die ersten Das Nichts wird also den Mangel einer von diesen beyden Bedingungen des
und allgemeinsten ihrer Verhiiltnisse, dergleichen die anziehende und Reellen anzeigen. Dieser Mangel kann entstehen, entweder wenn diese
zuriickstossende Kraft ist. 3) Einstimmung in den blossen Begriffen, ist Bedingungen ganzlich fehlen, oder wenn sie von uns nur weggelassen
Abwesenheit des Widerspruchs, und dieser besteht in Bejahung und Ver- werden. Wenn der Verstandesbegriff ganzlich aufgehoben wird durch
neinung desselben Pradikats. Einstimmung in den Erscheinungsobjekten einen Widerspruch, oder die sinnliche Anschauung vollig wegfiillt, wei!
ist mogliche Vereinigung der Kriifte, ohne gegenseitige Aufbebung ihrer kein Eindruck vorhanden ist; so ist jenes das nihil negativum, dieses das
Wirkungen; und Widerspruch ist die direkte Entgegensetzung der Kriif- privativum. Wenn wir hingegen selbst beyde von einander trennen, so ent-
te. 4) Materie fiir den Verstand sowohl als die Anschauung, sind die Data stehen Begriffe ohne sinnliche Anschauung, entia rationis, oder Anschau-
der Empfindungen, die einzelnen Modifikationen unserer selbst. Die ungen ohne Begriffe, entia imaginaria, dergleichen der leere Raum ist.
Form fiir den Verstand besteht in den allgem~inen Begriffen a priori, oder Hieraus ist klar, daB der rechte Gebrauch des reinen Verstandes darin
den Categorien, fiir die Phanomena in Raum und Zeit. besteht, seine Begriffe auf sinnliche Erscheinungen anzuwenden, und
Aus der Vermischung dieser beyden Vorstellungsarten der namlichen durch Verbindung beyder Eifahrungen zu formiren; und daB es ein
Verhaltnisse, sind Leibnitzens beriihmte metaphysische Grundsatze herzu- MiBbrauch desselben, und ein nie gelingendes Geschafte seyn wird, aus Be-
leiten und zu widerlegen. Wei! er in den Begriffen der Dinge nicht zwey griffen das Daseyn und die Eigenschaften von Objekten zu schlieBen, die
zahlen konnte, wenn er nicht in dem einen ein Pradikat antra£, das dem wir nie erfahren konnen. Dieser Millbrauch heiBt bey unserm Verfasser
andern fehlte; so schloB er, daB auch der Objekte der Sinnlichkeit nie Dialektik, oder der transcendentelle Gebrauch der Vernunft: und diesen
zwey gedacht werden konnten, wo nicht U nterscheide der Eigenschaften zu priifen, ist der zweyte Theil dieses Werks bestimmt.
waren. Er merkte nicht, daB hier Verschiedenheiten hinzukamen, die den Es tritt nun namlich eine neue Kraft, eine weitere Bearbeitung der Vor-
Begriffen fehlten, die von Raum und Zeit, den Bestimmungen, welche stellungen hinzu, deren QueUe in der Vernunft [848] liegt. Diese bezieht
eigentlich Objekte constituiren. Wei! er durch den Verstand nichts Inneres sich auf die schon gesammleten Verstandsbegriffe, wie der Verstand auf die
an de11 Dingen denken konnte, als eben das Denken: so gab er allen seinen Erscheinungen. So wie der Verstand die Regeln enthalt, nach welchen die
Substanzen Vorstellungskraft, und bildete die Monaden, ohne gewahr zu einzelnen Phanomene in Reihen einer zusammenhangenden Erfahrung
werden, daB in den Objekten der Sinnlichkeit, die nichts als Vorstellungen gebracht werden: so sucht die Vernunft nach den obersten Principien,
sind, und also ganz aus Verhiiltnissen bestehen, ein wahres lnnere nicht durch welche diese Reihen in ein vollstandiges Weltganze vereinigt werden
start finde. Indem [847] er aile Begriffe denkbar fand, die sich nicht wider- konnen. So wie der Verstand aus den Empfindungen eine Kette von Ob-
sprechen: so schloB er, daB aile Realitaten nothwendig zusammenstim- jekten macht, die an einander hangen, wie die Theile der Zeit und des
men, und bewies daraus die Moglichkeit eines vollkommensten Wesens; Raums; wovon aber das letzte Glied immer noch auf friihere oder entfern-
bedachte aber nicht, daB Realitaten, die sich nicht widersprechen, in der tere zuriickweiset: so will die Vernunft diese Kette bis zu ihrem ersten oder
Wirklichkeit einander aufbeben konnen, wie zwey entgegengesetzte Bewe- auBersten Gliede verlangern; sie sucht den Anfang und die Granze der
gungen. - Aile diese und ahnliche metaphysische Tauschungen entstehen Dinge.)
daher, wei! man nicht untersucht, in welchem Geistesvermogen die Vor- Hier kommt nun dem Verfasser das Wort Bedingungen, das er gewahlt
stellungen mit einander verglichen worden. Verhiiltnisse, die in Begriffen hat, sehr wohl zu statten; ein Wort, unter welchem er alles zusammenfaBt,
des reinen Verstandes wahr sind, diirfen auf das Wirkliche: d. h. die Ge- was bey irgend einem Dinge oder Vorstellung vorausgesetzt werden muB,
genstande der Anschauung nicht angewandt werden, ohne den Zusatz der urn sie begreifen zu konnen. So ist die vorhergehende Zeit Bedingung der
44 2f[gemeine beutfdje I!Jibflot~e! - Herbst 1783 Jeantt! Jerltl! ber reinen Qlernun~ 45
ktinftigen, die U rsache von der Wirkung, der Theil vom Ganzen. Der aus demselben nichts von den reellen Eigenschaften des Wesens, das unter
Verstand angewandt auf die Erscheinungen, fiihrt uns allenthalben vom dem Ich vorgestellt werden sol!, schlieBen.
Bedingten zu Bedingungen, die hinwiederum bedingt sind, und bleibt bey Daraus, daB der Begriff von Mir, das Subjekt vieler Satze ist, und nie das
solchen stehen. Das erste Gesetz der Vernunft ist, daB, wo es etwas Beding- Pradikat irgend eines werden kann, wird geschlossen, daB Ich, das denken-
tes giebt, die Reihe der Bedingungen vollstandig gegeben seyn, oder bis zu de Wesen, eine Substanz sey; da doch dieB Wort bloB das Beharrliche in
etwas Unbedingtem hinaufsteigen miisse. Die Nothwendigkeit dieses Na- der auBern Anschauung anzuzeigen bestimmt ist. 2) Daraus, daB in mei-
turgesetzes empfinden wir: aber ist dasselbe eben sowohl ein Gesetz der nen Gedanken sich nicht Theile auBer Theilen finden, wird auf die Ein-
Dinge an sich betrachtet, als eine subjektive Regel unsers Verstandes? Die fachheit der Seele geschlossen: aber keine Einfachheit kann in dem, was
Vernunft geht auf eine zwiefache Art tiber die Erfahrung hinaus: erstlich, als wirklich, d. h. als ein Objekt auBerer Anschauung betrachtet werden
sie will die Reihe der Dinge, die wir erfahren, vie! weiter hinaus verlan- sol!, statt finden; wei! die Bedingung davon ist, daB es im Raume sey,
gern, als die Erfahrung selbst reicht, wei! sie bis zur Vollendung der Rei- einen Raum erfiille. 3) Aus der Identitiit des BewuBtseyns wird auf die
hen gelangen will. Zweytens, sie will uns auch auf Dinge fiihren, deren Personalitat der Seele geschlossen. Aber konnte nicht eine Reihe Substan-
ahnliche wir nie erfahren haben, auf das Unbedingte, das absolut Noth- zen einander ihr BewuBtseyn und ihre Gedanken tibertragen, wie sie
wendige, Uneingeschriinkte. einander ihre Bewegungen mittheilen. (Diese einzige Metapher erhellt die
Diese Totalitat der Bcdingungen nun such~ sie, in Absicht 1) des den- Gedanken des Verfassers [850] mehr, als aile allgemeine Erklarungen.)
kenden Subjekts selbst, 2) der Erscheinungen oder der Objekte der Sinn- 4) Entl!ich wird aus dem Unterschiede zwischen dem BewuBtseyn uns-
lichkeii; · 3) in Absicht der Dinge an sich, oder der transcendentellen rer selbst, und der Anschauung der auBern Dinge, ein TrugschluB auf die
Objekte, die der Verstand voraussetzt, aber nicht kennt. [849] Idealitat der letztern gemacht. Es gehort allerdings aller Scharfsinn des
Daraus entstehen die Vernunftsuntersuchungen, tiber die Seele, die Wei~ Verfassers dazu, nur einigerm:illen begreiflich zu machen, wie der Idealis-
und G~ti mus in Absicht der Korperwelt, den er den empirischen nennt, widerlegt
werden konne durch den transcendentellen Idealismus. Alles, was dem
Der -Verfasser findet, wir wissen nicht, welchen Zusammenhang, zwi-
Rec. davon klar worden ist, vereinigt sich in folgenden: Der Idealist unter-
schen den logischen Regeln der Vernunftsschliisse, und diesen metaphysi-
scheidet die Empfindungen des innern und auBern Sinnes dergestalt, daB
schen Untersuchungen. DaB der Major universe!! seyn muB, ist ihm ein
er sich einbildet: jene stellen ihm wirkliche Dinge, diese nur Wirkungen
Grund, warum die Vernunft Universalitat, die gesammte Vollendung der
von Dingen vor, deren U rsachen ungewiB sind. Der transcendentale Idea-
Weltreihen suchen will. Der categorische SchluB fiihrt ihn auf die Psycho-
list erkennt keinen solchen U nterschied: er sieht ein, daB unser innerer
logie, der hypothetische auf die Cosmologie, der disjunktive auf die Theo-
Sinn uns eben so wenig absolute Pradikate von uns selbst, als der auBere
logie. ber Recensent gesteht, daB er ihm auf diesem Wege nicht zu folgen
von den Korpern angebe, insofern beyde als Dinge an sich betrachtet wer-
weiB.
den sollen; ihm zufolge gleichen unsere Empfindungen einer Reihe ab-
Das allgemeine Resultat dieser Untersuchungen ist: die Grundsatze der wechselnder Gemalde auch darin, daB sie uns eben so wenig die wahren
Vernunft fiihren auf Schein oder auf Widerspriiche, wenn sie ausgedehnt Eigenschaften des Maiers als der gemalten Gegenstande lehren. Mit einem
werden, wirkliche Dinge und ihre Beschaffenheiten zu zeigen; sie sind Wort: der transcendentelle Idealismus beweiBt nicht die Existenz der Ker-
aber von Nutzen und unentbehrlich, wenn sie dem Verstande zur Regel per, sondern er hebt nur den Vorzug auf, den die Uberzeugung von unse-
dienen, in der Erforschung der Natur ohne Ende fortzugehen. Bey der rer eigenen Existenz vor jener haben sol!. ·
Seelenlehre entstehen die Trugschliisse, wenn Bestimmungen, die bloB den In der Psychologie ist der Vernunftschein nur einseitig; in der Cosma-
Gedanken als Gedanken zukommen, fiir Eigenschaften des denkenden logie ist er eben so nothwendig auf zwey Seiten, und einander entgegenge-
Wesens angesehen werden. Ich denke, das ist die einzige Quelle der ganzen setzt: er erregt also Widerspriiche, die nie gehoben werden konnen. Die
Psych. ration. Dieser Satz enthalt kein Pradikat von dem Ich, von dem We- Vernunft sucht namlich die Vollstandigkeit der Reihen· von allen in der
sen selbst. Er sagt bloB eine gewisse Bestimmung der Gedanken, namlich Welt verkntipften Objekten. 1) Die Vollstandigkeit in Absicht der Dauer
den Zusammenhang derselben durch das BewuBtseyn aus. Es laBt sich also und der Ausdehnung; sie fragt nach dem Anfange und der Griinze der
46 2lffgemelne beutfd)e 18ibflot~e! - Herbst 1783 .leant6 .letltlt bet teinen Qleenun~ 47
••
Welt. 2) Die Vollstandigkeit in Absicht der Zusammensetzung; sie fragt: giebt our Erscheinungen, durch welche der Regressus in der That immer
ob die Materie unendlich theilbar sey, oder aus einfachen Elementen be- fortgesetzt werden kann, und doch nicht vollendet wird. Wlilt ist nur ein
stehe? 3) Die Vollstandigkeit in Absicht der Caussalitat; sie fragt: ob es ander Wort, fiir die durch Erfahrung dem Menschen ge{852)gebene Reihe
freye Ursachen gebe, oder ob die Veranderungen selbst, immer eine durch von Vorstellungen. Diese kann fiir ihn weder ins Unendliche fortgehen,
die andere ins unendliche bestimmt sind? 4) Die Vollstandigkeit in Ab- noch je vollstandig sich schlieBen. Die beyden andern Antinomien, in Ab-
sicht der absoluten Existenz der Dinge; sie sucht ein absolut Nothwen- sicht der Freyheit und des Urwesens, betreffen die Granze, das Ji.uBerste
diges. Bey allen diesen Fragen entsteht Widerspruch ganz unausbleiblich, der Dinge, nicht in Absicht der GriiBe, sondern der Caussalitat; und diese
wei! die Vernunft und der Verstand ganz entgegengesetzte Bediirfnisse kiinnen beyde zugleich wahr seyn. Die Reihen von Veranderungen kiin-
haben, ganz verschiedene Forderungen machen. [851] nen aus Handlungen entstehen, die einen doppelten Charakter haben;
Wenn man diese Reihen irgendwo schlieBt, und ein erstes Glied an- einen sinnlichen, insofern sie selbst als Erscheinungen zu den Weltbege-
nimmt, so findet die Vernunft den Stillestand zu pliitzlich, die Reihe zu benheiten gehiiren, und nothwendig als solche auf andre vorhergehende
kurz, und sucht nach hiihern Gliedern, und will man die Reihen ins un- zuriickfiihren; und einen intellektuellen, insofern sie von dem Unbekann-
endliche fortgehen lassen: so scheinen sie dem Verstande zu lang unbe- ten Etwas, das wir das transcendentelle, das Ding an sich nennen, herkom-
greiflich und also ungereimt. Eine Welt ohne Anfang und Granze, ein men, und vermiige dieses Charakters kiinnen sie frey seyn. Eine Spur von
Zusammengesetztes ohne Elemente, Wirkungen ohne freye Ursachen, zu- dieser eigenen Art von Caussalieat findet man in dem Begriff des Solb, in
fallige Dinge ohne ein Nothwendiges beleidigen den Verstand, wei! er den dem Befehlenden der Vernunft; einer Art der Nothwendigkeit, welche von
Ruhepunkt nicht findet, den er sucht: und doch beleidiget es die Vernunft, jeder andern so unterschieden ist, daB sie bey einer Handlung auch dann
wenn man irgend ein Ding als das erste, das einfache, als frey oder noth- noch deutlich eingesehen wird, wenn gleich das Gegentheil derselben, ver-
wendig betrachtet, wei! sie keinen Grund entdeckt, warum man bey die- moge der N othwendigkeit dcr natiirlichen U rsachen, wirklich geschehn
sem mehr als bey jedem andern stehen bleiben miiBte. ist. So wie es einen intellektuellen Charakter der Substanzen in der Welt
Diese Widerspriiche werden gehoben, wenn man den wahren Gebrauch geben kann, in Absicht auf welchen ihre Handlungen frey sind, die in
der Vernunft kennt: wenn sie our bestimmt ist, dem Verstande in der Bil- anderer Absicht, als Phanomene natiirlich nothwendig waren; so kann es
dung und dem Gebrauch seiner Erfahrungskenntnisse vorzuleuchten, so eine ganz intellektuelle Substanz auBer der Reihe des Zufalligen geben, die
werden ihre Grundsatze nicht aussagen, wie die Dinge sind, sondern our diese griindet, ohne sie zu begranzen. (Es ist unmiiglich, die Vereinigung,
dem Verstande vorschreiben, wie er sie behandeln solle: und diese Behand- die hier Herr K. stiften will, deutlich mit kurzen Worten vorzustellen;
lung kann oft gegenseitig, und auf jeder Seite nothwendig seyn. unmiiglich, glaube ich, sie deutlich einzusehen. Aber das ist deutlich, daB
Es widerspricht sich nicht, daB die Vernunft dem Verstande von der der Verfasser gewisse Satze fiir hiiher und heiliger halt, als seine Systeme;
einen Seite anweillt, U rsachen von U rsachen, Theile von Theilen, ohne und daB er bey gewissen Entscheidungen mehr Riicksicht auf die Folgen
Ende aufzusuchen, in der vorgesteckten Absicht, die Vollstandigkeit des nahm, die er durchaus stehen lassen wollte, als auf die Principia, welche er
Systems der Dinge zu erreichen; und von der andern ihn doch warnt, kei- festgesetzt hatte.) Die letzte Completion der Reihen, die die Vernunft ver-
ne U rsache, keinen Theil, den er je durch Erfahrung findet, fiir den letz- langt, die, welche sie am hiichsten, und am weitesten von der Sinnenwelt
ten und ersten anzunehmen. Es ist das Gesetz der Approximation, das abfiihrt, ist die von den Dingen absolut oder an sich betrachtet; und dieses
Unerreichbarkeit und bestandige Annaherung zugleich in sich schlieBt. giebt den Grund zur natiirlichen Theologie.
Sobald aber diese regulative Grundsatze fiir Behauptungen von den Din- Das Resultat von der Kritik derselben ist dem vorigen auBerst ahnlich.
gen selbst angesehen werden: so miissen sie nothwendig auf Widerspriiche Satze, die Wirklichkeiten auszusagen scheinen, werden in Regeln verwan-
fiihren. Durch jene Entdeckung werde diese nun folgendergestalt gehoben. delt, die nur dem Verstande ein gewisses Verfahren vorschreiben. Alles,
Die zwey ersten Antinomien, welche bios die Granze der GriiBe betreffen, was der Verf. hier neues hinzusetzt, ist, daB er das praktische Interesse zu
den Anfang der Welt und die Theilbarkeit der Materie, werden gehoben, Hiilfe (853) ruft, und moralische Ideen endlich den Ausschlag geben laBt,
indem man zeigt, daB beyde Opposita falsch sind. Es giebt keine solche wo die Spekulation beyde Schaalen gleich schwer, oder vielmehr gleich
Welt, keine solche Theilung, wie sie in beyden angenommen wird. Es leer gelassen hatte. Was diese letzte herausbringt, ist folgendes: Aller Ge-
48 Q!Ugcmclnc bcut[c{)c :!;ibUot9cr - Herbst 1783 Jean t 6 .le!ltit btl ltlntn Qlcmun~ 49
·'
danke von einem Eingeschriinkten Reellen• ist dem von einem Einge- Was bleibt also von aller dieser spekulativen Theologie iibrig: nichts als
schriinkten Raum iihnlich. So wie dieser nicht moglich seyn wiirde, wenn die Regel fiir den Verstand: suche unaufhorlich die QueUe aller Realitiiten,
nicht ein unendlicher Allgemeiner Raum wiire, in welchem die Figur das U nbedingte Wesen, indem du von Bedingung zu Bedingung hinauf-
Griinzen setzt: so wiire kein Bestimmtes endliches Reelle moglich, wenn es steigst; aber glaube nie es in irgend einem wirklich erfahrnen Dinge gefun-
nicht ein allgemein unendliches Reale gebe, das den Bestimmungen, d. h. den zu haben.
den Einschriinkungen der einzelnen Dinge zum Grunde liige. - Beydes Diesen Spekulationen kommen nun die moralischen Begriffe zu Hiilfe,
aber ist nur wahr von unsern Begriffen, beydes zeigt nur an ein Gesetz un- die ganz nothwendig und a priori wahr sind; sie zeigen uns eine gewisse
sers Verstandes, inwiefern eine Vorstellung die andere voraussetzt. - Aile Art zu handeln als Recht; - und stellen sie uns zugleich vor, als Anspruch
andere Beweise, die mehr darthun sollten, werden bey der Priifung un- auf Gliickseligkeit. Durch diese beyde Ideen fiihren sie uns auf einen Zu-
zulanglich gefunden. Der erste, der ontologische, der a priori, schlieBt das sammenhang der Dinge, wo Gliickseligkeit nach Wiirdigkeit ausgetheilt
nothwendige Daseyn eines Gottes, aus dem Begriffe der hochsten Voll- seyn miisse; und dieses System, das man das Reich der Gnade nennen
kommenheit, die aile Realitiiten, und also auch das Daseyn in sich konnte, hat Gott an seiner Spitze.
schlieBt. Bey diesem Beweise finden sich zwey Mangel. Erstlich, daB wir Wie weise und gliicklich ist die Natur des Menschen eingerichtet, rief
von diesem allervollkommensten Wesen die innere Moglichkeit, d. h. ob, der Recensent aus, da er auf diesen Theil des Buches kam! Nachdem er
und wie aile Realitiiten in einer Substanz b~mmen· seyn konnen, nicht vorher iiber jeden kleinen Stein des Anstosses gestrauchelt hat, den er auf
einsehen. Zweytens, daB wir von keinem einzigen Wesen, es habe Priidika- dem Wege der Spekulation fand, springt er iiber ganze Felsenstiicke und
te, welche es wolle, die Nothwendigkeit seiner Existenz begreifen. Einen Kliifte hiniiber, sobald ihm das stiirkere Interesse der Tugend zu dem ge-
Widerspruch finden wir nur, wo unter den Priidikaten eines Subjekts, bahnten Wege des gemeinen Menschenverstandes zuriickruft. Sehr wahr
eines das andere aufhebt, aber nie, wo das Subjekt sammt den Priidikaten ist es, daB nur das moralische Gefiihl uns den Gedanken von Gott wichtig
aufgehoben. wird. Die Existenz ist kein neues Priidikat, kein Zusatz zu mache; nur die Vervollkommnung des erstern unsre Theologie verbessert.
dem Begriffe des Dinges; sie kann also mit demselben weder als einstim- Aber daB es moglich sey, dieses Gefiihl und die darauf gegriindeten Wahr-
mig noch widersprechend angesehen werden. heiten festzuhalten, nachdem man aile iibrigen Empfindungen, die sich
aufs Daseyn der Dinge beziehen und die daraus gewgene Theorie aufgeho-
Der kosmologische BeweiB, der aus der Existenz irgend einer Reihe von
ben hat; daB man in dem Reich der Gnaden wohnen und Ieben konne,
zufiilligen Dingen auf das Daseyn eines Gottes schlieBt, erweitert erstlich
nachdem vorher das Reich der Natur vor unsern Augen verschwunden ist:
den Grundsatz der Caussalitiit iiber die Welterscheinungen hinaus, aus de-
[855] das, glaube ich, wird in den Kopf und das Herz nur sehr weniger
nen allein er geschlossen, und fiir welche allein er wahr ist; und zweytens
Menschen Eingang finden.
fiillt er zuletzt mit dem ontologischen zusammen, und setzt ihn voraus;
Der Verfasser zeigt noch in dieser Kritik aller spekulativen Theologie,
indem am Ende doch immer der Zusammenhang zwischen N othwendig-
an einigen Beyspielen, wie der Verstand aus seinen eignen Gesetzen, Ge-
keit und hochster Vollkommenheit bey der niimlichen Substanz gezeigt
setze der Natur mache; wie selbst der groBere Hang des Verstandes zu dem
werden muB; - ein Zusammenhang, der nicht gezeigt werden kann, wei!
einen oder dem andern seiner Principien, ihn veranlaBt, auch die Natur
wir iiberhaupt nothwendige Existenz an den Begriff keines Dinges kniip-
von verschiedenen Seiten anzusehn. DaB wir die Anzahl der Geschlechter
fen, und [854] wei! wir die hochste Vollkommenheit als innerlich moglich
nicht ohne Noth vervielfiiltigen miissen; daB wir in allen Arten Almlich-
nicht darthun konnen.
keiten voraussetzen, durch die sie unter gemeinschaftliche genera gebracht
Der physikotheologische Beweill, der ·aus der Vollkommenheit dieser werden konnen; in allen Eigenschaften mogliche Modifikationen, wo-
unserer WekschlieBt, macht 1) ihren Urheber nicht zu Gott, sondern nur durch sie neue Unterarten geben: das alles entsteht aus einem doppelten
vollkommen oder unvollkommen nach MaaBgebung der Giiter und Ubel, Gesetze unserer Natur, wovon das eine uns diese Regeln zur systemati-
die in der Welt sind, und 2) nimmt er, urn das zu ergiinzen, was aus den schen Anordnung unserer Vorstellungen vorschreibt; das andere uns
Beschaffenheiten dieser Welt nicht geschlossen werden kann, jene ersten nothigt, in der Natur der Dinge dieselbe systematische Einheit vorauszu-
kosmologische und ontologische Beweise von neuem zu Hiilfe. setzen, die unsere Natur in den Begriffen derselben fordert.
50 21Ugcmelne Deut[~e i!Jibfiot~ef - Herbst 1783 .ltant~ .ltrltlf Der relnen 'llcrnun~ 51
Begriffe also geschopft aus Erscheinungen, ' verknlipft in Erfahrungen men ganz erklart, und nicht wieder neue Hypothesen zu Hulfe nehmen
von dem Verstande, in ein kompletes System zwar nie viillig gebracht, aber mull, urn von Theilen desselben Rechenschaft zu geben, der jene erste
doch zu demselben unaufhorlich bearbeitet von der Vernunft, das ist un- kein Genlige that oder gar widersprach. Die Wirklichkeit eines hochsten
sere Welt: diell zu unserm Geschiifte zu machen, ist das Resultat unserer Wesens als Hypothese zur Erkliirung der Welt hat beyde Mangel. Es ist ein
ganzen Cosmo!. und Theol. Wesen anderer Art als alles, was wir erfahren haben; und es erkliirt nicht
Der letzte Theil des Werks, der die Methodenlehre enthiilt, zeigt zuerst, alles; die Unvollkommenheiten und Unordnungen in der Welt verlangen
woflir die reine Vernunft sich hliten mlisse; das ist die Disciplin. Zweytens wieder neue Nebenhypothesen.
die Regeln, wornach sie sich richten mlisse; das ist der Canon der reinen Diell flihrt dann endlich auf den Canon des reinen Verstandes, der aus
Vernunft. Die Untersuchung des dogmatischen Gebrauchs derselben flihrt ihrem hochsten Zwecke, namlich, Moralitiit oder Wlirdigkeit zur Gluck-
auf eine Vergleichung der mathematischen und philosophischen Methode, seligkeit besteht.
die lehrreich auch flir diejenigen ist, die nicht das ganze System des Verfas- DaB wir ein gewisses Verhalten, als der Gllickseligkeit absolut wlirdig
sers ergrlinden kiinnen. Die Mathematik ist die einzige Wissenschaft, die erkennen; und dafl diese Wlirdigkeit mehr als die Gllickseligkeit selbst,
ihre allgemeinen Begriffe anschaulich machen kann, ohne ihrer Allge- der letzte Zweck der Natur sey, beydes wird vielen Lesern weniger evident
meinheit das geringste zu benehmen. Die Philosophie kann ihre Begriffe scheinen, als manche von den Satzen, die die Kritik des V. verworfen hat.
nicht anders anschaulich machen, als durch.jleyspiele· aus der Erfahrung, [857] Das, was wir nicht wissen konnen aus spekulativen Grunden, das
die immer die Einschriinkungen des besondern Falls mit sich flihren. Das verbindet uns die Vernunft zu glauben, wei! sie uns a priori gewisse noth-
gemahlte Dreyeck bildet den allgemeinen Begriff des Dreyecks so vollstiin- wendige Regeln unsers Verhaltens zu erkennen giebt, die doch nicht wahr
dig, und auller demselben so wenig vor, dafl es als eine reine Anschauung seyn, oder wenigstens nicht Triebfedern rur unsern Willen werden konn-
des Begriffs selbst anzusehen ist. Der Begriff von Kraft oder Ursache in ten, wenn nicht ein Gott und ein klinftiges Leben; d. h. wenn nicht ein
[856] einem Beyspiele dargestellt, mischt so vie! fremdes und einzelnes verstiindiger Urheber der Welt, und ein Zustand wiire, wo Gluckseligkeit
dem Allgemeinen bey, dafl es schwer ist, auf dieses allein seine Aufmerk- und Wlirdigkeit immer bey einander sind.
samkeit zu erhalten. In der Mathematik macht die Definition den Begriff, Es ist nicht nothig, dem Leser, der uns bishieher gefolgt ist, in seinem
weil er eine Zusammensetzung unsers eignen Verstandes ist, und ist deswe- Urtheil tiber dieses System vorzugreifen. Es entdeckt unstreitig Schwierig-
gen nothwendig: in der Philosophie soli sie nur einen Begriff, der schon in keiten, die nie ganz gehoben worden, nie werden gehoben werden kiin-
der Seele liegt, aufkliiren; und ist deswegen entbehrlich; auch findet eine nen; und verhilft uns also zu deutlichern Einsichten von den Griinzen
wahre Definition weder von Erfahrungen noch von Ideen des reinen Ver- unsers Verstandes. Von dieser Seite ist das Buch sehr wichtig. Es leistet in
standes statt. In der Mathematik giebt es Axiomata, wei! die Begriffe in einigen Artikeln vollkommen, was der Recensent liingst gewlinscht hat,
ihrer Allgemeinheit, d. h. a priori angeschaut werden konnen, wodurch ge- durch Vergleichung der mit einander streitenden Systeme darzuthun, daB
wisse Siitze unmittelbar evident werden. Solche Axiomen hat die Philoso- es unmoglich sey, bey irgend einem die Vernunft vollig zu befriedigen. -
phie nicht, die ihren Ideen keine Anschaulichkeit zu geben weifl, als a Aber der Verfasser will noch mehr thun! er versucht diese Schwierigkeiten
post. durch Erfahrungen. - Endlich die Mathematik allein hat Demon- durch eine neue klinstliche Wendung aufzulOsen, indem er alles, was wir
strationtn, wo jedem Schritt des Raisonnements die Anschauung zu Seite Gegenstiinde nennen, zu Arten von Vorstellungen macht, und die Gesetze
geht. der Dinge, in subjektive Regeln unserer Denkungskraft verwandelt. Und
Der zweyte Gebrauch der Vernunft, zu bestreiten und zu polemisiren diese Methode, so wie sie nie zur vollen Evidenz gebracht, und also
ist nlitzlich, wenn die Entdeckung der nothwendigen und unauflofllichen brauchbar in Untersuchungen oder im Leben werden kann: so kann sie
Widersprliche, in ihren Behauptungen sie endlich auf die Entdeckung der noch weniger von eben so grollen oder noch groflern Schwierigkeiten be-
Griinzen ruhrt, in denen sie sich halten mull. - Ihr dritter Gebrauch, die freyt werden, als diejenigen sind, denen sie hat abhelfen sollen.
Hypothesen zu bilden, erstreckt sich nur so weit, dafl sie bekannte Natur- Die erste Basis des ganzen Systems ist der neue Gesichtspunkt, in wei-
sachen auf neue Phiinomene anwenden, nicht, dafl sie neue Ursachen er- chen die Begriffe von Raum und Zeit, von dem Verfasser gestellt werden.
denken darf; er ist alsdann zweckmiiflig, wenn die Hypothese das Phano- Als subjektive Bedingungen der sinnlichen Erscheinungen, wie er sie an-
r
52 ~ITgemeine beut[<j)e iBibfiot~et - Herbst 1783 Jean to Jeritit ber reinen 'llernunP 53
• Gesetze unsers Empfin-
sieht, - liegen sie erstlich in uns, sind Formen, gewahr wird, auf welchem der Verfasser zu dieser Absonderung gelangte.
dungsvermogens; und zweytens sind sie das, was die Vorstellungen, welche Er sah das apo-[859]diktisch gewisse der Mathematik, das ihr unter allen
uns etwas als wirklich, als ein Objekt auller uns darstellen, von den tibri- menschlichen Kenntnissen allein eigen ist. Er sah, daB sie die einzige Wis-
gen unterscheidet. Da er einmal das Eigenthtimliche, was unserer Idee von senschaft sey, wo allgemeine Begriffe in aller ihrer Reinheit anschaulich
Existenzen anklebt, und wodurch dieselbe gleichsam gegriindet wird, gemacht werden konnen. Indem er tiefer in diesen Unterschied eindrang,
glaubte gefunden zu haben: so gieng er von diesem Principia aus, urn aile glaubte er eine besondere Art des Anschaulichen bey ihr zu entdecken, die
allgemeine ontologische und cosmologische Grundsatze, die von [858] er die Anschauung a priori nannte, wei! durch sie, ohne Htilfe der Erfah-
wirklichen Dingen etwas aussagen, und die andere fiir Abstraktionen aus rung, doch allgemeine Begriffe so dargestellt werden, wie sonst nur Objek-
der Erfahrung ansehen, aus den eigenthtimlichen Bestimmungen des te der Sinnlichkeit dargestellt werden konnen. Dieses Eigenthtimliche nun
Raums und der Zeit herzuleiten. Wenn wir etwas Substantielles in den der Mathematik und hesonders der Geometrie, schloll er, konne aus
aullern Erscheinungen annehmen; wenn wir von allen Veranderungen Ur- nichts anders herkommen, als aus der besondern Natur ihres Gegenstan-
sachen voraussetzen, aile zugleichseyende Dinge in wechselsweisem Ein- des, des Raums; und da Raum und Zeit vollig analoge Begriffe sind, so
flusse glauben: so kommt dieses uns selbst unbewullt, daher, wei! Zeit und miisse diese Anschauung a priori beyden, und ihnen allein eigen seyn.
Raum, ohne:dienichts als ein Objekt der Sinne erscheinen kann, aile diese Nun schien sich ihm auf einmal ein Licht tiber die Ideen des reinen Ver-
Begriffe in .sich schliellen. Nie sind Zeit u!';d Raum · fiir philosophische standes, und tiber die Erscheinungen der Sinnen zu verbreiten, wei! er
Wahrheiten so fruchtbar gemacht worden, als bey unserm Verfasser. glaubte, das Medium gefunden zu haben, wodurch beyde mit einander ver-
In der That giebt es kaum in dem ganzen U mfang unserer Erkenntnill, einigt werden. Die Begriffe von Raum und Zeit gehoren zu keinem von
zwey so aullerordentliche, von allen andern sich so unterscheidende, so beyden; aber indem sie und aile ihre Folgerungen zu den ersten hinzuge-
unbegreifliche Ideen. Keine von den Theorien, die man bisher dariiber an- setzt werden: so entstehen die Grundsatze, die hinwiederum auf die zwey-
genommen, befriedigt. Sie als Dinge anzusehen, ist unserm Verstande, sie ten angewandt werden, und sie in wahre Erkanntnisse verwandeln kon-
als Verhaltnisse anzusehen, ist unserer Imagination unmoglich. Sie schei- nen. Aber zuerst scheint der Verfasser nicht bemerkt zu haben, daB diese
nen unabhangig von den aullern Empfindungen und friiher als dieselbe zu ganze Theorie bios auf den Sinn des Gesichts kalkulirt ist; und daB
seyn, und lassen sich auch von den innern Empfindungen nicht ableiten. Horen, Schmecken und Ftihlen, wobey kein Raum, keine Anschauung a
Diese Schwierigkeiten sind vorhanden: aber werden sie gehoben, wenn priori vorkommt, auf diese Weise an nichts Wirkliches, an kein Objekt soll-
man Raum und Zeit zu einem Gesetze oder einer Bedingung der An- te denken lassen. Ferner so ahnlich Zeit und Raum einander seyn sollen,
schauung macht? Ist es begreiflicher, wie eine subjektive Form unsers und obgleich beyde, wie der Verfasser sagt, a priori angeschaut werden: wie
Denkens sich als ein Objekt auller uns prasentirt, denn so scheint doch kommt es, daB das Anschauliche der Zeit uns kaum zu einem oder dem
der Imagination der Raum, selbst der leere Raum zu seyn. Zeigt das Wort: anderen Satze, das des Raums aber, zu einer ganzen Wissenschaft, der
Gesetz, subjektivische Form, Bedingung der Anschauung, wenn es nicht Geometrie, verholfen hat?
von einer Modifikation unserer Vorstellungen, sondern von einer beson- Ist vielleicht die dem Verfasser eigenthtimliche, bey ihm so fruchtbare
dern Art derselben gebraucht wird, etwas mehr an, als daB diese Vorstel- Anschauung a priori, nichts anders, als eine sinnliche Abbildung eines Ver-
lung sich in uns findet, ohne daB wir ihren Ursprung aus den Empfindun- standesbegriffes, die aber so simpel ist, daB das Besondere, das Individuelle
gen, so wie bey den tibrigen, zu entdecken wissen? Ist es also nicht im des Bildes das Gemtith wenig frappirt, und also von der Betrachtung des
Grunde ein GestandniB unserer U nwissenheit; die Einsicht der U nmog- allgemeinen nicht abzieht? - Sind dann die Anschauung eines gemahlten
lichkeit die Schwierigkeiten zu heben; ein Gestandnill, das dem Philoso- Triangels in der Geometrie, und die eines Facti in der Philosophie so
phen Ehre macht; eine Einsicht, die ein wahrer Gewinn fiir ihn ist; aber wesentlich von einander unterschie{860]den? - Mich diinkt nein! es sind
die unmoglich der Grund zu so vie! Folgerungen werden kann. beydes Erfahrungsbeyspiele. Nur jenes Beyspiel enthalt so wenig fremdes,
U nd ist denn wirklich der Abstand zwischen den Begriffen von Raum so wenig interessante Nebenumstande und Bestimmungen, daB es uns
und Zeit, und allen andern Begriffen des reinen Verstandes so groll, als der aullerst Ieicht wird, beym Anblick desselben von allen zu abstrahiren, was
Verfasser ihn annimmt? Es scheint dem Recensenten, daB er den Weg nicht zum allgemeinen Begriff gehort. Dahingegen bey den philosophi-
54 ~ffgemeine beut[$e )!;tbliot~er - Herbst 1783 !Bot~ai[$e gefe~tte .Seitungen - 25. Oktober 1783 55
·'
schen Beyspielen sind der fremden Zusatze• so vie!, und die besondern vereinigen konnten. Nach der eigenen Behauptung des Verfassers ist das
Umstande des Falls frappiren oft so sehr, daB die Aufmerksamkeit von Geschaft des Verstandes, nicht, daB er uns neue Erkenntnisse verschaffe,
den allgemeinen Merkmalen des Begriffs ganz abgelenkt, und nur mit sondern daB er die ihm iiberlieferten Empfindungen bearbeite: und so
groflter Miihe die Vermischung von beyden verhiitet wird. scheint es, daB der Verstand wohlthun werde, in Riicksicht aller wirkli-
Endlich, wenn wir aile Unterscheidungen des Verf. zugeben, so scheint chen Dinge sich der Empfindung anzuvertrauen. Wenn, wie der Verfasser
er uns doch noch nicht (seiner Absicht gemaB) hinlanglich erklart zu ha- selbst behauptet, der Verstand nur die Empfindungen bearbeitet, nicht
ben, wie wir durch Gesetze unserer eigenen Natur zur Vorstellung oder neue Kenntnisse uns liefert: so handelt er seinen ersten Gesetzen gemaB,
zur Oberredung von etwas Existirendem gelangen. Denn weder die Begrif- wenn er in allem, was Wirklichkeit betrifft, sich mehr von den Empfin-
fe von Raum und Zeit, noch die mit denselben verbundene Categorien I
dungen leiten laBt, als sie leitet. OberdieB, wenn zwey Sachen wie zwey
sind dem Zustande des Wachens und der Empfindung, in welchem allein I Expressionen in der Algebra, vollkommen gleiche correlate sind: so ist es
wir existirende Objekte annehmen, ausschlieflend eigen: sie sind auch den einerley, welche von beyden ich brauche, von welcher ich als von der Defi-
Romanen, Hirngespinsten und Traumereyen gemein, sie finden sich sogar nition ausgehe, urn die andere daraus zu erklaren. Es werden alsdenn nur
in den Phantasien der Wahnwitzigen. So oft• wir traumen, sehen wir das zwey Worter fiir einerley Objekt seyn; und man bedient sich mit Grunde
Vorgestellte so gut in Zeit. und Raum, in Folge, in gegenseifiger Wirkung,
kurz nach den Gesetzen unsers Geistes: und doch erkennen wir es am
Ende nicht fiir wirklich.- Der U nterschied 'dieser beyden Zustande, der
Empfindung, und der herrschenden Phantasie, auf den der Verfasser keine
I
I
des gelaufigsten. Wenn also die Vorstellungen in uns, modifici;; und geord-
net und zusammen verkniipft nach diesen und diesen Gesetzen, vollkom-
men identisch sind, mit dem, was wir Objekte nennen, wovon wir reden,
und womit sich unsere ganze Klugheit und Wissenschaft beschaftigt: so ist
Riicksicht genommen hat, scheint auch den Verstand von jeher am deut- es auch fiir uns ganz gleichgiiltig, ob wir die Dinge reduciren auf die
Iichsten auf die Wirklichkeit gewisser Objekte gefiihrt zu haben; wei! er
einsah, daB subjektive Gesetze allein die Art und Folge derjenigen Vorstel-
i Ideen, oder die Ideen verwandeln in Dinge. Das letztere ist den Gesetzen
unserer Natur gemasser; - und ist auch unserer Sp.rache schon so einge-
lungen nicht erklaren konnen, die mit dem meisten Grunde, von allen webt, daB wir uns anders nicht auszudriicken wissen.
Menschen als wirkliche Objekte betrachtet werden. I Es wiirde unmoglich seyn, aile Theile des Werks mit denjenigen Re-
Der Satz, der in dem System des Verfassers ausgefiihrt worden, ist in der flexionen zu begleiten, die sie bey dem Recensenten veranlal!t haben. Die
That, der alte bekannte Satz: daB unsere Empfindungen uns nichts von cosmologischen und theologischen [862] Untersuchungen sind an sich
den Qualitaten der Dinge lehren, sondern nur Veranderungen unserer deutlicher, und die Schwierigkeiten, die der Verfasser gemacht, oder in
selbst sind, hervorgebracht durch gewisse uns unbekannte Qualitaten der groflers Licht gesetzt hat, sind auch von ihm selbst aufzu!Osen versucht
Dinge .. Nichts destoweniger, erscheinen (besonders bey dem Sinn des Ge- worden.
sichts) diese Modifikationen unserer selbst, als Objekte aufler uns. Hier ist 'lllbro.
also der erste und groflte Widerspruch zwischen Sinnlichkeit und Ver-
nunft. Jene sagt: es giebt [861] Dinge, und wir wissen ihre Eigenschaften;
diese zeigt deutlich, daB wir von diesen Eigenschaften nichts wissen; und
~iga.
macht uns daher auch die Existenz der Dinge selbst zweifelhaft. - Bis
hieher ist diese U ntersuchung von der Wirklichkeit der Dinge, zugleich Prolegomena zu einer jeden kiinftigen Metapbysik, die als Wissenschaft
eine Erforschung unserer Natur, und wir stollen sehr bald an die Granze, wird auftreten kiinnen, von Immanuel Kant. Bey Joh. Fr. Hartknoch. 1783.
tiber die wir nicht hinauskommen konnen. 222 Seiten gt. 8. {16 gl.) Wenn ein Buch in der jetzigen Zeit die ganz
Aber welcher Vortheil daraus entspringen kann, wenn jene Vernunfts- besondere Aufmerksamkeit und die angestrengteste Priifung wahrer Philo-
idee weiter verfolgt und ausgebildet wird; da doch der Widerspruch zwi- sophen verdient, so ist es das gegenwartige, da es nicht allein darauf aus-
schen ihr und der Sinnlichkeit, die sie immer begleitet, nie aufgehoben geht, die bisher unter dem Namen einer Wissenschaft geltend gewesene
werden kann, ist schwerlich abzusehen. Zu einer wahren KenntniB unsrer Metaphysik in der Reihe der Wissenschaften ganz auszustreichen, sondern
selbst und der Dinge wiirden wir alsdann gelangt seyn, wenn wir beyde auch die Bedingungen an die Hand gibt, die erfiillet werden miissen, ehe
56 IBot~al[d)e gefe~tte ,Setnmgen - 25. Okrober 1783 .!tanto '))tolegomena 57
·'
und bevor eine wahre Metaphysik wieder als 'Wissenschaft auftreten kann. K. versuchte also zuerst, ob sich Humens Einwurf nicht allgemein stellen
U nd wenn es, urn dem Werke Aufmerksamkeit zu verschaffen, noch der liesse, und fand bald, daB der Begriff der Verkniipfung von Ursach und
Auctoritat bedarf, so kiinnen wir mit unserer wahren Oberzeugung hinzu Wiirkung bey weitem nicht der einzige sey, durch den der Verstand a
setzen, daB der Verfasser desselben, als der griindlichste, gelehrteste und priori sich Verkniipfungen der Dinge denkt, vielweniger, daB Metaphysik
scharfsinnigste Philosoph dieser Zeit, schon darum diese Aufmerksamkeit ganz und gar daraus bestehe. Er suchte sich der Zahl dieser Begriffe zu ver-
zu fodern berechtiget sey. So manche unerhebliche Schriftchen veranlassen sichern, und da ihm solches nach Wunsch, nemlich aus einem einzigen
doch wieder andere, durch die sie gepriift, untersucht, widerlegt oder be- Princip, gelungen war, ging er an die Deduction dieser Begriffe, von wei-
sratiget werden. Noch ist diese Ehre der Kritik der reinen Vernunft nicht chen er nun versichert war, daB sie nicht, wie Hume besorgt hatte, von der
wiederfahren. Doch darf man die Hoffnung, daB diejenigen, deren Ge- Erfahrung abgeleitet, sondern aus dem reinen Verstande entsprungen wa-
schaft es ist, Metaphysik zu lehren, mit Hrn. Kant iiber diesen Gegenstand ren. U nd so entstand des Hrn. Verf. Critik der reinen Vernunft, worin er
sich iiffentlich in Untersuchungen, wozu er sie auch auffodert, entweder das Humische Problem in seiner miiglich griiBten Erweiterung ausfiihrte;
in eigenen Schriften, oder in griiBeren J ournalen einlassen werden, noch indem er in der reinen Vernunft selbst forschte, und in dieser Quelle selbst
nicht aufgeben, da die Sache nicht eilfertig, sondern mit griindlicher Ober- die Elemente sowohl, als auch die Gesetze ihres reinen Gebrauchs nach
legung und Nachdenken behandelt werden mull. Schliige diese Hoffnung Principien zu bestimmen suchte. Von diesem Werke nun sind gegenwarti-
fehl, so miiBte denn freylich Hr. K. das was e~ angefangen hat, wohl selbst ge Prolegomena die Voriibungen, die dazu dienen sollen, der Beschwerde
allein auch ausfiihren. - Der Angriff, den David Hume auf die Metaphy- iiber eine gewisse Dunkelheit in jenem Werke abzuhelfen, die zum Theil
sik machte, sagt der Hr. Verf. sey dasjenige gewesen, was ihm schon vor von der Weitlauftigkeit des Plans herriihrt, bey welcherman die Haupt-
vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrochen, [706) puncte, auf die es bey der Untersuchung ankiimmt, nicht wahl [707] iiber-
und seinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine sehen kann. Wir erhalten also hier einen blossen Plan von der Critik der
ganz andere Richtung gegeben habe. Hume bewies nemlich unwider- reinen Vernunft, durch welchen man in den Stand gesetzt wird, das Ganze
sprechlich, daB es der Vernunft ganz unmiiglich sey, a priori und aus den zu iibersehen, und die Hauptpunkte, worauf es bey dieser Wissenschaft an-
Begriffen ·eine Verbindung zwischen Ursach und Wiirkung zu denken, kiimmt, stiickweise zu priifen. Da es die Einrichtung einer Zeitung nicht
denn diese enthalte Nathwendigkeit; es sey aber gar nicht abzusehen, wie erlaubt, sich auf eine umstandliche Zergliederung eines Systems, von der
darum, wei! Etwas ist, auch Etwas anderes nothwendiger Weise seyn miis- Beschaffenheit und dem U mfange des gegenwartigen, einzulassen, so
se, und wie sich also der Begriff von einer solchen Verkniipfung a priori wollen wir wenigstens die Absicht des Verfassers, so vie! miiglich, deutlich
einfiihren lasse. Hieraus schloB er, daB die Vernunft diesen Begriff zu machen suchen, und schon zufrieden seyn, wenn durch unsere geringe
falschlich fiir ihr Kind halte, und derselbe nichts anders, als ein Bastard Vermittelung fiir das Werk von neuem in competentem Richtem
der Einbildungskraft sey, die durch Erfahrung beschwangert, gewisse Vor- Sensation erregt wird. U nsere Anzeige wird gleichwohl weitlauftig genug
stellungen unter das Gesetz der Association gebracht habe, und eine daraus ausfallen. Die Mangelhaftigkeit, Unzulanglichkeit, Unstatthaftigkeit der
entspringende subjective Nothwendigkeit, d. i. Gewohnheit, fiir eine ob- zeitherigen sogenannten Metaphysik riihret daher, daB man die Begriffe
jective aus Einsicht unterschiebe. Hieraus schloll Hume, die Vernunft habe von Gegenstanden metaphysischer Untersuchungen, nicht nach einer
gar kein Vermiigen, solche Verkniipfungen, auch selbst nur im Allgemei- ganz reinen philosophischen ErkenntniB, und von Erfahrungsquellen
nen zu denken, wei! ihre Begriffe alsdann blosse Erdichtungen seyn wiir- ganz unabhangig, gebildet hat, indem die Erkenntnillart, die allein meta-
den, und aile ihre vorgeblich a priori bestehende Erkenntnisse waren physisch heissen kann, nicht gehiirig bestimmt worden. Bey diesem we-
nichts, als falsch gestempelte gemeine Erfahrungen, welches eben so vie! sentlichen Fehler ist also aile bisherige Metaphysik irrig und unstatthaft.
sagt, als es gebe iiberall keine Metaphysik, und kiinne auch keine geben. Durch die Bestimmung der wahren, der Metaphysik eigenthiimlichen Er-
Hr. K. war weit entfernt, Humen in Ansehung dieser Folgerungen Gehiir kenntniBart, und durch die mittelst derselben unternommene Beurthei-
zu geben; diese riihrten bloB daher, daB er sich seine Aufgabe nicht im lung und Bestimmung der metaphysischen Begriffe, sucht nun der Verf.
Ganzen vorstellte, sondern nur auf einen Theil derselben gefallen war, der, jenem Erbfehler abzuhelfen, und zu einer ganz neuen und wahren Meta-
ohne das Ganze in Betracht zu ziehen, keine Auskunft geben konnte. Hr. physik den Weg zu bahnen, indem er zugleich die Schwierigkeiten des
58 ®otbaifc()e gclebete ,3eltungen - 25. Oktober 1783 .1t ant~ 'l)eolegomena 59
humischen Problems aufliist, seine Folgerungen• vernichtet, und zeigt, wie Verstande allerdings recht vie! geniitzt, die Wissenschaft der Metaphysik
gleichwohl eine reine philosophische ErkenntniB a priori, von aller sinn- aber dadurch nicht im mindesten weiter gebracht, wei! jene Zergliede-
lichen Erfahrung abgesondert, miiglich sey. - Die Quellen einer metaphy- rungen der Begriffe nur Materialien sind, daraus allererst Wissenschaft ge-
sischen ErkenntniB, miissen niemals aus der Erfahrung genommen seyn: zimmert werden soiL So mag man z. B. den Begriff von Substanz und
denn sie soli niche pbysische, sondern metapbysische, d. i. jenseit der Erfah- Accidens noch so schiin zergliedern und bestimmen; das ist recht gut als
rung liegende ErkenntniB, seyn. Also weder aussere Erfahrung, welche die Vorbereitung zu einem kiinftigen Gebrauche. Kann ich aber gar nicht be-
QueUe der eigentlichen Physik, noch innere, welche die Grundlage der weisen, daB in allem was da ist, die Substanz beharre, und nur die Acci-
empirischen Psychologie ausmacht; sondern ErkenntniB a priori, oder aus denzen wechseln, so war durch aile jene Zergliederung die Wissenschaft
reinem Verstande und reiner Vernunft. Da sie aber auch hierin niches Un- nicht im mindesten weiter gebracht. Nun hat Metaphysik weder diesen
terscheidendes von der reinen Mathematik hahen wlirde, so wird diese Er- Satz, noch den Satz des zureichenden Grundes, vielweniger irgend einen
kenntni£ reine philosophische Erkenntnifl heissen miissen, (was das heisse, zusammengesetztern, als z. B. einen zur Seelenlehre oder Cosmologie ge-
ist S. 712. d. Krit. d. r. V. erklare.) Metaphysische Erkenntni£ muB Iauter hiirigen, und liberal! gar keinen synthetischen Satz bisher a priori giiltig
Urtheile a priori enthalten, das erfodert das Eigenthiimliche ihrer Quellen. beweisen kiinnen: also ist durch alle jene Analysis nichts ausgerichtet,
Allein Urtheile miigen nun einen Ursprung haben, welchen sie wollen, niches geschafft und gefiirdert worden, und die Wissenschaft ist, nach so
oder auch ihrer logischen Form nach beschaffen seyn wie sie wollen, so vie! Gewiihl und Gerausch, noch immer da, wo sie zu Aristoteles Zeiten
gibt es doch einen U nterschied derselben, d~in Inhalte nach, vermiige des- war, ob zwar die Veranstaltungen dazu, wenn man nur erst den Leitfaden
sen sie entweder erlauternd sind, und zum Inhalte der Erkenntni£ nichts zu synthetischen Erkenntnissen gefunden hatte, unstreitig vie! besser wie
hinzu thun, oder erweiternd, und die gegebene Erkenntni£ ver{708)gr6- sonst getroffen worden. - Wir gehen weiter. Das gemein{709]schaftliche
Bern; die erstern nennt der Verfasser analytische, die zweyten syntbetische Princip aller analytischen Urtheile, ist der Satz des Widerspruchs.
Urtheile. Dieser Unterschied ist ausserst wichtig. Man kann, sagt der Verf. Synthetische Urtheile, sowohl die a posteriori, deren Ursprung empirisch
kein einziges Buch aufzeigen, so wie man etwa einen Euklid vorzeigt, und ist, als die a priori, die aus reinem Verstande und Vernunft enespringen, er-
sagen, das ist Metaphysik, hier findet ihr den vornehmsten Zweck dieser fodern noch ein ganz anderes Princip, ob sie gleich jenem Grundsatz nie-
Wissenschaft, das Erkenntni£ eines hiichsten Wesens und einer kiinftigen mals zuwider seyn diirfen. Erfahrungsurtbeile sind jederzeit synthetisch, so
Welt, bewiesen aus Principien der reinen Vernunft. Denn man kann uns wie alle mathematische Urtheile, auch ist kein Grundsatz der reinen Geo-
zwar viele Satze aufzeigen, die apodiktisch gewi£ sind, und niemals be- metrie analytisch. Nach diesen Vorerkenntnissen kiimmt nun der Verfas-
stritten worden; aber diese sind insgesammt analytisch, und betreffen mehr ser auf die Beantwortung der allgemeinen Frage: Ist iiberall Metaphysik
die Materialien und den Bauzeug zur Metaphysik, als die Erweiterung der miiglich? - Metaphysik, hei£t es, hat eigentlich mit synthetischen Satzen
Erkenntni£, die doch unsere eigentliche Absicht mit ihr seyn soiL Ob ihr a priori zu thun, und diese allein machen ihren Zweck aus, zu welchem sie
gleich aber auch syntbetische Satze (z. B. den Satz des zureichenden Grun- zwar allerdings mancher Zergliederungen ihrer Begriffe, mithin analy-
des) vorzeigt, die ihr niemals aus blosser Vernunft, mithin, wie doch eure tischer U rtheile bedarf, wobey aber das Verfahren niche anders ist, als in
Pflicht war, a priori, bewiesen habt, die man euch aber dennoch gerne ein- jeder andern ErkenntniBart, wo man seine Begriffe durch Zergliederung
raumet: so gerathet ihr doch, wenn ihr euch derselben zu eurem Haupt- bloB deutlich zu machen sucht. Allein die Erzeugung der ErkenntniB a
zwecke bedienen wollt, in so unstatthafte und unsichere Behauptungen, priori, sowohl der Anschauung als Begriffen nach, endlich auch synthe-
daB zu aller Zeit eine Metaphysik der andern entweder in Ansehung der tischer Satze a priori, und zwar im philosophischen Erkenntnisse, machen
Behauptungen selbst, oder ihrer Beweise, widersprochen, und dadurch den wesentlichen Inhale der Metaphysik aus. Ob wir gleich nicht anneh-
ihren Anspruch auf dauernden Beyfall selbst vernichtet hat, u. s. w. Noch men kiinnen, daB eine solche Metaphysik als Wissenschaft wiirklich sey, so
eine andere hierher gehiirige wichtige Stelle, befindet sich §. 58. bey Un- trift es sich doch zum Gliick, mit Zuversicht sagen zu konnen, daB gewis-
tersuchung der Frage: wie ist Metaphysik miiglich? - Das was bisher, se reine synthetische ErkenntniB a priori wiirklich und gegeben sey, nem-
heiBt es, Metaphysik geheissen hat, kann keinem priifenden Kopfe Geniige lich reine Mathematik, und reine Naturwissenschaft; denn beyde enthalten
thun. - Durch analytische Behandlung unserer Begriffe, wird zwar dem Satze, die theils apodictisch gewiB durch bloBe Vernunft, theils durch die
60 l!lot~ai[d)e ge!e~ete ,Seitungen- 25. u. 29. Oktober 1783 .ltant~ <prolegomena 61
·'
allgemeine Einstimmung aus der Erfahrung,• und dennoch als von Erfah- Mathematik allen ihren Erkenntnissen und U rtheilen, die zugleich als
rung unabhangig, durchgiingig anerkannt werde. Da also synthetische apodictisch und nothwendig auftreten, zum Grunde lege, sind Raum und
•
Erkenntnill a priori wiirklich ist, so ist nunmehr die Frage, wie ist Er- Zeit.
kenntniB aus reiner Vernunft, oder praciser: wie sind synthetische Satze a
l
priori moglich? Auf die Auflosung dieser Aufgabe nun kommt das Stehen
oder Fallen der Metaphysik, und also ihre Existenz ganzlich an. Es mag je-
mand seine Behauptungen in derselben mit noch so groBem Scheine vor-
I
·I
[715] II. Zweyte Frage. Natur ist das Daseyn der Dinge, so fern es nach
allgemeinen Gesetzen bestimmt ist. Der Begriff der Bewegung, Undurch-
dringlichkeit, Tragheit u. s. w. ist niche ganz rein, und von Erfah-
tragen, Schltisse auf Schliisse bis zum Erdriicken aufbaufen, wenn er nicht rungsquellen unabhangig. Aber in der allgemeinen Physik gibt es einige,
vorher jene Frage hat genugthuend beantworten konnen, so habe ich z. B. der, daB die Substanz bleibt und beharrt; daB alles was geschieht, je-
Recht zu sagen: es ist alles eitle grundlose Philosophie und falsche Weis- derzeit durch eine Ursache nach bestandigen Gesetzen vorher bestimmt
heit. Die Auflosung dieser Frage bewiirkt denn nun der Verf. nach analy- sey, u. s. w. die wiirklich die verlangte Allgemeinheit haben. Es gibt also in
tischer Methode, da er hingegen in der Crit. d. r. V. in Absicht auf diese i der That eine reine Naturwissenschaft. Wie ist diese moglich? Das Wort
Frage, synthetisch zu Werke gehen muste. Da er also voraus setzt, daB Natur hat noch eine andere Bedeutung; materialiter betrachtet, ist sie der
synthetische Erkenntnisse aus reiner Vernunft wiirklich sind, so kann er Inbegriff aller Gegenstande der Erfahrung, und so fern sie a priori erkannt
sich nur auf zwey Wissenschaften der theoretischen Erkenntnill, (als von wird, die nothwendige GesetzmaBigkeit derselben. Es ist also die Frage: wie
der hier allein die Rede ist,) berufen, nemlich reine Mathematik und reine ist die nothwendige GesetzmaBigkeit der Dinge als Gegenstande der Er-
Naturwissenschaft. U m aber von diesen wiirklichen und zugleich gegriin- fahrung a priori zu erkennen moglich? Aile Erfahrungsurtheile sind empi-
deten reinen Erkenntnissen a priori zu einer moglichen, die [710] gesucht risch, aber umgekehrt sind nicht aile empirische Urtheile Erfahrungs-
werden soli, nemlich einer Metaphysik, als Wissenschaft, aufzusteigen, urtheile; sondern sie sind es nur, so fern sie objective Giiltigkeit haben, die
muB das,. was sie veranlaBt, und was als bloB natiirlich gegebene, obgleich aber, welche nur subjectiv giiltig sind, nennt der Verfasser Wahmehmungs-
wegen ihrer Wahrheit nicht unverdachtige, ErkenntniB a priori jener zum urtheile. Jene erfodern ailemal iiber die Vorstellungen der sinnlichen
Grunde liegt, deren Bearbeitung ohne aile critische Untersuchung ihrer Anschauung noch besondere im Verstande erzeugte Begriffe, die es eben
Moglichkeit gewohnlicher maaBen schon Metaphysik genannt wird, mit machen, daB das Erfahrungsurtheil objectiv giiltig ist. Soli aus einem
einem Worte, die Naturanlage zu einer solchen Wissenschaft unter jener Wahrnehmungsurtheil ein Erfahrungsurtheil werden, so muB die gegebe-
Hauptfrage mit begriffen werden, und so wird die transscendentale Haupt- ne Anschauung unter einem Begriff subsumirt werden, der die Form des
frage, in vier andere Fragen zertheilt, nach und nach beantwortet: 1) Wie Urtheilens iiberhaupt in Ansehung der Anschauung bestimmt, das empi-
ist reine Mathematik moglich? 2) wie ist reine Naturwissenschaft mog- rische BewuBtseyn der letztern in einem BewuBt{716]seyn iiberhaupt ver-
lich? 3) wie ist Metaphysik iiberhaupt moglich? 4) wie ist Metaphysik als kniipft, und dadurch den empirischen Urtheilen Allgemeingiiltigkeit ver-
Wissenschaft moglich? I. Erste Frage. Aile mathematische ErkenntniB hat schaft. Und so sind aile synthetischen Urtheile, so fern sie objectiv gelten.
das Eigenthiimliche, daB sie ihren Begriff vorher in der Anschauung, und Urn also die Moglichkeit der Erfahrung, so fern sie auf reinen Ver-
zwar a priori , d. i. einer solchen, die nicht empirisch ist, darstellen muB, standesbegriffen a priori beruht, darzulegen, wird zuvor das, was zum Dr-
ohne welches Mittel sie nicht einen einzigen Schritt thun kann. Es muB theilen iiberhaupt gehort, und die verschiedenen Momente des Verstandes
ihr also eine reine Anschauung zum Grunde liegen, in welcher sie aile ihre in demselben, in einer vollstandigen Tafel vorgestellt. Wir geben bloB das
Begriffe in concreto, und dennoch a priori darstellen, oder wie man es Resultat: Erfahrung besteht in der synthetischen Verkniipfung der Er-
nennt, construiren kann. Wie ist es aber mOglich, etwas a priori anzu- scheinungen (Wahrnehmungen) in einem BewuBtseyn, so fern dieselbe
schauen? Wie kann Anschauung des Gegenstandes vor dem Gegenstande nothwendig ist. Daher sind reine Verstandsbegriffe diejenigen, unter denen
selbst hergehen? Dies ist nur auf eine einzige Art moglich, nemlich: wenn aile Wahrnehmungen zuvor miissen subsumirt werden, ehe sie zu Erfah-
sie niches anders enthiilt, als die Form der Sinnlichkei~ die in meinem Sub- rungsurtheilen dienen konnen, in welchen die synthetische Einheit der
jekte vor allen wiirklichen Eindriicken vorher geht, dadurch ich von Ge- Wahrnehmungen als nothwendig und allgemein giiltig vorgestellt wird.
genstanden afficirt werde. Solche reine Anschauungen, welche die reine U rtheile, so fern sie bloB als die Bedingung der Vereinigung gegebner Vor-
I
62 \!lof6aifd)e gelebrte ,3eitungen- 29. Oktober 1783 .R: ante 'l)rolegomena 63
..
stellungen in einem Bewulltseyn betrachtet V:.erden, sind Regeln; diese Re- rien zur Erfahrung bedurfte, so enthalt die Vernunft in sich den Grund zu
geln, so fern sie die Vereinigung als nothwendig vorstellen, sind Regeln a Ideen, worunter der Verf. nothwendige Begriffe versteht, deren Gegen-
priori, und so fern keine iiber sie sind, von denen sie abgeleitet werden, stand gleichwohl in keiner Erfahrung gegeben werden kann. Die Auf!O-
Grundsatze. Da nun in Ansehung der Moglichkeit aller Erfahrung, wenn sung dieser Frage ist folgende: Die reine Vernunft hat unter ihren Ideen
man an ihr bloll die Form des Denkens betrachtet, keine Bedingungen der nicht besondere Gegenstande, die iiber das Feld der Erfahrung hinaus
Erfahrungsurtheile iiber diejenigen sind, welche die Erscheinungen, nach lagen, zur Absicht, sondern fodert nur Vollstandigkeit des Verstandesge-
der verschiedenen Form ihrer Anschauung unter reine Verstandesbegriffe brauchs im Zusammenhange der Erfahrung. Diese Vollstandigkeit aber
bringen, die das empirische Urtheil objectiv giiltig machen, so sind diese kann nur eine Vollstandigkeit der Principien, aber nicht der Anschau-
die Grundsatze moglicher Erfahrung. Diese sind nun zugleich allgemeine ungen und Gegenstande seyn. Gleichwohl urn sich jene bestimmt vorzu-
Gesetze der Natur, welche a priori erkannt werden konnen. Nachdem stellen, denkt sie sich solche, als die Erkenntnill eines Objects, dessen
hierauf der Verf. den humischen Zweifel und dessen problematischen Be- Erkenntnill in Ansehung jener Regeln vollstandig bestimmt ist, welches
griff der Ursach aufgeloset, und dadurch den reinen Verstandesbegriffen Object aber nur eine Idee ist, urn die Verstandeserkenntnill der Voll-
ihren Ursprung a priori, den allgemeinen Naturgesetzen aber ihre Giiltig-. standigkeit, die jene Idee bezeichnet, so nahe als moglich zu bringen. Der
keit als Gesetzen des Verstandes, (doch so, dall ihr Gebrauch nur auf Er- Verf. wendet nunmehr seine Grundsatze auf die Hauptgegenstande der
fahrung eingeschrankt wird, wei! ihre Moglichkeit bloll in der Beziehung Metaphysik, nemlich psychologische, kosmologische und theologische
des Verstandes auf Erfahrung ihren Grund ilat,) gerettet hat, zieht er das Ideen vortreflich an, handelt alsdann von der Grenzbestimmung der
Resultat aller bisherigen Nachforschungen: Aile synthetische Grundsatze reinen Vernunft sehr scharfsinnig, und stellt Metaphysik, wie sie wiirklich
a priori sind weiter nichts als Principien moglicher Erfahrung, und kon- in der N aturanlage der menschlichen Vernunft gegeben ist, und zwar in
nen niemals auf Dinge an sich selbst, sondern nur auf Erscheinungen, als demjenigen, was den wesentlichen Zweck ihrer Bearbeitung ausmacht,
Gegenstande der Erfahrung (nicht Wahrnehmung) bezogen werden. Und nach ihrer subjectiven Moglichkeit, ausfiihrlich dar. IV. Vierte Frage. Da
so hat man denn, einmal, fii.gt er hinzu, etwas Bestimmtes, woran man bisher aile Wege, die man eingeschlagen hat, Metaphysik als Wissenschaft
sich bey allen metaphysischen Unternehmungen, die bisher kiihn genug, wiirklich zu machen, diesen Zweck nicht erreicht haben, auch ausser einer
aber jederzeit blind, iiber alles ohne Unterschied gegangen sind, halten vorhergehenden Critik der reinen Vernunft ein solcher wohl niemals
kann. - Der Verf. geht nun auf die Frage iiber: Wie ist Natur selbst mog- erreicht werden wird, so schlagt der Verf. vor, den Versuch, den er davon
lich? wie in materieller; wie in Jormeller Bedeutung? und sucht den schein- bekannt gemacht hat, zu priifen, und hierbey diese Prolegomena als l.eit-
bar paradoxen Satz festzusetzen: Der Verstand schopft seine Gesetze a faden zum Grunde zu legen, wobey er zugleich die in den GOttingischen
priori nicht aus der Natur, sondern [717] schreibt sie dieser vor; worauf so- gelehrten Anzeigen befindliche Recension seiner Critik der reinen Ver-
dann von dem System der Categorien gehandelt wird, dessen Wesentliches [7l8]nunft widerlegt, und die Methode der Priifung selbst an die Hand
darin besteht, dall vermittelst derselben, die wahre Bedeutung der reinen gibt. Noch ist zu bemerken, dall sich der Verf. gegen den Vorwurf, dall
Verstandesbegriffe und die Bedingung ihres Gebrauchs genau bestimmt aus seinen Behauptungen der Idealismus, oder dall es keine andere als
werden kann. - Ill. Dritte Frage: Wie ist Metaphysik iiberhaupt moglich? denkende Wesen gebe, die iibrigen Dinge aber nur Vorstellungen in densel-
Metaphysik hat es, ausser mit Naturbegriffen, die in der Erfahrung jeder- ben waren, fliesse, und dall seine Lehre von der Idealitat des Raums und
zeit ihre Anwendung finden, noch mit reinen Vernunftbegriffen zu thun, der Zeit, die ganze Sinnenwelt in Iauter Schein verwandle, griindlich ver-
die niemals in irgend einer nur immer moglichen Erfahrung gegebeny;er- theidiget.
den. Diese Frage betrift also gleichsam den Kern und das Eigenthiimliche
der Metaphysik, nemlich die Beschaftigung der Vernunft bloll mit sich
selbst, und, indem sie iiber ihre eigenen Begriffe briitet, die unmittelbar
daraus vermeintlich entspringende Bekanntschaft mit Objecten, ohne
dazu der Vermittelung der Erfahrung nothig zu haben, noch iiberhaupt
durch dieselbe dazu gelangen zu konnen. So wie der Verstand der Catego-
~Bot~. gel. ,3.- 11. Febr. 1784 I Uber0<9t b. n. 'J)~Ifof. ~itt. - Friihjahr 1784 65
malligkeit derselben. Hier hat man es nur mit Dingen einer moglichen
Erfahrung zu thun. Der Inbegriff derselben wird hier Natur genennet. Die
Aufgabe lallt sich also in folgende Forme! verwandeln: [56] Wie ist noth-
wendige Gesetzmasigkeit der Erfahrung selbst in Ansehung aller ihrer
Gegenstande iiberhaupt a priori zu erkennen moglich? Es ist da nicht die
Rede, wie wir durch Beobachtung die Naturgesetze ablernen sollen, da
ware unsere ErkenntniB von der Erfahrung abhangig, gienge nicht vor ihr
her, und ware also nicht a priori. Sondern die Rede ist davon; wie die
Bedingungen a priori von der Moglichkeit der Erfahrung zugleich die
Quellen sind, aus denen aile allgemeine N aturgesetze hergeleitet werden
mtissen.
Es ist ein Unterschied unter Wahmehmungs-Urtheil und Erfahrungs-
Urtheil. DaB das Zimmer warm, der Zucker still, sind Wahrnehmungs-
urtheile. Sie driicken nur Empfindungen der Subjecte aus, und man will
nicht daB das auch Eigenschaften des Objects seyn, und daB jeder andere
es eben so finden salle. Die Luft ist elastisch, ist mehr als Wahrnehmungs-
urtheil, es ist Erfahrungsurtheil. Hier sol! die Verkniipfung unter einer Be-
dingung stehn, die sie allgemein giiltig macht. Es sol! jedermann zu allen
Zeiten diese Wahrnehmung unter denselben Umstanden nothwendig ver-
binden mlissen. Wie ist ein solches Erfahrungs-Urtheil moglich?
Zum Grunde liegt die Anschauung deren ich mir bewust bin, die bios
den Sinn en angehort. Aber es kommt zweytens das U rtheil hinzu, das
bios dem Verstande zukommt. Dies kann nun zwiefach seyn. Entweder
vergleiche ich bios die Wahrnehmung und [57] verbinde sie in einem Be-
wustseyn meines Zustandes; oder ich verbinde sie in einem Bewustseyn
iiberhaupt. Das erste hat nur subjective Giiltigkeit, ist bios Wahrneh-
mungsurtheil, Verkniipfung der Wahrnehmung in einem Gemliths-Zu-
stande ohne Beziehung auf den Gegenstand. Soli aus Wahrnehmung
Erfahrung werden, so mull die gegebene Anschauung bestimmt, das empi-
rische Bewustseyn der letztern in ein Bewustseyn iiberhaupt verkniipft,
und dadurch dem empirischen U rtheilen Allgemeingiiltigkeit verschafft,
dergleichen Begrif ist ein allgemeiner Verstandsbegrif a priori, welcher
niches thut, als bios reiner Anschauung die Art iiberhaupt zu bestimmen,
wie sie zu U rtheilen dienen kann. Es sey ein solcher Begrif der Begrif von
der Ursache, so bestimmt er die Anschauung die unter ihm subsumirt ist,
z. B. die der Luft in Ansehung des U rtheilens iiberhaupt, namlich daB der
Begrif der Luft in Ansehung der Ausspannung in dem Verhaltnill des An-
tecedens zum Consequens in einem Hipothetischen Urtheile diene. Der
Begrif der Ursache ist also ein reiner Verstandsbegrif, der von aller mogli-
chen Wahrnehmung ganzlich unterschieden ist, und nur dazu dienet, ein
f
70 ilberOc(lt ber neue~en 'J)~i[of. mtteratur- Friihjahr 1784 I Jean t ~ 'J)ro[egomena 71
·'
allgemeingiiltiges Urtheil moglich zu mach~n. Soll also aus einem Wahr- I erste Idee ist physiologisch, die andere cosmologisch, die dritte theolo-
nehmungsurtheil ein Urtheil der Erfahrung werden, so mull die Wahrneh- gisch. Darauf griindet sich die Eintheilung der ganzen Dialectik der reinen
mung unter einen dergleichen Verstandsbegrif subsumirt werden, z. E. der Vernunft, in den Paralogismus, die Antinomie, und endlich das Ideal der-
Satz: Wenn die Sonne den Stein be{58]scheint so wird er warm, ist ein bio- selben. Dadurch wird das Vernunftvermogen ganzlich ausgemessen.
ses Wahrnehmungs-Urtheil, und enthalt keine Nothwendigkeit. Sage ich
aber; die Sonne erwarmt den Stein, so kommt ausser der Wahrnehmung I. Psychologische Ideen.
noch der Verstandsbegrif von U rsache hinzu, der mit dem Begrif des Son- Der menschliche Verstand kennt das Substantiale der Dinge nicht. Es
nenscheins, dem Begrif der Warme nothwendig verkniipft, und das syn- scheint zwar als wenn wir in [60] uns, in dem Bewustseyn unserer selbst
thetische Urtheil wird allgemeingiiltig, folglich objectiv und aus einer dieses Substantiale hatten. Denn aile Pradikate des innern Sinnes beziehen
Wahrnehmung in Erfahrung verwandelt. Solche Urtheile die blos als die sich auf das lch als Subjekt, und dieses kan nicht weiter als Pradikat eines
Bedingung der Vereinigung gegebener Vorstellungen in einem Bewustseyn andern Subjekts gedacht werden. Also scheint hier das absolute Subjekt in
betrachtet werden, sind Regeln, und da sie diese Vereinigung als nothwen- der Erfahrung gegeben zu seyn. Allein das Ich ist gar kein Begrif, sondern
dig vorstellen, sind sie Regeln a priori, und, in so fern keine iiber ihnen nur Bezeichnung des Gegenstandes des innern Sinnes, so fern wir es durch
sind, von denen sie abgeleitet werden, Grundsiitze. Diese Grundsatze mog- kein Pradikat weiter erkennen. Dieser Begrif aber, des denkenden Selbst,
licher Erfahrungen sind zugleich allgemeine Grundsatze der Natur, wel- bleibt ganzlich leer, wenn nicht von ihm die Beharrlichkeit bewiesen wer-
che a priori erkannt werden konnen. Und so ist die Aufgabe, wie ist reine den kan. Dies kan aber niemals aus dem Begrife einer Substanz, sondern
Naturwissenschaft moglich? aufgeloset. nur zum Behuf der Erfahrung bewiesen werden. Da nun die subjektive Be-
Wie ist Metapbysik iiberhaupt mogli.ch? dingung aller unserer moglichen Erfahrungen das Leben ist, so kan nur
Auller den Naturbegriffen, die in der Erfahrung ihre Anwendung fin- auf die Beharrlichkeit der Seele im Leben geschlossen werden.
den, hat es die Metaphysik noch mit reinen Vernunftbegriffen zu thun, Dall ferner ausseren Wahrnehmungen etwas wirkliches ausser uns,
die auch nicht einmal in einer nur moglichen Erfahrung gegeben werden, nicht bios correspondire, sondern auch correspondiren miisse, kan gleich-
sie hat es mit Behauptungen zu thun, deren Wahrheit oder Falschheit fals niemals als Verkniipfung der Dinge an sich selbst, wol aber zum Behuf
durch keine Erfahrung bestatiget, oder aufgedekt werden kan. Es betrift der Erfahrung bewiesen werden. Z. B. dall Korper auller mir im Raume
also diese Frage die Beschaftigung der Vernunft mit sich selbst, und die Be- existiren, und dall ich selbst nach der Vorstellung des innern Sinnes in der
kantschaft mit Objekten welche nicht aus Erfahrung, sondern aus ihren Zeit da bin, sind sichere Erfahrungen. Aber in dem Satze: Ich bin, ist d.S
eigenen Begriffen [59] entspringt. Wenn sich hier Irrthum einschleicht, so Ich nicht blos der Gegenstand der innern Anschauung (in der Zeit), son-
kan daher derselbe durch nichts anders als durch reine Vernunft aufgedekt dern das Subject des Bewustseins, so wie Korper nicht bios die aussere
werden. Das Wesen der reinen Philosophie ist, die Vollstandigkeit in der Anschauung im Raume, sondern auch das Ding an sich selbst bedeutet,
Aufzahlung, Classificirung und Specificirung der Begriffe a priori. Sie ist was dieser aulleren Erscheinung zum Grunde liegt. So wie nun die Frage,
subjectiv in der Idee aller Menschen wirklich, es kan daher mit Recht ge- ob Korper [61] auller meinen Gedanken auch so als Korper existiren in
fragt werden, wie sie (objectiv) moglich sey? der Natur verneinet werden mull, so mull auch eben diese andere: ob ich
Der Ursprung aller transcendentalen Ideen liegt in den drey Functionen selbst als Erscheinung des innern Sinnes (Seele in empirischer Bedeutung)
der Vernunftschliisse, deren formaler Unterschied die Eintheilung dersel- auller meiner Vorstellungskraft in der Zeit existire, wirklich verneinet
ben in categorische, hypothetische und disjunctive, nathwendig macht. werden.
Die darauf gegriindeten Vernunftbegriffe enthalten also erstlich die Idee
des vollstandigen Subjects (Substantiale), zweitens die Idee, der vollstandi- II. Cosmologische Ideen.
gen Reihe der Bedingungen, drittens die Bestimmung aller Begriffe in der Diese nehmen ihr Objekt jederzeit nur in der Sinnenwelt, und es sind
Idee eines vollstandigen Inbegrifs des Moglichen. Z. B. in disjunctiven derselben nicht mehr als vier, ihnen zufolge giebt es auch nur viererley
Schliissen wird alle Moglichkeit in Hinsicht eines Begrifs eingetheilt; in dialectische Behauptungen der reinen Vernunft, die, da sie dialectisch sind,
der Ontologie wird der Begrif aller Moglichkeit zum Grunde gelegr. Die dadurch selbst beweisen, dall einer jeden, nach eben so scheinbaren
72 Ube~n~t M~ neue~en 'P~Ifof. mtteratu~ - Friihjahr 1784 .lt ant; 'P~o[egomena 73
Grundsatzen der reinen Vernunft, eine ilim widersprechende entgegen Ideen. Also miiste diese bestimmte Grolle der Welt in ihr selbst liegen,
steht, welchen Widerstreit keine metaphysische Kunst der subtilsten abgesondert von aller Erfahrung. Dies widerspricht aber dem Begrif einer
Distinction verhiiten kan, sondern die den Philosophen nothiget zu den Sinnenwelt, die nur Erscheinung ist. Eben dieses findet sich bey den iibri-
ersten Quellen der reinen Vernunft zuriick zu gehen. Diese nicht etwa gen und diese Verwechselung der Erscheinungen mit der Sache nemine
beliebig erdachte, sondern in der Natur der menschlichen Vernunft ge- cogitante ist der Grund von allen vier Antinomieen.
griindete, mithin unvermeidliche und niemals ein Ende nehmende Anti- Die Folge hieraus ist, dall es nothwendig fist], eine Deduction unserer
nomie, enthalt nun folgende vier Satze samt ihren Gegensatzen. Erkentnill a priori vorzunehmen; wei! [es] ganz unmoglich ist aus diesem
Widerstreit der Vernunft mit sich selbst, herauszukommen, so lange man
1. die Gegenstande der Sinnenwelt vor Sachen an sich selbst nimmt, und
Satz. nicht vor das was sie in der That sind, namlich vor blose Erscheinungen.
Die Welt hat der Zeit und dem Raum nach einen Anfang {Grenze.)
Ill. Theologische Ideen.
Gegensatz.
Hier fangt die Vernunft nicht von Erfahrung an, sondern geht von der
Die Welt ist der Zeit und dem Raurrl nach unendlich. [62]
absoluten Vollstandigkeit eines Dinges, vermittelst der Idee eines vollkom-
2. .. 3.
menen Urwesens zur Bestimmung der Moglichkeit, mithin auch der
Wirklichkeit aller anderen Dinge herab. Hier konte der dialectische Schein
Satz. Satz.
Ieicht vor Augen gelegt werden, wobey sich der V. auf die Crit. d. g. V. be-
Alleiin der Welt besteht Es giebt in der Welt Ursachen
ruft.
aus dem Einfachen. durch Freyheit.
Die physiologischen, cosmologischen und theologischen Ideen sind Iau-
Gegensatz. Gegensatz. ter reine Vernunftbegriffe, die in keiner Erfahrung gegeben werden kon-
Es ist nichts Einfaches, Es ist keine Freyheit, nen, sie sind nur die Fragen, die uns die Vernunft vorlegt, nicht [64] durch
sondern alles ist zusammengesetzt. sondern alles ist Natur. die Gegenstande, sondern durch Maximen der Vernunft aufgegeben, und
miissen insgesamt hinreichend beantwortet werden konnen, dahingegen
4.
Gegenstande der Erfahrung in vielerley Absicht unbegreiflich seyn kon-
Satz.
nen. Sie driiken die eigentliche Bestimmung der Vernunft aus, namlich ein
In der Reihe der Weltursachen ist irgend ein nothwendig Wesen.
Princip der systematischen Einheit des Verstandesgebrauchs.
. Gegensatz. Hieraus lassen sich nun die Grenzen der reinen Vernunft bestimmen.
Es ist in ihr nichts nothwendig, sondern in dieser Reihe ist alles zufiillig. Die Sinnenwelt enthalt blose Erscheinungen, die noch nicht Dinge an sich
sind. Dinge an sich heissen Noumena. Diese mull der Verstand haben, urn
Bey diesen widerstreitenden Satzen liegt allemal eine falsche Idee zum nicht blose Phanomene zu denken. Beide, so wol die Erscheinungen, als
Grunde, welche macht dall Satz und Gegensatz bewiesen werden kan. So die Noumena, sind in der Vernunft zusammen gefallt. Da fragt sichs nur:
etwa als wenn man die irrige Idee eines vierekten Cirkels annehmen wolte, Wie verfahrt die Vernunft, den Verstand in Ansehung beider Felder zu be-
und sagte, ein vierekter Cirkel ist rund; ein vierekter Cirkel ist nicht rund. grenzen? Antwort: Erfahrung wird durch das Feld der reinen Verstandes-
Wo alsdann beide Satze falsch seyn miissen. wesen begrenzt, tiber dieses Feld aber darf es die Vernunft nicht versuchen
In den beiden ersten Satzen liegt der in sich selbst widersprechende Be- hinauszugehn, wei! sie daselbst zwar Formen zu Dingen, aber keine Dinge
griff einer vor sich selbst existirenden Sinnenwelt zum Grunde. Die Welt ist selbst denken kan. U nd dies war das Resultat der ganzen Critik, namlich,
nur ein Inbegrif von Erscheinungen, hat ihr Daseyn nur in der Vorstel- "Vernunft lehrt uns nichts mehr Gegenstande moglicher Erfahrung, und
lung der Erfahrung, ist also nicht Sache fiir sich, sonderi:t nur Vorstel- auch von diesen nichts mehr, als was in der Erfahrung erkant werden
lungsart. Nach der Erfahrung [63] aber kann ich weder vom unendlichen kan." Man mogte zwar sagen: sonach kan die Vernunft nichts von einem
Raume, noch unendlich verflossener Zeit Erfahrung haben; das sind nur hochsten Wesen erkennen - Hierauf aber lallt sich antworten. Vernunft
1
74 UbetOdjt bet ncucncn 'P6tlof. £ittetatut- Friihjahr 1784 I .ltant6 'J)to[egomena 75
lehrt uns freilich nicht was dieses Wesen ah sich ist; aber sie fiihrt uns genden Worten S. 88 einen Sinn zu verbinden: .die ein Begrif von derjeni-
doch bis zu dieser Grenze hin, wei{65Jches zwar nicht Gegenstand der Er- gen synthetischen Einheit der A nschauungen, die nur durch eine gegebene logi-
fahrung, aber doch oberster Grund derselben ist. sche Function der Urtheile vorgestellt werden kann ~ und wenn ich sie auch,
wie sichs versteht, im Zusammenhange lese. Allenfalls miiflte ein Druck-
Ill/. Wie ist Metaphysik als Wissenschaft moglich? fehler den Sinn verhindern. Sehr oft liegt die U rsache in dem Iangen und
Aus dem Vorhergehenden erhellet, dall Metaphysik als Naturanlage aufgehauften [67] Periodenbau, dergleichen oft von ganzen Seiten einige
wirk.lich vor Handen sey; aber diese ist vor sich allein dialectisch und vorkommen, z. B. S. 177. Solche Perioden mufl man zwey- bis dreymal
triiglich. Waite man also aus ihr die Grundsatze zu einer solchen Wissen- lesen, oder sie zerfallen, ehe man im Stande ist den Vordersatz mit dem
schaft hernehmen, so wiirde das nie Wissenschaft sondern eitel dialecti- Nachsatze zu verkniipfen, wei! die immer aufeinandergethiirmten Zwi-
sche Kunst hervorbringen. Damit sie nun als Wissenschaft erscheine; so schen- und Einschiebesatze, den ersten Gedanken verdunkeln, ehe man
muB ihr ganzer Vorrath der Begriffe a priori, die Eintheilung derselben zum Beschlufl kommt. Freylich fordert der V. dies miisse einen nicht ab-
nach den verschiedenen Quellen, der Sinnlichkeit, dem Verstande und der halten sein Buch zu studiren, und mit noch griiflerm Rechte kann er sol-
Vernunft vorgezahlet, ferner eine vollstandigt; Tafel derselben, und die Zer- ches von einem Recensenten verlangen; dies macht aber nicht dall der
gliederung aller dieser Begriffe, mit allem was daraus gefolgert werden kan, Leser den Wunsch unterdriicke, einen so schiinen Kiirper in einem gleich
dargestellet, und dann die Miiglichkeit des synthetischen Erkentnisses a schiinen und Lichtvollen Gewande zu sehen. Metaphysik ist ohnehin an
priori vermittelst der Deduction dieser Begriffe, die Grundsatze ihres sich trocken, und noch mehr die Metaphysik des Verfassers, die sich
Gebrauchs, endlich auch die Grenzen desselben, alles aber in einem voll- hauptsachlich mit Iauter reinen Verstandsbegriffen beschaftiget; wird sie
standigem System dargeleget werden. Alles dieses enthalt die Critik der nun noch iiberdies dunckel vorgetragen, so muB ihr der Eingang bey Man-
Vernunft bereits schon in sich. Es fragt sich also hier nicht so wol wie dies nern von Geist versperret werden, den sie doch sonst so sehr verdienet,
Geschafte miiglich, als vielmehr wie es in Gang zu bringen, wie gute Kiip- wenn sie einmal weiter kommen und nicht bios in den Augen einiger we-
fe von der bisherigen verkehrten und fruchtlosen zu einer untriiglichen nigen Gelehrten fur niitzliche Wissenschaft gehalten werden soli. Sollt.e
Bearbeitung zu bewegen seyn? [66] wol dies nicht die Ursache seyn, dall man den Fehler des Vortrags als eine
nothwendige Folge aus der Natur der Wissenschaft angesehen und ihr des-
wegen Gemeinniitzigkeit abgesprochen hat?
Bemerkungen. Urn nur erst den Wortverstand dieser Schrift zu linden, mufl man sich
Dieses ware denn nun der Schliissel zu der Critik der reinen Vernunft, zuvor eine Nomenk.latur iiber den Gebrauch gewisser Terminologien des
und in so ferne hat der wiirdige Verfasser auch seine Absicht viillig er- Verfassers [68] verfertigen, und sodann mit diesen in der Hand das Buch
reicht, dall durch diese Prolegomenen die Ubersicht des Ganzen und der .I lesen.
Verstand jener eben so merkwiirdigen und tief gedachten Schrift merk.lich Ich verdeutsche mir nun seine Idee so. Metaphysik sol! Wahrheiten fas-
erleichtert wird. Beide gehiiren gewiB unter die merkwiirdigsten Schriften
unserer Zeit. Aber zu wiinschen ware, dall der V. in lateinischer oder fran- iI sen die ganz unabhangig von aller empirischen Erfahrung sind. Urn dieses
zu erhalten, miissen ihre Urtheile nicht so wol erlauternde (analytische)
ziisischer Sprache geschrieben hatte, so sehr man sonst auch verlangen I sondern hauptsachlich erweiternde (synthetische) seyn. Nur durch diese
miichte, dall Originalwerke wie das gegenwanige, in der Muttersprache ab- • reine ErkenntniB a priori die vor aller Erfahrung vohergeht, kann allein
gefallt wiirden. Vielleicht hatte es ihm gegliikt im Ausdruck verstandlicher Metaphysik erhalt.en werden, und die ist bisher noch nicht vorhanden ge-
zu seyn, und zur Ehre der Deutschen auch Auslandern bekannt zu wer- wesen, wei! die Regeln dieser idealischen Baukunst noch nicht da waren.
den, die es aber, so wie es jezt ist, nicht lesen werden, wei! sie es nicht ver- Kritik der Vernunft muB diese Satze des synthetischen Denckens ent-
stehen kiinnen. Ihm, der sich mit seinen Ideen jahrelang familiarisiret, sie wickeln, und zwar aus der Vernunft selbst. Denn wollte sie bey dem syn-
auf und nieder, vor und riikwarts oft genug gedacht hatte, konnte viel- thetischen Denken bios den Gesetzen einer Topik folgen, so ist sie in
leicht vieles verstandlich scheinen, das aber ein Anderer bey aller Miihe Gefahr durch dialectischen Schein verfiihrt zu werden; in dem ein System
nicht entziffern kann. So bin ich schlechterdings nicht im Stande mit fol- der Categorieen zwar Begriffe liefert die nicht schon in einem andern ge-
·,
76 Ubcrfl<!>t bcr ncucncn 'J)Nfo[. ~lttcratur- Friihjahr 1784 \Bot~. geL ,3. - 5. Mai 1784 I \Bott. '21nJclgcn - 15. Mai 1784 77
·'
gebenen enthalten sind, und also synthetische Urtheile daher genommen
werden konnen, aber es sich doch treffen kann, daJl ofters ein irriger Be-
griff zum Grunde liegt, wodurch es geschieht, daJl beyde Urtheile die auf
solche Art entstehen falsch seyn konnen, z. B. ein viereckter Zirckel ist
D ie Kritik der reinen Vemunft, von dem Hrn. Professor Kant in Ko-
nigsberg, ist unstreitig das vornehmste und niitzlichste Produkt des
menschlichen Geistes, und die allerwichtigste Entdeckung, die bisher, zum
rund, ein viereckter Zirkel ist nicht rund. allgemeinen Besten gemacht worden ist. Da sie aber fiir manche Leser zu
Hierinne stimme ich nun dem V. vollkommen bey, daJl diese Erkennt- schwer zu verstehen seyn soli; so will ich die Grundsatze dieser Kritik, im
nill nicht allein die einzige reine Erkenntnill o priori ist, unabhangig, von Kritiker, der monadich bey dem Hrn. Buchhandler A. F. Bohme, in Leip-
aller Erfahrung; sondern auch daJl dieselbe bisher in der [69] Metaphysik zig heraus kommt, nach und nach erklaren, und sie, nebst andern Sachen,
sehr vernachliiBiget worden. Cartesius, Locke, Leibnitz und Wolf nebst sei- popularer machen. Samuel Heinicke,
nen Anhangern haben mehr durch den Weg der Analyse gedacht; und daJl Director des Churiichs. Instituts fiir Stumme.
dadurch die Wissenschaft nicht erweitert worden, ist eine sehr richtige Be-
hauptung des V. Aber daJl Lambert in der Architectonik und Platner in
seinen Aphorismen schon mehr geleistet haben, mull man der Wahrheit
zu Ehren, doch gestehen.
Meines Wissens giebt es nur einen Weg zu reinen Vernunft-Wahrheiten, ~ranffurt am <JAa~n.
die unabhangig von aller Erfahrung sind, zu
gelangen, und dieses ist die Bey Varrentrapp Sohn und Wenner erscheinen: Hessische Beytrage zur
Kunst Wahrheit durch Verknlipfungen der Zeichen zu finden, wo die For- I Gelehrsamkeit und Kunst. Erstes StUck. 1784. gr. Octav, 184 Seiten. [...]
mel zum Grunde liegt: .Die Zeichen gehen vor den Ideen voraus." Ihre 2. Uber die Mi:iglichkeit einer anfangslosen Succession, von Hrn. Prof.
Regeln werden, und mlissen ebenfalls aus der Natur der Vernunft selbst
.I Tiedemann. Nur nach einer so griindlichen Forschung nach dem Or-
entwickelt werden. U nd da mochte ich wissen, ob der Hr. V. dieses Mittel I
I
sprung dieser ontologischen Begriffe, und nach einer so genauen Bestim-
im Sinne gehabt hat, wo er S. 144 von Antinomieen redet. Eines Theils mung derselben, als wir in diesem Aufsatz finden, war die Beantwortung
scheinet es so; wei! er von der synthetischen Erkentnillart der reinen Ma- I dieser beriihmten metaph. Streitfrage mi:iglich, deren Sinn indessen nicht
thematik ausgehet, in welcher dieses Denken einheimisch ist. Sollte dies so gefaJlt werden kann, wie ihn Hr. T. zur Hilfte gefaJlt hat. Im Allgemei-
also so seyn, so zweifle ich, daJl dergleichen Antinomieen vorkommen I nen, heillt es, (S. 23) widerspricht Abwesenheit eines Anfangs der Succes-
konnen, wo die Vernunft sich mit sich selbst entzweyt sieht. Sie findet ge- I sion nicht; wei! im allgemeinen Begriff der Succession die Anzahl von
will den Fehler ihres Calculs, wenn sie zuriickrechnen will, so wie der Gliedern einer [796] Reihe nicht bestimmt wird, mithin aus ihm allein
Arithmetiker wenn er einen falschen Quotienten gefunden hat, dieses nicht folgt, daJl die Reihe ein letztes oder erstes Glied haben mull. Das ist
durch ein Zuriicksehen entdecken kann. Andern Theils aber macht mich
eine Behauptung des Hrn. V. zweifelhaft, wodurch ich veranlasset wurde I richtig; aber davon ist die Rede nicht, sondern die Frage betrifft eine Reihe
von successiven, wirklich vorhanden gewesenen Dingen. Eine solche
diese Anfrage an denselben zu [70] thun. Er behauptet namlich S. 26 fol-
genden Satz: .Synthetische Urtheile bedurfen ein anderes Princip, als den
j kann, wie hier richtig gezeigt wird, ohne Ende fortgehn, aber anfangslos
kann sie nicht seyn. Die Griinde S. 26. 27 sind iiberzeugend; nicht so, was
i
Satz des Widerspruchs." Dies kann nun bey jener Erkenntnill o priori, wel- ! S. 28. 29 beygebracht wird: .Die ganze Reihe successiver Dinge ist jetzt bis
che durch Verknlipfung der Zeichen entsteht, nicht seyn. Hier mull der auf ein gegenwartiges Glied fortgeriickt. Ist sie aber anfangslos, so ist's
Satz des Widerspruchs lediglich entscheiden ob Wahrheit in unseren Be- auch unmoglich, daJl sie je bis hieher gelange; denn je weiter man in die
hauptungen liegt, oder nicht. Vergangenheit zuriickgeht, desto schwerer wird es das Gegenwartige zu
Ubrigens wlinsche ich von Herzen daJl der verdienstvolle Mann uns erreichen, und was keinen Anfang im Fortschreiten hat, kann das Gegen-
bald mit einem System zur reinen Metaphysik beschenken mochte. Dann wartige nie erreichen." (Ist denn der Anfang im Fortschreiten, und der er-
wird es sich am besten zeigen, wie weit seine Grundsatze sich in Anwen- ste Anfang der Reihe einerley? Hier ist, wie uns dtinkt, ein Glied mehr, als
dung bringen lassen. Dann wird man aber auch von Ihm eine neue Epo- dort.) [...] 13. Hr. Prof. Tiedemann tiber die Natur der Metaphysik; zur
che in der Litterar-Geschichte zahlen. Priifung von Hrn. Prof. Kant's Grundsatzen. Der Verf. hat in Hrn. Kant's
78 3cnaifd)e geL ,3.- 21. Mai 1784 I \Botb. geL ,3.- 14. Juli 1784
Schli.issen das nicht wahrgenommen, was Beyfall erzwingt. Es mag ihm da-
mit ergangen seyn, wie vielen andern Lesern der neueren Werke dieses
Philosophen; wenigstens kann der Rec. von sich nichts besseres ri.ihmen .
.:Jena.
Unser Herr Hofrath Ulrich hat zu seinen Vorlesungen statt einer
Einleitung zur gesamten Philosophie einen einzigen Bogen in 8. mit
Fickelscherr-Strankmannischen Schriften drucken lassen: De philosophiae
ratione universe quaedam. Aufmerksamkeit verdienen diese wenigen Blat-
ter urn deswillen, wei] der Herr Verf. der erste ist, der wi.irkliche Anstalt
macht, die Aufklarungen eines Kants in seiner Kritik der reinen Vernunft
zu benutzen, einem Werke, darinne er mit mannlichen Muthe dem Heer
der Philister Hahn spricht, so daB diese Ehrephalben sich mit ihm einlas-
sen, oder ihm huldigen mi.issen. Eines Auszugs sind i.ibrigens diese Blatter
bey der gedrungenen Ki.irze nicht fahig, und wir zei{328Jgen nur noch
den einzigen Hauptdruckfehler an, da im dritten §. in der dritten Zeile
von unten auf nach den Worten rafionalem tanfum cognitionem, die Be-
stimmung ausgelassen ist: ex principiis non empiricis.
Bey dieser Gelegenheit bemerken wir noch, daB Herr Heinike zu
Leipzig willens ist, in seinem Kritiker nach und nach den ganzen Kant zu
popularisiren.
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.ltant.
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n unserm denkenden Zeitalter lallt sich nicht vermuthen, daB nicht viel
I verdiente Manner jede gute Veranlassung nutzen sollten, zu dem ge-
meinschaftlichen Interesse, der sich immer mehr aufklarenden Vernunft,
1,
mit zu arbeiten, wenn sich nur einige Hofnung zeigt, dadurch zum Zweck
zu gelangen. Prolegomena von Kant S. 217.
80 illcrid)tc btr aiTg • .'l;ud)~anblung bet ®tle~rtcn - August 1784 ~al[onnirenbc~ Qler;eld)nlp neuer illtid)er - September 1784 81
Gellerts Spott iiber die Philosophie, da• er sie, wegen ihrer taglichen Wir werden uns also angelegen seyn lassen das Kantische System deut-
Veriinderungen, mit dem Huthe verglich, ware nun nicht mehr treffend. lich, brauchbar und niitzlich zu machen; und der Anfang dazu ist schon
Sie ist endlich, nach Verlauf von etlichen Jahrtausenden, von einem wah- im 3ten Stiicke des Kritikers, der in der Buchhandlung der Gelehrten, perio-
ren Philosophen, zur Bestandigkeit gebracht, von allen gegriindeten Vor- disch herauskommt, gemacht worden: jedes Stiick vom Kritiker gilt 6 gr.
wiirfen gerettet, und nun fiir Jedermann brauchbar und niitzlich gemacht Der Kritiker.
worden.
Dieser Philosoph ist Herr Kant, Professor in Konigsberg, und sein
Buch, das er iiber seine philosophischen Entdeckungen herausgegeben hat,
P!>ilofop!>ic bcr fc!>onen :&unfl;c, uon :Jo!>. £!>rift. :&onig etc. nurn-
heillt: Kritik der reinen Vernunft. Er zeigt darin unsre [863] Denkart und
bcrg, J7S~. 3 fl.
die nothwendigen Bedingungen, welchen wir dabey unterworfen sind. Da-
leich im ersten Ab~:hnitte giebt der Verfasser die Griinde an, woher
durch beweillt er aber auch die Moglichkeit der Metaphysik, als Konigin
aller Wissenschaften, die wir bisher nur vergeblich gesucht und noch gar
nicht gekannt haben.
G dies Werk nicht Asthetik, sondern Philosophie der schiinen Kunste
heillt. Sie liegen in folgendem: Die Asthetick sollte, nach der Absicht ihres
Diese Entdeckungen sind unbeschreiblich wichtig und niitzlich, und ersten Erfinders, oder doch des ersten Baumeisters, des beriihmten Baum-
machen, uns Deutschen, die grollte Ehre, w~nn uns anders Etwas daran ge- gartens, eine Wissenschaft der ersten und allgemeinsten Grundsiitze des
legen ist, das sich aber nur, in sofern, von allen vermuthen liillt, wenn sie Geschmacks seyn, und die Theorie alles Schonen in sich enthalten. Das
vorher dazu mehrere Helle, zur Aussicht in die Ferne, erlangen sollten. ungiinstige U rtheil, welches einer der griiftten Denker, unser Kant, sowohl
Die Kritik der reinen Vernunft von Hrn. Kant, ist schon seit 3 Jahren iiber das Wort Asthetick, als auch iiber die Wissenschaft selbst, in seiner
heraus; allein da sie etwas gedrungen verfallt ist - welches gleichwohl Kritick der gesunden Vernunft fallte; der vielfaltige nicht ganz unbedeu-
nicht ander< seyn konnte, so sind, aus Millverstande, verschiedene Einwen- tende Widerspruch wider die allgemeine Aufnahme des Worts Asthetick
dungen dawider gemacht worden, die gewill unterblieben wiiren, wenn und die Bemerkungen des Hrn. Meiners in der Revision der Philosophie,
man das ganze System von Hrn. Kant, das apodiktisch gewill ist, vorher iiber die Asthetick selbst, brachten den Verfasser zum nahern Nachdenken
griindlich untersucht und begriffen hatte. Wir werden aile diese Millver- iiber den Gegenstand; und da fand er dann: daB die Asthetick, zur Zeit,
stiindnisse Ieicht berichtigen, indem wir uns vorgesetzt haben, diese Kri- nichts mehr und nichts weniger ist, als ein Raisonnement iiber die Natur,
tik, von Hrn. Kant populiirer zu machen, und wir hoffen, daB sie fiir den U rsprung, und die verschiedne Arten dessen, was man schiin oder hiift-
Jedermann willkommen seyn und Ieicht zu verstehen seyn wird. lich zu nennen pflegt - iiber seine Wirkungen auf die Seele, und iiber die
Nun haben wir doch einmal etwas Bestimmtes und diirfen uns keine verschiedne Receptivitat derselben fiir das Schone und Hiillliche. Daher
Vorwiirfe mehr iiber die Philosophie machen lassen. In der That mullte nannte er seine Abhandlungen iiber diese Gegenstande, nicht Asthetick,
das vorher, fiir jeden wohldenkenden Menschen kriinkend seyn, sich sondern Iieber Philosophie der schiinen Kunste. Das gegenwiirtige Werk soli
immer spottisch fragen zu lassen: Aristoteles hatte Vernunft, Bacon, nicht eigentliche und vollstiindige oder systematische Theorie der schonen
Descartes, Leibnitz, Neuton, Wolf, Baumgarten, Reid, Beattie, Hume, Kiinste, sondern bios, ein Inbegrif solchffr Betrachtungen seyn, die, der be-
Priestlei, Helvetius, Berkeley und noch [864] eine Menge andre Manner, obachtende und denkende Philosoph, iiber den Ursprung, die Natur, Ur-
hatten Vernunft, welche war denn die rechte? Welches ist wohl die wahre sachen, Wirkungen, Grade und verschiedne Gestalten und Darstellungen
Philosophie und die beste Metaphysik? u. d. gl. des Schonen und Hiilllichen, und der daraus unmittelbar folgenden Vor-
Herr Kant hat uns nun von diesen Spottereien befreyt, und wir konnen schriften, zu Berichtigung des natiirlichen Geschmacks, anstellen kann.
jetzt mit apodiktischer Gewillheit behaupten: Kants Philosophie ist die Hr. Konig excipirt zwar, wider Hrn. Prof. Kant, daB die Theorie der
wahre, und eben so unumstoB!ich und sicher, als die Mathematik. Jeder- schonen Kiinste nicht bios Gegenstiinde, oder Schiinheiten und Hafilichkei-
mann kann auch die dazu entdeckten Grundsatze und Bedingungen an ten, die in die ausse:re Sinne fallen, d. i. alalh]m sondern auch, das morali-
sich selbst erproben, und sich alles dabey anschaulich machen, wie in der sche und intellektuelle Schone, d. i. vo~m, betrachte; ist aber doch selbst
Mathematik, aber vie! Ieichter als bey dieser. iiberzeugt, daB sich, zur Zeit, noch keine allgemeine Gesetze a priori
82 l!lott. ~n;. - 23. Okt. 1784 I Wod)entr. 'Ylad)r. - 15. Nov. 1784 3lal[onnlrcnbct5 'l3er;cid)ni~ neuer !lJUd)er- Dezember 1784 83
.. ·~
ertheilen lassen, und daB die Asthetick noch nicht das ist, was sie seyn Vorsehung genannt werde. Auch in diesem Stiicke der Monatsschrift ist
wiitde, wenn Hr. Meiners das Geschafte ihres Baumeisters tibernehmen, vie! wieder den Aberglauben enthalten, ich ftirchte aber es werde eben so
und Eschenburg, Eberhardt oder Engel, ihren Lehrbtichern, vollstandige wenig als die Satire und Comodie bessern, sondern nur zur Belustigung
l.ehrgebaude nachfolgen liessen. gewisser Leser dienen; es ware denn, daB es von verstandigen Kirchen- und
Rezensent glaubt, durch die Mittheilung des Gesagten, den Leser (274] Schul-Lehrern gebraucht wiirde. Die neuen Briefe iiber Berlin, betreffen
in Stand gesetzt zu haben, sich den Zweck und Gebrauch dieser Schrift zu noch das Schulwesen. [368] Der Verfasser vermiBet noch eigentliche Btir-
abstrahiren (...] -o- gerschulen, und Schulen fiir Handwerker, und viele andere nothige und
ntitzliche Einrichtungen: aber wenn man sich erst in die Aufsuchung der
Mangel und Fehler einlaBt, so giebt es der wirklichen und eingebildeten
~canffuct am 'lnal)n. unsaglich viele. Unter dem vielen wahren in diesen Briefen, ist auch die
Anmerkung, daB Unterricht und Erziehung zweyerley sey, und daB sich
Hessische Beytriige zur Gelehrsamkeit und Kunst. Zweytes Sttick. 1784. selten ein Kopf finde, der zu beyden tauge. lch habe eben dieses vor 20
von S. 185-372. (...]Ill. Fortsetzung der Priifung von Hrn. Prof. Kants Ge- und mehr Jahren beobachtet, gesagt und geschrieben, aber die Hofnung zu
danken tiber die Natur der Metaphysik: von Hrn. Prof. Tiedemann. Er ge- groBen Verbesserungen schon lange aufgegeben, denn die jetzigen mili-
steht, daB es ihm sauer geworden, dem Hrn. Kant auf die Spur zu kom- tairischen und cammeralistischen Zeiten, sind ihnen nicht giinstig. Herr
men, der die Sachen aus einem eignen Gesichtspunkte und in einer von Prof. Kant schreibet im ersten Abschnitt dieses Sttickes: "Obgleich unsere
der gewohnlichen so abgehenden Sprache betrachtet und vortragt, daB Weltregierer zu offentlichen Erziehungsanstalten, und tiberhaupt zu allem
man Miihe hat, seine Meynung herauszubringen; er fand aber am Ende, was das Weltbeste betrifft, vorjetzt kein Geld tibrig haben, wei! alles auf
daB Hr. K. den wesentlichen Unterschied, der sich zwischen der Verkntip- den ktinftigen Krieg schon verrechnet ist, so werden sie doch ihren eige-
fung und Folge in den eigentlich sogenannten Vorstellungen und der in nen Vortheil darinn finden, die gsnz schwachen und langsamen eigenen
den Empfindungen fmdet, tibersehen habe. Bemtihungen ihres Volks in diesen Stticken wenigstens nicht zu hindem."
Das ist Iauter Wahrheit bis auf die einzige Stelle nach, daB die Weltregen-
ten ihr Geld auf den ktinftigen Krieg schon verrechnet hatten, denn fast
~edin. aile fiihren ihn nicht von ihrem Vorrath, sondern von geliehenen und er-
zwungenen Summen.
Bey Haude und Spener: Berlinische Monatsschrift. November 1784. Wei!
der Herr Professor Kant zu Konigsberg bey Menschen und ihrem Spiel im
Gro&n, gar keine verntinftige eigene Absicht voraussetzen kann, so ver-
sucht er, ob er nicht eine Narurabsicht in diesem wiedersinnigen Gange <;erlinifd)e Ulonat9fd)rift. Ulonat not>ember J7SiJ. <;erlin, bet -;)au-
menschlicher Dinge entdecken konne, aus welcher von Geschopfen die ~e un~ Spener. Zif gl.
ohne eigenen Plan verfahren, dennoch eine Geschichte nach einem be-
stimmten Plan der Narur moglich sey. Er thut den Vorschlag, nach einer
Idee wie der Weltlauf seyn miiBte, wenn er einem gewissen verntinftigen
K aum wird irgend ein Sttick dieser Monatsschrift so vie! Aufmerksam-
keit unter unsern Landsleuten erreget haben, als man von gegenwiirti-
gen erwarten kann. Unser verdienstvoller Prof. Kant hat uns darinn mit
Zwecke angemessen seyn sollte; eine Geschichte abzufassen. Vielleicht ist einer Abhandlung beschenkt, die jedem Leser einen neuen Beweill seiner
seine Absicht einerley groBtentheils mit derjenigen, die ein christlicher groBen und gtiindlichen Ubersicht tiber hochst wichtige philosophische
Philosoph etwa so ausdriicken wiirde: er wolle in den Triebfedern und Wahrheiten gewahrt. Sie enthalt eine Idee einer allgemeinen Geschichte in
Folgen der groBen menschlichen Unternehmungen, welche die Geschichte weltbiirgerlicher Absicht. Er zeigt darinn, daB aile auf den Gebrauch der
beschreibet, die Spuren der alles nach ihrem Plan regierenden gottlichen Vernunft hinzielende Naruranlagen im Menschen sich einzig in der Gat-
Vorsehung aufsuchen. Er gebraucht anstatt des letzten Ausdrucks, das turtg nicht aber im Individuo vollstandig entwickeln konnen, und daB
Wort Natur, doch kann er S. 410 nicht umhin zu schreiben, daB sie besser folglich nur die Geschichte derselben im GroBen es eigentlich darthun
84 :Jlat[onnirenDe6 Qlerjeidjnip - Dez. 1784 I 21Ug. Dt. ~ib!. - Dez. 1784 21ffgemetne Deutfdje ~ibUot~e! - Dezember 1784 85
konne, wie die Natur dies Werk der Entwi;kiung von je her betrieben ha- Astronomen die sicherste seyn. Der Metaphysiker kann Alles als Schein
be und wie sie noch daran arbeite eine in- und auflerlich so vollkommne annehmen, den Leeren vom Reellen absondern, aus dem Reellen auf das
Staatsverfassung zu Stande zu bringen, als zur Ausbildung aller Anlagen Wahre schlieflen ..... Zeit und Raum {366 S.) werden reeller Schein seyn,
im Menschen vonnothen ist. - Es bleiben dem Herzen und Verstande wobey etwas zum Grunde liegt, das sich so genau und bestandig nach dem
jedes Lesers iiberlassen die erquickende Aussicht weiter zu verfolgen, die Scheine richtet, als genau und bestiindig die geometrischen Wahrheiten im-
der wiirdige Verf. ihm durch diesen Aufsatz in das Wahl der Menschheit '
I mer seyn mogen. Die Sprache des Scheins wird also eben so genau statt
eroffnet hat. - r der unbekannten wahren Sprache dienen. Ich mull aber doch sagen, daB
i ein so schlechthin nie ttiigender Schein wohl mehr als ein Schein seyn
diirfte. (AJlerdings wird er Darstellung unbekannter zusammenhangender
' Wahrheit seyn. Diese Gedanken sind wohl von Leibnitzens iiber die Kor-
~erlinifd.l• monatsfd)rift, l)erausgegeben uon j. <lSebicft unb ;J. !!!.
perwelt nicht sehr unterschieden.) (...]
~itjter. Zttn ;Jal)rgangs. J2tes Eltiicf ober nlonat 3Deeember.
J7S'J. 2-J gl. 3Der :::lal)rgang 9 fl.
A uch diefl letzte Stiick steht keinem der vorigen an U nterhaltung und <prolegomena au einer jeben liinfligen 'lJletaP~9fil, bie aW Wiflenfdjaflroltb auf•
1"\.. Gemeinniitzigkeit nach. Der erste Aufsatz enthalt die Beantwortung tteten lonnen. Q>on Jmmanuc[ .ltanf. :Jliga be9 J;:Jartlnodj. 1783. 8. 222
der Frage: Was ist Aufklarung? von unserm Herren Prof. Kant. Aufkla-
rung ist ihm zu Folge der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschul· ®etten.
deten Unmiindigkeit. Urn sie hervorzubringen wird blofle Freyheit in iir jeden andern Schriftsteller mochte der obige Titel zu stolz seyn,
allen Stiicken offentlichen Gebrauch von seiner Vernunft zu machen erfor-
dert. Der Privatgebrauch derselben kan ofters eingeschrankt seyn, ohne
F aber fiir den Verfasser der Kritik der reinen Vernunft ist ers nicht, wei!
in der That jenes merkwiirdige Buch, wovon diese Prolegomena einen fall-
daB diefl dem Fortschritt der Aufklarung sonderlichen Schaden thut. Hr. lichen Auszug liefern, Untersuchungen und Bemerkungen enthalt, die
Kant schlieflt in der Folge hieraus weiter, daB ein monarchischer Staat bei von jedem, der sich mit Metaphysik beschafftigt, und noch vielmehr von
geringerer biirgerlichen Freiheit die Aufklarung dennoch mehr begiinsti- jedem, der eine Metaphysik schreiben will, durchgedacht und beherziget
ge, als ein Freistaat, worin [382] diese Freiheit im Privatgebrauche der Ver- zu werden verdienen. Vermuthlich fand Hr. Prof. Kant, daB die mit der
nunft uneingeschriinkter vorhanden ist. erforderlichen Vollstandigkeit und schulgerechten Genauigkeit, nach syn-
thetischer Methode allein aus der Natur des menschlichen Verstandes vor-
genommene und durchgefiihrte Auseinandersetzung, Beurtheilung und
Schatzung aller ErkenntniB a priori selbst fiir den groflten Theil der specu-
i}o~ann J;:leinrid) ~ambcrt6, e~em . .leonigl. <pr. Oberbaurat~~ unb '.!nit•
lativen Denker, fiir die er schrieb, zu dornicht und zu abschreckend war.
glieb~ bet .leonigl. ~cab. bet Wiflenfdj. au .'l;erlin, beutfdjer gele~rter .'l;riefroedj•
Daher entschlofl er sich, uns durch die Prolegomena einen durch die La-
fel. J,:Jera~gegeben oon i}o~. ~crnoulli - .'l;erlin, be9 bem J;:Jerau~geber; unb
byrinthe jener Untersuchung hindurchfiihrenden Leitfaden zu geben, und
it>eflau in bet ~udj~anblung ber CBele~rten, I. .'l;b. 432 Octaofeiten 3 .'l;ogen
denkende Kopfe aufzumuntern, sich an das groflere Werk selbst zu wagen,
Q>ombe unb :Jleg. 3 .leupfert. II. .'l;. 1782. 512 Octaof. 3 .leupfert.
wenn sie vorher von dem Inhalte, von der Hauptabsicht, und dem Wege,
[...] Nach diesem Briefwechsel folgt der zwischen L. und Kant. L. fangt auf welchem der Verf. sie erreichen wollte, unterrichtet seyn wiirden. Ich
ihn an, da er aus einigen Schrif{8)ten Hrn. K. einerley Denkungsart des- bin eine Zeitlang unschliiflig gewesen, wie ich diese Prolegomena anzeigen
selben gesehen, und Hochachtung fiir ihn geschopft. (Ein Verfahren, das salle, ob ich, da sie sich ganz auf die Kri{323)tik der reinen Vernunft be-
beyden Correspondenten gleich vie! Ehre machte.) Er betrifft groflten- ziehen, und eigentlich des Verfassers eigne Recension tiber das Hauptwerk
theils die Art, die Metaphysik abzuhandeln, daB man Deutlichkeit und sind, auf die in unsrer Bibliothek {in der zwoten Abtheilung des Anhangs
Gewiflheit erhalte. Ein Gedanke L. 363 S. In der Metaphysik, wo die zu XXXVI-UI B.) befindliche von einem Kenner verfaflte ausfiihrliche
Schwierigkeit vom Schein so vie! Wesens macht, wird die Methode des Recension der Kritik der reinen Vernunft verweisen soil, ohne von einem
86 ~ffgemeine ~eutfd)e :l;ibfiotbef - Dezember 1784
Auszuge wieder einen Auszug zu machen; oder ob ich nicht vielmehr die-
ses Buch als ein eignes und neues Werk zu betrachten, und als von einem
solchen den Lesern Nachricht zu geben habe. Ich entschloB mich zu dem '·'
Letztern, denn da der Verf. nicht nur vermoge der analytischen Methode,
die er hier befolgt, den Weg, den er in der Kritik genommen, wieder
zuriicknimmt, wodurch nothwendig in dem Vortrage einige Verschieden-
heit entstehen muBte; sondern sich auch tiber manche Dinge zwar nicht
anders, doch deutlicher und faBlicher, und wie es mir auch hin und wie- ··- ...
der vorgekommen, mit Riicksicht auf schon gemachte oder besorgliche
Einwiirfe erklart hat, so denke ich, daB ich wenigstens Entschuldigung fin-
den werde, wenn ich dem Gange des Verf. nachgehe, und die Hauptsatze
desselben mittheile; und sollte dieser Auszug etwas zu weitlauftig gerathen,
so wird mich die seltene Wichtigkeit des Buchs, das ich ausziehe, genug-
sam bey Sachkundigen rechtfertigen. i.
"Meine Absicht; sagt der Verf. in der Vorrede, "ist; aile diejenigen, die
es werth finden, sich mit Metaphysik zu beschafftigen, zu tiberzeugen, daB ..
.. "
es unumganglich nothwendig sey, ihre Arbeit vor der Hand auszusetzen,
alles bisher geschehene als ungeschehen anzusehen, und vor allen Dingen
zuerst die Frage aufzuwerfen: ob auch so etwas als Metaphysik uberall nur
moglich sry?"- Aber was berechtigt den Verf. diese Frage aufzuwerfen? (
Der ktim{324]merliche dtirftige Zustand, worinn sich die Metaphysik bey
' : -·, <
dem unaufhorlichen Fortriicken jeder andern Wissenschaft befindet, ihr . ' . "l
ewiges Herumdrehen urn eben denselbigen Punkt, ohne von der Stelle zu
kommen; die Nichtachtung, wozu sie seit geraumer Zeit herabgesunken ·_,;
,,
ist. - Und was gab ihm Veranlassung, sich selbst zuerst diese Frage vorzu- ';._,·
legen? Es war der ktihne Angriff, den der beriihmte David Hume auf die
Metaphysik machte. Dieser Angriff war, nach des Verf. Urtheil, seit dem
Entstehen der Metaphysik, diejenige Begebenheit, die in Ansehung des
Schicksals derselben am entscheidensten hatte werden konnen, wenn er
ware gehorig beachtet und geniitzet worden. Aber zum Ungltick fiir die
Metaphysik geschahe dies nicht. Die Brittischen Gegner dieses beriihmten
Mannes, Reid, Beattie, Oswald, verstanden ibn ganz und gar nicht, setzten
ibm den sogenannten Commonsense {gesunden Menschenverstand) entge-
gen, der bier ganz auBerhalb seiner Sphare war, bewiesen, was Hume nie
geleugnet, und setzten voraus, was Hume bewiesen haben wollte, und so
blieb alles, wie es war. Herr Kant erwahnt bey dieser Gelegenheit, wie
man wohl erwarten konnte, der Antwort oder Widerlegung nicht, die un-
ser Sulzer in seinen Anmerkungen und Zusatzen zu der von ihm heraus-
gegebenen deutschen Ubersetzung der Humischen philosophischen Ver- ·--.
suche tiber die menschliche ErkenntniB, dem Sceptiker entgegen setzte.
QIITgcmcinc bcut[d)c il:>ibliotbcf - Dezember 1784 89
Unbekannt konnte sie ihm indessen nicht seyn; vermuthlich fand er also
diese Antwort eben so unhinlanglich und ungenugthuend, als sie dem
Recensenten schon bey ihrer ersten Erscheinung vorkam. In der That
macht sich zwar Sulzer der Unschicklichkeit nicht schuldig, daB er sich,
wie jene brittische Philosophen, geradezu auf den gesunden Menschenver-
stand beruft; al{325]lein er scheint doch auch Humen nicht ganz zu ver-
stehen, da er eben das, was dieser erst bewiesen, und zwar aus den ersten
Principien des Denkungsvermiigens deducirt haben wollte, nemlich, daB
da, wo eine Ursache ist, auch eine Wirkung, und da, wo eine Wirkung ist,
auch eine Ursache sey, und zwar als einen schlechterdings allgemeinen,
auch iiber das Feld der Erfahrung hinaus, geltenden Canon der Vernunft,
von Humen zugestanden, voraussetzte. Es fehlte also vie! daran, daB er in
diesem Humischen Satze: daft sich die nothwendige Verbindung zwischen
Ursache und Wirkung von der Vernunft nicht a priori und aus Begrijfen
denken, noch der Begriff von einer so/chen Verknupfung a priori einfiihren
lasse; einen Wink zur Revision der Grundprincipien der menschlichen Er-
kenntnill entdecken sollte. Diesen Wink fand unser Verf. darinn, ihn
weckte, wie er selbst sagt, dieses Paradoxon vor vielen Jahren aus seinem
dogmatischen Schlummer. Indessen war er weit entfernt, Humen die Fol-
), gerung zuzugestehen, die er aus diesem Satze zog, (daB namlich der Begriff
von Ursach und Wirkung, oder von der Causalverbindung, kein Vernunft-
begriff, sondern nur das Produkt der Einbildungskraft und der Erfahrung
sey,) und die bios daher riihrte, wei! Hume sich seine Aufgabe nicht im
Ganzen vorstellte, sondern nur auf einen Theil derselben fie!, der, ohne
das Ganze in Betracht zu ziehen, keine Auskunft geben konnte. Hr. K.
versuchte also zuerst, ob sich nicht Hume's Einwurf allgemein vorstellen
IieBe, und fand bald, daB der Begriff von Ursache und Wirkung bey
weitem nicht der einzige sey, durch den sich der Verstand Verkniipfungen
\
der Dinge a priori denkt, sondern daB Metaphysik ganz und gar aus sol-
chen bestehe. Er suchte sich ihrer Zahl zu [326] versichern, und da ihm
dies, seinem Vorgeben nach, aus einem einzigen Princip gelungen war,
gieng er an die Deduction derselben, und bemiihete sich, das zu leisten,
was Humen unmoglich schien, und was vorher sich Niemand hatte einfal-
len lassen, obgleich Jedermann sich der Begriffe getrost bediente, ohne zu
fragen, worauf sich denn ihre objective Giiltigkeit griinde. Da es ihm nun
mit der Aufliisung des Humischen Problems nicht bios in einem beson-
dern Faile, sondern in Absicht auf das ganze Vermogen der reinen Ver-
nunft gelungen war, so konnte er sichere, obgleich immer nur langsame,
Schritte thun, urn endlich den _ganzen Umfang der reinen Vernunft, in
seinen Grenzen sowohl als in seinem Inhalte, vollstandig und nach allge-
90 ~[gemelne beutfd)e :lJibfiot~et - Dezember 1784 .ltant~ <ptolegomena 91
meinen Principien zu bestimmen, welches denn dasjenige war, was Meta- dings mancher Zergliederung ihrer Begriffe, mithin analytischer Urtheile
physik bedarf, urn ihr System nach einem sichern Plan auszufiihren. bedarf, wobey aber das Verfahren nicht anders ist, als in jeder andern Er-
Das Problem, so allgemein als moglich ausgedruckt, das Hr. K. durch kenntnil!art, wo man seine Begriffe durch Zergliederung bioi! deutlich zu
die Kritik der reinen Vernunft aufliisen wollte, ist dieses: wie sind syntheti· machen sucht. Allein die Erzeugung synthetischer Satze a priori, und
sche Satze a priori moglich? Auf die Auflosung dieser Aufgabe kommt, wie zwar im philosophischen Erkenntnisse, macht den Inhalt der Metaphysik
er mit Recht behauptet, das Stehen und Fallen der Metaphysik, also ihre aus. Es ist also die Frage nothig und wichtig: Ist iiherall Metaphysik mog-
Existenz ganzlich an. Aber urn diese Aufgabe richtig zu fassen, muJ3 man lich? Diese Frage will der Verf. nicht durch sceptische Einwtirfe gegen ge-
sich wahl merken, was der Verf. unter synthetischen Satzen versteht, und wisse Behauptungen einer wirklichen Metaphysik, dergleichen er vor der
wie er sie von analytischen unterscheidet. Synthetische Satze sind solche, Hand gar nicht annimmt, sondern aus dem nur noch problematisch ange-
die den Begriff des Subjects erweitern, die durch das Pradikat etwas, was nommenen Begriffe einer solchen Wissenschaft beantwortet haben. Ob
nicht schon vorher in dem Begriff des Subjects lag, zu demselben hinzu wir nun gleich Metaphysik als wirklich vorhandene Wissenschaft nicht
setzen; hingegen analytische Satze sind bios erlauternd, im Pradikat wird voraussetzen dtirfen, so wissen wir doch, dai! gewisse reine ErkenntniJ3
bios der Begriff, der schon im Subject lag,.erklart, auseinandergewickelt a priori wirklich und gegeben sey, nemlich reine Mathematik und reine
oder synonymisch ausgedruckt. Als ein Beyspiel der ersten flihrt [327] der Naturwissenschaft. Denn beyde enthalten Satze, die theils apodictisch ge-
Verf. den Satz an: einige Korper sind schwer; und der letztern diesen: aile will, durch blolle Vernunft, theils durch die allgemeine Einstimmung der
Korper sind ausgedehnt Das gemeinschaftliche Principium aller analyti- Erfahrung, und dennoch von der Erfahrung unabhangig durchgehends
schen Urtheile ist der Satz des Widerspruchs; synthetische hingegen, ob angenommen werden. Wir haben also einige, wenigstens unbestrittene,
sie gleich diesem Grundsatze gemal! seyn mtissen, bedtirfen dennoch eines synthetische Erkenntnil! a priori, und dtirfen nicht erst fragen, ob sie mog-
anderweitigen Princips. Aile synthetische Satze lassen sich in Erfahrungs- lich sey, sondern nur, wie sie mOglich sey, urn aus dem Princip der Miig-
urtheile und in mathematische eintheilen. Die letztern namlich rechnet lichkeit der gegebenen, auch die Moglichkeit aller tibrigen herzuleiten. Es
der Verf. zu den synthetischen Satzen, wider die Meynung vieler, die sie_ wird also die transcendentale Hauptfrage in vier andere Fragen getheilt,
flir nichts anders, als flir analytische halten. Diese Behauptung des Verf. ist und nach und nach beantwortet werden mtissen. Es sind diese: I. Wie ist
in seiner Gedankenreihe von grol!er Wichtigkeit; er beweiset sie hier aber reine Mathematik moglich? II. Wie ist reine Naturwissenschaft moglich?
nicht ausflihrlich, sondern bezieht sich auf die Kritik der r. V. wo er S. 713 Ill. Wie [329] ist Metaphysik tiberhaupt moglich? IV. Wie ist Metaphysik
den volligen Beweis gegeben, daJ3 vermoge eines wesentlichen Unter- als Wissenschaft moglich?
schieds der reinen mathematischen ErkenntniJ3 von allen andern Erkennt- Die erste Frage beantwortet der Verf. so: .Reine Mathematik ist als syn-
nissen a priori, sie durchaus nicht nur aus Begrijfen, sondern jederzeit nur thetische Erkenntnill a priori nur dadurch moglich, daJ3 sie auf keine ande-
durch die Construction der Begriffe vor sich gehe, und also in einer von re als blolle Gegenstande der Sinne geht, deren empirischer Anschauung
dem Verf. so genannten reinen Anschauung a priori gegeben werde. Da sie eine reine Anschauung des Raums und der Zeit - und zwar a priori zum
also in ihren Satzen tiber den Begriff zu demjenigen, was die ihm entspre- Grunde liegt, und darum zum Grunde liegen kann, wei! diese Anschau-
chende Anschauung enthalt, hinausgehen mtissen, so konnen und sollen ung in Raum und Zeit nichts anders, als die blol!e Form der Sinnlichkeit
ihre Satze auch niemals durch Zergliederung, d. i. analytisch entspringen, ist, welche vor der sinnlichen Erscheinung der Gegenstande vorhergeht,
und sind daher insgesammt synthetisch. (Hieraus ergiebt sich auch der indem sie dieselbe in der That erst moglich macht. Doch betrifft dieses
Unterschied zwischen den so genannten Corollariis und den Theoremen Vermogen a priori anzuschauen, nicht die Materie der Erscheinung, die
oder Problemen, jene namlich enthalten analytische aus den im Theorem das, was in ihr Empfindung ist, denn diese macht das Empirische aus, son-
oder Problem enthaltenen Begriffen entwickelte Satze, und erfodern keine dern nur die Form derselben Zeit und Raum." Denjenigen Lesern, welche
neue Construction, diese aber setzen immer eine neue Construction, und die Recension der Kritik d. r. V. in unserer Bibliothek gelesen haben, kann
vermittelst derselben neue hinzukommende Begriffe voraus). Die Meta- es nicht unbekannt seyn, daJ3 diese Vorstellung von Raum und Zeit, daJ3
physik hat es gleichfalls eigentlich [328] mit synthetischen Satzen a priori sie nichts anders als die subjective Form der Sinnlichkeit oder Bedingun-
zu thun. Diese machen allein ihren Zweck aus, zu welchem sie zwar aller- gen sind, unter welchen der aullere und der innere Sinn Gegenstande
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wahrnimmt und wahrnehmen kann, die Grundpfeiler des Raisonnements zur Sinnlichkeit anhiingende Bedingungen seyn, so mochte ich wissen, wie
sind, wodurch Hr. K. die Hauptfrage aufloset, daher ich desfalls auf die man es moglich finden kann, a priori und also vor aller Bekanntschaft mit
obgedachte Recension verweise. (Es ist mir wohl eher beygefallen, wenn den Dingen, ehe sie nemlich uns gegeben sind, zu wissen, wie ihre An-
ich tiber diese sonderbaren und in ihrer Art einzigen Begriffe nachgriibel- schauung beschaffen seyn miisse, welches doch hier der Fall mit Raum
te, ob man nicht diese Ideen als nothwendige Folgen der Endlichkeit oder und Zeit ist. Dieses ist aber ganz begreiflich, sobald beyde flir nichts wei-
Einschriinkung des menschlichen Geistes betrachten konne, der, wei! er ter, als formale Bedingungen unsrer Sinnlichkeit, die Gegenstiinde aber
nicht vermogend ist, die ihn iiberwaltigende Menge von Vorstellungen zu blo£ fiir Erscheinungen gelten, denn alsdenn kann die Form der Erschei-
umfassen, urn dieselben von einander abzusondern und [330] von seinem nung, d. i. die reine Anschauung allerdings aus uns selbst, d. i. a priori vor-
Ich zu unterscheiden, sich durch Raum und Zeit gleichsam Erleichterung gestellt werden." Aus dieser Theorie von Raum und Zeit ergiebt sich nun
und Hiilfe verschaffen mull. Er wiirde dann das Ganze in Theile zerlegen, des Verf. transcendentaler, oder wie er ihn Iieber nennt, kritischer Idealis-
und hierzu zuforderst den Begriff des Raums, oder des Au£ereinanderseyn m us, (der also keinesweges die Hauptsache war, die er durch seine Kritik
gebrauchen, und wenn er seiner Verlegenheit auch dadurch in gewissen festsetzen wollte, sondern nur eine nothwendige Folge derselben) vermoge
Fallen noch nicht ganz abhelfen konnte, vermoge einer anderweitigen dessen die Gegenstiinde der Empfmdung nicht die Dinge in sich, sondern
Theilung, die Vorstellungen eine nach der andern zulassen, und sich da- nur Erscheinungen sind, denen freylich Dinge in sich zum Grunde ]iegen
durch den Begriff der Zeit schaffen miissen. Dies vorausgesetzt, wiirde der mogen, von deren innern und wahren Beschaffenheit wir aber nichts
menschliche Geist also urn seiner wesentlichen Einschriinkung willen so wissen. Dieser Idealismus unterscheidet sich nicht nur von dem Berkeley-
gebildet seyn miissen, da£ bey jeder Wahrnehmung Vorstellungen von schen, der die ganze Korperwelt vernichtet, sondern auch von dem aus
Raum oder Zeit in ihm entstehen mii£ten, ja da£ vermittelst dieser Hiilfs- der Leibnitzischen [332] Monadologie resultirenden, und zwar von diesem
begriffe allererst Wahrnehmungen und klares BewuBtseyn der von ihm letztern in Ansehung seines U mfangs und seines Grundes, der l.eibnitzi-
selbst oder seinem Ich zu unterscheidenden Gegenstiinde moglich werden sche Idealismus erstreckt sich bios auf die iiu£ern Empfindungen, der kri-
konne, und dies wiirde dann ohngefiihr auf das hinauslaufen, da£ Raum tische aber umfa£t sowohl die iiuBern als innern Empfindungen, denn die
und Zeit die subjective Form der menschlichen Sinnlichkeit oder die Be- Form, worinn sich diese letztern darstellen, oder gleichsam gegossen wer-
dingungen sind, unter denen allein der menschliche Geist iiu£ere und in- den, die Zeit, ist so wie der Raum nur eine subjective Bedingung unsrer
nere nicht nur von seinem Ich, sondern auch eine von der andern unter- Sinnlichkeit, folglich ist uns unser Ich, seinem Wesen nach, eben so unbe-
scheidbare Empfindungen haben konne. Was nun bey jeder Vorstellung kannt, als die iiuBere Welt. In Ansehung des Grundes findet dieser Unter-
vorkommt und vorkommen mliBte, wenn sie uns merkbar werden soli, schied statt, da£ der kritische Idealismus nicht, wie der Leibnitzische, aus
Raum. und Zeit niimlich, obgleich jedesmal besonders modificirt, das kon- dem verworrenen Geflihle, sondern aus der Natur und wesentlichen Ein-
nen wir uns, wie es scheint, wenn wir uns auch keine in Raum und Zeit richtung unsrer Sinnlichkeit entsteht; es ist also dem Kritischen zufolge
gegebene Gegenstiinde dabey vorstellen, als etwas Absolutes gedenken, und nicht moglich, da£ wir jemals, so lange wir menschliche Sinnlichkeit
so mit Weglassung der besondern Modificationen einen etwanigen Begriff haben, das innere Wesen der Dinge, oder das, was den Erscheinungen zum
von absolutem unendlichem Raum und absoluter unendlicher Zeit be- Grunde liegt, erforschen und so die Kluft zwischen Physik und Meta-
kommen, als den Verhaltnissen, worinn Gegenstiinde zwar itzt nicht ge- physik ausflillen konnten, wie es einige Leibnitzianer, unter andern Hr.
setzt sind, aber doch gesetzt werden konnten. Ich gestehe [331] gerne, da£ Begvelin, flir moglich gehalten und versucht haben.
so Ieicht ich den Begriff des Raums in diese meine Vorstellungsart einpas- II. Wie ist reine Naturwissenschaft miiglich? Hier bemerkt der Verf. zu-
sen zu konnen mir einbildete, es mir mit dem Begriffe der Zeit desto erst, da£ falls Natur, d. i. das Daseyn der Dinge, sofern es nach allgemei-
schwerer ward, ja da£ ich hier eine mir unauflosliche Schwierigkeit fand, nen Gesetzen bestimmt ist, das Daseyn der Dinge an sich selbst bedeutet,
deren Grund ich noch in der Folge anzuflihren, Gelegenheit haben werde. wir sie niemals weder a priori, noch a posteriori, erkennen kOnnten. Nicht
.Wollte man," setzt der Verf. zur Bestiitigung und Erliiuterung seiner Theo- a priori, denn wie wollen wir wissen, was den Dingen an sich selbst zu-
rie von Raum und Zeit hinzu, .im mindesten daran zweifeln, da£ beyde komme, da dieses niemals durch Zergliederung unserer Begriffe geschehen
gar keine den Dingen an sich selbst, sondern nur blo£e ihrem Verhaltnisse karm, wei! ich nicht wissen will, was in meinem Begriffe von einem Dinge
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enthalten ist - denn das gehiirt zu seinem logischen Wesen - sondern was welche nicht nur die Form des Denkens iiberhaupt, sondern auch die Ma-
in der Wirklichkeit des Dinges [333] zu diesem Begriffe hinzukomme, und terie des reinen Denkens ausmachen, hat der Verf. durch seine aullerst
wodurch das Ding selbst in seinem Daseyn, auller meinem Begriffe be- scharfsinnigen Untersuchungen in ein ganz neues Licht gesetzt. Da sie von
stimmt sey. - Auch a posteriori ware eine solche Erkenntnill der Dinge an aller Erfahrung unabhangig im Verstande selbst sich mullten entdecken
sich selbst unmiiglich, denn wenn mich Erfahrung, Gesetze, unter denen lassen, so suchte er lange ein Mittel, sie vollstandig zu fassen, und endlich
das Daseyn der Dinge steht, lehren soli, so miillten diese, so fern sie Dinge verfiel er darauf, sie im U rtheilen, derjenigen Handlung des Verstandes,
an sich selbst betreffen, auch auller meiner Erfahrung ihnen nothwendig die aile iibrige enthalt, und sich nur durch verschiedene Momente oder
zukommen. Nun lehrt mich die Erfahrung zwar, was da sey, und wie es Modificationen unterscheidet, aufzusuchen. In allen den mannigfaltigen
sey, niemals aber, dall es nothwendigerweise so und nicht anders seyn miis- Gesichtspuncten nun, worinn sich das Unheil betrachten und vorstellen
se. Also kann sie die Natur der Dinge an sich selbst niemals lehren~ Aber lallt, fand er Grund zu eben so mannigfaltigen jenen Gesichtspuncten ent-
konnte man nicht vielleicht sagen, dall so wie in manchen andern Fallen, sprechenden Grundbegriffen und [335] Grundsatzen des reinen Verstan-
da ein Einsichtsvollerer die Nothwendigkeit einer Begebenheit oder Hand- des. So gab ibm der Gesichtspunct, oder wie der Verf. es nennt, Function,
lung einsieht, die ein U nwissender fiir ganz zufallig halt, nur unsre Einge- aus welchem sie sich als allgemeine, besondere, einzelne betrachten lassen,
schriinktheit uns verhindere, mit dem Daseyn dieser Gesetze zugleich ihre die Categorien, (wie er nach dem Aristoteles diese Grundbegriffe nennt)
Nothwendigkeit wahrzunehmen? .Nun sind wir wirklich im Besitz einer der Quantitiit, namlich Einheit, Vielheit, Allheit, oder das Ganze, dall
reinen Naturwissenschaft, die a priori und mit aller derjenigen Nothwen- man sie als bejahende, verneinende, unendliche betrachten kann, die Cate-
digkeit, welche zu apodictischen Satzen erforderlich ist, Gesetze vortragt, gorien der Qualitiit, namlich Realitat, Negation, Einschrankung - dall
unter denen die Natur steht. Es finden sich namlich unter den Grund- man sie als categorisch, hypothetisch, disjunctiv betrachten kann, die Cate-
satzen der allgemeinen Naturlehre etliche, die wirklich die Allgemeinheit gorien der Relation, namlich Inharenz, Caussalitat, Gemeinschaft - und
haben, die wir verlangen, als der Satz: daft die Substanz bleibt und beharret; endlich dall man sie als apodictische, assertorische und problematische be-
daft alles, was geschieht, jederzeit durch eine Ursache, nach bestiindigen Geset· trachten kann, die Categorien der Modalitiit, namlich Nothwendigkeit,
zen vorherbestimmt sey u. s. w. Es giebt also wirklich eine reine Naturwis- Wirklichkeit, Miiglichkeit. Auf diese Weise glaubt nun der Verf. nicht nur
senschaft, und nun ist die Frage: wie ist sie miiglich? Wenn ich bier nun die Verstandsbegriffe richtig deducirt, sondern auch ganz vollstandig ange-
das Resultat der tiefsinnigen Untersuchungen, die der Verf. iiber diese Fra- geben zu haben. Fr:igt man, wie der Verf. beweisen kiinne, dall er die Ver-
ge anstellt, als die Beantwortung hersetze, nemlich: der Verstand schopft standesbegriffe vollstandig hierdurch angegeben babe, so sehe ich nicht,
seine Gesetze {a priori} nicht aus der Natur, sondern schreibt sie [334] dieser wie es anders bewiesen werden konne, als dadurch, dall man bisher keine
vor, so wird vielleicht den meisten Lesern dies ein theils clunkier, theils un- andere Mannigfaltigkeiten und Gesichtspunkte, woraus sich das U rtheil
bewiesener Ausspruch diinken. Wer indessen den Sinn desselben versteht, betrachten lasse, entdeckt babe, als diese vier, so er angegeben, und dall
der wird bey vorausgesetzter Richtigkeit desselben die Frage hinlanglich auch diese keine andre Unterabtheilungen zulassen, als die, so er gemacht
beantwortet fmden, und zwar auf eine viillig der Beantwortung der ersten hat; allein dies ware denn doch gewissermallen eine Berufung auf die Er-
die Moglichkeit der reinen Mathematik betreffenden Frage almliche Art. fahrung, die bier nicht schicklich scheinen diirfte, da man einen Beweis a
Da machten die Begriffe von Zeit und Raume als subjective Formen der priori fordert, dall gerade nur diese Momente des Urtheils, nur diese Cate-
Sinnlichkeit eine reine Anschauung moglich, und aile die Satze, die ver- gorien und sonst keine miiglich sind. Auf dieses System der Categorien
mittelst der Construction in dieser reinen Anschauung gegeben wurden, oder Grundbegriffe bezieht sich nun auch die vom Verf. entworfene phy-
gelten von allem, was in Zeit und Raum empfunden und angeschauet siologische aus der Natur des reinen Verstandes gezogene Tafel allgemeiner
wird, und miissen durch jede Erfahrung bestatiget werden. Was fiir die Sin- Grundsatze. [336] Diese theilt der Verf. ein: I. in Axiomen der Anschau-
nen und sinnliche Objecte Zeit und Raum sind, das sind die Grundbegrif- ung, II. Anticipationen der Wahrnehmung, Ill. Analogien der Erfahrung,
fe und Grundsatze des Verstandes, d. i. die nothwendigen Bedingungen, IV. Postulate des empirischen Denkens iiberhaupt. Die Vollstandigkeit die-
unter denen er denken und urtheilen kann, fiir die Vernunft und deren ser Eintheilung ergiebt sich nur aus dem System der Categorien, Anschau-
Object die Natur. Diese Grundbegriffe und Grundsatze des Verstandes, en ist das erste, und die Axiomen der Anschauung sind diese: dall wir
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alles, was wir anschauen und empfinden, i~ Raum oder irgendwo schau- nun das Resultat von allem diesem: die Grundsatze moglicher Erfahrun-
en, und in der Zeit, oder irgendwann empfinden. Auf das Anschauen folgt gen (wodurch Erfahrungen erst moglich werden) sind zugleich als all-
die Wahmehmung; diese setzt das Denken voraus, welches nichts anders gemeine Gesetze der Natur anzusehen, welche a priori erkannt werden
ist, als Vorstellungen in einem Bewu!ltseyn vereinigen. Diese Vereinigung konnen. Dies sind auch die formalen Bedingungen aller Urtheile [338)
ist entweder bios relativ auf das denkende Subject, und ist zufallig und tiberhaupt, mithin aller Regeln tiberhaupt. Die Grundsatze, vermittelst de-
subjectiv, oder sie findet schlechthin statt, und ist nothwendig oder ob- ren aile Erscheinungen unter diese Begriffe subsumirt werden, machen ein
jectiv. Die Vereinigung der Vorstellungen in einem Bewu!ltseyn ist das Ur- physiologisches, d. i. ein Natursystem aus, welches vor aller empirischen
theil, also ist denken soviel, als urtheilen. Daher sind U rtheile entweder NaturerkenntniB vorhergeht, diese zuerst moglich macht, und daher die
bloB subjectiv, wenn Vorstellungen auf ein Bewu!ltseyn in einem Subject eigentliche allgemeine und reine Naturwissenschaft kann genannt werden.
allein bewgen werden, oder sie sind objectiv, wenn sie in einem BewuBt- Ill. Wie ist Metapbysik moglich.< Da die Wirklichkeit der Metaphysik
seyn iiberhaupt, d. i. darinn nothwendig vereinigt werden. Die logischen nicht wie die Wirklichkeit der reinen Mathematik und der Naturwissen-
Momente aller Urtheile sind soviel mogliche Arten, Vorstellungen in schaft ausgemacht, sondern problematisch ist, so bedarf dieselbe dieser
einem Bewufltseyn zu vereinigen. Dienen aber eben dieselben als Begriffe, Deduction urn ihrer selbst willen. Sie hat es mit Begriffen zu thun, deren
so sind sie Begriffe von der nothwendigen Vereinigung derselben in einem objective Realitat (daB sie nicht blo!le Hirngespinnste sind) und mit Be-
Bewufltseyn, mithin Principien, objectiv giiltige · Urtheile. Eifahrung hauptungen, deren Wahrheit und Falschheit durch keine Erfahrung kann
besteht in der synthetischen Verkniipfung "der Erscheinungen (Wahrneh- bestatigt oder aufgedeckt werden, und dieser Theil der Metaphysik ist
mungen) in einem BewuBtseyn, sofern dieselbe nothwendig ist. Daher tiberdem gerade derjenige, welcher den wesentlichen Zweck derselben, da-
sind reine Verstandsbegriffe diejenigen, unter denen aile Wahrnehmungen zu alles andere nur Mittel ist, ausmacht. Ohne Auflosung dieser Frage thut
zuvor miissen subsumirt werden, ehe sie zu Erfahrungsurtheilen dienen sich Vernunft niemals selbst genug. Der Erfahrungsgebrauch, auf welchen
konnel), in welchen die synthetische [337) Einheit der Wahrnehmung als die Vernunft den reinen Verstand einschrankt, erfiillt nicht ihre ganze Be-
nothwendig und allgemein giiltig vorgestellt wird. Wenn dies geschehen stimmung. Jede einzelne Erfahrung ist nur ein Theil von der ganzen Spha-
soli, so.muB das Erfahrungsurtheil noch tiber die sinnliche Anschauung re ihres Gebietes, das absolute Ganze aller moglichen Eifahrung ist aber
und die logische Verkniipfung derselben, wodurch die Wahrnehmung ent- selbst keine Erfahrung, und dennoch ein nothwendiges Problem fiir die
steht, in einem U rtheile etwas hinzufiigen, was das synthetische U rtheil Vernunft, zu dessen blofler Vorstellung sie ganz andere Begriffe nothig hat,
als allgemein giiltig bestimmet, und dieses kann nichts anders seyn, als der- als jene reine Verstandesbegriffe, deren Gebrauch nur immanent ist, d. i.
jenige Begriff, der die Anschauung in Ansehung einer Form des U rtheils auf Erfahrung geht, so weit sie gegeben werden kann, indessen daB Ver-
vielmehr als der andern, als an sich bestimmt, vorstellt, d. i. ein Begriff nunftbegriffe auf die Vollstandigkeit d. i. die collective Einheit der ganzen
von derjenigen synthetischen Einheit der Anschauung, die nur durch eine moglichen Erfahrung, und dadurch [339] tiber jede gegebene Erfahrung
gegebene logische Function der Urtheile vorgestellt werden kann. Mit an- hinausgehen und transcendent werden. So wie also der Verstand der Cate-
dern Worten: Erfahrung wird erst durch den Zusatz eines Verstandesbe- gorien zur Erfahrung bedurfte, so enthalt die Vernunft in sich den Grund
griffs zur Wahrnehmung erzeugt." Vielleicht wird dies durch das vom zu Ideen, worunter nothwendige Begriffe verstanden werden, deren Ge-
Verf. angefiihrte GleichniB etwas deutlicher.•Wenn die Sonne den Stein genstand gleichwohl in keiner Erfahrung gegeben werden kann. Die letz-
bescheint, so wird er warm. Dieses U rtheil ist ein blofles Wahrnehmungs- tern sind eben sowohl in der Natur der Vernunft, als die erstern in der
urtheil, und enthalt keine Nothwendigkeit, ich mag dieses auch noch so Natur des Verstandes gelegen, und wenn jene einen Schein bey sich fiih-
oft wahrgenommen haben; die Wahrnehmungen finden sich nur gewohn- ren, der Ieicht verleiten kann, so ist dieser Schein unvermeidlich, obzwar,
lich so verbunden. Sage ich aber: die Sonne erwarmt den Stein, so kommt daB er nicht verfiihre, gar wohl verhtitet werden kann. Da aller Schein
tiber die Wahrnehmung noch der Verstandsbegriff der Ursache hinzu, der darinnen besteht, daB der subjective Grund des Urtheils fiir objectiv gehal-
mit dem Begriff des Sonnenscheins den der Warme nothwendig verkniipft, ten wird, so wird eine Selbsterkenntnill der reinen Vernunft in ihrem tran-
und das synthetische U rtheil wird nothwendig allgemein giiltig, folglich scendenten (tiberschwenglichen) Gebrauch. das einzige Bewahrungsmittel
objectiv, und aus einer Wahrnehmung in Erfahrung verwandelt." - Und gegen die Verwirrungen seyn, in welche die Vernunft gerath, wenn sie ihre
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Bestimmung misdeutet, und dasjenige tran~cendentweise aufs Object an noch sehe ich nicht ein, wie der categorische VernunftschluB, der einen
sich selbst bezieht, was nur ihr eignes Subject und die Leitung desselben in allgemeinen absolut genommenen Satz erfodert, oder wie der Omstand,
allem immanenten Gebrauche angeht. Die Onterscheidung der Ideen, d. i. daB etwas als unbedingt gesetzt wird, den Grund enthalte, warum die Ver-
der reinen Vernunftbegriffe von den Categorien, d. i. den reinen Ver- nunft, die Seele oder das Ich fiir ein absolut fiir sich bestehendes Ding zu
standsbegriffen, als Erkenntnissen von ganz anderer Art, Orsprung und halten veranlaBt werde; ferner, warum der hypothetische VernunftschluB
Gebrauch, ist ein so wichtiges Stuck zur Grundlegung einer Wissenschaft, es mit sich bringe, daB wir die vollstandige Reihe der Bedingungen suchen
welche das System aller der Erkenntnisse a priori enthalten soli, daB ohne miissen? Deutlicher scheint mir die Sache beym disjunctiven Vernunft-
eine solche Absonderung Metaphysik schlechterdings unmiiglich, oder schluB zu seyn, den der Verf. auf diese Weise erlautert: .Im disjunctiven
hiichstens ein regelloser stiimperhafter Versuch ist, ohne KenntniB der 0 rtheile betrachten wir aile Moglichkeit respectiv auf einen gewissen Be-
Materialien, womit man sich beschafftigt." - So wie der Verf. den Or- griff, als eingetheilt. Das ontologische Princip der durchgangigen Bestim-
sprung der Categorien in den vier logischen Functionen aller Ortheile des mung eines Dinges iiberhaupt {von allen miiglichen entgegengesetzten Pra-
Verstandes gefunden hatte, so wares ganz natiirlich {fiir ihn) [340] den Or- dicaten eines Dinges kiimmt jedem Dinge eins zu) welches zugleich das
sprung der Ideen in den drey Functionen der Vernunftschliisse zu suchen; Princip aller disjunctiven 0 rtheile ist, legt den Inbegriff aller Miiglichkeit
denn wenn einmal solche reine Vernunftbegriffe {transcendente Ideen) ge- zum Grunde, in welchem die Miiglichkeit jedes Dinges iiberhaupt als be-
geben sind, so konnten sie, wenn man sie nicht fiir angeboren halten will, stimmter angesehen wird. Dieses client zu einer kleinen Erlauterung des
wohl nirgends anders, als in derselben Verminfthandlung angetroffen wer- obigen Satzes: daB die Vernunfthandlung in disjunctiven Vernunftschliis-
den, welche, sofern sie bios die Form betrifft, das Logische der Vernunft- sen der Form nach mit derjenigen einerley sey, wodurch sie die Realitat
schliisse; sofern sie aber die Verstandesurtheile in Ansehung einer oder der eines Inbegriffs aller Realitat zu Stande bringt, welche das Positive aller
andern Form a priori als bestimmt vorstellt, transcendentale Begriffe der einander entgegengesetzter Pradicate in sich enthalt." - Der Verf. merkt
reinen Vernunft ausmacht. - Der formale. Onterschied der Vernunft- hier ferner an, daB die Vernunftideen nicht etwa so wie die Categorien,
schliisse macht die Eintheilung derselben in categorische, hypothetische zum Gebrauch des Verstandes, in Ansehung der Er{342]fahrung etwas
und disjunctive nothwendig. Die darauf gegriindeten Vernunftbegriffe ent- nutzen, sondern in Ansehung desselben viillig entbehrlich, ja wohl gar
halten also, erstlich die Idee des vollstandigen Subjects {Substantiale); den Maximen des Vernunfterkenntnisses der Natur entgegen und hinder-
zweytens, die vollstandige Reihe der Bedingungen; drittens, die Bestim- lich, gleichwohl aber doch in anderer noch zu bestimmender Absicht
mung aller Begriffe in der Idee eines vollstandigen Inbegriffs des Mag- nothwendig seyn. Das Resultat der tiefsinnigsten Ontersuchung, so zur Be-
lichen. Die erste Idee war physiologisch, die zweyte, cosmologisch, die antwortung dienet, ist endlich dieses: .Die reine Vernunft hat unter ihren
dritte theologisch, und da aile drey zu einer Dialektik Ani£ geben, doch Ideen nicht besondere Gegenstande, die iiber das Feld der Erfahrung
jede auf ihre eigene Art, so griindet sich darauf die Eintheilung der ganzen hinaus lagen, zur Absicht, sondern fordert nur Vollstandigkeit des Verstan-
Dialektik der reinen Vernunft: in den Paralogismus, die Antinomie, und desgebrauchs, im Zusammenhange der Erfahrung. Diese Vollstandigkeit
endlich das Ideal derselben; durch welche Ableitung derselben man viillig aber kann nur eine Vollstandigkeit der Principien, aber nicht der An-
sicher gestellt wird, daB aile Anspriiche der reinen Vernunft hier ganz voll- schauungen und der Gegenstande seyn. Gleichwohl urn sich jene be-
standig vorgestellt sind, und kein einziger fehlen kann, wei! das Vernunft- stimmt vorzustellen, denkt sie sich solche als die ErkenntniB eines Ob-
vermiigen selbst, als woraus sie aile ihren U rsprung nehmen, dadurch jects, dessen ErkenntniB in Ansehung jener Regeln vollstandig bestimmt
ganzlich ausgemessen wird." Sehr sinnreich und scharfsinnig, ich gestehe ist, welches Object aber nur eine Idee ist, urn die VerstandeserkenntniB
es, scheint mir diese Deduction der Vernunftbegriffe, ob ich gleich mit der Vollstandigkeit, die jene Idee bezeichnet, so nahe als miiglich zu brin-
dem Recensenten der Krit. d. r. Vernunft zugleich mein 0 nvermiigen, gen." Das hei.Bt, soviel ich den Verf. verstehe: diese auf etwas Unendliches
dem Verf. auf diesem Wege zu folgen, [341] bekennen muB. Zwar da der fiihrende Vernunftideen entsprechen nicht wirklich einem unendlichen
Verf. sich hier ausfiihrlicher als in der Kritik iiber diese Deduction ausge- Objecte, dessen Auffindung fiir uns miiglich waee, und das uns anschau-
lassen, und sie in einer Anmerkung erlautert hat, so kann ich zwar eini- lich gegeben, nur aile Forderungen des forschenden Verstandes befriedigte,
germaBen verstehen, wie der Verf. auf diese Theorie gekommen, aber sondern sie sind bios das Formale der Vernunft, die dem Verstande ein nie
100 21Hgemeine beutfd)e il:>tbUot~et - Dezember 1784
dem Raume nach unendlich. 2) Alles in der welt besteht aus dem Einfa-
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einer Ursache oder Bedingung, die er gefunden, stille stehe, sondern im-
mer weiter forsche, ohne sich jemals zu iiberreden, daB er an die auflerste
Grenze seiner Nachforschungen, innerhalb dem Erfahrungskreise, gekom-
I chen - Es ist nichts Einfoches, sondern alles ist zusammengesetzt. 3) Es giebt
in der welt Ursachen durch Freyheit - Es ist keine Freyhei~ sondern alles ist
Natur. 4) In der Reihe der weltursachen ist irgend ein nothwendig Wesen -
men sey. Und auf diese Weise harmoniren nun Vernunft und Verstand mit Es ist in ihr nichts nothwendig; sondern in dieser Reihe ist alles zufallig. -
einander, [343] indem die Ideen der ersten den miiglichst vollkommenen Der Verf. macht iiber diese Antinomien folgende Anmerkung: .Hier ist
Gebrauch des letztern befiirdern. Wenn die Vernunft den Gebrauch der nun das seltsamste Phanomen der menschlichen Vernunft, wovon sonst
Categorien, die als bios logische Functionen zwar ein Ding iiberhaupt vor- kein Beyspiel in irgend einem andern Gebrauche kann gezeigt werden.
stellen, aber fiir sich allein und ohne Anschauung keinen bestimmten Be- Wenn wir, wie es gewiihnlich geschieht, uns die Erscheinungen der Sin-
griff von irgend einem Dinge geben kiinnen, iiber aile Erfahrung hinaus nenwelt als Dinge an sich selbst denken, wenn wir die Grundsatze ihrer
auf Dinge an sich selbst ausdehnt, so sind dergleichen hyperbolische Ob- Verbindungen als allgemein von Dingen an sich selbst, und nicht bios als
jecte die, so man Noumena, oder reine Verstandeswesen (besser Gedanken- von der Erfahrung geltende Grundsatze annehmen, wie denn dieses eben
wesen) nennt, als z. B. Substanz, welche ohne Beharrlichkeit in der Zeit so gewiihnlich und ohne K.ritik unvermeidlich ist; so thut sich ein nicht
gedacht wird, oder eine Ursache, die aber nicht in der Zeit wirkt, u. s. w. da vermutheter Widerstreit [345] hervor, der niemals auf dem gewiihnlichen
man ihnen dann Pradicate beylegt, die bios dazu dienen, die Gesetzmaflig- dogmatischen Wege beygelegt werden kann, wei! sowohl Satz als Gegen-
keit der Erfahrung miiglich zu machen, una gleichwol aile Bedingungen satz durch gleich einleuchtende klare und unwiderstehliche Beweise dar-
der Anschauung, unter denen allein Erfahrung miiglich ist, von ihnen gethan werden kann - denn fiir die Richtigkeit aller dieser Beweise ver-
wegnehmen, wodurch dann jene Begriffe wiederum aile Bedeutung verlie- biirge ich mich - und die Vernunft sich also mit sich selbst entzweyt
ren. Der Verstand von selbst, ohne durch fremde Gesetze gedrungen zu sieht, ein Zustand, iiber den der Sceptiker frohlocket, der kritische Philo-
seyn, schweift nicht so ganz muthwillig in das Feld von blof>en Gedanken- soph aber in Nachdenken und Unruhe versetzt werden muG." Es wiirde
wesen. Wenn aber die Vernunft, die mit keinem Erfahrungsgebrauch der mich zu weit fiihren, wenn ich mich bey den Untersuchungen des Verf.
Verstandesregeln, der immer noch bedingt ist, viillig befriedigt seyn kann, iiber diese Antinomien verweilen wollte, wodurch er zeigt, wie sie entste-
Vollendung dieser Kette von Bedingungen fordert, so wird der Verstand hen, namlich theils aus widersprechenden Begriffen, dergleichen bey den
aus seinem Kreise getrieben, urn theils Gegenstande der Erfahrung in beyden ersten, die er mathematische nennt, zum Grunde liegen. (Von der
einer so weit erstreckten Reihe vorzustellen, dergleichen gar keine Erfah- zweyten hat der Recensent dies !angst erkannt, und auch bey Gelegenheit
rung fassen kann, theils sogar (urn sie zu vollenden) ganzlich ausser dersel- in der Allg. d. Bib!. behauptet. Von der ersten getraute er sich dieses weni-
ben Noumena zu suchen, an welche sie jene Kette kniipfen, und dadurch ger zu glauben, da es ihm, wie oben schon erwahnet, schwer ward, sich da-
von Erfahrungsbedingungen endlich einmal unabhangig ihre Haltung von zu iiberzeugen, daB die in der Zeit gegebene Empfindungen nur eben
gleichwohl vollsrandig machen kiinne. Das sind nun die transcendentalen so bios Phanomen waren, als die im Raum gegebene Anschauungen, wei!
Ideen, sie miigen nun nach dem [344] wahren, aber verborgenen Zweck er sich namlich iiber die Schwierigkeit nicht he!fen konnte, daB wei! als-
der Naturbestimmung unserer Vernunft, nicht auf iiberschwengliche Be- denn unsre innern Empfindungen oder Vorstellungen nicht Dinge an sich
griffe, sondern bios auf unbegrenzte Erweiterung des Erfahrungsgebrauchs selbst, sondern Erscheinungen seyn miiflten, nichts als Schein da ware,
angelegt seyn, dennoch durch einen unvermeidlichen dialectischen Schein und kein reelles Object iibrig bliebe, dem etwas erscheine. Ich muG geste-
dem Verstande einen transcendenten Gebrauch abniithigen, der, obzwar hen, daB mir dies auch noch itzt dunkel ist, und ich wiinsche, daB es dem
betriiglich, dennoch durch keinen Vorsatz innerhalb den Grenzen der Er- tiefdenkenden Verfasser gefallen miichte, diese Dunkelheit bey Gelegen-
fahrung zu bleiben, sondern nur durch wissenschaftliche Belehrung in heit aufzuhellen, wie es namlich sich als miiglich gedenken lasse, daB Vor-
Schranken gebracht werden kann. - Dies bemiiht sich nun der Verf. zu stellungen, die man doch immer als reell, oder als Dinge an sich selbst
zeigen an den psychologischen und cosmologischen Ideen. In Absicht auf voraussetzen muG, wenn man iiberhaupt erklaren will, wie ein Scheinen
die letztern stellt er folgende vier Antinomien auf: 1) Die welt hat der Zeit miiglich (346] sey, selbst nur ein Schein seyn kiinnen, und was dasjenige
und dem Raum nach einen Anfong (Grenze) - Die welt ist der Zeit und dann ist, wodurch und worinn dieser Schein existiret?) Man stellt sich
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niimlich hier das, was sich widerspricht, Erscheinung als Sache an sich reimtheit seyn, wenn wir gar keine Dinge an sich selbst einriiumen, oder
selbst betrachtet, als vereinbar in einem Begriff vor, theils entstehen sie, unsre Erkenntniflart, mithin unsre Anschauung in Raum und Zeit, fiir die
wie dies bey den beyden letztern, die der Verf. dynamische nennt, der Fall allein mogliche Anschauung; unsern discursiven Verstand aber fiir das Ur-
ist, aus der falschen Voraussetzung, dafl das, was vereinbar ist, als wider- bild von jedem moglichen Verstande ausgeben, mithin Principien der
sprechend vorgestellt wird, so daB beyde einander durch bloflen Miflver- Moglichkeit der Erfahrung fiir allgemeine Bedingungen der Dinge an sich
stand entgegengesetzte Behauptungen aile beyde wahr seyn konnen. Ich selbst wollten gehalten wissen. Es ist [348) wahr, wir konnen iiber aile
mufl aber urn so mehr die weitere Erorterung dieser Antinomien iiberge- mogliche Erfahrung hinaus von dem, was Dinge an sich selbst seyn mO-
hen, da ich bey der dritten des Verf. Gedanken nicht erreichen kann; nur gen, keinen bestimmten Begriff geben. Wir sind aber dennoch nicht vor
mufl ich, damit man diese Antinomie wenigstens den Worten nach ver- der Nachfrage sicher, noch vermogend, uns derselben giinzlich zu enthal-
stehe, hinzusetzen, daB dem Verf. Freyheit ein Vermogen ist, eine Hand- ten. Die Erfahrung thut der Vernunft niemals vollig Geniige: sie weiset
lung von selbst (sponte) anzufangen, d. i. ohne daB die Caussalitiit der Ur- uns in Beantwortung der Fragen immer weiter zuriick, und liiflt uns in
sache selbst anfangen miisse, und daher keines andern ihren Anfang Ansehung des volligen Aufschlusses derselben unbefriedigr. Welchem
bestimmenden Grundes bediirfe. Eine solche Freyheit bemiihet sich der Denker sind nicht die psychologischen, cosmologischen und theologi-
Verf. aller von ihm zugestandener Naturnothwendigkeit ungeachtet, als schen Fragen wichtig, und wer wiinscht nicht, sie sich beantworten zu
mit derselben wohl bestehend fiir die Verstandeswesen, und also auch fiir konnen? Wer fiihlt sich nicht nothgedrungen, unerachtet alles Verbots,
den Menschen, in sofern er niimlich nicht in der Erscheinung, sondern an sich nicht in transcendente Ideen zu verlieren, dennoch iiber aile Begriffe,
sich betrachtet wird, vermittelst des U nterschiedes zwischen subiectiven die er durch Erfahrung rechtfertigen kann, noch in dem Begriffe eines We-
und objectiven Grunden, und dem Miissen und Sol/en, zu retten und zu sens Ruhe und Befriedigung zu suchen, davon die Idee zwar der Moglich-
erweisen; aber wie gesagt, es hat mir nicht gliicken wollen, die Art und keit nach nicht eingesehen, aber auch nicht widerlegr werden kann, wei!
Weise, wie er dies thut, und das ganze Raisonnement desselben mir ver- sie ein blofles Verstandeswesen betrifft, ohne die aber die Vernunft immer
stiindlich und einleuchtend zu machen. Was endlich die theologische Idee unbefriedigr bleiben miiflte. - Grenzen (bey ausgedehntem Wesen) setzen
anbetrifft, so ist sie das Ideal der reinen Vernunft. Hier ist die Idee von immer einen Raum voraus, der auflerhalb einem gewissen bestimmten
dem Verstandesbegriffe Ieichter, wie in den iibrigen Fallen ab{347]zuson- Platze angetroffen wird und ihn einschlieflt; Schranken bediirfen derglei-
dern, wei! die Vernunft hier nicht, wie bey der psychologischen und cos- chen nicht, sondern sind blofle Verneinungen, die eine GroBe afficiren, so-
mologischen Idee, von der Erfahrung anhebt, und durch Steigerung der fern sie nicht absolute Vollstiindigkeit hat. Unsre Vernunft aber sieht
Griinde, wo miiglich, zur absoluten Nothwendigkeit ihrer Reihe zu trach- gleichsam urn sich einen Raum fiir die Erkenntnill der Dinge an sich
ten '<erleitet wird; sondern giinzlich abbricht, und aus bloflen Begriffen selbst; ob sie gleich von ihnen nie bestimmte Begriffe haben kann, und
von dem, was die absolute Vollstiindigkeit eines Dinges iiberhaupt ausma- nur auf Erscheinungen eingeschriinkt ist. - In der Mathematik und Na-
chen wiirde, mithin vermittelst der Idee eines hochst vollkommenen U r- turwissenschaft erkennt die menschliche Vernunft zwar Schranken aber
wesens, zur Bestimmung der Moglichkeit, mithin auch der Wirklichkeit keine Grenzen. Die Erweiterung der Einsichten in der Mathe{349]rnatik,
aller andern Dinge herabgeht. Daher kommt hier der dialectische Schein, und die Moglichkeit immer neuer Entdeckungen geht ins U nendliche.
welcher daraus entspringr, daB wir die subjective Bedingung unsers Den- Aber Schranken sind hier doch nicht zu erkennen; sie geht, wie die Natur-
kens fiir objective Bedingungen der Sachen selbst, und eine nothwendige wissenschaft, nur auf Erscheinung, und was nicht ein Gegenstand sinn-
Hypothese zur Befriedigung unsrer Vernunft fiir ein Dogma halten. licher Anschauung seyn kann, als die Begriffe der Metaphysik und Moral,
Hierauf kommt nun der Verf. auf die Grenzbestimmung der reinen Ver- liegt ganz aufler ihrer Sphiire. Die Mathematik und Naturwissenschaft
nunft. Was er hieriiber sagt, kommt auf folgende Siitze an: Wir konnen fiihren uns also· nicht allmiilig zur Metaphysik und Moral; es ist kein
von keinem Gegenstande mehr erkennen, als zur moglichen Erfahrung Punkt oder Linie der Beriihrung zwischen beyden. Allein Metaphysik
desselben gehoret, und konnen nicht auf das mindeste Erkenntnill An- fiihrt uns in den dialectischen Versuchen der reinen Vernunft auf Gren-
spruch machen, denselben nach seiner Beschaffenheit, und wie er an sich zen, und die transcendentale Ideen dienen dazu, nicht allein uns wirklich
selbst ist, zu bestimmen. Aber auf der andern Seite wiirde es eine Unge- die Grenzen des reinen Vernunftgebrauchs zu zeigen, sondern auch die
104 ~Ugemeine ~eut[qie ~ib!iot(lef - Dezember 1784 .!eanto <prolegomena 105
Art, solche zu bestimmen. Nur in der Erke~ntniB der Dinge an sich selbst schlechts = c zum U nbekannten in Gott = x, welches wir Liebe nennen:
kann Vernunft hoffen, ihr Verlangen nach Vollstandigkeit im Fortgange nicht, als wenn es die mindeste Ahnlichkeit mit irgend einer menschlichen
vom Bedingten zu dessen Bedingungen einmal befriedigt zu sehen. Wir Neigung hatte, sondern wei! wir das VerhaltniB desselben zur Welt dem-
sollen uns also ein immaterielles Wesen, eine Verstandeswelt; und ein jenigen ahnlich setzen konnen, was Dinge der Welt unter einander haben.
Hochstes aller Wesen {Iauter Noumena) denken, wei! die Vernunft nur in Der VerhaltniBbegriff aber ist hier eine bloBe Categorie, namlich der Be-
diesen, als Dingen an sich selbst, Vollendung und Befriedigung antrifft, die griff der Ursache, die niches mit Sinnlichkeit zu thun hat. - Der unsern
sie in der Ableitung der Erscheinungen aus ihren gleichartigen Griinden schwachen Begriffen angemessene Ausdruck wird seyn: daB wir uns die
nie hoffen kann, und wei! diese sich wirklich auf etwas von ihnen unter- Welt so denken, als ob sie von einer hochsten Vernunft, ihrem Daseyn und
schiedenes, mithin ganzlich ungleichartiges beziehen, indem Erscheinun- innern Bestimmung nach, abstamme, wodurch wir theils die Beschaffen-
gen doch jederzeit eine Sache an sich selbst voraussetzen, und darauf An- heit, die ihr, der Welt selbst, zukommt, erkennen, ohne uns doch anzu-
zeige thun, man mag sie nun naher erkennen oder nicht. - Wenn wir mit maBen, die ihrer Ursache selbst bestimmen zu wollen, theils anderer Seits
dem Verbote, aile transcendence U rtheile der reinen Vernunft zu vermei- in das Verhiiltnift der obersten Ursache zur Welt den Grund dieser Be-
den, das damit dem Anschein nach streitende Gebot, bis zu Begriffen, die schaffenheit (der Vernunftform der Welt) legen, ohne die Welt dazu fur
auBerhalb dem Felde des immanenten (empirischen) Gebrauchs liegen, sich selbst zureichend zu finden. So verschwinden die insonderheit von
[350] hinauszugehen, verkniipfen, so werden wir inne, daB beyde zusam- Hume gegen den Theismus erregten Schwierigkeiten, wenn man mit
men bestehen konnen, aber nur grade auf cfer Grenze alles erlaubten Ver- Humes Grundsatzen den Gebrauch der Vernunft nicht iiber das Feld der
nunftgebrauchs, denn diese gehort eben sowohl zum Felde der Erfahrung, Erfahrung dogmatisch hinauszutreiben, einen andern Grundsatz verbin-
als zu dem der Gedankenwesen. - Wir halten uns aber auf dieser Grenze, det, den Hume ganzlich iibersah, diesen namlich: das Feld moglicher Er-
wenn wir unser Urtheil bios auf das VerhaltniB einschranken, welches die fahrung nicht fur dasjenige anzusehen, was in den Augen unsrer Vernunft
Welt zu, einem Wesen haben mag, dessen Begriff selbst auBer aller Er- sich selbst begrenzte. Hier ist also der richtige Mittelweg zwischen dem
kenntnill liegt, deren wir innerhalb der Welt fahig sind. Denn alsdann eig- Dogmatism, den Hume bekampfte, und dem Scepticism, den er einfuhren
nen wir dem hochsten Wesen keine von den Eigenschaften an sich selbst wollte. Es bleibt also zwar jener Satz stehen, der das Resul{352]tat der gan-
zu, durch die wir uns Gegenstande der Erfahrung denken, und vermeiden zen Kritik ist: daft uns Vernunft durch alle ihre Principien a priori niemals
dadurch den dogmatischen Anthropomorphismus. Wir legen sie aber den- etwas mehr als lediglich Gegenstiinde der moglichen Erfahrung, und auch
noch dem Verhaltnisse desselben zur Welt bey, und erlauben uns einen von diesen nichts mehr, als was in der Erfahrung erkannt werden kann,
symbolischen Anthropomorphismus, der in der That nur die Sprache, lehre; aber diese Einschrankung hindert uns nicht, daB sie uns nicht bis
und nicht das Object angeht. Wenn ich sage: wir sind genothiget, die Welt zur objectiven Grenze der Erfahrung, namlich der Beziehung auf etwas,
so anzusehen, als ob sie das Werk eines hochsten Verstandes und Willens was selbst nicht Gegenstand der Erfahrung, aber doch der oberste Grund
sey, so sage ich wirklich nichts mehr, als: wie sich verhalt eine Uhr, ein derselben seyn muB, fuhre, ohne uns doch von demselben etwas an sich,
Schiff, ein Regiment zum Kiinstler, Baumeister, Befehlshaber; so die Sin- sondern nur in Beziehung auf ihren eigenen vollstandigen und auf die
nenwelt zu den U nbekannten, daB ich also gar nicht nach dem, was es an hochsten Zwecke gerichteten Gebrauch im Felde moglicher Erfahrung zu
sich selbst ist, aber doch nach dem, was es fur mich ist, namlich in Anse- lehren. Dies ist aber auch aller Nutzen, den man verniinftigerweise hiebey
hung der Welt, wovon ich ein Theil bin, erkenne. Eine solche Erkenntnill auch nur wiinschen kann, und mit welchem man Ursache hat zufrieden
ist die nach der Analogie, welche nicht etwa, wie man das Wort gemeinig- zu seyn." - Ich habe dies, was der Verf. von den Grenzen der Vernunft be-
lich nimmt, eine unvollkommene Ahnlichkeit zweener Dinge, sondern hauptet, so ausfiihrlich und mit seinen eignen Worten ausgezogen, wei! es
eine vollkommene Ahnlichkeit zweener Verhaltnisse zwischen ganz un- gerade die Hauptsache seiner Untersuchung betrifft, und ich mich nicht
ahnlichen Dingen bedeutet. Vermittelst einer solchen Analogie kann man getrauete, seinen Sinn in meinen Worten verkiirzt auszudriicken. Ubrigens
einen Verhaltnillbegriff von Dingen, die nur absolut unbekannt [351] sind, konnte die fruchtbare Anwendung des Wortes Grenze und die Benutzung
geben, z. B. wie sich verhalt die Beforderung des Gliicks der Kinder = a dieses Begriffs einen aufmerksamen Leser Ieicht an eine Anmerkung des
zu der Liebe der Eltern = b, so die Wohlfahrt des menschlichen Ge- Recensenten der Kritik der reinen Vernunft in d. Allg. d. Bib!. erinnern,
106 ~ffgcmeinc ~eut[d)e :l;tbfiotbef - Dezember 1784 .!tanto <peo!cgomena 107
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dai\ es namlich scheine, dai\ oft auch in aem tiefsinnigsten System die warten haben, die Kosten der Bearbeitung kaum belohnen werde, und der
Grundbegriffe bios durch Association entstehen, oder wie es mir bier vor- groBte Vortheil nur negativ und zerstorend seyn diirfte; und hauptsach-
kommt, auf einer durch den sinnlichen Ausdruck Grenze veranlai\ten lich, wie der Verf. selbst zu verstehen giebt, darinn bestehen wiirde, die
Association der Begriffe beruheten. [353] frechen Anfalle und Anmaai\ungen des Materialismus, des Fatalismus und
IV. Wie ist Metaphysik als Wissenschaft moglich? Metaphysik ist, wie wir Naturalismus, vermoge dessen man zur Erklarung der Natur keine Gott-
gesehen haben, als Naturanlage der Vernunft wirklich, aber sie ist auch fiir heit zu gebrauchen glaubt, abzuschlagen und zuriickzuweisen. Aber die
sich allein dialectisch und triiglich. Ja sie hat als Wissenschaft noch nie exi- Anzahl unsrer Philosophen, die es wagen diirften, dem Verf. nachzuden-
stirt, wei! noch keine Metaphysik irgend einen synthetischen Satz [fiat] giil- ken, .wird immer, wie ich fiirchte, ausnehmend klein seyn, wie ich nicht
tig beweisen konnen. Wenn man also auch zugiebt, dai\ durch analytische etwa bios aus den Schwierigkeiten schlieBe, die ich selbst und einige mei-
Behandlung unsrer Begriffe dem Verstande allerdings recht vie! genutzet ner philosophischen Freunde gefunden, uns des Verf. kritische Untersu-
werde, so ist doch die Wissenschaft der Metaphysik selbst dadurch nicht chungen in ihrem ganzen Umfange und Zusammenhange einigermaai\en
im geringsten weiter gebracht worden, wei! jene Zergliederung der Begriffe verstiindlich zu [355] machen - denn bier konnte mich Eigenliebe und
nur Materialien sind, daraus allererst WisseQSchaft gezimmert werden soli. Partheylichkeit tauschen - sondern theils aus den offentlichen Anzeigen
So mag man den Begriff von Substanz und Accidenz noch so schon zer- und Beurtheilungen seines Werks, theils aus der befremdlichen Rube,
gliedern, das ist recht gut als Vorbereitung zu irgend einem kiinftigen Ge- worinn selbst die Metaphysiker von Profession, (wozu der Recensent nicht
brauch; kann ich ·aber gar nicht beweisen:dai\ in allem, was da ist, die gehort) nicht nur bey Erscheinung der Kritik, sondern selbst dieser Prole-
Substanz beharre, und nur die Accidenzen wechseln, wie es die Metaphy- gomenen geblieben sind. Ich kann mir diese U nthatigkeit nicht wohl an-
sik nicht beweisen kann, so war durch aile jene Zergliederung die Wissen- ders erklaren, als dai\ die Schwierigkeiten einer griindlichen U ntersuchung
schaft nicht im mindesten weiter gebracht. Damit aber Metaphysik als der Principien des Hrn. K. fiir diese Manner zu abschreckend gewesen,
Wissenschaft nicht bios auf triigliche Uberredung, sondern auf Uberzeu- urn sich einer Wissenschaft anzunehmen, fiir die sie doch billig mit allen
gung, Anspruch machen konne, so muB eine Kritik der Vernunft selbst Kraften fechten sollten. Was aber die Anzeigen und Recensionen anbe-
den ganzen Vorrath der Begriffe a priori, die Eintheilung derselben nach trifft, so sind diejenigen, die mir davon zu Gesicht gekommen, wenige aus-
den verschiedenen Quellen der Sinnlichkeit, dem Verstande, der Vernunft, genommen, so wenig in den Geist des Verf. und seines Buchs hineinge-
ferner eine vollstandige Tafel derselben, und die Zergliederung aller dieser drungen, dai\ man sich aus den meisten kaum irgend einen Begriff machen
Begriffe, mit allem was daraus gefolgert werden kann, darauf aber vor- kann, was Hr. K. eigentlich mit seiner Kritik der reinen Vernunft sagen,
nehmlich die Moglichkeit des synthetischen Erkenntnisses a priori vermit- was er darinn behaupten und dadurch beweisen wolle. Hr. K. rechnet zu
telst ~er Deduction dieser Begriffe, die Grundsatze ihres Gebrauchs, end- solchen verungliickten Recensionen, oder wie er sich ausdriickt, zu den
lich auch die Gren{354]zen desselben, alles aber in einem vollstandigen U rtheilen, die vor der U ntersuchung vorhergehen, auch diejenige Recen-
System darlegen." Das System kann uns Niemand, als Hr. Kant selbst, lie- sion, die von der Kritik der reinen Vernunft in den Gotting. gelehrten
fern; denn man darf nicht hoffen, dai\ bey allen den Ermunterungen zu Anzeigen (der Zugabe dritten Sriick vom 19ten Jenner 1782 S. 40 u.s. w.)
einer solchen Arbeit, als derselbe durch Darstellung der Vortheile, welche anzutreffen ist. Wenn Hr. K. am Ende der Prolegomenen zu zeigen sucht,
die Ausfiihrung verschaffen wiirde, giebt, sich vor der Hand einer unsrer dai\ der Gotting. Recensent gar nicht eingesehen, worauf es bey der Unter-
Denker daran wagen wird, Denn wenn gleich bey der fast allgemein ausge- suchung, womit sich die Kritik beschafftigt, eigentlich ankam, sich nur
breiteten Gleichgiiltigkeit gegen speculative Untersuchung und Nichtach- bey Nebensachen aufgehalten, und hin und wieder seinen Tadel tiber eine
tung der Metaphysik, sich der Parthey- und Sectengeist einer solchen Um- Reihe von .Satzen ausgestreuet, von welchen weder der Leser den [356]
schaffung derselben nicht widersetzen sollte, so werden doch manche, die Grund sieht, noch die Satze selbst versteht, dawider derselbe gerichtet
einer solchen Arbeit einigermai\en gewachsen seyn mochten, die Anstren- seyn soli, und also seine Arbeit weder dem Publikum zur Nachricht nut-
gung und Miihe, sich in die Abstractionen des Hrn. Kant hineinzudenken, zen, noch ihm im Urtheil der Kenner das geringste schaden kiinne; so las-
und ein ganz fremdes und neues Feld zu bearbeiten, urn so mehr scheuen, se ich dies dahin gestellet seyn, und fiihre nur an, wie ich zuverliiBig weiB,
da sie immer dabey befiirchten werden, dai\ die Erndte, die sie bier zu er- dai\ diese Vorwiirfe, in sofern sie gegriindet sind, nicht den Urheber dieser
1
108 \l!Ugemelne ~eut[<j)e iBibUot~ef - Dezember 1784
,,
• und nur auf Bitte der Giittin-
Recension, der ein auswartiger Gelehrter ist,
gischen Philosophen diese miihsame Arbeit unternommen hatte, sondern
den Giittingischen Mitarbeiter der gelehrten Anzeigen treffen, wei! dieser
den Aufsatz seines Freundes nicht so gelassen, wie er ausgearbeitet war,
sondern sich solche Verstilmmelungen, Anderungen und Einschiebsel
ohne Wissen und Genehmigung des Urhebers dabey erlaubte, daB dieser,
wie er die Recension gedruckt las, darUber erstaunte, und seine vorgebli-
che Arbeit gar nicht mehr darinn erkannte.
IGA und LEIPZIG, bey Hartknoch: Ideen zur Philosophie der Ge-
Sg.
R schichte der Menschheit von johann Gottfried Herder. Quem te Deus
esse jussit et humana qua parte locatus es in re disce - Erster Theil. 318. S.
4. 1784. (1 Rthl. 12 gr.)
Der Geist unsers sinnreichen und beredten Verfassers zeigt in dieser
Schrift seine schon anerkannte EigenthUmlichkeit. Sie dUrfte also wohl
eben so wenig, als manche andere aus seiner Feder geflossene, nach dem
gewiihnlichen Maasstabe beurtheilt werden konnen. Es ist, als ob sein Ge-
nie nicht etwa bios die Ideen aus dem weiten Felde der Wissenschaften
und Kiinste sammelte, urn sie mit andern der Mittheilung fiihigen zu ver-
mehren, sondern als verwandelte er sie (urn ibm den Ausdruck abzubor-
gen) nach einem gewissen Gesetze der Assimilation, auf eine ibm eigene
Weise, in seine specifische Denkungsart, wodurch sie von denjenigen, da-
durch sich andere Seelen nahren und wachsen (S. 292.), merklich unter-
schieden, und der Mittheilung weniger fahig wetden. Daher miichte wohl,
was ibm Philosophie der Geschichte der Menschheit heiBt, etwas ganz
Anderes seyn, als was man gewohnlich unter diesem Namen versteht:
nicht etwa eine logische PUnkdichkeit in Bestimmung der Begriffe, oder
sorgfaltige U nterscheidung und Bewahrung der Grundsatze, sondern ein
sich nicht lange verweilender viel umfassender Blick, eine in Auffindung
von Analogien fertige Sagacitat, im Gebrauche derselben aber kiihne Ein-
bildungskraft, verbunden mit der Geschicklichkeit, fUr seinen immer in
dunkeler Ferne gehaltenen Gegenstand durch Gefilhle und Empfindungen
einzunehmen, die, als Wirkungen von einem groBen Gehalte der Gedan-
ken, oder als vielbedeutende Winke, mehr von sich vermuthen lassen, als
kalte Beurtheilung wohl gerade zu in denselben antreffen wiitde. Da indes-
sen Freyheit im Denken (die bier in groBem MaaBe angetroffen wird) von
einem fruchtbaren Kopfe ausgeUbt, immer Stoff zum Denken giebt, so
wollen wir von den Ideen desselben, soweit es uns g!Ucken will, die wich-
tigsten und ibm eigenthiimlichsten auszuheben suchen, und in seinem
eigenen Ausdrucke darstellen, zulezt aber einige Anmerkungen Uber das
Ganze hinzufUgen.
110 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZE!TUNG - 6. Januar 1785 Herders Ideen zur Philos. d. Gesch. d. Menschheit. Erster Theil. Ill
Unser Verfasser hebt damit an, die A~ssicht zu erweitern, urn dem busen noch mehr; aber die vielen Seen, Gebirge und Fliisse von Amerika
Menschen seine Stelle unter den iibrigen Planetenbewohnern unserer Son- und das feste Land batten nicht ohne Grund so gro6e Ausbreitung im
nenwelt anzuweisen, und schlie6t aus dem mittleren nicht unvortheilhaf- gema6igten Himmelsstriche, und das Bauwerk des alten Continents ist
ten Stande des Weltkorpers den er bewohnt, auf einen bloB .mittelmiilli- mit Absicht auf den ersten Wohnsitz der Menschen anders, als in der neu-
gen Erdverstand und eine noch vie! zweydeutigere Menschentugend darauf en Welt von der N atur eingerichtet worden~ Das zweyte Buch beschaftigt
er hier zu rechnen habe, die aber doch - da unsere Gedanken und Kriifte sich mit den Organisationen auf der Erde und fangt von dem Granit an,
offenbar nur aus unserer Erdorganisation kommen, und sich so lange zu auf den Licht, Warme, eine grobe Luft und Wasser wirkten, und vielleicht
veriindern und verwandeln streben, bis sie etwa zur Reinigkeit und Fein- den Kiesel zur Kalkerde beforderten, in der sich die ersten Lebendigen des
heit gediehen sind, die diese unsere Schopfung gewahren kann, und, wenn Meeres, die Schaalengeschopfe bildeten. Die Vegetation nimmt ferner
Analogie unsere Fiihrerin seyn darf, es auf anderen Stemen nicht anders ihren Anfang. - Vergleichung der Ausbildung des Menschen, mit der der
seyn werde: - vermuthen lassen, daB der Mensch mit den Bewohnern der Pflanzen, mit der Geschlechtsliebe des erstern, mit dem Bliihen der Letz-
letzteren Ein Ziel haben werde, urn endlich nicht allein einen Wandelgang tern. Nutzen des Pflanzenreichs in Ansehung des Menschen. Thierreich.
auf mehr als einen Stern anzutreten, sond~r.n vielleicht gar zum Umgange Veranderung der Thiere und des Menschen nach den Climaten. Die der
mit allen zur Reife gekommenen Geschopfen so vieler und verschiedener alten Welt sind unvollkommen .•Die Classen der Geschopfe erweitern
Schwesterwelten zu gelangen." Von da geht die Betrachtung zu den Revolu- sich, je mehr sie sich vom Menschen entfernen, je naher ihnen, desto we-
tionen, welche der Erzeugung der Mensch~n vorher gingen .• Ehe unsere niger Werden ihrer. - In allen ist eine Hauptform, ein ahnlicher Knochen-
Luft, unser Wasser, unsere Erde hervorgebracht werden konnte, waren bau. - Diese Ubergange machen es nicht unwahrscheinlich, daB in den
mancherley einander auflosende niederschlagende Stamina nothig; und die Seen Geschopfe, Pflanzen, ja vielleicht gar in den todtgenannten Wesen
vielfachen Gattungen der Erde, der Gesteine, der Crystallisationen, so gar eine und dieselbe Anlage der Organisation, nur unendlich roher und ver-
der Organisation, in Muscheln, Pflanzen, Thieren, zuletzt im Menschen, worrner, herrschen moge. Im Blick des ewigen Wesens, der alles in einem
wie vie! Aufl&ungen und Revolutionen des Einen in das Andere setzten Zusammenhange sieht, hat vielleicht die Gestalt des Eistheilchens, wie es
die nicht voraus? Er, der Sohn aller Elemente und Wesen, ihr auserlesen- sich erzeugt und der Schneeflocke, die sich in ihr bildet, noch immer ein
ster Inbegrif und gleichsam die Bliite der Erdschopfung, konnte nichts an- analoges Verhaltni6 mit der Bildung des Embryo im Mutterleibe. - Der
ders als das letzte Schooskind der Natur seyn, zu dessen Bildung und Mensch ist ein Mittelgeschopf unter den Thieren, das ist, die ausgebreitete-
Empfang vie! Entwickelungen und Revolutionen vorhergehen mu6ten." ste Form in der sich aile Ziige aller Gattungen urn ihn her im feinsten Inn-
In der Kugelgestalt der Erde findet er einen Gegenstand des Erstaunens begrif sammeln. - Aus Luft und Wasser sehe ich gleichsam die Thiere aus
tiber. die Einheit, die sie bey aller erdenklichen Mannigfaltigkeit veranla6t. Hohen und Tiefen zu Menschen kommen, und Schritt vor Schritt sich
.Wer, der diese Figur je beherziget hatte, ware hingegangen, zu einem seiner Gestalt nahern." Dieses Buch schlie6t: .Freue dich deines Standes, o
Wortglauben in Philosophie und Religion zu bekehren, oder dafiir mit Mensch, und studire dich edles Mittelgeschopf in allem was urn dich
dumpfem aber heiligem Eifer zu morden?" Eben so giebt ihm die Schiefe lebet."
der EkJiptik Anla6 zur Betrachtung der Menschenbestimmung: .Unter Das dritte Buch vergleicht den Bau der Pflanzen und Thiere mit der Or-
unserer schrage gehenden Sonne, ist alles Thun der Menschen Jahresperi- ganisation der Menschen. Wir konnen ihm hier, da er die Betrachtungen
ode." Die nahere Kenntnill [18] des Luftkreises, selbst der EinfluB der Him- der Naturbeschreiber zu seiner Absicht nutzt, nicht folgen; nur einige Re-
melskorper auf denselben, wenn er naher gekannt seyn wird, scheint ihm sultate: .Durch solche und solche Organen erzeugt sich das Geschopf aus
auf die Geschichte der Menschheit einen gro6en EinfluB zu versprechen. dem todten Pflanzenleben, lebendigen Reiz, und aus der Summe dieses,
In dem Abschnitt von der Vertheilung des Landes und der Meere, wird durch seine Canale gelautert, das Medium der Empfindung. Das Resultat
der Erdbau als ein ErkJarnngsgrund der Verschiedenheit der Volkerge- der Reize wird Trieb, das Resultat der Empfindung Gedanke: ein ewiger
schichte aufgefiihret. .Asien ist so zusammenhangend an Sitten und Ge- Fortgang von organischer Schopfung, der in jedes lebendige Geschopf gelegt
brauchen, als es dem Boden nach in einem fortgestreckt ist; das kJeine ward." Der Verfasser rechnet nicht auf Keime, sondern eine organische
rothe Meer scheidet dagegen schon die Sitten, der kJeine persische Meer- Kraft, so bey Pflanzen als Thieren. Er sagt .so wie die Pflanze selbst orga-
112 ALLGEMEINE LiTERATUR-ZEITUNG - 6.Januar 1785 Herders Ideen zur Philos. d. Gesch. d. Menschheit. Erster Theil. 113
·'
nisch Leben ist, ist auch der Polyp organi;ch Leben. Es sind daher viele statt. - Theoretisch und praktisch ist Vernunft nichts, als etwas Vemom·
organische Kriifte, die der Vegetation, der Muskelreitze, der Empfindung. menes, gelernte Proportion und Richtung der Ideen und Kriifte, zu welcher
Je mehr und feinere Nerven, je griiller das Gehirn, desto verstandiger wird der Mensch nach seiner Organisation und Lebensweise gebildet worden."
die Gattung. Tbierseele ist die Summe aller in einer Organisation wirken- Und min Freyheit.•Der Mensch ist der erste Freygelassene der Schop-
den Kriifte" und der Instinkt nicht eine besondere Naturkraft, sondern die fung, er steht aufrecht." Die Schaam: .sie mullte sich bey aufrechter Ge-
Richtung, die die Natur jenen samtlichen Kriiften durch ihre Temperatur stalt bald entwickeln." Seine Natur ist keiner sonderlichen Varietal unter-
gab. Je mehr das eine organische Principium der Natur, das wir jezt bil- worfen. .Wodurch dieses? durch seine aufrechte Gestalt, durch nichts
dend (im Stein), jezt treibend (in Pflanzen), jetzt empfindend, jetzt kiinst- anders. - Er ist zur Humanitat gebildet; Friedlichkeit, Geschlechtsliebe,
lichbauend nennen, und im Grunde nur eine und dieselbe organische Kraft Sympathie, Mutterliebe, eine Sprosse der Humanitat seiner aufgerichteten
ist, in mehr Werkzeuge und verschiedentliche Glieder vertheilt ist, je Bildung - die Regel der Gerechtigkeit und Wahrheit griindet sich auf die
mehr es in denselben eine eigene Welt hat - desto mehr verschwindet der aufrechte Gestalt des Menschen selbst, diese bildet ihn auch zur Wohlan-
Instinkt, und ein eigner freyer Gebrauch der Sinne und Glieder (wie etwa standigkeit: Religion ist die hochste Humanitat. Das gebiickte Thier emp-
beym Menschen) fangt an. Endlich kommt der Autor zu dem wesentli- findet dunkel; den Menschen erhob Gott daB er, selbst ohne daB er es
chen Naturunterschiede des Menschen.•Der aufrechte Gang des Men- weill und will, Ursachen der Dinge nachspahe, und dich finde, du groller
schen ist ihm einzig natiirlich, ja er ist die Organisation zum ganzen Beruf Zusammenhang aller Dinge. Religion aber bringt Hofnung und Glaube an
seiner Gattung, und sein unterscheidender Charakter~ U nsterblichkeit hervor~ Von dieser letztern redet das Ste Buch. .Vom
Nicht wei! er zur Vernunft bestimmt war, ward ihm zum Gebrauch sei- Stein zu Crystallen, von diesen zu Metallen, von diesen zur Pflanzen-
ner Gliedmallen nach der Vernunft, die aufrechte Stellung angewiesen, schopfung, von da zum Thier, endlich zum Menschen sahen wir die Form
sondern er bekam Vernunft, durch die aufrechte Stellung, als die natiirli- der Organisation steigen, mit ihr auch die Krafte und Triebe des Ge-
che Wirkung eben derselben Anstalt, die niithig war, urn ihn bios aufrecht schopfs vielartiger werden, und sich endlich aile in der Gestalt des Men-
gehen zu lassen .• Lallet uns bey diesem heiligen Kunstwerk, der Wohlthat, schen, so fern diese sie fassen konnte, vereinigen. -" ..
durch die unser Geschlecht ein Menschengeschlecht ward, mit dankbaren Durch diese Reihe von Wesen bemerkten wir eine Ahnlichkeit der
Blicken verweilen, mit Verwunderung, wei! wir sehen, welche neue Orga- Hauptformen, die sich immer mehr der Menschengestalt naheten - eben
nisation von Kriiften in der aufrechten Gestalt der Menschheit anfange, so sahen wir auch die Krafte und Triebe sich dem nahern. - Bey jedem
und wie allein durch sie der Mensch ein Mensch ward." Geschopf war nach dem Zweck der Natur, den es zu befordern hatte, auch
Im vierten Buch fiihret der Hr. Verf. diesen Punkt weiter aus .•Was feh- seine Lebensdauer eingerichtet. - Je organisirter ein Geschiipf ist, desto
let dem menschenahnlichen Geschiipfe {dem Affen) daB er kein Mensch mehr ist sein Bau zusammengesetzt aus den niedrigen Reich~_n. Der
ward" - und wodurch ward dieser es? Durch die Formung des Kopfs zur Mensch ist ein Compendium der Welt: Kalk, Erde, Salze, Saure, Ohl und
aufrechten Gestalt, durch innere und aussere Organisation zum perpendi- Wasser, Kriifte der Vegetation, der Reize, der Empfindung sind in ihm or-
cularen Schwerpunkt; - der Affe hat aile Theile des Gehirns, die der ganisch vereinigr. - Hiedurch werden wir darauf gestollen, auch ein un-
Mensch hat; er hat sie aber nach der Gestalt seines Schadels in einer sichtbares Reich der Kriifte anzunehmen, das in eben demselben genauen
zuriickgedriickten Lage, und diese hatte er, wei! sein Kopf unter einem an- Zusammenhange, und Ubergange steht, und eine aufsteigende Reihe von
dern Winkel geformt, und er nicht zum aufrechten Gange gemacht war. unsichtbaren Kraften, wie im sichtbaren Reiche der Schiipfung. - Dieses
Sofort wirkten [19] aile organische Kriifte anders - .Blick also gen Him- thut alles fiir die Unsterblichkeit der Seele, und nicht diese allein, sondern
mel, o Mensch, und erfreue dich schaudernd deines unermelllichen Vor- fiir die Fortdauer aller wirkenden und lebendigen Kriifte der Weltschiip-
zugs, den der Schopfer der Welt an ein so einfaches Principium, deine auf- fung. Kraft kann nicht untergehen, das Werkzeug kann wohl zerriittet
rechte Gestalt kniipfte. - Ober die Erde und Krauter erhoben herrscht der werden. Was der AJ!belebende ins Leben rief, das lebet; was wirkt, wirkt
Geruch nicht mehr, sondern das Auge. - Mit dem aufgerichteten Gange in seinem ewigen Zusammenhange ewig." Diese Principien werden nicht
wurde der Mensch ein Kunstgeschopf, er bekam freye und kiinstliche auseinander gesetzt .wei! hie dazu der Ort nicht ist." Indessen, .sehen wir
Hande - nur im aufrechten Gange findet wahre menschliche Sprache in der Materie so vie! geistahnliche Kriifte, daB ein viilliger Gegensatz und
114 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 6.Januar 1785 Herders Ideen zur Philos. d. Gesch. d. Menschheit. Erster Theil. 115
'
Widerspruch dieser beyden allerdings sehr verschiedenen Wesen, des Gei- nem Daseyn in ihrer eigentlichen wahren gottlichen Menschengestalt er-
stes und der Materie, wo nicht selbst widersprechend, doch wenigstens scheinen werde."
ganz unerwiesen scheint." - .Priiformirte Keime hat kein Auge gesehen. Den BeschluB macht der Satz: .Der jetzige Zustand des Menschen ist
Wenn man von einer Epigenesis redet, so spricht man uneigentlich, als ob wahrscheinlich das verbindende Mittelglied zwoer Welten. - Wenn der
die Glieder von aussen zuwi.ichsen. Bildung {genesis) ists, eine Wirkung Mensch die Kette der Erdorganisationen, als ihr hochstes und letztes
innerer Kriifte, denen die Natur eine Masse vorbereitet hatte, die sie sich Glied, schlieBt, so f:ingt er auch eben dadurch die Kette einer hohern Gat-
zubilden, in der sie sich sichtbar machen soliten. Nicht unsere verntinftige tung von Geschopfen, als ihr niedrigstes Glied an, und so ist er wahr-
Seele ists die den Leib bildete, sondern der Finger der Gottheit, organische scheinlich der Mittelring zwischen zwey in einander greifenden Systemen
Kraft." Nun heiBt es: .1. Kraft und Organ sind zwar innigst verbunden, der Schopfung. - Er stellet uns zwey Welten auf einmal dar, und das
nicht aber eins und eben dasselbe. 2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ har- macht die anscheinende Duplicitat seines Wesens. - Das Leben ist ein
monisch, denn sie hat sich dasselbe zur Offenbarung ihres Wesens nur zu- Kampf und die Blume der reinen unsterblichen Humanitat eine schwer er-
gebildet und sich assimilirt. 3. Wenn die Htilie wegfallt so bleibt die Kraft, rungene Krone. - Unsere Bruder der hohern Stufe lieben uns daher gewiB
die voraus, obwol in einem niedrigen Zustande, und ebenfalis organisch, mehr, als wir sie suchen und lieben konnten; denn sie sehen unsern Zu-
dennoch vor dieser Htilie schon existirte." Darauf sagt der Verfasser zu den stand klarer - und sie erziehen an uns vielieicht ihres Glticks Theilneh-
Materialisten: .Lasset es seyn, daB unsere SeeJe mit allen Kriiften der Mate- mer. - Es laBt sich nicht wohl vorstelien: daB der ktinftige Zustand, dem
rie, des Reizes, der Bewegung, des Lebens urspriinglich einerley sey, und ietzigen so ganz unmittheilbar seyn solite, als das Thier vom Menschen
nur auf einer hohern Stufe, in einer ausgebildetern feinern Organisation gern glauben mochte - so scheint ohne hohere Anleitung die Sprache und
wirke; hat man denn je auch nur eine Kraft der Bewegung des Reizes un- erste Wissenschaft unerklarlich. - Auch in spatern Zeiten sind die groBten
tergehen sehen, und sind diese mindern K.riifte mit ihren Organen Eins Wirkungen auf der Erde durch unerklarliche U mstande entstanden -
und dasselbe?" Von dem Zusammenhange desselben heiBt es, daB er nur selbst Krankheiten waren oft Werkzeuge dazu, wenn das Organ fiir den ge-
Fortschreitung seyn konne. .Das Menschengeschlecht kann man als den wohnlichen Kreis des Erdlebens unbrauchbar geworden; so daB es natiir-
groBen ZusammenfluB niederer organischer Kriifte ansehen; die in ihm lich scheint, daB die innere rastlose Kraft vielieicht Eindriicke empfange,
zur Bildung der Humanitat keimen soliten." deren eine ungestorte Organisation nicht fahig war. - Doch soli der
DaB die Menschen-Organisation in einem Reiche geistiger Kriifte ge- Mensch sich nicht in seinen ktinftigen Zustand hineinschauen, sondern
schehe, wird so gezeigt: .Der Gedanke ist ganz ein ander Ding, als was ihr sich hineinglauben~ {Wie aber, wenn er einmal glaubt, daB er sich hinein-
der Sinn zufiihret; aile Erfahrungen tiber ihren Ursprung sind Belage von schauen konne, kann man ihm verwehren, daB er nicht bisweilen von die-
Wirkung eines zwar organischen, aber dennoch eigenmachtigen, nach Ge- sem Vermogen Gebrauch zu machen suche?) - .So vie! ist gewiB daB in
setzen geistiger Verbindung wirkenden Wesens. 2. Wie der Leib durch jedem seiner Kriifte eine Unendlichkeit liegt, auch die Kriifte des Weltalls
Speise zunimmt, so der Geist durch Ideen; ja wir bemerken bey ihm eben scheinen in der Seele verborgen, und sie bedarf nur einer O~anisation,
die Gesetze der Assimilation des Wachsthums und der Hervorbringung. - oder einer Reihe von Organisationen, diese in Thatigkeit und Ubung set-
Kurz es wird in uns ein innerer geistiger Mensch gebildet, der seiner eige- zen zu dtirfen. - Wie also die Blume da stand, und in aufgerichteter Gestalt
nen Natur ist und den Korper nur als Werkzeug brauchet. Das heliere das Reich der unterirdischen noch unbelebten Schopfung schloB, - so
BewuBtseyn, dieser groBe Vorzug der menschlichen Seele, ist derselben auf steht tiber allen zur Erde gebtickten {Thieren) der Mensch wieder aufrecht
eine geistige Weise durch die Humanitat erst zugebildet worden u. s. w." da. Mit erhabenem Blick und aufgehobenen Handen stehet er da, als ein
mit einem Worte, wenn wir es recht verstehen: Die Seele ist aus geisti- Sohn des Hauses, den Ruf seines Vaters erwartend."
(20Jgen nach und nach hinzu kommenden Kriiften aliererst geworden. -
.Unsere Humanitat ist nur Voriibung, die Knospe zu einer zuktinftigen [21) Die Idee und Endabsicht dieses ersten Theils (eines, wie es der An-
Blume. Die Natur wirft Schritt vor Schritt das Unedle weg, bauet dagegen schein giebt, auf viele Bande angelegten Werks) besteht in folgendem. Es
das Geistige an, fiihret das feine noch feiner aus, und so konnen wir von soli, mit Vermeidung aller metaphysischen Untersuchungen, die geistige
ihrer Ktinstlerhand hoffen, daB auch unsere Knospe der Humanitat in je- Natur der menschlichen Seele, ihre Beharrlichkeit und Fortschritte in der
116 ALLGEMEINELITERATUR-ZEITUNG- 6.Januar 1785 Herders Ideen zur Philos. d. Gesch. d. Menschheit. Erster Theil. 117
•
Vollkommenheit, aus der Analogie mit den Naturbildungen der Materie, Iogie der sichtbaren Erzeugung geschlossen werden kann. Was nun aber je-
vornehmlich in ihrer Organisation, bewiesen werden. Zu diesem Behuf nes unsichtbare Reich wirksamer und selbststandiger Kriifte anlangt, so ist
werden geistige Krafte, zu welchen Materie nur den Bauzeug ausmacht, ein nicht wohl abzusehen, warum der Verfasser, nachdem er geglaubt hat aus
gewisses unsichtbares Reich der Schopfung, angenommen, welches die be- den organischen Erzeugungen auf dessen Existenz sicher schlief.len zu kiin-
lebende Kraft enthalte, die alles organisirt, und zwar so, dall das Schema nen, nicht Iieber das denkende Princip im Menschen dahin unmittelbar,
der Vollkommenheit dieser Organisation der Mensch sey, welchem sich als bios geistige Natur, iibergehen lief.\, ohne solches durch das Bauwerk
aile Erdgeschopfe von der niedrigsten Stufe an nahern, bis endlich durch der Organisation aus dem Chaos herauszuheben; es miiilte denn seyn, dall
nichts als diese vollendete Organisation, deren Bedingung vornehmlich er diese geistigen Kriifte fiir ganz etwas anders als die menschliche Seele
der aufrechte Gang des Thiers sey, der Mensch ward, dessen Tod nimmer- hielt, und diese nicht als besondere Substanz, sondern bios als Effect einer
mehr den schon vorher umstandlich an allen Arten von Geschopfen ge- auf Materie einwirkenden und sie belebenden unsichtbaren allgemeinen
zeigten Fortgang und Steigerung der Organisationen endigen kiinne, son- N atur ansahe, welche Meynung wir doch ibm beyzulegen billig Bedenken
dern vielmehr einen Uberschritt der Natur zu noch mehr verfeinerten tragen. Allein was soli man iiberhaupt von der Hypothese unsichtbarer
Operationen erwarten lasse, urn ibn dadurch. zu kiinftigen noch hohern die Organisation bewirkender Krafte, mithin von dem Anschlage, das, was
Stufen des I.ehens und so fortan ins U nendliche zu fordern und zu erhe- man nicht begreift, aus demjenigen erklaren zu wollen, was man noch weni-
ben. Recensent muB gestehen: dall er diese Schluf.lfolge aus der Analogie ger begreift, denken? Von jenem kiinnen wir doch wenigstens die Gesetze
der Natur, wenn er gleich jene continuirliche Gradation ihrer Geschopfe, durch Erfahrung kennen Iemen, obgleich freylich die Ursachen derselben
sammt der Regel derselben, namlich der Annaherung zum Menschen, ein- unbekannt bleiben; von diesem ist uns sogar aile Erfahrung benommen,
raumen wollte, doch nicht einsehe. Denn es sind da verschiedene Wesen, und, was kann der Philosoph nun bier zur Rechtfertigung seines Vorge-
welche die mancherley Stufen der immer vollkommneren Organisation bens anfiihren, als die blof.le Verzweifelung den AufschluB in irgend einer
besetzen. Also wiirde nach einer solchen Analogie nur geschlossen werden Kenntniil der Natur zu finden, und den abgedrungenen EntschluB sie im
konnen: dall irgend anderswo etwa in einem andern Planeten wiederum fruchtbaren Felde der Dichtungs{22]kraft zu suchen. Auch ist dieses im-
Geschopfe seyn diirften, die die nachst hohere Stufe der Organisation iiber mer Metaphysik, ja sogar sehr dogmatische, so sehr sie auch unser Schrift-
den Menschen behaupteten, nicht aber dall dasselbe Individuum hiezu ge- steller, wei! es die Mode so will, von sich ablehnt.
lange. Bey den aus Maden oder Raupen sich entwickelnden fliegenden Was indessen die Stufenleiter der Organisationen betrift, so darf man es
Thierchen ist bier eine ganz eigene und von dem gewiihnlichen Verfahren ihm nicht so sehr zum Vorwurf anrechnen, wenn sie zu seiner weit iiber
der Natur verschiedene Anstalt, und doch auch da folgt die Palingenesie diese Welt hinausreichenden Absicht nicht hat zulangen wollen; denn ihr
nicht a)lf den Tad, sondern nur auf den Puppenzustand. Dagegen bier ge- Gebrauch in Ansehung der Naturreiche bier auf Erden, fiihrt eben sowohl
wiesen werden miillte: dall die Natur Thiere, selbst nach ihrer Verwesung auf nichts. Die Kleinheit der U nterschiede, wenn man die Gattungen, ih-
oder Verbrennung, aus ihrer Asche in specifisch vollkommnerer Organisa- rer .Jt"lmlichkeit nach an einander pallt, ist, bey so groiler Mannigfaltigkeit
tion aufsteigen lasse, damit man nach der Analogie dieses auch vom Men- eine nothwendige Folge eben dieser Mannigfaltigkeit. Nur eine Verwand-
schen, der bier in Asche verwandelt wird, schlieilen kiinne. schaft unter ihnen, da entweder eine Gattung aus der andern, und aile aus
Es ist also zwischen der Stufenerhebung eben desselben Menschen, zu einer einzigen Originalgattung oder etwa aus einem einzigen erzeugenden
einer vollkommneren Organisation in einem andern Leben, und der Stu- Mutterschoof.le entsprungen waren, wiirde auf Ideen fiihren, die aber so
fenleiter, welche man sich unter ganz verschiedenen Arten und Individuen ungeheuer sind, dall die Vernunft vor ihnen zuriickbebt, dergleichen man
eines Naturreichs denken mag, nicht die mindeste Ahnlichkeit. Hier laf.lt unserm Vf., ohne ungerecht zu seyn nicht beymessen dar£. Was den Bey-
uns die Natur nichts anders sehen, als dall sie die Individuen der viilligen trag desselben zur vergleichenden Anatomie durch aile Thiergattungen his
Zerstiihrung iiberlasse, und nur die Art erhalte; dort aber verlangt man zu herab zur Pflanze betrift, so miigen die, so die Naturbeschreibung bearbei-
wissen, ob auch das Individuum vom Menschen seine Zerstiihrung bier ten, selbst urtheilen, wiefern die Anweisung, die er bier zu neuen Beob-
auf Erden iiberleben werde, welches vielleicht aus moralischen, oder, wenn achtungen giebt, ihnen nutzen kiinne, und ob sie wohl iiberhaupt einigen
man will, metaphysischen GrUnden, niemals aber nach irgend einer Ana- Grund babe. Aber die Einheit der organischen Kraft (S. 141.) die als selbst-
118 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 6. Januar 1785 ryJUrnb. geL .3eltung - 18. Jan. 1785 I teut[d)et 'lJlet!ur - Febr. 1785 119
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bildend in Ansehung der Mannigfaltigkeit ~IIer organischen Geschiipfe,
<3erlinifd)• ffionatfd)rift. J;lerau~gegeben oon ~- <lle~iee unb i). @:.
und nachher, nach Verschiedenheit dieser Organen, durch sie auf verschie-
<3iejl:er. <l'etober, nouember unb iDecember. 1784. be~ J;laube unb
dene Art wirkend, den ganzen Unterschied ihrer mancherley Gattungen
e>pener. 8. 30 !r.
und Arten ausmache, ist eine Idee, die ganz auller dem Felde der beob-
achtenden Naturlehre liegt, und zur bios speculativen Philosophie gehiirt, [... ]Kant liefert eine Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbiirger-
darinn sie denn auch, wenn sie Eingang Hinde, grolle Verwiistungen unter licher Absicht und eine Beantwortung der F rage, was ist die Aufklarung?
den angenommenen Begriffen anrichten wiirde. Allein bestimmen zu wol- Diese heiden Aufsatze, vorziiglich aber der erstere, sind von der griillten
len welche Organisirung des Kopfs, aullerlich in seiner Figur und inner- Wichtigkeit. Scharfsinnige Blicke und Hinweisungen in die neuesten und
lich in Ansehung seines Gehirns, mit der Anlage zum aufrechten Gange wichtigsten Aussichten, wo sich dem kiihneren Auge des Mit- und
nothwendig verbunden sey, noch mehr aber, wie eine bios, auf diesen Nachforschers reiche Fundgruben zeigen, deren edles Erz hoffentlich
Zweck gerichtete Organisation den Grund des Vernunftvermiigens enthal- nicht unbearbeitet bleiben wird. Die Grundidee, von welcher der
te, dessen das Thier dadurch theilhaftig wird, das iibersteigt offenbar aile kiinigsbergische Philosoph ausgeht, ist diese: Die Ge{43]schichte, welche
menschliche Vernunft, sie mag nun am physiologischen Leitfaden tappen, sich mit der Erzahlung der menschlichen Handlungen beschaftiget, so tief
oder am metaphysischen fliegen woiien. auch deren U rsachen verborgen seyn miigen, lallt dennoch von sich
Durch diese Erinnerungen soli indessen diesem so gedankenvoiien Wer- hoffen: dall, wenn sie das Spiel der Freyheit des menschlichen Willens im
ke nicht alles Verdienst benommen werden. Em vorziigliches darin ist (urn Grossen betrachtet, sie einen regelmassigen Gang derselben entdecken
hier nicht so mancher eben so schiin gesagten, als edel und wahr gedach- kiinne; und dall auf die Art, was an einzelnen Subjekten verwickelt und
ten Reflexionen zu gedenken) der Muth, mit welchem sein Verfasser die regellos in die Augen fallt, an der ganzen Gattung doch als eine stetig
aile Philosophie so oft verengenden Bedenklichkeiten seines Standes, in fortgehende obgleich langsame Entwicklung der ursptiinglichen Anlagen
Ansehung bloller Versuche der Vernunft, wieweit sie fiir sich selbst wahl derselben, werde erkannt werden kiinnen. - [...]
gelangen kiinne, zu iiberwinden gewullt hat, worinn wir ihm viele Nach-
folger wiinschen. Uberdem tragt die geheimnillvoiie Dunkelheit, in wel-
che die Natur selbst ihre Geschafte der Organisationen, und die Classen-
vertheilung ihrer Geschiipfe einhiiiiete, einen Theil der Schuld wegen der ~c()reiben 1>e6 SJ.)farrer6 hU •••
Dunkelheit und Ungewisheit, die diesem ersten Theile einer philosophi- an ben J;l. be~ l:. 'ln.
schen Menschengeschichte anhangen, der dazu angelegt war, urn die
Uber eine ~ecen[ion
aullers.ten Enden derselben, den Punkt von dem sie anhob und den, da sie
oon J;l.erber~ Jbeen hUt SJ)~ilofop~ie bet lilefdjidjte bet 'lnenfdj~eit. •)
sich iiber die Erdgeschichte hinaus im Unendlichen verliert, wo miiglich
an einander zu kniipfen; welcher Versuch zwar kiihn, aber doch dem For- Sie erinnern sich gewis noch mit Vergniigen der seeligen Stunden, die
schungstriebe unserer Vernunft natiirlich, und, selbst bey nicht viiiiig ge- uns in *** bey dem gemeinschaftlichen Genusse der neuesten Geistes-
lingender Ausfiihrung, nicht unriihmlich ist. Desto mehr aber ist zu wiin-
*) Dieser Correspondent ist eben der Pfarrer zu *** der durch seine Unterredungen mit
schen, dall unser geistvoiier Verfasser in der Fortsetzung des Werks, da er mir (S. den T. Merk. vom Jahre 1775.) schon vor zehn Jahren dem Publiko auf einer
einen festen Boden vor sich fmden wird, seinem lebhaften Genie einigen sehr vonheilhahen Seite bekannt worden ist. Da der v.rackere Mann mir kein Ge-
Zwang auflege, und dall Philosophie, deren Besorgung mehr im Beschnei- heimnis daraus machte, daB er dieses Sendschreiben mehr fiir den T. M. als fiir mich
aufgesezt habe: so sahe ich keinen hinliinglichen Grund, ihm diesen Wunsch zu versa-
den als Treiben iippiger Schiilllinge besteht, ihn nicht durch Winke, son- gen, wiewohl ich der Meynung bin, daB ein Werk wie H. Ideen zur PhiL d. G. d. M.
dern bestimmte Begriffe, nicht durch gemuthmallte, sondern beobachtete fUr Leser mentis bene sanae {die einzigen, fUr die es geschrieben ist) weder einer Lob
Gesetze, nicht vermittelst einer, es sey durch Metaphysik oder durch noch Schutzrede bediirfe. Indessen werden diejenigen, die hierin mit mir gleich den-
Gefiihle befliigelten Einbildungskraft, sondern durch eine ·im Entwurfe ken, [149] in diesem Aufsatz, (wenn ich nicht sehr irre) auch ausser dem apologeti-
schen Theile soviel l.ehrreiches und zu rechten Zeit Gesagtes finden: daB ich nicht
ausgebreitete, aber in der Ausiibung behutsame Vernunft zur Voiiendung besorgen darf, meine Gefalligkeit gegen meinen Freund zu *** libel aufgenommen
seines U nternehmens leiten miige. zu sehen. d. H.
1
•) Allgemeine Litteratur-Zeitung auf das Jahr 1785, No.4. *) S. Yoricks empfindsame Reisen.
!
122 :teutfd)e~ 'llle~tur - Februar 1785 Obe~ eine 3!ecenfion oon .f;le~be~o Jbecn 123
sinn und Geschicklichkeit, dail sie keineswegl:s empyrisch, von Erfahrungen ich die metaphysische nennen mochte, und die einer der schlimsten Strei-
abgezogen, sondem giinzlich a priori [153] entstanden seyen. Auf diese Weise che ist, welche die schalkhafte Fee, Fantasia, den zu Ehren und Frommen
geschieht es, dail.sie mit der Vernunft selbst verwechselt, fiir untriiglich der Dame Wahrheit fahrenden Rittern zu [155] spielen pflegt; ein Streich,
anerkannt, und ihre Resultate fiir Ausspriiche angenommen werden, gegen der ihnen zur Warnung dienen sollte, wie wenig selbst das gute Schwert
die keine weitere Appellation statt findet. Auf diese Weise erhiilt sich eine reine Vernunft gegen die Tausendkiinste der Zauberin sicher ist. - Da die
gewisse Anzahl verjiihrter Vorstellungsarten, die seit Jahrtausenden aus erwiihnte Leichtigkeit mit der Zahl der Merkmale in umgekehrtem Ver-
einem Buche ins andre iibergiengen, im ruhigen Besitze der Herrschaft hiiltnisse zunimmt, so wird der Begrif immer deutlicher, je weiter die Ab-
tiber den griillten Theil unsers Wissens; die Uberbleibsel von den Specula· straktion fortgesetzt wird. Der Denker, in dessen Seele es immer heller
tionen unsrer Voreltern bleiben das Non plus ultra unsres Verstandes; und wird, glaubt dall es die Wahrheit ist, die ihre nahere Gegenwart durch zu-
eine Sammlung von Worten, bey denen man eigentlich am allerwenigsten nehmende Stralen ankiindiget. So schmeichelt er sich, ihr in eben dem
denkt, verewiget sich als der Kodex aller Grundwahrheiten, den man in je- Grade naher gekommen zu seyn, in welchem er sich von ihr entfernte;
dem einzelnen Faile zu Rathe zieht, und wo man die Ursache eines jeden und vergillt, dail er wieder den ganzen Weg zuriic_kemessen_mii_llte, ~m auf
Dinges entdecket zu haben meynet, wenn map. das Wort gefunden hat, das die Idee zu kommen, welcher ein Gegenstand m der Wrrkhchkelt ent-
allen Dingen anpallt. spricht.
Ich will unsern metaphysischen Notionen keinesweges aile Wahrheit Die abstrakteste Notion enthalt ein einziges Merkmal, aber das allge-
abstreiten. Die Alten, welche sie zuerst von oen sinnlichen Begriffen ab- meinste, das man in jedem Dinge antrift. So wie beym ~bstrahiren die
strahirten, verfuhren dabey so gut sie konnten und wu!lten. Sie sahen Zahl der Merkmale kleiner wird, so wird die Zahl der Dmge, denen das
ihren Gegenstand von der Seite, die sich ihrem Gesichtspuncte darboth, Abstraktum zukommt,*) immer groller. Diese Abstrakta miissen also bey
sehr richtig; und verfolgten ihre Speculationen von dieser Seite, so weit sie jedem Nachdenken nur darum schon am oftesten vorkommen, wenn sie
konnten. Eben so wenig lii!lt sich gegen die Formen, welche die alten No- auch [156] wegen ihrer belobten Deutlichkeit jedem Denker nicht schon
tionen durch unsre neuern Denker nach und nach erhielten, einwenden. so gelaufig waren. J eder concrete Begrif re~roducirt ~so ~erade den a?-
Aber eben dieser Um{154Jstand macht die Sache der speculativen Philoso- straktesten im Kopfe des geiibten Metaphys1kers. Fiir 1hn 1st der erste m
phie in gewisser Riicksicht nur desto schlimmer. Die Metaphysiker haben dem letztern enthalten, wie das Unbekannte in dem Bekannten, oder
Wahrheit auf ihrem Wege gefunden; und halten daher die andern Wege, wohl gar wie die Wirkung in der Ursache. Wenigstens suchet er alles, was
eben wei! sie nicht der ihrige sind, fiir verdiichtig, und verschreyen sie vor er an Ursachen, Grunden, Mittelbegriffen nothig hat, immer unter dem
der iibrigen Welt. Sie bekiimmern sich selten urn die Bestimmungen, wel- Vorrathe seiner metaphysischen Notionen auf, und es kann ihm nie feb-
che eine vor tausend J ahren gefundene Wahrheit, durch die verschiedenen len, dall er nicht fmde was er gesucht hat, und nicht selten Entdeckungen
Seiten; von welchen sich der Gegenstand derselben nach und nach in tau- mache, die wenigstens so wahr, so neu, und so wichtig sind, als jene die
send Jahren zeigen mullte, annimmt. Eine Wahrheit von diesen Bestim- mein kleiner Junge ehegestern in seinen Landcharten machte, die er mir
mungen trennen zu konnen, ist eben der Zweck ihrer Arbeit und das Mei- sogleich mit der herzlichsten Freude an~iindigte, und d_ie ich Ihnen eb':n
stersriick ihrer Kunst. Sie haben sich an eine Art von Evidenz gewohnt, so wenig vorenthalten kann - dail namhch Wandsbeck m Teutschland, m
die nur bey den allerabstraktesten Ideen statt findet, und lediglich aus der Europa, in der alten Welt !age.
kleinern Anzahl von Merkmalen oder Bestandtheilen, die nach unziihli- Doch es ist Zeit dail ich einlenke. Aus dem was ich bisher gesagt babe
gen Operationen des Abstraktions-Vermogens in einem Begriffe iibrig ist mir wenigstens begreiflich, wie es zugeht, dail so mancher unsrer be-
bleibt, entsteht. Das ganze Geheimnis dieser Evidenz liegt eigentlich in sten speculativen Kopfe alles aus der Metaphysik erklan wissen will, so
der Leichtigkeit mit welcher der Metaphysiker sein Abstraktum iiber- sehr er auch gegen aile Metaphysik protestiren mag; dall er nur da wahre
schauen kann.*) Aber eben hierin liegt der Grund zu einer lllusion, die *) - und die bey der Vorsrellung des Abstraktums verworren mitgedacht werden. Daher
die groBe Meynung von der Wichtigk:eit der Entdeckung, die man im Reiche der
*) Die Gefahr sich im Zahlen zu irren ist geringer, wenn man fiinf als wenn man hun- Wahrheit gemacht zu haben meynt, je weiter man es in der Geschicklichkeit zu
dert zu zahlen hat. Darum halt sich auch der Metaphysiker fiir untriiglicher. abstrahiren gebracht hat.
124 :tcut[djc~ '»lc~fu~ - Februar 1785 Ubc~ cine :J!ccen[ion oon t,>c~~c~6 J~ccn 125
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Philosophic anerkennt, wo er seine Notionen' wiederfindet, und dall ihm Geschichte der Menschheit angewendete Ontologie wird unsre Philoso-
jedes Raisonnement, bey dem er ontologische Evidenz vermillt, kiihn, phie der G. d. M. seyn, und unsre Philosophen werden es dabey nie an
dunkel und ungewill vorkommt. [157] logischer Piinktlichkeit in Bestimmung der Begriffe, an sorifaltiger Unter·
Und was sagen sie I. F. zu der Beschuldigung die H in der Recension ge- scheidung und Bewahrung der Grundsiitze, kurz an aller der Regelmallig-
macht wird, dall er Metaphysik von sich ablehne, wei! es die Mode so will? keit, die Recensent in unserm Buche vermillt, fehlen lassen. [159]
Ich glaube, dall hier der Eifer fiir sein Lieblingsstudium, das der Recensent Herder konnte und mullte es den Gelehrten dieser Art iiberlassen, a
von seinem Schriftsteller verschmaht und beleidiget hielt, in Anschlag priori zu beweisen, dall die Menschheit alles das werden mullte, was sie
kommen miisse; denn sonst wiirde es nicht so Ieicht zu begreifen seyn, wie !aut ihrer Geschichte geworden ist. Er hatte wohl schon lange die unge-
man so einem Manne so eine Beschuldigung aufhangen konne, ohne zu heure Kluft wahrgenommen, die unsre Metaphysik von der Geschichte,
fiihlen dall man sich selbst beschimpft. Indessen sieht man es jedem Pro- unsre Spekulation von unsern Erfahrungen trennt. Er wollte das Seinige
dukte des Herderischen Geistes an, dall dieses entschiedene Originalgenie beytragen urn sie auszufiillen. Hiezu konnte er nun keineswegs die Ma-
von jeher die ausgetretenen Pfade der Schulweisheit sorgfaltig vermieden terialien aus dem Kanan der reinen anerschaffenen Verstandes-Begriffe
habe. Ware Recensent mit dem Werke weniger unzufrieden gewesen, so hohlen: er mullte sie aus Erfahrung und Analogie der Natur entlehnen,
wiirde er auch diesen U mstand vielmehr unter den anerkannten Eigen· ohne welche leztere selbst jene Begriffe, sogar nach dem Gestandnisse ihrer
thiimlichkeiten seines Schriftste!lers angefiihret, als von· einer Modesucht, Vertheidiger, in unsren Kopfen nie zum Vorschein kommen wiirden. Er
die nur Schwachkopfe dahin reillt, hergeleitet haben. Vorausgesezt nun, suchte, wie sich ein anderer seiner Recensenten ausdriickt, die grollen An-
dall sich H seine eigene Bahn gebrochen hat, diirfen, wie die Recension stalten auf, welche die Natur fiir ihren Liebling, den Menschen, in ihrer
sagt, freylich seine Ideen wohl eben so wenig als manche andere aus seiner gesammten Haushaltung getroffen hat, jene Anstalten, welche allein die
Feder geflossene Schrift nach dem gewohnlichen Maaftstabe beurtheilt werden. wirklichen Griinde und folglich auch die wahren Aufschliisse iiber das,
Aber wer heillt die Herren alles nach dem gewohnlichen Maallstabe beur- was der Mensch wirklich geworden ist und noch werden soli, enthalten
theilen, wenn es nicht ihre Metaphysik ist, die in ihren Kopfen, so wenig konnen. Uber diese Anstalten hatte er freylich auch die Metaphysiker zu
sie es auch gestehen wollen, noch immer den Meister spielt? und was ist Rathe ziehen konnen; denn, umfallt ihr Gesichtskreis nicht alles Mogliche?
dieser gewohnliche Maaftstab, wenn es nicht ihre technischen Notionen Zanken sie nicht lange genug iiber den Stoff, den die Natur wahl ge-
sind, die ihnen die ge{158]laufigsten, oder, mit dem Recensenten zu reden, braucht haben mag, da sie denkende Krafte hervorbrachte, iiber die Weise
der Mittheilung fahigsten Begriffe sind. Dieser Maallstab war hier ganz un- wie sie Seele mit Korper vereiniget u. s. w.? Allein, Er versprach Philoso-
brauchbar. Denn *) H-s Genie sammelt nicht etwa blos die Ideen aus dem phie der Geschichte. Urn Wort zu halten, mullte [160] er facta liefern, und
weiten Felde der Wissenschaften und Kiinste, um sie mit am/em, aus der er fand es eben deswegen fiir rathsamer, Welt- und Erdbeschreibung, Na-
Ontologie hergeleiteten, oder nach ihr geregelten zu vermehren, sondern er turgeschichte, Physik, Physiologie, und wo ihm auch diese Wissenschaften
verwandelt sie aufeine ibm eigene Weise in seine specifische Denkungsart, wo· nicht genugsame Data anzugeben schienen, die Natur selbst zu fragen. So
durch sie von denjenigen dadurch sich andere metaphysische Seelen nabren treflich ihm nun auch zu dieser Absicht sein vie! umfassender Blick, seine
und wachsen merklich unterschieden, und in unsren Schulen der Mittheilung in Aufsuchung von Analogien fertige Sagacitat, seine kiihne Einbildungskraft,
weniger fahig werden. Daher ist auch das, was ibm Philosophie der Geschichte und wie die Vorziige aile heissen mogen, die ihm selbst der Recensent
der Menschheit heijlt, wirklich etwas ganz anderes, als was man gewohnlich zugestehen mull, zu Statten kamen: so glaubte er doch selbst auf diesem
unter diesem Namen versteht. Denn so lange Metaphysik, wie wir sie ge- Wege, und mit all diesen Geschicklichkeiten weiter nichts als Ideen zur
genwartig haben, unsre Philosophie Ka~ s~oxqv bleiben wird: so lange Philosophie der menschlichen Geschichte gefunden zu haben. Er ist be-
wird man auch jedes Raisonnement iiber die Menschengeschichte im Gro- scheiden genug in seiner Vorrede unaufgefordert zu gestehen, sein Buch zei·
llen und im Kleinen aus dieser beliebten Fundgrube alles (Sie vergeben ge in den meisten Stiicken, daft man noch keine solche Philosophie schreiben
mir doch den Ausdruck) wissenschaftlichen Wissens herholen. Die auf die konne. Aber behaupten, dall er nicht viele, neue, und sehr brauchbare Mate-
rialien zu dieser Philosophie geliefert habe; dall seine Ideen zur Aufhel-
*)Die unterstrichenen [Kursiv 9esetztm] Worte gehOren dem Recensenten. lung der bisher so dunkeln und verworrenen Menschengeschichte nichts
126 :teutfd)er 'lllerfur - Februar 1785 fiber elne ~ecenfjon oon .f;Jetbertl Jbeen 127
..
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beytriigen, oder daB er das was man Philosophie dieser Geschichte heiflt, ver- hergenommen, und daher schwerer am Gewichte sind. Sehr haufig endlich
fehlt habe, dieB behaupten, sage ich, kann nur der Mann, der entweder sind es weiter nichts als Winke, theils auf esoterische Wahrheiten fiir
nichts fiir Philosophie gelten Hillt als metaphysischen Schlendrian, oder gleich gestimmte Seelen, theils auf neue Aussichten fiir Denker aller Art.
der es zu beweisen iibernimmt, daB die Menschheit durch andere Anstal- Griinde genug zur Unzufriedenheit fiir den Metaphysiker, der sich mit
ten, als die Herder in der Werkstatte der Natur angetroffen und gezeigt physischer und moralischer Gewisheit nicht begniigen, Wahrscheinlichkei-
hat, zu dem ward, was sie ist; daB z. B. die Stellung der Erde unter den ten, Vermuthungen und Winke aber vollends nicht vertragen kann. [163)
iibrigen Planeten, ihr [161) mittelster Ort, ihre schiefe Richtung gegen die Sie werden es wohl auch bemerkt haben, I. E, daB die Freyheit im Den-
Sonne, die mannichfaltigen Revolutionen die sie durchwandern muBte, ken der Vorzug ist den der Recensent dem Verfasser am liebsten einriiumt,
die Beschaffenheit des Dunstkreises der sie umgiebt u. s. w. der Menschen- das Lob, mit dem er am wenigsten Haus halt. Der Muth mit welchem H.
geschichte gleichgiiltig sind, daB die Ahnlichkeit zwischen allen Organi- die aile Philosophie so oft verengenden Bedenklichkeiten seines Standes zu
sationen iiberhaupt, und die Verwandschaft der menschlichen mit den uberwinden gewuftt ha~ wird ibm als ein vorzugliches Verdienst seines Wer-
thierischen ein optischer Betrug ist, der SchluB von der Ahnlichkeit der kes angerechnet. Sie fanden es vielleicht seltsam genug, wie man ein Ver-
Wirkung auf Ahnlichkeit der U rsachen in· dem Faile der Organisation dienst, das heut zu tage so allgemein geworden, und worin es so mancher
nicht statt fmde, daB die menschliche Vernunft bey einer andern Form der mittelmaBiger Biichermacher dem gr6Bten Schriftsteller zuvorthut, einem
Organisation als die Herder so meisterhaft an~igt, auch nur moglich ware Werke das in so manchen Riicksichten ausserordentliche Vorziige hat, zum
u. s. w. Nichts miiBte dem Rec. schwerer werden als zu beweisen, daB die vorzuglichen Verdienste machen konnte; und wie man bey einem Manne,
Thatsachen, die Herder seinen Ideen zum Grunde legt, entweder an sich von dem die Welt so viele vollgiiltige Beweise des hohen Ranges in Han-
selbst falsch, oder zweckwidrig gewahlt waren. U nd doch kame es auf die- den hat, den ihm die Natur unter den Menschen angewiesen hat, einem
sen Beweis an, wenn der Vorwurf, er mag iibrigens noch so artig verklei- Manne der in allen seinen Schriften als Weltbiirger denkt und spricht, und
stert werden, nicht ungerecht seyn soli, daft das Buch nicht geleistet babe der durch seine groBen Talente sowohl als durch den Gebrauch den er von
was sein Titel versprach. Finden Sie das nicht seltsam genug, I. E, daB der jeher davon gemacht hat der gesamten Menschheit angehort, wie man bey
Rec. immer nur mit Raisonnements zu thun haben will, auf die Thatsa- so einem Manne von Stand und Bedenklichkeiten die dem Stande ankleben,
chen hingegen, an denen dem Verf. alles gelegen war, so wenig Riicksicht sprechen konne.
nimmt, als ob sie gar nicht da waren? Indessen sey es weit von mir, von unserm Kunstrichter arge Absichten
Die Schliisse, die H. aus dieser Art von Priimissen herleitet, dringen sich zu vermuthen. Ich lange auch hier mit meiner Hypothese aus. Er hielt
nun freylich nicht mit jener in die Augen springenden Evidenz oder viel- sich mit seinem Lobe bey der Freyheit im Denken, die er, wie [164) er
mehr I.eich{162]tigkeit auf, an die unsre Schulgelehrten gewohnt sind. Sie selbst sagt, in H. Werke in so grafter Masse antrift, nur darum so lange auf,
halten zuweilen physische, zuweilen moralische Wahrheitsproben aus. Oft wei! sie ihm wirklich vorzuglich auffiel; und er kommt in seiner Recen-
sind sie nur Wahrscheinlichkeiten, und werden vom Verf. selbst fiir nichts sion mehr als einmal auf sie zuriick, ob er sie gleich nicht immer beym
mehr ausgegeben. Zuweilen sind sie eigentlich nur durch aufgesammelte Namen nennt, nicht immer lobenswerth findet. Der Muth seines Schrift-
Analogien und zusammengereihete Data vorbereitet, und erwarten ihre stellers macht ihm nicht selten bange, und er kann nicht umhin, die
vollstandigere Bestimmung und Bestatigung in den folgenden Theilen des Furcht, in die ihn der kiihne Gedankenschritt desselben versetzt, manch-
Werkes. So behielt sich der Verf. z. B. iiber die organischen Kriifte die wei- mal !aut werden zu lassen. Bald sieht er den bisherigen Begrif von Sub-
tere Erorterung vor,. und der Recensent wiirde wohl gethan haben, wenn stanz und Seele durch eine Meynung in Gefahr, die ihm so schlimm
er diese Erorterung abgewartet hatte, bevor er die Schliisse die auf die scheint, daB seine Menschenliebe billig Bedenken trag~ sie dem Verfasser
Voraussetzung dieser Kriifte gebauet sind, und in den letzteren Abschnit- beyzulegen. Bald warnet er vor der Behauptung einer Verwandschaft unter
ten des Buches vorkommen, mit jenen Einwiirfen bekampfte, die zugleich den Gattungen der Organisation, indem sie auf Ideen fUhren wurde, die so
seine Haupteinwendungen gegen das Werk selbst ausmachen. Nicht selten ungeheuer sind, daft die Vernunft vor ihnen zuriickeheb~ dergleichen man
sind es Vermuthungen, die wohl manchmal unsre bisherigen Systeme ein- dem Verfasser, obne ungerecht zu seyn, nicht beymessen durfe. Bald endlich
zureissen drohen, aber vielleicht eben darum, wei! sie aus der Wirklichkeit aussert er den Grund seiner Besorgnisse noch deutlicher, indem er auf die
128 teut[c6er 'llletlut - Februar 1785 Ooet eine ~ecen[ion oon .f)et~cttl J~een 129
groflen Verwtistungen hinweiset, welche die Herderische Idee von der orga- Im vierten Abschnitte betrachtet H die Gestalt, Stellung und Bewegung
nischen Kraft unter den allgemein angenommenen Begriffen der speculativen der Erde. Wie der Cirkel die vollkommenste Figur ist - so ist unsre Erde, so
Philosophie anrichten wurde. Hier haben Sie, I. F. metaphysische Ortho- sind aile Planeten und Sonnen als Kugelgestalten mithin als Entwiirfe der
doxie! Allein da wir nun einmal so weit sind, daB unsre Moral von keinem einfachsten Fulle, des bescheidensten Reichthums aus den Handen der Natur
metaphysischem Systeme iiber die Natur der Geister mehr abhangt, so geworfen. Erstaunen mufl man uber die Vielheit der Abanderungen, die auf
sind die Meynungen, welche von den gedachten Systemen abweichen, so unsrer Erde wirklich sind, noch mehr er{l67]staunen aber uber die Einheit,
arglos und unschad{l65]lich geworden, daB man sie einem Schriftsteller der diese unbegreijliche Mannichfaltigkeit dient. Er will darauf aufmerksam
ohne billiges Bedenken, wenigstens in Riicksicht seiner Moralitat wohl machen, wie sich auch an der Gestalt der Erde die Regeln der Vollkom-
beylegen kann. Die gesunde ihrer Freyheit iiberlassene Vernunft bebt auch menheit (der griil!ten Einheit bey der griil!ten Mannichfaltigkeit) aussere.
vor keiner Idee zuriick. Sie hat auf keinen, weder Ontologischen noch Seiner Absicht durch Darstellungen der Analogien der Natur allenthalben
Theologischen, Kodex geschworen, und erkennt daher so wenig ein Ver- grofle herzerhohende Aussichten zu eriifnen, mul!te er hier auf die iibrigen
zeichnis verbothener Ideen, und exorzisirter Meynungen, als untriigliche Faile zuriickerinnern, in welchen die Natur diese Regel auf unsrer Erde
Glaubensformeln. - befolgt hat. Nichts ist beym Uberblicke dieser Faile natiirlicher als Erstau-
Doch ich erinnere mich vielleicht zu spat, daB ich einen Brief und kei- nen. DaB es der Verf. wirklich so gemeynt habe, setzen seine unmittelbar
ne Abhandlung schreiben wollte. Sonst wiirden Sie .noch manche Klage drauffolgenden Worte ganz ausser Zweifel. Es ist ein Zeichen der tiefen nor-
anhiiren miissen, die ich gegen die metaphysische Vernunft auf dem Her- dischen Barbarey in der wir die Unsrigen erziehen, daft wir ihnen nicht von
zen habe. Nur auf der Wagschale dieser Vernunft konnten die Erinnerun- jugend auf einen tiefen Eindruck dieser Schone, dieser Einheit und Mannich-
gen, die Recens. gegen die Ideen z. Ph. d. G. d. M zu machen fiir niithig faltigkeit auf unsrer Erde geben u. s. w. In der Folge lal!t er in eben dieser
fand, ein Gewicht haben, das schwer genug war, "urn nur nicht alles Ver- kugelfiirmigen Gestalt der Erde einen von den Gtiinden der grol!en Ver-
dienst dieses gedankenvollen Werkes" aufzuwiegen. Nur sie, die immer an schiedenheit, die wir auf der Erde iiberhaupt, und ins besondere unter den
einerley Seelenoperationen gewiihnt, immer im Kopfe sitzt, und mit Menschen gewahr werden, sehen. Was konnte seinem Zwecke, die Anstal-
gleichgiiltiger Ruhe leblose Ideen-Schatten anatomirt, nur sie konnte gegen ten aufzuspiihen, welche die Natur getroffen hat, die Menschen zu dem zu
das, was sie "Geschicklichkeit fur seinen Gegenstand durch Gefuhle und Emp- machen was sie sind, gemal!er seyn? Alles ist auf unsrer Erde Abwechselung
findungen einzunehmen" nennt, mit so vieler Kaltbliitigkeit aushalten. Vor einer Kugel: kein Punkt dem andern gleich: kein Hemisphar dem andern -
ihren Augen lag Herders Gegenstand, so wie das ganze Reich der Wirklich- Wie sich die Kugel dreht, drehen sich auch die Klimaten, Sitten und Religio-
keit in dunkler Ferne, und daher fand sie auch in der unermeBlichen Ge- nen. - Bey Gelegenheit der Be{l68]merkung, daB Mannichfaltigkeit Ab-
dankenfiille und dem lebendigen Reitze der Schiinhei{l66]ten, die Herders sicht war, fie! dem Verfasser die Ungereimtheit auf, verschieden denken-
Geist iiber diesen Gegenstand ausgol!, nicht mehr und nicht weniger, - als den Menschen einerley Formeln aufdringen zu wollen. Wer, der diese Figur
ihre kalte Beurtheilung wahl geradezu antraf beherziget hatte, ware hingegangen die ganze welt zu einem Wortglauben in
Ich bin Ihnen nur noch ein Priibchen vom Auszuge schuldig, den die Philosophie und Religion zu bekehren? Und nun lassen Sie uns sehen, was
Recension aus dem Werke selbst liefert. Sie versprach von H Ideen, so weit dieser Abschnitt vom Recensenten ausgehoben fiir eine Gestalt erhait. In
es gliicken wollte, die wichtigsten und dem Verf eigenthumlichsten auszuhe- der Kugelgestalt der Erde findet er (Herder) einen Gegenstand des Erstaunens
ben, und in seinem eignen Ausdrucke darzustellen. Wenn es einem Recen- uber die Einheit die sie bey alter erdenklichen Mannichfaltigkeit veranlajk
senten mehr urn Proben von den Ideen selbst als vom Ausdrucke zu thun Wer, der diese Figur beherziget, ware hingegangen zu einem Wortglauben in
ist, so hebt er nur dann die eigenen Worte des Verf. aus, wenn sie Resultate Philosophie und Religion zu bekehren, oder dafor mit dumpfem heiligem
ausdriicken; nie, wenn sie Resultate nur vorbereiten, bestimmen, erlautern Eifer zu morden. Dies ist alles was die Recension von diesem Abschnitte
u. s. w. am allerwenigsten aber, wenn sie nur im Zusammenhange mit dem liefert. So ausgehoben miissen H. Ideen freylich der Mittheilung weniger
Vorhergehenden und Nachfolgenden verstanden werden kiinnen. - Doch fahig erscheinen: denn wer wird H. aus dem was ihn der Recensent hier
ich will Ihren Urtheilen iiber die Art unsers Recensenten, die Ideen seines sagen lal!t errathen? wer nicht mit dem Recens. iiber Dunkelheit und Un-
Schriftstellers auszuheben, nicht vorgreifen. gewiflheit klagen?
130 :tcut[<{)er 'lJler!ur - Februar 1785 Uber einc ~ecenflon oon -t>erDer6 JDeen 131
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Die Recension fahrt fort: Eben so giebt ih'm die Schiefe der Eklyptik An· knabe mag ihn aus seinem Compendia zurechte weisen. Doch Scherz bey-
!aft zur Betrachtung der Menschenbestimmung. Unter unsrer schriige gehenden seite! Nie ist es H. eingefallen die aufrechte Gestalt des Kiirpers zu dem zu
Sonne ist alles Thun der Menschen ]ahresperiode. Dies ist alles was Recens. machen, was man sonst insgemein unter den Worten wesentlicher Natur-
seinen Lesern aus einer der interessantesten Betrachtungen des ganzen Wer- unterschied versteht. Er untersucht hier gar nicht, worin dieser wesentliche
kes wichtiges und Herdern eigenthiimliches aushebt. Wir wol{169]len se- Naturunterschied bestehe, sondern [171] durch welche Anstalten ihn die
hen mit welcher Treue. Die Schiefe der Eklyptik giebt H eigentlich An/aft Natur bewiirke. Er erklarte sich hieriiber vorlaufig S. 174: Wir setzen (hier)
seine beyden oberwiihnten Zwecke weiter zu verfolgen. Er zeigt furs erste aile Metap/rysik bey Seite, und halten uns an Plrysiologie und Erfahrung. Aus
die Anstalt der Natur fiir die Menschheit. Mit dieser schiefen Richtung (der diesen beyden letztern Quellen hat er aufs unwidersprechlichste erwiesen,
Erdachse) zur Eklyptik werden bestimmt abwechselnde Zonen, die die ganze daB der Mensch ohne aufrechte Gestalt keine Vernunft haben konnte; und
Erde bewohnbar machen -die Erde muft sich regelmiiftig beugen, damit auch so konnte H ohne den geringsten Anschein des Sonderbaren behaupten:
Gegenden, die sonst in cimmerischer Kiilte und Finsterniflliigen, den Stral der der aufrechte Gang des Menschen ist ihm einzig naturlich, ja er ist die Orga-
Sonne sehen, und zur Organisation geschickt werden. - Er vergillt aber auch nisation zum ganzen Beruf seiner Gattung, und sein unterscheidender Cha-
eben so wenig den Wink auf die aus dieser Einrichtung resultirende Voll- rakter. Man versteht auch sehr Ieicht, wo das Wort einzig, das Recens. aus
kommenheit. Allgemeine Mannigfaltigkeit ist also auch hier das Gesetz der guten Grunden unterstrichen hat, hingehiirt, und daB hier nur von einem
bildenden Kunst des Schopfers. Es war ihm nicht genug, daft die Erde in Licht plrysiologischen Charakter die Rede sey. Man sieht aber auch wie der Recen-
und Schatten, daft das menschliche Leben in 'fag und Nacht vercheilt wurde, sent zu Werke gehen mullte, urn seinem Autor folgende Behauptungen
auch das ]ahr unsers Geschlechtes sollte abwechseln. Hiernach wurde die Lange aufbiirden zu kiinnen: .Nicht wei! der Mensch zur Vernunft bestimmt war,
und Kurze des menschlichen Lebens, mithin das Maas unsrer Kriifte, die ward ihm zum Gebrauch seiner Gliedmassen nach der Vernunft die aufrechte
Revolutionen des menschlichen Alters, die Abwechslungen unserer Geschichte Stellung angewiesen; sondern er bekam Vernunft durch die aufrechte Stellung,
u. s. w. bestimmt; denn alles dieses werden wir sehen, ist an das einfache Ge- als die naturliche Wirkung eben derselben Anstalt, die nothig war um ihn
setz der Tages- und ]ahreszeiten gebuiu:len. Wer nun indessen nicht vergessen bios aufrecht gehen zu lassen."
hat, daB (wie der Verf. oben bemerkte) diese Tages- und Jahreszeiten auch Wer wird ohne Widerwillen die Triimmer auflesen, in welche der Re-
wieder an den Winkel der Erdachse zur Eklyptik gebunden sind, versteht censent die vortreflichen Betrachtungen zerstiickt, wo H. die Unentbehr-
den Seitenblick mit dem der Verf. seinen Abschnitt schliellt, den aber Re- lichkeit der aufrechten Gestalt zu den iibrigen Vorziigen der Menschheit
cens. als den Hauptgedanken oder das Re{l70]sultat des ganzen §. anfiihrt: mit eben so vie! Scharfsinn als Richtigkeit ausfiihrt? Frey-{l72]lich besteht
Unter unsrer schriige gehenden Sonne ist alles Thun der Menschen ]ahres- dieser Auszug aus H. Worten; die aber so _gewahlt sind, daB sie eher alles in
period.e. der Welt als H. Sinn vermuthen lassen. Uberall erscheint im Auszuge das
Der Recens. fand es unter andern hiichst anstiillig, daB H. der aufrech- als die einzige Ursache der Vorziige menschlicher Natur, was im Werke
ten Gestalt der menschlichen Organisation so vieles einraumt, und er lallt selbst nach H. Ausdruck S. 186 als erste Anlage zur menschlichen Wurde an-
es ihm durch den Auszug, den er davon liefert, entgelten. Endlich, sagt er, gegeben wird. Wer, der nicht das Buch selbst gelesen hat, wird nicht iiber
kommt der Autor zu dem wesentlichen Naturunterschiede des Menschen. Man H. den Kopf schiitteln, wenn ihn Rec. folgendermassen philosophiren lallt:
bemerke, wie geschikt hier der Ausdruck wesentlicher Unterschied gewahlt Und nun Freyheit: Der Mensch ist der erste Freygelassene der Sch6pfung; er
ist. Recensent weis, daB die ganze Schulwelt bey diesen Worten ihre steht aufrecht. Die Worte: • und nun Freyheit?" gehiiren dem Recensenten,
Notam essentialem oder Differentiam ultimam denken wird. Selbst Herder und sollen vermuthlich eine Erklarung der Freyheit erwarten lassen, urn
hat in seiner vorhergehenden Vergleichung zwischen der menschlichen das Abentheuerliche, das die Leser in den Worten: der Mensch ist der erste
und thierischen Organisation nicht undeutlich merken lassen, daB er mit Freygelassene der Sch6pfung u. s. w. finden sollen, desto nachdriicklicher
allen schulgerechten Logikern animal fiir das genus proximum des Begriffes hervorzutreiben. Schon die Aufschrift des Abschnittes: Der Mensch ist zu
Mensch halte, und nun da es darauf ankiimmt, daB er differentiom ultimom, seinen Trieben mithin zur Freyheit organisirt, hatte Herdern vor der
den wesentlichen N aturunterschied, angeben sol!, kommt er gegen aile Re- Misdeutung, als ob er bey der Freyheit alles auf die aufrechte Gestalt an-
geln der Definition, mit der aufrechten Gestalt angezogen, und jeder Schul- kommen liesse, schiitzen sollen. Aber auch das Sonderbare des Ausdruckes
132 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - Marz 1785 Erinnerungen des Recensenten der Herderschen Ideen. 133
der von Recensenten ausgerissenen Stelle ~~rschwindet ganz, wenn man Angrif in unserer A. L. Z. auf. Es ware unbillig den Nahmen eines geach-
nur etwas aus dem Zusammenhange daneben stellt. S. 231. Das Thier ist teten Autors in den Streit zwischen Recensenten und Antirecensenten mit
ein gebUckter Sklave - seine noch nicht zur Vernunft gereifte Seele muft noth- zu verwickeln; daher wollen wir hier nur unsere Verfahrungsart in Be-
wendigen Trieben dienen. - Der Mensch ist der erste Freygelassene der Schop- kanntmachung und Beurtheilung gedachten Werks, als den Maximen der
fung; er steht aufrecht. [173] Sorgfalt, Unparteylichkeit und Malligung, die diese Zeitung sich zur
Sie kiinnen in der Folge der Recension noch mehrere ahnliche Proben Richtschnur genommen hat, gemall, rechtfertigen. Der Pfarrer zankt in
finden, wenn die angefuhrten nicht hinreichen sollten, ihnen den Einflull seinem Schreiben vie! mit einem Metaphysiker, den er in Gedanken hat,
auffallend genug zu machen, den die Metaphysik unsres Recensenten auf und der, wie er ihn sich vorstellt, fur aile Belehrung durch Erfahrungs-
die Verfertigung seines Auszuges, so wie auf seine ganze Beurtheilung des wege, oder, wo diese die Sache nicht vollenden, fur Schliisse nach der Ana-
Werkes hatte. logie der Natur ganzlich verdorben ist, und alles seinem Leisten scholasti-
Und nun nur noch ein Paar Worte I. E Ich habe ihnen da vie! Biises scher unfruchtbarer Abstractionen anpassen will. Der Recensent kann
tiber die Metaphysik geschrieben. Ich wollte es Iieber mit ihr als mit dem sich diesen Zank recht wohl gefallen lassen, denn er ist hierin mit dem
Metaphysiker zu thun haben, allein ich schiede gem mit guten Gewissen Pfarrer viillig einerley Meynung, und die Recension ist selbst der beste Be-
von Ihnen; und "-!so jedem sein Recht! Die Metaphysik hat sehr vie! weis davon. Da er aber die Materialien zu einer Anthropologie ziemlich
Schlimmes in der Gelehrten Welt angertihrt, und das mull sie noch immer zu kennen glaubt, imgleichen auch etwas von der Methode ihres Ge-
allenthalben - wo sie nicht hingehiirt. Ubrigens bin ich noch nicht der brauchs, urn eine Geschichte der Menschheit im Ganzen ihrer Bestim-
Meynung beygetreten, dall wir entweder keine Metaphysik hatten oder mung zu versuchen; so ist er iiberzeugt, dall sie weder in der Metaphysik,
doch keine brauchten. Es mag nun das, was uns bisher Metaphysik hiell, noch im N aturaliencabinet, durch Vergleichung des Skelets des Menschen
diesen Namen verdienen oder nicht, es mag Verbesserungen bedtirfen, die mit dem von andern Thiergattungen, aufgesucht werden mtissen; am we-
entweder -sehr spat oder nie zu Stand kommen dtirften; es mag tibrigens nigsten aber die letztere gar auf seine Bestimmung fur eine andere Welt
Geschichte der Ideen von Miiglichen oder Unmiiglichen in Beziehung auf fuhre; sondern dall sie allein in seinen Handlungen gefunden werden kiin-
die wirkliche Welt, Studium der allgemeinsten Pradikate, oder Bestim- nen, dadurch er seinen Charakter offenbahrt; auch ist er iiberredet, dall
mung der ersten Grundsatze aller Wissenschaften seyn oder nicht seyn, so Hr. Herder nicht einmal die Absicht gehabt habe, im ersten Theile seines
bleibt es doch immer bey mir ausgemacht, dall wir ohne Metaphysik so Werks (der nur eine Aufstellung des Menschen als Thiers im allgemeinen
wenig eine Philosophic, als ohne Erfahrung eine Geschichte haben wtir- Natursystem und also einen Prodromus der ktinftigen Ideen enthalt,) die
den. Philosophic im engsten, [174] und Geschichte im weitesten Verstande wirklichen Materialien zur Menschengeschichte zu liefern, sondem nur
sind die Beiden Pole des gesammten menschlichen Wissens. Ich verlange Gedanken, die den Physiologen aufmerksam machen kiinnen, seine Nach-
sie auch nur in so ferne als sie das sind, einander entgegen zu setzen. Nur forschungen, die er gemeiniglich nur auf die mechanische Absicht des
mull man nicht vergessen, dall die Gegenden die zwischen beyden liegen thierischen Baues richtet, wo miiglich weiter, und bis zu der fur den Ge-
die ergiebigsten sind, und dall ein ewiges Reisen urn den einen herum nie brauch der Vernunft an diesem Geschiipfe zweckmalligen Organisation,
eine Reise urn die Welt werden kiinne. Ich bin u. s. w. auszudehnen; wiewohl er ihnen hierinnen mehr Gewicht, als sie je be-
kommen kiinnen, beygelegt hat. Auch ist nicht niithig, dall der, so der
letzteren Meinung ist, (wie der Pfarrer S. 161. fodert) beweise: dall die
menschliche Vernunft bei einer andern Form der Organisation auch nur
rinnerungen des Recensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie
E der Geschichte der Menschheit(Nro. 4 u. Bey!. der Allg. Lit. Zeit.)uber
ein im Februar des teutschen Merkur gegen diese Recension gerichtetes Schrei-
moglich ware, denn das kann eben so wenig jemals eingesehen werden, als
dall sie bei der gegenwartigen Form allein miiglich sey. Der verntinftige
Gebrauch der Erfahrung hat auch seine Grenzen. Diese kann zwar lehren,
ben.
dall etwas so oder so beschaffen sey, niemals aber dall es gar nicht anders
Im Februar des T. M. Seite 148. tritt unter dem Nahmen eines Pfarrers seyn konne; auch kann keine Analogie diese unermellliche Kluft zwischen
ein Vertheidiger des Buchs des Herrn Herder gegen den vermeintlichen dem Zufalligen und Nothwendigen ausfullen. In der Recension wurde ge-
134 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - Miirz 1785 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 7. April!785 135
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sagt: .Die Kleinheit der U nterschiede wenn' man die Gattungen ihrer Ahn- ser selbst an, dasjenige zu leisten, was der Titel versprach, welches man
lichkeit nach an einander pallt, ist bey so groller Mannigfaltigkeit eine denn auch von seinen Talenten und seiner Gelehrsamkeit zu hoffen Ur-
nothwendige Folge eben dieser Mannigfaltigkeit. Nur eine Verwandschaft sach hat.
unter ihnen, da entweder eine Gattung aus der andern oder aile aus einer
einzigen Originalgattung und etwa aus einem, einzigen erzeugenden Mut-
terschoolle entsprungen waren, wiirde auf Ideen fiihren, die aber so unge-
heuer sind, daB die Vemunft vor ihnen zurnck bebt, dergleichen man un-
IGA, b. Hartknoch: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von Imma-
serm Verf., ohne ungerecht zu seyn, nicht beymessen darf." Diese Worte
verfiihrten den Pfarrer zu glauben, als sey in der Recension des Werks me-
R nuel Kant. 8 Bog. 8.
taphysische Orthodoxie, mithin Intoleranz anzutreffen; und er setzt hinzu: Mit Hn. Kant~ Critik der reinen Vemunft, welche vor einigen Jahren er-
.die gesunde ihrer Freyheit uberlassene Vemunft bebt auch vor keiner Idee schien, ist eine neue Epoche der Philosophie angegangen. Wir wissen sehr
zurnck." Es ist aber nichts von allem dem zu fiirchten, was er wahnt. Es ist wohl, daB das vie! gesagt ist, behalten uns aber vor, es bey einer andern
bios der Horror vacui der allgemeinen Menschenvernunft, namlich, d4 Gelegenheit zu beweisen. Noch wird dieses tiefsinnige Werk von den be-
zuriick zu beben, wo man auf eine Idee stollt, bey der sich gar nichts denken sten Kiipfen der Nation studirt; noch ist es als neu zu betrachten; die Revo-
Liftt, und in dieser Absicht miichte wohl der ontologische Codex dem lution, die es stiften wird, und stiften mull, ist nur erst im Anfangen be-
theologischen, und zwar gerade der Toleranz wegen zum Canon dienen. griffen. Es wird auch nach allen seinen Theilen nicht einmal eher gehiirig
Der Pfarrer fmdet iiberdem das dem Buche beygelegte Verdienst der Frey- . beurtheilt werden kiinnen, bis die Werke vollendet sind, denen Hr. Kant
heit im Denken vie! zu gemein fiir einen so beriihmten Verfasser. Ohne jenes als die Grundlage vorausgeschickt hat. Zum Vergniigen aller derjeni-
Zweifel meint er, es sey daselbst von der aufteren Freyheit die Rede, die, gen, denen Philosophie am Herzen liegt, (welches freylich, wie sich Hr. K.
wei! sie von Ort und Zeit abhangt, in der That gar kein Verdienst ist. Al- selbst irgendwo ausdriickt, mehr sagen will, als man gemeiniglich antrifft)
lein die Recension hatte jene innere Freyheit, niirnlich die von den Fesseln kiinnen wir anzeigen, daB die Vollendung derselben, und ihre Erschei-
gewohnter und durch die allgemeine Meynung bestarkter Begriffe und nung nahe ist, und diese so eben herausgekommene Schrift ist ein neuer
Denkungsarten, vor Augen; eine Freyheit; die so gar nicht gemein ist, daB wichtiger Schritt zu dem grollen Ziele.
selbst die, so sich bios zur Philosophie bekennen, nur selten sich zu ihr Wir wollen dismal nur die Ankiindigung derselben, ohne Beurtheilung,
haben empor arbeiten kiinnen. Was er an der Recension tadelt: .tk.ft sie die bey einem Werke dieser Art sich nicht so bald geben lallt, liefern; und
Stellen, welche die Resultate ausdrncken, nicht aber zugleich die, so sie vorbe- zuerst, urn in der Allg. Literatur Zeitung nach und nach eine vollstandige
reiten, aushebt," miichte wohl ein unvermeidliches Ubel fiir die ganze Au- Ubersicht der Kantischen Grundsatze, und der dadurch bewirkten Veran-
torschaft seyn, welches bey allem dem immer doch noch ertraglicher ist, derungen im Bezirke der Weltweisheit zu geben, vorerst einiges aus der
als mit Aushebung einer oder andern Stelle bios iiberhaupt zu riihmen, Vorrede auszeichnen, worinn Hr. K. seinen Entwurf der Philosophie, den
oder zu verurtheilen. Es bleibt also bey dem mit aller billigen Achtung er auch schon in der Critik der reinen Vernunft gegeben, vorlegt.
und selbst mit Theilnehmung an dem Ruhme, noch mehr aber an dem .Die alte griechische Philosophie theilte sich in drey Wissenschaften ab,
Nachruhme des Verfassers, gefalleten Urtheile tiber das gedachte Werk, wel- die Physik, die Ethik, und die Logik. Diese Eintheilung ist der Natur der
ches mithin ganz anders lautet als das, was der Pfarrer ihm S. 161 {nicht Sache vollkommen angemessen, und man hat an ihr nichts zu verbessern,
sehr gewissenhaft) unterschiebt, tk.ft d4s Buch nicht geleistet babe, was sein als etwa nur das Princip derselben hinzuzuthun, urn sich auf solche Art
Titel versprach. Denn der Titel versprach gar nicht, schon im ersten Bande, theils ihrer Vollstandigkeit zu versichern, theils die nothwendigen Unterab-
der nur allgemeine physiologische Voriibungen enthii.lt, das zu leisten, was theilungen richtig bestimmen zu kiinnen."
von den folgenden, {die, so vie! man urtheilen kann, die eigentliche An- .Aile Vernunfterkenntnill ist entweder material und betrachtet irgend
thropologie enthalten werden,) erwartet wird, und die Erinnerung war . ein Objekt, oder formal, und beschaftigt sich bios mit der Form des Ver-
nicht iiberfliissig: in dieser die Freyheit einzuschranken, die in jenen wohl standes, und der Vernunft selbst, und den allgemeinen Regeln des Den-
Nachsicht verdienen miichte. Ubrigens kommt es jetzt nur auf den Verfas- kens iiberhaupt, ohne Unterschied der Objekte. Die formale Philosophie
136 ALLGEMEINE LiTERATUR-ZEITUNG - 7. Aprill785
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heist Logik; die materiale aber, welche es mit bestimmten Gegenstanden
und den Gesetzen zu thun hat, denen sie unterworfen sind, ist wiederum
'
I
,. Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 137
den; oder transscendent, das heillt, sie geht auf eine solche Verkniipfung
der Gegenstande der Natur, die aile Erfahrung iibersteiget.
zwiefach. Denn diese Gesetze sind entweder Gesetze der Natur oder der Die immanente Physiologie betrachtet die N atur als den Inbegriff aller
Freyheit. Die Wissenschaft von der ersten heiflt (Philosophie der Natur Gegenstande der Sinne, mithin so wie sie uns gegeben ist, aber nur nach
oder) Physik, (im allgemeinsten Verstande) die der andern {Philosophie der Bedingungen a priori, unter denen sie uns iiberhaupt gegeben werden
Sitten oder) Ethik (im allgemeinsten Verstande dieses Worts)." kann. Diese Gegenstande sind nur zwiefach, nemlich die der iiuftern Sin-
.Die Logik kann keinen empirischen Theil haben, d. i. einen solchen, da ne, oder die korperliche Natur, und der des innern Sinnes, oder die denken-
die allgemeinen und nothwendigen Gesetze des Denkens auf Grunden be- de Natur. Die Metaphysik der korperlichen Natur, heillt rationale Physik;
ruheten, die von der Erfahrung hergenommen waren; denn sonst ware sie die Metaphysik der denkenden Natur aber, rationale Psychologie
nicht Logik, d. i. ein Kanon fiir den Verstand oder die Vernunft, der bey Die transscendente Physiologie hat auch zwey Theile, nemlich die trans-
allem Denken gilt, und demonstrirt werden muB. Dagegen konnen so- scendente oder rationale Cosmologie, und die transsc. oder rationale Theo-
wohl die natiirliche als sittliche Weltweisheit jede ihren empirischen Theil logie Das Wf,ltganze, und das Wesen aufter der Welt, sind beydes Gegen-
haben; wei! jene der Natur als einem Gegenstande der Erfahrung, diese stande, die iiber aile mogliche Erfahrung hinausgehn.
aber dem Willen des Menschen, so fern er durch die Natur afficirt wird, Dis ist Hrn. Kants Entwurf von der Metaphysik der Natur. Und dieser
ihre Gesetze bestimmen mull, die erstern zwar als Gesetze, nach denen steht die Metaphysik der Sitten entgegen.
alles geschieht, die zweyten als solche, nach &nen alles geschehen so/h aber Empirisch philosophische Wissenschaften im Gegensatze der metaphy-
doch auch mit Erwagung der Bedingungen, unter denen es ofters nicht ge-
' sischen sind die empirische Naturlehre, die der rationalen Physik; die empiri-
schieht."
.Man kann aile Philosophie, so fern sie sich auf Griinde der Erfahrung
fuflt, empirische, die aber, so lediglich aus Principien a priori ihre Lehren
vortragt, reine Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie bios formal ist,
heiJk Logik, geht sie aber auf bestimmte Gegenstande des Verstandes, so
I sche Psychologie, die der rationalen Psychologie; und die praktische Anthropo-
logie, die der Metaphysik der Sitten in dieser Absicht entgegenstehet.
Urn die Nothwendigkeit und den Nutzen der Metaphysik der Sitten zu
zeigen, fahrt Hr. K. in der Vorrede also fort:
Jedermann mull eingestehen: daB ein Gesetz, wenn es moralisch, d. i.
heillt sie Metaphysik." als ein Grund der Verbindlichkeit, gelten soli, absolute Nothwendigkeit
Die Metaphysik theilet Hr. Kant (Crit. der reinen Vern. S. 841) in die des bey sich fiihren miisse; daB das Gebot: du sollst nicht lugen, nicht etwa bios
speculativen und in die des praktischen Gehrauchs der reinen Vernunft ein, fiir Menschen gelte, andre verniinftige Wesen sich aber daran nicht zu keh-
oder in die Metaphysik der Natur und in die Metaphysik der Sitten. Jene ent- ren hatten, und so aile iibrige eigentliche Sittengesetze; daB mithin der
halt aile reine Vernunftprincipien aus bloBen Begriffen (mithin mit Aus- Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der Natur des Menschen, oder
schluB der Mathematik) von dem theoretischen Erkenntnisse aller Dinge; den U mstanden in der Welt, darinn er gesetzt ist, gesucht werden miisse,
diese die Principien, welche das Thun und Lassen a priori bestimmen und sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft, und daB jede
nothwendig machen. (22] Vor der Metaphysik geht die Critik der reinen andre Vorschrift, die sich auf Principien der bloflen Erfahrung griindet,
Vernunft, als Propiideutik vorher, welche das Vermogen der Vernunft in und sogar eine in gewissen Betracht allgemeine Vorschrift, so fern sie sich
Ansehung aller reinen Erkenntnill a priori untersucht. dem mindesten Theile, vielleicht nur einem Bewegungsgrunde nach, auf
Die Metaphysik der Natur betrachtet entweder nur den Verstand und die empirische GrUnde sriitzt, zwar eine praktische Regel, niemals aber ein mo-
Vernunft selbst in einem System aller Begriffe und Grundsatze, die sich ralisches Gesetz heiflen kann."
auf Gegenstande iiberhaupt· beziehen, ohne gewisse gegebne Objecte anzu- .Also unterscheiden sich die moralischen Gesetze samt ihren Principi-
nehmen; und dann ist sie Ontologie, oder Transscendentalphilosophie; oder en, unter allem praktischen Erkenntnisse von allen iibrigen, darinn irgend
die Natur, das ist, den Inbegriff gegehner Gegenstiinde iiberhaupt und diese etwas empirisches ist, nicht allein wesentlich, sondern aile Moralphilo-
ist rationale Physiologie Die rationale Physiologie oder Naturlehre der rei- sophie beruht ganzlich auf ihrem reinen Theil, und, auf den Menschen
nen Vernunft ist entweder immanent, d. i. sie geht auf die Natur, so weit angewandt, entlehnt sie nicht das mindeste von der Kenntnill desselben
ihre Erkenntnill in der Erfahrung, (oder in concreto} kann angewandt wer- (der Anthropologie,) sondern gibt ihm als vernunftigen Wesen, Gesetze a
138 ALLGEMEINE LiTERATUR-ZEITUNG - 7. April!785 Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 139
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priori, die freilich noch durch Erfahrung gescharfte Urtheilskraft erfo- Ausfiihrlichkeit gebracht werden kann, da sie hingegen im theoretischen,
dern, urn theils zu unterscheiden, in welchen Fallen sie ihre Anwendung aber reinen Gebrauche ganz und gar dialectisch ist: theils erfodere ich zur
haben, theils ihnen Eingang in den Willen des Menschen, und Nachdruck Critik einer reinen praktischen Vernunft, daB, wenn sie vollendet seyn
zur Ausiibung zu verschaffen, da dieser {so ist bier fiir diese zu lesen) als soli, ihre Einheit mit der Critik der speculativen in einem gemeinschaft-
selbst mit so vie! Neigungen afficirt, der Idee einer praktischen reinen Ver- lichen Princip zugleich miisse dargestellt werden konnen; wei! es doch am
nunft zwar fiihig, aber nicht so Ieicht vermogend ist, sie in seinem Lebens- Ende nur eine und dieselbe Vernunft seyn kann, die bios in der Anwen-
wandel in concreto wirksam zu machen." dung unterschieden seyn moB. Zu einer solchen Vollstandigkeit konnte
.Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich nothwendig, nicht ich es hier noch nicht bringen, ohne Betrachtungen von ganz anderer Art
bios aus einem Bewegungsgrunde der Speculation, urn die Quelle der her bey zu ziehen, und den Leser zu verwirren. U m deswillen habe ich
a priori in unserer Vernunft liegenden praktischen Grundsatze zu erfor- mich statt der Benennung einer Critik der reinen praktischen Vemunft der
schen, sondern wei! die Sitten selber allerley VerderbniG unterworfen von einer Grundlegung zur Metaplrysik der Sitten bedient."
bleiben, so lange jener Leitfaden, und oberste Norm ihrer richtigen Beur- .Wei! aber drittens auch eine Metaphysik der Sitten, unerachtet des ab-
theilung fehlt. Denn bey dem, was moralisch gut seyn soli, ist es nicht ge- schreckenden Titels, dennoch eines groGen Grades der Popularitat und
nug, daB es dem sittlichen Gesetze gemiift se;; sondern es muG auch um Angemessenheit zum gemeinen Verstande fahig ist, so finde ich fiir niitz-
desselben willen geschehen; widrigenfalls ist jene GemaGheit nur sehr zu- lich, diese Vorarbeitung der Grundlage davon abzusondern, urn das Sub-
fiillig und milllich, wei! der unsittliche Grund zwar dann und wann ge- tile, was darinn unvermeidlich ist, kiinftig nicht faBiichern Lehren bey-
setZII.liiBige, mehrmalen aber gesetzwidrige Handlungen hervorbringen fiigen zu diirfen.
wird. Nun ist aber das sittliche Gesetz, in seiner Reinigkeit und Achtheit, Hauptsachlich ist es Hn. Kant in dieser hochst merkwiirdigen Schrift
{woran eben im Praktischen am meisten gelegen ist) nirgend anders, als in darum zu thun, das oberste Princip aller Moralitat aufzufinden. Wir
einer reinen Philosophie zu suchen, also muG diese, (die Metaphysik,) vor- schweigen itzt ganz davon, eines Theils, wei! die Wirkung einer Schrift
angehen und ohne sie kann es iiberaii keine Moralphilosophie geben; voll so vie! neuer und doch nicht bios blendender Gedanken einen Leser,
selbst verdient diejenige, welche reine Principien unter die empirischen der sie eben erst aus der Hand legt, Ieicht zu einer schwiirmerischen An-
mischt, den Namen einer Philosophie nicht (denn dadurch unterscheidet preisung verfiihren konnte, mit der weder ein solcher Verfasser geehret
diese sich eben vom gemeinen Vernunfterkenntnisse, daB sie, was diese nur noch irgend einem Leser gedienet seyn wiirde, da es hier (wenn es erlaubt
vermengt begreift, in abgesonderter Wissenschaft vortriigt) vie! weniger ist einen Ausdruck vom Thucydides zu borgen) nicht urn ein aycoVICJ!ta st;
einer Moralphilosophie, wei! sie eben durch diese Vermengung so gar der m 1rapaxpmta, sondern urn ein KTT/Ita &t; <let in der Philosophie zu thun
Reinigkeit der Sitten selbst Abbruch thut, und ihrem eignen Zwecke zu- ist; andern Theils, wei! wir uns vorbehalten, bey Gelegenheit der Schulzi-
wider verfahrt." schen Erlauterungen der Kantischen Critik der reinen Vernunft, erst die
Hr. K. zeigt hierauf, daB die Metaph. der Sitten ganz etwas anders sey, als Ideen des Vf., welche zur richtigen Beurtheilung dieser Grundlegung zur
was Wolf die allgemeine praktische Philosophie nannte; welches man nicht Metaphysik der Sitten vorher verstanden seyn miissen, darzulegen; nicht
nur aus [23] dem, was er dariiber sagt, sondern hauptsachlich aus dem ge- nur urn bey der kiinftigen Recension derselben uns darauf beziehen zu
genwiirtigen Prodromus dazu, daraus man auf die Beschaffenheit und Ein- konnen, sondern auch urn, wie bereits gesagt, eine vollstandige Geschichte
richtung derselben· zum voraus schlieGen kann, deutlich ersiehet . des novi rerum ordinis, der sich in der Philosophie angefangen, in diesem
•Im Vorsatze nun, fahrt der Philosoph fort, eine Metaplrysik der Sitten Journale zu liefern.
dereinst zu liefern, lasse ich diese Grundlegung voran gehn. Zwar giebt Wir gestehn gern, daB wir mit einer Art von Eifersucht geeilet haben,
es eigentlich keine andre Grundlage derselben als die Critik einer reinen damit uns niemand in der Ankiindigung vom Daseyn dieses Buchs zuvor-
praktischen Vemunft, so wie zur Metaphysik die schon gelieferte Critik kommen mochte, nicht als ob darinn ein Verdienst !age, sondern wei! es
der reinen speculativen Vernunft. Allein theils ist jene nicht ·von so auGer- natiirlich ist, wenn man einmal Neuigkeiten zu verkiindigen hat, eine
ster Nothwendigkeit, als diese; wei! die menschliche Vernunft im Morali- grofle Neuigkeit gern zuerst verkiindigen zu wollen.
schen, selbst beym gemeinsten Verstande Ieicht zu groGer Richtigkeit und
140 :Otnfrolltbigfeiten auo btt pbilofopbiflj)en '<!left - Friihjahr 1785 eilj)uf~' Q:diiutemngen tiber Jtanto .ltrlttf 141
..
• uniiberwindliche Dunkelheit und Unverstandlichkeit dieses wichtigen
\ifdiiuterungen li6er J;:>mn Sj.lrofelfor Jeant .ltritlf bet reinen 'l3emun~. 'l3on
Werks. - Herr Kant gab deswegen zur Erlauterung [245] seiner Kritik die
i)o~ann ~~U[he, .ltonlgUdjem Sj.lreuPifdjen J;:>ofvreblger. .ltonigli6erg 1784.
Prolegomena zu einer jeden kunftigen Metaphisik etc. heraus. Gleichwohl
8. <16 gr.l
bebte man vor den Prolegomenen fast nicht weniger zuriick, als vor der
Einbildung sey, was nicht vorher klar empfu'nden worden, §. 58. wird frei- ist mit ihren Theilen und Einrichtungen, die dem zweckmassigen ahnlich
lich nicht behauptet werden konnen; aber man driickt den Satz auch ge- sind, und deren Form der Grundsatz: similium similes suspicemur caussas,
wohnlich nur also aus: es ist nichts in der Einbildung, was nicht vorher in §. 34. Ein verntinftiger Denker wird sich also bey einer praktisch hinlang-
der Empfindung war. Das Gesetz der Vorhersehung ist sehr gut nach lichen Persuasion beruhigen und den stolzen Wahn von demonstrativi-
Baumgarten bestimmt, §. 72. Die Abhandlung von der Rede und Sprache scher Gewisheit fahren lassen. Aus dem Kapitel von den Eigenschaften
§. 86-100. ist umstandlich und fein. Die Auseinandersetzung der Repra- Gottes wollen wir den einzigen sehr wahren Gedanken auszeichnen: daB
sentation und ihrer Arten §. 111. dtinkt uns etwas zu willktihrlich und mit kein Begriff so fruchtbar von Anthropopathien und Irrthtimern sey, als
dem Sprachgebrauch nicht ganz harmonisch. Die Syllogistik ist ktirzer, als der von der belohnenden und bestrafenden Gerechtigkeit Gottes, §. 76.
wir sie erwartet haben, und bey den Schlutlarten (modis figurarum) beruft Ewige Verdammnitl sey moglich, §. 85. In der Lehre von den Wirkungen
sich Herr U. bios auf Kants Erweis der falschen Spitzfindigkeit der 4 syllo- Gottes wird behauptet: die Welt sey ewig, doch erschaffen, mit und durch
gistischen Figuren, dem jedoch aus Lamberts Neuen Organon vie! (419] den ewigen Rathschlutl Gottes da, §. 90. 91. und die Erhaltung sey fortge-
wichtiges entgegen gesetzt werden kann. Nun die lnstitutiones metaphysi- setzte Schopfung im eigentlichen Verstand, §. 93. Die Theodicee des Herrn
cae, §. 275-376. Hier ist nicht mehr Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Verf. ist ganz Leibnitzisch, §. 101. und der Streit tiber das dem Menschen
und Theologie, sondern nach Kants Manier, der eine Metaphysik der Na- angebohrne moralische Ubel wird gut auseinander gesetzet, §. 105. End-
tur und Sitten annimmt, die erste, bios reine Philosophie, nur der Inbe- lich wird von der sogenannten U nsterblichkeit der Seele gesagt, daB sie
griff der Wahrheiten, die sich dem reinen V'erstand plane a priori darbie- sich auf Gtite, Weisheit und Gerechtigkeit Gottes griinde, und hieraus wer-
ten. Gut! Indessen ist doch Cap. X. eine Kosmologie, und darinnen vie! den 4 bekannte Beweise hergeleitet, §. 111. ff. Dietl alles soli nicht eigent-
Schiines, auch von den Gesetzen der Natur, vom Wunderwerke, vom Op- lich Auszug seyn; es ist nur Hinweisung auf die Wichtigkeit eines neuen
timismus, gesagt. Aber nur diesen Zweifel macht sich Recensent: ob wir philosophischen Lehrbuchs, welches diejenigen beschamen kann, die die
wirklich damit gewinnen, wenn wir den bisherigen Begriff der Metaphy- speculative Wissenschaft, wie Eberhard sagt, in ein so tibles Geschrey ge-
sik und die Methode, sie in den bekannten 4 Theilen abzuhandeln, verlas- bracht haben. Die bereits vor zwey Jahren herausgegebene Initio Philoso-
sen? Ob wir denn die ganze Seelenlehre in die Logik hineindrangen kon- phiae Justi sind zu diesem Werke des Herrn Verf. der andere (421] Theil,
nen und wollen, und ob wir fordern dtirfen, daB unsere gewiihnlichen und er hat hiemit die theoretische und praktische Philosophie geliefert.
Schtiler, die als erste Anfanger die Logik horen, die subtilern Lehren von
der Seele schon fassen und verdauen kiinnen? Ob tiberhaupt die Kantische
Art zu philosophiren fiir aile, oder nur die meisten Tironen glticklich an-
ONIGSBERG, bey Dengel: Erliiuterungen tiber des Herrn Professor
gewe11det und ihnen falllich gemacht werden konne? Dietl ist bisher we-
nigstens unserer Erfahrung zuwider. Endlich kommen in neu angehenden
K Kant. Critik der reinen Vernunft von johann Schulze, Konig!. Preutli-
schem Hofprediger 200 S. gr. 8. {16 gr.)
Paragraphen 1-115. Initio Philosoph ice de natura diuina S. Theologiae ratio-
in Beziehung auf die
nalis, auf die Art, wie auch Herr Feder seine nariirliche Gottesgelahrtheit
Critik der reinen Vernunft von Immanuel Kant Riga bey Hartknoch
von der Metaphysik abgesondert vorgetragen hat. Uber die Existenz und
1781. 856 S. gr. 8. (2 Th. 8 gr.)
den Werth einer nattirlichen oder philosophischen Gotteslehre urtheilt und die
Herr U. vortreflich, wenn er §. 11. sagt: daB eine gereinigte und von den so
Prolegomena zu einer jeden kiinftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird
mannigfaltig in die Bibel hineingetragnen Sinn und Meinungen gesauberte
auftreten konnen von Immanuel Kant 1783. 222 S. gr. 8. (16 gr.)
biblische Theologie nicht vorhanden seyn wiirde, wenn es keine gute
nattirliche Theologie gebe. Vom Daseyn Gottes babe man viererley Argu- .Die Critik der reinen Vernunft, so hebt der gelehrte und scharfsinnige
mente: das historische von der Ubereinstim{420Jmung der Volker; ontolo- Hr. Hofprediger Schulze seine Vorrede an, welche Herr Professor Kant
gische, die man fiir argumenta a priori gehalten hat; kosmologische und der gelehrten Welt vor drey Jahren tiberliefert hat, ist ohne Zweifel die auf-
physikotheologische, und das moralische, §. 22 ff. Der Herr Verf. entkraf- fallendste und wichtigste Erscheinung, die sich im Felde der specnlativen
tet sie aile, his auf die physikotheologischen, deren Materie die ganze Welt Weltweisheit ereignen konnte. Dieses Werk, das in Ansehung der Neuheit
r
148 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG - 12. Juli 1785 Schultz' Erlauterungen und Kants Critik 149
'
•
seines Gegenstandes und der Behandlung desselben ganz original und in denken nicht gewohnt sind, welches ja bey unsrer heutigen Art Philoso-
Ansehung der durchdringenden Scharfsinnigkeit und der kaum erreich- phie zu studiren, (wo man iiberall nur das Leichte u. Schimmernde auf der
baren Tiefe, die es durchgehends auszeichnen, beynahe das einzige seiner Oberfliiche abschopft, und zu eigentlicher Speculation, zumahl bey der
Art ist, zeigt mit apodiktischer GewiBheit, nicht nur, daB aile bisherige immer mehr einreiBenden Vernachlassigung des Studiums der Mathema-
metaphysische Systeme Iauter Sophisterey und Jeerer Dunst sind, sondern tik, den Verstand nie miindig werden laBt) ein gar hiiufig vorkommender
es entdeckt auch den Weg, auf welchem wir endlich einmal zu einer Meta- Fall ist; oder wei! man im Denken nach einem gewissen System alt und
physik kommen konnen, die zuverlassig und fur unsre Vernunft vollkom- grau, folglich zur Revision des bisherigen Systems ganz steif und unge-
men befriedigend sey. Und dieses Werk ist nicht eine Probeschrift eines lenkig geworden ist. Endlich kann man auch nicht laugnen, daB einige
raschen Jiinglings, oder ein Gewebe sinnreicher Extemporaleinfalle eines Kleinigkeiten in der Abfassung der Critik der reinen Vernunft, das Ver-
begeisterten Schw\irmers, dem Systeme und Welten umschaffen eben so stehn des Buchs erschweren, wohin z. B. der U mstand, daB das Buch ohne
Ieicht ist, als seine Frisur umwandeln, sondern ein Werk eines Mannes, aile Paragraphen und Riickweisungen in einem fort (42] liiuft, und nur in
den Deutschland schon lange als einen seiner grossesten Philosophen ehrt, grossre Abschnitte zerfiillet ist; ferner die oft sehr Iangen Perioden, in
ein Lehrgebiiude, das bis auf die kleinsten Bruchstiicke aufs tiefste durch- denen mitunter auch wohl dvaKoAovea der Construction vorkommen,
dacht ist; dessen Griindung und Auffiihrung der ruhige Forscher den endlich auch wohl hie und da den Sinn verstellende Druckfehler gehoren.
grossesten Theil seines Lebens gewidmet, iiber dessen Idee er schon vor Denn daB der Verf. nicht oftere Beyspiele und Erliiuterungen gegeben,
neunzehn J ahren mit dem beriihmten Lambert correspondirte, und dessen dariiber hat er sich selbst auf eine fur uns wenigstens vollig befriedigende
erste Grundlage er bereits vor vierzehn Jahren in seiner Disputation (de Weise in der Vorrede also erkliirt: .Beyspiele und Erliiuterungen schienen
mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis) bekannt machte." mir immer nothig und flossen daher auch wirklich im ersten Entwurfe an
Das ausserordentliche dieses Werks hat sich auch in der Begegnung, die ihren Stellen gehorig ein. Ich sahe aber die GroBe und Menge der Gegen-
ihm widerfahren, gezeigt; man hat es anfiinglich wider die Gewohnheit stiinde, womit ich es zu thun haben wiirde, gar bald ein, und da ich
merkwiirdiger von beriihmten Verfassern herausgegebner Bucher weder gewahr ward, dal3 diese ganz allein im trockenen, bios scholastischen Vor-
mit lautem Beyfall noch mit hitzigem Widerspruche, sondern mit einem trage, das Werk schon genug ausdehnen wiirden, so fand ich es unrathsarn,
ehrfurchtvollen und bediichtigen Stillschweigen aufgenommen. Nach drey es durch Beyspiele und Erliiuterungen, die nur in populiirer Absicht noth-
Jahren erst hat sichs gezeigt, daB es demungeachtet von philosophischen wendig sind, noch mehr anzuschwellen, zumal diese Arbeit keinesweges
Kopfen studirt, und einstimmig fur ein Werk erkannt worden, daB die dem populiiren Gebrauche angemessen werden konnte, und die eigentli-
fleilligste Untersuchung und angestrengteste Aufmerksamkeit aller Denker chen Kenner der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nothig haben,
und Wahrheitforscher verdiene. ob sie zwar jederzeit angenehm ist, bier aber so gar etwas zweckwidriges
Mit unter hat man sich aber auch iiber die Dunkelheit des Werks, und nach sich ziehen konnte. Abt Terrasson sagt zwar: wenn man die GroBe
iiber die Schwierigkeit, Hn. Kant in seinen Ideen zu folgen, beklagt; und eines Buchs nicht nach der Zahl der Blatter, sondern nach der Zeit millt,
die Folgen davon sind schon in manchem Misverstande selbst bey Miin- die man nothig hat, es zu verstehn, so konne man von manchem Buche
nern von Scharfsinn und nicht ungeiibten Denkern sichtbar geworden. sagen: daft es viel kiirzer seyn wiirde, wenn es nicht so kurz ware. Anderer
Diese Dunkelheit riihrt nun eines Theils von der Natur des Werkes selbst Seits aber, wenn man auf die Fal3lichkeit eines weitlauftigen, dennoch aber
her, indem eine Menge neuer Vorstellungsarten Hn. Kant auch zu man- in einem Princip zusammenhangenden, Ganzen speculativer Erkenntnill
chen neuen philosophischen Kunstwortern, und zu besserer Bestimmung seine Absicht richtet, konnte man mit eben so gutem Rechte sagen: man-
und Einschriinkung vieler sonst schon bekannten genothigt hat, welche ches Buch ware viel deutlicher geworden, wenn es nicht so gar deutlich hatte
man sich erst geliiufig machen muB, ehe man sich seiner Ideen vollig be- werden sollen. Denn die Hiilfsmittel der Deutlichkeit fehlen (hier ist ohne
miichtigen kann. Andern Theils kommt auch bey vielen die eigne Lage Zweifel ein Druckfehler statt helfen, erhellen oder sammeln) zwar in Thei-
ihres Geistes hinzu, urn in einem Buche, das in sich selbst Licht genug hat, len, zerstreuen aber ofters im Ganzen, indem sie den Leser nicht schnell
dennoch eben deswegen so gut als in einem dunkeln Orte wenig oder genug zu Uberschauung des Ganzen gelangen lassen, und durch aile ihre
nichts sehen zu konnen; entweder wei! sie an scharfes und subtiles Nach- hellen Farben gleichwol die Articulation, oder den Gliederbau des Systems
..
150 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG - 12. Juli 1785
.
verkleben, und unkenntlich machen, auf den es doch, urn iiber die Einheit
und Tiichtigkeit desselben urtheilen zu kiinnen, am meisten ankiimmt."
U m nun, da wir doch von den Schulzischen Erlauterungen der Kanti-
schen Cr. d. r. V. sprechen mullten, und gleichwohl davon anders als in
Beziehung auf diese zu reden unmiiglich fallt, zugleich die Aufmerksam-
keit philosophischer Kopfe von neuem auf dieses Werk zu richten, man-
che Misdeutungen desselben zu heben, und zu seiner Erlauterung unsrer
Seits selbst etwas beyzutragen, miissen wir uns freilich einen griissern
Raum zu dieser Recension erbitten, als sonst bey der grollen Menge anzu-
zeigender Biicher einem Buche verstattet wetden kann. Bedenkt man aber,
dall wir hier nicht sowohl von einem als vielmehr von drey Biichern zu-
gleich reden miissen; iiberlegt man, dall das Hauptbuch, die Kantische
Critik der reinen Vernunft, schon an Starke der Bogenzahl eine Summe
von mehr als vier Biichern ausmacht, an Wichtigkeit ganze Hunderte
iibertrifft, und die kiinftigen Lehrbiicher der Metaphysik entweder
virtualiter in sich faflt, oder ihnen doch ihre;, Werth, ihren Titel und An-
mallungen streitig macht, so werden wir hoffentlich nicht niithig haben
.JUL..IR~·.. ~.y9v,~t;,~EPt,E~;~£:R.
die Lange dieser Recension weiter zu entschuldigen.
Bey dem Versuche aber den Inhalt der Kantischen Kritik so deutlich
und doch so kurz als miiglich darzustellen, werden wir nicht die Ordnung ' .. <·;_ . .,: :)-,.~: ::,_ ./;.~-:;_;~~::·~._,.;.:~;;~-- -~-
des Werks selbst vetfolgen, (theils wei] dis schon von Hn. Kant selbst in
der Schrift Prolegomena, betitelt, von Hn. Hofprediger Schulz und einigen
Recensenten geschehen ist, und wir also, was bereits gethan ist, noch ein-
mal thun wiirden; theils wei! wir dadurch unsre Absicht nicht so gut zu
erreichen hoffen kiinnten} sondern vielmehr die Hauptsatze des Kanti-
schen Systems in steter Vergleichung mit den bisher angenommnen auf J EN A,
eine eigne Art zu ordnen und dabey auf manche bereits gemachte Einwiir-
in dcr ~xpedition merer Zeitung
fe Riicksicht nehmen.
und LEIPZIG,
Man unterschied bisher mathematische Erkenntnift von der philosophi·
in Comruilf. in tfcr Job., Gonfr. Mutlc:rif.:h!:n EHchhandflll'lg_
schen so, dall man jener die Quantitiit, dieser die Qualitiit zum Object gab.
Dis heist aber, sagt Hr. Kant, die Wirkung fiir die U rsach nehmen. Da-
gegen setzt er als den Charakter der philosophischen Erkenntnift fest, dall
sie aus Begriffen, und als den Charakter der mathematischen, dall sie aus
Construction der Begriffe erwachse. Einen Begriff construiren heillt, die ihm
correspondirende Anschauung a priori darstellen. So construirt man einen
Triangel, indem man den diesem Begriffe entsprechenden Gegenstand ent-
weder durch blolle Einbildung, in der reinen, oder nach derselben auch
auf dem Papiere, in der empirischen A nschauung, beyde male aber viillig a
priori, ohne das Muster dazu aus irgend einer Etfahrung geborgt zu haben,
darstellt. [Hier sollte wohl der Ausdruck nur in einer Kleinigkeit be-
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 12.ju!i 1785 153
stimmter seyn. Ein Knabe kann z. B. allerdings ein Dreyeck nach einem
vorgezeichneten Muster construiren. Hr. K. wollte also sagen: welches vol-
<\'·. lig a priori, ohne das Muster dazu aus irgend einer Erfahrung borgen zu
diirfen, geschehen kann. Oder wiirde vielleicht Hr. K. das blofle Nachzeich-
A L L nen eines Triangels, nicht Construction eines Triangels nennen wollen?
LITER AT. Dis kiinnte auch seyn; wei! derjenige, der bios einen Triangel nachzeich-
net, der ihm auf dem Papiere vorgezeichnet ist, nur gerade dieses indivi-
duelle Dreyeck mit allen seinen Bestimmungen darstellt, hingegen nicht
den Begriff des Triangels construiret]. Also ist die Form der mathemati-
schen Erkenntnifl die Ursache, daB diese lediglich auf Quanta gehn mufl.
Denn nur der Begriff von GrOjfen lallt sich construiren, d. i. a priori in der
Anschauung darlegen. Qualitiiten aber lassen sich in keiner andern als em-
pirischen Anschauung darstellen. Die [43] conische Gestalt wird man ohne
aile empirische Beyhiilfe bios nach dem Begriffe anschauend [sollte hei-
flen: anschauli.ch] machen kiinnen; aber die Farbe dieses Kegels wird in
einer oder anderer Erfahrung zuvor gegeben seyn miissen. Den Begriff
einer Ursache iiberbaupt kann man auf keine Weise in der Anschauung
darstellen, als an einem Beyspiele, das Erfahrung an die Hand giebt. [Hier
wiinschten wir nur, daB Hr. K. noch folgenden Skrupel heben mochte.
Eine Linie kann man doch selbst a priori nicht anders in der Anschauung
darlegen, als daB man sie in Gedanken zieht. Ziehen aber ist eine Art der
Bewegung; Bewegung ist ein empirischer Begriff; also scheint es, daB doch
selbst auch Linien, folglich auch Figuren, folglich auch die conische Ge-
stalt einer empirischen Beyhiilfe bediirfen, urn dargestellt zu werden.] Die
Mathematik aber construiret, nicht bios Gri5fien (Quanta} wie in der Geo-
metrie, sondern auch die blofie GrOfte, wie in der Buchstabenrechnung,
wobey sie von der Beschaffenheit des Gegenstandes, der nach einem sol-
chen Groflenbegriff gedacht werden soli, giinzlich abstrahiret.
Man mufl hiebey auf einen wichtigen bisher nicht genug bemerkten
von Hn. K. vortrefflich aus einandergesetzten U nterschied synthetischer
und analytischer Urtheile acht geben. In allen bejahenden Urtheilen (wo-
von auf die verneinenden die Anwendung Ieicht ist) worin das Verhiiltnifl
eines Subjects zum Priidicat gedacht wird, ist dieses Verhiiltnifl auf zweyer-
ley Art moglich; entweder das Priidicat B gehoret zum Subject A als etwas
was in diesem Begriffe A (versteckter Weise) enthalten ist, oder B liegt ganz
aufler dem Begriffe A, ob es gleich mit demselben in Verkniipfung steht;
im ersten Fall ist das U rtheil analytisch; im andern synthetisch. Analytische
(bejahende) Urtheile sind also diejenigen, in welchen die Verkniipfung des
Priidicats mit dem Subject durch Identita~ synthetische aber, in welchen sie
ohne Identitat gedacht wird. Alle K6rper sind ausgedehn~ ist ein analyti-
154 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 12. Juli 1785 Schultz' ErHiuterungen und Kants Critik 155
'•
sches, alle Korp!?r sind schwer, ein synthetisches U rtheil. [Die allgemeine Puncten es klar zu machen, daB man in einer Summe, die zwiilf heiBt, von
Forme! fiir analytische Urtheile ist: A + B + C est C. und die fiir synthe- eins bis auf fiinf, und dann noch von eins bis auf sieben fortziihlen
tische: A est B.] kiinne.] Eben so in der Geometrie. Ware der Satz: wenn in zwey
Was nun die synthetischen Urthei.le betrifft, so mull doch der Verstand Dreyecken zwo Seiten samt dem eingeschlollnen. Winkel gleich sind, _so
etwas haben, worauf er sich stiitzt, urn ein Pradica~ das doch in dem decken sie einander, analytisch; so miillte der Begnff der Congruenz ledig-
&griffe des Subjects nicht liegt, gleichwohl als zu demselben geharig zu lich aus dem Begriffe des Subjects zweyer Dreyecke, in denen zwo Seiten
erkennen. Bey empirischen synth. U rtheilen ist dieses Etwas (X) die durch- samt dem eingeschlollnen Winkel gleich sind, ohne die Anschauung zu
gangige oder vollstiindige Erfahrung. Diese belehrt uns z. B. daB mit dem, Hiilfe zu nehmen, entwickelt werden kiinnen. Allein dies ist schlechter-
was wir Kiirper, (ausgedehnte undurchdringliche etc. Wesen) nennen, auch dings unmiiglich. Mag einer noch so vie! den Beg~ff v~~ zwo Seite:', vom
die Schwl?re jederzeit verbunden sey. Allein bey synthetischen U rtheilen a eingeschlollnen Winkel zergliedern, dadurc? allem komD?t er rummer-
priori fehlt dieses Hiilfsmittel ganz. So in dem Satze: alles was geschieht hat mehr auf den Begriff der Congruenz. Hr. Tiedemann schemt den Unter-
seine Ursache; welcher eben so vie! sagt als: wenn etwas geschieh~ so m u s s schied, den Hr. · K. zwischen analytischen und synthetischen Siitzen
etwas vorausgesetzt wmlen, woraufjenes regelmiiflig folgt. Hier ist nun das macht, nicht ganz richtig gefaBt zu haben; sonst wiirde er nicht (!. c. S.
Priidicat im Subjecte offenbar nicht enthalten. Folglich ist der Satz synthe- 116) gefodert haben, daB Hr. K. noch erst [44] einige unlaugbar syntheti-
tisch. Was ist nun aber das X, worauf sich der Verstand stiitzt, urn das Prii- sche Satze der Mathematik vorzeigen solle. Dieses hat er aber an mehrern
dicat hier mit dem Subjecte zu verkniipfen? ·Erfahrung kann es nicht seyn; Orten, und, wie uns diinkt, am evidentesten in folgender Stelle gethan
denn diese kann weder auf die Allgemeinhei~ noch auf die Nothwendigkei~ (Crit. der r. V. S. 716) .Man gebe einem Philosophen den Beg_riff ~ines
welche jenem Satze anhiingt, fiihren. Also bleibt immer noch die Frage, Triangels, und lasse ihn nach seiner Art [also durch_ blolles D1sc~~n,
wie man denn zu solchen synthetischen U rtheilen a priori gelange und ohne die Anschauung zu Hiilfe zu nehmen] ausfiind1g machen, W!e s1ch
sich dazu berechtigt halten konne. wohl die Summe seiner Winkel zum rechten verhalten miige. Er hat nun
Hr. Kant macht nun die hauptwichtige Bemerkung, daB aile Lehrsiitze nichts als den Begriff von einer Figur, die in dreyen geraden Linien einge-
der reinen Mathematik, (von unmittelbaren Folgerungen aus Definitionen schlossen ist, und an ihr den Begriff von eben so vielen Winkeln. Nun
und Nebensiitzen ist nicht die Rede, welche freylich analytisch seyn kiin- mag er diesem Begriffe nachdenken, so lange er will, er wird nichts Neues
nen) daB also aile Lehrsatze der reinen Mathematik synthetische Siitze herausbringen. Er kann den Begriff der g~?raden Linie, oder eines Winkels,
sind. Dieses gilt eben so wohl von der Arithmetik als Geometrie. DaB oder der Zahl drey zergliedern und deutlich machen, aber nicht auf andere
z. B. 5 + 7 = 12; ist ein synthetischer Satz; denn in dem Subject: die Sum- Eigenschaften kommen, die in diesen Begriffen gar nicht lieg~n. Aile?' der
me vpn 5 und 7, ist das Priidicat nicht so enthalten, daB es durch die bloJle Geometer nehme diese Frage vor. Er fangt sofort davon an, emen Tnangel
Zergliederung gefunden werden kiinnte. [Zwar behauptet Hr. Prof. Tiede- zu construiren. Wei! er weill, daB zwey rechte Winkel zusammen genau so
mann in seinen Anmerkungen zur Priifung der Kantischen Grundsiitze in vie! austragen, als aile beriihrende Winkel, die aus einem Puncte auf einer
den hessischen Beytriigen zur Gelehrs. und Kunst 1. S. 115 das Gegentheil, geraden Linie gezogen werden kiinnen, zusammen, so ~erlange~ er eine
aber ohne uns iiberzeugt zu haben. Wir geben ihm zu, der Beweis, daB sie- Seite seines Triangels, und bekiimmt zwey beriihrende Wmkel, die zweyen
ben und fiinf zwolf sind, sey dieser, daB zwiilf sich ganz genau in sieben I rechten zusammen gleich seyn. Nun theilet er den iiullern von diesen
Winkeln, indem er eine Linie mit der gegeniiberstehenden Seite des
und fiinf zerlegen laBt. Allein dieser Beweis kann ja nicht durch bloJle
Zergliederung des Begriffs von si.ehen, von fonf, und von Summe, woraus Triangels patallel zieht, und sieht, daB hier ein iiullerer beriihrender Wm-
doch das Subject besteht, gefiihret werden; sondern es wird Anschauung kel entspringe, der einem innern gleich ist u. s. w." Er gelangt auf solche
dazu erfodert, und eben dis ist ja, was Hr. Kant behauptet. Erkliire mir Weise durch eine Kette von Schliissen imml?r von der Anschauung geleitet
einer, so lange er will, was Summe heiBe, daB fiinf = 1 + 1 + 1 + 1 + 1 [NB. also nicht analytisch sondern synthetisch] zur viillig einleuchtenden
sey, und eben so verfahre er mit der Zahl sieben; daraus ist er allein nie im und zugleich allgemeinen Aufliisung der Frage."
Stande herzuleiten, daB nun 5 + 7 = 12 sey; sondern er ist geniithigt, den [53] Der Unterschied zwischen philosophischl?r und mathematischl?r Er-
Satz durch die Anschauung zu erweisen, z. B. an den Fingern, oder an kenntniB, fiihret auf die Vorstellungen von Raum und Zeit. Raum ist, wie
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Hr. Kant bemerkt, die Form aller Erscheinungen dusserer Sinne. [Hier ist bios Wahrnehmungen, und batten also auch aile Zufalligkeit der Wahrneh-
nicht aus der Acht zu lassen, dall unser Philosoph das Wort dusserer Sinn mungen. Man dlirfte nicht sagen: zwischen zween Punkten kann nur eine
nicht in der gemeinen Bedeutung, da man fonf dussre Sinne zahlet, son- gerade Linie seyn; sondern man miillte bios sagen: die Erfahrung lehrt es
dern fiir diejenige Eigenschaft unsrer Sinnlichkeit, wornach uns Dinge als so. Erfahrung giebt aber nie eine andre als comparative Allgemeinheit,
ausser uns erscheinen, nimmt. Das eigentliche Werkzeug dieses aujfern nemlich durch Induction.
Sinnes ist also bios das Gefiihl; denn das Gesicht wiirde uns, ohne in Ver- Eben so ist die Zeit nichts anders als die Form der innern Anschauung,
bindung mit dem Gefiihl zu treten, allein keine Vorstellung von Erschei- oder die subjective Bedingung unsrer Sinnlichkeit in Absicht alles dessen,
nungen, die wir ausser uns selbst setzen wiirden, geben; und die andern was uns als in uns selbst erscheint. Da nun aile iiullre Erscheinungen in an-
Sinnenorganen haben hieran noch weniger Theil.] Mit andern Worten derm Betracht auch innre sind, nicht aber umgekehrt, so kann man auch
gesagt ist dis eben so vie! als: Raum ist die subjective Bedingung unsrer sagen, die Zeit ist die Form alter Erscheinungen unsrer Sinnlichkeit; der
Sinnlichkeit, unter der allein uns aullere Erscheinung moglich ist. Man Raum aber bios die Form der aujfem. Alles also, was uns erscheint, setzen
kann nicht sagen: aile Erscheinungen sind im Raum, denn wie andere We- wir in die Zeit; aber nur aullere Erscheinungen in den Raum. Die Zeit ist
sen empfinden, wissen wir nicht. Man kann auch nicht sagen: alles, was immer in uns; beym Raum aber stellen wir uns immer nur Aussendinge
uns erscheint, erscheint im Raume; denn es giebt auch innere Erscheinun- vor. Es erhellt aber auf eben die Weise, wie vorher beym Raume, daB Zeit
gen, die mit dem Raume nichts zu thun ha~en: z. B. ·der Wohlgeschmack kein empirischer Begriff, auch kein von Verhiiltnissen abgezogener Begriff
des Weins. Hingegen sagt man richtig, aile unsre aussre Erscheinungen sind seyn kann. Es giebt nur eine, nothwendig einzige Zeit; was wir Zeiten nen-
im Raume; das heillt: es ist das Gesetz unsrer Sinnlichkeit, aile Aullen- nen, sind nur Theile oder Abschnitte dieser einzigen. Beyde sind auch an
dinge uns so vorzustellen, daB wir sie nach der dreyfachen Dimension, sich unendlich und griinzenlos.
Lange, Breite und Dicke anschauen. Der Raum ist also kein empirischer Die Formen der Sinnlichkeit, Raum und Zeit [54] fiihren uns auf eine
Begriff, der aus Vergleichung mehrerer Gegenstiinde abgezogen worden. andre merkwiirdige Berichtigung einer durch die Leibnizwolfische Philo-
Denn aile aullere Gegenstiinde werden von uns so gleich in den Raum sophie eingefiihrten Bestimmung des Unterschiedes zwischen sinnlicher
gestellt; also liegt bey jeder empirischen Anschauung, bey allem was man und intellectueller Erkenntnill. Man setzte nemlich diesen U nterschied
als Au/lending empfindet, die Vorstellung von Raum schon zum Grunde. bios in die Undeutlichkeit oder Deutlichkeit der Vorstellungen. Man be-
[Beyliiufig merken wir an, daB manche fiilschlich den Raum fiir die Ge- hauptete, die sinnliche Vorstellung sey eine verworrene Vorstellung der
sichtsidee einer stiitigen leeren Ausdehnung gehalten haben. Denn auch Dinge, welche lediglich das enthalte, was ihnen an sich selbst zukommt,
Blindgebohrne haben die Vorstellung des Raums.] Eben so ist auch der aber nur unter einer Zusammenhaufung von Merkmalen und Theilvor-
Raum kein discursiver oder allgemeiner Begriff von Verhiiltnissen der Din- stellungen, die wir nicht mit Bewulltseyn auseinander setzen. Hr. Kant
ge. Denn aile allgemeine Begriffe entstehn aus Vergleichung mehrerer in zeigt aber ·sehr einleuchtend, daB dadurch den Untersuchungen iiber die
gewissen Betracht iihnlicher, aber doch unter einander verschiedner Dinge. Natur und den Ursprung unsrer Erkenntnisse ein ganz unrechter Ge-
Der Raum aber ist wesentlich und schlechterdings einzig. Denn sobald sichtspunkt angewiesen werde. Denn sinnliche und intellectuelle Vorstellun-
man von mehrern Raumen redet, so sind es nur Theile oder Einschtiin- gen oder Anschauungen und Begriffi sind nicht bios der Form der Deut-
kungen des wesentlich einzigen Raumes. Dieses lallt sich durchaus von lichkeit oder U ndeutlichkeit nach, sondern ihrem Ursprung und lnhalt
den Verhiiltnissen nicht sagen, aus denen allgemeine Begriffe abgezogen nach unterschieden. Nach der Leibnizwolfischen Art, die Sache anzusehn,
werden. U nter dem allgemeinen Begriffe der Farbe z. B. sind viele Farben wiirde die sinnliche Vorstellung vom Korper zu einem intellectuellen Be-
enthalten; nicht aber sind diese bios Theile einer wesentlich einzigen Far- griffe erhoben werden konnen. Dis liiugnet Hr. K. ganz und gar.•Die Vor-
be. Eben darum nun, weil Raum die nothwendige Form unserer aullern stellung eines Korpers in der Anschauung enthalt gar nichts, was einem
Anschauungen ist, haben aile geometrische Grundsiitze apodictische Ge- Gegenstande an sich selbst zukommen konnte, sondern bios die Erschei-
wijfheit; und zugleich wird daraus die Moglichkeit ihrer Constructionen nung von Erwas, und die Art wie wir dadurch afficirt werden, und diese
a priori begreiflich. Ware die Vorstellung des Raums ein Erfahrungsbe- Receptivitiit unsrer Erkenntnillkraft heillt Sinnlichkeit, und bleibt von der
griff, oder a posteriori erworben, so wiiren aile mathematische Grundsiitze Erkenntnill des Gegenstandes an sich selbst, ob man gleich jene (die Er-
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• mochte, dennoch himmel-
scheinung) bis auf den Grund durchschauen sind blind. Daher ist es eben so nothwendig seine Begriffe sinnlich zu rna-
weit unterschieden." Hr. Kant setzt an einem andern Orte hinzu, daB chen, (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beyzufugen) als seine
man nicht wissen kilnne, wie weit man es in der Auseinandersetzung und Anschauungen sich verstiindlich zu machen, {d. i. sie unter Begriffe zu brin-
in Erhilhung der Deudichkeit sinnlicher Vorstellungen dereinst noch gen). Beyde Vermogen oder Fahigkeiten konnen auch ihre Functionen
bringen werde. Die mikroskopischen Beobachtungen haben darinn uns nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne
schon vie! weiter gebracht. Gleichwohl ob man gleich den Schimmel auf nichts zu denken. Nur daraus, daB sie sich vereinigen, kann ErkenntnifS
dem Kase durch das Vergrilsserungsglas weit deudicher anschaut, als mit entspringen. Deswegen darf man aber doch nicht ihren Antheil ver-
blofSen Augen, so bleibt er denn doch immer Erscheinung, und die Vorstel- mischen, sondern man hat grofSe U rsache jedes, von dem andern sorgfiiltig
lung davon wird nie intellectua4 urn wie viele Grade man auch die Deut- abzusondern und zu unterscheiden.
lichkeit der Anschauung kiinftig noch steigern milchte. Sowohl Anschauungen als Begri./fe, oder eben sowohl sinnliche als in-
Umgekehrt sagt die Leibnizwolfische Philosophie, man konne sich eine tellectuale Erkenntnill ist entweder rein oder empirisch. Empirisch sind
sinnliche Vorstellung von dem, was Recht ist, machen. Hr. Kant sagt dage- sie, wenn Empfindung (die die wirkliche Gegenwart des Gegenstandes
gen: .Ohne Zweifel enthiilt der Begriff von Recht;··dessen sich der gesunde voraussetzt) darinn enthalten ist. Rein aber, wenn der Vorstellung keine
Verstand bedient, eben dasselbe, Was die subtileste Speculation aus ihm Empfindung beygemischt ist. So ist also die ErkenntnifS der Farbe einer
entwickeln kann, nur daB man im gemeinen und practischen Gebrauche wirklich gegenwanigen Rose, eine empirische Anschauung, und der Begriff
sich dieser mannigfaltigen Vorstellungen in diesen Gedanken nicht be- der rothen Farbe (welcher auch ohne Empfindung des Rothen nicht ent-
wufSt ist. Darum kann man nicht sagen, daB der gemeine Begriff sinnlich stehn konnte) ein empirischer Begriff. Hingegen die Vorstellungen von
sey, und eine blofSe Erscheinung enthalte, denn das Recht kann gar nicht Raum und Zeit sind reine Anschauungen; und der Begriff von Nothwen-
erscheinen, sondern sein Begriff liegt im Verstande, und stellt eine Beschaf- digkeit und Zufiilligkeit ein reiner Begriff.
fenheit, (die moralische) der Handlungen vor, die ihnen an sich selbst zu- Daher unterscheidet nun Hr. Kant, die Wissenschaft von den Regeln
kommt." Dieses wird noch deudicher, wenn man folgende sehr lichtvolle der Sinnlichkeit iiberhaupt, und die Wissenschaft der Verstandesregeln
Auseinandersetzung, die Hr. Kant {Crit. der r. V. S. 90.) gegeben hat, ver- iiberhaupt, und nennt die erste Jfsthetik, die zweyte, mit dem bisher auch
folgt. gewohnlichen Namen Logik. [55] Wegen d:s Gebrauchs aber, den man seit
U nsre Erkenntnill entspringt aus zwey Grundquellen des Gemiiths, Alexander Baumgarten von dem Namen Asthetik macht, verdient folgen-
deren die erste ist die Vorstellungen zu empfongen; (die Receptivitiit der Ein- de an Saamenkornern zu weitern Nachdenken sehr reichhaltige Anmer-
driicke) die zweyte das Vermogen durch diese Vorstellungen einen Gegen- kung des Hr. Prof. Kant wohl erwogen zu werden. .Die Deutschen sind
stand. zu erkennen; (Spontaneitiit der Begriffe.) Durch die ersten wird uns die einzigen, welche sich itzt des Worts .Asthetik bedienen, urn dadurch das
ein Gegenstand gegeben, durch die zweyte wird dieser im Verhiiltnill auf zu bezeichnen, was andre Kritik des Geschmacks heifSen. Es liegt bier eine
jene Vorstellung, {als blosse Bestimmung des Gemiiths) gedacht. verfehlte Hofnung zum Grunde, die der vortrefliche Analyst Baumgarten
Wollen wir die Receptivitat unsers Gemiiths Vorstellungen zu empfan- fafSte, die kritische Beurtheilung des Schonen unter Vernunftprincipien zu
gen, so fern es auf irgend eine Weise ajficirt wird, Sinnlichkeit nennen, so bringen, und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein
ist dagegen das Vermogen Vorstellungen selbst hervorzubringen, oder die diese Bemiihung ist vergeblich. Denn gedachte Regeln oder Kriterien sind
Spontaneitiit des Erkenntnisses der Verstand. Unsre Natur bringt es so mit ihren Quellen nach bios empirisch, und konnen also niemals zu Gesetzen
sich, daB die Anschauung niemals anders als sinnlich seyn kann, d. i. nur a priori dienen wornach sich unser Geschmacksurtheil richten miiBte,
die Art enthiilt, wie wir von Gegenstanden afficirt werden. Dagegen ist das vielmehr macht das letztere den eigentlichen Probierstein der Richtigkeit
Vermogen den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Ver- der erstern aus. U m deswillen ist es rathsam, diese Benennung wiederum
stand. eingehn zu lassen und sie derjenigen Lehre aufzubehalten, die wahre Wis-
Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlich- senschaft ist, wodurch man auch der Sprache und dem Sinne der Alten
keit wiirde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner ge- naher treten wiirde, bey denen die Eintheilung der Erkenntnill in aiCJflrlra
dacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer; Anschauungen ohne Begriffe und vo~ra sehr beriihmt war."
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Bisher ist die Eintheilung der Begriffe•in deutliche und undeutliche, der reine Begriff entspringt bios aus der Vorstellung der Functionen des Ver-
deutlichen in adaequate und nicht adaequate, unzahlichemahl in den standes selbst; diesen nennt Hr. Kant Notion. [Zuweilen nennt er ihn auch
logischen Lehrblichern wiederholet worden, die noch weit Hinger hatte Verstandesbegriff, nemlich JCar' e~oxqv, dis, wlinschten wir aber, geschahe
fortgesetzt werden konnen, und ob sie zwar an sich ganz richtig ist, doch Iieber nicht wegen der unvermeidlichen Zweydeutigkeit, da doch aile
keinen sonderlichen Nutzen hat. Hr. Platner sagt einmahl in seinen Begriffe das Werk des Verstandes sind.] Die Notionen nun sind enrweder
Aphorismen sehr wohl: Eine Eintheilung ist nicht darum gut, wei! sie primitive, Ur- oder Stammbegriffe, Pradicamente oder Categorien z. B. die
richtig ist, sondern wei! sie zweckmiillig ist. Von weit betrachtlicherm Begriffe, Einheit, Realitat, Causalitat, oder abgeleitete, welche Hr. Kant
Nutzen ist daher folgende Stufenleiter unsrer Vorstellungen ihrem Inhalt Priidicabilien des reinen Verstandes nennt; [so sind z. B. der Kategorie
u. Ursprunge nach betrachtet, welche Hr. Kant (Crit. d. r. V. S. 320.) an- Causalitat die Pradicabilien der Handlung und des Leidens als abgeleitete
gibt: .Die Gattung ist Vorstellung iiberhaupt; (repraesentatio.) Unter ihr Begriffe untergeordnet.] In andrer Absicht ist die Notion entweder so be-
steht die Vorstellung mit Bewustseyn (Perceptio.) Eine Perception, die sich schaffen, daB sie in der Erfahrung angewandt werden kann, oder der
lediglich auf das Subject als die Modification seines Zustandes bezieht, ist Begriff daraus iibersteigt die Moglichkeit der Erfahrung. Nur den letztern
Empfindung. Eine objective Perception ist Erkenntnij?. [So innig beide in nennt Hr. Kant [nach platonischem Sprachgebrauch] eine Idee. So ist der
den meisten Fallen vermischt sind, so gibt es doch einige Faile, die man als Be griff von Gott eine Idee. U nd Hr. Kant setzt mit Recht hinzu: Dem der
Beyspiele einer mit der Erkenntnill unvermischten Empfindung ansehn sich einmal an diese U nterscheidung gewohnt hat, mufl es unertraglich
kann. z. B. die von Sulzer schon angeflilirte eines bey Stockholm ins Was- fallen die Vorstellung, der rothen Farbe eine Idee nennen zu horen. Sie ist
ser gefallnen Menschen, der unterm Wasser den Glockenschlag hiirte, aber nicht einmal eine Notion (reiner Verstandesbegriff) zu nennen.
im geringsten nicht wuflte, was dieses sey; es blieb ihm weiter nichts als Wir haben diese Tafel erwas vollstandiger gemacht, als sie Hr. Kant am
das Bewustseyn einer Veranderung seiner selbst iibrig.] Die Erkenntnifl ist angeflihrten One vorlegt; jedoch, wie sich versteht, bios aus seinen eignen
enrweder Anschauung oder Begrilf. Jene bezieht sich unmittelbar auf den an andern Orten in der Kritik der reinen Vernunft angegebnen Begriffen.
Gegenstand und ist einzeln; [z. B. die Vorstellung einer individuellen vor Und zum Uberflufl wollen wir sie hier in einer eigentlichen Tabelle noch
mir liegenden Rose] dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was meh- einmal vorlegen: [56)
rern Dingen gemein seyn kann [z. B. die unbestimte Vorstellung des ge-
meinen Mannes, oder die bestimtere des Botanikers vom Geschlecht der Vorstellung
Rose.] Die Anschauung ist enrweder rein [dahin gehoren die Vorstellungen
ohne Bewustseyn. mit Bewustseyn.
Raum und Zeit] oder empirisch, [wohin aile Anschauungen gehoren, bey Perception.
denen Empfindung vorausgesetzt wird, die wir ohne Empfindung nie er-
langen wlirden.] Eben so ist der Begriff enrweder ein empirischer [z. B. der subjective objective
Begriff eines Tellers, einer Rose &c.] oder ein reiner Begrilf. Der reine Be- Empfindung Erkenntnij?
griff entspringt enrweder aus dem reinen Bilde der Sinnlichkeit; [z. B. der einzelne allgemeine
Begriff eines Triangels] dis ist der reine sinnliche Begrilf. [Da dieser Aus- Anschauung Begriff
druck aus drey Wiirtern zusammengesetzt ist, so wlinschten wir, daB Hr.
empirische reine empirischer reiner
Kant ein besseres und bequemeres Kunsrwort daflir angabe, urn diese Art
von Begriffen zu bezeichnen! Vielleicht konnten sie mathematische Begriffe aus dem reinen Bilde der Sinnlichkeit aus dem bloBen Verstande
heillen, wenn nur dis nicht in andrer Absicht Zweydeutigkeit verursachte. reinsinnlicher Begriff Notion
Doch bis Hr. Kant, der gewifl auch einer der vortrefflichsten Sprachklinst- in Absicht der Ableitung in Absicht des Inhalts
ler in Rlicksicht auf Erfindung guter Kunsrwiirter ist, selbst einen bessern
Terminum technicum vorschlagt, wollen wir wenigstens statt: reiner sinnli- Stammbegriffe abgeleitete auf die Erfahrung die MOglichkeit
cher Begriff, klirzer sagen: reinsinnlicher Begriff, nach eben der Analogie, Kategorien Priidicabilien des anwendbare der Erfahrung
reinen Verstandes Ubersteigende Idem.
wie man schon gewohnt ist zu sagen: reinbiblische Dogmatik.] Oder der
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[117) Was nun die Categorieen oder Urbegriffe des reinen Verstandes an-
betrifft, so hatte zwar Aristoteles schon einen Versuch gemacht sie aufzu- I.
suchen, welchen Hr. K. mit Recht einen dieses scharfsinnigen Mannes der Quantitat
wiirdigen Anschlag nennt. Da er aber kein Principium hatte, aus dem er Einheit (das Maas)
sie hiitte ableiten konnen, so raffte er sie auf, wie sie ihm aufstieBen, und Vielheit (die Grosse)
fand so zuerst zehn Categorieen, und nachher fugte er noch andre fiinfe Allheit (das Ganze)
hinzu, die unter dem Titel m pem Ta<; l<aTI}yopLa<; vorkommen, und
lateinisch Postpradicamente genannt wurden. Allein seine Tafel blieb nicht 2. 3.
nur mangelhaft, sondern es waren auch Begriffe untergemengt, die nicht der Qualitat der Relation
hinein gehoren. So waren das quando, ubi, situs, prius, simul Begriffe der Reali tat Inhiirenz und Subsistenz
reinen Sinnlichkeit, motus ein empirischer Begriff; actio, passio abgeleitete Negation Causalitiit und Dependenz
Begriffe, nicht U rbegriffe des reinen Verstandes. Hingegen hat Hr. Kant Limitation Gemeinschaft oder Wechselwirkung
das Verdienst diese U rbegriffe vollstiindig und bestimmt aus einem ge- 4.
meinschaftlichen Princip abgeleitet, und dadurch das Vermogen des reinen der Modalitat
Verstandes giinzlich ausgemessen zu haben. ):':r legt hiebey die Functionen MOglichkeit, UnmOglichkeit
des Denkens, unter vier Titeln, deren jeder drey Momente enthiilt, zum Daseyn, Nichtseyn
Grunde. Es sind nemlich die U rtheile Nothwendigkeit, Zufailigkeit.
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lich jernah ablernen, und sie unverdeckt vor Augen legen werden. So vie! Dinge nicht zugleich, sondern nur :"ac~einande; seyn kan~. - Das Sche-
konnen w1r nur sagen, das Bild ist ein Product des ernpirischen Yermo- ma der Wirklichkeit ist das Daseyn m emer best!mmten Zeit. - Das _Sche-
gens ~er pro?uctiven Ein~ildungskraft, das Schema sinnlicher Begriffe {als ma der Nothwendigkeit, das Daseyn eines Gegenstandes zu aller Zeit. So
d~r F1gu;en. 1m Raurne) em Product und gleichsarn ein Monograrnrn der sind also diese Schemata nichts anders als Zeitbestimmungen a pnort nach
remen_ Embi!du:"gskraft a priori, wornach die Bilder allererst rniiglich wer- Regeln, und diese gehn nach der Or~nung der Categorie~ auf die Zeitreihe,
den, d1e aber mit dern Begriffe nur irnrner verrnittelst des Schema welches den Zeitinhalt, die Zeitordnung, endhch den Zeitmbegrijf m Ansehung aller
sie bezeichnen, verkniipft werden rniissen, und an sich dernselben nicht miiglichen Gegenstande. Ungemein wiirdig des Lesens u~d Nachdenkens
viillig cong;uiren. ~age~en ist das Schema eines reinen Verstandesbegriffs ist die Darlegung der synthetischen Grundsatze des ~em:.n Vers~and_es,
etwas, was In gar kem B1ld gebracht werden kann, sondern ist nur die rei- worinn er wieder der Ordnung der Categonen folgt. W1r konnen s1e h1er
n~ Synthesi~, gerna~. einer Reg~! d~r Einheit nach Begriffen iiberhaupt, die nur anfiihren, ohne etwas von ihren Beweisen und Erlauterunge~ ~ef':u
d1e Categone ausdruckt, und 1st em transscendentales Product der Einbil- bringen. Der Verf. nennt sie 1) Axiomen der Anschauung. 2) Ant!cipatio-
dun~skraft, wel~hes die Bestirnrnung des innern Sinnes iiberhaupt, nach nen der Wahrnehmung, 3) Analogieen der Erfahrung. 4) Postulate des
B~dmgungen s~mer Form, (d_er Zeit) in Ansehung aller Vorstellungen be- empirischen Denkens iiberhaupt. Die ersten liegen in ~em G:.Undsatze:
tnfft? so fern d1ese der Emhe1t der Apperception gernall a priori in einern aile Erscheinungen sind ihrer Anschauung nach ~n~1ve Grollen, das
Begnff zusarnrnen hangen sollte. Die Schemata selbst stellt nun Hr. Kant heillt Griillen, in welchen die Vorstellung der Theile d1e Vorstellung des
nach Ordnung der Categorien folgenderniallen dar. Das reine Bild aller GanZ:,n moglich macht, und also nothwendig vor dieser vorhergeht. _Man
Griillen (quan:.orum} vor dern a_uftern_ Sinne ist der Raurn; aile Gegenstan- kann sich keine Linie, so klein sie auch sey, vorstellen, ohne von emern
de der. S1~ne ub~rhaupt ~her d1e Zeit. Das reine Schema der Griifle aber, Punkte ihre Theile nach einander zu erzeugen. Eben so ist es auch mit de;
{quantztatr.i) als emes Begnffs des Verstandes, ist die Zah4 die successive Ad- k.leinen Zeit bewandt. Der Grundsatz, welcher aile Wahrnehrnungen antl-
dition von ~inem zu Einem, wonach die Zeit selbst in der Apprehension cipirt, heillt so: .In allen [123) Erscheinungen ha~ die E~pfindun? und ~
der Ansch~uung erze.ugt wi~_- - Realitiit ist irn reinen Verstandsbegriffe Reale, welches ihr an dem Gegenstande entspncht, e1~e mtenstve Griifte
das, was ~mer Ernpfmdung uberhaupt correspondirt; jede Ernpfindung d. i. einen Grad." Der allgemeine Grundsatz der Analog1en der Erfahrung
aber hat emen Grad oder Griille, wodurch sie dieselbe Zeit, d. i. den in- ist: Aile Erscheinungen stehen ihrern Daseyn nach a priori unter Reg~
nern Sin~ in Anschauung derselben Vorstellung eines Gegenstandes rnehr der Bestirnrnung ihres Verhaltnisses unter einander in ~ner Zeit." Nun ~md
oder wemger erfiillen kann, his sie in Nichts oder Null iibergeht. Es ist die drey modi der Zeit: Beharrlichkeit, Folge un? Zugleichsi?)'Tl; und so g1eht
daher das Schema einer Realitat, als der Quantitat von Etwas so fern es es auch drey besondre Grundsatze der Analog1e; 1. den. Grundsatz der &-
?ie Zeit ~~lit, die continuirliche und gleichforrnige Erzeugun~ derselben harrlichkeit: .Aile Erscheinungen enthalten das Beharrhche (Su~tanz) als
~n det Zeit; m~ern man von der Ernpfindung, die einen gewissen Grad hat, den Gegenstand selbst, und das Wandelbare als dessen blolle Besnrnmung,
In de~ Zeit b1s zurn Verschwinden derselben hinabgeht, oder von der d. i. eine Art wie der Gegenstand existirt." 2. der Grundsatz der Erzeu-
NegatiOn zu der Grolle derselben allrnahlig aufsteigt. - Das Schema der gung: .Alles was geschieht, (anhebt zu seyn) setzt etwas voraus, worauf es
Substanz ist die _Beharrlichkeit des Realen in der Zeit, d. i. die Vorstellung nach einer Regel folgt." 3. den Grundsatz der Gememschaft: .~lie Sub-
desselben als emes Substratum der ernpirischen Zeitbestirnrnung iiber- stanzen, so fern sie zugleich sind, stehn in durchgangiger _Gememsch~,
haupt, welches also bleibt, indern alles andre wechselt. - Das Schema der d. i. Wechselwirkung untereinander~ Von der Methode, d1e Hr.. Kant m
Ursache ist das Reale, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit dem Erweis dieser Grundsatze befolgt, kiinnen wir hier nur so v1el sagen,
etwas an?er~ folgt. Es besteht also in der Succession des Mannigfaltigen, in dall sie eben so streng als original ist, und gar nicht dem Verfahren gleich7
so fern Sie_ emer Regel unte:worfen ist. - Das Schema der Gemeinschaft ist nach welchem man sich bisher vergeblich bemiiht hat, den Satz des zurel-
das Zugle!chseyn der Best!rnrnungen des Einen mit denen des Andern chenden Grundes dogmatisch d. i. aus Begriffen zu erweisen. - Endlich
nach einer ~lgerneinen Regel. - Das Schema der Mogllchkeit ist die die Postulate des empirischen Denkens iiberhaupt sind folgende. 1. Was
Zus:unrnenst!rnrnung der Synthesis verschiedner Vorstellungen mit den mit den formalen Bedingungen der Erfahrung {der A~schauung und d~n
Bedingungen der Zeit iiberhaupt, da z. B. das entgegengesetzte in einern Begriffen nach) iibereinkommt, ist moglich. 2. Was mit matenalen Bedm-
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gungen der Erfohrung (oder der Empfindung) zusammenhiingt ist wirklich. reinen Verstandes nur dasjenige innerlich, was gar keine Beziehung, dem
3. Dasjenige dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemei- Daseyn nach, auf irgend etwas von ihm verschiedenes h~t. Dagegen _sind
nen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, existirt nothwendig. Wie die innern Bestimmungen einer Substantia phaenomenon 1m Raume ruchts
der Verf. mit dem Raisonnement tiber diese viererley Grundsiitze, die anders als Verhiiltnisse und sie selbst ganz und gar ein Inbegriff von Iauter
bekannten Siitze, in mundo non tk.tur hiatus, non tk.tur saltus, non tk.tur Relationen. Wir kennen sie nur durch die Kriifte, die im Raume wirksam
casus, non tk.tur fotum, in Verbindung bringt, davon ki:innen wir hier sind, der Anziehung und des Zuriickstollens. Innere Accidenzen konnen
keinen Begriff geben. wir uns keine andre denken, als die unser innerer Sinn uns darbietet, nem-
Aber etwas von der tiefsinnigen Untersuchung tiber die Amphibolie der lich das Denken, oder etwas diesem analogisches. Hieraus wird nun be-
Reflexionsbegri./fe durch die Verwechselung des empirischen Verstandes- greiflich, wie Leibnitz auf seine Monadologie und vorherbestimmte Har-
Gebrauchs mit dem transscendentalen miissen wir doch sagen. U nter der monie verfiel, zugleich aber erhellt daraus die Grundlosigkeit beyder
Uberlegung versteht unser Philosoph den Zustand des Gemtiths, in wel- Hypothesen. Endlich in Absicht der Materie und Form gerieth Leibnitz
chem wir uns zuerst dazu anschicken, urn die subjectiven Bedingungen durch die nemliche Verwirrung auf seinen Lehrbegriff von Zeit und
ausfmdig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen konnen; das Raum. Alles dis zusammengenommen driickt Hr. Kant anderwiirts eben
Bewustseyn des Verhiiltnisses gegebner Vorstellungen zu unsern verschied- so kurz als deutlich so aus: .Leibnitz intellectuirte die Erscheinung, wie
nen Erkenntnillquellen, durch welches allein ihr Verhiiltnill unter ein- Locke die Verstandesbegriffe insgesammt sensificirte, d. i. fiir nichts als
ander richtig bestimmt werden kann. D.S Verhiiltnif!, in welchem die empirische, aber abgesonderte Reflexionsbegriffe ausgab. Anstatt im Ver-
Begriffe in einem Gemtithszustande zu einander gehi:iren ki:innen, sind die stande und der Sinnlichkeit zwo ganz verschiedene Quellen von Vorstel-
der Einerleyheit und Verschiedenheit, der Einstimmung nnd des Wzderstreits, lungen zu suchen, die aber nur in Verkntipfung objectivgiiltig von Din~en
des lnnern und des .A:uftern, des Bestimmbaren und der Bestimmung (Ma- urtheilen ki:innten, hielt sich ein jeder dieser grollen Miinner nur an erne
terie und Form). In Absicht des ersten ist ein Gegenstand, mehrmalen mit von beyden, die sich ihrer Meynung nach unmittelbar auf Dinge an sich
eben denselben Bestimmungen vorgestellt, als Gegenstand des reinen Ver- selbst bezi:igen, indessen die andre nichts thiit, als (124] die Vorstellungen
standes immer eben derselbe; allein wenn er Erscheinung ist, so kann in der ersteren zu verwirren oder zu ordnen."
Ansehung der Begriffe bey zwey Gegenstiinden alles einerley seyn, und Was wir bisher angefiihrt haben, ist g_~;i:illtentheils aus dem Kapitel
doch die blolle Verschiedenheit der Orter zu gleicher Zeit ein genugsamer gewgen, das Hr. K. die transscendentale Asthetik, und aus dem ersten
Grund der numerischen Verschiedenheit seyn. Also ist das Leibnitzische Abschnitt der transc. Logik, welc)le er Analytik tiberschrieben hat. Itzt
principium indiscernibilium auf Erscheinungen nicht anwendbar. In Ab- wollen wir zu der transsc. Dialectik tibergehn, in welcher er die So-
sicht des zweyten Verhiiltnisses: Einstimmung und Widerstreit, ist zwar phistereyen untersucht, die der reinen Vernunft anhiingen, und welche
wahr, daB zwischen Realitiiten, durch den reinen Verstand vorgestellt, kein einen gewissen Schein mit sich fiihren, den selbst der Weiseste nicht vi:illig
Widerstreit sey; hingegen kann die Realitiit in der Erscheinung allerdings loswerden kann, ob es ihm wohl gelingen kann, nach vieler Bemiiliung
einer andern zuwider seyn, wie zwey bewegende Kriifte in derselben gera- den Irrthum dabey zu verhtiten.
den Linie, so fern sie einen Punkt in entgegengesetzter Richtung entweder Wahrheit, Irrthum, und Schein sind nur im Urtheile anzutreffen. We-
ziehen oder driicken, oder auch ein Vergntigen, was dem Schmerze die der der Verstand noch die Sinne an und fiir sich ki:innen irren. Jener, wei!
Wage hiilt. Daher ist nun auch die Leibnitzische Vorstellung, daB die Obel er an und fiir sich immer im Urtheil seinen Gesetzen folgt; diese, wei! sie
(in den Dingen als Erscheinungen betrachtet) nichts als Folgen von den gar nicht urtheilen. Also wird aller Irrthum nur durch den unbemerkten
Schranken der Geschi:ipfe oder Negationen seyn, falsch; auch ist von sei- Einflull der Sinnlichkeit auf den Verstand bewirkt. Der transcendentale
nen Anhiingern nicht griindlich genug bewiesen worden, daB aile Realitii- Schein ist vom empirischen und logischen zu unterscheiden. Jener ver-
ten sich in einem Subject vereinigen lassen. Denn sie dachten dabey bios schwindet nicht, wenn man ihn auch aufgedeckt und seine Nichtigkeit
an den Widerstreit des Widerspruchs, nicht aber an den des wechselseiti- eingesehn hat.
gen Abbruchs, da ein Realgrund den andern aufhebt. Was das dritte Ver- Der Sitz des transscendentalen Scheins ist die Vernunft. Vernunft ist das
hiiltnif! des Innern und .A:u.ftern betrifft, so ist an einem Gegenstande des Vermi:igen der Principien, oder der synthetischen Erkenntnisse aus Begrif-
1
172 ALLGEMEINELITERATUR-ZEITUNG- 30.Juli 1785 Schultz' Erl:iuterungen und Kants Critik 173
fen. In jedem Vernunftschlusse denkt man ~ich zuerst eine Regel (major)
durch den Verstand Zweytens supponirt man eine Erkenntnifl unter die
Die Seele ist
Bedingung der Regel (minor) vermittelst der Urtheilskraft. Endlich be-
I.
stimmt man die Erkenntnifl durch das Priidicat der Regel, (Conclusion)
Substanz
mithin a priori durch die Vernunft. Es giebt aber nicht bios einen logi-
schen, sondern auch einen reinen Gebrauch der Vernunft. Der eigen-
2. 3.
thiimliche Grundsatz der Vernunft im logischen Gebrauche ist, zu dem
Einfoch Numerisch-identisch
bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, womit
der Quamiriit nach den verschiednen Zeiten nach
die Einheit desselben vollendet wird. Den Satz: Cajus ist sterblich, konnte
man bios durch den Verstand aus der Erfahrung schopfen. Allein man
4.
sucht einen Begriff, der die Bedingung enthalt, unter welcher das Priidi-
Im Verhaltnisse
cat (Assertion iiberhaupt) dieses Urtheils gegeben wird, d. i. bier den Be-
zu mOglichen Gegenstiinden im Raume
griff des Menschen, und nachdem man unter diese Bedingung in ihrem
ganzen Umfange genommen: alle Menschen sind sterblich, subsumirt hat;
so bestimmt man darnach die Erkenntnifl seines Gegenstandes: Cajus ist Aus diesen Elementen entspringen aile Begriffe qer reinen Seelenlehre
sterblich. Der logische Grundsatz der Vernunft kann aber nicht anders ein lediglich durch die Zusammensetzung, ohne irgend ein anderes Princi-
Principium der reinen Vernunft werden, als dadurch, dafl man annimmt, pium. Diese Substanz, bios als Gegenstand des innern Sinnes, gibt den
wen.; das Bedingte gegeben ist, so sey auch die Totalitiit der Bedingungen, Begriff der Immaterialitii~ als einfache Substanz, der Incorruptibilitiit; die
die mithin selbst unbedingt ist, gegeben. Ein reiner Vernunftbegriff ist der Identitiit derselben als intel!ectueller Substanz gibt die Personlichkeit; aile
Begriff des U nbedingten, so fern er einen Grund des Bedingten enthiilt. So diese drey zusammen die Spiritualitiit; das Verha!tnifl zu den Gegenstiin-
vie! Arten des Verhiiltnisses es nun giebt, die der Verstand vermoge der den im Raume gibt das Commercium mit Korpern; mithin stellet sie die
Categorien sich vorstel!t, so vielerley reine Vernunftbegriffe mull es auch denkende Substanz, als das Principium des Lebens in der Materie, d. i. sie
geben; erstlich ein unbedingtes der categorischen Synthesis in einem Subjec~ als Seele (anima) und als den Grund der Animalitiit vor; diese durch Spiri·
oder die absolute Einheit des denkenden Subjects, welches zur rationalen tualitiit eingeschrankt, gibt den Begriff der Unsterblichkeit
Psychologi.e; zweytens das unbedingte der hypothetischen Synthesis der Glie- . Hierauf beziehn sich nun eben so vie! Paralogismen der reinen, trans-
der einer Reihe, oder die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen der scendentalen Seelenlehre, bey welcher nichts zum Grunde gelegt werden
Erscheinung, welches zur rationalen Cosmologie, endlich das Unbedingte darf als die Vorstellung: das denkende Ich.
der disjunctiven Synthesis der Theile in einem System, oder die absolute Ein-
heit der Bedingung aller Gegenstande des Denkens iiberhaupt, welches zur [125] Der erste Paralogismus betrifft die Substantialitii~ und lautet also:
rationalen 1beologie Anlafl giebt. Dasjenige, dessen Vorstellung das absolute Subject unserer Urtheile ist,
Zuforderst beurtheilt also Hr. Kant die rationale Psychologie_ Diese be- und daher nicht als Bestimmung eines andern Dinges gebraucht werden
ruht lediglich auf dem Paralogismus, vermoge dessen man von dem tran- kann, ist Substanz; - Nun bin ich als ein denkendes Wesen das absolute
scendentalen Begriffe des Subjects, der nichts Mannigfaltiges enthiilt, auf Subject aller meiner moglichen Urtheile, und diese Vorstel!ung von Mir
die absolute Einheit des Subjects schlieflt, von der man gleichwohl auf diese selbst kann nicht zum Priidicat irgend eines andern Dinges gebraucht wer-
Art keinen Begriff hat. Ich denke, ist der alleinige Text der rationalen Psy- den. - Also bin ich als denkendes Wesen Substanz.
chologie. Mischt sie das mindeste von Erfahrung hinein, so ist sie nicht Hr. Kant setzt diesem Paralogismus entgegen, dafl entweder Substanz
mehr rational, sondern empirisch; und von dieser ist bier gar nicht die nichts weiter sagt, als Subje~ und alsdann mit dem ganzen Satze nichts
Rede. Die Topik der reinen oder rationalen Seelenlehre ist folgende: anzufangen ist, oder wenn in dem Begriffe Substanz zugleich der der
Beharrlichkei~ oder Unverganglich~ gedacht werden sol!, der Obersatz
nimmermehr zu erweisen stehe.
174 ALLGEMEINEL!TERATUR-ZEITUNG- 30.Juli 1785 Schultz' Erl3uterungen und Kants Critik 175
Der zweyte Paralogismus, der die Einfo;hheit angeht, ist dieser: Dasjeni- wust ist, ist in so fern eine Person. - Nun ist die Seele etc. - Also ist sie
ge Ding, dessen Handlung niemals als die Concurrenz vieler handelnden eine Person.
Dinge angesehn werden kann, ist einfoch. Nun ist die Seele oder das den- Dagegen erinnert der Verf. dall zwar die Identitiit der Person in meinem
kende Ich ein Ding, dessen Handlung (das Denken) nie als die Concurrenz eignen Bewustseyn unausbleiblich anzutreffen sey, und in sofern jener Satz
vieler handelnden Dinge betrachtet werden kann. Also &c. nichts mehr sage, als: in der ganzen Zeit darinn ich mir meiner bewnst
Dagegen erinnert Hr. K. daB, da der nervus probandi in diesem Argu- bin, bin ich mir dieser Zeit, als zur Einheit meines Selbst gehorig, bewnst.
ment lediglich in dem Satze liege: daB viele Vorstellungen in der absoluten Allein wenn man sich aus dem Gesichtspunkte eines andern als Gegen-
Einheit des denkenden Subjects enthalten seyn miissen, urn einen Gedanken stand seiner iiullern Anschauung betrachte, so werde der aullere Beob-
auszumachen; niemand im Stande sey diesen Satz weder aus Begriffen achter aus dem Ich, welches aile Vorstellungen zu aller Zeit in meinem
noch aus der Erfahrung zu beweisen. Nicht aus Begri!fen; denn er mlillte Bewnstseyn, unci zwar mit volliger Iden{l26]titat begleitet, ob er es gleich
entweder analytisch oder synthetisch erwiesen werden. Nun kann der einriiumt, doch noch nicht auf die objective Beharrlichkeit meiner selbst
Satz: Ein Gedanke kann nur die Wirkung der absoluten Einheit des den- schliellen. - Wenn gleich der Satz einiger alten Schulen, daB alles flieflend
kenden Wesens seyn, nicht analytisch bewiesen werden. Denn die Einheit . und nichts in der ~lt beharrlich und bleibend sey, nicht statt finden konne,
des Gedankens, der aus vielen Vorstellungen besteht, ist collectiv, und kann sobald man Substanzen annimmt, so sey er doch nicht durch die Einheit
sich den blollen Begriffen nach, eben so wohl auf. die collective Einheit des Selbstbewnstseyns widerlegt. Denn wir selbst konnen aus unserm Be-
der daran mit wirkenden Substanzen bez!ehen (wie die Bewegung eines wnstseyn dariiber nicht urtheilen, ob wir als Seele beharrlich seyn oder
Korpers die zusammengesetzte Bewegung aller Theile desselben ist.) DaB nicht, wei! wir zu unserm identischen Selbst nur dasjenige ziihlen, dessen
aber dieser Satz synthetisch aus Begriffen erwiesen werden solle, ist nach wir uns bewnllt sind, unci also allerdings nothwendig urtheilen miissen,
der Natur dieser Siitze unmoglich. Nur ist es aber auch unmoglich, diese daB wir in der ganzen Zeit deren wir uns bewnst sind, eben dieselben
nothwendige Einheit des Subjects als die Bedingung der Moglichkeit eines sind. In dem Standpuncte eines Fremden aber konnen wir dieses darum
jeden Gedankens aus der Erfahrung abzuleiten. Denn diese gibt keine noch nicht fiir gliltig erkliiren, wei! da wir an der Seele keine beharrliche
Nothwendigkeit zu erkennen, und iiberdem ist der Begriff der absoluten Erscheinung antreffen, als nur die Vorstellung Ich, welche sie aile begleitet
Einheit weit tiber ihre Sphiire. Hr. K. fiihrt hiebey noch einige sehr inter- unci verknlipft, wir niemals ausmachen konnen, ob dieses Ich (ein solcher
essante Siitze zur Erliiuterung des Ganzen aus; daB der Satz: Ich bin einfach, Gedanke) nicht eben so wohl fliefle als die librigen Gedanken, die dadurch
ein unmittelbarer Ausdruck der Apperception sey; daB da die Behauptung an einander gekettet werden.
von der einfachen Natur der Seele, nur in so fern von einigem Werthe ist, Der vierte Paralogismus der Identitiit - lautet also: Dasjenige, auf dessen
als dadurch dieses Subject von der Materie unterschieden unci von der Daseyn nur als eine Ursache zu gegebenen Wahrnehmungen geschlossen
Hinfiilligkeit ausgenommen werden konne, der diese jederzeit unterwor- werden kann, hat eine nur zweifelhafte Existenz: Nun sind aile Erschei-
fen ist, auch dieser Werth des Satzes giinzlich wegfalle, wenn gezeigt wer- nungen von der Art, daB ihr Daseyn nicht unmittelbar wahrgenommen,
den kann, daB selbst durch diese Einfachheit dieselbe nicht von der Mate- sondern auf sie als die Ursache gegebner Wahrnehmungen allein geschlos-
rie genugsam unterschieden werde. Dis erweist aber unser Philosoph also: sen werden kann. - Also ist das Daseyn aller Gegenstiinde iiullerer Sinne
Die Korper sind Erscheinungen unsers iiullern Sinnes. Was sie an sich zweifelhaft.
selbst seyn mogen, wissen wir nicht. Wir konnen zwar mit Recht sagen, Die Critik dieses Paralogismus liiuft in der Hauptsache darauf hinaus,
daB unser denkendes Subject nicht korperlich sey, in sofern Gedanken daB da aile Aullendinge so wie wir sie anschauen Erscheinungen sind, mit-
unci Begierden nicht iiullerlich angeschaut werden konnen; dennoch konn- hin auch in so fern nichts anders als eine Art unsrer Vorstellungen, wir
te das Etwas, welches den iiullern Erscheinungen zum Grunde liegt, was von dem Daseyn derselben eben so gewill seyn konnen unci miissen, als
unsern Sinn so afficirt, daB er die Vorstellungen von Materie, Gestalt &c. vom Daseyn unsrer selbst. Dabey kann man zwar einriiumen, daB von
bekommt, auch das Subject der Gedanken seyn. unsern iiullern Anschauungen etwas, was im transscendentalen Verstande
Der dritte Paralogismus, der die Personalitiit betrifft, ist folgender: Was auller uns seyn mag, die Ursache sey; aber dieses ist nicht der Gegenstand,
sich der numerischen Identitiit seiner selbst in verschiedenen Zeiten be- den wir unter den Vorstellungen der Materie und korperlicher Dinge ver-
176 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 30.Juli 1785 Schultz' ErHiuterungen und Kants Critik 177
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stehen, denn diese sind lediglich Erscheinungen, d. i. blol!e Vorstellungs- doch einer von beyden der Thetiker oder der Antithetiker Recht haben
arten, die sich jederzeit nur in uns befinden, und deren Wirklichkeit auf miisse, wenn auch diese oder jede andre Beweise fallen, so loset er diese
dem unmittelbaren Bewul!tseyn eben so, wie das Bewul!tseyn unsrer eig- Schwierigkeit so, daB in den beyden ersten Antinomieen, ein widerspre-
nen Gedanken beruht. Der transscendentale Gegenstand ist sowohl in chender Begriff zum Grunde liege, und also sowohl die Thesis als An-
Ansehung der innern als aul!ern Anschauung ganzlich unbekannt. tithesis falsch sind, etwa wie in den beyden Satzen: ein viereckigter Zirkel
Auf diese Weise fallt nun die ganze rationale Psychologie tiber den Hau- ist rund, und ein viereckigter Zirkel ist nicht rund, welche beyde falsch
fen, und es bleibt kein Mittel iibrig die Seele zu studiren, und von ihr sind, wei! der Begriff des Subjects selbst widersprechend ist; hingegen in
etwas zu wissen als die Erfahrung. den zwey letzten Antinomieen die Illusion, welche die Vernunft tauscht
Bey den cosmologischen Ideen, wo die Vernunft durch die Form der daher riihret, daB sie sich Dinge, die vereinbar sind, als widersprechend
hypothetischen Vernunftschliisse geleitet wird, sucht sie die absolute Voll- vorstellt; es konne nemlich in der dritten Antinomie alles in der Welt nach
standigkeit in der Reihe der Bedingungen gegebner Erscheinungen. Es nothwendigen Naturgesetzen geschehn, und gleichwohl eine Causalitat
giebt also dieser cosmologischen Ideen vier; denn die Vernunft sucht abso- durch Freyheit statt finden. Denn die Nothwendigkeit, daB alles in der
lute Vollstandigkeit 1) in der Zusammensetzung des Weltganzen, sowohl Natur eine Ursache voraussetze, gehe lediglich und zwar ohne Ausnahme
dem Raum als der vergangenen Zeit nach; 2) in der Theilung der Mate- auf die Erscheinungen; das Vermogen der Freyheit aber, oder die freye
rie. 3) in der Entstehung einer Erscheinul)g; 4) in der Abhangigkeit des Handlung selbst, sey keine Erscheinung, ob sie wahl im Stande sey Er-
Daseyns des Veriinderlichen. Hier findet sich nun der merkwiirdige und scheinungen anzufangen. Eben so in der vierten Antinomie; wo der
sanderbare U mstand, der so wie hier von Hn. K. noch von niemanden be- Widerstreit auch nur scheinbar ist. Denn da dasjenige Wesen, das die Be-
merkt worden, daB die Vernunft in Absicht dieser Ideen mit sich selbst in dingung vom Daseyn eines [127] andern ist, nicht eben mit diesem
Widerstreit geriith, und sich folgende Satze sowohl als ihre Gegensatze mit gleichartig seyn darf, so konnen hier beyde Satze wahr seyn, nemlich daB
gleicher Strenge beweisen lassen. aile Dinge der Sinnenwelt durchaus zufallig sind, mithin immer nur eine
bedingte Existenz haben, und daB gleichwohl von der ganzen Reihe auch
Thesis. Antithesis. eine nichtsinnliche Bedingung, d. i. ein unbedingt nothwendiges Wesen
1. Die Welt hat einen Anfang in der 1. Die Welt hat keinen Anfang in der statt finde. Denn man darf nur annehmen, daB das Wesen, welches die
Zeit und ist auch dem Raume nach be- Zeit und ist auch dem Raume nach unbe- oberste Bedingung vom Daseyn der ganzen Sinnenwelt ist, gar nicht
griinzt. griinzt.
Erscheinung, oder ein Gegenstand der Sinnlichkeit, sondern ein blol!es
2. Eine jede zusammengesetzte Sub- 2. Keine zusammengesetzte Substanz
Noumenon oder ein Ding an sich selbst sey, so gehort es gar nicht zur
stanz in der Welt besteht aus einfachen in der Welt besteht aus einfachen Theilen
Theilen, und es existirt iiberall nichts, als und es existirt i.iberall nichts Einfaches in Reihe der Sinnenwelt, auch nicht einmal als das oberste Glied derselben,
das Einfache oder das, was aus diesem zu~ der Welt. sondern miiste ganz aul!er der Reihe der Sinnenwelt als ens extramunda-
sammengesetzt ist. num gedacht werden, mithin ware es auch nicht dem Gesetze der Zu-
3. Es geschieht in der Welt nicht alles 3. Es giebt keine Freyheit, sondern al- falligkeit und Abhangigkeit der Erscheinungen, nach welchem dieser ihr
nach Naturgesetzen, sondern es giebt eine les in der Welt geschieht lediglich nach Daseyn jederzeit bedingt ist, unterworfen, sondern sein Daseyn ware
Causalitat durch Freyheic. Naturgesetzen. schlechthin unbedingt, mithin absolut nothwendig, und gleichwohl bliebe
4. Es existirt ein schlechthin nothwen- 4. Es existirt gar kein schlechthin das Naturgesetz fest, daB jedes Glied in der Reihe der Sinnenwelt seinem
diges Wesen, als die oberste Ursache der nothwendiges Wesen weder in der Welt,
Welt und selbst zur Welt gehOrig.
Daseyn nach empirisch bedingt, und zufallig sey.
noch auBer der Welt als ihre Ursache.
Es ist nun noch die Critik aller rationalen Theologi.e iibrig, welche Hr.
Kant auf folgende Weise zu Stande bringt. Es sind nur drey Beweisarten
Hr. K. nennt diesen vierfachen Widerstreit die Antinomieen der reinen vom Daseyn Gottes aus speculativer Vernunft moglich. Entweder fangt
Vernunft. Er fiigt von der Thesis sowohl als Antithesis die strengsten Be- man von der bestimmten Erfahrung und der dadurch erkannten beson-
weise hinzu, zeigt worinn das Blendwerk hier liege, und fertigt die ver- dern Beschaffenheit unserer Sinnenwelt an, und steigt von ihr nach Geset-
meinten Demonstrationen ab. Da es aber doch den Anschein hat, als ob zen der Causalitat bis zur hochsten U rsache aul!er der Welt hinauf, dis ist
178 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 30. Juli 1785 Schultz' ErHiuterungen und Kants Critik 179
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der physikotheologische; Oder man legt nur unbestimmte Erfahrung d. i. moralische Gesetze, die vollig a priori, ohne Riicksicht auf empirische Be-
irgend ein Daseyn empirisch zum Grunde, dis ist der Cosmologische; oder wegungsgriinde d. i. Gliickseligkeit das Thun und Lassen, d. i. den Ge-
man abstrahiret von aller Erfahrung und schlieBet ganzlich a priori aus brauch der Freyheit eines verniinftigen Wesens iiberhaupt, bestimmen,
bloBen Begriffen auf das Daseyn einer hochsten Ursache, dis ist der und die schlechterdings (nicht bios hypothetisch) gebieten und nothwendig
ontologische Beweis. Den letzten, den man bekanntlich den Cartesiani- sind. Eine Welt, so fern sie allen sittlichen Gesetzen gemaB ware (wie sie es
schen nennt, und an dem Leibnitz eine Erganzung versuchte, hatte Hr. K. denn nach der Freyheit der verniinftigen Wesen seyn kann, und den noth-
bereits in der Schrift: der einzig mogliche Beweisgrund zu einer Demonstra- wendigen Gesetzen der Sittlichkeit seyn soil) heiBt der Vf. eine moralische
tion des Daseyn Gottes beurtheilt, und seine U nstatthaftigkeit erwiesen, Wt1lt. Das Grundgesetz darinn ist: Thue das, wodurch du wurdig wirst,
welches denn hier in der Hauptsache nur wiederhohlt wird. (Doch ge- glucklich zu seyn. Hiermit ist die Frage: Was soli ich thun? im Ganzen be-
denkt er dabey weder jener Schrift, noch des Beweisgrundes, welchen er antwortet. Es ist aber noch die andre iibrig: Wie wenn ich mich nun so
darin selbst an die Stelle des Cartesianischen setzte; wovon wir uns keinen verhalte, daB ich der Gliickseligkeit nicht unwiirdig sey, darf ich auch hof-
befriedigenden Grund angeben konnen. Denn daB er ihn verwirft, fen, ihrer dadurch theilhaftig werden zu konnen? So nothwendig nun
schlieBt man wohl aus dem Stillschweigen; man mochte aber doch auch die moralischen Principien nach der Vernunft in ihrem praktischen Ge-
die Griinde gern gelesen haben.) Wie der Vf. die Schwache des cosmologi- brauche sind, eben so nothwendig ist es auch nach der Vernunft im theo-
schen (a contingentia mundi) und des physico!heologischen (dem er iibrigens retischen anzunehmen, daB jedermann die Gliickseligkeit in demselben
aile Gerechtigkeit widerfahren laBt, so fern er sich nur nicht anmaBt apo- Maal!e zu hoffen Ursach habe, als er sich derselben in seinem Verhalten
diktisch seyn zu wollen) aus der Vollkommenheit der Welt aufdeckt, da- wiirdig gemacht hat, und daB also in der Idee der reinen Vernunft das
von kOnnen wir hier nichts sagen, und miissen uns mit dem Bekenntnisse, System der Sittlichkeit, mit dem der Gliickseligkeit unzertrennlich ver-
daB seine Griinde uns eben so scharfsinnig vorgekommen als einleuchte.nd bunden sey. Nun last sich freylich in einer intelligibeln d. i. einer morali-
gewesen sind, begniigen. Dagegen wollen wir den Lesern, welche bisher schen Welt ein System der mit der Moralitat verbundenen proportionirten
Kants Critik der reinen Vernunft noch nicht gekostet haben, seinen Be- Gliickseligkeit auch als nothwendig denken, wei] die verniinftigen Wesen
weisgrund der die Uberzeugung vom Daseyn eines hochsten Wesens auf un{128]ter Leitung der moralischen Gesetze Urheber ihrer eignen, und zu-
das Daseyn sittlicher Gesetze griindet, so kurz als moglich zusammen- gleich andrer dauerhaften Wohlfart seyn wiirden. Aber dieses System, der
gedriingt vorlegen, weil schon dieser allein die Arbeit des Nachdenkens, sich selbst lohnenden Moralitat, ist nur eine Idee, deren Ausfiihrung auf
welche man auf das Studium dieses Werks verwandt hat, hinlanglich be- der Bedingung beruhet, daB jedermann thue was er soli. Da aber die Ver-
lohnen kann. bindlichkeit aus dem moralischen Gesetze giiltig fiir jeden besondern Ge-
Alles Interesse der Vernunft, das speculative sowohl als das praktische, brauch der Freyheit bleibt, wenn gleich andre sich diesem Gesetze nicht
vereinigt sich in folgenden drey Fragen: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soil gemaB verhielten, so kann die Vernunft, wenn bios Natur zum Grunde
ich thun? 3. Was darf ich hoffen? Die erste ist bios speculativ, die zweyte liegt, die nothwendige Verkniipfung der Hoffnung gliicklich zu seyn, mit
bios praktisch, die dritte praktisch und theoretisch zugleich. Alles Ho/fen dem unablassigen Bestreben sich der Gliickseligkeit wiirdig zu machen,
geht auf Gliickseligkeit, und ist in Absicht auf das Praktische und das Sit- nicht erkennen, sondern diese darf nur gehoffi werden, wenn eine h6chste
tengesetz ebendasselbe, was das Wissen und das Naturgesetz in Ansehung Vernunft, die nach moralischen Gesetzen gebietet, zugleich als Ursache der
der theoretischen ErkenntniJl der Dinge ist. Jenes lauft zuletzt auf den Natur zum Grunde gelegt wird; oder wenn man eine Intelligenz annimmt,
SchluB hinaus, daB etwas SO)! (was den letzten moglichen Zweck be- in welcher der moralischvollkommenste Wille mit der hochsten Seligkeit
stimmt) wei/ etwas geschehen soil; dieses daB etwas sey (was als die oberste verbunden, die Ursach aller Gliickseligkeit in der Welt ist, so fe~n sie mit
Ursach wirkt) wei! etwas geschieht. Gluckseligkeit ist die Befriedigung aller der Sittlichkeit, (als der Wiirdigkeit gliicklich zu seyn) in genauem Ver-
unserer Neigungen. Das praktische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der haltnisse steht, d. i. wenn man das Daseyn eines Gottes annimmt. Zugleich
Gliickseligkeit nennt der Vf. pragmatisch, oder die Klugheitsregel; dasjenige aber muB man annehmen, da die itzige Sinnenwelt uns den wirklichen Er-
aber, das zum Bewegungsgrunde nichts anders hat als die Wurdigkeit folg dieser Ubereinstimmung der Wiirdigkeit gliicklich zu seyn, und der
gliicklich zu seyn, das moralische, oder Sittengesetz. Es giebt wirklich reine Gliickseligkeit nicht darbietet, daB eine solche moralische Welt fiir uns
180 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG - 30. Juli 1785
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zukunftig sey. Gott also und ein kunftiges Leben, sind zwey von der Ver-
bindlichkeit die uns reine Vernunft auferlegt nach Principien eben dieser
Vernunft nicht zu trennende Voraussetzungen. Ohne einen Gott, und eine
fur uns itzt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt, sind die herrlichen Ideen
der Sittlichkeit zwar Gegenstiinde des Beyfalls und der Bewunderung, aber
nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausiibung, wei! sie nicht den gan-
zen Zweck, der einem jeden verniinftigen Wesen natiirlich, und durch
eben dieselbe reine Vernunft a priori bestimmt und nothwendig ist, er-
fullen. Da nun Gliickseligkeit im genauesten Ebenmaaile mit der Sittlich-
keit der verniinftigen Wesen, dadurch sie derselben wiirdig seyn, allein das
hiichste Gut einer Welt ausmacht, die Sinnenwelt aber uns von der Natur
der Dinge dergleichen systematische Einheit der Zwecke nicht verheiBt,
deren Realitat auch auf nichts anders gegriindet werden kann, als auf die
Voraussetzung eines hiichsten urspriinglichen Guts, wo selbststandige Ver-
nunft, mit aller Zuliinglichkeit einer obersten Ursache ausgeriistet, nach
der vollkommensten ZweckmaBigkeit die aflgemeine, obgleich in der Sin-
nenwelt uns sehr verborgne Ordnung der Dinge, griindet, erhalt und voll-
fuhret; so hat diese Moraltheologie den eigenthiimlichen Vorzug vor der
speculativen, daB sie unausbleiblich auf den Begriff eines einigen, allervoll-
kommensten und verniinftigen U rwesens fiihret, worauf speculative Theo-
logie nicht einmal aus objectiven Grunden hinweiset, geschweige davon
iiberzeugen kiinnte. Dagegen, wenn wir aus dem Gesichtspunkte der sin-
lichen Einheit, als einem nothwendigen Weltgesetze die U rsach erwagen,
die <liesem allein den angemessenen Effect, mithin auch fiir uns ver-
bindende Kraft geben kann, so muB es ein einiger oberster Wille seyn, der
aile diese Gesetze in sich befailt. Denn wie wollten wir unter verschiede-
nen Willen vollkommene Einheit der Zwecke finden? Dieser Wille muB
allgewaltig seyn, damit die ganze Natur und deren Beziehung auf Sittlich-
keit in der Welt ihm unterworfen sey, allwissend, damit er das innerste der
Gesinnungen, und deren moralischen Werth erkenne; allgegenwartig,
darnit er unmittelbar allen Bediirfnissen, welche das hiichste Weltbeste
erfodert, nahe sey, ewig, damit in keiner Zeit diese Ubereinstimmung der
Natur und Freyheit ermangele u. s. w.
Hiemit beschlieBen wir die Anzeige der Kantischen Kritik der reinen
Vernunft; welche wir lediglich fiir diejenigen bestimmt haben, die es his-
her noch versaumten, sich mit diesem Werke des hellsten Tiefsinns, und
der vollendetesten Untersuchung bekannt zu machen. Wir haben uns nur
angelegen seyn lassen, die auffallendsten Parthieen dieses vortrefflichen
Gebaudes anzudeuten, konnten uns aber im geringsten nicht darauf einlas-
sen, die innere Zusammenfiigung aller Theile bemerklich zu machen. Die-
182 (l]iimbergifd)e gefe~rte 3eituug - 26. Juli 1785 IBot~aifd)c gefe~rte 3eituugen - 17. August 1785 183
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ses ist in jedem Auszuge, wenn er auch die Lange der langsten Recension thumsrecht halt K. ftir unzulanglich, und stellt daher einen ganz neuen,
hat, unmiiglich. Wir verweisen also deshalb auf das Werk selbst, und auf von einer noch unberiihrten Seite hergenommenen, auf, der so lautet: Wer
die oben angezeigten Prolegomena zu einer jeden Metaplrysik, die als Wissen· ein Geschaft eines andern in dessen Namen, und dennoch wider den Wil-
schaft wird auftreten konnen, in welchen der Verf. die Hauptsatze der len desselben treibt, ist gehalten, diesem, oder seinem Bevollmachtigten
Critik in einer etwas andern Ordnung zusammengestellt, und folgende allen Nuzen, der ihm daraus erwachsen miichte, abzutreten, und allen
Fragen beantwortet hat: 1) Wie ist Mathematik - 2) Wie ist reine Natur· Schaden zu vergiiten, der jenem oder diesem daraus entspringt. - Allein
wissenschaft - 3) Wie ist Metaplrysik uberhaupt - 4) Wie ist Metaplrysik als was hilfts, daB aile die weisesten und edelsten Manner der Teutschen die
Wissenschaft moglich? - Endlich empfehlen wir auch besonders denen, die Unrechtmassigkeit des Nachdrucks beweisen und verabscheuen, wenn die
sich noch nicht hinlangliche Fertigkeit in speculativen Untersuchungen Ftirsten sie dulden, und das N achdruckergeschmeill fortfahrt, bald auf
zutrauen kiinnen, die Erlauterungen des Hrn. Hofpr. Schultz, welche eine iiffentliche, bald auf eine verdecktere Weise zu rauben?) [...]
theils aus einer gedrangten aber ausfiihrlichen Anzeige des Inhalts der
Critik d. r. V. theils aus Winken zur nahern Priifung bestehn; und von
seinen Talenten, die er schon durch die Nro. 54. angezeigte Theorie der
~iga.
Parallelen auf die vortheilhafteste Art gezeigt hat, zugleich aber von seiner
unpartheyischen Wahrheitsliebe, und tiefen Einsicht in die Bestimmung Grundlegung zur Metaplrysik der Sitten, von Immanuel Kan~ Bey Joh.
und den Gebrauch des kantischen Werks · das unverdachtigste Zeugnill Friedrich Hartknoch. 1785. 128 Seiten gr. 8. (8 gl.) In diesem kleinen aber
ablegen. Wer wollte dem wiirdigen Manne nicht Beyfall geben, wenn er ausserst wichtigen Buche, legt und richtet der vortrefliche Kant den
verlangt, daB man das Werk einer Iangen Reihe von Jahren, dem schon Grundstein zu einem unerschtitterlichen ewig dauernden Gebaude der
der Name seines Verf. Achtung erwecken muB, nicht als Griibeley und Moral. Und dieser Grundstein ist so auffallend wahr der einzige, daB man
Sprachneuerung verschreyen, nicht tiber Mangel der Popularitat klagen, sich wundern muB, wie ihn die Bauleute am Wege liegen sehen, und doch
nicht an den gesunden Menschenverstand appelliren salle, welche Beru- so unachtsam vor ihm voriiber gehen konnten. Es ist dem Recensenten,
fung hier sehr unschicklich ware, wo es eben darum zu thun ist die Rechte nach seiner Uberzeugung von der innern Wahrheit und Starke der Kanti-
des gesunden Menschenverstandes gegen dialektische Ktinste sophistischer schen Lehre, sehr wahrscheinlich, daB die alten Gebaude der Moral nun
Vernunft zu vertheidigen; wenn er verlangt bey der Beurtheilung dieses bald zusammen stiirzen, und das Kantische allgemein werde aufgerichtet
Werks von allen bisherigen Systemen zu abstrahiren, und aile Seitenblicke werden. Dieses Buch ist in allen seinen Theilen ein vollendetes Ganze. Es
auf irgend ein Interesse beyseit zu setzen? - muB in jedes Lehrers, in jedes denkenden Menschen Hande kommen, da-
mit seine Grundsatze zur Befiirderung wahrer achter Aufklarung und
Gltickseligkeit allgemein verbreitet, und aile Menschen dadurch auf ihre
alleinige Bestimmung aufmerksam gemacht werden. Praktisch handelten
~erlinifd)e monatfd)rift, ~erau~gegeben oon j. 0ebife unb ;J. /e.
die Menschen bisher zwar nach dem Grundsatz des Verf. aber nur nach
~iejl;er, IDer3, 'llpril, may, 1785. be~ .f;:laube unb ®pener, 8. 30 !r.
einem dunkeln Gefiihl; nun, da er in das hellste Licht vor jedermanns
[...]Kant zierte sie mit zwey Abhandlungen: Uber die Vulkane im Man- Augen gestellt, und durch die griindlichsten Beweise ausser allen Zweifel
de (Es bleibt, unerachtet aller Ahnlichkeit der ringfiirmigen Mondsflecken gesetzt ist, laBt sich erwarten, daB sich auch die Masse der Sittlichkeit un-
mit Kratern von Vulkanen, dennoch ein sehr erheblicher Unterschied gleich mehr vermehren werde. - U m zu zeigen, wie sich die Moral zu den
zwischen heiden, und dagegen zeigt sich eine so treffende Ahnlichkeit tibrigen angrenzenden Theilen der Philosophie verhalt, wird in der Vorre-
derselben mit andern kreisformigen Ztigen unvulkanischer Gebirge oder de folgende Eintheilung gemacht. Aile Philosophie fuBt sich entweder auf
Landesriicken auf unserer Erde, daB eher eine andere, obzwar nur ge- Griinde der Erfahrung, daher empirische Philosophie - oder sie tragt ihre
wissermassen mit jener analogische, Muthmassung tiber die Bildung der Lehren aus Principien a priori vor - reine Philosophie. Wenn diese bios
Weltkiirper dadurch [48Z] bestattigt seyn miichte,) und von der U nrecht- formal ist, d. i. sich bios mit der Form des Verstandes und der Vernunft
massigkeit des Btichernachdrucks. (Den BeweiB derselben aus dem Eigen- selbst, und den allgemeinen Regeln des Denkens tiberhaupt, ohne Unter-
184 •
\Botbai[c{lc gcfcbrtc ,3citungcn - 17. August 1785
schied der Objecte, beschaftiget, so heillt sie Logik. 1st sie aber auf be-
stimmte Gegenstande des Verstandes eingeschrankt, so wird sie Metapbysik
I
"
.lean t t5 \Brunblegnng ;ur 'llletapb9[if ber eiltten
genannt. Sind diese Gegenstande des Verstandes die N aturgesetze, so erhalt ten. Dritter Abschn. Letzter Schritt von der Metaphysik der Sitten zur Cri-
die Metaphysik den Namen, Metapbysik der Natur; ist ihr Gegenstand aber tik der reinen praktischen Vernunft. Doch ohne weitere Umstande zu
die Freyheit, so entsteht daraus die Metapbysik der Sitten. Beyde, sowohl die dem vortreflichen Werke selbst. Erster Abschnitt. Ein guter Wille ist das
Physik als die Ethik, haben also sowohl ihren empirischen, als rationalen einzige, was in und ausser der Welt ohne Einschrankung fiir gut gehalten
Theil, und der empirische Theil der Ethik konnte practische Anthropologie, werden kann. Der gute Wille ist durch weiter nichts, als bios durch das
so wie ihr rationaler Theil eigentlich Moral genennet werden. Was der Hr. Wollen, d. i. an und fiir sich selbst gut; er hat schon fiir sich einen absolu-
Verf. von der Nothwendigkeit, einmal eine reine Moralphilosophie zu bear- ten Werth, ohne dabey einen Erfolg oder Nutzen in Anschlag zu bringen.
beiten, die von allem, was nur empirisch seyn mag, und zur Anthropolo- Der eigentliche Zweck, die wahre Bestimmung der Vernunft ist nicht die
gie gehort, vollig gesaubert wiire, in der Vorrede sagt, ist so iiberzeugend, Erhaltung, das Wohlergehen, oder mit einem Worte Gliickseligkeit; denn
als nur etwas seyn kann. DaB es eine solche reine Moral{534]philosophie hierzu wiirde ihm lnstinkt eine weit genauere Regel [535] seines Verhaltens
geben miisse, leuchtet, sagt er, selbst aus der gemeinen Idee der Pflicht und geben konnen; sie mull vielmehr seyn, einen an sich selbst (und nicht in
dem sittlichen Gesetze ein. Jedermann mull eingestehen, daB ein Gesetz, andrer Absicht als Mittel) guten Willen hervorzubringen; und ein solcher
wenn es moralisch seyn, d. i. als Grund einer Verbindlichkeit gelten soli, Wille mull das hochste Gut, und die Bedingung des Verlangens nach
absolute Nothwendigkeit bey sich fiihren rritisse; daB das Gebot z. E. du Gliickseligkeit seyn. Urn den Begriff eines ohne weitere Absicht, sondern
sollst nicht liigen, nicht etwa bios fiir Menschen, sondern auch fiir aile an- an sich selbst schon guten Willens zu bestimmen, wird der Begriff der
dere verniinftige Wesen, gelten mtisse; daB mithin hier der Grund der Ver- Pjlicht zergliedert, der den eines guten Willens, obgleich unter gewissen
bindlichkeit nicht in der Natur des Menschen, sondern a priori lediglich subjectiven Einschrankungen und Hindernissen, enthalt. Das Resultat da-
in den Begriffen der reinen Vernunft liege. Eine Metaphysik der Sitten ist von ist: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung furs
auch schon darum nothwendig, wei! die Sitten selbst allerley Verderbnill Gesetz. Unter Achtung versteht der Hr. Verf. die Vorstellung von einem
unterworfen bleiben, so lange jener Leitfaden und oberste Norm zu ihrer Werthe, der meiner Selbstliebe Abbruch thut. Der Gegenstand der Ach-
richt~gen Beurtheilung fehlt, da das sittliche Gesetz in seiner Reinigkeit tung ist lediglich das Gesetz. Aile Achtung fiir eine Person, ist eigentlich
und Achtheit, woran eben im Praktischen am meisten gelegen ist, nirgend nur Achtung fiir das Gesetz, z. B. der Rechtschaffenheit, Standhaftigkeit
anders, als in einer reinen Philosophie angetroffen wird. Die Metaphysik in Befolgung guter Maximen u. dgl. wovon die Person nur das Beyspiel
der Sitten soli die Idee und die Principien eines moglichen reinen Willens gibt. Das Gesetz das meinem Willen, wenn er gut seyn soli, zum Prinzip
untersuchen, und nicht die Handlungen und Bedingungen des menschli- dienen mull, ist: lch soli niemals anders verfahren, als so, daft ich auch
chen Willens iiberhaupt, welche grolltentheils aus der Psychologie ge- wollen kiinne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden, oder
schopft werden; und hierin unterscheidet sich die Theorie des Verfassers mit einem Worte, die Gesetzmiifligkeit iiberhaupt. Hierzu bedarf es keiner
von der Wolfischen Propadeutik vor seiner Moralphilosophie, nemlich der weit ausholenden Scharfsinnigkeit. Ich frage mich nur: Kannst du auch
von Wolfen sogenannten allgemeinen praktischen Weltweisheit. Allein der wollen, daB deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? wo nicht, so ist
Verf. wird die Metaphysik der Sitten erst dereinst liefern; hier gibt er nur sie verwerflich, so pallt sie nicht als Prinzip in eine mogliche allgemeine
die Grundlegung dazu. Ihre Absicht ist, die Aufsuchung und Festsetzung Gesetzgebung, fiir die mir die Vernunft unmittelbare Achtung abzwingt.
des obersten Prinzips der Moralitiit. Der Verf. hat seine Methode in dieser Die gemeine Menschenvernunft gelangt also von selbst zu diesem Prinzip,
Schrift so genommen, wie er glaubte, daB sie die schicklichste sey, wenn und ob sie sich solches gleich nicht in einer so allgemeinen Form abgezo-
man vom gemeinen Erkenntnill zur Bestimmung des obersten Prinzips gen denkt, so hat sie es doch jederzeit vor Augen, und braucht es zum
derselben analytisch, und wieder zuriick von der Priifung dieses Prinzips Richtmaalle ihrer Beurtheilung. - An seinen Bediirfnissen und Neigun-
und den Quellen desselben zur gemeinen Erkenntnill, darin sein Ge- gen fiihlt der Mensch, ein machtiges Gegengewicht gegen aile Gebote der
brauch angetroffen wird, synthetisch den Weg nehmen will. Die Einthei- Pflicht, die ihm die Vernunft so hochachtungswiirdig vorstellt. Diese Ver-
lung ist daher so ausgefallen: Erster Abschnitt: Ubergang von der gemeinen nunft gebietet uns ihre Vorschriften, ohne dabey den Neigungen etwas zu
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verheissen, unnachlaillich, und hieraus entspringt eine natiirliche Dialek- stellung eines objectiven Prinzips, so fern es fur einen Willen nothigend
tik, d. i. ein Hang, wider jene strengen Gesetze der Pflicht zu vernunfteln, ist, heiBt ein Gebot der Vernunft, und die Forme! des Gebots heiBt lmpera-
ihre Gultigkeit, Reinigkeit, Strenge, in Zweifel zu ziehen, wenigstens sie II tiv. Aile Imperativen werden durch ein Sollen ausgedriickt, und zeigen da-
unsern Wunschen und Neigungen angemessener zu machen, welches durch das VerhaltniB eines objectiven Gesetzes der Vernunft zu einem
denn doch selbst die gemeine praktische Vernunft am Ende nicht gut heis- Willen an, der seiner subjectiven Beschaffenheit nach, dadurch nicht noth-
sen kann. Also wird die gemeine Menschenvemunft selbst aus praktischen wendig bestimmt wird, (eine Nothigung.) Sie sagen, daB etwas zu thun
Grunden angetrieben, aus ihrem Kreise zu gehen, und einen Schritt ins oder zu unterlassen gut seyn wiirde, allein sie sagen es einem Willen, der
Feld einer praktischen Philosophie zu thun, urn daselbst, wegen der Quelle nicht immer darum etwas thut, wei! ihm vorgestellt wird, daB es zu thun
ihres Prinzips und dessen richtiger Bestimmung, in Gegenhaltung mit den gut sey. Praktisch gut ist aber, was vermittelst der Vorstellungen der Ver-
Maximen, die sich auf BedurfniB und Neigung fussen, Erkundigung und nunft, mithin nicht aus subjectiven Ursachen, sondern objective, d. i. aus
deutliche Anweisung einzuziehen, damit sie aus der Verlegenheit wegen Grunden, die fiir jedes vernunftige Wesen, als ein solches giiltig sind, den
beyderseitiger Anspruche komme, und nicht Gefahr laufe, durch die [536] Willen bestimmt. Ein vollkommen guter Wille wird also zwar auch unter
Zweydeutigkeit, in die sie Ieicht geriith, urn aile achte sittliche Grundsatze objectiven Gesetzen des Guten stehen, aber nicht dadurch als zu gesetzma-
gebracht zu werden. Und diese Befriedigung kann sie nirgend anders, als Bigen Handlungen genothige~ sondern von selbst, nach seiner subjectiven
in einer vollstandigen Kritik unserer Vernunft finden. Beschaffenheit nur durch die Vorstellung des Guten bestimmt werden.
Aile Imperativen gebieten entweder hypothetisch oder categorisch. Der
[537] Fortsetzung der im vorigen Stuck abgebrochenen Anzeige von des hypothetische Imperativ sagt nur, daB die Handlung entweder zu irgend
Hrn. Professor Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Zweyter Ab- einer moglichen, oder zu einer wiirklichen Absicht gut sey. Im ersten Fall
schnitt. In diesem Abschnitte wird zuvorderst von der U nzulanglichkeit ist er ein problematisch, im zweyten ein assertorisch praktisches Prinzip.
und U nsicherheit einer popularen auf Erfabrung und Beyspiele gegrunde- Der categorische Imperativ, der die Handlung als an sich gut und objectiv
ten Sittenlehre, und von der Nothwendigkeit einer reinen von allem Em- nothwendig erkl:irt, gilt als ein apodictisch praktisches Prinzip. Diese drey
pirischen abgesonderten VernunfterkenntniB, oder Metaphysik der Sitten Prinzipien glaubt der Verf. am angemessensten nach ihrer Ordnung so be-
gehandelt. Urn aber von einer popularen Philosophie bis zur Metaphysik nennen zu konnen; sie waren entweder Regeln der Geschicklichkei~ oder
durch die narurlichen Stufen fortzuschreiten, muB das praktische Ver· Rathschliige der Klughei~ oder Gebote, Gesetze der Sittlichkei~ durch welche
nunftvermogen, oder der Wille, von seinen allgemeinen Bestimmungs· Benennungen auch zugleich der Grad der Nothigung des Willens deutlich
regeln an, bis dahin, wo aus ihm der Begriff der Pflicht entspringt, verfolgt ausgedriickt wird. Der Imperativ der Geschicklichkeit [539] involvirt den
und deutlich dargestellt werden. Und [538] dieses bewiirkt nun der Verf. Satz: Wer den Zweck will, will auch, so fern die Vernunft auf seine Hand-
im Verfolg dieses Abschnitts. - Jedes Ding der Natur wiirkt nach Geset· lungen entscheidenden EinfluB hat, das dazu unentbehrlich nothwendige
zen. Nur vernunftige Geschopfe haben das Vermogen nach der Vorstellung Mittel, das in seiner Gewalt ist. In dem Wollen eines Objects, als meiner
der Gesetze, d. i. nach Prinzipien zu handeln, oder einen Willen. Da zur Wurkung, wird schon meine Caussalitat, als handelnde Ursache, d. i. der
Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vemunft erfodert wird, so ist Gebrauch der Mittel gedacht, und der Imperativ zieht den Begriff noth-
der Wille nichts anders als praktische Vernunft. Wenn die Vernunft den wendiger Handlungen zu diesem Zwecke, schon aus dem Begriffe eines
Willen unausbleiblich bestimmt, so sind die Handlungen eines solchen Wollens dieses Zwecks heraus; dieser Imperativ ist also, was das Wollen be-
Wesens, die als objectiv nothwendig erkannt werden, auch subjectiv noth- trift, ganz analytisch. Die Imperative der Klugheit wiirden mit dem vori-
wendig, d. i. der Wille ist ein Vemogen nur dasjenige zu wahlen, was die gen ganz ubereinkommen, und ebenfalls analytisch seyn, wenn es nur so
Vernunft, unabhangig von der Neigung, als praktisch nothwendig, d. i. als Ieicht ware, einen bestimmten Begriff von Gluckseligkeit zu geben. Allein
gut erkennt. Ist aber der Wille nicht an sich vollig der Vernunft gemas, bey dem ganzlichen Mangel eines solchen Begriffs, der daher ruhrt, daB
(wie es bey Menschen wiirklich ist,) so sind die Handlungen, die objectiv aile zu diesem Begriff gehorigen Elemente empirisch sind, und daB kein
als nothwendig erkannt werden, subjectiv zufiillig, und die Bestimmung Mensch nach irgend einem Grundsatz mit volliger GewiBheit zu bestim-
eines solchen Willens, objectiven Gesetzen gemas, ist Nothigung. Die Vor· men vermag, was ihn wahrhaftig glucklich machen werde, kann man auch
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nicht nach bestimmten Prinzipien handefn, urn gliicklich zu seyn, son-
dern nur nach empirischen RathschHigen, z. B. der Diat, Sparsamkeit,
I seyn. Gesetzt aber, es gabe etwas, dessen Daseyn an sich selbst einen absolu-
ten Werth hatte, was als Zweck an sich selbst ein Grund bestimmter Gesetze
Hoflichkeit, Zuriickhaltung u. s. w. als von welchen die Erfahrung lehrt, seyn konnte, so wiirde in ihm allein der Grund eines moglichen catego-
dall sie das Wohlbefinden im Durchschnitt am meisten befordern. Die Im- rischen Imperativs, d. i. praktischen Gesetzes, liegen. Der Mensch, und
perative der Klugheit gebieten also gar nicht, sondern sind eher fiir An- iiberhaupt ein jedes verniinftiges Wesen, existirt als Zweck an sich selbst,
rathungen, als Gebote der Vernunft zu achten; ja es ist gar kein Imperativ nicht bios als Mittel zum beliebigen Gebrauch fiir diesen und jenen Willen;
moglich, der im strengen Verstande gebote das zu thun, was gliicklich der daraus herfliessende categorische Imperativ ist also dieser: Handle so,
macht. Der Imperativ der Sittlichkeit ist durchaus categorisch, und lautet daft du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden
als ein praktisches Gesetz, das eine unbedingte Nothwendigkeit mit sich andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bios als Mitte~ brauchest. Dieses
fiihrt. Er ist ein synthetisch praktischer Satz a priori, und wird durch diese Prinzip ist nicht aus der Erfahrung entlehnt, erstlich wegen seiner Allge-
Forme! ausgedruckt: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zu· meinheit, zweytens, weil darin die Menschheit nicht als Zweck des Men-
gleich wollen kanns~ daft sie ein allgemeines Gesetz werde, oder: Handle so, schen (subjectiv) sondern als objectiver Zweck, der, wir mogen Zwecke
als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen haben, welche wir wollen, als Gesetz die oberste einschriinkende Bedin-
Naturgesetz werden sollte. Und aus diesem einzigen Imperativ miissen aile gung aller subjectiven Zwecke ausmachen soli, vorgestellt wird, mithin aus
Imperative der Pflicht, als aus ihrem Prinzip hergeleitet werden konnen. reiner Vernunft entspringen mull. Es liegt nemlich der Grund aller prak-
Man mull wollen konnen, dall eine Maxinie unserer Handlung ein allge- tischen Gesetzgebung objectiv in der Regel und der Form der Allgemein-
meines Gesetz werde; dies ist der Canon der moralischen Beurtheilung der heit, die sie ein Gesetz, (allenfalls Naturgesetz) zu seyn fahig macht, (nach
Pflichten iiberhaupt. U m die Realitat dieses praktischen Gesetzes, welches dem ersten Prinzip) subjectiv aber im Zwecke; das Subject aller Zwecke
schlechterdings und ohne aile Triebfedern fiir sich gebietet, zu beweisen, aber ist jedes verniinftige Wesen, als Zweck an sich selbst (nach dem zwey-
darf .die besondere Bescha!Jenheit der menschlichen Natur gar nicht in Be- ten Prinzip.) Hieraus folgt nun das dritte praktische Prinzip des Willens,
trachtung kommen, denn Pflicht soli praktisch unbedingte Nothwendig- als oberste Bedingung der Zusammenstimmung desselben mit der allge-
keit der Handlung seyn, sie mull also fiir aile verniinftige Wesen gelten, meinen praktischen Vernunft, die Idee des Willens jedes verniinfiigen We-
und allein darum auch fiir allen menschlichen Willen ein Gesetz seyn; sens, als eines allgemein gesetzgebenden Willens. Aile Maximen werden nach
und eben darin besteht der eigentliche iiber allen Preis erhabene Werth diesem Prinzip verworfen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung
eines schlechterdings guten Willens, dall das Prinzip der Handlung von des Willens nicht zusammen bestehen k6n{541]nen; und durch diese For-
allen Einfliissen zufalliger Griinde, [540] die nur Erfahrung an die Hand mel wird zugleich die Lollsagung von allem Interesse beym Wollen aus
geb~n kann, frey sey. - Vielmehr mull dieses Gesetz, wenn es ein solches Pflicht, als dem specifischen Unterscheidungszeichen des categorischen
gibt, vollig a priori schon mit dem Begriff des Willens verbunden seyn. vom hypothetischen Imperativ im Imperativ selbst ausgedruckt. Die bis-
Und urn diese Verkniipfung zu entdecken, mull man einen Schritt hinaus herigen Bemiihungen, das Prinzip der Sittlichkeit zu finden, musten aile
in die Metaphysik der Sitten thun. Der Wille wird als ein Vermogen ge- fehlschlagen, da man nicht daran dachte, dall der Mensch nur seiner
dacht, der Vorstellung gewisser Gesetze gemlis sich selbst zum handeln zu eigenen und dennoch allgemeinen Gesetzgebung unterworfen, und nur ver-
bestimmen. Was dem Willen zum objectiven Grund seiner Selbstbestim- bunden sey, seinem eigenen, dem Naturzwecke nach aber allgemein ge-
mung client, ist der Zweck, und dieser, wenn er durch blosse Vernunft ge- setzgebenden Willen gemas zu handeln. Statt dieses Willens schob man
geben wird, mull fiir aile Wesen gleich gelten. Was dagegen bios den irgend ein Interesse, als Reitz oder Zwang, das das Gesetz bey sich fiihrte,
Grund der Moglichkeit der Handlung enthiilt, deren Wiirkung Zweck ist, unter, und glaubte, dall der Mensch gesetzmallig von etwas anderm ge-
heillt das Mittel. Der subjective Grund des Begehrens, ist die Triebfeder; der nothiget wiirde, auf gewisse Weise zu handeln. Man bekam daher niemals
objective des Wollens, der Bewegungsgrund. Die Zwecke, die sich ein ver- Pflicht, sondern N othwendigkeit der Handlung aus einem gewissen In-
niinftiges Wesen als Wiirkungen seiner Handlung nach Belieben vorsetzt, teresse heraus, und der Imperativ muste jederzeit bedingt ausfallen. - Der
(materielle Zwecke) sind insgesammt nur relativ, haben keinen absoluten Verfasser nennt obiges Prinzip, das Prinzip der Autonomie des Willens, im
Werth, und konnen also nur der Grund zu hypothetischen Imperativen Gegensatz mit jedem andern, das er deshalb zur Heteronomie des Willens
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ziihlt. - Wei! aile vernunftige Wesen unte; dem Gesetze stehen, dail jedes der also niemals bios als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck in je-
derselben sich selbst und aile andern nicht bios als Mittel, sondern jeder- dem Wollen geschiitzt werden muB. Dieser kann nun nichts anders, als das
zeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln darf, so entspringt daraus verniinftige Wesen selbst seyn. Das Prinzip aber: Handle in Beziehung auf
eine systematische Verbindung vernunftiger Wesen durch gemeinschaft- ein jedes verniinftiges Wesen so, daB es in deiner Maxime zugleich als
liche objective Gesetze, d. i. ein Reich, welches, wei! diese Gesetze eben die Zweck an sich selbst gelte, ist demnach mit dem Grundsatze: Handle nach
Beziehung auf einander, als Zwecke und Mittel, zur Absicht haben, ein einer Maxime, die ihre eigene allgemeine Gultigkeit fiir jedes vernunftige
Reich der Zwecke (freylich nur ein Ideal) heissen kann. In wie fern jedes Wesen zugleich in sich enthiilt, im Grunde einerley. Hieraus folgt, dail
vernunftige Geschopf diesen Gesetzen selbst unterworfen ist, ist es in die- jedes vernunftige Wesen, als Zweck an sich selbst, sich in Ansehung aller
sem Reiche ein Glied, in wie fern es aber als selbstgesetzgebend keinem Gesetze, denen es nur unterworfen seyn mag, zugleich als allgemein ge-
Willen eines andern unterworfen ist, Oberhaupt. Moralitiit besteht also in setzgebend ansehen konne, und dail auf solche Weise eine Welt vernunfti-
der Beziehung aller Handlungen auf die Gesetzgebung, dadurch allein ein ger Wesen, als ein Reich der Zwecke, durch die eigene Gesetzgebung aller
Reich der Zwecke moglich ist. Hier ist also das Prinzip: Keine Handlung Glieder moglich sey. Hier ist das Prinzip der Maximen aller vernunftigen
nach einer andern Maxime zu thun, als so, daft der Wille durch seine Wesen: handle so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze
Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten konne. Die dienen sollte. Ein solches Reich der Zwecke wiirde nun durch Maximen,
praktische Nothwendigkeit nach diesem Prinzip zu handeln, ist Pjlich~ deren Regel der categorische Imperativ aller vernunftigen Wesen vor-
die nicht dem Oberhaupte im Reich der Zwecke, wohl aber jedem Gliede schreibt, wiirklich zu Staude kommen, wenn si.e allgemein befolgt wiirden.
in gleichem Maaile, zukommt. Im Reiche der Zwecke hat alles entweder Allein ob das vernunftige Wesen gleich darauf nicht rechnen kann, so
einen PreiB oder eine Wiirde; jener hat einen relativen, diese einen innern bleibt doch jenes Gesetz: handle nach Maximen eines allgemein gesetz-
Werth. Sittlichkeit und die Menschheit, so fern sie derselben fahig ist, hat gebenden Gliedes zu einem bios moglichen Reich der Zwecke, in seiner
allein Wiirde. Geschicklichkeit und FleiB im Arbeiten, haben einen vollen Kraft, wei! es categorisch gebietend ist. - Moralitiit ist also das Ver-
Marktpreill; Witz, lebhafte Einbildungskraft und Launen, einen Affections- hiiltnill der Handlungen zur Autonomie des Willens, d. i. zur moglichen
preiB; dagegen Treue im Versprechen, Wohlwollen aus Grundsiitzen, ha- allgemeinen Gesetzgebung durch die Maximen desselben. Die Handlung,
ben einen innern Werth; eine solche Denkungsart ist tiber allen PreiB die mit der Autonomie des Willens bestehen kann, ist erlauh gegentheils
unendlich erhaben, denn Natur und Kunst enthalten nichts, was sie, in unerlaubt. Ein heiliger, schlechterdings guter Wille ist, dessen Maxime
Ermangelung derselben, an ihre Stelle setzen konnten. [542] Das also, was nothwendig mit den Gesetzen der Au{543]tonomie zusammen stimmen.
die sittlich gute Gesinnung oder die Tugend zu so hohen Anspriichen be- Die Abhiingigkeit eines nicht schlechterdings guten Willens vom Prinzip
rechtiget, ist nichts geringeres, als der Antheil, den sie dem vernunftigen der Autonomie, ist Verbindlichkeit. Die objective Nothwendigkeit einer
Wesen an der allgemeinen Gesetzgebung verschaft, und es hierdurch zu Handlung aus Verbindlichkeit, heillt Pjlicht. Autonomie des Willens ist die
einem Gliede in einem moglichen Reiche der Zwecke tauglich macht. Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst, unabhiingig von
Und da die Gesetzgebung selbst, die allen Werth bestimmt, eben darum aller Beschaffenheit der Gegenstiinde des Wollens, ein Gesetz ist. Das Prin-
eine Wurde, unbedingten unvergleichbaren Werth haben muB, so ist Auto· zip der Autonomie ist also: nicht anders zu wahlen, als so, daB die Maxi-
nomi.e der Grund der Wurde der menschlichen und jeder vernunftigen men seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit
Natur. - Der Wille ist schlechterdings gu~ der nicht bose seyn, mithin des- begriffen seyn; und dieses ist das alleinige Prinzip der Moral. Wenn der
sen Maxime, wenn sie zu einem allgemeinen Gesetz gemacht wird, sich Wille hingegen in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Ge-
selbst niemals widerstreiten kann. U nd die Forme! eines schlechterdings setz sucht, das ihn bestimmen soli, so kommt Heteronomie heraus. Bier
guten Willens ist: Handle nach Maximen, die sich selbst zugleich als allgemei- gibt sich der Wille nicht selbst, sondern das Object durch sein VerhiiltniB
ne Naturgesetze zum Gegenstande haben konnen. Der Zweck eines schlech- zum Willen, gibt diesem das Gesetz. Hieraus entstehen nur hypothetische
terdings guten Willens, darf nicht als ein zu bewiirkender, als der jeden Imperative: ich soli etwas darum thun, wei! ich etwas anders wilL Ich soli z.
Willen nur relativ gut machen wiirde, sondern als selbststiindiger Zweck, B. nicht lugen, wenn ich bey Ehren bleiben will; dahingegen sagt der cate-
mithin nur negativ gedacht werden, d. i. dem niemals zuwider gehandelt, gorische Imperativ, ich soli nicht lugen, wenn mir auch lugen nicht die
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mindeste Schande zuzoge. - Aile unser~ bisherige Moral griindete sich auf einerley. Es ist aber nicht genug, bios umerm Willen Freyheit zuzuschrei-
hypothetische Imperative, die iiberall nicht dazu taugten, moralische Ge· ben, wir miissen ihn auch allen verniinftigen Wesen beyzulegen hinreichen-
setze darauf zu bauen; sie ste!lten nichts als Heteronomie des Willens zum den Grund haben, Sitt!ichkeit muB iiberhaupt fiir aile verniinftige Wesen
ersten Grunde der Sitt!ichkeit auf. Von dieser Beschaffenheit sind sowohl gelten, und Freyheit, als Eigenschaft des Willens aller verniinftigen mit
die empirischen, aus dem Prinzip der Gliickseligkeit, als die rationalen aus einem Willen begabten Wesen iiberhaupt a priori erwiesen werden. Diesen
dem Prinzip der Vollkommenheit hergeleiteten Grundsatze, wovon die Beweis fiihret der Verf. dadurch, daB er behauptet; ein jedes Wesen, das
erstern auf das physische und moralische Gefiihl, die letztern aber entwe-- nicht anders als unter der Idee der Freyheit handeln konne, sey eben
der auf den Vernunftbegriff der Vollkommenheit, oder auf den Begriff darum, in praktischer Riicksicht frey. Denn in einem jeden verniinftigen
einer selbststandigen Vollkommenheit (den Willen Gottes) als bestim- Wesen, das einen Willen hat, denken wir uns eine Vernunft, die praktisch
mende Ursachen unsers Willens gebauet sind. Die Untauglichkeit dieser ist, d. i. Caussalitat in Ansehung ibrer Objekte hat. Nun lasse sich aber
Prinzipien zur Griindung wahrer moralischer Gesetze, wird auf das Au- unmoglich eine [546) Vernunft denken, die, mit ihrem eigenen BewuBt-
genscheinlichste dargethan; und es thut uns leid, viele vortrefliche Stellen seyn, in Ansehung ihrer U rtheile anderwarts her eine Lenkung empfmge,
hier wegen Mangel an Raum iibergehen zu miissen. - Bisher ist nur durch wei! alsdann das Subjekt nicht seiner Vernunft, sondern einem Antriebe,
Entwicklung des einmal allgemein im Schwange gehenden Begriffs der die Bestimmung der Urtheilskraft zuschreiben wiirde. (Vielleicht laBt sich
Sitt!ichkeit gezeigt worden, daB eine Autonomie des Willens demselben dieser Beweis deut!icher und kiirzer so ausdriicken: In wie fern die Ver-
unvermeidlicher Weise anhange, oder vielmehr zum Grunde liege. Wer nunft in Ansehung ihrer Prinzipien nur von sich selbst abhangt, in so fern
also Sitt!ichkeit fiir Etwas, und nicht fiir eine chimarische Idee ohne ist der dadurch bestimmte Wille derselben auch frey.) Es ist aber nicht ge-
Wah~heit halt, muB das angefiihrte Prinzip derselben zugleich einraumen. nug, in der Idee der Freyheit eigentlich das moralische Gesetz, nemlich
DaB aber Sitt!ichkeit kein Hirngespinst sey, folgt alsdann, wenn der cate- das Princip der Autonomie des Willens selbst nur voraus zu setzen, son-
gorische Imperativ, und mit ibm die Autonomie des Willens wahr, und als dern seine Realitat und objektive Nothwendigkeit muB fur sich bewiesen
ein Prinzip a priori schlechterdings nothwendig ist. Solches zu zeigen, werden. Es ist eine dem gemeinsten Verstand einleuchtende Bemerkung,
wird ein miiglich[cr] synthetischer Gebrauch der reinen praktischen Vernunft daB aile Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkiihr kommen (wie die
erfodert, der aber nicht zu wagen ist, ohne eine Critik dieses Vernunft- der Sinne,) uns die Gegenstande nicht anders zu erkennen geben, als sie
vermogens selbst voran zu schicken. U nd deswegen werden von dem uns afficiren, wobey, was sie an sicb seyn mogen, uns unbekannt bleibt,
Verfasser in dem letzten Abschnitte [544] die zur Absicht desselben und daB wir durch diese Art Vorstel!ungen, auch bey der angestrengtesten
hinlanglichen Hauptziige von dieser Critik dargeste!lt. Aufmerksamkeit und Deut!icbkeit, doch bios zur Erkenntnill der Erschei-
nungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen konnen. Hieraus flieBt
[545] Dritter Abschnitt. Der Begriff der Freyheit ist der Schliissel zur Er- ein obgleich roher U nterscbied zwischen einer Sinnenwelt und Verstandes-
klarung der Autonomie des Willens. Der Wille ist eine Art von Caussalitat wel~ wovon die letztere immer dieselbe bleibt, da hingegen die erstere
lebender Wesen, sofern sie verniinftig sind; und Freyheit wiirde diejenige nach Verschiedenheit der Sinnlicbkeit in mancberley Weltbeschauern
Eigenschaft dieser Caussalitat seyn, da sie unabhangig von fremden sie be- auch sehr verscbieden seyn kann. So gar sich selbst und zwar nacb der
stimmenden Ursachen wiirkend seyn kann. Obgleich diese Erklarung der Kenntnill, die er durch innere Empfindung von sich hat, darf sich der
Freyheit negativ und daher, urn ihr Wesen einzusehen, unfruchtbar ist, so Mensch nicht anma1len zu erkennen, wie er an sicb selbst sey, ob er gleicb
flieBt doch aus ihr ein desto reichhaltigerer und fruchtbarer positiver Be- nothwendiger Weise tiber die aus lauter Erscheinungen zusammengesetzte
griff derselben. Da der Begriff von Caussalitat den von Gesetzen bey sich Bescbaffenheit seines eigenen Subjekts noch etwas anderes zum Grund
fiihrt, nach welchen Etwas, was wir U rsach nennen, etwas anderes, nem- liegendes, namlich sein Ich, so wie es an sich selbst beschaffen seyn mag,
lich die Folge, gesetzt werden muB: so ist die Freyheit eine Caussalitat annebmen und sich also, in Absicht auf die bloBe Wahrnehmung und
nach unwandelbaren Gesetzen. Die Freyheit des Willens ist also nichts als Empfanglicbkeit der Empfindungen, zur Sinnenwel~ in Ansehung dessen
Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu aber, was in ihm reine Thatigkeit seyn mag (dessen, was gar nicbt durch
seyn; also ist ein freyer Wille und ein Wille unter sitt!ichen Gesetzen Afficirung der Sinne, sondern unmittelbar zum Bewustseyn gelangt) sich
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zur intellektuellen Welt zahlen mull, die e; doch nicht weiter kennt. Ver- Standpunkt eines Gliedes der Verstandeswelt, wozu ihn die Idee der Frey-
miige der Vernunft, wodurch sich der Mensch von allen andern Dingen, ja heit von bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt unwillkiihrlich niithigt,
von sich selbst, so fern er durch Gegenstande afficiret wird, unterscheidet, und in welchem er sich eines guten Willens bewust ist, der fiir seinen bii-
mull sich der Mensch, so wie jedes verniinftige Wesen, als lntelligenz, nicht sen Willen, als Gliedes der Sinnenwelt, nach seinem eigenen Gestiindnisse
als zur Sinnen- sondern zur Verstandeswelt gehiirig, ansehen; mithin hat das Gesetz ausmacht, dessen Ansehn er kennt, indem er es iibertritt. Das
jedes verniinftige Wesen zwey Standpunkte, daraus es sich selbst betrachten moralische Sollen ist also eigenes nothwendiges Wollen als Gliedes einer
und Gesetze des Gebrauchs seiner Kriifte, folglich aller seiner Handlungen intelligiblen Welt, und wird nur so fern von ihm als Sollen gedacht, als er
erkennen kann, einmal, so fern es zur Sinnenwelt gehiirt, unter Naturge- sich zugleich wie ein Glied der Sinnenwelt betrachtet. Zuletzt wird ge-
setzen (Heteronomie) zweytens, als zur intelligiblen Welt gehiirig, unter zeigt, da!l zwischen Freyheit und Naturnothwendigkeit ebenderselben
I
Gesetzen, die von der Natur unabhangig, nicht empirisch, sondern bios in menschlichen Handlungen kein wahrer Widerspruch angetroffen werde,
der Vernunft [547] gegriindet sind. Als ein verniinftiges zur intelligiblen wei!, [548] wenn sogar der Gedanke von der Freyheit sich selbst, oder der
Welt gehiiriges Wesen, kann der Mensch die Caussalitat seines eigenen Natur, die eben so nothwendig ist, widersprache, die Freyheit gegen die
Willens niemals anders als unter der Idee der Freyheit denken, denn Un- Nothwendigkeit durchaus aufgegeben werden miiste. Die speculative Phi-
abhangigkeit von den bestimmten Ursachen der Sinnenwelt (dergleichen losophie bewiirkt dieses dadurch, da!l sie zeigt, die Tauschung wegen des
die Vernunft sich selbst beilegen mull) ist Freyheit. Mit der Idee der Frey- Widerspruchs beruhe darin, da!l wir den Menschen in einem andern Sin-
heit ist nun der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden, mit die- ne und Verhaltnisse denken, wenn wir ihn frey nennen, und wieder in ei-
sem aber das allgemeine Prinzip der Sitt!ichkeit, welches in der Idee allen nem andern, wenn wir ihn als Stiick der Natur den Gesetzen derselben
Handlungen vemiinftiger Wesen eben so zum Grunde liegt, als Natur- fiir unterworfen halten, und da!l beyde nicht allein gar wohl beysammen
gesetz allen Erscheinungen. Und auf diese Art hat der Verf. den Verdacht bestehen konnen, sondern auch als nothwendig vereiniget in demselben
gehoben, als ware ein geheimer Zirkel in seinem Schlusse aus der Freyheit Subjekt gedacht werden miissen. Da!l aber ein zur Sinnenwelt gehiiriges
auf die Autonomie und aus dieser aufs sittliche Gesetz vorhanden. Und Ding in der Erscheinung gewissen Gesetzen unterworfen ist, von welchen
dieses leitet ihn zur Beantw. der Frage: Wie ist ein categorischer Imperativ eben dasselbe, als Ding oder Wesen an sich selbs~ unabhiingig ist, enthalt
miiglich? Dadurch, da!l die Idee der Freyheit mich zu einem Gliede einer nicht den mindesten Widerspruch. Da!l man sich aber selbst auf diese
intelligiblen Welt macht, wodurch, wenn ich bios ein solches ware, aile zwiefache Art vorstellen und denken miisse, beruht, was das erste betrift
meine Handlungen der Autonomie des Willens jederzeit gemas seyn wur- (nemlich wenn man sich als Phiinomen in der Sinnenwelt betrachtet) auf
den, da ich mich aber zugleich als Glied der Sinnenwelt anschaue, gemas dem Bewustseyn seiner selbst, als eines durch Sinne afficirten Gegen-
seyn sollen, welches categorische Sollen einen synthetischen Satz a priori standes, was das zweyte anlangt, auf dem Bewustseyn seiner selbst als
vorstellt, dadurch, da!l tiber meinen durch sinnliche Begierden afficirten Intelligenz, d. i. als unabhiingig im Vernunftgebrauch von sinnlichen
Willen noch die Idee ebendesselben aber zur Verstandeswelt gehiirigen, Eindriicken, mithin als zur Verstandeswelt gehiirig. Dadurch, da!l die
reinen, fiir sich selbst praktischen Willens hinzukiimmt, welcher die ober- praktische Vernunft sich in eine Verstandeswelt hinein denk~ iiberschreitet
ste Bedingung des erstern nach der Vernunft enthalt. Die Richtigkeit die- sie gar nicht ihre Grenze, wohl aber, wenn sie sich hinein schauen, hinein
ser Deduction wird durch den praktischen Gebrauch der gemeinen Men- empfinden wollte. Jenes ist nur ein negativer Gedanke in Ansehung der
schenvernunft bestiitiget. Es ist Niemand selbst der argste Biisewicht, der Sinnenwelt, die der Vernunft in Bestimmung des Willens keine Gesetze
nicht, wenn man ihm Beyspiele der Redlichkeit in Absichten, der Stand- gibt. Wenn aber die Vernunft noch ein Objekt des Willens, d. i. eine Beweg-
haftigkeit in Befolgung guter Maximen, u. s. w. vorlegt, wiinschen sollte, ursache aus der Verstandeswelt herholen wollte, so iiberschritte sie ihre
da!l er auch so gesinnt seyn miichte. Er beweiset dadurch, da!l er mit ei- Grenzen, und ma!lte sich an, etwas zu kennen, wovon sie nichts wei!l. Der
nem Willen, der von Antrieben der Sinnlichkeit frey ist, sich in Gedanken Begriff einer Verstandeswelt ist also nur ein Standpunk~ den die Vernunft
in eine ganz andere Ordnung der Dinge versetzt, wo er keine Vergniigung sich geniithigt sieht, auller den Erscheinungen zu nehmen, urn sich selbst
der Begierden, sondern nur einen griillern innern Werth seiner Person er- als praktisch zu denken, welches, wenn die Einfliisse der Sinnlichkeit fiir
warten kann. Er tritt aus der Sinnenwelt heraus und versetzt sich in den den Menschen bestimmend waren, nicht miiglich seyn wiirde, welches
196 \!lotbaifd)e gdebrte ,3eitungen - 20. August 1785 3enaifd)e geleb!te ,3eitungen - 26. August 1785 197
aber doch nothwendig ist, wofern ihm nicht • das Bewustseyn seiner selbst, gend. Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung,
als Intelligenz, mithin als verniinftige und durch Vernunft thatige, d. i. welche aber zu bestimmen auch schon darum von groller Wichtigkeit ist,
frey wiirkende U rsach abgesprochen werden soil. Dieser Gedanke fiihrt damit die Vernunft nicht einerseits in der Sinnenwelt, auf eine den Sitten
freylich die Idee einer andern Ordnung und Gesetzgebung, als die des Na- schadliche Art, nach der obersten Bewegursache und einem begreiflichen
turmechanismus, der die Sinnenwelt trift, herbey, und macht den Begriff aber empirischen Interesse herumsuche, andrer Seits aber, damit sie auch
einer intelligiblen Welt (d. i. das Ganze verniinftiger Wesen, als Dinge an nicht in dem fiir sie leeren Raum transcendenter Begriffe, unter dem Na-
sich,) nothwendig, aber die Vernunft mai!t sich hier im mindesten nicht men intelligibler Welt kraftlos ihre Fliigel schwinge, ohne von der Stelle
an, hier weiter, als bios ihrer forma/en Bedingung nach, d. i. der Allge- zu kommen und sich unter Hirngespinsten verliere. Da es demnach ein
meinheit der Maxime des Willens, als Gesetz, mithin der Autonomie des wesentliches Prinzip alles Gebrauchs unserer Vernunft ist, ihr Erkenntnill
letztern, die allein mit der Freyheit desselben bestehen kann, ge{549Jmas bis zum Bewustseyn ihrer Nothwendigkeit zu [550] treiben; aber auch
zu denken. Nur alsdann wiirde die Vernunft aile ihre Grenze iiberschrei- zugleich eine eben so wesentliche Einscbrankung eben derselben Vernunft
ten, wenn sie es sich zu erkliiren unterfinge, wie reine Vernunft praktisch ist, dai! sie weder die Nothwendigkeit dessen, was da ist, oder was ge-
seyn konne, welches viillig einerley mit der Aufgabe seyn wiirde, wie schieht, noch dessen was geschehen soli, einsehen kann, wenn nicht eine
Freyheit moglich sey. Denn es Hillt sich nichts erklaren, als was wir auf Ge- Bedingung, unter der es da ist, oder geschieht, oder geschehen soli, zum
setze zuriickfiihren konnen, deren Gegenstand in irgend einer moglichen Grunde gelegt wird, so ist es kein Tadel fiir diese Deduction des obersten
Erfahrung gegeben werden kann. F reyheit "ist aber eine blolle Idee, deren Prinzips der Moralitiit, sondern ein Vorwurf, den man der menschlichen
objective Realitat auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht Vernunft iiberhaupt machen miiste, dai! sie ein unbedingtes praktisches
in irgend einer miiglichen Erfahrung, dargethan werden kann, die also Gesetz, dergleichen der categorische Imperativ seyn mull, seiner absoluten
darum, wei! ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beyspiel un- N othwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann. - Bey der Reichhal-
tergelegt werden mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden tigkeit und dem Zusammenhange der Begriffe und Ideen dieses Buchs
kann. Ob sich aber die Freyheit gleich nicht erklaren last, so haben die, werden sich unsere Leser nun nicht wundern, dai! die Anzeige davon so
welche die Freyheit dreust fiir unmiiglich halten, gleichwohl noch nicht weitliiuftig ausgefallen ist. Mit einem Plan en gros, der bios die Methode
gewonnen Spiel; man kann sich gegen sie vertheidigen, ihre Einwiirfe ab- darlegte, wiirde niemanden gedient gewesen seyn, und wenn wir uns kiir-
treiben, indem man ihnen zeigt, dai! ihr vermeintlich gefundener Wider- zer hiitten fassen wollen, wiirde solches der Verstandlichkeit und der Ein-
spruch darin liege, dai! sie den Menschen da, wo sie ihn als Intelligenz sicht in den Zusammenhang geschadet haben. Es wiirde uns freuen, wenn
doch auch als Ding an sich selbst denken sollten, noch immer als Erschei- auch wir durch unsere Anzeige etwas dazu beytriigen, dieses Werk, wo-
nung betrachten. Die Frage also: wie ein categorischer Imperativ miiglich durch die menschliche Erkenntnill von neuem auf eine hohere Stufe
sey, kann zwar so weit beantwortet werden, als man die einzige Vorausset- gebracht wird, in griillern Umlauf zu bringen. Ubrigens wiinschen wir
zung angeben kann, unter der er allein miiglich ist, nemlich die Idee der unserm vortreflichen Weltweisen eine dauerhafte Gesundheit, urn sein an-
Freyheit, imgleichen als man die Nothwendigkeit dieser Voraussetzung gefangenes grolles Werk ganz zu vollenden, und der Welt auch die iibrigen
einsehen kann, welches zum praktischen Gebrauche der Vernunft, d. i. zur Theile der Philosophie, besonders des Natur- und allgemeinen Staats-
Uberzeugung von der Gultigkeit dieses Imperativs, mithin auch des sittli- rechts, wozu schon hier und da die Spuren sichtbar sind, auf eben die Art
chen Gesetzes hinreichend ist; aber wie diese Voraussetzung selbst miiglich behandelt mittheilen zu kiinnen.
sey, wie die reine Vernunft, ohne andre Triebfedern, fiir sich selbst peak-
tisch seyn, d. i. wie das blofte Prinzip der Allgemeinheit alter ihrer Maximen
als Gesetze, ohne aile Materie oder Gegenstand des Willens, woran man
.t!.efp~ig.
zum voraus irgend ein Interesse nehmen diirfte, fiir sich selbst eine Trieb-
feder abgeben und ein Interesse, welches rein moralisch heillen wiirde, be- Bey Schwickert: Ernst Platners philosophische Aphorismen, nebst eini-
wiirken, oder mit andern Worten: wie reine Vernunft praktisch seyn konne, gen Anleitungen zur philosophischen Geschichte. Erster Tbeil, neue umge-
das zu erklaren, dazu ist aile menschliche Vernunft ganzlich unvermii- arbeitete Ausgabe 550 Seiten in Octav. Diell bekannte und niitzliche Buch
198 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 2. September 1785 Platners Aphorismen 199
ist bier und da veriindert, merklich vermehrt, und verbessert worden. Auf den wir doch am Ende wenigstens fiir dismal unsre Hofnung vereitelt. Je-
Kants Kritik der reinen Vernunft hat der Hr Verfasser nur selten Rtick- nes Versprechen war nun dadurch, daB das Blatt, auf welchem es stand,
sicht genommen, und giebt selbst in der Vorrede zur Ursache an, daB umgedruckt war, zuriickgenommen, und in der Vorrede fanden wir dafiir
seine Absicht und der eingeschriinkte Raum eine Ausbreitung tiber das folgende Erklarung: .Gern, sehr gern hiitte ich mich tiber Kants Critik
Kantische Buch nicht verstattet hatte. Der Recensent halt auch selbst da- der reinen Vernunft allenthalben weitlaufig ausgebreitet, wenn es in so
fiir, daB das Kantische Buch im ganzen Umfange eine besondere Priifung engen Schranken des Raums und des Endzwecks miiglich gewesen ware.
verdiene, und wiinscht, daB ein Philosoph die Kantische Gedanken in Ich fiihle es ganz, wie unbedeutend die Rticksichten sind, die ich hie und
mehreres Licht setzen oder popularisiren, und mit einer griindlichen Be- da auf dieses wichtige Werk genommen habe. IndeB sind sie doch fiir mei-
urtheilung begleiten miichte. DieB wiirde weit mehr Nutzen bringen, ne Absicht hinreichend, wenn sie mir Gelegenheit geben, meine Zuhiirer
als wenn man hier und da iiber einzelne Ideen und Siitze des beriihmten nicht allein mit dem Inhalte desselben bekannt zu machen, sondern auch
Kant gelegentlich seine Gedanken ausert. Hoffentlich wird dieser Wunsch jenen wahren und heilsamen metaphysischen Zweifelgeist in ihnen zu
nicht unerfiillt bleiben, da die Wichtigkeit der Sache zu einleuchtend ist. erwecken, der ohne aile Resultate der Philosophie ganz zu zerstiiren, den
Denn gewifl [538] verdienen viele Behauptungen des Hn Kant Beyfall, eitlen Demonstrir- und Systemgeist in die Schranken des menschlichen
andere aber sind einer nahern Untersuchung werth. Wie viele Satze und Erkenntnisses zuriickbringt, und der muthigen Einbildungskraft des spe-
Beweise vieler neuern Philosophen fallen nicht weg,. wenn das sogenannte culativen Denkens immer den Zaum der Vernunft fiihlen Iaiit."
principium indiscernibilium nicht auf sicheni Grunden ruhet, welches lezte- Einigermallen entschadigte uns nun zwar diese Erklarung fiir die fehlge-
re Hr Kant annimmt, und der Recensent vorlangst behauptet hat. Anderer schlagne Hofnung, die wir uns gemacht hatten, Hn. Platner iifter auf Hn.
Beyspiele nicht zu gedenken. Die Vermehrungen und Verbesserungen des Kants Wege anzutreffen, und entweder Beystimmung, oder Widerspruch
Platnerischen Buchs hier einzeln anzufiihren, wiirde zu weitlauftig fallen, gegen seine Grundsatze zu finden. Hr. P. thut allerdings schon sehr vie!,
zumal da ohnehin jeder Philosoph sich das Buch, wenn er auch schon die wenn er nur in seinen Vorlesungen manchen philosophischen Kopf unter
altere Ausgabe hatte, anschaffen wird. seinen Zuhiirern aufmuntert Kants Critik d. r. V. zu studiren. Man kann
sich iiberhaupt immer mehr darauf Rechnung machen, daB dieses Buch
durch jiingere Denker, als durch Philosophen, die bey ihrem System alt
und grau geworden sind, betriichtliche Wirkung hervorbringen, und die
heilsame Revolution, urn derentwillen es geschrieben ist, befiirdern und
L EIPZIG, im Schwickertschen Verlage: Ernst Platners philosophische
Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Ge-
schichte; Erster Tbeil. Neue durchaus umgearbeitete Ausgabe. 550. S. 8.
zu Stande bringen werde. Zu dieser Absicht ist es in der That vortheil-
hafter, viele dahin zu bringen, daB sie sich in das Werk selbst hinein
studieren, als durch einzelne abgeriflne Stucke davon, falsche oder unvoll-
Der scharfsinnige Verfasser hat in dieser neuen Ausgabe nicht bios hie standige Begriffe davon zu veranlassen. Man kann auch fiiglich mit An-
und da Abanderungen und Zusatze gemacht, sondern, wie man auch, da wendung der Kantischen Critik der r. V. in metaphysischen Lehrbiichern
er zu den seltenen Mannern gehiirt, denen Philosophie am Herzen liegt, so lange noch Anstand nehmen, bis dieser Philosoph selbst die Metaphy-
von ihm erwarten konnte, das Lehrbuch viillig umgearbeitet, und sowohl sik der Natur, und die Metaphysik der Sitten nach seinem Plan geliefert,
dem Inhalt betriichtliche Vermehrungen gegeben, als auch in der Form und vielleicht auch, welches wir sehr wiinschen, die Analytik der Verstan-
vieles geandert. Ob wir nun zwar von Hn. Platner, unter allen unsern phi- desbegriffe hinzugethan haben wird.
losophischen Schriftstellern, am ersten erwarteten, daB er bey dieser neuen Ob wir nun gleich darinn Hn. Platner ganzlich beyfallen miissen, daB
Ausgabe auf die Kantische Critik der reinen Vernunft genaue und voll- eine vollstandige und genauere Priifung des Kantischen Werks, nach der
standige Rticksicht nehmen wiirde, und in dieser Erwartung dadurch be- einmal gemachten Anlage dieser Aphorismen, der Raum nicht verstattet
starkt wurden, d'!il er selbst auf einem der ersten Bogen, die wir vor der haben wiirde, so wiinschten wir doch sehr, daB er in einer eignen Schrift
Vollendung des Abdrucks zu Gesicht bekamen, zum Beschlusse dieser die Eriirterung, wo nicht des Ganzen, doch derjenigen Punkte, in welchen
Aphorismen eine Untersuchung des Kantischen Werks versprach, so fan- er von Hn. Kant abweichen zu miissen glaubt, unternahme. Es ist un-
200 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 2. September 1785 Platne rs Aphorismen 201
•
glaublich, was viele unsrer dermaligen wirklichen oder sogenannten Philo- in einer Reihe zu denken, eine Form der sinnlichen Vorstellung nennen,
sophen bey einem Anlasse, der sie doch so nahe angeht, fiir eine Triigheit so kann man allerdings sagen, daB er, wie Hr. Kant sich ausdriickt, die
beweisen oder affectiren. DaB in einer gewissen Stadt Kants Werk in einem subjectivische Bedingung der Sinnlichkeit sey. Iedoch gilt das nur in Bezie-
Tage von sechs oder mehrern Personen gefodert, und eben so oft bald wie- hung auf den Sinn des Gesichts; daher sehe ich nicht ein, wie Hr. Kant sei-
der zuriickgeschickt worden, ist sehr begreiflich. Dis waren Geschaftsmiin- nen Lehrsatz in dem groBen U mfang, welchen er ihm nachher giebt, auf
ner oder Leute, die nur lesen wollten, urn sich zu zerstreuen. Und es ist die Denkart der Blindgebohrnen anwenden und gegen den so leichten als
eben gar nicht nothig, daB jedermann Metaphysik studiere. Aber Manner, wahren Einwurf, daB diese ohne dergleichen Urform der Sinnlichkeit
die [266] auf Universitaten Metaphysik lesen, sollten sie doch wohl auch dennoch sinnliche Vorstellungen haben, behaupten wolle." Aber dieser
studiren? Und dennoch ist uns versichert worden, es gebe auf einigen deut- Einwurf ist sogleich gehoben, wenn man bedenkt, daB die Platnerische
schen Universitaten Professoren der Metaphysik, die vor den sammtlichen Voraussetzung, als ob die Vorstellung des Raums, urspriinglich eine Ge-
Herrn Zuhorern urkundeten und bekennten, wasmaBen sie Kants Critik sichtsvorstellung einer stetigen Ausdehnung sey, exclusiv genommen, nicht
der reinen Vernunft bis auf den heutigen Tag noch nicht gelesen hiitten. erwiesen werden kann. DaB alle Blindgebohrnen Vorstellungen vom
Faciunt scilicet officium taliter qua/iter, et sinunt philosophiam vadere sicut Raum, von seiner dreyfachen Ausmessung haben, folglich auch durch das
vadit Gefiihl die Geometrie erlernen konnen, ist ja ganz unstreitig. U nd hier
Nicht so Hr. Platner. Man bemerkt in vielen Stellen dieser neuen Auf- wird also die Vorstellung vom Raum an sich mit einer empirischen
lage seiner Aphorismen, daB er Hrn. Karits Werk durchdacht, und seine Anwendung, wie sie bey Sehenden statt findet, verwechselt. Wenn ferner
Siitze mit den bisher angenommenen verglichen habe. Er fiihrt ihn gleich Hr. P. §. 964. zwar zugiebt, daB der Begriff Substanz, wenn man ihm die
§. 24. bey dem Beweise an, der von dem Unterschiede zwischen der Seele Beharrlichkeit nimmt, weiter nichts als logisches Subject heist, hingegen
und dem Korper aus dem Selbstgefiihl gefiihrt wird. Dieser Beweis, der Hn. Kant nicht einriiumt, daB das Selbstbewustseyn kein Beweis von der
Ufl$ sonst, in der schOnen Ausfiihrung des Reimarus, so tiberzeugend vor- numerischen Identitiit der Seele sey, so behauptet er, daB es hier auf zwo
kam, befriedigt uns itzt doch auch nicht mehr. Woher will man den Satz Fragen ankomme 1) ob es moglich sey, wie Hr. K. voraussetzt, daB das
nehmen, den Hr. P. hier noch wieder aufstellt §. 22? Eben so klar empfin- SelbstbewuBtseyn einer stets fortdaurenden Identitat aus einer Vorstel-
de ich das Ich oder das Selbst [d. i. die Seele] als etwas von allen nahmhaften lungskraft in die andre iibergehen und also unter dem verborgenen Wech-
Theilen des Korpers Unterschiedenes. Freylich daB die Seele nicht die sel der numerischen Identitat fortdauern konne; 2) ob, wenn auch dieses
Hand, nicht der FuB, nicht das Auge ist, das erkennet man wohl {daB man statt finde, etwas bedeutendes daraus folgen wiirde. Was die erste Frage an-
es empfinde, laBt sich nicht sagen) aber woher weiB man denn so zuverlas- betrifft, so setzt Hr. Platner der Moglichkeit jener Voraussetzung im
sig, daB die Seele auch noch etwas vom Gehirne verschiednes sey, mittelst Grunde nichts anders entgegen, als den Satz, daB in zwo Vorstell-Kriiften
des Selbstgefiihls? Da keine menschliche Seele in diesem Leben in den Fall nicht vollig einerley Bewustseyn statt finden konne, welches am Ende auf
kommt, sich von dem Gehirne ganz zu trennen, wie sie sich von FuB und weiter keinem Grunde, als dem Principio indiscernibilium beruhet, von
Hand trennen kann, so bleibt ja vollig unentschieden, ob nicht zum welchem Hr. K. eben liiugnet, daB es als ein apodiktisch erwiesenes
Selbstgefiihl ein gewisser Theil des Gehirns selbst nothwendig sey. DaB Principium gelten konne. Auf die zweyte Frage kann sich Hr. K. die Plat-
also nid.t der ganze Korper mit dem Ich oder der Seele einerley sey, laBt nerische Antwort vollkommen gefallen lassen, da es ihm gar nicht urn die
sich aus den Fallen mit Zuverlassigkeit schlieBen, wo Theile des Korpers Folgen des Satzes, sondern urn die Frage, ob der SchluB vom Selbstbewust-
abgetrennt werden, ohne daB das Ich dabey verlieret; daB aber das Ich oder seyn der numerischen Identitiit, auf die Wirklichkeit dieser Identitat selbst
die Seele von allen und jeden nahmhaften Theilen des Korpers verschie- apodiktische Biindigkeit habe, zu thun war.
den sey, kann wenigstens aus dem Selbstgefiihl nimmermehr dargethan Bey der Lehre von der Einfachheit der Seele §. 873. erinnert Hr. Platner,
werden. daB Hr. Kant den Beweis dieses Satzes, der daher genommen wird, wei]
An einem andern Orte bey Gelegenheit der Vorstellungen vom Raum, Gedanken in einem zusammengesetzten Dinge unmoglich seyn, deswegen
gedenkt Hr. Platner der Kantischen Erkliirung und sagt unter andern: bestreite, weil er ohne Grund voraussetze, daB derselbe auf dem Selbstge-
"Will man nun diese Eigenschaft unsrer Seele, sich alle gleichzeitige Dinge fiihl unsers Ich beruhe. "Nein, fiigt er hinzu, er beruhet bios auf dem Sat-
1
202 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 2. September 1785 ltlcnfmiir~tgfeitcn aut5 ~" p~ilofop91fd)en Weft - 3. Quartall785 203
:ze; dail das was denkt Eins S"J\ und nicht .Jiele." Allein eben dieses sah der und die Freyheit im Denken und Handeln bis zum Atheismus und
Kiinigsbergische Philosoph sehr wahl ein, indem er (S. 352. d. Cr. d. r. V.) Selbstmord. Hier schmahet sie bald die Vernunft, bald die Sittlichkeit des
ausdriicklich sagte: "der sogenannte nervus probandi dieses Arguments Menschengeschlechts, und findet tiberall nichts als Irrthum und Thorheit
liegt in dem Sat:ze: daB viele Vorstellungen in der absoluten Einheit des oder glanzende Laster; dart schildert sie den Menschen als einen Abglanz
denkenden Subjects enthalten seyn mtissen, urn einen Gedanken auszu- der himmlischen Weisheit und Tugend. Hier angstet sie sich in dem
machen" und hierauf :zeigte, daB man diesen Satz weder aus Begriffen, es sey Schauspiel der irdischen Leiden; dart siehet sie in dem Zustande der Le-
nun analytisch oder synthetisch, noch aus der Erfahrung beweisen kiinne. bendigen nichts als Gltickseligkeit und Wonne." N och bemerkt er, daB
Dis waren ungefehr (verschiedne kleine Nebenpunkte abgerechnet) die theils von der historischen, theils von der philosophischen Schwarmerey
vornehmsten [267] Satze, bey denen in dieser neuen Auflage der philoso- die theologische abstamme, und eine eigne Art der letztern die apokalyp-
phischen Aphorismen auf Kants Behauptungen Rticksicht genommen tische sey.
worden. Viele seiner wichtigsten Neuerungen sind ganzlich tibergangen In Absicht des Ausdrucks ist uns in dieser Ausgabe eine Besonderheit
worden, z. B. das System der reinen Verstandsbegriffe, die Critik der aufgefallen, von der wir uns keinen befriedigenden Grund anzugeben
sammtl. speculativen Theologie u. a. m. Desto mehr ist von einem Philo- wuBten, obgleich Hr. P. dadurch vielleicht mehr Deutlichkeit zu erhalten
sophen, der unaufhiirlich an seinem Gedankensystem zu berichtigen gesucht hat. Anstatt zu sagen: "Ideen, welche vormals zu gleicher Zeit in
bestrebt ist, und der S. 102. mit einer eben so edeln als seltenen Selbst- das GedachtniB eingegangen waren, sagt er: Ideen, welche vormals zu
verlaugnung sagt, "meine beyden Schriften, de vi corporis in memoria, gleicher Zeit eingegangen waren in das GedachtniB," anstatt zu sagen: "die
wiinschte ich vergessen zu sehen. Die erste, welche das Psychologische ent- ausdtinstenden Theilchen driicken die Art und Thatigkeit aus" sagt er:
halt, taugt gar nichts" zu erwarten, dail er bey einer dritten Auflage dahin "die ausdtinstenden Theilchen driicken aus die Art und Thatigkeit." Wir
Bedacht nehmen werde, tiefer in die Griinde einzugehn, womit der bemerken dieses bios, wei! es eine Anmailung wider den Sprachgebrauch
Kiinigsbergische Philosoph die bisherige Metaphysik angegriffen hat; oder ist, die man einem Platner wohl nachsehn kann, gegen die man aber zum
auch daB er noch vorher, wie wir schon gewiinscht haben, dieser Untersu- voraus protestiren muB, wenn sich Nachahmer finden sollten, die sich,
chung eine eigne Schrift widmen werde. wenn sie ihm auch weiter nichts als diese Art von Gallicismus nachthun
Sonst haben, wie schon bemerkt worden, fast aile Kapitel betrachtliche kiinnten, einbilden miichten, se germanos esse Platneros.
Verbesserungen erhalten. Es ist eine fiir den Liebhaber der Philosophie
angenehme Unterhaltung, beide Auflagen genau mit einander zu verglei-
chen. U m nur ein Beyspiel anzufiihren, so hatte H. P. die Schwarmerey in
der .ersten Auflage in die asthetische, leidenschaftliche und moralische
eingetheilt. Jetzt setzt er noch die wissenschaftliche hinzu: "diese Art der
l!lrunblagc hUt 'lJlctap~tfi! bcr e>tttcn oon Jmmanue[ .ltant. :lliga, 6ei i)o~.
U rtheile iiber Handlungen als solche, die h~tten geschehen sol/en, ob sie praktisch seyn, d. h. zu erklaren, wie Freiheit moglich sei. Denn wir kiin-
gleich nicht geschehen sind. Gleichwohl scheint Freiheit und Naturnoth- nen nichts erklaren, als was wir auf Gesezze zuriikfiihren kiinnen, deren
wendigkeit, nach welcher alles, was geschieht, [461] nach Naturgesezzen Gegenstand in irgend einer miiglichen Erfahrung gegeben werden kann.
unausbleiblich bestimmt ist, mit einander in Widerspruch zu stehn. Auch Freiheit aber ist eine blosse Idee, deren objektive Realitat auf keine Weise
ist es unmiiglich, diesen Widerspruch zu heben, wenn das Subjekt, was nach Naturgesezzen, mithin auch nicht in irgend einer miiglichen Erfah-
sich frei diinkt, sich selbst in demselben Sinne, oder in eben demselben Ver- rung, dargethan werden kann, die also darum, wei! ihr selbst niemals noch
hiiltnisse dachte, wenn es sich frei nennt, als wenn es sich in Absicht auf irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden mag, niemals begrif-
die namliche Handlung dem Naturgesezze unterworfen, annimmt. Alles fen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt nur als nothwendige
kommt hiebei auf folgende Betrachtung an. Der Mensch, der sich als Intel- Voraussezzung der Vernunft in einem Wesen, das sich eines Willens, d. i.
ligenz mit einem Willen, folglich mit Caussalitat begabt, betrachtet, sezt eines vom blossen Begehrungsvermiigen noch verschiedenen Vermiigens,
sich dadurch in eine ganz andere Ordnung der Dinge und in ein Verhiilt- (namlich sich zum Handeln als Intelligenz, mithin nach Gesezzen der Ver-
niB zu bestimmenden Griinden von ganz anderer Art, als wenn er sich, nunft, unabhangig von Naturinstinkten, zu bestimmen), bewuBt zu seyn
wie Phanomen in der Sinnenwelt, (welches er wirklich auch ist), wahr- glaubt. Wo aber Bestimmung nach Naturgesezzen aufhiirt, da hiirt auch
nimmt und seine Caussalit3.t, ausset:er Bestimmung nach, Naturgesezzen aile Erkliirung auf, und es bleibt nichts iibrig, als Vertheidigung, d. i. Ab-
unterwirft. Nun wird er bald inne: daB beides zugleich statt finden kiinne, treibung der Einwiirfe derer, welche Freiheit fiir ganz unmiiglich erklaren.
ja so gar miisse. Denn, daB ein Ding in der Erscheinung, (das zur Sinnen- Der vermeintliche Widerspruch entsteht namlich daher, daB, wenn sie den
welt. gehiirig), gewissen Gesezzen unterworfen ist, von welchen eben das- Menschen als Intelligenz, doch auch als Ding [464] an sich selbst, denken
sel be; als Ding oder Wesen an sich selbs~ unabhangig ist, enthiilt nicht den sollen, sie ihn immer auch da noch als Erscheinung betrachten. Aller
mindesten Widerspruch. DaB er sich selbst aber auf diese zweifache Art Widerspruch aber verschwindet, so bald sie sich besinnen, daB hinter den
vorstellen und denken miisse, beruht, was das erste betrift, auf dem Be- Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst zum Grunde liegen miissen,
wuB~ein seiner selbst, als durch Sinne afficirten [462] Gegenstandes; was von deren Wirkungsgesezzen man nicht verlangen kann, daB sie mit
das-~eite anlangt, auf dem BewuBtsein seiner selbst, als Intelligenz, d. i. denen einerlei seyn sollten, unter welchen die Erscheinungen stehen.
als unabhangig im Vernunftgebrauch von sinnlichen Eindriikken, (mithin Die subjektive Unmiiglichkeit, die Freiheit des Willens zu erkliiren, ist
als zur Verstandeswelt gehiirig). Daher kommt es, daB der Mensch sich mit der Unmiiglichkeit, ein Interesse (Interesse ist das, wodurch Vernunft
eines Willens anmaBt, der nichts auf seine Rechnung kommen laBt, was praktisch, d. i. eine den Willen bestimmende U rsache wird) ausfindig und
bios zu seinen Begierden und Neigungen gehiirt, und dagegen Handlun- begreiflich zu machen, welches der Mensch an moralischen Gesezzen neh-
gen durch sich als miiglich, ja gar als nothwendig denkt, die nur mit Hint- men kiinnte, einerlei; dennoch nimmt er wirklich daran ein Interesse,
ansezzung aller Begierden und sinnlicher Anreizen geschehen kiinnen. wozu wir die Grundlage in uns das moralische Gefiihl nennen, welches
Der Begriff einer Verstandeswelt ist also ein Standpunk~ den die Vernunft aber nicht fiir das RichtmaB unserer sittlichen Beurtheilung, sondern als
sich genothigt sieht, ausser den Erscheinungen zu nehmen, um sich selbst die subjektive Wirkung, die das Gesez auf den Willen ausiibt, angesehen
als praktisch zu denken, welches, wenn die Einfliisse der Sinnlichkeit fiir werden muK U nerklarbar bleibt es aber fiir uns Menschen immer, wie
den Menschen bestimmend waren, nicht miiglich seyn wiirde, welches und warum uns die Allgemeinheit der Maxime als Gesezzes, mithin die Sitt-
aber doch nothwendig ist, wofern ihm nicht das BewuBtsein seiner selbst, lichkeit, interessire. So vie! ist nur gewill: daB es nicht darum fiir uns Giil-
als Intelligenz, mithin als verniinftige und durch Vernunft thatige, d. i. frei tigkeit hat, wei! es interessirt, sondern daB es interessirt, wei! es fiir uns als
wirkende Ursache, abgesprochen werden soli. Dieser Gedanke fiihrt frei- Men{465]schen gilt, da es aus unserm Willen als Intelligenz, mithin aus
lich die Idee einer andern Ordnung und Gesezgebung, als die des Natur- unserm eigentlichen Selbst, entsprungen ist. Die Frage also, wie ein kate-
mechanismus, der die Sinnenwelt trift, herbei, und macht den Begriff gorischer Imperativ miiglich ist, kann zwar so weit beantwortet werden,
einer intelligibeln Welt, (das ist verniinftiger Wesen, als Dinge selbst,) als man die einzige Voraussezzung angeben kann, unter welcher er allein
nothwendig. Aber alsdann wiirde die Vernunft aile [463] ihre Grenze iiber- miiglich ist, namlich, die Idee der Freiheit, ingleichen als man die Noth-
schreiten, warm sie es sich zu erkliiren unterfienge, wie reine Vernunft wendigkeit dieser Voraussezzung einsehen kann, welches zum praktischen
218 :Oenhofirbigf<iten au~ ber pbi[o(opbifd)en 'lBdt - 3. Quartal 1785 Altonaischer Gelehrter Mercurius- 15. September 1785 219
'
Gebrauche der Vernunft, d. i. zur Uberzeugu~g von der Giiltigkeit dieses
Imperativs, mithin auch des sittlichen Gesezzes, hinreichend ist, aber wie
diese Voraussezzung selbst moglich sei, liillt sich durch keine menschliche
Vernunft jemals einsehen. Unter Voraussezzung jener Freiheit aber ist die
R beyiga.Hartknoch,
Grundlegung zur Metaphysick der Sitten von Immanuel Kant,
8vo.
1785, S. 128, Man kan aile Philosophie, so fern sie
sich auf Griinde der Erfahrung sriitzt, empirische, die aber, so bios aus
Avtonomie desselben eine nothwendige Folge. Die Freiheit des Willens vor- Principien a priori ihre Lehren vortriigt, die reine nennen. Die letztre,
auszusezzen, ist auch nicht allein moglich, ohne in Widerspruch mit dem wenn sie bios formal ist, heillt Logick, ist sie aber auf bestimmte Gegen-
Princip der Naturnothwendigkeit in der Verkniipfung der Erscheinungen stande des Verstandes eingeschrankt, Metaphysick. Auf die Art entspringt
der Sinnenwelt zu gerathen, sondern es ist dieses auch einem verniinftigen die Idee einer zwiefachen Metaphysick, einer Metaphysick der Natur, und
Wesen, das sich seiner Caussalitat durch Vernunft, mithin eines Willens, einer Metaphysick der Sitten. Jedermann mull eingestehn, dall ein Gesetz,
(der von Begierden unterschieden ist,) bewullt ist, durchaus nothwendig. wenn es moralisch, das ist, als Grund einer Verbindlichkeit, gelten soli, ab-
Wie nun aber reine Vernunft, ohne andere Triebfedern, fiir sich selbst prak- solute Nothwendigkeit bey sich fiihren miisse; dall das Gebot: du sollst
tisch seyn, d. i. wie [466] das blolle Princip der Allgemeingiiltigkeit alter ihrer nicht liigen, nicht etwa bios fiir Menschen gelte, andre verniinftige Wesen
Maximen als Gesezze, ohne allen Gegenstand des Willens, woran man zum sich aber daran nicht zu kehren batten, und so mit allen iibrigen eigentli-
voraus irgend ein Interesse nehmen diirfe, fiir sich selbst eine Triebfeder chen Sittengesetzen; dall mithin der Grund der Verbindlichkeit bier nicht
abgeben und ein Interesse, welches rein moralisch heissen wiirde, bewirken, in der Natur des Menschen, oder den Umstanden in der Welt, darin er ge-
oder mit andern Worten, wie reine Vernunft "praktisch seyn k6nne, das zu setzt ist, gesucht werden miisse, sondern a priori lediglich in Begriffen der
erklaren, dazu ist aile menschliche Vernunft ganzlich unvermogend. reinen Vernunft, und dall jede andre Vorschrift, die sich auf Principien der
Und eben bier ist die oberste Grenze aller moralischenNachforschung, blossen Erfahrung griindet, und sogar eine in gewissem BetJ;llcht allgemei-
welche aber zu bestimmen, auch schon darum von groller Wichtigkeit ist, ne Vorschrift, so fern sie sich, dem mindesten Theile, vielleicht nur einem
damit die Vernunft nicht einerseits in der Sinnenwelt, auf eine den Sitten Bewegungsgrunde nach, auf empirische Griinde stiitzt, zwar eine practi-
schadliche Art, nach der obersten Bewegursache und ein€Jn begreiflichen, sche Regel, niemals [292] aber ein moralisches Gesetz heillen kan. Also un-
aber empirischen Interesse herum suche; anderer Seits aber, damit sie auch terscheiden sich die moralischen Gesetze, sammt ihren Principien, unter
nicht in der intelligibeln Welt kraftlos ihre Fliigel schwinge, ohne von der allen practischen Erkenntnissen von allem iibrigen, darin irgend etwas em-
Stelle zu kommen und sich unter Hirngespinsten zu verlieren. So weit Hr.. pirisches ist, nicht allein wesentlich, sondern aile Moralphilosophie beruht
Kant ganzlich auf ihrem reinen Theil, und, auf den Menschen angewandt, ent-
Ich hatte wahrend der Lektiire dieses interessanten Werks mancherlei lehnt sie nicht das mindeste von der Kenntnill desselben, sondern giebt
Zweifel und Einwiirfe aufgezeichnet, aber ich strich sie nach und nach aile ibm, als verniinftigen Wesen, Gesetze a priori, die freylich noch durch Er-
wieder aus, so wie ich weiter fortlas; so ausgefiihrt, so griiadlich und iiber- fahrung gescharfte U rtheilskraft erfordern, urn Theils zu unterscheiden, in
zeugend fand ich amEnde das Ganze. [467] Hin und wieder mach ten die- welchen Fallen sie ihre Anwendung haben, Theils ihnen Eingang in den
jenigen, wekhe die Erhaltung und Beforderung der Glii~seligkeit fiir das Willen des Menschen, und Nachdruck zur Ausiibung zu verschaffen, da
hochste moralische Gesez angesehen wissen wollen, die Ausserungen des diese, als selbst mit so vie! Neigungen afficirt, der Idee einer practischen
Verf. in Ansehung dieses Sistems vielleicht etwas zu hart, und zum Theil reinen Vernunft zwar fahig, aber nicht so Ieicht vermogend ist, sie in sei-
nicht ganz unbeantwortlich finden; aber offenbar scheint es mir doch zu nem Lebenswandel in concreto wirksam zu machen. Eine Metaphysick
seyn, dall unsere Billigung und Millbilligung in moralischen Dingen iiber der Sitten ist also nothwendig, nicht bios aus einem Bewegungsgrunde der
die Beziehung auf Gliikseligkeit oder Ungliikseligkeit noch hinaus geht. Speculation, urn die QueUe der a priori in unsrer Vernunft liegenden
practischen Grundsatze zu erforschen, sondern wei! die Sitten selber aller·
ley Verderbnill unterworfen bleiben, so lange jener Leitfaden ihrer richti-
gen Beurtheilung fehlt. Denn bey dem, was moralisch gut seyn soli, ist es
nicht genug, dall es dem sittlichen Gesetze gemaB sey, sondern es mull
auch urn desselben willen geschehen. Sonst ist jene Gewillheit nur sehr
220 Altonaischer Gelehrter Mercurius - 1~. September 1785 Kant s Grundlegung zur .fY!etaphysik der Sitten 221
zufiillig, wei! der unsittliche Grund zwar zuweilen gesetzmassige, meistens Grundlage derselben, ais die Kritick einer reinen practischen Vernunft, so
aber gesetzwidrige Handlungen hervorbringen wird. Nun ist aber das sitt- wie zur Metaphysick, die schon vom Verfasser gelieferte Kritick der reinen
liche Gesetz, in seiner .ii.chtheit, nirgend anders, als in einer reinen Philo- specula{294]tiven Vernunft. Allein, theils ist jene nicht so niithig, ais diese,
sophie zu suchen. Also muB diese vorangehn, und ohne sie kan es keine wei! die menschliche Vernunft im Moralischen Ieicht zu grosser Richtig-
Moralphilosophie geben. Selbst verdient diejenige, welche jene reine Prin- keit und Ausfiihrlichkeit gebracht werden kan, da sie hingegen im theore-
cipien unter die empirischen mischt, den Namen einer Philosophie nicht, tischen Gebrauch ganz und gar Diaiectisch ist, theils erfordert Herr Kant
vie! weniger einer Moralphilosophie, wei! sie eben durch diese Vermen- zur Kritick einer reinen practischen Vernunft, daB, wenn sie vollendet
gung sogar der Reinigkeit der Sitten selbst Abbruch thut, und ihrem eig- seyn soli, ihre Einheit mit der speculativen in einem gemeinschaftlichen
nen Zwecke zuwider verfiihrt. Man denke nicht, daB man das, was hier Princip zugleich miisse dargestellt werden kiinnen, wei! es doch am Ende
gefordert wird, schon an Wolfi allgemeiner practischen Philosophie habe. nur ein und dieselbe Vernunft seyn kan, die bios in der Anwendung unter-
Eben darum, wei! diese eine allgemeine practische Philosophie seyn sollte, schieden seyn muK Zu einer solchen Vollstiindigkeit konnte es aber der
hat sie keinen Willen von be{293]sondrer Art, etwa einen solchen, der Verfasser noch nicht bringen, ohne Betrachtungen von ganz andrer Art
ohne aile empirische Bewegungsgriinde, viillig aus Principien a priori, be- herbeyzuziehn, und den Leser zu verwirren. Deswegen hat er sein Werk
stimmt werde, und den man einen reinen Willen nennen kOnnte, sondern _nicht Kritick der reinen practischen Vernunft, sondern Grundlegung zur
das Wollen tiberhaupt in Betrachtung gewgen, mit allen Handlungen und Metaphysick der Sitten genennt. Wei! auch eine Metaphysick der Sitten,
Bedingungen, die ihm in dieser ailgemeinen Bedeutung zukommen, und unerachtet des abschreckenden Titels, doch eines grossen Grades von Po-
dadurch ·i.mterscheidet sie sich von einer Metaphysick der Sitten, eben so pularitat fiihig ist, so fand er es ntitzlich, diese Vorarbeitung der Grundlage
wie die allgemeine logick von der Transcendentalphilosophie, von denen davon abzusondern, urn das Subtile, das darinnen unvermeidlich ist, ktinf-
die erstere die Handlungen und Regeln des Denkens iiberhaupt, diese aber tig nicht faBlichern Lehren beyfiigen zu dtirfen. Gegenwiirtige Grund-
bios die besondern Handlungen und Regeln des reinen Denkens, das ist, legung ist nichts mehr, ais die Aufsuchung und Festsetzung des obersten
desjenigen, wodurch Gegenstande viillig a priori erkant werden, vortriigt. Princips der Moralitat, welche ailein ein, in seiner Absicht, ganzes und
Denn die Metaphysick der Sitten soli die Idee und die Principien eines von aller andern sittlichen Untersuchung abzusonderndes Geschafte aus-
miiglich[en] reinen Willens untersuchen, und nicht die Bedingungen und macht. Zwar wiirden die Behauptungen des Verfassers tiber diese wichtige,
Handlungen des menschlichen Wollens iiberhaupt, die griistentheils aus und bisher noch nicht hinlanglich eriirterte Hauptfrage durch Anwendung
der Psychologie geschiipft werden. DaB in der ailgemeinen practischen ~essel~en ~rincips auf das ganze System vie! Licht, und durch die Zulang-
Philosophie auch von moralischen Gesetzen und Pflichten die Rede ist, hchkelt, dw es ailenthaiben blicken laBt, grosse Bestatigung erhaiten.
machr keinen Einwurf aus. Denn die Verfasser jener Wissenschaft bleiben Allein der Verfasser muste sich dieses Vortheils begeben, der auch im
ihrer Idee von derselben auch hierinn treu. Sie unterscheiden nicht die Grunde mehr eigenliebig ais gemeinniitzig seyn wiirde, wei! die Leichtig-
Bewegungsgriinde, die, als solche, viillig a priori bios durch Vernunft vor- keit im Gebrauche, und die scheinbare Zulanglichkeit eines Princips kei-
gestelt werden, und eigentlich moralisch sind, von den empirischen, die nen ganz sichern Beweis von der Richtigkeit desselben abgiebt, vielmehr
der Verstand bios durch Vergleichung der Erfahrungen zu ailgemeinen Be- eine gewisse Partheylichkeit erweckt, es nicht fiir sich selbst, ohne aile
griffen erhebt, sondern betrachten sie, ohne auf den Unterschied ihrer Riicksicht auf die Folge, nach ailer Strenge zu untersuchen. Der Verfasser
Quellen zu achten, nur nach der griissern, oder kleinern Summe derselben hat in dieser Schrift eine solche Methode gewahlt, wie er [295] glaubte,
{indem sie aile ais gleichartig angesehen werden) und machen sich dadurch daB sie die schicklichste sey, wenn man vom gemeinen Erkenntnisse zur
ihren Begrif von Verbindlichkeit, der freylich nichts weniger, ais mora- Bestimmung des obersten Princips derselben anaiytisch, und wiederum
lisch, aber doch so beschaffen ist, ais es in einer Philosophie, die tiber den zuriick von der Priifung dieses Princips, und den Quellen desselben zur
U rsprung ailer miiglichen practischen Be griffe, ob sie auch a priori, oder gemeinen Erkenntnill, darinn sein Gebrauch angetroffen wird, synthetisch
bios a posteriori statt finden, gar nicht urtheilt, nur verlangt werden kan. den Weg nehmen will. pie Eintheilung ist daher folgendermassen eingefai-
Im Vorsatze, eine Metaphysick der Sitten dereinst zu liefern, laBt Herr len. Erster Abschnitt: Ubergang von der gemeinen sittlichen Vernunfter-
Kant diese Grundlegung vorangehen. Zwar giebt es eigentlich keine andre kenntnill zur philosophischen. Zweyter Abschnitt: Ubergang von der
i
222 ~Ugemeine ~eutfd)e )!libfiot~er - Herbst 1785 01eue~e \Irltifd)e 01ad)rid)tm- 1. Oktober 1785 223
'
populairen Moealphilosophie zur Metaphysick • der Sitten. Dritter Ab- Beweis ist der: daB wir von Raum und Zeit nothwendige, also Erkenntnis-
schnitt: I..etzter Schritt von der Metaphysick der Sitten zur Kritick der se a priori haben, ist unleugbar, wie auch, daB viele derselben synthetische
reinen peactischen Vernunft. Urtheile sind. Ein synthetisches Urtheil kann nicht aus Entwickelung ge-
gebener Begriffe, nicht anders, als aus einer Anschauung entspringen. Nun
aber sind die Urtheile der reinen Mathematik synthetisch, und betreffen
Raum und Zeit. Also sind Raum und Zeit anschaulich; nicht aus Erfah-
.f)elfifc(>e lljeotrage 0ur Gele~rfam!eit un~ .ltun[l. (l;r[le~ eitiid. 8ran!furt, 6eo
rung gebildete Begriffe. - Dagegen behauptet T., daB die Satze der reinen
mamntrapp, ®o~n un~ 'menner, 1784. 184 ®etten gr. 8. Mathematik, z. B. 7 + 5 = 12 analytisch sind. Unter allen miiglichen
[ ...]II. Ober die Moglichkeit einer anfangslosen Succession, vom Prof Tiede- Theilen von 12 finden sich auch 7 und 5. Urn zu sagen: 7 und 5 sind
mann zu Cassel. Das Resultat der Untersuchung des Verfassers ist kiirzlich zwiilf, hat man nicht niithig aus dem Begriffe von 12 herauszugehen.
dieses: der Verstand kann sich eine anfangslose Succession denken. Aber Zwiilf laGt sich genau in 7 und 5 zerlegen. - Einen andern Beweis fiihrt
wenn man aus dem Reiche der Miiglichkeit in das Reich der Wirklichkeit K. so: das, worin sich die Empfindungen allein ordnen, und in gewisse
iibergeht, so veriindert sich die Gestalt der Sache. Auch in der Wirklich- Formen gestellt werden, kann nicht selbst wiederum Empfindung seyn.
keit kann eine endlose Succession Statt finden, die Menschengeneration Also ist uns zwar die Materie aller Erscheinung a posteriori gegeben, die
vom Vater auf Sohn ohne Ende fortgehen. Hier ist in-jedem Augenblicke Form aber muG zu ihnen insgesammt im Gemiithe a priori bereit liegen
die Zahl der Glieder bestimmt. Die Reihe wird unendlich, aber sie ist es u. s. f. - Nach einer vorlaufigen Bemiihung, den Inhalt des Schlusses ins
nie. Dagegen ist eine anfangslose Succession in der Wirklichkeit unmiig- Helle zu setzen, behauptet T.: es bleibe noch zu erweisen, daB es eine von
lich. Bey einer Reihe von Dingen, die schon existirt haben, wird der Viel- den Gegenstanden der Anschauung verschiedene Form geben miisse,
heit eine Bestimmung gegeben; denn man darf ihrer nicht mehr oder we- worin ihre Mannichfaltigkeit geordnet werde. - Dies mag zur Probe von
niger annehmen, als wirklich da gewesen sind. Eine anfangslose Reihe hat T. Untersuchung genug seyn. Eine fernere Auszeichnung der folgenden
kein erstes Glied. Man miiGte [5ll] also vom gegenwartigen oder letztange- scharfsinnigen Griinde wiirde die Anzeige dieses Aufsatzes, der bier nur
nommenen Gliede ohne Aufhiiren riickwarts gehen. Aber die Zahl der ein Theil einer Schrift ist, zu weitlauftig machen.
Glieder ist viillig bestimmt. Zahl und Unendlichkeit widersprechen sich.
Es folgt also, daB Anfangslosigkeit einer successiven Reihe und Existenz in
der Vergangenheit im Widerspruche stehen. Gesetzt, daB aller von jeher
erun~legung 0ur 'l>letap~ofi! ~er ®itten oon Jmmanue£ .R:ant, :lliga 1785. in 8.
verstorbener Menschen Seelen noch existiren, oder das bey eines jeden
!o[r. 8 gr.
Tode ein Punkt gemacht sey: so folgt, daB diese Seelen oder Punkte sich
(l;r£iiuterungen ti6er ~ell .f)mn ~rof. .ltant @:riti! ~er reinen Qlernun~ oon '1>1.
zahlen lassen. Jede, folglich auch diese, Zahl kann mit jeder beliebigen
i)o~ann ®c~ulU, .ltonigl. ~reu~ . .f)ofpr . .ltonigtl6erg 1784. in 8. 14 )!;og.
multiplicirt werden. Folglich ist sie nicht unendlich u. s. w.
[...] XIII: Ober die Natur der Metaphysik; zur Priifung vom Hrn. Prof och deutlicher entwickelt in der ersten Schrift Herr Kant den Plan
Tiedemann. Herr Professor Kant hatte schon 1781 in der Kritik der reinen
Vernunft, bey der Untersuchung der bisherigen Behandlung der Metaphy-
N seines tiefsinnigen, philosophischen Systems, als in der Critik der
reinen Vernunft und in den Prolegomenis zu einer jeden Metaphysik; und
sik, unter andern behauptet: daB wir von dem auGer uns an sich nichts, wir wollen es, soviel uns miiglich, deutlich in eine Tabelle fassen. Die
nur in so fern es uns erscheint, etwas erkennen. Als die erwartete nahere Philosophie ist entweder eine empyrische, [315] welche die Griinde der Er-
Beurtheilung der Philosophen nicht erfolgte, gab er Prolegomena zu einer fahrung in sich schlieBt, dergleichen sind die empyrische Physik, die em-
kiinftigen Metaphysik heraus, mit dringender Bitte urn Priifung. Der Verf. pyrische Psychologie und die praktische Anthropologie; oder eine reine,
des ge{513]genwartigen Aufsatzes fand in K. Schliissen nicht, was er er- welche aus Grunden a priori oder blossen Begriffen hergeleitet ist. Diese
wartete, und triigt also bier vorerst seine Gedanken iiber die Beweise vor, ist entweder bios formal und handelt von den Regeln des Verstandes, und
womit K. die Realitat des Raums und der Zeit, mithin auch unsere ist die Logik, sie muG also nichts empyrisches haben; oder sie ist materia4
Erkenntnill von den darin befindlichen Gegenstanden, aufhebt. K. erster und hat alsdann bestimmte Gegenstande, Natur oder Sitten, und ist Phy-
224 91eue~e \l:ritifd)c ~ladjrld)tcn - 1. Oktober 1785 'l1laga;in bet 'J)~i[ofop~ic unb fd)oncn ~iteratur - Oktober 1785 225
'
sik oder Ethik. Beide Materien aus reinen' Vernunftprincipien erkannt, halts von der Kantischen Critik der reinen Vernunft; und wir iiberlassen
geben die Metaphysik. Nemlich betrachtet man die Natur aus blossen es den Lesern zu beurtheilen, ob Hr. Schultz die Gabe und Schreibart
Begriffen, so hat man die Metaphysik der Natur. Untersucht man die habe, seinen Autor Ieichter zu machen. Der zweite Abschnitt enthalt eini-
Griinde der Pflichten a priori und bringt sie dadurch zur Nothwendigkeit; ge Winke zur nahern Priifung derselben, worin das System des Hn. Kants
so erlangt maa die Metaphysik der Sitten. Vor der Metaphysik geht die theils gepriesen, theils selbst aus dem homelitischen Grunde vertheidigt
Critik der reinen Vernunft, als Propadautik, vorher, welche das Vermogen wird, daB aus dieser neuen Scheidewand der Vernunft, der Werth der
der Vernunft in Ansehung aller reinen ErkenntniB a priori untersucht. Die christlichen Rei. desto mehr erhelle. - Hume, der durch seine Zweifel,
Metaphysik der Natur kan 1. die reinen Begriffe und Grundsatze von daB man das Daseyn der Ursache einer Wirkung, und iiberhaupt den
Dingen betrachten, ohne gewisse Dinge anzunehmen, das ist die Ontolo- Zusammenhang zwischen der U rsache und der Wirkung nicht aus der
gie oder Transscendentalphilosophie, 2. oder die Gegenstande, doch nach Vernunft und a priori beweisen konne, den Herrn Kant zu diesen Untersu-
reinen Vernunftprincipien oder a priori, das ist die rationale Physiologie. chungen brachte, hat die Ehre, zu einem solchen wichtigen Werk eines
Diese ware entweder immanen~ wenn sie von den Gegenstanden der Sin- Teutschen, der ein groBrer Weltweise ist, und vermoge des Amts und red-
ne, des aussern oder des innern Sinnes, der korperlichen oder denkenden licher Absichten es auch seyn konnte, Gelegenheit gegeben zu haben.
Natur handelt, woraus eine rationale Physik und Psychologie entstehen; Denn ·fiir sich verdiente ein Mann, dessen Absicht war, aile Erkennt-
oder transscenden~ welche unempyrische Gegenstande betrachtet, als die niBquellen, bald der Vernunft, bald die Erfahrung unsicher zu machen,
rationale Cosmologie und Theologie. Daraus mogen die Lehrer der Philo- diesen Aufwand nicht, noch weniger ein neues System, urn ihn zu wieder-
sophie sehen, was sie schon haben und nicht haben. Man hat schon in der legen.
bisherigen Logik die Gesetze des Denkens a priori bewiesen; den Unter-
scheid zwischen Phanomenen und Realitat, scheinbarer und wahrer Be-
schaffenheit der Dinge eingescharft, und die Erfahrungssatze zu allgemei-
nen Urtheilen zu fiihren gelehret; in der Ontologie die allgemeinen Begrif-
Q:r fii utcru ngcn
fe und Grundsatze von Dingen a priori; in der ratianalen Psychologie die
ber t~eorenfdjen unb praftifdjen 'J)~Uofop~ie,
nac~ J,:Jmn 8cber6 Orbnung. metapf;>yfif.
Natur der Seele a priori; in der Cosmologie die Beschaffenheit einer Welt,
~mnffutt am 2Jlaln 1784 In 8. oon 572 ®eiten.
so wie in der Theologie die Priidicate eines Gottes; in der generalen Physik
as U nternehmen des Herrn Kirchenraths und Professors Tite~
die allgemeinen Beschaffenheiten der Korper a priori abzuhandeln gesucht,
eben so die allgemeinen Grundsatze der Moralitat ausgeforscht; man hatte
Zeit l)nd Raum nicht fur wirkliche Dinge angesehen; allein man hat viel-
D die philosophischen Lehrbiicher eines [257] der groBten Denker
Deutschlands zu kommentiren, und den in denselben herrschenden Ton,
leicht reine Vernunft und Erfahrung nicht ganz genau getrennt, wie Hr. der oft nur Kunstverstandigen angemessen ist, bis zur Sphare auch des
Kant, welcher zugleich auf viele Betrachtungen iiber die Grenzen beider minder spekulativen Kopfes herabzustimmen, verdienet den warmsten
und die Bearbeitung derselben fiihret. So mag denn Hr. Kant in den Prole- Dank, und kriiftigste U nterstiitzung. [...]
gomenis sagen: daB eine Metaphysik noch nicht existire. Priifer werden, Aus dieser kurzen Darstellung der titelschen Metaphysik kann man auf
nach des Recensenten Bediinken, dabei auf die heiden Ziele zu achten die Vollstandigkeit und Ordnung derselben schlieBen. Die Theile sind
haben, und ob das, was zu einem Princip reiner Vernunft gemacht ist, zwar hier [259] nicht immer so zusammengestellt, wie im Federschen Sy-
wirk{316]lich reine Vernunft sey, 2. ob nicht auch die bios empyrisch steme. Doch wessen Ideenassoziation die natiirlichste sei, laBt sich nicht
seyn sollenden Satze auf reine Vernunftprincipien gebracht und ihnen ge- so genau bestimmen. Feder selbst hat in der lateinischen Metaphysik sei-
nahert werden konnen. nen ehmaligen Plan geandert. Der Ton, aus welchem der Herr Verfasser
Die Schrift des Hn. Schultz sollte erst eine Recension mit einem Ur- spricht, ist bescheiden, deutlich, ganz eines Philosophen wiirdig; nur man-
theii abgeben. Hr. Kant ersuchte ihn aber durch ein Billet, welches in der chesmal, wie es uns diinkt, mehr Predigers- und Deklamators- als Lehrers-
Vorrede steht, sie vollstandig zu einer besondern Schrift auszuarbeiten. Ton. Dem kalten Forschgeiste mochte er zuweilen ermiidend seyn, ihn in
Der erste Abschnitt giebt einen Versuch einer deutlichen Anzeige des In- seinem ernsten bedachtlichen Gange aufhalten, wenn er oft nicht, wie in .
226 Wlaga;in ber 'P9ifo(op9ie unb (~onen 2ireratur - Oktober 1785 :r itt e! fl Q:r!iiutemngen <Wletap9vftll 227
•
den baumgartischen Schriften, durch •
eine Menge Paragraphen, aber doch stens nicht von geistigen Substanzen moglich sei? 2) Aus Undurchdring-
durch eine lange Reihe von Perioden und durch die Hiille rhetorischer lichkeit wiirde ich die Krafte materieller Substanzen und aus dem innern
Floskeln zur Kenntnill der Wahrheit dringen soiL Vorziiglich gefiel uns, Sinne die Krafte der Geister beweisen. Genug fiir uns! Die existirenden
dall der Herr Verfasser so sorgfaltig, so genau in der Zergliederung seiner Dinge, welche wir kennen, besitzen Krafte; denn ihr Daseyn schliellen wir
Begriffe ist; immer die Wege der Erfahrung wandelt. Wir glauben gern, aus den Wirkungen auf uns, also glauben wir auch nach dem Grundsatze
dall, wenn man auf den U rsprung und die Geschichte der Begriffe zuriick der Analogie, dall auch eine andere uns unbekannte Substanz mit Kraft
gehet, eben im Ganzen an der Menge der Wahrheiten nicht sehr vie! ge- begabt seyn werde. S. 101. diinkt uns, ware der Grundsatz von den ver-
wonnen werde; aber ist es nicht Gewinn genug, nie sich in metaphysische standigen Ursachen nicht weitlauftig genug vorgetragen. Da auf ihn das
Welten zu versteigen; nie leere Nominalbegriffe fiir Realitaten anzuneh- ganze Ansehen des physisch-theologischen Beweises fiir das Daseyn Gottes
men. Wir sehen zwar mit Vergniigen dem Licht entgegen, das aus dem gegriindet, und er also die Stiitze der ganzen Moralitat und Religion ist: so
kantischen Systeme sich iiber aile Zweige der Philosophie ausgiellen soli, hatte man nothwendig die Einschrankung noch hinzusetzen sollen, unter
der Revoluzion entgegen, die es, nach der Weissagung so vieler Rezen- der er allein Beweiskraft hat; namlich, da wo ich verstandige Wirkungen,
senten stiften wird. Allein so lange Kants System noch nicht entwickelt vernunftahnliche Einrichtungen antreffe, da mull ich auch verstandige Ur-
und erwiesen ist; oder wenigstens, so lange wir noch nicht den Schliissel · sachen muthmallen, die entweder mittelbar oder unmittelbar gewirket ha-
zu diesem tiefgelehrten Werke haben: [260] so wird es uns Niemand ver- ben: so wiirde der, welcher aus der vortreflichen Einrichtung, die in den
denken, wenn wir ein wenig mistrauisch sind' gegen aile Beweise a priori in Republiken der Bienen oder Ameisen herrscht, auf unmittelbar wirkende
der Metaphysik, wenn wir uns in den Wegen, die uns Bako und Lake, auch verstandige Ursachen, auf verstandige Einwohner schliellen wollte, den
tiefdenkende Kopfe, geebnet haben, so gerne halten, und das, was mit un- Satz der verstandigen Ursachen ganz unrichtig anwenden. So schlossen die
sern Erfahrungen iibereinstimmt, dessen Gegentheil uns noch keine Er- Amerikaner, als sie den ersten Brief sahen, sehr [262] unrichtig, dall dersel-
fahrung gelehret hat, mit einem Worte das Bestandige fiir allgemein, fiir be das Gesprach eines Geistes zu ihnen sei. Auch batten wir gewiinschet,
nothwendig halten; wenn wir es auch gleichwol nicht aus reinen Ver- die Begriffe von verstandigen, zweckmalligen und vernunftahnlichen Ein-
nunftbegriffen herleiten konnen. Indell wundern wir uns doch, dall Herr richtungen genauer auseinander gesetzt zu sehen, wie es Ulrich gethan hat
Titel nie der kantischen Kritik erwahnet, welche doch immer das Werk in §. 368. seiner lateinischen Naturtheologie, einem Werke, das wegen sei-
eines philosophischen Genies bleibet, und das unstreitige Verdienst hat, ner Vollstandigkeit und Griindlichkeit den ersten Platz unter unsern Lehr-
die Blollen so mancher metaphysischen Systeme anschauend gemacht zu biichern verdienet. - S. 105. kommt die Theorie von Zeit und Raum ganz
haben. Uberhaupt findet literarische Willbegierde hier nicht N ahrung ge- nach lokischen Begriffen entwickelt vor. Hier vermissen wir vorziiglich die
nug. Wir vermissen oft die Anzeige von Hauptwerken, in denen man wei- Formen der Sinnlichkeit, oder die Lehre, welche Kant von dieser subtilen
tere Aufklarung oder auch Zweifel in der abgehandelten Materie finden Materie gibt. Eine auch bios historische Anzeige der kantischen Theorie
konnte. Was Search z. B. von Ordnung sagt, und die Ketzerei, die er darin wiirde neben der lokischen vortrefliche Dienste geleistet haben, wenn
gestiftet hat, hatte gewis verdienet, angemerket zu werden. Eben so hatte auch vielleicht gleich das Resultat seyn wiirde, dall Kants Begriffe nur in
dasjenige, was Biijfon und Unzer von der N atur der Thiere halten, ange- Worten von andern Philosophen abweichen, wie bereits in der allgemei-
merkt werden sollen. Doch wir wollen noch mehr ins Detail gehen. nen deutschen Bibliothek angemerket worden. - S. 161. Urn den Ur-
S. 69. beweist der Herr Verfasser, dall einer jeden Substanz Kraft zu- sprung der Korper zu erklaren, nimmt hier Titel, nachdem er die Griinde
komme, nicht wie Leihniz aus einer willkiirlichen Definizion von Sub- fiir und wider die leihni:zische Monaden in ihrer ganzen Starke vorgetragen
stanz, sondern daraus, dall Undurchdringlichkeit eine Grundeigenschaft hatte, nicht metaphysische einfache, sondern falsche Theile an, die von
aller Dinge sei. Uns iiberzeugt dieser Beweis nicht. Die Meinung von Im- Gott wenigstens konnten getheilt werden, wenn auch gleich die Natur sie
penetrabilitat griindet sich darauf, [261] dall wir uns Kompranetrazion nicht weiter aufl&en konnte. Verschiedene Philosophen haben schon die-
mehrerer Substanzen nicht denken konnen; allein bleibt nicht immer die ses Ausgleichungsmittel versucht, allein nie die Frage beantworten kon-
F rage: Ob das, welches wir uns von korperlichen Dingen schlechterdings nen, wie Dinge, die auf irgend eine Art ausgedehnt sind, und also aus sub-
nicht vorstellen konnen, in der grollten Allgemeinheit wahr, und wenig- stanziellen Theilen bestehen, als einfach konnten gedacht werden. Die
228 Wlaga 0in bet 'P~ilofop~ic nnD fd)oncn ~itcratnr - Oktober 1785 \!lortingifd)c ~n 0 cigcn oon gcfc~rtcn 6ad)cn - 29. Oktober 1785 229
'
Schwierigkeit, wie aus einfachen Substanze~, die also keine Ausdeh{263) Deterministen, und lndeterministen aus. Er nimmt die Meinung der erste-
nung, GroBe, Figur u. s. w. hatten, aus leibnitzischen Monaden ein Ding ren an, die dem innern Sinne so angemessen ist, und dem richtig erkllirten
werden konne, dem Ausdehnung und Figur zukomme, dachten wir, ware Satze vom zureichenden Grunde nicht widerspricht. Aber darinn konnen
!angst beantwortet; dem Ganzen konnen doch relative Bestimmungen zu- wir dem H. Verfasser nicht bestimmen, wenn er das System der Deter-
kommen, die sich bei einzelnen Theilen nicht finden; und Ausdehnung, ministen fiir Fatalismus halt. Wir berufen uns hier Kiirze halber auf das,
Figur und GroBe sind denn die/! keine relativen Bestimmungen? Freilich was Basedow und Platner iiber diese Materie gesagt haben. Auch [265] kon-
beweisen die gewohnlichen Gleichnisse, durch die man den Ursprung der nen wir hier nicht umhin des Programms von H. Professor Blau de vera
Korper aus metaphysisch einfachen Grundtheilen zu erlautern suchet, notione libertatis zu erwahnen, in welchem die Griinde der beiden Par-
nichts, und wir gestehen gerne, daB der Herr Verfasser ihre U nzulang- theien erwogen werden, und endlich fiir die Indeterministen entschieden
lichkeit mit vielem Scharfsinne gezeigt habe, allein mehrere einfache Din- wird.* S. 405. werden Mendelsohns, Kastners, und Campe's Beweise fiir
ge, die sich einander nicht mathematisch, doch so, wie die Theile eines die U nsterblichkeit unserer Seele vorgetragen. Der H. Verfasser au Bert
physischen Stetigen, beriihren, machen sie nicht ein ausgedehntes, ein wichtige Bedenklichkeiten wider Campe's Beweis, welcher aus der Unver-
zusammengesetztes aus, wenn schon die einzelnen Grundtheile nicht aus- anderlichkeit der gottlichen Vorstellungen gefiihret wird. Wir sind damit
gedehnt sind, sondern nur die ~nlage enthalten, mit andern vereint ein ganz zufrieden; aber in dem Beweise von Kastner finden wir nicht die mo-
Ganzes auszumachen. Wie Monaden in einander wirken - das konnen ralische Beweiskraft, die H. Titel darinn finden will. Ware die menschliche
wir nicht erklliren, werden es auch nie kOnrlen, weil es tiber die Grenze Seele nicht unsterblich, heil!t es, so konnte der Selbstmorder nun, wenn er
unserer Erfahrung gehet - so nicht, freilich wie Korper; aber was hindert wollte, der Obergewalt Gottes sich entziehen. Wir glauben, dieses apago-
uns eine andere Art von Einwirkung, von Bewegung zu denken? Unter- gische Argument wiirde nur dann et{266]was beweisen, wenn man zeigen
scheiden wir doch selbst in der Korperwelt verschiedene Stufen von Bewe- konnte, daB Gott; indem er den Selbstmord zulal!t, seine Obergewalt ver-
gung. Herr Titel, der die Hypothese des physischen Einflusses annimmt, liere, oder, daB Gott den Selbstmorder nicht aufhalten und seine Ober-
wird uns eben so wenig die Art und Weise erklaren, wie Seele auf Korper, gewalt dadurch an ihm beweisen konne.
und dieser auf jene wirket, als wir die Art der Einwirkung von Monaden. ~b.
Genug fiir uns, daB wir bei derselben keinen Widerspruch finden, und auf
der andern Seite [264) die Frage von dem Urstoffe der Korper durch die
Annahme leibnizischer Monaden zureichend erklart wird. - Seite 199. be-
~iga.
weiser Hr. Titel die Einfachheit der menschlichen Seele. Wir wundern
uns, <laB Hr. Titel des Federischen Beweises aus der Einfachheit des Be- Bey J. Fr. Hartknoch; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Von lm·
wul!tseyns gar nicht gedenket, da er sich doch einmal zum Gesetz ge- manuel Kant. 1785. 128 Seiten in Octav. Die Einsicht in den Inhalt dieser
machet, Federn zu kommentiren. Wir glauben zwar, daB Hennings in der Schrift wird sich aus folgenden Hauptsatzen derselben ergeben. Ein guter
Geschichte von den Seelen im 24 §. dessen Unzulanglichkeit gezeigt habe, Wille wird, auch schon nach den gemeinen sittlichen Begriffen, fiir das ab-
allein wir wiinschten auch, H. Titels Gedanken dariiber zu wissen. Aus soluteste Gut erkannt. Dieser gute Wille besteht in der Fertigkeit, seine
den Griinden von Mendelsohn, Bonnet, Reid und Pinto, erklart er nach
Lake diese Meinung von der Einfachheit der Seele nicht als evident, son- * Diese Schrift zeugt von dem tiefphilosophischen Blicke, der richtigen Urtheilskraft
dern als wahrscheinlich. Wir glauben, man miisse die Meinung des gro- und der ausgebreiteten Lektiire des Herm Verfassersj nur bedauern wir, daB die Kiir-
bern Materialismus von jener des feinern gen_au unterscheiden. Jene ist ze der Zeit, in welcher das Programm geschrieben ward, dem H. Verf. nicht erlaubte,
Ieicht zu widerlegen, diese ist den Grundsatzen der Moralitat gar nicht mehr Sorgfalr auf den Stil zu wenden. Doch fmden wir Iacherlich, wenn der berliner
Rezensent darum bOse wird, daB ein Mann, der kein klassisch Latein schreibt, Profes-
schadlich. Man kann behaupten, die Seele sei feinere Materie, von besserm
sor der Philosophie sei. DaB Hr. Blau einer unserer tiefsten Denker sei, beweisen vor-
Stoffe als unser Korper, und doch zugleich U nsterblichkeit annehmen, ziiglich die verstandlichen Vorlesungen tiber Kants dunkle, den Meisten unverstand-
Gott kann diese feinere Materie so gut erhalten, als eine geistige Substanz. liche Prolegomena einer kiinftigen Metaphysik, welche er in diesem Sommersemester
S. 234. breitet sich der Hr. Verfasser sehr weitlauftig iiber das System der zum allgemeinen Nutzen seiner ZuhOrer auf der mainzer Universirat gehalten hat.
230 I!Jo«ingi[(j)e ~n;eigen oon gelebrten <eia(j)en - 29. Oktober 1785 .It ant f! \!Jrunbfcgung ;ur <JJletapbQ[if ber <eii«cn 231
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Pflichten zu erfiillen, aus Achtung furs mo;alische Gesetz; auch ohne aile Moral, ist an sich wohl niitzlich; wei! der Mensch doch nicht durch reine
von den Neigungen hergenommene Beweggriinde. Das moralische Gesetz praktische Vernunft, sondern durch Neigungen, und davon hergenomme-
hat eine absolute Nothwendigkeit; ist Gesetz fur aile verniinftige Wesen. ne Beweggriinde, in seinem Verhalten bestimmt wird. Aber sie kann aus
Pjlicht bezieht sich auf verniinftige Wesen, die dawider handeln konnen. ihrem eigenen Grund und Boden keine reine Sittenlehre hervorbringen;
Ihre Form ist ein kategorischer Imperativ. Das Materielle solcher Pflichten sondern verwirrt und zerstort diese vielmehr, indem sie aus den ihr eigen-
und Gesetze des reinen Willens oder der reinen praktischen Vernunft, auch thiimlichen Principien der Erfahrung und Empfindung sie zu Stande brin-
nur ein einziges Beyspiel davon, sind wir nicht im Stande anzugeben. gen will. {Der Verf. druckt sich hiewider vielfiiltig hart und unfreundlich
Denn das Materielle aller unserer Begriffe bezieht sich auf die Erfahrung aus.) Aile bisher angenommene Griinde der Sitdichkeit taugen nichts; wei!
von der sinnlichen W.,l~ in welcher auch der Mensch nach seinem Innern, sie den Willen von etwas andern, als ihm selbst, abhiingig machen, Hetero-
sofern er es empfinde~ mit begriffen ist; gehort also nicht zur reinen nomie statt Autonomie annehmen. Am meisten verwerflich ist das Princip
Vernunft. Auch haben wir keinen reinen Willen, der bios allein durch der eigenen Gluckseligkeit; a) wei! sein Grund Jalsch ist, und die Erfahrung
Achtung furs moralische Gesetz bestimmt wiirde, ohne Antrieb der Nei- dem Vorgeben, als ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlver-
gungen. Wenigstens Ialit er sich nicht aus der Erfahrung von wirklichen, halten richte, widerspricht. {Diese Einwendung diirfte doch wohl nicht
eigenen oder fremden, Handlungen beweisen. U nterdessen liegt die Idee beweisen; wei! sie zu vie[ beweiset. Denn entweder ist es fur unsere Gliick-
eines solchen Willens in den gemeinen Urtheilen und Empfindungen von seligkeit gleichgultig, wie wir uns verhalten; oder; was nach der gemeinen
der Vor{1740]ziiglichkeit der Handlungen, u"nd der Wurde der Charaktere empirischen Moral Wohlverhalten heillt, ist vielmehr hinderlich dabey als
zu Grunde. - Und beweisen lallt sich die Moglichkeit eines solchen Wil- zutriiglich; oder unsere Gliickseligkeit erfordert dieses Wohlverhalten; ob-
lens, und der Wirksamkeit des kategorischen Imperativs; sobald man vor- gleich unser Wohlbefinden nicht jederzeit, in diesem Leben, und in allen
aussetz~ daB es Freyheit giebt; welche Voraussetzung im Grunde einerley Stiicken, sich darnach richtet oder davon abhiingt. Auf dieB letzte dis-
ist mit der, daB es eine praktische Vernunft gebe. Denn beide bestehen in junctive Glied griindet die gemeine Moral die Verbindlichkeit ihrer Vor-
einer, von den U rsachen und Gesetzen der, durch Erfahrung uns bekann- schriften; und ihr metaphysisches, formelles, Princip dabey ist der Grund-
ten sinnlichen Natur unabhiingigen Selbstthiitigkeit. (Einiges, was der V. satz der reinen Vernunft, wer die Absicht will - durchaus und unabliissig,
bey dieser Gelegenheit sagt, wiirde, mitte!st genauerer U nterscheidung der wie alle Menschen Gliickseligkeit wollen - mull auch das Mittel wollen.
verschiedenen Arten von Freyheit, sich anders wenden.) Zu dieser Voraus- Welches von den heiden andern disjunctiven Gliedern will der Verf. wiih-
setzung berechtiget uns auch der, von der Vernunft nothwendig anzuer- len [1742] und verantworten?} b) Tauge das Princip der eigenen Gliickse-
kennende, Unterschied der sinnlichen und der intellectualen Welt, und ihre ligkeit nichts; wei! es gar nichts zur Griindung der Sittlichkeit beytrage;
Gew~heit vom Daseyn der letztern. Denn es muB doch Etwas hinter dem {vie! gesagt!} indem es ganz was anders ist, einen gltlcklichen, als einen guten
Schein seyn. Die Eigenschaften dieses Etwas, oder der intellectualen Welt, Menschen machen; {Wie etwas ganz anders? Nemlich ein durch Zufiille
sind wir nicht vermogend zu erkennen. Folglich auch nicht im Stande, die und iiusserliche Ursachen glucklicher und ein guter Mensch sind nicht einer-
Gesetze der praktischen Vernunft und der Freyheit zu erklii.ren und zu be- ley. Aber ein durch sich selbst, die Stimmung und Verhiiltnisse seiner Kriifte
greifen. Ihre Moglichkeit kann aber damit doch auch nicht widerlegt wer- und Triebe, zufriedner und seliger, und ein guter Mensch, sind einerley
den, daB ihre Voraussetzung nicht in unsere Erfahrung von der sinnlichen Subject unter verschiedenen Gesichtspunkten}. c) Etwas anders ist, den
Natur und ihren Gesetzen einpaBt; sondern diesen vielmehr widerspricht. Menschen klug, und auf seinen Vortheil abgewitz~ und ihn tugendhaft
Denn wir sind nicht befugt, die Gesetze der sinnlichen Natur auch zu Ge- machen. {Diel~ so abgenutzte und so oft widerlegte Argument war doch
setzen der intellectualen Welt zu machen. - Die Vernunft giebt uns also kaum vom Verf. zu erwarten. Welcher U neingenommene sieht nicht
nur den formellen Gedanken, nicht die objectivische Erkenntnill, von gleich, daB es auf der Vermengung der niedrigen, nur nach dem Aussern
einem sittlichen Gesetze. Dadurch berechtiget sie uns aber doch, daran zu und Zeitlichen strebenden Klugheit, und der hohern Klughei~ der nach
glauben. Und dieser Glaube kann allein unsern sittlichen Begriffen Er- dem Wesentlichen und Ewigen strebenden Weisheit beruht?} Von gleichem
habenheit und Festigkeit verschaffen. - Die gemeine, empirische, auf Er- Gehalt ist auch das Nachfolgende .daB jenes Princip der Sittlichkeit Trieb-
fahrungen vom Menschen und seinen [1741] Neigungen sich griindende, federn unterlege, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit zer-
232 IBottingifd)e ~n;eigen oon gefe~rten <Ba<ten - 29. Oktober 1785 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 15. November 1785 233
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nichten; indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster sich mit seiner metaphysischen Moral auch nicht. Sie sind aber in der
in eine Classe setzen; (Was heillt diell? Und wenns Tadel seyn konnte, wen Natur so groll und abschreckend nicht, als sie sich vorstellen lassen, wenn
triif er am Ende?) und nur den Calcul besser ziehen lehren. (Wenn die man diell will. - Wir haben freilich viele Mittelsatze, deren sich der Verf.
Grundtriebe an sich gut sind, und nur durch Irrthum Boses wirken: so hat mit seiner bekannten feinen Dialektik bedient, noch unberiihrt gelassen;
die Moral weiter nichts zu thun, als durch Wahrhei4 mag nun gleichwohl wei! ihre Erorterung uns hier zu weit fiihren wiirde. Wir Iemen sonst gern
heissen, richtigern Calcul, vom Bosen abzuhalten. - Auf die Rechnung des von dieser meisterhaften Dialektik; und sind weit davon entfernt, der tief-
polemischen Eifers setzen wir, nebst mehrerem, auch, was S. 46 f. steht sinnig und miihsam angelegten Philosophic des Verf. ihr Verdienst in
.dall der Begriff von Gliickseligkeit ein so unbestimmter Begriff sey, dall, Absicht auf allseitige griindliche Erorterung, so wenig als ihre endliche
obgleich jeder [1743] Mensch zu derselben zu gelangen wiinsche, er doch Vereinbarkeit mit derjenigen Philosophic, auf die wir uns bey unsern Vor-
niemals bestimmt, und mit sich selbst einstimmig sagen kann, was er tragen einschriinken, abzusprechen. Aber, gestehen miissen wir es, die rein
eigentlich wiinsche und wolle u. s. w. - Damit es aber einigen Lesern philosophische Kaltbliitigkeit, Malligung und Unpartheylichkeit haben
Ieichter werde, selbst zu beurtheilen, ob die gemeine Moral, die unser wir hier und da, mehr als uns lieb seyn konnte, vermillt.
Verf. so sehr herabsetzt, unter jenen erhabenen Begriffen von Tugend und
Sittlichkeit mit ihren eigenthiimlichen empirischen Principien so weit zu-
riickbleibe: so wollen wir ganz kurz die Hauptgrundsatze derselben hier
gleichfalls in ihrer Schlullreihe aufste!len. Die Gliickseligkeit des Men-
schen beruht auf der Ubereinstimmung seines innern Zustandes mit den
ihm unabanderlichen Gesetzen seiner Natur, seiner Empfindungen und
Rs.Geschichte der Menschheit, J.von johann Gottfried
344
IGA und LEIPZIG bey
8. 1785.
F. Hartknoch. Ideen zur Philosop~ieder
Herder. Zweyter Theil.
Triebe. Dieser innere Zustand hangt zwar von manchfaltigen Einfliissen
ausserlicher Dinge und U mstandc ab. Aber ungleich mebr von eines jeden Dieser Theil, der bis zum zehnten Buche fortriickt, beschreibt zuerst in
eigenen Vorstellungen, Neigungen und Kriiften. Die dauerhaftesten und er- sechs Abschnitten des sechsten Buchs die Organisation der Volker in der
habensten Quellen der Freude und Zufriedenheit liegen iiberhaupt nicht Nahe des Nordpols, und urn den Asiatischen Riicken der Erde, des Erd-
ausser uns; sondern in uns, in den Gefiihlen von Kraft und Ubereinstim- strichs schon gebildeter Volker und der Afrikanischen Nationen, der
mung. Besonders aber im Bewullrseyn solcher Krafte und Eigenschaften, i Menschen in den Inseln des heillen Erdstrichs und der Amerikaner. Der
die in jedwedem Verhaltnisse unentbehrlich sind, unser Wohlseyn zu i Verfasser beschliellt die Beschreibung mit dem Wunsche einer Sammlung
griinden, zu erhohen oder zu sichern; bey denen wir auch allein uns des
beseligenden und begliickenden Beyfalls des Allgiitigen und Allweisen wiir-
dig haiten konnen; und des Beyfalls anderer, gleichen Naturgesetzen mit
I von neuen Abbildungen der Nationen, wozu Niebuhr, Parkinson, Cook,
Host, Georgi u. a. schon Anfange geliefert haben. .Es ware ein schones
Geschenk, wenn Jemand, der es kann, die hie und da zerstreueten treuen
uns unrerworfener, und darnach empfindender und urtheilender Wesen. I Gemalde der Verschiedenheit unsers Geschlechts sammelte und damit den
Folglich miissen wir die Gesetze der allgemeinen Woh/for4 so weir wir sie Grund zu einer sprechenden Naturlehre und Physiognomik der Menschheit
erkennen, die Gesetze der Gerechtigkeit und Billigkei4 und jedwedes all-
gemeine Gesetz der Vernunft und Weishei4 das wir aus Einsicht oder aus I
.,I
legte. Philosophischer konnte die Kunst schwerlich angewendet werden
und eine anthropologische Karte, wie Zimmermann eine zoologische ver-
Glauben anerkannt haben, zur unwandelbaren Richtschnur unsers Verbal- sucht hat, auf der nichts angedeutet werden miillte, als was Diversitat der
tens [1744] uns machen; wir miissen unsere Vernunft, den Grund der Er-
kenntnill und richtigen Anwendung dieser Gesetze, zu befestigen und mit ., II Menschheit ist, diese aber auch in allen Erscheinungen und Riicksichten,
eine solche wiirde das philanthropische Werk kronen."
sich selbst iibereinstimmend zu erhalten suchen. Die Pjlicht oder Gesetz· Das siebente Buch betrachtet vorerst die Satze, dall bey so verschiede-
mafligkeit mull uns also tiber aile andere entscheidender Beweggrund, der i nen Formen dennoch das Menschengeschlecht liberal! nur eine Gattung
darnach bestimmte gute Wille und das gute Gewissen das hiii:hste Gut seyn. sey, und dall dies eine Geschlecht sich iiberall auf der Erde klimatisiret
- Die Schwierigkeiten, die diese Moral in der Anwendung finder und I habe. Hiernachst werden die Wirkungen des Klima an Bildung des Men-
I
iibrig lallt, darf unser Verf. ihr nicht zur Last legen; denn dahinein wagt er I schen an Korper und Seele beleuchtet. Der Verf. bemerkt scharfsinnig,
I
I
I
234 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 15. November 1785 Herders Ideen zur Philos. d. Gesch. d. Menschheit. Zweyter Theil. 235
,
dafl noch viele Vorarbeiten fehlen, ehe wir' an eine physiologisch-patho- tionen tiber die Schiipfung der Erde und des Menschengeschlechts, das
logische, geschweige an eine Klimatologie aller menschlichen Denk- und Wesentlichste der Hypothese tiber die mosaische Schiipfungsgeschichte aus
Empfindungskriifte kommen kiinnen, und daB es unmiiglich sey, das der Schrift: }ltteste Urkunde des Menschengeschlechts wiederholet.
Chaos von Ursachen und Folgen, welches hier Hiihe und Tiefe des Erd- Diese trockene Anzeige sol! auch bey diesem Theile nur Anktindigung
strichs, Beschaffenheit desselben und seiner Producte, Speisen und Ge- des Inhalts, nicht Darstellung des Geistes von diesem Werke seyn; sie sol!
triinke, Lebensweise, Arbeiten, Kleidung, gewohnte Stellungen sogar, Ver- einladen, es zu lesen, nicht die LectUre desselben ersetzen oder unniithig
gntigen und Ktinste nebst andern Umstanden zusammen ausmachen, zu machen.
einer Welt zu ordnen, in der jedem Dinge, jeder einzelnen Gegend sein Das sechste und siebende Buch enthalten selbst griifltentheils nur Aus-
Recht geschehe, und keines zu vie! oder zu wenig erhalte. Mit rtihmlicher ztige aus Viilkerbeschreibungen; freylich mit geschickter Wahl ausgesucht,
Bescheidenheit ktindigt er daher auch die S. 99 folgenden allgemeinen meisterhaft disponirt und allerwans mit eignen sinnreichen Beurtheilun-
Anmerkungen S. 92. nur als Probleme an. Sie sind unter folgenden Haupt- gen begleitet; aber eben darum desto weniger eines ausftihrlichen Auszugs
satzen enthalten. 1. Durch allerley Ursachen wird auf der Erde eine klima- fahig. Es gehiirt auch hier nicht zu unsrer Absicht, so manche schiine Stel-
tische Gemeinschaft befiirdert, die zum Leben der Lebendigen gehiirt. len vall dichterischer Beredsamkeit auszuheben, oder zu zergliedern, die
2. Das bewohnbare Land unsrer Erde ist in Gegenden zusammengedriingt, jedem Leser von Empfindung sich selbst anpreisen werden. Aber eben so
wo die meisten lebendigen Wesen, in der ihnen gentigsamsten Form, wir- wenig wollen wir hier untersuchen, ob nicht der poetische Geist der den
ken; diese Lage der Welttheile hat Einflufl auf ihrer aller Klima. 3. Durch Ausdruck belebt, auch zuweilen in die Philosophic des Vf. eingedrungen;
den Bau der Erde an die Gebtirge ward nicht nur ftir das grofle Mancher- ob nicht hie und da Synonymen fur Erklarungen, und Allegorien fur
ley der Lebendigen das Klima derselben zahllos veriindert, sondern auch Wahrheiten gelten; ob nicht statt nachbarlicher Ubergange aus dem Gebie-
die Ausbreitung des Menschengeschlechts verhtitet, wie sie verhtitet wer- te der philosophischen in den Bezirk der poetischen Sprache, zuweilen die
den kann. Im 4ten Abschnitt dieses Buchs behauptet der Verf., die gene- Grenzen und Besitzungen von beyden viillig verrtickt seyn; und ob an
tische Kraft sey die Mutter aller Bildungen auf der Erde, der das Klima nur manchen Orten das Gewebe von ktihnen Metaphern, poetischen Bildern,
freundlich oder feindlich zuwirke, und beschlieflt mit einigen Anmer- mythologischen Anspielungen nicht eher dazu diene, den Kiirper der Ge-
kungen tiber den Zwist der Genesis und des Klima, wo er unter andern danken wie unter einer Vertiigade zu verstecken, als ihn wie unter einem
auch eine pbysisch-geographische Geschichte der A bstammung und Verartung durchscheinenden Gewande angenehm hervorschimmern zu lassen. Wir
unsers Geschlechts nach Klimaten und Zeiten wtinscht. tiberlassen es Kritikern der schiinen philosophischen Schreibart, oder der
Im achten Buche verfolgt Hr. H. den Gebrauch der menschlichen Sinne, letzten Hand des Verf. selbst, z. B. zu untersuchen, obs nicht etwa besser
die Einbildungskraft des Menschen, seinen praktischen Verstand, seine gesagt sey: nicht nur Tag und Nach~ und Wechsel der fahrszeiten veriindern
Triebe und Gltickseligkeit, und erlautert den Einflufl der Tradition, der das Klima, als S. 99: .Nicht nur Tag und Nacht und der Reihentanz ab-
Meynungen, der Ubung und Gewohnheit durch Beyspiele verschiedener wechselnder Jahreszeiten veriindern das Klima"; ob S. 100 an eine natur-
Nationen. historische Beschreibung dieser Veriinderungen folgendes in einer dithy-
Das neunte beschaftigt sich mit der Abhangigkeit des Menschen von rambischen Ode ungezweifelt schiine Bild, sich passend anschliefle: "Um
andern, in der Entwickelung seiner Fahigkeiten, mit der Sprache als Mittel den Thron Jupiters tanzen ihre {der Erde) Horen einen Reihentanz, und
zur Bildung der Menschen, mit der Erfindung der Ktinste und Wissen- was sich unter ihren Ftiflen bildet, ist zwar nur eine unvollkommne Voll-
schaften durch Nachahmung, Vernunft und Sprache; mit den Regierun- kommenheit, wei! Alles auf die Vereinigung verschiedenartiger Dinge ge-
gen, als festgestellten Ordnungen unter den Menschen meistens aus ererb- bauet ist, aber durch eine innere Liebe und Vermahlung mit einander wird
ten Traditionen: und schlieflet mit Bemerkungen tiber die Religion und allentbalben das Kind der Natur gebohren, sinnliche Regelmafligkeit und
die iilteste Tradition. Schiinheit"; oder ob nicht fur den Ubergang von Bemerkungen der Reise-
Das zehnte enthii!t griifltentheils das Resultat der Gedanken, die der beschreiber tiber die Organisation verschiedner Volker, und tiber das
Verf. schon anderwans vorgetragen; indem es aufler den Betrachtungen Klima zu einer Sammlung daraus abgezogner Gemeinsatze folgende Wen-
tiber [154] den ersten Wohnsitz der Menschen, und die asiatischen Tradi- dung, mit der das achte Buch anhebt, zu episch sey: .Wie einem, der von
l
236 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG - 15. November 1785 Herders Ideen zur Philos. d. Gesch. d. Menschheit. Zweyter Theil. 237
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den Wellen des Meeres eine Schiffahrt in die Luft thun soli, so ist mir, da vermuthlich wei! [155] der Begriff einer Race ihm noch nicht deutlich be-
ich itzt nach den Bildungen und Naturkriiften der Menschheit auf ihren stimmt ist. In des siebenten Buches dritter Nummer nennt er die Ursache
Geist komme, und die veriinderlichen Eigenschaften desselben, auf unserm der klimatischen Verschiedenheit des Menschen eine genetische Kraft. Rec.
weiten Erdenrunde aus fremden, mangelhaften und zum Theil unsichern macht sich von der Bedeutung dieses Ausdrucks im Sinne des Verf. diesen
Nachrichten zu erforschen wage." Auch untersuchen wir nicht, ob nicht Begrif. Er will einerseits das Evolutionssystem, andererseits aber auch den
der Strom seiner Beredsamkeit ihn hie oder da in Widerspriiche ver- bios mechanischen Einflufl auflerer Ursachen, als untaugliche Erliiute-
wickele, ob z. B. wenn S. 248. angefiihrt wird, daB Erfinder oft mehr den rungsgriinde abweisen, und nimmt ein innerlich nach Verschiedenheit der
Nutzen ihres Fundes der Nachwelt iiberlassen muflten, als fiir sich selbst iiufleren Umstiinde sich selbst, diesen angemessen modificirendes Lebens-
erfanden, nicht hier ein neues Beyspiel zur Bestiitigung des Satzes liege, princip als die Ursache derselben an, worinn ihm Rec. vollig beytritt, nur
daB die Naturanlagen des Menschen, die sich auf den Gebrauch seiner Ver- mit dem Vorbehalt, daB, wenn die von innen organisirende Ursache durch
nunft beziehn, nur in der Gattung, nicht aber im Individuum vollstiindig ihre Natur erwa nur auf eine gewisse Zahl und Grad von Verschiedenhei-
enrwickelt werden sollten, welchem Satze er doch mit einigen daraus ten der Ausbildung ihres Geschopfs eingeschriinkt wiire (nach deren Aus-
flieflenden wiewohl nicht ganz richtig gefaBten, S. 206 beynahe eine Belei- richtung sie nicht weiter frey wiire, urn bey veriinderten U mstiinden nach
digung der Naturmajestiit (welches andere in Prosa Gotteslasterung nen- einem anderen Typus zu bilden) man diese Naturbestimmung der bilden-
nen) schuld zu geben geneigt ist; dis al]es· miissen wir hier, der Schranken, den Natur auch wohl Keime oder urspriingliche Anlagen nennen konnte,
die uns gesetzt sind, eingedenk, unberiihrt las5en. ohne darum die erstern als uranfiinglich eingelegte und sich nur gelegent-
Eines hiitte Recensent sowohl unserm Verf. als jedem andern philoso- lich auseinander faltende Maschinen und Knospen (wie i~ Evolutions-
phischen Unternehmer einer allgemeinen Naturgeschichte des Menschen system) anzusehen, sondern wie blofle weiter nicht erkliirliche Einschriin-
gewiinscht: niimlich daB ein historisch-kritischer Kopf ihnen insgesamt kungen eines sich selbst bildenden Vermogens, welche letztere wir eben so
vorgearbeitet hiitte, der aus der unermeillichen Menge von Volkerbeschrei- wenig erklaren oder begreiflich machen konnen.
bungen oder Reiseerziihlungen und allen ihren muthmaBlich zur mensch- Mit dem achten Buche fangt ein neuer Gedankengang an, der bis zum
lichen Natur gehorigen Nachrichten vornehmlich diejenigen ausgehoben Schlusse dieses Theils fortwahrt, und den U rsprung der Bildung des Men-
hiitte, darinn sie einander widersprechen und sie (doch mit beygefiigten scherr als eines verniinftigen und sittlichen Geschopfs, mithin den Anfang
Erinnerungen wegen der Glaubwiirdigkeit jedes Erziihlers) neben einander aller Cultur enthiilt, welcher, nach dem Sinn des Verfassers, nicht in dem
gestel!t hiitte; denn so wiirde niemand sich so dreist auf einseitige Nach- eigenen Vermogen der Menschengattung, sondern giinzlich aufler ihm in
richten fuflen, ohne vorher die Berichte anderer genau abgewogen zu ha- einer Belehrung und U nterweisung von andern Naturen zu suchen sey,
ben. Jetzt aber kann man aus einer Menge von Landerbeschreibungen, von da anhebend alles Fortschreiten in der Cultur nichts als weitere Mit-
wenn man will, beweisen, daB Amerikaner, Tibetaner und andere iichte theilung und zufiilliges Wuchern mit einer urspriinglichen Tradition sey,
mongolische Volker keinen Bart haben, aber auch wenn es besser gefiillt, welcher, und nicht ihm selbst der Mensch aile seine Anniiherung zur
daB sie insgesamt von Natur biirtig sind und sich diesen nur ausrupfen; Weisheit zuzuschreiben habe. Da Recensent, wenn er einen Fufl auflerhalb
daB Amerikaner und Neger eine in Geistesanlagen unter die iibrigen Glie- der Natur und dem Erkenntniflweg der Vernunft setzt, sich nicht weiter
der der Menschengattung gesunkene Race sind, andererseits aber, nach zu helfen weifl, da er in gelehrter Sprachforschung und Kenntnifl oder Be-
eben so scheinbaren Nachrichten, daB sie hierin, was ihre Naturanlage be- urtheilung alter Urkunden gar nicht bewandert ist, mithin die daselbst er-
trift, jedem andern Weltbewohner gleich zu schatzen sind, mithin dem zahlten und dadurch zugleich bewiihrten Facta philosophisch zu nutzen
Philosophen die Wahl bleibe, ob er Naturverschiedenheiten annehmen, gar nicht versteht; so bescheidet er sich von selbst, daB er hier kein U r-
oder alles nach dem Grundsatze tout comme chez nous beurtheilen will, da- theil habe. lndessen liiflt sich von der weitliiuftigen Belesenheit und von
durch denn aile seine iiber eine so wankende Grundlage errichtete Systeme der besondern Gabe des Verf., zerstreute Data unter einen Gesichtspunkt
den Anschein baufiilliger Hypothesen bekommen miissen. ·Der Einthei- zu fassen, wahrscheinlich zum voraus vermuthen, daB wir wenigstens iiber
lung der Menschengattung in Racen ist unser Verf. nicht giinstig, vor- den Gang menschlicher Dinge, so fern er dazu dienen kann, den Charak-
nehmlich derjenigen nicht, welche sich auf anerbende Farben griindet, ter der Gattung und, wo moglich, selbst gewisse classische Verschiedenhei-
238 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 15. November 1785 Herders Idecn zur Philos. d. Gcsch. d. Menschheit. Zweyter Theil. 239
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ten derselben naher kennen zu Iemen, vie!•Schones werden zu lesen be- einmal eine Vergleichung (156] des Grades derselben und ein Vorzug einer
kommen, welches auch flir denjenigen, der iiber den ersten Anfang aller Menschenclasse oder einer Generation vor der andern anzugeben mog-
menschlichen Cultur anderer Meynung ware, belehrend seyn kann. Der lich. Wie, wenn aber nicht dieses Schattenbild der Gliickseligkeit, welches
Verf. drlickt die Grundlage der seinigen (S. 338-339 sammt der Anmer- sich ein jeder selbst macht, sondern die dadurch ins Spiel gesetzte immer
kung) kiirzlich so aus: "diese (mosaische) lehrende Geschichte erzahlt: daB fortgehende und wachsende Thatigkeit und Cultur, deren groBtmoglicher
die ersten geschaffenen Menschen mit den unterweisenden Elohim im Grad nur das Product einer nach Begriffen des Menschenrechts geordne-
U mgange gewesen, daB sie unter Anleitung derselben durch KenntniB der ten Staatsverfassung, folglich ein Werk der Menschen selbst seyn kann, der
Thiere sich Sprache und herrschende Vernunft erworben und da der eigentliche Zweck der Vorsehung wiire, so wiirde nach S. 206. "jeder
Mensch ihnen auch auf eine verbotene Art in ErkenntniB des Biisen einzelne Mensch das Maas seiner Gllickseligkeit in sich haben" ohne im
gleich werden wollen, er diese mit seinem Schaden erlangt und von nun Genusse derselben irgend einem der nachfolgenden Glieder nachzustehen;
an einen anderen Ort eingenommen, eine neue klinstlichere Lebensart an- was aber den Werth nicht ihres Zustandes, wenn sie existiren, sondern
gefangen habe. Wollte die Gottheit also, daB der Mensch Vernunft und ihrer Existenz selber, d. i. warum sie eigentlich daseyn, betrift, so wiirde
Vorsicht iibte: so muBte sie sich seiner auch mit Vernunft und Vorsicht an- sich nur bier allein eine weise Absicht im Ganzen offenbaren. Meint der
nehmen. - Wie nun aber die Elohim sich der Menschen angenommen, Herr Verfasser wohl: daB, wenn die gliicklichen Einwohner von Otaheite,
d. i. sie gelehrt, gewarnt und unterrichtet haben? Wenn es nicht eben so niemals von gesittetern Nationen besucht, in ihrer ruhigen Indolenz auch
kiihn ist hierliber zu fragen, als zu antworten: so soli uns an einem ande- tausende von Jahrhunderten durch zu Ieben bestimmt waren, man eine
ren Ort die Tradition selbst darliber AufschluB geben." befriedigende Antwort auf die Frage geben konnte, warum sie denn gar
In einer unbefahrenen Wiiste muB einem Denker gleich Reisenden frey existiren und ob es nicht eben so gut gewesen ware, daB diese Insel mit
stehen, seinen Weg nach Gutdiinken zu wahlen; man muB abwarten, wie gliicklichen Schaafen und Rindern, als mit im blollen Genusse gliickli-
es ihm gelingt und ob er, nachdem er sein Ziel erreicht hat, wohlbehalten chen Menschen besetzt gewesen ware? Jener Grundsatz ist also nicht so
wieder zu Hause d. i. im Sitze der Vernunft, zur rechten Zeit eintreffe und bose, als der Hr. Vf. meynt. - Es mag ihn wohl ein baser Mann gesagt ha-
sich also auch Nachfolger versprechen konne. Urn deswillen hat Recen- ben. - Ein zweyter in Schutz zu nehmender Satz ware dieser. S. 212. heiflt
sent iiber den eigenen von dem Verfasser eingeschlagenen Gedankenweg es: "Wenn jemand sagte: daB nicht der einzelne Mensch, sondern das Ge-
nichts zu sagen, nur glaubt er berechtigt zu seyn, einige auf diesem Wege schlecht erzogen werde, so spriiche er flir mich unverstandlich, da Ge-
von ihm angefochtene Satze in Schutz zu nehmen, wei! ihm jene Freyheit, schlecht und Gattung nur allgemeine Begriffe sind, auBer, in so fern sie in
sich seine Bahn selbst vorzuzeichnen, auch zustehen muB. Es heiBt nam- einzelnen Wesen existiren. - Ais wenn ich von der Thierheit, der Stein-
lich S, 260: "Ein zwar Ieichter, aber baser Grundsatz wiire es zur Philoso- heit, der Metallheit im Ailgemeinen spriiche und sie mit den herrlichsten,
phie der Menschengeschichte: der Mensch sey ein Thier, das einen Herrn aber in einzelnen Individuen einander widersprechenden Attributen aus-
niithig habe und von diesem Herren, oder der Verbindung derselben, das zierete. - Auf diesem Wege der Averroischen Philosophie soli unsere Phi-
Gluck seiner Endbestimmung erwarte." Leicht mag er immer seyn, darum losophie der Geschichte nicht wandeln." Freylich, wer da sagte: Kein ein.zi-
wei! ihn die Erfahrung aller Zeiten und an allen Volkern bestatigt, aber ges Pferd hat Horner, aber die Pferdegattung ist doch gehornt, der wiirde
bose? S. 205. wird gesagt: "Giitig dachte die Vorsehung, daB sie den Kunst- eine platte U ngereimtheit sagen. Denn Gattung bedeutet alsdenn nichts
endzwecken groBer Gesellschaften die leichtere Gliickseligkeit einzelner weiter, als das Merkmal, worinn gerade aile Individuen unter einander
Menschen vorzog und jene kostbare Staatsmaschienen, so vie! sie konnte, iibereinstimmen miissen. Wenn aber Menschengattung das Ganze einer ins
flir die Zeit sparete." ~.z recht, aber allererst die Gliickseligkeit eines Unendliche (Unbestimmbare) gehenden Reihe von Zeugungen bedeutet,
Thiers, dann die eines Kindes, eines Jiinglings, endlich die eines Mannes. (wie dieser Sinn denn ganz gewohnlich ist), und es wird angenommen, daB
In allen Epochen der Menschheit, so wie auch zu derselben Zeit in allen diese Reihe der Linie ihrer Bestimmung, die ihr zur Seite lauft, sich unauf-
Standen, findet eine Gliickseligkeit statt, die gerade den Begriffen und der horlich nahere, so ist es kein Widerspruch zu sagen: daB sie in allen ihren
Gewohnheit des Geschopfs an die Umstiinde, darinn es gebohren und er- Theilen dieser asymptotisch sey und doch im Ganzen mit ihr zusammen
wachsen ist; angemessen ist; ja es ist so gar, was diesen Punkt betrift, nicht komme, mit anderen Worten, daB kein Glied aller Zeugungen des Men-
r
240 :OentiDiitOigtcitcn - 4. Quartal 1785 I <Bot~. geL .3. - 7. Dez. 1785 <Bottingi[d)e ~ln;cigcn oon gde~ttcn ®ad)en - 12. Dezember 1785 241
'•
schengeschlechts, sondern nur die Gattung ihre Bestimmung vollig errei- wechselnd theils historischen, theils dogmatischen Inhalts. Jener macht
che. Der Mathematiker kann hieriiber Erlauterung geben; der Philosoph zuforderst bekannt, daB Lessing in seinen letzten Jahren dem Spinozismus
wiirde sagen: die Bestimmung des menschlichen Geschlechts im Ganzen zugethan war. Wem diell nicht schon aus Lessings Launen und Charakter
ist unaufhorliches Fortschreiten und die Vollendung derselben ist eine blo- begreiflich ist; dem wird es doch durch die bier gegebenen Nachrichten
Jie, aber in aller Absicht sehr niitzliche Idee von dem Ziele, worauf wir und Erlauterungen glaublich werden. Weiter wird erzahlt, wie eben hier-
der Absicht der Vorsehung gemall, unsere Bestrebungen zu richten haben. aus eine Veranlassung zu einer Correspondenz zwischem dem V. und
Doch diese Irrung in der angefiihrten polemischen Stelle ist nur eine Klei- Hrn. M. iiber den wahren Sinn und Grund des Spinozismus [1988] em-
nigkeit. Wichtiger ist der Schlull derselben: .Auf diesem Wege der Averro- stand. U nd eben diese Correspondenz, zu welcher auch ein Brief des V. an
ischen Philosophie (heillt es) soli unsere Philosophie der Geschichte nicht Hemsterhuis iiber denselben Gegenstand, wegen seiner Mittheilung an M.
wandeln." Daraus Ialit sich schliellen, daB unser Verfasser, dem so oft alles, mitgehort, machen grolltentheils den dogmatischen, wenigstens den meta-
was man bisher fiir Philosophie ausgegeben, millfallig gewesen, nun ein- physisch-dogmatischen, Inhalt aus. In Ansehung dieses geriethen wir,
mal, nicht in einer unfruchtbaren Worterklarung, sondern durch That beym erstern Blattern, in einen Irrthum; von dem wir aber in der Folge
und Beyspiel in diesem ausfiihrlichen Werke ein Muster der achten Art zu auf eine sehr angenehme Art befreyt wurden. Es schien nemlich, als ob
philosophiren der Welt darlegen werde. eine gewisse metaphysische Wortphilosophie auch hier als hohe Weisheit
aufgefiihrt werde. Aber bald fanden wir sie so gewiirdiget, wie uns !angst
diinkte, daB jeder sie wiirdigen miillte, der ihre Grunde und ihre Frnchte
I'
genau kennt. U nd ihr Verf. kennt sie in der That so, daB er das vollkom-
A. H. Vlrich institutiones Log ieee et Metaphysicae, fence, apud viduam
menste Recht bey uns hat, sie zu wiirdigen, wie er thut. Der Sprung des
• I. R. Croeckeri. 8. m. (1 thlr. 4 gl.) - Eines der griindlichsten und voll-
Verf. (salto mortale, wie er ihn scherzweise gegen Lessing nennt) urn von
sdindigsten Lehrbiicher i.iber dicsc Wissenschaften. Wie sehr wird sich
jenen liiftigen Hohen der Metaphysik auf den festen Boden des Men-
[681] Herr Kant freuen, wenn er seine so lange Zeit unverstandene Kritik
schensinnes zu kommen, hat wahl ein wenig mehr Schnellkraft, als sich
der reinen Vernunft nach und nach in die Sisteme wiirdiger Philosophen
nicht jeder, im Obrigen mit dem V. einstimmige, Denker zu geben ver-
iibergehen sieht, und dadurch zugleich Gelegenheit erhalt, die dunklen
mag, oder fiir nothig hiilt. Und er macht sich selbst darauf gefallt, daB sei-
Stellen seines Werkes deutlicher zu erklaren, und die Schwierigkeiten, wel-
ne Schrift, mit unter, besonders gegen das Ende, manchem nach Mystik
che seinen Behauptungen hier oder da im Wege zu stehen scheinen, in ge-
oder Schwarmerey schmecken mochte. Mit Vergniigen und ausnehmender
nauere Erwagung zu ziehen. Wahl dem Jiingling, der einen Ulrich zum
Achtung gegen den Verf. hat Recensent sie durchweg gelesen; und manche
Lehrer hat!
Stelle mit innigem Wohlgeschmacke. - Das System des Spinoza hat in die-
sen Briefen das scheinbarste Ansehn, das ihm gegeben werden kann; un-
gleich mehr, als unter den seynsollenden Demonstrationen des Spinoza
Tena. Ein hiesiger junger Lehrer, Hr. M. Schmid~ halt offentliche Vor- selbst, bey welchen, mit allen den Riickweisungen von § zu § so grobe
l !esungen iiber reine Kritik der Vernunft, nach Kantischen Grundsatzen, Sophistereyen und Paralogismen vorkommen, daB Recens. sie nie lesen
nachdem er endlich hierzu die Erlaubnill erhalten hat. konnte, ohne zu erstaunen, wie [1989] so etwas fiir Rasonnement genom-
men werden kann. Bey aller Achtung, die der Verf. fiir das philosophische
Genie des Sp. zu erkennen giebt, leugnet er doch auch nicht, daB er sich
bisweilen bis zu Sophistereien erniedrige. Dem System selbst Beyfall zu
~re5fau. geben, ist er aber so vollig entfernt, daB er es nicht nur frey heraus fiir
Atheismus erkllirt; sondern eine fortgesetzte freye Darstellung seiner
Bey G. LOwe: Ober die Lehre des Spinoza, in Briefen an den Herrn M.
Thorheit und Abscheulichkeit eben deswegen fiir niitzlich hiilt, wei! das-
Mendelssohn. 1785. 215 Seiten in Octav. Unter dem Vorberichte macht sich
selbe seit einiger Zeit im Finstern herumschleiche, wie ein Gespens~ vor wel-
als Verf. bekannt Herr Fr. H. Jacobi (Churpf. G. Rath). Die Schrift ist ab-
chem Ungliiubige und Abergliiubige Reverenzen machen. Sein Hau ptsatz
242 ®ottingl[d)e ~n;eigcn oon gdc~rtcn elad)en - 12. Dezern her 1785 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 13. Dezember 1785 243
'•
aber ist Pascals Ausspruch, da£ die Vernunft die Dogmatiker zu Schanden fangt, und nur erkennen, dall es da ist, der ge{1991]winnt den mehresten
mache, und die Natur die Skeptiker. (In sofern nemlich, als jene Riison- Raum fiir achte menschliche Wahrheit." Das grollte Verdienst des For-
neurs nicht wissen, oder nicht wissen wollen, was einziger Grund, und schers ist, Daseyn zu enthiillen; Erkiarung ist ihm Mittel, Weg zum Ziele,
darnach sich bestimmende Grenze, aller achten, griindlichen, Erkenntnill nachster, niemals letzter Zweck - Ungemessene Erkiarungssucht liillt uns
ist; dem zufolge nicht bedenken, da£ die menschliche Weisheit dadurch so hitzig das Gemeinschaftliche suchen, dall wir dariiber des Verschiede-
ailein besteht, da£ sie zur rechten Zeit zu fragen und zu antworten auf- nen nicht achten; wir wollen immer nur verkniipfen, da wir doch oft mit
hort, mit analogischen, den gewillerkannten gemiillen, Vermuthungen am ungleich grollerem Vortheil trennten - Stark und treffend erkiart sich der
Ende sich begniigt, und sich nicht einfallen liillt, auf deutliche, bestimmte, Verf. iiber die Nothwendigkeit an Grundgefiihle zu glauben S. 163 f. Und
positive oder negative, Begriffe zu bringen, oder kurz, begreifen zu wol- schon fiir uns ist besonders auch folgendes: .Auch im Reiche der Wahr-
len, was nicht begriffen werden kann. Aus Vernachliissigung dieser Grund- heit wird durch Krieg selten vie! gewonnen; treuer Fleill eines Jeden in
regeln entsteht immer scholastische, barbarische Wortphilosophie; und am dem Seinigen, und freywilliger ehrlicher Tausch, ware auch hier das For-
Ende, wenn man fortfahrt, wie man angefangen hat, ist Atheismus oder derlichste, Beste. Wozu der bose Eifer gegen Mangel an Erkenntnill? -
absoluter Skepticismus, oder eine andere Verkehrtheit, unvermeidlich. Im (Zumai da dieser Mangel oft, und vermoge der Natur der Sache, muth-
Gegensatz auf solche scholastische, ausschweifend dogmatische Systeme ma£lich immer, auf Seiten des Eiferers eben so groll, oder noch groller ist,
von Theismus, kann unter der Hand eines geiibten und mit den Griinden als auf der andern Seite}. Wahr und tiefsinnig iiber den wechselseitigen
der Metaphysik bekannten Dialektikers, der Spinozismus denn freilich Einflull der Erkenntnill auf den sittlichen Zustand und des letztern auf die
[1990] auch ein Ansehn von Griindlichkeit gewinnen. Diell ist lange unse- erste S. 183 ff. Eben so iiber die Nothwendigkeit des Glaubens an ein hohe-
re Erfahrung - Ubrigens wird, nach dieser Erkiarung, nicht nothig seyn, res Ansehn zur Erhaltung der Tugend und des gesunden Menschenverstan-
daB wir genauer anzeigen, wie unsere bescheidene, oder schiichterne, Dog- des S. 195 f. Der Verf. verspricht noch Gesprache zu weiterer Ausfiihrung
matik neben der des Verf. parallel fort, oder davon abgeht. An drey der hier vorgetragenen Gedanken. Wir brauchen nicht hinzuzusetzen, mit
Grundsatzen ist es uns noch nicht moglich gewesen zu zweifeln; 1} dall welcher angenehmen Hoffnung wir sie erwarten.
die Grundursache ailes Seyns, wie unbegreiflich sie uns auch seyn mull,
nicht weniger Kraft und Vollkommenheit haben kann, als wir, sondern un-
endlich mehr; 2} da£ das Erkennende und Lebende mehr und besser ist,
ENA, im Crokerischen Verlage: lnstitutiones Logicae et Metaphysicae.
als das Erkenntnilllose und Todte; 3} Da£ wie innig wir auch das Zusam·
menseyn der Gottheit und der Geschopfe annehmen wollen und miissen,
wir dnch unmoglich dasselbe Verhaltnill zwischen ihnen annehmen kon-
J Scholae suae scripsit fa. Aug. Henr. Ulrich, Ser. Due. Srum-Cob. a consil.
au!. Moral. et Polit. P. P. 0. 1785. gr. 8. 426 und 153 S. ohne Vorrede und
Register.
nen, wie zwischen Substanzen und ihren Eigenschaften; wenn wir nicht die
Grundbegriffe verkehren, und mit Worten spielen wollen: wie der Idealist Mit Vergniigen zeigen wir dieses vollig umgearbeitete Lehrbuch an, das,
mit Worten spielt und die Grundbegriffe vernichtet, wenn er herausbringt, auller seiner zweckmiilligen Einrichtung, zugleich so manche schatzhare
da£ die Dinge ausser uns, bey der Empfindung, nur Ideen in uns seyn. Beytrage zur Berichtigung der philosophischen Begriffe liefert. Der griind-
Und eine ewige, in sich selbst zum Erkennen, Wollen und Wirken bestimm- liche Vortrag des Herrn Hofraths und seine scharfsinnige Zergliederung
te erste Ursache ist keine Schwierigkeit mehr; sobald wir den Begriff davon und U nterscheidung der Be griffe sind bereits zu bekannt, als da£ sie einer
nicht nach unserm Erkennen, Wollen und Wirken aufkiaren und aus- Lobpreisung bediirfen. Der wichtigste Vorzug, durch welchen sich dieses
bilden; sobald wir einsehen, da£ hier das Begreifen ein Ende hat). Und Lehrbuch auszeichnet, und wodurch es zur Zeit in seiner Art einzig ist, ist
hier eben konnen wir anfangen noch einige der griindlichen Ausspriiche die bestandige Riicksicht, welche dasselbe auf das in allem Betracht so prii-
unsers V. anzuschliellen.•Der grollte Kopf, wenn er ailes schlechterdings fungswiirdige Kantsche System nimmt, und die scharfsinnige Art, mit wel-
erklaren, nach deutlichen Begriffen miteinander reimen, und sonst nichts cher der Hr. Verf. letzteres, so weit es ihn iiberzeugt hat, in sein eignes
gelten lassen will, mull auf ungereimte Dinge kommen - Wer nicht erkla- System zu verweben sucht. Die unpartheyische Wahrheitsliebe, mit wel-
ren will, was unbegreiflich ist, sondern nur die Grenze wissen, wo es an- cher er - selbst Lehrer - es einerseits nicht fiir Schande halt, seine vieljah-
244 ALLGEMEINE LlTERATUR-ZEITUNG- 13. Dezember 1785 U Ir i c h s Institutiones Logicae et Metaphysicae 245
•
•
rigen Uberzeugungen einer fremden Belehrung aufzuopfern, andererseits Allein so sehr der Hr. Verf. bis zur Tafel der Kategorieen der Kantschen
aber dasjenige, was ihm in den Kantschen Principien unerwiesen oder gar Critik beypflichtet, so sehr entfernt er sich weiterhin von derselben. Er
unrichtig schien, nicht minder freymiithig anzeigt, macht dem wiirdigen glaubt §. 176. dall aile philosophische Urtheile a priori am Ende eben so
Mann eben so vie! Ehre, als sie Nachahmung verdient. wohl von der Natur und urspriinglichen Form unsers Verstandes und unse-
So unniitze Weitschweifigkeit es seyn wiirde, den Leitfaden eines ganzen rer Vernunft abgeleitet werden miissen, als man sich bey den mathemati-
Lehrbuchs in einer Recension zu verfolgen, urn so zweckmalliger und schen endlich auf die Natur und Form unserer Sinnlichkeit berufen mull.
niitzlicher diinkt es uns, unsern Leser mit dem Eigenthiimlichen desselben Die Art, wie Kant die synthetischen Grundsatze des reinen Verstandes zu
bekannt zu machen, und das auszuheben, was die Wissenschaft selbst beweisen gesucht, befriedige ihn nicht (§. 177). Unmoglich konne er sich
durch dasselbe eigentlich gewonnen zu haben scheint. iiberzeugen, dall, aullerhalb dem Gebiete [298] der Mathematik, keine an-
Einen gro&n Theil der Kantschen Behauptungen hat der Hr. Verf. dere synthetische Grundsatze a priori objective Realitat haben sollten, als
schon wirklich und nach unsrer Meinung mit Grunde adoptirt; z. B. dall diejenigen, ohne welche selbst die Moglichkeit der Erfahrung wegfiele.
es reine Vernunft, und nicht bios analytische, sondern auch synthetische Denn der Grundsatz der Causalitiit: alles was geschieht, oder anjangt zu
U rtheile a priori gebe, den U nterschied zwischen dem mathematischen seyn, setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt, sey vie! zu enge,
und philosophischen Erkenntnisse, zwischen Sinnlichkeit und Verstand, und stehe schon unter deni allgemeinen Satze des zureichenden Grundes,
als zwo verschiedenen Urquellen unserer E~kenntnisse, die im Kantschen indem wir bey dem, was geschieht, uns nie urn eine U rsache bekiimmern
System so fruchtbaren Begriffe von Raum und Zeit als den Formen unse- wiirden, wenn nicht die wesentliche Form unsers Verstandes uns iiber-
rer Sinnlichkeit, die Kategorieen, als die urspriinglichen Formen unsers haupt nothigte, von allem, was ist und doch anders seyn kann, nach einer
Denkens, die Absonderung alles Empirischen aus der Metaphysik u. s. w. U rsache zu fragen. Hr. Prof. Kant setze, wie der V. S. 309 anmerkt, dieses
Uberhaupt stimmt der Hr. Hofrath der Critik der reinen Vernunft bis zur selbst voraus, wenn er in seiner Critik S. 193 sagt: "ich werde also die
Lehre von den Kategorieen beynahe vollig bey, auller dall ihm §. 119. die subjective Folge der Apprehension von der objectiven Folge der Erschei-
meisterhafte Tafel der Kategorieen unvollstandig vorkommt, und zu den nungen ableiten miissen, wei! jene sonst ganzlich unbestimmt ist und
drey Kategorieen des Verhaltnisses noch die Begriffe der Einerleyheit und keine Erscheinung von der andern unterscheidet." Denn was heille dieses
Verschiedenheit, imgleichen der Einstimmung und des Widerstreits zu geho- A bleiten anders, ais nach einem zureichenden Grunde fragen, der, wei! er in
ren scheinen. Dieser Verdacht diirfte indessen wohl verschwinden, indem der subjectiven Folge nicht liege, in der objectiven zu suchen sey. Die
die erwahnten Begriffe keine Kategorieen, sondern blolle Vergleichungs- Erfahrung oder Wahrnehmung auf einander folgender Dinge sey auch an
begriffe so wohl der Kategorieen, als der Begriffe von Raum und Zeit sind. sich moglich, ohne etwas vorauszusetzen, worauf die Folge nach einer
So heillen A, B einerley, so fern A auch B ist, verschieden, so fern A nicht B Regel geschieht, denn man konne z. B. die Folge der drey Tone c, d, e
ist, z. B. A, B haben einerley Grolle, Qualitat, U rsache, Ort, wenn die vollkommen wahrnehmen, ohne an die Ursache davon zu denken. Das
Grolle, Qualirat, Ursache und der Ort des Dinges auch die Grolle, Quali- sehe zwar ein jeder ein, dall ohne den Grundsatz der Causalitat keine
tat, Ursache, und der Ort des Dinges B ist. Eben so bedeuten die Begriffe Erfahrungsurtbeile moglich waren, d. i. dall wir nie schlielleh konnten: B
der Einstimmung und des Widerstreits nichts weiter als die Modalitat der miisse auf A jedesmal oder nothwendig folgen. Allein dieser Satz sey fast
Realitaten, namlich zwischen Realitaten ist Einstimmung oder Wider- identisch, und vie! zu diirftig, als dall es Kants Absicht seyn konnte, nichts
streit, wenn ihr Zugleichseyn in einerley Substanz moglich oder unmog- weiter, als dieses erweisen zu wollen. Was den Grundsatz der Beharrlich-
lich ist. Der Hr. V. aber kann die beiden letztern Begriffe urn so weniger keit betrift, so seyn §. 316. 317. im strengsten Verstande die Erscheinungen
zu den Kategorieen zahlen, da er §. 151 so gar geneigt scheint, allen rea/en gar nicht Substanzen, noch etwas Beharrliches. Denn da dieselben als solche
Widerstreit fiir einen blollen logischen zu erkennen, und es fiir eine aullerst betrachtet blolle Vorstellungen in uns sind, so sey in Ansehung ihrer ein
dunkle Sache ansieht, ob zwischen Realitaten in der That ein Widerstreit bestandiges Verschwinden und Wiedererscheinen, mithin miisse eine Ursa-
moglich sey. Auf diese Art waren Einstimmung und Widerstreit bios che seyn, die sie immer von neuem darstellt, die also selbst beharrlich und
analytische Begriffe, also konnten sie urn so weniger Kategorieen d. i. daurend, aber eben daher nicht selbst Erscheinung, sondern ein dvrwc; dv
synthetische Formen des Denkens seyn. oder ein Ding an sich selbst ist. Zwar scheine es widersprechend, Dingen an
246 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 13. Dezember 1785
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sich eine Beharrlichkeit zuzuschreiben, da letztere ein Seyn in der Zeit, die-
se aber die Form der innern Sinnlichkeit anzeigt, welche daher bey Dingen
an sich nicht statt finde. Allein man konne {§. 236) vom Begriffe der Exi-
' U Ir i c h s Institutiones Logicae et Metaphysicae
die angefiihrten Zweifel noch lange nicht eine solche Evidenz, dafl man sie
schon als eine vollkommene Widerlegung des Kantschen Systems ansehen
247
konnte, sondern hiezu diirften noch wohl vie! tiefere Blicke in den ganzen
stenz den Begrif der Zeit nicht absondern, und dieselbe nur schlechthin Zusammenhang desselben nothig seyn. Die Hauptsache desselben, von
durch ein Seyn ausdriicken. Die Zeit konne daher nicht eine bloft subjective welcher die wahre Grenzbestimmung der reinen Vernunft abhangt, beruht
Form der Anschauung seyn, sondern miisse auch den Dingen an sich ob- vorziiglich auf der Deduction der reinen Verstandesbegriffe, welche die
jectiv zu kommen. Nie, sagt der V. §. 238. 239. werde ihn jemand iiberzeu- Kritik der reinen Vernunft S. 84-147. liefert. Es ist daher zu bedauren,
gen, daB das tramcendentale Bewustseyn eine blofle Erscheinung und nicht daB der H. V. nicht vorziiglich diese untersucht hat. Doch vielleicht hielt
vielmehr ein Ding an sich sey. Denn Erscheinungen sind nichts weiter, als ihn hievon bios die Dunkelheit zuriick, die eben in diesem Theile der Kri-
gewisse Vorstellungen in einem Bewustseyn vereinigt, mithin sind sie ohne tik, welcher gerade der helleste seyn miiflte, wenn das Kantsche System
ein Bewustseyn, welchem sie erscheinen, gar nichts. Nun aber konne [299] eine vollkommene Oberzeugung gewahren sollte, am allerstarksten
unser Bewustseyn selbst keinem andern Bewustseyn erscheinen und ein herrscht.
Phanomen seyn. Also miisse es ein Ding an sich seyn. Da nun gleichwohl Sich in eine ausfiihrliche Priifung dieser dunklen Materie am Ende
in den Thatigkeiten unsers Bewustseyns eine wirkliche Succession ist, so einer Recension einlassen wollen, wiirde wohl ein nichtiges Unternehmen
folge hieraus von neuem, daB auch in den Dingen an sich eine wahre seyn. Indessen konnen wir nicht umhin, bey dieser Gelegenheit wenig-
Succession statt finde, und daB selbst der · vollkommenste Verstand die stens einige Gedanken zu weiterer Untersuchung hinzuzusetzen. Kant
successiven Thatigkeiten unsers Bewustseyns als successive Dinge amchauen deducirt die objective Realitat der Kategorieen oder der synthetischen
miisse. Aber nicht nur die synthetischen Grundsatze des reinen Verstan- Begriffe daher, wei! ohne dieselbe keine Erfahrung moglich ware. Nun
des, sondern auch selbst die der reinen Vernunft miissen nothwendig versteht er unter Erfahrung bald blofle Wahmehmungsurtheile, d. i. solche
objective Giiltigkeit haben. So sey (§. 177) z. B. der Satz: wenn etwas empirische Urtheile, die nur subjectiv giiltig fiir mich sind, bald Erfah-
Bedingtes gegeben ist, so mufl auch etwas Absolutes seyn, ein Grundsatz, rungsurtheile, d. i. solche, die objectiv, folglich allgemein giiltig fiir jeder-
der in der Natur unserer Vernunft selbst liegt, und ohne welchen sie gar mann sind. {Proleg. S. 78.) Also wiirde in der erstern Bedeutung des Worts
keine Beruhigung findet. Daher seyn auch die Categorieen nicht blofl auf der Sinn seiner Deduction dieser seyn: ohne objective Realitat der Katego-
Erscheinungen, sondern eben sowohl auf Dinge an sich anwendbar, folg- rieen sind keine Wahmehmungsurtheile moglich. In diesem Sinne nimmt
lich nicht blofl von immanentem, sondern auch von transcendentem Ge- er wirklich den Satz an vielen Orten, besonders aber in den Beweisen der
brauch. Kan~ der letzteres leugnet, pradicire sie gleichwohl selbst an vielen drey Grundsatze von den Analogieen der Erfahrung S. 182 &c., indem
Stell~n auch von den Dingen an sich. Und eben so wenig seyn daher auch hier der nervus probandi darinn liegt, dafl, da unsere Apprehemion des
die so genannten Ideen der reinen Vernunft z. B. die Idee des Absoluten, Mannigfaltigen der Erscheinungen jederzeit successiv ist, diese urn an sich
blofle Ideen, sondern reale Vernunftbegriffe. nicht lehren kiinne, was zugleich ist, und was auf einander folge, wofern
Recensent mufl gestehen, in manchen von diesen Zweifeln des Herrn nicht in den Erscheinungen selbst eine solche objective Verkniipfung
Hofraths seine eigenen angetroffen zu haben. Diese Obereinstimmung sey ware, welche die Zeitverhaltnisse derselben bestimmte. Allein, wenn ich
nun immerhin noch keine Prasumtion fiir ihre Richtigkeit, sondern viel- nichts wahrnehmen kann, ohne meine empirische Vorstellungen erst un-
leicht eine blofle Folge lange gewohnter Vorstellungsarten; so ist doch ter eine objectivgiiltige Kategorie zu bringen, heist das nicht eben so vie!,
wenigstens gewifl, daB diese Zweifel, die kein Unbefangener so ganz uner- als: urn empirisch urtheilen zu konnen, mufl ich erst a priori und zwar
heblich finden wird, gerade das Hauptfundament des ganzen Kantschen synthetisch urtheilen? z. B. urn sagen zu konnen: wenn die Sonne scheint,
Lehrgebaudes treffen, und daB ·also letzteres, so ·ungemein vie! Vortrefli- so wird der Stein warm, miiflte ich erst wissen, daB der Sonnenschein die
ches, Wichtiges und unstreitig Gewisses es auch in sich enthalt, doch in Ursache von der Warme des Steins sey. Auflerdem aber wiirde sich Kant
Ansehung seines eigentlichen Hauptziels noch lange nicht diejenige apo- hier selbst widersprechen, da er {Proleg. S. 78) ausdriicklich sagt: die Wahr-
diktische Oberzeugung mit sich fiihrt, welche zur Abnothigung einer un- nehmungsurtheile bediirfen keiner reinen Verstandesbegriffe, sondern nur
eingeschrankten Annahme desselben erforderlich ist. Indessen haben auch der logischen Verkniipfung der Wahrnehmungen in einem denkenden Sub-
248 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 13.
'
Dezember 1785
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ject. Versteht man dagegen unter der Erfahrhng ein Erfahrungsurtheil; so
wiirde die Kantsche Deduction diesen Sinn haben: ohne objective Realitat
der Kategorieen ist kein Erfahrungsurtheil miiglich, und dieses scheint ihr
wahrer Sinn seyn zu sollen, indem Kant immer darauf dringt, dall, wenn
die Kategorieen keine nothwendige Beziehung auf Erscheinungen hatten,
aile unsere Wahrnehmungen ein regelloser Haufe seyn wiirden, aus wel-
chem wir gar kein Erkenntnill zusammen setzen konnten. Allein, wenn
BERLIN, bey Voll und Sohn: Moses Mendelssohns Morgenstunden oder
uns nicht alles triigt, so sagt der obige Satz nichts weiter als dieses: wenn Vorlesungen iiber das Daseyn Gottes. - Erster Theil 1785. 330 S. 8.
die Kategorieen keine nothwendige Beziehung auf Erscheinungen, d. i. in
(1 Rthlr.)
ihnen keine objective Giiltigkeit hatten, so wiirden wir von letztern nie a
priori, d. i. allgemein oder objectivgiiltig urtheilen kiinnen, so wiirden wir ir fangen den zweyten Jahrgang unsrer Blatter mit der Anzeige
z. B. nie sagen konnen: auf den Sonnenschein mull die Warme nothwendig
und jedesmal folgen. Allein ist dieser Satz nicht, wie schon Hr. Hofrath
W eines Werkes an, das, man mag auf die Entstehungsart desselben,
oder auf die Veranlassung zur Herausgabe, oder auf die Zeit in der es er-
anmerkt, in der That identisch? Bestand nicht eben das ganze Vorgeben scheint, oder auf die Wichtigkeit seines Inhalts, oder endlich auf den Vor-
des Hume darin, dall wir nie a priori sagen kiinnten: auf A miisse B trag sehn, von allen in der letzten Messe herausgekommnen deutschen
nothwendig folgen. U nd wollte der vortrefliche Kant uns nicht eben erst Schriften die mehrsten unsrer Leser interessiren mull, und nicht Ieicht die
iiberzeugen, .dall wir zu dergleichen allgemeinen Erfahrungsurtheilen alter- Begierde mit der sie es zu genie/len kamen, unbelohnt lassen, vielmehr
dings befogt sind? Man darf indessen noch kein sceptischer Hume seyn, selbst diejenigen, welche sich in den Hauptpunkten von dem Vf. nicht
urn dieses zu bezweifeln. Gesetzt die Erscheinungen waren in der That ein iiberzeugt finden, dennoch mehr als eine Art der Befriedigung, und des
regelloser ,Haufe, ein blolles Aggregat von Simultaneis und Successivis, das Wohlbehagens gewahren wird.
uns bloB. .darum regelmallig erschiene, wei! ihr Daseyn, den Raum- und Dis Werk entstund nicht aus Amts halber gehaltenen Vorlesungen, son-
Zeitverhaltnissen nach, durch den Willen des Schopfers aufs weiseste der- dern aus U nterredungen eines ehrwiirdigen, liebenden und geliebten
gestalt prlistabilirt, dall auf gewisse Erscheinungen (die ohnehin nichts Hausvaters, mit einem hoffnungsvollen Sohne und zwey andern Jiinglin-
weiter als Vorstellungen in uns, oder gewisse Modificationen unsers Be- gen, die als Verwandte und Freunde zur Familie gehiirten; kein anderes In-
wustseyns sind) immerfort gewisse andere aufs ordendichste folgten, ohne teresse, als das Interesse wichtiger Wahrheiten, trieb ihn an, sich in jenen
dall zwischen den Erscheinungen selbst die mindeste reale Verkniipfung Morgenstunden iiber die grolle Lehre vom Daseyn Gottes mit ihnen zu
vorhanden ware; so waren die Kategorieen der Ursache und Gemeinschaft unterhalten, und ob er wohl ihnen gleich anfangs gestand, dall ohne Uber-
auf die Erscheinungen der Natur gar nicht anwendbar, und unser Verstand zeugung von dieser Wahrheit, das Leben fiir ihn keinen Genull, das Gliick
wiirde in diesem Faile, anstatt der Natur ihre Gesetze vorzuschreiben, viel- selbst keine Freuden fiir ihn habe, dennoch sich in das ruhige Gleichge-
mehr ihre bloll scheinbare Gesetzmalligkeit von ihr bloll durch Wahrneh- wicht einei urn die Folgen ganzlich unbekiimmerten U ntersuchung zu
mung a posteriori ablernen. Doch diese Gedanken seyn bloll zur Priifung versetzen. U nd dis bey einer Lage des Kiirpers, die manchen noch so eifri-
hingeworfen. gen Denker wiirde abgeschreckt haben, bey einer Nervenschwache, der er
Wie vie! wiirde die Philosophie gewinnen, wenn bald mehrere unserer seit zwolf Jahren unterliegt, und die ihn niithigte sich von der Philosophie
beriihmten Weltweisen mit der U npartheylichkeit des H. Hofraths Ulrich zu entfernen, ihr die in bessern Jahren, wie er sich eben so riihrend als
sich zur ausfiihrlichen U ntersuchung des Kantschen Systems entschliellen geriihrt dariiber ausdriickt, seine treueste Gefahrtinn, sein einziger Trost
miichten. · in Widerwiirtigkeiten des Lebens war, auf allen Wegen auszuweichen wie
einer Todfeindinn, oder sie gar wie eine ver{2]pestete Freundinn zu scheu-
en, die ihn selbst riethe allen U mgang mit ihr zu meiden.
Was ihn zur Herausgabe dieses Buchs veranlallt, will zwar Hr. Mendels-
sohn erst kiinftig noch sagen, und wir wollen ihm hierinn nicht vorgrei-
250 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 2.Januar 1786
fen; wir miiflten uns aber sehr irren, wenn' nicht die merkwiirdige Schrift
des Hrn. Geh. Rath Jacobi in DUsseldorf tiber die Lehre des Spinoza, von
'I
'
'
Mendelssohns Morgenstunden
Schliisse, die durch den richtigen Gebrauch unsers Verstandes aus jener un-
mitteibaren Erkenntnifl gezogen werden; Gedanken in welche wir jene
der wir nachstens reden werden, und die Nachricht die er von ihm erhielt,
dafl Lessing selbst gegen das Ende seines Lebens den Pantheismus verthei- Gefiihle aufliisen; Vemunfterkenntnift; und 3) Erkenntnifl des aufter uns
digt, wenigstens [ifut] mit dazu bewogen hatte. In mehrern Stelien dieses er- Wirklichen oder die Vorsteliungen die wir davon haben, dafl wir uns in
sten Theils ist wenigstens auf diese Punkte so vie! Riicksicht genommen, einer physisch-wirklichen Welt befinden, in welcher wir wirken und lei-
ais die Form des Werkes und die Scene der Unterredung erlauben wolite. den, Veriinderung annehmen, und Veriinderung hervorbringen." Man kann
U nd diese Schrift, in welcher der Philosoph die subtilesten Beweise, die alierdings mit dieser Eintheilung zufrieden seyn, so fern man nicht die
bisher die Metaphysik fiir das Daseyn Gottes, ais Demonstrationen ver- griiflte Scharfe fodert, und weiter auch nichts daraus gefolgert werden soli.
sucht hat, durch die feinste und scharfsinnigste Dialektik zu bestatigen Sonst aber ist nicht zu laugnen, daB die letzte Ciasse mit der ersten oder
und mit noch neuen zu vermehren sucht, erscheint zu einer Zeit wo Kant der andern zusammen fallt. AJ!e unsere Erkenntnifl der Auflendinge ist
in der Kritik der reinen Vernunft zu erweisen gesucht hat, dafl es keine entweder selbst Empfindung, oder Schlufl, Raisonnement aus Empfin-
solche Beweise geben konne. Nun versichert zwar Hr. M. in der Vorrede, dungen. Oder mit andern Worten, aile unsre Erkenntnifl ist entweder
dafl er eben seiner Nervenschwache halber, die ihm das Lesen fremder Ge- Anschauung oder Begriff, und genaugenommen immer aus beyden zusam-
danken fast noch mehr ais eignes Nachdenken erschwere, die Schriften mengesetzt.
eines Lamberts, Tetens, Platners, und selbst des "ailes zermalmenden" Kants Weiterhin S. 47. verdienet folgende Bemerkung erwahnt zu werden:
nur aus unzulanglichen Berichten seiner Freunde oder aus gelehrten An- Wahrheit ist jede Erkenntnifl, jeder Gedanke, der eine Wirkung unsrer po-
zeigen kenne; dennoch glaubt man Spuren zu entdecken, dafl er Hrn. sitiven Seelenkriifte ist; in soweit er aber eine Foige des U nvermiigens ist,
Kants beriihmtes Werk vor Augen gehabt; im Gegentheil tragen diese Vor- in soweit er durch die Schranken unsrer positiven Krafte eine Abanderung
lesungen gar keine Spuren von Nervenschwache, so dafl man versucht l gelitten, nennen wir ihn Unwahrhei4 und zwar, wenn Unvermiigen der
werden konnte, was Hr. M. davon sagt, wenn es ni~ht sonst zuverlassig obern Seelenkriifte, Mangel des Verstandes ·oder der Vernunft an der Un-
bekannt ware, fiir sokratische Ironie zu hal ten.
Der Inhait dieses ersten Theils, (denn von der Manier des Vortrags woi- l wahrheit schuid sind, nennen wir das Faische in der Erkenntnifl Irrthum;
sind wir aber durch Tauschung der sogenannten niedern Seelenkriifte
I
Ien wir am Ende dieser Anzeige sprechen) zerfalit in zwey Abschnitte, verleitet worden, so wird das Falsche in der Erkenntnifl Tiiuschung oder
wovon der erste Vorerkenntnisse aus einander setzt, der andere aber die Sinnenbetrug genannt. Eine jede menschliche Erkenntnij? ist also zum Theil
Lehre vom Daseyn Gottes selbst untersucht. Jene betreffen die Begriffe wahr, zum Theil unwahr, denn sie ist die Wirkung einer Kraft, die ihre
von Wahrheit, Irrthum und Schein, von U rsache, Wirkung und Kraft, von Griinzen und Einschriinkungen leidet. Das U nwahre aber ist entweder
Ideenverbindung, Wachen und Triiumen, zuletzt den:.Streit mit den Ver- Irrthum, oder Sinnenschein, oder aus beyden zusammengesetzt." Hier ist
theidi{3]gern des Ideaiismus. Hier begniigen wir uns, da ein Auszug dar- uns [4] nicht recht deutlich wie Hr. M. den Ausdruck eine jede mensch fiche
aus ganz unnothig seyn wiirde, einige Stelien auszuheben, bey denen wir Erkenntnij? nimmt. Versteht er ihn bios von dem Ganzen, von dem Total
nicht so Ieicht, als in den meisten iibrigen mit dem Vf. fortgehen konnten. menschlicher Erkenntnisse, so ist sein Satz unwidersprechlich; es scheint
S. 45. theilt der Verf. die Masse unsrer Erkenntnisse in drey Classen ein aber, dafl er so vie! heiflen soli, ais jeder Satz den der Mensch erkennt; und
1) in sinnliche Erkenntniil oder unmittelbares Bewustseyn der Veriinde- da ist es doch wohi einzuschriinken, dafl in jeder unsrer Erkenntnisse
rungen, die ill. uns vorgehn, indem wir sehen, hiiren, fiihlen u. s. w. indem etwas unwahres sey. In dem Satze, dafl die Summe der Winkel eines
wir Lust oder Unlust haben, indem wir begehren oder verabscheuen, ur- Dreyecks zween Rechten gleich sey ist doch schlechterdings nichts Un-
theilen, schlieflen, hoffen, fiirchten u. s. w. Alles dies setzt Hr. M. hinzu, wahres. Hier haben die Schranken unsrer Erkenntniflkraft auf die Wahr-
rechne ich mit zur unmittelbaren Erkenntnifl der auflern und innern heit des Urtheils nicht den mindesten Einflufl.
Sinne, obgleich so manches Nachurtheil, so manche Berichtigung und In der Betrachtung welche der Verf; dem Idealismus entgegensetzt,
Verbesserung des Verstandes sich mit dem Sinnlichen mehrentheils so in- schien der Gang der Vorstellungen in unsern Augen mehr aus Spriingen
nigst verbindet, dafl die Grenzen derselben nicht mehr zu erkennen sind. ais aus Schritten zu bestehn.
252 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 2. Januar 1786 Mendelssohns Morgenstunden 253
'
• von materiellen Wesen als
Die Vorstellung, behauptet Hr. M., die wir ErkenntniB der Wahrheit als von dem Verlangen nach dem Guten abzu-
ausgedehn~ beweglich und undurchdringlich haben, sey keine Folge unsrer sondern. Das ErkenntniB in so weit es wahr oder falsch ist, nennt er das
Schwachheit und unsers Unvermogens, sie flieBe vielmehr aus der positi- Materiale, in soweit es aber Lust oder UnJust erregt, Billigung oder MiB-
ven Kraft der Seele, sie sey allen denkenden Wesen gemein, und mithin billigung der Seele zur Folge hat, das Formate der Erkenntnifi; wei! da-
nicht bios subjective, sondern objective Wahrheit. Dies alles batten wir durch ErkenntniB von ErkenntniB, Wahrheit von Wahrheit selbst unter-
triftiger erwiesen zu sehen gewiinscht, als wir es bier gefunden haben. schieden werde. Das Materiale der ErkenntniB leidet keine Abstufung. Ein
Bewegung, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit sind doch immer Erschei- Begriff kann nicht mehr nicht weniger wahr als der andre seyn. Das For-
nungen; wir wissen nicht, was sie an sich selbst seyn mOgen; es ist also male in der ErkenntniB aber leidet nicht nur seine Abstufung, sondern
wenigstens eben so wahrscheinlich, daB diese Vorstellungen von den das Wesen desselben besteht hauptsachlich in der Vergleichung, in Mehr
Schranken unsrer ErkenntniB als daB sie von der positiven Kraft unsrer oder Weniger. Im Grunde betrachtet fiihrt jede ErkenntniB schon eine Art
Seele abhangen. U nd wie steht wohl zu erweisen, daB sie allen denkenden von Billigung mit sich. Ein jeder Begriff in soweit er bios denkbar ist hat
Wesen gemein sind? Wir geben zu, daB in dem Streite des Dualisten mit etwas das der Seele gefallt das ihre Thatigkeit beschaftigt, und also mit
dem Idealisten beyde darinnen iibereinkommen konnen, daB A seyn, und Wohlgefallen und Billigung von ihr erkannt wird. Nichts ist im hochsten
als A gedacht werden der Sprache und den Begriffen nach einerley sey, vor- Grade bose, nichts im hochsten Grade haBlich. Wie aber die Seele bey
ausgesetzt, daB iinmer nur von subjectiver Wahrheit· die Rede ist. Gegen einem Begriffe mehr Wohlgefallen, angenehmere Beschaftigung finden
das folgende aber was Hr. M. hinzusetzt: .Wenn wir also sagen, die Ma- kann, als bey einem andern, so kann sie jenen Iieber haben wollen, und
terie sey ausgedehnt, sey beweglich, sey undurchdringlich, so sagen wir diesen vorziehen. In dieser Vergleichung und in dem Vorzuge, den wir
freylich nichts anders, als es gebe Urbilder aufler uns, die sich in jedem einem Gegenstande geben, bestehet das Wesen des Schonen und des Hall-
denkenden Wesen als ausgedehnt, beweglich und undurchdringlich darstel- lichen, Guten und Bosen, Vollkommnen und Unvollkommnen. Was wir
len." wird. der Idealist sagen: daran zweifle ich eben, daB diese U rbilder in dieser Vergleichung als das Beste erkennen, wirket auf unser Begeh-
aufler uns. sind; und was andere denkende Wesen betrift, so weis ich von rungsvermogen, und reitzet wenn es keinen Widerstand findet zur Thatig-
ihrer Vorstellungsart nicht das allermindeste. Mithin ist der U nterschied keit. - Ferner das Materiale der ErkenntniB trennt das Denkbare (6] vom
zwischen beyden Partheyen so geringfiigig nicht. Hingegen ist wider den Undenkbaren, das Wirkliche vom Nichtwirklichen. Das Falsche als eine
Idealisten, der sich nicht bios in den Granzen des Zweifels halt, sondern Folge von der Einschrankung des Vorstellungsvermogens kann nicht nur
entweder selbst dogmatisch entscheidet, oder doch dogmatische Entschei- nicht wirklich vorhanden seyn, sondern muB auch unter gewisser Bedin-
dung verlangt S. 115 vortreflich gesagt: Freund, wenn dieses euer Ernst ist, gung nicht gedacht werden konnen. Mit dem Formalen in der ErkenntniB
so dii.nkt mich, ihr verlangt etwas zu wissen, das schlechterdings kein Ge- aber verhalt sichs ganz anders. Nur der hochste Grad des HaBlichen und
genstand des Wissens ist. Wir stehen an der Granze nicht nur der mensch- Bosen kann weder gedacht werden, noch wirklich vorhanden seyn. Jede
lichen ErkenntniB, sondern alter Erkenntniji'iiber{5]haupt; [nur dies diirf- Abstufung derselben aber laBt sich nicht nur mit gleicher Wahrheit den-
te noch zu kiihn seyn] und wollen auch weiter hinaus, ohne zu wissen ken, sondern kann auch unter gewissen U mstanden das Beste werden, und
wohin. Wenn ich euch sage, was ein Ding wirket oder leidet, so fraget zur Wirklichkeit gelangen. Das Falsche ist eine bloBe Verneinung, und
nicht weiter, was es ist. Wenn ich euch sage, was ihr euch von einem Dinge kann nirgends anzutreffen seyn. Das HaBliche und Bose aber, insoweit es
fiir einen Begriff zu machen habet, so hat die Frage, was dieses Ding an bios in der Vergleichung diesen Namen erhalt, kann wirklich vorhanden
und fiir sich selbst sey, weiter keinen Verstand !" seyn, jedoch mit der Bedingung, daB es irgendwo und irgend wann in der
Was im letzten Abschnitte der Vorerkenntnisse S. 114. u. f. vorgetragen Vergleichung das Beste werde. (Wider dieses Raisonnement finden wir
wird, geht hauptsachlich die Entheilung des Vermogens der Seele in Er- nichts einzuwenden, auBer daB alles wohl erwogen, das Billigungsver-
kenntniB und Begehrungsvermogen an. Der Verf. glaubt, zwischen dem mogen doch entweder zum Denken, oder zum Wollen gehort, entweder
Erkennen und Begehren liege das Billigen, der Beyfall, das Wohlgefallen in ErkenntniB oder in Bestrebung besteht, und der Ausdruck Materiales
der Seele, welches noch eigentlich von Begierde entfernt sey. Er nennt und Formales kein recht schickliches Kunstwort fiir das, was der Vf. damit
dieses Vermogen das Billigungsvermogen urn es dadurch sowohl von der bezeichnen will, zu seyn scheint.)
254 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 7. Januar 1786 Mendelssohns Morgenstunden 255
'
•
Noch bemerkt der Vf. einen Unterschied, den er zu Aufklarung ver- glauben, wei! es ein hiichstgiitiges Wesen als das Beste gebilliget haben mull,
schiedener psychologischen Phanomene sehr wahl zu nutzen weis. Bey- so fern als erwiesen vorausgesetzt wird, dafl dieses hiichstgiitige Wesen im-
des, sowohl das Erkenntnill, als das Billigungsvermiigen sind .ii.ullerungen mer das Beste billige.] Wer [50] wird aber nicht folgende Stelle von Herzen
einer Seelenkraft, aber verschieden in Absicht auf das Ziel ihrer Bestre- unterschreiben, die wir zugleich der Eleganz wegen, die in ihrem Vortrage
bung. Der Erkenntnilltrieb setzt die Wahrheit als unveranderlich zum vor- herrscht, ausheben: ,Der Geist der U ntersuchung mull immer von neuem
aus, und suchet die Begriffe der Seele mit derselben iibereinstimmend zu rege gemacht und unterhalten werden, wenn die Wahrheit, die wir aner-
machen. Der Billigungstrieb hingegen geht darauf aus, in demselben kennen, einigen Werth haben soiL Erkenntnill ohne Untersuchung ist zu-
solche Accidenzen wirklich zu machen, die mit wahrer Billigung, mit weilen von schlimmern Folgen, als Untersuchen ohne Erkenntnill, oder
unserm Wohlgefallen, mit unsern Wiinschen iibereinstimmen. Jener will vielmehr, es hiirt auf, Erkenntnill der Wahrheit zu seyn, so bald der Satz
die Menschen nach der Natur der Dinge; dieser die Dinge nach der Natur als ausgemacht angenommen, und popular wird, ohne dall man es ferner
des Menschen umbilden. Hr. M. erkliirt hieraus die Erscheinung, dall der niithig findet, die Griinde zu priifen, auf welchen er beruhet. Es ist wahr,
Mensch bald an Wahrheit, bald an Erdichtung Vergniigen finde, und die Zweifel, die von jenem erreget werden, fiihren zuweilen zur Ver-
schliellt die ganze Abtheilung mit dem Satze: der Mensch forschet nach laugnung aller Grundsatze und haben nicht selten auf Sittlichkeit und
Wahrhei~ billiget das Gute und Schone, will alles Gute und thut das Beste. Handlungen der Menschen fiirchterlichen Einflull. Allein die Vorurtheile,
in welche durch Tragheit im Untersuchen die Wahrheit selbst verwandelt
[49] Der Vf. fangt nun die wissenschaft!U:hen Lehrbegriffe vom Daseyn wird, der blinde Glaube, mit welchem wir gewissen Satzen anhangen,
Gottes selbst mit Betrachtungen tiber die Wichtigkeit der Untersuchung, ohne sie zu priifen, fiihret zu Aberglauben und Schwarmerey, die der
und iiber das Basedowsche Principium der Glaubenspflicht an. Er zeigt Gliickseligkeit des Menschen nicht weniger gefahrlich sind. Atheismus
sehr gut, dall in Absicht auf Meynung keine Pflicht, und wenn Wahrheit und Aberglaube, Zweifelsucht und Schwarmerey sind beydes Krankheiten
von Unwahrheit unterschieden werden soli, keine Verbindlichkeit der Seele, die ihr den sittlichen Tad androhen. Nicht selten verordnet die
stattfinde, dall Pflicht und Verbindlichkeit nur das Billigungsvermiigen an- Vorsehung eine Krankheit urn eine ihr entgegengesetzte zu heben, urn
gehn, und in Absicht auf die Erkenntnill keine uns obliege als die Pflicht dem Kiirper seine Gesundheit wieder zu schenken. Wir miissen also jeden
zu untersuchen; dall Erkennen und Annehmen von unserm Willen nicht Zweifel, der uns gemacht wird, mit Gelassenheit anhiiren, jeden Einwurf
abhangig, und die Nothwendigkeit anzunehmen, bios physisch nicht sitt- willkommen seyn lassen, wenn er auch unser ganzes System zu zerriitten
lich sey. Inzwischen kiinne der Erkenntnillgrund des Hrn. Basedow zuge- droht. Nach dem natiirlichen Zirkellauf der Dinge fiihret Wahrheit zur
lassen werden, wenn man von dem Daseyn eines hiichstgiitigen Wesens, Beruhigung, Beruhigung zur Tragheit, und Tragheit zum Aberglauben.
und seiner Vorsehung aus andern GrUnden iiberfiihrt sey. ,Wenn es wahr Alsdann ist es eine Wohlthat der Vorsehung, wenn der Geist des Zweifels,
ist, dall ein allgiitiges und ein allweises Wesen uns hervorgebracht hat, so · und der spitzfindigsten Untersuchung rege gemacht wird, urn durch Ver-
kann es vermiige seiner unveranderlichen Eigenschaften uns nicht anders werfung aller Grundsatze auf den Riickweg zur Wahrheit wieder hinzu-
als zur Gliickseligkeit bestimmt haben. Kann also diese Gliickseligkeit fiihren."
nicht bestehen wenn der Mensch nicht zur ewigen Dauer berufen ist, so Der Vf. legt hierauf seinen Zuhiirern einige Axiomata vor, urn sich in
streitet seine Zernichtung mit den anerkannten Eigenschaften Gottes, und der Folge darauf beziehen zu kiinnen. 1. Was wahr ist mull durch positive
man hat giiltigen Grund, die Seele des Menschen fiir unsterblich zu hal- Denkkraft dafiir erkannt werden kiinnen. 2. Wessen Daseyn durch keine
ten. - Nur in diesem Faile kann der Billigungsgrund auch zum Erkennt- positive Denkkraft erkannt werden kann, das ist nicht wirklich vor{51}
nillgrund werden. Ein hochst giitiges Wesen kann nur dasjenige gebilligt handen. 3. Wessen Nichtseyn keinem verstandigen Wesen begreiflich seyn
und als den Gegenstand seines Willens hervorgebracht haben, was nach kann, das ist wirklich vorhanden. [Indem aber Hr. M. hier als ein Corolla-
seiner Allwissenheit das Beste und Vollkommenste ·ist." [Hier liege denn rium hinzusetzt: Wenn also von einem denkbaren Begriffe erwiesen werden
aber doch ein ganz anderes Verfahren zum Grunde, als das was Hr. Base- konnte, daft er ohne reales objectives Daseyn nicht gedacht werden konne, so
dow Glaubenspflicht nannte. Etwas glauben, wei! ich es als zu meiner ist zugleich erwiesen, dafter objectivisch wirklich seyn miisse; so baut er sich
Gliickseligkeit gehorig, billigen mull, ist ja ganz etwas anders, als etwas hier unvermerkt, urn iiber die ungeheure Kluft zwischen Moglichkeit und
256 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 7. Januar 1786 Mendelssohns Morgenstunden 257
'
•
Daseyn in der nachfolgenden Wiederholung des cartesianischleibnizischen nehmen, ein Theorem, wie z. B. dies, dall die Winkel in demselben sum-
Beweises gliicklich hinliberzukommen, eine Brlicke, an deren Haltbarkeit mirt jederzeit zween Rechten gleich seyn, wird herausgebracht werden.]
wir mit Hrn. Kant schlechterdings verzweifeln. Denn der Satz: Ein aller- 7. Hi eraus folgt unmittelbar, da1l wenn der Satz, A ist nicht B, eben so
vollkommenstes Wesen ist wirkli.ch vorhanden, ist entweder bios identisch, denkbar ist, als der Satz, A ist B, so kann dieses nicht anders wahr werden,
oder sagt so vie! als: Etwas das existirt ist ein allervollkommenstes Wesen; als in so fern es das Beste ist, und von einer wahlenden U rsache hat ge-
und im letztern Faile lehrt schon die Form des Satzes, daB nicht die Exi- billigt, und zur Wirklichkeit gebracht werden kiinnen; oder unter zweyen
stenz eines vollkommensten oder nothwendigen Wesens demonstrirt, son- gleich denkbaren oder miiglichen Dingen kann nur dasjenige wirklich
dern von einem schon als existirend vorausgesetzten Wesen, das Priidicat werden, welches das Beste ist. [Der Fall diirfte nur gar nicht vorkommen,
der hiichsten Vollkommenheit, oder der Nothwendigkeit erwiesen werden wo ein Satz A ist B, eben so denkbar sey, als sein Gegentheil, voraus-
soli.] 4. Wenn ein Satz, A ist B, wahr seyn soli, so muB vermiige der posi- gesetzt, dalliiberhaupt B ein Gegenstand unsers Wissens ist, und da1l je-
tiven Denkkraft zwischen dem Subjecte A und dem Priidicate B eine Ver- mand nur versteht, was A und B eigent!ich heiBe, ohne welche Bedingung
bindung erkannt werden kiinnen. 5. Diese Verbindung beruhet entweder er im Grunde gar nicht urtheilen kann. Woran soli ich merken, da1l der
auf dem Materialen in der Erkenntnill des Subjectes A, oder auf dem For- Satz: Ich existire ni.cht eben so denkbar sey, als sein Gegentheil: lch existire!
malen desselben; d. h. der Grund warum dem Subject A das Priidicat B zu- Wenn S. 180 gesagt wird, ein veriinderliches zufalliges Ding ist auf ver-
geschrieben wird, liegt entweder in der Beschaffenheit des Subjects als schiedene Weise denkbar/so ist dies die gewiihnliche Definition der Zu-
denkbar oder nicht dei:tkbar, oder in der Beschaffenheit desselben als gut falligkeit, die man so lange gelten lassen kann, als sie nicht weiter aufs
oder biise, begehrlich oder nicht begehrlich. 6. Wenn also von einem Be- Wirkliche angewendet wird. So bald aber gesagt wird: Cajus ist auf ver-
griffe A das wirkliche Daseyn ausgesagt wird, so ist A entweder deswegen schiedene Weise denkbar, so ist dies entweder nichts mehr gesagt, als da1l
wirklich vorhanden, wei! es nicht anders als mit diesem Priidicate denkbar in ihm Bestimmungen abwechseln, woraus sich weiter nichts auf den Or-
ist, oder·deswegen, wei! es nicht anders ein Gegenstand der Billigung und sprung seines Daseyns folgern lal!t; oder es muB erwiesen werden, da1l
des Beyfalls werden kann. [Hier hatte aber vorerst ausgemacht werden sol- die Bestimmungen des Cajus, so wie sie itzt sind, eben so gut sich ni.cht
len, ob denn jemals Existenz ein Priidi.cat in einem Satze abgeben kiinne. denken, als denken lassen; und wie wollte es wohl jemand anfangen dieses
Dies hat Hr. Prof. Kant schon ehmals gelaugnet, und noch sehn wir nicht zu beweisen? Aus dem unmittelbaren Bewustseyn folgt allerdings (nach
was dagegen eingewandt werden kiinne. Wenn gesagt wird: Gott ist wirk- S. 103) da1l ich vorhin anders gewesen, als ich itzt bin; allein es folgt im ge-
lich, so ist dies nichts anders gesagt; als: Etwas wirkliches ist Gott; so ringsten nicht daraus, da1l ich einmal gar nicht existiret habe, und noch
wie: .der Kaiser ist wirklich vorhanden" nichts anders heiBen kann, als: weniger, da1l meine Nichtexistenz eben so denkbar sey, als meine Existenz.
einem der wirklichen Potentaten in Europa kommen die Priidicate zu die Ich kann freylich sehr bald auf die Zeit zurlick kommen, in der ich von
man unter dem Worte Kaiser zusammenfallt. So bald man also das Daseyn mir gar nichts weis; soli ich aber aus dem Mangel des Selbstbewustseyns
schon im Subjecte voraussetzt, so kann man die Art, oder den U rsprung auf die Nichtexistenz meiner selbst schlieBen, so werde ich auch schlieBen
des Daseyns wohl ins Priidicat bringen. z. B. Das wirkli.ch vorhandne A ist diirfen, da1l ich in der Ohnmacht, im tiefen Schlafe nicht existire. Dem-
nothwendig vorhanden; oder das itzt wirkli.ch vorhandne A ist deswegen vor- nach sehen wir keinen Weg vor uns, wie jemand aus dem Standpunkte des
handen, wei/ es von einem andern als ein Gegenstand seiner Billigung hervor- Selbstbewustseyns zum apodiktischen Beweise des Satzes hiniiber kom-
gebracht worden. Aber auch hier wird das Vorhandenseyn schon immer men kiinne: Es war einmal eine Zei~ da i.ch ni.cht war. Kann nun aber nicht
vorausgesetzt, und es giebt keine Existen{52Jzialsatze, worinn Existenz das erwiesen werden, [53] da1l beharrliche Wesen, deren Bestimmungen unauf-
eigent!iche wahre Priidicat ware. Uberhaupt wlinschten wir sehr, daB doch hiirlich wechseln einmal zu existiren angefangen haben, oder mit andern
Hr. M. wenigstens dariiber sich herausgelassen hatte; was er von Hn. Worten, kann aus dem Wechsel der Bestimmungen oder Accidenzen nicht
Kant's Eintheilung der Satze in analytische und syntbetische denke. So vie! geschlossen werden, da1l die so veriinderte Substanz einmal gar nicht exi-
sehn wir wohl, dall er noch der Meynung ist, dall die ·Hauptsatze der stirt habe, so ist auch daraus nicht zu folgern, da1l dieses Daseyn veriin-
reinen Mathematik analytisch seyn; da doch nimmermehr durch bloBe derlicher Substanzen in einer unveriinderlichen Substanz gegrlindet seyn
Zergliederung des Begrifs vom Triangeh ohne die Anschauung zu Hlilfe zu miisse. Das ganze Raisonnement, das S. 202 aus dem Satze: Ich selbst bin
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wirklich vorhanden, hergeleitet wird, setzt immer wieder voraus, dall das konnten, die ihnen von Lessing widerfahren sey. U nd wenn es wahr ist,
Daseyn oder die Existenz ein wahres Priidicat in einem Satze seyn kiinne, dall, nach der Erscheinung des Nathan, Lessing der allenthalben will-
welches doch eben, zumal da es, wie gesagt, gelaugnet wird, erst hatte ge- kommne Freund und Bekannte nunmehr allenthalben trockene Gesichter,
zeigt werden sollen. Der besagte Satz sagt entweder so vie!: Jch wirklich zuriickhaltende frostige Blicke, kalte Bewillkommung und frohe Abschie-
vorhandenes Ding, bin wirklich vorhanden, und ist also ein Jeerer Satz, mit de fand, so mull dieses allenthalben wohl von einem sehr engen Kreise
dem nichts anzufangen ist; oder er heist so vie!: Ein wirklich vorhandenes zu nehmen seyn. Wenigstens ist Lessing unsers Wissens nach Herausgabe
Ding hat aile die Priidicate, die unter dem Jch begriffen werden; z. B. wenn des Nathan nicht vie! aus Braunschweig und Wolfenbiittel weggekommen.
Sokrates diesen Satz ausgesprochen hatte, so wiirde dieser Satz so vie! ge- Vermuthlich aber ging es dem sel. Lessing hier so, wie es manchen andern
sagt haben: Einem wirklich vorhandenen Menschen kommen die Priidica- Mannern von treflichen Geistesgaben gegangen ist, . dall sie eine Mill-
te zu, dall er der Sohn eines Bildhauers und der Hebamme Phanarete ist, billigung einzelner, zumahl in naherm Verhaltnisse mit ihnen stehender
dall er Lehrer des Alcibiades, des Phadon, des Plato, Schuler des Anaxago- Personen, fiir das Urtheil des Publicums ansahn; oft hinderte eine Kriink-
ras ist, et sic in infinitum Kiinnte nun, den Satz in der letzten Bedeutung lichkeit, die ihnen die Augen triibte, oder der sie umgebende Nebel auller-
genommen, wohl durch aile logische Kiinste daraus gefolgert werden, dall, licher U mstande, der ihnen die Aussicht versperrte, die we it griissere
wei! ein vorhandnes Wesen Sokrates ist, und wei! dieser Sokrates nicht zu Menge entfernter Zuschauer zu erkennen, die ihren Bemiihungen Beyfall
allen Zeiten einerley Priidicate hat, deswegen ein unveriinderliches Wesen gab en, und so sahn sie ein Paar schele Blicke der U mstehenden mit eben
aus freyem Entschlusse diesen Sokrates miisse hervorgebracht haben?] so vie! Unmuth an, als ob sie von einer ganzen Nation verurtheilt waren.
In der folgenden Widerlegung des Pantheismus, oder der Lehre des Spi- Doch wir lenken von dieser Ausschweifung, die durch eine Ausschwei-
noza sahn wir immer das Licht des Denkers leuchten, und in der schiinen fung unsers Autors veranlallt wurde, wieder ein, urn ihm wieder auf
Ausfiihrung, dall sich der geliiuterte Pantheism doch auch mit der Sittlich- seinem eigentlichen Wege zu folgen. Hr. M. versucht einen neuen Beweis
keit vertrage, erquickte uns dieses Licht zugleich durch die Warme der des Daseyns Gottes aus der Unvollstiindigkeit unsers Selbstbewustseyns zu
Menschenliebe, die von ihm ausging. Mit lebhaften Interesse Jasen wir fer- geben, in dem man gewilllich einen hohen Grad des Scharfsinns, wenn
ner, was iiber Lessing, und seine Gedanken vom Pantheismus gesagt wird. auch nicht eben so vie! Evidenz erkennen wird. Wir wiinschen, dall er
Nur dall das Publicum im Ganzen so ungerecht gegen Lessing in Betreff von vielen miige gepriifet werden, und geben nur den Grundrill davon.
seines Nathan gewesen, als es von dem Freunde, den Hr. M. S. 273 redend "Alles Wirkliche mull nicht nur denkbar seyn, sondern auch von irgend
einfiihrt, vorgestellt wird, und als Lessing selbst in seinen letzten Tagen, einem Wesen gedacht werden. Jeder Sache mull ein Begriff entsprechen;
wo ihm ohne Zweifel schon die Lage seines Kiirpers iibellaunig und mill- jedes Object mull in irgend einem Subjecte dargestellt, jedes Vorbild in ir-
miithig machte geglaubt haben mag, kiinnen wir nicht zugeben. Mag es gend einem Spiegel nachgebildet werden. Nun bin ich nicht bios das, was
seyn, dall viele gedacht, und gefliistert haben, Lessing babe mit dem Nathan ich von mir deutlich erkenne, oder welches eben so vie! ist, zu meinem
das Christentum beschimpft, ob er gleich nur einigen Christen und hiich- Daseyn gehiirt mehr, als ich mit Bewulltseyn von mir einsehe. Auch das
stens der Christenheit einige Vorwiirfe zu machen gewagt harte, so dachten Bewulltseyn und die deutliche Einsicht eines zufalligen Wesens, ja aller
doch gewill viele, sehr viele Zeitgenossen Lessings schon eben so; wie zufalligen Wesen zusammen genommen, reichet nicht so weit als das
S. 273. nach jenes Meinung bios die Nachwelt denken wird, dall nemlich Daseyn eines einzigen Sonnenstaubleins. In seiner Wirklichkeit liegen
ein Volk auf einer sehr hohen Stufe der (54] Aufklarung und Bildung ste- unendlich viele Merkmahle, die von allen zufalligen Wesen [55] zusam-
hen miisse in welchem sich ein Mann zu dieser Hiihe der Gesinnungen mengenommen, weder der Ausbreitung, noch der Starke nach auf das
hinaufschwingen, zu dieser feinern Kenntnill giittlicher und menschlicher allerdeutlichste begriffen werden. Mit einem Worte, keine Wahrheit kann
Dinge ausbilden konnte, als Lessing in seinem Nathan verrieth. Gewill von zufalligen Wesen mit dem hiichsten Grad der Erkenntnill als miiglich,
waren es nur wenige, oder ganz gewift, doch nur sehr schwachsinnige Zeit- keine Wirklichkeit auf das allervollkommenste als wirklich gedacht wer-
genossen, die jeden Vorwurf des Eigendiinkels und der einseitigen Den- den. Es mull also ein denkendes Wesen, einen Verstand geben, der den In-
kungsart den er einigen seiner Glaubensbriider machte, oder durch seine begriff aller Miiglichkeiten, als miiglich, den Inbegriff aller Wirklichkeiten
dramatische Personen machen liell fiir eine persiinliche Beleidigung halten als wirklich auf das vollkommenste denkt. Folglich giebt es einen unend-
260 ALLGEMEINE LlTERATUR-ZEITUNG- 7. Januar 1786 ~tibingifd)c gdc~rtc ~n!tlgcn - 12. Januar 1786 261
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• fragen, ob sich denn vom
lichen Verstand u. s. w. Wir wollen hier nicht Wahrheit, Schein und Irrthum, Scharfsinniges, Neues, und musterhaft
Daseyn eines Objects so durchaus allgemein auf das Daseyn eines Begriffes Deutliches gesagt ist, und was in jedem philosophischen Vortrage sehr gut
davon schliellen lasse, wir wollen vielmehr diesen Satz einriiumen, und so angewandt werden kann, durch seine zweyte Abtheilung, in der Kritik der
wird doch noch nicht folgen, dall alles zu alter Zeit, und von Einem den- menschlichen Vernunft von wesentlichem Nutzen seyn. Denn da der Vf.
kenden Wesen miisse gedacht werden. So lange dieser Satz nicht bewiesen in der Darstellung der subjectiven Bedingungen des Gebrauchs unserer
ist, (und er wird, glauben wir, eben so wenig bewiesen werden kiinnen, als Vernunft endlich dahin gelangt, die Schlullfolge zu ziehen, dall nichts
man aus der Voraussetzung, dall jeder erleuchtete Kiirper irgendwo einen denkbar sey, ohne sofern es von irgend einem Wesen wirklich gedacht wird
Spiegel habe, in dem er sich abbilde, mit Zuverlassigkeit folgern kann, es und iiberhaupt ohne Begriff kein Gegenstand wirklich vorhanden sey
gebe irgendwo einen Spiegel der aile sichtbare Gegenstande auf einmal (S. 303} und daraus folgert, dall ein unendlicher und zugleich thatiger Ver-
abbilde), so lange wird immer in jenem Beweise eine Lucke bleiben, die stand wirklich seyn miisse, wei! nur in Beziehung auf ihre Miiglichkeit
den Zusammenhang des Ganzen stiiret. oder Wirklichkeit Priidicate der Dinge von Bedeutung seyn kiinnen; da
Die Anmerkungen u. die Zusatze eines Freundes die Hr. Mendelssohn auch in der That in der menschlichen Vernunft und ihren Naturanlagen
am Ende mittheilt sind keine unniitze Zugabe, und der letzte Brief von ein wesentliches Bediirfnis liegt, gleichsam mit diesem Schlu&teine ihrem
Lessing an ihn, wird von jedem Verehrer dieses Mannes mit Wehmuth ge- freyschwebenden Gewiilbe Haltung zu geben, so giebt diese aullerst scharf-
lesen werden; er bestatigt aber, was wir vorher von der U rsache seines sinnige Verfolgung der Kette unsrer Begriffe, in der Erweiterung derselben
Unmuths gesagt haben, mehr als zu sehr. bis zur Umfassung des Ganzen die herrlichste Veranlassung und zugleich
Man soli zwar so wenig allen Verfassern Einen Stil, als allen Baumen Auffoderung zur vollstandigen Kritik unsers reinen Vernunftvermiigens,
eine Rinde wiinschen, aber dennoch scheint uns Mendelssohns Schreibart, und zur Unterscheidung der bios subjectiven Bedingungen ihres Ge-
und die der Philosophen, die ihm am ahnlichsten sind fiir die Philosophie brauchs von denen, dadurch etwas vom Objecte giiltiges angezeigt wird.
die zutriiglichste zu seyn. So frey von aller Sucht nach blendendem Dadurch mull denn reine Philosophie nothwendig gewinnen, gesetzt auch,
Schmucke, und doch so elegant; so scharfsinnig und doch so deutlich; so dall es sich nach vollendeter Priifung ergabe, dall hier lllusion sich ein-
wenig auf Riihrung dem Scheine nach arbeitend, und doch so eindrin- mische, und etwas scheine Eroberung im Felde sehr entlegener Objecte zu
gend, - wenn sich die Muse der Philosophie eine Sprache erkiesen sollte, seyn, was doch nur (ob zwar sehr niitzliche) Leitung des Subjects unter
so wiirde sie diese wiihlen! Sie ist dabey so offen und unbefangen, dall man uns sehr nahe umgebenden Gegenstanden seyn miichte. Man kann dieses
wie in dem Umgange des offenherzigen Biedermanns fast keinen Augen- letzte Vermachtnill einer dogmatisirenden Metaphysik zugleich als das
blick anstehn kann, auf das was sie antriigt mit Ja oder Nein zu anrworten. vollkommenste Product derselben, so wohl in Ansehung des kettenfiirmi-
In einem solchen Umgange finden keine Winkelziige, keine Bedenk- gen Zusammenhangs, als auch der ausnehmenden Deutlichkeit in Darstel-
lichkeiten statt, und man hat sich keine Erlauterungen auszubitten, keine lung derselben ansehen, und als ein nie von seinem Werthe verlierendes
Klauseln irgendwo anzuhangen; vielmehr geht alles nicht in Buchstaben, Denkmal der Scharfsinnigkeit eines Mannes, der die ganze Starke einer Er-
sondern in der That und Wahrheit getreulich und sonder Gefiihrde zu. - kenntnillart, der er sich annimmt, kennt, und sie in seiner Gewalt hat, an
Wir beschliellen diese Anzeige mit dem U rtheile eines Mannes, der sich welchem also eine Kritik der Vernunft, die den gliicklichen Fortgang eines
in diesem Felde Hingst zu einer vollgiiltigen Stimme legitimiret hat, und solchen Verfahrens bezweifelt, ein bleibendes Beyspiel findet ihre Grund-
hoffen von ihm Entschuldigung, wenn wir es den Lesern hier mittheilen. satze auf die Probe zu stellen, urn sie darnach entweder zu bestatigen, oder
Obgleich, so schrieb er [56] uns, das Werk des wiirdigen M. in der Haupt- zu verwerfen.
sache fiir ein Meisterstiick der Tauschung unsrer Vernunft zu halten ist,
wenn sie die subjectiven Bedingungen ihrer Bestimmung der Objecte iiber-
haupt, fiir Bedingungen der Miiglichkeit dieser Objecte selbst halt, eine
Tauschung, die in ihrer wahren Beschaffenheit darzustellen, und den Ver-
Q;rfangen.
stand davon gtiindlich zu befreyen gewill keine leichte Arbeit ist; so wird Sieg der praktischen Vernunft iiber die spekulative. Eine Einladungsschrift
doch dieses treffliche Werk aullerdem, was in der Vorerkenntnill tiber von J E Breyer, Hofrath und ordentl. Lehrer der Philosophie. 1785. 20 S.
262 !!lottingifd)c 21n!tigcn oon gclcvrtcn ®ad)en - 14. Januar 1786 Wl en be I of ovn Ll Wlorgcn~unben 263
in 4. Herr Hofr. Breyer bemiiht sich in di.Jer, in seiner gewiihnlichen ele- sind; sie macht so manche Ungereimtheit und Leerheit dieser Wortphilo-
ganten Schreibart abgefallten, Schrift, seine SchUler mit demjenigen, was sophie, bescheiden zwar immer, aber griindlich einleuchtend: dall sie ohne
neuerdings Hr Kant .tiber die Unmiiglichkeit, durch Beweisgriinde der Zweifel fiir manchen, der noch vom Schwindel derselben herumgetrieben
speculativen Vernunft das Daseyn eines hochsten Wesens apodictisch dar- wird, eine heilsame Arzney seyn mull. - Es geht nemlich den Untersu-
zuthun," zwar nicht zuerst, aber doch am freymiithigsten und ausfiihrlich- chungen tiber das Daseyn Gottes eine Art von Logik voraus; eine Eriirte-
sten bemerckt hat, bekannter zu machen. Zugleich verspricht der Hr Verf. rung der Begriffe von Wahrheit, Irrthum und Schein, von Ursache und
noch eine weitere Erlauterung der eben beriihrten Frage in einer beson- Wirkung, vom Zusammenhange der sinnlichen und intellectualen Er-
dern Schrift mitzutheilen, welche nachstens erscheinen soli, und welcher kenntniB u. s. w. Hier konnten wir den Verf. nicht nur mit der voll{67]
wir mit Verlangen entgegen sehen. kommensten Beypflichtung, in allen wesentlichen Punkten, folgen; son-
dern wir mullten auch die grof>e Deutlichkeit bey einer solchen Kiirze,
und manche ausnehmend feine und anmuthige Wendung desselben, be-
wundern. Besonders lieb war es uns, den Streit tiber den Idealismus auch
~erfin.
von diesem Philosophen beurtheilet zu sehen, wie wir ihn immer beur-
Bey Chr. Fr. Voll und Sohn: Moses Mendelssohns Morgenstunden oder theilt haben; als eine Wortstreitigkeit. (Der Idealist will Worte nicht ge-
Vorlesungen uber das Daseyn Gottes. Erster 7beil. 370.Seiten in Octav. Was brauchen, die, auf eine hochst wichtige Weise sich unterscheidende Theile
der Verf. in der Vorrede von seiner Philosophie sagt, dall sie nicht mehr und Verhaltnisse unseres Zustandes zu bezeichnen, der gemeine Men-
die Philosophie der Zeiten sey; und dall er, wegen seiner schwachlichen schenverstand bestimmt hat. Da er doch aber in seinem Zustande eben
Gesundheit, seit 15 Jahren fast gar nichts metaphysisches mehr habe lesen dief~ hat und unterscheiden muB, was wir andern: so hat er immer zu we-
kiinnen; diell wird, bey einem so entschiedenen Werthe seiner Schriften, nig Ausdruck in seiner Sprache, er mag sich drehen und kiinsteln, wie er
in Absicht auf Gedanken und Einkleidung, vom begierigen Lesen der ge- wilL Er siindigt gegen die allgemeine Sprachlehre; und straft sich selbst
genwanigen schwerlich Jemanden abhalten. Wahr ist es aber, was er noch daftir. So fallt wenigstens das Endurtheil aus; wenn der antiidealistische
hinzusetzt, und traurig; dall viele, der Scheindemonstrationen aus will- Dogmatiker einsieht, was er behaupten kann, und zu behaupten braucht).
kiihrlichen Worterklarungen iiberdriissig, aufs andere Extrem der roh{66] Eben deswegen glaubten wir aber auch nicht, wie doch der Verf. noch
sten Sinnlichkeit gerathen; und nichts glauben wollen, als was sich sehen anzunehmen scheint, dall der Idealist in Absicht auf die Beweise vom
oder betasten Ia/lt. Doch der Mittelweg, auf welchem, wie wir glauben, Daseyn Gottes etwas verliere, oder entkrafte; da er nur die Theile seiner
allein griindliche Erkenntnill entstehen kann, der Weg sorgfaltiger Beob- Erkenntnili anders benennt; aber dieselben Sriicke und Verhaltnisse, diesel-
achtung der innern und aussern Natur, und vorsichtiger analogischer Ver- ben Gesetze des Zusammenhangs der Gegenstande des Verstandes anerken-
muthung, hat, wie uns diinkt, mehr Freunde als je. Und, wir hoffen, die nen muB, wie andere. - Zu ktihn, oder wenigstens zu friihe, schien uns
Zeit ist nahe, wo er noch richtiger erkannt und allgemeiner gesucht wer- der Verf. den Satz anzunehmen, dall, wenn etwas wirklich ist, der Grund
den wird; wenn die Explosion jener heiden abweichenden Strebungen, die davon entweder in der Unmoglichkeit, es anders, als wirklich, zu denken,
jetzt noch einiges Gerausch verursachen, vollends verdunstet seyn wird. J a liegen miisse; oder darinne, dall es ein Gegenstand der Billigung seyn konn-
eben von gegenwaniger Schrift unsers Verf. versprechen wir uns kraftige te, in seiner Gute. Denn hierbey wird ja schon die Abhangigkeit der zu-
Beforderung dieses wiinschenswiirdigen Erfolges. In ihrem Ziele sehr tiber falligen Wirklichkeit vom geistischen Wesen vorausgesetzt? (68) Da dieser
das Sinnliche erhaben, ist doch in den Grundanlagen die Philosophie die- Einwurf dem Verf. unmoglich verborgen bleiben konnte: so fiirchten wir,
ser Morgenstunden so naturlich, so ganz auf die Begriffe des gemeinen ihn nicht recht verstanden zu haben. Immer aber scheint es uns bedenk-
Menschenverstandes gebaut; sie verrath so oft, und so nachdriicklich, ge- lich, die Wahrheit unserer ErkenntniB, dall etwas wirklich ist, abhangig zu
rechte Abneigung gegen die Metaphysiker, die sich nicht scheuen, Dinge machen von irgend einer ErkenntniB des objectiven Grundes dieser Wirk-
zu leugnen, an welchen zu zweifeln dem gemeinen Menschenverstande lichkeit. Dieser Zweifel, der uns gleich bey der Ansetzung des Grundsatzes
nicht miiglich ist; oder unwissend genug sind, Fragen aufzuwerfen, die S. 149 entstand, blieb uns bey allen folgenden Anwendungen desselben.
vermiige der Griinde und Granzen unserer Erkenntnill unbeantwortlich Die unendliche Vollkommenheit eines nothwendig vorhandenen Wesens,
'lJl enD efo fo~no 'lJlorgen~unDen 265
264 l!lottingifcbe 2ln;cigen oon ge!c~ttcn
®acbcn- 14. Januar 1786
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setzt der Verf. als in unziihligen Lehrbiich~rn bewiesen, voraus. (Rec. kann dingt, wenn das rechte Subject im rechten Verhaltnisse da ist. Zur kategori-
diese Beweise nicht vollig fiir das erkennen, wofiir sie ausgegeben werden; schen Folgerung sieht Recens. [70] noch keinen Mittelbegriff.) Die Un-
woriiber er sich schon oft in diesen Blattern erklart hat, wie auch in zuHinglichkeit des Bisherigen scheint der Verf. in der Folge ~elbst bemerkt
seinen Lehrbiichern). Wie Ieicht der Streit mit dem Pantheisten Wort- zu haben; er giebt ihm daher noch eine Verstarkung, d1e etwas mehr
streitigkeit werden konne, so wie iiberhaupt die Streitigkeiten, welche die Schein hat. Sie beruht auf dem Grunde, daft eine blofle Moglichkeit nicht
aussersten Gcinzen unserer ErkenntniB beriihren; macht der Verf. sehr Beschaffenheit eines wirklichen Dinges seyn konne; daB die sogenan.nten
begreiflich. Und hierbey findet er Gelegenheit, seinen sel. Freund, Les- Fahigkeiten oder Moglichkeiten bey wirklichen Dingen im Grunde mc~ts
sing, als einen Vertheidiger des Spinozismus auftreten zu lassen, ohne daB anders bedeuten, als, daB aus den wirklichen Eigenschaften derselben s1ch
dadurch das Ansehn von Irreligion auf ihn fallt. Von der nahern Veran- begreifen lasse, daB unter andern Umstiinden diese Dinge anders seyn ~r
lassung dazu, die sich aus den neulich angezeigten Briefen des Hrn. G. R. den. So bedeutet die Ausdehnbarkeit des Goldes, daB es unter gew1ssen
jacobi schlieBen laBt, wird hier noch nichts erwahnt. Auch wird bey der Umstanden ausgedehnt wird. Also haben aile Moglichkeiten ihr ideali-
Widerlegung des Spinoza nicht sowohl auf dessen seyn sollende Beweise sches Daseyn in dem denkenden Subjecte. Also ist eine nicht gedachte
Riicksicht genommen, als vielmehr dem Hauptsatze selbst entgegenge- Moglichkeit ein wahres Unding. Also muB alles Erkennbare erkannt, alles
setzt, was ihn verwerflich macht. Unter andern auch mit Recht dieses; daB Denkbare gedacht werden. Also giebt es einen vollkommensten Ver-
Vorstelltmg und Gegenstand der Vorstellung, auch in Beziehung auf den stand. (Recens. kann aus den Grunden keine andere SchluBfolge finden,
vollkommensten Verstand, unser Verstand nothwendig unterscheiden muB. als diese: Gleichwie das Ausdehnbare dasjenige ist, was, wenn die aussern
Auf die Frage: Was thut aber Gott zu seinen Gedanken noch hinzu, daB Bedingungen dazukommen, wirklich ausgedehnt wird: so !st das Denkba-
sie ausser ihm auch wirklich werden, [69] giebt er die - wir mochten fast re so vie!, als was gedacht wird,· wenn der rechte Verstand 1m rechten Ver-
sagen - tiefsinnig naive Antwort: wer dieB so eigentlich verstehen und haltnisse dazu vorhanden ist. Lassen wir, nach des Verf. eigenem Rathe,
sagen k~n, mein Bester, der versteht es auch zu thun. Nun kommen wir das verfangliche Wort, Moglichkeit, Denkbarkeit, weg, setzen die Defin!-
zu den Ietzten Schliissen des Verf., wo wir ihm aber nicht mehr, wie bis- tion statt des Definitums; was keinen Wuierspruch in sich faflt, erklaren WIT
her, folgen konnen. Nemlich zu dem Versuch - wie er ihn selbst nennt - fiir denkbar; daher alles mogliche und alles wirkliche. Wie nun von dem
eines neuen Beweises fiirs Daseyn Gottes aus der Unvollstiindigkeit der Selbst- Satze: Alles Wirkliche und alles Mogliche ist vom Widerspruche frey, zu
erkenntnift. Er beruht auf folgenden Satzen: Nicht nur alles Mogliche miis- dem Satze kommen: Alles Wirkliche und Mogliche wird von irgend einem
se, als moglich, sondern auch alles Wirkliche, als wirklich, von irgend Verstande gedacht? Geht der erste verloren, wenn der letzte geleugnet
einem denkenden Wesen gedacht werden; was sich kein denkendes Wesen wird?) Eben so wenig hat der Beweis fiir die Realexistenz des [71] Notbw.
als moglich vorstellet, sey auch in der That nicht moglich u. s. w. Diese und Unendl. Wesens aus dem Begriffe, welcher freilich Idealexistenz mit zu
Satzi; sagt der V., scheinen dem gesunden Menschenverstande schon ein- seinen Bestimmungen erfordert, in der Art, wie ihn der Verf. hier wieder
zuleuchten. (Recens. muB bekennen, daB ihm dieB nicht so scheint; ja daB vortriigt, fiir uns einleuchtende Griindlichkeit. Irnmer sehen wir mehr in
vielmehr bey dieser Grundlage ihm gleich die Hoffnung eines daraus zu der Conclusion als in den Priimissen liegt; eigentlich auch immer eine ka-
gewinnenden neuen Beweises verschwand). Er setzt hinzu: Jeder mogliche tegorische Conclusion, wo nur Grund zur. hypothe~ische~ ist: .wenn mein
Begriff wird als Gedanke in einem denkenden Wesen gedacht. (Aber dieser Begriff nicht bloBes Ideal ist; so ~ommt semem ObJe.cte ~1e Ex~stenz .notJ:-
Satz: Jeder Begriff, qua talis, subjectivisch, erfordert ein denkendes Subject, wendig zu. Bevor aber jene Bedmgung zur Kategone w~rd; h1lft m~~ die
ist schon nicht mehr einerley mit dem: Alles denkbare wird wirklich Idealexistenz unsers, dazu so unvollstandigen, mehr negauven als pos!tlven
ge.dacht. Alles denkbare giebt einen Begriff, W"J''n ein Verstand dazu vor- Begriffs nicht wozu sie helfen soli. In den Zusiitzen kommen einige trefli-
handen ist). Weiter heillt es: Jede Wirklichkeit, wenn sie wahr seyn soli, che Erlauterungen metaphysischer Wortstreitigkeiten vor. Besonders S. XI
muB von irgend einem Wesen als Wahrheit erkannt und begriffen werden; eine meisterhafte Abfertigung einer tiefsinnigen - Grille. U nd sonst noch
der Sache muB ein Begriff entsprechen; jedes Object muB in irgend einem manche niitzliche Winke fiir diejenigen, die eine Nordwestpassage suchen,
Subjecte dargestellt werden. (Wieder wie vorher, wenn es Object ist, in sensu in metaphysischen Gegenden ausserbalb den Bezirken des menschlichen
composito. Der SchluB vom Objectiven aufs Subjective bleibt immer be- Verstandes.
266 Q;rfurti[d)e geL ,3.- 25. Jan. 1786 I l!lot~. geL ,3. - 25. Jan. 1786
'
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3ena. <f~furtif~e
lnstitutiones logicae et Metaphysicae. Scholae suae scripsit Jo. Aug. Henr.
Ulrich, Seren. Due. Saxo-Cob. a Consil. Aul. moral. et Polit. P. P. 0. ( ) Ein
Werk, wie das gegenwartige, verdient allen Beyfall und aile Aufmerksam-
gt l e6t t e 8 ei t ung.
keit der Kenner, nicht nur wei! es aus der Feder eines Mannes kommt,
der sich schon so vie! Achtung in der gelehrten Welt durch seine griind- \Jiinftd ~tiler,
lichen Schriften erworben hat, sondern wei! es jetzo, nach dem Kant om fudf unb aWBn!iSfltll ~nuar 1 I786.
durch seine Kritik den Geschmack an Schriften dieser Art verwohnt hat,
wirklich nicht mehr so Ieicht ist, mit Anspruch auf Vorziiglichkeit, ein
System der Metaphysik zu liefern. Unser Verfasser lies sich dadurch nicht
abschrecken, und von einem Ulrich versteht sich von selbst, dall er kein Sen a.
sklavischer Anhanger jener Philosophie seyn konnte, sondern nur da, wo Jnmtutiones Logicae et Metaphyficae. ·Scholae fuae fcripfit ~··
er Wahrheit fand, beytrat. Sein Buch hat deswegen von dieser Seite einen Aug. Henr, Ulrich, Seren. Due. Saxo-Cob, a Confil, Aul, moral.
besondern Vorzug, da es das erste ist, welches kurz nach Erscheinung des etPolit. P. P.O. ( ) l!:ia !!llrr!, Wie D4G segenw4rlige, ~~~~
Kantischen Systems erfolgte, dall der Verfasser jene Lehren hie und da bient oUen 0evfoll uaD aile Xufmotlfam!eit bet .!tenntr 1 nicf/1 nur well
genau priift, und nicht selten berichtiget. Beyspiele hievon sind zu haufig, el auG D" Weber rinrl !monad !ommt 1 Drr Pcf/ fcf/on fo •ltl lfcf/tung In
als dall wir zum Beweis einige auszuheben U rsache batten. U nter Meta- brr gcfl~rlfJI !Bleil bUtcf/ fllnc gr4nbtl<l!cn ecf/tlft<n <tNot6en 6at1 font
physik versteht er denjenigen Theil der Philosophie, welcher sich bios mit botn IIJell rf jebo 1 nocf/ D<ln .!1ant bur<~! ftlne .!trill! ben Qlef<l!macf an
Sachen der reinen Vernunft beschaftiget, und theilet dieselbe mit Hrn. e<l!riften Dirf.. Xrt ~I!IIJ66nt 6at, IOidiicf/ nicf/1 lUe~r f• ldlf}tlfl mit
I
Kant in Metaphysik der Natur und der Sitten. Hierdurch versteht man, . ~nfprn.r. A11(llll>ra44114>!eit, dn eoqem ..bu 'IIlii•~ IU lhftrn. Un•
warum verschiedene Lehren aus seinem System entfernet werden musten, fer !!ltrfa!lrr Ud 11~ babur~ ai<O.t a6flf}rtd'en, NnD ~on tinrm Utrid) ~"'
die von andern mit zur Metaphysik gerechnet wurden. Er band sich auch fle~tflcl/ ,.. fel61f, bo6 u !ein f!loblflf}rr Xn~4ngrr jrnrr 9l~iiofop~fe
nicht an die sonst gewohnlichen Titel einzelner Disciplinen, als Ontolo- fevn fonnte, fDnDrra nuc Do, IIJD., !!1!•6•6•11 fanbl 6e9fror. lf2iein ll}u~
gie, Cosmologie, Pneumatologie; sondern ordnete die Wahrheiten nach 6ot bdiiJ<gcn ~on biefet Ei!leltr tinea hrfon~"n !l3or1ug ba <G b•l er{fe
1
einer nariirlichen Verbindung. Die natiirliche Theologie wird als eine be- if!, wrlcf/•4 rura naif/ l!:rflf}einuag Del .!tontlf~en e~{fetn4 rrfo!gtc, b46
sondere Wissenschaft ab{34]gehandelt. In der Lehre vom Daseyn Gottes Der lllerfaffer jrnr 2e§rtn §le anD Da genoa pr4ft~ unD nicf/1 fe!trn 6nilf}tb
findet man alles Erhebliche von den mancherley Beweisen fiir das Daseyn set. 0t9fplrlr ~!Ron finD IU ~4ufig 1 Alf bo6 Wir iUID 0e10til rinige
Gottes beysammen, und mit Scharfsinn beurtheilt. Von Seiten der Littera- auG1u~e6en llrfolf}e ~411rn. Uat" !mttaP~9fll ~•rjle~l rr Dtnjenigen 't§eil
~fr 9)~ilofcp6f• 1 IUrl~Cf p~ 6(04 mit ead)tn btt teiotn !!Jernunff 6..
tur ist man schon in den Schriften des Hrn. Hofrath Ulrich weitlauftige
und griindliche Belesenheit gewohnt. Bey jeder Disciplin sind die besten rc64frlgtl I uab t6elltt biefd6r mil .Qrn • .tant In ID1et•P69fi! Der !l1otur
un'b err Ei!lillen. .QirrCttrlf} l!trfleOt man, w~nm ~ttf~ie&ene f<Oren
Schriften angefiihrt, und dieses macht dieses Werk zu einem vorziiglich
auf folnrm eqflem entfernel "'"ben muttrn1 Die uon onb"n mit i"' !m"
guten Lehrbuche.
1ap§vllf emcf/art IIJurD•n. Q:r 6anc II~ au~ ni~t an Dir fonfl srau60n•
Jl~en 'titel einjrln" !l:lifdpUnrn, alf Ontologie 1 (to4anologie, 9lneumo•
Jcloglr; foucrrn orDnrll Dlr !!lla§r§r.itrn nod} rinrr nat4rli~en !!ler6int
oung. ~le aacdrll~e 't§eo!fslr wlrD ol4 rlnr 6efonbm !!llilfenf~aft a61
l. J om Hrn. Prof. Kant hat man eine Widerlegung des Mendelssohn-
E s•O•n•
V schen Beweises fiir das Daseyn Gottes zu erwarten, den letzterer in sei-
nem neuesten Werke, das den Titel Morgenstunden fiihret, gegeben hat.
268 I!Jottingif<!>e ;>~n;eigen oon gele~rten e>ac!>en - 2. Februar 1786 b u f ef an b ~ mer[udj tiber ben I!Jrunb[au Mo 91aturredjteo 269
'• eines oder das andere sich noch wirklich bey dem andern findet. Das wei-
tere Recht zur Schadenersetzung sowohl, als das Recht zu strafen, scheint
i)ena. ihm unerweislich. Sein Grund ist; wei! beides Pflichten des andern und de-
Bey G. J. Goschen: Versuch iiber den Grundsatz des Naturrechtes. Nebst ren ErkenntniB voraussetze. (AIIein, hier diinkt uns zuforderst offenbar zu
einem Anhange. von G. Hufoland d. W. W. u. B. R. D. 1785. 294 Seiten in seyn, daB der Verf., was einem lebhaften Kopfe Ieicht begegnet, a particu-
Octav. Die Hauptidee des Verf. geht dahin; es konnen dem Naturrechte lari ad vniuersale schlielle: Wei! bey einigen Rechtsfallen keine gegeniiber-
feste Griinde und bestimmte Grenzen nur dadurch verschafft werden, daB stehende Pflicht, oder diese schwer zu erkennen und genau zu bestimmen
man darinn bios von Rechten, nicht auch von den gegen iiberstehenden ist: so kann im N. R. iiberall nicht Statt finden, was diese den Rechten ent-
Pfli.chten, handelte. (Die Hauptriicksicht gieng doch bisher auch immer sprechende Pflichten und deren ErkenntniB voraussetzt. Sodann laBt sich
auf Rechte. Ob, verm6ge der Griinde des Verf. noch weniger Riicksicht das Recht Schadenersetzung zu erzwingen, und zu strafen, auch ohne die-
darauf genommen werden miisse; wird sich bald zeigen). Der nachste se bisweilen fehlende oder streitige Voraussetzung beweisen; aus den eige-
Grund jener Idee ist; daB es unleugbar Rechte gebe, denen keine Pflicht nen Grundsatzen des Verf., der Pflicht fiir die eigene Vollkommenheit und
derer entspricht, gegen welche diese Rechte ausgeiibt wer{l70]den konnen. die Vollkommenheit des Ganzen zu sorgen; wozu Anhaltung zur Scha-
Einmal nemlich in denjenigen Fiillen, wo Menschen die, einem Rechte des denersetzung und Bestrafung natiirlich nothwendige Mittel sind). Ehe der
andern entsprechende, objective, Pflicht einzusehen, unverm6gend sind; Verf. seine eigenen Grundsatze des N. R. weiter vortriigt; untersucht er,
daB es al.so keine subjective Pflicht fiir sie ist; wie bey Kindem, Wahnsinni- was von andern in Ansehung derselben bisher unternommen und geleistet
gen u. s, w. dieB der Fall seyn kann. Sodann auch in Absicht auf Thiere, worden ist. Uber den Ton, den er hierbey gewahlt hat, wiirden wir ihm al-
und aile keiner Verpflichtung fahige Geschopfe. (So richtig dieses alles lerdings eine kleine freundschaftliche Erinnerung machen miissen; wenn
auch ist: so scheint es uns doch lange nicht so vie! auf sich zu haben, als er sich nicht in der Vorrede selbst desfalls erklart und entschuldiget hatte.
dem Verf. Denn a) WO auch einem Rechte keine Pflicht in dem nachsten Nur diinkt uns doch auch, daB manches dabey hiitte iibergangen, oder
Gegenstande desselben entspricht: da entspricht diesem Rechte dennoch kiirzer gefaBt werden konnen; besonders in Ansehung der iilteren Schrift-
eine Pflicht in denjenigen Menschen, die die Wahrheit, oder den Vernunft- steller. Denn daB der Verf. auf allerley neuere Schriften iiber diese Materie
grund, desselben einzusehen verm6gend sind; die Pflicht nemlich, wo Riicksicht [172] genommen hat, deren Gehalt zwar zum Theil ausserst ge-
nicht es zu befordern, wenigstens es nicht zu hindern. U nd da die Absicht ring ist, die aber doch Manner von beriihmten Namen zu Verfassern ha-
des N. R. doch offenbar dahin geht, die Menschen von vernunftwidrigen ben; tadeln wir nicht. U nd bey der Ausfiihrung aller dieser Abschnitte
Streitigkeiten und Gewaltthatigkeiten abzuhalten, die Rechte derselben vor zeigt der Verf. nicht nur eine ausgebreitete Belesenheit; sondern auch vie!
und gegen einander (Ius externum) festzusetzen: so muB nothwendig, bey Scharfsinn und griindliche Beurtheilung. Einiges, was er hierbey an-
der Ansetzung eines nariirlichen Rechtes, auf andere Menschen, deren nimmt, wird, bey fernerer Priifung, ihm selbst bald Berichtung niithig zu
Rechte und Pflichten, negative (passive) oder positive (active) Riicksicht ge- haben scheinen. Am meisten befremdend fiir den Recens. war, daB der
nommen werden. Denn mit der Rechtfertigung vor Gott, oder dem eige- Verf. S. 40 f. das Adjectiv rech~ in der Bedeutung, gut in aller Absicht,
nen Gewissen, hat es die Moral zu thun: nicht das N. R., nach der bisher oder das beste, fiir iiberfliiBig in der Wissenschaft vom N. R. ja die Verban-
angenommenen und zweckmaBigen Unterscheidung. b) Hieraus erhellet nung desselben sogar fiir Gewinn halten konne. Wenn bey der Ansetzung
nun Ieicht, in wie weit die Frage vom Rechtverhalten gegen nicht pflicht- und Behauptung der Rechte auch ni.cht immer bewiesen werden kann, oder
fahige, oder nicht wirklich gegen uns verpflichtete Objecte, ins N. R. bewiesen zu werden braucht, daB dadurch das was rech~ oder in aller Ab-
gehore; und wie auch dieser Gattung von nariirlichen Rechten Pfli.chten sicht das Beste sey, bewirkt werde: so muB doch wenigstens das Gegentheil
anderer entsprechen). Dieser Idee nun, von der wir nicht glaubten, daB sie davon uns nicht beunruhigen konnen. U nd liegt nicht jener Begriff, den
eine wesentliche Vern~derung ins N. R. bringen konnte, opfert der Verf. der Verf. verwirft, unleugbar in dem von Vollkommenhei~ von welchem
vie! auf. Er glaubt nemlich, daB man nach dem reinen [171] N. R. zwar das er amEndeS. 243 seine Grundsatze des N. R. aile ableitet? Wei! die Gren-
Seinige dem, der es entwendet hat, wieder nehmen diirfe; und auch den ze zwischen vollkommenen oder erzwingbaren, und unvollkommenen
Nutzen, den man dadurch verlor, daB ihn der andere zog. Aber nur, wenn Pflichten sich nicht genau bestimmen liisset: so sey diese Eintheilung ohne
270 QJottingifd)c ;?~n;cigcn oon gclc{mcn ®ad)cn - 2. Februar 1986 ALLGEMEINE LITERATUR·ZEITUNG- 11. Februar 1786 271
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Anwendung, und unfruchtbar. Dieser schon von mehreren gemachte Ein- Unfahigkeit hierzu, wie sie bey Kindem, Wahnsinnigen etc. ist, bringt
wurf gegen jene Eintheilung diinkt uns doch wieder nur ein Schlull a daher eine Ungleichheit der Rechte mit sich; diese kann man nicht ihre eige·
port. ad vniuers. zu seyn. Es giebt einige Faile, wa die Anwendung gewis- ne Richtschnur befolgen lassen. Wo wir mit der Vernunft nicht mehr aus-
ser Begriffe streitig oder zweifelhaft wird: also sind diese Begriffe iiberall richten konnen, was wir, beym Bewulltseyn des sorgfaltigsten Gebrauchs
nicht anwendbar oder unfruchtbar. Sodann ist dieser Einwurf einer von derselben, nothwendig finden miissen: da werden wir zu andern Mitteln
jenen, die nichts beweisen, wei! sie zu vie! beweisen. Denn gegen welche berechtiget. Zu den Satzen, die Berichtigung nothig haben, gehoren wahl
unserer allgemeinen Real-Begrijfe, physische oder [173] moralische, konnte auch folgende. Gottes Gerechtigkeit sey bios Metapher und anthropomor-
er nicht gemacht werden? Man kennt die alten Sophistereyen in Beziehung phistische Idee. Unsere Sinnenwelt enthalte bios Erscheinungen, die in kei-
auf das Schwankende der Begriffe von einem Haufen, Kahlkopf etc. Aber es nem Fall auf ihre wirkliche Beschaffenheit schliellen lassen. (Die bestiindi-
ist !angst bemerkt worden, und liillt sich immer Ieicht bemerken; dall ab- ge, einstimmige, Empfindung ist so gut Wahrheit und Wirklichkei~ als der
solut nothwendige Grenzen unsern allgemeinen Realbegriffen iiberall nicht einstimmige, denkbare, Gedanke; obgleich von anderer Art. Grundfehler
bewiesen werden konnen. Wie die Grenzen zwischen vollkommenen und bey der Bemiihung urn Erkenntnill und Wahrheit ists; wenn man die ver-
unvollkommenen Pflichten schwankend sind: so sind es auch die Grenzen schiedenen Arten von Wahrhei~ die aile, ohne den nothwendig verwerf-
der allgemeineren moralischen Grundbegriffe, recht und unrech~ Tugend lichen Widerspruch, nebeneinander bestehen, nicht anerkennen will, wei!
und Laster. Wer darf aber sagen, dall die Begriffe von· roth, gelb, weifl etc. sie nicht aile von einer Art sind. Das heillt das Sehn leugnen, wei! man [175']
Thier, Pflanze etc. iiberall unanwendbar und unfruchtbar seyn, wei! wir das Sichtbare nicht horen kann. Gewill wird der Verf. iiber das sogenannte
ihre Grenzen nicht ganz genau bestimmen konnen? Gegen den Grundsatz empirische und hypothetische in den Wissenschaften nicht immer so den-
Suum Cuique, als den niichsten Grundsatz des ausserlichen Zwangsrechts, ken, wie er in dieser Schrift an einigen Orten noch thut, er war hier und
macht der Verf. verschiedene Einwiirfe, die wir aile glauben Ieicht beant- da, S. 169 und 241 schon auf guten Wegen). Im Naturstande sey in Anse-
worten zu konnen (z. B. der Grund zur Folgerung dieses nachsten Grund- hung der Vertriige das giiltig, was abgeredet ist. (Einige Einschriinkung
satzes des A.Zw. R. aus dem allerhochsten Grundsatze des Rechtverhaltens, hatte der Verf. hierbey gewill im Sinne). Im Anhangc thut der Verf. von
das Beste in aller Absicht zu befordern, erhelle nicht. Uns diinkt, dieser seinen bisherigen Grunden aus Blicke in die einzelnen Haupttheile des N.
Grund erhelle bey der Erwiigung der Wichtigkeit der Sicherheit des Eigen- R. und dessen Zusammenhang mit den iibrigen Staatswissenschaften; ge-
thums, oder dessen was man schon hat, fur die Absicht seiner Erhaltung, will scharfsinnige und vielbefassende Blicke; wie durch das gauze Buch
seines Vennogens andern Gutes zu thun, und seiner Veroollkommnung. einem viele begegnen. Aber anders wird bey fortgesetzter Beach tung doch
Eben diese einleuchtende Wichtigkeit ist die U rsache der so a! ten und ge- auch hier noch manches dem Verf. erscheinen; und einiges, was er noch
meinen Anerkennung jenes Grundsatzes. Und die Einschriinkungen dessel- ganz vermillt, als vorhanden, we .n gleich noch einer mehrern Bearbei-
ben, z. B. bey der aussersten Noth des andern, haben dabey zugleich auch tung allerdings benothigt, sich zeigen.
ihren Grund. Hier und bey mehrern andern Gelegenheiten (S. 257) mull
man nur auch den Unterschied zwischen einem Rechte, und einem unge-
ordneten, vielleicht verzeihlichen, Trieb nicht ausser Acht lassen. Einen
[174] Grundsatz, dessen Anwendung nie Zweifel iibrig liell, giebts nicht.
Des Verf. Grundsatz: Verhindere, dafS deine Vollkommenheit dir nicht ge· BRESLAU, bey LOwe: Uber die I.ehre des Spinoza in Briefen an den Herm
mindert werde, macht gewill keine Ausnahme.) Auch der Satz, dall im Moses Mendelssohn. Mit dem Motto: Llo.; f.LO! nov arro. 215 Seiten 8. 1785.
N aturstande jeder sein eigener Richter sey, scheint dem Verf. wie vie!en 'VJenn auch nicht die Achtung, in der des Urhebers dieser Briefe, des
andern, Schwierigkeiten zu verursachen, die sich zum Theil noch wahl W Hn. Geh. Rath Jacobi zu Diisseldorf, Name schon bey dem edlern
heben lassen. Jeder ist da sein eigener Richter, heillt, keiner hangt von der Theile des Publikums steht, die Aufmerksamkeit darauf sogleich bey ihrer
Willkiihr und Meynung des andern ab, sondern von seiner eigenen bestm6g- Erscheinung gerichtet hatte, so wiirde es doch gewill der Inhalt gethan ha-
lichen Erkenntnifl. Aber Menschenverstand, Menschenvernunft, mull der- ben, bey dem sich so mancherley Umstiinde vereinigen urn die Neugierde
jenige haben und gebrauchen, der als ein Mensch behandelt seyn will. Die des Lesers zu spannen. Hr. Jacobi erfiihrt gleich bey seiner ersten U nterre-
272 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 11. Februar 1786 Jacobi liber die Lehre des Spinoza 273
dung mit Lessing, was sein vertrauter Mend;lssohn von ihm nie erfahren, Ratselhaft bleibt es uns, wie Lessing, der doch sonst in der Poesie nicht so
daB Lessing, der noch nicht lange vorher in seinen Streitigkeiten wegen Ieicht vorlieb nahm, diese Verse, sogleich gut, ja sehr gut finden konnte, er
der Fragmente des Wo_lfenbtittelschen Ungenannten, in seinem Nathan so mtiBte denn geglaubt haben, Hr. Jacobi babe sie selbst gemacht. Oder ge-
klare Beweise seiner Uberzeugung von den Wahrheiten der nattirlichen fielen sie ihm bios des Stoffes wegen, so ists uns noch rathselhafter, wie er
Religion zu geben geschienen, - ein Spinozist sey; und meldet diese ganz in diesen Versen gerade Spinozismus, oder das ·Ev Kat nav finden konnte.
unerwartete Neuigkeit seinem Freunde Mendelssohn erst nach Lessings Denn zu sagen, daB die Giitter arm sind, daB sich der Mensch selbst rette,
Tode; liillt auch die mit ersterm dariiber gepflogne Correspondenz ohne selbst helfe, daB die Giitter nichts thun als schlafen, daB man sie nicht zu
sein Vorwissen drucken. Man begreift Ieicht wie vie! bier Neugierde zu ehren brauche, dis alles heiBt ja noch nicht mit Spinoza iibereinstimmen.
fragen, Anekdotensucht hinzu zu erzahlen, die Milzsucht zu beseufzen, Jedoch diese Rathsel sind nun nicht mehr zu losen. Aber Hrn. Jacobi
und der Leichtsinn zu belacheln AnlaB babe finden kiinnen. miichten wir fragen, wie er selbst diese Verse fur so wichtig halten konnte,
Die Zweifel, die man tiber das Factum selbst erheben kiinnte, werden daB er glaubte, das ganze Buch kiinnte ihretwegen confiscirt werden, und
eines Theils durch die Denkart des Erzahlers, andern Theils aber durch deshalb niithig fand, sie auf einem Carton drucken zu lassen! Wem auch
die Unmiiglichkeit, sich mehr Aufklarung dariiber zu verschaffen, nieder- nicht, was Hr. J. selbst anfiihrt, Lucians klagender und beschamter Jupiter,
geschlagen. Lessings nie ruhender Untersuchungsgeist konnte ihn gar oder Hume's, Diderot's Schriften bekannt waren, dem muBte doch wohl
Ieicht auf Klippen und Sandbanke -fuhren, auf denen schon manches ahn- das Pasquill auf die Vorsehung, wie Jerusalem Voltaire's Candide nennt,
liche Genie gescheitert oder gestrandet war; dariiber verliehrt weder er bekannt seyn? U nd dann durfte er ja, wenn er glaubte, daB diese ·Verse
etwas von seinem Ruhm, noch die Wahrheit das mindeste an ihrem manches Lesers Sinn vergiften wiirden, die am Ende beygefiigten Verse von
Werth. Zehntausenden wiirde die Btirgermeistertugend der Behutsamkeit Hrn. Gothe, die ungleich schiiner an Form, und wahrer an Inhalt sind, als
in dem Faile, worinn Cook umkam, das Leben gerettet haben; aber es ein Gegengift empfehlen. - Die Discurse, die Hr. J. mit Lessing iiber den
hatte auch unter ihnen wohl kein einziger das Herz gehabt, die Welt zu Spinozism selbst gehalten hat, lie/len uns oft in Dunkelheit und Ungewill-
umsegeln. Dennoch wird Cooks Fehltritt keinen Klugen unvorsichtig, heit, was beyde verstanden hatten. Bedenkt man, daB Unterredungen tiber
und Lessings Irnhum niemanden, der selbst denkt, zum Spinozisten solche Materien, extemporirt immer vie! U nbestimmtes haben miissen,
machen. Vielleicht hat manchen Leser, wie es uns gegangen ist weniger das daB Hr. J. noch dazu, wie er selbst einraumt, nur so vie! davon aufschrei-
Factum, als einige Nebenumstiinde, in Bewegung gesetzt. [293] ben konnte, als sein GedachtniB gefailt, oft also [294] in Verkntipfung und
Lessing, den Allwills Papiere interessirt hatten, schrieb im Jahre 1779 Ausdruck was Lessing gesagt hatte, andern muBte; nimmt man dazu, daB
an ihren Verfasser. Hr. Jacobi antwortete ihm, er habe im Friihjahre 1780 beide Unterredner oft mehr Fulgurationen des Witzes leuchten, als das ru-
eine ~ise vor, die ihn tiber Wolfenbtittel fiihren sollte, urn in Lessing die hige nicht blendende Licht bestimmter und eigentlicher Ausdriicke schei-
Geister mehrerer Weisen zu beschwiiren, die er tiber gewisse Dinge nicht nen lassen, so darf es nicht befremden, daB der Leser, nachdem er diesen
zur Sprache bringen konnte. Den fiinften Jul. desselben Jahres kam Hr. J. labyrinthischen Dialog durchgewandert, sich am Ende urn keinen Schritt
das erstemal mit Lessing zusammen. Am folgenden Morgen, da Lessing auf weiter - gebracht, sich gerade wieder da findet, wo er ausgegangen war.
Hn. J. Zimmer kam, gab dieser, eben mit Briefschreiben beschaftigt, ihm Die Darstellung, welche Hr. Geh. R. Jacobi S. 118 u. s. w. von dem
alle~ley aus seiner Brieftasche zu lesen, unter andern aber ein Gedicht, System des Spinoza macht, ist sehr deutlich und richtig. Wenn er aber bey
worm Prometheus redend eingeftihrt wird, dem Jupiter trotzend und folgenden Satzen desselben:
~ohnsprechend. Diese Verse, die ohngefahr den Ton des Prometheus beym
VI. Das Endliche ist also in dem Unendlichen, so daB der Inbegriff aller endlichen
Aschylus nachahmen, enthalten der Hauptsache nach mehr nicht, als den
Dinge, wie er in jedem Momente die ganze Ewigkeit, vergangenes, und zuktinftiges
Gedanken, daB Prometheus ohne den Jupiter und die andern Giitter fertig auf gleiche Weise in sich faBt, mit dem unendlichen Dinge eins und dasselbe ist.
werden konne. Sie scheinen aus einem griissern Gedichte des uns ganzlich Vll. Dieser Inbegriff ist keine ungereimte Zusammensetzung endlicher Dinge, die ein
unbekannten Vf. (Hr. J. sagt auch nicht, von wannen sie sind) ein Bruch- U nendliches ausmachen, sondern, der strengsten Bedeutung nach, ein Ganzes,
sttick zu seyn. Denn wirklich wiillten wir doch uns nicht zu erklaren, wer dessen Theile nur in ihm und nach ihm seyn, nur in und nach ihm gedacht werden
so ein Fragment wie dieses allein zu machen sich die Mtihe geben kiinnte. kOnnen.
274 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 11. Februar 1786 Jacobi liber die Lehre des Spinoza 275
•
wenn er also dabey in der Note aus Kant's Critik der r. V. ein Paar Stellen wenn er S. 164 sagt: ,Einen andern Glauben lehret die Religion der Chri-
vom Raum und Zeit anfiihret, wenn er sagt, daB diese ganz im Geiste des sten, sie befiehlt ihn nicht. Einen Glauben, der nicht ewige Wahrheiten,
Spinoza seyn, wenn er meynt, daB sie vorstehenden Stellen desselben zur sondern die endliche zufallige Natur des Menschen zum Gegenstand hat.
Erliiute:rung dienen sollen, so ist nur ein Fall miiglich, entweder Hr. Jaco- [Was ist dies aber fiir ein Gegensatz ewige Wahrheiten und endliche Natur
bi, oder sein Recensent hat Hrn. Kant's Sinn und Meynung in der angezo- des Menschen?] Sie unterrichtet den Menschen, wie er Beschaffenheiten
genen Stelle ganzlich misverstanden. Hr. Kant sagt: es giebt nur einen annehmen kOnne, wodurch er Fortschritte in seinem Daseyn gewinne, zu
Raum; Spinoza: es giebt nur eine Substanz. Kant sagt: alles was wir viele einem hiihern Leben, mit demselben zu einem hohern Bewufltseyn, und
Raume nennen sind nur Theile des einzigen allbefassenden Raums; Spino- in ihm zu einer hiihern Erkenntnill sich hinaufschwinge. Wer diese Ver-
za: alles Endliche ist mit dem Unendlichen eins und dasselbe. Wie hier heiflung annimmt, treu entgegen wandelt der Erfiillung, hat den Glauben,
beyde in einerley Geist reden, wie Kant hier Spinozen zur Erlauterung der da selig macht. Der erhabene Lehrer dieses Glaubens, in dem aile Ver-
dienen kiinne, begreifen wir im geringsten nicht. Hr. Kant allein ist im heiflungen desselben schon erfiillt waren, konnte darum mit Wahrheit sa·
Staude diesen Widerspruch zu entscheiden; - und da uns vie! daran liegt gen; ich selbst bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt
ihn recht zu verstehen, hingegen die Eitelkeit nicht anwandelt, ihn besser zum Vater, denn durch mich, wer aber den Willen, den ich in mir habe,
als jemand verstehen zu wollen, so wird es uns keine Uberwindung ko- annimmt, [deut!icher beym Johannes: so jemand den Willen thut desjeni·
sten, wenn jener Hrn. J. Auslegilng genehmigt, unsern Misverstand selbst gen, der mich gesendet hat] der wird erfahren, daB meine Lehre wahrhaftig
anzuklagen. Indefl geben wir zu, daB in der Stelle des Spinoza, die Hr. J. S. und von Gott ist." Dies alles unterschreiben wir gern, nur mit dem Zusat-
125. anfiihrt, wo er von dem Begriffe der Quantitdt redet, der Gedanke, ze, daB doch dazu auch Vernunft gehiire. Hingegen wissen wir nicht, was
daB die Vorstellungen von Linie, Flache und Kiirper nicht die Quantitat wir zu folgender Stelle sagen sollen.•Diesen praktischen Weg kann die in
zu begreifen, sondern nur zu begranzen dienen, mit Kants Gedanken vom Armuth gerathene oder spekulativ gewordene - verkommene Vernunft
Raum eine Ahnlichkeit habe. weder loben, noch sich loben lassen. Zu graben hat sie weder Hand noch
Wenn sich Hr. Jacobi gegen das, was Moses Mendelssohn in Betreff des Fufl, auch schamet sie sich zu betteln. Darum (296] muG sie hierhin und
Riickzugs unter die Fahne des Glaubens sagte, erklart, so bringt er Aufle- dorthin, der mit dem schauenden Verstande davon gegangenen Wahrheit,
rungen bey, denen wir nicht beytreten kiinnen, wei! sie einen der ersten der Religion und ihren Giitern nachkriippeln, wie die Moral den ver-
Begriffe der Vernunft!ehre ganz unniithig verwirren. Jedes fur wahr halten, schwundenen tugendhaften Neigungen, die Gesetze dem versunkenen
[295] welches nicht aus Vernunftgriinden entspringt, nennt Hr. J. Glauben. Gemeingeiste und den bessern Sitten; die Padagogik - lassen sie mich
Also auch die Empfindung? Ja - Denn er setzt hinzu: ,Durch den abbrechen, damit ich von der Flut, die mir entgegenkommt, nicht aufge-
Glauben wissen wir, daB wir einen Kiirper haben." Aber Logik und Ge- hoben werde." Den letzten gar sehr gerechten Seitenblick auf die Menge
meinsinn haben seit undenklichen Zeiten zwischen Empfindung und padagogischer Schriften abgerechnet ist das iibrige, fiir uns dunkel, so wie
Glauben einen Unterschied gemacht; wozu diesen wieder aufheben? vieles von dem, was auf den drey letzten Bogen gesagt wird. In der Un-
Selbstgefiihl, und Beyfall, den wir eines andern Aussagen geben, bleibt miiglichkeit, worinn wir uns befinden, hier klar zu seyn, und ungewill ob
doch immerdar zweyerley. Das gemeine Sprichwort: der Glaube wird dir daran unsre Bliidsichtigkeit, oder eine allegorische Dammerung, in welche
in die Hand kommen, miiflte nach Hn. J. nichts anders sagen, als: wenn du der Vf. hier seine Begriffe hiillt, Schuld sey, wollen wir, urn nicht falsch zu
andern nicht glauben willst; so magst du dir selbst glauben; kann man greifen, Iieber nichts davon angreifen. Wir sind begierig auf die weitere
aber sich selbst glauben, so kann man sich auch selbst belugen, welches im Ausfiihrung, die Hr. J. ankiindigt. Wiewohl wir wiinschten, daB sie nicht
Grunde eben so unmoglich ist, als sich selbst bestehlen. Indessen wer an in Gesprachen, die oft so weit Vbm Ziele fiihren, gefaflt, und wcniger
dergleichen Wortspielen Gefallen findet, muG sich nur hiiten, weiter was durch Metaphern, Antithesen, Kernspriiche, Bilder und Anspielungen
darauf zu bauen. Hr. Jacobi sagt: Uberzeugung aus Vernunftgriinden muG blenden, als durch Klarheit und Bestimmtheit in Begriff und Ausdruck er-
selbst aus dem Glauben kommen. Dies heiflt, wie er das Wort Glauben leuchten miichte. Wir sind weit entfernt, die aphoristische Schreibart oder
nimmt, wohl nicht mehr, als das alte: Nihil est in intellectu quod non antea den Paragraphenstyl fiir das einzige Kleid zu halten, das der Philosophie
fuerit in sensu. Hingegen nimmt er das Wort Glaube in anderm Sinne, gezieme; aber wenn auch das Zitterlicht der Beredsamkeit die allgemein
276 <)]eue ~tip!igee ®tlebete 3eltungen- 14. Februar 1786 S:Ubingi[d)e gtlebete mn;tigen - 16. Februar 1786 277
'•
angenommene Geltung wichtiger Worte schwankend, und die Verbindung Metaphysik erhalten werden, und die ist bisher noch nicht vorhanden ge-
der Satze oder Schliisse unkenntlich macht, so miichten wir mit Cicero wesen, wei! die Regeln dieser idealischen Baukunst noch nicht da waren.
sagen; Eloquentiam in philosopho non magnopere desidero. .Kritik der Vernunft mull diese Satze des synthetischen Denkens ent-
wickeln, und zwar aus der Vernunft selbst. Diese Erkenntnill a priori ist
bisher in der Metaphysik sehr vernachlassigt worden. Zur Ehre der Wahr-
heit aber mull man doch auch gestehen, dall Lambert in seiner [291] Archi-
tectonik, und unser beriihmter Plattner in seinen Aphorismen schon mehr
<5era. geleistet haben."
Uhersicht der neuesten Philosophischen Litteratur, von johann Christian
Lossius, Jsten Bandes Jstes Stuck, 1784 bey Christoph Friedrich Beckmann
8. brochirt, jedes Stiick kostet 8 gr. (...)
II. Prolegomena zu einer jeden kunftigen Metapbysik, die als Wissenschaft
~iga.
wird auftreten kOnnen, von Immanuel Kan~ gr. 8. Die grollen Verdienste
des Hr. K. sind bereits entschieden. Die gelehrte Welt kennet seine wohl Grundlegung zur Metapbysik der Sitten von Immanuel Kant. 1785. S. 128.
durchgedachte Kritik der reinen Vernunft, darin er nichts gemeines gelie- So unlaugbar es ist, dall auch diese Schrift, wie aile iibrige Wercke des Kii-
fert hat. Mit philosophischem Scharfsinne hat er viele dunkle Satze in ein nigsbergischen Philosophen, das Geprage eines originellen tiefdenckenden
helles Licht ··gesrellet. Inzwischen sind die Leser verschie{290]den: viele Kopfes ganz unverkennbar an sich tragt, und eine Menge von eigenthiim-
haben nicht ohne Grund tiber Mangel der Verstandlichkeit geklagt. Da lichen Ideen und von treflichen, oft nur im Vorbeygehen eingestreuten,
unsere Leser vornehmlich die U rtheile des Hr. L. zu wissen verlangen, so Bemerckungen in sich fallt, die sich nicht wohl in einen kurzen Auszug
wollen wir ihnen einige mit seinen eigenen Worten lesen lassen. Wir ver- zusammendrangen lassen; so sehr bedauren wir, Hrn Kant von dem Vor-
weisen sie dellwegen auf die beygefiigten Bemerkungen.•Dieses ware denn wurf nicht ganz freysprechen zu kiinnen, dall er auch in der vorliegenden
nun der Schliissel zu der Kritik der reinen Vernunft, und in so fern hat der Schrift, wie in andern vorhergehenden, an die Stelle eines Beweises ofters
wiirdige Verfasser auch seine Absicht viillig erreicht, dall durch diese Pro- dialektischen Schein, oder (urn seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen) an
legomenen die Obersicht des Ganzen, und der Verstand jener eben so die Stelle der Juno eine Wolcke seze. Dill in einigen Proben zu zeigen, hal-
merkwiirdigen und tiefgedachten Schrift merklich erleichtert wird. Beyde ten wir urn so mehr fiir Pflicht, da Hr K. von seiner dialektischen Hiihe
gehiiren gewill unter die merkwiirdigsten Schriften unserer Zeit. Aber zu herunter auf die beriihmtesten Philosophen, wie ein Riese auf ein Pyg-
wiinschen w1ire, dall der Verf. in Lateinischer oder Franziisischer Sprache maen-Geschlecht hinsieht, und nicht mehr weit davon (106) entfernt zu
geschrieben hatte; so sehr man auch sonst verlangen miichte, dall Original- seyn scheint, seine subjektive Vernunft mit der objektiven, oder doch mit
Werke, wie das gegenw1irtige, in der Muttersprache abgefallt wiirden. Viel- einem Ideal von menschlicher Vernunft zu verwechslen. Der Hauptzweck
leicht hatte es ihm gegliickt, im Ausdrucke verstandlicher zu seyn, und der ganzen vorliegenden Schrift ist dieser, aile bisher aufgestellte empiri-
zur Ehre der Deutschen auch Auslandern bekannt zu werden, die es aber, sche Principien der Moral zu zernichten, und an deren Stelle einen neuen
so wie es jetzt ist, nicht lesen Werden, wei! sie es nicht verstehen kiinnen. Grundsatz festzusezen, der, eben so wie die Kantischen Anschauungen
Urn nur erst den Wortverstand dieser Schrift zu finden, mull man sich zu- und Categorien, von allem Empirischen unabhangig, ganz a priori abgelei-
vor eine Nomenclatur tiber den Gebrauch gewisser Terminologien des tet werden solle. Wir kiinnen uns nicht darauf einlassen, die Kantische
Verfassers verfertigen, und so dann mit diesen in der Hand das Buch lesen. Ausfiihrung dieser. Idee vollstiindig zu beurtheilen. Wir wollen uns also
Ich verdeutsche mir nun seine Idee so: Metaphysik soli Wahrheiten fassen, nur darauf einschrancken, einige von den Haupt- und Neben-Sazen, die
die ganz unabhangig von aller empirischen Erfahrung sind. U m dieses zu sich in jener Abhandlung fmden, nach denselbigen Grundsazen zu priifen,
erhalten, miissen ihre Urtheile nicht so wohl erlauternde {analytische), die Hr K. selbst iifters gegen andere Philosophen gebraucht. Dall empiri·
sondern hauptsachlich erweiternde (synthetische) seyn. Nur durch diese sche Principien der Moral uberhaupt nichts taugen, schliellt der Hr Verf. (S.
reine Erkenntnill a priori, die vor aller Erfahrung vorher geht, kann allein 28. 90.) daraus, wei! aus der Erfahrung kein moralischer Grundsaz abgelei-
278 :tii6ingifc()c gcfc~rtc Qln;cigcn - 16. Februar 1786
tet werden kiinne, der fiir aile verniinfiige ~sen ohne Unterschied gelte.
Aber wie kan denn Hr K. nach den Grundsiizen seiner Kritik erweisen, daB
es irgend ein verniinfiiges Wesen ausser dem Menschen gebe? Und wollten
'.
wir je die Nachsicht haben, ihm diesen BeweiB zu erlassen, den er noth-
wendig schuldig bleiben muB; mit welchem Rechte sezt er denn voraus,
daB die Principien einer menschlichen Moral nur denn feste stehen, wenn
es erweislich seye, daB sie fiir aile verniinfiige Wesen iiberhaupt gelten?
Freylich muB die menschliche Moral immer in gewiBen Punkten mit der
allgemeinen Gei>ter-Moral zusammentreffen, wei! die Menschheit gewiBe
innere Bestimmungen und VerhaltniBe mit allen hiiheren endlichen Gei-
stern gemein hat. Aber wie weit diese Ahnlichkeit - [107] wie weit also
die Identitat der menschlichen und der allgemeinen Geister-Moral gehe?
ob dieses oder jenes angenommene Principium nur zu jener, oder auch zu
di;,_.er gehore? Dill, diinckt uns, ist eine Frage, die man da, wo bios von
Griindung einer fur die Menschen geltenden Moral die Rede ist, ganz auf
der Seite liegen laBen kan. Gegen das Princip der eigenen Gliickseeligkeit
wendet Hr K. (S. 90) ein: 1) Die Eifahrung widerspreche dem UJrgeben, als
ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten richte 2) Es seye
etwas ganz anders, einen gliicklichen, als einen guten Menschen machen.
3) Der specifische Unterschied von Tugend und Laster werde durch jenes Prin-
cip ganz und gar ausgeloscht. Diese lezte Behauptung ist wohl nichts als ein
Jeerer Machtspruch, den wir nur dann auf K. Ansehen hin glauben miiB-
ten, wenn er uns von seiner Untriiglichkeit iiberfuhrt hatte. Denn wir se-
hen schlechterdings nicht ein, wie man erweisen kiinne, was Hr K. nicht
zu erweisen beliebt hat, daB zwischen dem, was gliicklich, und dem, was
ungliicklich macht, kein specifischer U nterschied seye. Die beyde erstere
Einweodungen aber beruhen auf der Unterschiebung eines Begriffs von
Gliickseeligkeit, den der Hr Verf. nur bittweise angenommen hat, und den •
gerade die besten der empirischen Moralphilosophen (z. B. Eberhart!) nicht
·.I,
zum Grunde gelegt haben. Wie die Behauptung (S. 50), "daft der Imperativ
der Klugheit (so nennt der Hr Verf. die Vorschrift, die auf den Zweck unse- ,
rer eigenen Gliickseeligkeit sich bezieht) kein Gesez heiflen konne, wei4 was
bios zur Erreichung einer beliebigen Absicht nothwendig SEJI an sich als zu-
fallig betrachtet werden konne, [108] und wir von der UJrschrifi jederzeit los
seyn konnen, wenn wir die Absicht aujgeben" - wie diese Behauptung sich
mit einer andern Stelle (S. 42) vereinigen !aBe, sind wir nicht scharfsinnig
genug einzusehen. In der leztern Stelle nehmlich heiBt es: ,Es ist ein .;
Zweck, den man bey allen verniinfiigen Wesen (in so fern Imperative auf sie,
nehmlich als abhiingige Wesen passen) als wircklich voraus sezen kan, und also . ·. " J .
eine Absicht, die sie nicht etwa bios haben konnen, sondern von der man
.ltant~ \Brunbfegung ;ur 'll1etapb~fit bcr e;itten 281
'•
/
sicher voraus sezen kan, daft sie solche insgesammt nach einer Naturnoth-
wendigkeit haben; und das ist die Absicht auf Gliickseeligkeit." 1st aber
diB richtig: so folgt nach unseren Einsichten nothwendig daraus, daB kein
/ verniinftiges Wesen die Absicht auf Gliickseeligkeit, wie andere bios belie-
bige Absichten, jema!s aufgeben - also auch daB kein verniinftiges Wesen
von der Vorschrift, die sich auf jene Absicht bezieht, je los seyn konne. Je-
ner Saz (S. 50): Wir konnen von der Vorschrift jederzeit los seyn, wenn wir
die Absicht aujgeben, enthalt also, in der Anwendung auf das Princip der
Gliickseeligkeit, eine unmogliche Bedingung, und diesem Princip kan nur
in sofern Zufalligkeit beygelegt werden, als es sich auf die zufallig existiren-
de Natur verniinftiger Wesen griindet. Selbst die Eigenschaft der Allge-
meinheit kann Hr K. nach der so eben angefiihrten Stelle (S. 42.) jenem
Grundsaze nicht wohl absprechen, wenn wir schon nicht im Stande sind
zu begreifen, wie die oben angefiihrte Behauptung, daB iiberall kein empi-
risches Princip jene Eigenschaft habe, damit vereinbar seye. Ware die
Schrift, die wir vor uns haben, urn ein paar Jahrhunderte iilter: so wiirden
wir der Ver{109]suchung kaum widerstehen konnen, an der Authentie
einer von den angefiihrten Stellen zu zweifeln. Aber da dieser Zweifel im
gegenwartigen Fall ganz wegfiillt; so bleibt uns nichts iibrig als daB wir die
Inconsequenzen und Paralogismen, auf die wir stieBen, fiir Antinomien
der Kantischen Vernunft halten. Zu diesen rechnen wir denn auch noch
folgende Unrichtigkeiten, die uns zu auffallend scheinen, als daB wir sie
ungeriigt laB en konnen. U m zu erweisen, daB Gliickseeligkeit nicht der ei-
gent!iche Zweck der Natur bey einem verniinftigen Wesen seye, sagt der
Hr V. (S. 4. f.): .jener Zweck hatte weit sichererdurch lnstinkt erhalten wer·
den konnen, als es jemals durch Vemunft geschehen kan; und sollte diese ja
obenein dem begiinstigten Gesch6pf ertheilt worden seyn, so wiirde sie ihm
nur dazu haben dienen miissen, um iiber die gliickliche Anlage seiner Natur
Betrachtungen anzustellen ---; nicht aber um sein Begehrungsvermogen je-
ner schwachen und triiglichen Leitung zu unterwerfen u. s. w." Das erstere
laBt sich entweder auf folgenden SchluB zuriickfiihren, den wir durch
Lamberts Organon nicht zu rechtfertigen willen: Wenn irgend einer Art
der Gattung A das Pradicat B beygelegt werden kan, so kommt dieses Pra-
dicat auch andern Arten zu, die zu der nehmlichen Gattung gehiiren.
' Wenn also eine gewifte Art von Gliickseeligkeit (die Art von Gliickseelig-
' keit, die keine Vemunft voraussez~) durch bloBen lnstinkt erhalten werden
kan, so gilt dieB auch von einer andern Art von Gliickseeligkeit (auch von
der, die Vemunft voraussezt.) Oder wenn dieser SchluB nicht zum Grunde
liegt, so ist liberal! nichts bewiesen, als daB die Art von Gliickseeligkeit,
die keine Ver{110]nunft voraussez~ nicht der eigent!iche Zweck der Natur
282 tiibingifd)e gere~tte ~n;eigen - 16. Februar 1786 \neue ~eip;iger l!lde~tte 3eltungen - 23. Februar 1786 283
'
bey einem verniinftigen Wesen seyn kiinn;. Die zweyte Behauptung be- Hauptgesez der Schliisse an; denn in den PramiBen ist vo_n der verniinfti-
ruht theils auf der falschen Voraussezung daB der EinfluB der Vernunft auf gen Natur des Mens~hen und in dem Schlullsaze vo_n s~mem thzenschen
das Begehrungsvermiigen mehr zum Ungliick als zur Gliickseeligkeit ei- Korper die Rede. - Uber Hr K. Idee von der Freyhe!t, die uns noch pro-
nes verniinftigen Wesens beytrage, theils auf der aus der Luft gegriffenen blematisch zu seyn scheinet, uns auszulaflen gestattet uns der Raum unse-
Idee von der Miiglichkeit einer Vernunft, die keinen EinfluB auf das Be- rer Blatter nicht. Aber Eine Bemerckung, die sich auf die Verbindung der
gehrungsvermi:igen hat - einer Idee, deren Realitat am allerwenigsten nach K. Metaphysik der Sitten mit der natiirlichen Theologie bezieht, kiinnen
den Grundsazen erwiesen werden kan, nach denen Hr Kant selbst in sei- wir nicht wohl vorbey{112]gehen. Hr K. will (wie aus seiner Kritik der rei·
ner Kritik der reinen Vernunft die MiJglichkeit beurtheilt wiBen will. Das nen Vernunft bekannt ist) die Moral zur Grundlage der natiirlichen Theo-
Haupt-Principium, das der Hr Verf. zur Grundlage der Moral macht (S. logie machen; Und doch spricht er schon in der Metaphysik der Sitten
17. 52.): Handles.; daft du wollen kanst, deine Maxime soli ein allgemeines (S. 4. 7. u. s. w.) von Zwecken und von Weisheit der Natur, gerade als ob
Gesez werden; halten wir fiir ganz erweiBiich, wenn die Allgemeinheit der man diese ganz unabhangig vom Theismus annehmen kiinnte. Eben so
Gesezmafligkeit auf die verniinftige Wesen, die wir kennen, d. h. auf die wenig wiBen wir uns zu erklaren, wie er (S. 33.) der :einen Vorstellung_von
Menschheit eingeschranckt wird. Aber wie man ohne aile Riicksicht auf Pflicht einen so miichtigen Einflufl auf das menschltche Herz zuschr~1ben
Erfahrung die vornehmsten Arten von Pflichten aus jenem Grundsaze her- kan, da er doch (S. 813. der Kritik der reinen Vernunft) bey der Able!tung
leiten - wie man ganz a priori, ohne Riicksicht auf -die Folgen, die wir der natiirlichen Theologie von der Moral dieB als einen Hauptgrund ge-
bios durch Erfahrung kennen, in den wichtigsten Eillen beurtheilen ki:in- braucht, daB ohne einen Gott und eine fur uns jezt nicht sichtbare, aber ge-
ne, was denn allgemein gesezmaflig seye; dieB sehen wir schlechterdings hofte, ~It die herrliche Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstiinde des Beyfalls
nicht ein. Selbst die Beyspiele, die Hr K. S. 18. 19. 54-56. anfiihrt, bewei- und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsazes und der Ausiibung
sen, daB wenigstens einige der wichtigsten Anwcndungen jenes Princips seyen.
ohne Riicksicht auf das Empirische nicht wohl mi:iglich seyen. Eben
deBwegen glauben wir auch, daB die Einwendung, die Hr K. dem Princi-
pium der Gliickseeligkeit (S. 47.) entgegen sezt, sein eigenes Principium
eben so gut, als jenes, trefe. - S. 64. ff. sucht der Hr V. [111] zu zeigen; daB ~reslau.
jedes verniinftige Wesen als Zweck an sich selbst existire, und leitet daraus
eine neue Formul des obersten Grundsazes der Sittlichkeit her. Aber der Bey Gottl. LOwe, Ober die Lehre des Spinoza, in Briefen an Hrn. Moses
Schlufl, durch den er (S. 65.) jenen Saz erweiflt: Wenn nicht das Daseyn Mendelssohn, 1785. 8. 215 S. [...] zuniiehstirtftaftscmsabe, dimnS. 355:
jedes verniinftigen Wesens an sich selbst Zweck ware, so wiirde iiberall gar Zwar auBen der Hr. Verf. noch (S. 170) den Wunsch, die denkenden
nichts von absolutem Werth angetroffen werden konnen; hat durchaus keine Kiipfe seines Vaterlandes in Bewegung zu setze':', urn, wie es nach S: 168
Evidenz (denn was will denn Hr K. dem antworten, der annimmt, daB scheint, das im Stillen sich immer mehr verbre1tende System des Spmoza
nur eine Art von verniinftigen Wesen einen absoluten Werth habe, und als zu bekampfen; allein der letzte Theil der Schrift (S. 177 u. f.) ist groBten
Zweck an sich selbst existire.) Und die erste Anwendung, die er von jenem Theils in einem solchen Tone abgefaflt, daB es wenigstens nicht die Schuld
Grundsaze (S. 67.) auf die Unzulafligkeit des Selbstmords macht, enthalt des Hrn. Verfassets ist, wenn seine Leser nicht urn aile Fahigkeit, oder urn
einen Paralogismen, den wir obenan sezen wiirden, wenn wir eine Kritik aile Lust kommen, noch tiber irgend etwas in der Welt Priifungen ll':'d
der subjectiven Kantischen Vernunft zu schreiben batten. • Die verniinftige Untersuchungen anzustellen. Von dem ersten zu diesem zw~n Theile
Natur (dieB ist der SchluB, der S. 66. 67. gemacht wird); folglich auch der macht man wirklich einen salto mortale; - oder auch kemen salle
Mensch, als verniinftiges Wesen betrachtet, existirt als Zweck an sich selbst. - mortole; man glaubt vielmehr vom Notd-Pol mit einem Mahle unter die
- - Also kan ich iiber den Menschen in meiner Person nicht disponiren, ibn Mittagslinie versetzt zu seyn. Wei! es aber unstreitig, wenn nicht der wich-
zu todten." Aber dieser SchluB sezt entweder voraus, was Hr K. selbst tigste, doch der merkwiirdigste Theil d~r Schrift ist: _so w?lle_n :Wir den Le-
nicht annimmt, daB mit dem thierischen Kiirper des Menschen auch seine sern, einige einzelne Stellen aus diesem letztern The1le m1t e1rugen kurzen
verniinftige Natur getiidtet werde; oder er stoBt ganz offenbar gegen ein Priifungen vorlegen. Man erlaube uns dabey ein Paar Worte, zu Gunsten
284 91cuc ~ciphiger l!ldc~ttc ,3citungcn - 23. Februar 1786 285
'
der Rechte der Vernunft zu sagen - oder zu• verliehten; und wer wahnen verniinftigen Menschen zu seyn heissen soli, anders, als ein Geschiipf, wel-
kann, dail wir dadurch den Rechten der geoffenbarten Religion zu nahe ches jene Eindriicke vergleicht, priift u. s. w. Der Mensch gelangt also auch
treten kiinnten oder wollten, erwagt nicht, dail wir in einem Jahrzehnt des zu jener a!lerersten Gewillheit, welche er besitzen mull, urn zur Gewill-
Schwarmens und Schwarmelns und Schwindelns !eben, in welchem die heit in mehrern Dingen zu gelangen, nicht durch das, was man Glauben
Befiirderer oder Urheber dieser letztern sich nur zu Ieicht, hinter dem An- nennt, sondern nur durch Vergleichung, Priifung, Untersuchung, nur
sehen und den Ausspriichen eines Mannes, wie Hr. J. verber{356]gen, und durch Grande; wenn gleich nicht durch Demonstration, deren er, um ..bloll
dadurch nicht wahre Religion, sondern Geisterseherey, Goldmacherey, zu eigener Uberzeugung zu gelangen, auch gar nicht bedarf; und die Uber-
verjiingende Arzeney, und wahl gar Desorganisation ausbreiten kiinnten; zeugung aus Grunden ist also keines Weges, wie Hr. J. (S. 1?_2) sagt, eine
die Quelle, aus welcher beyde schiipfen, ist, wenigstens im Grunde, so wie Uberzeugung aus der zweyten Hand; sondern die allererste Uberzeugung
die Absicht, zu welcher sie schiipfen, ein und dieselbe, auch bringt der des Menschen - wofern wir nicht mit Worten spielen, und die Begtiffe
Trank, den sie uns reichen, nur in so fern verschiedene Wirkung hervor, verwirren und vermengen, (eine Eigenheit, worauf sich vorziiglich Hr.
als der gute, reine Wein anders berauscht, wie der ganzlich verfalschte. Lavater, und seine schriftstellerischen Freunde auszeichnen,) urn das
Hier ist der Beweis. S. 162 heiBt es, "wie kiinnen wir nach GewiBheit stre- menschliche Gehirn in den Zustand eines geschiittelten und geriittelten
ben, wenn uns GewiBheit nicht zum voraus bekannt ist, und wie kann sie Elementen-Glaschens zu versetzen; wofern wir nicht, was eigentliche
uns bekannt seyn, anders, als durch etwaS, das wir mit Gewillheit schon Uberzeugung ist, Glauben, und aile sinnliche Eindriicke Offenbarungen
erkennen?" Diese erste GewiBheit erlangt der Mensch durch den Glauben; nennen, und, gleich dem Kaufmanne, ehrliche einheimische Waaren mit
"durch diesen wissen wir, dail wir einen Kiirper haben, und dail auller uns auslandischen Nahmen belegen, nicht bloll, urn diesen einen hiihern
andere Kiirper, und andere denkende Wesen vorhanden sind," (S. 163) und Werth in der Einbildung zu verschaffen, sondern mehr urn die Einfiih-
dieses nennt der Hr. Verf. eine wahthafte, wunderbare Offenbarung. rung wirklich fremder zu befiirdern, wei! dadurch die Einbildungskraft
(Freylich, wenn der Mensch nicht Mensch ware, wenn er nicht seine fiinf auf sie gespannt, und mancher Patriot verleitet, oder gewiihnt wird, bloll
Sinne und seinen Verstand hatte: so kiinnte er nicht wissen, dail er da ist; allenfalls noch den Nahmen an ihnen fiir fremd zu halten. - Freylich ist
aber, so lange er Mensch ist, braucht er es nicht erst von andern zu lernen, der Mensch gemacht, urn zu glauben, so beschaffen, dail er glauben kann;
dail er ist; braucht es ihm nicht offen bart zu werden.) "Diese GewiBheit das heiBt, er ist nicht gemacht, die Rolle eines Pyrrho zu spielen, sondern
schliellt ferner aile Griinde aus, und ist einzig und allein die mit dem vor- so beschaffen, dail er, nach jener Priifung und Untersuchung, ein Ding fiir
gestellten Dinge iibereinstimmende Vorstellung." Allerdings ist der Mensch wahr und gewiB halt, dail [358] er es glaubt; aber, ohne vorher gegangene
einer Sache gewiB, wenn er sie innig und fest glaubt; aber das Ding, das er Priifung, kann er es nicht mit Sicherheit thun, und von diesem Glauben
sich vorstellt, dessen er ganz gewill ist, kann ja bloll in seiner Einbildungs- kann man unmiiglich sagen, dail wir durch ihn Alles wissen. Der Mensch
kraft eigentlich existiren; sein Daseyn, auller der Vorstellung des Men- ist also auch verbunden, zuerst und vor allen Dingen zu priifen, zu verglei-
schen, wird durch diese Vorstellung davon nicht erwiesen, und, woher, chen, sich nach Griinden umzusehen, wenn er gewiB seyn will, dail er
und wie weiB er, dail seine Vorstellung mit dem vorgestellten Dinge nicht etwa traumt, und gewiB, dail seine innere Uberzeugung von Erwas
iibereinstimmt? - Oder - war der Abgrund wirklich da, welchen Pascal die Uberzeugung eines bey gesunden Sinnen befindlichen Geschiipfes ist.
'?:eben seinem Stuhle sahe? und ist seine Uberzeugung gar nicht von der U nd dall er auch so gemacht ist, das sieht man an dem Betreiben und den
Uberzeugung eines Menschen, der wirklich an einem Abgrunde steht, zu Handlungen der kleinen Kinder; sie sind so gleich mit einem W..rum? bey
unterscheiden? - Oder kommt es gar nicht bey Uberzeugung darauf an, der Hand, wenn wir sie nur sich selbst iiberlassen, und nicht etwa durch
ob das geglaubte Ding da ist, oder nicht? Doch Pascal war nicht bey gesun- ein zu feyerliches oder finsteres Ansehen von weiterer Nachfrage, oder gar
den Sinnen; - nun [357] gut, was thut der Mensch bey gesunden Sinnen? dadurch, dail wir ihre Einbildungskraft aufbringen und erschiittern, von
Was anders, als dail er die verschiedenen Eindriicke eines Dinges auf seine allem weitern Nachforschen zuriick schtecken, und sie dadurch zum
verschiedenen Sinne, (wenn er gleich sich dessen nicht immer deutlich be- Glauben an die Gespenstermarchen, welche wir ihnen vorerzahlen, brin-
wullt ist) vergleicht, priift u. s. w. das heiBt, durch Grande sich iiberzeugt? gen. - Die christliche Religion ~rde und miillte gewiB am mehrsten ver-
U nd was ist er, wenn er bey gesunden Sinnen, und im Zustande eines liehren, wenn der Mensch die Uberzeugung aus blollem Gefiihle zu er-
286
.. .
9lcuc Scip;tgcr I!Jefc9rte ,3einmgen - 23. Februar 1786
'
stern Uberzeugung machte, allem Irrglauben, allem Aberglauben ware mit
'))cue Seip;igcr I!Jcfc9rtc ,3eitungen - 2. Marz 1786
Karten in die Hiinde, welche sie stechen konnen; und schreyen dann, daB
287
einem Mahle Thor und Thiir geoffnet. Und was den Gewinnst anbetrifft, sie durchaus keine andern hat! - daB durch moralische GewiBheit (360]
den sie daraus ziige, wofern der Mensch zu aller und jeder GewiBheit nur nicht schlechterdings das Gegentheil unmoglich wird, sagt hier nichts zu
durch Glauben gelangen, und wofern es eine wahrhafte, wunderbare Of- ihrem Nachtheile. Ja, wenn der moralisch iiberzeugte allein, wenn nur er,
fenbarung ware, wenn er weiB, daB er einen Kiirper hat: so beliiuft sich nicht bloB zu seiner eigenen Uberzeugung, sondern, urn auch wieder an-
dieser Gewinnst nicht hiiher, als was ein Mensch gewinnt, wenn es mehre- dere iiberzeugen zu kiinnen, iiberzeugt seyn wollte! - Hr. J. selbst ist nur
re seines Nahmens giebt; die Eigenheiten des Einen werden dem Andern zuerst durch GrUnde zu seiner Uberzeugung gelangt. Ich will nicht sagen,
nie von dem zugeschrieben, der beyde kennt, und sie kennen Iemen will; daB die ungereimten, aus dem Spinozismus flieBenden Folgen, welche ihn
- so wie die Eindriicke, welche ein Ding selbst, und die, welche die Zei- zu seinem salta mortale gebracht, nicht anders, als Griinde heissen konnen;
chen eines Dinges machen, und mithin aile Folgen davon, ewig, auch dann denn er hat sie nicht eigentlich aus der Sache selbst hergenommen, ob
verschieden bleiben, wenn beyde Dinge ganz einartig sind. Zwar sagte der gleich freylich auch der Soldat, welcher sich aus einer Schanze auf das
verewigte Lessing in den kurzen Satzen, welche er den zuerst bekannt ge- freye Feld heraus zieht, es nicht bloB thut, wei! er diese Schanze nicht hal-
machten Fragmenten beyfiigte, und nachher noch verschiedentlich: "was ten zu konnen glaubt, sondern wei! er zugleich, und waren es auch nur ·
gehen [359] den Christen des Theologen Hypothesen, Erkliirungen und subjective, GrUnde haben muB, warum er, auf freyem Felde vortheilhafter
Beweise an? Ihm ist es doch einmahl da, das Christenthum, welches er so sich zu befinden, glaubt; aber was ist seine erste GewiBheit, welche der
wahr, in welchem er sich so seligfublt?" Es konnte wohl seyn, daB diese Mensch schon besitzen muB, urn zu fernerer GewiBheit zu gelangen -
Stelle verschiedene AuBerungen des Hrn. ]. veranlaBt hiitte; aber bey Les- wofern sie sonst Gewiftheit heissen soli - was ist sie anders, als Merkmahl
sing steht ~_iese Stelle in einer ganz andern Verbindung; er giebt dem Chri- (als Vorstellung in der Seele) von der Ubereinstimmung des, von irgend ei-
sten diese Uberzeugung nur bey dem An griffe auf seine Religion, bey Ein- nem Dinge erhaltenen Eindrnckes, mit dem Dinge, das ihn machte? was
wiirfen gegen das historische der Religion, er betrachtet mit Recht, bey anders1 als, urn mich mit einem neuen Philosophen, Hrn. Tetens, auszu-
dieser ganzen Sache, immer die christliche Religion als eine giittliche, drucken, eine Nachempfindung, verbunden mit der Apperception? Nicht
wirklich geoffenbarte Religion welcher er also mit GewiBheit diese Wir- die Empfindung selbst; denn in dem Moment der eigentlichen Empfm-
kung zuschreiben konnte. - Doch, wie, wenn Griinde, an Statt zur Reli- dung, wiihrend des ersten von auBen entstehenden Eindruckes, nehmen
gion zu fiihren, uns in den entgegen gesetzten Abgrund stiirzen miiBten? wir nicht mit eigentlichem Bewufttseyn wahr, und konnen folglich auch
Hr. J. fiirchtet dieses; allein, wenn nun auch der Weg der eigentlichen De- nicht des wahrgenommenen Dinges gewift seyn; und in dem folgenden
monstration gerades Weges zum Atheismus briichte (welches keines Weges Momente ist man sich des Gefohls und der Sache bewuft~ - man nimmt
der Fall ist), wenn sich auch a priori kein unumstoB!icher Erweis fiir das wahr; man weiB, daB man sieht, oder was man sieht. - Doch schon zu
Daseyn der Gottheit fiihren IieBe; miissen wir denn gerade hier demonstri- vie! tiber diese sonderbare Verwirrung aller Begriffe! [_..]
ren wollen? Wer heiBt es uns? Und dadurch, daB wir nicht immer demon-
striren konnen, hart ja nicht alles Priifen, Untersuchen, SchlieBen auf!
Giebt es denn sonst keine Beweise? und wem, nach S. 162, eine GewiBheit
genug ist, welche "nicht allein keiner Griinde bedarf, sondern schlechter-
dings aile Griinde ausschlieBt;" muB denn die moralische GewiBheit nicht
eine eben so vollige GewiBheit seyn, als die geometrische? Wenn man alles De notione exsistentiae disserit et ad audiendam orationem, qua novum
Beweisen, wie z. B. Hr_ Lavater in der Note S- 172, verdiichtig zu machen munus professorium, elementissim.~ sibi demondatum, auspicabitur, obser-
sucht: so heiBt das, aile Miinzen verrufen, wei! hin und wieder einige vantissime invito! Fredericus Gottlob Born, philosaphiae Doctor et Professor
falsche cursiren; - und, wenn er fragt: "wer kann beweisen, daB in einem publicus extra ordinem designatus. 2 TB. 4- Der Herr Prof. warnet vor ver-
Gemiihlde diese oder jene Zeile von dem Meister ist, der seinen Nahmen schiedenen Fehlern, die man bey der Entwickelung dieser Definition zu
dazu schrieb?" so frage ich wieder: wer hat denn auch je so Etwas eigent- vermeiden habe, und beweiset hierauf, daB man sich keinen Begriff von
lich beweisen wollen? Die Herren spielen der armen Vernunft immer die der Existenz denken kiinne, wenn man sich nicht zugleich den Raum vor-
289
288 :tiibingifdje gde~rte 21n;eigen - 6. Man 1786
'
• ihren Eigenschaften befinde, kennbare Spuren von Scharfsinn und von einer ausgebreiteten Be-
stelle, in welchem sich eine Substanz benebst
und die Zeit, in welcher sie sind und fortdauern. Ohne diese vier StUcke kanntschaft mit den Schriftstellern im Fache des Naturrechts enthalt. Der
kiinne man sich nicht vorstellen, daB etwas [416] seine Wirklichkeit erhal- Weg, auf dem der Hr Verf. zum Ziele hinflihren will, ist lang und ermli-
te und fortsetze; mithin machten dieselben den Begriff von der Existenz dend: aber zum GlUck trift man auf demselben auch manclte Ruhepunkte,
aus. Dieser Begriff wird in folgenden, so wie man es von einem grlindlich und selbst da, wo er sich in Nebenwege verliert, manche unterhaltende
denkenden Philosophen erwartet, genauer zergliedert. Der Herr P. zeigt, Gegenstande an. So enthalt z. B. der IV. und V. Abschnitt viele interessante
1) was der Raum sey, daB man sich denselben nicht als eine Substanz, Beytriige zu einer philosophischen Geschichte des Sazes, der Hauptgegen-
nicht als ein ausgedehntes Wesen, nicht als die Ordnung der Dinge, welche stand der Abhandlung ist; und wir wlinschten nichts mehr, als daB der Hr
von einander unterschieden, aber doch zugleich sind und in Verbindung Verf. sich die Mlihe genommen hatte, tiber Grotius's Zeiten hinauf zu stei-
stehen, denken mlisse; sondern daB der Raum eine bloB auBerliche Be- gen, und in den alteren Schriftstellern die erste Spuren des Zwangsrech~s
schaffenheit existirender Dinge sey, vermiige welcher eine Sache, die wir aufzusuchen. Wir wollten daflir gerne einiger Bemerckungen und Dt-
uns denken, auch auBer unsern Vorstellungen da seyn kann, oder er sey greBionen entbehren, tiber deren Vorenthaltung hiichst wah;scheinlich
die Form der auBern Erscheinung unserer Sinnlichkeit. 2) Die Zeit sey keiner von allen Lesern dieser Schrift sich beklagen wlirde. Hteher rech-
dasjenige, in dem wir uns die Folge der Dinge, welche wirklich sind und nen wir z. B. die freilich sehr wabre Bemerckung (S. 57.): .der Grundsaz
werden, vorstellen, oder die Form aller Erscheinungen unserer Sinnlich- des Naturrecbts mufl erstlicb w a b r seyn. Ware er nicbt wahr, so kiinnte er
keit, oder wie Herr P. K. sage die Form der innern Anschauung in Ab- unmiiglicb Grundlage einer Wissenschaft werden "; und denn die zwecklos
sicht alles dessen, was uns als in uns selbst erscheint. Demnach sey die Zeit lange, von S. 226-234. fortlaufende DigreBion tiber Kants Critik der Ve;-
die Ordnung dessen, was auf einander folge, nicht selbst: denn ich mlisse nunft, tiber den physikotbeologiscben Beweis des Daseyns Gottes u. s. w. dte
mir die Zeit eher denken, als ich mir diese Ordnung der Dinge vorstellen sich mit den Worten anfangt: "Um gleich anfangs zu zeigen, daft ich seine
kiinne. 3) Was eine Substanz, oder eine von sich selbst bestehende Sache (Kants) Scbriften mit [150] Aufmerksamkeit gelesen babe, erlaube man mir
sey, und 4) was man sich unter den Eigenschaften denken mlisse, die bier eine kleine Digrefliorz, die docb keineswegs unnatiirlicb ist" S. 240 ff.
durch die Substanz bestehen, oder sich in derselben befinden. Hieraus kommt der Hr Verf. nach einer Iangen Reise, die mitunter auch Spazierrei-
werden verschiedene Folgen hergeleitet, z. B. daB die Existenz einfach sey, se war, an dem Ort seiner Bestimmung an, und wir bedauren nur, daB wir
daB man sich dieselbe ohne aile GroBe denken mlisse, dall sie keine Grade nicht mit ihm bis dahin fortgehen, oder wenigstens das Land nicht sehen
habe, und weder vermehrt noch vermindert werden konne. Liebhaber der konnen, das er entdeckt zu haben glaubt. Nach seiner Meynung beruht
Weisheit werden diese Abhandlung, auch da, wo der Herr Prof. seine ihm das Zwangsrecht auf der Verbindlichkeit, seine Vollkommenbeit zu erbalten
eigenen Meinungen vortriigt, mit Vergnligen lesen. und zu befordern. fenes, sagt er, verdiene vorzuglicbe Aufmercksamkeit in
dem Naturrecbt: docb seye aucb das leztere durcbaus nicbt zu vernachlasigen.
Wir wollen nicht untersuchen, ob dieser Ausdruck Bestimmtheit genug
habe. Wir wollen uns auch nicht darauf einlassen, zu zeigen, daB jenes
Principium nicht neu seye (denn daB es es schon von andern aufgestellt
~eip5ig. worden seye, ist aus dem IV. Abschnitt der vorliegenden Schrift selbst evi-
Bey G. J. Goschen: Versucb iiber den Grundsaz des Naturrecbts nebst dent). Aber daB wires flir kein festes Principium des Naturrechts halten -
einem Anhange von Gottlieb Hufeland der W. W. und b. R. D. 1785. 287 S. diB wlirden wir zu beweisen verbunden seyn, wenn wir uns nicht auf die
Je schwieriger uns immer die Aufgabe zu seyn schien, ein allgemeines Grlinde berufen kiinnten, die in unsers Hrn Prof. Platts vermischten Ver·
festes Principium des Naturrechts im neueren Sinn zu finden; [149] desto sucben S. 83 ff. 101 f. dagegen angeflihrt, und von dem Hrn Verf. nirgends
gieriger griffen wir nach dieser Schrift, deren Verfaller die Aufliisung jenes widerlegt worden sind. Als Proben von der Anwendung, die der Hr Verf.
Problems anklindigt. Aber nach einer widerholten PrufuO:g mlissen wir von seinem allgemeinen Grundsaze macht, wollen wir nur folgende aus-
bekennen, daB wir uns gerade in der Hauptsache nicht liberzeugt flihlen, zeichnen. S. 255. Alles, was icb zu meiner naturlicben oder erworbenen
so sehr wir auch davon liberzeugt sind, daB die vorliegende Schrift unver- Vollkommenbeit recbne, kan icb durch Zwangsrecht scbiizen. (Offenbar zu
290 2llaga;in Nr 'J)Vifofoppic unb fd)oncn ~itcratnr - Marz 1786
allgemein oder zu unbestimmt.) S. 259. E;saz kan im blossen Naturrechte
nicht erzwungen werden: hOchstens ware der einzige Fall auszunehmen, wenn
[151] mir ein unentbehrlicher oder doch sehr wichtiger Theil meiner Vollkom-
menheit geraubt ware, den nur der, der ihn mir genommen, ersezen konnte.
(Eine Folgerung aus dem angenommenen Principium, die uns nicht ganz
einleuchtend ist.) S. 273. Ich kan nichts occupiren, von dem ich und andere
zugleich Nuzen ziehen konnen. (Also kein Thier, kein Stiick Feld, keinen
Baum u. s. w. nicht einmal ein Stiick Thierfleisch, das in mehrere Stuck-
chen theilbar, und folglich fiir mehrere zugleich geniesbar ist - nicht ein-
mal eine einzige Frucht, wenn sie von der GroBe ist, daB mehr als Einer
zugleich davon essen kan u.s. w.).
vielleich~ l!illt sich bey weiter fortgesezten 'untersuchungen selbst das erste- man den Beweifl des Daseyns Gottes so fiihren will, daB er auch fiir den
re Pnnc1pmm noch auf das leztere zuriickfiihren.) Dafl Raum und Zeit Jdealisten brauchbar ist. Denn wie dieser durch den von Hrn U. gegebenen
A:'schauungen a prior~, und subjective Formen der Sinnlichkeit seyen, Beweifl iiberzeugt werden kiinne, sehen wir nicht ein. Und doch ist es ge-
mmmt [262] Hr U. rmt Kant an. Aber wir miiflen bekennen daB wir wifl immer vortheilhaft, den Erweifl eines wichtigen Sazes von Hypothesen
noch ?icht Grund genug einsehen, jene Vorstellungsart ganz anz~nehmen, so unabhlingig als miiglich zu machen.) In Absic~t auf den Saz ~?n der
und ?1e En~~ung der Ideen von Raum und Zeit, {die freylich immer un- Einheit Gottes ist der Beweifl {S. 57 f.) eben so wemg genugthuend fiir uns,
r.;r die schw1engsten gerechnet werden miiflen,) aus empirischem Stoff zu als die {S. 401 f. der Instil. Met.) angefiihrten. {Aus dem ~rsteren z .. B.. folgt
l~ugnen - In dem Cap. von den Substanzen widerlegt der Hr Verf. auf offenbar nicht mehr, als daB es nicht mehrere, tn Absi.cht auf Etnstchten
erne vollkommen genugthuende Art den Materialismus, und erklan sich und Entschliessungen disharmonirende, Weltordner und Weltregenten gebe,
iiberhaupt fiir ~e Leibnizische Meynung, daB das, was den Erscheinungen aber keine numerische Einheit Gottes. Eben so wenig laflt sich nach unsrer
zum Grunde liege - daB alles Existirende an si.ch betrachtet unzusam- Uberzeugung selbst aus den besten der iibrigen Beweise, ~en~ [264] ma_n
mengesezt sey. Nur darinn geht er von Leibniz ab, daB er die wiirckende nicht das Principium lndiscernibilium voraussezt, mehr als Emhe1t Gottes tn
U rsache der aufleren Erscheinungen nicht, wie dieser, in die Seele selbst dem Sinn, in dem sie zum praktischen Gebrauch erfordert wini, oder Falsch-
sezt. .-: In der ~hre von der Freyheit nimmt er {S. 395.) den Determinismus heit des Polytheismus, so wie ibn si.ch der groflere Tbeil der Heyden denckt
an, fiir den er m dem Grade eingenommen ist, daB er sich (S. 141. der und gedacht ha~ folgern.) - DaB die Ordnung, die der .Hr Hof~- bey dem
Theol. Rat.) den harten Ausdruck erlaubt, den wir mit der Mafligung, die Vortrag der Logik befolgt, unserer Idee von systemat~sc~er wiflensch~
er so.nst beob~chtet, kaum zu vereinigen wiBen: ,Caussam Dei ex ilia, quae licher Anordnung nicht ganz entspricht; difl wollen wrr 1hm urn so wem-
omma n~ess1fate quada~ & caussis perfectis fieri docet, pht1osophia agi ger zum Vorwurf machen, da wir, ohne Searchs Kezerey ~un~.hme!",
posse, qu~dam verv~cum m patria crassoque sub aere nati absolute negant. N vollkommen davon iiberzeugt sind, daB Ordnung, eben so w1e Schonhe1t,
Den plrysuo-theoiogzschen Bew~.ifl ~r die Exis~nz Gottes entwickelt er {S. etwas sehr relatives ist.
46 ff. der TheoL Rat.) ~ehr ~usfiihrhch, und, w1e es uns scheint, bey weitem
genauer, als Platner m sem~n ;tphorismen und in seinen Gesp. uber den
Athemnus; aber ganz unbefned1gend sind fiir uns die Griinde, die er dem Institutiones logicae et metaphysicae; scholae suae scripsit 10. A~G. HENR.
k?.sm?loi:'hen ~ewei!l entgegensezt. {Den Schlufl von Endlichkeit auf Ab- VLRICH, Seren. Due. Saxo-Cob. a consil. auL moral. et poht. P. P. 0.
h~g~gkeit, so Wie er m de? Cramer. Beytragen IV. Th. S. 97 ff. vorgetragen Ienae sumtibus viduae Croecker. 1785. pagg. 426 et 153. 8.
wird, k~n er doch wohlrucht verwerfen, ohne sich selbst {vergl. S. 357 f.
?er lnsl1t. lo~. [263] & Met.) zu widersprechen. Und gegen den Schlufl von uo maior hodie eorum est numerus, qui de rebus philosophicis
mneren Verand_erunge.n auf Abhlingigkeit der Existenz wendet er {S. 44.
der Th. Rat.) mchts em als, das leztere Jolge ni.cht aus dem ersteren. Ve _
Q ieiune et barbare disputant: eo magis gaudemus, lib~m prodii~e,
qui solidarum cognitionum fundamenta iac~at, et verae sobnaeque ph~o
muthlich gibt der Hr Hofr. einen Beweifl davon in seinen Vorlesunge: sophiae optimum praesidium et columen sit .. ~t non eo solum no.mm_e
d~n wir .nicht bestreiten kiinnen, wei! wir ihn nicht wiflen. Aber dill liber ab omnibus sapientiae cultoribus susp!Ciendus ':'t, 9-uod qmd Sit
wiflen Wlr, daB ~ach unsere~ Einsichten die Richtigkeit jenes Schlufles, zu verum in rebus logicis et metaphysicis perspicu~ e~ diluc1de. tradat, sed
d~fle~ ~chtfeJ!Igu?.g freyhch von einigen Philosophen falsche oder etiam quod stilo exaratus sit Iatino et elegant!, qm vt~ a barbar1~ qua an«;
Willkurhche Mittels~ und Mittelschliifle gebraucht worden sind, sich viginti et quod excurrit annos compendia farnam m ~cade~~ Ienens1
eben so Streng'? als d1e Giiltigkeit des Schlufles von der Ordnung und nacta elegantioribus hominibus sordebant, remotus est, Ita off1cn_s et ~a
Vollkommenhe1t der Welt auf einen Weltordnenden Geist erweisen laflt mistris, quos hodie orationi inurere solent, "plane vac_at. Neque ex~gua.mde
und . diesen Beweifl geben wir in unseren Vorlesungen.' - Uberhaup~ accedit laus et ornamentum, quod optimos in hoc hteraru~ gene~ hbr~s
schemt es ~ns am beste? zu seyn, den kosmologischen Beweifl auf das ge- auctor accurate percenseat. Praemittuntur nonnulla ad _rhilos~ph1ae vn~
naueste mit dem phys1cotheologischen zu verbinden, und den lezteren uersae rationem pertinentia, quibus natura et indoles philosoph1ae exp?m-
durch den ersteren zu erglinzen. Diefl ist besonders dann niithig, wenn tur, philosophiae vniuersae par{349]titio datur, literarum atque artmm
314 ANN ALES LITERARII- Apri]l786
••
elegantiorum studia philosophiae coniuncta commendantur, tandem lite-
ratura philosophiae summatim subiicitur. Sequuntur institutiones logicae
sex capitibus comprehensae, quorum I. de logica generatim agit, II. psycho-
logica et anthropologica pertractat, quae ad logicae consilium omne refe-
runtur, de natura nostra sentiente et intelligente; III. de tribus, quas vocant
ANNA.oLES
intellectus, operationibus huiusque capitis sect. I. de ideis, quarum origo,
materialis et formalis varietas, comprehensio, extensio, relatio sex titulis
indagatur. Septimus s. huius sectionis vltimus, semiotice logica inscribitur,
LITERARII.
et de signandis conceptibus nostris agit. Breuiores sunt sect. 2. et 3. de pro-
positionibus et ratiociniis. IIII. De definitione ac diuisione. V. De ea, quae ..
in hominem cadit, veri cognitione eiusque limitibus. Ad hunc locum de
veritate sensorum et idealismo, de vsu intellectus puri immanente et
transcendente, nee non de vsu rationis purae transcendente, et realitate
CVRA
conceptuum eius ohiectiua, de veritate iudiciorum vniuersalium in primis
syntheticorum, de his, quae probatione egent, et variis probandi generibus, HENR. PHILIPP. CONQ.·
tum a priori tum argumentis, quae fidem gignunt, s. per testimonia, de
caussarum cogni{350)tione nostra, de euidentia, certitudine, probabilitate REN"K"£. ··~
sex sectionibus disputatur. VI. De fontibus errorum praecipuis. ••
Institutiones metaphysicae capitibus sequentibus proponuntur. Quum .·ET
... :
-, .'
multa, quae vulgo ad bane scientiam referuntur, ab auctore in logicis
occupata, alia ad psychologiam et physicam pertinentia omissa, alia theo-
logiae naturali, quam a metaphysica separauit, reseruata fuerint: principes PAVL: IA,C. ·BRVNS,
notiones, quae in metaphysicis tractantur, et principia paucis capp.
inuestigata sunt. I. De metaphysica generatim agit; quo nomine ea philo-
..
sophiae pars appellatur, quae in iis versatur, quae plane a priori puro
intellectui rationique purae debentur. II. Quid sit vnum et multa, ovrco~
_._
...
!
ovra. phaenomena, relatio, absolutum, internum et externum, ostendit.
ill. Notiones existentis, possibilis, necessarii et contrariorum euoluuntur.
IIII. Ratio et rationatum cum omni caussarum genere definitur. V. Vis,
ANNI MDCCLXXXVL
,.. . .
substantia, accidens. VI. Realitas, negatio, limes, perfectio. VII. De quanti-
tate, et in primis de gradu. VIII. De nexu, ordine, toto et partibus. IX. De VOLVMEN'I•
finito et infinito generatim, de natura necessaria et contingente, finita et
infinita. X. De mundo s. vniuerso. Ex hoc metaphysicae conspectu patet,
parti{35l)tionem aliis vsitatam in Ontologiam, Cosmologiam et Pneuma-
tologiam ab auctore reiectam et scientiae illi verum obiectum, circa quod
versetur, assignatum esse. Fortasse "tamen cancellos metaphysicae non HELMSTADII
.,.
transgressus esset, si de corpore eiusque contrario peculiari capite egisset, . . _.: ''·_ '' _· t' . ->_·. '. . ' - ''
vel, vti mentem infinitam s. Deum singulari libello tractauit, ita etiam it Y Ul .lCR,.G fi!ITIJ;.Io :IV~ K~a'J'.;
menti humanae caput vel titulum aliquem destinasset. Nam quamquam
argumenta psychologiae passim attigerit, tamen non contemnendus esse
l
ANN ALES LITERARll- AprilJ786 317
'
• videtur mos veterum, qui quae ad mentem humanum spectant lectori in
compendiis metaphysicis vno obtutu conspicienda tradebant. Potest tamen
L De /ibriJ1J01fil. fieri, vt secundum sententiam auctoris psychologia a metaphysica plane se
iungenda sit, et vel nouum scientiae genus constituendum, vel cum physio-
~nllutiones.logicae et metaphyficae; fcho. logia coniungendum sit. Institutionibus logicis et metaphysicis index ad-
·. · .f.O · fuae
fi:ripfit t O. A V G. H E N R. iectus est, et auctorum et rerum. Nouum paginarum numerum inchoant
initia philosophiae de natura diuina s. theologiae rationalis, suo etiam
··• Seren. Due. Saxo - Cob. a
v' Eill'l c 8' indice instructa. C. I. praemittuntur generalia quaedam huius scientiae;
confil. aul. . moral. et polir. P. P. 0. C. II. argumenta indagat, quibus Deum esse, efficitur. Idea quaedam Dei
. Ien.acJiuntibus viduae Croeckcr. J'18S. innata, et notitia Dei insita sect. 1. huius capitis exploditur. Quo facto,
. . . ·pagg. 4:l6 et rn;· t. . . [352] sect. 2. argumenta, quibus nobis persuaderi debeat, Deum esse pro-
·. Qttq'·iJlaipr hodie eorun1 eO numerus, qui feruntur. Illud, quod physico-theologicum dicitur, eamque vim habet, vt
demonstret multo intelligentius ac maiori cum ratione eos decernere, qui
dv~~s philofophids ieiune et barbare du: formam quamdam mundi quasi radicalem, ordinem atque coniunctionem
potanJ i)'oln11gu gauderiJils; lilirum prodiille, quamdam primam, qua stante et conseruata nunc omnia reliqua hypo-
qui •To~idlltil,O cogoirionum 'funda111enta ia. · thetica necessitate consequantur, non fortunae tribuant, nee coecae machi-
till·t.· et: yer"e.· •fobr..iaeque' .pbilofophiae opti- nationi, sed consilio ac rationi, nee plurium quidem, sed vnius, ad per-
mum praefidiun_~ #~lumen l\t. At non eo suadendum de numine quodam diuino a~commodatissimum diiudicatur.
C. ill. inquirit in ea, quae Deo tribuuntur, prima generatim, deinde in
' . ··foli:un~iic;ia'a1iiic •Jiber· ~b' oiiu~ibus fapientiae intelligentiam, tandem in voluntatem diuinam. C. llll. de efficientia Dei s.
: Jj~~r;~i)~~'~}~:~t;~t~~~~:~~ya~;~ ~~[p~: de actionibus diuinis transeuntibus, quae sect. 1. generatim, sect. 2. sigilla-
tim considerantur, scilicet creatio atque conseruatio et concursus. Ad hunc
I .cO~ e('~ilue!de: ·tr.a~at~i'fed etiam quod Oilo locum de malis in mundo disputatur, primo de metaphysico, quod vocant,
exaratrii;Jiflati!lo C:f llilegaitti, qui vti a bar. deinde de morali, tandem de physico. Caussa Dei vindicatur, dum
_bariei 'CJIUt'~lito~iiglbti er.q~1iid excnrrit an- argumentis idoneis probatur, per ipsum certe Deum eiusque summas
nos t6mpc!l)dia f~ma'111 ih Academia lenenfi virtutes per omne eius consilium, optimum ma..ximum fieri non potuisse,
vt abessent mala, et esset tamen optima maxima omnium finitorum
n~~t~!~!n¥rib~~ ~l)~inibus f~rdebant, re- coniunctio. [353] Nam certissimum est, Deum vel plane nihil efficere, vel
. motps;efl; ~ta ~ffucns et calamlflrls, quos ho~ malum metaphysicum admittere debuisse. Malorum moralium siue air
. . cli~.~r~t~~~j~~~r.¥r~.fo!~nt1 pll!fle va~ar~. Ne~ errationum a summa rectitudinis lege impeditio physica ipsi progressioni
que e~nguam4o. ac:cedwlaos et.· ornamentum, humanae naturae ad aliora, atque consilio obedientiae et probitatis ocula·
quo4_optiailo,s iJa)o~Jite~~rum'genere libros, tae, secundum quam distincta, certa et efficaci boni malique cognitione ad
-auctor" ij~\ifilte'•per¢enfcat: ·· •· Praemittunrur illud sequendum hoc fugiendum homines impelluntur, plane contraria
·rii)i@Jll#'a4·plji!()fop~ia~·vnipcrfae·_rati(Jne&n adeoque Deo summe indigna fuisset. Mala physica partim per necessariam
concomitantiam ex institutis quibusdam et legibus naturae non possunt
. pe~ri,?eaW~>"~W.~':I? ~atqrilvetl~o.l.es ·philofo~. non abesse, partim infinitis abundant vtilitatibus tum physicis tum
. ~Wll! ~lff~~''W:tf~l~{opbiae. ·~Ue!-'faC~. ~a;- inprimis moralibus. Huic Theodiceae, cuius lineas duximus verbis ex
, •• ,~·~;: ••.':i§!'~.~·:,'.'t: ·.. ;•;:·;; . .' . .Ul!O auctore nostro retentis subiiciuntur coniectanea de conditione post
..
:· ~:~; .:. . ~ ;~~ ?·,::. ~.· ..•.~" •._: ·: .· :_,~ ·.:..:.;_·.:~._;·.: •. ·. t.:~_·. ~.· .· ~- ;·~g.>_;·,.·f~:;·.",'.·_:· ·;·,·~:~.· ..·, ' ..
mortem. Argumenta pro immortalitate animorum adducuntur, et quae-
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·' .;:;':'d.'~.~:~'f:j.>_~·:;·. ,..• . ' nam futurae conditionis ratio statuenda sit, coniicitur. Peruenimus tandem
T'
318 ~ritifd)e ~evtriige ;ur neue~en <Befd)id)te ~cr <Beie~t[arnfeit- 1. Stuck, 1786 Uber ~antti <Brunbiegung ;ur '»letap~vfif ~er <eiitten 319
'
•
ad finem libri, quem, quisquis subtiliter, sobrie et modeste philosophari rechnet, so sieht man Ieicht, daB er nur die Wahrnehmungen durch die
cupiat, non tam legendum, quam deuorandum sibi sumet quemque exteris aul!erlichen Sinne fiir Eifahrung rechnet. Dabey aber wiirde doch eine
in acuta nostratium inuenta et meditationes circa res philosophicas l.ogik, die nicht wenigstens auf aul!erliche General-Erfahrungssatze mit
indagaturis non possumus non tanquam fontem Ionge optimum ebiben- ful!te, allemal nur ein formah Roman werden. Die reine Philosophie nun,
dum suadere. Quan{354Jquam in praefatione monet auctor, se neque opus die mit bestimmten Gegenstanden des Verstandes zu thun hat, also nicht
metaphysicum absolutum, quale KANTIVS, celeb. philosophus Regimonta- formale Philosophie ist, nennt Hr. K. Metapbysik, theilt sie ein in Meta-
nus, desiderauerat, dedisse, neque omnes Criticae purae rationis ab eodem physik der Natur und in Metaphysik der Sitten. Diese Metapbysik der Sitten
KANTIO conscriptae partes examini subiecisse: ipsum tam en opus ostendit unterscheidet er von der praktischen Anthropologie, wei! dieselbe auf das
Kantianos libros ab auctore nostro frequenter lectitatos et pensitatos fuisse. unterscheidende der Menschennatur nicht hinsehen, sondern allen ver-
Multa enim huius scriptoris q>IAO<JOfPOVJlEVa singularia Iatino sermone (204Jniinftigen Wesen zugleich, und nur hiemit auch den Menschen, a
nunc primum donantur, et partim confutantur partim stabiliuntur. priori Gesetze geben solle. Sie wissen, wie wir !angst eine dem gleich-
Quumque KANTIVS ille sit, cuius placita ab exteris cognitum et geltende Eintheilung der Pflichten haben. Hier aber will Hr. K. nicht die
examinatum iri optamus: labor VLRICHII in proferendis eius argumenta- ganze Metaphysik der Sitten, sondern nur die Grundlegung dazu geben,
tionibus collatus philosophis germanicae linguae ignaris valde vtilis erit et und was er denn mit diesem Titel sagen wolle, versteht jeder Philosoph
acceptus. Nam quanquam scholae suae scripsisse se satetur: breuitas tamen Ieicht. Alles nun, was zu der Grundlegung gerechnet wird, ist in drey Ab-
tanta non est, vt obscurus euaserit. Parum abest, quin populari philoso- schnitten vorgelegt. Wozu aber sollte ich Ihnen den Inhalt dieser 3 Ab-
phandi ratione eum vsum esse dixeris. Profanum vero vulgus et mysteriis schnitte nach der Reihe vorlegen? Eine beurtheilende Journal-Recension
philosophiae nondum initiatum a lectione huius libri arcemus, et ad ipsas miichte ich urn alles in der Welt dariiber nicht ausarbeiten. Nie kiinnte ich
auctoris scholas ablegamus. sie auch kurz genug abfassen, und Dank ist damit bey unsern Zeitgenos-
sen nicht zu verdienen. Ich theile Ihnen also nur einige Hauptsachen dar-
aus mit. Meine ganze Zustimmung hat er, wo er wider das Ding eifert,
welches die neuern des Nahmens unwerthe Philosophen Popularphiloso-
phie nennen, als welche keinesweges den Nahmen Philosophie verdient.
,~tolegomena ;u elnet je~en !tin~igen 'llletap~~fi!, ~ie alii 7BitTen[c()a~ ,.IBtun~legung ;m 'llletap~~fi! ~er eiitten
rolt~ auftteten !onnen, oon Jmmanucf .ltant. oon Jmmanue! .ltant.
~lga, be~ 3o~ann ~tiebtid) >.;lattfnod), 1783." ~tga, oev 3o~ann ~rlebtic~ >.;lattlnoc~, 1785."
222 e. in OctaD. 128 1!5. tn 8.
was er in dem Buche sagt, sondern ein wenig von dem, das er selbst von "Im Vorsatze (sagt Hr. K.) eine Metapbysik der Sitten dereinst zu liefern,
dem Buche sagt. S. 4-7. "Meine Absicht ist, aile diejenigen, so es werth lasse ich diese Grundlegung vorangehen. - - Gegenwiirtige Grundlegung
finden, sich mit Metaphysik zu beschiiftigen, zu iiberzeugen: daB es unum- ist aber nichts mehr, als die Aufsuchung und Festsetzung des obersten Prin-
giinglich nothwendig sey, ihre Arbeit vor der Hand auszusetzen, alles his- zips der Moralitiit, welche allein ein, in seiner Absicht, ganzes und von
-~
her geschehene als ungeschehen anzusehen, und vor allen Dingen [164] [166] aller andern sittlichen Untersuchung abzusonderndes Geschiifte aus-
zuerst die Frage aufzuwerfen: ob auch so etwas als Metaphsik, liberal! nur macht (S. 15. 17.). - - Wenn es ein oberstes practisches Prinzip und, in An-
moglich sey. ..:. - Es ist aber eben nicht so was unerhortes, daB nach Ian- sehung des menschlichen Willens, einen categorischen Imperativ geben
ger Bearbeitung einer Wissenschaft, wenn man Wunder denkt, wie weit sol!, so muil es ein solches seyn, das aus der Vorstellung dessen, was noth-
man schon darin gekommen sey, endlich sich jemand die Frage einfallen wendig flir jedermann Zweck ist, wei! es Zweck an sich selbst ist, ein objecti-
laBt: ob und wie iiberhaupt eine solche Wissenschaft moglich sey. Denn ves Prinzip des Willens ausmacht, mithin zum allgemeinen practischen
die menschliche Vernunft ist so baulustig, daB sie mehrmalen schon den Gesetz dienen kann. Der Grund dieses Prinzips ist: Die vemunftige Natur
Thurm aufgefiihrt, hernach aber wieder abgetragen hat, urn zu sehen, wie existirt als Zweck an sich selbst. So stellt sich nothwendig der Mensch sein
das Fundament desselben wohl beschaffen seyn mochte. - - Ein solcher eigenes Daseyn vor; so fern ist es also ein subjectives Prinzip menschlicher
Zweifel aber beleidiget jedermann, dessen ganze Habseligkeit vielleicht in Handlungen. So stellt sich aber auch jedes andere vernlinftige Wesen sein
diesem vermeinten Kleinode bestehen mochte; - - gleichwol getraue ich Daseyn zufolge eben desselben Vernunftgrundes, der auch flir mich gilt,
mir vorauszusagen, daB der selbst denkende Leser dieser Prolegomenen vor (ein Postulat, das der V. weiterhin beweiset); also ist es zugleich ein
nicht bios an seiner bisherigen Wissenschaft zweifeln, sondern in der objectives Prinzip, woraus, als einem obersten practischen Grunde, aile Ge-
Folge. giinzlich iiberzeugt seyn werde, daB es dergleichen gar nicht geben setze des Willens mlissen abgeleitet werden konnen. Der practische Impe-
konne, ohne daB die hier geiiusserte Forderungen geleistet werden, auf wei- rativ wird also folgender seyn: Handle so, daft du die Menschheit, so wahl in
chen ihre Moglichkeit beruht, und, da dieses noch niemals geschehen, daB deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als
es iiberall noch keine Metaphysik gebe. Da sich indessen die Nachfrage Zweck, niemals bios als Mittel brauchest! Wir wollen sehen, ob sich dieses
nach ihr doch auch niemals verlieren kann, wei! das Interesse der allgemei- bewerkstelligen lasse." (S. 66. 67.)
nen Menschen-Vernunft mit ihr gar zu innigst verflochten ist, so wird er
gestehen, daB eine vollige Reform, oder vielmehr eine neue Geburt dersel-
ben, [165] nach einem bisher ganz unbekannten Plane, unausbleiblich
bevorstehe, man mag sich nun eine Zeitlang dagegen striiuben, wie man
wolle." - Also niihme Hr. K uns denn doch nicht aile Hoffnung, wenn er
nur nicht zu den Worten: "verlieren kann:" die Stelle aus dem Horaz als
Anmerkung hinzu gesetzt hiitte:
Rusticus exspeclal, dum delluat amnis: at ille
labitur el labetur in omne volubilis aeuum.
326 mugcmclnc bcutfdjc 18ibllot~cl - Mai 1786 ® dj 11 I~ eti Q';liiuterungen iibet .lt ant ti Q:ritil 327
'•
vorausgesetzt werden mull, und also nicht selbst Schein seyn kann) mit
a'rfauterungen tiber be~
.(Jmn <p;ofeffo; .ltant \l:;itif be; ;einen Q3emunf! oon
einem Worte, wenn Vorstellung und Denken selbst Schein seyn sollten.
3ob. e>d)u!(3e, .ltonigf. 'J);eu~ifdjem .(Jofv<ebige;. .ltonigebe;g, beu :Oengef, Und doch miissen sie es seyn, weil alles unser Denken successiv und nach
1784. 8. 254 eleiten.
Zeitbestimmungen geschieht, wenn Raum und Zeit bios subjective For-
D all Erlauterungen Uber des Herrn Prof. Kant Kritik der reinen Ver-
nunft, wodurch der Inhalt dieses wichtigen, aber schwer zu fassen-
den Werkes solchen Lesern, denen es an Musse und an Geduld, obgleich
men unserer Sinnlichkeit sind, und alles, was im Raum angeschauet, und
nach Zeitbestimmungen empfunden und gedacht wird, nichts als Erschei-
nung ist.
nicht ganz an Fahigkeit mangelte, sich in das System des tiefdenkenden Statt durch Ausziige aus diesen ErHiuterungen noch weitere Nachricht
Weltweisen hineinzustudiren, insofern geiiffnet werde, daB sie nun mit von den Grundsatzen und dem System des Hrn. K. zu geben, welches, wie
weniger Mlihe den Inhalt desselben verstehen, und ihr philosophisches mich diinkt, nach diesen Erlauterungen ziemlich entbehrlich ist, will ich
Nachdenken mit demselben beschaftigen kiinnen, nicht unniithig oder es wagen, dem Wink des Hrn. Schulze zur nahern Priifung der Kritik in-
Uberfllillig sind, dies, deucht mir, haben aile Kenner und Halbkenner, die sofern zu folgen, als es mir meine Krafte erlauben, und zufiirderst den ob-
sich dariiber einigermassen geaullert haben, durch ihre Klagen iiber die gedachten Zweifel iiber Schein und Realitat weiter zu entwickeln suchen,
Dunkelheit desselben zugestanden. Es hat also der Herr Hofprediger und mich alsdenn solchen Betrachtungen iiberlassen, worauf mich dieser
Schulze der Philosophie und ihren Liebhabern durch .diese Erlauterungen Zweifel fiihrt, ohne [94] mich an eine strenge Ordnung zu binden. Ich
einen angenehmen und wichtigen Dienst geleistet, da er uns diesen deutli- werde dabey zugleich auf das griillere Werk des Hrn. K., und auch inson-
chen und vom Herrn Prof. Kant selbst gebilligten Commentar iiber das derheit auf die Prolegomenen Riicksicht nehmen.
wichtigste Buch, so seit Aristoteles' Zeiten iiber die Metaphysik geschrie-
ben ist, geliefert hat, und er verdient gewill den Dank aller spekulativen Nur in der Voraussetzung, daB Vorstellung und Denken Erscheinung
Denker. [93] ist, konnte der Verfasser behaupten, dall wir von unserm denkenden Sub-
Es bestehen diese Erlauterungen aus einer kurzgefallten Anzeige des ject gar nichts wissen, denn waren Vorstellungen und Gedanken wahre,
Inhalts des Kantischen Werks, worin das System in einer gemeinverstand- d. i. mit dem Subject selbst gleichartige Wirkungen desselben, so wlillten
lichern Sprache vorgetragen, aber Hrn. Kants Terminologie zugleich ange- wir doch dies von demselben, daB es eine Vorstellungskraft, oder eine
bracht und erklan worden, und dann aus einigen Winken zur nahern Prii- Gedankenquelle sey. Nun aber, da die Vorstellungen nur scheinbare Wir-
fung dieses Systems. Ich glaube, daB es wenige Leser der Kritik und der kungen seyn sollen, d. i. wie man scheinbar sonst verstanden, das nicht an
Prolegomenen des Hrn. Kant geben wird, denen durch diese Erlauterun- sich sind, was sie einem dritten Subjecte scheinen, oder wie dieses dritte
gen nicht manche Dunkelheiten aufgehellet, und Schwierigkeiten, inso- Subject sie sich vorstellt, verlieren wir uns von einem Schein in den an-
fern diese den eigentlichen Sinn des Hrn. K. betrafen, gehoben worden, dern, und gerathen, was selbst unsere individuelle Existenz anbetrifft, in
wenigstens erkennt der Recensent es, daB ihm manches, worin er sich in eine so millliche und schwebende Lage, daB wir uns an nichts halten, und
den Prolegomenen selbst nicht zu finden wullte, nun insofern deutlicher auf nichts fullen kiinnen. Es ist nun eben so ungewill und problematisch,
geworden, daB er nun wenigstens Hrn. K. zu verstehen glaubte. Indessen ob wirklich ein ftir sich bestehendes Subject existirt, dessen Modification
finde ich die betrachtlichste Schwierigkeit nicht aufgelost, die mir des unsere Vorstellungen und Gedanken sind, als es ungewill und problema-
Hrn. K. Grundsatze iiber Zeit und Raum, und die hierin gegriindete tisch ist, ob unsern aullern Sensationen wirklich Objecte entsprechen. Es
Theorie desselben von Schein und Wahrheit verursachet haben. Ich habe kann also nach diesem Systeme ganz wohl seyn, daB es nichts als Schein
derselben schon in der Anzeige der Prolegomenen, A. D. Bib!. Band LIX. bis ins U nendliche giebt, daB wir nur scheinen zu existiren, aber so wenig
S. 345. erwahnt, und ich nahm diese Erlauterungen mit Begierde zur uns durch Nachdenken von unserm reellen Daseyn, als von einem festen
Hand, urn darin vielleicht eine Aufliisung meiner Zweifel zu finden. Al- und sichern Fundamente alles dieses Scheinwesens versichern kiinnen. Was
lein, wie gesagt, ich traf nichts, wodurch es mir erklan worden, wie nach wir nach gemeinem Sprachgebrauche unsere Seele nennen, ist nach diesem
dem System des Verfassers iiberhaupt Schein miiglich sey, wenn das, wo- Systeme nur ein logisches, d. i. scheinbares Subject, nicht eine wahre fiir
durch alles Scheinen miiglich wird, (was folglich immer vor allem Schein sich bestehende Substanz, eigentlich bios eine Reihe fliellender Vorstel-
e> d) ul ~eo ll:tliiutemngen tibet .lean to \l:titif 329
328 QJ[gemelne oeut[d)e ~ibUot[ief - Mai 1786
'•
lungen, die durch das SelbstbewuBtseyn, (gleichfalls eine Art flieBender satzen des Verf., und keine eigentliche Widerlegung derselben, so scheint
Vorstellungen) zu Gedanken verbunden, durch andere scheinbare Vorstel- es mir doch eine wahre Schwierigkeit zu seyn, die erst weggeriiumt werden
lungen, (die Verstandesbegriffe, oder Categorien heiBen) in regelmaflige muB, ehe man sich bey diesem Systeme beruhigen kann. Es s~y mir als_o
Verkniipfung gebracht, und wieder durch andere Vorstellungen (die Ver- erlaubt, diese Folgerungen noch weiter zu treiben, (96] oder V!elmehr, s1e
nunftideen), die aber auch bios subjectiv und tauschend sind, zu einer un- auf andere Theile des Kantischen Systems anzuwenden.
endlich verkniipften Reihe ausgedehnt werden; und dieser FluB von Vor- N ach diesem Systeme fordert die Vernunft die Vollendung der Rei hen
stellungen entspringt, man weill niche, woher; stromt fort, man weiB von Naturbegebenheiten und Ursachen, sie sucht eine Griinze auBerhalb
niche fiir wen und wozu, und flieBt ab, man weill niche wohin. Es giebt derselben, steigt vom Bedingten zum U nbedingten hinauf, und muB, wei!
nach diesem Systeme Anschauungen, ohne ein zuverliijliges Subject, das sie sonst nirgends die gesuchte Vollendung und Befriedigung finden kann,
anschauet, und ohne ein gewisses Object, das an{95]geschaut wird. Es eine Griinze, ein unbekanntes Etwas als das Unbedingte armehmen - Irre
fmdet nach demselben keine wahre Einheit des denkenden Subjects statt, ich niche, so konnte und muBte die Vernunft, durch diese Theorie vom
sondern aile Einheit ist nur logisch und subjective Verkniipfung, nur Zu- Schein und Wahren belehrt und geleitet, diese Vollendung der gesammten
sarnmennehmen des Marmichfaltigen, und doch soli es kein einfaches zu- Erfahrungen und ihrer U rsachen sonst nirgends, als in der Reihe selbst
sarnmennehmendes Subject geben, und ein TrugschluB seyn, wenn man finden. Vorausgesetzt, daB der Sinnenwelt eine Verstandeswelt, und den
aus der Empfmdung des einfachen SelbstbewuBtseyns auf Ein einfaches Erscheinungen ecwas Reelles zum Grunde liege und entspricht, vorausge-
verkniipfendes und zusammennehmendes Subject, oder aus der scheinba- setzt daB aile successive oder sich auf Zeitbestimmungen ·beziehende Vor-
ren auf eine wahre Einheit schlieBt. Nach diesem System muBte dann stell~ngen bios scheinbar und subjectiv sind, wovon in der Realitat oder in
auch die Vorstellung des lch ganz leer seyn, und gar keine rechtmailige Fol- der objectiven Verstandeswelt niches ahnliches oder e~tspr~che~des statt
gerungen hergeben. Es ist niches, als dies selbst BewuBtseyn, eine Vorstel- findet, so ist ja diese Welt das fiir sich bestehende Dmg, 1st s1ch selbst
lung, die gewisse andere Vorstellungen begleiten muBte, wenn sie in einen genug, und begriinzt sich selbst; so hat sie so wenig einen ~fang als ein
Gedanken zusammengefaBt werden sollten, die aber auf niches reelles hin- Ende; so ist alles das Mannichfaltige, das als zugleich seyend 1m Raum und
weiset, niches, was uns iiber die Natur unsers denkenden Wesens belehren als auf einander folgend in der Zeit vorgestellt wird, dies Marmichfaltige
konnte, enthalten soli. Und doch, deucht mich, enthiilt diese Vorstellung und Abwechselnde, das die Vernunft ni:ithigte, eine Griinze und ein U nbe-
des Ich erstlich eine U nterscheidung von allen andern Gegenstanden, und dingtes zu suchen, bios eine _Tauschung, gleich derjenigen? ver~i:ige ?er
zweytens ein Zusarnmennehmen aller der unter diesem Ich begriffenen ein Mensch, der ohne es zu w1ssen, daB der Strom, den er hmabfahrt, erne
Vorstellungen, und endlich eine Zueignung derselben auf das denkende krumme, in sich selbst zuriickkehrende Linie ausmacht, sich einbildet,
S~bj~ct, das durch das Ich bezeichnet ist. Folglich enthiilt diese Vorstellung daB er immer hinabfahrt, und nie wieder hinaufsteigt, daB sein Strom ei-
die Empfindung und den Begriff der Individualicat, und dasjenige, was nen Anfang, und eine QueUe, und ein Ende, oder einen AbfluB babe, da
man Egoismus nennt. Wollen wir uns nun hier niche in eine Unendlich- doch dies alles nur Schein ist. Freylich, so lange wir die Zeit fiir ecwas Ob-
keit von Schein und Erscheinungen verlieren, so miissen wir wohl armeh- jectives halten, fiir eine Vorstellung, die wenigstens zum Theil in Dingen
men, daB dies denkende individuelle Wesen, das sich seines U nterschiedes an sich gegriindet ist, wie bisher Philosophen und Layen geglaubt haben,
von andern denkenden Wesen bewust ist, daB nie, seinem Selbstgefiihle so miissen wir einen Anfang und ein Ende der Naturreihen voraussetzen,
nach, eine Eigenschaft, oder ein Priidicat eines andern werden kann, wirk- und unsere Vernunft muB die Vollendung derselben, auBer diesen Reihen
lich vorhanden, wirklich ein Ding an sich selbst ist, und daB Vorstellung suchen, und zu allem Bedingten noch etwas Unbedingtes fordern; allein,
und Gedanken wirkliche wahre, d. i. gleichartige Wirkungen desselben wenn wir besser belehrt' aile Succession.. in der Zeit, und alles Mannichfal-
sind. Denn wodurch ki:innten sie Schein werden? Doch wohl durch niches tige im Raum nur fiir subjecc_iv und. scheinbar er_kennen, so m~ten ~ir
anders, als durch eine neue Vorstellungskraft - und wenn diese dann wie- auch die Vernunft an{97]weJsen, d1eses Successive und Manruchfalnge
der, urn Erscheinung zu seyn, einer neuen Vorstellungskraft bediirfte, so nicht in die objective Verstandeswelt hiniiber zu tragen. Wir miiBten ihr
wi.irden wir einen wahren regressum in infinitum annehmen miissen. - Es sagen: dieser Umstand, daB wir in Aufsuchung der _Nacurur_sa~hen nie zu
sey das, was bisher gesagt worden, immer nur Folgerung aus den Grund- Ende kommen, sondern vom Bedingten zum Bedingten b1s ms U nend-
330 ~ITgemeine Deutfd)e ~ibliotbef - Mai 1786 ®d)u!Uee lfr!iiutewngen ilbe~ .It ante l.f~lti! 331
'
liche fortgehen, riihrt daher, daB in der wirklichen objectiven Welt weder gehiirt dann auch die in den Prolegomenen vorgetragene AuBerung: .DaB
Succession noch Mannichfaltigkeit, so wenig als Anfang und Ende, oder wir mit Humes Grundsatzen den Gebrauch der Vernunft nicht iiber das
irgend eine Begrii.nzung, weder unendliche Theilbarkeit, noch untheilbare Feld der Erfahrung dogmatisch hinauszutreiben, einen andern von Hume
Theile statt finden. Alles dies findet nur in der Sinnenwelt, nicht in der ganzlich iibersehenen Grundsatz verbinden miissen, diesen namlich, das
Verstandeswelt statt, ist nur Schein und Tauschung sowohl als die Einbil- Feld miiglicher Erfahrung nicht fiir dasjenige anzusehen, was in den Au-
dung, daB wir uns selbst fiir wirkliche Substanzen halten. Es giebt viel- gen unserer Vernunft sich selbst begranzete." LaBt uns sehen, wohin uns
mehr, wofern iiberall etwas existirt, nur eine einzige Substanz, und diese dieser neue Grundsatz fiihren wird. Der Sinn kann kein anderer seyn, als
ist das einzige Ding an sich, das einzige Noumenon, namlich die intelli- dieser: die Vernunft muB nicht nur Erscheinungen, sondern auch Dinge
gible oder objective Welt. Diese begranzt sich selbst, dies ist die Sphare, die an sich selbst annehmen, auf welche sich die Erscheinungen beziehen, und
keinen Anfang noch Ende hat. Dies ist das einzige Ideal der reinen Ver- die den Erscheinungen zum Grunde liegen, wei!, wie der Verfasser sich
nunft. Also wiirden und miiBten dieser Theorie vom Schein und Reellen bey eben dieser Gelegenheit, wo ich nicht irre, erklart: .Erscheinungen
zufolge, die Ideen der reinen Vernunft ohngefahr so angegeben werden, jederzeit eine Sache an sich voraussetzen, und darauf Anzeige thun, man
wie sie Spinoza angegeben hat. Ihm ist, wie bekannt, die Welt die einzige mag sie nun naher kennen oder nicht." Sonach wiirde also auch das Da-
Substanz, die sich selbst vollendende Reihe, oder die unbegrii.nzte Sphare, seyn einer objectiven Welt nicht mehr problematisch seyn. Die Erschei-
sie vertritt ihm die Stelle der Gottheit. Wider den wichtigen Einwurf, daB nungen in der Sinnenwelt wiirden auf Realitaten in der Verstandeswelt
eine unendliche denkende Substanz nicht aus unzahligen endlichen den- hinweisen; aber es wiirde nicht nur reelle Objecte geben, die erscheinen,
kenden Substanzen zusammengesetzt seyn kiinne, wiirde seinen Pantheis- sondern man miiBte auch wohl ein Subject annehmen, dem diese Objecte
mus des Verf. Theorie in Sicherheit setzen, denn wenn nach derselben erscheinen, oder das sich dieselben anders vorstellt, als sie an sich sind,
unsere Substanzialitat bios logisch und scheinbar ist, wenn unser Ich und das muB urspriinglich und wesentlich ein denkendes oder vorstellen-
nichts als das SelbstbewuBtseyn, und dies nur ein subjectives Requisitum des Subject seyn, wei! Denken und Vorstellen die nothwendige Bedingung
des Zusammenhangs der Vorstellungen, eine Modification anderer Mo- ist, unter welcher Erscheinung iiberhaupt miiglich ist. Ja die wirkliche
dificationen ist; was hinderts dann, daB aile diese Vorstellungen nicht Existenz eines denkenden Subjects ist, (was auch der Verfasser, der nach
Modificationen der einzigen Substanz seyn sollten? So fande also, wenn seinem kritischen Idealismus das wirkliche Daseyn des Objects, das er-
Zeitbestimmungen, und aile sich darauf beziehende Vorstellungen bios scheint, und des Subjects, dem es erscheint, auf einen vollig gleichen Grad
scheinbar und subjectiv sind, die Vernunft aile ihre Forderungen in Spino- der Gewillheit, oder der Ungewillheit setzet, dagegen sagen mag,) eine
zens System befriediget, und sie wiirde nach einer solchen Befriedigung noch nothwendigere Bedingung zur [99] Miiglichkeit der Erscheinungen,
unbillig seyn, wenn sie nun noch nach einer besondern Gottheit forschen als das objective Reelle, denn es laBt sich wenigstens gedenken, (wie Berke-
wollte, wenigstens fordert nunmehr das Interesse der Wahrheit keine Gott- leys Idealismus beweiset) daB, ohne in etwas Reellem gegriindet zu seyn,
heit, als die Verstandeswelt. aile Vorstellungen von einer Aussenwelt leere Tauschungen, oder blosse
Dies sind abermals Folgerungen, wird man sagen, und dazu Folgerun- Modifikationen der subjectiven Denkkraft waren; aber dies laBt sich nicht
gen, die Hrn. Kants Theorie in einem gehassi{98Jgen Lichte darstellen, wohl denken, daB es Modificationen gebe, ohne daB ein Subject existirte,
aber zur Widerlegung derselben thut es doch an sich nichts, wenn sich dessen Modificationen sie sind, oder, daB KraftauBerungen existirten,
auch aus derselben eine Deduktion fiir den Spinozismus herausbringen ohne subjective Kraft. Vorausgesetzt nun, daB die Erscheinungen sich auf
IieBe, deren er sich, soviel bekannt ist, noch bisher nicht zu riihmen ge- reelle Objecte beziehen, und daB die letztern den erstern zum Grunde lie-
habt hat. Wahr ist es, es sind nur Folgerungen, und daB sie gehassig schei- gen, so muB ein gewisses VerhiiltniB zwischen beyden angenommen wer-
nen, das thut mir leid, und sie sollen insofern auch nichts wider die Kanti- den. Und da fragt es sich nun, ob dies VerhiiltniB bios subjectiv (oder
sche Theorie beweisen. Nur muBten sie ausgefiihrt werden, wenn gezeigt scheinbar), oder subjectiv und objectiv (oder reel) zugleich sey? Ist es bios
werden sollte, daB eben diese Theorie mit andern Theilen des Systems subjectiv, d. i. bringt es nur die Natur meines Denkensvermiigens so mit
nicht zusammenzuhangen, und anderweitigen Grundsatzen und Aus- sich, daB, wenn ich mir eine Erscheinung gedenke, ich mir auch etwas
spriichen des tiefsinnigen Philosophen zu widersprechen scheint. Dahin vom Schein verschiedenes auBer mir gedenken muB, das mir erscheint,
332 2!ITgemetne beutfd)e !BibUot9ef - Mai 1786 <Bd)u!Ued Q;r!iiuteeungen iibee J\antd lieitit 333
'
und wieder ein anderes in mir, dem es er;cheint, ohne, daB aus diesem genstanden mache, naher erklaren miissen. Nach meiner Vorstellung sind
subjectiven Gesetze meiner Denkkraft im geringsten etwas fiir die wirk- also die Begriffe von Raum und Zeit nicht schlechthin empirisch, sondern
liche Realitat und Existenz dessen, was da erscheinet, und dessen, dem es konnen auch zu den Begriffen a priori gerechnet werden. Sie machen die
erscheinet, folgt - nun, so haben wir Erscheinungen bis ins Unendliche, Granze zwischen der intelligibeln und sensibeln Welt aus, und verbinden
so hat unser Pyrrhonismus keine Schranken, sondern wir miissen sagen, es beyde miteinander, oder machen es moglich, daB Dinge an sich selbst Er-
scheint uns zu scheinen, und Carresens cog ito, ergo sum ist ein unzuverHilli- scheinungen werden. Diese vermischte Natur der Begriffe von Raum und
ger Grundsatz, denn wir miiBten alsdann selbst an unserm individuellen Zeit kann es uns einigermassen erklliren, warum sie so sonderbar, so ein-
Daseyn, selbst daran zweifeln, ob wir ein denkendes Subject sind. Wollen zig in ihrer Art sind, und warum es, sie als Dinge anzusehen, unserm Ver-
wir aber diesem Labyrinthe endloser Zweifel entgehen, so miissen wir das stande, und sie als Verhaltnisse zu betrachten, unserer Imagination unmog-
VerhaltniB zwischen Erscheinungen und den Dingen an sich nicht nur fiir lich ist. Sie haben namlich, wei! sie zwischen unserer Thatigkeit und den
subjectiv und scheinbar, sondern auch fiir objectiv und reel erklaren, oder Gegenstanden derselben als das vereinigende oder zusammenbringende
annehmen, daB die Begriffe, die sich unser Verstand von einer wahren Mittel (zwischen dem subjectiven und objectiven) mitten inne liegen, und
Substanz, von einer Verstandeswelt, und von einem Ideal der Vernunft, beyde beriihren, auch gleichsam von beyden etwas an sich, und diese ihte
mit einem Worte von Noumenen macht, nicht nur in der Natur unserer Mittelnatur macht es, daB man sie gewissermassen zu beyden rechnen
Denkkraft, als subjective Form ihrer Thatigkeit und ihres Denkens, son- kann, je nachdem man sie von dieser oder jener Seite betrachtet. Insofern
dern auch in den Objecten, den Noumenen gegriindet sind, daB unsere sie im Subjectiven, namlich, wie [101] ich es mir vorstelle, in der Ein-
Seele diese Begriffe folglich nicht haben konnte, und nicht haben wiirde, schrankung der menschlichen Denkkraft gegriindet sind, haben sie die
wenn es nicht wahre reele Gegenstande gabe, die diesen Begriffen entspre- N atur der Begriffe a priori, insofern sie aber in den Dingen an si.ch selbst,
chen. Wenn dies so ist, so miiBten wir weiter annehmen, daB die Noume- oder im Objectiven gegriindet sind, namlich der Raum in der wirklichen
na, die die Vernunft als wirklich existirend annehmen muB, auch etwas zu Mehrheit, und die Zeit zugleich in der Mehrheit und der wirklichen
der Art und Weise beytragen, [100] wie sie sich unser Denkungsvermogen Veranderlichkeit der vorgestelleten Dinge an sich selbs~~), miissen sie mit
vorstellt, es sey nun, daB sich dies Denkungsvermogen als Sinnlichkeit, als empirischen Vorstellungen, oder Erfabrungsbegriffen Ahnlichkeit haben.
Verstand, oder als Vernunft auBert. Jede dieser ErkenntniBquellen wird In unserer Einschrankung ist es gegriindet, daB wir die Gegenstande der
also in der Art und Weise, wie sie die Dinge an si.ch selbst vorstellt, freylich auBern.Sinne, insonderheit des Gesichts, wofern wir sie von unserm Selbst
nach den jeder besonders vorgeschriebenen Gesetzen, oder nach ihrer sub- unterscheiden sollten, auBer uns setzen, oder im Raume wahrnehmen
jectiven Form, aber auch nach der Natur der ihren Anschauungen, ihren muBten; und so kann und muB es scheinen, daB der Begriff von Raum ein
Begri.ffen und Ideen zum Grunde liegenden Dinge an si.ch selbst sich rich- angebohrner Begriff sey, daB er vor allen Sensationen vorhergehen, und al-
ten miissen. len Anschauungen zum Grunde liegen miisse. Aber wie wollen wir es ans-
machen, daB sich gar nichts Empirisches in denselben einmische, oder wo-
Dies vorausgesetzt, wiirde man nun auch die dem Verfasser so wichti- her wollen wir es beweisen, daB dies nicht geschieht? Unsere ersten Wahr-
gen, und seinem ganzen kritischen System zur Stiitze dienenden Begriffe
von Raum und Zeit etwas anders ansehen und bestimmen miissen. Man *) Im Allgemeinen wiirde man sagen kOnnen: die von unserm Selbst unterschiedene (im
wiirde sie namlich auch fiir Verhaltnillbegriffe erklaren, die nicht bios in Raum angeschauete, oder gefiihlte) Mehrheit giebt, insofem und so lange sie nicht
der Natur unserer Sinnlichkeit gegriindet sind, nicht, wie Herr K. will, die unter sich unterschieden wird, den Begriff der Ausdehnung, der stetigen GrO&
bios subjective Form derselben ausmachen, sondern auch als in der Natur {quantitatis continuae); die aber nicht nur von unserm Selbst, sondem auch unter sich
unterschiedene Mehrheit giebt den Begriff der Zahl (quantitatis discretae). Da sich
der Dinge an si.ch selbst, die in Raum und Zeit erscheinen, gegriindet be- nun im Allgemeinen nicht mehr Abtheilungen der Mehrheit machen lassen, so sieht
trachtet werden miissen, und so wiirde ungefahr der Leibnitzsche Begriff man hieraus, daB die allgemeine Wissenschaft der Mehrheit (reine Mathematik) keine
von beyden sich ergeben. Aber, ob sich dieser Begriff gegen des Verfassers andere und auch nicht mehrere Theile haben kann, als reine Arithmetik, oder
Einwiirfe retten lasse? Wir wollen sehen. Nur werde ich zuerst mich iiber allgemeine Wissenschaft der ZahlgrOBen (quantitatis discretae), und reine Geometrie,
die Vorstellung, die ich mir von diesen beyden in ihrer Art einzigen Ge- oder allgemeine Wissenschaft der stetigen GrOfie (quantitatis continuae).
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nehmungen durch das Gesicht und Gefiihl geschehen in einem Alter, da sen, die Einschrankungen und Modificationen des allgemeinen Raums ge-
wir es uns nicht bewullt seyn kiinnen, ob der Begriff des Raums, oder der ben die verschiedenen Figuren und Lagen, Iauter Geschopfe der Einbil-
Begriff des Gegenstandes eher in der Seele gewesen, oder ob, wie es mir dungskraft, die wir willkiirlich construiren. Von diesen Constructionen
vorkommt, nicht vielmehr beyde zugleich in der Seele sind; wenigstens mull dann das wohl gelten, was wir ihnen selbst beylegen, sie [103] mlissen
mlissen sie das letztere seyn, wenn der Raum ein Verhaltnillbegriff ist; das seyn, wozu wir sie machen. Findet es sich nun, dall ein Gegenstand
denn da mlillte er sogleich mit den Dingen, die im Verhaltnill stehen, eben diese Figur und Lage hat, die wir construirt haben, dall er sich in un-
namlich dem Gegenstande und unserm Ich (das sich eben, vermittelst die- sere Facher pallt, so mull auch von seiner Figur und Lage, gerade in dem
ser Vorstellung vom Gegenstande unterscheiden mull) in der Seele seyn. Maalle, als sie die von unserer Einbildungskraft construirte ist, eben das
Einiges Licht in dieser dunkeln Materie wlirde es uns geben, [102] wenn gelten und wahr seyn, was von den Geschopfen unserer Einbildungskraft
wir genau wlillten, wie Blindgebohrne sich den Raum denken, insonder- gilt und wahr ist.
heit, wenn wir wlillten, was der Blindgebohrne Saunderson, ein tiefsinni-
ger Mathematiker, der in seiner Blindheit tiber Licht und Farben schrieb, Lallt uns nun sehen, was die iibrigen Grlinde des Verfassers fur die aus-
sich fur Begriffe vom Raum gemacht hat. Dall etwas Empirisches sich in schliellende Wahrheit seines Begriffes von Raum und Zeit wider die Giil-
der Vorstellung vom Raume einmischt, scheint mir auch aus dem Um- tigkeit des von mir angegebenen beweisen. "Raum und Zeit; heillt es,
stande zu erhellen, den man von einem durch den berlihmten Cheselden "sind ganz nothwendige Vorstellungen, sie kleben uns ganz nothwendig
operirten Blindgebohrnen erzahlt, dall es ihm namlich, wie ihm auf an. Wir kiinnen zwar aile Gegenstande aus Raum und Zeit wegdenken;
einmal das Gesicht geiiffnet worden, vorgekommen, als ob aile sichtbare aber den Raum und die Zeit selbst kiinnen wir nicht wegdenken." Den Be-
Gegenstande ihm unmittelbar auf dem Auge lagen, und es berlihrten; er griff der Zeit konnen wir schon darum nicht wegdenken, wei! alles unser
wullte also nichts von Entfernung, noch weniger von einem Maas dersel- Denken successiv, folglich in der Zeit geschieht, und eben dies successive
ben, und hatte keine gleichsam angebohrne Geometrie; und Iemen wir Denken uns auf den Begriff der Zeit fuhrt. Wenn aber der Begriff der Zeit
nicht aile durch die Erfahrung und nach und nach von Entfernungen, und sowohl als des Raums zum Theil subjectiv und in der Natur unsers Gei-
der Griille entfernter Gegenstande urtheilen? - Wie lallt sich aber mit den stes, und zwar in unserer Einschrankung gegrlindet ist, so ist diese Ein-
bisher erklarten Begriffen vom Raume des Verfassers sogenannte reine schrankung etwaS wesentliches und bestandiges, und so mull also auch der
Anschauung vereinigen? Wie stimmt damit die von aller Erfahrung unab- Begriff des Raumes und der Zeit als eine Folge, oder als ein unzertrennli-
hangige Gewillheit und Evidenz der reinen Geometrie iiberein? Ich denke, cher Mitumstand nothwendig seyn. Die wesentliche Einschrankung unse-
es lallt sich eine Vereinigung stiften. Wenn wir bedenken, dall alles, was rer Denkkraft macht die Begriffe von Raum und Zeit zu nothwendigen
angesc:hauet wird, im Raume wahrgenommen werden miisse, so ist uns ja Bedingungen unserer Sinnlichkeit, und das unausweichliche Gefiihl dieser
der Raum ein allgemeiner bey jeder Anschauung und aullern Wahrneh- Einschrankung heillt uns immer erwarten, dall Gegenstande mit unserer
mung, sie mag auch sonst noch so verschieden seyn, wiederkehrender Ver- Sinnlichkeit im Verhaltnill des Raums und der Zeit stehen miissen. Wir
hiiltnillbegriff, was hinderts dann, dall wir diesen Begriff eines Theils von kiinnen Gegenstiinde nicht von unserm Selbst, und nicht von einander un-
den Gegenstanden selbst, die uns in demselben gegeben werden, und an- terscheiden, wofern wir sie nicht theils auller uns setzen, d. i. im Raum
derntheils von den besondern Einschrankungen, so die Figuren und Lagen schauen, theils nach einander, d. i. in der Zeit wahrnehmen. Dies hindert
der Gegenstande im Raume machen, absondern, und ihn uns als ein vor aber alles nicht, dall die Begriffe von Raum und Zeit nicht auch ein ob-
sich bestehendes aneinanderhangendes einformiges Ganzes gedenken, und jectives Fundament haben sollten. - "Aile Axiomen von Raum und Zeit
so den Begriff von einem allgemeinen Raum, als einem Behaltnill, worin fuhren apodictische Gewiflheit mit sich, konnen folglich nicht aus der
Kiirper oder Gegenstande seyn konnen, bilden, oder vielmehr erdichten. Erfahrung geschiipft seyn; alsdann wlirden wir nur sagen konnen: so lehrt
Sind wir erst bis dahin gekommen, so konnen wir uns dies allgemeine es die gemeine Wahrnehmung; nicht aber: so mull es seyn. Sie gehen also
Behaltnill gleichsam in Eicher abtheilen, demselben allerhand Gestalten vor aller Erfahrung vorher, und sind Satze a priori z. E. die Grundsatze,
geben, oder dem Raum allerhand Einschrankungen und Modificationen dall verschiedene Raume nicht auf einander foi{104]gen, und verschiedene
zutheilen. Diese Facher geben die Orter, die wir den Gegenstanden anwei- Zeiten nicht zugleich seyn konnen, dall zwischen zween Puncten nur eine
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gerade Linie miiglich sey u. s. w." Ich d~nke, grade so musse es auch, nach lich, insoweit sie im Objectivischen gegrundet sind, Anschauungen, oder
meinem Begriffe von Raum und Zeit seyn, denn drucken diese Begriffe mit den Dingen, die im Verhaltnifl stehen, zugleich wahrgenommene Ver-
das durch die wesentliche Einschriinkung unsers Geistes nothwendig ge- haltnisse. Sondert man sie aber von diesen ab, so sind sie Geschiipfe der
machte Verhiiltnifl der Dinge an sich selbst zu unserer Sinnlichkeit aus, Einbildungskraft, namlich der allgemeine leere Raum, und die unendliche
und zwar der Begriff des Raums die Mehrheit ohne Rucksicht auf Veriin- leere Zeit, die auf die Weise, wie bereits gezeigt, und weiter wird gezeigt
derlichkeit, und der Begriff der Zeit eben diese Mehrheit in Rucksicht auf werden, gebildet sind. - Auch folgendes Raisonnement des Verfassers
Veriinderlichkeit entweder der Objecte selbst, oder ihrer Modificationen, kann ich, was die letzte Folgerung, die er daraus zieht, anbetrifft, gerne zu-
so versteht es sich von selbst, daB diese verschiedenen Verhaltnisse nicht gestehen: "wei! wir uns sowohl den Raum, als die Zeit als eine unendliche
mit einander verwechselt, und also Axiome, die diese Verschiedenheit aus- Griifle vorstellen, so ist mithin aile bestimmte Griifle ihrer Theile nur
sagen, nicht von einem Verhiiltnisse auf das andere ubertragen werden, durch Einschrankungen des unendlichen Raums und der unendlichen
und wir nicht sagen kiinnen: verschiedene Raume folgen auf einander, Zeit, keineswegs aber aus einem allgemeinen Begriffe von Raum und Zeit
oder verschiedene Zeiten sind zugleich. Was das dritte Axiom anbetrifft, miiglich. Waren also Raum und Zeit nicht Anschauungen, sondern allge-
so druckt es ein nothwendiges Verhiiltnifl zweyer Objecte aus, das gar meine Begriffe; so ware gar kein Begriff von der Griifle und den Verhiilt-
nicht von der Beschaffenheit, sondern von dem wirklichen oder angenom- nissen im Raum und in der Zeit miiglich." Nur was die hier angegebene
menen Daseyn derselben abhangr, und sagt im Grunde nichts weiter, als, Entstehung des Begriffs von der Griifle und den Verhiiltnissen im Raum
zwey Objecte sind wirklich in der Lage, worin sie angenommen werden. und in der Zeit betrifft, finde ich noch etwas zu erinnern. Der Verfasser
Ihre Lage .bestimmt ihre Entfernung, und diese kann nur eine einzige behauptet, daB ein gewissermassen angebohrner Begriff von einem uner-
seyn. meB!ichen leeren Raum und einer unendlichen leeren Zeit allen Begriffen
Die Beweisgrunde des Verfassers, daB Raum und Zeit nicht discursive von bestimmten Raumen und Zeiten solchergestalt zum Grunde liegen
und allgemeine Begriffe, sondern Anschauungen sind, treffen meinen Be- musse, daB man die letztern nur durch das Einschranken der erstern er-
griff gleichfalls nicht, denn nicht aus Raisonnement, vermittelst einer Ab- halte, oder daB diese eigentlich nichts sind, als gewisse Einschnitte, die
straction, sondern aus dem nothwendigen Verhiiltnisse der Dinge an sich man in den unermefllichen Raum und in die unendliche Zeit macht. Mei-
selbst, zu unserer Sinnlichkeit Ieite ich diese Begriffe her. Raum und Zeit ner Meynung nach verhiilt es sich umgekehrt, der Begriff von einge-
werden jedesmal mit den Objecten wahrgenommen und angeschauet, es ist schriinkten Raumen oder Ortern, und von einer bestimmten Zeit ist eher
also der Begriff von Raum insonderheit ein nothwendiger Anhang, oder in der Seele, und wird in jeder Anschauung und jeder Empfindung mit an-
initzusetzender U mstand jeder aussern Erscheinung. Der Satz: was ist, schaulich und empfindbar. Hieraus wird allererst durch die Phantasie ein
und ein Object unserer auflern Sinne seyn soli, mufl irgendwo seyn, oder unermeB!icher Raum und eine unendliche Zeit gedichtet. Hat man aber
einen Ort einnehmen, ist kein Satz, den wir dem Raisonnement, sondern von denselben erst einen Begriff, alsdann kann ein Philosoph diesen Be-
dem unausweichlichen Gefuh!e unserer Einschriinkung schuldig sind; aber griff wieder zum Grunde legen, und so, wie der Verf., aile einge-[106]
der Satz: es giebt einen allgemeinen leeren Raum, wovon aile Raume oder schrankte Raume und Zeiten als eben so vie! Einschriinkungen desselben
Orter nicht zusammensetzende Theile, sondern Einschriinkungen sind, ist betrachten. Der philosophische Laye wenigstens scheint nicht anders, als
theils das Product der Phantasie, theils ein Werk des Raisonnements; aber vermittelst des Dichtungsvermiigens sich bis zum Begriff der Unermefl-
kein angebohrner Satz, der ohne den Gebrauch des Gesichts, ohne Unter- lichkeit des Raums und der Unendlichkeit der Zeit erheben zu kiinnen.
richt von andern, und ohne eigene Ubung im [105] Denken von Jemand Er mufl es ohngefahr wie der Psalmist machen, der sich die Allgegenwart
wiirde vorgetragen werden. Ohnedem sind Raum und Zeit nach meiner Gottes vorstellen will: Fiihre ich gen Himme~ so bi.st du da, bettete ich mir
Vorstellung zum Theil in den Objecten gegrundet, folglich werden sie in- in der Holle, so bist du auch da, niihme ich Fliigel der Morgenrothe und bliebe
sofern empirisch, und sind Anschauungen und keine Abstractionen. Ich am iiuftersten Meere*) u. s. w. oder wie der Dichter, der sich zu einem
kann daher auch gern den Grund des Verfassers gelten lassen, daB, wei! etwanigen Begriff von der Ewigkeit zu verhelfen sucht:
aile Grundsatze von Zeit und Raum synthetische Satze sind, sie nicht all-
gemeine Begriffe, sondern Anschauungen seyn mtissen. - Sie sind nam- •) Man sehe auch Klopstocks Ode tiber die Allgegenwart Gottes.
338 ~Ugerneine beutfd)e ~tbfiot{lef - Mai 1786 <e> d) u rue li @'!liiute!ungen iibe! .lt an to il!tttf 339
'•
Erstlich wiirden wir, vermittelst derselben, aus der obgedachten iiuBerst
miBlichen und schwebenden Lage, worin uns, was selbst unser individuel-
Ich haufe ungeheure Zahlen
les Daseyn betrifft, des Verfassers auf seine Begriffe von Raum und Zeit er-
Gebiirge Millionen auf,
bauete Theorie vom Schein und Reellen versetzet, herausgerissen werden.
Ich wiiltze Zeit auf Zeit
Das wirkliche Daseyn einer objectiven intelligibeln Welt wiirde nicht
Und Welt auf Welt zu Hauf;
mehr so problematisch, sondern zuverlallig und gewill seyn. U nd was
Und wenn ich von der grausen Hohe
noch wichtiger und interessanter fiir uns ist, auch unserer innerern Emp-
Mit Schwindeln wieder nach dir sehe,
findung, da£ wir nicht bios logisch und scheinbar, sondern wirklich indi-
Ist aile Macht der Zahl
viduelle denkende Subjecte, oder Substanzen sind, wiirden wir alsdann
Vermehrt mit tausendmal
trauen konnen, wenn wir uns iiberzeugen diirften, da£ Vorstellungen und
Noch nicht ein Theil von dir,
Gedanken wahre Wirkungen einer gleichartigen, d. i. denkenden Kraft
Ich zieh sie ab, und du liegst ganz vor mir.
sind. Mit einem Worte, wir wiirden alsdann nicht mehr zweifeln diirfen,
Weit gefehlt also, da£ die Begriffe von Unermelllichkeit und Ewigkeit ob es wirklich Dinge an sich selbst giebt, die das Substratum unserer An-
allen eingeschriinkten Begriffen von GraBen im Raum und in der Zeit a schauungen ausmachen, und die uns erscheinen, und wie mich deucht,
priori zum Grunde liegen, so kommen wir erst zu jenen, wenn wir diese noch weniger, ob es in der Wirklichkeit ein denkendes Subject giebt, dem
bis ins Unendliche, d. i. ohne Aufhoren ausdehnen und zusammensetzen. die Dinge an sich selbst erscheinen, und ob das Subject, das wir durch unser
Wie vie! Menschen mag es auch iiberhaupt wohl geben, die sich die Be- Ich bezeichnen, dies denkende Subject sey. Uberhaupt wiirde die Theorie
griffe von Unermelllichkeit und Ewigkeit ganz genau und richtig ohne vom Schein und Wahren mehrere Richtigkeit, und den Selbstbestand er-
Beymischung von Schranken zu denken vermogend sind? halten konnen, der mir der Theorie des Verfassers zu fchlcn scheint. Denn
nicht zu gedenken, daB nach derselben das Daseyn der Dinge an sich selbst
U nd wozu nun alles dieses? Nicht, eigentlich urn zu beweisen, daB der bald als bios problematisch, bald als gewiB angegeben wird, und zwar das
von mir angegebene Begriff von Raum und Zeit der einzige wahre seyn erstere, wei] wir doch [108] schlechterdings gar nichts von ihnen wissen
miisse, sondern nur, da£ er moglich ist, da£ er bey den Einwiirfen des und erkennen konnen, und das letztere, wei] doch allen Erscheinungen
Hrn. K. bestehen kann, da£ sich die Phiinomena und die richtigen Grund- Dinge an sich selbst zum Grunde liegen miissen, worauf jene Anzeige thun,
satze, die er in Absicht auf Raum und Zeit vorbringi, eben so gut mit der wir mogen etwas davon wissen, oder nicht; so wird, wie ich bald niiher
Voraussetzung, da£ diese Begriffe nicht bios subjectiv sondern auch ob- zeigen werde, es uns durch des Verfassers Begriffe von Raum und Zeit, wo
jectiv _sind, vereinigen lassen, und da£ wir folglich nicht schlechterding8 nicht schlechterdings unmoglich, doch iiullerst schwierig gemacht, uns
gezwungen sind, mit Hrn. K. anzu{107]nehmen, da£ Raum und Zeit Dinge an si<h selbst, als das mogliche Fundament, oder Substratum der
nichts als die subjective Form unserer Sinnlichkeit sind, und nichts Ob- Erscheinungen zu gedenken. Auch scheint, nach dieser Theorie, des Ver-
jectives haben. Denn nur aus wahrer Noth, oder wei! sich die Unmoglich- fassers bekannte Vorliebe zu den moralischen Ideen, der Vorzug der Zu-
keit und U nstatthaftigkeit jedes andern Begriffes von Raum und Zeit apo- verllissigkeit und Wahrheit, den er diesen vor allen speculativen, und bios
dictisch erweisen lallt, konnten wir des Verfassers Begriff ergreifen. So wie auf ErkenntniB abzielenden AuBerungen der Denkkraft einriiumt, par-
iiberhaupt des Verfassers System nur auf den Triimmern aller andern er- theyisch und ungegriindet zu seyn. Das grollere und wichtigere Interesse,
bauet werden kann, so scheint mir dieser Begriff insonderheit einem das diese moralischen Ideen vielleicht haben (wiewohl, woran kann uns
orientalischen Despoten gleich zu seyn, der nur nach Ermordung aller sei- mehr gelegen seyn, als an der Uberzeugung von unserm wirklichen indivi-
ner BrUder sich auf den Thron schwingen, und darauf behaupten kann, duellen Daseyn, oder unserer Substanzialitiit, und was haben wir noch zu
lallt sich hingegen irgend eine andere Vorstellung, etwa, wie die hier ange- verlieren, wenn wir unser Ich verloren haben, und unser Selbst als einen
gebene, die Raum und Zeit auch zum Theil als in den Objecten gegriindet im Ocean versunkenen und verschlungenen Tropfen betrachten miissen?)
annimmt, nur als moglich behaupten, so wiirde sie, wie es mir scheint, urn kann ihnen diesen Vorzug nicht verschaffen. Sie sind demungeachtet
folgender Vortheile willen, auf vorziiglichen Beyfall Anspruch mach en. nichts als Wirkungen oder Modificationen der Denkkraft, und wenn die
340 Q!Ugemelne ~eutfc{)e i!'>ibfiot!)ef - Mai 1786 341
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speculativen Wirkungen insgesammt von Jen sinnlichen Anschauungen Anzeige der Prolegomenen gestand ich mein Unvermogen, hier dem Ver-
an bis zu den Vernunftideen scheinbar und tauschend sind, und nur den fasser zu folgen, und noch itzt, ob ich gleich einsehe, daB das eben gesagte
logischen Nutzen haben, unsern Vorstellungen Ordnung und Zusammen- wohl seine Meynung ausdriicke, ist mir diese Auflosung beynahe das Dun-
hang zu geben, was haben denn die moralischen Begriffe zum voraus? kelste in seinem ganzen Systeme. Was mir also darin so inconsequent und
Wenn Vorstellungen iiberhaupt tiiuschend und Schein seyn konnen, wo ist widersinnig scheint, mag immer noch auf einigem MiBverstand beruhen,
dann das sichere Merkmal, woran wir erkennen konnen, daB einige dersel- aber ich wiinschte doch immer, daB mir diese Dunkelheit aufgehellt, und
ben es nicht sind, und nicht seyn konnen? - Noch einmal, das groBere In- die anscheinenden Widerspriiche wegerklart werden mochten. Zuvorderst
teresse kann dies Merkmal nicht seyn, denn, wenn wir einmal zugestehen, betreffen meine Zweifel den Begriff von der Freyheit selbst, dessen Or-
daB wir Verstandesbegriffe und Vernunftideen, so leer von allem Inhalt, so sprung, Inhalt und objective Giiltigkeit. Die Freyheit soli das Vermogen
tauschend sie auch immer seyn mogen, doch haben muBten, damit wir eines Wesens seyn, einen Zustand anzufangen, so, daB seine Handlung
ordentlich und systematisch denken konnten, und daB sie also bios urn nicht [110] nach dem Naturgesetze wieder unter einer andern Ursache
eines logischen Behufs willen nothwendig waren, was hinderts, anzuneh- steht, welche sie der Zeit nach bestimmete. Ich frage: woher haben wir die-
men, daB wir auch die moralischen Begriffe bey aller ihrer Scheinbarkeit sen Begriff? Aus der Erfahrung, dieser einzigen Quelle, aus der nichtleere
und Leere dennoch haben muBten, damit wir ordentlich und systema- Begriffe flieBen sollen, haben wir ihn nicht geschopft, er ist also ein reiner
tisch, oder sittlich handeln konnten, und daB sie urn eines praktischen Vernunftbegriff, oder der Vernunft wesentlich und gleichsam angeboren;
Behufs willen nothwendig waren? - Doch nichts scheint mir in des Ver- aber darin hat er vor den sogenannten Ideen der reinen Vernunft, der psy-
fassers Theorie[109) von Schein und Wahren mehr Verwirrung und !neon- chologischen, cosmologischen und theologischen, nichts voraus; wodurch
sequenz zu bringen, als seine ganz darauf gebauete Auflosung der soge- erlangt er also den Vorzug, nicht bios subjectiv und tauschend zu seyn,
nannten dritten Antinomie, oder die Hebung des Widerspruches unter wie diese es sind? woher erhiilt er allein diese objective Giiltigkeit, daB er
den beyden Satzen: Der Mensch ist in seinen Handlungen an Natumothwen- sich auf die Verstandeswelt anwenden, daB das, was er bezeichnet, namlich
digkeit gebunden, und: der Mensch handelt mit Freyheit, die, wie der Verfas- die transcendente Freyheit, sich als eine Eigenschaft der Dinge an sich
ser behauptet, beyde gleich erweislich seyn sollen. Der Verfasser sucht zu selbst, oder der Glieder dieser uns ganz unbekannten Welt priidiciren laBt?
zeigen, daB beyde Satze in verschiedener Riicksicht zugleich wahr sind, Kann es mit einander bestehen, eines Theils zu behaupten, daB wir
oder wenigstens wahr seyn konnen. Diese verschiedenen Riicksichten sind schlechterdings von dieser Verstandeswelt {die fiir uns = x ist) nichts
von einer Seite der Mensch, als Phiinomen mit seinen Handlungen, als Er- erkennen kOnnen, und andern Theils nicht nur annehmen, daB sie aus
scheinungen, und von der andern Seite ebenderselbe Mensch als Glied der Theilen und Gliedern bestehe, und die Vernunft als ein solches Glied der-
intelligibeln Welt, und eben diese seine Handlungen als Dinge an sich selbst selben anzugeben, sondern dieser Vernunft auch eine Eigenschaft nach
betrachtet. In der ersten Riicksicht sind seine Handlungen (dem Schein einem Begriff, der vielleicht ein blosses Hirngespinnst, vielleicht eine in
nach) der Naturnothwendigkeit unterworfen, und geschehen, wie aile an- der Sinnenwelt und zum Behuf derselben nothige Tauschung ist, beyzule-
dere Erfahrungswirkungen, nach dem Satz des zureichenden Grundes; gen? Gesetzt, man thut dies auch nur hypothetisch, so ist auch dies schon
hingegen in der zweyten Riicksicht sind sie als Dinge an sich selbst, frey, Ubertretung der ersten critischen Regel, nicht tiber das Feld der Erfahrung
d. i. sie setzen keine andere Handlungen als nothwendige Bedingungen im Gebrauch des Verstandes und der Vernunft auszuschweifen, zumal, da
voraus, auf welche sie nach einem Gesetze folgen miissen.*) Schon in der wider diese Regel auch darin verstossen wird, daB man gleichfalls einen
Verstandesbegriff, niimlich den von Ursache und Wirkung in die intelli-
gible Welt iibertragen, und auf Dinge an sich selbst anwenden muB, wenn
*) Es ist sonderbar, daB andere Philosophen gerade das Gegentheil behaupten, namlich,
daB dec Glaube an Naturnothwendigkeit sich nicht sowohl auf das Gefiihl, als auf man vorgiebt, daB die Vernunft, ein Ding an sich selbst, die in sich freyen,
das Raisonnement griinde, hingegen die Meynung, daB wir Freyheit besitzen, mehr aber scheinbar nothwendigen Handlungen verursache und bestimme.
eio wenig aufgeklartes Gefiihl, das sie nicht ganz leugnen kOnnen, fiir sich habe; und Aber der Inhalt dieses Begriffes, stimmt er mit sich selbst iiberein? Er soli
sie bemiihen sich dabey, den Ursprung desselben und die Ursache, warum es uns tau- als in die Verstandeswelt gehorig aile Zeit und Zeitbestimmungen aus-
schet, zu entdecken. schlieBen, und doch soli die Freyheit ein Vermogen seyn, einen Zustand
342 ~ffgemeine ~eutfdje ~lbfiot~el - Mai 1786 eidju!Ueo Q;dauterungen tiber .ltanto llrltlt 343
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anzufangen. Wie laBt sich ohne Einmischu,ng des Begriffes der Zeit ein Scheine nach, sondern wirklich in sich ein denkendes fiir sich bestehendes
Anfang, und also auch das dem Anfange entgegenstehende Ende, wie ent- Subject, oder eine denkende Substanz sey, denkend, wei! Vernunft schlech-
stehen, oder aufhoren und vergehen gedenken? Einen Zustand anfangen, terdings das Denken in sich schliellt, und sich eine undenkende Vernunft
setzt voraus, daB dieser Zustand noch nicht war, folglich eine Zeit, wo er nicht denken laBt - eine Substanz, wei! dieses Ding an sich selbst unmog-
noch bios moglich war, und eine andere Zeit, wo er [ill] wirklich wird. lich anders, als unter der Voraussetzung, daB es ein fiir sich bestehendes
Folglich scheint dieser Begriff zugleich Zeitbestimmungen vorauszusetzen, Subject sey, als eine wahre Ursache von wahren Wirkungen oder Dingen
die. er doch ausschliellen sollte. Wie laBt sich dies vereinigen? *) Ich frage an sich selbst (den freyen Handlungen) kann gedacht werden. U nd so ka-
wetter, wenn das ganze Seelenwesen des Menschen, seine ganze Vorstel- men wir dann ganz unvermerkt auf die gewohnlichen Begriffe nicht nur
lungskraft mit allen ihren Wirkungen fiir Erscheinung mull gehalten wer- von U rsache und Wirkung, sondern auch von Substanz und Accidenz
den (wie nach meiner Voraussetzung zufolge der Grundsatze des Verfassers wieder zuriick, die der Verfasser als bios logisch, und nur auf Erscheinun-
und seines Begriffes von Raum und Zeit geschehen mull), wie man als- gen anwendbar, durchgehends, insonderheit in seinem Paralogismus der
dann einen Theil dieses Seelenwesens - und etwas anders ist doch die Ver- Vernunft vorzustellen sucht, hier aber, wie es mir scheint, als objectiv,
nunft nicht - fiir ein Noumenon, oder fiir ein Ding an sich selbst erklaren oder fiir die Verstandeswelt giiltig annehmen mull. - Wenn die Handlun-
konne! Woher wir bey der vorausgesetzten volligen U nbekanntschaft mit gen des Menschen in sich frey sind, und nur nothwendig scheinen, so frage
der intelligibeln Welt und den Dingen an sich selbst es wissen konnen, daB ich, wem erscheint der Mensch und seine Handlungen als blesses Phano-
etwas zu des Menschen subjectiven und scheinbaren Denkkraft gehoriges, men und Erscheinungen? Unstreitig mull irgend ein Subject zu diesem Be-
namlich seine Vernunft, und folglich auch Er selbst, insofern er mit Ver- huf angenommen werden, denn es wiirde aullerst widersinnig seyn, von
nunft versehen ist, ein Theil der Verstandeswelt, ein Ding an sich selbst sey? Erscheinungen als Dingen zu reden, die gewissermassen fiir sich selbst und
Urn dies nur vorauszusetzen, miiBten wir ja diese Welt schon insofern ohne Beziehung auf ein vorstellendes Subject bestehen, und anderswo als
kennen, daB wir wiillten, sie enthalte mannichfaltige Dinge oder wirkliche in einer Vorstellung, und zwar einer irrenden, eingeschriinkten, und un-
Theile, und woher wollen wir dies bey der undurchdringlichen [112] K.luft, richtig wahrnehmenden Vorstellung existiren konnten - Also der Mensch
die der Verfasser zwischen beyden Welten setzt, hier in der Sinnenwelt er- mit seinen Handlungen ist dem Menschen selbst eine Erscheinung. - Ich
fahren? Aber gesetzt, wir wiillten es, daB der Mensch, insofern er Vernunft frage weiter: dem Menschen insofern er Erscheinung, oder insofern er ein
besitzt, ein Ding an sich selbst sey, so wiillten wir ja auch zugleich mit Ding an sich selbst ist? Das erstere anzunehmen oder zu sagen, Eine Er-
ebenderselben Gewillheit, daB das verniinftige Wesen nicht bios dem scheinung erscheint der andern Erscheinung, dies diinkt mich wieder so
aullerst widersinnig, d£ man wohl das letztere, und also als eine Folge da-
*) Mit eben dem Raisonnemem, womit der Verfasser bey der ersten Antinomie den von auch dies annehmen mull: daB dem Menschen, als einem Dinge an
Satz darthun will, daB die Welt keinen Anfang in der Zeit haben kOnne, laBt sich sich selbs~ seine wirklich freyen Handlungen (die gleichfalls Dinge an sich
auch darthun, daB iiberall kein Zustand anders, als in der Zeit anfangen kOnne, well selbst sind) als nothwendig erscheinen, d. i. anders vorkommen, als sie an
niirnlich ein Anfang immer den Zeitbegriff voraussetzt. Hr. K. schlieBt so: ,.Man set- sich selbst sind. Folglich sind es Dinge an sich selbst, Dinge zur objectiven
ze, die Welt babe einen Anfang, so muB eine Zeit vorhergegangen seyn, darin sie
nicht war, n:imlich eine leere Zeit. Nun aber ist in der leeren Zeit kein Entstehen
Verstandeswelt gehorig, die er schauet, aber [113] freylich durch den Nebel
irgend eines Dinges" (folglich auch nicht eines Zustandes) ,mOglich, weil kein Theil der Sinnlichkeit verdunkelt, und verstellt. U nd so kamen wir dann im
einer leeren Zeit vor einem andern irgend eine Bedingung des Daseyns vor der des Grunde auf den Leibnitzischen Idealismus, den der Verfasser so sehr ver-
Nichtdaseyns an sich hat, man mag annehmen, daB es von sich selbst oder durch eine wirft, zuriick, und der einzige Unterschied zwischen diesem und des Ver-
andere Ursache entstehe, also kann die Welt keinen Anfang haben," niimlich anders, fassers critischen Idealismus wiirde nur noch darin bestehen, daB l.eibnitz
als in d~ Zeit, und weil sie ihn in der Zeit nicht haben kann, so kann sie folglich gar den seinigen bios auf die Objecte des aullern Sinnes im Raum ziehet, der
keinen Anfang haben. Mit eben dem Rechte kann man nun auch schlieBen, soil ein
Zustand einen Anfang haben, so muB er ihn in der Zeit haben, und soU er ihn in der Verfasser den critischen aber auch auf die Objecte des innern Sinnes in der
Zeit nicht haben, so kann er gar keinen Anfang haben. Folglich hebt sich nach dieser Zeit ausdehnet, darin aber miillten nach dieser Voraussetzung beyde Welt-
SchluBart der Begriff der Freyheit, insofern er den Zeitbegriff ausschlieBen soil, von weisen iibereinstimmen, d£ aller Schein und aile Tauschung nur von den
selbst auf. Sinnen, oder von dem eingeschrankten Vorstellungsvermogen herriihret,
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insonderheit insofern es sich als Sinnlichkeit auflert. Auch darin wiirde fen.*) Aber diese Haltung und dies Fundament sind doch nur scheinbar.
sich nach dieser Auflosung der Verfasser von seinem eigenen System ent- Es giebt keinen wahren Zusammenhang zwischen der Sinnenwelt und der
fernen, und sich dem Leibnitzischen nahern, dafl beyde sonst so ganzlich intelligibeln, denn alsdann miiflten die Dinge an sich selbst wirklich die
getrennte Welten in so genaue Verbindung gesetzt wiirden, dafl die Ver- Gegenstande unserer Sinnlichkeit seyn, und wie wollten wir sie dann an-
standeswelt nicht nur das eigentliche Object, und das Materiale der Sin- ders, als im Raume schauen? wie anders, als in der Zeit und nach Zeitbe-
nenwelt ausmacht, sondern dafl die eine in die andere eingreift und wirkt; stimmungen wahrnehmen? Raum und Zeit sind also das einzige Medium
denn die Vernunft, ein Ding an sich selbs4 ein Theil der objectiven Ver- zwischen den Dingen an sich selbst und unserm Vorstellungsvermogen,
standeswelt, verursachet und bestimmt scheinbare Handlungen in der durch welches die Communicationsstrasse zwischen beyden Welten geht_
Sinnenwelt, zwar freylich zunachst nur freye Handlungen in der Verstan- Nun aber, da Raum und Zeit bios subjective Formen unserer Sinnlichkeit
deswelt, aber diese werden wieder scheinbar, und Theile der Sinnenwelt, sind, nichts objectives in sich schlieflen, auf nichts objectivem gegriindet
insofern sie von den Menschen nicht fiir das, was sie in sich sind, namlich sind, folglich sich auf Dinge an sich selbst gar nicht be{ll5]ziehen, so ist da-
fiir frey, sondern fiir nothwendig gehalten werden. Es mag mit diesen durch alle Communication abgeschnitten, und eine solche Kluft zwischen
Zweifeln und Schwierigkeiten gegen des Verfassers Theorie von Schein beyden Welten befestiget worden, dafl die Dinge an sich selbst so wenig zu
und die Anwendung derselben auf seinen Freyheitsbegriff genug seyn. Ich unserer Erkenntnifl gelangen, als unser Vorstellungsverm6gen bis zu ihnen
wiederhole es noch einmal, dafl sie entweder ganz, oder zum Theile aus heriiber reichen kann. Der Verfasser macht der Leibnitzischen Philoso-
Miflverstandeherriihren m6gen; indessen ware es doch, da sie auch andern phie den freylich nicht ungegriindeten Vorwurf, dafl sie den Sinnen das
Untersuchern des Kantischen Systems vorkommen konnen; wahl nothig, leidige Geschaft anweise, der Seele ein verdunkeltes und verstelltes Bild
dafl sie weggeschafft wiirden, wenn dies System als lichtvoll und mit sich von der objectiven intelligibeln Welt darzustellen. Aber ich denke, dies
selbst bestehend anerkannt Werden soli. Ich kehre itzt zu meinem Begriffe Geschaft ist doch nicht so verhaflt, als wenn man die Sinne ein ganz fal-
von Raum und Zeit zuriick, und merke nur noch an, dafl bey der nothig sches Bild darstellen laflt, und dies thut der Verfasser wirklich. Nach Leib--
scheinenden Berichtigung der Theorie vom Schein und Wahren, dann nitz sind unsere Sinne ein angelaufenes grobgeschliffenes Sehglas, wodurch
auch der Umstand {wofern er gegriindet gefunden wiirde) nicht aus der unsere Seele wirklich die Dinge an sich selbst beschauet, obgleich in clunk-
Acht zu lassen seyn wiirde, dafl der Begriff der Zeit (und folglich aile sich Ier dammernder Ferne, und hin und wieder etwas verzerrt, verstellt und
darauf beziehende), wei! er nicht bios, wie der Begriff von Raum, nur auf verschoben; aber nach unserm Verfasser sind sie ein Glas, auf dessen
die Mehrheit, sondern auch zugleich auf die Veranderlichkeit der Objecte Auflenseite gleichsam ein ganz fremdes Gemiilde geklebt ist, das gar nicht
sich griindet, folglich mehr (114] objectives, als dieser hat, auch weniger die objective Welt, nicht einen Zug derselben, sondern eine von derselben
scheinbares und tauschendes, und dagegen mehr wahres, objectives und ganz isolirte, iibrigens schon illuminirte, in allen ihren Theilen, verrnit-
reeles haben miisse. te!st des Verstandes und seiner Begriffe wohlgeordnete, und mit unsern
Sehwerkzeugen vortrefflich harmonirende, und lediglich zu ihnen passen-
Zweytens wiirden nach unsern Begriffen von Raum und Zeit die Er- de, fiir sie bestimmte Landschaft darstellt. Bey weiten dem groflten Theile
scheinungen und die Dinge an sich, die subjective Sinnenwelt, und die derer, die durch das Telescop der Sinne sehen, fiillts gar nicht ein, dafl das,
objective intelligible Welt in eine wirkliche und wahre Verbindung I
J
gebracht, und so der wichtigste, und nach meiner Einsicht wesentliche
Fehler, der in dem ganzen System des Verfassers herrscht, vermieden wer- *) Das ganze Raisonnement des Verfassers, wodurch er den sogenannten Paralogismus
den konnen. Es ist dieser, dafl nach demselben eine objective intelligible der Vemunft in seiner Bl&se darstellen will, Iauft darauf hinaus, daB er zu zeigen
Welt ganz umsonst, und Dinge an sich, wie wir in unserm Provinzial- sucht: die Einheit des BewuBtseyns fiihre uns nicht weiter als auf die Voraussetzung
eines scheinbaren und logischen, d. i. zum Behuf des Denkens anzuoehmenden Sub-
dialect sagen, fiir nichts und wieder nichts angenommen werden. Ware es jects, berechtige uns aber keineswegs, auf das wirkliche Daseyn Einer denkenden Sub-
nicht darum zu thun, urn dem schwebenden Ganzen eine Art von Hal- stanz zu schlieBen. Wir miissen also annehmen, daB wir mit einem bios scheinbaren
tung und Fundament zu geben, so wiirde es schlechterdings keiner, als logischen Subjecte auslangen und fertig werden kOnnen. Ware dies nicht, so wiirde
scheinbarer Objecte, und keiner andern, als bios logischer Subjecte bediir- man von dem letztern mit Recht auf das Daseyn der ersten schlieBen kOnnen.
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was sie sehen, nicht die wirkliche wahr~ Aullenwelt seyn, und dall sie diesem Faile nicht mehr bios subjectiv seyn, sondern mullte auch zugleich
nicht wirklich in sich so beschaffen seyn soilte, wie sie sie erblicken. Nur objectiv, und im Objectiven gegriindet seyn.
einige wenige werden durch die versteilten, und ihrer Meynung nach nicht
recht zu einander passenden, mit ihrer geiibtern, oder spitzfindigern Ur- Drittens diirften wir nun auch dies vorausgesetzt annehmen, dall, so wie
theilskraft nicht viiilig harmonirenden Ziige des Gemaldes auf den Ver- die Begriffe von Raum und Zeit nicht bios subjectiv, sondern auch
dacht gebracht, dall sie wohl die Dinge nicht viiilig in ihrer eigentlichen zugleich objectiv sind, es sich mit den Verstandesbegriffen und den Ideen
und wahren Gestalt erblicken, und dall jene disharmonirende Ziige wohl der Vernunft eben so verhalte, und dies wiirde dann selbst in Ansehung
auf die Rechnung des unvoiikommenen Instruments und ihrer einge- des ganzen Resultats der Critik der reinen Vernunft, dall namlich die an
schriinkten Sehkraft zu setzen sind. Noch ein anderer woilte sein Sehrohr sich ganz leeren Verstandesbegriffe schlechterdings keine andere Anwen-
gleichsam umkehren, und mit demselben nicht auller sich, sondern in sich dung, als auf Erscheinungen gestatten, und dall sie so wenig, als die Ver-
hineinsehen, wei! er wiihnte, dall es gar keine zu schauende aullere Dinge, nunftideen iiber das Feld der Erfahrung [ll7] dogmatisch hinaus zu trei-
keine objective Welt gabe, noch geben kiinne; aiies, was sich also ihm da- ben sind, noch einige Einschriinkung und Berichtigung niithig machen.
durch darsteilte, waren nur in seiner Seele auftretende und abwechselnde Sind die Begriffe von Zeit und Raum nicht bios subjectiv, so kiinnen es
Gedankenbilder, wovon einige aber mit so bewundernswiirdiger Kunst auch die Verstandesbegriffe schon aus dieser Ursache nicht seyn, wei! sie
vorgesteilt wiirden, dall man glauben miisse, es [ll6] wiicen nicht eitle Bil- bestimmt sind, die in Raum und Zeit gegebenen Erscheinungen zu bear-
der in uns, sondern wirkliche Gegenstiinde auller uns. Endlich kam unser beiten, in Ordnung zu bringen, und denkbar zu machen. Denn wenn die-
Verfasser, und erkliicte, nachdem er unser Sehrohr und unsere Sehkraft se Erscheinungen selbst etwas objectives haben, wenn ihr Substratum und
aufs genaueste untersucht hatte, dall, ob es gleich wirklich auller·uns eine ihr eigentlicher Grundstoff Dinge an sich selbst sind, oder wenn, wie Herr
objective Welt und reeiie Dinge gabe und geben miisse, wir dennoch mit K. sich in einer andern Schrift, namlich seiner Grundlegung zu einer
unserm Instrumente, und durch dasselbe, wegen seiner besondern Form Metaphysik der Sitten, hieriiber mit deutlichen Worten {freylich meiner
nicht das geringste davon erblicken, noch etwas davon entdecken kiinnen. Einsicht nach sehr abstimmig von den Grundsatzen der Critik) erkliict:
Was wir zu sehen glaubten, wiicen eitel Erscheinungen, die auf dem Instru- Die Verstandeswelt den Grund der Sinnenwelt, mithin auch der Gesetze der-
mente selbst, vermittelst seiner kiinstlichen Schleifung und Construktion selben enthalt; so mullte auch die Natur des Verstandes, und die Beschaf-
hervorgebracht und gebildet wiirden; indessen kiinnten uns diese Erschei- fenheit seiner Begriffe, urn zu diesem Objectiven zu passen, urn es gehiirig
nungen eben die Dienste thun, als wenn es wirkliche Realitaten wliten, bearbeiten zu kiinnen, urn keine Gesetze hineinzutragen, die den Gesetzen
wenn wir nur wi.iBten, gehOrig sie zu ordnen, einzutheilen, und zu einem der Verstandeswelt widersprechen, oder denselben nicht angemessen wa-
regelmalligen Ganzen zu verbinden. Doch aile Vergleichungen bey Seite ren, mit dieser Verstandeswelt und ihren Gesetzen harmonisch gestimmt
gesetzt, kiinnen wir immer behaupten, dall nach des Verfassers System die und eingerichtet angenommen werden. Giebt es ohnedem in der intelligi-
inteiligible objective Welt so gut als vernichtet fiir uns ist, denn wenn ja beln Welt eine wirkliche Mehrheit der Objecte, die wirklich veriinderlich
Dinge an sich existiren, so existiren sie doch ganz abgetrennt von der Sin- sind, und sich veriindern, so miissen zwischen ihnen auch analogische Re-
nenwelt, in der ailes bleibt, wie es ist, ailes seinen richtigen regelmalligen lationen, und zwar der Inharenz, der Causalitat, und des Wechseleinflusses
Gang fortgeht, es mag noch eine objective Welt geben oder nicht. Ja wir angenommen werden, Relationen, von denen es nun hiichst wahrschein-
diirfen nicht einmal annehmen, dall die eine urn der andern wiiien da ist, lich wird, dall sie den Relationen in der Sinnenwelt zum Grunde liegen
und dall die eine nach der andern harmonisch eingerichtet ist, oder dall und entsprechen, z. B. die Verhaltniilbegriffe von Ursache und Wirkun-
zwischen der Sinnenwelt und der inteiligibeln eine vorher bestimmte Har- gen, vom Wechseleinf!usse diirften in diesem Verhaltnisse der Dinge an
monie statt finde; denn wenn auch beyde Welten nur durch diesen subtil- sich, vermoge dessen sie aile zu Einem System der Wesen gehoren und es
sten Faden aneinander hiengen, so miillte auch unsere Sinnlichkeit und die ausmachen, eins urn des andern willen da ist, mit einem Worte in der aii-
Form derselben, die Begriffe von Raum und Zeit, eine Beziehung auf die gemeinen Harmonie aller Theile der inteiligibeln Welt gegriindet seyn.
vorzusteilende Verstandeswelt haben, und nach derselben eingerichtet Die ailgemeinen Gesetze der Natur: Nichts geschieht von Ohngefiihr, nichts
seyn, oder mit andern Worten, diese Form unserer Sinnlichkeit konnte in geschieht durch einen Sprung; es gi.ebt keine Liicken, es gi.ebt kein Fatum, diese
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Gesetze, die Hr. K. aus der Natur unsers Denkungsvermiigens a priori her- eben diese Form der Existenz, diese Art und Weise, wie die Verstandeswelt
leitet, und als nothwendige Gesetze des Denkens aufstellt, sind von allen da ist, macht ihre Gesetze aus. Sollte sie ein vollkommenes Eins, und das
andern Philosophen (wenn man diejenigen Idealisten ausnimmt, welche nothwendige Ding seyn, nun so ist diese vollkommene Einheit, diese un-
die Aullenwelt ganz vernichteten), enrweder so betrachtet worden, als ob bedingte N othwendigkeit ihr Gesetz. Besteht sie aber aus Theilen, so mlis-
sie aus der Betrachtung der Natur geschiipfet, und aus einer bestandigen sen diese Theile auf eine gewisse bestimmte Weise beysammen seyn, und so
Erfahrung [l18] abstrahirt worden, oder als Axiome, die keines Beweises macht die Art dieses Beysammenseyns ihr Gesetz aus. Nehmen wir den
bedlirften, vorausgesetzt worden. Gegen die erstere Vorstellung wendet Hr. zweyten Fall an, so mlillten wir behaupten, daB unser Verstand die Dinge
K. ein, daB sie alsdann das Geprage, oder den Charakter der Nothwendig- an sich wider ihre Natur und nach Gesetzen, die mit den ihrigen streiten,
keit, der sie so eigenthlimlich bezeichnet, nicht haben kiinnten. Gegen folglich ganz verkehrt und falsch bearbeite, und so kiinnte dann nichts an-
diese Einwendung IieBe sich nun freylich erinnern, daB die nie fehlende ders, als eine durchgangige Tauschung davon die Folge seyn, und unsere
Bestandigkeit dieser Naturgesetze, sie sich bey allen Erfahrungen wieder obigen Beschuldigungen gegen des Verfassers System, daB nach demselben
finden, ja gewissermassen allen Erfahrungen zum Grunde liegen, eine un- die Verstandeswelt fur uns so gut als vernichtet wlirde, waren dadurch
aufliisliche Association der Begriffe knlipfe, vermiige der wir sie fur viillig bestatiget und gerechtfertiget. Es bleibt uns also nur der dritte Fall
nothwendig halten mlissen, wenn wir ihre Nothwendigkeit auch nicht iibrig, an den wir uns urn so viel mehr halten miiBten, weil wir uns aus
strenge zu erweisen, oder rechtmallig zu deduciren wiillten. Aber es lassen dieser vorausgesetzten Harmonie der Gesetze beyder Welten, aus dieser
sich noch auf eine andere Art beyde Meynungen vereinigen, wenn wir an- Ubereinkunft von beyden Seiten in dem Allgemeinen aller Erfahrung
nehmen, daB nach eben den Gesetzen, die dem menschlichen Verstande erklaren kiinnen, warum diese Gesetze der Natur, die auch zugleich die
zu seinen Operationen vorgeschrieben sind, auch die Verbindung, die Gesetze des menschlichen Denkens sind, insofern sie es zugleich sind, uns
Wirkungen und Gegenwirkungen der Theile der objectiven intelligibeln als nothwendig vorkommen mlissen, und wie und warum es miiglich sey,
Welt eingerichtet sind; wenn also z. B. die Natur unsers Geistes durchaus daB der Geist sie aus seiner Natur a priori schiipfen, oder gleichsam, durch
verknlipfteVorstellungen erheischet, so waren auch die Dinge, die seine eine Synthesis vorherbestimmen kiinne, daB sie in jeder Erfahrung vor-
Vorstellung beschaftigen sollten, mit diesem Gesetze Ubereinstimmend, kommen mlissen; aber es macht uns auch begreiflich, wie Philosophen,
gleichfalls in Verbindung gesetzt.*) Ich denke, wir mlissen uns die Sache die weniger die Natur und den Gang ihres Geistes in seinen Operationen,
also vorstellen, denn es sind doch nur liberhaupt diese drey Faile miiglich, als die aullere Erfahrungswelt beobachtet, und zum Gegenstande ihres
namlich, enrweder hat die Verstandeswelt schlechterdings gar keine Geset- N achdenkens gemacht, eben diese Gesetze, als in dieser liegend und gege-
ze, oder sie hat ganz andere, und von den Gesetzen der Sinnenwelt ganz ben betrachten konnten. Sonach wlirde des Verfassers ausnehmend scharf-
abstimmige Gesetze, oder die Gesetze beyder Welten stimmen mit einan- sinnige Deduction der Verstandesbegriffe, und die deutliche Darstellung,
der liberein, und sind im Grunde ebendieselbigen. In Ansehung des ersten wie durch dieselben und durch die Ideen der reinen Vernunft fur das logi-
Falles, will ich mir nun nicht einmal die oben aus des Verf. Grundlegung sche BedlirfniB und Interesse des systematischen Denkens gesorgt worden,
zu einer Metaphysik der Sitten angezogene merkwlirdige Erklarung Uber in ihrem viilligen Werthe bleiben; nur wlirde, wenn man eben die Gesetze,
die Verstandeswelt und deren Gesetze zu Nutze machen, sondern nur be- die darin [afs] dem menschlichen Geiste gegeben, vorgestellt werden, auch
merken, daB alles, was existirt, es sey, was es wolle, eine Form der Existenz als Gesetze der objectiven Verstandeswelt annahme, eine wahre Verbindung
haben, oder auf eine gewisse bestimmte [l19] Weise existiren mlisse, und zwischen der Sinnen- und der Verstandeswelt gestiftet, und eine bewun-
dernswlirdige Harmonie festgestellt werden. Alsdann nur bekame unser
Vorstellen und Denken [120] ein zuverlalliges und sicheres Fundament,
*) Auf diese Art hat schon der Commentator von Hartleys Betrachtungen tiber den
das, wei! es den Hirngespinnsten, Traumereyen und Visionen fehlt, das
Menschen versucht, flir die allgemeine Giiltigkeit des Satzes vom zureichenden Grun~
de, aus der Natur des menschlichen Geistes, der nichts als verkniipfte Vorstellungen eigentliche und einzige Merkmal ausmacht, wodurch sich achte Empfin-
denken kann, und aus der in dieser Riicksicht zwischen der objectiven Natur der dungen von Phantasmen, und wahres natlirliches Denken von falscher
Dinge, und der Natur unserer Denkkrah bestehenden Harmonie einen psychologi- Philosophic und Schwarmereyen aller Art unterscheiden IieBe. Ich mull
schen Beweis zu geben. Hartleys Betracht. iiber den Menschen. 1. Theil. S. 62. zu Ende eilen, sonst wlirde ich mich liber Unterschied der Empfindung
®d)ul~c~ Q:~liiutcrungcn ilbc~ .ltant~ ~~itif 351
350 2/ffgcmcinc bcutfd)c iBibCiot~cf - Mai 1786
und der herrschenden Phantasie, auf welche, wie der Recensent der Critik ren Wahnsinn in irgend einer fixen Idee bestehet) einige der Beviffe und
der reinen Vernunft, A. D. Bibl. I. Abth. des Anh. zum XXXVJI-lll. Ban- Grundsiitze des Verstandes mit solchen Phantasmen in Harmome brmgen
de, S. 860. richtig bemerkt, von dem Verfasser keine Riicksicht genommen kann dieses auch in Ansehung aller iibrigen zu bewerkstelligen. Es
worden, noch weiter auslassen. Nur dies mull ich anmerken, dail fiir eine kiim~t mir also iiberwiegend wahrscheinlich vor, das man etwas Objecti-
gehiirige und sichere Unterscheidung beyder Seelenzustiinde nach dem ves als in den Empfindungen und Gedanken zum Grunde liegend, anneh-
System des Verfassers meiner Einsicht nach, nicht hinlangliche Vorsorge men miisse, wenn man ein sicheres Unterscheidungsmerkmal zwischen
getragen werde. Wenn durchaus in unsern Empfindungen nichts Reelles achter und falscher Empfindung, wahren natiirlichen Gedanken und
zum Grunde liegen, sie gar nichts Objectives enthalten, und unsere Ver- Schwarmereyen ausfinden will.*) Insofern dies nun nur nach der bisher
sta~desbegriffe, Grundsiitze und Operationen sich bios auf Erscheinungen vorgetragenen Art tiber Raum und Zeit zu denken, miigli~ seyn dlirfte,
bez~ehen und damit beschaftigen, folglich alles nur subjectiv seyn sollte, wiirde dies noch ein neuer mit derselben verknlipfter Vortheil seyn.
so liiilt sich schwerlich ein zuverliiiliger Unterscheidungscharakter achter
Empfindungen von Phantasmen angeben, denn da beyde bios subjectiv Endlich wiirde nur alsdann die Verbindung zwischen den Dingen an
sind, und mit dem Objectiven nichts zu thun und nichts gemein haben, so sich und unserm Verstande, zwischen den Gesetzen derselben, und den
liiilt sich nicht wohl erkliiren, woher es komme, dail einige dieser bios sub- Gesetzen der menschlichen Denkkraft, und die Harmonie zwischen der
jectiven Vorstellungen, nicht nur durchgangig mit den Vorstellungen ande- objectiven und der subjectiven [122] Welt durchgiingig und ganz voll~om
rer, fiir gescheid und vernlinftig gehaltener Menschen iibereinstimmen men seyn, wenn wir auch annehmen diirften, dail den Ideen der remen
und von ihnen als wahr und acht anerkannt werden, sondern auch haupt: Vernunft gleichfalls wahre Objecte zum Grunde liegen und entsprechen.
siichlich, warum einige derselben mit den wirklichen Erfordernissen Be- Dies wiirde dann sowohl von der psychologischen und cosmologischen,
dlirfnissen und Geschaften des Lebens und der menschlichen Gesells~haft als auch insonderheit von der theologischen, oder von dem sogenannten
iibereinstimmen und andere nicht, warum, wenn ich nach dem einen Ideal der reinen Vernunft gelten. Und was ware dies anders, als eine ~ii~h
handle, ich meines Wunsches und Zweckes theilhaftig werde, und wenn ste und vollkommenste Vernunft, wenn wir unter der Vernunft dasjemge
ich mich durch meine Phantasmen, so liberzeugt ich auch von ihrer Wirk- verstehen was unter den Noumenen unserer menschlichen discursiven
lichkeit bin, leiten lasse, ich allenthalben anstoile, und als ein Thor befun- Vernunft 'analogisch ist, und entspricht, damit wir allen, auch den feinsten
den werde. Man kiinnte vielleicht sagen, dail man sich diesen Unterschied Anthropomorphismus vermeiden. G_enu_g, das Ideal der reinen Ve~unft
daher erklaren kiinne, dail ein gescheidter vernlinftiger Mensch nach allen wiirde uns dann fiir einen wahren wuk!ichen Gegenstand gelten mfi¥en,
Gesetzen des Vorstellungs- und Denkungsvermiigens ohne Ausnahme sich durch den aile jene vollkommene bewundernswiirdige Harmonie Zwi-
in seinen Empfindungen und Gedanken richter, der Phantast und wahn- schen unserm Verstande und den Objecten, zwischen der Sinnen- und der
sinnige Triiumer hingegen in Ansehung seiner Phantasmen und Visionen Verstandeswelt gedacht und gebildet worden. Und so wiirde dann Walu-
nur nach einigen, oder dail diese Phantasmen und Visionen sich bios da- heit nicht nur im Reiche der Gnaden {der Sitten), sondern auch im Reiche
durch [121] von iichten Empfindungen und wahren natiirlichen Gedanken der Natur herrschen, dem Interesse der Wahrheit wiirde eben die Gerech-
unterscheiden liel!en, dail sie nicht, wie diese, mit siimmtlichen Grundsat- tigkeit geschehen, die der Verfasser nur dem Interesse der Sitten wiederfah-
zen und Regeln des vernlinftigen Denkens, sondern nur mit einigen der-
selben iibereinstimmen. Allein theils wiirde dies doch das Objective nicht
ausschlieilen und iiberfliiilig machen, theils liiilt sich auch dagegen einwen- *) Nahme man an, daB im Objectiven und im Subjectiven, in der allgemeinen ~atur
der Dinge, und in der Natur des menschlichen Geistes einerley Gesetze und em har-
den, dail es wirklich Phantasten und Triiumer giebt, die ihre Visionen in monischer Gang statt finde, so wtirde daraus auch begreiffich, daB das Studium und
~in solches regelmiiiliges Vernunftsystem zu bringen wissen, dail man die Beobachtung der erstern die KenntniB und den regelmaBigen Gang des letztern
1~nen keinen Verstandesbegriff, kein Axiom entgegensetzen kann, das sie berichtigen und befOrdern, und die genaue KenntniB und Befolgu_ng der Gesetze _des
mcht vermiigend sind, mit ihrem Hirngespinnste zu vereiriigen, und dem- Geistes die KenntniB und Beobachtung der Natur i.iberhaupt erlerchtem und bench-
s~!ben anzupassen, u?d ~ndlich, dail es iiberhaupt nicht unmiiglich seyn tigen, ~it einem Worte, daB sich beyde so wichtige wechselseitige Dienste leisten
konne, wenn man (w1e die Erfahrung bey solchen Wahnsinnigen lehrt, de- miissen, wie die Erfahrung zu bewahren scheint.
352 Q!Uocmclnc Nutfd)c ~ib!iotbct - Mai 1786
ren Iallt, und so wiirde keine partheyische Vorliebe zu den sittlichen Ideen
und Grundsatzen und keine unverdiente Zuriicksetzung der blossen Er-
kenntnillideen und Grundsatze weiter statt finden.
<Brunbfegung !U< 'JJletap6~fi! ber ®itten oon Jmmanuer Jeant. ~iga, be~ fiir niithig ihn noch naher zu priifen. Hiebey wiinschte ich nun, dail es
J)art!noc6. 1785. 8. 128 ®. dem V. beliebt hiitte, vor allen Dingen den allgemeinen Begriff von dem,
was gut ist, zu erOrtern, und was er darunter versteht, n:iher zu bestim-
I n dem Vorsatz, dereinst eine Metaphysik der Sitten zu liefern, die eine
reine Moralphilosophie, die von allem, was nur empirisch seyn mag,
men, denn · offenbar miiBten wir uns erst hieriiber einverstehen, ehe wir
iiber den absoluten Werth eines guten Willens etwas ausmachen kiinnen.
viillig gesiiubert sey, liiBt Hr. Prof. Kant diese Grundlegung vorangehen, Ich bin also berechtigt zuerst zu fragen, was ist iiberhaupt gu~ und was ist
worin er das Subtile, das in der Metaphysik der Sitten unvermeidlich ist, insonderheit ein guter Wille? Liillt sich auch ein an und fiir sich, und
vortriigt, urn es nicht kiinftig faillichern Lehren beyzumischen, und das ohne Beziehung auf irgend ein Object betrachteter guter Wille gedenken?
oberste Prinzip der Moral aufsuchen und festsetzen will, welches er fiir ein Sagt man: das ist gut, was allgemein gebilligt und geschiitzt wird, so darf
in seiner Absicht ganzes und von allen andern sittlichen Untersuchungen ich weiter fragen, warum wird es gebilligt und geschiitzt, geschiehts mit
abzusonderndes Geschaft hiilt. Er ist der Meynung, dail es von der iiuBer- Recht und mit Grunde oder nicht? Eine allgemein iibereinstimmende Bil-
sten Nothwendigkeit sey, einmal eine reine Moralphilosophie zu bearbei- ligung, wenn sie auch in irgend einem Sriicke stan fande und miiglich wa-
ten, denn dail es eine solche geben miisse, leuchte von selbst aus der gemei- re, wiirde doch einem philosophischen Forscher nie fiir den letzten Ent-
nen Idee von Pflicht und von sittlichen Gesetzen ein - und zwar nicht scheidungsgrund gelten kiinnen. Hier sehe ich nun nicht, wie man iiber-
bios aus einem Beweggrunde der Speculation, urn die Quelle der a priori haupt irgend etwas als schlechterdings und ganz absolut gut annehmen,
in unsrer Vernunft liegenden praktischen Grundsatze zu erforschen, son- oder etwas gut nennen kiinne, das in der That zu nichts gut wiire, und
dern wei! die Sitten selbst allerley Verderbnill unterworfen bleiben, so eben so wenig, wie man einen absolut und bios in sich betrachtet, guten
lange jener Leitfaden und oberste Norm ihrer richtigen Beurtheilung feb- Willen annehmen kiinne. Allein der Wille soli nur in Beziehung auf ir-
let. Der Verf. hat hiebey den Gang genommen, der seiner Meynung nach, gend ein Object desselben absolut gut seyn, nicht in Beziehung auf sein
der schicklichste ist, wenn man von gemeinen Kenntnissen zur Bestim- Prinzip oder ein Gesetz, urn dessentwillen er handelt. Es sey so; dann frag
mung des obersten Prinzips derselben analytisch, und wiederum zuriick ich weiter: ist es hinliinglich einen Willen zum Guten zu machen, dail er
von der Priifung dieses Prinzips und der Quelle desselben zur gemeinen nur nach irgend einem Prinzip oder aus Achtung gegen irgend ein Gesetz
Erkenntnill, darin sein Gebrauch angetroffen wird, synthetisch den Weg handle, sey es wie es wolle, gut oder bose? - unmiiglich, also muB es ein
nehmen will. Es hat also diese merkwiirdige Schrift folgende drey Ab- gutes Prinzip, ein gutes Gesetz seyn, dessen Befolgung einen Willen gut
schnitte erhalten. I. Obergang von der gemeinsittlichen Vernunfterkennt- macht, und die F rage, was ist gut? kehrt also wieder zuriick, und wenn wir
nill zur philosophischen. II. Ubergang von der popularen Moralphiloso- sie vom Willen his auf das Gesetz zuriickgeschoben batten, so miissen wir
phie zur Metaphysik der Sitten. II I. Letzter Schritt von der Metaphysik der sie nun doch bier auf eine genugthuendere Weise beantworten; d. i. wir
Sitten· zur Critik der reinen praktischen Vernunft. Ich werde die Haupt- miissen nun endlich doch auf irgend ein Object oder auf den Endzweck
slitze des Verf. ausziehen, und einige erlauternde und priifende Anmerkun- des Gesetzes kommen, und miissen das Materielle mit zu Hiilfe nehmen,
gen hinzusetzen. wei! wir, mit dem Formalen weder des Willens noch des Gesetzes auslan-
Der Verf. bemerkt zuerst, dail ohne Einschriinkung nichts fiir gut zu gen. Was hieraus fiir das ganze Moralsystem folge, werden wir hemach se-
halten sey, als ein guter Wille, dail dieser Wille, nicht durch das, was er hen. Nun fahre ich fort eine Bemerkung des Verf. mitzu{450]theilen, wo-
bewirkt und ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zur Erreichung durch er seinen obigen Grundsatz vom Werth eines absolut guten Willen
irgend eines vorgesetzten Endzwecks, sondern allein durch das Wollen d. i. bestatigen will. Es ist diese: dail falls an einem Wesen, das Vernunft und
an sich gut sey, und fiir sich betrachtet, ohne Vergleichung weit hiiher zu Willen hat, seine Erhaltung, sein Wohlergehen, mit einem Worte, seine
schatzen sey, als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja, Gliickseligkeit der eigentliche Endzweck der N atur ware, sie ihre Veran-
wenn man will, der Summe aller Neigungen, nur immer [449] zu Stande staltungen dazu sehr schlecht (ganz dem Grundsatz entgegen; dail in den
gebracht werden kiinnte. Der Verf. gesteht, dail in diesem Grundsatz zur Naturanlagen eines organisirten Wesens kein Werkzeug zu irgend einem
Schatzung des Werths des Willens etwas Befremdliches liege, ob er gleich Zwecke gefunden werde, als was auch zu demselben das schicklichste und
die Beystimmung auch der gemeinen Vernunft haben soli; er hiilt es also ihm angemessenste sey,) getroffen babe, sich die Vernunft des Geschiipfs
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zur Ausrichterin dieser ihrer Absicht zu ers;hen. Denn aile Handlungen, nur allmahlig sich ausbildende Vernunft auch nur zu einer progressiven
die es in dieser Absicht auszuiiben hat, wiirden ihm weit genauer durch Gliickseligkeit fiihret, die nemlich gleichfalls nicht auf einmal, nicht in ir-
Instinct vorgezeichnet, und jener Zweck weit sicherer dadurch haben er- gend einem bestimmten Augenblick unsers Daseyns vollkommen ist, son-
halten werden konnen, als es jemals durch Vernunft geschehen kann, die dern mit unsrer sich vervollkommenden Vernunft so ziemlich parallel
allenfalls ihm nur dazu hatte dienen konnen, urn iiber die gliickliche An- fortlauft; (es versteht sich wahre innere Gliickseligkeit,) hieraus, sage ich,
lage seiner Natur Betrachtungen anzustellen, sie zu bewundern und der sind wir nicht berechtigt, zu schlieBen, weder daB unsre Gliickseligkeit
wohlthatigen U rsache danckbar zu seyn; nicht aber urn sein Begehrungs- nicht ein Zweck der Natur sey, noch daB uns die Vernunft nicht gegeben
vermogen jener schwachen und triiglichen Leitung zu unterwerfen, und in sey, uns gliickselig zu machen. DaB sie diesen Zweck aber so selten, so un-
die Naturabsicht zu pfuschen. Mit einem Worte, sie wiirde verhiitet haben, vollstandig erreicht, kann eben so wenig einen Grund abgeben, es zu leug-
daB Vernunft nicht in praktischen Gebrauch ausschliige u. s. w. Bey die- nen, daB sie bestimmt sey, uns der Gliickseligkeit theilhaftig zu machen,
sem Raisonnement ist, wie es mir scheint, weder auf die Frage, ob auch ei- als ihre Unhinlanglichkeit und ihr Unvermogen, die Menschen auf irgend
ne ganz unpraktische Vernunft moglich. ware, noch auf die Natur der sich eine betrachtliche Weise tugendhaft oder der Gliickseligkeit wiirdig zu rna-
nur allmahlig entwickelnden Vernunft, und gleichfalls nur progressiven chen, etwas wider die Voraussetzung, daB uns die Vernunft als eine Fiihre-
Gliickseligkeit des Menschen gehorige Riicksicht genommen. Die Natur, rin zur Tugend gegeben worden, beweisen kann. - Mit diesem ersten Satz
sagt der V., hatte, wenn Gliickseeligkeit ihr Zweck war, uns weit sicherer hangt nun folgender zusammen: "eine Handlung aus Pflicht hat ihren mo-
und ohnfehlbarer durch Instincte dazu gefiihret; ja, antworte ich, wenn ralischen Werth nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht werden soli,
Gliickseeligkeit durch Vernunft, und Gliickseeligkeit durch Instincte ei- und er hangt also nicht von der Wirklichkeit des Gegenstandes der Hand-
nerley ist, und zwischen beyden kein anderer U nterschied ist, als daB die lung ab, sondern bios von dem Prinzip des Wollens, nach welchem die
er5tere schwacher, geringer und miBlicher ist, als die letztere, und wenn Handlung, unangesehen aller Gegenstande des Begehrungsvermogens ge-
wir auf den Umstand, daB wir sie unsern Bemiihungen verdanken, auf schehen ist. - "Worin kann also," setzt der V. hinzu, "der moralische
den kostlichen Zusatz uns bewuBt zu seyn, daB sie groBtentheils das Werk Werth der Handlung liegen, wenn er nicht im Willen, in Beziehung auf
unsrer Selbstthatigkeit ist, gar nicht rechnen diirfen - nun dann war es deren verhoffte Wirkung liegen soli? er kann nirgends anders liegen, als
weit sicherer und zweckmaBiger den Menschen durch den Instinct zur im Prinzip (452] des Willens - denn der Wille ist mitten inne zwischen
Gliickseligkeit zu treiben, oder welches einerley, eine thierische oder in- seinem Prinzip a priori, welches formell ist, und zwischen seiner Triebfe-
stinctmaBige Gliickseligkeit zu geben. Aber wozu sollte ihm dann die Ver- der, welche materiell ist, gleichsam auf einem Scheidewege; und da er doch
nunft, die Einsicht und ErkenntniB von dem, was ihn gliickselig macht, durch irgend etwas muB bestimmt werden, so wird er durch das formelle
dienen? Sollte sie mit den Instincten, die uns zur Gliickseligkeit treiben, Prinzip des Wollens iiberhaupt bestimmt werden miissen, wenn eine
v61{45l]lig iibereinstimmen, und dies miiBte wohl seyn, wenn sie das ihr Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Prinzip entzogen
vom V. angewiesene Geschaft verrichten sollte, so wiirden sich ihre Maxi- ist." Dies formelle Prinzip driickt nun der dritte Satz so aus: "Pflicht ist die
men von den Leitungen unsrer Triebe nicht unterscheiden lassen, und wir Nothwendigkeit der Handlung aus Achtung fiir das Gesetz," es bleibt
wiirden es nie ausmachen konnen, wie vie! Antheil an unsrer Beseligung nemlich fiir den Willen nichts anders iibrig, was ihn bestimmen, oder zu
der Zwang des Instincts oder die Wahl der Vernunft habe - oder sie sollte, einem guten Willen machen kann, als objectiv das Gesetz, und subjectiv
mit dem Instinct uneinig die Zwangsgesetze desselben misbilligen, und die reine Achtung fiir dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime, einem sol-
Sclaverey der Sinnlichkeit verwerfen; alsdann wiirde sie nicht nur ein chen Gesetze, selbst mit Abbruche aller meiner Neigungen Folge zu lei-
miiBiger, sondern auch schadlicher Zusatz zu unserer mit sich selbst im sten. Zur weitern Erlauterung client folgendes: "Aile Wirkungen, z. B. An-
Widerspruch stehenden Natur seyn, und aile Freuden der Triebe wiirden nehmlichkeit des Zustandes, Beforderung des Gliicks anderer konnten
uns durch diese zwar verniinftige aber ganz unniitze Tadlerin gestoret und auch durch andere Ursachen zu Stande gebracht werden, (doch wohl nicht
vergallt werden. Es scheinet also, wenn wir iiberall Vernunft haben sollten, auf gleiche Art und in gleichem MaaBe) und es brauchte also dazu nicht
so miiBte es eine praktische Vernunft seyn, und wir sind nicht berechtigt des Willens eines verniinftigen Wesens, worin gleichwohl das hochste und
aus dem U mstande, daB uns unsre nicht auf einmal vollkommne, sondern unbedingte Gut allein kann angetroffen werden; es kann also nichts anders
358 21Ugemelne beut[dje ilJibliot!)el - Mai 1786 .fta n t£! lllwnb[egung ;ut '»letap!)~[if bet e>ttten 359
,
als die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst; die freylicb nur in vernUnf- aber nur meiner Maxime der Klugheit abtriinnig, so kann das mir doch
tigen Wesen statt findet, so fern sie, nicht die verhoffte Wirkung der Be- manchmal sehr vortheilhaft seyn, wiewohl es freylich sicherer ist, bey ihr
stimmungsgrund des menschlichen Willens ist, das so vorziigliche Gute, zu bleiben. Urn indessen mich in Beantwortung dieser Aufgabe, ob ein
das wir sittlich nennen, ausmachen, welches in der Person, die darnach liigendhaftes Versprechen pflichtmaBig sey, auf die allerkiirzeste und doch
handelt, selbst schon gegenwartig ist, nicht aber allererst aus der Wirkung untriiglichste Weise zu belehren, so frage ich mich selbst: wlirde ich wohl
erwartet werden darf_" Der Verf. fahrt weiter fort: .was kann das aber fiir damit zufrieden seyn, daB meine Maxime (mich durch ein unwahres Ver·
ein Gesetz seyn, dessen Vorstellung auch ohne auf die daraus erwartete sprechen aus Verlegenheit zu ziehen) als ein allgemeines Gesetz, sowohl
Wirkung Riicksicht zu nehmen, den Willen bestimmen muB, damit dieser fiir mich als fiir andre gelten solle, und wlirde ich wohl zu mir sagen kiin-
ohne Einschrankung gut heillen kiinne? Die bloBe GesetzmaBigkeit der nen: es mag Jedermann ein unwahres Versprechen thun, wenn er sich in
Handlung ist iiberhaupt iibrig, welche allein dem Willen zum Kennzei- Verlegenheit findet, daraus er sich auf andere Art nicht ziehen kann; so
chen dienen soli: d. i. Ich sol/ niemals anders verfahren als sq, daft ich auch werde ich bald inne, daB ich zwar die LUge, aber ein allgemeines Gesetz zu
wollen konne; meine Maxime sol! ein allgemeines Gesetz werden. Hier ist liigen gar nicht wollen kiinne: [454] denn nach einem solchen wlirde es
nun die bloBe GesetzmaBigkeit Uberhaupt, (ohne irgend ein auf gewisse . eigentlich gar kein Versprechen geben, wei! es vergeblich ware, meinen
Handlungen bestimmtes Gesetz zum Grunde zu legen) das was dem Wil- Willen, in Ansehung meiner kUnftigen Handlungen gegen andre vorzu-
len zum Prinzip dienet, und ihm auch dazu dienen muB, wenn Pflicht geben, die diesem Vorgeben doch nicht glauben wlirden, oder wenn sie es
nicht Uberall ein Jeerer Wahn und chimarischer Begriff seyn soli, hiemit Ubereilter Weise thaten, mich doch mit gleicher MUnze bezahlen wlirden,
aber stimmt. die gemeine Menschenvernunft in ihren praktischen [453] Be- mithin meine Maxime, so bald sie zu einem allgemeinen. Gesetze gemacht
urtheilungen auch vollkommen Uberein, und hat das gedachte Prinzip je- wlirde, sich selbst zerstiiren mUBte. Hieraus zieht nun der Verf. diese Fol-
derzeit vor Augen." Dies alles macht der V. durch folgendes Beyspiel deut- gerung: .was icb also zu thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sey, da-
lich, das ich abgekUrzt hersetzen will. Es sey die Frage, ob ich, wenn ich zu gebrauche ich gar keine weit aushohlende Scharfsinnigkeit, unerfahren
im Gedrange bin, nicht ein Versprechen thun darf, in der Absicht es nicht in Ansehung des Weltlaufs, unHihig auf alle sich ereignende Vorfalle dessel-
zu halten. Ich mache hier Ieicht den Unterschied, den die Bedeutung der ben gefaBt zu seyn, frage icb micb nur: kannst du auch wollen, daB deine
Frage haben kann, ob es kliiglich, oder ob es pflichtmaBig sey, ein falsches Maxime ein allgemeines Gesetz werde? wo nicht, so ist sie verwerflich,
Versprechen zu thun. Zwar sehe ich wohl, daB es nicht genug sey, mich und das zwar nicht urn eines dir oder auch andern daraus bevorstehenden
vermittelst dieser Ausflucht aus einer gegenwarrigen Verlegenheit zu zie- Nacbtheils willen (und ist dann die Aufhebung alles den Menschen zum
hen, sondern daB wohl Uberlegt werden mlisse, ob mir aus dieser LUge Behuf ihres Lebens, der Nothdurft und Geschaffte desselben so niithigen
nicht hinterher vie! griiBere Ungelegenheit entspringen kiinne, und da die wechselseitigen Vertrauens, die Unmiiglichkeit durch Versprechen weiter
Folgen bey aller meiner vermeinten Schlauigkeit, nicht so Ieicht vorauszu- etwas auszuricbten, nicht ein wahrer mir und andern zugezogner Nach-
sehen sind, daB nicht ein einmal verlornes Zutrauen mir weit nachtheili- theil, der mir hauptslichlich erst durch Erfahrung bekannt werden muB,
ger werden kiinnte, als alles Ubel, das ich jetzt zu vermeiden gedenke, ob und ist dieser Nachtheil nicht die einzige Ursache, warum die Maxime
es nicht kliiglicher gehandelt sey, hiebey nach einer allgemeinen Maxime sich durcb tugendhafte Versprechungen zu helfen, nicbt in eine allgemeine
zu verfahren, und es sich zur Gewohnheit zu machen, nichts zu verspre- Gesetzgebung paBt?) sondern wei! sie nicht als Prinzip in eine allgemeine
chen, als in der Absicht, es zu halten. Allein es leuchtet mir hier sehr bald Gesetzgebung passen kann. FUr diese aber zwingt mir die Vernunft unmit-
ein, daB eine solche Maxime doch nur die besorglichen Folgen zum Grun- telbare Achtung ab, von der icb zwar jetzt nocb nicbt einsehe, worauf sie
de habe. Nun ist es doch ganz etwas anders aus Pflicht wahrhaftig zu seyn, sich griindet, wenigstens aber doch soviel verstehe: daB es eine Schatzung
als aus Besorgnill der nachtheiligen Folgen; indem im ersten Fall der Be- des Werths sey, welche allen Werth dessen, was durch Neigung angepriesen
griff der Handlung an sich selbst schon ein Gesetz fiir mich enthalt, im wird, weit Uberwiegt, und daB die Nothwendigkeit meiner Handlung aus
zweyten ich mich allererst anderwarts her umsehen muB, welche Wirkun- reiner Achtung fiirs praktische Gesetz dasjenige sey, was die Pflicht aus-
gen wohl damit fiir mich verbunden seyn miichten. Denn wenn ich von macht, der jeder andre Bewegungsgrund weichen muB, wei! sie die Bedin-
dem Prinzip der Pflicht abweiche, so ist es ganz gewill bose, werde ich gung eines an sich guten Willens ist, dessen Werth Uber alles gehet."
.lean to l!lrun~legung ;ur 'llletap~~flt ~er e>ttten 361
360 ;>Jffgemeine beut[<j)e ~ibliot~et - Mai 1786
'
Dies ist nun das Resultat, das dem Verf. 'die Beobachtung tiber die sin- selbst, denn dies wiire idem per idem, da das Gesetz selbst fiir ein verniinf-
lichen Empfindungen und Erkenntnisse der Menschen hergeben soli, in- tiges Wesen nichts anders als eine gewisse Vorstellung ist, dafl_es so und so
dessen lailt sich noch zweifeln, theils ob seine Vorstellungsart von einem handeln soli· aber wir suchen hier eine dritte Vorstellung, die den noth-
guten Willen, von dem Werthe desselben und von Pflicht die einzig miig- wendigen Z~sammenhang zwischen dem Gesetze und dem Willen des
liche mit diesen Beobachtungen zu vereinigende sey, theils ob das von verniinftigen Wesens ausmache, und eine solche mufl es geben, wofern das
ihm [455] aufgestellte Gesetz und hochste Prinzip der Sittlichkeit bios wie Gesetz moralisch und nicht physisch seyn soli. Eine solche Vorstellung
er will, formell sey, und alles Materielle ausschliefle. Wei! es hier auf die kiinnte nun entweder die Wahrheit oder der Nutzen des Gesetzes, dessen
Hauptsache dieses neuen Moralsystems ankiimmt, so werde ich es wagen, Harmonie mit der Denkkraft, oder dessen Ubereinstimmung m~t dem
einige Anmerkungen dariiber herzusetzen, und zwar will ich vom letztern Begehrungsvermiigen seyn. ~ beyden F~len wiirde das ..Ges:tz em ver-
anfan?e~. Hi~r scheint es mir nun, daB das vom Verf. festgestellte Prinzip niinftiges Wesen interessiren, msofern es semer Natur gemail w~re;. und ~e
der Sttthchkeit: handle so, daB du wollen kannst, daB deine Maxime des Vorstellung hiervon wiirde nur das Mittel band, und zwar das _emzige mog-
Wollens ein allgemeines Gesetz werde, wenig verschieden sey von der Be- liche seyn, wodurch ein verniinftiges Wesen iiberhaupt an em Ges_etz ~
hauptung anderer Moralisten, daB das[jenige] Recht sey, dessen allgemeine bunden und zur Befolgung desselben geniithigt werden kiinnte. Ware dies
Ausiibung gemeinnutzig, oder dem Interesse verniinftiger Wesen gemail ist, Wesen ~gen Nutzen und Schaden gleichgiiltig, s? bliebe uns das In_~resse
und das Unrecht sey, dessen allgemeine Ausiibung gemeinschiidlich, oder der Wahrheit oder des speculativen Denkens iibr1g; aber auch ~ grundete
dem Interesse verniinftiger Wesen entgegen ist; welches man dann auch so sich die Verbindlichkeit oder das Ansehen des Gesetzes noch 1mmer auf
ausdriicken kiinnte: handle so, daB deine Maxime, nach der du handelst, ein Interesse. Fiinde aber auch dies nicht statt, so kiinnte die Betrachtung,
dem gemeinschaftlichen Interesse aller verniinftigen Wesen nicht entgegen, daB durch ein allgemeines Gesetz, betriegliche Versprecheii. thun zu dii~
sondern gemail sey - Denn nun bey dem obigen Beyspiele zu bleiben, so fen, alle Versprechen wegfallen, und sich selbst vernichten wiir?en, ?te
kann man fragen: warum ich ein allgemeines Gesetz zu liigen nicht wollen etwas tiber mich vermiigen. Denn wie schon gesagt, wenn es m1r gl~1ch
kiinne, und da scheint es mir offenbar zu seyn, daB, wenn ein solches Ge- vie! gilt, ob eine Sache iiberhaupt wahr oder falsch, gedenkb~ oder mcht
setz gar keinen Einflufl, gar keine Beziehung auf ein vorausgesetztes Inter- gedenkbar ist, so kann auch nie da~m und d~dur:ch, daB eme Sache als
esse verniinftiger Wesen hiitte, oder wenn diese iiberhaupt gar kein Interes- ein Versprechen, nur dadurch [afs] em Gesetz m sich bestehend oder ge-
se, weder des Verstandes noch des Willens hiitten, mit einem Worte, wenn denkbar wird, eine Achtung fiir dies Gesetz start finde~. . .
sie gegen Einstimmung oder Widerspruch, gegen Wahrheit oder Falsch- Aber wenn sich die Sache so verhiilt, so werden w1r das me auffmden,
heit, gegen Vollkommenheit oder Unvollkommenheit, gegen Vergniigen was der Verf. niithig hiilt, urn Sittlichkeit von K.lugheit, oder recht und
oder Schmerz u. s. w. ganz gleichgiiltig, und viillig unempfindlich wiiren, pflichtmailig handeln, vom blossen klug und. schlau handel~ zu unte_r-
so miiflte es ihnen auch gleichviel seyn, ob ein allgemeines Gesetz, die scheiden niimlich einen sogenannten categonschen Imperatlv, oder em
Wahrheit zu sagen, oder ein allgemeines Gesetz, zu liigen, festgestellt wiir- solches hiichstes Gebot der Sittlichkeit, das schlechterdings an und fiir sich
de. Die Betrachtung, daB im letzten Faile gar kein Versprechen mehr miig- gilt, und auf keinerley Weise, und in keinem Betracht. hypothetisch i~. Ich
lich wiire, wiirde ein solches Wesen, dem nichts daran liige, ob es wahre frage: warum miisse_n wir dann einen sol~hen categonschen ~perat~v al_'s-
oder fal,che, oder liberal! gar kein Versprechen gebe, nicht bestimmen finden. Etwa, urn emen absolut guten Willen annehmen zu konn~n. Hier
und seine Maxime, wenn es anders iiberall Maximen haben kiinnte, wiird~
-~.
frage ich weiter: warum miissen wir dann ~inen absolut guten Willen an-
sich durch gar nichts zu einer allgemeinen Gesetzgebung qualificiren kiin- nehmen; und was liegt in unsern mora!Ischen EI?pfindungen und ge-
nen. Ja es scheint mir ganz ungedenkbar zu seyn, daB einem solchen viillig meinen Kenntnissen von Sittlichkeit, das uns auf die Voraus{457Jsetzung
uninteressirten Wesen liberal! ein Gesetz gegeben, und daB es zu dessen Be- eines solchen absolut guten Willens nothwendig fiihret? In der Erfahrung,
obachtung moralisch, d. i. durch Vorstellungen geniithigt werden kiinne. dies gesteht der Verf. selbst, k~nn er nie als wirJ<!ich gegeben werden .. Es
Was kann dies aber fiir eine Vorstellung seyn, die ein verniinftiges Wesen ist aber noch die Frage: ob em solcher guter Will_e e~ mehr. als eme
an ein Gesetz bindet, oder demselben die reine Achtung fiir das Gesetz schiine aber unmiigliche Idee sey, und ob das, was 1hn allem zu emem ~b
giebt? Unmiiglich kann man sagen: [456] die Vorstellung des Gesetzes solut ~ten Willen mach en soli, das blosse Formelle niimlich, oder der em-
362 2!ITgemeine ~eutf~e
ll:>ibfiot9et - Mai 1786 .leant~ \Brunbfegung ;ur 'llletnP9Vfi! ~er eit«en 363
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zige Umstand der Gesetzmafligkeit hierzu hinreichend sey? Mir deucht es Zwecke mache, und ihr Interesse zugleich mit dem meinigen besorge.
nicht, wie ich schon oben erinnerte, wei! ich doch immer die Giiltigkeit Folglich entspricht dies so angegebene Prinzip der Sittlichkeit auch der
oder verbindende Kraft des Gesetzes voraus setzen mull, wofern ein in zwoten Forme!, worin der Verf. sein Prinzip ausdriickt, dieser namlich:
GemaBheit desselben handelnder Wille gut seyn soil. Und diese Giiltigkeit handle so, daft du vemiinfiige We>en niemals bios als Mittel gebrauchs~ son-
muB doch irgend worin gegriindet, mull doch irgend woraus erkannt wer- dem immer auch als Zweck betrachte>t
den, sonst miiflte es ein angebohrnes physisches durch Zwang des In- Nun laflt sich auch Ieicht zeigen, daB mit dieser Vorstellungsart von
stincts, nicht ein moralisches durch Vorstellungen wirkendes Gesetz seyn. dem hiichsten Prinzip der Sittlichkeit weder aller Unterschied zwischen
Nun macht eben das, worauf sich die Giiltigkeit desselben griindet, oder Sittlichkeit und Klugheit aufgehoben, noch Pflicht in einen leeren chimari-
woraus sie erkannt wird, die Bedingung seiner Giiltigkeit aus, mithin giebt schen Begriff verwandelt werde, wir also, urn diesen U nterschied und
es kein anderes sittliches Gesetz, als ein hypothetisches, und kein bios for- Pflicht als einen reellen Begriff zu erhalten, eines categorischen Imperativs
melles Gesetz laflt sich als giiltig denken, so wenig ich einen Willen bios nicht schlechterdings bediirfen. Sittlich oder recht und pflichtmaflig han-
darum, wei! er gesetzmaflig, oder wei! das Gesetz bios die Maxime seines deln, heiflt das oben angefiihrte hiichste Prinzip der Sittlichkeit zur Maxi-
Willens ist, fiir schlechterdings gut erkennen kann, sondern es kiimmt im- me seines Willens machen, und wenn scheinbare Collisionen des eigenen
mer erst darauf an, ob sein Gesetz auch gut sey. Dies fiihrt uns dann dar- und des allgemeinen Interesse vorkommen, jenes diesem nachsetzen; dies
auf, was ich im Anfang erinnerte, daB die sittliche Untersuchung mit dem heiflt aber auch zugleich weise handeln, wenn es anders wahr ist, daB es
Begriff von gut anfangen, und die Frage zuerst untersucht werden miisse, eine allgemeine Harmonie im Reiche der Geister, oder wie es der Verfasser
ob sich in Beziehung auf das Verhalten des Menschen irgend etwas anders, ausdriickt, der Zwecke giebt, und daB ich mein eignes wahres Beste als-
als gut angeben lasse, als was wirklich fiir den Menschen, als ein empfin- dann ohnfehlbar befiirdere, wenn ich dem allgemeinen Interesse gemaB zu
dendes und denkendes Wesen gut ist. Wenn sich nun bey dieser U ntersu- handeln, zur Maxime meines Willens mache. Das Gegcnthcil hicvon heiflt
chung etwas findet, was ganz allgemein fiir empfindende und denkende bose, unsittlich, pflichtwidrig handeln, wenn ich namiich meinen beson-
Wesen ohne Ausnahme, unter allen Umstanden gut ist, so muB dies das dern Vortheil dem allgemeinen Interesse vorziehe, oder wie man es auch
hiichste und absolute Gute genannt werden. Giebt es ein solches hiichstes vorstellen kiinnte, wenn ich nicht meiner ganzen Natur, insofern sie mit
Gut, so muB es eine gemeinschaftliche Natur, und ein hierin gegriindetes der Natur aller verniinftigen Wesen eine und eben dieselbige ist, sondern
allgemeines Interesse aller verniinftigen Wesen geben, denn nur durch die nur einem Theile derselben [459] z. B. einer Neigung folge; aber alsdann
Ubereinstimmung mit jener, und der Conformitat mit diesem, kann etwas handle ich auch unweise, wie dann iiberhaupt Weisheit und Tugend nur
iiberhaupt fiir ein solches Wesen gut seyn. Diesem zufolge wiirde nun der verschiedene Benennungen, eben derselbigen Sache sind, und zwar wird
gute Wille derjenige seyn, dessen Maxime es ist: thue das, was deiner, und jene in Riicksicht auf den Verstand, und diese in Beziehung auf den Wil-
zugleich aller verniinftigen Wesen gemeinschaftlichen Natur, und darin len gebraucht. Allein mit dieser Weisheit ist, nach dem Sprachgebrauch,
gegriindetem gemeinschaftlichem Interesse gemaB und zustimmend ist. Klugheit und Schlauigkeit nicht einerley, und darum kann ich zugleich
Dies ist das hiichste Prinzip der Sittlichkeit, und wenn [458] dies keinen unweise und unpflichtmaflig und doch klug handeln, d. i. ich kann auf die
categorischen Imperativ giebt, so ist keiner miiglich. Denn hiiher oder tie- I nachsten von mir zu iibersehenden Folgen meiner Handlung Riicksicht
fer als in der gemeinschaftlichen Natur aller verniinftigen Wesen kann die
Regel ihres Willens und ihres Verhaltens nicht aufgesucht werden. Dies
l nehmen, und nach dieser meiner Voraussicht mein Bestes besorgen. Ich
kann aber auch bios aus Klugheit meine Pflicht thun, wenn nicht jenes
Prinzip wird verbindend, und ein Gesetz fur mich durch die Vorstellung, ll~meinsc~aftliche ~teresse der ~isterwelt, nich~ die Vors~l.lung von der
daB meines und aller verniinftiger Wesen Interesse eines und eben dasselbi- 1 Ubereinsttmmung dieses allgememen Interesse mtt dem melfllgen, sondern
ge ist, daB folglich nie eine wahre Collision meines wahren Vortheils, und
des wahren Vortheils anderer verniinftigen Wesen entstehen kiinne, und
I die vorausgesehenen und vorausberechneten Vortheile, die mir mein
Rechtthun einbringen wird, meinen Willen bestimmt, und ein gewisser
kaufmannischer Rechnungsgeist die Maxime desselben ausmacht. Freylich
daB in dem Faile, wenn ich nicht einen Theil meiner Natur, z. B. einer be-
sondern Neigung, sondern meiner ganzen Natur folge, ich zugleich nicht
I ware meine Voraussicht und Berechnung immer ohufehlbar und richtig,
nur mich selbst, sondern iiberhaupt aile verniinftige Wesen zu meinem und fanden sich in mir keine Hindernisse, das zu wollen, was mein wahrer
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~ffgemeine beut[d)e i!llbfiot~cr - Mai 1786 Jean to \Bmnblcgung ;ur 'llletap~~fi! ber elittcn 365
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von mir immer richtig erkannter Vortheil fordert, so ware diese Klugheit sucht, mithin wenn er tiber sich selbst hinausgehet, und in der Beschaffen-
mit Weisheit und Tugend einerley; aber alsdann fiinde auch keine eigentli- heit irgend eines seiner Objecte, das Gesetz sucht, das ihn ?estimmen so!!.
che Pflicht oder Nothigung durch Achtung fiir ein Gesetz zu demjenigen Der Wille giebt alsdann nicht ihm selbst, sondern das Object, ~urch sem
statt, was meine Weisheit oder Klugheit mir untrieglich und unwidersteh- Verhiiltnifl zum Willen, giebt diesem sein Gesetz. Dies Verhiiltmfl gestattet
lich vorschrieben, so wenig als bey Gott eine Pflicht kann angenommen nur hypothetische Imperativen: ich soli darum etwas thun, wei! ich etwas
werden. Aber nun, da meine Voraussicht und Berechnung sehr einge- anders will; dagegen sagt der categorische Imperativ: ich sol! so oder so
schriinkt und trieglich ist, und aile Schlauigkeit nicht zureicht, mir mein handeln; ob ich gleich nichts anders wollte, z. E. jener sagt: .ic~ soli nicht
wahres Beste zuverliillig zu entdecken, nun da ich besondere mit meinem !ligen, wenn ich bey Ehren bleiben will; dieser aber: ich sol! ~ucht !ligen,
wahren Interesse streitende Absichten und Neigungen habe, kann Klugheit wenn es mir auch nicht die mindeste Schande zuziige." Der W 1lle, sagt der
meine Maxime der Sittlichkeit nicht seyn, sondern ich mufl mich, wenn Verf., soli nicht tiber sich hinausgehen, nicht in der Beschaffenheit irgend
ich fiir mein wahres Bestes sorgen will, an eine sicherere Maxime halten, eines seiner Objecte, das Gesetz suchen, das ihn bestimmen sol!. Indessen
d. i. ich mufl recht zu thun zu meiner Maxime machen. Wenn ich mich mufl ihn doch etwas bestimmen, etwas (461] an das Gesetz binden; sol!
nun hieran halte, so handle ich pflichtmiillig, und dies ist offenbar vom dies nun nicht die besondere Beschaffenheit des Objects seyn (dahin dann
klug handeln, oder vom Berechnen und Beobachten meines eigenen Vor- auch die Folgen seiner Wahl dieses Objects gehoren), so bleibt schlechter-
theils oder Schadens in jedem Fall weit unterschieden. Der Mensch also dings nichts anders iibrig, als seine eigene Natur, und das i~ dersel~en
handelt pflichtmiillig und recht, der in dem obigen Beyspiele sich darum gegriindete allgemeine Interesse jedes verniinftigen Wesens, d~s 1h~ besnm-
nicht durch ein betriegliches Versprechen aus der Verlegenheit ziehen will, men kann und sol!. Ein betriegliches Versprechen zu thun, 1st d1esem In-
wei! er i.iberzeugt ist, daB dies jener Maxime, nichts zu thun, was dem teresse entgegen, dieser Umstand allein, (nicht die etwannigen guten oder
Interesse aller verni.infti{460]gen Wesen, und also eingeschlossen, seinem schlimmen Folgen, die sein li.igenhaftes Versprechen fur ihn haben konn-
eignem wahren Interesse entgegen ist, widerstreitet; der handelt kliiglich, ten) sol! ihn bestimmen, dergleichen Versprechen nicht zu thun. Eine~ an-
der ohne auf das Interesse des Ganzen Riicksicht zu nehmen, das betrieg- dern Sinn, als daB das in der gemeinschaftlichen Natur der verniinft1gen
liche Versprechen bios darum unterliillt, wei! er befiirchtet, daB es ihn urn Wesen gegriindete doppelte Interesse der Wahrheit und des Nutzens, oder
seinen Credit bringen, oder sonstige Nachtheile zuziehen wiirde. das aus der Harmonie eines Satzes mit den wesentlichen Gesetzen unserer
Vergleichen wir endlich die dritte Forme!, worin der Verf. sein Prinzip Denkkraft, und das aus der Ubereinstimmung desselben mit unserm gan-
der Sittlichkeit, oder seinen categorischen Imperativ ausdriickt, so mochte zen Begehrungsvermogen oder der Summe derselben resultire~de Inte':sse
sich auch mit dieser unser hypothetischer Imperativ einigermassen verein- aller verniinftigen Wesen den Willen als Gesetz, und als Max1me besnm-
baren lassen. Diese dritte Forme! ist: die Autonomie des Willens ist das men soli, einen andern Sinn, sage ich, kann ich dieser Autonomie nicht
hochste Prinzip der Sittlichkeit .Diese Autonomie des Willens ist die Be- beylegen; ich kann mir auch keine freyere Gesetzgebung gede_nke~ od~r
schaffenheit desselben, dadurch er ihm selbst (unabhiingig von aller Be- wiinschen, als die gleichsam meine eigene Natur ausiibt, und die die Stm-
schaffenheit der Gegenstiinde des Wollens) ein Gesetz ist. Das Prinzip der ker durch diese Formeln ausdiiickten: naturam, optimam ducem, tanquam
Autonomie ist also: nichts anders zu wiihlen, als so, daB die Maxime seiner Deum sequi, naturae convenienter vivere u. s. w. Und alsdann stimmt dies
Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen mit dem von mir vorgeschlagenen hypothetischen Prinzip der Sittlichkeit
sey." Dies ist etwas undeutlich, aber ich verstehe es so, daB die Maxime iiberein. Versteht der Verf. aber dies darunter, der Wille giebt sich ein
nichts anders, als das Gesetz selbst sey; wird es niimlich objective genom- Gesetz, ohne darauf zu sehen, ob dies Gesetz irgend wozu gut sey, und auf
men, so heillt es das Gesetz, dem der Wille gemiill ist; nimmt man es irgend ein Interesse Beziehung habe, oder insofern durch diese Formel_der
subjective, so ist es die Maxime, nach welcher der Wille handelt. Noch Autonomie eine Lossagung von allem Interesse beym Wollen aus Pflicht
deutlicher wird dies werden, wenn man das, was der. Verf. Heteronomie sol! angedeutet werden, so scheint mir diese ganze eigenmiichtige_ Ges~tz
des Willens nennt, dagegen hiilt. Diese Heteronomie sol! alsdann statt fin- gebung ein blindes Verfahren, und von dem, v:as man so!'st E1gensmn
den, wenn der Wille irgends worin anders, als in der Tauglichkeit seiner nennt, wo es heiflt: stat pro ratione voluntas, wemg untersch1eden zu seyn.
Maxime zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung seine Bestimmung Es wi.irde sich aber diese dritte Forme! der Autonomie des Willens in die-
366 2!Ugemeine beutfd)e I!Jioliot~er - Mai 1786 .!tan ttl <!Jrunblegung !Ul Wletap~vfit bet e;men 367
sem Sinn genommen, mit der ersten: hand!~ sq daft du wollen kanns~ daft wie dies Interesse nehmen iiberhaupt miiglich sey. Er bedient sich dazu
die Maxime deines Willens ein allgemeines Gesetz werde, aus den oben ange- seines problematischen FreyheitsbegriHes, [463] versetzt uns aus der Sin-
fiihrten Griinden nicht wohl vereinigen lassen, denn diese Forme! weiset nen- in die Verstandeswelt, und holt aus dieser uns seinen sonstigen Prin-
doch, so wenig dies der Verfasser auch zugestehen will, auf eine Bedingung zipien nach, viillig unbekannten Welt, die Griinde zur Miiglichkeit und
hin, die meine Maxime haben mull, urn in einer allgemeinen Gesetz- N othwendigkeit seines categorischen Imperativs heriiber. Da ich schon
gebung zu passen. Wenn man daher diese erste Forme! mit unserm hypo- iiber diesen Freyheitsbegriff, worauf zuletzt das ganze Moralsystem des
thetischen Prinzip vergleicht, so [462] wird man finden, dall beyde mit Verf. ruhet, mich in der Anzeige der Schulzischen ErHiuterung iiber die
gleichem Rechte entweder categorisch oder hypothetisch genannt werden Critik der reinen Vernunft erkliirt habe, so sage ich davon weiter nichts,
kiinnen. Nun scheint das Prinzip: ich soli etwas thun, wei! es meiner und und begniige mich our noch dies anzumerken: wenn auch aile die Vor-
aller verniinftigen Wesen Natur und Interesse gema/l ist, noch mehr gerade wiirfe, die der Verf. den von den seinigen abweichenden Moralsystemen
zu ausgedriickt zu seyn, als des Verf. categorisch seyn sollender Imperativ, macht, dall sie namlich durch Angebung uniichter (hypothetischer) Prinzi-
von der allgemeinen Gesetzgebung, denn, wie gesagt: ich mul! doch auf pien der Sittlichkeit die Moral auf mannigfaltige Weise verdirbt, und der
das erstere, als einzig miigliche Bedingung, zuriickkommen, wenn ich Sittlichkeit der Menschen schadlich gewesen, gegriindet waren, das seinige
einen Erkenntnillgrund suche, was?, und warum es sich in die allgemeine doch diese Gebrechen, hiichstens our in der Theorie, oder der blossen
Gesetzgebung pallt? · Speculation nach, heilen wiirde, fiir die Praxis aber gar keine Dienste
leisten kiinne, wei! sein Prinzip schlechterdings weder dem Verstande ge-
Nachdem ich nun dem Verf. bis hieher, da er den Hauptsatz seiner meiner und gewiihnlicher Menschen, und iiberhaupt denen, die nicht im
Schrift ausgefiihrt, dall der sitdiche Imperativ categorisch seyn miisse, und speculativen Denken geiibt sind, als verbindendes Gesetz einleuchtend zu
wie derselbe in drey verschiedenen Formeln ausgedriickt werden kiinne, machen ist, noch auf den Willen derer Einflul! haben kann, fiir die selbst
gefolgt bin, und einige meiner Gegengriinde, warum ich einen categori- der Begriff von Gliickseligkeit noch zu hoch, zu abstract, und zu unwirk-
schen Imperativ der Sittlichkeit weder fiir niithig noch fiir miiglich halte, sam zu seyn scheinet. Was wollen wir bey Menschen, deren beynahe einzi-
angefiihrt habe, so wird es nun urn so weniger niithig seyn, ihm in den ge Triebfedern Neigung zum Vergniigen, und Abscheu vom Schmerz ist,
iibrigen Theil, der die abstruseste Metaphysik enthalt, und zeigen soli, wie wohl durch diese Vorstellung ausrichten? Du mullt Recht thun, wenn du
ein solcher, ganz unbedingter Imperativ, miiglich sey, und warum er noth- auch aile deine Neigungen verleugnen, ja, wenn du auch selbst den Trieb
wendig sey, noch weiter nachzugehen, oder vielmehr in die tiefste Grube nach Gliickseligkeit unterdriicken solltest, denn nicht urn gliicklich zu
der Speculation nachzuklettern, urn doch our statt aller Ausbeute, dies in werden, sonden urn der Gliickseligkeit wiirdig zu seyn, mullt du Recht
der That wenig befriedigende Resultat herauszubringen, .dal! wir zwar thun. Zwar ist es wahrscheinlich, dall, wenn du dich hier der Gliickselig-
nicht die praktische unbedingte Nothwendigkeit des moralischen Impera- keit durch Rechtthun wiirdig machst, du derselben dereinst theilhaftig
tivs begreifen, aber doch seine Unbegreiflichkeit begreifen, wenn dies auch werden wirst, aber diese Hoffnung mull bey dir kein Bewegungsgrund
alles seyn sollte, was man billigermassen von einer Philosophie, die bis zur seyn, deine Pflicht zu erfiillen, wofern du nicht deine Sittlichkeit ver-
Grenze der menschlichen Vernunft in Prinzipien strebt, fordern kiinne." derben, und deine Tugend verfalschen willst, du wiirdest alsdann, so recht-
Es mag genug seyn, noch folgendes beyzufiigen. Der Verf. gesteht, dall, ma/lig auch deine Handlungen seyn miichten, doch immer our klug, nicht
obgleich uns kein Interesse irgend einer Art zur U nterwerfung unter dem aber sittlich handeln.
Prinzip der Sittlichkeit treiben kiinne, (wei! dies our immer einen beding- Sg.
ten Imperativ geben miillte) wir doch hieran nothwendig ein Interesse neh-
men, und sehen miissen, wie das zugehet. Hier mul!te nun der Weltweise
allen seinen Scharfsinn aufbieten, nicht our zu zeigen, wie dies niithige
Interesse nehmen, an einem Prinzip der Sittlichkeit, das alles Interesse
ausschliellt, von dem, durch Interesse zur Unterwerfung unter demselben,
getrieben werden, unterschieden sey, sondern auch begreiflich zu machen,
1
368 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 8. Mai 1786 Mendelssohn an die Freunde Lessings I Jacobi wider M.s Beschuld. 369
'•
mir und mehrern andern von dieser Sache sprach, und so ausfiihrlich
LEIPZIG, bey Goeschen: Friedrich Heinrich Jacobi wider Mendelssohns Be-
selbst in den spatern Abendstunden sprach, in denen er sonst bios zuzu-
schuldigungen betre/Jend die Briefe uber die Lehre des Spinoza. 127. S. 8.
hiiren, oder von den gleichgiiltigsten Dingen zu reden pflegte, diese Leb-
1786.
haftigkeit zeigte nur allzudeutlich, wie sehr sein Kopf und sein Herz in
So eben ist diese von vielen begierig erwartete Schrift erschienen, veran-
Bewegung waren. Zugleich war ibm nun der Plan zu dem zweyten Theile
laBt durch folgende von den meisten unsrer Leser wahrscheinlich schon
seiner Morgenstunden, dem er den oberwehnten Briefwechsel einflechten
gelesene, die zu
wollte, zerrissen; er [251] konnte die Ausarbeitung nicht mehr so ruhig,
BERLIN, bey Voll und Sohn unter dem Titel herauskam: Moses Mendelssohn
wie bisher, verschieben, und strengte sich an, einen ganz neuen Entwurf
an die Freunde Lessings. Ein Anhang zu Herrn Jacobi Briefwechsel iiber die
in Ansehung der Folge der Materien und der Art ihrer Entwickelung zu
Lehre des Spinoza. XXIY. und 87 S. 8. 1786.
machen. Bey der Wallung, die diese zu anhaltende und zu interessante Be-
s ist bekannt, was Hr. Prof. ~ngel in ~er Vorrede dazu_ bemerkte, !n schaftigung in seinem Blute hervorgebracht hatte, und bey der ohnehin
E was fiir lebhafte Bewegung die Erschemung der Jacobrschen Schrrft
iiber die Lehre des Spinoza den Philosophen Moses Mendelssohn gesetzt
schon so grollen Schwache seines Nervensystems bedurfte es nur des
mindesten auftern Zufalls, und der vortrefliche Mann war verloren." Es war
babe. Es hatte ibn schon die Ausarbeitung des ersten Theils seiner [250] in dieser Erzahlung gar nichts unglaubliches. Niemand<"\konnte es einfal-
Morgenstunden angegriffen, er war entschlossen sich ganze Monate lang len, Hn. Jacobi deswegen etwas zur Last zu legen. Blickte auch eine kleine
bios seinen gewiihnlichen Geschaften zu widmen, bis er erst wieder volle Empfindlichkeit gegen diesen aus Hn. Engel's Erzahlung hervor, so war
Kriifte zur Ausarbeitung des zweyten Theiles fiihlen wiirde.• Auf einmal, sie im ersten lebhaftesten Gefiihle des Schmerzens iiber eines solchen
fuhr Hr. Engel fort, erschien die bekannte Schrift des Hrn. Jacobi, die ibn Freundes Verlust sehr natiirlich, und Hr. Jacobi selbst konnte sie bey
ein wenig zu nahe anging, urn sie ungelesen zu lassen. Anfanglich wollte kalrem Blure nicht iibel aufnehmen. Unstreitig aber war es eine plumpe
er die Existenz dieser Schrift, und als diese bald auller Zweifel gesetzt war, und uniiberlegte AuBerung, als in einer Berlinischen politischen Zeitung
wenigstens einen solchen Inhalt derselben durchaus nicht glauben. DaB gesagt wurde: Lavater babe mit seiner Auffoderung (Bonnets Beweis des
Hr. Jacobi ·gegen ibn selbst, seinem ausdriicklichen Versprechen zuwider, Christenthums betreffend) Mendelssohns Gesundheit den ersten Stoll ge-
des zwischen ihnen vorgefallenen Briefwechsels erwahnen, und ibn ha- geben; und Jacobi babe das Werk vollendet. Und gleichwohl, wenn anders
mischer Weise in den so gehassigen Verdacht des Atheismus bringen wiir- diese Aullerung nicht viilligen Nonsense enthalten sollte, konnte damit
de; das krankte ibn zwar allerdings, doch verzieh ers; und da sein Buch doch nichts anders gesagt werden, als dieses: Mendelssohn wiirde vielleicht
de~ Ungrund dieses Mistrauens durch das iiberall darinn beobachtete tiefe gesiinder gewesen seyn, wenn er sich nicht iiber Lavaters Zudringlichkeit
Still~chweigen von jenem Briefwechsel so unlaugbar bewies; so wiirde dies damals geargert; wiirde vielleicht itzt noch nicht gestorben seyn, wenn ibn
allein seinen Entschlull sich auszuruhen nicht geandert haben. Aber dall nicht das Interesse an Hn. Jacobi's Schrift zu Anstrengungen verleitet
Lessing, dieser ibm so theure, so unvergellliche Mann, dieser Freund seiner hatte, die ibn itzt so schwachten, daB bey einem noch so kleinen hinzu-
Jugend, dem er einen so grollen Theil seiner Bildung, dem er urspriinglich kommenden Zufalle der Schlagjlufi aus Schwiiche erfolgte, an dem er, wie
aile seine Kenntnill der alten und neuen Literatur zu verdanken hatte, und sein Freund und Arzt, Hr. Hofr. Herz in dem Berichte von seiner Krank-
durch den er zuerst, gleichsam wider seinen Willen, zum Schriftsteller ge- heit (den Hr. Engel seiner Vorrede angehangt hat) bezeuget, gestorben ist.
worden, daB dieser nicht bios als Atheist, sondern als Spotter, als Heuch- Was nun aus Gelegenheit dieser AuBerung Hr. Kapellmeister Reichard
ler vor der Welt erscheinen und Er, Mendelssohn, Ieben und es zugeben (gleichsam als ob Hr. Jacobi einer Vertheidigung hierinn bedurft hatte) in
sollte, das war ibm durchaus unertraglich. Sein EntschluB, sich zu erholen, den hamburgischen Zeitungen abdrucken lassen, und wie solches von
war in dem Augenblicke dahin; er iiberwand seinen Abscheu gegen Strei- Hrn. Engel und andern vertrauten Freunden des sel. Mendelssohns beant-
tigkeiten; er wollte sogleich den ersten Eindruck vertilgen, den die Jaco- wortet worden, ist weder niithig zu wiederholen noch auch bieber gehii-
bische Schrift gemacht haben konnte, und so opferte er in der Aus- rig. Wir wenden uns daher zur Mendelssohnschen Schrift an die Freunde
arbeitung der nachfolgenden Bogen den letzten Rest seiner Kriifte Gott Lessings selbst. Wenn wir uns nicht sehr irren, so wiirde Mendelssohn
und der Freundschaft. Die ungewiihnliche Lebhaftigkeit, womit er mit Hrn. Jacobi's Nachricht, Lessing sey Spinoia's Meynung gewesen, anders
370 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 8. Mai 1786 Mendelssohn an die Freunde Lessings I Jacobi wider M.s Beschuld. 371
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angesehen und aufgenommen haben, wenn sein Kiirper nicht so reitzbar, So dachten wir iiber die Beschuldigungen, die Mendelssohn Hrn. Jacobi
seine Kriifte nicht so geschwacht gewesen waren, und sich nicht eine Art machte, da wir des erstern Schrift an die Freunde Lessing's zum erstenmale
von freundschaftlicher Eifersucht ins Spiel gemischt hatte. Dieses schien gelesen batten. Itzt wollen wir Hrn. Jacobi's eigne Vertheidigung getreu-
uns gleich aus folgender Exposition des Jacobischen Unternehmens zu er- lich referiren. 1. Obgleich Hr. J. selbst gesagt hatte, (in seiner Schrift iiber
hellen .•Dber aile Bedenklichkeiten hinweg, wirft er den Zankapfel in das Spinoza), die Wahrscheinlichkeit von der einen Seite, dall mehrere von
Publicum, und klagt unsern Freund Gotthold Ephraim Lessing, den Heraus- Lessing's Spinozismus unterrichtet waren, und die Gewillheit von der an-
geber der Fragmente, den Verfasser des Nathan, den grollen bewunderten dern, dall M. davon nichts zuverlassiges bekannt geworden, bewogen mich
Vertheidiger des Theismus und der Vernunftreligion, bey [252] der Nach- letzterem einen Wink datiiber zu verschaffen, so beweiset er doch, urn sich
welt als Spinozisten, Atheisten, und Gotteslasterer an." Eine A nklage konn- gegen den Vorwurf einer Zudringlichkeit zu schiitzen, aus einem Briefe der
te Hn. J. Behauptung wohl nicht heillen, wenn Hr. M. nicht die eigent- gemeinschaftlichen Freundinn, die [253] er bier der Kiirze wegen Emilie
liche Bedeutung dieses WortS, welches in Streitsachen gar nicht geschehen nennt, dall diese, nicht Er, zuerst Hrn. M. jene Nachricht mitgetheilt.
sollte, ganz verandern wollte. Hr. J. sah die Behauptung, Lessing sey ein 2. soli Mendelssohn, wie Hr. Jacobi dessen zweyte Beschuldigung vor-
Spinozist gewesen, fiir so wenig nachtheilig an, als den Satz: Moses tragt, angedeutet haben, die von Hrn. J. erhaltene Erlauterung sey in so
Mendelssohn war ein Leibnitianer. Dall sich Hr. M. auf die Ausgabe der vollem Maaft gewesen, dall er itzt nur noch besser eingesehn, man sey ge-
Fragmente, auf den Nathan beruft, und es damit gleichsam fiir unbegreif- neigt Lessingen auf diese Weise den Procell zu machen, und vollkommen
lich erklaren will, dall L. Spinozist gewesen seyn solle, ist ein Argument iiberzeugt worden, die Nachricht von seiner Anhanglichkeit an Spinoza
von sehr geringem Gewicht. Gesetzt dall Lessings Absicht gewesen ware, sey blolle Anekdotenkramerey. (Den Worten nach schien zwar Men-
bey Ausgabe der Fragmente die christliche Religion anzugreifen, folgte delssohn [S. 11. seiner Schrift] schnurstracks das Gegentheil zu sagen; er
daraus wohl, dall er mit dem U ngenannten, eben so wie in seinen Antithe- sagt aber freilich bios, das Schreiben des Hrn. Jacobi babe ihm genugsam
sen gegen das Christenthum, auch in seiner Vertheidigung der Vernunft- zu erkennen gegeben, dall die Nachricht - keine blolle Anekdoten-
religion einstimmen mullte? Haben nicht schon manche Vertheidiger der kramerey, sondern das Resultat vertraulicher U nterredungen seyn solie;
christlichen Religion manchen Deisten schuld gegeben, dall sie eben so und Hr. J. schliellt aus dem iibrigen, was M. sagt, dall jenes seine wahre
wenig im Ernste der natiirlichen Theologie als der christlichen zugethan Uberzeugung gewesen. Wir batten aber gewiinscht, Hr. J. hatte sich auch
waren? Und nun vollends der Nathan - ein Dicht<rrWerk, in dramatischer hier an Mendelssohns Worte gehalten; wie er sonst meistens thut) 3) wi-
Form - wie vie! Nebenbeweise gehiirten dazu, urn aus den Grundsatzen derlegt Hr. Jacobi Mendelssohns Behauptung, dall er von Hn. J. im meta-
der natiirlichen Religion, die L. da seinem Nathan in den Mund legt, auf physischen Fache vorher nie etwas gesehn babe, indem er anfiihrt .•Die
seine eignen mit Sicherheit schliellen zu kiinnen; so viele, dall man besser Schrift: Etwas was Lessing gesagt ha~ hatte Hr. M. wenigstens gesehen,
thut aus dem Nathan Iieber gar nichts, fiir oder wider diesen Umstand denn er hatte Bemerkungen datiiber aufgesetzt, auch dem Verfasser Rich-
zu folgern. Dall Lessing jemals, als Vertheidiger der Vernunftreligion, graft tigkeit des U rtheils und selbst Tiefsinn beygemessen."- Hier mullte also
erschienen und bewundert worden sey, ist uns ganzlich unbekannt. Be- Hr. M. entweder aus Ubereilung oder aus Vergessenheit jenes niederge-
wundert hat man seinen U nternehmungsgeist, seinen Scharfsinn, seine schrieben haben. 4. Unter dem Titel: Vierte Beschuldigung erwarteten wir,
spitzfindige und witzige Dialektik, aber was und wieviel er in Sachen der dall Hr. J. etwas gegen Mendelssohn dariiber sagen wiirde, dall letzterer
natiirlichen Theologie fiir richtig gehalten und mit einiger Uberzeugung dafiir hielt, Hr. J. ging darauf aus, seine Nebenmenschen, die sich in der
anerkannt babe, das haben aile seine Schriften im Dunkeln gelassen. Wo Speculation verloren haben, auf den ebnen und sichern Pfad des Glaubens
nun endlich in Hrn. Jacobi's Schrift Lessing als Gotteslasterer, (oder wie zuriick zu fiihren. Hier kiimmt er aber ganz auf andre Sachen und sagt
M. S. 6 sagt) als heimlicher Gotteslasterer, mithin auch als Heuchler, sey ange- von S. 37-57, wo die Antwort auf die fiinfte Beschuldigung angeht, nichts,
klagt worden, fanden wir am allerwenigsten, und wiirden bier den berli- gar nichts, was sich auf jene ihm beygemessene Absicht beziige. In dem
nischen Philosophen einer Consequenzenmacherey zeihen, wenn nicht iibrigen hat er sich gegen manches andre treffend, wenn gleich oft bitter,
eine solche Ubereilung aus oben angefiihrten Umstanden gar Ieicht er- verantwortet. Folgendes miissen wir jedoch bier auszeichnen. S. 44. .Les-
klarbar ware. sing hallte alles schniide unwillige Wegwerfen; dem nav in seiner Seele war
372 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 8. u. 12. Mai !786 Mendelssohn an die Freunde Lessings I Jacobi wider M.s Beschuld. 373
ein weibischer Eke! iiber alles eke/haft, un'd er verachtete den Mann, bey wir, wie schon oben gesagt, mit ihm einverstanden, da wir bios die Schrift
dem er diesen Eke! bis zum Abscheu steigen sah. Nicht wei! er einen sol- an die Freunde Lessings gelesen batten. Uberhaupt treten wir ihm in den
chen Eke!, oder einen solchen Abscheu von seinem Freunde Mendelssohn Hauptstiicken seiner Apologie bey, wiinschten aber, dall ibn der Unwille
befiirchtete, verschwieg er ihm seine geheime Meinung, sondern aus einer nicht zu mancher Bitterkeit und Inconsequenz verleitet hatte. Wie kann er
Ursache, die uns Mendelssohn selbst in der Vorrede zu den Morgenstun- z. E. die Ailg. D. Bibliothek einen paraphrasirten Mellkatalogus nennen?
den und in dem Briefe an mich vom ersten Aug. 1784 vor Augen legt. Recensent steht weder mit Hn. Jacobi, noch Hn. Nicolai, (die er sonst
Mendelssohn hatte sich in die Leibnitz-Wolfische Philosophic allein ganz beyde nach Verdienst ehret) in der geringsten Verbindung; er arbeitet nicht
hinein gedacht, und war steif darinn geworden. Damit entschuldigte ihn an der A. D. Bibliothek; aber wenn sogar Hr. Jacobi sein griillter Wohl-
auch Lessing {entschuldigen ist hier nicht das rechte Wort, denn was gibt thater, und Hr. Nicolai sein Todfeind w1ite, so miillte er gestehn, nicbt
es hier zu entschuldigen?) in Absicht des tautologischen Beweises vom Da- zu begreifen, wie die allgemeine deutsche Bibliothek ein paraphrasirter
seyn Gottes, er entschuldigte ihn mit dem, was er mir vorhin und auf das Meflkatalogus heillen kiinne, und nicbt zu wissen, ob in diesem Ausdrucke
erste Wort schon zuge{254Jgeben hatte, dall M. zwar ein heller, richtiger, paraphrasirter Meflkatalogus liberal! nur ein Sinn sey!
vorziiglicher, aber kein metaphysischer Kopf sey. Mendelssohn brauchte
Philosophic, fand was er brauchte in der herrschenden Lehre seiner Zeit, [281] Zwar lallt sich zur Entschuldigung dieser Bitterkeit, welche in
und hielt sicb dran. Andern Systemen nachzuforschen, sie einzusaugen, Hrn. Jacobi's Apologie eingeflossen, eben das sagen, was Hr. Nicolai in
und in Saft und Blut zu verwandeln, hatte er weder Beruf noch Lust. (Hier der unlangst angezeigten Schrift gegen Hrn. Garve fiir sich anfiihrt. Man
scheint uns_wit dem ersten etwas zu vie! gesagt, und das zweyte nicht be- kann menschlicher Weise nicht erwarten, dall jeder jede Beschuldigung,
stimt genug gesagt zu seyn.) Ihm mangelte jener philosophische Kunst- die er ungerecht findet, mit Kalte abfertigen; kann kein allgemeines Maas
trieb, der gerade der auszeichnende eigenthiimliche Charakter Lessings vorschreiben, wie tief er sie fiihlen, und wie heftig oder sanft er sie ahnden
war." S. 5~,- wird betheuert: .Lessing habe das Fragment Prometheus, solle. Fiir den Leser aber bleibt es immer unangenehm, wenn Eife~. und
(schlechte Verse nennte sie M.) nicht allein gut gefunden, sondern sie iifter Hitze selbst den, der sich im Stande der Vertheidigung befindet, zu Uber-
wieder begehrt, sie ein Gedicht genannt, das Gedicht gelob~ und sogar be- treibungen hinreillt. Zu solchen Ubertreibungen rechnen wir, wenn Hr. J.
wundert. Nocb an dem Morgen unsers Abschiedes zu Halberstadt beym S. 98. sagt: .Wie lehrreich in dieser Absicht ist ein kurzer Zeitraum von
Friihstiicken, da von nicht schlechten Versen die Rede kam, foderte Les- noch nicht drey Monaten schon gewesen! Wie auffa!lend ist es nicht ge-
sing den Prometheus mir noch einmal ab, lobte und bewunderte den ach- worden, dall philosophischer Dogmatismus und Partheygeist nicbt weni-
ten lebendigen Geist des Alterthums nach Form und Inhalt, darinn von ger hitzig, ansteckend, polternd, und brausend sey, als der priesterliche.
neuem." Wir lassen das letzte an seinen Ort gestellt seyn, zweifeln im Wie auffallend, dall jener Fanatismus nocb ungerechter, tiickiscber, und
mindesten an der Richtigkeit des Facti nicht; indell begriffen wir schon grausamer, sein Aberglaube noch blinder und hartnackiger mache als die-
nicht, wie Lessing diese Verse gut, sebr gut finden konnte, (A. L. Z. ser. - Was fiir Winke wurden nicht schon gegen micb gegeben? Winke,
Nr. 36. S. 293.) und verstehn also hier noch weniger, wie Lessing gerade von denen Lessing mit Grunde sagt, dall sie Meuchelmord sind."
hier zur Bewunderung kam. Es miillte denn seyn, dall Hr. Jacobi das gauze Wenn Mendelssohn S. 84. der Scbrift an die Freunde Lessings also
dramatische Gedicht (aus welcbem dieses, wie er nun erst erzahlt, und wir schrieb: .Mit einem Worte, ich kann mich in die praktischen Grundsatze
sonst schon vermutheten, ein Fragment ist,) Lessingen vorgelesen hatte. des Hrn. J. eben so wenig als in seine theoretischen finden. Icb glaube, es
Denn da kiinnten freilich diese Verse, die als ein einzelnes abgerillnes sey bey so bewanndten U mstanden durch Disput wenig auszurichten, und
Stiick einen nur mittelmalligen Werth zu haben scheinen, als scbickliche also wohl gethan, dall wir aus einander scheiden. Er kehre zum Glauben
Theile eines vortreflicben Ganzen, sowohl durch sicb selbst, als durch ihre seiner Vater zuriick, bringe durch die siegende Macht des Glaubens die
Verbindung vortreflich seyn. 5. Gegen Moses Mendelssohns Vorwiirfe, als schwermaulige Vernunft untern Gehorsam, seWage die aufsteigenden
habc Hr. J., in seiner Schrift tiber die Lehre des Spinoza, angeklag~ Les- Zweifel, wie in dem Nachsatze seiner Schrift geschieht, durch Autoritaten
singen angekla~ als heimlichen Gottesliisterer; mithin auch als Heuchler und Machtspriiche nieder, segne und versiegele seine [282] kindliche Wie-
angeklagt, antwortet Hr. J. fiir uns viillig befriedigend; hierinnen waren derkehr mit Worten aus dem frommen engelreinen Munde Lavaters" - so
374 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 9. Mai 1786 Kants Metaphysische Anfangsgriinde der Naturwissenschaft 375
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laugnen wir nicht, dall darinn Hrn. Jacobi tbeils durch Misverstand, theils und Naturgeschichte als einer systematischen Darstellung derselben in ver-
durch den sarkastischen Ton, zu dem sich keine gerechte Ursach fand, Un- schiedenen Ortern und Zeiten bestehen wiirde,) und in Naturwissenschaft
recht gethan worden; der Misverstand aber war auch zum Theil von ihm eingetheilt. Die Naturwissenschaft wiirde nun wiederum entweder eigent-
selbst veranlallt worden. Hatte er sich gleich in der ersten Schrift so deut- lich, oder uneigentlich sogenannte Wissenschaft seyn, wovon die erstere
lich wie jetzt erklart, dall er unter Glauben nichts anders als moralische ihren Gegenstand giinzlich nach Principien a priori, die zweyte nach
Gewiflheit verstehe, dall er im Grunde bios eben das sagen wollen, was Erfahrungsgesetzen behandelt. Eigentliche Wissenschaft kann nur diejenige
Kant in der Critik der reinen Vernunft schon ausgefuhrt hatte, dall von genannt werden, deren Gewillheit apodiktisch ist. Erkenntnill, die bios
den Wahrheiten der natiirlichen Religion keine apodiktische wohl aber empirische Gewillheit enthalten kann, ist ein nur uneigentlich sogenann-
moralische Gewillheit statt finde, so hatte Moses Mendelssohn unmiiglich tes Wissen. Dasjenige Ganze der Erkenntnill, was systematisch ist, kann
so gegen ihn schreiben, unmiiglich voraussetzen kiinnen, er wolle den schon darum Wissenschaft heillen, und wenn die Verkniipfung der Er-
christlichen Glauben auf Unkosten der Vernunft erhiihen, und anpreisen. kenntnill in diesem System ein Zusammenhang von Grunden und Folgen
Gern geben wir zu, dall es unrecht ist, wenn man im Disputiren sich .mit ist, so gar ratioMle Wissenschaft. Wenn aber diese Griinde oder Principien
Bildern und Worten" des Gegners herumschlagt und immer thut, .als ob in ihr, wie z. B. in der Chemie, doch zuletzt bios empirisch sind, und die
man den Begriff nicht siihe"; aber es ist doch auch zu bedenken, dall, Gesetze, aus denen die gegebnen Facta durch die Vernunft erkliirt werden,
wenn es in der Philosophie nicht sowohl urn Schimmer als urn Wahrheit bios Erfahrungsgesetze sind, so fuhren sie kein Bewustseyn ihrer Noth-
zu thun ist, man sich hiiten miisse durch allzuhiiufige Bilder, durch wendigkeit bey sich, und alsdann verdient das Ganze im strengen Sinn
schwankende Ausdriicke die Begriffe zu verstecken, und Misverstand zu nicht den Na{262]men einer Wissenschaft, und Chymie sollte daher eher
veranlassen. systematische Kunst als Wissenschaft heillen. -
Eigentlich so zu nennende Naturwissenschaft setzt zuerst Metaphysik
der Natur voraus, denn Gesetze, d. i. Principien der Nothwendigkeit des-
sen, was zum Daseyn eines Dinges gehiirt, beschiiftigen sich mit einem
Begriffe, der sich nicht construiren liillt, wei! das Daseyn in keiner An-
RIGA, bey Hartknoch: Metaphysische Anfangsgriinde der Naturwissenschaft
schauung a priori dargestellt werden kann. Daher setzt eigentliche Natur-
von Immanuel Kant. 158 S. gr. 8. 1786. {12 gr.)
wissenschaft Metaphysik der Natur voraus. Diese mull nun zwar jederzeit
"\ Ton diesem neuen Schritte, urn den der Verfasser auf der von ihm Iauter Principien, die nicht empirisch sind, enthalten, {denn darum fuhrt
V selbst vorgezeichneten Bahn fortgeriickt ist, geben wir, wie bey der sie eben den Namen einer Metaphysik) aber sie kann doch entweder sogar
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, nur erst eine vorliiufige Nach- ohne Beziehung auf irgend ein bestimmtes Erfahrungsobject, mithin unbe-
richt; eine genaue Eriirterung soli im Laufe dieses Jahres nachfolgen. stimmt in Ansehung der Natur dieses oder jenes Dinges der Sinnenwelt,
In der Vorrede entwickelt Hr. K. den Zusammenhang der hier ab- von den Gesetzen, die den Begriff einer Natur iiberhaupt miiglich rna-
gehandelten Wissenschaft mit den angriinzenden und ihre eigentliche chen, handeln, und alsdenn ist es der transcendentale Theil der Metaphysik
Bestimmung. Das Wort Natur wird hier in materieller Bedeutung genom- der Natur; oder sie beschaftigt sich mit einer besondern Natur dieser oder
men, nicht als eine Beschaffenheit, sondern als der Inbegriff aller Dinge, jener Art Dinge, von denen ein empirischer Begriff gegeben ist, doch so,
so fern sie Gegenstiinde unserer Sinne, mithin auch der Erfahrung, seyn dall auller dem, was in diesem Begriffe liege, kein anderes empirisches
kiinnen. Die Natur in dieser Bedeutung genommen hat zwey Haupttheile, Princip zur Erkenntnill derselben gebraucht wird {z. B. sie legt den empi-
deren einer die Gegenstiinde iiuflerer Sinne, der andre den Gegenstand des rischen Begriff einer Materie, oder eines denkenden Wesens, zum Grunde
innern Sinnes enthalt; mithin ist von ihr eine zwiefache Naturlehre, die und sucht den Umfang der Erkenntnill, deren die Vernunft iiber diese
Korperlehre, und Seelenlehre miiglich. Gegenstiinde a priori fiihig ist, und da mull eine solche Wissenschaft noch
Die Naturlehre wird am besten in historische Naturlehre, ·welche nichts immer eine Metaphysik der Natur, namlich der kiirperlichen oder den-
als systematisch geordnete Facta der Naturdinge enthalt (und wiederum aus kenden, N atur heillen, aber es ist alsdann keine allgemeine, sondern beson-
Naturbeschreibung, als einem Klassensystem derselben nach Ahnlichkeiten, dere metaphysische Naturwissenschaft, (Physik und Psychologie) in der
376 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 9. Mai 1786 Kants Metaphysische Anfangsgriinde der Naturwissenschaft 377
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jene transscendentale Principien auf die z~ey Gattungen der Gegenstiinde hat dieses gethan, indem er den Begriff der Materie durch aile vier
unserer Sinne angewandt werden. Functionen der Verstandesbegriffe, der Gr6fte, der Qualitii~ der Relation,
In jeder besondem Naturlehre kann nur so vie! eigentliche Wissenschaft der Modalitii~ durchfiihrte und so die metaphysischen Anfangsgriinde der
angetroffen werden, als Mathematik darinn anzutreffen ist. Zur eigent- Naturwissenschaft unter vier Hauptstiicke brachte, deren erstes die Bewe-
lichen Wissenschaft wird Erkenntnijl a priori d. i. aus bloller Moglichkeit gung, als ein reines Quantum, nach seiner Zusammensetzung o~ne aile
erfodert. Die Miiglichkeit bestimmter Naturdinge kann aber nicht aus Qualitiit des Beweglichen, betrachtet, und Phoronomie genannt w~rd, das
ihren blollen Begriffen erkannt werden; denn aus diesen kann zwar die zweyte sie als zur Qualitiit der Materie gehiirig unter dem Na~en e~ner ur-
Miiglichkeit des Gedankens (daB er sich selbst nicht widerspreche,) aber spriinglich bewegenden Kraft in Erwiigung zieht, und Dynamik heillt, das
nicht des Objects, als Naturdinges erkannt werden, welches auller dem dritte die Materie mit dieser Qualitiit durch ihre eigne Bewegung gegen
Gedanken (als existirend) gegeben werden kann. Also wird, urn die Mog- einander in Relation betrachtet, und unter dem Namen Mechanik vor-
lichkeit bestimmter Naturdinge, oder urn diese a priori zu erkennen, noch kiimmt das vierte aber ihre Bewegung oder Ruhe bios in Beziehung auf
erfodert, daB die dem Begriffe correspondirende Amchauung a priori gege- die Vo~tellungsart oder Modalitiit, mithin als Erscheinung iiullerer Sinne
ben werde d. i. daB der Begriff construirt werde. Nun ist die Vernunfter- bestimmt, und Phiinomenologie genannt wird.
kenntnill durch Construction der Begriffe mathematisch. Also mag zwar In der Phoronomie wird also die Materie als das Bewegliche im Raume
eine reine Philosophie der Natur iiberhaupt, d. i. diejenige, die nur das, betrachtet; in der Dynamik als das Bewegliche, so fern es einen Rau'!"
was den Begriff einer Natur im Allgemeinen ausmacht, untersucht, auch erfull~ d. i. allem Beweglichen widersteht, das durch seine ~ewegung m
ohne Mathematik miiglich seyn, aber eine reine Naturlehre iiber bestimm- einen gewissen Raum einzudringen bestrebt ist; in der Mechamk als ~as Be-
te Naturdinge (Kiirperlehre und Seelenlehre) ist nur vermittelst der Mathe- wegliche, so{264]fern es als ein solches bewegende ~ hat, u?d m der
matik miiglich, und da in jeder [263] Naturlehre nur so vie! eigentliche Phiinomenologie, als das Bewegliche, so fern es als em solches em Gegen-
Wissenschaft angetroffen wird, als sich darinn Erkenntnill a priori befin- stand der Erfahrung seyn kann. . .
det, so wird Naturlehre nur so vie! eigent!iche Wissenschaft enthalten, Der Vf. hat durch aile vier Hauptstiicke seines Werks dre mathematl-
als Mathematik in ihr angewandt werden kann. - Diesem zufolge bleibt sche Methode nachgeahmt, nicht urn ihr durch ein Geprange von Griind-
~hemi_e, und noch weit mehr empirische Seelenlehre von dem Range einer lichkeit mehr Eingang zu verschaffen, sondern wei! er glaubte, daB ein
ergenthch so zu nennenden Naturwissenschaft entfernet, erstlich wei! Ma- solches System deren wohl fiihig sey und diese Vollkommenheit auch mit
thematik auf die Phanomene des innern Sinnes und ihre Gesetze nicht an- der Zeit wohl erlangen kiinne.
wendbar ist, und wei! sich das Mannigfaltige der innern Beobachtung nur In der Vorrede steht eine sehr lesenswiirdige Note, worinnen sich Hr.
durch b!olle Gedankentheilung von einander absondern, nicht aber abge- K. iiber die Zweifel erkliirt, welche der Recensent von Hn. Prof. Ulrich's
sondert aufbehalten, und beliebig wiederum verkniipfen, noch weniger Imtitutionibus log. et metaph. (Nro. 295 der Allg. Lit. Zeit. vorigen Jahrs)
aber ein anderes denkendes Subject sich unsern Versuchen der Absicht an- wider die aus der Tafel der reinen Verstandesbegriffe auf die Grenzbestim-
gemessen von uns unterwerfen liiBt, und selbst die Beobachtung an sich mung des ganzen reinen Vernunftvermiigens gezognen Schliisse erhoben
schon den Zustand des beobachteten Gegenstandes alterirt und verstellt. hatte. Unser Philosoph behauptet nemlich, und erweiset solches, daB, wenn
Sie kann daher niemals etwas mehr als eine historische, und als solche so auch die von ihm gegebne Deduction der Categorieen od~r Verst"?desbe-
vie! miiglich systematische Naturlehre des innern Sinnes, das ist, eine Na- griffe nicht von allen Schwierigkeiten fr~ ge~acht, und mc~t gezergt wer-
turbeschreibung der Seele, aber nicht Seelenwissenschaft, ja nicht einmal den kiinnte, wie nun Erfahrung vermrtte!st Jener Categorreen, und nur
psychologische Experimentallehre werden. _ allein durch dieselbe miiglich sey, dennoch das Fundament der Grenz-
Damit aber die Anwendung der Mathem~tik auf die Kiirperlehre, die bestimmung der reinen Vernunft feststehe. Doch macht Hr. Kant die ange-
durch sie allein Naturwissenschaft werden kann, miiglich werde, so miis- nehme Hoffnung, daB er die niichste Gelegenheit (vermuthlich der z~ er-
sen Principien der Construction der Begriffe, welche zur Miiglichkeit der wartenden neuen Ausgabe der Critik der r. V.) ergreifen werde, auch Jene
Materie iiberhaupt gehiiren, vorangeschickt, mithin eine vollstiindige Zer- Aufgabe aufzuliisen, und der Dunkelheit, welche noch in diesem Theile
gliederung des Begriffs einer Materie zum Grund gelegr werden. Hr. Kant der Deduction seinen vorigen Verhandlungen anhange, abzuhelfen.
378 3enaif<!le gefe~rte .3<itungen - 12. Mai 1786 :tittef tiber .!tanto '1Jlorafre[orm 379
' denen er am Ende selbst nichts mehr begreiflich findet, als daB sie unbe-
So vie! reicht zur vorlaufigen Ankiindigung dieses neuen tiefsinnigen
Werkes hin, und nur den Schlul~ der Vorrede setzen wir noch her, welcher greiflich sind; oder will er nur zum Scherz es versuchen, wie weit die sonst
ein neuer Beweis der scharfen und bescheidenen Gerechtigkeit ist, mit gesunde und gerade Menschenvernunft durch eine in Dunkel sich
welcher sein Vf. das, was hierinn geleistet werden konnte, ansieht: hiillende, in ein Heer eigenmachtig geschaffener Phrasen und Ideen kiinst-
,Newton sagt in der Vorrede zu seinen mathematischen Grundlehren lich sich einspinnende Weisheit (wenn man es Weisheit nennen darf) sich
der Naturwissenschaft {nachdem er angemerkt hatte, daB die Geometrie tauschen und durch eine andere - sich rein riihmende Vernunft aus sich
von den mechanischen Handgriffen, die sie postulirt, nur zweyer bediirfe, selbst versetzen lasse? Oder wenn es Hn Kant mit dem allen [299] wirklich
nemlich eine gerade Linie und einen Zirkel zu beschreiben): ,Die Geome- Ernst ist, so kann ich es doch selbst mir durch nichts anders, als des Verf.
trie ist stolz darauf, daft sie mit so wenigem, was sie anderwerts hemimm~ so gar zu haufigen Gebrauch abstrakter Terminologien erklaren; wobey auch
vie! zu leisten vermag. Von der Metaphysik konnte man dagegen sagen: sie wohl der beste Denker, indem er von der wirklichen Welt zu weit sich ab-
steht bestiirz~ daft sie mit so vie/em, als ihr die reine Mathematik darbiete~ fiihren lallt, zuletzt in Gefahr gerath, in den Irrgiingen einer reinvernunft-
doch nur so wenig ausrichten kann. Indessen ist doch dieses Wenige etwas, scheinenden Phantasey sich vollig zu verlieren." Hr T. folgt dem Hn Kant
das selbst die Mathematik in ihrer Anwendung auf Naturwissenschaft Full auf Full, u. ziehet alles in eine verstiindliche Kiirze zusammen. Einen
unumganglich braucht, die sich also, da sie hier von der Metaphysik noth- vollstandigen Auszug aber hier zu liefern, leidet der genaue Zusammen-
wendig borgen mull, auch nicht schamen darf, sich mit ihr in Gemein- hang der Schrift nicht. Nur einiger Satze will der Recensent gedenken.
schaft sehen lassen." Gantz recht wird die Frage {S. 18) aufgeworfen: Ist denn iiberall Men-
schenvernunft so reine Vernunft; und wenn sie es nicht ist, was wollen wir
denn aus reiner Vernunft entscheiden? S. 25. wird ein zu starker und lei-
denschaftlicher Ausfall gegen populare Philosophie geriiget. S. 31. verdient
folgende ganze Stelle des Hn Verf. erwogen zu w~rden: ,Z~r E~lauterung
jranffurt un~ JLeip3ig. des K.lugheitsimperativs setzet Hr K. folgendes hmzu: Es 1st em Zweck,
Bey den Gebriidern Pfahler: Uber Herrn Kants Moralreform, von Gott- den man bey allen verniinftigen Wesen als wirklich voraussetzen kann,
lob August Tittel. 1786 [298] 93 S. gr. 8. Eine Schrift, die ein unverwerf- und also eine Absicht, die sie nicht etwa bios haben konnen, sondern von
licher BeweiB von der Scharfsinnigkeit und Wahrheit der Gedenkungsart der man sicher voraussetzen kann, daB sie solche insgesammt nach einer
des Hn Verfassers ist. Die Wichtigkeit des Gegenstandes verdiente es aller- Naturnothwendigkeit haben, und das ist die Absicht auf Gliickseligkeit.
dings, einer so deutlichen und iiberzeugenden Priifung unterworfen zu Und doch soli das Princip der Gliickseligkeit nur darum kein Gesetz seyn,
werden, die man in der angezeigten kleinen Schrift findet. Hr Kant sucht wei! man auch von dieser auf Gliickseligkeit abzielenden Vorschrift (dem
nicht allein die Gewillheit der theoretischen Philosophie umzustiirzen, K.lugheitsimperativ) lo~ seyn konne, so_bald man die Absicht (gliick!ic_h zu
sondern bemiihet sich auch, das liebenswiirdige System, das Gliickseligkeit seyn) aufgeben will. Uberlege man dtes: Aus Natumothwend,gkeit 1St es
und Sittlichkeit aufs innigste zusammenverkniipft, zu zernichten. Hr Kir- Zweck for mich gliicklich zu seyn; und doch, wenn ich wil~ kann ich auch
chenRath Tittel sucht daher das System von der Gliikseligkeit, das so vie- dieses Zwecks mich begeben. Man trauet beynahe sei{300]nen eignen Augen
len Beyfall gefunden, wider die Kantischen Grundsatze zu retten, und ein nicht, wenn man in der Schrift eines Marmes, den man gern fiir ein Mu-
aufmerksamer Leser wird sich gewiB gedrungen sehen, dieser Apologie ster der Genauigkeit halten wollte, auf solche Stellen trift." S. 40 wird mit
beyzupflichten. Es haben auch schon einige andere wiirdige Manner die Grunde dawider gestritten, daB K. aus einem blosen Ideal allgemeiner rei-
Kantischen Angriffe geriiget, S. Tiibinger gel. Anz. 1786. S. 106 f. Cisar ner Vernunft eine Sittenlehre herausholen will, die iiberall gegen die wirk-
philos. Journal 1785. 3. St. S. 467. In der Vorerinnerung untersucht Hr T. liche Natur anstollt, und S. 42 sagt Hr T. ,Eine Sittenlehre dem Menschen
die Absicht des Hn Kant in Ansehung der Moralreform, und unterschei- empfehlen, die weder im Himmel n~ch auf Erde~ an etw~ g~hiingt, od~r
det drey F:ille, wenn er spricht: , Entweder sucht Hr Karlt die Sittenlehre gesriitzt werden kann, ware, dachte tch, eben sovtel, als di~ Stttenlehre m
selbst auf Spitze und Knopf zu setzen, indem er sie auf Principien stiitzt, ein eitles Hirngespinnst verwandeln." Ferner S. 43. ,Wtll Hr K. den
- und diese fiir die einzigmogliche und einzignothwendige erkliirt, von Menschen selbst darum zum Bastard machen, wei! er ein aus Empfinden
380 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 19. Mai 1786 \!lottingifd)e Qln!eigen oon gele~rten ®ad)en - 20. Mai 1786 381
'
und Erkennen gemischtes Wesen ist, wei! 'die Natur ihn nicht zum reinen schaft vorhanden ist. (Crit. 104. 391. 490. 499.) Erscheinen heist daher (Crit. 27. 89. 83.)
Engel schuf! Lasse man Einheit seyn, was Gott zur Einheit schuf! Die See- empirisch angeschaut werden. Materie und Form der Anschauungen auf ihre Gegen-
sdinde bezogen heist (Crit. 206. Prol. 54.) Materie und Form der Erscheinungen, Innere
lenkriifte sollen mit und durch einander nicht getrennt und nicht verein-
und auBere Erscheinung. S. Anschauung. Vergl. Ulrichs lnstit. Log. et Met.§. 281.
zelt wirken. Gott gab dem Menschen Erfahrung und Vernunft, wie zwey
Augen, warum will man ihm eins verbinden?" Jedoch diese einzelne Stel-
len mogen genug seyn, den Leser zu reizen, das Ganze mit Aufmerksam-
keit zu erwegen.
<mar Burg.
De regressu successiuo handelt eine Disputation Herrn ]oh. Berings,
Prof. der Logik und Metaph. 73 Quarts. 1785. Die Frage ist: Ob bey einer
Reihe nacheinander folgender Dinge, Riickgang ins Unendliche moglich
]ENA, in der Crokerischen Buchhandlung: Critik der reinen Vernunfi im sey? Hr. B. ist fiir ihre Beja{788]hung, und sucht zuerst die Griinde aus
Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem Worterbuche zum leichtern denen sie verneint wird, zu entkraften. (Darunter sind freilich welche, die
Gebrauche der Kantischen Schriften von M. Carl Christian Erhard ein Metaphysiker nicht brauchen wird, der das mathematische Unendli-
Schmid. 1786. 284 S. 8. {12 gr.) che, das gleichwohl hier gebraucht wird, kennt, z. B. daB eine Zahl die
grol!er werden konne, nicht unendlich sey. Die Mathematiker zeigen ja,
D er Vf. hat den Kantischen Lehrbegriff sehr gUt gefal!t, hat die Satze
kurz in Paragraphen vorgetragen, und in eine zu Vorlesungen sehr
bequeme Ordnung gestellt, auch dabey immer auf Hrn. Kants Schriften
daB das Unendliche in jeder Verhaltnil! statt finde, wenn einmal nur Eines
statt findet:) Fiir die Bejahung ist vornemlich Cochius Grund: Giebt es
eine U rsache, deren Daseyn nothwendig, ohne Anfang ist, so kann man
selbst mit der Anfiihrung der Seitenzahlen ver{330]wiesen; und hin und
wenigstens die Moglichkeit nicht laugnen, daB die Reihe ihrer Wirkungen
wieder auch die in verschiednen Schriften bisher vorkommenden Erli!u-
ohne Anfang ist, wofern sie bestandig gewirkt hat. Fernere Bestatigungen
terungen oder Einwiirfe beriihret. Sonach wird nicht nur dieses Lehrbuch
giebt ihm besonders Hr. Kant in s. Critik der reinen Vernunft. Dieser
auch von andern Lehrern sehr gut gebraucht werden konnen, sondern
Riickgang ins Unendliche schliel!t indessen das nothwendige Wesen nicht
auch_ von ~en_en, we!che sich selbst in Kants neuere hieher gehorige
aus. Aus allen seinen Untersuchungen schliel!t Hr. B.: Riickgang, den man
Schnften hinem srud1ren wollen, besonders wegen des sehr fleil!ig und
in Absicht auf unsere Erkenntnil! (subjectivisch,) mit Recht ins Unend-
zweckmal!ig gearbeiteten Worterbuchs ungemein niitzlich seyn. Urn die
liche genannt hat, reiche nicht zu, wenn man ihn auf die Sachen selbst
Einrichrung desselben kenndicher zu machen, setzen wir den Artikel
bringt, (objectivisch) zu bestimmen, ob ein Glied das erste sey oder nicht,
Erscheinung her:
belehre uns nicht: ob der Gegenstand der Vorstellung noch gemal! sey
Erscheirmng phaenomenon (S. Anschauung, Ding an sich) ist 1. iiberhaupt ein un- oder nicht, gehe also nur ins Unbestimmte. Diese behutsame Bescheiden-
mittelbarer Gegenstand der sinnlichen Vorstellung; ein Ding, so wie wir es sinnlich an- heit, nach so vie! tiefsinnigen Untersuchungen, empfiehlt seine Abhand-
schauen. So allgemein kOnnte es auch Ding an sich selbst seyn. 2. insbesondre ein Ge- lung, die sich zu unsern Zeiten, wo die Philosophen mehr fiihlen wollen
genstand, dessen Vorstellungsart nicht durchaus im Dinge an sich, sondern auch im den- als denken, vortheilhaft auszeichnet. Wolf ist gar nicht genannt, der tiber
kenden Subjecte gegriindet ist a) entweder in gewissen veriinderlichen Bestimmungen
der Sinnglieder z. B. das Gelbe fUr das Auge des Gelbstichtigen b) oder in der bestiindi- den Satz, daB die Welt, wenn sie auch ewig ware, anders ewig ware als
gen Natur einzelner Sinne; z. B. der Regenbogen fiir das Gesicht (Crit. der reinen V. 45.) Gott, so vie! Anfechtung hatte. So vergessen ist in Marburg der Mann,
c. oder in der bestiindigen Natur der Sinnlichkeit iiberhaupt ohne Einschriinkung auf durch den vor 50 Jahren Marburg so beriihmt war! Bey der ganzen Unter-
einzelne Arten oder Modificationen. Im letztern Falle bestimmt das Subject die Sinnlich- suchung, scheint das Wort: U nendlich, unbequem zu seyn, Hr. B. hat die-
keit a) entweder nur den Grad der Deutlichkeit und Verworrenheit der Vorstellungen ses selbst, wie aus dem an{789]gefiihrten Schlusse erhellt, empfunden. In
nach I..eibnitz, dann ist Encheinung die verwor.rene Vorstellung eines Dinges an sich
(Crit. 270.) oder P) nach Kant, die ganze An und Beschaffenheit (Form) dieser Vorstel-
der mathematischen Bedeurung, . . . und eine andere ist wenigstens hier
lungen. Da ist Erscheinung. der sinnliche Gegenstand, nichts als Vorstellung (Crit. 190. nicht angegeben . . . kann man nicht sagen, daB Etwas unendlich is~ son-
537.) Pro!. 61. f.) Modification der Sinnlichkeit (Crit. 20. 45. !08. 248.) die nur in mir dern daB es unendlich wird, d. i. ohne Aufhoren zunimmt. Fortgang ins
(Crit. 129.) auBer meiner Vorstellung gar nicht, mit keiner einzigen angeschauten Eigen- U nendliche, heillt: Fortgang ohne Griinzen; Wer Riickgang i. )J. sagt, stellt
382 ilenaiflj)e ge!e~rte ,3eltungen - 22. Mai 1786 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 26. Mai 1786 383
'
sich bios diesen Fortgang auf die andere 'seite gerichtet vor. Von einem von dem bisher gangbaren Sprachgebrauche bemerkt worden. Auch hier
Punkte einer geraden Linie geht man nach der linken Seite so gut ohne hat der Verf. auf die vornehmsten Stellen in der Kantischen Vernunftcri-
Ende fort, als nach der Rechten, aber daJl die Linie von der linken Hand tik, den Prolegomenen, und der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
her aus dem Unendlichen an diesen Punkt komme, ist nicht so deutlich. verwiesen, urn die Vergleichung der Parallelstellen zu erleichtern, die bey
Wider Cochius angefiihrten Satz, Iallt sich wahl nicht vie! einwenden, es aller Auslegung unter die wichtigsten Hiilfsmittel gehort. Hin und wieder
ist eigentlich Wolfs Satz mehr entwickelt. C. war aus der Wolfischen Schu- finden sich auch einige Betrachtungen des Verfassers. So bezweifelt dersel-
le. Freilich kann man eine Reihe von Geschopfen, deren Dauer sich durch be z. B. S. 220. 252. die im strengsten Verstande obiective Giiltigkeit der
unser Zeitmaa1l nicht angeben liillt, so wenig sich deutlich vorstellen, als: Kantischen Begriffe von Erfahrung und Natur, mithin auch (5. 33. §. 71.)
Wie Gott die Ewigkeit erst einsam durchgedacht. Si successiua aliquando die obiective Anwendbarkeit aller reinen Verstandsbegriffe auf Gegenstiin-
non fuerunt, in tempore vacuo oriri debuissent, ubi ens agens caret omni de der Sinnenwelt, und bemiiht sich darauf einen doctrinalen Glauben an
ratione obiectiua, cur nee prius nee tardius produxerit, 'Wiirde einen Schiiler ein kiinftiges Leben zu griinden, worinnen sich diese nothwendigen Be-
von Wolfen nicht iiberzeugen, der ohne successiua keine Zeit erkennt, und griffe unsers Geistes realisiren, d. h. durchaus angemessene Gegenstiinde in
mit Leibnizen glaubt: Eine Welt friiher oder sparer, wie wir es ausdriicken, der Anschauung fiir sie finden lassen.
erschaffen, sey eine andre Welt, also liege die ratio obiectiua eben in der
Welt die erschaffen ward.
LEIPZIG, bey Goschen: die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen
Philosophie kritisch untersucht von einem Freywilligen 1786. 255 S. 8.
(16 gr.)
::lena. ey dieser in mehr als Einer Hinsicht sehr merkwiirdigen Schrift,
Critik der reinen Vernunft, im Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem
Worterbuche zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften von M.
B wird es ausserst schwer die niithige Kiirze mit der erforderlichen
Deutlichkeit und Griindlichkeit der Anzeige zu verbinden. Wir hoffen
Carl Christian Erhard Schmid. Im Verlag der Crokerischen Buchhandlung. uns dieser ganzen Pflicht eines Recensenten am besten zu entledigen,
1786. 294 Seiten in 8. Zuerst hat sich der Verfasser bemiihet, in 388 Para- wenn wir die Hauptstellen mit den Worten des Verf. ganz oder auszugs-
graphen (5. 1-164) den Hauptinnhalt dieser philosophischen Wissen- weise ausheben, und unsre Antithesen oder Erliiuterungen in Klammern
schaft, worauf sich sowohl speculative als practische reine Philosophie [ ] einschlieBen.
griiudet, in eine zu academischen Vorlesungen bequeme Form des Aus- Standhaft behauptete Mendelssohn bis ans Ende seiner Laufbahn, daB
drucks und der Anordnung zu bringen. Kiirtze, strenge Verbindung, er in Absicht auf Lehren und ewige Wahrheiten keine andre Uberzeugung
sichtbare Darstellung des Zusammenhanges und wechselseitigen Einflusses kenne, als die durch Vernunftgriinde. Hr. Geh. R. Jacobi, ein Mann, der
zwischen allen Theilen und Siitzen dieser Wissenschaft, wurden zu dieser unter den Schriftstellern Deutschlands durch edle Wahrheitsliebe und
Absicht erfordert. Dabey war es nothig, daJl auf die Kantischen Schriften freye Untersuchung sich auszeichnet, und dem der offentliche Ruf das
verwiesen wurde, wo der Leser die ausfiihrlichste Belehrung tiber jede Ma- Zeugnill einer unbescholtnen Rechtschaffenheit gibt, hat nach einem eben
terie fmden konne. Was andere Weltweisen den Kantischen Behauptungen so Iangen, nach einem strengen und herzlichen Forschen ein ganz anderes
entgegengesetzt haben, musste ebenfalls bemerkt werden, als ein Wink fiir Resultat herausgebracht, dieses niimlich, da1l das Element aller mensch-
den miindlichen Lehrer, sich dariiber zu aussern, und zur eignen Priifung lichen Erkenntnill und Wirksamkeit Glaube sey. [In das dem Hrn. G. R.
AnlaJl zu geben. Das Worterbuch, welches von S. 167 bis zu Ende fort- ertheilte Lob stimmen wir gern von ganzem Herzen ein; was aber das her-
geht, ist dazu bestimmt, Leser der Kantischen Schriften ohne [328] miihsa- ausgebrachte Resultat betrift, so erhellet selbst aus dieser Schrift, daJl eines
men Zeitverlust mit der philosophischen KunstSprache dieses Weltweisen Theils Hr. Jacobi nur, was Hr. Kant schon vorher gesagt hatte, wiederho-
bekannt zu machen. Daher sind verwandte Begriffe zusammengestellt, Ge- let, nemlich daJl die Beweise a priori in der speculativen Theologie nicht
gensatze und Synonymien angezeigt, vornehmlich aber Abweichungen die Probe halten; andern Theils aber das Wort Glaube sich i'uf eine ganz
384 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 26. Mai 1786 Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophic 385
'
andre Art zu brauchen anmaBt, als man :S gewohnlich nimmt, indem ihm hier, wo es zu Zweydeutigkeiten AnlaB geben muBte, Hr. J- dieses Wort
das, was andre Empfindung, sinnliche Uberzeugung nennen, auch Glaube brauchte. Wie vie! deutlicher und bestimmter driickte sich Kant hieriiber
heiBt; ein Wortspiel, wodurch er eben auch bey Mendelssohn Misverstand aus? .Wir kiinnen, sage K. das Daseyn Gottes nicht wissen, aber wir kon-
veranlaBt, bey einigen seiner Leser den Verdacht [378] als wolle er unver- nen und mlissen es glauben. Glaube ist ein Flirwahrhalten aus subjectiv-
merkt alles auf Glauben an positive Satze der Religion zuriickbringen, er- zureichenden, aber objectivunzureichenden Grunden. Der Glaube an das
weckt, bey andern hingegen die Vermuthung hervorgebracht hat, daB er Daseyn Gottes ist entweder moralisch, indem wir bey der Nothwendigkeit
mit dieser willklihrlichen Verdrehung des gemeinen Sprachgebrauchs et- der sittlichen Gesinnung schlechterdings auch eine moralische Welt und
was neues gesage zu haben scheinen wollte, da er doch, so fern Glaube bey ein hiichstes Wesen voraussetzen mlissen, oder doctrina~ indem wir die
ihm liberhaupt auch die aus dem Zeugnill der Sinne enespringende Uber- Voraussetzung, daB ein Gott sey, zur Erflillung des Vernunftzwecks einer
zeugung bedeuten soli, gerade niches anders sage, als aile die Philosophen, zweckmaBigen Welteinheit brauchbar finden." Stimmte nun Hr. Jacobi
welche unsre gesammte ErkenntniB aus der Sinnlichkeit und Erfahrung diesen Grundsatzen bey, warum anderte er ohne Noth die Ausdriicke?
ableiteten.] Hr. J- hatte sich liberzeuge, daB eine consequence Demonstra- gieng er aber von ihnen zum Theil ab, warum erklarce er sich niche deutli-
tion auf die ErkenntniB eines Gottes und der Freyheit schlechterdings Ver- cher, und warum blieb er auch dann niche, urn aile Verwirrung zu
zicht thun mlisse. Er traute seinem Urtheil [das doch aber mehrerer Philo- vermeiden, bey dem gewohnlichsten Sprachgebrauche?] Lessing starb, und
sophen Urtheil gewesen war] niche vollig, und wollte es der letzten und es enestand der bekannte Briefwechsel zwischen Mendelssohn und Jacobi,
scharfsten. Probe unterwerfen, indem er sich an Lessing wandte. Aber Les- worinn dieser seine U nterredung mit Lessing erzahlt, die Lehre des Spino-
sing war ein Spinozist, und beyde waren einig, daB die Lehre des Spinoza za neu und scharfsinnig darstellt, und liberal! auf die Grenze menschlicher
die einzige blindige Philosophie, aber auch der pure Atheismus sey. [Wir Erkenntnift oder auf den Glauben weiset. Aus Unbekanneschaft mit dem
mlissen hier einschalten, wei! manche geglaubt haben, als ob Hr. Kant Geiste Jacobi's [kann auch heillen, wei! Mendelssohn nicht voraussetzte,
tiber Spinozens System gerade eben so denke, daB Hr. Kant die Demon- daB Hr. J- die Bedeurung wichtiger Worter willklihrlich andern wlirde,
strationen .des Spinoza fur eben so wenig blindig halt, als irgend eine andre ohne mit der Anderung etwas auszurichten; wei! er ihm eher napallo~1av
metaphysische Schein-Demonstration; ja wir wissen zuverlassig, daB er als Kevollo~lav zutraute] halt Mendelssohn seinen Glauben fur den theolo-
sich niche genug hat wundern konnen, wie jemand, der die Critik der rei- gischen und orthodoxen und laBt ihn dieses in einem Tone gewahr wer-
nen Vernunft gelesen, nur auf den Einfall habe kommen konnen, als ob er den, der eines Mendelssohns eben niche ganz wlirdig ist. [Zugegeben!] Ja-
den spitzfindigen Grillen eines Erzdogmatikers, wie Spinoza war, einen cobi greift dieses auf und beweiset ihm auf eine Art, die eben so vie! Ernst
solchen Werth beylege]. Lessing, fahrt unser Verf. fort, traute seinen specu- als lachenden Muth [aber auch dieser gehorte niche in eine so ernsthafte
lativen Griinden vollkommen; Jacobi hingegen schloB aus der metaphysi- Untersuchung!] verrath, daB von Glauben die Philosophie niche nur
schen Demonstration unmittelbar gegen dieselbe, indem er die Demon- ausgehe, sondern auch, daB das Ende der philosophischen Laufbahn
stration der allgemeinen vom Menschen unzertrennlichen Vorstellung Glaube sey. Durch den Glauben wissen wir, sagce Jacobi, daB wir einen
unterwirft. Auch der griiBte Kopf, sage er, [was schon unzahliche mal ge- Korper haben, und daB auBer uns andre Korper und andre denkende We-
sage worden] wenn er alles schlechterdings erklaren, aus Begriffen a priori sen vorhanden sind. Eine wahrhafte wunderbare Ojfenbarung. [Dies hieB
allein herleiten, und sonst niches gelten lassen wolle, mlisse auf ungereimte sonst so: wir empfinden uns selbst, unsern Kiirper, und andre Korper, au-
Dinge kommen. - Durch Entwickelung das U nendliche aus dem End- Ber uns, und schlieBen auf denkende Wesen auBer uns. Hier [380] ist an
lichen, den Ubergang von [379] jenem zu diesem, durch irgend eine For- Offenbarung niche zu denken, wenn man dem Worte niche eine unge-
mel heraus zu bringen sey vollends unmoglich. [Eben dieses hatte Hr. wiihnliche Bedeutung geben wilL Man ist es so gewohnt Natur und Ojfen-
Kant vorher, nur deutlicher und bestimmter, gesage, indem er zeigee, daB barung zu unterscheiden, und die bekannten Begriffe damit zu verbinden,
im physiko-theologischen Beweise des Daseyns Gottes noch immer eine daB man niche absieht, warum hier Hr. Jacobi den Sprachgebrauch stiirte,
LUcke bleibe, die es unmoglich mache ihm die Benennung einer Demon- und nicht Iieber bekannte Sachen mit bekannten Worten ausdriickte.] Wir
stration zukommen zu lassen.] Also wenn man etwas dariiber sagen wolle, erhalten also bios durch Beschaffenheiten, die wir annehmen, aile Vorstel-
mlisse man aus 0/Jenbarung reden. [Auch dies gefiel uns niche, daB gerade lungen, und es giebt keinen andern Weg reeller Erkenntn!Jl; denn die Ver-
386 ALLGEMEINE LiTERATUR-ZEITUNG- 26. Mai 1786 Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie 387
nunft, wenn sie Gegenstande gebiert, so sir{d es Hirngespinste. [Das erste nachdenken, desto weniger werden wir iiberzeugt, dall Offenbarung und
sagt nichts anders als das alte: Nihil est in intellectu, quod non antea fuerit Glaube der eigentliche Charakterzug derselben sey. Wenn jemand zu
in sensu; und mull doch noch eingeschrankt werden; denn bios das Mate- einem Kinde, das noch nie Zucker gekostet, sagt: wirf den Zucker weg, er
riale der sinnlichen Erkenntnill wachst uns durch Beschaffenheiten, die wir schmeckt bitter: so wird es aufs erstemal der Aussage glauben; wenn es ihn
annehmen, zu; Erkenntnisse, die zu der Form derselben gehoren und aus aber nachher doch auf die Zunge bringt, so wird es nicht glauben, sondern
derselben abgeleitet werden konnen bios auf diese Art nicht entstehn, wie schmecken und empfinden, dall er siill sey. Wir glauben nicht, dall Hr.
H. Kant ebenfals gezeiget hat; z. B. von den Satzen der Geometrie.] Jacobi hiermit blauen Dunst habe machen wollen; allein ehe wir in dieser
Hr. Mendelssohn kennt schlechterdings, {fahrt unser Verf. fort) keine neuen Redensart etwas mehr als Dunst sehn sollen, mull man uns doch
andre Uberzeugung als aus Vernunftgriinden, weill von keinem Glauben zeigen, warum uns doch die Benennungen Glaube und Offenbarung da sol-
an ewige Wahrheiten. Aber sind Sie denn, fragt J., aus Vernunftgriinden len aufgedrungen werden, wohin sie nach dem communi usu loquendi
iiberzeugt, dall Sie einen Kiirper haben? [Diesen Satz rechnete aber nicht gehoren?]
Mendelssohn ja nicht zu den ewigen Wahrheiten.] U nd ist es nicht der S. 31. Wenn es demnach gewill ist, dall es nicht nur keinen apodik-
Glaube an das Zeugnill ihrer Sinne, der sie iiberfuhrt hat, dall Dinge auller tischen, sondern iiberhaupt keinen Beweis irgend eines Daseyns gibt,
ihnen sind? [Ich sehe nicht, wiirde der sel. Mendelssohn sagen, warum wir wenn aile Uberzeugung von den Dingen auller uns, von einer schlechter-
das, was man sonst sinnliche Evidenz, sinnliche Uberzeugung nennte, ge- dings unerklarlichen Tauschung abhangt, warum sollen wir uns schamen
rade Glauben nennen wollen.] Unser Verf. sagt selbst-S. 18. So hatte ich zu gestehn, da!l unsere Uberzeugung von der Existenz der Dinge auller
wenigstens einem Weltweisen, wie M. zugetraut, dall er einsehn wiirde, uns Glaube sey? dall also aile Erkenntni!l des Daseyns, mithin auch des
hier sey zuforderst und vomehmlich die Rede davon, was man sonst sinnli- Daseyns Gottes, von Offenbarung und ·Giauben ausgehen und darauf
che Erkenntnift, oder anschauende Erkenntni/1 nennt. [Wie aber, wenn ruhen mlisse? [Gern wollten wir uns nicht schamen (denn das wiire ja eine
Mendelssohn eben deswegen, wei! Hr. J. etwas Neues vorzutragen schien, ganz eigne Scham) zu gestehn, was hier gestanden werden soli, wenn nur
sich nicht bereden konnte, dall er bekannten Sachen nur einen neuen Na- erst ein haltbarer Grund dazu bey gebracht ware, warum das, was sonst
men geben wiirde, und eben deshalb an Hrn. J. Meinung irre wurde. Und sinnliche Evidenz hei!lt, nun durchaus Glaube hei!len soli?]
was bedeuten denn hier die Worte zuforderst und vomehmlich? sind denn N ach verschiedenen andern Bemerkungen, gegen die wir gar nichts ein-
Hrn. J. die Worte Glaube und Offenbarung hiemachst und minder vor- zuwenden haben, sagt der Verf. S. 53.: .Ein Mendelssohn, wenn er der Spe-
nehmlich {secundario loco) noch etwas anders als sinnliche Evidenz? Ware culation durch aile Dornen und Hecken ihrer steilen Hohe nachgeklettert
dis, so war es ja offenbar eine eigne Art zu disputiren, zwey so verschiedne ist, wenn er apodiktische Beweise fiir das Daseyn eines Gottes durch eine
Begriffe, als Oberzeugung aus sinnlicher Evidenz und Glauben an eigentlich Verkettung der feinsten Satze gefunden zu haben glaubt, kehrt dennoch
sogenannte Offenbarung sind, mit einem einzigen Worte Glauben zu be- wieder an die Stelle zuriick, wo ihm die Mutter N atur begegnet, und ruhet
zeichnen, urn nach Gelegenheit bald diesen bald jenen unterschieben zu sicher an ihrem Busen aus. Selbst ein Jacobi, wenn ihn die Vernunft ausser
konnen!] dieser Sphare getrieben hat, wenn er es wagen darf, jeder Philosophie und
Ich miillte mich sehr irren, {sagt unser Verf. weiter) wenn diese Aus- ihren Anmassungen eine Gottheit zu beweisen, Trotz zu bieten, halt in
driicke bios ein Spiel des Witzes waren, das dem Leser:etwa nur einerf[381] seiner Ent{382]fernung noch die sullen Bande der Natur fest und stiirzt
blauen Dunst vor die Augen machen sollte, urn ihn an der Einsicht in die sich herunter in ihren Schoos." [Eine schon gesagte Stelle, bey der wir nur,
Sache selbst zu verhindern. Vielmehr je tiefer ich deril, was man sinnliche urn mehrerer Richtigkeit willen, zu erinnern finden, dall nach einem
Evidenz nennt, nachspiire, desto inniger werde ich iiberzeugt, dall Offen- Vorganger, wie Kant, es eben kein gro!les Wagstiick mehr ist, den An-
barung und Glaube der eigentliche Charakterzug dei:selben sey. [Der Set- massungen der transscendenten Philosophie, die Existenz Gottes apodik-
zer hat hier {wie auch bey der Anzeige der Druckfehler bemerkt ist) den tisch zu beweisen, Trotz zu bieten; dall hingegen der Glaube an eine
Verf. gerade das Gegentheil sagen lassen, indem er: desto weniger, anstatt: Gottheit noch immer Philosophie seyn konne, und dall es keinesweges
desto inniger, gesetzt hat. Wir unterschreiben aber hier eher den Ausdruck historischer Glaube sey, auf den doch am Ende der Verf. zu kommt, wenn
des Setzers, als den des Verfassers. Je mehr wir iiber sinnliche Evidenz man sich vom Daseyn eines Gottes, z. B. daher iiberzeugt, wei! man sonst
l
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388 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 26. Mai 1786 Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie 389
'
aile Sittlichkeit aufgeben muftte, die man doch schlechterdings nicht auf- sellschaft von Weltpriestern, welcher er das Heil seiner Seele nicht anver-
geben kann.] trauen will? Der Weltweise kennet keine Pflicht seine Lehrmeynungen
Nach einer ahnlichen Stelle voll schiinen poetischen Ausdrucks setzt und Worte von irgend einer Autoritat, von irgend einer Hierarchie, es sey
der Verf. S. 56. hinzu: .Wer hat nun die Quelle menschlicher ErkenntniB die der Vernunft, oder des Glaubens abhangig zu machen - die unmittel-
Gottes richtiger und tiefer charakterisirt, der, welcher sie Ausspriiche des bare Autoritiit und Majestat der Natur und ihres Beherrschers allein ausge-
gesunden Menschenverstandes, oder der, welcher sie Offenbarung und nommen! Hohn und zischende Verachtung dem Stammler, dem eine
Glauben nennet?" [Die Ausspriiche des gemeinen Menschenverstandes las- spottlachende Miene das Concept verriickt, und die Worte auf der Zunge
sen wir vor itzt in ihrem Werthe oder U nwerthe beruhn; nur antworten tiidtet!"
wir, daB der, welcher die Quelle menschlicher Erkenntnill Gottes Offen- [Zu dieser uns, wir gestehn es frey, in hohem Grade auffallenden Stelle
barung und Glauben nenne~ ohne noch einleuchtend zu zeigen, wie und miissen wir eine Parallelstelle aus Hrn. Jacobi's Schrift wider Mendels-
warum sie so heiflen miisse, die Erkenntnill Gottes weder tief noch richtig sohns Beschuldigungen hersetzen: Je mehr sie schreiben, sagt Hr. J., und
charakterisirt hat, und zwar aus dem ganz simpeln Grunde, weil er sie gar mich iiberschreiben, desto mehr werden die Faden eines - nicht ertriium-
nicht charakterisirt, weil er sie nur anders benennt hat. Wie sollen wir nun ten, oder zum Behuf eines eignen weit ausgebreiteten Schleichhandels gar
aber das verstehn, daB vorher zuforderst und vomehmlich Glaube so viel nur erdichteten, sondern wirklichen Hyper-crypto-fesuitismus und philoso-
als sinnliche -ErkenntniB heiflen sollte, nun aber dieses Wort, ohne eine phischen Papismus hervorkommen, und in sehr mannichfaltigen Verschlin-
andre Bedeutung davon angegeben zu haben, auf die Gotteserkenntnill gungen sehen lassen, wie weit sie reichen."
tibertragen wird, die doch gewiB keine sinnliche, keine anschauende Wozu aber hier solche circuitiones? Reden wir doch Iieber ganz frey und
ErkenntniB heiflen kann?] unverholen!
S. 60. folgt eine merkwtirdige Stelle: .Aber Offenbarung und Glaube Hr. Jacobi und der Verfasser gegenwartiger Schrift kommen also darinn
wird mancher Leser denken, das sind doch Worte, deren sich ein Weltwei- iiberein:
ser nicht bedienen sollte, urn die Quelle der menschlichen Erkenntnill zu 1) daB die Sagen von der geheimen Betriebsamkeit der Jesuiten ganzlich
bezeichnen. - Und warum nicht? - Weil Offenbarung und Glaube Worte ertniumt sind,
sind, die zu einer Verbindung von Ideen AnlaB geben, wovor einem glei- 2) daB sie gar von denen, die davon bisher geredet haben, als Hn.
Benden Theil unsrer Zeitgenossen ekelt? [Beym Recensenten ist dis der Nicolai in Berlin, den Verfassern der berlinischen Monatschrift und an-
Fall nicht; er halt diese Worte und ihre Bedeutung in hohen Ehren, und dern mehr, nur erdicht~
scheut sich gar nicht sie zu gebrauchen, wo sie hingehiiren.] Desto mehr 3) ja zum Behuf eines gewissen weit ausgebreiteten Schleichhandels er-
Ehre.ftir den Weltweisen, wenn er seine Worte nicht nach dem Beyfall des dichtet sind; welcher Schleichhandel
Publicums, des wortftihrenden Publicums, calculirt, sondern ohne An- 4) darinn bestehn soil, daB sie das Christenthum qua tale abschaffen,
sehn der Person, die Worte wahlet, die seine Ideen am scharfsten fassen! und daftir den Naturalismus mit aller Gewalt einflihren wollen; denn
[Ohne Zweifel! Wie aber, wenn Abweichung vom Sprachgebrauch nur wenn dis nicht der angedeutete philosophische Papismus ist, so wissen wir
Wortgezanke und Verwirrung gebiert; wenn nicht gezeigt werden kann, gar nicht, was dieser Ausdruck flir Bedeutung haben solle.
was Begriffe dadurch gewinnen, ist dann auch noch so vie! Ehre flir einen Ist dies nicht die Meinung des Herrn Jacobi, und des Verf. der Resultate
Philoso{383Jphen dabey, gangbare Mtinze, deren Stempel niemand un- etc., so bitten wir sie es iiffentlich anzuzeigen, damit wir von ihren Worten
kenntlich war, eigenmachtig umzupriigen, so daB man sie nun mit andrer keinen falschen Sinn im Publicum verbreiten. [384]
verwechseln kann?] Oder wei! eine Gesellschaft aufklarender, und fur das Hatten wir es aber getroffen, so ist dis in der That eine uns so ganz neue
Wohl der Menschheit bektimmerter, angstlich bektimmerter, Geister mit Offenbarung, daB wir wirklich eines griissern Creditivs, als bios der Ver-
mehr als pabstlicher Autoritat sich's anmaflt, einen gewissen Sprachge- sicherung zweyer Gelehrten bediirfen, urn daran zu glauben.
brauch zu verdrangen, damit auch die Sachen (mit Gottes Htilfe) vergessen Eine Gesellschaft zum Behuf der reinen Lehre gibt es; diese hat sich
werden miigen? - Was gehet aber einen freyen Weltbiirger und Weltweisen selbst offenbaret. DaB es andre, und zwar geheime Verbindungen gibt, ist
eine Gesellschaft an, mit welcher er niemals colludirt hat? Was eine Ge- eben so gewill; und daB es eine zur Ausbreitung des Catholicismus gibt,
390 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 27. Mai 1786 Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie 391
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nach allen bisher erschienenen Datis wenxgstens hochst wahrscheinlich. Eine Stelle voll Klarheit und Bestimmtheit, wie wir sie diesem Buche
DaJl es aber ein geheimes Complot zur Ausbreitung des Naturalismus gebe, durchaus, und jeder philosophischen Untersuchung wiinschten, ist folgen-
ist uns bisher noch unerhort, ob wir gleich wissen dall es Naturalisten, de iiber den gemeinen Menschenverstand S. 132.• Der gemeine Menschen-
gibt; wie es deren immer gegeben hat, und vermuthlich immer geben verstand gehet, wie die Einbildungskraft, selten, oder vielleicht nie, tiber
wird. Wer davon also unterrichtet ist, der lasse es doch ja nicht bey sol- den ersten Schein hinaus; er untersucht selten, ob hinter dem Begriff, der
chen Sticheleyen bewenden, sondern thue Gott und der Wahrheit die Ehre, sich ihm durch die Folge*) einer Erscheinung prasentirt, ein Widerspruch
und zeige an, was er beweisen, oder auch nur wahrscheinlich machen kann.] liege oder nicht; er denkt und redet, wie er empfindet. Jeder Wahn und
S. 64. fahrt unser Verf. fort: .Hr. Mendelssohn, wenn er noch lebte, jede Wahrheit kann an ihn appelliren, und er nickt seinen sultanischen
wiirde es selbst nicht in Abrede seyn, daJl jede Erkenntnill, welche uns Beyfall mit volliger Gleichgiiltigkeit diesem und jenem zu. Denn er ist der
durch irgend eine Anstalt Gottes, es sey durch Wort, oder durch That, un- Vater von beyden. Wer seine Ausspriiche nlitzen will, der mull sie in der
mittelbar bekannt gemacht ist, und von deren Zuverlassigkeit wir weiter That durch sorgfa!tige Vergleichung erst berichtigen, und nicht in den Tag
keinen Grund angeben kiinnen, als daJl sie Gott, oder ein hoheres Wesen hinein rufen: das widerspricht dem Menschenverstande! Denn eben das,
zum Urheber hat, mit Recht Ojfenbarung heillt. Eine Offenbarung als was ihm von der einen Seite widerspricht, stimmt auf der andern mit ihm
Wahrheit erkennen, heillt demnach sie glauben." iiberein, wei! er die Dinge nicht im Zusammenhange, oder nur in einem
[Was Mendelssohn darauf antworten wiirde, ist unniithig zu fragen, und willkiihrlichen, marchenhaften Zusammenhange, noch mehr aber einzeln
vielleicht in keines Menschen Macht zu entscheiden. Ojfenbarung Gottes und abgerissen betrachtet. Uberall, wo er die Wahrheit zeigen (386] soli,
heillt eigentlich nichts anders, als eine unmittelbare Belehrung desselben mull ihn Priifung und Vergleichung leiten, und wir konnen mit ihm kei-
an die Menschen. Will man die ganze Natur, als Anstalt Gottes, auch nen Schritt sicherer Erkenntnill vorwlirts thun, kiinnen kein Sprichwort
OJ!enbarung nennen, so ist es ein bloBes Wortspiel mit dem nichts ausge- bewahrheiten, ohne die Vernunft zu Hlilfe zu rufen. Der gesunde Men-
richtet wird, als Verwirrung der Begriffe. Der Verf. sagt gleich hinterher: schenverstand ist, wie die Phantasie, der rohe Stoff, in welchen die Ver-
.Die Uberzeugung, daJl ich bin, ist mit derjenigen, daJl ich mich veriindere nunft die Regel der Ordnung bringen mull, sonst kann er blenden, aber
die einzige Erkenntnill, deren Zuverlassigkeit in meiner Erfahrung ganz nicht erleuchten."
und allein gegriindet ist, von welcher ich unabhangig von aller andern Wenn S. 140 unter andern der Verf. sagt: .die Vernunft stellet uns auf
Voraussetzung iiberzeugt bin." setzt aber gleich im folgenden Absatze hin- die hiichste Hohe der Anschauung, reiner Bewunderung und des Erstau-
zu: .Die Uberzeugung, daJl ich einen Korper habe, und daJl Dinge auller nens, sie bemachtigt sich aller Empfindungen, urn sie mit dem Erhaben-
mir sind, setzt schon den Glauben voraus, dall die Relation meiner Sinne sten, was Tugend, Schiinheit und Wahrheit mit sich fuhrt, mit dem Be-
wahr. ist. Es ist eine Evidenz, die auf Erfahrung, beruhet und auf Glauben stehen im U nveranderlichen zu verschwistern, aber unerbitt!ich, wie das
an diese Erfahrung." [Hier ist nicht abzusehn, warum die Uberzeugung, Schicksal, geht sie ihren ewigen Gang, und zermalmet mit gefuhlloser ei-
daJl ich einen K6rper babe andrer Art seyn solle, als die, daft ich bin, und serner Hand der Menschheit ihren Trost, - eine Gottheit;" wenn er dann
mich veriindere; da doch die sinnliche Vorstellung von meinem Kiirper, ja ein solches Vernunftsystem nach seinen vornehmsten GrUnden entwirft,
iiberhaupt von Dingen die im Raume sind, vom Selbstbewustseyn ganz und es ein kiihnes, prnchtiges, iiufterst zusammenhiingendes, aber trostloses
unzertrennlich ist. Soli also der Satz: ich babe einen Korper: eine Glaubens- System nennt, so bitten wir den Verf. nur folgendes zu erwagen:
wahrheit seyn, so mull es der Satz: ich bin; nicht minder seyn.] Da er, wie auch Hr. Jacobi thut, Hrn. Kants kritische Untersuchungen
iiber die reine Vernunft mehr als einmal mit Hochachtung anfuhret, so
[385] Was in der Folge gegen Mendelssohn, in Rlicksicht auf apodikti- mull ihm ja bekannt seyn, daJl dieser Philosoph eben so biindig und
sche Beweise a priori, von der Existenz Gottes gesagt wird, damit stimmen griindlich, als die speculativen Beweise fur die Existenz Gottes, auch alle
wir liberein; auch ist das, was gegen den Beweis, der aus den Endursachen
gefuhrt zu werden pflegt, auch von andern schon erinnert worden, gut zu- •) Soll vermuthlich Folie (dreysilbig, wie man sagt, Spiegelfolie) heiBen. Das Buch hat
sammengestellt; nur ist des Kantischen Beweises aus der Moraltheologie viele den Sinn entstellende Druckfehler, welche der Verf. our bis S. 76 hat anzeigen
nicht gedacht worden. kOnnen.
Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie 393
392 ALLGEMEINE LlTERATUR-ZEITUNG- 27. Mai 1786
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dogmatische Vertheidigung des Atheismus, mithin auch den Spinozismus, S. 184. ,Da uns nun das Verhiiltnill eines Gottes zur ~elt giinzlich un-
giinzlich entkriiftet hat. Wie kann nun jenes System ein iiufterst zusammen- bekannt ist, so fehlet uns die Bedingung zum Erwe~se semes Daseyns, so
hiingendes genannt werden; da ja z. B. der Satz des Atheisten, der Begrijfdes konnen wir von dieser Thatsache nicht anders gewtll werden, ah so, daB
Unendli.chen widerspricht dem Begriffi vom Verstand und Willen nicht bes- sie for uns Thatsache wird, d. i., durch Erscheinung, Begebenhez~ Offen·
ser demonstrirt Werden kann, als der contradictorisch entgegengesetzte des barung, und Zeugnift." . .
Theisten! Hier ware der schicklichste Ort gewesen, wo unser Verf. dtese ~ter
wichtigen Ausdriicke hiitte erkliiren konnen, damit der Les~r gewu~t hatte,
In der Folge finden sich eine Menge Erliiuterungen, welche den Misver- welche Begriffe er damit verkniipfe? Den~ unter [388] dt~en vter Aus-
stand, worinn Mendelssohn in Absicht der von Hrn. Jacobi vorgetrag- driicken ist auch nicht ein einziger, der mcht schon an stch zweydeuttg
[387Jnen Siitze verwickelt wurde, aufklaren; aber auch flir einen unbefang- wiire, und durch des Verf. eignen Context noch zweydeuttger gemacht
nen Leser bestiitigen, daB Hr. J. selbst die Veranlassung dazu gab. Hiitte es
wiirde. Denn:
diesem beliebt, von Kants Satzen, die mit seiner Untersuchung in Bezie- Erscheinung? Versteht er hier das, ~ man sonst phaenomenon nennt,
oder versteht er eine sichtbare appantwnem (~nupaveta.v) Gottes. W~nn
hung standen, auszugehn, und zu sagen, wie fern er ihnen beytrete oder 2
nicht, so ware sicherlich schon ein grol!er Theil der Misverstiindnisse das Jetzte so muB doch entweder derjenige, dem Gott em Symbol semes
verhiitet worden. Denn ist nicht eben das, was Jacobi mit den Worten Wesens e~cheinen liillt, (wie z. B. der feurige Busch, der dem Moses er-
eines gewissen .erhabnen Mannes" sagt: .daB ein einziges Verlangen der schien) schon vorher vom Daseyn G~ttes aus andern Griin~en iiberzeugt
Seele, welches in ihr von Zeit zu Zeit sich nach dem Bessern, dem Zukiinf- seyn oder er muB in dieser Erschemung selbst durch seme. Vernunft-
tigen, und Vollkommnen offenbaret, mehr als ein mathematischer Beweis griinde finden, sie flir eine gottliche zu halten!
der Gottheit ist" von dem Verfasser der Critik der reinen Vernunft gesagt Begebenheit? Heillt dies hier iiberhaupt nu; Factum, oder soli es etwa
worden, indem er die Wichtigkeit des praktischen Interesse beym Glauben eine Wunderbegebenheit heiBen, dergl. z. B. ~e Verwan~lung des St~ubes
an Gottes Daseyn zeigte, indem er den moraltheologischen Beweis an die · L"" ) Wienn das letztere so fragen w1r, warum eme solche emzel-
ln ause war. , fij d" · ·
Stelle der verworfenen Speculation setzte, und wenn Hr. Jacobi die Wich- ne wunderbare und aui!erordentliche Begebenheit selbst ·· r tejentge~,
tigkeit des Einflusses der moralischen Sinnesart auf die theoretische Er- die sie anschauen, besser das Daseyn Gottes beweisen moge, als .das wett
kenntniil gottlicher Dinge behauptet, sagte nicht Kant schon vor ihm grol!ere, obgleich alltiigliche, Wunder der ganzen uns offenhegenden
ausdriicklich, .sorget ihr nicht daflir, daB ihr vorher wenigstens auf
halbem Wege gute Menschen machet, so werdet ihr auch niemals aus Natur? · d N
Ojfenbarung? Heii!t dies hier die Offenbarung Gottes m ~r atur,
ihnen aufrichtig gliiubige Menschen machen." (Crit. d. r. Vern. S. 830.) oder die unmittelbare Offenbarung Gottes durch Rede oder Schrijif Wenn
.H'iitte Hr. Jacobi in seiner Schrift iiber Spinoza nur den Satz ausgefiihrt: das letzte, so begreifen wir nicht, wie jemand, der nicht vor?er von Gottes
,der Mensch wird durch ein gottliches Leben Gottes inne," welches, wohl- Daseyn iiberzeugt ist, sich solle iiberzeugen konnen, ob eme Rede, oder
verstanden, eben die Erkenntnillquelle ist, welche Kant unter dem Namen Schrift, gottlichen U rsprungs sey? . . .
des moraltheologischen Beweises ausflihrt, hatte er nicht (wie unser Verf. Zeugnift? HeiBt dies hier etwa nur das unetgenthch sogenannte ZeugniB
selbst S. 150 anfiihrt) in einem Briefe, an den Juden Moses Mendelssohn, des Selbstgeflihls, oder des moralischen Geflihls;
. .
oder versteht der Verf.
· d
an eben den jUdischen Philosophen, den Lavater schon ehmals zum wirklich das eigentlich sogenannte Zeugnift, d. 1., dte Au~ge _emes an er.n
Christenthum bekehren wollte, so vorziiglich die christli.che Religion ge- iiber eine Thatsache? Wenn das letztere, so mochten wtr wtssen, ob dte
priesen, und in seinem Buche zugleich Hn. Lavater so ehrenvoll ange- Aussage eines andern, daB i.hm Gott .~rschienen sey, i.hm Wunder gethan
flihret (welches beydes wir an sich gar nicht tadelnswerth, vielmehr sehr habe irgend einem Menschen mehr Uberzeugung vom Daseyn der Gott-
loblich finden) so wiirde Mendelssohn's Argwohn, als ob er ihn ebenfals heit 'geben konne, als der Schlull von der vortrefflichen Ordnung und
zum christli.chen Glauben zu bekehren gesonnen sey, weniger zu entschul- Harmonie in der Welt auf einen allweisen Urheber .derselbe.n; od_er ~er
digen gewesen seyn. So aber lief! sich, zumal wenn man aile iibrige U m- Schlull von dem unwidertreiblichen Gesetz der Moralt~iit,. das Jeder m ~tch
stiinde dazunimmt, Mendelssohns Vermuthung sehr natiirlich erkliiren. selbst findet, und der ihr nothwendig angemessnen, htemeden aber mcht
'
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immer, daraus erfolgenden Gliickseligke!t, auf einen hiichsten Gesetz- delns haben mull? Warum schalt er die Verkehrtheit der Juden, die nur im-
geber, - und die U nsterblichkeit der menschlichen Seele? mer Zeichen und Wunder sehen wollten, d. i., willkiihrliche Handlungen
Alles also, was Geschichte des Menschen, was Geschichte der Meinun- des Unsichtbaren, urn seiner giittlichen Lehre zu glauben?
gen, was die in der Bibel enthaltne Geschichte fiir die Uberzeugung vom Doch es ist Zeit abzubrechen, und unsre Leser auf das Buch selbst zu
Daseyn Gottes leisten kann, ist nur Bestatigung, theils des doctrinalen verweisen, wenn sie es noch nicht gelesen haben, oder batten sie es schon
Glaubens an die Gottheit, den die Beschauung der Sinnenwelt, oder der gelesen, ihnen diese unsre Gedanken dariiber zur Priifung zu empfehlen.
Anblick der Werke der Schiipfung (wie Paulus, der Apostel, es nennt) Wir wissen nicht, gegen wen die bittere sarkastische Declamation S. 248.
theils des moralischen Glaubens, den uns die, in unser Innerstes verwebte, [390] u. f. gerichtet ist, denn wir kennen solche l.eute nicht, die den Ge-
Erkenntniil von der Nothwendigkeit der morali{389]schen Gesinnung, brauch der Geschichte zum Behuf der Religion ganz und gar verachten.
auflegt. Es bedarf also groiler Einschrankung, und mull mit vieler Behut- Doch ist eine Stelle darinn, woriiber wir gem belehrt zu seyn wiinschten,
samkeit angewandt werden, wenn der Verf. sagt, S. 187.: .Nun ist es nicht wie sie der Verf. mit seinem Verstande und Herzen zusammenreimen
die Vernunft, nicht die Uberzeugung aus abgezognen Begriffen, sondern konnte: .Nichts weiter als Lehren, und wer's glauben mag, ewige Wahrhei-
es ist Glaube an Tradition, an positive Lehre, an Vatersagen, die sich ten kennet eure Moraltheologie. Von einer Thatsache, die das Menschen-
auf Geschichte beziehen, was den Glauben an eine Gottheit und an Re- geschlecht, und aile in Ost und West, in Siid und Nord zerstreuten, aile
ligion fortpflanzte und unterhiilt; und weiterhin S. 188 ist es vollends durch Jahrtausende zertrenneten Glieder desselben zu Einem moralischen
ganz unschicklich ausgedriickt: .Das Gesetz des Hrn. Mendelssohns, Kerper bilden soli, ist euch nichts zu Ohren gekommen. Von Religion -
dail das Daseyn Gottes aus der Vernunft erkannt werden miisse, kiimmt ich bitte euch, redet davon nicht weiter. Ihr miiget tugendhafte, edle
urn fiinf Jahrhunderte zu spat." Als ob nicht Tradition und Vatersagen, Menschen seyn, aber Religion haben zu wollen ist fiir euch die griiflte
wie die Geschichte des heidnischen Aberglaubens, und die Geschichte A rroganz. [Und die allergroilte Arroganz ist es, wahren Gottesverehrern,
des Aberglaubens unter den Christen offenbar beweiset, zu den griibsten bios wei! sie nicht gerade auf eben diesem Wege zur Religion gelangten,
Irrthiimern und Verderbnissen gefiihret batten, sobald sie nicht durch aile Religion abzusprechen.] Wer hat euch denn zu religiiiser Gesinnung
Vernunft und Nachdenken gereinigt wurden! Als ob nicht in der Bibel und Handlung verpflichtet? [Auf diese hiichst sonderbare Frage, wollen wir
selbst, in den Psalmen, in den Propheten, in den Biichern des neuen Testa- nur, da der Verf. selbst von Kants Grundsatzen in der Critik der reinen
ments immer mit den Fingerzeigen auf Geschichte, auch die Hinweisung Vernunft iiberzeugt zu seyn bekennet, und wir folglich hierinn mit ihm
auf die Natur ware verbunden worden. iiberein stimmen, also das: contra principia negantem non est disputandum,
Sehr flach und ohne Beweis sind die Satze hingeworfen S. 159.•Laut auf uns beide keine Anwendung findet, statt der Beantwortung eine Stelle
sagt _es die Geschichte aller Zeiten, dail der Mensch, in Ansehung Gottes, der Kantischen Critik S. 817. u. f. zur Uberlegung geben.
historisch unterrichtet seyn will, dail ihm eine Willkiibr des Handelns .Wir finden, sagt dieser Philosoph, in der Geschichte der menschlichen
von dem Unsichtbaren, wenn er an ihn glauben soli, offenbar werden Vernunft, dail, ehe die moralischen Begriffe genugsam gereinigt, bestimmt,
mufl; und dail er aus diesen Wahrnehmungen, Traditionen, oder positiven und die systematische Einheit der Zwecke nach denselben, und zwar aus
Lehren sich das System bildet, welches er hernach Vernunfterkenntniil nothwendigen Principien, eingesehen waren, die Kenntniil der Natur, und
nennt." Es ist sehr bald gesagt: !aut sagt es die Geschichte alter Zeiten, aber es selbst ein ansehnlicher Grad der Cultur der Vernunft in manchen andern
gehiirt erstaunlich vie! dazu zu beweisen, was die Geschichte nur von Wissenschaften, theils nur rohe, und umherschweifende Begriffe von der
einem einzigen Menschenalter sage. Wie viele treffliche Menschen hat es Gottheit hervorbringen konnte, theils eine zu bewundernde Gleich-
gegeben, denen der bloile historische U nterricht von Gott keinesweges giiltigkeit iiberhaupt, in Ansehung dieser Frage, iibrig lies. Eine groilere
geniigte? Ferner: wie kann die Geschichte beweisen: was geschehen miisse? Bearbeitung sittlicher Ideen, die durch das auflerst reine Sittengesetz unsrer
Und wo sind die Beweise aus der Geschichte, dail man eine Willkiihr des Religion nothwendig gemacht wurde, scharfte die Vernunft auf den Gegen-
Handelns von dem Unsichtbaren sehen miisse, wenn man an ihn glauben stand, durch das Interesse, was sie an demselben zu nehmen nothigte, und
solle? Warum verwies denn Christus seine Zuhiirer an die Lilien auf dem ohne dail weder erweiterte N aturkenntnisse, noch richtige und zuverlassi-
Felde, wenn man durchaus, urn an Gott zu glauben, Willkiibr des Han- ge uansscendentale Einsichten (dergleichen zu aller Zeit gemangelt haben)
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dazu beytrugen, brachten sie einen Begrif{ vom gottlichen Wesen zu Stan- wunderbares Gemisch von unlaugbaren und unerweislichen, wohl und
de, den wir itzt fiir den richtigen halten, nicht wei! uns speculative Ver- iibelverstandnen Satzen, von bestimmten und schwankenden Begriffen,
nunft von dessen Richtigkeit iiberzeugt, sondern wei! er mit den mora- von richtig erklarten, und zweydeutigen Ausdriicken, von Ordnung und
lischen Vemunftprincipien vollkommen zusammen stimmt. (391] Und Verwirrung, von Licht und Dunkelheit enthalt; merkwurdig - wei! in
so hat am Ende doch immer nur reine Vemunft, aber nur in ihrem prak- einer Zeit, wo wir vielleicht mehr als jemals Ur{392]sache haben, alles,
tischen Gebrauche, das Verdienst, ein Erkenntnifl, das die blofle Specu- was uns unter dem Namen der Tradition fiir Geschichte, oder Fortpflan-
lation nur wahnen, aber nicht geltend machen kann, an unser hochstes zung einer unmittelbaren gottlichen Offenbarung verkauft wird, mit der
Interesse zu kniipfen, und dadurch zwar nicht zu einem demonstrirten Fackel der Vernunft zu beleuchten, aller Sittenlehre der Vernunft, aller
Dogma, aber doch zu einer schlechterdings nothwendigen Voraussetzung Vernunftreligion mit folgendem Machtspruche der Procell gemacht wird:
einer selbststiindigen U rsache, oder eines weisen Weltregierers zu fiihren, (Resultate S. 197.) "Aufler diesem positiven Verhaltnisse (einer positiven
urn jenen Gesetzen Effect zu geben, und daher konnen wir sie nicht nach Offenbarung) kann keine Religion, d. i., keine Verbindlichkeit zu irgend
diesem wiederum als zufallig, und vom bloften Willen abgeleitet, ansehen; einer Handlung um Gottes willen, statt/inden: sondern die Naturist
insonderheit von einem solchen Willen, von dem wir gar keinen Begriff mein Gesetz, und ich selbst mein Allerhochstes! Triebe des Leibes sind
haben warden, wenn wir ihn nicht jenen Gesetzen gemafl gebildet batten. die Pflichten, die mich verbinden! Genufl der Gegenwart ist der Geist
Wir werden, so weit praktische Vernunft uns zu fiihren das Recht hat, consequenter Philosophie, und das Ziel der Vernunft verniinftiger Weise,
Handlungen nicht darum fiir verbindlich halten, wei! es Gottes Gebote • kein anderes, als die Triebe, Begierden, und Leidenschaften in dasjenige
sind, sondern sie als gottliche Gebote ansehen, darum, wei! wir dazu inner- System zu bringen, wodurch das Interesse des Einzelnen mit dem Interesse
lich verbindlich seyn. Wir werden die Freyheit, unter der zweckmafligen des Ganzen harmonisch wird. Helvetius ist mein Evangelist!" - Gottlob
Einheit nach Principien der Vernunft, studiren, und nur so fern glauben, daB die trefflichsten Werke der ehrwiirdigsten Moralphilosophen vor aller
dem gottlichen Willen gemafl zu seyn, als wir das Sittengesetz, welches die Welt offen da liegen, urn diese iirgste aller argen Consequenzenmachereyen
Vemunft aus der Natur der Handlungen selbst lehrt, heilig halten, ihm zu beschamen! - Merkwurdig ist endlich diese Schrift, durch folgende
dadurch allein zu dienen glauben, daB wir das Weltbeste an uns und an Ankiindigung des Hrn. Jacobi selbst, (in der Vorrede zur Antw. auf Men-
andern befordern. Die Moraltheologie*) ist also nur von immanentem Ge- delssohns Beschuldigungen) wonach er versichert, daB diese Schrift seine
brauche, nemlich unsere Bestimmung hier in der Welt zu erfiillen, indem wahre Meynung ganz von Grund aus gefaflt, mit bewundernswiirdiger
wir in das System aller Zwecke passen, und nicht schwarmerisch, oder Klarheit darstelle, und einen Selbstdenker vom ersten Range, einen Mann
wohl gar frevelhaft, den Leitfaden einer moralischgesetzgebenden Ver- im edelsten Sinne des Worts, durchaus verrathe. Hatte Hr. J. versichert, er
nunft im guten Lebenswandel zu verlassen, urn ihn unmittelbar an die Idee kenne den Verfasser, er wisse, es sey ein Mann, der zu den Selbstdenkern
des hochsten Wesens zu kniipfen, welches einen transscendenten Gebrauch vom ersten Range gerechnet werde, so warden wir ihm dies auf sein blo-
geben warde, aber eben so, wie der der bloflen Speculation die letzten fles Wort geglaubt haben. Da er aber den Verfasser der Resultate so wenig,
Zwecke der Vernunft verkehren und vereiteln mufl." als wir, zu kennen scheint, folglich nur aus seinem Buche schlieflt, daB er
Diese Grundsatze mag der Verf. der Resultate widerlegen, oder zeigen, ein Selbstdenker vom ersten Range sey, so miissen wir bekennen, daB uns
wie er, wenn er sie fiir richtig halt, die unmittelbare Verpjlichtung der Gott- dieses aus dem Buche zu schlieflen nicht moglich gewesen. Wir haben dar-
heit zu religioser Gesinnung und Handlung, die er fordert, urn jemanden inn mehr den raschen und kiihnen Entscheider, als tiefen Denker, mehr
religiose Gesinnung und Handlung zuzugestehn, damit reimen konne! den witzigen Kopf, als den griindlichen Philosophen, mehr den warmen,
Wir haben dieses Buch zu Anfange der Recension ein, in mehr als einer als den hellen Vertheidiger der positiven Religionen zu erkennen geglaubt.
Riicksicht, merkwiirdiges Buch genannt. Nicht deswegen, als ob es einem Wir sind aber weit entfernt dem Verfasser die letztern Pradicate abzu-
neue, wichtige Belehrungen verschafte, sondern - merkwurdig, wei! es ein sprechen. Wir nehmen ihn so, wie wir ihn im Buche gefunden haben, da
wir ihn weiter nicht kennen; und hoffentlich wird das Publicum uns hier,
*) Man erinnere sich, daB bey Kant dieser Ausdruck nicht etwa theologische Sittenlehre, wenn auch nicht fiir eben so erleuchtet, doch fiir eben so unpartheyisch
sondem Theologie aus moralischen Vemunftbegriffen bedeutet. halten, als Hn. Jacobi. Wie dem aber auch sey, so gibt dem Recensenten
398 i)~an!fu~te~ gefebrte ~n;clgen - 30. Mai 1786 tittel tibe~ .ltantd '»lotal~efo~m 399
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sein Gewissen Zeugnill, dall ihm das Motto: was der Vf. der Resultate auf die mancher wegen der eignen Dunkelheit und Schwierigkeit der Kanti-
dem Titel seiner Schrift gesetzt hat, bey dieser Anzeige bestandig vorge- schen Schriften gescheut haben wiirde. Die Widerlegung muste iifters leb-
schwebt hat: Non quis, sed quid? haft werden; denn die Sache, fiir die Herr Tittel spricht, ist die Sache der
Gliickseligkeit, als des Principiums der Sittlichkeit, welche durch Kant's
Mystik, wo nicht zu Grunde gerichtet, doch in die milllichste Lage gesetzt
wurde, da es augenscheinlich ist, dall reine Pflicht bei Kant in ihrer Sphiire
;smnffut:t unt> £eip&ig. nichts anders ist, als Surrogat fiir das, was in mystischem Sinne die Liebe
Gottes war. Unter dem glanzenden Titel: reine Vernunft, aus deren eigen-
U&er ~mn .ltant'~ '))Jorarreform, oon ®ottlo& Qlugufl titter, &ei 'l.lfii~ler,
thiimlichen Quellen [339] die ersten Principien der Sittenlehre geschiipft
1786, 93 ®. in Soo.
werden sollen, schuf sich Kant eine, man weill nicht, woher, dem Men-
Wie in allen Theilen der Philosophie, so auch in den Grundsatzen der schen zugekommene, nicht von Erfahrung ausgefiihrte, und durch Erfah-
allgemeinen praktischen Weltweisheit, hat bekanntlich Herr Kant seit ei· rung genahrte, sondern alles aus sich selbst wirkende, iiber Menschennatur
niger Zeit mehr niederzureissen, als aufzubauen gesucht, und seine Grund· und Menschengliick sich wegspekulirende, viillig abstrakte Freiheit. Mit
legung zu einer Metaplrysik der Sitten hat insbesondere die moralischen Sy' dieser reinen Vernunft, aus aller Verbindung mit der Sinneniikonomie und
steme unsrer philosophischen Schulen sehr erschiittert. Herr Kirchenrath dem ganzen System seiner wesentlichen Triebe und Stimmungen ausgeho-
Tittel erklan hier sein Millvergniigen iiber die Kantische Reformation der ben, setzte er den Menschen in eine Intelligenzwelt, als in ein viillig geson-
Moral, ob er gleich Kant's philosophischen Tiefsinn in Ehren hiilt. Es sey dertes Reich. In dieser Verstandeswelt liell er jene reine Vernunft sodann
nur einer von folgenden drei Fiillen miiglich. Entweder suche er die Moral auch wirksam, das ist, Willen werden. An diesen Willen, so rein, wie die
zu untergraben, indem er sie auf Grundsatze stiitze, und sie fiir die einzig Vernunft, kniipfte er eine vollig eigenmachtige Kausalitat, das ist, Freiheit.
miiglichen, und einzig nothwendigen erklare, von denen er am Ende In Kraft dieses reinen, freien Willens lallt er die Vernunft ein allgemeines
selbst nichts mehr begreiflich finde, als dall sie unbegreiflich sind; so was Geistergesetz sprechen, das ohne aile Bedingung, ohne Gegenstand, und
lasse sich aber von dem edeln Manne nicht denken. Oder er wolle es nur ohne Zweck, bios urn sein selbst willen, als Gesetz, fiir aile verniinftige
zum Scherz versuchen, wie weit die sonst gesunde Menschenvernunft Wesen giiltig ist. Auf dieser Selbstgesetzgebung und dem ihr untergelegten
durch eine, in Dunkel sich [338] hiillende, in eigenmachtig geschaffene Begriff von Freiheit lallt er einige Pflicht und Sittlichkeit beruhen, deren
Phrasen und Ideen sich einspinnende Weisheit sich tauschen, und durch ganze Hoheit eben darinn bestehen soli, dall jede Absicht auf Gliickselig-
eine andre, sich rein riihmende, Vernunft aus sich selbst setzen lasse. Doch keit und Zufriedenheit davon ganzlich ausgeschlossen wird. Am Ende der
auch <;lies lasse sich bei einem solchen Thema und bei dem Tone des Ver· ganzen Deduction findet sich dann, dall es dem obersten Begriff der gan-
fassers nicht wohl denken. Oder endlich, wenn es Kant~ wirklicher Ernst zen Sittenlehre, so gsnz an nichts gekniipft, durch nichts gestiitzt, durch-
sey, so kiinne man sich die Sache nur durch des Verfassers allzuhiiufigen aus an Haltung mangeln miisse, und dall fiir den, der auch wissen miichte,
Gebrauch abstrakter Terminologien erkliiren, wobei auch wol der beste wofiir und warum etwas Pflicht sey, nur diese einzige und letzte Antwort
Denker, indem er von der wirklichen Welt sich zu weit abfiihren lasse, zu- iibrig bleibe: Wei! es Pflicht ist, darum ist es Pflicht. Nun scheint es frei-
letzt in Gefahr gerathe, in den Irrgiingen einer der reinen Vernunft ahnlich lich unbegreiflich, wie dieser diirre, so ausgefeilte Begriff von Pflicht, von
scheinenden Phantasie sich viillig zu verlieren. Die Methode des Herrn allem Einflull auf Gliickseligkeit gesondert, von allem, was ihm einigen
Tittel in der Widerlegung ist diese, dall er Kanten Full vor Full folgt, aile- Reitz, Interesse, und Liebenswiirdigkeit geben (340] konnte, viillig entklei-
mal erst Kant's Siitze in eine verstiindliche Kiirze zusammenzieht, und det, jemals ein wirksamer Bestimmungsgrund fiir den Menschen werden
dann die Folgerungen, die daraus fliessen, sammt den Gegengriinden bei- kiinne. Mehr brauchte es nicht, Sittlichkeit und Pflicht in ein eitles Schat-
fiigt. So wird dem Leser die Beurtheilung der Sache ungemein erleichtert, tenbild zu verwandeln. U m so mehr wird es Schattenbild, da man dersel-
und der Gang der Untersuchung merkbarer gemacht. Je mehr Aufsehen ben die Freiheit, nicht in ihrer Realitat und Wirklichkeit, sondern nur
Kant's neue Behauptungen gemacht haben, desto mehr verdient Herr T. bios in der Idee, wiire sie auch an sich ein Jeerer Begriff und Traum, als
Dank, dall er eine genaue Priifung seiner Satze unternommen, eine Miihe, Grund unterstellt.
400 'lllit;butg!fdje gefe~ne 2!n;eigen - 31. Mai 1786 )l;nQ et ti ®ieg bcr pta!tifdjen memun~ tiber bie fpe!ufatioe 401
gegeben werden, welches doch nothwendig ist. Ja auch in diesem Faile hat-
te die Verbindung aller positiven Eigenschaften in einem Subjekte zwar lo-
ltdang.
gische aber nicht reale Miiglichkeit; und schliel!et man von jener auf diese,
®ieg ber praltifdjen Q3ernun~ tiber Ne fpelufati~e. Q3on i)o~. ~rieberidj ~reper
bringt auch zugleich in den Begriff eines Dinges, das wir bios seiner Miig-
~odjftirfl!. ~ranbenburgifdjen .(:Jofrat~e, ber 'J)~i[of. 10. unb orb. offent!.
lichkeit nach denken wollten, schon [404] den Begriff seiner Existenz hin-
\le~rer. 1785. ®. 20. in 4.
ein, so hat man eine Tautologie begangen. 2) Seyn ist kein Zusatz zu dem
K ants Kritik der reinen Vernunft ist gewil! eine der auffallendsten
Erscheinungen im Felde der spekulativen Weltweisheit. In diesem
Werke macht sich der Tiefdenker zum Geschaffte, die Unmiiglichkeit aller
Begriffe eines Dinges. Denken wir uns ein Wesen als die hiichste Realitat,
so kann zu diesem Begriffe, der bios die Miiglichkeit ausdriickt, niches
weiter hinzukommen, und es bleibet immer die Frage, ob dieser Gegen-
Beweisgriinde der spekulativen Vernunft fiir das Daseyn eines hochsten stand existire oder nicht. 3) Auch von keinem einzigen Wesen kiinnen wir
Wesens apodiktisch darzuthun. Doch hilft der deutsche Philosoph der die Nothwendigkeit seiner Existenz begreifen. Die Namenerklarung eines
spekulativen Vernunft durch die praktische wieder auf. Und eben die/! absolutnothwendigen Wesens ist zwar Ieicht; denn man verstehet darunter
will der V. durch den [403] Titel seiner Schrift sagen. Die Erlauterungen, ein Wesen, dessen Nichtseyn einen Widerspruch in sich schliel!et. Einen
die er iiber diese Materie zu geben versuchet, und die Aufklarung einiger Widerspruch aber findet man nur, wo unter den Pradikaten eines Subjekts
noch ziemlich verwirrten Begriffe glaubt er urn so willkommener zu seyn, eines das andere aufhebet, aber nie, wenn das Subjekt samt den Pradikaten
je gewisser es ist, dal! die Kantischen Werke in der neuen Geschichte der aufgehoben wird, welches hier der Fall ist. - Dem kosmologischen Bewei-
Philosophie Epoche machen. se stehen nach dem Urtheile des Hrn. Kants folgende Schwierigkeiten ent-
Es ist ~ein Gott. Durch Induktionen aller miiglichen Beweisarten aus gegen. 1) Erweitert er den Grundsatz der Kausalitat iiber die Welterschei-
spekulativer Vernunft zeigt Kant S. 590. die Unmiiglichkeit einer jeden nungen hinaus, aus denen er allein geschlossen und fiir die er allein wahr
derselben. Beweise dieses Satzes giebt es nicht mehr als drey, und mehr ist. Denn da er bios aus den Erscheinungen der Sinnenwelt abgezogen, wie
kann es auch nicht geben. - Der physikotheologische fangt von der be- kann er aul!er derselben nur eine Bedeutung und ein Merkmal seines Ge-
stimmten Erfahrung und der dadurch erkannten besondern Beschaffenheit brauchs haben? 2) Fallt dieser Beweis zuletzt mit dem ontologischen zu-
unserer Sinnenwelt an, und steigt von ihr nach Gesetzen der Kausalitat bis sammen, und setztet ihn voraus, da er die Verkniipfnng der absoluten
zur hiichsten U rsache aul!er der Welt hinauf. - Der kosmologische leget Nothwendigkeit mit der hiichsten Realitat beybehalt. Nur ist der Unter-
nur unbestimmte Erfahrungen, d. i. irgend ein Daseyn zum Grunde. - schied darinn, dal! dieser von der zum Voraus gegebenen unbedingten
Der ontologische abstrahirt von aller Erfahrung, und schliel!et ganz a Nothwendigkeit irgend eines Wesens auf dessen unbegranzte Realitat
priori aus blosen Begriffen einer hochsten Ursache. Kant fangt von der schliel!et, da der ontologische hingegen von der hiichsten Realitat auf die
Priifung des transcendentalen Beweises an, und untersuchet nachher, was Nothwendigkeit im Daseyn schliel!et. Wie wollen wir dann den unzer-
der Zusatz des empirischen zur Vergriil!erung seiner Beweiskraft thun trennlichen Zusammenhang zwischen Nothwendigkeit und hiichster Voll-
kiinne, wei! bios der transcendentale Begriff die Vernunft leitet, obschon kommenheit bey der niimlichen Substanz darthun, da wir 1) nothwendige
die Erfahrung den Anlal! giebt. Da nun dieser der Gang der Kantischen Existenz an den Begriff keines Dinges kniipfen, und 2) die hiichste Voll-
Priifungen ist, so folget ihm auch der V., nur setzet er Leser voraus, die mit kommenheit als innerlich miiglich nicht erweisen kiinnen? - Den physi-
den hieher gehiirigen metaphysischen Begriffen hinlanglich bekannt sind. kotheologischen Beweis empfiehlt Hr. Kant, sagt der Hr. V., nur die An-
- Nun gehet er dem ontologischen oder transcendentalen Beweise entge- spriiche desselben auf apodiktische Gewil!heit kann er aus folgenden
gen. Dieser, sagt er, schliel!et a priori das nothwendige Daseyn eines Gottes Grunden nicht billigen. 1) Zugegeben, dal! die bildende Kraft nicht in der
aus dem Begriffe der hiichsten Vollkommenheit, die aile Realicaten und Welt seyn kiinne, so beweiset doch die Zweckmal!igkeit und Wohl-
also auch das Daseyn in sich fasset. - Allein dieser Beweis, so grol!en gereimtheit so vieler Naturanstalten bios die Zufiilligkeit der Form, aber
Schein der Evidenz er auch immer zu haben scheinet, hat doch allemal nicht der Ma{405]terie. Dieser Schlul! kann also hiichstens einen Weltbau-
folgende Mangel: 1) wei! wir von diesem allervollkommensten Wesen die meister, der durch die Tauglichkeit des Steffes, den er bearbeitet, immer
innere Miiglichkeit niche einsehen, da uns die Realitaten niche spezifisch sehr ei;,geschranket ware, nicht aber einen Weltschiipfer, dessen Idee alles
402 'lBtr;burgifdje gefe~rte ~n;etgen - 31. Mai 1786 :l:iib. gel. 2ln;. - 5. Juni 1786 I Alton. Gel. Mercurius - 8. Juni 1786 403
kan lehren, d4fl es dem gut handelnden Menschen etwa an iiusserlichen, oder
korperlichen Giitern und Vortheilen mangle. Aber welcher Philosoph hat je
d4rein die wesentliche Gliickseligkeit des Menschen gesetzt? Wtzr es nicht im·
~canffu~t unll ~elphtg.
mer die Sprache des Weisen: Multos, qui conjlictari adversis videantur beatos, Ober Herro Kant~ Mora/reform. Von Gottlob August Tittel. Bey den
ac plerosque, quanquam magnus per opes miserrimos? Eine Mora4 die den Gebriidern Pfahler. 1786. (6 Gr.) Das Aufsehn, welches der hie und da
Satz aufoimm~ d4ft Gliickseligkeit und Laster zusam{l78]men bestehen kiin- hochgepriesene Versuch einer Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
ne, triigt den Stempel der Verwerflichkeit unverkennbar an der Stime. Es ist machte, lies nichts anders erwarten, als dall eine baldige Revision der
unniitz, sagt Kant. Und warum? Weil es ganz was anders SE?)I den Menschen darinne aufgestellten Grundsiitze erfolgen wiirde. Hr. T. fiihlte in sich Be-
gliicklich, als gu~ ibn klug, als tugeruihafi zu machen. Freylich nach Pobelbe- ruf, diese miihsame Arbeit zuerst zu iibernehmen, und gewill ist seine
grif! Aber sollte man von einem reinen Vernunfiphilosophen solche Begriffi Schrift allen Liebhabern der Philosophie zu empfehlen. Er hat darinne die
erwarten? Der Weise verbindet Menschengiite und Menschengliick, Klugheit !dole der Kantischen Philosophie als Bilder ohne Wesen darzustellen, und
und Tugend. Keines sol4 und keines kan ohne d4s andre seyn. Der Bosewicht den Eckstein das ganzen idealischen Gebiiudes aus seinen Fugen zu riicken
und der Schurke sind Ungliickliche und Thoren. So haben aile Wteisen geleh~ gesucht. Er geht seinem Gegner Schritt vor [234] Schritt nach, und priift
und musten so lehren. Eine Mora4 frage ich, die den Satz aufoimm~ d4ft nach seiner bekannten Griindlichkeit und Scharfsinn alles aufs genaueste.
wahres Menschengliick ohne Menschengiite, und wahre Klugheit bey der La- Einen Auszug hier mitzutheilen, verstattet die Anlage der Schrift nicht;
sterhafiigkeit bestehen konne, welch eine Moral ist d4s! Es ist sogar schiidlich wir wollen aber, fiir manche Leser zur Gemiithsergiitzlichkeit, fiir Andere
jenes Princip, sagt Kant. Wtzrum denn d4s? Wei! es der Sittlichkeit Triebfedern zur Probe, gerade eine Stelle mittheilen, wo Hr. T. gegen ein Hauptboll-
unterlege, die sie eher untergraben, und ihre ganze Erhabenheit zernichten. Ich werk Sturm liiuft. S. 51 werden zuerst die Worte aus der Metaphysik der
diichte, d4s hiesse, die Moral erst recht dem Menschen in ibrer Erhabenheit und Sitten angefiihrt .• In diesem Reich der Zwecke wird es nun Princip: Hand-
Vortrejlichkeit annehmungswiirdig und genieftbar machen, wenn man dem le so, d4fl dein Wille durch seine Maxime immer zugleich als allgemeingesetz-
Menschen zeig~ wie wohlthatig die Tugend fur ibn S"JJ wie sie allein wahrhaf gebender Wille sich betrachten kann. u. s. w. Hierauf versetzt Hr. T. folgen-
tig ibn I:Jegliicken konne, weil sein ganzes Wohlseyn durch ibn begriindet wer- des. Etwas von Wahrheit liegt in diesen Siitzen. Nur bey weitem in zu vie!
de, und wie liebenswiirdig sie d4rum sey. Soli ich die Tugend dem Menschen Fiktion eingewickelt, mit zu vie! Dunkel umhiillt, mit zu vie! Inanitiiten
als einen getiinchten, todten Gotzen hinstellen, nur zum Staunen, nicht zum versetzt, durch zu vie! Umwege und Cirkumduktionen herausgefiihrt
Lieben? Heilige Gottheit! Du selbst bist mir liebenswiirdig, wei! Du mir so (man nehme die Siitze nicht in der Kiirze, wie ich sie hier zusammenge-
giitig bis~ Une4 Du, heilige Tugend, der Gottheit Bild, um der Gottheit willen stellt, sondern sehe sie einmal bey dem Verfasser der Metaphysik der Sit-
Iiebe ich dich, wei! du die Quelle alles meines Gliickes und meines Segens bist. ten selbst nach). Warum mull ich mich erst in eine intelligibile Welt, in ein
Den Einfluft der Tugend und des Lasters (unter dem Begrif des Zutraglichen) idealisches Reich, in eine Versammlung gesetzgebender Geister denken?
gegen einander vergleichen und wiigen, und eben d4rum die Tugend dem urn zu Iemen, dall Sitdichkeit und Tugend dem Menschen seine hiichste
Menschen empfehlen, wei! sie aile die scheinbare Vortheile des Lasters unend- Wiirde gebe. Und (wenn ich mich denn hineingedacht) was sollen diese
lich iiberwie~ d4s heiftt bey Herro Kant so vie4 als die Bewegursachen zur versammelte Geister nun mit und fiir einander beschlieBen? Was hat diese
Tugend mit denen zum Laster in eine Classe stellen. Also, wenn ich wahres allgemeine Gesetzgebung fiir einen Gegenstand und fiir einen Zweck?
Gold und goldscheinendes Metall (unter dem niimlichen Begrif des Gewichtes) Jeder betrachtet sich selbst, und jeder den andern als Zweck~ Wohl! wenn
vergleiche, d4s heift~ eines gegen d4s andre wage, so babe ich nun d4rum sie dies so vie! heiBen soli, jeder suchi seine eigene und die Gliickseligkeit des
unter eine Classe gestell~ und ihren specifischen Unterschied zerstohrt? So andern. Aber nach Hrn. K. soli und dar£ es das nicht heillen. Seine allge-
sollte ein Philosoph nicht [179] sprechen. Calculiren muft doch immer der meine Gesetzgebung will nur das Wollen, als Wollen; nicht den Gegen-
verniinfiige Mensch. Kan er aueh nur irgend einen wichtigen Fall griindlich stand des Wollens. Sie will und gebietet, wei! sie gebietet und will. Keine
entscheiden, oder verniinfiig etwas beschliessen, wenn er nicht Griinde und Seele aber versteht etwas hievon. U nd jene Gesetzgeber verstehn ganz
Gegengriinde, und die Motiven d4fiir und d4wider wahl iiberschlagen, ge- gewiB auch nichts davon. Ist das tiefer Vernunftgang? Ist das hohe For-
wogen und berechnet hat. schungskraji? Ist das rein philosophischer Geist? Dies alles nicht! sondern
406 ~tfuttlf<j)e gefe~tte ,3eltungen- 24. Juni 1786 'Yieue £eip;lget \Befe~tte ,3eitungen - 13. Juli 1786 407
wahrer Luxus der Vernunft! oder wie sonst soli man es nennen. Noch
eins! Wenn Hr. K. den hohen Werth der Tugend und der Sittlichkeit in
dem Antheil setzt, welchen sie dem Menschen an der allgemeinen Gesetz-
jcanffuct unb J!eip;ig.
gebung verschafft: so mocht ich doch fragen, ob dieser Antheil an der all- Bey den Gebriidern Pfahler: Ober Herrn Kants Moral-Reform, von Gott-
gemeinen Gesetzgebung denn nun die Tugend selbst? oder das Interesse lob Aug. Titte~ 1786, 93 S. gr. 8. Leicht konnte man aus mehr als einem
der Tugend sey? Das erstere kann nichi wohl seyn. Die Tautologie ware zu Grunde, voraussehen, dall die Kantische Grundlegung zur Metaphysik der
stark. Es mull wohl also Interesse der Tugend seyn. Aber so kniipft ja Hr. Sitten friihere Streitigkeiten veranlassen wiirde, als dessen Kritik der reinen
K. dessen ganze Moralverbesserung dahin geht, den absoluten Willen der Vernunft. Herr Tittel priift jene in der obigen Schrift mit Genauigkeit und
Vernunft bios durch sich selbst gelten zu machen, un{235]vermerkt nun Bestimmtheit; in einem reinen und lichtvollen Ausdrucke, und mit einer
doch den stolzen Gedanken, .Allgemeingesetzgeberin zu seyn" ihr an: Denkart, die seinem moralischen Character Ehre macht. Er sucht sein dem
und schiebt fiir das reelle Interesse der Gliickseligkeit, das bios idealische Kantischen entgegen gesetztes Princip der Moralitat, welches er mit vielen
Interesse einer allgemeinen Gesetzgebung ein. Warum macht man doch andern bloll in der Gliickseligkeit zu finden glaubt, zu vertheidigen.•Die
Menschen die Erkenntill der Wahrheit und Tugend, die die Natur so ein- Sache, sagt er, Vorrede S. 6, wofiir ich spreche, ist die Sache der Gliickselig-
fach sie lehren wollte - so schwer? Auch fiir den fahigsten Erdenmann ist keit, welche durch die Kantische Mystik - wo nicht zu Grunde gerichtet,
der Flug zu kiihn iiber die gesammte Menschenwelt hinaus in Wolken sich doch in die allermilllichste Lage gesetzt wiirde, da es augenleuchtend wird,
zu versetzen, urn als ein Orakel ein Gesetz fiir aile Geister zu predigen. dall reine Pflicht {reine Tugend) bey Herrn Kant, innerhalb ihrer Sphare,
Woher will doch dieser allgemeine Gesetzlehrer die Data nehmen? .Aus nichts anders ist, als Surrogat fiir das, was (im mystischen Sinne) die reine
der reinen Vernunft?" Wohl recht! wann nur diese reine Vernunft, die Liebe Gottes war." Er hebt daher die in der Kantischen Grundlegung sich
doch dem Menschen, in so fern er sie wirklich gebrauchen soli, auch auf diesen Streitpunct beziehenden Stellen aus, und setzt jeder so gleich
beywohnen miiste, diese von der iibrigen Menschennatur abgerissene Ver- seine Griinde entgegen. Da es ganz zweckwidrig seyn wiirde uns hier auf
nunft nicht selbst ein Unding ware. Andere Geister brauchen ihre Moral einigen Seiten in diese eben so verwickelte als wichtige Streitsache selbst
nicht erst von unserer Erdenwelt zu holen. Lasset uns selbst und unsere zu mischen; so wollen wir den Leser durch die Auszeichnung von ein Paar
Erdenbriider durch deutliche und einleuchtende Vorschriften belehren, Hauptstellen mit Herrn Tittels Widerlegungsart von Seiten des Inhalts und
unser gemeinschaftliches Gliick zu griinden! Das ist Menschenmoral. Es der Form bekannt zu machen suchen. Herr K. sagt in der Vorrede zu sei-
ist der gewisseste Weg, die Philosophie und Vernunft in Millkredit und ner Grundlegung etc.•Gegenwartige Grundlegung ist nichts mehr, als die
Verachtung zu setzen, wenn man eben da, wo dem Menschen zu Einrich- Aufsuchung und Festsetzung des obersten Princips der Moralitat." - U nd
tung seines Verhaltens eine deutliche und sichere Norm gegeben werden diell Princip driickt er so aus: .Handle so, dall du auch wollen kannst, da1l
soli, ihn auf eine Hohe hinauf stellet, die ihn schwindeln macht, und wo deine Maxime {dein practisches [1294] Principium) allgemein werden mO-
er sich selbst nicht kennt. Dies sey zur Probe genug. Wahrscheinlicherwei- ge. Diell ist das allgemeine Gesetz {S. 13} welches der letzte Bestimmungs-
se wird dies nicht die letzte Lanze seyn, die Hr. K. dargeboten wird. Inzwi- grund eines an sich {ohne Riicksicht auf Gliickseligkeit, Wiirkungen oder
schen mag diese litterarische Fehde sich wenden wie sie will, so kann das Folgen der Handlung) guten Willens werden mull." Weiset nicht aber diell
Publikum und die Wissenschaft selbst nicht anders als dabey gewinnen, Gesetz, sagt Herr Tittel, doch selbst unmittelbar auf die Folgen hin, die
und man wird in denen Akten: Tittel contr. Kant, erstern das Verdienst im- nun eine solche Maxime, ihrer Allgemeinheit nach, fiir mich und andre
mer lassen miissen, dall er die Sache zuerst zur Gegensprache gebracht hat. haben wiirde? Nur aus den Folgen kann ich ja erst entscheiden, ob ich es
Hr. T. entschuldiget sich iibrigens, wenn sein Ausdruck bisweilen zu stark wiinschen und wollen konne, da1l sie allgemein werde, oder nicht. Oberall
und lebhaft scheinen mochte, dall die harten Kantischen .ii.ullerungen die kann ich ein Gesetz nicht denken ohne Handlung, wohin es, als auf einen
Gelegenheit dazu gegeben hatten. Allerdings, wie mag die gelehrte Repu- Gegenstand, eine wesentliche Beziehung hat; und eine Handlung kann ich
blik einen Diktator ertragen! nicht ohne Folgen denken, die fiir uns oder andere dadurch hervor ge-
bracht werden, und welche nun die Handlungen - oder irgend eine auf
solche Handlungen sich beziehende Maxime empfehlen oder verwerflich
408 ~eue ~eip;iger ®e[e~rte ,3eitungen - 13. Juli 1786 ~Urnbergifd)e gde~rte ,3eitung- 14. Juli 1786 409
machen. Das Gesetz ist ja nur der allgemeine Ausdruck, oder das Abstract, wissen kann, nach was fiir Beweggriinden er gehandelt habe - ob er genau
worin das Gemeinschaftliche gewisser Handlungen und ihrer Folgen aus und streng durch die Vorstellung von Recht und die Liebe zum Gesetze
einer Menge einzelner Faile, zusammen gefaflt und bezeichnet wird. Der durch die Vorstellung von Recht bewogen worden sey; so kann er es doch
allgemeine Ausdruck, als Forme!, im theoretischen wie im practischen bey unterhaltener Reflexion von sich selbst bestimmen. Aus eigener Erfah-
(Axiom oder Gesetz) liiset sich immer in die einzelnen Begriffe und Faile rung kann also doch der Mensch nun schon den Begriff von Pflicht erhal-
wieder auf, wovon er abgezogen wurde; und reichet nicht urn ein Haar ten. Auch dieB [1.296] kann er nicht .sagt Herr Kant, und warum?" Wei!
weiter als diese reichen. Wie ich nicht urn einen Schritt weiter damit kom- der Mensch von keiner einzigen seiner eigenen Handlungen mit GewiB-
me (wie schon der weise Lock bemerkt) wenn ich nur die Forme! gelernt heit sagen kann, dafl er sie aus reiner Pflicht gethan, d. h. dafl nicht irgend
habe, dafl etwas nicht zugleich seyn und nicht seyn konne: eben so werde ein Antrieb der Selbstliebe, oder eine Aussicht auf eigenes Wohlseyn und
ich auch dadurch nicht weiter gebracht, dafl man mir sagt: .Handle so, Zutriiglichkeit wenigstens im verborgenen mitgewirkt. .Sehr richtig ge-
dafl du auch wollen kannst, dail deine Maxime allgemein werden moge." sagt! 0 hne eine Aussicht auf Wohlseyn und Zutriiglichkeit kann der
Pflicht und Sittlichkeit, behauptet Herr Kant ferner, sind von aller Erfah- Mensch liberal! nicht handeln. Soli darum aber etwas aufhoren, Pflicht zu
rung unabhangig, und nur auf reine Vernunft gegriindet etc. - Das Gesetz seyn, nicht mehr a us Pflicht geschehen seyn? wei! es geschiihe, Wohlseyn
der Sitclichkeit muB allgemein und nothwendig seyn, fiir aile verniinftige zu griinden und zu befordern. Did~ wiirde nicht weniger heiBen als die
Wesen die wir (auBer den Menschen) aus Erfahrung gar nicht kennen. ganze Natur-Oconomie des Menschen zerriitten. Herr Kant wird seinen
Reine - erinnert Herr Tittel unter andern wider die obige Kantische so ganz willkiihrlich angesetzten und {nach seinem eigenen Gestandnisse)
Theorie, nicht [1.295] von Erfahrung ausgefiihrte, ganz von aller Erfahrung mit allen wirklichen Erscheinungen im Menschen streitenden Begriff von
unabhangige Vernunft ist keine Menschenvernunft. Alle Abstracta miissen Pflicht und Sittlichkeit ewig nicht rechtfertigen konnen. DieB wird hin-
endlich - wie weit auch immer diese Zuriickfiihrung reichen mag, nun reichend seyn Kenner und Liebhaber einer soliden Moral auf diese Schrift
doch in Elementar-Begriffe auflosbar seyn, die auf Erfahrung beruhen. aufmerksam zu machen.
Und jedes Abstract, das nicht auf diesen Boden erzeugt wiirde, ist Chima-
re. Vemunft - ist doch keine isolirte, von der iibrigen Menschennatur so
abgeschnittene Provinz, dafl man ihre Begriffe aus allem Zusammenhang
Ober tnaterialismus unb :Jbealismus. \;fin p~l[ofop~ifd)e6 ~tagment oon
mit den iibrigen heraus heben darf. Stetigkeit herrschet im Menschen, wie
1lbam Weisl)aupt, .t;>ethog[ld) 0ad)fengot~alfd)em .(Jofratl). nurnberg,
in der ganzen iibrigen Natur. Vom Empfinden geht es zum Denken: von
beQ ®tattenauet, 1786. 125 0. in 8. 24 ft.
Erfahrung zu Vernunft. Vernunftbegriff ist nur erhohter Empfindungsbe-
griff. Mittelbar nehmen die Vernunftbegriffe ihren Ursprung doch immer
aus Erfahrung (innere oder auBere Erfahrung; eigentliches Empfinden
oder Reflexion). Allerdings miissen nun auch die Begriffe von Pflicht und
S chon der Name des Herrn Verfassers, an dessen Verfolgung, so wie
an seiner muthigen Standhaftigkeit in derselben, das Publikum so
groBen Antheil genommen hat, muB dasselbe nach dem Inhalt dieser klei-
Sittlichkeit (mit oder ohne Beziehung auf Gliickseligkeit) wie aile unsere nen Schrift begierig machen: auch wird sich der geiibte Denker in seiner
Begriffe, zuletzt in Erfahrung zuriick gehen. U nd warum sollen sie es Erwartung nicht getiiuscht fiihlen. Der Gegenstand der Untersuchung ist
nicht? Vielleicht, wie Herr Kant sagt, "wei! man kein einziges Beyspiel die Beschaffenheit und Gewillheit unsrer ErkenntniB. Es wird erstens ge-
einer ganz streng und eigentlich aus Pflicht geschehenen Handlung mit gen den Materialismus erwiesen, dafl das Denken nicht durch Zusammen-
volliger GewiBheit aufzustellen vermag." Vorerst ist ja aber nur die Rede setzung entstehen konne; und dann der Grundsatz des Idealismus aufge-
von dem Begriffe, wie er entstehet? noch nicht von der Realitiit und Wirk- stellt: Denken ist eine Eigenschaft immaterieller Wesen; aile Materie ist
lichkeit. Durch willkiihrliche Combination einzelner aus der Erfahrung bloB Erscheinung. Dieser Grundsatz konnte die Vermuthung erregen, dafl
gezogener Begriffe, kann ein Compositum sich formen, das liberal! in der der Idealismus des Herrn Verf. der niimliche sey, gegen den Mendelssohn
Wirklichkeit nirgends zu finden ist. Ein solcher Begriff loset sich aber nur in seinen Morgenstunden kiimpft; dail auch er glaube, ausser den Geistern
doch bey der Decomposition seinen Bestandtheilen nach, in Erfahrung gebe es keine andere Wesen, es ge{442]be keine Materie. Aber S. 39. erkliirt
auf. - U nd wenn ein Mensch schon nicht mit GewiBheit von dem and ern er sich tiber seine Meynung deutlicher. Sein Idealismus hat zwar mit die-
410 <Jleue~e 1\:ritl[cl)e <Jlacl)ricl)ten - 15. Juli 1786 411
<Jliimbergi[cl)e gele~rte ,Seitung - 14. Juli 1786
sem einerley Vordersatz: Mit veriinderten Sinnen empfinde ich denselbi- behauptet S. 71., es gebe in sich nur Individua, keine Arten und Gattun-
gen Gegenstand auf eine andere Art; aber die Folge, die er daraus zieht, ist gen; nur die Schwache der Menschen habe diese erfunden. Dem Recen~en
von der Folgerung des Mendelssohnischen Idealisten ganz verschieden. ten scheinen solche Klassen von der Natur selbst gemacht zu seyn, jede
Dieser schlieBt daraus zu vie!: Also sind gar keine Gegenstande ausser mir; von ihr ihren eigenthtimlichen Charakter empfangen zu haben. Unter den
unser Verf. schlieBt aber ganz richtig daraus: Also ist der Gegenstand das Geschopfen auf dieser Erde klassificirt und charakterisirt offenbar die Ver-
nicht an sich, woftir er mir erscheint; also erkenne ich die Gegenstande nunft den Menschen. Und der Hr. Verf. nimmt S. 111. selbst an, daB der
nicht so, wie sie an sich sind, sondern wie sie mir erscheinen. Nach dieser Mensch, unter den Wesen, die wir kennen, das einzige sittliche sey. - Auch
Erklarung ist dieser Grundsatz der nemliche, den der tiefste unter unsern finden wir uns nicht bemiissigt, mit dem Verf. ein Leben vor unserm ge-
Denkern, Kant, zum Grunde legt: und es ist fur den Recensenten ein gros- genwartigen Leben anzunehmen. (444] Daraus, daB wir Vernunft haben,
ses Vergntigen gewesen, auch hier bestattigt zu finden, daB der Tiefsinn folgt nicht, daB wir einmahl keine gehabt haben miissen. Sie ist der Cha-
eine gemeinschaftliche Richtung habe, da er speciell weiB, daB Weishaupt rakter unsrer Klasse. U nd fangt sie denn nicht mit dem Kinde klein genug
diesen Grundsatz nicht dem Kantischen Systeme abgeborgt hat. Das mag an: muB sie denn eben von nichts anfangen? - Den scharfsinnigen Beweis
hinreichen, urn einen allgemeinen Begriff von dem zu geben, was man in ftir die U nsterblichkeit der Seele wiinschten wir, daB der V. noch genauer
diesem kleinen, aber an grossen Gedanken reichhaltigen Schriftchen zu su- durchdenken mochte. Der Beweis, daB es Wesen geben miisse, welche die
chen habe. Leider gestattet es die Einrichtung unsrer Blatter nicht, dem tausend Welten, die in unsrer Welt liegen, wei! sie tausendmal anders er-
Verf. in dem ganzen Gang seiner Untersuchung zu folgen; wir mtissen uns kannt werden kann, als Ein Ganzes tibersehen, ist fur uns befriedigend:
also mit.einem allgemeinen Urtheil, und mit Anmerkungen tiber einzelne aber wir konnen nicht daraus folgern, daB jedes Wesen in der Welt das
Satze begntigen. Die Philosophie unsers Verf. zeichnet sich nicht nur Weltganze tibersehen miisse. Wir ~~en annehmen, ~aB nur .der, der An-
durch Griindlichkeit, sondern auch durch Lebhaftigkeit und Ftille aus. lage und Geschicklichkeit zu dieser Ubersicht hatte,. emst zu ih.r gel~ngen
Wir sind.tiber die Fruchtbarkeit erstaunt, die er seinen Behauptungen zu miisse; und darauf wiirden wir die Hoffnung fur d1e Unsterbhchke1t des
geben weiB, tiber den Reichthum von Folgen, die er aus ihnen zieht. Auch Menschen griinden, in dessen Vernunft diese Anlage und Geschicklichkeit
sein Vortrag ist lebhaft und hinreissend: bisweilen beynahe zu rednerisch. unverkennbar ist. - Genug, wie wir hoffen, urn aile unsre Leser, denen
Er hat die Sprache in seiner Gewalt, wiewohl sie hier und da noch etwas Forschen nach Wahrheit am Herzen liegt, auf diese Schrift aufmerksam zu
unkorrekt ist. - Als eines der vor{443]trefflichsten Raisonnements in die- machen. Wir konnen uns tibrigens der Betrachtung nicht erwehren, daB
sem Fragment, - das nur darum Fragment zu heisen scheint, wei! manche das Publikum dem Vaterlande des Verfassers Dank schuldig sey, da er ihm
Satze mehr hingeworfen als ausgeftihrt sind - zeichnen wir die Klassifica- wohl schwehrlich dieses Geschenk gemacht haben wiirde, wenn ilm nicht
tion der Wahrheit aus. Sie ist theils absolut, theils relativ. Die absolute jenes, mit so vielen seiner wiirdigsten Btirger, ausgestossen hatte.
Wahrheit zeigt an, was an der Sache selbst ist, das Objektive, Absolute der
Wesen und Kriifte ausser uns. Auf diese haben wir keinen· Anspruch, sie ist
das Eigenthum Gottes: Relativ ist wahr, 1) was durch eigene, seltnere Orga- ~rlebtidj i,:leinridj i)acobt roteber 'lnenbelafobn~ ~efdjulbigung betreffenb bie
nisation erkannt wird, 2) was von der allgemeinen menschlichen Art zu ~tiefe iiber bie l!ebre be~ ~pino 0 a. l!elp0ig bel IBofdjen 1786. 127 ~. in 8.
empfinden, bestattigt wird, 3) worin alle uns bekannte Organisationen
.ltofl. 12 gr.
tibereinkommen. Diese letzte Klasse relativer Wahrheit nennt der V., wei! ltlie :Jtefultate ber i)acobifdjen unb 'lnenbe!afobnfdjen 'Pbilofopbie !ritifdj unter•
sie die hochste ist, deren wir fahig sind, ontologische Wahrheit; und er lie- fudjt oon etnem ~retrotmgen. l!eip0tg 1786. .!toft. 16 gr.
fen ein VerzeichniB solcher ontologischen Wahrheiten, das hochst wichtig
er Streit zwischen Jacobi und Mendelsso~n un~ beid~r Fre~nden
ist, und die sorgfaltigste Priifung denkender Kopfe verdient. Die Anwen-
dung seiner Lehren auf die Moral ist durchaus vortrefflich, und dient dem
allgemeinen Ruhme, in dem sein moralischer Charakter steht, zu einer
D ward von Anfang an, wie es schien, von be1den Se1ten mcht mit dem
kalten Blute gefuhrt, wobei solche Streitigkeiten nur allein lehrreich und
neuen Bestattigung. - Noch erlauben wir uns ein paar Anmerkungen ntitzlich werden konnen. Die hier zuerst genannte Vertheidigung des Hn.
tiber Satze, die nicht eben nothwendig in das System des Verf. gehoren. Er Geh. R. Jacobi, der darin Hrn. Kant den Hercules unter den Denkern
:;
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412 'l1eue~e Q:~itif~e 'l1a~~i~ten - 15. Juli 1786 I i\arobi n>ibet 'lnenbeltifo~nti !l;ef~ulbigungen 1 :Ole J!efultate 413
nennt, Haman flir ein groBen und heiligen Mann erkliirt, und Lavatern de naher seyn als sie glauben, urn so mehr, da nach dem Verf., Jacobi
{der freilich mehr als einen salta mortale macht) flir seinen Mitschacher und Mendelssohn doch darin iibereinkommen, daB iiber dem, was man
halt, ist bei mancher schiinen Stelle, die sie hat, nicht von der Empfind- eigentlicher Weise Vernunftgriinde nennt, eine Uberzeugung von den
lichkeit, von der Wiirme frei, welche zween Streitenden die zwischen Hauptwahrheiten der Religion miiglich und wiirklich sey. Aber sie kom-
ihnen befindliche Kluft immer grosser und gefahrlicher darstellt, als sie ist. men bald wieder weit aus einander, besonders da Hr. J. und sein Vertheidi-
Hr. J. konnte immer Recht haben, daB LeBing ein Spinozist gewesen; was ger einen jeden apodiktischen Beweis der vornehmsten Wahrheiten der
gewann das Publicum bei dieser Entdeckung, was verlohr es, wenn sie natiirlichen Religion nach der Natur unserer Erkenntnill flir unmiiglich
wahr oder falsch war? LeBing allein, den man stille im Grabe ruhen lassen halt, und das aus dem simplen Grunde, weil es weder a priori noch a
muBte, wenn er von dem Geschrei das man dariiber machte erweckt wer- posteriori einen zusammenhangenden SchluB auf irgend ein Daseyn ausser
den kiinnen, hatte den Streit freilich am besten entscheiden kiinnen, und uns positiver Weise geben kann. Hier sieht man den Grund des ganzen
alsdann wiire seine Erweckung der Welt immer zehnmal mehr werth als Jacobischen Systems. - Wenn das wiirklich Ehre flir einen Weltweisen
seine Entscheidung gewesen. Aber nun, sit ei terra levis! - Die zwote seyn soli, wie es S. 60 heiBt, daB er seine Worte, nicht nach dem Beifall des
Schrift ist wichtiger. Sie ist freilich auch ganz [221] in die Seele des Hn. Ja- Publicums, des [222] wortflihrenden Publicums, kalkulirt, sondern ohne
cobi hinein gedacht und geschrieben, aber sie betrift mehr das System, das Ansehen der Person die Wiirter wiihlt, die seine Ideen am schiirfsten fas-
zwischen ihm und Mendelssohn so verschieden war. Mendelssohn erkann- sen; so miigte freilich diese Ehre zulezt aile Philosophie in Verwirrung
te, in Absic~~ auf Lehren und ewige Wahrheiten, keine andere Uberzeu- bringen, jeder wiirde seinen Sprachgebrauch vor sich haben, aile sich strei-
gung als die Uberzeugung durch Vernunftgriinde. Jacobi aber brachte nach ten und niemand sich verstehen. Rec. bestreitet dem Verf. den Glauben des
allen strengen und herzlichen Forschen ein ganz anderes Resultat heraus, Christenthums nicht, den er S. 246 so schiin, so eindringlich schildert, er
namlich, daB das Element aller menschlichen ErkenntniB und Wiirksam- driickt ihm vielmehr dabei briiderlich die Hand; allein dieser Glaube hebt
keit, Glaube sey. Der Verf. dieser Schrift, der die Sprache und den Aus- bei ihm die E videnz nicht auf, welche gesunder Menschenverstand, Iichte,
druck viillig in seiner Gewalt hat, und iibrigens den Kantischen Grundsat- durch keine Systeme gefesselte Vernunft, Wahrheitssinn und moralische
zen in der Philosophie folgt, vertheidiget die Jacobische Meinung mit Gewillheit giebt, die sich aile auf verniinftige Untersuchung, Priifung und
Wiirme, und giebt dabei zu gleicher Zeit die Geschichte des zwischen ihm Griinde stiitzen miissen; und wie ist denn Hr. J. ohne aile U ntersuchung,
und Mendelssohn entstandenen Streits. Nach dem Verf. kamen Jacobi und Priifung und Griinde auf seinen Glauben und zur GewiBheit darin ge-
Le~ing bei.de darin iiberein, daB die Lehre des Spinoza die einzige biindige kommen? Ja Recens. fiirchtet sehr, die jezt bei unsern iiberfeinen Philoso-
Philosoph1e, aber auch der blosse Atheismus sey. Jacobi zeigte dies Men- phen zur Mode werdende Schmahlerung der Vernunft und Vernunftgriin-
delssohn an, der LeBings Biograph werden sollte, Mendelssohn vertheidig- de, und die Hinleitung zum philosophischen Scepticismus, werden am En-
te semen Freund gegen diese Beschuldigung, vieleicht mit zu vieler Emp- de der Religion und den Glauben selbst schadlich werden, und einer jeden
findlichkeit, und nun war die Fehde da. - Aber zu dem hier untersuchten so schon genug aufblickenden philosophischen und religiiisen Schwiirme-
System beider Philosophen selbst zuriick. Auch Jacobi, sagt der Verf. S. rei den Eingang desto Ieichter machen. U nd was hatten wir dann gewon-
14. ist ein Spinozist, das heillt, auch er kennet aus Vernunftgriinden keine nen? Was ist es Wunder, daB zu einer Zeit, wo man sich so recht angelegen
von der Welt unterschiedene U rsache der Dinge, oder seine Demonstra- seyn laBt, der Vernunft die Fackel aus den Hiinden zu winden, die ihr der
t!on kennet keinen Got~. Aber er hat auf dem Wege dieser Untersuchung Vater des Lichts selbst zu unserer Fiihrung in die Hande gab, der eine bei
emsehen gelernt, daB d1e Natur den Menschen auf eine ganz andere als seinem Glauben Geister sieht, der andere Wunder zu thun glaubt, oder
demonstrative Weise von seinem eignem Daseyn iiberflihrt, und den gar desorganisirt, der eine Gold der andere den Trank der Unsterblichkeit
Bedingungen und Absichten desselben iiberzeuge, und daB wir auf eben machen zu kiinnen sich einbildet. Es gab eine Zeit, wo Philosophen alles
diesen Weg auf den Weg der Erfahrung zur ErkenntniB Gottes gelangen - demonstriren zu kiinnen glaubten, und jezt scheint eine Zeit zu seyn, wo
kurz, daB Glaube das Element aller menschlichen Erkenntnill und Wirk- man sich recht Miihe giebt, nichts beweisen zu kiinnen. Zu kiihn erhob
~~mkeit sey. Freilich, wenn man sinnliche Evidenz, Offenbarung und die sich der Mensch da iiber seine Sphiire hinaus, wollte nichts glauben, zu
Uberzeugung davon, Glauben nennt; da miigten sich die Streiter im Grun- feig will er jezt mit eignen gesunden Augen gar nicht sehen, will bios
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414 l!lotbai[<j)c gdcbrtc 3citungcn - 2. August 1786 Altonaischer Gelehrter Mercurius- 3. August 1786 415
glauben. Und doch diirfte die Wahrheit bier, so wie fast immer, in der ganisationen auch die Form der Materie nach der Beschaffenheit der Re-
Mitre liegen. Gliicklich wer sie, von heiden, nicht Feinden sondern trauten ceptivitiit des Subjekts andere, doch in Ansehung unserer gegenwiirtigen
Schwestern, Vernunft und Glauben geleitet zu suchen, zu fassen, zum Erkenntnill und Einsicht in die Beschaffenheit der Dinge dadurch nichts
Besten und zur Aufklarung der Menschheit anzuwenden weill. Wesentliches geiindert werde; denn ich mag einen Gegenstand als Erschei-
nung oder als etwas Wiirkliches betrachten, so bleiben die Verhiiltnisse
wie sie sind, Ursach und Wiirkung, Grund und Folge bleiben dieselben,
wie dieses der Verf. auch selbst behauptet; ich substituire bios statt des
91iirn~erg.
Wiirklichen Erscheinung. Uberdiefl wer und was kann uns iiberzeugen,
Ober Materialismus und Idealismus. Ein philosophisches Fragment, von welche Form der Materie, unter so mannichfaltig durch Verschiedenheit
Adam Weishaupt, Herzog!. Sachsen-Gothaischen Hofrath. Bey E. C. Grat- der Organisation abgeiinderten Formen, die iichte und wahre ist? und was
tenauer. 1786. 125 Seiten 8. { ) Das Publikum kennt den Verfasser, ehema- kann uns daran liegen, das Wesen der Dinge in dieser oder jener Form zu
ligen Prof. der Philosophie zu Ingolstadt, schon aus den Schicksalen, die sehen, wenn uns das Wesen selbst verborgen ist? Kommen wir dereinst in
er urn Philosophie und Aufklarung willen erlitten hat; bier lernt er ihn einen Zustand, worin uns dieses Wesen enthiillet wird, so wird uns wahr-
auch als scharfsinnigen tiefen Denker kennen, der dabey die Kunst in ei- scheinlich entweder die Form desselben gleichgiiltig seyn, oder wenn es
nem vorziiglichen MaaBe besitzt, abstrakten Ideen Licht und Klarheit und nicht ohne Form seyn kann, wird es die ibm ganz entsprechende Form
gefiilliges Gewand zu geben. Die Lehre des Idealismus ist bier nach eigenen haben; und diese haben die Dinge hochst wahrscheinlich schon jetzt, wir
Modificationen des Verfassers, und lichtvoll dargestellt; dabey hat der Verf. aber, wenn wir sie nicht [511] siihen, miiflten verkehrte und unzureichende
eine ausnehmende Aufmerksamkeit und Circumspektion auf alles, was ihr Sinne haben, die unfiihig wiiren, die Dinge in ihrer wahren eigentlichen
im Wege stehen kiinnte, gezeigt, und diesem zu begegnen gesucht. [...] Gestalt, und nach allen ihren Seiten, Lagen und Stellungen zu sehen.
Nadi einer Inftafts<tt19alie fofgt alisdifitjleru!: Wir erlauben uns nur eine einzige Selbst von meiner Gestalt und Form miiflte ich eine irrige verkehrte Vor-
Anmerkung. Sie betrift die Hauptabsicht dieser Schrift, nemlich den Be- stellung haben, alles miiflte mich triigen. Aber wer kann das wissen? oder
weis, daB aile Materie blosse Erscheinung, und diese Erscheinung, die wir Ma- liegt es in dem Plane Gottes, die Menschen allmiilig durch immer abneh-
terie nennen, ein blosser Gedanke der Geister sey. Diesen Beweis scheinet mende Tiiuschung und symbolische Erkenntnill der nackten ewigen
der Verf. in der Behandlung seines Gegenstandes aus dem Gesichte verlo- Wahrheit entgegen zu fiihren? -
ren zu haben. Alles was hieriiber gesagt wird, scheint sich bios auf die
Form der Materie einzuschriinken, nicht aber die Materie selbst zu umfas-
sen. Wenn die Form Erscheinung ist, so folgt daraus nicht, daB es auch die 7\ Turn berg. Ober Materialismus und Idealismus, ein philosophisches Frag-
Materie an und fiir sich sey. Bey veriinderter Organisation kann zwar die 1 " ment von Adam Weishaupt, Herzoglich Sachsengothaischen Hofrath, bey
Form der Materie mehrern Subjekten anders erscheinen, aber deswegen Grattenauer, 1786, S. 125, 8va Mit der Lehre von der U nsterblichkeit der
wird doch das Wesen der Materie nicht aufgehoben; sie bleibt was sie an Seele steht jene von ihrer Unltiirperlicbkeit im engsten Zusammenhang. Ja
sich ist; das, was an ihr Erscheinung wird, tangirt nur ihre Form, ihr Aus- die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele mufl in dem Maas an Gewifl-
serliches, nicht ihr Wesen. DaB sich die Materie dereinst, wenn wir die heit gewinnen, als es Weltweisen gelingt, die Schwiiche des Materialismus
hochste Stufe geistiger Vollkommenheit werden erstiegen haben, vor uns sichtbar und einleuchtend zu machen. Freylich war der eigne und reine
in ein Nichts, oder vielmehr in ein einfaches Wesen aufliisen werde, dar- Begrif von Immaterialitiit dem ganzen Alterthum unbekannt, erhielt erst
iiber kiinnen wir jetzt noch nicht urtheilen, sondern wir miissen sie als seit Deskortes und Leibnitz Zeiten seine wabre Bestimmung; und dennoch
etwas Kiirperliches annehmen, wir miissen vom Irdischen menschlich ur- gab es zu allen Zeiten, so lange Menschen iiber diesen Gegenstand denlten,
theilen. Rec. glaubt also, daB, so vortreflich, sinnreich und tiefsinnig dieses eifrige Vertheidiger eines nach dem Tode noch fortdauernden Lebens. Man
dem Verf. allein eigene idealistische System abgefaBt ist, doch der Grund nahm zu dem Ende sogar eine Materie an, die durch aile endliche Kriifte
des materialistischen Systems dadurch noch nicht untergraben worden; [243) unzerstiirbar wiire. So vie! aber das letzte betrift, so scheint es be-
und daB, obgleich zugegeben werden kann, daB sich bey veriinderten Or- denklich, eine unzerstiirbare Materie ohne aile bestiirkende Beweise anzu-
416 Altonaischer Gelehrter Mercurius - 3. August 1786 \Bot~atfd)e gele~rte .3tttungen- 19. August 1786 417
nehmen, zu einer Hypothese seine Zuflucht zu nehmen, die nichts er- ticismus fiihre, ein. Er gesteht, daE dadurch unser Gedanken-System ziem-
klart, keine Schwierigkeit hebt, und der aile Einwiirfe gegen den griibern lich erschiittert werde. Er gesteht, daB noch kein idealistisches System den
Materialismus nicht minder entgegen stehen. DaE die Alten sie damit ver- logischen Gebrauch und Anwendung auf die GewiBh~it _unsrer U rtheile
einigen konnten, thut nichts zur Sache. Sie folgerten die Unsterblichkeit gemacht; aber immer seyn dies Fehler der Personen, die s1ch dazu beken-
aus ganz andern Griinden, bey ihnen war sie Folge des Emanations- nen, keine Fehler des Systems. Das System, wie er es hier vorgetragen, soli
Systems. Sie war ein emanirter Theil der hiichsten und unverganglichen die verschiednen Arten und Gattungen von Wahrheit auseinander setzen,
Gottheit. Uns, die wir diesen Grund verwerfen, sind also andre Griinde und beweisen, daE uns unsre Sinne, ob sie uns gleich nicht in das Innre
niithig. Durch die Aufschliisse, die wir seitdem erhalten haben, hat in un- der Sache selbst fuhren, doch niche hintergehn. Es soli Grundsatze vortra-
sern Zeiten Unkiirperlichkeit eine andre Bedeutung. Sie ist nicht mehr, gen, die einen hohen Grad von Gewissheit haben: es soli die Verbindung
wie vordem, Vereinigung der griibern Materie, sie ist ganzliche Vernei- unsrer abgeleiteten Wissenschaften mit den ersten Grundsatzen unsrer Er-
nung auch der feinsten Zusammensetzung. Denn wir sehen ein, daE die kenntniB zeigen, die Sittenlehre und die Griinde unsres Rechtverhaltens
Einwiirfe dieselben sind, die Materie sey griiber, oder feiner. Carve hat in sollen dabey niches verlieren.
den Anmerkungen zum Ferguson den Materialisten am griindlichsten
geantwortet, und sie kiinnen nicht Ieicht etwas Erhebliches darauf antwor-
ten, es mtisten denn einzelne Beyspiele aus der Analogie seyn, hinter die ~eip5ig.
sie sich stecken, urn diese Griinde auf eine indirecte Art zu schwachen. Er
kiinnte z. B. sagen, gleichwie aus Dingen, deren keines zusammengesetzt, Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie; kritisch
oder ausgedehnt ist, zusammengesetzte, oder ausgedehnte Wesen entstehn; untersucht von einem Freywilligen. Bey Giischen. 1786. 255 Seiten 8. (16
eben so kiinne durch die blosse Vereinigung nicht denkender Wesen ein gl.) Auf die Erscheinung dieses Werks hat Hr. Jacobi in seiner Vertheidi-
denkendes werden. Herr Weishaupt antwortet darauf also: Zusammenset- gung wider Mendelssohns Beschuldigungen selbst und mit Recht au~merk
zung, oder Ausdehnung ist keine Bestimmung der einzeln Wesen, deren sam gemacht. Es ist das Produkt eines mit dem Gegenstande des zwischen
Vereinigung Zusammensetzung oder Ausdehnung hervorbringt. Sie ist Jacobi und Mendelssohn entstandenen Streites vertrauten, scharfsinnigen
eine blosse Idee eines denkenden Wesens, das mehrere dieser einzeln verei- und witzigen Kopfes, dessen Vortrag kraftig, geistvoll und angenehm ist.
nigten Dinge nicht mehr unterscheiden kan, und sie daher in ein einziges Als das Resultat der Mendelssohnschen Philosophie betrachtet der Verfas-
sinnliches Bild zusammendrangt, wei! diese Vorstellungsart, die ihm eigne ser den Satz: In Absicht auf Lehren und ewige Wahrheiten gibt es keine andre
und angemessene ist. Aber denken ist etwas, das in der Sache selbst seyn Oberzeugung, als die Uberzeugung durch Vernunftgrnnde. Als das Resultat
soli, jene Eigenschaft, die nicht bios in der Idee eines andern wirklich ist, der Philosophie des Hrn. Jac. hingegen den Satz: daft das Element aller
eine wirkliche Modification einer Kraft. Es soli ein Ich entstehen, und, wie menschlichen Erkenntnijf und Wurksamkeit Glaube sey. Er bemiihet sich,
kiinnen viele, deren kei{.244Jnes einzeln genommen, Ich ist, dieses Ich wer- das Obereinstimmende und Verschiedene in diesen Resultaten zu zeigen.
den? Ich bin nicht vie/e. Mit einem Wort, der Verf. ist dem Idealismus fenes besteht darin, daE das, was Mendelssohn Ausspriiche der gesunden Ver-
zugethan, und glaubt, daE der Materialismus an dem Idealismus seinen nunft nennt, eben das sey, was Jacobi Glauben heiBt. Dieses, daE Mendels-
starksten Gegner habe, daE, wenn die Wahrheit des letztern auf eine un- sohn die Miiglichkeit eines Vernunftbeweises fiir das Daseyn Gottes an-
umstoBliche Art kiinne dargethan werden, der Materialismus von Grund nimmt, die Jacobi hingegen verwirft. M. hat, nach dem Vert:asser, nicht
aus zernichtet wiirde. Die Lehre von der U nsterblichkeit der Seele mtiste eingesehen, daE unter dem Glauben zuviirderst und vornemhch das ver-
dadurch gewinnen. Neue und einleuchtende Beweise wiirden sich dafiir standen werden miisse, was man sonst sinnliche Evidenz oder anschauende
aus der blossen Vernunft darbieten. Man kiinne den Materialismus nicht Erkenntni/f nennt. Je tiefer man der Natur der letztern nachspiihre, desto
Ianger vertheidigen, wenn aile Materie blosse Erscheinung, wenn Denken inniger werde man iiberzeugt, daE Offenbarung und Glaube der eigentli-
eine Eigenschaft immaterieller Wesen, wenn die Erscheinung, die wir Ma- che Charakterzug derselben sey. (Aber Offenbarung und Glaube sind
terie nennen, ein blosser Gedanke der Geister sey. Der Verf. gesteht selbst doch Worte, die bisher in der Philosophie zu Bezeichnung der Erkennt-
das Paradoxe und Bedenkliche des Idealismus, und wie Ieicht er zum Seep- niBquellen niche gebrauchlich gewesen sind; und wenn man sie zulaBt,
418 l!lotbai[d)e gefeb~te ,3eitungen- 9. September 1786 ')Jeue Stip;ige~ l!lefebrte ,3dtungen - 14. September 1786 419
sind sie in dem Sinne des Verfassers bios Synonymen, und nicht eigentli- die Presse verlassen haben, arbeitet nun an einer besondern Schrift iiber
cher Charakterzug von [546] der anschauenden Erkenntnill. Offenbarung die Kantischen asthetischen Begriffe von liit und Raum, der die philosophi-
ist anschauende Erkenntnill und umgekehrt. Glaube ist das Fiirwahrhal- sche Welt mit Vergniigen emgegen sehen mull.
ten dessen, was man anschauend erkannt hat, oder der Offenbarung. Aus
den Ausdriicken, Ojfenbarung und Glaube, folgt auch im Grunde weiter
nichts, als was aus den Ausdriicken sinnliche Erkenntnifl und Fiirwahrhal-
~eip3ig.
ten dessen, was sinnlich erkannt oder offenbaret worden, folgt. Durch bey-
de Ausdriicke wird eine und dieselbe erste Quelle aller unserer Erkenntnill Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden, oder alter spekulativen Be-
angezeigt, nur die Worte, und nicht das, was durch sie bezeichnet werden weise fur das Daseyn Gottes, in Varlesungen, von Ludwig Heinrich Jakob,
sol~ ist verschieden. Ausser diesem aber legt der Verf. mit Hrn. Jacobi, Doktor der Philosophie in Halle. Nebst einer Abhandlung, vom Herrn Pro-
dem Glauben einen weitern Umfang bey, als seine Natur verstattet, indem fessor Kant. 1786, bey Heinsius, 21 Bogen und 4 +Bogen Vorrede in 8.
er ihm den Begriff der wiirklichen /Jberzeugung unrerlegt. Glaube ist aber, Diese Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden ist auf die Kami-
seinem Wesen nach, nie viillige Uberzeugung; jener beruht nur auf dem sche Theorie von der Kritik der reinen Vernunft gebauet, welche der
Zeugnill glaubwiirdiger Personen, oder auf der innern Glaubwiirdigkeit gelehrte Herr Verf. in miiglicher Kiirze mit vieler Deutlichkeit und Ge-
und Wahrscheinlichkeit von Erzahlungen, Lehren und Behauptungen; nauigkeit erklii.rt und erliiurert, in den ersten sieben Vorlesungen voran-
Uberzeugung hingegen entweder auf der sinnlichen Evidenz, oder auf aus- geschicket hat. Da wir voraussetzen konnen, dall unsre Leser mit dem
gemacht richtigen Demonstrationen und Beweisen. Hier ist also mehr als Kantischen Systeme nicht unbekannt sind: so wollen wir jenen wohl gera-
Glaube, und jene Uberzeugung, nicht dieser Glaube, kann also der eigent- thenen Auszug aus dem Kantischen Werke iiberschlagen, und unsere Leser
liche Charakrerzug der sinnlichen Evidenz seyn. Ein Mangel in dem Be- mit der niihern Priifung jener Morgenstunden sogleich niiher bekannt rna-
griffe des,Glaubens scheint auch dadurch sich zu veroffenbaren, dall sich chen. Diese fiingt sich mit der achten Vorlesung S. 159 u. f. an, welche die
die besondere Gattung des Glaubens, die man historischen Glauben nennt, Mendelssohnschen Axiome beleuchret. Das erste Axiom des Herrn Men-
nicht daraus herleiten liillt. Denn der Verf. schriink.t mit Hrn. Jac. den delssohn heillt: .Was wahr ist, mull durch positive Denkungskraft dafiir
Glauben bios auf das Fiirwahrhalten, welches (aus sinnlicher Erkenntnill erkannt werden." U nd da sich dieses Axiom auf die Mendelssohnsche
und) nicht aus Vemunftgriinden entspringt, ein. Es gibt aber doch auch Erkliirung von der Wahrheit stiizt: .Wahrheit sey jede Erkenmnill, in so
Dinge, die wir fiir wahr und geschehen halten und halten miissen, ob sie weit sie das positive Vermiigen unsrer Seele zum Grunde hat;" so wird
gleich nicht unmittelbar unsern Sinnen gegenwiirtig sind, sondern wo, urn auch diese zugleich mit in Unrersuchung gezogen. Herr J. erinnert dage-
solche zu glauben, unumganglich Vernunftgriinde voran gehen miissen. gen: 1) das absolutpositive unse{1714]rer oder irgend einer Denkungskraft,
Auf diesen beruhet aber doch der historische Glaube lediglich.) Die Men- kiinnen wir nie objective kennen Iemen. Es sey nun, dall man unrer posi-
delssohnsche Behauptung, dall die Hauptwahrheiten der nariirlichen Reli- tiver Denkkraft diejenige verstehe, welche uns lehrt, was die Dinge an sich
gion, folglich auch das Daseyn Gottes so apodiktisch erweislich wii.ren, als sind; dergleichen Vermiigen sich durch nichts erweisen lasse; oder aber,
irgend ein Satz in der Griillenlehre, wird nach Kantischen Grundsiitzen dall man sie fiir Denkungskraft iiberhaupt annehme, und also das VermO-
bestritten. Recensent kann aber dem Verfasser darin nicht beystimmen, gen darunter begreife, die Erscheinungen nach richtigen empirischen Re-
dall unsere /Jberzeugung von der Exisrenz der Dinge ausser uns Glaube sey, geln zu erkennen: so sey denn das Krirerium ein blolles logisches Krite-
da beyde den Graden der Erkenntnill nach verschieden sind, und keines rium der Wahrheit, welches mit den Objecten selbst gar nichts zu thun
fiir das andere substituiret werden kann. (...] hat, sondern die blolle Form betrift. 2) Nehme Herr M. in voraus an, dall
der Verstand unmitrelbare Gegenstande erkennen konne, welches aber
nicht ist, noch seyn kann. Uberdiellliege offenbar ein Doppelsinn in dem
tuttgardt. Hr. Prof. Abel, der Verfasser der treflichen Schriften Ein- Worte wahr, welches hier im objectiven Sinne genommen, anderswo aber,
S leitung in die Seelenlehre, und iiber die Quellen der menschlichen Varstel-
lungen, welche beyde vorige Osrermesse bey Hrn. Metzler in Stuttgardt
z. B. S. 296, die subjective Bedeutung untergeschoben werde; sondern es
werde auch vorausgesetzt, dall die Denkungskraft Objecte erkennen kiin-
420 9leue feip;iger \!lelebrte ,3eltungen- 14. September 1786
ne. Eine Annahme, die schlechterdings nicht erweislich ist. Da sich nun
unmiiglich ein allgemeines und zugleich hinreichendes Kennzeichen der
Wahrheit in objectiver Bedeutung angeben lallt: so Iaiit sich daher
~ eue
2) Ieicht tiber den Werth des zweyten M. Axioms entscheiden: "wessen
Daseyn durch keine positive Denkungskraft erkannt werden kann, das ist
2eip3iger
wirklich nicht vorhanden." Es kann namlich dasselbe wieder, wie Herr J.
richtig bemerkt, nur bios von Erscheinungen gelten. Ob aber Dinge an
sich je durch das, was wir Denkkraft nennen, zu erreichen sind, oder ob
®ele~rte 8ettungen
nicht vielmehr durch jene das Denken selbst erst miiglich werde: darliber CVIII. 6tucf.
kiinnen wir gar nicht urtheilen. Das dritte Axiom ist: "Wessen Nichtseyn
keinem verstandigen Wesen begreiflich seyn kann, das ist wirklich vorhan- :tlottitrrflag6, btn 14ttn eirpttmber, 1736.
den." In dies em Axiom wird vorausgesetzt: 1) daB die Denkkraft allein re- --=========~1~$~·~=======-
elle Objecte kennen lernen kiinne; welches ganz unerweislich ist. 2) DaB
denen Begriffen, welche logische Wahrheit enthalten, in denen sich kein !eip;ig.
Widerspruch findet, und denen dem Begriffe nach das Pradicat der noth- Q\l:llfung Oe~ 1lien~lsfo!lnfcben tlio~genflunOrn,
wendigen Existenz zukommt, [1715] auch auBerhalb meinen Begriffen ein 'f.' OOet aUet fpeful~rit'en ~ewrife fa~ l>a!J .i!)llfeyn
wirkliches Object entsprechen mtisse. Eine Voraussetzung, die eben so un- (!jones, in lJo:letimgen, t'On •!ul:>wig-.5 it ,cfl )a.
erwiesen ist. Begriffe allein kiinnen nie Existenz beweisen, sondern aile fob, ;Dofror brr ;Pbilofop!:ir in SJaUt. tiebfi eine~
Uberzeugung von der Existenz hangt lediglich von der Wahrnehmung, :llb!lani>lun,l, llOm -.5eetn SJ)r~ftfl'~r aant. 1786, btl)
von der Empfindung, und von dem, was mit ihr zusammenhangt, ab. Eben J)tinjiue, 21 !8oqen 1111~ 4! tlogrn 'norre~e in 11. .i. it•
diese unerwiesene Voraussetzung, daft die Denkkraft das Daseyn der Objecte fr SJ)rUfunq brr IDien~rlfobufd)en iJ.llorgwjlun~rn iff auf
bit .ll:antijd)r !l:brorir bon btr .ltritir brr rrintn !lJrrnunft
erkennen konne, liegt auch bey dem vierten und ftinften Mendelssohn- I flrbautt, wtld)i ~rr gtlrbrtr J)rrr IDrt·f. in moglid1rr
schen Axiom zu Grunde; so wie das sechste und siebende als Corollaria .ltlir&r ntil bitltr :Orutlid1teit un~ (!)rn~uigtrit rrtllirt unb
von jenen zugleich mit diesen stehet und fallt. UberdieB ist das Gesetz des
I
I rrliiutrrt, iu bm trftrn jirbrn !lJOI'Itjungtn borangrfd1i•
Besten, welches das siebente Axiom befaBt, bios eine Regel unsers Verstan- cfrt bot. i)4 roir boraut!ftQm fonnrn, bail unfrt ~rfrr
des, nach welcher er sich in seinen Untersuchungen richten soli. Aber es mit btm ,!tantifd1tn t!51!litmt nid1t ~•nnt fino: fo
kann durch nichts erwiesen werden, daB dieses Gesetz eine Regel fiir jeden svollra roir jrnm mol)! grro~am tlutJaus ou6 btm 1411•
Verstand sey, welches nicht nur auf die Sinnenwelt, sondern auch auf Ob- I tifd)rn !lllrrfr libtrfd)logrn, unb unfm \!tftr mit btr
jecte auBerhalb derselben bewgen werden miisse. Eben so unerweislich ist, nlibrr11 l})riifung itnrr rolorgrnjlunOtu fogleid1 nlibrr br.
daB die oberste Intelligenz an dieses Gesetz gebunden sey; denn ohne fannt mA<f)tn. :Oirft f•'ngt lid) mit ~tr ad)trn !lJorlr<
SucceBion in den Gedanken ist es ganz ohne Sinn und Bedeutung. Auch fung @5. 159 U, f. an, Wtllf1t bit !Dimbt16fobnfd)fn !ll~oa
kann das Billigungsvermiigen nichts tiber die Existenz a priori entschei-
den, wei! die Pradicate gut und biis, vollkommen und unvollkommen gar
I me btlrud)ttt. :tld trftt ~riom brtJ J)mn !Dlm~rltlfobn
l!tiilt: , !lBt• roobr ijl, mull Outlb pofftibt '"mfungGo
froft bofiir nfannt mrrbtn. " Unb b4 ~d1 bitfrtJ tlriom
nicht absolute Pradicate der Dinge sind, sondern bloBe Beziehungen der •uf bir 97fmbrl•foflnfd1e frtllirung lion btf !lilnbrbrit
Erscheinungen auf unsern Zustand und unsere Denkart ausdrlicken, wel- I jiBat: , 2Bal11'btit f" jtbt frfmntniil, in fo rotit fir ~"•
che bey den Erscheinungen Absichten voraussezt, und sie nach Zwecken 'ofititlr !lJtnliB9m unfrn E5rrlr aum Q!runbr bat; "
beurtheilt. Daher, wie Herr J. gar recht erinnert, auch die von Mendels- fo roirb aqlf1 bicfr·pglticf1 mit in Uattrfulf1unj1, flt&ORtu.
sohn S. 226. gebrauchten Griinde das System des Spinoza gar nicht treffen, I 1Jtrr ~. nilmm ~~aaeam: J) "baG •bfobnpofitille unl(tt
wei! es ganz miBverstanden ist. Der Grundsatz des Besten !aBt sich also a Qqqqq ,er
priori gar nicht erweisen, und noch weniger lallt sich darthun, daB die zu-
422 'Jleue eeip;ige~ ®ele~~te ,Seitungen- 14. September 1786 3a fob& 'P~ilfung be~ 'J!lenbel&fo~n[d)en 'J!lo~gen[lunben 423
falligen wirklichen Dinge bios diesem Princip ihre Wirklichkeit zu dan- in einer solchen Bedeutung gebraucht, als ob es sich nicht nur auf Erschei-
ken batten. Da nun Axiome jedem einleuchtend seyn, und von allen ais nungen, sondern auch auf Dinge an sich erstreckte. Allein aile reine
nothwendig anerkannt werden miissen: so konnen daher diese Mendels- Grundsatze des Verstandes sind bios in der Sinnenwelt in der Erfahrung
sohnschen Satze keine Axiome seyn. Die neunte Vorlesung S. 178 u. f. anwendbar: iiberschreitet man das Gebiet der moglichen Erfahrung: so
fiihrt die U{1716)berschrift: Uber Idealismus, Epikureismus und Spinozis- haben sie keinen Sinn, sondern sind ganz leer. Denn zu einem Begriffe
mus. Herr J. zeigt nach Kantischen Grunden gar einleuchtend, daB, so we- gehort nicht nur, daB er nichts Widersprechendes befasse, sondern auch
nig man durch SchlU5se allein die Existenz eines Objects erweisen konne, die Moglichkeit, daB ihm ein Gegenstand gegeben werden konne, auf den
der Idealist eben so wenig durch Schliisse die Nonexistenz der Objecte an er sich beziehe. Wo das leztere fehlt, da ist er ganz leer und ohne Bedeu-
sich erharten konne. Es liegt dem Idealisten ob, zu beweisen, daB die Sin- tung. Da wir nun aber einem Begriffe nicht anders, ais in der Anschauung
nenwelt blofter Schein sey, und daB den Erscheinungen nicht noch etwas, einen Gegenstand geben konnen: so folgt daher nothwendig, daB aile reine
das nicht Erscheinung ist, zum Grunde liege. Diesen Beweis aber hat noch Begriffe, folglich auch aile reine Grundsatze gar keine objective Giiltigkeit
nie ein Idealist fiihren konnen. Auch der Skeptiker hat nur Waffen, welche haben konnen, wenn sie sich nicht auf Anschauungen, d. i. auf Gegenstan-
die Dogmatiker, welche die Welt fiir ein Ding an sich halten, treffen, ganz de moglicher Erfahrungen beziehen; welches denn Herr J. S. 207 u. f.
nicht aber die Behauptung erschiittern konnen, daB die Sinnenwelt bloBe durch verschiedene Beyspiele sehr biindig erlautert und auBer Zweifel
Erscheinung ist, und daB aile Grundsatze des Verstandes bloB auf Erschei- setzt. So wie nun dieser erste SchluB Iauter bedeutungslose und faische Sat-
nungen in der Sinnenwelt anwendbar sind, welches apodiktisch gewiB er- ze enthiilt: so enthalt auch der zweyte SchluB dieses Mendelssohnschen Be-
wiesen werden kann. Eben so wenig wird das Lehrgebaude des Epikur weises fiir das Daseyn Gottes, auf welchem eigentlich das ganze Argument
haitbar seyn, welches fiir dieses Leben gar nicht zu brauchen ist, indem beruht, einen eben so unhaitbaren Grund. Es liegt namlich gleichfails die
wir mit Erscheinungen zu thun haben, deren Regeln und Gesetze bios Voraussetzung darinn, daB man aus der hochsten Realitat auf die absolute
subjectiv in unserm Verstande enthalten sind, welche jenem schlechter- N othwendigkeit im Daseyn schlieBen konne. Aile in zu geschweigen, daB
dings unterworfen sind. Dem Spinozismus kann man zwar nichts positi- dieser [1718) Beweis keiner Erfahrung bedurfte, indem man gleich bey dem
ves entgegen setzen, aber man kann ihm gar wohl das Unzureichende sei- bloBen Begriffe des vollkommensten Wesens anfangen und auf das noth-
ner Beweise zeigen. Denn wei! ailes, was Verstand ohne Erfahrung er- wendigste Daseyn desselben folgern konnte: so sind Nothwendigkeit und
denkt, objective nichts ist: so sind jene Speculationen ais leere Hypothesen Zufalligkeit nichts die Dinge selbst betreffendes, sondern bloBe Verstandes-
anzusehen, welchen man gar Ieicht andere transcendentale Hypothesen regeln, die in der Sinnenwelt unsre Erkenntnis leiten sollen. U m aber aus
entgegen setzen kann. Eben so leer und unniitz sind die Streitigkeiten, ob diesem Begriffe die objective Reaiitat mit GewiBheit schlieBen zu konnen,
es einen Fortgang ins U nendliche vorwarts und riickwarts gebe, etwas ist er nicht hinreichend. So haben auch die Begriffe nothwendig und zufiil-
Zeitloses, etwas ohne Anfang und Ende. Denn vorausgesezt, daB die Sin- lig auBerhalb der Sinnenwelt gar keine Bedeutung, und der Begriff des Ab-
nenwelt kein Ding an sich ist, wie will man a priori bestimmen, ob einem solutnothwendigen hat gar kein Object. Daher liegen im dritten und vier-
Dinge an sich die Pradicate endlich oder unendlich, absolut, nothwendig ten Schlusse des Mendelssohnschen Beweises eine Menge Fehler, indem
oder zufallig zukommen, da uns ein solches Ding auf keine Weise gegeben nicht nur die Begriffe nothwendig und zufiillig hier so gebraucht werden,
werden kann. Die zehnte Vorlesung S. 193 u. f. enthiilt die Priifung der Be- ais ob sie auf das reelle Daseyn der Dinge an sich gehen sollten; sondern es
weise a posteriori [1717) fiir das Daseyn Gottes. Zu erst untersucht Herr J. herrscht auch allenthalben die alte Voraussetzung, als ob Jch und die Sin-
den kosmologischen Beweis, welchen Er nicht nur ausfiihrlich hergesezt, nenwelt gegebene ganze Dinge an sich waren, auch ist das ganze Gesetz der
sondern auch in sechs einzelne Schliisse aufgelost hat. Sodann wird das Causalitat constitutiv gebraucht, da es doch nur regulativ ist. Da nun das
Triigliche dieser SchluBfolge aufgedeckt, und S. 205 zu erst gezeigt, daB in Absolutnothwendige bios ais regulative Idee im Verstande ist, und ihr
dieser ganzen SchluBkette vorausgesezt werde, daB die Sinnenwelt nicht iiberhaupt kein Object gegeben werden kann: so ist es auch vergebene
Erscheinung, sondern ein Ding an sich selbst sey, und daB aile meine Miihe, ein Object dazu aufzusuchen; mithin ist der fiinfte und sechste
Veranderungen mir als einem Objecte an sich zukommen; welches aber SchluB ganz unbiindig. Also laBt sich vermittelst dieses Beweises aus der
beydes faisch ist. Zweytens ist das Gesetz der Caussalitat im ersten Schlusse Zufiilligkeit der Welt das Daseyn Gottes nicht darthun. Die speculative Ver-
424 'Jleue 2eipjiget I!Je!e~tte ,3eitungen - 16. September 1786 3aI o b~ 'l)tilfung ~et 'l1len~e!~fo~n[d)en 'l1lotgenflun~en 425
nunft richtet auf diesem Wege nichts aus, ob es gleich eben so unmoglich Beweis zu retten: so vergeblich ist dennoch aile Miihe, die er deshalb ange-
seyn wiirde, das Nichtseyn desselben zu beweisen. wendet hat. Es ist iiberhaupt wunderbar, etwaS mit apodiktischer Ge-
willheit behaupten zu wollen, was von irgend einem bestritten wird, der
[1729] Die eilfte Vorlesung S. 226 u. f. enthii.lt eine Priifung des neuen die Sache einsieht; da eben gerade dieses das einzige richtige Merkmal der
Mendelssohnschen Beweises. Auch dieser neue Mendelssohnsche Versuch apodiktischen Gewillheit ist, dall Niemand dagegen streiten kann, son-
zeugt, wie unmoglich es sey, aus speculativer Vernunft das Daseyn eines dern dall Jedermann gezwungen ist, den apodiktischen Satz als wahr anzu-
hochsten Wesens zu erweisen. Nachdem Herr]. S. 227 u. f. einige Einwiir- nehmen. Herr J. zeigt ins besondere noch die Nichtigkeit dieses [1731] und
fe, die man ihm machen konnte, gliicklich beantwortet, geht er S. 230 zu aller andern metaphysischen Beweise fiir das Daseyn Gottes sehr ein-
dem neuen Beweis Mendelssohns tiber, welcher so heillt: .Nicht nur alles leuchtend dadurch, dall er die Spur entdeckt, auf welcher die Vernunft zu
Mogliche mull als moglich, sondern auch alles Wirkliche mull als wirk- der Idee des allerreelsten Wesens gelangt, und dann, was sie verfiihre, die-
lich von irgend einem denkenden Wesen gedacht werden. Es giebt also ser Idee reelle Existenz beyzulegen, so dall ihr auch nothwendig ein Ob-
einen unendlichen Verstand." Herr]. bemerkt, dall in diesem Beweis eine ject entsprechen miisse. Daraus denn die nothwendige Folge fliellt, dall es
Vermischung der objectiven und subjectiven Moglichkeit, der Moglich- eine blolle Idee ohne bestimmten Inhalt sey, und dall jeder Versuch ihre
keit, die den Dingen an sich zukommen mull, mit der Erkenntnill, die wir Realexistenz zu erweisen, unmoglich seyn miisse. Dall aber die Vernunft
davon erlangen, zum Grunde liege. Deswegen liiset er S. 240 u. f. diesen aile Moglichkeit der Dinge, als von der hochsten Realitat abgeleitet, be-
Beweis in fiinf Schliisse auf, und zeigt, dall erst erwiesen werden miisse, trachtet, und diese sodann zum Object macht, und personificirt, kommt
dall die objective Moglichkeit, da sie die Ursache der subjectiven ist, noth- daher, wei! wir den Inbegriff aller empirischen Realitat, der bios von Er-
wendig die Erkenntnis zur Folge habe. Da nun aber durch keine Griinde scheinungen gilt, irrig fiir einen Grundsatz annehmen, der von allen Din-
erwiesen werden kann, dall alles objectiv Mogliche erkannt [1730] werden gen iiberhaupt gelten miisse. Wir lassen also die Einschrankungen weg,
miisse: so ist also auch der ganze Beweis nichtig. So ist ferner der Satz: Al- und wollen es auf die Moglichkeit aller Dinge iiberhaupt anwenden. Diell
so ist ein unencllicher Verstand, den Mendelssohn aus jenem Beweise fol- geht aber gar nicht an. Denn der Begriff der Realitiit ist vollig leer, wenn
gert, entweder vollig ohne Sinn, oder man schiebt doch den Worten einen er nicht auf Erfahrung bewgen wird. Zwar widersprechen sich bios logi-
falschen unter. Unencllicher Verstand ist ein vollig Jeerer Begriff; denn es sche Realitaten, Bejahungen im Begriffe nicht, und machen also Begriffe
fehlt ihm ein Object, darauf er bewgen werden konnte, ja es ist auch kei- moglich; aber in wirklichen Dingen ist das ganz anders. Da kommt der
~es gedenkbar, wei! das Enclliche mit dem U nencllichen nicht die geringste Fall sehr oft vor, dall eine Realitat die Wirkung der andern aufhebt, und
Ahnlichkeit haben kann. U nd der Satz: Gott denkt das Wirkliche, hat also ein realer Widerspruch da ist, den man aber durch Begriffe allein un-
ebenfalls keinen schicklichen und fiir die Gottheit anstiindigen Sinn; wei! moglich entdecken kann. Dall wir aber nachher diese Idee vom Inbegriff
Denken ohne Succellion fiir uns schlechterdings gar nichts ist. Die zwolfte aller Realitat zu einem Object, und wohl gar zu einer Person machen,
und dreyzehnte Vorlesung S. 263 u. f. untersucht den ontologischen Be- kommt daher, wei! wir das, was eine blolle Regel im Verstande ist, urn
weis a priori aus den Begriffen des vollkommensten Wesens. Schon der Bi- Einheit in Erfahrungskenntnissen zu bewirken, falschlich dafiir anneh-
schof Anselm versuchte zuerst diesen Begriff deutlicher zu entwickeln, men, als ob durch diese Idee das Erfahrungsganze und als ein einzelnes
und meynte, die nothwendige Existenz mit darinnen zu finden, so dall er Ding gegeben sey, das aile empirische Realitat in sich halte. Und dieses Er-
also vom Begriffe gerade zu auf die Sache schliellen konnte. Des Cartes fahrungsganze nimmt sodann der Verstand, mittelst einer andern Erschlei-
kam auf dieselbe Spur, und trug ihn mit neuer Starke vor. l.eibnitz suchte chung, statt des totalen Inbegriffs aller Realitat iiberhaupt an, wirft die
diesem Beweise noch dadurch aufzuhelfen, dall er aus andern Griinden Einschrankung und die Erscheinungen weg, und sezt es an [1732] die Spit-
darthat, dall der Begriff des nothwendigen, unencllichen und vollkomme- ze der Moglichkeit aller Dinge. U nd diese weiter in eine Intelligenz, in
nen Wesens Wahrheit enthalte. Da nun zum Inbegriffe der Vollkommen- dem hochsten Verstande. Wenn man aber glaubt, man miisse den Begriff
heiten die Existenz mit gehort: so schloll er daher, dall das Unendliche des allerreelsten Wesens als unwahr erkennen, und die Moglichkeit eines
und Vollkommenste auch als Begriff unwahr seyn miisse, wenn es nicht solchen Wesens laugnen, oder man miisse dessen Existenz zugeben: so ver-
existire. So sehr sich auch Herr Mendelssohn angelegen seyn lassen, diesen gillt man hier wieder den Unterschied zwischen idealer und realer Mog-
426 ®ottingifd)e ~llh'igen non gele~rten ®ad)en - 16. September 1786 :Oie ~efullate ber uacobifd)en unb <J)lenbel~fo~nfd)en sp~i!ofop~le 427
lichkeit. OberdieB ist der Begriff des allerrealsten Wesens viillig willkiihr- weil er es empfindet, oder unmittelbar gewahr wird. Einer solchen Emp-
lich. Denn da uns kein auBeres Object dazu gegeben ist: so hangt es bios findung der Gottheit kann der Verfasser sich zwar nicht riihmen. Doch
von uns ab, was wir fur Priidicate zusammen nehmen, und in einen Begriff halt er sie fiir miiglich; (1474] ja fiir wahrscheinlich. Sein Glaube an die
vereinigen wollen. Wenn also nicht anders woher erwiesen werden kann, Gottheit griindet sich auf Geschichte der Menschheit, und der darin enthal-
daB ein Object da ist, welches der Idee des vollkommensten Wesens ent- tenen Ojfenbarungen der allgiitigen und allweisen Vorsehung. Entweder
spricht: so wird man dessen Daseyn aus der bloBen Idee davon gewiB Spinozismus oder Offenbarung, entweder keine Religion oder geoffenbarte;
nicht beweisen kiinnen. Zudem beruht der ganze Beweis auf einer Tauto- ist sein Schlu&atz. - Mendelssohns Philosophie wolle zwar das Daseyn
logie. Der Satz: Gott ist, muB als ein synthetischer Satz angesehen werden, Gottes demonstriren; unternehme aber damit nicht nur eine bereits erwie-
und das Seyn muB also nicht aus dem Begriffe, sondern anders woher er- sene Unmiiglichkeit; sondern mache sich selbst verdachtig, durch die Er-
hellen. Die vierzehnte Vorlesung S. 301 befaBt das lezte Resultat der Un- kliirung, daB die speculative Vernunft doch niithig babe, mittelst des ge-
tersuchungen tiber das Daseyn Gottes. Dieses namlich, daB die Lehre vom meinen Menschenverstandes sich zu orientiren; ohne bestimmt anzuzeigen,
Daseyn Gottes offenbar ein Gegenstand des doktrinalen Glaubens sey; worin dieser gemeine Menschenverstand bestehe. Wenn es nicht eben der
welchen lediglich physikotheologische Griinde, nicht aber ontologische, Glaube sey, welchem Jacobi die speculative Vernunft unterwirft: so sey es
oder Griinde a priori erzeugen. Dieser doktrinale Glaube aber kann durch nichts bessers, als eine Vflraussetzung dessen, was bewiesen werden sollte.
speculative Schwierigkeiten oft Ieicht irre gemacht werden, wofern er (So verstand Rec. das Mendelssohnsche Orientiren nicht; und ibm diinkt
nicht auf einer moralischen GewiBheit beruhet. S. 323 folgt ein Anhang nicht, daB man es im Zusammenhang, und wenn man besonders auf das,
nebst einem Auszuge aus einem Briefe an einen beriihmten Philosophen. was M. tiber den Idealismus sagt, aufmerksam ist, so verstehen kiinne. Son-
In jenem wird Hr. D. Plattner bescheiden zurecht gewiesen, der die Kanti- dern M. a) halt die analogische Schluftart, den nariirlichen und kurzen
sche Theorie von Raum und Zeit mit den Vorstellungen Leibnitzens und Weg, zur ErkenntniB Gottes zu gelangen, fiir eine verniinftige, auf die Ge-
Wolft zu vereinigen sucht; welcher Irrthum in dem darauf folgenden setze des Menschenverstandes sich griindende, Denkart; und glaubt zwar
Briefauszuge S. 327 u. f. noch mehr ins Licht gesezt wird. Diesem griind- wohl, diese mit Demonstrationen hiiherer Evidenz aufklaren und unter-
lich geschriebenen Werke hat der Herr Verfasser in vier Bogen eine Vorre- stiitzen zu kiinnen; aber auch, daB consequente Vemunft solch eine
de vorgesezt, darinnen er den Ge{1733]sichtspunct anzeigt, in welchem Denkart des Menschenverstandes nie wegdemonstriren kiinne. b) Er weiB,
dieB Werk betrachtet und beurtheilt werden miisse, namlich durchaus wie jeder aufmerksame Beobachter der speculativen Vernunft, daB diese
nicht als Streitschrift, sondern als unbefangene U ntersuchung nach Kanti- mit willkiihrlichen oder ungelauterten Voraussetzungen anfangen, oder im
schen Grundsatzen, deren ungemeinen Werth, so wie die Verdienste dieses Fortgang ihrer Schliisse den wahren Sinn und Gehalt ihrer ersten Griinde
graBen Mannes, zugleich genauer ins Licht gestellt werden. Der Vorrede vergessen [1475] kiinne. c) Und macht es daher, mit Recht, der speculativen
ist ein kurzer Aufsatz vom Herrn Prof. Kant auf 12 Seiten angefiigt, wel- Vernunft zur Regel, beym Verfolg ihrer Schliisse und ihrer Resultate
cher sehr lehrreiche und tiefgedachte Bemerkungen dieses scharfsinnigen zuriick zu blicken, auf die Gesetze des Menschenverstandes, und den wah-
Weltweisen enthalt. ren Sinn und Gehalt ihrer ersten Griinde; urn aus dem Widerspruche der
ersten mit den letzten abmerken zu kiinnen, daB sie irgendwo gefehlt,
falsch geschlossen haben miisse; wie sie es, in solch einem Fall, bey genauer
~eip5ig.
Besichtigung auch immer finden wird. - Auch kann Rec. es dem sel. M.
Bey G. J. Giischen: Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philo· unmiiglich so libel auslegen, als es ibm bier genommen wird, daB derselbe
sophie; kritisch untersucht von einem Freywilligen. Non quis? Sed quid? tiber des Hrn. J. Spinozismus ungleich freundlicher und gefailiger geur-
1786. 255 Seiten Octav. Der Verf. hat nicht nur die vom Hrn. G. R. Jacobi theilt hatte, so lange derselbe nur ibm, im Manuscripte, vorgelegt war, als
veranlaBten Schriften des sel. Mendelssohn, sondern auch sein Jerusalem hernach, da ibm, wie es bier heillt, J. die Diversion gemacht hatte, vor sei-
vor sich. Und die Resultate, die er, bey der Vergleichung der beyderseitigen nen Morgenstunden, vors Publicum damit zu treten. Welcher bescheidene
Philosophie zieht, sind kurz diese. J. demonstrirt den Atheismus aus und Streit hassende Mann wird aus M. ersterem Benehmen auf viillige Bil-
Grundsatzen der speculativen Vernunft; glaubt aber an Gottes Daseyn, ligung schlieBen? - Bey der Ausfiihrung dieser Hauptsatze kiimmt man-
428 \Botttngif<()e \?lnjeigen oon ge[e~rten ®a<()en - 16. September 1786 il)ie ~efultate ber 3acobif<()en unb 'l)]enbel6fo~nf<()en 'P~iCofop~ie 429
ches vor, was hart auffallt. Man wird aber doch bald gewahr, dail die allzu- erweislich und begreiflich ist, widerlegte ErkenntniB, nicht fiir richtige Er-
starken Ausdriicke solcher Stellen durch die Zusammenhaltung mit an- kenntniB gelten lassen wollen; wei! sie nicht transcendent ist. Der hellere
dern einen mildern Sinn bekommen konnen. So heiBt es nicht nur, dail oder anmailungslosere Denker weiB den beyden Abirrungen von den Ge-
die Vernunft iiberall kein Daseyn beweisen konne; sondern aile Uberzeu- setzen des Menschenverstandes immer Ieicht auszuweichen; und findet es
gung von den Dingen ausser uns hange von einer schlechterdings unerkliir· eben deswegen nicht nothig, vie! Worte dariiber zu machen, wei! er zu ge-
lichen Tiiuschung ab. Aber in der Note wird hinzugefiigt, daB die sinnliche wiB wei£, dail bey hellem Kopfe und affectfreyem Gemiithe, den Weg der
Evidenz nicht deswegen Tiiuschung genannt werde, wei! etwa die Gegen- Natur zu bemerken keinem schwer seyn kann. Will man aber die Befol-
stande, die wir dadurch gewahr wiirden, keine wirklichen Gegenstande gung dieses Weges, des Weges der Beobachtung und des Schliessens nach
seyn, sondern bios darum, wei! die Wirklichkeit der Gegenstande daraus den Gesetzen des Menschenverstandes, nicht Vernunftgebrauch, nicht Phi·
nicht erweislich ist. - So war also jener Ausdruck zu stark, der nur auf losophie, sondern Glauben an Naturojfenbarungen nennen: nun, was thut
[1476] erwiesener Irrthiimer scheinbarliche Wahrheit pailt, nicht auf das, man dann anders, als - was freylich der Idealist und Spinozist immer thut
was sinnlich evident ist. Eben so unschicklich wird im folgenden die aus - fiir gewohnliche Worte ungewohnlichere gebrauchen; oder einem Worte
Vernunftschliissen erwachsende Vorstellung von Gott und seinen Absich- seine achte Bedeutung nehmen, wei! aus U nverstand diesel be zu weit aus·
ten in der Natur eine Tiiuschung genannt; und doch zugegeben, dail sie auf gedehnt und gemiBbraucht worden ist? - Bisweilen entfahren dem Verf.
unvertilgbaren subjectiven Grunden beruhe; eine milde und unhintertreibli- Ausdriicke, als ob der Atheismus philosophisch erweislich sey S. 140 ff.
che Tauschung sey, ein Glaube an eine Ojfenbarung der Natur. Der Haupt- Dail wir Absichten in der Natur annehmen, sey ein Imhum, der mit uns
grund jenes unschicklichen Ausdruckes, und der ganzen Herabwiirdigung aufgewachsen, S. 104. 107. Aber nach andern Stellen kann vom Daseyn
der Religion der Vernunft ist hier, wie in den andern neuern Schriften, die Gottes weder das fa, noch [1478] das Nein demonstrirt werden. Am deut·
ahnliche Angriffe enthalten, und an die sich der Verf. auch ausdriicklich lichsten driickt sich der Verf. da aus, wo er sagt, daB den philosophischen
anschlieBt, kein anderer, als der: dail die Vernunft keine transcendente, Gott die consequente Vernunft immer wegdemonstrire S. 143. DieB heillt
d. h. rein objective, von aller Zumischung des Subjectiven, aus den Quellen aber im Grunde weiter nichts, als daB inconsequente, grundlose oder
aller ErkenntniB, den Empfindungen, Abstammenden, entkleidete Begrif- grundwidrige Zusatze zu der wahren Philosophie von Gott die genaue Be·
fe habe; von Gott so wenig, als von irgend einer andern Substanz. DieB ist leuchtung nicht aushalten. - Vortreffliche Bemerkungen, neben denen,
nun an sich freylich ganz gewill. Und man braucht keine weit hergeholte wider die wir bisher einiges erinnerten, kommen durch die gauze Schrift,
und kiinstlich ausstaffirte Schliisse, urn es einzusehen. Man braucht nur besonders aber gegen das Ende, viele vor. - Doch anstatt diese hier auszu·
einige deutliche Grundbegriffe, urn einzusehen, dail solch eine rein objecti· heben, sey es dem Rec. erlaubt, auch seine Resultate iiber den Geist dieser
ve ErkenntniB iiberall ein viereckigter Cirkel sey. fede ErkenntniB wird und der ahnlichen neuern Schriften einmal offenherzig vorzulegen.
nothwendig durch die Natur des erkennenden Subjectes mit bestimmt; 1) Der Einfall, durch atheistische, oder, wenn der Ausdruck zu hart seyn
oder, urn es allgemeiner und ontologischer auszudriicken, jedes Accidenz, sollte, antithistische, Philosophie der geoffenbarten Religion zu Hiilfe zu
Beschaffenheit, Zustand, durch die Natur seines Subjects. Was folgt nun kommen, hat sich in den letzten zehn Jahren in mehrern Schriften nichts
aber hieraus? Weiter nichts, als gerade dieB: daB eine Vorstellungsart, die weniger als gemeiner Kopfe deutlich zu erkennen gegeben. Als Diversion
auf unvertilgbaren natiirlichen Grunden beruht, darum fiir ungiiltig erkla- gegen die naturalistischen Angriffe auf das Ansehen der Offenbarung und
ren wollen, wei! sie nicht rein objectivisch oder transcendent ist, nicht - der Kirche konnte er sich freylich empfehlen; urn so vie! mehr, da einer
sehr tiefe Philosophie heissen konne. Aus dieser [1477] Anmailung der unserer beriihmtesten Philosophen sich entschlossen hat, die Fahne vorzu-
Wortphilosophen, in transcendente, d. h. ausser der menschlichen Erkennt- tragen, oder doch Waffen herzugeben; welchem dann auch dankbarlichst
niB liegende, ErkenntniB sich hinzudemonstriren, entstehen freylich dem Weihrauch gestreut, und der in gegenwartiger Schrift schlechtweg der Teut·
Skeptiker und Idealisten seine scheinbarsten und starksten Einwiirfe. Aber schen Philosoph genannt wird. Aber wie war es moglich, dabey zu iiber-
diese verfallen eben so fehlerhaft aufs andere Extrem; wenn sie die wirk- sehen, daB die Griinde aller wahren Religion und alles verniinftigen Glau·
lich menschliche, bestmogliche, unvertilgbare, und nie anders, als so wie man bens an Offenbarung durch diese Wendung in die ausserste Gefahr gesetzt
das Horbare damit widerlegen mochte, daB es aus dem Sichtbaren nicht werden? Wenn Spinozismus die consequenteste Philosophie und Vernunft,
430 \tlotttngl[dje Qln;eigen uon gele~tten eiadjen - 16. September 1786 ?Jeue 2eip;lget \tlele~tte ,3eitungen - 23. September 1786 431
und zugleich, wie J. ausdriicklich eingesteht, Atheismus ist: glauben denn und deren Grunden sich vertragen. U m so weniger; da sie vollkommen
diese Vertheidiger der Reli{1479Jgion, dail aile wirkliche oder seyn wollen- einsieht, wie unzureichend jene abstracten, analogen, nicht vollauf be-
de Denker Vernunft und Philosophie verleugnen, und ihnen den salta stimmten und versinnlichten Begriffe von Allmacht, Gtite und Weisheit
mortale in den Glauben an Offenbarung nachthun werden, und konnen? zur Begrundung einer, dem gemeinen Bedurfoifl angemessenen, Religion
Ftirchten sie nicht, dail ein grofler Theil der Halbdenker jene Philosophie seyn miissen; da sie in der Geschichte der Menschheit tiberall die Natur-
diesem Glauben vorziehen werde? - Kennen sie gar keine stille Verehrer anlage zu einer auf Auctoritat sich stiitzenden Ausbildung und Versinn-
Gottes nach bloflen Einsichten der Vernunft; und woftir halten sie diese, lichung jener abstracten Begriffe gewahr wird. c) Geometrische Beweise
wenn sie solche kennen? Wenn sie diese fiir inconsequente Kiipfe erkliiren; wider eine giittliche Offenbarung erkennt sie fiir eben so unmiiglich, als
dtirften sie sich dann wohl das Dilemma sehr befremden lassen, dafl - geometrische Beweise fiir deren Daseyn, oder fiir und wider das Daseyn
doch es komme nie aus des Rec. Feder! Aber ist es ihnen denn gleichviel, Gottes. d) Ob die ersten Religionslehrer [1481] philosophirten oder aus Be-
wie man an Offenbarung glaubt, und an was fur eine? Oder wenn es so gar geisterung sprachen; tiberlaflt sie der Geschichte zur Untersuchung; und
keine Vernunfttheologie giebt, und keine consequente Philosophie von erlaubt sich allenfalls bios die Vermuthung, dail eine allgemeine Antwort
Gott; was sind denn ihre Grundsatze und Regeln, urn Aberglauben und hierauf weder a priori, noch a posteriori zu begrunden seyn dtirfte. -
Schwiirmerey von wahrer Religion und Offenbarung zu unterscheiden? Die Nach diesen Grundsatzen hat Rec. sich vorlangst seine Zwecke und Gran-
sollten sie doch auch hiebey nicht unterlassen bekannt zu machen. 2) Si- zen beym Vortrage der Philosophie abgesteckt. U nd bis diese Stunde hat
cherer und ,passender ist es also wohl, anstatt Philosophie und Religion zu er nicht nur die viilligste Beruhigung seines Herzens dabey gefunden; son-
entzweyen, anstatt die Offenbarung zu erheben auf Kosten des Ansehens dern glaubt auch, auf diese Weise consequenter zu seyn, als diejenigen,
der Vernunft, dieser ihr Vermiigen und ihr Recht nicht streitig zu machen; die philosophischen Atheismns oder spitzfindischen Skepticismus und
aber zur Anerkennung ihrer Griinzen sie anzuhalten, wie solche von be- schlichten christlichen Kiihlerglauben in einer und derselben Person zu
dachtsame'! Philosophen selbst angegeben, und beniithigten Falls immer vereinigen, oder wenigstens in einem und demselben Buche zu lehren ge-
Ieicht bewiesen werden. 3) Nemlich a) die Vernunft beweiset, dail ein denken.
Gott sey; d. h. sie beweiset, dail eine weise und gutige Allmacht in der so
vie! Regelmiiftiges und Gutes enthaltenden N atur anzuerkennen, den hiich-
sten Gesetzen des menschlichen Verstandes gemafl sey; sie stellt diesen ein- ltopenl)agen unb .l[eip;ig.
zigen Beweisgrund in allen den unzahligen Formen und Anwendungen
auf, zu welchen die fortgesetzte [1480] Beobachtung der Natur den Stoff Bey Christ. Gottlob Proft: Ober graue Vorurtheile und ihre Schiidlichkeit.
hergiebt, und von welchen der Beweis aus der Geschichte der Menschhei~ auf Erwiesen durch Grundsiitze der Vemunftkritik von Samuel Heinicke, Di-
den sich der Glaube unsers Verf. sttitzt, nicht minder eine ist, als Mauper- rector des Chursachs. Instituts fiir Stumme in Leipzig, 1787 in 8. 456 Sei-
tuis Beweis aus dem Gesetze der kleinsten Kraft. Sie vertheidigt und be- ten, ohne den Vorbericht auf 16 Seiten. Herr H. zeigt zuerst im Vorbe-
wahrt diesen heiligen und erhabenen Gedanken, mitte!st grundlicher An- richte, dail unter den mancherley Hindernissen, welche die Aufkliirnng in
wendung eben jener Gesetze des Menschenverstandes, gegen den Aberwitz unsern Tagen aufhalten, leerer Wortkram und widernatiirliche Lehrarten
ktihner Dogmatiker sowohl, als gegen die unnattirliche, in tiefsinnige Phi- dem menschlichen Verstande jetzt allermeist im Wege liegen. Er will da-
losophie sich kleidende, Zweifelsucht. Und sie steuert dem Aberglauben her in diesem Werke jungen Leuten die Mittel bekannt machen, durch
und der Schwiirmerey sowohl dadurch, als dail sie festhii!t tiber ihre unwi- welche sie sich den Weg zu aufgekliirten Kenntnissen bahnen kiinnen. Er
derleglichen Begriffe von der in der Natur sich offenbarenden, und bey je- hat dazu einige Gegenstande gewahlt, die er nach Kantischen Grundsatzen
dem Begriffe von Gottheit vorauszusetzenden, Weisheit und Giite b) Aber behandelt, urn dadurch Lehrlingen Anleitung zu geben, Kants Schriften
diese den wahren Grunden der menschlichen Erkenntnifl nachgehende, mit Nutzen zu gebrauchen, und sich bestimmte, lichtvolle, deutliche und
und sie immer vor Augen behaltende, Vernunft und Philosophie ver- wahre Begriffe von den der Menschheit interessantesten Dingen zu erwer-
schmaht keine Erweiterung und Befestigung jener Grundvorstellungen von ben. Das Werk selbst befailt sechs besondere Abhandlungen, die so tiber-
der Gottheit, keine Zusatze, die mit dem wesentlichen Gehalt derselben schrieben sind: Die erste S. 18 tiber die Lesekunst und anfangliche Begriff-
432 91eue ~elp;ige~ I!Jefe~~te .3eitungen - 23. September 1786 .(? ci n1de iiber grauc Qlorurt~elfe unb l~re E?c~iiblid)felt 433
e_ntwi~kelung in der Christenheit, als ein Beyspiel zur Kenntniil der Miig- kappte Schufte, - verkappte Kobolte, Schurken u.s. f. heissen, wenn scha-
hchkeit der Erfahrung. Die zwote Seite 71 tiber die verschiedenen Lehr- ler, niedriger, verungllickter W1tz, dergle1chen der Ausdruck: verkappte
arten der Taubstummen; und ihrer verschiedenen Denkart gegen die uns- Quedlinburger Biboldeker, und viele andere sind,_ wenn o~enbare U nwahr-
rige. Die dritte S. 103 liber den Fatalis{1778]mus. Nach den Grundsatzen heiten die Waffen sind, mit welchen Herr H. h1er auftr1tt: Was kann der
der Vernunftkritik. Die vierte Seite 187 tiber das Schauspiel, zum Behuf feinere und weisere Theil des Publikums sich von dem Verstande und dem
der Metaphysik der Sitten. Die fiinfte Seite 263 liber den Spinozismus. Herzen eines solchen Schriftstellers fiir einen Begriff machen? So heiilt
Nach den Grundsatzen der Vernunftkritik. Endlich die sechste Seite 329 es z. B. 363: "Was fiir Mlihe haben sich [1781] diese verkappte Sch- nicht
liber die -:'-rchitectonik der Larvenkrittler. [...] Die dritte Abhandlung hat gegeben, die Vernunftkritik von Kant herabzuwii~igen und zu v~rs~hrey
den Fata!Ismus zum Gegenstande. Herr H. bemerkt sehr richtig, dail es en!" Wir erinnern uns, in einigen angesehenen Zenungen und Bibhothe-
vergebens sey, dogmatisch mit den Fatalisten tiber Freyheit zu streiten. Er ken, genaue und ausfiihrliche Priifungen der Kantische~ Kritik: sow~~, als
sucht sie daher durch die Kritik der reinen Vernunft zu liberfiihren und anderer Schriften dieses Weltweisen gelesen zu haben, d1e freyhch groBten-
zu belehren. Da unsern Lesern die Kantischen Grundsatze auiler Zweifel theils Miildeutungen enthielten. Allein kann man den Verfas~ern jener Re-
bekannt genug sind: so kiinnen wir uns der Mlihe Ieicht liberheben, die censionen daraus ein Verbrechen machen? Und hat es wahl Je Herr Kant
wesentlichsten Gedanken auszuzeichnen. Wir bemerken nur, dail der gethan? - Ferner heiBt es unmitte~bar darau~: "U~d war ?er Verleger von
Herr Verfasser sie ganz gut ins Licht gesetzt hat. [...] Die flinfte Abhand- Kants Schriften, Herr Hartknoch m Riga, mcht em bem1ttelter 11:1ann; er
lung tiber den Spinozismus befailt eine nach Kantischen Griinden ver- hiitte deswegen banquerott machen miissen." Die Sach~ verhalt s1ch ganz
suchte Widerlegung dieses Irrthums, der wir, die ungleiche, weitschwei- anders. Die erste Auflage ist bereits vergriffen; und W!f haben _au~ kom-
fige, oft unanstandige Schreibart, die uns bey Durchlesung dieses Werks mende Ostermesse eine neue in zween B:inden zu erwarten. Es 1st 1mmer
oft Eckel verursacht hat, abgerechnet, ihren Werth nicht [1780] benehmen zu verwundern, daB eine so starke Auflage von einem so tief gedachten,
wollen. Den sechsten Aufsatz endlich mit der Aufschrift: tiber die Archi- speculativen Werke, das gew~ nicht fiir viel_e ~er ist, binnen zw_ey J"?-
tektonik der Larvenkrittler batten wir in einer Schrift, die dem Unterrich- ren sich venhan hat. Doch mcht Unwahrhe!t, mcht Ungezogenhe1t allem
te und der Bildung junger Leute gewidmet seyn soli, gar nicht erwanet. ist es was uns in diesem Aufsatz aufgefallen ist. Die lieblose, unverscham-
Es ist eine sehr unbescheidne, im Ton der Abliider und Ballenbinder abge- te, ehrenriihrige Weise, mit der wir den Herrn Schli~z du_rchgan~ig _behan-
failte Strafpredigt gegen die Recensenten, und sonderlich die Verfasser der delt finden hat uns noch mehr befremdet. S. 381 w1rd d1eser wurd1ge Ge-
allgemeinen Litteratur-Zeitung, und deren Redacteur Herrn Professor lehne, dess~n Verdienste !angst entschieden sind, und dessen N amen jed~r
Schlitz, ingleichen wider die Mitarbeiter an der Berliner allgemeinen deut- Kenner von Wissenschaft und KenntniB nicht ohne Achtung nennt, mlt
schen Bibliothek, zu welcher der Text aus dem fiinften Capite! des Catili- den niedrigsten Beschimpfungen, mit den eh~en~hrif!"n Benennungen,
narischen Krieges vom Sallust, namlich die Geschichte der dreyilig Tyran- die wir uns zu wiederholen schamen, belegt. W1r smd mcht gesonnen, uns
nen der Athenienser entlehnt ist. Gegen Herrn H. Verlangen, dail die in die Streitsache des Herrn H. mit Herrn Professor Schlitz zu mischen;
Recensenten sich bey ihren beurtheilenden Ausztigen nennen sollen, ha- aber wir kiinnen nicht umhin uns mit Herrn Schlitz dariiber zu verwun-
ben die allgemeinen Litteratur-Zeitungen so vie! beygebracht, dail diese dern, dail ein so Ianger Aufenthalt in Leipzig nicht m_ehr Einfl~ a~_ die
ganze Predigt liberf!liilig ist; und wenn Herrn H. die don angefiihnen Verfeinerung der Sitten des Herrn H. gehabt hat. Es 1st noch em Gluck,
Griinde nicht einleuchtend genug sind, so kann Niemand dafiir. Die seini- dail die ihm anvenrauten Schliler taub sind: sonst diirfte sein unartiges
ge~ ~r seine Zumuthun~ sind es noch weniger. Es ist librigens wunderbar, Beyspiel, troz der Vernunftkritik, wahl nicht den b~ Ein~ck auf sie
w1e em Mann, der so vie! von Vernunft und Aufk!arung spricht, gerade machen. [1782] Aile diese Invectiven aber riihren, Wle man s1eht, daher,
die Sprache fiihn, die man nur unter Schmutzkitteln und im Haufen jener wei! weder Herr Hofrath Wieland in Weimar, noch Herr Hofrath Hen-
11:"1enge findet, die von Bildung, U nterricht und Sitten ganz leer geblieben nings in Jena, noch Herr Ettinger in Gotha, noch die ~all!sc~en ~~en
smd. Wenn Hr. H. auf allen Seiten mit Dummheit, Unwissenheit, Jesuitis- senten seine unbescheidne Aufforderung des Herrn Schutz m 1hre Blatter
~us, HanBwurstismus, Spizbubismus u. s. w. urn sich herumwirft; wenn einriicken wollten. Hieraus schon hatte Herr H. abnehmen kiinnen, wie
d1e anonymen Recensenten Larvenkrittler, Maskenkrittler, Banditen, ver- sehr es vernlinftige Manner Herrn Schlitz verdenken wiirden, wenn sich
434 \Bot~aifd)e gele~tte ,3eitungen - 30. September 1786
~ibliot6tf
zligellosen Witzes, auf welche wir gestollen sind, sich befinden, mag fol-
gendes genug seyn. In dem angehangten Verzeichnill der Druckfehler steht
folgendes: Seite 95, Zeile 26. fiir a Ia Schutz liell a Ia Flotz. Auf dieser ange-
flihrten Seite nun steht bey dem Namen Schlitz ein Asterisk mit dieser
Note: * "ein Padagogiker in Jena, der ziemlich schwarmt und lligt." Uber-
haupt wiirde das, was eigentlich Materie dieses Werks ist, auf sechs Bogen be~ neufleti
Platz haben. Es sind aber durch das schamlose Gewasch diese sechs Bogen
zu ein und dreyllig und einem halben Bogen angewachsen. Wenn das
nicht Papierverderberey ist, so giebt es liberal! keine. Ein Schriftsteller, der
so wenig Achtung und Ehrerbietung fiir das Publikum hat, doll er sich
nicht scheuet, seine Nothdurft selbst unter dessen Augen zu verrichten,
verdient nicht, doll er gelesen wird.
i i t t t t 4 t ti t.
l)cna.
Critik der reinen Vernunft im Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem
Worterbuche zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften, von M Carl
Christian Erhard Schmid In der Krokerschen Buchhandlung. 1786. 294
Seiten in 8. (12 gl.) Der Hr. M. S. ist wahrscheinlich der erste, der liber die
Kantische Kritik der reinen Vernunft Vorlesungen halt, und er erwirbt
sich dadurch sowohl, als durch die Bekanntmachung dieses Buchs, das er
bey jenen zum Grunde legt, kein geringes Verdienst urn die Metaphysik
iiberhaupt, und die Entdeckungen insbesondere, die Hr. Kant in diesem
Felde gemacht hat; denn es kann nicht fehlen, doll, da durch seine Bemli-
hungen nun die Ubersicht des Ganzen erleichtert wird, die Kritik der
reinen Vernunft mehr in Gang gebracht, genutzt und weiter verbreitet wer-
den sollte. Der Zusammenhang ist bier so eng und gedrangt, doll kein Pa-
ragraph iiberfllillig zu seyn scheint. In dem angehangten W6rterbuche hat
der Verf. die Bedeutungen jedes technischen Ausdrucks in der Kantischen
Philosophie gesammelt, und zugleich die Hauptstellen bemerkt, wo man
Erklarungen und Erlauterungen eines Begriffs oder Satzes antreffen, und
sich durch deren Vergleichung unter sich selbst manche dunkel scheinende
Stelle aufbellen kann; ein U nternehmen, wodurch der Gebrauch und das
Studium der Kantischen Schriften sehr erleichtert wird. Bey verschiedenen
Stellen hat der Hr. Verf. seine eigenen Betrachtungen mitgetheilt, und
51inc{J 1 ~ep .a~ert, @lejner, fiA81f 1 nnli Eom;.
auch auf andere Schriftsteller, die mit Kant in ihren Begriffen und Satzen
I 78 6;
iibereinstimmen oder von ihm abweichen, Rlicksicht genommen.
1
436 il>ib!iotbef ber neuffcn tbtol., pbilo[., unb fd)oncn ~lttccatnt - Herbsc 1786 437
I
I
Der V. schickt zum Theil verschiedene Anmerkungen iiber das Bediirf-
~ntlp~iibon, ober <pclifung einigcc .f;Jauptbcroeifc flic bic ~infad)~cit, unb Un[tctb•
nill der Hoffnung der Unsterblichkeit seiner Untersuchung iiber die Be-
Hdj!cit bee (l':')cclc in il3cicfcn. Jn .ltommi~ion be~ Jecu[imi in ~cip;ig. 1785.
weise derselben voran, theils streut er sie in den Untersuchungen selbst
er Nahme soli soviel bedeuten, daB Zweifel gegen die Beweise der
D U nzersti:irlichkeit der menschlichen Seele in dieser Schrift vorge-
bracht werden. Der Herausgeber dieser Briefe ist eine vom Verfasser der-
hie, und da ein. Wir wollen ihren Innhalt erst vorlegen, eh wir auf seine
Untersuchungen selbst kommen.
Der zweyte und dritte Brief bereiten durch einige allgemeine Erinnerun-
selben verschiedene Person. Dieser letzte war ein Freund des Herausge- gen iiber die Mi:iglichkeit, und Nothwendigkeit iiber die Fortdauer unserer
bers, der Nachricht zu Folge, die er uns von ihm giebt, ein freymiithiger, Existenz GewiBheit zu haben, auf die Untersuchung der Beweise der Un-
unermiideter Wahrheitsforscher, von vielem Gefiihl, und einem ofenen, zersti:irlichkeit der Seele vor.• Das Daseyn unsers Selbst mull vorher festge-
redlichen Charakter, der ein Martyrer seines Enthusiasmus, und seiner setzt, und als unumsti:illlich wahr vorausgesetzt werden, eh wir von dem
Freymiithigkeit, was ihm wahr schien, zu behaupten, und zu verrheidigen Daseyn der iibrigen Dinge gewill werden ki:innen. Nach dem kritischen
wurde, und als ein unbemittelter, der Heterodoxie wegen verdachtiger Idealismus den Kant vorgetragen hat, ist nur in der Erfahrung Wahrheit,
Geistlicher, ohne Amt, in kiimmerlichen Umstanden, und unter Erdul- und im reinen Verstand niches, als Schein. Nur Sachen, die wir uns durch
dung vieler Widerwarrigkeiten in der Bliithe seiner Jahre dahingerissen die Sinne vorstellen, haben Wirklichkeit; obgleich unsere sinnliche An-
ward. Es ist allerdings auffallend, daB so ein Mann sich bey dem Gedan- schauung davon immer sehr unvollkommen seyn wird; wei! wir uns die
ken beruhigen konnte, daB wir vielleicht zu keinem zweyten Leben blossen Erscheinungen jener Sachen, niemals aber ihre wahre Beschaffen-
bestimmt seyen, und daB wir den ganzen Zweck unsers Daseyns erfiillt heit vorstellen ki:innen. Der V. denkt hieraus den Satz herleiten zu diirfen,
haben, wenn wir die Pflichten, die wir in dieser oft so kurzen Zeit auszu- dall also von solchen Wahrheiten noch vie! weniger eine gewisse, und voll-
iiben Gelegenheit und Krafte haben, erfiillt, und unsere sammtlichen Gei- standige Erkenntnill zu erhalten stehe, die [273] ganz aussersinnlich, ab-
stesanlagen nach Bc{271]schaffenheit der Mittel, die uns hiezu vergOnnt strakt, und von unserer Erkenntnillsphare entlegen sind, und weder mit
waren, entwickelt, auch die Vergniigungen, welche uns nach eines jeden den sinnlichen Erfahrungen noch den reinen Verstandsbegriffen Relation
individueller Lage oft sparsam genug von der Hand der Natur zugemessen haben."
werden, genossen haben. Denn es scheint, daB ein Mensch in des Verfas- (Ganz gewill ist dem so! Aber unser V. sollte von diesem Einwurf ent-
sers Lage in einer so kurzen Laufbahn, und bey einer solchen Einengung weder ganz geschwiegen haben, oder auch dabey stehen geblieben seyn.
seines Wirkungskreises nur wenig Pflichten habe erfiillen, seine Krafte, Denn er macht aile Zweifel die er in der Folge gegen die Beweise der Ein-
und Anlagen nur in geringem Masse entwickeln, nur einen kleinen Ge- fachheit, und Unaufliislichkeit des Wesens der Seele vorbringt, nicht allein
brauch von seinen Kraften zum Besten des Ganzen habe machen ki:innen, iiberfliillig, sondern auch ungereimt, da sie von Iauter Satzen ausgehen, die
und daB die Summe der Leiden, die er zu erdulden harte, die Summe der dieser erste Einwurf als unerwiesen, und problematisch und als solche er-
Freuden, deren GenuB ihm noch gestattet wurde, beynahe iiberrroffen ha- klart, mit denen der Philosoph sich iiberal] nicht befassen sollte. Der V.
ben miisse. Wenn der V. auf den Trost eines kiinftigen Lebens bey allem kann wenn er den Kantischen Idealismus gelten lallt, eben so wenig fur
dem Verzicht gethan hat, so ware das nun freylich ein Beyspiel einer er- den Materialismus als fur den Spiritualismus fechten, da aile Materie Er-
kiinstelten, durch widernatiirliche Anstrengung erzwungenen Seelenstar- scheinung ist. Er kann auch niche von den metaphysischen Lehren, auf
ke. Aber daB er dabey seines Daseyns recht froh geworden, und sein Loos welche seine Zweifel sich in der Folge beziehen, von Substanz, Kraft, Ein-
fiir vollkommen gliicklich, und beneidenswerth habe halten ki:innen, wird heit u. s. w. den geringsten Gebrauch machen, wenn er Kants System fur
er uns wohl niche bereden. LaBt uns besser von dem wohlthatigen Ur- wahr annehmen will. Also da er in der Folge wie ein gewiihnlicher Philo-
heber unserer Existenz denken, als daB wir uns bereden sollten, daB wir soph raisonniert, so wollen wir vergessen, dall er hier auf einige Augen-
zu der miihvollen Bestimmung geschaffen sind, mit so vielen Obeln dieses blicke den SchUler Kants macht.)
Lebens, und endlich noch den Schrecknissen der uns drohenden Vernich- .Dieser Satz wird durch die unzahligen Irrthiimer aller bisherigen Syste-
tung zu kampfen, ohne eine andere Belohnung als die - daft wir uns vor
Ver-[272]zweifelung verwahren fiir unsern Sieg zu erjagen.
me, die milllungenen Versuche, willkiihrlichen Hypothesen derer, die im
Feld der hiihern Philosophie bisher (274] Eroberungen machen wollten,
j
'
438 illibliotbcf bet neuflen tbeoL, pbilof., unb fd)onen £itteratur - Herbst 1786 ~nttpbiibon 439
bestatiget. Es ware daher zu wiinschen, dall wir diesen Idealismus allgemei- re, Theilbarkeit, Durchdringlichkeit. Nun ist aber nichts positives in die-
ner als bisher gelten liessen, und uns kiinftig begniigten, mit Resignation sem Be griffe des Einfachen. Unser Verstand geht hier folgenden Gang.
auf die laren Schattenreiche die liegenden Griinde und fruchtbaren Felder Wir werden gewisse Wirkungen gewahr, die wir nach unsern Begriffen
des Menschenverstands mehr anzubauen, und nur die Natur, und ihre von der uns bekannten materiellen Welt nicht dem Korper zuschreiben,
Analogie, auch das durch die Vernunft berichtigte, und geleitete Selbstge- da zwischen diesen Wirkungen und denen der materiellen Welt Heteroge-
fiihl zur Leiterin unsers Glaubens, und Lebens zu machen." (Wie aber nitat zu seyn scheint. Also schliessen wir giebt es ein Wesen, dessen Krafte
wenn die Friichte des adoptierten kritischen Idealismus von ganz anderer mit den geausserten Wirkungen in einem inversiven Verhaltnill stehen.
Natur waren? wenn er nicht !are Schattenreiche zerstohrte, sondern uns Dieses nun zu finden, sondern wir die Eigenschaften des Korpers ab; und
nur hinderte gliicklich angefangene Entdeckungen in einem schwer- sagen: Die Seele ist eine Substanz ohne Ausdehnung, Schwere u. s. w. mit
zuganglichen, aber nicht unzuganglichen, noch weniger bloll eingebilde- einem Wort eine unkOrperliche Substanz."
ten Felde des Wissens fortzusetzen? wenn er uns keinen Leiter iibrig liesse, DaB der Begriff des Einfachen negativ sey ist im hochsten Grad falsch,
darnach unsern Glauben einzurichten, wenn er die Ausspriiche des man wolle dann das Ganze positiv, und seine Theile Negative Dinge nen-
schlichten Menschenverstandes nicht weniger als die Hypothesen der Me- nen, welches nach einer neuen Art von Logik geschehen miiflte, die wir
taphysik in eine Nacht von Zweifeln einhiillte, wie da? Der V. versteht nicht verstehen, und zu lernen ungeneigt sind. Alles zusammengesetzte be-
Kants System nicht. Wie kann er sich ohne eine vorgehende U ntersu- greift nothwendig das Einfache in sich. Nicht weniger falsch ist es, daB das
chung solche Vortheile davon versprechen?) [...] Pradikat der Immaterialitat eine blosse Verneinung sey. Wir treffen in uns
Der V. schreitet zur Priifung der Beweise der U nzerstorbarkeit der See- Wirkungen an. Es fragt sich, ob sie als Accidenzen eines Aggregats von
!e. Der erste ist ihre Einfachheit. Vor all em erinnert er .dall der Begrif Geist wirkenden Kraften, oder vieler Substrate von Accidenzen zu be{300]trach-
bloll durch Abstraction gebildet wird, und daB wir keine anschauende Er- ten seyn, oder als Accidenzen eines und eben des Wesens? und wir ent-
kenntnill von [298] der Natur des Geistes haben; ferner dafl der Begriff des scheiden, daB sie in einem Substrat von Accidenzen beysammen seyn,
Geistes nichts weiter als eine Negation sey." Er fiihrt auch eine Stelle aus oder Einem zugehoren. Wir finden in unserm Selbst Wirkungen, deren
Kants Kritik der reinen Vernunft an, die aber bloB die ahnliche Behaup- Heterogenitat mit jenen der Krafte der Korper unverkennbar ist, wei! sie
tung enthalt, .daB der Begriff einer unkorperlichen Natur unsere Er- reeller, als diese sind, und nach vollkommnern Gesetzen zu erfolgen schei-
kenntnill nicht erweitere, keinen Stoff zu Folgerungen darbiethe, und ne- nen. Und wir schliessen daB sie Accidenzen einer Substanz seyen, die
gativ ist. (Wir habens aber hier nur mit seinen Beweisen, zu thun.) Wenn mehr Realitat hat, als die Korper. Hier wird also grossere als korperliche
man sagt er, einen wirklich anschauenden Begriff, eine gewisse Uberzeu- Vollkommenheit in der Seele gesetzt, oder von der Seele bejaht. Ist etwa
gung von dem, was man Geist nennt, sey es Gott, oder menschliche Seele der Begriff der Inharenz der Accidenzen in vielen Substraten positiv, und
haben will: mufl man auch gewissermassen in einem weit genaherten Ver- der Begriff ihrer Inharenz in Einem negativ? ist der Begriff von geringerer
haltnill mit sich selbst oder andern geistigen Wesen stehen; also miillten Realitat positiv, und der von grosserer negativ? oder wissen wir etwa mehr
die Geister oder Seelen miteinander in engerer Verbindung als die Verbin- vom Korper, als daB er Accidenzen hat, die mehrern Substraten inhariren?
dung mittelst des Korpers ware, stehen, oder wir miillten den Geist auf ge- Kennen wir denn seine Substanz selbst, haben wir eine reine Anschauung
wisse Weise sinnlich anschauen konnen." (Man versteht recht wohl was der derselben?)
V. haben will. Aber es ware schlimm wenn zu gewisser Uberzeugung An- "Wir konnen auch, heillt es weiter, das Daseyn eines so!chen Wesens als
schauung erfodert wiirde. Folgte nicht hieraus die lacherliche Behauptung, die Seele seyn sol!, keineswegs durch Abstraction beweisen. Denn wenn in
daB wir von unserm eigenen Daseyn keine Gewiflheit haben, wohl aber dem Begriff der Seele aile die abstrahirten Bestimmungen, aus welchen die
vom Daseyn unserer sinnlichen Erscheinungen?) .Wir erwerben uns aile Moglichkeit eines Dings erwiesen wird, zusammengedacht werden, so
Erkenntnill von unserm Selbst durch Wahrnehmung seiner Wirkungen. kann doch das Facit der Abstraction nichts weiter seyn als Existenz. Aus
In die Natur desselben dringen wir nicht ein. Wir schreiben diesem Selbst dem Begriff der Seele kann also das Vorhan{301]den seyn derselben nicht
die Einfachheit zu. Diesen Begriff [299] des Einfachen bilden wir blofl gefolgeret werden." (Und wer hat jemals auf solche Art a priori das Daseyn
durch Absonderung aller Bestimmungen des Korpers Ausdehnung, Schwe- der Seele beweisen wollen?)
440 iBibliot~et ber neu~en t~eor., vWof., unb fdjonen ~ineratm - Herbst 1786 ;1lllgemeine beutfdje iBibfiot~er - Herbst 1786 441
Die ErkHirungen von der Seele, dall sie eine einfache Substanz, und eine oder Darstellung fahig seyn? Aber die Existenz so eines Dings kann doch
Vorstellungskraft sey, werden gepriift. In Ansehung des Hauptbegrifs der als der letzte Grund der Miiglichkeit der Anschauungen gedacht werden.
einfachen Substanz wird erinnert, "dall die Seele weiter nichts als ein Ver- Dall die Seele eine Ganzheit habe, und mehrere in Gedanken theilbare Be-
standswesen sey; und gleichwol vorher erwiesen seyn sollte, dall der Gegen- stimmungen in sich vereinige, kOnnen wir sehr wol einrii.umen; nur nicht,
stand dieses Begrifs auch ein wirklicher Gegenstand sey, eh irgend etwas dall sie ein Aggregat von Substanzen sey. Was endlich ihre Existenz im
von ihm priidiciert wird. Hier aber geschahe das Widerspiel, und aus dem Raum anbelangt, so scheint es, dall wirs hier mit Kant zu thun haben, des-
durch Abstraktion erhaltenen Begriff des einfachen Wesens wiirde auf sein sen ehmalige Gedanken der V. eigendich S. 79, 80 aus dessen Traumen eines
Daseyn gefolgert." (Noch einmal dieser Einfall ist ganz grundlos. Erst wird Geistersehers anfiihrt. Allein K. kann wenigstens nach seiner gegenwiirtigen
aus dem Daseyn der Accidenzen aufs Daseyn von Substanzen geschlossen. Oberzeugung das nicht als eine objektive Wahrheit festsetzen wollen, daft
U nd ferner werden diese Accidenzen einer Substanz, die nicht die Acciden- die Seele wirklich im Raum Se)l da er ja ihre Substanzialitat selbst mit Zwei-
zen der Materie kaullieren kann, zugeschrieben. Woher ist denn der schii- feln angefochten, und ihre Identitiit, und Duration bestritten hat; kurz da
ne Kanon, daft wir etwas sinnlich anschauen miissen, eh wir davon gewifl er von ihr gar nichts einriiumt, als dall sie Gott wei.ll was fiir ein Chaos
seyn konnen? ist der Schlull von Accidenzen auf eine Substanz eine eitele von Erscheinungen ist, die vermuthlich in einem Noumenon Gott ge-
Sophisterey? und ist damit nichts gesagt, wenn von einem existierenden nannt, gegriindet sind. Es ist nur vom Scheinen von Meinen die Rede. Und
Ding etwas verneint wird?) da dachten wir unmallgeblich, dall die Meynung so allgemein nicht sey,
"Doch fahrt der V. fort, wenns auch miiglich ware, auf diese Art das dall alles was existiert, im Raum ist. Was auf Dinge, die im Raum sind
Daseyn der Seele zu beweisen, ist es deswegen positiv gewill, dall wir uns wiirkt, des{304Jsen Accidenzen beziehen sich auf riiumliche Existenz.
das Einfache als etwas unkiirperliches, [302] und doch zugleich als etwas Aber sind wir genothiget, uns die Ursache im Raum vorzustellen? Die ab-
positives denken? Entweder wir kiinnen uns die Seele vermittelst Iauter stracten Begriffe sind nicht im Raum und doch sind sie Accide~zen. D!e
reiner Verstandsbegriffe~ oder auch durch eine glcichsam sinnliche Anschau- allgemeinen Begriffe sind Accidenzen der Seele, und doch schhessen s~e
ung durch Eigenschaften, die von der Sinnenwelt entlehnt sind, vorstellen. andere Vorstellungen nicht aus. Wenn wir endlich gar glauben, dall d.e
Im ersten Fall wiirden wir nichts bestimmtes denken, wei! unsere Idee kei- Seele etwas ist, das vollstiindig bestimmt, und anders wirklich ist, als es ih-
ne Beziehung auf irgend eine Erfahrung haben wiirde. Im letztern Fall re Accidenzen sind, so kOnnen wir von diesem ihrem Wesen, das wir nicht
leiht man der Seele Eigenschaften sinnlicher Erscheinungen. Es scheint, kennen, auch weiter nichts bejahen, am wenigsten seine Existenz im
dall kein existierendes Ding absolut einfach gedacht werden kann, das Raum, oder derselben Nothwendigkeit. Es verhiilt sich mit dieser Idee der
nicht aus mehrern Realitaten zusammengesetzt ware, die aber ohne Auflii- Seele, wie mit der Idee Gottes. [...]
sung seines Wesens nicht getrennt werden kiinnen, und dall iiberhaupt je-
dem Ding eine Ganzheit, und eine gewisse relativische Theilbarkeit zuge-
schrieben werden miisse. Endlich denken wir uns liberal! Raum, wo etwas 'J.J1o[etl c:menbeltlfo~ntl 'lJlorgenflunben ober 'Ilor(e(ungen ii&er ba~ :Oa(e~n
wirklich existierendes, wo ein Subject gegeben ist. Die Seele selbst mull ~otte~. Q:rfter t~ei!. !r>erUn, 1785. &e~ Qlo~ unb elobn. - 'Ileriinberte
1. irgendwo empfinden, und wahrnehmen. 2. Sie mull von dem Ort wo
Qiuf(age, e&en~. 1786. 8.
sie ist, jedes andere Wesen ausschliessen. 3. Auch mull die Seele wenn sie
einen Raum auch nicht erfiillt, doch auf eine andere Weise im Raum exi- 1\ Is ich mich anheischig machte, dieses ~erk in der A. d. B. a?zuzeige~,
stieren als nur allein mittelst ihrer Wirkungen." .. f i sah ich nicht voraus, welche wehmiittge Empfmdungen d1ese Arbe1t
Das Dillemm des V. das die Unvorstellbarkeit des Substanziellen der in mir erneuern wiirde. Ich dachte mir bios das Vergniigen, mich mit
Seele als eines einfachen Wesens beweisen soli, beweillt sie in der That. einem Freunde von dem hellsten Verstande und dem reinsten wahrheitslie-
Wir sind unfahig, uns diell Wesen vorzustellen. [303] Ich erkiihne mich zu bendsten Herzen iiber die wichtigsten Gegenstande des menschlichen Gei-
behaupten, dall es kein Gegenstand der Anschauung werden kann. Nach stes offentlich zu unterhalten, da mir meine Entfernung von ihm nicht
Kant ist auch Gott ein solches Wesen, das keiner Anschauung fahig ist, ein mehr vergiinnete, es in den Ergiellungen einer vertraulichen Unterredung
Noumenon. Was nicht selbst Vorstellung ist, sollte das der Anschauung zu thun. Die Leser wiirden hiebey nichts verlohren haben; indem ich da-
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bey gewonnen hatte. Allein die Vorsicht hat es nicht gewollt; sie hat uns dankt haben. Lessing machte gar kein GeheimniB daraus, daB er sich nicht
den Mann genommen, der sich urn die deutsche Philosophie und urn die schame, von seinem Freunde Mendelssohn zu Iemen, und selbst sich iiber
Verbreitung des philosophischen Geistes unter allen Standen Deutschlands seine gedachtesten Werke von der tiefsinnigen und selbst schulgerechten
so verdient gemacht hat. AuBer dem allgemeinen Bedauern, welches sein Beurtheilung desselben belehren zu lassen. Rec. weiB dieses zuverliiBig,
Verlust bey allen Freunden des Wahren und Guten erregen muB, bin ich und l.essings und Mendelssohns gemeinschaftliche Freunde, Ramler, Nico·
ihm den Tribut der innigsten Dankbarkeit und der zartlichsten Freund- Ia~ *) Engel kiinnen es bezeugen. [353] Was ist darin so entsetzliches, daB
schaft schuldig. Diese Empfindungen werden mich aber nicht ungerecht
[312] gegen andere machen, die ihn in einem andern Lichte sehen. Der- *) Ich glaube bier, unter meiner Namensunterschrift, beylaufig, ein paar Worte iiber
zwey S~llen dieser Schrift (S. 99 und 124.) sagen zu miissen, in welchen Hr. Jacobi,
jenige wiirde ihn schlecht geehrt haben, der ihn auf Kosten der Gerechtig-
bey sehr gesuchter Gelegenheit, mich anzugreifen, fiir gut gefunden hat. Er bildet
keit hiitte ehren wollen. sich ein - wie denn sein ganzes Werkchen von Einbildungen voll ist - man werde
Die wichtigen Materien, welche den Inhalt dieser Vorlesungen ausma- vie/ wider ihn schreiben, man werde ihn iiberschrei{353]ben. Jch denke, er hat das gar
chen, sind zwar unendlich oft wissenschaftlich und popular, trocken und nicht zu befiirchten, denn wer wird mit einem aufgebrachten Mann einen unniitzen
angenehm abgehandelt worden; und dennoch scheinen sie unter unsers Streit fiihren wollen. Er affektin im voraus, und sagt, daB dieB besonders in der aOge-
Verfassers Handen von so vielen Seiten neu, daB der Belehrte so gut als meinen deutschen Bibliothek .,bey jeder Ge1egenheit, wo es paBt und nicht paBt;' ge-
schehen werde, und ich denke, er wird sich ganz irren. Er h:itte sich daher eine Zelle
der Unbelehrte sie bey ihm mit gleich starkem Interesse wieder durchden- ersparen kOnnen, worin er die allgemeine deutsche Bibliothek, ein Werk, woran iiber
ken wird. Dieses Interesse erhalten sie bey ihm vorziiglich dadurch, daB er hundert der wUrdigsten Ge1ehrten Deutschlands arbeiten, und das seit 22 Jahren
die dahin gehiirigen Lehrsatze so stellt, wie sie auf einander folgen, wenn doch woh1 den unstreitigsten Nutzen gestiftet hat, zu einem paraphrasirten Me}?kata-
man von den ersten Wahrheiten des gesunden Verstandes ausgeht, daB er logus des Hm Nicolai herabwfudigen will. Ich glaube, Hr. Jacobi schadet niemand als
keine Lucke unausgefiillt liiBt, welche die Uberzeugung erschweren kiinn- sich selbst, wenn er von einem Manne, wie mein verewigter Freund Moses Mendels-
te, und, indem er die Griinde, worauf sich der gesunde Verstand sriitzet,
sohn, oder wenn er von einem Werke, wie die allgemeine deutsche Bibliothek, schnOde
zu urtheilen affektirt. Daneben glaube ich auch, daB Hr. Kant ein grafter Philosoph ist,
deutlich aus einander setzt, der tiefsinnigen Vernunft die Anschauung des und ein Philosoph, mit dem sich Moses [354] Mendelssohn sehr Ieicht wiirde verstiin-
gesunden Verstandes und dem gesunden Verstande die ZuverliiBigkeit der digt haben, und da1l Hr. Jacobi wonigstens nicht ein grofter Philosoph ist. Sollre Hr.
tiefsinnigen Vernunft giebt. Jacobi tiber Glauben und VernunftgrUnden, ganz eben der Meynung seyn wie Hr.
Es fofijen Darstclfu119m von Merukfssofins 'lnorgen!lunben (S. 312-23), ]aco&is Kan4 {wie es doch fast nicht scheint,} so ist wenigstens offenbar zu sehen, daB Hr.
Uber bie ~e~re be~ ~pino 0 a (.s. 323-33), Merukfssofins 2!n bie ~reunbe ~effinM Kant, nebst vielen andern groBen Vorztigen vor Hrn. Jacobi, auch den Vorzug einer
sehr prlicisen philosophischen Schreibart hat, und ich glaube daher, wenn Hr. Jacobi
(S. 333-42), wuf]aco&is '<Biber 'l1lenbe£afo~n~ ~ef!(lulbigungen (S. 342-63); dOrt so priicis geschrieben h:itte, wie Kant, ohne ganz unphilosophischer Weise, die WOr-
lieijlt es S. 352 ff.: ter Glauben und Vemunftgriinde, in zweyerley Bedeutung zu nehmen, so wiirde gar
M. hatte in seinem ganzen Briefwechsel, er hatte in seinen Morgenstun· kein Streit gewesen seyn. Diefi ist mein Glauben hieriiber; glaubt jemand etwas an-
den die VernunftmiiBigkeit des Theismus behauptet. Indem Hr. J. nicht ders, so kann ich es ihm wohl gOnnen.
ihn widerlegt, sondern nur gegen ihn eifert: so entsetzt er sich beylaufig Hr. J. nimmt mir es sehr tibet, daB ich einflieBen liefi: ,Ich kOnne am gewissesten
dariiber, daB er sich Lessingen zu belehren herausnehme, indem er in der sagen, daB er in der bekannren Unterredung, Lessingen sicherlich nicht verstanden ba-
be." Er findet fiir gut, den Grund wegzulassen, den ich dabey anfiihrte: .Weil ich mit
Lehre des Spinoza verschiedene Widerspriiche zu zeigen sucht, und zwar
Lessing und Moses zugleich so oft iiber diese Materie disserirt habe." Ich denke, ein viel-
nicht einmal eigentlich l.essingen, wie Hr. J. meynt, sondern nur bey Gele- jahriger Freund l.essinp;, [355] der oft mit demselben iiber eine Materie gesprochen
genheit von Lessings Spinozismus. Warum aber nicht auch Lessingen hat, darf wohl versichem, daB er l.essing,s wahre Meynung von solchem Gegenstande,
selbst? Das findet Hr. J. so - wir wissen selbst nicht wie? - kurz so, daB besser wisse, als ein Mann, der nur ein paar mal gelegentlich mit Lessing gesprochen
er nicht anders, als ausrufen kann: (S. 81.) .Manner! diirft ihr mich bestra- hat, und der Lessingen und dessen Art Argumente aufzunehmen und zu verfolgen,
fen, daB mir die Feder in der Hand vor U nwillen bebt, indem ich dieses nicht kannte. Da ich nun sah, daB Hr. Jacobi so ungemein schief iiber Lessing urtheil-
te, den ich sicherlich durch vieljahrigen vertrauten Umgang besser kenne, als Hr. jaco-
schreibe? Ich unterdriicke ihn ja, diesen bittern Unwillen; sag es ja nicht bi, so glaubte ich sehr gelinde zu urtheilen, wenn ich dieB ,Miftverstandnissen zu-
heraus, was mein Inwendiges in diesem Augenblicke umwendet." Diesen schriebe, und daB Hr. Jacobi, vielleicht, ehe er die Materie genug durchgedacht hatte,
unbesonnenen Unwillen miichte der groBe Lessing Hrn. J. schwerlich ver- ein Buch tiber Lessing und Spinoza geschrieben habe." Ich glaube noch, Hr. J. hat zu-
444 '21ffgtmtint ~tut[d)t .'lJibfiotbtt - Herbst 1786 'lJl en~ elof ob no 'lJlorgen[lun~tn 445
zwey gleich grolle Manner sich einander belehren? Beurtheilt etwan Hr. J. uneigennutzigsten diesem Triebe iiberliillt, gerade am meisten. Wenn
Lessingen hier nach seinen eigenen stolzen Empfindungen, die er in die- daher andere, denen dieser erhabene Wahn niitzlich ist, ihm denselben
sem Buche Ieider so sehr an den Tag legt? Lessing fand es nicht zu schlecht einzureden suchen, so haben sie ihn augenscheinlich zu ihrem Vortheil
fiir sich, dall er von einem Mendelssohn lernte, wei! er Mendelssohnen zum besten; und wenn er sich dem angebohrnen Triebe zum uneigenniit-
kannte, und wei! er, so grail er war, sich doch selbst zu gut kannte, urn zigen Wohlthun iiberliillt: so ist das eine Inconsequenz, welche eine genau-
sich fiir unfehlbar zu halten. Warum hiilt es Hr. J. so schimpflich, von an· er rechnende Vernunft Schwachheit nennen mull. Urn das Verhiiltnill der
dern sich belehren zu lassen? Erkenntnill Gottes zu unserer natiirlichen Verbindlichkeit in einem noch
In seinem Eifer gegen die Vernunftreligion hebt Hr. J. damit an, dall er gehiilligern Lichte zu zeigen, sagt er S. 84. 85 .•Was ist Euer Gott, Ihr, die
ihren Gebrauch zur Verstiirkung und Ergiinzung unserer natiirlichen Ver· Ihr iiffentlich· bekennt, es nicht genug zu wiederholen willt: Religion, das
bindlichkeit tadelt Zwar ist der see!. Moses nicht der einzige, der behaup· ist Gottes Erkenntnift und Verehrung sey nur Mittel (wozu? zur Veredlung
tet hat, dall ohne Religion sich keine Harmonie in den menschlichen der menschlichen Natur, oder zur Verpflichtung zu andern Pflichten? -
Pflichten denken lasse. [354] Hr. Kant, den doch Hr. J. sonst fiir einen Nur zu dem l.etztern. Gegen diejenigen, die das behaupten, mag Hr. J.
unbefangenen Untersucher gelten liillt, und seine Kritik der Vern. mit streiten. Zu dem Erstern? Wer wird das leugnen? Giebt es einen hiihern
Beyfall anfiihrt, wenn er ihre Autoritiit gegen die Demonstrationen der Bewegungsgrund fiir den Menschen, als die Veredlung seiner Natur?)
Vernunfttheologie gebraucht, - eben dieser Kant, liillt diesen Nutzen der .Zweck allein dem Thoren, dem Schwiirmer." Aber das ist ihm nocb nicht
Erkenntnill Gottes, als Bewegungsgrund, das Daseyn Gottes fiir wahr an· genug: .Was kann er seyn, Euer Gott, als ein todtes Werkzeug, eine dum·
zunehmen, zu. Gegen eine Stelle aus Mendelssohns Jerusalem S. 70. - me Kraft zu eurer Seele, urn sie zum Dienste des Leibes nur williger und
.Ohne Gott und kiinftiges Leben ist Menschenliebe eine angebohrne fiihiger zu machen? Wahrlich am Ende sind es nur die iiuftern Bediirfoisse;
Schwachheit und Wohlwollen nicht mehr als eine Geckerey u. s. w. - be- Euer Fleisch und eine kluge Okonomie seiner Liiste und Begierden, was die
merkt Hr. J. erstlich: .er habe mit dieser Aullerung von Mendelssohn nie Summa Eurer Philosophie, Eurer so hoch gepriesenen Weisheit des gesun-
reimen kiinnen, dall er vorhin zum Behuf seiner Theorie des Rechts, sich den Menschenverstandes ausmacht." Man weill wahrhaftig nicht, wo man
auf ein natiirliches Wohlwollen und den Satz stiitzt: durch dieses eine so gehiissige Consequenzmacherey zuerst angreifen soU, ob von der
Wohl{355]wollen werde alles wiedergegeben, was der Eigennutz verliehre." [357] Seite ihrer Grundlosigkeit, oder von ihrer hiimischen Seite. Sollte
Aber M. sagte dieses unter der Voraussetzung, dall die Seele nach dem man nicht denken, der see!. M. habe sich die Religion, als eine Triebfeder
Tode fortdauret, welches ohne das Daseyn eines hiichsten We{356]sens zum Gebrauch einer machiavellistischen Politik gedacht. Davon beweisen
nicht erkannt werden kann. Ohne dieses verliehrt derjenige, der sich am nun aile seine Schriften iiberall das gerade Gegentheil. Er halt die Aufopfe-
rung fiir Vaterland, Gerechtigkeit, Tugend, Wahrheit und Religion fiir
Pflicht, und fiir eine Pflicht, die nur in Verbindung mit der Religion eine
weilen das Ungliick gehabt, etwas zu schreiben, ehe er den Gegenstand recht durch· verntinftige Verbindlichkeit hat .• Das Verdienst, sagt er in seinem vortreff-
dachte und Uber/egte. Selbst in der mich angreifenden Stelle sind Beweise, daB er in lichen Phiidon, (S. 168.) mit so vieler Selbstverleugnung das Gute befiirdert
Kleinigkeiten, so wie sonst in wichtigen Sachen, davon nicht frey ist. Er fiihrt z. B.
mit Emphase ..folgendes Sinngedicht des Hrn. Nicolai an, welches seiner Meynung
zu haben, giebt seinem Wesen einen unaussprechlichen Werth, der zu·
nach, nochmals verdiene gelesen zu werden, weil es ger:ade von gedachtem Hm. Nico· gleich von unendlicher Dauer seyn wird. Sobald mir der Tad das gewiihrt,
lai sey." - Ungliicklicher Weise babe ich Uberhaupt seit vielen Jahren gar kein Sinn- was das Leben nicht gewiihren kann, so ist es meine Pflicht, mein Beruf,
gedicht, und also auch dieses Sinngedicht, nicht gemacht. Nun steht das arme Sinn- meiner Bestimmung gemiill zu sterben." So verstehen diese Verbindung
gedicht in Hrn. J. Schrift, und niemand kann sehen, wozu es da steht. Es ist eine zwischen Religion und Sittenlehre andere Philosophen; so versteht sie
Kleinigkeit, daB Hr. Jacobi so positiv mir etwas zuschrcibt, das nicht mir zugehtirt.
Kant gegen das Ende der Kritik der reinen Vernunft. Doch ist es unnii-
Er kann aber doch aus diesem kleinen Beyspiele sehen: Er kOnne, wenn er in Hitze
ist, etwas schreiben, ehe er es recht durchgedacht und recht Uberlegt hat. Vielieicht thig, tiber eine solche gehiissige Vorspiegelung mehr Worte zu verliehren.
kommt eine Zeit, da sein Eifer sich abkiihlt, und dann wird er vielleicht selbst tiber- Danadi wenfen zunadist die ,3roe~ ~ecenponen von C!iuufius (5. 363-67) wu!
haupt naher einsehen, was er genug durchdachte, und was er mit Obereilung schrieb! ali~ iOie ~e[ultate ber i)acoM[c()en unb 'lllenbd•fo~nifc()en 'J)~ilofop~te
Fr. Nicolai 6esproclien; die ReansWn scftfitjlt:
446 2!ITgemelne ~eut[d)e ~ib!iot~e! - Herbst 1786 ®ott. 2ln!. - 12. Okt. 1786 I \l:r[urt. gef. .s. - 16. Okt. 1786 447
Wenn wir unsere schon so weitlauftige Anzeige der Streitschriften der gesetzt werden, sobald sich Leidenschaft und Rechthaberey darin zu
Hrn. M. und J. mit einer kurzen Ubersicht schliellen sollen, so hoffen wir mischen angefangen; so hat er denselben auf einer dem Gegner am wenig-
jeden unbefangenen und aufmerksamen Leser von folgenden Hauptziigen sten unangenehme Art abzubrechen gesucht. (379]
der dabey interessirten Schriftsteller iiberzeugt zu haben. Die Gegner von So war deine helle und sanfte Philosophie, verewigter Mendelssohn!
der einen Seite des Streits haben sich in das Feld der Spekulation gewagt, Dein Tiefsinn ist von einigen deiner Gegner verlacht, wei! sie selbst weder
ohne ihrer Unternehmung weder durch hinlangliche Vorerkenntnisse Tiefsinn genug besallen, dem deinigen nachzufolgen, noch Bescheidenheit
noch durch bestimmte Begriffe und griindliche Einsichten gewachsen zu genug, ihren Kr.iften nicht alles zuzutrauen. Es wird aber eine Zeit kom-
seyn. Sie iiberlassen sich auf diesem ihnen unbekannten Meere der Gewalt men, wo man gerechter urtheilen, und dir unter den grollen Mannern,
der Fluthen, und anstatt so lange wieder zu den Ausspriichen des sichern denen ihr Vaterland seine Aufklarung zu verdanken hat, einen Platz an-
und beruhigenden Menschenverstandes zuriick zu kehren, bis sie ihre Be- weisen wird, den dir deine Bemiihungen fiir die Wahrheit verdient haben;
griffe so weit berichtigt und bestimmt, und ihre Vernunft an den vorsichti- wo man deinen Tiefsinn bewundern und keine Leidenschaft dir den ver-
gen Gebrauch ausgemachter Regeln der Vernunftschliisse gewiihnt haben, dienten Tribut der Dankbarkeit fiir das, was du zur Ausbreitung der
so verwerfen sie, in einer Art von Verzweifelung, die Ausspriiche der Ver- Wahrheit gethan hast, ferner versagen wird!
nunft und des Menschenverstandes, und retten sich in die Arme des Glau· Gb.
bens. U m sich selbst und andere von der Nothwendigkeit dieser Ent-
schliellung zu iiberreden, verunglimpfen sie die Vernunft und ihre Lehren,
die sie noch nicht zu erwegen und zu verstehen gehiirige Zeit und Vorbe-
reitung angewandt haben, durch unbestimmte Deklamation und fade Wit-
zeleyen, auf die alsdann, wenn es eine gesetzte und griindliche Philosophie,
. ~emgo.
ihre l.eere und Bliille aufzudecken wagt, hochdaheifahrende Machtspmche Im Verlag der Meyerschen Buchhandlung ist nun auch der Grundrifl
und gehaflige Beschimpfungen ihres Gegners folgen. (378] Ihr Gegner von der der Seelenlehre von unserm Hrn. Prof. Meiners erschienen. In der Vorrede
andern Seite des Streits ist von den Ausspriichen des gesunden Menschen- erklan sich der Verf. iiber seinen Begriff von der Philosophie und
verstandes ausgegangen, urn diese in verniinftige Erkenntnill zu verwan- Seelenlehre, iiber die vornehmsten Schriften, die ein Freund der letztern
deln, oder sich die Griinde seiner Uberzeugungen deutlich aus einander Wissenschaft, und in welcher Ordnung er sie lesen miisse, und endlich
. zu setzen. Zu dem Ende hat er sich seine Begriffe so weit zu zergliedern iiber die letzten Kantischen Schriften. Diellletztere thut er zwar mit vieler
bestrebt, als es miiglich ist, urn sich mit denselben und den ersten Grund- Freymiithigkeit, aber, wie er hofft, oder wenigstens die Absicht hatte,
satzen der menschlichen Vernunft ein Lehrgebaude zusammen zu fiigen, ohne aile persiinliche Beleidigungen. [...]
das mit den Ausspriichen des bon sens harmonirt. Urn sich dieses Ge-
schafft zu erleichtern, hat er sich mit den Systemen seiner Vorganger be-
kannt zu machen, sie zu verstehen, und sich aus ihnen zu unterrichten ge-
sucht, ohne sich weder zu erlauben, etwas ohne Priifung anzunehmen,
noch auch sich zu schamen, wenn er es nach genauer Priifung richtig be-
;5ena.
funden, es seinem eigenen Gedankensystem einzuverleiben. Wenn er iiber In der Criikerischen Buchhandlung: Kritik der reinen Vernunft, ein
dieses Lehrgebaude in den Theilen, welche die Religion und Moral betref- Grundri£ zu Vorlesungen, nebst einem Wiirterbuche, zum leichten Ge-
fen, angegriffen wurde, hat er sich mit der Festigkeit, dem Geiste und der brauch der Kantischen Schriften, von M. Karl Christ Erhard Schmidt
Wiirde eines Mannes vertheidigt, der seiner Sache gewi£ ist, aber auch mit 1786. 294 Seiten, in 8. {12 Gr.) Der Verfasser hat eine sehr niitzliche Ar-
der Schonung, dem Zuvorkommen, der Nachsicht und der Geduld, der beit unternommen, sowohl wegen des systematischen Auszugs aus Kants
Bescheidenheit und oft der Demuth eines Mannes, der seinem Gegner Kritik und Grundlegung, als auch wegen des angehangten Wiirterbuchs.
niitzlich seyn, ihn nicht beschamen will; sobald aber irgend ein Umstand Das letzte hat seinen einstweiligen Nutzen fiir den, welcher nur einiger-
hinderte, dall der Streit nicht ferner zur Aufk.Iarung der Sache konnte fort- mallen in den Schriften des tiefdenkenden Philosophen und schwer zu
448 'frfurti[d)c gcre~rtc ,3eitung - 16. Oktober 1786 ucnai[d)c gcrc~rtc ,3eltungcn - 27. Oktober 1786 449
verstehenden Schriftstellers fortkommen, und sich nicht selbst durch so Hypothese ein Vorbereitungszustand seyn kann, da man befiirchten mull,
viele theils neue, theils abgeanderte Terminologien durcharbeiten will. Das nicht eine einzige Kategorie recht anzuwenden, und iiberall nichts als
erste hat der Verfasser so eingerichtet, dall es zum Lesebuch iiber Kants Schein zu denken. Wozu soli uns alsdenn eine Welt mit Gegenstanden, da
Philosophie dienen kann. Wir millbilligen es zwar nicht, dall diejenigen, die Kategorien durch die Gegenstande nicht erzeugt werden, sondern
welche Philosophie studieren, auch bald mit dem Systeme eines Mannes schon in der Seele liegen. Es lallt sich nichts denken, als der Gebrauch der
bekannt gemacht werden, welcher so viele Reformen fiir Philosophie Anwendung derselben auf Gegenstande, und das kann nach der Hypo-
nicht sowohl ausfiihrte, als intendirte. Doch glauben wir, dall, wenn die these nicht seyn. - -
Vorlesungen noch so gut, und der Vortrag noch so deutlich seyn sollte,
doch die meisten Zuhiirer, den Sinn einer so schweren Philosophie nur
halb fassen werden. Und da sie noch weniger im Stande sind, kritische
Untersuchungen iiber die Wahrheit eines Systems anzustellen, so sind wir
der Meynung, dall Kant eine zu schwere Speise fiir Anfanger sey. Dieses
.t!.eip3ig.
wiirde seyn, wenn auch das Kantische System noch mehr als zur Zeit noch Bey Heinsius: Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden, oder
geschehen ist, ware untersucht worden. Doch dadurch verliehrt die Arbeit aller spekulativen Beweise fiir das Daseyn Gottes, in Vorlesungen von
des Verfassers nichts an ihrem Werthe. Das ganze System ist hier kurz, Ludwig Heinrich Jakob, Doktor der Philosophie in Halle. Nebst einer Ab-
doch vollstandig, und zwar systematisch vorgetragen, so, dall man die handlung vom Hn Professor Kant. 1786. 334 S. in 8. ohne die Vorrede und
weitlaufige Wissenschaft der Kritik mit einem Blicke iibersehen kann. einige Bemerkungen vom Hn Professor Kant, die zusammen LX S. be-
Der Verfasser hat die Ordnung Kants in seiner Kritik beybehalten. tragen. - Diese Schrift, die jedem Philosophen wichtig seyn wird, leidet
Nach einer Einleitung iiber Erkenntnill, Philosophie, ihre Theile und keine kurze Anzeige, wenn man eine gehiirige Ubersicht davon erhalten
Kritik, folgt also: 1) reine .ii.sthetik; 2) transcendentale Logik, a) Ana- soli. Der Recensent bemerkt also nur, dall Hr J. die Kantischen Grundsat-
[387]lytik, b) Dialektik; 3) transcendentale Methodenlehre; 4) Kritik der ze, wider die Mendelssohnschen Einwiirfe in Schutz nimmt, und die Men-
praktischen reinen Vernunft. Uberall hat der Verfasser die Stellen der Kan- delssohnschen Beweille fiir das Daseyn Gottes nach Kantischen Principien
tischen Schriften angegeben, wo der Innhalt der vorgetragenen Satze ste- strenge kritisirt. Die Bemerkungen des Hn Prof. Kant, die von S. XLIX
het. Zuweilen werden auch die Zweifel und Einwiirfe, welche von einigen bis S. LX am Ende der Vorrede stehen, enthalten einige Erinnerungen
Gelehrten gemacht worden, angefiihrt. Nur selten hat der Verfasser seine gegen Mendelssohn, in wieferne lezterer vieles fiir Wortstreitigkeiten aus-
eigenen Gedanken beygefiigt; z. B. S. 220 iiber die objektive Miiglichkeit zugeben bemiihet war. - Man mull die Schrift ganz lesen. Sie enthalt 14
der Erfahrung. Wenn auch ausgemacht ist, sagt er, dall nur durch Anwen- Vorlesungen, deren Inhalt ist: Sinnlichkeit und Verstand, Priifung der
dung der Kategorien auf Gegenstande eine Erfahrung miiglich wird, so [682] Meinung anderer Philosophen von der Sinnlichkeit; Verstand; Sum-
fragt es sich doch noch immer, welches Recht wir haben, Kategorien auf marische Wiederholung; nahere Priifung der Mendelssohnschen Axiome;
Erscheinungen anzuwenden. Der Verfasser scheint zu zweifeln, ob diese Uber Idealismus, Epikureismus und Spinozismus; Priifung der Beweise a
Rechtmalligkeit der Erfahrungsurtheile je apodiktisch zu erweisen sey, posteriori fiir das Daseyn Gottes; Priifung des neuen Mendelssohnschen
und dall also Erfahrung nur Problem oder Idee des Verstandes sey. (Wenn Beweises; Priifung des ontologischen Beweises a priori aus den Begriffen
ich recht sehe, so kann eine aufmerksame Betrachtung iiber die Kategorien des vollkommensten Wesens; leztes Resultat der Untersuchungen iiber das
und ihre Entwickelung aile diese Zweifel zerstreuen) Der Verfasser er- Daseyn Gottes. - Der Recensent hat selbst in diesen Blattern ehemals die
wartet, urn einen Ausweg zu finden, eine andere Lage der Dinge, wo wir Giiltigkeit des Mendelssohnschen BeweiBes a priori bestritten, und findet
diejenigen Gegenstande und die Verkniipfung derselben, welche unsern freylich in selbigem keine Uberzeugung. Ob man aber bey der Leugnung
Begriffen naher anpallt, und eine eigentliche Erfahrung miiglich macht, des BeweiBes a posteriori nicht zu weit in dem Scepticismo gehe, wie der
finden werden, die wir itzt nur suchen. Unsere itzige Bestimmung kann Recensent glaubt, kann hier wegen Mangel des Raums nicht ausgefiihrt
nur seyn, unsere Krafte auf einen selbst genugthuenden Gebrauch dersel- werden. Genug, Hr J. hat durch die Herausgabe seiner Priifung einen Be-
ben vorzubereiten. Recensent siehet nicht ein, wie das unter gesetzter weill seiner vorziiglichen Geschicklichkeit gegeben.
450 ijenal[d)e gel. ,3.- 27. Okt. 1786 I ALLG. L!T.-Z. - 30. Okt. 1786 Kants Grundlegung I Tittel tiber Herrn Kant's Moralreform 451
Grundsatze enthielten. Hier ist denn vorerst wenigstens eine Schrift iiber
J!.eip5ig. Kants Grundlegung; obs eine Gegenschrift sey, beurtheile der Leser selbst.
~ir fii~re~ Hrn. ~ants Satze im Auszuge an; der Beziehung halber nume-
In der Miillerschen Buchhandlung: Philosophische Unterhaltungen. Er- nren w1r s1e, und In den Anmerkungen geben wir Proben von Hn. Tittels
ster Ban_~· 1786. 222 S. in 8. Dieser Band enthalt folgende Abhandlungen: Klagen und Einreden.
[...] 3} Uber Kants Prolegomena zu einer jeden kiinftigen Metaphysik. - Vie- Kants Grundlegung. Erster Abschnitt. S. 1-24. 1. Es ist nichts in der
len Erinnerungen in dieser Abhandlung pflichtet der Recensent bey. Was Welt, ja auch auBer derselben zu denken moglich, was ohne Einschran-
der Verf. S. 127 sagt, verdienet auch eine genauere Erwegung der Philoso- kung ~r gut konnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. [Es ver-
phen. Es heiBt: ,In jedem Urtheile wird zu einem Begriffe ein Begrif ge- steht sic~, daB Hr. K. hier nicht das meint, was man oft im gemeinen
bracht, den ich vorher mit jenem gar nicht dachte. Wenn nun Kant Leben em gutes Herz, oder Gutwilligkeit nennt, sondern einen Willen
spricht, analytische Urtheile sagen im Priidikate nichts, als das, was im Be-
(vergl. S. ~1.), ~esse~ Ma:Ome, ~enn sie zu einem allgemeinen Gesetze ge-
griffe des [684] Subjekts schon wirklich, obgleich nicht so klar und mit macht w1rd, s1ch me widerstreiten kann.] Verstand, Witz, Urtheilskraft,
gleichem Bewustseyn gedacht war, so spreche ich, ist das die Natur analy- und andre Talente des Geistes, oder Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit
tischer U rtheile, so giebt es keine. - - Wenn man einen Saz, der nichts im Vorsatze als Eigenschaften des Temperaments sind ohne Zweifel in man-
hat als das Auserliche, nichts als Gewand, worein man bey dem Vortrage cher Absicht gut, konnen aber auch sehr bose und schadlich werden
das Urtheil zu kleiden pflegt, dennoch als Urtheil behandelt, muB da- wenn d~r Wille, der von ihnen Gebrauch machen soli, nicht gut ist. S~
durch fiir die Wahrheit nothwendig vie! Nachtheil entspringen. Verschie- auch mit den Gliicksgaben. Macht, Reichthum, Ehre, Gesundheit, und
denheit oder Mehrheit der Begriffe ist der Vernunft beym Urtheilen eine a_~les, was man zur Gliickseligkeit rechnet, machen Muth, oft aber auch
natiirliche Erwartung. Findet sie an dem Priidikate eines Satzes, den sie als Ubermuth, wenn kein guter Wille den EinfluB derselben aufs Gemiith
ein Urthei! aufnahm, nichts, als was sie im Subjekte schon gedacht hat, so berichtigt. Selbst ein verniinftiger unparteyischer Zuschauer kann am An-
sieht sie sich betrogen. Hiermit sind also aile sogenannte identische Satze b_licke e!nes ununterbrochnen Wohlergehens eines Wesens, das kein Zug
aus der Klasse der Urtheile ganzlich ausgeschlossen. Man sollte denken, emes remen und guten Willens zieret, nimmermehr einen Wohlgefallen
spricht Kant, 7 + 5 = 12 sey ein analytischer Saz, man werde aber nach haben. [194]
einer nahern Betrachtung finden, daB er synthetisch sey, und ist fiirwahr 2. Einige Eigenschaften sind so gar diesem guten Willen beforderlich
weder dieses, noch jenes, ist gar kein Saz. - - Solche Zusammenstellungen haben ~ber doch immer noch keinen innern unbedingten Werth, sander~
sind nichts anders als ein Zeichenspiel." In den folgenden vertheidiget der setzen Immer noch erst den guten Wzllen voraus, z. B. MaBigung in Af-
Schriftsteller den allgemeinen Gebrauch des Satzes vom Widerspruche, f~cten, Selbst?eherrschung, Niichternheit der Uberlegung sind zwar in
und bringt einige gute Erinnerungen bey. Die iibrigen Abhandlungen vielerley Abs1cht gut, allein doch nicht ohne Einschriinkung, da sie ohne
sind:[...] Grundsatze eines guten Willens hochst bose werden konnen. So macht
Kaltbliitigkeit einen Bosewicht nur noch verabscheuungswiirdiger.
. 3. Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet,
RIGA, bey Hartknoch: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, von Imma- mcht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten
nuel Kant 1785. 128 S. 8. Zwecks, sondern allein durch das Wollen, d. i. an und durch sich selbst
gut. .Wenn. gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, ode;
FRANKFURT und LEIPZIG: Uber Herrn Kant's Mora/reform von Gottlob durch karghche Ausstattung einer stiefmiitterlichen Natur es diesem Wil-
August Titte/1786. 93 S. 8. le? ganzlich an Vermogen fehlte, seine Absicht durchzusetzen, wenn bey
'VT ir haben die {A. L. Z. vorig. Jahrs Nro. 80.) versprochne genauere semer griJftten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet wiirde, und
W Anzeige der obengenannten Kantischen Schrift mit FleiB etwas ver- nur der gute Wille {freylich nicht etwa ein bloBer Wunsch, sondern als die
spatet, urn erst abzuwarten, was etwa fiir Gegenschriften erscheinen moch- A~fbietung _aile~ Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) iibrig bliebe, so
ten, und zu sehn, wie fern diese etwas von Belang gegen die Kantischen wurde er w1e em Juwel doch fiir sich selbst glanzen als etwas, das seinen
452 ALLGEMEINE LITERATUR-ZE!TUNG- 30. Oktober 1786 Kants Grundlegung I Tittel iiber Herrn Kant's Moralreform 453
vollen Werth in sich selbst hat. Die Niitzlichkeit, oder Fruchtlosigkeit seligkeit abgibt, desto weiter der Mensch von der wahren Zufriedenheit
kann diesem Werthe weder etwas zusetzen, noch abnehmen. Sie wiirde abkomme, woraus, bey vielen, und zwar den versuchtesten im Gebrauch
gleichsam nur die Einfassung seyn, urn ihn im gemeinen Verkehr besser derselben, wenn sie nur aufrichtig genug sind, es zu gestehen, ein gewisser
handhaben zu konnen, oder die Aufmerksamkeit derer, die noch nicht Grad von Misologie, d. h. Hal! der Vernunft, entspringt, wei! sie nach dem
genug Kenner sind, auf sich zu ziehen, nicht aber urn ihn Kennern zu Uberschlage alles Vortheils, den sie nicht etwa nur von der Erfindung aller
empfehlen und seinen Werth zu bestimmen. Klinste des gemeinen Luxus, sondern so gar von den Wissenschaften, (die
ihnen am Ende auch ein Luxus des Verstandes zu seyn scheinen,) ziehen,
Anm. Sollte man denken, daB dieser so klare Satz, durch eine eben so richtige als durch~ dennoch finden, da!! sie sich in der That nur mehr an Miihseligkeit auf
sichtige Allegoric erl:iutert, von jemanden misverstanden oder verdreht werden den Hals gezogen, als Gliickseligkeit gewonnen haben, und dariiber end-
kOnnte? Und doch hat Hr. Tittel$. 7. das eine oder das andere gethan. &nt sagt: Bey
lich den gemeinen Schlag der Menschen, welcher der Leitung des bloflen
der Bestimmung des Werthes des guten Willens kOmmts gar nicht darauf an, wie viel
er ausrichtet. Tittel glaubt ihm zu widersprechen, indem er sagt: .,Aber guter Wille ist Naturinstinkts naher ist, und der seiner Vernunft nicht vie! Einflufl auf
doch immer auf Wirken des Guten abzielender und verstandiger Wille." Kant sagt: sein Thun und Lassen verstattet, eher beneiden, als geringschatzen." [Eine
es kOmmt bey der Schtitzung des guten Wdlens nicht darauf a~ wie tauglich er zur Er- vielleicht nicht oft gemachte, aber (wie uns aus ahnlichen Erfahrungen ge-
reichung dieses oder jenes Zwecks sey; Tittella.Bt ihn sagen: es kame gar nicht aufeinen wifl ist) sehr wahre Bemerkung. Manche werden so was schlechtweg fur
vorgesetzten Zweck an, und serzt avec fierte hinzu: ,.Verstlindiger Wille ist nicht denk- Hypochondrie erklaren; das werden aber hoffendich nur solche seyn, die
bar ohne Zweck!" Hatte er doch erst verstanden, ehe [195] er schrieb! Hatte er nur, da
er S. 63. der Grundlegung las, wo ausdriick.lich steht: ,Nun ist das, was dem Willen
alles tiefere Den{l96]ken fur Hypochondrie, und gedankenlose Vegetation
zum objectiven Grunde seiner Selbstbestimmung dienet, der ZWECK;" so vieler an- flir die hochste Gesundheit Leibes und der Seele halten. Schade nur, daB
dern Stellen nicht zu gedenken, sich an das erinnert, was er hier so frisch von der man so wenig von den geheimen Leiden der aufgekliirtesten Menschen er-
Faust weg hin schrieb, so wi.irde er in sich gegangen seyn, und wenigstens diese betise fahrt, da sie sie meistentheils in sich verschlieflen, und der offnen Her-
weggestrichen haben. &nt sagt: der gute WiUe. von dem ich rede, mufl freylich kein zensergieflungen selbst unter Freunden taglich weniger zu werden schei-
b/ofler Wunsch, sondem die Aufbietung aller Mittel, die in unsrer Gewalt sind - seyn:
nen! Es ist z. B. gewifl eine der unschuldigsten Neigungen, die, wiewohl
Tittel will ihm widersprechen und sagt: ,.Aber unwirksames (rt.iges, todtes) und
zweck.loses Wollen ist doch kein guter WJ.le!« Ohne mit Hn. Tzu disputiren, ob un· immer noch sinnlich, doch gewifl nicht zur groben Sinnlichkeit gehort,
wirksames, trages, todtes, zweckloses, Wollen, was er bier for einerley halt, nicht eher fur eigne Verdienste und Wohlthaten Erkenntlichkeit und Dank (nicht
viererley sey, fragen wir ihn nur, cui bono er diesen Gegensatz, der gegen Hn. Kant gerade Wiedervergeltung, noch weniger cum usuris) zu verdienen; gewifl
wenigstens kein Gegensatz ist, niedergeschrieben habe. Wie wenn jemand behauptete: einer der edelsten Wiinsche fur anderer Wohlthaten Dank erweisen zu kon-
Man darf den guten Lehrer nicht nach der Menge seiner ZuhOrer, auch nicht nach nen. U nd wie oft findet sich gleichwohl der Fall, (wie beym Cicero) da!!
der Tauglichkeit zum Schriftsteller, sondern allein nach seinen Kenntnissen und sei-
ner Lehrgabe beurtheilen; was wi.irde man von einem Opponenten denken, der so
edle Menschen sich urn U ndankbare verdient machen, oder durch U m-
gegen ihn argumentirte: Aber ein Lehrer muB doch zu was taugen! Aber ein fauler stande, durch Collisionen, welche sie selbst nicht verschuldet haben, an
Lehrer ist doch kein guter Lehrer! u. s. w. Dankerweisungen gehindert werden? Nun kann es gerade treffen, da!! die
verniinftigsten und am meisten aus Grundsatzen handelnden Wohlthiiter
4. Es liegt in dieser Idee vom absoluten Werthe des bloflen Willens, ohne die meisten Undankbaren machen, und diejenigen, die die Pflicht der
einigen Nutzen mit in Anschlag zu bringen, etwas so befremdliches, da!! Dankbarkeit aus ihren reinsten Quellen erkennen, am wenigsten den Ge-
man hier auf bios hochjliegende Phantasterey vermuthen konnte. Also be- nufl wirklicher Dankerweisungen sich verschaffen konnen. Also wieder
darf diese Idee einer Prlifung. ein Beyspiel, da!! der reinste vernlinftigste gute Wille nicht immer zur Be--
5. Ware Gluckseligkeit d. h. Befriedigung aller unserer Neigungen (oder friedigung selbst der edelsten Neigungen, nicht immer zur Gliickseligkeit,
der von der Sinnlichkeit, d. i. innern und auflern Empfindung veranla!!ten selbst im reinsten Verstande dieses Worts, fuhre.]
Begierden) der eigentliche (vornehmste) Zweck der Natur, so hatte sie ihre 6. Die Vernunft also mufl eine andre Hauptbestimmung haben, als
Absicht beym Menschen weit besser und gewisser durch lnstink~ als Gliickseligkeit hervorzubringen; sie mufl bestimmt seyn, einen nicht etwa
durch Vemunft erreicht.• In der That finden wir auch, da!!, je mehr eine in anderer Absicht, als Mittel, sondern an sich selbst guten Willen hervorzu-
cultivirte Vernunft sich mit der Absicht auf Lebensgenufl und der Gluck- bringen. Dieser darf also zwar nicht das einzige und ganze, aber er muB
454 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 30. u. 31. Okt. 1786
l Kants Grundlegung I Titteluber Herm Kant's Moralreform 455
doch das hochste Gut, und zu allem Obrigen, selbst allem Verlangen nach pjlichtmiiftigen Handlungen, wozu der Mensch schon eine unmittelbare
Gliickseligkei~ die oberste Bedingung seyn. Und nun kann die Cultur der Neigung hat; das Leben zu erhalten ist pflichtmaBig. Aber da die Men-
Vernunft, die zur erstern und unbedingten Absicht erforderlich ist, die schen schon dazu eine unmittelbare Neigung haben, so findet sich, dall die
Erreichung der zweyten, die jederzeit bedingt ist, nemlich der Gliickselig- Sorge fiir die Erhaltung des Lebens bey vielen lediglich dieser Neigung,
keit wenigstens in diesem Leben auf mancherley Weise einschriinken, - diesem Triebe zuzuschreiben ist. Diese handeln also pflichtmaBig nicht
ohne dall die Natur darinn unzweckmaBig verfahre. aus Pjlicht. ,Dagegen wenn Widerwanigkeiten und hoffnungsloser Gram
den Geschmack am Leben ganzlich weggenommen haben, wenn der Un-
Anm. Diese S3tze und was damit zusammenh3ngt, hat Hr. Tittel wieder ganzlich gliickliche, stark an Seele, iiber sein Schicksal mehr entkriiftet als klein-
misverstanden. - Aber ruft er aus: dient denn Vernunfi, indem sie den guten Willen
miithig oder niedergeschlagen den Tod wiinscht, und sein Leben doch
begrUndet, nicht auch zur G/Uckseligkeit? Aber wer laugnet denn das? Hr. Kant wenig~
stens nicht! Wie kann es doch Hn. Tittel so schwer werden, den obersten und unter~ erhalt, ohne es zu lieben nicht aus Neigung oder Furch~ sondern aus
geordneten Zweck zu unterscheiden? Wollre er gegen Hn. Kant disputiren, so miiBte Pjlich~ alsdenn hat seine Maxime einen moralischen Gehalt."
er beweisen, daB die praktische Vernunft, die wahre Tugend, ohne alle Ausnahme zur
G/Uckseligkeit fiihre, und zwar wie Hr. K. das Wort Gliickseligkeit sehr bestimmt und Anm Gegen dieses dem Recensenten und wie wir zuverl:illig wissen, mehrerern Man-
richtig gebraucht, fiir die Summe der Befriedigung unserer Neigungen? Oder ist ihm nero, denen der Recensent weder sich noch Herro Tittel im Scharfsinn gleichstellen
Gliickseligkeit etwas anders, so sage er doch, was sie seyn salle! Wenn gesagt wird: die kann, vOllig einleuchtende Raisonnement, erwiedert Hr. Tittel, aber ohne Beweis,
Tugend macht gliickselig; so muB doch die Gliickseligkeit etwas anders seyn, als die daB in diesen Satzen viel zweydeutiges liege. Es ist Iustig, wenn ein Tittel, der gleich
Tugend, denn sollen beide Worte ganzlich einerley ausdriicken, so ist ja jener Satz zu halben Duzenden Ausdriicke synonymisch braucht, die andere sehr wohl unter-
ganz identisch, und sagt nichts mehr [197] als die Tugend macht tugendhaft, oder die scheiden, einen Kant der Zweydeutigkeiten beschuldigt. Er selbst verwechselt in die-
Gliickseligkeit macht gliickselig. Nach Kant's Principien, macht praktische Vernunft, sem Augenblicke zwey Haupt{l98]begriffe Pflicht und Neigung mit einander, indem
und wahre Tugend unfehlbar wiirdig, gliickselig zu seyn. aber darum, wenigstens in er vorgibt, der moralische Werth des Menschen bestehe in dem, daB Pflicht selbst bey
diesem 1£ben, nicht immer ohne Einschninkung gliickselig: ja beschrtinkt vielmehr die ihm zur iiberwiegenden Neigung werde, welches eben so klingt, als ob man sagen
Gliickseligkeit oft in diesem Leben. Statt diese Satze kaltbliitig durch Griinde zu be- wollte: die freye Activittit des Menschen miisse erst zur iiberwiegenden Passivittit wer-
streiten, welche doch nicht einmal von Hn. Kant erst erfunden, sondern in andern den, ehe er recht gut seyn kOnne. S. 13. verwechselt er schon wieder Neigung mit
Verbindungen und zu andern Absichten, von Theologen und Philosophen schon oft Fertigkeit; indem er sagt: ich soli wohlwollende freundliche liebreiche Gesinnungen
gebraucht worden, declamirt Hr. Tittel more suo, und nennt diese Siitze mit dem ge- gegen Feinde bey mir zur Neigung werden lassen! Es ist eine saure und verdriesliche
meinen Menschenventande unvertrtiglich, Menschengliick zerstOrend, vernunftbeleidi- Arbeit; aber wir machen uns anheischig gegen jede Verwirrung der Begriffe und
gende Anklagen! Diese Pf.idicate wechseln mit Machtspriichen ab. Z. B. ,Gutes gegen jede Zweydeutigkeit, die uns Hr. Tittel in Kants neuesten Schriften nachweisen
wollen our wei! es gut ist, gutes wollen, giebt fiir Verstand und Herz keinen Sinn und kann, aus seinen eignen, wo nicht ein ganzes, doch sicherlich ein halbes Du.zend Ver-
keine Kraft." Den Beweis zu diesem treflichen Gemeinsatze bleibt Hr. Tittel schuldig. wirrungen und Zweydeutigkeiten nachzuweisen, und dabey hoffen wir noch, daB Er
mit dem Beweise von jenen vor competenten Richtero, auf die wir beiderseits com-
7) U m nun den Begriff eines an sich se!bst zu schatzenden guten promittiren wollen, durchfallen, hingegen unser Beweis in Sachen der logik entgegen
Willens, so wie er dem natiirlichen gesunden Verstande beywohnet, zu Herro Tittel, und etwanige Consorten, fiir tauglich und statthaft erkannt werden
entwickeln, nehme man den Begriff der Pjlicht. Handlungen, die aus soli. Hr. Tittel sehe diese Auffoderung nicht als eine Gasconade an; es ist von unsrer
Pjlicht geschehen, sind 1) Ieicht zu unterscheiden von pjlichtwidrigen Seite vOlliger Ernst; und wenn er sie nicht annimmt, so haben wir wenigstens so viel
erwiesen, daB Hr. Tittel zu den grohen Ausfallen auf Hn. Kant eben so wenig be-
Handlungen, wenn sie auch in mancher Absicht niitzlich waren. 2} Von rechtigt war, als ein Pfarrherr, der etwa einen Katechismus hat drucken lassen, befugt
pjlichtmiiftigen Handlungen, zu denen Menschen unmittelbar keine Nei- ist, einem groBen Theologen ins Angesicht zu sagen, daB er seelenverderbliche lrthii-
gung haben, sie aber doch ausiiben, wei! sie durch eine andre Neigung mer vortrage, bloB weil er etwas gesagt hat, das nicht in seinem Katechisrnus steht.
dazu getrieben werden; z. B. ein Kaufmann handelt pjlichtmliftig daran, Alles dieses sey iibrigens gesagt, ohne Hn. Tittels anderwlirtige Kenntnisse, und Ver-
wenn er unerfahrne Kaufer nicht iibertheuert; und doch wenn er seines dienste im mindesten zu bezweifeln, oder gar zu schmalero.
Vortheils halber, urn bey Kundschaft zu bleiben, nicht aus Grundsatzen
der Ehrlichkeit so handelt, so war seine Handlung weder aus Pflich~ noch (201] 8) Herr Kant erlautert seinen Satz (7) noch durch das Beyspiel der
aus unmittelbarer Neigung, sondern bios in eigenniitziger Absicht gesche- Pflicht, seine Gliickseligkeit zu sichern. DiB zu thun ist Pjlich~ .denn der
hen. 3} Schwerer (zu untersclieid"en] sind Handlungen aus Pflicht von solchen Mangel der Zufriedenheit in einem Gedriinge von vielen Sorgen und mit-
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ten unter unbefriedigten Bediirfnissen kiinnte Ieicht eine grofte Versuchung kann. Es kann also nichts anders als die Vorstellung des Gesetzes an sich
zur Ubertretung der Pjlichten werden. Aber ohnedem haben aile Menschen selbst, die freilich nur in verniinfiigen Wesen statt findet, das moralische
schon die machtigste und innigste Neigung zur Gliickseligkeit, wei! sich oder sittliche Gute ausmachen.
gerade in dieser Idee aile Neigungen zu einer Summe vereinigen." - Aber 12) Da hier nun aber nicht auf die aus der Befolgung irgend eines Geset-
alsdenn, wenn der Mensch seine Gliickseligkeit nicht aus Neigung, son- zes zu erwartende Wirkung gesehen werden kann, die den Willen bestim-
dern aus Pflicht befiirdert, hat sein Verhalten allererst den eigentlichen men kiinnte, so bleibt nichts als die allgemeine Gesetzmlifligkeit der Hand-
moralischen Werth! lung iiberhaupt iibrig, welche allein dem Willen zum Princip dienen soli:
d. i. ich sol! niemals anders verfahren, als so, daft ich auch wollen kiinne, mei-
Anm Darf man fiir Leser, die nur einigermaBen i.iberdenken, was sie lesen, wahl erst
hinzusetzen, daB Hr. Kant bier nicht die Neigung zur Gltickseligkeit ganz verwerfe,
ne Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden. Dies erlautert Hr. K. an sehr
oder ihr allen Wenh abspreche, indem er ihr den moralischen Werth abspricht? darf gutgewahlten treffenden Beyspielen, von denen wir nur eins ausziehen.
man erst erinnern, daB Hr. Kant nicht verlange, daB der Mensch sich von der Nei· Gesetzt die Frage sey: darf ich, wenn ich im Gedrange bin, nicht ein Ver-
gung zur Gliickseligkeit ganz losmachen, und sie bloB, ganz allein, aus Pflicht suchen sprechen thun, in der Absicht es nicht zu halten? Urn mich dariiber auf
und befOrdem salle? Der Philosoph setzt hinzu: ,So sind ohne Zweifel auch die die allerkiirzeste und doch untriigliche Art zu belehren, frage ich mich
Schrihstellen zu verstehn, darinnen geboten wird, seinen Nkhsten, selbst unsern
selbst: wiirde ich wohl damit zufrieden seyn, daB meine Maxime {mich
Feind zu lieben, denn Liebe als Neigung kann nicht geboten werden, aber Wohlthun
aus Pflicht, selbst wenn dazu gleich gar keine Neigung treibt, ja gar natiirliche und durch ein unwahres Versprechen aus Verlegenheit zu ziehn) als ein allge-
unbezwingliche Abneigung widersteht, ist praktische, und nicht pathologische Liebe, meines Gesetz, {sowohl fur mich als andere) gelten solle, und wiirde [203]
die im Willen liegt, und nicht im Hange der Empfindung, in Grundsatzen der Hand- ich wohl zu mir sagen kiinnen; es mag jedermann ein unwahres Verspre-
lung und nicht schmelzender Theilnehmung; jene aber allein kann geboten werden." chen thun, wenn er sich in Verlegenheit befindet, daraus er sich auf andere
Hr. Tittel scheint sich einzubilden, als ob nach Hn. Kants Meinung das Gebot, seine Art nicht ziehen kann? So merke ich bald in mir, daB ich zwar die Liige,
Feinde zu lieben, so viel sage, man solle ihnen mit Widerwillen Gutes thun, oder aber ein allgemeines Gesetz zu liigen gar nicht wollen kiinne, denn nach
auch man solle sie genau darnm lieben, wei! sie Feinde sind. Wenigstens widerspricht
einem solchen wiirde es eigentlich gar kein Versprechen geben, wei! es ver-
er diesen Satzen; sehr vermuthlich nur darum, weil er Hn. Kant widersprechen woll-
te, dem es nicht eingefallen ist, weder das eine noch das andre zu behaupten. [202] geblich wiire, meinen Willen in Ansehung meiner kiinftigen Handlungen
andern vorzugeben, die diesem Vorgeben doch nicht glauben, oder wenn
9} Eine Handlung aus Pjlicht hat ihren moralischen Werth nicht in der sie es iibereilter Weise thaten, mich doch mit gleicher Miinze bezahlen
Absicht, welche dadurch erreicht werden soli, und er hangt also nicht von wiirden, mithin meine Maxime, sobald sie zum allgemeinen Gesetze ge-
der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab. macht wiirde, sich selbst zerstiiren miille.
10) Pjlicht ist die Nochwendigkeit einer Handlung aus Achtungfors Gesetz. 13) Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sey, dazu
{Hiebey wiinschten wir daB Hr. K. das, was er zur Erklarung des Worts brauche ich gar keine weitausholende Scharfsinnigkeit. - Das besagte
Achtung sagt, deutlicher auseinandergesetzt hatte. Selbst die Note S. 16. Princip stellt sich die gemeine Menschenvernunft zwar nicht in so abge-
gab uns noch keinen ganz befriedigenden Aufschlull dariiber, besonders sonderter Form vor, hat es aber doch jederzeit vor Augen.
wenn nach der dritten Erklarung: Achtung, die Vorstellung von einem 14) Da der Mensch aber in sich selbst ein wichtiges Gegengewicht gegen
Werthe, :ler meiner Selbstliebe Abbruch thut, heillen soiL) aile Gebote der Pflicht, die ihm die Vernunft so hochachtungswiirdig vor-
11) Es liegt also der moralische Werth der Handlung nicht in der Wir- stellt, an seinen Bediirfnissen u. Neigungen findet, deren ganze Befriedi-
kung, die daraus erwartet wird, also auch nicht in irgend einem Prinzip gung er unter dem Namen der Gliickseligkeit zusammenfaflt, anderntheils
der Handlung, welches seinen Bewegungsgrund von dieser erwarteten aber die Vernunft, ohne den Neigungen etwas zu verheillen, unnachlafl-
Wirkung zu entlehnen bedarf. Denn aile diese Wirkungen, {Annehmlich- lich ihre Vorschriften gebietet, so entspringt daraus eine natiirliche Dialek-
keiten seines Zustandes, ja gar Befiirderung fremder Gliickseligkeit,) konn- tik, d. i. ein Hang wider jene strengen Gesetze der Pflicht zu verniinfteln,
ten auch durch andere U rsachen zu Stande gebracht werden, und es und ihre Giiltigkeit, wenigstens ihre Reinigkeit und Strenge in Zweifel zu
brauchte also dazu nicht des Willens eines verniinftigen Wesens, worinn ziehn, oder sie wo miiglich unsern Wiinschen und Neigungen angemessen
gleichwohl das hiichste und unbedingte Gut allein angetroffen werden zu machen, d. i. sie im Grunde zu verderben und urn ihre ganze Wiirde zu
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bringen, welches denn doch selbst die gemeine praktische Vernunft am nen Quellen entsprungen waren, dennoch hier auch davon gar nicht die
Ende nicht gut heillen konnte. Also wird die gemeine Menschenvernunft Rede sey, ob dies oder jenes geschehe, sondern die Vernunft fiir sich selbst,
nicht durch irgend ein Bedtirfnill der Speculation, sondern selbst aus prak- unabhangig von allen Erscheinungen, gebiete, was geschehen soli, - und
tischen Grunden ·angetrieben, aus ihrem Kreise zu gehn, und einen Schritt dail z. B. reine Redlichkeit in der Freundschaft urn nichts weniger von je-
ins Feld der praktischen Philosophie zu thun. - Dies leitet nun auf den d em Menschen gefodert werden konne, wenn es gleich bis itzt gar keinen
redlichen Freund gegeben haben mochte" u. s. w. - Auch mochten wir
Zweyten Abschnitt, oder den Ubergang von der popuHiren sittlichen
wahl wissen, ob gegen folgendes Raisonnement, davon zwar das Wesent-
Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten.
liche schon oft genug gesagt worden, (denn Hr. Kant ist am allerweitesten
15) Wenn gleich bisher der Begriff der Pflicht aus dem gemeinen Ge- von der Thorheit entfernt, die ihm manche seiner Gegner so gern aufbtir-
brauche der Vernunft gewgen worden, so mull man daraus doch nicht den wollten, Iauter nova inauditaque sagen zu wollen) etwas Taugliches
schliellen, als sey er ein Erfahrungsbegrilf. Vielmehr lehrt die Erfahrung, vorgebracht werden konne: "Man konnte auch der Sittlichkeit nicht tibler
dail man haufige Klagen dartiber hort, dail man von der Gesinnung aus rathen, als wenn man sie von Beyspielen entlehnen wollte. Denn jedes
reiner Pflicht zu handeln so gar keine sichere Beyspiele anfiihren konne. - Beyspiel, was mir davon vorgestellt wird, mull selbst zuvor nach Prinzi-
Viele Philosophen haben daher, ohne die Richtigkeit des Begriffs von Sitt- pien der Moralitat beurtheilt werden, ob es auch wiirdig sey, zum achten
lichkeit in Zweifel zu ziehn, doch die Wirklichkeit dieser Gesinnung in Beyspiele, d. i. zum Muster zu dienen; keineswegs aber kann es den Begriff
den menschlichen Handlungen schlechterdings abgeleugnet, und alles der derselben zu oberst an die Hand geben. Selbst der Heilige des Evangelii
mehr oder weniger verfeinerten Selbstliebe zugeschrieben, und dabey die mull zuvor mit unserm Ideal der sittlichen Vollkommenheit verglichen
Gebrechlichkeit und Unlauterkeit der menschlichen Natur bedauert, die werden, ehe man ihn dafiir erkennt; auch sagt er von sich selbst: was
zwar edel genug [204] sey, sich eine so achtungswiirdige Idee zu ihrer Vor- nennt ihr mich, (den ihr sehet) gu~ niemand ist gu~ (das Urbild (205] des
schrift zu machen, aber zugleich zu schwach, urn sie zu befolgen. - Es Guten) als der einige Got~ (den ihr nicht sehet.) Woher haben wir aber
ist auch in der That unmoglich, durch Erfahrung einen einzigen Fall mit den Begriff von Gott, als dem biichsten Gut? l.ediglich aus der Idee, die die
volliger Gewillheit auszumachen, da die Maxime einer pflichtmailigen Vernunft a prrori von sittlicher Vollkommenheit entwirft, und mit dem
Handlung auf moralischen Grunden, und auf der Vorstellung seiner Begriffe eines freyen Willens unzertrennlich verkntipft. - Beyspiele dienen
Pflicht beruhet habe. - Man kann auch denen, die aile Sittlichkeit als blo- nur zur Aufmunterung; d. i. sie setzen die Thunlichkeit dessen, was das
lles Hirngespinst verlachen, keinen gewiinschteren Dienst thun, als ihnen Gesetz gebietet, auller Zweifel, sie machen das, was die praktische Regel
einzuriiumen, dail die Begriffe der Pflicht lediglich aus der Erfahrung allgemeiner ausdruckt, anschaulich, konnen aber niemals berechtigen, ihr
gewgen werden mtillten, denn da bereitet man ihnen einen sichern wahres Original, das in der Vernunft liegt, bey Seite zu setzen, und sich
Triumph. - Folgende Stelle unterschreibt Recensent aus eigner Erfahrung, nach Beyspielen zu richten."
und nicht nur die Geschichte des menschlichen Denkens stellt Beyspiele
dazu auf, sondern Hr. K. kann sicher auf das Zeugnill mehrerer unbefang- Anm. Was Hr. Tittel hiegegen vorbringt, ist ein h&hst verwirrtes, nicht das mindeste
nen Forscher sich berufen: "Man braucht auch eben kein Feind der Tu- beweisendes, Geschw:iz. Und schon nach der Regel: contra principia negantem non est
disputandum, kann sich Hr. Kant dariiher nicht mit ihm einlassen. Er thut immer,
gend, sondern nur ein kaltbltitiger Beobachter seyn, der den lebhaftesten als ob Hr. Kant die Erfahrung ganz und gar herabsetzte, der sie doch iiberall in der
Wunsch fiir das Gute nicht so fort fiir dessen Wirklichkeit halt, urn (vor- Kritik der r. Vernunft der Vernunft zur Seite gehen laBt, aber freylich ohne die eine
nemlich mit zunehmenden Jahren, und einer durch Erfahrung theils ge- mit der andern zu vermengen. Wer mit ibm disputiren wollte, mliBte sich ausbe-
witzigten, theils zum Beobachten gescharften Urtheilskraft) in gewissen dingen, daB er auf gewisse Priiliminarfragen mit einem runden Ja oder Nein vorerst
Augenblicken zweifelhaft zu werden, ob auch wirklich in der Welt irgend antwortete. So wi.irden wir ihn zuerst fragen, ob der mathematische Begriff vom
Triangel aus der Erfahrung entlehnt sey? Sagt er Nein; so mul! er doch zugeben, daB
wahre Tugend angetroffen werde. Und hier kann uns nun nichts fiir dem
es Begriffe geben kOnne, die keine Produkte der Erfahrung sind; welches er hier gera~
ganzlichen Abfall von unsern Ideen der Pflicht bewahren, und gegrundete dezu laugnet. Sagte er: fa; nun so wollten wir ibn bitten, uns doch anzuweisen, wo
Achtung gegen ihr Gesetz in der Seele erhalten, als die klare Uberzeugung, wir den mathematischen Begriff vom Triangel eifahren kOnnen. Denn aile die sinnli~
dail, wenn es auch niemals Handlungen gegeben habe, die aus solchen rei- chen Bilder des Dreyecks, die er uns auf Papier, oder an die Tafel malen mag, sind
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nimmermehr der Begriff vom Triangel. Und wenn er nun auch sagt: ja durch Gelehrsamkeit finden populare Schwatzer ungleich groBern Eingang, als
wil/kiihrliche Combination, - nun so isc ja doch diese eben etwas anders als Erfah- griindliche und wackere Schriftsteller. Gleichwohl bedenkt man nicht,
rung. Doch wir miissen aufhOren.
daB fiir das V<Jlk nicht die Gelehrsamkeit selbst, sondern nur die Friichte,
die Resultate davon gehiiren, und daB es eine cannibalische Okonomie ist,
16) In unsern Zeiten, da das Wort Popularitat eine fast allgemeine urn die Friichte geschwinder verschlingen zu konnen, die Baume, die sie
Losung geworden, muB man einer Frage, die man sonst wohl kaum ver- tragen, umzuhauen, oder, wenn man die Friichte abgenommen, sie als un-
muthen wiirde, entgegen sehn, obs auch niithig sey, das Princip der Sitt- niitzes Holz zu verbrennen. Hiezu kiimmt nun noch, daB unter einem
lichkeit a priori festzustellen. Hiebey macht Hr. K. wieder folgende sehr groBen Theile derer, die Bucher lesen, der Maasstab von dem Werthe der
wohl zu beherzigende Anmerkung: .Die Herablassung zu Volksbegriffen Schriften nicht innere Giite und Vortrefflichkeit, sondern Annehmlichkeit
ist allerdings sehr riihmlich, wenn die Erhebung zu den Principien der fiir die Menge ist. Daher werden hundert gegen Einen Feders Lehrbuche
reinen Vernunft zuvor geschehen und zur volligen Befriedigung erreicht der Logik und Metaphysik den Vorzug vor Lamberts Organon geben, bios
ist, und das wiirde heiBen, die Lehre der Sitten zuvor auf Metaphysik wei!, wenn dieses in einer Hand ist, jenes in hundert Hande kiimmt.
griinden, ihr aber wann sie feststeht, nachher durch Popularitat Eingang Schriebe jemand, (urn dem groBen Kastner einen Ausdruck abzuborgen,)
verschaffen. Es ist aber auBerst ungereimt, dieser in der ersten U ntersu- eine kleine-Madchen-Philosophie, so miiBte diese sonach ungleich besser
chung, worauf aile Richtigkeit der Grundsatze ankommt, schon will- seyn, als Feders Compendium, wei! es ohne Zweifel der kleinen Madchen
fahren zu wollen. Nicht allein, daB dieses Verfahren auf das hochst seltene vie! mehrere giebt, als der Studenten oder Primaner, die iiber den Feder
Verdienst einer wahren philosophischen Popularitat niemals Anspruch rna- hiiren.
chen kann, indem es gar keine Kunst ist, gemeinverstandlich zu seyn, wenn So unleugbar nun, so unwiderstehlich die Foderung des Philosophen
man dabey auf aile grnndliche Einsicht Verzicht thut, so bringt es eincn ist, erst Griindlichkeit vorangehn zu lassen, ehe man von Popularitat re-
eckelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beobachtungen, und den wolle, so sehr ereifert sich Hr. Tittel dagegen. U nd das ist auch kein
halbverniinftelnden Principien [206] zum Vorschein, daran sich schaale Wunder. Hr. Kant hat zwar sicherlich an Hn. Tittel dabey nicht gedacht;
Kopfe laben, wei! es doch etwas brauchbares fiirs alltagliche Geschwatz ist, denn er wird schwerlich mit Lesung seiner Erlauterungen [207] der Philoso-
wo einsehende aber Verwirrung fiihlen, und unzufrieden, ohne sich doch phie einige seiner Stunden verdorben haben; aber so vie! ist gewiB, Kants
helfen zu konnen, ihre Augen wegwenden, Philosophen aber das Blend- obiger Text paBt auf Hn. Tittels Art zu philosophiren vollkommen. Auch
werk ganz wohl durchschauen, aber wenig Gehiir finden, wenn sie auf hat es nicht an Mannern gefehlt, die das !aut genug gesagt und bewiesen
einige Zeit von der vorgeblichen Popularitat abrufen, urn allererst nach er- haben. Hoflich gab es ihm z. B. der Recensent seiner allg. pr. Phil. in der
worbener bestimmter Einsicht mit Recht popular seyn zu diirfen." A. L. Z. 1785. Nr. 209. zu verstehn; deutlicher sagte es ein anderer bey
Die Beherzigung dieser goldnen Wahrheiten ist ein wahres BediirfniB Gelegenheit seines Naturrechts; A. L. Z. 1786. Nr. 138. und unlangst in
unsers Zeitalters, wo man iiber das rohe Geschrey nach Popularitat in Ge- den Gottingischen gel. Anzeigen (1786. 71. Stiick.), wo manes am wenig-
fahr steht, aile griindliche Wissenschaften, alles wohlgeordnete ernsthafte sten harte vermuthen sollen, bestatigte ein andrer Recensent das nemliche
miihsame Nachdenken, aile nicht anders als mit Anstrengung u. FleiB zu durch klare Beweise. Wir sind weit entfernt, Hn. Tittels Verdienste in
erwerbende Sprachkenntnisse u. Literatur in Verachtung und MiBkredit andern Fachern zu verkennen, wollen auch gar nicht in Abrede seyn,
gebracht zu sehn. Esoterische Untersuchungen in der Theologie u. Juris- daB seine philosophische Schriften manchen in einiger Absicht niitzlich,
prudenz werden fiir stroherne und sterile Beschaftigungen ausgeschrieen, und einigen so gar angenehm gewesen sind; nichts destoweniger bleiben
denn sie sind nicht popular. Griechische und romische Literatur, ist un- sie fiir Leute, die nicht mehr in prima classe eines illustren Gymnasii
brauchbar. Warum? Sie ist nicht popular. Laut klagen verniinftige und sitzen, groBen Theils eine schale, und ungenieBbare Lectiire, und es muB
gelehrte Arzte iiber die Siindfluth popularer Schriften in ihrem Fache, die daher gerechte Verwunderung erwecken, wie Hr. T. so wenig bescheidne
von den griibsten Fehlern wimmeln, und deren Verfassern, urn vollkom- Selbsterkenntnill zeigen konnte, gegen einen Kant, dessen Critik der rei-
men popular zu seyn, oft nichts abgeht, als daB sie zwischen einen Markt- nen Vernunft selbst ein Platner ein sehr wichtiges Werk nennt, mit einer
schreyer und seinen Harlekin auf die Biihne triiten. In allen Theilen der solchen Schrift hervorzutreten, und gegen eine Lanze, die bios zu heben,
T'
462 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 8. November 1786 I Kants Grundlegung I Titteluber Herro Kant's Moralreform 463
geschweige denn zu handhaben so schwer ist, mit einem Federwisch fech- auch anderwarts zugibt, ebenfalls ein machtiges HinderniB der Tugend. Es ist vtahr,
ten zu wollen. daa die Sittlichkeit aus Vernunftprincipien groBe Bewunderung, so gar Liebe er-
weckt, oder wie sich Cicero nach dem Plato ausdrllckt, die Tugend, in ihrer wahren
Gestalt erblickt, mirabiles excitaret amores sapientiae; aber der erregte Wunsch auch so
[265] 17) Man darf nur, fiihrt Hr. Kant fort, die Versuche tiber die Sitt- handeln zu kOnnen, bringt darum noch nicht immer die Handlung hervor. Auch sagt
lichkeit in jenem beliebten (populiiren) Geschmacke ansehn, so wird man Hr. K. selbst S. 40., daB nicht sofort eine Handlung gethan werde, weil sie gut sey,
bald die besondere Bestimmung der menschlichen Natur, (mit unter aber theils weil das Subject nicht immer weiB, daB sie gut sey, theils weil, wenn es dieses
auch die Idee von einer vernunftigen Natur Uberhaupt) bald Vollkommen- auch wtiBte, die Maximen desselben doch den objectiven Principien einer prakcischen
heit, bald G!Uckseligkeit, hier moralisches GefUhl, dart Gottesfurcht, von Vernunft zuwider seyn kOnnten.
diesem etwas, von jenem auch etwas in wunderbarem Gemische antreffen.
Man sollte aber fragen, ob man die Principien der Sittlichkeit in der 19) Es muB also das praktische Vernunftvermiigen, von seinen allge-
KenntniB der menschlichen Natur suchen dtirfe, und wenn dieses nicht ist, nieinen Bestimmungsregeln, bis dahin, wo aus ihm der Begriff der Pflicht
wenn die letztere vollig a priori, frey von allem Empirischen, schlechter- entspringt, verfolgt und dargestellt werden.
dings in reinen Vernunftbegriffen, und nirgends anders auch nicht dem Nur ein verntinftiges Wesen hat das Vermogen nach der Vorstellung
mindesten Theile nach anzutreffen ist, diese U ntersuchung als reine prakti- der Gesetze, d. i. nach Principien zu handeln, oder einen Willen. Da zur
sche Weltweisheit, oder Metaphysik der Sitten Iieber ganz absondern, sie Ableitung der Handlung von Gesetzen Vernunft erfodert wird, so ist der
fUr sich zur Vollstiindigkeit bringen, und das Publicum, das Popularitiit Wille nichts anders als praktische Vernunft. Wenn in einem Wesen die
verlangt, bis zum giinzlichen Ausgange des Unternehmens vertrosten. Vernunft den Willen unausbleiblich bestimmt, so sind die Handlungen
18) Es ist aber eine solche vollig isolirte Metaphysik der Sitten, die mit desselben, die als objectiv nothwendig erkannt werden, auch subjectiv noth-
keiner Anthropologie, mit keiner Theologie, mit keiner Physik, oder Hy- wendig. Bestimmt aber die Vernunft fUr sich allein den Willen nicht hin-
perphysik, ·noch weniger mit verborgnen Qualitiiten vermischt ist, nicht liinglich, ist der Wille nicht an sich der Vernunft vollig gemiiB, so sind die
nur ein unentbehrliches Substrat aller theoretischen sicher bestimmten Er- Handlungen, die (267] als objectiv nothwendig erkannt werden, subjectiv
kenntnill der Pflichten, sondern zugleich ein Desiderat von der hochsten zufiillig, und die Bestimmung eines solchen Willens objectiven Gesetzen
Wichtigkeit zur wirklichen Vollziehung ihrer Vorschriften. gemiiB ist Niithigung. - Die Vorstellung eines objectiven Princips, sofern
es fUr einen Willen nothigend ist, heillt ein Gebot, und die Forme! des
Anm. Hr. Kant wurde vom sel. Sulzer in einem Briefe gefragt, was doch die Ursache Gebots heiBt Imperativ.
seyn mOge, warum die Lehren der Tugend so viel Oberzeugendes sie auch fi.ir die Ver-
nunft haben, doch so wenig ausrichten. Seine Antwort wurde durch die Zuriistung Anm. Da Hr. Kant unrer Principien synthetische Erkenntnisse aus Begriffen versteht
dazu verspatet . .,Allein," setzt er hinzu .,es ist keine andere, als daB die Lehrer selbst (Crit. der r. V. S. 301.), Begriffe selbst aber wieder Vorstellungen durch gemeinsame
ihre Begriffe nicht ins Reine gebracht haben, und indem sie es zu gut machen wollen, Merkmale sind, so scheint uns die Erkllirung eines Gebots, wonach auch dieses
daB sie allerwarts Bewegursachen zum Sitt{266]lichguten auftreiben, urn die Arzeney wieder eine Vorstellung sey, nicht genugsam mit jenen iibereinzustimmen. Denn so
recht kriiftig zu machen, sie sie verderben. Denn die gemeinste Beobachtung zeigt, miiBte das Gebot Vorstellung einer Vorstellung seyn, wobey es uns wenigstens nicht
daB, wenn man eine HandJung der Rechtschaffenheit vorstellt, wie sie von aller Ab- mOglich ist etwas zu denken. Wir sollren eher glauben, wenn ja Gesetze und Gebore
sicht auf irgend einen Vortheil in dieser oder einer andern Welt, abgesondert, selbst umerschieden werden sollten, daB letzteres Wort fiir die Formel cines Gesetzes
unrer den grOBren Versuchungen der Noth, oder der Anlockung mit standhafter See~ genommen werden, und folglich das KunstWort Imperativ ganz entbehrt werden
le ausgeiibt worden, sie jede ahnliche Hand.lung, die nur im mindesten durch eine kOnnte, ob es gleich sonst sehr passend ist, und Hr. Tittel zu seiner eignen Ehre
fremde Triebfeder afficin war, weit hinter sich lasse, und verdunkle, die Seele erhebe, besser gethan barre, die armselige SpOtterey dariiber, womic er sich auch einen katego·
und den Wunsch errege, auch so handeln zu kOnnen. Selbst Kinder von mittlerem rischen Indicativ von Hn. K. ausbittet, wegzulassen. Hr. K. macht wohl selten ein
Alter fiihlen diesen Eindruck, und ihnen sollre man Pflichten auch niemals anders neues KunstWort; er erklart selbst die Sucht, neue WOrter zu machen, fiir eine Anma~
vorstellen." Hier scheint uns Hr. K. mehr gesagt, und sich allgemeiner ausgedriickt zu Bung zum Gesetzgeben in der Sprache, die selren gelinge. Noch weit seltner macht
haben, als er hat sagen und ausdriicken wollen. Denn erstlich ist doch wohl nicht zu Hr. K. ein neues Kunstwort ohne hinlangliche Ursache. Bestimmt er aber gewisse ge-
erweisen, daB die von Sulzer angefi.ihrte Erscheinung in keiner andem Ursache, als in briiuchliche KunstwOrter anders, als sie von vielen genommen werden, so hat er dazu
der Vermischung der Principien der Sittlichkeit bey den Lehrern, liege. Der Wider- gewiB, in hundert Fallen gegen einen, seinen sehr guten Grund. Nicht so Hr. Tittel.
streit der Neigungen gegen die Ausiibung erkannter Pflichren ist doch, wie es Hr. K. Wenn es diesem beliebt fiir ~eil)e das Wort ®erie zu erschaffen, was kann dazu wohl
Kants Grundlegung I Tittel tiber Herro Kant's Moralreform 465
464 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 8. November 1786
fiir ein Grund seyn, als eitle Ziererey? Es vr.ire eben so verdienstlich das Gesicht cine deren Brauchbarkeit zu ihren Endzwecken besteht, obgleich diese Endzwecke selbst
!jade, und die Gattung dne e>pede zu nennen. bOse seyn k6nnen. Nun hatte Hr. Kant auch S. 37. geschrieben: aile Imperativen sa-
gen, daB etwas zu rhun oder zu umerlassen gut seyn wUrde. Beides fUhrt Hr. T. an,
20) Gebote oder Imperativen sind entweder hypothetisch, wenn sie die und serzt keck die Frage hinzu: lst das nicht Widerspruch? Wie war es aber, wenn Hr.
T. nur einigermaBen mit Nachdenken las, mOg~ich nicht zu seh_n, daB dort von der
Handlung bloll insofern gebieten, als sie wozu anders als Mittel gut seyn GUte des Zwecks die Rede war, bier aber unbesnmmt gdassen wird, ob das Gu_re, das
wiirde, kategorisch aber, wenn sie sie als an sich gut vorstellen. der Imperativ gebietet, das Mittel oder der Zweck sey? Wenn_ etwas gebo_ten wud, so
Der hypothetische Imperativ sagt also nur, dall die Handlung entweder ist enrweder bloB der Zweck, oder bloB das Mittel, oder betdes gut. Wte kann nun
zu einer moglichen oder zu einer wirklichen Absicht gut sey. Im ersten Faile das einen Widerspruch geben, wenn das einemal gesagr wird: aUe Imperative;z sa~en,
ist er problematisch, im zweyten assertorisch. Bloll der kategorische Impera- daft etwas gut seyn wiirde; und das andremal: einige Imperativen sag~ daft ez_n Mmel
zu einem Ernlzweck, (wenn auch zu einem bOsen,) gut sey. 0 hetltge l.ogtk! Nu~
tiv ist apodiktisch. Die ersten kiinnen auch Regeln der Geschicklichkei~ die
wundert uns wirklich, daB Hr. T., da er dieser heiden Slitze halber Hn. Kant des-~~
zweyten Rathschlage der Klughei~ die dritten Gebote der Sittlichkeit heillen. derspruchs beschuldigt, nicht auch ihm Schuld gegeben, daB er Giftmischer und ~
te in eine Klasse gesetzt habe, weil er bebauptet, ein Recept zu_Rattenpulver ~nd ems
Anm. Da sich die Benennungen problematisches, assertorisches und apodiktisches Princip zu einem Digestiv seyn beide von gleichem Werth, insofem beide bloB ~s glet:h taug-
auf die Eintheilung der Siitze nach ihrer Modalitiit, (Crit. d. r. V. S. 70) beziehn, so lich zu ihrer Absicht angesehn werden! b) Hr. Kant ~atte gesagt: dte Absrcht au_f
bemerkten wir nur, daB die heiden erstem uns hier nicht zu passen scheinen. Denn GlUckseligkeit ist ein Zweck, den man bey allen vemtinft1gen Wesen, (sofern Imperau-
der Imperativ der Geschicklichkeit sagt doch auch, was man nothwendig thun mUsse, ve auf sie, nemlich als abhlingige Wesen, passen) sicber annehmen, und voraussetzen
urn einen mOglichen Zweck zu erreichen. Also wird hier das eigentliche Gebot gar kann daB sie sol chen nach einer Naturnothwendigkeit haben u.s. w. (DaB Hr. Tittel
nicht von dem Begriff der MOglichkeit afficirt, und hat folglich auch keine Ahnlich- bier bey Anftihrung der Kantischen Worte die zur Bestimmung des _Sa~ h&hst
keit mit problematischen Siitzen. Wenn man zu einem Knaben sagte. Ierne zeichnen, n6thige Parenthese weglaBt, wollen wir bier nicht riigen; denn ersrhch steht man
denn es kann dir als praktischem Arzte, als Ingenieur, u. s. w. niitzlich seyn; so ist schon, daB es Hn. Tittel auf eine Handvoll Noren nicht ankOmmt, und zweytens hat
zwar der ~~tzte Satz problematisch, nicht-aber der erste, der doch eigendich der Impe- es auf das was er radelt, keinen EinfluB.) Nun (269] sagte Hr. Kant auch S. 50. (nach-
rativ ist. Uberhaupt druckt ein jeder Imperativ ein Sollen, mithin eine Nothwendig· dem er S.•43. bemerkt hatte, daB der Ausdruck Gesetze den Begriff einer unbedingten
keit, aus. Der Ausdruck dieses Sollens ist nun [268] entweder kategorisch, als: Pacta und zwar objectiven mithin allgemeingiiltigen, Nothwendigkeit mit sich ftihre, Ge-
sunt servanda; oder hypothetisch; z. B. Wenn du ein lngenieur werden willst, so muflt bote aber Gesetze s~n, denen gehorcht, d. i., auch wider Neigung, Folge. gelei~t
du zeichnen Iemen; oder disjunctiv' z. B. Entweder mujk du miiftig Ieben, oder du werden muB.); nun also sagte er S. 50 . .,daB der categorische Imperativ alle_m als em
muftt nicht gesund seyn wollen. Die ersten sind die der Sittlichkeit, die andern die der praktisches Gesetz (NB. in vorbesagtem srrengem Sinne) laute, die tibrigen msg~mt
Geschicklichkeit, die letzten die der Gliickseligkeit. Bey den letzten liegt eine Ab- zwar Principien des Willens, aber nicht Gesetze (NB. in vorbesagtem srrengem Stnne)
sicht als Bedingung zum Grunde, die der Mensch immer wirklich hat, bey den Impe- heiBen kOnnen, weil, was bloB zur Erreichung einer beliebigen Absicht zu rhun
rativen der Geschicklichkeit, nur eine Absicht, die er haben kann. Folglich ist fiir nothwendig ist, an sich als zuflillig betrachtet werden kann, und ~ von der Vor-
den Ausdruck der letztern die Form hypothetischer Urtheile, fiir jene aber die Impe- schrift jederzeit los seyn kOnnen, wenn wir die Absicht aufgeben, dahmg~gen das .~·
rativen der Gliickseligkeit, die Form disjunctiver Urtheile bequemer. Uns dtinkt bedingre Gebot dem Willen kein Belieben in Ansehung des G~enrhe1ls frey laBt,
auch, es wiirde dem Sprachgebrauch gemiifler seyn, Regeln der Kluf!Peit und RathsdJ/a. mithin allein diejenige Norhwendigkeit bey sich fiihrt, welche wrr zum Gesetze {NB.
ge der Geschick/ichkeit als, wie Hr. K. vorschlagt, &thschlage der Klugheit und Regeln in vorbesagtem srrengem Sinne) verlangen.
der Geschicklichkeit zu sagen. Ich kann z. B. jemanden wohl rathen die Zeichenkunst
Ftir einen aufmerksamen Leser batten wir nicht nOthig, hier ein dreymaliges Notabene
zu Iernen, so fern ich noch nicht gewiB weiB, oh er sie dereinst zu einer wirklichen
cum clausula einzuschalten! Wohl aber fiir einen Leser, der ungelahr so lase, wie Hr.
Absicht brauchen werde, nicht aber ibm solches zur Regel machen. Diese Zweifel be-
Tittel Kants ganze Schrift muB gelesen haben. Man bOre nu~~ was er tiber jen.e nichr
treffen jedoch nur den Ausdruck, nicht die Sache, in der wir Hr. K. vOIIigen Beyfall
einmal ganz mit Kants Worten angellihrten S3tze sagt: .,Uberlege man dies (~us
geben.
Naturnothwendigkeit ist es ein Zweck for mich g/Ucklich zu seyn und doch .- Wenn u:h
Hr. Tittel glaubt aber in der Sache selbst einen Widerspruch tiber den andern zu finden. will, kann ich auch dieses Zwecks mich begeben. Man trauet beynahe semen Augen
a) Hr. Kant hatte S. 41. gesagt: ,Bey den lmperativen der Geschicklichkeit ist gar nicht, wenn man in der Schrift eines Mannes, den man gem fiir ein Muster der Ge-
nicht die Frage: Ob der Zweck verntinftig und gut sey, sondern nur, was man thun nauigkeit halten wollte, auf solche Stelien triffi."
miisse, urn ihn zu erreichen. Die Vorschriften fiir den Arzt, urn seinen Mann auf eine
griindliche Art gesund zu rnachen, und fiir einen Giftmischer, urn ibn sicher zu Kant sagt' Wenn wir die Absicht aufgeben, kOnnen wir von der Vorschrift jederzeit los seyn.
t6dten, sind so fern von gleichem Werth, als eine jede dazu dient, ihre Ahsichr TittellaBt ihn sagen~ wenn ich will, (oder wie er es vorher gar ausdruckt) sobald 1ch
vollkommen zu bewirken." Hier war also die Rede von Gtite der Mittel, welche in will, kann ich mich des Zwecks der Gltickseligkeit begeben.
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Kant redete von Imperativen der Klugheit, welche Mittel zur Gli.ickseligkeit gebieten, fen und der Himmel weiB was sonst noch mehr unter die Scherze gehOren mUBten -
d. i. dieses oder jenes Verhalten, wovon man einen Beytrag zu Erhaltung cines Theils dieser wagt es einen Kant gar hOhnisch willkUhrlicher Definitionen zu bezichtigen!!
der Gli.ickseligkeir erwarten kann, vorschreiben. Er sagt also, urn ein Beyspiel zu ge- Ein Mann wie Hr. Tittel, der ein so systematischer Philosoph ist, daB er im Natur-
ben, die Vorschrift: m:iftig zu seyn, wenn man gesund bleiben wol/e, kann derjenige los recht bald das Neue Testament erkliirt (wie S. 314.), bald einen passum aus dem jure
werden, der die Absicht (gesund zu bleiben) aufgibt. Tittelllillt ihn sagen: man kann cananica abhandelt, (S. 346.) bald sich durch seine Declamation so ganz verliert, daB
von der auf Gliickseligkeit abzielenden Vorschrift, (dem K.lugheitsimperativ,) los er gar nicht weiB, wo er geblieben ist, oder was er eigemlich hatte sagen wollen;
seyn, so bald man die Absicht gliicklich zu seyn aufgibt. dieser wagts, einem Kant die wahre Methode, wie er philosophiren salle, vorzuschrei-
Kant sagt nirgends, daB es nur einen Imperativ der Klugheit gebe, wie es nur einen lmpe- ben: ~rum wollen, sagt er (in der Schrift gegen Kant S. 79.) warum wollen Philo-
rativ der Sittlichkeit gibt; er redet von ihnen immer im Plurali, auGer wenn er diesen sophen selbst aus eigensinnigem Anhang nur an Naminalien Trennungen machen! Ver-
oder jenen einzelnen als Beyspiel anfiihrt. Tittell3.Bt ihn immer, weil er den Unter- einige man dach, was immer sich vereinigen /iiflt! Vortreflich! Sonst hieB es: qui bene
schied nicht begriff oder nicht begreifen wollte, im Singulari davon reden. Es ist ja, dividit, bene docet!Nach Hn. Tittels Manier muB es heiBen: Qui bene confundit, bene
wie Hr. Kant sehr richtig bemerkt, schlechterdings unmOglich, die Mittel, die zur dacet! So hUbsch alles in eine Briihe geworfen, das ist das rechte philosophische
GlUckseligkeit fiihren, in eine einzige Forme! zu bringen. Folglich darf man auch Gek&h, in popularem Geschmacke! Vernunft und Erfahrung zu unterscheiden, die
nicht sagen, wenn man mit ihm die Vorschriften, die zur GlUckseligkeit anweisen, verschiedenen Principien der menschlichen Handlungen zu sondern, und, jedes
Imperativen der K.lugheit nennen will, so redet, als ob es nur einen einzigen g3be. besonders zu stellen und zu 'Wiirdigen u. s. w. was das fUr Griibeleyen sind! Es ist ja
Anderwarts spricht Hr. Tittel wieder von Imperativen der Sittlichkeit in plurali, da alles Eins! - Nun dann, wenn es mit dieser schOnen Vereinigung so fort geht, und
es dclch nur einen einzigen gibt. Hier hatte also Hr. Tittel abermals dem Philosophen gleichwie man Vernunft fUr fortgesetzte Erfahrung ausgiebt, noch etwa, der lieben
den_ er bestreiret, etwas untergeschoben. Dis erstreckt sich sogar his auf den Aus- Vereinigung halber, Erfahrung fiir fortgesetzte Nervenwirkung ausgiebt, so werden
druck. Hr. K. sagt der Imperativ der Sittlichkeit, die Imperativen der Geschicklich- wir am Ende so weit kommen, daB wir die Geschichte Alexanders des GraBen
keit, der Klugheit, Tittel setzt dafiir Sittlichkeitsimperativ, Geschicklichkeitsimperativ, fUhlen, und den pythagorischen l..ehrsatz riechen!
Klugheitsimperativ, und macht also auf Hn. Kants Rechnung anderthalb-Schuh-lange
ZwitterwOrter, die Hn. Kant nicht eingefalle!J. ist zu machen. Hr. Tittel (270] hats
zwar hier nicht bOse gemeynet; denn er halt vermuthlich NennwOrter, so zusam- 21. Der oberste Grundsatz der Sittlichkeit oder der kategorische Impe-
mengesetzt, fUr SchOnheiten. Statt Entschadigung sagt er Schadensreparatian; statt
rativ ist, nach Hn. Kant, kein (271] andrer als dieser: Handle nur nach der-
Auslegung der Vertriige: Vertragsinterpretatian u. d. gl. m. und nun nachdem Hr. T.
in einem einzigen Satze Hn. Kant dreymal grOblich miBverstanden, und ihn lediglich jenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daft sie ein allgemeines
aus sehr vermeidlicher Unwissenheit dessen, was Kant sagen wollte, bestreitet; konme Gesetz werde.
er es wagen einen solchen Trumpf, quasi re bene gesta hinzuzusetzen: Man trauet sei- Dieser Satz Hillt sich auch also ausdriicken: Handle'" als ob die Maxime
nen Augen nicht u. s. w. deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden
Und wir m&hten sagen: Man schfunt sich fast Augen zu haben, wenn man einem Man- solite.
ne, wie Kant, solche Fratzen so unbescheiden vorgehalten sieht. Freylich bedUrfen Da nun der Mensch und iiberhaupt jedes verniinftige Wesen an sich
Philosophen, wie Hr. T. zu Anfang seiner Vorrede sagt, keine Verbeugungen, wenn selbst als Zweck existirt, nicht bloB als Mittel zum beliebigen Gebrauche
sie ihre Bemerkungen, auch wo sie verschiedner Meinung sind, einander mittheilen.
Aber wenn ein Schriftsteller gegen ein Werk, das die Feucht eines vieljahrigen Nach-
fiir diesen oder jenen Willen, so wird jener Grundsatz in Anwendung auf
denkens von einem Veteran in der Philosophic ist, nichts als Dinge, quae nihil die menschliche Natur auch also ausgedriickt werden kiinnen: Handle
pertinent ad rem, vorzubringen hat, so sollte er doch wohl so vie! Bescheidenheit und '" daft du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines
Selbrterkenntnill besitzen, urn diese Impertinenzen weniger impertinent zu sagen? andem, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloft als Mittel brauchest. Hie-
Ein Mann wie Hr. Tittel, dem es einfallen konnte zu sagen: wenn zwey Briider mit ein- bey bemerkt Hr. Kant eben so scharf als richtig den U nterschied, der sich
ander nach der Regel: Quat sunt generationes tot sunt gradus, im zweyten Grade der zwischen diesem Princip und dem bekannten so oft wiederholten: Qtrod
Verwandschaft stehn sollten, so mUBten der erste und sechste Bruder im sechsten tibi non vis fieri, alteri ne feceris, befindet. "Dieses nemlich, ist, obzwar mit
Grade verwandt seyn, denn sechs Generationen w:iren es doch - kann es wagen, verschiedenen Einschriinkungen nur aus jenem abgeleitet; es kann kein
Kants Revision der speculativen Philosophic fUr ein System von Spitzfindigkeiten
und eiteln Grillen zu erkliiren! ein Mann wie Hr. Tittel, der so schOne Definitionen
allgemeines Gesetz seyn, denn es enthiilt nicht den Grund der Pflichten
giebt, wie z. B. {Naturrecht S. 144.) aile Reden und Handlungen, wobey m«n eine bloft gegen sich selbst, nicht der Liebespflichten gegen andre; (denn mancher
unschuldige Aujheiterung des GemUths ader eine anmuthige Unterhaltung zum Zweck wiirde es gerne eingehn, daB andre ibm nicht wohlthun sollten, wenn er es
hat - nennet man einen Scherz; wonach also Concerte, Tarokspiel, Schlittschuhlau- nur iiberhoben seyn diirfte, ihnen Wohlthaten zu erzeigen) endlich nicht
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der schuldigen Pflichten gegen einander, denn der Verbrecher wiirde aus Misverstand verfiihret, oder gar urn Misverstand (etwa als wollte Hr. Kant
diesem Grunde gegen seine strafenden Richter argumentiren." Wahrhaftig ganz neue Sitten einfiihren) zu erregen! Und sein letzter Ausruf ist: Und
es war sehr gut, dall Hr. K. diese Anmerkung beybrachte, denn sonst hatte das sol! Grundlegung der Sitten seyn? Nicht doch, Iieber Hr. Kirchenrath!
Hr. Tittel gesagt: das ganze Prinzip ist ja nichts weiter, als das alte be- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten! Oder ist Ihnen auch hier wieder
kannte Quod tibi non vis fieri etc. Sagt er doch ausdriicklich auch, daB das beides einerley! Nun so mull Ihnen auch Grundlegung zur Theorie der Ge·
triviale video meliora proboque, deteriora sequor, den ganzen U nterschied baude, und Grundlegung der Gebiiude einerley seyn; und so miissen sich
zwischen Sinnlichkeit und Vernunft, wie ihn Hr. Kant auseinandersetzt, auch wohl der Kopf eines Architecten und die Hand des Mauermeisters
enthalte. fiir einander substituiren lassen!
Wir hoffen durch diese Anzeige (die wir abbrechen miissen, ohne noch
die letzten Abschnitte der Kantischen Schrift ausziehn zu konnen) neue
Aufmerksamkeit auf die Kantischen Bemiihungen in der Philosophie bey
nachdenkenden Lesern erregt, und manchem, den vielleicht die Tittelsche TV7 eimar. Der Monat August des teutschen Merkur enthiilt folgende
Schrift irre gefiihrt haben wiirde, einen Wink gegeben zu haben, der ihm W Aufiiitze. 1} Briefe uber die Kantische Philosophie. Kants Werke diinken
zur unparteyischen Priifung niitzlich seyn kann. Niemand sollte die Kan- dem Verfasser solche zu seyn, die den dringendsten philosophischen Be-
tische Grundlegung zur Metaphysik der Sitten lesen, der nicht vorher sei- diirfnissen unsrer Zeit wie gerufen kommen, und unsern Nachkommen in
ne Critik der reinen Vernunft, und die nachher erschienenen Prolegomena vielen [351] Riicksichten eine bessere Zukunft zusichern. Der Verfasser
zu einer Metaphysik durchstudirt hatte. hebt einige der vornehmsten Resultate der Kritik der Vernunft aus, und
Fiir Leser, deren Beruf oder Neigung nicht auf Griindlichkeit in der zeigt in denselben die Entscheidung eben so vieler wichtigen Streitigkei-
Philosophie gerichtet ist 1 mag es genug seyn, sie vor uniiberlegten Liiste- ten, die bisher durch das allgemeine MiBverstandniB der Vernunft unter-
rungen der Kantischen Grundsatze zu verwahren, wenn [272] wir berner- halten wurden. Kant hat den bisherigen Dogmatismus und Scepticismus
ken, dall es grundfalsch ist, wenn vorgegeben wird, Hr. Kant verwerfe alle eben so gewiB gestiirtzt, als Kopernicus und Newton das Ptolemaische
auf Erfahrung gegriindete Sittenlehre, da er vielmehr nur zeigt, wie weit und Tychoische System gestiirtzt haben. Aber aus iihnlichen Grunden
sie reiche, und wie wenig [dk] Erfahrung ein apodiktisches Princip der Mo- werden die Dogmaticker und Sceptiker eben so gut ihr Wesen eine Zeit-
ral geben kiinne; dall es grundfalsch ist, wenn man Hn. Kant beschuldigt, lang forttreiben, als die Vertheidiger jener beyden Weltsysteme das ihrige
er verwerfe den von der Gliickseligkeit hergenommnen Bewegungsgrund fortgetrieben haben, nachdem das bessere Weltsystem gefunden und de-
ganz, da er vielmehr das Unbestimmte darin zeigt, und erweiset, dall die monstrirt war. Nichts destoweniger hat Kant auch schon unter seinen
darauf gebauten Grundsatze nicht anders als oft sehr schwankend seyn Zeitgenossen eben so merklichen Eingang, als ehrenvolle Aufnahme ge-
konnen, und andre bisher angenommene Principien der Sittenlehre eben funden, und mull beydes in eben dem Verhiiltnisse immer mehr finden, als
so wenig als ganz unniitz verwirft, sondern nur ihre Untauglichkeit zu ei- unsre Gegner und Vertheidiger der Vernunft durch die immermehr zu-
ner viillig im strengsten Verstande erwiesenen Sittenlehre erweiset. (So Ialit nehmende Milllichkeit ihres Handels geneigter werden miissen, die an- ·
ein Geometer gern mechanische Beweise, ungeiibten Denkern zu gefallen, gebotene Vermittelung anzunehmen. Insbesondre wird das Resultat der
fiir das gelten, was sie sind, wenn er ihnen gleich nicht die mathematische Kantischen Philosophie iiber die Frage von dem Daseyn Gottes dargestellt.
E videnz, die die Methode des Euklides erfodert, zugestehn kann.) Bey Gelegenheit des Streites zwischen Mendelssohn und Jacobi ruft der Ver-
Was Hn. Tittel betrifft, so batten wir seine iibelverstandnen Einwen- fasser aus: .Wie sehr mull diese merkwiirdige und auffallende Thatsache
dungen gern sanfter beurtheilt, wenn er selbst nicht durch seinen Ton, den tiefsinnigen Beweisen zu statten kommen, mit welchen die Kritik der
uns, wir wollen nicht sagen, berechtigt, sondern verpflichtet hatte, gerade Vernunft unsre bisherige Metaphysick iiberfiihrt hat, dall sie wider-
so iiber seine Schrift uns zu erklaren, wie wir gethan haben. Misverstan- sprechende Resultate nothwendig begiinstigen miisse. Wie sehr mull sie
den hat er Hn. Kant von der ersten Zeile bis zur letzten. Gleich auf dem aber auch die denkenden Kopfe unter unsern Zeitgenossen auffordern, den
Titel spricht er von Kants Moralreform! warum behielt er den von dem Vorschliigen Gehiir zu geben, welche eben diese Kritik der Vernunft fiir
Philosophen selbst gewahlten Titel nicht bey? Gewill entweder auch von eine bessere Metaphysick an die Hand giebt!"
470 l!lotb. gef. ,3. - 4. Nov. u. 11. Nov. 1786 I :tiib. gef. 2ln;. - 13. Nov. 1786 ALLGEMEINE L!TERATUR·ZEITUNG- 21. November 1786 471
der Sitclichkeit wider die gemachten oder noch zu machenden Einw\irfe Prof. Kant ist, liiilt sich ohne grosse WeitHiuftigkeit von der Streitigkeit,
zu sichern, und das Ganze der kritischen Untersuchungen, die vor dem die sie betrift, kein Begrif geben. So weit wir gewill sind, Herrn K. Grund·
System einer Philosophie der reinen Vernunft vorhergehen mtissen, zu legung zur Metaphysik der Sitten verstanden zu haben, beruht Herrn T.
vollenden dienen kann. - Die Verbesserungen zur Grundlegung der Meta- Widerspruch meist auf Millverstand, und er hiilt in Herrn K. Schrift man-
physik der Sitten sind schon an den Buchdrucker abgegangen, und die neue ches fiir paradox, was nur [758] in dessen Sprache so klingt; so wie die
Auflage von dieser letztern wird daher sehr bald erscheinen. Besorgnill tibler Folgen der Kantischen Behauptungen den Ton seines
Gegners etwas rauher gestimmt hat, als man ihn aus dessen andern Schrif-
ten gewohnt ist.
;)ena.
In der Criikerschen Buchhandlung: Critik der reinen Vernunft, im
Grundrisse zu Vorlesungen, nebst einem Wiirterbuche zum leichtern
91iimberg.
[1872] Gebrauch der Kantischen Schriften. Von M. Carl Christian Erhard Bey Ernst Chr. Grattenauer: Ober Materialismus und Idealismus. Ein phi-
Schmid. 1786. 294 S. Octav. Der tiberall mit Bescheidenheit sich aussernde losophisches Fragment, von Adam Weishaupt, Herzog!. Sachsengothaischem
Verf. giebt seine Arbeit selbst fiir nichts anders aus, als einen Auszug aus Hofrath. 1786. 125 S. Octav. Der Idealismus, dessen sich der Verf. zur Ent-
den Kantischen Schriften; und zeigt bey jedem Abschnitt die Theile der kraftung der Griinde des Materialismus bedient, ist gar nicht der gemeine,
letztern an, aus welchen er die Ideen hauptsachlich enclehnt. Wir den Verstand verdunkelnde, die Sprache verwirrende, Idealismus. Sondern
brauchen also tiber den Inhalt weiter nichts zu sagen; als nur diell noch, im Grunde weiter nichts, als die allen Menschen von einigem Nachden-
daB auch die gegen Hrn. K. zeither gemachten Erinnerungen, nebst ihren ken bald einleuchtende logisch-metaphysische Wahrheit, daB unsere sinnli-
Quellen, gelegentlich angezeigt werden. Die Geschicklichkeit, die allemal che Wahrnehmungen uns nicht das ganze innere Wesen, aile Eigenschaften
dazu gehiirt, wenn man Kanten folgen, und seine Gedanken kurz und und Verhiiltnisse der Dinge, oder, wie man es insgemein ausdriickt, was sie
deutlich vorlegen will, sowol als die. Zweifel, die ihm dabey entstanden an sich sind, zu erkennen geben; sondern tiberall nur das, was sie fiir uns,
und bescheiden angezeigt sind, erwecken einen vortheilhaften Begriff von bey unsern gegenwartigen Sinnen, tibrigen innern Einrichtungen, und aus-
den Anlagen des Verf. Und bey der Aufmerksamkeit, die die Kantische serlichen Verhiiltnissen zu den Dingen, sind. Diese, !angst, obgleich nicht
Philosophie nun einmal erregt hat, welcher zufolge theils die Neugierde immer vollstandig genug, anerkannte, Wahrheit macht aber der Verf. in-
antreibt, theils das Amt es zur Pflicht macht, die Ideen und Sprache der- teressant durch mancherley Anwendungen und weit urn sich greifende Fol-
selben sich bekannt und gelaufig zu machen, wird der Verf. gewill auch gerungen. U nd auch in diesen zeigt sich nichts weniger, als Geist des
vieler Dank verdienen, daB er ihnen nicht nur durch den Auszug, sondern kiiltenden und niederschlagenden Skepticismus; sondern tiberall vielmehr
noch mehr durch das Wiirterbuch, das viillig statt eines Registers tiber die der Mann warmen Gefiihls, dem Moral, oder besser, thatige und duldende
Kantischen Schriften gebraucht werden kann, die Arbeit erleichtert hat. Tugend, das letzte Ziel aller Speculation ist. Daher hangt sein Blick an
dem Gedanken, wie Entwicklung und Vervollkommnung unserer innern
Natur, das Mittel [1911] sey, die ganze aussere Natur immer weiter fort fiir
uns zu entwickeln, und in ihrer Ftille und Vollkommenheit darzustellen.
[...] - Vor einiger Zeit hat der Herr Kirchenrath [Tittel] auch, unter dem
Daher ist ihm auch die Bemerkung wichtig, d:ill aile menschliche Wahrheit
Namen
relativ sey; wei! sie sich so gut auf Etwas von diesem unabhangiges im Ob-
~ranffurt unl> ~eipMg
jecte griindet. Denn sie fiihrt zu der moralisch wichtigen Folgerung, d:ill,
eine kleine Schrift von 93 Seiten in Octav iiber Herro Kant's Mora/reform ob es gleich gewisse, auf die gemeine Menschennatur sich griindende, und
drucken lassen. Bey einer Schrift, die sich auf eine andre, oft auf einzle daher gemein anerkannte oder anerkennbare Wahrheiten gebe, vieles doch
Worte derselben, bezieht, und bey einem so scharfsinnigen und bestimmt, auch nur Wahrheit fur einzelne Menschen seyn kiinne; ihnen unaban-
obgleich nicht immer ganz deutlich, redenden Schriftsteller, wie Herr derliche, unvertilgbare Erkenntnill, aber nicht jedem andern so mittheil-
Qfbef tibe! ~ie QueUen ~e! menfd)Ud)en 'llo!~eUungen 475
474 9leue ~eip;ige! \!Je[eQ!Ie ,3eitungen - 2. Dezember 1786
bar. Jene sollen dann ihrer ErkenntniB so folgen, daB sie auch diesen an- besondere Wissenschaft derselben ausmacht. Auch die Physik wird aus
dern das Recht lassen, der ihrigen zu folgen, oder mit deren U nwissenheit dem Gebiete der Philosophie verwiesen. Denn "da die Kiirper, sagt Herr
Nachsicht und Geduld haben. Auch die Miiglichkeit und Annehmlichkeit Abel, uns zwar einzelne Schmerzen oder Vergnugungen, aber nicht Gluck
hiiherer Belehrung, oder giittlicher 0/fenbarungen, weiB er aus seinen und Ungluck uberhaup~ oder die Empfiinglichkeit zu ~enselbe~ ge?en kiin-
Grundsiitzen abzuleiten. Ausdrticklich und ausfiihrlich bemerkt er zuletzt nen, sondern man bey ihrem vollkommensten Besttz ungluckhch, und
auch, wie, darum, wei! aile menschliche Erkenntnill relativ ist, auch die ohne diesen gliicklich seyn kann, so rechnen wir ihre Untersuchung ;ttcht
menschliche Moral eben so relativ sey. Und ist darin consequenter, als hieher." - Wie? steht denn die KenntniB der Kiirper und der natiirhchen
diejenigen, die, nachdem sie die ganze speculative Philosophie auf Iauter Erscheinungen und Begebenheiten in keiner Verbindung mit der menschli-
logische oder subjective Grtinde zurtickgefiihrt haben, am Ende doch auf chen Gluckseligkeit. Hat nicht die Naturlehre von jeher unter den Viilkern,
einmal einen Glauben an objective Dinge und Zwecke, ausserhalb der die sie excolirten, die Schrecken des Aberglaubens vernichtet, Aufklarung
menschlichen Erkenntnill, zum Grunde menschlicher Sittenlehre machen verbreitet, richtige und wiirdige Begriffe von der Gottheit _erzeugt, den
wollen. - Uber einige Siitze der Speculation IieBe sich wohl streiten. Das Glauben an die Vorsehung befestigt, und tausend Vortheile hervorge-
Ganze nimmt aber gewiB fiir den Verf. ein; und erfiillt mit Bedauern, daB bracht, durch welche Menschengltick befiirdert und erhiihet worden? Was
ein solcher Mann seines Amtes entsetzt worden, wei! er Bayle's Wiirter- war die Marine vor Erfindung der Boussole? und wie sehr ist die Schiffs-
buch in eine iiffentliche Bibliothek anzu{191.2]schaffen gerathen hatte. Das kunde durch die nahere Kenntnill des Magnetismus seit sechs Jahrhunder-
Titelmotto aus dem Lucan ist zu schiin, zu passend und zu sinnreich, als ten vervollkommnet worden? Wie viele Beytriige zum Gluck der Mensch-
daB wir es nicht auch unsern Lesern hieher setzen sollten: heir haben nicht seit funfzig Jahren die Untersuchungen der Electricitiit
- lllic postquam se lumine vero geleistet? Durch sie haben wir gelernet der verheerenden Ma~ht des Bli~
lmplevitl stellasque vegas miratur et astra Schranken zu setzen? Durch sie sind tausend Elende, d1e kem Kraut, kem
Fixa polis, vidit, quanta sub -nocte iaceret Pflaster heilen konnte, zum freyen Gebrauch ihrer Glieder wiederum ge-
Nostra dies, risitque sui ludibria trunci. bracht worden? Den EinfluB abgerechnet, den sie in viele andere Wissen-
schaften hat, so sind die Vortheile unziihlig durch welche ihre Cultur die
Menschheit beglucket. S. 19 u. f. steht ein Plan der Anthropologie iiber-
haupt, welchem S. 21 u. f. ein Plan der Psychologie insbesondere f~lgt;
und nach diesem Plane ist die gegenwiirtige Abhandlung selbst bearbe1tet.
6tuttgarb. Zuerst niimlich wird untersucht, ob es noch auBer unserm Kiirper ein be-
Bey Johann Benedict Mezler: Uber die Que/len der menschlichen Vorstel- sonderes Wesen, das wir Seele nennen, gebe. Der Satz also: Ist die Seele
lungen. Von jacob Friedrich Abe~ Lehrer der Psychologie und Moral bey der eine eigne Sub{2268]stanz? wird S. 23 u. f. bejahet und durch den bekann-
hohen Carls-Schule zu Stuttgard. 1786. 286 S. in gr. 8. Herr Prof. Abel hat ten Grund erhiirtet, den Andere fiiglicher fiir die Einfachheit der Seele ge-
bey dieser Schrift zur Absicht, diejenigen Materien, die er in seiner Ein- geben haben, niimlich daB viele Vorste!lungen zugleich ni~ht unter mehre-
leitung in die Seelenlehre nicht ausfiihrlich genug entwickeln konnte, so re denkende Subjecte vertheilet seyn kiinnen, sondern m der absoluten
vollstiindig darzustellen, daB sie jedem Leser auch ohne Hiilfe einer Erklii- Einheit des denkenden Subjects enthalten seyn miissen, wenn sie einen
rung von selbst verstiindlich seyn kiinnten. Den Anfang macht eine Vor- Gedanken ausmachen sollen - Allein zu geschweigen, daB dieser Beweis
rede, die vierzehn Seiten einnimmt, und in welcher die Absicht und der die Substanzialitiit der Seele gar nicht trift; denn wer diese beweisen will,
Gebrauch dieses Buchs gezeigt werden. Sie enthiilt manche richtige Berner- der mull zeigen, daB die Seele etwas Beharrliches sey; das hat aber Herr
kung. Dann folgt S. 15 und 16 ein Plan der Philosophie iiberhaupt, in wel- Abel nicht gethan: so kann auch jener Satz auf keine Weise weder aus Er-
~~e er Anthropologie, Kosmologie, natiirliche Theologie, Logik, Moral, fohrung, noch aus Begriffen erwiesen werden. De~n Erfahrung kan;t u~s
Asthetik, Politik und Piidagogilt aufnimmt. Wir vermissen hier die On- nie Nothwendigkeit lehren, wenn auch der Begnf der absoluten Emhett
tologie, die doch wohl ein wesentlicher Theil der Philosophie ist, [2267] nicht so weit iiber ihre Sphiire hinaus !age. Aus Begriffen aber liillt er sich
wegen ihrer Wichtigkeit und des Eigenthiimlichen ihres Inhalts aber eine eben so wenig darthun. Denn ein Gedanke, der aus vielen Vorstellungen
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476 91eue ~tiPhige~ l!lefe~~te ,Seltungen - 2. Dezember 1786 '!I be r Ube~ bit Queffen be~ menfd)Ud)en 'llo~~effungen 477
besteht, ist von collectiver Einheit, und kann sich daher, den blollen Be-
griffen nach, eben sowohl auf die collective Einheit der daran mitwir-
I Coexistenz, Ahnlichkeit u. s. w." Aile in welches sind denn jene ur·
spriinglichen Verstandesgesetze, wenn es nicht die Kategorien selbst sind?
kenden Substanzen, als auf die absolute Einheit des Subjects beziehen, wie Denn diese Kategorien sind ja lediglich der Stoff zu unsern Urtheilen,
z. B. die Bewegung eines manevrirenden Regiments die zusammengesetzte [2.2.70] und miissen also a priori vor aller Erfahrung vorgangig in uns lie-
Bewegung aller einzelnen Soldaten ist. Wer kann darin einen Widerspruch I gen. Mithin sind sie sogar nicht die Resultate unsrer Verstandesoperatio-
zeigen? Eben dieses gilt auch von dem S. 30 aus dem Zusammenhange der nen, die wir allererst nachher den entsprechenden Objecten beylegen, dall
K.raftaullerungen ':nter einander fiir die Unisubstanzialitat der Seele abge- vielmehr aile unsere Verstandesoperationen Resultate jener Kategorien
leiteten Beweise. Uberdiell zeigt der Ausdruck: Seele, oder das denkende sind, auf welchen nicht nur die Meglichkeit des Urtheilens, sondern selbst
Ich, in allen den Satzen, die diesen Beweisen zu Grunde liegen, nicht ein der Erfahrung beruht. Wenn also Herr A S. 43 die angebohmen Begriffe,
reales Subject der Inharenz, sondern bloll ein logisches Subject an. Folglich zu welchen die Kategorien geheren, von den Verstandesgesetzen unter-
lauft der ganze Beweis am Ende auf einen Trugschlull hinaus, wie Kant scheidet: so ist di~e Unterscheidung nicht nur sehr unlogisch, sondern mit
sehr einleuchtend gezeigt hat. Mithin ist auch das S. 31 u. f. daraus gefol- all ungereimt. U nlogisch ist sie; denn sie ist erdichtet: sie ist ungereimt;
gerte Resultat, nebst den darunter befindlichen Anmerkungen, von nicht denn sie befallt einen offenbaren Widerspruch. Wenn nemlich die Ver-
grellerm Gehalte. So bald man reine Verstandesbegriffe auf Dinge, so au- standesgesetze, wie Er zugiebt, angeboren sind, warum sollen die in den-
ller dem Gebiete der Erfahrung liegen, auf Dinge an sich, anwenden will, selben wesentlich enthaltenen reinen Verstandesbegriffe nicht angebohren
ist Illusion unvermeidlich. [2.2.69] Der Hr. Prof. hatte also den Beweis, zu seyn? Wenn der Grundsatz der Causalitat: Alles, was geschiehet, setzt
welchem er zu Ende des Vorberichts Hofnung macht, daft die von Kant so erwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt, als Verstandesgesetz uns an-
genannten astbetischen Begriffe und die Kategorien nicbt a priori seyn, bier geboren ist; warum soli die reine Kategorie der Ursache, die in jenem Ver-
ausfiihren und dieser Schrift voranschicken sollen: Denn so lange diese standesgesetze liege, und darinn gedacht wird, nicht auch angeboren seyn?
Kantische Behauptung nicht widerlegt worden (und das hat zur Zeit noch Lallt sich denken, dall da, wo das Ganze ist, nicht aile einzelnen wesent-
niemand thun kennen), so lange bleiben auch aile dergleichen Speculatio- lichen Theile dieses Ganzen seyn sollen? Wenn Herr A. unmirtelbar dar-
nen leer und unstatthaft. Endlich gehert auch die F rage: Ob die Seele eine auf die Griinde derer, welche die Angeburt der Vorstellungen, es sey nun
vom Korper verschiedene, einige und einfache Substanz sey, in ein Werk, das, aller oder nur mancher, behaupten, anfiihren will, so heillt es: "Beob-
so wie jene Einleitung des Verf. in die Seelenlehre, zu welcher die gegen- achtung scheint nun entschieden zu haben." Kann wahl Beobachtung, wel-
wiirtige Schrift der Pendant ist, der empirischen Psychologie bestimmt che stets Erfahrung einschliellt, tiber den durchgangigen U rsprung alter
war, ganz und gar nicht. S. 34 u. f. beginnet die Untersuchung der Natur und jeder, auch der dunkeln, bewustlosen Ideen entscheiden? "Aber, fahrt
der Seele, und zuerst der innern Natur. Hier wird nun S. 36 u. f. der Satz: er fort, bald stollen wir auf gefabrliche Zweifel."- Was sind denn fiir Gefah·
aile Seelenvorstellungen entspringen aus den Sinnen, auf die gewehnliche ren damit verbunden, wenn man, mit Leibnitzen, auch aile Vorstellungen
Art bewiesen. Der dafiir S. 37 u. f. gefiihrte Beweis trift, aber nur die mit der Seele fiir angebohren halt? Die entgegengesetzte Meynung ist in der
Bewufttsryn verkntipften Vorstellungen; und in so fern ist er richtig und That gefahrlich; denn sie ist unerweislich. In dem, was so wahl S. 48 u. f.
btindig; aber nimmermehr wird Hr. A. die astbetischen Begriffe und Katego· vom Kerper tiberhaupt, als S. 50 u. f. insbesondere tiber das Nerven-
rien, vermirtelst dieses Beweises, aus den Sinnen ableiten kennen. Er sagt system, so wie S. 66 u. f. iiber die Ver{2.2.7l]bindung zwischen Seele und
zwar S. 40: "Die Eindriicke, die uns durch die Sinne gegeben worden, Kerper gesagt worden, kennen wir unsern Beyfall nicht zuriickhalten.
veranlassen den Verstand nach urspriinglichen Gesetzen zu bestimmten Was aber der Verf. von dem Wo und Wte, das ist, tiber die Fragen: wie ist
Entwickelungen seiner Kraft, besonders zu U rtheilen, zu bejahenden oder die Seele mit dem Kiirper verbunden? und wq in welchem Orte desselben ist
verneinenden, zu allgemeinen oder besondern, zu Urtheilen tiber die ihr Sitz? lst das ganze Gehim der Seele gleich nahe? wirken aile seine Theile
Verhaltnisse der Coexistenz, der Succession, der Ahnlichkeit u. d. g. Diese unmittelbar in sie, oder nicbt? lst sie im ganzen Gehim, oder nur in einigen
Resultate unsrer Verstandesoperationen, diese subjectiven Erscheinungen in Theilen desselben besonders? Welche Seelenkrafte babe eigene Pliitze und
der Seele, legen wir dann den entsprechenden Objecten bey, und es entste- Theilgen im Gehim, und wie sind diese Pliitze ausgetheilt? - gesagt hat,
hen eben so viele objective Begriffe, Seyn, Nichtseyn, Einheit, Allheit, gehert in die empirische Psychologie gar nicht, und ist leere, unniitze
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478 91eue 2eip;iger \Be(eljrte ,3eitungen - 2. Dezember 1786 \Bottingi(d)e ~n;elgen oon ge(eljrten eiad)en - 2. Dezember 1786 479
Spekulation. Wie lange wird man noch fortfahren, sinnliche und in- stel!ung sich die Zeugungsglieder regen? Eben so genau mit der Erfahrung
tellectuelle Erkenntnis zu vermischen, und Dingen, die ganz auiler dem iibereinstimmend ist die S. 114 u. f. dargestellte Theorie von den zusam-
Gebiete der Sinnlichkeit liegen, Priidikate beyzulegen, die lediglich von mengesetzten Eindriicken und den Gesetzen, nach denen gleichzeitige und
den Gegenstanden der Sinne gelten? Dies ist es eben, was der Metaphysik successive Gegenstande und Bewegungen wirken, so wie die Gesetze des
von jeher so vie! Schaden verursacht, und so gerechte Verachtung zugew- Einflusses der zusammenschmelzenden oder abgesonderten Eindriicke,
gen hat. Dieses ist es, was das Wachsthum, die Aufnahme, die Vervoll- ingleichen, was S. 133 u. f_ von der Beymischung der Ideen der Einbil-
kommnung dieser Wissenschaft, die sonst einen so wichtigen Theil der dungskraft gesagt wird. Uberhaupt scheint Herr Abel weit gliicklicher in
menschlichen Kenntni£l ausmacht, behindert und bis jetzt aufgehalten hat. Bearbeitung des empirischen Theils der Philosophie zu seyn, als bey
Wie weit ist man mit all dem elenden Schulgezanke tiber die Figur, den spekulativen Untersuchungen.
Sitz der Seele und andere dergleichen miissige und unntitze Fragen bisher
gekommen? Wie treffend ist nicht in dieser Rticksicht das Bild des
Voltaire, der die metaphysischen Schriftstel!er mit Menuettanzern ver-
glich, die, aufs zierlichste geputzt, sich ein paar mal verbeugen, aufs nied- ~iga.
lichste durchs Zimmer spazieren, aile ihre Reize zur Schau tragen, sich be-
wegen, ohne einen Schritt weiter zu kommen, und auf dem nemlichen Flecke, Metaphysische Anfangsgriinde der Naturwissenschaft von Immanuel
wo sie angefangen batten, wieder aufhoren. s. Moores A brill des gesellschaft- Kant. Hartknoch; 1786; 158 Octavs. Zur eigentlichen Wissenschaft er-
lichen Lebens und der Sitten in F rankreich, der Schweitz und Deutsch- fodert Hr. K. apodictische Gewi£lheit, bios empirische Gewi£lheit giebt
land, im Ersten Band, der neun und zwanzigste Brief, S. 141. Ubrigens ist nur uneigentlich so genanntes Wissen, das aber rationale Wissenschaft
die im zweyten Abschnitte vorgetragene eigentliche Abhandlung tiber die seyn kann, wenn es systematisch ist, obgleich die Griinde zuletzt bios
Quellen der menschlichen Vorstel!un{2272]gen griindlich und den Anga- empirisch sind, wie in der Chemie, die eher systematische Kunst, als Wis-
ben der Erfahrungen gemail bearbeitet. So hat uns die Erklarung, welche senschaft heissen sollte. So miissen in reiner Naturwissenschaft die Natur-
Hr. A. von dem Mechanismus und der Wirkungsart der Sinne so wohl im gesetze, die in ihr zum Grunde liegen, a priori erkannt werden. Erfah-
Allgemeinen, S. 96 u. f., als auch insbesondere tiber jeden einzelnen Sinn, rungsgesetze griinden angewandte Vernunfterkenntniil. Mehreres, was Hr.
S. 136 u. f., gegeben, besonders was er von der Fortpflanzung der Bewe- K. in der Vorrede tiber Naturwissenschaft sagt, kann des Raumes wegen
gungen durch die Nerven bis in das Gehirn, und von der erfolgten Bewe- hier desto eher iibergangen werden, wenn sein Verfahren im Buche selbst
gung im innern Gehirn, so wie von der dazu nothigen Empfanglichkeit dargestel!t wird. I. Hauptst. Metaphysische Anfangsgriinde der Phorono-
der Seele gesagt hat, aus der maBen wohl gefallen. Mit Recht verwirft er S. mie. Materie ist das Bewegliche im Raume. Weiter als Beweglichkeit wird
98 die noch nie erwiesene und an sich ganz unerweisbare Gehimeindriicke, ihr nichts beygelegt, wei! Phoronomie bios von Bewegung handelt. Bewe-
die man unschicklich genug materielle Ideen nennt, als von den auilern gung ist Veriinderung der aussern Verhaltnisse eines Dinges zu einem gege-
Korpern im Gehirn gebildete Abdriicke, die dann die Seele anschaue. Und benen Raume. Veriinderung des Orts ist da{1915]mit nicht einerley, wei!
wir miissen gestehen, daB wir nie begreifen konnten, wie auch sonst z. E. ein Korper sich drehen kann, ohne seinen Ort zu andern. Ruhe ist
scharfsinnige Manner sich durch diese philosophische Schnurre konnten beharrliche Gegenwart an demselben Orte. Lehrsatz. Zusammensetzung
tauschen lassen, die, anstatt die Frage aufzulosen, von der die Rede war, zweyer Bewegungen, eines und desselben Puncts, kann nur dadurch ge-
und die Schwierigkeiten zu heben, die sie umgeben, die Sache nicht nur dacht werden, daB die eine derselben im absoluten Raume, statt der an-
ganz unentschieden lailt, sondern sie noch in gro£lere Schwierigkeiten ver- dern aber, eine mit der gleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter
wickelt. Auch ist die S. 103 u. f. vorgetragne Behauptung von der Riickwir- Richtung geschehende Bewegung des relativen Raums, als mit derselben
kung der Seele sehr wahrscheinlich und der Erfahrung entsprechend. Denn einerley vorgestellt wird. Gewohnlich nennt man zusammengesetzte Bewe-
woher kann es anders kommen, daB wir oft gahnen miissen, wenn wir gung nur, wenn die beyden Richtungen einen Winkel machen. Da sie aber
sehen, daB ein anderer gahnt? daB uns beym Anblick eines fremden, auch auf eine fallen, oder gerade entgegengesetzt seyn konnen, so ward da-
beschadigten Auge, selbst das Auge voll Wasser tritt? daB bey blo£ler Vor- durch wohl eben nicht der Physik, aber dem Princip der Eintheilung
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480 l!lottlnglfd)e ~n;eigen oon gefe9rten elad)en - 2. Dezember 1786 .lta nt6 'l))etap99fifd)e ~nfangegrtinDe Der 'JlaturwiiTen[d)a~ 481
einer reinen philosophischen Wissenschaft iiberhaupt Abbruch gethan. terie, davon er die Form ist, nicht die Welt von Dingen an sich selbst, nur
Denn was die erstere betrifft, lassen sich aile drey Faile im dritten allein die Erscheinung derselben, selbst nur die Form unserer ausserlichen
vorstellen, nachdem man den Winkel als unendlich klein, oder unendlich sinnlichen Anschauung. (Niemand, der Leibnizens System gehorig iiber-
wenig von einer geraden Linie unterschieden denkt. (Oder, wer das U n- dacht hat, kann es sich anders vorstellen, desto seltsamer ist es, daB man
endliche hier nicht nennen will, als 0 oder als 180 Gr. Fiir den allgemei- Leibnizen Ungereimtheiten vorgeworfen hat, die nur Ungereimtheiten un-
nen Fall ist Hrn. K. Verfahren wie beym D:Alembert Dynamique P. I. ch. geschickter Bestreiter, manchmal auch Vertheidiger, waren.) Materie ist
2 .) II. Hauptst. Metaphysische Anfangsgrunde der Dynamik. Hier ist Ma- nicht miiglich, ohne Anziehung und auch Zuruckstoilung zu haben, ohne
terie das Bewegliche, das Raum erfiillt, Raum erfiillen, heiilt allem Beweg- die letzte wiirden die Theile der Materie so lange sich einander nahern, bis
lichen widerstehen, das durch seine Bewegung in einen gewissen Raum keine Entferimng mehr zwischen ihnen ware, d. i. in einen mathema-
dringen will. Die Materie erfiillt Raum, nicht durch bloile Existenz, son- tischen Punct zusammenflieilen; fernere Lehren von diesen Ktaften. Dann
dern eine bewegende Kraft. Denn ihr Widerstand gegen das, was eindrin- 3. Hauptst. Mechanik; Gesetze der Bewegung. 4. Phanomenologie; gerad-
gen will, andert dessen Bewegung, und nichts kann Bewegung vermindern linichte und krummlinichte Bewegung. Leerer Raum innerhalb dem Welt-
oder aufheben, als Bewegung in entgegengesetzter Richtung. Dazu wird: ganzen, urn den Weltkiirpern freye Bewegung zu verschaffen. Davon be-
Phoron. Lehrs. citirt. (Die Phoronomie enthait den einzigen vor{1916]hin ruht Miiglichkeit und Unmiiglichkeit nicht auf metaphysischen Grunden,
angefiihrten Lehrsatz von zusammengesetzter Bewegung. Der Rec. gesteht, sondern dem schwer aufzuschliessenden Naturgeheimnisse, auf welche
dail er daselbst gegenw1irtiges nicht ausdriicklich findet, und wenn er es Art die Materie ihrer eignen ausdehnenden Kraft Schranken setze. Gleich-
auch etwa iibersehen hatte, nicht begreift, wie es aus erwiihntem Lehrsatze wohl miichte wahl urn der freyen und dauernden Bewegung der Welt-
folgen kiinne. Ein Kiirper, der Bewegung hat, bleibt freylich an einer und kiirper willen einen leeren Raum anzunehmen unniithig seyn, wei! der
derselben Stelle des absoluten Raums, wenn die Ebene, auf der er liegt, Widerstand, selbst bey ganzlich erfiillten Raumen, so klein, als man will,
seiner Richtung gerade entgegen, mit eben der Geschwindigkeit gefiihrt gedacht werden kann.
wird, aber mufl jedes Verbleiben an einer Stelle auf diese Art gedacht wer- Da Hrn. K. Absicht und Gang seiner Untersuchungen aus der ausfiihr-
den? Mufl man sich in einer Mauer eine bewegende Kraft denken, wei! lichen Anzeige der ersten beyden Capite! zu ersehen ist, so wird entschul-
man an einer Mauer nicht weiter fortgehen kann? Es ist nicht einmal deut- digt seyn, dail die letzten nicht eben so vie! Raum erhalten. In Hrn. K.
lich, wie Phoronomie, die bios Bewegung betrachtet, ohne an Kraft zu Satzen und Beweisen lailt sich nicht wahl was abkiirzen, wenn die Dar-
denken, davon die Bewegung herruhrt, auf bewegende Kraft fiihren kiin- [1918]stellung ihnen Gerechtigkeit soli widerfahren lassen, aber begreiflich
ne.) Es lassen sich nur zwey bewegende Krafte in der Materie denken, setzen die ausdehnenden Krafte der Recensionen einander auf mannigfalti-
anziehende und zuruckstoilende, wei! sich Puncte nur einander nahern, ge Art Schranken. Eben deswegen hait auch der Rec. zuriick, wo er etwa
oder von einander entfernen kiinnen. Die Materie erfiillt ihre Raume nicht so, wie in vielen andern Stellen, mit Hrn. K. einstimmig ist. Aller-
durch repulsive Krafte aller ihrer Theile, d. i. durch eine eigne Ausdeh- dings beruhen die allgemeinsten Satze der Naturkunde auf metaphysi-
nungskraft, die einen bestimmten Grad hat, tiber den griiilere oder kleine- schen Grunden, und Vernachlassigung derselben hat allerley Irrungen und
re ins U nendliche kiinnen gedacht werden, eine Elasticitat, die also ur- Streitigkeiten, auch in der hiihern Mechanik, veranlailt. Metaphysik der
sprunglich ist. Materie kann ins Unendliche zusammengedruckt werden, N aturlehre rechnete Wolf zur Kosmologie.
und ist ins Unendliche theilbar, und zwar in Theile, deren jeder wiederum
Materie ist. Hr. K. erinnert dabey, die Monadologie gehiire gar nicht zur
Erklarung der Naturbegebenheiten, sondern sey ein von I..eibnitzen aus-
gefiihrter, an sich richtiger, Platonischer Begriff von der Welt, nicht als
Gegenstand der Sinne, sondern als Gegenstand des Verstandes betrachtet,
der den Erscheinungen der Sinne zum Grunde liegt. Das Zusammenge-
setzte der Dinge selbst entsteht aus [1917] dem Einfachen, aber nicht das
Zusammengesetzte der Erscheinungen, nach Leibnizen ist Raum samt Ma-
T
3enaifc~e gefe~ete Qln;eigen - 1. und 5. Januar 1787 483
moglich ware, oder der nothwendigen Determination zum auser und neben
einander, in Ansehung gewisser Vorstellungen. Ob diese von ausen her-
tlihren, oder schon a priori im Gemlithe liege? dies ist die Frage. Uns
scheint noch immer das letzte behauptet werden zu mlissen, daB diese
Form oder Determination nicht von iiusern U rsachen in uns hervorge-
bracht werde, sondern in der Einrichtung unserer Natur, wahrscheinlich,
wie der Recensent der Kantischen Prolegomenen in der Allgem. Deut-
etutgatt.
schen Bib!. sehr scharfsinnig bemerkt, [5] in unserer Endlichkeit gegrlin-
Im Mezlerschen Verlag ist noch 1786 herausgekommen: Jakob Friedrich det sey. Gesetzt, die Dinge, die im transcendenten Sinn auser uns sind,
Abel's, Profess. der Psychologie und Moral an der·hohen Carlsschule, Ein- ovrro<; ovra, die auf unsere Vorstellungskraft wlirken, wiiren objektivisch
leitung in die Seelenlehre. 459 S. 8. ohne Vorrede, Plan und Einleitung auf auser und nebeneinander, welches wir jedoch nicht allein nicht wissen
XXXII Seiten. Der V. hatte zuerst die Absicht, aile Theile der Philosophie konnen, sondern woraus auch in Vergleichung mit den Begriffen des
so vorzutragen, daB sein Buch zu Vorlesungen und zu eigner Lektlire schlechterdings einfachen unendliche Schwierigkeiten entstehen, so wlirden
gleich geschickt wlirde. Aber bald fand er, namentlich bey der Psycholo- doch die Wlirkungen aller dieser Dinge im Gemlith nur ein verworrener
gie, diese Vereinigung unmoglich, und er flirchtete, entweder fUr ein Kom- Haufen seyn, wenn nicht die Bestimmung zur Vorstellung auser und ne-
pendium zu weitliiuftig, oder fUr eigne Lektlire zu kurz und dunkel zu beneinander schon a priori in der Seele !age. Auch in Ansehung der reinen
werden. Er entschlo!l sich daher, aile Ubrigen Theile in einem zu heiden Verstandesbegriffe, oder Categorien, stellen wir uns die Sache so vor. A1s Be-
Zwecken geschickten Vortrag, die Psychologie aber allein in einer, seinen griffe, (formaliter, explicite, entwickelt) liegen sie nicht so a priori in der
individuellen Absichten gemiisen, kompendiarischen Form abzuhandeln, Seele, und sind nicht angebohren. Aber eine gewisse nothwendige Form
zugleich aber auch die schweren und von ihm neu ausgearbeiteten Mate- zu denken, zu urtheilen und zu schliesen, liegt schon a priori im Ge-
rien aus derselben, in besondern Abhandlungen, darzustellen, welche die- mlithe. Die Formen aller moglichen Urtheile liegen, unabhiingig von und
ser Schrift, sobald als moglich, folgen sollen. (Wir flirchten, daB der Hr. V. vor aller Empfindung und Erfahrung, in der Seele, als nothwendige Dis-
bey der eigentlichen Metaphysik diese Vereinigung bei{4]der Zwecke auch positionen, oder Determinationen etc. Der entwickelte Begriff, als Begriff,
sehr schwer finden werde). Die gegenwiirtige Arbeit unterscheidet sich von von Grund, Ursache, liegt nicht schon a priori da, ist nicht angebohren,
allen andern Uber diesen Gegenstand vorhandenen vornemlich durch oder anerschaffen; sondern wird erst abgewgen, aus der bemerkten we-
grosern Umfang, Vollstiindigkeit und Eigenthlimlichkeit des Plans, (wei- sentlichen Form zu denken, da wir genothigt sind, von allem, was ge-
chen der V. selbst bis ins kleinste Detail vorgezeichnet hat) verbunden mit schieht, zu etwas vorhergehendem zurlickzugehn, worauf jenes regelmii!lig
einer lichtvollen Ordnung, und gedriingtem, aber verstiindlichem Vortrag. folgt.
Er umfaBt zugleich die ganze Thelematologie, und in dem Abschnitt von Wir erinnern dieses nicht urn des Hn V. willen, welcher scharfsinnig ge-
den Empfindungen sind die Hauptgrundsiitze der ganzen Asthetik einge- nug ist, urn vielleicht mit uns darliber einverstanden zu werden, sondern
webt. Ohne das Gepriinge von Citationen zeigt sich doch auf allen Seiten urn derer willen, die sich jetzt mit aller Macht wider Kant rlisten. Wir be-
die wohlgeordnete Belesenheit und Bekanntschaft des V. mit den besten flirchten, da!l der flirchterliche Sturm sich schon an diesen Seiten brechen
Schriftstellern. Da es unmoglich ist, bey Schriften dieser Art einen Auszug dlirfe.
zu geben, so schriinken wir uns in diesen Bliittern nur auf einige Punkte
ein, auf welche der V. in der Vorrede selbst hinweillt. Was Uber den Raum [13] Uber die Frage: ob zur Erneuerung jeder sinnlichen Vorstellung,
gesagt wird, scheint die eigentliche Streitfrage nicht zu treffen. Die Frage und einer Reihe solcher Vorstellungen, selbst der geliiufigsten, die Erneue-
ist nicht von dem allerdings empirischen, aus der bemerkten gemeinschaft- rung korperlicher Bewegungen, oder einer Reihe solcher korperlicher
lichen Form aller ausern Anschauung abgesondertem N B. Begriff des Raums Bewegungen nothig sey, aus welchen die sinnliche Vorstellung zuerst em-
und der Ausdehnung, sondern von dieser Form der iiusern Empfindung stand, hat der Hr V. die Grlinde fUr und wider in bUndiger Kiirze vorge-
selbst, ohne deren Voraussetzung iiusere Empfindung, als solche, gar nicht tragen, und scheint sich der Tetensschen Erkliirung zu niihern (5. 143. zu
484 3enal[<j!c gele~ttc ~n;eigen - 5. Januar 1787 iltanffuetct gde~ete ~n;eigen - 12. Januar 1787 485
Ende) welche uns aber nie befriediget hat. Die Frage ist wieder eigentlich ihr auch noch nicht einmal nach ihrem Verhaltnis zu andern bereits erreg-
diese: Kann irgend eine, auch die allergeHiufigste, sinnliche klare Vorstel- ten, und gegebenen Ideen bekannt gemacht ist, wie z. B. N. 3, bestimmt
lung imaginarisch erneuert werden, ohne Beyhiilfe der erneuerten ehema- werden kiinne, urn sich derselben bewusst zu werden, und ihr Klarheit zu
ligen Bewegung im Gehirn, folglich ohne eine von dieser ehernaligen Be- verschaffen, nun gerade zu auf den bestimmten Theil der Organisation zu
wegung iibrig gebliebenen Disposition im Gehirn? (Die zuriickgelassenen wirken und die bestimmte erforderliche Bewegung darinnen hervorzu-
Dispositionen in der Seele werden nicht ausgeschlossen). Kann also die bringen. Vorsetzlich konnte diese Wiirkung nicht seyn. Ein blindes zuriick-
Seele auch in Absicht auf die allergelaufigste Reihe von sinnlichen Vorstel- wiirken gerade aufden bestimmten Theil, dessen Bewegung zur Klarheit der
lungen, a b c d etc. von einer auf die andere unmittelbar fortgehen, d. i. Vorstellung nothig ware, setzt auch voraus, dall dieses blinde Zuriickwiir-
ohne dall zu jedem Gliede der Reihe auch eine besondere erneuerte Bewe- ken, durch eine schon vorgangige schwache Bewegung bestimmter Theile,
gung im Gehirn erfordert werde? Diejenigen, so dieses laugnen, berufen und deren Einflull auf die Vorstellung selbst, seine Richtung angewiesen
sich auf die Erfahrung, dall durch Zufalle, welche das Gehirn betroffen bekame. Doch es ist nicht miiglich, in der Kiirze alles so auseinander zu
hatten, nach vollendeter Cur, wo der Mensch ordentlich wieder ernpfand, setzen, als erfordert wiirde, die obige Behauptung in ihrer ganzen Starke
fasste, behielt, und sich erinnerte, dennoch [14] die imaginarische Erneue- zu zeigen. Die§. 145-146 erregten Schwierigkeiten lassen sich wohl beant-
rung der gelaufigsten Ideen und Ideenreihen, z. E. einer auswendig gelern- worten. Die Betrachtungen tiber Sprache und Schrift sind bey aller Kiirze
ten Gebetsformel, selbst, wenn das erste Glied der Reihe gegeben wurde, vortreflich, und wir freuten uns, die im Morizischen Magazin zur Erfah-
unmiiglich geworden war. Wie ist dies zu erkliiren, wenn die Seele solche rungsseelenkunde (3te B. 3ten Stucke) geauserte Meinung tiber die Bildung
sinnliche, zumal ihr gelaufig wordene, Vorstellungen und Reihen dersel- gewisser Tone zu Bezeichnung nicht tiinender Gegenstande §. 490. 2.) hier
ben, unabhangig von und vor der Erneuerung der korrespondirenden Be- aufgenommen zu sehen. Sie ist gewill richtig und fruchtbar.
wegungen durch sich allein wieder erneucrn kann? Tetens antwortet: Die
Seele habe allerdings schon auch aile diese Vorstellungen gehabt. Aber urn
sie klar und lebhaft zu haben, hiitte sie gewisse korrespondirende Bewegun-
gen durch eine Wiirkung auf bestimmte Theile der innern Organen rniis- i)ena.
sen erneuern konnen. Dies sey aber nach jenen Zufallen unmiiglich gewe-
.li:titif bet teinen Qleenun~ im <Btunbtifle ;u '3otfe[ungen, neb~ einem '1Bottet•
sen, wei! durch solche gerade diese Fibern so geschwacht gewesen, dall die
budje ;urn feidjten <Bebtaudj bet .Jeantifdjen ®djti~en, oon 'lJl . .lent£
Seele sich vergebens bemiihete, die Bewegung zu erneuern, so wie der Cla-
~~tiff ian (I; bet ~at b e; dj mi b, in bet .li:to!eti[djen iljudj~anbfung, 1786.
vierspieler vergebens die Tangente beriihret urn einen Ton zu erhalten,
294 ®eiten in Boo.
wenn die Saite zu schlaff ist. Allein 1. bleibt bey dieser Erkliirungsart doch
immer der Satz wahr: dall keine klare sinnliche Vorstellung ohne Beyhiilfe Der griillte Theil dieser Schrift, die kurzen Aphorismen, sind ein Leitfa-
der erneuerten Gehirnbewegung miiglich, und dall also diese die nothwen- den, welchen der Verfasser zu seinem Vortrage dieser philosophischen [28]
dige Bedingung der ersten sey; 2. laugnen wir nicht, dall durch eine Wiir- Wissenschaft bestimmte. Es fehlte nehmlich noch an einem Buche, das
kung der Seele auf ihre Organe unbestimmt Bewegungen, und vermittelst den Innhalt der Kritik der reinen Vernunft weder zu unvollstandig noch
deren auch unbestimmt sinnl. Vorstellungen imaginarisch erneuert wer- zu weitlaufig vortrug, und die wechselseitige Beziehung aller griissern und
den kiinnen, 3. Hiugnen wir nicht, dall wenn einmal der Seele eine sinnli- kleinern Theile derselben aufeinander sichtbar genug darstellte, urn die
che Vorstellung gegeben ist, von welcher sie weis, dall andere damit nach Ubersicht des Ganzen zu erleichtern, und zurn ausfiihrlichen Vortrag ofte-
den Associationsgesetzen in Verbindung stehen, dall sie, sagen wir, durch re Winke und genugsame Materialien zu geben. Da Herr Schmid bei dem
vorsetzliche Richtung ihrer Aufrnerksamkeit auf die Gelegenheitsvor- ersten akademischen Vortrag der Vernunftkritik die schatzbaren Erlaute-
stellung, also durch Belebung der dabey zum Grunde liegenden Bewe- rungen des Herrn Hofpredigers Schulze als ein Lehrbuch gebrauchte, so
gung, andere Bewegungen, und vermittelst deren auch andere associirte fand er bald, dall dieses Buch, seiner ganzen Einrichtung nach, nicht fiir
Vorstellungen erwecken kiinne. [15] Aber das laugnen wir 4. dall die Seele, den akademischen Gebrauch geschrieben sey. Und so entschloll er sich
durch eine Vorstellung, deren sie sich noch gar nicht bewullt ist, welche selbst, ein Handbuch zu verfertigen, welches so ausgefallen ist, dall es we-
486 ttiblngifdje gefebtte ~n;elgen- 25. Januar 1787 iNe ~e[uftate bet i\acobifdjen unb 'lJlenbef~fobnifdjen 'llbifo[opbie 487
gen seiner Deutlichkeit und fruchtbaren Kiirze allen Freunden der Kanti· der Sprache zu wenig Bestimtheit, in den Hauptbegriffen zu wenig Praci-
schen Philosophie willkommen seyn muB. Das beigefiigte Wiirterbuch sion, und in den wesentlichsten SchliiBen zu wenig Biindigkeit ist. Diesen
zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften abzufassen, ward Herr S. BeweiB so vollstandig zu fiihren, als er sich fiihren IieBe, erlauben die
zuerst durch sein eignes Bediirfnill angetrieben. In der That muB es aber Granzen dieser Blatter nicht. Wir schrancken uns also darauf ein, einige
auch jedem Liebhaber des Kantischen Systems angenehm seyn, bier einige Proben auszuzeichnen, die zugleich dienen kiinnen, unsere Leser mit dem
Bogen zu erhalten, worinn die Bedeutung jedes technischen Ausdrucks in Wesentlichsten des Inhalts dieser wichtigen Schrift bekannt zu machen.
der Kantischen Philosophie gesammelt, und zugleich die Hauptstellen be- S. 84 ff. bietet der Verf. allen seinen metaphysischen Scharfsinn auf, urn
merkt sind, wo man Erkllirungen und Erlauterungen eines Begriffs oder nach Jacobi's Idee zu beweisen, daB nicht nur aile gewiihnliche Beweise
Satzes antrifft, und sich durch deren Vergleichung unter sich selbst man- fiir die Existenz Gottes nicht beweisend, und das ganze System der Endur-
che dunkel scheinende Stelle aufhellen kann. Die haufigen Citaten darinn sachen unverniinftig, sondern auch daB selbst der Begrif von Gott, so wie
geben zwar einen etwas widrigen Anblick, aber sie gehiirten zum Zwecke man ibn in der natiirlichen und positiven Theologie bestimt, etwas wider-
dieses Wiirterbuchs, und waren also nothwendig. Eigne Betrachtungen hat sprechendes enthalte; und dill glaubt er so biindig dargethan zu haben, daB
Herr S. vorsetzlich nur wenige einfliessen lassen, theils urn kein weitlaufi- er S. 142. im Tone der vollkommensten Uberzeugung ausruft: So wiire es
ges Werk daraus [29] zu machen, theils wei! er seinen eignen Gedanken denn um das System der Endursachen vollig gethan: so fohrte uns die Demon-
keinen solchen Werth beilegte, daB er sie der iiffentlichen Bekannt- stration geraden Weges zum Fatalismus und Atheismus. Aber durch einen
machung wiirdig hielt. Philosophie, als Wissenschaft, hat nun zwar durch ganz unbegreiflichen Sprung - durch einen salta mortale, deBen Miiglich-
gegenwiirtiges Werk nichts gewonnen, wei! Erweiterung derselben nicht keit kaum psychologisch erklarbar ist, kehrt er denn doch wieder zum
der Zweck desselben ist; es kann kein neues Licht befiirdern, aber es kann Glauben an die Existenz Gottes zurtick, und will seine Leser mit sich zu
doch ihr Studium und das niitzliche Lesen einiger ihrer wichtigsten Pro- diesem Glauben zuriick fiihren - will auf einem andern Grund wieder
dukte befiirdern, es kann die bier und da zerstreute Lichtstrahlen sam- aufhauen, was er niedergerissen hat, ohne daran zu dencken, daB er sich
meln, und manchem Auge sichtbarer machen. durch die Art, wie er niederries, jedes Wiederaufhauen ganz unmiiglich
gemacht hat. Erscheinung, Begebenhei~ 0./fenbarung und Zeugnift S. 184 -
diB soli die Quelle seyn, aus der wir Uberzeu{59]gung von der Existenz
des Wesens schiipfen kiinnen, deBen Nichtexistenz nach den obigen Voraus-
~cip5ig. sezungen aufs strengste demonstrirt werden kan. Und was hieB diB wohl
Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnischen Philosophie, kritisch anders, als den ersten Grundsaz alles menschlichen Denckens, den Saz des
untersucht von einem Freywilligen. 1786. 255 S. in 8. Diese Schrift zeichnet Widerspruchs aufheben? Doch - der Verf. unterscheidt vielleicht den Be-
sich nicht bios durch das Interessante des Gegenstandes, den sie bearbeitet, grif von Gott, deBen Realitiit er widerlegt zu haben glaubt, von dem,
aus; sondern sie enthalt auch so viele unverkennbare Spuren von Scharf- deBen Realitlit durch altere Traditionen von Offenbarungen beglaubigt
sinn sowohl als von Empfindung fiir das Wahre, Edle und Gute, daB sie werden solle. Und wirklich scheinen einige Stellen seiner Schrift diese Ver-
nothwendig bey jedem unbefangenen philosophischen Leser ein Gefiihl muthung zu begiinstigen (z. B. S. 141. 292. u. s. w.), wenn es ibm schon
von Hochachtung fiir den Verf. erregen muB. Auch besitzt dieser das Ta- nicht gefallen hat, sich irgendwo bestimt dariiber zu erklliren, was er sich
lent, die trockensten Wahrheiten in ein liebliches Gewand zu hiillen, und denn fiir einen Gott dencke. Aber sein eigener Begrif von Gott mag seyn,
die paradoxesten Saze in ein vortheilhaftes Licht zu stellen, in einem so ho- welcher er will, so laBen sich doch wohl in keinem Fall seine Behauptun-
hen Grade, daB er in Absicht auf Darstellungsart mit Hrn Jacobi und gen in Ubereinstimmung mit sich selbst bringen. U nterscheidet sich seine
Herder ganz parallel gesezt zu werden verdient. Aber seine Darstellungs- Idee von der philosophischen dadurch, daB er einen oder mehrere Haupt-
art, und die ganze Manier, nach der er philosophische Ideen behandelt, bestandtheile von der lezteren wegschneidt, so stimmt seine Idee, die wir
hat auch beynahe in gleichem Maase aile Fehler und Unvollkommenhei- dann gern ibm allein iiberlassen wollen, theils mit den alteren Schriften,
ten der Herderischen und Jacobischen. Denn es Ialit sich bis zur [58] Evi- auf denen sein historischer Glauben beruht, theils mit dem neuen Testa-
denz beweisen, daB in dem Ganzen zu wenig Ordnung und Harmonie, in ment, das er doch fiir wahr zu halten versichert, nicht iiberein. Besteht
488
r
~ti6ingifcve gefevrte :?ln;elgen - 25. Januar 1787 il.)ie Cllefuftate ber 3aco6ifd)en unb 'lllenbel~fovnifd)en 'P6ifofop61e 489
aber der Unterschied nur darinn, dail sein Begrif mehr, als der philosophi-
sche, enthiilt (und diG ist wohl der wahrscheinlichste Fall); dann miiBen
wohl auch in seinen Begriffen alle die Widerspriiche liegen, die er in dem
I in ihren ersten Griinden erschiittert werde. - Als Probe von der Unbe-
stimtheit in Sprache und Begriffen, die uns in einer Menge von Stellen
auffiel, fiihren wir nur das einzige an, dail der Verf. mit den Worten:
Philosophischen zu finden glaubt. Es ist vielleicht eine zu weit getriebene Offenbarung und Glauben, auf eine fiir den Leser iiuBerst liistige Art spielt
B!lligkeit, wenn wir zum Vortheil des Verf. die Conjectur annehmen, dail - dail er beyden Ausdriicken bald diesen, bald einen andern Sinn unter-
d1e angefiihrten widersprechenden Behauptungen bloB widersprechende legt, ohne irgendwo die verschiedene Bedeutungen derselben bestimt und
Ausdriicke seyen, wenn wir annehmen, er habe bios dill sagen wol{60]len: deutlich auseinander zu sezen. Das einemal nimmt er Offenbarung in dem
die Existenz Gottes sey aus bloBen Vernunftgriinden nicht erweillbar, und miiglich-ausgedehntesten - in einem solchen Sinn, in welchem aile miigli-
das System der Endursachen gegen Spinoza's Einwiirfe nicht gesichert. che Erkenntnill des Menschen auf Offenbarung zuriickgefiihrt, und Glau-
Aber selbst diese Voraussezung ist noch nicht hinreichend, urn alles !neon· ben an Offenbarung genannt werden kan; und das anderemal scheint er
sequente aus der Philosophie des Verf. wegzuriiumen. Denn wir begreifen den Umfang jenes Begriffes auf das einzuschriincken, was man im gewohn-
schlechterdings nicht, wie der historische BeweiB, auf den er die Oberzeu- lichen Sprachgebrauche Offenbarung nennt. Auch enthiilt die allgemeine
gung von Gottes Daseyn einzig griinden will, irgend eine Consistenz Erklarung, die er S. 64. von dem Wort Offenbarung gibt, etwas, das noth-
haben kan, wenn die Spinozischen Einwiirfe gegen das System der Endur- wendig auf eine Inconsequenz in seinem Gedanckensystem hinfiihrt.
sachen giiltig seyn sollen. Lailen sich denn nicht diesel ben Griinde, durch Denn aus jener Erkliirung verglichen mit seiner Idee vom historischen
die Spinoza und der Verf. selbst den physicotheologischen BeweiB zu Glauben [62] der Existenz Gottes, folgt nothwendig, dail er selbst sich
untergraben sucht, auch auf jene ausserordentliche 1batsachen, auf jene eben so gut in einem Cirkel herum dreht, als es nach seiner Meinung
Wirckungen und Erscheinungen Gottes, von denen die ersten Begriffe der (S. 68 f.) der dogmatische Theologe thut. Oberhaupt scheint die U nbe-
Menschen von der Gottheit herstammen sollen, anwenden? Oder was stimtheit der Sprache und die oft mehr als rednerische Einkleidung der
liegt denn bey dem SchluBe, der aus diesen gezogen wird, fiir ein Principi- Ideen den Verf. zu manchen widersprechenden oder doch widerspre-
um zum Grunde, wenn es nicht dailelbe ist, auf das sich der physicotheo- chend-scheinenden Behauptungen und zu manchen Schliissen verleitet zu
logische BeweiB stiizt? Wenn der SchluB von harmonisch-zweckmiiBigen haben, die bey allem Anschein von Biindigkeit doch nicht Biindigkeit ge-
Wirckungen auf eine verstiindige, nach Endabsichten handelnde, Ursache nug haben. Vermuthlich war diG auch zum Theil der Fall in Absicht auf
nicht giiltig seyn soli, wie liiBt sich dann in aller Welt aus jenen ausseror- die SchliiBe, durch die er S. 44 ff. nach Jacobi's Vorgang den cosmologt-
dentlichen Thatsachen und Erscheinungen, auf die sich der Glaube des schen und physicotheologischen Beweill vom Daseyn Gottes zu entkriif-
Verf. bezieht, Verstand und Willen Gottes folgern? Wenn alle Wirckungen ten, und den Spinozismus als die consequenteste Metaphysik aufzustellen
nach der Spinozischen Logik, die der Verf. in dem ersten Abschnitt zu der sucht. Gegen einzelne Mendelssohnische Ausspriiche macht er freylich in
seinigen macht, auf blindwirckende Ursachen zuriick gefiihrt werden kon- diesem Abschnitt sowohl als in manchen andern Stellen manche treffende
nen, wie soli man denn durch die Erscheinung auf Sinai u. a. auf die Idee Erinnerungen, die selbst Mendelssohns Scharfsinn schwerlich befriedigend
einer freywirckenden Ursache geleitet werden? Miigen immerhin die alte- zu beantworten im Stande seyn wiirde. Aber dail von allen den SchliiBen,
sten Menschen diesen SchluB gemacht haben; was will denn der V. [61] die die Sache selbst betreffen - dail von allen den SchliiBen (S. 84 ff.),
dem antworten, der diesen SchluB fiir eine Tiiuschung erkliirt? Miigen im- durch welche die gewohnliche Beweise vom Daseyn Gottes umgestoBen
merhin die iiltesten Menschen von ausserordentlichen Wiirckungen den und der Spinozismus demonstrirt seyn solle, kein einziger SchluBkraft ge-
Begrif einer von der Natur verschiedenen und iiber die Natur erhabenen nug habe, dill verbiirgen wir uns gegen den Verf. erweisen zu kiinnen, und
Ursache abstrahirt haben, wie wird denn wohl der Verf. die Richtigkeit diG wiirden wir wircklich vollstiindig erweisen, wenn es unser gegenwiirti-
dieser Abstraction rechtfertigen, wie die Voraussezung erweisen, dail aus- ger Zweck erlaubte. Gegenwiirtig miiGen wir uns damit begniigen, nur ei-
serordentliche Wirckungen nicht Naturwirckungen seyn konnen? Wir nige Wincke zur weiteren Priifung zu geben. Schon die Bestimmung der
glauben genug gesagt zu haben, urn unsere Leser auf das lnconsequente der Hauptfrage, die S. 86. vorkomt, ist fehlerhaft. Denn offenbar sind diese
Philosophie des Verf. aufmercksam zu machen, und zu dem Gedancken beyden Fragen: MuG die Entstehung der Welt aus Endursachen erkliirt wer-
hinzuleiten, dail durch eine solche Philosophie aile Theorie von Wahrheit den? und denn: Hat Gott eine [63] absolute transcendentale Freyheit? zwey
490 91eue telp;lger \Befe~rte ,3eltungen - 27. Januar 1787 QlJ e16 ~au pt ilbee 'l11ateriali6mu6 unb Jbeali6mu6 491
ganz verschiedene Fragen. Man kan die erstere bejahend beantworten, der Idealismus noch nicht unumstoB!ich dargethan, und dann wird er auch
ohne dall daraus auf Bejahung der leztern geschloBen werden kan. Man nimmer unwidersprechlich erwiesen werden kiinnen, welches aile die his-
kan das leztere verneinen, und doch, ohne inconsequent zu seyn, das her fruchtlosen Versuche glaubwiirdig machen. Dann kann der Materialist
erstere bejahen. DaB diese Verwirrung auch auf die Argumentationen des ja wohl mit eben dem Rechte die Seele nur bloB fur eine Idee halten, mit
Verf. EinfluB babe, wird man sich Ieicht dencken kiinnen. Aber es ist welchen der Idealist die Materie bloB fur Idee oder Erscheinung halt, und
nicht die einzige, die bey diesen zum Grunde ligt. S. 108. 112. etc. ver- so wird auf beyden Seiten nichts gewonnen. Endlich ist es ganz unmiig-
wechselt der Verf. die Begriffe von Substanz und Accidenz, von Kraft und lich, dall der Idealist durch sein System, das Gebiiude des Materialisten ein-
Wirckung; denn so bald man denckende Substanz von Gedancken, Denck· stiirzen, und ihn zum Schweigen bringen kiinne. Der Idealist disputirt mit
kraft von Actus des Denckens unterscheidet {und diese U nterscheidung fin- dem Materialisten entweder so, dall er sein idealistisches System vor ihm
det man, so vie! wir wissen, bey allen Philosophen); so verschwindet das auffiihrt mit aller Sriirke der Beweise dafur, und ihn dadurch zwingen will,
ganze Blendwerck des SchluBes, durch den der Verf. S. 108. 112. die es fur wahr zu halten, und das seine fur falsch, oder er widerlegt den Mate-
Endursachen weg zu demonstriren suchte. S. 107. behauptet er, dall das rialisten dadurch, dall er die Falschheit der Griinde fur seine Meinung dar-
absolute Daseyn - das Daseyn unabhiingig von Form betrachtet (also das thut, und daraus auf die Falschheit [von] dessen Meinung selbst schlieBt.
Daseyn in abstracto betrachtet), der zureichende Grund von allen Arten des Auf beyden Seiten kann der Idealismus gegen den Materialismus nicht das
Daseyns sey; und folgert daraus, dall der Vertheidiger der Endursachen die geringste gewinnen. Im ersten Faile wird der Materialist dem Idealisten
U ngereimtheit begehe, einen zureichenden Grund vom zureichenden petitionem principii mit Recht vorwerfen kiinnen; denn wenn der Idealist
Grund zu suchen. Wir wiirden Worte und Zeit verschwenden, wenn wir so anfangt, dall er die Materie fur eine bloBe Idee in der Seele oder Er-
das Ungereimte jener Behauptung darthun wollten. Aber ganz unbegreif- scheinung erklart, so setzt er ja den zu erweisenden Satz, - es existirt eine
lich ist es uns, wie der Verf. unmittelbar nach diesen Ungedancken {S. [188] Seele und diese Seele ist eine geistige Substanz, - schon als erwiesen
112.) in Beziehung auf Mendelssohn schreiben konnte: Hier ware es Zeit ge- voraus, welcher erst zu erweisen war: Bey ihm ist die Idee als Idee doch
wesen, sich mit den A usspriichen des gesunden Menschenverstandes zu orienti- nur ein Accidens derjenigen geistigen Substanz, urn deren Existenz gestrit-
ren. - Als eine Schadloshaltung fur diese Stellen kan man eine Menge von ten wird. Ehe erwiesen werden kann, dall die Materie bloBe Idee einer
anderen betrachten, die besonders in dem lezten Abschnitte der Schrift geistigen Substanz oder nur Erscheinung fur selbige sey; so muB doch
vorkommen. [64] Denn dieser enthiilt sicherlich trefliche Beytriige zu dem wohl eher die Existenz der letztern erwiesen werden, ehe man das erste
historischen BeweiB des Daseyns Gottes, die aber doch nur denn ganz ge- behaupten kann. Der Streit wird nicht gefuhrt iiber die Idee als Idee, son-
fallen kiinnen, wenn man sie isolirt betrachtet, und aile die Einwiirfe, die dern dariiber, ob die Ideen, Vorstellungen, Accidenzen der Materie oder
der Verf_ dem System der Endursachen entgegen sezt, als nie gemacht oder einer geistigen Substanz sind. Im andern Faile, wenn man die Falschheit
als aufgeliist ansieht. Denn ein von dem System der Endursachen ganz der materialistischen Meinung aus der Triiglichkeit ihrer Beweise zeigt,
unabhiingiger historischer Erweill vom Daseyn Gottes ist nach unseren und sodann dem Materialisten den Beyfall fur die Seele als einer geistigen
Einsichten nicht wohl miiglich. Substanz abzwingt, so braucht man den Idealismum auch weiter nicht.
Mithin scheint es ausgemacht zu seyn, dail der Idealismus dem Materialis-
mus nichts anhaben kann, sondern dall der letzte durch ganz andere Griin-
de bestritten und widerlegt werden miisse. S.23 heillt es vom Idealisten, .er
nurnberg. leistet der menschlichen Vernunft den graBen und unerkannten Dienst,
Bey Grattenauer: Uber Materialismus und Idealismus. Ein philosophisches dall er aile Irrthiimer aufdeckt und bestreitet, die auf den Satz sich griin-
Fragment von Adam Weishaupt. 1786. S. 125. 8. Der V. sagt S. 16, .es den, als ob unsere sinnliche ErkenntniB das Innere der Sache seye." DieB
gewinnt das Ansehen, dall der Materialismus an dem Idealismus seinen zu entdecken, braucht man weder den Idealisten noch seine Grundsiitze,
stiirksten Gegner habe; dall, wenn die Wahrheit des letztern auf eine un- ein scharfsinniger Kopf fmdet es von selbst ohne Hiilfe des Idealismus,
umstiiB!iche Art kiinnte dargethan werden, der Materialismus vom Grund und der Chemiker weiB es, ohne den Idealisten und sein System zu ken-
aus zernichtet wiirde." Rec. miichte dieB nicht behaupten; denn erstlich ist nen. Der Verf. unterscheidet den Idealismus in der engen und weiten Be-
492 91eue ~eip;iget \!lde~tte 3eitungen - 27. Januar 1787
r 'lll ei ~~au pt tibet Wlatetiali~m~ unb Jbeali~mu~ 493
deutung: Nach fen em ist die ganze Kiirperwelt, aile Materie nichts mehr offenbaren: dall also Wahrheit bloll etwas subjectivisches, individuelles,
als Idee, nicht reel existirend, alles was ist, bestehet in geistigen Wesen; relatives zugleich sey: dall einem jeden Verschiedenen vermiige seiner ver-
Nach dies em, welchem der Verf. zugethan ist, existiren nicht nur Geister, schiedenen Receptivitat der nahmliche Gegenstand anders erscheinen
sondern auch Materie und Kiirper als reel: nur dall wir mit unsern Sinnen miisse, und diese Erscheinung fur ihn Wahrheit sey, wei! er ihn so empfin-
und ihrer Receptivitat weder ihr Wesen kennen, noch gewill sind, ob die det, wie die Organisation seiner Sinne ihm denselben darstellen mull. Dall
Beschaffenheiten der Materie wirklich so sind, wie wir sie mit [189] unsern also in sich keine Sonne, Mond, Sterne, Erden, Menschen, Thiere, Erde,
Sinnen wahrnehmen. Kiirper, Materie, Ausdehnung, als solche betrach- Feuer, Luft und Wasser sey, sondern nur fUr uns alles dieses, und nur fUr
tet, sind nur Erscheinungen, durch welche die geistigen Kriifte, (ob der uns so lange, als wir so organisirt sind, diese Lage in der Welt, diese Recep-
Verf. darunter selbststandige geistige Substanzen, oder wie es scheint, Kriif- tivitat haben, dall auch selbst allen mathematischen Wahrheiten nur so
te, die fur sich selbst bestehen, ohne in der Materie zu subsistiren, versteht, lang und in so fern Gewillheit und Dauer zukomme, wei! aile Ausdeh-
dariiber hat er sich entweder gar nicht oder doch nicht deutlich und be- nung und Griillen blolle Erscheinungen sind. Mithin giebt es fur uns
stimmt genug erkliirt: das letzte zu behaupten - welches er zu thun keine andere als nur relative Wahrheit; folglich so vielfache Wahrheit als
scheint, indem er S. 40 diese Kriifte von den Eigenschaften reeller Dinge Organisationen: Urn nun zu erweisen, dall mit veriinderten Organen uns
unterscheidet, und diese Eigenschaften fiir Wirkungen jener Kriifte, also der nahmliche Gegenstand anders vorkommen miisse, beruft sich der V.
nicht selbst fur Kriifte ausgiebt, - ware sehr milllich, denn so hatte er ja erstlich auf das Beyspiel von einem Blindgebohrnen, dem bey erlangtem
fur kein Subject gesorgt, in welchem diese Kriifte subsistiren kiinnten, Gesichte die Sonne erscheint, die er vorher nur durch sein GefUhi von
ohne welches sie doch als inkomplete Dinge nicht existiren kiinnen, das ihrer Warme kannte; hier soli also mit einem neuen Sinne eine andere Er-
hielle ja sonst ein Priidicat annehmen, ohne ein Subject;) unsere Sinne von scheinung der nahmlichen Sache geschehen seyn. Der V. scheint hier in
ihrer Existenz und Wirksamkeit iiberzeugen, ohne ihr inneres Wesen se- den nahmlichen Fehler einer sprungmalligen Schlullfolge gefallen zu seyn,
hen zu lassen. Mit veriinderten Sinnen wiirde sich uns die Kiirperwelt auch den er S. 39 an den groben Idealisten riigr. Die Sonne war fUr den Blindge-
ganz anders darstellen, und darstellen miissen: z. B. mit einem mikroskopi- bohrnen so gut als nicht existirend, er hatte von der Sonne als Sonne als
schen Augenbau, wiirde uns die Welt samt ihren Theilen ganz anders als einem leuchtenden Wesen noch gar keine Vorstellung, wohl aber von ihrer
jetzt erscheinen. Wenn aile Menschen so organisirt wiiren, der Bau der Warme; wenn also das Beyspiel hatte passen und etwas erweisen sollen, so
meisten Augen mikroskopisch wiire, so ware dann diese Art zu sehen, die hatte miissen daraus geschlossen worden seyn dall nun der Blindgebohrne
allgemeine, die wahre und unsere dermahlige, wiirde sodann zur unge- nach erlangtem Gesichte die [191] Wiirme nicht mehr als Wiirme sondern
wiihnlichen und unregelmalligen. Jedem anders organisirten Wesen wiirde als etwas anders z. B. als Kalte etc. empfinde, wo bleibt aber da der Beweis?
sie nach dessen jedesmahliger Receptivitat auch anders vorkommen. Dall wir aber mit neuen Sinnen neue Gegenstande erkennen werden, ist
Mithin folgt hieraus: "dall diese Erde sowohl als aile iibrige Theile der gar wohl miiglich; allein davon ist jetzt die Rede doch nicht. Der Verf. be-
Welt, an und vor sich, das nicht sind, was sie uns zu seyn scheinen; dall ruft sich zweytens darauf, dall einer mit der gelben Sucht mit einem Tele-
selbst jedem Individuum vermiige seiner verschiedenen Organisation die skop, Mikroskop etc. die Gegenstande anders wahrnehme als ein anderer
Welt anders erscheinen miisse: so ware z. B. ein Baum tausend verschie- im allgemeinen Zustande, und dall wir daher eben so wohl mit der uns ge-
denen Organisationen allezeit etwas anders, wo aber etwas reelles, unsern wiihnlichen und allgemeinen Structur des Auges die Gegenstande anders
Sinnen unerkennbares zum Grunde liege - und doch ein jeder der Ver- erblicken als wie sie wirklich aussehen, und so auch mit den iibrigen
schiedenen richtig und wahr empfinde und urtheile, ohne hintergangen zu Sinnen. Ohne hier zu erinnern, dall von der blollen Miiglichkeit schon
werden. Denn er sieht die Gegenstande, wie es seine Organisation oder die Wirklichkeit geschlossen worden, wollen wir die metaphysische Miig-
Recepti{190]vitat leidet und andere sehen sie auch nicht anders. Dall es lichkeit nicht ablaugnen, aber dem Verf. die Frage zur Beantwortung vor-
also der Philosophien so viele und mancherley gebe, als verschiedentlich legen, ob er eine solche Tauschung mit den moralischen Eigenschaften
organisirte Wesen zur Wirklichkeit gelangen; dall die uns bekannten fUnf Gottes vereinigen kiinne, den er doch selbst fUr den Urheber aller Dinge
Sinne noch lange nicht die letzten und einzigen seyen, durch welche man annimmt: er miillte denn jene fiir menschliche Erfmdung erklaren, und
sich die Welt vorstellen kann, durch welche uns diese innern Kriifte sich als von Menschen auf die Gottheit iibergetragen, weglaugnen wollen.
494 'Jleue 2eip;iger \!lefebrte ,3eltungen- 27. Januar 1787 'Jleue 2eip;iger \!lefebrte ,3eitungen - 6. Februar 1787 495
Nach dem Verf. giebt es also eine dreyfache Art von relativer Wahrheit. dauer nach dem Tode macht, ist treflich, und zugleich sehr erfreulich. Wir
1) Diejenige, welche durch gewisse Abweichungen durch eigene, seltnere sind iiberzeugt da!l nicht Ieicht ein Leser diese Abhandlung ohne Vergnli-
Organisation erkannt wird. Z. B. in der Gelbsucht. 2) Die, welche mit der gen lesen wird; Stof zum Nachdenken giebt sie genug.
allgemeinen menschlichen Art zu empfinden bestatiget wird, und also von
jener verschieden ist. 3) Die, in welcher aile allgemeinen und jene beson-
dern uns bekannten Organisationen iiberein kommen; diese letzte hat
~iga.
dem V. die hochste, ontologische, Wahrheit zu nennen beliebt. Ofters wird
der Verf. sehr unverstandlich durch die verschiedene nicht vorher be- Metaplrysische Anfangsgriinde der Naturwissenschaft von Immanuel Kant.
stimmte Bedeutung der Worte: So hei!lt z. B. wahr bey ihm bald das reel 1786. gr. 8. S; 158. In der Vorrede bestimmt der Verf. zuerst einige zur Ab-
existirende, bald das iiberinstimmende in den Beobachtungen der Seele mit handlung selbst gehorige Begriffe; als die, von Natur, Wesen, Korperlehre,
den Vorstellungen der Sinne, bald das Zusammentreffende der innerlichen Seelenlehre, Wissenschaft, Naturwissenschaft u. s. f. Eigentliche Wissen-
Vorstellung von einem au!lern Gegenstande mit demselben Gegenstande: schaft ist Ihm die, deren Gewi!lheit apodiktisch ist. Erkenntni!l, die blo!le
diese Bedeutungen mull man erst errathen, und dann immer noch zu- empirische Gewillheit enthalten kann, nennt er uneigentliches Wissen.
sehen welche jedesmahl (192] Statt haben konne. Absolute Wahrheit ist (Aber giebt es nicht eine gemischte Erkenntni!lart?) Rationale Naturlehre
nach dem Verf. nur flir Gott; nur der allein kennt die Kriifte und das inne- verdient alsdenn erst den Nahmen einer Wissenschaft, wenn ihre zum
re Wesen der Dinge, und wei!l Realitat vom blo!len Scheine zu unterschei- Grunde gelegten Satze a priori erkannt werden; ihre Erkenntnisse heillen
den. Also ist ihm absolute Wahrheit das, was, an und flir sich, an der reine Naturkenntnisse; und wiefern sie zugleich Erfahrung voraussetzen,
Sache selbst ist. Sie ist diese unsichtbare Kraft (was soli nun hier wieder sich auf diese grlinden, angewandte Naturkenntnisse. Naturwissenschaft
Kraft hei!len?) die uns durch ihre Wirkungen erscheint, auf uns verschie- bedarf einen reinen Theil, auf den sich die apodiktische Gewi!lheit grlin-
dentlich·'wirkt. Sie ist nicht flir diese Sinne, Gestalt, flir diese Weltform, den konne, und dieser macht die Metaphysik der Naturlehre aus. Reine
oder flir Menschen. Sie kann niemahls geandert werden. Diese Kraft, Vernunftkenntni!l aus blo!len Begriffen ist reine Philosophie, oder Meta-
bleibt Kraft, wirkt allezeit, wirkt auf verschiedene Subjecte, auf verschied- physik; dagegen wird die, welche nur auf der Construction der Begtiffe
ne Art, so wie sie es leiden, ihrer Receptivitat gema!l, und wird eben da- vermittelst Darstellung des Gegenstandes in einer Anschauung a priori ihr
durch der Grund und die Quelle aller Erscheinungen und unsrer relativen Erkenntnill grlindet[, Mat!iematik 9enannt]. Hierauf werden die Vortheile be-
Wahrheit. - Diell ist alles, was wir von ihr wissen. Flir Gott giebt es also stimmt, welche die allgemeine Naturlehre von den metaphysischen Theo-
keine Erscheinungen; er kennt z. B. die Handlungen der Menschen nicht rien zu erwarten haben soli. Endlich folgt die Bestimmung der Hauptsrlikc
als solche; oder er mli!lte dazu, sagt der Verf., uns ahnliche Sinne und ke dieser metaphysischen Anfangsgrlinde. Sie sind: die Phoronornie, die
Korper haben. - Wie will er aber diese Folge erweisen? - Er kennt sie Dynamik, die Mechanik und Phanomenologie. Die Abhandlung selbst be-
aber als Wirkungen dieser ihm allein anschaubaren Krafte, die Menschen folgt die mathe{250]matische Methode, obgleich nicht iiberall mit Strenge.
so erscheinen, und vor ihnen nach ihrer Sprache und Art so genennt wer- Phoronomie. Diese betrachtet die Bewegung als ein reines Quantum
den. An sich, also auch flir Gott, giebt es, fahrt er fort, keinen Raum, Zeit, nach seiner Zusammensetzung ohne aile Qualitat des Beweglichen. Mate-
Bewegung, Korper, Ausdehnung, so wie es offenbar flir ihn keine Hitze rie ist das Bewegliche im Raume. Der Raum ist entweder beweglicher,
und Kalte, Licht und Finsternill, keine Schonheit und Ha!llichkeit giebt. oder relativer; oder unbeweglicher, absoluter Raum. Bewegung eines Din-
Das Unbegreifliche seiner Erkenntni!lart, anbey die Nothwendigkeit mit ges ist die Veranderung der au!lern Verhaltnisse desselben zu einem gegebe-
Menschen iiber Gott nach ihrem Fassungsverm6gen zu sprechen, verbun- nen Raume. Die gewohnliche Definition: Bewegung ist die Veranderung
den mit der Armuth unsrer Sprachen, verursachen sehr haufig, daB wir in des Orts (man sollte sagen des raumlichen Orts) erklart der Verf. flir unzu-
den Fehler des Anthropomorphismus fallen. - Der Verf. hat alles gethan, reichend. Denn, sagt er, ein Korper kann sich bewegen, ohne seinen Ort
seiner Behauptung den Schein der Wahrheit zu geben, denn an erforder- zu verandern, wie die Erde, indem sie sich urn ihre Axe dreht. Nur ihr
lichen Scharfsinn und philosophischen Talente iiberhaupt fehlt es ihm Verhaltni!l zum au!lern Raume verandert sich hierbey, denn sie kehrt z. B.
gewi!l nicht. Die Anwendung, die er von seinen Grundsatzen auf die Fort- in 24 Stunden dem Monde ihre verschiedenen Seiten zu (aber sind denn
496 ryjcue £eip;iger l!ltlcQrte ,ilcitungcn - 6. Februar 1787 l!lottingifd)e Qln;eigen Don gtlcQrten ®ad)en - 10. Februar 1787 497
bey dieser Umdrehung nicht die Seiten von einem Orte zum andern fort- es durch die Ausdehnung kleiner. Die Elasticitat, die bloB in Herstellung
geriickt? Haben sie folglich nicht jeden Augenblick ihre vorigen Orter ver- der vorigen Figur besteht, ist jederzeit attractiv, wie,an einer gebogenen
andert?) Ruhe ist beharrliche Gegenwart an demselben Orte. Der V. tadelt Degenklinge, da die Theile auf der convexen Flache auseinander gezerrt
hier den gewohnlichen Begriff von Ruhe, als Abwesenheit der Bewegung ihre vorige Nahheit anzunehmen trachten. (Dehnen sich denn aber die auf
betrachtet. {Der Beweis des V. lehnt sich auf seinen voraus gesetzten Be- der concaven Flache da nicht zugleich?) Mechanik, welche die Materie mit
griff von Bewegung, der Rec. schon aus diesem Grunde nicht iiberzeugt der Qualitat durch ihre eigne Bewegung gegen einander [252] in Relation
hat. Ist Bewegung Veriinderung des riiumlichen Orts; so folgt durch einen betrachtet. Materie ist das Bewegliche, so fern es, als ein solches, bewe-
SchluB vi oppositorum, daB Ruhe Abwesenheit dieser Veriinderung seyn gende Kraft hat. Der bloB dynamische Begriff konnte die Materie auch in
miisse.) Dynamik: diese zieht die Bewegung als zur Qualitat der Materie Ruhe betrachten; die bewegende Kraft betraf da bloB die Erfiillung eines
gehorig in Erwegung. Materie ist das bewegliche, so fern es einen Raum gewissen Raums, ohne daB die Materie, die ihn erfiillt, selbst als bewegt
erfiillt. Einen Raum erfiillen heillt: allem beweglichen widerstehen, das angesehn werden durfte. Die ZuriickstoBung war daher eine urspriinglich
durch seine Bewegung in einen gewissen Raume einzudringen bestrebt ist. bewegende Kraft urn Bewegung zu ertheilen, dagegen wird in der Mecha-
Die Materie erfiillt einen Raum nicht durch ihre bloBe Existenz, sondern nik die Kraft einer in Bewegung gesetzten Materie betrachtet, urn diese Be-
durch eine besondere bewegende Kraft. {Aber da die Begriffe von Materie wegung einer andern mitzutheilen. Die Quantitat der Materie kann in
und Kiirper den von Bewegkraft schlechterdings nicht involviren; Kiirper Vergleichung mit jeder andern nur durch die Quantitat der Bewegung bey
und Materie aber, die keinen Raum erfiillen sollten, schlechthin undenk- gegebener Geschwindigkeit geschatzt werden. DieB ist ein merkwiirdiger
bar sind, so glaubt Recens. daB die Lam{251]bertsche Theorie die der Verf. und ein Fundamental-Satz der allgemeinen Mechanik. Bey allen Veriinde-
gleich darauf tadelt, wenigstens in der bestimmten Riicksicht, nichts irri- rungen der kiirperlichen Natur bleibt die Quantitat der Materie im Gan-
ges enthalte.) Die Materie ist ins Unendliche theilbar, und zwar in Theile, zen dieselbe, unvermehrt und unvermindert. DieB ist das erste Gesetz der
deren jeder wieder Materie ist. Den Beweis fiir diesen Lehrsatz fiihrt der Mechanik. Das zweyte: Aile Veriinderung der Materie hat eine auBere
Verf. aus der unendlichen Theilbarkeit des Raums. (Von der physischen Ursache. DieB Gesetz muB allein das Gesetz der Triigheit {lex inertiae)
Theilbarkeit kann hier wohl nicht die Rede seyn; sonst ware von der idea- genannt werden. Aile Materie, als solche, ist leblos, das sagt nach dem
len oder mathematischen Theilung auf die reelle oder physische geschlos- Verf. das Gesetz der Triigheit, und nichts mehr. Das dritte Gesetz. In aller
sen. Der Vordersatz: was mathematisch theilbar ist, muB auch physisch Mittheilung der Bewegung sind Wirkung und Gegenwirkung einander
theilbar seyn, ist ein bloBes Theorem, das erst seinen eignen Beweis for- gleich. Phaenomenologie, die Bewegung und Ruhe bloB in Beziehung auf
dert. Hieriiber erklart sich der Verf. in der zugesetzten Anmerkung gegen die Vorstellungsart oder Modalitat, mithin als Erscheinung auBerer Sinne
die Monadisten ausfiihrlich.) Die Wirkung einer Materie auf die andere bestimmt. Die Begriffe und die Hauptsatze dieses Theils, der nur aus eini-
auBer der Beriihrung ist die Wirkung in die Ferne (actio in distans?); diese gen Blattern besteht, und die nicht wohl Aushebung erlauben, miissen wir
Wirkung in die Ferne, die auch ohne Vermittelung zwischen inneliegen- den Lesern dieser Kantischen Schrift iiberlassen.
der Materie miiglich ist, heillt die unmittelbare Wirkung in die Ferne. Sich
unmittelbar auBer der Beriihrung anziehen heiBt, sich einander nach
einem bestandigen Gesetze nahern, ohne daB eine Kraft der Zuriicksto-
~eip5ig.
Bung darzu die Bedingung enthalte. (Diese Annaherung ist der Effect; ob
aber die physische U rsache darzu in den sich nahernden Korpern, oder Bey Heinsius: Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden, oder aller
auBer ihnen existire, das ist nicht die hier vorkommende mathematische speculativen Beweise fiir das Daseyn Gottes in Vorlesungen von Lud.
Frage. Im physischen Sinne ist keine unmittelbare actio in distans miiglich.) Heinr. jacob, Doctor der Philosophie in Halle. 1786. 334 Seiten Octav. Der
Elasticitat nennt der Verf. das Vermogen einer Materie ihre durch eine Verf. ist ein geschickter Epitomator und groBer Verehrer der Kantischen
andre bewegende Kraft veriinderte GroBe oder Gestalt, bey Nachlassung Philosophie. Die einzige Kritik, sagt er, wiegt alles auf, was seit dem Plato
derselben wiederum anzunehmen. Sie ist expansiv oder attractiv. Nach und Aristoteles in der Metaphysik geschrieben ist; nunmehr erst haben die
jener vergriiBert sich das zusammen gedruckte Volumen, nach dieser wird metaphysischen Untersuchungen die gehorige Richtung erhalten; und
498 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 17. Februar 1787 J akobs Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden 499
man kann von Hrn. Kan~ wie vom Sokrates, mit allem Rechte sagen, daB I-XLVIII setzt er sowohl die Wichtigkeit der Kantschen Kritik, als das
er die Philosophie vom Himmel auf die Erde gerufen habe. - Uberhaupt unriihmliche Betragen so mancher Philosophen, die, statt sie zu lesen,
scheint der Verf. nur zwo Arten von Philosophie zu kennen oder zu durchzudenken und zu priifen, Iieber den falschen Weg wahlen, sie zu ver-
achten; die Wolfianisch-demonstrative und die Kantisch-kritische. Nach unglimpfen, sehr gut aus einander. Nach dieser folgen bis S. LX. einige
einer kurzen, deutlich und schon vorgetragenen Einleitung in die (239] dem Hn. Vf. mitgetheilte kurze, aber desto wichtigere Bemerkungen von
Kantische Philosophie, Hingt er an, gegen Mendelssohn zu disputiren, mit Hn. Prof. Kant. In denselben zeigt er zuerst, wie bey der Frage iiber das
der dem seL Manne gebiihrenden Achtung. Und aus zwey Grunden weifl Daseyn Gottes der Dogmatismus der guten Sache fast mehr nachtheilig, als
er sich manchen Sieg iiber ihn zu verschaffen; einmal wei! Mendelssohn forderlich sey; die Kritik dagegen dieselbe aufs festeste (390] griinde. Die
auf Griinde baut, die wirklich die Priifung nicht aushalten, wie wir bey Stelle ist zu schatzbar und bemerkenswerth, als daB wir sie unsern Lesern
unserer Anzeige der Morgenstunden ebenfalls bemerklich machten; so- vorenthalten konnten .•Man mufl, sagt Hr. Kant, am Ende doch auf den
dann wei! er auf Kantische Grundsatze, als auf unstreitige Wahrheiten, Satz, (es ist ein Gott,) es sey durch welchen Weg es wolle, kommen, wei!
baut, wei! sie ihm so scheinen. Uber diese Grundsatze hier etwas anzu- Vernunft ihr selbst ohne dense/ben niemals vollig Gnuge leisten kann. Allein
merken, kann Rec. urn so weniger sich erlauben, da seine ausfiihrliche es tritt hier eine wichtige Bedenklichkeit in Ansehung des Weges ein, den
Priifung derselben nachstens die Presse verlassen wird. Wie ihn iibrigens man einschlagt. Denn rliumt man der reinen Vernunft in ihrem speculati-
nie eine Verschiedenheit der Meynungen, wie grofl sie auch ware, hindern ven Gebrauch einmal das Vermogen ein, sich iiber die Grenzen des Sinnli-
wird, .die Talente eines Schriftstellers zu erkennen: so hat er auch in die- chen hinaus durch Einsichten zu erweitern, so ist es nicht mehr moglich,
sem Verf., den nur noch zu wenige Vergleichung oder zu viele Lebhaftig- sie bios auf diesen Gegenstand einzuschrlinken; und nicht genug, d:ill sie
keit verleitet, gegen manches allzuhart und unrichtig sich auszudriicken, alsdenn fiir aile Schwarmerey ein weites Feld geofnet findet, so traut sie
vortreffliche Anlagen zum Denker und Schriftsteller mit Vergniigen bc- sich auch zu, selbst iiber die Moglichkeit eines hochsten Wesens, (nach
merkt. Von Hrn. Kant selbst sind einige Bemerkungen iiber eine Mendels- demjenigen Begriffe, den die Religion braucht) zu entscheiden, - wie wir
sohnsche Stelle, die Erkenntnift dessen, was Dinge an sich sind, betreffend, davon an Spinoza und selbst zu unserer Zeit Beyspiele antreffen, - und so
auf 12 Seiten eingeriickt. durch angem:illten Dogmatismus jenen Satz mit eben der Kiihnheit zu
sturzen, mit welcher man ihn errichten zu konnen sich geriihmt hat; statt
dessen, wenn diesem in Ansehung des Ubersinnlichen durch strenge
Kritik die Fliigel beschnitten werden, jener Glaube in einer praktisch
LEIPZIG, bey Heinsius: Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden
wohlgegriindeten, theoretisch aber unwiderleglichen Voraussetzung vollig
oder alter spekulativen Beweise fur das Daseyn Gottes in Vorlesungen von
gesichert seyn kann." Aufler diesem widerlegt Hr. Kant noch ein paar
Ludwig Heinrich Jakob, Doctor der Philosophie in Halle, nebst einer
Hauptmaximen des Hrn. Mendelssohn, den Streit entweder giitlich beyzu-
Abhandlung von Hn. Prof. Kant. 1786. 394 S. 8. (1 rthlr.)
legen, oder ihn abzuweisen, als ob nemlich erstens aile Streitigkeiten der
ie apodiktisch-dogmatische Form, in welcher Mendelssohn die spe-
D culativen Beweise fiir das Daseyn Gottes in seinen Morgenstunden
aufstellt, schien die offenbarste Widerlegung der Kantschen Grenzbestim-
philosophischen Schulen fiir blofle Wortstreitigkeiten zu erklliren, oder
doch wenigstens urspriinglich von Wortstreitigkeiten herzuleiten wliren,
und zweytens die Frage, was ein Ding an sich selbst sey, weiter keinen Ver-
mung unserer Vernunft durch die That selbst zu seyn. Laflt es sich aber stand habe, sobald man gesagt hat, was er wirkt, oder leidet, bey aller
deutlich erweisen, daB dieses Unternehmen dem verewigten Philosophen Kiirze auf eine sehr einleuchtende Weise. Die hierauf folgende Abhand-
vollig mislungen ist; so ist dieses dagegen die stlirkste Bestatigung des Kant- I
lung des Hn. Jakob selbst, ist in vierzehn Vorlesungen abgetheilt. In den
scherr Systems durch die That selbst, indem man von einem Mendelssohn sieben ersten giebt er S. 1-158, eine Ubersicht der Kantschen Theorie von
Ieicht denken kann, dafl er jene Beweise gewifl in ihrer ganzen Starke vor- I Sinnlichkeit und Verstand, fulglich von Raum und Zeit, von den Katego-
getragen habe. Dieses sucht nun Hr. jacob, ohne sich dabey in die Mendels- rieen, und ihrer Beziehung auf Gegenstande und von den Grundslitzen des
sohnschen Streitigkeiten mit Hn. Jacobi einzulassen, eben so bescheiden
als griindlich darzuthun. In der ausfiihrlichen lesenswerthen Vorrede S.
I reinen Verstandes, urn dadurch das Richtmaafl zur Beurtheilung der Mor-
genstunden festzusetzen. Er gesteht selhst, d:ill sich hier nichts Neues
500 91eue ~eip;lger <Befe~rte ,3eitungen - 20. Februar 1787 <Bot~aifdje gefe~rte ,3eltungen- 24. Februar 1787 50!
sagen lasse, wei! eine K.ritik so vollstandig seyn mull, dall nichts hinzu- stimmungen? Nach dem Verfasser aber ist also auch die Definition mit
zusetzen bleibt, sondern seine Absicht ist bloll die, einige Hauptpunkte ihrem Definito kein Satz. So wie nun des Verf. Grundsatz willkiihrlich ist,
mehr ans Licht zu bringen, und dem Vortrage mehr Popularitat zu geben. so miissen ganz natiirlich auch aile daraus gezogene Folgerungen von glei-
Dieses ist besonders durch manche beygebrachte Beyspiele geschehen, hie cher Natur und Werthe seyn. Am Ende kiimmt der Verf. auf den Satz des
und da aber hat er auch kein Bedenken getragen, die eigenen Worte des Widerspruches, den er auch fiir keinen Satz halt, und der deshalben auch
Hn. Kant oder Schulz zu gebrauchen. In den iibrigen Vorlesungen S. nicht als Grundsatz aufgestellt werden konne: ob dem so sey, kann der
159-322 deckt er hierauf das Fehlerhafte in den Mendelssohnschen Axio- Leser von selbst Ieicht entscheiden. [...]
men und Beweisen klar und hinreichend auf. Endlich ist nach S. 323-334
ein Anhang beygefiigt, worin er wider [391] Hn. Platner zeigt, wie sehr die
Kantsche Theorie von Raum und Zeit sich von der Leibnitzischen unter-
~eip&ig.
scheide, und wie letztrer durch jene vollig iiber den Haufen geworfen
werde. Die Griindlichkeit und Deutlichkeit des Vortrags bezeichnen Hn. Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden, oder aller spekulativen
Jakob als einen Mann, der in seiner philosophischen Laufbahn aile Auf- Beweise for das Daseyn Gottes, in Vorlesungen, von Ludw. Heinrich Jakob,
munterung verdient. Doctor der Philosophie in Halle. Nebst einer Abhandlung von Herrn Pro-
fessor Kant. 1786. Bey Joh. Sam. Heinsius. Die Vorrede und Hrn. Kants
Abhandlung nehmen LX, und die Vorlesungen selbst, nebst einem An-
hange 334 Seiten 8. ein. (1 rthlr.) Herr Jakob hat hier das beriihmte
.t!.eip3ig. Mendelssohnsche Werk nach Kantischen Grundsatzen in der Kritik der
In der Miillerischen Buchhandlung: Philosophische Unterhaleungen. Er- reinen Vernunft gepriift, und ist dabey mit so vie! Ordnung, Genauigkeit
ster Band, 1786. kl. 8. S. 222 mit Lateinischen Lettern. Sechs Unterhaltun- und Deutlichkeit sowohl in Darstellung der auf die Beweise vom Daseyn
gen sind in diesem Bandchen enthalten: [...] 3) Uber Kants Prolegomena Gottes sich beziehenden Kantischen Grundsatze, als auch bey der Priifung
zu einer jeden kiinftigen Metaphysik. Dem Verf. gab der zweyte Paragraph dieser Beweise selbst, zu Werke ~egangen, dall er die Aufmerksamkeit der
dieser Prolegomenen Anlall, wo Kant vom analytischen und syntheti- Philosophen vorziiglich verdien •. In der 48 S. Iangen Vorrede redet der
schen Satze spricht. Dem Verf. verdienen nur die syn{347]thetischen Satze Hr. Verfasser von der Absicht des gegenwartigen Buchs, zeiget den Zweck,
den Nahmen der Satze, wei! es nach seiner Behauptung zur Natur eines Nutzen und die Griinzen der Kritik der reinen Vernunft, und widerlegt
Satzes gehiirt, dall zu einem Begriffe ein anderer Begriff gebracht werde, da einige den allgemeinern Gebrauch derselben hindernde Vorurtheile gegen
nun diell in dem analytischen oder identischen Satze nicht geschehe, so soli, dieselbe, besonders das, dall sie unverstandlich sey, nichts Neues enthalte,
seiner Meynung nach, auch dies kein Satz seyn. Wer sieht hier nicht den und alles darin nur auf Veranderung der Worte und Redensarten beruhe.
Wortstreit in willkiihrlichen Voraussetzungen? Welche Verwirrung wird In den darauf folgenden Bemerkungen handelt Hr. Professor Kant von dem
am Ende nicht in den Wissenschaften entstehen, wenn ein jeder Gelehrter Misbrauch der Vernunft in Ansehung iibersinnlicher Gegenstande, und
die Sprache nach seinem Gutdiinken modeln will? Die Gelehrten haben zeigt aus verschiedenen Beyspielen, dall sich der verewigte Mendelssohn in
lange vor dem Verf. gewullt, dall im analytischen oder identischen Satze seinen Morgenstunden einer doppelten Maxime bedienet habe, urn der
kein Begriff zu dem andern gebracht werde, deswegen nennten ihn doch Entscheidung des Streits der reinen Vernunft mit ihr selbst, durch vollstan-
aile einen Satz, und waren dariiber einverstanden. Der Verf. macht also dige Kritik dieses ihres Vermiigens iiberhoben zu seyn, nemlich den Streit
keine neue Entdeckung. Glaubt er aber, die Annahme identischer Satze sey entweder gliicklich beyzulegen, oder ihn, als vor gar keinen Gerichtshof ge-
unniitz, denn er nennt sie ein leeres Zeichenspiel, so suche er beym Ma- hiirig, abzuweisen. Hierauf folgt die Priifung der Morgenstunden selbst in
thematiker hieriiber Belehrung, nicht weniger als bey dem Dialectiker, 14 Vorlesungen, wovon sich die 7 erstern mit einer Darstellung [130] jenes
denn was ist bey denen eine Definition mit ihrem Definito anders als ein wichtigen Theils der Kritik der reinen Vernunft beschaftigen, in welchem
identischer Satz? Wie niitzlich und ganz unentbehrlich ist sie nicht bey der Unterschied der Gegenstande der Sinnlichkeit und des Verstandes ge-
schweren subtilen Untersuchungen in jeder Wissenschaft und ihren Be- zeigt, und die Vollstandigkeit der reinen Begriffe und Grundsatze a priori
502 ®ot9aifdje gele9rte ,3eitungen- 24. Februar 1787 3« f ob6 'J)riifung b" Wlenbef6fo9nfdjen Wlorgen[hmben 503
und ihre Einschriinkung auf die Sinnenwelt erwiesen wird. In den 7 letz- sen; sie sind also Anschauungen. Da sie aber die blosse Form ausmachen,
tern Vorlesungen werden dann die Mendelssohnschen Axiome, seine Dar- und selbst keine Materie enthalten, so sind sie reine Anschauungen, die
stellung des Idealismus, Epikurismus und Spinozismus gepriift, und der a priori in der Vorstellungsfahigkeit der Seele zum Grunde liegen, und
Weg gezeigt, auf welchem ailein die U nstatthaftigkeit dieser Lehren bewie- denen aile empirische Anschauungen unterworfen sind. Aile Handlungen
sen werden kann, worauf dann die spekulativen Beweise fiir das Daseyn des Verstandes, als der zweyten Quelle unserer ErkenntniB, lassen sich auf
Gottes nach der Reihe selbst untersucht, entwickelt und widerlegt werden. Urtheile zuriickfiihren; Verstand ist also ein Vermogen zu urtheilen. So wie es
Alles dieses geschieht mit einer so lichtvollen Deutlichkeit, dall dadurch reine Anschauungen gibt, welche die Formen der Sinnlichkeit ausmachen,
denen, die bisher noch iiber Dunkelheit des Kantischen Systems geklagt Zeit und Raum, so gibt es auch reine Begriffe, welche die Formen des
haben, die Einsicht in dasselbe betriichtlich erleichtert wird, und folglich Denkens sind, durch welche alles Denken erst moglich wird, und unter
diesem Systeme selbst ein desto groBerer Wlirkungskreis daraus erwachsen welchen aile andere Begriffe stehen. Da nun Denken und Urtheilen einer-
muB. Denen von unsern Lesern zu gefallen, die die Kantischen Grundsat- ley ist, so muB es gerade so vie! reine Begriffe oder Kategorien geben, als es
ze, auf welchen die Priifung der Beweise vom Daseyn Gottes beruht, selbst Arten von U rtheilen gibt. Man betrachtet aber bey der Form der U rtheile
noch nicht kennen, oder deutlich eingesehen haben, wollen wir hier aus 1) ihre Qualitat, und dann sind die Urtheile bejahende, verneinende, un-
dem vor uns liegenden Buche das Vorziiglichste davon mittheilen. Die endliche; 2) ihre Quantitat. Dann sind die Urtheile, allgemeine, beson-
menschliche ErkenntniB flieBt aus zwey ganz von einander unterschiede- dere, einzelne; 3) ihre Relation. Dann sind sie kategorische, hypothetische,
nen Quell en, Sinnlichkeit und Verstand. Jene besteht in der Fahigkeit, Ein- disjunktive; 4) endlich ihre Modalitat, dann sind sie problematische, asser-
driicke von den Gegenstanden zu empfangen; diese Eindriicke heissen torische, apodiktische. - Die Kategorien oder reinen Begriffe zerfallen
Anschauungen, und die Gegenstande der Sinnlichkeit Erscheinungen, denn nun in eben so vie! Classen, wei! zu jedem Urtheil ein reiner Begriff ge-
die Anschauungen stellen uns nie die Gegenstande selbst dar. Unsre Sinn- hort, und jene Form also auf den Kategorien beruht. Sie sind: 1) die der
lichkeit ist an die Bedingung, in Zeit und Raum anzuschauen, gebunden; Qualitat. Realitat, Negation, Limitation. 2) Die der Quantitat. Einheit,
wir konnen keine Eindriicke von Gegenstanden empfangen, ohne dall Vielheit, Allheit. 3) Die der Relation. Substanz, Ursach, Gemeinschaft.
sie von den Vorstellungen von Zeit und Raum begleitet waren. Zeit und 4) Die der Modalitat. Moglichkeit, Daseyn, Nothwendigkeit. Diese 4
Raum heissen deshalb Formen der Sinnlichkeit; sie bestimmen die Art und Hauptbegriffe, nebst den 12 Begriffen, die ihre Bestandtheile ausmachen,
Weise, wie die Eindriicke von Gegenstanden, die als die Materie betrachtet enthalten den Vorrath a!Ier Stammbegriffe, welche a priori in unserm Ver-
werden, in uns vorhanden sind. Blosse Anschauungen sind noch keine Er- stande liegen, und aus denen aile unsere mogliche Erkenntnisse zusam-
kenntnisse. Sollen sie es werden, so mlissen sich Begriffe darauf beziehen, mengesetzt werden mlissen. Da aber diese reinen Verstandesbegriffe die
oder sie mlissen gedacht werden. Dieses geschieht mitte!st des Verstandes, blosse Form des Denkens betreffen, so sind sie an sich ganz leer und
denn Sinnlichkeit kann nicht denken. Das Denken ist nur durch Begri/fe haben gar keine Bedeutung. Sollen sie uns also zu einer ErkenntniB ver-
moglich, und so wie Zeit und Raum die Formen der Anschauungen oder helfen, so mlissen sie sich auf Gegenstande beziehen, und da der Verstand
der Sinnlichkeit waren, so sind die Begriffe die Form des Denkens; denn uns keine Gegenstiinde geben kann, sondern nur die Sinnlichkeit durch
die Begriffe bestimmen nur die Art und Weise des Denkens, und sind Anschauungen, so mlissen sich diese Begriffe a priori auf Anschauungen
selbst keine Objekte; es muB ihnen erst ein Objekt gegeben seyn, ausser- beziehen, wenn sie zur ErkenntniB werden sollen. Alles was daher ein
dem sind sie leer. Es gibt aber keine andern Objekte, als Objekte der Gegenstand moglicher Erfahrung seyn soli, muB nicht nur im Raum und
Sinnlichkeit, Anschauungen; soli also ein Begriff Bedeutung haben, so in der Zeit seyn, sondern es muB ihm auch von jeder Klasse der reinen Be-
muB er sich auf Objekte der Sinnlichkeit, auf Anschauungen beziehen; griffe einer nothwendig zukommen. Da aber Erscheinungen bios aus Sinn-
diese mlissen unter Begriffe gebracht werden. Eine reale Erkenntnill ist lichkeit, Verstandesbegriffe aber a!Iein aus dem Verstande, und also aus
also nur durch die gemeinschaftliche Wiirksamkeit der Sinn{131]lichkeit ganz heterogenen Quellen ent{132]springen, Gegenstand und Begriff aber
und des Verstandes moglich. - Raum und Zeit sind zwar selbst keine gleichartig seyn mlissen, wenn sich jener unter diesen bringen lassen soli,
Eindriicke von Gegenstanden, aber doch Vorstellungen die sich auf den so muB ein Drittes vorhanden seyn, welches diesen heterogenen Dingen
Gegenstand unmittelbar beziehen, da aile Gegenstande in ihnen seyn mlis- gemein ist, und wodurch sie also verknlipft werden konnen. Und dieses
504 '!lotbaif(j)e ge!ebrte ,Seitungen - 24. Februar 1787 91eue Seip3iger '!le!ebrte ,Seitungen - 1. Miirz 1787 505
Dritte, oder Verbindungsmittel ist die Zeit. Denn sie ist erstlich eine An- reimt. - Was uns an den spekulativen Beweisen fur das Daseyn Gottes ent-
schauung a priori, und entspricht also den reinen Begriffen, und zweytens wgen wird, ersetzt uns der Glaube hinreichend. Ich glaube. einen ~atz,
die formale Bedingung aller Erscheinungen, und also vermiige dieser wenn ich ihn fiir wahr halte, wei! die Griinde fiir m1ch zure1chend swd,
Eigenschaft auch mit den Gegensdinden vereinbar. Die Zeit ist also dasje- ungeachtet ich sie selbst fur objektiv unzureichend erkenne. Wenn sic.h ein
nige, worunter sowohl Begriffe als Erscheinungen stehen. Urn also sinn- gewisser Zweck in unserm praktischen Leb.en findet, wel.chen zu.erre!~hen
liche Gegenstande oder die Modifikationen der Sinnlichkeit unter Begriffe wir fur nothwendig halten, und wenn kew anderes Mittel da 1st, d1esen
zu bringen, mtissen letztere selbst unter das Schema der Zeit gebracht, und Zweck zu erreichen, als wenn jene durch Spekulation nicht zu entschei-
ihnen Priidikate der Zeit beygelegt werden. Bey Griitle, Substanz, Ursach, dende Siitze fiir wahr gehalten werden; so babe ich eine Verbindlichkeit,
Gemeinschaft, Miiglichkeit, Wurklichkeit, Nothwendigkeit, latlt sich den Satz urn des nothwendigen Zwecks willen zu glauben. Ein solcher
nichts denken, wenn ich sie nicht unter Zeitbestimmungen bringe. So nothwendiger Glaube ist der moralische. Jedes vernunftige Wesen hat ein
mull z. B. was wiirklich ist, zu einer bestimmten Zeit, und was nothwendig naturliches Interesse an der Moralitat. Es ist ausgemacht, datl der Mensch
ist, zu alter Zeit seyn. Die synthetischen Grundsiitze a priori, die aus der urn desto freyer und desto vernunftiger ist, je mehr er sich durch Vernunft-
Verknupfung dieser Begriffe mit Erscheinungen uberhaupt, mittelst der griinde gegen aile sinnliche Antriebe entschli":"'en kann, seine I;Iandl~n
vermittelnden Vorstellung der Zeit entspringen, sind folgende: 1) Der gen den moralischen Maximen gemas einzunchten, und datl e1ge~tth~h
Grundsatz der Quantitiit ist: Aile Erscheinungen sind ihrer Anschauung jedermann den sittlichen Gesetzen in allen Stucken folgen sollte. D1es 1st
nach extensive Griitlen. 2) Der Grundsatz der Qualitiit: In allen Erschei- der oberste Zweck der Sittlichkeit, und er ist nicht willkuhrlich; denn er
nungen hat die Empfindung und das Reale, das ihr an dem Gegenstande hiingt der Natur eines jeden Menschen an. Dieser Zw~ck kann aber fur. die
entspricht, eine intensive Griitle oder einen Grad. 3) Die Grundsiitze der Menschen uberhaupt nur durch eine Bedingung giilug werden, und dwse
Relation sind: a) In allen Erscheinungen ist etwas Beharrliches, d. i. die ist: daft ein Gott und ein zukiinftiges Leben sey. Da nun mei~e yernunft mir
Substanz, und etwas Wandelbares, oder · Accidenzen. b) Alles was ge- gebietet, datl auch U:h die sittlichen Gesetze als fiir ~1ch .gulug ann~hmen
schieht, hat eine Ursach. c) Aile Substanzen, so fern sie zugleich sind, mull, und die Voraussetzung des Daseyns Gottes d1e e!llzlge Bedmgung
stehen in der Wechselwiirkung unter einander. 4) Die Grundsiitze der ihrer Gultigkeit ist, so werde ich unausbleiblich ein Daseyn Gottes glau-
Modalitiit: a) Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung, den An- ben , und bin sicher, datl diesen Glauben nichts wankend machen kiinne.
schauungen und Begriffen nach ubereinstimmt, ist miiglich_ b) Was mit
der Materie der Erfahrung, d. i. mit der Empfindung zusammenhiingt, ist
wiirklich_ c) Was mit dem Wurklichen nach allgemeinen Bedingungen der
Erfahrung zusammenhiingt, ist nothwendig_ - Diese Grundsiitze sind Jl.eip3i!J.
aber, so wie die Kategorien, nur auf sinnliche Gegenstande anwendbar,
und durfen auf kein Objekt, das man sich ausserhalb der Natur denkt, an- Bey Sommern: De Philosophorum ambitione veritatis studio utilissima,
gewendet wetden. So gehiirt z. B. Gott nicht zur Sinnenwelt. Daher kann quaedam diffuerit. Mag. Goff/. Jac. Frid. Wolf, ad aedem Petri Catech. B.S.
man auch nicht von ihm sagen, datl er eine Griitle babe, datl er eine Sub- 46. [...] S. 11 handelt von dem guten Einflull der Philosophie fur den Staat.
stanz, eine Ursach anderer Dinge, datl er moglich oder wiirklich, oder Woraus sich denn am Ende ergiebt, datl man sie liebgewinnen und erler-
nothwendig sey. Denn da Gott kein Gegenstand der Sinnlichkeit ist, so nen mtisse. Indessen sagt er S. 12 hat sich die Philosophie und ihre Liebha-
verlieren auch die Begriffe das, was sie von der Sinnlichkeit entlehnet ha- ber vie! Hall, Feindschaft und Verachtung von andern Nicht-Philosophen
ben, und wodurch allein sie eine Beziehung auf Gegenstande erhielten, oder auch seyn wollenden zugewgen; theils ihres vermeintlichen Stolzes
nemlich die Zeitbestimmung, und ohne dieselbe lassen sie sich doch gar wegen - diell witd mit dem Exempel des unglucklichen Pythagoras und
nicht mit Gegenstanden [133] verknupfen, und kiinnen also gar nicht seiner Schuler bewiesen, - theils urn ihrer Verdienste willen, die der Neid
giiltig seyn. Aber eben so wenig lallt sich auch das Daseyn aussersinn- herabwiirdigte und ihnen den Vorwurf der Ruhmsucht und des Stolzes
licher Gegenstande widerlegen; denn von Dingen, von denen wir gar macht.(ambitionem et arrogantiam eorum, collide nimirum utramque con-
nichts wissen, ist jede Behauptung, sie sey pro oder contra, gleich unge- lundentes, accusant. Beyde Notionen hat der Verf. bis jetzt noch nicht be-
506 !Yieue ~rip;tger \llele~rte ,3ettungen - 1. Marz 1787 Jenat(d)e gele~rte 'iJn;eigen- 5. Marz 1787 507
stimmt, wie man doch mit Recht hatte erwarten sollen. -) Diell geschahe ungeheuren Schwall der scholastischen Philosophie im Kopfe und den
insbesondere von gewissen philosophischen Aristarchen, die den Schein Kant bis auf das kleinste Jota verstanden haben. Darzu gehort aber
gelehrter Schiedsrichter haben wollen. [... ) Hier flihrt nun der Verf. auller der strengsten Beurtheilungskraft ein ungewohnlich starkes Ge-
Kanten als Beyspiel solcher Millhandlungen an, auf die wir uns aber dachtnill, wovon der Verf. in diesen wenigen Seiten ein sehr zweydeutiges
nicht besinnen konnen, doch wollen wir hier des V. ausgebreitetere Zeugnill ablegt, wie wir schon bewiesen haben. Indessen kehren sie sich
LectUre und weitlaufigere Bekanntschaft [404) mit der Welt nicht weiter in daran nicht, Iieber Herr Prof. Feder, schreiben oder kommen sie selbst
Zweifel ziehen, und nur das sagen, dall gewill Kant eher hundert blinde nach Leipzig zu dem so philosophischen Magister, und lassen sich von
Verehrer, die auch das leichteste bey ibm nicht verstehen als einen boshaf- ihm beyderley Theorien abwiegen, ehe sie der Welt ihr Buch vorlegen, da-
ten Kalumnianten gefunden hat, dessen Argumente in Schimpfworten und mit sie nicht etwan eine Sottise begehen. - Konnte wahl eine solche
was denen ahnlich bestehen. Man frage nur die Tagesgeschichte. Der Verf. Persiflage, dergleichen jene Zeilen des Verf. enthalten, von einem aufgebla-
sagt: Qui {nahmlich Kant) cum Metaphysicam sua male laborantem, et - senern Eigendtinkel, von einer eitlern Selbstgefalligkeit, - von Franziis.
philosophorum donariis et spoliis obrutam magis, quam ornatam inani et Impertinenz, von einem tibereiltern Urtheile eines Jtinglings tiber Man-
fastuosa ornamentorum futilitate exuere, rationemque pluribus erroribus im- ner, deren Schuhriemen er aufzulosen doch gewill nicht wtirdig ist, einen
peditam ad nativam simplicitatis legem revocare tentaret, mirum in modum deutlicheren Beweis geben? - Nun kommt der Verf. auf den aus Neid ver-
hoc plane singulari hominis ausu affecti sunt, quicunque intelligentes harum folgten Roulleau u. s. w. [...)
rerum valebant haberi. Multi eorum tanti ingenii acumen admirantur, ejus
studio laudant, gratulontur etiam patriae civem, qui primus omnium tern-
porum omniumque gentium sapientiam in censuram vocare, vanitatisque
arguere ausus fuerit. Sed plerique collide et insidiose mogis, quam vere
admiranlur, laudanl, gratulantur. Woher weill das der tiefe Forschungsgeist
'Siga.
des Verf., wo hat der scharfe durchdringende Blick des Verf. diell ausgespa- Bey Hartknoch sind noch 1786. auf 158 S. gr. 8 herausgekommen: Me-
het? Das heillt doch, nach des Herrn Mag. eigenem Ausdruck, so recht taphysische Anfangsgrtinde der Naturwissenschaft, von Immanuel Kant.
naso adunco in den Tag hinein schreiben. Sind denn die Erinnerungen Wir setzen voraus, dall unsre Leser sich die Kantischen Begriffe von Philo-
eines Tiedemann, Meiners, Ulrich, Wizenmann, Forster und des ganz un- sophie der Natur - dann Metapbysik der Natur, oder reiner Naturwissen-
tibertreflichen Berlinischen Recensenten - welche Nahmen! - gegen schaft, und ihren heiden Abtheilungen, transcendente Naturwissenschaft,
Kant so ohne aile Erheblichkeit, ohne alles Gewicht, und aus so hami- und besondere reine Naturlehre, welche abermals entweder die Erscheinun-
schen Absichten geflossen? Weiter hin heillt es: Hunc cum primo adspeclu gen des iiusern, oder innern Sinnes zum besondern Vorwurf hat, Jangst be-
incidissent in orationem philosophi spinosam et subtilem, quae a nitida kannt gemacht haben, und erinnern daher nur, dall sie hier eigentlich nur
saeculi nastra delicatuli elegantia plane abhorret in scholastici cujusdam die Metaphysische Korperlehre, (im Kantischen Sinn, nicht, wie es erwa
sylvam se translatos opinabantur. - Scholasticorum nimirum disciplinam, sonst mancher nehmen mochte) zu suchen haben. Diese legt freylich den
inquiunt, ante satio longum tempus emortuam et sepultam in vitam revocare empirischen abgesonderten Begriff der Materie zum Grunde, geht aber
et, ut novi quid procudisse videretur, resuscitatam Scepticismi habitu induere sonst giinzlich a priori [vorfter], bedienet sich keiner besondern Erfahrung,
constituit. Egregia sane infelligenfia! ef plane singulare invenfum, quod[405] sondern nur dessen, was sie im abgesonderten, obgleich empirischen Be-
praefer docfos illos ef infelligenfes philosophiae exisfimafores nemo facile griff, der Materie selbst antrifft, in Beziehung auf die reine Anschauung in
suspicafus eraf. Nun da haben wir's. Also Iieber Hr. Prof. Feder bleiben Raum und Zeit, und nach Gesetzen, welche schon [1.50) dem Begriff der
sie nebst ihren Mitarbeitern nur immer zu Hause, mit ihrem ange- Natur tiberhaupt wesentlich anhangen, (welche in der transcendentalen
ktindigten Buche eben desselben Inhalts, der Stab ist tiber sie schon gebro- Naturlehre schon vorkommen.) Metapbysik der Natur tiberhaupt erfordert
chen. Ein Magister und Catechet zu Leipzig weillt sie zurechte und zeigt noch nicht Mathematik, d. i. Construction der Begriffe. Aber in jeder be-
inclusive, zu welchen Existimatoren sie und ihre gelehrten Theilnehmer ge- sondern Naturlehre kan nur so vie] eigentliche Wissenschaft, d. i. apodik-
horen. Jenes beurtheilen zu konnen, mull man nun freylich den ganzen tische Gewisbeit angetroffen werden, als darinnen Mathematik angetroffen
r
508 i\enaif<!Je ge[e~~te ~n;eigcn - 5. Miirz 1787 ®ottingtf<!Jc ~n;etgcn oon gdc~~ten eia<!Jen- 8. Miirz 1787 509
wird. Dieser so wichtige Satz wird in der Vorrede S. 8. mit einer Biindig- von den Hypothesen stehen die Worte: So ist es nicht erlaubt, sich irgend
keit und Allgemeinheit dargethan, welche alles andere bisher dariiber ge- neue urspriingliche Krafte zu erdenken (urn daraus etwas zu erklaren) z. E.
sagte, weit hinter sich HiBt. Daher auch weder Chymie noch Seelenlehre eine anziehende Kraft ohne aile Beriihrung etc. etc. Damit contrastirt nun
jemals eigentliche Wissenschaft werden konnen. Der Plan der metaphysi- auf eine unerhorte Weise der Inhalt der Dynamik, wo mit apodiktischer
schen Kiirperlehre ist ganz architektonisch nach der Tafel der Kategorien Gewisheit bewiesen werden soli, daft ohne eine anziehende und abstosende,
{in der Kritik der reinen Vernunft) angelegt. Denn mehr giebt es, nach unmittel-[152]bar ins Entfernte, also ohne Beriihrung, wirkende Kraft Materie
Hn Kants Meinung, nicht reine Verstandsbegriffe, die die Natur der Dinge gar nicht moglich sey Uberhaupt sehen wir nicht recht ein, wie derjenige,
betreffen konnen. Unter die vier Classen derselben, die der Grosse, der der das A user und Nebeneinander der Erscheinungen des iiusern Sinnes, d.
Qualitiit, der Relation und Modalitiit, miissen sich auch aile Bestimmun- i. die Vorstellung im Raum fiir eine blase subjective Form halt, die a priori
gen des allgemeinen Begriffs einer Materie iiberhaupt, mithin auch alles, im Gemiithe liegt, und wovon weiter kein Grund angegeben werden kan,
was a priori von ihr gedacht, was in der mathematischen Construction wie, sagen wir, ein solcher, urn Ausdehnung, Erfiillung des Raums, u. s. w.
dargestellt, oder in der Erscheinung als bestimmter Gegenstand derselben zu erklaren, anziehende und abstosende Krafte zu Hiilfe nehmen konne.
gegeben seyn mag, bringen lassen. Der Hr V. fiihrt also den Begriff der Was in der Vorrede S. XV - XX. zur Beantwortung der Zweifel des Rec. in
Materie durch aile viererley Functionen der Verstandesbegriffe, in eben so der A. L. Z. von unsers Hn Hofrath Ulrichs Instil. log. et Met. gegen die
vie! Hauptstiicken durch, in deren jeden zum Begriff der Materie eine Kantische Deduction der Categorien gesagt wird, hebt wenigstens unsern
neue Bestimmung hinzukommt. Die Grundbestimmung eines Etwas, das Hauptzweifel, der gegen den Kantischen Begriffder Erfahrung gerichtet ist,
ein Gegenstand der Sinnen seyn soli, mull Bewegung seyn. Denn dadurch gar noch nicht.
allein konnen Sinnen afficirt werden. (Ist das ein Saz a priori, oder nichtf)
Auf diese fiihrt der Verstand aile iibrigen Priidikate der Materie zuriick,
und die ganze Naturwissenschaft ist nur eine angewandte Bewegungslehre.
Im [151] ersten Hauptstiicke, Phoronomie wird die Bewegung, als ein reines
®iittingen_
Quantum, nach seiner Zusammensetzung, ohne aile Qualitiit des Beweg- Bey Dieterich: Uber Raum und Caussalitii~ zur Priifung der Kantischen
lichen betrachtet. Im zweiten wird sie, als zur Qualitat der Materie geho- Philosophie. Von]. G. H Feder. 268 S. Octav, und 2 Bogen Vorrede. In die-
rig, unter dem Nahmen einer urspriinglichen bewegenden Kraft erwogen. ser aussert sich der Verf. iiberhaupt iiber die Eigenheiten der Kantischen
Daher der Nahme Dynamik. Das dritte Hauptstiick betrachtet die Materie Philosophie, und iiber die Ursachen, die ihn bewogen haben, dagegen zu
mit dieser Qualitiit durch ihre eigne Bewegung gegen einander in Relation, schreiben. Besonders untersucht er da auch, ob und in wie fern die kriti-
und fiihrt den Nahmen Mechanik. Das vierte, Phiinomenologie, bestimmt sche Philosophie des Hrn. K. skeptisch und allzu skeptisch genannt wer-
ihre Ruhe und Bewegung in Beziehung auf die Vorstellungsart, oder Mo- den konne. Die Schrift selbst besteht aus zwey Hauptstiicken. Im ersten
dalitiit, mithin als Erscheinung auserer Sinnen. Da es pur unmoglich ist, in werden die Kantischen Lehren vom Raum und von der Korperwelt be-
der Kiirze auch nur das Merkwiirdigste auszuzeichnen, und zu priifen, so leuchtet; im zweyten die von der Erkenntnill der Ursachen und der
schriinken wir uns nur auf einige Puncte ein. In der Phoronomie verliillt unsichtbaren Kriifte und Wesen, also besonders auch der Erkenntnill von
Hr K. die gewohnliche Art zu bestimmen, was bey einer zusammengesetz- Gott. Kant lehrt, daB der [370] Raum bios die Form der menschlichen
ten Bewegung geschehen werde. (Die uralten Gesetze selbst bleiben.) Wir sinnlichen Erkenntnill, folglich bios eine subjective Bestimmung im Men-
begreifen auch gar wohl, nach dem, was in den Anmerkungen zur fiinften schen sey; daB aile Korper mit samt dem Raum blolle Vorstellungen in
Erkliirung, und in der ersten Anmerkung zum ersten Lehrsatz gesagr wor- uns seyen, oder nirgends anders, als bloll in unsern Gedanken existiren.
den ist, warum der Hr V. diesen Weg einschlage. Nur sehen wir keinen Dem gemiill behauptet er auch weiter, dall von der Theilbarkeit des
Vortheil der Methode des V. ein, ja es scheint uns, die Sache gewisser Raums auf die Theilbarkeit der Materie ins Unendliche geschlossen wer-
massen dadurch erschwert zu werden und die Substitution der Bewegung den konne. Vor allem aber sucht K. zu beweisen, dall der Begriff vom
des relativen Raums statt der einen von beyden einfachen Bewegungen Raum nicht empirischen Ursprungs, oder nicht aus Empfindungen
einer Fiction ahnlich zu seyn. In der Kritik der reinen Vernunft S. 770 abstrahirt und gebildet, sondern eine unabhiingig von, und vor, aller
1
510 ®ottingifdje ~n;eigen oon gefe~rten ®adjen - 8. Marz 1787 i)eber tiber :llaUin unb ~auffalitiit 511
Empfindung a priori im Verstande gegrtindete reine Anschauung sey. In der einige der zur Bewunderung und zum Schrecken fiir viele aufgestellten
Gegenschrift wird also zuviirderst auch hierauf Riicksicht genommen, und Antinomien dieses Philosophen zu Jasen. Es kommt hauptsiichlich nur
ein jedes der Kantischen Argumente fiir diesen Hauptsatz genau geprtift. darauf an, zu iiberlegen, ob von dem, was in den leeren Raum, wo nichts
Und da sich K. hauptsachlich auf die Nothwendigkeit der geometrischen widersteht, sich hineindenken, oder vielmehr nur symbolisch supponiren
Wahrheiten stiitzet, die, wie er meynt, nicht statt finden wiirde, wenn der laBt, auf das Reelle, Undurchdringliche, Substanzielle, im Raum, sich
Begriff vom Raum nicht a priori, sondern empirisch ware: so fangt hier schliessen lasse? - In der Lehre von den U rsachen und der ErkenntniB
eine Untersuchung an, die im zweyten Hauptstiicke fortgesetzt wird, und unsichtbarer Wesen behauptet K. 1) der Begriff von Ursache sey nicht
wovon das Resultat diel! ist, dai! es schlechterdings keine andere N othwen- empirischen Ursprungs, sondern ein reiner Verstandesbegriff, durch den
digkeit der menschlichen ErkenntniB und Wahrheit gebe, als diejenige, die Erfahrung selbst erst miiglich werde; 2) dennoch sey derselbe, so wie aile
sich auf Gefiihl und Wahrnehmung grtindet; und dai! die allgemeinen andere auf ihn sich beziehende Vernunftbegriffe, nur auf Erfahrung an-
Urtheile, die tiber die wirklich gehabte Erfahrung und Wahrnehmung hin- wendbar, und innerhalb derselben brauchbar, nur unsere Wahrnehmungen
ausgehen, auf nichts anderem beruhen, als auf dem Gesetz unsers Verstan- zu ordnen und zu verbinden, und im Bestreben nach neuen Erfahrungen
des, welches uns antreibt und befiehlt, der Obereinstimmung aller unserer uns zu leiten; 3) Wesen, die nicht in der Erfahrung, oder der Anschauung
gewissen ErkenntniB, d. h. innerer und ausserer Erfahrung, Empfindung, vorkommen, kiinnen wir auf keine Weise erkennen, und also auch ihr Da-
Wahrnehmung, gemaB, zu schlieften, zu erwarten, zu vermuthen, und so seyn so wenig beweisen, als widerlegen. Dergleichen Wesen in dogma-
unsereVorstellungen und Urtheile ins Allge{371]meine fortgehen zu lassen. tisch-speculativer Absicht supponiren, oder wahrscheinlich machen wollen,
Der Satz vom Widerspruch, so fern er eine allgemeine Aussage auch fiir sey ungereimt, und fiihre von den wahren Zwecken der Wissenschaft und
die Zukunft enthalt, ist nichts anders, als eine solche gegriindete Erweite- dem rechten Gebrauch der menschlichen Vernunft ab. 4) Unterdessen sey
rung der ErfahrungserkenntniB. Dicsc, wie es scheint, nichts weniger als es nothig, dergleichen etwas, nemlich eine erste U rsache der Welt, eine
gangbare Bemerkung setzt den Streit iiber speculative und empirische Phi- Gottheit, zu glauben; der gute Mensch fiihle sich unwiderstehlich gedrun-
losophie, urn den sich, als urn den Mittelpunct, in der neuesten Geschichte gen zu diesem Glauben, und der bose miisse sich wenigstens vor der Miig-
der Philosophie, fast alles dreht, auf einmal ins Licht; und giebt die Anwei- lichkeit Jurchten. Die Gegenschrift sucht also zu zeigen, dai! die Kantische
sung zur grtindlichen Beurtheilung der meisten und verwickeltsten Con- Deduction der Prioritat des Begriffs von Ursache nicht beweise, was sie
troversen der Skeptiker und Dogmatiker. Der Idealismus des Hrn. Kant beweisen soli; dai! vielmehr dieser Begriff empiri{373]schen Ursprungs
giebt dann Gelegenheit, diese sonderbare Art von Philosophie iiberhaupt sey, wie aile andere Begriffe des menschlichen Verstandes; dai! die Noth·
ins Licht zu setzen; die hauptsachlich darauf beruht, dai! man letzte Griin· wendigkeit und Allgemeinhei~ die er enthalt, auf nichts anderem beruhe,
de der menschlichen ErkenntniB nicht fiir letzte Grtinde gelten lassen, als auf jenem Gesetze des Verstandes, nach Grunden, nach Maai!gabe des
sondern andern verschiedenartigen Dingen sie unterordnen, und daraus gewiB erkannten, zu urtheilen und zu schlieBen, nicht ohne allen Grund,
erkliiren oder damit einartig vorstellen will; wovon also auch der Erfolg wider die Einstimmigkeit aller klaren Erfahrung, zu glauben, zu zweifeln,
nichts anders seyn kann, als Verwirrung der Begriffe und der Sprache. Der oder seine U rtheile einzuschriinken. Eben dieses Grundgesetz, und die bey
Philosoph, sagt der Verf., mull in gewissen Dingen schlechterdings nichts ihm noch weiter zum Grunde liegenden allgemeinsten Begriffe und
mehr wissen und bestimmen wollen, als was einem jeden der gemeine Grundsatze vom Rechtverhalten iiberhaupt, und rechten Gebrauch unsers
Menschenverstand zu erkennen giebt; sonst verirrt und verwirrt er sich, er Verstandes insbesondere, berechtigen und verpflichten uns also auch, Vor-
mag es iibrigens auch noch so gelehrt und scharfsinnig anfangen. (Und stellungen von Ursachen, Kriiften und Wesen, die nicht unmittelbar in un-
vor solchen iiberschreitenden Anmai!ungen sich zu hiiten, ist nichts eine serer Erfahrung, nicht in der Anschauung vorkommen, uns entstehen zu
so gute Verwahrung, als die philosophische Geschichte; in welcher der lassen; und in dem Maai!e fiir gegrtindet zu halten, wie sie auf Schliissen
kiihne, vie! versprechende Anfang und das armselige Ende derselben so oft von der Wirkung auf die Ursache, und iiberhaupt auf der mehresten Ana-
aufs neue vorkiimmt). Was endlich Kant von der Theilbarkeit und der logie unserer gewissesten und aufgekliirtesten ErkenntniB beruhen. Den
Ausdehnung des Raums und der Materie ins Unendliche, theils ernstlich Werth dieser analogisch-symbolischen (nicht direct anschaulichen) Erkennt-
dogmatisch, theils dialektisch [372] vortriigt, giebt dem Verf. Gelegenheit, niB sucht der Verf. hauptsachlich dadurch noch mehr zu zeigen, dai! er
512 ~cue~e Q:riti[dje ~adjridjten - 10. Marz 1787 .Ita n ttl Wletap~Q[i[dje ~nfanMgrilnbe bet ~aturrotlfen[djaP 513
aufmerksam darauf mache, wie vieles in der ganzen menschlichen Erkennt- wegen, ohne seinen Ort zu andern, wie eine Kugel, die sich urn ihre Axe
nill und selbse in den geschatzesten, wissenschaftlichsten Theilen dersel- drehet. (Richtig; so lange man mit dem Verf. unter dem Namen Ort, wie
ben, nur analogisch oder nur symbolisch Denkbares sich findet. Wenn K. die Astronomen, nur einen Punkt verstehet. Allein, wollte man die meta-
behauptet, dall die Supposition einer verstandigen Weltursache bey der physische Definition, locus est determinatus modus coexistendi ceteris
Naturforschung eine faule Vernunft erzeuge, und die Fortschritte der wah- voraussetzen, so ist mutatio loci eine Definition der Bewegung, die eher zu
ren Naturlehre aufhalte: so stimmt der Verf. ihm darinne zwar gern bey, weit als zu eng ist.) Die Begriffe vom Raum (wovon weiter unten) und von
daB wir zwischen den uns sichtbaren Dingen und der ersten Ursache im- der Ruhe werden hier auch eriirtert, und zulezt wird gezeigt, dall die
mer eine unendliche Reihe mittlerer [374] Krafte und Wirkungen supponi- Zusammensetzung zwoer gradlinichten Bewegungen, im metaphysisch-
ren, und diese daher aufzusuchen immer fortfahren miissen: glaubt aber, geometrischen {nicht mechanischen) Sinn, nicht kiinne construiret wer-
dall die/! die Nothwendigkeit der Anerkennung einer weisen und gtitigen den, wo man nicht statt der einen, die entgegengesetzte Bewegung des rela-
Grundursache im mindesten nicht hindere. Es besteht, sagt er, beydes mit tiven Raumes annimmt. Im 2. Hauptstiick (Dynamik) setzt der Verf. dem
einander, ein Kunstwerk studiren, urn den Mechanismus desselben auszu- vorigen Begriff von der Materie noch eine Eigenschaft hinzu, namlich die
finden; und doch, beym ersten Anblick desselben, so wie bey jeder wei- Erfiillung des Raums. Diese geschiehet nicht durch die blosse Existenz der
tern Einsicht in die Regelmalligkeit und Zweckmal!igkeit desselben, sich Materie, sondern durch eine ihr ursptiinglich zukommende repulsive
zu versichern, dall es das Werk eines grollen Kunstmeisters ist. Endlich Kraft, wodurch sie die Bewegung eines Kiirpers hemmet, der in den von
geht der Verf. dem Kantischen System auch darinne nach, dall er zuletzt ihr erfiillten Raum einzudrin{74]gen bestrebet ist. Die Anziehungskraft ist
von den verschiednen U rsachen des Atheismus und vom Wissen und die zwote zum Begriff von der Materie unentbehrliche Kraft. Sie gehiiret
Glauben, worein das menschliche Denken sich theilet, seine Grundsatze ihr auch urspriinglich zu, und aus der wechselseitigen verschiedenen Ein-
vorlegt. Ob gleich die Philosophie des Gegners in vielen Puncten von der schrankung der beiden Krafte, kann man die Moglichkeit der specifischen
Kantischen abweicht: so fal!t derselbe sein Haupturtheil doch nur dahin Verschiedenheit der Materien einsehen. {So hat sich die Denkungsart in
ab, dall Hr. K. sich verschiedentlich zu stark und zu hart ausgedriickt habe. der Philosophie geandert. Wie Newton allererst das Wort Anziehung hii-
ren lie/!, glaubte man, sie konnte mit dem Wesen der Materie nicht zusam-
men stehen. Alles sollte mechanisch durch einen Stoll erklaret werden.
Nun kann so gar die Materie nicht ohne anziehende Kraft gedacht wer-
<JJletap~~fifdje 2lnfang6griinbe ber ?"taturroiffenfdja~ oon Jmmanuer .ltant.
den. Jezt wird wohl auch diese Meinung die Mehrheit der Stimmen, so
:Riga 1786. 158 ~- in 8. .ltofl. 8 gr.
wie der Griinde vor sich haben. Aber wegen der U ndurchdringlichkeit
"\ Ton einem Mann, dessen Scharfsinn in der speculativen Philosophie werden wohl die Meinungen noch getheilet bleiben.) Die absolute verwirft
Vwir schon aus seinen andern Schriften genug kennen, konnte man der Verf.; aile Undurchdringlichkeit ist nur relativ, und jeder Raum kann
wohl auch in der Metaphysik der Naturwissenschaft nichts anders erwar- ohne leere Raume, also ganz erfiillet seyn, aber in verschiedenem Grade,
ten. Man findet hier denselben forschenden Geist, selbst in den Stellen, nach dem Grade des Widerstandes, den er einem eindringenden Kiirper
wo man zweifelhaft ist, ob man ihm beipflichten soli, oder nicht. - Die entgegen setzet. Wenn man dem Verf. in seinen Untersuchungen genau
Absicht des Hn. Verf. ist, den Begriff von der Materie vollstandig zu zer- folgt, so lallt sich wohl die Miiglichkeit dieses Begriffs, so wie er ihn er-
gliedern, und Principien der Construction der Begriffe, welche zu ihrer klaret, nicht [6e]streiten; aber ob diese graduelle Erfiillung des Raums be-
Miiglichkeit iiberhaupt gehiiren, darzustellen. Er betrachtet sie vornehm- greiflicher als die absolute Undurchdringlichkeit sey, ist eine Frage, die
lich aus vier Gesichtspunkten. Im 1. Hauptstiick {Phoronomie) tragt er schwerlich je wird entschieden werden. Im 3. Hauptst. {Mechanik) wird
die reine Griissenlehre der Bewegung vor, und legt also hier der Materie die Materie durch etwas Bewegliches erklaret; so fern es, als ein solches, be-
nur die Beweglichkeit, als ihre erste Eigenschaft bei. Die Bewegung selbst wegende Kraft hat. Die Quantitat der Materie {Masse), die Grosse der
setzt er in der Veranderung der aussern Verhaltnisse eines Dinges zu einem Bewegung, und die mechanischen Gesetze, werden hier aus den vorher-
gegebenen Raum. Die gewiihnliche Erklarung durch die Veranderung des gegangenen Principien eriirtert und hergeleitet. Die Grosse der Bewegung
Orts halt er nicht fiir hinreichend; denn es kiinne ein Kiirper sich be- stimmt mit der Newtonianischen, oder wenn man sie Iieber so nennen
514 tiibingt(d)e gefebete 'lln!eigen - 15. Marz 1787 e d) mi b~ r>:eitlt b. e. \B. im \!leunbeiiTe !U \lloefe(ungcn 515
will, Cartesianischen Schatzung uberein. Der Beweis von der Gleichheit transcendentaler Kenntni£ in einem Grundrille wenigstens zu ilbersehen,
der Wirkung und Gegenwirkung ist sehr gut. Im lezten Hauptstuck (Pha- nichts willkommener seyn, als ein Werck, das einen so kiirnigten und
nomenologie) wird endlich die Materie als etwas Bewegliches betrachtet, getreuen Auszug aus den neuesten Kantischen Schriften enthalt, wie das
so fern sie als ein solches ein Gegenstand der Erfahrung ist. - Gradlinich- gegenwartige. Aber auch der, welcher, ohne sich eines perspectivischen
te Bewegung der Materie zum Unterschied der entgegengesetzten Bewe- Ris{171]ses zu bedienen, jenes Feld zu durchwandern entschlossen ist,
gung des empirischen Raums, ist ein bios miigliches Pradicat, aber ohne wird dem Hrn. Verf. theils fur das angehangte Wiirterbuch, das den
Relation auf eine Materie ausser ihr, d. i. als absolute Bewegung gedacht, Schlullel zur Kantischen Hieroglyphik enthalt, theils fur die erlauternde
unmiiglich. (Das lezte ist eine unmittelbare Folge aus der Definition der und priifende Bemerckungen, die den wichtigsten Siizen angehangt sind,
Bewegung selbst. Denn wo die Relation zu etwas Ausserem wegfallt, da und die zum Theil von dem Hrn. Verf. selbst herriihren, griistentheils
fallt die Veranderung dieses Verhaltnisses, und also der Begriff von der aber von Ulrich, Platner u. a. entlehnt sind, sehr vielen Danek wi£en. -
Bewegung selbst ganz weg.) - Hingegen ist Kreisbewegung zum Unter- Da der Hr Verf. seinem Plan gemiill in dieser Schrift mehr den Historiker
schiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raums, ein wiirkliches und Exegeten, als den Dogmatiker macht; so kan es auch nicht als Tadel
Pradikat; wei! der Kiirper durch solche Bewegung bewegende Kraft bewei- fur ihn angesehen werden, wenn es sich Rec. erlaubt, bey dieser Gelegen-
set. - In jeder Bewegung eines Kiirpers, wodurch er in Ansehung eines an- heit einige Zweifel gegen gewi£e Kantische Saze vorzutragen, die er sich
dern bewegend ist, ist eine gleiche entgegengesetzte Bewegung des leztern selbst nicht aufzuliisen im Stande ist. So viele Achtung er auch fur den
noth{75]wendig. - (Lauter Satze, die eben so erheblich in der Phanome- Tiefsinn des Kiinigsbergischen Philosophen und fur die Entdeckungen
nologie sind, als sie hier gut bewiesen werden.) - Zulezt werden einige hin de!lelben im Reiche der Wi£enschaften hat; so mull er doch bekennen,
und wieder gebrauchte Begriffe weiter erlautert. Der absolute Raum ist ein da!l er sich nicht nur von einigen Kantischen Sazen an sich betrachtet
nothwendiger Vernunftbegriff, und weiter nichts. (Wenigstens ist er fur auf keine Art uberzeugen kan, sondern da!l er auch in dem System der
uns kein Gegenstand irgend einer Erfahrung; das mull man allerdings Kantischen Behauptungen Inconsequenzen zu entdecken glaubt, die urn so
einraumen.) Den leeren Raum halt der Verf. wahl fur miiglich, aber nach weniger zu dulden sind, da sie, zum Theil wenigstens, in einer so genauen
seinen Principien fur unniithig anzunehmen, indem der Widerstand bei Beziehung mit den wichtigsten Wahrheiten stehen. Als Probe von den
ganz erfiillten Raumen, doch so klein, als man will, gedacht werden kann. leztern zeichnet Rec. di!lmahl nur folgende aus. In der transcendentden
(Bei der Untersuchung wiirde die Frage von der absoluten und relativen Asthetik behauptet Hr Kant, da!l die Vorstellung von Veranderungen bios
Undurchdringlichkeit, wi[e]der vorkommen, die wahl nie entscheidend in der subjectiven Form der inneren Anschauung ihren Grund habe, und
abgemacht werden durfte, und von welcher man nicht allein sagen kann, da!l keinem Objekt an sich Veranderungen zukommen. Aber woher kan er
adhuc sub judice lis est, sondern auch, futuro est.) 'Jl. denn wahl di£ wi!len, da er in mehreren Stellen so zuversichtlich versi-
chert, da!l wir von den Eigenschaften der Dinge an sich gar nichts wissen?
Gesezt auch, da!l [172] der Begtiff von Zeit, so wie wir ihn haben, nicht
aus empirischem Stoff gebildet sey (und di£ hat doch Hr Kant noch nicht
strenge erwiesen); so folgt doch daraus noch lange nicht, da!l nicht wenig-
-3ena. stens einem Theil dieses Begriffes etwas in den Objecten an sich entspreche.
Critik der reinen Vemunft im Grundrisse zu Vorlesungen nebst einem Hr K. kan also so lange nicht beweisen, da!l die Objecte an sich nicht
WOrterbuche zum leichteren Gebrauch der Kantischen Schriften von M. Carl verandert werden, oder verandert werden kiinnen, als er sich nicht auf
Christ. Erh. Schmid. 1786. 294 S. in 8. Da die Kantische Philosophie sich eine vollst:andige Anschauung der Objecte an sich berufen kan, die ihm so
eben so sehr durch Originalitat der Gedancken, als durch Eigenthum- vie! wir wi!len, noch nicht gegeben worden ist. - Noch weniger sind sei-
lichkeit der Terminologie auszeichnet; so kan wahl jedem Liebhaber der ne Behauptungen in Absicht auf die Categorien nach Rec. Einsichten mit
hoheren Philosophie, dem es an Muth oder Lust fehlt, sich ohne fremde sich selbst ubereinstimmend. Denn wie soli man folgende zwey contradic-
Hilfe in die labyrinthische Gange des Kantischen Systems hinein zu wa- torisch entgegengesezte Saze mit einander vereinigen; 1) Categorien mullen
gen, und der denn doch ein Bedurfnill fiihlt, das neuentdeckte Feld von bios auf Erscheinungen eingescbranckt werden; 2) Categorien kiinnen auch
516 tiiblngifdje gele~tte \!ln;dgen- 15. Miirz 1787 'P~Ilofopbifdje \!lnnaren - Friihjahr 1787 517
auf Dinge an sich angewendet werden. DaB aber wircklich diese beyde Siize miiglich. Aber warum hat sich denn Hr K. nirgends - auch da nicht, wo
in Kants Critik der reinen Vemunft und in seinen Prolegom. zu einer jeden man es vorztiglich erwarten sollte - deutlich und bestimmt tiber diesen
kiinftigen Metapbysik aufgestellt werden, erhellt unliiugbar aus folgenden Punkt erkliirt? Warum hat er sich denn in einigen Stellen so ausgedriickt,
Stellen. S. 240 f. der Crit. heillt es: .Categorien milllen auf die Erscheinun- daB der Leser, der nicht schon a priori weill, daB in der subjectiven Ver-
gen, als ihre einzige Gegenstiinde, eingeschriinkt seyn, wei!, wenn man nunft des Mannes, der aile Metaphysiker von Aristoteles Zeiten an his auf
diese Bedingung wegnimmt, aile Bedeutung wegfallt." Und S. 288. wird die neuesten herunter so weit hinter sich zuriicke liil!t, unmiiglich Amino-
gesagt: .Der Verstand denkt sich einen Gegenstand an sich selbst, aber nur mien liegen kiinnen, nothwendig in Versuchung kommen muB, eine Anti-
als transcendentales Objekt, das die Ursache der Erscheinung ist:' Eben so nomie der Kantischen Vernunft zu vermuthen, wenn er je nicht die mit
S. 372: .Man kan einriiumen, daB von unseren iiul!eren Anschauungen dem Charakter eines so grol!en Mannes unvereinbare Voraussezung anneh-
etwas, was im transcendentalen Verstande ausser uns seyn mag, die Ursache men will, daB K. die Absicht gehabt babe, das Publicum zu iiffen. Der
sey." u. s. w. In den Prolegom. S. 101. wird die Behauptung der Crit. wie- Raum verbietet es, noch mehrere Bemerckungen tiber die in der Crit. der
derholt, daB reine Verstandsbegriffo [173] nicht auf Dinge an sich bezogen reinen Vernunft enthaltene Ideen hinzuzufiigen. Rec. erspart also diese auf
werden kiinnen. S. 177. hingegen wird behauptet, daB man fiiglich das Ur- eine andere Gelegenheit, die sich vielleicht niichstens darbieten wird.
wesen {also ein transcendentales Object) durch Iauter ontologische Priidikate,
der Substanz, {vergl. Crit. d. r. V. S. 288.) Ursache etc. {also durch Catego-
rien) dencken konne. Eben so wird S. 179. der Gottheit Caussalitiit; und
S. 153. dem Menschen als Ding an sich betrachtet Caussalitiit durch Ver-
lj.)riifung ber 'lllenbeC~fo~nfc(len 'lllorgenflunben. 'Jlebfl einer 2/b~anb!ung
von i,:Jmn lj.)rofeffor :&ant. ~eip 0 ig, 1786. bev 3. ®. i,:Jeinfiu~. 8.
nunft zugeschrieben. - In der lezteren Stelle kommt zugleich auch die
Behauptung vor, die in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten so nach-
driicklich wiederholt wird, daB die Vernunft des Menschen Eigenschaft
eines Dings an sich selbst sey. Aber wie vertriigt sich denn wohl dieser Saz
D er Zweck des Verfassers ist, die Griinde der alten Schule fiir das
Daseyn Gottes, und die Kantische Beurtheilung derselben gegen ein-
ander zu halten. Zu dieser Absicht wird eine Ubersicht tiber Kants Kritik .
mit jenem anderen, den Hr K. mit eben so vielem Nachdruck behauptet, vorausgeschickt, und darauf folgt die Priifung selbst. In der Vorrede zeigt
dqP wir von den Eigenschaften eines Dings an sich gar nichts wissen, und der Verfasser die Nichtigkeit mancher Vorwiirfe, welche der Kritik von
auch nichts zu wissen brauchen, (z. B. S. 276 f. der Crit.)? - La.llen sich verschiedenen Seiten gemacht worden sind, und beschiiftiget sich vor-
wohl auch Inconsequenzen von der Art aus Leibnizens ontologischem nehmlich mit einer deutlichen Auseinandersetzung des U nterschieds, der
System herleiten? Und muB nicht Hr K. selbst, so bald er zur Moral und zwischen der Kantischen und Leibnitzischen Philosophie sich findet; und
nattirlichen Theologie tiberschreitet, die Leibnizische Idee in Absicht auf hieraus erhellet offenbar, daB dieser U nterschied nicht, wie einige mey-
die Anwendung der Begriffe von U rsache und Substanz zum Grunde nen, schimlirisch ist und auf blol!en Wiirtern beruht, sondern daB viel-
legen, wenn die Siize, die er zum Behuf der Moral und natiirlichen Theo- mehr das System der alten Schule durch die Kritik iiber den Haufen
logie aufstellt, nicht leere Worte ohne aile Bedeutung oder willktihrliche gestiirzt wird. Die Kantische Philosophie geht niimlich lediglich damit urn,
Behauptungen seyn sollen? Wiiren auch die ersten Grundsiize, von denen dem Satze seine vollige Gewil!heit zu geben, daft allein in der Erfobrung
Leibniz ausgeht, weniger, als gewil!e Kantische Behauptungen, erweilllich; Zuver/aftigkeit und apodiktische Gewiftheit for uns zu holfen sey. Dieser Satz
so wiirde doch Rec. immer noch Iieber jene, als etwas inconsequentes, an- ist zwar von je her von der Vernunft gebilligt und von vielen Philosophen
nehmen. Indel!en glaubt er, daB selbst das Inconsequente, das in den ange- behauptet worden; aber niemand hat ibn noch erwiesen. DieB hat Kant auf
fiihrten Kantischen Behauptungen [174] in Beziehung auf die Categorien die einleuchtendste und befriedigendste Art gethan, und zwar folgender-
ligt, der Hauptsache unbeschadet, zum Theil wenigstens weggeriiumt wer- gestalt. [191] Er hat aile reinen Begriffe und Grundsiitze, deren sich der
den kiinnte, wenn der Begriff der Categorien, der nur unter der Zeitbedin- Verstand in seinen U rtheilen bedient, vollstti.ndig aufgesucht, und gezeigt,
gung gil~ von dem genau unterschieden wiirde, dem die Zeitbedingung nicht daB dieselben gar nichts bedeuten, wenn sie nicht auf Gegenstiinde der
anklebt. Und diese Unterscheidung ist nach seinen Einsichten wenigstens Sinnenwelt angewendet werden. Aile Grundsiitze haben also nur in so fern
in Absicht auf die Begriffe von Realitiit, von Ursache und von Substanz Gtiltigkeit, als sie sich auf Erfahrung beziehen. Nun liegt aber eben bier
518 'llbilofopbifd)e \?lnnalen- Frilhjahr 1787
der ganze Betrug, den die bisherige Metapyhsik gespielt hat. Denn man
bezog diese reinen Begriffe nicht nur auf Gegenstande der Erfahrung, son-
dern glaubte, daB sie auch auf gewisse Gegenstande bezogen werden kiinn-
ten, die ganz ausserhalb der Erfahrung liegen und den Sinnen gar nicht
gegeben werden kiinnen. Die Wirklichkeit von dergleichen Gegenstanden .ffa'tl. Wb~fpb . §·d.(cit;s.
nahm man nun bisher in der Metaphysik an, ohne sie gehorig zu erwei-
sen. U nd eben bier liegt das Erschlichene. Kant namlich zeigt, daB der ~rofeffors ber 9-)~ilof~vvie aU:(b'er U~i•
Beweis ihrer Existenz iiberhaupt unmiiglich ist; und da die ganze alte Me- l.>erfitcltau !eipal(
taphysik wegfallt, sobald diese Gegenstande wegfallen, so fodert er aile
Anhanger des alten Systems auf, die Existenz von dergleichen Wesen
allererst zu beweisen, ehe sie irgend etwas darauf bauen wollen. Diese ~;~iloJ~p~ifc{)e ·
Foderung ist billig und gerecht, und man muB erwarten, wie sie dieser
Foderung genugthun werden.
Bey so bewandten Umstanden kann der Verfasser nicht in die Klagen
Mendelssohns einstimmen; vielmehr wird die Behauptung Mendelssohns,
als ob durch die Bemiihung der neuern Philosophen (192] Schwarmerey
und Materialismus Nahrung erhielt, mit vielen triftigen Grunden wider-
~· nn a l. e n
legt.
Man kann daher ohne Ubertreibung sagen, daB die Kantische Kritik
alles aufwiegt, was seit dem Plato und Aristoteles in der Metaphysik ge·
than worden ist, und daB sie die Philosophie erst auf den rechten Weg
eingeleitet zu haben scheint.
I '
DaB sie aber dessen ungeachtet so wenig gelesen*) und verstanden wird,
riihrt daher, weil die Philosophen der alten Schule ihr ganzes Gedanken-
er fl e. n· ~~ e il e~ ·
system umformen miiBten, welches ausserordentlich schwer ist. Daher erfler ~anb.
bemiiht sich der Verfasser das Neue und Unterscheidende der Kantischen
Philosophie anzuzeigen und den Zweck der Kritik deutlich und einleuch- •
tend zu bestimmen. U nd dieses ist ihm, nach meinem U rtheil, meisterhaft
gelungen.
Das Buch selbst zerfallt in zwey Theile. Der erste enthalt eine deutliche
Entwickelung des Kantischen Systems, in so fern die Satze daraus zur Beur- Nulla ell homini cauffa philofophandi
theilung der Mendelssohnschen Beweise dienen. In dem andern geht der ni fi vt beams f!t;
Verfasser aile Beweise fiir Gottes Daseyn a priori durch, und priift sie kri-
tisch. Beyde Theile fassen zusammen vierzehn Vorlesungen in sich, deren
Aufschriften folgende sind. 1. Einleitung. 2. Sinnlichkeit und Verstand.
3. Priifung der Meynung anderer Philosophen - [193] iiber die Sinnlich- Wt'irnberg
keit; 4. - iiber den Verstand. 5. und 6. Fortsetzung des Vorigen. 7. Sum-
marische Wiederhohlung. 8. Nahere Priifung der Mendelssohnschen bel) So.~ann ~bam €?SHin.
I 7 8 7•
*) Ich sage gelesen; denn gekauft ist es freylich genug worden.
'P~i[ofop~i[d)e ~nnaren- Friihjahr 1787 521
der Verfasser darauf kam, von den bisherigen Betrachtungsarten abzu- iiberhaupt bezieht, und dadurch Grundsatze bildet, welche nothwendige
weichen, [195] worauf es bey seinen Untersuchungen eigentlich ankiimmt, und apodiktische Gewiflheit bey sich fiihren miissen. Nun aber ist der Ge-
und wohin sie iiberhaupt abzielen. Eben dieses ist bey der Anzeige dieses genstand der aussern Sinne Materie. [197] Es liiflt sich zwar mancherley
neuen Kantischen Werkes meine Absicht. Einige Bekanntschaft mit dem von der Materie pradiciren, aber hier mull man alles von ihr absondern,
Kantischen System der Vernunftkritik setze ich bey meinen Lesern frey- was Erfahrung von ihr lehrt, z. B. dail sie gefarbt, weich, hart etc. sey, und
lich voraus; nur fiir diese ist meine Beurtheilung gemacht. nur das beybehalten, was vermiige der Kategorien von ihr erkannt werden
Es ist bekannt, dail Herr Kant alles dasjenige Metaphysik nennt, was kann. Auf diese Art erhalt man eine Wissenschaft, welche nach einem
iiber die Sinnenwelt, als den einzigen Gegenstand der Erfahrung, hinaus Princip (den Kategorien) alles enthiilt, was von der Materie oder den Ge-
liegt. Die bisherige Metaphysik gieng nur damit urn, in diesem Felde wirk- genstanden ausserer Sinne iiberhaupt gesagt werden kann. Und da diese
liche Gegenstiinde zu entdecken und ihre Natur zu bestimmen. Dail aber Grundsiitze nicht aus der Erfahrung geschiipft sind, so sind es Metaphysi-
ihr Bestreben ganz vergeblich sey, ist nicht nur durch aile gemachte Ver- sche Grundsatze, und die Wissenschaft verdient den N amen einer Meta-
suche bestiittiget, sondern auch in der Kritik der Reinen Vernunft apodik- physik der korperlichen Natur oder der Materie iiberhaupt
tisch bewiesen worden. Dafiir wurde daselbst dem Verstande ein anderes Dieses nun ist die Wissenschaft, welche Herr Kant in dem gegenwiirti-
metaphysisches Feld angewiesen, wo er genug Gelegenheit finden kann gen Werke geliefert hat. Hierinn werden 1) die Kategorien der Quantitiit
seine Kriifte zu iiben; diefl war die Vernunft mit ihrem Inhalte, abgesondert - Einheit, Vielheit, Allheit - auf den Begriff der Materie bewgen; 2) die
von allem, was die Erfahrung liefert. Denn da zu der Erfahrung zweyerley der Qualitiit - Realitat, Negation, Limitation; 3) die der Relation - Sub-
gehiirt, Materie und Form; so kann die letztere von der erstern abge- stanz, Ursache, Gemeinschaft; und endlich 4) die der Modalitat - Miig-
sondert betrachtet werden, und zwar giinzlich a priori, wei! aile Materie lichkeit, Wirklichkeit, Nothwendigkeit. Wie hieraus das vollstandige
der Form gemiifl seyn mull. Nun befindet sich aber diese allein im Ver- System erbaut werde, dieses begreiflich zu machen, kann man sich unmiig-
stande vollstiindig; mithin mull sich alles, was dazu gehiirt, vollendet dar- lich eines kiirzern Weges bedienen, als dessen, den Herr Kant selbst gegan-
stellen lassen, wenn man das reine Verstandesvermiigen ausgemessen hat. gen ist; und alles, was man thun kiinnte, ware, die Erklarung, Lehr- und
Letzteres ist dadurch [196] geschehen, dafl die Vollstiindigkeit der Katego- Grundsatze systematisch herauszuheben, wodurch man aber doch andern
rien, oder, aile reine Verstandesbegriffe entdeckt sind. Diese erhielten zu- keine gehorige Einsicht beybringen kiinnte. [198]
erst dadurch Bedeutung, dail sie auf die reinen Formen der Sinnlichkeit Hier nun noch eine Sache von Wichtigkeit. Es entdeckt sich niimlich
bewgen wurden. Man legte hier bloB den Begriff einer Natur oder aller gar bald, dail diese Wissenschaft alles dasjenige enthalt, was man in der bis-
miiglichen Erfahrung iiberhaupt zum Grunde, und bestimmte, was zu herigen Naturwissenschaft, die auf empirischen Grundsatzen beruht, als
einer jeden Erfahrung unumgiinglich niithig wiire. Wenn also auch unsre schon ausgemacht postulirt. Nun hat zwar diese beweislose Voraussetzung
Sinnenwelt gar nicht die Theile und Kiirperarten enthielt, die wir vermit- eben keinen nachtheiligen Einflufl auf die Fortschritte der Naturwissen-
te!st der Erfahrung in derselben entdecken; so wiirden doch jene in der schaft gehabt, und konnte auch wohl ohne kiinstliche Beyhiilfe derselben
Kritik entdeckten Gesetze von jeder Natur, sie habe iibrigens Bestimmun- immer weiter fortgehen. Aber es ist eine grofle Beyhiilfe fiir den denken-
gen, welche sie wolle, gelten miissen; und wenn also Natur miiglich wer- den Kopf, zu sehen, wie alles auch hier so zusammenpailt und wie sich
den soli, so kann es nur durch jene Gesetze geschehen. Aber man kann immer die menschliche Einsicht zuletzt auf reine Vernunft griindet und
nun noch weiter gehen. von ihr alles Gewisse und Nothwendige herleitet. Das Pradicat von Bewe-
So wie man nehmlich Erfahrung iiberhaupt oder Natur nach den Ka- gung, welches einer Materie nothwendig anhanget, wei! sie ohne dasselbe
tegorien betrachtet, und daraus gelernt hat, was a priori zu jeder Natur nicht empirisch erkannt werden kiinnte, wird ihr in so verschiedenen Be-
erfodert wird: eben so liiflt sich, wenn man schon weifl, dail es schon Ge- ziehungen beygelegt, als die Kategorien erfodern, und dadurch die Erkla-
genstiinde fiir den iiussern, und Gegenstiinde fiir den innern Sinn giebt, rung des Begriffs, Materie, vollstandig erschiipft. Hieraus werden Lehrsatze
eine Wissenschaft denken, welche das systematisch darstellt, was zu bey- erwiesen und Grundsatze abgeleitet, welche aile in der Naturwissenschaft
den a priori erfodert wird. Dieses kann nicht anders geschehen, als daB auch wohl sonst vorkommen, aber nirgends ist daran gedacht worden, sie
man die Kategorien auf den Begriff des innern oder aussern Gegenstandes so vollstandig in ein System zu ordnen, und sie zu erweisen. Es mull daher
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eine sehr angenehme Entdeckung fiir mathematische Naturforscher seyn, Erfahrungspsychologie. Denn wenn einmahl der gauze Mensch Object
hier ein ganz neues Gebaude aufgerichtet zu sehen, welches mit ihren Ent- der Philosophie ist, und aile Kenntnisse, die den Menschen betreffen, un-
deckungen in so genauer Verbindung steht. Sie werden aber auch in ein ter diesem Nahmen begriffen seyn sollen; so laflt sich Ieicht alles unter
gewisses Erstaunen gerathen, wenn sie finden, daB [199] sie aile die Mate- dem Begriff, Philosophie, bringen, wenn man nicht durch den strengen
rialien, woraus dieses Gebaude aufgefiihrt ist, bisher in allen ihren Ent- Begriff der Wissenschafi einen Zaun urn das Gebiet der Philosophie zieht.
deckungen benutzten, ohne daB nur jemand daran dachte, daB dieser Uberdem hat doch die Philosophie ohne Zweifel auch andere Objecte, als
Grund noch fester gelegt werden kiinnte, als ihnen der Zufall denselben den Menschen, z. B. Gott, Geist, Substanz etc. und wenn man auch an-
darzureichen schien. Mathematische Naturforscher werden nun gewiB nahme, daB Herr M diese Objecte aus der Philosophie ausmerzen wollte;
nicht unterlassen, dieser Wissenschaft immer mehr Festigkeit und Deut- so ware doch der Grund, wei! diese Objecte nicht der Mensch waren, bey
lichkeit zu geben; denn sie setzt allem ihren Wissen die Krone auf. Nur weitem nicht hinreichend; indem, wenn dergleichen Objecte wirklich ge-
dieses einzige will ich noch bemerken, daB man doch ja nicht diese Me- geben waren, die Untersuchungen iiber ihre Natur doch gewill mit zur
taphysik der kiirperlichen Natur mit der Metaphysischen Kiirperlehre, Philosophie gehoren miiBten. Es scheint uns daher immer noch die Kanti·
welche einen Theil der Wolfischen oder anderer metaphysischen Com- sche Definition, nach welcher sie eine Wissenschafi aus Begriffen ist, die
pendien anfiillt, verwechsele, wie solches von manchen bereits schon ge- deutlichste und [245] priiciseste Definition zu seyn; indem sie hierdurch
schehen ist. Die letztere ist ein ungliicklicher Versuch zu erklaren, was nicht nur von der Mathematik unterschieden wird, sondern auch die Be-
Kiirper, Bewegung etc. an sich Se:J! welches aber Herr Kant gar nicht fiir dingung in sich faflt, unter welcher Erfahrungskenntnisse zur Philosophie
miiglich halt, und also gar nicht wollen kann. Er zeigt bloB, was a priori gerechnet werden konnen, und in wie fern Erfahrungen philosophisch be-
nothwendig dazu gehort, urn sich Materie, Bewegung nach verschiedenen handelt werden miissen. Auch die Wolfische Definition hat groBe Vorziige
Richtungen, Kraft, Ruhe etc. als Erscheinungen vorstellen zu kiinnen. vor der Definition des Herrn M, weil sie den Umfang genauer bezeichnet.
Denn das Ansehen des Sokrates kann ohnmoglich schiitzen; da iiberdem
dieser Weltweise nicht sowohl eine Definition von der Philosophie geben,
als vielmehr nur den Gegenstand bezeichnen wollte, zu dessen Gebrauch
aile philosophische Untersuchungen angewandt werden miiBten. Hierauf
<Brunbtili bet ®eefen[e~te oQn ([.. ffieiners, IJ)tofeffot bet IJ)~ifofop~ie in
nimmt Herr M die gewohnliche Eintheilung in theoretische und prakti-
<Bottingen. ~emgo. 1786. in bet 'meQetfc()en iljuc()~anb[ung.
sche Philosophie an, und bezeichnet die erstere mit dem allgemeinen Nah-
D a sich aus einem Grundrill nicht fiiglich wieder ein fiirmlicher Aus-
zug machen laflt; so will ich nur in drey Puncten mein Urtheil iiber
dasselbe dem Publikum vorlegen.
men der Seelenlehre. Nachdem er nun Asthetik, Metaphysik, nariirliche
Religion u. s. w. unter diese Rubrik geordnet; so giebt er den Inhalt des ge-
genwartigen Buchs an, und man findet, daB Herr M das darinnen vortra-
I. Der erste betrift den Begriff und die Eintheilung der Philosophie, wel- gen wollte, was man sonst I.ogik nennt. Wer die Behauptungen der neuern
che Herr Professor M in der Vorrede gegeben hat. Wenn Herr M mit dem Philosophie kennt, wird sich nicht wundern, hier nichts zu finden, als
Sokrates die Philosophie durch die Wissenschaft des {von dem) Menschen Fragmente aus der Anthropologie und der empirischen Seelenlehre ver-
erklan, so kann ich ihm hierin wohl beystimmen, indem er durch das mischt mit einigen reinen Vernunftgrundsatzen. Herr M meint mit vielen
Wort [244] Wissenschaft schon das Systematische in denen Kenntnissen be- andern, wie mir sehr wahl bewuBt ist, keinen Unterschied zwischen rei-
zeichnet, die in einer Einheit verbunden werden sollen. Wenn aber in der nen und empirischen Kenntnissen zu finden, und mull daher noth{246]
Folge Herr Meiners viele Erfahrungskenntnisse, die ohne System nur noch wendig alles dieses unter einander mischen. Aber es beruht dieses zuver-
Agregat ausmachen, z. Ex. Anthropologie und einzelne Data von innern laBig auf einem Millverstand, den nur eigenes scharfes Nachdenken, aber
Erfahrungen unter dem Titel Psychologie, zur Philosophie als Wissen- selbst die ausgebreiteste Belesenheit nicht heben kann. Ich halte doch noch
schaft rechnet; so ist in der That nicht abzusehen, warum Naturkunde immer dafiir, daB, wenn man reelle Fortschritte in den Wissenschaften rna-
und Medicin nicht auch mit zur Philosophie gerechnet werden sollen, da chen will, man sie ihren Objecten nach sorgfaltig von einander trennen
hierinn bey weitem mehr Wissenschaftliches angetroffen wird, als in der miisse, und schlechterdings nicht zweye, die ihrer Natur nach verschieden
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sind, als eine behandeln diirfe. Das Denken ist von dem Empjinden offen- jeder, der nur mit einiger Aufmerksamkeit Kants Schriften gelesen hat,
bar unterschieden, und die Vergleichung der Begriffe hat mit der Anschau- sogleich sehen muB.
ung der Gegenstande nichts gemein; daher miissen die Gesetze des Den- 1) Meint Herr M. daB alle, die K. Schriften eines so groBen Beyfalls ge-
kens auch eine eigene Wissenschaft ausmachen, die von allem, was die wiirdigt batten, dadurch entweder eine sehr traurige U nwissenheit in der
empirische Wahrnehmung und deren Erfahrungsregeln betrift, abstrahirt, Geschichte der Sophisten und Zweifler, oder eine ganzliche Vergessenheit
welche, ob sie schon sehr niitzlich sind, doch schlechterdings nicht in die des Zwecks der Philosophie, oder unmannliche Furcht verriethen. Dies ist
Logik gehoren, wenn nicht ein Galimathias daraus werden soli, wohin ein in der That eine sehr stolze Sprache. Mochte es doch nur Herrn M. ge-
jeder seine Lieblingsmaterien nach Belieben bringen kann. Der Hauptfeh- fallen haben, ein einziges Sophisma aus K. anzuflihren, einen einzigen
ler liegt darin, daB man die l.ogik noch immer als ein Organon ansieht, da Sophisten oder Zweifler zu citiren, der eben diesen Weg gegangen ware,
sie doch nur ein Kanon ist. Die empirischen Regeln, welche die Sinnlich- welches ibm doch bey seiner groBen Belesenheit Ieicht hatte seyn miissen.
keit betreffen, geben ihr freylich Ieichter den Schein des erstern. Aber die Aber bier findet sich nirgends etwas; ja es scheint nur, als ob Herr M.
formellen Gesetze des Denkens sind a priori da, und konnen in ein System durch die paar Seiten, welche gegen K. declamiren, nur babe zeigen wol-
flir sich geordnet werden, und dieses allein macht die Logik aus. Wir wol- len, wie ein sophistischer Vortrag einzurichten sey. Recensent hat in K.
len also das Buch des Herrn Professor Meiners zwar als einen Beytrag zur Schriften weder Sophistik noch Skepticismus, wohl aber Demolirung aller
Erfahrungspsychologie gern annehmen; (247] aber flir eine l.ogik sollte er Sophistik und alles Skepticismus gefunden; welches freilich den Behaup-
es nicht ausgeben. Wolfhatte die Idee einer l.ogik gewiB sehr richtig gefaBt tungen des Herrn M. geradezu widerspricht. Herr M (249] hatte dies doch
und ist unstreitig einer der gliicklichsten Bearbeiter. billig beweisen miissen, da er etwas behauptet, was noch keinem einzigen
II. Das zwqte betrift das harte Urtheil, welches Herr M tiber Herrn Philosophen eingefallen ist, zu sagen.
Kant fallt. Kein Sophist ist so niedrig, zu welchem der groBte Philosoph 2) Sagt Herr M, Herr Kant babe sich den Unwillen der meisten Denker
Europens nicht nach diesem Urtheile herabgewiirdiget wird. Es ist allemal zugezogen, weil "er die reine Vernunft auch ausser der reinen Mathematik
schlimm, wenn ein Mann von einigem Ansehen nur en gros urtheilt, weil als eine Quelle oder ein Prinzipium wahrer ErkenntniB annimmt, ohne
er gewohnlich viele Nachbeter findet, denen das en gros gemeiniglich ihre Wirklichkeit und Giiltigkeit im geringsten bewiesen zu haben: daB er
das Liebste ist, wei! es alles Nachdenken erspart. Die Achtung und die ferner von den ersten Wahrheiten der Religion und der Sittenlehre als von
Ehrfurcht, mit welcher das ganze denkende Publikum die Schriften des bloBen Hypothesen spricht, die keine Giiltigkeit, als Meinungen an sich
Konigsbergischen Philosophen aufgenommen hat, verdiente es, sollte ich selbst, sondern nur in Beziehung auf entgegengesezte transscendente An-
meinen, schon allein, daB man bey Beurtheilung seiner Meinungen ins massungen haben, da er doch zugleich die willkiihrlichsten Satze und Er-
Detail gienge. Wenn aber dieses U rtheil gar falsch ist, wenn kein einziges klarungen als unumsroB!iche Axiomen und ohne allen Beweis fest setzt:
richtiges Datum dabey zum Grunde liegt; so ist es in der That fast arger- daB er auch nicht einen einzigen neuen wichtigen Zweifel wider die er-
lich, wenn man bemerken muB, daB ein solches U rtheil von einem wegen habensten Wahrheiten, oder wider die Griinde und Kriterien der mensch-
anderer Verdienste angesehenen Manne herriihrt. Recensent muB geste- lichen Erkenntnill, nicht einmahl ein einziges neues, nur einigermassen
hen, daB er ein solches Urtheil von Herrn M. nicht vermuthet hatte, und wahrscheinliches Paradoxon vorbringt, und sich dennoch bloB urn seiner
daB es ibm urn so mehr auffiel, da es in dieser Form abgefaBt war. Man neuen Sprache willen, das Ansehen gieb~ als wenn er zuerst die Grundla-
trauet kaum seinen Augen, wenn man findet, daB Herr M sich sogar odio- gen des ganzen Gebaudes menschlicher Kenntnisse untersucht hatte, und
se Griinde gegen Herrn K. erlaubt, und durch die Gefahr, welche die Kan- erschiittern konnte; daB er sich endlich in seinen Erhebungen der reinen
tischen Schriften bey einigen verstimmten Kopfen (248] verursacht haben Vernunft nicht einmal gleich bleibt, sondern sie an mehrern Stellen flir
soli, sein System gehaBig machen will. Warlich, wenn dies ein Priifstein eben so nichtig und unzuverlaBig erklart, (250] als woflir er sonst die Er-
der Wahrheit seyn soli; so ist kein Buch unwahrer als die Bibel, woran fahrung und Erfahrungskenntnisse zu erklaren pflegt."
schon so viele Kopfe gescheitert sind! Unmoglich kan Herr M. diese Art Sollte man nicht glauben, wenn man dieses liest, Herr Kant ware ein
zu argumentiren billigen. Die Vorwiirfe und Beschuldigungen, die Herr M. muthwilliger Knabe, der nur die Graubarte zum Besten haben wollte?
gegen Kant vorbringt, sind alle gleich ungegriindet und falsch, wie ein Und wie? dieser Weise, der seit dreyBigJahren fur einen der ersten Denker
'l1l ein er ~ ®mnbri~ ber 0eelenle9re 529
528 'P9ifofopbifd)e ~nnalen- Friihjahr 1787
in Deutschland gehalten wurde, sollte fiinf und zwanzig Jahre geforscht, Giiltigkeit abgesprochen, und soll Kant deshalb gehaBig werden, weil. er
gedacht und gebauet, und nach diesen langen miihseligen Bemiihungen gezeigt hat, warum diese Beweise keine Kraft haben kiinnen? Ka~m. sich
und Anstrengungen nichts als ein elendes Possenspiel zum Vorschein brin- je eine Philosophie riihmen, die Atheisten, Fatalisten und Matenahsten,
gen, dessen BliiJle Herr M. in einer Vorrede aufdecken konnte? - Nein so wie er mit einem Streich zum Schweigen gebracht zu haben, so daB
warlich, wenn auch Kant seine geiibte Kunst nur angewandt hatte, urn man mit ~podiktischer GewiBheit behaupten kann, sie konnen unmiiglich
Sophismata aufzubauen; so hatte es doch mehr, als eine Vorrede gefordert, ihre Satze beweisen? - Und wie wunderbar citirt Herr M. Kants Worte?
seinen Bau zu zerstohren. Doch laBt uns sehen, wie gegriindet die Be- Warum laBt er denn aus, daB Herr Kant nur von den Hypothesen im spe-
schuldigungen des Herrn M seyn miigen. culativen Gebrauche spricht? und daB er S. 781. nichts sagen will, als: es
Erste Beschuldigung. Kant nimmt die reine Vernunfi auch ausser derMa· Jaflt sich iiber Dinge, die ausser dem Erfahrungsgebiethe liegen, nichts mit
thematik als eine Quelle wahrer Erkenntnis an, und zwar ohne allen Beweis. GewiBheit behaupten, und ich kann aus reiner Vernunft allemahl das Ge-
So wie dieser Satz hier steht, ist er ganz verschoben, und so vieldeutig, daB gentheil eben so stark beweisen. Behauptet z. B. jemand: die _Korper _sind
man leicht nach Belieben Verstand und Unverstand hineinschieben kann. ins Unendliche theilbar; so ist dies eine bloBe Hypothese, die urn ruchts
Reine Vernunft besteht nach K. aus den Kategorien und den daraus entste- gewisser gemacht werden kann, als: die Korper _lassen sich nicht bis !.ns
henden Grundsatzen, in so fern sie Erfahrung moglich machen. Sie giebt Unendliche theilen. Noch nie hat jemand die Sittenle~e so fest begrun-
keine Erkenntnill von Gegenstanden, wenn nicht Sinnlichkeit und Erfah- det, noch nie jemand einen richtigern Weg [253] zur Uberzeugung vom
rung hin{251]zukiimmt; also gehiirt zu jeder ErkenntniB Vernunfi und Daseyn Gottes zu gelangen gezeigt, als Kant Wi~ reimt sich denn folgende
Erfahrung. Herr M muB demnach wohl glauben, reine Vernunft sey gar Stelle (Kritik S. 814.) mit Herr Meiners Beschuldigung?
keine ErkenntniBquelle, sondern die reinen Begriffe werden erst durch .Die Moraltheologie hat den eigenthiimlichen Vorzug vor der speku-
Erfahrungen erzeugt. Wenn dies, wie aus seinem Buche erhellt, seine Mei- lativen daB sie unausbleiblich auf den Begriff eines einigen alf.er.uoll-
nung ist, so beliebe cr nur erst zu zeigen, wie ohne jene Kategorien eine kom,;ten, und verniinfiigen U rwesens fiihret u. s. w. Wenn wir aus dem
einzige Erfahrung moglich is~ und Herr K. wird sich ihm augenblicklich Gesichtspuncte der sittlichen Einheit, als einem nothwendigen Weltg~et':">
gefangen geben. Wenn er aber dieses nicht kann; so weiB ich in der That die Ursache erw":igen, die diesem allein den angemessenen Effect, mithm
nicht, warum die bescheidnen Denker deshalben unwillig auf Herrn K. auch nur fiir uns verbindende Kraft geben kann, so muB es ein einiger
seyn sollen, daB er ihnen das System der reinen Vernunft vollstandig mit oberster Wille seyn, der alle diese Gesetze in sich befaBt. Denn wie wollten
so vieler Arbeit dargestellt hat, dessen Bestandtheile sie sich bisher selbst, wir unter verschiedenen Willen vollkommne Einheit der Zwecke finden?
so wie alle iibrige Menschen, mechanisch und unwissend bedient haben. Dieser Wille muB allgewaltig seyn, damit die ganze Natur, und deren
U nd ohne Beweise hlitte Herr K. dieses System aufgestellt? Kann man sich Beziehung auf Sittlichkeit ihm unterworfen sey; allwissend, damit er das
wohl so etwas vorstellen? Die Fiihrung eines Beweises abzuleugnen, auf Innerste der Gesinnungen, und deren moralischen Werth erkenne; all-
dessen Darstellung fast dreyhundert Seiten gewendet sind? gegenwiirtig, damit er unmittelbar allem BediirfniBe, welches.. das hochste
2te Beschuldigung.•Er spricht von den ersten Wahrheiten der natiirlichen Weltbeste erfodert, nahe sey; ewig, damit in keiner Zeit diese Ubereinstim-
Religion und der Sittenlehre als von bloften Hypothesen, die urn mich seiner mung der Natur und Freyheit ermangele u. s. w." Ich konn~ n~_ch viele
WVrte, zu bedienen, keine Giiltigkeit als Meynungen an sich selbs~ sondern Stellen anfiihren, welche sattsarn beweisen, daB Hr. K. die trostenden
nur in Beziehung aufentgegengesetzte transscendente Anmassungen haben." Wahrheiten der nariirlichen Religion gar nicht umstollen, sondern nur
Diese Beschuldigung ist durch ihren Doppelsinn ausserst odios. Gott, gegen Zweifel schiitzen will. Man darf nur das Kapitel von Meynen, Wissen
Unsterblichkeit und Tu{252Jgend; das sind die drey wichtigsten Gegen- und [254] Glauben S. 820. etc. etc. lesen, und man wird sich sogleich iiberz-
stande der nariirlichen Religion und Sittenlehre. Wo aber hat Kant diese eugen, daB Hr. M von diesen Dingen so wenig weift, als irgen~ ein..anderer;
angegriffen? Herr M zeige nur eine einzige Stelle. Den spekulativen apo- sondern daB er nur fiir sich hinreichende Griinde hat, und seme Uberzeu-
diktischen Beweisen fiir das Daseyn Gottes und die U nsterblichkeit der gung also kein Wissen, sondern nur ein Glaube ist.
Seele hat Kant ihre Kraft benommen; das ist wahr. Aber hat nicht Platner, ]te Beschuldigung.•Er setzt die willkiihrlichsten Siitze und Erkliirungen
Feder, hat nicht Herr M selbst eben diesen Beweisen die demonstrative als unumstajfliche Axiomen und ohne allen Beweis fest" Hier fiihrt Herr M
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endlich einmal einige Stellen an, die seine Beschuldigung bestiittigen sol- 4te Beschuldigung.• Er bringt nicht einen einzigen neuen wichtigen Zwei-
len. Aber man trauet kaum seinen Augen, wenn man die citirten Stellen fel wider die erhabensten Wahrheiten, oder wider die Griinde und Kriteria
aufschliigt, und es kann fast nicht anders seyn, als daB ein boshafter der menschlichen Erkenntnifl, nicht einmal ein einziges neues Paradoxon vor."
Mensch dem Herrn Meinersen ein verstlimmeltes Exemplar von der Kritik Hier hat Hr. M. ganz recht. Kant bringt nicht nur keine Zweifel gegen
mull beygebracht haben. die menschliche Erkenntnillkriifte vor, sondern er giebt ihnen von allen
Kants Begriffe von Raum und Zeit sollen willkiihrlich seyn, die Lehr- Seiten so vie! Festigkeit, daB aile kiinftige Angriffe abprallen mlissen. Para-
siitze dariiber ohne allen Beweis? Unmiiglich, unmiiglich! ich mull in doxa hat er eben so wenig schreiben wollen. Alles, was er sagt, ist in der
meinem Exemplare anders lesen. Sechs und zwanzig Seiten tiber Raum menschlichen Natur selbst gegriindet, wird von jedem, der nicht durch die
und Zeit, und Beweis bey Beweis, steht in meinem Exemplare.•Die Zeit Brille des Systems gukt, sogleich fur wahr erkannt und begriffen. Hier hab
heillt es S. 30., ist kein empirischer Begriff. Beweis. Denn das Zugleichseyn ich also nichts zu widerlegen.
oder Aufeinanderfolgen wiirde selbst nicht in die Wahrnehmung kom- 5te Beschuldigung.• Blofl um seiner neuen Sprache willen gibt er sich das
men, wenn die Vorstellung der Zeit nicht a priori zum Grunde liige. Nur Ansehn, als wenn er zuerst die Grundlagen des ganzen Gebiiudes menschli-
unter deren Voraussetzung kann man sich vorstellen, daB einiges zu einer cher Erkenntnisse gehorig untersucht hiitte und erschiittern kOnnte." [257]
und derselben Zeit (zugleich) oder zu verschiedenen Zeiten (nach einan- Dieses Ansehn hat sich meines Wissens Hr. Kant nirgends gegeben, und
der} sey." Ist denn dies kein [255] Beweis, und sind denn nicht aile Siitze ich fodere Herrn Meiners auf, die Stellen zu citiren, wo er so pralerisch ge-
mit solchen Beweisen versehen? Herr M mullte ibn also doch wenigstens sprochen hiitte. Die bisherigen philosophischen Systeme hat Herr Kant
umstollen, er mullte zeigen, daB die Zeit doch ein empirischer Begriff wohl erschiittert oder vielmehr giinzlich mit einem einzigen Schlage zer-
wiire, daB das Zugleichseyn und Aufeinanderfolgen auch ohne den Begriff triimmert, aber Hr. M. wird doch nicht glauben, daB die Griinde der
der Zeit wahrgenommen werden kiinnte, daB Kants Beweise keine Beweise menschlichen Erkenntnisse, und philosophisches System, einerley sey. Da
wiiren etc. etc. Ich will gar nichts weiter abschreiben, sondern jeden bitten, siihe es freylich sehr milllich mit den menschlichen Erkenntnillkriiften
diese Stelle nachzulesen und zu urtheilen ob bier nur eine einzige Behaup- aus. Untersucht aber hat Herr Kant den Grund der menschlichen Erkennt-
tung ohne Beweis aufgestellt sey. Eben so ungerechter Weise werden die nisse nicht zuerst, denn das haben viele Tausende vor und mit ibm gethan.
iibrigen Stellen als willkiihrlich und beweislos angeflihrt. Das Principium, Aber er hat solchen zuerst ergriindet und viillig aufgedeckt; dies hatte vor
die Menschheit als Zweck an sich selbst zu betrachten, ist so wenig will- ibm noch keiner gethan, und dieses ist das Neue, was wir ibm schuldig
kiihrlich angenommen, dall selbst Herr Meiners keine Moral noch irgend sind. Die Vollstiindigkeit der reinen Verstandesbegriffe und das System aller
eine 1\bhandlung der praktischen Philosophie schreiben kann, ohne das- synthetischen Vernunftgesetze zum Erfahrungsgebrauche hat er ganz allein
selbe vorauszusetzen. Denn ist nicht auch nach seiner Moral das gut, was entdeckt. Herr M. zeige, daB dieses falsch sey, er zeige, daB weder die Be-
den Vernunftgesetzen gemiill geschieht? erflillt der Mensch nicht auch griffe noch die Gesetze nothwendig seyn, daB wir ihrer entbehren kiinnen,
nach seiner Moral, seinen Zweck nur alsdann, wann er alles thut, was Ver- oder daB schon irgend jemand auch nur die Idee gehabt, diese reinen
nunft vorschreibt? ist die Vernunft nicht auch bey ibm der letzte Grund, Grundsiitze und Begriffe in ein System zu ordnen, ihre Abkunft [lier]zu lei-
in welchem aile Gesetze der Moral gegriindet seyn mlissen? mull er nicht ten und ihr Stammregister deutlich zu machen, und er hat gewonnen. [258]
alles thun, wei! es die Vernunft gebietet? und wenn nun alles Moralische 6te Beschuldigung.•Kant bleibt sich in Erhebung der reinen Vernunft
urn der Vernunft willen geschieht; ist die Vernunft nicht Zweck an sich nicht einmahl gleich, sondern erkliirt sie an mehrern Steffen flir eben so
selbst, und also auch die Menschheit? nichtig und unzuverldflig, als wofiir er sonst die Erfahrung und Erfahrungs·
Ist ferner das, was S. 106. behauptet wird, etwann so neu? - Glaubt Hr. kenntnisse zu erkliiren pjlegt."
M. sein Ich so [256] zu erkennen, daB er dessen Natur viillig entwickeln Von aile dem, was Herr M bier vorbringt, hat Kant nicht eine Sylbe ge-
kann? in diesem Fall wiirde er in der That der Welt eine sehr wichtige sagt. Kant spricht den reinen Vernunftgesetzen allen Gebrauch und aile
Entdeckung mittheilen kiinnen. Hr. M wiirde ihr keinen geringen Dienst Gewillheit ab, so bald man sie auf Dinge an sich bezieht; hingegen riiumt
geleistet haben, wenn er die S. 106. 128. vorkommenden Schwierigkeiten er ihnen apodiktische Gewillheit ein, so bald sie auf Dinge in der Erfah-
auf eine griindliche Art aufgeliillt hiitte. rung bewgen werden; dies sagen die Stellen, in welchen Herr M einen
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Widerspruch findet. Ein anderer wird schwerlich einen darinn entdecken. Predigt, und wer nur auf das lucrum der Wissenschaften sieht, und nur auf
Auch hat Herr Kant nirgends die Erfahrungskenntnisse fiir nichtig er- das Brod bedacht ist, das sie ihm einmahl bringen sollen, der Ierne, was er
klart; vielmehr behauptet er allenthalben, dail nur allein in der Erfahrung brauchen kann. Es braucht ja nicht jedermann die Tiefen der mensch-
Realitat und Gewiflheit fiir den Menschen anzutreffen sey. Wie kann also lichen Erkenntnifl zu ergriinden. So vie! zur Rechtfertigung des Herrn
Herr Meiners sagen, dail Kant die Erfahrung fiir nichtig und unzuverlaflig Professor Kant.
erklare? Allgemeine nothwendige Wahrheiten liefert die Erfahrung nicht, III. Was endlich den Inhalt des Grundrisses selbst betrifft; so kennt das
das hat er gesagt, und hierinn stimmen aile Philosophen mit ihm iiberein; Publicum die Manier des Herrn Meiners schon. Er liefert einen [261] guten
aber es ist nichts reelleres und nichts gewisseres fiir uns, als einzelne Erfah- Beytrag zur empirischen Psychologie und Anthropologie, in welche lo-
rungen. [259] Die peinliche Empfindung, welche Herr Meiners bey der aus gische Fragmente eingewebt sind, indem er einige logische Satze aus der
der Kritik S. 746. citirten Stelle hatte, hatte er sich sehr Ieicht ersparen Erfahrung abzuleiten sucht. Diese Versuche sind natiirlicher Weise aile
konnen, wenn er nur bedacht hatte, dafl eben Kants Meynung ist, dail die mifllungen und beruhen nur auf subjektiven Urtheilen, indem die Ver-
wichtigen Religionswahrheiten durch die spekulativen Zweifel gar nichts schiedenheit der Meynungen auf ein blofles Gesagtes hinauslauft. Hie und
von ihrer Gewiflheit verliehren konnen, dafl diese Gewiflheit von ganz da werden auch metaphysische Untersuchungen aus Erfahrung entschie-
etwas anderm abhangt, und dail die spekulative Vernunft nie so vie! Kraft den z. B. S. 65., wo Herr Meiners sich einbildet, Erfahrung lehre, dail unsre
habe, das zu stiirzen, was zur Behauptung der hochsten Wiirde der Seele nichts Korperliches seyn kiinne. Dafl aile diese Bemiihungen vergeb-
Menschheit unumganglich erfodert wird. Daher pailt auch die Humische lich seyn mi<ssen, weifl ein jeder, der da einsieht, dail sich metaphysische
Stelle ganz und gar nicht auf Kan~ und sie kann allenfalls nur gegen Hume Behauptungen durch Erfahrung gar nicht beweisen lassen. Wenn man die
selbst gebraucht werden. Ich kann auch gar nicht begreifen, wie Herr M. Schwache der auch hier aufgestellten logischen und metaphysischen Griin-
jenen mit diesem in eine Klasse stellen kann. Denn so sehr auch Hume de kennen lernen will, so darf man nur die Kapitel tiber die Begriffe, von
mit Kant an Scharfsinn und Tiefsinn verglichen zu werden verdient; so der Seele, von [dfm] Verstand etc. etc. nachlesen, und sich der Kantischen
sind doch ihre Behauptungen geradezu einander entgegengesetzt, indem Foderungen dabey erinnern. Der Raum erlaubt mir nicht, mich hieriiber
Hume die Griinde der menschlichen Erkenntnifl umstossen wollte, Kant weitlauftiger herauszulassen. Doch bin ich erbiitig, Herr Meiners, wenn er
aber sie untersuchte und ihren wahren und festen Grund fand, den auch es verlangen sollte, alles genau zu beweisen. Es gefallen Recensenten iiber-
selbst Hume fiir acht erkannt haben wiirde, wenn er so gliicklich gewesen haupt die Lehrbiicher nicht, welche dem Urtheile des Zuhorers oder
wire, die Schriften unsers groflen Philosophen zu lesen; Hume erdachte Lesers vorgreiffen, welches hier auf allen Seiten geschieht. Lehrbiicher
Zweifel, die kein einziger Philosoph bisher auch nur einmahl fassen konn- miissen Data zum Urtheilen enthalten, aber sie sollen durchaus nicht
te; Kant fand, dail wenn Hume auf seinem Wege weiter gegangen ware, er Urtheile ohne Data aufstellen. Dies gewohnt [262] zum seichten Denken,
noch weit mehr Zweifel wiirde gefunden haben, und losete [260] nicht nur und macht elende Nachbeter. Dail iibrigens viele gute, und lesenswerthe
die Humischen, sondern aile mogliche kiinftige metaphysische Zweifel Bemerkungen, besonders in Riicksicht auf Sprache, in diesem Buche mit
von Grund aus, so dail selbst Hume voll Ehrfurcht vor dem deutschen vorkommen, laugnet Recensent keinesweges. Die griiflte Belesenheit und
Weisen stehen und mit Dank seine Belehrung annehmen wiirde. Es ist also der Umfang historischer Wissenschaft ist auch hier allenthalben sichtbar,
ganz unbegreiflich wie Herr M die Schriften dieser beyden Philosophen so dail es an Materialien zu einer kiinftigen empirischen Wissenschaft
dem Inhalte nach in eine Klasse setzen kann. Es findet sich in der ganzen nicht fehlt. *)
Kritik und in allen Schriften des Herrn Kant auch nicht die mindeste Spur
von Skepticismus, und dessen ungeachtet setzt Herr M. Kanten in die Klas-
se des Sextus, Berkeley und Hume. Was iibrigens Herr M. von den Schwie-
rigkeiten und Dunkelheiten der Kantischen Schriften sagt; so ist doch diese ''') Vorstehender Aufsatz ist mir von einem Gelehnen zugeschickt worden. Da ich iiber-
wohl nur subjektiv, und dafiir hab ich nur Einen sehr niitzlichen Rath; zeugt bin, daB Herr Meiners durch einen mit Griinden unterstlitzten Aufsatz sich
nicht fiir beleidiget halt, und der Aufsatz an sich mir wichtig schien, so babe ich
der heiflt: Wer nicht die Kraft hat, ihren Sinn zu penetriren, der lese sie
nicht angestanden, ihn bier aufzunehmen.
nicht; der Knabe lese seinen Katechismus und der Pastor memorire seine Der Herausgeber.
l
534 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 5. April 1787 M e i n e r s GrundriB der Geschichte der Weltweisheit 535
der Hauptursache zur Begleitung gegeben. Denn wie kann Furcht Beyfall,
LEMGO in der Meyerschen Buchhandlung: Grundrifl der Geschichte der
versteht sich ungeheuchelten Beyfall, erzeugen? Und voraussetzen, da1l
Weltweisheit von C Meiners, Professor der Philosophie in Gottingen
mit Recht geschatzte Schriftsteller aus Furcht Beyfail heucheln, heillt vor-
s.
1786. 302 8.
aussetzen, dall diese Schriftsteller nicht mit Recht geschatzt, sondern so-
griechischen und rOmischen Alterthums, worin sich Materialien zu einem len, richtig gefaBt, sondern vornehmlich auch wiefern er sie in der doppel-
solchen Werke, wie das seinige, fanden, nicht nur gelesen, sondern die ten Beziehung einerseits auf die Sachen, die ihnen entsprechen, und andrer-
wichtigsten urn verschiedner Absichten willen, mehrmahls gelesen (B 1. S. seits auf den menschlichen Geist, aus dem sie entsprungen seyn mogen,
XXX); daJl er die allerschwerste Kunst, die der menschliche Geist erfun- kurz in Hinsicht auf die, unter allem Wechsel von Meinungen, unwandel-
den, die Kunst der hoheren Kritik, nach allen Grundregeln und Geheim- bare Natur und Vernunft, treffend und lehrreich erforschet habe. Nach-
nissen, wenige ausgenommen, geoffenbart, und auf eine nachahmliche dem der Verf. S. 27. den Thales fur den einzigen und auch den ersten unter
Weise angewandt (S. XXVITI.); daJl er mit dem FleiBe und Scharfsinne, die allen griechischen Weisen, der den Himmel zu beobachten und die MeB-
allein keinen wahrhaft groBen Geschichtschreiber ausmachen, auch noch kunst zu griinden angefangen, erklart; setzt er S. 29. hinzu: .gewisser als
die skeptische Unpartheylichkeit, die ihm wie zur andern Natur geworden seine andere Erfindungen ist es, daJl er in Griechenland zuerst eine Son-
ware, verbunden (S. XXVI); und iiberhaupt, was das Verdienst der Voll- nenfinsternill wahrgesagt habe. Herodot I, 27." Ist nun diese Thatsache
standigkeit betrifft, aile in seinem Werke vorkommenden Sachen so er- gewill, so muB es eben so gewiB seyn, daJl Thales e:ntweder die wahren Ur-
schopft, daJl ihm gewiB niemand werde nachsagen konnen, Meinungen, sachen der Eklipsen wirklich eingesehen, oder zu seiner Vorhersagung die
die nicht durchaus unbedeutend seyn, iibergangen zu haben (B. 2. S. Vlll); Mittel, welche er, gleich Bailly's Braminen, sonder Einsicht, mechanisch
und was das Verdienst der Behandlungsart anlange, so richtig das Unwich- benutzen mochte, von ungriechischen Volkern, empfangen haben. Nicht
tige von Wichtigen abzusondern, und alles nach VerhaltniB seines innern doch! Keines von heiden! Denn es ist eine von des Verf. Entdeckungen,
Werths zu bearbeiten verstanden habe, daJl Fremdlinge in dem Fache ihm daJl die griechischen Weisen und namentlich Thales von den ungriechi-
zutrauen miiBten, er wisse es besser, als sie, welche Gegenstande merkwiir- schen Volkern so gut wie gar nichts gelernet, (Gesch. der Wiss. I. S. 144)
dig seyn, und welche nicht. (B. I. S. XXV.) Diese Versicherungen miiBten und es ist eine von seinen Behauptungen, daJl die wahren Ursachen der
ja Pralereyen seyn, wenn nicht Hr. M. bey Abfassung seiner Klage etwa so Eklipsen erst hundert Jahre nach dem Thales errathen, die wahre Gestalt
gedacht hatte: Ich habe den wahren und guten Geschmack und verdanke der Erde aber selbst dann noch nicht einmal vermuthet worden sey.
ihn meiner KenntniB der Geschichte der Weltweisheit; die philosophi- (Ebend. S. 719.) Doch man hore ihn selbst! .Thales," sagt er in seiner zu
schen Kopfe der Nation aussern einen Geschmack, der von dem meinigen obiger Stelle des Grundrisses citirten Geschichte der Wiss. S. 157. • mag
abweicht, also falsch und schlimm seyn, und von Unkunde der Geschichte ubrigens uber die Ursache:n der Eklipse:n gedacht haben, wie er wilh so war er
der Welt{28)weisheit herriihren muB: warum suchen sie der traurigen Un- gewij? der erste in Grieche:nland, der eine Sonne:nfinsternij? vorher [29] ver-
wissenheit und dem elenden Geschmacke nicht durch I.esung meiner kundigte;" und nun versichert er, daJl nach Zeugnissen der Alten, die er
Schriften abzuhelfen, die Verblendeten! Jawohl, zumahl da ihnen diese I.e- sammtlich nahmhaft macht, der milesische Weise 1) den Mond fur einen
sung so widerholentlich eingescharft, und vollends durch gegenwartigen feurige:n Korper wie die Sonne und 2) die Erde fur vie! hundertmal kleiner
GrundriB so ausnehmend erleichtert worden ist. Denn obzwar dieser als den Mond und endlich 3) die Erde fur eine Platte gehalten habe. Was
Grundrill nichts weniger als Geschichte der Weltweisheit, sondern, die er- fehlt nun noch urn ·das Versehn zur zweyten Potenz zu erheben, als daJl je-
sten 26 Seiten abgerechnet, eine bloBe Reihe von kahlen I.ebensbeschrei- ne Zeugnisse der Alten gar nichts, oder gerade das Widerspiel von aile dem
bungen der Weltweisen mit wenigen Anzeigen ihrer I.ehren und gemeinen sagen, was der Verf. daraus angegeben hat? Und so ist es in der That. Denn
Bemerkungen iiber die Denkart der Zeitalter enthalt, so kann er doch, we- der milesische Weise I. statt nach dem Plutarch (de plac. phil. 2, 13.) und
gen der reichlichen Citaten, welche ein Drittel des Raumes einnehmen, nach dem Stobaus eel. phys. p. 53. u. 56. nicht 86. (woes bloB heiBt ®a-1.1!<;
und unter denen des Verf. Schriften zum Blenden dicht und zahlreich reroli1! JloV ~wrvpa lie m aa~pa; ein Satz, den, aa~pa gehorig verstanden,
schimmern, die Stelle eines Realregisters iiber selbige ganz wohl vertreten. jeder Astronom unterschreibt,) den Mond fur einen feurigen Korper ge-
Rec., der sich daran, unter bestandigem Nachschlagen der Citaten, herz- halten zu haben, hat vielmehr nach eben dem Plutarch (2. 28.) und eben
lich miide gelesen, will denen zu Liebe, die eine ahnliche Arbeit versuchen dem Stobaus (p. 60.) behauptet, daft der Mond sein Licht von der Sonne er-
wollten, hier einige, gleich bei den ersten Abschnitten aufgefaJlte Bemer- halte (uno mv 1).1-•ov ql(l)TI,ea801 ~v ae.1.1JV1JV,) und hat nach demselben
kungen hersetzen. Es komt nemlich bloB darauf an, zu zeigen, wie fern H. Plutarch (2, 24.), wie auch der Verf. anfuhrt, von den Sonnenfinsternissen,
M. die I.ehrmeinungen der Alten, nicht nur in Hinsicht auf die Beweisstel- und nach demselben Stobaus (S. 60.) wie der Verf. nicht anfuhrt, von den
538 ALLGEMEINE LlTERATUR-ZEITUNG- 5. Aprill787 M e i n e r s GrundriB der Geschichte der Weltweisheit 539
Mondfinsternissen die wahren Ursachen richtig eingesehen. Und II. statt ('n]V YTJVtv 'UOV datpCOV oUaav, KVKAm tpeproJl&Vf1V nepl 'l"O JlSCIOV, VUKTa ()s
nach dem Diogenes von Laerte (I, 24.) sich die Erde vie! hundertmal klei- Kal fll'spav noww), durch welches Merkmal dies gottliche Feuer sich deut-
ner als den Mond vorgestellt zu haben, hat er vielmehr nach diesem Zeug- lich genug fiir die Sonne selbst zu erkennen gibt, wofiir es auch schon
nisse, worinn der Erde nicht im mindesten gedacht wird, zuerst die Eklip- Kepler (epit. Astr. S. 443.) annahm und jeder halten wird, so fern nach
tik entdeckt, und falls Stanleys (S. 18, nicht 16) nothige Verbesserung gilt, eben dem Stagiriten (de Coelo 2, 2) die Pythagoraer die Achsendrehung
k, eines groBten Himmelskreises fiir die GroBe der Sonne, das hieBe, fiir der Erde von Westen nach Osten wirklich behauptet haben, und so fern
ihren scheinbaren Durchmesser, und so nach fiir den Winkel, worunter der Ubergang von diesem Gedanken zu dem Gedanken an den jahrlichen
selbiger erscheint, einen halben Grad oder 30' angegeben, welche Angabe, Umlauf der Erde weit Ieichter, als der erste Schritt von dem sinnlichen
da wirklich dieser Winkel in der Erdferne nur anderthalb Minuten mehr Augenscheine zu der ihm widersprechenden Achsendrehung ist. Wozu
betriigt, richtiger ist, als man hatte erwarten sollen. Und endlich ill. statt noch kommt, daB Aristoteles anderswo (Met. I, 5) sagt, die Pythagoraer
nach dem Aristoteles (f{e coelo 2, 13) sich die Erde als eine Platte gedacht batten, da es doch wirklich nur neun Weltkorper gebe, (nemlich die fiinf
zu haben, hat er vielmehr nach der Aussage des Stagiriten (cpacn sinew, <b~ Planeten und Sonne, und Mend, und Erde, und Fixsternkugel) bloB der
ll1a TO ltAm"'V siva1 l'svoucrav sc. 1'1JV) das Beharren der Erde durch ihr vollkommnen Zahl Zehn zu Liebe, die antipodische Erdhiilfte (denn das
Schwimmen oder Schweben erklart, und die Gestalt derselben gewiB nicht und nichts anders heiBt avnx8rov) als eine besondere zehnte Welt hinzuge-
fiir platt gehalten, wei! erst nachher ganz absonderlich die Meinung derer, rechnet; welches sie nicht thun konnten, wenn sie ihr Centralfeuer fiir ein
welche das Beharren der Erde durch ihr n.:i.am~ erklarten, angefiihrt, und von der Sonne verschiedenes Wesen hielten, indem sie an selbigem bereits
auch selbst diese Meinung, als nicht unvereinbar mit der Kugelgestalt der das zehnte zu jenen neun Weltwesen gehabt batten. Wirklich zahlt auch
Erde, vom Stagiriten vorgestellt wird, so daB nicht abzusehen ist, wie ir- der Pythagoraer Philolaus beym Plutarch (de pl. phil. 3, 11) nach dem
gend eine Kritik in der Welt fiir ltAmTilV in obiger Stelle n.:l.aTuv sollte lesen gottlichen Feuer als dem ersten die Gegenerde (avnx8rov) fiir den zweyten,
konnen. Aber nun steigt das Versehen zur dritten Potenz. Denn nachdem und unsere Erde fiir den dritten Weltkorper, so daB er, urn zehn herauszu-
der Verf. seine Behauptung aus dem Aristoteles angefiihrt, setzt er hinzu: bringen die Sonne nicht noch besonders mitgerechnet, sondern, als bereits
.Hier wiedersprechen dem Aristoteles Plutarch (de pl. phil. I, 10) und Dio- unter dem gottlichen Feuer begriffen, bey der weitern Zahlung ausgelassen
gen {in vita Tbal.); beyde versichem, daft Tbales die Erde fiir rund gehalten: haben muB, obgleich von dieser weiteren Zahlung Plutarch still schweigt.
man sieht hieraus, wie mifltrauisch man gegen diese Schrijisteller seyn [30] Auf aile Weise steigt sonach dies Versehen des Verf. wieder zur zweyten
miisse. • Ja wohl, wie miBtrauisch man seyn miisse! nur daB das Mistrauen Potenz, [31] wenn er S. 556. der Geschichte der Wissenschaften nicht nur
in diesem Faile nicht auf jene Schriftsteller, sondern auf den, der sie so formlich behauptet: .Die Pythagoriier wiiren von der Vermuthung, daft die
anfiihrt, zuriickfiillt. Denn Plutarch stimmt mit dem Stagiriten so gut, als Planeten sich urn die Sonne herumbewegten, sehr weit entfemt gewesen," son-
rund seyn mit schwimmen konnen stimmt, und Diogenes gedenkt der Mei- dern auch hinzusetzt, diesen Gedanken hatte nach dem Zeugnisse des
nung des Thales iiber die Erdgestalt auch nicht mit einer Sylbe.• Was die Theophrast beym Cicero (acad. quast. IV; 39) Nicetas von Syracus zu aller-
alten Pythagoraer, heillt es S. 40 die Wache des Jupiter nannten, das nann- erst unter den Griechen gehabt, .mittlerweile daB es beym Cicero in der
ten die Mitt/em himmlischen Ather" und sogleich ist wieder die Geschich- angefiihrten Stelle heiBt: Hicetas Syracusius, ut ait Tbeophrastus, coelum,
te der Wissenschaft citirt, wo S. 522. aus des Stagiriten Munde, der hier- salem, lunam, stellas, supera denique omnia stare censet, neque praeter
iiber allein entscheidend spreche, versichert wird: .Die Pythagoriier hiitten terram rem ullam in mundo moveri. Und wie hart sticht gegen die ruhm-
fur das griifleste alter Wesen, ein gewisses gottliches Feuer erklan, dem sie den redige Versicherung .daft ihm niemand werde beweisen konnen, irgend
Namen der Wache des Jupiters geben, das in der Mitte der Welt wohne, etwas nicht ganz unbedeutendes iibergangen zu haben" die fast einer geflis-
und urn welches Sonne, Gestirne und Erde sich bewegten" mittlerweile sentlichen Untreue ahnliche Nachlassigkeit ab, womit der Verf. aus der
daB des Stagiriten Mund, weit gefehlt, von einem Herumbewegen der Son- Stelle beym Diogones von Laerte (8. 15) die pythagorische Lehre, .daft es
ne urn das Centralfeuer das allermindeste zu sagen, vielmehr treulich auf der kugelrunden und rings urn bewohnten Erde Antipoden gebe, denen
bezeugt, die Pythagoraer batten die Erde, als einen der Sterne, urn das das oben sey, was uns unten ist" zweymal auslaBt, indem er die unmittelbar
Centralfeuer im Kreise herumschwebend Tag und Nacht machen lassen vorhergehenden und nachfolgenden Worte, wiewohl auch nicht ohne
r
l
540 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 5. u. 6. April!787 Meiners Grundrifi der Geschichte der Weltweisheit 541
Millverstand, zweymal anftihret {in seiner Geschichte der Wissenschaft S. Dinge anzugeben v~?rbunden sry." Da haben wir des Verf. Theorie von der
524. und 556.) War diese Lehre, deren auch Aristoteles {a. a. 0.) dunkel Behandlungsart der Geschichte der Weltweisheit auf einmal in dem helle-
gedenkt, so kleinfligig oder unglaublich, dall sie keiner Anflihrung oder sten Lichte. Allerdings aber siehet nun auch das Verdienst des Thales, der
Widerlegung bedurfte? Kleinfiigiger als das Bohnenessen, wortiber er ei- einzige und der erste gewesen zu seyn, der zu dichten und zu traumen an-
nen drey Seiten {431-433) Iangen Commentar aufsagt? Unglaublicher als gefangen habe, so wunderlich aus, dall es an Seltsamkeit durch nichts als
die Spharenmusik fiir betaubendes Getone genommen, welche er komisch durch das Verdienst des Mannes tibertroffen wird, der, nach Sancho's,
gravitatisch mit Aussprtichen des Stagiriten {den einen Met. I, 5. noch dankbarer Ausrufung zuerst den lieben Schlaf erfunden hat.
millverstanden dazu) abfertigt, ohne zu wissen, oder zu erwagen, dall eben
diese Spharenmusik, als System von V~?rhiiltnissen gedacht, den unsterbli- (33] Nicht minder sonderbar erscheint unter den Handen des Verf. das
chen Kepler zu seinen gottlichschonen Entdeckungen in der Astronomie pythagorische System.•Nach dem Aristoteles {sagt er S. 39.) hielten Pytha-
begeistert hat, und wirklich von ihm in seiner Weltharmonik {harmonices goras und seine treuen Anhanger" {Aristoteles spricht immer nur von
mundi Libri V. Lincii 1619. Fol.) aufNoten gesetzt worden ist? IIv8ayopeioll;) .die Zahlen fiir die Ursachen aller Dinge" {Washier Ursache
Solche Fehler begeht Hr. M. in Hinsicht auf Sachen; und wir flihren sie heillt, nennt der Stagirit al~w, ein Ausdruck der bey ihm vier ganz ver-
bl?ll an, urn die allzuhohe Vorstellung, die er selbst von der Zuv~?rliissigkeit schiedene Begriffe bezeichnet, die nach seiner eignen Erklarung Met. I, 3.
semer Angaben erregt hat, ein wenig herabzustimmen. Kommt es aber auf sich am fliglichsten durch unsere Ausdrticke, Form, Stoff, Kraft, und Zweck
die Kunst an,_ in Hinsicht auf den menschlichen Geist die Lehrmeinungen andeuten zu lassen scheinen) .ohne im mindesten zu lfrkliiren, wie si.e sich
der alten We1sen zu erfor{32]schen, so ist der Verf. noch ungleich weitl?r die Entstehung der wirklichen Welt aus bloften z.hlen dachten." - .Frrylich,
von der Hohe entfernt, die sich zu unsern Zeiten ersteigen lielle. Ja er fahrt er in seiner hiebey citirten Geschichte der Wissenschaften S. 523,
aullert, wie sich gleich zeigen wird, Maximen, die auf einmal aile solche fort, ist diese Lehre so wunderbar, daft man fragen kann, wi.e si.e jemals in
Nachforschungen unmoglich machen. "Untl?r allen griechischen Weisen, eines Menschen Sinn gekommen. Aber behaupten, daft alles aus Zahlen ent-
heillt es gleichlautend im Grundrisse S. 27. und in der citirten Geschichte standen S")\ ist im Grunde nicht lacherlicher, als sagen, daft alles aus Wasser,
der Wissenschaften S. 139., war Thales von Milet der einzige und auch der oder aus einem gewissen Unendlichen, oder aus den vier Elementen durch
erste, der iiber den Ursprung der Dinge, iibl?r die Griifte und Bewegungen der Freundschaft und Feindschaft, oder aus Atomen durch Nothwendigkeit her-
himmlischen Kiirper, iibl?r die wichtigsten Erscheinungen der Natur, endlich vorgebracht worden." Und darauf setzt er hinzu, es sey nicht erlaubt, alles
iiber sich selbst und die menschliche Seele Beobachtungen und Untersuchungen als ungedacht zu verwerfen, was uns im hochsten Grade ungereimt, und
anzustellen anfing~ Da, in den Beweisstellen, Thales vom Stagiriten Met. I, selbst undenkbar vorkommt, oder wie es anderswo {B. 2. S. XXIY.) heillt,
3. der Urheber der Philosophie der Principien, und von Strabo (XVI, .man miisse nicht glauben, etwas bloft deswegen Vlfi"Werjen oder bezweifeln
942.) der Anfanger der Physiologie genannt wird, so sollte man freylich, zu konnen, wei! es uns undenkbar vorkomme." Nun wahrlich wenn in Ab-
wie es ohnedem schon die Natur der Sache selbst erfordert, denken, dall sicht auf einen Satz, den !aut einer Angabe Philosophen gedacht haben,
unter dieser Philosophie und Physiologie doch irgend etwas methodisches und den wir ganz undenkbar finden, uns nicht erlaubt seyn soli, eines von
und rasonnirtes gemeynt seyn miisse, wodurch sich eben der milesische beyden anzunehmen, entweder, dall der Satz in irgend einem denkbaren
Weise von den friihen Kosmopoeten unterschieden habe. Nicht so Hr. Sinne zu fassen, oder dall die Angabe, wie sie lautet, zu verwerfen sey; so
Meiners . • Wenn man, sagt er, {Geschichte der Wissenschaften B. 2. S. miissen wir den Menschenverstand verleugnen, der ohne die Schlullart,
XIX.) das Anftihren von Beweisen, fur gewisse Sitze, als das einzige Unter- dall, was wirklich ist, (34] auch miiglich sey, und dall mithin was gedacht
scheidungszeichen von Weltweisen und Dichtern gelten lassen wil4 so miissen worden ist, auch gedacht werden konne, sich nicht behelfen kann. ,Aber
alsdenn nicht nur die foniker, sondern auch die Pythagoriier, Eleatiker" {Geist Aristoteles selbst wundert sich tiber diese Lehre der alten Pythagoraer,
des Bayle! wenn du das honest!) • und fast aile Weltweisen bis auf den und, (G. der Wissensch. S. 522.) wenn sie von der Entstehung aller Dinge
Anaxagoras und die z.hl der Philosophen ausgeschlossen und den Dichtern aus Zahlen reden, so war es, wie er sich ausdriickt, als wenn man in einen
zugesellet werden. Den Weltweisen der alten Zeit fie! es noch gar nicht ein, andern Himmel versetzt wiirde." Also Aristoteles horte sie etwas undenk-
daft ein Philosoph die Griinde oder Ursachen aller wirklichen und miiglichen bares denken, und that nichts, als sich dartiber wundern, welches wir ihm
542 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 6. Aprill787 M e i n e r s Grundrill der Geschichte der Weltweisheit 543
denn wohl nachzuthun uns nicht werden weigern diirfen, zumal da diese einzige, ewige, unendliche, unwandelbare und sich stets gleiche Substanz aus-
Sache, der Meynung des V. (Grundri/f S. 39.) zufolge, noch lange so wun- machen, in welcher weder Vervollkommung noch Verschlimmerung statt fin-
derbar nicht ist, als der Umstand, dail selbst die mittleren Pythagoriier, die de, und die mit Empfindung und Vernunft begabt sey," und macht dariiber
nach dem Anaxagoras Socrates und Plato lebten, oberwiihnte Lehre immer in der daselbst citirten Geschichte der Wissensch. S. 609. folgende Tirade:
beybehalten haben! 0 der Stagirite erspart uns diese Demiithigung! Wo .Die Pythagoraer lehrten freylich, was weder Erfahrung bestiitigt" (die zu-
sagt er, dail die Pythagoriier die Entstehung aller Dinge aus bloften Zahlen letzt noch Analysis des Unendlichen wird bestiitigen sollen) .noch die Ver-
behauptet, oder, wie es (G. d. Wiss. S. 532 f.) deutlicher heillt, die Zahl, zur nunft begreift, (in welche leibhafte Vernunft nach gerade jeder Buchstaben-
Schiipferin der Welt verherrlicht hiitten? und wie konnte er es sagen, ohne mann kraft der Autorweihe seine Imbecillitiit verwandeln will,) allein sie
alberner als der Tropf zu erscheinen, der philosophischen Scheidekiinst- emporten sich doch nicht mit einem so/chen Trotze, als Xenophanes, wider
lern vorwerfen wollte, die U ranfiinge der Distel, und des Menschen zu Zeugnisse aller Sinne, und leugneten nicht solche Erscheinungen, von deren
Schopfern von beyden verherrlicht zu haben? (Wieglebs Handbuch der Wirklichkeit uns jede Veranderung iiberzeugt" Das Auf- und Niederspa-
Chemie I, 184.). Weit gefehlt auch iiber ihre Lehre ein solches Staunen aus- zieren eines Schalks vor dem Lehrstuhle eines die U nbegreiflichkeit der
zudriicken, giebt er ihnen vielmehr, in der angefuhrten Stelle (Met. 13, 3.) Bewegung demonstrirenden Philosophen war ein sophisma ignorationis
Recht, dail sie das mathematische, nicht, wie die Platoniker, fur etwas bios elench~ wei! gar nicht die Rede von dem sinnlichen Erscheinen der Bewe-
ideales und von den Dingen abgesondertes, sondern fur etwas objectives gung, sondern von dem Begreifen ihrer reellen Wirklichkeit, oder davon
und den Dingen (wie Tonen, Gestalten, Bewegungen der Himmelskorper) war, ob, wenn es in der Welt kein Sehen und kein Tasten giibe, auch dann
selbst anhaftendes gehalten, und tadelt nur, dail, so fern sie etwas mathe- noch Bewegung statt finden wiirde, und wei! der Philosoph einsahe, in-
matisches auch zum physischen machten, sie in so fern nicht mehr iiber dem er jenes annahm, dieses verwerfen und die Zeugnisse der Sinne, den
die sinnlichen, als solche, sondern iiber andere Gegenstiinde zu riisonniren Schliissen der Vernunft aufopfern zu miissen: aber artiger war doch das
schienen.(Kara J16Vfot TO 1rDlSlV e~ &pt6J1.COV Ta C1WJlaTa qJVCJ!Ka, EotKUal Sophism, als das Eifern und Schelten eines Gegners gewesen wiire, der sich
nep! aAJ.ou oupaYOU MYE!Y Ka! C11llllaTillY, <!A.A.' ou TillY ala81JTillY·) und vor den Philosophen hingestellt, und ihm seine Emporung gegen die Sin-
erinnert zuletzt dail, wenn sie physisch riisonniren wollten, sie billig ihre ne und sein Leugnen der Erscheinungen riichtig verwiesen hiitte. Denn
sonstige Methode aufgeben miillten (ei lie q>UC1!Kill<; fJouA.ovrm A.eye<Y indem der Philosoph iiber jenen gelacht, hiitte er diesem nichts erwiedern
5!Ka!OY auTouc; SK lie T1J<; VUY aq>S!Ya! JlE8o5ou.) Aber bliebe es auch nach konnen, als etwan das Bonmot des Xenophanes: du hast Recht, aoq>oY yap
allem, was Aristoteles sagt, immer zweifelhaft, wie die Pythagoriier sich efym lie!, TOY S1nyYillC10Jl&YOY TOY aoq>OY. • Doch, hei/lt es S. 613. daft die
eigent{35)lich ihre Zahlenlehre gedacht, so ist es gleichwohl unzweifelhaft, altern Philosophen Griechenlandes sich gleich{36]sam wider die Sinne ver-
dail selbige, als allgemeines Problem gefailt sich noch immer denkbar schworen hatten, und aile sinnliche Kenntnij? verdiichtig zu machen suchten,
miisse finden lassen. Und hat nicht ihren Satz Jl!Jl1JC1!Y e!Ym Ta ovra TillY ist bey den Meynungen die sie vertheidigten und die meistens durch augen-
ap!O!llllY, wie ihn Aristoteles (Met I, 6.) ausdriickt, fast in eben dem Aus- scheinliche Erfahrungen widerlegt wurden immer noch Ieichter zu erklii.ren"
drucke, der grolle Leibnitz als eine philosophische Wahrheit behauptet? - (also etwa auch das Phiinomen, dail manche Professores philosophiae
Und entdeckt nicht, bey der tiefsten Analyse aller seiner Vorstellungen je- bey den Meynungen, welche sie vertheidigen, und welche meistens durch
der denkende Kopf, dail sie am Ende auf Iauter Verhiiltnisse hinauslaufen? uniiberwindliche Schliisse widerlegt werden, aile kritische Philosophie
Und mull nicht, wer in Ansehung des Raumes den Schwierigkeiten der verdiichtig zu machen suchen, und sich gleichsam gegen die Vernunft ver-
unendlichen Theilbarkeit ausweichen will, sich denselben aus physischen, schworen; Ieichter sonach ist dies zu erkliiren -) .als die Veranlassungen
oder, wie die Pythagoriier gethan zu haben scheinen, aus mathematischen auftufinden, durch welche Xenophanes zu seinen Behauptungen gelangte."
Punkten bestehend denken (Bayle, Zenon) ? Doch zuriick. Nun wird man Ach, sind sie doch auch Ieicht genug zu finden, diese Veranlassungen,
schon errathen, wie das eleatische System, diese erstaunliche Erscheinung wenn man sich nur auf das Suchen verstehet. Das Wesen aller Dinge TO
in der friihsten Geschichte des menschlichen Geistes behandelt sey. • Xeno- 'Qy KaT' e~OX1JY, fiir unveriinderlich zu halten, nothigte ihn die Uner-
phanes, sagt der Vf. (S. 45. d. Gr.) behauptete schon, wovon man kaum be. griindlichkeit der Idee von Kraft; er erlag der aller Menschen-Vernunft un-
greifen kann wie man es je habe behaupten konnen, daft aile Dinge nur eine aufloslichen Frage, wie irgend Etwas das nicht war, entstehen (Arist. Met.
544 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 6. Aprill787 M e i n e r s Grundrifi der Geschichte der Weltweisheit 545
I, 3. et de Xenoph.) das heiBt, wie irgend etwas als Ursache wirken kiinne, thun konnte, indem Wissen und Meynen, weit gefehlt einander vorauszu-
und fand bey der Wahl zwischen zwey U nbegreiflichkeiten, dieser nem- setzen, vielmehr einander ausschliei!en, zweytens seinen Grundsiitzen
lich, und der entgegen gesetzten, daB was einmal ist (m ov) immer gewesen nach, wie Bayle (Xenoph. not. C.) gewiesen, durchaus thun mui!te; und
sey, und immer seyn werde, mithin nichts entspringe, nichts wechsele, drittens wirklich gethan hat in der herrlichen Stelle (beym Sextus ed. Fabr.
nichts geschehe, lezteres den Gesezen des Denkens freylich angemessener. p. 380.) wo er sagt:
Das Wesen aber von allem sich als einzig zu denken, verleitete vielleicht l<Ul m Jl8V ouv aaq>ec; OUT!<; a~p i&v, ovoe ~·- sam eiowc; liJl(p!
ihn, wie den Parmenides und Spinoza, die iiusserst abgezogne Idee von €>sa>V TE, KUl daaa A.syco 1rEPl1t'UVTWV"
dem Wesen als einem bloBen Seyn gedacht; denn so diese Idee gefaBt, ist el yap KUl ra JLUA.laa rvxot rere.i.eaJ.tevov einwv, aVTot; 6J,Lmc; oVK
klar, daB, was sich vom Wesen oder Seyn unterschiede, eben darum gar oi.Se, OoKot; .5' tm nam rstvrcrat .
nichts ware, und daB sonach mehrere Seyn oder Wesen undenkbar sind, • Ober Gotter und alles was ich vom We/tall sage, hat das Gewisse nun
wei! sie, urn als mehrere gedacht werden zu kiinnen, sich von einander un· wohl kein Menschen Sohn erkannt, noch wird es einer erkennen; denn wiire
terscheiden miiBten, und gleichwohl sich nicht unterscheiden kiinnten, er auch gliicklich genug, es noch so richtig zu tre./fen, so wiirde er doch selbst
ohne ebendarum nichts zu seyn: woraus der SchluB auf die Einheit alles nicht wissen, daft er es getro./fen hatte: Glaube aber ist allen beschieden,
Wesens oder Seyns ganz biindig ist. Und wie vielfach und nahe miissen (oder Dunkel aber ist iiber alles, oder iiber aile verhiingt). Die Varianten ste-
nicht sonst zu Gedanken der Art die Anliisse seyn, da, ohne der Ideen von hen hier nicht umsonst, denn, was nun das schonste ist, der V. gedenkt
Pantheismus zu gedenken, der mehr oder weniger geliiutert aller Orten dieser Verse, und will seine Leser bereden, daB Xenoph. darin von der Un-
und zu allen Zeiten aus Menschenseelen hervorgequollen ist, selbst die fiir gewii!heit alles menschlichen Wissens in Absicht auf seine I.ehrsiitze, gar
achte Vernunfterzeugnisse anerkannten Begriffe von dem allgenugsamsten nichts sage, und daB die Auslegungen bey dem Sextus, (nicht des Sextus)
Wesen und dessen Unveriinderlichkeit, wie schon Bayle gewinkt hat, sicht· welchen zu folge Xenophanes darin theils die Unerforschlichkeit des Wah-
lich mit den Xenophanischen Ideen zusammenspielen, obgleich beyde fiir ren, theils die Erreichbarkeit des Wahrscheinlichen, angedeutet habe, eben
einerley zu halten, darum miB!ich scheint, wei! der Stagirit Met. I, 5. Xe- so unrichtig als einander entgegen gesetzt seyn. Aber das sind minder lehr-
nophanes tv J<at 1rav fUr unbestimmt, ob es auf Form oder Stoff zu deuten reiche Versehen; hier ist ein anders iiber die Denkart des Demokrit, in
sey, erklan, und von ihm ausdriicklich sagt, er habe nichts entschiednes Ansehung welcher uns der V. auf seine G. d. Wiss. verweiset, wo er S. 696.
oder ausgemachtes behauptet; OU08V 0!8CJU<p~V!C18V, welches woh[ diesen sagt: .Indem Demokrit diese seiner Landes Leute mehr, als seiner selbst wiir-
Sinn haben mull, da er sonst, wie seine Fragmente zeigen, sich bis zur Be- dige, Gedanken, (nemlich die Principien der mechanischen Naturerklii-
wunderung lichtvoll und faB!ich ausgedriickt. Immer aber scheint so vie! rungsart, die sich selbst der weise Locke belie ben liei!) mit einer Nachliissig-
klar zu seyn, daB Xenophanes, wenn er in [37] Ansehung des Problems keit hinwarf, als ob eben der Zufal4 den er fiir den SchOpfer der Welt hiilt, sie
vom Urgrunde der Kriifte, welches den Vorwitz der Sterblichen ewig an- ibm zugefiihrt hatte, dachte er gar nicht daran, sie zu beweisen;" und hinzu-
locken und iiffen wird, die Zerschneidung des Knotens versuchte, doch setzet: ,Aristoteles meldet uns, daft De{38]mokrit fast immer nur gesagt, daft
auch die wirkliche Unaufliisbarkeit desselben gar wohl einsahe, und weit etwas so S€')1 oder wie er sich etwas vorstelle, niemals oder selten aber, warum
von dem dogmatischen Diinkel entfernet blieb, womit zwey tausend Jahre etwas so S€)1 oder aus welchen GrUnden er sich Sachen so und nicht anders
spiiter eben diesen Knoten, durch einen Hieb, formlich aufgeliiset zu ha- denke: eine robe und allen Gesetzen der gesunden Vemunft zuwiderlaufende
ben Spinoza wiihnte. Und wenn nun dagegen der V. (S. 611. G. d. Wiss.) Methode." Oder vielmehr eine Methode, die gar keine Methode ist! Aber
sagt: .Xenophanes konnte nicht alles menschliche Wissen fiir schwankend wie, wenn Demokrit in Absicht auf seine I.ehrart, falls er fehlte, gerade
erklaren, wei! er durch diesen Ausspruch aile seine Meynungen iiber den darin fehlte, daB er alles so scharf beweisen, und von allem so strenge,
Haufen geworfen hiitte; vielmehr hielt er aile vorige Siitze fUr wissenschaft- nemlich Iauter nothwendige Griinde angeben wolte? Und wie wenn eben
liche Kenntnisse, oder wie wir zu sagen pflegen, fUr unumstoB!iche Ver- dies Aristoteles in der angezognen Stelle (de gen. anim. 5, 8.) meldete, wo
nunftwahrheiten"; so ist der geistreiche Kolophonier wieder in Gedanken er in einem faBlichen Beyspiel zeigt, und ausdriicklich sagt, daB Demokrit
zu einem prof. phil. in alma nostra gemacht, und ein Versehen dritter Po- (m ov tveJ<a aq>el<; A.eyetv, navm avayel, ofc; XP~TU! Jj q>umc;, OUCJ! JlOV
tenz begangen, wei! dieser Weise eine solche Erklarung erstens fUglich ~owurmc;, ou
Jl~V aAJ.. tveJ<a T!VO<; OVCJ!) die Erklarung aus Endabsichten
546 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 6. u. 7. Aprill787 M e i n e r s GrundriB der Geschichte der Weltweisheit 547
verschmahet, und auf Iauter Erklarungen aus wirkenden Ursachen, oder Vernunfteinsicht emporsteigen, oder von dieser zu jenem hinabsinken
aus Naturkriiften, die nach Naturgesetzen wirken, (airrm s~ dvar~<ryc; mag, Naturtheologie verhaltniflmaflig aus diisterem Aberglauben zu ach-
heiflen sie Met. I, 4. im Gegensatze auf die Wirkungen eines weltordnen- ter Geistesandacht sich veredeln, oder von dieser in jenen ausarten wird; so
den Geistes) gedrungen babe? Sichtbar hat der Vf. da er selbst die Stelle ist es eben so gewifl, daB selbst ftir Andacht von seiner Seite der Naturphi-
griechisch anftihrt, das TO OU SVSI<U darinn SO wie anders WO das TO T! SCH! losoph fast nicht besser sorgen kann, als wenn er unbekiimmert urn sie,
(Met. I. 5.) und iiberhaupt die vier oben beriihmten airrac;, und sonach und bloB auf Einsicht bedacht, an allem in der Natur, auch was noch so
gleichsam die ersten Elemente der Kunstsprache des Stagiriten, den er sehr nach unmittelbarer Anstalt ihres Urhebers aussieht, Gesetzlichkeit
doch mehrmals gelesen zu haben das Publikum versichert, gar nicht ver- und Obereinstimmung zu entdecken oder zu errathen suchet. Es galt dar-
standen: und gleichwohl ist, wenn man I.ehren der Alten aus dem Stagiri- urn diesen Punkt zu beriihren; denn wer sagt uns gut daftir, daB nicht der
ten richtig auffassen will, Gelaufigkeit in seiner Kunstsprache ein kleines V. iiber neuere deutsche Philosophen eben so denke, als er iiber die alte-
Erfordernill, in Vergleich gegen das andre, daB man, da er solche I.ehren sten griechischen urtheilet .•Aile Weltweisen vor dem Anaxagoras, sagt er,
zwar geflissent!ich nie verfalschet, aber, bestandig gleichsam durch die Au- (G. d. Wiss. S. 711.) irrten mit ihren Gedanken in der ganzen Natur, wie
gengliiser seines Systems betrachtend, oft verwgen und verkehrt genug in einer diisteren Wildnifl umber, ohne irgendwo Spuren einer schaffen-
erblickt und darstellt, selbige, nach Maflgabe seines Systems auf ihre natiir- den oder ordnenden Gottheit zu finden, und selbst, nachdem Anaxagoras
liche Gestalt zuriick zu berechnen wisse. Aber vollends das Biindige der den wahren Gott verkiindigt hatte, verkannten ihn noch immer aile seine
mechanischen Naturerklarungsart, die doch wirklich auf das ne plus ultra Zeitgenossen, (wie Zeno, Demokrit) und redeten, gleich den ersten Physi-
des Beweisens, ausgehet, wenn gleich gemeinhin eine Wolke ftir die Juno kern von Nothwendigkeit und Natur, als den Schiipfern der Welt." {Etwa
umfaflt, abderitisch zu schelten, und das Achtphilosophische der Maxime, wie in der Kosmogonie, die jiingst ein scharfsinniger Weltweiser entwarf,
die den.Demokrit, wie den des Cartes und andre, zur Obertreibung jener und dessen Entwurf ein ihm an Geist ahnlicher mit seiner Meisterhand
Erkliirungsart verftihrte bis zu einer solchen Ausrufung zu verkennen: (S. verschiinert, auszeichnete, von Newtonischen und Crawfordischen Geset-
696.) • Wer erstaunt nicht, wenn er ji.ndet, daft Demokrit, der mit den Wer- zen als Schiipfern des Himmels geredet wird. {Giittingsches Taschen-
ken des Anaxagoras bekannt, und gegen ihn nicht nur feindselig gesinnt war, buch 1787). Den Mangel an Berufung auf Endabsicht und Schiipfergeist in
sondern mehrere seiner Gedanken lobte und annahm, daft dieser die von den Natursystemen der alten Philosophen halt der V. ftir einen Beweis,
Anaxagoras verkundigten Wahrheiten (von der Wirkung des Nove; in der daB diese Philosophen die Idee von Endabsicht und Schiipfergeist gar
Natur) gegen die wilden Triiume des Leucipp verworfen habe." -! Verworfen nicht gekannt oder ganzlich verworfen haben; und noch nicht genug; son-
iiberhaupt? das ist noch erst zu beweisen, aber warum er sie aus der Na- dern von diesem (40] Fehlschlufle, schlieflt er gar weiter fort auf die U n-
turwissenschaft verwiesen habe, ist so begreiflich, daB Kenner erstaunen richtigkeit der entgegenstehenden Historeme; und behauptet, aile noch so
miichten, wie der V. dariiber erstaunen kann. Denn in Erkliirung der N a- schiine Anspriiche solcher Philosophen iiber die Gottheit, miiflten, eben
tur sich auf Absichten und Anstalten denkender (39] und selbstthatiger Kraft jenes Beweises, durchaus falsch und erdichtet seyn. - Man sehe dar-
Kriifte berufen, was heillt das anders, als der Erkliirung selbst, die eben aile tiber seine grofle Geschichte der I.ehre von Gott; die sich meist auf dem
Phanomene auf bestimmte Gesetze bestimmter Krafte zuriickftihren soli, angezeigten Fehlschlusse, und dann noch auf den andern drehet, daB unter
ein Ende machen, und auf den Fittigen der Phantasie aus der Sphare der Nationen, von deren Aberglauben man sich mit auffallenden Anekdoten
Natur hiniiber in die Welt der Freyheit fliegen, wo sich alles vermuthen, triigt, kein Kopf sich zu Ideen von einem U rheber und Regierer der Welt
vieles glauben, aber vielleicht nichts wissen laflt. Freylich, wo Betrachtun- erheben kiinne.
gen iiber Endursachen eintreten, da hebt Andacht an; aber da hiirt auch
Einsicht auf; weshalb Baco schon diese Endursachen (in der Physik ge- (41] Doch, wieder eingelenkt, und nun zu der folgenden interessantesten
braucht) mit Nonnen vergleicht, in sofern sie zwar Gott geweiht, wie die- Sache, deren Eriirterung den Schlufl der Recension · auf ihren Anfang
se, aber auch eben so unfruchtbar waren. Und wenn es nun gewill ist, daB zuriickstimmen wird. Angenommen daB Zeno von Elea, wie der V. S. 61.
die Andacht sich immer nach der Einsicht richtet, und daB in eben dem sagt, als der erste vorsatzliche Verderber der Philosophic angeklagt werden
Malle, als Naturkenntnifl stufenweise von dummen Staunen zur halben miisse, wei! er, wo nicht der erste Erfinder, doch gewifl unter den Weltwei-
548 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 7. April1787 Meiners Grundrifi der Geschichte der Weltweisheit 549
sen der erste Ausiiber der Dialektik, oder der Kunst war, (G. d. Wiss. S. ge gehen, und urn ihren Beyfall buhlen. Dies alles sey wahr, und nun sage
711.) Satze nach Belieben zu bestreiten und zu vertheidigen, die unlaugbar- H. M. weil er sich doch einmal hieriiber das Rathgebergeschafte nicht nur,
sten Wahrheiten ungewill, und die griillesten Ungereimtheiten wahrschein- sondern so gar das Richteramt angemallt hat; er sage, auf welche Weise un-
lich, und vollends durch unauflosbare Trugschltisse andre verwirrt und sere iiffentlichen Lehrer und schatzbaren Schriftsteller, deren Geschmack
erstaunt, dagegen sich selbst untiberwindlich und siegreich zu machen. er rneistert, ihren Geist und den Geist der Nation, so viel an ihnen ist, vor
Angenommen auch, dall diese selbst im Schatten der Schulen verderbliche aller Art von Afterweisheit bewahren, und welche Methode des Denkens,
Kunst, welche nachher die megarischen, elischen und eritreischen Dialek- die nicht nur gegen aile Fluthen von Meinungen haltbar, sondern auch der
tiker bis zum Sterben bezauberte, spaterhin, in die Proteusgestalt der Skep- Wtirde des menschlichen Geistes angemessen sey, sie, den kommenden Ge-
sis gekleidet, (S. 141.) eine Menge frischer Liebhaber gewann; weiterfort, schlechtern zu Liebe, verbreiten sollen? Wir wollen doch nicht hoffen,
in Scholastik vermummt, die Kirchenweisen des Mittelalters affte, endlich dall es die alberne Methode seyn werde, da man tiber die Wahrheit solcher
nun in diesen letzten Jahren den philosophischen Geist der Nation wieder Satze, die man gerne beweisen miichte und nicht recht beweisen kann,
k.raftig zu bethoren angefangen habe. Eingeraumet ferner, dall die alten So- +
feilscht und dingt, urn sie wenigstens als oder t wahr zu behalten, und
phisten in dem Herzen und dem Verstande der edlern Jugend, und in der auf solche Weise durch Tergiversiren und Negotiiren mit allen Gegnern
allgemeinen Denkungsart der Zeitgenossen die traurigsten Zerriittungen eine Art von Waffenstill{43)stand oder falschen Frieden zu stiften suchet;
angerichtet haben, wenn sie auf eine so heillose Art, wie der V. (G. d. oder die noch halllichere, sich selbst und wechselseitig einander zu belti-
Wiss. B. 2. S. 184 f.) erzahlt, die ganze Welt ftir eine Wirkung des Ohnge- gen, als hatte man festere Uberzeugungen und griillere Gewillheit von
fahrs und der Nothwendigkeit, aile Begriffe von Gott, Vorsehung und Re- Dingen, und zumal von jenen so genannten wichtigsten Wahrheiten, als
ligion fiir Erfindungen staatskluger auf die Bandigung des grollen Haufens man nun einmal wirklich hat; in der Hofnung, das Publikum werde sich
bedachter Kopfe, die Seele fiir Bestandtheile oder Eigenschaft des Kiirpers, ebenmallig tiiuschen, oder gleichsam ansteckungsweise mit tiberzeugen las-
die mit ihm vergehe, und was das argste ist, die uneigenntitzige Tugend ftir sen. Also etwan die Methode, aile die anders denken, als sie selbst; mit
Thorheit, das Sittengesetz fiir streitend mit der Menschennatur, und die dem Tadel abzufertigen, dall sie den letzten Zweck aller achten Weltweis-
wahre Kunst zu Ieben fiir [42] die Kunst, unbegranzt zu genie/len, nicht heit verkennen? Als ob nicht stultitia caruisse der erste Schritt zur Weis-
nur dreisthin erklanen, sondern diese Lehre mit dem blendendsten Wahr- heit, so wie Erforschung des Wahren und Guten ihr Endzweck ware, und
heitsscheine und dem verftihrerischesten Reitze durch ihre meisterhafte als ob nicht aile noch so seltsam und wunderlich philosophirende und
Dialektik ausschmtickten, und auf diese ihre Kunst, als Virtuosen der phantasirende Kiipfe die Menschheit von lrrthum und Vorurtheil zu be-
Weisheit, in der erklanen Absicht, andere Menschen tugendhaft und freyen, und tiber das Wahre und Gute aufzuklaren verhiellen! Oder die
gltickselig zu machen, die beriihmtesten Stadte Griechenlandes durchzo- Methode, Geschichte der Weltweisheit, das heillt, aller Art von Philoso-
gen, und vor der glanzendesten Zuhiirerschaft auf volkreichen Platzen und phie ohne Unterschied, zu empfehlen, und sonach zur Abwendung des
an feyerlichen Festen ihren Vortrag hielten. Zugestanden dies und weiter Ubels, welches durch philosophische Lehren und Schriften aller Art ent-
zugestanden, dall ungleich starker, blendender, verfiihrerischer, ahnliche stehen kiinnte, das Lesen und Uberdenken dieser Schriften und Lehren
Lehren des Unglaubens und der Unsittlichkeit, kraft der Druckerkunst, selbst anzupreisen, im Vertrauen auf die Zuchtregel der Klostermoral, dall
mit hunderttausend Zungen von neuen Sophisten, dem ganzen Europa, man bose Gedanken am besten werde bezwingen lernen, wenn man sich
soviel es Menschen von Erziehung hat, horbar vorgetragen worden sind, in Versuchungen dazu geflissentlich begiebt, auch wahl in der Hofnung,
und dall kein Gorgias mit der ganzen Sophistenzunft so sehr als Voltaire dall der Eigendtinkel einen jeden von selbst schon aile Gedanken, die mit
mit der Encyclopadisten, Schaar, und dall, tiefer als einer der alten Skepti- den seinigen nicht stimmen, so fort als thiiricht werde verwerfen lassen?
ker, der neue schottische Zweifler, auf die Denkungsart seines Zeitalters Oder endlich die Methode, aile Vernunftuntersuchung tiber Gottheit, Vor-
gewirkt habe und fiir die Zukunft unabsehlich hin fortwirken werde. sehung, Menschenseele, und Sittengesetz, auf einmal mit dem Grundsatze
Wahr sey dies, und ferner wahr, dall, neben solcher Sophistick und Skep- von der Hand zu weisen (Vorrede zur Seelenlehre S. 8.); .dall Erfahrung
sis, noch eleatisch-spinozistische neuplatonische und was nicht alles fiir und Geschichte" (die wieder nichts als fremde Erfahrung ist,) .in allen
Methoden und Philosopheme, unter unserer teutschen Nation in Schwan- Wissenschaften, auller der reinen Mathematik, die einzigen achten Er-
550 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 7. Apri)!787
kenntniBquel!en sind?" Und wie, wenn man nun, durch die einfache
SchluBfolge: was nicht recht erkannt werden kann, mag auch wohl nichts
wirkliches seyn; sich sogleich in das Dilemma versetzt und geniithigt sie-
het, entweder diesen Grundsatz als unrichtig aufzugeben, oder jene iiber
alles wichtige Begriffe von Gegenstanden, die sich doch so wenig, als Inte-
gralgleichungen, weder innerlich fiihlen und empfinden, noch auBerlich
begucken und betasten lassen, fiir sachleer und nichtig zu erklaren, und
sonach, auf jeden Fall, die Vernunftuntersuchung, welche wir ablehnen
wol!ten, wieder vorzunehmen? Das wahre Mittel hat sich schon mit dem
Ubel selbst gefunden, ist bereits vom Sokrates gegen die Afterweisheit
seines Zeitalters gebraucht, und jedem wahren Selbstdenker zur Gniige
bekannt, nur daB es sich so schwer allgemein machen laBt, wei! dabey so
wenig auf Lehrer und Bucher, und soviel auf eigenes Forschen und Den-
ken ankommt. Es ist die kritische Methode des Philosophirens, die [44] in
der redlichsten, schiirfsten, unbefangensten Durchpriifung unseres ge-
sammten ErkenntniBvermiigens bestehet, und die, indem sie uns ein leben-
diges Bewustseyn von unserer eigenen Unwissenheit (ayvota~ yvmO'lv)
giebt, und zugleich eine vol!e Ubersicht iiber die Natur des Menschen als
eines denkenden Wesens, verschaft, uns in den Stand setzt, allen Eingebun-
gen de5 Eigendiinkels so wol, als allen Vorspiegelungen fremden Wahnes
zu widerstehen, und indem sie unseren Geist aile Gegenstande der Unter-
suchung zufiirderst mit seinen Gesetzen und Kriiften vergleichen lehrt,
und an bestandiges Streben und Forschen nach GewiBheit gewiihnt, ihn
fahig macht, in jedem Faile, woriiber, wie weit und mit welchem Grade •
der Zuversicht er urtheilen diirfe oder kiinne, auf das genaueste zu unter-
scheiden, und jede Art von Wissenschaften, Kenntnissen und Meinungen
der Menschen, wie unlauter und selbst thiiricht sie auch seyn miigen, zur
Starkung des Forschungstriebes und zur Erweiterung der SelbsterkenntniB
anzuwenden. Gewahrte nun auch diese Methode am Ende nichts weniger
als einen fertigen und bereiten Besitz und GenuB der Wahrheit; ware sie
darum minder angemessen der Natur des Menschen, dessen Leben nichts
als ein immerwahrender Wechsel von Gedanken, Empfindungen und
Handlungen ist, und dessen Geist, seiner Natur nach, hienieden der Weis-
heit, wie der Tugend und Gliickseligkeit, nur in sofern scheint, theilhaft
werden zu kiinnen, als er von Thorheit, Laster und Elend entfernt mit un-
gehindertem und rastlosem Eifer darnach forscht, strebt, verlangt: wiewol
an sich schon dies Forschen und Streben jedem Geiste, der sich dazu bern-
fen fiihlt, so erhebend und so starkend diinkt, daB er es sogar dem Besit-
zen und GenieBen selbst, wenn ihm die Wahl gelassen wiirde, mit Lessing
vorziehen miigte. Oder ware darum die Verbreitung dieser Methode min-
•
552 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 7. April!787 Meiners Grundrifl der Geschichte der Weltweisheit 553
der wiinschenswerth fiir die Nachkommen, deren jeder, wie wir, seine chen Geistes lehrreich behandelt werden. Denn was helfen, und w'aren sie
Schule von vorn an machen mufl, und weise nur durch eignes Forschen aus den glanzendesten Citaten zusammengesetzt, Legenden von Lehrmei-
und Denken, nicht aber durch das Vermachtnifl einer fertigen und berei- nungen, zumal, wenn sie in Hinsicht auf die Citaten nicht besser, denn als
ten Weisheit werden kann? Zumal da tiberdem diese kritische Denkungs- Grillen und Fratzen erscheinen? Sie dienen zu nichts, als etwa jenen von
art, einerseits, weit von der schnoden Verachtung oder dem ekeln Wider- Socrates mit dem Namen der Manie gestraften DUnkel unwissender Wis-
willen entfernt, womit der dogmatische DUnkel auf alles aufler seinem sen{46]schaft, oder vernlinftiger Unvernunft zu niihren. Dargegen wenn
Kreise herabzusehen pflegt, vielmehr eine Freundin aller Art von Gelehr- man sich, nach dem Vorgange des Bayle, in die Lehrmeinungen zumal der
samkeit ist, aber auch andrer seits durch die Anwendung, welche sie davon alten Weisen Griechenlandes, wo der menschliche Geist aile seine Kriifte
macht, indem sie alles ihrer Prlifung unterwirft, und auf die Natur des auf aile mogliche Weise durchprobirt zu haben scheint, hineinversetzet,
Menschen zurlickflihrt, kr:iftig verhindert, daB diese Gelehrsamkeit nicht mit der Absicht selbige so zu denken, wie ihre Urheber sie gedacht haben
in schaale Polymathie, die den Geist, statt zu nahren, schwacht, ausarten mochten; so wird man bald gewahr, daB diese Lehren bey weitem nicht
kann: alles Zlige, in Absicht auf welche, so wie in Absicht auf das Schick- Iauter Triiumereyen, sondern bey aller ihrer Verschiedenheit gutentheils
sal, von Unverstandigen verkannt zu werden, die kritische Philosophie natlirliche Frlichte sind, die der menschliche Geist, durch Nachdenken ge-
mit der kritischen Theologie ungemein vie! Ahnlichkeit hat. Und wie pflegt, nicht fehlen kann, unter allen Himmelsstrichen und in allen Zeit-
nun wenn der Geschmack an [45] dieser bisher beschriebenen Methode, altern hervorzubringen. Und wird nun nicht diese Wahrnehmung von
welche sonst jeder Weise fiir sich und im Stillen befolgt, in diesen letzten selbst darauf fiihren, die Ursachen der Verschiedenheit solcher Lehren in
Jahren unter der deutschen Nation, mehr als jemals iiffentlich und allge- der Natur des Erkenntniflvermogens selbst durch kritische Prlifung des-
mein sich schiene, ausbreiten zu wollen, und die wahre und natlirliche selben aufzusuchen? und wird nicht wieder umgekehrt diese kritische
U rsache von dem unerwarteten Beyfall ware, welchen Kants Schriften ge- Prlifung treflich helfen, jene Lehren selbst aus unvollkomnen Angaben
funden haben? Und wie wenn Freunde dieser Schriften dies selbst gestan- richtig aufzufassen? und werden nicht so nach beide vereint am besten
den? H. M. biete seine Seelenkunde auf, und beweise dem Verfasser des dazu beytragen die edelste aller Kenntnisse, nemlich die Kenntnifl des
schatzbaren Aufsatzes tiber die Kantische Philosophie im August 1786 des Menschen, von seiner edelsten Seite als denkendes Wesen betrachtet, zu
teutschen Merkurs, und dem Verfasser der vortrefflichen philosophischen vervollkomnen?
Aphorismen (Vorrede, neuer Auflage) daB er besser als sie selbst wisse, wie Da nun der Verf. in der alten Geschichte der Weltweisheit so oft den
es mit ihrem Geschmacke beschaffen sey: mitlerweile wird man sein Still- richtigen Gesichtspunkt verfehlet, in der mittlern sich selbst, nach seinem
schweigen als Abbitte gelten lassen. Was aber noch zuletzt sein U rtheil be- eignen Gestiindnisse, lange nicht genug gethan, in der neuern, aufler so
trift, als ob die kritische Methode des Philosophirens von Unkunde der manchen fehlerhaften Angaben oder schiefen Urtheilen, hauptsiichlich
Geschichte der Weltweisheit herrlihre; so scheint dasselbe von Unkunde sich damit begnugt, statt der Gedanken der Philosophen ihre Bucher zu
der einen sowohl als der andern herzurlihren; denn die letztere richtig ge- beschreiben, und noch dazu meistens in Form von Inhaltsanzeigen, wor-
faflt, fiihrt narlirlicher Weise zu der erstern, so wie die erstere wieder achte aus der Leser etwa wie aus den Oberschriften der Kapitel, oder aus dem
Weltweisheitsgeschichte, die eben so weit von Biographieen der Philoso- Register die Gedanken des Autors errathen mag, z. B.S. 262.; da er endlich
phen als von Legenden ihrer Lehrmeinungen verschieden ist, ausnehmend die allerneuste Geschichte ganz wegliiflt; so wollen wir zwar nicht laugnen,
befiirdert. Nemlich die Lehren der Weltweisen und zumal der alten nur daB dieses Lehrbuch fiir Hn. M. eigne Vorlesungen brauchbar genug seyn
immer in Hinsicht auf Schriften und Autoren betrachten, ist eine Arbeit, miige, sehen aber nicht ab, wie es andre Lehrer, oder gar Leser, die nicht
die nichts als gelehrten Tand erzeugt, wenn nicht auf solche Weise tief und bey ihm Collegia hiiren, befriedigen, oder wie es der Erwartung, die man
scharf gefaflt, eben diese Lehren, nun noch ferner in Hinsicht auf die ih- von des Verf. Gelehrsamkeit und Belesenheit hat, entsprechen kiinnte~)
nen entsprechenden Sachen selbst sowohl als auf die Gesetze des Denkens
untersucht, kurz, wie schon oben gedacht ist, in Beziehung auf die unter *) Eben da Rec. dieses schrieb, kOmmt ibm ein Schreiben eines unserer beriihmtesten
allem Wechsel von Meinungen unwandelbare Vernunft und Natur prag- Philosophen zu, worinnen dieser sich hauptsachlich wundert, dafi in der neuern Geschich~
matisch erforscht, und sonach als wirkliche Erscheinungen des menschli- te Hr. M. ungleich weniger FleiB und Genauigkeit bewiesen babe, als man von ihm h1itte
554 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 7. Aprill787 M e i n e r s Grundrifi der Geschichte der Weltweisheit 555
In der neuen [47] G.,;chichte urn nur einiges anzufiihren, gedenket er des che, welche lieset statt zu denken, und citirt statt zu beweisen, Platz machen
Newton, der zum Argernisse aller Metaphysiker zuerst eine actionem wollten? Si l' homme est un animal raisonnable, (sagt der grol!e Mann, an
materiae in distans annahm, und dadurch die ganze Naturlehre umschuf, dessen Bildung Wolfs Schriften selbst einigen Antheil hatten, und der,
mit keinem Worte. U nd in Absicht auf Wolf, den lezten groi!en Dogmati- durch die Grundsatze seiner Regierung, und durch den Einflull seines Bey-
ker, den er anfiihrt, sagt er S. 300 .nach einigen Menschenaltern werden spiels sowohl, als durch mehrere Werke seines Geistes unendlich [48] vie!
die Freunde der Philosophie, sich wahrscheinlich urn die meisten Anhan- zur Verbreitung allgemeiner Denkfreyheit und achtphilosophischen Ge-
ger Wolfens eben so wenig als urn seine gliicklichsten Widersacher bekiim- schmakes beygetragen hat); les philosophes doivent etre plus hommes, que les
mern." Und das ware wohl gut? Auch wohl gut, wenn endlich die letzten autres; aussi les a-t-on toujours considbis comme les precepteurs du genre
noch lebenden, und groi!tentheils in der Wolfischen Schule gebildeten humain; et leurs ouvrages, qui sont le catechisme de !a raison, ne sauroi.ent
Stammhalter einer lastigen Philosophie, die auf nichts als Denken und assez se repandre pour l'avantage de l'humaniti. Und so sahe Er selbst die
Beweisen dringt, nach gerade den Freunden einer scilicet Ka6' e~OX11V soge- Philosophen an; mittlerweile, dall manche, die mit diesem Nahmen pran-
nannten Philosophie, die vermuthlich keine andere ist, als jene gemiichli- gen, nach gerade nicht nur ihre strengen Lehrer-Rechte, wei! sie sie nicht
erwarten kOnnen. Nachdem er das von Hrn. M. sogenannte kleine Versehen angeftihrt hat, Deutschen zuriikgeblieben sind. AuBerdem haben diese Schriftsteller populiirer geschrie-
daB er fiir das Leben des Schriftstellers Shaftsbury, das Leben seines Grosvaters erzahlet hat, ben, als Wolf und schon dadurch ein allgemeineres Publicum, und darinn kOnnte allenfalls
welches Hr. M. nachher selbst auf Hrn. Brandes Anzeige in der Vorrede zur Seelenlehre ein Grund liegen, warum sie mancher noch lieset, gewiB aber nicht in den inneren Ver·
berichtigt hat, so fahrt er also fort: Von den Werken des George Berkeley hat er wohl diensten ihrer Schriften. In Deutschland ist auch die Wolfische Philosophic in einzelnen
schwerlich ·eines aus eigner Ansicht beschrieben. So halt er die Dialogues between Hylas Aufs3.tzen mehr nach dem Geschmack der graBen I..esewelt vorgetragen, die sich begnliget,
and Philonous fUr eine blol1e Obersetzung von dem Analyst, von dem sie doch ganzlich ihre Grunds3.tze in diesen neuern Schriften zu Iesen. Selbst der grojle Lessing sch:imte sich
verschieden sind. Sie sind bekanntlich im Jahr 1713 englisch herausgekommen. Er glaubt, nicht zu gestehen, daB er seine scharfsinnige Theorie tiber die Asopische Fabel aus der Phi~
der Alciphron babe our in der franzOsischen Ubersetzung den Titel: le petit Philosophe er· losophia Practica Universali des grojlen Wolfs genommen babe. DaB Wolf in seiner Psycho-
halten, den er doch bereits in der Englischen Urschrift flihret, wo er so Iautet: Alciphron or logic alles aus Leibnitz und andern Weltweisen genommen, ausgenommen die ErkHirung
the minute Philosopher. Es ist bekannt, warum B. dem Titel diesen bedeutenden Beysatz der Seelcnkriifte und das Gesetz der Einbildungskraft, ist ungegriindet. Wolf hat sich
gegeben hat. Hiernachst batten diese Schriften nach der Zeitrechnung anders miissen geord- · hieriiber in den Hor. Subs. Vol. I. N. I. p. 26-27. schon selbst hinlanglich erklliret, und
net werden, da die Theory of Vision bereits im Jahr 1709, und die Principles of human wenn diese Erkl1irung nicht befriedigend ware, so mliBte es doch Leibnitzens eigene Erkla~
knowledge im Jahr 1710, und also vor den andern erschienen sind. In dem vierten Dialog rung seyn in den Lett. IV. a Mr. de Montmaure, in den Rec. de div. Pieces, und in Leibnit-
des Alciphron verweiset Berkeley sogar auf die Theory of Vision und das ist die Ursache, zens Werken T. V. S. 15. Selbst die richtige Bestimmung des Gesetzes der Einbildungskraft
warum der franz.Osische Obersetzer die Ubersetzung von diesem kleinen Werke dem Alci- hat Wolf vor dem Mallebranche und Locke zum voraus, die es ganz unvollstiindig angegeben
phron beygefliget hat. Sein Urtheil tiber den graBen Wolf ist h&hst unbillig, absprechend, haben. Und nun die Vorwiirfe, welche der Verf. Wolfen macht? - S. 298. ,als Philosoph hat
superciliOs. Er behauptet S. 300.: ,UnmOglich batten Wolfens Schriften so tief fallen kOn· er durch seine Kunstsprache und Methode unleugbar vielen Schaden gestiftet." DaB irgend
nen, a1s sie gefallen sind, wenn sie einen solchen innern Werth als die besten Werke der AI. cine Wissenschaft ohne Kunstsprache kOnne genau und wissenschaftlich vorgetragen wer-
ten, oder als die Werke eines Locke, Mallebranche, Shaftsbury und anderer gehabt hiitten." den, gestehe ich gern nicht einzusehen. Da es die Mathematik, die Rechtsgelehrsamkeit, die
[47] Bey wem die Wolfischen Schriften so tief gefallen seyn, sagt uns der Verfasser nicht. Arzneygelehrsamkeit u. s. w. nicht kann, wovon cine jede ihre Kunstsprache hat, d. i. cine
DaB sie nicht mehr, wie ehemahls, als sie noch ein Friedrich ll. mit Bewunderung studierte, Sprache, die nur derjenige versteht, welcher diese Wissenschaften griindlich gelemet hat;
von Weltleuten gelesen werden, das haben sie mit den besten Werken der Alten und Neuern warum soil es die Philosophic allein kOnnen? DaB Wolf von der gewOhnlichen philosophi~
gemein, so wie, daB sie nicht von denen gelesen werden, die nicht tiefer in philosophische schen Kunstsprache nicht ohne Noth abgewichen sey, und daB er sie nicht tibertrieben
Untersuchungen eindringen wollen. Die Kenner Iesen sie noch, so wie die Kenner den babe, lehret der Augenschein in seinen Schriften, wo er immer den Sprachgebrauch seiner
Euclides lesen, ob sich gleich mancher praktische Feldmesser mit Wolfs Auszuge behilft Vorganger und gemeiniglich Goclenii Lexicon Philosophicum angeflihret. Er erkliirt sich
und den Euclides kaum dem Nahmen nach kennet. DaB Mallebranche noch viel gelesen auch tiber den weisen Gebrauch der KunstwOrter an vielen Orten seiner Schriften, von de-
werde, auch nur in Frankreich, ist wider aile Erfahrung; daB aber dieser franzOsische Philo- nen ich Ihnen eine Stelle aus seinem allgemein geschiitzten und noch nicht tibertroffenen
soph, so wie Locke und Shaftsbury, bey ihrer Nation noch die philosophischen Haupt- Naturrecht P. V. §. 513. Not. anflihren will: ne praeter necessitatem tenninos innovare velle
Schriftsteller sind, davon ist vielmehr die Ursach, daB die speculative Philosophic in Frank- videamur, quod a more nostro maxime est alienum Und seine Methode hatte, bey ihrem
reich und England weniger geachtet und bearbeitet wird, und daB beide Nationen in diesem Mangel an K.ritik, und zufiillig veranla.Btem Millbrauch, doch gewiB auch sehr wesentlichen
Theile der Gelehrsamkeit, Dank sey es einem Wolf und Leibnitz! ziemlich weit hinter den Nutzen.
556 \!Jot~- geL 3-- 7. April1787 I \tefuet. geL 3-- 8. April!787 3 ar0 b~ ~elifung bee 21lenbd~[o~n[d)en 21loegenflunben 557
behaupten kiinnen, gegen die artigen Hofmeisterkiinste zu vertauschen, und eben so gut ausgefiihrt, und zeigt sich iiberall als einen denkenden
sondern auch Manner, die auf jene Rechte bestehen und sie geltend rna- Kopf, maallt sich auch kein unrechtes Gut an, sondern sagt seinen Zuhii-
chen, als unniitz und gefahrlich zu verrufen suchen. Und das sagt er in rern, mit welchen er in diesen Vorlesungen spricht, gerade [130] heraus:
dem Vorbericht zu dem Extrait du Dictionaire de Bayle {p. VI.), welchen "Alles was sie neues und wahres hiiren, kiinnen sie nur gerade zu fiir Kan-
er in der ausdriicklichen Absicht herausgab, um die bewundemswiirdige tische Ideen halten." Und das ist brav! Verdienst genug, dall er sich mit
Dialektik Baylens gemeiner zu machen (p. ill.) und angehenden Denkern dem Kantischen Systeme so familiarisirt hat, dall er wirklich dasselbe in
eine weise Schiichternheit einzufliillen (p. N.), mitlerweile dall andre, wenn denjenigen Lehren, die zu seinem Zwecke dienten, vie! deutlicher vortriigt,
sie "ihren jungen Weisheitsfreunden" kecken Diinkel beybringen, und ach- als in der Kritik selbst geschehen war. Und dazu war auch die Methode
te Dialektik vorenthalten und verleiden wollen, ihnen weiter nichts als die sehr gut gewahlt, dall er in Vorlesungen mit seinen Freunden spricht,
Lesung ihrer Schriften anzupreisen brauchen. ihnen erlaubt, Zweifel zu machen, und sodann Gelegenheit nimmt, bey
der Widerlegung durch verschiedene Wendungen und Beyspiele ein Licht
iiber jene dunkele Materien zu verbreiten. Und ist nur erst die Kritik ver-
deutscht, hat man sich nur erst verstanden, so wird, denke ich, der gesun-
nothwendigen Existenz dem Begriffe nach, zukommt, auch aufler meinem gen, als daB es die U rsache, der Grund der Welt sey. Nicht als wenn es
Begriffe ein wiirkliches Objekt entsprechen miisse; und es wird also in denen Erscheinungen in der Sinnenwelt zum Grunde liege; dies wiirde ein
dem Begriffe des vollkommensten Wesens schon der Begriff von seiner neuer Spinozismus seyn: sondern dafl das Reale in der Sinnenwelt von
Existenz mit hineingeschoben. Aus diesen lassen sich nun schon die iibri- ihm in der Wirklichkeit abgehangen hat.) 4) Die Begriffe nothwendig und
gen Axiome von selbst beurtheilen, und der Verfasser kann kein einziges zufallig, fahrt unser Verfasser fort, haben auflerhalb der Sinnenwelt gar
derselben brauchen. Hierauf folgt in der neunten Vorlesung erwas iiber kein Objekt; und 5) da das Absolutnothwendige bios regulative Idee im
Idealismus, Epikurismus und Spinozismus. Die zehnte priift nun den Be- Verstande ist, und ihr iiberall kein Objekt gegeben seyn kann; so ist auch
weis a posteriori. Bey diesem wird erinnert: 1) DaB in der ganzen Schlufl- alle Muhe vergebens, die man anwendet, das Daseyn eines solchen Objekts
folge vorausgesetzt wird, daB die Sinnenwelt nicht Erscheinung, sondern zu erweisen. {Man miiflte gar zu vie! von dem, was der Verfasser als Princi-
ein Ding an sich sey. {Ailein wenn denn nun vorausgesetzt wiirde, dafl die pien aus der Kantischen Philosophie vorausgeschickt hat, wiederhohlen,
Sinnenwelt fiir uns blofle Erscheinung ist, ist denn nun das, was dieser Er- wenn man sich griindlich iiber diese Behauptung erklaren wollte, und wir
scheinung zum Grunde liegt, nothwendig oder zufallig?) Hier anrwortet wiirden da fiir eine blofle Anzeige vie! zu weitlauftig seyn miissen. Daher
der Verfasser: es kann beydes seyn; wir konnens nicht wissen. (Dies ist val- begniigen wir uns das Folgende blofl auszugsweise vollends vorzulegen.)
Jig der Gang der Skeptiker beym Sextus.) 2) Das Gesetz der Caussalitat Die eilfte Vorlesung priift den neuen Mendelsohnischen Beweis. Alles
wird in jenem Beweise in einer solchen Bedeutung gebraucht, als ob es Miigliche und alles Wirkliche, sagt M. mufl auch als moglich und wirklich
sich nicht nur auf Erscheinungen, sondern auch auf Dinge an sich er- gedacht werden; sonst ists nicht moglich oder wirklich. Da nun weder ein
streckte. Und es ist derselbe Satz nur allein in der Sinnenwelt von Bedeu- endliches Wesen allein, noch aile endliche Wesen zusammen genommen,
tung, kann uns aber nicht dazu dienen, einen Grund von der Sinnenwelt sich alles Mogliche und alles Wirkliche denken konnen: so mufl ein un-
iiberhaupt aufler ihr zu finden. Er sagt auch nicht, daB man nothwendig endlicher Verstand da seyn, der alles aufs deutlichste in allen Beziehungen
auf eine letzte oder nothwendige U rsache kommen miisse; sondern be- und Subordinationen sich vorstellet. Hier macht unser Verfasser cinen
fiehlt vielmehr von Erscheinungen auf das was vorausgesetzt werden mufl, sehr subtilen Unterschied zwischen subjektiv und objektiv Moglichen.
oder auf ihre Bedingungen ins U nendliche fort zu gehn. 3) Wei! sich in Von jenem giebt er zu, daB alles subjektiv Mogliche miisse gedacht wer-
der Sinnenwelt nichts auffinden laflt, dessen Nichtseyn nicht auch gedenk- den; von diesem aber nicht. Die Dinge selbst, sagt er, konnen fortdauren,
bar ware, so will man sich den Weg zu Erwas bahnen, das nicht zur Sin- und ihre Existenz bleibt ganz unangetastet, obschon das Denken wegfallt.
nenwelt geh6rt und nimmt aus dem Reiche der Begriffe, den Begriff des Das Wirkliche mufl zwar den Gesetzen gemafl seyn, aber es ist nicht nii-
allervollkommensten Wesens an, und glaubt nun, daB ein solches Wesen thig, daB ein denkendes Wesen sich dessen Moglichkeit oder Wirklichkeit
wirklich seyn miisse, welches diesem Begriffe korrespondirt. {Hier begeht vorstelle. {Wie aber, wenn Gesetze selbst nichts anders waren, als Folgen
wohl der Verfasser eine kleine Sophisterey. Denn wenn man einmal das, eines Willens und von einem Geiste herkamen. Ist nun aber das Wirkliche
was in der Sinnenwelt als Erscheinung betrachtet, ihr als ein Reale zum denen Gesetzen gemafl und also objektiv moglich; so folgt ja nothwendig,
Grunde liegt, als zufallig annimmt, wie es Mendelsohn thut, so mufl wohl daB es nur dadurch erst objektiv miiglich worden ist, daB es irgend ein
auch dasjenige Wesen, das den letzten Grund der Welt in sich fasset und Verstand gedacht hat?) Zuletzt wird noch der Beweis a priori fiir das Da-
welches man sich erst im Begriff gedacht hat, auch aufler dem Begriff da seyn Gottes untersucht und widerlegt; und der Verfasser schlieflt sodann:
seyn. Man schlieflt von der Wirklichkeit der Wurkung auf die Wirklich- daB man die Wirklichkeit Gottes mit Gewiflheit nicht demonstriren kon-
keit der U rsache und auf ihre Realexistenz. Sagt uns doch die Erfahrung ne. Ihr ganzer Beweis beruhe nur (133] auf moralischer Gewiflheit, und
auch nichts von dem, was allen Erscheinungen zum Grunde liegt, und also sey das Daseyn Gottes nur hypothetisch nothwendig, damit namlich
doch sind wir genothiget und Kant selbst gesteht es ein so Etwas als (132] die Lehre vom Guten und Bosen, Recht und U nrecht bestehen kiinne, und
wirklich anzunehmen, wei! sonst gar nichts von der Erscheinung zum nicht ihres starksten Fundaments beraubt werde. Das Ganze betrifft also
Vorschein kommen konnte. Warum sollten wir nicht mit eben dem die Frage: Ob man wissen konne, dafl ein Gott sey; oder ob man dies nur
Zwang bey jenem Urwesen stehn bleiben, wenn uns alle Erfahrung verlas- glauben miisse? Das erste laugnen diejenigen, welchen Kant die Fake! vor-
sen hat, ohne aber nur im geringsten erwas mehr von diesem Wesen zu sa- tragt und miissen es laugnen, wenn sie nicht jener Wissenschaft mit ihren
560 Jenal(dje gde~fte Qln;eigen- 9. April 1787 :Ole oer;roei(efte !llletap~9(if 561
Grundsatzen ein Opfer bringen wollen, und sagen, das Daseyn Gottes sey wo ein durchgangiges Nichtdaseyn von sich selbst ein absolutes Chaos im
ein bloller Gegenstand des doktrinalen Glaubens. Also ein Streit iiber ewigen Zirkel, schlechterdings undenkbar ist, wei!, wo nichts von sich
zwey Worte, Willen und Glauben. - In der ganzen kurzen Abhandlung des selbst ist, auch nichts von einem andern seyn kann? - Hier hatte der Re-
Hrn. Kants, wird nur etwas weniges iiber die Methode gesagt, welcher sich censent gewiinscht, dall der Hr. Verf. urn diell vollig ins Licht zu setzen,
Mendelssohn in dieser Materie bedient hat. den metaphysischen Satz vollstandig entwickelt hatte: ohne letzten hinrei-
chenden, oder Stammgrund, findet gar kein hinreichender Grund statt.
Wenn ich frage: woher bin ich? und man antwortet: von deinem [228] Va-
ter und Mutter, so ist diell nur der nachste Grund, aber noch nicht der
0 hne Angabe des Druck- und Verlagsorts ist auf 2 Bogen in gr. 8.
erschienen: Die verzweifelte Metaphysik. 1787. Am Ende dieser
Schrift siehet man, dall selbige den Herrn D. Obereit zum Verfasser, und
vollig zureichende Grund. Denn ich kann weiter fragen: woher ist mein
Vater und Mutter u. s. w. Nehme ich nun keinen letzten Stammgrund
oder Urgrund an, so habe ich fiirwahr keinen beruhigenden oder wahrhaf-
vermoge der Vorrede, daB ein anderer Gelehrter solche zum Druck befor- tig zureichenden Grund. Und so miisste ich bey allen Dingen im Thier-
dert habe. Auf der 11ten S. stehet ein mehr bestimmter Titel, aus welchem und Pflanzenreich, keinen wahrhaften und zureichenden Grund anneh-
man auf den nahern Inhalt dieser Bogen schlieBen kann. Es ist folgender: men, wenn immer eins von andern ins unendliche abhanglich ware. Ich
Die verzweifelte Metaphysik, zwischen Kant und Wizenmann. Hr. 0. mull ja doch zuletzt auf etwas kommen, wovon alles Untergeordnete ab-
giebt das Resultat der, durch Hn Kant entstandenen, philosophischen hangt, das ist auf etwas U nabhangliches. Wollaston erlautert diell sehr
Zweifel in folgenden Worten an: "Der eine, der reine Moralitat, reine Phy- wohl durch die Glieder einer hangenden Kette, denn jemehr die Glieder
sik und Kritik der reinen Vernunft aufstellt, nimmt mir aile objective vermehrt werden, desto schwerer werden sie, und desto mehr hat man Ur-
Griinde des geistigen Anschauens, wie des iibersinnlichen bloBen Den- sache, etwas erstes und festes anzunehmen, wodurch sie aile gehalten Wer-
kens, weg; der ausserst scharflogische andere auch die subjectiven Griinde, den. Ja! wenn man auch eine unendliche Reihe untergeordneter Ursachen
die ein Kant zum Behuf eines sogenannten Vernunftglaubens fiir das hoch- und Wirkungen annehmen wollte, so miisste man doch einen letzten
ste Wesen noch iibrig ge-[227]lassen hat. Nun, was bleibt mir iibrig? Baar Stammgrund ausser dieser Reihe suchen. Denn in der unendlichen Reihe
Nichts!" - Wo nun hinaus? verzweifelte Lage, sagt der Verf. dergleichen selbst ware kein zureichender Grund. Der Recensent hat dieses anderwarts
noch niemals fur mich gewesen! Was nun thun, urn nur einmal wieder daher erwiesen; wei! solche unendliche Reihe entweder fiir sich ihr Da-
ewigen Grund auf ewigem Boden zu finden? Der muB nun einmal gefun- seyn; oder sich selbst hervorgebracht; oder von etwas, das von dieser Reihe
den werden, und sollte ich aile Abgriinde von oben bis unten, die kreuz verschieden, ihre Wirklichkeit bekommen haben miiBte. Das letztere leitet
und die quer durchwandern! Sonst gute Nacht, ewige Vernunft! ewige Be- auf einen letzten U rgrund. Die zwey ersten Falle aber sind unschicklich.
ziehungskraft aller Dinge und Begriffe zusammen! wozu bist du mir niit- Denn in einer unendlichen untergeordneten Reihe von Ursachen und
ze, ohne objektive und subjektive Griinde des Hochsten? - Da denke nun, Wirkungen hangt jede Wirkung von einem andern ab, ohne Aufhoren,
wenn kein Daseyn noch Nichtdaseyn eines Urwesens, nach unsern Fliigel- folglich hat nicht ein einziger Theil dieser Reihe fiir sich ein Daseyn. Also
mannern philosophisch mehr zu erweisen moglich! Denn wenn kein Ur- kann auch die gauze Reihe nicht fiir sich existent seyn. Eben so wenig
gegenstand, keine sich von selbst darstellende Urkraft zu sehen da ist, und kann eine solche unendliche Reihe sich selbst hervorbringen, denn auf
ohne Kraft ist nichts moglich, so ist gar nichts da, kann nichts da seyn. solche Art ware sie zugleich das Hervorbringende und auch das hervor-
Aus Nichtexistenz ist Nichts! Nun denke im Nichts, wenn du kannst. Es gebrachte. [229] Als hervorbringend muB die Reihe schon vor der Hervor-
folgert der Verf. hieraus weiter: es miisse ein Daseyn von sich selbst, eine bringung existent gewesen seyn. Ist dieses, so hat sie sich nicht hervorge-
Kraft von sich selbst wirklich vorhanden seyn, sonst konne gar nichts bracht. Und dieB ist eben, worauf Hrn 0. seine Schrift abzwecket. Nimmt
seyn (S. 13.) Ist nicht, sagt Hr. 0. (S. 15.) aller Moglichkeit und Denkbar- man alles dasjenige dazu, was Hr Feder iiber Raum und Caussalitat gesagt
keit Grund in einer Wirklichkeit? und der Wirklichkeit in einer Kraft? hat, so kann kein Zweifel mehr bleiben, dall eine hochste Grund- und Or-
Ists bios eine bediirftige, bios subjektiv erbettelte Voraussetzung, wo doch kraft wirklich seyn miisse, wovon die Reihe untergeordneter Wirkungen
das Gegentheil alles U rgrundes von sich selbst die hochste U ngereimtheit, abhange, d. i. ein Gott. Was Wunder, dall Hr 0. (S. 16.) sagt: Wenn das
r
562 i)ranf(urter gefe~rte Qln;eigen - 10. April 1787 3afob 6 'Prtifung ber '»lenbelo(o~n(ctjen 'JJlorgen(tunben 563
ewig sich von selbst darstellende Daseyn, ewige Allkraft von sich selbst, letzt zwischen ihm und jacobi entstanden, gar nichts zu thun. Herr Jakob
nicht objectiv real vor allen Dingen ist, was ists denn? - ,Ich hiire, heisst wollte bios die Griinde fiir das Daseyn Gottes, die Mendelssohn vorgetra-
es, (S. 17.) daB die Wahrheit des Daseyns Gottes weder aus allgemeinen, gen, und die Kantische Beurtheilung derselben gegen einander halten, urn
noch aus ewigen Wahrheiten zu finden sey. Denn, spricht Wizenmann, all- zu se{228]hen, ob die ehmalige Beweisart durch Mendelssohns Scharfsinn
gemeine Wahrheiten drucken bios die Verhaltnisse zwischen Dingen aus, gewonnen, und ob durch die verschiednen neuen Wendungen, die er ge-
der Satz aber: es ist ein Gott, druckt kein VerhaltniB aus, folglich kann er braucht, die Grenzen der reinen Vernunft wirklich mehr Erweiterung er-
keine allgemeine Wahrheit seyn." Wie? Das SachverhaltniB der allerersten halten haben, als ihnen Kant hat anweisen wollen. Zu diesem Vorhaben
Ursache, des Urhebers von allem, driickt kein VerhaltniB aus? Wo ist nur war es nothwendig, die Kantische Kritik der reinen Vernunft entweder bei
ein guter, ein reiner menschlicher Begriff von Gott, der kein Verhaltnil!be- dem Leser voraus zu setzen, oder ihm eine kurze, aber deutliche Auseinan-
griff, kein nothwendiger Beziehungsbegriff, kein Ausdruck hiichster Reali- dersetzung derjenigen Lehrsatze, die zum VerstandniB jener Untersuchung
tat, hiermit nicht Allgemeine, und sogar ewige Wahrheit zugleich sey? gehoren, vorzulegen. Das erstere wollte Herr J. nicht wagen, also that er
Hierbey wird von dem ungenannten Herausgeber in der Note ** be- das letztere. U ngeachtet verschiedne Schriftsteller, und Herr Kant selbst
merkt: Hier muB ein jeder denkender Kopf dem Verfasser gewiB bey- sich viele Miihe gegeben, die Resultate von der Kritik der reinen Vernunft
pflichten. Denn was ware ein unwirksamer Gott? etc. Auf der 18. S. stiisst durch andre Wendungen und Stellungen mehr ans Licht zu bringen, und
der Recensent auf eine Stelle, die ihm so, wie sie daselbst ausgedruckt ste- dem Vortrage mehr Populatitat zu geben, so scheint doch die Zahl der
het, nicht evident ist. Es glaubt nemlich Hr. 0. wer etwas, vom ewigen Leser und derer, die sie verstehn, der Zahl der Kaufer lange nicht gleich zu
Daseyn unabhangig, behaupte, miisse auch ewige Wahrheiten ohne ewigen kommen. Deswegen machte Herr Jakob hier einen Versuch, einen Theil
Verstand, ohne ewigen Gegenstand annehmen, welches er fiir abge- dieses Buchs zu seinem Zwecke zu analysiren, und dessen Innhalt dem ge-
schmackt halt. Allein laBt sich denn nicht etwas bios [230] Mogliches ge- meinen Verstande falllich und deutlich darzustellen. Freilich kann man in
denken, das zu jederzeit und ewig miiglich bleibt, ob es schon nie wirk- einigen Bogen keine vollstiindige Auscinandersetzung aller Satze und aller
lich wird, und auch nicht von einem ewigen wirklich daseyenden Wesen Resultate der Kantischen Kritik erwarten. Es war zur Absicht des Herrn J.
abhangt? und ist diel! nicht auch eine ewige Wahrheit? Das bios miigliche hinreichend, den U nterschied der Gegenstande der Sinnlichkeit und des
ist fiir sich Widerspruchs frey, ohne Abhanglichkeit von irgend einem an- Verstandes, die Vollstandigkeit der reinen Begriffe und Grundsatze a priori
dern existirendem Wesen. Es ist was wahres, wenn auch per fictionem ab und ihre Einschrankung auf die Sinnenwelt zu zeigen. Als Herr J. dem
impossibili kein Gott ware. Denn was Mendelssohn behauptete, alles Miig- Herrn Kant seinen Entschlul!, eine Priifung von Mendelssohns Morgen-
liche miisse auch von einem wirklichen Subjekt gedacht werden, woferne stunden herauszugeben, meldete, und in seinem Briefe unter andern einer
es miiglich seyn sollte, ist nicht hinreichend von ihm dargethan worden. Stelle in den Morgenstunden erwahnte, schickte ihm Kant nicht allein eine
Genug, die angezeigte kleine Schrift verdient allerdings gelesen und erwo- Berichtigung dieser Stelle, sondern auch einen (229] Aufsatz, in dem noch
gen zu werden. mehr enthalten war, und den er hinter seiner Vorrede bekannt macht. -
Herrn Jakobs Werk ist in dreizehn Vorlesungen abgetheilt. Von S. 323.
folgt noch als ein Anhang ein Auszug aus einem Briefe, den der Verfasser
an einen beriihmten Philosophen geschrieben. Er ist gegen Platner und
~eiPhig. iiberhaupt gegen diejenigen gerichtet, welche glauben, dall Leibnitzens und
Kants Theorien von Raum und Zeit in einander fallen, und der Verfasser
'J)rtifung bee '»lenbel~fo~nfc!len '»loegenflunben, ober a!rer fpe!ufatiOen )l;eroeife will darthun, dall die bisherigen Erklarungen, die man davon gegeben,
fUr bM iOafe~n ~otte~, in Qloe[efungen oon llubroig t,leinric!l ila!o6,
nicht hinreichen, jene Behauptung zu erweisen.
!Ooltor bee 'J)~i[ofop~ie in t,la!re, ne6fl einer 2!6~anb[ung oon t,>mn 'J)rofeffor
.fi:a nt, 6ei t,lein~u~, 1786. 334 ®eiten, in Boo.
Diese Schrift ist keine Streitschrift; sie hat mit den persiinlichen Ver-
haltnissen des verstorbnen Mendelssohn, mit den Millhelligkeiten, die zu-
564 !Bot~ai[dje gefe~rte ,3eltungen - 21. April1787 ~ e~ er ti~er Jlaum un~ Q:au[[alitiit 565
thun habe, die einer vollstiindigen Deutlichkeit und Bestimmtheit Hihig Phantasie; diese Einbildungen mit sammt dem Raum, in welchem sie er-
sind, welches bey der Philosophie der Fall nicht sey und nicht seyn kiinne. scheinen, wiiren aber keinem Menschen von n:!tiirlich gesundem Verstan-
Also die Verschiedenheit der Gegenstdnde, die bey der reinen Mathematik de eine wiirkliche Welt ausser ihm, sondern eine Ideenwelt in ihm. Dall
blosse Vorstellungen, und einer viilligen Deutlichkeit und Bestimmtheit wir von der Korperwelt nur sinnliche Erkenntnill haben, und weder sagen
fiihige Vorstellungen, bey der Philosophie hingegen vollstdndige, von uns kiinnen, was die Dinge an sich sind, ein Ausdruck der scharf beleuchtet gar
aber nur unvollstiindig erkannte wurkliche Dinge sind, mache den Grund keinen Sinn habe, noch auch Leibnitzisch durch Vorstellungen anderer
der ungleichen Evidenz der reinen und der andern Erkenntnillart aus; Art, Vorstellungen von geistigen Kriiften und Eigenschaften, die der innere
nicht dies, dall die reinen Vorstellungen bios auf innerm Grunde beruhen, Sinn uns verschaft, jene sinnliche Vorstellungen aufkliiren und berichtigen,
oder a priori in uns sind, die andern aber aus sinnlichen Eindriicken ab- oder irgend vervollkommnen kiinnen; darin ist Hr. F. mit Hrn. Kant aufs
strahirt werden. Gegen das Kantische Argument, dall der Allgemeine Be- viilligste einverstanden. U m so mehr aber befremdet es ihn, dall Kant das,
griff vom Raum nicht aus percipirten kleinen Riiumen zusammen{270]ge- was unsere einzige Erkenntnill (271] von der Sache ist, nur so empirisch
setzt sey, sagt Hr. E es lasse sich doch wohl begreifen, wie die Imagination wahr seyn liillt, nur so ausserhalb der Wissenschaft, und in dieser so einstim-
diese gtolle Vorstellung vom Raum aus kleinern Vorstellungen des Raums mig mit dem Idealisten, aile Kiirper mit sammt dem Raume, darin sie sich
habe schaffen konnen; und gegen den Beweis des nicht empirischen Ur- befinden, fiir nichts als blosse Vorstellungen erkliirt. - Erkliirung, wie von
sprungs des Raums aus der Unendlichkeit desselben wird bemerkt, dall Dingen ausser uns Vorstellungen, Wahrnehmungen in uns seyn konnen,
diese U nendlichkeit kein Stiick der Anschauung, also kein Stiick unserer diirfe der Idealist nicht fodern, er diirfe keinen weitern Grund von den
positiven, wiirklichen Erkenntnift sey. Unsere wiirklichen Anschauungen letzten GrUnden unserer Erkenntnill von uns begehren; denn auch Er kiin-
hiitten allemal Griinzen; miigten sie nun von aussen her, oder innerlich ne nicht erkliiren, wie solche Vorstellungen und Gefiihle, in solch einer
durch die Imagination bewiirkt werden. Das Priidicat unendlich giiben wir Ordnung, so zum Verdrull seiner Seele, bey allem ihrem Widerstreben,
dem Raum nur darum, weil wir ihm keine bestimmten Griinzen anweisen aus ihr selbst entstehen. Wenn nun das Erkliiren hier iiberall wegfallen
kOnnten. Wo keine Realitat sey, kOnne keine aufhOren; wo nichts, wo es miisse, und es nur darauf ankomme, das Factum getreu vorzutragen, so sey
leer sey, da sey Raum. So urtheilten wir, dall der Raum unendlich sey. Da- es ein zweydeutiger, und wie er in des Idealisten Schlull angewendet werde,
zu brauche es keines angebohrnen Begriffes. Die iibrigen Betrachtungen falscher Satz, daft die sinnlichen Erscheinungen blosse Wahmehmungen oder
dieses Hauptstiicks betreffen den Kantischen Idealismus. Die Behauptung Vorstellungen in uns seyn. - Die erste Unvollkommenheit unserer sinnli-
des wiirklichen Daseyns der Korper ausser unserer Vorstellung, heillt es, chen Erkenntnill beweist nichts fiir den Idealism, eben so wenig als gemei-
habe den U nterschied der Empfindung und ihrer Gegenstiinde von den ne Irthiimer in Ansehung sinnlicher Erscheinungen. Es kiinne und miisse
blossen Einbildungen und Erinnerungen zum Grunde, und soli ihn bios vieles vorhanden seyn, was der Mensch nie empfunden habe, und viel-
bemerklich machen; dieser Unterschied sey bekanntlich sehr reel und leicht nie empfinden werde; es sey unnatiirlich und nicht wissenschaftlich,
groll, und verdiene daher einen eigenen Namen. Der Antiidealist eigne aus dem Bemerken des Menschen ein Entstehen oder Scha./fen der Dinge zu
den Gegenstiinden der Empfindung eine Wurklichkeit zu, die den blossen machen. Gegen die Behauptung, dall aus der angenommenen Wiirklich-
Vorstellungen abgesprochen werde, wei! das Wort Wurklichkeit, Daseyn, keit der sinnlichen Gegenstiinde wahre Widerspriiche unvermeidlich ent-
just das, oder wenigstens hauptsiichlich und zuforderst das bedeute, was bey stehen, ein Streit der Vernunft mit sich selbst, Antinomie, wie es Kant
der Empfindung der Fall sey, und bey der blossen Vorstellung nicht sey. nennt, sucht Herr Hofr. Feder zu beweisen, dall urn diese Antinomie zu
Ausser uns, sagt man, sind diese Dinge, wei! wir so sehr klar und deutlich heben, das Eigenthiimliche der Kantischen Lehre vom Raum gar nicht nii-
wahrnehmen, dall sie nicht, wie unsere blossen Vorstellungen, in uns sind; thig sey; wir miissen aber sowohl das, was er iiber die Priidikate des Raums
wei! wir ihre Wiirklichkeit nicht als etwas uns Angehendes, sondern von sagt, als das was er zur Hebung der zwey Antinomien von der Theilbar-
uns und unsern blossen Vorstellungen so ganz Verschiedenes empfinden. keit des Raumes und der Materie ins Unendliche, und von der endlichen
N ach Kanten sey der Raum bios etwas Eingebildetes, wiirklich nur in uns; und begrenzten Ausdehnung der Welt, vortriigt, so wie auch die Untersu-
dieses hebe den Unterschied zwischen wiirklichen Dingen und blossen chung, ob der Kantische Idealism besser als ein anderer sey, iibergehen,
Einbildungen auf, und verwandle die wiirklichen Dinge in Bilder der urn noch Einiges aus dem zweyten Hauptstiick mittheilen zu kiinnen.
568 (!)ot~aiftj)e gefe~rte ,Seitungen - 25. April 1787 ;leber tiber Jlaum unb \fauffalitiit 569
[273] Wir fahren in der Anzeige der Schrift uber Raum und Caussalitdt entstehen nur aus der Vereinigung mehrerer einzelnen Bemerkungen. Der
fort. Das zwryte Hauptstuck, bey welchem wir stehen geblieben sind, han- allgemeine Begriff vom Menschen ist nichts anders, als das Gemeinschaft-
ddt von der Caussalitat und der Erkenntnill unsichtbarer Wesen. Wenn liche der vielen Menschen, die man kennt, oder von denen man gehort
Kant behauptet, der Begriff von Ursache sey nicht empirischen Ur- hat. Bey der Anwendung unserer allgemeinen Begriffe ist eigentlich nur
sprungs, sondern ein reiner Verstandesbegriff, und sein Gebrauch schriin- der Name oder jedes andere Zeichen, das ihn andeutet, allgemein in der
ke sich bios auf Gegenstande der Erfahrung ein; so behauptet hingegen Erkenntnill. Die Erkenntnill selbst, dieAnschauung, die beym Namen ent-
Feder: der Begriff von Ursache sey vollig empirischen Ursprungs, sein steht, ist allemal etwas einzelnes. Unsere ins Allgemeine gehenden Urthei-
Gebrauch erstrecke sich weiter als bios auf Gegenstiinde der Erfahrung, le und Ausspriiche, auch wenn sie zuniichst aus Zeichen entstehen, hiingen
oder der unmittelbaren Anschauung. Denn es sey der Natur unsers Ver- von zwry Bedingungen ab: 1) mull vorausgesetzt werden, dall die Namen
standes gemiis, aus dem, was wir durch die Erfahrung mit Gewillheit er- des Subjekts und Priidikats nie etwas anders bedeuten, als was ich mir jetzt
kannt haben, angemessene Schliisse und Vermuthungen in uns entstehen dabey denke; 2) mull vorausgesetzt werden, dall die Unmoglichkeit, die
zu lassen. Die Vernunft sey genothiget, bey dem Abhiingigen und Beding- ich jetzt in mir gewahr werde, das Verhiiltnill der vorschwebenden Begriffe
ten etwas Unabhiingiges und Unbedingtes, als den letzten Grund anzuneh- anders mir vorzustellen, als ich jetzt thue, keine voriibergehende, sondern
men u. s. w. Eine objective Nothwendigkei~ sagt Kan~ die der Begriff von eine bestiindige, unveriinderliche Einrichtung meiner und der menschli-
Ursache in sich fai!t, sey uns durch die Erfahrung nicht erkennbar, also chen Natur iiberhaupt sey. Nun ist es ein Hauptgesetz unseres Verstandes,
miisse er eine freylich auf Erfahrung abzielende, aber doch a priori wesent- dall uns zu allen unsern U rtheilen Griinde nothig sind. Wenn wir nun ein
liche, und die Erfahrung erst moglich machende Function oder Denkform Verhiiltnill zwischen einigen unserer Vorstellungen, und eine Nothwendig-
des Verstandes zum Grunde haben. Allerdings, sagt Hr. Feder, liegt in der keit des Anerkennens desselben so klar und deutlich und so anhaltend, so
Idee von Ursache die von Nothwendigkei~ das Gegentheil von Zufall; aber jeden Augenblick aufs neue und immer auf dieselbe Weise empfinden, das
sie entsteht aus unsern Empfindungen, wir empfinden Nothwendigkeit, Gegentheil davon aber nie uns vorstellen und anerkennen konnen; wie
so oft wir empfinden, dall wir etwas nicht konnen; denn nothwendig ist, sollten wir denn dazu kommen, das Gegentheil dennoch fiir denkbar zu
wovon das Gegentheil nicht seyn kann; was wir nicht iindern konnen, halten? Wenn nun noch die Ubereinstimmung aller andern Menschen
miissen wir so lassen, und was wir nicht lassen kOnnen, miissen wir thun. dazu kommt, wo sollte auch nur der geringste Schein eines Grundes zur
Aber auch zur Idee von einer nothwendigen Folge und Dependenz, wie Einschrankung des U rtheils auf Particularitiit herkommen? So entstehn die
zum Begriff von U rsache gehort, liegt voller Grund in einigen unserer Ge- allgemeinen Wahrheiten vom menschlichen Verstande und der menschli-
fiihle. Grund zur Idee von der Caussalitiit iiberhaupt und ihrer grollten chen Natur iiberhaupt, ohne Ausnahme aus empirischen Griin{275]den.
[274] Vollkommenheit liegt in dem, was wir bey dem Verhiiltnill der Wenn nun aber das menschliche Urtheil von einzelnen Bemerkungen zur
Conclusion zu den Priimissen in einem Vernunftschlusse gewahr werden. Allgemeinheit sich erheben darf, sobald der Ubereinstimmung vieler sol-
Sind die Priimissen gesetzt, so muft der Verstand diese Folge ziehen. U nd cher Bemerkungen kein Grund, das Gegentheil irgend fiir moglich zu
wir konnen aus den Priimissen die Conclusion vorhersehen, ehe sie uns halten, entgegen ist: so liillt sich auch die Ausdehnung der Caussalitiits-
noch gesagt wird; auch riickwiirts nicht selten aus der Conclusion die Prii- urtheile auf die Verhiiltnisse der Gegenstiinde iiusserer Wahrnehmungen
missen entdecken. Auch sehr oft beym Entstehen anderer innerer Zustiin- Ieicht begreifen und rechtfertigen. - Nach genauen Begriffen, fiihrt Hr. R
de und Veriinderungen empfinden wir diejenige Nothwendigkeit und fort, ist aile Kenntnill der iiussern Natur aus blossen innern Vorstellungen
Dependenz, die den Begriff von Caussalverhiiltnill ausmacht. Konnen wir oder sogenannter reiner Vernunft, eine unstatthafte Anmassung; und da es
sehen und horen und fiihlen, wann und was wir wollen? oder miissen wir iiberall keine Naturkenntnill unabhiingig von Erfahrung gibt: so folgt dar-
nicht vielmehr nach den bekannten U mstiinden? U nd sind nicht hinwie- aus, dall auch keine Naturkenntnill darum angefochten werden diirfe, weil
derum diese U mstiinde nothwendige Bedingungen, ohne die es uns nicht sie auf Erfahrung beruht. - Aile unsere Allgemeinsiitze von der Natur,
mog!ich ist? In Ansehung der Anwendung des Begriffs von Caussalitiit auf und insbesondere die Caussalitiitssiitze, sind also nichts anders als ausge-
die Dinge ausser uns, und deren Verhiiltnisse unter einander, wo wir kein dehnte Erfahrung, und sind unverwerfliche, bestmogliche menschliche
GefUhl von Nothwendigkeit haben, sagt Hr. R Alle unsere allgemeinen Siitze Erkenntnill, wenn die Ausdehnung nicht ohne hinreichenden Grund, son-
570 ®ot~ai[dje gefe~rte ,3eitungen - 25. April 1787
r ~eber tiber ~awn unb l[au[[afitat 571
dern vielmehr den Grundregeln des menschlichen Verstandes gemiis er- unser Denken wiirde sonst bald ein Ende haben, und zu Entschliessungen
folgt. U nter diesen Grundregeln versteht der Verfasser die Grundsatze des wiirde es nicht mehr kommen konnen. Hingegen ist iiberall das Vertrauen
Widerspruchs und des zureichenden Grundes. Nach jenem ist es dem Ver- auf die Analogie der bisherigen Erfahrungen verniinftig in dem Grade,
stande absolut nothwendig, den offenbaren Widerspruch zu verwerfen, wie wir eines Theils Grunde und Gegengrunde unserer U rtheile genau er-
und nach diesem ist es ihm nothwendig, sich bey seinen U rtheilen nach wogen, und erstere iiberwiegend gefunden, andern Theils aber Antriebe
Grunden zu bestimmen und zu richten. Richtig oder vemunftig denken uns zu bestimmen und zu entschliessen in unsern wesentlichsten Strebun-
heiBt nichts anders, als der menschlichen N atur so gemiis als moglich den- gen und Bediirfnissen haben. Diesen Nutzen und diese Nothwendigkeit
ken, bey seinen U rtheilen sich bestimmen nach den besten Grunden den analogischer Schliisse iiberhaupt zu leugnen, ist Kanten nie eingefallen.
feststehenden Theilen der menschlichen ErkenntniB, den unzweifelhafu,ten Selbst die Voraussetzung einer intelligiblen, alles nach den letzten Zwecken
Wahrnehmungen und Erfahrungen. Der Grundsatz, daB nichts ohne Ur- ordnenden Ursache, halter bey den Bemiihungen der Vernunft die Natur
sach geschieht, erstreckt sich weiter als unsere Erfahrung; es muB Ursa- sich aufzukliiren, und die Erkenntnisse unter einen gemeinschaftlichen
chen geben, die wir nicht entdecken und uns anschaulich machen konnen; Vereinigungspunkt zu bringen, fiir niitzlich und nothwendig. Als regulati-
wei! das mit GewiBheit Erkannte der Grund unsers Denkens ist; wei! wir ve Principien liiBt er diese und andere Ideen unseres Verstandes gern gel-
uns, nach allen unsern Erfahrungen, am besten dabey befinden, wenn wir ten, nur sollen sie nicht constitutiv seyn, an und fiir sich keine reelle Er-
diesem Grunde, dem gewiB erkannten, gemiis unsere Vorstellungen aufkla- kenntnill ausmachen; und er erkliirt es fiir eine blosse Tiiuschung, detglei-
ren und erweitern, und unsere Vermuthungen darnach einrichten. Der chen regulative Principien fiir constitutiv oder objectivisch reel! zu halten.
Hauptsatz von der Caussalitat, daB nichts ohne Ursach geschehe, ist vor HeiBt dieses, fragt Hr. F. dagegen, gar nichts von einer Sache erkennen,
der Vernunft aufs volligste gerechtfertiget, da Vermuthung nach der Ana- wenn man Wiirkungen von ihr erkennt? HeiBt es keinen Grund haben
logie des mit GewiBheit erkannten, durch die Erfahrung ausgemachten, zur Anerkennung der Wiirklichkeit eines Wesens ausser der Idee, wenn
wesentlicher Trieb und unumstoBliches Grundgesetz des menschlichen wir Wiirkungen desselben anerkennen? warum Tiiuschung nennen, wovon
Verstandes ist, und da er, dieser Hauptsatz, die Ubereinstimmung aller aus- wir doch das Gegentheil nicht beweisen konnen? was wir doch glauben
gemachten Erfahrung, das Gewisseste und Aufgekliirteste der Erkenntnisse sollen und wollen? etc. Nach diesen allgemeinen Untersuchungen iiber die
aller Art fur sich, und des Ausgemachten wider sich nichts hat. Auch das Grunde unserer Begriffe, und Grundsatze von Caussalitat und deren An-
Zufiillige hat seinen Grund, und die Analogie der Erfahrung ist es eben- wendbarkeit sowohl zur Befestigung und Ordnung unserer Erfahrungen,
falls, was uns in allen Fallen zum U rtheil, daB etwas zufiillig sey, be- als auch zur Erzeugung eines verniinftigen Glaubens an unsichtbare Kriifte
stimmt, und eben damit auch zur Anerkennung seiner Abhangig{276]keit und Wesen, theilt nunmehr der Hr. [277] Verfasser, ohne so genau wie
von itgend einem Grunde ausser ihm. Nun miissen wir entweder vielerley bisher auf die Kantische Philosophie Riicksicht zu nehmen, seine Uber-
noch immer votgehende Veriinderungen und Einrichtungen, die die Ana- zeugungen von den Grundwahrheiten der Religion mit, die aus einem
logie uns befiehlt fiir zufallig und abhangig zu halten, fiir unabhangige, ab- warmen giitevollen geruhrten Herzen geflossen sind, und d~~ gewiB von
solute Nothwendigkeiten halten; oder wir miissen Ursachen annehmen, keinem aufgeklarten Leser ohne innigste Theilnahme und Uberzeugung
die nicht zu unserer Erfahrung gelangen. Detgleichen muB die Naturlehre werden gelesen werden. Da wir schon zu weitlauftig geworden sind, miis-
viele annehmen; bey der Reizbarkeit, Empfindlichkeit, Schwere und an- sen wir sie iibergehen, und kOnnen es auch urn so mehr, da wir, was die
dern gemeinen Erscheinungen in der Natur; und wir konnen keinen ein- Hauptsache betrift, in dieser Anzeige nichts Wesentliches iibetgangen zu
zigen der uns am genauesten bekannten Grunde der Natur fiir einen abso- haben glauben. Wir theilen nur die Uberschriften der noch ruckstiindigen
lut letzten Grund halten. Von andern Wesen als solchen, deren Eigenschaf- §§. mit: Nothwendigkeit einer ersten Ursache. Ob und wie weit wir im
ten mit Hiilfe unserer Empfindungen sich erkennen lassen, konnen wir Stande sind, von der ersten Ursache uns einen bestimmten Begriff zu rna-
uns zwar keine adiiquate, genau angepaftte Begriffe von ihrer N atur rna- chen? Ob die erste Ursach endlich oder unendlich? Ob sie als ein verstiin-
chen; aber wenn wir doch gewisse Wiirkungen von ihnen erkennen, so be- diges Wesen von uns zu denken sey? Verschiedene Grunde des Atheismus.
nennen wir sie nach diesen ihren Wiirkungen. Erkenntnillgrunde ganz Uber Glauben und Wissen iiberhaupt, und in Sachen der Religion.
verwerfen, wei! Irthum dabey moglich ist, diirfen wir nun einmal nicht;
572 Jenaifd)c gdc~!tc ~n;clgcn - 23. April 1787 ijebee tibec J;aum nnb l!:auf[afltiit 573
Ursache dabey zum Grunde liegen mogen. 2) Dall der Raum die Form
unserer ausern Anschauung ist, und dall diese Form schon a priori vor
<l5ottingen. aller Empfindung in unserm Gemiithe liegt, oder, daft wir schon a priori
Dietrich verlegt: Ober Raum und Causa!itat, zur Priifung der Kanti- nothwendig bestimmt sind zum auser und nebeneinander, in Amehung gewis·
schen Philosophie, von johann Georg Heinrich Feder. Mit dem Motto: ser Vorstellungen, dall diese Determination nicht von der Art zu existiren
priifet alles, das gute behaltet. 268 Seiten in 8. Bey der lacherlichen Abgiit- der Dinge an sich, als ob diese schon an und fiir sich ausser und nebenein-
terey, die einige junge Herrn mit dem, uns sonst in aller Riicksicht schatz- ander im Raum waren, sondern von der wesentlichen innern Einrichtung
baren, Verfasser der Kritik der reinen Vernunft treiben, welche freylich fiir unserer Sinnlichkeit herriihre, und also, wenn diese nicht ware, wir auch
die Miihe, die es ihren Kopfgen gekostet haben mag, wenigstens so weit zu gar keiner ausern Empfindungen Hihig seyn wiirden. Keinesweges scheint
kommen, dall sie sich einbildeten, den grosen Mann zu ver{259]stehen, Kant's Meinung zu seyn, dall die wirkliche leere Anschauung vom Raum
und wenigstens seine Sprache reden zu konnen, nun auch das Vergniigen lange vor der wirklichen aussern Empfindung in der Seele vorhanden sey,
haben wollen, urn ihren Baal herum zu tanzen, deren erstickender Weih- sondern nur, dall diese Form, als nothwendig und urspriingliche Determi-
rauch aber dem wiirdigen Manne gewill eben so beschwerlich ist, als ihm nation zu einer gewissen Vorstellungsart, sich bey Gelegenheit gewisser
die verurtheilende Machtspriiche so mancher Diktatoren gleichgiiltig sind Eindriicke aussere, so wie dieses auch der Fall mit den Kategorien ist. Kein
- in dieser Periode der Convulsionen und eines ansteckenden Veits-Tanzes Begriff liegt, als Begriff, (denn dieser ist allezeit eine Handlung des Ver-
ist es in aller Riicksicht niitzlich, wenn Manner von kiihler Beurtheilungs- standes, wenn wir nicht mit Worten spielen wollen) angebohren in der
kraft und mit anstandiger Bescheidenheit auch nur einstweilen einzelne Seele. Recensent hat daher auch immer geglaubt, dall man wahl zugeben
Theile der Kritik priifen, und ihre Zweifel dagegen eroffnen. Gesetzt, dall konne, der Begriff vom Raum, von dieser gemeinschaftlichen Form aller
auch dadurch noch nichts entschieden, oder gewisse Satze umgestollen aussern Empfindungen, sey a posteriori, d. i. wir miissen diese gemein-
wiirden, so giebt es doch Gelegenheit, Miflverstandnisse zu bemerken, schaftliche Form erst durch Hiilfe des innern Sinnes bemerkt haben, wenn
welchen die Kritik d. r. V. gleich von ihrer ersten Erscheinung an ausge- wir uns einen Begriff davon machen wollen. Aber die Frage ist: ob diese
setzt gewesen ist, und manches bestimmter auszudriicken, als es ohnedem Form selbst eine Bestimmung [261] von aussenher sey, oder schon a priori
geschehen wiirde. Der Hr Verfasser erk!art zwar S. 22. der Vorrede, dall er im Gemiith liege? (Man sehe, was S. 4. f. dieser Anzeigen in der Recension
den Theil der Vorrede des Hn Meiner's zu seiner Psychologie, der sich auf von Abel's Seelenlehre bemerket worden.) Wir geben zu, dall in dieser Be-
Kant bezieht, im Manuscript gelesen, und der Unwille, den jene bey man- deutung noch andere eigenthiimliche Formen jeder besondern Art der
chen erregt, auch auf ihn mit fallen miisse; aber man denke ja nicht, dall aussern Empfindungen a priori im Gemiith liegen, z. E. dazu dall aus den
der Ton der vorliegenden Schrift der Ton jener Vorrede sey. Die Absicht Wirkungen des Lichts mit bestimmter Geschwindigkeit auf unsere Orga-
des Hn Hofr. ist, nach der Vorrede, den Glauben an Begriffe und Kenntnis· nen, und durch die Organen in die Seele, die sinnliche Vorstellung gerade
se, die nicht empirischen Ursprungs wiiren, wovon schon ein Restgen so vieles dieser Farbe entsteht; aber die Form des Raums ist damit auf keine Weise
Unheil gestiftet babe, wo moglich, vollig zu vernichten q. f. f. q. D. e. j. Was zu vergleichen, nicht nur, wei! jene die gemeinschaftliche Form ist, son-
den ersten Theil der Untersuchung iiber die Kantische Lehre vom Raume dern wei! sie fur sich etwas anschauendes giebt, welches bey den andern
betrifft, so miissen wir frey gestehen, dall wir durch alles, was zur Bestrei- nicht ist. Dall die Vorstel!ung vom Raum allererst aus Verbindung des
tung derselben gesagt worden, auch nicht im mindesten in unserer Ober- Gesichts mit dem Gefohl entstehe, ist offenbar falsch. Die Erfahrung hat ge-
zeugung von der Richtigkeit derselben in der Hauptsache irre gemacht lehrt, dall der Blindgebohrne eben die Vorstel!ung vom Raum, von seinen
worden sind. Diese beruht auf den zwey Hauptsatzen, 1) Dall aile unsere drey Dimensionen, wie der Sehende, hat, und dall derselbe, nachdem ihm
ausere Empfindungen, aile [260] Bilder und Gestalten im Raum, d. i. aus- die Augen geoffnet wurden, ohne das Gefuhl zu Hiilfe zu nehmen, die
ser und nebeneinander, welche der Sehende sieht, der Blindgebohrne Korper z. E. eine Kugel, fur das erkannt hat, was er im Zustande der
fuhlt, dall selbst das Bild, welches wir, aus bekannten Griinden, umern Blindheit durchs Gefuhl als Kugel hatte kennen Iemen; freylich nicht
Korper nennen, zunachst nur Vorstellungen unseres Gemiiths sind, nicht gleich aufs erstemahl, da er die Kugel nur von einer Seite sahe, denn da
aber die Dinge an sich, oder die ov-rwc; ovra, welche etwa als transcendente erschien sie ihm nur als Cirkelflache, sondern, nachdem er auch durchs
I
574 3enaifd)e gefe~!te ~n;elgen - 30. April1787 i)eber U~er :Jlaum unb \l:auffalltat 575
Gesicht Convexitat von allen Seiten an ihr wahrgenommen hatte. Solche sich sind, und nur der nackte Akt der Wahrnehmung ist unser, jene Bilder
Erfahrungen von Blindgebohrnen miissen mit groller Vorsicht gemacht selbst sind aber die ov-rro, ov-ra auser uns im transcendenten Sinn, und von
und gepriift werden. (Siebe Merian's Abh. in den memoires der Berliner dem Akt unserer Vorstellung so verschieden, dall sie so, wie wir sie emp-
Akad. 1774. und 1780. n. 2.) Unbegreiflich ist es uns, wie der Hr Verf. be- finden, auch auser uns etc. seyn und bleiben wlirden, wenn auch aile
zweifeln kann, dall noch so viele einzelne libereinstimmende Wahrneh- menschliche Vorstellungsart aufhiirte; oder es sind nur gewisse subjective
mungen niemals fur sich strenge und nothwendige Allgemeinheit geben Folgen der Wir{278Jkungen des unbekannten Objektiven auf und in uns,
konnen, sondern, dall Satze von dieser Dignitat schlechterdings a priori er- nach der besondern Form und Disposition unsrer Sinnlichkeit, oder - sie
kennbar seyn [262] mlissen. Dall eine solche bestandige Ubereinstimmung sind vielleicht nur so ein Resultat, aus Objectiven und Subjectiven ge-
uns auf die Vermuthung von strenger und nothwendiger Allgemeinheit mischt, und zusammengesetzt. Das erste behauptet heutzutage kein ver-
flihre, ob wir gleich die letztere nicht einsehen, beruht auf einer gewissen nlinftiger Weltweiser mehr, und es ist auch gar Ieicht zu widerlegen. Das
Denkform, die selbst schon a priori da ist. Urn inzwischen jenen Satz zweite ist der Satz, der den Menschenverstand wider sich empiiren, seine
umzuwerfen, thut der Hr Verf. einen so verzweifelten Hieb, als je ein Griinde angreifen, und auf keine Weise sich rechtfertigen lassen soli. U nd
Philosoph gewagt hat. Er behauptet, dall selbst die reinmathematische das dritte? Ja - hier ist vielleicht gut seyn, hier wollen wir Hlitten bauen!
Wahrheiten bios auf Wahrnehmung beruhen. Dall der Raum nur drey Lieber Leser? Ein solches Resultat von A und B, das weder A noch Ballein
Dimensionen hat, soli bios auf Wahrnehmung beruhen, wei! wir uns die seyn soli, wo ist es dann, und wo kann es seyn? Nirgends anders, als in
Sache nicht anders denken konnen. Hier ist die offenbareste Verwechse- einer Vorstellungskraft. Wir versiegeln das bisherige durch ein herrliches
lung zweyer wesentlich verschiedener Dinge. Freylich ist es Wahrneh- Eingestandnis des V. S. 187. f.•Was wissen wir sonst vom Licht, und von
mung des innern Sinnes, dall wir uns den Raum nicht anders, als mit drey der Luft, und vom Wasser; als, was for Wurkungen sie entweder allein, und
Dimensionen denken kiinnen; aber das ist nicht die Frage, sondern, ob unmitte!bar, auf unsere Sinne hervorbringen, oder in Verbindung mit andern
diese Unmoglichkeit a priori im Gemiithe liege; oder daher entstanden Dingen und mittelbarer Weise? Die Hauptbesorgnis des Hn V. dall durch
sey, wei! wir nie mehr, als drey Dimensionen des Raums, bemerkt haben? den obigen Satz der Unterschied zwischen ausern Empfindungen und bios
Die Verwechselung dieser heiden Dinge sticht an mehrern Orten hervor. imaginarischen Vorstellungen aufgehoben werde, ist viillig ungegriindet.
Dall die Summe der Winkel eines ebenen Dreyecks zween rechten gleich Der U nterschied beider beruht ja nicht darauf, dall jene uns etwas als aus-
sey, beruht das in aller Welt auf Wahrnehmungen, oder sehen wir es nicht er uns im empirischen Sinn, d. i. im Raum vorstellen, diese hingegen
vielmehr a priori mit strenger Allgemeinheit und Nothwendigkeit ein, nicht; (denn es ist offenbar, dall wir jedes imaginarische Bild der ausern
durch Hlilfe der Construction, von welcher wir aber selbst a priori mit Empfindung eben so gut irgendwo im Raum hinsetzen miissen) sondern
viilliger Gewillheit einsehen, dall die einzelne construirte Figur fur aile auf andern zum Uberflull bekannten Grunden. So liegt auch, und das ist
miigliche Faile substituirt werden kiinne? Gewill! die Forderung ruht auf ein Hauptumstand, den wir zu bedenken geben, der Unterschied der ach-
gar zu festen Saulen: Entweder strenge und nothwendige Allgemeinheit ten und der so genannten unachten ausern Empfindungen nicht darinnen,
ganzlich auf- oder Kenntnisse a priori zuzugeben; und das Restgen Glau- dall jene uns etwas als auser uns [279] im Raum vorstellten, diese aber
ben an etwas in der menschlichen Erkenntnis, was nicht empirischen nicht, sondern nur Vorstellungen von Etwas in uns waren. Nein! Diese
U rsprungs ist, wird solchergestalt nie vernichtet werden kiinnen. stellen uns eben sowohl etwas im Raume, und auser uns, im empirischen
Sinn vor. Sie sind aber unacht, wei! ihnen das Kennzeichen der objektiven
[277] Hiichstanstiillig ist dem Hn V. der unschuldige Satz: Der Raum Wahrheit fehlt, dall andere da nichts sehen, und empfinden, wo wir etwas
mit allen seinen Gestalten und Bildern ist zuniichst weiter nichts, als ein empfinden; da hingegen die Ubereinstimmung der Empfindung auch an-
groser veranderlicher Schauplatz in uns selbst (im transcendentalen Sinn) in derer Menschen uns mit Ieichter Miihe auf die Vorstellung fuhrt, dall hier
unserer Sinnlicbkeit aufgeschlagen. Er nennt dies einen Ausdruck, der dem also ein gemeinschaftlicher Grund wirken mlisse, und, da dieser in dem so
Menschenverstand wehe thue, seine Griinde angreife, und auf keine Weise unendlich verschieden vorhergehenden innern Zustand von vielen Millio-
gerechtfertiget werden konne. Wahle, Iieber Leser: Die Bilder im Raume, nen Menschen, die eben dasselbe auf einmal zugleich empfinden, nicht lie-
d. i. auser und neben einander, sind entweder die Dinge selbst, wie sie an gen kan, eine U rsache, sie sey, welche sie wolle; auser uns im transcenden-
576 ijcnaifrl)c gclc~rte ~•wigcn - 30. April 1787 l!lot~aifrl)c gele~rte .3eitungcn - 25. April 1787 577
ten Sinn vorhanden seyn miisse. Leid thut es uns, den Hrn Hofrath S. 115.
auf einem Wege zu finden, den von Rechtswegen ein so wackerer und iinigsberg. Die erledigten Stellen bey der Universitat, sind auf fol-
gerader Philosoph nicht betreten sollte: nemlich, durch scheinbare Unge-
reimtheiten zu schrecken. Wo wiirde, fragt er, jener Satz hinfiihren, wenn
K gende Art wieder besetzt: die juristische durch des Criminalraths
Jesters Tod erledigte Professur hat der Hallische Prof. extraord. Herr Konig
er in bestimmten Anwendungen fortgesezt wiirde? Gottingen (NB. als bekommen. Der durch seinen Abulseda beriihmte D. Juris Hr. Kohler, ist
Phanomen) etwas in mir, eine bloL\e Vorstellung und Modifikation mei- nicht gestorben, (wie in der Zeit. stand) sondern hat seine Stelle als Prof.
ner selbst; der Wall, auf dem ich spazieren gehe (NB. als Phanomen), in der oriental. Sprachen freywillig niedergelegt, urn nach seiner Vaterstadt
mir, die Aussicht iiber Wiesen und Felder an die Gebiirge hin; (N B. als Liibeck zuriick zu kehren. Diese erledigte Professur hat, wie schon ange-
Phanomen) Sonne, Mond. - Der verwerfliche Idealismus ist es gewiL\ zeigt worden ist, der geschickte und fleiL\ige Hr. Mag. Hasse aus Jena erhal-
nicht, wenn man jenen Satz behauptet, sondern, wenn man schlechter- ten. Dieser durch mehrere Schriften riihmlich bekannte junge Gelehrte ist
dings laugnet, daL\ unsere sinnlichen Vorstellungen von etwas, sey's, was es schon bier, und verbreitet einen neuen Eifer fiir das Studium der morgen-
wolle, auser uns im transcendenten Sinn herriihren. Dadurch heben sich landischen Sprachen. Die durch D. Bocks Tod erledigte Professur der Ma-
auch die Zweifel des Hn V. wider die unendliche Theilbarkeit der Materie. thematik, hat der Hr. Hofprediger Schulz erhalten, so daL\ also jetzt die
Sobald der Satz fest stehet: Materie, als Erscheinung, ist bios eine [280] Vor· beyden Herren Prediger Schulz zu Konigsberg Professuren haben: der Hr.
stellung in uns, unter der Form des Raums, ohne noch auf dasjenige zu Oberhofprediger, Superintendent und Consistorialrath, J. Ernst Schulz, ist
sehen, was dabey als U rsache zum Grunde liege, so ist es eben so ausge- Prof. der Theologie, und der Hr. Hofprediger Job. Schulz Prof. der Mathe-
macht, daL\ die Materie ins Unendliche theilbar sey, als kein Mensch daran matik. Der letzte hat sich unter andern durch seine neuesten Schriften:
zweifelt, daL\ dieses vom Raum gelte. - Im zweiten Theil der ganzen Ab- Uber Kants Kritik der reinen Vernunft, und: Neue Theorie der Parallel-
handlung von der Caussalitat und der Erkenntnis unsichtbarer Wesen linien auf vortheilhafte Art als einen denkenden Kopf und sehr deutli-
' . .
chen Schriftsteller iiber abstrakte Matenen bekannt gemacht. - D1e durch
stimmen die Gedanken des Hn V. mehr mit den unsrigen iiberein; - nur
noch nicht in dem Punkt, daL\ der Grundsatz der Caussalitat empirischen D. Bocks Tod erledigte Professur der griechischen Sprache, ist dem Hrn.
Ursprungs sey, auch nicht in der wiederholten Behauptung: daL\ uns aile Prof. extraord. W<!ld zu Leipzig ertheilt worden, dessen neulicher AbriL\
unsere allgemeine Satze, wenn sie nicht bios andern nachgesprochen wer- der Literatur- und Kunstgeschichte von seinen Kenntnissen und freyen Art
den, sondern als eigene U rtheile in uns selbst entstehen, selbst den Satz die Sachen anzusehn, einen Beweis gibt.
des Widerspruchs nicht ausgenommen, nur aus der Vereinigung mehrerer DaL\ unser verdienstvolle, und eben so praktisch-fleiL\ige, als speculativ-
einzelnen Bemerkungen entstehen; so sehr wir im iibrigen in dasjenige gelehrte, eben so popular-faL\lich, als tiefsinnig denkende Hr. Professor
einstimmen, was zur gehorigen Wiirdigung der analogisch allgemeinen Er- Kant zum Mitgliede der Konig!. Akademie der Wissenschaften in Berlin
fahrungsurtheile, und ihres Gebrauchs gesagt worden ist. - Das Urtheil ernannt worden, ist schon aus den Zeitungen bekannt. Dieser wahrhaft
der Vernunft, daL\ es ein unbedingtes Daseyn geben miisse, wiirden wir auf groL\e Mann ist ein Beweis, daL\ man auch ohne besondere U ntersriitzu?g,
einem andern Wege gerechtfertiget haben, auf welchem zugleich so man- und selbst bey einem schwachlichen Korper, durch Anstrengung und E1fer
che andere Kantische - wir wollen nicht sagen, Sophismen, sondern fiir sich urn die Wissenschaften und das Gliick einer Akademie verdient rna-
unbeantwortlich gehaltene Zweifel, gegen die Vernunftbeweise des Da- chen kann. Er hat eine Liebe zur Philosophie, und einen Geist des ver-
seyns, des Unbedingten, oder Unabhangigen, des schlechterdings Einfachen, u. niinftigen Nachdenkens unter die bier studirenden Jiinglinge verbreitet,
s. w. auf einmal zu Boden geworfen sind. Doch davon ein andermal mit welche auf mancher Universitat selten ist.
mehrern! Wir wollen nur febrem Kanlianam (dies sey aber dem wackern Dem weitlauftigen Gymnasium, dem sogenannten Collegium Friederi-
Manne selbst nicht zum Hohn gesprochen) erst austoben lassen, da es cianum, woran i.etzt geschickte Lehrer und Aufseher .~ef~ndlich s.ind, stehet
doch nicht tiidlich ist. Dann schlagt die Kur bey unsern jungen Herren eine heilsame Anderung bevor, wodurch es zur nutzhchen Bddung der
desto besser an. Jugend sehr brauchbar und wichtig werden wird.
578 ~uocrfcfenc tveofogifdjc il'ibfiotbcf - 1787 ~a fob 1i 'J)rtifuug bcr 'lJlcnbefofobnfdjcn 'lJlorsennuubcu 579
Gegenstande beziehen. Begriffe ohne Anschauungen gewahren uns keine begriffe bios durch die Zeit mit den Erscheinungen zu vereinbaren seyn.
Erkenntnis von Gegenstanden, denn der Verstand kann nichts anschauen, Der Hr. V. ist dariiber sehr wortreich, und vergiBt es ganz, daB er vorher
keine Gegenstande unmittelbar erkennen. (Hier ist es doch etwas zu stark die Vereinigung ganz natiirlich darein setzte, wei! die Pradicate des einen
ausgedriickt, daJl Begriffe ohne Anschauung keine Erkenntnis gewahren, sich auch bey dem andern finden, und daJl sich also auch der Begrif, den
da man doch Begriffe von Dingen erlangen kann, die man nie sinnlich man von individuellen Erscheinungen abgewgen hat, wieder auf dieselben
beschauete, und die Categorien selbst nichts mehr als Begriffe sind. Die passen miisse. S. 72 kommt der Hr. V. auf die Kantische Eintheilung der
Meinung ist, daJl deswegen Gegenstande nicht wirklich sind, wei! wir uns Satze in analytische und synthetische, mit denen es, wenn man die Spra-
Begriffe von ihnen machen, so wie eine vollkommene Republik nicht da- che einmal versteht, seine vollkommne Richtigkeit hat. Bey den analyti-
durch existirt, wei! sich der Menschenfreund ihr herrliches Bild denkt, schen liegt nemlich das Pradicat schon im Subjekt, bey den synthetischen
dadurch aber fiillt die intelligible Welt noch nicht iiber den Haufen, wei! aber nicht. Jenes wird durch blosse Entwickelung des Begrifs des Subjekts,
diese auf einem SchluB beruht, den man von sichtbaren Wirkungen auf dieses muB durch Erfahrung erwiesen werden. Nun sieht es der V. als eine
unsichtbare Ursachen thut.) S. 56. Wir finden in allen unsern Erfahrungen Hauptsache der Kantischen Kritik an, daJl sie lehre, wie man von der
Begriffe, welche keine Erfahrungsbegriffe sind, die wir auch ohne aile Er- Richtigkeit synthetischer Urtheile a priori iiberzeugt seyn kiinne. Synthe-
fahrung iiberall voraus setzen, z. B. Ursach, Substanz, Vielheit. Da nun tische Satze nemlich seyn a priori miiglich, in so fern sie nothwendige Be-
diese Begriffe durch Erfahrung schlechterdings nicht in unsere Seele kiin- dingungen der Erfahrung sind. - Dies diinkt uns im Grunde nichts weiter
nen gekomrnen seyn, so miissen sie schon a priori im Verstand liegen. zu sagen, als: durch Induction ist auszumachen, was von Gegenstanden
(Wir verstehen dies entweder nicht, oder miiBten behaupten, daJl diese Be- synthetisch zu urtheilen ist, und jene U rtheile a priori sind nur denn
griffe aus Erfahrungen zuletzt abgewgen sind, nun aber freylich durch wahr, wenn sie mit den Erfahrungen iibereinstimmen. Dann aber scheint
den Weg der Instruktion vielen ohne Erfahrung beygebracht werden.) Der es doch, daB mit allen den Grundsatzen, z. E. aile Erscheinungen sind ih-
Ausdruck, daJl sie Formen des Verstandes seyn, will uns nicht recht gefal- rer Anschauung nach extensive Grossen oder S. 79. In allen Erscheinungen
len. [118] S. 61 werden aus Kants Kritik die Categorien, oder von ihm so hat [120] die Empfindung, und das Reale, das ihr an dem Gegenstand ent-
genannten reinen Verstandsbegriffe angegeben, die bey jeder Beurtheilung spricht, eine intensive Grosse, oder einen Grad, oder S. 84. Alle Erschei-
vorkommen. Damit lernt man zwar nichts Neues, aber Hr. Kant hat das nungen enthalten das Beharrliche, (Substanz) als den Gegenstand selbst,
Verdienst, aile die Begriffe gesammelt zu haben, woraus aile unsere miigli- und das Wandelbare (Accidenz) als eine blosse Bestimmung, das ist eine
chen ErkenntniBe zusammen gesetzt werden miissen. Es sind solche 1) die Art, wie der Gegenstand existirt, u. s. w. nicht vie! zur Bereicherung der
der Quantitat; Einheit, Vielheit, Allheit, 2) der Qualitat; Realitat, Nega- Erkenntnis ausgerichtet werden diirfte. Wenn die Pradicate, sagt er S. 85.,
tion, Limitation, 3) der Relation; Substanz, Ursache, Gemeinschaft, 4) die einen Sinn erhalten, und den Begrif Kiirper ausmachen sollen, so muB ich
der Modalitat; Moglichkeit, Daseyn, N othwendigkeit. Warum ihrer gerade sie in einer Substanz vereinigt denken. Diese Substanz aber existirt nicht
allemal drey sind, und ob sie logisch richtig eingetheilt sind, dariiber wol- ausser mir; sondern es ist eine blosse Beziehung des reinen Begrifs (der
len wir gar nicht rechten. Diese Begriffe miissen sich nun freylich iiberall Categorie) Substanz auf eine Anschauung, und macht, daB ich mir die Pra-
und stets auf die Anschauungen anwenden lassen, eben darum wei! sie von dicate in derselben vereinigt in einem Subjekt vorstelle, obgleich nichts ge-
Anschauungen abgewgen sind. Aber darum laBt sich doch nicht behaup- geben ist, was diesem Begrif ausser der Vorstellung correspondirte. (Allein
ten, daJl ohne sie iiberall keine Erfahrung moglich ware. Wie uns scheint, ihm entspricht ia doch eben das Bleibende an dem Objekt, das Substrat
liegt darinnen ein Doppelsinn. Es kann keine Erfahrung geben, auf die der Accidenzen, das ich nun freylich weiter nicht kenne.) S. 101. ist sehr
sich nicht der eine oder der andere von diesen Begriffen beziehen sollte, gut entwickelt, wie der Begrif der Ursache auf Handlung, Handlung auf
und denn ist es richtig. Oder es kann heissen, man kann gar nichts erfah- Kraft, und Kraft auf den Begrif der Substanz fiihre. S. 116. werden die
ren, ohne daJl man einen dieser Begriffe wirklich darauf bezieht, und dann Grundsatze der Moglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit angege-
ist es unrichtig, denn man erfuhr und beobachtete lange, ehe man diese all- ben. Der erstere ist: Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung
gemeinen Begriffe abstrahirte. Ich zweifle daher auch gar, daB sich Hume (den Anschauungen und den Begriffen nach) iibereinkommt, ist moglich.
dadurch fiir widerlegt halten sollte. S. 67. sollen die reinen Verstands{ll9] Bisher, fahrt der V. fort, glaubte man, es ware zur Miiglichkeit hin{121]rei-
584 2lu6er!efene :t~eofogif<j)e il>ibHot~et - 1787
cbend, wenn etwas nur dem Satz des Widersprucbs gemall ware, allein dies
r 3atob6 lj)riifung ~er \Ulen~dofo~nf<j)en \Ulorgenflun~en 585
nie aber wirklich existiren werde. Die Idee des [123] Tburms sey allerdings
Merkmallangt bios bin, die logiscbe Moglicbkeit der Begriffe zu bezeich- I Erscbeinung, aber dall sie gerade so sey, uns das Bild eines viereckigten,
nen, ob aber diesen Begriffen auch Realitat zukommen, und ob sie auf nicbt runden oder acbteckigten darstelle, das !age doch in der Struktur des
Gegenstande bewgen werden, und der Gegenstand des Begrifs aucb in Tburms, aucb obne dall jemand sey, der es wabrnahme. Es sey unmoglicb,
einer moglichen Erfahrung gegeben werden konne, ist damit nicbt ausge- dall der nemlicbe so und so gebaute Thurm in der nemlicben Entfernung
macht. (Die Gegner werden hier einwenden, dall der Begrif der Moglich- dem einen rund, dem andern viereckigt erscbeinen sollte.) Wenn also posi-
keit auch nicht weiter reichen, auch sicb nicht bis zur Realitat erstrecken tive Denkkraft lehren salle, was die Dinge an sich sind, so gabe es keine,
salle, wei! ja niemand von Moglichkeit auf Wirklichkeit scblielle. Bey die- und wenn positive Denkkraft nicbts weiter seyn salle, als Vermiigen nacb
ser Annahme aber komme am Ende nur der Satz heraus: Was wirklicb ist, richtigen empiriscben Regeln zu erkennen, so sey es ein bios logisches Kri-
das ist auch moglicb.) Der Grundsatz der Wirklicbkeit ist nur etwas terium, das mit den Obiecten nicbts zu thun babe. 2) Es sey von Hr. M.
schwer ausgedriickt: Was mit den materiellen Bedingungen der Erfahrung voraus gesetzt, dall der Verstand unmittelbare Gegenstande erkennen kon-
zusammen hangt, ist wirklich. Der Grundsatz der N othwendigkeit ist: ne, da er es docb allein mit Begriffen zu thun babe, und diese Begriffe
Dasjenige, dessen Zusammenhang nacb allgemeinen Bedingungen der obne aile Bedeutung seyn, wenn sie sicb nicbt auf Gegenstande bezieben.
Erfahrung bestimmt ist, existirt notbwendig. Es ist nemlicb vom noth- Nun sind uns keine andre Gegenstande gegeben, als Gegenstande der Sinn-
wendigen Daseyn die Rede, das nacb dem V. a priori aus blossen Begriffen licbkeit, aile unsere Begriffe miissen sicb also auf Anschauungen, die aber
nicht erwiesen werden kann. Hier also mull Wahrnebmung hinzukom- wieder nur Erscbeinungen sind, beziehen. (Wie ist es denn aber mit dem
men, die eine nothwendige Verkniipfung mit etwas andern Wirklichen Begrif der Kraft? Sie selbst ist kein Gegenstand der Sinnlicbkeit, aber ihre
fordert, und das findet allein bey der Caussalitat statt. (Sollte denn aber Wirkungen sind es, und miissen es seyn, sonst ware Kraft ein Jeerer Begrif.
nicht der gewi:ihnlicbe Begrif eben dabin fiibren? Die Nicbtexistenz des Die magnetische Kraft z. B. ist etwas unsichtbares, bios die Erscheinung
Nothwendigen ist ja eben darum unmi:iglich, wei! das Gesetz der Caussa- ibrer Wirkungen f:illt in die Sinne. Darf ich da auf das Daseyn der Kraft
litat eine Ursache fordert, wo [122] Wirkungen da sind?) Daraus werden in scbliessen, also ihre Wirklicbkeit annehmen, ob (124] icb sie gleicb nicbt
der Folge die Satze, dall nichts von ungefahr geschiebt, dall es keine blinde so sebe, wie den Magnet selbst, oder darf ich es nicbt? Diirfte man, so
Nothwendigkeit, keinen saltum in der Natur gebe, gut und recht philoso- wiirde docb etwas seyn, dessen objektives Daseyn bios durcb Verstand er-
pbiscb entwickelt. Das Resultat dieser Untersuchungen ist, dall die kennbar ware.) Die nemliche falsche Voraussetzung, dall die Denkkraft
Grundsatze unsers Verstandes ihrem Gebrauch nach allein auf die Sinnen- reelle Objekte kiinne kennen Iemen, findet er aucb in den iibrigen Axio-
welt eingeschrankt sind, und wir eben deswegen das Daseyn aussersinn- men, und spricht ihnen also siimtlicb ihre Allgemeinbeit und Evidenz ab.
licher Gegenstande nicht widerlegen, aber auch nicht bebaupten ki:innen. Die neunte Vorlesung, iiber Idealismus, Epikurismus und Spinozismus,
Mit der achten Vorlesung fangt der Hr. V. die nahere Priifung der Mendels- miissen wir der eignen Priifung iiberlassen. Die zehnte priift die Beweise o
sobnscben Beweise an, und lallt zuerst dessen aufgestellte Axiome durch posteriori fiir das Daseyn Gottes, und sucbt das Triigliche darinnen aufzu-
die Musterung gehen. Das erste Axiom war: Wahrbeit ist jede Erkenntnis, decken. Es wird der kosmologische Beweis o confingentio mundi, der sich
in so weit sie das positive Vermi:igen unserer Seele zum Grund hat. Dage- auf den Satz des zureicbenden Grundes stiitzt, erst mit M. Worten ange-
gen wendet er 1) ein, dall man das Positive unsrer oder irgend einer Den- fiihrt, dann in Schliisse gebracht, und nacbher mit folgenden Grunden be-
kungskraft nie objektive konne kennen Iemen. Es berechtige uns nicbts, stritten. 1) Werde vorausgesetzt, dall die Sinnenwelt nicbt Erscbeinung,
dasjenige obiecfive fiir wahr zu halten, was unsern Sinnen und unserm sondern ein Ding an sicb selbst sey, und dall aile meine Veranderungen
Verstande nach einer Regel immer so erscheine, oder den Thurm fiir wirk- mir als einem Objekt an sicb zukamen, so aber beydes falscb sey. Denn
lich viereckigt zu halten, wei! ibn aile Menschen als viereckigt sehen. die Sinnenwelt sey eine blosse Erscbeinung, und eben so seyn aucb aile
Wenn es nun Geschopfe gabe, die das, was uns viereckigt scheint, rund Veriinderungen, die mit mir selbst vorgeben, gar keine Priidicate eines Sub-
saben, und umgewandt, oder die alles eine Elle Ianger sahen. (Der Gegner jekts, in so fern es ein VOOVJ!SVOV ist, sondern icb erkenne micb selbst als
mocbte aber wol einwenden, dall uns diese allgemeine Obereinstimmung Erscheinung. Man kiinne daher immer zugeben, dall die ganze Sinnenwelt
doch dazu berecbtige, und dall der angefiibrte Fall nur Moglicbkeit babe, zufiillig sey, denn diese Zufalligkeit ist selbst bios Pbanomen, indem das
586 ~uoerfc[cnc :tbcofogi[d)c il>ibfiotbef - 1787 i)a fob 6 <ptiifung ~et 'lJlenbefo[obn[d)en 'lJlotgen[lun~en 587
Denken so gar blosse Erscheinung ist. (Ob nicht da der Gegner [125] sagen will zwar, daB sich der Grundsatz der Caussalitat nicht iiber die Sinnen-
wird, dall doch in dem Objekt selbst etwas seyn miisse, das der Erschei- welt hinaus erstrecke. Warum sollte er es [127] aber nicht, wenn die Sin-
nung des Zufalligen entspricht, und man also dem ungeachtet einen sol- nenwelt doch eine Ursache erfordert, und diese in ihr selbst nicht zu fin-
chen Schlull wagen diirfe? Veriinderung, Tod sind uns allerdings Erschei- den ist? Wie dies blos ein Spiel der Begriffe seyn sollte, wei! das allerrealste
nungen, und doch mull ihnen etwas in dem Objekt, das veriindert wird, Wesen nie in der Sinnenwelt objektiv gegeben werden kann, das heillt,
das stirbt, entsprechen.) 2.) Das Gesetz der Caussalitat werde in einer sol- wei! wir es nicht begucken oder befiihlen konnen, will uns noch nicht
chen Bedeutung gebraucht, als ob es sich nicht nur auf Erscheinungen, einleuchten.) Daraus folgert nun der V., daB man also mit speculativen
sondern auch auf Dinge an sich erstrecke. (Auch da wiirde das vorige wie- Grunden eben so wenig die Wirklichkeit, als die Unwirklichkeit eines sol-
der recurriren. Freylich erstreckt sich das Gesetz der Caussalitat zuerst auf chen Wesens darthun konne. In der eilften Vorlesung priift der Hr. V. den
Erscheinungen, dann aber auch auf die Objekte, deren Veriinderung bey Mendelssohnschen Beweis mit scharfsinniger Genauigkeit, und findet
der Erscheinung zum Grund liegt. Dall ein Mensch von Gift stirbt, ist Er- eben das Mangelhafte darin, das wir auch darinnen wahrzunehmen glaub-
scheinung, aber ich wiirde sie nicht haben, wenn mit dem Menschen nicht ten, daB nemlich zwar das subjektiv Mogliche gedacht werden miisse, aber
eine Veriinderung vorgegangen ware.) S. 209. Der Grundsatz: Alles Wirkli- nicht das objektiv Mogliche, daB alles Wirkliche zwar freylich objektiv
che hat eine Ursache, hat gar keine Bedeutung, und kann auf kein reelles moglich seyn miisse, daB es aber keinesweges nothig sey, daB sich gerade
Objekt bezogen werden, wenn man die sinnliche Bedingung, die Zeit, ein denkendes Wesen die Moglichkeit oder Wirklichkeit vorstelle. Wir
wegnimmt, er mull vielmehr lediglich auf Erfahrungen angewendet wer- stossen dabey auf einen Satz, den man ganz gut zur Bestatigung des Leib-
den. (Man wendet ja aber den Grundsatz auf die Erfahrungen in der Welt nitzischen Begrifs von Raum und Zeit anwenden konnte. Er sagt S. 247.
an, indem man von ihnen auf eine Ursache schliesset, und da man sie in Jede Idee, wenn sie irgend etwas bedeuten soli, mull entweder ein Objekt
der Welt nicht antrift, selbige ausser ihr aufsucht.) Der V. giebt S. 214. bezeichnen, oder ein Verhiiltnis, eine Verbindung, die das Objekt selbst,
selbst zu, daB man zu dem Existirenden iiberhaupt etwas Nothwendiges oder ihren Zustand betreffen. Dieses Verhiiltnis, Verbindung oder Zustand
annehmen miisse, man konne aber kein einziges Ding in der moglichen ist doch unter den Dingen, wenn es Objekte an sich sind, auch ohne die
Erfahrung als an [126] sich nothwendig denken, man konne niemals sagen: Ideen. Nun sind zwar die Vorstellungen von den Dingen blos (128] Er-
hier ist das nothwendige Ding. Dieses Rathsel sucht er nun dadurch auf- scheinungen, die aber doch ausser uns ihre Objekte haben miissen, die al-
zulosen, daB Nothwendigkeit und Zufiilligkeit nicht die Dinge selbst an- so ihre Ordnung, Verbindung auch ohne unsere Wahrnehmung behalten.
gehen, sondern, daB es blolle Verstandsregeln sind, die in der Sinnenwelt Mit der zwolften Vorlesung fiingt die Priifung des ontologischen Beweises
unsre Erkenntnifle leiten sollen. Das absolut nothwendige Wesen kann aus den Begriffen des vollkommensten Wesens an, und wird in der folgen-
also eine blolle Idee seyn, deren objektive Realitiit zu erweisen uns ganz den fortgesetzt. Nachdem der Hr. V. den Grund angegeben hat, warum
unmoglich ist, ob es gleich eben so vergeblich seyn wiirde, darzuthun, dall man darauf gefallen sey, diell Objekt in der Idee auszubilden, nemlich das
diesem Begriffe kein Objekt entsprechen konnte. Die Begriffe nothwendig dringende Bediirfnis etwas Absolutnothwendiges anzunehmen, triigt er
und zufiillig haben ausserhalb der Sinnenwelt gar keine Bedeutung, und fiinf Gegensiitze zur Widerlegung dieses Beweises vor. 1) Die Wirklichkeit
der Begriff des absolut nothwendigen hat gar kein Objekt. Denn aile Be- kann nie aus Begtiffen erwiesen werden, sondern nur durch mogliche
griffe, die sich auf keine Anschauungen beziehen, sind leere Begriffe und Wahrnehmung. Wenn man also sagt, man miisse entweder die Moglichkeit
haben keine objektive Bedeutung. (Ob denn aber der Schlull so ganz rich- eines solchen Wesens laugnen, oder dessen Existenz zugeben, so vergiflt
tig ist, daB das, was nicht empfunden wird, auch nicht wirklich sey. Wenn man den U nterschied zwischen Moglichkeit der Begriffe und realer Mog-
auch das Objekt selbst nicht empfunden wird, so konnen doch dessen lichkeit. Jene fmdet iiberall statt, wo kein Widerspruch ist, wie aber Dinge
Wirkungen empfunden werden, und ich kann von ihnen auf die Ursache selbst moglich sind, konnen wir nicht wissen, indem sich unsere Erkennt-
schliellen, ob sie gleich nicht empfunden wird. Man schliellt von Erschei- nis blos auf Erscheinungen einschriinkt, und der Satz des Widersprucbs
nungen auf Objekte, die sie veranlassen, von den Wirkungen der Denk- nicht hinreicht, urn das Mogliche in Erscheinungen zu bestimmen. Der
kraft auf deren Daseyn, gerade so konnte man auch von dem Daseyn sicht- Begrif des allerrealsten Wesens kann also immer moglich, als Begtif auch
barer Wirkungen auf das Daseyn der unsichtbaren Kraft schliessen. Der V. wirklich und wahr seyn, dadurch aber wird weder die Moglichkeit noch
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die Wirklichkeit in irgend einem Subjekt bestimmt. (Sonach scheint uns ves Pradicat der Dinge ist, eben so wenig die Wirklichkeit, sondern eine
aber zur Erkenntnis der objektiven Miiglichkeit gar nichts iibrig zu blei- blosse Bezieh\mg auf unser Erkenntnisvermiigen. (Es scheint doch, als ob
ben, wenn [129] uns Begriffe nicht dahin fiihren kiinnen. Wir konnen also hier die Erkenntnis der Sache mit der Sache selbst ver{13l]wechselt wiirde.
bloll schliellen, was wirklich ist, das mull auch miiglich seyn, aber weiter Die Miiglichkeit und Wirklichkeit einer Sache, in so fern ich mir sie den-
einen Grund der realen Miiglichkeit anzugeben, das vermiigen wir nicht. ke, ist freylich bios etwaS subjektives, bey dem aber in dem Gegenstand,
So vie! bemerken wir aber doch bey allen Erscheinungen, dafl sie dem den ich mir denke, etwas Objektives zum Grund liegen mull. In jedem
Satz des Widerspruchs gemall sind, und so scheint er doch immer zur Objekt mull doch etwas seyn, das dessen Miiglichkeit von der U nmiiglich-
Bestimmung des Miiglichen in den Erscheinungen hinHinglich zu seyn, keit, dessen Daseyn vom Nichtdaseyn unterscheidet, und das wir nun frey-
wenn gleich die Wirklichkeit nicht damit erweislich ist. Bey sinnlichen lich nur durch Begriffe angeben kiinnen.) 5) Es beruhe der ganze Satz auf
Dingen ist freylich Wahrnehmung zum Erweis der Wirklichkeit erforder- einer elenden Tautologie. Der Satz: Gott ist, miisse offenbar als ein synthe-
lich, aber bey nicht sinnlichen Dingen kiinnten doch deren wahrgenom- tischer Satz angesehen werden, hier aber werde er als ein ana]ytischer be-
mene Wirkungen hinreichend seyn, auch ohne sinnliche Wahrnehmung handelt, da doch der Begrif eines Dings das Ding nicht selbst sey, und man
derselben auf ihr Daseyn zu schliessen, so gut als ich von einem Sohn auf davon nichts weiter als den Begrif habe. (Wenn nun aber der Gegner ant-
einen Vater schliesse, wenn ich gleich denselben nie gesehen, nie gekannt wortet, der Begrif von Gott habe eben den Vorzug, dall auch die Existenz
habe. 2) Der Begrif ist willkiihrlich, denn es bleibt immer willkiihrlich, analytisch daraus entwickelt werden kiinne, und es kame nur darauf an,
aile Realitaten in einem Wesen vereint zu denken. Ware es irgend einer Er- dafl in dem Begrif selbst nichts Widersinniges liege, und dafl es Wahrneh-
fahrung gegeben, so ware es nicht mehr willkiihrlich. So aber hieng es viii- mungen gabe, die uns auf eine solche Notion leiteten?) Dies ist die voll-
Jig von mir ab, ob ich einen solchen Begriff bilden wollte, und es zwang standige Priifung des Beweises a priori, die mit der feyerlichen Verwahrung
mich kein ausseres Objekt dazu. Ich kann eben so gut das niithige Daseyn beschlossen wird, dafl diese Wiirdigung und Verwerfung der demonstrati-
mit in jeden andern Begrif nehmen. (Hier scheint uns die Behauptung ven Beweisgriinde nicht die Festigkeit der Wahrheit, die ausserdem auf mo-
etwas zu weit zu gehen. Eben das Gesetz der Kaussalitat niithiget uns ja ralischen Griinden beruhe, und von jedem iiberzeugend genug erkannt
ein solches hiichstes Wesen anzunehmen, und wo eine Eigenschaft unend- werden kiinne, nicht untergraben oder wankend machen, sondern nur den
lich ist, da miissen es die andern auch [130] seyn. Freylich, wenn ich mir Stolz der Dogmatisten auf ihre Demonstrationen zu demiithigen suche.
nach dem angefiihrten Beyspiel den Robert gegenwartig denke, so ist der Uber{132]dies sind noch Bemerkungen anderer Gelehrten iiber den Un-
Begrif des Daseyns nothwendig damit verkniipft, aber das nothwendige terschied des Kantischen und Leibnizischen Begrifs von Raum und Zeit,
Daseyn kann mit dem Begrif Roberts, den ich mir doch als Mensch denke, und ein Brief Kants selbst iiber einige Punkte der Mendelssohnschen Phi-
nie verbunden werden.) 3) Der Begrif Realitat ist hier statt blosser Beja- losophie beygefiigt. Wir sollten uns vielleicht entschuldigen, dafl wir uns
hung genommen, und da kann freylich aus der Combination kein logi- bey einem bios philosophischen Buche so lange aufhielten, hoffentlich
scher Widerspruch entstehen, aber wenn Realitaten etwas Objektives seyn aber wird uns das Gewicht der Sache selbst, und die Wichtigkeit des Buchs
sollen, so wissen wir nicht, ob hier aile Realitaten mit einander bestehen vollkommen rechtfertigen. Wenn wir nun nicht von allen Behauptungen
konnen, oder nicht, und kiinnen also iiber die Miiglichkeit oder Unmiig- und Erklarungen des V. voile Uberzeugung haben, sondern uns hin und
lichkeit eines solchen Dinges gar nicht streiten. (Blosse Bejahung ist Reali- wieder Zweifel und Einwendungen beyfielen, die wir nicht verbargen,
tat doch nicht, sondern mehr Setzung einer Vollkommenheit, die so gar oder auch uns manches zu spitzfindig und zu griibelnd und bey einer
oft durch ein verneinendes Wort ausgedruckt ist, und als Vollkommen- Wahrheit, die der Menschheit so gar interessant und wichtig ist, zu sehr
heit, darf keine Negation, kein Mangel, nichts was die Vollkommenheit dem Misbrauch ausgesetzt scheint, so hoffen wir, es werde dies nicht auf
minden oder aufhebt, mit eingemischt seyn.) 4) Realitat miillte doch in je- Rechnung des theologischen Stolzes, sondern der allgemeinen menschli-
dem Fall etwaS seyn, was sich in dem Ding fande, und das als objektive Ei- chen Fehlbarkeit, der Leichtigkeit, sich in so transscendenten Subtilitaten,
genschaft dem Begrif entsprache. Durch eine reale Eigenschaft mull also wo man so geschwind einander falsch verstehen und die Begriffe verwech-
jederzeit das Ding selbst einen griissern Umfang erhalten. In diesem Sinn seln kann, zu irren, und der Verschiedenheit aller menschlichen Einsich-
ist Daseyn gar keine Realitat. Denn so wenig die Miiglichkeit ein objekti- ten geschrieben werden. Dafl iibrigens der Hr. V. in sein System mit allem
590 :J!uffifclje ~ibliot~ef - 1787 I 2!Ug. ~t. ~ibl. - 1787 2lbel6 Qiinleltung in ~ie reieelenle~re 591
Scharfsinn und ganz eingedrungen sey, und es mit vieler Leichtigkeit und Einleitung in die Seelenlehre nicht ausfiihrlich genug entwickelt worden,
Fa£lichkeit zu entwickeln und darzustellen wisse, wird jeder aus unpar- wenigstens so ausfiihrlich darzustellen, da£ sie jedem Leser, auch ohne
theyischer Durchsicht des Buches Ieicht gewahr werden, ohne da!l wir es Hiilfe einer Erklarung, von selbst verstandlich sind. Die Einleitung in die
zu riihmen nothig haben. Seelen{l85Jlehre unterscheidet sich besonders dadurch von den gewohn-
lichen, da!l darin schon manches aus der Kantischen Philosophie genutzt
ist; welche unstreitig iiber die Krafte der Seele und ihre Operationen, vor-
ziiglich in Absicht des Denkens, ein gro!les Licht verbreitet, wenn man
,'llletapb~nf~e !2!nfanMgriinbe bet 'J1aturroilfenf~atT oon Jmmanuel gleich nicht das ganze Resultat derselben annehrnen mochte. Der Plan, der
.ltant. ~iga, be~ i)obann ~tiebti~ i,:>art!no~, 1786." bey diesen Schriften zurn Grunde liegt, ist zunachst beweisen, da£ die
158 .Octaoftiten; au(fer ber Q3orrebe oon XXIV eleiten. Seele etwas fiir sich Bestehendes, Substantielles sey, dann ihre Natur und
Z u einer moglichst kurzen Anzeige des Inhaltes und der Art des Vortra-
ges konnen wir die eigenen Worte des Herrn Verfassers aus der vvr-
rede S. XX. entlehnen: .Die metaphysischen Anfangsgriinde der Natur
endlich ihre Wirkungsart mit den Gesetzen derselben zu erforschen. Ich
werde mich bemiihen, nur aus jeder Schrift die Hauptgedanken des Verf.
herauszuheben, doch so, da£ ich dabey die Wiederholungen vermeide,
sind - unter vier Hauptstiicke zu bringen, deren erstes die Bewegung als ein welche in den Werken selbst vorkommen. So gut auch gleich anfangs,
reines Quantum, nach seiner Zusammensetzung, ohne aile Qualitat des Be- obzwar nur mit den gewohnlichen Grunden, die Selbststandigkeit der See-
weglichen, betrachtet, und Phoronomie genannt werden kann, das zweyte le bewiesen wird, so vermillte doch Recensent sehr die Widerlegung der
sie als zur Qualitat der Materie gehorig, unter dem Namen einer ur- Kantischen Einwiirfe gegen dieselbe, welche wirklich die allersonder-
spriinglich bewegenden Kraft, in Erwagung zieht, und daher Dynamik barsten in jenem ganzen System zu seyn scheinen, und urn so gefahrlicher
hei!lt, das dritte die Materie mit dieser Qualitat durch ihre eigene Bewe- sind, da sie unser ganzes individuelles Daseyn ungewi!l rnachen, und unse-
gung gegen einander in Relation betrachtet, und unter dem Namen Mecha· re Seele in ein bios flie!lendes logisches Subjekt verwandeln, das in keinem
nik vorkommt, das vierte aber ihre Bewegung oder Rube bios in Bezie- Augenblick dasselbe bleibt, sondern in einem bestandigen FluB von Veran-
hung auf die Vorstellungsart, oder Modalitat, mithin als Erscheinung derungen schwebt. Wie sehr angebracht ware es da nicht gewesen, bey die-
au!lerer Sinne, bestimmt, und Phanomenologie, genannt [469) wird." - - S. ser Gelegenheit die wichtige Frage zu untersuchen, wie das Denken, wel-
XXI .•Ich habe in dieser Abhandlung die mathematische Methode, wenn ches doch erst allen Schein und aile Tauschung moglich rnacht, selbst
gleich nicht mit aller Strenge befolgt, - - dennoch nachgeahmt, nicht urn Schein und Tauschung seyn konnte. Allein diese Frage iibergeht der Ver-
ihr durch ein Geprage von Griindlichkeit bessern Eingang zu verschaffen, fasser ganz, und thut nur iiberhaupt dar, da£ die Seele eine Substanz, und
sondern wei] ich glaube, da£ ein solches System deren wohl fahig sey etc." zwar nur eine vorstellende Substanz ist, und nur Eine Kraftau!lerung be-
sitzt, welche Ernpfindung hei!lt, in so fern sie auf diese oder jene Art
durch Schrnerz oder Lust affizirt wird; Denken, in so fern diese Modifi-
kation sich auf etwas von ihr selbst verschiedenes beziehet, und endlich
\l:infeitung in Ne 11:iee[enfebte oon i)acob ~riebric() !2lbel, 'Prof. bet <pf~~ofogie Wille, so fern sie stets mit einer Selbstthatigkeit verbunden erscheint, die
unb 'lJlorar an bet boben .ltarfllf~ure. 11:itutgart, be~ 'lJle(![er. 1786. durch jene rege gemacht wird. Hierauf folgen Betrachtungen iiber das
Werkzeug der Seele, den Korper, seine Verbindung mit ihr, iiber die Sinne,
Ober Ne IJueflen bet menf~fi~en Qlorfleflungen oon i)acob ~riebric() !2lbel.
Einbildungskraft, und die Gesetze ihrer Wirkungen. Vorziiglich gut wer-
11:itutgart, 1786.
den die Associationsgesetze entwickelt. Es erwecken sich 1) ahnliche
Ideen, 2) kontrastirende Begriffe, darum wei! das Daseyn entgegengesetzter
B eyde Werke des Herrn P. Abel stehen in einem so genauen Zusam-
menhange mit einander, da!l wir sie bier in der Anzeige sehr fiiglich
zusammenfassen kiinnen. Denn das Letztere ist, wie der Verf. auch selbst
Stimmungen Korper und Seele in gro!lere Thatigkeit setzt, vielleicht auch
wei! durch einen der contrastirenden Begriffe [186) der allgemeine Begriff,
in der Vorrede gesteht, nichts anders als ein Kommentar iiber das erstere, unter dem sie beyde enthalten sind, und dann durch diesen der andere von
welcher eigentlich zur Absicht hat, diejenigen Materien, welche in der den contrastirenden sich darstellt. 3) Die coexistirenden erwecken sich urn
592 2!ITgcmcinc ~cutfd)c ~ibfiotpct - 1787 21 bcl6 Q'infcitung in Nc elccfcnfcpre 593
so mehr, je haufiger, genauer und naher ihre Gleichzeitigkeit war, und je ziehung auf ein solches Etwas gar nicht miiglich ist," {denn ohne dieselbe
mehr sie wahrend derselben auf einander wirkten. 4) Succedirende schon wiirde die Seelenauflerung aufhoren, ein Denken zu heillen) ,und anderer
darum, wei! die letzten von den vorhergehenden mit den ersten von den Seits dies Etwas ganzlich nur durch jenen Aktus des Denkens bestimmt
nachfolgenden gleichzeitig sind. Wirkung und Ursache erwecken s1ch urn wird, {denn es ist nicht mehr und nicht weniger, als wozu es durch diesen
ihrer bestandigen Folge auf einander, und urn ihres subjectiv nothwen- gemacht wird) ,so mull alles, was von den Gesetzen des Denkens als noth-
digen Zusammenhangs in der Seele willen. Aile iibrigen Verhaltnisse, -~· B. wendig und richtig gesagt wird, auch von jenem gedachten Etwas gesagt;
Zeichen und Bezeichnetes lassen sich auf die vorigen zuriickfiihren. Uber das ist, die subjectiven Regeln des Verstandes miissen objectivisch gemacht
die Anwendung dieser Gesetze, und wie die Seele durch dieselbe geleitet, werden." Gerade so driickt sich Hr. Kant iiber seine Kategorien und ihre
ihre Begriffe, Urtheile und Schliisse bildet, bemerkt der Verf. zwar man- Nothwendigkeit aus, welche letztere er bios daraus herleitet, daB der Ver-
ches Richtige; allein er wird darin gar zu trocken, wei] er es gar nicht auf stand seine Begriffe nicht, wie man bisher geglaubt hatte, aus der Natur
die Erklarung gewohnlicher Erscheinungen in der menschlichen Natur und Erfahrung schiipft, sondern seine subjectiven Denkgesetze der Natur
anwendet, wodurch es erst Interesse hatte erhalten kiinnen. So hatte er vorschreibt, sich selbst erst eine Erfahrung bildet, und seine Begriffe also
z. B. die Bemerkung, dall clie Thatigkeit des Verstandes, das Gesetz der nothwendig allenthalben wiederfinden mull. Allein der Verf. hatte doch
Ahnlichkeit und des Kontrastes, seine Unthatigkeit aber das Gesetz der nicht diese Behauptungen so geradezu annehmen sollen, besonders da er
Gleichzeitigkeit und Folge begiinstigt, dadurch fruchtbar und interessant noch eine eigene Schrift herauszugeben verspricht, worin er beweisen will,
machen konnen, daB er gezeigt hatte, wie dieses die Hauptquelle des ge- dafl die Kategorien nicht a priori in der Seele liegen. Denn diese Satze gel-
wiihnlichen Aberglaubens sey, indem der ungebildete und rohe Mensch, ten doch nur erst dann, wenn vorher bewiesen ist, dall die objective Welt,
bey dem der Verstand noch nicht wirksam werden kann, aus dieser Ursa- welche den Erscheinungen zum Grunde liegt, sich gegen die Operationen
che so geneigt ist, Dinge und Phanomene, die von ohngefahr und zu ge- unsers Verstandes ganz und gar leidend verhalt, gar kein Verhaltnill zu un-
wissen Zeiten zusammentreffen, als Wirkung und Ursache anzusehen. serer Denkkraft, und gar keine Beziehung auf unsere Art sie uns vorzu-
Auch hatte sich hier noch sehr fiiglich etwas iiber den wichtigen Einflull stellen hat. Ist aber die Aullenwelt auch nach gewissen Gesetzen geordnet,
der Associationsgesetze auf die Entstehung und Befestigung der Neigun- welches doch wahl verniinftig ist, anzunehmen, und steht sie mit unserm
gen erinnern lassen. Der dritte Abschnitt enth~lt. Reflexio':en iiber die Vorstellungsvermiigen in einem solchen Verhaltnill, daB die eine fiir das
Applikation der Seele auf die gegebene~. Matenahen und 1hre Gesetze, andere geschaffen ist; so ist es doch auch hiichst wahrscheinlich, dafl ihre
iiber das Denken, und die verschiedenen Aullerungen desselben durch Dr- beyderseitigen Gesetze sich nicht einander widersprechen, sondern iiber-
theilen, Schliissen u. s. w. Wie sehr der Verf. hierin den Kantischen einstimmen, und die Begriffe des Verstandes in der objectiven Welt, ab-
Grundsatzen folgt, sieht man daraus, dafl er sich unter andern so aus- gleich unter einer andern Gestalt realisirt sind. Nimmt [188] man nun die-
driickt: ,Aile transcendentale Begriffe werden darum fiir nothwendig wahr ses an, so fliellt natiirlich aus dieser Verbindung die Nothwendigkeit der
gehalten, wei! sie aus nothwendiger Ubertragung der subjectiven Regeln Verstandesbegriffe, die auf jene Art doch immer nur sehr unvollstandig er-
der Verstandesgesetze aufs Objective entstanden, und also so nothwend1g klart werden kann, wei! Hr. Kant gar keine Riicksicht auf die Aullenwelt
als jene selbst sind. Die Anwendung dieser transcendentalen Begriffe auf nimmt, ja das Daseyn derselben nur fiir problematisch ausgiebt. Diese gro-
die aullern Eindriicke, und auf diejenigen, die wir aus dem innern Bewullt- lle Schwierigkeit wird hier gar nicht beriihrt, und daher kommt es dann
seyn erhalten, macht die eigentliche [187] Erfahrung aus. Endlich erheben auch wahl, daB der Verf. den Kantischen sogenannten kritischen Idealis-
wir uns auch iiber die Erfahrung, als welche immer noch Erscheinung mus ohne aile Priifung, welche er doch noch so sehr zu bediirfen scheint,
bleibt, und suchen etwas, das nicht mehr Erscheinung aber Quelle aller annahm, und unter andern sagen konnte: ,Die Kategorien sind blosse For-
Erscheinungen ist. Das Daseyn solcher Etwas wird durch die Kategorien meln, die erst durch ihre Anwendung auf Erscheinungen etwas Wirkliches
bestimmt, ihre innere Beschaffenheit aber kann durch nichts bestimmt darstellen. Aber diese Darstellung des Wirklichen ist nur subjectiv wahr,
werden." An einer andern Stelle, wo der Verf. die Verstandesbegriffe viillig das ist, das Absolute in den Dingen Vorhandene kann und mull von uns,
nach Kantischer Maniere entwickelt, heilkes: ~Alles Denken bezieht sich aber gerade nur von uns auf diese eigenthiimliche Art vorgestellt werden,
auf ein Etwas, welches wir denken. Da nun Denken einer Seits ohne Be- ob wir gleich weder die Darstellungsart eben derselben Eigenschaften von
594 2!ITgemeine beutld)e )l;ib!iot~ef - 1787 2!be!6 ®n!eitung in bie <eiee!en!e~te 595
andern, noch das innere Wesen der Dinge selbst dadurch bestimmen kon- oder die nothwendigen Gesetze und Bedingungen sind, unter denen sinn-
nen." .Hingegen ist sie als subjectivisch gewi!l, wei! unsere Denkgesetze liche Anschauungen erst miiglich werden, so sehr auch Hr. Kant sich be-
uns niithigen, die Begriffe also zu bilden, anzuwenden und zu glauben. miihet, sie damit zu widerlegen, da!l nach derselben sich die Nothwendig-
Die Erscheinung supponirt zwar etwas, das nicht Erscheinung, sondern keit und Gewi!lheit jener von unserm Verf. angefiihrten Grundsiitze nicht
die Quelle derselben ist, und wir suchen also diese innere Quelle oder das einsehen lasse. Allein es lie!le sich dariiber vielleicht noch eine andere
Wesen der Dinge. Aber doch kennen wir nur ihr Daseyn, nie ihr Wesen, Meynung annehmen, die auch schon in dieser Bibliothek bey Gelegenheit
wei! wir nie etwas anders als die Erscheinung zu denken vermogen; doch der Schulzischen Erlauterungen iiber Kants Kritik vorgetragen ist, und
dient uns Kenntni!l der Wirkung, die ein Objekt auf eine Seele und Orga- nach welcher der Grund, warum wir alles im Raum und in der Zeit an-
nisation rnacht, wie die unsere, statt des Wesens selbst, und ist zu unserm schauen miissen, theils in der Einschriinkung unserer Seelenkraft, die
Gebrauch hinliinglich. Hauptsiichlich giebt es vier solche Gegenstiinde, de- nicht alles mit einmal fassen kann, theils in der Mehrheit und Veriinder-
ren Wesen wir aber vergebens suchen, die Kerper, die Geister, die Welt lichkeit der Gegenstiinde selbst gesetzt wird. Diese Meynung ware nicht
und Gott." - Wie stimmt hiermit aber die hernach folgende Widerlegung allein der Natur der Seele am angemessensten, sondern sie hiibe auch jene
des Skepticismus wieder iiberein, worin iiberdem noch eine Verwechse- Schwierigkeiten wegen der Allgemeinheit und Nothwendigkeit der Begrif-
lung der formellen und materiellen Siitze herrscht? fe von Raum und Zeit am leichtesten. Den Abschnitt iiber die Sprache,
Etwas mehr geht der Verf. in seiner Vorstellung iiber die Bildung der ihren Ur{l90]sprung, und ihre Ausbildung iibergehe ich, wei! er nicht vie!
Begriffe von Raum und Zeit vom Herrn Kant ab, welche er aus dem Ab- Neues und Eigenthiimliches enthiilt. Uberhaupt, sagt der Verfasser, erfin-
stractionsverm6gen herleitet. Er stellt sich niimlich die Sache so vor. Die den wir, durch Gehiir, und die Verbindung der Empfindungen mit den
Seele denkt sich erst das Ahnliche von allen k6rperlichen Eigenschaften, Sprachwerkzeugen unterstiitzt, durch die eigene Natur des Denkens fahig
doch. so, da!l in dem neuen Ganzen nichts von den bestimmten Eigen- gemacht, und durch iiu!lere Verhiiltnisse der Gesellschaft veranlasset und
schaften der K6rper mehr sichtbar ist. Dies thut sie urn (189] so Iieber, da gedrungen, die Sprache. Nach einigen nun folgenden Bemerkungen iiber
sie hierzu nicht nur durch das natiirliche Gesetz aus allem das Allgemeine die Empfindungen und ihre Wiedererweckung, iiber Sympathie und Ge-
herauszuziehen gereizt wird, sondern da sie auch noch iiberdies fiir ihre wohnheit, betrachtet der Verf. endlich den Willen, welchen er ein stets
Phiinomene ein enthaltendes und angemessenes Bild sucht. Das so entste- wirksames Streben nach angenehmen Empfindungen nennt, oder be-
hende neu gebildete Ding ist also nicht gefiirbt, nicht solid, es hat keine stimmter zu reden, nach hinliinglicher Beschaftigung oder ma!lig unterhal-
Gr6!le, keine Figur, wei! alle diese Eigenschaften auf eine oder die andere tenden Vorstellungen. Er ist frey, in so fern er nicht bios nach den au!lern
Art bestimmt sind; es ist bios ein Ausgedehntes, Unendliches, ohne k6r- Eindriicken, sondern nach eigener Natur, nicht nur nach dem lebhaftesten
perliche Eigenschaften, obgleich aile Kiirper in sich Enthaltendes, und und gegenwartig angenehmsten, sondern auch nach dem fUrs Beste gehalte-
nach Wegnahme derselben noch iibrig Bleibendes. Eben so bildet sich der nem sich bestimmen kann. Freyheit enthiilt 1) Willkiihr der Aufmerk-
Begriff der Zeit aus den Veriinderungen, die wir in uns wahrnehmen. samkeit, verbunden mit einem auf vieles sich ausdehnenden Verstande,
Auch ist sie ein Ausgedehntes, Unendliches, aile Veriinderungen in sich durch welche beyde wir mehrere Arten zu handeln sehen und hervorbrin-
Enthaltendes, und nach ihrer Wegnahme noch iibriges, aber selbst nicht gen kiinnen, und keine ausschlie!lend ergreifen diirfen. 2) Selbstthatigkeit,
veriinderlich, noch mit irgend einer bestimmten Eigenschaft begabt. Aus urn sich durch eigene Kriifte ohne fremden Einflu!l zu einer der miigli-
der Natur dieser Begriffe folgen nothwendig gewisse Grundsiitze, als: Alles chen Wirkungsarten zu bestimmen. Aber ohngeachtet dieser Freyheit ge-
ist irgendwo, da oder dort, nahe oder entfernt, alles ist in der Zeit, jetzt, schieht doch alles in jedem einzelnen Fall bestimmt, nur auf eine einzige
ehemals, kiinftig, gleichzeitig, fortdaurend, oder veriindert. Auch entsteht Weise, und das Gefiihl der Zufiilligkeit stammt nur aus Nichterkenntni!l
hieraus die eigentliche mathematische Lehrart. Die Geometrie hat niimlich der meistens dunkeln Ursachen, und aus dem Vorurtheil, da!l nur das
den Raum, und die Arithmetik die Zahlen zum Gegenstande, Ziihlen aber durch ein fremdes au!ler uns vorhandenes Ding gewirkte, und folglich aus
geschieht nicht anders, als vermittelst der Zeit. Diese Erkliirungsart der au!lerm Zwang entstehende nothwendig bestimmt sey. Den Beschlu!l des
Entstehung der Begriffe von Raum und Zeit hat unstreitig vieles vor der Ganzen machen endlich des Verf. Gedanken iiber die au!lere Natur des
Kantischen voraus, nach welcher sie die blossen Formen der Sinnlichkeit, Menschen, die au!lerliche Beschaffenheit seines Kiirpers und seine au!ler-
596 grrrgemeine beutfdje ilJibflot~ef - 1787 "'b ef ilbet bie tlueffen ber menfdj!idjen 'llor~effungen 597
lichen Umstande, wobey auch das Sonnensystem in Betrachtung kiimmt, nements, und durch mehrere Anwendung auf psychologische Erfahrungen
und so endigt sich diese Einleitung zur Seelenlehre gerade damit, womit sehr viele Vorziige vor der erstern, daher wir auch mit Vergniigen ihrer
Hr. Herder, dem unser Verf. hier iiberhaupt nur nachschreibt, in seinen Fortsetzung entgegen sehen. Nur [192] der Titel scheint mir nicht viillig
Ideen zur philosophischen Geschichte der Menschheit den Anfang macht. zu dem Inhalte zu passen. Der Verf. versteht namlich unter den Quellen
Zur Probe mag hiervon noch folgendes dienen .• Das Sonnen- und Weltsy- der menschlichen Vorstellungen, die er hie abhandelt, besonders Sinne
stem; heillt es, .enthalt zum Theil den Grund von der bestimmten Be- und Einbildungskraft, und in so fern wir durch beyde unsere ersten Ideen
schaffenheit der Erde, unsers Korpers, und unserer Eindriicke. Uberdem bekommen, verdienen sie auch in einem gewissen Sinne diese Benennung.
ist die Erde in Riicksicht auf das erste ein mittlerer Stern, nicht so weit Allein genau zu reden, sind sie doch nicht eigentlich Quellen unserer Vor-
von der Sonne entfernt als Saturn, und nicht so [191] nahe als Venus, und stellungen, sondern nur die Mittel und Werkzeuge, wodurch wir unsere
eben durch diese Stellung werden auch ihre iibrigen Eigenschaften und Be- Vorstellungen bekommen. So wenig ich namlich den Eimer, mit dem ich
wegungen zum Theil bestimmt. Sollte auch wohl nicht hierin eine Pro- Wasser aus dem Brunnen schopfe, die QueUe nenne; eben so wenig kann
portion zwischen dem Erdball und seinen Producten, folglich unserm ich auch die Krafte der Seele, oder vielmehr die Seele selbst, in so fern sie
Korper statt finden, sollte also nicht auch ein mittlerer Grad des Wachs- nur eine und dieselbe Kraft hat, die Quellen unserer Erkenntnill nennen.
thums unsere Bestimmung hienieden seyn? Endlich ist sie in Riicksicht Vielmehr ist die ganze uns umgebende Natur mit allen ihren Gegenstan-
auf die Sonne und die ganze iibrige Welt ein Stern unter Stern en, wirkend den, Modifikationen und Gesetzen die Quelle, aus welcher wir unsere Be-
auf aile, aber noch mehr leidend von allen; im iibrigen aber gerade auf griffe hernehmen, und sie giebt uns die ersten Materialien an die Hand,
dem Punkt des grollen Ganzen stehend, wo sie ihre Rolle am vollkom- die durch unsere Seelenkrafte alsdann zwar in ganz neue und veriinderte
mensten spielt, und von dem sie ohne ihre eigene Zerriittung, und ohne Formen umgebildet werden, aber doch immer Merkmale ihres objektiven
Zerriittung des Ganzen nicht kann weggenommen werden. Eben so der Ursprungs an sich tragen. Es miillte denn seyn, dall wir nach Hrn. Kants
sterbliche Mensch. Gesetzt, zwar nicht auf die allerangenehmste und und seiner SchUler idealistischem System das Daseyn der Aullenwelt unge-
hochste, aber doch auf eine ihm angemessene, immer noch wirksame und will machen, oder eigentlich vernichten, und also unser Seelenvermogen
angenehme Stelle steht er nicht einsam, sondern unter Millionen niederer zu Werkzeugen und zu Quellen unserer Ideen zugleich machen wollten,
und hoherer Geister wirkend ohne Zweifel, obgleich nie mittelbar auf sie, welches doch unser Verf. selbst widerlegen will. Sehr ausfuhrlich tragt der
aber noch mehr durch sie bestimmt, ein blosses Erdengeschopf, aber doch Verf. hier gleich anfangs die Beweise fiir die Einfachheit der Seele vor, wel-
ein nicht unwiirdiger, vielleicht nur noch nicht reif gewordener Bruder des che ich nur kurz beriihren will .• Bey unserer Vorstellungskraft; heillt es,
Seraphs." Ganz Herderischer Schwung. - Man wird iibrigens schon aus .findet darin keine Zusammensetzung statt, wei! eine jede Kraft nur in
dieser Anzeige des Inhalts sehen, dall diese Seelenlehre sich weder durch den einzelnen Substanzen, nicht auller denselben in einem Dritten oder
Neuheit des Plans noch der Materien auszeichnet. Auch zweifle ich, ob Ganzen aus der Sammlung der einzelnen entstebendem, liegt. Denn dies
das Buch zu einem eigentlichen Lehrbuch, wozu es bestimmt ist, recht Dritte oder Ganze waren entweder nur eben diese Substanzen, so fern
brauchbar seyn kann, wei! theils nicht die genaue Ordnung und der feste man dieselben als verbunden denkt, oder etwas von ihnen verschiedenes.
Zusammenhang darinn herrscht, der hiezu so nothwendig ist, theils die Im ersten Fall wiirden also nur die einzelnen Substanzen selbst seyn, in de-
Theorie zu trocken, nur immer im Allgemeinen, und ohne aile Belege aus nen die Kraft !age, im andern Fall konnte sie in nichts, nirgends liegen."
der Erfahrung vorgetragen, und folglich dem miindlichen Vortrage des (Hier hatte doch, diinkt mich, der Grund hinzugesetzt werden miissen,
Lehrers zu vie! hinzuzusetzen iiberlassen ist. Indessen ist es als Sammlung, warum sie in diesem Fall in nichts liegen konne, der offenbar kein anderer
und wegen mancher guten Bemerkungen immer brauchbar. ist, als dall ein Ganzes eigentlich nichts wirkliches in der Natur ist, son-
Bey der zweyten Schrift: Uber die Quellen der menschlichen Vorstel- dern erst in der zusammenfassenden und vereinigenden Vorstellungskraft
lungen, hatte sich der Verf. eigentlich den Zweck vorgesetzt, ein Buch fur seine Existenz erhalt.) Auf [193] den Einwurf, dall doch oft durch Verbin-
diejenigen zu liefern, welche die Seelenlehre durch eigenes Studium, und dung mehrerer Krafte eine Wirkung entstehe, die durch jede einzelne
ohne besondern Unterricht eines akademischen Lehrers erlernen wollen, nicht erhalten werden kiinne, antwortet der Verfasser, .dall dies nur der
und sie hat unstreitig durch Ausfiihrlichkeit und Deutlichkeit des Raison- Fall sey, entweder, wenn die mit der einen Kraft verbundenen Krafte durch
598 ~ffgemeinc ~cutfdje il>ibliotQet - 1787 ~ bcl iiber bic OueUen ~et menfdjlidjen Qlot~cUungen 599
Wegriiumung der Hindernisse, oder durch unmittelbare Reizung und Er- vermindern? Denken und Empfinden heben sich sehr oft wechselsweise
weckung ihrer Thatigkeit, Triebfedern und Werkzeuge derselben werden, auf, nicht, wei! die Natur des einen der Natur des andern widerspricht;
oder auch wenn sich die Wirkungen der verbundenen Kriifte mit der Wir- denn sie verstarken sich ja auch oft wechselweise, die Ehrfurcht gegen
kung der Kraft selbst vereinigen, urn durch diese Vereinigung ein groBeres einen rechtschaffenen Mann kann sich mit unsern Kenntnissen von ihm
Ganze zu erzeugen. Dies letzte ist aber doch nur alsdann moglich, wenn vermehren; sondern wei!, indem die Seelenkraft auf eins angestrengt wird,
die Wirkungen sich an einem Orte sammeln konnen, wenn sie also nicht gleichsam kein Raum fiir das andere mehr iibrig bleibt. Es muG also eben
in der wirkenden Kraft eingeschlossen bleiben, sondern auGer dieselbe diese Kraft, welche denkt, auch empfinden, und also miissen aile unsere
sich herausbegeben. Da die Korper immer eine auBere, sie in Wirksamkeit Krafte auch in einer Substanz wohnen. Die Griinde, welche man daraus
setzende Kraft erfodern," (aber auch der Korper bewegt sich von selbst, hernimmt, daB der Korper sich bestandig, und nach einigen Jahren ganz
ohne allen auBern AnstoB nach der Richtung der Schwere, wenn er keine verandert, die Seele aber immer dieselbe bleibt, daB ferner die bewegenden
Hindernisse antrifft,) .da ferner die bewegenden Kriifte, und also auch die und vorstellenden Kriifte darum wesentlich von einander verschieden sind,
Korper ihre Wirkungen auGer sich auBern, und sich also mehrere Wir- wei! jene nur durch andere, diese auch ohne Hiilfe anderer in Thatigkeit
kungen in einem Punkt vereinigen konnen, so lassen die Korper oder die gesetzt werden konnen, will der Verf. aus der Ursache nicht als iiberzeu-
bewegenden Kriifte beyde Arten der Zusammensetzung zu. Auch eine Vor- gend gelten lassen, wei! die Natur wohl einen Korper bilden konne, der
stellungskraft kann vielleicht die Vereinigung mit andern Substanzen eben so wenig als die Seele einer ganzlichen U mschaffung fahig sey, und
nothig haben, urn in Wirksamkeit gesetzt zu werden. Aber dann sind die wei! die bewegenden und vorstellenden Kriifte wohl zugleich in einer Sub-
verbundenen Substanzen nur Werkzeuge und Triebfedern der Denkenden, stanz wohnen konnten. In der zweyten Untersuchung bemiiht sich der
nicht Bestandtheile. Die zweyte Art von Zusammensetzung aber ist bey Verf. zunachst zu beweisen, daB aile Seelenvorstellungen aus den Sinnen
den Vorstellungskriiften nicht moglich, wei! die Veriinderungen eines emp- entspringen. Er tritt namlich der Meynung bey, daB zur klaren Dar-
findenden und denkenden Wesens in ihm selbst sind, nicht auBerhalb stellung, Auswickelung und ersten Bildung der Vorstellungen nicht bios
demselben in einem fremden, und also nicht sich aus der einen Kraft in Veranlassung, sondern auch Stoff in der Erfahrung gegeben werde, doch
die andere begeben, oder sich in einem Punkt sammeln konnen. Konnen so, daB derselbe bios in den sinnlichen Eindriicken, oder in den durch jene
sich aber die Wirkungen nicht sammeln, so kann auch der ganze Effekt, erweckten Operationen liege, und daB er mehr oder weniger sogar bis zur
der Gedanke oder die Empfindung nicht die gesammlete Summe mehrerer Bildung neuer, einfach scheinender Vorstellungen umgeschaffen werde.
denkenden und empfindenden Substanzen seyn." Ferner nimmt der Verf. Die Griinde fur diese Meynung nimmt er theils aus den Vorstellungen
seine Griinde fur die Einfachheit der Seele aus jeder besondern Art unse- selbst her, die aile, [195] auch die unsinnlichen (wei! auch diese ein auBeres
rer SeelenauBerungen her. Jede Vergleichung fordert die Einsicht in die Be- Objekt haben miissen) aus den Sinnen ihren Ursprung haben, theils aus
ziehung eines Begriffs auf einen andern, und also ein Zugleichseyn beyder der Theorie der Phantasie, welche bestandig Bewegungen im Gehirn vor-
in der Seele in dem Augenblick, da sie das U rtheil fallt. Besonders wiirde aussetzt. Wenn er aber die Einwiirfe gegen diese Meynung damit abweiset,
das GedachtniB und jene groBe Wirkung desselben, das Gefuhl der Perso- daB die tiefe Untersuchung der ganzen Frage iiber die angebornen Ideen,
nalitat, ohne Einheit der Seelensubstanz unmoglich [194] seyn. Eine Emp- in die Metaphysik gehore, er sich hier aber mit der physischen und empi-
findung ist iiberdem die Summe von vielen, deren jede einzeln genommen rischen Betrachtung des Menschen begniige; so scheint mir dies seinem
auf eine ganz andere Art, als jetzt in der Verbindung mit den iibrigen uns sonstigen Verfahren zu widersprechen, indem er sich doch oft in metaphy-
einst riihrte; ist aber die Seele zusammengesetzt, und also eine Empfin- sische Untersuchungen einlaBt, urn so mehr, da iiberdem die Schwierig-
dung in der einen, die andere in der andern Substanz; wie sol!, da keine keit so sehr groG nicht zu seyn scheint, wenn man zugiebt, daB zwar die
aus der sie enthaltenden Substanz heraustreten kann, jede von der andern urspriinglichen Regeln und Gesetze unsers Denkens und Empfindens all-
modifizirt werden, wie eine aus vielen entstehen? Der dritte Beweis beruht gemein und angeboren sind, die einzelnen Empfindungen und Begriffe
endlich auf dem Zusammenhang der KraftauBerungen unter einander. aber erst durch die Sinne der Seele mitgetheilt, und von ihr alsdann weiter
Wie sollen sich, ohne die Einheit des denkenden Subjects die Kriifte z. B. bearbeitet werden. Und wie endlich diese ganze Theorie, daB aile Seelen-
Denken und Empfinden, gegenseitig modifiziren, erwecken, erhohen oder vorstellungen aus den Sinnen entstehen, mit dem vom Verf. in dem ersten
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laJlt es klinftigen Bearbeitern dieser Wissenschaft, jene Methode in aller me, sondern (was eigentlich in die Mechanik hingehort,} die vermehrte
ihrer Strenge, deren er diesen metaphysischen Theil der Naturlehre voll- Wirkung der vereinigten Bewegungen darstellt; folglich [sind] aile bisherige
kommen fabig bielt, dabey anzuwenden. Wir wollen uns bemlihen sein Versuche obigen Lehrsatz in seinen drey Fallen zu [337] beweisen nur
System in einem kurzen Abri!l darzustellen. mechanische Auflosungen gewesen. Zuletzt bemerkt der Verf. da!l hier die
Metaplrysische Anfongsgriinde der Phoronomie. Hier wird Materie [afs] Categorie der Quantitat angewandt sey, namlich wenn man die gedachten
das Beweglicbe im Raum definirt. Sie selbst, die Materie, kommt nacb drey Theile des allgemeinen phoronomischen Lehrsatzes an das Schema
ihren Eigenscbaften bier gar nicbt in Betracbtung und kann allenfalls als der Eintheilung des Begriffs der Gr6£e halte, werde man bemerken, dall
ein Punkt betracbtet werden, es ist nur die Rede von der Bewegung in so die Lebre der Zusammensetzung der Bewegungen zugleich die reine GrO-
fern sie ein Quantum, und aus mehrern Bewegungen zusammengesetzt ist. !lenlehre (Mathesis} derselben sey, und zwar nach allen drey Momenten,
Nacbst der Bewegung selbst, welcbe als die Veranderung des au!lern Ver- die der Raum an die Hand giebt, der Einheit der Linie und Richtung, der
haltnisses zu einem gegebenen Raum definirt wird, (so wie Rube die be- Vzelheit der Richtungen in einer und eben derselben Linie, endlich der
harrlicbe Gegenwart an demselben Ort ist} ist der Raum ein Hauptbegriff. Allheit der Richtungen sowohl als der Linien, nach denen die Bewegung
Dieser wird eingetbeilt in den relativen oder empiriscben, und in den ab- geschehen mag, welches die Bestimmung aller miiglichen Bewegung als
soluten oder leeren Raum. Jener wird so wie die Materie in dem absolu- eines Quantums entbalt, wiewohl die Quantitat derselben (an einem
ten, als ein Gegenstand der Erfabrung und als bewegt; dieser aber als derje- beweglichen Punkte} blo!l in der Geschwindigkeit besteht.
nige, worin die Bewegung geschiebt und also als unbewegt gedacbt. Da bey Metaplrysische Grundsatze der Dynamik. Hier wird die Materie als das
der.. Bewegung an sicb selbst nur die beyden Momente, Ricbtung und Ge- Bewegliche, das einen Raum erflillt, definirt. Diese dynamische Erklarung
scbwindigkeit vorkommen, wovon die letztere allein das Maall abgiebt, des Begrifs der Materie setzt die phoronomische voraus, aber thut eine Ei-
wornacb die Quan{336]titat der Bewegung oder die Summe mehrerer zu- genscbaft hinzu, die sicb als Ursache auf eine Wirkung bezieht, namlich
sammengesetzten Bewegungen in der Phoronomie zu bestimmen ist, so das VermOgen einer Bewegung, innerhalb eines gewissen Raums zu wider-
kommt es in dieser Wissenscbaft eigentlicb darauf an, die Moglichkeit zu stehen. Denn einen Raum erflillen hei!lt nichts anders, als allem Beweg-
zeigen, wie der matbematiscbe Physiker die Quantitat zusammengesetzter licben widerstehen, das durch seine Bewegung in einem gewissen Raum
Bewegungen construiren oder anscbaulicb machen konne. Diese Moglich- einzudringen bestrebt ist; es wird bier aber nur von dem Widerstande ge-
keit zu zeigen, dazu ist der einzige Lebrsatz den die Pboronomie enthalt, redet, den die Materie au!lert, wenn der Raum ihrer eigenen Ausdehnung
bestimmt. Der Verf. drlickt dense! ben folgendermallen aus: die Zusammen· soli verringert, nicht aber, wenn sie aus ihrem Orte soll vertrieben wer-
setzung zweyer Bewegungen eines und desselben Punlets kann nur dadurch den, wovon in der Mechanik gehandelt wird. Hier also wo die Materie als
gedacht werden, daft die eine derselben im absoluten Raume, statt der andern mit thatiger Kraft aus{338]gerlistet, vorgestellt wird, ist der erste Lehrsatz:
[alier] eine mit derselben Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung ge- die Materie erfullt einen Raum nicht durch ihre blofle Existenz, sondem
[sdie]hende Bewegung des relativen Raums, als mit derselben einerley, vorge- durch eine besondere bewegende Kraft. Diese Kraft ist nun zwiefacb: Anzie-
stellt wircl. Diesen Lebrsatz beweiset nun der Verf. in den drey moglichen hungskraft, d. i. diejenige bewegende Kraft, wodurch eine Materie die Ur-
Fallen, dall entweder die zwey Bewegungen in eben derselben Linie und sacbe der Annaherung andrer zu ihr seyn kann, oder welches einerley ist,
Ricbtung einem und demselben Punkt zukommen; oder, die zwey Bewe- dadurch sie der Entfernung andrer von ihr widerstehet; und Zurlick-
gungen in gerade entgegengesetzten Ricbtungen an einem und eben dem- sto!lungskraft, oder eine solche wodurch die Materie Ursache seyn kann,
selben Punkte sollen verbunden werden; oder endlicb, da zwey Bewegun- andere von sich zu entfernen, oder welches einerley ist, wodurch sie der
gen eben desselben Punkts nach Richtungen, die einen Winkel einscblie- Annaherung anderer zu ihr widersteht. Nur diese zwey bewegenden Kriif-
Jlen, verbunden vorgestellt werden. Da die deutliche Vorstellung dieses te lassen sich denken. Der Beweis, warum der Materie diese beyden Kriifte
Beweises Figuren erfordern wlirde, so kann sie hier nicht gegeben werden; zukommen, grlindet sich darauf, dall nur mit diesen beyden Kriiften verse-
wir merken nur an, dall der V. seine Constructionsmethode zusammen- hen die Materie einen bestimmten Raum erflillen kann; hingegen wenn
gesetzter Bewegungen von den gewohnlichen mechanischen unterscbeidet, ihr die eine fehlte, in einen Punkt zusammenschwinden, oder wenn ihr
wo man nicht, wie es in der Phoronomie geschehen sollte, bios die Sum- die andere mangelte, sich ins unendliche Leere zerstreuen wlirde. Die libri-
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gen Lehrsatze der Dynamik sind noch foigende: Die Matme erfollt ihren her riihrende Bestimmung des Grades einer Erfiillung des Raums in Be-
Raum durch repulsive Krafte aller ihrer Theile d. i. durch eine ihr eigene trachtung gezogen, mithin die Qualitat der Materie unter den Titeln der
Ausdehnungskraft, die einen bestimmten Grad ha~ iiber den kleinere oder Realitat, Negation und Limitation, so vie! es einer metaphysischen Dyna-
groftere im Unendliche konnen gedacht werden; woraus foigt, dall aile Mate- mik zukommt, vollstandig abgehandelt worden.
rie urspriinglich elastisch ist. - Die Materie kann ins Unendliche zusam- Metaphysische Grundsatze der Mechanik. Hier ist Materie das Bewegliche,
mengedriickt werden, aber niemals von einer Materie, wie graft auch die so fern es eine bewegende Kraft hat. Dieses ist die dritte Definition einer
driickende Kraft derselben sey, durchdrungen werden, d. h. eine Materie Materie. Die bios dynamische konnte die Materie auch in Ruhe betrach-
kann nie in ihrer Bewegung eine andere durchdringen, oder durch Zusam- ten, in der Mechanik hingegen wird die Kraft einer in Bewegung gesetzten
mendriickung den Raum ihrer Ausdehnung vollig aufheben. - Die Mate- Materie betrachtet, urn diese Bewegung einer andern mitzutheilen. Aile me-
rie ist im Unendliche theilbar, und zwar in Theile, deren jeder wiederum chanische Gesetze setzen die dynamischen voraus. Dieser Haupttheil hat
Materie ist Der [339] Beweis, den der Verf. von diesem Lehrsatz giebt, folgende vier Lehrsatze: Die Quantitdt der Materie kann in Vergleichung
stiitzt sich nicht bios, wie er gewohniich gefiihrt wird, auf die unendliche [mit]jeder andern nur durch die Quantitlit der Bewegung geschatzt werden. -
Theilbarkeit des Raums, sondern soli ganz eigentlich gegen die physischen Erstes Gesetz der Mechanik: Bey aller Veranderung der korperlichen Natur
Monadisten gerichtet seyn. In einer Anmerkung wird der Streit der bleibt die Quantitlit der Materie im Ganzen dieselbe, unvermehrt und un-
Mathematiker und Metaphysiker iiber diesen Lehrsatz erkiart, und die vermindert. Zum Beweise wird aus der allgemeinen Metaphysik der Satz,
Leibnitzische Auflosung, dieses Streits als die richtige angegeben. - Die daB bey allen Veranderungen der Natur keine Substanz weder entstehe
Moglichkeit der Materie eifordert eine Anziehungskraft, als die zweyte noch vergehe, zum Grunde gelegt, und hier nur dargethan, was in der
wesentliche Grundkraft derselben. - In der Anmerkung zeigt der Verf. sehr [341] Materie die Substanz sey, namlich das Bewegliche. - Zweytes Gesetz
gut, warum man nicht die Anziehungskraft, sondern die in der Wider- der Mechanik.· aile Veranderung der Materie hat eine auftere Ursache. (Ein je-
stehungs- oder Ausdehnungskraft gegriindete Undurchdringlichkeit, zur der KOrper bcharrt in seinem Zustande der Ruhe oder Bewegung in der-
ersten Grundkraft oder zum ersten Kennzeichen der Materie machte. - selben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit, wenn er nicht durch
Durch blofte Anziehungskraft ohne Zuriickstoftung ist keine Matme moglich. eine auBere Ursache genothigt wird, diesen Zustand zu verlassen.) So wie
- Die aller Materie wesentliche Anziehung ist eine unmittelbare Wirkung aile Veranderung eine Ursache haben muB, so wird hier nur von der Mate-
aufandere durch den leeren Raum Folglich wirkt die Materie vermoge die- rie bewiesen, dall ihre Veranderung (da sie als ein iebloses Ding keiner in-
ses Lehrsatzes in distans, und Beriihrung ist nicht dazu nothwendig, wei! nern Selbstbestimmung fahig ist) jederzeit eine auBere Ursache haben
die Beriihrung allererst eine Foige der Anziehungskraft aber keine varlau- miisse. DieB ist, wie der Verf. bemerkt, das lex inertiae, und nur dieB me-
fige Bedingung ihrer Wirkung ist. Hiemit hangt nun auch dieser Lehrsatz chanische Gesetz miisse sa genannt werden, hingegen das Gesetz der einer
zusammen: Die urspriingliche Anziehungskraft, worauf selbst die Moglich- jeden Wirkung gleichen Gegenwirkung konne diesen Namen nicht fiih-
keit der Materie als einer so/chen beruhe~ erstreckt sich im Weltraum von ren, denn dieses sagt, was die Materie thut, jenes aber nur, was sie nicht
jedem Theil derselben auf jeden andern unmittelbar im Unendliche. Die thut, welches dem Ausdruck Tragheit besser angemessen sey; daher konne
Wirkung von der allgemeinen Anziehung, die aile Materie auf aile und in auch die Tragheit als bioBe Leblosigkeit nicht ein positives Bestreben seyn,
allen Entfernungen nun mitteibar auBert, heillt die Gravitation; die Bestre- seinen Zustand zu erhalten. - Drittes mechanisches Gesetz: In aller Mit-
bung in der Richtung der groBern Gravitation sich zu bewegen, heiBt die theilung der Bewegung sind Wirkung und Gegenwirkung einander allezeit
Schwere. Zuletzt iaBt uns der Verf. bemerken, dall in der Dynamik zuerst gleich. Beym Beweise dieses Gesetzes wird aus der allgemeinen Metaphysik
das [340] Reelle im Raum (sanst genannt das Solide) in der Erfiillung des- der Satz entlehnt, daB aile auBere Wirkung in der Welt Wechselwirkung
selben durch ZuriickstoBungskraft; zweytens das, was in Ansehung des sey; hier wird nun bewiesen, dall diese Wechselwirkung zugleich Gegen-
erstern, als des eigentlichen Objects unsrer auBern Wahrnehmung, negativ wirkung (reactia) sey, und dall beyde jederzeit gleich seyn miissen. Dieser
ist, namlich die Anziehungskraft, durch welche so vie! an ihr ist, aller Beweis scheint iibrigens einige Schwierigkeiten zu haben, die sich aber
Raum wiirde durchdrungen, mithin das Solide ganz aufgehoben werden; ohne groBe Weitlauftigkeit und ohne Zeichnungen nicht wohl vorstellig
drittens die Eimchrankung der ersten Kraft durch die zweyte, und die da- machen lassen. Der V. bemerkt, dall Newton sich nicht getrauete, dieB
606 2!ffgemeine bcut[dje 181bftotQet - 1787 ®otQ. geL 3- - 26. Mai 1787 I tub. geL 21n!-- 7. Juni 1787 607
Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, a priori zu be- rie ist zum Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raums ein
wei{342]sen, sondern sich auf die Erfahrung berief, welchem zu gefallen wirkliches Priidicat derselben, dagegen ist die entgegengesetzte Bewegung eines
andre eine besondere Kraft der Materie unter dem von Kepler zuerst ange- relativen Raums statt der Bewegung des Kiirpers genommen, keine wirkliche
ftihrten Namen der Triigheitskraft in die Naturlehre einftihrten, und also Bewegung des letztem sondern wenn sie dafur gehalten wird, ein blofter
im Grunde auch von der Erfahrung ableiteten. Von diesen drey Gesetzen Schein. (d. i. Irrthum.) Dieser zweyte Lehrsatz bestimmt die Modalitat der
der allgemeinen Mechanik bemerkt nun der Verf. noch zuletzt, daB man Bewegung in Ansehung der Dynamik; denn eine Bewegung, die wie die
sie schicklicher so benennen konne: das Gesetz der Selbststandigkeit, der Kreisbewegung nicht ohne den EinfluB einer continuirlich wirkenden
Triigheit, und der Gegenwirkung der Materie, bey allen Veriinderungen auBern Ursache statt finden kann, beweiset mittelbar oder unmittelbar
derselben; und daB mithin die gesamten Lehrsatze dieser Wissenschaft den (344] urspriingliche Bewegkriifte der Materie, es sey der Anziehung oder
Categorien der Substanz, der Caussalitat und der Gemeinschaft, sofern der ZuriickstoBung und also auch wirkliche Bewegung derselben. - In
diese Begriffe auf Materie angewandt werden, genau entsprechen. jeder Bewegung eines Kiirpers, wodurch er in A nsehung eines andern Kiirpers
Metapbys. Anfangsgrnnde der Phiinomenologie. Hier ist Materie das Be- bewegend is~ ist eine entgegengesetzte gleiche Bewegung des letztem noth-
wegliche, sofern es als ein solches, ein Gegenstand der Erfahrung ist. Be- wendig. Dieser dritte Lehrsatz bestimmt die Modalitat der Bewegung in
wegung ist, so wie alles, was durch Sinne vorgestellt wird, nur als Er- Ansehung der Mechanik, und so ist es klar, daB diese drey Lehrsatze die
scheinung gegeben; damit ihre Vorstellung Erfahrung werde, wird noch Bewegung der Materie in Ansehung ihrer Moglichkeit, Wirklichkeit und
erfordert, daB etwas durch den Verstand gedacht werde, namlich zu der Nothwendigkeit; mithin in Ansehung aller dreyen Categorien die Modali-
Art, wie die Vorstellung dem Subjecte inharirt, noch die Bestimmung tat bestimmen.
eines Objects durch dieselbe. Also wird das Bewegliche, als ein solches, Zuletzt stellt der Verf. noch einige Betrachtungen tiber den leeren
Gegenstand der Erfahrung, wenn ein gewisses Object (hier also ein materi- Raum an, dessen Entbehrlichkeit zur Erklarung der Natur und Moglich-
elles Ding) in Ansehung des Priidicats der Bewegung als bestimmt gedacht keit der Bewegung er wenigstens sehr scharfsinnig, wo nicht ganz entschei-
wird. Nun ist aber Bewegung Veriinderung der Relation im Raume. Es dend, darzuthun bemtihet ist, und wenigstens eine hypothetische Beant-
sind also bier immer zwey Correlata, deren einem in der Erscheinung wortung jener Frage giebt: Comment tout etant plein, tout a pu se mouvoir?
erstlich eben so gut, wie dem andern die Veriinderung beygelegt, und das- Auch sind in den Anmerkungen manche sehr der Priifung wiirdige
selbe entweder oder das andre bewegt genannt werden kann, wei! beydes Gedanken oder MuthmaBungen tiber den Grund der specifischen Ver-
gleichgiiltig ist, oder zweytens, (343] deren eines in der Erfahrung mit Aus- schiedenheit der Materie, tiber die lebendigen und todten Krafte u. s. w.
schlieBung des andern als Bewegt gedacht werden muB, oder drittens, angebracht, wodurch diese Schrift, so wie durch ihren Hauptinhalt, allen
deren Beyde nothwendig durch Vernunft, als zugleich Bewegt vorgestellt Denkern sehr schatzbar wird.
werden miissen. In der Erscheinung, die nichts als die Relation in der
Bewegung (ihrer Veriinderung nach) enthalt, ist nichts von diesen Bestim-
mungen enthalten; wenn aber das Bewegliche als ein solches, namlich sei-
ner Bewegung nach, bestimmt gedacht werden soli, d. i. zum Behuf einer
moglichen Erfahrung, ist es nothig die Bedingungen anzuzeigen, unter
welchen der Gegenstand (die Materie) auf eine oder die andere Art durch
das Priidicat der Bewegung bestimmt werden miisse. Die Lehrsatze der
G iittingen. Von den Herren Professoren Feder und Meiners hat man
ein philosophisches Journal zu erwarten, worin sie vorztiglich die
Kantische Philosophie untersuchen werden.
Phanomenologie sind folgende: Die gradlienigte Bewegung einer Materie in
Ansehung eines empirischen Raums, ist zum Unterschiede von der entgegen-
gesetzten Bewegung des Raums, ein blos miigliches Pradicat Eben dasselbe in
~eip5ig.
gar keiner Relation auf eine Materie ausser ihr, d. i. als absolute Bewegung
gedach~ ist unmiiglich. Dieser erste Lehrsatz bestimmt die Modalitat der Priifung der Mendelssohnschen Morgenstunden oder alter spekulativer
ilewegung in Ansehung der Phoronomie - die Kreisbewegung einer Mate- Beweise for das Dasrryn Gottes in Vorlesungen von L. H Jakob, Doktor der
608 :tiibingi[d)c gde9tte ~n;eigen - 7. Juni 1787 3 aI ob6 'Ptiifung bee '»lenbef6[o9nfd)en '»locgen[lunben 609
Philosophie in Halle. Nebst einer Abhandlung von Herm Profes-[365jsor sagen kiinne, dall er eine Ursache andrer Dinge, dall er wircklich sey {S.
Kant. 1786. S. 334. in 8. Man kiinnte vielleicht aus sehr scheinbaren Grun- 157.); dall das theoretische Fiirwahrhalten des Daseyns Gottes nicht ein-
den zweiflen, ob das philosophische Glaubensbekenntnill irgend eines mahl eine Hypothese zu nennen sey, weil man bey einer Hypothese nicht
Selbstdenkers in einem fremden Buche stehen, ob irgend ein Selbstdenker den Begriff, sondern nur das Daseyn eines Dings erdichten diirffe (S. 316.),
aile Behauptungen eines andern Philosophen ohne Ausnahme mit voll- dall man aber doch die Wircklichkeit Gottes fest glauben, und moralisch
kommener Uberzeugung unterschreiben, ob irgend ein Selbstdenker ein von derselben gewill seyn (S. 317 folg.), also auch {wenn je der Gegenstand
System, das in einem fremden Kopfe sich bildete, und dessen Individualitat dieses Glaubens nicht ein Unding oder ein Jeerer Schall seyn solle) den
durch individuelle Anlagen und durch die Zusammenwiirckung mehrerer Begriff von Wircklichkeit und von Ursache und Substanz auf Gott anwen-
individueller aullerer Umstande bestimmt wurde, nicht nur im Ganzen, den kiinne. Nur ein enthusiastischer Verehrer der Kantischen Philosophie
sondern auch nach allen seinen einzelnen Bestandtheilen, zu dem seinigen konnte einen dem unbefangenen Untersucher (36 7] so nahe liegenden
machen kiinne? Aber gegenwartige Schrift ist ein unwidersprechlicher Be- Zweifel, der die so kiinstlich in einander geschlungene Kantische De-
weis davon, dall enthusiastische Verehrung, der Kantischen Philosopheme ductionen der Grundideen der Moral und der natiirlichen Religion
wenigstens, mit dem Charakter eines Selbstdenkers vollkommen vereinbar druckt, und dessen Ubergehung nur dem, der einen blollen Gipsabdruck
sey. Denn nur ein enthusiastischer Verehrer von Hrn Kant und seiner Phi- von Kants System liefern wollte, nicht zur Last gelegt werden kiinnte, ganz
losophie, nur ein starkglaubiger Lehrling des Kiinigsbergischen Philoso- vorbeygehen - konnte den Zweifel ganz vorbeygehen, der in folgendem
phen konnte behaupten, dall man von Hrn Kant mit allem Rechte sagen Schlull enthalten ist: Entweder nimmt der Kantianer an, dall das Grundge-
kiinne, dall er die Philosophie vom Himmel auf die Erde geruffen habe sez der Sittlichkeit ganz unabhangig von der Vor.mssezung des Daseyns
{S. XXV. der Vorrede); dall Kants Kritik der spekulativen Philosophie (in Gottes objective Realitat habe, oder er behauptet, dall dem ersteren erst
einem Zeitraum von nicht mchr als 6. Jahren} mehr wahren Nuzen ge- durch die leztere objective Realitat gegeben werde. lm ersten Fall bedarf
schajft babe, als alles, was seit dritthalb tausend fahren darinn gethan wor- offenbar die Vernunft der Idee von Gott nicht zur Festsezung des Grund-
den sey (S. XXV1; dall nur von der Kantischen Kritilt wahre und reelle princips der Moral; und selbst zur Ausiibung der Vorschrifften der reinen
Weillheit zu erwarten sey (S. XXVIII); dall es ganz unmiiglich sey, zu der Moral wiirde man derselben nicht bediirffen, wenn es wahr waee, was
Kantischen Kritik {von der doch in der gegenwanigen Messe eine neue, Kant in seiner Metaphysik der Sitten S. 33. behauptet, dall die reine Vorstel-
mit vielen Zusiitzen vermehrte, Ausgabe erschienen ist) noch etwas hinzu- lung von Pflicht einen so miichtigen Einfluft auf das menschliche Herz babe.
zusezen {S. XLVII.); dall man gewill in der ganzen Kritik, {also auf mehr als Im lezten Fall macht man die Realitat der Grundideen der Sittlichkeit ent-
achthundert Seiten) (366) nicht einen unbestimmten Ausdruck werde auf- weder unmittelbar von der Realitat der Idee von Gott, oder nur mittelbar,
spiiren kiinnen (S. VII.) u. s. w. Nur ein starkglaubiger Kantianer konnte nur insofern von dieser abhangig, als man zum praktischen Behuf eine
die Kantische Idee von Zeit und die Kantische Deduction der Categorien objective Harmonie in der Geisterwelt oder die Realitat eines sittlichen
{II-VII. Vorl.) in einem so zuversichtlichen Tone wiederholen, ohne auf Reiches voraussezt, und denn daraus auf die Existenz einer hiichsten Intel-
die nicht nur miigliche, sondern zum Theil wiircklich {z. B. von dem ligenz und eines obersten Gesezgebers schliellt, d. h. man grundet die Rea-
scharfsinnigen Hrn Hofr. Ulrich in seinen lnstitut. Log. & Metaph., und litat der Grundideen der Sittlichkeit auf die Realitat einer Voraussezung
von dem nicht minder scharfdenkenden Recensenten dieser Schrift in der von einem oder mehreren Noumenen, von denen man !aut der Kritik
allg. Litter. Zeitung vom J. 1785. Nr. 295.) gemachte Einwiirfe dagegen, die schlechterdings nichts wissen kan, und deren Begriff und Daseyn lediglich
doch wohl dem Hrn Verf. nicht unbekannt seyn konnten, Riicksicht zu erdichtet werden mull, und die Realitiit dieser Voraussezung entweder auf
nehmen; ohne die sich so ganz natiirlich darbietende Frage zu beruhren, gar nichts, oder - [368] und dill ware doch wohl, allem Anschein nach,
ob wohl jene Deduction nicht in einem Circkel herumfiihre, oder welche eine Art von logischem Cirkel - auf die Realitat der sittlichen Ideen.
Voraussezungen bey derselben gemacht, welche Einschranckungen hinzu- Uberdill sezt in allen Fallen die objective Giiltigkeit der Grundideen der
gesezt werden miissen, urn sie von dem Vorwurf eines fehlerhaften Cirkels Sittlichkeit auch nach Kant die Realitat der Idee von dem Menschen als
zu befreyen. Nur ein starkglaubiger Kantianer konnte tiber das Inconse- einem Ding an sich, als einem Glied der intelligibilen Welt, als einem mit
quente wegsehen, das in den Behauptungen ligt, dall man von Gott nicht Caussalitat durch Vernunft begabten Wesen, also auch in dieser Hinsicht
610 ~ilMngif<6e gelebrte 2ln;elgen- 11. Juni 1787 '»leiner~ ®runbrl~ ber e>eelenlebre 611
die Existenz eines Noumenons, von dem man !aut der Kritik nichts wis- Hr M. dem angehenden Psychologen empfielt, eine feyerliche Ausforde-
sen kan, und die Anwendung einer Kategorie, die auf kein Noumenon an- rung des Konigsbergischen Philosophen, den der Hr Verf. von (3 72) der ei-
gewendet werden solle, auf ein Noumenon voraus. Wir wilnschten urn so nen Seite her mit den Skeptikern alterer und neuerer Zeiten und von der
mehr, daB der Hr Verf. diesen und andern Zweifel, die freylich durch andern mit den Scholastikern in Eine Klasse zusammenstellt. Ob die Vor-
blofle Machtspriiche, wenigstens solange als es noch kein philosophisches wilrfe, die Hrn Kant hier gemacht werden, ganz gegriindet seyen, ob man
Pabstthum gibt, eben so wenig als durch blosse Declamationen niederge- ihn mit vollkommenem Recht unter die Skeptiker zahlen; ob man ihm
schlagen werden konnen, unparteyisch gepriift haben, oder doch noch Schuld geben konne, dafl er Zweifel wider die vornehmsten Lehren der
priifen mochte, da auch in der vorliegenden Schrift der Selbstdenker nicht Moral vorgebracht habe; ob man berechtigt sey, seine Schriften filr schad-
wohl verkennt werden kan. Denn nur ein Selbstdenker konnte Kants licher, als die wegen des Angenehmen der Schreibart so verfilhrerische
Ideen in seine eigene Sprache tibersezen - nur ein Selbstdenker konnte Humische Schriften, zu erklaren u. s. w.; difl alles wollen wir gerne unent-
eine mit so vielen eigenthtimlichen Bemerkungen durchwebte Anwen- schieden lassen. Nur wilnschten wir sehr, und vermuthlich mit uns die
dung der Kantischen Grundsiize auf die Mendelssohnische Philosophic meisten Leser dieser Schrift, daB es dem Hrn Verf. gefallen haben mochte,
machen. - Die von Kant selbst herriihrende Abhandlung, die dieser in dem vierten Theil dieser Seelenlehre besonders, der die Theorie von
Schrift vorgesezt ist, enthalt zu wenig neues und erhebliches, als daB wir Wahrheit und Irrthum enthalt, eine bestimmtere Rticksicht auf die Kan-
nicht glauben sollten, sie habe vorztiglich die Bestimmung gehabt, ein tischen Ideen zu nehmen, und, wenn es je der Plan eines Grundrisses
Vehikel der Jakob'schen Schrift zu seyn. Indessen verdient sie immer, wie erlaubte, Grundsaze aufzustellen, und mit philosophischer Strenge zu er-
alles, was von Kant herkommt, von einem Liebhaber der Philosophie, und weisen, die dazu dienen konnten, seine Leser im voraus gegen die gefahr-
besonders von einem Liebhaber der Mendelssohnischen, gelesen und lichen Klippen der Kantischen Philosophic sicher zu stellen. - Der Plan
beherzigt zu werden. des Ganzen ist der nehmliche wie bey der ersten Ausgabe; aber die Aus-
ftihrung, was sich wohl voraus erwarten liefl, bey weitem vollstandiger, als
bey jener, wenn man sich schon bey einigen Stellen des Wunsches nicht
erwehren kan, die Idee des Hrn Verf. noch etwas ausftihrlicher entwickelt
~emgo.
zu lesen. Vor allen andern Schriften in dem psychologischen Fache zeich-
Grundrifl der Seelenlehre von Chr. Meiners Professor der Philosophie in net sich unstreitig diese durch die tiberall eingewebten Spuren der ausge-
Gottingen. 1786. S. 200. in 8. Schon in seiner Revision der Philosophie, breitetsten Kenntnifl von Geschichte der Philosophie und der Menschheit
die im J. 1772. herauskam, hat der Hr Verf. {S. 167 ff.) den Gedanken sehr vortheilhaft aus: Besonders aber ist das dritte Buch von der Sprache,
geaussert, daB man Logik und Psychologie in ein Ganzes zusammenver- wenn (373) es schon vielleicht, wie der Hr Verf. selbst S. 146. eingesteht,
binden, und die Lehre vom Willen von der lezteren ganz absondern, und filr ein Compendium der Psychologie zu ausfilhrlich ist, an neuen histori-
der praktischen Philosophie tiberlassen sollte. Nach dieser Idee, die sich schen Bemerkungen so reich, daB wir mit der grosten U ngedult der voll-
freylich von dem Vorwurf der Willktihrlichkeit schwerlich ganz freyspre- standigen Ausarbeitung dieses Artikels von dem Hrn Verf:iller, zu der er
chen laflt, gab er denn gleich im J. 1773. einen kurzen Abrift der Psycho/a· selbst Hoffnung macht, entgegen sehen. Vorztiglich lesenswerth sind die
gie zum Gebrauche seinl?r Vorlesungen heraus, worinn die ganze Seelenlehre der gegenwanigen Ausgabe beynahe ganz eigene Kapitel von den verschie·
auf folgende 4. Kapitel: I. von den Ideen.· II. von den Seelenkriiften.· Ill. von denen Graden der Cultur menschlichl?r Sprachen, iiber Muttersprachen, iiber
der Sprache: IV. von der Wahrheit unsl?rl?r ErkenntnifS: zuriickgefilhrt wird. heilige, geheime, hohe und niedere Sprachen, iiber die Ursprachen der Men·
U nd von dieser Schrift ist die, die wir vor uns haben, eigentlich nur eine schen, und iiber die Ableitung der iibrigen Sprachen. Welchen Grad von
zweyte, aber freylich, wie man schon aus der Seitenzahl schliessen kan, be- Wahrscheinlichkeit die Hypothese habe, die in dem lezten dieser Kap. {S.
trachtlich vermehrte und verbesserte Ausgabe. Wir begntigen uns, einiges 141.) aufgestellt wird, daB es zwo Ursprachen gegeben habe, die Sprache der
von dem, was dieser neuen Ausgabe eigen ist, auszuheben. Die 1-Vrrede Mongolischen und Tartarischen Volcker, die noch bis auf den heutigen Tag
enthalt ausser einigen lesenswerthen Bemerkungen tiber Philosophic und ganzlich von einander verschieden seyen, dariiber wird sich wohl, so wie
Psychologic tiberhaupt, und ausser einem Verzeichnifl der Schriften, die tiber die damit zusammenhangende Voraussezung von zwey urspriingli-
r
612 :l:fibtngifdjc ge!c~ttc ;!ln;cigcn- II. Juni 1787 .!Mifdje \!lefe~rte .3eitungcn - 20. Juni 1787 613
chen Hauptstammen, erst nach einer vollstandigen Darlegung der histori- dem Felde der Sinnlichkeit zuzuschreiben. Man mull also demselben ent-
schen Belege griindlich urtheilen lassen. - Ob aile nicht tonende korper- weder Allgemeingiiltigkeit ganz absprechen, oder a priori zuschreiben. -
liche Gegenstande bios nach A."bniichkeiten mit ronenden oder horbaren Vielleicht hat es sich der Hr Verf. vorbehalten, sich iiber diese und andere
(S. 116.), und unsichtbare bios nach A."bniichkeiten mit sichtbaren oder kor- Puncte, die bey der Kantischen Philosophie und bey der Grundlegung der
perlichen Dingen bezeichnet worden seyen, daran zweifeln wir aus Grun- Wahrheitserkenntnill iiberhaupt von so grosser Wichtigkeit sind, bey
den, die uns nicht unbedeutend scheinen, (vergl. Hrn R. Michaelis Be- einer andern Gelegenheit ausfiihrlicher zu erklaren. Dorften wir noch
urtheilung der Mittel etc. S. 108 f.) eben so sehr, als an der Richtigkeit der einen litterarischen Wunsch beyfiigen, so ware es dieser, dai! Hr M. sei-
Voraussezung (S. 112.), dall der Grund der Sprachfahigkeit des menschli- nem Grundrill der Seelenlehre eine Geschichte der Seeienlehre nachfolgen
chen Kindes, und der Sprachlosigkeit der Thiere bios in dem Daseyn oder lassen mochte.
der Abwesenheit der zur Hervorbringung ar{374]ticulirter Tone nothwen-
digen Sprachwerckzeuge gesucht werden miisse. - Der IV. Theil iiber
Wahrheit und Irrthum hat der Zusaze und Abanderungen bey weitem
<Gam&utg. l7S7.
nicht wenigere erhalten, als manche philosophische Leser in Riicksicht auf
:!'>ei \Mid \l:rnff :!'>o9n roirb oerlegt
das Bediirfnii! des gegenwanigen Zeitalters erwartet haben mogen. So tref-
lich auch manche Bemerckungen sind, die Hr M. auch in diesem Ab·
tiber bie \!lrtinDe Der menfdjlidjen Q;rfenntni~ unD Der natiididjen ~eligion. \Son
i)o~. \?lfb . .(Jinr. ~eimaru6, Der \1fr;ene9gele~rt~ett :Ooctor. 12 ~ogen in 8.
schnitt, oft nur im Vorbeygehen macht; so glauben wir doch, dai! gerade
die wesentlichsten Punkte, von deren Entscheidung nicht bios der Werth
oder Unwerth der Kantischen Philosophie, sondern iiberhaupt die ganze
Theorie von Wahrheit und Schein abhangt, etwas zu kurz abgefertigt wor-
D er Mathematiker betrachtet in der reinen Mathematik bloll eine von
allen andern Eigenschaften abgesonderte Grolle, entweder bloll als
eine Menge von Theilen, oder auch in Riicksicht auf die Verbindung und
den sind. So wird z. B. in dem II. Kap. von der Wr.hrhafiigkeit des inneren Ordnung dieser Theile. Es kiimmert ihn nicht, ob solche Groi!en, oder ob
Sinnes gar keine Riicksicht auf die Kantische Theorie von den Erscheinun- sie in dieser oder jener Gestalt in wirklichen Dingen da sind, oder nicht.
gen des inneren Sinns genommen, die doch sicherlich, nach allen ihren Allein es fallt ihm auch nicht ein, aus seinen abgesonderten Griillenbegrif-
Folgen betrachtet, von grollerer Bedeutung ist, als die Berkeleyische von fen, Griinde fiir oder wider das Daseyn gewisser Dinge herzunehmen, wei-
den Empfindungen der aulleren Sinnen. Eben so wenig wird vielleicht chen diese oder jene Grolle eigen oder nicht eigen sey. Seine den Verstand
das, was im IV. Kap. von der Wahrheit allgemeiner Saze gesagt wird, fiir so vortreflich iibende Wissenschaft halt sich in ihren einmal ihr gesetzten
den, der mit der Kantischen Kritik bekannt ist, oder der irgend eine Anla- Schranken, und findet Stoff genug, sich innerhalb derselben zu bereichern;
ge zum Zweiflen hat, vollkommen befriedigend seyn. Der Hr Verf. nimmt indem sie die Kraft des menschlichen Geistes zu Betrachtungen und Ver-
auller den Grundsazen der reinen Mathematik keine andere allgemeingiil- gleichungen denkbarer Grollen iibt. Aber nimmer wird und darf sie sich
tige Saze, als Erfahrungs·Saze, an. (S. 180. 177.) Aber worauf beruht denn, erkiihnen zu behaupten, dai! keine Grolle wirklich da sey, welche sie nicht
wird der Kantianer fragen, die Allgemeingiiitigkeit der Erfahrungssiize? auf erweisen kOnne.
Induction und Analogie? Aber mit welchem Recht kan man denn diese So mogte denn auch eine Wissenschaft der reinen Vemunfi alles Ge-
auf transcendentaie Objecte ausdehnen? Und denn - sezen nicht die mei- denkbare, bloll in sofern es gedenkbar ist, betrachten und [196] den Geist
sten unserer Erfahrungsurtheile das Principium der Caussalitat oder des zur Absonderung des Begriffs des bloll Gedenkbaren, vom Begriffe des
Grundes [375] voraus? Aber wie lai!t sich wohl die Giiltigkeit dieses Prin- wirklichen Daseyns iiben. Sie mogte versuchen, wie weit sie in dieser
cipiums erweisen, wenn es in einem solchen Sinn genommen wird, daB es Obung fortgehen, wie vie! der Mensch sich vorstellen konne; wenn er es
auch auf Transcendentai-Objekte anwendbar ist? Unmittelbar aus der Er- bloll als gedenkbar sich vorstellt, und nicht darauf sieht, ob es irgend wirk-
fahrung? Aber Ursachen im transcendenten Sinn sind doch wohl keine lich sey. Aber wenn die reine Vemunfi, {die nicht von dem ausgeht, was
Gegenstande moglicher Erfahrung - Oder nur mittelbar aus der Erfah- ist; sondern vom Miiglichkeitsbegriffe;) wenn diese nun entscheiden woll-
rung durch die Mendelssohnische Schlullart? Aber durch diese wird man te, dai! nichts erweislich wirkiich sey, dessen Wirklichkeit sie nicht zu er-
wenigstens nicht berechtigt, jenem Grundsaz objektive Giiltigkeit auller weisen vermiigte: so miigte sie die Schranken vergessen, worin sie sich
614 .ltieiiflj)e ®efe~tte 3eitungen- 20. Juni 1787 3! ei mat uo tibet bie ®tfinbe bet men[lj)[llj)en \ft!enntnip 615
selber eingeschlossen hat. Sie kann nur zeigen, was ohne das wirkliche ihrer Augen gelangten, angestellt hat, zeigten, daB die Erkenntnifl von Ge-
Daseyn irgend eines Dinges vorauszusetzen erweislich, oder nicht erweis- genstanden nicht unmittelbar entspringe. (Der Herr Verfasser erwahnt S.
lich ist. 11. der Nachricht, von dem von Cheselden geheilten Blindgebohrnen, in
Indessen sind die neuern scharfsinnigen Beytriige zur Wissenschaft der Philosoph. Transact. Vol. 35. p. 447. u. f. als der einzigen, welche niitzliche
reinen Vernunft, zum Theil wohl wider Willen und Absicht ihrer Urhe- Bemerkungen darbiethe. Sollte ihm die im Taller, No. 55. befindliche
ber, so misgedeutet worden; als wenn die Vernunft diese oder jene Wahr- Nachricht, von dem, am 29sten Junius, 1709, vom beriihmten Operateur,
heit liberal! nicht genugthuend oder zuHinglich beweisen kiinne; wei! die Gran4 im zwanzigsten Jahre seines Alters gliicklich operirten Blindge-
reine Vernunft zu diesem Beweise nicht vermiigend sey. Man hat Wahrhei- bohrnen, bekannt gewesen seyn? Sie enthalt den angefiihrten vollig ahn-
ten, von welchen der Mensch iiberzeugt seyn mull, wenn seine Seelenru- liche und zur Bestatigung dienende Bemerkungen.) So erlangen auch
he, Zufriedenheit, Tugend und Gliickseligkeit auf dauerhaften GrUnden Kinder nach und nach, durch Unterscheidung und Vergleichung, zuerst
beruhen sollen, fiir so wenig iiberzeugend erweislich ausgegeben, daB man Kenntnisse von einzelnen Vorstellungen und denn von allgemeinen Be-
entweder ein volliger Zweifler an denselben werden; oder sie bey der griffon; z. B. von Raum und Zeit. Uberall ist U rtheil, welches nach den
Uberzeugung von ihrer Unerweislichkeit dennoch glauben miisse, wei! Vernunftregeln, der Ubereinstimmung und des Widerspruchs, gepriifet
man sie nicht entbehren kiinne. Solch ein blinder Glaube ohne Grund zur werden mull. Innere Quelle der Evidenz, ausser der Vernunft, oder ein
Uberzeugung war sonst jedem Verniinftigen schimpflich geachtet worden, eigner Sinn fiir das Unsichtbare, ist uns nicht verliehen. Die Einbildung
und man hatte dafiir gehalten, daB er sich nur mit unverschuldeter Unwis- einer Offenbahrung, mittelst innern Lichtes oder Gefiihls kann sehr irre
senheit entschuldigen lasse. Nun sollte hingegen solch ein Glaube der ein- fiihren; auch der menschlichen Gesellschaft Ieicht gefahrlich werden. Ge-
zige Grund aller Religion auch bey dem Verniinftigsten werden! Arme schichtserzahlung, Uberlieferung oder Tradition, mull nach den Vernunft-
Menschheit, wohin wiird' es mit dir kommen, wenn die Fiirsehung des gesetzen gepriifet werden. Diese sind unser einziger Probierstein der Wahr-
Un.endlichen nicht deine Verirrungen selbst zu deiner Belehrung, Zurecht- heit. Auch das Daseyn Gottes, und was der Gottheit zugeschrieben wird,
weisung und Befestigung in der wieder erkannten, eine Zeitlang verdun- mull durch dieselbe erkannt werden. Der gesunde Menschenverstand ist
kelten Wahrheit gedeyhen IieBe! auch nur Vernunftgebrauch; bald dienet er uns zu orientiren; bald mull er
Der vortrefliche Verfasser der angezeigten Schrift, den das Publicum durch genauere Untersuchung berichtigt werden. Aufler unserm eignen
schon als einen der scharfsinnigsten Wahrheitsforscher kennt, gesellt sich Bewustseyn beruhet alles Wissen nur auf der Voraussetzung von Grund
hier mit zu denen, welche die Rechte der gesunden Vernunft gegen neuere oder Ursache. Die Voraussetzung von Gegenslitzen giebt sichre Folge-
Anmaflungen und Eingriffe in Schutz nehmen. Wenn Deutlichkeit, rungen an die Hand und fiihret auf weitre Fortschritte. So verfahrt auch
Griindlichkeit und Wiirde des Vortrags, aus welchem iiberall vollstandige der Mathematiker. Aus gegebenen [198) Dingen und deren Beziehung &·o·.. -··'"· ·... '.
und tiefeindringende Einsicht, sanfte Ruhe des Geistes, gewirkt durch den schliessen wir auf weitere. Es ist keine leere Vorstellung, wenn man das
siiflesten Genufl des Anschauens der Wahrheit, und innige Ehrfurcht und Ubersinnliche als wirkend betrachtet. Der Grundsatz von U rsachen und
Liebe zu den Wahrheiten, die der Grund aller Religion und aller edleren Wirkungen lasst sich nicht ausliischen. Die Zweifelsatze dagegen sind dar-
[197] Gliickseligkeit sind, hervorleuchten; wenn diese Eigenschaften einem gestellt. Wir haben eine Uberzeugung von unserm eigenen Daseyn; nam-
Buche den Beyfall und einem Verfasser den Dank seiner Leser sichern lich aus den unmittelbaren Eigenschaften unsers wirklichen Wesens und
konnen: so verdient diefl Buch und dieser Verfasser beydes gewifl. diese aus seinen Wirkungen. Das Wahrnehmen auflerer Dinge kann nicht
Er beweiset, daB die menschliche Erkenntnifl auf keiner unmittelbaren aus unsern Gedanken selbst entstehen; denn deren innere Folge verhlilt
Gewillheit, aufler dem Vernunftgebrauche gegriindet sey. Die anschauende sich anders, als daB sie die Quelle dieses Wahrnehmens seyn kiinnten. Das
Erkenntnifl, oder Empfindung, gewlihret die Gewiflheit nicht; die Sinne Beharrliche, und das Verhliltnifl von Ursachen und Wirkungen liegt nicht
liefern nur den Stoff zum Urtheile und die Organisation enthalt die Werk- in einer Regel der Vorstellungen an sich selbst; sondern im wirklichen
zeuge, nicht die Kraft. Was wir empfinden und wahrnehmen, ist eigentlich Verhliltnisse wirklicher Dinge. Wir kiinnen also des Uberganges aus der
nur die Veriinderung in unserm denkenden Wesen. Die Beobachtungen, Sinnenwelt in die Verstandeswelt nicht entbehren. Wir erkennen aber nur
welche man bey Blindgebohrnen, wenn sie in der Folge zum Gebrauch die Beziehungen andrer Wesen auf uns. Auch in einem kiinftigen Zustande
616 .ltiefi[<!Je \!le[epete ,3eitungen - 20. ]uni 1787 .f;laiTI[d)t 91eue l!ldepete ,3eitungen - 25. Juni 1787 617
werden wir nur mehr solcher Beziehungen in neuen Verhiiltnissen erken- sichten Gottes. Gebeth, Danksagung, Verehrung entstehen natiirlich aus
nen. Indessen ist die Wahrheit an sich selbst, das Seyn oder Nichtseyn, der Einsicht unsrer Verhii!tnisse zu Gott.
objective in sich gegriindet und nicht unsrer Vorstellungsart unterworfen. Spinoza's Lehrgebiiude hat sich dem Abergliiubigen und dem Schwiir-
Unsre Vernunftgesetze sind zu der Einstimmung damit eingerichtet, und mer Ieicht empfehlen kiinnen. Seine Vorstellung des Alleinwesens, einer
1 nach denselben kann sich unsre Erkenntnill auch immer mehr und mehr Substanz, ist nur Abstraction, nach welcher alles besondre Denken im
' erweitern; selbst tiber die Griinzen der Erfahrung hinaus. So kommen wir unendlichen absoluten Denken enthalten seyn soli. Aber Vielheit und
denn zur Erkenntnill der Gottheit, wie zu jeder andern Erkenntnill, niim- Veriinderung in untheilbarer unwandelbarer Einheit sind leere Ausdriicke.
•J lich indem wir nach Grund und Ursache von Wirkungen forschen. In je- Allgemeines Wesen, unbestimmte Kraft, ist kein Wesen, keine Kraft. -
dem einzelnen Wesen an und fur sich selbst kann nicht der letzte Grund Uber das hochste Wesen nachzudenken ist unserm Naturtriebe gemiill;
von Allen liegen. Was in der Mathematik Nothwendigkeit heillt, ist nur und hilft uns unwiirdige Vorstellungen absondern. Durch Vernunftge-
Entwickelung vorausgesetzter Bedingungen, und schafft keine Wirklich- brauch gereinigte Religion hat den Menschen veredelt und seine Plagen
keit. Auch in der Einrichtung jedes Kunstwerkes ist das Nothwendige nur vermindert. Die Uberzeugung von einem wirklichen lebendigen Gott und
bedingt. So zeiget auch die Einrichtung der Welt nur bedingte Nothwen- iiberhaupt von den Grunden unsrer Erkenntnill, kann nicht ohne Nach-
digkeit. Das blolle Gegeneinanderwirken der verschiedenen Theile kann theil unsrer Ruhe und Tugend wankend gemacht werden. Freye Untersu-
die vortrefliche Anstalt zur Fortdauer nicht hervorbringen, welche wir im chung wird nur die Wahrheit mehr aufkliiren. Verniinftige Gottesvereh-
Ganzen sowohl, als im Einzelnen finden. Die Triebe der Thiere konnen rung mull mehr und mehr wohlthiitig werden. Alles zweckt in der Natur
diell erliiutern. Also der Beweis, dall ein Gott, als Urquelle von AHem, sey, zum Wohl der Lebenden; also auch zu meinem hochstmoglichen Wohl.
liegt in dem Zusammenhange, worin aile Wahrheiten mit diesem Satze ste- Uberall ist Zusammenhang zwischen Kraft und Wirkung. So steht auch
hen, und in dem Widerspruche bey Voraussetzung des Gegentheils. Je meiner Dcnkkraft eine Zeit bevor, da sie freyer wirken und sich zu den
mehr man den Satz aus verschiedenen Gesichtspuncten betrachtet, und die hohern Stufen und weitern Aussichten erheben wird, wornach sich meine
gegenseitigen Voraussetzungen dagegen halt, desto vollkommner leuchtet Seele sehnt! Stille Beruhigung! Kriiftige Aufmunterung dem mir vor-
die Folgerung als wahr und zuverliissig ein. Zum Beweise des Daseyns der gestekten Ziele nachzustreben!
Gottheit hat also der Vernunftgebrauch die Menschen gefiihrt. Deutliche-
re Folgerungen halfen erst bey den Griechen diese Lehre entwickeln und
befestigen. Die innre Beschaffenheit der Urkraft [199] und die Art und Na-
tur ihrer Wirkung ist uns unerforschlich; aber wir brauchen doch nicht eitdem die Kantische Kritik der reinen Vernunft so viele neue Aus-
bey dem blollen Begriffe des Daseyns derselben stehen zu bleiben. Wir
konnen untersuchen, was aus dem Begriffe folge, damit iibereinstimme
S sichten in die Philosophie eriifnet hatte, und man nach und nach theils
durch Herrn Kants eigne, theils durch Anderer Umkleidung derselben, sie
oder nicht. So erkennen wir Gott fur ein nothwendiges Wesen, in wel- mehr hatte verstehen Iemen: konnte man zum voraus erwarten, dall ihre
chem keine Veriinderung, fur welches keine Zeit, kein Raum, oder Ort Grundsiitze zur Aufkliirung einzler Theile der Philosophie angewendet,
seyn kiinne; erkennen die Welt fur unbegriinzt in Zeit, Raum, Menge, Stu- dall insbesondere dadurch vieles in der Uberzeugungsart und Methode
fen, wei! sie ein dem vollkommensten Wirken angemessener Gegenstand wiirde geiindert werden, dall sich selbst diese Veriinderung auf die Vorstel-
seyn mull; schreiben Gott die urspriingliche vollkommenste Kraft zu und lungen von der Religion erstrecken wiirde. Mendelssohns Morgenstunden
entwickeln uns diesen Begriff. Gott, als Urquell von AHem, denkt die erschienen bald hernach. Sie sollten die Uberzeugung von dem Daseyn
Dinge ehe sie sind. Sein Wille, der nicht vom Wissen und Wirken unter- Gottes durch speculative Philosophie befestigen und Irrthiimer zerstiiren,
schieden ist, ist nur aus innerer Vollkommenheit bestimmt. Diese Noth- die man dieser Uberzeugung eben aus der speculativen Philosophie entge-
wendigkeit ist die hochste Freyheit in Gott. Sein Wirken urn auller sich gengesetzt hatte. Ein Streit tiber den Werth dieser Philosophie und tiber
Vollkommenheit auszubreiten, mull auf das Wohlseyn empfindender We- ihre Brauchbarkeit zu diesem Zweck, hatte die Be{366]kanntmachung
sen gerichtet seyn. Die Untersuchung der Mittel, deren sich Gott bedient, jener Morgenstunden veranlallt, und ihre Erscheinung veranlallte hinwie-
gewinnt an Reiz und Vollkommenheit durch die Untersuchung der Ab- derum Herrn Jacobi und den Verfasser der Resulrate der Jacobischen und
618 .f;JaUi[d)e ry"teue IBele~rte ,3ettungen - 25. Juni 1787
iiber das gar nicht Neue und iiber die Unfruchtbarkeit der Kantischen Jakobische Streitigkeit mit Mendelssohn jeden lehren kan, des MiBverstan-
Untersuchungen, durch seine Vorrede iiberhaupt gehoben zu haben. Diese des so vie!, die Lehre von Zulanglichkeit des verniinftigen Glaubens so
Darstellung war bier fiir die, welche die M. Morgenstunden nicht selbst weitreichend und ausserst wichtig ist, und nichts so sehr manche gut-
nach Kantischen Principien prlifen kiinnen, schlechthin nothwendig. Sie denkende Leser schiichtern, und wegen der Folgen der Kantischen Grund-
macht den Inhale der ersten sieben Vorlesungen, oder, wenn man will, Ge- satze besorgt macht*), als die Einbildung, wie sehr die GewiBheit der
spriiche aus, und bedarf in einer Recension so wenig eines Auszugs, als sie menschlichen ErkenntniB, und besonders der Religion, darunter leiden
ihn leidet. Wir bemerken also our, dail - ausser dem daB wir bekennen miichte. - Man sieht schon aus unsrer bisherigen Anzeige, wenn man sie
miissen, noch nie diese Kantischen Grundsatze, so weit sie nehmlich zur mit dem Inhale der Mendelssohnschen Morgenstunden vergleicht, daB der
Beurtheilung der Beweise a priori fur das Daseyn Gottes gehiiren, so Herr Professor keinesweges den ganzen Inhale derselben babe prlifen, son-
deutlich und popular vorgelegt gelesen zu haben - Herr J. iifters diese dern sich our auf Mendelssohns spekulative Beweise fur Gottes Daseyn
erklarten Grundsiitze anwende, die Mangel der bisherigen speculativen einschriinken, und keine eigentliche Streitschrift schreiben wollen; so wie
Philosophie und die Ursachen bemerklich zu machen, die so manche man ihn schwerlich wird beschuldigen kiinnen, dail er nicht den verewig-
grosse Manner, namentlich den unsterblichen Leibnitz, [368] gemillleitet ten Mendelssohn bey den Untersuchungen selbst aile Gerechtigkeit habe
haben. Die andern sieben Vorlesungen gehen den Inhalt der M. Morgen- wiederfahren lassen. Dies hindert uns nicht, bey einigen wenigen Stellen,
stunden naher an. Herr Prof. J. mustert die Mendelssohnschen Axiome welche nicht die Untersuchung selbst angehn, zu glauben, dail manche
(in der letztern Halfte seiner Morgenstunden), urn zu zeigen, daB keines .ii.usserungen Mendelssohns, und iiberhaupt der sogenannten alten Schule,
derselben in dem Umfange, den ihnen M. gegeben hat, kiinne angenom- ein milderes U rtheil verdienen. So wiirden wir z. B. Mendelssohns (in der
men werden. Da er also die von M. unternommene Widerlegung des Idea- Vorrede S. 18. erwehnte) Klage iiber die jetzige schniide Verachtung der
lismus, Skepticismus, Epikureismus und Spinozismus nicht genehmigen spekulativen Philosophie, selbst von den besten Kopfen Deutschlandes,
konnte, so zeigt er nur iiberhaupt, dail gleichwohl aile diese Behauptungen nicht aus seiner bypochondrischen Laune herleiten; sie ist mehr als zu wahr,
gegen den, der sich in den Schranken der Kantischen Grundsatze halt, und wir sind versichert, dail die Weltleute (S. 13.) die Kantischen Grund-
nichts auszurichten vermiigen. Hiernachst prlift Herr J. die Beweise satze [370] eben sowohl als ein Gewebe von unnlitzen Grillen betrachten
(eigent!ich nur den Beweis) fur das Daseyn Gottes aus der Zufiilligkeit der werden, als die bisherige Metaphysik. - In einem Anhang hat Herr Prof. J.
Welt oder unsrer selbst, urn zu zeigen, dail man auf diese Art keinen hin- noch zu zeigen gesucht, daB Leibnitzens und Kants Begriffe vom Raum
langlich spekulativen Beweis fuhren kiinne, (so wenig als gegen Gottes Da- keinesweges iibereinkommen, und seinem Buch einige Bemerkungen von
seyn); und da M. diesem Beweis eine andre Wendung gegeben, und einen Herro Kant selbst vorgesetzt, worin er einige Maximen in den M. Mor-
neuen Beweis auf die Nothwendigkeit gegrlindet hatte, dail alles Wirkliche genstunden rliget, wodurch M. entweder Streitigkeiten fur blosse l.ogoma-
von irgend einem denkenden Wesen gedacht werden miisse: so geht er chien erklaren, oder alles weitre Fragen iiber die Beschaffenheit der Dinge
auch aile Glieder dieser SchluBkette durch, urn zu zeigen, worin das mehr [hat] abschneiden wollen.
Scheinbare als Wahre dieses Beweises liege. Eben dieses geschieht mit dem Wir kommen auf die andre Schrift des Herro C. S. Rehberg. - Man hat
Beweis a priori aus dem Begriff des vollkommensten Wesens, urn klar zu die allgemein anerkannten Wahrheiten der natiirlichen Religion durch
machen, worin bier die lllusion liege. Die Absicht bey allen diesen Unter- metaphysische Speculationen zu erweisen gesucht, und dadurch fur die,
suchungen ist keineswegs die GewiBheit des Daseyns Gottes wankend zu welche diese ungegrlindet finden, die Uberzeugung von jenen sehr zweifel-
machen, sondern our darzuthun, dail die spekulative Vernunft bier keine haft gemacht. Diese Gefahr, welche der Religion und der Sittlichkeit
ZuverlaBigkeit gewiihre; daher noch in dem letzten Abschnitt gezeigt droht, liesse sich nur durch zwey Mittel abwenden; entweder; wenn man
wird, wie wichtig die Uberzeugung von Gottes Daseyn sey; dail aber nur die Griinde des sittlichen Wohlverhaltens ganz unabhiingig von Religion
eine moralische Uberzeugung davon oder ein vernlinftiger Glaube daran *)Was wir hier vermissen, findet man in den vortreflichen Briefen eines Ungenannten tiber
statt finde, der fur jeden zureichend sey. Was der Verfasser dariiber sagt, ist die Kantische Philosophic ersetzt, deren Fortsetzung uns so eben erst in die Hande
sehr wahr, ob wir gleich gewiinscht batten, dail dieses noch etwas lichtvol- kommt, und welche in dem deutschen Merkur in dem Januar und Februar des jetzigen
ler ware dargestellt [369] worden, zumal da bey dieser Sache, wie schon die Jahres eingeriickt sind.
622 .f;laiTij<\)e ~eue \Befebrte 3eltungen - 25. Juni 1787 3enaij<\)e gefe~rte 21n!eigen- 25. Juni 1787 623
machte, oder wenn man bewiese, da£ die wichtigsten Lehren der Religion kommensten unter mehrern gedenkbaren, welche Lehre er verwirft, wei!
sich erhalten liessen, die metaphysischen Speculationen dariiber miichten sie sich auf falsche Begriffe griinde, unter andern auf falsche Begriffe von
ausfallen wie sie wollten. Der erste Weg ist wenigstens flir die milllich, bey den moralischen Eigenschaften des hiichsten Wesens. Dieses leitet ihn S.
welchen ausgemachte Religionsbegriffe so sehr mit den sittlichen verbun- 120 f. auf die Untersuchung des Begrifs der moralischen Vollkommenheit
den sind, da£ die einen mit den andern stehen oder fallen mussen, (und iiberhaupt. Herrn R. Theorie davon ist so reichhaltig an wichtigen genau
iiberhaupt wiirden dabey die unleugbaren Vortheile verloren gehen, wel- mit einander verbundnen Bemerkungen, dall wir den Vorsatz aufgeben
che die Religion der Oberzeugung von den sittlichen Grundsatzen und mussen, sie hier in ihrem ganzen Umfang darzustellen. Wir mussen es also
der Willigkeit, diese zu befolgen, gewahrt). Herr R. wahlt daher den an- bey ihm selbst nachzulesen uberlassen, wie er erklare: was sittlich gut oder
dern Weg, und bemerkt, da£ theils aile Religion auf den Gedanken beruhe: bose sey, was zur Hervorbringung solcher Handlungen erfordert werde,
in den Veti:inderungen der Welt erscheine Beziehung auf einen hiichsten wie vollkomne Pflichten gegen Andre entstehen, warum diese urspriing-
Verstand, theils aile Sittlichkeit und prnktische Theologie auf dem in den lich nur negativ sind, wie das Maa£ des Vergnugens oder Schmerzens (das
Menschen liegenden Trieb nach Ordnung und Absicht zu wirken, der mit zur Gedenkbarkeit der mit einander verbundnen Begriffe und Begierden
jenem (371] grossen Plane von Ordnung im Universo, verwandt ist; wel- hinzukommen mull, urn moralische Handlungen hervorzubringen) nicht
ches alles aber nicht auf metaphysischen Begriffen beruhe, die nur Er- allein durch den Gegenstand der Erkenntnill, sondern auch durch subjek-
klarungen der Erscheinungen sind, wohin uns die Erfahrung leitet, aber tive Bedingungen unsrer Erkenntnill bestimmt werde, also nicht die Ge-
keinen Grund abgeben, die Erscheinungen selbst zu leugnen. Er sucht setzmailigkeit, sondern das mit Erkenntnill der Gesetzmailigkeit verbund-
hier:iuf zu zeigen, da£ selbst das bodenlose System des Spinosa zwar nicht ne Vergnugen, die Triebfeder menschlicher Handlungen ausmache, nebst
diese Grundbegriffe der Religion beweise, aber sich doch mit ihnen ver- den Folgen und beantworteten Zweifeln, die Herr R. aus dieser Theorie
einigen lasse, und dall jedes dogmatische System der Metaphysik, d. i. eine herleitet; endlich, wie er zeige, unter welchen Vornussetzungen Gott, das
jede.Theorie, die auf Beweise aus Begriffen gegriindet ist, selbst das Leib- Ideal der Moral, keinen unmornlischen Willen je haben kiinne, und wie
nitzische, auf das System des Spinosa flihre; wir kiinnen hier aber weder sich, nach seiner Meinung, der Streit der Sinnlichkeit und Vernunft bey
von dem, was er dariiber, noch was er zur Widerlegung der metaphysi- dem Menschen erklaren lasse. Zuletzt sucht Herr R. noch zu zeigen, da£
schen Grundbegriffe des Spinosa sagt, einen Auszug geben. Herr R. man mehr gewinne als verliere, wenn man die Lehre von der besten Welt
kommt nun S. 65. auf den Kantischen Grundsatz: da£ wir von dem Wirk- aufgebe, und beriihrt die wahre Erklarung und Verehrung Gottes, die von
lichen an und vor sich selbst gar nichts zu erkennen vermiigen, und dall der Erkenntniil der moralischen Gesetze in uns selbst (welche uns eben
die Begriffe, mit welchen sich die metaphysische Speculation beschaftigt, auf die Erklarung Gottes leiten) und von ihrer Verehrung oder Oberein-
nur Ideen sind, deren Objecte ganz ausser den Griinzen unsrer Erkenntnill stimmung mit Gott in moralischer Vollkommenheit ausgeht.
liegen: beweiset ihn; und untersucht sodann den Begrif der Substanz (auf
den uns das Daurende in den Erscheinungen leitet), der Ursach (auf wei-
chen Begrif uns der Wechsel der Erscheinungen fuhrt), und der Gemein·
schaft der neben- und nach einander bestehenden Erscheinungen; welche
jranffurt uno .(eip;ig.
drey Begriffe auf den Begrif von Gott flihren, dessen Daseyn nothwendig Versuch tiber die Natur der spekulativen Vernunft. Priifung des Kanti-
vornusgesetzt werden mull, urn diese Erscheinungen zu erklaren. Diese schen Systems. 1787 12 +Bogen. 8. Es sind hier in miiglichster Kurze die
Schliisse beweisen, da£ der Grund von dem Ganzen der Erscheinungen in Hauptpunkte der Kritik der reinen Vernunft nicht nur deutlich darge-
Etwas ausser ihm liegen miisse; aber zur Religion ist diese Idee einer aller- stellt, sondern auch mit nicht gemeinem Scharfsinn gepriift, das wankende
ersten Grundursache an sich noch nicht brnuchbar, es mull erst noch und unbewiesene, von welchem Kant doch immer ausgeht, und wornuf er
der Begriff des vollkommensten Verstandes und Willens hinzukommen. immer zuriicke kiimmt, auch das Inconsequente so mancher seiner Satze
Herr R. zeigt also, wornus? und wie daraus? dieser Begrif gefolgert werden in ein ziemlich helles Licht gesetzt. Noch in keiner einzigen Schrift hat
kiinne, ohne unerweisliche metaphysische Ideen einzumischen. Er kommt Recensent eine so grolle, doch nicht durchgangige, Obereinstimmung sei-
dabey auf Leib{372]nitzens Lehre von der wirklichen Welt, als der voll- ner Hauptzweifel und Waflen, womit er das auffallendste der Kantischen
624 ®ot~aifd)e ge!e~rte ,3eitungen - 27. und 30. Juni 1787 il a( 0oiti :Oaoib .(:JUine tiber ben (!l[auocn 625
Behauptungen zu bestreiten gedachte, gefunden, als bey diesem Verfasser. nen sollte. Das erste Gesprach, unter dem Titel: David Hume iiber den
Abgerechnet, was tiber den Ursprung der raumlichen Vorstellung, oder Glauben. Das zweyte unter dem Titel: Idealismus und Realism us. U nd das
das auser und neben einander gesagt wird, worinne R. noch immer Kan- dritte unter dem Titel: l.eibnitz, oder uber die Vernunft. Gewisse Ereignisse
tianer seyn zu mtissen glaubt, und dem Verf. nicht beypflichten kann, tritt storten diesen Entwurf, und die drey Gesprache zogen sich in eins zusam-
er demselben dagegen vollig bey, dal! die Zeit nicht eine bios subjektive men." Hr. Jac. geht von den Beschuldigungen aus, die man ihm wegen des
Form sey, oder, daB es eine objektive Folge geben mtisse, eine mutationem Gebrauchs der Worter Glaube und 0/Jenbarung gemacht hat, sucht diesen
ovnll<; ovuav, oder im transcendenten Sinn; und sobald dieses angenom- Gebrauch durch Vernunftgrtinde und Autoritaten, besonders eine Stelle
men wird, so fallt die Einschrankung des Gebrauchs der Kategorien, ins- aus Hume's Enquiry concerning human Understanding im dritten Bande sei-
besondere der Caussalitat, auf blol!e Erscheinungen, und die Ablaugnung ner Essays zu rechtfertigen, und geht dann ohngefehr S. 54. auf den Idealis-
ihres transcendenten [406] Gebrauchs von selbst weg. Gerade das, was der mus, und S. 145. auf den dritten Theil, l.eibnitz oder uber die Vernunft,
Verf. gegen die Kantische Deduction der Kategorien sagt, daB sie namlich iiber. Hr. Jac. stol!t, wie natiirlich war, auf seinem Gange auf Kantische
die Bedingungen der Moglichkeit der Erfahrung enthalten sollen, ist auch Grundsatze, iiber die er seine Meinung, welches wohl seine Hauptabsicht
der Haupteinwurf des R. gewesen, daB namlich 1) die Frage ist: ob Erfah- war, oft nicht ohne Ironie, sagt. Man kann nicht laugnen, Hr. J. hat in
rung in der unerhorten Bedeutung, in welcher es Kant nimmt, im Gegen- seinem Sty! und in der Methode seines Vortrags etwas Glanzendes, das
satz bloser Wahrnehmungsurtheile tiberhaupt fiir Menschen moglich sey, Aufmerksamkeit erregt, er tragt eine Art von Ton der grol!en Welt in die
und wie man die Realitat einer solchen Erfahrung beweisen soil? 2) wenn Philosophie, seine Wendungen sind fein, und seine Einkleidungen gefallig
ich auch diesen Begrif von Erfahrung einstweilen zugebe, weiter nichts als und ungemein; aber es scheinet auch auf der andern Seite, als ob er sich
ein auserst Jeerer und entischer Gedanke in der Deduktion der Kategorien nicht gern an eine systematische Ordnung bande, sondern mehr ein freyes
liegt. Z. E. wenn ich objektiv und allgemein giiltig soli sagen konnen: B Rasonnement liebte, und als ob es seinen Satzen und Deductionen tiber
folgt auf A, so mul! A den Grund einer Regel enthalten, nach welcher B speculative Gegenstande oft an genugsamer Bestimmtheit und Deutlich-
auf A allemal folgt, also Ursache seyn. Tonti poenitere non emo - wird keit mangelte. Wir wollen Einiges anfiihren. Die Griinde womit der Hr.
mancher Leser denken. Auch dasjenige, was der Verf. gegen den Kanti- Verf. den Gebrauch des Wortes Glaube rechtfertiget, sind folgende. Es gibt
schen Mittelweg in der Lehre von der Freyheit sagt, ist vollig treffend. Wir nur eine einfache Erkenntnifi des wiirklichen Daseyns, nemlich durch
brauchen einen solchen Mittelweg auch gar nicht, urn Religion und Sitt- Empfindung, und die Vernunft, fiir sich allein betrachtet, ist auf das blosse
lichkeit bey dem richtig verstandenen Determinismus zu sichern. Vermogen, Verhaltnisse deutlich wahrzunehmen, eingeschrankt. Die Er-
kenntnil! des wiirklichen Daseyns durch Empfindung gewahrt aber keine
unmittelbare Gewil!heit. Nun ist es zwar, fahrt der Verfasser fort, an sich
klar und es bedarf keines Beweises, daB uns die Dinge so, als ob sie ausser
TV7eimar. Hr. Reinhold, der sich seit einigen Jahren hier aufgehalten, uns waren, erscheinen; aber an sich klar ist es nicht, dal! die Dinge auch
W und verschiedene vortrefliche Aufsatze in den deutschen Mercur gelie- ihrem Wesen nach wiirklich ausser [427] uns vorhanden sind, dieses ist viel-
fert hat, gehet als Professor der Asthetik nach ]ena. mehr bezweifelt worden, und diese Zweifel konnen durch Vernunftgrtinde
im strengsten Verstande nicht gehoben werden. Das wiirkliche Daseyn der
Dinge ausser uns kann also, da es keines strengen Beweises fahig ist, nur
geglaubt werden. {Wir erinnern hier folgendes. Erstlich konnen wir nicht
~retSfau. begreifen, wie eine Erkenntnifi durch blosse Empfindung, ohne Beyhiilfe
David Hume uber den Glauben oder Idealismus und Realismus. Ein der Vernunft, nur moglich sey, und wie, unter diesen Umstanden, nur die
Gespriich von E H jacobi. Narp&, Kat Jl!JlVa<; ebnuT&!V. tip8pa mum Ta>V Frage davon seyn konne, ob die Erkenntnifl des wiirklichen Daseyns durch
rpp&va>v. Epicharm. Fragment. Troch. Bey Gottlieb Loewe. 1787. 136 Sei- blosse Empfindung eine unmittelbare Gewillheit gewahre, oder nicht.
ten 8. und VIII. Seiten Vorbericht .• Das folgende Gesprach, sagt der Hr. Zweytens wiil!ten wir nicht, warum wir an das wiirkliche Daseyn der
Verfasser, zerfallt in drey Theile, deren jeder Anfangs besonders erschei- Dinge, ihrem Wesen nach, glauben sollten, wenn die idealistischen Griinde
626 ®ot~aifdjc gc[e~rtc ,3eitungen - 30. Juni 1787 3aco&i6 :Oaoi~ .f;:lume U&er ~en ®fau&en 627
gegen dieses wiirkliche Daseyn so unwiderleglich wiiren, als der Verfasser des Begriffs von Ursach und Wiirkung lautet also: .Wo zwey erschaffene
behauptet, und wie er sonach den Idealismus, auf welchen er seine Recht- Wesen, die ausser einander sind, in einem solchen Verhaltnill gegen einan-
fertigung griindet, leer nennen kann, wie er S. 110. gethan hat. Wenn es der stehen, dall eins in das andere wiirkt, da ist ein ausgedehntes Wesen. Mit
auch, drittens, so unumstoBlich bezweifelt wiirde, daJl die Dinge ihrem dem Bewulltseyn des Menschen und einer jeden endlichen N atur, wird
Wesen nach wiirklich ausser uns vorhanden waren, so wiirde der Beweis also ein ausgedehntes Wesen gesetzt, und zwar nicht bios idealisch, sondern
des Hrn. geheimen Raths Jac. von der Allgemeinheit und Nothwendigkeit wurklich. Folglich mull auch iiberall, wo Dinge ausser einander sind, die
des Begriffs von Ursach und Wiirkung, S. 111. ff. nicht gelten konnen, in einander wiirken, ein ausgedehntes Wesen wiirklich vorhanden seyn;
wei! dabey ein wiirkliches Aussereinanderseyn der erschaffenen Wesen und die Vorstellung eines ausgedehnten Wesens auf diese Weise, mull allen
zum Grunde gelegt wird, von welchem Beweise wir bald reden wollen.) In
der angefiihrten Stelle des Hume werden die Erdichtungen der Einbil-
I endlichen empfindenden Naturen gemein seyn, und ist eine objectiv wah-
re Vorstellung. Wir fiihlen das Mannichfaltige unsers Wesens in einer rei-
dungskraft den Geschichtswahrheiten, die wir mit der griJftten Gewiftheit nen Einheit verkniipft, die wir unser Ich nennen. Das Unzertrennliche in
glauben, entgegen, und der Unterschied jenes Einbildens und dieses Glau- I einem Wesen bestimmt seine Individualit3.t, oder macht es zu einem wiirk-
bens in eine gewisse Empfindung oder ein gewisses Gefiihl gesetzt, welches
mit letzterm verkniipft ist, bey ersterm aber mangelt. Glaube, sagt Hume,
ist etwas von der Seele Gefuhltes, welches die Bejahung des Wiirklichen
I lichen Ganzen. Etwas der Individualitat einigermaaJlen Analoges nehmen
wir in der korperlichen Ausdehnung iiberhaupt wahr, indem das ausge-
dehnte Wesen, als solches, nie getheilt werden kann. Wenn die Individua,
und seine Vorstellung von den Erdichtungen der Einbildungskraft unter-
scheidet. Dadurch erhalten jene Vorstellungen mehr Gewicht und Einflull,
I
I
ausser der immanenten Handlung, wodurch ein jedes sich in seinem We-
sen erhalt, auch das Vermogen haben, ausser sich zu wiirken, so miissen
setzen sich in griilleres Ansehn, durchdringen die Seele, und werden zum sie, wenn die Wiirkung erfolgen sol!, andere Wesen mittelbar oder unrnit-
herrschenden Principia unserer Handlungen. (Das von der Seele Gefiihlte ist telbar beriihren. Ein absolut durchdringliches Wesen ist ein Unding. Ein
hier offenbar das Resultat der Griinde, die unmittelbar in und mit der I relativ durchdringliches Wesen kann, in so fern es einem andern Wesen
Wahrneh:mung des Wiirklichen, und mit dem Erkennen der Wahrheiten durchdringlich ist, dasselbe weder beriihren, noch von ihm beriihrt wer-
vorhanden, und dem Verstande in allgemeiner Ubersicht gegenwartig sind; den. Die unmittelbare Folge der Undurchdringlichkeit bey der Beriihrung
es ist die Uberzeugung selbst. Wie wir nun nicht nach den Erdichtungen nennen wir Widerstand. Wo also Beriihrung ist, da ist U ndurchdringlich-
der Einbildungskraft, sondern nach den Vorstellungen dessen, was wiirk- keit von beyden Seiten; folglich auch Widerstand, Wiirkung und Gegen-
lich und wahr ist, zu handeln gewohnt sind, so kann man sagen, daJl jene wiirkung. Der Widerstand im Raume, Wiirkung und Gegenwiirkung,
Vorstellungen zum herrschenden Principia unserer Handlungen werden. Dall ist die Quelle des Succelliven; und der Zeit, welche die Vorstellung des
aber der Satz des Hrn. Jac. daJl Glaube das Element alter Erkenntnill und Succelliven ist. Wo also einzelne sich selbst ojfenbare Wesen, die in Gemein-
Wiirksamkeit sey, hieraus klar zu Tage liege, wie er S. 49 sagt, darin kann schaft mit einander stehen, vorhan{429]den sind, da miissen auch die Be-
ihm [428] Rec. nicht beystimmen. Denn wir handeln nicht blos nach Vor- griffe von Ausdehnung, von U rsache und Wiirkung, und von Succellion
stellungen, deren Gegenstand wir blos fur wurklich und wahr halten, son- schlechterdings vorhanden seyn. Ihre Begriffe sind also in allen endlichen
dern auch nach solchen, wo der Gegenstand wiirklich und wahr is4 wir denkenden Wesen nothwendige Begrilfe." (Rec. mull gestehen, daJl ihm der
handeln auch nach Grundsatzen und Maximen, die eine innere Wahrheit Zusammenhang der Satze dieses Beweises dunkel geblieben ist. Er versteht
mit sich fiihren. Durch den Glauben wissen und erkennen wir auch ei- auch den Satz nicht, "wo zwey erschaffene Wesen, die ausser einander sind,
gentlich gar nichts. Er besteht nur in einem Dafiirhalten ohne hinreichen- in einem solchen Verhaltnill mit einander stehen, daJl eins in das andere
de Griinde; da man aber, wenn man den Skepticismus nicht aufs ausserste wiirkt, da ist ein ausgedehntes Wesen." Warum gerade nur ein ausgedehntes
und his zu Absurditaten treiben will, auch eine Erkenntnill, von deren In- Wesen? konnen nicht auch zwey und mehrere ausgedehnte Wesen in dem
halt wir aus richtigen Griinden iiberzeugt sind, zugeben mull, so kann Verhaltnill von Ursach und Wiirkung stehen? und warum sollen eben
nicht gesagt werden, daJl der Glaube das Element der Erkenntnill und zwey erschaffene Wesen, die ausser einander sind, in einander wiirken? Las-
Wiirksamkeit, und noch vielweniger daJl er das El. aller E. und W. sey.) sen sich Ursach und Wiirkung nicht auch in einem Individuo zusammen
Der oben angefiihrte Beweis von der Allgemeinheit und Nothwendigkeit vereiniget denken? Ein Theil der Dunkelheit scheint auch von dem Worte
628 l!lot9ai[d)C gc!cQrtc ,3citungcn - 30. Juni 1787 3acob i o itlaoiD .f;lurne iibcr Den \!l[aubcn 629
Wesen herzuriihren, das in verschiedenem Sinne gebraucht zu seyn zung muflte uns folgendes Urtheil tiber die Kantische Kritik, die der Verf.
scheint, einmal als Kiirper, als Wandelbares da, wo von Ausdehnung ge- seinem Freunde in den Mund legt, sehr auffallen: .Und ein solches System
redet, und wieder als Beharrliches, als Substanz da, wo dem Wesen Un- darf mit Iauter Stimme und in vollen Chiiren angepriesen werden, als
durchdringlichkeit zugeschrieben wird. Der Beweis des Verf. scheint uns wenn es das !angst erwartete Heil ware, das in die Welt hat kommen sol-
auch das nicht zu beweisen, was er beweisen sollte. Denn es ist zwar wahr, len. Ein System, welches aile Anspriiche an Erkenntnill der Wahrheit bis
dafl, wo Beriihrung und Widerstand ist, Wiirkung und Gegenwiirkung auf den Grund ausrottet, und fiir die wichtigsten Gegenstande nur einen
vorhanden S<')l aber es folgt daraus nicht, dafl deswegen auch die Begriffe solchen blinden, ganz und gar Erkenntnillleeren Glauben iibrig lallt, wie
von Ursache und Wurkung schlechterdings vorhanden seyn miissen. Viel- man den Menschen bisher noch keinen zugemuthet hat etc." Seinem
mehr glauben wir, daB die Nothwendigkeit eines Begriffs in unserer Freunde, der die reine Vernunft gern einmal recht vor sich zu haben
Denkkraft selbst ihren Grund habe. Hr. J. scheint auch beyde, die subjecti- wiinscht, stellt er diese so vor: Leeren Sie nur Ihr Bewufltseyn von aller
ve und objective Nothwendigkeit des Begriffs von Ursach und Wiirkung Thatsache, von allem wiirklich Objectiven rein aus, so werden Sie Ihre rei-
vermischt zu haben, wie wir solches aus einer Stelle S. 110. wahrgenom- ne Vernunft allein iibrig behalten, und ohne Zeugen urn aile ihre Geheim-
men zu haben glauben. Es heillt daselbst: .Ist es Ihnen genug, urn einen nisse sie befragen kiinnen." In der Folge wird gezeigt, .daB in der blossen
Begri.IJ nothwendig zu nennen, wenn sein Object als ein schlechterdings Vorstellung das Wurkliche selbs~ als solches nie dargestellt werden kiinne,"
allgemeines Priidicat in allen einzelnen Dingen so gegeben ist, daB die Vor- und dabey vor der philosophischen Desorganisation gewarnt, bey welcher
stellung dieses Priidicats allen endlichen mit Vernunft begabten Wesen ge- Gelegenheit der Verfasser auch seine Meinung tiber den medicinischen
mein seyn, und jeder ihrer Erfahrungen zum Grunde liegen muft; so glaube Magnetismus in einer Note dahin aussert, .daB er ihn an seinen Ort ge-
ich Ihnen den Begriff von Ursach und Wiirkung als nothwendig darthun stellt seyn lasse, ohne dafiir noch dawider eine entschiedene Meinung zu
zu kiinnen." Dieser Begriff soli also nicht allein in allen einzelnen Dingen, haben, wei! verstandige, gelehrte und ehrwiirdige Manner versichern gese-
d. i. aus Erfahrung gegeben seyn, sondern soli auch allen Erfahrungen hen zu haben, und er nicht gesehen habe. S. 145. erklart sich der Hr. Verf.
zum Grunde liegen, also vor aller Erfahrung da seyn?) - Wir fiihren nur fiir die priistabilirte Harmonie. .Sie ruht, driickt er sich aus, auf einem
noch einige Stellen an, urn nicht allzu weitlauftig zu werden. Nach S. 121. Grunde, der mir sehr fest zu seyn diinkt, und auf den ich mit Leibnitz
scheint es, als ob der Hr. Verfasser meyne, dafl Kant aile sinnliche Er- baue. Auch stehen die Monaden, oder die substanziellen Formen, nebst
kenntnifl verwerfe, die Verrichtungen des Verstandes nur auf reine Begriffe den angebohrnen Ideen, bey mir in nicht geringem Ansehn." Wir schriin-
einschriinke, und den skeptischen Idealism lehre. .Wenn unsere Sinne, ken uns bier nur auf das ein, was der Hr. Verf. von der vorher bestimmten
heiflt es, uns gar nichts von den Beschaffenheiten der Dinge lehren; nichts Harmonie sagt. Wie sehr ein Individuum (heiflt es) auch von aussen her
von ihren gegenseitigen Verhaltnissen [430] und Beziehungen, ja nicht ein- bestimmt werden mag, (431] so kann es doch allein nach den Gesetzen sei-
mal, daB sie ausser uns (im transscendentalen Verstande) wiirklich vorhan- ner Natur bestimmt werden, folglich mufl es in so fern sich selbst bestim·
den sind: und wenn unser Verstand sich bios auf eine solche gar nichts von men. Ein solches Individuum mufl etwas an und fiir sich selbst seyn, und
den Dingen selbst darstellende, objectiv platterdings leere Sinnlichkeit be- an und fiir sich selbst wiirken kiinnen, wei! es sonst nie etwas fiir ein an-
zieht, urn durchaus subjectiven Anschauungen, nach durchaus subjectiven deres seyn, und diese oder jene zufallige Beschaffenheit annehmen konnte.
Regeln, durchaus subjective Formen zu verschaffen: so weifl ich nicht, was Hieraus folgt, dafl die Gegenstande, die wir ausser uns wahrnehmen, unser
ich an einer solchen Sinnlichkeit und einem solchen Verstande habe, als Wahrnehmen selbs~ die innere Handlung des Empfindens, Vorstellens und
daB ich damit lebe; aber im Grunde nicht anders wie eine Auster damit Denkens, nicht hervorbringen konnen, sondern daB die denkende Kraft in
lebe etc." Wir haben immer geglaubt, die Bemiihungen des Hrn. Kant uns jede Empfindung, jede Vorstellung und jeden Begriff, als solche, selbst
gingen eben darauf aus, die Vernunft aus den iiden Regionen der Specula- und allein hervorbringen miisse. Imagination, Gedachtnill, Verstand, als
tion zuriick und auf die Zeugnisse der Sinne zu fiihren. Er hat auch, so Beschaffenheiten, die dem denkenden Wesen allein zugehoren konnen,
vie! wir wissen, den Dingen ausser uns nie ein eigenes Wesen abgelaugnet, miissen auch als solche allein durch das denkende Wesen selbst in ihm
sondern nur gesagt, daB wir dieses We5en nicht kennten, und daB sie in selbst gewiirkt und hervorgebracht werden. (Aile diese Satze, die sich auf
dieser Riicksicht fiir uns nur Erscheinungen waren. Nach dieser Vorausset- den einzigen Satz reduciren, daB die Seele, wenn sie sich Dinge vorstellen,
630 ®ot~ai[d)e gelc~rte ,3eitungen - 30. Juni 1787 ANN ALES L!TERAR!l- Juni 1787 631
derselben erinnern, und sie verstehen oder beurtheilen will, auch ur- schauet wird, Erscheinung heillt. Hr. Kant hat auch, so vie! wir wissen,
spriinglich die Kraft der Imagination, des Gedachtnisses und des Verstan- nirgend gelaugnet, dail der Grund und die Veranlassung der Erscheinung
des, haben miisse, wird zwar niemand in Zweifel ziehen; aber wir glauben ausser uns sey, daB der Erscheinung etwas Beharrliches, Objectives zum
doch zu bemerken, dail der Verf. der Seele hier die Denkkraft etc. schon Grunde liege; da wir aber dieses nicht sinnlich anschauen konnten, so
zum voraus ausschlielllich, ohne der Beyhiilfe ihres Korpers, zu behaupten bleibe fiir uns nichts als die Erscheinung iibrig, die nichts als eine Vorstel-
sucht, und nur sie allein unter dem Ausdruck Individuum zu begreifen lung in uns, eine Modification unserer Sinnlichkeit sey. Hr. J. sagt S. 140.
scheint. Das aber sollte nicht vorausgesetzt, sondern erst bewiesen wer- vielleicht dasselbe, nur mit andern Worten: "Ich sage, die Vorstellungen
den.) Nun hat, fahrt er fort, das denkende Wesen, als solches, mit dem konnen das Wiirkliche, als solches, nie darstellen. Sie enthalten nur Be-
korperlichen Wesen, als solchem, keine Eigenschaften gemein, und es ist schaffenheiten der wiirklichen Dinge, nicht das Wiirkliche selbst.")
unmoglich, dail irgend eine Bestimmung des Einen je eine Bestimmung
auch des Andern werde. Folglich konnen beyde Wesen gegenseitig keine
Beschaffenheiten von einander annehmen, folglich nicht in einander
Uber Raum und Caussalitdt; i. e. de spatio et rerum causis ad tentandam
wiirken, und so hatte es mit dem Wesentlichen der harmonia praestabilita
philosophiam Kantianam. Auctore I. G. H FEDER. Gottingae ap.
seine Richtigkeit. (Da beyde Wesen von Natur in keine Gemeinschaft
Dieterich. 1787. 8. pagg. 267.
kommen konnten, so hat Gott das U nmogliche moglich gemacht, und
urn Menschen hervorzubringen, das geistige denkende Wesen mit dem uantum in opinionibus cum de uniuersa rerum natura et causis
korperlichen in Verbindung gebracht. Das ist wahrhaftig die natiirlichste
Philosophic die sich denken liillt; die Seele des Menschen ist ihrer Natur
Q inter philosophos adhuc receptis, tum de cognoscendi modo, quo
vtitur mens humana in rerum sub sensus cadentium contemplatione, et
nach etwas ganz besonderes fiir sich, und der Korper des Mcnschen wie- quo solo veritas scientiae, quam earum tenemus, nititur, reprehenderit at-
der etwas besonders fiir sich; beyde schicken sich ihrer Natur nach gar que immutare voluerit celeb. Kantius, inter omnes constat philosophiae
nicht zu einander; da sie aber doch so unzertrennlich bey einander sind, operam nauantes. Sunt etiam multi, magni adeo nominis viri, qui eius
so hat Gott zwischen diesen von Natur disharmonischen Wesen die Har- placitis assentiant, estque istis, vt solet semper esse philosophis in nouo
monie von Ewigkeit hergestellt.) In einer Beylage von S. 209. bis zu Ende, quodam imperio, tantum partium suarum studium, vt quemuis iis se
handelt der Hr. geheime Rath Jacobi von dem transscendentalen oder kri- adiungentem plausu [544] excipiant, rursus inuita Minerua natum pro-
tischen Idealismus des Hrn. Kant. Es wird den Beforderern der Kantischen nuntient, cui forte in mentem venerit, de asserto aliquo Kantiano
Philosophic vorgehalten, dail sie den Vorwurf des Idealismus iiberhaupt so paullulum dubitare. Exstiterunt nihilominus philosopho Regiomontano
sehr zu fiirchten schie{432]nen, daB sie Iieber einigen Millverstand veran- aduersarii plures, Federus, Tiedemannus, a) Plattnerus b) H~:rderus, c) Jacobi
lassen, als diesem Vorwurf, der abschrecken konnte, sich blo&tellen well- d) et Meinersius, viri et auctoritate apud populares nostros grauissimi, et
ten. Er meint nemlich, der kantische Philosoph verlasse den Geist seines meritis in rem literariam spectabiles, qui partem singulas eius opiniones
Systems ganz, wenn er von den Gegenstanden sage, dail sie Eindriicke auf obiter impugnarunt, partim contra omnem eius philosophandi rationem
die Sinne machen, dadurch Empfindungen erregen, und dadurch Vorstel- sententiam tu!ere. E quibus cum ill. Federus maxime ab ipso Kantio in
lungen zuwege bringen; wei! nach dem Kantischen Lehrbegriff der empiri- appendice Prolegomenis futurae cuiusuis Metaphysices etc. adiecta et alibi
sche Gegenstand, der immer nur Erscheinung sey, nicht ausser uns vor- ad probandum indicium suum prouocatus sit, coepit ille nunc libro supra
handen, und noch etwas anders als eine Vorstellung seyn konne. (Wir
sehen nicht ein, warum der Hr. Verfasser diesen Vorwurf nur den Befor- a) Ober die Natur der Metaphysik in: Hessische Beytriige zur Gelehrsamkeit und Kunst.
derern der Kantischen Philosophie, und nicht auch Hrn. Kant selbst Fasc. L IL
macht; dieser sagt ja selbst, Sinnlichkeit sey die Fahigkeit, Eindriicke von b) In Aphorism philos. ed. nouissima passim.
den Gegenstanden anzunehmen; failt aber sowohl als seine Anhanger die- c) Gespniche uber GotL p. 223.
sen Ausdruck, Eindriicke von den Gegenstdnden annehmen, unter das nach d) In appendice ad dialogum inscriptum: David Hume tiber den Glauben. Impugnatur
ihm bestimmtere Wort anschauen, zusammen, so wie ihm das, was ange- ibi Kantii Idealismus transscendentalis.
633
632 ANN ALES LITERARII- Juni 1787
~tttetatt(lj)e l[~tontt oon ®lj)fe~en - Juli 1787
iudicato causas latius declarare, cur philosophiam Kantianam ad veritatem chlesisches Bardenopfer fiir 1787. Gesammlet und auf eigne Kosten
ducere neget. Etenim Kantius, duce Humio hanc viam in{545]gressus,
omnem veram philosophiam ad notiones a priori, ab experientia sensuum
S herausgegeben von Kausch. 152 S.
Es ist mit dem Sammeln einer poetischen Blumenlese, besond~rs einer
minime pendentes, refert, nihilque pro certo affirmandum censer, quod
non ex notionibus, quae in ratione per se insint (aus Begri/Jen reiner Ver· Provinzial-Blumenlese, eine hiichst miBliche Sache. I~rer ~esummu~g
nunft) originem ducat; hanc ipsam autem normam secutus multas notio- nach ist, denke ich, eine solche Sammlung nicht. dem etgent~tchen Ge~e,
sondern blos dem Liebhaber, dem denn zuwetlen auch em poeusc er
nes rationi per se attribuit ei haud tribuendas, eoque tandem peruenit, vt
philosophiam, quam dicunt, empiricam, plurimis de rebus iisdem obser- Versuch vorziiglich gliickt, gewidmet. [...] Der Hr. ~e':'usgeber hat?·
Stucke von seiner eignen Arbeit eingeriickt. Das vorzughchste davon tst
uationibus sensuum ope factis, et conclusionibus ex earum consensu
manantibus, vnice fretam, prorsus sperneret atque dignitate sua priuaret. eine Ode an den Hm. Prof Kant. Hier ist sie:
Federus contra sibi persuasum habet, nihi4 quod vulgo notionem, cognitio·
nem vocamus, cuiuscuius generis sit, ante aliquam perceptionem sensuum, Denk.ender als Du,
tiefer als Du ins Mark der Wesen eindringend
ante aliquam aia01JaLV in hominibus inesse, eamque opinionem, quod sit
aliqua philosophia non ab experientia eiusque avaA.oy!a deriuata, prae- war keiner unter Deutschlands Weisen,
cipue philosophiae morum et theologiae naturali damnum affere, quoniam keiner unter den Weisen Europens!
K. ista opinione imbutus, his grauissimis scientiae humanae partibus non Vielleicht, daG Newtons oder Leibnitzens Bahn
omnia quidem fulcra subtrahat, verumtamen optimas maximeque vulgo noch mehr Riesenwerk war!
acceptas rationes, quibus illae nitantur, in contemtum adducat, instituta (Felsenkliifte und Meeresfluthen
quadam earum comparatione cum philosophia metaphysica [546] sub- stellten sich umsonst ihrem Einherschritt entgegen!)
tiliori, etsi ea non nisi verbis nominibusque contineatur. Quod vt clariori
Vielleicht sammelten auch Baumgarten und Mendelssohn
in luce poneret Federus, ostendendum ei erat, quas K. in numero notio-
num a priori (reiner Anschauungen und Verstandescategorien) habet, vt und Sulzer und Linne
notiones de spatia, de tempore, de causa et e/Jectu, eas non esse homini heilsamere Bliithen
innatas, sed sensuum experientiae deberi. Igitur librum in duas sectiones nahrendere Friichte
partitus est, quarum altern de spatia, altern de causa et effectu agit; auf ihren rosigen Pfaden!
originem notionis de tempore non attigit noster, cum in earn idem cadere Vielleicht hat Columb und Copernik
necesse sit, quod in notionem de spatia cadit. Habemus hie discussionem mit kiihnerem Schwunge
sane subtilem et praeclaram, verum nimis connexam, quam vt eius argo- der Unsterblichkeit Tempel ereilt!-
mentum paucis proponi possit. Verendum insuper nobis est, ne lectores Dies entscheide wer da will!
perspicuitatem desiderent, cum termini notionum sermoni vernaculo
Doch es muG dein Nebenbuhler selbst
peculiares vix ita Iarine reddi queant, vt, quid sibi velint, intelligatur; qua
propter etiam mirati sumus virum doctum, qui versionem operum (er briichte denn in einer Schaale .
der Liige und der Scheelsucht sein Opfer zugletch)
Kantianorum latinam, et quidem bene latinam nuper curandam suscepit.
Nos adhortamur potius omnes, quibus aut per muneris officium aut per er selbst muG gestehn:
otium licet, in eruendis vniuersae naturae legibus et causis versari, vt ipsi Denkender als Kant,
tiefer als er ins Mark der Wesen eindringend
librum Federi legant et ponderent, lectoque libra ipsi augurentur, [547]
war keiner unter Deutschlands Weisen,
vtrum auctor an Kantius e certamine victor abiturus sit.
keiner unter den Weisen Europens!
634 ~~an!fu!ter gcfe~!te Qfn;eigen - 13. Juli 1787 !!lottingifd)e Qfn;elgen oon ge[e~mn !Bad)en - 28. Juli 1787 635
sich selbst, und nicht bios von der Erfahrung geltende Grundsatze anneh-
Jtoppen~agen unt> ~eiphig. me, so thue sich ein unvermutheter Widerspruch hervor, der niemals auf
dem gewohnlichen dogmatischen Wege beigelegt werden kiinne, wei!
Uber graue <:!lorurt~eile
unb i~re ®djiiblid)feit, erroie(en burc~ \Be(e~e ber <:!ler•
sowol die Satze, als Gegensatze durch einleuchtende, klare und un-
oon ®am ue [ .(:> ein ide, ltlirector be6 .ltur(iic~(i(c~en .3n(!itut6 flir
nun~!ritif
widerstehliche Beweise dargethan werden kiinnen. Die Vemunft sehe sich
®tumme in ~eip;ig, bei 'l)ro~, 1787. ®. 456. in Boo.
daher mit sich selbst entzweit, ein Zustand, iiber den der Sceptiker frob-
Da Manche bisher dariiber klagten, daB sich in Kant's Kritik der Ver· locke, der kritische Philosoph aber in Nachdenken und Unruhe versetzt
nunft zu wenig Beispiele zur Erlauterung ihrer Grundsatze befanden, so werden miisse. Von dieser Unruhe kiinne man aber durch die Ent{445]
gerieth Herr Heinicke dadurch auf die Idee, einige aus dem gemeinen Le· deckungen des Herm Prof. Kant befreit werden, und man sey ihm dafiir
ben dazu zu liefem, und er wahlte dazu einige veraltete Vorurtheile, urn sie den griisten Dank schuldig. S. 149. wird die Miiglichkeit der Kausalitat
in ihrer Bliisse zu zeigen, und zu ihrer Abschaffung beizutragen. Die Ge· durch Freiheit in Vereinigung mit dem allgemeinen Gesetze der Nothwen-
genstande, die er abhandelt, sind folgende: 1) Uber die Lesekunst und an· digkeit gezeigt. 4) Uber das Schauspiel zum Behuf der Metaphysik der
fangliche Begriffentwicklung in der Christenheit, als ein Beispiel zur Sitten. Ist die Schaubiihne das, was sie nach dem Wunsche eines jeden
KenntniB der Moglichkeit der Erfahrung. So lange die Welt stehe, babe rechtschaffnen Mannes seyn sollte, und auch seyn kann, so ist sie eine
noch niemand eine Sprache durch Buchstabiren gelemt, und daB man das praktische Schule, aus der gewiB nie jemand ohne Nutzen gehen wird,
nicht eingesehn, komme daher, wei! man, vor der Entdeckung, die vor wenn er sich iiberzeugt fiihlt, daB man niitzliche Wahrheiten gesagt und
fiinf Jahren Herr Kant in Konigsberg gemacht, nicht gewuBt babe, wie vorgestellt hat. 5) Uber den Spinocismus nach den Grundsatzen der Ver-
synthetische Urtheile a priori formirt wiirden. Wer aber das oberste Princi· nunftkritik. Beim Spinocismus ist es sehr niithig, wahl Achtung zu geben,
pium allcr synthetischen Urtheile kenne, nehmlich, ein jeder Gegenstand daB man .nicht mit leeren Begriffen geblendet und dariiber ausgelacht
stehe miter den nothwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit des wird. 6) Uber die Architektonik der Larvenkritler. Das verkappte Re-
Mannigfaltigen der Anschauung in einer miiglichen Erfahrung, der werde censiren sey die argste Satyre auf die Menschheit. Herr H. greift bei dieser
die Unmiiglichkeit, durch Buchstabiren lesen zu Iemen, gleich [444] ge· Gelegenheit ohne Larve die Herren Schutz und Wieland an.
wahr. S. 59. beantwortet der Verfasser einige Einwiirfe wider die Lehrart,
das Lesen ohne Buchstabiren, und gleich in drei Acten zu lehren und zu
Iemen. 2) Uber die verschiednen Lehrarten der Taubstummen, und ihre
~re6£au.
verschiedne Denkart gegen die unsrige. Man babe Lehrarten fiir sie er·
funden, wodurch sie ihren Verstand und ihre Gesundheit vollends ganz Bey Gottl. LOwe: David Hume iiber den Glauben. Oder Idealismus und
einbiissen. Es sey falsch, wenn man ihnen bios dadurch Begriffe aller Realismus. Ein Gesprach von Fr. H. jacobi. 1787. 230 S. Octav. Zuerst eine
Arten entwickeln und befestigen wolle, daB man sie schreiben lehre. Auch Vertheidigung der Ausdriicke, Glauben und Ojfenbarung, in Anwendung
irren die, die da glauben, daB ein Taubstummer durch blosse Artikulatio· auf die Vorstellung von Dingen ausser uns, und die Anerkennung der
nen und ohne aile bei ihnen zum Grunde liegende Bedingungen seine Ge· Wirklichkeit derselben; deren sich der Verf. in den Briefen iiber Spinoza
danken verbinden Iemen konne. Die Lehrarten fiir Taubstumme von so bedient hatte. Auch Hume babe sie viillig in demselben Sinn gebraucht;
Wallis, Ammann, Raphe!, Arnold~ Keller, Ulrich, !'Epee seyen aile falsch. und doch wohl nicht in der geheimen Absicht, die Vemunft dadurch her-
Denen, welche gewiinscht, daB Herr Heinicke seine Lehrart bekannt rna- abzusetzen, behuf des blinden Glaubens. Es wird mit ausfiihrlichen Stel-
chen solle, wird geantwortet, die Beschreibung der ganzen Lehrart koste len bewiesen; und dies ist der Grund der Aufschrift. - Die Vernunft
zu vie! Verlag, und finde keine Kaufer, und durch die Bekanntmachung bemerke nur Verhaltnisse bey gegebenen Vorstellungen; und auf die Be-
einzler Stucke wiirde er nur Pfuscher machen. 3) Uber den Fatalismus, merkung der Verhaltnisse, nach den Grundsatzen der Identitat, laufen aile
nach den Grundsatzen der Vemunftkritik. Wenn man, wie bisher gesche- apodictischen Beweise, oder Vernunftbeweise, hinaus. In diesem Wege aber
hen, sich die Erscheinungen der Sinnenwelt als Dinge an sich selbst denke, sey es unmiiglich, vom Daseyn der Dinge ausser uns Uberzeugung zu
wenn man die Grundsatze ihrer Verbindung als allgemein von Dingen an verschaffen. Diese beruhe auf einem Grunderkenntniil; nicht auf Ver-
636 I!Jotlingi[d)e 2!n;elgen oon gefe~tten ®ad) en - 28. Juli 1787 Q!Jir;burger gefe~rte 21n;eigen - 28. Juli 1787 637
gleichung von Vorstellungen, welche letztern, als nachgebildete Erkenntnift, cens. verspart es auf einen andern Ort, wei! es hier an Raum dazu fehlet,
Empfindung, als Grunderkenntnill, immer voraussetzen. Also konne die diesen transcendentalen Theil der Schrift genauer durchzugehen, und zu-
Darstellung wirklicher Dinge sehr eigentlich Offenbarung heissen, und zusehen, ob er im Grunde mit jener andern natiirlichen Philosophie des
ihre Anerkennung Glauben, im Gegensatz auf Einsicht oder Uberzeugung Verf. recht iibereinstimmt. Nur iiber den Begriff von Vernunfi, auf wei-
durch apodictische Beweise. - Nun erweitert aber auch der Verf. seinen chen der Verf. wieder zuruckkiimmt, wollen wir etwas anmerken. Ver-
Hauptsatz, und zeigt, wie aile Erkenntnift, auch die unsers eigenen Da- nunft ist ihm nur hiiherer Grad der Sinneskraf~ oder des Wahrnehmungs-
seyns und innern Wesens, auf ahnliche Weise aus dem Glauben komme, auf vermogens; und die ganze Selbstthatigkeit bey unserer Erkenntnill schrankt
Offenbarung beruhe, nicht auf Vernunftschliissen; und daher verlohren er auf das willkiihrliche Anschauen ein. Dies kann am Ende freylich nur
gehe, oder [1206] dem Skepticismus preillgegeben und verdunkelt werde; ein Streit iiber Nominalwesen werden. Aber ob bey seiner Vorstellungsart
wenn man ihr statt jenes natiirlichen Grundes, diesen andern erkiinsteln nicht eben sowohl Willkiihrlichkeit und Einseitigkeit ist, als bey der-
und unterlegen will. {In der Hauptsache ist Recens. hier noch iiberall mit jenigen, die er bestreitet, nach welcher die Vernunft als eine selbstthiitige,
dem Verf. einig. Doch scheint es ihm, als ob in dem, was vom Bewufltsryn, unterscheidende, vergleichende, ordnende, entdeckende und erfindende
als einem mit jeder Wahrnehmung gegebenen Grunderkenntnisse gesagt Denkkraft betrachtet wird? Ob wenigstens die ldeenbildende und, durch
wird, Perception und Adperception, Grundgefiihl, und aus der Verbindung analogische Schliisse, directe nicht gegebene, Erkenntnisse verschaffende
mehrerer ehemaliger und gegenwartiger Gefiihle entspringende klare und Kraft der Seele vom [1208] Verf. iiberhaupt nicht zu sehr aus der Acht ge-
deutliche Wahrnehmung genauer hatten unterschieden werden miissen). - lassen werde? Ob es urn der Millverstandnisse und des Millbrauches willen
Auch in Absicht auf unsere Caussalitiitserkenntnisse hat man denselben nicht auch bedenklich seyn sollte, die Selbstthatigkeit in Absicht auf unse-
Fehler begangen, und statt aufzuktiren und zu befestigen, nur erschiittert re Erkenntnill aufs willkiihrliche Anschauen einzuschranken? - In einer
und verworren; indem man die hieher ·gehorigen Begriffe und Grundsatze Beylage wird der Kantische Idealismus noch besonders naher beleuchtet,
aus andern, verschiedenartigen, hat ableiten wollen; anstatt sich dabey an und gezeigt, wie derselbe, wenn er mit sich selbst und mit seinen Grunden
die eigenen Grunde zu halten, aus denen sie natiirlich hervorgehen. Diese einstimmig erhalten werden soli, mit dem empirischen Realismus, oder
sind nemlich unsere Gefiihle von unserer eigenen Kraft, von Widerstand, der Vorstellung des gemeinen Menschenverstandes von der Wirklichkeit
und die Erfahrung von der Regelmalligkeit der Erfolge in Verbindung mit der Dinge ausser uns, unmoglich vereinigt werden konne.
bedingten Kriiften und Actionen. So mit sey uns insbesondere auch der
Begriff von Succession gegeben; der die griillte Verlegenheit verursache,
wenn man ihn a priori hineindemonstriren wolle. Diese Erkenntnisse nun
doch bezweifeln wollen; wei! wir ihren Grund nicht ganz durchschauen,
JUga.
'JJletap~~~fc!)e 2lnfanMgrlinbe ber <Jlaturrolf[en[c!)aff oon Jmmanuer .ltant. 1f>e~
nicht einsehen, wie mit unserer Kraftanwendung die entsprechenden Er-
folge, und iiberhaupt, wie Ursachen und Wirkungen zusammenhangen -
3- ;5. -?art!noc!) 1786.
dies sey gerade wieder so weise, als das Daseyn der Dinge ausser uns be-
zweifeln, wei! wir nicht aus anderartigen Erkenntnissen solches bezwei-
feln, [1207] oder wie wir von dem, was ausser uns ist, die Erkenntnill in
D er scharfsinnige Herr Verfasser fahrt fort, in jedem Theile der Phi-
losophie aufzuraumen, und anstatt so mancher schwankenden und
ungewissen Lehren Iauter Satze von geprufter Wahrheit aufzustellen. Hier
uns haben, begreifen kiinnen. - Von diesen Grunden der simpeln Na- eine Probe davon iiber die apodiktischen Lehren der Naturwissenschaft.
turphilosophie entfernt sich nun aber der Verf. auf einmal selbst, und Dieses Wort, Naturwissenschafi, nimmt er im strengeren Sinne, wenn nam-
schwingt sich in die Hohen der kiihnsten Speculationen, Leibnitzen nach. lich die Naturgesetze, die in ihr zu Grunde liegen, a priori erkannt wer-
Die gemeinen Vorstellungen von der Sinnenwelt verwandeln sich da in den, und nicht blose Erfahrungssatze sind. Die Ausfiihrung macht er
Leibnitzische Monadologie. Der Hauptsatz des Verf. von gegebener Er- dadurch, dall er den Begriff von der Materie durch die 4 Kategorien, die
kenntnill gewinnt dabey selbst ein anderes, obgleich, vielleicht mit Fleill, Grolle, Qualitat, Relation und Modalitat, als die einzigen reinen Verstan-
im Dunkeln erhaltenes Ansehen. Es ist gewill, dall auch in dieser Wen- desbegriffe, die die N atur der Dinge betreffen konnen, hindurch fiihret,
dung der Verf. mit allem Vortheil erscheint, der hier statt finden kann. Re- und wei! die Grundbestimmung desjenigen, was der Gegenstand ausserer
638 'lllir;burger ge[e~rte ;1fn;eigen - 28. Juli 1787 :ttibingi[d)e gde~rte ;1ln;eigen - 30. Juli 1787 639
Sinne seyn soil, Bewegung seyn muB, indem die Sinne ganz allein dadurch ausser ihr, d. i. als absolute Bewegung gedacht, ist unmiiglich. 2) Die
affizirt werden kiinnen, so bringt er alles auf eben diese Bewegung zuriick, Kreisbewegung einer Materie ist, zum U nterschiede der entgegengesetzten
und theilet sein Buch in 4 Abschnitte, von denen der erste die Phoro- Bewegung des Raumes, ein wirkliches Pradikat desselben. Dagegen ist die
nomie, oder die Bewegung als ein reines Quantum betrachtet, der zweyte entgegengesezte Bewegung eines relativen Raums statt der Bewegung des
die Dynamik, oder die Bewegung als Qualitat der Materie zugehiirig, der Kiirpers genommen, keine wirkliche Bewegung des letztern, sondern,
dritte die Mechanik, oder die Materie mit der Qualitat der Bewegung in wenn sie dafiir gehalten wird, ein bloser Schein. 3) In jeder Bewegung
Relation gegen einander, und der vierte die Phanomenologie in sich be- eines Kiirpers, wodurch er in Ansehung eines andern bewegend ist, ist
greift d. i. die Lehre, worin die Bewegung oder Ruhe bios in Beziehung auf eine entgegengesetzte gleiche Bewegung des letztern nothwendig.
die Vorstellungsart, mithin als Erscheinung der ausseren Sinne, bestimmt Herr Kant macht sich durch seine fortgesetzten Bemlihungen das grol!e
wird. (587] Verdienst, da er die vornehmsten Begriffe des menschlichen Verstandes in
Die Phoronomie, heil!t es, ist eine Lehre der Zusammensetzung der Be- ihre ersten Bestandtheile zerleget, dem menschlichen Wissen, soviel mog-
wegungen eben desselben Punktes nach ihrer Richtung und Geschwindig- lich, eine mathematische Richtigkeit und GewiBheit zu geben, und unser
keit. Sie besteht in dem einzigen Grundsatze: die Zusammensetzung zwoer Denken bis an die Grenzen hingefiihrt zu haben, die unserer Endlichkeit
Bewegungen eines und desselben Punkts kann nur dadurch gedacht wer- von der Natur gesetzt sind.
den, daB die eine derselben im absoluten Raume, statt der andern aber
eine mit dergleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung ge-
schehende Bewegung des relativen Raums, als mit derselben einerley, vor-
gestellt wird.
®tuttgart.
Die Dynamik handelt erstens das Reelle im Raume (sonst das Solide) in Plan einer systematischen Metaphysik von Jacob Friedrich Abel, ProfeBor
Erfullung desselben durch Zuriickstol!ungskraft, zweytens die Anzie- der Philosophie an der hohen Schule zu Stuttgart. 1787. 232 S. in 8. Der
hungskraft, durch welche, soviel an ihr ist, aller Raum durchdrungen scharfdenckende Herr VerfaBer liefert uns in dieser Schrift theils eine
wird, und drittens die Einschrankung der erstern Kraft durch die zweyte, musterhafte Ausfiihrung der im 620-646 §. seiner Einleitung in die See-
und die daher riihrende Bestimmung des Grades einer Erfiillung des Rau- lenlehre enthaltenen Ideen, und eben damit einen treflichen, den Bedlirf-
mes ab. Hier verdient der vierte Lehrsatz: die Materie ist ins U nendliche nil!en des gegenwartigen Zeitalters vollkommen angemel!enen Plan einer
theilbar, der mit neuem Grunde bewiesen wird, eine besondere Aufmerk- Metaphysik der Natur, theils eine nach der nehmlichen Methode abgefaB-
samkeit. te, und nicht minder eigenthlimliche, Grundlegung der Metaphysik der
Die Gesetze der Mechanik sind: 1) Bey allen Veranderungen der kiir- Sitten. Das Unterscheidende seines metaphysischen Ideenganges im Gan-
perlichen Natur bleibt die Quantitat der Materie im Ganzen dieselbe, un- zen betrachtet, besteht darin, daB er den Grundideen und Grundprinci-
vermehrt und unvermindert. 2) Aile Veranderung der Materie hat eine pien der Metaphysik der Natur sowohl als der Sitten aus nothwendigen
aussere U rsache, oder, ein jeder Kiirper beharret in seinem Zustande der subjectiven Gesezen der Seele und aus der Uhertragung derselhen aufs Ob-
Ruhe oder Bewegung in derselben Richtung und mit derselben Geschwin- jective ableitet, und also auf der einen Seite sich eben so weit von denen
digkeit, wenn er nicht durch eine aussere U rsache geniithigt wird, diesen Philosophen, die das ganze System der Metaphysik auf Erfahrung (482] im
Zustand zu verlassen. Dieses ist ihm das Gesetz der Tragheit, lex inertiae: gewiihnlichen Sinn bauen, und (wie sich Kant irgendwo ausdriickt) den
die Kraft der Tragheit aber, die in einem ganz andern Verstande genom- Aal der Wil!enschaft am Schwanze erwischen wollen, als auf der andern
men wird, bekiimmt ihren Abschied. - 3) In aller Mittheilung der Bewe- von denen entfernt, die nach der Kantischen Methode alles a priori su-
gung sind Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich. chen, und eben del!wegen zwar eine ganzliche Unwil!enheit in Absicht
Die Phanomenologie faBt die drey Lehrsatze in sich: 1) die geradlinigte auf Dinge an sich behaupten, aber doch in Riicksicht auf die interel!ante-
Bewegung einer Materie in Ansehung eines emyrischen Raums ist zum ste der Wahrheiten, die sich auf transcendentale Objecte beziehen, einen
Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raums, ein bios auf practisches Interel!e gegriindeten, obschon ganz blinden, Glauben als
mogliches Pradikat. Eben dasselbe in gar keiner Relation auf eine Materie Ersaz fiir das, was sie der specu!ativen Vernunft geraubt haben, anbieten,
640 :l:tibingifd)c gcfc9rtc ~n;cigcn - 30. Juli 1787 ~ bcr~ '!)fan einer fvffematifd)en Wletap9vfif 641
und die Acceptilation deflelben, zu der sich freylich die Vernunft sehr un- Voraussezungen, die Hr A. macht, die Bil{484]dung des ganzen Begrifs
gerne entschlieflt, mit groflem Nachdruck empfehlen. In dem I. Theil der von Zeit und Raum erklart werden kan, denn offenbar sezt die Entste-
vorliegenden Schrift, der die Grundlegung der Metaphysik der Natur hung des Begrifs von Raum, so wie sie von Hrn A. gedacht wird, wahrge-
enthalt, wird zuerst der Ursprung aller nicht empirischen Begriffe unter- nommene Vorstellungen der Begriffe von individuellen Ausdehnungen
sucht, dann die Anwendung der Anschauungs- und Denck-Formen, theils voraus - sezt voraus, dafl die Seele ofters einzelne Erscheinungen als ausser
nach der gemeinen, theils nach metaphysischer Methode, gemacht, und einander und ausser sich existirend sich vorgestellt habe. Aber woher denn
endlich die Zulanglichkeit der speculativen Vernunft durch Darstellung nun der Begrif von ausser einander und von ausser uns seyn? Diese Frage
des Systems aller Wiflenschaften, des Grades ihrer Gewiflheit, und einer finden wir nirgends beantwortet; aber wir begreifen auch gegenwartig
Vergleichung mit dem Zweck der Speculation erwiesen. So wie in diesem noch nicht, wie sie miiglicher Weise aus Hrn A. System beantwortet wer-
Theile alles am Ende auf nothwendige Verstandsgeseze zuriick gefuhrt den kiinne, und wir sind daher sehr geneigt zu glauben, dafl jener Be-
wird; so entwickelt sich im II. Theile, der die Grundlegung der Metaphy- standtheil des Begrifs von Raum wenigstens a priori in der Seele liege.
sik der Sitten zum Gegenstand hat, alles aus nothwendigen Gesezen des Eben so dencken wir in Absicht auf den Begrif von Succej?ion, der einen
Wzllens heraus. Beyde Theile machen also zusammen Ein systematisches wichtigen Bestandtheil des Begrifs von Zeit ausmacht. Wir kiinnen immer-
Ganzes aus. Beyde beruhen am Ende auf einem allgemeinen Princip, und hin einraumen, dafl das, was Hr. A. S. 22 f. sagt, objectiv wahr sey. Aber
beyde haben in Absicht auf den Inhalt eine so genaue Beziehung aufeinan- wie wir zu dem Begrif von Succeflion, vom Vergangenen und Gegenwani-
der, dafl sie sich in der Verbindung, in der sie von Hrn A. selbst dargestellt gen kommen kiinnen, scheint uns dadurch noch nicht erklart zu seyn.
[483] werden, wechselseitig unterstiizen. Schon von der Seite her miiflte Denn das Bewufltseyn, A und B nicht mit einerley Actus der Seele ap·
das System des Hrn Verf. fur jeden philosophischen Dencker anziehend prehendirt zu haben, wird doch, wie Erinnerung iiberhaupt, durch die Vor-
genug seyn, wenn auch nicht noch der Umstand dazu kame, dafl die ein- stellung von Succession allererst miiglich gemacht. Die leztere kan also
zelne Ideen und Saze auf eine Art, die keinen geringen Scharfsinn und nicht aus dem ersteren entspringen, wenn schon der Allgemeine Begriff
Tiefsinn verrath, entwickelt, und in dem miiglichvortheilhaftesten Lich- von Succession erst durch Vergleichung mehrerer Operationen von der
te - in einem Lichte, das vielleicht nur fiir eine gewifle Art von Lesern Art erzeugt wird. Ware diese Idee so richtig, als sie uns gegenwanig zu
bey einigen Stellen zu blendend seyn kiinnte, dargestellt werden. Die seyn scheint: so wiirde zugleich auch dies daraus folgen, dafl jeder Geist,
Granzen unserer Blatter erlauben es uns nicht, eine Schrift, die an tiefge- der Erinnerungs- und Abstraktions-Vermogen hat, auch einen Begriff von
dachten und fruchtbaren Bemerckungen so reich ist, in einem Auszuge Succes{485]sion haben miisse. Die Behauptung des Hrn Verf. also, dieS. 26
darzulegen; und wir glauben auch, dafl eine Arbeit von der Art wenig- vorkommt, kiinnte wenigstens nicht auf den ganzen Begriff von Zeit aus-
stens, in Riicksicht auf Liebhaber der speculativen Philosophie, ein iiber- gedehnt werden. In Absicht auf die Ableitung der transcendentalen Begrif-
fliifliges gutes Werck seyn wiirde. Wir begniigen uns also, einige wenige fe sind wir griistentheils von der Meynung des Hrn Verf. iiberzeugt. Nur
Ideen auszuzeichnen, und zugleich einige Zweifel vorzulegen, die uns auf- wissen wir nicht, wie die Behauptung erwiesen werden kan, dafl aile Cate-
gefallen sind, und die wir urn so weniger zuriick halten zu miissen glau- gorien bios aus den Denkiiusserungen abstrahirt seyen, und es scheint uns
ben, je fester wir davon iiberzeugt sind, dafl es dem Hrn Verf. bey allen wiircklich als ob z. B. die Categorie von Grad wenigstens eben so natiir-
seinen Untersuchungen einzig urn Wahrheit zu thun ist. - Ganz eigen- lich aus den Empfindungen von Vergniigen und Schmerzen, als aus den
thiimlich und sehr scharfsinnig ist die Deduction der Begriffe von Zeit Gefuhlen der verschiedenen Intension des Denkers abgeleitet werden
und Raum, die S. 10 ff. vorgetragen wird. Aber ob sie sich zu dem Grade kiinnte. - S. 61 ff. untersucht der Hr Verf. die nicht uninteressante Frage:
von Wahrscheinlichkeit bringen laflen, der an Gewiflheit hingtanzt, und Wie weit kiinnen die Categorien als giiltig fur andere Geister angesehen
der zu sicheren Folgerungen berechtigt; daran zweiflen wir gegenwartig werden? Nach ihrem ganzen Umfang; und seine Entscheidung ist Bestati-
noch aus mehr als einem Grunde. Auch zugegeben, dafl eine so hohe Ab- gung des Urtheils, das Rec. in der Anzeige seiner Einleitung in der Seelen-
straction, als der Hr Verf. die Seele schon in den friihesten J ahren machen lehre (im 48. St. des vorigen Jahrgangs S. 380 f.) geaussert hat. - Bey dem
laflt, nicht nur als miiglich, sondern auch als wahrscheinlich angenommen Erweis der Richtigkeit der Categorien und der sich darauf beziehenden
werden diirfte; so sehen wir doch noch nicht ein, wie blofl aus den Grundsaze, so wie auch ihrer Anwendung miissen, diinckt uns, noch ein
642 :ttioingl[dje ge[e~(te Qln;eigen - 30. Juli und 2. August 1787 Ql o ef 6 'J)[an eine( [~~emati[djen 9.Jletap~~[it 643
paar Voraussezungen hinzugedacht werden, ohne die theils die subjective zu seyn; oder wenn man je einen Schlull zu Hilfe nehmen will, so ist we-
theils die objective Giiltigkeit derselben nicht wohl behauptet werden kan. nigstens der von Wiirckung auf Kraft ganz entbehrlich, denn man kan es
Die eine ist unstreitig diese, dall das Bewulltseyn, immer und nothwendig doch wohl als Axiom annehmen, dall alles, was verandert wird, existirt.
nach gewissen Gesezen gedacht zu haben, nicht tauschend sey - eine Alsdenn, diinckt uns, sezt jener Schlull selbst schon die Gewillheit unserer
Voraussezung, die offenbar allem dem zum Grunde ligt, was man aus Existenz voraus, denn offenbar beruht er auf der Voraussezung eines ge-
nothwendigen Denkgesezen ableitet, und die eben dellwegen nicht aus die- willen nothwendigen Denckgesezes. Aber sezt denn nicht Oberzeugung
sen Gesezen selbst heegeleitet werden kan. In dieser Hinsicht mull also von der subjectiven Nothwendigkeit oder von der WiirckJichkeit dieses
wohl die Behauptung des Hrn Verf. S. 61.: Aile Wahrheit und alles [486) Denckgesezes das Bewulltseyn voraus, dall ich nicht nur jezt diesem Gesez
Glauben gmndet sich zulezt auf nothwendige Einrichtung der Denkgeseze, gemall dencken, sondern auch ehmals nach dieser Regel gedacht habe?
mit einer gewissen Einschriinkung verstanden werden, wenn man ja nicht und schliellt nicht dieses Bewulltseyn selbst den Gedancken in sich, dall
jenes mit der Erinnerung verbundene Gefiihl von Gewillheit mit zu den ich nicht nur jezt existire, sondern auch ehmals existirt habe? Diese Be-
Denkgesezen rechnen will. Eine andere Voraussezung mull zu der ersten merckung beweillt zugleich auch, dall das Bewulltseyn von der Idealitat
hinzukommen, wenn man die subjective Allgemeingiiltigkeit gewisser oder Beharrlichkeit unseres !cbs der Oberzeugung von der subjectiven Noth-
Denkgeseze in Absicht auf Menschenseelen behaupten will. Und noch wendigkeit gewiller Denckgeseze zum Grunde liege, dall also jenes nicht
eine dritte mull der Behauptung des Sazes vorangehen, dall wir mit Rech~ erst aus diesen abgeleitet werden kiinne. Dall beyde Saze bey dieser De-
nicht blos, wie Kant sagt, verm6ge einer unvermeidlichen Tauschung, un- duction an Gewillheit eher gewinnen als verlieren, eegibt sich von selbst.
sere transcendentale Begriffe und Grundsaze auf das Objective im tran-
scendenten Sinn iibertragen - Die Voraussezung nehmlich, die der Hr [489) Die Deduction des Grundprincips der Sittlichkei~ die der Hr Verf.
Verf. sicherlich selbst hinzugedacht hat, dall eine gewille Harmonie zwi- in dem II. Theil seiner Schrift liefert, und die eben so scharfsinnig und
schen den nothwendigen subjectiven Gesezen unsers Denckens und dem eigenthiimlich ist, als die im I. Theil enthaltene Deduction der nicht empi-
Objectiven sey. Aber diese Voraussezung, die wir, ohne der Natur Gewalt rischen Begriffe, lallt sich auf folgende Hauptideen {S. 185 ff.) zuriick fiih-
anzuthun, nicht wohllaugnen oder bezweiflen kiinnen, kan, diinckt uns, ren. I. Der Wille hat bestimmte Grundgeseze, welchen gemall er wircken
eben so gut auf das System derer, die Categorien und allgemeine Vernunft- mull, und von denen er selbst Gegenstand oder Zweck ist. Der Wille for-
grundsaze ganz a priori nehmen, als auf Hrn A. System, angewendet wer- dert also, keine Handlung zu thun, durch welche ich meinem Grundgesez,
den; und der Skeptiker und Kantianer fehlen wohl nur darinn, dall sie die- mich selbst als Zweck zu behandlen, entgegen handle. II. Da dies alles aus
selbe bey gleichen Grunden in dem einen Fall annehmen, in dem andern der Natur eines verniinftigen Willens folgt, so ist dies auch Princip aller
verwerfen. Man gewinnt also wohl in Absicht auf die objective Wahrheit verniinftigen Wesen. Ill. Der Verstand gebietet also, jeden verniinftigen
im Grunde nichts dabey, wenn man die A. Deduction annimmt, wenn Willen ganz wie den unsrigen, als eigenen Zweck, der Gliickseligkeit zum
schon die leztere, in so fern sie wahrscheinlich gemacht werden kan, den Gegenstand hat, zu betrachten, und folglich auch als solchen zu behan-
Vorzug vor jenem System hat, dall sie dem Gebot der Logik, den Or- deln. Wir miillen daher nichts thun, folglich auch nichts wollen, wobey
sprung der Begriffe so weit als miiglich zu verfolgen, Geniige thut. Eben der Wille des andern oder der andern als Zweck, oder be{490)stimmter,
so wenig verliert der in jener Hinsicht, der die A. Deduction [487) der Be- wobey die Gliickseligkeit des andern hintangesezt wird. - Diesem Urtheil
griffe von Raum und Zeit, z. B. nur zum Theil annimmt. Freylich wird in des Verstands kommt auch die Einbildungskraft durch Sympathie zu Hilfe.
diesem Fall ein weniger einfiirmiges System oder ein weniger schiines Gan- - IV. Da diese und andere unmittelbar daraus folgende subjective Geseze
zes hervorkommen. Aber Einheit ist doch wohl nicht das einzige Gesez aus der Natur der Empfindung und des (verniinftigen) Willens fliellen; so
der N atur, und das gefallendste System nicht immer das richtigste. - War- halten wir sie fiir Geseze aller {verniinftig) wollenden Wesen, folglich fiir
urnS. 139. die Oberzeugung von unserer Existenz aus dem Schlull von den absolut wahr. Wir erheben also das Subjective zum Objectiven. V. Das ob-
Veranderungen, die wir in uns haben, auf eine Kraft abgeleitet wird, verste- jective Princip lallt sich in diesen dreyerley Formen darstellen: 1) Thue
hen wir nicht ganz. Einmal scheint uns in dem Bewulltseyn, dall wir Ver- nichts, das nicht deinem Willen nach allen Riicksichten und zugleich den
anderungen in uns haben, auch das Bewulltseyn unsrer Existenz enthalten Willensgesezen anderer gemall ist, oder was nicht allgemein giiltiges Gesez
644 l!lot~ai(dje ge[e~(te ,3citungen- 4. August 1787 ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG- 4. August 1787 645
werden kan. 2) Thue nichts, wo du dich selbst nach andern Riicksichten, vergriffen, so, daB ibn schon die Verlagshandlung an eine neue Auflage er-
oder wo du andere als Zwecke hintan sezest. 3) Thue nichts, was dein innert hat, welche nun auch besorgt werden soil, da die neue Auflage der
Gliick im Ganzen oder das Gliick anderer beleidigt. Bey dieser ganzen De- Kantschen Schriften erschienen ist. Sonderbar ist es, daB der starkste Dedit
duction bleibt uns nichts zu wiinschen iibrig, als daB es dem Hrn Verf. ge- nach Giessen und Marburg gewesen ist, gerade also auch an den Ort, wo
fallen haben miichte, den Ill. Saz in ein helleres Licht zu sezen. Denn aus das Lehren der Kantischen Philosophie untersagt worden.
dem II. Saz folgt doch eigentlich nur diefl, daB der Verstand uns gebiete, je-
des verniinftig wollende Wesen als ein solches zu betrachten, das sich selbst
als Zweck ansehe, und in Hinsicht darauf handle, aber nicht daB er es selbst
NURNBERG, bey Grattenauer: Ober Materialismus und Idealismus, ein
als Zweck an sich betrachten miifle. Vielleicht kiinnte man durch eine ande-
philosophisches Fragment von Adam Weishaup~ herzogl. sachsengotha-
re, vielleicht durch folgende Wendung, die wir nur zur Priifung vorlegen
ischen Hofrath. 1787. 125 S. 8.
wollen, zu demselbigen Resultat gelangen. So bald ich mich als verbunden
mit andern verniinftigen Wesen dencke, so entsteht die Frage, ob ich mich
selbst ausschliellend, oder ob ich auch andere als Zweck behandeln solle.
Wollte ich nun die Maxime: Behandle dich ausschlieflend als Zweck, als
D iese merkwiirdige kleine Schrift, die schon durch den Namen ihres
Verfassers, und die Sonderbarkeit ihrer vormaligen Bestimmung die
Neugierde des lesenden Publikums reitzen wird, liefert einen neuen Ver-
giiltigen Bestimmungs{49l]grund des verniinftigen Wollens, annehmen; so such, die bisherigen Anspriiche der speculativen Vernunft aufler dem Felde
miillte ich zugleich urtheilen, daB sie fiir jedes verniinftig wollende {end- der Eifahrung zu behaupten, und mull daher vorziiglich denjenigen will-
liche) Wesen als ein solches giiltig sey - so miillte ich also auch die Befol- kommen seyn, die gegenwartig entweder selbst mit der Untersuchung je-
gung dieser Maxime bey andern in jedem Fall billigen, in sofern meine ner Anspriiche beschaftiget sind, oder auf was immer fiir eine Art daran
Billigung durch Vernunft bestimmt wiirde. Aber so wiirde Billigung des Theil nehmen. Auch hat sie bereits in dieser Riicksicht Aufmerksamkeit
vernunftigen Wesens mit der Billigung des wollenden Wesens in einem auf sich gezogen. Eines unsrer bekanntesten kritischen Blatter hat das ge-
offenbaren Widerspruch stehen, wei) ich vermiige eines nothwendigen genwartige philosophische Fragment geradezu der Kritik der reinen Vernunft
Willensgesezes mich selbst als Zweck behandeln, und folglich auch von an- entgegengesetzt, und den transcendentalen Idealismus der letztern durch
dern als Zweck behandelt zu werden wiin~chen mull. Sol! also das Wollen den empirischen des erstern beschamen zu kiinnen geglaubt; da man hin-
mit der Vernunft in Ubereinstimmung gebracht werden; so mull ich die gegen in einer anderen gelehrten Zeitung zwischen heiden Systemen eine
entgegen gesezte Maxime als Gesez meiner Handlungen betrachten, in so- sehr auffallende Ubereinstimmung gefunden, und nicht wenig Verwunde-
fern ich mich als verniinftigwollendes Wesen ansehe. Der Raum gestattet rung dariiber bezeugt hat, daB zwey so verschiedene Schriftsteller auf so
uns nicht, von der treflichen Anwendung, die der Hr Verf. von den aufge- verschiedenen Wegen auf ebendasselbe, den AnmaBungen der speculativen
stel!ten Principien macht, noch etwas hinzu zu sezen. Wir schliellen also Vernunft nachtheilige, Resultat gekommen waren. Ohne uns zu Schieds-
mit dem Wunsche, daB der Hr Verf. uns den sehr danckenswerthen richtern zwischen diesen heiden einander widerstreitenden U rtheilen auf-
Dienst erweisen miige, uns iiber die problematischen Ideen und Saze, die zuwerfen, begniigen wir uns unsern Lesern den Inhalt des Werkchens
wir ausgezeichnet haben, weitere Aufklarung mitzutheilen, und daB von nebst einigen Winken vorzulegen, die zur nahern Priifung der Frage fiih-
unsern philosophischen Lesern recht viele sich das Vergniigen verschaffen ren diirften: Ob die Metapbysik nicht wenigstens durch Hinwegraumung der
·miigen, das eine solche Schrift, als die vorliegende ist, zuverlallig selbst Materie fur ihre sinnlichen Gegenstiinde freyes Feld gewinne? Herr W. scheint
dem gewahren mull, der sich gerade in der Hauptsache von des Hrn Verf. wenigstens dieser Meynung zu seyn. In der Einleitung tclgt er die bekann-
Meynung nicht iiberzeugt fiihlt. ten Beweise von der Einfachheit der letzten Bestandtheile der Materie aus
der Unmiiglichkeit einer Theilung ins Unendliche, und von der Einfach-
heit der Seele aus der Einheit des Bewulltseyns vor, und geht endlich von
E Kant
inen Beweis, wie ausserordentlich jetzt aile Schriften, die sich auf
beziehen, abgehen, gibt des Hrn. M. Schmidts Lehrbuch der
Kritik der r. V. Dieses kaum ein Jahr alte Buch hat sich schon fast ganzlich
der kiinftig zu beweisenden Idealitat [314] aller Ausdehnung und Zusam-
mensetzung zum eigent!ichen Idealismus tiber, an dem er nicht nur das
sicherste Gegenmittel wider den trostlosen Materialismus, sondern auch
646 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 4. August 1787 Weishaupt Uber Materialism us und Idealism us 647
die Aufliisung aller der Schwierigkeiten entdeckt zu haben glaubt, mit wei- gezeigten Priimissen (S. 39 .): ,Dall es auch noch auller uns Wesen und
chen die Vernunft auller dem Gebiete der Sinnlichkeit zu kampfen hat. K.riifte gebe, die uns aber in sich unbekannt, nur durch ihre Wirkungen er-
Wir mlissen hier manche scharfsinnige Bemerkung iiber die scheinbare scheinen, und nach Verschiedenheit der Receptivitiit des empfindenden
Paradoxie, die richtige Anwendung, und praktischen Vortheile eines Subjects sich verschiedentlich offenbaren, und also die Gegenstiinde auller
Systemes, welches aile Gegenstiinde der Sinne fiir blofte Erscheinungen er· uns auf keine Weise unsre blollen Gedanken seyn." (S. 44.) .Dall Kiirper,
kldrt, iibergehen, urn zu der Abhandlung oder vielmehr zur Sache selbst Materie, Ausdehnung als solche betrachtet, so wie auch unsre Organisation
zu kommen. Da die Voraussetzung, (S. 33.) daft wir aile unsre Begrijfe bloft (S. 45.) als solche, nur Erscheinungen seyn, die Organisation an und fiir
allein durch die Sinne erhalten, und daft mit jeder Verdnderung und Modifi- sich nichts weiter bedeute, als die uns unbekannte Receptivitiit unsrer Vor-
cation der Sinne uns die ~It samt ihren Theilen ganz anders erscheine, die stellungskraft." (S. 47.) .Dall die Verschiedenheit der uns unbekannten,"
ganze Grundlage ausmacht, worauf der Verf. sein Idealistisches System (sol! vermuthlich heissen bekannten} .Organisationen ihren grollen Zwek
gebaut hat, so mull es allerdings befremden, dall er diese heiden Siitze als und Nutzen babe, indem sie uns dienen, die hOhere Wahrheit zu finden,
ausgemacht annimmt, und ohne die geringste Eriirterung aufstellt. Die Be- das heillt, jene, welche nicht durch eine, sondern mehrere uns bekannte
hauptungen, .dall ein Bewohner des Mondes und des Saturns ganz andere Organisationen bestiitigt wird." (S. 49) .Dall jede Organisation ihre indivi-
Sinne, folglich auch ganz andere Vorstellungen haben mlisse, - dall mit duelle, ihr nur allein eigene Wahrheit habe, die zwar nicht die hochste allge-
Abiinderung unsrer Empfindungen sich auch die abstracten Begriffe, Ver- meine Wahrheit, aber doch auch nicht Falschheit und Irrthum ist, weil
stand und Vemunft, iindern miissen," und dergleichen unbestimmte Aulle- sich solche durch andere Organisationen nicht bestiitiget; dall aile unsere
rungen mehr, die im Gefolge jener Hauptsiitze vorkommen, helfen hier gemeine Wahrheit nur auf diese von unsren Sinnen abgezogene Priimissen
dem Bediirfnisse des Beweises und der Eriirterung so wenig ab, das sie das- sich griinde, und in so fern Wahrheit sey - Andert man aber die Organe, so
selbe vielmehr augenscheinlich vergriillern. Nichtsdestoweniger wird die fiil!t das Individuelle, das Eigene hinweg; ein neues Individuelles tritt an
ganze Articulation des Systemes ohne weitere Induction als eine Reihe von die Stelle des vorigen, und dann nichts von dem allen, was vorher war;
Schliillen vorgetragen, die mit logischer Ordnung und Genauigkeit aus obi- eine andere Welt!" Wir iibergehen aile bieber gehiirigen Schliisse oder
g,; Prdmissen folgen sollen. Wir heben aus diesen Schllissen nur diejenigen eigentlicher, Vermuthungen, iiber das Daseyn und die Beschaffenheiten der
aus, die uns den Idealismus des Verfassers am bestimmtesten zu charakteri- kiinftigen ~!ten, die der Verfasser mit der ibm eigenen Energie und Be-
siren scheinen. Es wird also aus den angefuhrten Voraussetzungen gefol- redsamkeit vortriigt, und fiihren nur noch das Wesentlichste von der Theo-
gert: .(S. 34.) Dall die Erde sowohl als aile iibrigen Theile der Welt, an und rie der Wahrheit unsrer Erkenntnisse an, die nebst ihrer scharfsinnig aus-
fur sich das nicht seyen, was sie uns erscheinen, dall aber mit dem allen gefuhrten Anwendung auf die Grundwahrheiten der Religion und der
unser meistes Wissen" (also doch nicht alles?) .auf diese Voraussetzung Moral den iibrigen Inhalt des Werkchens ausmacht. S. 74 heillt es: .Es
gebaut und in so fern irrig sey. - (S. 35.) Dall es uns unmiiglich sey, der- mull nothwendig eine zweyfache [316] Wahrheit geben; eine, welche an-
malen schon ins Inne{315]re der Wesen einzudringen, die Entstehungsart zeigt, was an der Sache selbst ist, das Objective, Absolute der Wesen, der
der Welt und ihrer Grundtheile zu entdecken, - (S. 37.) dall jeder Mensch K.riifte auller uns. Diese Wahrheit heillt absolute Wahrheit. Eine andere,
bey jedem Zustande seiner Organisation recht empfinde, weil er die Gegen- welche die Wirkung anzeigt, welche dieses innere objective bey diesen so
stiinde jederzeit sieht, wie es seine Receptivitiit zuliillt. - Es ist wahr," setzt organisirten Wesen gemiill ihrer Receptivitiit hervorbringt, und diese letz-
der Verfasser in einer Anmerkung hinzu, .die Sinne zeigen uns das lnnere tere ist nicht absolut, sie ist relativ. - Sie ist fur uns so vie! als Wirklich-
der Wesen nicht, aber sie zeigen uns (NB.) dies Innere auf die einzige Art, keit, Realitat; - doch ist von ihr nichts ausgemacht wahr als: dall
die unsre Empfanglichkeit leidet." So sehr und so unangenehm dieser Wi- unsichtbare auller uns befindliche Kriifte bey so organisirten Wesen unter
derspruch in die Augen springt, so unvermeidlich war er dem Verfasser, dieser Lage und U mstiinden so erscheinen, um bey und unter einer andern
nachdem er einmal die Sinnen zu den einzigen Quellen aller unsrer Be- anders zu erscheinen." Ob diese ausgemachte Wahrheit unter die absoluten
griffe gemacht hat, und doch dabey nicht zugeben kann und will, dall aile gehiire, hat uns der V. nicht gesagt; aber das hat er uns mehr als einmal
unsre Begriffe und die Gegenstiinde derselben aufter uns ein bloller Schein gesagt, und es folgt auch nothwendig aus den von ibm zum Grunde geleg-
wiiren. Denner schliellt sogar (wir sehen freylich nicht wie) aus seinen an- ten Priimissen, dall es fur den menschlichen Verstand durchaus keine ande-
648 ALLGEMEINE L!TERATUR-ZEITUNG- 4. August 1787 Weishaupt iiber Materialism us und Idealism us 649
re als relative Wahrheiten geben kiinne. Diese Wahrheiten werden S. 90 fol- erstrecken, als die Veranderlichkeit der Organisationen, oder die Anoma-
genderm:illen classificirt: "1) Diejenigen, welche durch gewisse Anomalien lien und Sonderbarkeiten der menschlichen Empfindungswerkzeuge rei-
und Abweichungen durch eigene seltnere Organisationen erkannt werden, chen; und so behielten wenigstens aile Grundeigenschaften der Sinnenwe-
2) die, welche mit der allgemeinen menschlichen Art zu empfinden be- sen (Lake's qualitates primariae) ihre Realitiit. Wirklich sind auch gerade
statiget werden, und endlich 3) die, in welchen aile allgemeinen, und be- diese Eigenschaften diejenigen, woriiber aile allgemeinen und besondern uns
sondern uns bekannten Organisationen iibereinkommen." Die letzte Art bekannten Organisationen ubereinstimmen. Sie erfiillen also von dieser Sei-
relativer Wahrheit nennt der Verfasser (S. 88.) in Ermanglung eines andern te die Bedingung, welche der Verf. fiir eine Wahrheit fodert, urn sie wenig-
Wortes, wei! sie fiir uns die hiichste ist, ontologische Wahrheit. S. 93. wer- stens in die Klasse der ontologischen, der Grundlage unsers Wissens u. s. w.
den einige dieser Wahrheiten als Beyspiele angefiihrt, unter welchen die zu setzen. Werden diese Eigenschaften nicht von ebendenselben Organisa·
Satze: "1) daB etwas sey, 2) da£ Ich sey, wirke, 3) daB ich nicht allezeit der- tionen bestatiget, aus welcher der Verfasser aile unsre Begriffe herleitet, auf
selbige sey, daB ich verandert werde, 4) daB auch Dinge auBer mir wirk- die er so gar Verstand und Vernunft griindet? Was sollten also die Ver-
lich seyn, 5) daB diese Dinge nicht einerley seyn" u. s. w. vorkommen. nunftwahrheiten vor jenen Sinnenwahrheiten voraus haben? Die mogliche
Ohne diese Beyspiele wiirden wir schwerlich errathen haben, was der Ver- Bestatigung durch habere Organisationen? Allein durch welche Begriffi will
fasser unter jenen ontologischen Wahrheiten verstanden wissen wollte, die sich der Verfasser andere Organisationen als die menschliche denken, da
er S. 92. die Grundlage unsers Wissens, das Rectificatorium unsrer Sinne und aile unsre Begriffe, seiner Behauptung nach, nur in Beziehung auf die uns
alter unsrer (?} Erscheinungen, das untriigliche Kennzeichen, ob etwas nur bekannten Organisationen, Wahrheit haben konnen? Auch schrankt sich
blofle Erscheinung sey u. s. w. nennt, ungeachtet er sie sammt und sanders die angefiihrte Classification der relativen (und nach dem Sinne des Verfas-
von den Sinnen ableitet, und nur durch das iibereinstimmende ZeugniB, sers aller fiir uns Menschen moglichen) Wahrheiten lediglich auf sinnliche
das sie von allen allgemeinen und besondern bekannten Organisationen VOrstellungen ein. Dasjenige, woriiber aile uns bekannten Organisationen
erhalten, gelten laBt. ubereinstimmen, kann schlechterdings nicht mehr und nicht weniger seyn
So vie! wir von dem Systeme des Verf. urtheilen konnen, welches uns als Erscheinung, Stoff, den die Sinnlichkeit zwar liefern, aber nicht verglei-
der etwas unsystematische Vortrag desselben allerdings schwer gemacht chen, und ordnen kann. Obereinstimmung unter Erscheinungen laBt sich
hat; so scheint es uns hauptsachlich darauf angelegt zu seyn, die Materi.e also nicht von Organisationen, die nichts denken konnen, noch den Ge-
aus der Verstandswelt wegzuschaffen, ohne sich darum an den Dingen genstanden auBer uns, die selbst nur gedacht werden, herleiten, sondern
aufler uns, die der Verf. mit den Dingen an sich selbst verwechselt, zu ver- setzt Verstand und folglich auch Verstandesbegriffe, voraus, Begriffe, die
greifen. Urn also diese Dinge aufler uns nicht fiir Erscheinungen, (die er von ihre Wahrheit keinesweges von den Erscheinungen, sondern von denen
Schein und Tiiuschung nicht genug unterscheidet,) annehmen zu miissen, vielmehr die Erscheinungen, in so ferne sie in der Erfahrung vorkommen,
griindet er seinen Idealis{317]mus lediglich auf die Veriinderlichkeit der Or· ihre (318] Wahrheit erhalten. lst endlich nicht unsre Organisation selbst,
ganisationen, wobey den Dingen auBer uns ihre Realitiit unbenommen nach des Verf. eigener Behauptung, Erscheinung? und gehiirt sie daher
bleibt, aber auch der Idealismus auf die alte Lehre der eleatischen und ande- nicht selbst unter die Gegenstiinde aufter uns, die durch ihre Einwirkung auf
rer griechischen Schulen von der sinnlichen ErkenntniB zuriickgefiihrt unsre Receptivitiit erscheinen? Sie muB also von dieser Receptivitiit wesent-
wird, und folglich aufhort ldealismus zu seyn. DaB aber der Verfasser kei- lich verschieden seyn, ungeachtet in eben dem §., wo sie fiir Erscheinung
ne andere Grundlage seines Lehrgebaudes gewahlt habe, erhellt unter erklart wird, die Behauptung vorkiimmt, da£ sie nichts weiter ware als
andern aus seiner S. 39 unternommenen Widerlegung des Egoismus, wo diese unbekannte Receptivitiit unsrer VOrstellungskraft, eine Behauptung,
ausdriicklich gesagt wird: "Der Idealismus entsteht aus dem VOrdersatze: die durch eine andere darauffolgende, welche die Organisation fiir die Ge-
Mit veriinderten Sinnen empfinde ich dense/ben Gegenstand auf eine andere genstiinde aufter uns, die uns die niichsten sind, ausgiebt, genugsam widerlegt
Art." Willer sich also nicht eben desselben Fehlschlusses schuldig machen, wird. Diese Receptivitiit also, die keinesweges etwas unbekanntes, sondern
den er daselbst an dem Egoisten riigt, nemlich, "daB dieser mehr folgere als das Vermiigen von Eindriicken afficirt zu werden, oder die Sinnlichkeit
in seinem Vordersatze enthalten ist," so darf und kann sich sein Idealism us, selbst, ist, muB bey jeder Erscheinung vorausgesetzt werden, macht zu-
und die aus demselben gefolgerte Relativitiit der Wahrheiten nicht weiter gleich mit dem Verstande und der Vernunft die wesentliche Einrichtung
650 9leue ~eip;iger \BdeQrte 3eltungen - 11. August 1787 .ltant1i \fritif ber reinen 'Bernun~ <2. Q!ufl.l 651
unsers ErkenntniBvermOgens aus, und enthiilt, mit ihnen zusammenge- woraus die Mifldeutungen mancher Beurtheiler seines Werks entsprungen
nommen, die Bedingungen, ohne die weder Erscheinungen, noch Begriffe seyn mochten. In den Behauptungen selbst, und deren Beweisgriinden, in
miiglich waren. Diesen Bedingungen oder vielmehr den Vorstellungen, in der Form und in dem Plane habe er nichts zu andern gefunden; nur in der
welche sie sich auflOsen lassen, kOmmt, insofern sie Erscheinungen, Ver- Darstellung (und diefl werden die meisten seiner Leser auch noch jetzt sa-
kniipfung unter denselben, und alles Denken iiberhaupt miiglich machen, gen) sey noch viel zu thun, und von dieser Seite habe er in di.eser zweyten
diejenige Nothwendigkeit zu, welche sowohl der Evidenz der Erfahrung als Auflage Verbesserungen gesucht, die dem Miflverstande der Asthetik, vor-
auch der apodiktischen Uberzeugung zum Grunde liegt. Die Tbeorie des nehmlich dem im Begriffe von der Zeit, der Dunkelheit in der Deduction
ErkenntnifSvermogens, die sich aus diesen Vordersatzen ergiebt, kann frey- der Verstandesbegriffe, dem vermeintlichen Mangel einer genugsamen Evi-
lich auch Idealismus heiflen, in so ferne sie uns die Erkenntnifl der Dinge denz in Beweisen der Grundsatze des reinen Verstandes, den Mifldeutun-
an sich selbst abspricht. Sie widerlegt aber jeden andern Idealismus, der von gen der rationalen Psychologic und den vorgeriickten Paralogismen in der-
jenem angemafleten Erkenntnisse ausgeht, oder auf dieselbe zuriickfiihrt, selben, abhelfen sollten. Aber diese Abanderungen in der Darstellungsart
und, urn die Wirklichkeit der Materie zu bestreiten, geniithiget ist, entwe- gehen bios bis zum Ende des ersten Hauptsriicks der transscendentalen
der alle Dinge aufler uns zu leugnen, oder blofle Gedanken in uns zu Ge- Dialektik. Eigentliche Vermehrungen, doch nur in der Beweisart, hat das
genstanden aufler uns umzuschaffen. Indem sie endlich den Spiritualismus Werk durch eine neue (1490] Widerlegung des psychologischen Idealism
sowohl als den Materialismus eben derselben Anmaflung iiberfiihrt, stellt erhalten. Auf die Erinnerungen die Hrn. Kant bey der erstern Auflage ge-
sie die Lehre von der Freyheit und Unsterblichkeit nicht nur wider alle Ge- macht worden sind, hat er, doch ohne die Schriften, und die Nahmen der
genbeweise der Materialisten sicher, sondern iiberhebt sie auch aller der Autoren zu nennen, an schicklichen Stellen geantwortet. Urn das Buch
schwankenden Beweise, durch welche sie bisher von den Spiritualisten viel- nicht voluminOs werden zu lassen, hat er verschiedene Theorien der er-
mehr den AngriHen ihrer Gegner ausgesetzt als vertheidiget worden sind, stern Auflage abkiirzen miissen, damit die Verbesserungen an deren Stelle
mit einem Worte, sie verschafft den Grundwahrheiten der Religion und angebracht werden konnten. Mit dankbarem Vergniigen versichert er
der Moral diejenige Schutzwehre, die unser edle Verfasser mit riihmlichen, wahrgenommen zu haben, daB der Geist der Griindlichkeit, bey allen Mo-
aber unsrer Uberzeugung nach vergeblichem, Bestreben bey dem empiri- deschwatzereyen, in Deutschland noch nicht ganz erstorben, sondern nur
schen Idealismus gesucht hat. durch den Modeton auf kurze Zeit iiberschrien worden sey. Rec. gesteht
Durch diese wider die in gegenwartigem Buche vorgetragene Theorie das nehmliche, und wiinscht von ganzem Herzen, daB dieser Geist Hinger
hier kurz entwickelten Bedenken hoffen wir unsre neuliche Behauptung wirken miige, als man es aus mehr als einem Grunde hoffen kann. Auf
(s. A. L. Z. d. J. N. 170. S. 143.) bestarkt und erwiesen zu haben, dafl Streitigkeiten wird sich Hr. Kant nicht einlassen, aber auf alle Winke auf-
diese Lehre, eben wei! sie nicht iiber alle Zweifel erhaben seyn kann, (319] merksam seyn, urn sie in der kiinftigen Ausfiihrung des Systems dieser
keinesweges als Grundstein der Moral zu brauchen ist, und also auch Propadeutik zu benutzen. Erlautert und vertheidigt ist, unter andern, die
ebendeswegen nicht als Grundstein des ganzen llluminatensystems hatte Theorie iiber die Natur der analytischen und synthetischen Satze. Herr
gebraucht werden sollen, da ohnehin dieses, wie jene, sie sehr Ieicht hatte Kant behauptet noch immer (vermuthlich gegen die Tiedemannischen
entbehren kiinnen. Einwendungen. In den Hessischen Beytragen Sriick I. S. 113.): zum Bey-
spiel der Satz: 7 + 5 ~ 12 sey synthetisch; aber Rec. ist noch immer fiir die
entgegengesetzte Behauptung. Herr Kant bestimmt S. 10. den Character
7\iga. eines analytischen Satzes mit Recht durch Identitat des Pradicats und des
Bey Hartknoch: Critik der reinen Vernunft von Immanuel Kan~ Zweyte Subjects. Nun sagt der Satz: 7 + 5 ~ 12 doch schlechterdings nichts mehr
bin und wieder verbesserte Auflage. 1787. 884 S. in gr. 8. Unsere Leser wer- und nichts weniger als: 7 mit 5 vereinigt ist dieselbe Zahl, (Idem numerus)
den hier unstreitig bios eine allgemeine Anzeige von dem erwarten, die (rfie] Zahl 12 ist, oder: 7 mit 5 vereinigt enthalt eben so vie!, dieselben
wodurch sich die zweyte Auflage der Kantischen Critik von der erstern Einheiten die die Zahl 12 enthalt. Hier ist ja nur der U nterschied der Wiir-
unterscheidet. Es war, wie Herr Kant in der Vorrede sagt, seine Absicht, ter, folglich nicht wie Herr Kant sagt Unterschied der Ideen, und folglich
der Dunkelheit und den Schwierigkeiten, so vie! moglich, abzuhelfen, evidente Identitat des Subjects und Pradicats. Der Begrif 12 wird zwar bey
652 ®ottingi(d)e Qln;elgen oon gele9rten ®ad)en - 23. August 1787 :J! e96erg tiber ba6 Q3er9iiltnip ber 2Jletap9~(if ;ur :J!eligion 653
der Combination der 7 und der 5 nicht nothwendig zugleich gedacht; aber thun hat, als auch durch den tief eindringenden Blick des Verf. fiir den
er mag vorher oder hinterher gedacht wer{l49l]den, thut bier nichts zur Denker sehr unterhaltende, Schrift. Der Titel driickt wohl die Hauptbezie-
Sache, eben so wenig als die Synthesis im Subject, denn nicht von diesem hung, aber nicht ganz den Inhalt derselben aus. Die Gleichgiiltigkeit der
ist die Frage sondern von dem Satze selbst. Zu den Erweiterungen gehort metaphysischen Dogmatik und Skepsis fiir Religion und Moral, und daher
der neue Beweis wider den Idealism S. 275 und Vorrede S. 39. Er ist kiirz- die Entbehrlichkeit und Unbilligkeit aller Vorkehrungen zur Einschran-
lich folgender: Ich bin mir meines Daseyns in der Zeit bestimmt bewufk kung der Freyheit in den metaphysischen Untersuchungen zu beweisen;
Aile Zeitbestimmung setzt etwas Beharrliches in der Wahrnehmung vor- ist die Hauptabsicht des Verf. Und damit fangt er auch an. Darauf aber
aus. Dieses Beharrliche aber kann nicht eine Anschauung in mir seyn; folgen Beleuchtungen der Spinozistischen, Leihnitzischen und Kantschen
denn aile Bestimmungsgriinde meines Daseyns, die in mir angetroffen wer- Metaphysik; welcher letztern der Verf. den Vorzug eingesteht, und in den
den kiinnen, sind Vorstellungen, und bediirfen, als solche, selbst ein von Hauptpuncten beypflichtet. Wir diirfen uns, dieses zu bestatigen, und urn
ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel der- die speculativen Griinde der Philosophie des Verf. aufs kiirzeste darzustel-
selben, mithin mein Daseyn in der Zeit, darinne sie wechseln, bestimmt len, dasjenige nur ausheben, was er selbst, als die Summe aller vorherge-
werden kiinne. Also ist die Wahrnehmung dieses Beharrlichen nur durch henden Untersuchungen, S. I 04 f. so vortragt. .Aus der Betrachtung der
ein Ding auBer mit, und nicht durch die bloBe Vorstellung eines Dinges sinnlichen Erscheinungen ergiebt sich, daB dieselbigen mit Etwas zusam-
auBer mir miiglich (wird bier nicht der Idealist Beweis fiir die Richtigkeit menhangen, was kein Gegenstand der sinnlichen Erkenntnill seyn [1340]
der Folge fordern? wird er nicht sagen: das Beharrliche der Wahrnehmung kann. Dies U nbekannte und U nbegreifliche wird durch die Idee von Din-
ist bios das Fortdauernde Wahrnehmende immaterielle Subject, kann es gen an sich, von Kraft und von einem U nendlichen Wesen ausgedriickt.
wenigstens seyn; und folglich ist die nothwendige Existenz von Dingen au- Diese Ideen aber sind gar keiner erkennbaren Bestimmungen fahig. - Diese
Ber mir, durch die obigen Vordersatze nichts weniger als demonstrirt.) Auf Ideen bezeichnen also an sich nichts, sondern sie deuten nur an, daB das
der dritten und vierten Seite, in der umgearbeiteten Theorie tiber die Er- gesamte Feld der Erscheinungen, oder der menschlichen Erkenntnill, noch
kenntnisse a priori scheint sich Herr Kant ganz evident zu widersprechen. auf Etwas ausser sich hinweise, dessen Daseyn daher nicht erkann~ son-
Hier sind seine eignen Worte, S. 4 daB es nun dergleichen nothwendige dern nur geschlossen und nothwendig vorausgesetzt werden muB." Man
und im strengsten Sinne allgemeine, mithin reine Urtheile a priori, im wird hiebey Ieicht von selbst einsehen, wie fern der Verf. die populare
menschlichen ErkenntniB wirklich gebe, ist Ieicht zu zeigen. Will man ein Theologie, die auf der Anerkennung einer Providenz, vermiige der Regel-
Beyspiel aus den Wissenschaften, so darf man nur auf aile Satze der Mathe- maBigkeit und ZweckmaBigkeit der vor uns liegenden Einrichtungen, be-
matik hinaussehen; will man ein solches aus dem gemeinsten Verstandes- ruht, ausser der Metaphysik zulassen kiinne. Und so, meynt er, lasse auch
gebrauche, so kann der Satz, daB aile Veranderung eine Ursache haben selbst das Spinozistische System diese Theologie neben sich; und kiinne so-
miisse, dazu dienen. Und S. 3 heiBt es: Eine jede Veranderung hat ihre Ur- gar an die christliche Religion angeschlossen werden. DaB Religion und
sache, ist ein Satz a priori, allein nicht rein, wei! Veranderung ein Begrif ihre Hoffnungen iiberhaupt nicht schlechterdings nothwendig seyn zur
ist, der nur aus der Erfahrung gezogen [1492] werden kann. Nach S. 4 ist Griindung der Moral, und einer erhabenen Moral; beweise die Stoische
also der Satz vom Grunde rein und nach S. 3 nicht rein. Mehrere Be- Philosophie. Unterdessen seyn sie doch bey der gemeinen Denk- undEr-
yspiele der Erweiterungen, der veranderten Darstellung und Vertheidigung ziehungsart unentbehrlich. Bey den eigenthiimlichen Grunden der Moral
werden unsre Leser bier nicht erwarten. weicht der Verf. von der Kantschen Theorie ein wenig ab. Denn ob er
gleich eine innere, absolute Moralittit der Handlungen verniinftiger Wesen
in der Vernunfimliftigkei~ Wahrheit, Denkbarkeit, oder volligen Einstim-
~erfin. migkeit der Absichten und Folgen derselben annimmt; so erkennet er
doch das Vergnugen oder VerhaltniB zur Vollkommenheit und Wohlseyn,
Bey Aug. Mylius: Ober das Verhiiltnifl der Metaphysik zur Religion. Von
fiir den Reiz oder Beweggrund, ohne welchen das Wollen des Vernunft-
A. W. Rehberg, G. Canzl. Seer: in Hannover. 1787. 175 S. Octav. Eine,
maBigen nie erfolgt. {So versteht ihn wenigstens Recens.) Es [1341] versteht
sowohl durch die Mannigfaltigkeit wichtiger Ideen, mit denen sie es zu
sich aber, daB jenes Vergniigen nicht just grobes, sinnliches Vergniigen
654 ®ottlngi(d)e ;?Jn!elgen uun ge[e~tten ®ad)en - 23. August 1787 :tiloingi(d)e gefe~tte ;?Jn!eigen - 30. August 1787 655
seyn mull; vielmehr ist es bey edlern, ausgebildeteren Seelen das Vergnli- sehr aufs Negative reducirt, der Kopf und wenigstens eine Zeitlang das
gen, welches eben jene Wahrheit oder Vernunftmalligkeit und Einstim- Herz verdorben werde? Mag es daher gleichwohl fiir einige Kiipfe un-
migkeit des Verhaltens dem Geiste an sich schon, in der blossen Vorstel- schiidlich und Bediirfnill seyn und bleiben, solchen Griibeleyen nachzu-
lung, verschaffet. - Unser bestimmteres Urtheil iiber die Schrift miissen hangen: so sollten sie doch wenigstens nicht so eigenmachtig hierinne das
wir bier auf folgende Bemerkungen einschranken. 1) Gut ware es doch Wesen der Philosophie setzen, und auf diejenigen mit Verachtung herabse-
wohl gewesen, wenn der Verf. einen recht deutlichen und genau bestimm- hen, die mit jenen Speculationen friiher fertig geworden sind, und es nun
ten Begriff von Metaphysik, nach Object und Form derselben, vorangestellt nicht fiir gut halten kiinnen, die wirkliche menschliche Erkenntnill von
hatte; da aller Streit iiber Werth und Moglichkeit der Metaphysik am Ende der Na{l343Jtur und ihren unsichtbaren Grunden erst durch unzuliissige
von diesem Begriff abhangt. Vielleicht hiitte dies ihn selbst, wenigstens Vergleichungen verachtlich zu machen, ehe man sie zur Begliickung und
einige seiner Leser, in den Urtheilen tiber verschiedene Arten von Philoso- Veredlung, oder auch nur zur Bezahmung und Leitung der Menschen an-
phen zu mildern Ausdriicken geleitet, als nun sich finden. Man kann die wenden will.
Metaphysik, die nur auf leere Worte und Titel, ohne aile Erkenntnill
hinausliiuft, und aile seichten Anspriiche auf Wissenschaft, aus innigster
Einsicht verachten. Aber eben deswegen die Erkenntnill vom Unsicht-
baren, Einfachsten und Absolutesten, wie es der Natur des menschlichen
IBotttngen.
Verstandes und den Bediirfnissen des Menschen gemiill ist, schatzen und Uber Raum und Caussalitit zur Priifung der Kantischen Philosophie von
bearbeiten. Und zwar unter dem Namen von Metaphysik; wei! nun doch ]oh. Georg Heinrich Feder. 1787. 268 S. 8. So sehr es sich auch eine gewille
einmal unter diesem Namen nach der Sache gefragt wird; und eine iiber Parthey seit einiger Zeit zum Geschaft gemacht hat, die Kantische Philoso-
den menschlichen Verstand hinausstrebende, a priori synthetisch demon- phic mit Iauter Stimme und in vollen ChOren anzupreisen, als ob Kants
strative, Metaphysik nichts als ein Gewebe sinnloser Worte seyn kann. Einsichten der einzige Maasstab von Wahrheiten und Kants Kritik das
2) Erkenntnift und unmittelbare Anschauung, sinnliche Erscheinung, sind langsterwartete Heil ware, das in die Welt hat kommen sollen, und so ge-
also auch in der Philosophie unsers Verf. einerley. Ideen, die sich auf, den wagt das Unternehmen schien, das angebetete Konigsbergische Idol anzu-
Grundsiitzen unsers Verstandes gemiille, Schliisse (1342] beziehen, sind, greifen: so wahrscheinlich liell sich doch immer im Voraus vermuthen,
wei! es keine Erkenntnisse der unmittelbaren Anschauung sind, Begriffe dall die entgegenwirckenden Krafte sich allmahlich verstarcken, und dall
von Dingen, nach dem, was wir, verm6ge ihrer Verhaltnisse zu uns, von die Periode des stillen oder Iauten Anstaunens und der ehrfurchtsvollen
ihren Wirkungen erkennen, [wufl sind [afso], wei! sie nicht das absolut Ob- Bewunderung endlich einmal der Periode der niichternen, unpartheyi-
jective derselben enthalten, gar keine Erkenntnift von dem Wesen und den schen und vollstandigen Priifung des Kantischen Systems Plaz machen
Kriiften der Dinge. lst diese Theorie den Grundbegriffen von Wahrheit werde. Dall diese Periode wircklich angefangen babe, beweisen unlaugbar
und rechtem Gebrauche des Menschenverstandes gemiill? 3) Die Lehre die in der lezten Melle erschienenen antikantischen Schriften. Die erste
von der besten Welt greift der Verf., als der Moral schiidlich, an; wie von [555] derselben ist die vorliegende von Hrn Hofrath Feder, die wir mit de-
dessen Scharfsinn der Rec. es nicht erwartet hatte. Was dieser im dritten sto griillerem Vergniigen anzeigen, da sie sich nicht nur durch den ihrem
Theile seiner Untersuchungen iiber den Menschlichen Willen §. 32. dar- Hrn Verf. eigenen Ton von Bescheidenheit und Miilligung, der gegen den
tiber beygebracht hat, scheint ibm wenigstens diesen Einwurf viillig zu Kantischpolemischen Ton einen sehr mercklichen Abstich macht, son-
heben. 4) Wenn Religion und populiire Theologie auch nur ausserhalb der, dern auch durch trefliche Bemerckungen iiber ihren Gegenstand sehr vor-
wirklich vorhandenen oder eingebildeten, Wissenschaft von Metaphysik theilhaft auszeichnet. Schon die Vorrede entha!t einige bemerckenswerthe
gelten und bestehen sollen: kann es denn doch gut seyn, metaphysische historische Wincke, die von denen besonders beherzigt zu werden verdie-
Dogmatiken, wie z. E. die Spinozistische, als Meisterstiicke acht-philoso- nen, die sich einbilden, Kant babe in seiner Kritik eine ganz neue Willen-
phischer Kiipfe zu bewundern und aufzustellen? Streitet es nicht gegen die schaft gelehrt, von der man vor ibm gar keinen Begrif gehabt babe. Die
Erfahrung aller Zeiten, wenn man behaupten will, dall nicht vie/en durch Abhandlung selbst begreift zwo Hauptuntersuchungen in sich. Die erste,
die Achtung fiir solch eine Art von Metaphysik, und ware sie auch noch so die den lnhalt des ersten Hauptstiicks ausmacht, beschaftigt sich mit den
656 ~tibingi[d)e gele9rte ~njelgen - 30. August 1787 8eber tiber ~aum unb Q:auffa!itiit 657
lezten Griinden menschlicher Erkenntnill vom Raum und von der Kor- vorausseze; es gebe eine wahre Erfahrung) hinzusezen liellen, vollkommen
perwelt, und enthalt theils eine scharfsinnige Priifung und Bestreitung der von der Unzulanglichkeit der Kantischen Ableitung iiberzeugt. Auch
Griinde, auf die sich Kants Meynung vom Raum stiizt, theils eine genaue stimmt er mit dem Hrn Verf. darinn iiberein, dall der Begrif von Ur-
Entwicklung der vornehmsten Beweise, durch die sich die antikantische sache (wenigstens als Allgemeinbegrif betrachtet,) empirischen Ursprungs
und antiidealistische Vorstellungsart wahrscheinlich machen lallt. Von den sey, dall die Realitat desselben sich in einem gewillen Sinn nur aus der Er-
lezteren verdient vorziiglich der bemerckt zu werden, der (S. 57 ff.) von fahrung ableiten lasse, und dall der Grundsaz der Caussalitat auch ausser-
den Beobachtungen hergenommen wird, die man bey Blindgebohrnen ge- halb des Feldes der Erscheinungen als giiltig angenommen werden miille.
macht hat. Freylich gibt auch dieser Beweill, so wie die iibrigen von dem Nur ist er nicht im Stande einzusehen, wie die S. 161 f. vorkommenden
Hrn Verf. angefuhrten, keine apodiktische Gewillheit. Aber auf apodikti- Bemerckungen hinreichend seyn sollen, urn die Realitat des Begrifs von
sche Gewiilheit thut Hr F. selbst Verzicht; und darauf mull wohl auch ge- Abhiingigkeit oder vom Grund und Gegriindeten aus der Erfahrung zu
genwartig noch bey dieser ganzen Untersuchung Verzicht gethan werden. erweisen, wei! es ibm scheint, als ob Abhiingigkeit gar kein Gegenstand
Gegen Kant, der iiberall auf eine solche Gewillheit Anspruch macht, ist moglicher Erfahrung sey. Auch kan er, zum Theil aus demselben Grunde,
immerhin schon vie! gewonnen, wenn man nur diell zeigen kan, dall die dem Hrn Verf. nicht folgen, wenn dieser S. 176 ff. die Allgemeinheit des
Griinde, [556] die er fur seine eigene Hypothese anfuhrt, zu einem stren- Grundsazes der Caussalitat bios aus der Analogie der Erfahrung ableitet.
gen Beweise bey weitem nicht hinreichen; dall es an wahrscheinlichen Denn so gerne er auch Hrn F. zugibt, dall dieses Principium sich nicht,
Griinden fur die entgegengesezte Meynung nicht fehle, und dall endlich wie Wolf und andere glaubten, auf den Grundsaz des Widerspruchs
die Kantischen Behauptungen in Absicht auf Raum und Korperwelt mit zuriickfiihren lalle; so glaubt er doch, dall der erstere, so wie der leztere, a
sich selbst nicht ganz iibereinstimmen; und diell hat der Hr Verf. wirck- priori d. h. aus einem nothwendigen Denckgesez, das bey allen verniinfti-
lich gezeigt, wenn schon vielleicht die Antworten, die er den Kantischen gen Wesen statt finden muB, deducirt werden mliBe, und daB eben daraus,
Einwendungen gegen den em pirischen U rsprung des Begrifs von Raum die Nothwendigkeit jener Grundsaze entspringe, die sich auf keine wahr-
entgegen stellt, nicht aile gleich genugthuend seyn m6gen. Aber freylich scheinliche Art (vergl. Tetens philosophische Versuche iiber die mensch-
wiirde noch mehr gegen Kant gewonnen seyn, wenn sich irgend eine be- liche Natur I. Band S. 504.) [558] aus der Erfahrung erklaren lallt. Gegen
stimmte Ableitung des Begrifs von Raum aus empirischem Stoff zu einem Kant wiirde Rec. noch die Bemerckung hinzusezen, dall sich aus Kants
gewiilen Grade von Wahrscheinlichkeit bringen lielle. Dall Hr F. keinen Kritik selbst - also aus derselbigen Schrift, in welcher die Einschriinkung
Versuch von der Art in gegenwartiger Schrift darlegen wollte; diell glau- des Begrifs und des Grundsazes von zureichendem Grunde auf Erschei-
ben wir vorziiglich auf die Rechnung seiner philosophischen Bescheiden- nungen so nachdriicklich behauptet wird, auch die weitere Ausdehnung
heit, die auch aus dieser Schrift so unverkennbar hervorleuchtet, sezen jenes Begrifs und Grundsazes erweisen lalle - Von der allgemeinen Unter-
zu mullen. In dem II. Hauptstiick wird zuerst eine allgemeine Untersu- suchung iiber den Begrif und Grundsaz der Caussalitat geht der Hr Hofr.
chung iiber den Begriff und Grundsaz der Caussalitat angestellt. Bekann- zur Grundlegung der natiirlichen Theologie iiber, und zeigt in gedrangter
termallen halt Kant den Begrif von Ursache, so wie andere Categorien, fur Kiirze auf eine sehr einleuchtende Art, dall wir hinreichende Vernunft-
einen nicht-empirischen Begrif, und schranckt den Grundsaz: Nichts ent· griinde haben, nicht nur eine erste und absolutnothwendige, sondern auch
steht ohne Ursache, bloll auf Erscheinungen oder auf die Sinnenwelt ein, eine verstiindige und giitige U rsache der Welt anzunehmen, und dall man
wei! er annimmt, dall die Giiltigkeit dellelben bloB darauf beruhe, dall also nicht nothig habe, die Oberzeugung vom Daseyn Gottes auf einen
durch denselben Erfahrung allererst m6glich gemacht werde. Hr F. hin- blinden Vernunft- und Erkenntnillleeren Glauben, auf einen Glauben,
gegen, deBen Philosophie iiberhaupt Antipode von der Kantischen ist, be- den man einem verniinftigen Wesen nicht wohl zumuthen kan, zuriick zu
hauptet den empirischen Ursprung des Begrifs von Ursache, leitet das fuhren. Den Beschlull machen einige lesenswerthe Bemerckungen iiber
Principium der Caussalitat durch Hiilfe der Analogie a posteriori ab, und Kants moralisch-theologische Deduction, iiber die verschiedene Griinde
laugnet die Einschranckung dellelben auf den Er{557]fahrungsgebrauch. des Atheismus, und iiber Glauben und Willen iiberhaupt und in Sachen
Rec. ist durch die Griinde, die S. 136 ff. angefiihrt werden, und zu denen der Religion.
sich wohl auch noch ein paar andere (z. B. dall die Kantische Deduction
658 2JITgemeine beut[d)e iBibliot~et - Herbst 1787 ®d) mIb 6 \l:titif bet utnen 'llernun~ im l!lmnbtiffe 659
taphysik der Sitten- und Moraltheologie, und uberhaupt alles, was Hr. K. zwar der sinnlichen, existirt, Gegenstand und Erscheinung oder Anschau-
statt des Niedergerissenen wieder auffiihret, gebauet ist; aber er gehet Ieise ung, alles das namliche, Original und Kopey zugleich ist, folglich auch der
dariiber weg, und lallt sich in die Erorterungen nicht ein, wie derselbige oft vorkommende Ausdruck: Vorstellungen, die sich auf einen Gegenstand
Mensch beyde Arten von Freyheit, die practische und die transcendentale, beziehen, weiter niches andeutet, als Anschauungen in Raum und Zeit, von
jene als Phanomen, und diese, als Ding an sich selbst, zugleich habe und denen es uns vork6mmt, als wenn sie sich auf irgend einen von unsrer
iiben konne. Und doch hatte er es billig thun sollen, wei! es sonst nicht Vorstellung unabhangig, und fiir sich existirenden Gegenstand beziehen,
deutlich zu machen ist, wie die beyden Satze: der Mensch hat eine tran- obgleich auBer unsrer Vorstellung ein solcher Gegenstand nirgends vor-
scendentale Freyheit; und er hat keine transc. Freyheit, zugleich wahr seyn handen ist; so miissen nun auch aile Verschiedenheiten der sogenannten
konnen, mithin diese Antinomie nicht aufgeloset wird, indem die Anmer- Objecte subjectivisch, d. i. nach innern Unterscheidungsmerkmalen er-
kung des Verf., ,daB, wofern Erscheinungen Dinge an sich selbst, und klart und bezeichnet werden, dies gilt insonderheit auch von dem wich-
nicht bios Vorstellungen sind, denen eine fremdartige, intelligible Ursache tigen Unterschiede, da uns die Objecte bald in Ruhe, bald in Bewegung,
zum Grunde liegen kann, sich die Freyheit mit dem Gesetz der Caussali- bald als bios coexistirend, bald als entstehend, bald als Substanzen, bald
tat nicht verbinden lasse," zu dieser Auflosung keinesweges hinreicht. als Begebenheiten erscheinen. Den subjectiven Grund, den die Critik von
Wenn man nun wahrnimmt, daB diese und die iibrigen Antinomien ganz dieser U nterscheidung angiebt, faBt der Verf. in diesen Worten zusammen:
eigentlich zur Demiithigung und Niederschlagung der dogmatisirenden ,Da die Erscheinungen nichts weiter sind, als Inbegriffe der successiv
Metaphysik aufgestellt werden, so wie die Auflosung derselben der Stolz apprehendirten Vor{491]stellungen, so scheint daraus zu folgen, daB die
und der Triumph der Critik seyn soli, so entzieht man dieser letztern successive Succession in der Apprehension auch jederzeit den Erscheinun-
einen wichtigen Bestatigungsgrund, wenn man diese Auflosung nicht auf gen an sich selbst objectiv zukommen miisse, daB also z. B. das Mannigfal-
eine genugthuende Art zeigt - oder sollte sich dies etwa gar nicht zeigen tige einer angeschaueten Gegend selbst successiv sey - Wir tragen aber nur
lassen? Alsdann hatte die Critik fUr der gewohnlichen Metaphysik wenig in gewissen Fallen, z. B. bey dem Flug eines Vogels, die Succession unsrer
mehr voraus, als daB sie diese und die iibrigen Antinomien nur in einem Vorstellungen auf das Object iiber, in andern aber nicht. Was berechtigt
[490] auffallenderem Lichte dargestellt hatte. Die erste Antinomie hin- den Verstand zu dieser Unterscheidung? Die Vorstellungen der Appercep-
gegen, den Raum betreffend, !Oset der Leibnitzianer eben so auf, wie Hr. tion unterscheiden wir von der Erscheinung als ihrem Objecte, wenn wir
K., und wenn es ihm bey der zweyten, die Zeit betreffend, nicht gluckt, uns eine Verbindungsart in der Apprehension: als nothwendig, d. h. als
von derselben durch Reducirung auf blossen Schein eine eben so leichte durch eine Regel als eine allgemeine Bedingung bestimmt vorstellen. Das-
Auflosung zu geben, so muB er seine Entschuldigung darin suchen, daB in jenige, was da macht, daB das Mannichfaltige nur auf diese Weise appre-
dieser zweyten Antinomie das Objective und Wahre, eben so das Subjecti- hendirt werden kann, {die Regel) gilt fiir den Gegenstand. Wenn nun die
ve und den Schein iiberwiegt, als in der ersten der Schein das Wahre Folge der Vorstellung durch keine Regel bestimmt ist, so ist sie bios etwas
iiberwiegt, und daB es ihm unmoglich ist, dies Subjective, so wenig es auch Subjectives, auch keine Erkenntnill von den Zeitverhaltnissen eines Ge-
seyn mag, vom Objectiven abzusondern. Aber, wird er denken: was ist genstandes. Ist hingegen die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen
daran gelegen, ob meine Philosophie bey der zweyten oder dritten Anti- bestimmt, mithin objectiv, so nennen wir dies eine Begebenhei~ d. h. eine
nomie scheitert, wenn doch ihrer stolzen Gegnerin bey dieser letztern das bestimmte Zeitfolge der Erscheinungen. Es geschieht alsdann etwas, d. h.
namliche Schicksal begegnet? und es muB ihr begegnen, wei! auBer dem etwas oder ein Zustand wird, der vorher nicht war. Bey Begebenheiten, d.
was ihrer Auflosung sonst entgegen stehet, die Critik diese Auflosung nur h. wenn etwas geschieht, ist die successive Folge nicht beliebig, sondern
dadurch geben kann, daB sie ihren eignen Grundsatzen entsagt, ihren nothwendig, und wird durch eine Regel bestimmt. Sie wird daher nicht
transcendentalen Idealismus mit einem transcend. Realismus, und ihren bios dem Subject, sondern zugleich dem Objecte, namlich der Erschei-
empirischen Realismus mit einem empirischen Idealismus vertauscht - nung zugeschrieben, und von ihm abgeleitet." So weit ich diese Erklarung
Amphora coepit institui, currente rota urceus exit - verstehe, scheint sie mir nicht zureichend zu seyn. Urn bey dem angefiihr-
Da es nach den Grundsatzen der Critik eigentlich gar keine auBere Ob- ten Beyspiel einer angeschaueten Gegend oder Landschaft zu bleiben, so
jecte giebt, Nichts auBer, sondern alles innerhalb unsrer Vorstellung, und konnte das Mannigfaltige derselben gerade in der Ordnung, wie es in der
662 ;l!Ugemcine beut[d)e i5ibliot~d- Herbst 1787 ®d)mibe ll:titi! betteinen Qlemun~ im 1!3tunbtiffe 663
Natur erscheint, auf verschiednen Blattern gezeichnet, und mir, vermit- Beweise fiir das Daseyn derselben, als ungegriindet, oder wenigstens als un-
telst einer Zauberlaterne mit beynahe eben der Schnelligkeit nach und hinlanglich vorgestellt, auch die Gottheit unter jene Noumenen, die fiir
nach vor den Augen vorbeygefiihret werden, womit mein Auge in der Na- uns keine Priidicate haben, sondern leere Gedankendinge sind, verwiesen
tur die ganze Landschaft durchlauft, oder falls die gezeichneten Blatter un- hatte, sich bemiihet, uns statt der uns entrissenen (493] Wissenschaft einen
beweglich nebeneinander an der Wand geheftet waren, sie durchlaufen sogenannten Vernunftglauben an eine zukiinftige Welt und an eine Gott-
wiirde. Und doch ist in dem ersten Faile Bewegung, in dem andern Ruhe; heit aus moralischen Principien wiederzugeben. Es wiirde hier zu weit-
ich trage das Successive in der Succession meiner Apprehension im ersten lauftig seyn, nur das, was unser Verf. hieriiber im Auszuge anfiihrt, herzu-
Fall, auf das Object, d. i. auf die mir nach und nach gezeigten Theile der setzen. Folgendes kann indessen von dieser Wiederaufbaute einen etwani-
Landschaft iiber, obgleich hier keine Regel die Folge des Mannigfaltigen gen Begriff.geben: .Mit der Idee eines guten Willens, oder der Autonomie
als nothwendig bestimmt; in dem andern (492] Fall aber, wenn ich diese hangt nothwendig zusammen die Idee einer moralischen Welt der verniinf-
Landschaft in der Natur oder auf Blattern, die ruhig an der Wand hangen, tigen Wesen, worin die sittlichen Gesetze allgemein befolgt wiirden, und
successiv mit meinem Blick durchlaufe, trage ich das Successive nicht auf eines Systems der Zwecke" {Reichs der Gnaden) .d. i. der systematischen
die Landschaft iiber. Es kann also, wie es scheint, der Umstand, dall wir Einheit der freyen Willkiir eines jeden mit sich selbst und mit der Freyheit
uns eine Verbindungsart als durch eine Regel nothwendig bestimmt geden- eines jeden andern in denselben. In diesem wiirden die durch sittliche
ken, bey einer Erscheinung fehlen, und wir halten sie doch fiir wandelnd Gesetze durchaus bestimmten freyen Handlungen eines jeden eine der Mo-
oder entstehend. Hingegen kann auch diese Regel wirklich wahrgenom- ralitat proportionirte allgemeine Gliickseligkeit hervorbringen; {welche
men werden, und wir tragen doch nicht immer das Successive der Appre- die Vernunft zwar nicht als Bedingung, aber doch als Folge mit dem sitt-
hension auf das Object iiber. Man nehme an, dall die Geschichte einer lichen Wohlverhalten verkniipft).• Da sich nun in der Sinnenwelt diese
Person, und ihre in ihrem Charakter, ihren Sitten und Betragen gegriindete vollkommne Proportion nicht zeigt, auch von einer Natur, die nicht
Begebenheiten nach Hogarths Manier, auf verschiednen Blattern gemahlt, zweckmiillig, d. i. von einem verstandigen Urheber und in systematischer
und diese. Blatter in dem natiirlichsten Zusammenhang, und nach der Einheit mit dem sittlichen System, oder von einer hochsten Vernunft her-
strengsten Causalverbindung an einander gereihet, an der Wand neben ein- vorgebracht und regiert wird, nicht erwarten liillt; da gleichwohl ohne
ander hingestellt werden; wird uns nun das Ganze, wenn es unser Blick Voraussetzung einer moralischen Welt die sittlichen Ideen zwar Billigung
durchlauft, als bewegt oder als ruhend, als sich entwickelnd und entste- und Bewunderung erregen, aber keinen Vorsatz der Ausiibung hervorbrin-
hend, oder als bios coexistirend, vorkommen? So groll auch immer die gen konnten, wei! sie auflerdem nicht den ganzen Zweck des verniinftigen
Tauschung des Pinsels, und die Kunst des Mahlers seyn mag; so werden Wesens erfiillen - Wiirdigkeit und Hoffnung der Gliickseligkeit: so miis-
wir doch nie das Successive in unserm Uberblick auf das Gemalde iibertra- sen wir 1) uns eine moralische Welt als eine intelligible denken, worin
gen. Es reicht also auch die strengste von uns wahrgenommene Causal- Sittlichkeit und Gliickseligkeit, der hochste Zweck mit allen Zwecken
verbindung zwischen den mannigfaltigen Theilen eines angeschaueten systematische Einheit haben wird, deren Ordnung in der Sinnenwelt ver-
Ganzen nicht zu, es fiir uns in Bewegung zu setzen, und in eine Begeben- borgen ist. 2) Diese miissen wir in Beziehung auf die gegenwiirtige Welt als
heit zu verwandeln. Es wird, wie es scheint, noch ein andrer, entweder kiinftig betrachten, d. h. die anschauende ErkenntniB jener vollkommnen
subjectiver, oder wenn dergleichen gar nicht aufzufinden ware, objectiver Harmonie erwarten. - 3) Als die einzige mogliche Bedingung der Realitiit
Grund erfordert, zu erkliiren, warum wir Bewegung und Ruhe, Begeben- einer solchen Welt miissen wir das Daseyn eines hochsten Wesens mit der
heiten und blosse Coexistenz in der sinnlichen Anschauung unterschei- vollkommensten Sittlichkeit und Seeligkeit" {Ideal des hochsten Gutes)
den. Sollte hiezu etwas nicht blos scheinbar, sondern wirklich Objectives .als hochstes Princip der sittlichen und nariirlichen Gesetze voraussetzen,
erfordert werden, so konnte denn auch die Zeit nicht mehr fiir bios sub- welches den nothwendigen Erfolg der sittlichen Gesetze bestimmt. Dieses
jective Form der Sinnlichkeit gelten, sondern miillte als etwas zugleich Urwesen mull dieser praktischnothwendigen Idee gemiill, verniinftig, hei-
auch im Objectiven gegriindetes betrachtet werden. lig u. s. w. iiberhaupt allervollkommenst seyn, wei! es sonst [494] keine
Man weill, dall Hr. Kant, nachdem er uns in Absicht auf die Erkennt- vollkommenste durchgiingige ewige Ubereinstimmung der Natur und
nill der Gottheit alles Wissen abgesprochen, und die iiblichen speculativen Freyheit hervorbringen konnte." Wie viellielle sich nicht gegen diese Mo-
•
serm St. 1. dieses Bandes S. 314 bis 324. zu ersehen ist, kein Vorurtheil einen hohen Grad von Geubtheit des Verstandes verlangen, wenn sie den
christlicher Rechtglaubigkeit wider sich hat, und ob er wohl mehr ein Ge- ]eztern nicht ganz zerriitten sollen. Bey dieser Gelegenheit kann ich nicht
schichtschreiber der Philosophie, als ein groller Philosoph ist, doch hier umhin, mich uber die Wendung, welche der philosophische Geist unsrer
ziemlich gut der sich selbst allen Unverfi.ihrten empfehlenden gesunden Nation in den lezten Jahren genommen hat, zu aullern, und zugleich vor
Menschenvernunft nachgeht. Ja wir glauben, auch fur unsere Leser besser dem Richterstuhle des unbefangenen Publicums einige Worte mit Herrn
zu thun, wenn wir ihn selbst reden lassen, als wenn wir nur erzahlen woll- Kant zu reden. Als die Kritik der reinen Vernunft zuerst erschien, sagte
ten, was er von der Kantischen Philosophie urtheile. Er findet in der Vor- ich allen denjenigen, die nachtheilige Wirkungen von diesem Werke be-
rede schon bald von den Buchern etwas zu sagen, die er besonders jungen fiirchteten, dall sie sich hieriiber nur beruhigen miichten, denn Herr Kant
Leuten zum Studium der Psychologie anpreise, und dabey stimmt er vor- habe durch die Spitzfindigkeit seiner Raisonnements und durch die Dun-
laufig den Ton wider die auf Umkehrung aller zeitherigen Philosophie ge- kelheit seiner Sprache selbst dafiir gesorgt, dall seine Schrift keinen grollen
waltthatig umgehende Kantische Kritik in diese Weise: ,Da ich uberzeugt Eindruck machen, und keinen betrachtlichen Schaden stiften konne. Ich
bin, dall die Erfahrung und Geschichte in allen Wissenschaften, auller der glaubte, dall unsere Nation von den mulligen oder verdorbenen Griechen
reinen Mathematik, die einzigen achten Erkenntnillquellen sind, so mull zur Zeit der alten Sophisten und der spatern Dialektiker, und unser Zeital-
nothwendig die Auswahl und Ordnung von Schriften, die ich jungen Weis- ter von den Jahrhunderten der Scholastiker urn so viele Grade verschieden
heitsfreunden empfehle, von derjenigen Auswahl und Ordnung abwei- sey, daB unsere Zeitgenossen unmiiglich an solchen Griibeleyen und an
chen, welche solche Manner empfehlen wiirden, denen die reine Vernunft einer solchen Sprache Wohlgefallen finden konnten, dergleichen die Grii-
oder der reine Verstand die [408] sichersten Fuhrer und Lehrer in der Welt- beleyen der Griechischen Sophisten und Dialektiker, und die Sprache der
weisheit zu seyn scheinen. Ich beneide niemanden urn die Fundgruben Scholastiker war. Nichtsdestoweniger bin ich in diesen Erwartungen zum
von Weisheit, die er in der reinen Vernunft entdeckt, und urn die Schatze, Theil betrogen wor{410]den. Kants Schriften haben in manchen iiffent-
die er durch sie gefunden zu haben glaubt; nur verarge man mir und an- lichen Lehrern der Philosophie laute Bewunderer gefunden, und haben die
dern nicht, dall auch wir unsern Uberzeugungen folgen, und zugleich in Kopfe von einer noch vie! griillern Zahl roher, oder halb gebildeter Jung-
die Fulltapfen der griillten Manner treten, welche die alte und neue Zeit linge verriickt. Die leztere Wirkung der Kantischen Schrift mull zwar
hervotgebracht hat." Wir, unsern Theils, wissen zwar bey weitem nicht einem jeden aufgekliirten Menschenfreunde vie! schmerzhafter, aber vie!
aile eben die Bucher hoch zu empfehlen, die Hrn. M. die besten zu seyn weniger unerwartet, als die erstere seyn; denn der aullerordentliche Bey-
dunken. Manche andre, die auf den gesunden Menschenverstand weit fall, womit selbst mehrere vom Publico mit Recht [fragt sich noch] ge-
besser fussen und bauen, hat er, wie man vielfach sieht, durchaus nicht schazte Schriftsteller die Kantische Philosophie aufgenommen haben,
einmal kennen Iemen wollen. Doch streiten wir hier dariiber nicht, son- zeigt entweder eine traurige U nwissenheit in der Geschichte der altern
dern lassen ihn weiter reden: .Wenn man durch das Lesen und Erwagen und neuern Sophisten und Zweifler, oder eine giinzliche Vetgessenheit
der bisher angefuhrten Bucher sein Gedachtnill mit nutzlichen Kenntnis- oder Verkennung des lezten Zwecks aller achten Weltweisheit, oder viel-
sen erfullt und seine Krafte gestarkt hat, dann kann man sich an die Werke leicht unmannliche Furcht an. Kein vernunftiger Mann wird es Hrn. Kant
eines Sextus, Berkeley, Hume und Kant ohne Gefahr wagen. Ununterrich- ubel nehmen, dall er an vielen Meinungen zweifelt, die dem griillten Theil
tete und im Denken wenig geubte Junglinge mussen die Schriften dieser der Menschen unumstiilllich zu seyn scheinen; noch weniger kann man es
Manner, besonders der beyden zulezt genannten, fliehen. Denn mit der ihm veratgen, dall er an transscendentischen Speculationen Vergnugen fm-
Bildung und Wartung des Geistes verhalt es sich eben so, wie mit der des det, oder dall es ihm eine kleine Freude macht, wenn er entscheidende
Korpers, und dieselbige Nahrung ist dem einen so wenig, als dem andern Dogmatiker etc. verwirren oder ungewill machen kann; allein dadurch hat
zu allen Zeiten heilsam. Wenn der feste Mann in den Jahren der hochsten sich Hr. Kant den Unwillen etc. gewill der meisten bescheidenen, unter-
mannlichen Starke harte Speisen und heille Weine ohne Schaden seiner richteten und gut gesinnten Denker zugewgen, dall er die reine Vernunft
Gesundheit geniellt, so darf man [409) deswegen weder die einen, noch die auch auller der reinen Mathematik als eine Quelle oder als ein Principium
andern schwachlichen Kindem geben. Eben so wenig miissen Personen, wahrer Erkenntnill annimmt, ohne ihre Wirklichkeit und Gultigkeit im
die noch Kinder am Geiste sind, solche Werke in die Hande nehmen, die geringsten bewiesen zu haben; dall [411) er ferner von den ersten Wahrhei-
668 .lt~lti[<j)e i!jc~ttiige !U~ neue~en !!Je[<j)i<j)tc be~ !!Jefe~~[amfeit - 1787 669
ten der natiirlichen Religion und der Sittenlehre als von blossen Hypothe- Vernunft abgelaugnet werden, die selbst in keiner moglichen Welt verkannt
sen spricht, die, urn mich seiner Worte zu bedienen, keine Giiltigkeit, als werden diirften. Weiter [413) fahrt Hr. M. fort: .Nachdem Hr. Kant nach
Meynungen an sich selbst, sondern nur in Beziehung auf entgegengesezte seiner Art die Griinde und Gegengriinde fiir und wider die vornehmsten
transscendente Anmaailungen haben, da er doch zugleich die willkiihr- Lehren der natiirlichen Religion gegen einander abgewogen hat, wirft er
lichsten Satze und Erklarungen, als unumstoB!iche Axiomen und ohne sich selbst die Frage auf: ob nicht das allgemeine Beste durch solche Zwei-
allen BeweiB festsezt etc. dail er sich endlich in seinen Erhebungen der rei- fel und Speculationen leiden konne? (S. 746. Kritik der reinen Vernunft.)
nen Vernunft nicht einmal gleich bleibt, sondern sie an mehrern Stellen In der Beantwortung dieser Frage, deren genauere Priifung nicht hieher ge-
fiir eben so nichtig und unzuverlaBig erklart, als wofiir er sonst die Erfah- hort, sagt er unter andern: ,Es ist gar nicht die Frage davon, was dem ge-
rung und Erfahrungskenntnisse zu erklaren pflegt. (Man sehe Kritik der meinen Besten hierunter vortheilhaft, oder nachtheilig sey, sondern nur
reinen Vernunft S. 642. und Metaphysik der Sitten. S. 126.)" Zur Erlaute- wie weit die Vernunft es wohl in ihrer von allem Interesse abstrahirenden
rung diirfen wir etwas einschieben. Es ist hier nicht der Ort, zu untersu- Speculation bringen konne, und ob man auf diese iiberhaupt etwas rech-
chen, ob das Wort rein, wenn man von reiner Mathematik, und nach nen, oder sie Iieber gegen das praktische gar aufheben miisse.' lch muB ge-
neuerm Sprachgebrauch auch von reiner Vemunft redet, beydemale in stehen, daB ich in dem ganzen Buche keine Stelle mit einer so peinlichen
ganz einerley relativem Sinn gebraucht werde. Allemal aber kann man sa- Empfindung gelesen habe, als diese. Nichtsdestoweniger habe ich von
gen, dail es ein unrichtig leitender und unphilosophisch gebildeter Sprach- Hrn. Kants Charakter eine vie! zu gute Meinung, als dail ich glauben soll-
gebrauch sey, welcher die Sinne etc. und die Vemunft einander so entgegen- te, dail es ihm gleichgiiltig seyn konnte, wenn er hort, daB bios in dem
sezt, als ob die Vemunft ohne die Sinne oder ohne die Empfindung (noch eingeschrankten Zirkel von Menschen, die ich und meine vertrautesten
nicht einmal besonders von der innern Empfindung zu reden) bestehen, Freunde genau kennen zu lernen, Gelegenheit gehabt haben, hoffnungs-
oder als ob sie fiir uns, ohne Empfindung vorauszusetzen, den geringsten volle Jiinglinge waren, die Hrn. Kants Kritik von den niitzlichen Wissen-
Vortheil gewahren konnte. Von eben diesem wunderlichen Traume aber schaften, denen sie sich widmen sollten, eine Zeitlang ganz abzog, oder de-
scheint sichs herzuschreiben, [412] daB man von reiner Vemunft, als von nen sie sogar die Ruhe ihres Gemiiths, und wahrscheinlich noch mehr, als
solcher, die gar keine Empfindung oder Erfahrung voraussetze, bearbeite diese raubte. Einer dieser Jiinglinge wurde durch die Dunkelheit, die in
und daraus folgere, zu reden angefangen hat, und sie mit Herabsetzung Hrn. Kants lezten Schriften herrscht, und [414) durch die ihm unauf-
aller Empfindung oder Erfahrung anpreisen will. Denn intellectus purus loslichen Zweifel gegen Wahrheiten, auf welche er bisher Tugend und
war sonst noch etwas anderes. Doch dem sey wie ihm wolle, so ist aufs Gliickseligkeit gegriindet hatte, so gefoltert, dail er selbst an der Wirklich-
leichteste klar, dail man nicht ohne Thorheit auch bey andern Wissen- keit seiner Empfindungen zu zweifeln anfing, und zulezt in eine formliche
schaften die Eintheilung rein und gemischt anbringen konne, wie bey der Verriicktheit verfiel. Auch Hume sagte einmal: {Essai VII. §. 2. p. 198.) Es
Mathematik, man miiBte denn einen Vortheil darin suchen, bloB mogli- ist keine gemeinere, aber auch keine verdammlichere Methode in philoso-
che oder Mondwelten zu dichten, und dann die philosophische Betrach- phischen Streitigkeiten, als eine Hypothese durch die Gefahr anzugreifen,
tung dariiber zu verbreiten. Fiir die reine Mathematik bildet die Vernunft womit sie die Religion und Sittenlehre bedrohen soli. Eine Meynung ist
die ersten Begriffe und Satze in jedem Fall willkiihrlich, ohne danach zu gewiB falsch, wenn sie zu U ngereimtheiten fiihrt, aber sie ist es niemalen
fragen, ob es wirkliche Gegenstande ganz von der Art irgendwo gebe, und deswegen, wei! ihre Folgerungen gefahrlich sind. Solche Gemeinorter
demonstrirt nun daraus andere Satze, die nur hypothetisch reel! sind d. h. solten ganzlich verbannt werden, wei! sie gar nichts zur Entdeckung der
unter der Voraussetzung reel! sind, dail es etwa und wenn es irgendwo Wahrheit beytragen, und nur personlichen Hail gegen Andersdenkende er-
wirkliche Gegenstande jener ersten Begriffe und Satze gabe. Wer nun mit wecken. - Allein eben dieser Hume auBert sich wiederum tiber den Skep-
seiner sogenannten reinen Vemunft auch iibrigens in der Philosophie eben ticismus folgender Gestalt: (Ess. XII.§. 2. p. 329.) Der wichtigste und nie-
so verfahren wollte, wiirde sich durch unniitzes Geschwatz noch tief unter derschlagendste Einwurf, den man gegen den iibertriebenen Skepticismus
aile ehemalige Sophisten erniedrigen, und was thate er gar, wenn er uns vorbringen kann, ist dieser: dail, wenn er in seiner ganzen Starke fortdau-
die Resultate solcher Untersuchungen fiir unsre Welt aufzudringen suchte? ren sollte, gar kein bestandiger Nutzen daraus erwachsen wiirde. Man
Zu geschweigen, dail dabey etwa auch manche sichre Wahrheiten der reinen braucht einen solchen Skeptiker nur zu fragen, was denn seine Absicht
670 .ffriti[lj)e :llepttiige ;ur neue~en l!le[lj)ilj)te ber l!lefepr[amfeit - 1787 671
sey, und was er durch alle seine spitzfindigen Untersuchungen zu errei- abgezogene Raisonnements tiber Zahlen oder Figuren? - Nein. - Oder
chen gedenke? Durch diese Frage - - wird der Zweifler auf einmal zum Raisonnements, die auf Erfahrung oder Geschichte gegriindet sind? -
Stillschweigen gebracht etc." Doch aber der Zweifler Hume nicht, dem Hr. Nein. Nun so werft es, wiirden wir antworten, ins Feuer, weil es nichts als
M. hiebey noch ein Lob giebt, ihm, der sich, wie zum Zeitver{415]treibe, Sophismen und Tauschungen enthalten kann. - Ich darf nicht erinnern,
auch die arge Lust gemacht hat, die Wirklichkeit Gottes weit mehr als daB Hrn. Kants Schriften keinen gefahrlichern und strengern Richter fin-
skeptisch zu bestreiten, in Gesprachen iiber die naturliche Religion, welche den wiirden, als gerade den Mann, den er sich zum Heiden oder zum Mu-
noch erst vor einigen Jahren Hr. Platner fur Deutschland gemein machte, ster gewahlt [417] hat. Ungeachtet Humens Schriften vie! mehr neue und
mit einem hinzugethanen Gesprach iiber den Atheismus, welches, ungeach- scheinbare Raisonnements enthalten und auch vie! allgemeiner gelesen
tet der angegebenen Absicht, denselben zu widerlegen, bey vielen Lesern worden sind, als die oft unverstandlichen und durchaus untibersetzbaren
gewiB eine ganz widrige Wirkung gethan hat und thut. Das von der Werke von Kant, so glaube ich doch, daB die leztern in ihrem kleinern
Schadlichkeit hergenommene Argument wider ausschweifende Lehrsatze, Wirkungskreise vie! mehr Schaden gestiftet haben, als die Humischen bey
sol! eigentlich nur den Philosophen in groBere Aufmerksamkeit setzen einer gleichen Zahl von Lesern gestiftet haben wiirden. Hume erklart
und ihn bewegen, seine vermeinten Beweisgriinde sorgfaltiger zu iiberden- namlich an mehrern Orten ausdriicklich, daB es ihm mit dem ausgelas-
ken und bedachtiger zu verfahren, da er denn etwa die Nichtigkeit seiner sensten Skepticismus, der sich in einigen seiner Untersuchungen offenba-
oder fremder Grillen noch unschwer wahrnehmen wiirde. Je nachdem re, kein rechter Ernst sey, sondern daB er vielmehr den trostlosen Specula-
aber die Art des Schadens ist, den sie nach sich ziehen, kann diese Schad- tionen, die sie enthalten, urn eines seltsamen Vergntigens willen nachhange
lich~eit auch einen richtigen Gegenbeweis abgeben. Es ist z. B. gewiB, daB etc. [Wenn er das fur sich nicht unterlassen konnte, wird jener Verntinftige
die bloBe nariirliche Religion wenigstens nie die Religion des graBen Han- fragen, warum er denn solche sogenannte Untersuchungen gemein ge-
fens werden kann. Da nun doch fiir ausgemacht gelten muB, daB vermoge macht habe?] Ubrigens sagt er an einer der Stellen, die ich vorhin abgebro-
der Absicht Gottes die Menschen nicht ohne wahre Religion seyn sollen chen habe: (p. 329.) Es ist wahr, daB man keine groBe Ursache hat, eine so
und nach der Einrichtung ihres Wesens auch in dieser Welt ohne Religion traurige Revolution zu fiirchten, als der auBerste Skepticismus zu drohen
nicht bestehen konnen, so bringt alle Bestreitung gottlicher iibernattirli- scheint; denn die Natur wird immer tiber diese Griibeleyen siegen etc~'
cher Offenbarung uberhaupt und was dem gleichgilt, wenn und soweit sie Diese Griibeleyen tragen indessen das Ihrige zum Verderben des Men-
ihren Zweck erreicht, solchen Schaden, dessen Vorstellung schon allein schengeschlechts bey, welches von Humes kaum verflossenem Zeitalter bis
eine triftige Widerlegung ist. Der Philo~oph aber, der sich durch [416] die hieher ein ungeheures Wachsthum erreicht hat. Hr. M. bringt aus dessen
Schadensbetrachtung nicht einmal aufmerksamer und vorsichtiger rna- Schriften noch mehreres bey, das Hr. Kant beherzigen soli. Wir zweifeln,
chen lassen will, und seine Nebenmenschen so wenig schont, daB er, mags daB ers thun werde; denn er wiirde seiner Rechnung, die auf die Luft uns-
gerathen oder gedeihen, oder nicht, seinen Kram unaufgehalten forttreibt, rer Zeit so stark und einzig angelegt ist, [418] damit nicht aufhelfen, und
fallt in eine Anklage seines moralischen Charakters, von welcher ihn im seine schon so zahlreich gewordenen Schuler und Aufhorcher werden
U rtheil der Verstandigen keine Gegenversicherung retten kann. Hr. M. eben so taube Ohren fiir das alles haben. Wir setzen also diese Humische
schreibt weiter: ,Dies Urtheil eines Mannes, dessen Schriften Hrn. Kants Selbstverdammung zuriick und lassen Hrn. M. nur von der Kantischen
Denkungsart am meisten gebildet haben, ist nicht minder merkwiirdig, als Philosophie noch etwas reden: ,Hr. Kant legt den von aller Erfahrung un-
ein anderes, womit er seinen lezten Versuch beschlieBt. Nachdem Hume abhangigen Speculationen, oder wie er sich ausdriickt, den Kenntnissen
gegen den tibertriebenen Skepticismus, der entweder die Erfahrung, oder der reinen Vernunft einen vie! groBern, und den Erfahrungskenntnissen
die Vernunft, oder beyde ganzlich verwirft, gewarnet, und einen gemaBig- einen vie! geringern Werth bey, als Hume, und es ist daher auch nicht zu
ten Zweifel empfohlen hatte, schlieBt er auf folgende Art: Vorausgesezt, verwundern, wenn er die erstern, mit vie! groBerm Ernst und groBerer
daB wir von diesen Betrachtungen tiberzeugt in eine Bibliothek kommen: Zuversicht vortragt, als der Schottlandische Weltweise. Eben dieser zuver-
welche Verwiistungen wiirden wir hier nicht anrichten? Wenn wir zum sichtliche Ton aber verftihrte viele junge Leute, in den Kantischen Specula-
Beyspiel ein von scholastischer Philosophie oder Theologie handelndes tionen mehr zu suchen, als darin verborgen lag, und tiber diesen Specula-
Buch in die Hande nahmen, so wiirden wir fragen: enthalt dieser Band tionen vie! ntitzlichere und reichhaltigere Kenntnisse zu vernachlaBigen.
672 .1\:titi[d)e i!le~ttiige ;ut neue[len \Be[d)id)te bet \Befe~t[amfeit - 1787 \Bot~al[d)e gefe~tte .3eitungen - 12. September 1787 673
Diese nachtheilige Wirkung wiirde in geringerm MaaBe erfolgt seyn, wenn nug abzunehmen, welcher Ursachen wegen der Durchl. Herr Landgraf
Hr. Kant den Beyspielen eines Sextus, Berkeley und Hume gefolgt ware, von Hessencassel die Kantische Philosophic zu Marpurg nicht gelehret
und eine auch andern Menschen verstandliche Sprache geredet hatte. wissen wolle, wie im Gegentheil auch noch Ieichter zu erklaren steht, aus
Allein es gefiel ihm, seine Gedanken in dunkle, meistens undurchdring- welchen Ursachen die fromme Crusische Philosophic schon vor einer Rei-
liche Wolken von neuen, ihm ganz eigenthiimlichen Kunstausdriicken, zu he Jahre fiir die Konigsbergische Universitat, die nun vor allen Hr. Kant
verstecken. Diese Dunkelheit seiner Sprache reizte den Forschungsgeist erbauet, verboten worden sey; denn die modisch gewordene Toleranz ist
wiBbegieriger Leser nur urn desto mehr; unerfahrne Jiinglinge, die noch nur ein petimus, nicht aber petimusque damusque vicissim. Soviel von der
nicht wuBten, wie kiinstlich man in den vorhergehenden Jahrhunderten Vorrede zu dieser Seelenlehre [...]
mit Worten gespielt hatte, boten aile ihre Kriifte auf, den Sinn [419] uner-
griindlicher Worter zu erforschen etc. Meinen Erfahrungen nach hatte Hr.
Kant noch vie! scheinbarere Zweifel wider die Griinde der menschlichen
Erkenntnifl, und wider die vornehmsten Lehren der Moral und natiirli-
chen Religion vorbringen konnen, und wiirde doch weniger geschadet ha-
eltutgarbt.
ben, als itzo, wenn er nur in einer faBlichern, nicht so viele edle Zeit und Plan einer systematischen Metaphysik. Hm fac. Friederich Abeh Prof. der
Krafte verzehrenden Sprache geschrieben hatte. Wenn man Gelegenheit ge- Philosophic an der hohen Schule zu Stutgardt. In der Erhardischen Buch-
habt hat, die Eindriicke in einzelnen Fallen zu bemerken, welche die Kan- handlung. 1787. 232 Seiten 8. [596] und 16 Seiten Vorrede Zusatze und
tischen Schriften auf junge Leute gemacht haben, so fiihlt man recht die Verbesserungen. {14 gl.) Hr. Prof. Abel fahrt hier mit der weitern Aus-
Wahrheit der Bemerkungen von Beattie, die er gewiB von ahnlichen Er- fiihrung einzelner Materien seiner Einleitung in die Seelenlehre fort .• Diese
fahrungen abzog: Nichts ist verderblicher fiir den Geschmack und die ge- Schrift, sagt Hr. Abel in der Vorrede, enthalt, ausser der (angehangten)
sunde Urtheilskraft, als die Spitzfindigkeit der altern und neuern Meta- Metaphysik der Sitten, nichts als Erlauterungen der 620-646 §. jener Ein-
physiker, die Wortstreitigkeiten begiinstigen und zu nichts, als Zweifel und leitung, und folglich eine systematische Aufzahlung des Ursprungs und In-
Dunkelheit fiihren. Diese Griibeleyen erschopfen die Kraft des Geistes halts unsers Gedankensystems. Sofern aber der Ursprung und die Aufzah-
ohne Zweck, t6dten die Liebe zur wahren Gelehrsamkeit etc. Sie zerriitten lung der nicht empirischen Begriffe die Ontologie, die Anwendung dersel-
endlich die Krafte des Verstandes, verderben die guten Grundsatze und ben auf das innere Wesen der Dinge die Metaphysik ausmacht, ist dadurch
vergiften die Quellen menschlicher Gliickseligkeit (Beattie Dissert. critical zugleich der Plan zu einer systematischen Metaphysik gegeben. Bey der
and moral p. 188.)" Bey dem allen hat Hr. Prof. Meiners noch immer kei- ganzen Schrift habe ich auf die neuesten Entdeckungen Kants Riicksicht
ne hinliingliche Aufklarung dariiber gegeben, wie die Kantischen Schriften genommen, ob ich gleich von einem andern Princip ausgegangen bin, und
so weit verbreitete Aufnahme haben finden und schon so vie! Zerriittung die Stellen einzeln nicht citirt habe." Diesemnach hat der Hr. Verf. seinen
haben anrichten konnen. Geringschatzung und Verleugnung der wahren Plan in zwey Theile getheilt, deren erster die Ontologie oder die Aufzah-
Religion war vorher schon weit verbreitet, und mehrere philosophische, lung und die Entwicklung des Ursprungs der nicht empirischen Begriffe,
dem gesunden Menschenverstande trotzende A ben{420]theuer hatten der zweyte aber die Anwendung dieser Begriffe auf das innere Wesen der
!angst zuvor eine unziihlige Menge rascher Kiipfe ganz eingenommen und Dinge, oder die Metaphysik enthiilt. Angehangt ist der Begriff einer Meta-
verdorben. Journale und gelehrte Zeitungen sangen schon immerfort mit physik der Sitten. Nach den von Kant aufgestellten Bediirfnissen und Be-
groBer Einbildung auf angebliche Weisheit, nur eben solche Lieder; nun dingungen zu einer Metaphysik, ist das Unternehmen des Hrn. Verf. sehr
kam Hr. Kant und aile Recensenten, auch die ihn nicht verstanden oder gewagt; die Hoffnung eines gliicklichen Erfolgs verschwindet auch
nicht gleich geradehin beyfallen wollten, priesen ihn, wie es auf aile Faile sogleich, wenn man schon in der Vorrede liest, daB der zweyte Theil die-
!angst Mode ist, nur bloB ausgenommen, wenn ein Schriftsteller wider die ses Buchs, oder die Metaphysik, die Anwendung der nichtempirischen Be-
gepriesene neue Religionsaufk!arung sich auflehnt. Diese Erlauterung griffe auf das innere Wesen der Dinge, also auf Dinge, die nirgend anders
muBte Hr. M. seiner eignen Denkungsart zufolge zuriicklassen. Aus dem als in unserm Verstande vorhanden sind, enthalte. In der That besteht
aber, was wir aus seiner Vorrede ausgezeichnet haben, ist denn Ieicht ge- auch der griiBte Theil des Inhalts des zweyten Theils, ausser den allgemei-
674 I!Jot[)ai[d)e gc!e[)ete ,3eitungen - 12. September 1787 '!lbefo ~ran cinee fv~emati[d)en 'llletap[)vfif 675
nen Betrachtungen tiber die Anwendung der Begriffe von Zeit und Raum muthe. So sey z. B. das, was wir den Begriffen Welt, Gott, u. dgl. unterle-
und der Kategorien, bios aus empirischer Philosophie; und das ganze gen, zwar nicht in dies em U mfange und unter diesen Bedingungen, aber
Resultat der Anwendung der Kategorien auf das innere Wesen der Dinge, doch unter andern anschaulich. Auf diese Art ware denn freylich wieder
fiillt wie natiirlich, dahin aus, daB sich dasselbe nicht erkennen lasse; ein Gebaude der Metaphysik errichtet, aber schwerlich auf einem festern
gleichwohl maBt es sich die Metaphysik an, dieses innere Wesen nicht Grund und Boden, als die sonst gewohnlichen; da die Kategorien noth-
allein ihrem Daseyn, sondern ihrer Natur und Eigenschaften nach zu wendig auf sinnliche Erfahrungen, und keinesweges auf blosse Verstandes-
erkennen. Der Plan des Verf. ist Recensenten nicht durchgangig ein- wesen angewendet werden miissen, wenn sie Sinn und Bedeutung erhalten
leuchtend gewesen; auch die Darstellung der empirischen und nicht empi- sollen; da sie hingegen ganz leer bleiben, wenn sie auf transscendentale,
rischen Begriffe hat ihm nicht deutlich genug geschienen, und der Verf. ist iibersinnliche und solche Gegenstande, die bios im Verstande existiren, an-
von der ]ichtvollen kantischen Deduction derselben aus Sinnlichkeit und gewendet werden. Bey aller Achtung, die wir fiir den Scharfsinn des Verf.
Verstand, und von dessen Tafel der Begriffe a priori ohne Ursach abge- haben, der sich auch in diesem Werke nicht verkennen laflt, konnen wir
gangen. Der Grundsatz, auf welchen der Hr. Verf. das ganze System der doch nicht [ver]bergen, daB die von ihm geschehene Vermischung des Em-
Metaphysik baut, ist dieser: "Aile nicht empirischen Begriffe sind zwar aus pirischen mit dem Nichtempirischen, sein System fiir uns undeutlich und
Veranlassung der sinnlichen Eindriicke, und der durch diese erregten Tha- schwankend gemacht habe. Denn ob er sich gleich berechtiget glaubt, die
tigkeiten unseres eigenen Geistes entstanden, und sogar aus dem Stoff der- Kategorien auch auf transscendentale Gegenstande und auf die Dinge an
selben (dieser [597] sinnlichen Eindriicke nemlich) einigermaflen gebildet; sich, die den Erscheinungen zum [598] Grunde liegen, anzuwenden, so ist
sie sind. aber dem ungeachtet durch unsern eigenen Verstand, und zwar er am Ende doch genothiget, nicht allein zu gestehen, daB man in das
nach nothwendigen Gesetzen desselben geschaffen worden." Der Hr. Verf. Wesen der Dinge zu dringen nicht im Staude sey, sondern auch sogar
geht hier von Kant ab, der unter Erkenntnissen a priori solche versteht, die selbst seine Metaphysik auf Erfahrung zu bauen, da die Anwendung der
schlechterdings von aller Erfahrung unabhangig sind, und nach welchem Kategorien auf nicht empirische Gegenstiinde an allen Folgen so ganz un·
dieselben zwar mit der Erfahrung anheben, durch sinnliche Eindriicke fruchtbar ist; wodurch denn Metaphysik im eigentlichen Verstande in eine
veranlaflt werden, aber nicht aus der Erfahrung entspringen. Uns scheinet bios empirische Philosophie verwandelt, und der Gebrauch der Katego-
jener Grundsatz des Verf. durch den Zusatz, dafl die Begriffe a priori sogar rien und ihrer Grundsatze verkehrt wird. Daher entstanden Satze wie fol-
aus dem Stoffe der sinnlichen Eindriicke einigermaflen gebildet wiirden, gender (S. 145. Gott:) "Weltursache ist, das lehrt die Kategorie, (von Ursach
nicht allein unbestimmt, sondern auch dadurch der Unterschied zwischen und Wiirkung) das, was U rsache von allem, und selbst keine U rsache
empirischen und nicht empirischen Begriffen aufgehoben zu werden. mehr hat, also nothwendig, ewig etc. ist. Auch leitet die intellectuelle und
Denn es kann, nach Kants Bemerkung, auch wohl seyn, daB selbst unsere moralische Einrichtung unserer eigenen Natur, nebst der Regelmafligkeit
Erfahrungserkenntnifl ein Zusammengesetztes aus dem sey, was wir durch und Ordnung der Korper- und Geisterwelt, folglich Erfahrung auf ein
Eindriicke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntniflvermogen, Wesen, das sich zu der Welt so verhiilt, wie der Uhrmacher zur Uhr."
durch sinnliche Eindriicke bios veranlaBt, aus sich selbst hergibt. Sobald Oder S. 157.• Man schlieflt richtig von Erscheinung auf ein Ding an sich,
ein Begriff auch nur einigermaBen aus dem Stoffe sinnlicher Eindriicke wei! Erscheinung niemals allein vorhanden seyn kann." Bier wird von der
gebildet worden, ist er nicht mehr rein. Dieses, daB der Verf. seinen Begrif- Erscheinung auf die Kategorie Substanz geschlossen, ganz gegen die Natur
fen a priori noch immer einen empirischen Zusatz gibt, ist auch der und Absicht der Kategorien, als welche an und fiir sich ganz leer, und
Grund, daB er die Kategorien auf transscendentale Gegenstiinde anwendet, blosse Formen des Verstandes sind, nur erst durch Anwendung auf Er-
welches nicht geschehen konnte, wenn er die nicht empirischen Begriffe scheinungen Bedeutung erhalten, allen Anschauungen voraus gehen miis-
ganz rein genommen hatte; denn eben durch diesen empirischen Zusatz sen, und ohne welche gar keine Erfahrung von sinnlichen Gegenstanden
will er seine nicht empirischen Begriffe der Anwendung der Kategorien moglich ist. Wenn man also von der Erfahrung auf die Substanz oder ein
auf dieselben empfanglich machen, wie aus S. 113. erhellet, wo geaussert Ding an sich schlieflt, so schlieflt man im Grunde von etwas das ist, auf
wird, daB ofters die Begriffe auch da noch aus der Klasse der anschau- etwas das nicht ist, und nur in einer blossen Form des Verstandes besteht.
lichen waren, wo man dies dem ersten Anblick nach nicht mehr ver- Was insbesondere den kategorischen Grundsatz von Ursach und Wiirkung
676 9lwe~e \!:tit. 9lad)t.- 22. Sept. 1787 I 3enaifd)e gel. ~"!·- 24. Sept. 1787
betrift, welcher lehren soli, was die Weltursach sey, so ist hier das Daseyn
der Weltursach zum voraus angenommen, der Grundsatz ist auf einen Ge-
genstand angewandt, der ausser dem Felde der Erfahrung liegt; er hat also
schlechterdings keine Bedeutung mehr, die er erst dann erhalt, wenn er auf
Gegenstiinde der Erfahrung, auf Anschauungen, bezogen wird. ·!Jttt.ai·fm.e
D ie zwote hin und wieder vermehrte Auflage von Hrn. Kants Critik
der reinen Vernunft ist auf 884 S. in 8. Riga 1787 erschienen. In den
.gele~rte ~n~··tlgt-u
. - '• .-
Behauptungen und den Beweisgriinden hat der Hr. Verf. nichts zu iindern
fiir niithig gefunden, wahl aber in der Darstellung. Aber auch in derselben
scheinen Rec. wenigstens weder die Dunkelheit noch die Milldeutungen,
noch selbst manche Wiederspriiche viillig gehoben, die darin herrschen.
Und vieleicht liegen einige derselben auch nicht so sehr in der Dar-
stellung, als in der Philosophie und den Griinden des Hn. Verf. selbst.
::Jena.
Fiir die Criickersche Buchhandlung ist unter der Jahrzahl 1788 in die-
sem Jahre gedruckt worden: Eleutheriologie, oder iiber Freyheit und
Nothwendigkeit, zum Gebrauch der Vorlesungen in den Michaelisferien,
von Job. Aug. Heinr. Ulrich. 7 +B. gr. 8. Unser Lehrer pflegt seit mehrern
Jahren wiihrend der Herbst- und Osterferien durch unentgelt!ichen Vor-
trag irgend einer wichtigen Materie aus dem Gebiete der Philosophie und
der Wissenschaften die Studirenden in einer miisigen lind niitzlichen Be-
schiiftigung zu erhalten, und dieser Gewohnheit hat auch jene kleine
Schrift ihren Ursprung zu danken. Da die Lehre von der Freyheit zu viele
Seiten hat, so mull bey den ordentlichen Vortriigen der philosophischen
Disciplinen die Materie nothwendig vertheilt werden, und dies hat dann
die Unbequemlichkeit, dall mancher, der nichts ganzes hiirt, zu seinem
wahren Nachtheil auch diese Lehre nur halb fasst. Urn deswillen pflegt Hr
H. U. aile zwey oder anderthalb Jahre die einzelnen Stucke als ein zusam-
menhangendes Ganzes vorzutragen. Die Hauptsa{608Jche des V. ist zu zei-
gen, dall richtig gefasster Determinismus die einzige annehmungswiirdige
Vorstellungsart, fiir Sitt!ichkeit und Religion nicht nur unschiidlich, son-
dern auch vortheilhaft, Indeterminismus hingegen eine ganz grundlose
Einbildung sey, und in mancher Riicksicht der Sittlichkeit nachtheilig
werden kiinne. Nach einer kurzen Einleitung, welche ausser einer allge-
meinen Anzeige der Unschiidlichkeit und Vortheile des Determinismus,
678 ilcnaifd)c gcfcprtc ;1!n 0cigcn - 24. u. 28. September 1787 Ufrtd)~ Q:fcutpcrtofogle 679
und dem Beweis insbesondere, dall derselbe keine Sprachverwirrung an- lange ware, besinnen, der hier nicht in seiner ganzen Starke vorgetragen
richte, eine kurzgefasste Geschichte, und andere litterarische Notizen ware, und durch Feststellung deutlicher, von allen Neben[-)Ideen gesauber-
entha.lt, folgt die ausftihrliche Untersuchung in 7 Abschnitten. Der erste ter, Begriffe seine Abfertigung erhielte. Wenn einige schreyen: durch De-
beschaftiget sich mit dem Hauptsatz, dall es ganz vergeblich sey, einen terminismus werde aile Sittlichkeit aufgehoben, so wird hier die vierfache
Mittelweg zwischen Nothwendigkeit und Zufall, Determinismus und In- Bedeutung des Ausdrucks: Moralitii~ und moralisch unterschieden, und
determinismus ausfindig machen zu wollen. Dies ftihrte nattirlicherweise nach jeder derselben der Ungrund dieser Beschuldigung gezeigt. Moralitat
den V. auf eine ziemlich umstandliche Priifung des Kantischen Versuchs, bedeutet unter andern so vie! als Imputabilitat. Dies veranlasst eine weit-
Freyheit und Nothwendigkeit mit einander zu vereinigen. Weggerechnet, lauftige und mtihsame Eriirterung aller der Begriffe und Urtheile, die man
was sich am Ende ausweillt, dall wir, urn die Sittlichkeit zu retten, eine unter dem Nahmen Zurechnung zusammenfasst. Es bleibt, auch nach de-
solche transcendente Freyheit, als Kant annimmt, gar nicht brauchen, ist terministischen Grunden, Zurechnung zu Lob und Tadel, zu Schuld und
nicht einmal auch nur die Miiglichkeit einer Ursache, deren Causalitat Verdienst, zu Strafe und Belohnung. Aile Schwierigkeit entspringt, wie
nicht anhebt, deren unmittelbare Wirkung aber gleichwohl anheben kiin- sich bey dieser Gelegenheit [616] ausweillt, aus verworrenen Begriffen.
ne, dargethan; und der Kantische passe-par-lout, der transcendentale Idea- Beylaufig wird zugleich von dem verntinftigen Unwillen tiber andere, und
lismus, hat in der Anwendung auf diese Materie griisere Schwierigkeiten von einer verntinftigen Reue tiber unsere eigene Anomalien das N&thige
wider sich, als diejenigen sind, welche dadurch gehoben werden sollen. Im gesagt. Verbindlichkeit, oder das Sollen, Pflicht und Gesetze, fallen bey
zweyten Abschnitt wird gezeigt, wie der Streit gefiihrt werden miisse, und dem System der Nothwendigkeit nicht weg. Es erzeugt nicht den Trug-
insbesondere dargethan, dall der innere Sinn, auf welch en sich der Indeter- schlus der Faulheit, und noch weniger fallt dadurch der wahre Vortheil des
minist so gerne beruft, gar nicht Schiedsrichter seyn kann, und soli. Dar- rechtmasigen Gebets tiber den Haufen. Einer der blendendsten Einwiirfe,
auf wird im dritten Abschnitt die Idee des Indeterministen von der Will- dall sonach Tugend bioses Gltick, Laster bioses Ungltick sey, wird, durch
ktihr, und wodurch sie sich aussern solle, [609] ausfilhrlicher eriirtert, die Auseinandersetzung der Begriffe, v&llig entkrnftet, und fiir den Gebrauch
Quelle dieser Einbildung aufgedeckt, und beyHiufig gezeigt, wie der Deter- solcher zweydeutigen Ausdriicke, welche die wenigsten auf deutliche und
minist eben dieselben Ausdriicke und Redensarten braucht, und wie beide bestimmte Begriffe sogleich zuriickzufiihren wissen, gewarnt. Sehr genau
zunachst sich auf einerley Weise dariiber erklaren, bis man in der Ent- behandelt der Hr V. den drohenden Einwurf, dall nach dem System der
wickelung weiter und tiefer zuriickgeht. In welchem Verstande nach deter- Nothwendigkeit die Schuld aller sittlichen Mangel auf Gott zuriickfalle,
ministischen Begriffen der Mensch frey heise, und was dieser Nahme ftir und beantwortet ihn durch Zuriickfiihrung auf die vorher festgestellten
Vorzilge der Menschheit in Vergleichung mit der Thierheit anzeigen soli, deutlichen Begriffe, wenn ich sagen kiinne, dall jemand Schuld woran
lehrt der vierte Abschnitt mit miiglichster Bestimmtheit. Wir zeichnen habe. Selbst auf die Frage: Ob sich mit jenem System die Lehre von stell-
daraus nur zwey Hauptsatze aus, welche der, seiner guten Sache gewisse, vertretenden Strafen und ewiger Verdammnis vereinigen lasse, lasst sich
Determinist frey und unerschrocken heraus saget: die letzten und entfern- der Hr V. der Vollstandigkeit wegen mit ein. Man mull aber die Wendung,
testen Griinde der jedesmaligen Vollkommenheit oder Unvollkommenheit die derselbe in seiner Antwort nimmt, und nehmen musste, urn nicht in
unsers Wollens liegen theils in der ganz urspriinglich verschiedenen gr6- zweckwidrige Weitlauftigkeit zu verfallen, bey ihm selbst nachlesen. Uber-
sern oder geringern Vollkommenheit eines jeden Geistes selbst, theils in haupt wird jeder unserer Leser von selbst ermessen, dall bey allen jenen
der gesammten Verkntipfung, in welcher derselbe durch sein ganzes Da- Eriirterungen der V. auf so manche andere Materien stollen musste, die wir
seyn steht, und gestanden hat - Kein Mensch kann, wenn wir seinen gao- in unserm gedrnngten Auszug nicht nur beriihren konnten. Der sechste
zen innern und aussern Zustand bis auf den ersten Keirn verfolgen, schon Abschnitt entha.lt Betrachtungen tiber die Grade der Vollkommenheit un-
jetzt anders, vollkommener, weiter seyn, als er ist. serer Freyheit, nach deterministischen Grunden. Die vollkommenste Frey-
heit, einen absolut guten und reinen Willen, miissen wir demjenigen
[615] Der fiinfte Abschnitt, der wichtigste und weitlauftigste, enthalt die Geiste zuschreiben, der [617] ganz unabhangig von allen sinnlichen
vollstandige Beantwortung der gefiirchtetsten Einwilrfe gegen Determinis- Vorstellungen, blinden Trieben und Instinkten, nach der unvernnderlich
m us. R. kann sich auf keinen, der nur von irgend einigem Schein und Be- deutlichsten Vorstellung des Besten thatig ist. Hier findet man auch die
680 ALLG. LIT. -Z.- 4. Okt. 1787 I l!lott. ~n;.- 6. Okt. 1787 oenai[C\ie geL ~n;.- 12. Okt. 1787 I Wlr;b. geL ~n;.- 17. Okt. 1787 681
Gedanken des V. iiber das liberum arbitrium im theol. Sinn, und iiber die dentale Satze, die aber nicht ihre Begriffe a priori darstellen, also nicht
Bestatigung im guten, welche nach indeterministischen Principien unmog- Axiome genannt werden konnen, sondern bios regulative Principe [1588]
lich ist. Der siebente Abschnitt enthalt eine nochmalige Vergleichung des sind, nach welchen eine synthetische Einheit der Wahrnehmungen empi-
Determinismus und Indeterminismus nach seinen Griinden und Folgen, risch gesucht werden soli. Zu diesen rechnet der scharfsinnige Verf. unter
wo alsdann die Wahl wohl nicht zweifelhaft bleiben diirfte. andern auch den Satz von Causalitat, der nur als Grundsatz von den Ge-
genstanden der Erscheinungen relativ gilt, in Riicksicht auf das Verhaltnift
des Daseyns derselben, und folglich auch, als Grundsatz des empirischen
M it wahrem Vergniigen zeigen wir als zuverlassig an, daB das Verbot,
die Kantische Philosophie in Marburg vorzutragen, an dessen Rich-
tigkeit wir noch immer gezweifelt, und deswegen die Bekanntmachung
Verstandes gebraucht, Bedeutung und Beweisbarkeit hat, aber in der intel-
lectuellen Welt vollig sinnleer ist, und schlechterdings kein Axiom seyn
kann, wei! hier die Zeitbedingung, als das Medium des synthetischen
davon zuriickgehalten hatten, nun wieder aufgehoben und vom neuem U rtheils von U rsach und Wirkung, fehlt, und demnach kein reiner Gegen-
erlaubt worden ist, iiber dieselbe zu lesen, nur mit der Einschrankung, stand da ist, an dem die synthetische Einheit seiner Begriffe objective
daB es privatissime geschehe. Das ware dann wieder ein neuer Sieg, den die Realitat darthun konnte. Zur Priifung der ganzen Abhandlung darf der
Denkfreyheit davon getragen hatte, und vielleicht darf man selbst auch die Rec. nur auf unsers Hrn. Hofr. Feder~ neueste Schrift iiber Raum und
Aufhebung der Einschrankung hoffen, da es immer deutlicher werden Causalitat verweisen, wo dieselbe Materie S. 47 nach andern Grundsatzen
wird, daB die Grundsatze dieses vortreflichen Philosophen, wie diejenigen erOrtert ist.
Manner, die sein System genau kennen, dariiber !angst einverstanden sind,
der wahren Religiositat und Sittlichkeit in eben dem Grade beforderlich
sind, in dem sie von einigen andern als gefahrlich gefiirchtet oder wenig- ena. [...] Am 4. Oct. wurden, nach eingegangenen gnadigsten Befehlen
stens vorgespiegelt werden.
J unserer Durchlauchtigsten Herren Erhalter, Hr August ]oh. Georg Karl
Batsch, der Philosophie und Medicin Doctor, als ausserordentlicher
Lehrer der Arzneywissenschaft, und Hr Karl Leonhard Reinhold, Herwgl.
S. Weimar- und Eisenachscher Rath, als ausserordentlicher Professor der
~eip5ig. Philosophie, in einer feierlichen Sitzung des akademischen Senats, in ihre
Denkwiirdigkeiten aus der philosophischen Wid~ herausgegeben von Karl Stellen eingewiesen. Letzterer wird im bevorstehenden Winterhalben Jahre
Adolph Casar, Prof der Philosophie auf der Universitiit zu Leipzig. Vierter offentlich iiber die Kantische Theorie des Erkenntnisvermogens zur Einlei-
B_t!-nd. 1787. S. 200 Octav. In der Miillerschen Buchhandlung. [...] S. 1587: tung in die Kritik fiir Anfanger - und privatim iiber die Theorie der schii-
Uber die Axiome. Ganz nach den Grundsatzen und auch in der Sprache nen Wissenschaften, nach Eberhard's Leitfaden und eigenen Zusatzen,
der Kantischen Philosophie. Es wird hier gezeigt, daB die Metaphysik sich lesen.
das Vorrecht der GroBenlehre, Axiome festzusetzen und auf diesen weiter
aufzubauen, mit Unrecht angemaBt habe. Der Mathematiker ist zu Axio-
men berechtigt, wei! seine ersten Grundsatze mathematischer Bestimmun-
gen apodiktische Gewillheit mit sich fiihren, in so fern sie sich auf die
!Biittingen.
Uber ~aum unb \l:auffa!itiit. ,Sur lj)rilfung bet .ltanti[C\ien 'V~i!o[op~ie. Q3on i)o~.
Vorstellung des Raumes griinden, die bey allen aussern Erscheinungen
\Beorg J.;leinri<\i ~eber. 2Jlit bern 2Jlotto: lj)rilfet affell, ball \Bute be~a!tet. ~e~
zum Grunde Iiegt, und nicht aus den Verhaltnissen der aussern Erschei-
i)o~. \l:~ri~. fOieterl<\i 1787. ce;. 268. in 8.
nungen durch Erfahrung abgewgen, sondern nothwendig a priori ist. Da-
her konnen auch die Gegenstande der Mathematik construirt werden, wei! achdem man in Deutschland ein Jahrzehend geempfindelt, ge·
die Bedingung der Darstellung mathematischer Begriffe weder aus der
Erfahrung entlehnt, noch selbst ein Begriff, sondern eine nothwendige
N schwarmt und den lieben Mend personifizirt hat, wirft man sich
nun seit einiger Zeit, der einformigen Lage miide, auf die andere Seite, er-
Denkform ist. Die Philosophie hingegen hat zwar synthetische transcen- giebt sich endlosen Spitzfindigkeiten, der Jagd transcendentaler Begriffe
682 ~ir;burgcr gclc~rtc 21n;eigcn- 17. Oktober 1787
und dem Idealismus, der bis zur Bezweiflung unserer Persiinlichkeit hin-
ansteigt. Dort, wie hier, Kraftsprache, Schaffung neuer Wiirter, geheim- 933ir&burgel! h•
niBvolle Dunkelheit, und Geniestolz, der auf jene, die nicht zur Parthey
gehiiren, wie auf Kliitze und Alltagsmenschen herabsiehet.
Nicht dem iiber allen Spott erhabnen Kant, dem metaphysischsten Ge-
getebrte mn3eigen
nie und dem Bestiirmer der Metaphysik, den man nicht lesen kann, ohne LXXXUI. <Stiict. !Dlittrood)tl ben 17 !lttober. 1787•
iiber die Tiefe seiner Spekulationen zu erstaunen, dessen GroBe auch Fein- ®o tti ngen.
de anerkennen miissen, gilt das, sondern hauptsiichlich dem Heere der
ue6et !J!a~m unb (!au,Talitc\t. ;lur 'J)"rufung bet Jtanti(dicn 'J)~i.
Denkerlinge - - - mit gebiihrender Ausnahme seiner groBen F reunde lofop~ie. \Eon ~·~· ®corg J;leinricl) \Seber, ~it b~m
sey dies gesagt! - - - die statt mit Kantischem Scharfsinne zu priifen, urn !lJ!ollo! 'J)rufet aDetl, ~all ®ute 6e~a!tet. fl!c9 ~·~· (!brtfl.
nur das Gute zu behalten, vor Kant niederstiirzen, und anbethen, alle, die !Dieterid) 1787· <5. 268. in s.
nicht glauben, wie sie, mit Koth werfen, und aus vollem Halse schreyen, maci)bem man in \OeUifd)lanb ein~a6r!e6enb Bccmpnnbelt,
die Kantische Kritik sey der Schlu&tein im Gebiiude der Philosophie, und gefci)roarmt unll ben lreben !ll!onb perfoni~!itt 6at, tt>lrft
das Non plus ultra alles menschlichen Wissens. Das ist gerade die Sprache man ~d) nun felt einiger ;leit, bcr einfOrmlge~ fag~ m~be1
des Sektengeistes, der auf des Meisters Worte schwiirt, statt iiber die Natur auf bie anbere E;cite 1 er!li.ebt fld) enblofen eipt~~nbtgtetten 1
zu philosophiren; sie bald mit Aristoteles, Cartes, oder Kants Glase sieht, bcr :;)a~b tranllcent>entaler faegrijfe unb ~em. :::lb.ealifm~ll~
und in der Philosophie symbolische Bucher einfiihrt, zu eben der Zeit, wo l)er 6i& !Ut fae!roeif!ung unferer 'J)er(Onbci)tett ~tnanfletgt.
der Theolog sie wegweiset. Alles verstummt vor Kamen, (815] und man !!)ort role 6ier, .li:taftfprad)e1 E;ci)ajfung neuer m>orter, ge-
hat nichts zu thun, als ihn zu verdeutschen, zu commentiren, WOrter- 6eim;i~boll1! !Dunfel~eit, unt\ @e.nicfiol!, ber auf jene, bie
biicher iiber ihn zu schreiben, die Fruchtbarkeit seiner Grundsiitze zu nicl)t !Ur 'J)artbe9 s•boren, "''' auf ,!tlo~e unb ~Dtagllmen•
zeigen, und die Gegner desselben zu widerlegen. Kants Kritik ist der fc!len 6era6pe6et.
Probierstein des menschlichen Verstandes; selbst in die Zellen der Monche 9lic()t bem 66er aDen E;pott er6a6nen .!tant, bem meta•
ist sie eingedrungen, und das Triumphirende: "Haben Sie Kant gelesen?" P69fifci)(len ®enie unb bem !llejiurmer ber !ll!etap69Pr, b.en
erschallet iiberall, und reitzt zum Lesen, wie Sterne das - Sind Sie in man nici)t lefen f4nn, o6ne ii6er bie ~iefe feiner <Spetulatto-
Frankreich gewesen? - zur Reise. nen au er(launen, be1Ten ®ro~e 4Ud) 3einbe anerfennen miif•
Urn so mehr Dank verdient Hr. Prof. Feder, daB er sich entschloB, die fen, gilt ball, fonbern ~4Uptjaci)lici) bem J;leere ber ~enter•
Kantische Philosophie zu priifen. Uberzeugt, sagt er (Vorrede S. XIII.) von linge - - - mit gebu~renber ~ullna~me feiner groJen \Sreunbe
dem Ungrunde und der Schiidlichkeit des Glaubens an eine nicht auf Er- (e9 bicllgefagt! --- bie flail mit .!tantifci)em eicllar(pnne !U
fahrung, und analogische Schliissen vollig beruhende Philosophie, habe er pr6fen, um nur ball (!lute !U be~alten, bor ~ant ni~er(l~r•
es seiner Pflicht gemiiB gehalten, ausfiihrliche Untersuchungen iiber den
jen. unb anbet6en, aDe1 bic nid)t g!au6en, ll>te Pe, mtt .!tot~
tt>er'fen1 upb autl boUem J;!alfe (d}re9en 1 ~ie ~a~tifci)e .!teitif
menschlichen Verstand herauszugeben, urn, wo miiglich, den Glauben
(CI) bcr <Scl)lu~(lein im ~ebliube be~ 'll6tlofop~te~.u~ll bd
vollends zu vernichten, wovon der kleinste Uberrest, wie Kants Beyspiel Non plus ultra aDell menfd)licl)en mltlfenll. ~~ll tf! gerabJ
beweise, noch so schiidlich - in Absicht auf Moral und natiirliche Theo- bie <Spraci)e bell <Seftengei(lel! 1 bet auf bell !ll!et(lerll \Ulor~t
logie - werden kiinne, den Glauben an Begriffe nicht empirischen Ur- fc()roort, tlattuber ble 9~atur au p~ilofop~iren; ~· b~b mit
sprungs. Da aber diefl Unternehmen mehr Zeit fordere, als er nicht gerne ~riflotelell <!:artell ober Jtantll ®lafe jie~t, unb tn ber
noch hingehen lassen wollte, ehe er sich iiber die wesentlichsten Stucke l)l~ilofop~i: f9mbolifci)e faiici)er einf6~rt 1 iU eben ber i3eit1
der Kantischen Philosophie iiffentlich erHirte, so hebe er nur zwey tt>o ber ~~eolos jie llltSil>ti(et. · ~Uell ~er~ummt ~or .lfanten,
Haupttheile aus, worauf es vorziiglich ankomme, urn das Ubrige Ieichter 11, ::;JR9r!J. 0 ooo anO
zu verstehen, die Kantischen Begriffe von Raum und Caussalitiit, jene, urn
dem Kantischen Idealism, diese, urn seinen Zweifeln wider die natiirliche
684 'llli'!butger ge!e~rte ?ln;etgen - 17. Oktober 1787 ~eber tiber Jlaum unb Q:anffaCitiit 685
Theologie entgegenzuarbeiten. Er nimmt fiir sich ein, wenn man nur die Beweise aus Be{817]griffen, fand also kein anderes Geschiifte seiner wiir-
Vorrede liest. Bescheiden und sanft, wie er es immer ist, tritt er auch hier dig, als jener dogmatischen Scheinwissenschaft zwar den Krieg anzukiindi-
auf. Er lallt seinem Gegner die Gerechtigkeit widerfahren, die er verdie- gen, aber doch der Wissenschaft ihren Rang iiber blase empirische Kennt-
net. Er riiumet ihm eine iiber das Gemeine weit hinausgehende Denkkraft niB zu behaupten, und der transcendentalen Philosophie zu retten, was er
ein, die sich nicht sowohl in dem vie! umfassenden Blicke, womit dieses glaubte, das sich retten lieB - - - kam etwa auch noch ein wenig Gefiillig-
Ganze der abstraktesten Spekulationen der Logik und Metaphysik gezeich- keit for den Geschmack noch bliihender Schulen hinzu, die gleichfalls keine
net und abgetheilt ist, als in dem Tiefsinne einzelner Untersuchungen, empirische Philosophie anerkennen wollen, sondern Beweise aus Begriffen
und in dem Scharfsinne zeige, womit Hr. K. die feinsten Verhaltnisse zur Wissenschaft fordern? Rez. findet diese Reflexionen sehr treffend; nur
ausspahet, seys, urn seine eigne Ideen damit zu verbinden [816] und zu sey es ihm erlaubt, auch seine Gedanken hinzuzusetzen. Kant vereinigt
begriinden, oder zu befiirchtenden Einwiirfen auszuweichen. Selbst in der zwey Stiicke, die noch nie in eines Menschenkopf beysammen waren, und
Sprache Kants, iiber welche doch der Dunkelheit und der neuen Kunst- bey dem ersten Anblicke befremden. Er nimmt transcendentale Begriffe
worter wegen laute Klagen entstanden sind, findet Hr. R Vollkommenhei- an, und verwirft die Einsicht in transcendentale Gegenstande. Die reinen
ten, und gesteht es aufrichtig, daB er in manchen Stellen die Starke dersel- Anschauungen und Begriffe sind unabhangig von aller Erfahrung in uns,
ben mehr, als bey seinen Gedanken, gefiihlt habe. Er nimmt sich vor, nie aber nur Formen der Sinnlichkeit und des Denkens, und somit nicht gil-
etwas zu begehen, was der Achtung entgegen wiire, die ein ansehnlicher tig, ausser bey empirischen Gegenstanden. An Begriffe und Beweise a
Theil des Publikums seinem Gegner erwiesen hatte, und verbittet sich, priori gewohnt als Wolfianer und Mathematiker sah er alles empirische
wenn es ihm gefallen sollte zu antworten, aile beleidigende Behandlung, Philosophiren weit unter der Wiirde seines erhabenen Geistes, und blieb
wiewohl er auch da noch sein Betragen gegen ihn nicht andern wiirde. also der Form der Leibnitz-Wolfischen Philosophie treu. Auf der andern
Wie liebenswiirdig und edel! Hr. R hat Wort gehalten. Wie sich Hr. K. Seite breitete sich doch die empirische Philosophie von Britaniens Kiisten
und dessen Freunde benehmen werden, mufl die Zeit lehren. Zeither ward heriiber immer weiter unter uns aus. Es fehlte sich nicht, daB Humes
der Streit nicht so ganz erbaulich, und mit der Hitze einer angehenden Schriften in Kants Hande fielen, und in einem so scharfsinnigen Kopfe,
Sekte gefiihrt. Wenn man die Maxime eines Schusters, daB der am meisten wie der seinige ist, eine pl6tzliche Revolution anrichteten, was er denn
Larmende in Disputationen allemal Unrecht habe, nach welcher er die auch selbst gesteht. Burne baute auf den empirischen Grundsatzen
akademischen Disputiriibungen, denen er beywohnte, zu beurtheilen Lockens weiter fort, oder urn es richtiger zu sagen, er rieB mit Locks
pflegte, auch hier anwenden will, so wiirde die Wahrheit naher bey R als Empirik ein, was dieser stehen gelassen hatte, die Einsicht der Vernunft in
K. stehen. transcendentale Gegenstande: er demiithigte den Verstand so weit, daB er
Wiewohl, meines Erachtens, im ganzen Werke nichts Beleidigendes vor- ihm, ausser der Mathematik, nichts als Erfahrung lieB, und aile Meta-
kommt; so glaube ich doch, daB die kleine Untersuchung, wie Hr. Kant physik von Grund aus zerst6hrte. Er war ein Skeptiker aus empirischen
zu der ihm ganz eignen Art von Philosophie gekommen, am ersten noch Grundsatzen. Kant mit der Schwache des menschlichen Verstandes in tran-
Sensation erregen diirfte. Hr. Kant (Vorrede S. XVIII.) fieng an zu philoso- scendentalen Regionen ohnehin bekannt, lief~ diese Winke nicht unge-
phiren zu einer Zeit, da die synthetisch-dogmatische und demonstrativ nutzt. - Denn mehr als Winke waren es nicht fiir ihn, der vie! mehr
seyn sollende Philosophie im gr611ten Ansehen stand, sah aber die Schwa- hinzudachte, als sich in Burne vorfand - - und so ward das bewunde-
chen derselben gar bald ein. Wahrend man auf der einen Seite demonstrir- [818]rungswiirdige Gebaude der reinen Vernunftkritik, worin Leibnitzisch-
te, bildete sich auf der andern eine Philosophie, die zwar aufs Demonstri- Wolfischer Dogmatismus, und Humischer Skeptizismus, Prioritat der Be-
ren vollig Verzicht that, dafiir aber auch in einer so alltaglichen, einfachen griffe, und Einschrankung des Verstandes auf empirische Gegenstande,
Kleidung erschien, daB sie kaum etwas von schulgerechter Wissenschaft, Feststellung metaphysischer Formen, und U msturz des Stoffes aller Meta-
oder tiefsinniger Schulweisheit an sich zu haben schien. Kant iiber jene physik auf die sonderbarste Weise sich paaren. Man urtheile nun, ob nicht
Scheindemonstrationen erhaben, aber auch zu sehr Freund der abstrak- die Vereinigung so groBer Dissonanzen, interessant fiir Dogmatiker und
testen und tiefsinnigsten Spekulationen in schulgerechter Form, zu sehr Skeptiker, fiir Empiriker und Theoretiker, aile Kanten gewinnen muBte.
durch reine Mathematik gew6hnt an wissenschaftliche ErkenntniB und DieB sowohl als das Schwere in Ideen und der Sprache rechne ich mit
686 Qllir!burger ge!e~rte \'ln!eigen- 17. u. 20. Okt. 1787 ;leber tiber ~aum unb Q:auffafltiit 687
unter die vorziiglichen Ursachen des so schnell verbreiteten Kantianismus. Wortzank, der uns nur beweiset, wie oftmals der Originalitiitsdrang der
Die Plattheit gewisser popuHirer Empiriker, denen Flachheit und Falllich- Schopfer neuer Terminologien wird.
keit eins war, erregte schon lange bey grundlichen Geistern Eckel. Jeder [822] Das erste Hauptstiick handelt von den letzten Grunden mensch-
Knabe, der Unverschiimtheit genug hatte, den tiefen Denker fiir einen licher Erkenntnill, vom Raum und der Kiirperwelt, das zweyte von der
metaphysischen Pedanten zu erkliiren, diinkte sich Philosoph zu seyn. Caussalitiit, und der Erkenntnill unsichtbarer Wesen. Uberall hebt er die
Kant schrieb ein versiegelt Buch, und selbst dieses heilige Dunkel mullte Kantischen Hmptsiitze aus, stellt ihm die seinigen entgegen; setzt darauf
gefallen. die Kantischen Beweise in gedriingter Kiirze hin, und seine Gegenbeweise.
Zu den Eigenheiten der Kantischen Philosophie gehiirt auch dieses, dall Alles Wichtige und Scharfgedachte, das bier vorkommt, liillt sich nicht in
sie nicht Skepsis, sondern Kritik heillen soli, ein sachenleerer Unterschied, Auszug bringen. Liebhaber der spekulativen Philosophie lesen es ohnehin
wo es bios auf ein Wort ankiimmt. Hr. E stollt sich, wie billig, daran: selbst. Eines und das andere kann Rez. nicht umgehen, urn zu zeigen, dall
S. XXV. Vorrede sagt er, Hr. K. sey ja nicht der erste, der die Grunde der er beyde Gegner mit kritischem Auge betrachtet.
spekulativen Philosophie untersucht habe, urn dadurch dem unbescheide- Unter die Kantischen Hauptsiitze gehiirt dieser, dall die Begriffe von
nen und unvorsichtigen Dogmatismus Einhalt zu thun. Nun habe er Raum und Zeit nicht durch Erfahrung erzeuget, sondern als reine An-
nichts dagegen, wenn Hr. K. diese U ntersuchung Kritik nennen wolle, so schauungen, als Formen und Bedingungen aller Sinnlichkeit, der Raum in
wie Basedow seine Philosophie Philalethie nannte. Hr. K. diirfe aber auch Ansehung der aulleren, die Zeit in Ansehung der innern, a priori in uns
nichts dawider haben, wenn jemand fernerhin U ntersuchung, Beleuch- sind. Mit ihm fallt Kants Philosophie. Hr. E streitet zwar nur wider die
tung, Prufung Skepsis sagen wolle, so wenig als Basedow uns das Wort Satze vom Raum; da aber die Beweise fiir die Prioritiit der Zeit im Grunde
Philosophie zu nehmen berechtigt sey. Sehr wahr. Man lese nur (Kritik der die namlichen sind, so gilt es mit einem Streiche beyden. Unter den 5
reinen Vernunft S. 388.} die Erkliirung Kants iiber dogmatische, skeptische Grunden, welche Hr. K. fiir die Behauptung anfiihrt, dall die Vorstellung
und kritische Einwlirfe, woraus erhellet, was er sich unter einer kritischen vom Raum vor aller Empfindung in uns vorhandcn seyn miisse, wahle ich
Philosophie denket. Der dogmatische Einwurf ist, der wider einen Satz, mir den dritten, gerade den Achilles, urn ihn sowohl, als Feders Antwort,
der kritische, der wider den Beweis eines Satzes gerichtet ist. Der erstere zu priifen. Er verdient urn so mehr ein besonderes Augenmerk, wei! er
bedarf einer Einsicht in die Beschaffenheit der Natur des Gegenstandes, durch das ganze Werk gehet, und die Hauptstiitze aller Kantischen Bewei-
urn das Ge{819]gentheil von demselben behaupten zu konnen; der kriti- se fiir die Moglich{823]keit und Wirklichkeit einer transcendentalen Phi-
sche Einwurf liillt den Satz in seinem Wert he oder U nwerthe unangetastet, losophie ausmacht .
und ficht nur den Beweis an; der skeptische stellt Satz und Gegensatz •Ware die Vorstellung vom Raum die Frucht der Erfahrung, so wiire
wechselseitig gegeneinander, als Einwiirfe von gleicher Erheblichkeit; aile Erkenntnill vom Raum im Grunde nur Wahrnehmung, folglich zu-
einen jeden derselben wechselweise als Dogma, und den andern als dessen fiillig; folglich wiiren die Grundsiitze der Geometrie nicht nothwendig a
Einwurf. Die kritische Philosophie setzt also keine Behauptungen, sie be- priori, nicht apodiktisch gewill. Es wiire also z. B. nicht nothwendig wahr,
weist nur, dall die Behauptungen anderer grundlos sind. In einzelnen Ein- dall zwischen zweyen Punkten nur eine gerade Linie sey, sondern die Er-
wiirfen hat man also vor Kanten schon lange kritisirt, und im Ganzen der fahrung wiirde es nur so lehren. Was von der Erfahrung entlehnt ist, hat
Philosophie hat er ein gliinzendes Beyspiel an Hume, der sich den Namen nur komparative Allgemeinheit, niimlich durch Induktion. Man wiirde
eines Skeptikers gefallen liell. Soli ja doch seine Philosophie - nur Aus- also nur sagen kiinnen, soviel zur Zeit noch bemerkt worden, ist kein
fiihrung des Humeschen Problems seyn (Proleg. S. 15}, das zuerst Kants Raum gefunden worden, der mehr, als drey Abmessungen hatte." Hr. E
dogmatischen Schlummer unterbrach (Proleg. S. 13.} Wenn also gleich hiilt sich erstens iiber die Folgerung auf - - Wahrnehmung, also zu-
Kants Philosophie auf der einen Seite weiter ruckt, als die Humesche, und fallig - - so gebe es nirgends, sagt er, nothwendige Erkenntnisse, wei!
auf der andern wohl manchmal entscheidender spricht, als diese, so gehiirt man nichts erkennen kann, ohne wahrzunehmen. Wenn er sich aber unter
sie doch, den dogmatischen Theil von Begriffen a priori, und das systema- Wahrnehmungen nur zufiillige Erkenntnisse denke, so wiillten wir ja aile,
tische Gewand ausgenommen, zu einer Art mit derselben, wie denn auch dall Worterkliirungen nichts in Ansehung der Natur der Dinge entschei-
Kant (Pro!. S. 12.} Humen eine kritische Vernunft zugestehet. Leidiger den. Ich will hier nicht alles vortragen, wie er Kanten iiber die Verkniip-
688 'lBir;burger ge[e~rte Qln;eigen - 20. Oktober 1787 ~eDer tiber Jlaum unD \l:auffafitiit 689
fung des Zufalligen mit der Wahrnehrnung noch weiter zusetzt. So sehr er sind vor den Begriffen wirk.licher Dinge, allein ich verstehe noch nicht,
auch Recht hat, wider den Miflbrauch des Wortes, Wahrnehmung zu warum im Reiche der Wirklichkeiten keine Entwicklung, keine Apodixis
eifern, so ist es doch nicht von Belange, was er irnrner sagen mag; indem Statt haben kiinne, und eben so wenig, wornach hier gefragt wird, wie
Kant Empfindung mit Bewufltseyn darunter versteht, und Kenner Kants ungeachtet der leichtern Bearbeitung geometrischer Begriffe apodiktische
und Humes den Sinn des ganzen Beweises wissen kiinnen und mi.issen. Gewi.llheit miiglich sey, wenn die ersten Grundsatze, auf denen das ganze
Die geometrischen Grundsatze sind nothwendig wahr, allgernein apodik- Gebaude beruhet, als Erfahrungsgrundsatze derselben (825] nicht fahig
tisch gewifl. Sind nun die Begriffe von Raum aus Erfahrung geschiipft, so sind. Hr. K. aber wi.irde noch hinzusetzen, dafl es zwar so begreiflich sey,
waren die ersten Grundsatze der Geornetrie nur Erfahrungen, nur auf ein- wie in der Geometrie die Analysis Ieichter von statten gehe, als bey wirk-
zelne Wahrnehrnungen oder Ernpfindungen gebaut. Sie kiinnen also keine lichen Dingen; dafl er aber noch nicht einsehe, wie synthetisch nothwen-
allgemeinen und nothwendigen Wahrheiten abgeben. Diefl ware der Sinn dige Satze, woraus die reine Mathematik zusammengesetzt sey, entstehen
des Ganzen, und somit bliebe nichts i.ibrig, als den Hurneschen Satz, dall kiinnen. Rez. liiset das Argument so. Man liiugne nur gerade, dall, wenn
Erfahrungen keine allgemein nothwendigen Wahrheiten abgeben kiinnen, die Vorstellungen vom Raurn aus der Erfahrung geschiipfet sind, darum
der hier sowohl als sonst, zu Grunde liegt, zu widerlegen. Hr. F. siehet auch die ersten Grundsatze der Geometrie blase Erfahrungsgrundsatze
sich auch dazu geniithigt. Nothwendig nennet er, wovon das Gegentheil sind, und, wie der Satz, dafl morgen die Sonne aufgehen wird, auf Induk-
nicht seyn kann. Un{824]sere Wahrnehmungen vom Raum enthalten tion sich gri.inden. Ein anders sind die Grundsatze, ein anderes die Vor-
nothwendige Wahrheiten darum, wei] wir nicht fahig sind, das Gegentheil stellungen, aus denen jene werden. Woher uns auch immer diese gegeben
uns davon vorzustellen §. 9., das wird Hr. K. gerne zugeben. Allein nun seyn miigen, genug, dafl wir zwischen Subjekt und Pradikat gewisse Ver-
fragt sich, wie dann Wahrnehmungen vom Raum, wenn sie bios Erfahrun- haltnisse gewahrnehmen, urn Satze zu bilden, von deren Gewiflheit wir
gen sind, so apodiktisch nothwendig seyn kiinnen. Denn wenn wir auch apodiktisch i.iberzeugt seyn kiinnen; so lange man uns jene Begriffe laflt.
alles willig einriiumen, was Hr. F. §. 32. bey einer anderen Gelegenheit zur Man braucht so nur Begriffe, und ihre Vergleichung, und keine Erfahrung.
Rechtfertigung allgemeiner Erfahrungsurtheile sagt, so kiimmt ihnen doch Nun so ist es gerade mit den geornetrischen Urtheilen, die von selbst
der Charakter der strengen Nothwendigkeit, vermittels welcher das Ge- einleuchten, und also keine Erfahrungsurtheile sind, obgleich ihr Stoff,
gentheil schlechterdings undenkbar ist, wie in mathematischen Satzen, nie der Begriff vom Raum daher genomrnen ist. Doch Kant ist ja dieser Auf-
zu. Hr. F. weiset diese Untersuchung S. 38. vor der Hand weg: Mag nun, liisung schon zuvorgekomrnen. Entsti.inde die apodiktische Gewiflheit der
sagt er, die U nmiiglichkeit, das Gegentheil zu denken, ihren letzten geometrischen Grundsatze aus der Vergleichung der Begriffe, so mi.illte
Grund haben, wo sie will. Das geht nun wohl nicht an, da Kant einmal das Pradikat im Subjekte liegen, und durch Aufmerksamkeit auf beyde
darauf bestehet, diese Unmiiglichkeit kiinne nur von der Prioritat der Be- entdeckt werden kiinnen, und so waren die geometrischen Urtheile nur
griffe kommen. Der 2te §. giebt zwar Antworten darauf, aber Schade, dall analytisch, oder erlauterend. Nun sind sie aber synthetisch, erweiterend,
er als Digression da steht, was er in der That nicht so ganz sollte. In dem- oder solche Urtheile, worin das Pradikat mit dem Subjekt in Verkni.ipfung
selben erklart Hr. F., warum es nur in der Mathematik apodiktische steht, ohne in demselben enthalten zu seyn. Bey jenen geschieht die Ver-
Gewiflheit giebt. Das Resultat gehet dahin, dafl die Verschiedenheit der kni.ipfung durch Identitat, und beruht also auf dem Grundsatze des Wi-
Gegenstande, die bey der reinen Mathematik blose Vorstellungen, und derspruchs, bey diesen nicht so. Jene entwickeln, erlautern nur das Sub-
einer viilligen Deutlichkeit und Bestimmtheit fahige Vorstellungen, bey jekt, diese fi.igen hinzu. Bey synthetischen Urtheilen mull der Verstand
der Philosophie hingegen vollstandige, von uns aber nur unvollstandig er- noch etwas ausser dem Be griffe des Subjekts (X.) haben, urn ein Pradikat,
kannte und erkennbare wirkliche Dinge sind, den Grund der ungleichen das in jenem Begriffe nicht liegt, doch als dazu gehiirig zu erkennen. Bey
Evidenz der einen und der andern Erkenntniflart ausmachen, nicht diefl, Erfahrungsurtheilen ist dieses X die vollstandige Erfahrung von dem
dafl die einen Vorstellungen bios auf innerem Grunde beruhen, oder a Gegenstande. Aber bey synthetischen Urtheilen a priori fehlt dieses Hilfs-
priori in uns sind, die andern aber aus sinnlichen Eindriicken abstrahirt mittel ganz und gar. Wenn ich ausser dem Begriffe a hinausgehen soli, urn
werden. Allein dadurch ist der Knoten nicht geliiset. Ich verstehe nun einen andern, b, als damit verbunden zu erkennen, was ist das, worauf ich
wohl, dall die mathematischen Begriffe einer griilleren Entwicklung fahig mich (826] sti.itze, und wodurch die Synthesis miiglich wird; da ich hier
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den Vortheil nicht babe, mich im Felde der Erfahrung darnach umzuse- wicklung aus dem Subjekt hervorspringt, dazu genommen. Im ersten Falle
hen? Es liegt hierin ein grolles Geheimnill verborgen, sagt Kant, und sind es unmittelbare, im letztern geschlossene Urtheile. Bey Aufziihlung
dieses Geheimnill zu entdecken, oder mit gehoriger Allgemeinheit den dieser Denkgesetze habe ich keinen andern Biirgen, als die Erfahrung in
Grund der Miiglichkeit synthetischer Urtheile a priori zu finden, ist Kants gehorige Ordnung gebracht, was denn freylich Verstandeskriifte, aber nicht
Geschaft, wozu er denn reine Formen der Sinnlichkeit und des Denkens, reine Verstandesbegriffe voraussetzt. Hr. K. selbst fiihrt mich auf diesen
welche a priori in uns liegen, annimmt. Nun, die mathematischen Grund- Weg, indem er mir (Crit S. 382.) die weise Lehre giebt: - .also fiillt die
siitze sind nur synthetisch. Sie lassen sich also durch Aufmerksamkeit auf ganze rationale Psychologie als eine alle Kriifte der menschlichen Vernunft
die Begriffe des Subjekts und Priidikats nicht bilden. Da es nun auch apo- iibersteigende Wissenschaft, und es bleibt uns ni_chts iibrig, als unsere Seele
diktische Grundsiitze sind, so reichet die Erfahrung nicht dazu hin. Zum an dem Leitfaden der Erfahrung zu studiren." Ubrigens weill ich zu genii-
Behufe der Geometrie mull also der Begriff vom Raume a priori in uns lie- ge, daB die obige Darlegung der Erkenntnillgesetze Hrn. K. System nicht
gen. So kann und mull mir Kant aus seinem Systeme antworten. Unmiig- gema!l sey. Da miillten die reinen Formen der Sinnlichkeit und des Den-
lich kann Rez. sich bey diesen Schliissen beruhigen. Bey synthetischen kens eingeschaltet, und das Ganze zum Vortheil synthetischer U rtheile a
U rtheilen mull der Verstand noch etwas ausser den Begriffen haben X, priori gedrehet werden. Allein in Ansehung der reinen Formen der
worauf er sich stiitzt. Bey Erfahrungsurtheilen ist die Erfahrung dieses X. Sinnlichkeit, des Raums und der Zeit, ware diell hier Voraussetzung des
Etwas anders mull es also bey Urtheilen a priori seyn z. B. bey geome- erst zu erweisenden. In Betreff der reinen Verstandesbegriffe aber kann
trischen Urtheilen. Dem zufolge ist die Prioritiit der Begriffe selbst dieses Rez. nicht umhin, sich auf eine Priifung derselben so kurz, als miiglich,
X. Wer fiihlt nicht das Unzusammenhiingende des Schlusses mit den Vor- einzulassen, urn seine Behauptungen, und die daraus fliellenden Schliisse
dersiitzen? Wie ich durch Hilfe der Erfahrung zween Begriffe vereinigen in gehiiriger Allgemeinheit zu begriinden. Nur Erfahrung, wie wir eben
kann, das weill ich eben aus der Erfahrung. Aber wie Prioritat der Begrif- hOrten, soli also der I..eitfaden seyn, an dem wir unscre Seele studircn kOn-
fe an und fiir sich betrachtet das Band zwischen zwenen Begriffen, die nen. Warum macht aber Hr. K. bey der Natur unseres Verstandes eine
sonst nichts mit einander gemein haben, abgeben kiinne, das weill ich Ausnahm? Woher kennen wir wohl die reinen Verstandesbegriffe? aus der
weder aus Erfahrung, noch a priori, und doch wird es bey obiger Schlull- Erfahrung? das sollten wir zwar nach der eben gegebenen Weisung; allein
folge ohne allen Beweis vorausgesetzt. Denn wie konnte man zu derselben wie kiinnen wir Begriffe, die, wie uns Hr. K. iifter versichert, aller Erfah-
kommen, ohne voraus anzunehmen, dall der ausser ihnen selbst gelegene rung vorhergehen, und sie erst miiglich machen, aus der Erfahrung bewei-
Vereinigungspunkt zweyer Begriffe entweder in der Erfahrung oder Prio- sen? Auch waren sie so selbst Erfahrungen, was sie doch nicht seyn diir-
ritat der Begriffe liegen miisse. Stellt man sich etwa gar vor - - und an- fen. Zum Uberflull sagt uns Hr. K. (Crit. S. 67.) ausdriicklich, daB [828]
ders wird man wohl nicht kiinnen, es miillte dann die Schlullfolge ganz die transscendentale Philosophie die Verbindlichkeit habe, .ihre Begriffe
aus der Luft gegriffen seyn - - dall, gleichwie uns die Erfahrung die nach einem Prinzip aufzusuchen; wei! sie aus dem Verstande, als absoluter
Verkniipfung zweyer Begriffe, ohne Einsicht in ihren Zusammenhang, Einheit, rein und unvermischt entspringen, und daher selbst nach einem
aufdringt, eben so Anschauungen a priori uns zur Vereinigung gewisser Begriffe oder Idee (Hr. K. sollte diese zwey Worte, die bey ihm S. 320.
Begriffe zwingen, ohne daB wir im Stande waren, den Vereinigungspunkt Crit. verschiedene Begriffe bezeichnen, nicht mit einander verwechseln)
in ihnen selbst anzutreffen. Allein was ware das wohl anders, als eine Art unter sich zusammenhiingen miissen.•Ein solcher Zusammenhang aber,
von Erfahrung, also eine Erfahrung a priori, welche [827] sich doch nicht sagt er, gebe eine Regel an die Hand, nach welcher jedem reinen Verstan-
denken la!lt? Man iiberlege nur die Sache etwas genauer. Wenn ein Begriff desbegriffe seine Stelle und allen insgesammt ihre Vollstiindigkeit a priori
zu dem andern, oder in dem andern gedacht werden soli dann arbeitet der bestimmt werden kann, welches alles sonst vom Belieben oder dem Zufall
Verstand durch sich selbst, oder er nimmt etwas ausser sich zu Hilfe. Der abhiingen wiirde." Wir sind demnach angewiesen, sie a priori, oder die rei-
Verstand denkt sich die Verkniipfung, oder sie wird ihm gegeben, ohne nen Verstandesbegriffe in ihnen selbst aufzusuchen, und da Hr. K. sie uns
daB er sie einsiehet. Das erste geschieht nur durch Begriffe, und heillt auch in einer bestimmten Zahl angiebt, den einen aus dem andern wechselweise
begreiffen, das zweyte erfahren. Die Begriffe geben beym ersten Anblick z. B. a aus b und b aus a, oder sie siimmtlich aus einem oder mehrern All-
selbst Licht, oder es wird noch ein dritter Begriff, der nach einiger Ent- gemeinbegriffen z. B. c d e aus a oder a und b herzuleiten. Das erste ist
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Zirkel, das zweyte petitio principii, und eine Antwort, die uns ohne Ende gen, vorfinden. Wie wollte es denn auch Hr. K. angreifen, den Satz: der
fragen heiik Zudem gesteht es Hr. K. selbst ein, dail die reinen Verstandes- Verstand enthiilt obige 4 Denkformen, oder Kategorien, darzuthun? Will
begriffe nicht a priori oder aus andern Verstandesbegriffen geschlossen er analytisch verfahren? Der aus innerer Erfahrung geschopfte Begriff des
werden kiinnen. S. 310. Cr. heillt es: die reinen Verstandesbegriffe geben Subjekts liiilt sich nicht so ausmessen, dail er, ohne die Erfahrung aufs
zuerst Stoff zum Schliessen, und vor ihnen gehen keine Begriffe von Ge- neue anzusprechen, die Kategorientafel hergiibe. Synthetisch geht es wohl
genstiinden a priori vorher, aus denen sie kiinnten geschlossen werden. Auf an auf empirischen Wegen, aber a priori nicht; es mullte denn Hr. K. reine
den hiichsten Grad mull eines jeden Willbegierde gespannt seyn, wie uns Denkformen voraussetzen, die erst zu erweisen sind. Die Erfahrung, aus
Hr. K. Begriffe a priori beweisen wird, die uns weder a posteriori noch der ich die Denkgesetze in der Vereinigung zweyer Vorstellungen oben
priori , weder aus dem Selbstbewustseyn, oder innerer Erfahrung, noch Be- gezeichnet, bleibt also in ihrem Besitze.
griffen und Schlussen bekannt seyn kiinnen? (S. 67. Crit.) sollen sie aus Nun fragr Hr. K., worauf grunden sich die ersten Siitze der Geometrie?
dem Verstande als absoluter Einheit entspringen. S. 68. ist der Verstand Wo liegt das X, das Band der Verknupfung? in den Begriffen des Satzes, im
eine Erkenntnill durch Begriffe. Begriffe bestehen in der Einheit der Subjekt und Priidikat mit einander verglichen? Diese unmitte!bare Augen-
Handlung, verschiedene Vorstel!ungen unter einer gemeinschaftlichen zu scheinlichkeit, denn es ist die Rede von den ersten Siitzen der Geometrie,
ordnen. Von Begriffen kann der Verstand keinen andern Gebrauch rna- wiire analytischen Ursprungs. Nun sind aber nach Kant die geometrischen
chen, als da er urthei!t. Al!e Urtheile sind aber auch Funktionen der Ein- Siitze alle synthetisch. Was bliebe also ubrig, als Erfahrung? Allein so bat-
heit unter unsern Vorstel!ungen. Die Funktionen des Verstandes kiinnen ten wir zwar synthetische, aber keine apodiktisch nothwendige Siitze. Wir
also gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Ur- finden also dieses X nirgends. Nirgends giebt es also einen letzten Grund
theilen vollstiindig darstellen kann. Diell liillt sich aber bewerkstel!igen, zur Verkniipfung synthetischer Urtheile a priori, und Synthesis a priori
wenn wir die Klassen aller mOglichen Urtheile, wie wir sie in den gemei- enthalt einen Widerspruch. Sind diese Folgerungen aus vorausgesetzten
nen Logiken verzeichnet finden, aufziihlen. Dem [829] zufolge sind die Kantischen Erkliirungen der Analysis und Synthesis richtig, so werden aile
Begriffe der Quantitiit, Qualitiit, Relation, Modalitiit sammt den unterge- synthetischen Siitze a priori sammt der ganzen transscendentalen Philoso-
ordneten reine Verstandesbegriffe - - - Allein daraus folgr weder mehr phie, welche sich darauf grundet, unter die Unmiiglichkeiten gehiiren,
noch weniger, als dail die Verrichtung des Verstandes, Einheit unter meh- oder falls die reine Mathematik, wie Hr. K. will, aus synthetischen Siitzen
rern Vorstel!ungen zu finden, auf diese vier Punkte hinauslaufe, und da a priori bestehen sol!, die Kantischen Priimissen von der Synthesis und
uns nur das Selbstbewustseyn das Daseyn und die Eigenschaften unseres Analysis unrichtig seyn.
Verstandes eriiffnet, so haben wir freylich aus Erfahrung die obigen Begrif- [834] Kants Erkliirung von einem analytischen und synthetischen Ur-
fe abgezogen, die wir gleichwohl Denkformen oder Kategorien betiteln theile unterschreibe ich ganz gern: nur iiber einen und den andern Punkt
kiinnen. Dall sie aber unabhiingig von der Erfahrung in unserem Verstan- milssen wir uns vorher verstandigen. Analytisch (die Rede ist nur von be-
de liegen, das hat Hr. K. auf keine Weise dargethan, ob man es ibm gleich jahenden Urtheilen: die verneinenden erkliirt man sich Ieicht daraus) ist
einriiumen mull, dail die Kraft so zu handeln vor aller Erfahrung in uns also ein Urtheil, worin das Priidikat b zum Subjekt a gehiiret, als etwas,
sey. Denn die Herleitung aus der Natur des Verstandes, Begriffes, Urtheils, was in diesem Begriffe a (versteckter Weise) enthalten ist. Man denke sich
was ist sie wohl anders, als eine Entwicklung (analysis) aus Erfahrungs- hier Einerleyheit, Gleichheit, Almlichkeit etc. Das Verhiiltnill leuchtet
begriffen. Hr. K. sage uns doch, wie er auf den Begriff des Begriffes, des dem Verstande beym Gegeneinanderhalten der Begriffe ein, unmittelbar,
Verstandes, des Urtheils, ohne Leitung der Erfahrung, babe kommen kiin- oder nach einiger Entwicklung. Im synthetischen U rtheile liegr das b
nen. Auch die Klassifikation der Kategorien ist lediglich daraus geschopft, so ganz ausser dem Begriffe a, dail alles Gegeneinanderhalten und Ent-
und es liiilt sich aus dem Begriffe des Verstandes gar nicht einsehen, wickeln verlorne Arbeit ist, den Zusammenhang zu finden. Dort kiimmt
warum gerade die Quantitiit, Qualitiit, Relation, und Modalitiit und keine das Priidikat durch Zergliederung des Subjekts zum Vorscheine, bier wird
andere, - weder mehr noch weniger Kategorien vorhanden seyn milssen. es hinzugelligt. So deut!ich diese Erkliirung scheint, so fehlt es doch nicht
Was wir sagen kiinnen, besteht darin, dail sich nach aller angewandten an Zweydeutigkeiten, und Wortschraubereyen, denen erst begegnet werden
MUhe nicht mehr als die 4 Formen, Vorstellungen miteinander zu vereini- mull. Die erste liegt in dem Worte Begriff, wovon Hr. K. die Anschauung
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ausschliest. Wenn Anschauung zu Hilfe genommen wird, die Verkntip- einem analytischen Urtheile nur darauf an, ob eine Vorstellung so in der
fung zwischen Subjekt und Priidikat zu finden, dann giebt es schon syn- andern liege, daB man sie ohne Widerspruch nicht wegdenken kann.
thetische Urtheile (Sieh Pro!. §. 2.) Was denkt er sich beym Worte An- Mog{836]lich ists freylich, daB der eine mehr, der andere wenigere Merk-
schauung? empirische Anschauung, Wahrnehmung, Empfindung eines male zu einer Vorstellung ziehet, und daB so ein Satz dem einen analy-
Gegenstandes? Je nun, da hater freylich Recht, bey analytisch seyn sollen- tisch heiBt, der es dem andern nicht ist. Das ware so gut, als Despotismus
den Urtheilen sich das Hinzukommen der Anschauung zu verbitten: dann tiber Kopfe, wenn man seine subjektivische Vorstellung zur objektivischen
waren aber auch die mathematischen Urtheile empirisch, was er doch und allgemein giltigen erheben, und andern sagen wollte: hier hat kein
nicht will. Denn nur durch Anschauung, wie er selbst sagt (Pro!. S. 29.) analytisches Urtheil statt. Nun tritt Hr. K. auf, und fodert, daB nur allge-
kommen [835] sie zu Stande. Denkt er sich reine Anschauungen? Ey die meine Vorstellungen bey analytischen Urtheilen in Betracht kommen
waren ja erst zu erweisen. Hernach sind die Vorstellungen vom Raum und sollen. Meinethalben! Aber wie willktihrlich? und dabey wie unlogisch?
Zeit die reinen Anschauungen aile, die denn auch bey der Mathematik zu Wenn sich zwischen einzelnen Vorstellungen Verhaltnisse vorfinden, die
Grunde liegen, Raum in der Geometrie und Zeit in der Arithmetik (Pro!. man ohne Widerspruch nicht wegdenken kann - - Eine U nmoglichkeit
S. 53.) Da er nun aile Anschauungen von Begriffen, welche ein analy- a priori wird sich Hr. K. doch hier nicht einfallen lassen - - Was sind
tisches Urtheil ausmachen sollen, weg haben will, so schreibt er uns vor, diell fur Urtheile? Nicht analytische der einzelnen Vorstellungen oder An-
daB wir tiber Begriffe von Raum und Zeit ohne Vorstellung davon urthei- schauungen wegen: nicht synthetische, wei! ich setze, daB das Verhaltnill
len sollen, und wenn wir das nicht konnen, so ist freylich der Schlull aus zwischen beyden durch blose Betrachtung ihres Inhalts, nach dem Gesetze
willktihrlich verschobenen Definitionen sehr richtig, daB es in der Mathe- des Widerspruchs, gefunden wird. Es wird also eine andere Klassifikation
matik keine analytische Urtheile giebt. der Urtheile niithig seyn. Will nun Hr. K. das nicht, wie wir denn auch
Ich habe das Wort Anschauung in dem doppelten Sinne genommen, mit der alles umfassenden Eintheilung in analytische und synthetische Ur-
den Kant damit verbindet. Sollte es ihm aber gefallen, es in der andern theile zufrieden seyn konnen, so nehme er seine Foderung zuriick, die
Philosophen gewohnlichen Bedeutung zu nehmen, wie dann auch wirk- weiter keinen Zweck hat, als dem Systeme gemall, die mathematischen Ur-
lich etwas davon mit unterlauft, so lallt sich nicht absehen, mit welchem theile, die nur durch Anschauung zu Stande kommen sollen, zu syntheti-
Rechie er zu einem analytischen Urtheile fordert, daB das Priidikat in dem schen zu machen; obgleich der Gewinn, den er sich dabey verspricht,
Subjekt ohne Anschauung erkannt werden solle. Denn wenn die intuitive nicht so groB seyn wlirde, wenn man es ihm auch zugabe. Denn die Vor-
Kenntnill vor der symbolischen das zum voraus hat, daB sie uns das Ob- stellungen in der Ziffernrechnung sind doch so ziemlich allgemein,
jekt individueller, und mit allen einzelnen Merkmalen, giebt, so ware das geschweige dann erst in der Buchstabenrechnung, und in der Geometrie
gerade soviel, als verbiethen, das Objekt nach allen seinen Seiten zu be- stellt jede Figur etwas Einzelnes vor, und gilt doch zugleich fur eine allge-
trachten, urn die Verkntipfung zwischen Priidikat und Subjekt zu finden, meine Vorstellung.
was doch hier besonders nothig ist. Oder heiBt das erwa Hr. K., aus dem Auch auf den Worten, mit welchen die Verrichtung des Verstandes in
Begriffe herausgehen, wenn man ihn ganz beaugenscheinigt? Es bleibt im- der Vereinigung der Begriffe bezeichnet wird, liegt eine Zweydeutigkeit,
mer noch ein Begriff, wenn ich ihn gleich bis zur Empfindungsvorstellung die Hr. K. kltiglich zu seiner Absicht zu benutzen weill. Entwicklung,
belebe, und nach allen Theilen denke. Forden er aber durchaus zu einem Zergliederung herrscht bey analytischen Urtheilen; Hinzufogung bey syn-
Begriffe ErkenntniB eines Objekts durch allgemeine Merkmale, und setzt thetischen. Ein anderes ist es, das Priidikat b zum Subjekt a, worin es gar
so den Begriff der Anschauung entgegen, so habe ich gar nichts dawider, nicht gedacht wird, durch Hilfe eines ausw1irtigen x hinzufugen, worin das
nur mull ich anmerken, daB er so in der Anwendung auf Urtheile ganz Eigentliche der Synthesis besteht. Wieder ein anderes, etliche Theile, die
willktihrlich, und nur in Hinsicht auf sein System verfahrt. Wenn die F ra- zu a gehoren, zu einem Ganzen zusammeufugen, wei! es die Natur des Be-
ge ist, ob das Priidikat im Subjekt auf irgend eine Weise liege, oder ob sich griffes so fodert, urn das b finden zu konnen z. B. [837] 5 + 7 ~ 12. Die
ein Verhaltnill zwischen beyden denken lasse, so ist man weit davon ent- Synthesis des Subjekts hebt hier das Wesen des analytischen U rtheils nicht
fernt, sich nur nach allgemeinen Merkmalen umzusehen. Man rechnet auf. Denn wo liegt Einerleyheit so deutlich da, als hier? Ferner ein anderes
zum Subjekt aile in demselben vorstellbare Merkmale. Es kommt bey ist Entwicklung, Zergliederung, oder Auf!osung des Subjekts in seine
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Theile im Gegensatz aller Zusammenfugung derselben z. B. 12 = 5 + 7. thetisch, welches man desto deutlicher inne wird, wenn man etwas grolle-
Wieder ein anderes Darstellung, Verdeutlichung des Subjekts nach allen re Zahlen nimmt, da es dann klar einleuchtet, dafl, wir mochten unseren
seinen Theilen, wodurch Zusammenfugung so wenig ausgeschlossen wird, Begriff drehen und wenden, wie wir wollen, wir ohne die Anschauung zu
dall sie vielmehr, wenn es die Natur des Begriffes vorschreibt, ein wesent- Hilfe zu nehmen, vermittels der blosen Zergliederung unserer Begriffe die
liches Ingredienz davon ausmachen kann z. B. 5 + 7 = 12. Wenn man die Summe niemals finden konnten." Aus dem ganz hier angefuhrten Raison-
ganze Verrichtung des Verstandes, einen Begriff in dem andern zu ent- nements Kants (Pro!. S. 28.) ersiehet man, dall die Hauptsache dahin gehe:
decken, Entwicklung (Analysis) nennen will, so gehoren beyde als Arten das Priidikat 12 liegt nicht in dem Begriffe des Subjekts 7 + 5, wei! es nicht
zu einer Gattung, jene als Analysis in engerer, diese als Analysis in wei- durch Zergliederung des Begriffes, sondern durch Anschauung erst ent-
terer Bedeutung, weit gefehlt, dafl die letzte nur synthetische Urtheile deckt wird; da nun diell bey allen arithmetischen Siitzen Stich halt, so
begriinden soli. folgt, dafl sie aile synthetisch sind. Wenn Hr. K. unter der Zergliederung
Auch in den Worten erlii.uterend und erweiterend steckt Doppelsinn. eine solche Auflosung der Theile verstehet, wobey die Aufmerksamkeit
Aile Synthesis ist erweiternd, aile Analysis erliiuterend. Da nun, wie wir einen Theil nach dem andern heraushebt, ohne sie weiter zu einem
eben gesehen, analytische Urtheile eine Zusammenfugung in dem Subjekt Ganzen zusammenzufiigen, so hat er ganz Recht zu sagen, dafl die blase
nicht ausschliellen, so konnen analytische U rtheile als Siitze erliiuternd Zergliederung uns keine Einsicht in den obigen Satz verschaffe. Dann wird
seyn, und doch eine Erweiterung unserer Kenntnill enthalten, in so fern aber der obige Satz umgekehrt 12 = 5 + 7. von dieser Seite betrachtet,
die Zusammensetzung mehrerer Theile des Subjekts uns den Begriff eines analytisch seyn, wei! das Geschiift unseres Verstandes in der Zergliederung
bestimmten Ganzen verschaffet. des Subjekts ohne aile Zusammenfugung besteht. Der obige Satz stellte
Diell vorausgeschickt, wie steht es nun urn den Beweis, dafl die mathe- also bey weitem nicht aile arithmetische Siitze vor. Wo sich Zergliederung
matischen Urtheile aile synthetisch sind. Die offenbar analytischen Siitze in engerer Bedeutung des Wortes vorfindet, bey der Subtraktion und Divi-
z. B. das Ganze ist groller, als sein Theil, die unter den mathematischen sion, da giibe es analytische; wo aber Zusammensetzung, wie in der Addi-
Axiomen stehen, weiset er, so wie den Satz des Widerspruchs, der bey ana- tion und Multiplikation, synthetische Siitze.
!ytischen Urtheilen, und iiberall in mathematischen statt findet, dadurch Warum soli dann aber auch, urn das Priidikat im Begriffe des Subjekts
zuriick, dafl jene nur zur Kette der Methode, nicht aber als Prinzipien zu finden, der Verstand sich bios mit Zergliederung in der engeren Bedeu-
dienten, und dieser zur Einsicht mitgehorte, aber allemal erst einen syn- tung abgeben, da doch das Trennen einzelner Theile nicht mehr eine Ver-
thetischen Satz voraussetzte. Wir wollen iiber diese seine Unterschiede richtung desselben ist, als das Zu{839Jsammenfugen der Theile, und die
nicht disputiren, und es mit ihm nur in den Beyspielen aufnehmen, die er Darstellung derselben in einem Ganzen? Wenn die Frage aufgeworfen
selbst anfuhret. In der Arithmetik soli der Satz 7 + 5 = 12. ein syntheti- wird, ob sich das Priidikat im Subjekt entdecken lasse, so mull es uns ja
scher Satz seyn, wei! der Begriff der Summe von 7 und 5 weiter nichts ent- doch frey stehen, unseren Verstand anzuwenden, und das Subjekt zu
hiilt, als die Vereinigung beyder Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und betrachten, wie es die Natur der Sache fodert. In dem gegebenen Satze
gar nicht gedacht wird, welches diese einzige Zahl sey, die beyde zusam- aber erkleckt gerade die Zergliederung nicht. Denn wenn im Subjekte
menfaflt .•Der Begriff von 12 ist [838] dadurch keineswegs schon gedacht, vom Zusammenfugen die Rede ist, wie kann man den Verstand auf die
dafl ich mir bios jene Vereinigung von 7 und 5 denke, und ich mag meinen Zergliederung einschriinken, die zwar, urn sich einzelne Stucke des Begriffs
Begriff von einer solchen moglichen Summe noch so sehr zergliedern, so 7, 5, - zu denken, angehet, aber da doch der Begriff ein Ganzes fodert,
werde ich doch darin keine Zahl12 antreffen. Man mull iiber diese Begrif- von der Zusammenfugung nicht getrennt werden darf. Hier ist also die
fe hinausgehen, indem man die Anschauung zu Hilfe nimmt, die einem oben schon geriigte Vermischung verschiedener Begriffe. Sollte es Hrn. K.
von beyden korrespondirt, etwa seine 5 Finger, und so nach und nach die gefallen, unter dem Worte Zergliederung die ganze Verrichtung des Verstan-
Einheiten der in der Anschauung gegebenen 5 zu dem Begriffe der 7 des, wodurch er nur immer einen Begriff bearbeiten kann, urn seine Ver-
hinzuthut. Man erweitert also wirklich seinen Begriff durch diesen Satz: hiiltnill zu einem andern zu bemerken, Zusammensetzung sowohl als Auf-
7 + 5 = 12., und thut zu dem erstern Begriffe einen neuen hinzu, der in IOsung, zu verstehen, so liillt sichs nicht errathen, warum der Verstand
jenem gar nicht gedacht war d. i. der arithmetische Satz ist jederzeit syn- nicht die Wahrheit jenes Satzes aus Begriffen einsehen konne. ,Der Begriff
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der Summe von 7 und 5 enthalt nichts weiter, sagt er, als die Vereinigung gar meinem Auge gefiillt, vor mir habe, ohne mich auf Fliicheninhalt ein-
beyder Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird, zulassen. In so ferne ist das Gerade, wie der Zirkel, Qualitiit. Da es aber
welches diese einzige Zahl sey, die beyde zusammenfasset. Man muB tiber Gestalten des Raums sind, so konnen sie auch als GraBen in Betracht
diese Begriffe hinausgehen, indem man die Anschauung zu Hilfe nimmt." kommen. Dringe ich in jemand, mir eine Beschreibung vom Geraden zu
Wenn 7 und 5 in eine einzige Zahl vereinigen, und doch die Summe 12 geben, so wird er mir nichts weiter sagen, als daB es eine Vorstellung von
nicht denken, kein Widerspruch seyn soli, so wird bios von einer abstrak- der Entfernung zweer Punkte, oder daB die gerade Linie der ktirzeste Weg
ten und symbolischen, zum Theile undeutlichen [Swnme c!it.] Rede seyn (:] zwischen zween Punkten sey. Hr. K. irrt sich also, wenn er sogleich als be-
a + b = c oder 7 + 5 = c. Es wird nichts bleiben, als der allgemeine und wiesen aufstellt, was hier erst in der Frage ist: der Begriff vom Geraden
etwas dunkle Begriff von gewissen Zahlen, welche vereinigt werden solien, enthiilt nichts von GroBe, sondern nur Qualitiit; und daraus den fast iden-
ohne volle Darstellung, wodurch die Zahlen wirklich vereinigt werden. tischen Satz ziehet: der Begriff des Ktirzesten kommt also giinzlich hinzu.
Wie willktihrlich setzt so Hr. K. dem Verstande Griinzen? Warum sollen Das heiBt, Hr. K. schliellt, seines Systems wegen, vom Begriffe des Gera-
wir die Augen zudrticken, warum nur schielen, urn das Subjekt nicht ganz den aile GroBe aus, und denkt sich nur Qualitiit, und dann ist freylich der
zu denken? Warum den Begriff nicht anschaulich machen? Hort er etwa SchluB fertig: der Begriff des Ktirzesten kommt erst giinzlich hinzu, und
auf, ein Begriff zu seyn, wenn er weniger abstrakt, wenn er individueller kann durch keine Zergliederung aus dem Begriffe der geraden Linie gezo-
und anschaulicher ist? Sey auch ein Begriff nur eine allgemeine Vorstel- gen werden. Wenn nun doch der Begriff des Ktirzesten erst hinzukommen
lung, und die Anschauung eine einzelne, so bleibt er ja immer noch allge- mull, woher denn wohl? Aus der Anschauung wieder, die Hr. K. dem Be-
rnein genug, urn auf diesen Namen Anspruch machen zu konnen, ob- griffe entgegensetzt. Er nehme doch aile Anschauung hinweg, was wird
gleich auch dieser Unterschied am Ende - nichts auf sich hat. HeiBt das ihm dann vom Begriffe der geraden Linie tibrig bleiben? lsts nicht An-
aus dem Begriffe (84D] hinausgehen, wenn man ihn ganz denkt? Freylich schauung, wodurch wir aile (841] Figuren der Geometrie, aile geraden und
gehe ich aus dem abstrakteren und dunklern Begriffe heraus; freylich habe krummen Linien denken? Das Subjekt unseres Axioms bathe uns also gar
ich nicht mehr die blose symbolische Vereinigung + im Kopfe; ich bedie- keinen Begriff an? Oder ists nicht eine und die niimliche Anschauung, die
ne· mich der Anschauung. Allein diese Anschauung ist weiter nichts, als mir die Figur des Geraden und die Vorstellung des Ktirzesten giebt?
der Begriff ganz gedacht, und wenn ich auch die Finger oder Punkte dazu Weit gefehlt also, daB die mathematischen Siitze synthetisch a priori
nehme, so ist dieB nicht eine Anschauung nach Kantischem Sinne, ausser sind, enthalt Synthesis a priori vielmehr einen Widerspruch. Fallt nun so
dem Bezirke des Begriffs gelegen, sondern nur eine Erleichterung dessel- die Prioritiit des Raumes, und mithin auch der Zeit weg, wie sich jeder
ben. Das Weitere hiertiber ist so, wie die Verdrehung der Worte, Hinzu- mit Hilfe der Federschen und meiner Widerlegung tiberzeugen kann, so
thun, Erweitem, die hier vorkommen, oben schon bemerkt. liegt der Strebpfeiler der transscendentalen Philosophie tiberhaupt, und
Eben so wenig ist irgend ein Grundsatz der reinen Geometrie synthe- besonders des Kantischen Idealismus zu Boden. So vie! kostet es, nur einen
tisch. DaB die gerade Linie zwischen zween Punkten die ktirzeste sey, ist Punkt ins Klare zu bringen. Gerne wtirde ich die Untersuchung weiter
Kanten ein synthetischer Satz, wei! der Begriff vom Geraden nichts von fortsetzen, wenn es in diesen Bliittern erlaubt wiire. Wirklich halte ich, was
GroBe, sondern nur eine Qualitiit enthiilt; wei] also der Begriff des ktir- ich bereits tiber Kants Idealismus und Feders Widerlegung ausgearbeitet,
zesten erst giinzlich hinzukommt, und durch keine Zergliederung aus dem zurtick, aus Furcht, Lesern, denen mit diesen itzt das philosophische
Begriffe der geraden Linie gezogen werden kann, wei! also auch Anschau- Deutschland interessirenden Gegenstiinden schlecht gedient ist, nicht zu
ung hier zu Hilfe genommen werden mtisse, vermittels deren die Synthesis millfallen. So vie! sieht bereits jeder, der Augen hat, dall der unwider-
moglich ist. (Pro!. S. 29.) leglich geschienene Kant sich widerlegen liillt; daB der Koloss der Ver-
Falsch ist es, daB der Begriff des Geraden nichts von GroBe in sich halt. nunft, Kritik, die Arbeit von dreyBig Jahren auf irrdenen FUllen steht,
Wenn wir freylich vom Geraden sprechen, so haben wir mehr etwas und bey der Bertihrung derselben wankt und sttirzt. Mochten doch aile
Figtirliches, wodurch unser Auge auf eine gewisse Art affizirt wird, im philosophischen Kopfe unserer Nation, die Kanten noch nicht gehuldigt,
Sinne, als etwas von GroBe, so wie ich bey der Vorstellung eines Zirkels mit Hrn. F. gemeine Sache machen, urn einer schmiihlichen Unterjochung
oftmals eine bestimmte Einschriinkung des Raums, eine Figur, die etwa der Vernunft, dem verderblichsten der Ubel, vorzubeugen, und die Ketten
700 91eue £eip;igct \!lelevrte Beitungen - 25. Oktober 1787
des Systems und der Autoritat zerbrechen, in denen ein Theil der Nation
gefangen liegt.
Die Denkfreyheit, die durch die Kritik der Vernunft hatte gewinnen
sollen, findet so darin ihr Grab. Nicht lange mehr, so disputiren unsere
Philosophiae Baccalaurei iiber die Kategarien unseres Aristoteles. Com-
mentare tiber ihn sind schon erschienen, wie sonst tiber den Griechen.
Stehet auf, ihr, auf denen der Geist des Cervantes und Swift ruhet, und
schwinget eure Geissel, die noch vom Blute der Empfindler trieft, iiber die
kleinen Denker der neuen Sekte, die Sklaven Kants, die neben dem Wagen
des Eroberers einhertraben, wei! die Entnervten, und aller Gymnastik des
Verstandes Entwohnten das Nachgeben und Glauben fiir zutraglicher
halten, als das Priifen und Streiten! Mich diinkt es, die Weichlichkeit des
Geistes habe dem Konigsbergischen Philosophen die Eroberung eben so
Ieicht gemacht, als ehmals die Weichlichkeit der persischen Korper dem
rauhen und kampfgewohnten Mazedonier. Euch nicht auch, ihr Erzieher!
-6amburg.
Bey Bohn: Ober die Grnnde der menschlichen Erkenntnift und der natur-
lichen Religion, von ]oh. Alb. Heinr. Reimarus. der Arzneygelahrheit Doct.
in [2010] kL 8. 1787. S. 172. Mendelsohn hatte den ersten Theil seiner
/ Morgenstunden dem Verf. im Manuscripte zugesandt, urn sein Urtheil
dariiber zu vernehmen; dieser sandte es mit einigen Anmerkungen zuriick,
welche auch daselbst beygedruckt sind; ein gleiches geschahe mit dem
zweyten Theile, aber die Anmerkungen kamen zu spate, da schon der
Druck vollendet war. Durch die nachher erschienenen Schriften von jaco-
bi, Wizenmann, Kant und Jacob ward nun endlich auch der Verf. bewogen,
diesen Beytrag zur nahern Untersuchung der Griinde menschlicher Er-
kenntnifl zu entwerfen; iiberzeugt, daB Einwiirfe und Zweifel der Wahr-
heit immer mehr Vortheil schaffen, als blinder Beyfall. Streiten wollte der
Verf. nicht, noch weniger sich herausnehmen jene scharfsinnige Wahrheits-
forscher zu belehren. {Gleichwohl hat er beydes hin und wieder gethan.)
Er wollte nur Anlafl geben, eine so wichtige Frage noch weiter von allen
Seiten zu erortern. Er glaubt daher, daB es ihm auch nicht libel gedeutet
werden konne, bey aller Hochachtung, welche er fiir jene Schriftsteller
hegt, auch sein Bedenken, nach seinem Verstande und Herzen, uneinge-
nommen und freywillig zu auflern. Sagten sie nun - er hatte Sie oft nicht
recht verstanden, - so sahen sie doch hieraus, daft, und wie man Sie mill-
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verstehen konne. Bey dem jetzigen zweifelhaften Zustande unserer Er- sicherung Ver{2012]nunftgriinde schlechterdings nichts beytragen konnen.
kenntnill mochten also wohl einige Erkliirungen dariiber auch andern §. 9. wird gezeigt wie Kinder, durch Unterscheidung und Vergleichung
Forschern willkommen seyn. Diese sucht er nun in dieser Schrift zu ge- nach und nach Kenntnisse erst von einzelnen Vorstellungen, und weiter
ben. Es hat es der Verf. vom §. 1 an, mit dem Hrn. Ghr. Jacobi zu thun, allgemeine Begriffe erhalten. Mit dem allen will der Verf. nur so vie! zu
welcher eine unmittelbare Gewillheit, welche nicht allein keiner Griinde bedenken geben: "dall ohne Vernunftgebrauch keine Erfahrung empfun-
bedarf, sondern schlechterdings alle Grande ausschlieft~ und einzig und den, oder geoffenbaret werde, indem selbst das Bewulltseyn der Erfahrung
allein die mit dem vorgestellten Dinge iibereinstimmende Vorstellung nur durch Vergleichung erhalten wird, und die eigentliche Erfahrung sich
selbst ist, behauptet. Unter Offenbarung wird bier die sinnliche Evidenz, nicht weiter als auf die innern Veriinderungen unsers denkenden Wesens
oder anschauende Erkenntni/S verstanden. Im §. 2. 3. 4. wird nun entschie- erstrecke." Was helfe uns endlich auch §. 23 die Anschauung oder Empfin-
den, dall die anschauende Erkenntnill oder Empfindung, die Gewillheit dung, urn uns von dem Daseyn eines Dinges zu versichern? Stelle nicht
nicht gewiihre; sondern der Gebrauch der Vernunft diese erst hervor- der Traum auch Anschauung im Raume und in der Zeit vor, die wir doch
[20ll]bringe, nach §. 5. geben die Sinne nur den Stoff zum Urtheile her. als Tiiuschung erkennen? Hierauf wird jacobi antworten, wenn nun also
Die blollen Riihrungen der Sinne, wenn man sie auch noch so groblich als weder die Sinne noch die Vernunft von Dingen auller uns vergewissern
Gemiihlde oder Eindriicke betrachtet, machen eben so wenig eine Er- konnen, so ist ja unser Weg der Erkenntnill und Uberzeugung durch
kenntnill aus, als die optischen Bilder an einer Wand oder der zuriick- Offenbahrung der sicherste. Schade nur, dall Hr. Jacobi hier seinen
prallende SchaU daselbst eine Erkenntnill schafft. Die Denkkraft mull also gewohnlichen Fehler begeht, und die niihmlichen Worte immer in so
voraus gesetzt werden; diese mull bey jeder Erkenntnill wirken, jede Er- verschiedenen Bedeutungen nimmt, ohne es zu erinnern, und sie zu be-
kenntnill ist also schon ein Urtheil der Vernunft, und kann nur nach den stimmen. Freylich kann er den folgenden Einwurf der Triiglichkeit nicht
Gesetzen derselbcn, niihmlich der Einstimmung und des Widerspruchs entgehen. Die Note zeigt: wie die abgezogene Vorstellung von Raum und
gepriifet und berichtiget werden. §. 6. Die Organisation enthiilt die Werk- Zeit entstehe. Hier behauptet der Verf. gegen Kant: dall sie keine Vorstel- /
zeuge; nicht die Kraft. Die korperlichen Organe der Empfindung und Be- lung a priori zu nennen sey, die im Gemiithe selbst liige, und vor aller
wegung sind unsere niichsten Werkzeuge. Gleichwie also der Kiinstler Empfindung hergehen miisse. Sie sey doch erst aus Empfindungen ge-
ohne seine iiullern Werkzeuge nicht das verrichten konnte was er ausfiihrt, schopft, und richte sich nach denselben. - Uns scheint dieser Streit unent-
so sind insbesondere die eigenen Werkzeuge des Korpers das, was die Kriif- scheidbar; denn nie wird Jemand sagen konnen, wie er sich zum ersten-
te entwickeln, so oder so anzuwenden erforderlich war. Wir musten Sinne mahle der Idee von Zeit und Raum bewullt war, ob sie von aullen zu ibm
haben, d. i. - wir musten in eine gewisse Verbindung mit andern Wesen kam, oder schon in ihm lag. Gelegentlich wird an Kanten folgender Wi-
gesetzt seyn, urn dieselben wahrzunehmen; aber das Wahrnehmungsvermo- derspruch geriiget: Erst sagt Kan~ die Vorstellung von Zeit und Raum liege
gen liegt doch nicht in den Werkzeugen. So wenig in den iiullern Werk- a priori in der Seele, und nach S. 292 (niihmlich der ersten Ausgabe seiner
zeugen die Kunst des Kiinstlers steckt, so wenig liegt auch im Korper die Kritick) behauptet er: .Ehe einer Gegenstiinde unterschieden, babe er ge-
urspriingliche Kraft, welche durch denselben empfindet und wirket. will keine [2013] Vorstellung vom Raume." §. 10. Alles ist Urtheil, und
§. 7. Was wir eigentlich empfinden ist nicht das was die korperlichen Werk- mull nach den Vernunftregeln, der Einstimmung und des Widerspruchs,
zeuge der Sinne darbiethen, oder was in ihnen vorgehet: wahrnehmen, gepriifet werden. §. 11. Eine Innere Quelle der Evidenz, auller der Ver-
oder uns vorstellen, ist folglich nicht Gefiihl, nicht Erfahrung, sondern nunft oder ein eigener, von den fiinf Sinnen verschiedener innerer Sinn
was wir eigentlich erfahren, oder wahrnehmen ist nur die Veriinderung in fiir das Unsichtbare ist uns nicht verliehen. - Gegen Jacobi. - §. 12. Die
unserm denkenden Wesen. Da wir nun durch die Sinne nicht unmittelbar Einbildung einer Offenbahrung mittelst innern Lichts oder Gefiihls konne
die Gegenstiinde auller uns, ja auch nicht unsern Korper, sondern blolle eben so sehr irre fiihren, als die iiullern Sinne. Die£ wird durch ein
Veriinderungen unser selbst gewahr werden, - welches §. 8. durch das treffendes Beyspiel einer Thatsache erwiesen. §. 13. Sie kann auch der
Beyspiel eines Blindgebohrnen erwiesen wird, - so will nun Hr. Wizen- menschlichen Gesellschaft Ieicht gefiihrlich werden. §. 14. 15. Geschichts-
mann mit Herrn jacobi einen geheimnillvollen Weg der Erkenntnill oder erziihlung, Uberlieferung der Tradition ist unzuverliissig. Mit Beyspielen
Uberzeugung haben, den sie Offenbahrung nennen, und zu dessen Ver- belegt gegen das Resultat etc. §. 16. Die Vernunftgesetze sind also unser
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einziger Probierstein der Wahrheit. - Glaube, oder das fur wahr halten ist geneckt werden? - Der Verf. setzt hinzu: "was bliebe uns noch ~brig,
keine Quelle, kein Element der ErkenntniB (wie Jacobi iiber Spinoza wenn wir uns selbst sowohl als die Sinnenwelt nur fiir bloBe Erschemung
S. 172. Nr. V. sagt,) sondern es ist nur die Folge unsers aus Grunden der halten, und auGer allen Erscheinungen auf nichts weiter schlieBen sollten;
Gewillheit oder der Wahrscheinlichkeit, deutlich oder undeutlich gefallten wenn keine wirkliche Gegenstande den Erscheinungen zum Grunde la-
Urtheils. - §. 17. Auch das Das!?Jn eines Gottes, und was der Gottheit zu- gen, und wenn die vermeinte Nothwendigkeit der Ursachen nur in einer
geschrieben wird, muG durch dieselbe erkannt werden. §. 18. Der gesunde Regel bestiinde, nach welcher die Folge dieser grundlosen Erscheinungen,
Menschenverstand ist auch nur Vernunftgebrauch, und keine besondere oder derer welche, - ich weill nicht wem? und wo? - ein Denken vorstel-
Seelenkraft. Seine Evidenz ist keine andere als die der Vernunft, oder die len, (2015] sich richtete. So lohnte es aber auch nicht die Miihe, daB eine
aus der Einsicht in den nothwendigen Zusammenhang der Wahrheit ent- Erscheinung mit der andern disputirte, da jede derselben weniger als Ge-
springt. §. 19. Wie dessen gerader Uberblick uns bald orientiren, bald spenst, nur ein augenblickliches voriibergehendes Nichtetwas ware, und
durch genauere Untersuchung berichtiget werden muB. Gelegentlich sucht eine solche Feen-Welt noch leerer als Traume geachtet werden miisse, m-
er den Begriff des Orientirens zu bestimmen, oder mit Beyspielen zu erlau- dem wir diesen doch einen wirklichen Grund zuschreiben konnen. Denn
tern, den er in dem Gefuhle des gemeinen Menschenverstandes bey der wenn der Herr mich nur fur bloBe Erscheinung in seinen Gedanken
Obersicht des Ganzen vom wahren und falschen ohne einzelne Schliisse halten will, so halte ich Ihn, nach Wiedervergeltungsrecht, auch nur fur
setzt, wobey er meint, daB Kant in der Berliner Monatschrift den Sinn Erscheinung; und so stehen oder flattern wir dann Erscheinung gegen Er-
Mendelssohns in Bestimmung dieses Begriffs nicht getroffen habe. §. 20. scheinung! U nd, wenn alle unsere Schliisse auf etwas Wirkliches, welches
AuGer unserem eigenen BewuBtseyn beruhet alles Wissen nur auf Voraus- die Erscheinungen verursacht, grundlos sind, so kiinnen wir uns in der
setzung vom Grunde oder Ursache. Dieser Trieb heiBt uns auch die Gren- That einer von des andern Daseyn oder Wirklichkeit, nicht iiberzeugen."
zen un{2014]sers Forschens immer erweitern. Der Verf. leugnet aile eigent- §. 25. Oberzeugung von unserm Daseyn. Ich muB immer fragen - wessen
liche Erfahrung. Eigentliche unmittelbare Erfahrung sey nur die innere ist der Sinn, das Vermiigen, das BewuBtseyn? wer hat die Vorstellungen,
Veranderung, welche in unserm denkenden Wesen vorgeht. Alles iibrige und wer verbindet sie in eins? Anschauung, Vorstellung, oder Sinn ist
was wir Wahrnehmung oder Erfahrung nennen, sey immer nur Folgerung, doch nichts anders, als Denken; und wer denkt auGer dem denkenden
die auf Voraussetzung, und auf dem uns eingepragten Gesetze beruhe, - Wesen? Es muG doch ein Subject zum Grunde liegen, dem jene Pradicate
daB, was wir empfinden, einen Grund haben miisse. Ohne diese Voraus- zukommen. Wir konnen doch nicht die Gedanken zu Dingen, und das
setzung von Ursachen und Gegenstanden wiirde sich also die geriihmte denkende handelnde Wesen zum U ndinge machen. §. 26. Wie ferne wir
Erfahrung nicht einmahl so weit als unser eigener Kiirper reichet, er- die Natur und Eigenschaften unsers Wesens erkennen oder nicht. - Das
strecken. §. 21. Die Voraussetzung von Gegensatzen giebt sichere Folgerun- Zusammenfassen der mannichfaltigen Vorstellungen muG doch in einem
gen an die Hand, und fuhrt auf weitere Fortschritte. - So verfahrt auch zusammenfassenden, vorstellenden Wesen stecken. Es ist also ein deutli-
der Mathematiker. §. 22. Aus gegebenen Dingen und deren Beziehung cher und bestimmter Begrif, wenn wir sagen - unser denkendes Wesen sey
schlieBen wir auf weitere. §. 23. Das Ubersinnliche, als wirkend betrachtet, einfach. §. 27. Das Wahrnehmen auBerer Dinge kann nicht aus unsern
ist keine leere Vorstellung. - Der Grundsatz von Ursachen der Wirkun- Gedanken selbst entstehen, da deren innere Folge sich anders verhalt.
gen laBt sich nicht ausliischen. §. 24. Werden Zweifelsatze dargestellt, z. B. §. 28. Das Beharrliche, und das Verhaltnill von Ursachen und Wirkungen
ob die Nothwendigkeit einer Ursache, oder eines zureichenden Grundes, liegt nicht in einer Regel der Vorstellungen an sich selbst, sondern im
sich auch weiter als auf die bloBe Folge der Erscheinungen in unsern Ge- VerhaltniB wiircklicher Dinge. - Durch das Beharrliche, und durch den
danken erstrecke? ob nicht der vermeinte Zusammenhang von U rsachen Zusammenhang welchen die Vorstellungen unter einander darstellen, un-
und Wirkungen bloB in der RegelmaBigkeit der Folge dieser Erscheinun- terscheiden wir die gegriindeten Wahrnehmungen von Tauschungen der
gen bestehe? - Ob alles nichts als bloBe Erscheinung sey? Ob das den- Sinne oder der (2016] Einbildungskraft, falschen Scheine oder triiglichen
kende Ich selbst in gleiche Reihe mit andern Erscheinungen gesetzt, nicht Vorstellungen. Wir finden heute wieder was wir gestern gesehen und
eben so schwankend gemacht werde? Ob das Forschen nach wirklichem gefiihlt hatten, und bey den Veranderungen ist die Wiirkung der Kraft an-
bestem Grunde nicht eine eitele Bemiihung sey, damit wir nur eigentlich gemessen und zusammenhangend. Nicht so bey den Triiumen oder andern
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innern Vorstellungen der Einbildungskraft. Da veriindert sich und ent- oder desgleichen genau zusammen stimmen. Nothwendig so, - sagt man
springt eins nach dem andern ohne VerhaltniB vom Ort, Zeit, Kraft oder - wei! ja ein Rad das andere treibt: bey weiterer Nachforschung finden
auBerer Ursache. Der Unterschied muB also in den Gegenstiinden, und wir aber, daB alles nur unter besagter Bedingung zutreffe. §. 35. So zeigt
diese Gegenstiinde kiinnen nicht in unseren Vorstellungen selbst liegen. So auch die Einrichtung in der Welt nur bedingte Nothwendigkeit. §. 36. Die
hiitten wir also doch eine sichere Folgerung auf das Daseyn wiirklicher bloBe Gegenwirkung der verschiedenen Theile, wenn sie auch einige
Dinge auBer uns, welche den Erscheinungen zum Grunde liegen, ode~ die- Haltung giibe, wiirde doch nicht das Vorziigliche, noch die Anstalt zur
selben veranlassen. Sie stiitzt sich auf den Zusammenhang der Erschemun- Fortdauer, und zur Fortdauer der Ordnung, welche wir im Ganzen so
gen selbst und auf das U ngereimte des Gegensatzes, so daB es nicht gleich- wohl als im Einzelnen unter den sich immer ereignenden Veriinderungen
giiltig bleibt ein solches Daseyn zuzugeben oder zu leugnen. §. 29. W1r finden, hervorbringen. §. 37. Der Beweis, daB ein Gott als Urquelle von
erkennen aber nur die Beziehungen anderer Wesen auf uns - Note 85. Allem sey, liegt also-in dem Zusammenhange der Wahrheiten, und im Wi-
auch in einem kiinftigen Zustande: nur mehr Beziehungen in neuen Ver- derspruche bey Voraussetzung des Gegentheils. §. 38. Ubereinstimmung
hiiltnissen. §. 30. Die Wahrheit an sich selbst, das Seyn und Nichtseyn ist der Betrachtung aus verschiedenen Gesichtspuncten, welche uns aile zu
indessen objective in sich gegtiindet, und nicht unserer Vorstellung unter- demselben Ziele, nahmlich einer allwirkenden Urkraft fiihren. Denn, wo
worfen. - Unsere Vernunftgesetze sind zu jeder Einstimmung damit ein- die allgemeinen kosmologischen Untersuchungen, von der Abhiingigkeit
gerichtet. §. 31. §. 32. Nach diesen kann sich unsere ErkenntniB auch der Erscheinungen, hinzeigen, dahin werden wir noch naher durch die be-
mehr und mehr erweitern: auch iiber die Griinzen der Erfahrung. §. 33. sondern teleologischen, von dem ZweckmiiBigen in aller Einrichtung, wie
Was dennoch die Vernunftgtiinde betrift, mittelst welcher wir deutlich auch durch die moralischen von den in uns gelegten Gesetzen der Sittlich-
oder undeutlich der ersten Quelle von Allem nachspiiren, so verhiilt es sich keit gefiihrt. Niemand hat, man kann nicht sagen einen Beweis, sondern
damit wie mit jeder andern unserer Erkenntnisse. nur eine griiBere Wahrscheinlichkeit oder bessern Zusammenhang des Ge-
gentheils zeigen kiinnen; sondem alles ist auf leere Zweife~ die aile Grande
(2018) §. 34. Wenn iiberhaupt Etwas als selbstiindig angenommen wer- und mithin auch allen Beweis aujheben, hinaus gelaufen. §. 39. Ubersicht
den muB, so bleibt nur noch die Frage iibrig: - Sind aile die verschiede- gegenseitiger Voraussetzungen, urn den Ausschlag des Urtheils desto deut-
nen Wesen fiir sich selbststiindig; oder ist Eins die selbststiindige Quelle, licher bestimmen zu kiinnen. §. 40. Das auffallende Unstatthafte jener
aus welcher alles flieBt, und von dem alles abhiingt? - davon die gegensei- gegenseitigen Voraussetzungen giebt uns bey jedem Schritte die klare Fol-
tigen Voraussetzungen zu beurtheilen sind. - Die mathematische Noth- gerung auf den Gegensatz an die Hand, und die Folgerung wird dadurch
wendigkeit ist nur Entwickelung vorausgesetzter Bedingungen~ und sch:Ut viillig einleuchtend. §. 41. Vernunftgebrauch hat also das Daseyn der Gott- .X
keine Wirklichkeit. Niihmlich, wenn etwas so beschaffen 1st; so wird heit aufgespiirt, und deutlichere Folgerungen haben erst bey den Griechen
zugleich die/\ und jenes bestimmt, dessen Nichts~n die Voraussetzung diese Lehre mehr entwickelt und befestigt. §. 42. Was wir dabey nicht ein-
aufheben wiirde. Eben so in der Rechenkunst. - D1e Summe der Z1ffern sehen (nahmlich die Natur, Ei{2020)genschaften und Wirkungsart des Ur-
des Vielfachen der 9, als 18, 27 u. s. f. macht jederzeit wieder 9, oder ein wesens) und wie weit doch unsere Folgerungen reichen kiinnen: (niihm-
Vielfaches von 9 aus. - Wenn wir wie gewiihnlich bey Zehnern ziihlen. lich bis auf das Daseyn eines hochsten reellen Urwesens) die Beschaffen-
Wiirden wir aber nur bey Fiinfen ziihlen, so wiirde eben diese Eigenschaft heit des Verhiiltnisses Gottes zur Welt kiinnen wir freylich mit unserm
die Ziffer 4 treffen, denn so hieBe zweymahl vier 13, dreymahl vier 22 etc. eingeschriinkten Verstande nicht einsehen, es thut die/\ aber dem Schlusse
- Es sind also aile diese speculative Wahrheiten nur entwickelte, oder ge- auf dessen Wirklichkeit keinen Eintrag. §. 43. Da nichts, was dem Begriffe
folgerte Bedingungssdtze, aus welchen durch innere N~thwendigkeit. keine an sich widerspricht, Statt findet, so sehen wir, daB in Gott als noth-
wirkliche Figur, GroBe oder Zahl entstehet, kem Dmg so oder so be- wendigem Wesen, keine Veriinderung folglich fiir Ihn keine Zeit sey. Das
stimmt wird. - In der Einrichtung von Kunstwerken ist das Nothwendige Wirken der ewigen Kraft muB auch ewig seyn, da es die unmittelbare Fol-
auch nur bedingt. Z. B. wenn solche Triebwerke und solche Hammerwer- ge ihres Daseyns ist, und man sich dieselbe nie ohne Wirkung, gleichsam
ke angebracht sind; so miissen bey einem Uhrwerke de~ Stunden, H~b wie das Licht nie ohne Stralen, denken kann. Die Welt besteht durch
und Viertelstunden, Hammer und noch wohl (2019) em Glockenspiel, die Kraft Gottes, und ist der Gegenstand seines Wirkens. Wir miissen aber
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in Ansehung Gottes, die Vorstellung von Zeitfolgen davon absondern, nicht selbst seyn, ehe die Welt entstund, wenn einmahl diese nicht als mit
denn das VerhaltniL\ zwischen Ursache und Wirkung, ob es gleich unserer jener gleich ewig angenommen wird? §. 46. Der Gottheit konnen wir all-
Vorstellung so scheint, bringt in der That keine Zeitfolge mit sich. Da wir gemein gesagt, nur die urspriinglichste vollkommenste Kraft zuschreiben.
also der Wirkung Gottes keinen Anfang setzen konnen, so ist auch kein §. 47. Fiir Gott als Urquelle, ist das Daseyn der Gegenstande nicht, ehe er
EreigniL\ der ganzen Welt das erste, so, daL\ dieses nur gleichsam unmittel- sie denkt, erforderlich. Die Behauptung desselben ware eben so unrichtig,
bar von der Gottheit entspriinge, und dann eins das andere nach der Reihe, als wenn einer aus [2022] dem zuriickgeworfenen Lichte des Mondes und
ohne weiteres Hinzuthun der Kraft, hervorbriichte. Denn obgleich aile der Planeten schlieL\en wollte, - das Licht sey ein Wiederschein, und folg-
Dinge unter sich in nothwendiger Ordnung verkniipft sind, so hat doch lich miisse auch die Sonne ihr Licht von etwas andern her empfangen.
keines derselben eigene Kraft, urn ein anderes zu wirken oder hervorzu- §. 48. Was wir Willen Gottes nennen, ist von seinem Wissen und Wirken
bringen, sondern aile, eins wie das andere, sind von dem Ewigen abhangig nicht verschieden: wird auch nicht durch unsere Bewegungsgriinde, son-
und bestehen nur durch seine Kraft. Der Schein einer Wirkung in der dern aus innerer Vollkommenheit bestimmt. §. 49. In wie ferne dies Noth-
nothwendigen Verkniipfung oder Folge muL\ uns nicht verfiihren, wie das wendigkeit oder hochste Freiheit zu nennen sey. §. 50. Das Wirken, auL\er
Beyspiel von den Farben des Regenbogens zeigt, die zwar in nothwendiger sich Vollkommenheit zu verbreiten, muL\ auf das Wohlseyn empfindender
Ordnung nach einander, aber doch nicht eine durch die andere hervorge- Wesen gerichtet seyn. Vollkommenheit oder Wohlseyn aber findet nicht
bracht werden, sondern aile gleichermaL\en aus dem einzigen Sonnenstrale in leblosen oder empfindungslosen Wesen, oder deren Zusammensetzung
entspringen: (wie stiinde es aber dann urn die Moralitat iiberhaupt, und Statt. Diesen an sich ist es einerley, ob sie so oder so beschaffen, so oder so
unserer Handlungen insbesondere?) - So behauptet dann der Verf., daL\ - zusammengefiigt sind. - Griinde und Anwendung dieser Betrachtung von
[2021] nach der Vorstellungsart - Gott fortfahren miisse zu wirken, und Absichten in der Welt. §. 51. Wie aus unserm Verhaltnille Gebet, Danksa-
daL\, wenn Er - nach unmoglicher Voraussetzung - einen Augenblick gung, Verehrung entstehe, und wie diese Handlungen anzusehen sind. Sie
aufborte die Welt zu erhalten, alles in Nichts zerfallen miiflte. §. 44. entspringcn nemlich aus der Vorstellung unsers Verhaltnisses zu dem
Gleicherweise miissen wir auch unsere Vorstellung von Ausdehnung, unendlichen weisen selbststandigen Wesen. §. 52. Von Spinoza's Lehrge-
Raum und Orte nicht auf die Gottheit anwenden, da jene nur zu unserer baude - wie es in verschiedener Hinsicht Beyfall gefunden. §. 53. Seine
Sinnlichkeit gehort, blot\ aus dem Gesichte und Gefiihle geschopft wird, Vorstellung des Alleinwesens ist doch nur Abstraction, oder Zusammen-
und wie die der Zeitfolge unserer eingeschriinkten, getheilten Denkungsart faL\ung im Begriffe, und nicht Einheit im reellen Gegenstande. §. 54. Alles
beyzumessen ist. Gott aber als Grundursache, gehort nicht zur Sinnen- besondere Denken soli im unendlichen absoluten Denken enthalten seyn,
welt, nicht zur Zeit und nicht zum Raume, sondern Ihm ist alles gleich ge- - dessen U ngereimtheit wird hier gezeigt. Eine deutliche Vorstellung
genwartig und nahe. §. 45. Die Welt aber, als angemessener Gegenstand des konnte es nicht seyn, daL\ Spinoza sich selbst nur fiir eine Abanderung
vollkommensten Wirkens, muL\ in allen moglichen vollstandig, oder nach oder Beschaffenheit des Alleinwesens hielte, und sich dabey doch die Mii-
unserer Vorste!lungsart, in Zeit, Raum, Menge, Stufen, unbegriinzt seyn. he gab, uns andern eben so nothwendige[n] Abanderungen dieses Allein-
Vollkommene Kraft erfordert einen Gegenstand der Thatigkeit. Wenn wir wesens die Moral zu lehren, oder iiberhaupt mit uns zu disputiren. - So
nun den Gegenstand des allumfassenden Wirkens betrachten, so ist dersel- wie nun das Bewustseyn in jedem Subjecte absolute Einheit darstellt,
be auch der unbegriinzten Allkraft verhaltniL\maL\ig angemessen. Die Welt weder theilbar ist, noch sich theilen laL\t, so kann doch auch die Verschie-
ist dieser Gegenstand, folglich ist die Welt an Menge, Zeit, Raum, Stufen denheit des Bewustseyns nichts anders als Verschiedenheit der Subjecte an-
etc. in allen M6glichen unbegriinzt oder unendlich. - Wenn der erste Satz zeigen, welche es besitzen, und die also fiir sich auL\er einander bestehen.
des V. so ganz entschieden wahr, und nicht bloL\e Voraussetzung ware, so Konnen diese beson{2023]dern Subjecte, die eins von dem andern nichts
miiL\te freylich des V. SchluL\ auf die Unendlichkeit der Welt richtig seyn. wissen, wegen der Zukunft besorgt sind, zweifeln, streiten, jedes fiir sich,
Wer beweillt uns aber unwidersprechlich, daL\ die vollkommene Kraft auch narrisch und widersprechend denken, dann als blot\ abgeanderte
einen Gegenstand (nahmlich einen iiuflern und unbegriinzten wie der Verf. Begriffe angesehn werden, die in dem absoluten Denken eines einfachen
will) der Thatigkeit nothwendig erfordere? Kann der Gegenstand der Tha- volikommenen Alleinwesens unwandelbar da und beisammen waren?
tigkeit der vollkommenen Kraft nicht sie selbst seyn, und muL\te sie es §. 55. Vielheit und Veriinderung in untheilbarer unwandelbarer Einheit
710 <Jleue £eip!iger \Bele~rte ,3eltungen - 27. Oktober 1787 <Jleue £eip!tser \Bde~rte ,Settungen - 30. Oktober 1787 711
sind leere Ausdriicke. Spinoza verwechselt bier die Unzertrennlichkeit des iiber schwere und abstrackte Materien sich mit einer bewunderoswiirdigen
Ganzen, da ailes sich auf einander stiitzt, ailes Vollstandigkeit und Ein- I.eichtigkeit, Deutlichkeit und FaB!ichkeit ausdriicken, die wir einem Kant
stimmung einer Wirkung ausmacht, mit der Untheilbarkei~ und folgert wohl wiinschen miichten: Wir konnen nicht leugnen daB uns der Verf.
daraus, daB aile einzelne Dinge, die er doch anerkennt, in einem schlech- durch seine verstandliche Sprache manches in Kants Schriften deutlicher
terdings untheilbaren unendlichen Dinge auf keine andere Weise da und und heller gemacht hat.
beisammen waren. - Allgemeines Wesen, unbestimmte Kraft ist kein We-
sen, keine Kraft. §. 56. Uber das hiichste Wesen nachzudenken ist ailer-
dings unsero Naturtriebe gemail: Dadurch sind auch schon manche un-
wiirdige Vorstellungen verworfen worden. Zu wiihnen daB wir die N atur
J!.eip;ig.
des Selbstandigen oder seines Wirckens einsahen und begriffen, ware frei- Wir haben aus dem vorigen Sommer-Decanate unsers verdienstvollen
lich Thorheit. Dieft wiihnen aber voroehmlich nur diejenigen welche aus Herro Doct. Pezold noch eine merkwiirdige Schrift desselben anzuzeigen.
innern Lichte (nemlich durch einen geheimnisvollen Weg der ErkenntniB, De argumentis nonnullis, quibus, Deum esse, philosophi probant, observatio-
den sie Offenbarung nennen) unmittelbare Einsicht davon erlangt zu ha- nes quaedam. 2 Bog. in 4. Die ganze in einem sehr guten Lateinischen
ben glauben. (Wird nicht dadurch der so veralteten, oft verlachten und Ausdrucke abgefaBte Schrift ist gegen Kant en gerichtet, von dem einige
verschimpften Mystick aufs neue Thor und Thiire geiifnet und die Grundsatze gepriift werden. Diese Schrift hat zugleich mit andero ihres
Schwarmerey begiinstiget? quo ruimus?) §. 57. Durch Verounftgebrauch ge- gleichen den Nutzen, daB sie uns zur Untersuchung der Wahrheit Gele-
reinigte.Religion hat den Menschen veredelt und seine Plagen vermindert. genheit giebt, und uns derselben immer naher bringt. Es wird bier Herro
Dies wird aus der Geschichte bewiesen. §. 58. Ob die Uberzeugung von Kant aller philosophische Scharfsinn zwar zugestanden, aber dessen im-
einem wiirklich lebendigen Gott, und iiberhaupt von den GrUnden unse- mer richtige Anwendung gelaugnet. DieB soli nach dem Herro Doct. P.
rer ErkenntniB, ohne Nachtheil unserer Ruhe und Sitten wanckend ge~ z. B. der Fall seyn in dessen Untersuchungen der Demonstrationen fiir die
macht werde, wird veroeinet. §. 59. Freie Untersuchung wird nur die Existenz Gottes, wo er zwar einen ganz neuen Weg eingeschlagen - aber
Wahrheit mehr aufk.laren: und den schadlichen EinfluB der Irrlehren wie- auch dadurch die Griinde der Religion zugleich erschiittert, unsicher, und
der hemmen. Veroiinftige Gottesverehrung muB mehr und mehr wohl- mit einer gewissen Dunkelheit umwgen babe. Er verwerfe aile bisher ge-
thatig werden. [2024) §. 60. Aufmunterung, welche aus dieser Betrachtung fiihrte Beweise fiir die Existenz Gottes. - DaB ein Gott sey, konne man
geschopft wird. - Da denn ai!es, schlieBt der Verf. bier zum Wohl aller nicht wissen aber glauben; glauben aber miisse man dieses, wei! es sonst
miiglichen I.ebendigen iibereintrift, so iiberzeugt mich auch alles desto- keine moralischen Vorschriften und Gesetze geben konne, und es der Aus-
mehr, daB auch mein groBtmiigliches Wohl in diesem Zusammenhange iibung unserer Pflichten an hinlanglichen Motiven fehle. Dieser Beweis aus
begriffen sey. (also auch die Unsterblichkeit.) Und da ich in der ganzen [cfer) Existenz der moralischen Gesetze - gegen den Herr M. Wizenmann
Natur Verhaltnill von Kriiften zur Wirkung finde, so belehrt mich auch in seinem Aufsatze gegen [2033) Kanten, welcher im Deutschen Museo
ai!es, daB auch meiner Denkkraft, der es in der gegenwiirtigen Verbindung Monath Febr. dieses Jahres eingeriickt ist, schon vieles erinnert hat -
ihrer Werkzeuge noch am zureichenden Wirkungskreise ihres unbenutzten meint der Herr Doct. sey eine demonstratio per orbem, denn sie schlieBe,
Strebens zur Erweiterung gebrich~ noch feroere Verbindung bevorstehe, von der Existenz moralischer Gesetze, auf die glaubwiirdige Existenz Gottes,
welche sie zu hiihero Stufen und weiterer Aussicht erheben (eine neue und und von dieser Existenz Gottes auf die nothwendige Existenz moralischer
gliickliche Wendung des Beweises fiir die U nsterblichkeit der Seele aus Gesetze, oder nach des Herro Doctor eigenen Worten vielmehr, von einer
ihrer Perfectibilitat} und das eingeptagte Verlangen meiner Seele nach dem moralischen Verpjlichtung aufdie Existenz Gottes. Des Herro Doctor eigene
Bessern, Vollkommenero, Zukiinftigen nicht leer lassen werde. - Diese Worte Iauten so: in orbem videntur redire, Deum esse, credi debere propter
Schrift des gelehrten und scharfsinnigen Hrn. V. empfiehlt sich hauptsach- officii colendi necessitatem, hone ipsam autem necessitatem a Deo esse
lich durch Ordnung im Denken, und Griindlichkeit des Raisonnements, repetendam. Sey nun aber, fahrt der Hr. D. fort, das Princip von der Exi-
und hat uns unter allen, die iiber diese Materie seit kurzen geschrieben stenz einer Gottheit ungewift, so miiBten es die moralischen Gesetze nicht
worden sind, am besten gefallen. Auch besitzt der Verf. die seltene Gabe weniger seyn. - Wenn aber Kan~ wie der Herr Doct. sagt, der sich selbst
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iiberlassenen Vernunft das Daseyn der moralischen Gesetze ohne Gott ignoriren und es ganzlich supprimiren wollte, denn ein Paar Recensionen
zuschreibt, und dann noch von der Existenz dieser durch blolle mensch- ausgenommen kOnnen wir uns nicht erinnern, es angezeigt oder nur er-
liche speculirende Vernunft entwickelten moralischen Gesetze auf eine wahnt gefunden zu haben. Es hat fast das nahmliche Schicksal, welches
Gottheit unmittelbar schliellen wollte, so ware diell freylich sehr incon- die Kantische Kritik selbst anfangs hatte, die auch eine lange Zeit unbe-
sequent geschlossen. - Ferner wird gegen Kant erinnert: er sey in seinen merkt blieb, und sicherlich ein so genannter Ladenhiiter geworden ware,
eigenen Grundsiitzen nicht zusammenhiingend, widerspreche sich oft, und sey hatte der Verf. nicht den gliick.lichen Einfall gehabt, mit seinen Prolego-
sich selbst nicht treu. Er behaupte z. B. die wahre Tugend sehe nicht auf menen in die Trompete zu stollen, und die Philosophen aus ihrer
Nutzen und Vortheile, und dann verlange er doch wieder die Uberzeu- Lethargie zur Aufmerksamkeit aufzuschrecken_ Wir kehren uns an keine
gung von Gott, Unsterblichkeit, Strafen und Belohnungen und die Ehre Partheylichkeit und saumen nicht Ianger unsern Lesern eine Anzeige cia-
des Ruhms als Motiven zur Tugend etc.; sehr gut fragt hier der Hr. Doct. von zu geben, urn so vie! Iieber, da wir glauben konnen, daB sie eben so
ad quam virtutem? genuinam an adulterinam? - Weiter sucht der Herr wenig als wir anderwarts etwas dariiber gelesen zu haben sich entsinnen
Doct. zu zeigen: daft Kant vieles untereinander menge und vermische, was miigen. Wir werden uns aber weder pro noch contra auf etwas einlassen
doch giinzlich von einander geschieden werden miisse, wenn keine Verwir- kiinnen, sondern nur eine historische Anzeige des Inhalts machen_ In der
rung entstehen sollte Diell zu erweisen, beruft er sich auf dasjenige was lesenswer{2040]then Vorrede bek.lagt sich der Verf. mit Recht iiber die ge-
Kant gegen den Cartesianischen Beweis iiberhaupt und gegen den aus der fiihrte Sprache des Herrn Kan~ so vie! man auch darwider eingewendet
Zufiilligkeit der Welt sagt. - Die Deutlichkeit, mit welcher iibrigens der hat: .wei! so viele Abweichungen von gemein iiblicher Sprache, im Gan-
Herr Doct. seine Ein{2035]wendungen und Zweifel vortriigt und ent- zen genommen, gewill nicht so vie! Vortheil als Schaden fiir die Absicht
wickelt, sind ein riihmliches Zeugnill seiner Richtigkeit und Ordnung im der Belehrung hervorbringen; bey einigen Lesern hingegen den Verdacht
Denken, und die damit verbundene Bescheidenheit mit welcher er seine erwecken, als ob sie einer philosophischen Schrift ein mehreres Ansehen
Einwiirfe vorgetragen, und die Schonung mit welcher er Herr Prof. Kan- von Neuheit und Tiefsinn, oder wider Gegner die Exception des Nicht-
ten behandelt hat, machen seinem Herzen Ehre, und kiinnen andern zum oder nur halbverstandenen bereiten sollten-" Dail der V. mit den eigen-
Beyspiel und Muster dienen, mit welcher Achtung man verdienstvollen thiimlichen Begriffen und Grundsiitzen der Kantischen Philosophie in
Gegnern begegnen miisse; der unverkennbare Fleill und die Accuratesse, manchen Puncten nicht einstimmig denke, wird ein J eder Ieicht schliellen
mit welchen bey dieser Abhandlung der Herr Doct- zu Werke gegangen kiinnen. Nicht aber aus dem Grunde, wie vielleicht den meisten andern,
ist, lassen uns vermuthen, daB die Leser derselben sie ihrer Aufmerksam- und wie Herr K_ in den Prolegomenen selbst iiberhaupt zu vermuthen
keit wiirdig halten werden. scheint, hat die Kritik der R. V. U nzufriedenheit in ihm erregt. Nicht
dadurch, daB sie ihn aus einem behaglichen dogmatischen Schlummer
geweckt hatte; nicht darum daB K ihm etwas an seinen geliebten
synthetisch-dogmatischen System von Metaphysik verriickt hatte, - denn
was Kant Kritik der reinen Vernunft nennt, ist immer die einzige Art von
Q5ottingen.
Metaphysik gewesen, die Herr Prof_ Feder schatzte und zu lehren gesucht
Bey Dietrich: Ober Raum und Caussalitiit zur Priifung der Kantischen hat, welches sein Programma de sensu interno beweillt. - Sondern aus der
Philosophie von Georg Heinrich Feder. 1787, S. 268, in 8. Es ist kaum be- U rsache, wei! Herr K_ in man chen Stiicken selbst noch zu sehr dogma-
greiflich, wie wenig diell Werk Sensation unter den Gelehrten zu machen tisire, d. h. zu sehr auf Gewillheit Anspruch mache, und mehr als sich
scheint, so lange auch dessen Erscheinung zum voraus bekannt gemacht thun liillt, aus allgemeinen Begriffen und Grundsatzen ableiten und er-
wurde, wodurch die Erwartung aller hatte gespannt werden sollen. Die an- klart haben wolle. Durch ein solches zu vieles Dogmatisiren sey er Idealist
scheinende Gleichgiiltigkeit oder gar Kalte, mit welcher es aufgenommen geworden; (wodurch Kanten doch wohl vielleicht Unrecht gethan wird,
worden zu seyn scheint, ist aber in solchen F:illen gewill nicht der Weg denn er behauptet doch nicht, daB alles existirende nur Idee sey, sondern er
uns dem Ziele der Wahrheit zu nahern, die nur durch Widerspruch be- nimmt vielmehr die reelle objective Existenz der Kiirperwelt an, laugnet
wahrt wird. Ja es hat fast den Anschein, als ob man dessen Existenz ganz aber, daB wir eine richtige Kenntnill von ihrer Natur haben, sondern daB
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unsere Kenntnill auf Wahrnehmung bloller Erscheinung derselben beruhe, aller sinnlichen Wahrnehmung und Empfindung dem Menschen bey-
welches freylich seiner Lehre vom Glauben widerspricht;) da er auf dem wohne; (aber diell behauptet wohl Kant auch nicht. Er behauptet nir-
besten Wege gewesen, die Sache des Men{204l]schenverstandes gegen die gends, dall Begriffe, die wir durch Erfahrung er Iangen, schon vor her in
idealistischen Anmallungen und Verwirrungen zu sichern. Ibm habe er der reinen Vernunft liigen, diell widerspriiche ja seinen Begriffen von der
nicht zu wenig der auf Begriffe reiner Vernunft sich griinden wollenden reinen Vernunft die von allen Erfahrungsbegriffen leer ist;) und von der
Philosophie librig gelassen, sondern zu vie!. Diell habe die Folge hervorge- Schiidlichkeit des Glaubens an eine nicht auf Erfahrung und analogischen
bracht, dall er die empirische Philosophie d. h. diejenige, die sich lediglich Schliissen vollig beruhenden Philosophie aufs neue und lebhafteste liber-
auf Beobachtungen und die Obereinstimmung aller oder der meisten zeugt, war der Herr Professor Feder erst willens ausfiihrliche Untersuchun-
menschlichen Erfahrungen und Schllisse nach der Analogie derselben gen uber den menschlichen Verstand herauszugeben: in der Absicht, wo
griindet, und in Sachen der Natur auf Demonstration aus den Begriffen moglich, den Glauben vollends zu vernichten, wovon der kleine Ober-
ganzlich Verzicht thut, so herabwlirdige, wie er in den meisten hierauf sich rest, wie Kants Beyspiel beweise, noch so schiidlich werden konne, den
beziehenden Stellen der Kritik, hauptsiichlich aber in der Metaphysik der Glauben, an Begriffe, die nicht empirischen Ursprungs sind. (Hier scheint
Sitten gethan habe. Es sey freylich nariirlich genug, dall man auf jene uns eine Verwirrung zu seyn zwischen dem Glauben an Begriffe der reinen
empirisch-analogische Philosophie mit einiger Verachtung herabsehe, ihr Vernunft, und zwischen dem Glauben an Vernunftbegriffe; diese sind nach
wenigstens nicht den Nahmen und Gang einer Wissenschaft zugestehe, so Kant empirischen U rsprungs, nicht jene, diese aber erhalten ihre Gewill-
lange man noch dafur halte, dall es, wenn auch von noch so beschriinkten heit und Glauben an sie nur dann, wenn sie richtig, d. h. wenn sie von Er-
Inhalte, doch noch einige Philosophie aus Begriffen die nicht auf Erfah- fahrungen richtig abgezogen sind und mit den Objecten und mit der rei-
rung beruhen, gebe oder geben konne. Diell sey es nun eben, was den nen V. harmoniren.) Da aber diese Untersuchungen mehr Zeit erfurderten,
Herrn Professor Feder, so wie mehrere Philosophen vor und neben ihn, als er nicht gern hingehen lassen wollte, ehe er sich tiber die wesentlich-
zum Widerspruche gegen die Anmallungen einer solchen rein demon- sten Stucke der Kantischen Philosophie offentlich erkliirte, so entschloll er
strativ seynwollenden Philosophie bewogen habe; dall sie fast immer Ver- sich wenigstens Etwas tiber die Kantische Philosophie der Presse zu uber-
achtung der einzig moglichen menschlichen Naturerkenntnill nach sich (2043]geben. Die beyden Hauptstiicke die er hier ausgehoben hat, hiilt er
gezogen habe. Bey Hrn. Kant sey die Herabwlirdigung der Erfahrungs- fiir so vorziigliche und wesentliche Theile derselben, dall, wer in diesen
Philosophie urn so mehr auffallend und beunruhigend, da sie gerade in sich aufgekliirt habe, in den iibrigen ohne vie! Mlihe fortkommen konne.
Anwendung auf Moral-Philosophie und natlirliche Theologie am aller- Sollte er die Oberzeugung, die nach seinem Gestiindnisse in ihm vest
stiirksten sich zu erkennen gegeben; und diesen allerwichtigsten Theilen gegriindet ist, noch zu wenig in andern entstehen sehen: so will er seine
menschlicher Erkenntnill zwar nicht aile Griinde schlechthin abgespro- dahin abzielenden Bemlihungen in der einen oder andern Form fort-
chen, aber ihre besten, und am gemeinsten anerkannten Griinde, durch setzen. Sehr gut zeigt der Verfasser die Moglichkeit von Entstehung der
eine gewisse nachtheilige Vergleichung mit einer gewissen, hohern, ob- Kantischen Art zu philosophiren. Das Unangenehmste, sagt der Verfasser,
gleich nur in Worten und Titeln vorhandenen metaphysischen Philoso- was mir begegnen konnte, wlirde seyn, wenn ich genothiget wlirde, mit
phie, herabgesetzt habe. - U nserer Einsicht nach aber hat Kant der meinem geschiitzten Gegner iiber die rechtliche Bedeutung seiner Kunst-
Erfahrungs-Philosophie nicht allen Werth liberhaupt abgesprochen, son- worter und uberhaupt tiber Worte und Worterkliirungen zu streiten.
(2042]dern nur geliiugnet, dall sie apodictische, d. i. geometrische Gewill- Demungeachtet glauben wir mit der festesten Oberzeugung, dall diell hier
heit gebe, zu welcher die sichern Dogmatiker jene zu erheben schienen. Es eine Hauptsache sey. Herr Professor Feder mag noch so gelinde und ent-
hat aber da Herr Kant nichts anders gesagt, als was schon !angst von schuldigend davon urtheilen, so bleibt es doch gewill, dall man sich erst-
scharfsinnigen und unpartheyischen Philosophen ist gelehret worden. - lich mit Hrn. Kant tiber die Bedeutung seiner Worte einverstehen mlisse,
Aufs neue durch die Kritik der reinen Vernunft und die sichtbaren Wir- ehe man sich mit ihm einlassen kann, wei! er fast jedes Kunstwort in einer
kungen, die sie bisher hervor gebracht habe, und nach sorgfiiltiger Priifung ganz andern als bisher gewohnlichen Bedeutung nimmt, woraus ewiger
derselben mehr als je davon liberzeugt, dall nichts was in gewohnlicher Streit und Millverstand entstehen mull, bevor man einverstanden ist. Denn
Sprache Begrif, Erkenntnift, Grundsatz irgend einer Art heillen kann, vor setzt der Verfasser hinzu miisse man hier nicht jeden Satz und noch weni-
716 91cuc ~cip;igct l!lcfc9ttc ,3citungcn - 30. Okt. u. 1. Nov. 1787 ~cbet ilbet :Jlaum unb ll:auf[afitiit 717
ger jedes Wort auf Kanten beziehen. Sey er einmahl bey einer Materie konne beweisen, daB es keine bestandige und unveranderliche solche Be-
gewesen, so habe er manchmahl etwas hinzugesetzt, weils ihm in anderer ziehungen geben konne, oder wirklich gebe? Aber, wendet sich der Verf.
Riicksicht niitzlich schien. - Das ganze Buch zerfallt in zwey Haupt- selbst ein, eine Wahrnehmung, eine Erfahrung, wie kann die eine allgemei·
stucke, im ersten verbreitet sich der Verfasser ,iiber die letzten Griinde ne und nothwendige Wahrheit lehren? Sie lehret, was jetzt ist, und wenn sie
menschlicher Erkenntnift vom Raum und von der Korperwelt. §. 1. werden mehreremahle einstimmig vorkame, was mehreremahle gewesen ist. Aber
die 6 Hauptsatze angegeben, auf welchen die Kantische Lehre vom Raume wie kann sie lehren, was immer und iiberall seyn werde, und daB das Ge-
beruht. §. 2. 3. enthalten des Verf. Gegensatze. §. 4. Anzeige der Kanti- gentheil nicht seyn konne? - DieB beruht, nach unserm Bediinken auf
schen Griinde fiir die Behauptung, daft die Vorstellung vom Raum nicht aus dem Unterschiede der reinen und gemischten Erfahrung; diese nimmt zur
einzelnen Wahrnehmungen entsprungen, sondern vor alter Empfindung in Formirung eines allgemeinen Urtheils den SchluB der Analogie zu Hiilfe.
uns vorhanden [2044) seyn miisse. §. 5. vorlaufige Erinnerung zur Aufkla- §. 9. Fortsetzung; Erster Blick in den Grund unserer nothwendigen Wabr-
rung und Bestimmung der Streitfrage vom Ursprung der Begriffe, und was heiten Des Verf. letzte Antwort ist gerichtet auf die allgemeine Humische
man darunter zu verstehen habe und verstehe. §. 6. Priifung des ersten Frage, wie wir mittelst der Erfahrung zum Begriff von Nothwendigkeit,
Kantischen Arguments zur Behauptung, daft die Vorstel!ung vom Raum und zur ErkenntniB nothwendiger Verhaltnisse gelangen konnen. Nahm-
nicht aus Empfindungen entstanden seyn konne. So schwer sagt der Verf. es lich sobald der gegenwiirtige Zustand der Individuen sich nicht verandern
auch ist, von den ersten Anfangen der Begriindung und Entwickelung Ialit.
menschlicher Begriffe, his zu we/chen kein Bewufttseyn zuriick geh~ genaue
und unzweifelhafte Rechenschaft zu geben, eben deBwegen wei! kein Be- [2054) §. 10. Vergleichung des Cartesischen Zweifels mit den Humischen.
wuBtseyn dahin reicht; so ist doch wenigstens in der das Kantische Argu- §. 11. Warum es aufter der reinen [2055) Mathematik keine apodiktische Ge·
ment begriindenden Erfahrung nichts, was uns hinderte, die Vorstellung wiftheit giebt; oder inwiefern auch aufter derselben. Die Verschiedenheit der
des Raums, so wie Menschen sie haben, als ein allmahliches Product der Gegenstiinde, die bey der reinen Mathematick bloBe Vorstellungen, und
mit einander vereinigten Empfindungen und des Gefiihls zu halten. einer volligen Deutlichkeit und Bestimmtheit fahige Vorstellungen, bey
§. 7. Priifung des zweyten Arguments; Unvertilgbarkeit der Vorstellung der Philosophie hingegen vollstiindige, von uns aber nur unvollstandig er-
vom Raum Kant sage, urn die Vorstellung vom Raume vor aller sinnlichen kannte wirkliche Dinge sind, macht den Grund der ungleichen Evidenz
Erfahrung zu beweisen, diese Vorstellung vom Raume bleibe doch iibrig, der einen und der andern ErkenntniBart aus; nicht dieB, daB die einen
wenn man auch aller Vorstellungen von den Dingen im Raume sich Vorstellungen bloB auf innern Grund beruhen, oder a priori in uns sind,
enthalte, und es sey nicht moglich, jener, so wie dieser sich vollig zu ent- die andern aber aus sinnlichen Eindriicken abstrahirt werden. §. 12. Prii-
ledigen. Darwider wird eingewendet: daB aus der Unvertilgbarkeit dieser fung des vierten Arguments; Womit beweiset uns denn, fragt der Verf. Hr.
Vorstellung nicht die Proexistenz der Vorstellung davon folge; denn es lasse Kan~ daft der allgemeine Begriff vom Raume nicht zusammengesetzt sey aus
sich von der U nvertilgbarkeit einer Vorstellung aus unserm Denken auf percipirten kleinen Riiumen, daB er wesentlich einig, daB umgekehrt die
die Unabhangigkeit des Grundes derselben von den Grunden der Empfin- Vorstellungen von Raumen auf Einschrankungen des allgemeinen Begriffs
dung nicht schlieBen. §. 8. Priifung des dritten Arguments; Nothwendig· vom Raume beruhen, daB dieser also bey allen einzelnen Anschauungen
keit der geometrischen Wahrheiten. Entwickelung des Hauptpunctes. Kant zum Grunde liege? Mir leuchtet von allen diesen Satzen keiner ein. - Die
sagt: Ware die Vorstellung vom Raume die Frucht der Erfahrung: so ware Vorstellung, die das Wort Raum entdeckt, ist sicherlich nicht bey einem
aile ErkenntniB vom Raume im Grunde nur Wahrnehmung, folglich Menschen, wie beym andern beschaffen, und verrath durch die besondern
zufallig; folglich waren die Grundsatze der Geometrie nicht apodictisch Bestimmungen, unter denen sie dem einen so, dem andern, anders er-
gewiB. Dagegen fordert der Verf. immer noch den Beweis fiir die Behaup- scheint, ihren gemeinschaftlichen U rsprung mit den andern sinnlichen
tung, daB jede aus innerlich subjectiven und auBerlich objectiven Grunde Vorstellungen. Dem allgemeinen Begrijfe von Raum, oder besser, dem Be-
zugleich entstehende ErkenntniB zu/iil{2045]lig sey und seyn miisse. Man griffe von Raum uberhaupt und im Ganzen genommen, mag immer nur
werde doch nicht a particulari ad universale schlieBen wollen: die meisten ein einziger Gegenstand entsprechen, darum kann er doch aus sinnlichen
unserer Wahrnehmungen sind zufiillig; also miissen sie es alle seyn. Wer Eindriicken abgesondert, und zusammen gesetzt seyn. Der Vorstellung
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von unserer Erde, unserer Sonne, dem Weltall entspricht auch nur ein ein- was mehreres und reelleres als nur blolle Vorstellungen eines Menschen,
ziger Gegenstand. Sind es darum keine empirische Begriffe? §. 13. Unend- die bey seinem Vergessen, seinem auller Acht lassen, seinen Krankheiten,
lichkeit des Raums. Diese ist im menschlichen Verstande, wie kein Stiick seinem Tode, ihr Daseyn verlieren. §. 18. Primariae und Secundariae quali-
der wirklichen Anschauung, also iiberhaupt nichts urspriingliches, son- tates niihmlich der Kiirper. Da man zu jenen, U ndurchdringlichkeit, Aus-
dern nur allmiihlich hinzugedacht. §. 14. Ober die Vorstellung eines Blind- dehnung, Figur und Bewegung und alles iibrige zu diesem rechnet.
gebohrnen vom Raum. Es ist aus den besten Beobachtungen iiber Blindge- §. 19. Haupteinwurf der Idealisten; wie kiinnen wir Erkenntnill haben von
bohrne be{2056]kannt, daB sie, bevor sie zu sehen anfiengen, gar nicht dem was aufler uns ist? da doch ja alle unsere sinnliche Wahrnehmungen
dieselbe Vorstellung vom Raume batten, die uns andern jetzt bey diesem unsere Wahrnehmungen und Vorstellungen, folglich in uns seyn. Denn
Ausdruck immer vorschwebt. Wiire diese Vorstellung vor dem wirklichen wie kiinnten unsere Vorstellungen auller uns seyn? Oder wie konne es er-
Sehen in der Seele des Blindgebohrnen gewesen; so lielle sich nicht begrei- laubt seyn, unsere Vorstellungen fiir etwas anders auszugeben, als fiir unse-
fen, warum er, beym Anfang seines Sehens, die vorhergefiihlte Kugel und re Vorstellungen; wie fiir auller uns vorhandene und von uns abhangige
den gefiihlten Cubus nicht sogleich erkannte; oder warum die Gegenstiin- Dinge? - Aber das ist ein falscher Satz: daft die sinnlichen Erscheinungen
de des Gesichts ihm Anfangs die Augen zu beriihren schienen; und warum blofte Wahrnehmungen oder Vorstellungen in uns sind; denn wir miissen
es so lange wiihrte, bis er Distanzen, U mfang und Lage der Kiirper sehen, bey der sinnlichen Erscheinung uns selbs~ und das was wir unsere W..hr-
d. h. aus dem Sehen abmerken lernte? Denn liige das gemeine Schema vom nehmungen (perceptiones) nennen kiinnen, und die Gegenstiinde der Wahr-
Raum und seinen Abtheilungen in allerley Figuren, Abstiinden und Um- nehmungen von einander unterscheiden. §. 20. Die erste Unvollkommen-
rissen in der Seele vor aller Erfahrung; warum sollte alsdann nicht auch heit unserer sinnlichen Erkenntnifl beweiset nichts for den Idealism. Aus dem
beym Blinden die Vorstellung vom Raume dasselbe enthalten, was die Vor- Nichtbemerken der Dinge, ist der Schlull auf ihre Nichtexistenz falsch.
stellung des Sehenden enrhalr, warum ihm die gesehene Ausdehnung so Man kann sagen, daB fiir den Blinden keine Farben vorhanden sind. Aber
etwas befremdendes und unbegreifliches ist? Die Frage ist also: warum der man kann eben sowohl sagen,. dall der Blinde fiir die vorhandenen Farben
Blindgebohrne die Begriffe von Raume nicht viillig so hat wie wir; wenn keinen Sinn habe. Und der Blinde selbst kann Ieicht dahin gebracht wer-
doch diese Begrijfo nicht empirisch seyn sollen. §. 15. ob der Raum und die den, dall er diesen Ausspruch gelten laflt. §. 21. Eben so wenig als gemeine
Ki5rper etwas im Gemiithe, oder in der Seele sind? Kantische Aullerungen lrrthiimer in Ansehung sinnlicher [2058] Erscheinungen. Wer wird leugnen,
hieriiber. Nach Kant ist der Raum weiter nichts als die Form unserer sinn- daB wir uns aile irren? Aber giebt es darum keine Wahrheit in der
lichen Anschauung, diese Anschauungen selbst aber sind nichts anderes menschlichen Erkenntnill? Oder giebt es keine Vernunft; wei! bey Ver-
als abwechselnde Zustiinde einer Eigenschaft unsers Gemiiths, also sind die riickten ihr Gebrauch sich verliert? Es konnte von Unvernunft nicht die
von uns wahrgenommene Dinge im Raume eigentlich nichts als Zustiinde Rede seyn, wenn es nicht Vernunft giibe; und von Irrthum nicht ohne
oder Modificationen unserer selbst; blofte Vorstellungen in uns. Ist dieses Wahrheir. So iiberhaupt; und so auch in Absicht auf sinnliche Erkennt-
nicht der offenbare Idealismus? §. 16. Antiidealismus nach simpeln und nill. §. 22. Ob Idealismus ni5thig is~ urn die Vernunft vor Widerspriichen zu
festen GrUnden des gemeinen Menschenverstandes. Erkliirung der Ausdriicke; bewahren? Priidicate des Raums sind darum nicht Priidicate der Kiirper.
Wirklich auller uns vorhandene Dinge. - Wir unterscheiden ja Dinge §. 23. Von der Tbeilbarkeit des Raums und der Materie ins Unendliche. Prii-
auller uns von den Vorstellungen dieser Dinge in uns, und deren iiullere fung einer Kantischen Antinomie. - Die beyden Siitze: Im Raum an sich
Impressionen auf uns. §. 17. Wiefern die Gegenstiinde der auftern Empfin- oder im Leeren ist nirgends Grenze, ist nichts das letzte, und beym Reellen im
dung von uns unabhiingige Dinge sind. Es wiirden Sonnen und Monde, Raum ist irgendwo Grenze, ist etwas das letzte, stehen nicht im mindesten
[2057] Fliisse und Berge, Thiere und Biiume vorhanden seyn, wenn auch Widerspruch gegen einander. §. 24. Eine zweyte Kantische Antinomie aus
keine Menschen wiiren; heillt keinem Menschen so vie!, als menschlich der Lehre vom Raum, niihmlich daB die Welt ins U nendliche ausgedehnt
wahrgenommen wi.irden sie noch werden, wenn keine Menschen waren; seyn miisse; und denn aber auch, daB sie Grenzen haben miisse. §. 25. Ob
{in der Vorstellung). Sondern negative so vie!: was wir von allen diesen der Kantische Idealismus besser denn ein anderer sey? Das Resultat fiillt ziem-
Dingen wissen, gestattet nicht, daB wir sagen, sie werden nicht seyn, wenn lich fiir die verneinende Antwort hinaus. Das zweyte Hauptstiick handelt
wir nicht mehr wiiren, und positive so vie! als: Gott und seine Welt sind et- von der Caussalitiit und der Erkenntnifl unsichtbarer Wesen. §. 26. Kantische
720 ?leuc ~cip 0 iget C!lc!c~rtc ,3eitungcn - 1. November ~e~er fiber Jlaum un~ llauffalitiit 721
Lehren von der Caussalitdt und der Erkenntni6 unsichtbarer Wesen. nen, die unsern Sinnen nie vorgekommen sind, ob wir gleich uns keine
§. 27. Eine andere Vorstellungsart von eben diesen Gegenstanden. Kant be- addquate, genauanpassende Begriffe von ihrer Natur machen konnen; wir
hauptet: der Begriff von Ursache sey nicht empirischen Ursprungs, das Ge- benennen sie daher nach den gewissen Wirkungen die wir von ihnen ken-
gentheil unser Verf. §. 28. Hauptstellen der Kantischen Kritick die Griinde nen; denn unsere vollkommenste Erkenntni6 von den Dingen ist immer
unsers Begriffes von Caussalitd~ betreffend. §. 29. Beleuchtung des Sinnes weiter nichts, als Erkenntni6 ihrer Beziehungen und Wirkungen auf uns.
und Gehaltes derselben. §. 30. Unzulanglichkeit der Kantischen Deduction Was wissen wir sonst vom Licht, von der Luft und vom Wasser; als was
a priori. Hier sey es Kamen gegangen wie allen iibrigen, die diesen Versuch fur Wirkungen sie entweder allein und unmittelbar auf unsere Sinne
gewagt haben. Aile, wenn sie nicht das zu erweisende im Beweise selbst hervor bringen, oder in Verbindung mit andern Dingen, und mittelbarer
schon voraus setzen, beweisen etwas anders, als was sie beweisen sol/ten. Der Weise? §. 38. Werth der analogischen Erweiterung unserer Caussalitdts-Er-
Verf. erwartet, daB Hr. Kant oder irgend Jemand, aus seiner [2059] Kritick kenntnift. - Hier scheint uns der nie aus den Augen zu lassende Unterschied
ihm einen nicht von der Erfahrung hergenommenen Grund unserer Be- von vollstdndigen und unvollstdndigen Vorstellungen (nach Kant von Be-
griffe und Grundsatze von der Caussalitat bemerklich mache. §. 31. Ur- griffen und Ideen) nicht bemerkt zu seyn. Haben wir z. B. von Gott, der
sprung des Begriffes von nothwendiger und bedingter Folge. In Gefiihlen Seele etc. nun de6wegen gar keine Vorstellungen, wei! diese nur unvo/1-
und Empfindungen. §. 32. Grund der allgemeinen Urtheile: Ist die einzel- stdndig sind, und folgt aus ihrer U nvollstandigkeit die Nichtexistenz des
ne einstimmige Wahrnehmung und Erfahrung, mit der Ubereinstimmung vorgestellten Objects? Nichts ist gewohnlicher als die Verwechselung vo/1-
aller anderer Menschen, und Ubereinstimmung mehrerer Bemerkungen stdndiger Begriffe mit unvollstdndigen. So sagt z. B. der Philosoph von
der nahmlichen Art, so entstehen die allgemeinen Wahrheiten vom Sans-Souci, von der Seele: qu'on ne peut pas definir; kiinnen wir die6 gar
menschlichen Verstande und der menschlichen Natur iiberhaupt; vom nicht, oder nur unvollstandig? in dem §. 41. S. 231 hat die6 der V. sehr gut
Grundsatz des Widerspruchs an bis zur au6ersten Synthesis, oder den gezeigt. §. 39. Wasfaule Vernunft sey? die, welche andere als natiirliche Ur-
verwickeltsten Lehrsatzen der reinen Mathematick, ohne Ausnahme aus sachen zur Erklarung der Erscheinungen annimmt, und gleichsam Deum
empirischen Grunden. §. 33. Uber die Grundgesetze des menschlichen ex machine herbey rufft. Hingegen kann auch die Aufsuchung natiirlicher
Verstandes: die Grundsatze des Widerspruchs und des zureichenden Grun· Ursachen zu weit getrieben werden. §. 40. Nothwendigkeit einer ersten
des; nur nicht im gemeinsten Sinne derselben. - Uber die beyden Grund- U rsache_ §. 41. Ob und wie weit wir im Stande sind von der ersten Ursache
regeln des rechten Gebrauches unseres Verstandes. - §. 34. Ob es recht sey uns einen bestimmten Begri/f zu machen? - Aile unsere Begriffe von der
die Caussalitdtsurtheile iiber die Erfahrung - d. h. iiber die Grenzen der Gottheit sind von andern Dingen erst abgewgen. Aber wenn doch aile
Sinnlichkeit und aller unserer Erfahrung auszudehnen? Anzeige einiger N ahmen die wir der Grundursache beylegen, aile Begriffe, die wir auf sie
Hauptsatze, auf die es hiebey ankiimmt. §. 35. Daft nichts ohne Ursache anwenden wollten, urspriinglich auf ganz an{2061]dere Dinge sich bezie-
geschehe. Dieser Hauptsatz hat fiir sich die Ubereinstimmung aller ausge- hen, und etwas anders bedeuten, und gar nichts mehr bedeuten, wenn wir
machten Erfahrung, das Gewisseste und Aufgeklarteste der Erkenntnisse sie aus jener Beziehung wegnehmen? Wenn das ware; wenn aile unsere
aller Art. Und des Ausgemachten wider sich nichts. Das Gegentheil, oder Nahmen gar nichts mehr bedeuteten, wenn wir sie vom Abhangigen und
eine Ausnahme wider ihn annehmen wollen, hie6e also der Vernunft Ab- Eingeschrankten aufs U nabhangige und Uneingeschrankte iibertragen;
schied geben. Denn wenn wir ohne allen Grund, und gegen alles sonst wenn gar nichts mehr bedeuteten bey dieser Anwendung die Nahmen Ver-
gewisse und gegriindete etwas annehmen diirfen, bloB wei! es keinen offen- stand und Wille, weise, giitig und miichtig, moglich, nothwendig und
baren Widerspruch in sich fa6t; was IieBe sich da nicht annehmen; aber wirklich, Kraft und Ursache etc. Ja so ware es aus mit unserer Theologie;
was ware dann noch Vernunft? §. 36. Alles Zufollige hat seinen Grund. so waren aile Religionslehren sinnloses Geschwatze; aile, auch die auf
Analogie der Erfahrung ist es, was uns in allen Fallen zum Urtheil, daB Glauben sich stiitzenden. Aber dieses Vorgehen ist eine von den iibertrie-
etwas zufallig sey, bestimmt und eben damit auch zur Arierkennung seiner benen Behauptungen, wodurch man verwirrt, indem man aufklaren will.
Abhangigkeit von irgend einem Grunde auGer ihm. §. 37. Wir miissen die U nd doch hat sie Kant selbst schon eingeschrankt, indem er zugiebt, daB
Krdfte nach den Wirkungen und de{Z060]ren Analogie benennen. - Es ist wir .A."hnlichkeit der Beziehungen mit andern und naher bekannten Bezie-
auGer Zweifel, daB unsere Vernunft genothiget ist Ursachen anzuerken- hungen bey der ersten U rsache annehmen, und darnach sie benennen
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diirfen; welches er den symbolischen und erlaubten A nthropromorphismus auf das blosse Vermiigen, Verhaltnisse deutlich wahrzunehmen, das ist,
nennt. §. 42. Ob die erste Ursache endlich oder unendlich? §. 43. Ob die den Satz der Identitat zu formiren und darnach zu urtheilen, ein. Nun
erste Ursache als ein ve:rstiindiges Wesen von uns zu denken sey? §. 44. Ver- glaubt Herr Jacobi, daB die Bejahung bios identischer Satze allein apo-
schiedene Griinde des Atheismus. §. 45. Uber Glauben und Wissen iiber- diktisch sey, und eine absolute GewiBheit mit sich flihre; und daB die
haupt und in Sachen der Religion. Was hier der Verf. sagt, muB seinem Bejahung des Daseyns an sich von einem Dinge ausser seiner Vorstellung
Herzen die Achtung aller seiner Leser in vollem MaaBe erwerben. Uber- nie eine solche apodiktische Bejahung seyn, und eine absolute Gewillheit
haupt ist er mit der ganzen Controvers so zu Werke gegangen, wie es mit sich flihren konne. Also kiinne der Idealist, gesriitzt auf diesen Unter-
einem kaltbliitigen und gesitteten Philosophen geziemet, wenn er Wahr- schied, ihn nothigen, einzuriiumen, daB seine Uberzeugung vom Daseyn
heit mit Untersuchungsgeist ohne Partheylichkeit priifen will. wirklicher Dinge nur Glaube sey. Alsdann aber miisse er als Realist sagen,
aile Erkenntnill kiinne einzig und allein aus dem Glauben kommen, wei!
einem erst Dinge gegeben seyn miissen, ehe er Verhaltnisse einzusehen im
Stande ware. Die Entwicklung dieser Materie ist der Innhalt des gegenwar-
~re6fau. tigen Gespriichs. Wie Herr jacobi in diesem Gespriich sich flir den Rea-
lismus und gegen (699] den Idealismus erkliirt, eben so hatte er in den
!Oaoib !;1ume iiber ben \B!auben ober Jbea!i~mu6 unb ~ea!i~mu6, ctn \Be'
Briefen iiber Spinoza sich ganz deutlich in Absicht dieser Lehrbegriffe ge-
fpriidj oon ;lrtebridj !;1einridj i)acobi, bet \liiroe, 1787. ~- 230. in 8oo.
aussert. Dem unerachtet wollte man nachher vermuthen, daB er sich zum
Das Gespriich, das der Herr G. R. Jacobi hier dem Publikum mittheilt, transcendentalen Idealismus neige. Diese Vermuthung griindete sich haupt-
zerfallt in drei Haupttheile, deren jeder An fangs besonders erscheinen soli- sachlich darauf, daB Herr jacobi in seiner Rechtfertigung gegen Mendels-
te; nehmlich, das erste Gespriich sollte den Titel flihren: David Hume iiber sohn von Kan~ als einem grossen Denker, mit der Hochachtung und der
den Glauben; das zweite sollte Idealismus und Realismus heissen, und das Bewunderung die er empfand, gesprochen hatte. Dabei stiitzte man sich
dritte: Leibnitz, oder iiber die Vernunft, beschrieben werden. Gewisse Er- auf die Stelle vom Glauben, die er aus der Kritik der reinen Vernunft die-
eignisse stiirten aber diesen Entwurf, und so wurden die drei Gespriiche in ser Rechtfertigung eingeschaltet hatte, ohne die Anmerkung, die er unmit-
eins zusammengezogen. Den Inhalt der dritten Abtheilung konnte der ge- telbar damit verkniipfte, und eine andre, die er gleich darauf folgen lieB, in
genwartig gewahlte Titel fliglich mit umfassen. Was die Verbindung aber Betrachtung zu ziehen. In der Beilage zu diesem Gespriiche: Uber den
zwischen Humens Ideen vom Glauben, und der Materie vom Idealismus transcendentalen Idealismus hat sich Herr jacobi bei dem Vortrage des
flir Ursache babe, dariiber erkliirt sich der Verfasser also. Der Gebrauch, Kantischen Lehrbegriffs iiberall der eignen Worte des Verfassers bedient.
den er in den Briefen iiber Spinoza von dem Worte Glauben, ausser der ge-
meinen Art gemacht hat, bezieht sich auf das BediirfniB, nicht (698] seiner
eignen, sondern derjenigen Philosophie, welche behauptet, daB Vernunft-
~iit~en.
erkenntniB nicht bios auf VerhaltniB gehe, sondern daB sie auf das wirkli-
<Jladj .itantifdjer Wlanier aujgdiiflc ~liomen oon Wlofe~ Wlenbel~fo~n, nebfl
che Daseyn selbst von Dingen und Eigenschaften, und zwar dergestalt sich
einem \Butadjten oon !;1rn. ijrieb. <Jli!o!ai. Suum cuique. Jn ber \B!anben•
erstreck<, daB eine solche ErkenntniB des wirklichen Daseyns durch Ver-
berg. !eudj~anb!ung 1787. ~- 84. in 8.
nunft eine apodiktische Gewillheit habe, welche der sinnlichen nie zuge-
schrieben werden diirfte. Nach dieser Philosophic findet also eine zwiefa-
che Erkenntnill des wirklichen Daseyns statt, eine gewisse und ungewisse.
Letztere, sagt Herr Jacobi, darf also nur Glaube genannt werden. Denn das
D a batten wir also auf einmal eine Satyre nicht sowohl wider die
Kantische Sekte, als wider Kant selbst, Mendelssohn, Nikolai, die all-
gemeine deutsche Bibliothek, (868] die allgemeine Litteraturzeitung, und
hatte er vorausgesetzt, daB aile ErkenntniB, die nicht aus Vernunftgriinden zwar von Hrn. Heinike, Direktor des chursachsischen Instituts flir Stum-
entspringe, Glaube sey. Die Philosophie des Herrn Jacobi behauptet keine me. Wenn die Vollkommenheit einer Satyre allemal im Verhaltnisse mit
zwiefache Erkenntnill des wirklichen Daseyns, sondern nur eine einfache, dem Arger stiinde, der den Verfasser begeistert; so miiBte diese Arbeit des
durch Empfindung; und schriinkt die Vernunft, flir sich allein betrachtet, Hrn. H., der bekanntlich mit der allg. Litteraturzeitung, und allem, was
724 ®ottingifdje 2!n;eigen oon ge[e~tten eiadjen - 3. November 1787 Jlelmatuli tibet bie ®tilnbe bet menfdj[idjen Q:t!ennmi~ 725
damit zusammenhiingt, in einer Fehde lebt, von nicht gemeiner Giite Vernunft das Daseyn der Korperwelt sowohl, als das Daseyn irgend eines
seyn. Wie sie aber wirklich ausgefallen, das wird man aus einer Stelle andern Wesens ausser uns, erkannt werde. Ohne Vergleichung, Zusam-
wider den verewigten Mendelssohn S. 32. beurtheilen konnen. .Kein menhaltung, ohne Beurtheilung, also ohne Vernunft, konnen uniichte Er-
Sophist hat sich Zeit seines Lebens mehr Miihe gegeben, dergleichen ver- scheinungen aus verdorbenen Sinnen oder brausender und verriickter
schlungene Begriffformeln in die Christenheit zu werfen, als der Jude Phantasie, von den iichten Empfindungen der wirklichen Dinge und Be-
Mendelssohn; und man muB es ihm, ohne Ruhm dariiber zu verschwenden, schaffenheiten nicht unterschieden werden. (Bey diesem Streite scheint
zugestehen, daB er darin exzellirte; denn die Kinder dieser Welt sind klii- dem Rec. die Wahrheit in der Mitte zu seyn. Die Vernunft, sensu lat. ist es
ger, als die Kinder des Lichts - in ihren Geschlechten, und die Abderiten freylich, die Wahres und Falsches in unsern Empfindungen und sinnlichen
liefen ihm sogar entgegen, wenn sie wuBten, daB er auf die Messe kam, Wahrnehmungen unterscheidet; und dies, diinkt uns, liiugnet J. nicht, ob-
und kauften ihm alles rein ab, bis auf den Stock, so, daB er ofters in sei- gleich seine Ausdriicke bisweilen von den gewohnlichen abweichen. Aber
nem Gewolbe schrie: ZerreiBt mich nur nicht! je nu, da sieh du zu! meynte das Wahre und Wirkliche ist doch nur das Bestiindige und Einstimmige in
er: die Gojims wollen sich ja beschummeln lassen. Man muB seinen unsern innern und iiussern Empfindungen. U nd wenn unnariirliches Ge-
Freund lieben und seine Feinde hassen, ist ja jiidische Moral, und hoher fiihl oder unnatiirlicher Schein bey einem Menschen so anhaltend und
zwingt die Juden gewill keine christliche Obrigkeit, ehe sie enttalmudirt stark wird, daB das entgegengesetzte nariirliche Gefiihl ganz dadurch ver-
sind, und christliche Moral annehmen; trotz allen ihren Vertheidigungen." nichtet oder verdunkelt wird: so ist seine Vernunft nicht mehr im Stande,
Fast reut es Rez. so was abgeschrieben zu haben. Hr. H. hat eine Stelle von etwas dagegen einzuwenden. Und insbesondere laBt sich das Daseyn der
Hrn. Nikolai wider Jakobi aus der allg. deutschen Bibliothek als Nikolais Kerper ausser unserer Vorstellung aus anderweitigen Grundsiitzen nicht
Gutachten iiber sein Werkchen fein spiittisch vorangesetzt, worin die Wor- erweisen; sondern muB als unmittelbar und in der sinnlichen Wahrneh-
te vorkommen .Ich glaube, Hr. Jakobi schadet niemand, als sich selbst, mung erkannt angenommen werden, oder, wie J. sagt, als gegeben. Denn
wenn er von einem Manne, wie me in verewigter Freund Moses Mendels- der Beweisgrund, der von der Folge dieser Wahrnehmung und deren U n-
sohn .... schnode zu urtheilen affektirt." Ohne Scherz, Herr Direktor! abhiingigkeit von unserm Denken und Wollen hergenommen wird, ver-
auch das ist unser Gutachten, welches Sie sicher nicht im Verdacht der mag nichts gegen den Berkeleyischen Idealismus. So bald man sagt, daB
Partheylichkeit haben werden. wir nichts unmittelbar erkennen oder wahrneh{1747Jmen, als Ver.inderun-
gen unsers eigenen Zustandes: so hat Berkeley gewonnenes Spiel. Dieser
Satz aber hat das deutliche BewuBtseyn wider sich, und folgt eben so
wenig aus der erst allmiihlich nach der Vereinigung mehrerer sinnlicher
Eindrncke entstehenden Klarheit und Deutlichkeit der sinnlichen Wahrneh-
J,:>amBurg. mung, als er damit bewiesen ist, daB wir nicht begreifen konnen, wie wir
Bey C. F. Bohn: Uber die Grimde der menschlichen Erkenntnifi und der wahrnehmen, was ausser uns ist. Denn das Begreifen hort liberal! bey den
natiirlichen Religion. Von]. A. H Reimarus. !787. 172 S. Octav. In dieser letzten Griinden unserer NaturkenntniB auf. Und was erst nach der Verei-
kleinen reichhaltigen Schrift wird die alte Philosophie, wie einige ihrer nigung mit mehrem iihnlichen, oder auch bey der Zusammenkunft mit
jiingsten Gegner sie zu nennen belieben, und deren giinzliche Vertilgung dem Entgegengesetzten sich zur Unterscheidung und zum BewuBtseyn
gewisse muntere Kopfe spiitestens noch auf zwanzig Jahre hinaussetzen sol- aufklaret, das kann, ja es muft, vorher schon da gewesen seyn. Auch der
len, so vertheidigt, daB die Achtung dafiir wahrscheinlich auch unter die- Blindgebohrne stellte sich gleich beym Anfang seines Sehens (freylich
sem Geschlechte bey vielen wieder zunehmen, und mancher von den nicht seines Erkennens iiberhaupt) die Gegenstiinde als ausserhalb vor-
natiirlichen Gesichtspuncten abgewendete Kopf wieder zurechte gesetzt handen vor, S. 12. - DaB wir den Stoff oder die data aller unserer Er-
werden wird. Der Verf. hat es aber mit zweyerley Gegnern zu thun; ein- kenntnisse durch die Sinne erhalten; sagt unser Verf. deutlich und aus-
mal mit dem Hrn. G. R. jacobi, und dem Verf. der Resultate; sodann mit driicklich genug, S. 6. Nur eben damit scheint uns die Behauptung, daft
Hrn. Prof. Kant. Gegen [1746) die ersten sucht er zuvorderst darzuthun, unsere eigentliche Erfahrung sich nicht weiter, als auf die innern Verarzde.
daB nicht unmittelbar durch Sinne und Gefiihl, sondern mit Hiilfe der rungen unsers denkenden Wesens erstrecke, S. 19, nicht wahl zu bestehen).
726 l!lottlngi[d)e 2!n;elgen oon gele~rten 11:5ad)en - 3. November 1787 l!lottingi[d)e 21n!eigen oon gele~rten 11:5ad)en - 5. November 1787 727
Gegen die Kantsche Philosophie erkliirt sich der Verf. sowohl in der Lehre nachtheilig seyn werden - liiflt sich nicht sogleich aus der Erfahrung ab-
vom Raum und von der Sinnenwelt, als auch in Absicht auf die Erkennt- nehmen. Nicht allein, wei! man sich in Acht nimmt, seinen Lehrsatzen
nifl von Gottes Daseyn und Eigenschaften. Oberall mit Bescheidenheit keinen biisen Ruf zu machen; sondern auch, wei! die ehedem eingesoge-
und Achtung fiir seinen einsichtsvollen Gegner; doch bisweilen nach- nen Lehren noch ihren gewohnten Einflufl aussern - Wenn aber lockere
driicklicher, als es einigen seiner Verehrer lieb seyn wird. Besonders mufl Lehren erst allen Anstofl verloren haben, und recht eingewurzelt sind; so
die Zusammenstellung der Kantschen Siitze, in der Ordnung, wie sie im- wiirden auch die sittlichen Ieicht als iibersinnlich oder speculativ, mit allen
mer kiihner werden, und amEnde aile unsere Erkennt{1748]nifl von Gott ihren Folgen wankend gemacht werden; und es wiire natiirlich, daB einer,
vernichten, S. 52 ff. Eindruck machen. Es werden aber auch diejenigen dem alles unsicher geworden, und der sich nur als ein augenblicklich
Ausserungen des Kiinigsbergischen Philosophen angezeigt, welche giinsti- voriibergehendes Wesen ansieht - den gegenwiirtigen Augenblick, ohne
gere Urtheile iiber die natiirliche Erkenntnifl von Gott enthalten, und ge- andere Riicksicht, nach seinem besten Wohlgefallen niitzte." (Und sollte es
neigt machen miissen, auch die entgegenstehenden Erklarungen nicht im viele Anstrengung erfordern, dergleichen Folgerungen, selbst schon in
strengsten buchstiiblichen Sinn zu nehmen. Nur wird dabey bedauert, daB Schriften, gewahr zu werden?).
der Mann, der uns so vieles lehren· kiinnte, den eigentlichen Ausschlag sei-
ner Untersuchungen nicht bestimmter darlegte, und daB es seinem Witze
mehr zu gefallen scheint, uns immer schwankend zu lassen, S. 55. Wir hal-
ten uns nicht bey der Auszeichnung der Grundsatze und Resultate der
®tuttgact.
Kosmologie und Theologie unsers Verf. auf; da sie im Wesentlichen viillig Plan einer systematischen Metaphysik. Von]. Fr. Abel, Prof an der hohen
iibereinstimmen mit der Philosophie anderer griindlichen und bescheid- Schute zu Stuttgart. 1787. 232 S. Octav. Das Hauptaugenmerk des Verf.
nen Dogmatiker. Nur darin unterscheidet er sich von einigen derselben, scheint dahin zu gehen, eine Metaphysik anzulegen, welche die Vortheile
daB er die Grundsatze der Caussalitat von einem urspriinglichen Trieb der Kantischen Philosophie mit dem Guten anderer Systeme vereinigte. So
oder Gesetze unsers Verstandes ableitet; nicht von der Obereinstimmung widerspricht er zwar den unhaltbarsten und anstofligsten Hauptsiitzen der
aller unserer Erfahrungen. Doch, sagt er, hat der Theismus, auch wenn je- erstern in der Lehre von den Grunden der intellectualen Erkenntnifl;
ne Grundsatze auch nur auf die Erfahrung sich griindeten, alles (Gewisse nimmt keine vor aller Erfahrung in der Seele liegende Begriffe an; und
unserer Erkenntnifl) fiir sich, und der Atheismus alles wider sich. Zuletzt halt hingegen die auf Schliisse von den sichtbaren Wirkungen auf die un-
gegen den Spinozismus. Auch Reimarus erkliirt denselben fiir eine vermes- sichtbare Kraft und Substanz sich griindenden Ideen nicht fiir bios sub-
sene, bey genauerer Beleuchtung sich grund- und sinnlos zeigende, Wort- jectiv gegriindeten Schein und Tiiuschung, sondern fiir reelle und [1775]
philosophie; und findet es sonderbar, wenn man denselben auf der einen objectiv gegriindete Erkenntnifl. Dabey redet er aber doch, so vie! miig-
Seite fiir baren Atheismus, und auf der andern fiir die consequenteste Phi- lich, die Kantische Sprache; nennt so insbesondere auch die nach den Ge-
losophie der speculativen Vernunft erkliiren; und oben darein etwa auch setzen der Einbildungskraft und des Verstandes, durch Absonderung und
noch Grund zur erhabensten Gottesverehrung darinne finden will. Bey Zusammenziehung, gebildeten Begriffe und Vorstellungen, von Raum,
solchen Wortwebereyen und dunkeln unbestimmten Vorstellungen miigen Zeit etc. nicht empirische; setzt das Wesentlichste und Verdienstlichste eines
freylich Leute von der ver{1749]schiedensten Denkart Stoff fiir ihre Phan- metaphysischen Systems in der vollstandigsten Aufziihlung der allgemein-
tasie zu haben vermeynen. Aber ob griindliche Philosophie und Religion sten Begriffe und Grundsatze, und deren Deduction a priori: das heiflt, aus
dabey Statt finden kiinnen; das ist die Frage. Der Verf. erkliirt sich gegen den Gesetzen des Verstandes; und veriihnlicht also auch sein System dem
das Ende iiber die sittlichen Folgen dieser Arten von Philosophie folgen- Kantischen in Absicht auf Anordnung und Abtheilung der Materialien.
dermaflen: "Ob die Bemiihungen zur Verdunkelung der einleuchtenden Allerdings wird seine Metaphysik dadurch bey einigen gewinnen. Den-
Oberzeugung von einem allweisen, allwirkenden und allguten Regierer noch zweifeln wir, ob der wahrheitsliebende und einsichtsvolle Verf. die-
der Welt, und iiberhaupt zur Untergrabung aller Griinde unsers Wissens, sen Vortheil dem Vortheil der simplern und deutlichern Darstellung der
welche jetzt von einigen Schriftstellern so angelegentlich und mit beson- metaphysischen Griinde, Fragen und Resultate, die bey mehr analytischer
derm Wohlgefallen angepriesen werden - unserer Ruhe und Sittlichkeit Methode und minderer Entfernung von gemeiner Sprache miiglich ist,
728 :tUbingifdje gefebrte ;>Jn3eigen - 8. November 1787 ~acobi6 :Oaoi~ J,lume Uber ~en C!llauben 729
l_ange vorziehen werde. Den lichtvollen Zusammenhang und leichten unsers Zeitalters einen ganz vorziiglichen Plaz; und, wenn Rec. nach sei-
Ubergang von einem aufs andere, den nach oft wiederholten Revisionen nem eigenen Gefiihle urtheilen darf, so ist es unmiiglich, dieselbe durch-
ein vollig ausgearbeitetes System haben kann, darf man der Billigkeit nach zulesen und durchzustudiren, ohne Bewunderung und Hochachtung fiir
bey einem ersten Entwurfe nicht einmal erwarten; zumal wenn so viele den wahrhaft groflen Mann, den sie zum Verfafler hat, zu fiihlen. Oberall
Ideen und Gesichtspuncte aufs kiirzeste nur angezeigt, und die Beweise oft stiiflt man auf eigen{714]thiimliche Ideen, auf neue Gesichtspuncte, auf
vorausgesetzt oder verschoben werden; wie denn unser Verf. ausdriicklich scharfsinnige und fruchtbare, oft nur im Vorbeygehen eingestreute, Be-
in der Vorrede erinnert, dafl er die Beweise der einzelnen metaphysischen merckungen, auf lehrreiche Wincke zur Beurtheilung und Benuzung an-
Lehrsatze aus den neuesten Schriftstellern, besonders aus Ulrich, voraus- derer philosophischer Schriftsteller, und der ganze Vortrag ist so lebhaft
setze. Der Gang der ganzen Meditation ist ohngef1ihr dieser. Zuerst sucht und so hinreiflend, daB man iifters selbst bey solchen Stellen, die sich auf
der Verf. die GrUnde der [1776] Metaphysik auf, mittelst der Auflosung des die trockensten Wahrheiten beziehen, Miihe hat, dem Eindrucke, den die
Problems: Wie aus bloj?en Modificationen (eines erkennenden Subjects) Darstellung auf die Empfindung macht, so weit zu widerstehen, als es
Begriffe von wirklichen Dingen werden; und aus subjectiven Denkgesetzen nothwendig ist, urn einer kaltbliitigen Untersuchung des Inhalts Raum zu
Gesetze einer objectiven Natur? Erst die Begriffe; dann die Grundsatze der machen. - Da wir es fiir unmiiglich halten, eine Schrift von dieser Art in
Anwendung dieser Begriffe. Darauf wird der Inhalt der Metaphysik be- einem, mit dem Raum unserer Blatter in einem richtigen Verhaltnifl ste-
stimmter angegeben; von ihrem Nutzen, ihrer Wahrheit und ihrem Ver- henden, Auszuge darzulegen, ohne ein schones Ganzes zu verunstalten,
haltnifl zu den iibrigen Theilen der menschlichen Erkenntnifl gehandelt. und manche Ideen, die von ihrer Stellung gegen andere ein vortheilhaftes
Endlich der Entwurf einer Metaphysik der Sitten: oder Untersuchung, ob Licht erhalten, in ein nachtheiliges zu stellen, also ohne ungerecht gegen
und in wie weit unsere subjective Willensgesetze Griinde enthalten zu ganz den Verfafler zu seyn; so miiflen wir uns damit begniigen, unsere Leser auf
allgemeinen, auch auf andere Geister anwendbaren, moralischen Begriffen die Hauptpuncte, deren Untersuchung und Entwicklung den Inhalt dieser
und Grundsatzen. Dieser letzte Theil hat uns vorziiglich gefallen. (Wenn Schrift ausmacht, aufmercksam zu machen, einige Stellen als Proben aus-
der Verf. sagt, daB an eine Metaphysik der Sitten vor Kamen niemand ge- zuzeichnen, und am Ende einige Bemerckungen oder Fragen anzuhangen,
dacht; so diirfte es doch nicht schwer seyn, die Hauptsatze dieser Untersu- deren Zuriickhaltung ein Mifltrauen in die Denckart des beriihmten Hrn
chung, die der Verf. fiir richtig erkennt, theils in der Pneumatologie, theils Verf. verrathen wiirde, das wir auf keine Art zu entschuldigen wiiflten. -
in der allgemeinen practischen Philosophie anderer Philosophen aufzufin- Ober das Hauptprincip seiner Philosophie erklan sich der Hr Verf. in der
den.) In die Anzeige und Beurtheilung einzelner Puncte konnen wir uns Vorrede (S. V. f.) auf folgende Art: Nach seiner Philosophie gebe es keine
hier nicht wohl einlassen. Nur iiberhaupt bemerken wir noch, daB, nach zwiefache Erkenntnifl des wircklichen Daseyns, sondern nur eine einfa-
unserm Bediinken, der Verf. zu vieles aus bios subjectiven GrUnden, den che, durch Empfindung; und die Vernunft schrancke sich, fiir sich allein
Verstandesgesetzen, ableiten will, zu wenig in dem Gegebenen der Grund- betrachtet, auf das blofle Vermiigen ein, Verhaltnifle deutlich wahrzuneh-
vorstellungen und der Analogie der Erfahrung annimmt. Daher werden men, d. i. den Saz [715] der Identitat zu formiren und darnach zu urthei-
seine Beweise der Objectivitiit unserer Vorstellungen von den Dingen aus- len. Da er aber eingestehen miifle, daB die Bejahung des Daseyns an sich
ser uns, und des Hauptsatzes von der Caussalitat, nicht so ganz befriedi- von einem Dinge ausser unserer Vorstellung nie eine apodictische Bejahung
gend. seyn, und eine absolute Gewiflheit mit sich fiihren kiinne; so sey er zwar
genothigt, dem Idealisten einzuriiumen, daB seine Oberzeugung vom Da-
seyn wircklicher Dinge aufler ihm nur Glaube sey; aber als Realist miifle
er denn sagen, aile Erkenntnifl kiinne einzig und allein aus dem Glauben
~rc~rau. kommen, wei! uns Dinge gegeben seyn miiflen, ehe wir Verhalmifle einzu-
David Hume iiber den Glauben oder Idealismus und Realismus von sehen im Stande seyen. - In der Abhandlung selbst, die ganz die gefallige
Friedr. Heinrich Jacobi. 1787. 230 S. in 8. Unstreitig verdient diese Schrift, Form eines Dialoges hat, rechtfertigt der Hr Verf. zuerst in Hinsicht auf
in Riicksicht auf Darstellung und Inhalt, nicht bios unter den Antikanti- einige ihm gemachte Vorwiirfe in einem unterhaltend-belehrenden Ton,
schen Schriften, sondern iiberhaupt unter den philosophischen Producten theils durch Auctoritaten, theils durch Griinde, den Gebrauch, den er in
730 :l:iibingl[d)e gefe~!te 21n;eigen - 8. November 1787 i)acobl6 :Oaolb .f;lume iiber ben l!lfauben 731
seinen vorhergehenden Schriften von dem Worte Glauben und Offenba· stiinde nur einen solchen blinden ganz und gar Erkenntnisleeren Glauben
rung gemacht hat. U nter anderm zeigt er ganz unwiderleglich, dafl auch iibrig liiflt, wie man den Menschen bisher noch keinen zugemuthet hat.
Hume, (in seiner Enquiry concerning human understanding Sect. V. und Der Ruhm, aller Zweifeley auf diese Art ein Ende zu machen, ist wie der
XII.) sich nicht nur des Wortes Glaube in demselbigen Verstande, in dem es Ruhm des Todes in Beziehung auf das mit dem Leben verkniipfte Unge-
von ihm gebraucht worden sey, bediene, sondern auch bey demselben mit mach." - Den Beschlufl machen sehr scharfsinnige und priifungswerthe
Bedacht sich aufhalte, urn zu erharten, daB es das eigendiche Wort fiir die Speculationen iiber Leibnizens priistabilirte Harmonie, die S. !46 ff. in das
Sache sey, das einzige, deflen man sich dabey mit Fug bedienen kiinne. miiglich vortheilhafteste Licht gestellt wird, iiber angeborne Begriffe, iiber
Zugleich fiihrt er {S. 52 f. 60 ff.) auf eine sehr scharfsinnige Art den Saz Leben und Vernunft, und andere verwandte Gegenstiinde. Zur Probe wol-
aus, der unter die wichtigsten seines Systems gehiirt, dafl unsere Uberzeu- len wir nur folgende bemerckenswerthe Auflerungen des Hrn Verf. aus
gung von dem Daseyn der Gegenstiinde aufler uns, so wie die Uberzeu- diesem Abschnitte ausheben. S. !84.• Scharf und vie! faflender, anhaltend
gung von unserer eigenen Wircklichkeit, nicht auf Vernunftgriinden, nicht strebender, tief eindringender Sinn - das ist die edle Gabe, die uns zu
auf einer Schluflfolge beruhe, also eine unmittelbare Oberzeugung sey, verniinftigen Geschiipfen macht, und deren Maas den Vorzug eines Gei-
(716] die uns durch ein Mittel zu Theil werde, das man nicht wohl mit stes vor dem andern bestimmt. Die reinste und reichste Empfindung hat
einem schicklichern Worte, als dem Worte Offenbarung, bezeichnen kiin- die reinste und reichste Vernunft zur Folge u.s. w." S. 188. Jedes, auch das
ne. - An den Hauptsaz des Realistischen Systems, daB mehrere wirckliche kleinste System, deren Millionen in einer Made enthalten seyn kiinnen, er-
Dinge aufler einander seyen, und in Verbindung mit einander stehen, fordert einen Geist, der es einigt, bewegt und zusammenhiilt. - U nd das
schlieflt sich sehr genau die eigenthiimliche Deduction der Begriffe von System aller Systeme wiirde bewegt und zusammengehalten - von Nichts?
Ursache und Wirckung, von Ausdehnung und von Succeflion an, die S. - Es ware nicht geeinigt? - Denn wenn es geeinigt ist, so mufl es durch
111 ff. vorkommt. Das Resultat derselben, daB jene Begriffe allen endli- Etwas geeinigt seyn, und Nichts ist wahrhaft Etwas, als der Geist. Derjeni-
chen sich selbst offenbaren Wesen gemein seyn mti:Bn, und auch in den ge Geist aber, der (718] das All zu Einem macht, - ist unm6glich ein
Dingen an sich ihren vom Begriffe unabhiingigen Gegenstand, folglich Geist, der nur eine Seele ware. Die Quelle des Lebens bedarf keines Ge-
eine wahre objective Bedeutung haben, veranlaflt den Hrn Verf. zu folgen- fiifles. - - SchOpfer ist dieser Geist; und das ist seine Schiipfung, daB er
der sehr starcken, aber treffenden Auflerung gegen Kants transcendentalen Seelen eingesezt, endliches Leben gestiftet, und Unsterblichkeit bereitet
Idealismus, die wir allen Anbetern der Kantischen Philosophie zur Beher- hat." - S. 202.•Der Grad unseres Vermogens, uns von den Dingen ausser
zigung empfehlen.•Wenn unsere Sinne {heiflt es S. 121 f.) uns gar nichts uns intensiv und extensiv zu unterscheiden, ist der Grad unserer Perso-
von den Beschaffenheiten der Dinge lehren - - ja nicht einmahl, daB sie nalitiit, d. i. unserer Geisteshiihe. Mit dieser kiisdichen Eigenschaft der
aufler uns {im transcendentalen Verstande) wirklich vorhanden sind; und Vernunft erhielten wir Gottesahndung u. s. w." - Die Beylage enthiilt eine
wenn unser Verstand sich bios auf eine solche gar nichts von den Dingen gedriingte und ganz getreue Darstellung der Hauptsiize des transcendenta-
selbst darstellende, objektiv platterdings leere Sinnlichkeit bezieht, urn len (oder Kantischen) Idealismus, nebst einigen treffenden Bemerck~ngen
durchaus subjektiven Anschauungen, nach durchaus subjektiven Regeln, dariiber, aus deren Vergleichung mit gewiflen, besonders neueren, Aufle-
durchaus subjektive Formen zu verschaffen; so weifl ich nicht, was ich an rungen des Kiinigsbergischen Philosophen unwidersprechlich dargethan
einer solchen Sinnlichkeit und einem solchen Verstande habe, als daB ich werden kan, daB Kants System (wie Rec. auch schon anderswo bemerckt
damit lebe, aber im Grunde nicht anders wie eine Auster damit lebe. Ich hat,) ein inconsequentes System ist. - Es sey uns erlaubt, noch einige Zwei-
bin alles, und ausser mir ist im eigendichen Verstande Nichts. U nd ich fel und Bemerckungen in Beziehung auf gewifle Hauptideen, die in dieser
mein Alles, bin denn am Ende doch auch nur ein leeres Blendwerk von merckwiirdigen Schrift enthalten sind, hinzuzufiigen. 1) Was das Haupt-
Etwas; die Form einer Form, gerade so ein Gespenst, wie die andern (717] princip der Philosophie des Hrn Verf. betrift; so sind wir vollkommen
Erscheinungen, die ich Dinge nenne, wie die ganze Natur, ihre Ordnung davon iiberzeugt, daB man Glauben in so fern als das Princip aller
und ihre Geseze. - U nd ein solches System darf mit Iauter Stimme ange- menschlichen Wahrheits-Erkenntnifl betrachten kiinne, in so fern theils
priesen werden - - Ein System, welches aile Anspriiche an Erkenntnifl das Fiirwahrhalten der ersten Principien aller Vernunftbeweise, theils die
der Wahrheit bis auf den Grund ausrottet, und fiir die wichtigsten Gegen- Uberzeugung davon, daft es irgend etwas Wurckliches gebe, nicht auf Ver-
732 ~ilblngi(d)e gefe~tte ~n;eigen - 8. November 1787 3enai(d)e ge!e~tte ~n;eigen - 9. November 1787 733
nunftgriinden beruht, und nicht darauf beruhen kan, oder in so fern aile (S. 97.) behauptet werden konne, dall der Vernunftbegriff von Ursache
Gewillheit, die wir durch ein den Vernunftgesezen gemaBes Dencken und und Wiirckung aus dem Verhiiltnille des Priidikats zum Subjekt, der Theile
durch die Anwendung derselben auf das Wiirckliche erhalten, (719] durch zu einem Ganzen genommen sey, und dall also U rsache und Wiirckung
die Uberzeugung von etwas, das nicht erwiesen werden kan, allererst im Vernunftbegriffe iiberall zugleich und ineinander seyen, ist uns eben so
moglich gemacht wird. Wenn aber jenes Princip auch auf andere Wahr- wenig klar, als wir die Richtigkeit der Deduction der Begriffe von Ursache
heiten ausgedehnt werden salle; so ist es, deucht uns, vor allen Dingen und Wiirckung, die S. 111. vorkommt, und die Ubereinstimmung dersel-
schlechterdings nothwendig, die Bedingungen und die Griinzen der Giiltig- ben mit dem System der prastabilirten Harmonie, das der Hr Verf. im
keit deBelben so genau als moglich zu bestimmen, und gewiBe feste Ill. Theile vertheidigt, einzusehen im Stande sind. - Wir glauben urn so
Merckmahle anzugeben, durch die sich Tauschungen der iiufteren oder des eher hoffen zu dorfen, dall es vielleicht dem Hrn Verf. gefallen werde, uns
innern Sinns von Wahrheit unterscheiden !allen. Zu diesen Merckmahlen und andere seiner Leser iiber diese Puncte bey irgend einer andern Ge-
rechnen wir unter andern vorziiglich auch dieses, daB das, was wir fiihlen legenheit vollstandig zu belehren, je fester wir davon iiberzeugt sind, dall
oder zu fiihlen glauben, nicht mit den Grundgesezen der Vernunft, oder Beforderung der Wahrheitserkenntnill eine von den wichtigsten Angele-
mit dem, was aus einer richtigen Anwendung derselben folgt, also mit kei- genheiten fiir den wahrhaft grollen Mann ist.
ner den logischen Regeln gemaBen Demonstration, im Widerspruch stehe.
Nach unsern Einsichten soli also nichts geglaubt werden, deBen Gegen-
theil demonstrirt werden kan; und wir sehen in der That nicht ein, wie
man, ohne diesen Grundsaz zu behaupten, der Schwarmerey Einhalt thun
kan. Wir konnen uns eben deBwegen auch nicht davon iiberzeugen, daB
jranffurt am mavn.
der Realismus geglaubt werden miiBte, wenn der Idealismus mit der specu- In der Gebhardischen Buchhandlung: Kantische Denkformen oder
lativcn Vcrnunft allein vertriiglich ware; wenn wir schon gerne einriiumen, Kategorien von Gottlob August Tittel. Mit dem Motto: Wer die Sonne des
daB die antiidealischen Vernunftgriinde (die der Hr Verf. nicht vollstandig Tages nicht tragen mag, des sey - die Nacht! 1787. 111 S. in gr. 8. Hr Kir-
und nicht in ihrer ganzen Starcke dargelegt hat,) bloBe Wahrscheinlichkeit chenrath T. bemerkt vorlaufig, daB des Aristoteles Kategorien nur die
mit sich fiihren, und dall auch eine von denselben unabhangige Gefiihls- nicht zu verwerfende Absicht gehabt haben, die Mannigfaltigkeit der Ob-
iiberzeugung von der Wircklichkeit anderer Dinge angenommen werden jekte der leichtern Ubersicht halber, unter gewisse allgemeine Titel, oder
konne. 2) Dall bey aller Erkenntnill des wircklichen Daseyns Empjindung in einen rasonnirten Index zu bringen; Herr Kant aber habe anstatt der
zum Grunde liege, Iaiit sich wahl nicht laugnen. Aber stammt wahl aile alten Aristotelischen 10 Kategorien, 12 angenommen, auch ihre Stellung
Erkenntnill des wircklichen Daseyns allein und unmittelbar aus der Emp- und Ausdruck in etwas verandert und nach Gutbefinden hier und da man-
findung her? Oder kan nicht die Vernunft nach (720] einem nothwendigen ches ab- und zugethan. Den Rang und Bestimmung derselben habe er gar
Princip von einem durch Empfindung unmittelbar erkannten Wirckli- merklich erhohet. Nach ihm sollen die Kategorien soviel urspriinglich
chen auf ein anders Wirckliches - von der empfundenen Wiirckung auf eigene, reine und vor aller vorhergegangenen Erfahrung vollig unabhangi-
die nicht empfundene oder nichtempfindbare Ursache schlieBen? - Der ge Erzeugnisse des Verstandes seyn; und was noch mehr, sie sollen die
Hr Verf. gibt sich selbst S. 188 f. einen Vernunftbeweift von dem Daseyn absolute Mensur des Verstandes ausmachen, so, dall dadurch der Verstand
Gottes. Er kan also wahl nicht laugnen, dall das Daseyn der Gottheit auch vollig erschopft und sein Vermogen dadurch ganzlich ausgemessen ist. Wi-
durch Schliifte herausgebracht werden konne. Freylich konnte die Vernunft der die Kantische Kategorien wird (S. 14 f.) angefiihrt: 1) Da sie nur
nicht so weit gehen, wenn sie bios darauf eingeschranckt ware, den Saz der Ideenordnung waren, die den Stammbaum des menschlichen Verstandes
Identitiit zu formiren, und darnach zu urtheilen. Aber man ist auch, deucht bezeichnen, so sollten sie nur die ersten Stammbegriffe (716] reeller Er-
uns, berechtigt anzunehmen, daB es Vernunftprincipien gebe, die sich kenntnill enthalten, nur bios die einfachen und positiven Grundbegriffe,
nicht in den Saz der Identitat auflosen !allen; und wir sehen nicht ein, wie worunter aile menschliche Erkenntnill sich zuriickbringen !asset, wie z. E.
jener Beweill des Hrn Verf. der zuverlaBig unter die scharfsinnigsten ge- Einheit, Realitat, Daseyn etc. Vielheit hingegen und Totalitat stammen aus
hort, ohne diese Voraussezung als giiltig erkannt werden kan. 3} Wiefern Einheit; Negation und Limitation, als solche, gabe keinen positiven Be-
734 3enaifd)e gele~rte ~n 0 eigen - 9. November 1787 :!:itte£6 .leantifd)e :Oen!formen o~er .leategorien 735
griff, und finde nur statt, wo die Realitat nicht ist. Nothwendigkeit und merhin sage man denn auch, dail die Elemente einer solchen Erfahrung
Zufalligkeit waren nur 2 Arten des Daseyns. 2} Es ware die iibertriebenste aus zwey verschiedenen Quellen zusammenfliellen: dem innern Quell der
Anmailung, sich einzubilden, dall diell die einzige richtige und einzig Verstandesfahigkeit {erkennender Kraft} und dem aussern Quell der in der
nothwendige Ideenordnung sey. Sie zeigte auch weiter nichts, als dail aile Natur erkennbaren Gegenstande. Sondere man auch diese verschiedenarti-
U rtheile, einer gewissen Form nach, unter einem vierfachen Respekt sich ge Beytrage von einander; nenne die Art des Denkens die Form, und das
betrachten lassen, nemlich in Ansehung der Quantitat, Qualitat, Relation erkannte Objekt - die Materie. Und mehr als diese zwey Bedingungen
und Modalitat. U nd diese triviale, auch dem ersten Anfanger bekannte braucht es zu irgend einer Erfahrung nicht. Wenn Kant nichts anders
Dinge sollen fiir die ganze Verstandesokonomie den Aufschlull geben? meint, so hab ich im mindesten nichts dagegen einzuwenden. Aber das
und diell soli auch dem Aristoteles aus dessen Philosophie die Quantitat, sind ja die gemeinsten und bekanntesten Dinge von der Welt. So diirfte
Qualitat, Relation etc. hergenommen ist, entgangen seyn? - Mir sind das, Kant nur reden, so war er auch von aller Welt verstanden. Kein Mensch
schreibt Hr. T., warlich unbegreifliche Dinge. 3} Die Kategorien sollen hat je behauptet, dail ohne Erkennfahiges eine Erfahrung moglich sey.
Formen des reinen Denkens, blose Verstandesformen, an sich ohne Gehalt Kein Mensch hat je geleugnet, dail der Verstand auf gewisse urspriingliche
und ohne Bedeutung, leere Formen, noch ohne irgend einen bestimmten und natiirliche Wahrnehmungsgesetze gestimmt sey. Aber diese natiirliche
Gegenstand, Formen nur fiir Gegenstande iiberhaupt, seyn. Nur von em- Verstandesbestimmungen (Denkgesetze} wo wenig, als die hiernach in der
pirischem Gebrauch, obgleich nicht empirischen Ursprungs. Reine Erzeu- Erfahrung gesammelten Abstrakta - diell alles sind ja nicht die Kanti-
gungen des Verstandes, von aller Erfahrung unabhangig; aber nothwendige schen Formen {Kategorien}, diell sind nicht die reinen Verstandesbegriffe,
Bedingungen der Erfahrung selbst, die durch sie erst moglich wird etc. - welche Hr Kant nur aus dem innern reinen Quell des Denkens, von aller
Hierbey aussert Hr T.: ein Abstrakt lallt sich nicht ohne etwas denken, Erfahrung unabhangig, herausstrohmen, und als schon wirklich gebildete
von dem es abstrahirt ist. Aile unsere Abstrakta, diese allgemeine Begriffs- Begriffe nun erst, in der Erfahrung selbst, nur mit dem gegebenen Gegen-
formen, muBten erst selbst von einzelnen Dingen, wie sie in der innern stand zusammentreffen lallt. Wenn also von dem Zusammentreffen dieser
oder aussern Erfahrung gegeben werden, vermittelst vorhergegangener Kantischen Formen mit den in der Erfahrung gegebenen Gegenstanden
Vergleichung gewisser gemeinschaftlicher Merkmale abgezogen, und eben die Rede ist: so wird 'es erlaubt seyn, die ganz einfache Frage zu thun:
unter einer solchen Gemeinschaft der Charaktere und unter einem gewis- Waren diese im Gemiith schon liegen sollende Formen noch vor aller Er-
sen Namen fiir eine Menge von Dingen anwendbar gemacht werden. fahrung etwas an sich? oder waren sie nichts? Waren sie nichts an sich, so
Auch der allereinfachste Begriff von Einheit wiirde ewig nicht in die Seele ist es offenbar, dall diese Formen (man nehme sie wofiir man immer will)
gekommen seyn, wenn nicht schon wirkliche Dinge unter ihrer eigenen, nun doch selbst auch ihren Geburtsbrief, den sie von oben herein (a
von allen andern gesonderten, Existenz in der Erfahrung sich dargestel!t priori) mit sich bringen sollten, nirgend anders her, als von der Erfahrung
hatten. Selbst bey der Fiktion miissen wenigstens die Ingredienzbegriffe in erst erhalten haben. Sie waren etwas fiir sich! - Nun darf ich denn auch
der Erfahrung schon gegeben seyn. Z. E. bey den Gedanken, Luftschloll, weiter fragen: Was? - Eine leere Denkform, ohne bestimmten Innhalt und
mull ich doch Luft und Schloll, jedes fiir sich, in der Erfahrung kennen. ohne Realitat, die sie selbst erst durch die Gegenstande erhalten mull; von
Es sind also aile Gedankenformen {Abstrakta} nur empirischen Ur- der ich liberal! nicht wissen kann, welche Faile und welche [718) Gegen-
sprungs. - Hiervon ist auch der Recensent vollig iiberzeugt. Der Kanan: stande ihr angepasset werden konnen; wie diese nun ein Regulativ fiir die
nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu, wird wohl in [717] seiner Giil- Gegenstande werden kann, mull jedem unbegreiflich seyn. Ich gehe z. E.
tigkeit stehen bleiben. Angebohren sind uns die Kategorien gewill nicht. mit meiner Kategorie von Kausalitat in die Sinnenwelt, und lausche - was
Spricht man: "Die Meinung sey nicht, dail diese Formen vor der Erfah- fiir Erscheinungen mir nun begegnen werden, die ich meiner Form, als
rung schon und friiher als die Erfahrung, im Gemiith da lagen; sondern Materialien, unterlegen mochte. Ich bemerke: nach einem erschienenen
dail beides, Form und Materie ·(Gegenstand}, aber aus ganz verschiednen Komet entsteht ein blutiger Krieg; auf eine vorhergegangene Windstille
Quellen, in der Erfahrung zusammentreffe;" so antwortet Hr T.: Freilich folget ein Erdbeben; eine Kugel A wird von der Kugel B angestollen, und
trift das Erkennende {Subjekt} und das Zuerkennende (Objekt} das Wahr- gehet in Bewegung tiber etc. Was passet denn nun von diesen fiir meine
nehmbare und Wahrnehmfahige in jeder Erfahrung zusammen. U nd im- Kategorie? wo lege ich sie richtig an? Meine Kategorie kann hier gar nichts
736 91eut ~eipjiger \!Jefcbrte ,3eitungen - 13. November 1787 ilacobill :Oaoib .f;Jume iiber ben \B[auben 737
entscheiden. Die gepriifte Beschaffenheit der vorkommenden Faile mufl seinen Briefen tiber Spinoza, den blinden Glauben, als einen auf Ansehen
erst selbst auf die Idee eines verursachenden Zusammenhangs, oder einer gestiitzten Beyfall ohne Griinde oder eigene Einsicht empfohlen habe.
blofl zufiilligen Succession mich leiten. So war Causalitat, dem ersten Ent- Glaube aber liege ihm mit Humen selbst unserer Vernunfterkenntnifl zum
stehen des Begriffs nach, nun keinesweges eine vorangehende (anticipirte) Grunde. Aile unsere Erkenntnifl beruht auf Erfaltrungssatzen der Sinn-
Form des Verstandes, sondern vielmehr das gefundene Resultat mehrerer lichkeit. Die reellen Objecte derselben lassen sich aber nicht demonstriren,
verglichener und gepriifter Beobachtungen. Ubrigens wird (S. 29.) gezeigt, sondern nur mit den Sinnen wahrnehmen, die Kenntnifl derselben ent-
dafl das grofle Resultat der Kantischen Philosophic, wohin die vorhin springt folglich nicht aus Vernunftgriinden, sondern diese werden selbst
angefiihrten Kantischen Behauptungen abzwecken, darinne bestehe: der erst durch die Mehrheit gleicher Erfahrungen festgesetzt. Da nun der Verf.
reine Verstand soli sich nicht an Gott, Freyheit und Unsterblichkeit wa- aile Erkenntnis· die nicht aus Vernunftgriinden entspringt, Glauben nennt,
gen. 4) Priift der Verf. (S. 41 f.) wie Hr Kant auf seine sonderbaren For- und aile Erkenntnifl auf sinnlichen Erfahrungen beruht, so giebt es also
n:'en verfallen, und b~urt~eilet _die Satze: Erkenn~n und urtheilen ist vollig liberal! keine Erkenntnifl aus eigentlichen Vernunftgriinden, sondern nur
emerley; (S. 43 f.) Smnhchke1t und Verstand smd 2 ganz verschiedene aus Glauben; die Vernunftgriinde sind also auch weiter nichts als Erfahrun-
~rundquellen der Vorstellungen, laufen aber in jeder moglichen Erkennt- gen oder Abgezogenheiten der Erfahrungen, denen der Glaube zur U n-
mfl zusammen; (~- 53_ f.) aile Erkenntnifl ist a priori oder a posteriori; (S. terlage client, und ihr Residuum ware am Ende die Kantische reine Ver-
5~ f.)_ All_e Urt~e!le smd analynsch oder synthetisch; (S. 69 f.) Wir sind nunft. - Eben so rechtfertigt er seinen Begriff von Ojfenbahrung, diese ist
":trki_Ich 1~ Bes1tz solcher Erkenntnisse a priori; (S. 75 f.) Die Formen der ihm erstlich die Wahrnehmung oder das Zeugnifl seiner Sinne von der
Smnhchke1t smd Raum und Zeit, die Formen des reinen Verstandes sind Existenz auflerer Dinge oder der Eindruck auflerer Dinge auf die Seele
die Kategorien; (S. 80 f.) Gewifllesenswerthe Anmerkungen bey allen die- vermittelst der Sinne; sinnliche Vorstellung: nach diesem Zeugnifl seiner
sen Satzen. Der Raum dieser Blatter verstattet es aber nicht, weitlauftiger Sinne nimmt er nun die aufleren Dinge unbezweifelt an. Nach dieser Ge-
zu seyn. Genug, die angezeigte Schrift verdient empfohlen zu werden, da wiflheit wiegt er jede andere Uberzeugung ab, und aus dieser Grunderfah-
der Hr Verf. sehr deutlich seine Einwiirfe entwickelt, und bey jeder Beur- rung leitet er aile Begriffe, selbst diejenigen, welche wir a priori nennen,
the_ilung d!e eignen Kantischen Worte als Belege anfiihret. Anfanger in der her. Auf diese Art sieht man die Verbindung zwischen seinem Glauben
Phil?soph1e konnen durch diese Schrift in der Verbindung mit Feders und Offenbahrung deutlich genug ein. Ungeachtet er aber S. 50. den Be-
Schnft von Raum und Caussalitat sehr deutliche Begriffe von dem Kanti- griff von Offenbahrung festgesetzt hat, so scheint er ihn doch entweder
schen System erhalten. augenblicklich wieder zu verlassen, und demselben andere Ideen unterzu-
legen, wodurch denn nothwendig Verwirrung entste{2133]hen mufl: und
er nimmt zur Anerkennung und Uberzeugung von der Existenz seiner er-
kHirten Offenbahrung, noch eine andere wunderbare Offenbahrung an .
~t:e9lau. • DaB diese Offenbahrung, sagt er S. 51, eine wahrhaft wunderbare genannt
zu werden verdiene, folgt von selbst. Denn wenn man die Griinde fiir den
Bey LOwe: David Hume uber den Glauben, oder Idealismus und Realis- Satz: daft unser Bewufttseyn schlechterdings nichts anders als blofte Bestim-
mus ein Gesprach von Friedrich Heinrich jacobi. in 8. 230 S. 1787. Laut des mungen unsers eigenen Selbstes zum Innhalt haben kiinne, gehorig ausfiihrt,
Verf. Vorberichte_ zerfiillt das Gespcich in drey Theile, deren jeder anfangs so steht der Idealismus, als mit der speculativen Vernunft allein vertrag-
besonders erschemen sollte. Das erste Gespclch unter dem Titel: David lich, in seiner ganzen Starke da. Bleibt nun der Realist demohngeachtet
Hume uber den Glauben. Das zweyte, unter dem Titel: Idealismus und ein Realist, und behalt den Glauben, dafl z. B. dieses hier, was wir einen
Realismus. Und das dritte unter dem Titel: l.eibnitz oder uber die Vernunft. Tisch nennen, keine biofle Empfindung, kein nur in uns selbst befindli-
Gewiss~ Er~ign!sse storten diesen Entwurf, und die drey Gespclche [2132] ches Wesen, sondern ein von unserer Vorstellung unabhangiges Wesen
zogen s1ch m ems zusammen. - Aile Erkenntnis, die nicht aus Vernunft- aufler uns sey, das von uns nur wahrgenommen wird: so darf ich ihn kiihn
f!"rzt!er'
entspringt, nennt der V. Glaube. Zuerst sucht er sich nun gegen nach einem schicklicheren Beywort fiir die Ojfenbahrung fragen, deren er
Jene 1hm ungerecht diinkende Beschuldigung zu rechtfertigen, als ob er in sich riihmt, indem er behauptet, dafl seinem Bewufltseyn sich etwas aufler
738 9leue ~etp;iger !!Jelebrte .Seitungen - 13. November 1787 3acobt~ :Oaoib .f;mme tiber ben \B[auben 739
ihm darstelle. Wir haben ja fiir das Daseyn eines solchen Dinges auBer uns nennen eine bloBe Erscheinung ist. Hierauf zeigt er, wie der Begriff von
gar keinen Beweis, als das Daseyn dieses Dinges selbst, und miissen es Ursach und Wiirkung nach und nach entstan{2135Jden, und daB er noth-
schlechterdings unbegreiflich finden, daB wir ein solches Daseyn gewahr wendig sey; namlich in so fern, wenn sein Object, als ein schlechterdings
werden kiinnen. Nun behaupten wir aber, wie gesagt, demohngeachtet, allgemeines Pradikat, in allen einzelnen Dingen so gegeben ist, daB die
daB wir es gewahr werden, behaupten mit der vollkommensten Uberzeu- Vorstellung dieses Pradikats allen endlichen mit Vernunft begabten Wesen
gung, daB Dinge wiirklich auBer uns vorhanden sind: daB unsere Vorstel- gemein sey, und jeder ihrer Erfahrungen zum Grunde liegen muK - In
lungen und Begriffe sich nach diesen Dingen, die wir vor uns haben, und den folgenden finden Leibnitzens prastabilirte Harmonie, dessen Mona-
nicht umgekehrt, daB die Dinge die wir vor uns nur zu haben wiihnen, den, und die angebohrnen Ideen an dem Verf. einen neuen und scharfsin-
sich nach unsern .Yorstellungen und Begriffen bilden. - Ich frage: worauf nigen Vertheidiger: Uber die letzten ist seine Erklarung folgende: Jedes
stiitzt sich diese Uberzeugung? In der That auf nichts, als gerade zu auf erschaffene einzelne Wesen bezieht sich auf eine unendliche Menge ande-
eine Ojfenbahrung, die wir nicht anders als eine wahrhaft wunderbare nen- rer einzelner Wesen, die sich aile hinwieder auf dieses einzelne Wesen be-
nen kiinnen." Die Frage ist nun noch: ist jene Offenbahrung oder sinnli- ziehen; und der gegenwartige Zustand eines J eden dieser einzelnen Wesen
che Wahrnehmung mittelbar oder unmittelbar, beruht sie auf Schliissen wird durch seinen Zusammenhang mit allen iibrigen in jedem Augenblick
oder nicht? Der Verf. entscheidet fiir die negative! und [2134) behauptet auf das genaueste bestimmt. Aile wahrhaft wiirkliche Dinge sind Individua
S. 65 daB auch bey der allerersten und einfachsten Wahrnehmung, das Ich oder einzelne Dinge, und als solche lebendige Wesen principia percepfiua
und Du, inneres Bewufttseyn und auBerlicher Gegenstand, sogleich in der et activo, und auBer einander. Folglich wie ein Individuum gesetzt wird,
Seele da seyn muB; beydes in demselben Nu, demselben untheilbaren Au- so miissen nothwendig zugleich in ibm die Begriffe von Einheit und Viel-
genblicke; ohne vor und nach, ohne irgend eine Operation des Verstandes, heit, von Thun und Leiden, von Ausdehnung und Succession gesetzt wer-
ja ohne in diesem auch nur von ferne die Erzeugung des Begriffes von Ur- den; d. h. es sind diese Begriffe jedem Individuo angebohrne oder aner-
sache und Wiirkung anzufangen. Gegen diese Behauptung des Verf. wiirde schaffene Begriffe." - Am Ende fallt das Resultat aller Untersuchungen,
man sich umsonst auf die Erfahrung und die unbemerkte Schnelligkeit die er iiber das Entstehen unserer ErkenntniB von Dingen auBer uns und
der wirkenden Ursache berufen, wei! er allemal sagen kiinnte, ich erfahre unserem Selbst angestellt hat, dahinaus, daB wir Gott ahnden, empfinden:
aber das Gegentheil, dieses ist Tauschung, wer wollte ibm dieB widerlegen und bier schlieBt der Verf. mit einemmahle, da wir noch die endliche
kiinnen; denn wer kann darthun daB einer auf die nemliche Art Erfahrun- Erklarung davon erwartet batten. Wen auch dieses Resultat nicht befrie-
gen haben miisse als der andere? Jene Behauptung deutet nun der Verfasser diget, den wird es deshalben gewill nicht gereuen dieB so fein und wohl-
S. 65 auf die Entstehung des Begrifs von Ursache und Wurkung. Mendels- geschriebene Gesprach gelesen zu haben, indem es sehr reichen Stoff zu
sohn in seinen Morgenstunden griindet den Begriff von Ursache und Wur- anderweitigem Nachdenken enthalt: wir haben es wenigstens mit vielem
kung auf die Wahrnehmung dessen, was bestandig unmittelbar auf einan- Vergniigen und Nutzen gelesen. In der Beylage iiber den transscendentalen
der folgt, also auf Erfahrung und Induction. Dieses lauft aber, wenn man Idealismus gesteht er sich in die Kantische Theorie von Dingen auBer uns
die Sache gehiirig auseinander setzt, auf eine bloBe Erwartung ahnlicher und den Vorstellungen davon in uns, nicht finden zu kiinnen, sondern
Faile hinaus; Diese, auf eine angewohnte Verkniipfung in der Einbildungs- glaubt, daB sie mit sich [2136] selbst im Widerspruch stehe. Nach Kant soli
kraft; und so hatte David Hume gesiegt. - Nach dem Verfasser ist das was den Vorstellungen von Dingen auBer uns nichts wiirkliches auBer uns
wir objectiv Ursache und Wurkung nennen nichts successives, sondern et- zum Grunde liegen, sondern [sie soffen] bloBe Modification[en) des Denkens
was gleichzeitiges, und nur allein in der Vorstellung verschieden. Zwischen seyn, gleichwohl kiinne die Kantische Philosophie die Entstehung dersel-
der U rsache und Wirkung ist kein Mittelding, z. B. drey Linien, die einen ben ohne den Eindruck auBerer Gegenstande auf die Sinne nicht finden,
Raum einschlieBen, sind der Grund, das principium essendi, compositionis, welches sich aber widerspreche. Der Verf. ist nicht der einzige der diesen
der in einem Triangel befindlichen drey Winkel. Der Triangel aber ist Punkt beriihret. Reimar und Feder haben das nehmliche gethan.
nicht vor den drey Winkeln da, sondern beyde sind zugleich in demselben
untheilbaren Augenblick vorhanden. Auf diese Art sind wir gezwungen
anzunehmen, daB in der Natur alles zugleich, und was wir Succession
740 91eue ~eipjiger \!lde~rte .3eitungen - 15. November 1787 ;llbel6 \llet[ud) iiber Ne 91atur ber [pecufatloen Qlemun~ 741
dieser Theile, verschieden bestimmt, wovon die Erscheinungen der Figur den Raum und die Zeit als unendliche Griillen vor, und aile Raume und
und Griille, so wie der Undurchdringlichkeit und Farbe u. s. w. abhangen. Zeiten die wir denken, sind nichts als Theile oder Einschrankungen des
Fiirs zweyte mull der Unterschied den man annimmt, nicht inadiiqua~ das unendlichen Raums und der unendlichen Zeit. Unendlicher Raum und
heillt, er mull nicht bloll gradual, sondern wesentlich seyn. Wenn also die unendliche Zeit aber kiinnen keine allgemeinen Begriffe seyn. Denn als-
niedere Abstraction von der hiihern in nichts weiter verschieden ist, als dann miillte man sie ganz in jedem Gegenstande finden, da wir doch nur
darinn, dall die Begriffe von jener nicht in allen Erscheinungen auf ganz Theile davon in ihnen antreffen. Sonach [2155] ist dasjenige was Herr Abel
gleiche Art vorhanden sind, die Begriffe von dieser aber iiberall stets gleich S. 185-192 zu Vertheidigung seiner Ableitung dieser asthetischen Begriffe
gefunden werden; so ist die Verschiedenheit eine stufenweise, nicht eine sagt, auch unstatthaft, und fallt mit jener empyrischen Ableitung gleich-
wesentliche, und behalt immer noch die gemeinsame Natur aller Ab- falls dahin.
stractionen und hat folglich aile Kantischen Einwiirfe noch wider sich;
und mithin ist auch von dieser Seite her diese Unterscheidung leer und [2168] Den Ursprung der Kategorien sucht Herr Abel, S. 20. u. f. aus
unkriiftig. Eben das was ich hier vom Raum, oder der Ausdehnung gesagt dem allgemeinen des gegebenen Stoffs, [2169] oder aus blosser Veranlas-
habe, gilt auch von der Zeit. Allein wie ist es miiglich; die Begriffe von sung derselben, folgendetgestalt zu erklaren: 1) Bey allem unsern Denken
Raum und Zeit, eben sowohl wie die von Farbe, Figur, Griille u. s. f. unter und Urtheilen miissen wir nothwendig itgend etwas, ein Haus, einen
die abstracten oder allgemeinen Begriffe zu zahlen? Farbe, Figur, Griille, Baum und so weiter denken, oder beurtheilen. Nimmt man dieses Etwas
Dichtigkeit u. s. w. sind ja Iauter Erscheinungen. Allein Raum und Zeit weg, so ist auch kein Gedanke da. 2) Ein solcher Gedanke, ein solches
sind nichts existirendes, und mithin auch keine Erscheinungen, sondern U rtheil wird niemals gefallt, wenn wir nicht einen bestimmenden Grund
[2154] sie sind das, was Erscheinungen erst miiglich macht, sie sind die dazu haben. 3) Jenes Etwas nun wird ganz nur durch dieses unser Denken
Formen der Sinnlichkeit. Sind sie nun keine Erscheinungen und nichts bestimmt, und ist nicht mehr und nicht weniger (fiir uns, oder Subjecti-
existirendes, so sind sie auch nicht nur nichts for sich bestehendes, sondern visch) als eben das, wozu wir es durch dieses Denken machen; ein Baum
auch eben so wenig Eigenschaften und Bestimmungen, die an den Dingen mag seyn was er will, fiir uns ist er wenigstens gewill nichts anders, als was
selbst haften; folglich kiinnen sie auch nicht von den Dingen abstrahirt wir unter demselben denken. Hieraus folgert Er nun, dall das, was von den
werden. Raum und Zeit existiren also als blolle Vorstellungen, die unsrer Gesetzen unsers Denlrens nothwendig gil~ auch von jenem Etwas (das und so
Sinnlichkeit als nothwendige Bedingungen anhangen, in uns lediglich, und fern es durch diell Denken bestimmt wird) nothwendig gelten miisse; das
wenn wir von den subjectiven Bedingungen unserer menschlichen An- ist, dall die blollen Gesetze unsers Denkens auch auf die Gegenstande, das
schauung abstrahiren, so sind Raum und Zeit blolle ideale Dinge, das Subjective auf das Objective, iibetgetragen werden miisse. Jedoch gilt dieses
heillt, sie sind nichts. Endlich lallt auch die Natur eines abstracten Begrifs, iibertragen auf den Gegenstand, oder jenes Etwas, nur iiberhaupt und im
er sey von was fiir Art er wolle, nicht zu, die Begriffe von Raum und Zeit Allgemeinen, und darf nicht auf die einzelnen Gegenstande, z. B..~-Iaus,
als Producte der Abstraction zu betrachten. Denn allgemeine oder ab- Baum u. s. f. ins besondere ausgedehnt werden. Diese Regel auf die Ausse-
stracte Begriffe finden wir in jedem Gegenstande ganz. So wird z. B. der rungen der Denkkraft angewendet giebt Ibm dann folgende Reihe von all-
Begriff Ding in allen Gegenstanden angetroffen, und nicht etwa ein Theil gemeinen Verstandesbegriffen: 1) Aus dem subjectiven Gesetz des Den-
von dem Dinge sondern alles was der Begriff desselben enthalt. So ist es kens, dall wir kein U rtheil ohne bestimmenden Grund fallen kiinnen,
auch mit dem Begriffe Mensch, Viereck, Farbe, und allen abstracten Begrif- entsteht das objective Gesetz, dall auch die Objecte der Gegenstande nie
fen. Diell ist aber bey Raum und Zeit ganz anders. Wir kiinnen uns nur ohne objectiven Grund seyn kiinnen; das ist, jene Erscheinungen setzen
einen Raum, nur eine Zeit vorstellen. Und wenn wir ja von verschiedenen eine Kraft voraus. Aus Bejahen und Verneinen, wird nun Seyn und Nicht
Zeiten und Raumen reden, so sind es nur Theile desselbigen Raums und seyn; und wie aus bestimmenden Grunden ein U rtheil folgt, so wird aus
derselbigen Zeit. Wir setzen auch nicht etwa dieses grolle Ganze des Rau- Kraft ein Existirendes, in dem die Kraft enthalten ist, geschlossen. 2) Aus
mes und der Zeit aus Theilen zusammen, die wir erst nach und nach ken- Categorischer oder nicht Categorischer Behauptung entsteht der Unter-
nen lernten; sondern das Ganze ist zuerst in uns, und die Theile werden schied zwischen dem Wirklichen und dem bloll Moglichen. Gewillheit
erst durch die Vorstellung des Ganzen miiglich. Endlich stellen wir uns oder Ungewillheit des Denkens, oder Unmiiglichkeit [2170] und Miiglich-
744 ry)eue Ceip!lger I!Jefe9rte ,3eitungen - 17. November 1787 I!Jot9alfd)e gde9rte ,3eitungen - 17. November 1787 745
keit das Gegentheil zu denken, fiihrt auf die Miiglichkeit und Unmiiglich- menden Grund des Denkens deutlich erklart hat. Die Erklarung aber falle
keit des Gegentheils _in den Objecten, das ist, auf die Zufiilligkeit und Noth- aus, wie sie wolle; so hat hiemit Herr Abel wider das Kantische System,
wendigkeit. Unsere Uberzeugung, so wie Denken iiberhaupt, ist bald voll- noch gar nichts gewonnen. Denn wenn man auch das Irrige und Unstatt-
standig, bald fehlt etwas. Aus diesem Unterschied entsteht die Idee von hafte, das in dieser Erklarung liegt, nicht mit in Anschlag nehmen will, so
Graden. 3) Aus individuellen, particulairen und universellen Urtheilen ist sie doch vie! zu gekiinstelt und schwer, als dall man sie in Vergleichung
wird Einhei~ Mehrheit und Allhei~ und, aus zukommen und nicht zukom- der natiirlichen einfachen und leichten Kantischen Erklarung, wenn man
men die Identitiit und Nichtidentitiit. Wenn nur eines oder einige der Pradi- auch die letztern als blose Hypothese ansieht, auch nur in minderen
cate mit dem Subject ganz identisch sind, die iibrigen aber nicht, so wird Grade wahrscheinlich finden kan. Es scheint aber, als wenn Herr Abel
der Begrif der Inhiirenz gebildet. 4) Ferner entsteht aus dem Schliessen, wo entweder mit sich selber fechte, oder die Kantische Behauptung in einem
ein Gedanke unanhaltbar und nothwendig zum andern fiihrt, die ur- falschen Lichte betrachtet habe. Denn S. 55 wo Er aussert, dall Er Sich
siichliche Verbindung, und aus ordnen, trennen, verkniipfen, sprechen, die vom Daseyn einer reinen Vernunft gar nicht iiberzeugen kiinne, setzt Er
Begriffe von Ordnung, Coexistenz, Verkniipfung, Trennung und Zei- hinzu: "Die Logik gebietet den U rsprung aller Begriffe bis dahin zu verfol-
chen. 5) Endlich entsteht aus der blossen Riicksicht auf die Operationen gen, wo eine tiefere Verfolgung ganzlich unmiiglich ist, bis auf die ersten
die Idee der Form, und aus der Riicksicht auf das, was durch diese behan- urspriinglichen, nothwendigen und folglich angebohmen Bestimmungen der
delt wird, die Idee der Materie. Kurz, aus allen und fiir aile Verstan- Seele. Solche Bestimmungen nun finden wir ganz gewill in den nothwendi-
des-Handlungen entstehen entsprechende Verstandesbegriffe S. 26. So sieht gen Gesetzen der Seelenkriifte u. s. w." - Kant behauptet dasselbe. Jene
die Abelsche Ableitung der Kategorien aus, die ich durchgehends mit ersten, urspriinglichen, nothwendigen und angebohrnen Bestimmungen der
Herrn Abels Worten selbst ausgedriickt habe. · Und nun zu naherer Be- Seele, jene nothwendigen Gesetze der Seelenkrii.fte nennt Kant die [2172]
leuchtung derselben. Diese Erklarungsart des Ursprungs der Kategorien Functionen des Denkens; und das sind die Kategorien oder Verstandesfor-
ist, wie der Anschein lehrt, des Hysteron proteron von der Kantischen. men. Da nun dieser angebliche Ursprung der Kategorien, wie ihn Herr
Kant sucht das Zusammengesetzte aus dem Einfachen zu erklaren: Herr Abel vorstellt, so schlecht begriindet ist; so fallt auch die von Zeit ganz
Abel findet das Einfache in dem Zusammengesetzten gegriindet. Kant unabhangige Ableitung der Verstandesgrundsatze S. 199. u. f. und aile die
nimmt die Kategorien fiir den Grund der U rtheile an; und Herr Abel damit verbundenen Folgerungen S. 224 u. f. viillig hin weg.
glaubt die Grundlage zu den Kategorien in den Urtheilen zu finden. Es ist <prof. j. <1>. ~orn.
zu verwundern, wie dieser Scharfsinnige Mann diesen Gedanken im Ernst
auffassen konnte, ohne das Unbequeme darinne zu fiihlen. Denn da
U rtheile und Satze aus Begriffen bestehen, und eben daher entspringen,
wenn ein Begrif auf den andern bewgen wird, so scheint es mir sehr un-
schicklich die Begriffe aller erst aus jenen ableiten zu wollen. Wird dann
i)ena.
die Hundert zur Eins, oder die Eins zur Hundert voraus ge{217l]setzt. So In der Criikerschen Handlung ist erschienen: Eleutheriologie, oder uber
ist mir auch sehr dunkel, was Hr. Abel unter dem bestimmenden Grunde Freyheit und Nothwendigkei~ Zum Gebrauch der Vorlesungen in den Mi-
des Denkens versteht. Soli dieses der sinnliche Gegenstand selbst oder der chaelisferien, von J A. H. Ulrich. 1788. 106 Seiten in 8. ( ) Der Hr. Profes-
Eindruck seyn, den die Erscheinungen auf unsre Sinnlichkeit machet. Das sor hat die lobenswiirdige Gewohnheit, in den Oster- und Michaelisferien,
kann nicht seyn: Denn jene Eindriicke bringen nichts, als Anschauungen zum U nterricht seiner nicht verreisenden Zuhiirer, jedesmal iiber einen
hervor. Aber anschauen und denken sind wesentlich verschieden. Ist die- wichtigen Gegenstand der Weltweisheit offendiche Vorlesungen zu halten.
ser bestimmende Grund des Denkens aber eine urspriingliche Einrichtung Diese Bogen sind als der Leitfaden einer solchen Vorlesung anzusehen.
oder Grund-Bestimmung der Seele, jene Erscheinungen unter irgend eine Das Ganze zerfallt, nach einer vorangeschickten Einleitung, die theils die
Kategorie zu subsumiren, oder diese auf jene zu be.ziehen; so bleibt die U nschadlichkeit des Determinismus darstellt, theils Beytriige zur Ge-
F rage: woher aber diese Kategorien, immer noch unbeantwortet und viillig schichte und Litteratur dieser Lehre liefert, in sieben Abschnitte. Die drey
unentschieden. Ich finde nicht, dall sich Herr Abel tiber diesen bestim- ersten beschaftigen sich zu erweisen: "Es gibt keinen Mittelweg zwischen
746 ®otoaifd)e gefeorte ,3eitungen - 17. November 1787 ®oningifd)e Qln!eigen oon gefeorten ®aci)en - 17. November 1787 747
stand [2181] anschauen? Konnen die Sinne denken?) oder wenn man meh- duen unter sich begreifen; z. B. bey Raum und Zeit. Am schwersten fur
rere zugleich und gegen einander betrachtet, ein Urtheilen. Nun urtheilt diejenigen Begriffe, die nicht einmal auf eine so entfernte Weise aus wirkli-
die Seele nie ohne Ursache (und welches ist diese?) sobald sie aber geur- chen Empfindungen entspringen, sondern die ganz a priori erfunden wor-
theilt hat, so ist ihr Resultat entweder bejahend, oder verneinend, und den S. 37. Hier ist also ein ganz neues Mittel n6thig. Und dieses Mittel
beydes entweder kategorisch, oder problematisch, bald ist sie gezwungen sind die Worte, so daB wir oft statt eines Begrifs in der That weiter nichts
einen Satz zu glauben, bald nicht. - Aus Urtheilen entstehen Schliisse mit als diese denken S. 38. Also: die Seele aussert, so bald ihr auch nur eine
ihren Folgen, und aus Beyden viele neue Operationen, Ordnen, Trennen, Anschauung gegeben wird, gewisse Wirkungen ihrer Denkkraft, gewisse
Verbinden, Abstrahiren, Erhohen, auf welche zuletzt die Sprache folgt. subjective Veriinderungen; diese macht sie objectivisch, und schaft, urn die
Der zweyte Satz S. 30 u. f. Aile in uns vorgehenden Veranderungen sind also erhaltenen Begriffe festzuhalten, irgend einen Schein, den sie ihnen un-
blosse Modificationen der Seele; diese Modificationen dauren gewohnlich terlegt S. 39. (Ist diell nicht Tauschung? Wie kan daraus objective Realitat
eine Zeitlang fort, das ist, sie hinterlassen eine Nachvorstellung. Nach den der Begriffe entstehen?) Nun folgt der angebliche Ursprung der transcen-
Gesetzen der Einbildungskraft ist mit der Nachvorstellung stets eine Ten- dentalen Begriffe und Grundsatze; und zwar im ersten Kapitel S. 40 u. f.
denz zur Hervorbringung der ganzen ehemaligen Vorstellung verbunden; zu erst der Begriffe: 1) Bey jedem Denken ist immer ein Etwas, auf das
und nach einem Gesetz der Aufmerksamkeit wird die der erstern Vorstel- sich das Denken bezieht, und dadurch eben zum Denken wird. Diell Et-
lung stets nachfolgende, von ihr verursachte, ihr ganz gleichartige, aber am was nun nach seinem Verhaltnill gegen den Denkactus betrachtet, ist Ge-
Grad weit nachstehende Nachschwingung (?) nicht nur zum Zeichen der genstand unsers Denkens, das Objective; alles Denken schliellt also etwas
erstern geschickt, sondern wir sind auch so gar genothigt, uns, indem wir objectives ein. 2) Kein Gedanke wird gedacht, kein Urtheil gefallt, ohne
eine in uns enthalten, ganz auf die andere hinzurichten. - Die in uns daB uns ein Grund zu demselben bestimmt. Wird nun das subjective ob-
durch Nachvorstellung dargestellte urspriingliche und ganze Vorstellung ist jectivisch gemacht; so fodert [2183] auch jenes Etwas, das objective, das
etwas von der Nachvorstellung selbst verschiednes, auf das sich jedoch die- Object unsers Denkens, einen bestimmenden objectiven Grund, das ist al-
se bezieht, also ihr Object, der Gegenstand, auf den sie hingerichtet ist. les entsteht nur aus einer dasselbe hervorbringenden Kraft, oder Ursache.
Hieraus denn S. 31 das wichtige Resultat: Wir sehen mittelst der Gedan- Daher die Begriffe: Kraft, Ursache, Wirkung. 3) So bald als ein Grund vor-
ken nicht sie selbst, sondern Gegenstande und Beschaffenheiten, von handen ist, entsteht ein Urtheil. Das Bejahende Urtheil, objectiv genom-
denen sie Zeichen sind. Daher schreiben wir, was wir eigentlich nur von men, fuhrt auf den Begriff des Seym, das negative auf Nichtseyn. 4) Aus
Gedanken, als subjectiven Veriinderungen, wahrgenommen, den Gegen- dem kategorischen Urtheil entspringt der Begrif der Wirklichkeit, aus dem
standen selbst zu, und machen also das subjective objectivisch. {Soli dieser problematischen der Begrif der Moglichkeit 5) Das U rtheil ist entweder
Grund der Obertragung des subjectiven auf subjective auch bey intelligi- gewifl, oder ungewill; Daher die Kategorie der Nothwendigkeit und Zufiil-
beln Gegenstanden gelten? und wie? warum?) Der dritte Satz S. 33 u. f. ligkeit 6) Aus der starkern oder schwachern Oberzeugung beym Urthei-
Schopfung angemessener Bilder: Wir konnen nichts denken, ohne daB wir len fliellt der Begrif von Graden. Diell ergab sich aus der Fonn des Urtheils.
ein bestimmtes Bild unterlegen; daher mull man die [2182] Idee selbst von In Ansehung der Materie desselben entsprechen: 1) Der Eintheilung der
dem Bilde, in das sie gekleidet wird, unterscheiden. Bey unsern Begriffen Urtheile in allgemeine, besondere, und einzelne die Begriffe von Allheit,
von sinnlichen und geistigen Individuen ist das Bild durch das Anschauen Vielheit und Einheit. 2) Aus bejahenden und verneinenden Urtheilen ent-
selbst gegeben. Bey nicht anschaulichen Dingen fehlt dieses Mittel S. stehen die Begriffe von Identitat und Nichtidentitat. 3) Aus der Gleichheit
34 u. f. - Bey allen allgemeinen Begriffen, deren Gegenstande, als allge- oder Einerleyheit des Pradicats mit dem Subject der Begrif der lnhiirenz.
meine, niemals existiren, und die nur aus Sammlung der Ahnlichkeiten in 4) Aus der Einheit oder Mehrheit der Pradicate oder Subjecte in einem
den !.ndividuellen Ideen entsprungen sind, darf die Einbildungskraft nur U rtheil resultirt der Begrif des einfachen und zusammengesetzten u. s. w.
das Ahnliche in den Bildern, jener individuellen Ideen, mit Weglassung (Sehr sonderbar! Wird man nicht mit eben dem Rechte den Grund der
alles unahnlichen und Charakterischen sammlen, urn entsprechende Bil- Ursache in ihrer Wirkung suchen konnen? Welche Logik!!) Das zweyte
der fur allgemeine Begriffe zu erhalten. Schwerer ist die Erfindung ange- Kapitel S. 45 u. f. enthalt die Ableitung der Grundsatze: Nach dem
messener Bilder bey Begriffen, die nicht einmal gewisse existirende Indivi- Grundsatze: Das, was von dem Gesetz des Denkens gilt, mull auch von
752 ~eue ~eipjiger i!le[e~rte ,3eltungen - 22. November 1787 Qloe[tl <p[an einer (9flemati(d)en 'lJ1etap~9(if 753
den ~egriffen gelten, welche daraus erzeugt worden sind. Und nun folgen den dadurch auch mehr bemerkbar: bey schmerzhafter [2198] Empfin-
aile die bekannten Grundsatze nach eben der Manier hergeleitet, namlich dung, bey Nichtsthun und Langerweile scheint uns die Zeit Ianger; ~ey
S: 47._ Wirkung und Kraft S. 48. Existenz S. 49. Moglich S. 50. Nothwen- angenehmer Empfindung flieht sie schnell voriiber S. 90 u. f. Das dntte
digkeit S. 51. Grade S. 52. Zahl S. 53. Identitat S. 54. Inharenz S. 55. Ur- Kapitel S. 93 u. f. zeigt den Erfolg der Anwendung. H_ier wird die F':'ge
sachliche Verbindung S. 56. Einfach und zusammengesetzt, Form und Ma- untersucht: Ist in den Dingen selbst etwas wahres? Zeit und Raum smd
terie, innere und aussere Eigenschaften. Das dritte Kapitel S. 58 enthalt nur Dichtungen der Einbildungskraft; daher kan man sie den Dingen
F~i{2184]gen. Das vierte K_apitel untersucht die Richtigkeit dieser Begriffe. nicht geradezu zuschreiben S. 94. Es ist eine ganzlich sinnleere Frage: ob
D1e Wahrhe!t der Kategonen und ihrer Grundsatze wird S. 59 u. f. nach die Seelensubstanz einen Raum einnehme S. 95. Raum und Zeit sind nur
folgenden drey Fragen erortert: 1) Sind die Gesetze richtig, aus welchen Formen des sinnlichen Anschauens, und lassen sich also nicht auf jede Art
der Schlull aufs Objective gemacht wird? 2) Ist die Ubertragung des sub- der Gegenstande ausdehnen S. 96. U nd die Gesetze von beyden sind nur
jectiven aufs objective richtig? 3) Sind die neugeschaffenen Scheine rich- dann auch den Dingen selbst zuzuschreiben, wenn sie aus dem, was der
tig? Ganz natiirlich werden aile diese drey Fragen mit Ja beantwortet; aber Sache selbst entspricht, gefolgert worden S. 97. Die Kategorien selbst sind
i~ ger~n~sten nicht gezeigt, daft und wiefern wir befugt sind jene Katego- mehr oder weniger mit Zeit verkniipft, und haben in so fern einerley
nen mit Ihren Grundsatzen auf wirkliche Gegenstande zu beziehen, vollig Einschrankungen mit derselben, oder nicht. Einige werden durch Hiilfe
nach dem alten Schlage aller metaphysischen Manner seit Vater Dunsens der Zeit erst moglich z. B. Ursprung, Fortgang, Ende S. 98. Bey andern
Zeiten, Dogmatischen Andenkens. Die dritte Abtheilung S. 70 u. f. stellt ist der Begrif der Zeit ein minder wichtiges Ingrediens z. B. Kraft. Auch
das Verhaltnill der nicht empirischen Begriffe zu den Kategorien, ihre Ver- Kategorien sind nicht anwendbar, ohne etwas entsprechendes in den
gleichung, Verbindung und Trennung dar. Sachen selbst zu fin den, das uns zu ihrer Annahme berechtiget S. 99. U nd
da sie nur Denkformen sind, so konnen wir nicht behaupten, dall die
[21~7] Der z:v_eyte Theil S. 79 u.f. befallt die Lehre von der Anwendung Sache einerley sey mit unsrer Form der Vorstellungen S. 100. Da sie aber
der rnch~ e~pmschen und Verstandes-Begriffe. Die erste Abtheilung des- nicht von Erscheinungen und Veranderungen allein, sondern von jeder
selben zeigt Ihre Anwendung iiberhaupt. Das erste Kapitel handelt von der Art unsers Denkens abgewgen worden (?), so lassen sie sich auch auf alles
Nothwendigkeit dieser Anwendung. Die Formen des Anschauens und iiberhaupt anpassen. Man kan also allemal von ihren Gesetzen auf die Ge-
De~kens sind ?hne Inhalt,. und also leer; die empirischen Erscheinungen setze der Dinge schliellen (?), wenn wir sie in eben den nothwendigen
":lle!n un~ an s1ch haben keme Form. Also ist vie! daran gelegen, jene rich- Denkgesetzen, aus welchen aile Kategorien entsprungen sind, gegriind~t
tlg auf diese anzuwenden. Haben wir Recht, die Erscheinungen auf die finden: (Das ist aber eben die Frage) S. 101. Verhiiltnill gegen andere Gei-
Kategorien anzuwenden? Antw. In allen den Hillen, wo die Definition des ster S. 102. In den Dingen selbst entspricht den Kategorien etwas, das sich
ei?en _mit der Definition des andern einerley ist. Das zweyte Kapitel be- Geistern anderer Art auf andere, aber ihnen und den Dingen selbst eben
trift die Methode der Anwendung. 1) Zu logischem Gebrauch S. 82. Zur so angemessene Art darstellt. Die zweyte Abtheilung S. 103 u. f. befallt
~rforschung der Na~ur S. 83. -~ allen Erscheinungen findet sich was empi- Arten der Anwendung. Gemeine Anwendung S. 104 [2199] Methode, Ge-
nsches, und etwas rncht empmsches S. 86. Die Korpererscheinungen neh- genstande, Erfolg S. 105 u. f. Metaphysische Anwendung S. 108 u. f. Allge-
men also einen Raum ein von bestimmter Grolle und Figur, und coexisti- meiner Ursprung der Metaphysik. Nimmt man das subjective Gesetz ~es
ren mit andern theils unmittelbar, theils mittelbar; aile Erscheinungen Denkens: wir fiillen kein Urtheil, ohne einen Grund desselben zu besit-
iiberhaupt aber sind in bestimmter Zeit. Wir bleiben aber niemals beyEr- zen, das ist, ohne dall wir dasselbe aus einem Schlull ableiten; und macht
scheinungen stehen, sondern wir erheben sie sogleich zu wirklichen Din- man es objectivisch, so entsteht der Grundsatz: keine Erscheinung ist
genS. 87. Aile Erscheinungen stehen zusammen in Verhiiltnissen und sind ohne ein Etwas, das sie erzeugt, und das folglich zuletzt keine Erscheinung
zusammengesetzt S. 88. Raum kommt allen Korpern zu; aber die nahere mehr ist S. 109. So vielerley Gegenstande und Eigenschaften derselben
Bestimmung wird nur durch Vergleichung erforscht. So auch die Zeit. Die durch die Kategorien herausgebracht, jedoch anfangs nur als Erschein~n
Dauer wird g"':chatzt nach der bemerkten Lange unserer Empfindungen. gen betrachtet worden; so vielerley Arten von Gegenstanden und Besnm-
l.ebhafte Empfmdungen fiillen unser Bewustseyn vielmehr aus, und wer- mungen derselben betrachtet auch die Metaphysik, aber nicht mehr als
754 91cuc 2cip;tgcr \!lcfcbrtc ,3citungcn - 20. November 1787 2fbcf6 'Pfan cincr [Q~cmatifdjcn WletapbQfi! 755
blosse Erscheinungen, sondern mit dem kiihnen Vorsatz in das Wesen aile diese Schltisse des Herrn Professors auf den Probierstein der Syllo-
derselben einzudringen; und nun bildet sich eine metaphysische Men- gistik, und man wird finden, dall Syllogismen mit vier terminis zum Vor-
scherr- Korper- Welt- und Gottes-Lehre, in welcher man nicht nur eben schein kommen.) Die zweyte Abtheilung S. 116 u. f. soli nun die wirk-
dieselben Gegenstiinde; sondern auf eben dieselben Eigenschaften, wie in liche Anwendung davon zeigen. Zu erst werden im ersten Kapitel die
der physischen, jedoch stets nur nach ihrem innern Wesen untersucht S. blossen Scheine, und zwar zuniichst die sinnlichen Scheine, aufgeziihlt.
110. (Aber hier eben ist ja der Weg gerade vernagelt?) Die Metaphysik Mit einigen sinnlichen Empfindungen entstehen auch sinnliche Scheine -
sucht also die Urquelle aller Erscheinungen, die Dinge an sich. Diese aber Farbe und Solididit sind die einzigen einfachen sinnlichen Bilder, Ausdeh-
konnen nicht in der Erfahrung gefunden werden: also mull bier die Me- nung, Grolle und Figur aber nur Bestimmungen derselben in Rticksicht
thode a priori statt finden. Auf diesem Wege nun wird ein Ding an sich auf die Menge der in (2201) uns verbundenen Theile. - Unsinnliche Be-
folgender Gestalt erforscht: 1) Das Phiinomen fiihrt auf das Noumenon griffe S. 117. Aus Wahrnehmung der sich in uns iiussernden Thatigkeiten
(wie aber: Hie silent Musae Varronis). 2) Manche Eigenschaften erhellen der Seele erhalten wir Begriffe von denselben, und daher entsteht eine
schon aus der Natur eines Phiinomenon (kennt denn diese Herr Abel?) neue Art von Scheinen, die unsre eigne Seeleniiusserungen zum Gegen-
tiberhaupt. 3) Haben wir einmal gewisse Siitze auf diese oder jene Art fest stand haben. - Das zweyte Kapitel S. 120 u. f. befallt die Erhebung der
gesetzt (Nun ja!) so lassen sich aus diesen nach der gewohnlichen Methode Scheine (Bilder) zu wirklichen Dingen. 1) Anwendung der Kategorien auf
(vortreflich!) ofters noch weitere Schllisse ziehen (und damit gut!) S. 111. die Scheine, zum Erweis der Existenz. Mein Daseyn S. 121. Daseyn der
Dall aber die Kategorien, als menschliche Denkformen, mit Recht auch Korper S. 124 u. f. Daseyn anderer Menschen S. 128. Welt. Weltursache S.
auf nicht anschauliche Gegenstiinde, auf transcendentale Dinge, zu bezie- 129. (Alles nach der gewohnlichen Methode.) 2) Eigenschaften der unmit-
hen sind, soli S. 113 u. f. daraus erwiesen werden: I) Dallofters die Begrif- telbar anschaubaren Gegenstiinde S. 130. Der Seele tiberhaupt S. 131. Der
fe auch da noch aus der Classe der anschaulichen seyn, wo man diell dem Korper tiberhaupt S. 133. Welt, Gott S. 134. Ganzes der Erfahrungskennt-
er{2200]sten Anblicke nach nicht vermuthe; so sey z. B. das, was wir den nisse S. 135. Das dritte Kapitel S. 138 u. f. stellt die metaphysische Unter-
Begriffen Welt, Gott und dergleichen unterlegen, zwar nicht in diesem suchung der Dinge auf. 1) Existenz S. 139. Eigenschaften a) innere Na-
U mfang und unter dies en Bestimmungen, aber doch unter andern an- tur-Seele S. 141. Korper S. 142. WeltS. 143. GottS. 145. Vollkommenheit
schaulich. 2) Da die Kategorien, angewandt auf anschauliche Begriffe, bis der innern Natur S. 146. Einfachheit S. 148 (vollig auf die gewohnliche
zum Daseyn einer intelligiblen Welt fiihren, so mlisse man wenigstens die- Weise) b) iiussere Natur. Zu erst Coexistenz S. 149. Hier werden zwey Fra-
ses Daseyn zugeben. 3) Dall aber auch da, wenn wir wirklich in die intel- gen untersucht: 1) Giebt es ursachliche Verbindung? Antw. Wir bemerken
ligible Welt tibergehen, unsre Denkformen noch gelten, will Herr Abel nichts als Veriinderungen, die auf Veriinderungen folgen. Das kan entweder
S. 114. daher beweisen, wei! unsre Denltgesetze fiir uns nothwendig sind, aus wirklichem Einflull entstehen, oder der Einflull ist nur scheinbar.
die Kategorien aber ganz nach jenen Gesetzen und durch dieselbe gebildet Niemand kan die U nmoglichkeit der ersten Hypothese weder zeigen,
sind, so komme es auch bey ihnen nicht darauf an, ob wir angeschaute, noch widerlegen. Also ist das wahre System unausfindbar S. 150. 2) Wie
oder nicht angeschaute Dinge beurtheilen, und sie passen also vielmehr wirken die Dinge auf einander? Antw. Das weill Niemand S. 151. Daher
auf aile Arten der Gegenstiinde, folglich auch auf das transcendentale. ist uns auch die Kenntnill der Gesetze unmoglich, ausser in so ferne wir
Diell erhellte noch mehr daraus, wei! in anschaulichen Dingen der Gegen- sie nach den Grundsiitzen der Kategorien a priori entdecken konnen. Die-
stand der Kategorie etwas in den Dingen selbst vorhandenes, transcenden- se letztern, werden S. 152. und deren Anwendung S. 153 u. f. vorgetragen.
tales ist, und doch in denselben ganz richtig geschlossen werde, so habe Nun folgt S. 156 u. f. die Grenzbestimmung der Metaphysik tiberhaupt.
man dadurch ein Beyspiel, dall die Kategorien auch auf transcendentale Da Metaphysik zwar von Erscheinungen ausgeht, aber tiber den Schein
Dinge angewandt werden konnen S. 115. (Welcher Schlull! Welche Vermi- hinaus bis ins Wesen der Dinge zu dringen sucht, so kan nur in folgenden
schung der Phiinomenen mit den Noumenen! Die Kategorien verschaffen Fallen ein glticklicher Erfolg erwartet (2202) werden: 1) Anschauen fiihrt
uns bey den Erscheinungen weiter keinen Nutzen, als dall sie unsern Er- tiber den Schein hinaus, so oft das angeschaute theils an sich gewill, theils
kenntnissen Einheit gewiihren. Gewiihren sie denn aber die geringste so beschaffen ist, dall man die Kategorie nur geradezu auf dasselbe anwen-
Kenntnill von dem, was eigentlich Kraft, Substanz u. s. w. ist? Man lege den kann. So entsteht z. B. die Gewillheit von meinem eignen Daseyn.
756 <Jleue ~etp;tge~ ®de~~te ,3eitungen - 20. November 1787 ®ot~aijd)e ge£e~~te ,3ettungen- 24. November 1787 757
2) Dieser Fall findet auch Statt, wenn die Kategorie zwar nicht geradezu physik der Vernunft und der Sitten vereinigt vorgestellt. Nun folgt S.
angewandt wird, aber man doch von der Erscheinung sicher auf das 209 u. f. eine Betrachtung tiber die Natur der Metaphysik tiberhaupt. Die-
Noumenon schliel!en kann. So setzt z. B. Dauer in der Zeit voraus, dal! se nahmlich ist tiberhaupt bestimmt, das Wesen der Dinge zu erforschen.
auch in dem Transcendentalen etwas der Dauer entsprechendes liege. Da nun jene Urquellen aller Erscheinungen, die Wesen der Dinge nicht ge-
3) Auch der Schlul! aufs entgegengesetzte findet bisweilen Statt. So nimmt dacht werden konnen, ohne Htilfe der nicht empirischen Begriffe, so wer-
man z. B. die Substanzen als einfach an, wenn gleich die Erscheinung zu- den diese, da sie nicht aus Erfahrung abstammen konnen, zur Metaphysik
sammen gesetzt ist. 4) Endlich hat die Natur des Noumenon an sich ge- gezogen; und so entsteht die Ontologie. Nun wird das Wesen selbst unter-
wisse nothwendige Eigenschaften; z. B. jedes ist einfach. Daraus denn nun sucht, die Gesetze der Natur, in der Metaphysik der Naturwissenschaft,
S. 159 u. f. ihr bestimmter Inhalt; nahmlich Metaphysik ftihrt bis zum und die Gesetze der Freyheit in der Metaphysik der Sitten. S. 210. Die Me-
Daseyn einer intelligiblen Welt und der Kraft in den Gegenstanden dersel- thode ist die a priori S. 211 und aus dieser Methode folgt nun von selbst
ben, Vollkommenheit des Unendlichen und Unvollkommenheit des End- die ganze Beschaffenheit der Metaphysik. Alles stammt nicht nur a priori,
lichen, auch Nothwendigkeit und ursachlichen Einflul!, Ewigkeit, wenig- sondern auch aus einem Princip, aus nothwendigen Gesetzen S. 214. Da-
stens von einem Gegenstande, Einheit des U nendlichen und Einfachheit her ihr Unterschied von andern Wissenschaften S. 215. Sodann folgt S.
jeder Substanz. - Jedoch von dem innern der Dinge, von dem absoluten, 216 u. f. Vergleichung [2204] der moglichen Systeme tiber die speculative
von dem, was sie iiberhaupt fur aile Geister sind, konnen wir keinen Be- Vernunft und die Metaphysik insbesondere. Endlich S. 227 u. f. ein Plan
griff haben. S. 161. Aus dieser bisher gezeigten Theorie wird folgendes all- der Metaphysik der Naturwissenschaft. Wir glauben es dem Herrn Verf.
gemeine Urtheil tiber den Skepticismus S. 167 gefolgert: die Absicht unse- gern, dal! dieser sein Plan einer systematischen Metaphysik ohne Kants
rer Kenntnisse ist ohne Zweifel keine andere als so vie! es moglich ist, die Veranlassung nie zum Vorschein gekommen seyn wiirde. Aber wir sind
Mittel zur Erwerbung unserer Gltickseligkeit einzusehen. Sind also die eben so gewil! tiberzeugt, dal! dieses System kein anderes Schicksal haben
Kenntnisse, die wir hier erlangen, zu dieser groBen Absicht hin/anglich, werde, als so viele vorhergehende metaphysische Systeme, und dal! dassel-
und besitzen sie tiberdiel! einen befriedigenden Grad von Gewil!heit, so be, so wie aile seine ahnlichen Schwestern zu seiner rechten Zeit zur
haben wir Ursache genug, uns vollig zu beruhigen. - Der erste Abschnitt Asche seiner Vater werde versammlet werden.
S. 168 u. f. begreift eine systematische Aufzahlung aller Wissenschaften. -
Der zweyte Abschnitt S. 175 u. f. handelt von dem Grade der Gewil!heit.
Dieser ist in verschiedenen Wissenschaften verschieden. [2203] Der Zweck
aller Wissenschaften aber ist Beforderung innerer und aul!erer Gltickselig-
keit. Dann folgt S. 181 und f. Begriff einer Metaphysik der Sitten, deren
S;lamburg.
Beschaffenheit, Methode und wirklichen Ausfiihrung. - Das Grund-Prin- Vber die GrUnde der menschlichen Erkenntnift und der natiirlichen Reli-
cip, als subjectives Gesetz, ist: Thue nichts, das nicht deinem Willen nach gion, von ]oh. Alb. Hinr: Reirnarus, der Arzeneygelahrheit Doctor. Bey C.
allen Rticksichten und zugleich den Willensgesetzen anderer gemal! ist, F. Bohn. 1787. 172 Seiten in 8. {12 gl.) Da die Griinde der menschlichen
oder was nicht allgemein giiltiges Gesetz werden kann. Nun ist das Ziel Erkenntnil! und der nariirlichen Religion in unsern Zeiten ein Haupt-
des Willens Gltickseligkeit. Thue nichts also, was deine Gltickseligkeit, gegenstand philosophischer Untersuchung und Unterhaltung geworden
oder die Gltickseligkeit anderer beleidiget. Dieses Sittengesetz ist nothwen- sind, so [762] werden die Freunde der Philosophie dieses Btichelchen von
dig, auch wenn keine Gltickseligkeit damit verbunden ware. S. 194 Da einem so bewahrten Denker, wie der Hr. D. Reirnarus sich schon, und be-
aber Gltickseligkeit und Sittlichkeit in genauester Verbindung steht; so ist sanders in den Zusatzen zu Mendelssohns Morgenstunden, bewiesen hat,
das Princip der Sittlichkeit nichts anders als das Princip der Gltickseligkeit gern in die Hand nehmen, und so wie Recens. mit Nutzen und Vergntigen
S. 197 daher denn nun die Grundsatze von Recht S. 190, deren Richtigkeit lesen. Der Hr. Verf. hat in Behandlung dieser Materien, besonders auf das
S. 200 erwiesen wird. Der zweyte Abschnitt S. 201 u. f. enthalt die Grund- Riicksicht genommen, was durch Veranlassung der M. Morgenstunden
satze der Anwendung, welche S. 203 u. f. auf die Gesetze der Handlungen von Hrn. G. R. ]akobi und dem Verfasser der Resultate, ingleichen auch
und Neigungen bezogen werden. Beyde werden S. 206 u. f. in der Meta- von Hrn. Prof. Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft dariiber gesagt
758 ®ot~ai(c()e gele~rte ,3eitungen - 24. November 1787 Jleimarue iiber ble ®riinbe ber men(c()lic()en \!:rtenntnlp 759
worden ist. Gegen erstere beweiset er, dall 0/Jenbarung und Glaube nicht griinde uns die aus der Natur geschiipfte Folgerung der Notbwendigkeit
das Element aller menschlichen Erkenntnill sey; dall die anschauende Er- eines Urwesens darbiiten." Haben manche Hrn. Kant so verstanden, so
kenntnill oder Empfindung uns keine Gewillbeit gewabre, dall ein soge- verstanden sie ibn allerdings nicht recht; sie driickten sich iiberdies aucb
nanntes inneres Licht, oder solcbe Vorstellungen, die nicht aus den Sinnen noch, wenigstens fur Recens. undeutlicb aus. Soli aber bier Natur so vie!
entspringen sollen, zu Unsinn und Schwiirmereyen fiihren, und Ge- als Eifahrung heissen, so wird dennoch die Frage, ob sich aus der Erfah-
schichtserzahlung, Uberlieferung oder Tradition unzuverlallig, hingegen rung die Nothwendigkeit eines Urwesens durch Vernunftgriinde (oder
die Vernunftgesetze unser einziger Probierstein der Wabrheit seyen, wo- Vernunftscbliisse} folgern lasse, nach Kantischen Grundsiitzen von ihnen
durch aucb das Daseyn eines Gottes erkannt werden miisse; dall der gesun- mit Recht verneinet. Wenn §. 23. bebauptet wird, das Obersinnliche als
de Menschenverstand auch nur Vernunftgebrauch sey, dessen gerader Uber- wurkend betrachtet, sey keine leere Vorstellung, und folglicb auch als
blick uns bald orientiren, bald durch genauere Untersuchung berichtiget wurklich zu denken, so lallt sich dagegen einwenden, dall erstlicb kein
werden miisse; dall ausser unserm eigenen Bewustseyn, alles Wissen nur Grund vorhanden sey, etwas Ubersinnliches vor der Wiirkung, und ebe
auf Voraussetzung von Grund oder Ursach beruhe, und von diesem Triebe noch eine Wiirkung vorhanden ist, anzunehmen; von Nichts kann auf Et-
die Erweiterung der Grenzen unsers Forschens abhange. Gegen Hrn. Kant was nicht geschlossen werden. Ist aber zweytens eine Wiirkung vorhan-
wird bebauptet, dall man aus gegebenen Dingen auf das Obersinnliche den, so darf icb auch nicbt weiter, als auf eine derselben homogene Ursach
schliessen kiinne, und die Uberzeugung von unserm Daseyn sowohl, als binausgeben; so wie die Wiirkung uns durcb Erfahrung gegeben wird,
das Wabrnehmen ausserer Dinge uns tiber die Grenzen der Erfahrung mull aucb ihre Ursacbe innerbalb der Grenzen miiglicher Erfahrung lie-
hinaus fiihre. Dann geht der Verf. zur natiirlichen Religion tiber, und gen; oder ich iiffne, so bald ich sinnliche Erscbeinungen in iibersinnlicben
zeigt, dall der Beweis vom Daseyn Gottes, als Urquelle von allem, in dem ausser den Grenzen aller miiglicben Erfahrung liegenden Ursacben sucben
Zusammenhange der Wahrheiten, und im Widerspruche bey Vorausset- will, allen magischen, kabbalistiscben, theosophischen und andern Trau-
zung des Gegentheils liege; dall also Vernunftgebrauch das Daseyn der mereyen, Thiir und Thor. Der Hr. Verfasser sucht aber die Giiltigkeit des
Gottheit aufgespiihret babe; dall in Gott, als nothwendigem Wesen, keine Scblusses vom Sinnlichen auf das Ubersinnliche dadurcb darzuthun, dall
Veranderung, folglich fUr ibn keine Zeit und kein Raum sey, die Welt aber, 1} das denkende Wesen sicb von selbst unmittelbar durch das Selbstbe-
als angemessener Gegenstand des vollkommensten Wiirkens, in Zeit, wulltseyn, als der einzigen urspriinglicben Erfabrung, finde; es lasse sich
Raum, Menge, Stufen, unbegrenzt sey; dall der Wille Gottes von seinem also nicht sagen, dall wir unser Ich, unser Selbst, nur als Erscheinung ken-
Wissen und Wiirken nicbt verschieden sey, aucb nicht durch aussere Bewe- nen, ob wir gleich dieses wiirklicbe Wesen (nicht an sich selbst, sondern}
gungsgriinde, sondern aus innerer Vollkommenheit bestimmt werde. In nur aus seinen Eigenschaften, und diese aus den Wiirkungen erkenneten.
wie fern dies Notbwendigkeit, oder hiichste Freyheit zu nennen sey. Von (Recens. verweist bier, der Kiirze wegen, auf das, was Kant S. 157. f. und S.
den Absichten in der Welt. Wie aus unserm Verhaltnisse Gebet, Verehrung 399. sqq. in der Zten Auflage seiner Kritik der reinen Vernunft gesagt hat,
etc. entstehe. Von Spinozas Lehrgebaude. Von dem Nachdenken tiber das welches durch das Angefiihrte noch nicbt widerlegt zu seyn scbeinet. Ob
hiichste Wesen, und ob die Uberzeugung von einem wiirklichen lebendi- icb mir meiner gleicb selbst bewullt bin, so erkenne ich docb das eigent-
gen Gott, und iiberhaupt von den Grunden unserer Erkenntnill, ohne liche Subjekt meiner Gedanken, das denkende Wesen an sich selbst nicht,
Nacbtheil unserer Rube und Sitten wankend gemacht (763] werde. Freye wie aucb Hr. R. selbst zugibt, sondern nur durch die Gedanken, welche
Untersucbung werde nur die Wahrheit mebr aufklaren; verniinftige Got- (764] seine Pradicate sind, also docb nur als innere Erscheinung, als Acci-
tesverehrung miisse mebr und mehr wohltbatig werden. - Dies ware der denz, wie wir uns denn iiberhaupt nicbts als absolutes Subjekt denken
allgemeine Inhalt dieses falllich geschriebenen Buchs. Wir fiigen dieser An- kiinnen, sondern alles, in so fern es denkbar seyn soli, zu den Accidenzen
zeige noch Einiges die Kantischen Behauptungen betreffende, bey. S. 40. gebiirt. Damit will aber Kant keinesweges sagen, dall icb selbst, mein eige-
heillt es: .Man lasse sich nicht durch den {Kantischen} Ausspruch schrekc nes Daseyn blosse Erscheinung sey, wie S. 55. von Hrn. R. bebauptet wird,
ken, dall das Daseyn der Gottheit, wie aller iibersinnlichen Gegenstande, sondern K. meint nur, wir erkennen uns, unser eignes Ich, nur als Erschei-
nicht apodictisch, a priori, aus reiner Vernunft kOnne bewiesen werden; nung. Denn er sagt S. 157. der Kr. d. r. V. neue Ausgabe ausdriicklicb: .so
welches Unkundige wahl gar so ausgelegt haben, als ob keine Vernunft- ist zwar mein eignes Daseyn nicbt Erscbeinung, vielweniger blosser
760 l!lot~ai(d)e gele~rte Beitungen - 24. November 1787 ~eimatu6 tibet bie l!ltilnbe bet men(d)lidjen ll'tfenntnlp 761
Schein, aber die Bestimmung meines Daseyns kann nur der Form des in- den, so halt Recens. dafiir, dall der Verf. sich in einem Zirkel befinde, oder
nero Sinnes gemiill nach der besondern Art, wie das Mannichfaltige, das er mull den Unterschied, welchen er zwischen Erscheinung und innerm
ich verbinde, in der innern Anschauung gegeben wird, geschehen, und ich oder transscendentalem Gegenstand selbst macht, aufgeben; das kann er
habe demnach keine Erkenntnill von mir, wie ich bin, sondern bios, wie aber nicht, so lange er zum Grundsatz annimmt, daB Erscheinung, oder
ich mir erscheine.") 2) Was das Daseyn ausserer Dinge betrift, fiihrt Hr. R. das was wir wahrnehmen, nur die Vetiinderung sey, welche in unserm den-
fort, so entspringet dasselbe nicht aus unserer Vorstellungskraft, sondern kenden Wesen vorgehe. Und obgleich so vie! gewill ist, daB man von iius-
vielmehr ausser derselben, wei! ein merklicher Unterschied zwischen der sern Erscheinungen auf etwas Beharrliches schliessen darf, so folgt doch
Folge unsers eigenen Denkens, und den Folgen fremder iiusserer Erschei- nicht, daB daraus der Ubergang aus der Sinnenwelt in die Verstandeswelt
nungen ist; die Ordnung in unserm Denken richtet sich nicht genau nach erhelle, im Fall unter letzterer mehr als bios den sinnlichen Erscheinungen
der Ordnung, in welcher die Erscheinungen ausser uns auf einander fol- entsprechende Gegenstiinde, welche fur nichts als blosse Verstandeswesen
gen. Es ist also ein Grund vorhanden, diese Erscheinungen einer Ursache gelten konnen, verstanden werden sollen. Von einem logischen auf wiirkli-
ausser uns zuzuschreiben. (Kant hat das Daseyn der Korper ausser uns nir- ches objectives Daseyn ausser mir, liillt sich aber nicht giiltig schliessen.
gend geleugnet, sondern nur gesagt, daB sie als Erscheinungen eine Art un- Auch gegen die Kantische Vorstellung von Zeit und Raum, bringt Hr. R.
serer Vorstellungen wiiren. Hr. R. sagt ja auch S. 10. und an andern Orten, Einwendungen vor. Rec. mull gestehen, daB er jene sehr simpel findet,
daB das, was wir erfahren oder wahrnehmen, nur die Vetiinderung sey, wenn man nur auf die Idee von absoluter Zeit, absoluten Raum, bestiindig
welche in unserm denkenden Wesen vorgehe.) Hierzu, heillt es weiter, Riicksicht nimmt. Ehe der Mensch Erfahrungen gemacht, ehe er das Aus-
kommt noch sowohl das Beharrliche in den Vorstellungen, aus welchem sereinanderseyn der iiussern Gegenstiinde, die Folge der Vernnderungen
wir auf die ihnen zum Grunde liegenden Substanzen schliessen, als auch wahrgenommen hatte, konnte er sich noch keine Zeit denken. Sobald aber
das Verhaltnill derselben unter einander, welches wir als Ursache und diese Wahrnehmung erfolgte, entwickelte sich auch zugleich in seinem
Wurkung derselben betrachten. Durch das Beharrliche aber und durch den Gemiithe diese Form, diese Art, sich die Objecte zu denken, und so wie
Zusammenhang, welchen die Vorstellungen unter einander darstellen, un- sich der U mfang seiner Receptivitiit erweiterte, erweiterte sich auch
terscheiden wir die gegriindeten Wahrnehmungen von Tiiuschungen der zugleich in ihm diese Form zu denken; sie wiichst zugleich mit der Kraft
Sinne oder der Einbildungskraft, falschem Scheine oder triiglichen Vorstel- der Seele, Zeit und Raum breiten sich in ihr gleichsarn ins U nermellliche
lungen. Der Unterschied mull also in den Gegenstiinden, und diese Ge- aus; es entsteht in ihr die Idee eines absoluten, unbestimmten Raumes,
genstiinde konnen nicht in unsern Vorstellungen selbst liegen. Wir hiitten einer absoluten unbestimmten Zeit; nicht durch Erfahrung; denn was mir
also doch eine sichere Folgerung auf das Daseyn wiirklicher Dinge ausser Erfahrung nicht gibt, davon habe ich auch keine Idee, und alles was ich
uns, welche den Erscheinungen zum Grunde liegen, oder dieselben veran- durch Erfahrung habe, ist durchaus bestimmt und eingeschtiinkt. Der
lassen. (Dieses alles kann man dem Hrn. Verf. zugeben, da daraus nur so Fonds der unbestimmten Zeit und des unbestimmten uneingeschtiinkten
vie! erhellet, daB wir von iiussern Erscheinungen auf Dinge an sich, oder Raumes, lag schon in meiner Seele, ward nur in und mit der Erfahrung in
transscendentale Objecte dieser Erscheinungen schliessen konnen. Dieses immer grollere Thiitigkeit gesetzt; und sie sind beyde der menschlichen
behauptet Kant ebenfalls, er lehret nur, daB wir von diesen transscendenta- Sinnlichkeit und Denkkraft so wesentlich nothwendig, daB der Mensch
len Gegenstiinden, den Dingen an sich, keine [765] Kenntnill hiitten. Auch ohne diese Formen schlechterdings nichts wiirde denken konnen. Sind sie
dieser Behauptung scheinet Hr. R. beyzustimmen, wenn er S. 77. sagt: [766] aber der Seele so nothwendig, so mull es mit ihnen eine ganz andere
.den wahren Gegenstand selbst konnen wir nicht nach seiner innern Ei- Bewandnill haben, als mit Gedanken, von denen es gleichgiiltig ist, ob sie
genschaft oder Ktiiften bestimmen - wir konnen keine Begriffe haben, sich die Seele denkt oder nicht denkt, oder als mit Gegenstiinden, von de-
welche etwas von den iibersinnlichen Gegenstiinden, ohne Beziehung auf nen es, der Denkkraft an sich unbeschadet, einerley ist, ob sie sich unserer
unsere Empfindungsart, vorstellen." Wenn es aber gleich darauf wieder Receptivitiit darstellen oder nicht. Zeit und Raum sind also nicht als Ge-
heillt: .es lasse sich dennoch nicht sagen, daB wir nichts von den iibersinn- genstiinde ausser uns, zu deren Kenntnill wir durch Erfahrung gelangt
lichen Gegenstiinden wiillten, da wir ja ihre Wiirkungen oder Beziehun- sind, anzusehen, sondern als der Seele, und insonderheit der Sinnlichkeit
gen auf unsern Zustand, welches eben die Erscheinungen wiiren, empfiin- derselben, wesentlich und nothwendig inhiirirende Formen oder Arten,
762 ttibingifd)e ge!e~rte '!ln!dgen - 29. November 1787 '!!bel~ 'l3er[ud) iiber bie \natur bet fpecufatluen Qlernun~ 763
die Dinge wahrzunehmen. - Rec. kann bey dieser Gelegenheit nicht den, zu strenge, und die Schwierigkeiten des Beweises zu sehr vergriissert
unterlassen, den Wunsch zil aussern, dall ein eignes Journal zu Stande zu seyn. Denn wir sehen z. B. nicht ein, woher der Hr Verf. folgenden Saz
kommen mochte, worin alles was die Kantische Philosophie pro und (S. 46.) erweisen kan: Kiinnt ihr sie nicht prnfon, so habt ihr auch kein Mitteh
contra betriife, aufgenommen, und so die noch zweifelhaften Punkte einer die Wahrheit zu erproben. - Auch vermissen wir S. 46. die nicht unwich-
unpartheyischen Priifung unterworfen, berichtiget oder bestatiget werden tige Bemerckung, dall Vergleichung einer neuen Lehre oder Religion mit
konnten. denen, die durch dieselbe gestiirzt werden, zur Entscheidung der Frage,
von der die Rede ist, dienen kann. Freylich wird auch zu einer solchen
Vergleichung Priifung erfordert. Aber Priifung [763] einer Lehre, im Can-
zen und nach ·ihrem praktischen Einjlusse betrachtet, ist doch wohl auch da
moglich, wo vollstandige Priifung der Wahrheit alter einzelnen Saze aus in-
~ranffurt unt> ~eip3ig. neren Griinden nicht moglich ist. U nd wenn sich denn nun durch eine
Versuch uber die Natur der speculativen Vernunft zur Prnfung des Kanti· Priifung von jener Art erweisen lallt, dall die herrschenden Religionen, die
schen Systems. 1787. S. 278. in 8. Auch diese Schrift bestatigt das Urtheil durch irgend eine neue verdrangt wurden, und, wo diese angenommen
vollkommen, das wir schon bey andern Gelegenheiten iiber den Werth wurde, nothwendig verdrangt werden mullten, jedem denkbaren Interesse
der philosophischen Arbeiten des beriihmten Hrn Verfassers (Hrn. Prof. eines bosen Geistes als eines solchen ohne Verhiiltnill vollkommener ent-
Abels) gefallt haben. Sie gehort schon dellwegen unter die merkwiirdigsten sprechen, als es bey der neuen selbst denn nicht der Fall seyn wiirde, wenn
Schriften unseres Jahrzehends, wei! der Hauptzweck derselben Priifung sie auch nicht ganz rein von Irrthlimern ware: wenn es sich erweisen laBt,
der Hauptideen des Kantischen Systems ist: und wir glauben sie allen dall zum Behuf eines Lehrers, der gerade den Haupt-Absichten, die man
Liebhabern der speculativen Philosophie mit desto grosserem Rechte emp- einem bosen Geiste miiglicher weise beylegen kann, und zu deren Befor-
fehlen zu konnen, da der Innhalt derselben nach unserer Oberzeugung derung die Lehrer und Priester der herrschenden Religionen die brauch-
jenein Zwecke so vollkommen entspricht, als es das Gesez der Kiirze er- barsten Werckzeuge waren, aufs thatigste und auf eine Art, wie es kein an-
laubt, das sich der Hr Verf. vorgeschrieben zu haben scheint. - Voran derer gethan hat, entgegenarbeitete, ausserordentliche, die Menschenkraft
geht eine kurze Einleitung, die theils die Hauptsaze der Kantischen Kritik iibersteigenden Wiirckungen Jahre lang in einer fortgehenden Reihe er-
in gedrangter Kiirze darlegt, theils den Haupt-Streitpunkt, urn den sich folgt sind: so ist es, deucht uns, hochst wahrscheinlich, dall weder jene
alles herumdreht, festsezt. In der darauf folgen{762]den Abhandlung uber Lehre noch diese Wiirckungen als Wirkungen eines hoheren biisen Geistes
die Vernunft untersucht der Hr Verf. zuerst die Principien alles menschli- betrachtet werden konnen, wenn man sich je einen hoheren bosen Geist
chen Denkens. - Eine Untersuchung, die von selbst in 2. Abschnitte zer- nicht dummer, als einen Menschen von masigen Verstandskriiften denken
fiillt. Der erste enthiilt Ideen iiber die Vernunft, sofern sie selbst erfindet - will.) Von der Untersuchung der Principien des menschlichen Denkens
iiber die Erscheinungen als blosse Modificationen der Seele betrachtet, geht der Hr Verf. S. 51. f. zu Betrachtungen iiber die Methoden des
iiber den Ursprung der Begriffe von Raum und Zeit, iiber den Ursprung menschlichen Denckens, und zur Aufzahlung der Wissenschaften iiber.
der Kategorien und der moralischen Grundbegriffe, iiber die Anwendung Den Beschlull macht eine Vergleichung der in dem vorhergehenden vorge-
der Anschauungs- und Denck-Formen auf Erscheinungen oder iiber Er- tragenen Theorie mit der Kantischen. (Nach unserem Gefiihl wiirde diese
fahrung - meistens Ideen, die man schon in den vorhergehenden Schrif- in [764] dem polemischen Theile der Schrift oder in dem Anhang einen
ten des Hrn Verf., besonders in seinem, in dem 61 St. unserer Anz. vom schicklichern Plaz gefunden haben.) Die erstere unterscheidet sich von der
gegenwartigen Jahr S. 481. ff. angezeigten, Plan einer systematischen Meta- lezteren nicht nur in Absicht auf die Theorie von dem Ursprung der
physik, antrifft. In dem IL Abschn. wird theils die allgemeinere F rage: Wie Denck- und Anschauungs-Formen (vergl. unsere gel. Anz. vom J. 1786 S.
weit und unter welchen Bedingungen ist das Zeugnill anderer Quelle von 379 f. und vom gegenwartigen Jahr S. 481 f.), sondern auch in Absicht auf
Wahrheitserkenntnill? theils die speciellere: Nach welchen Gesezen mull die Bestimmung der Anwendung derselben nach der empirischen und me-
die Glauhwiirdigkeit einer Offenbarung gepriift werden? sehr scharfsinnig taphysischen Methode. Nach Kant ligt die oberste Gesezgebung der Natur
untersucht. (Nur scheinen uns die Forderungen, die S. 45 f. gemacht wer- bios in uns selbst, d. i. in unserem Verstande, und wir miissen also die all-
764 :tUbingifcjie gcfe~tte 2fn;eigcn- 29. November 1787 :tUbingifcjie gefc~rte ~fn;eigen - 13. Dezember 1787 765
gemeine Geseze der Natur nicht von der Natur vermittelst der Erfahrun- nicht einzusehen, wie die moralischen (766] Ideen, die Kant als einen Er-
gen abstrahiren und herleiten, sondern umgekehrt, ihrer allgemeinen Ge- saz fiir das, was er der theoretischen Vernunft entrissen zu haben glaubt,
sezmalligkeit nach, bios in den in unserer Sinnlichkeit und dem Verstande anbietet, mit seinem iibrigen System harmoniren. Wenn alles Dencken
liegenden Bedingungen der M6glichkeit finden. Der Hr Verf. behauptet blosse Erscheinung ist, warum sollte es nicht auch das Wollen seyn? Und
dagegen mit Recht, daB die Natur, als etwas von unsern Begriffen ganz ab- wenn der Begriff und die Wiircklichkeit intelligibeler Wesen ganz proble-
gesondertes, fiir sich selbst bestehendes und zusammenhiingendes, sich uns matisch ist: woher kan denn der Mensch wissen (was Kant bey seiner
auf eine bestimmte Art darstellen miisse, damit wir jene Begriffe richtig Moral voraussezt), daB er als intelligibeles Wesen existire, und Freyheit
und auf die angemessenste Art anwenden k6nnen. (Kant selbst riiumt S. besize? Und woher kan er wissen, kan man noch hinzusezen, daB auch
650. f. der Kritik I. Ausg. wenigstens diell ein, daB man eine systematische andere intelligibele Wesen ausser ihm existiren, in Hinsicht auf welche
Einheit, als den Objekten selbst anhiingend, nothwendig annehmen miisse, er gewisse Pflichten beobachten solle? Hiezu kommt noch (eine Be-
und daB die Vernunft gerade wider ihre Bestimmung verfahren wiirde, merckung, die wir ungerne in dieser Schrift vermissen), dall theils durch
wenn sie sich eine Idee zum Ziel sezte, die der Natureinrichtung ganz die Kantische Behauptung, es gebe keine reelle Veriinderungen im tran-
widerspriiche. Aber freylich ist nicht einzusehen, wie diese Aullerung mit scendenten Verstande, nach unserm U rtheil Kants ganze Moral und Mo-
andern Stellen zusammenstimme, wenn man die Ausdriicke nach den ge- ral:rheologie umgestossen, theils (wenn man auch darauf keine Riicksicht
wiihnlichen logisch-hermeneutischen Regeln erkliirt.) - Nach Kant sind nimt) Kants moralisch-theologischer Beweill, so wie er in der Berlin. Mo-
die metaphysischen Siize niemals von comtitutivem, sondern bloll von natsschrift 1786. Oct. dargestellt wird, nicht nur den Gesezen der Logik
regulativem Gebrau{765]che d. h. sie dienen bloll dazu, unsern Begriffen (vergl. unsere gel. Anz. vom gegenwiirtigen Jahr S. 367. f.), sondern auch
Ordnung, Verkniipfung und systematische Einheit zu geben, wenn sie Kants eigener Ausserung in der Kritik S. 813. auffallend widerspricht.)
schon nichts objektiv-reelles enthalten. Der Hr Verf. zeigt dagegen theils, Der Raum unserer Blatter verbietet uns, noch etwas aus dem Anhange,
daB der Beweill, auf den Kant diese Behauptung stiizt, nicht bi.indig sey, (oder polemischen Theile) dieser Schrift auszuheben, in welchem Hr A.
theils daB er mit sich selbst in Widerspruch falle, wenn er bloll den regula- seine Bemerckungen iiber aile Hauptideen der Kantischen Kritik in ge-
tiven Gebrauch der metaphysischen Grundsiize zugebe, den constitutiven driingter Kiirze vortriigt. Wir sind gr6stentheils in Absicht auf dieselbe mit
aber liiugne. Kant behauptet selbst (in der Berl. Monatsschr. Okt. 1786.), dem Hrn. Verf. einverstanden: Nur wiinschten wir, dall es ihm gefallen
dall wir einen hinreichenden subjektiven theoretischen Grund haben, haben m6chte, bey der Theorie vom U rsprunge der allgemeinsten Be griffe
aller M6glichkeit das Daseyn eines hiichsten allerrealsten Wesens zum besonders, das Gewissere von dem (767] weniger Gewissen und das Wich-
Grunde zu legen, und daB man ohne Voraussezung des Daseyns Gottes tigere von dem minder Wichtigen etwas sorgfiiltiger abzusondern.
von der Zufiilligkeit der Existenz der Dinge in der Welt, am wenigsten
aber von der Zweckmiisigkeit und Ordnung derselben, gar keinen befrie-
digenden Grund angeben k6nne. Aber wie lallt sich diell wohl mit der Be-
hauptung reimen, die in der Kantischen Kritik aufgestellt wird, dall aile
jene Schliisse ein blosses Sophisma seyen? Oder kan denn wohl irgend ein
Q:rfangen.
Urtheil oder Schlull in den Vernunftgesezen hinreichend gegriindet seyn, und Sieg der praktischen Vernunft iiber die spekulative. Dritte Abtheilung. Eine
doch zugleich den Vernunftgesezen widersprechen? - Oberdies wenn die Einladungsschrift zu der von der Friedrich-Aiexanders-Universitiit ihrem
Ideen der spekulativen Vernunft bloll dazu dienen sollen, unserm Dencken unvergelllichen Wohlthiiter, weyl. Sr Excellenz Herrn Carl Wilhelm Burette
Ordnung und systematische Einheit zu verschaffen, ohne auf etwas ob- von Ohlefeldt zu begehenden jiihrlichen Danckfeyer. Herausgegeben von
jektivreelles hinzufiihren: mit welchem Rechte schreibt denn Kant den johann Friedrich Breyer, Hochfiirstlich Brandenburgischen Hofrath, der
Ideen der praktischen Vernunft objektive Realitiit zu, und warum haben Philosophic Doktor und ord. offend. Lehrer, des Hochfiirstl. Instituts der
wir diese Begriffe, denen doch eben so wenig als jenen, Anschauung ent- Moral und sch6nen Willenschaften Altesten. 1787. 20 S. 4. Der Hr Ver-
spricht, nicht ebenfalls bloll dellwegen, urn ordentlich und systematisch f:iller, der schon im J. 1787 angefangen hat, sich das Verdienst zu machen,
handeln zu k6nnen, wenn sie gleich nichts reelles geben? Oberhaupt ist sei{BOO]nen Zuh6rern und l.esern die Obersicht einiger eigenthiimlichen
766 <Jliirnbccgifd)c gcfc~ctc ,3citung - 18. Dezember 1787
Kantischen Lehren und das Urtheil dariiber durch einen eben so angeneh-
men als lichtvollen Vortrag zu erleichtern, stellt in der vorliegenden
Schrift den Kantischen moralisch·theologischen Beweill fiir das Daseyn Got-
tes mit ausnehmender Deutlichkeit, und in dem miiglich-vortheilhaftesten
Lichte dar, und zeigt zugleich auf eine sehr einleuchtende Art, wodurch
sich Kants moralischer Glauben von dem, den die Basedowische Glau- Zur Textgestaltung
benspflicht fordert, von der moralischen Gewillheit, von der Feder, Plat-
ner u. a. in Hinsicht auf das Daseyn Gottes sprechen, und von Jacobi's
Textiinderungen
Glauben unterscheide. Der Erflillung der angenehmen Hoffnung, die uns Notiz zu den Rezensenten
der Hr Hofr. am Ende des Programms macht, sehen wir mit ungedultiger Personenregister
Begierde entgegen. Nur wlinschten wir sehr, dall es ihm gefallen miichte, Abbildungsnachweise
mit der Untersuchung, die er ankiindigt, eine kurze Vergleichung des Kan-
tischen moralisch-theologischen Beweises mit seinem iibrigen System, und
eine Gegeneinanderstellung der verschiedenen Wendungen, die Kant selbst
jenem Beweise gibt, und die nach unsern Einsichten schlechterdings nicht
mit einander vereinbar sind, zu verbinden.
Hartknoch - ]. T. Hartknoch 235, das Klima"; Anj.-Z. fMt 238" niimlich S. 260- 420 10 Das dritte Axiom ist: - ist. 422 16 apodiktisch - apodidtisch 423' gegeben
S. 160 240' Kleinigkeit. Wichtiger Punlit fMt 241' genommen werden kann. Bey werden konne, - werde 424' Mendelssohnsche - Medelsohnsche 425' die Spur
Punkt fehlt 243 6 immer nur verknlipfen, - vorkntipfen 249 18 trieb ihn an, sich entdeckt - endeckt 430' Philosophic - Philosphie 431' nicht vollauf bestimmten
Konuna. feh!t 252 16 hinzusetzt: ,Wenn - hinzusetzt. 255s ein Corollarium - - vollaus 431, und ihre Schadlichkeit - und ihrer Sch. 436" seiner Jahre - Jahren
Corolarium 256a immer vorausgesetzt, - vorausgesatzt 256s herausgelassen hatte - 437' zum Theil verschiedene - verschiede 438' Analogie, auch das durch - daJl
hatte 263,, wie andere. - Punkt fehlt 263, Dieser Zweifel, der uns - ber uns 265 16 438" sey." Er Anf-Z. fMt 438,. enthiilt, .daJl Anf-Z. fMt 438, erfodert wiirde. -
dasjenige ist, was, wenn - ist oder ist ? 266, des Mendelssohnschen Beweises - wurde 439 17 als Accidenzen - Accidenze 43919 deren Heterogenitat - derer
Mendelsohnschen 268" [170] - [160] faiscire ~inieruiUJ 271' Metapher - Metaphor 439 12 wolle dann das od"cr: denn das ? 4401J eine eitele - ein 44017 leiht man - lieht
273u weiter- gebracht, sich odCr: weiter gebracht, - sich ?? 27716 zusammendriingen 452ro {triiges, todtes) - tod es 453" als geringschiitzen." Ptutkt u. Anf-Z. fdiien
lassen; - zusammendringen 285a mit einem W'arum? - einen 290a Humes be· 454,. declamirt Hr. Tittel - Titel 454 .. keine Kraft." Punlit fMt 456' Anm. Darf -
kannter Skeptizism - Spektizism 293; die hochtrabenden Manner, es Komma. jeftft Anm. 460' als Erfahrung. Doch wir - Erfahrung." 460' 16) In unsern - 15)
30hjenes Abschn. - jene 302, Architektonik I. Punlit fMt 308oo il>tt~lau - ~onbon 462' mit einem Federwisch - Flederwisch 466n Statt Entschadigung - Satt 467' zu
320 11 in einer NoteS. 16 - S 16 325, vor (ein Postulat, - vor" 32& die mir des bezichtigen!! - bezlichtigen 469 10 Kants Werke - Kantes 469 18 Ptolemaische -
Hrn. K. - Hen. K. 328" und ein Trugschlul! seyn, - und kein Trugschlul! 329, Ptolomiiische 469, Mentklssohn - Mentklsohn 471. werde; auch - werde, auch
Wir mliBten ihr sagen: - Wir wiiBten 333s der stetigen GrOBe {quantitatis 474, Asthetik - Asthitik 475' Besitz ungliicklich, - ungliiklich 476, Kraft,
continuae); die - GrOBe; {quantitatis continuae) die 335 16 aber den Raum unci die besonders zu Urtheilen, zu - urtheilen 4786 Vervollkommnung dieser -
Zeit selbst - und Zeit 337' gebildet sind. - Punlit fMt 345, auf das Daseyn der Vervollkommung 481, Eben deswegen - beswegen 485" erregten Schwierigkeiten
ersten schlieBen - auf das erste schlieBen 346 17 unser Sehrohr und unsere Sehkraft - beregten 485 15 im Morizischen - in 488u dieselben Griinde, - Griinden,
aufs - Sehrohr aufs 346s durch diesen subtilsten Faden - sudtlisten Faden 3524 490 2 kan. Man - kan; Man 4921s erscheinen. Wenn - erscheinen; Wenn 492~~
durchgangiger, aber uncritischer - durchg3.ngig 354s Tauglichkeit zur Erreichung jedesmahliger - jedesmahligen 493,. Gesichte die - di 496, (actio in distans?);
- Erreichtung 355u mit dem Formalen - Formale 3565 kOnnen, urn tiber - und diese - distans?) diese 4961o heiBt, sich - heillt; sich 4969 daB eine Kraft - ein
tiber 3566 seiner Natur Betrachtungen anzustellen - seiner Naturbetrachtungen 500 1hinzuzusetzen - hinzu zusetzen S001s dieser Prolegomenen - Prolegomene
357, .Aile Wirkungen Anf-Z. fMt 358oo gehandelt sey, hiebey nach - sey. Hiebey 500, Definite - Difinito 501' Definition - Difinition 504, b) Was - 6) Was
359" die diesem Vorgeben doch - diesen 359,. Nachtheils willen {und - willen" 505s mlisse. - mlissen 508 17 seyn. Denn - Punkt fw~esetzt 508a Gesetze selbst
359u unci andern zugezogner Nachtheil, - zugezognen 359u warum die Maxime bleiben.) Wir Punkt ftlilt 510 14 gewissen ErkenntniB - gewissenen 5131o Wenn man
sich durch - warum sich die Maxime sich durch 3605 zu vereinigende sey, theils - - Wenu 514'" fiillt - fiilt 517" Verfassers ist, die Griinde Komma fMt 521' Werk -
seyn 361 8 mit dem Begehrungsverm6gen - BegehungsvermOgen 364, das Gesetz Werken 525" des Herrn M., - M; 529 [252]- [152]529' gehrulig werden, - gelrulig
selbst sey; wird es - sey, wird 3642 Tauglichkeit seiner Maxime - seine 3641 530" ohne den Begriff - ohne dem 53!-533 [257]6is [261] faiscire f'a9irtieru1Uj: [157]
Gesetzgebung seine Bestimmung sucht - seiner 36917 vOlligen Nonsense - 6is [161] 532. Kantischen Schriften - Kanischen 533" sich einbildet, Erfahrung -
Nonsene 372" Charakter Lessings war." Punlit fMt 373' die Allg. D. Bibliothek - einbildet. 535~ bey der Stelle - der, 537' Natur und Vernunft - Veruunft 537,.
Alg. 373, durch Disput wenig - Dispiit 377u Nro. 295 - Nro 295 379, Princip verkiindigte;" Anf-Z. Jehft 538,. mmse." Punlit fMt 539u Nicetas von Syracus zu
der Gliickseligkeit - Gliickselichkeit 380' den Leser zu reizen - dem 380" {12 gr.) allererst ri<hti9 wiire: Hicetas 539, pythagorische Lehre, .daft Anf.-Z. fMt 540' War
- {12 gr,) 381' &rings, Prof. -Bering 383' So bezweifelt- bezweifet 387• Trotz zu diese Lehre- Wer 541" .Freylich, Anf-Z. fMt 541" Sinn gekommen. - gekommen,
bieten - trotz 387• Schoos." Anf-Z. fMt 388' .Wer hat nun liis Glauben nennet?" 541, hervorgebracht worden." Anf.-Z. fMt 542' (G. d. Wiss. S. 532 f.) - S. 542'
Anf.-Z. fdiien 390' also unterrichtet ist, - unterichtet 390' fort: .Hr. Mendelssohn beybehalten haben! - beyhalten 545" verhiingt}. Die Punlit feiUt 547" Anaxagoras,
Anf-Z. fMt 392, so werdet ihr - so wer- ihr 401" der Sinnenwelt abgezogen, - sagt er Komma fMt 548' eritreischen Dialektiker - eretrischen 550' kenntnill-
Sinnewelt 402, Beweise auftreten lassen, - auftretten 4042\1 wohlthtitig die Tugend quellen sind?" Und wie, Anf-Z. feiUt 550' mit dem Ubel - den 550, wiewol an sich
for ihn Se:J; -for ihr Se:J; 406' Die Tautologie - Tartologie 406. Tittel contra Kant schon - sich sich 55216 mit ihrem Geschmacke - ihren 553 mit dem Namen -
im Dri9irmf Tittel in Antiqua kur.>iv 407> welche nun die Handlungen - Haudlungen den Namen 554u the minute Philosopher. - Philosopher, 555, Rechtsgelehr-
408, Reflexion). Allerdings Pun!it fMt 408" nothwendig seyn - sey 409" wei! es samkeit, die Konuna fohit 557" verstanden!" Anf.-Z. fMt 559,. Die Dinge selbst, sagt
geschahe - geschahe 41017 Raisonnements - Raisonnemens 4119 bei ®Dfc~cn - !Comma Jehft 559' zum Grunde liege - lege 56!, alles Untergeordnete -
®o[c~e 412' Haman fiir einen grol!en - fiir ein 412, kurz, daJl Glaube - das Unterordnete 562, Wahrheit seyn." Anf.-Z. fMt 562" Denn was - Den 564' das
Glaube 416" einzelne - einzele 419' Mendelssohnschen - Mendelsohnschen Gute behaltet. Bey - behaltet, 564' nach Vorrede. fem Kunnman aline Pnisa1Uja6<
774 :'extanderungen Texdinderungen 775
566" der Allgemeine Begril: · · · &feiUu ocfer Hervorlicli""9? 572,. Schrift - Schrifft nun 697, .Der Begriff - Anf.-Z. fdilt 700u Wizenmann - Wizemann 700, nicht,
572~ nebeneinander, welche · •eneinandrr 573 14 mit den Kategorien - mit dem noch weniger Komma. fe1iCt 7027 wahrnehmen ist nur die Veclnderung - ist uns die
577" und der Hr. Hofpredig. · . iopfrediger 577,. speculativ-gelehrte - gelelehrte 702J Wizenmann - Wi'zemann 703 9 erstrecke." Was Anf.-Z. felil't 703 19 wie die
582' doch etwas zu stark - ,. · • ' 583" synthetisch zu urtheilen - ertheilen 583, abgezogene Vorstellung- Verstellung 703\aunentscheidbar; denn nie wird- Denn
sagt er S. 85., einen - S. 85. ·· ·· ·. n 5947 die Erscheinung zu den ken vermOgen - 703uVorstellung vom Raume." §. 10. Anf.-Z. feii!t 703. oder Gefiihls konne eben so
Denken 598~ an einem Orte · ·1eln - Ore 598 11 antrifft,) "da ferner Anf-Z. Jelift sehr irre flihren- kOnnen eben so 70417 AuBer unserem eigenen- unser 704'2 den
598) auf dem Zusammenhan~ .: ;!D 601-607 sta.tt Phoronomie immer PhOonomie Begriff des Orientirens - Orientires 704" Mendelssohns - Mendelsohns 704• Ob
602 ~ Jener wird so wie - Fe:· ~-:· 602 1s dieser aber als - diese aber 6026 Sie selbst,
1
das denkende lch selbst - ob das denke Ich selbst 705" nicht iiberzeugen." §. 25
die Materie, kommt I<omnUi· · ·-·ilm 602.2 des relativen Raums, als Komma feh[t Oberzeugung von unserm Daseyn - von unsern Daseyn Anf.-Z. frli!t 709>
603 14 an einem - einen 60.~- i. diejenige - die diejenige 604 18 Grundkraft Alleinwesens - Alleinweisens 711u der moralischen - morlischen 712 10 zur
derselben. l'unkt fdilt 604" s. · · :·en die in der Widerstehungs- - sondern die Tugend etc.; sehr gut Semmofon fo1i!t 714" natiirlich genug, daB - genung 716' die
Widerstehungs- 604u sich i1> · :."traum - in Weltraum 605 14 Materie im Ganzen Kantische Lehre - Kantischen 718, heillt keinem Menschen - keinen 718, (in der
dieselbe, - dasselbe 605u de:c •. ieses sagt, was die - denn dieser 605, seinen Vorstellung). Sondern l'unkt frli!t 719" von einander unterscheiden - unterschieden
Zustand zu erhalten. l'unkt fd:.· · :9, Ding an sich, als einem Komma feli!t 610, Chr. 721' unserer Caussalitiits·Erkenntnift Bitulestridi fo1i!t 724.. affektirt." Anf.-Z. fo1i!t
Meiners - L. Meiners 617" D. .;, ist - Uberall 617, Mendelssohns -Mende/sohns 725, denkenden Wesens erstrecke, - denkenden Wissens erstrecken, 726' Sinnenwelt,
621 10 Mendelssohns spekulati·:- . :.:weise- Mendelssohn 621 12 man ihn- ihm 6226 - Sonnenwelt 729, eines Dialoges - Dialogen 734" Qualitiit - Qalitiit 734' auch
Idee einer allerersten Grundt · :>;e - Idee einer der allerersten 6246 dafi es eine dem Aristoteles - auch den Aristoteles 734t7 gemacht werden. - worden 734u muB
objektive Folge geben - obje' · 6247 Sinn; und - Sinn, und 624 17 einstweilen - ich - mullt ich 734, Hr T.: Freilich Doppefpunlit fdilt 737, daB seinem Bewulltseyn
einstwellen 624" entischer G·- · 'i.e (l) 624'8 Kategorien - Kategonien 6241o richtig - seinen 738 17 demselben Nu, demselben Komma. feli[t 73816 deutet nun der
verstandenen - verstanden philosopho Regiomontano - Regiomentano Verfasser - nun den 73916 unserem Selbst - unsern Selbst 740J aber woraus -
64 t.o als ob z. B. die - ob B. . .·: b (im 48. St. des - 48 S. 643• durch Sympathie voraus 7447 Nichtidentitat- Nichtidentiat 744:o das Zusammengesetzte - des 744,a
zu Hilfe. Punkt frli!t 647' (S. 4· : aB die Anf.-Z. feli!t 648, an dem Egoisten riigt, - Abel - Adel 744, das Unbequeme - des 744, seyn: Denn - Dann 745' wider
an den 65t.o S. 113.}: ; Beyspiel Dopp<fpunft feli!t 655, gegen den das Kantische System - des 750,7 sind. Daher - sind; 750,6 als subjectiven
Kantischpolemischen - dern · . ' der Hr Verf. l'unkt fdilt 659' (ens rotionis), ein Veriinderungen - Subjectiven 751' z. B. bey Raum und Zeit. - Bey 752,.
Komma feli!t 659m hat, bios, ,.... · ' r nicht - hat. Bios, 659, Theorien von Raum Definition - Difinition 752• allen KOrpern - KOrpere 75Y Es ist eine ganzlich
und Zeit - Theorien Raum • Begriinzung - Begiinzung 660" Verf., Punft feli!t sinnleere Frage: Es ist gii.nzlich sinnleere Frage 753' und lassen sich - und liiilt sich
660" nich~ verbinden lasse," -· ,;en," 661' Original und Kopey - Original und 755, S. 152. und - Und 756" derselben, Vollkommenheit Komma fo1i!t 761,
Korper 662' in dem ersten l . ' · Bewegung - ersten helle Bewegung 665, nicht absoluten, unbestimmten Raumes, - unbestimm 763 13 wurden, und - wurde,
dazu driingen, sie - dringen ! • } • gut der - gut, der 666s unsere Leser - Lehrer 763" wurde, nothwendig - wurden, 764,. allerrealsten Wesens - allermalsten
6696 leiden kOnne? - kOnne? '~ ~ ,Es ist gar nicht - ,Es 669 12 aufheben miisse: 766, dem Titelblatte nach - Titelblate
Ich- miisse." 679u musste, u;·· : '.l_ Komma? 681 19 Batsch- Biitsch 6821s ,Haben Sie
Kant gelesen?" Anf.-Z. o&en fc ·· .- "" S. 388.} die Erkliirung - Die Erkliirung 686,
S. 15}, das zuerst- S. 15}. D. . "'•erst 686, gehort sie doch, den Komma fdilt 688"
davon vorzustellen §. 9., das ·. : Kmnma frli!t 688n erkliirt Hr. F., warum - H. F.
689' Hr. K. aber wiirde nocb · K. 690' Nun, die mathematischen Grundsiitze
Komma frJi!t 690. a priori - a; ."'i 691' die weise Lehre giebt: - .also Anf.-Z. frli!t
691n die Verbindlichkeit hab .'ire Begriffe Anf.-Z. feli!t 692" unter einer - unte
692,o Unheils, was ist sie ,, .. ;,: !(omma. foiilt 6932 oder Kategorien, darzuthun?
Komma frJi!t 693' verfahren? I'."' eelS - der aus 694' Je nun, da hat er Kmnma frli!t
694" Begriffe von - Begriff' ;.,. Oder heillt das etwa Hr. K., aus dem Begriffe
herausgehen, - Oder heiBt C . , -. ·.va, Hr. K. aus dem Begriffe herausgehen, 69610
.Der Begriff von 12 ist Anf:...' ' it 696, gar nicht - gar-nicht 697' die Summe
niemals finden kOnnten." Au:.. ::::.: - kOnnten. ,Aus 6971 wird; da nun dieB- Da
Notiz zu den Rezensenten 777
Briefe an Kant nahelegen bzw. beweisen, von dem Hauptredakteur der A. L. Z.,
Notiz zu den Rezensenten Chr. Gottfr. Schiltz; er diirfte auch Platners »Aphorismen« besprochen haben. Mit
Sicherheit ist auch die Rezension der Mendelssohnschen »Morgenstunden« von
ihm, wahrscheinlich aber auch die Besprechungen von Jacobis Spinoza~Buch und
der >>Resultate«.
Bei einigen Fachzeitschriften mit bekanntem Herausgeber gingen die Leser da-
Aus den Briefwechseln Kants und Hamanns geht hervor, daB die Rezension von
von aus, daB der Herausgeber, wenn nicht anders angegeben, zugleich der Autor
Ulrichs Compendium (Dez. 1785) von ]. Schultz stammt und diejenige tiber
der Beitrage ist, wie z. B. bei Lossius' Ubetfldjt bet neue[len 'P~I(o[op~i[djen ~ittetatut,
Meiners' Philosophiegeschichte {April 1787) Chr.]. Kraus zum Verfasser hat.
Casars :Oenfroiitbigfeiten auo bet p~i(o[op~i[djen 'llleft, Doderleins ~uoede[ener t~eo(o•
Weishaupts Schrift »tiber Materialismus und Idealismus« wurde von C. L.
gi[djet !l;iofiot~ef, Blischings 'lllodjentHdjen 91adjridjten und Bacmeisters Cl!u[li[djer
Reinhold besprochen. {»Korrespondenz 1773-1788«, S. 416)
il3iofiot~er.
Bei den »gelehrten Zeitungen« oder »gelehnen Anzeigen« kommen als Autoren \!lot~ai[dje gele~rte .8eitungen. A. Weishaupt, .Ober die Kantischen Anschauungen
vor allem Professoren einer dortigen {z. B. Leipzig, Jena, Greifswald) oder nahen und Erscheinungen«, Nlirnberg 1788, S. 129 f., weist auf S. H. Ewald als einen
Universitat {Altdorf flir die •Ntirnb. gel. Z.«, Giellen flir die »Frankf. g. A.«) bzw. ,der friihesten, eifrigsten und einsichtsvollesten Verehrer, und thatigsten Verbreiter
eines dortigen Gymnasiums {z. B. Altona) in Frage. Annahernd vollstandige des Kantischen Systems" hin und nennt ihn als Rezensenten eines seiner eigenen
Rezensentenverzeichnisse gibt es m. W. nur fUr die »GOttingischen Anzeigen« und Werke. Auch C. L. Reinhold nennt Ewald in seinen »Beytriigen zur leichtern
die •Allgemeine deutsche Bibliothek«. Bei den tibrigen allgemeinen gelehrten Obersicht des Zustandes der Philosophic beym Anfange des 19. Jahrhunderts«,
Zeitschriften ist man auf Nachweise in Antikritiken, Repliken, Briefwechseln, Zweytes Heft, Hamburg 1801, S. 2, als Rezensenten der »Critik« {August 1782).
Biographien, gesammelten Werken, Nachliissen etc. angewiesen.
3enai[dje gele~tte ~n;eigen. Ulrich ist nach Reinholds Angabe {Brief an Kant vom
\!lottingi[dje ~n;eigen uon ge(e~tten <eladjen. Die Rezensenten sind in den in 12. Okt. 1787) der Rezensent von Feders »Raum und Caussalitat«; auch weitere
GOttingen und Tiibingen vorhandenen Exemplaren verzeichnet, auBerdem bei Rezensionen dicscs Jahrgangs sind offenkundig von Ulrich, darumer auch - wie
Oscar Fambach, »Die Mitarbeiter der GOttingischen gelehrten Anzeigen iiblich bei einem Mitarbeiter einer gelehrten Zeitung - die Selbstrezension der
1769-1836«, Tlibingen 1976. »Eleutheriologie«.
Die Rezension der •Critik« Qanuar 1782) ist bekanntlich J. G. H. Feders
Cl!ai[onnltenbeo Qlet;eidjnij neuet !l;tidjet. {Konigsberg) Rezensent des »Versuchs einer
Zusammenfassung der {spater in der »Allg. dt. Bib!.« abgedruckten) ausflihrlichen
Anleitung zur Sittenlehre« ist bekanntlich Kant.
Besprechung Garves. Feder hat auch bis auf die folgenden aile librigen Rezensio-
nen verfaBt: die Tiedemannschen Aufsatze wurden durch Heyne oder Hissmann, 91eue ~eip;iget \!lele~tte .8eitungen. Fr. Gl. Born hat nicht our eine Rezension
Meiners' Seelenlehre durch ihn selbst (Okt. 1786) und die »Denkwlirdigkeiten aus namentlich unterzeichnet, er diirfte auch die anderen Besprechungen von Werken
der philos. Welt« (Okt. 1787) durch Buhle angezeigt; Berings Dissertation sowie Abels verfailt haben.
Kants »Metaphysische Anfangsgrlinde der Naturwissenschaft« hat A. G. Kastner
'lJlaga;in bet 'P~i(o[op~ie unb [djonen ~lttetatut. {Mainz) Die Abkiirzungen ~b. und
rezensiert. ~. :0. bedeuten wohl: Anton Dorsch.
~Ugemeine beut[dje il3iofiot~ef. Fast aile am Ende der Rezensionen vorkommen-
:tlloingi[dje gele~tte ~n;eigen. Hauptrezensent flir Philosophic war ]. E Flatt. Eine
den Chiffren sind bei G. Parthey, .Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai's All-
Reihe von Rezensionen enthalten Verweise aufeinander, so daB damit Flatt fiir sie
gemeiner Deutscher Bibliothek«, Berlin 1842, aufgelost, die Chiffre 'lJlbro. flir
als Autor feststehen dlirfte.
Garves Rezension der »Critik« allerdings nicht. Lamberts Briefwechsel wurde von
Riem (Tb.) und Tiedemanns Aufsatze wurden von Heinze (Jl.) angezeigt; die :teut[djet 'lJletfut. Der Pfarrer von • • • ist bekanntlich C. L. Reinhold.
Sammelrezension zu Mendelssohn, Jacobi u. a. verfailte]. A. Eberhard (Gb.); aile
gele~rte ~n;eigen. Rezensent von Feders »Raum und Caussalitat« ist der
'lllir;ourget
weiteren Rezensionen Stammen von H. A. Pistorius (Sg., 'Jtr.). Theologe E Berg. (vgl. J. B. Schwab, »Franz Berg•, Wlirzburg 1869)
ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG. Die Rezensionen zu Herders »Ideen«
und Hufelands »Grundsatz des Naturrechts« stammen bekanntlich von Kant. Die
Darstellungen von Kants »Grundlegung« {April 1785) und der »Critik« im Zusam-
menhang mit den >)Prolegomena« und Schultz' »Erl3uterungen« sind, wie es seine
Personenregister 779
Platner, Ernst (1744-1818) 76, 160, Schwickert (Buchh. in Leipzig) 197 f., Tiedemann, Dietrich (1748-1803) 426, 481, 498, 524-26, 554 f., 657,
197-98, 198-203, 229, 250, 277, Search(~ Tucker, Abraham, 1705-74) 77-78, 82, 154, 155, 222-23, 298, 685
306, 312, 426, 461, 500, 515, 528, 226,313 506,556,564,631,651 Wollaston, William {1660-1724) 561
563, 631, 670, 766 Selle, Christian Gottlieb (1748-1800) Tittel, Gottlob August (1739-1816) Xenophanes 542, 543, 544, 545
Plato u. Platonische Philos. 161, 258, 306 225-29, 378-80, 398-99, 403, Zenon 542, 547
463,480,497,518,542 Sextus 298, 532, 545, 558, 666, 672 405-06, 407-09, 450-69, 472-73, Zimmermann, J. Georg (1728-95)
Plutarch 537, 538, 539 Shaftesbury, Earl of (Anthony 733 233
Priestley, Josef (1733-1804) 28, 80 Ashley-Cooper, 1671-1713) 554 A. Treuer, Gottl. Sam. (1683-1743) 306 Zollner, J. Friedrich (1753-1804) 306
Proft (Buchhandler) 431, 634 Sokrates 258, 498, 524 f., 542, 550, Tycho Brahe (1546-1601) 469
Ptolemaus 469 553 Ulrich, J. August Heinrich (1746 his
Pufendorf, Samuel (1632-94) 306 Sommer (Buchh. in Leipzig) 505 1813) 78, 142-44, 144-45, 145-47,
Pyrrho, Pyrrhonismus 285, 332 Spazier, Karl (1761-1805) 436-441 227, 240, 243-48, 266, 294, 298-99,
Pythagoras, Pythagoreer 505, 536-43, Spener (Buchhandler in Berlin) 82, 306, 309-13, 313-18, 377, 381, 506,
Ramler, Karl Wilhelm ( 1725-98) 443 83, 119, 182 509, 515, 608 f., 634, 676, 728,
Raphe!, Georg (1673-1740) 634 Spinoza, Baruch (1632-1677) und 745-46
Rehberg, August Wilhelm (1757 his Spinozismus 240-42, 250, 258, 264, Unzer, J. August (1727-99) 226
1836) 617-23, 652-55 271-73 f., 283, 287, 293, 295, 302, Varrentrapp (Buchh. in Frankfurt a.
Reichardt, J. Friedr. (1751-1814) 369 308, 330, 368-72, 384 f., 392, M.)77, 222
Reid, Thomas (1710-96) 80, 86, 228, 411 f., 420, 422, 427, 429, 432, 443 Vasquez, Gabriel (1551-1604) 293
290 A, 488 f., 499, 502, 521, 544, Voltaire (1694-1778) 273, 478, 535,
Reimarus 200, 298 558 f., 585, 617, 620, 622, 635, 653, 548
Reimarus, · J. Albert Heinrich 704, 709f., 722 f., 726, 737, 758 Vofl (Buchhandler in Berlin) 249,
(1729-1814) 298, 613-17, 700-11, Stahlbaum (Buchh. in Berlin) 24 262, 295, 368, 441
724-27, 739, 757-62 Stanley, Thomas (1625-78) 538 Wald, Samuel Gottlieb (1762-1828)
Reinhold, Carl Leonhard (1758-1823) Sterne, Lawrence (1713-68) (121 A), 577
119-32 (Autor), (469), (552), {621), 682 Wallis 634
624, 681 Stobaus 537 Weishaupt, Adam (1748-1830)
Rousseau, Jean Jacques (1712-78) 507 Stoiker 6, 365, 653 409-11, 414-15, 415-17, 470-71,
Sallust 432 Strabo 540 473-74, 490-95, 645-50
Sanchez 293 Strankmann (Buchhandler in J en a) 78 Wenner (Buchhandler in Frankfurt a.
Saunderson 334 Sulzer, J. Georg (1720-79) 86, 89, M.) 77,222
Schlettwein, J. Aug. (1731-1802) 306 160, 306, 462, 633 Wiegleb, J. Christian (1732-1800)
Schmaufl,J. Jacob (1690-1757) 306 Swift, Jonathan (1667-1745) 700 542
Schmid, Karl Christian Erhard (1761 Syrbius, J. Jacob (1674-1738) 9 Wieland, Christoph Martin (1733 bis
his 1812) 240, 380, 382, 434, 447, Terrasson,Jean(1670-1750) 149 1813) (119) 433, 635
448,472,485,486,514,644,658 Tetens, J. Nikolaus (1736-1807) 250, Wizenmann, Thomas (1759-1787)
Schultz, Johann {1739-1805) 64, 139, 287,290, 300, 311, 483 f., 657 383-98, 411-14, 417-18, 426-31,
140-42, 147-82, 223-25, 326-52, Thales 537, 538,540, 541 {445) (446) 486-90, 506, 560, 562,
367,402,485,500,577,595,658 Theophrast 539 (617), 700, 702,711, (757)
Schulz, J. Heinr. (1739-1823) 24-30 Thomas294 Wolf, G. J. F. 505-07
Schulz, J. Ernst 577 Thomasius, Christian (1655-1728) Wolff, Christian (1679-1754) und
Schlitz, Christian Gottfried (1747 his 306 Wolffsche Philos. 76, 80, 120, 138,
1832) 432-34, 635 Thucydides 139 157 f., 184, 220, 306, 372, 381 f.,
Abbildungsnachweise