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Monotheismus 21.01.2021 Ebook

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Titel: Die Lehre des Monotheismus - Eine theologische und

geschichtswissenschaftliche Erarbeitung der ursprünglichen


Lehre des Monotheismus aus den frühesten Quellen des Islam
Autor: F. Qarar
Druckausgabe: E-Book in Farbe

Erscheinungsdatum: 01/2021
©
2021 im Eigenverlag
Format: 6“ x 9“ / 208 Seiten
Gestaltung von Titelseite und Innenlayout: www.islamwissenschaft.net

Webseite des Verfassers: www.islamwissenschaft.net


E-Mail des Verfassers: [email protected]
Zu diesem Buch
Bekanntermaßen werden im Allgemeinen drei Religionen als monotheistisch
bezeichnet, in chronologischer Reihenfolge sind diese das Judentum, das
Christentum und der Islam. Diese drei Religionen werden auch als die soge-
nannten abrahamitischen Religionen bezeichnet, weil sich jede davon auf
Abraham bezieht.
Die vorliegende Abhandlung soll dazu dienen, die Lehre des Monotheismus
möglichst authentisch aus den frühesten Quelltexten des Islam herauszuar-
beiten. Dabei geht es vor allem um die Frage, was den primären Inhalt des
islamischen Monotheismus-Verständnisses ausmacht und wie dieser in den
Quelltexten des Islam definiert wurde.
Das Buch ist dabei sowohl für denjenigen Leser geeignet, der sich zum Islam
bekennt, als auch für Anhänger anderer Religionen, die mehr über den Islam
und seine Kernaussage bzw. über das frühe Verständnis des Monotheismus
an sich erfahren wollen.
In einer umfassenden Einführung wird zudem auf die essentielle Rolle der
Überlieferung in Religionen ganz allgemein eingegangen und dabei ein reli-
gionsvergleichender Blick auf die abrahamitischen Religionen geworfen. In
diesem Zuge wird von verschiedenen Blickwinkeln gezeigt, welch einzigartige
Position die islamischen Überlieferungswissenschaften im Bereich der histo-
rischen Überlieferung einnahmen.

Über den Autor


F. Qarar ist ein österreichischer Theologe und Buchautor. Er studiert die isla-
mischen Wissenschaften seit Mitte der neunziger Jahre und verbrachte zu
diesem Zweck mehrere Jahre in der arabischen Welt. Er studierte an ver-
schiedenen Fakultäten sowohl in Kairo als auch in Damaskus.
Im Rahmen seiner Studien lernte er den Koran und andere arabische Quell-
texte sowie arabische Gedichte auswendig. Er publizierte zahlreiche Schrif-
ten in deutscher und arabischer Sprache in verschiedenen Bereichen der is-
lamischen Wissenschaften.
Seine Studienschwerpunkte sind vor allem die Glaubensgrundlagen des Is-
lam, Analyse und Vergleich verschiedener religiöser Strömungen, theoreti-
sche und angewandte ḥadīṯ-Wissenschaften, Grundlagen der Überlieferung
sowie religionsvergleichende Studien.

Die Lehre des Monotheismus
Eine theologische und geschichtswissenschaftliche Erarbeitung
der ursprünglichen Lehre des Monotheismus
aus den frühesten Quellen des Islam

Verfasst von F. Qarar


Die Lehre des Monotheismus

Inhalt

Umschrift-Tabelle 12

Vorwort über juristische Belange 14


Versuche der Kriminalisierung islamisch-theologischer Inhalte 15
Irrige Behauptungen Dr. Guido Steinbergs: Exkommunikation und
Tötungslegitimation 16
Die Unkenntnis Steinbergs über das Wort takfīr 16
Der Fehlschluss, takfīr wäre eine uneingeschränkte Tötungslegitimation 17
Hinweis auf den islamrechtlichen Begriff der munāfiqīn/Heuchler 18
Fazit zum Thema des angeblichen Takfirismus 20
Was mit diesem Buch somit nicht bezweckt wird 23

Einführung 25
Hinweise zu diesem Buch 27
Die essentielle Rolle der Überlieferung in allen Religionen 28
Judentum und Christentum im Hinblick auf authentische Überlieferung –
Textkritik, Bart D. Ehrman und seine Kritiker 29
Der Islam in diesem Bezug 34
Die islamischen Quellen: Koran, Sunnah und Konsens 41
Die Überlieferer der islamischen Quelltexte und die Bedeutung des Ausdrucks
ahlu s-sunnati wa-l-ǧamāʿah 45
Die Entstehung von Abspaltungen - Der ḥadīṯ über die firaq/Sekten 47
Die zunehmende Veränderung religiöser Lehren im Allgemeinen 50
Die eigentliche Aussage des Monotheismus im Islam und das weitverbreitete
Missverständnis darüber 52

Der Monotheismus in der Anbetung als Grundlage des Islam 54


Die Erklärung des Wortes Islam durch den Propheten  54
Der Unterschied zwischen dem Fundament des Islam und den darauf
aufbauenden Gesetzen 55

7
Die Lehre des Monotheismus

Die Möglichkeit der Entschuldigung durch Unwissenheit 55


Die Unterschiedlichkeit der Rechtsvorschriften bei den
verschiedenen Propheten  56
Die Tatsache, dass als erstes zum tauḥīd aufgerufen wird und erst
danach zu den einzelnen Riten, Geboten und Verboten 59
Der tauḥīd/Monotheismus ist das Fundament des Islam 62

Die Bedeutung des Glaubensbekenntnisses in den frühen Quellen


des Islam und das Fehlverständnis darüber 64
Die vorislamischen Götzendiener glaubten an einen einzigen Schöpfer 65
Der Koran-Vers „Hat er etwa die Angebeteten zu einem einzigen
Angebeteten gemacht?!“ 66
Der Aufruf der Propheten und die Antwort ihrer Völker darauf 68
Der Vers: „So gesellt Allah keine Ebenbürtigen bei, wo ihr (es) doch
(besser) wisst.” 69
Der Vers: „Mache uns einen Angebeteten (ilāh), wie diese hier auch
Angebetete (ālihah) haben“ 71
Der Vers: Und wenn du sie fragst: „Wer hat die Himmel und die
Erde geschaffen …“ 72
Die Behauptung, Polytheismus wäre immer mit der Idee einer zweiten
Gottheit verbunden 74
Die Bedeutung der beiden Begriffe rabb und ilāh 76
Zur weiteren Einteilung des tauḥīd in ar-rubūbiyyah, al-ulūhiyyah und al-
asmāʾu wa-ṣ-ṣifāt 77

Der Aufruf zum ursprünglichen Monotheismus damals und heute 81


Der Aufruf der Propheten  und die Reaktion der Menschen 81
Die Zeit der Fremde 83

Die Bedeutung des Wortes „Islam“ 84


Die Wichtigkeit der Bezeichnungen in der Religion und des Wortes Islam im
Speziellen 84
Die sprachliche Bedeutung des Wortes „Islam“ und der Wortwurzel salima 84

Die Anwendung der Wortwurzel salima im Koran - Das Gleichnis


des Monotheisten und des Polytheisten 86
Die Sprachgelehrten über diesen Vers 86
Aṭ-Ṭabarī über diesen Vers 89

8
Die Lehre des Monotheismus

Was durch das bereits beschriebene Fehlverständnis aus diesem Vers folgen
müsste 92

Die sprachliche Bedeutung des Wortes Islam und wie sich diese
aus dem Verb und der Wortwurzel ergibt 95
Die Bedeutung des Verbs aslama 95
Der Zusammenhang zwischen der Wortwurzel salima und dem davon
abgeleiteten Verb aslama 96

Die deutliche Erklärung des Wortes Islam im Koran 98


Die „Hingabe des Gesichts“ ist der iḫlāṣ 101
Das Gedicht von Zaid ibnu ʿAmr ibni Nufail  103

Der Polytheismus 105


Die Bedeutung der Begriffe „kleiner širk“ und „großer širk“ 107
Die Formen des širk entsprechend der Einteilung des tauḥīd 109
Die Bedeutung der ʿibādah/Anbetung 111
Der große širk ist die Gleichstellung Allahs und Seiner Geschöpfe in Dingen,
die dem Schöpfer zu eigen sind 114
Der širk der Araber in der Fürsprache (šafāʿah) 117

Das unerlaubte Ausschließen eines Muslims aus dem Islam 121


Die Bedeutung des Wortes takfīr 121
Der Irrweg der ḫawāriǧ 122
Die Verurteilung des unerlaubten takfīr durch den Propheten  selbst 123
Die Urteile der šarīʿah beziehen sich nur auf das äußerlich Sichtbare 124
Der Grundsatz der Entschuldigung durch Unwissenheit (al-ʿuḏru bi-l-ǧahl) 125
Warum und wann die Unwissenheit über Teile der Offenbarung entschuldbar
ist 126

Der Unterschied zwischen Polytheisten und Monotheisten in der


islamischen Theologie 128
Islam bedeutet iḫlāṣ - Kein Polytheist erfüllt den iḫlāṣ 128
Der Islam ist die ḥanīfiyyah - Ein Polytheist ist kein ḥanīf 130
Der Islam ist die Religion von Abraham (millatu Ibrāhīm) - Der Polytheist
widerspricht dieser fundamental 132

9
Die Lehre des Monotheismus

Wäre der Islam ein bloßes Lippenbekenntnis, müssten die


arabischen Götzendiener Muslime gewesen sein 133
Islam bedeutet Lossagung vom ṭāġūt - Der Polytheist erfüllt dieses Prinzip
nicht 134

Der širk als Gegensatz zum Islam 137

Allah vergibt die Sünde des širk nicht – außer durch reuige
Umkehr 142

Nur eine monotheistische Seele betritt das Paradies 143


Der Polytheist erfüllt den Sinn der Schöpfung und Religion nicht 144

Der „unwissende Polytheist“ kennt die Bedeutung des


Glaubensbekenntnisses nicht 146

Ein Polytheist kann nur durch taubah vom širk in den Islam
eintreten 147

Der širk vernichtet alle guten Taten 149


Der Widerspruch zum Koran in diesem Bezug 152

Widersprüchliche Folgen 153


Die Konsequenz der Gleichbehandlung aller unwissenden Polytheisten 153
Wer eine Art des širk ignoriert, muss alle anderen auch ignorieren 154
Viele Polytheisten müssten noch eher Muslime sein als jene, die sich heute
zum Islam bekennen 155
Ein Widerspruch zu Koran, Sunnah und Konsens in vielerlei Hinsicht 156
Die Mehrheit der Menschen verfällt in den širk durch Unwissenheit 157

Das Wort mušrikūn im Koran umfasst immer auch den


unwissenden Polytheisten 159

Fehlerhafte Methoden der Beweisfindung 165


Das Befolgen mehrdeutiger Offenbarungstexte und Gelehrtenaussagen 166

10
Die Lehre des Monotheismus

Gelehrtenaussagen an sich sind kein eigenständiger Beweis 173

Beispiele für fehlerhafte Argumentationen mit Quelltexten oder


Gelehrtenaussagen 175
Der ḥadīṯ über ḏātu anwāṭ 175
Jene Prophetengefährten verlangten eine Handlung, die nicht als
großer širk einzuordnen ist 176
Warum der Prophet diese Bitte mit Nachdruck ablehnte 177
Dinge, die das Gesagte verdeutlichen und bekräftigen 178
Der ḥadīṯ von Muʿāḏ ibnu Ǧabal  181
Das richtige Verständnis dieses ḥadīṯ 182
Absurde Folgen der falschen Auslegung dieses ḥadīṯ 183

Diverse Behauptungen 186


„Die Fehler sind den Muslimen verziehen“ 186
Ein widersprüchliches Beispiel 188
„Jemand, der unter Zwang širk begeht, ist auch kein mušrik“ 190
„Wenn der kufr durch Unwissenheit entschuldigt sein kann, müsste dies auch
für den širk gelten“ 192
Das richtige und falsche Verständnis der Hinderungsgründe des takfīr
(mawāniʿu t-takfīr) 193

Schlusswort 196

Hinweise zur Umschrift 198


Anmerkungen zur Formatierung sowie Groß- und Kleinschreibung der
Wörter, die in DMG-Umschrift wiedergegeben werden 200
Chronologisches Verzeichnis der frühislamischen Autoren 201
Quellenverzeichnis 202

11
Die Lehre des Monotheismus

Umschrift-Tabelle

DMG- Arabischer
Name Aussprachehilfe
Umschrift Buchstabe

ā ‫ا‬ alif langes a wie in Saat

b ‫ب‬ bāʾ Wie deutsches b

d ‫د‬ dāl Wie deutsches d

ḍ ‫ض‬ ḍād dunkel-dumpfes d

Stimmhaftes engl. th, etwa wie im


ḏ ‫ذ‬ ḏāl
britisch ausgesprochenen „mother“

f ‫ف‬ fāʾ wie deutsches f

ǧ ‫ج‬ ǧīm Wie deutsches dsch in „Dschungel“

ähnlich deutschem Gaumenzäpfchen-r in


ġ ‫غ‬ ġain
„Rasen“, aber weicher

wie deutsches h,
h ‫ه‬ hāʾ
aber immer konsonantisch und behaucht

ḥ ‫ح‬ ḥāʾ Stark behauchtes h, wie im arab. „Aḥmad“

ḫ ‫خ‬ ḫāʾ Wie rauhes deutsches ch in „Bach“

k ‫ك‬ kāf wie deutsches k

l ‫ل‬ lām wie deutsches l

ḷ ‫ل‬ lām dunkles l wie im englischen „well“


mufaḫḫamah

m ‫م‬ mīm wie deutsches m

n ‫ن‬ nūn wie deutsches n

12
Die Lehre des Monotheismus

DMG- Arabischer
Name Aussprachehilfe
Umschrift Buchstabe

Tiefes, hinten am Gaumensegel


q ‫ق‬ qāf
gesprochenes k

r ‫ر‬ rāʾ Gerolltes Zungenspitzen-r

s ‫س‬ sīn Stimmloses s wie in „Haus“ oder „Maß“

š ‫ش‬ šīn wie deutsches sch

ṣ ‫ص‬ ṣād dunkel-dumpfes stimmloses s

t ‫ت‬ tāʾ Wie deutsches behauchtes t

ṭ ‫ط‬ ṭāʾ dunkel-dumpfes unbehauchtes t

ṯ ‫ث‬ ṯāʾ Stimmloses engl. th wie in „thank you“

rundes Lippen-w wie in engl. „what“ /


w/ū ‫و‬ wāw
langes ū wie in „Buch“

wie deutsches j in „jagen“ /


y/ī ‫ي‬ yāʾ
langes ī wie in „Tiger“

z ‫ز‬ zāy Stimmhaftes s wie in „Sand“

ẓ ‫ظ‬ ẓāʾ dunkel-dumpfes stimmhaftes engl. th

Knacklaut wie in „’Apfel“


ʾ ‫ء‬ hamzah
oder „be’achten“

Im Rachen gebildeter Reibelaut


ʿ ‫ع‬ ʿain
wie in arab. „Kaʿbah“

• Kurze Vokale: a, i, u; lange Vokale: ā, ī, ū.


Weitere Hinweise finden sich am Ende dieser Schrift.

13
Die Lehre des Monotheismus

Vorwort über juristische Belange


Das vorliegende Buch ist eine theologische Abhandlung über zentrale Fra-
gestellungen in Bezug auf die Glaubensgrundlagen des Islam. Dabei geht
es vor allem um die Frage, was den primären Inhalt des islamischen Mo-
notheismus-Verständnisses ausmacht und wie dieser Inhalt in den frü-
hesten Quelltexten des Islam wiedergegeben und definiert wurde.
Da die gegenwärtige Diskussion um den Islam, vor allem in westeuropäi-
schen Ländern und insbesondere im deutschsprachigen Raum, einen Zu-
stand erreicht hat, der mittlerweile auch eine wissenschaftliche Abhand-
lung innerislamischer theologischer Diskurse nicht mehr zulässt, ist es
unerlässlich dieser Problematik hier schon zu Beginn dieses Buches ein
eigenes Vorwort zu widmen.
Im Folgenden wird dazu in einigen Abschnitten auf die zunehmende Kri-
minalisierung islamisch-theologischer Inhalte hingewiesen und auf einige
absurde Behauptungen eingegangen, die auch zum Thema dieses Buches
einen starken Bezug haben1.
In Anbetracht der derzeitigen, häufig unwissenschaftlichen und irrationa-
len Diskussionen zu allem, was mit dem Thema Islam zu tun hat, sei so-
wohl Muslimen als auch Nicht-Muslimen angeraten dieses Vorwort zu le-
sen. Zu viele Menschen geben ihre Meinung zum Besten, ohne sich
jemals in fundierter Weise mit der islamischen Theologie befasst zu ha-
ben – auch solche, die aufgrund irgendwelcher Randkenntnisse, bei-
spielsweise aus den Politikwissenschaften, als große Kenner des Islam sti-
lisiert wurden.
Ein prominentes Beispiel, das in diesem Vorwort angesprochen werden
soll, ist der Politikwissenschaftler Guido Steinberg, dessen gutachterliche
Tätigkeit in Bezug auf islamisch-theologische Belange aufgrund unwissen-
schaftlicher und teils hochspekulativer Vorgehensweise bereits zu zahl-
reichen Fehlschlüssen und Falschbehauptungen führte, welche gerne bei

1 Um manchen Lesern eine Wiederholung zu ersparen, sei hier darauf hinge-


wiesen, dass dieses Vorwort – bis auf einige Fußnoten – auch in einer weite-
ren Abhandlung vom Verfasser des vorliegenden Buches, mit dem Titel „Das
islamische Glaubensbekenntnis“, angeführt ist.

14
Die Lehre des Monotheismus

der mittlerweile faktisch bestehenden Gesinnungsverfolgung von Musli-


men missbraucht werden.

Versuche der Kriminalisierung islamisch-theologischer Inhalte


Es ist wichtig am Anfang dieser Schrift verstärkt darauf hinzuweisen, dass
es sich dabei lediglich um eine theologische Diskussion des Themas han-
delt.
Wird heutzutage das islamische Glaubensbekenntnis hinsichtlich seiner
Inhalte und Bedingungen thematisiert, kommt bei manchen Menschen
sehr schnell der Gedanke auf, man wolle letztlich nur darauf hinaus, an-
deren Menschen den Glauben abzusprechen. Genau das ist jedoch nicht
der Grundgedanke hinter diesem Buch, weshalb Vorwürfen solcher Art
auch dieses Vorwort gewidmet ist.
Noch verheerender wäre die grob fehlerhafte Annahme, der Verfasser
würde nur darauf abzielen, anderen Menschen den Islam abzusprechen,
um sich dadurch über sie zu erheben oder gar ihre Tötung zu legitimieren.
Eine derartige Unterstellung bei jeglicher Befassung mit dem Thema als
Grundannahme zu formulieren, ist absurd und macht jede vernünftige
und seriöse Befassung damit unmöglich.
Wer solche pauschalen Annahmen äußert, der leidet unter klarem Wis-
sensmangel im Bereich der islamischen Theologie oder der Theologie
ganz allgemein – oder aber es handelt sich um eine bewusste Verun-
glimpfung, um vorsätzlich jeden ins kriminelle Licht zu rücken, der es
wagt die islamischen Glaubensgrundlagen auch nur anzusprechen.
Im deutschsprachigen Raum scheint man sich derzeit zunehmend dieser
Art der absurden Argumentation zu bedienen, um Muslime zu verun-
glimpfen und schließlich juristisch zu verfolgen2.

2 Hierbei muss man sich darüber im Klaren sein, dass Muslime durch derar-
tige Methoden letztlich daran gehindert werden, die eigene Religion anhand
ihrer Quellen theologisch zu untersuchen. Gleichzeitig wird – vor allem in der
westlichen Welt – vermehrt ein völlig ahistorischer und quellenfremder Is-
lam forciert.
…--

15
Die Lehre des Monotheismus

Irrige Behauptungen Dr. Guido Steinbergs: Exkommunikation


und Tötungslegitimation
Sogenannte Islam-Experten werden beauftragt theologische Publikatio-
nen zu begutachten, wobei sie weder die islamische Theologie und die
islamischen Wissenschaften, noch die sogenannten „Islamwissenschaf-
ten“ – welchen geschichtlich und strukturell eine westliche Sicht imma-
nent ist – oder Theologie im Allgemeinen studiert haben.
Wird heute über die Glaubensgrundlage des Islam und die Bedingungen
des Glaubensbekenntnisses gesprochen, dann wird sehr schnell der Vor-
wurf erhoben, man würde Leute dadurch automatisch „exkommunizie-
ren“.
Zu dieser falschen Prämisse gesellt sich eine zweite, weit verheerendere,
nämlich, dass jene (angebliche) Exkommunikation mit einer Tötungslegi-
timation einhergehe.
Ein Beispiel hierfür sind die Worte Guido Steinbergs, der nach dem oben
beschriebenen Muster über den Weg der Politikwissenschaften zum an-
geblichen Islam-Experten wurde und solcherlei Behauptungen ausdrück-
lich formuliert.

Die Unkenntnis Steinbergs über das Wort takfīr


Der erste grobe Fehler in diesen Gedankengängen liegt in einer Unkennt-
nis über die Bedeutung des arabischen Wortes takfīr, welches gemeinhin
als Exkommunikation übersetzt wird. Bei dem Wort Exkommunikation
handelt es sich jedoch um einen kirchlichen Begriff, bei dem manch einer
vielleicht an die Gräueltaten der kirchlichen Inquisition denkt.
Das Wort takfīr hat jedoch im sprachlichen Ursprung die Bedeutung, je-
manden als Nicht-Muslim zu betrachten, sei diese Betrachtung auch eine
rein persönliche und innerliche Angelegenheit.

Unter solchen Umständen stellt sich die Frage, was nun mit „Religions-, Glau-
bens-, und Meinungsfreiheit“ in Bezug auf den Islam und die Muslime ge-
meint sein soll. Diese Frage werden sich Muslime und Nicht-Muslime in die-
sen Ländern in der kommenden Zeit wohl vermehrt stellen müssen.

16
Die Lehre des Monotheismus

Nicht jedoch ist der takfīr von Grund auf gleichzusetzen mit einem bin-
denden rechtlichen Dekret, das in der gesamten Gesellschaft rechtliche
Gültigkeit hat.

Der Fehlschluss, takfīr wäre eine uneingeschränkte


Tötungslegitimation
Der zweite grobe Fehler besteht in folgender falscher Schlussfolgerung:
Wer jemanden als Nicht-Muslim betrachtet, hätte damit unbedingt seine
Tötung legitimiert oder gar in Auftrag gegeben.
Diese absurde Vorstellung verkennt etliche theologische Tatsachen.
Zum einen muss erwähnt werden, dass die Idee, ein Muslim müsse einen
jeden Nicht-Muslim nach Möglichkeit immer und überall bekämpfen,
völlig irrsinnig ist.
Die Vorstellung, ein jeder Nicht-Muslim wäre laut islamischer Sicht für die
Muslime Freiwild, das getötet werden dürfte und bei bestehender Mög-
lichkeit auch sollte, widerspricht grundsätzlichen Prinzipien des Islam
und lässt sich auch mit der gesamten islamischen Geschichte überhaupt
nicht vereinbaren.
Es wäre sicher wichtig, diesen sehr grundlegenden Sachverhalt näher
auszuführen, was jedoch beim Thema dieses Buches nicht angemessen
umgesetzt werden kann.
Abgesehen vom eben Gesagten muss jener abstrusen These auch entge-
gengesetzt werden, dass das islamische Recht zahlreiche Zustände kennt,
in denen es zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen ein friedliches und
geregeltes Zusammenleben gibt. Hierbei können vor allem folgende Fälle
als Beispiele genannt werden:
1) Zwischen einem Land mit islamischer Gesellschaft und angewand-
tem islamischen Gesetz und einem beliebigen nicht-islamischen Land,
herrschen gegenseitige Abkommen, die eine friedliche Koexistenz ge-
währleisten und jegliche Übergriffe verbieten.
2) Innerhalb einer islamischen Gesellschaft leben Nicht-Muslime, die
sich in keiner Weise feindselig verhalten und deren Zusammenleben
mit der Gesellschaft durch diverse Regelungen gewährleistet ist.

17
Die Lehre des Monotheismus

Solche Nicht-Muslime leben gemäß islamischem Recht mit den Mus-


limen in einem Vertragsverhältnis3, das jegliche Übergriffe auf diese
Nicht-Muslime klar verbietet und die Muslime vielmehr ausdrücklich
zu ihrem Schutz verpflichtet.
3) Muslime leben in einer nicht-muslimischen Gesellschaft, welche
ihnen Staatsbürgerrechte gewährt und ihnen dadurch ein friedvolles
Leben in dieser Gesellschaft ermöglicht.
Dies stellt im Grunde die umgekehrte Situation zu Punkt 2 dar.
Für Muslime in einer nicht-islamischen Umgebung gilt in diesem Kon-
text dasselbe wie für Nicht-Muslime in einer islamischen Umgebung.
Sie dürfen die Gesellschaft, in der ihnen ein vernünftiges Leben er-
möglicht wird, nicht hintergehen – eine klare Sache, die das islami-
sche Recht nicht anders vorsieht.
Diese drei Fälle zeigen äußerst deutlich die Irrsinnigkeit der Idee, ein Mus-
lim müsse jedem Nicht-Muslim, den er erblickt, unverzüglich nach dem
Leben trachten.

Hinweis auf den islamrechtlichen Begriff der munāfiqīn/Heuchler


Den ebengenannten Fällen muss der wichtige Hinweis auf den Begriff der
munāfiqīn (Heuchler, Sg. munāfiq) hinzugefügt werden, der im islami-
schen Recht eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt.
Die muslimischen Rechtsgelehrten und Theologen thematisierten häufig
die Möglichkeit, dass ein Muslim als Einzelperson einen anderen Muslim
der „großen Heuchelei“ (nifāqun akbar) bezichtigt. In diesem Sinne
könnte es durchaus vorkommen, dass ein Muslim einen vermeintlichen
munāfiq/Heuchler z. B. nicht als Vorbeter akzeptiert.
Dies heißt jedoch nicht – auch nicht in einer durch und durch islamischen
Gesellschaft, wie derjenigen zur Zeit des Propheten  –, dass jener

3Dieser Vertrag wird rechtlich als ḏimmah bezeichnet, was im Arabischen


auch ein Begriff für die vertragliche Vereinbarung ist. Die Nicht-Muslime, de-
nen durch diesen Status Staatsbürgerrechte garantiert sind, werden als ahlu
ḏ-ḏimmah bezeichnet.

18
Die Lehre des Monotheismus

bezichtigten Person dadurch der gesellschaftliche Status „Muslim“ offizi-


ell aberkannt wird.
Eine solche persönliche Sichtweise oder Bezichtigung mit dem nifāq
(Heuchelei) oder dem kufr4 hat also keinerlei Konsequenzen gesellschaft-
licher Dimension. Aus diesem Grunde werden schon im Koran5 die Heuch-
ler immer wieder als grundlegende gesellschaftliche Erscheinung thema-
tisiert, deren Realität für ein funktionierendes Gesellschaftssystem auch
unbedingt verstanden werden muss.
Jemand, der theologische Sachverhalte und die ihnen zugrundeliegenden
Quelltexte nicht eingehend studiert hat, kann keinesfalls das notwendige
Verständnis für derartige Angelegenheiten mitbringen. So jemand wird
zwangsläufig immer wieder zu fehlerhaften Schlüssen kommen. Dazu
zählen z. B. nicht-muslimische Politikwissenschaftler, die außerhalb ihres
Fachs als Gutachter für theologische Fragestellungen zugezogen werden
– wie sich wiederholt am Beispiel von Guido Steinberg sehen lässt.
Aber auch bei Muslimen kommt es gerade durch das Unverständnis bei
der Thematik des gesellschaftlichen Umgangs mit dem nifāq immer wie-
der zu Übertreibungen.

4 Das arabische Wort kufr wird im Deutschen gemeinhin als „Unglaube“ über-

setzt. Dabei ist jedoch Folgendes zu bedenken:


Ebenso wie der Gegensatz des kufr, der īmān, nicht auf das bloße „Glauben“
beschränkt werden kann, kann auch der kufr nicht auf das bloße „Nicht-Glau-
ben“ bzw. auf die bloße Unkenntnis der Wahrheit reduziert werden.
Ein Mensch kann für sich selbst die Richtigkeit des Islam voll und ganz er-
kannt haben, gleichzeitig aber den Islam als Ganzes oder Teile davon ableh-
nen.
Im weiteren Verlauf dieses Buches wird die Bedeutung des kufr noch von an-
deren Gesichtspunkten angesprochen.
Siehe zu den beiden Begriffen īmān und kufr ebenso das Buch: „Das islami-
sche Glaubensbekenntnis“ (2019, vom Verfasser des vorliegenden Buches),
in dem diese Thematik in mehrerlei Hinsicht verdeutlicht wird.
5 Das Wort wird im Arabischen in der gängigen Lesung folgendermaßen ge-
lesen: Qurʾān.

19
Die Lehre des Monotheismus

Fazit zum Thema des angeblichen Takfirismus


Zusammengefasst lässt sich sagen: Wenn jemand für sich selbst im stillen
Kämmerchen oder in seinem Bekanntenkreis zum Schluss kommt, dass
eine gewisse Person aus theologischer Sicht kein Muslim sein kann, heißt
dies nicht, dass er dadurch von jedem anderen eine konsequente Umset-
zung seiner persönlichen Sichtweise einfordert.
Noch weniger bedeutet es, dass er dadurch eine Fatwa gegeben hätte,
die die Tötung jener Person verlangt!
Deshalb kann man jemandem, der die islamischen Glaubensgrundlagen
theologisch untersucht, nicht pauschal die schlechte Absicht unterstel-
len, er wolle sich durch eine Befassung mit solchen Themen nur hochmü-
tig als Elite vom Rest der Menschheit abheben.
Der vernünftige Betrachter muss eingestehen, dass es nicht weit herge-
holt ist, dass ein religiöser Mensch sich ganz allgemein einfach nur die
Frage stellt, wo die Grenze seiner eigenen Religion ist. Da jede Religion
irgendeine Definition und entsprechende Grenzen haben muss, kann es
nicht so merkwürdig sein, dass Menschen, die von der Religion des Islam
überzeugt sind, jene Grenzen auch kennen und verstehen wollen.
Wie viele christliche Strömungen mit teils großer Anhängerzahl – man
denke hier z. B. an die Evangelikalen – sehen z. B. die Überzeugung, das
heute bekannte Evangelium sei das unvermittelte und unverfälschte
Wort Gottes, als grundsätzliches und unerlässliches Glaubenselement
an?
In diesem Sinne sprechen nicht wenige Christen und Juden anderen Men-
schen den Glauben oder die Religionszugehörigkeit ab, mit der Begrün-
dung, dass jene Menschen gewissen Glaubensgrundsätzen fundamental
widersprechen.
Klarerweise ist es bei Überzeugungen immer möglich, dass die Intentio-
nen dahinter bei manchen Leuten pragmatischer Natur sind und in Wirk-
lichkeit auf einen anderen (weltlichen) Nutzen abzielen. Jedoch ist es sehr
abwegig, eine Gesinnung alleine deshalb zu kriminalisieren, weil man bei

20
Die Lehre des Monotheismus

einigen Personen fragwürdige Absichten vermutet6.


Auch im islamischen Bezug gibt es in den letzten Jahren und Jahrzehnten
wieder verstärkt eine Befassung mit fundamentalen Grundfragen, welche
natürlich schon seit der Frühzeit der islamischen Geschichte diskutiert
werden.
Die heutige Diskussion nimmt dabei so groteske Formen an, dass so man-
cher sogar meint, ein Mensch, der Jesus als Sohn Gottes erachtet und zu-
dem anbetet, könne ein monotheistischer Muslim sein. Dies wäre angeb-
lich möglich, solange jener „Muslim“ sich zum Islam bekennt und es
einfach nicht besser weiß! – keine rein hypothetische, sondern eine tat-
sächlich geäußerte Behauptung.
Wenn ein Muslim solche Absurditäten hört7, dann ist es nur plausibel,
dass er sich darüber Gedanken macht und einen theologischen Stand-
punkt bezieht.

6Genau dies passiert jedoch, wenn z. B. innerhalb eines Gutachtens immer


wieder über die Absichten von Personen geurteilt wird. Schon die reine Mut-
maßung darüber ist in einem Gutachten fehl am Platz, da es sich um ein völlig
unwissenschaftliches Urteil über die – im Herzen verborgenen – Absichten
handelt.
Auch hier kann als Beispiel Guido Steinberg dienen, der – genau nach dem
hier beschriebenen Muster – in seinen Analysen theologischer Schriften im-
mer wieder Auskunft über die vermeintliche Absicht der Autoren gibt. An-
geblich wollten sich jene Autoren lediglich selbst als Elite darstellen – so
Steinberg, bevor er den Autoren letztlich Genozid-Absichten unterstellt. Ein
Beispiel für eine solche Vorgehensweise wird in Kürze besprochen.
7 Nicht nur für Muslime ist die Vorstellung eines „polytheistischen Muslims“
eine Absurdität. So antwortete mir ein namhafter, mir bekannter christlicher
Theologe aus Österreich beipflichtend auf eine Abhandlung, in der ich auf
genau diesen Punkt einging: „Aussagen […] ohne Verständnis des Sinns (po-
lytheistischer Muslim) ... sind wirklich erschreckend.“
Man bedenke also: Hier ist die Rede von Gesichtspunkten der islamischen
Theologie, die auch für viele nicht-muslimische Theologen als Selbstver-
ständlichkeit der islamischen Sicht gelten, und keineswegs von irgendwel-
chen überhaupt nicht nachvollziehbaren Standpunkten, die es unbedingt zu
kriminalisieren gilt – wie dies jetzt z. B. in Österreich vorangetrieben wird.

21
Die Lehre des Monotheismus

Hieran sieht man, dass es sich also um eine innerislamische Debatte han-
delt, die letztlich unausweichlich ist und mit Sicherheit nicht von Juristen
oder Politikwissenschaftlern gelöst werden kann, die den Islam nur von
außen betrachten. Entsprechend lächerlich und naiv ist der Versuch man-
cher Nicht-Muslime, Muslimen hierbei eine spezielle Gesinnung aufzu-
zwingen.
Genau dies geschieht aber zunehmend, wenn versucht wird, grundle-
gende Fragen der islamischen Theologie zu kriminalisieren. Nicht selten
läuft es nach folgendem, bereits erörterten Schema ab:
spricht über takfīr = exkommuniziert jeden = zwingt jeden, es
ihm gleich zu tun8 = Tötungsauftrag
Wie im bisher Gesagten gezeigt wurde, handelt es sich hierbei also um
eine irrsinnige Schlussfolgerung, die an mehreren Stellen Fehler aufweist,
und keinesfalls um einen stringenten Gedankengang.
Genau so wird – nach so einer Logik – aus jemandem, der eine theologi-
sche Frage erörtert, ganz schnell jemand, der, sobald die praktische Mög-
lichkeit dazu besteht, angeblich seine vermeintlichen Genozidgelüste
umzusetzen versucht.
Diesem Schema entsprechend kommt es zu Aussagen wie der folgenden
von Guido Steinberg, welcher – ohne entsprechende Ausbildung – sehr
oft das letzte Wort hat, wenn es darum geht, Leute aufgrund theologi-
scher Belange abzuurteilen:
„Takfiristen sind Muslime, die andere Muslime besonders leicht-
fertig des Unglaubens bezichtigen, sie so aus der Gemeinschaft
der Gläubigen ausschließen und ihre Tötung legitimieren.“9

Ein Takfirist ist dabei – gemäß Steinberg – jemand, der viel exkommuni-
ziert, womit der absurde Gedankengang seinen Lauf nehmen kann.

8 Dies wird impliziert, wenn jemand z. B. von einer angeblichen Gruppe


spricht, die jeden Menschen außerhalb ihrer „Gruppe“ exkommuniziere, da-
raufhin seine Tötung legitimiere und diese letztlich auch anstrebe. Die in
Kürze folgende Aussage Guido Steinbergs kann hierfür als Beispiel dienen.
9 Siehe dazu: „Al-Qaidas deutsche Kämpfer – Die Globalisierung des islamis-
tischen Terrorismus“, Guido Steinberg.

22
Die Lehre des Monotheismus

Um genau dem zu widersprechen, schrieb ich bereits 2010 in einer publi-


zierten Schrift Folgendes über eine andere Person, die ebenso mit dem
oben erwähnten falschen Gedankengang argumentierte:
„Ein weiterer Punkt, der bei dieser Person unbedingt noch er-
wähnt werden muss, ist sein bewusstes Aufhetzen gegen Leute,
die den tauḥīd (Monotheismus) vertreten.
Er betont hierzu immer wieder, dass der takfīr zwingend bedeu-
tet, dass man das Blut und den Besitz einer Person für erlaubt
erklärt. Tatsächlich ist diese bewusste Hetze jedoch völliger Un-
sinn, welcher neben der schlechten Absicht noch auf die Unwis-
senheit dieses Freizeit-Gelehrten schließen lässt.
Es gibt etliche Zustände, in denen Muslime und Nicht-Muslime
miteinander leben können, trotz der Tatsache, dass weder wir
diese Nicht-Muslime – noch sie sich selbst – als Muslime betrach-
ten. In vielen Zuständen, Abkommen und Verträgen ist die
Grundlage der Schutz jedes Nicht-Muslims, was den Schutz sei-
nes Lebens, seines Besitzes und seiner Familie einschließt. Wäre
es anders gewesen, hätte es kaum dazu kommen können, dass
ganze Volksgruppen mehr oder weniger unter dem Schutz des
Islam überlebt haben, während sie anderenorts – z. B. hier in Eu-
ropa – grausam verfolgt wurden.“

Da solche Aussagen häufig auch ganz bewusst überhört werden, ist es


unerlässlich, verstärkt darauf hinzuweisen.

Was mit diesem Buch somit nicht bezweckt wird


Es wurde schon erwähnt, dass gegen jemanden, der islamisch-theologi-
sche Grundfragen abhandelt, schnell der Vorwurf der Sektiererei erho-
ben wird.
Wenn jemand heutzutage vertiefend über das islamische Monotheismus-
Verständnis (tauḥīd) spricht, so werden nicht selten zwei Vorwürfe laut:
1) Es handle sich dabei um klassische Sektiererei. Man strebe nur des-
halb eine Definition islamischer Glaubensinhalte und des Glaubens-
bekenntnisses an, weil man dahinter tatsächlich die Schaffung einer
Elite erreichen wolle.

23
Die Lehre des Monotheismus

Auf diesem Wege wolle man letztlich alle anderen Menschen, die
nicht Teil der „eigenen Gruppe“ sind, als minderwertig einstufen und
sich daraufhin von ihnen segregieren.
2) Man wolle dadurch in weiterer Folge nur umso mehr Leute „vom Is-
lam ausschließen“, um auf diese Art ihre Tötung zu legitimieren und
der Verwirklichung krankhafter Mord- oder gar Genozidgelüste näher
zu kommen.
Hinter dem vorliegenden Buch steht aber keine dieser beiden Motivatio-
nen. Aus dem bisher Gesagten sollte klar sein, dass es in diesem Buch
vielmehr um eine theologische innerislamische Debatte geht, die aus is-
lamischer Sicht auch zu führen ist, ganz ungeachtet der Frage, ob diese
Debatte für manche Menschen nun sinnvoll erscheint oder nicht.
Im Hauptteil des Buches wird auch klar darauf hingewiesen10, dass sich
der muslimische Leser hüten muss, die hier erörterten Grundprinzipien
für falsche Analogieschlüsse oder nicht gerechtfertigte Verallgemeine-
rungen zu missbrauchen.
Auf Übertreibungen von Muslimen im Bereich des takfīr wurde bereits
weiter oben in diesem Vorwort, aber auch mehrfach in anderen Publika-
tionen von mir hingewiesen. Dieses Buch ist nicht dazu gedacht derartige
Übertreibungen zu fördern.
Demgegenüber verdeutlicht das Buch jedoch auch, dass das islamische
Glaubensbekenntnis nicht nur ein bloßes Lippenbekenntnis ist, das jeden,
der es lediglich ausspricht, direkt ins Paradies befördert, was auch immer
er glaubt, sagt oder tut.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die vorliegende Schrift nur ei-
nen allgemeinen Überblick anstrebt und deshalb auch nicht als Anleitung
für die Beurteilung aller möglichen Gesellschaften, Personen oder Einzel-
fälle angesehen werden kann.

10 Siehe dazu vor allem das Kapitel „Das unerlaubte Ausschließen eines Mus-
lims aus dem Islam“.

24
Die Lehre des Monotheismus

Einführung
Bekanntermaßen werden im Allgemeinen drei Religionen als monotheis-
tisch bezeichnet, in chronologischer Reihenfolge sind diese das Juden-
tum, das Christentum und der Islam. Diese drei Religionen werden auch
als die sogenannten abrahamitischen Religionen bezeichnet, weil sich
jede davon auf Abraham11 12 zurückbesinnt.
Wie aus dem Titel ersichtlich, dient das vorliegende Buch dem Zweck, das
islamische Monotheismus-Verständnis – im Arabischen als tauḥīd be-
zeichnet13 – möglichst authentisch aus den frühesten Quelltexten des Is-
lam herauszuarbeiten.

11Im Arabischen Ibrāhīm, welcher von den Muslimen „Vater der Propheten“
genannt wird.
12 Arabisches Schriftsymbol. Zu Deutsch etwa: „Friede und Heil seien auf
ihm“. Muslime erweisen allen Propheten – wie z. B. auch Abraham, Moses,
Jesus und vielen anderen – ihren Respekt durch Nennung dieser oder ähnli-
cher Formulierungen.
13 Es ist bei Übersetzungen ganz allgemein klarerweise nicht möglich, einen
in jeder Hinsicht passenden Begriff in der anderen Sprache zu finden. Des-
halb soll hier zu Beginn verdeutlicht werden, wie der Begriff Monotheismus
in diesem Buch gebraucht und verstanden wird.
Die Bedeutung des deutschen Wortes Monotheismus (gesprochen Mono-te-
ismus) wird im Allgemeinen als „Eingottglaube“ wiedergegeben. Das Wort
setzt sich aus zwei ursprünglich griechischen Begriffen zusammen, wobei
„monos“ für „allein/einzig“ steht und „theos“ für Gott. Im Deutschen wird
dieser Begriff seit einigen Jahrhunderten allgemein dafür verwendet, um zu
zeigen, dass eine Religion frei von der Verehrung mehrerer verschiedener
Gottheiten ist.
Wie bei anderen Begriffen auch findet man für das Wort Monotheismus un-
terschiedliche Definitionen. Es ist allgemein bekannt, dass z. B. die christliche
und die islamische Vorstellung bezüglich des Schöpfers der Welt und Seiner
Eigenschaften in mehreren Punkten auseinandergehen – trotzdem werden
beide als „Monotheismus“ bezeichnet. Die Frage ist also letztlich, wie man
das Wort definiert, wenn man es gebraucht.
…--

25
Die Lehre des Monotheismus

Als primäre Lesergruppe sind in diesem Buch jene Menschen angespro-


chen, die bereits gewisse Vorkenntnisse über die grundlegenden Inhalte
des Islam mitbringen. Interessant ist diese Thematik zum einen für Mus-
lime, die das Fundament des Islam besser verstehen wollen und einen
Zugang zu einer authentischen Lehre suchen, welche aus den frühen
Quellen des Islam bezogen wird.
Zum anderen ermöglicht dieses Buch auch dem allgemein interessierten
sowie dem studierenden nicht-muslimischen Leser, ein besseres Ver-
ständnis für die Monotheismus-Lehre aus Sicht der frühen islamischen
Theologie zu bekommen.
Gemäß islamischer Lehre gibt es lediglich einen tatsächlichen Monothe-
ismus. Er besteht in jener Botschaft, mit der alle Propheten  entsandt
wurden. Bei ebendiesen Propheten handelt es sich im Allgemeinen auch
um jene, die sowohl im Juden- als auch im Christentum bekannt sind und
deshalb in Thora und Evangelium bzw. im Alten und Neuen Testament
der Bibel Erwähnung finden.

Das primäre Ziel dieses Buches besteht darin, das islamische Monotheismus-
Verständnis aus den frühesten Quellen des Islam zu erarbeiten. Wenn in die-
sem Buch also von „Monotheismus“ gesprochen wird, so ist damit im Allge-
meinen der islamische Monotheismus gemeint, der dem arabischen Wort
tauḥīd entspricht. Was dieser Monotheismus tatsächlich bedeutet und wie
sich diese Bedeutung aus den islamischen Quelltexten ergibt, soll in diesem
Buch untersucht werden. Für diese Zielsetzung ist es also belanglos, welche
weiteren Definitionen daneben bei manchen Religionsforschern und Histori-
kern existieren. Dasselbe ist in Bezug auf den „Polytheismus“ und das arabi-
sche Wort širk zu sagen.
Dieselbe Problematik der Übersetzung ergibt sich z.B. auch bei dem Begriff
„Religion“ für das arabische dīn sowie beim Wort „Gott“ – wie sich bereits an
den unterschiedlichen Vorstellungen zwischen Islam und Christentum zeigte.
Im vorliegenden Buch werden solche Wörter immer im Sinne des allgemei-
nen Begriffs verwendet oder es wird ihre Bedeutung für einen gewissen Kon-
text verdeutlicht. Was also der islamische „Monotheismus“, den der Koran
beschreibt, und die islamische „Religion“ sind und wie sie sich von anderen
Vorstellungen unterscheiden, genau das soll im Verlauf dieses Buches er-
schlossen werden.

26
Die Lehre des Monotheismus

Im Gegensatz zu den Juden ist Jesus aus Sicht der Muslime aber ein aner-
kannter Prophet, jedoch nicht der Sohn Gottes, wie dies wiederum viele
Christen glauben, wenn auch bei weitem nicht alle.
Darüber hinaus bezeugen Muslime bekanntermaßen auch das Prophe-
tentum von Muḥammad . Der Islam hält also Noah, Abraham, Ismael,
Isaak, Jakob, Josef, Moses, Jesus und Muḥammad14, sowie weitere hier
nicht namentlich erwähnte Persönlichkeiten, als Propheten des einen
Schöpfers in ehrenvoller Erinnerung.

Hinweise zu diesem Buch


Das vorliegende Buch ist an sich sowohl für denjenigen Leser geeignet,
der sich zum Islam bekennt, wie auch für Anhänger anderer Religionen,
die mehr über den Islam und seine Kernaussage bzw. über das frühe Ver-
ständnis des Monotheismus an sich erfahren wollen.
Zur Erleichterung des Verständnisses werden arabische Fachbegriffe bei
der ersten Erwähnung nach Möglichkeit durch Anmerkungen erklärt. Um
dem deutschsprachigen Leser die Leserlichkeit zu erleichtern, werden
solche arabischen Fachbegriffe in diesem Buch konsequenterweise klein
und kursiv gehalten. Vereinzelte Ausnahmen davon sind den Hinweisen
am Ende des Buches zu entnehmen.
Um dem Leser den Vergleich mit den Originaltexten zu erleichtern, wur-
den diese stets vor der jeweiligen deutschen Übersetzung angeführt. Es
wurden im gesamten Buch bei den Zitaten zur Erleichterung der Suche
immer die Texte der jeweiligen Ausgabe der digitalen Bibliothek al-Mak-
tabatu š-šāmilah verwendet. Es sei darauf hingewiesen, dass die Ausga-
ben der al-Maktabatu š-šāmilah häufig überarbeitet wurden (z. B. durch
vollständige Vokalisation der Texte).

14
Im Arabischen Nūḥ, Ibrāhīm, Ismāʿīl, Isḥāq, Yaʿqūb, Yūsuf, Mūsā, ʿĪsā und
Muḥammad

27
Die Lehre des Monotheismus

Alle zitierten Quelltexte dieses Buches wurden vom Verfasser direkt aus
dem Arabischen ins Deutsche übersetzt und nicht von anderen Quellen
übernommen, noch aus einer Zweitsprache übersetzt.15
Abschließend sei auf eine umfassendere, arabische Abhandlung dieses
Themas hingewiesen16, in der zu den im Folgenden erwähnten Themati-
ken zahlreiche weitere Quelltexte zitiert werden. Um die Aufarbeitung
des Themas für den deutschsprachigen Leser nicht in die Länge zu ziehen,
wurde darauf verzichtet, jene Quelltexte in ihrer Gesamtheit in die deut-
sche Sprache zu übertragen.

Die essentielle Rolle der Überlieferung in allen Religionen


Eine Religion lebt ganz allgemein von der Überlieferung. Ohne die Tradi-
tion, also die Tradierung der ursprünglichen Lehre, ist das Weiterbeste-
hen dieser gar nicht denkbar. Deshalb kommt der Überlieferung eine es-
sentielle Rolle in den Religionen zu. Eine Tatsache, der sich viele religiöse
Menschen heute überhaupt nicht bewusst sind.
Viele Menschen sind zwar – meistens schon seit ihrer Kindheit – von einer
gewissen religiösen Lehre überzeugt, stellen aber keine Anstrengungen
an, zur Quelle zurückzukehren, um die Authentizität dieser Lehre zu prü-
fen. Die Problematik hierbei ist, dass man in so einer Situation im Grunde

15Dies bezieht sich auch auf die zitierten Koran-Verse. Die Übersetzung
wurde vom Verfasser nach Betrachtung der im Deutschen vorliegenden
Übersetzungen vorgenommen.
Dass es sich dabei - wie häufig erwähnt wird - um eine bloße Übertragung
der Bedeutung des Originaltextes ins Deutsche handelt, ist an sich eine
Selbstverständlichkeit. Da dies jedoch in Wirklichkeit auf jede Übersetzung
zutrifft, müsste dies nicht explizit erwähnt werden.
Auch wenn die Verwendung des Wortes „Koran-Übersetzung“ von Autoren
im nichtarabischen Raum ungern verwendet und teilweise abgelehnt wird,
ist der Begriff an sich nicht falsch.
16 Siehe dazu im arabischen Originaltitel:
‫رسالة ىف بيان ى‬
‫ عىل طريقة أهل األثر‬- ‫معن اإلسالم من الكتاب والسنة‬ ‫ي‬
(Eine Schrift zur Erklärung des Islam aus dem Koran und der Sunnah nach der
Methode der Leute des ḥadīṯ)

28
Die Lehre des Monotheismus

alles für die eigene Religion halten kann, aus dem einfachen Grund, dass
es einem gesagt wurde, wobei es mit der ursprünglichen Lehre vielleicht
kaum etwas oder gar nichts mehr zu tun hat.
Es ist auch allgemein bekannt, dass es in allen Religionen mit zunehmen-
dem zeitlichen Abstand von der ursprünglichen Lehre zu einer Vielzahl
von Ausrichtungen kam, die sich in grundlegenden Inhalten stark unter-
scheiden. Demgemäß ist es nicht möglich, dass all diese unterschiedli-
chen Überzeugungen die eine ursprüngliche Lehre widerspiegeln und
sich mit ihr decken - weder im Judentum, noch im Christentum, noch im
Islam.
Auch in diesem Bezug zeigt sich die tragende Rolle der Überlieferung in
der Religion. Die Authentizität der Quellen ist also eine äußerst wichtige
Frage, mit der sich jeder auseinandersetzen muss, der seiner eigenen re-
ligiösen Überzeugung auf den Grund gehen will.

Judentum und Christentum im Hinblick auf authentische


Überlieferung – Textkritik, Bart D. Ehrman und seine Kritiker
Die historische Tatsache, dass sowohl das Alte wie auch das Neue Testa-
ment heute nicht in authentisch überlieferter Form vorliegen, wird kein
ernstzunehmender Historiker abstreiten.
Bart D. Ehrman, welcher weltweit in Fachkreisen unbestritten zu den be-
deutendsten Fachleuten bezüglich biblischer Urschriften zählt17, verdeut-

17 Die Reputation und jahrzehntelange Erfahrung Ehrmans auf diesem Gebiet

lässt sich an sich nicht bestreiten. Demgegenüber werden die Ausführungen


Ehrmans über die fehlende Authentizität der Bibel von vielen Christen sehr
wohl vehement bestritten. Etwas anderes ist bei so einer fundamentalen Kri-
tik jedoch auch nicht zu erwarten. Jedoch können diese Kritiken an der prin-
zipiellen Aussage Ehrmans vonseiten mancher Christen nicht als stichhaltig
und vor allem nicht als entscheidend eingestuft werden.
Im nächsten Kapitel soll dieser Angelegenheit noch eine weitere kurze Erklä-
rung hinzugefügt werden. Im Rahmen des vorliegenden Buches kann jedoch
nicht im Detail auf diese Diskussion eingegangen werden.
…--

29
Die Lehre des Monotheismus

lichte diese Thematik in seinem Buch „Abgeschrieben, falsch zitiert und


missverstanden – Wie die Bibel wurde, was sie ist“18.
Das genannte Buch dreht sich nur um dieses Thema und die Kernaussage
tritt z. B. im folgenden Zitat des Autors deutlich zutage (S. 23, 24):
„Wir haben nicht nur keine Originale, wir haben auch nicht die
ersten Abschriften der Originale. Wir haben noch nicht einmal
Abschriften der Abschriften der Originale oder Abschriften der
Abschriften der Abschriften der Originale.
Was wir haben, sind Abschriften, die später angefertigt wurden
– viel später. In den meisten Fällen handelt es sich um Kopien,
die Jahrhunderte nach den darin beschriebenen Ereignissen an-
gefertigt wurden. Und diese Abschriften unterscheiden sich un-
tereinander an vielen tausend Stellen. Wie wir später in diesem
Buch sehen werden, unterscheiden sich diese Abschriften an so
vielen Stellen voneinander, dass wir noch nicht einmal genau
wissen, wie viele Unterschiede es gibt. Insgesamt gibt es wohl
mehr Unterschiede zwischen den Manuskripten als Worte im
neuen Testament.“

Jeder, der auch nur eine sehr grundlegende Einsicht in die islamischen
Überlieferungswissenschaften hat, steht verwundert vor dieser und vie-
len anderen gleichlautenden Aussagen der renommiertesten Wissen-
schaftler in Bezug auf die alten Schriften des Juden- und Christentums.
Sie alle sagen klar aus, dass die Problematik der jüdischen und christli-
chen Quellen eine unbestreitbare Tatsache ist.

Vielmehr erfordert dies eine eigene Abhandlung über die Grundlagen der
Überlieferungswissenschaften im Allgemeinen und in Bezug auf religiöse
Überlieferungen im Speziellen.
Es muss jedoch klar sein, dass es sich bei der fehlenden Authentizität der Bi-
bel nicht um eine neuartige These Ehrmans handelt, sondern um eine altbe-
kannte historische Tatsache. In Kürze soll dies auch an einem weiteren Zitat
deutlich gezeigt werden.
18 Originaltitel „Misquoting Jesus: The Story Behind Who Changed the Bible
and Why“, 2005 von Bart D. Ehrman. Deutsche Ausgabe, Gütersloher Ver-
lagshaus, 2008, 1. Auflage.

30
Die Lehre des Monotheismus

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch christliche Theolo-


gen dieses Faktum als völlig normale, gegebene Tatsache behandeln und
dagegen überhaupt keine Einwände haben.
So sagten mir renommierte und namhafte österreichische Theologen im
persönlichen Gespräch, sowohl der katholischen wie auch der evangeli-
schen Kirche, dass es bei ihnen unbestrittene Lehrmeinung wäre, dass die
Bibel sicher nicht als das unverfälschte und unvermittelte Wort Gottes
angesehen werden kann! Sie bewerteten es zudem ausdrücklich als eine
Tatsache, dass die Bibel unzweifelhaft im Nachhinein und über einen lan-
gen Zeitraum von vielen verschiedenen Autoren zusammengetragen
wurde.
So ist beispielsweise im Buch Bibelkunde19 über das ganze Buch verteilt
bei der Besprechung der einzelnen Teile der Bibel immer die Rede von
zahlreichen verschiedenen Verfassern der Bibel, sowohl beim Alten, wie
auch beim Neuen Testament.
In Bezug auf das Alte Testament heißt es in dem Buch (S. 35) darüber
hinaus ganz grundsätzlich:
„Die ältesten alttestamentlichen Handschriften stammen aus
dem 2. Jahrhundert v. Chr. (in Qumran gefundene Schriftrollen
aus Leder).“

In der Chronologie der Luther-Bibel20 liest man, dass die Bibelforschung


das Leben von Moses und die eigentliche Herabsendung der Thora etwa
auf 1200 bis 1300 v. Chr. datiert.

19Bibelkunde, Christa Zerbst und Christoph Weist, Evangelischer Pressever-


band in Österreich „Mit Bescheid des Evangelischen Oberkirchenrates A. u.
H. B. vom 1. Oktober 1985“, Ausgabe 1987.
Dieses Buch wird in Österreich von der Evangelischen Kirche als Schulbuch
verwendet und ist somit als offizielle Lehrmeinung anzusehen.
20 Zeittafel, Seite 349.
Lutherbibel - Standardausgabe mit Apokryphen, Durchgesehene Ausgabe in
neuer Rechtschreibung, 2006, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

31
Die Lehre des Monotheismus

Bei der Diskussion mit Christen werden oft die Qumran-Schriftrollen als
Argument für eine angebliche Authentizität der (christlichen) Bibel er-
wähnt. Diese Schriftrollen haben aber nichts mit dem christlichen Evan-
gelium zu tun. Des Weiteren entstanden diese Abschriften, gemäß dem
obigen Zitat, erst etwa eintausend Jahre (!) nach der eigentlichen Zeit der
Offenbarung zu Moses – zumindest nach den allgemeinen Erkenntnissen
der Bibelforschung.
Demgegenüber wird in der islamischen Überlieferungswissenschaft eine
Überlieferung bereits als schwach und damit grundsätzlich als nicht au-
thentisch eingestuft, wenn nur ein einziger Überlieferer in der Überliefe-
rungskette fehlt oder den früheren Biografen nicht ausreichend bekannt
war!
Man sei sich hier also des gewaltigen Unterschieds bewusst – auch wenn
eine genaue Darlegung dieser Thematik, wie bereits erwähnt, eine geson-
derte Befassung erfordert.
Christliche Kritiker, wie James White und andere, die gegen Ehrman ar-
gumentieren, versuchen natürlich irgendwie darzulegen, warum Christen
im Großen und Ganzen auf die hauptsächliche Aussage der Bibel ver-
trauen könnten. Dabei erwähnen White und Seinesgleichen z. B. das Zu-
geständnis Ehrmans, dass die etwa 400.000 Textvarianten, also Unter-
schiede im Text (!), zu 99 Prozent nicht sinnverändernd sind und der
Erhalt des Textes über die Jahrhunderte trotzdem eine bemerkenswerte
Leistung vieler Kopisten wäre.
Die teilweise grundlegende Veränderung tragender Inhalte von Thora
und Evangelium ist aus Sicht der islamischen Theologie jedoch ein Fak-
tum, welches im Koran21 auch ausdrücklich erwähnt wird.

21 Wie am Ende des vorliegenden Buches in den Hinweisen zur Umschrift und

Formatierung dargelegt, werden arabische Fachausdrücke in diesem Buch


zur besseren Leserlichkeit für den deutschen Leser kursiv und klein gehalten.
Bei sehr bekannten, eingedeutschten Begriffen wie „Muslim, Islam, Koran,
Zakat, Ramadan, …“ wird der deutsche Sprachgebrauch und die gängige
Schreibweise vorgezogen. Weitere Informationen hierzu sind den genannten
Anmerkungen zu entnehmen.

32
Die Lehre des Monotheismus

Selbst wenn man diesen beiden von Christen vorgebrachten Feststellun-


gen eine gewisse Berechtigung einräumen will, ändert dies nichts an der
Tatsache, dass eine tiefgreifende Veränderung des Textes über eine Zeit-
spanne von hunderten oder gar von eintausend Jahren bis zur Nieder-
schreibung niemals ausgeschlossen werden könnte.
Dies ganz abgesehen von der Tatsache, dass aus dem Bibeltext an sich an
unzähligen Stellen eindeutig hervorgeht, dass die vielen Einzelteile von
zahlreichen, teils völlig unbekannten Autoren verfasst wurden – wie aus
den vorausgehenden Ausführungen deutlich wurde.
Wie bereits angemerkt, kann in diesem Rahmen nicht umfassend auf die
Thematik der Überlieferungswissenschaft eingegangen werden. Es be-
steht jedoch nach dem Gesagten – und umso mehr für denjenigen, der
sich in solchen Fragen vertieft – nicht der geringste Zweifel, dass mit den
islamischen Überlieferungswissenschaften keine einzige andere histori-
sche Überlieferung auch nur annähernd vergleichbar wäre.
Im nächsten Kapitel wird sich diese Erkenntnis weiter verdeutlichen, auch
anhand der Aussage eines führenden britischen Orientalisten des letzten
Jahrhunderts.

33
Die Lehre des Monotheismus

Der Islam in diesem Bezug


Im vorausgehenden Kapitel wurde bereits deutlich, dass der Islam sich im
Hinblick auf die Authentizität der Überlieferung im Vergleich mit allen an-
deren religiösen oder auch ganz allgemein historischen Überlieferungen
zweifelsohne auszeichnet.
Es handelt sich beim Islam um die jüngste der drei abrahamitischen Reli-
gionen und ohne Zweifel auch um die am authentischsten erhaltene – ein
Faktum, das niemand mit einem vernünftigen Zugang zur Geschichtsfor-
schung abstreiten wird.
Die augenscheinlichsten Merkmale dieser Authentizität sind:
1) die frühe Niederschreibung des Koran
2) das weitverbreitete Auswendiglernen der Texte
3) die Weitergabe abertausender prophetischer Überlieferungen, Kon-
sensmeinungen und Gelehrtenaussagen der ersten Jahrhunderte
durch Überlieferungsketten von Anbeginn.
Auf die Allgemeinheit der Menschen bezogen lässt sich gegenwärtig, so-
wohl bei Muslimen als auch bei Nicht-Muslimen, keinerlei fundierte Vor-
stellung darüber finden, wie der Islam überliefert wurde. Beim Juden-
und Christentum ist dies nur umso deutlicher.
Leute, die sich zum Islam bekennen, haben im Allgemeinen zumindest ir-
gendein oberflächliches Bewusstsein über die obengenannten wichtigs-
ten Eigenheiten der islamischen Überlieferung, jedoch bleibt es bei dieser
völlig oberflächlichen Kenntnis.
Nicht-Muslime haben demgegenüber im Allgemeinen nicht einmal an-
satzweise eine Vorstellung von islamischen Überlieferungsmethoden –
einigermaßen merkwürdig, handelt es sich bei den abertausenden Über-
lieferungsketten der muslimischen ḥadīṯ-Wissenschaft22 doch um eine
bemerkenswerte und historische Leistung.

22Ein ḥadīṯ ist eine Überlieferung vom bzw. über den Propheten . Die Ge-
samtheit solcher Überlieferungen wird Sunnah genannt und stellt neben
dem Koran die zweite primäre Rechtsquelle des Islam dar. (Der Plural von
…--

34
Die Lehre des Monotheismus

Aus folgender Schilderung über ein persönliches Gespräch mit einem ni-
gerianischen Christen, der sich in missionarischer Arbeit bei Muslimen
bemühte, wird ziemlich deutlich, dass es bei den meisten Nicht-Muslimen
nicht einmal eine rudimentäre, sondern eigentlich gar keine konkrete
Vorstellung über die islamische Überlieferungsmethodik gibt.
Im Verlauf des Gesprächs fragte ich jenen Mann an einem Punkt, ob er
tatsächlich denkt, dass beispielsweise al-Buḫārī23 die von ihm überliefer-
ten ḥadīṯe auf irgendwelchen Steinen oder Pergamenten in der Wüste
fand. Er meinte dazu lediglich: „Ja. Sicher. Etwa in dieser Art wird es wohl
gewesen sein“.
Wobei es vor dieser Begebenheit über Jahrzehnte hinweg natürlich schon
viele Gespräche mit Vertretern anderer Meinungen gab, war ich über
diese Antwort erstaunt. Handelte es sich doch um jemanden, der in sei-
ner Tasche einige vereinzelte Texte aus dem Ṣaḥīḥ-Werk al-Buḫārīs für
die Diskussion mit Muslimen bereithielt, um bei passender Gelegenheit
eines der mehr oder weniger bekannten Scheinargumente zu zücken.

ḥadīṯ lautet aḥādīṯ, wird aber häufig – wie auch in diesem Buch – dem deut-
schen Sprachgebrauch angepasst, z. B.: die ḥadīṯe.)
Dabei ist zu beachten, dass es in der Frühzeit des Islam gängig war, auch
Überlieferungen von den ersten nachfolgenden Generationen als ḥadīṯ zu
bezeichnen. Die Unterscheidung zwischen ḥadīṯ für eine Überlieferung vom
Propheten im Speziellen und aṯar (Pl. āṯār) für sonstige Überlieferungen ma-
nifestierte sich erst später, wurde aber auch nicht von allen ḥadīṯ-Wissen-
schaftlern übernommen.
In diesem Sinne ist es nicht falsch, in Bezug auf die Überlieferungen der ers-
ten Generationen ganz allgemein von ḥadīṯ-Überlieferung, ḥadīṯ-Wissen-
schaft bzw. ḥadīṯ-wissenschaftlichen Werken zu sprechen.
23 Der Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī (194-256 n. H./810-870 n. Chr.) ist das wohl be-
kannteste Werk der ḥadīṯ-Überlieferung. Al-Buḫārī wurde etwa 60 Jahre alt.
Die Überlieferungen im Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī werden bei den Muslimen (Sun-
niten) als die authentischsten ḥadīṯ-Überlieferungen überhaupt angesehen.
Von ähnlichem Rang ist das Ṣaḥīḥ-Werk des ḥadīṯ-Gelehrten Muslim ibnu l-
Ḥaǧǧāǧ (204-261 n. H./820-875 n. Chr.). Muslim wurde etwa 55 Jahre alt.

35
Die Lehre des Monotheismus

Wenn es um solche Zwecke geht, ist al-Buḫārī also dem einen oder ande-
ren ein Begriff. Über die tatsächliche Natur der Überlieferung herrscht
jedoch völlige Unkenntnis.
Bei der eben zitierten Annahme über die frühe ḥadīṯ-Wissenschaft, es
handle sich vielleicht um irgendwelche Ausgrabungen in der Wüste, wird
sehr deutlich, dass die betreffende Person überhaupt keine Vorstellung
von dieser Thematik besitzt.
Besonders seit sich Christen vermehrt der Textkritik durch Leute wie Bart
Ehrman ausgesetzt sehen, beginnen sie – erwartungsgemäß – im Gegen-
zug auch nach möglichen Schwächen bei der Authentizität der islami-
schen Überlieferung zu suchen, nach dem Schema: Wenn man schon das
eigene Problem der fehlenden Authentizität nicht lösen kann, dann ver-
sucht man zumindest, dasselbe Problem, wenn auch in stark abge-
schwächter Form, beim anderen zu finden.
Dabei wird von Christen stellenweise auch der Koran selbst thematisiert.
In diesem Zuge werden einige Behauptungen vorgebracht, die schon bei
bloßem Grundlagenwissen als fehlerhaft zu erkennen sind.
Es ist natürlich klar, dass diese Vorgehensweise von christlicher Seite
nichts an der Problematik rund um die eigene fehlende Authentizität der
Bibel ändert.
Dies, neben der schon erwähnten Tatsache, dass der Unterschied zwi-
schen der islamischen Überlieferung und anderen Überlieferungsmetho-
den enorm ist. Man muss sich vergegenwärtigen, dass alleine die Tatsa-
che, dass keine andere Tradierung durch Überlieferungsketten stattfand,
jeden Vergleich absurd erscheinen lässt.
Die muslimischen Überlieferer waren bei der Tradierung der Texte so ge-
nau, dass sie unzählige Male sogar den bloßen Zweifel bezüglich einzelner
Wörter oder einzelner Stellen in Überlieferungsketten mitüberlieferten,
wobei dadurch häufig überhaupt kein Unterschied in der Bedeutung zu-
stande kam. Wer also der Meinung ist, dafür eine geschichtliche Analogie
finden zu können, dem sei hiermit der Nachweis abverlangt.
Auch unter Nicht-Muslimen kamen deshalb manche Fachleute nicht um-
hin, ziemlich unvoreingenommen ihre Bewunderung für die islamische
Überlieferung zu zeigen.

36
Die Lehre des Monotheismus

So sagte z. B. der 1940 verstorbene David Samuel Margoliouth, ein füh-


render britischer Orientalist24, in diesem Bezug:
Obwohl die Theorie des Isnad [der Überlieferungskette] aufgrund
der Untersuchungen, die zur Vertrauenswürdigkeit jedes Überliefe-
rers durchgeführt werden müssen, endlose Schwierigkeiten verur-
sacht hat25 – und die Erfindung von Überlieferungen war eine be-
kannte und zu manchen Zeiten leicht tolerierte Praxis26 –, kann ihr

24David Samuel Margoliouth wurde 1858 in London geboren und verstarb in


derselben Stadt im Jahr 1940. Er lehrte von 1889 bis 1937 arabische Sprache
als Professor an der Universität Oxford.
Siehe für die zitierte Aussage S. 20 in Lectures on Arabic Historians [Delivered
before the University of Calcutta, February 1929], David Samuel Margoliouth.
25Margoliouth thematisiert hier am Anfang offensichtlich die unglaublichen
Anstrengungen, die unternommen werden mussten, um die Fülle an überlie-
ferten Texten, Überlieferungsketten und Biografien zu analysieren. Dieser
Arbeit widmeten in den ersten drei Jahrhunderten tausende Gelehrte und
Überlieferer nicht selten auch ihr gesamtes Leben.
In Anbetracht dieser Fülle von Material verwundert es nicht, dass viele Men-
schen dadurch überfordert sind, jedoch ist es auch bei Muslimen selbst na-
türlich nicht jedem einzelnen Individuum abverlangt, ein ḥadīṯ-Gelehrter zu
sein. Umso wichtiger für die Allgemeinheit der Muslime, ein gutes Verständ-
nis für die Grundlagen der Überlieferung zu haben, auch wenn die meisten
Muslime dafür nicht das notwendige Bewusstsein mitbringen.
Jedenfalls sind die Leistungen der frühen ḥadīṯ-Gelehrten im Grunde kaum
bis gar nicht wiederholbar. Prinzipiell ist dies auch nicht notwendig, da diese
Arbeit von den Gelehrten der ersten Jahrhunderte in ausreichendem Maße
abgeschlossen wurde. Das Unverständnis für diesen Punkt ist aus meiner
Sicht als Fehlentwicklung der modernen ḥadīṯ-Wissenschaft einzuschätzen.
Bei dieser Diskrepanz zwischen der Methode der früheren und der späteren
ḥadīṯ-Gelehrten (al-farqu baina manhaǧi l-mutaqaddimīna wa-l-mutaʾaḫḫi-
rīna fī-l-ḥadīṯ) handelt es sich um ein essentielles Thema, dem im innerisla-
mischen Diskurs erwartungsgemäß in nächster Zeit wohl viel Aufmerksam-
keit gewidmet werden wird und auch gewidmet werden muss.
26Die Erscheinung der sogenannten waḍḍāʿīn – Leute, die Überlieferungen
für eigene Zwecke erlogen hatten – war den muslimischen ḥadīṯ-Gelehrten
…--

37
Die Lehre des Monotheismus

Wert für die exakte Arbeit27 nicht in Frage gestellt werden, und die
Muslime können mit Recht stolz auf ihre Wissenschaft der Überlie-
ferung sein.
Bei anderen historischen Aufzeichnungen müssen wir das nehmen,
was uns durch die bloße Behauptung des Autors mitgeteilt wurde:
Es ist selten, dass ein griechischer oder römischer Historiker uns die
Quelle seiner Informationen mitteilt.
Vor allem deutsche Forscher haben viel über die „Kritik der Quellen“
geschrieben und sich bemüht, die Erzählungen von Bibelschreibern

bestens bekannt. Sie untersuchten jede einzelne dieser Überlieferungen und


es war bei den fabrizierten Ketten aufgrund der umfassenden Kenntnisse
und der offensichtlichen Mängel dieser Ketten leicht erkennbar, dass es sich
um erlogene Überlieferungen handelt.
Man darf hier nicht vergessen, dass Margoliouth ein Historiker war und kein
ḥadīṯ-Wissenschaftler. Die frühen arabischen Werke der Geschichtsschrei-
bung, wie das bekannte Werk „Tārīḫu l-Umami wa-l-Mulūk“ von aṭ-Ṭabarī,
waren bei den ḥadīṯ-Gelehrten aufgrund ihrer überaus hohen Standards in
keinster Weise als authentisch anerkannt. Im Gegenteil, aṭ-Ṭabarī selbst
weist im Vorwort des genannten Werkes auf diese Mängel hin.
Dennoch erstaunte Margoliouth offensichtlich die muslimische Überliefe-
rung mit der Fülle ihrer Überlieferungsketten. Wobei er sich primär mit Ge-
schichtswerken befasste und keinen tieferen Einblick in die Analyse der
asānīd/Ketten hatte, war ihm der große Unterschied zu anderen Überliefe-
rungen sehr bewusst. Selbst jene Werke der islamischen Geschichtsschrei-
bung sind bei weitem akkurater, umfassender und detailreicher, als irgend-
welche anderen historischen Chronologien, wie Margoliouth in diesem Zitat
auch ausdrücklich erwähnt!
Ganz zu schweigen von bedeutenden Werken der ḥadīṯ-Überlieferung, in de-
nen keine Aussage überliefert wird, außer mit der entsprechenden Überlie-
ferungskette, und – je nach Zielsetzung des Werkes – schwache Überlieferer
von vornherein aussortiert wurden.
27Er meint hier augenscheinlich: … der Wert der ḥadīṯ-Wissenschaft für die
Erarbeitung von Methoden zur Überlieferung von möglichst hoher Genauig-
keit – wa-ḷḷāhu aʿlam/und Allah weiß es am besten.

38
Die Lehre des Monotheismus

und anderen auf die Quellen zurückzuführen, aus denen sie stam-
men.
Wo dieses Quellenmaterial nicht mehr existiert, können solche Be-
mühungen bestenfalls plausible Hypothesen liefern. In den Werken
von Tabari, Baladhuri und Tanukhi ersparen uns die Autoren selbst
diese Mühe. […]

Anschließend erwähnt Margoliouth, dass es trotz der hohen Standards


der arabischen Geschichtsschreiber auch einige Kritikpunkte gibt – wo-
rauf jedoch im Rahmen einer eigenen Arbeit über ḥadīṯ-Wissenschaft ein-
gegangen werden müsste. Margoliouth erwähnt z. B. die von ihm schon
erwähnte Problematik der sogenannten waḍḍāʿīn, also jener Leute, die
bewusst ḥadīṯe erlogen und hierfür auch Überlieferungsketten fabrizier-
ten.
Wie gesagt muss hier angemerkt werden, dass diese Erscheinung jedoch
niemand besser kannte und auch niemand genauer verstand, als die
ḥadīṯ-Gelehrten selbst. Dies ging so weit, dass solche Gelehrten die erlo-
genen ḥadīṯe in der Regel mit Leichtigkeit identifizierten, sie in eigenen
Werken zusammenfassten und sogar eigene biografische Sammlungen
über die schwachen Überlieferer und die waḍḍāʿīn, also die Erfinder von
Überlieferungen, anlegten!
Abschließend bekräftigte Margoliouth nochmals seine Feststellung zur
Genauigkeit und zum hohen Wert der islamischen ḥadīṯ-Wissenschaft, als
er sagte:
[…] Dennoch erreicht die Vertrauenswürdigkeit und Genauigkeit28
der angesehensten unter den arabischen Historikern einen hohen
Standard und lässt ihre Werke zu einem großen Dienst für die
Menschheit werden.29

28 „Vertrauenswürdigkeit und Genauigkeit“ für das englische Wort „vera-


city”; auch: Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Exaktheit
29 Das Zitat lautet im Originaltext:
“But though the theory of the isnad has occasioned endless trouble, owing to
the inquiries which have to be made into trustworthiness of each transmitter,
…--

39
Die Lehre des Monotheismus

Die in diesem Kapitel erwähnten Feststellungen zur Thematik der islami-


schen Überlieferung sollen als Einführung im Rahmen dieses Buches ge-
nügen und auch dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die im wei-
teren Verlauf erwähnten Überlieferungen zu ermöglichen.
Die frühen muslimischen Gelehrten trieben die Genauigkeit bei der Über-
lieferung also ins äußerste Extrem. Für damalige Verhältnisse waren diese
Vorgehensweisen sicher das Äußerste des Machbaren30.
Aufgrund ebendieser Eigenheit des Islam, die zum Erhalt seiner frühen
Quellen führte, ist es auch viel eher möglich, die ursprüngliche Lehre des
Islam und damit des islamischen Monotheismus-Verständnisses aus die-
sen Quellen herauszuarbeiten.

and the fabrication of traditions was a familiar and at times easily tolerated
practise, its value in making for accuracy cannot be questioned, and the Mus-
lims are justified in taking pride in their science of tradition.
In other ancient records we have to take what is told us on the author’s as-
sertion: It is rare that a Greek or Roman historian tells us the source of his
information.
German researchers especially have written „much on criticism of the
sources,” endeavouring to trace the narrative of Biblical writers and others
to the materials whence they were obtained. Where those materials no
longer exist, such endeavours can at best provide plausible hypotheses. In the
works of Tabari, Baladhuri and Tanukhi the writers themselves spare us this
trouble. […]
Nevertheless the veracity of the most eminent among the Arab historians at-
tains a high standard and renders their works of great service to humanity.”
30 Dies wirft z.
B. auch die Frage auf, wie es kommt, dass diese Thematik beim
Studium der Geschichte in Universitäten weltweit, vor allem in westlichen,
kaum oder gar keine ernsthafte Erwähnung findet.

40
Die Lehre des Monotheismus

Die islamischen Quellen: Koran, Sunnah und Konsens


Die bereits genannte Zielsetzung des Buches, das islamische Monotheis-
mus-Verständnis aus den frühesten Quellen herauszuarbeiten, erfordert
die Konzentration auf die Hauptquellen des Islam, den Koran und die Sun-
nah des Propheten .
Diesen beiden Hauptquellen müssen sodann die Konsensmeinungen
(iǧmāʿ) der frühen Gelehrten und im Besonderen der Prophetengefähr-
ten (ṣaḥābah) 31 hinzugefügt werden.
Es ist undenkbar, dass sich innerhalb der ersten Jahrhunderte eintausend
oder mehr Fachleute für die Überlieferung von Texten in Bezug auf einen
speziellen Glaubensinhalt einig waren und sich dabei allesamt irrten. Des-
halb galt es bei der frühen islamischen Gelehrsamkeit als zweifelsfrei,
dass solche Konsensmeinungen die authentische islamische Glaubens-
lehre anzeigen. Insbesondere auch wegen der bereits angesprochenen
Zuhilfenahme von sehr vielen Überlieferungsketten.
Dabei ist natürlich klar, dass jeglicher Konsens sich immer an die Haupt-
quellen des Islam anlehnen muss, da der Konsens überhaupt erst auf-
grund einer eindeutigen Aussage des Koran oder des Propheten  ent-
standen sein kann. In diesem Sinne ist der Konsens also nicht als
eigenständige Rechtsquelle zu betrachten, da aus Sicht der islamischen
Theologie in Übereinstimmung der Muslime niemand nach dem Prophe-
ten direkte Offenbarung erhielt.32

31 Arabisches Schriftsymbol. Zu Deutsch etwa: „Allahs Wohlgefallen auf


ihnen.“
32 Ebenso zählt dies für den sogenannten qiyās, den Analogieschluss, welcher

gewöhnlicherweise ebenfalls als eine Rechtsquelle der Muslime angegeben


wird.
Zweifelsohne ist der qiyās auch eine Quelle der islamischen Rechtsprechung.
Da bei Analogieschlüssen aber keine Überlieferung eines gesonderten Textes
vorliegt, sondern nur versucht wird, die Aussage des bestehenden Textes zu
verstehen und auf einen weiteren Fall in der Realität anzuwenden, wurde
der qiyās hier nicht als tragende Quelle erwähnt.
…--

41
Die Lehre des Monotheismus

Als Beispiel für die Überlieferung des Konsenses durch die frühen ḥadīṯ-
Gelehrten, also die Fachleute der islamischen Überlieferung, soll uns hier
die folgende Aussage des wahrscheinlich bekanntesten ḥadīṯ-Gelehrten
überhaupt dienen, Muḥammad ibnu Ismāʿīl al-Buḫārī.
So überliefert Abū l-Qāsim Hibatuḷḷāh al-Lālakāʾī in seinem Buch Šarḥu
Uṣūli ʿtiqādi Ahlissunnati wa-l-Ǧamāʿah folgende Aussage von al-Buḫārī.
Anzumerken ist dabei, dass auch al-Lālakāʾī selbst ein ḥadīṯ-Gelehrter war
und nach der gängigen Tradition seines Wissensgebietes diese Aussage
von al-Buḫārī ebenfalls mit einer Überlieferungskette tradierte33:
َ َ َُ
‫ْح َد بْ ِن ُم َّم ِد بْ ِن َسل َمة‬ َ ْ َ‫ َح َّد َثنَا ُُمَ َّم ُد ْب ُن أ‬:‫ قَ َال‬, ‫ْح ُد ْب ُن ُُمَ َّمد بْن َح ْفص ال ْ َه َرو ُّي‬َ ْ َ‫َبنَا أ‬
ََ‫خ‬ ْ َ
‫أ‬
ِ ٍ ِ ِ
َ َ ُّ َ ْ ُ ْ َ َ ُ ْ
َ ْ َ ُ ُ َ َّ َ َ َ َ َ
:‫ْي ُم َّم ُد ْب ُن ِع ْم َران ب ْ ِن ُموس اْلرج ِاِن قال‬ ِ ‫ حدثنا أبو اْلس‬:‫ قال‬,
ُ ‫ َسم ْع‬:‫ول‬ُ َُ َّ َّ ‫خ‬َ ُ ْ َ ْ َّ ْ َ ْ َّ َ ُ َ ْ َ ْ َّ َ ْ َ َّ َ ُ َ َ ُ ْ َ
‫ت‬ ِ ‫اش يق‬ ِ ‫اري بِالش‬ ِ ‫س ِمعت أبا ُمم ٍد عبد الرْح ِن بن ُمم ِد ب ِن عب ِد الرْح ِن اْل‬
ْ ْ َْ ْ ُ َ ْ َ ْ َ َ ْ َ ُ َ ُ ُ َ َّ َ ُ ْ َ َ ْ َ ْ َ َّ َ ُ َّ ْ َ َ َ
‫ ل ِقيت أكَث ِمن أل ِف رج ٍل ِمن أه ِل ال ِعل ِم‬:‫اري يقول‬ ِ ‫اَّلل ُممد بن إِسما ِعيل اْلخ‬ ِ ‫أبا عب ِد‬
َْ َ َّ َ َ َ ْ َ َ َ َ َ َ ْ َ ْ َ َ ُ ْ َ َ َ ْ َ َ َّ َ َ َ ْ
ْ‫ْص لَقيتُ ُهم‬ َْ
ِ ‫اسط وبغداد والشامِ و ِم‬ ِ ‫از ومكة والم ِدين ِة والكوف ِة واْلْص ِة وو‬ ِ ‫ج‬ ‫اْل‬
ِ ‫ل‬ ِ ‫أ‬ ‫ه‬
ٍّ‫َث م ْن ست‬ ََ ْ َ ُ ْ ُ َ ُ َ َ ُ ْ ُ َ ْ ُ ُ ْ َ ْ َ َْ َ ْ َ ً ْ َ َّ ُ ْ َ َ ْ َ ً ْ َ َّ َ
ِ ِ ‫ أدركتهم وهم متوافِرون منذ أك‬, ‫ات قرنا بعد قر ٍن ثم قرنا بعد قر ٍن‬ ٍ ‫كر‬
َ َ
‫ْي ذ ِوي َع َد ٍد‬ ‫ات ِِف ِس ِن‬ َّ َ َ َ ْ َ َ ْ َ ْ ‫ير ِة َم َّرتَ ْْي َو‬ َ ‫اْلَز‬ْ َ َ ْ َ َّ َ ْ َ ً َ َ َ َ ْ َ َ
ٍ ‫اْلْص ِة أربع مر‬ ِ ِ ‫ َ أهل الشامِ ُو ِمْص و‬, ‫وأرب ِعْي سنة‬
َ َ َ ُ َْ َُ َ َ َ َ ََْ ََ ُ ْ ُ ْ َ َ ْ َ ْ َ ْ َ َ ْ ‫ب‬
, ‫ َوَل أح ِِص كم دخلت الكوفة وبغداد مع ُمد ِِث أه ِل خراسان‬, ٍ‫از ِس َّتة أع َوام‬ ِ ‫اْلج‬ ِ ِ
َْ َ ُ ْ َ ْ َ َ َ َ ْ ُ ْ ُّ َ ْ ُ ُ ْ
... ‫ وَيَي بن َيَي‬, ‫ِمنهم المِّك بن ِإبرا ِهيم‬
Ich habe Abū ʿAbdillāh Muḥammad ibnu Ismāʿīl al-Buḫārī gehört als
er sagte: Ich habe mehr als eintausend Männer von den Leuten des

Darüber hinaus wurden im Speziellen die Glaubensinhalte bereits durch zahl-


reiche Texte der zuvor genannten Quellen überliefert und belegt. Im Gegen-
satz zum Analogieschluss, der dabei grundsätzlich nicht zum Tragen kam.
33Die Überlieferungsketten werden im vorliegenden Buch im Allgemeinen
der Kürze halber nicht vollständig erwähnt. Bei dieser konkreten Überliefe-
rungskette befinden sich z. B. vier Personen zwischen al-Lālakāʾī und al-
Buḫārī.

42
Die Lehre des Monotheismus

Wissens getroffen, von den Leuten des Ḥiǧāz, von Mekka, Medina,
Kufa, Basra, Wāsiṭ, Bagdad, aš-Šām34 und Ägypten.
Ich habe sie immer wieder getroffen, von Generation zu Generation
und wieder von Generation zu Generation. Ich habe sie erlebt, sehr
zahlreich vorhanden, seit mehr als 46 Jahren35.
Die Leute des Šām, Ägyptens und der arabischen Halbinsel zwei Mal
und (die Leute von) Basra vier Mal innerhalb mehrerer Jahre, im
Ḥiǧāz sechs Jahre.
Und ich kann kaum aufzählen, wie oft ich Kufa und Bagdad gemein-
sam mit den ḥadīṯ-Gelehrten von den Leuten aus Ḫurāsān36 betre-
ten habe.
Unter ihnen (war) al-Makkiyy ibnu Ibrāhīm und Yaḥyā ibnu Yaḥyā

Nun erwähnt al-Buḫārī – nach meiner Zählung – insgesamt 45 Namen der


bekannten Gelehrten aus den verschiedenen Großstädten und damaligen
Wissenszentren der islamischen Welt, bis es in der Überlieferung schließ-
lich heißt:
ْ
‫اح ًدا ِمن ُه ْم‬ ُ ْ َ َ َ َ َ َ َ ُ َ َ ْ َ ً َ َ‫ون ُُمْت‬ َ ُ َ َْ َُ َ َ ْ َ َْ ََْ َ
ِ ‫ فما رأيت َو‬, ‫ْصا َوأن َل يطول ذلِك‬ ‫ واكتفينا بِتس ِمي ِة هؤَل ِء َك يك‬...
ْ َّ ُ
‫{و َما أ ِم ُروا ِإَل ِِلَعبُ ُدوا‬
َّ َ َ َ ٌ َ ٌ َ َ ‫ أَ َّن ادل‬:ِ‫اْل ْشيَاء‬
َ :‫ين ق ْول َوع َمل؛ َوذلِك ِلق ْول اَّلل‬ َْ َ ُ ََْ
ِ‫َيت ِلف ِِف ه ِذه‬
ِ ِ

34Die Levante. Es handelt sich dabei im alten arabischen Sprachgebrauch


um die Länder im Norden der arabischen Halbinsel. Heutzutage wird mit
dem Wort aš-Šām vorwiegend Syrien gemeint.
35 Al-Buḫārī meint hiermit, dass er die verschiedenen, zahlreich vorhandenen

Gelehrten über diesen Zeitraum erlebte, sie bei seinen Reisen antraf, mit
ihnen studierte und ihre bekannten Ansichten und Äußerungen kennen-
lernte. Im Folgenden zählt er einige dieser Reisen auf.
36 Im Deutschen auch als Chorasan bekannt. Eine historische, für die islami-
sche Geschichte und vor allem für die ḥadīṯ-Wissenschaft sehr bedeutsame
Region in Zentralasien, die große Gebiete der heutigen Länder Afghanistan,
Iran, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan umfasste. Es handelt sich
dabei um jene Region, die auch unter dem Namen „Ḫurāsān al-kubrā“, also
„das große Ḫurāsān“ bekannt ist.

43
Die Lehre des Monotheismus

َ ْ ُ َ َ َ َ َّ ُ ْ ُ َ َ َ َّ ََُ َ َُ َ ْ ُ َ َّ
]5 :‫ين القي َم ِة} [اْلينة‬ ُ ‫اء َو ُيق‬
‫يموا الصَلة ويؤتوا الزَك ِة وذلِك ِد‬ ِ َ ‫اَّلل ُم ِل ِصْي َل ادلين حنف‬
ُ ْ َ ُ ْ َ َّ ُ َ َ َ ْ ُ ْ َّ َ َ
‫وق‬
ٍ ‫اَّلل غْي ُمل‬ ِ ‫وأن القرآن َكم‬
[…] Wir haben uns mit den Namen dieser Leute begnügt, um es kurz
zu fassen und nicht in die Länge zu ziehen. Bei all diesen Leuten
habe ich keinen einzigen gesehen, der in den folgenden Dingen eine
(von den anderen) abweichende Meinung gehabt hätte:
• Dass der dīn37 Aussage und Tat ist. Dies, aufgrund der Aussage
Allahs: „Und doch war ihnen nichts anderes befohlen worden, als
nur Allah alleine anzubeten, das Gebet zu verrichten und die Zakat38
zu entrichten. Und dies ist die Religion der Geradlinigkeit.“ (al-
bayyinah:5)
• Und dass der Koran das Wort Allahs ist und nicht erschaffen
wurde. […]

Die hier von al-Buḫārī erwähnten Personen waren nicht irgendwelche un-
bekannten Menschen, mit denen er selbst persönliche Kontakte pflegte.
Diese Leute waren allesamt in der gesamten islamischen Welt bekannte
Persönlichkeiten, Gelehrte und ihrerseits Überlieferer des ḥadīṯ. Abgese-
hen von diesen beispielhaft aufgezählten Personen gab es wie gesagt un-
zählige ebenfalls bekannte Überlieferer und Gelehrte, die die erwähnten
Glaubensgrundlagen ebenso in genau dieser Weise überlieferten.
Neben diesen Gelehrten der Überlieferung, begannen sich in den ersten
Jahrhunderten des Islam, auch unter dem Einfluss der griechischen Phi-
losophie, viele neue Meinungen herauszubilden. Diejenigen, die sich von
der Philosophie beeinflussen ließen, begannen mehr und mehr, ihren ei-
genen Intellekt als Quelle der Religion zu betrachten. Schließlich fingen
sie auf diesem Weg bald damit an, die eigenen Meinungen der textuell
überlieferten Aussage vorzuziehen. Je nachdem, wie weit die genannten

37Das Wort dīn wird im Deutschen häufig als Religion oder umfassender Le-
bensweg beschrieben. In diesem Buch wird es in der Regel mit Religion über-
setzt. Auf die allgemeine Problematik bei der Übersetzung solcher Begriffe
wurde zuvor bereits eingegangen.
38 Das ursprüngliche Wort schreibt sich im Arabischen zakāh (bzw. in der Kon-

textform zakātun).

44
Die Lehre des Monotheismus

Personen dabei gingen, verwarfen sie durchaus auch starke Überlieferun-


gen oder sogar Konsensmeinungen und widersprachen der eindeutigen
Aussage von Koran-Versen in gravierendem Ausmaß.
Zu den Fragestellungen, die in den frühen Jahrhunderten heftig diskutiert
wurden, zählte auch die Frage, ob die Taten ein Teil des īmān sind oder
nicht sowie die Frage, ob der Koran erschaffen sei oder nicht.
Wie aus dem obigen Zitat ersichtlich, herrschte aber eine überlieferte
Konsensmeinung unter den damaligen Gelehrten in diesen Fragen, wes-
halb andere Meinungen darin auch nicht legitim sein konnten.
In derartigen Glaubensfragen wurden die anderen Meinungen deshalb
von ebendiesen Gelehrten einhellig als unerlaubte Neueinbringung in die
Religion (bidʿah, Pl. bidaʿ) verurteilt.

Die Überlieferer der islamischen Quelltexte und die Bedeutung


des Ausdrucks ahlu s-sunnati wa-l-ǧamāʿah
Wie im vorhergehenden Kapitel bereits erläutert, spielt die Überlieferung
der Quelltexte eine zentrale Rolle in allen Religionen. Bei der praktischen
Durchführung jedoch kommt dem Islam historisch gesehen jener beson-
dere Status zu.
Während ihrer andauernden Befassung mit den Texten war es den tau-
senden frühen ḥadīṯ-Gelehrten ein großes Anliegen, an der ursprüngli-
chen Lehre und am textuellen Beweis festzuhalten.
Diese Gelehrten wurden schon in den ersten Jahrhunderten des Islam
durch verschiedene Bezeichnungen bekannt, wie „die Gelehrten des
ḥadīṯ“, „die Gelehrten des aṯar“ und ebenso „Die Leute der Sunnah und
der Gemeinschaft“.
Das Wort Sunnah bedeutet im Arabischen ursprünglich „Weg“ und „Me-
thode“. Wie eingangs erklärt, ist die Sunnah des Propheten die zweite
Quelle der islamischen Rechtsprechung. Sie wird häufig definiert als alle
Aussagen, Taten und stillschweigenden Billigungen, die vom Propheten
 überliefert wurden.
Im weiteren Sinne der „Methode des Propheten“ bzw. seines Weges um-
fasst die Sunnah jedoch mehr als dies, nämlich die gesamte Religion, die
von diesem Propheten verkündet wurde.

45
Die Lehre des Monotheismus

Die Verwendung des Wortes Sunnah in diesem Sinne scheint in zahlrei-


chen Aussprüchen des Propheten  selbst auf, weshalb Leute, die an der
ursprünglichen Lehre des Islam festhielten, auch allgemein „die Leute der
Sunnah“ genannt wurden.
Aus dem Gesagten wird auch schnell klar, welch tragende Rolle diesen
Gelehrten bei der Findung von Konsensmeinungen zukam, was sich aus
dem zuvor erwähnten Zitat des bedeutenden ḥadīṯ-Gelehrten al-Buḫārī
schon sehr deutlich zeigte.
Gemäß der islamischen Theologie kann es in vielen Rechtsfragen und Teil-
bereichen der islamischen Lehre durchaus Meinungsunterschiede geben.
Demgegenüber muss die grundlegende Glaubenslehre aber eindeutig
und klar sein, da sie auf einen Ursprung zurückgeht und nicht den Inter-
pretationen der Gelehrsamkeit unterworfen sein darf. Die grundlegen-
den Fragen der islamischen Glaubenslehre sind somit keine Angelegen-
heiten, in denen legitime Meinungsunterschiede vorstellbar wären,
worauf die frühen Gelehrten in ihren Abhandlungen auch immer wieder
hinwiesen.
Die eine Glaubenslehre wurde also über die ersten Jahrhunderte von ei-
ner einzigen einheitlichen Gemeinschaft vertreten und weitergetragen,
weshalb die Anhänger dieser Lehre auch als „Leute der Gemeinschaft“
bezeichnet wurden.
Aus diesen hier erwähnten Umständen erklärt sich die bekannte Bezeich-
nung „Leute der Sunnah und der Gemeinschaft“, ahlu s-sunnati wa-l-
ǧamāʿah.
Es handelt sich demgemäß also um eine einheitliche Gemeinschaft, die
an den Texten festhielt und der ursprünglichen Lehre folgte.

46
Die Lehre des Monotheismus

Die Entstehung von Abspaltungen - Der ḥadīṯ über die


firaq/Sekten
Dieser einheitlichen Gemeinschaft standen in der islamischen Frühzeit
schon bald zahllose Gruppen und Abspaltungen gegenüber, die sich in ih-
rer Glaubenslehre weiter und weiter zersplitterten. Auf diese Zersplitte-
rung wird im Arabischen mit dem Wort firaq (Arabisch: Gruppe, Abspal-
tung, Sekte, Sg. firqah) hingewiesen, welches ebenfalls auf einen
bekannten ḥadīṯ zurückgeht, und zwar den sogenannten „ḥadīṯ der
firaq“, also der verschiedenen Sekten und Splittergruppen.
Dieser ḥadīṯ über die Abspaltungen und Sekten wurde in zahlreichen
Überlieferungen bei Aḥmad, at-Tirmiḏī, Abū Dāwūd, Ibnu Māǧah 39
und in vielen anderen grundlegenden und frühen Werken der ḥadīṯ-
Überlieferung und der Glaubenslehre überliefert40.

39
Arabisches Schriftsymbol. Zu Deutsch etwa: „Möge Allah sich ihrer erbar-
men.“
40 Wie bereits erwähnt, wurde der hier erwähnte ḥadīṯ der firaq sehr zahl-
reich von den frühen Gelehrten überliefert, wobei auch klar ist, dass diese
Gelehrten mit dem Text argumentierten, ihn also im Allgemeinen als authen-
tisch befanden.
Hierbei sei allgemein darauf hingewiesen, dass nicht jede einzelne Überlie-
ferung dieses ḥadīṯ oder eines ḥadīṯ ganz allgemein als authentisch (ṣaḥīḥ)
eingestuft werden muss, damit die Überlieferungen in ihrer Gesamtheit ak-
zeptiert werden. Bei manchen ḥadīṯen können die einzelnen Überlieferungs-
ketten Mängel aufweisen, die sich in Grenzen halten, während der ḥadīṯ in
seiner Gesamtheit bei den frühen Gelehrten durchaus als authentisch galt.
Dies ist auch einer der Hauptgründe, warum schwache Überlieferungen wei-
tergegeben wurden, da diese nämlich durch andere Überlieferungen ge-
stärkt werden können.
Dass eine Überlieferung als „schwach“ (ḍaʿīf) eingestuft wurde, hieß übri-
gens nicht, dass dieser Wortlaut definitiv als erlogen oder falsch beurteilt
wird, denn so etwas müsste erst durch eine „erhebliche Schwäche“ (šadīdu
ḍ-ḍaʿf) belegt werden. Vielmehr sagt die Beurteilung „schwach“ nur aus, dass
man diese Aussage nicht mit Sicherheit dem Propheten  bzw. der jeweili-
gen Person zuschreiben kann. Jedoch kann man auch nicht mit Sicherheit
…--

47
Die Lehre des Monotheismus

So findet man z. B. im Sunan-Werk von Ibnu Māǧah folgenden Wortlaut:


ْ َ ُ ْ ْ َ َ َ ْ َ َّ َ َ ْ َ َ ُ َّ َّ َ َّ ُ ُ َ َ َ َ َ َ ْ َْ ْ َ
‫ت اِلَ ُهود َلَع إِح َدى‬ ‫ افَتق‬:‫اَّلل صَّل اَّلل علي ِه وسلم‬ ِ ‫ قال رسول‬:‫ قال‬،‫عن عو ِف ب ِن مال ِ ٍك‬
َ َ َ َ َّ ْ َ َ َ ْ َ َّ
َ ‫لَع ثنْتَ ْْي َو َسبْع‬ َ َّ ْ ٌ َ ًَْ َ ْ َ
‫ْي‬ ِ ِ ِ ‫ وافَتقت انلصارى‬،‫ار‬ ِ ‫ َو َسبْ ُعون ِِف انل‬،‫اح َدة ِِف اْلَن ِة‬ِ ‫ ف َو‬،‫َوسب ِعْي ِفرقة‬
ُ َ َ ْ َ َ َ َّ َ ُ ُ ْ َ َّ َ َّ ْ ٌ َ َ َ َّ َ ُْ ََ َ ْ َ ًَْ
‫َتق َّن أ َّم ِت‬
ِ ‫ َلف‬،‫اَّلي نفس ُمم ٍد ِبي ِد ِه‬ ِ ‫ و‬،‫احدة ِِف اْلَن ِة‬ ِ ‫ وو‬،‫ار‬ ِ ‫ ف ِإحدى وسبعون ِِف انل‬،‫ِفرقة‬
َّ َ ُ َ َ َ َّ َ ُ ْ َ َ َ ْ َ َّ َ ْ ٌَ َ ًَْ َ ْ ََ ََ ََ
،‫اَّلل‬
ِ ‫ يا رسول‬:‫ان وسبعون ِِف انلا ِر ِقيل‬ ِ ‫ وثِنت‬،‫احدة ِِف اْلن ِة‬ ِ ‫ فو‬،‫لَع ثَل ٍث وسب ِعْي ِفرقة‬
ُ َ َ َْ َ َ ْ ُ ْ َ
‫اعة‬ ‫ اْلم‬:‫من هم؟ قال‬
Die Juden spalteten sich in einundsiebzig Gruppen, eine davon ist
im Paradies und siebzig davon sind im Feuer.
Und die Christen spalteten sich in zweiundsiebzig Gruppen, eine da-
von ist im Paradies und einundsiebzig davon sind im Feuer.
Meine Gemeinschaft wird sich in dreiundsiebzig Gruppen spalten,
eine davon ist im Paradies und zweiundsiebzig davon sind im Feuer.
Da wurde gesagt: „Oh Gesandter Allahs! Wer sind sie?“ Er erwi-
derte: „Die Gemeinschaft (al-ǧamāʿah).“

Entsprechend dieser überlieferten Aussage des Propheten  kam es also


zu jener Aufspaltung in etliche Gruppen und Strömungen, die über die
Geschichte hinweg zu beobachten war.
Es ist an dieser Stelle auch zu bemerken, dass in diesem ḥadīṯ deutlich
ausgesagt wird, dass es auch bei den Juden und Christen jeweils eine Ge-
meinschaft gab, die der ursprünglichen, unveränderten Lehre folgte –
also eine ǧamāʿah.
Gemäß dem zitierten Text wurde der Prophet  zudem nach jener einen
Gruppe gefragt, die von Fehlern in der Glaubenslehre verschont bleibt,
und antwortete darauf: „Sie sind die Gemeinschaft (al-ǧamāʿah).“
Gerade weil jene ǧamāʿah an den Texten der Sunnah festhielt, wurden
diese Texte umso mehr zum Angriffspunkt jener Splittergruppen, was
teilweise in der vollständigen Ablehnung der Sunnah mündete.

verneinen, dass diese Aussage wirklich so getätigt wurde. Es wurde also


durchaus als möglich angesehen, dass die Überlieferung an sich den Tatsa-
chen entspricht.

48
Die Lehre des Monotheismus

Die offene Ablehnung des Koran war zur damaligen Zeit ein deutliches
Eingeständnis des Unglaubens und deshalb nicht ohne weiteres möglich.
Die teilweise Ablehnung der Sunnah hingegen war eher durchführbar,
weshalb die einzelnen Überlieferungen mehr und mehr diskutiert wur-
den.
Häufig behaupteten die verschiedenen Sekten sogar, dem Islam einen
Dienst zu erweisen und die Religion durch die Ablehnung gewisser Texte
schützen zu wollen. Trotz ihrer deutlichen Unwissenheit über die Über-
lieferungen, Überlieferungsketten und die ḥadīṯ-Wissenschaften, lehn-
ten sie manche Überlieferungen mit dem Vorwand neuer, von ihnen er-
dachter Voraussetzungen ab, andere verwarfen sie grundlos.
Auf diesem Wege entstanden schließlich Strömungen, wie die sogenann-
ten qurʾāniyyūn und die Schiiten, die der Sunnah ganz grundsätzlich mit
Ablehnung begegnen und bis zum heutigen Tage bestehen.
Weitere Gruppen, wie die ḫawāriǧ, muʿtazilah, ašʿariyyah, māturīdiyyah
und andere lehnten hingegen jene Teile ab, die mit ihren philosophischen
Lehren nicht zu vereinbaren waren. Dabei verwarfen sie manche Texte
von Grund auf, während sie andere Texte nicht gänzlich ablehnten, son-
dern versuchten, sie durch theologisch und/oder sprachlich unzulässige
Auslegungen zu entkräften.
Je deutlicher die Abweichungen wurden, umso mehr betonten die Leute
des ḥadīṯ ihr Festhalten an der Sunnah. Aus diesem Grund sieht man, dass
zahlreiche alte Bücher über die Glaubensgrundlagen als „Buch der Sun-
nah“ oder in ähnlicher Weise betitelt wurden. So z. B. die Werke bekann-
ter früher Gelehrter, wie ʿAbduḷḷāh (gest. 290 n. H.) dem Sohn des bedeu-
tenden Gelehrten Aḥmad ibnu Ḥanbal41, Ibnu Abī ʿĀsim (gest. 287 n. H.),

41Aḥmad ibnu Ḥanbal (164-241 n. H./780-855 n. Chr.) war jener bekannte


Gelehrte, nach dessen Lehre sich in weiterer Folge die hanbalitische Rechts-
schule entwickelte.
Aḥmad war nicht nur ein bedeutender Rechtsgelehrter. Auch seine Leistun-
gen im Bereich der ḥadīṯ-Überlieferung sind von beachtlichem Umfang und
von tragender Bedeutung. Mit seinem Musnad legte er eines der umfas-
sendsten Werke der ḥadīṯ-Überlieferung vor. Aḥmad ibnu Ḥanbal erreichte
ein Alter von etwa 75 Jahren.

49
Die Lehre des Monotheismus

und Abū Bakr al-Ḫallāl (gest. 311 n. H.) , welche alle in dieser Weise
betitelt wurden.

Die zunehmende Veränderung religiöser Lehren im Allgemeinen


Die im vorherigen Kapitel beschriebene Aufspaltung in verschiedene
Gruppen ereilte also nicht nur die islamische Gemeinschaft. Wie auch im
ḥadīṯ der firaq ausdrücklich erwähnt wurde, handelt es sich dabei um ein
allgemeines Phänomen, das generell alle tradierten religiösen Lehren be-
trifft.
Ebenso ist diese Aufspaltung – grundlegend auch in Übereinstimmung
mit Schilderungen hierzu in Thora und Evangelium – im Koran erwähnt.
Nach dem Tod ihrer jeweiligen Propheten  begannen sich die Gemein-
schaften in der Religion zunehmend zu zersplittern.
Gemäß dem islamischen Verständnis befindet sich die prophetische
Lehre des Monotheismus seit dem Menschenvater Adam  unter den
Menschen. Jedoch geriet in jeder prophetischen Gemeinschaft durch die
beschriebene Zerrüttung in der Religion auch die Lehre des wahren Mo-
notheismus nach und nach in Vergessenheit, bis der eine Schöpfer sie im-
mer wieder durch einen neuen Gesandten erneuerte.
Wer die Geschichte der abrahamitischen Religionen erforscht hat, weiß
unweigerlich, dass sie unter dieser starken Zersplitterung litten. Nur je-
mand, der dieser Religionen und ihrer Geschichte nicht kundig ist, würde
diese Tatsache bestreiten.
Als Beispiel dafür dient die Geschichte des Christentums, dessen Anhä-
nger sich in diversen tragenden Angelegenheiten der Religion schon bald
in der Frühzeit des Christentums stark unterschieden. Diese Unterschiede
führten schließlich zu Feindschaft, Gewalt und Verbannung.
So teilten sich die Christen in der Frage, ob Jesus nun ein Prophet, Gott,
Gottes Sohn oder ein menschliches Wesen mit dem speziellen göttlichen
Funken sei. Aus diesen Fragen ergaben sich natürlich zahlreiche weitere
Probleme. So führten Fragen, wie z. B. ob der Wille Gottes und der Wille
von Jesus ein und dasselbe sei oder nicht, zu starken Meinungsunter-
schieden mit entsprechend schweren Folgen.
Wie wir gesehen haben, sollte auch die islamische Gemeinschaft von der
starken Zerrüttung in der Glaubenslehre nicht verschont bleiben. Da die

50
Die Lehre des Monotheismus

islamischen Quelltexte sehr authentisch überliefert wurden, kam es da-


bei jedoch nicht zu einer bedeutenden und grundlegenden Veränderung
der Texte an sich. Vielmehr geriet der eigentliche Inhalt und die tatsäch-
liche Aussage dieser Texte bei vielen Anhängern des Islam mehr und
mehr in Vergessenheit.
Dies führte, wie bereits gezeigt wurde, schon bald dazu, dass Leute, die
sich an sich dem Islam zuzählten, Glaubensinhalte vertraten, die keines-
falls mit der allgemeinen Lehre der Propheten  zu vereinbaren sind.
Auf diese Weise verfielen über die Jahrhunderte nicht wenige Anhänger
des Islam letztlich auch mehr und mehr in die polytheistische Beigesel-
lung, welche das Gegenteil des reinen Monotheismus darstellt. Viele Aus-
sagen, Handlungs- und Denkweisen, die aus Sicht der frühislamischen
Theologie als Polytheismus klassifiziert werden, sind auch heute nicht sel-
ten bei Einzelpersonen oder Gruppierungen vorzufinden, die eigentlich
meinen, islamisch zu sein.
Trotz der Veränderung der Lehre betrachtet der Islam die eigene ur-
sprüngliche Lehre und ebenso die ursprünglichen Lehren von Mūsā/Mo-
ses  und ʿĪsā/Jesus  als die wahre Lehre des einen Schöpfers. Für
einen Muslim darf es grundsätzlich keinen Zweifel daran geben, dass es
sich auch bei den beiden Letztgenannten um höchst ehrenwerte Prophe-
ten handelt, die den einen tatsächlichen Monotheismus in aller Deutlich-
keit vermittelten.
Die Frage, die sich in weiterer Folge also für den Juden, den Christen und
den Muslim stellen muss, ist: Was war nun die tatsächliche, ursprüngliche
Lehre von Moses , Jesus  und Muḥammad ?
Für jeden Anhänger dieser Religionen kann die logische Konsequenz die-
ser Frage nur eine Rückkehr zu den frühesten Quellen bedeuten.
Ebendiese Rückkehr zu den islamischen Quellen ist deshalb der Kern und
die Zielsetzung des vorliegenden Buches.

51
Die Lehre des Monotheismus

Die eigentliche Aussage des Monotheismus im Islam und das


weitverbreitete Missverständnis darüber
Betrachtet man nun den Koran, so besteht die tatsächliche Botschaft aller
Propheten  – zur Verwunderung vieler Menschen, die sich zum Islam
bekennen – nicht im Wissen darüber, dass es nur einen Schöpfer gibt.
Denn die überwiegende Mehrheit der Völker, zu denen die Propheten 
entsandt wurden, wusste dies sehr genau. Selbst jene, die mehreren We-
sen göttliche Eigenschaften zuschrieben, waren in der Regel von einem
einzigen Schöpfer überzeugt, der letztlich über all diese Wesen Macht
hat.
Der Polytheismus dieser Völker bestand islamisch gesehen jedoch viel-
mehr darin, dass sie neben dem einen Schöpfer weitere Dinge oder Per-
sonen verehrten. Sie brachten ihnen also verschiedene Arten des Gottes-
dienstes, der Anbetung und der Ehrfurcht entgegen, die nur dem einen
Schöpfer gebühren.
Wie im Folgenden noch anhand von frühen islamischen Texten gezeigt
wird, wussten dies ohne Zweifel auch die vorislamischen Araber sehr ge-
nau42. Das Wort Götzendiener wird heute in der Regel immer mit der Idee
von mehreren „Göttern“ bzw. Schöpfern in Verbindung gebracht. Wenn
aber nur dies der klassische Polytheismus ist, dann müssten die damali-
gen Araber, wie auch die meisten anderen Völker, Monotheisten gewe-
sen sein. Der tatsächliche Monotheismus muss also mehr als nur dieses
Wissen sein.

42
Im Sinne des zu Beginn bei der Begriffserklärung des Wortes „Monotheis-
mus“ schon Gesagten kann hier Folgendes angemerkt werden:
Das Wissen oder die bloße Anerkennung der Existenz des einen Schöpfers
erfüllt vielleicht die Monotheismus-Definitionen mancher westlicher Religi-
onswissenschaftler und Historiker, jedoch noch lange nicht diejenige des is-
lamischen Monotheismus.
Wie zuvor bereits gesagt, geht es hier nicht um irgendein beliebiges Ver-
ständnis und auch nicht um die Frage der jeweiligen Definition, sondern da-
rum, zu welcher Vorstellung des Monotheismus (tauḥīd) der Koran aufruft
und welchen Polytheismus (širk) er anprangert.

52
Die Lehre des Monotheismus

Die heutige Vorstellung vieler Menschen in Bezug auf die tatsächliche Be-
deutung des Wortes Islam und des Glaubensbekenntnisses weicht von
der ebengenannten Erklärung jedoch stark ab. Sie meinen, dass der im
Glaubensbekenntnis bezeugte Monotheismus bedeute, es gäbe nur ei-
nen Schöpfer.
In dem Moment, wo ein Mensch diese Überzeugung in sich trägt, ist er
nach dieser Auffassung sicher als Muslim einzuordnen, selbst wenn er
gleichzeitig verschiedene Formen des Polytheismus in der Anbetung
praktiziert.
Die islamischen Quellen zeigen aber, dass es vor allem diese Beigesellung
in der Anbetung ist, die einen Menschen zum Polytheisten macht, wes-
halb ebendiese Beigesellung im Islam auch aufs Schärfste verurteilt wird.
Damit ein Mensch aus islamischer Sicht wirklich zum Muslim wird, erfor-
dert es weit mehr als ein bloßes Lippenbekenntnis. In diesem Sinne ist es
nicht denkbar, dass ein Mensch Polytheismus betreibt, aber aufgrund sei-
nes bloßen Bekenntnisses dennoch ein tatsächlicher Monotheist ist. Ein
polytheistischer Muslim bzw. ein polytheistischer Monotheist wäre
schließlich eine absurde Annahme43.
Genau dieser völlig widersprüchliche Gedanke ist aber heute weit ver-
breitet. Deshalb ist es ein zentrales Anliegen des vorliegenden Buches
auch diese Problematik aufzuarbeiten.
______

43Hier sei nochmal an den im Vorwort dieses Buches erwähnten Hinweis er-
innert:
Nicht nur für Muslime ist die Vorstellung eines „polytheistischen Muslims“
eine Absurdität. So antwortete mir ein namhafter, mir bekannter christlicher
Theologe aus Österreich beipflichtend auf eine Abhandlung, in der ich auf
genau diesen Punkt einging: „Aussagen […] ohne Verständnis des Sinns (po-
lytheistischer Muslim) ... sind wirklich erschreckend.“
Man bedenke also: Hier ist die Rede von Gesichtspunkten der islamischen
Theologie, die auch für viele nicht-muslimische Theologen als Selbstver-
ständlichkeit der islamischen Sicht gelten, und keineswegs um irgendwelche
überhaupt nicht nachvollziehbaren Standpunkte, die es unbedingt zu krimi-
nalisieren gilt – wie dies jetzt z. B. in Österreich vorangetrieben wird.

53
Die Lehre des Monotheismus

Der Monotheismus in der Anbetung als


Grundlage des Islam
Die Erklärung des Wortes Islam durch den Propheten 
Es gibt zahlreiche Überlieferungen, in denen der Prophet  selbst die Be-
deutung des Wortes Islam und den grundlegendsten Inhalt der Religion
ausdrücklich erklärt und definiert hat.
Als Beispiel dafür kann folgender ḥadīṯ dienen, der bei al-Buḫārī von Abū
Hurairah  überliefert wurde. Wie in anderen Überlieferungen auch
wurde der Prophet  dabei gefragt „Was ist der Islam?“ und er erwi-
derte:
َ ‫الز ََك َة ال ْ َم ْف ُر‬
َ ‫وض َة َوتَ ُص‬
‫وم‬ َّ ‫الص ََل َة َوتُ َؤد َي‬
َّ ‫يم‬ َ َّ ‫ْاْل ْس ََل ُم أَ ْن َت ْعبُ َد‬
َ ‫اَّلل َو ََل ت ُ ْْش َك ب ِه َشيْئًا َوتُق‬
ِ ِ ِ ِ
َ َ ََ
‫رمضان‬
Der Islam ist, dass du nur Allah anbetest und Ihm44 nichts beige-
sellst, das Gebet verrichtest, die verpflichtende Zakat entrichtest
und den Ramadan45 fastest.

Mit dieser mehrfach wiederholten Aussage wurde der Begriff durch den
Propheten des Islam selbst also deutlich erklärt. Wie daraus ersichtlich,
besteht die Essenz dieser Religion in der Anbetung des einen und einzigen
Schöpfers der Menschheit.
Da es sich hier um den zentralsten Inhalt des Islam handelt, muss die
Frage „Was ist der Islam?“ durch die islamischen Quellen ausreichend ge-
klärt sein. Es sollte dafür also nicht mehr notwendig sein, als zu den Tex-
ten des Koran und der Sunnah zurückzukehren. Mit der genannten Defi-
nition des Propheten  ist die erste Grundfrage dieser Religion an sich

44Es hat sich in der deutschen Schreibung bei Muslimen die Großschreibung
der auf Allah bezogenen Personalpronomen als angemessen gezeigt und ent-
sprechend verbreitet.
45Die ursprünglichen Worte für Zakat und Ramadan schreiben sich im Arabi-
schen zakāh und ramaḍān.

54
Die Lehre des Monotheismus

klar beantwortet, ohne dass zusätzlich irgendwelche Philosophie heran-


gezogen oder große Denkarbeit geleistet werden müsste.
Die im genannten ḥadīṯ nach diesem Grundsatz erwähnten Inhalte sind
ebenfalls zentrale Bestandteile des Islam, dennoch gibt es einen deutli-
chen Unterschied. Zusammen bilden die im ḥadīṯ erwähnten Dinge die
bekannten fünf Säulen des Islam.
Jedoch muss ein Mensch, um überhaupt das Fundament des Islam erfül-
len und in diese Religion eintreten zu können, als erstes seinen Schöpfer
anbeten und gleichzeitig die Anbetung von allem anderen ausnahmslos
unterlassen. Dieser Punkt bildet also die erste der im ḥadīṯ erwähnten
fünf Säulen des Islam. Nur auf diesem Wege kann ein Mensch ein Mono-
theist sein bzw. zu einem solchen werden.
Wenn jemand diesen zentralen Inhalt nicht erfüllt, kann er laut islami-
scher Theologie somit zweifelsohne nicht als Muslim betrachtet werden.

Der Unterschied zwischen dem Fundament des Islam und den


darauf aufbauenden Gesetzen
Das arabische Wort für Monotheismus ist tauḥīd, was sprachlich im
Grunde „vereinheitlichen“ bzw. „zu einem machen“ bedeutet. In der is-
lamischen Glaubenslehre bedeutet das Wort tauḥīd „Allah zu Einem ma-
chen“ und zwar in Seinen Namen, Eigenschaften und Taten sowie auch in
der Anbetung und dem Gehorsam Ihm gegenüber. Der tauḥīd ist also die
Grundlage der Botschaft aller Propheten , der reine Monotheismus. Er
ist gleichbedeutend mit dem Glaubensbekenntnis „lā ilāha illa-ḷḷāh“.
Zweifelsohne sind das Gebet, die Zakat, das Fasten des Ramadan und die
Pilgerreise auch wichtige und bedeutende Institutionen des Islam. Jedoch
bildet der Monotheismus das Fundament, auf welchem die erwähnten
Dinge aufbauen.
Den Unterschied zwischen dem Fundament und den darauf aufbauenden
Gesetzen sieht man deutlich an folgenden Punkten.

Die Möglichkeit der Entschuldigung durch Unwissenheit


Gemäß der einheitlichen Auffassung der frühen muslimischen Gelehrten,
die eine überlieferte und authentische Glaubenslehre anstrebten, gilt im
Islam der Grundsatz der Entschuldigung durch Unwissenheit – auch wenn

55
Die Lehre des Monotheismus

dieser klarerweise nicht auf jede erdenkliche Situation angewendet wer-


den kann, wozu in diesem Buch später noch etwas gesagt wird.
In Bezug auf das Gebet, die Zakat, das verpflichtende Fasten und die Pil-
gerreise ist in diesem Kontext zu sagen, dass ein Mensch bei anerkannter
und theologisch zu rechtfertigender Unwissenheit sicherlich entschuldigt
sein kann. Wer z. B. den Quelltext, der diese religiösen Vorschriften über-
haupt erst zur Pflicht macht, gar nicht kennt, weil ihn dieser Text nicht
oder nicht in verständlicher Form erreicht hat, gilt als entschuldigt.
Im Gegensatz dazu ist es nicht vorstellbar, wie jemand Muslim sein
könnte, der über die Grundbedeutung des Wortes Islam gänzlich unwis-
send ist. Hierin besteht also ein großer Unterschied zu den anderen ge-
nannten Verpflichtungen.
Darüber hinaus ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Umsetzung des
Islam beabsichtigt und bewusst vorgenommen werden muss. Wie sollte
jemand diese Absicht und das notwendige Bewusstsein nun mitbringen,
wenn er die Grundbedeutung an sich gar nicht kennt?

Die Unterschiedlichkeit der Rechtsvorschriften bei den


verschiedenen Propheten 
Die Riten, Gesetze, Gebote und Verbote, also die Rechtssysteme der ein-
zelnen Propheten  unterschieden sich laut islamischer Lehre in vielen
Punkten voneinander. Der Monotheismus als Fundament war demgegen-
über jedoch immer einer und unterschied sich zwischen den verschiede-
nen Propheten und ihren Gemeinschaften in keinem Punkt. Diese Grund-
lehre, die auch als „der allgemeine Islam“ (al-islāmu l-ʿāmm) bezeichnet
wird, war von Anfang an immer einheitlich.
Auf diesen Umstand wird in einem ḥadīṯ, der bei al-Buḫārī von Abū
Hurairah vom Propheten  überliefert wird, folgendermaßen hingewie-
sen:
ْ ُّ
‫ادلنيَا‬
َ
‫اس بِ ِعيَس اب ْ ِن َم ْر َي َم ِِف‬ َّ ‫ «أَنَا أَ ْو ََل‬:‫اَّلل ﷺ‬
ِ ‫انل‬
َّ ُ ُ َ َ َ َ َ َ َ ْ َ ُ َ ْ َ
ِ ‫ قال رسول‬:‫ قال‬،‫عن أ ِِب هريرة‬
ٌ َ ْ ُ ُ َ َّ َ ْ ُ ُ َ َّ ُ َّ َ ٌ ْ ُ َ ْ َ ْ َ َ ْ َ
ِ ‫ أمهاتهم شَّت و ِدينهم و‬،‫اء إِخ َوة ِلعَل ٍت‬
»‫احد‬ ‫ واْلن ِبي‬،‫واْل ِخر ِة‬
Die Propheten sind wie die Kinder der verschiedenen Frauen ein und
desselben Mannes. Ihre Mütter sind unterschiedlich, aber ihr dīn ist
einer.

56
Die Lehre des Monotheismus

Das Wort dīn wird im Deutschen häufig als Religion oder umfassender
Lebensweg beschrieben. In dieser Aussage sind damit das Fundament
und die Essenz gemeint, nämlich der Monotheismus.
Ebenso wird im Koran-Vers46 5:48 (Sure al-Māʾidah) auf diesen Umstand
hingewiesen. In den Koran-Exegesen (tafsīr, Pl. tafāsīr) von Ibnu Abī
Ḥātim47 und aṭ-Ṭabarī48 wird bei der Erklärung dieses Verses von den frü-
hesten Gelehrten ausdrücklich überliefert, dass sich die Rechtssysteme
und Rechtsnormen unterschieden, die Grundlage der Religion, der Mo-
notheismus, jedoch immer einer war.

46 Die Verse des Koran werden im Arabischen āyāt (Sg. āyah) genannt, was
im Arabischen unter anderem die Bedeutung „Zeichen“ hat. Um die Leser-
lichkeit im Deutschen zu erleichtern, wurde dafür in diesem Buch die deut-
sche Entsprechung Vers bzw. Koran-Vers gebraucht.
47Ibnu Abī Ḥātim ar-Rāzī (240-327 n. H./854-939 n. Chr.) war ein herausra-
gender ḥadīṯ-Gelehrter. Sein Name ist von großer Bedeutung in der Wissen-
schaft der Beurteilung der Überlieferer (al-ǧarḥu wa-t-taʿdīl). Er verstarb im
Alter von etwa 85 Jahren (Altersangaben immer nach greg. Kalenderjahren).
Er zeichnete sich zudem vor allem durch ein umfassendes Werk der Koran-
Exegese (im Arabischen tafsīr genannt) aus, in welchem er sich bei der Erklä-
rung der Verse ausschließlich auf Überlieferungen beschränkte, ohne diesen
eigene Erklärungen hinzuzufügen.
Gemeinsam mit dem Werk von Ibnu Ǧarīr aṭ-Ṭabarī gehört das Werk von
Ibnu Abī Ḥātim zu den frühesten umfassenden und heute noch vollständig
oder zu einem großen Teil erhaltenen Werken des tafsīr.
48 Wie erwähnt zählte auch Abū Ǧaʿfar ibnu Ǧarīr aṭ-Ṭabarī (224-310
n. H./839-922 n. Chr.) zu den frühen tafsīr-Gelehrten der islamischen Ge-
schichte. Er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sein umfassendes Werk
der Koran-Exegese noch heute vollständig erhalten ist.
Auch aṭ-Ṭabarī baute seinen tafsīr primär auf Überlieferungen auf, die er
stets mit der Überlieferungskette auf ihren Ursprung zurückführte. Im Ge-
gensatz zu Ibnu Abī Ḥātim fügte er diesen Überlieferungen jedoch häufig
auch eigene Erklärungen hinzu. Aṭ-Ṭabarī erreichte ein Alter von etwa 86 Jah-
ren.

57
Die Lehre des Monotheismus

So überliefert Ibnu Abī Ḥātim – und ebenso aṭ-Ṭabarī – von Qatādah:


ٌ َ ُ َ َ ً َ ْ ً َ ْ ْ ُ ْ َ ْ َ َ ٍّ ُ ُ َ ْ َ َ َ َ َ ْ َ
ِ ‫ ادلين و‬:‫] قال‬48 :‫ { ِلُك جعلنا ِمنكم ِِشعة َو ِمنهاجا} [املائدة‬:‫ قوَل‬،‫عن قتادة‬
‫احد‬
ٌ َ ُْ َ َّ ‫َو‬
‫الْشائِ ُع ُمتَ ِلفة‬
Von Qatādah wird überliefert über den Vers: „Für jeden von euch
haben Wir ein Gesetz und einen deutlichen Weg festgelegt.“ Er
sagte hierzu erklärend: „Der dīn ist einer und die Rechtssysteme
sind unterschiedlich.“

Danach wird von Qatādah als Erklärung noch folgende Aussage überlie-
fert:
ً َّ ً ُ َُ ً ‫ِش َع ًة َومنْ َه‬ ُ ْ َ ْ َ َ ٍّ ُ ُ َ ْ َ َ َ َ َ ْ َ
،‫ َس ِبيَل َو ُسنة‬:‫] يقول‬48 :‫اجا} [املائدة‬ ِ ْ ‫ك ْم‬
ِ ‫ { ِلُك جعلنا ِمن‬:‫ قوَل‬،‫عن قتادة‬
ُّ
ُ َّ ‫ َيل‬،‫يعة‬ ُ ٌ َ ُ َ ُ ْ ٌ َ ْ ْ ٌ َّ ‫َن ُُمْتَ ِل َف ٌة ِف‬
َ ‫اَل ْو َراة َِش‬ ُ َ ‫الس‬
‫اَّلل ِفي َها َما‬ ِ
َ ‫ َوالف ْرقان ِش‬،‫يعة‬
ِ
َ ‫ َولْلْنيل ِش‬،‫يعة‬
ِ ِ ِ ِ ِ ِ ِ ِ
ُّ ‫َو‬
ُ ‫اَل ْوح‬ ُ ُ ْ ‫اَّلي ََل ُي ْقبَ ُل َغ‬ َّ ُ َ َْ ُُ ُ ْ َ َََْ َ َ َ ُ َُ َ َ َ
‫يد‬ ِ َّ ‫ْيه‬ ِ ‫ين‬ ‫ وادل‬،‫يعه ِم َّم ْن يع ِصي ِه‬ ‫ ِِلعلم من ي ِط‬،‫شاء وَيرم ما شاء‬
ُ ُّ ْ َ َ َّ ُ َ ْ ْ َ
‫الر ُسل‬ ‫اءت بِ ِه‬ ‫اَّلي ج‬
ِ ‫اْلخَلص‬ ِ ‫و‬
[…] und derjenige dīn, außer dem kein anderer akzeptiert wird, ist
der tauḥīd und der iḫlāṣ, mit welchem die Gesandten gekommen
sind.

Hier erwähnt er also ausdrücklich, dass sich alle Propheten im tauḥīd, also
im Monotheismus-Verständnis einig waren.
Abgesehen davon erwähnte dieser frühe tafsīr-Gelehrte im ebengenann-
ten Zitat noch eine wichtige Sache, die später in diesem Buch noch weiter
verdeutlicht wird und deshalb hier schon bewusst wahrgenommen wer-
den sollte.
Qatādah erklärt hier nämlich, dass der Monotheismus darin besteht, den
sogenannten iḫlāṣ umzusetzen, also die alleinige Anbetung Allahs 49.
Diese eine Aussage eines der frühesten Gelehrten des tafsīr ist an sich

49Dieses arabische Schriftsymbol bedeutet etwa: „Gepriesen und hocherha-


ben sei Er“. Auf diese oder ähnliche Weise wird bei Muslimen der Schöpfer
gewürdigt.

58
Die Lehre des Monotheismus

völlig ausreichend um dies zu belegen, jedoch soll hierzu später wegen


der Wichtigkeit dieses Punktes noch eine weitere Verdeutlichung folgen.
Auch wird aus der genannten Überlieferung klar, dass die verschiedenen
Rechtsnormen der einzelnen Gesandten aufgrund ihrer Unterschiedlich-
keit nicht unveränderlich sind. Die Gebote und Verbote konnten sich also
in ihrer Form und Art unterscheiden. Darüber hinaus konnte ein Gesetz,
das bei einem anderen Gesandten und seiner Gemeinschaft Gültigkeit
hatte, gänzlich entfallen. Auch wenn dies nicht für alle Ge- und Verbote
gilt und es durchaus einige Dinge gibt, die im Konsens aller Propheten
einheitlich behandelt wurden, wie z. B. das eindeutige Unrecht einer Per-
son gegenüber im Hinblick auf ihr Leben, ihren Besitz und ihre Ehre sowie
Ehebruch und andere Dinge. Auf diesen Umstand der Unveränderlichkeit
mancher Inhalte wurde von den Gelehrten der islamischen Geschichte
auch mehrfach hingewiesen.

Die Tatsache, dass als erstes zum tauḥīd aufgerufen wird und erst
danach zu den einzelnen Riten, Geboten und Verboten
Al-Buḫārī überliefert von Ibnu ʿAbbās :
َ َ َ ْ َ َ َ َ َ ْ ُ ُ ْ َ َ َ َ َ ْ َ ُ ْ َ ُ َّ َ َ ً َ ُ َ َ َ
ُ َّ ‫َل إ ََّل‬
‫اَّلل‬ َّ ‫أَ َّن‬
َّ ‫انل‬
ِ ِ‫ب ﷺ بعث معاذا ر ِض اَّلل عنه إِل اِلم ِن فقال ادعهم إِل شهاد ِة أن َل إ‬ ِ
َ َ َ َ ْ َ ْ ْ َ َ َ َ َ ْ ْ َ َ َّ َّ َ ْ ُ ْ ْ َ َ َ َ ُ َ َ ْ ُ ْ َ َّ ُ ُ َ َ َ
‫ات‬ ٍ ‫اَّلل فإِن هم أطاعوا َِّللِك فأع ِلمهم أن اَّلل قد افَتض علي ِهم َخس صلو‬ ِ ‫وأِن رسول‬
ْ‫َت َض َعلَيْه ْم َص َدقَ ًة ِف أَ ْم َوالهم‬
َ َ ْ َ َّ َّ َ ْ ُ ْ ْ َ َ َ َ ُ َ َ ْ ُ ْ َ َ ْ َ َ ْ َ ُ
ِِ ِ ِ ‫ِِف ك يومٍ وِلل ٍة فإِن هم أطاعوا َِّللِك فأع ِلمهم أن اَّلل اف‬
َ ُ َ ُّ ُ ْ َ ُ َ ُْ
.‫تؤخذ ِم ْن أغ ِنيَائِ ِه ْم َوت َرد َلَع فق َرائِ ِه ْم‬
Der Prophet  sandte Muʿāḏ  in den Jemen und sagte zu ihm:
„Rufe sie auf zur Bezeugung von lā ilāha illa-ḷḷāh50 und dass ich der
Gesandte Allahs bin.
Wenn sie dir darin folgen, dann lehre sie, dass Allah ihnen fünf Ge-
bete am Tag und in der Nacht auferlegt hat. Wenn sie dir darin fol-
gen, dann lehre sie, dass Allah für sie eine geldliche Abgabe ver-
bindlich gemacht hat, die von ihren Reichen genommen und ihren
Armen zurückgegeben wird.“

50 Also: „…, dass es nichts Anbetungswürdiges gibt außer Allah.“

59
Die Lehre des Monotheismus

In einer anderen Überlieferung desselben ḥadīṯ heißt es:


ُ ْ ْ َ َ َ َّ ُ َ َ َ َ َّ ُ َ َ ْ َ ْ ُ ُ ْ َ َ َ َّ َ ْ ُ َ ْ َ
... ‫َبه ْم‬ِ ‫اَّلل ف ِإذا عرفوا اَّلل فأخ‬
ِ ‫فليكن أول ما تدعوهم إِِل ِه ِعبادة‬
So soll das Erste, wozu du sie aufrufst, sein, Allah allein anzubeten.
Wenn sie Allah dann kennen, dann lehre sie ...

Und in einer weiteren Überlieferung:


َ َ َ َّ َْ َ ُ َْ َ َ ُ َْ
... ‫اَّلل ت َعال‬ ‫فليَك ْن أ َّول َما تد ُعوه ْم إِل أن يُ َوح ُدوا‬
So soll das Erste, wozu du sie aufrufst, sein, dass sie Allah zu Einem
machen51…

Das Gebot des tauḥīd/Monotheismus und der Aufruf dazu kommt also
vor dem Gebet, der Zakat und allem anderen. Ebenso ist laut den islami-
schen Quellen auch der širk/Polytheismus stets das Erste, was untersagt
wird.
Im Koran ist dies an vielen Stellen ersichtlich:

ً ْ َ ‫ك ْم أَ ََّل ت ُ ْْش ُكوا به َشيْئًا َوبال ْ َو‬


‫ادليْ ِن ِإح َسانا‬
ُ ْ َ َ ْ ُ ُّ َ َ َّ َ َ ُ ْ َ ْ َ َ َ ْ ُ
‫﴿قل تعالوا أتل ما حرم ربكم علي‬
ِ ِ ِِ ِ
ُ َ َ َ ُ َْ َ
﴾‫َوَل تقتُلوا أ ْوَلدك ْم‬
Sprich: Kommt herbei! Ich verlese euch, was euer Herr euch ver-
boten hat. (Er hat euch befohlen), dass ihr Ihm nichts beigesellt,
und eure Eltern zu ehren, und nicht eure Kinder zu töten, ...
[Sure al-Anʿām, 6:151]

51Im Arabischen: „an yuwaḥḥidu-ḷḷāh“ also, dass sie Allah mit ihrer ʿibādah
zu einem einzigen Angebeteten machen und Ihm nichts beigesellen.

60
Die Lehre des Monotheismus

Auch wird im Koran zahlreich erklärt, dass jeder Prophet seine Gemein-
schaft als erstes zum Monotheismus aufrief:

ُ ْ ‫ك ْم ِم ْن إ َ ٍَل َغ‬
﴾‫ْيه‬
ُ َ َ َ َّ ْ
‫﴿اعبُ ُدوا اَّلل ما ل‬
ِ
Betet Allah an, ihr habt keinen anderen Anbetungswürdigen.
[Sure al-Aʿrāf, 7:59]

Im Koran wird durch die mehrfache Wiederholung dieses Verses gezeigt,


dass jeder Prophet  seinem Volk diesen Inhalt verkündete.
___________

Diese oben ausgeführten Gegebenheiten zeigen also deutlich den Unter-


schied zwischen dem Fundament des Islam, dem tauḥīd, und den darauf
aufbauenden Riten, Ge- und Verboten.
Dem Gesagten kann noch ein vierter Punkt hinzugefügt werden, und
zwar die Tatsache, dass die Gesetze im Allgemeinen alle mehr oder we-
niger später geoffenbart wurden. Wäre es für den Islam einer Person un-
erlässlich, all diese Dinge zu kennen und umzusetzen, wäre eine Verzöge-
rung der einzelnen Gesetze nicht denkbar.

Zusammenfassend können also folgende Punkte erwähnt werden:


1) Die Möglichkeit zur Entschuldigung durch Unwissenheit
2) Die Unterschiedlichkeit der Gesetze bei den verschiedenen Prophe-
ten
3) Die Tatsache, dass als erstes zum tauḥīd aufgerufen wird und erst
danach zu den einzelnen Riten, Geboten und Verboten
4) die Tatsache, dass die Gesetze im Allgemeinen alle mehr oder weni-
ger später geoffenbart wurden

61
Die Lehre des Monotheismus

Der tauḥīd/Monotheismus ist das Fundament des Islam


Entsprechend dem bereits erwähnten ḥadīṯ über die fünf Säulen des Is-
lam, wird auch in einem weiteren sehr bekannten ḥadīṯ erwähnt, dass
der Islam auf die genannten fünf Dinge aufgebaut ist. So überliefert al-
Buḫārī von ʿAbduḷḷāh ibnu ʿUmar, dass der Prophet  sagte:
َْ َ َ َ َ َ ْ َ ُ َّ ُ ُ َ َ َ َ َ َ ُ ْ َ ُ َّ َ َ َ َ ُ ْ ْ َ
‫اْل ْسَل ُم َلَع َخْ ٍس ش َهاد ِة أن‬
ِ ‫اَّلل ﷺ ب ِن‬
ِ ‫ض اَّلل عنهما قال قال رسول‬ ِ ‫عن اب ِن عمر ر‬
َ َ َ َ ْ َ َ َ ْ َ َ َّ َ
‫الصَل ِة َوإِيتَا ِء الزَك ِة واْلج وصومِ رمضان‬
َ َّ ُ ّ ‫اَّلل َوأَن‬
َّ ِ‫ُممدا َر ُسول اَّلل َوإقام‬ َّ ُ َّ ‫َل إ ََّل‬
ََ َ
ِ ِ ِ ِ‫َل إ‬
Der Islam wurde auf fünf (Säulen) aufgebaut:
• der Bezeugung, dass es keinen Anbetungswürdigen gibt außer
Allah und dass Muḥammad sein Gesandter ist,
• dem Verrichten des Gebets,
• dem Entrichten der Zakat,
• der Pilgerreise und
• dem Fasten des Ramadan.

Auch hier wird also klar, dass der Islam ohne das Fundament nicht vor-
stellbar ist, da die ganze Religion auf diesem Fundament basiert.
In einer anderen Überlieferung dieses ḥadīṯ bei al-Buḫārī heißt es:
ْ َ َّ َ َّ َْ ََ
‫الصَل ِة اْل َ ْم ِس‬ ُ
ِ ِ ‫اَّلل َو َرس‬
‫وَل و‬ ِ ِ‫ان ب‬
َ
ٍ ‫لَع َخ ٍس إِيم‬
Der Islam wurde auf fünf (Säulen) gebaut: Dem īmān an Allah und
seinen Propheten, den fünf Gebeten...

In einer weiteren Überlieferung des ḥadīṯ bei Muslim52 liest man folgende
Wortlaute:
ُ َّ ‫لَع أَ ْن يُ َو َّح َد‬
‫اَّلل‬
ََ

52Muslim ibnu l-Ḥaǧǧāǧ (204-261 n. H./820-875 n. Chr.). Wie bereits er-


wähnt war der ḥadīṯ-Gelehrte Muslim ein Schüler von al-Buḫārī und mit ihm
gemeinsam einer der bedeutendsten Gelehrten des ḥadīṯ.

62
Die Lehre des Monotheismus

..., dass Allah zu einem Einzigen gemacht wird53.


َُ ُ َْ ُ َّ ‫لَع أَ ْن ُي ْعبَ َد‬
‫اَّلل َو ُيكف َر بِ َما دونه‬
ََ

..., dass man (nur) Allah anbetet und alles andere verleugnet54, das
außer Ihm angebetet wird.

Es handelt sich hierbei also ohne Zweifel um das Fundament, auf wel-
chem der Islam aufgebaut ist – worüber bei Muslimen von Anbeginn ein
Konsens herrscht. Wie dies häufig bei verschiedenen Überlieferungen der
Fall ist, sind die Wortlaute von der Bedeutung her deckungsgleich und
erläutern sich gegenseitig.

53Im Arabischen wird hier das Verb „yuwaḥḥadu“ verwendet. Es kommt aus
derselben Wurzel wie das Wort „wāḥid“ also „Eins bzw. Einer“. Das Wort
tauḥīd ist der maṣdar, also das Verbalsubstantiv dieses Verbs. Wie bereits
erläutert, bedeutet tauḥīd also „das Vereinen“ bzw. „das zu Einem machen“.
Auch aus diesem ḥadīṯ und seinem Wortlaut ist also ersichtlich, dass der
tauḥīd die Grundlage des Islam darstellt.
54Wörtlich: „den kufr gegen alles andere vollzieht“. Gegen eine Sache kufr
zu begehen bedeutet, es völlig zu verleugnen und sich davon loszusagen.

63
Die Lehre des Monotheismus

Die Bedeutung des Glaubensbekenntnisses in


den frühen Quellen des Islam und das
Fehlverständnis darüber
Es wurde bereits angesprochen, dass die tatsächliche Bedeutung des is-
lamischen Glaubensbekenntnisses lā ilāha illa-ḷḷāh bedeutet: „Es gibt kei-
nen Anbetungswürdigen außer Allah“. Das arabische Wort ilāh bedeutet
– im Gegensatz zur Annahme sehr vieler Menschen heute – nicht in erster
Linie „Schöpfer“ oder Ähnliches. Vielmehr kann es im Deutschen mit „An-
betungswürdiger“ wiedergegeben werden.
Erst bei den Philosophen, welche begannen, ihren eigenen Verstand als
Quelle der Religion zu erachten und ihn häufig über die eigentlichen Quel-
len, den Koran und die Sunnah zu stellen, schlich sich allmählich das Miss-
verständnis über das Glaubensbekenntnis ein. Sie dachten nämlich, die
Bedeutung davon wäre: „Es gibt keinen Schöpfer, Lebensspender, Versor-
ger ... außer Allah“.55
Da dies heute auch von der Mehrheit jener Menschen angenommen
wird, die sich zum Islam bekennen, verwundert es nicht, bei der Überset-
zung des Glaubensbekenntnisses vor allem folgende Ausdrücke zu lesen:
„Es gibt keinen Gott außer Gott“, „Es gibt keinen Gott außer Allah“.
Es tritt bei solchen Übersetzungen deutlich die Annahme zu Tage, man
würde dadurch lediglich bezeugen, dass es einen einzigen Schöpfer gibt.

55Natürlich sind diese und andere grundlegende Bedeutungen ohne Zweifel


auch implizit im Glaubensbekenntnis enthalten und in der islamischen
Grundüberzeugung (ʿaqīdah) unerlässlich. D.h. jeder Muslim muss natürlich
voll und ganz von der Existenz Allahs als einzigem Schöpfer, Lebensspender
und Versorger überzeugt sein.
Hier geht es jedoch darum, dass mit dem Wortlaut und primären Inhalt des
Glaubensbekenntnisses nicht in erster Linie diese Dinge gemeint sind.
Ebenso soll hier gezeigt werden, dass die Bedeutung des Glaubensbekennt-
nisses nicht auf die genannten Überzeugungen reduziert werden darf.
Wie groß die Auswirkung dieser unterschiedlichen Auslegung ist, wird sich in
diesem Kapitel noch weiter verdeutlichen.

64
Die Lehre des Monotheismus

Der Aspekt der Anbetung und des Gehorsams gegenüber diesem Schöp-
fer wird bei diesem Verständnis und der entsprechenden Übersetzung
hingegen völlig ausgespart.
Auf diesem Weg entstand auch die Annahme, die vorislamischen Götzen-
diener der Mekkaner und anderer arabischer Stämme müssten klarer-
weise völlig unwissend über die Existenz dieses Schöpfers gewesen sein,
oder sie hätten neben Diesem noch weitere Schöpfer vermutet. Andern-
falls wäre es schließlich nicht erklärbar, warum diese Götzendiener über-
haupt Götzendiener waren. Hätten sie nämlich gewusst, dass es nur ei-
nen einzigen Schöpfer gibt, hätten sie dadurch automatisch das
Glaubensbekenntnis erfüllt und wären somit Monotheisten.
Genau hier zeigt sich ein fundamentales Problem. Nämlich, dass die frü-
hen islamischen Quellen eindeutig zeigen, dass ebenjene Götzendiener
klar und deutlich davon überzeugt waren, dass Allah  der Schöpfer allen
Seins ist und es darüber hinaus auch keinen anderen Schöpfer gibt.
Wenn dem so ist – und dies wird sich durch folgende Texte klar zeigen –,
offenbart sich dadurch ein allgemein vorherrschender, eklatanter Wis-
sensmangel, zum einen über die frühen Quellen des Islam, allen voran
den Koran und seine frühen Erläuterungen, die diese Aussage im Konsens
wiedergeben. Zum anderen jedoch auch über das islamische Glaubens-
bekenntnis.
Dies wiederum bedeutet ein fundamentales Missverständnis über die
Grundaussage der Religion und ein solches kann klarerweise nicht ohne
Folgen bleiben, da weitere Auffassungen und Konzepte dieser Religion,
wie bereits gezeigt wurde, auf diesem Fundament aufbauen.

Die vorislamischen Götzendiener glaubten an einen einzigen


Schöpfer
Wie bereits erwähnt, zeigen die islamischen Quellen – begonnen natür-
lich beim Koran selbst – eindeutig, dass die vorislamischen Götzendiener
der Araber von der Existenz Allahs als dem einen und einzigen Schöpfer
allen Seins überzeugt waren.
In diesem Kapitel sollen mehrere Beispiele für solche Stellen aus dem Ko-
ran gegeben werden. Zudem soll an den Auslegungen der frühesten mus-
limischen Gelehrten für ebendiese Koran-Verse gezeigt werden, dass

65
Die Lehre des Monotheismus

diese Texte bei den Muslimen von Anbeginn auch nur so verstanden wur-
den. Für die frühen Muslime war es eine Selbstverständlichkeit, dass die
arabischen mušrikūn/Götzendiener um die Existenz eines einzigen Schöp-
fers Bescheid wussten. Ihnen war klar, dass der Koran sie im Speziellen
dafür rügt, dass sie trotz dieses Wissens neben Ihm andere anbeteten.

Der Koran-Vers „Hat er etwa die Angebeteten zu einem einzigen


Angebeteten gemacht?!“
Im Koran heißt es in Sure Ṣād:

ٌ ‫ج‬ ْ َ َ ‫اح ًدا إِ َّن َه َذا ل‬


َ ‫َش ٌء ُع‬ ًَ َ َ ْ َ َ َ َ
﴾‫اب‬ ِ ‫﴿أجعل اْللِهة إِلها َو‬
Hat er etwa die Angebeteten56 zu einem einzigen Angebeteten
gemacht?! Gewiss, dies ist doch eine sehr merkwürdige Sache.
[Sure Ṣād, 38:59]

Aṭ-Ṭabarī erwähnt hierzu folgende Erläuterung:


َّ ُ َ ُ ْ َ ْ ٌ َّ َ ُ َ َ ْ َ ٌ َّ َ ٌ َ ٌ َّ َ ُ ُ َ َ َّ َ ُ َ ْ َ ُ َ َ َ َ ُ ُ َ
‫ات ُك َها‬ ِ ‫ أجعل ُممد المعبود‬:‫احر كذاب‬ ِ ‫ ُممد س‬:‫اَّلين قالوا‬ِ ‫ وقال هؤَل ِء الَك ِفرون‬:‫يقول‬
ٌ ‫ج‬ َ ُ
ْ َ ‫اد َة ك ََعب ٍد َعبَ َد ُه ِم َّنا { ِإ َّن َه َذا ل‬
َ ‫َش ٌء ُع‬ َ
َ َ ُ ََْ ََ َ ََ َ ُ َُ َْ ً َ
}‫اب‬ ِ ‫ ويعلم ِعب‬،‫َجيعنا‬ ِ ‫ يسمع دَعءنا‬،‫احدا‬ ِ ‫و‬
َ َ
... ‫يب‬ ِ ْ َ ‫] أ ْي ِإ َّن َه َذا ل‬5 :‫[ص‬
ٌ ‫َش ٌء َعج‬

Und so sagten jene kāfirūn, welche behaupteten, Muḥammad wäre


ein Zauberer und Lügner: „Hat Muḥammad etwa die Angebeteten
(al-maʿbūdāt) zu einem Einzigen gemacht, der all unsere Bittgebete
hört und über den Gottesdienst von jedem Bescheid weiß, der Ihn

56 Im Arabischen wird hier das Wort ālihah, der Plural von ilāh, verwendet.
Es ist jenes Wort, das auch im Glaubensbekenntnis enthalten ist und dessen
falsches Verständnis, wie kürzlich beschrieben, zur falschen Deutung des
Glaubensbekenntnisses geführt hat.
Im Glaubensbekenntnis wird nämlich die Existenz aller (zu Recht) Angebete-
ten verneint, außer in Bezug auf den einen zu Recht Angebeteten. Deshalb
auch der Wortlaut: „Es gibt keinen (rechtmäßigen) ilāh, außer Allah“, lā ilāha
illa-ḷḷāh.

66
Die Lehre des Monotheismus

anbetet von uns?! Gewiss, dies ist doch eine sehr merkwürdige Sa-
che.“ …

Beim Wort „Angebeteten“ verwendete aṭ-Ṭabarī hier zur Erklärung je-


doch nicht das Wort ālihah, um das es aufgrund der heute vorherrschen-
den Unwissenheit große Konfusion gibt. Vielmehr benutzte er dafür das
eindeutige Wort maʿbudāt.
Aṭ-Ṭabarī erklärte somit etwa Ende des 3. Jahrhunderts n. H. die Bedeu-
tung dieser koranischen Aussage eindeutig in dem zuvor erklärten Sinn.
Darin zeigt sich also zweifelsfrei, dass das im Koran benutzte Wort ālihah
in der Bedeutung von „Angebetete“ verstanden werden muss und nicht
im Sinn von „Schöpfer“ oder Ähnlichem.
Wer den Koran aufmerksam liest, müsste eigentlich wissen, dass der Be-
griff ilāh nicht im Sinne von Schöpfer verstanden werden kann. Umso ver-
wunderlicher ist, dass über Jahrhunderte hinweg Leute, die als große Ge-
lehrte gelten und sich sogar mit der Koran-Exegese beschäftigten, auf
einem falschen Verständnis beharrten.
Beim obenerwähnten Vers z. B. fragt man sich, wie solche Leute die darin
befindliche Aussage einfach übergehen konnten. Schließlich ist klar, dass
die Götzendiener meinten: „Will Muḥammad denn unsere Angebeteten
zu einem einzigen Angebeteten machen?“. Es müsste für jeden Leser des
Koran offensichtlich sein, dass hier nicht die Rede davon sein kann, dass
Muḥammad angeblich alle Schöpfer zu einem einzigen Schöpfer machen
wollte. Dies ergäbe keinen Sinn.
Nun mag jemand, der keine Kenntnis von den frühen Koran-Exegesen
hat, glauben, dass dies eine einzelne Aussage ist. Dies ist jedoch ein
schwerwiegender Trugschluss. Vielmehr handelt es sich um eine Kon-
sensmeinung, die etliche Male alleine in diesem einen Werk von aṭ-Ṭabarī
erwähnt und von den noch früheren tafsīr-Gelehrten überliefert wird –
und ebenso in zahllosen anderen frühen Werken der islamischen Über-
lieferung.
Im weiteren Verlauf sollen deshalb beispielhaft einige weitere Texte er-
wähnt werden.

67
Die Lehre des Monotheismus

Der Aufruf der Propheten und die Antwort ihrer Völker darauf
Im Koran wird immer wieder die folgende Aussage der Propheten  zu
ihren Völkern erwähnt. Sie wird an verschiedenen Stellen im selben
Wortlaut wiederholt – häufig auch in derselben Sure mehrmals, vor allem
in Sure al-Aʿrāf:

ُ ْ ‫ك ْم ِم ْن إ َ ٍَل َغ‬
﴾‫ْي ُه‬
ُ َ َ َ َّ ْ َ
‫﴿يَا ق ْومِ اعبُ ُدوا اَّلل ما ل‬
ِ
Oh mein Volk! Betet Allah (alleine) an. Es gibt für euch nichts
anderes Anbetungswürdiges.
[Sure al-Aʿrāf, 7:59, 65, 73, 85; Sure Hūd, 11:50, 61, 84;
Sure al-Muʾminūn, 23:23, 32]

Hier wird wiederum das Wort ilāh verwendet. Jedoch zeigt die Antwort
jener Völker auf diesen Aufruf überaus deutlich, dass sie diesen als Aufruf
zur alleinigen Anbetung des Schöpfers verstanden und deshalb in weite-
rer Folge auch häufig ablehnten.
So lautete die Antwort des Volkes von ʿĀd gegenüber ihrem Propheten
Hūd  beispielsweise:

َُ َْ َ َ َ َ َ ْ َ َّ َ ُ ْ َ َ َ ْ َ ُ َ
﴾‫اَّلل َوحد ُه َونذ َر َما َكن يعبُ ُد آبَاؤنا‬ ‫﴿قالوا أ ِجئتنا ِنلعبد‬
Sie sagten: Bist du etwa zu uns gekommen, auf dass wir nur Allah
alleine anbeten und das lassen, was unsere Väter angebetet
haben?! [Sure al-Aʿrāf, 7:70]

Sie verstanden also klar und deutlich, dass sich der Aufruf auf den Mono-
theismus in der Anbetung bezieht und mit dem Wort ilāh „Angebeteter”
gemeint ist und nicht etwa „Schöpfer”. Dies, weil sie über den Monothe-
ismus in Belangen der Schöpfung, Versorgung und Ähnlichem ohnehin
von Geburt an Kenntnis hatten.

68
Die Lehre des Monotheismus

Aṭ-Ṭabarī bestätigt dies wiederum mit äußerster Deutlichkeit als er bei


diesem Vers erklärend sagt:
َ َْ َ َّ َ َ ْ َ َ َّ َ َ َ َ َ ْ َ ُ ٌ َ ْ َ َ ُ ُ ْ َ َ َ ُ ُ َ
‫اَّلل َلَع َما َن ُن َعليْ ِه ِم َن‬
ِ ‫اب ِمن‬ ِ ‫ أ ِجئتنا تتوعدنا بِال ِعق‬:‫ قالت َعد لِهو ٍد‬:‫يقول تعال ِذكره‬
َّ َْ ْ ََ َ َّ ُ َ ‫ين‬
ُ ‫اعة َخال ًصا َو َن ْه‬ ْ َ َ َّ َ ُ ْ َ ْ َ
َ ‫ح َد ُه َونَ ِد‬
‫ج َر ِعبَادة اْلل ِ َه ِة َواْل ْصنَامِ ال ِت‬ ِ ِ ‫َل بِالط‬ ‫ين َك نعبد اَّلل و‬ ِ ‫ادل‬
َ ْ َ َّ َ َ َ َ َ َ ُ ُ ْ َ َ ُ َ َ َ
‫َكن آباؤنا يعبدونها ونتَبأ ِمنها؟‬
Der Erhabene sagt also, dass das Volk von ʿĀd zum Propheten Hūd
sagte: „Bist du denn etwa zu uns gekommen, uns die Strafe Allahs
androhend, wegen unserer Religion? Damit wir nur Allah alleine
anbeten und nur Ihm gegenüber gehorsam sind, zu niemand ande-
rem, in völliger Hingabe?! Und damit wir die Anbetung unserer
ālihah und Götzen unterlassen, welche unsere Väter angebetet ha-
ben? Auf dass wir uns von diesen lossagen?!“

Äußerst klar also wiederum auch die Erklärung des tafsīr-Gelehrten aṭ-
Ṭabarī darin, dass diese Götzendiener eines früheren, im Koran erwähn-
ten Volkes sehr wohl Kenntnis von Allah als dem einzigen Schöpfer hatten
und Diesen auch anbeteten, Ihm aber in der Anbetung und im Gehorsam
andere beigesellten.

Der Vers: „So gesellt Allah keine Ebenbürtigen bei, wo ihr (es) doch
(besser) wisst.”
Als weiteres Beispiel lässt sich der folgende Vers in Sure al-Baqarah an-
führen. Darin heißt es:

ْ َ َ ً َ َ َّ َ َ َ ْ َ َ ً َ َ َ َّ َ ً َ َ ْ َ ْ ُ ُ َ َ َ َ َّ
‫اء فأخ َر َج بِ ِه ِم َن‬ ‫اَّلي جعل لكم اْلرض فِراشا والسماء بِناء وأنزل ِمن السما ِء م‬
ِ ﴿
َ َ ْ َ ْ َ ً ْ َ َّ ُ َ ْ َ َ َ ْ ُ َ ً ْ
﴾‫َّلل أن َدادا َوأنتُ ْم تعل ُمون‬ َ َّ
ِ ‫اثلم َر‬
ِ ِ ‫ات ِرزقا لكم فَل َتعلوا‬
… So setzt Allah keine Gleichgestellten57 bei, wo ihr (es) doch
(besser) wisst. [Sure al-Baqarah, 2:22]

57 Häufig übersetzt mit: „So setzt Allah nichts als Ebenbürtige bei“. Gemeint
ist damit: „So gesellt Allah keine Ebenbürtigen bei“. Diese Übersetzung wird
…--

69
Die Lehre des Monotheismus

Ibnu Abī Ḥātim – und ebenso aṭ-Ṭabarī – überliefert in seinem tafsīr


hierzu folgende Aussage des Prophetengefährten Ibnu ʿAbbās :
َّ ُ ُْ َ ْ َ َ ُ َ ْ َ ْ ُ ْ َ َ ً َ ْ َ َّ ُ َ ْ َ َ َّ َ ْ َ
‫اَّلل‬
ِ ِ‫ْشكوا ب‬ ِ ‫ت‬ ‫َل‬ ‫ي‬ ‫أ‬ ]22 : ‫اْلقرة‬ [ } ‫ون‬ ‫َّلل أندادا وأنتم تعلم‬ ِ ِ ‫ {فَل َتعلوا‬:‫اس‬ٍ ‫ع ِن اب ِن عب‬
ُ ْ ‫ك ْم َغ‬ُ ُ ُ ْ َ ْ ُ َ َّ َ َ ُ َّ َ ُ َ ْ َ ْ ُ ْ َ ُّ ُ َ َ ُ َ ْ َ َ َّ َ ْ َ َ ُ َ ْ َ
َ َ
،‫ْي ُه‬ ‫ وأنتم تعلمون أنه َل رب لكم يرزق‬،‫غْيه ِمن اْلندا ِد ال ِت َل تنفع وَل تُض‬
ُّ َ َ ْ ُ ْ َ ْ ُ ُ َّ ‫وك ْم إ َِلْه‬ُ ُ ْ َ َّ ُ ُ ْ َ ْ َ َ
.‫يدهِ ه َو اْل َ ُّق َل يُشك ِفي ِه‬
ِ ‫الرسول ِمن تو ِح‬ ِ ِ ‫اَّلي يدع‬
ِ ‫وقد ع ِلمتم‬
„So setzt Allah nichts als Ebenbürtige bei, wo ihr (es) doch (besser)
wisst.“ Dies bedeutet: Gesellt Allah nichts bei von den (angeblich)
Ebenbürtigen, welche (tatsächlich) keinen Nutzen und keinen Scha-
den bringen können, wo ihr doch wisst, dass es außer Ihm keinen
Herrn für euch gibt, der euch versorgt, und wo ihr doch wisst, dass
dasjenige, zu dem euch der Gesandte aufruft vom tauḥīd Allah ge-
genüber, die Wahrheit ist, an der es keinen Zweifel gibt.

Wenn man diese Aussage alleine betrachtet, so ist sie völlig ausreichend
zur endgültigen Widerlegung der wirren Ideen über die Bedeutung des
Wortes ilāh und des islamischen Glaubensbekenntnisses, die heute welt-
weit vorherrschen. Hierbei ist auch zu bedenken, dass es sich um die
überlieferte Aussage eines sehr bekannten Prophetengefährten und dar-
über hinaus eines der bedeutendsten Gelehrten des Islam überhaupt
handelt.
Gleiches gilt für die folgende Aussage von Qatādah, welche von Ibnu Abī
Ḥātim in seinem tafsīr über denselben Koran-Vers überliefert wird:
ُ َ َ َ َ َّ َّ َ َ ُ َ ْ َ ْ ُ ْ َ َ ً َ ْ َ َّ ُ َ ْ َ َ َ َ َ َ ْ َ
َّ ‫ك ْم َو َخلَ َق‬
َ ‫الس َم‬
‫ات‬
ِ ‫او‬ ‫َّلل أندادا وأنتم تعلمون} أن اَّلل خلق‬ ِ ِ ‫ {فَل َتعلوا‬:‫عن قتادة‬
ً ْ َ َ ُ َ ْ َ ْ ُ ْ َ َّ ُ َ ْ َ َ
ُ َ ‫ون‬
.‫َل أن َدادا‬ ‫ ثم أنتم َتعل‬،‫واْلرض‬
„So setzt Allah nichts als Ebenbürtige bei, wo ihr doch wisst”, dass
Allah euch und ebenso die Himmel und die Erde erschaffen hat, und
dennoch gesellt ihr Ihm Ebenbürtige bei!

jedoch vermieden, damit nicht der Eindruck entsteht, diese Beigesellten wä-
ren tatsächlich ebenbürtig. Im Arabischen wird diese Stelle etwa so verstan-
den: „So macht neben Allah keine (angeblich) Ebenbürtigen“. Das Wort
„Gleichgestellte“ schien deshalb hier passender zu sein.

70
Die Lehre des Monotheismus

Durch die vorausgehenden Zitate ist also eindeutig und unzweifelhaft be-
legt, dass die Götzendiener zur Zeit der Herabsendung des Islam an einen
Schöpfer, Lebensspender und Versorger glaubten, Diesem aber andere in
der Anbetung, im Gottesdienst und im Gehorsam beigesellten.
Die mekkanischen mušrikūn glaubten also an einen Schöpfer und gesell-
ten Ihm auch keinen anderen bei in Bezug auf Seine Eigenschaft als
Schöpfer und Lebensspender.
Demzufolge konnte also ihr Problem mit dem Glaubensbekenntnis nicht
darin liegen, Allah  als den einzigen Schöpfer anzuerkennen. Vielmehr
verstanden sie – im Gegensatz zu vielen Menschen heutzutage, die sich
zum Islam bekennen (!) – sehr genau die Bedeutung des Glaubensbe-
kenntnisses und dadurch auch die Kernaussage des Islam, zu der sie auf-
gerufen wurden.
Und gerade weil sie diese Bedeutung so genau verstanden hatten, lehn-
ten sie den Islam ab. Sie wussten nämlich, dass der Prophet  sie nicht
in erster Linie zur Anerkennung eines einzigen Schöpfers aufrief, sondern
zu dessen alleiniger Anbetung! Diese letztere Forderung wollten sie kei-
nesfalls erfüllen. Genau darin bestand ihr Grundproblem.

Der Vers: „Mache uns einen Angebeteten (ilāh), wie diese hier auch
Angebetete (ālihah) haben“
Ein weiteres Beispiel für das Gesagte ist die im Koran geschilderte Ge-
schichte, als Mūsā/Moses  mit seinem eigenen Volk an einem anderen
Volk von Götzendienern vorbeikam und einige seiner Leute sagten:

َ َ َ َ ْ ْ
﴾‫﴿اج َعل نلَا إِل ًها ك َما ل ُه ْم آل ِ َهة‬
… Mache uns einen Angebeteten (ilāh), wie diese hier auch
Angebetete (ālihah) haben. [Sure al-Aʿrāf, 7:138]

Das Wort „ilāh“ kann hier an sich nicht „Schöpfer“ bedeuten. In dem Fall
wäre die Bedeutung des Verses nämlich: „Mache uns einen Schöpfer, so
wie sie auch mehrere Schöpfer haben.“
Es muss also vielmehr heißen: „Mache uns einen Angebeteten, so wie sie
auch mehrere Angebetete haben.“

71
Die Lehre des Monotheismus

Der Vers: Und wenn du sie fragst: „Wer hat die Himmel und die
Erde geschaffen …“
Eine weitere wichtige koranische Aussage in diesem Bezug ist folgender
Ausdruck, der sich im Koran mehrfach in ähnlicher Weise wiederholt:

‫اَّلل‬
َّ َ َّ َ َ َ ْ َ ْ َ
ُ َّ ‫الش ْم َس َوالْ َق َم َر َِلَ ُقولُ َّن‬ ‫ات واْلرض وسخر‬ َّ ‫ِئ َسأَ ْ ََل ُه ْم َم ْن َخلَ َق‬
َ ‫الس َم‬ ْ َ‫﴿ َول‬
ِ ‫او‬ ِ
َ ُ َ ْ ُ َّ َ َ
﴾‫فأَّن يؤفكون‬
Und wenn du sie fragst: „Wer hat die Himmel und die Erde ge-
schaffen und euch die Sonne und den Mond dienstbar gemacht?“ -
dann sagen sie gewiss: „Allah.“ Wieso lassen sie sich dann
abwenden? [Sure al-ʿAnkabūt, 29:61]

Auch bei diesem und vielen anderen Versen des Koran kann man, wie
bereits erwähnt, in den frühen Koran-Exegesen die deutliche Erklärung
des Wortes ilāh und damit des islamischen Glaubensbekenntnisses fin-
den.
Gemäß diesen Erklärungen der frühen Exegeten – wie aṭ-Ṭabarī und Ibnu
Abī Ḥātim sowie jenen noch früheren Gelehrten, die von diesen beiden
zitiert werden – ist die letzte Aussage in diesem Vers in folgender Weise
zu beschreiben: „Wieso lassen sich jene Götzendiener dann von Allah und
Seiner alleinigen Anbetung abwenden?“
Im tafsīr zum quasi gleichlautenden Vers 43:87 des frühen mufassir/Ko-
ran-Exegeten Muqātil ibnu Sulaimān58,

58Abū l-Ḥasan Muqātil ibnu Sulaimān al-Balḫī (gest. 150 n. H./767 n. Chr.) ist
einer der frühesten Exegeten, deren schriftlich festgehaltener tafsīr bis
heute vorhanden ist.
Über die Person von Muqātil ibnu Sulaimān selbst wurde viel geredet, wobei
er von einigen Personen vehement kritisiert und der groben Abirrung in
Glaubensfragen bezichtigt wurde. Demgegenüber verneinten einige andere
Gelehrte diese Behauptung. In der hadīth-Überlieferung wurde er darüber
hinaus allgemein als schwach befunden.
…--

72
Die Lehre des Monotheismus

der zu den sog. atbāʿu t-tābiʿīn59 gezählt wird, findet sich dies z. B. in äu-
ßerster Deutlichkeit, als er sagt:

Dies alles ändert jedoch nichts daran, dass ihm sein umfassendes Wissen
über den tafsīr ganz allgemein bekundet wurde. Gleichzeitig wurde der In-
halt seines tafsīr-Werkes an sich von namhaften Gelehrten sehr positiv be-
wertet, wie z. B. von ʿAbdullāh ibnu l-Mubārak überliefert wird, dass er sagte
„Was für ein Wissen, hätte es doch nur eine Überlieferungskette“ (yā lahu
min ʿilmin, lau kāna lahu isnād) [siehe dafür vor allem: Tārīḫu Baġdād].
Ibnu ʿAdiyy al-Ǧurǧānī (gest. 365 n. H./976 n. Chr.) überliefert in seinem Buch
al-Kāmilu fī Ḍuʿafāʾi r-Riǧāl:
َ ُ ْ َّ َ ‫ قَال يل نعيم بْن‬...
‫ْحاد رأيت عند ُسفيَان بْن عيَينة كتابا ملقاتل بْن ُسليْ َمان فقلت‬
َ َ َُ َ
.‫ َل ولكن أستدل بِ ِه وأستعْي بِ ِه‬:‫لسفيان يَا أبَا ُممد تروي ملقاتل ِِف اَلفسْي؟ قال‬
[Überlieferungskette] Es sagte zu mir Nuʿaim ibnu Ḥammād: „Ich sah bei Sufyān
ibnu ʿUyainah ein Buch von Muqātil ibnu Sulaimān, worauf ich zu ihm sagte: ‚Oh
Abū Muḥammad. Du überlieferst von Muqātil im tafsīr?‘ Er sagte: ‚Nein, aber ich
argumentiere damit und nehme ihn zur Hilfe‘“.

Ibnu ʿAdiyy erwähnt darüber hinaus, dass Muqātil den tafsīr gut kannte (kāna
ḥāfiẓan li-t-tafsīr), aber von Überlieferungsketten nicht viel verstand. Wie be-
reits erwähnt, fand das Wissen von Muqātil im Gebiet des tafsīr bei der Ge-
lehrsamkeit also allgemeine Anerkennung.
Wenn einige wenige Texte von Muqātil ibnu Sulaimān in diesem Buch über-
liefert werden, geht es also nicht darum, von der Person ḥadīṯe zu überlie-
fern. Vielmehr soll dadurch gezeigt werden, dass schon die frühesten Auf-
zeichnungen über den tafsīr das in diesem Buch Gesagte voll und ganz
bestätigen und keinesfalls davon abweichen sowie, dass die frühen Gelehr-
ten diese von Muqātil überlieferten Erklärungen keinesfalls ablehnten, son-
dern sie bestätigten.
59Die tābiʿūn (die Folgenden) sind die Generation nach der Generation der
Prophetengefährten . Die darauffolgende (zweite) Generation wird als
atbāʿu t-tābiʿīn bezeichnet.
Diesen drei Generationen – angefangen mit jener der Prophetengefährten –
kommt eine besondere Bedeutung in der islamischen Theologie und auch in
der islamischen Überlieferung zu, da ihre Güte in einem Ausspruch des Pro-
pheten  bestätigt wurde.

73
Die Lehre des Monotheismus

َّ َ ُ َ ْ َّ َ َ
‫ {فأَّن يُؤفكون} يقول ِمن أين يكذبون بأنه واحد َل‬:‫قال اهلل تعال نلبيه ﷺ قل هلم‬
ّ ّ ‫ وأنتم‬،‫ِشيك َل‬
‫ ولم يشاركه أحد ِف ملكه فيما‬،‫مقرون أن اهلل خالق اْلشياء وخلقكم‬
‫خلق؟ فكيف تعبدون غْيه؟‬
Allah der Erhabene sagte zu Seinem Propheten : „Sag ihnen:
‚Wieso lassen sie sich dann abwenden?‘, d. h.:
‚Warum leugnen sie dann, dass Er ein Einziger ist, Der keinen Teil-
haber hat?‘, wo ihr doch bestätigt, dass Allah der Schöpfer aller
Dinge ist, Er euch ebenso erschaffen hat und keinen Teilhaber in
Seiner Herrschaft hat, in dem was Er erschuf?
Wie könnt ihr also andere außer Ihm anbeten?“

Nach den bisher erwähnten Beispielen zeigt sich bei einem vergleichen-
den Blick in die bereits angesprochene heutige Realität also deutlich, wie
weit viele Menschen über Jahrhunderte hinweg von einem richtigen Ver-
ständnis verschiedener Grundfragen des Islam entfernt waren und sind.
Wer die Kommentare mancher philosophie-beeinflusster Gelehrten liest,
wird finden, dass diese bei ihren Erläuterungen zu derartigen Quelltexten
wirre und widersprüchliche Aussagen trafen.
Dennoch wirkt der starke Einfluss der Philosophie weiter in der gesamten
islamischen Welt, weshalb an den meisten Universitäten solche fehler-
haften Verständnisse über das Glaubensfundament als Standardlehrmei-
nung unterrichtet werden.

Die Behauptung, Polytheismus wäre immer mit der Idee einer


zweiten Gottheit verbunden
Wie bereits erläutert, glauben viele Leute heute, dass es beim Glaubens-
bekenntnis lediglich um das Bekenntnis zum Glauben an einen einzigen
Schöpfer geht. Aus diesem Grunde erkennen Personen mit so einer An-
sicht auch keine Form des Polytheismus in der Anbetung an. Dies wirft
die Frage auf, was die Bedeutung jener im Koran vielfach erwähnten An-
betung der Götzendiener sein soll und ebenso ihrer Angebeteten, wenn
die Anbetung an sich nicht das Problem darstellt.

74
Die Lehre des Monotheismus

Einige Leute erklären hierzu, dass die eigentliche „Anbetung/ʿibādah“


prinzipiell erst zustande kommen könnte, wenn eine Person in dem „An-
gebeteten“ göttliche Eigenschaften vermutet. Gemäß dieser Aussage und
der Vorstellung von Leuten, die so argumentieren, wäre die Anbetung an
sich also gar nicht das Problem. Das eigentlich Verwerfliche wäre nicht
die Anbetung, sondern die Überzeugungen (iʿtiqādāt, Sg. iʿtiqād), die hin-
ter diesen Handlungen und Aussagen stehen.
Manche gehen schließlich so weit in dieser Behauptung, dass gemäß ihrer
Vorstellung ein Mensch nur dann etwas anbetet, wenn er in diesem An-
gebeteten auch die völlige Eigenständigkeit und Unabhängigkeit (al-
istiqlāl) sieht. Aus diesem Grunde sieht man solche Leute – nicht selten
aus dem sufistischen Spektrum – häufig mit der angeblichen Bedingung
des istiqlāl argumentieren, um auf diesem Wege auch Anhänger von di-
versen Gräberkulten zu verteidigen.
Leute, die z. B. solchen Arten der Totenverehrung anhängen, müssten
demnach als Muslime bezeichnet werden, da sie schließlich nicht be-
haupten, dass diese Toten ihre wundersamen Taten völlig unabhängig
(mustaqill) vom Schöpfer vollbringen können. Ihre angeblich wundersa-
men Taten würden nur mit der Erlaubnis des Schöpfers getan, was in der
Glaubenslehre nichts Ungewöhnliches wäre – so die Argumentation.
Man muss sich in Bezug auf diese Diskussion um das Wort ilāh und die
tatsächliche Bedeutung des Glaubensbekenntnisses nun Folgendes vor
Augen halten:
Der grundlegendste Inhalt des Islam ist die alleinige Anbetung des Schöp-
fers und die völlige Unterlassung der Anbetung anderer Dinge oder We-
sen. Um dies zu formulieren wird in den Offenbarungstexten ständig das
Wort „Anbetung/ʿibādah“ benutzt. Selbst bei der Erklärung der Grund-
lage des Islam, wie dies bereits an dem bekannten ḥadīṯ über die fünf
Säulen gezeigt wurde und an zahlreichen anderen Texten, wird ausdrück-
lich über Anbetung gesprochen. In diesen Texten wird wörtlich erklärt,
dass der Islam die Unterlassung der Anbetung von etwas anderem als
dem Schöpfer erfordert und dies die zentrale Bedeutung des Islam ist.
Wie absurd erscheint danach also die Behauptung, die Anbetung an sich
wäre nicht das Problem, sondern nur die Überzeugungen dahinter, also
der sogenannte iʿtiqād. Dies würde nämlich bedeuten, dass in der Offen-
barung unzählige Male wörtlich die Anbetung der Götzendiener ange-

75
Die Lehre des Monotheismus

prangert wird, wobei es in Wirklichkeit gar nicht um diese Anbetung geht,


sondern nur um die Überzeugungen dahinter! Hierbei stellt sich nun die
zwingende Frage, warum die ganze Zeit über ein Wort verwendet werden
sollte, wobei in Wirklichkeit etwas anderes gemeint ist.
Warum sollten Muslime z. B. täglich mindestens 17 Mal bei der Rezitation
der eröffnenden Sure al-Fātiḥah in ihren Gebeten immerzu „Nur Dir die-
nen wir“ sagen, wo doch der entscheidende Unterschied angeblich in der
Überzeugung liegt. Vielmehr müsste es heißen „Nur an dich alleine glau-
ben wir“.
Auch bei der vorausgehenden Erklärung des Islam durch den Propheten
 selbst heißt es ausdrücklich „Der Islam ist, dass du nur Allah anbetest
und Ihm nichts beigesellst.“
Laut der beschriebenen verzerrten Sichtweise müsste es hier viel eher
lauten: „Der Islam ist, dass du nicht glaubst, Allah hätte einen Sohn oder
eine Mutter, oder dass es jemanden gäbe, der von Ihm völlig unabhängig
ist (al-istiqlāl).“ In derselben Weise dürfte hier nicht die Beigesellung in
der Anbetung untersagt werden, sondern ebensolche Überzeugungen.
Die Anbetung selbst, die Taten an sich, würden überhaupt keine Rolle
spielen. Dies deckt sich jedoch überhaupt nicht mit der Ausdrucksweise
in den islamischen Offenbarungstexten.
Dasselbe ließe sich über unzählige Stellen in den islamischen Quelltexten
sagen. Auch hierin zeigt sich also ein unlösbarer Widerspruch für Leute,
die einen Polytheismus in der Anbetung grundsätzlich verneinen.

Die Bedeutung der beiden Begriffe rabb und ilāh


Es zeigte sich also mehrfach, dass das Wort ilāh grundsätzlich „Angebe-
teter“ bedeutet. Dies lässt sich klar aus dutzenden Versen des Koran er-
sehen.
Da die Anbetungswürdigkeit aber auf die göttlichen Eigenschaften zu-
rückgeht, ist das Wort ilāh/Angebeteter sehr eng mit dem Wort rabb/
Herr (Pl. arbāb) verbunden. Der tatsächlich Anbetungswürdige verdient
also nur deshalb die Anbetung, weil Er der Schöpfer, Erhalter und Lebens-
spender ist, ebenso wie er der Allwissende und Allmächtige ist.

76
Die Lehre des Monotheismus

Anders ausgedrückt: Der ilāh, der die Anbetung aufgrund seiner Eigen-
schaften tatsächlich verdient, und bei dem dies nicht bloß behauptet
wird, dieser ilāh ist zwingend auch der tatsächliche rabb/Herr.
Bei einer solchen Nähe der Bedeutungen zweier Wörter kommt es im
Arabischen häufig zu einer Verbindung beider Bedeutungen in einem
Wort. Treffender gesagt, ist es in der arabischen Sprache nicht unge-
wöhnlich, dass – aufgrund der Nähe der Bedeutung – der eine Begriff ver-
wendet wird und ihm dabei die Bedeutung des anderen Begriffs hinzuge-
fügt wird. Man sagt also ein Wort, meint damit aber beide Bedeutungen.
Die islamischen Gelehrten sagten bei solchen Wörtern:
َّ ‫ وإذا‬،‫تفرقا‬
‫تفرقا اجتمعا‬ َّ ‫إذا اجتمعا‬

Wenn sich die beiden Wörter an einer Stelle vereinen, gehen ihre
Bedeutungen auseinander. Und wenn sich die beiden Wörter tren-
nen, kommen ihre Bedeutungen zusammen.

Sie meinten damit, dass jedes Wort zwar grundsätzlich seine Bedeutung
hat, wenn es jedoch alleine steht – und der Kontext nicht klar auf etwas
anderes hindeutet –, tritt die Bedeutung des anderen Wortes in die Be-
deutung des ersten ein. Werden jedoch beide Begriffe ausdrücklich im
selben Satz erwähnt, dann ist dies ein Umstand im Kontext, der anzeigt,
dass hier jede spezielle Bedeutung für sich gemeint ist.
Ebenso verhält es sich z. B. auch mit den Wörtern īmān und Islam. Der
īmān ist ursprünglich das, was sich im Inneren abspielt, während der Is-
lam das Äußere beschreibt. Wie gesagt ist diese Erscheinung im Arabi-
schen keine Seltenheit.

Zur weiteren Einteilung des tauḥīd in ar-rubūbiyyah, al-ulūhiyyah


und al-asmāʾu wa-ṣ-ṣifāt
Wie bisher schon deutlich wurde, lautet die Botschaft des Islam also nicht
in erster Linie „Es gibt einen Schöpfer.“, da dies in der damaligen Zeit als
Selbstverständlichkeit galt. Deshalb findet man bei historischen Völkern
und ebenso bei heutigen Naturvölkern eigentlich immer diese Grundan-
nahme vor.

77
Die Lehre des Monotheismus

Der Koran spricht aus diesem Grund in erster Linie Leute an, die zwar an
einen Schöpfer glauben, Sein Recht auf Anbetung und Gehorsam aber an-
deren zukommen lassen. Deshalb sieht man im Koran immer wieder die
Argumentation gegen die Götzendiener mit der Tatsache, dass sie den
einen Schöpfer ja anerkennen.
Die Frage, die darauf dann mehrfach im Koran formuliert wird, lautet
etwa wie folgt: Wenn die Götzendiener wissen, dass Allah ihr einziger
Schöpfer ist und neben Ihm nichts Ebenbürtiges existiert, warum behan-
deln sie Ihn und einige Seiner Geschöpfe dann im Hinblick auf die Anbe-
tung und den Gehorsam gleich?
Dies ist eine der zentralen Fragen des Koran an die Götzendiener.
Dennoch erfordert das islamische Glaubensbekenntnis natürlich implizit
auch die feste Überzeugung von der Einheit und Einzigkeit des Schöpfers
und dessen absoluten Eigenschaften.
Aus dem bisher Gesagten sehen wir also, dass es schon in den Versen des
Koran und ebenso in den Aussagen der frühesten Gelehrten – schon zur
Zeit der Prophetengefährten selbst – faktisch eine Unterteilung des
tauḥīd/Monotheismus gibt, die folgendermaßen beschrieben werden
kann:
1) Die Einzigkeit Allahs in Seinem Wesen und Seiner Eigenschaft als
Schöpfer, Lebensspender und Versorger (Arabisch: ar-rubūbiyyah)
2) Die Einzigkeit Allahs in Seinen Namen und Eigenschaften (Arabisch:
al-asmāʾu wa-ṣ-ṣifāt)
3) Die Einzigkeit Allahs in Bezug auf die Anbetung, welche von Seinen
Geschöpfen Ihm gegenüber erbracht wird. (Arabisch: al-ulūhiyyah)
Wie wir bereits gesehen haben, gibt es jedoch bei vielen Menschen der
islamischen Welt schon seit Jahrhunderten ein Fehlverständnis zur ei-
gentlichen Aussage des Glaubensbekenntnisses. Sie dachten nämlich,
dass dadurch lediglich der erste oben beschriebene Teil des tauḥīd ge-
meint wäre. Wer diesen erfüllt, ist gemäß dieser Sichtweise ein Mono-
theist – was sich mit dem eigentlichen und authentischen Inhalt des Glau-
bensbekenntnisses nicht deckt.
Ebensolche Leute lehnen deshalb die Einteilung des tauḥīd nach dem
oben beschriebenen Muster vehement ab.

78
Die Lehre des Monotheismus

Dieser Ablehnung liegt die falsche Annahme zugrunde, man könne diese
Unterteilung verhindern, indem man einfach die Benennung der einzel-
nen Teile anzweifelt bzw. ablehnt.
In diesem Sinne hört man immer wieder die Behauptung, die Einteilung
des tauḥīd in dieser Weise hätte keine Berechtigung und wäre eine uner-
laubte Neueinbringung, eine sogenannte bidʿah, die erst ab dem achten
Jahrhundert nach islamischer Zeitrechnung erfunden wurde.
Wie aber aus den frühesten Quellen des Islam bereits ausreichend ge-
zeigt wurde, ist dies ein naiver Trugschluss. Die tatsächliche Einteilung
des tauḥīd in diese Teile findet sich unweigerlich im Koran und in den
konsensualen Erklärungen der frühesten Gelehrten der Muslime. Die
Idee, man könne diese Einteilung durch das Anzweifeln der Benennung
der einzelnen Teile verhindern, ist also absurd und geht auf eine klare
Unwissenheit über die islamischen Quelltexte zurück.
Die Benennung der drei genannten Teile ist somit nicht das eigentliche
Thema. Sie wurde von späteren Gelehrten nur deshalb vorgenommen,
um den Sachverhalt zu verdeutlichen, nicht um neue Bedeutungen zu er-
finden.
Darüber hinaus gibt es nicht die eine bindende und exklusive Bezeich-
nung für die einzelnen Formen des tauḥīd. Der tauḥīd der Anbetung wird
deshalb sowohl „tauḥīd der ulūhiyyah“ wie auch „tauḥīd der ʿibādah“ ge-
nannt, da diese Begriffe gleichbedeutend sind, wie sich z. B. auch aus der
Erklärung des frühen Exegeten aṭ-Ṭabarī bei der ersten Erklärung des
Verbs ʿabada am Anfang seines tafsīr-Werkes deutlich verstehen lässt.
Nach dieser Erklärung lässt sich also zusammenfassend formulieren:
Im Koran wird mit dem tauḥīd in der rubūbiyyah, welchen die Götzen-
diener grundsätzlich annahmen, für den tauḥīd in der ulūhiyyah argu-
mentiert.
Zur zweiten Form der oben erwähnten Einteilung des tauḥīd (tauḥīdu l-
asmāʾi wa-ṣ-ṣifāt) ist zu erwähnen, dass viele frühislamische Sekten spe-
ziell im Bereich der Namen und Eigenschaften Allahs neuartige Konzepte
in den Islam einbrachten. Aus diesem Grund wurde der Bereich der Na-
men und Eigenschaften von den frühen Gelehrten der Muslime als eige-
ner Teil behandelt.

79
Die Lehre des Monotheismus

Bei der Einteilung nach dem oben erklärten Muster handelt es sich somit
auch aus dieser Hinsicht gewiss nicht um eine bidʿah (unerlaubte Neuein-
bringung in den Islam), da diese Einteilung schon von den frühesten Ge-
lehrten des Islam vorgenommen wurde.
Die Bezeichnungen dienten lediglich der besseren Erklärung und dazu,
auf neue Irrmeinungen gesondert eingehen zu können. Solange auf sol-
che Benennungen keine falschen Schlussfolgerungen und Prinzipien auf-
gebaut werden, ist dagegen also grundsätzlich nichts einzuwenden.

80
Die Lehre des Monotheismus

Der Aufruf zum ursprünglichen Monotheismus


damals und heute
Der Aufruf der Propheten  und die Reaktion der Menschen
Aus den vorausgehenden Erklärungen wurde also klar, worin gemäß den
islamischen Quellen der Aufruf aller Propheten bestand. Sie alle riefen
ihre Völker zur alleinigen Anbetung Allahs und zum alleinigen Gehorsam
Ihm gegenüber.
Infolgedessen kam es geschichtlich zu einer Auseinandersetzung zwi-
schen Monotheismus und Polytheismus, einer Auseinandersetzung zwi-
schen den Propheten  und ihren Gegnern, welche in den Texten des
Koran immer wieder aufscheint … und ebenso in den heute vorliegenden
Versionen der Thora und des Evangeliums.
Im Koran wird berichtet, wie jene, die die Botschaft ablehnten, sich lustig
machten und ihren jeweiligen Propheten  antworteten:

َْ َ َ َ ْ
َ ‫اْل َّول‬
﴾‫ْي‬ ِ ‫﴿ َما َس ِمعنَا بِ َهذا ِِف آبائِنا‬
Wahrlich, wir haben nichts von dem jemals von unseren Vorfahren
gehört. [Sure al-Muʾminūn, 23:24]

ٌ َ ْ َّ َ َ ْ ْ َّ ْ َ ْ
﴾‫﴿ َما َس ِمعنَا بِ َهذا ِِف ال ِمل ِة اْل ِخ َر ِة إِن هذا إَِل اخ ِتَلق‬
Wahrlich, wir haben so etwas in der Religion unserer Väter noch
nie gehört. Das ist nichts als eine Erfindung. [Sure Ṣād, 38:7]

Wenn man heutzutage die islamische Gemeinschaft auf Fehlverständ-


nisse in gewissen Denkmustern hinweist, fühlt man sich nicht selten an
diese Verse zurückerinnert.
Die beschriebene ablehnende Haltung sieht man zudem nicht nur aus der
Mitte der Gesellschaft oder unteren Schichten, sondern häufig auch von-
seiten der Gelehrsamkeit. Auch diese Erscheinung ist an sich nicht neu.

81
Die Lehre des Monotheismus

So liest man dazu im Koran, wie die Gelehrten und gebildeten Personen
von hohem Rang ihre Anhänger auf die Gegnerschaft zum Prophetentum
einschworen:

ُ ُ َ ََ ُ ْ َ ُ ْ َ ْ ُْ ُ َ َْ ََ َْ َ
ْ َ َ ‫ك ْم إِ َّن َه َذا ل‬
﴾‫َش ٌء يُ َراد‬ ‫﴿وانطلق المَل ِمنهم أ ِن امشوا واص َِبوا لَع آلِه ِت‬
Geht weiter so, und haltet beharrlich an euren Angebeteten fest!
Gewiss, dies ist eine Sache, die doch erstrebt wird. [Sure Ṣād, 38:6]

Der Grund für ablehnende Haltungen ist ein zunehmendes Bewusstsein


darüber, dass sich das Verständnis vieler Menschen über die Grundaus-
sage des Islam nicht mit der Lehre der frühen Quellen deckt. Dieser Ge-
danke verunsichert klarerweise viele Anhänger des Islam, jedoch wird
dies die historischen und theologie-geschichtlichen Tatsachen letztlich
nicht ändern können.
Für eine authentische Darstellung des Islam und seines Fundaments wird
es unumgänglich sein, die einheitliche Aussage der frühesten Quellen
herauszuarbeiten und den Menschen unverändert zu vermitteln. Die
Idee, man könnte Fehlverständnisse über diese fundamentalen Aussagen
des Islam einfach auf sich beruhen lassen und sie ignorieren, ist aus the-
ologischer Sicht absurd und ebenso unrealistisch.
Letzteres vor allem auch deshalb, weil es bei Muslimen gegenwärtig eine
starke Rückbesinnung auf die frühen islamischen Quellen gibt und man
das Bedürfnis nach Klarheit über die Grundlagen der eigenen Religion
deutlich wahrnehmen kann.
Auch die Idee, es handle sich beim stillschweigenden Ignorieren solcher
Fehlverständnisse um einen Ausdruck der Barmherzigkeit und des locke-
ren Umgangs mit Meinungsverschiedenheiten, ist aus theologischer Sicht
nicht nachvollziehbar. Gemäß der islamischen Lehre waren schließlich die
barmherzigsten und mitfühlendsten Menschen ebenjene Propheten ,
welche ihre Völker ganz klar mit ihren Fehlverständnissen konfrontierten.
Zudem kann es aus islamischer Sicht nichts Gutes sein, den Menschen die
ursprüngliche Bedeutung ihrer Religion aus pragmatischen Gründen be-
wusst zu verwehren. Solche Argumentationen und Denkweisen wären
also theologisch gesehen keinesfalls schlüssig.

82
Die Lehre des Monotheismus

Die Zeit der Fremde


Wie bereits mehrfach angesprochen wurde, zeigt die historische Realität
der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende deutlich, dass die einzelnen
religiösen Lehren nach ihrem jeweiligen Verkünder zunehmend verän-
dert wurden und vieles davon in Vergessenheit geriet.
Geschichtlich betrachtet ist dieser Vorgang also nichts Ungewöhnliches.
Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der sich stets wiederholte.
Wann immer ein Prophet  verstarb, geriet die gemeinsame Botschaft
aller Propheten nach und nach in Vergessenheit. Aus den Geschichten
der einzelnen Völker im Koran, wie auch in der Bibel, zeigt sich, dass die-
ser Zustand so lange anhielt und sich intensivierte, bis der Schöpfer
schließlich einen neuen Propheten entsandte, um die ursprüngliche Bot-
schaft des Monotheismus (tauḥīd) zu erneuern. Diese Erneuerung durch
einen Gesandten erfolgte immer dann, wenn die Unwissenheit in dem
betreffenden Volk ein Äußerstes erreicht hatte. Deshalb fand der jewei-
lige Prophet sein Volk fern vom tauḥīd und in den Tiefen des Polytheis-
mus vor.
Interessanterweise wird dieser Umstand als – aus damaliger Sicht – zu-
künftige Entwicklung in Bezug auf den Islam auch konkret in den frühen
islamischen Quellen erwähnt.
In diesem Sinne überliefert Muslim  in seinem Ṣaḥīḥ-Werk von Abū
Hurairah , dass der Prophet  sagte:
ُ َ َ ْ َ َ َ َ َّ َ َ ْ َ َ ُ َّ َ ُ َُ َ َ َ َ َََُْ َ ْ َ
‫ َو َسيَ ُعود‬،‫اْل ْسَل ُم غ ِريبًا‬
ِ ‫أ‬ ‫د‬ ‫«ب‬ : ‫م‬‫ل‬ ‫س‬‫و‬ ‫ه‬
ِ ‫ي‬‫ل‬ ‫ع‬ ‫اهلل‬ ‫َّل‬ ‫ص‬ ‫هلل‬
ِ ‫ا‬ ‫ول‬ ‫ قال رس‬:‫ قال‬،‫عن أ ِِب هريرة‬
ُْ َ َ َ َ َ
»ِ‫ ف ُطوَب لِلغ َر َباء‬،‫ك َما بَ َدأ غ ِريبًا‬
Der Islam begann fremd, und er wird auch so wiederkehren, wie er
begann, fremd. Und alles Gute den Fremden60.

60 Es handelt sich hier um eine wörtliche Übersetzung. Gemeint ist, dass die
Leute, die diese Fremde erleben und doch am Islam festhalten, in den Augen
der Menschen Fremde sein werden. Sodann lobt sie der Gesandte mit den
zitierten Worten für ihr Festhalten an der unverfälschten Religion in jener
Zeit der Unwissenheit (ǧāhiliyyah).

83
Die Lehre des Monotheismus

Die Bedeutung des Wortes „Islam“


Die Wichtigkeit der Bezeichnungen in der Religion und des
Wortes Islam im Speziellen
Wer die Bezeichnungen der islamischen šarīʿah betrachtet, erkennt
schnell, dass sie nicht umsonst in dieser Weise gewählt wurden und stets
ein deutlicher Bezug zwischen dem jeweiligen Wort und der benannten
Sache besteht.
Wenn nun die gesamte Religion mit einem gewissen Ausdruck benannt
wurde, muss dem zwingendermaßen eine tiefe Bedeutung zugrunde lie-
gen. Dass die Religion des Islam mit dem arabischen Begriff islām benannt
wurde, muss einem also schon zu denken geben.
Auf der anderen Seite lässt sich daraus auch sehr deutlich die Wichtigkeit
und Unerlässlichkeit dieser Bedeutung im Islam ersehen. Deshalb ist es,
um die Kernaussage dieser Religion zu verstehen, unerlässlich, sich mit
diesem Wort und seiner Bedeutung näher zu befassen.

Die sprachliche Bedeutung des Wortes „Islam“ und der


Wortwurzel salima
Das arabische Wort islām ist der maṣdar61 des Verbs „aslama“. Dieses
Verb wiederum ist eine Abwandlung der Wurzel s-l-m (salima).
In den arabischen Wörterbüchern62 findet man zu dieser Wurzel folgende
Bedeutungen:

61Der maṣdar ist das sogenannte Verbalsubstantiv, also das dem Verb ent-
nommene Nomen. Die arabischen Sprachwissenschaftler sagen: „Der
maṣdar ist das Nomen, das die Bedeutung des Verbs in sich trägt, während
es jedoch keine spezielle Zeit anzeigt.“
Das Verb aslama bedeutet „er hat sich völlig hingegeben“. Der Islam ist also
„das sich völlig Hingeben“.
62Siehe dazu die frühen arabischen Wörterbücher der arabischen Sprache
um das zweite bis vierte Jahrhundert n. H., wie z. B.: Kitāb al-ʿAin, Tahḏību l-
Luġah, aṣ-Ṣiḥāḥ, Maqāyīsu l-Luġah.

84
Die Lehre des Monotheismus

َ ًَ َ ً َ َُ َْ
.‫ بَ ِرئ‬:‫ أي‬،‫َلمة‬ ‫والعيوب يسلم سَلما وس‬
ِ ‫اْلفات‬
ِ ‫• س ِلم ِمن‬
َّ ‫دار‬ َّ
ُ ‫لجن ِة‬ ُ َّ َ ُ َّ َُ َ َُ َ ُ َ
، ِ‫السَلم‬ ِ ‫ ومنه قيل ل‬،‫ السَلمة‬:‫ والسَلم ِف اْلصل‬،‫اءة‬ ‫ الَب‬:‫• والسَلم والسَلمة‬
ُ ‫ْلنّها‬
َّ ‫دار‬ َ
.‫السَلم ِة ِم َن اْلفات‬
• salima min: er/es ist frei/verschont/unversehrt von Dingen wie
Krankheiten, Fehlern oder Mängeln.
Die Wörter „as-salāmu“ und „as-salāmatu“ bedeuten „die Freiheit
bzw. Unversehrtheit“. Es handelt sich dabei um den maṣdar [Ver-
balsubstantiv] von salima. Deshalb wird das Paradies auch als
„dāru s-salām“, also „Haus der Unversehrtheit“ bezeichnet, weil es
sich als ein Ort der Freiheit von Krankheiten und schlechten Dingen
definiert.
َ ٌ َ
ٌ ‫وسل‬
.‫يم‬ َ َ َ َ َ
ِ ‫• س ِلم َل كذا أي خلص فهو سال ِم‬
• salima lahu: es ist rein/nur für ihn.

Ein Gegenstand bzw. eine Sache, die nur dieser Person gehört, wird mit
der Eigenschaft sālim oder salīm beschrieben.
Um den Inhalt des Wortes Islam richtig erfassen zu können, ist es wichtig,
diese hier erläuterte Grundbedeutung des Wortes Islam im Kopf zu be-
halten und zu verinnerlichen.
Wie sich an den obigen Erklärungen gezeigt hat, dreht sich das Wort Islam
also um das Frei-Sein von negativen Einflüssen, wie Krankheiten, Män-
geln und Ähnlichem. In den folgenden Kapiteln wird sich klar zeigen, dass
damit im Besonderen ein spezieller negativer Einfluss gemeint ist, und
zwar der Polytheismus, welcher im Arabischen mit dem Wort širk be-
nannt wird.

85
Die Lehre des Monotheismus

Die Anwendung der Wortwurzel salima im


Koran - Das Gleichnis des Monotheisten und
des Polytheisten
Im folgenden Koran-Vers findet das Wort „salām“ Verwendung, welches
die Bedeutung der Wurzel salima trägt63:

‫ان‬ َ َ َْ َْ ُ َ ًَ َ ً ُ ََ َ ُ َ َُ ُ ََ ُ ً ُ َ ً َ َ ُ َّ َ َ َ
ِ ‫﴿َضب اَّلل مثَل رجَل ِفي ِه ِشَكء متشا ِكسون ورجَل سلما لِرج ٍل هل يست ِوي‬
َ َ ْ َ َ ُ ُ َ ْ َ ْ َ َّ ُ ْ َ ْ ً َ َ
﴾‫َثه ْم َل يعل ُمون‬ ‫َّلل بل أك‬
ِ ِ ‫مثَل اْلمد‬
Allah hat ein Gleichnis geprägt: Ein Mann64, der mehreren, unter-
einander zerstrittenen65 Herren gehört, und ein Mann, der aus-
schließlich einem einzigen Herrn gehört. Sind diese beiden etwa
einander gleich?! Gepriesen sei Allah! Die meisten aber wissen
es nicht. [Sure az-Zumar, 39:29]

Die Sprachgelehrten über diesen Vers


Die Sprachgelehrten der arabischen Sprache66 erwähnten diesen Vers
und erläuterten ihn. In Lisānu l-ʿArab67 findet man dies z.B. folgenderma-
ßen zusammengefasst:

63Im Folgenden wird noch die Ansicht von aṭ-Ṭabarī gezeigt, dass salām
ebenfalls ein maṣdar von salima ist, also genau wie salām und salāmah. Für
uns ist jedoch völlig unerheblich, welcher Wortgruppe die Gelehrten das
Wort salām nun genau zugeordnet haben, da die Bedeutung des Wortes und
damit des Verses in jedem Fall klar ist.
64 Ein Leibeigener.
65 Im Arabischen: mutašākisūna, was neben der bloßen Uneinigkeit auch ihre

schlechte Art ausdrückt. Siehe z. B.: Tafsīr aṭ-Ṭabarī bei diesem Vers.
66Siehe dazu von den frühen arabischen Wörterbüchern der ersten Jahrhun-
derte bei der Wortwurzel s-l-m: Tahḏību l-Luġah. Darin findet sich der im Fol-
genden zitierte Text in ähnlicher Weise.
67 Bei der Wortwurzel s-l-m.
…--

86
Die Lehre des Monotheismus

ُ َ َّ َّ ‫ واملعىن أَ ّن َمن‬... ﴾‫ورجَل ساملا ً لرجل‬


ً ُ ً َ ً
‫وح َد اَّلل َمثله‬ ِ ﴿ ‫ وقرئ‬:﴾‫﴿ورجَل َسلما لرجل‬
َ ُّ ‫اَّلل َمثَ ُل صاحب‬
‫الْشَك ِء‬ َ َ‫ومثَ ُل اَّلي أ‬
َ َّ ‫ِشك‬ ُ ‫ْش ُكه فيه‬
َ ‫غْيه‬ َ ْ َ ‫َمثَ ُل السالم لرجل َل ي‬
ِ ٍ
َ ‫املتشاكس‬
.‫ْي‬ ِ
…und ein Mann, der ausschließlich einem einzigen Herrn gehört
(wa-raǧulan salaman li-raǧul). Und es wurde auch folgendermaßen
gelesen68: (wa-raǧulan sāliman li-raǧul) …

Lisānu l-ʿArab ist wohl das bekannteste ältere Wörterbuch über die arabische
Sprache. Der nordafrikanische Verfasser Ibnu Manẓūr (630-711 n. H./1232-
1311 n. Chr.) versuchte in diesem Buch möglichst alle wichtigen Wörterbü-
cher vor ihm zusammenzufassen.
68 Es gibt also bei diesem Vers verschiedene Lesarten. Die verschiedenen Les-

arten des Koran (al-qirāʾāt) sind keine unterschiedlichen Ausgaben des Ko-
ran, wie dies vielleicht fälschlicherweise verstanden werden kann. Manche
Leute wollen es auch genau so darstellen, um an der Authentizität des Koran
Zweifel hervorzurufen. Wie bereits erwähnt, sind sich ernstzunehmende His-
toriker aber völlig darüber im Klaren, dass dies ein sinnloses Unterfangen ist.
Die Tatsache, dass der Prophet  einige Stellen des Koran auf unterschiedli-
che Weise las und dies auch erlaubte, ist in zahlreichen Überlieferungen aus-
drücklich erwähnt. Diese verschiedenen ḥadīṯe sind so häufig, dass es sich
dabei ohne Zweifel um völlig authentische Überlieferung (auch als tawātur
maʿnawī bezeichnet) handelt.
In der Regel unterscheiden sich die Lesarten in der Vokalsetzung. Die Bedeu-
tung ist dabei meistens gleich oder sehr ähnlich. Bei Vorhandensein unter-
schiedlicher Bedeutungen in den authentischen Lesarten umfasst der Vers
alle Bedeutungen dieser Lesarten.
Dieser Vers ist auch ein gutes Beispiel, um dies zu veranschaulichen. Die ver-
breiteten sieben mutawātir-Lesarten wurden nach den Namen folgender
Leute bekannt: Nāfiʿ, Ibnu Kaṯīr, Abū ʿAmr, Ibnu ʿĀmir, ʿĀṣim, Ḥamzah, al-
Kisāʾī. Die häufigste Leseart ist jene von ʿĀṣim, welche auch in diesem Buch
immer als Grundlage verwendet wird.
Dabei sind die genannten Personen keinesfalls die Urheber dieser Lesarten,
noch die Begründer von Schulen. Es handelt sich dabei auch nicht um Einzel-
personen, die diese Lesarten mit einer einzelnen Überlieferungskette über-
…--

87
Die Lehre des Monotheismus

Dies bedeutet: Derjenige, der Allah zu einem Einzigen macht,


gleicht in dem Beispiel jenem, der nur einem Einzigen gehört. (Die-
ser Besitzer) hat also keinen Teilhaber.
Und derjenige, der Allah zu einem Teilhaber macht69, gleicht jenem,
der mehreren zerstrittenen Herren gehört.

Ibnu Manẓūr zählt mit seinem umfassenden Wörterbuch über die arabi-
sche Sprache wohl zu den bekanntesten Sprachgelehrten der islamischen
Geschichte. Jedoch lebte er relativ spät, gehörte also zu den späten Au-
toren, den sogenannten mutaʾaḫḫirīn. Da er den meisten Leuten jedoch
ein Begriff ist, wurde er hier erwähnt, woraus nicht zu schließen ist, dass
die Glaubenslehre, welcher Ibnu Manẓūr folgte, sich in jeder Hinsicht mit
jener authentischen Lehre der frühen Generationen deckte.
Jedoch lässt sich gerade aus diesem Aspekt eine interessante Tatsache
ersehen. Die Aussage von Ibnu Manẓūr zeigt nämlich, dass die eigentliche
sprachliche Bedeutung des Wortes Islam auch für die späten Sprachge-
lehrten noch eine ziemliche Selbstverständlichkeit war.
Auch wenn zumindest dieses Verständnis damals im Allgemeinen noch
vorhanden war, schlichen sich dennoch schon seit vielen Jahrhunderten
zahlreiche falsche Inhalte in die Glaubenslehre der Menschen in der isla-
mischen Welt ein. Dass die primäre sprachliche Bedeutung des Wortes
Islam dennoch allgemein so wiedergegeben wurde, bekräftigt diese Be-
deutung.

lieferten. Vielmehr waren diese Lesungen unter der Gelehrsamkeit und je


nach Gebiet auch unter der Bevölkerung hinreichend bekannt. Weil sich die
anderen Gelehrten jener Zeit aber darüber einig waren, dass die genannten
Personen in ihrer Lesung korrekt sind, verbreiteten sich die Lesarten unter
den Namen dieser Gelehrten als Kennzeichnungsmerkmal.
In unserem Beispiel gibt es also abgesehen von der Lesung „salaman“ noch
„sāliman“. Dies wurde von Ibnu Kaṯīr und Abū ʿAmr gelesen.
Aus den vorherigen Erklärungen dieser Wörter ist ganz klar zu ersehen, dass
diese beiden Lesungen ein und dieselbe Bedeutung tragen.
69 Im arabischen Text verwendet aṭ-Ṭabarī hier das Wort ašraka.

88
Die Lehre des Monotheismus

Völlig klar ist natürlich, dass Ibnu Manẓūr nichts Neues von sich aus er-
fand, sondern ausschließlich die Inhalte der überlieferten arabischen
Sprache wiedergab. Wenn er diese Bedeutung also erwähnt hat, kann
man sie zweifelsohne auch in den früheren Wörterbüchern finden. Der
Kürze halber soll hier aber die Aussage von Ibnu Manẓūr genügen, zuzüg-
lich der zuvor schon aus verschiedenen Wörterbüchern zusammengetra-
genen Erklärungen jener Wörter und Wortwurzeln, die hier von Belang
sind.

Aṭ-Ṭabarī über diesen Vers


Aṭ-Ṭabarī erklärt in seinem tafsīr zum erwähnten Vers Folgendes:
َ ْ َ َّ َ َ ُ ْ َ ْ ُ ْ ْ َ ُ َ ً ُ ً ُ ُ َُ ُ ًَ َ ً ُ
‫اَّلي أخل َص‬ ِ ‫ َو َرجَل خلوصا لِرج ٍل يع ِن المؤ ِمن الموحد‬:‫ يقول‬،﴾‫﴿ َو َرجَل سلما ل ِ َرج ٍل‬
َ َّ ٌ َ ُ َ َ َ ْ ْ َ ْ ٌ َ ْ َ َ َ َّ َّ َ َ َ َ ُ َ ْ َ ُ ُ ْ َ َ َّ ُ َ َ َ
‫َّلل َسل ًما‬
ِ ِ ‫ س ِلم فَلن‬:‫ وذلِك أن السلم مصدر ِمن قو ِل القائِ ِل‬... ‫ َل يعبد غْيه‬،‫َّلل‬
ِ ِ ‫ِعبادته‬
ً ُ ُ َُ َ َ َ َ ْ َ
... ‫ خلص َل خلوصا‬:‫بِمعىن‬
„Und das Beispiel eines Mannes, der voll und ganz nur einem einzi-
gen Herrn ergeben ist“, Allah sagt (hiermit) also: „Und ein Mann,
der rein und ausschließlich einem Herrn gehört.“ Er meint den
muʾmin muwaḥḥid70, der seine ʿibādah für Allah alleine reinigt, und
niemanden anderen anbetet …
Das Wort salām ist der maṣdar von salima. So sagt man: „salima li-
llāhi salāman“ mit der Bedeutung „ḫalaṣa lahu ḫulūṣan“71.

70 Das arabische Wort muwaḥḥid ist der ismu l-fāʿil, also das Partizip aktiv
zum Wort tauḥīd. Es handelt sich dabei um jene Person, die den tauḥīd aus-
führt, wörtlich „der Vereinende bzw. zu eins Machende“. Mit dem Wort ist
also der Monotheist gemeint, der seinem Schöpfer weder in der Anbetung
noch in anderen Belangen etwas beigesellt.
Dass aṭ-Ṭabarī dies hier nochmals ausdrücklich erwähnt, ist eine weitere Be-
kräftigung dieser Bedeutung. Daneben zeigt es auch die Tatsache, dass die
Begriffe tauḥīd und muwaḥḥid bzw. im Plural muwaḥḥidūn geläufige Wörter
bei der frühen islamischen Gelehrsamkeit waren.
71Es ist also ersichtlich, dass diese beiden Sätze bzw. Wörter gleichbedeu-
tend sind „salima salāman = ḫalaṣa ḫulūṣan“. Beides bedeutet also: „Er ge-
hört rein (nur) Allah und fügt sich nur Ihm.“

89
Die Lehre des Monotheismus

Aṭ-Ṭabarī erwähnt hier also auch ausdrücklich, dass die eine Person in
diesem Beispiel ein Muslim und muwaḥḥid ist, welcher seine Taten alle-
samt für Allah  tut und sie vom širk/Polytheismus reinigt. Für so jeman-
den gibt es keinen weiteren ilāh und keinen weiteren šarīk/Teilhaber.
In diesem Koran-Vers liegt also ein Beispiel für diese beiden Gegensätze,
den Muslim und den mušrik. Danach heißt es nochmals deutlich: „Sind
diese beiden etwa einander gleich?!“
Abgesehen davon wird hier wiederum deutlich der iḫlāṣ als Bedeutung
des Islam erwähnt. Es wurde bereits zuvor auf diesen bedeutenden Zu-
sammenhang hingewiesen. Die beiden Wörter sālim und ḫāliṣ beschrei-
ben sprachlich und inhaltlich gleichermaßen die Eigenschaft eines Men-
schen, frei und unversehrt vom Polytheismus zu sein. Ebenso verhält es
sich mit den beiden Wörtern „Islam“ und „iḫlāṣ“, welche sich in derselben
Weise vom jeweils zuvor genannten, entsprechenden Wort ableiten.
Aṭ-Ṭabarī überliefert die von ihm erwähnte Erklärung dieses Verses auch
von einigen salaf, also von den bedeutenden Gelehrten der ersten Gene-
rationen der Muslime.
Darunter folgende Aussage von ʿAbdurraḥmān ibnu Zaid ibni Aslam ,
der über diesen Vers sagte:
ً ً َ ُ َّ َ َ َ َ ْ ‫ قَ َال‬:‫ قَ َال‬،‫َبنَا ْاب ُن َو ْهب‬ ْ َ َ َ ُ ُ ُ َ َّ َ
‫اَّلل َمثَل َر ُجَل‬ ‫ {َضب‬:‫ ِِف ق ْو ِ َِل‬،‫اب ُن َزيْ ٍد‬ ٍ
ََ‫خ‬ ‫ أ‬:‫ قال‬،‫حدث ِن يونس‬
َّ ُ َ َ َ ٌ َ َ َ َ َ َّ َ َ ً َ َ َ ََ ُ
ُ‫اَّلل‬ ‫ فإِنما هذا مثل َضبه‬... ]29 :‫ِشَك ُء ُمتشا ِك ُسون َورجَل سلما ل ِ َرج ٍل} [الزمر‬
ُ ً َ ُ َ ‫ِفي ِه‬
َّ َ ْ ُ َ ً َ َ ُ َّ ُ َ َ َ َ ً ُ ُ ْ َ ْ َ َ َ ُ َ َ َ َ َ ْ َ ُ ُ ْ َ َ َّ َ ُ َ
‫َّلي‬ ِ ِ ‫ ول‬،‫ فُضبه اَّلل مثَل لهم‬،‫ وجعلوا لها ِِف أعناقِ ِهم حقوقا‬،‫اَّلين يعبدون اْللِهة‬ ِ ‫لِهؤَل ِء‬
ْ َ َ َ ُ َ ْ َ َ ْ ُ ُ َ ْ َ ْ َ َّ ُ ْ َ ْ ً َ َ َ َ ْ َ ْ َ ُ َ ْ َ ُ ُ ُ ْ َ
:‫]» و ِِف قو ِ َِل‬29 :‫َّلل بل أكَثهم َل يعلمون} [الزمر‬ ِ ِ ‫ان مثَل اْلمد‬ ِ ‫يعبده وحده {هل يست ِوي‬
ٌ»‫ِشك‬ ْ ‫ «لي َس معه‬:‫«و َر ُج ًَل َسال ًما ل َر ُجل» َي ُقول‬
ُ َ َ ْ َ ُ َ
ِ ٍ ِ ِ

90
Die Lehre des Monotheismus

Dies ist ein Gleichnis, das Allah gab, für jene, die die ālihah72 anbe-
ten. Sie glaubten, dass (diese ālihah) ein Anrecht73 auf sie hätten…
und für jenen, der nur Allah alleine anbetet. „Sind diese beiden
etwa einander gleich?! Gepriesen sei Allah! Die meisten aber wis-
sen es nicht“.
(…und ein Mann, der ausschließlich einem einzigen Herrn gehört)
d.h. Jemand, der (grundsätzlich und ausnahmslos) keinen širk
begeht.

Am Ende erklärt aṭ-Ṭabarī schließlich:


ُ َّ ُ َ َ ‫ َو َما ي َ ْستَوي َه َذا ال ْ ُم ْش‬:‫اؤ ُه‬ُ َ َ َّ َ ُ ُ َ َ ُ َ ْ َ ْ ُ ُ َ ْ َ ْ َ
‫اَّلي ه َو‬ِ ‫ َو‬،‫َتك ِفي ِه‬ ِ ‫﴿بل أكَثهم َل يعلمون﴾ يقول جل ثن‬
َ َ َّ َ
َ ‫ون أن ُه َما َل ي َ ْستَو‬ َ ُ ْ َ َ َ َّ َ ْ ُ ْ َ ُ َ ُ َ ْ َ ْ َ ُ ُ ْ ُ ٌ َُْ
‫ ف ُه ْم‬،‫ان‬
ِ ِ ‫ي‬ ‫م‬ ‫ل‬ ‫ع‬ ‫ي‬ ‫َل‬ ‫اَّلل‬
ِ ِ‫ْش ِكْي ب‬ ِ ‫منف ِرد ملكه ل ِ َو‬
ِ ‫ بل أكَث هؤَل ِء الم‬،‫اح ٍد‬
َّ ُ ْ َّ َ ً َ َ ُ ُ ْ َ َ َ ْ ْ َ
.‫اَّلل‬
ِ ‫ون‬ ِ ‫ِِبه ِل ِهم بِذلِك يعبدون آلِهة شَّت ِمن د‬
„Die meisten aber wissen es nicht“, d.h.: Dieser unter mehreren
(Herren) Aufgeteilte und derjenige, der nur einem Herrn gehört,
sind sich nicht gleich.
Aber die meisten dieser „Allah etwas Beigesellenden“74 wissen
nicht, dass diese beiden sich nicht gleichen. In ihrer Unwissenheit
darüber beten sie etliche unterschiedliche ālihah neben Allah an.

72Auf das wichtige Wort ālihah bzw. im Sg. ilāh, wurde zuvor schon bei der
Bedeutung des Glaubensbekenntnisses eingegangen. Es geht hier also um
die Angebeteten bzw. Gottheiten in diesem Sinne, welche sich die mušrikūn
zur Verehrung nahmen.
73Durch ihre Überzeugungen erteilten sie den Götzen also Rechte über sich
selbst. Die mušrikūn glaubten, diese Rechte erfüllen zu müssen. Alle Über-
zeugungen und Taten, die damit verbunden waren, sind Formen der Anbe-
tung, welche ausschließlich dem einen Herrn gebührt.
74Im Arabischen sagt er hier „al-mušrikūna bi-llāh“. Das Wort mušrik ist wie
bereits erklärt der ismu l-fāʿil (Partizip aktiv) zum Verb ašraka, also „der Bei-
gesellende“. Es kann im Grunde nicht eindeutiger gesagt werden, dass es sich
hier um Leute handelt, die die Tat des širk tun und deshalb als mušrikūn be-
zeichnet werden müssen. Auf diese Aussage von aṭ-Ṭabarī wird im späteren
Verlauf nochmals eingegangen.

91
Die Lehre des Monotheismus

Was durch das bereits beschriebene Fehlverständnis aus diesem


Vers folgen müsste
Im oben besprochenen Vers treten die zwei Gegensätze „Muslim“ und
„mušrik“ überaus deutlich zutage. Dabei wurden im Vers auch ausdrück-
lich die Gründe für diese Gegensätzlichkeit erwähnt, nämlich die Taten
dieser beiden Personen.
Die eine Person begeht polytheistische Handlungen, während die andere
davon völlig frei ist. Des Weiteren wird in dem Vers bekräftigt, dass sich
diese beiden Personen nicht gleichen. Am Ende wird dem hinzugefügt,
dass die meisten mušrikūn sich dieser Tatsache gar nicht bewusst sind,
wie aṭ-Ṭabarī deutlich erklärte.
Es wurde demgegenüber bereits angesprochen, dass es in der heutigen
Zeit viele Menschen gibt, die glauben, der islamische Monotheismus
würde sich lediglich auf die Bezeugung der Existenz eines einzigen Schöp-
fers beschränken.
Gemäß ihrer Auffassung könnte ein Mensch also durchaus den Kerninhalt
des Islam erfüllt und umgesetzt haben, während er gleichzeitig neben
dem einen Schöpfer andere anbetet oder diesen bedingungslos gehorcht.
Es wurde bereits ausreichend erläutert, dass diese Irrmeinung der frühen
islamischen Theologie fundamental zuwiderläuft. Ein polytheistischer
Muslim war in der Geisteswelt der frühen Muslime nicht vorhanden.
Selbst jene stark von der Philosophie beeinflussten Gelehrten kamen in
den ersten Jahrhunderten im Allgemeinen gar nicht erst auf diese Idee.
Da diese verzerrte Sichtweise jedoch heute von breiten Massen vertreten
wird, soll hier auch anhand des besprochenen Verses über das Gleichnis
des Muslims und des mušrik auf diese Problematik hingewiesen werden.
Die beschriebene Idee eines „Muslim mušrik“, also eines polytheistischen
Monotheisten, kollidiert nämlich auch mehrfach mit dem genannten Ko-
ran-Vers, und zwar wie folgt75:

75 Es geht
hier nicht um die Frage, ob jemand heutzutage tatsächlich all diese
Konsequenzen annimmt und bei der irrigen Behauptung bleibt, ein Mensch,
…--

92
Die Lehre des Monotheismus

• Bei so einer Annahme könnte der „unwissende mušrik“ unmöglich


Teil dieses Gleichnisses sein. Im Vers hingegen erwähnt der Koran
ausdrücklich, dass auch auf den unwissenden Polytheisten die im
Vers genannte Eigenschaft zutrifft.
Ein mušrik, egal ob er es nun weiß oder nicht, dient sicher nicht Allah
alleine. Er hat also die Grundvoraussetzung, um ein Muslim zu sein,
sicherlich nicht erfüllt.
• Wie aṭ-Ṭabarī deutlich erklärte, befinden sich die meisten mušrikūn in
Unwissenheit über diese Realität. Jener verzerrten Ansicht nach
müssten sie durch ebendiese Unwissenheit aber Muslime werden.
• Darüber hinaus müsste gemäß dieser Aussage der unwissende mušrik
dem Muslim gleichen, da demnach beide letztlich Muslime wären,
nämlich durch ihr bloßes Bekenntnis zum Islam und das Bekenntnis
zum einen Schöpfer.
Dies würde in weiterer Folge auch für beide eine gleiche Behandlung
im Jenseits bedeuten, was nach islamischer Theologie im Konsens
nicht vorstellbar wäre. Diese Gleichbehandlung im theologischen
Sinne hat zweifelsohne auch diesseitige Konsequenzen, was z. B. bei
rituellen Handlungen, wie dem Gebet offensichtlich wird.
Gemäß der beschriebenen Ansicht müsste ein Muslim einem Polythe-
isten die Bezeichnung „Muslim“ zuteilwerden lassen und ihn in wei-
terer Folge in jeder Hinsicht als Muslim betrachten, sowohl in diessei-
tigen als auch in jenseitigen Belangen. Demnach müsste jener Muslim
die beschriebene Person zum Imām, also zum Vorbeter in seinen
Pflichtgebeten nehmen können usw.
Dieser Konsequenzen kann man sich letztlich nicht entziehen, wenn
man einen Menschen trotz polytheistischer Handlungen als Muslim
betrachtet.

der neben Allah andere anbetet, könne gemäß islamischer Sichtweise trotz-
dem als Muslim gelten.
Tatsächlich sind sich die allermeisten Menschen heute dieser angesproche-
nen, widersprüchlichen Konsequenzen (al-lawāzimu l-bāṭilah) gar nicht be-
wusst – einer der Gründe, warum diese hier verdeutlicht werden sollen.

93
Die Lehre des Monotheismus

Wie bereits gesagt, widerspricht diese Denkweise aber klar und deut-
lich dem genannten Vers, ebenso wie zahlreichen anderen islami-
schen Quelltexten.
• Ebenso müssten, gemäß dieser fehlerhaften Denkweise, die frühen
Autoren und Koran-Exegeten, wie z. B. Ibnu Abī Ḥātim und aṭ-Ṭabarī
– ebenso wie die noch früheren und bedeutendsten Gelehrten der
Muslime, von denen diese beiden in ihren Werken überliefern – alle-
samt des Fehlers bezichtigt werden. Auch diese Annahme wäre na-
türlich in hohem Maße absurd.
Auch diesem Widerspruch könnte man nicht aus dem Weg gehen, da
die Aussagen all dieser frühen Gelehrten nicht anders zu interpretie-
ren sind. Aus ihren Aussagen ist klar zu sehen, dass sie sicherlich nicht
die Möglichkeit erwogen haben, es gäbe einige mušrikūn, die trotz
ihrer polytheistischen Handlungen Muslime wären. Es ist überaus
deutlich, dass dies jenen Gelehrten nicht einmal in den Sinn kam.
Dieser Umstand zeigt einmal mehr, dass die frühen Persönlichkeiten
der islamischen Wissenschaften solche Grundfragen des tauḥīd als
völlige Selbstverständlichkeit ansahen.
Wie bereits erwähnt, waren sogar die verschiedenen Sekten der da-
maligen Zeit nie auf die Idee gekommen, einen Polytheisten als Mus-
lim zu bezeichnen, wobei sich diese Gruppen und Abspaltungen zwei-
felsohne in vielen Fragen auf deutliche Irrwege begeben hatten.

94
Die Lehre des Monotheismus

Die sprachliche Bedeutung des Wortes Islam


und wie sich diese aus dem Verb und der
Wortwurzel ergibt
Die Bedeutung des Verbs aslama
Das Nomen islām leitet sich vom Verb aslama ab. In den arabischen Wör-
terbüchern76 werden für das Verb aslama folgende Bedeutungen ange-
geben:
َ َ ْ َ
‫• أسل َم أي انقاد واستسل َم‬
ْ َ
)‫السلم (بالفتح وبالكرس‬
ِ ‫• ودخل ِف‬
َ ْ َ
‫أي دف َعه‬ َ
‫الَشء إِله‬ ‫• أسل َم‬

‫فو َضه‬َّ ‫أي‬ َ ‫• أسلَ َم‬


ْ ‫أمره َل وإِله‬
َ َ ً ً ََ ْ َّ َّ ْ َ َ
‫ فإذا أ ْسل َمه َل‬،‫جعله سا ِملا َل وخالِصا‬ ‫ خل َصه َل أي‬:‫الَشء ِمثل (سل َمه َل) بمعىن‬ ‫• أسل َم‬
ً ً َ
‫وإِله َج َعله سا ِملا َل وخالِصا‬
• sich jemandem hingegeben/ergeben/unterwerfen/fügen
• in den Frieden eintreten. Deshalb werden die Wörter dieser Wur-
zel auch im Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen im Sinne von
„ergeben“ wie auch „Frieden schließen“ verwendet.
• jemandem eine Sache aushändigen/übergeben. Die sprachliche
Verbindung zur Wortwurzel besteht hierbei darin, dass die Person
über die ihr ausgehändigte Sache sodann frei verfügen kann.
Die Bedeutung der Wurzel findet sich hier also wieder, weil nach
der Aushändigung nur noch diese eine Person über die Sache ver-

76Siehe dazu die frühen arabischen Wörterbücher der arabischen Sprache


um das zweite bis vierte Jahrhundert n. H., wie z. B.: Kitāb al-ʿAin, Tahḏību l-
Luġah, aṣ-Ṣiḥāḥ, Maqāyīsu l-Luġah.

95
Die Lehre des Monotheismus

fügt. Die Grundbedeutung ist also: Die Sache gehört jetzt „rein“ und
ausschließlich dieser Person.
• jemandem eine Angelegenheit übergeben/übertragen
• eine Sache völlig rein machen. Wenn man eine Tat für jemand
anderen als sich selbst ausgeführt hat, bedeutet dies, man hat
diese Tat „nur ihm gegenüber / nur für ihn /die Sache für ihn reini-
gend“ getan.77

Durch die obengenannten Erklärungen der alten arabischen Wörterbü-


cher zeigt sich somit sehr klar, dass sich das Verb aslama um das völlige
Reinigen einer Sache dreht bzw. darum, dass man etwas ganz und gar
jemand anderem aushändigt und es ihm zur freien Verfügung überlässt.
Das Wort Islam ist das Verbalsubstantiv dieses Verbs, also das zugehörige
Nomen, und trägt demnach exakt dieselben Bedeutungen in sich.

Der Zusammenhang zwischen der Wortwurzel salima und dem


davon abgeleiteten Verb aslama
In der arabischen Morphologielehre78 ist allgemein bekannt, dass die Er-
weiterung der dreiradikaligen Wortwurzel79 durch Hinzufügung des Buch-

77Die letzten drei Bedeutungen sind natürlich eine gleichartige Verwendung


des Wortes. Darüber hinaus ist es ganz allgemein so, dass die verschiedenen
Bedeutungen und Verwendungen eines arabischen Wortes auf eine Grund-
bedeutung zurückgehen. Je nachdem ähneln oder überschneiden sich dann
die einzelnen Bedeutungen mehr oder weniger.
78In den arabischen Sprachwissenschaften aṣ-ṣarf genannt. So bezeichnen
die arabischen Sprachwissenschaftler die sog. Morphologielehre, die sich mit
der Gestalt und Veränderung der Wörter selbst, also des Wortinneren be-
schäftigt.
Im Gegensatz zur eigentlichen Grammatik (an-naḥw) beschäftigt sich die
Wissenschaft der Morphologielehre nicht mit den Endungen der arabischen
Wörter und auch nicht mit den Veränderungen dieser Endungen bei unter-
schiedlicher Position im Satzgefüge.
79Also jener Wortwurzel, die sich aus drei grundlegenden Buchstaben auf-
baut.

96
Die Lehre des Monotheismus

staben hamzah am Anfang des Wortes zu einer Veränderung der Bedeu-


tung im Sinne von „machen“ bzw. „lassen“ führt.
So kann man beispielsweise aus dem Verb ǧalasa für „er setzte sich“ das
Verb aǧlasa für „er setzte ihn hin“ – bzw. in der ursprünglichen Bedeu-
tung „er machte ihn sitzend/ließ ihn sitzen“ – konstruieren.
Auf diese Weise ist also auch das Verb salima mit dem Verb aslama ver-
bunden. Salima bedeutet „rein sein“, während aslama „er machte es
rein“ bedeutet. Die beiden Wörter salima und aslama verhalten sich da-
bei in Bedeutung und Wortform genau wie die beiden Wörter ḫalaṣa und
aḫlaṣa.
Aslama heißt also „er machte es sālim“ und aḫlaṣa bedeutet „er machte
es ḫālis“. Die dazugehörigen Nomen sind Islam und iḫlāṣ.
Wenn jemand z. B. verunreinigtes Wasser reinigen will, so wird dieser
Vorgang im Arabischen als iḫlāṣ bezeichnet. Der Araber würde hier sagen
„yuḫliṣu l-māʾa“.
Islam ist also gleichbedeutend mit iḫlāṣ! Somit ist der Islam die Religion
des iḫlāṣ. Ohne den iḫlāṣ kann der Islam unmöglich bestehen. Jede an-
dere Behauptung würde schließlich zur Möglichkeit eines „Islam ohne Is-
lam“ bzw. eines „Muslim ohne Islam“ führen.
Wie früher schon verdeutlicht wurde, ist also völlig klar, um was es bei
dieser mehrfach erwähnten Reinigung geht, welche durch die Wörter Is-
lam und iḫlāṣ ausgedrückt wird. Es geht klarerweise um die Reinigung der
Religion und ganz konkret der gottesdienstlichen Taten des Menschen
und seines Gehorsams von jeglichen polytheistischen Einflüssen.
Deshalb werden die Begriffe Islam und tauḥīd häufig mit dem Ausdruck
„iḫlāṣu l-ʿibādati li-llāh“, also „Die Reinigung der ʿibādah für Allah“ erklärt.
Aus diesem Grund wird auch die šahādah, das islamische Glaubensbe-
kenntnis, „kalimatu t-tauḥīd“ und ebenso „kalimatu l-iḫlāṣ“ genannt –
eine Benennung, die ebenfalls auf Überlieferungen vom Propheten  zu-
rückgeht.

97
Die Lehre des Monotheismus

Die deutliche Erklärung des Wortes Islam


im Koran
Es hat sich also äußerst klar gezeigt, dass die beiden Wörter Islam und
iḫlāṣ gleichbedeutend sind. Das Wort Islam – und mit ihm diese gesamte
Religion – dreht sich um die Reinigung der Taten für Allah alleine. In den
arabischen Wörtern Islam und Muslim ist die volle Bedeutung also bereits
implizit enthalten.
Grundsätzlich ist anzunehmen, dass ein Inhalt umso öfter und deutlicher
erklärt wird, je bedeutender seine Rolle ist. Da dem so ist und es sich hier-
bei um das Fundament des gesamten Islam handelt, kann man davon aus-
gehen, dass dieser Inhalt im Koran an zahlreichen Stellen erklärt ist.
Wer den Koran kennt und versteht, findet ebendiese Erklärung auch in
vielen Versen des Buches. An diesen Stellen wird deutlich erwähnt, was
es zu reinigen gilt. Der Vergleich der verschiedenen Passagen verdeutlicht
die Bedeutung weiter und weiter. Man kann dabei immer wieder sehen,
wie eine Passage des Koran die andere erklärt – wie auch im weiteren
Verlauf an verschiedenen Beispielen gezeigt wird.
Sehr deutlich tritt die Bedeutung des Wortes Islam im folgenden Vers zu-
tage:

ُ َ ُْ َ َ ْ َ َ َ ْ َ ً ُ َ َ ْ َ َّ َ َّ ْ َ ُ ْ َ ْ َ ُ َ َ
‫ارى تِلك أ َما ِن ُّي ُه ْم قل هاتوا‬ ‫﴿وقالوا لن يدخل اْلَنة إَِل من َكن هودا أو نص‬
َ ‫ك ْم إ ْن ُكنْتُ ْم َصادق‬
﴾‫ْي‬
ُ َ َ ُْ
‫برهان‬
ِِ ِ
Sie80 sagten: „Niemand wird ins Paradies eingehen, außer wer
Jude oder Christ war.“ Dies sind ihre Wunschvorstellungen.
Sprich: „Bringt euren Beweis, wenn ihr wahrhaftig seid.“
[Sure al-Baqarah, 2:111]

80 Gemeint sind hier Leute von den Juden und Christen.

98
Die Lehre des Monotheismus

Aus diesem Vers lassen sich folgende Dinge ersehen81:


• Die hier beschriebenen Juden und Christen behaupteten jeweils, dass
das Paradies nur für ihresgleichen bestimmt ist.
• Sie meinten damit also, dass der Einzige, der wirklich Allah ergeben
ist und dadurch das Paradies verdient hat82, nur jeweils aus ihrer Ge-
meinschaft sein kann. Gemäß der Aussage dieser Juden und Christen
konnte der gottergebene Monotheist also nur aus ihrer Mitte stam-
men.
• Allah  weist diese Behauptung jedoch unverzüglich zurück. Demge-
mäß handelt es sich bei dieser Behauptung lediglich um eine ihrer
Wunschvorstellungen, von denen weitere Beispiele an einigen Stellen
des Koran erwähnt sind.
• Dann stellt Allah die einzig richtige Methode für die Wahrheitsfindung
klar. Es ist die Methode der Wahrheit und des Verstandes, die Me-
thode des Beweises.
• Der Beweis kann bei einer solchen Behauptung nur durch die Offen-
barung vom Schöpfer selbst kommen, da man zu einer solchen Be-
hauptung nicht auf empirischem Wege gelangen kann. Schließlich
drehte sich die Behauptung um die Frage, wem das Paradies zuteil
wird und wem es verwehrt wird.
Deshalb wird gefordert, diese Behauptung mit dem dafür notwendi-
gen Beweis zu belegen, der wie gesagt nur vom Schöpfer selbst stam-
men kann.

81 Siehe für die Erklärungen zu diesem und dem darauffolgenden Vers die
tafsīr-Werke von Ibnu Abī Ḥātim und aṭ-Ṭabarī, welche diese Bedeutungen
von den frühen Gelehrten zitieren.
Wie im Vorwort bereits erwähnt, sind diese Inhalte in einigem Detail auch im
‫ “رسالة ىف بيان ى‬zu
arabischen Buch „‫ عىل طريقة أهل األثر‬- ‫معن اإلسالم من الكتاب والسنة‬ ‫ي‬
finden.
82Also der „Muslim/Monotheist“, denn genau dies ist die allgemeine Bedeu-
tung des Wortes „Muslim“, wie bereits auf verschiedene Arten gezeigt
wurde.

99
Die Lehre des Monotheismus

Demgegenüber wird nun im darauffolgenden Vers erklärt, wer tatsäch-


lich als Muslim und somit als ein gottergebener Monotheist zählt und
dadurch das Paradies verdient hat. Die folgende Schilderung ist im Bezug
der Erklärung des ursprünglichen Monotheismus-Verständnisses wichtig,
da nun durch den Koran selbst gezeigt wird, worin dieser Monotheismus
eigentlich besteht.
So heißt es im darauffolgenden Vers:

ْ ْ َ ََُ ْ ُ ُ َّ ُ َ ْ َ َ َ ْ َ ْ َ َ َ
‫َّلل َوه َو ُم ِس ٌن فله أج ُر ُه ِعن َد َرب ِه‬
ِ ِ ‫﴿بَّل من أسلم وجهه‬
َ ََُْ ْ ُ ََ ْ َْ َ ٌْ َ ََ
﴾‫وَل خوف علي ِهم وَل هم َيزنون‬
Doch! Wer sein Gesicht Allah hingibt83, während er muḥsin84 ist,
dieser hat seine Belohnung bei seinem Herrn, und um sie gibt es
weder Angst, noch werden sie traurig sein. [Sure al-Baqarah, 2:112]

Erläuterung dieses Verses:


• Hier wird also die zuvor aufgestellte Behauptung widerlegt. Die Be-
deutung der Aussage kann dabei wie folgt wiedergegeben werden:
„Doch! Es gibt jemanden, der ins Paradies eingeht und seinen Lohn bei
seinem Herrn findet.“
• Es handelt sich dabei um denjenigen, der „sein Gesicht Allah hingibt“.
Allah berichtet also, dass jeder, der diese Eigenschaft hat, Sein Wohl-
gefallen erlangt. Im Gegensatz zur vorhergehenden Behauptung je-
ner angesprochenen Juden und Christen wird so einem Monotheisten
das Paradies nicht verwehrt, ganz egal welcher Gemeinschaft dieser
Monotheist angehört.

83Im arabischen Text: „man aslama waǧhahu li-llāhi“. Es wird also das Wort
aslama verwendet. Die Bedeutung ist also: „der sein Gesicht Allah hin-
gibt/ergibt/fügt/unterwirft“.
Das Wort Muslim ist dabei der sog. ismu l-fāʿil, also das Partizip aktiv. Es trägt
also genau dieselbe Bedeutung. Der Muslim ist „der Hingebende“. „al-mus-
limu waǧhahu li-llāhi“ ist also „der sein Gesicht Allah Hingebende“.
84 Wörtlich: Jemand der seine Sache gut tut.

100
Die Lehre des Monotheismus

Hierin befindet sich also eine deutliche Erklärung des Wortes Islam.
• Die Belohnung, die hier angesprochen wurde, ist natürlich das Para-
dies, da dies Gegenstand der Behauptung war.
• Diese Muslime/Monotheisten werden im Jenseits weder wegen dem
Angst haben, was ihnen bevorsteht, noch werden sie traurig sein über
das, was sich im Diesseits ereignete.

Die „Hingabe des Gesichts“ ist der iḫlāṣ


Im zuvor betrachteten Vers des Koran wurde erwähnt, dass die „Hingabe
des Gesichts“ zum Schöpfer der Welten die eine Sache ist, die einen Men-
schen zum Monotheisten macht und ihm den Eingang ins Paradies er-
möglicht. Deshalb sollte diesem Ausdruck besonderes Augenmerk ge-
schenkt werden.
Durch die Erklärungen der frühen Gelehrten und Koran-Exegeten lässt
sich zeigen, dass es sich bei der „Hingabe des Gesichts“, die im Koran an
mehreren Stellen wiederkehrt, um den reinen Monotheismus handelt,
welcher in der alleinigen Anbetung und im alleinigen Gehorsam gegen-
über Allah besteht.
So überliefert aṭ-Ṭabarī zu diesem Vers Folgendes85:
َ َ َ ْ َ َ ْ َ َ ُ ْ َ َ َ َ ُ َ ْ َ َ َ َ َّ َ ُ ْ َ َّ َ َ َ
‫ {بََّل‬:‫يع‬ َّ
ِ ِ‫ ع ِن الرب‬،‫ عن أبِي ِه‬،‫ ثنا ابن أ ِِب جعف ٍر‬:‫ قال‬،‫ ثنا إِسحاق‬:‫ قال‬،‫كما حدث ِن المثىن‬
َّ َ َ ْ َ ُ ُ َ َّ ُ َ ْ َ َ َ ْ َ ْ َ
»‫َّلل‬
ِ ِ ‫ «أخلص‬:‫] يقول‬112 :‫َّلل} [اْلقرة‬ ِ ِ ‫من أسلم وجهه‬
Von ar-Rabīʿ wird überliefert: (… Wer sein Gesicht Allah hingibt) be-
deutet: „aḫlaṣa li-llāh“.

Wie zuvor erklärt wurde, bedeutet aḫlaṣa „rein machen bzw. reinigen“.
Somit bedeutet dieser von ihm gebrauchte Ausdruck hier: „Wer sein Ge-
sicht Allah hingibt“, d. h. „Wer den iḫlāṣ für Allah durchführt“, also „Wer
(seine Taten) für Allah völlig reinigt“.
In allen frühen Werken des tafsīr findet man zu diesem Ausdruck Erklä-
rungen dieser Art vor. Wie bereits verdeutlicht wurde, sagt der Begriff
aḫlaṣa li-llāh aus, dass der Mensch seine Taten, seine ʿibādah, seinen dīn,

85 Siehe dazu Tafsīr aṭ-Ṭabarī bei der Erklärung der beiden erwähnten Verse.

101
Die Lehre des Monotheismus

seinen Gehorsam usw. für Allah reinigt und diese Dinge somit nieman-
dem zukommen lässt außer Ihm.
Es geht also um den mehrfach erwähnten iḫlāṣ, jene Reinigung, die im
Grunde nur ein weiteres Wort zur Beschreibung des reinen und tatsäch-
lichen Monotheismus in den frühen Quellen des Islam darstellt.
Sodann sagt aṭ-Ṭabarī:
َُ َ َ َ َ
:‫َوك َما قال َزيْ ُد ْب ُن ع ْم ِرو ب ْ ِن نفيْ ٍل‬
َ َ ْ ُ َْ ُ ْ َُ ْ َ َ ْ َ ْ َ ْ ُ ْ َ ْ ََ
‫َل ال ُم ْزن َت ِمل َعذبًا ُزَلَل‬ ... ‫ت َوج ِِه لِمن أسلمت‬ ‫وأسلم‬

.‫َل‬َُ ‫ت‬ ْ َ َْ َ ُ ْ ُْ َ َ َ َ ْ َ ْ َ َ َ ْ ََ ْ َ ْ َ َ
‫ استسلمت ِلطاع ِة م ِن استسلم ِلطاع ِت ِه المزن وانقاد‬:‫يع ِن بِذلِك‬
َْ

َّ ُ َ ْ َ َ َ ْ َ ْ َ َ َ ْ َ ُ ْ َ َ َ ْ َ ْ َّ َ َ َ ‫اْل‬ ْ ُ ُ َ َ َّ َ ُ َّ َّ َ َ
:‫َّلل} [اْلقرة‬ِ ِ ‫ {بَّل من أسلم وجهه‬:‫َب عمن أخَب عنه بِقو ِ َِل‬ ِ ِ‫وخص اَّلل جل ثناؤه ب‬
ُُْ َ َ َ َ َ ْ َ ْ َ َ ْ َ َّ َ َ َ َ َ ُ َُ ْ َ َ ْ
،‫ار ِح ِه وجهه‬ َ َ
ِ ‫ار ِح ِه؛ ِْلن أكرم أعضا ِء اب ِن َآدم وج َو‬ ِ ‫ َ] بِإِسَلمِ وج ِه ِه َل دون سائِ ِر جو‬112
َ َ ْ ُ ْ ُ َّ ُ ُ ْ ْ َ ِ ‫ فَإ َذا َخ َض َع ل‬،‫َو ُه َو أ ْع َظ ُم َها َعلَيْ ِه ُح ْر َم ًة َو َح ًّقا‬
ِ‫اَّلي ه َو أك َرم أج َزا ِء جس ِده‬ ِ ‫َش ٍء َوجهه‬ ِ
ُ.‫خ َض َع ََل‬ْ َ َ ُ َ ْ َ َ ْ َ َ َ َ ْ َ ْ ُُْ َ َ َْ َ
‫علي ِه فغْيه ِمن أجزا ِء جس ِدهِ أحرى أن يكون أ‬
َْ َ َ ْ َ َ َ ْ َ َ ُ ُ ُ َ ْ َّ ْ َ َْ
َ َ َ َ ‫اْل‬ ْ ُ َْ َ َ
‫ِه تع ِن بِذلِك نف َس‬ ِ ‫َب ع ِن الَش ِء فت ِضيفه ِإل وج ِه ِه و‬ ‫َو َِّللِك تذك ُر ال َع َر ُب ِِف من ِط ِقها‬
ُ َ ْ َّ
... ‫الَش ِء َوعيْنَه‬
َ َ ْ ْ ُ ُ َ ُ َ َ َ َ َّ ُ َ َ َ َ َ ْ َ ْ َ َ َ َ َ ْ ُ ْ َ َ
.‫َل ُم ِسنًا ِِف فِع ِل ِه ذلِك‬ ‫َّلل و ِعبادته‬
ِ ِ ‫ بَّل من أخلص طاعته‬: ِ‫وتأ ِويل اللَكم‬
Genau wie auch Zaid ibnu ʿAmr ibni Nufail sagte86:
„Ich habe mein Gesicht dem hingegeben87, dem sich
auch die reines Wasser tragenden Wolken ergaben.“
Er meinte damit: „Ich habe mich dem unterworfen, dem sich auch
die Wolken unterworfen und gefügt haben.“

86 In einem Gedicht, das in Kürze genauer erwähnt wird.


87 Im arabischen Originaltext steht für das Wort „hingeben“, wie auch für das

Wort „ergaben“, das Verb aslama. In dem Gedicht wird also das Prinzip des
Islam, die Hingabe zum Schöpfer, ausdrücklich erwähnt.

102
Die Lehre des Monotheismus

Allah, gepriesen sei Er, erwähnt in diesem Vers speziell das Gesicht,
weil es das Edelste, Wichtigste und Schützenswerteste am ganzen
Körper ist.
Wenn der Mensch also jemandem sein Gesicht hingibt88, dann ist
es klar, dass der Rest seines Körpers sich erst recht hingibt. Deshalb
gehörte es zum Sprachgebrauch der Araber, durch die Erwähnung
des Gesichts auf den ganzen Körper hinzuweisen …
Die Bedeutung des Verses ist somit wie folgt: Doch! Derjenige, der
seinen Gehorsam und seine Anbetung völlig rein macht für Allah,
und dies auf beste Weise durchführt.

Das Gedicht von Zaid ibnu ʿAmr ibni Nufail 


Von dem oben genannten Gedicht von Zaid ibnu ʿAmr  findet man in
einigen Büchern der sīrah (Prophetenbiografien)89 noch folgende Verse:
ً َ ْ ُ َْ ُ َ ْ َُ ْ َ َ ْ َ ْ َ ْ ُ ْ َ ْ ََ
‫َل اْل ْرض َت ِمل َصخ ًرا ثِقاَل‬ ... ‫ت َوج ِِه لِمن أسلمت‬ ‫وأسلم‬
َ ْ ََْ َ ََْ َْ ََ ْ َ َ ْ َ َ َّ َ َ َ َ َ
‫اْلبَاَل‬
ِ ‫ لَع الما ِء أرس عليها‬... ‫دحاها فلما رآها استوت‬
ً َ ْ ُ َْ ُ ْ َُ ْ َ َ ْ َ ْ َ ْ ُ ْ َ ْ ََ
‫َل ال ُم ْزن َت ِمل َعذبًا ُزَلَل‬ ... ‫ت َوج ِِه لِمن أسلمت‬ ‫وأسلم‬
ً َ َ ْ َّ َ َ ْ َ َ َ ْ َ ْ َ َ َ
‫جاَل‬ ‫ت َعليْ َها ِس‬ ‫ أطاعت فصب‬... ‫ت إل بَ َْل ٍة‬ ‫إذا ِِه ِسيق‬
Ich habe mein Gesicht dem gefügt, dem sich
fügte die schwere Felsen tragende Erde.

88 Dies kann auch folgendermaßen gelesen werden: „Wenn sich das Gesicht
also jemandem unterwirft ...“.
Allgemein soll hier darauf hingewiesen werden, dass die wortwörtliche Über-
setzung der Texte von aṭ-Ṭabarī im Grunde undurchführbar ist. Es handelt
sich um sehr altes Arabisch und speziell aṭ-Ṭabarī hatte die Angewohnheit in
sehr stark verschachtelten Sätzen zu sprechen. Dies abgesehen davon, dass
eine tatsächlich wortwörtliche Übersetzung zwischen zwei Sprachen ohne-
hin generell nicht durchführbar ist.
89 Siehe vor allem die sīrah von Ibnu Isḥāq und jene von Ibnu Hišām.

103
Die Lehre des Monotheismus

Er breitete sie aus und als sie eben wurde, festigte Er sie
als Ganzes und verankerte in ihr die Berge.
Und ich habe mein Gesicht dem gefügt, dem sich
auch die reines Wasser tragenden Wolken ergaben.
Sobald sie zu einem Land geführt werden,
gehorchen sie und gießen auf es Massen an Wasser.

In all diesen Versen verwendete Zaid ibnu ʿAmr stets das Wort aslama,
als er sagte „aslamtu waǧhiya/ich habe mein Gesicht hingegeben“. Das
Interessante bei diesen Gedichtversen ist, dass es sich dabei um ein vor-
islamisches Gedicht handelt!
Es ist also ein Gedicht, welches aus der Zeit vor dem speziellen Islam 90
stammt. Der allgemeine Islam, der tauḥīd, war jedoch vorhanden, denn
er bildet die Botschaft aller Propheten .
Zaid ibnu ʿAmr lernte den Propheten  zwar kennen, jedoch vor seiner
Entsendung. Er verstarb also vor der ersten Offenbarung. Trotzdem ge-
hörte er den sog. ḥunafāʾ an, einer Gemeinschaft von Leuten, die sich
schon vor dem Aufkommen des Islam auf die reine monotheistische
Lehre Abrahams bezogen hatten.
Die ḥunafāʾ waren in diesem Sinne also schon vor der Lehre Muḥammads
Monotheisten und somit Muslime, im allgemeinen Sinne des Wortes,
weshalb sie den Götzendienst ablehnten. Aus diesem Grund wird die
reine und unverfälschte monotheistische Lehre Abrahams im Arabischen
auch als al-ḥanīfiyyah bezeichnet.
Diese Leute kannten also den Islam, ohne auch nur einen Vers des Koran
gehört zu haben. Wie man am obigen Beispiel sehen kann, verkündeten
sie ihre Überzeugung auch in ihren Gedichten. Die ḥunafāʾ lehnten die
Götzendienerei ab und waren sich ihrer Falschheit völlig bewusst.
Weiters zeigt sich aus dem erwähnten Gedicht klar die sprachliche Be-
deutung des Wortes Islam bzw. aslama, da es sich um ein Gedicht aus der
Zeit vor dem (speziellen) Islam handelt.

90 Also vor der speziellen Rechtsprechung (šarīʿah), die Muḥammad  zuzüg-

lich zum allgemeinen Monotheismus aller Propheten verkündete.

104
Die Lehre des Monotheismus

Das Wort konnte zur damaligen Zeit nur in seiner sprachlichen Bedeutung
verwendet worden sein, weshalb sich der Text gut eignet, um ebendiese
sprachliche Bedeutung zu verdeutlichen.

Der Polytheismus
Das arabische Wort širk steht für die Beigesellung bzw. den Polytheismus
im Allgemeinen. Die Person, die den širk ausführt, wird als mušrik be-
zeichnet. Jedoch ist die Bedeutung im arabisch-islamischen Sprachge-
brauch umfassender als dies im gewöhnlichen deutschen Sprachge-
brauch unter dem Wort Polytheismus verstanden wird.
So kann ein Mensch verschiedenen Dingen, Personen oder sonstigen We-
sen durch rituelle Handlungen oder durch Anrufung auf diverse Arten An-
betung entgegenbringen. Auf diese Formen des Polytheismus wird auch
im vorliegenden Buch vermehrt eingegangen.
Ebenso kann ein Mensch aber auch einen anderen Menschen anbeten,
indem er von diesem Gesetze akzeptiert, die dem Gesetz Allahs wider-
sprechen.
Auch dem Schöpfer einen Sohn oder eine Mutter beizugesellen oder ei-
nem Geschöpf die Eigenschaften Allahs zuzusprechen wird in der islami-
schen Theologie als širk betrachtet.
Die meisten heutigen Anhänger des Christentums z. B. begehen in dieser
Hinsicht gemäß islamischer Auffassung Polytheismus, auch wenn sie
selbst sich als Monotheisten betrachten.
Im Koran wird der Polytheismus vor allem durch die Begriffe nidd, ʿadl,
naẓīr, miṯl, kufʾ, šarīk angezeigt. Die genannten Wörter umschreiben da-
bei jeweils den „Beigesellten“, also das, was von den Götzendienern ne-
ben dem einen Schöpfer angebetet wurde.
So findet sich in einem ḥadīṯ, der in den beiden Ṣaḥīḥ-Werken von al-
Buḫārī und Muslim überliefert wird – hier im Wortlaut von al-Buḫārī –,
folgende Beschreibung des Propheten  für die Bedeutung des širk:
َ َ َّ َ ْ ُ َ ْ َ ْ َّ ُّ َ َ َّ َ َ ْ َ َ ُ َّ َ َّ َّ ُ ْ َ َ َ َ َّ ْ َ ْ َ
:‫اَّلل؟ قال‬
ِ ‫ب أعظم ِعند‬ ِ ‫ن‬ ‫اَّل‬ ‫ي‬‫أ‬ : ‫م‬ ‫ل‬ ‫س‬ ‫و‬ ‫ه‬
ِ ‫ي‬‫ل‬ ‫ع‬ ‫اهلل‬ ‫َّل‬ ‫ سألت انل ِب ص‬:‫اَّلل قال‬
ِ ‫عن عب ِد‬
ٌ ‫ك ل َعظ‬ َ َ
َ َّ ُ ْ ُ َ َ َ ُ ًّ َّ َ َ ْ َ ْ َ
َ
‫يم‬ ِ ِ ‫ إِن ذل‬:‫ قلت‬.»‫َّلل نِدا َوه َو خلقك‬
ِ ِ ‫«أن َتعل‬

105
Die Lehre des Monotheismus

Von ʿAbduḷḷāh wird überliefert, dass er sagte: „Ich fragte den Pro-
pheten : ‚Welche Sünde ist die schlimmste bei Allah?‘ Er antwor-
tete darauf: ‚Dass du Allah einen Gleichgestellten91 beigesellst, wo-
bei Er dich erschaffen hat.‘ Darauf sagte ich: ‚Dies ist wahrlich
gewaltig (an Sünde).‘“

In diesem ḥadīṯ wurde also das Wort nidd verwendet. Das arabische Wort
nidd (Pl. andād) bedeutet Ebenbürtiger bzw. Gleichgestellter. Die Tat des
Beigesellens wird deshalb auch als tandīd bezeichnet.
Im Koran kommt der Begriff andād häufig vor, um die Bedeutung des širk
auszudrücken. So auch bei folgender Stelle am Anfang des Koran, die als
erstes ausdrückliches Gebot und Verbot im Koran gilt:

َ ُ َ ُ َّ َ ُ َ
‫ين ِم ْن قبْ ِلك ْم ل َعلك ْم ت َّتقون‬
َّ ْ ُ َ َ َ َّ ُ َّ ُ ُ ْ ُ َّ ‫﴿يَا أَ ُّي َها‬
َ ‫اَّل‬
ِ ‫اَّلي خلقكم َو‬ ِ ‫انلاس اعبدوا َربك ُم‬
ْ َ َ ً َ َ َّ َ َ َ َ َ َ َ َّ َ ً َ َ ْ َ ُ ُ َ َ َ َ َّ
‫اء فأخ َر َج بِ ِه‬ ‫اَّلي جعل لكم اْلرض فِراشا والسماء بِناء وأنزل ِمن السما ِء م‬ ِ )21(
َ َ ْ َ َ ً َ َ ّ ْ ُ َ ْ َ َ ْ ُ َّ ً ْ
﴾‫ندادا َوأنتُ ْم تعل ُمون‬ ‫َّلل أ‬ َ َّ َ
ِ ‫ِمن اثلم َر‬
ِ ِ ‫ات ِرزقا لكم فَل َتعلوا‬
Oh ihr Menschen! Dient eurem Herrn92, Der euch erschuf und die-
jenigen vor euch, damit ihr gottesfürchtig sein möget. (Dient
Dem), Der euch die Erde als Ruhebett93 und den Himmel als Über-
dachung94 machte und vom Himmel Wasser fallen ließ, dann damit
Früchte hervorbrachte als Versorgung für euch. So setzt Allah
nichts als Ebenbürtige bei, wo ihr doch wisst.
[Sure al-Baqarah, 2:21-22]

Ebenso wird die Beigesellung durch das Verb yaʿdilūn ausgedrückt, wie
aus dem folgenden Koran-Vers ersichtlich ist:

91 Im Arabischen: nidd
92 bzw. betet euren Herrn an …
93 auch Bett, Ruhestätte …
94 bzw. Gebäude

106
Die Lehre des Monotheismus

َ َ ْ ََ ُ َ َ َ ََ َ ْ َْ َ َّ ‫﴿أَ َّم ْن َخلَ َق‬


‫الس َما ِء َماء فأنبَتنَا بِ ِه َح َدائِ َق ذات‬
َّ ‫كم م َن‬ ‫ات واْلرض وأنزل ل‬ َ ‫الس َم‬
ِ ‫او‬
َ ُ ْ َ َ ُ ْ َّ َ َّ ٌ َ َ َ َ َ َ ُ ُ َ ْ ُ َ َ َ َّ َ ْ َ
﴾‫اَّلل بَل ه ْم ق ْو ٌم يع ِدلون‬ ِ ‫نبتوا شجرها أإَِل مع‬ ِ ‫بهج ٍة ما َكن لكم أن ت‬
(Oder) wer ist Derjenige, Der die Himmel und die Erde erschuf
und für euch vom Himmel Wasser fallen ließ, mit dem Wir erfreu-
liche Gärten wachsen ließen – es gebührte euch nie, deren Bäume
wachsen zu lassen – ?!95 Gibt es etwa einen ilāh neben Allah?!
Nein, sondern sie sind Leute, die (Allah andere) gleichstellen96.
[Sure an-Naml, 27:60]

Das Verb yaʿdilu heißt „etwas gleichstellen“ und ʿadl hat in dieser Bezie-
hung dieselbe Bedeutung wie das Wort nidd, also der/das Beigesellte.

Die Bedeutung der Begriffe „kleiner širk“ und „großer širk“


Es ist nach der vorausgehenden Erklärung des Wortes širk wichtig, darauf
hinzuweisen, dass derjenige Polytheismus, der in diesem Buch primär
thematisiert wird, der sogenannte „große širk“ (širkun akbar) ist.
In den islamischen Quelltexten wird das Wort širk aber noch in einer an-
deren Bedeutung verwendet. Dabei handelt es sich um den sogenannten
kleinen širk (širkun aṣġar).
Dieser kleine širk stellt laut der islamischen Glaubenslehre zwar eine
Sünde dar, jedoch fällt dabei kein tatsächlicher Polytheismus vor, da nicht
wirklich einer Sache neben Allah  Anbetung entgegengebracht wird.
Begeht ein Muslim eine solche Tat des kleinen širk, so wird er dadurch
nicht zum Polytheisten. Ebenso wie bei anderen Sünden auch, verlässt
ein Mensch durch den kleinen širk nicht den Islam.

95Die Satzzeichen an dieser Stelle beziehen sich auf die Frage davor. Der ein-
geschobene Satz wurde in Gedankenstriche gesetzt.
96Das Wort yaʿdilu hat auch die sprachliche Bedeutung „abweichen“. In die-
sem Vers kann es auch in diesem Sinne verstanden werden, da die Bedeu-
tung hier nicht konkretisiert wurde. Das Wort wird jedoch vielfach in der Be-
deutung des Beigesellens verwendet.

107
Die Lehre des Monotheismus

In den islamischen Quelltexten findet man stellenweise die Begriffe kufr


oder širk97 vor, wobei damit nicht der große kufr oder širk gemeint ist. Die
tatsächliche Bedeutung der Begriffe wird in solchen Fällen durch den
Kontext klar. Solange jedoch aus dem Kontext nicht klar ersichtlich ist,
dass es sich um den kleinen širk handelt, darf im Konsens der muslimi-
schen Gelehrsamkeit nicht von der eigentlichen Bedeutung der Begriffe
abgegangen werden.
Als Beispiel hierfür kann der folgende ḥadīṯ dienen, den Aḥmad in seinem
Musnad von Ibnu ʿAbbās  überliefert:
ُ َ ‫ َف َق َال‬،‫ت‬
َ ْ‫اَّلل َوشئ‬
ُ َّ ‫اء‬ َ ‫ َما َش‬:‫اهلل َعلَيْ ِه َو َسلَّ َم‬ َّ َ َ ً ُ َ َّ َ
ُ ‫لنب َص ََّّل‬ َّ َ ْ َ
‫َل‬ ِ ِ ِ ‫ أن رجَل ق َال ل‬،‫اس‬
ٍ ‫ع ِن اب ِن عب‬
ْ ُ َّ َ َ َ ْ َ ً ْ َ َ َّ َ َ ْ َ َ َ َّ َ َ ْ َ َ ُ َّ َ ُّ َّ
»‫اَّلل َوح َد ُه‬ ‫ «أجعلت ِن واَّلل عدَل بل ما شاء‬:‫انل ِب صَّل اهلل علي ِه وسلم‬
…, dass ein Mann zum Propheten  sagte: „Was Allah und du (ihr
beide gemeinsam) wollt“. Da sagte der Prophet  zu ihm: „Hast du
mich und Allah gleichgesetzt?! Was Allah alleine will (musst du sa-
gen).“

In dem hier zitierten Vorfall ging es also nicht darum, dass dieser Mann
den Propheten tatsächlich anbeten wollte. Vielmehr handelt es sich um
einen eindringlichen Hinweis des Propheten , dass solche Formulierun-

97 Das arabische Wort širk beschreibt den Polytheismus und das Wort kufr
umschreibt eine Handlung oder Aussage, die dem Islam so stark widerstrebt,
dass sie – sofern es für die Äußerung oder Handlung keine Entschuldigung
gibt – den Islam einer Person ungültig macht.
Beim Wort kufr ist zu beachten, dass z. B. auch innerliche Überzeugungen,
Gefühle und Absichten in der islamischen Theologie als „innere Taten bzw.
Aussagen“ angesehen werden.
Das arabische Wort kufr wird im Deutschen gemeinhin als „Unglaube“ über-
setzt. Dabei ist das zu Beginn dieser Schrift in Bezug auf die Begriffe īmān und
„Glaube“ Erwähnte zu berücksichtigen. Ebenso wie der īmān nicht auf das
bloße „Glauben“ beschränkt werden kann, kann auch der kufr nicht auf das
bloße „Nicht-Glauben“ bzw. auf die bloße Unkenntnis der Wahrheit redu-
ziert werden. Ein Mensch kann für sich selbst die Richtigkeit des Islam voll
und ganz erkannt haben, gleichzeitig aber den Islam als Ganzes oder Teile
davon ablehnen.

108
Die Lehre des Monotheismus

gen zu unterlassen sind, da sie dem Monotheismus äußerlich widerspre-


chen.
Aus dem Gesagten wurde also deutlich, dass es in den Texten der šarīʿah
eine Unterscheidung zwischen dem eigentlichen großen Polytheismus
und dem sogenannten kleinen širk gibt. Wie bereits erwähnt, ist in die-
sem Buch bei der Erwähnung des Polytheismus bzw. širk grundsätzlich
der große širk gemeint.

Die Formen des širk entsprechend der Einteilung des tauḥīd


Wie bereits in einem eigenen Kapitel erklärt wurde, lassen sich beim
tauḥīd drei Formen bzw. Bereiche erkennen, und zwar Allah  zu Einem
zu machen in:
• Seinem Wesen und Seiner Eigenschaft als Schöpfer, Lebensspender
und Ähnlichem (tauḥīdu r-rubūbiyyah)
• Seinen Namen und Eigenschaften (tauḥīdu l-asmāʾi wa-ṣ-ṣifāt)
• der Anbetung Ihm gegenüber (tauḥīdu l-ulūhiyyah bzw. tauḥīdu l-
ʿibādah)
Ebenso wurde bereits erläutert, dass es sich beim Polytheismus um den
Gegensatz zum tauḥīd handelt. Der širk ist eine Zuwiderhandlung zum
Monotheismus in seinen oben beschriebenen Formen. Demgemäß kann
sich auch der Polytheismus in den drei obengenannten Bereichen ereig-
nen. Den verschiedenen Kategorien des tauḥīd stehen also jeweils die
entsprechenden Kategorien des širk gegenüber.
Wie zuvor schon angesprochen wurde, hatte sich der širk unter den Ara-
bern vor allem im Bereich der Anbetung stark ausgebreitet. Für die da-
maligen Araber war es gängig, diverse Götzen für ihre Bedürfnisse anzu-
rufen. Dies löste in ihren Herzen eine starke Verbundenheit zu diesen
Götzen aus, weshalb sie verschiedene starke Emotionen mit ihnen ver-
banden, sie liebten und fürchteten.
Der Koran verdeutlicht an zahlreichen Stellen, dass ebendiese Anrufung,
Hilfeersuchung, gottesdienstlichen Handlungen und Emotionen dem
Schöpfer der Menschen vorbehalten sind. Aus diesem Grund kon-
zentrierte sich auch die Botschaft aller Propheten  stets auf den Be-
reich der Anbetung.

109
Die Lehre des Monotheismus

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Araber im Bereich der rubūbiyyah
keinen širk begingen. Vielmehr wird im Koran auch mehrfach beschrie-
ben, dass unter den vorislamischen Arabern durchaus auch der širk in der
rubūbiyyah vertreten war, auch wenn dies nicht auf alle Götzendiener im
gleichen Maße und in derselben Art zutraf.
Das eben Gesagte zeigt auch den klaren Fehler in der Aussage, die Araber
hätten „die gesamte“ rubūbiyyah Allahs voll und ganz verstanden und ihr
nicht zuwidergehandelt. Diese Formulierung deckt sich nicht mit den his-
torischen Fakten und auch nicht mit den zahlreichen Schilderungen im
Koran, weshalb sie unterlassen werden sollte – wa-ḷḷāhu aʿlam/und Allah
weiß es am besten.
Es gab einige Araber, die Allah z. B. angebliche Töchter beigesellten, je-
doch war dies nicht der Glaube aller, sondern nur einiger Araber. Ebenso
begingen die Araber širk im tašrīʿ, also in der Gesetzgebung, als sie ohne
Anlehnung an irgendeine Offenbarung eigene Riten festlegten und diese
als Religion der Menschen definierten bzw. sie dem dīn Allahs zuschrie-
ben. Über diese letztgenannte Form des širk bei den Arabern wird z. B. in
der sechsten Sure des Koran, Sure al-Anʿām, vermehrt berichtet.
Was diesen širk in der rubūbiyyah betrifft, so ist er im Vergleich relativ
deutlich erkennbar, sobald er in klaren Aussagen und Taten geäußert
wird. Die Gleichstellung eines Geschöpfes mit dem Schöpfer in diesen Be-
langen ist meist ziemlich deutlich durch ausgedrückte Glaubensinhalte
ersichtlich.
Betrachtet man alle Ausrichtungen der vorislamischen Araber im Detail,
so kann man auch bei ihnen fast alle Formen des širk in der rubūbiyyah
finden, aber wie erwähnt war nicht jede Form davon bei allen Arabern
vorzufinden.
Die Allgemeinheit der Araber betete die Götzen an, glaubte aber nicht,
dass diese etwas aus dem Nichts erschaffen könnten oder irgendwelche
göttlichen Eigenschaften dieser Art hätten.
Dennoch wird es aus den islamischen Quellen ziemlich deutlich, dass die
damaligen Götzendiener bezüglich ihrer Götzen häufig einen gewissen
Glauben und diverse Überzeugungen hatten – auch wenn diese Überzeu-
gungen im Allgemeinen vom eben erwähnten Maß des Erschaffens und
Ähnlichem deutlich entfernt waren.

110
Die Lehre des Monotheismus

Die einzigen Araber, die sich diesem Götzendienst nicht hingaben, waren
– neben einigen zum Juden- und Christentum konvertierten Arabern – die
bereits erwähnten ḥunafāʾ, die tatsächlichen Anhänger des von Ibrāhīm/
Abraham  gelehrten Monotheismus. Die ḥunafāʾ waren also keine
mušrikūn, sondern Muslime.

Die Bedeutung der ʿibādah/Anbetung


Da im vorliegenden Buch mehrfach über den Polytheismus in der Anbe-
tung (ʿibādah) gesprochen wird, ist es angemessen, den arabischen Be-
griff ʿibādah zumindest in seinen Grundzügen zu erläutern, um eine bes-
sere Vorstellung davon zu bekommen, was mit dem Wort „Anbetung“ in
diesem Bezug gemeint ist. Im Rahmen dieser kurzgefassten Abhandlung
ist es jedoch nicht möglich, auf diese Thematik im Detail einzugehen. Viel-
mehr muss dies einer gesonderten Abhandlung des Themas überlassen
werden.
Das Wort ʿibādah ist der maṣdar (das Verbalsubstantiv) des Verbs ʿabada
yaʿbudu. Hiervon leitet sich auch direkt das Wort ʿabd für „Diener“ ab.
Sprachlich gesehen bedeutet ʿabada „dienen“ im weiteren Sinne, wes-
halb der Sklave im Arabischen ebenfalls ʿabd genannt wird.
In der sprachlichen Bedeutung geht es also vor allem um die Unterwür-
figkeit bzw. Niedrigkeit und Abhängigkeit jemand anderem gegenüber -
im Arabischen: aḏ-ḏullu wa-l-ḫuḍūʿ.
Die beiden Begriffe sind hierbei jedoch nicht im Sinne von Elend und Nie-
dertracht zu verstehen, wie sie nach zwischenmenschlichen Maßstäben
verstanden werden. Im Kontext der Anbetung des Schöpfers ist der Inhalt
des Wortes ʿibādah durchwegs positiv belegt, da diese Position des Ge-
schöpfes gegenüber seinem Schöpfer am angemessensten ist. In Über-
einstimmung mit der Natur des Menschen ist es aus islamischer Sicht die
reinste und höchste Stufe, die ein Mensch anstreben kann, ein recht-
schaffener Diener seines Schöpfers zu sein.
Dies, weil der Mensch, was auch immer er unternimmt und wie weit er
sich auch entwickeln mag, niemals auch nur annähernd die Stufe seines
Herrn erreichen wird. Auch die größtmögliche Entwicklung eines Men-
schen ist in Relation zum Schöpfer völlig unbedeutend.

111
Die Lehre des Monotheismus

Demgegenüber lassen Hochmut und Verweigerung den Menschen nicht


an Güte und Position zunehmen, vielmehr lassen sie ihn sinken. Abgese-
hen davon kann sich der Mensch der Dienerschaft zu seinem Herrn letzt-
lich ohnehin nicht verweigern. Was auch immer der Mensch tut oder
nicht tut, er wird schließlich immer ein Diener sein, und zwar aus den fol-
genden beiden Gründen:
1) Zum einen wird er immer ein Geschöpf bleiben, egal was er tut. Auch
wenn er seinem Schöpfer den Gottesdienst verweigert, so kann er
sich der Bestimmung seines Schöpfers doch nicht entziehen. Ob und
wie er geboren wird und stirbt, ob er Krankheiten hat oder Heilung
erfährt und wie er sein Leben letztlich verbringen wird, all dies sind
Rahmenbedingungen, die der Schöpfer definiert und nicht das Ge-
schöpf.
Letztlich können die Geschöpfe nichts tun, außer wenn der Schöpfer
es zulässt. Aus dieser Beziehung kann sich kein Mensch befreien, auch
wenn sich der eine oder andere dies einbilden mag. Wer es dennoch
versucht, der erhebt sich dadurch kein Stück weit, vor allem nicht ge-
genüber seinem Herrn, der dieses Geschöpf letztlich richten wird.
Der Mensch ist, wie er ist. Gemäß der prophetischen Lehre kann sich
der Mensch nur durch die Nähe zu seinem Herrn weiter und weiter
erheben. Hierin liegt die größte Errungenschaft, die ein Mensch über-
haupt erreichen kann, und nur auf diesem Wege wird der Mensch das
höchstmögliche Maß an Freiheit erreichen.
2) Zum anderen liegt es in der Natur des Menschen irgendeiner Sache
zu dienen und sich dieser unterzuordnen. Wer nicht bewusst seinem
Schöpfer dient, der dient letztlich anderen Menschen und seinen ei-
genen Gelüsten und Neigungen, ist also am Ende ein Sklave ebendie-
ser Dinge und Personen.
Genau hierin liegt also auch der Unterschied zwischen einem Menschen,
der sich seinem Schöpfer fügt, und einem Menschen, der dies aus Hoch-
mut verweigert. Dies lässt auch verstehen, warum gemäß der Lehre des
Islam die Hochmütigkeit der Gottesfurcht so grundlegend widerspricht.
Die Araber verwendeten das Wort ʿibādah (dienen/anbeten) wie das
Wort ḏull (sich fügen/niedrig sein), und das Wort taʿbīd (zum Sklaven

112
Die Lehre des Monotheismus

bzw. Diener machen) wie das Wort taḏlīl (jmdn. sich fügen lassen/niedrig
sein lassen).
Der mufassir/Exeget aṭ-Ṭabarī erwähnt deshalb bei der Erklärung des
Wortes ʿibādah für diese Bedeutung einige alte Gedichtverse, in denen
der Weg als muʿabbad, also als „geebnet bzw. niedrig gemacht“ bezeich-
net wird. Die Araber benannten den Weg dann so, wenn dieser Weg viel
begangen und deshalb durch die Füße der Menschen geebnet wurde.
In der šarīʿah ist die rechtliche Bedeutung jedoch spezifischer. Unterwür-
figkeit und Fügung sind erst dann ʿibādah wenn diese mit Einsicht, Hin-
gabe und Liebe erfüllt werden. Dies ist insofern leicht verständlich, da es
nicht vorstellbar ist, dass jemand Allah anbetet, während er Ihm aber
überhaupt keine Liebe entgegenbringt oder Ihm sogar abgeneigt ist. Eine
solche Haltung wäre keine Fügung im Sinne der vom Islam verlangten
ʿibādah.
Die ʿibādah ist in der islamischen Lehre im Grunde ein umfassender Be-
griff für alles, was Allah an äußerlichen und innerlichen Taten und Aussa-
gen der Geschöpfe liebt.
Dies, weil Allah  nur das anordnet, was er liebt. Eine jede Handlung, der
die Absicht zugrunde liegt, sich Allah dadurch zu nähern98, ist demgemäß
als ʿibādah zu bezeichnen. Genau dieser taqarrub (Näherung) ist es, der
niemandem entgegengebracht werden darf außer Allah.
Die innerlichen Taten und Aussagen werden hierbei deshalb erwähnt,
weil auch diese verborgenen Aspekte eine ʿibādah sind. Liebe, Furcht,
Verehrung usw. werden in der islamischen Theologie allesamt als Formen
der ʿibādah beschrieben. Vielmehr dreht sich letztlich sogar alles um
diese Taten des Herzens – im Arabischen: aʿmālu l-qulūb.
Die äußerlichen Taten und Aussagen sind immer eine Folge von diesen
innerlichen Taten und Aussagen – wie es im islamisch-arabischen Sprach-
gebrauch ausgedrückt wird.

98 Im Arabischen wird diese bewusste und beabsichtigte Näherung als


taqarrub bezeichnet.

113
Die Lehre des Monotheismus

Der große širk ist die Gleichstellung Allahs und Seiner Geschöpfe
in Dingen, die dem Schöpfer zu eigen sind
Beim širk handelt es sich also um die Gleichstellung des Schöpfers mit
Seinen Geschöpfen. Diese Gleichstellung kann in Bezug auf Seine Taten,
Eigenschaften und Namen stattfinden, oder – und vor allem – in Anbe-
tung und Gehorsam.
Die Gleichstellung bzw. das Ebenbürtig-Machen bedeutet hier, dass man
einem Geschöpf eine Sache beimisst, die ausschließlich dem Schöpfer ge-
bührt. Deshalb wird der širk auch damit definiert, dass man einem Ge-
schöpf etwas von den Eigenheiten Allahs (Im Arabischen: ḫaṣāʾiṣ) zu-
schreibt.
Die beschriebene Gleichstellung, im Arabischen auch als taswiyah be-
zeichnet, wird im Koran z. B. im folgenden Vers ausdrücklich erwähnt:

َ َُْ َ َ ْ ُ ُُ َ
َ ‫) قَالُوا َو ُه ْم ف‬95( ‫ون‬ َ ُ َْ َ ْ ُ َ ُْ َ
‫يها‬ ِ ‫) وجنود إِب ِليس أَجع‬94( ‫اوون‬ ‫كبُوا ِفيها هم والغ‬
ِ ‫﴿فكب‬
َ ‫يك ْم ب َرب الْ َعالَم‬
﴾‫ْي‬
ُ ُ ْ
‫) إِذ ن َسو‬97( ‫ْي‬ ُ َ َ َ َّ ُ ْ َّ َ‫) ت‬96( ‫ون‬ َ ُ ََْ
ِ ِ ٍ ‫اَّلل إِن كنا ل ِف ضَل ٍل م ِب‬
ِ ‫َيت ِصم‬
Dann wurden99 sie immer wieder in sie [die Hölle] hineingewor-
fen, sie und die Abgeirrten, und die Heerscharen von lblīs [d.h.
des Satans] alle zusammen. Sie sagten, während sie darin mitei-
nander stritten: „Bei Allah! Wir waren gewiss in einem eindeuti-
gen Fehlgehen, als wir euch dem Herrn aller Schöpfung
gleichstellten.“ [Sure aš-Šuʿarāʾ, 26:94-98]

Durch die taswiyah/Gleichstellung dieses Ausmaßes unterscheidet sich


der große širk von allen anderen Sünden. Die Bedeutung der Gleichstel-
lung ist ansatzweise jedoch in allen Sünden enthalten. Bei jeder Sünde
wird das Recht Allahs in einem gewissen Ausmaß verletzt, weshalb der
Diener im Anschluss auch um Vergebung bitten muss.

99bzw. „werden“. In dieser Passage wird – wie sehr oft im Koran – mehrfach
das Vergangenheitsverb verwendet, um einen Vorgang in der Zukunft zu be-
schreiben. Im Arabischen wird dieser Stil benutzt, um zu zeigen, dass eine
Sache so sicher vorfallen wird, dass man sie sprachlich als bereits eingetreten
behandeln kann.

114
Die Lehre des Monotheismus

Ebenso, wie nicht jede Sünde als Polytheismus gilt, ist klar, dass nicht jede
Liebe oder Unterwürfigkeit einem Geschöpf gegenüber Polytheismus in
der Anbetung sein kann. So ist z. B. die Liebe zu den Propheten sowie die
natürlich veranlagte Liebe zu anderen Menschen und Ähnliches nicht ge-
meint, wenn von polytheistischer Beigesellung die Rede ist – solange
diese Liebe in einem annehmbaren Maß bleibt.
Im Koran wird z. B. im folgenden Vers über das grundsätzliche Verhalten
gegenüber den Eltern gesagt:

ً ‫ار َْحْ ُه َما َك َما َر َّبيَاِن َصغ‬


﴾‫ْيا‬ ْ ‫ْحة َوقُ ْل َرب‬
ِ ‫الر‬ ِ
ُّ َ َ َ َ ُ َ ْ ْ َ
َ ْ َّ ‫اَّلل م َن‬ ‫﴿واخ ِفض لهما جناح‬
ِ ِ
Und sei ihnen gegenüber demütig100aus Barmherzigkeit und sage:
„Mein Herr! Erweise ihnen Gnade, so wie sie mich von klein an
aufgezogen haben.“ [Sure al-Isrāʾ, 17:24]

Wenn die Liebe eines Menschen zu einem Mitmenschen hingegen so weit


geht, dass er dem anderen Menschen zuliebe den Islam verweigert, Po-
lytheismus begeht oder Ähnliches, so ist die Grenze zweifelsohne über-
schritten. In so einem Fall hat diese Person den anderen Menschen in der
Liebe und im Gehorsam dem Schöpfer gleichgestellt.
In diesem Sinne gilt in der islamischen Glaubenslehre der Grundsatz, dass
ein Muslim jede beliebige Sache nur um Allahs Willen liebt. Diese Liebe
ist also stets der Liebe zum Schöpfer untergeordnet.
Über den großen širk in der Liebe heißt es im Koran z. B.:

ُّ َ َ ْ َ َ َّ َ ّ َ َ‫اَّلل أ‬
ُ َ ْ ُ َ ُّ ُ ً ‫ندادا‬ ّ ُ ُ َّ َ َ
‫آمنُوا أشد‬ ‫اَّلين‬
ِ ‫اَّلل و‬
ِ ‫َيبونهم كحب‬ ِ ِ ‫ون‬ ِ ‫اس من يت ِخذ ِمن د‬
َّ ‫﴿ َو ِم َن‬
ِ ‫انل‬
ً َ ّ َ َّ ُ ْ َّ َ َ َ َ ْ َ ْ َ َ ْ ْ ُ َ َ َ َّ َ َ ْ َ َ َّ ًّ ُ
‫َجيعا‬
ِ ‫َّلل‬
ِ ِ ‫اَّلين ظلموا إِذ يرون العذاب أن القوة‬ ِ ‫َّلل ولو يرى‬
ِ ِ ‫حبا‬
َ َ ْ ُ َ َ ّ َّ َ َ
﴾‫اب‬ِ ‫وأن اَّلل ش ِديد العذ‬

100 Im Arabischen
wird hier das zuvor bei der Verdeutlichung der ʿibādah/An-
betung genannte Wort ḏull verwendet.

115
Die Lehre des Monotheismus

Und unter den Menschen sind einige, die sich neben Allah101 etwas
als Ebenbürtige102 nehmen. Sie empfinden für sie Liebe wie die
Liebe zu Allah. Doch diejenigen, die den īmān verinnerlicht
haben, lieben Allah noch viel mehr… [Sure al-Baqarah, 2:165]

Aus dem zuvor über die Unterteilung des širk Gesagten wird auch klar,
warum der Prophet  die Begriffe širk und ʿadl auch für den kleinen širk
verwendet hat. Zuvor wurde diese Verwendung der Begriffe schon aus
der zitierten Aussage des Propheten „Hast du mich und Allah gleichge-
stellt?“ ersichtlich, da im arabischen Text dieses ḥadīṯ das Wort ʿadl ver-
wendet wurde.
Auch in dem folgenden ḥadīṯ, in dem die Augendienerei (riyāʾ) themati-
siert und als širk bezeichnet wird, verdeutlicht sich diese Unterteilung. Es
wird das Wort širk gebraucht, wobei der riyāʾ bei einem Muslim im Allge-
meinen nicht das Ausmaß des großen širk erreichen wird.
Im Gegensatz zu den eigentlichen und tatsächlichen Heuch-
lern/munāfiqīn würde ein Muslim eine Tat nicht ausschließlich für einen
anderen Menschen tun. Deshalb ist also ziemlich offensichtlich, dass der
Prophet  im Folgenden den kleinen širk meinte, als er sagte:
‫يح‬َ ‫اك ُر ال ْ َمس‬َ َ َ َ ُ ْ َ َ َ َّ َ َ ْ َ َ ُ َّ َ َّ ُ ُ َ َ ْ َ َ َ َ َ َ َ
‫اَّلل صَّل اهلل علي ِه وسلم وَنن نتذ‬ َ َ ْ َ
ِ ِ ‫ خرج علينا رسول‬:‫ قال‬،‫يد‬ ٍ ‫عن أ ِِب س ِع‬
َ َ َّ َّ َْ َ ْ ْ ُ ْ َ َ ُ َ ْ َ َ ُ َ ْ ُ ُ ْ ُ َ َ َ َ َ َ َّ َّ
:‫ال؟» قال‬ ِ ‫يح ادلج‬ ِ ‫ «أَل أخ َِبكم بِما هو أخوف عليكم ِعن ِدي ِمن الم ِس‬:‫ فقال‬،‫ادلجال‬
ََ َُ َ
‫ ل ِ َما يَ َرى ِم ْن نظ ِر‬،‫ُيي ُن َصَلته‬ َ ُ َ‫ ف‬،‫الر ُج ُل يُ َصِّل‬ َ ‫ أَ ْن َي ُق‬،‫ف‬
َّ ‫وم‬ ْ
ُّ ِ َ ‫«الْش ُك اْل‬
ْ َ ََ َ ُْ
:‫ فقال‬،‫ بََّل‬:‫قلنَا‬
»‫َر ُج ٍل‬

101 bzw. an Seiner statt


102Im Arabischen wird hier das Wort andād verwendet, das zuvor bei der
Beschreibung des širk/Polytheismus erwähnt wurde.

116
Die Lehre des Monotheismus

Von Abū Saʿīd, dass er sagte: Der Prophet  kam zu uns heraus,
während wir uns (gemeinsam) an den al-Masīḥu d-Daǧǧāl erinner-
ten103, da sagte er: „Soll ich euch nicht berichten, was ich noch mehr
um euch fürchte?“ Wir sagten: „Doch“.
Darauf sagte er: „Der verborgene širk. Dass ein Mensch sich hin-
stellt und betet und dabei sein Gebet verschönert wegen des Blickes
eines (anderen) Menschen.“104

Der širk der Araber in der Fürsprache (šafāʿah)


Im Speziellen war eine Form des Polytheismus in der Anbetung bei den
frühen Arabern stark verbreitet, und zwar der širk in der Fürsprache. Die
Araber beteten ihre Götzen an, aufgrund der Überzeugung, ihre Angebe-
teten würden für sie als Gegenleistung bei Allah  Fürsprache (šafāʿah)
einlegen. Diese Idee der angeblichen Fürsprache ihrer Angebeteten bei
Allah führte die Araber schließlich zum Polytheismus in allen Bereichen
der ʿibādah.
Die Araber glaubten, dass die Götzen Abbilder seien, die für die Seelen
verstorbener edler Leute oder anderer Wesen stehen. Dies war zumin-
dest der Glaube der überwiegenden Mehrheit.
Die Fürsprache-Theorie der Araber bestand nun darin, dass diese von
ihnen Angebeteten, aufgrund ihrer Güte außerordentliches Ansehen bei
ihrem Schöpfer genießen würden. Daraus ergab sich ihre Vorstellung,
dass diese Angebeteten bei Allah ein besonders gewichtiges Wort hätten.
Eine Fürsprache würde – gemäß ihrer Annahme – mit völliger Sicherheit
angenommen.
Im Koran wird dies an mehreren Stellen berichtet, so z. B. im folgenden
Vers, der diese Aussage von den Arabern selbst überliefert:

103Der Daǧǧāl ist der Lügenprophet, welcher sich laut den islamischen Quel-
len als der wiederkehrende Messias ausgeben wird. Mit der Erinnerung ist
hier gemeint, dass sie gemeinsam über diesen Daǧǧāl nachdachten und über
die diesbezüglichen prophetischen Worte und Warnungen.
104
Überliefert bei Aḥmad und Ibnu Māǧah, wobei in ihrer Überlieferung der
Ausdruck „der verborgene širk“ ausdrücklich erwähnt wird. Der hier angege-
bene Wortlaut entstammt der Überlieferung von Ibnu Māǧah.

117
Die Lehre des Monotheismus

‫﴿بسم اهلل الرْحن الرحيم‬


َّ ُ ْ َ َ ْ َ َ ْ َ ْ َ َ ْ َ ْ َ َّ ْ ْ َّ َ َ ْ‫يل ال‬ ُ َْ
َ‫اَّلل‬ ‫كتاب بِاْلق فاعب ِد‬ ِ ‫) إِنا أنزنلا إِِلك ال‬1( ‫يم‬ ِ َ ‫يز اْل‬
ِ ‫ك‬ ِ ‫اَّلل ال َع ِز‬
ِ ‫اب ِمن‬ ِ ‫كت‬
ِ ‫ْن‬
ِ ‫ت‬
ُْ ُ ُ ْ َ َ َ َ ْ َ ُ ْ ُ َ َّ َ َّ َ ُ َ ْ ُ َّ َ َ َ ُ َ ً ُْ
‫اَّلين اَّتذوا ِمن دونِ ِه أو ِِلاء ما نعبدهم‬ ِ ‫َّلل ادلين اْلالِص و‬ ِ ِ ‫) أَل‬2( ‫ُم ِلصا َل ادلين‬
َ َ َّ َّ َ ُ َ ْ َ ُ ْ ُ ْ َ َ َّ َّ َ ْ ُ َّ َ َ ُ َ ُ َّ
‫اَّلل َل‬ ‫اَّلل َيك ُم بَينَ ُه ْم ِِف َما ه ْم ِفي ِه َيت ِلفون إِن‬ ‫اَّلل زلف إِن‬ ِ ‫إَِل ِِلقربونا إِل‬
َّ َ ٌ َ ُ
ٌ ‫يهدي َم ْن ه َو َكذب كف‬ ْ َ
﴾‫ار‬ ِ ِ
Die Hinabsendung der Schrift ist von Allah, dem Allwürdigen, dem
Allweisen. Gewiss, Wir sandten dir die Schrift mit der Wahrheit
hinab, so diene105 Allah, die Religion Ihm gegenüber reinigend.
Fürwahr! Nur Allah gehört der reine dīn. Und jene, die sich neben
Ihm auliyāʾ106 nehmen (und sagen): „Wir dienen ihnen nicht, au-
ßer damit sie uns zu Allah näher bringen.“ Gewiss, Allah wird
zwischen ihnen richten in dem, worüber sie uneins waren. Wahr-
lich, Allah leitet nicht denjenigen recht, der ein Lügner und ein
äußerster kāfir107 ist. [Sure az-Zumar, 39: 1-3]

In der Fürsprache bestand also ein Scheinargument für die Araber, den
Polytheismus zu rechtfertigten. Sie hatten zwar die Überzeugung, dass
Allah der Schöpfer aller Dinge ist, dachten jedoch, die angebeteten ālihah
könnten ihnen durch die Fürsprache nützen und schaden.
Diese zentrale Rolle der šafāʿah ist schließlich auch der Grund für die häu-
fige Erwähnung davon im Koran:

105 bzw. bete Allah an


106Das Wort auliyāʾ ist der Plural von waliyy und wird für viele Bedeutungen
verwendet, die sprachlich auf die „Nähe“ zurückgehen. Das Wort wird im
Deutschen häufig mit Verbündeter, Schutzherr, Schutzverbündeter usw.
wiedergegeben. Wie in diesem Vers auch, werden mit dem Begriff auch die
Götzen benannt.
107 Stellenweise auch übersetzt mit: „ein beharrlicher Ungläubiger“. Es ist das

zuvor in Bezug auf den Begriff kufr Erwähnte zu berücksichtigen, dass dieser
nämlich umfassender ist als das bloße Nicht-Glauben.

118
Die Lehre des Monotheismus

َّ َ ْ َ ُ َ َ ُ َ ُ َ َ ُ ُ َ َ ْ ُ ُ َ ْ َ َ َ ْ ُ ُّ ُ َ َ َ َّ ُ ْ َ ََُُْ
‫اَّلل‬
ِ ‫اَّلل ما َل يُضهم وَل ينفعهم ويقولون هؤَل ِء شفعاؤنا ِعند‬ ِ ‫ون‬ ِ ‫﴿ويعبدون ِمن د‬
َ َ َ َُ َ ْ ُ َْ َ َّ ‫اَّلل ب َما ََل َي ْعلَ ُم ِف‬
َ َّ ‫ون‬َ ُ ََُ ُْ
‫حانه َوت َعال ع َّما‬ ‫ات َوَل ِِف اْل ْر ِض سب‬ َ ‫الس َم‬
ِ ‫او‬ ِ ِ ‫قل أتنبئ‬
َ ُ ُْ
﴾‫ْشكون‬ِ ‫ي‬
Und sie beten anstelle von Allah an, was ihnen weder Schaden
noch Nutzen bringen kann, und sagen: „Diese sind unsere Für-
sprecher bei Allah.“ Sag: „Setzt ihr Allah etwa in Kenntnis über
etwas, was Er weder in den Himmeln noch auf der Erde kennt?!“
Gepriesen und hocherhaben ist Er über das, was sie Ihm
beigesellen. [Sure Yūnus, 10:18]

Diese Araber hatten für dieses Konzept der šafāʿah/Fürsprache jedoch


keinerlei Grundlage aus der Offenbarung. Außerdem wird im Koran auf
die fehlerhafte Annahme der Araber hingewiesen, manche Wesen hätten
beim Schöpfer ein gewisses Anrecht auf die Annahme ihrer Fürbitte.
Der Koran bezeichnet diese Denkweise als einen zentralen Aspekt des Po-
lytheismus bei der Fürsprache-Theorie der vorislamischen Götzendiener,
da hierin eine Abhängigkeit des Schöpfers von seinen Geschöpfen beste-
hen würde. Die Araber glaubten also – wie im Koran auch thematisiert
wird –, ihre Angebeteten hätten ein permanentes Recht der Fürsprache
bei ihrem Schöpfer.
Dazu liest man im Koran z. B. Folgendes:

ْ
‫ات َو َما ِِف‬ ِ ‫او‬
َّ ‫َل َما ِف‬
َ ‫الس َم‬
ِ
ُ َ ‫وم ََل تَأ ُخ ُذ ُه سنَ ٌة َو ََل نَ ْو ٌم‬
ِ ُّ َ ْ‫َل إِ ََّل ُه َو ال‬
ُ ‫ح الْ َق ُّي‬ َ َ ‫اَّلل ََل إ‬
ُ َّ ﴿
ِ
َ َْ َ
‫يه ْم َو َما خلف ُه ْم َوَل‬ ْ َ َ ْ َ َ ُ َ ْ َ ْ َّ ُ َ ْ ُ َ ْ َ َّ ‫اْل ْرض َم ْن َذا‬ َْ
ِ ‫اَّلي يشفع ِعنده إَِل بِإِذنِ ِه يعلم ما بْي أي ِد‬ ِ ِ
ُ َ َ َ َْ َّ ‫اء َوس َع ُك ْرس ُّي ُه‬ َ َ َّ ْ ْ ْ َ ‫ون ب‬ َ ُ ُ
‫ات َواْل ْرض َوَل يئُود ُه‬ َ ‫الس َم‬
ِ ‫او‬ ِ ِ َ ‫َش ٍء ِمن ِعل ِم ِه إَِل بِما ش‬ ِ ‫َييط‬ ِ
ُ َ ْ َْ ََُ َ ُ ُْ
﴾‫ِّل الع ِظيم‬ ُّ ‫ِحفظهما وهو الع‬
ِ
… Wer ist dieser, der bei Ihm Fürsprache einlegen könnte, außer
mit Seiner Zustimmung?! … [Sure al-Baqarah, 2:255]

119
Die Lehre des Monotheismus

Deshalb versuchten die mušrikūn sich ihren Angebeteten mit innerlichen


und äußerlichen ʿibādāt zu nähern – wie es im islamischen Sprachge-
brauch formuliert wird. So liebten sie die Götzen in derselben Weise, wie
sie den Schöpfer liebten, und strengten sich ebenso an, ihre Gunst zu ge-
winnen. Auch fürchteten sie den Zorn der ālihah. Auf Grund all dieser Ta-
ten des Herzens (aʿmālu l-qulūb) erbrachten sie ihren Götzen schließlich
auch Tier-Opfer, riefen sie an und übermittelten ihnen all ihre Bitten.
Durch diese hier erläuterten Umstände lässt sich also die allgemeine Vor-
stellung der heidnischen Araber darstellen, auch wenn sich aus diesem
Zustand bei einigen Arabern stellenweise noch größere Abweichungen
vom eigentlichen Monotheismus ergaben.

120
Die Lehre des Monotheismus

Das unerlaubte Ausschließen eines Muslims aus


dem Islam
Die Bedeutung des Wortes takfīr
Beim arabischen Wort takfīr handelt es sich um das Verbalsubstantiv (im
Arabischen: maṣdar) des Verbs kaffara yukaffiru. Es ist also das entspre-
chende Nomen, dass diese Handlung umschreibt.
Das Verb kaffara bedeutet „jemanden als kāfir beurteilen“. Es leitet sich
ursprünglich von der Wortwurzel k-f-r, also vom Wort kufr108 und seinem
Verb kafara - yakfuru ab.
Wie in der arabischen Morphologielehre (ʿilmu ṣ-ṣarf) erklärt wird, ist es
in der arabischen Sprache möglich, ein dreiradikaliges Verb wie „kafara“
durch die Verdoppelung des zweiten Buchstabens zu erweitern, sodass
es zu „kaffara“ wird. Dieser Vorgang gibt dem Verb die Bedeutung des
„Machens“109.
Diese Vorgehensweise ist sehr häufig und kann im Allgemeinen bei Ver-
ben dieser Art angewendet werden. In der arabischen Sprachwissen-
schaft wird dieses Vorgehen nach einem allgemeinen Muster qiyās ge-
nannt.
So lässt sich aus dem Verb malaka für „besitzen“ das Wort mallaka „be-
sitzend machen“ bzw. „besitzen lassen“ formen, womit gemeint ist, dass
man der Person etwas gibt, damit diese es besitzt. Ein weiteres Beispiel
ist ʿalima „wissen“ und ʿallama „wissen lassen“, also lehren, usw.

108Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass kufr im Deutschen


häufig als „Unglaube“ übersetzt wird, der Begriff in der islamischen Theolo-
gie jedoch umfassender verstanden wird und die Bedeutung sich nicht auf
das bloße „Nicht-Glauben“ reduzieren lässt.
109In derselben Weise, wie diese Bedeutung auch häufig durch das Hinzufü-
gen des hamzah-Zeichens am Anfang des Wortes verwirklicht wird. Darauf
wurde bereits beim Verb aslama hingewiesen, welches in der eben beschrie-
benen Art vom Verb salima genommen wird.

121
Die Lehre des Monotheismus

Wie sich an solchen Beispielen ersehen lässt, wird das „machen“ bzw.
„machen lassen“ im Arabischen häufig im übertragenen Sinne verwen-
det.
Ebenso ist es bei kafara also „kufr begehen“ und kaffara „jemanden den
kufr machen lassen“. Dieses Verb wird auch tatsächlich in dieser Art ver-
wendet und umschreibt dann, dass jemand eine andere Person zum kufr
anstiftet und sie somit dazu führt zum kāfir zu werden. Natürlich ist es
nicht möglich, einen Menschen gegen seinen Willen zum kāfir zu machen,
weshalb damit in erster Linie gemeint ist, dass man jemanden dazu ver-
anlasst den kufr zu begehen, also daran arbeitet, dass er diesen tut und
dadurch zum kāfir wird.
Häufiger ist mit dem Wort kaffara jedoch gemeint, dass man den anderen
Menschen in der eigenen Ansicht „zum kāfir macht“, ihn also als solchen
ansieht bzw. bezeichnet. Die arabischen Gelehrten sagen hierbei „er
schreibt ihn dem kufr zu“ (yansubuhu ilā l-kufr), was entweder durch die
bloße innere Sichtweise geschehen kann oder durch die Bezichtigung des
anderen. Hierbei handelt es sich um die häufige und bekannte Anwen-
dung des Wortes takfīr.
Wie im Vorwort über die zunehmende Kriminalisierung islamisch-theolo-
gischer Inhalte bereits ausführlich besprochen wurde, lässt sich das Wort
takfīr nicht grundsätzlich mit dem Wort „Exkommunikation“ gleichstel-
len. Weit absurder ist die Behauptung mancher Politikwissenschaftler,
wie z. B. des in diesem Bezug schon genannten Guido Steinberg, der takfīr
wäre immer als Tötungslegitimation zu verstehen. Im Vorwort wurde dies
bereits ausreichend besprochen.

Der Irrweg der ḫawāriǧ


Der unerlaubte takfīr eines Muslims, ihn also ohne einen islamrechtlich
legitimen Grund als Nicht-Muslim zu beurteilen, gilt gemäß der islami-
schen Glaubenslehre im Konsens als eine verwerfliche und abzulehnende
Neueinbringung in den Islam (im Arabischen bidʿah, Pl. bidaʿ).
Als bekanntestes Beispiel aus der islamischen Geschichte können hier die
verschiedenen Gruppen der sogenannten ḫawāriǧ-Sekte genannt wer-
den, die den takfīr auf Muslime verübten, aufgrund des Begehens großer
Sünden (im Arabischen kabāʾir, Sg. kabīrah).

122
Die Lehre des Monotheismus

Dieser falsche Gedanke des takfīr aufgrund von großen Sünden (at-
takfīru bi-l-kabāʾir) bildet den Grundsatz aller Splittergruppen der soge-
nannten ḫawāriǧ. Heute ist für diesen Gedanken vor allem eine Gruppe
bekannt, die in den letzten Jahrzehnten als ǧamāʿatu t-takfīri wa-l-hiǧrah
bezeichnet wurde. Eine weitere große Glaubensgemeinschaft, die diesen
Gedanken trägt, ist die sogenannte ʿibādiyyah, welche z. B. im heutigen
Oman quasi die Staatsreligion ausmacht, diesen Gedanken aber nur als
sehr theoretischen Glaubensinhalt behandelt.

Die Verurteilung des unerlaubten takfīr durch den Propheten 


selbst
Die Ablehnung des unzulässigen takfīr auf einen Muslim wird schon vom
Propheten  selbst ausdrücklich überliefert. Demgemäß wird diese Tat
als eine gravierende Sünde bezeichnet.
So überliefert al-Buḫārī in seinem Ṣaḥīḥ-Werk folgenden ḥadīṯ von Abū
Hurairah  vom Propheten :
َ ُ ُ َّ َ َ َ َ َ َّ َ ُ َ َّ َ ُ ْ َ ُ َّ َ َ َ َ ْ َ ُ َ ْ َ
َ َ‫ْل ِخي ِه يَا ََكفِ ُر َف َق ْد ب‬
‫اء‬ ِ ‫اَّلل ﷺ قال «إِذا قال الرجل‬
ِ ‫ض اَّلل عنه أن رسول‬ ِ ‫عن أ ِِب هريرة ر‬
ُ َ
»‫بِ ِه أ َح ُده َما‬
Wenn ein Mensch zu seinem Glaubensbruder sagt: „Du kāfir!“, so
kehrt einer von beiden damit zurück.

Al-Buḫārī überliefert diesen ḥadīṯ in seinem Ṣaḥīḥ-Werk in verschiedenen


Überlieferungen. Ebenso findet sich der ḥadīṯ im Ṣaḥīḥ Muslim. In den
verschiedenen Überlieferungen heißt es manchmal „so ist einer von bei-
den damit (bihi) zurückgekehrt“ und in einem anderen Wortlaut „mit ihr
(bihā) zurückgekehrt“, was die Gelehrten zur Frage führte, mit was genau
die Person in dem Fall „zurückkehrt“. Unbestritten ist dabei, dass die ille-
gitime Bezichtigung eines Muslims, ein Nicht-Muslim zu sein, eine große
Sünde darstellt.
Klarerweise gilt dies dann, wenn der takfīr ohne eine in der šarīʿah legi-
time Begründung vorgenommen wird. Würde ein Mensch sich jedoch
z. B. zum Islam bekennen, aber beginnen Kühe anzubeten, hätte man ei-
nen völlig anderen Fall.

123
Die Lehre des Monotheismus

In so einer Situation ist der Sachverhalt so klar, dass kein einziger Muslim
diese Person als Glaubensbruder betrachten dürfte. Würde man einen
Menschen trotz seines klaren Polytheismus dennoch als Muslim bezeich-
nen, wäre dies ein Indiz dafür, dass man die Kernaussage des Islam selbst
nicht richtig verstanden hat. Wie sonst sollte jemand einen Menschen
trotz Götzenverehrung oder ähnlicher Dinge zum Muslim erklären.
Jedoch wird in der Realität von manchen Muslimen der takfīr aufgrund
der bloßen Befolgung der eigenen Neigungen praktiziert. Hier geht es da-
rum, auf ebendiesen Missstand hinzuweisen.
In einer weiteren Überlieferung des obengenannten ḥadīṯ, die al-Buḫārī
in seinem Buch al-Adabu l-Mufrad erwähnt, heißt es:
ُ َ َ َ‫ َف َق ْد ب‬،‫ك َّف َر أَ َخ ُاه‬
َ ْ َ َ َ َّ ‫ َعن‬،‫َعن ابْن ُع َم َر‬
»‫اء بِ َها أ َح ُده َما‬ ‫انل ِب ﷺ قال «من‬ ِ ِ ِ
Wer seinen Glaubensbruder des kufr bezichtigt, so kehrt einer von
beiden damit zurück.

Hier wird also ausdrücklich das Verb „kaffara“ verwendet, was umso
deutlicher den Bezug dieser Überlieferungen zur hier besprochenen The-
matik aufzeigt.

Die Urteile der šarīʿah beziehen sich nur auf das äußerlich
Sichtbare
An dieser Stelle kann ein weiterer Punkt erwähnt werden, der bei man-
chen Muslimen zur übertriebenen Anwendung des takfīr führt.
Dabei handelt es sich um das mangelnde Verständnis darüber, dass die
Urteile im Islam sich natürlich nur auf das äußerlich Sichtbare und Nach-
weisbare beziehen. Kein Mensch kann von sich aus wissen, was im Herzen
eines anderen vorgeht, weshalb ein jeder Muslim verpflichtet ist, nur
nach dem Äußeren zu urteilen. Aus diesem Grund bauen die Beurteilun-
gen der šarīʿah stets auf wahrnehmbaren Taten und Aussagen auf.
So ist es natürlich auch möglich, dass ein Mensch rein äußerlich als Mus-
lim in einer islamischen Gesellschaft aufwächst, wobei er den tauḥīd in
Wirklichkeit gar nicht verstanden hat. Ebenso ist vorstellbar, dass so eine
Person aufgrund ihrer Unwissenheit schließlich Polytheismus praktiziert.

124
Die Lehre des Monotheismus

Solange dies aber niemandem bekannt ist, kann die Person von anderen
Menschen klarerweise nur als Muslim betrachtet werden.
Auf der anderen Seite kann es sein, dass die Person den Islam innerlich
gar nicht akzeptiert hat, auch wenn sie dies äußerlich nicht zeigt. Hierbei
wird also der Islam innerlich abgelehnt, während nach außen hin vorge-
geben wird, ein Muslim zu sein. Ein solcher Mensch wird im islamischen
Sprachgebrauch als munāfiq/Heuchler bezeichnet. Die Erscheinung des
munāfiq ist in den islamischen Quellen häufig thematisiert und wohlbe-
kannt, weshalb sich der Begriff im Koran auch zahlreich wiederfindet.
In einigen ḥadīṯen wird auch darauf hingewiesen, dass es gewisse Anzei-
chen gibt, die den Muslim zur Vorsicht vor der Heuchelei mahnen. Jedoch
ist es nach islamischer Lehre nicht erlaubt, jemanden des kufr zu bezich-
tigen, solange von dieser Person keine eindeutige Handlung oder Aussage
des kufr wahrgenommen wurde.
Zudem könnte es in gewissen Fällen sein, dass die Person zwar etwas
sagte, dass dem Islam widerspricht, aufgrund von Unwissenheit aber ent-
schuldigt ist – wozu im Folgenden einige kurzgefasste Hinweise gegeben
werden sollen.

Der Grundsatz der Entschuldigung durch Unwissenheit (al-ʿuḏru


bi-l-ǧahl)
Die Entschuldigung durch Unwissenheit ist ein bekanntes Prinzip in der
islamischen Theologie, welches nur von einigen philosophischen Sekten
verneint und gänzlich abgelehnt wurde110. Es gibt zahlreiche islamische
Quelltexte, die diesen Grundsatz eindeutig belegen. Die angesprochenen
Sekten verfälschten die Aussage solcher Texte mit illegitimen Methoden
oder lehnten sie – wenn ihnen die falsche Auslegung nicht möglich war –
einfach von Grund auf ab, weil sie ihrem Konzept nicht entsprachen.

110Vor allem von den sogenannten muʿtazilah, die im Deutschen auch als
„Rationalisten“ bezeichnet werden, da sie vorgaben, die Vernunft (Ratio)
zum höchsten Maßstab zu erheben.

125
Die Lehre des Monotheismus

Auf der anderen Seite kann dieser Grundsatz auch nicht auf jede belie-
bige Situation ausgeweitet werden, was an sich ebenso offensichtlich
sein sollte. Jede andere Annahme würde zu irrationalen Schlussfolgerun-
gen führen.
Dass die Unwissenheit aus einem Polytheisten keinen Monotheisten ma-
chen kann, wird in diesem Buch ausführlich behandelt und dargelegt. Aus
zahlreichen Gründen kann sich der Grundsatz der Entschuldigung durch
Unwissenheit also nicht auf den großen širk beziehen. Alleine die Tatsa-
che, dass ein Mensch über das Fundament des Islam unwissend ist, macht
seinen Eintritt in den Islam schon unmöglich.
Schon an diesem Umstand sieht man, dass der Grundsatz der Entschuldi-
gung durch Unwissenheit sich nicht auf jede beliebige Situation beziehen
kann. Wäre es so, könnte ein Mensch, der nicht an die Existenz eines
Schöpfers glaubt, ein durch Unwissenheit entschuldigter Muslim sein –
eine völlig absurde Vorstellung.
Genauso wie einige philosophische Gruppen also übertrieben hatten und
die Entschuldigung durch Unwissenheit völlig verneinten, verfielen an-
dere Menschen in die Ausweitung dieses Grundsatzes auf jeden erdenk-
lichen Fall, sie bewegten sich dadurch also in das andere Extrem in dieser
Frage.

Warum und wann die Unwissenheit über Teile der Offenbarung


entschuldbar ist
Ein konkreter Fall, in dem die Unwissenheit ein klarer Entschuldigungs-
grund ist, soll hier näher betrachtet werden.
Die deutliche Ablehnung eines authentischen Inhalts der islamischen Of-
fenbarung, z. B. und vor allem die Ablehnung eines Teils des Koran, gilt in
der islamischen Glaubenslehre im Konsens als kufr.
Dennoch kann es unter gewissen Umständen sein, dass jemand die Exis-
tenz oder die Aussage eines Koran-Verses ausdrücklich bestreitet, weil er
diesen Vers überhaupt nicht kannte oder kein gesichertes Wissen über
dessen Authentizität erlangen konnte.
Tatsächlich hat so jemand niemals einen Offenbarungstext abgelehnt,
der bei ihm einwandfrei als solcher feststeht. Vielmehr hat er etwas an-
gezweifelt, weil er darüber kein gesichertes Wissen besaß.

126
Die Lehre des Monotheismus

In so einer Situation ist die Unwissenheit also ein klarer Hinderungsgrund


für den takfīr. Diese Hinderungsgründe werden im Arabischen als
mawāniʿu t-takfīr bezeichnet.
Aus der vorherigen Erklärung wird auch klar, dass der eigentliche kufr bei
der obengenannten Person niemals tatsächlich vorgefallen ist. Die Ableh-
nung eines Offenbarungstextes ist überhaupt erst dann als kufr zu be-
zeichnen, wenn in Bezug auf die konkrete Person auch einwandfrei fest-
steht, dass es sich um kufr handelt. Der Hinderungsgrund – hier also die
Unwissenheit über den jeweiligen Text – verhindert in so einem Fall somit
eigentlich nicht den takfīr, vielmehr verhindert er das Zustandekommen
des kufr an sich.
Selbes ist auch zu sagen, wenn jemand aufgrund seiner annehmbaren
Unwissenheit über einen Text, diesem Text zuwiderhandelt.
Würde jemand z. B. das Verbot des Alkoholkonsums gar nicht erst ken-
nen und daraufhin Alkohol trinken, wäre er entschuldigt.
Klarerweise hat auch diese Entschuldigung bei Unkenntnis von Offenba-
rungstexten eine Grenze. Bei der islamischen Gelehrsamkeit wurde hier-
bei nicht entschuldigt, wenn es sich um allgemein bekannte Tatsachen
handelt, die jeder Muslim in einer islamischen Gesellschaft von Kind an
mitbekommt.
Andere Menschen wiederum, die zum Islam konvertiert (ḥadīṯu ʿahdin bi-
l-islām bzw. bi-l-kufr) oder aus einer Gegend, in der starke Unwissenheit
vorherrschte, zugezogen waren, wurden bei den Rechtsgelehrten von
diesem Grundsatz ausgenommen.

127
Die Lehre des Monotheismus

Der Unterschied zwischen Polytheisten und


Monotheisten in der islamischen Theologie
Es hat sich aus den bisherigen Ausführungen schon deutlich gezeigt, dass
jegliche tatsächlich polytheistische Handlung den Islam einer Person un-
möglich macht. Wer seine Anbetung und seinen Gehorsam nicht völlig
rein macht und neben dem einen Schöpfer anderen dient, der kann aus
vielen Gründen nicht als Muslim betrachtet werden.
Zusammenfassend kann hierbei gesagt werden, dass der Polytheist fol-
gende grundlegende theologische Prinzipien und Eigenschaften nicht er-
füllt, die für eine Umsetzung des Monotheismus unerlässlich sind:
• Er erfüllt nicht den iḫlāṣ, die Reinigung der Taten für Allah .
• Er ist kein ḥanīf und folgt nicht der sog. ḥanīfiyyah, mit der in den
islamischen Quellen der Monotheismus beschrieben wird.
• Er folgt nicht der ursprünglichen Lehre Abrahams (millatu Ibrāhīm),
die ebenfalls im Koran mehrfach erwähnt und erläutert wird.
• Er erfüllt nicht das theologische Grundprinzip des al-kufru bi-ṭ-ṭāġūt,
welches die Lossagung von den Götzen, Tyrannen und allem, dem ne-
ben Allah gedient wird, beschreibt.
Diese vier Punkte sollen in den folgenden Kapiteln noch einmal einzeln
betrachtet und verdeutlicht werden.

Islam bedeutet iḫlāṣ - Kein Polytheist erfüllt den iḫlāṣ


Islam bedeutet, wie anhand mehrerer Texte bereits gezeigt wurde, die
Reinigung der Taten vom Polytheismus, was im Arabischen durch das
Wort iḫlāṣ wiedergegeben wird.
Wie zentral die Bedeutung des iḫlāṣ im Islam ist, zeigt die Aussage eines
der frühesten mufassirīn/Koran-Exegeten. Es handelt sich um folgende
Aussage, welche von Ibnu Abī Ḥātim ar-Rāzī in seinem tafsīr überliefert
wird:
َّ ْ َ َّ َ َ َّ َّ ُ َ ُ ْ ُُْ َ َ َْ َ ْ َ
:‫َّلل أ َم َر أَل تعبُ ُدوا إَِل إِيَّ ُاه} [يوسف‬
ِ ِ ‫ {إِ ِن اْلكم إَِل‬:‫ قوَل‬،‫ عن أ ِِب الع ِاِلَة‬،‫يع‬
َّ َ
ِ ِ‫ ع ِن الرب‬...
ُ َ ‫يك‬
»‫َل‬
َ َ َ ُ َ ْ َ َّ
‫ِش‬ ‫َل‬ ‫ه‬‫د‬ ‫ح‬‫و‬ ‫َّلل‬ ‫ص‬ِ ‫َل‬
َ ْ ْ ََ ُ
‫خ‬ ‫اْل‬ ‫لَع‬ ‫ين‬ ‫ادل‬ ‫س‬َ ‫ «أُس‬:‫] قَ َال‬40
ِ ِ ِ ِ

128
Die Lehre des Monotheismus

Von Abū l-ʿĀliyah wird überliefert, in Bezug auf den Koran-Vers „Ge-
wiss, die Regentschaft gehört nur Allah. Er trug euch auf, nur Ihn
anzubeten“, dass er sagte: „Die gesamte Religion (dīn) wurde auf
den iḫlāṣ gegenüber Allah gegründet, gegenüber Ihm alleine, ohne
irgendeinen Partner.“

Die alleinige Anbetung des Schöpfers ist für einen Menschen somit eine
unerlässliche Bedingung, um Muslim zu sein. Deshalb ist der Muslim im-
mer auch ein muḫliṣ111. Wer diesen iḫlāṣ nicht erfüllt, kann keinesfalls als
Muslim angesehen werden.
Aus diesem Grund verstand die islamische Gelehrsamkeit den iḫlāṣ im-
mer schon als eine Bedingung des Glaubensbekenntnisses (šahādah). Ist
die Bedingung nicht erfüllt, kann die šahādah nicht aufrecht sein.
Eine gegenteilige Behauptung würde zwangsläufig zur Möglichkeit eines
„Muslim mušrik“ bzw. eines „muḫliṣ mušrik“, also eines „polytheistischen
Monotheisten“ führen – eine offensichtlich absurde Konstruktion.
Viele Menschen heute hängen jedoch bewusst oder unbewusst genau
dieser widersprüchlichen Irrmeinung an. Dies offensichtlich deshalb, weil
ihnen das Bewusstsein fehlt, dass der Islam gerade darin besteht, nur
Allah  alleine anzubeten und nicht bloß die Existenz eines einzigen
Schöpfers anzuerkennen.
Tatsächlich verbreitete sich so die Vorstellung, der wahre Islam bestünde
lediglich im bloßen Bekenntnis zur Religion. Wer bloß behauptet ein Mus-
lim zu sein, ist somit auch tatsächlich ein Muslim – was den Islam seines
Kerninhalts beraubt und das Glaubensbekenntnis auf ein bloßes Lippen-
bekenntnis reduziert.
Analog hierzu verhält sich das Beispiel eines Blinden, der behauptet, se-
hen zu können. Nun behaupten Außenstehende: „Wir wissen zwar, dass
diese Person blind ist, meinen aber trotzdem, dass sie gleichzeitig auch
sehen kann.“
Die Schlussfolgerung aus einer solchen Aussage kann im Grunde nur sein,
dass so jemand die Bedeutung der Blindheit oder des Sehens nicht kennt

111 Das Partizip aktiv des Wortes iḫlāṣ, also „der Reinigende“.

129
Die Lehre des Monotheismus

und deshalb nicht unterscheiden kann – oder aber mutwillig auf diesem
Widerspruch beharrt.
Wie aus dem bisher Gesagten also klar wurde, beschreibt das Wort „Mus-
lim“ eine gewisse Bedeutung, die Taten und Eigenschaften beinhaltet,
welche ein mušrik unmöglich verwirklichen kann.
Dies ist auch insofern völlig klar, da es sich beim širk um den exakten Ge-
gensatz zum Islam handelt, weshalb sich diese beiden Dinge auch nie in
einer Person vereinen können.
„Ein Mensch, der nur Allah anbetet“, kann nicht gleichzeitig „ein
Mensch, der neben Allah etwas anderes anbetet“ sein.

Der Islam ist die ḥanīfiyyah - Ein Polytheist ist kein ḥanīf
Wie zuvor schon erwähnt wurde, bekannten sich die sogenannten ḥun-
afāʾ zur monotheistischen Lehre Abrahams, weshalb der Islam auch als
„al-ḥanīfiyyah“ bekannt ist.
Einer dieser ḥunafāʾ wurde bereits erwähnt. Es handelt sich dabei um
Zaid ibnu ʿAmr ibni Nufail, welcher seine Überzeugung auch in Gedichten
und bei diversen Gelegenheiten verkündete.
In mehreren Überlieferungen wird berichtet, wie Zaid ibnu ʿAmr auf der
Suche nach der wahren Religion auszog und auf seinem Weg einen jüdi-
schen und einen christlichen Priester antraf. Als er jeden von ihnen nach
der wahrhaften Religion fragte, verwiesen ihn beide letztlich auf die
ḥanīfiyyah, worauf Zaid fragte:
ْ َ َ ًّ ُ َ ْ ُ َ ْ َ َ َ ْ ُ َ َ ُ َ ْ َ َ ٌ ْ َ َ َ
َ َّ ‫ْصان ًّيا َو ََل َي ْعبُ ُد إ ََّل‬
‫اَّلل‬ ِ ِ َ ‫يم لم يكن يهو ِديا َوَل ن‬ ‫قال زيد وما اْل ِنيف قال ِدين إِبرا ِه‬
Zaid sagte: „Und was ist ein ḥanīf?“ Er [der jüdische bzw. christliche
Priester] sagte: „Der dīn von Ibrāhīm. Er war weder Jude noch Christ
und betete niemanden an als Allah.“112

Der ḥanīf ist also jemand, der nur Allah anbetet, im Gegensatz zum
mušrik. Einen „ḥanīf mušrik“ kann es also genauso wenig geben, wie ei-
nen „Muslim mušrik“ oder „muḫliṣ mušrik“.

112 Überliefert im Ṣaḥīḥu l-Buḫārī von ʿAbduḷḷāh ibnu ʿUmar .

130
Die Lehre des Monotheismus

In zahlreichen Versen im Koran wird eindeutig gezeigt, dass der Islam die
ḥanīfiyyah, und jeder Muslim ein ḥanīf ist:

َ َ َّ ُ ْ ُ َ َ َ َّ ُ ‫اء َو ُيق‬ ََُ َ َُ َ ْ ُ َ َّ ُ ُ ْ َّ ُ َ


‫الزَكة‬ ‫يموا الصَلة ويؤتوا‬ ِ َ ‫﴿ َوما أ ِم ُروا إَِل ِِلَعبدوا اَّلل ُم ِل ِصْي َل ادلين حنف‬
َْ ُ َ ََ
﴾‫ين القي َم ِة‬ ‫وذلِك ِد‬
Und es wurde ihnen nichts anderes aufgetragen als Allah anzube-
ten, ihren dīn Ihm gegenüber reinigend, als ḥunafāʾ, und das Ge-
bet einzurichten und die Zakat zu geben. Und dies ist der
geradlinige, aufrechte dīn. [Sure al-Bayyinah, 98:5]

Erläuterung dieses Verses:


• Es wird in diesem Vers ausdrücklich gesagt, dass den Menschen nichts
anderes aufgetragen wurde, als den Monotheismus in der Anbetung
zu erbringen.
Zu Beginn dieses Buches wurde in einem eigenen Kapitel bereits aus-
geführt, dass die hier erwähnten, vom Islam vorgeschriebenen Hand-
lungen des Gebets und der Zakat auf dem tauḥīd aufbauen und ohne
diesem nicht bestehen können.
Würde jemand, der den tauḥīd nicht erfüllt, ein Gebet nur für Allah
verrichten, wäre dieses Gebet im Konsens der Muslime bei Allah nicht
angenommen. Dies verdeutlicht sich auch durch die Tatsache, dass
die vorislamischen Götzendiener sich rein äußerlich zur Religion Ab-
rahams bekannten und einige ʿibādāt sogar nur für Allah verrichteten,
in diesen speziellen Taten also „muḫliṣīna“113 waren. Dieser Umstand
machte sie aber nicht zu Muslimen.
• Hiernach wird im selben Vers ein weiteres Mal bekräftigt, was dies
bedeutet, nämlich: „Allah anzubeten“ also „ihren dīn Ihm gegenüber
reinigend“. Hier wird das Wort „muḫliṣīna“ verwendet, womit sich
ein weiteres Mal zeigt, dass der Islam der iḫlāṣ ist, und jeder Muslim
ein muḫliṣ sein muss.

113Pl. von muḫliṣ. Es ist das Wort, das auch im zuvor genannten Koran-Vers
gebraucht wurde im Ausdruck „muḫliṣīna lahu d-dīn“.

131
Die Lehre des Monotheismus

• Danach folgt eine weitere Bekräftigung dieser Bedeutung. „Allah an-


zubeten, ihren dīn Ihm gegenüber reinigend“ also „als ḥunafāʾ“.
• Dann wird mit der Feststellung abgeschlossen, dass es sich bei den
eben geschilderten Dingen um „die geradlinige, aufrechte Religion
(dīn)“ handelt.
Auch dieser Koran-Vers widerspricht also mehrfach der Vorstellung eines
Muslims, der in polytheistischer Art neben dem einen Schöpfer andere
anbetet.
In einem weiteren Vers heißt es:

َ َ ً َ َ َ ًّ َ ْ َ َ ًّ ُ َ ُ ْ َ َ َ
‫ك ْن َكن َح ِنيفا ُم ْس ِل ًما َو َما َكن ِم َن‬
ِ ‫﴿ما َكن إِب َرا ِهيم يهو ِديا َوَل نْصا ِنيا َول‬
َ ‫ال ْ ُم ْْشك‬
﴾‫ْي‬ ِِ
Ibrāhīm war kein Jude und kein Christ, sondern er war ein ḥanīf,
ein Muslim, und er war nicht von den mušrikīn.
[Sure Āli ʿImrān, 3:67]

Auch in diesem Vers findet sich das oben Gesagte exakt wieder. Wiede-
rum werden hier drei Dinge erwähnt, wobei jeder einzelne Begriff den
jeweils anderen erklärt und bekräftigt. „Muslim“, „ḥanīf“ und „nicht von
den mušrikīn" sind drei gleichbedeutende Dinge.

Der Islam ist die Religion von Abraham (millatu Ibrāhīm) - Der
Polytheist widerspricht dieser fundamental
Wie sich an den obigen Versen bereits klar gezeigt hat, ist der Islam die
Religion von Abraham, die im Koran mehrfach mit dem Begriff millatu
Ibrāhīm erwähnt und auf verschiedene Arten erläutert wird.
Die Religion von Ibrāhīm bedeutet, nur Allah anzubeten. Sie ist der allge-
meine Islam mit dem alle Propheten  entsandt wurden. Deshalb ist es
eine Selbstverständlichkeit, dass dem Propheten des Islam und ebenso
seinen Anhängern das Befolgen dieser Religion aufgetragen ist. Trotzdem
wird dieser Umstand im Koran ausdrücklich erwähnt und bekräftigt. So
heißt es hierzu im Koran:

132
Die Lehre des Monotheismus

ً َ َ َ ْ َ َّ ْ َّ َ َ ْ َ َ ْ َ ْ َ َّ ُ
َ ‫يفا َو َما ََك َن م َن ال ْ ُم ْْشك‬
﴾‫ْي‬ ِِ ِ ‫﴿ثم أوحينا إِِلك أ ِن ات ِبع ِملة إِبرا ِهيم ح ِن‬
Sodann trugen wir dir auf: Folge dem dīn von Ibrāhīm, als ḥanīf,
und er war nicht von den mušrikīn. [Sure an-Naḥl, 16:123]

Auch hierdurch zeigt sich, dass ein Polytheist die Religion von Ibrāhīm und
damit auch den islamischen Monotheismus nicht erfüllt haben kann. Wie
gesagt zeigt sich dies an zahlreichen Stellen des Koran. Das bisher Ge-
nannte soll uns jedoch im Hinblick auf den Umfang dieses kurzgefassten
Buches genügen.

Wäre der Islam ein bloßes Lippenbekenntnis, müssten die


arabischen Götzendiener Muslime gewesen sein
Wäre es möglich, dass ein Mensch durch das bloße Bekenntnis zu einem
Anhänger des Islam würde, wobei er durch diverse Taten, Aussagen und
Überzeugungen diesem Bekenntnis fundamental widerspricht, dann
müssten auch alle vorislamischen Götzendiener zweifelsohne als tatsäch-
liche Anhänger der Religion Abrahams gelten.
Es steht außer Zweifel, dass jene Götzendiener sich selbst der Religion
Abrahams zuzählten. Viele davon waren sich jedoch überhaupt nicht dar-
über im Klaren, dass ihr Götzendienst der Grundlage jener Religion wi-
derspricht. Sie waren also unwissend darüber.
Trotz dieser Unwissenheit herrscht unter Muslimen seit jeher ein Kon-
sens darüber, ebendiese Götzendiener nicht als Muslime zu bezeichnen,
sondern als mušrikūn. Keiner der frühen Gelehrten wäre auf die Idee ge-
kommen, jene Götzendiener wegen ihres bloßen Bekenntnisses als Mus-
lime, ḥunafāʾ oder Monotheisten zu bezeichnen. Dieser Sachverhalt ist
derartig deutlich, dass bis heute eigentlich niemand diese Behauptung
aufstellt.
Jemand, der sich nun dem Islam von Muḥammad  zuzählt, aber dessen
Grundlage ebenso widerspricht wie die vorislamischen Götzendiener,
kann klarerweise ebenso wenig als Monotheist betrachtet werden. Dabei
ist es völlig nebensächlich, ob sich die einzelne Person ihrer Lage nun be-
wusst ist oder nicht, denn der Kenntnisstand über die eigene Lage ändert
nichts an der Frage, ob eine Person faktisch jemand anderen anbetet,

133
Die Lehre des Monotheismus

also Polytheismus betreibt, oder nur Allah anbetet und somit den Mono-
theismus umsetzt.

Islam bedeutet Lossagung vom ṭāġūt - Der Polytheist erfüllt


dieses Prinzip nicht
Es wurde bereits angesprochen, dass der Muslim sich zwingendermaßen
von allem lossagen muss, was neben Allah  angebetet oder dem neben
Allah bedingungslos gehorcht wird. Auch dieses Prinzip wird im Koran
mehrfach ausdrücklich erwähnt und ist in der islamischen Theologie seit
jeher als al-kufru bi-ṭ-ṭāġūt, also die Lossagung vom ṭāġūt bekannt.
Aus diesem Grund sieht man häufig, dass die Erfüllung des genannten
Grundprinzips als eine der unerlässlichen Bedingungen114 für die Richtig-
keit der šahādah, also des Glaubensbekenntnisses, angegeben wird.
Da der Polytheist diese Bedingung definitiv nicht erfüllt, kann er aus Sicht
der islamischen Theologie auch in diesem Sinne nicht als Muslim betrach-
tet werden. Es wäre absurd zu behaupten, dass ein Mensch einerseits
„den ṭāġūt anbetet“, sich aber gleichzeitig „von allem, was neben Allah
angebetet wird, losgesagt hat“.
Wiederum wird dadurch auch klar, wie belanglos es dabei ist, ob sich die
Person ihrer eigenen Lage nun bewusst ist oder nicht, denn diese Kennt-
nis oder Unkenntnis ändert nichts an der Frage, ob ein Mensch den ṭāġūt
nun anbetet oder seine Anbetung verleugnet. Beides in ein und demsel-
ben Menschen zur selben Zeit anzunehmen wäre ein klarer Widerspruch.
Tatsächlich liefert jemand, der diesem klaren Widerspruch anhängt, hier-
bei selbst einen weiteren Beweis für die Absurdität dieser Behauptung.

114 Bei diesen Bedingungen geht es nicht in erster Linie um eine eindeutige
Definition. Wer ihren Inhalt versteht, der weiß, dass die Richtigkeit und Gül-
tigkeit der šahādah von diesen Dingen abhängt. Dabei ist es jedoch gleich-
gültig, wie man diese Bedingungen nun benennt oder klassifiziert.
Klarerweise überlagern sich die genannten Bedingungen auch häufig. Ein
Mensch, der den kufr gegen den ṭāġūt nicht erfüllt, hat klarerweise auch den
iḫlāṣ nicht erbracht. Diese von den Gelehrten als Bedingungen angeführten
Punkte sind also entweder gleichbedeutend oder ihre Bedeutungen überla-
gern sich. In jedem Fall sind sie völlig voneinander abhängig.

134
Die Lehre des Monotheismus

Solche Leute argumentieren nämlich in der Regel mit zwei Punkten, die
einen Polytheisten zum Muslim machen sollen:
1) Das äußerliche Bekenntnis der Person zum Islam
2) Die Unwissenheit und das fehlende Bewusstsein der Person darüber,
dass die eigenen Taten dem Islam fundamental widersprechen
Für Leute, die so argumentieren, entsteht hierdurch aber ein weiteres
unlösbares Problem, und zwar die Frage: Wie soll jemand, der sich der
Realität des Monotheismus und Polytheismus und des Unterschieds zwi-
schen diesen beiden Dingen nicht bewusst ist, als Muslim gelten, wo er
doch den Hauptinhalt seines Glaubensbekenntnisses nicht verstanden
hat?
Im weiteren Verlauf dieses Buches soll dieser Widerspruch noch geson-
dert ausgeführt werden. Hier soll uns vorerst der Hinweis genügen, dass
das Wissen über die Grundbedeutung des Glaubensbekenntnisses zwei-
felsohne eine Voraussetzung ist, um Muslim zu sein oder in den Islam
einzutreten.
Rückkehrend zum hier besprochenen Prinzip der Lossagung vom ṭāġūt
kann also abschließend gesagt werden, dass es islam-theologisch nicht
denkbar wäre, sich einen Muslim vorzustellen, der etwas neben Allah an-
betet, sich aber gleichzeitig von der Anbetung aller anderen Dinge los-
sagt.
Am Anfang dieses Buches wurden bereits mehrere Überlieferungen des
bekannten ḥadīṯ über die fünf Säulen des Islam angeführt. Dabei wurde
klar, dass der Islam auf dem Prinzip des Monotheismus aufgebaut ist.
In einigen dieser Überlieferungen aus dem Ṣaḥīḥ-Werk von Muslim ibnu
l-Ḥaǧǧāǧ war dabei Folgendes deutlich zu sehen:
ُ َّ ‫لَع أَ ْن يُ َو َّح َد‬
‫اَّلل‬
ََ

In dieser Überlieferung heißt es, der Islam baut sich darauf auf, „..., dass
Allah zu einem Einzigen gemacht wird115.“

115Wie schon zuvor erklärt, wird hier im Arabischen das Verb „yuwaḥḥadu“
verwendet.

135
Die Lehre des Monotheismus

َُ ُ َْ ُ َّ ‫لَع أَ ْن ُي ْعبَ َد‬


‫اَّلل َو ُيكف َر بِ َما دونه‬
ََ

In einer weiteren Überlieferung desselben ḥadīṯ wird jedoch gesagt, der


Islam baut sich darauf auf, „... dass man nur Allah anbetet und kufr gegen
alles macht, das außer Ihm angebetet wird.“
Hier wird also ausdrücklich das Prinzip der Lossagung vom ṭāġūt formu-
liert. Auf diesem Prinzip wurde der Islam errichtet und der Polytheist er-
füllt diese Grundlage unter keinen Umständen.
Ebenso wird dieser Grundsatz in anderen ḥadīṯen beschrieben. So sagte
der Prophet  im folgenden ḥadīṯ, der bei Muslim überliefert wurde:
َّ َ َ ُ ُ َ َ ُ ُ َ َ ُ ُ َ َ َ َّ ُ ْ ُ َ ْ ُ َ َ َ َ َ ُ َّ َّ َ َ َ َ َ ْ َ
ِ ‫اَّلل ح ُرم ماَل ودمه و ِحسابه لَع‬
‫اَّلل‬ ِ ‫ون‬
ِ ‫من قال َل إَِل إَِل اَّلل وكفر بِما يعبد ِمن د‬
Wer lā Ilāha illa-ḷḷāh sagt und den kufr gegen alles durchführt, was
außer Ihm angebetet wird, dessen Besitz und Leben sind uns verbo-
ten116 und seine Abrechnung ist bei Allah.

In einer weiteren Überlieferung bei Muslim findet sich folgender Wort-


laut:
ْ َ َ ُ َ َّ َ َّ َ ْ َ
‫اَّلل ث َّم ذك َر بِ ِمث ِل ِه‬ ‫من وحد‬
„Wer Allah zu Einem macht117...“

In beiden ḥadīṯen wird also ausdrücklich der tauḥīd mit dem kufr gegen
den ṭāġūt gleichgesetzt.
Der kufr gegen den ṭāġūt besteht also gerade darin, diesen nicht anzube-
ten. Wer dies durch polytheistische Handlungen dennoch tut, kann aus
Sicht der islamischen Theologie kein Muslim sein.
_____

116Selbst wenn also ein Nicht-Muslim während einer Kampfhandlung den Is-
lam annimmt, ist es nicht erlaubt, ihn weiter zu bekämpfen und jegliche
Feindschaft ist durch seinen Eintritt in den Islam getilgt.
117 Auch hier wird das Wort waḥḥada verwendet. Also: „Wer Allah zu Einem
in der Anbetung macht.“

136
Die Lehre des Monotheismus

Durch die vorausgehenden Kapitel wurde also gezeigt, dass es für den Is-
lam einer Person unerlässlich ist, die genannten Grundsätze zu erfüllen:
• Den iḫlāṣ, also die Reinigung der eigenen Taten von polytheistischer
Anbetung
• Die Umsetzung der ḥanīfiyyah, die im reinen Monotheismus besteht
• Die Befolgung des abrahamitischen Monotheismus (millatu Ibrāhīm)
• Das Prinzip der Lossagung vom ṭāġūt
Wer diese von der islamischen Theologie im Konsens geforderten Prinzi-
pien aussetzt, begibt sich in zahlreiche fundamentale Widersprüche,
nicht nur in Bezug auf die obengenannten Prinzipien.
Im Folgenden sollen deshalb weitere islamische Quelltexte genannt wer-
den, die das bisher Gesagte weiter erhärten.

Der širk als Gegensatz zum Islam


In einigem Detail wurde zuvor schon in mehreren Kapiteln die sprachliche
und ebenso die theologische Bedeutung der Wörter Islam und Muslim
aus den Quelltexten des Islam und der arabischen Sprache herausgear-
beitet. Dabei zeigte sich deutlich, dass aus diesen Wörtern keinesfalls ein
Polytheist bzw. Polytheismus verstanden werden könnte.
Ebenso lässt sich dies auch durch die Betrachtung der Wörter širk (Poly-
theismus) und mušrik (Polytheist) verdeutlichen, da diese das Gegenteil
des Monotheismus ausmachen. Wie schon mehrfach klar wurde, bildet
der širk den Gegensatz zu den Begriffen Islam, iḫlāṣ, ḥanīfiyyah und zur
Religion von Abraham (millatu Ibrāhīm) .
Wie beim Wort Islam geht es auch beim širk um einen gewissen Inhalt
und nicht um ein leeres Wort ohne jegliche Bedeutung. Die Wörter Islam,
Muslim, širk und mušrik sind Begriffe und Bezeichnungen der šarīʿah
(asmāʾun šarʿiyyah). Genauso wie beispielsweise bei den Wörtern „Essen,
Trinken“ bzw. „der Essende, der Trinkende“ handelt es sich dabei um

137
Die Lehre des Monotheismus

Wörter, die gewisse Taten beschreiben118. Ebenso wie bei den Wörtern
Islam, iḫlāṣ usw. zeigt sich auch hier also, dass es keinen Einfluss auf die
Tat hat, ob die Person sich nun der Schlechtigkeit dieser Tat bewusst ist
oder nicht.
Ebenso verhält es sich bei einem Menschen, der etwas gestohlen hat,
oder Ehebruch begeht. Durch die entsprechende Entwendung eines
fremden Gegenstandes wird ein Mensch zum Dieb, egal ob er nun
wusste, dass das Stehlen im Islam verboten ist oder nicht. Die Frage, ob
er dafür nun bestraft wird, ist eine völlig andere. In jedem Fall wäre es
aber irrsinnig zu behaupten, dass ein solcher Mensch nicht gestohlen hat,
nur weil aufgrund der Entschuldigung durch Unwissenheit die Strafe aus-
bleibt.
Genauso verhält es sich mit einem Ehebrecher (zānī). Im Moment als die-
ser zu einer Frau ging, auf die er kein Anrecht hatte, wurde er zum Ehe-
brecher. Es wäre unsinnig zu behaupten, er wäre kein Ehebrecher, weil
er nicht wusste, dass der Ehebruch eine im Islam verbotene Handlung
darstellt.
Auf dieselbe Weise ist auch derjenige, der etwas anderes als Allah anbe-
tet, ein „etwas anderes als Allah Anbetender“119. Wer also širk begeht,
muss zwingend auch als mušrik bezeichnet werden. Dies ist eine sprach-
liche Selbstverständlichkeit.
Wenn man heute aber einige Leute damit konfrontiert, widersprechen
sie diesen Grundlagen der arabischen Sprache und jeglicher Vernunft.
Sagt man ihnen z. B. „Jene Person ist ein Ehebrecher“, antworten sie tat-
sächlich, dass man die Person nicht als Ehebrecher bezeichnen solle, da
sie ja nicht wusste, dass diese Tat im Islam verboten ist!

118Im Arabischen werden die zuvor genannten negativen Begriffe wie širk
usw. öfter auch als asmāʾu ḏammi l-afʿāl bezeichnet. Hiermit ist ausgesagt,
dass diese Begriffe jeweils die negative Tat selbst beschreiben.
119Diese Ausdrucksweise wurde hier an einigen Stellen gewählt, um dem Le-
ser die Übereinstimmung der Wörter in ihrer sprachlichen Bedeutung im
Arabischen näher zu bringen. Weil sie dem deutschen Sprachbild nicht ent-
spricht, wurde sie deshalb stets in Anführungszeichen gesetzt.

138
Die Lehre des Monotheismus

Im selben Maße können sich solche Leute einen Muslim „vorstellen“ –


oder behaupten dies zumindest –, der gleichzeitig širk betreibt. Gemäß
ihrer Behauptung kann es also einen „Muslim mušrik“ geben. Wenn man
diese Leute, genau wie bei den Wörtern „Ehebrecher, Dieb usw.“ damit
konfrontiert, erwidern sie in derselben Weise, die Person dürfe nicht als
mušrik bezeichnet werden. Lediglich die Tat dürfe als širk bezeichnet wer-
den, wie solche Leute argumentieren. Es ist offensichtlich, dass jemand,
der eine solche Behauptung tätigt, unter großer Verwirrung über die
Kernaussage der eigenen Religion leidet.
Wie zuvor schon verdeutlicht wurde, handelt es sich beim Wort mušrik
um den sogenannten ismu l-fāʿil, also das Partizip aktiv. Dieser ismu l-fāʿil
trägt im Arabischen die Bedeutung des Verbs, weswegen es auch erlaubt
ist, ihn an den Platz des Verbs zu stellen und dessen grammatische Funk-
tion übernehmen zu lassen.
Das Verb ašraka heißt also „beigesellen“ und der mušrik ist „der Beige-
sellende“. Im Arabischen kann man also das Wort „mušrikūn“ anstelle des
Verbs „ašraka“ verwenden, und zwar wie folgt:
„zaidun ašraka bi-llāhi šaiʾan“: „Zaid gesellte Allah etwas bei.“
„zaidun mušrikun bi-llāhi šaiʾan“: „Zaid ist Allah etwas beigesellend.“
Es verhält sich genauso wie mit den Wörtern šariba für „trinken“ und
šārib für „den bzw. einen Trinkenden“.
Wenn nun jemand Alkohol trinkt, sagt man im Arabischen im Konsens al-
ler Araber, dass er „Alkohol trinkend“ ist120. Auch hier wäre es unsinnig
zu sagen: „Er ist/war kein Alkohol-Trinkender, auf Grund seiner Unwissen-
heit über das Alkoholverbot.“
Stattdessen müsste man sagen: „Dieser Mann ist/war ein Alkohol-Trin-
kender. Aufgrund seiner anerkannten Unwissenheit, kommt es jedoch zu
keiner Bestrafung.“
In der arabischen Sprache könnte man hier genauso das Partizip aktiv,
also šārib verwenden.

120
Hier ist in erster Linie die Beschreibung zum Zeitpunkt der Tat selbst ge-
meint.

139
Die Lehre des Monotheismus

Diese Person ist also sprachlich gesehen unweigerlich ein šārib. Der ḥukm
des šurb, also das nachfolgende Urteil im islamischen Rechtssystem, in
diesem Fall die Bestrafung, ereilt die Person aber nicht.
Wenn wir nun über eine Person sagen „ašraka bi-llāh“ also „er hat Allah
etwas beigesellt bzw. etwas neben Ihm angebetet“, würde niemand et-
was einwenden. Selbst die Vertreter jener Irrmeinung stimmen hier zu,
dass dieser Mensch etwas neben Allah anbetet.
Der Mensch in diesem Beispiel wird im Arabischen aber auch im Konsens
mit den Worten „mušrikun bi-llāh“ beschrieben. Wer dies ablehnt, hat
sowohl der Sprache als auch der Vernunft deutlich widersprochen. Es
gäbe für jemanden, der so argumentiert, keinen Ausweg, als eine solche
hypothetische Person „muslimun mušrikun bi-llāh“ zu nennen – eine völ-
lig absurde Bezeichnung.
Aṭ-Ṭabarī sagte bei seiner zuvor schon zitierten Erklärung des Verses in
Sure az-Zumar [39:29]:
ُ َ ‫ بَ ْل أَ ْك‬،‫اح ٍد‬
‫َث‬
ُ ُ ْ ُ ٌ َُْ ُ
ِ ‫اَّلي ه َو منف ِرد ملكه ل ِ َو‬
َّ ُ َ َ ‫ َو َما ي َ ْستَوي َه َذا ال ْ ُم ْش‬:‫اؤ ُه‬
ِ ‫ َو‬،‫َتك ِفي ِه‬
ُ َ َ َّ َ ُ ُ َ
‫يقول جل ثن‬
َ ِ
َ ً َ َْ َ َ ْ َ َ َ ُ َّ َ ُ ْ َ َ َ َّ َ ْ ُ ْ َ ُ َ
‫ ف ُه ْم ِِبَه ِل ِه ْم بِذلِك يعبُ ُدون آل ِ َهة ش ََّّت‬،‫ان‬ َ َ َْ
ِ ‫َّلل َل يعلمون أنهما َل يست ِوي‬ ِ ‫ْش ِكْي بِا‬ ِ ‫هؤَل ِء الم‬
َّ ُ ْ
‫اَّلل‬
ِ ‫ون‬ ِ ‫ِمن د‬
Aber die meisten dieser „Allah etwas Beigesellenden“ wissen nicht,
dass die beiden sich nicht gleichen. In ihrer Unwissenheit darüber
beten sie etliche unterschiedliche ālihah neben Allah an.

Aṭ-Ṭabarī verwendete hier genau diesen Ausdruck „al-mušrikūna bi-llāh“.


Laut der besprochenen verzerrten Sichtweise aber, könnte aṭ-Ṭabarī da-
mit ohne Weiteres auch die „Allah etwas beigesellenden Muslime“121 ge-
meint haben! Wer einen aufrichtigen und vernünftigen Umgang mit den
Texten anstrebt, kann so eine widersprüchliche Bedeutung sicher nicht
annehmen.

121 Also „al-muslimūna l-mušrikūna bi-llāh“

140
Die Lehre des Monotheismus

Die Anhänger jener Irrmeinung müssen sich somit fragen, ob die folgen-
den Bezeichnungen wirklich auf einen Muslim zutreffen können:
• mušrikun bi-llāhi ilāhan āḫar: Allah einen anderen ilāh beigesellend
• ʿābidun maʿa-ḷḷāhi ilāhan āḫar: Neben Allah einen weiteren ilāh an-
betend
• muttaḫiḏun maʿa-ḷḷāhi ilāhan āḫar: Neben Allah einen weiteren ilāh
annehmend.
• ʿādilun bi-rabbihi ilāhan āḫar: Seinem Herrn einen weiteren ilāh
gleichstellend.
Durch die nähere Betrachtung der Wörter Islam und širk bzw. Muslim und
mušrik hat sich also sehr deutlich gezeigt, dass der Islam und der širk
zwei völlige Gegensätze sind, die sich niemals in ein und derselben Per-
son zum selben Zeitpunkt vereinen können.
Sehr wohl möglich ist jedoch, dass ein mušrik durch reuige Umkehr und
völliges Ablassen vom Polytheismus in den Islam eintritt und dadurch
zum reinen Monotheisten wird.

141
Die Lehre des Monotheismus

Allah vergibt die Sünde des širk nicht – außer


durch reuige Umkehr
Im Koran wird zwei Mal ausdrücklich formuliert, dass – im Gegensatz zu
allen anderen Sünden – die Sünde des Polytheismus nicht vergeben122
wird:

َ ْ ُ ‫اَّلل ََل َي ْغف ُر أَ ْن ي‬


﴾‫ْش َك بِ ِه‬ َ َّ ‫﴿إ َّن‬
ِ ِ
Wahrlich Allah vergibt nicht, dass Ihm etwas beigesellt123 wird.
[Sure an-Nisāʾ, 4:116]

Wer demgegenüber meint, dass ein Mensch etwas anderes als Allah an-
beten und ungeachtet dessen ein Muslim sein könne, sagt das genau Ge-
genteil dieses Verses aus. Nach dieser verzerrten Sichtweise müsste der
Vers genau umgekehrt lauten, nämlich: „Allah vergibt, dass Ihm etwas
beigesellt wird.“
In dieser Behauptung liegt also eine klare Zurückweisung dieser korani-
schen Aussage. Merkwürdiger ist aber, dass es manche Leute gibt, die die
genannte Konsequenz tatsächlich annehmen und vertreten. Wenn solche
Personen mit dem genannten, deutlichen Widerspruch konfrontiert wer-
den, erklären sie, dass dem Unwissenden seine polytheistischen Hand-
lungen aufgrund seiner Unwissenheit vergeben werden. Gemäß ihrer Be-
hauptung handelt es sich also in jeder Hinsicht um einen Muslim.
Manche versteifen sich dabei derart auf ihre Position, dass sie allen Erns-
tes behaupten, ein Mensch könne durchaus Jesus anbeten und ihn sogar
als Sohn Gottes erachten, aufgrund seiner Unwissenheit aber dennoch
ein Muslim sein.

122Wie gesagt ist hier natürlich gemeint, solange ein Mensch davon nicht
reuig umkehrt, also die sogenannte taubah vollzieht. Wendet sich der
Mensch von diesem širk jedoch vor seinem Tod völlig ab und bereut die
frühere Beigesellung, so vergibt Allah auch diese Sünde.
123 Im Arabischen steht hier „yušraka“, das entsprechende Verb zum Wort
širk.

142
Die Lehre des Monotheismus

Dieses Beispiel aus der realen Welt zeigt, welche Verwirrung über das is-
lamische Monotheismus-Verständnis heute herrscht und zu welch absur-
den Aussagen es deshalb in der Diskussion kommt.
Ebenso kann hier angemerkt werden, dass man Behauptungen dieser Art
niemals mit islamischen Quelltexten oder auch nur irgendwelchen Aus-
sagen der Gelehrten der frühen Jahrhunderte (as-salaf) stützen könnte.
Für jeden, der auch nur rudimentäre Kenntnisse über die frühen islami-
schen Texte besitzt, ist dies eine Selbstverständlichkeit.

Nur eine monotheistische Seele betritt das


Paradies
Die Aussage in der Kapitelüberschrift ist eine theologische Grundlage im
Islam. Gemeint ist damit, dass nur jene Seele ins Paradies eingehen kann,
die ihrem Herrn voll ergeben ist. Wie bereits mehrfach deutlich wurde,
ist genau dies die Bedeutung des Wortes „Muslim“.
Nur der Monotheist also, der neben dem einen Herrn nichts anderes an-
betet, kann seinen Platz im Paradies finden. Mit Muslim bzw. Islam ist in
diesem Zusammenhang also der schon erwähnte „allgemeine Islam“ ge-
meint. Es handelt sich dabei um die Botschaft aller Propheten . Des-
halb werden auch alle früheren Propheten und ihre Anhänger im Koran
als Muslime bezeichnet, was an vielen Stellen des Koran zu sehen ist124.
Das im Text Gesagte bezieht sich somit auf all jene, die ihren jeweiligen
Propheten  folgten und ihre Kunde annahmen, egal um welchen Pro-
pheten es sich dabei handelt. Deshalb muss jeder Muslim davon über-
zeugt sein, dass es unter den Anhängern von Moses und Jesus, also den
Juden und Christen, ohne Zweifel tatsächliche Monotheisten gab, die das
Paradies auch betreten werden – und diese waren nicht wenige an der
Zahl. Das ist eine theologische Selbstverständlichkeit, deren Ablehnung
kufr wäre.

124Siehe für eine Sammlung solcher Texte des Koran das bereits erwähnte
Buch in arabischer Sprache (im Originaltitel):
‫رسالة ىف بيان ى‬
‫ عىل طريقة أهل األثر‬- ‫معن اإلسالم من الكتاب والسنة‬ ‫ي‬

143
Die Lehre des Monotheismus

Al-Buḫārī  berichtet in seinem Ṣaḥīḥ-Werk von Abū Hurairah  und in


einem weiteren ḥadīṯ von ʿAbduḷḷāh ibnu Masʿūd, einen interessanten
Ausspruch des Propheten  in diesem Bezug:
ٌ ْ َ َّ َ َّ ْ ُ ُ ْ َ
‫َل يَدخل اْلَنة إَِل نف ٌس ُم ْس ِل َمة‬
Das Paradies betritt nur und ausschließlich eine muslimische Seele.

Das Wort „muslimah“ wird hier also als Eigenschaft im Sinne von „mono-
theistisch“ und „voll und ganz gottergeben“ gebraucht. Auf den Polythe-
isten trifft diese Beschreibung klarerweise nicht zu.

Der Polytheist erfüllt den Sinn der Schöpfung und Religion nicht
Auch diese Feststellung wird im Koran deutlich formuliert. So heißt es in
Sure aḏ-Ḏāriyāt:

ْ َ ُ ُ ََ ْ ْ ْ ُْ ُ ُ َ ْ ُ َْ َ ََ
ُ ُ ْ َ َّ َ ْ ْ ‫اْل َّن َو‬
‫يد أن‬ ‫) ما أ ِريد ِمنهم ِمن ِرز ٍق وما أ ِر‬56( ‫ون‬ ِ ‫اْلنس إَِل ِِلعبد‬ ِ ِ ‫﴿وما خلقت‬
﴾‫ْي‬ُ ‫اق ُذو الْ ُق َّوة ال ْ َمت‬
ُ َّ َّ َ ُ َ َّ َّ
‫) إِن اَّلل هو الرز‬57( ‫ون‬ ُ ُْ
ِ ِ ِ ‫يط ِعم‬
Und ich habe die ǧinn und die Menschen nur erschaffen, um Mir
zu dienen125. Ich wünsche keine Versorgung von ihnen, noch wün-
sche Ich, dass sie Mich speisen. Wahrlich Allah, Er ist der Versor-
ger, der Inhaber der Macht, der absolut Solide.
[Sure aḏ-Ḏāriyāt, 51:56-58]

Al-Buḫārī selbst erklärt diesen Vers in einer der Überschriften seines


Ṣaḥīḥ-Werkes mit den folgenden Worten:
َ َّ َ ْ َ ُ ْ َ َ َ ُ ُ ْ َ َّ َ ْ ‫ت اْل َّن َو‬ُ ‫{و َما َخلَ ْق‬
‫الس َعاد ِة ِم ْن‬ ‫ «ما خلقت أهل‬:]56 :‫ون} [اَّلاريات‬
ِ ‫اْلنس إَِل ِِلعبد‬
ِ ِ
َ
ُ َ ُ َّ ْ ‫يق‬ َ َ َْ
»‫ون‬
ِ ‫ْي إَِل ِِلوحد‬
ِ ِ ‫ر‬ ‫الف‬ ‫ل‬ ِ ‫أ‬
‫ه‬
… nur, um Mich zu einem Einzigen zu machen. (illā li-yuwaḥḥidūni)

125Im Arabischen wird das Wort yaʿbudūn verwendet. Also: „damit sie nur
Mir ʿibādah/Gottesdienst/Anbetung entgegenbringen.“

144
Die Lehre des Monotheismus

Bei dieser Erklärung wurde also abermals das Wort tauḥīd bzw. das Verb
waḥḥada gebraucht, wodurch ausgedrückt ist, dass Allah  in der Anbe-
tung zu einem gemacht wird.

Diese Aussage erwähnte al-Buḫārī – gemäß seiner allgemeinen Vorge-


hensweise bei Aussagen in den Kapitelüberschriften – in Anlehnung an
Persönlichkeiten der salaf, von denen dieselbe Erklärung überliefert
wurde.
So überliefert z. B. Muqātil ibnu Sulaimān (gest. 150 n. H.) genau diesen
Wortlaut von einem noch früheren Gelehrten der salaf:
َ َ َ َ َّ َ َ َّ َّ
»‫ «إَل ِِلوحدون‬:‫ قال‬،‫ َحدث ِن أ ِِب ع ْن أ ِِب َصا ِل ٍح‬:‫اَّلل قال‬
ِ ‫حدثنا عبد‬

Dies ist auch der Grund dafür, dass von der islamischen Gelehrsamkeit
darauf hingewiesen wird, dass jede Aufforderung im Koran, Allah anzu-
beten, eine Aufforderung zum tauḥīd, also zum Monotheismus in der An-
betung ist.
Dies ist auch insofern völlig klar, weil der ganze Koran erklärt, was mit
dieser Aufforderung zur Anbetung gemeint ist. Es könnte damit unmög-
lich gemeint sein, man solle an die Existenz eines Schöpfers glauben und
diesen anbeten, selbst wenn man daneben auch andere Dinge oder We-
sen anbetet. Dies wäre der Gegensatz zur zentralen Botschaft des islami-
schen Monotheismus.
Der Aufruf der Götzendiener zur Anbetung an sich, ohne den zugehörigen
Monotheismus darin, wäre darüber hinaus absurd, da die vorislamischen
Götzendiener Allah ohnehin anbeteten. Wie bereits zuvor schon darge-
legt, ist dies eine unbestreitbare theologische und auch historische Tat-
sache.
Wäre also die bloße Anbetung ohne den tauḥīd und ungeachtet der An-
betung anderer gemeint, dann hätten die Götzendiener die Forderung
bereits erfüllt, womit die ganze Botschaft sinnlos wäre.
Die alleinige Anbetung Allahs ist also das, was die Geschöpfe erbringen
sollen. Stellt sich nun die Frage, wie der Polytheist nun als Muslim gelten
kann, der Allahs Wohlgefallen erlangt und schließlich ins Paradies ein-
geht, wobei er diesen Sinn nicht erfüllt?

145
Die Lehre des Monotheismus

In diesem Kontext sei auch nochmals an den zuvor schon besprochenen


Vers erinnert, in dem es heißt:

َ ‫ين ُحنَ َف‬


‫اء‬ ُ َ ‫ْي‬
َ ‫َل ادل‬ َ ‫اَّلل ُُمْلص‬ َ َّ ‫﴿ َو َما أُم ُروا إ ََّل ِلَ ْعبُ ُدوا‬
ِ ِ ِ ِ ِ
َ ْ َ َ َ َ َّ ‫الص ََلة َو ُيؤتوا‬
ُ ْ َ َّ ‫يموا‬
﴾‫ين القي َم ِة‬
ُ ‫الزَكة َوذلِك ِد‬ ُ ‫َو ُيق‬
ِ
Und es wurde ihnen nichts anderes aufgetragen als Allah anzube-
ten, ihren dīn Ihm gegenüber reinigend, als ḥunafāʾ, und das
Gebet einzurichten und die Zakat zu geben. Und dies ist der
geradlinige, aufrechte dīn. [Sure al-Bayyinah, 98:5]

Der „unwissende Polytheist“ kennt die


Bedeutung des Glaubensbekenntnisses nicht
Die muslimischen Gelehrten im Allgemeinen und jene der frühen Gene-
rationen im Speziellen waren sich stets darüber einig, dass ein Mensch
nur dann Muslim sein kann, wenn er die Bedingung des Wissens erfüllt.
Mit dem Wissen ist hierbei gemeint, dass der Muslim die Bedeutung des
Glaubensbekenntnisses kennen muss. Wie zuvor schon beschrieben
wurde, ist es in weiterer Folge auch unerlässlich den verstandenen Inhalt
in vollem Bewusstsein anzunehmen und umzusetzen. Die bloße Kenntnis
ist also nicht ausreichend, aber sie stellt eine Grundvoraussetzung dar.
Schließlich wären eine Annahme und Umsetzung des Glaubensbekennt-
nisses ohne dessen Verständnis gar nicht erst denkbar.
An sich ist dies eine Selbstverständlichkeit. Würde z. B. ein Mensch, der
kein Arabisch versteht, den Ausdruck lā ilāha illa-ḷḷāh hören und einfach
nachsprechen, ohne seine Bedeutung zu kennen, so würde ihn dies im
Konsens nicht zum Muslim machen.
Deshalb ist völlig klar, dass auch die Kenntnis dieser Bedeutung eine Be-
dingung des Glaubensbekenntnisses darstellt. Im Koran liest man dazu
Folgendes:

146
Die Lehre des Monotheismus

َ َ َ ُ َّ َ ْ َ ْ َ
ُ َّ ‫َل إ ََّل‬
﴾‫اَّلل‬ ِ ِ‫﴿فاعلم أنه َل إ‬
Wisse, dass es nichts Anbetungswürdiges außer Allah gibt126.
[Sure Muḥammad, 47:19]

َ ََْ ُ ْ َ َّ
﴾‫﴿إَِل َم ْن ش ِه َد بِاْلَق َوه ْم يعل ُمون‬
… außer denjenigen, die die Wahrheit bezeugen, während sie
wissen. [Sure az-Zuḫruf, 43:86]

Die Aussage „während sie wissen“ ist hier so zu verstehen, dass jene hier
beschriebenen Personen die Wahrheit bezeugen, im Wissen über die tat-
sächliche Bedeutung.
Des Weiteren impliziert das arabische Wort „šahādah“ also „Bezeugung“,
dass man genau weiß, was man bezeugt. Dies ist eine Voraussetzung für
die Richtigkeit eines Zeugnisses, andernfalls handelt es sich um eine Lüge.
Die šahādah von lā ilāha illa-ḷḷāh ist also ohne das notwendige Wissen
und Verständnis des Inhaltes unvorstellbar.

Ein Polytheist kann nur durch taubah vom širk in


den Islam eintreten
Im folgenden Vers des Koran in Sure at-Taubah ist beschrieben, auf wel-
che Art und Weise ein Götzendiener in den Islam eintreten kann:

﴾‫ين‬ ‫ادل‬ ‫ِف‬ ْ‫ك‬


‫م‬
ُ ُ َ ْ َ َ َ َّ ُ َ َ َ َ َّ
‫ان‬‫و‬ ‫خ‬‫إ‬ ‫ف‬ ‫ة‬‫َك‬ ‫الز‬ ‫ا‬‫و‬ ‫آت‬ ‫و‬ ‫ة‬‫َل‬ ‫الص‬ ‫وا‬ ُ َ‫﴿فَإ ْن تَابُوا َوأَق‬
‫ام‬
ِ ِ ِ ِ
„Und wenn sie taubah machen …
dann sind sie eure Brüder im dīn …“ [Sure at-Taubah, 9:11]

Demzufolge können mušrikūn, also Götzendiener, nur dann zu Glaubens-


brüdern der Muslime werden, „wenn sie taubah machen“.

126 Im Arabischen also: „Wisse, dass lā ilāha illa-ḷḷāh.“

147
Die Lehre des Monotheismus

Mit dem arabischen Wort taubah wird die reuige Umkehr von einer
Sünde beschrieben. Diese Reue erfordert das völlige Ablassen von dieser
Sünde. Die hier gemeinte Sünde ist der Polytheismus.
Dies wird auch ausdrücklich von den frühen tafsīr-Gelehrten überliefert.
So überliefert z. B. Ibnu Abī Ḥātim in seinem tafsīr von Muqātil ibnu
Ḥayyān und von aḍ-Ḍaḥḥāk folgende Erklärung dieses Verses:
ْ ‫فَإ ْن تَابُوا ِم َن‬
... ‫الْش ِك‬ ِ
D.h.: Wenn sie taubah vom širk machen …

Nur Allah  anzubeten und die Anbetung anderer zu unterlassen, ist der
grundlegendste Inhalt des Islam. Das islamische Glaubensbekenntnis hat
genau diese Bedeutung.
Ein Mensch kann also überhaupt erst in den Islam eintreten, wenn er frei
vom širk ist. Wie könnte es also sein, dass ein Mensch diese Vorausset-
zung für den Islam nicht erfüllt, aber dennoch ein Muslim ist?
Dieselbe Bedeutung lässt sich auch aus dem folgenden Vers ersehen:

َ َ ُ َ ّ ْ ُ َ ْ ُ َ ْ َ َ ّ ْ ُ َ َ ْ َ ْ ُ َ ْ َ َ ْ ُ َ َ َّ َّ
‫َّلل فأ ْولـئِك َم َع‬
ِ ِ ‫اَّلل وأخلصوا ِدينهم‬
ِ ِ‫اَّلين تابوا وأصلحوا واعتصموا ب‬ِ ‫﴿إَِل‬
ً َ ً ْ َ َ ْ ُْ ُّ ُْ َْ َ َ َ ْ ُْ
﴾‫المؤ ِم ِنْي وسوف يؤ ِت اَّلل المؤ ِم ِنْي أجرا ع ِظيما‬
Außer jenen, die bereuen, korrigieren, an Allah festhalten und ih-
ren dīn für Allah rein machen127, diese sind mit den muʾminīn. Und
Allah wird den muʾminīn eine gewaltige Belohnung zuteil werden
lassen. [Sure an-Nisāʾ, 4:146]

Wenn ein mušrik also das Bekenntnis zum Islam bezeugt, betet und fas-
tet, aber den širk nicht unterlässt, kann er im Konsens nicht in den Islam
eintreten.
Hätte zur damaligen Zeit z. B. einer der vorislamischen Götzendiener der
Araber den Islam bezeugt, aber weiterhin die bei ihnen bekannten

127 Im Arabischen wird das zuvor erklärte Verb aḫlaṣa im Plural verwendet,
also aḫlaṣū. Hier wird also wiederum der iḫlāṣ als Bedingung für den Eintritt
in den Islam vorausgesetzt.

148
Die Lehre des Monotheismus

Götzen wie al-Lāt, al-ʿUzzā und Manāt angebetet, wäre es unvorstellbar,


dass die Muslime so jemanden als Muslim angesehen hätten.
Gemäß der Aussage des oben besprochenen Verses wussten sie, dass die
Bruderschaft in der Religion an das Ablassen vom širk geknüpft ist: Wenn
sie dann taubah machen … sind sie eure Geschwister im dīn.

Der širk vernichtet alle guten Taten


Der širk verursacht im Konsens der muslimischen Gelehrten das Verloren-
gehen aller Taten. Andere Sünden, wie Diebstahl, Lügen usw. können die
guten Taten teilweise auslöschen, jedoch nicht alle.
Die Behauptung, ein Mensch könne den širk praktizieren und gleichzeitig
Muslim sein, widerspricht dem unweigerlich.
So spricht Allah  im Koran den Gesandten selbst mit folgenden Worten
an:

َ ُ َ ْ َ َ ْ َ ْ َ ْ َ َ ْ َ ْ َ َّ َ َ َ ْ َ َ ُ ْ َ َ َ
‫ت ِلَحبَ َط َّن ع َملك‬ ‫اَّلين ِمن قب ِلك ل ِِئ أِشك‬ ِ ‫وح إِِلك وإِل‬
ِ ‫﴿ولقد أ‬
َ ْ َ ُ َ
َ ‫َو ََلكون َّن ِم َن اْلاِس‬
﴾‫ين‬ ِ ِ
Und es wurde dir bereits eingegeben, und denen vor dir: Wenn du
den širk begehen würdest, dann würden alle deine Taten sicher128
verloren gehen und du würdest sicher von den Verlierern sein.
[Sure az-Zumar, 39:65]

Hier ist also der Gesandte  direkt angesprochen, wobei er aber im Kon-
sens der islamischen Gelehrsamkeit vor dem širk bewahrt war. In dem
Vers wird also zur Verdeutlichung eine Sache angenommen, von der völ-
lig klar ist, dass sie nicht vorfällt. Die arabischen Gelehrten nannten dies
auch farḍu l-mustaḥīl. Es ist also offensichtlich, dass diese Botschaft nicht

128Die Aussage wurde im Vers zwei Mal mit dem schweren nūn der Bekräfti-
gung (nūnu t-taukīdi ṯ-ṯaqīlah) bekräftigt, was im Deutschen mit „sicher“ wie-
dergegeben wurde.

149
Die Lehre des Monotheismus

in erster Linie an ihn gerichtet ist, sondern an jene Menschen, die durch
die Botschaft des Koran angesprochen sind129.
Die Bedeutung ist demnach: „Wenn sogar der Prophet  alle seine (gu-
ten) Taten durch eine einzige širk-Tat verlieren und infolgedessen sicher
zu den Verlierern gehören würde, dann wird dieser Verlust alle anderen
Menschen sicherlich viel eher treffen.“
Aus den islamischen Quelltexten ist zu entnehmen, dass die Propheten
 als die am schwersten geprüften Menschen überhaupt gelten. Ihre
Taten sind die besten Handlungen, die überhaupt von Menschen unter-
nommen wurden.
Muḥammad  nimmt darüber hinaus nochmals eine besondere Stellung
unter den Propheten ein. Er ist das Siegel der Propheten. Erst wenn man
dies alles bedenkt, wird einem das Ausmaß der Aussage im Vers klar. Das
ganze Leben des Siegels der Propheten wäre durch eine einzige Tat des
Polytheismus hinfällig. Das Ertragen der schweren Offenbarung, sein Auf-
ruf zu dieser Religion, seine Standhaftigkeit gegenüber der Feindschaft
der Götzendiener.
Wenn also all diese Taten durch den širk verloren gehen würden, werden
dann die weniger bedeutenden Taten irgendwelcher Polytheisten erhal-
ten bleiben und ihnen in weiterer Folge den Eintritt ins Paradies ermögli-
chen?
In einem weiteren Vers wird genau dieser Gedanke nochmals deutlich in
derselben Art und Weise über die anderen Gesandten  formuliert:

ٌ ‫ك َحك‬ َ َّ َ َّ ُ َ َ ْ َ َ َ َ ُ َ َْ َْ ََ َ ْ َ َ ْ َ َ ُ َّ ُ َ ْ
‫يم‬ ِ ‫ات من نشاء إِن رب‬ ٍ ‫﴿ َوتِلك حجتنا آتيناها ِإب َرا ِهيم لَع قو ِم ِه نرفع درج‬
ُ ُ َ ْ َ ً ُ َ َ ْ َ َ ًّ ُ َ ُ ْ َ َ َ َ ْ ُ َ َ ْ َ َ َ
‫وحا ه َدينَا ِم ْن قبْل َو ِم ْن ذر َّي ِت ِه‬ ‫) ووهبنا َل إِسحاق ويعقوب َك هدينا ون‬83( ‫يم‬ ٌ ‫َعل‬
ِ
َ ْ ُْ ْ َ َ َ َ َ َ ُ َ َ َ ُ َ َ ُ ُ َ َ ُّ َ َ َ َ ْ َ ُ َ َ ُ َ
)84( ‫داوود وسليمان وأيوب ويوسف وموس وهارون وكذلِك ْن ِزي المح ِس ِنْي‬
ُ ْ َ ‫َ َ َ َّ َ َ ْ َ َ َ َ ْ َ َ ُ ل‬
‫) َوإِ ْس َما ِعيل َواليَ َس َع َو ُيون َس‬85( ‫ْي‬ ِِ
َّ ‫ك م َن‬
َ ‫الصاْل‬
ِ ‫وزك ِريا وَيَي و ِعيَس وإِِلاس‬
ُ َ ْ َ َ ْ َ ْ َ ْ َ ْ َّ ُ َ ْ َ ْ َ َ ْ َ ْ َّ َ ًّ ُ ً ُ َ
ْ‫اهم‬ ‫) و ِمن آبائِ ِهم وذرياتِ ِهم وإِخوانِ ِهم واجتبين‬86( ‫وطا َولُك فضلنَا َلَع ال َعال ِمْي‬
َ ‫ول‬

129Gemäß der Aussage des Koran selbst (siehe 7:158) richtet sich die Bot-
schaft des Islam seit der Entsendung des Propheten  an die ganze Mensch-
heit.

150
Die Lehre des Monotheismus

َ ْ ُ ‫اَّلل َي ْهدي به َم ْن ي َ َش‬ َّ َ ُ َ َ َ ْ ُ ‫ِص‬ َ ْ ُ ََْ َ


ِ‫اء ِمن ِعبا ِده‬ ِ ِ ِ ِ ‫) ذلِك هدى‬87( ‫يم‬ ٍ ‫اط مست ِق‬ ٍ َ ِ ‫َوهديناهم إِل‬
ُ َ ْ َ َ َّ َ َ ُ
َ َ‫اه ُم الْكت‬ َ ََُْ ُ َ َ ْ َُْ َ ُ َ ْ َ ََْ
‫اب‬ ِ ‫اَّلين آتين‬ ِ ‫) أ‬88( ‫ِشكوا ْل َ ِب َط عنهم ما َكنوا يعملون‬
ِ ‫وَلك‬ ‫و لو أ‬
َ ْ َ َ َ ْ َّ ْ َ َ َ َ ُ ْ ْ َ َ
َ ‫انلبُ َّوة فإن يَكف ْر ب َها ه ُؤَل ِء فقد َوَّكنا ب َها ق ْو ًما لي ُسوا ب َها بكافِر‬ ْ
ُّ ‫اْلُك َم َو‬ْ َ
﴾‫ين‬ ِ ِ ِ ِ ِ ِ ‫و‬
Und dies ist Unser Argument, welches Wir Ibrāhīm seinen Leuten
gegenüber gaben. Wir erhöhen um Stufen, wen Wir wollen.
Gewiss, dein Herr ist allweise, allwissend.
Und Wir schenkten ihm Isḥāq und Yaʿqūb. Beide leiteten Wir
recht. Und Nūḥ hatten Wir schon vorher rechtgeleitet, und von
seiner Nachkommenschaft: Dāwūd, Sulaimān, Ayyūb, Yūsuf, Mūsā
und Hārūn. So belohnen Wir die Rechttuenden.
Und ebenso Zakariyyā, Yaḥyā, ʿĪsā und Ilyās. Sie alle gehören zu
den Rechtschaffenen. Sowie auch Ismāʿīl, al-Yasaʿ, Yūnus und Lūṭ.
Sie alle haben Wir vor den Menschen ausgezeichnet. Und auch
von ihren Vätern, Nachkommen und Brüdern. Wir erwählten sie
aus und leiteten sie zum geraden Weg recht.
Dies ist die Rechtleitung Allahs, damit leitet Er recht, wen Er will
von Seinen Dienern. Und hätten sie širk betrieben, wäre ihnen
gewiss (alles) verloren gegangen, was sie (an guten Taten)
zu tun pflegten.
Diese sind diejenigen, denen Wir die Schrift, das Urteil und das
Prophetentum gegeben haben. Wenn aber diese es verleugnen, so
haben Wir damit schon (andere) Leute betraut, die dem
gegenüber keinen kufr begehen.
[Sure al-Anʿām, 6:83-89]

151
Die Lehre des Monotheismus

Der Widerspruch zum Koran in diesem Bezug


Einen Polytheisten als Muslim zu bezeichnen und zu behandeln führt un-
weigerlich zu Schlussfolgerungen, die mit der Aussage des Koran kollidie-
ren.
So heißt es, nach den oben zitierten Koran-Versen im darauffolgenden
Vers klar, dass der Weg der erwähnten Propheten  die Rechtleitung
ist:

ْ َ َ ُ َُ َ َ ْ ُ ْ ُ َ ُ َّ َ َ َّ َ َ ُ
‫اَّلل ف ِب ُه َداه ُم اقتَ ِدهْ قل َل أ ْسألك ْم َعليْ ِه أج ًرا‬ ‫ين ه َدى‬ ‫اَّل‬
ِ ‫وَلك‬
ِ ‫﴿أ‬
َ ْ ْ َّ
َ ‫إن ُه َو إَل ذك َرى لل َعالم‬ ْ
﴾‫ْي‬ ِ ِ ِ ِ ِ
Diese sind diejenigen, die Allah rechtleitete, so folge ihrer Recht-
leitung! Sag: „Ich erbitte von euch dafür keinen Lohn.“ Es ist nur
eine Ermahnung für die Weltenbewohner. [Sure al-Anʿām, 6:90]

Diese Propheten sind also die Rechtgeleiteten und ihre Rechtleitung soll
man sich als Vorbild und zum Leitfaden nehmen.
Jedoch beschreibt diese Passage im Koran, wie bereits gezeigt wurde,
deutlich, dass ebendiese Rechtleitung jener Propheten im Ablass vom širk
besteht.
Hätten sie demgegenüber eine einzige polytheistische Handlung began-
gen, wären dadurch all ihre guten Taten verloren. In diesem Fall wären
sie also völlig Irregehende und keinesfalls rechtgeleitet.
Diese Bedeutung findet sich auch an anderen Stellen im Koran, z. B.:

َ ْ َ َ ُ َّ ْ َ َّ ْ َ ً ُ ُ ْ ْ ََ
‫الطاغوت ف ِمن ُه ْم َم ْن ه َدى‬ ‫اَّلل َواجتَنِبُوا‬ ‫﴿ َولقد َب َعثنَا ِِف ك أ َّم ٍة َر ُسوَل أ ِن اعبُ ُدوا‬
ُ َ َ َ َ ُْ َ َْ ُ ‫الض ََللَ ُة فَس‬
َّ ْ َ َ ْ َّ َ ْ َ ْ ُ ْ َ ُ َّ
‫ْيوا ِِف اْل ْر ِض فانظ ُروا كيْف َكن ََعقِبَة‬ ِ ‫اَّلل و ِمنهم من حقت علي ِه‬
َ َ ُْ
﴾‫المكذبِْي‬
Und Wir haben doch zu jeder Gemeinschaft einen Propheten ent-
sandt (auf dass er zu ihnen sagt:) „Betet Allah allein an und haltet
euch fern vom ṭāġūt!“ Und von ihnen waren welche, die Rechtlei-
tung von Allah erfuhren, und von ihnen waren welche, die

152
Die Lehre des Monotheismus

wahrlich Irre gingen. Also reist auf der Erde herum und seht wie
das Ende der Leugner war. [Sure an-Naḥl, 16:36]

Auch bei diesem Vers käme es zu einer Umkehrung der Bedeutung. Ein
Polytheist hat seinem Schöpfer in der Anbetung andere beigesellt, hat
also den ṭāġūt angebetet und die Abkehr von ihm nicht umgesetzt. Die-
jenigen, die der Rechtleitung der Propheten folgten und diese annahmen,
unterließen die Anbetung anderer Dinge völlig.
Schließlich bestand genau in dieser Sache jene im Vers erwähnte Recht-
leitung, die den beschriebenen Menschen zuteil wurde.

Widersprüchliche Folgen
Die Konsequenz der Gleichbehandlung aller unwissenden
Polytheisten
Wie zuvor schon angesprochen wurde, muss die fehlerhafte Einschätzung
des Glaubensbekenntnisses auch weitere fehlerhafte Konsequenzen
nach sich ziehen.
Auch wurde dies bereits bei der Besprechung der Religion Abrahams (mil-
latu Ibrāhīm) an einem Beispiel demonstriert. Die vorislamischen, arabi-
schen Götzendiener zählten sich zum dīn von Ibrāhīm  und waren dar-
über hinaus sogar davon überzeugt bei Allah  eine besonders hohe
Stellung zu haben, weil sie die Hüter der kaʿbah, des von Ibrāhīm  er-
bauten Hauses waren.
Jene Götzendiener glaubten auch an die Existenz Allahs, beteten Ihn an
und verrichteten einige ihrer rituellen Handlungen (ʿibādāt) sogar nur für
Ihn. Sie bekannten sich also zum allgemeinen Islam und glaubten sich
selbst auf dem dīn von Ibrāhīm . Dies alles machte sie aber im Konsens
nicht zu Muslimen.
Wer also einen Polytheisten aufgrund seines Bekenntnisses zum speziel-
len Islam von Muḥammad  als Muslim betrachtet, kommt keinesfalls
umhin, jene früheren Polytheisten ebenso als Muslime zu bezeichnen.

153
Die Lehre des Monotheismus

Die damaligen Polytheisten müssten dann sogar noch eher Muslime ge-
wesen sein, da die Unwissenheit bei ihnen viel stärker verbreitet war, als
in der Zeit nach der Entsendung des Propheten  bis zum heutigen Tage.
Immerhin gab es damals kein vollständiges unverfälschtes Buch von
Ibrāhīm  wie den Koran heute. Die Menschen kannten zu jener Zeit,
wenn überhaupt, nur die Überreste der Religion von Ibrāhīm , ohne
auch nur einen niedergeschriebenen Vers von diesem Propheten zu be-
sitzen.

Wer eine Art des širk ignoriert, muss alle anderen auch
ignorieren
Auch müssten die Vertreter dieser Irrmeinung sagen, dass man bei allen
Formen des Polytheismus gleichermaßen Muslim sein könne. Wenn ein
Mensch dem Schöpfer also einen zweiten Schöpfer, ein Kind oder eine
Mutter beigesellt, oder die Eigenschaft des göttlichen allumfassenden
Wissens jemand anderem beimisst, müsste er demnach ohne Weiteres
ebenso ein Muslim sein können. Wie die Vertreter dieser fehlerhaften
Ansicht auch beim Polytheismus in der Anbetung meinen, wären dafür
wiederum nur zwei Voraussetzungen notwendig:
1) dass dieser mušrik sich zum Islam – in diesem Fall also zum allgemei-
nen Islam, der Religion von Abraham – zählt.
2) dass er nicht wusste, dass der von ihm praktizierte Polytheismus der
Kernaussage dieses allgemeinen Islam widerspricht.
Dasselbe müsste auch für Menschen gelten, die einen Propheten wie ʿĪsā/
Jesus  oder die Engel anbeten. Auch sie müssten aufgrund ihres Be-
kenntnisses und der gleichzeitigen Unkenntnis zweifelsohne als Muslime
gelten.
Wenn ein Vertreter jener falschen Sichtweise diese Konsequenzen nun
als völlig absurd ablehnt, so hat er dadurch den Widerspruch nur bestä-
tigt, da es nicht zulässig wäre, ohne irgendeinen Beweis zwischen dem
einen Polytheisten und dem anderen zu unterscheiden.
Letztlich müsste so jemand sagen, dass der islambekennende Polytheist
ein Muslim sein könne, im Gegensatz zu Polytheisten, die sich zu anderen
Religionen bekennen. Es wäre eine willkürliche Unterscheidung, die jeder
plausiblen Argumentation entbehrt.

154
Die Lehre des Monotheismus

Vielmehr würde eine solche Ungleichbehandlung einen Islam als Ge-


burtsrecht oder als Privileg eines auserwählten Volkes bedeuten – eine
Idee, die dem Islam völlig fremd ist. Ein Muslim ist per Definition ein
Mensch, der rein monotheistisch lebt, und nicht ein Polytheist, der tun
und lassen kann, was er will, aber dennoch immer Muslim bleibt, bloß
weil er mit dieser Bezeichnung geboren wurde.

Viele Polytheisten müssten noch eher Muslime sein als jene, die
sich heute zum Islam bekennen
Tatsächlich müsste nach dieser Meinung auch ein Mensch, der diverse
Propheten oder Engel anruft, noch eher ein Muslim sein als jemand, der
beliebige andere Tote anfleht. Dies, da die Propheten  in allgemeiner
Übereinstimmung der Muslime sicher besser waren als alle anderen
Menschen.
Wenn ein Mensch also einen Nicht-Propheten anbetet und trotzdem
Muslim sein kann, muss jemand, der einen Propheten anbetet, viel eher
entschuldigt sein können. In Wirklichkeit ist es jedoch völlig gleich, was
oder wen diese Leute anbeten, aus Sicht der ursprünglichen islamischen
Lehre können solche Leute mit Sicherheit nicht als Muslime gelten.
Auch hier ist es gut möglich, dass die Vertreter jener verzerrten Meinung
solche Konsequenzen nicht annehmen wollen. Wiederum lautet dann
aber die Frage, wie der Unterschied zwischen diesen Polytheisten defi-
niert werden könnte, wo doch alle davon gleichsam eine Anbetung zu je-
mand anderem als Allah verrichten?
Ebenso müsste es sich bei den verschiedenen Arten der Anbetung verhal-
ten. Wenn der Islam einer Person, trotz der Anrufung der Toten um
Dinge, die nur Allah  erfüllen kann, weiterbestehen könnte, so würde
er ebenso mit jeder anderen Art des širk weiterbestehen.
Würde ein Mensch sich also vor Götzen niederwerfen, sie küssen und in
Wort und Tat verehren und anbeten, müsste er gemäß dieser Sichtweise
sicher ein Muslim sein können. Er müsste dazu lediglich a) unwissend sein
und b) sich zum Islam bekennen.
Wenn jemand jedoch bei einer speziellen Art des širk meint, so ein
Mensch könne unmöglich als entschuldigter Muslim gelten, bei einer an-
deren aber wäre dies möglich, so müsste er für diese Unterscheidung

155
Die Lehre des Monotheismus

einen stichhaltigen Beweis anführen. Andernfalls handelt es sich um eine


Ungleichbehandlung von zwei Dingen, die an und für sich gleich sind –
etwas, das die muslimischen Gelehrten unter dem Begriff at-tafrīqu baina
l-mutamāṯilain zusammenfassten und als völlig irrational ablehnten.
Es wurde zuvor schon erwähnt, dass manche Leute tatsächlich absurder-
weise all diese Folgen akzeptieren. Bei ihnen ist es sogar möglich, dass
ein Mensch an einen Sohn Gottes glaubt oder ʿĪsā/Jesus anbetet und
trotzdem als Muslim anzusehen ist. Kein Zweifel, dass jemand, der so et-
was denkt, seinerseits an einem gravierenden Problem beim Verständnis
der Kerninhalte des Islam leidet.

Ein Widerspruch zu Koran, Sunnah und Konsens in vielerlei


Hinsicht
All diese in vorausgehenden Beispielen erwähnten Polytheisten als Mus-
lime zu betrachten, wäre ein starker Widerspruch zu den islamischen
Quellen. Wer den Koran liest, dem ist völlig klar, dass alle Propheten 
ihre Völker als mušrikīn betrachteten. Sie sprachen sie als solche an und
forderten sie auf, den širk zu unterlassen und Allah alleine anzubeten.
Deshalb waren sich die Gelehrten des tafsīr, der Geschichtsschreibung,
der Sprache sowie aller anderen islamischen Wissenschaften darin einig,
die Araber vor der Entsendung des Propheten als „mušrikūn der Araber“
zu bezeichnen.
Ebenso verhält es sich in Bezug auf andere Nicht-Muslime wie Juden,
Christen und andere. Der Koran bezeichnet sie eindeutig als Nicht-Mus-
lime, weshalb man auch hier die Gelehrten im Konsens über diese Sache
vorfindet.
Niemand hätte behauptet, dass jene Nicht-Muslime durch ihre bloße Un-
wissenheit zu Muslimen werden. Im Gegenteil, die frühen Gelehrten
überliefern ausdrücklich den Konsens, dass bloß eine gegensätzliche Mei-
nung bezüglich der Götzendiener, Juden und Christen, schon zum Abfall
vom Islam führt. Laut ihrer Ansicht ist schon derjenige kein Muslim, der
bloße Zweifel hat, ob Götzendiener oder Anhänger des Juden- oder Chris-
tentums Nicht-Muslime sind.

156
Die Lehre des Monotheismus

Die Mehrheit der Menschen verfällt in den širk durch


Unwissenheit
Eine weitere Problematik liegt in der Vorstellung, alle, oder die allermeis-
ten Polytheisten früherer Völker oder anderer Religionen, hätten die
Lehre der Propheten in vollem Bewusstsein abgelehnt. Tatsächlich ist das
Gegenteil der Fall.
Wie bereits erwähnt, waren die Götzendiener der Araber vor dem Islam
einer großen Unwissenheit über den Monotheismus ausgesetzt. Wäre es
möglich einen Polytheisten als Muslim anzusehen, würde dies auf solche
Leute sicherlich eher zutreffen, als auf Leute, die den Koran in Händen
halten, vielleicht sogar Teile davon oder das ganze Buch auswendig ge-
lernt haben.
Bei vielen Menschen heute scheint es jedoch so zu sein, dass ein Polythe-
ist umso mehr entschuldigt sein kann, je mehr Wissen er besitzt bzw. je
mehr Wissen ihm zugänglich ist! Ein klarer Widerspruch.
Wie könnte z. B. ein Götzendiener vor zweitausend Jahren, der in der
Wüste lebte, des Lesens unkundig war und keinen einzigen geschriebe-
nen Vers bei sich hatte, weniger entschuldigt sein als jemand, der Ara-
bisch liest und vom Koran auswendig lernt?!
Auch viele heutige Juden und Christen müssten bei jenen Verfechtern
dieser theologischen Irrmeinung viel eher entschuldigt sein, da auch ihr
Zugang zu den islamischen Quellen zweifelsohne um vieles schwerer ist.
Im Gegensatz dazu wird in den islamischen Quellen erwähnt, dass die
meisten Menschen gerade über die Unwissenheit in den širk geführt wur-
den.
In diesem Sinne werden im Koran z. B. in Sure Nūḥ namentlich vier Per-
sonen erwähnt, die von ihren Nachfahren schließlich angebetet wurden.
Im Ṣaḥīḥ-Werk von al-Buḫārī wird vom Prophetengefährten Ibnu ʿAbbās
 überliefert, dass er diese Schilderung des Koran erläuterte und dabei
erklärte, wie im Volk von Nūḥ/Noah der erste Polytheismus entstand:
ْ ْ ُ َ ُ َ ْ َ ْ ْ َ َ َ ُ ْ َ ُ َّ َ َ
ْ َ‫ان الَّت ََكن‬ َّ َ ْ ْ َ
‫وح ِِف ال َع َر ِب َبع ُد‬ ٍ ‫ت ِِف ق ْومِ ن‬ ِ ‫اس ر ِض اَّلل عنهما صارت اْلوث‬ ٍ ‫عن اب ِن عب‬
ُ ْ َ‫وث فَ ََكن‬ُ ُ َ َّ َ َ ْ َ ُ ْ َ َ ٌ َ ُ َّ َ َ َ ْ َ ْ َ ْ َ ْ َ ْ َ َ ‫َ َّ َ ل‬
‫ت ل ِ ُم َرا ٍد ث َّم‬ ‫ب بِدوم ِة اْلند ِل وأما سواع َكنت لِهذي ٍل وأما يغ‬ ٍ ‫أما ود َكنت ِلَك‬
َ َ ‫ْل ْم‬ ْ َ َ َ ٌ ْ َ ‫ان َوأَ َّما ن‬
َ َ ْ َ ْ َ َ َ ُ ُ َ َّ َ َ َ َ َ ْ ْ ُ
‫ْي ِْل ِل ِذي‬ ِ ِ ‫رس فَكنت‬ ‫ِ َْل ِن غ َطيْ ٍف بِاْل َ ْو ِف ِعند سب ٍإ وأما يعوق فَكنت لِهمد‬

157
Die Lehre des Monotheismus

َْ َ َ ُ َّ َ َ ُ َ َ ََ ُ َ َ ََ ْ
‫وح فل َّما هلكوا أ ْوح الشيْ َطان إِل ق ْو ِم ِه ْم أن‬ َ ‫اء ر َجال َصاْل‬
ٍ ‫ْي ِم ْن ق ْومِ ن‬ ِِ ُ َ ْ
ٍ ِ ‫اللَك ِع أسم‬
ْ ُْ ََ ُ ََ َ َ َْ َ ْ َ ُ َ َّ ََ َ ْ
‫ان ِصبُوا إِل َمال ِ ِس ِه ْم ال ِت َكنوا َي ِل ُسون أن َصابًا َو َس ُّموها بِأ ْس َمائِ ِه ْم فف َعلوا فل ْم تعبَد َح ََّّت‬
ْ ْ ْ َ ََ َ َ ُ َ َ َ َ
‫وَلك َوتن َّسخ ال ِعل ُم ُع ِب َدت‬ ِ ‫ِإذا هلك أ‬
(Es sind) die Namen von rechtschaffenen Männern, vom Volk von
Nūḥ. Als diese starben, gab ihnen der Satan ein, Statuen mit ihren
Namen zu benennen und (diese) in ihren Sitzungen aufzustellen.
Schließlich taten sie dies auch. Diese Statuen wurden aber nicht an-
gebetet, bis diese Leute starben und das Wissen ausgelöscht
wurde. Erst danach wurden sie angebetet.

Nūḥ  wurde also – wie auch alle anderen Propheten  – zu einem


Volk von mušrikīn geschickt, die sich auf Grund ihrer Unwissenheit selbst
für Muslime und Befolger der prophetischen Lehre hielten.
Trotz dieser vorherrschenden Unwissenheit beurteilte Nūḥ, ebenso wie
auch alle anderen Propheten , sein Volk als mušrikīn. Deshalb spricht
er zu seinem Volk, wie im folgenden Koran-Vers beschrieben:

ُ َ َ ُ ْ ‫ك ْم ِم ْن إ َ ٍَل َغ‬
ُ َ َ َ َّ ْ َ َ ََ َ َ ً ُ َْ َ َْ ْ ََ
‫ْي ُه إِِن أخاف‬ ِ ‫وحا إِل ق ْو ِم ِه فقال يَا ق ْومِ اعبُ ُدوا اَّلل ما ل‬ ‫﴿لقد أرسلنا ن‬
َ
َ َْ َ َ ْ ُ ْ َ َ
﴾‫يم‬ ٍ ‫عليكم عذاب يومٍ ع ِظ‬
Wir hatten bereits Nūḥ zu seinem Volk geschickt. Da sagte er: Oh
mein Volk! Betet Allah (alleine) an. Es gibt für euch nichts ande-
res Anbetungswürdiges. Ich fürchte um euretwillen einen Tag von
gewaltiger Strafe. [Sure al-Aʿrāf, 7:59]

ُ ْ ‫كم م ْن إ َ ٍَل َغ‬


ُ َ َ َ َّ ْ َ َ ََ َ َ ً ُ ْ َ ْ ََ
‫ْي ُه‬ ِ ‫﴿ َولقد أ ْر َسلنَا نوحا إِل ق ْو ِم ِه فقال يَا ق ْومِ اعبُ ُدوا اَّلل ما ل‬
َ ُ َ َََ
﴾‫أفَل ت َّتقون‬
Wir hatten bereits Nūḥ zu seinem Volk geschickt. Da sagte er: Oh
mein Volk! Betet Allah (alleine) an. Es gibt für euch nichts ande-
res Anbetungswürdiges. Wollt ihr also nicht
gottesfürchtig sein?
[Sure al-Muʾminūn, 23:23]

158
Die Lehre des Monotheismus

Dieses eine Beispiel soll an dieser Stelle genügen. Wer den Koran auf-
merksam liest, wird definitiv feststellen, dass der Monotheismus als ei-
gentliche Botschaft aller Propheten immer wieder in dieser Art verdeut-
licht wird.
Auch sei hier an die Aussage des frühen Koran-Exegeten Ibnu Ǧarīr aṭ-
Ṭabarī über den Vers in Sure az-Zumar [39:29] erinnert, als er sagte:
ُ َّ ُ َ َ ‫ َو َما ي َ ْستَوي َه َذا ال ْ ُم ْش‬:‫اؤ ُه‬ ُ َ َ َّ َ ُ ُ َ َ ُ َ ْ َ ْ ُ ُ َ ْ َ ْ َ
‫اَّلي ه َو‬ِ ‫ َو‬،‫َتك ِفي ِه‬ ِ ‫﴿بل أكَثهم َل يعلمون﴾ يقول جل ثن‬
َ َ َّ َ
َ ‫ون أن ُه َما َل ي َ ْستَو‬ َ ُ ْ َ َ َ َّ َ ْ ُ َ ‫ بَ ْل أَ ْك‬،‫اح ٍد‬
ُ ْ ‫َث َه ُؤ ََل ِء ال‬ ُ ُ ْ ُ ٌ َُْ
‫ ف ُه ْم‬،‫ان‬
ِ ِ ‫ي‬ ‫م‬ ‫ل‬ ‫ع‬ ‫ي‬ ‫َل‬ ‫َّلل‬
ِ ‫ا‬ِ ‫ب‬ ‫ْي‬ ‫ك‬ِ ‫ْش‬
ِ ‫م‬ ِ ‫منف ِرد ملكه ل ِ َو‬
َّ ُ ْ َّ َ ً َ َ ُ ُ ْ َ َ َ ْ ْ َ
.‫اَّلل‬
ِ ‫ون‬ ِ ‫ِِبه ِل ِهم بِذلِك يعبدون آلِهة شَّت ِمن د‬
„Die meisten aber wissen es nicht“, d.h.: Dieser unter mehreren
(Herren) Aufgeteilte und derjenige, der nur einem Herrn gehört,
sind sich nicht gleich.
Aber die meisten dieser „Allah etwas Beigesellenden“ wissen nicht,
dass diese beiden sich nicht gleichen. In ihrer Unwissenheit darüber
beten sie etliche unterschiedliche ālihah neben Allah an.

Das Wort mušrikūn im Koran umfasst immer


auch den unwissenden Polytheisten
Bisher wurde an einigen Beispielen schon deutlich sichtbar, wie eine feh-
lerhafte Annahme über die Grundfragen der islamischen Glaubenslehre
zu diversen weiteren Fehlschlüssen und Kontradiktionen führt.
Hierfür ließen sich zahlreiche analoge Fälle nennen, da sich der Fehler in
der Grundlage klarerweise in viele Bereiche ziehen wird, die auf dieser
Grundlage aufbauen. Im Folgenden sollen zur weiteren Verdeutlichung
nur einige wenige Beispiele hierzu genannt werden:

ْ َ ُ ُ ُ َ ْ َ َ َ ْ ُ ْ ُ ْ َ ْ َ ْ َ ُ َ َ َّ َ َّ َ َ َ
‫وِل ق ْرَب ِم ْن َبع ِد َما‬
ِ ‫ْش ِكْي ولو َكنوا أ‬
ِ ‫اَّلين آمنوا أن يستغ ِفروا لِلم‬
ِ ‫﴿ما َكن لِلن ِب و‬
َْ ُ َ ْ َ ْ ُ َّ َ ْ ُ َ َ َّ َ َ
﴾‫يم‬ِ ‫تبْي لهم أنهم أصحاب اْل ِح‬

159
Die Lehre des Monotheismus

Es gebührt dem Gesandten und den muʾminīn nicht130, dass sie für
die mušrikīn um Vergebung bitten – selbst wenn diese Verwandte
sein sollten – nachdem ihnen deutlich wurde, dass sie doch die
Weggenossen der Hölle sind. [Sure at-Taubah, 9:113]

Die Aussage des Koran ist also, dass der Muslim für den mušrik nicht um
Vergebung bitten131 darf. In den Aussagen der frühen Gelehrten (as-salaf)
wird dies dahingehend konkretisiert, dass es hier um das Verbot des
istiġfār für einen bereits verstorbenen Polytheisten geht. Überlieferun-
gen hierzu werden z. B. in den beiden tafsīr-Werken von Ibnu Abī Ḥātim
und aṭ-Ṭabarī bei der Erklärung dieses Koran-Verses erwähnt.
Wie deutlich zu sehen ist, wird in dem Vers ein allgemeines islamrechtli-
ches Urteil formuliert. Dabei wird das Wort mušrikūn verwendet, welches
ausnahmslos alle Polytheisten umfasst. Es wäre ein falsches Verständnis
dieses Verses, anzunehmen, dass sich dieses Verbot nur auf jene Polythe-
isten beziehen würde, von denen man sicher weiß, dass die Botschaft sie
erreichte und sie ausreichende Kenntnis über ihren Inhalt besaßen.
Deshalb entnahmen die frühen muslimischen Rechtsgelehrten aus die-
sem Vers auch ein allgemeines Verbot. Jene Rechtsgelehrten (fuqahāʾ)
behaupteten also nicht, dass man unterteilen müsse und für manche, be-
reits verstorbene Polytheisten aufgrund deren Unwissenheit um Verge-
bung bitten dürfe.
Ein weiteres Beispiel aus dem Koran ist folgender Vers:

َ ْ ُ ُُْ ْ ُ ُ ََ ُ ْ ََْ ََْ َ ْ ُْ َ َ َ َّ َ َ َ َ َ


‫ْيدوه ْم َو ِِلَل ِب ُسوا َعليْ ِه ْم‬ ِ ‫ْش ِكْي قتل أوَل ِد ِهم ِشَكؤهم ل‬
ِ ‫ْي ِمن الم‬ ٍ ‫﴿وكذلِك زين ِلك ِث‬
َ ُ َ ْ َ َ َ ْ ُ ْ َ َ ُ ُ َ َ َ ُ َّ َ َ ْ َ َ ْ ُ َ
﴾‫َتون‬ ‫ِدينهم ولو شاء اَّلل ما فعلوه فذرهم وما يف‬

130 Bzw. „es gehört sich nicht“. Eine Stilform im Arabischen, mit der gemeint
ist: „er darf nicht“ bzw. „es ist ausgeschlossen, dass er das macht“.
131 Im Arabischen: istiġfār

160
Die Lehre des Monotheismus

Und so haben ihre Beigesellten vielen von den Götzendienern das


Töten ihrer Kinder schön erscheinen lassen132, um sie zugrunde zu
richten und ihnen ihre Religion durcheinander zu bringen. Und
hätte Allah es gewollt, hätten sie es nicht getan. Also lass von
ihnen ab, und von dem, was sie erlügen. [Sure al-Anʿām, 6:137]

Auch hier ist mit dem allgemeinen Wort mušrikūn sicherlich jeder mušrik
gemeint. Wiederum wird an dieser Stelle deutlich der Grund für die Be-
zeichnung dieser Menschen als mušrikūn erwähnt. Die Ursache für diese
Bezeichnung war, dass diese Menschen sich šurakāʾ neben Allah nahmen,
welche sie neben Ihm zu Teilhabern in der Anbetung machten – ungeach-
tet dessen, ob diese Menschen sich ihrer verwerflichen Handlungen und
deren Konsequenzen nun bewusst waren oder nicht.
Ein weiteres Beispiel ist der folgende Vers:

َ َ ُ ْ ُ ْ َ ُ َّ َ َ َ َ َ ْ َ َّ َ ُ ْ َ َ َ َ َ َ ْ َ ْ ُ ْ َ ٌ َ َ ْ َ
‫اَّلل ث َّم أبْ ِلغه َمأ َمنَه ذلِك‬
ِ ‫ْش ِكْي استجارك فأ ِجره حَّت يسمع َكم‬
ِ ‫﴿وإِن أحد ِمن الم‬
َ ُ َ ْ َ َ ٌ ْ َ ْ ُ َّ َ
﴾‫بِأنهم قوم َل يعلمون‬
Und wenn einer von den mušrikīn dich um Asyl bittet, dann ge-
währe ihm Asyl, bis er die Worte Allahs vernommen hat133, sodann
geleite ihn zum Ort seiner Sicherheit. Dies, weil sie Menschen
sind, die nicht wissen. [Sure at-Taubah, 9:6]

Wiederum werden diese Leute mušrikīn genannt. Zudem wird erklärt,


dass es sich um Leute handelt, die nicht wissen.

132Dieser Satz lässt sich unter Beibehaltung der Satzstellung kaum oder gar
nicht in richtiges Deutsch übertragen, weshalb er in der obengenannten Art
formuliert wurde. Die Bedeutung lässt sich folgendermaßen verdeutlichen:
„Ebenso ließen jene Beigesellten, welche von den Götzendienern angebetet
wurden, diesen Götzendienern das Töten ihrer Kinder schön erscheinen.“
133 bzw.: „bis er das Wort Allahs vernimmt“ oder auch „vernehmen kann“.

161
Die Lehre des Monotheismus

Hiernach wäre es einigermaßen absurd zu behaupten, dass der „unwis-


sende Polytheist“ (al-mušriku l-ǧāhil) mit dem Wort „mušrikūn“ in diesem
Vers gar nicht erst gemeint wurde.
Hier könnte zwar eingewendet werden, dass zu jener Zeit die Offenba-
rung ja bereits verkündet wurde, diese Götzendiener davon also Kenntnis
besaßen. Das trifft zwar im Allgemeinen zu, jedoch wäre die Annahme,
dies würde auf jeden einzelnen Götzendiener der gesamten arabischen
Halbinsel zutreffen, absurd. Egal wie sehr Wissen oder Unwissenheit über
die Religion in einer Zeit verbreitet sind oder nicht, aber diese Umstände
können niemals als Grundannahme für jedes einzelne Individuum gelten.
Es mag also durchaus sein, dass viele Götzendiener der beschriebenen
Zeit den Kern der Botschaft des Islam bereits verstanden hatten, aber
noch nicht zum Islam konvertiert waren – was im Sprachgebrauch des
Koran auch mehrfach als eine Form der Unwissenheit bezeichnet wird.
Dennoch ist mit dem Ausdruck in diesem Koran-Vers auch jeder Polythe-
ist gemeint, der die Kernaussage der prophetischen Botschaft nicht oder
nicht richtig kannte. Jede gegensätzliche Behauptung müsste durch einen
klaren textuellen Beweis belegt werden.
In einem weiteren Vers des Koran heißt es:

ْ َ ُ َّ َ َّ َ َ َ ُ َ ‫ْي‬ َ َّ ‫﴿فَإ َذا َركبُوا ِف الْ ُفلْك َد َع ُوا‬


َ ‫اَّلل ُُمْلص‬
‫ْناه ْم إِل ال ََب‬ ‫َل ادلين فلما‬ ِ ِ ِ ِ ِ ِ
َ ُ ْ ُ ْ ُ َ
﴾‫ْشكون‬ ِ ‫ِإذا هم ي‬
Und als sie das Schiff befuhren, riefen sie Allah an, ihre Religion
Ihm gegenüber rein haltend134, und nachdem Er sie auf das Land
gerettet hatte, da betreiben sie plötzlich (wieder) širk.
[Sure al-ʿAnkabūt, 29:65]

134 Also: Sie richteten Bittgebete an Allah und wandten sich nur an Ihn, mach-

ten dabei also keinen širk. Es wird im Arabischen wieder das Wort muḫliṣīn
verwendet, das – wie zuvor schon mehrfach ausgeführt – aussagt, dass man
seine Religion, Riten und gottesdienstlichen Handlungen vom Polytheismus
reinigt.

162
Die Lehre des Monotheismus

Auch dieser Koran-Vers ist von äußerster Deutlichkeit. Hier wird zudem
nicht der ismu l-fāʿil (Partizip aktiv) „mušrikūn“ verwendet, sondern das
Verb „yušrikūn“. Es kann also keinen Zweifel geben, dass es sich hierbei
in jedem Fall um Leute handelt, die širk praktizieren, da hier ausdrücklich
die Tat selbst genannt wurde.
Auch an folgender Stelle wird dieser Sachverhalt wiederum augenschein-
lich:

ْ ً ُ َّ ُ ُ َ َُ َ ْ َ‫﴿أَ ْو َت ُقولُوا إ َّن َما أ‬


‫ِش َك آبَاؤنا ِم ْن قبْل َوكنا ذر َّية ِم ْن َبع ِد ِه ْم‬ ِ
َ ُ ْ ُْ َ َ َ َ َ ُ ََُْ
﴾‫أفته ِلكنا بِما فعل المب ِطلون‬
Oder ihr sagt: Nur unsere Ahnen haben vorher širk betrieben und
wir waren Nachkommenschaft nach ihnen! Willst Du uns etwa zu-
grunde richten für das, was diejenigen getan haben, die Nichtiges
tun? [Sure al-Aʿrāf, 7:173]

In diesem und den folgenden beiden Versen ist erwähnt, dass die darin
genannten Vorfahren den širk praktizierten. Dabei wird wieder das Verb,
in diesem Fall in der Vergangenheitsform ašraka, verwendet.
Kein Zweifel also, dass diese Leute aufgrund ihrer polytheistischen Hand-
lungen mušrikūn waren. Wären jene Vorfahren keine mušrikūn gewesen,
würde die beschriebene Argumentation der im Vers erwähnten Nachfah-
ren und somit der ganze Vers seinen Sinn verlieren.
Wer auch immer den Polytheismus praktiziert, ist demgemäß ein mušrik,
ungeachtet seines Wissensstandes über die Inhalte der prophetischen
Botschaft.
Dasselbe ist über die beiden folgenden Verse zu sagen:

َّ ُ َ ُُ ْ َ َ َّ َ َْ َ َ َْ ُ َ ََ
‫﴿فَل تك ِِف ِم ْر َي ٍة ِم َّما يعبُ ُد ه ُؤَل ِء َما يعبُ ُدون ِإَل ك َما يعبُ ُد آبَاؤه ْم ِم ْن قبْل َوإِنا‬
ُ ْ َ ْ َ ْ ُ َ َ ْ ُ ُّ َ ُ َ
﴾‫ْي َمنقوص‬ ‫لموفوهم ن ِصيبهم غ‬
So sei nicht im Zweifel über das, dem diese dienen. Sie dienen nur,
wie ihre Väter zuvor gedient haben. Und Wir werden ihnen ihren
Anteil fürwahr unvermindert zukommen lassen. [Sure Hūd, 11:109]

163
Die Lehre des Monotheismus

In der folgenden Passage spricht der Prophet Yūsuf/Josef, nachdem er zu


Unrecht in Gefangenschaft geriet, seine zwei Mitgefangenen mit den fol-
genden Worten an:

َ َْ
‫( َما تعبُ ُدون‬39) ‫ار‬ ُ َّ ِ‫ْي أَم‬
ُ ‫اَّلل ال ْ َواح ُد الْ َق َّه‬ َ ُ َ َ ُ ٌ َ ْ ََ ْ
ٌ ْ ‫ون َخ‬ ‫اح َ ِب السج ِن أأرباب متفرق‬ َ َ
ِ ِ ‫﴿يا ص‬
ْ ْ
‫ان إِ ِن اْلُك ُم‬ َ ْ ُ ْ َ ُ َّ َ َ ْ َ َ ْ ُ ُ َ َ ْ ُ ْ َ َ ُ ُ ْ َّ َ ً َ ْ َ َّ ُ ْ
ٍ ‫ِمن دونِ ِه إَِل أسماء سميتموها أنتم وآباؤكم ما أنزل اَّلل بِها ِمن سلط‬
َ ََْ َ
﴾‫اس َل يعل ُمون‬ َّ ‫َث‬
ِ ‫انل‬ َ َ ‫ين الْ َقي ُم َولَك َّن أَ ْك‬ َ َ ُ َّ َّ ُ ُ ْ َ َّ َ َ َ َ َّ َّ
ُ ‫ك ادل‬ ِ ‫َّلل أمر أَل تعبدوا إَِل إِياه ذل‬
ِ ِ ِ ‫ِإَل‬
Oh ihr beiden Kerkergenossen! Sind verschiedene (angebetete)
Herren besser, oder Allah, der Eine, Der Allbezwingende?! (39)
Ihr dient135 anstelle von Ihm eigentlich nichts außer Namen, die ihr
und eure Ahnen vergaben, für die Allah niemals eine Ermächti-
gung herabsandte. Die Entscheidung136 liegt doch nur bei Allah.
Er hat geboten, dass ihr nichts dient außer Ihm. Dies ist die gerad-
linige Religion; doch die meisten Menschen wissen es nicht.
[Sure Yūsuf, 12:39-40]

135 Bzw. betet an


136Im Arabischen: „ḥukm“. Also die Regentschaft, das Regieren, der Be-
schluss, das Urteilen und Entscheiden. Das Wort umfasst all diese Bedeutun-
gen, da sich das Recht Allahs zu Regieren und zu Urteilen gemäß islamischem
Verständnis nicht nur auf das Jenseits beschränkt.
Es ist zu beachten, dass dieser Ausdruck hier sprachlich gesehen von dersel-
ben Art und Stärke ist, wie das arabische Glaubensbekenntnis, da in beiden
die Ausnahmepartikel illā verwendet wird. Die šahādah bedeutet also „Keine
ʿibādah, außer für Allah“, und der Ausdruck hier lautet „Kein ḥukm, außer für
Allah“.
Die ḫawāriǧ übertrieben in Bezug auf diesen Koran-Vers und verwendeten
ihn, um Muslime auf Grund von großen Sünden aus dem Islam auszuschlie-
ßen. Demgegenüber versuchen viele Leute heute, diesen Vers in ein anderes
Extrem zu ziehen und über seinen offensichtlichen Wortlaut hinwegzutäu-
schen, um Konsequenzen von diversen tyrannischen Regenten abzuwenden.
Eine genauere Aufarbeitung dieser Thematik erfordert jedoch eine geson-
derte Arbeit.

164
Die Lehre des Monotheismus

Fehlerhafte Methoden der Beweisfindung


Nach den bisher angeführten islamischen Quelltexten und Gelehrtenaus-
sagen müsste jedem Betrachter eigentlich völlig klar sein, was der ur-
sprüngliche Kerninhalt des Islam ist und dass Polytheismus – in welcher
Form auch immer – den Islam einer Person unmöglich macht.
Diese gesamte Thematik ist natürlich nicht rein theoretisch und hat defi-
nitiv einen Bezug zur Realität. Es gibt heute in allen Teilen der Welt durch-
aus Menschen, die sich zum Islam bekennen, aber die Toten anrufen, sie
um irgendwelche Dinge bitten oder von ihnen Hilfe in der Not erflehen.
Dies geht soweit, dass teilweise eigene Pilgerfahrten mit dazugehörigen
Riten erfunden wurden, welche heute z. B. in Ländern wie Ägypten jähr-
lich von Millionen Menschen zelebriert werden. Dabei handelt es sich im
Konsens der frühen muslimischen Gelehrten um Polytheismus in der An-
betung, welcher das Glaubensbekenntnis eines Menschen mit Sicherheit
unwirksam macht.
Dies ist lediglich ein Beispiel der heute verbreiteten Formen des Polythe-
ismus, auf die von diversen Autoren zu diesem Thema auch hingewiesen
wird. Es könnten hier sicherlich weitere Beispiele angeführt werden. Wie
zuvor aber schon angemerkt wurde, ist es nicht das vorrangige Ziel dieses
Buches, den Polytheismus und seine Formen im Detail und umfassend
abzuhandeln. Eine solche Abhandlung würde eine eigene Arbeit zu die-
sem Thema erfordern und wäre ebenfalls von großer Wichtigkeit – auch
wenn das hier besprochene Thema zunächst Priorität genießt, da das
eine auf dem anderen aufbaut.
Auch ohne den Polytheismus umfassend erforscht zu haben, muss jedoch
soweit klar sein, dass es in der heutigen Realität und auch schon seit vie-
len Jahrhunderten in der islamischen Welt mehr oder weniger verbrei-
tete Formen des Polytheismus gibt. Ebenso ist auch ohne weitere Ana-
lyse, durch klare Passagen des Koran und die konsensualen Aussagen der
salaf, ziemlich deutlich, dass gewisse Handlungen und Aussagen zweifels-
ohne als großer širk einzuordnen sind.
Bei Vorhandensein solcher Taten und Aussagen können entsprechende
Personen nicht als Muslime beurteilt werden, auch wenn sich diese dem
Islam zuzählen.

165
Die Lehre des Monotheismus

Dieses theologische Faktum ist für manche Menschen heute schwer an-
nehmbar, verändert es doch ihr Weltbild und ihre Vorstellung von der
eigenen Religion in mehrerlei Hinsicht. Schließlich können es die eigenen
Verwandten und Vorfahren sein, die gemäß diesem Verständnis nicht als
Muslime bezeichnet werden können.
Diese unangenehme Situation veranlasste manche Menschen, irgend-
welche Erklärungen zu finden, um die authentische Aussage der islami-
schen Quelltexte zu entkräften – bei der Vielzahl und Deutlichkeit dieser
Quelltexte ein aussichtsloses Unterfangen.
Ein großes Problem hierbei ist die grundlegend fehlerhafte Herangehens-
weise an die islamischen Quellen. So findet man viele Menschen, die sich
mit mehrdeutigen oder auch klar fehlerhaften Aussagen späterer Gelehr-
ter begnügen wollen, um mit ihrer – oft nur scheinbaren – Bedeutung die
Kernaussage des islamischen Monotheismus zu entkräften.
Andere wiederum klammern sich bewusst an mehrdeutige Aussagen,
seien diese auch vom Koran selbst, um den ihnen unangenehmen Er-
kenntnissen zu begegnen.
Aus diesem Grund soll im Folgenden auf derartige Fehler in der Vorge-
hensweise kurzgefasst eingegangen werden.

Das Befolgen mehrdeutiger Offenbarungstexte und


Gelehrtenaussagen
Wie schon angesprochen wurde, besteht ein Grundproblem vieler Men-
schen in der fehlerhaften Auslegung mehrdeutiger Texte (mutašābihāt,
Sg. mutašābih). Bei einer solchen Auslegung gerät der mehrdeutige Text
unweigerlich mit anderen eindeutigen Stellen der Offenbarung (muḥka-
māt, Sg. muḥkam) in Konflikt.
Interessanterweise wird diese Tatsache im Koran selbst explizit angespro-
chen. So wird im siebten Vers der Sure Āli ʿImrān deutlich ausgesagt, dass
der Koran über muḥkamāt und mutašābihāt verfügt, also über eindeutige
und über mehrdeutige Verse.

166
Die Lehre des Monotheismus

ٌ َ َ َ ُ ٌ َ َ ْ ُ ٌ َ ُ ْ َ َ ْ َ ْ َ َ َ َ ْ َ َّ َ ُ
َ‫ات ُه َّن أُ ُّم الْكت‬
‫اب َوأخ ُر ُمتشابِ َهات‬ ِ ِ ‫كتاب ِمنه آيات ُمكم‬ِ ‫اَّلي أنزل عليك ال‬ ِ ‫﴿هو‬
ْ َ َ ْ َ ْ ْ َ ْ ُ ْ َ َ َ َ َ َ ُ َّ َ َ ٌ ْ َ ْ ُ ُ َّ َّ َ‫فَأ‬
َ ‫اء ال ِفتن ِة َواب ِتغ‬
﴾‫اء تأ ِوي ِل ِه‬ َ ‫اَّلي َن ِف قلوبهم زيغ فيتبعون ما تشابه ِمنه اب ِتغ‬
ِ ‫ا‬ ‫م‬
ِ ِِ ِ
Er ist Derjenige, Der auf dich die Schrift hinabgesandt hat, in der
eindeutige Verse (āyāt muḥkamāt) sind – sie sind der Kern des Bu-
ches137 – und andere mehrdeutige (mutašābihāt). Was jene betrifft,
in deren Herzen Abweichung ist, so folgen sie dem, was darin
mehrdeutig ist138, im Streben nach Irreführung (fitnah) und in
Bestrebung nach (irriger) Auslegung. [Sure Āli ʿImrān, 3:7]

Das Wort muḥkam bedeutet im Arabischen „fest gegründet“, mutašābih


hingegen bedeutet „sich ähnelnd“, womit hier „undeutlich bzw. unklar in
der betreffenden Angelegenheit und für die jeweilige Person“ gemeint
ist.
Die Araber verstanden und benutzten das Wort mutašābih in dieser
Weise, weil sich ähnelnde Dinge schwer zu trennen sind, weshalb es
leicht zur Verwechslung kommen kann. Hat jemand aber das entspre-
chende Wissen, kann er genau unter den Dingen unterscheiden.
Aus diesem Grund wird von den Gelehrten stets darauf hingewiesen, dass
eine solche Unklarheit nicht immer und für jeden besteht. Je mehr Wis-
sen und Verständnis einem Menschen gegeben werden, umso mehr wan-
deln sich für ihn die mutašābihāt in muḥkamāt um – vor allem auch des-
halb, weil er lernt, die mehrdeutigen Texte korrekt auszulegen, wie im
Folgenden genauer erläutert wird.
Wenn ein Text der Offenbarung nun mehr als eine mögliche Bedeutung
hat (mutašābih), so muss man ihn gemäß den eindeutigen Texten
(muḥkam) und in Übereinstimmung mit diesen auslegen.

137 Im Arabischen „ummu l-kitāb“, was wörtlich „Mutter“, oder eher „Quelle/

Grundlage des Buches“ bedeutet.


138Wörtliche Übersetzung eher: „sich ähnelnd“. Es wird wiederum das Wort
tašābaha verwendet, welches derselben Wortwurzel entstammt, wie das zu-
vor beschriebene Wort mutašābih.

167
Die Lehre des Monotheismus

Deshalb werden diese muḥkamāt, also die festgegründeten und eindeu-


tigen Verse, auch als „ummu l-kitāb“ bezeichnet. Wörtlich übersetzt be-
deutet das arabische Wort umm „Mutter“ oder „Quelle“ bzw. „Ursache“
oder „Ursprung“ im weiteren Sinne.
Dieser Zusammenhang kommt in der arabischen Sprache daher, dass
jede Sache immer auf ihren Ursprung zurückzuführen ist, wie auch das
Kind auf die Mutter zurückgeht. Aus diesem Grunde formulierten die Ge-
lehrten die Regel: „Die mutašābihāt müssen zu den muḥkamāt zurückge-
führt werden.“
Sodann werden im selben Vers diejenigen beschrieben, die Abweichung
in ihren Herzen tragen. Es handelt sich um jene Menschen, die solche
mehrdeutigen Stellen bewusst und mit schlechter Absicht im Wider-
spruch zu den vielen eindeutigen Stellen auslegen.
Al-Buḫārī überliefert in seinem Ṣaḥīḥ-Werk von der Frau des Propheten
ʿĀʾišah , dass der Prophet  diesen Vers las und daraufhin zu ihr sagte:
ُ َ ْ َ ُ َّ َّ َ َ َّ َ ُ َ ُ ْ َ َ َ َ َ َ ُ َّ َ َ َّ ْ َ َ َ َ
‫اَّلل فاحذ ُروه ْم‬ ‫اَّلين سّم‬
ِ ‫وَل ِك‬
ِ ‫ين يت ِبعون ما تشابه ِمنه فأ‬ ‫اَّل‬
ِ ‫ت‬ ِ ‫ف ِإذا رأي‬
Wenn du diejenigen siehst, die dem folgen, was davon mutašābih
ist, so handelt es sich bei ihnen um jene, die Allah genannt hat, also
hütet euch vor ihnen.

In einer weiteren Überlieferung dieses ḥadīṯ bei Muslim findet sich der-
selbe Wortlaut, wobei die Ansprache aber im Plural gehalten ist:
َّ ْ َ َ
ِ ‫إِذا َرأيتم‬
َ ‫اَّل‬
... ‫ين‬
Wenn ihr diejenigen seht…

Der Prophet  warnte demgemäß seine Frau und seine gesamte Gemein-
schaft vor jenen, die den mehrdeutigen Texten folgen. Die Anweisung,
sich vor diesen Leuten zu hüten, ist offensichtlich an alle Muslime gerich-
tet, weshalb die Ansprache in der zweitgenannten Überlieferung auch im
Plural formuliert wurde.
Des Weiteren wurde im Zusammenhang mit dem zuvor genannten Vers
der Sure Āli ʿImrān eine Begebenheit überliefert, an der sich der gesamte
Sachverhalt sehr gut veranschaulichen lässt.

168
Die Lehre des Monotheismus

Ibnu Hišām erwähnt in seiner bekannten Prophetenbiografie/sīrah Fol-


gendes über eine Delegation der Christen von Naǧrān:
َ ُ ُ َ َ َْ َ َ َ ْ َ ّ ْ َ َ ََ ُ َ ُّ ْ َْ َ ّ ََْ َ
‫ فيَقولون‬. ‫ َوق َضيْنَا‬، ‫ َوخلقنَا‬، ‫ َوأ َم ْرنا‬، ‫اَّلل ف َعلنَا‬
ِ ‫وَيتجون ِِف قول ِ ِهم (إنه ثا ِلث ثَلث ٍة) بِقو ِل‬
َ ُ ُّ َ
.‫كنه ه َو َو ِعيَس َو َم ْر َي ُم‬
َ ْ َ َ ََْ ْ َ َ ُ ْ َ َ ّ َ َ َ ً ‫ل َ ْو ََك َن َو‬
ِ ‫ َوخلقت ؛ ول‬، ‫ َوأمرت‬، ‫احدا ما قال إَل فعلت َوقضيت‬ ِ
… Und sie argumentierten für ihre Behauptung „Allah sei der Dritte
von Dreien“ mit den Worten Allahs (im Koran): „Wir machten“,
„Wir befahlen“, „Wir erschufen“, „Wir entschieden“.
Sie meinten (damit): „Wenn Er einer wäre, hätte Er bei allem nur
‚Ich‘ gesagt, aber es handelt sich um Ihn, ʿĪsā (Jesus) und Maryam
(Maria).“

Ibnu Hišām erklärt hier also, wie jene christlichen Abgesandten mit mehr-
deutigen Texten des Koran argumentierten. Gemäß ihrer Argumentation
spricht Allah  von Sich selbst im Plural, worin sie eine Bestätigung für
die Dreifaltigkeit erkennen wollten.
Tatsächlich kann das Wort „Wir“ in der arabischen Sprache jedoch zwei
Bedeutungen haben:
1) Jemand, der von einer Gruppe von Personen berichtet, der er selber
angehört – also eine tatsächliche Mehrzahl von Personen.
2) Der sogenannte Majestätsplural, bei dem eine einzelne Person von
sich selbst in der Mehrzahl spricht. Diese Form ist auch im Deutschen
geläufig und wurde bekanntermaßen z. B. für Monarchen verwendet.
Das Wort „Wir“ ist somit mutašābih, also mehrdeutig. Wie man hier auch
deutlich sieht, ist das Wort bei seiner Verwendung im Koran, selbst bei
Grundkenntnissen über den Islam, sicher nicht unklar, auch wenn es in
der Sprache an sich zwei unterschiedliche Bedeutungen trägt.

169
Die Lehre des Monotheismus

Der Leser des Koran ist verpflichtet, das Mehrdeutige auf das Eindeutige
zurückzuführen139. Tut er dies nicht, wird dies sicher zu starken Wider-
sprüchen und völlig falschen Schlussfolgerungen führen.
In Bezug auf den oben erwähnten Fall des Wortes „Wir“ liest man im Ko-
ran z. B. in einem Vers, den so ziemlich jeder Muslim kennen dürfte:

ٌ َ ُ َّ َ ُ ْ ُ
﴾‫اَّلل أ َحد‬ ‫﴿ق ل ه و‬
Sag: Er ist Allah, ein Einziger. [Sure al-Iḫlāṣ, 112:1]

Des Weiteren gibt es unzählige Stellen im Koran, die diesen Inhalt unzwei-
felhaft und explizit ausdrücken. Das Problem jener christlichen Abgesand-
ten lag nicht daran, dass sie überhaupt keine Kenntnis über diese Stellen
besaßen. Es ist auszuschließen, dass sie noch nie von der Ablehnung der
Dreifaltigkeit im Koran gehört hatten und ihnen darüber hinaus auch kein
einziger Text im Rahmen der Diskussionen über den Islam mitgeteilt
wurde.
Spätestens in den von Ibnu Hišām beschriebenen Gesprächen hätten sie,
ob der Klarheit des Sachverhalts, sofort einlenken müssen. Jedoch hielten
sie in irrationaler Weise an ihrer falschen Auslegung fest, um die eigene
Argumentation nicht aufgeben zu müssen. Genau diese Vorgehensweise
legten auch viele Sekten der frühislamischen Geschichte an den Tag.

139 Eigentlich handelt es sich bei diesem Vorgehen um eine Selbstverständ-


lichkeit – auch in Bezug auf schriftliche Werke von Autoren ganz allgemein.
In jedem verfassten Text gibt es Aussagen, die potentiell aus dem Kontext
gerissen oder missverstanden werden können. Es ist eigentlich eine Banali-
tät, dass solche Stellen immer im Kontext aller anderen Aussagen des jewei-
ligen Autors verstanden werden müssen.
Eine wissenschaftliche Vorgehensweise und ein ehrlicher Umgang mit Tex-
ten wären anders gar nicht denkbar. Das Problem ist vielmehr, dass viele
Leute plötzlich beginnen diesen Grundlagen bewusst oder unbewusst zuwi-
derzuhandeln, wenn die eigentliche Aussage eines Textes für sie unange-
nehme Konsequenzen hat.

170
Die Lehre des Monotheismus

Ebenso sieht man diese falsche Methodik bei der in diesem Buch disku-
tierten Frage, ob ein Mensch trotz Polytheismus als Muslim bezeichnet
werden könne. Die eindeutigen und zahlreichen islamischen Texte dazu
verneinen dies ausdrücklich.
Bei der muslimischen Gelehrsamkeit gilt es seit jeher als theologisches
Grundprinzip, dass man mehrdeutige Stellen nie gegensätzlich zu den fes-
ten und unumstößlichen Grundsätzen der Religion, den sog. kulliyyāt aus-
legen darf. Wie sollte es sich dann beim Fundament verhalten, auf dem
die gesamte Religion aufgebaut ist und um welches sich all ihre weiteren
Gesetze und Angelegenheiten drehen?
Wer jedoch irgendwelche vereinzelten Texte unbedingt isoliert betrach-
ten und aus dem Kontext reißen will, der wird dazu – ebenso wie jene
christlichen Abgesandten oder diverse frühislamische Sekten – immer
eine Möglichkeit finden.
Unter den tausenden Überlieferungen vom Propheten  findet man na-
türlich nicht selten mehrdeutige Texte, die sich hierfür missbrauchen las-
sen.
Die frühen Gelehrten der Muslime waren sich voll über die Grundlage des
Islam und seine grundlegenden Prinzipien (kulliyyāt) im Klaren. Aus die-
sem Grund war es für sie selbstverständlich, dass solche Texte in jedem
Fall im Einklang mit dem Koran und der Sunnah ausgelegt werden müs-
sen. Wenn ein solcher mehrdeutiger Text eine für sie unklare Aussage
hatte, versuchten die muslimischen Gelehrten diesen auf verschiedenste
Art und Weise auszulegen, jedoch bewusst nicht auf die eine Art, die mit
dem Glaubensfundament in Konflikt gerät. Die verschiedenen überliefer-
ten Auslegungsmöglichkeiten zu einigen solchen Texten zeigen dieses Be-
streben der islamischen Gelehrsamkeit ausgesprochen deutlich.
Je mehr die Zeit jedoch voranschritt und je größer die Unwissenheit über
die ursprünglichen Texte wurde, umso öfter kam es bei den Anhängern
des Islam auch zu Unklarheiten über das Fundament und die grundlegen-
den Prinzipien. Aus diesem Grund tun sich viele Menschen heute schwer,
solche mehrdeutigen Texte in der richtigen Art und Weise auszulegen. Es
ist schwer möglich, derartige Texte im Einklang mit den islamischen
Grundprinzipien auszulegen, wenn man die Grundprinzipien an sich nicht
richtig verstanden hat.

171
Die Lehre des Monotheismus

In der heutigen Zeit entwickelte sich dieser Zustand schließlich so weit,


dass auch studierte Menschen einzelne ḥadīṯe vorbringen, um die Irrmei-
nung zu stützen, ein unwissender Polytheist könne durchaus ein Muslim
sein. Solche Leute setzen dabei tausende eindeutige Texte der šarīʿah au-
ßer Kraft, suggerieren der Allgemeinheit aber gleichzeitig, es würde sich
dabei um legitimen iǧtihād, also eine legitime Rechtsableitung bzw.
Rechtsfindung handeln.
Dies, wobei es solche legitimen Rechtsableitungen von Grund auf nur in
den Angelegenheiten geben kann, für die gar kein eindeutiger Text exis-
tiert! Gerade deshalb gab es in den tatsächlichen Angelegenheiten des
legitimen iǧtihād eigentlich immer unterschiedliche Ergebnisse, welche
zu Meinungsunterschieden zwischen den Gelehrten in der Rechtslehre
führten. Im Gegensatz zu Meinungsunterschieden über die konsensuale
Glaubenslehre handelt es sich bei solchen Unterschieden im iǧtihād nicht
um verpönte und abzulehnende Meinungsverschiedenheiten.
Deshalb formulierten die Gelehrten auch die deutliche Regel:
َ
ّ ‫اجتهاد مع‬
‫انلص‬ ‫َل‬
Es gibt keinen iǧtihād bei Vorhandensein eines eindeutigen Tex-
tes140.

Merkwürdig ist, dass manche Personen, die heute als Gelehrte angese-
hen werden, ebendiese Regel bei deutlichen Grundfragen der Glaubens-
lehre außer Kraft setzen, während sie dieselbe Regel bei untergeordne-
ten Fragen der ḥadīṯ-Wissenschaften und des islamischen Rechts lehren
und ihre Umsetzung vehement einfordern – ein überaus klarer Wider-
spruch.
Viele nichtstudierte Menschen wiederum nehmen solche Scheinargu-
mente dankend an. Bei den meisten davon scheint es ziemlich gleichgül-
tig zu sein, wie absurd eine Aussage ist, solange sie von einem ihrer an-
gesehenen Großgelehrten kommt. Die Möglichkeit des Fehlers wird bei
Personen mit einer solchen Denkweise in Bezug auf solche Gelehrte im

140Im Arabischen bei der Gelehrsamkeit oft als „naṣṣ bzw. an-naṣṣ“ bezeich-
net.

172
Die Lehre des Monotheismus

Grunde völlig ausgeschlossen. Daraus entsteht ein Personenkult, der im


Islam sicher keinen Platz haben dürfte, da der Muslim verpflichtet ist, sich
an den klaren Text zu halten und es ihm sicher nicht erlaubt ist, eine Ge-
lehrtenaussage diesem klaren Text vorzuziehen.
Um den praktischen Bezug dieser Problematik zu verdeutlichen, sollen im
Folgenden einige mehrdeutige Texte und Behauptungen im Sinne des
Beispiels angeführt werden, von dem sich leicht auf weitere Beispiele
schließen lässt. Das Ziel ist dabei ausdrücklich nicht, alle mehrdeutigen
Texte und jedes erdenkliche Scheinargument anzuführen und zu bespre-
chen. Dies wäre ohnehin nicht möglich, da sich in den zahlreichen Über-
lieferungen wie gesagt immer wieder Texte finden lassen, die aus dem
Kontext gerissen werden können.

Gelehrtenaussagen an sich sind kein eigenständiger Beweis


Wie zuvor bei der Erklärung der falschen Methode gezeigt wurde, ist es
unzulässig, eindeutige Aussagen des Koran mit mehrdeutigen Aussagen
desselben auszulegen.
Ein noch schlimmerer Verstoß gegen die oben beschriebene Regel ist es
jedoch, mehrdeutige Gelehrten-Aussagen im Widerspruch zu deutlichen
Texten des Koran oder – was noch um einiges absurder ist – zu Grund-
prinzipien des Islam auszulegen.
Die Gelehrten-Aussagen können für sich selbst genommen niemals ein
eigenständiger islamischer Beweis sein. Damit ist gemeint, dass nach is-
lamischer Lehre kein Gelehrter nach dem Propheten  die Befugnis
hätte, von sich aus einen völlig neuen Inhalt über die Religion zu verkün-
den und bindend zu machen. Dies, weil niemand nach dem Propheten 
direkte Offenbarung erhält.
Durchaus möglich ist aber, dass die Aussagen der salaf, also der Gelehr-
ten aus der Frühzeit des Islam, eine gewisse Beweiskraft in Glaubens-
oder Rechtsfragen innehaben, da diese Aussagen ursprünglich natürlich
an einen Beweis aus dem Koran oder der Sunnah angelehnt sind. Hierauf
wurde in diesem Buch schon eingangs hingewiesen. Im Besonderen ist
hierbei der ausdrücklich überlieferte Konsens der salaf zu erwähnen oder

173
Die Lehre des Monotheismus

ihre gemeinschaftliche Billigung einer unter ihnen bekannt gewordenen


Aussage eines Gelehrten141.
Dies hat jedoch nichts zu tun mit der blinden Befolgung späterer (al-
mutaʾaḫḫirūn) oder zeitgenössischer Gelehrter (al-muʿāṣirūn), mit der
bloßen Begründung, diese Leute würden eine so hohe Stellung genießen
und so hervorragend sein, dass jede Kritik ihrer Aussagen von vornherein
abzulehnen wäre. Wie zuvor schon erwähnt, dürfte derartiges nicht ein-
mal über die frühesten und namhaftesten Gelehrten der Muslime gesagt
werden, da diese in ihren individuellen Meinungen und Rechtsansichten
ebenso nicht vom Fehler bewahrt waren. Umso abwegiger also, einen
späteren oder gar heutigen Gelehrten theoretisch oder praktisch auf die
Stufe der Unfehlbarkeit zu heben.
Tatsächlich handelt es sich bei dem hier erklärten Sachverhalt um eine
völlige Selbstverständlichkeit im Islam. Deshalb bekräftigten die Gelehr-
ten seit der Frühzeit des Islam diesen Umstand. So wird von bekannten
Gelehrten wie Mālik142, aš-Šāfiʿī143, Aḥmad und vielen anderen  häu-
fig überliefert, dass sie den Leuten untersagten, ihren Aussagen zu folgen,
wenn ein klarer Widerspruch zu einem Text aus dem Koran oder der Sun-
nah vorliegt.

141In den islamischen Wissenschaften als stiller Konsens (al-iǧmāʿu s-sukūtī)


bezeichnet.
142Mālik ibnu Anas (93-179 n. H./712-796 n. Chr.) war jener bekannte Ge-
lehrte, nach dessen Lehre sich in weiterer Folge die mālikitische Rechtsschule
entwickelte. Mālik erreichte ein Alter von etwa 84 Jahren.
Sein bis heute vorhandenes Werk al-Muwaṭṭaʾ gilt als eines der frühesten
Werke der ḥadīṯ-Überlieferung und hat eine entsprechend große Bedeutung
in der ḥadīṯ-Wissenschaft. Mālik war also nicht nur ein bedeutender Rechts-
gelehrter, sondern leistete auch Bedeutendes im Bereich der ḥadīṯ-Überlie-
ferung.
143 Muḥammad ibnu Idrīs aš-Šāfiʿī (150-204 n. H./767-820 n. Chr.) gilt eben-
falls als einer der bedeutendsten Gelehrten der Muslime und der islamischen
Frühzeit. Aš-Šāfiʿī war nicht nur ein namhafter Rechtsgelehrter, sondern auch
ein Gelehrter des ḥadīṯ. Nach seiner Lehre entwickelte sich in weiterer Folge
die šāfiʿītische Rechtsschule.

174
Die Lehre des Monotheismus

Beispiele für fehlerhafte Argumentationen mit


Quelltexten oder Gelehrtenaussagen
Der ḥadīṯ über ḏātu anwāṭ
At-Tirmiḏī berichtet folgenden ḥadīṯ von Abū Wāqid al-Laiṯī:
َ ُ ُ َ ْ َ ُ َ َ َ ُ َ ُ َ ْ ُ ْ َ َ َ َّ َ ْ َ ُ َ َ َ َ َّ َ َّ َ ُ َ َّ َ
‫اط ي َعلقون‬ ٍ ‫ْش ِكْي يقال لها ذات أنو‬ ِ َ ‫م‬ ‫ل‬ ِ ‫ل‬ ‫ة‬
ٍ ‫ر‬ ‫ج‬ ‫ش‬ِ ‫ب‬ ‫ر‬ ‫م‬ ‫ْي‬ٍ ‫ن‬‫ح‬ ‫ل‬ ِ ‫إ‬ ‫ج‬ ‫ر‬ ‫خ‬ ‫ا‬ ‫م‬ ‫ل‬  ‫اَّلل‬
ِ ‫أن رسول‬
َ َ َ ْ
َ ‫ات أن‬ َ َ
ُ ْ ُ َ َ َ ْ
َ ‫ات أن‬ َ َ َ ْ َّ َ َ ْ َ ُ َ
ُ ‫حتَ ُه ْم فقالوا يَا َر‬ َ َ ‫َعلَيْ َها أَ ْسل‬
‫ب‬ ُّ ‫انل‬ َّ ‫اط فقال‬ ٍ ‫و‬ ‫ذ‬ ‫م‬‫ه‬ ‫ل‬ ‫ا‬ ‫م‬ ‫ك‬ ‫اط‬ٍ ‫و‬ ‫ذ‬ ‫ا‬ ‫نل‬ ‫ل‬ ‫ع‬ ‫اج‬ ‫اَّلل‬ ‫ول‬ ‫س‬ ِ
ِ ِ
َ ْ َ َّ ٌ َ ْ ُ َ ًَ َ َ َ ْ َ ْ َ ُ ُْ َ َ َ َ َ َ َ َّ َ َ ْ ُ
ِ‫اَّلي نف ِس ِبي ِده‬ ِ ‫اَّلل هذا كما قال قوم موس اجعل نلَا ِإلها كما لهم آلِهة َو‬ ِ ‫ سبحان‬
َّ َ ٌ َ َ َ َ َ َ َ ُ َ َ َ َ َ َّ َّ ُ َ ْ َ َ
ُّ ْ‫يح َوأبُو َواقِ ٍد اللي‬
‫ث‬ ٌ ‫يث َح َس ٌن َصح‬
ِ ‫ب ُسنة َم ْن َكن قبْلك ْم قال أبُو ِعيَس هذا ح ِد‬ ‫لَتك‬
ِ َ َ
َ ُ ْ َ ْ
َ ‫ث ْب ُن َع ْو ٍف َوِف‬ ُ َ ُُ ْ ْ
‫يد َوأ ِِب ه َريْ َرة‬ َ
ٍ ‫اْلاب عن أ ِِب س ِع‬ ِ ‫ار‬
ِ ‫اسمه اْل‬
Als der Prophet  nach Ḥunain auszog, kam er bei einem Baum der
mušrikīn vorbei, der ḏātu anwāṭ genannt wurde und auf den sie
ihre Waffen hängten144. Da sagten sie145: „Oh Gesandter Allahs,
mach uns einen ḏātu anwāṭ, so wie sie einen ḏātu anwāṭ haben.“
Da sagte der Gesandte : „Subḥānaḷḷāh! Dies gleicht dem, was das
Volk von Mūsā sagte: ‚Mach uns einen ilāh (Anzubetenden) so wie
sie ālihah haben.‘146
Bei dem in dessen Hand meine Seele ist, ihr werdet den Weg derje-
nigen gehen, die vor euch waren.“
Abū ʿĪsā (at-Tirmiḏī) sagte: „Dieser ḥadīṯ ist ḥasan ṣaḥīḥ…“147

144Die mušrikūn machten dies im Glauben, ihre Schwerter würden dadurch


Segen erlangen.
145 Also jene Muslime, die mit dem Propheten nach Ḥunain auszogen. Es han-

delt sich dabei in erster Linie um Muslime, die erst vor sehr kurzer Zeit in den
Islam eingetreten waren. Dies, weil die meisten davon erst bei der friedlichen
Eroberung Mekkas zum Islam kamen, welche vor diesem Auszug stattfand.
146 Sure al-Aʿrāf, 7:138
147Bei dieser letztgenannten Feststellung handelt es sich um die Einschät-
zung dieses ḥadīṯ von at-Tirmiḏī, welcher diesen ḥadīṯ in seinem Werk über-
…--

175
Die Lehre des Monotheismus

Gemäß den vorangegangenen Erklärungen über die Grundlage des Islam


und die falsche Methode beim Verständnis mehrdeutiger Aussagen ist
auf jeden Fall klar, wie man diesen ḥadīṯ sicher nicht verstehen kann.
Es ist nicht denkbar, dass jene in dieser Geschichte erwähnten Prophe-
tengefährten  den Islam nicht verstanden und deshalb den klaren širk
verlangt hätten, sie aber zum selben Zeitpunkt trotzdem Muslime waren.
Nur jemand, der die Grundlage des Islam nicht richtig versteht oder ihr
mutwillig widersprechen will, wird so eine Behauptung aufstellen. Den-
noch wird dieser ḥadīṯ von Leuten manchmal als Gegenargument ange-
führt. Man will damit sagen: „Ein heutiger Polytheist kann durchaus ein
Muslim sein, denn es kam ja sogar unter den Prophetengefährten vor,
dass diese etwas anderes anbeteten, aber dennoch Muslime waren.“
Gemäß dieser Vorstellung könnte also im Grunde jeder Götzendiener als
Muslim bezeichnet werden, egal wie viel und welchen Polytheismus er
praktiziert. Das Wichtige dabei ist nur, dass er sich zum Islam zählt und
unwissend ist.
Von den früheren Gelehrten wird so eine absurde Behauptung über die-
sen ḥadīṯ natürlich keineswegs überliefert.

Jene Prophetengefährten verlangten eine Handlung, die nicht als


großer širk einzuordnen ist
Aufgrund des bisher schon Gesagten ist es eine Selbstverständlichkeit,
dass man diesen ḥadīṯ nur im Einklang mit den anderen Offenbarungstex-
ten, vor allem mit den Grundlagen des Islam auslegen darf.
Tatsächlich ist es sehr abwegig, zu behaupten, dass diese Prophetenge-
fährten  etwas verlangten, das als großer širk zu klassifizieren wäre. Es
ist durchaus möglich, ihre Bitte anders zu verstehen, und zwar als den
zuvor schon erklärten „kleinen širk“ (širkun aṣġar).
Da der ḥadīṯ durch diese Erklärung mit unzähligen anderen Quelltexten
und den Prinzipien des Islam in Einklang gebracht werden kann, wäre es
aus theologischer Sicht absurd, dieses Verständnis einfach zu verwerfen.

lieferte. Die Wörter ḥasan (gut) und ṣaḥīḥ (gesund) sind Fachbegriffe aus der
ḥadīṯ-Wissenschaft und beschreiben die Güte bzw. den Grad der Authentizi-
tät eines ḥadīṯ.

176
Die Lehre des Monotheismus

So etwas würde nur jemand machen, der es ganz bewusst darauf anlegt,
diesen ḥadīṯ im Gegensatz zur islamischen Glaubenslehre auszulegen.
In Wirklichkeit beabsichtigten jene Gefährten, dass der Prophet  seinen
Herrn darum bitten solle, einen Baum zu segnen – ähnlich dem Baum,
den sie selbst aus ihrer Zeit vor dem Islam kannten. Durch den Segen
Allahs sollten auch ihre Waffen gesegnet werden.
Dass Allah  nun einen speziellen Ort oder Gegenstand segnet, ist gemäß
der islamischen Lehre grundsätzlich nichts Abzulehnendes. Schließlich
gibt es bekannte Orte wie die Moscheen von Mekka, Medina und Jerusa-
lem, auf die genau das zutrifft – für Muslime ist dieser Umstand also
nichts Ungewöhnliches.

Warum der Prophet diese Bitte mit Nachdruck ablehnte


Auch wenn die Segnung an sich eine durchaus mögliche Sache ist, war
diese spezielle Bitte jener Prophetengefährten aus verschiedenen Grün-
den eine Verfehlung, weshalb sie vom Propheten  auch entsprechend
heftig abgelehnt wurde. Die Gründe dafür lassen sich wie folgt zusam-
menfassen:
1. Ihre Bitte war eine Nachahmung der Götzendiener und der theologi-
sche Grundsatz lautet, dass diese Nachahmung (im Arabischen at-
tašabbuhu bi-l-kāfirīn) verwerflich und deshalb abzulehnen ist.
2. Darüber hinaus handelte es sich hierbei um eine Nachahmung der
mušrikīn in ihren polytheistischen Handlungen. Auch wenn die
ṣaḥābah/Gefährten  nicht tatsächlich die Anbetung irgendwelcher
anderen Dinge anstrebten oder erbaten, so wollten sie den Segen von
Allah doch am selben Ort und auf dieselbe Art wie die Götzendiener.
Es war aber unangemessen, Allah darum zu bitten, Ihn in derselben
Art wie die Götzendiener anzubeten.
3. Durch die beschriebenen Umstände und die äußerliche Ähnlichkeit
der Taten bestand hierbei auch die Gefahr, dass dies in weiterer Folge
leicht zum großen širk (širkun akbar) führen könnte. Dies, weil die
Menschen – vor allem auch späterer Generationen – auf diese Art
sehr schnell in die Anbetung des Baumes selbst verfallen könnten. Die
sich daraus ergebende Situation erinnert stark an die zuvor schon

177
Die Lehre des Monotheismus

zitierte Schilderung des Prophetengefährten Ibnu ʿAbbās  darüber,


wie der erste Polytheismus im Volk von Nūḥ/Noah entstand.
Aus diesen Gründen lehnte der Prophet  diese Bitte vehement ab und
verglich sie mit der im Koran erwähnten Bitte der Israeliten gegenüber
Mūsā/Moses.

Dinge, die das Gesagte verdeutlichen und bekräftigen


Dass die im ḥadīṯ erwähnten ṣaḥābah  nicht den tatsächlichen Polythe-
ismus verlangten, lässt sich auch durch folgende Umstände verdeutli-
chen:
• Der Vergleich mit banu isrāʾīl bedeutet nicht die Gleichheit in jeder
Beziehung. Dies, weil der sprachliche Vergleich durch die Verwen-
dung der Partikel „kāf bzw. kāfu t-tašbīh“ in der arabischen Sprache
nicht zwingend bedeutet, dass sich die verglichenen Dinge in jeder
Hinsicht gleichen.
Die Ähnlichkeit kann sich bei diesem Stil lediglich auf einige Gesichts-
punkte beziehen. Der Sinn dieses teilweisen Vergleiches des Prophe-
ten  war es, jenen neu zum Islam konvertierten Gefährten das Aus-
maß ihres Fehlers aufzuzeigen und von der Tat abzuschrecken.
• Bei der im ḥadīṯ erwähnten Ursache des Verbots findet man keinerlei
Erwähnung des širk akbar. Wie bereits beschrieben, wollten die Mus-
lime in Nachahmung der mušrikīn dort zwar ihre Waffen aufhängen,
doch das bloße Aufhängen ist noch keine Anbetung des Baumes oder
irgendwelcher Götzen oder sonstiger Wesen – auch wenn es in wei-
terer Folge dazu führen könnte.
Man kann also nicht behaupten, dass jene ṣaḥābah den Baum anbe-
ten wollten, wobei man ihre Bitte auch anders verstehen kann und
der širk akbar im ḥadīṯ keine Erwähnung findet.
• Selbst wenn diese ṣaḥābah  neu im Islam waren, ist es äußerst un-
wahrscheinlich, dass sie das Fundament des Islam und die Bedeutung
des Glaubensbekenntnisses nicht kannten.
Schließlich war zu jener Zeit selbst den mušrikīn im Allgemeinen völlig
klar, zu was Muḥammad  sie aufrief. Sie wussten sehr genau, dass
die šahādah des Islam „Es gibt keinen Anbetungswürdigen außer

178
Die Lehre des Monotheismus

Allah“, mit Sicherheit erfordert, alles, was neben Allah angebetet


wird, völlig zu verleugnen. Die Götzendiener von Quraiš feindeten
den Propheten  gerade deshalb an, weil er sie für ihre Anbetung
Anderer neben Allah tadelte.
Der Großteil der Araber kannte also sicherlich die Bedeutung des Is-
lam nach dem Bekanntwerden der daʿwah (Aufruf, Einladung) des
Propheten . Im Musnad von Imām Aḥmad wird hierzu beispiels-
weise überliefert, dass der Prophetengefährte Ǧābir  sagte:
َ َْ َ َّ َ َ َ ُ ْ ََ َ َّ ُ َ ْ َ َ َ َ َ َ َّ َ َّ ُ ُ َ َ َ َ
ِ ‫ازل ِ ِهم بِعَك ٍظ َوَمنة َو ِف المو‬
‫اس ِم‬ ِ ‫ بِمكة عْش ِس ِنْي يت ُبع انلاس ِف من‬ ‫اَّلل‬ ِ ‫مكث رسول‬
ْ َ َ َّ َّ َّ َ ُ َّ َ ْ ُ َ َ َ َ َ َ َ َ َّ َ ُ ُ ْ َ ْ َ ُْ ُ َُ
‫الر ُجل ِلَخ ُر ُج‬ ‫يىن من ينْص ِن حَّت أبلغ ِرسالة رَب وَل اْلنة حَّت إِن‬ ِ ‫ َم ْن يئ ِو‬:‫بِ ِم ًىن يقول‬
َ َْ َ ْ ُ َ ُ ْ َ ْ َ ُ َُ َ ُ ُ ْ َ َْ َ َ َ َ َ َ َ ُ ْ ْ َ َ َْ َ
‫َلم ق َري ٍش َل يف ِتنُك َو َي ْم ِش‬ ‫ِمن اِلم ِن أو ِمن مُض كذا قال فيأ ِتي ِه قومه فيقولون احذر غ‬
َ َ َ ُ ُ ْ ُ َ ْ َ ََْ
‫ْيون إِِلْ ِه بِاْل َصابِ ِع‬ ‫بْي ِرحال ِ ِهم وهم ي ِش‬
Der Prophet  verweilte in Mekka zehn Jahre. Er suchte die Men-
schen in ihren Wohnungen auf, bei ʿUkāẓ und Maǧannah148 und in
der Pilgerzeit in Mina. Dort sagte er (zu den Leuten): „Wer gewährt
mir Zuflucht, wer unterstützt mich, so dass ich die Botschaft meines
Herrn verbreiten kann, wofür ihm das Paradies gebühren soll.“
Dies, bis selbst jenen, die vom Jemen oder Muḍar aus zur Pilgerreise
auszogen, von ihrem eigenen Stamm gesagt wurde: „Nehmt euch
in Acht vor dem Jungen von Quraiš, damit er euch nicht in Versu-
chung führt (, von eurer Religion abzulassen).“
Und er ging zwischen ihren Reittieren umher, während sie mit dem
Finger auf ihn zeigten.

Es gibt also keinen Zweifel, dass die Menschen im Allgemeinen selbst


vor ihrem Eintritt in den Islam genau wussten, dass der Monotheis-
mus in der Anbetung das Erste und Wichtigste ist, was der Islam ihnen
abverlangt.
Deshalb musste ihnen dies nach ihrem Eintritt in den Islam umso kla-
rer gewesen sein. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass jene Gefähr-

148 Zwei Orte. Durch die dort abgehaltenen Märkte waren diese Orte wichtige

Zentren der damaligen Araber.

179
Die Lehre des Monotheismus

ten des Propheten dies nicht wussten, wobei sie von den anderen
Muslimen umgeben waren, die schon länger im Islam waren. Nicht zu
vergessen, dass sich seit ihrem Übertritt zum Islam auch der Prophet
 selbst unter ihnen befand.
Aus dem Gesagten wurde also deutlich, dass es keinen Grund gibt, davon
auszugehen, dass diese Prophetengefährten den tatsächlichen Polytheis-
mus verlangten.
Sollte man dennoch Aussagen von späteren Autoren finden, die meinen,
es wäre in dem ḥadīṯ der große širk verlangt worden, so ist dazu Folgen-
des zu sagen:
1) Die Aussage eines späteren Gelehrten und sein Verständnis eines
Textes sind überhaupt kein Maßstab. Solche Aussagen haben keiner-
lei Beweiskraft in der Religion und müssen deshalb immer hinterfragt
und an den Quelltexten der šarīʿah gemessen werden. Letztlich kann
es sich bei der Aussage eines solchen Gelehrten immer um einen kla-
ren Fehler handeln.
2) Selbst bei der Annahme, jene Prophetengefährten hätten den gro-
ßen širk verlangt, wäre dies keinesfalls ein Argument, um die Grund-
aussage des Islam außer Kraft zu setzen.
In so einem Fall wäre es evident, dass diese im ḥadīṯ erwähnten Per-
sonen bis zu jenem Zeitpunkt innerlich den Islam noch nicht verstan-
den hatten. Da dies in dem angenommenen Fall äußerlich nicht sicht-
bar gewesen wäre, hätte niemand von ihrer Unkenntnis gewusst. Wie
der ḥadīṯ zeigt, waren sie selbst sich ihrer eigenen Unkenntnis nicht
bewusst, weshalb sie die Frage auch offen formulierten.
Zu einem tatsächlichen Abfall vom Islam wäre es in so einem Fall also
gar nicht gekommen, da diese Personen den Fehler aufgrund ihrer
Unwissenheit begingen und nach dem Hinweis sofort einsichtig wa-
ren und von ihrer Bitte reuig abließen.
Gemäß so einer Vorstellung über den ḥadīṯ, bekannten sich diese
Leute zum Islam und waren demzufolge vor ihrer im ḥadīṯ erwähnten
Aussage rechtlich Muslime. So gesehen wären sie also innerlich noch
nicht in den īmān eingetreten, auch wenn sie äußerlich als Muslime
galten. Sie mussten auch als solche betrachtet werden, da niemand

180
Die Lehre des Monotheismus

von diesen Leuten jemals zuvor polytheistische Handlungen gesehen


hatte. Ebenso wurde von ihnen davor keine Aussage bekannt, die auf
ihre Unwissenheit über den Islam schließen ließe. Hätte es so einen
Vorfall schon vorher gegeben, wäre es zu der geschilderten Begeben-
heit gar nicht erst gekommen.
In Bezug auf den ḥadīṯ sind darüber hinaus noch folgende Aspekte erwäh-
nenswert:
• Bei den im ḥadīṯ erwähnten Personen, von denen jene Bitte formu-
liert wurde, handelte es sich keineswegs um alle Muslime, die mit
dem Propheten  ausgezogen waren. Es konnte sich nur um eine
Minderheit handeln.
• Die im ḥadīṯ erwähnten Personen hatten den Islam zuvor angenom-
men und zogen mit dem Propheten  aus, um die Gemeinschaft der
Muslime zu verteidigen. Auch dies zeigt klar, dass sie diese Aussage
nicht etwa aus Abneigung gegen den Islam oder aus Heuchelei tätig-
ten. Wären sie munāfiqīn/Heuchler gewesen, hätten sie so eine Bitte
sicher nicht in aller Öffentlichkeit ausgesprochen.

Der ḥadīṯ von Muʿāḏ ibnu Ǧabal 


Ibnu Māǧah überliefert von ʿAbduḷḷāh ibnu Abī Aufā folgenden ḥadīṯ:
ْ َ َ َ َّ ُ ْ َ َ َ َ ُ َ ُ َ َ َ َ َ َ َّ َّ ْ ٌ َ ُ َ َ َّ َ
‫ام ف َوافقتُ ُه ْم‬ ‫ قال ما هذا يا معاذ قال أتيت الش‬ ‫ج َد لِلن ِب‬ َ ‫الشامِ َس‬ ‫لما ق ِدم معاذ ِمن‬
َّ ُ ُ َ َ َ َ َ َ َ َ َ ْ َ ْ َ َْ ُ ْ ََ ْ َ َََ ْ َ ََ َ ُ ُ َْ
 ‫اَّلل‬ ِ ‫ارق ِت ِهم فو ِددت ِِف نف ِس أن نفعل ذلِك بِك فقال رسول‬ ِ ‫يسجدون ِْلساقِف ِت ِهم وبط‬
َ ْ َ َ ْ
ُ ‫ت ال َم ْرأ َة أن ت ْس‬ َ َ َ
ُ ْ َ َّ ْ َ ُ ْ َ ْ َ َ
ً َ ً ُ ْ ُ َْ َ ُ َ ْ َ ََ
‫ج َد ل ِ َز ْو ِج َها‬ ‫اَّلل ْلمر‬
ِ ‫ْي‬ِ ‫فَل تفعلوا ف ِإِن لو كنت آ ِمرا أحدا أن يسجد ِلغ‬
Als Muʿāḏ aus dem Šām149 zurückkam, machte er suǧūd150 vor dem
Propheten . Dieser fragte ihn: „Muʿāḏ, was ist das (, was du da
tust)?“

149Wie zuvor bereits angemerkt: aš-Šām, die Länder im Norden der arabi-
schen Halbinsel.
150Warf sich also vor dem Propheten  nieder. Das arabische Wort suǧūd
bedeutet Niederwerfung. Es wird jedoch stellenweise darauf hingewiesen,
dass dieses Wort in seinen sprachlichen Bedeutungen auch ähnliche Gesten
beschreiben kann.

181
Die Lehre des Monotheismus

Muʿāḏ antwortete darauf: „Ich sah im Šām, wie die Leute sich vor
ihren Priestern niederwarfen. Da empfand ich den Wunsch, dies dir
gegenüber ebenfalls zu tun.“
Der Prophet  erklärte ihm daraufhin: „Tut das nicht! Wenn ich je-
mandem befehlen würde, sich vor etwas anderem als Allah nieder-
zuwerfen, dann würde ich der Frau befehlen, sich vor ihrem Ehe-
mann niederzuwerfen.“

Auch dieser ḥadīṯ wird von manchen Menschen für die mehrfach ge-
nannte fehlerhafte Argumentation herangezogen. Wiederum wird be-
hauptet, ein Prophetengefährte, in dem Fall Muʿāḏ ibnu Ǧabal , hätte
zu diesem Zeitpunkt den Islam nicht verstanden und durch diese Nieder-
werfung den Propheten  angebetet. Das Ziel davon ist wiederum, zu
zeigen, dass ein Mensch, trotz der Anbetung anderer Dinge neben Allah,
ohne weiteres ein Muslim sein könne.
Jemand, der die tatsächliche Bedeutung des tauḥīd verstanden hat, muss
dies aber ohne zu zögern ablehnen und sicher sein, dass es eine andere
Auslegung für diesen ḥadīṯ gibt, auch wenn er selbst bislang diese Ausle-
gung nicht kennt.
Auch bei diesem ḥadīṯ wird man keinen namhaften frühen Gelehrten fin-
den, der diese beschriebene, falsche Schlussfolgerung formuliert hätte.

Das richtige Verständnis dieses ḥadīṯ


Tatsächlich bezweckte Muʿāḏ ibnu Ǧabal mit dieser Niederwerfung nicht
die Anbetung des Gesandten , und zwar aus folgendem Grund:
Der suǧūd teilt sich in zwei Arten, den suǧūd zur Anbetung und den suǧūd
zur Begrüßung. Diese Form der Begrüßung war bei einigen Gesellschaften
vor dem Islam gängig. Dabei ging es natürlich auch um eine Geste des
Respekts, jedoch nicht im Sinne von Anbetung und Polytheismus.
Um diese Form des suǧūd ging es auch bei der Niederwerfung der Engel
vor Adam 151 und der Niederwerfung der Familie von Yūsuf/Josef 

151Siehe für die erstmalige Erwähnung davon im Koran: Sure al-Baqarah,


2:34.

182
Die Lehre des Monotheismus

vor ihm selbst152. Beide Begebenheiten sind ausdrücklich im Koran er-


wähnt.
In der šarīʿah von Muḥammad  wurde diese Form der Begrüßung aus-
nahmslos verboten. Aus dem ḥadīṯ geht aber deutlich hervor, dass der
Prophetengefährte Muʿāḏ  dieses Verbot zum besagten Zeitpunkt noch
nicht kannte.

Absurde Folgen der falschen Auslegung dieses ḥadīṯ


Gemäß der falschen Auslegung dieses ḥadīṯ und der unzulässigen Me-
thode bei der Beweisführung, die dabei angewendet wird, müsste man
zu folgenden Schlüssen gelangen:
• Die Familie von Yūsuf/Josef  hätte, genau wie dies von Muʿāḏ ibnu
Ǧabal behauptet wurde, den Propheten Yūsuf  angebetet. Darun-
ter befand sich auch Yaʿqūb/Jakob, der Vater Yūsufs, welcher seiner-
seits ein Prophet war.
Würde ein Vertreter der falschen Auslegung des genannten ḥadīṯ
diese Konsequenz nun als irrsinnig bezeichnen und ablehnen, ergäbe
sich die Frage: Warum sollte ein Mensch diese falsche Methode der
Beweisführung in Bezug auf den ḥadīṯ anwenden können, während
sie in Bezug auf die Familie von Yūsuf/Josef  unzulässig wäre?
Nach islamischer Lehre wäre es natürlich eine absurde Behauptung
und eine gewaltige Verfehlung, einen Propheten des Polytheismus zu
bezichtigen. Noch abwegiger wäre die Annahme, ein Prophet hätte
dies aus Unwissenheit über die Religion getan.
Da diese Annahme aus islamischer Sicht so offensichtlich falsch ist,
tun sich Vertreter der besprochenen Irrmeinung schwer, so eine Kon-
sequenz anzunehmen. Dabei ist ihnen offenbar nicht bewusst, dass
sie bei ihrer Auslegung des ḥadīṯ auf genau dieselbe Weise vorgehen.
• Dasselbe ließe sich beim suǧūd der Engel vor Adam  sagen. Hier
müsste man zum Schluss kommen, dass die Engel Adam  angebe-
tet hätten.

152 Erwähnt in Sure Yūsuf, 12:100

183
Die Lehre des Monotheismus

Noch grotesker wäre nach so einem Verständnis die Tatsache, dass


Allah  selbst ihnen diese Niederwerfung aufgetragen hatte. Ein
Mensch, der sich zum Islam zählt, wird kaum so weit gehen, zu be-
haupten, Allah hätte den Engeln den großen širk anbefohlen.
• Und schließlich müsste es auch in Bezug auf diesen ḥadīṯ selbst zu
einer irrigen Folge kommen. Als der Prophet  nämlich sagte, „Wenn
ich jemandem befehlen würde, sich vor etwas anderem als Allah nie-
derzuwerfen, dann würde ich der Frau befehlen, sich vor ihrem Mann
niederzuwerfen“, ist wohl nicht davon auszugehen, dass er meinte:
„Wenn ich jemandem befehlen würde, etwas anderes als Allah anzu-
beten, dann würde ich der Frau befehlen, ihren Mann anzubeten.“
Wer in der beschriebenen, falschen Weise mit diesem ḥadīṯ argumen-
tiert, müsste konsequenterweise auch diese absurde Auslegung vor-
nehmen.
Auch bei der Betrachtung der folgenden Überlieferungen desselben ḥadīṯ
werden die oben erwähnten Tatsachen klar. Aḥmad überliefert in seinem
Musnad von ʿAbduḷḷāh ibnu Abī Aufā:
ُ ‫ارى ت َ ْس‬
‫ج ُد‬ َ ‫انل َص‬َّ ‫ام فَ َرأَى‬ َ ‫الش‬َّ َ َ ْ َ َ َ َ ْ ٌ َ ُ َ َ َ َ َ ْ َ َ ْ َّ ْ َ ْ َ
‫اَّلل ب ِن أ ِِب أوف قال ق ِدم معاذ اِلمن أو قال‬ ِ ‫عن عب ِد‬
َ ُ َ َ َ َ َ َ َّ َ َ َ َّ َ ُ ْ َ ُّ َ َ َّ َ ُ َ َّ َ ْ َ َّ َ َ َ َ َ َ َ َ َ َ َ
َ
‫ أحق أن يعظم فلما ق ِدم قال يا رسول‬ ‫اَّلل‬ ِ ‫ارق ِتها وأساقِف ِتها فروأ ِِف نف ِس ِه أن رسول‬
ِ ‫ِْلط‬
َ‫ك أَ َح ُّق أَ ْن ُت َع َّظم‬ َ َّ َ َْ ُ ْ َّ َ َ َ َ َ َ َ َ َ َ َ ُ ُ ْ َ َ َ َّ ُ ْ َ َ َّ
‫ارق ِتها وأساقِف ِتها فروأت ِِف نف ِس أن‬ ِ ‫اَّلل رأيت انلصارى تسجد ِْلط‬ِ
َ‫ج َد ل َز ْوجها‬ُ ‫ت ال ْ َم ْرأَ َة أَ ْن ت َ ْس‬ُ ْ َ َ َ َ َ َ ُ ْ َ ْ َ ً َ َ ً ُ ْ ُ َْ َ َ َ
‫فقال لو كنت آ ِمرا أحدا أن يسجد ِْلح ٍد ْلمر‬
ِ ِ
Muʿāḏ reiste in den Jemen – oder er sagte: in den Šām153.

153 Hierbei handelt es sich um einen Zweifel eines der Überlieferer, der eben-

falls überliefert wurde, um den Wortlaut möglichst authentisch zu überlie-


fern.
Darin zeigt sich auch die große Genauigkeit dieser Überlieferer und ihre Auf-
richtigkeit. Denn Fehler und Vergesslichkeit bleiben auch beim besten Aus-
wendiglernvermögen eine menschliche Eigenschaft. Jedoch wird nur ein äu-
ßerst aufrichtiger Mensch diese Dinge bei einer Überlieferung erwähnen, aus
Gottesfurcht und aus Angst, etwas Falsches zu überliefern.

184
Die Lehre des Monotheismus

Da sah er wie die Christen sich vor ihren Bischöfen und Priestern
niederwarfen. So kam in ihm die Überlegung auf, dass der Prophet
mehr Recht dazu hätte, geehrt zu werden.
Als er zurückkam, erzählte er dem Propheten  davon und sagte
ihm: „Da wollte ich dasselbe für dich tun, weil ich dachte, dass du
mehr Recht darauf hättest, geehrt zu werden.“
Der Prophet  antwortete ihm: „Wenn ich jemandem befehlen
würde, dies zu tun, dann würde ich der Frau befehlen, sich vor ih-
rem Mann niederzuwerfen.“

َّ ‫ام فَ َرأَى‬ َّ َ َ ُ َّ َ َ َ َ ْ َ ُ ْ َ َ َ َ َ َ َ ْ ‫الر‬


َّ ‫َع ْن َعبْ ِد‬
‫ارى‬ َ ‫انل َص‬ َ ‫الش‬ ‫ْح ِن ب ْ ِن أ ِِب ِلَّْل ع ْن أ ِبي ِه عن معا ِذ ب ِن جب ٍل قال إِنه أت‬
َ َ ْ َ ْ َ َ َ َ َ َ ُ َ َ َ َ ُ َ ْ َ ْ َ َ ُ ْ ُ َ َ َ ُ َّ َ َّ ُ َ ْ َ َ َ َ َ
‫َت َّية اْلن ِبيَا ِء قبْلنَا‬ ِ ‫فذكر معناه إَِل أنه قال فقلت ِْلي َش ٍء تصنعون هذا قالوا هذا َكن‬
ْ َ َ َ َ َّ
ً ‫اَّلل َع َّز َوجل أبدنلَا خ‬
ْ َ َّ ُّ َ َ َ َ َ َ َ َ َ َ ْ َ ْ َ ُّ َ َ ُ ْ َ ُ ْ ُ َ
َ َّ ‫] إ َّن‬...[  ‫اَّلل‬
‫ْيا‬ ِ ِ ‫ب‬ ِ ‫فقلت َنن أحق أن ن َصنع ه ْذا بِن ِبينا فقال ن‬
َّ ْ َ َ َ َ َّ َ َ ْ
.‫َت َّية أه ِل اْلَن ِة‬
ِ ‫ِمن ذلِك السَلم‬
Von ʿAbdurraḥmān ibnu Abī Lailā, von seinem Vater, von Muʿāḏ
ibnu Ǧabal wird überliefert: […] Da sagte ich: „Warum macht ihr
das?“ Sie antworteten: „Dies war die Begrüßung der Propheten vor
uns.“
Ich sagte: „Wir haben mehr Anrecht darauf, dies für unseren Pro-
pheten zu tun.“
Daraufhin erklärte der Prophet : „[…] Allah hat uns etwas Besse-
res gegeben, (und zwar) den Salam, den Gruß der Leute des Para-
dieses.“

185
Die Lehre des Monotheismus

Diverse Behauptungen
„Die Fehler sind den Muslimen verziehen“
Manche Leute wollen die irrige Vorstellung eines polytheistischen Mus-
lims durch die Behauptung erhärten, der Gemeinschaft Muḥammads ,
also den Muslimen, würden all ihre Fehler von Allah  nachgesehen, so-
fern sie es nicht besser wussten. Hierzu führen sie folgenden Vers an:

ُ ُ ُ ُ ْ َ َّ َ َ َ ْ َ َ ْ ُ ْ َ ْ َ َ ٌ َ ُ ْ ُ ْ َ َ َ ْ َ َ
﴾‫وبكم‬ ‫كن ما تعمدت قل‬ ِ ‫﴿وليس عليكم جناح ِفيما أخطأتم بِ ِه ول‬
Es ist für euch keine Sünde in dem, worin ihr einen Fehler ge-
macht habt, sondern was eure Herzen vorsätzlich anstreben.
[Sure al-Aḥzāb, 33:5]

Zuzüglich wird in diesem Bezug noch folgender ḥadīṯ erwähnt:


Durch Ibnu ʿAbbās wird vom Propheten  überliefert:
َ َ َْ ُ َ َ َّ ‫ «إ َّن‬:‫اَّلل َعلَيْه َو َسلَّ َم قَ َال‬
ُ َّ ‫انلب َص ََّّل‬
‫اَّلل َو َض َع ع ْن أ َّم ِت اْلطأ‬ َّ ْ َ َّ َ ْ ْ َ
ِ ِ ِ ‫ عن‬،‫اس‬ ٍ ‫عن اب ِن عب‬
َ ُ ْ ْ ََ َ َ ْ َ
»‫استُك ِرهوا َعليْ ِه‬ ‫والنسيان وما‬
Wahrlich, Allah hat meiner ummah den Fehler und das Vergessen
vergeben, und das, wozu sie gezwungen wurden.154

Das Problem von jemandem, der so argumentiert, besteht darin, dass er


selbst unter einem Verständnisproblem über die grundlegenden Prinzi-
pien des Islam leidet. So jemand denkt nämlich, dass die „ummah von
Muḥammad “, die in dem Koran-Vers und im zitierten ḥadīṯ angespro-
chen wurde, all jene Menschen beschreibt, die sich einfach nur zu dieser
Gemeinschaft bekennen. Dabei ist es ihnen völlig egal, wie viel und wel-
chen Polytheismus diese „Muslime“ begehen.

154Überliefert in as-Sunan von Ibnu Māǧah und in zahlreichen anderen Wer-


ken, in diesem oder ähnlichem Wortlaut.

186
Die Lehre des Monotheismus

Aus islamischer Sicht stellt sich die Frage, wie diesen Menschen ihr širk
vergeben werden soll, wo im Koran doch ausdrücklich gesagt wird, dass
ebendieser širk nicht vergeben wird?
Solche Gedanken erinnern stark an die Idee des auserwählten Volkes im
heutigen Judentum. Wer mit der Bezeichnung „Muslim“ geboren wurde,
bzw. wer dies im Pass stehen hat, genießt das Privileg, zur auserwählten
Gruppe zu gehören. Egal was er macht, am Ende wird er schließlich als
etwas besserer oder schlechterer Auserwählter ins Paradies eingehen.
Diese eigenartige Idee ist natürlich absurd und dem Islam völlig fremd.
Umso bezeichnender für die vorherrschende Unwissenheit der Leute, die
sich heute als Muslime ansehen, dass sehr viele von ihnen dieser Theorie
des auserwählten Volkes bewusst oder unbewusst anhängen.
Das ist auch der Grund, warum sich Leute mit so einer Einstellung kaum
anstrengen, um das Paradies zu erlangen. Der Platz im Paradies ist ihm
oder ihr ohnehin sicher. Die einzige Frage ist vielleicht noch, ob er gleich
seinen Platz im Paradies einnehmen darf oder vorher noch einige wenige
Sünden abbüßen muss. Aus islamischer Sicht also eine Lebensauffassung
mit verheerenden Folgen.
Dieses Scheinargument braucht, nach den bisher schon zahlreich er-
wähnten Beweisen, also keine weitere Erklärung. Wer ein Grundver-
ständnis für den Islam mitbringt, kann so eine Behauptung im Grunde
nicht vorbringen. Bei einem Polytheisten handelt es sich keinesfalls um
einen Angehörigen der „ummah Muḥammads “, deshalb beziehen sich
diese Texte von Grund auf nicht auf solche Leute.
Zusätzlich ist zu sagen, dass ein Muslim nicht einfach aus Vergesslichkeit
oder einem einfachen Fehler Polytheismus betreibt. Diese Vorstellungen
sind absurd. Ebenso ist ein Mensch, der zum „Unglauben“ gezwungen
wird, nicht mit jemandem gleichzusetzen, der Handlungen des Polytheis-
mus aus freien Stücken begeht. Dies ist an sich eine Selbstverständlich-
keit. Das Thema des Zwanges wird in Kürze noch in einem eigenen Kapitel
angesprochen.

187
Die Lehre des Monotheismus

Ein widersprüchliches Beispiel


Einige Leute wollen an einem Beispiel verdeutlichen, dass es sich bei
manchen Polytheisten um unwissende Muslime handelt. Ihnen ist dabei
nicht bewusst, dass das von ihnen genannte Beispiel das genaue Gegen-
teil ihrer Behauptung aufzeigt. Aus diesem Grund soll jenes Beispiel hier
zum Zwecke der Verdeutlichung erwähnt und kurz besprochen werden:
Einen Mann, der von der Zivilisation abgeschieden lebt, über-
kommt Trauer. Er hat keine Möglichkeit zu reisen und wendet
sich schließlich dem einzigen šaiḫ im Dorf zu. Er hat von diesem
šaiḫ nur Gutes gehört und alle Leute bestätigen, dass dieser
Mensch ein gelehrter Mann ist.
Dieser Gelehrte ist jedoch selber unwissend und weist ihn an, die
Toten um Hilfe anzurufen, damit sie die Gründe für seine
schlechte Lage beseitigen. Er begründet dies mit einer Aussage,
die dem Propheten  zugeschrieben wurde, aber in Wirklichkeit
erlogen ist.
Der Mann setzt diese Anweisung schließlich in die Tat um, ruft
die Toten an und erfleht von ihnen Errettung, Heilung, die Besei-
tigung des Unheils usw. Somit erbittet er von ihnen Dinge, zu de-
nen nur Allah im Stande ist, und begeht auf diesem Wege den
großen širk, im Glauben, einer Anweisung des Propheten  zu
folgen.
Man kann also sagen, dass dieser Mann nichts Anderes wollte,
als Allah und Seinem Propheten zu folgen.

Dazu sind folgende Dinge zu sagen:


• Die Person in diesem hypothetischen Beispiel kennt mit Sicherheit
nicht die Bedeutung des islamischen Glaubensbekenntnisses. Dieser
Mann erfüllt somit die Bedingung des Wissens nicht und kann deshalb
unmöglich als Muslim angesehen werden.
• Der Mann betet jemand anderen als Allah an. Er nimmt diesen Beige-
sellten also zum ilāh und kann so unmöglich als ein Mensch betrach-
tet werden, der lā ilāha illa-ḷḷāh umgesetzt hat. Er ist kein Muslim,

188
Die Lehre des Monotheismus

kein muḫliṣ, kein ḥanīf, folgt nicht der millah von Ibrāhīm  und hat
auch das Prinzip der Verleugnung des ṭāġūt nicht umgesetzt.
• Er glaubte darüber hinaus, dass die Toten anbetungswürdig wären
und verlangte deshalb Dinge von ihnen, zu denen nur der Schöpfer
im Stande ist.
• Dass dieser Mann sich zum Islam zählt, ändert nichts an den obenge-
nannten Tatsachen. Genau wie es auch bei den Götzendienern der
Araber keinerlei Unterschied machte, dass sie sich zu Ibrāhīm  und
seinem dīn zählten.
• Die Tatsache, dass er diesem erlogenen ḥadīṯ Glauben schenkte, be-
stätigt nur das Gesagte. Hätte er die Grundlage des Islam wirklich ge-
kannt, wäre es undenkbar, dass er sie wegen irgendeiner völlig ge-
gensätzlichen Behauptung einfach verwirft.
Andernfalls wäre es auch möglich, dass ein Muslim jeder beliebigen
Behauptung Glauben schenkt, ohne dass dies irgendeinen Einfluss
hätte. Ein Beispiel hierfür wäre, dass jemand einen Muslim von einem
ḥadīṯ überzeugen will, der angeblich belegt, dass Allah  einen Sohn
hätte.
Wäre es denkbar, dass ein Muslim einem solchen ḥadīṯ Glauben
schenkt? Würde man so jemanden auch ohne weiteres als Muslim
bezeichnen, nur weil er sich zum Islam bekennt? Würde man hierbei
auch sagen: „Der Mann ist ein Muslim, denn er wollte ja nur dem Pro-
pheten  folgen.“?
Ohne Zweifel würde jeder sofort einwenden, dass dieser Mensch un-
möglich den Islam verstanden haben kann. Dieselbe Reaktion müsste
es auch bezüglich der Person im vorherigen Beispiel geben.
• Dies alles abgesehen von der Tatsache, dass dieses Beispiel weit von
der heutigen Realität entfernt ist. Das Problem ist, dass es den Anhä-
ngern jener Irrmeinung in Wirklichkeit gar nicht um solche vereinzel-
ten, angeblichen Ausnahmesituationen wie im erwähnten Beispiel
geht. Es wird hier also auch eine gewisse Unaufrichtigkeit sichtbar.
Denn solche Leute wenden ihre Schlussfolgerungen nicht nur auf ei-
nen solchen Extremfall an, sondern schließen davon auf alle anderen

189
Die Lehre des Monotheismus

Menschen. Auch gemäß ihrer Irrmeinung wäre es unzulässig, die Si-


tuation des Beispiels mit der Situation von Leuten gleichzusetzen, die
den Koran Tag und Nacht hören, lesen und teilweise sogar auswendig
lernen und deren Zugang zum Wissen im Kommunikationszeitalter
um vieles erleichtert wurde.

„Jemand, der unter Zwang širk begeht, ist auch kein mušrik“
Bei dieser Behauptung wird der sogenannte ikrāh-Zustand herangezo-
gen, um die eigene Meinung zu stützen. In den islamischen Quellen wird
das Prinzip der Entschuldigung aufgrund von Zwang erwähnt, die auch
durchaus ihre Berechtigung und Gültigkeit hat. Danach ist es unter gewis-
sen Umständen einem Muslim erlaubt, rein äußerlich polytheistische
Aussagen von sich zu geben.
Die Behauptung hierbei ist folgendermaßen: „Wenn der mukrah/Ge-
zwungene trotz seines Polytheismus kein mušrik wird, so bedeutet dies,
dass auch der unwissende mušrik als Muslim gelten kann.“
Tatsächlich verhält es sich jedoch folgendermaßen: Das äußerlich Wahr-
nehmbare bei einem gezwungenen Menschen ist, dass er etwas anderes
als Allah anbetet bzw. dem Islam abschwört oder Ähnliches.
Bei einer kufr-Aussage wäre der Normalfall im islamischen Recht, die Per-
son als Nicht-Muslim zu betrachten. Es wäre nicht zulässig, zu spekulie-
ren: „Diese Person äußerte zwar eine deutliche kufr-Aussage, könnte
aber innerlich den īmān verwirklicht haben.“
Für die frühen Muslime galt im Konsens der Grundsatz der Verbunden-
heit des Inneren und des Äußeren (at-talāzumu baina ẓ-ẓāhiri wa-l-bāṭin).
Würde man diese Verbundenheit nach Belieben trennen können, bliebe
keine Gesetzmäßigkeit der šarīʿah und keine islamrechtliche Beurteilung
mehr aufrecht. Wann immer jemand etwas äußert, könnte die Aussage
annulliert werden, mit der Begründung, die Person könnte ja im Herzen
etwas anderes glauben.
Zu dieser absurden Aussage gelangten nur einige Sekten der Frühzeit des
Islam, vor allem die sogenannten ǧahmiyyah. Es würde im Umfang und
Thema dieses Buches zu weit führen, im Detail auf diese Gruppe einzuge-
hen. Jedoch ist zu bemerken, dass selbst diese abgeirrte Sekte nicht so
weit ging, einen Polytheisten als Muslim zu bezeichnen.

190
Die Lehre des Monotheismus

Bei Beobachtung der geschichtlichen Entwicklung kann man feststellen,


dass die falschen Prinzipien, die von diesen Sekten aufgestellt wurden,
meistens nicht bis in die letzte Konsequenz umgesetzt wurden. Auch die
ǧahmiyyah schreckten also vor gewissen Schlussfolgerungen zurück bzw.
kamen ihnen manche Schlussfolgerungen offenbar gar nicht in den Sinn.
Darüber hinaus würden die ǧahmiyyah einen Menschen nicht für seine
Unkenntnis über die Grundlage des Islam entschuldigen, da bei ihnen ge-
rade das Wissen als der entscheidende Faktor galt, der einen Menschen
zum Muslim macht.
Der Zusammenhang zwischen dem Inneren und dem Äußeren ist also ein
feststehendes Prinzip in der islamischen Glaubens- und Rechtslehre. Die
Aufhebung dieser Verbundenheit für spezielle Fälle bedarf eines aus-
drücklichen Beweises aus den islamischen Quellen.
Eine solche spezielle Situation ist die des ikrāh. Für diesen Fall wird dem
muslimischen Betrachter vorgeschrieben, nicht nach dem Äußeren zu ur-
teilen.
Dazu heißt es im Koran:

‫ك ْن َم ْن‬
َ َ ْ ‫ِئ ب‬ ‫َّ َ ْ ُ ْ َ َ َ ْ ُ ُ ُ ْ َ ل‬ َ ْ َ ْ َّ َ َ َ ْ َ
ِ ‫ان َول‬ِ ‫اْليم‬
ِ ِ ِ ‫اَّلل ِمن بع ِد إِيمانِ ِه إَِل من أك ِره وقلبه مطم‬
ِ ِ‫﴿من كفر ب‬
ٌ ‫اب َعظ‬ َ َّ َ ٌ َ ْ ْ َ َ ً ْ َ ْ ُ ْ َ َ َ
ٌ ‫اَّلل َول ُه ْم َع َذ‬ َ َ
﴾‫يم‬ ِ ِ ‫ِشح بِالكف ِر صدرا فعلي ِهم غضب ِمن‬
Wer – nach seinem īmān – Allah gegenüber kufr durchführt, außer
derjenige, der (dazu) gezwungen wird, während (jedoch) sein Herz
ruhig mit dem īmān ist155. Wer jedoch die Brust dem kufr öffnet,
auf dem lastet Zorn von Allah. Und für sie ist eine gewaltige
Peinigung bestimmt. [Sure an-Naḥl, 16:106]

155 Es ist
eine Stilform der arabischen Sprache, einen offensichtlichen Satzteil
zu kürzen. Dies geschieht z.B. – wie auch in diesem Fall hier – bei dem Satz-
gefüge: „Wer dies und jenes tut, … (der ist so und so).“

191
Die Lehre des Monotheismus

Würde ein Mensch auch ohne die Zwangssituation trotz der deutlichen
Äußerung von kufr oder širk als Muslim bezeichnet werden können, hätte
dieser Vers keinen Sinn. Wäre es so, müsste für den ikrāh-Zustand von
Vornherein keine Ausnahme formuliert werden.
In diesem Vers ist also sowohl die Ausnahme des ikrāh erwähnt als auch
die Verbundenheit zwischen dem Äußeren und dem Inneren.

„Wenn der kufr durch Unwissenheit entschuldigt sein kann,


müsste dies auch für den širk gelten“
Ein weiteres Scheinargument besteht in der Tatsache, dass die Entschul-
digung durch Unwissenheit durchaus ein Entschuldigungsgrund ist, wenn
jemand z. B. einen Koran-Vers ablehnt, weil er gar keine Kenntnis über
diesen Vers hatte.
Diesem falschen Verständnis wurde in einem vorausgehenden Kapitel
schon ausreichend begegnet. Es sollte hier lediglich nochmals darauf hin-
gewiesen werden, da hier und da auch diese Behauptung vorgebracht
wird, um die Idee eines „polytheistischen Muslims“ zu ermöglichen.
Wie zuvor schon ausführlich erklärt, kommt es bei diesem Fall der Ab-
lehnung eines Koran-Verses gar nicht erst zum eigentlichen kufr. Wenn
ein Mensch keine Kenntnis über einen speziellen Koran-Vers besitzt, kann
man auch nicht von einer Ablehnung dieses Verses sprechen. Tatsächlich
hat dieser Mensch jenen Offenbarungstext nur deshalb bestritten, weil
er kein gesichertes Wissen darüber besaß, ob es sich überhaupt um einen
Offenbarungstext handelt.
Aus dem Gesagten zeigt sich auch die Widersprüchlichkeit der Frage:
„Wenn ein Mensch im kufr entschuldigt sein kann, warum kann er dann
nicht auch im širk entschuldigt sein?“
Wenn ein Mensch etwas äußert oder innerlich glaubt, das ihn tatsächlich
zum Nicht-Muslim macht, dann gibt es im Nachhinein auch keinen Hin-
derungsgrund mehr. Lediglich durch die taubah, also das Ablassen von
der Sache und die reuige Umkehr, kann der Mensch einen solchen Um-
stand unwirksam machen.

192
Die Lehre des Monotheismus

Wie schon vorher gezeigt wurde, kommt es aber von Vornherein nicht
zum kufr, wenn eine Person z. B. einen Offenbarungstext aus völliger Un-
wissenheit verneint, eine Aussage des Unglaubens im Schlaf tätigt oder
Ähnliches.
Mit solchen Situationen ließe sich also keinesfalls begründen, wie ein Po-
lytheist aufgrund seiner Unwissenheit zum Monotheisten werden sollte.
Wie in diesem Buch mehrfach erklärt wurde, macht schon die bloße Un-
wissenheit einer Person über den Monotheismus ein Zustandekommen
des Islam unmöglich. Deshalb könnte ein Polytheist auch nicht aufgrund
seiner Unwissenheit als Monotheist deklariert werden.

Das richtige und falsche Verständnis der Hinderungsgründe des


takfīr (mawāniʿu t-takfīr)
Anknüpfend an die vorausgehende Behauptung soll hier auf die soge-
nannten Hinderungsgründe für den takfīr eingegangen werden, da über
diese Thematik unter Muslimen heutzutage eine große Verwirrung vor-
herrscht.
Aus dem Kapitel über den nicht gerechtfertigten takfīr ging bereits klar
hervor, dass die Hinderungsgründe des takfīr in Wirklichkeit das Zustan-
dekommen des kufr selbst verhindern. So kommt es beispielsweise auf-
grund der Unwissenheit über einen Text gar nicht erst zur tatsächlichen
Ablehnung desselben.
Dasselbe gilt auch für Fälle, in denen die Tat im eigentlichen Sinne gar
nicht zustande kommt, weil sie nicht mit dem notwendigen Bewusstsein
durchgeführt wurde. Dies erklärt auch warum im islamischen Recht fol-
gende Personen für derartige Taten oder Aussagen entschuldigt werden:
• Der Unzurechnungsfähige bzw. geistig Behinderte
• Das Kind
• Der Schlafende
• Jemand, der sich verspricht
• Jemand, der eine Aussage bloß zitiert
• Jemand, der sich der Tat an sich gar nicht bewusst ist

193
Die Lehre des Monotheismus

All diese Leute haben aus islamrechtlicher Sicht eines gemeinsam: Sie
sind für ihre Aussage in keinster Weise verantwortlich.
Derartige Aussagen solcher Personen sind gemäß der šarīʿah so zu be-
werten, als wären sie nie vorgefallen. Dies, weil die Person:
• die Aussage oder Tat entweder grundsätzlich nicht beabsichtigte –
wie beim Schlafenden, bei jemandem, der sich verspricht und Ähnli-
chem –,
• oder ihre Absicht nicht insoweit zählt, dass die Person dafür zur Ver-
antwortung gezogen werden könnte, wie beim Kind und beim Unzu-
rechnungsfähigen.
Es wäre absurd, diese Situation auf Menschen zu übertragen, die vollver-
antwortlich und bei vollem Bewusstsein etwas anderes als Allah  anbe-
ten. Wie bereits erklärt wurde, findet sich die sprachliche Bedeutung des
širk zweifelsohne in jedem Polytheisten.
Die obengenannte Argumentation bedeutet letztlich, von einer Person,
die etwas gar nicht beabsichtigte, auf eine andere Person zu schließen,
die dieselbe Tat in vollem Bewusstsein begeht!
Als würde man sagen: „Der Mensch im Wachzustand ist entschuldigt, da
der Schlafende auch entschuldigt ist.“, – eine Aussage von offensichtli-
cher Absurdität. Dies lässt sich an einem ḥadīṯ verdeutlichen, der von
manchen Leuten für diese falsche Argumentation herangezogen wird.
َ ْ َّ َ ْ َ َ ََ َ َ ْ َ َّ ُ َّ َ ْ َّ َ َ ُ
‫ أخ َطأ ِم ْن ِشد ِة الف َر ِح‬،‫ت عبْ ِدي َوأنا َر ُّبك‬ ‫ ث َّم قال ِم ْن ِشد ِة الف َر ِح اللهم أن‬...
… Sodann sagte er vor lauter Freude: „Oh Allah, du bist mein Diener
und ich bin dein Herr.“ Er machte einen Fehler vor lauter Freude.156

Es ist eindeutig, dass die hier genannte Person die Aussage an sich gar
nicht beabsichtigte.
Es gibt nun Leute, die argumentieren, dieser Mensch wäre für eine ein-
deutige kufr-Aussage entschuldigt, was somit auch für den Polytheisten
gelten müsste.

156 Überliefert bei Muslim von Anas Ibnu Mālik .

194
Die Lehre des Monotheismus

Wie bereits klar wurde, ist diese Aussage in hohem Maße absurd, weil
damit im Grunde ausgesagt wird: „Da dieser Mensch für seine unabsicht-
liche Aussage entschuldigt ist, können andere für ihre absichtlichen Aus-
sagen ebenso entschuldigt sein.“
Gemäß dieser Behauptung wäre es sogar möglich, dass eine Person für
genau denselben, in diesem ḥadīṯ erwähnten Satz entschuldigt wäre,
wenn sie ihn mit voller Absicht und Überzeugung sagen würde!
Ebenso banal wie die oben erwähnten Entschuldigungsgründe ist der Fall
des bloßen Berichtens solcher, dem Islam widersprechender Aussagen.
Wenn eine Person eine Aussage bloß zitiert, kann ihr dies nicht als eigene
Aussage zugeschrieben werden. Wäre es anders, könnte kein Muslim den
Koran lesen, weil darin stellenweise die Aussagen der Götzendiener zi-
tiert werden.
Ebenso selbstverständlich ist auch die Entschuldigung dessen, der die Re-
alität einer Sache nicht kennt und sie deshalb falsch beurteilt. Wenn z. B.
ein Blinder eine Niederwerfung (suǧūd) durchführt, ohne zu wissen, dass
sich vor ihm ein Götze befindet, so verlässt er dadurch klarerweise nicht
den Islam.
Man müsste schon äußerst verwirrt sein, um zu meinen:
„Dieser Blinde hat einen Götzen neben Allah angebetet, trotzdem war er
entschuldigt. Er hat also den širk praktiziert, dennoch hat Allah ihm diesen
širk vergeben.“
Noch grotesker wäre dann die Schlussfolgerung:
„Deshalb ist also jemand, der einen Götzen tatsächlich anbetet und dazu
auch steht, ebenso ein entschuldigter Muslim, wenn er es nicht besser
wusste.“
Es zeigt sich also, dass es zu schweren Missverständnissen und falschen
Schlussfolgerungen kommt, wenn Leute die banalsten Grundlagen in sol-
chen Thematiken nicht verstanden haben.

195
Die Lehre des Monotheismus

Schlusswort
Anhand zahlreicher islamischer Quelltexte konnte in diesem Buch das ur-
sprüngliche Monotheismus-Verständnis der Muslime verdeutlicht wer-
den. Dabei zeigte sich, dass die Texte des Koran, jene der Sunnah und die
Aussagen der frühen Gelehrten bei der Erklärung der grundlegenden
Glaubenslehre des Islam deckungsgleich sind.
All diese Quellen beschreiben die alleinige Anbetung des Schöpfers und
den Gehorsam Ihm gegenüber als die Grundaussage des Islam, ohne die
ein praktisch gelebter Islam nicht vorstellbar ist.
Ein Muslim, der neben Allah  andere Dinge, Wesen oder Personen an-
betet oder diesen bedingungslos gehorcht, ist aus Sicht der islamischen
Quellen nicht denkbar.
Scheinargumente, die heutzutage stellenweise vorgebracht werden, um
das Gegenteil dieser Grundsätze zu belegen, fußen auf einer grundfal-
schen Methode in der Beweisfindung, die von den islamischen Quellen
und vom klaren Menschenverstand abgelehnt werden müssen. Auch in
den Naturwissenschaften oder anderen Lebensbereichen würden solche
Vorgehensweisen deshalb als irrational eingestuft werden.
Dieses Buch sollte eine wissenschaftliche und nüchterne Diskussion der
theologischen Quelltexte ermöglichen, fernab davon, jegliche Neigungen
oder persönliche Meinungen zu verteidigen. Wenn dies gelungen ist, so
gebührt der Dank am Anfang und am Ende voll und ganz dem Herrn der
Welten.
Ihm  danke ich an dieser Stelle auch ganz allgemein für all Seine Gnaden
und im Speziellen dafür, dass Er das Verfassen dieses Buches ermöglicht
hat. Sodann gilt der Dank meiner Familie für ihre Unterstützung sowie all
jenen Personen, die beim Zustandekommen dieses Buches mitgewirkt
haben und durch deren Zutun das Buch erst in dieser ausgereiften Form
erscheinen konnte.
Bleibt abschließend zu hoffen, dass dieses Buch einen nützlichen Beitrag
zur Verdeutlichung der ursprünglichen islamischen Glaubenslehre im
deutschsprachigen Raum liefert.

196
Die Lehre des Monotheismus

… und zu allem von mir Gesagten sei angemerkt:

… und Allah weiß es am besten.

‫واهلل أعلم‬
‫ورحم اهلل علماء املسلمْي‬
ّ ‫نبينا‬ ّ
ّ ‫وصَّل اهلل لَع‬
‫ُممد وآَل وصحبه ومن واَله‬
ّ ‫واْلمد هلل‬
‫رب العاملْي‬

197
Die Lehre des Monotheismus

Hinweise zur Umschrift


• In der vorliegenden Schrift wird bei der Umschrift arabischsprachiger
Wörter die DMG-Umschrift angewandt, da sie sich als Standard durch-
gesetzt und bei der Wiedergabe arabischer Wörter in lateinischen
Buchstaben als vorteilhaft erwiesen hat.
Gewisse arabische Buchstaben werden in deutschsprachigen Texten
oft mit zwei oder drei lateinischen Buchstaben wiedergegeben. Bei ei-
ner Verstärkung durch das šaddah müsste man dabei konsequenter-
weise z. B. für ‫ ش‬und ‫ خ‬etwa „schsch“ und „khkh“ schreiben, oder man
müsste das šaddah völlig vernachlässigen. Die Vermeidung solcher
Probleme ist einer von mehreren Gründen für die Verwendung der
DMG-Umschrift. Sie wurde also gewählt, um dem deutschsprachigen
Leser problemlos die richtige Lesung der arabischen Wörter zu ermög-
lichen.
Für manche Leser mag dies anfänglich ungewohnt sein – so z. B. beim
ǧ für das arabische ‫( ج‬wobei das ǧ nicht als deutsches g ausgesprochen
wird), da sie eine Anlehnung an das englische j eher gewohnt sind. An
die korrekte Lesung kann man sich jedoch schnell gewöhnen.
• Hamzah wird nur im Inneren und am Ende eines arabischen Wortes
wiedergegeben, am Wortanfang wurde es jedoch unterlassen (also
Isḥāq, aber ʿulamāʾ).
• Die Diphtonge werden zur besseren Leserlichkeit im Deutschen mit au
und ai wiedergegeben. In Fällen von verdoppeltem wāw oder yāʾ wird
jedoch die voll konsonantische Wiedergabe (also quwwah, niyyah,
awwal, ayyām) verwendet.
• Auch sonst wird die Konsonantenverdopplung (šaddah) durch dop-
pelte Schreibung des entsprechenden Konsonanten dargestellt, wie im
Wort šaddah selbst. Eine Ausnahme bildet die maskuline nisbah-En-
dung, die der Einfachheit halber in Pausalform durch -ī und nur in ver-
bundener Form durch -iyy wiedergegeben wird.

198
Die Lehre des Monotheismus

• Das tāʾ marbūṭah (geschlossene t) wird in Pausalform durch h, in ver-


bundener Form durch t wiedergegeben.
• Das ẓāʾ (‫ )ظ‬wird dem etablierten Gebrauch nach mit ẓ umschrieben. Es
sei jedoch angemerkt, dass die Wiedergabe durch ḏ̣ aus sprachwissen-
schaftlicher Sicht korrekter und eindeutiger wäre, weil das ẓāʾ die em-
phatische Variante des ḏāl und nicht des zāy darstellt.
• Es wird so weit wie möglich versucht, die Wörter gemäß dem arabi-
schen Redefluss zu verbinden, um möglichst nah an die korrekte arabi-
sche Aussprache heranzukommen.
• Grammatikalische Fälle werden nur in Ausnahmefällen - vor allem bei
häufig vorkommenden Wörtern - berücksichtigt, um dem arabischen
Redefluss gerecht zu werden, wie z. B. „Die tābiʿūn“, „von den tābiʿīn“
und „Er sagte zu den tābiʿīn“.
• Der Dual wird durch das Wort „beide“ angezeigt, wobei das nachfol-
gende Wort wie im Deutschen im Plural verbleibt z. B. „die beiden
āyāt“.
• Eigennamen, die mit dem Namen „Allah“ verbunden sind, werden zu-
sammengeschrieben, wie z. B. ʿAbduḷḷāh. Andere Zusammensetzungen
werden getrennt geschrieben, wie z. B. ʿAbdu r-Razzāq, ʿAbdu l-ʿAzīz.
• Das Wort ibn „Sohn“ wird am Namensanfang groß und zwischen Na-
men klein geschrieben, z. B. Ibnu Abī Šaibah, Mālik ibnu Anas.

199
Die Lehre des Monotheismus

Anmerkungen zur Formatierung sowie Groß-


und Kleinschreibung der Wörter, die in DMG-
Umschrift wiedergegeben werden
Es wurde in dieser Schrift grundsätzlich den Richtlinien gefolgt, die sich
im akademischen Bereich etabliert haben. Im Folgenden werden die
wichtigsten Punkte dazu kurz erläutert:
• Arabische Wörter in DMG-Umschrift werden klein und kursiv geschrie-
ben.
• Ausgenommen davon sind Namen von Personen, Orten, Institutionen
und Ähnlichem. Diese werden groß und nicht kursiv geschrieben.
Schriftstellerische Werke werden jedoch groß und kursiv geschrieben,
um eine gewisse Abhebung zu erzielen und sie von den Autoren zu un-
terscheiden.
• Bei sehr bekannten, eingedeutschten Begriffen wie „Muslim, Islam, Ko-
ran, Zakat, Ramadan, …“ wird der deutsche Sprachgebrauch und die
gängige Schreibweise vorgezogen.
• Längere Ausdrücke und Texte bzw. Zitate werden durchgehend klein
und kursiv geschrieben.
• Ebenfalls um eine bessere Leserlichkeit zu gewährleisten, werden man-
che zusammengesetzte Wörter (wie z. B. ḥadīṯ-Wissenschaften) durch
einen Bindestrich getrennt, vor allem, wenn auch arabische Begriffe
enthalten sind. Konsequenterweise wird dies auch bei Attributen um-
gesetzt (wie z. B.: ḥadīṯ-wissenschaftlich).

200
Die Lehre des Monotheismus

Chronologisches Verzeichnis der


frühislamischen Autoren

• Die Ordnung der Namen erfolgt nach Sterbedaten. Es wird zuerst


das Datum nach der hiǧrah und danach das Datum n. Chr.
angegeben.
• Zu Beginn wird der geläufigste Name genannt und nach dem
Komma die danach bekanntesten Bezeichnungen.

150/767 Muqātil ibnu Sulaimān, Abū l-Ḥasan


151/768 Ibnu Isḥāq, Muḥammad
204/820 aš-Šāfiʿī, Muḥammad ibnu Idrīs
213/828 Ibnu Hišām, Muḥammad
241/856 Aḥmad ibnu Ḥanbal, Abū ʿAbdillāh
256/870 al-Buḫārī, Muḥammad ibnu Ismāʿīl
261/875 Muslim, Ibnu l-Ḥaǧǧāǧ an-Naisābūrī
273/887 Ibnu Māǧah, Abū ʿAbdillāh Muḥammad
275/889 Abū Dāwūd as-Siǧistānī, Sulaimān ibnu l-Ašʿaṯ
279/893 at-Tirmiḏī, Abū ʿĪsā Muḥammad ibnu ʿĪsā
310/923 aṭ-Ṭabarī, Muḥammad ibnu Ǧarīr
327/939 Ibnu Abī Ḥātim ar-Rāzī, ʿAbdu r-Raḥmān
365/976 Ibnu ʿAdiyy, Abū Aḥmad al-Ǧurǧānī
418/1027 al-Lālakāʾī, Abū l-Qāsim Hibatuḷḷāh

201
Die Lehre des Monotheismus

Quellenverzeichnis

• Es wurden im gesamten Buch bei den Zitaten zur Erleichterung der


Suche immer die Texte der jeweiligen Ausgabe der digitalen
Bibliothek al-Maktabatu š-šāmilah verwendet. Es sei darauf
hingewiesen, dass die Ausgaben der al-Maktabatu š-šāmilah häufig
überarbeitet wurden (z. B. durch vollständige Vokalisation der
Texte).
• Da es sich bei den herangezogenen Quellen um arabische Werke
handelt und jeder, der in diesen Werken nachschlagen will, mit
Sicherheit der arabischen Sprache kundig sein muss, werden in
diesem Verzeichnis jeweils der Originaltitel und Angaben zum Werk
in arabischer Sprache angeführt.
• Die hier angegebenen Informationen zu den Werken und ihren
Verfassern wurden ebenfalls den Angaben der al-Maktabatu š-
šāmilah entnommen und stellenweise ergänzt.
• Die Einträge sind innerhalb der jeweiligen Abschnitte alphabetisch
geordnet, wobei immer der geläufigste Name berücksichtigt und
dieser in Kapitälchen geschrieben wird.
• Bei den Sterbedaten der Verfasser und den Erscheinungsdaten der
Werke wird zuerst das Datum nach der hiǧrah und danach das
Datum n. Chr. angegeben.

202
‫‪Die Lehre des Monotheismus‬‬

‫‪Der Koran‬‬

‫‪Originaltext in arabischer Sprache. Alle Übersetzungen wurden vom‬‬


‫‪Verfasser dieser Schrift selbst vorgenommen, nach Betrachtung und‬‬
‫‪Vergleich der gängigen deutschen Übersetzungen.‬‬

‫‪Ḥadīṯ-wissenschaftliche Werke der Koran-Exegese:‬‬

‫‪IBNU ABĪ ḤĀTIM AR-RĀZĪ, ʿAbdu r-Raḥmān (gest. 327/939): Tafsīru l-‬‬
‫‪Qurʾāni l-ʿaẓīm‬‬
‫أب حاتم‬‫تفسي القرآن العظيم ىالبن ي‬
‫ر‬ ‫الكتاب‪:‬‬
‫مصطف الباز ‪ -‬المملكة العربية السعودية‪،‬‬ ‫ر‬
‫الناش‪ :‬مكتبة نزار‬
‫المحقق‪ :‬أسعد محمد الطيب‪ ،‬الطبعة‪ :‬الثالثة‪ 1419 ،‬ه ‪ 1999 -‬م‬

‫‪MUQĀTIL IBNU SULAIMĀN, Abū l-Ḥasan (gest. 150/767): Tafsīru Muqātil‬‬


‫‪ibni Sulaimān‬‬
‫تفسي مقاتل بن سليمان‬
‫ر‬ ‫الكتاب‪:‬‬
‫الناش‪ :‬دار إحياء ر‬
‫الياث ‪ -‬ربيوت‪ ،‬المحقق‪ :‬عبد هللا محمود شحاته‪،‬‬ ‫ر‬
‫الطبعة‪ :‬األوىل ‪ 1423 -‬ه ‪2003 -‬م‬

‫‪AṬ-ṬABARĪ, Muḥammad ibnu Ǧarīr (gest. 310/923): Ǧāmiʿu l-bayān ʿan‬‬


‫)‪taʾwīli āyi l-Qurʾān (= Tafsīr aṭ-Ṭabarī‬‬
‫تفسي الطيي = جامع البيان عن تأويل آي القرآن‬
‫ر‬ ‫الكتاب‪:‬‬
‫ر‬
‫والنش والتوزي ع واإلعالن‪ ،‬المحقق‪:‬‬ ‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار هجر للطباعة‬
‫الدكتور عبد هللا ر‬
‫الي يك‪ ،‬الطبعة‪ :‬األوىل‪ 1422 ،‬ه ‪ 2001 -‬م‪ ،‬عدد‬
‫األجزاء‪26 :‬‬
‫تفسي الطيي = جامع البيان عن تأويل آي القرآن‬
‫ر‬ ‫الكتاب‪:‬‬
‫ر‬
‫الناش‪ :‬مؤسسة الرسالة‪ ،‬المحقق‪ :‬أحمد محمد شاكر‪ ،‬الطبعة‪:‬‬
‫األوىل‪ 1420 ،‬ه ‪ 2000 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء‪24 :‬‬

‫‪203‬‬
‫‪Die Lehre des Monotheismus‬‬

‫‪Werke der ḥadīṯ-Überlieferung:‬‬

‫‪AḤMAD IBNU ḤANBAL, Abū ʿAbdillāh (gest. 241/856): al-Musnad‬‬


‫الكتاب‪ :‬مسند اإلمام أحمد بن حنبل‬
‫ر‬
‫الناش‪ :‬مؤسسة الرسالة‪ ،‬المحقق‪ :‬شعيب األرنؤوط ‪ -‬عادل مرشد‬
‫وآخرون‪ ،‬الطبعة‪ :‬األوىل‪ 1421 ،‬ه ‪ 2001 -‬م‬
‫الكتاب‪ :‬مسند اإلمام أحمد بن حنبل‬
‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار الحديث – القاهرة‪ ،‬المحقق‪ :‬أحمد محمد شاكر‪،‬‬
‫الطبعة‪ :‬األوىل‪ 1416 ،‬ه ‪ 1995 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء‪8 :‬‬

‫‪AL-BUḪĀRĪ, Muḥammad ibnu Ismāʿīl (gest. 256/870): Ṣaḥīḥu l-Buḫārī‬‬

‫الكتاب‪ :‬الجامع المسند الصحيح المخترص من أمور رسول هللا صىل هللا‬
‫عليه وسلم وسننه وأيامه = صحيح البخاري‬
‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار طوق النجاة‪ ،‬المحقق‪ :‬محمد ر‬
‫زهي بن نارص النارص‪،‬‬
‫الطبعة‪ :‬األوىل‪1422 ،‬ه ‪ 2001 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء‪9 :‬‬

‫‪AL-BUḪĀRĪ, Muḥammad ibnu Ismāʿīl (gest. 256/870): al-Adabu l-mufrad‬‬

‫الكتاب‪ :‬األدب المفرد‬


‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار البشائر اإلسالمية ‪ -‬ربيوت‪ ،‬المحقق‪ :‬محمد فؤاد عبد‬
‫ر‬
‫الباف‪ ،‬الطبعة‪ :‬الثالثة‪ 1409 ،‬ه ‪ 1989 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء‪1 :‬‬
‫ي‬

‫‪IBNU MĀǦAH, Abū ʿAbdillāh Muḥammad (gest. 273/887): as-Sunan‬‬


‫سن ابن ماجه‬ ‫الكتاب‪ :‬ى ى‬
‫الحلن‪،‬‬ ‫الباب‬ ‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار إحياء الكتب‬
‫ي‬ ‫العربية ‪ -‬فيصل عيىس ي‬ ‫ر‬
‫‪:‬‬
‫الباف‪ ،‬عدد األجزاء ‪2‬‬ ‫‪:‬‬
‫المحقق محمد فؤاد عبد ي‬

‫‪IBNU ʿADIYY, Abū Aḥmad al-Ǧurǧānī (gest. 365/976): al-Kāmilu fī‬‬


‫‪ḍuʿafā’i r-riǧāl‬‬
‫الكتاب‪ :‬الكامل ى يف ضعفاء الرجال‬
‫ر‬
‫الناش‪ :‬الكتب العلمية ‪ -‬ربيوت‪-‬لبنان‪ ،‬تحقيق‪ :‬عادل أحمد عبد‬
‫‪:‬‬
‫عىل محمد معوض‪ ،‬الطبعة األوىل‪1418 ،‬ه ‪1997 -‬م‬ ‫الموجود ‪ -‬ي‬

‫‪AL-LĀLAKĀʾĪ, Abū l-Qāsim Hibatuḷḷāh (gest. 418/1027): Šarḥu uṣūli ʿtiqādi‬‬


‫‪ahli s-sunnati wa-l-ǧamāʿah‬‬
‫الكتاب‪ :‬رشح أصول اعتقاد أهل السنة والجماعة‬
‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار طيبة ‪ -‬السعودية‪ ،‬المحقق‪ :‬أحمد بن سعد بن حمدان‬
‫‪:‬‬ ‫‪:‬‬
‫الغامدي‪ ،‬الطبعة الثامنة‪1423 ،‬ه ‪2003 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء ‪9‬‬

‫‪204‬‬
‫‪Die Lehre des Monotheismus‬‬

‫‪MUSLIM, Ibnu l-Ḥaǧǧāǧ an-Naisābūrī (gest. 261/875): Ṣaḥīḥu Muslim‬‬


‫الكتاب‪ :‬المسند الصحيح المخترص بنقل العدل عن العدل إىل رسول هللا‬
‫صىل هللا عليه وسلم‬
‫العرب – ربيوت‪ ،‬المحقق‪ :‬محمد فؤاد عبد‬ ‫الناش‪ :‬دار إحياء ر‬
‫الياث‬ ‫ر‬
‫ي‬ ‫ر‬
‫الباف ‪ ،‬الطبعة‪ :‬األوىل‪ 1374 ،‬ه ‪ ،1954 -‬عدد األجزاء‪5 :‬‬
‫ي‬

‫‪AT-TIRMIḎĪ, Abū ʿĪsā Muḥammad ibnu ʿĪsā (gest. 279/893): as-Sunan‬‬

‫اليمذي‬‫سن ر‬ ‫الكتاب‪ :‬ى ى‬


‫الحلن ‪ -‬مرص‪ ،‬المحقق‪:‬‬ ‫ى‬ ‫ر‬ ‫ر‬
‫ي‬ ‫الناش‪ :‬شكة مكتبة ومطبعة مصطف ي‬
‫الباب‬
‫أحمد محمد شاكر وآخرون‪ ،‬الطبعة‪ :‬الثانية‪1395 ،‬ه ‪ 1975 -‬م‪،‬‬
‫عدد األجزاء‪5 :‬‬
‫اليمذي‬ ‫سن ر‬ ‫الكتاب‪ :‬ى ى‬
‫‪:‬‬
‫اإلسالم ‪ -‬ربيوت ‪ ،‬المحقق بشار عواد معروف‪،‬‬ ‫الناش‪ :‬دار الغرب‬ ‫ر‬
‫ي‬
‫الطبعة‪1419 :‬ه ‪1998 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء‪6 :‬‬

‫‪Sonstige arabische Quellen:‬‬

‫‪IBNU ISḤĀQ, Muḥammad (gest. 151/768): Sīratu bni Isḥāq‬‬


‫السي والمغازي)‬
‫سية ابن إسحاق (كتاب ر‬ ‫الكتاب‪ :‬ر‬
‫الحلن‪،‬‬ ‫الباب‬ ‫ر‬
‫الناش‪ :‬دار إحياء الكتب‬
‫ي‬ ‫العربية ‪ -‬فيصل عيىس ي‬ ‫ر‬
‫‪:‬‬
‫الباف‪ ،‬عدد األجزاء ‪2‬‬ ‫‪:‬‬
‫المحقق محمد فؤاد عبد ي‬

‫‪IBNU HIŠĀM, Muḥammad (gest. 213/828): Sīratu bni Hišām‬‬


‫الكتاب‪ :‬ر‬
‫السية النبوية البن هشام‬
‫الحلن وأوالده بمرص‪،‬‬ ‫الباب‬ ‫ى‬
‫مصطف‬ ‫ومطبعة‬ ‫مكتبة‬ ‫كة‬
‫ش‬ ‫الناش‪ :‬ر‬
‫ر‬
‫ي‬ ‫ي‬ ‫ى‬
‫الشلن‪،‬‬
‫ي‬ ‫الحفيظ‬ ‫وعبد‬ ‫األبياري‬ ‫اهيم‬
‫ر‬ ‫وإب‬ ‫السقا‬ ‫مصطف‬ ‫‪:‬‬ ‫المحقق‬
‫الطبعة‪ :‬الثانية‪1375 ،‬ه ‪ 1955 -‬م‪ ،‬عدد األجزاء‪2 :‬‬

‫‪AṬ-ṬABARĪ, Muḥammad ibnu Ǧarīr (gest. 310/923): Tārīḫu l-umami wa-‬‬


‫‪l-mulūk‬‬
‫الكتاب‪ :‬تاري خ الطيي = تاري خ الرسل والملوك‪ ،‬وصلة تاري خ الطيي‬
‫الناش‪ :‬دار ر‬
‫الياث ‪ -‬ربيوت‪ ،‬الطبعة‪ :‬الثانية ‪ 1387 -‬ه ‪1967 -‬م‪،‬‬ ‫ر‬
‫عدد األجزاء‪11 :‬‬

‫‪205‬‬
Die Lehre des Monotheismus

IBNU MANẒŪR, Muḥammad ibnu Mukarram (gest. 711/1311): Lisānu l-


ʿarab
‫ لسان العرب‬:‫الكتاب‬
‫ر‬
،‫م‬1993 - ‫ ه‬1414 - ‫ الثالثة‬:‫ الطبعة‬،‫ ربيوت‬- ‫ دار صادر‬:‫الناش‬
15 :‫عدد األجزاء‬

Sonstige Quellen:

DIE BIBEL, nach Martin Luther


Standardausgabe mit Apokryphen, Durchgesehene Ausgabe in
neuer Rechtschreibung, 2006, Deutsche Bibelgesellschaft,
Stuttgart.

MARGOLIOUTH, David Samuel: Lectures on Arabic Historians


[Delivered before the University of Calcutta, February 1929].

EHRMAN, Bart D.: Abgeschrieben, falsch zitiert und missverstanden –


Wie die Bibel wurde, was sie ist
Originaltitel: Misquoting Jesus: The Story Behind Who Changed the
Bible and Why, 2005; Deutsche Ausgabe: 2008, Gütersloher
Verlagshaus, 1. Auflage.

ZERBST/WEIST, Christa/Christoph: Bibelkunde


Evangelischer Presseverband in Österreich „Mit Bescheid des
Evangelischen Oberkirchenrates A. u. H. B. vom 1. Oktober 1985“,
Ausgabe 1987.

206

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