Bolter 2012
Bolter 2012
Grundlagentexte
Herausgegeben
von Sandro Zanetti
. '
1 .
Suhrkamp
'. ;-i , ,,-n v, .. --
: j 1!
jay D. Bolter wir einen Widerhall, werden wir entdecken, inwieweit diese neue
·I
1,
Das Internet in der Geschichte Art des Schreibens ältere Formen weiterführt. Solche Resonan-
zen. können uns zu verstehen helfen, inwiefern das elektronische
1,
der Technologien des Schreibens
Schreiben radikal mit der Vergangenheit bricht - und inwiefern es
sie konsequent fortsetzt.
Historisch hat sich jede Ökonomie des Schreibens in Zusam-
. •ne Technologie der symbolischen Repräsenta- menhang mit bestimmten Genres und Stilen definiert. Die Papy-
Der COmputer 1st e1 . 'T' h 1 •
d K munikation, kurz - eme 1ec no og1e des Schrei-
. n undd er om rusrolle war mit der antiken Rhetorik und Historiographie verbun-
no htziger Jahren machte der Personal C omputer (PC) den; der Kodex mit der mittelalterlichen Enzyklopädie, marginalen
bens. In en ac hl A .
. --r hnologie einer großen Za von utoren wie Lesern in Anmerkungen, Glossarien und illustrierten religiösen Texten; die
diese 1ec amerika un d Japan verfü• gbar. H eute erorrnet „a: das In-
Europa, Nord . . b c . d Drucktechnik schließlich mit der Novelle und der Zeitung. Diese
ternet neue Formen der Pubhkat10n: es errelt as elektronische Genres und Stile drücken unterschiedliche kulturelle Einstellun-
1 Schreiben aus dem individuellen Computer und verbreitet es über gen bezüglich der Organisation von menschlichem Wissen und
1 ein die gesamte entwickelte Welt umspannendes Netzwerk aus Ma- Erfahrung aus. Technologien des Schreibens waren durchgängig
1
schinen. Das World Wide Web im Internet ist ein methodisches bedeutsam für die abendländischen Ideen des Wissens und der
Verfahren, welches das elektronische Schreiben schließlich in die Subjektivität.
Lage versetzt, sich von Schreibweisen gedruckte Publikationen
deutlich zu unterscheiden. Eine neue Okonomie des Schreibens,
ein neues Zusammenspiel von technischen Geräten und den Wei- Technologische Bedingungen und elektronisches Schreiben
sen, mit ihnen umzugehen, beginnt sich auszubreiten.
Betrachten wir den Computer und das Internet als eine neue Die kulturellen Implikationen des elektronischen Schreibens
Technologie des Schreibens, so können wir' sie in einen historischen hervorzuheben, fordert den Vorwurf des technologischen Deter-
Kontext einordnen. In der älteren und neueren Geschichte Europas minismus heraus. Sollen wir behaupten, daß Technologien einen
zählten zu diesen Technologien die . Papyrusrolle der Antike, der kulturellen Wandel bestimmen - zum Beispiel, daß unsere Kultur
Kodex der Spätantike und des Mittelalters und das gedruckte Buch sich durch die Computer, mit denen wir schreiben, verändert hat?
von der Renaissance bis heute. In jedem Zeitalter waren um diese In zeitgenössischen historischen und kulturellen Untersuchungen
Grundtechno!ogien · eme · Anzahl· untergeordneter oder unterstut· „ s~ellt eine solche Behauptung ein Anathema dar. Gleichwohl ist es
zender
. RahTechnologien · gruppiert,· deren Beziehung zueman • der sic ·h schwer, dem Vorwurf gänzlich zu entgehen. In diesem Essay scheint
im „ d men der weiteren · Ökonomie des Schreibens permanent die Position des Determinismus notwendigerweise durch, weil wir
veran erte Zu d' d' das Thema der elektronischen Kommunikation in einen breiteren
w-, h ·d . iesen untergeordneten Technologien gehörten ie
ac s- un die St . afi 1. dl' h kulturellen Kontext stellen. Diese rhetorische Verschiebung unter-
Version d b eint e m der antiken Welt, unterschie 1c s~e
bens imeneuroes ...e enso
h vergang „ 1·1chen wie monumentalen Schre1· stellt, daß die elektronische Kommunikation in gewisser Weise die
1 afi en M·1ttelalter und alles vom Manusknpt · u.. ber
d1e. ersten Hpa1sc Ursache darstellt - und der kulturelle Wandel ihre Wirkung. Und
1 diese Rhetorik von einander bedingender Ursache und Wirkung
f
räten währen~~ e/rucke zu Schreibmaschinen und Diktierg~-
verschiedenen Eer rhunderte des Buchdrucks. Dabei sind die
VerfahrensweiseJ~cd en - ~ehr als schlicht durch Material- u~d
ist schlicht zu nützlich, als daß sie übergangen werden sollte. Der
vorliegende Aufsatz argumentiert daher so, als ob die Druckerpres-
se die Entwicklung der Novelle ermöglicht hätte und als ob die
pkar~tiken gekennze· uhrch eme ganze Reihe von Lese- und Schre1~-
t10 · ic net Wienn wu · die elektronische Komm uni· Internet-Kommunikation geholfen hätte, neue intellektuelle und
n Innerhalb d' .·
ieses histo · h h „ ren soziale Gemeinschaften zu definieren.
318 nsc en Kontextes untersuchen, 0
319
\ - ,_. .... ·-
e ist dabei die nach dem Verhält .
. fassen dere Frag Kul o· n1s a.11 ,
Die um d 1i chnologien zur tur. 1e meisten G . er zu ändern, welche im Computer gespeichert sind. Es ist leichter,
Wissenschaften unchafcleer_ anders selbstverständlich als Ing e'.stes. Hypertexte zu verfassen, in denen der Anwender sich schnell von
·a1 ·ssens . en1eur
einem verlinkten Textabschnitt oder einem digitalisierten Bild zu
und S01.1 wi_ chafcler -würden diese Frage durch Zuhilfi e
·mrw1ssens uk • • b enah
und Na . Ar des sozialen Konstr nv1smus eantwone s·· einem anderen bewegen kann. Dabei üben Hard- und Software
me irgendeiner tdaß die Kultur die Technologie bestimmtn. te auch gewisse Zwänge aus. Die Beständigkeit eines Textes oder die
h n davon aus, . d d' , und Autorität seines Autors zu garantieren ist nicht einfach. Ähnliches
ge e k h Die radikale Version avon, 1e Steve Wool 1
nicht umge e rt.
en lautet, d
aß w·1ssenschaft und Technologar. läßt sich freilich auch gegenüber früheren Technologien behaup-
nd an dere verUet , k g1e ten: jede übte spezifische Zwänge aus und eröffnete bestimmte
u d •ger gan"zlich soziale Konstru te darstellen Für .
mehr O er wem . b • . · sie Möglichkeiten. Das Drucken erleichterte den Vertrieb (nahezu)
. daß d r Erfolg neuer Maschmen (e enso wie neuer wissen- identischer Kopien und begünstigte dadurch den Sinn für die All-
g11t, e d h . . h.
schaftlicher Theorien) nicht urc eme wie auc immer geartete gemeinheit und Beständigkeit geschriebener Texte. Zugleich er-
0
b'ektive Berufung auf die Natur bewertet werden kann. Keine schwerte es der Druck, sich als Autor der eigenen Texte überhaupt
J
Maschine arbeitet objektiv besser als d'IeJemge,
. · d'1e sie· ersetzt. Statt
erst durchzusetzen - zumindest im Vergleich zur Ökonomie des
dessen sind ihre Arbeitsweise und damit ihr Erfolg einzig von ge- handschriftlichen Kodex. Der Möchtegern-Autor mußte zunächst
sellschaftlich gesetzten Kriterien bestimmt. In unserem Fall würde einen bereitwilligen Drucker finden, der die recht substantielle In-
die These der gesellschaftlichen Konstruktion bedeuten, daß die vestition übernahm, den Text zu setzen und die Bögen zu drucken.
Technologien des elektroaischen Schreibens nur aufgetaucht sind, In solchem Maße beeinflussen, wenn nicht bestimmen, Technolo-
um die ihnen inhärentenlQualitäten wie Interaktivität, Flexibilität gien der Repräsentation den kulturellen Ausdruck.
Y. \ und Instabilität auszubilden. Diese Qualitäten sind tatsächlich so- Die Grenzen, welche die Schreibtechnologien ziehen, sind weit.
ziale Konstrukte; und unsere Kultur hat entschieden, welche Qua- , Innerhalb dieser weiten Grenzen sind Kulturen frei, ihre eigenen,
litäten sie dem elektronischen Schreiben zuordnen und wie sie ihre partikularen Konstruktionen zu gestalten. Dies gilt auf entspre-
Implikationen bewerten will. chende Weise auch für den elektronischen Text, dessen Flexibilität
In dieser radikalen Form kann die These der sozialen Konstruk- und Interaktivität unsere Kultur hervorheben oder abschwächen
tion der Technologie nur zu einer Rhetorik der Ausschließung kann. So erlaubt beispielsweise die erste Generation der World
führ~n. Computerwissenschaftler und Programmierer beispielswei- Wid.e Web-Browser ihrem Anwender nicht, die Texte zu ändern,
se konnten einer Rhetorik kaum zustimmen welche ihre Arbeit die er ansteuere. Diese auf die Lekcüremöglichkeit eingeschränk-
als arbiträr erscheinen ließe. Sie müssen davo~ ausgehen, daß die ten Browser könnten der Standard bleiben; sie könnten aber auch
nKoetzwerkspe-zi?sche Hard- und Software bestimmte Formen der durch Programme ersetzt werden, welche einen aktiven Eingriff in
mmumkauon tats" w· h er Texte gestatten. Durch ebendiese Geste kann unsere Kultur sich
Tech 1 . ac ic errektiver gestaltet als vorangegangene dafür entscheiden, die Dekonscruktion der Autorschaft in elektro-
no og1en Allerdi k" • d lbe-
se der s •a1 · Ko ngs onnre eine moderatere Version er nischen Texten weiterzuführen - oder aber fortzufahren, auf den
Argum 1
oz1 en n k . st ß Das
ru tton auf größere Akzeptanz sto en. .
C traditionellen Rechten des Autors zu bestehen. Tatsächlich prak-
l{
ent autete h' da h I g1e
die Kultur ni h her nn so: Obwohl die Computertee no tizieren Teile unserer Kultur derzeit beides zugleich: postmoderne
\_des Schreiben~ dt \ s~lut determiniert, macht sie gewisse Weise~ Schriftsteller und Kulturtheoretiker haben den Angriff auf den
0
ben kann eini ~ e1nfacher als andere. Das elektronische Schrei· Autor zu ihrer gemeinsamen Sache erklärt, während Herausgeber
. ge seiner Eig h ft d' kt von
se'.ner Hard- und So ensc a en mehr oder weniger ire ck und Anwälte des geistigen Eigentums darauf insistieren, daß die
wie auch zum h dsftwh~re ableiten. Im Vergleich zum Buchdru .Autorschaft im Internet den gleichen Schutz verdient wie die im
an c nftl• h . h TeJCte
tc en Manuskript ist es le1c ter, 1 Ein Browser, zu deutsch: Schmökerer, ist ein Computerprogramm, welches zur
Steve Wool
L
I
gar, Science, 'T1 e 'try !de Darstellung der grafischen Oberfläche des World Wide Web benötigt wird.
"' " a, Chichescer 1988.
321
1
. 1Raum für die These der sozialen Kon
Druck- Es gi'bt v1e d elektronischen Teehno1ogie gewiss struk . _1,on
·
des Interne , aft
t ohne er J o· .1 e tntnn .
bzusprechen. a: ie soz1a e Konstruk . s,.
des Vokabulars postmoderner Theorien, der sozialen Konstruktion 1
sehe Eigens
. eh enß adiese Eigenschaften auszuarbenen. . tton 1.
st
bedienen oder desjenigen einer traditionellen Geschichte der Tech-
nologie? Eine der gegenwärtig geläufigen Strategien besteht darin,
schlicht der -~~~ze 'Position (radikaler noch als die starke , , die Rhetorik des Poststrukturalismus zu bemühen: den dezemrier-
. .
Eme ra K truktion) würde behaupten, daß die Orient· 0n ten und unbeständigen Text, den Tod des Autors und die Befreiung
der sozt·aien ons b l . S terun
h d Wirkung selber o so et 1st. olch eine O . . g des Lesers. Wie George Landow3 anmerkt, ist das, was diese Rhe-
an Ursac e un d" Kul d B hd nen11e.
es uc rucks mitsarn 'h torik mit der elektronischen Technologie verbindet, der Begriff des
rung 1.st charakceristisch für ie . tur Ar t1_
. auf konsistenten, 1mearen gumenten. Der Wun h Hypertextes.
rer InsIStenz , , häl" . . d" . sc
rsache-Wirkungs- ver tmssen 1Il 1z1erc eine A
nac h kl aren U . . h d rt zu
denken, die viele poststrukturahsttsc e un postmoderne Theo ..
d ) .. . h rt Hypertextualität und das Internet
tiker (Derrida, Foucault, Lrocar etc. _ganz1IC v_erworfen haben.
Die meisten dieser Theoretiker haben _sich zwar__ mcht_auf den Hy.
Ein signifikantes Merkmal des elektronischen Schreibens im und
pertext als ihr Paradigma be~gen, gleichwohl füge? steh ihre Stra-
aus dem Internet ist seine Hypertextualität: seine Fähigkeit, einzel-
tegien, gedruckte Texte und ihre Kultur zu analysieren, scheinbar
ne Elemente in arbiträren Strukturen miteinander zu verbinden, sie
genau in einen hypertextuellen Rahmen. Der Hypertext scheint
zu verlinken und den Leser leicht von einem zum anderen Element
für lineare Argumentationen nicht geschaffen zu sein. Er erscheint
zu führen. Im Internet wird der Hypertext durch das Verbindungs-
vielmehr als geeignetes Medium, ein Argument als eine Folge von
protokoll des World Wide Web realisiert. Einzelne Hypertexte gab
Bedingungen und möglichen Konsequenzen darzustellen. Die es auch schon vor der Zeit des World Wide Web, obschon sie wenig
Konsequenzen können sich sogar gegenseitig widersprechen. Auf Verwendung fanden. Die meisten Benutzer von PCs wgen einfa-
diese Weise könnte der Hypertext die Annahme nahelegen, daß so- che Textverarbeitungsprogramme vor, welche den Text in linearer
wohl die These der sozialen Konstruktion als auch der technologi- Form darstellten, zumeist als kontinuierliche Zeilenfolge. Und die
sche Determinismus jeweils überzeugende Erzählmuster bereithal- meisten Autoren stellen ihre Dokumente immer noch mit Hilfe
ten. Es kann nicht darum gehen, diese Muster auf irgendeine Weise solcher Textverarbeitungsprogramme her, wenn auch ihre Lektü-
miteinander zu versöhnen, sondern darum, sie in einem Netzwerk re im World Wide Web heute oft hypertextuell wird. Mehr noch:
mögli~her Erklärungen nebeneinander gelten zu lassen . Je mehr die Autoren beginnen, Dokumente für das World Wide
. Wir haben bislang noch keine angemessene und weithin akzep- Web herzustellen, desto mehr wird von ihnen auch erwartet, hy-
n~ne ~etorik des Internet entdeckt; ja, möglicherweise benötigen pertextuelle Strukturen zu bedenken und zu produzieren. Während
~r zwei Rhetoriken. Zunächst gibt es einen Bedarf nach einer prak- einzelne Computerprogramme einer recht schmalen Gruppe von
ttschen Rheto ·k ·
. s· .
n im inne emer Reihe von Konventionen r r
fü' eich Geisteswissenschaftlern und kreativen Autoren die mögliche Be-
ver1mkte World W'd 1 e W,eb -Sttes
. d I net· deutung des Hyper-textes verdeutlicht haben, läßt das World Wide
k0 . . und andere Formen er nter
mmumkauo S0 I h · · rcen Web den Hypertext zu einem zentralen Genre kultureller Kommu-
Wi d . n. c e Konventionen werden die favon st e f
ege es Wissens · d' b dar nikation avancieren. In gewisser Hinsicht ist das Web die Erfüllung
es ein al . in ieser neuen Welt bestimmen. Sodann e_ .
er an yttsche Rh "k . d1sz1- des Versprechens des Hypertextes. Ein isolierter, für sich stehender
plinären Ko n eton , eines Vokabulars sowie eines ka Hypertext ist ein Selbstwiderspruch, weil ein Hypertext immer
ntextes · halb . ·fi nz
des Internet .. ' inner dessen sich die kulturelle Signi -_
er1autern l"ß o· b . ·e swe 1 über sich hinausgreifen möchte und Verbindungen mit anderem
se mit Sicherh . A a t. tesen Bedarf empfinden eispi_ 1 ·n Text herstellen will. Das implizite Telos ist ein einziger, alles umfas-
Essays zu beschreib etc utore d' d h M d1ut11 1
n, te as neue elektronisc e e . des 3 George Landow, Hypertext. The Covergmce of Contemporary Criticai Theory and
Buchdrucks gesch ~nbversuchen, welche für das ältere Med 10 '.11 Technology, Baltimore 1992.
32 2 ne en u n d gesta1tet worden sind. So II en wir 005
323
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• er Ted Nelson, der in den sechziger Jahrei
der Hypertext, wie „ 1· h h b i die digitalisierten Bilder durch verschiedene Bildbearbeitungspro-
sen H t pt·a"gte 4 ursprung tc vorsc we te.
d B ·ff,, ypertex << , gramme ihrem ursprünglichen Kontext entnommen und verändert
en egn •fi h Qualitäten des Hypertextes sind mittlerweile werden können. Mit anderen Worten: Bilder unterliegen dem glei-
Die spezt sc en eh d d
. R 'h Fachleuten untersu t wor en, zu enen auch chen Prozeß der Dekonstrukcion und Rekonstruktion wie Elemen-
von emer et e v011 . I k . . .. H
I ml't seinem Bemag » ntera t1v1tat- ypertextua-
2:
Mi ke San db one . d . d d b . . . , te des verbalen Textes. Auch in noch einem anderen Sinn kann ein
. .. 'r.
11tat- rsalität« gehört. 5 Entscheiden sm a et die E1gen- computerisiertes Bild hypertextuell werden: Es kann als Quelle oder
iransve d I i" . .. E' H
schaften der Verängerbarkeit und er nter it vttat. m yperrexr Ziel eines Links dienen. Eine Deutschlandkarte im World Wide
· · Sammll.1'112g miteinander verbun ener Elemente; die Ver- Web kann so konfiguriert werden, daß ein Symbol, welches Mün-
ist eme . R 'h „ 1· h L k
bindungen, seine Links, mar~i~ren eme ~1 e mog 1c .er e _türen. chen repräsentiert, auf eine Seite führt, welche die Stadt beschreibt,
Jede dieser Lektüren wird realisiert durch eme Interaktt~n zw1sc~en während ein Symbol für Berlin mit einer anderen Seite verbunden
dem Leser und der verlinkten Struktur. Hypertexte verandern sich, ist. Die Landkarte wird so Teil eines Beziehungsgeflechts, in dem
indem sie auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Lesers und jeder ein Bildelement im Zuge der wiederholten Verschiebung auf ein
neuen Lektüre reagieren. Im World Wide Web zum Beispiel klickt anderes verweist. Bilder nehmen so am Prozeß der lntertextualität
der Leser auf sogenannte »anchor-links«, unterstrichene Sätze oder teil. Spätestens seit den sechziger Jahren haben Poststrukturalisten
Teile einer Grafik. Durch die Wahl eines »anchors« (dt.: Anker) . wie Jacques Derrida in seiner Grammatologie und Nelson Goodman
6
aktiviert der Benutzer den Link, der ihn oder sie auf eine andere in seinem Buch über die Sprachen der Kumt behauptet, daß Bilder
Seite leitet. So wird der Text in einem Umsetzungsprozeß zwischen wie Wörter arbiträr sind und dadurch intertextuell. Auch in dieser
dem Leser und dem oder den (abwesenden) Autor/en, welche die Hinsicht scheint der elektronische Text in seinen operationellen
entsprechenden Links in den Text eingebaut haben, erst hergestellt. Begriffen Strategien zu implizieren, für die poststrukcuralistische
Die Eigenschaften der Veränderbarkeit und der Interaktivität Autoren auf einer theoretischen Ebene seit Jahrzehnten eintreten.
unterscheiden den elektronischen Hypertext vom gedruckten Buch Auf der anderen Seite findet man Vorläufer des elektronischen
wie vom noch früheren handgeschriebenen Kodex. Metaphorisch Hypertextes allerdings bereits im gedruckten Buch ebenso wie in
gesehen mag auch ein gedrucktes Buch jedesmal, wenn wir es lesen, noch·früheren Technologien. Einige Arten von Büchern sind ihrer
Iein anderes sein, weil wir als Leser uns verändert haben. Das Buch
selber aber bleibt die gleiche physikalische Abfolge von Zeilen und
Seiten. Metaphorisch betrachtet stellt ein gedrucktes Buch für jeden