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Winterstein - 1912 - Die Psychoanalyse Des Reisens

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SEPARAT- ABDRUCK AUS IMAGO, ZEITSCHRIFT FR ANWENDUNG DER PSyCHO-ANALySE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN. / HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR.

SIGM. FREUD. / REDIGIERT VON OTTO RANK UND DR. HANNS SACHS. / I. JAHRGANG, HEFT V, DEZEMBER
1912.

VERLAG VON HUGO HELLER <) CIE. UND WIEN, BAUERNMARKT


I.

IN LEIPZIG

3.

Zur Psychoanalyse

des Reisens

Zur Psychoanalyse
Von
Dr. Alfr. Frh. v.

des Reisens.

WINTERSTEIN.
als

Psychoanalyse bewhrt DieMethode wohl am

Erfolg Art, die gelingt, seelische Phnomene der verschiedensten scheinbar nicht die geringste Beziehung zur Tiefenpsychologie haben, in ihrer stets identischen psychosexuellen Determiniertheit zu erkennen. Von dem speziellen Bereich der Hysterieforschung ausgehend, hat mannigfaltigsten nach den junge Wissenschaft Radien diese ich nenne blo Moral, Pdagogik, Mythologie, Wissensgebieten Sprachwissenschaft, Kunstpsychologie, Soziologie, Kriminalistik und um noch Einiges zur gezogen,- sie hat Religionspsychologie einen Zusammen* Charakteristik ihrer Universalitt anzufhren
ihr mit

Bedeutung besten dadurch, da es


ihre

heuristische

hang zwischen einer bestimmten Gruppe von Charakterzgen und einer gewissen Art der Erotik hergestellt und dadurch einer zu knftigen Charakterologie die fruchtbarsten Impulse gegeben, sie hat ferner nachgewiesen, wie sehr die Berufswahl oder die Wahl wissen* durch unbewute Komplexe bestimmt schaftlicher Untersuchungen wird. Nicht zu ihren geringsten Ruhmestiteln gehrt es endlich, ge* wisse Stimmungen, die sich rational nicht gut rechtfertigen lassen und deren Erklrung uns die Psychologie bisher schuldig geblieben ist, durch das Unbewute motiviert zu haben. besonders im Frhjahre* Wer von uns htte nicht schon den unbezwinglichen Trieb zu reisen versprt, wo* Herbst oder bei er fr seine Reise eine ganze Reihe von scheinbar einleuchtenden Grnden aufzuzhlen wute! Da seine Reiselust in sehr vielen Fllen mit seinem Liebesleben in Verbindung steht, da eine solche Reise, die spontan, ohne rechte uere Veranlassung unternommen Cythere ist, htte er schwerlich wird, oft nur eine Reise nach wenn auch diese Tatsache schon bisweilen irgendwie dunkel geglaubt,

erkannt worden war'**.


richtigen

Es sind in erster Zusammenhang geahnt und so

Linie die Dichter, die den

auch diesmal der Psycho*

sie sich zumeist damit obgleich analyse vorgearbeitet haben, begngten, anstatt der urschlichen Verknpfung das regelmige Miteinandervorkommen von Erotik und Reise aufzuzeigen. Der vielgereiste Odysseus*** erlebt ein Liebesabenteuer nach dem andern,
* Und da nun der Frhling herankam, so erwachte auf einmal eine sonderbare Begierde zum Reisen in ihm, die er bis dahin noch nie in dem Grade empfunden hatte <K. Ph. Moritz Anton Reiser, S. 318, Leipzig, Reclam). ** Die weitverbreitete Freude an Reiseromanen bezieht vielleicht einen Durch Herrn Dr. Th. starken affektiven Beitrag aus dieser erotischen Quelle. Reik werde ich auf die antike Sekte der Paternianer aufmerksam gemacht, die gewisse geistige Eigenschaften an bestimmten Krperstellen lokalisierten/ so bezeichneten sie den Unterleib nicht nur als Sitz der Sexuallust, sondern auch der Lust
:

zum

Reisen. *** Kurz

Arbeit

von C. G. Jung Wandlungen

vor Durchsicht der Korrekturbogen gelangte der zweite Teil der und Symbole der Libido (Jahrbuch t.

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

in den Venusberg, der fliegende Hollnder** umher, bis er durch ein Weib erlst wird, Faust*** fliegt mit Mephistopheles auf einem Zaubermantel durch die Luft, um seinen neuen erotischen Lebenslauf zu beginnen. Unerklrte erotische Ursachen lassen Die pilgernde Trin in Goethes gleichnamiger Erzhlung durch die Welt rennen. Liebe zu einer Frau zieht den Taugenichts in der Eidiendorffschen Novelle nach Italien und von dort wieder zurck nach Deutschland. Gottfried Keller lt im Sinngedicht seinen Helden, einen ins Moderne bersetzten Doktor Faust, eine Reise zu unverhllt erotischem Zwedv antreten,- in W. Jensens Novelle Gradivaf macht der Archologe Norbert Hanold unter einem wissenschaftlichen Vorwand eine Frhlingsreise nach Italien, wenn auch der Antrieb zu dieser Reise ihm aus einer unbenennbaren Empfindung entsprungen war. (Die sich, so knnen wir hinzufgen, nach allem dieser Stelle Vorhergehenden und Nachfolgenden als erotische legitimiert). Die Beispiele lieen sich leicht vermehren, hier nur noch zwei Bei Baudelaire heit es in einem Gedichtzyklus Le voyage:
irrt

Tannhuser* wandert

Mais les vrais voyageurs sont ceux l seuls qui partent Pour partir,- coeurs legers, semblables aux ballons,
ne s'ecartent, Et, sans savoir pourquoi, disent toujours: Allons!
ils

De

leur fatalite jamais

Ceux=l dont

les

desirs ont la

Et

qui revent, ainsi

forme des nues, q'un consent le canon,

De

Et dont

vastes voluptes, changeantes, inconnues, l'esprit humain n'a jamais su le nom!

psychoanalyt. u. psychopath. Forsch. IV. i.) zu meiner Kenntnis. Es findet sich dort folgender, mit meiner unten dargelegten Ansicht aufs trefflichste ber= <Gilgamesh, Dionysos, Herakles, einstimmender Passus: Da diese Heroen sind, ist ein psychologisch klarer Christus, Mithras usw.) fast immer Symbolismus: Das Wandern ist ein Bild der Sehnsucht, des nie rastenden Ver= langens, das nirgends sein Objekt findet, denn es sucht die verlorene Mutter, ohne

Wanderer

es zu wissen.
*

seiner frouwe zu
verkleidet). ** Vgl. Dr.
z.

Vgl. auch den Frauendienst des Ulrich von Liechtenstein, worin dieser Ehren abenteuerliche Pilgerfahrten unternimmt <als Frau Venus

Max

Graf: Richard

Wagner im

Fliegenden Hollnder. Schriften

angew. Seelenk.,
***

Es

ist

9. Heft. kein Zufall, in

vielmehr
direkte

ein feiner

bevor er mit

der Erotik
Bilder

Berhrung

Zug des Dichters, da Faust, gebracht wird, wiederholt seine

der Bewegungsvorstellungen entnimmt: Ein Wald und Wiesen hinzugeh'n. <Hier ist der Zusammenhang zwischen Liebe und Wandern vllig ersichtlich). Ein Feuerwagen schwebt auf leichten Schwingen an mich heran! Ich fhle mich bereit, auf neuer Bahn den ther zu durchdringen oder: Ja, wre nur ein Zauber^ mantel mein und trg' er mich in ferne Lnder. Dann: Ach, zu des Geistes Flgeln wird so leicht kein krperlicher Flgel sich gesellen. f Vgl. Freud, Der Wahn und die Trume in W. Jensens Gradiva.

Gedanken

und

dem

Bereich

unbegreiflich holdes

Sehnen

trieb mich, durch

Schriften z.

angew. Seelenk.,

I.

Heft.

Zur Psychoanalyse

des Reisens

Und
der
sein
in

seiner

C. F. Meyer, der zum wahren Bedeutung nur


nicht verlie, singt:

Reiseschritt

allzu

kenntliche

Verdammte, den Wanderdrang

Leben lang

Zu wandern ist das Herz verdammt, Das seinen Jugendtag versumt,


Sobald die Lenzessonne flammt, Sobald die Welle wieder schumt.
Verscherzte Jugend ist ein Schmerz Und einer ew'gen Sehnsucht Hort. Nach seinem Lenze sucht das Herz In einem fort, in einem fort!*

Meines Wissens findet sich zuerst bei O. Weininger eine be= wute Erkenntnis von der geheimen Verbindung zwischen Reisetrieb und Sexualtrieb. Die betreffende Stelle lautet in Geschlecht und Charakter <S. 317): Er <Kant> war so wenig erotisch, da er nicht einmal das Bedrfnis hatte zu reisen**. Auch Havelock Ellis macht gelegentlich eine hierhergehrige Bemerkung. In der im Frhling und Herbst auftretenden Reiselust erblidtt er ein berbleibsel der zu diesen Hochzeiten der Sexualitt von den Mnnern frher einmal unternommenen Raubzge, die die Erbeutung eines Weibes
bezweckten***. Die eben besprochene Tatsache, da viele Menschen zu be= stimmten Zeiten des Jahres Lust zum Reisen verspren, erschpft mglichen Flle. Dieser Wandertrieb zeigt die mannig= nicht alle faltigsten Abstufungen: von der mit miger Intensitt im Frhjahr berhaupt in der schnen Jahreszeit, auftretenden und Herbst Reiselust der meisten Menschen ber die heftigere, von zeitlicher
"J",

* In Tiedcs Novelle, Die Sommerreise <i833>, verfolgt Walther den Entfhrer der Cousine eines Freundes,- es stellt sich aber heraus, da sein eigener Reisebegleiter Ferdinand der Verfolgte ist. Das bestndige Haschen und Wieder verlieren der Maschinka wird in der glcklich zum Ausdruck gebracht, in

Form

dem

im Vordergrund steht und die eigentliche Handlung der Novelle nur flchtig, wie die Maschinka, hervortritt. Hier wird uns in typischer Weise anschaulich gemacht, wie die Dichter das Primre, das erotische Motiv, in der Darstellung zu verschleiern suchen. Als weitere Beispiele verdienen eine Novelle von Th. Mann: Der Kleiderschrank, und J. Wassermanns Erzhlung: Geronimo de Aguilar, herangezogen zu werden. Auch in Hofmannsthals Schauspiel Christinas Heimreise, wird das sexuelle Abenteuer durch die Reise
die Reisebeschreibung
:

Stimmung
**

ermglicht.

Was

anmerkungsweise

als

Erklrung angegeben wird, verdunkelt durch


gute psychologische Einsicht.
Prof. Freuds verdanke ich die nachstehenden Braut zu finden, lt sich urgeschichtlich be

seinen metaphysischen Charakter die *** Einer mndlichen Mitteilung Ausfhrungen: Das Reisen, um die grnden in der Sitte, da der Vater im fremden Land die Braut und mit in denen auch immer ein fremder
urzeitlicfaen

die ihr

mannbaren Shne
Prinz
fhlt

austrieb, die sich

dann
diese
lieber

das Knigreich gewannen. Die Mrchen,


einheiratet,

zugereister

scheinen
alter,

Adam

Zustnde zu wiederholen. f Vgl. Mrikes Gedicht Fureise Herbst- und Frhlingsfieber.

So

auch

mein

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

Fixierung unabhngige Form dieses Triebes, wie sie sich bei Abenteurern* und Entdeckern, aber audi bei belasteten Individuen findet, bis zu dem krankhaften Wandertrieb <Fugues, Poriomanie, Dromomanie, automatisme ambulatoire), der sich im Dmmerzustand befriedigt und vollstndige Amnesie zur Folge hat. Audi der unverbesserliche Landstreicher ist anzufhren. Hier handelt es sich allerdings zumeist um ausgeprgt Geisteskranke (Dementia praecox). Es ist wahrscheinlich und wird im folgenden noch klarer werden, da blo quantitative Unterschiede die beiden Endpunkte voneinander trennen. Auch im Frhling und Herbst des Lebens (Klimakterium) ist vielleicht bei reiselustigen Individuen mit der gesteigerten Libido eine Steigerung dieses Wandertriebes zu erwarten. Bezglich der Jugend trifft unsere Vermutung hchstwahrsdieinlich zu. Denn die Jugend will auf Reisen sein, sogar in der Nacht, sowie das Alter immer bernachten, sogar am Tage <Jean Paul). Die in frherer Zeit blichen Wanderungen der Handwerksburschen und Studenten (fahrenden Scholaren) sowie die groe Tour, die junge Kavaliere durch Europa zu unternehmen pflegten, sind sicherlich im tiefsten Grunde auch erotisch motiviert. Kunstreisende junge Englnderinnen und reiselustige ltere Mdchen sind ebenfalls dringend verdchtig, hierher zu gehren**. Da neben der psychosexuellen Wurzel auch die den Be= lasteten stigmatisierende Unfhigkeit zu dauernder Assoziation sowie die Sucht, dem eigenen peinvollen Ich zu entfliehen (Typus Ahasver), oft ein wichtiges Reisemotiv bilden, wird nicht bestritten. Das Introjektionsbedrfnis*** des Psychoneurotikers, die Sudir, die Summe frei flottierender, komplexflchtiger Erregung an den Objekten der Auenwelt zu sttigen, erklrt mglicherweise gleichfalls

manche

Reiselust.
in

auftauchenden Verlangens zu reisen eintreten, ist vorauszuschid<en, da das Reisen, abgesehen von seiner gleich zu errternden symbolischen Bedeutung und den sonstigen mit ihm verbundenen undie

Bevor wir

genauere

Besprechung

des

spontan

bewuten Zielen, an und fr sich, als Bewegung, eine lustvolle motorische Entladung vorstellen kann. Freud hat in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie die auch sprachlich f vielfach dokumentierte Beziehung zwischen krperlicher Bewegung im allgemeinen und sexueller Bettigung klargestellt. Ein der Psychoanalyse durdiaus fernestehender Autor wie der verstorbene norwegische Psychologe Mourly Vold hat Er*

Man

beachte die erotische

Nuance

der

Vgl. auch den Ausdruck: Frau Aventiure.

Wortbedeutung von Abenteurer.


mit der

** ni(jit j.e sprichwrtliche Reiselust des Englnders irgendwie fr diese Nation charakteristischen Libidoverdrngung zusammenhngt? *"* S. Ferenczi, Introjektion und bertragung, Jahrb. f.

Qk

psychoanalyt. und

Psychopath, rorsch.,

I.

1909.

t Z.

B. coire,

marcher avec quelqu'un, Steiger usw.

Zur Psychoanalyse

des Reisens

scheinungen von sich in der Luft bewegenden Wesen* bei sexuell erregten Personen konstatiert und Freud fat den typischen Traum des Fliegens als Symbol des Wunsches nach dem coitus auf. Die herrschende Art zu reisen bertrifft an Bequemlichkeit weitaus die in vergangenen Zeiten bliche <zu Fu oder zu Pferd wird ja heutzutage fast gar nicht mehr gereist, auch das Fahren in der Eisenbahn erschttert den Krper weniger als das Sitzen in der Kutsche), an die Stelle der aktiven Bewegung, die eine ge= ngende motorische Entladungsmglichkeit bot, trat die passive, an die nun aber die Forderung mglichst groer Geschwindigkeit ge^ stellt wird**. Die Lust an der Steigerung der Schnelligkeit, wie sie sich beim Automobilfahren, Fliegen, Wintersport und Radfahren manifestiert <die wieder mehr aktive Bewegung, auf die man eine Zeitlang zu verzichten schien, erheischen), ist vielleicht blo als eine Wiederholung des lustvollen Hetzens der Kindheit aufzufassen, wobei der erregende Anprall des "Windes*** an die Genitalien eine gewisse Rolle spielt, und strebt nichts anderes an wie der Alkohol, die Mdigkeit und der Geschlechtsverkehr, nmlich berwltigung des Bewuten durdi das Unbewute. Ob die Muskelttigkeit eine direkte sexuelle Befriedigung ein**
seh liet f,

mag

dahingestellt
in

bleiben,

erscheint

jedoch

nicht

ganz

Anbetracht des Umstandes, da krperlich an= gestrengt arbeitende Personen unter libidinsen Anwandlungen ge= wohnlich nicht sehr zu leiden haben. Es ist auch denkbar, da eine gewisse Affektverschiebung <die eine groe Rolle in unserem Seelenleben spielt) eintritt, die Bewegung wre dann ein quivalent des
Geschlechtsaktes.

unwahrscheinlich

Die eben erwhnte lustvolle Befriedigung des Bewegungs= dranges beim Reisen tritt aber und dies hat, wie oben ausge= fhrt wurde, besonders fr die neuere Zeit Geltung in den

Die Ruhelosigkeit der Gespenster, von der in Mrchen und Sagen immer Rede ist, hngt vielleicht auch damit zusammen, da sie ewig unbefriedigt bleiben mssen. Vgl. die Worte der Katharina in Schnitzlers: Ruf des Lebens: Nur die sich an viel (sc. Erotisches) zu erinnern haben, schlafen ruhig in der Erde die andern weit du's nicht? flattern und klagen ber der Erde umher. ** Hier beim Vergleichen verschiedener Epochen mag angefhrt werden, da das Reisen als Selbstzweck erst in dem durch J J. Rousseau charakte= risierten Zeitabschnitt begann <nach H. Sachs als Reaktion auf die vorangegangenen sexuellen Ausschweifungen) vgl. auch die damals blhende Reiseliteratur/ wir erinnern blo an Voricks sentimental journey, im Zusammenhang mit Werthers Leiden stehen die Werther zugeschriebenen Briefe aus der Schweiz. In Lawrence Sternes Werk heit es - in beinahe bewuter Erkenntnis des Motivs der Reise Es ist eine ruhige Reise des Herzens nach Natur und nach solchen Regungen, die aus ihr entspringen und uns treiben, einander zu lieben, ja die ganze Welt mehr als wir pflegen. *** e ud' Drci Abhandlungen zur Sexualtheorie, S. 48, 49. f/ . Havel g * Ellis: Das Geschlechtsgefhl, und Fere: L'Instinct sexuel ,xz c <Mouvement=bensation genitale). Les sensations de mouvement peuvent aussi chez quelques individus provoquer l'excitation sexuelle *
*

wieder

die

'

Alfred Freiherr

v,

Winierstein

spontane Reiselust auf ihre wahre Bedeutung hin psychoanalytisch durchleuchtet. Eine einheitliche Erklrung lt sich a priori freilich nicht angeben,- ist es ja nicht das geringste Verdienst Freuds, den in der Psychopathologie bis= her gegenber dem Schematischen arg vernachlssigten individuellen Faktor nach Gebhr bercksichtigt zu haben. Da dieser Reisetrieb freilich zumeist auf erotische und infantile Wurzeln zurckzufhren sein wird, ist trotz der mannigfachen Bedeutungsverschiebungen und Varietten im einzelnen bei der von uns festgehaltenen Annahme, da ein solches impulsives, rtselhaftes Verlangen sich wohl nur aus
Hintergrund,
die

wenn man

der tiefsten menschlichen Affektquelle, der Sexualitt, herleiten lt, von vornherein wahrscheinlich, entbindet uns aber nicht der von dem Psychoanalytiker gewissenhaft zu benden Pflicht, auf die bz= sonderen Bedingungen eines jeden Falles einzugehen. Der gewhnlichste, den meisten Menschen gelufige Fall ist wohl der, da das besonders zu gewissen Zeiten des Jahres sich regende Reisebedfnis einem Ungengen, einer unbestimmten Sehn= sucht entspringt, die sich als Verlangen nach erotischen Erlebnissen dem Wesen der Unlust entpuppt. Der Drang nach Vernderung entsprechend, indes die Lust zu beharren wnscht, tiefe, tiefe

sich stellt plastisch am sinnflligsten als Drang Ewigkeit will nach Ortsvernderung dar. Wieviele Menschen reisen nicht, in der geheimen Hoffnung, ebensoviele erotische Abenteuer zu erleben wie Casanova auf seinen Fahrten! Mancher, der im Gasthof bei unversperrter Tre schlft, liefert unter Umstnden durch diese Untere lassung dem Psychoanalytiker ein verrterisches Symptom. Oft ist eine Reise wirklich nichts anderes wie eine Minnefahrt <H. Swo= boda) und die besonders in den Dichtungen des Mittelalters vor= kommende Reise nach den glckseligen Inseln ist immer nur eine Reise nach Cythere (oft das infantiUsexuelle Paradies der Kindheit)*". Ist ein solches in miger Strke sich geltend machendes Reise= bedrfnis nichts Aufflliges, hchstens Ausflu einer gesteigerten Fhigkeit, die Libido rasch abzulsen, so erfordert grere Beachtung ein derartiges Verlangen, das einen besonders heftigen, impulsiven* Charakter aufweist und sich eventuell auch in einer ganz bestimmten

Vgl. die Jnselphantasien bei F. Riklin Aus der Analyse einer Zwangs= Jahrbuch II. 1910. Viele Inselphantasien haben ausgesprochen auto-* erotischen Charakter {Rckkehr ins Infantile). Es sei hier auch an die Worte des Max Piccolomini erinnert, die auf sein Zusammensein mit Thekla anspielen (heterosexuelle Gruppe dieser Phantasien) Auf einer Insel in des thers Hhen hab' ich gelebt in diesen letzten Tagen. Sie hat sich auf die Erd' herabgelassen und diese Brcke, die zum alten Leben zurck mich bringt, trennt mich von meinem
*
:

neurose,

Himmel.
Hinter dieser rastlosen Unbefriedigung steht fter, als man von vornanzunehmen geneigt ist, das unerreichbare Bild der Mutter. Die Sucht. etwas Neues zu finden, worunter sich gewhnlich der unbefriedigte infantile Inzestwunsch verbirgt, ist auch dem Typus des Don Juan eigentmlich. Andersens Mrchen Der Reisekamerad besttigt fr den der Psychoanalyse Kundigen unsere Auffassung von der Bedeutung des Mutterkomplexes fr das Reisen.
herein
**

Zur Psychoanalyse

des Reisens

Richtung bewegt. Hier setzt mit besonderem Nachdrucke die Aufgabe der Psychoanalyse ein, den Fall in seiner individuellen Determiniertheit zu erforschen. Ein von uns analysierter Neurotiker versprte nach seiner Maturittsprfung eine unbezhmbare Lust zu reisen und zwar nach England. Der Wunsch erschien ganz
seine Reise eine Menge rationeller Wirklichkeit war es eine Flucht in die Kindheit, denn seine erste Erzieherin, bei der seine Libido jahrelang verankert geblieben war <sie ersetzte ihm die fehlende Zrtlidikeit der Mutter), war eine Englnderin gewesen. Wir meinen nun, da dieses Beispiel Geltung ber den Einzelfall hinaus beansprucht.

plausibel

und

es lie sich fr
In

Grnde anfhren.

fters drdrt das Verlangen, in ferne Lnder zu reisen, nur den aus, in ferne Zeiten <der Kindheit) zurckversetzt zu werden. Es ist das eine bertragung des Zeitlichen ins Rumliche,

Wunsch
sie

von Freud auch in Trumen nachgewiesen wurde.* Die Sehnsucht mancher Menschen, nach Italien oder Griechenland zu reisen, symbolisiert vielleicht auch, abgesehen von den vielen sonstigen Determinanten, das Heimweh nach den Puberttsjahren, da man im Geiste im Lande der Rmer oder Griechen unter bedeutenden, starken Persnlichkeiten, ebensovielen Auflagen des vterlichen Ideals <der Vaterimago. Jung) lebte. Auch homosexuelle Wnsche knnen im Spiele sein. War nicht unter den Motiven von Goethes italienischer Reise das Verlangen mitbestimmend, sich mit seinem Vater zu identifizieren, dessen schnste Erinnerung eine Reise in dieses Land blieb ? Inwieweit dabei auch die Furcht, sich an Frau von Stein zu verlieren, die eine Wiederholung von Mutter und Schwester'* war,
wie
* Freud, Nachtrge zur Traumdeutung, Zentralblatt fr Psychoanalyse. Jahrgang, Heft $6: Die Verlegung in die Kindheit wird in anderen Trumen auch anders ausgedrckt, indem Zeit in Raum bersetzt wird. Man sieht die be= treffenden Personen und Szenen wie weit entfernt am Ende eines langen Weges oder so, als ob man sie durch ein verkehrt gehaltenes Opernglas betrachten wrde. Vgl. den Ausdrude Kinderland: <0 fand' idi doch den zurck, den
1.

Weg

Weg

Kinderland!* Klaus Groth> und die Worte in Wagners Parsival: Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit! < Wir kennen die rumliche Umdeutung der goldenen Zeit aus der griediischen Mythologie: die unter der Herrschaft des r o n o s stehenden, im fernsten Westen befindlichen seligen Inseln. Vielleicht gehrt das Phakenland der Odyssee ebenfalls hierher. Auch an das Schlaraffenland des deutschen Mrchens mag erinnert werden. Prof. Freud war so liebenswrdig, mich auf die psychologische Bedeutung der Rumlichkeit hinzuweisen. Es gibt Typen und insbesondere die Zwangsneurotiker sind solche Menschen, " en ^ as ^ anc* mit ^ er R um ''*'ceit vie ' fester geknpft ist als mit der Zeitr^t lichkeit Bei anderen Personen sieht man wieder deutlich, wie sie ihre Komplexe auf andere Gebiete berschreiben und ihre Affekte z. B. auf Orte bertragen wie U P u %['' kum Die bertragung auf die Lokomotion spielt dann in der Agora< k j phobie die Hauptrolle, wo die sexuelle Einschrnkung durch rumliche Gebundenheit dargestellt wird. So ist eine Mglichkeit gegeben, Affektintensitten plastisch darzustellen. Vielleicht gehrt die Erklrung der Reiseangst in diesen Zusammenhang. , r1 du w;rst in abgelebten Zeiten meine Schwester oder meine Frau. Goethe, Gedichte: An Frau von Stein. Vgl. O. Rank, Das Inzestmotiv in Dichtung und Sage. Deutidee 1912.
ins liebe

',

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

von Goethe in einem kurz vor seiner Flucht nach Italien an Frau von Stein gerichteten Brief erwhnten Um stand als bedeutsame Symptomhandlung aufzufassen. Vom SchneeHeute frh lie ich beim berg schreibt er ihr am 16. August 1786 Einfahren in die Grube Deinen Ring vom Finger. Nebenbei be= merkt, hat Goethe seinen Reiseplan Frau von Stein verheimlicht. Die Triebfeder eines Reiseentschlusses kann, wie wir eben gesehen haben, auch eine negative sein, nmlich der Wunsch, seine Libido abzulsen. <Vgl. G. Hauptmanns Schauspiel: Gabriel Schillings Flucht.) Vielleicht ist das Loskommenwollen <Reisen im Sinne des
ist

eine Rolle gespielt hat,


es erlaubt, einen

wage

ich

nicht

zu

entscheiden.

Vielleicht

sogar der psychologisch bedeutsamere Grund vieler Reisen. Nietzsche schreibt in der Vorrede zu Menschliches, Allzumenschliches Lieber sterben als hier leben so klingt die geSichlosreiens)
:

bieterisdie

Stimme und Verfhrung: und dies ,hier', dies ,zu Hause' ist alles, was sie <die Seele) bis dahin geliebt hatte! Ein pltzlicher Schrecken und Argwohn gegen das, was sie liebte, ein Blitz von Verachtung gegen das, was ihre Pflicht' hie, ein aufrhrerisches,
vulkanisch stoendes

Verlangen nach WanderEntfremdung, Erkltung, Ernchterung, schaft, Fremde,


willkrliches

Vereisung, ein Ha auf die Liebe, vielleicht ein tempelschnderischer Griff und Blidi. rckwrts, dorthin, wo sie bis jetzt anbetete und liebte, vielleicht eine Glut der Scham ber das, was sie eben tat, und ein Frohlocken zugleich, da sie es tat, ein trunkenes inneres frohlockendes Schaudern, in dem sich ein Sieg verrt ein Sieg? ber was ber wen? ein rtselhafter, fragenreicher, fragwrdiger Sieg, aber der erste Sieg immerhin: dergleichen Schlimmes und Schmerzlidies gehrt zur Geschichte der groen Loslsung. Sie ist eine Krankheit zugleich, die den Menschen zerstren kann, dieser erste Ausbruch von Kraft und Willen zur Selbstbestimmung. <Cit. bei Jung, Jahrb. IV. S. 348). Eine in den Puberttsjahren unter* nommene Flucht aus dem Elternhaus ist die beste Symbolik fr das Verhalten des Elternkomplexes des betreffenden Neurotikers und als eine reale Darstellung der miglckten inneren Ablsung aufzu= Manche sptere fassen <Vgl. die obzitierte Arbeit von Riklin). Bei den Reise mag hierin ihren vorbildlichen Ursprung haben. erschienen Dichtern, bei denen, wie O. Rank sich in seinem jngst Werk Das Inzestmotiv usw. nachzuweisen bemht hat, der Inzest* Komplex einen sehr breiten Raum einnimmt, besteht oft ein inniger Zusammenhang zwischen ihrem Schaffen und ihren fluchtartigen Ortsvernderungen. <Man denke blo an Schillers Ruber und seine Flucht aus Stuttgart, an Wagner, Skakespeare, Hebbel, Kleist und Ibsen**,- eine Anzahl Dichter behauptet, nur auf Reisen arbeiten zu knnen, z. B. Zacharias Werner.)

* **

Freud, Psychopathologie des Alltagslebens.

Rank,

o.

c.

p.

483'84.

Zur Psychoanalyse

des Reisens

Stekel*

erblickt

in

den

Reisen

der

Neurotiker

meist

Neurose und

Kompromi zwischen den Befreiungstendenzen aus den Banden der


erotischen Zielen,- Ferenczi** uert sich, wie folgt: Ortsvernderung wirkt meist gnstig, weil die Patienten dadurch

ein

aus dem fr sie differenten Milieu flchten (Nachahmung des Ver* drngungsmechanismus). Der Rckfall stellt sich beim ersten Kon= fllkt zu Hause wieder ein. Es mag sein, da der Ratschlag, den viele rzte bei sogenannten Gemtskrankheiten geben, zu reisen, der unklaren Erkenntnis des Zusammenhanges zwischen Neurose und unzweckmiger Fixierung der Libido entspringt. Freilich treibt Heimweh die Kranken oft bald wieder nach Hause***. Heimweh wenigstens in pathologischer Strke bedeutet wohl soviel wie die Unfhigkeit, seine Libido von der gewohnten Umgebung abzu~ trennen, und weist hufig auf eine bermig innige Fixierung bei den eigenen Eltern <oder deren Surrogaten) hin. Die Liebe zur Vaterstadt und zum Vaterland ist ja, wie uns die Psychoanalyse gezeigt hat, identisch mit der Liebe zu den eigenen Eltern. Und die spontane Flucht des Deserteurs im Gegensatz zum Vorher^ gehenden eventuell aus der feindlichen Einstellung dem Vater gegen ber entspringend ist bisweilen nur eine Wiederholung des Vor= gehens, das der Flchtling in seiner Kindheit gegenber dem Vater oft genug an den Tag gelegt haben mag. Vielleicht birgt sich auch manchmal dahinter die infantile, aus Analysen bekannt gewordene

Phantasie, mit der Mutter


lichen

dem Vater zu
Individuen,

entfliehen f.
in

Dem

pltz-

unbekanntes Land (Amerika !> zu reisen, liegt zumeist der ehrgeizige, durch Lektre angefachte Wunsch nach Abtrennung von der vterlichen Autoritt zugrunde. Wir widerstehen an dieser Stelle der Verlockung, weitere
ein
* Stekel:

Entschlu jugendlicher

(Kapitel:
**

<Autoref.>, Zentralblatt fr PsychoJahrgang, Heft 1, *** In vielen Fllen von Flucht sind zwei gegenstzliche Tendenzen enthalten: die Tendenz zur Ablsung von den Eltern und gleichzeitig die zur Rdekehr (im Triumph, mit darauffolgender Vershnung voll Rhrung und Zrtlichkeit). Auch ein sadistisches Moment spielt hinein der Betreffende will sich an seinen Eltern rchen, ihnen durch seine Absentierung seelischen Schmerz zufgen. Das masochistische Gegenstck liegt in der Widerstandslosigkeit des Erschpften beim Aufgreifen durch die Eltern, Polizei oder andere Personen.

Was am Grund der Wesha'b sie reisen.) Ferenczi, Ober Psydioneurosen


1.

Seele

ruht.

Verlag

P.

Knepler, 1900.

analyse,

^ Das Umgekehrte

findet

in

Shakespeares

Sturm

du kamst mir nur zuvor, als Erwiderung auf den Ausspruch Prosperos, des Vaters: Nahm dich auf in meinem Zelt bis du versucht zu schnden die Ehre meines Kindes), bis ein Sturm den Jngling Ferdinand ans Ufer wirft und damit die Ablsung vom Vater bewirkt. Bezugl.ch des eiferschtigen Prosperos, der den Freier seiner Tochter qult, sei auf die Parallele mit der Griseldafabel hingewiesen. (Verel. Rank: Der Sinn der Griseldafabel, Image I., 1.) Der Sturm kann als Gegenstck zum Hamlet aufgefat erden in beiden Fllen eine Inzestdichtung, in der einmal der Vater, einmal d r Sohn im Mittelpunkt steht.
:

mit der Tochter auf eine Insel flditet. Der Vater ist solange erotisch verknpft <Vergl. die Worte Calibans im I. Akt:

statt,

wo
mit

der Vater der Tochter

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

Puberttsphantasien zur Deutung der oft scheinbar unerklrlichen Flucht anzuziehen. Ein solcher in den Puberttsjahren auftretender Drang herrscht In der jedoch bei gewissen Personen das ganze Leben lang vor. Literatur lesen wir nicht allzu selten von einer frmlichen Reisewut,
typische
infantile

und

die

den oder jenen Dichter zu befallen

pflegte.

Und

es scheint wirklich,

und Fhigkeit, sich in als ob die dem Dichter eigentmliche Lust Widerstreben gegen die verschiedensten Objekte einzufhlen, sein dauernde Assoziationen oft mit seinem Wanderdrange im tiefsten Grunde der Erotik <Inzestkomplex> verknpft wren. Die Existenz des fahrenden Sngers ist die so manchem Das Beispiel des wanderlustigen berhaupt geme. Dichter 5 C. F. Meyer* ist schon erwhnt worden. Von Heinrich von Kleist* und seiner Halbschwester Ulrike wird nliches berichtet: Ulrike, und die ewig Reiselustige, wird zeitlebens von einer inneren Unruhe rechten Zweck auf Wanderdrang beherrscht. Sie treibt sich ohne
den Gtern ihrer Sippschaft herum und eine wirkliche Reise ist ihre sehnlichste Freude. In Ermangelung dieser aber sucht sie wenigstens auf der Landkarte*** Flecken und Stdte zusammen und wanderte unzugngliche so in Gedanken durch die ganze ihr als Mdchen
Welt.
bezglich des Dichters selbst heit es bei Sadger: strksten prgt sich der stete Assoziationswiderwille, d. h. die Un= fhigkeit des Hereditariers, sein Ich fr die Dauer mit irgendetwas

Und

Am

zu verknpfen, aus in Kleist's unbndigem Wandertrieb, sowie seinem absoluten Unvermgen, eine dauernde Pflicht, ein dauerndes Amt, eine dauernde Beziehung zu bernehmen, sich einem Lebensberuf hinzugeben. Es ist ein Fliehen vor dem eigenen Ich, dem und leidvoll empfundenen, das so viele schwer^ allzeit peinlich belastete Menschen immer wieder in die Ferne treibt. Es braucht die Unlust am eigenen Ich nur etwas gesteigert zu werden, damit er sofort sich keinen anderen Ausweg wei als eine kleinere oder grere Reise. Sobald er z. B. kein augenblickliches Ziel vor sich berarbeitet sieht, ein Ideal ihm gestrzt ist oder er sich auch nur oder Schwester: hat, alsbald erklingt als einziger Wunsch an Braut La mich reisen! Es gibt zwar fr die so hufigen Reisen des ist Dichters noch eine Reihe anderer Grnde, doch allen gemeinsam sie die einzige seine mchtige Wandersucht. Ja, bisweilen scheint Ursache, wie etwa bei Kleist's Pariser Reise, ber die er nach nicht seinem eigenen Wort ,keinem Menschen, ja, sogar sich selbst andermal noch Rechenschaft geben' knne, und dann schreibt er ein
'

deutlicher:
* Siehe

,Ich

sehe

mich

auf

einer Reise

ins

Ausland

begriffen

das Nhere bei Sadgers C. F. Meyer. Eine pathographischpsychologische Studie. Wiesbaden 1908. ** Sadger, Heinrich von Kleist. Eine pathographisch-psychologisdie Srtudie.

.,,,,.

Sublimierung Interesse fr Geographie stellt sich bisweilen als eine Geographie und gewisser infantil-sexueller Triebregungen dar. Vgl. Bjrnsons Zwangsneurose im Jahrbuch 11. 1910Liebe und Riklins obzitierte Analyse einer

"%** Das

Zur Psychoanalyse

des

Rasens

ohne Ziel und Zweck, ohne begreifen zu knnen, wohin mich das fhren wird.' Wenn der Forttrieb vor allem mchtig ist, meldet der Dichter: ,Wir fliegen wie die Vgel ber die Lnder'. Nachdem Sadger ausgefhrt hat, da des Dichters Reisedrang nicht blo Ausdruck des Assoziationswiderwillens gewesen sei, sondern auch eine psychosexuelle Wurzel gehabt habe, setzt er zur nheren Begrndung hinzu: Aufflliger weise hat Kleist gar nie eine Reise allein antreten mgen. Stets sucht er dazu einen zweiten Gefhrten, und zwar einen Mann, ausgenommen einzig die Pariser
wider Wunsch und auch ohne Genu, gem, mit seiner Schwester* zu= sammen machte. Und, was noch merkwrdiger, obwohl er ausschlielich mit Freunden reist, in die er entweder schon von frher homosexuell verliebt war oder wenigstens sich zu verlieben anschickte, so ist das Ende fast immer ein gewaltsamer Bruch und Flucht unseres Dichters, gewhnlich mit direkter Sterbesehnsucht. Hier wird man an die gemeinsamen Wanderungen der fran* zsischen Dichter Verlaine** und Rimbaud erinnert, die mit einem wsten Auftritt auf offener Strae zu Brssel ihren jmmerlichen Absdilu fanden. Verlaine scho zweimal mit dem Revolver auf seinen Freund, einmal ihn verwundend, und wurde zu zwei Jahren Kerkers verurteilt, die er in Mons absa. Die Freundschaft dauerte aber fort. Die beiden schrieben einander. Verlaine will Rimbaud zur Religiositt bekehren,- dieser erwidert spttisch, der Loyola mge ihn in Stuttgart besuchen. Verlaine erscheint in Stuttgart und versucht die Konversion in einem Gasthaus. Auf dem Heimweg entsteht ein Streit zwischen den beiden Trunkenen am Ufer des Neckar, mit Stcken und Fusten schlagen sie aufeinander los. Verlaine, der Schwchere, bleibt ohnmchtig und blutend am Ufer liegen. nchsten Tag verschwindet er und setzt sein Vaganten= leben bis zu seinem Tode fort, whrend Rimbaud seine Irrfahrten durch die ganze Welt beginnt. Er wird in Afrika Entdedter, Feld= herr und Eroberer und stirbt in den Neunzigerjahren in Marseille, nachdem er sich schon lngst von der Literatur, die ihm als Aus=
Reise,
die

er

dann

freilich

nur

einem

alten Versprechen

Am

druck der Persnlichkeit nicht mehr gengte, losgesagt hatte. Woher in beiden Fllen, bei Kleist und bei Verlaine, dies sonderbare Verhalten am Schlu der gemeinschaftlichen Reise? Sadger zieht zur Erklrung die schon frher von uns erwhnte Wunschphantasie des Knaben heran, mit der Mutter vor dem Vater zu fliehen ***.
Die allerdings auch mnnliche Zge aufwies!
na * St

n vvv^' Bd. AAA.)


,

1'

Zwei S'

Verlaine.

Anm. d. Verf. (Die Dichtung. Herausg. von. P. Remer,

Eme hnliche Wunschphantasie scheint audi einem im Mrz des laufen den Jahres in den Berliner Kammerspielen aufgefhrten Schauspiel von M. Heimann Der Feind und der Bruder, zugrunde zu liegen. Die Frau eines venezianischen Condottiers entflieht ihrem Gatten mit einem jungen Burschen ihres Gefolges, den
sie Hebt.

t**

ihn,

um

Als sich herausstellt, da der Jngling ihm die Wahrheit vorzuenthalten.

ihr eigener

Bruder

ist,

ersticht sie

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

Knabentraum, suchen dann beide Dichter stets neue Erfllung, wobei sehr durchsichtig Doch birgt. hinter dem jeweils geliebten Mann die Mutter* sich nur ein einzigesmal gelingt die notwendige Identifikation bei Kleist ihn auf der Wrzburger Reise be= voll, nmlich bei Brockes <der smtlichen spteren Fllen der Freund sich whrend in gleitete), zum groen selbstlos genug erweist. Dies fhrt dann regelmig nie Tod Zwist und weiters zum Wunsch, allem Jammer durch den aber ist die tiefste ein Ende zu machen. Das gemeinsame Sterben Vereinigung mit der Erfllung des unbewuten Wunsches nach

Der gemeinsamen Flucht,

dem

alten

Mutter**.

Ein anderer groer Dichter, Nikolaus Lenau, der nicht minder von ewiger Unrast verfolgt wurde, bietet uns in seinem Leben eine Episode, die, sich in den Rahmen unseres Themas fgend, Er Lenaus Reise hellung durch die Psychoanalyse erheischt: es ist dies nach Amerika im Jahre 1832***. Fr diese, wie die Psychoanalyse uns gelehrt hat, sicherlich
mehrfach

determinierte Reise gibt Sadger, der auch LenauT zum aus Gegenstande seiner Untersuchungen gewhlt hat, einige Motive dem Unbewuten <wir gehen auf die von dem Dichter angefhrten bewuten Grnde hier nicht ein) an. Was Lenau nach Amerika einmal die Identifikation mit Kvesdy, seinem ehemaligen,
trieb,

war

wenige Jahre lteren Korrepetitor, sein Trachten, herrlich auszufhren, was sogar dem Jugendgenossen nicht gelungen war. (Dieser hatte bereits als dreizehnjhriger Junge mit einem Kollegen, doch ohne Pfennig im Sack, nach Amerika auszuwandern versucht,
nur

um

Verlaines Konversion zum Madonnenkultus, die in die Zeit dieser Auf Mutterkomplexes. Frher einmal war Verlaine tritte fllt, beweist die Strke seines vom Tribunal zu Vonziers wegen lebensgefhrlicher Drohung <!> gegen seine - Fr Rimbauds SexuahMutter zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. spricht folgendes Zitat aus einem Gedicht (Sensation, p. 53): sierung der Natur
* loin, bien loin, comme un bohemien heureux comme avec une femme! nature wir auf die nheren Aus** nicht weitschweifig zu werden, verweisen braucht niAt Sadger <loc. cit. S. 5 6 ff.). Das gemeinsame Sterben fhrungen bei werden, es kann auch die allem bewut genur sexualsymbolisch aufgefat zu der Erfllung des unwordene, (um straflos zu bleiben) notwendige Konsequenz Siehe auch den vorstellen. bewuten Wunsches nach Vereinigung mit der Mutter Das Problem des gemeinsamen Sterbens. interessanten Aufsatz von E. Jones: lassen sich im Sinne Zentralbi. f. Psychoanalyse, I., H. 12. Tod, Reise und Coitus symbolische Gleichung Stekels (Die Sprache des Traumes, Wiesbaden 1911) fls Bezirk kern Wanderer wiederaufstellen. Vgl. Das unentdeckte Land, von dess' kehrt. (Hamlet.) , M rf *** Auch im Leben Lenaus ereignete sich eine offenbar homosexuell motivierte der Dichter mit einem Magnetiseur Reise. Wir spielen damit auf jene an, die bester Stimmung zurckdurch den Schwarzwald unternahm und von der er in Reisen die Lenau, Verlaine und Kleist fhrten bei den erwhnten kehrte. durch, identifizierten sich mit ihrer weibliche Rolle im Verhltnis zum Freunde hat.) Mutter. (Worauf schon Sadger aufmerksam gemacht angew. Aus dem Liebesleben Nikolaus Lenaus, Schriften z. Sadger:

Et

j'irai

Far

la

Um

Seelenkunde, VI. Heft.

Zur Psychoanalyse
welches ihm als Paradies

des Reisens

der Freiheit und des wohlfeilen Glckes beiden khnen Wanderer bald aufge^ griffen und in die Heimat zurckbefrdert, allein sie waren darum keineswegs mutlos, sondern trugen vielmehr fortab das stolze Be= wutsein in sich, eine khne Tat doch versucht zu haben.) Auer dieser Gleichstellung bestand jedoch auch das Bestreben, auf fremdem Boden, in stiller Einkehr mit sich selbst die verlorene Reinheit wiederzugewinnen und dadurch der Mutter <der er mit so vielen Frauen untreu geworden war) wrdig zu werden. Bezeichnend ist
erschien.

Zwar werden

die

eine
bis
alte

zu meiner Rdekehr

uerung Lenaus: Ich habe von meiner Reise nach Amerika kein Weib gekt, bis mich in Bremen ,der
fate.

Adam' wieder
als
in

Das

heit, er hat mit

der Reinigung be^

gnnen,
blicklich

er in

die

seiner Sehnsucht zog, alte Snde, als er mit seinen

das

Land

und verfiel augen^ Erwartungen dort

Bankerott gemacht hatte. Soweit Sadger: Das Entscheidende ist also, da Lenau, nach^ dem er in homo= und heterosexueller Richtung <bei den schwbischen Freunden und bei Lotte, dem Schilflottchen) gescheitert war, so wie alle Neurotiker in die Kindheit zu seinem ersten mnnlichen und weiblidien Ideal flchtete. Abgesehen von diesem psychosexuell begrndeten Wiederaufleben einer typisdien, durch die Lektre von Indianergeschichten genhrten ehrgeizigen Knabenphantasie, deren Realisierung von Kvesdy angestrebt worden war <der abenteuere liehe Zug stammt vielleicht auch vom Vater des Dichters), birgt sich hinter der Amerikareise der durch ein heftiges Schuldgefhl {mglicherweise auch Vorwrfe wegen Onanie, deren Schdlichkeit, wie die Psychoanalyse gelehrt hat, besonders in der Verbindung mit inzestusen Gedanken besteht) bedingte Wunsch, das Leben von neuem anzufangen, wiedergeboren zu werden (Geburtsphantasie*) und der Mutter, der allerersten Geliebten, treu zu bleiben. Wir wissen aus dem Studium von Traum und Mythus, da die Aussetzung im Wasser oder das Herausholen aus einem Teiche, beziehungsweise See den Geburtsvorgang symbolisieren**. Die Reise ber den Ozean bedeutete fr den Dichter Tod und Wiedergeburt. Und wenn wir die von Sadger*** festgestellte Tatsache im Auge behalten, da man bei Zergliederung der homosexuellen Neigungen regelmig dahinter Liebe zu Frauen nachweisen knne,
das Merben symbol.s.erende Abfahrt mit einem Schiffe (siehe das Nhere darber bei Lohen S ri nsage Schriften z. angew. Seelenkunde, 13. Heft, Deuticke 1011, r? c 5 4itt.> bed.ngt zugleidi die Landung in einer neuen Welt, wo ein neues Leben begonnen werden soll. Vgl. Rank Op.cit., S. 19 ff.,- Der Mythus von der Geburt des Helden, b. 70, ebenda. - Nach Amerika fahren wird hufig scherzhaft durch die Redensart Ubern groen Teich fahren ausgedrckt. Vgl. auch die Redensart: Nach
, ,

Gleichbedeutend mit

einer Todesphantasie.

Die

in

der Sage oftmals

Korn fahren
***

Zur
2.

entbinden. tiologie der

kontrren

Sexualempfmdung,

Medizinische

Klinik

1909, Nr.

Alfred Freiherr v. Winterstein

Mutter bestimmt wird deren Wahl durch das Vorbild der Im Mittelpunkte der wir abschlieend aussprechen: Mutter" betreffende Motive der Amerikareise stehen jedenfalls die den Analysen von Neurotikern als Phantasien, wie sie uns aus
typische bekannt

knnen

*"""

geworden sind. i<n; ctc Kleists, Der Wanderdrang mancher Dichter, wie der Lenaus, E. TL A. Hotmanns, Enthusiasten reisenden des Verlaines,

Peter Hil es ist geradezu Zacharias Werners** oder in jngster zLeit anzusprechen, so unscharf auch die Frenzen als pathologischer wanderlustigen Individuen sind, zwischen ihnen und anderen, weniger des der Psychiatrie und wrde uns unmittelbar zur Besprechung den wir versuchen berleiten gelufigen krankhaften Wandertriebes zu erklren, wir ziehen es werden, nach denselben Gesichtspunkten gesamte Betrachtung vor aber vor, dieser Errterung, in die unsere noch einige weitere Interder Zusammenfassung auslaufen soll,
pretationen des Reisetriebes voranzustellen.

beziehen wohl die Entdedter, Erforscher unbekannter Lnder Wunsch das bexua Strke ihres Triebes aus dem kindlichen zu erfahren. Es du nkt das Geheimnis katexoehen geheimnis noch etwas das Letzte Erde ihnen ihnen, als ob die Mutter*** Letzte bedeutet fr das Kind die eventuell vorenthalte. <Dieses ber das Sexualgehe.mms^ Wie wir bei

praktische

Aufklrung

Lenaus

fixer Idee,

nach Amerika
in

zu

fahren,

auch

diese

infantile

sexuelle
bei

wir knnen so herbernehmen, dal) anderseits aus seiner Analyse die Vermutnng Weltteile machen bisweilen auf Mnnern, die Reisen in dunkle

Neugierde

Anschlag

bringen

drfen

die eigene
sein

Mutter bezgliche Phantasien als Triebkrfte am Werke perversen mgen, wenn auch daneben die Hoffnung, seine
*

Sophie Liebes dichte Mutterkomplex in Lenau, als er nach berreichung der U n l ' bcwu Lwenthal pltzlich nach Stuttgart flieht, wie wenn er schwab.schen Freunden und an seme, im Begriffe steht, Verrat an seinen da er Mutter 7ii ben <Sadger Aus dem Liebesleben usw., 5.. 50}. MttC er auf^ 0n Zacharfas' Werner sei mitgeteilt da (nach Minor, Die bducksalstiagodie

Noch

einmal

nach

seiner

Rckkehr

aus Amerika

regt

sich

der

^ ^ / Jg*
g

e Ouerzcen Tagebcher fhrte, in denen s.ch ha ften neben Haup^ertret ern, Frankfurt Literar. Anstalt , SS;) semer Gensse als Stndige Rubnl Angaben ber die Quantitt und Qualitt ich ma Kammermdchen finden d.e das TagetgAma

^V

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verunglckte Attacken

bis ins Detail beschreibt,

auf und Urobheit* der Beobachtungen ber die Keuschheit Der aller Mdchenprugeleieii,usw. auernmdchen- zuverlssige Registrierungen Schlagworter schrumpft auf drre Daten und kurze brige Salt dieser Tagebcher konnten. zusammen, die hchstens die Erinnerung untersttzen Die ganzen Altertum gelufiges Symbol *** Mutter ist ein dem

Erde

fr

Jahrbuch

^oJ.^
s

sreis

besonders reizen. nackten Brste der wilden Vlker

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gestan<!/

da ihn

die

Zur Psychoanalyse

des Reisens

Triebe (Sadismus, Homosexualitt, Schautrieb) befriedigen zu knnen, eine nicht allzu gering einzuschtzende Rolle spielt. Sicherlich trgt auch die Sexualisierung der Natur zur Erhhung der Reiselust bei. Da es eine unbewute Selbstmordabsicht gibt {zum Beispiel bei manchen Bergbesteigungen), erwhnt schon Freud in der Psycho* Pathologie des Alltagslebens <s. 101/02). Es ist einleuchtend, da sich eine solche zu ihrer Verwirklichung auch einer mit Gefahren verbundenen Reise bedienen kann. Die Psychoanalyse des Selbst* mordes* berschreitet aber bereits die unserem Thema gesteckten Grenzen. Freud, Sadger, Stekel und in letzter Zeit Rank und Jones haben in berzeugender Weise auf die geheimen Fden, die Geburt, Tod, Sexualitt und Reise im symbolischen Denken ver*
binden, aufmerksam gemacht und aus der Weltliteratur zahlreiche Belege dafr anfhren**.
lassen sich

meistens totale Amnesie zurdclassen. Bisweilen der anfallsweise einsetzenden Flucht zu einem Suicidversuch. Man hat in der Regel angenommen, da sich dieser Trieb blo bei Epileptikern findet und gewissermaen ein quivalent des epileptischen Anfalls darstellt. Heilbronner hat es indes in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, da solche Wanderungen vornehm*

werden

Es erbrigt noch, einiges ber den in der Psychopathologie sehen Literatur*** des fteren behandelten krankhaften Wandertrieb <Poriomanie, Dromomanie, fugue, automatisme ambulatoire) zu be= merken. Man wird zweckmigerweise mit Heilbronner als Fugue* zustnde im engeren Sinne nur diejenigen Wanderungen auffassen, die nicht im Gefolge schon lnger bestehender krankhafter Strungen, sondern unter dem Einflu pltzlich in die Erscheinung getretener krankhafter Momente von Personen unternommen wurden, die ent* weder vorher geistig berhaupt nicht erkrankt waren oder jedenfalls bis dahin keine Erscheinungen dargeboten haben, die an sich zu derartigen Wanderungen htten Anla geben knnen (gewisse Maniaci, Paranoiker und Demente scheiden gewi aus). Hier handelt es sich um scheinbar unerklrliche, von Zeit zu Zeit sich wiederholende fluchtartige Reisen, die in einem Dmmerzustand, dem Depressionen! (auch Angstgefhle) vorhergehen, unternommen
und
es

kommt

am Ende

* Die Vorstellung des Todes ist nach Freud (Traumdeutung, 2. Aufl, S. 1S0) im kindischen Vorsteliungsleben ziemlich identisch mit der des Abreisens, Fortseins.
-

Im Sinne

eine in
fr

vorstellt (Prinzip der Talion).

der Anschauungen Stekels wre man versucht auszusprechen da unbewut selbstmrderischer Absicht angetretene Reise eine Selbstbestrafune den seinerzeit gehegten Wunsch, diese oder jene Person (Eltern) mge sterben,

* Qter en Selbstmord, insbesondere den Schlerselbstmord. !.* Diskussionen j l der Wiener psychoanalytischen Vereinigung, Bergmann 1910 *** Schultze, ber krankhaften Wandertrieb, Allg. Zeitschrift f. Psychiatrie, 60. Bd., 6. Heft, 1903, Heilbronner, Ober Fugue und fuguehnliche Zustnde. Jahrb. f. Psychiatrie u. Neurologie, 23. Bd., 1. u. z. Heft, 1903 u. a. f Die dysphorischen Zustnde knnen entweder autochtone Verstimmungen sein, knnen aber auch durch unbedeutende uere Anlsse ausgelst werden.

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

von hysterischen Personen (Mnnern*, schon sei Alter) unternommen werden. Wie dem auch
lieh

im jugendlichen

Stekel

hat

ja

mancher Falle von jngst** wertvolle Fingerzeige zur Auffassung gegeben und erblickt Epilepsie als pseudoepileptisch-psychogener
,

der Durchbruch des Unbewuten ebenfalls in der Epilepsie einen Verbrechen, also eventuell Anfall ersetzt nach seiner Ansicht das die dem patholoVerbrechen ist auch einen Sexualakt, der ein

gischen

Wanderdrang eigentmlichen
die

Symptome:

Angstzustnde, Suicidversuchen,

das Triebartige der Ausfhrung,

die

vorhergehende Tendenz zu

whrend der Reise fters stattfindenden bx= Kranken nachher zesse in Venere <auch Diebsthle, von denen die kommen vor) ermutigen uns, diese Art von Zwangsnichts wissen, handlung in das Licht der Psychoanalyse zu rcken und unsere

Ansicht ganz allgemein dahin zu formulieren, da es sich hier um Unbewute handelt, eine berwltigung des Bewuten durch das Mglicherweise (Coitusquivalent). die psychosexuell motiviert ist haben wir es auch mit einer Flucht*** vor den eigenen verbrecheauch ein Sexualakt rischen Gedanken (das Verbrechen kann natrlich Personen seiner Umsein) zu tun, die dem Kranken nahestehende sich auf gebung (Eltern, deren Surrogate f u. a.) bedrohen wobei KompromiGrund eines uns im Seelenleben hufig begegnenden entgegenwirkenden mechanismus zwischen dem Unbewuten und den
Befriedigung Krften mit der Verdrngung zugleich eine gewisse whrend der (Diebsthle verbindet Impulses des kriminellen

Wanderung).
wir schlielich versuchen, die wichtigsten Resultate unserer Errterungen zusammenzufassen ff, ergibt sich uns folgende

Wenn

* Dieser Umstand wurzelt Konstitution des Mannes.

vielleicht in

der greren Aktivitt der sexuellen


Zentralbl.
fr Psychoanalyse.

**
I.,

Die

psychische Behandlung

der Epilepsie,

5/6. *** Plastische Darstellung der


als

Verdrngung.
eine

loszukommen, angesehen werden und .st Verdrngung einer VorLentuei auch an sich lustvoll. Es kann aber auch die man begibt s,ch gew,ssermaen kriminellen,stellung <z. B. einer unertrglichen Angst vor e was zutiefst von ihr weg) plastisch zum Ausdruck bringen Da d.e Psychologie sattsam ist durch die Freudsche birgt, den Wunsch darnach in sich Re.seangst mancher Neurotiker Eine Bemerkung ber die erwiesen worden. ganz allgeme.n gesprochen mge hier Platz finden: diese Angst drckt vielleicht der Realitt Angst beim bergang aus der Sphre des Lustpnnz.ps in d.e

f DaT Wande^T'kann psychischen Bestrebens, von der Unlust


-

symbolische Darstellung

des

natrlichen

zwe. Prmz.p.en des psychischen aus (vgl. Freud in den Formulierungen ber die mit Die Herrschaft des Lustprinzips kann e.genthch erst Geschehens, Jahrb. III, .9.1: ein Ende nehmen, und die von der vollen psychischen Ablsung von den Eltern Die m fr den Reisedrang.) uns hervorgehobene Bedeutung des Elternkomplexes Verbindung gebrachten S.tuat.onen des Angsttrumen mit diesem Affekt oft in .hres Zusammenhanges in Abreisen* finden mglicherweise eine tiefere Erklrung Erwachsens und Schwel ensymbol k folgenden Stzen H. Silberers (Symbolik des Tiefen der Verdrngung Wunsche de berhaupt, Jahrbuch III. ,9..): Wenn aus

die

nach

dem

Realittsprinzip nicht vorhanden

sein

sollten,

gleich

Revenants empor-

Zur Psychoanalyse

des Reisens

bersicht: In der Mehrzahl der von uns zur Analyse herangezogenen Flle konnten wir den spontan und in scheinbar unerklrlicher "Weise auftretenden Trieb zum Reisen abgesehen von dem manchmal

nachzuweisenden Assoziationswiderwillen, der Sucht, dem eigenen peinlichen Ich zu entgehen auf seine psychosexuelle Wurzel zurdizufhren, modite es sich nun um den Wunsch nach wie immer gearteter Befriedigung der Libido* (Homosexualitt!), um die Ver= wirklichung infantiler Phantasien und Regungen, um eine reale Dar= Stellung der in den Puberttsjahren zuerst in vorbildlicher Weise versuchten und migld<.ten inneren Ablsung von den Eltern <gro." Bedeutung des Inzestkomplexes) oder um direkt als sexualsymbolisch aufzufassende Todeswnsche (gemeinsame Reise gemeinsames Sterben coitus) handeln. In den restlichen Fllen wurde KrimU nalitt und Todeswunsch als treibender Faktor nachgewiesen. Frei= lieh, wie innig die Beziehungen zwischen Kriminellem**, Sexuellem und dem Tod sind, vermgen wir zwar zu ahnen, jedoch nicht befriedigend klarzustellen. Aber vielleicht knnen wir diesen ver= schiedenen Impulsen dadurch eine gemeinsame berschrift geben, da wir von einer dort berall nachzuweisenden berwltigung*** des Bewuten durchs Unbewute sprechen. Da von den Dichtern das Bett mit einem Schiff, das Einschlafen mit einer Reise verglichen werden konnte, entdedet uns noch einmal den tiefsten Grund so manchen Wanderdranges den Wunsch nach Depossedierung des unlustvollen Bewuten. Stellt sich nicht oft ihrem unbewuten Ziele nach eine Reise als eine Fahrt ins Land der Trume dar, wie wir sie allnchtlich antreten? Und indem wir unsere Sonderbetrachtung in eine allgemeinere einmnden lassen, gelangen wir zu einem weiten Ausblick, der uns zeigt, wie whrend unseres ganzen bewuten Lebens unser innerstes

steigen,

dann wird
haben?

statt

Lust Angst
hier

berschreiten
eine

einer Schwelle entbunden.


Sollte

Wurzel

Diese Angst wird also beim auch hierin die Schwellensymbolik eine Erklrung der Todesangst im Traum zu
Sollte

empfunden.

suchen sein, die sich ja meist an Schwellenerlebnisse des Erwachenden knpft? Das Prinzip der mehrfachen Determiniertheit unserer Handlungen gestattet uns, auch dem Schuldgefhl des Neurotikers einen unbewuten Einflu auf manchen Wanderdrang einzurumen. Nur eben hingewiesen sei auf den Wandertrieb vieler Tiere, der dort den Zweck hat, zahlreiche Befruchtungsmglichkeiten zu liefern, was nach der (von anderen, beispielsweise Marcuse widersprochenen) Meinung Blsche's die ursprngliche, aber als sdidlich erkannte Inzestvermischung verhindern soll. Der Ausdruck Kriminell stellt das soziale Moment in den Vordergrund, whrend wir das Hauptgewicht auf den psychologischen Faktor der unbewuten Triebkrfte legen.
*** Bei der unsere masochistische Komponente befriedigt wird t Vgl. in allerletzter Zeit Fr. Werfel, Der Weltfreund, Berlin,
1911

<Des

Menschen Bett, S. 96). Hiehergehrige Stellen bei Jean Paul, Storm, Schaukai u. a. Die von den Dichtern gebrauchte Reisesymbolik findet nach H. Silberer (loa cit. S. 636 u. 640) ihre Analogie (hier umgekehrt: bergang vom Schlaf zum Wachen) im Traum, wo die Eisenbahn, die Reise als rumliche Situationsnderung die
psychische ausdrcken kann.

Alfred Freiherr

v.

Winterstein

Streben

dahin

zielt,

ob

dieses

nun

in

ins Unbewute wieder einzugehen, gleichviel der geschlechtlichen Vereinigung, im Rausch, im statthat.

Traum oder selbst im Tode nach dem Tod schliet doch


zu einem neuen Leben, zu werden*.
das

Denn
die
alle
.

jeglicher solcher

Wunsch
in

zugleich

geheime Hoffnung

sich,

einem

Wnsche

erfllt,

geboren

* Daher die symbolische Gleichung von Geburt und Tod! Sprache des Traumes, Wiesbaden, 1911.

Vgl. Stekel, Die

'

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