100% fanden dieses Dokument nützlich (2 Abstimmungen)
2K Ansichten59 Seiten

Leselöwen - Mädchengeschichten (Kopietz, Gerit)

Mädchengeschichten

Hochgeladen von

Fırat hükçü
Copyright
© © All Rights Reserved
Wir nehmen die Rechte an Inhalten ernst. Wenn Sie vermuten, dass dies Ihr Inhalt ist, beanspruchen Sie ihn hier.
Verfügbare Formate
Als PDF, TXT herunterladen oder online auf Scribd lesen
100% fanden dieses Dokument nützlich (2 Abstimmungen)
2K Ansichten59 Seiten

Leselöwen - Mädchengeschichten (Kopietz, Gerit)

Mädchengeschichten

Hochgeladen von

Fırat hükçü
Copyright
© © All Rights Reserved
Wir nehmen die Rechte an Inhalten ernst. Wenn Sie vermuten, dass dies Ihr Inhalt ist, beanspruchen Sie ihn hier.
Verfügbare Formate
Als PDF, TXT herunterladen oder online auf Scribd lesen
Sie sind auf Seite 1/ 59

-2 -

Gerit Kopietz

Zeichnungen von Susanne Schulte

Mädchengeschichten

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme


Kopietz, Gerit
Leselöwen-Mädchengeschichten / Gerit Kopietz.
Ill: Susanne Schulte.
1. Aufl.. - Bindlach : Loewe, 2001
(Leselöwen)
ISBN 3-7855-3994-0

-3 -
Der Umwelt zuliebe ist dieses Buch
auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
ISBN 3 -7855-3994-0 - 1. Auflage 2001 © 2001 Loewe Verlag GmbH, Bindlach
Umschlagillustration: Susanne Schulte Gesamtherstellung: L.E.G.O. S.P.A.,
Vicenza
Printed in Italy
www.loewe-verlag.de

-4 -
Inhalt
Pferdeträume...............................- 8 -
Die Hellseher .............................- 15 -
Mädchen, Mädchen!...................- 22 -
Sarah und Schneewittchen.........- 30 -
Mona Lisa..................................- 36 -
Prima, Ballerina!.........................- 43 -
So ein Angeber! .........................- 50 -

-5 -
-6 -
-7 -
Pferdeträume
Nadine liegt auf ihrem Bett und träumt
mit offenen Augen ihren Lieblingstraum:
Sie reitet auf einer schokoladenbraunen
Stute namens Ludmilla über die Felder.
Ihre Haare wehen dabei im Wind.
Nadine liebt Pferde über alles. Jede
Wand ihres Zimmers hat sie mit Pferde-
postern zugeklebt. In sämtlichen
Regalen stehen Pferdebücher dicht
gedrängt.
Da ruft Mama zum Abendessen. Auch
Papa ist heute früh genug heim-
gekommen. Sie essen zu dritt.
Nadine erzählt von der Schule. Im
Diktat hat sie wieder nur einen Fehler
gemacht. Dafür hat Nadine eine Eins
minus bekommen. Ihre Eltern sind stolz
auf sie. „Jetzt oder nie!“, denkt sich
Nadine.
„Wisst ihr, was ich mir zum Geburtstag
wünsche?“, fragt sie vorsichtig.
„Ein neues Fahrrad?“, rät Mama.
„Inlineskates?“, fragt Papa.
-8 -
Nadine lächelt. „Ich habe nur einen
Wunsch! Und sogar für Geburtstag und
Weihnachten zusammen. Ich hätte sooo
gerne ein Pferd. Wo ich doch im letzten
Urlaub reiten gelernt habe.“
Papa und Mama sehen sich an. Dann
schüttelt Papa den Kopf:
„Ich habe es dir schon oft gesagt,
Nadine. Wir haben keinen Stall, keine
Wiese und obendrein auch kein Geld für
ein Pferd und das Futter...“
„... und die Tierarztrechnungen“,
ergänzt Mama.
Nadine stöhnt auf. Das hat sie schon
viele, viele Male gehört. Immer das
Gleiche. Aber sie wird nicht aufgeben.
Irgendwann bekommt sie ein Pferd.
Mama und Papa haben das Thema
gewechselt. „Nebenan zieht endlich
jemand ein“, erzählt Mama. „Die
Hansens haben für den alten Hof Mieter
gefunden.“
Nadine ist einen Moment abgelenkt.
Neue Mieter, das hört sich spannend an.

-9 -
Bald schon lernt Nadine sie kennen.
Sie heißen Olaf und Anne. Und sie
haben einen kleinen Dackel. Nadine
findet die drei wahnsinnig nett.

Den ganzen Sommer über renovieren


- 10 -
Anne und Olaf das alte Haus. Es gibt
mächtig viel zu tun. Und Nadine hilft mit.
Dann muss sie nicht immer an die
schokoladenbraune Stute denken.
Endlich sind die Umbauarbeiten
beendet. Zur Einweihungsfeier laden
Olaf und Anne Nadine und ihre Eltern ein.
Es gibt Limo und Pizza. Alle amüsieren
sich prächtig.

Plötzlich stößt Anne einen tiefen

- 11 -
Seufzer aus.
„Was ist denn los, Anne?“, erkundigt
sich Olaf besorgt.
„In den letzten Tagen muss ich immer
wieder an einen alten Traum denken,
Olaf. Ein eigenes Pferd. Schließlich
haben wir doch jetzt einen Stall und
genügend Auslauf.“

Nadine reißt überrascht die Augen auf.


- 12 -
Doch Olaf ist dagegen: „Platz haben wir
genug. Aber du hast doch viel zu wenig
Zeit für ein Pferd, Anne. Bei deinem
Beruf...“
Aufgeregt ruft Nadine: „Aber Olaf, ich
bin doch auch noch da! Hast du das
vergessen?“
Mama und Papa sehen Nadine
verständnislos an.
„Ich könnte das Pferd füttern und
pflegen.“ Und ganz leise fügt sie hinzu:
„Hin und wieder vielleicht auch darauf
reiten, wenn Anne dabei ist.“
Olaf ist nicht überzeugt. Nadines Eltern
sind nicht überzeugt. Und sogar Fiete,
der Dackel, legt den Kopf schief.
Aber diesmal ist Nadine nicht allein mit
ihrem Traum. Anne hat ihn auch. Und nur
drei Wochen später zieht ein Pferd in den
alten Stall ein.
Es heißt Ludmilla und ist schokoladen-
farben. Auch wenn es weiße Schokolade
ist, wenn Nadine ehrlich ist.

- 13 -
- 14 -
Die Hellseher
Kroningen ist ein winziger Ort. Hier
kennt jeder jeden. Es gibt einen Bäcker,
einen Metzger, zwei Lebensmittelläden
und eine Bank. Dazu noch eine
Grundschule und einen
Kaugummiautomaten.
Du denkst, der Kaugummiautomat ist
nicht wichtig? Oh doch! Zumindest für
diese Geschichte. Und für Tabea.
Tabea schlendert allein durch die

- 15 -
Straßen von Kroningen. Es sind
Sommerferien. Alle ihre Freundinnen
sind verreist.
„Wenn nicht bald etwas Aufregendes
passiert, sterbe ich vor Langeweile“,
denkt Tabea.
Sie biegt von der Austraße in den
Postweg ein. Nanu, ein Junge kommt
aus dem Bäckerladen. Ein Junge, den
Tabea nicht kennt. Ob er hier wohl
jemanden besucht? Er schwingt sich auf
sein Fahrrad und flitzt davon.

- 16 -
„Schade!“ Tabea seufzt. „Wäre ich nur
früher gekommen.“
Am nächsten Tag geht Tabea in eines
der Lebensmittelgeschäfte.
„Guten Morgen, Tabea!“, begrüßt sie
die Kassiererin. Tabea sucht in den
Regalen nach Milchreis.
Die Türglocke läutet. Ein Kunde hat
den Laden verlassen.
Wenig später hat Tabea den Einkauf
für ihre Mutter erledigt und geht zur
Kasse. Draußen vor dem Laden sieht sie
den Jungen von gestern. Er sieht nett
aus. Ob sie ihn ansprechen soll?
Tabea bezahlt und geht hinaus. Der
Junge ist weg. Ein Zettel liegt am Boden.
Tabea hebt ihn auf und liest: „Lieber
Mattis! Kannst du bitte einen Becher
Sahne besorgen? Mami.“
Tabea kennt keinen Mattis in
Kroningen. Das muss der unbekannte
Junge sein. Tabea schaut nach rechts
und nach links. Aber der Junge ist
verschwunden.

- 17 -
Auf dem Heimweg kommt Tabea am
Kaugummiautomaten vorbei. Der durch-
sichtige Behälter ist mit Plastikeiern
gefüllt. Jedes Ei enthält ein Knobelspiel
mit Lösungszettel und einen Kaugummi.
Tabea steckt ein Geldstück ein und dreht
den Knopf. Der Automat hakt. Tabea
probiert es noch einmal. Endlich kommt
ein hellgrünes Ei herausgerutscht.

- 18 -
Tabea geht zum Spielplatz und setzt
sich auf die Schaukel. Sie öffnet das
Plastikei, steckt den Kaugummi in den
Mund und beginnt zu knobeln. Doch wie
sie die beiden Metallhaken auch dreht
und wendet, sie kommt nicht auf den
Trick.
Tabea zieht den Lösungszettel aus
dem Plastikei. Erst jetzt entdeckt sie,
dass sie nur eine Hälfte besitzt. Der
Zettel ist durchgerissen. Der halbe
Lösungsweg fehlt.

- 19 -
„So ein Mist!“, schimpft sie laut vor sich
hin. „Dann muss es eben so
gehen.“ Tabea probiert es wieder und
wieder.
Kurz darauf fährt der neue Junge mit
seinem Fahrrad auf den Spielplatz. Er
setzt sich auf die Schaukel neben Tabea.
„Kann ich dir vielleicht helfen?“ Er
streckt die Hand nach dem Knobelspiel
aus. Tabea gibt ihm die Metallhaken und
den halben Zettel. Der Junge lächelt,
überkreuzt die Haken, dreht sie und löst

- 20 -
die beiden Teile voneinander.
Tabea schaut den Jungen erstaunt an.
„Wie hast du denn das gewusst?“
Grinsend antwortet der Junge: „Tja,
vielleicht kann ich hellsehen?“
Tabea lacht: „Danke, Mattis!“
Nun schaut der Junge erstaunt. „Und
woher kennst du meinen Namen?“
„Vielleicht kann ich auch hellsehen?“,
kichert Tabea.
Tabea wirft einen Blick auf Mattis’
Gepäckträger, bevor sie weiterspricht:
„Und jetzt sollten wir deiner Mutter die
Sahne bringen, bevor wir zusammen
spielen. Einverstanden?“
„Einverstanden!“

- 21 -
Mädchen, Mädchen!
Geschafft!
Völlig abgehetzt erreicht Svenja
gerade noch rechtzeitig die Haltestelle.
Sie springt in den Bus und lässt sich
erschöpft auf einen freien Fensterplatz
fallen.
Heute ist Donnerstag. Svenja liebt
diesen Tag. Weil Mama an diesem Tag
arbeitet, muss sie nicht pünktlich zum
Essen zu Hause sein. Deshalb ist sie
jeden Donnerstag mit dem Klingeln aus
dem Klassenzimmer und saust wie der
Blitz zur Haltestelle. Nur wenn Svenja
schnell genug ist, erreicht sie die Linie
sieben. Die bringt sie direkt zur Auto-
werkstatt von Herrn Janzer.

- 22 -
Papa und Mama lassen ihr Auto viele
Jahre bei ihm reparieren. Deshalb kennt
Svenja Herrn Janzer schon lange. Seit
fast vier Monaten verbringt sie jede
Woche einen Nachmittag hier. Herr
Janzer freut sich, wenn Svenja kommt,
um ihm zu helfen.
„Hallo, Herr Janzer!“ Svenja ruft und
winkt schon von weitem.
„Hallo, Svenja! Gut, dass du da bist. Ich
brauche dringend deine Hilfe.“
Er streckt Svenja seine ölverschmierte
Hand entgegen.
Herr Janzer deutet auf einen Wagen:
„Ich habe heute eine Menge Arbeit. Da
kann ich nicht irgendeinen dranlassen!“
Schnell zieht Svenja ihren blauen
Arbeitsanzug an. Dann bekommt sie ihre
erste Anweisung.
„Bei diesem Wagen ist der rechte
Scheinwerfer defekt. Es liegt wohl an der
Glühbirne. Kannst du dich darum
kümmern und eine neue Birne
einsetzen?“

- 23 -
- 24 -
Das ist für Svenja kein Problem. Sie
weiß genau, wo die passenden Werk-
zeuge sind. Mit wenigen Handgriffen hat
Svenja die Glühbirne ausgetauscht.

Herr Janzer ist zufrieden. Der Schein-


werfer funktioniert wieder. Lachend klopft
er Svenja auf die Schulter: „Du hast in
wenigen Wochen schon mehr gelernt als
andere in einem ganzen Jahr. Du bist
mein bester Lehrling!“
Tatsächlich kann Svenja schon den
Reifendruck messen, den Ölstand prüfen,
einen Luftfilter wechseln und sogar
Scheinwerfer neu einstellen.
Herr Janzer fährt mit einem roten Jetta
- 25 -
in die Werkstatt.
„Komm, Svenja. Hier müssen wir den
Motor ausbauen.“
Svenja ist sofort zur Stelle. Sie freut
sich immer, wenn sie etwas Neues
lernen kann.
Die Sache mit dem Motor dauert lange.
Zwischendurch schiebt Herr Janzer
seiner kleinen Helferin ein Salamibrot zu:
„Wer viel arbeitet, muss auch
essen.“ Dann beugen sich die beiden
wieder über die Motorhaube.
Leider vergeht der Nachmittag auch
heute viel zu schnell. Svenja muss zum
Bus. Sie achtet darauf, dass sie immer
vor Mama nach Hause kommt. So hat sie
noch Zeit, ihre öligen Hände zu bürsten.
Dennoch wundert sich Papa beim
Abendessen: „Svenja, ich verstehe nicht,
wie deine Hände auf dem Spielplatz so
dreckig werden können.“
Svenja grinst. Wenn der wüsste...
Am nächsten Morgen springt Papas
Wagen nicht an. Immer wieder dreht er

- 26 -
den Zündschlüssel. Nichts geht!
„Das ist bestimmt der Verteilerkopf“,
ruft Svenja vom Rücksitz.
„Papperlapapp“, schimpft Papa und
steigt aus. „Davon verstehst du nichts,
mein kleines Mädchen. Ich rufe Herrn
Janzer an.“
Papa läuft ins Haus. Svenja wartet, bis

er verschwunden ist, dann springt sie


aus dem Auto und öffnet die Motorhaube.
Nach einem raschen Blick flitzt sie in die
- 27 -
Garage, um Werkzeug zu holen.
Als Papa zurückkommt, schimpft er:
„Svenja, was machst du an meinem
Motor?“
Svenjas Kopf taucht wieder auf. Sie
hält ein Kunststoffteil in der Hand. „Papa,
holst du bitte mal einen Föhn?“

Zehn Minuten später ist Herr Janzer


zur Stelle. Leider zu spät. Denn Svenja
hat sich der Sache angenommen. Der
Verteilerkopf war beschlagen und
musste ausgetrocknet werden.

- 28 -
Herr Janzer nickt Svenja anerkennend
zu. „Gut gemacht!“
Papa ist verwirrt: „Lernt man so etwas
heute in der Schule?“
Herr Janzer hat eine Erklärung: „Nein!
Aber Ihre Tochter ist sehr begabt. Sie
kennt sich aus mit Autos.“
„Mädchen, Mädchen“, sagt Papa zu
Svenja und schüttelt erstaunt den Kopf.
„Fast wie ein Junge.“
Herr Janzer verbessert ihn: „Aber nein.
Besser.“
Er zwinkert Svenja unauffällig zu.
„Viel besser!“

- 29 -
Sarah und Schneewittchen
Die Schulglocke läutet zur Pause.
Sarah geht allein über den Flur in
Richtung Ausgang. Einige wilde Jungen
aus ihrer Klasse rennen vorbei und
drängen Sarah achtlos gegen das
Treppengeländer.

Doch Sarah macht sich nicht viel


daraus. Martin ist eben so. Und Stefan.
Und die anderen auch. Sarah wird nicht
ständig gehänselt und geärgert.
Meistens wird sie einfach nicht beachtet.
Auch nicht von den Mädchen.

- 30 -
Sarahs Klamotten sind nicht der Hit.
Sarahs Frisur ist nicht trendy. Sarah
selbst ist niemals obercool.
Sarah schaut an sich hinab. Ihre
Kleider bekommt sie von Tante Maren.
Weil Sarahs Eltern nicht viel verdienen,
bringt Tante Maren immer einen großen
Sack Kleider „für ihr liebes Mädchen“ mit.
Sarah weiß nicht, woher Tante Maren
die Kleider bekommt. Aber die Pullis und
Hosen sehen steinalt aus.
Tante Maren ist meist ganz entzückt:
„Diese Karottenhose steht dir prima,
mein Schatz.“
Und auch Mama sprüht vor
Begeisterung: „So ein sportliches Karo-
hemd, Sarahlein.“
In diesem Aufzug wird Sarah nie dazu-
gehören. Mit diesen Klamotten wird sie
nur ausgelacht. Aber das traut sich
Sarah nicht zu sagen.
Wenn sie schöne Kleider hätte, würde
sie keiner auslachen. Oder übersehen.
Dann würde sie in die Schule kommen,

- 31 -
und alle würden rufen: „Schaut mal. Da
ist Sarah! Wie schön sie aussieht!“
Manchmal träumt Sarah. Dann lebt sie
als Prinzessin in einem fernen Land und
trägt wunderschöne Kleider und
Schmuck. Alle Prinzen bewundern sie.

In Wirklichkeit aber wird Sarah kaum

- 32 -
beachtet. Auch nicht von Frau Maurer,
ihrer Lehrerin. Obwohl die nett ist. Sie
macht oft etwas Besonderes mit den
Kindern.
Einmal verkündet Frau Maurer: „Beim
großen Schulfest wollen wir ein Theater-
stück aufführen. Wir spielen das
Märchen Schneewittchen.“
Alle sind begeistert. Und aufgeregt.
Denn Frau Maurer entscheidet, wie die
Rollen verteilt werden. Erst kommen die
Zwerge an die Reihe. Dann die böse
Königin. Und schließlich Schneewittchen.
Frau Maurer fragt die Klasse: „Zu wem
passt die Rolle wohl am besten?“
Die Kinder tuscheln und raten:
„Vielleicht Corinna?“, meint Susanne.
„Nein, Sophia!“, ruft Natalie.
Dann meldet sich Martin zu Wort: „Ich
glaube, Sarah steht das Kostüm am
besten. In meinem Märchenbuch sieht
Schneewittchen genau so aus.“

- 33 -
Stefan schließt sich Martin an: „Und
den Text kann sie sich bestimmt gut
merken!“
Frau Maurer meint: „Ich bin ganz eurer
Meinung. Sarah soll Schneewittchen
spielen.“
Alle sehen zu Sarah, die ein wenig rot
wird. Dann klatscht die ganze Klasse in

- 34 -
die Hände.
Die Aufführung am Schulfest wird ein
voller Erfolg. Sarah trägt ein elegantes
Kleid mit vielen Rüschen. Es reicht fast
bis zum Boden. Nur die hübschen roten
Lackschuhe schauen noch hervor.
Sarahs schwarze Haare hat sie mit
einem goldenen Reif nach hinten
gesteckt. Jeder in der Klasse sieht sie an.
Und alle rufen: „Schaut mal, Sarah. Wie
schön sie ist!“
Auch die Zuschauer sind ganz
begeistert. Sarah erntet am Ende den
lautesten Beifall. Ihre Augen glänzen. Sie
lächelt stolz.
Der Vorhang fällt, und alle sprechen
aufgeregt durcheinander. Da nimmt
Martin den Spiegel zur Hand. Laut sagt
er: „Spieglein, Spieglein an der Wand.
Wer ist die Glücklichste im ganzen
Land?“
Die Antwort kommt einstimmig und
lauthals von allen: „Saraaaah!“

- 35 -
Mona Lisa
Mona und Lisa sind Freundinnen. Die
besten Freundinnen auf der Welt. Sie
machen alles gemeinsam. Wird Mona
krank, erwischt es auch Lisa. Möchte
Lisa reiten lernen, dann ist auch Mona
wild drauf. Die beiden Mädchen sind
ebenso unzertrennlich wie ihre Namen.
Monas Papa sagt zu ihnen nie „Mona
und Lisa“, sondern immer nur „Mona
Lisa“. Weil die beiden immer lächeln,
wenn sie zusammen sind. „Genau wie
die berühmte Mona Lisa auf dem
weltbekannten Bild. des Malers
Leonardo da Vinci“, sagt Papa.
Doch heute geschieht etwas Merk-
würdiges.
Lisa schlägt auf dem Heimweg von der
Schule vor: „Wir können die Haus-
aufgaben bei uns machen und danach
mit den Fahrrädern zu meiner Oma
fahren. Sie backt wieder ihren leckeren
Apfelkuchen.“
Aber Mona schüttelt den Kopf und sieht
- 36 -
Lisa traurig an. „Fahr du allein. Ich mag
nicht.“

Monas Antwort haut Lisa beinahe von


den Socken. „Aber Mona, was ist denn
los? Mona? Mona!“
Doch Mona geht mit eiligen Schritten
davon.

- 37 -
Lisa versteht die Welt nicht mehr.
Am nächsten Tag spricht Mona kaum
ein Wort mit ihrer Freundin. Und nicht am
übernächsten. Mona zieht sich mehr und
mehr zurück. Ihre Laune wird täglich
schlechter.
Doch so einfach gibt Lisa nicht auf. Sie
versucht es noch einmal. „Nun komm
schon, Mona, Mama lädt uns heute
Mittag zum Eis ein. Wie wäre es mit
Himbeer-Zitrone?“
Himbeer-Zitrone ist eigentlich ein
Zauberwort für Mona. Mona ist richtig
Himbeer-Zitrone-süchtig. Lisa wartet
darauf, dass Mona einen Luftsprung
macht, dann auf einem Bein im Kreis
tanzt und dazu bellt wie ein wild
gewordener Pudel. Das tut Mona immer,
wenn sie „Himbeer-Zitrone“ hört.
Doch heute knurrt sie giftig:
„Himbeer-Zitrone, Himbeer-Zitrone. Du
kannst mich mal!“
Jetzt reicht es auch Lisa. Tränen
steigen ihr in die Augen. „Blöde Ziege!

- 38 -
Mach doch, was du willst. Ich esse mein
Eis sowieso viel lieber allein.“
Völlig aufgebracht rennt Lisa nach
Hause. Beim Essen erzählt sie Mama
und Papa von ihrem schrecklichen Streit
mit Mona. Ihre Eltern sehen sich an.
Mama nickt Papa zu, der Lisa in den Arm
nimmt.

- 39 -
„Lisa, hat dir Mona nicht erzählt, dass
sie bald umziehen wird? Ihr Papa hat in
der Stadt eine neue Arbeitsstelle
gefunden.“
Lisa starrt ihren Papa ungläubig an.
Das kann doch nicht sein! Oder vielleicht
doch? Jetzt weiß Lisa endlich, was Mona
bedrückt. Sie schiebt den Stuhl zurück
und rennt hinaus.
Mit einem Ruck reißt sie die Haustür
auf. Draußen regnet es in Strömen. Und
vor ihr steht, patschnass:
„Mona!“
„Entschuldige, Lisa!“
„Es war meine Schuld, Mona.“
„Nein, meine, Lisa.“
Mona und Lisa stehen im Regen und
umarmen sich, so fest sie können. Sie
wollen sich nicht mehr loslassen. Mona
Lisa nicht. Und Lisa Mona nicht.
„Du brauchst nicht zu glauben, dass du
mich so einfach loswirst, nur weil du in
die Stadt ziehst“, lächelt Lisa.

- 40 -
„Du brauchst nicht zu glauben, dass du
- 41 -
mich so einfach loswirst, nur weil du nicht
mitkommst“, grinst Mona.
Schließlich beginnen sie zu lachen. Sie
laufen Arm in Arm durch den Regen.
Lisa fragt: „Mona, hast du Lust auf
Himbeer-“
„-Zitrone? Und wie!“
Mona macht einen Luftsprung, tanzt
auf einem Bein im Kreis und bellt wie ein
wild gewordener Pudel.
Beide lachen. Wild und gefährlich.
Zusammen.

- 42 -
Prima, Ballerina!
Franzi, Helen, Jasmin, Kim und Petra
kennen sich seit fast zwei Jahren. Sie
wohnen in unterschiedlichen Stadtteilen.
Und sie gehen in unterschiedliche
Schulen.
Dennoch haben die fünf etwas
gemeinsam: Jeden Mittwoch besuchen
sie den Ballettunterricht bei Frau Wal.
Die fünf Mädchen sind dicke
Freundinnen. Dabei sind sie so
verschieden! Franzi heißt eigentlich
Franziska und ist ein richtiger Wirbelwind.
Helen ist ein klein wenig dick und eher
gemütlich. Jasmin und Kim sind Zwillinge,
obwohl sie sich gar nicht ähnlich sind.
Und Petra? Sie ist das, was man sich
- 43 -
unter einer echten Tänzerin vorstellt.
Keine bewegt sich so anmutig wie sie.
Heute ist der letzte Tag vor den
Sommerferien. In wenigen Wochen
beginnt ein neuer Ballettkurs. Für alle
steht fest, dass sie weitermachen wollen

Nur Petra senkt traurig ihren Kopf. Sie


erklärt den anderen: „Ich darf nicht mehr
kommen. Jetzt, wo Mama nicht mehr
arbeitet und Opa pflegt, müssen wir
sparen.“
Ihre Freundinnen sind empört: „Aber
du bist doch die Beste von uns allen.“
- 44 -
Petra zuckt mit den Schultern. „Die
Entscheidung ist gefallen.“
Doch die vier anderen sind nicht so
schnell überzeugt.
„Vielleicht lässt dich Frau Wal
kostenlos mitmachen, Petra?“, schlägt
Kim vor.
„Quatsch! Wenn sie das anfängt, will
keiner mehr etwas bezahlen“, meint
Jasmin.
Franzi hat eine andere Idee: „Wir
könnten sagen, dass wir ohne Petra
auch nicht mehr weitermachen.“
„Das ist Erpressung und keine
Lösung!“, erklärt Jasmin.
„Dann müssen wir das Geld eben
verdienen!“ Alle starren überrascht auf
Helen.
Helen zögert. „Wir können in der Fuß-
gängerzone tanzen. Ihr wisst schon, wie
Straßenmusiker. Es ist doch für einen
guten Zweck.“
Franzi, Jasmin und Kim sind sofort
begeistert. Nur Petra ist unsicher. „Sollen

- 45 -
wir etwa mit dem Hut sammeln?“
Kim beruhigt Petra: „Es wird ja
niemand gezwungen, Geld zu bezahlen.“
So verabreden sich die fünf
Freundinnen für den nächsten
Nachmittag bei den Zwillingen zur
Tanzprobe.
Jasmin kann es kaum abwarten. Sie
empfängt die Freunde an der Haustür.
„Was haltet ihr davon, wenn wir den
Nussknacker vorführen? Unser Papa hat
die Musik auf Kassette.“
Alle sind einverstanden. Aus dem
Nussknacker haben sie schon im
Unterricht getanzt. Sie üben den ganzen
Nachmittag. Und auch den nächsten.
Endlich sind sie mit dem Ergebnis
zufrieden.
Am Samstagmorgen treffen sie sich in
der Fußgängerzone. Die Sonne scheint.
Viele Leute bummeln durch die Stadt.
Erst wärmen sich die Mädchen mit
einigen Übungen auf. Und dann geht es

- 46 -
los. Petra tanzt die Clara. Es sieht sehr
elegant aus. Mehr und mehr Menschen
bleiben stehen. Sie klatschen begeistert
in die Hände. Das Körbchen füllt sich mit
- 47 -
Geldstücken.
Eine halbe Stunde später beginnen die
Mädchen von vorn. Wieder haben sie
großen Erfolg. Erst um die Mittagszeit
packen die Freundinnen ihre Sachen
zusammen. Gespannt zählen sie das
Geld, Münze für Münze. Sie können ihr
Glück kaum fassen.
Petra wirbelt aufgeregt im Kreis herum.
„Hurra! Es reicht! Wahnsinn!“
Tatsächlich haben sie genug Geld für

Petras Ballettkurs bekommen. Es ist

- 48 -
sogar noch etwas übrig.
„Lasst uns zur Feier des Tages
zusammen ein Eis essen gehen“, schlägt
Franzi ihren aufgeregten Freundinnen
vor.
Kichernd ziehen sie in ihren Ballett-
röcken durch die Fußgängerzone. Wenig
später sitzen fünf glücklich lächelnde
Ballerinas in der Eisdiele. Vergnügt
löffeln sie aus ihren riesigen Eisbechern.

- 49 -
So ein Angeber!
So wahr ich Kathrin heiße: Die Bande,
die ich mit meinen Freunden gegründet
habe, ist die tollste der ganzen Stadt. Wir
treffen uns jeden Nachmittag nach den
Hausaufgaben unter der alten Linde.
Dennis, Selma, Ina, Frank und ich
verstehen uns prächtig. Wir waren schon
im Kindergarten viel zusammen. Und das
ist auch in der Schule so geblieben.
Neulich gingen wir zusammen zum
Spielplatz. Am Tor stellten wir unsere
Fahrräder ab. Den fremden Jungen auf
dem Klettergerüst entdeckte ich zuerst.
Neugierig rannte ich voraus. Die anderen
folgten.
Mein Blick traf sich mit dem des
fremden Jungen. Er winkte albern von
oben herab.
„Hallo!“
Misstrauisch schauten meine Freunde
und ich nach oben. Wer zum Teufel war
das? Und was wollte er hier?

- 50 -
Der Junge rief: „Kommt doch hoch. Der
Ausblick ist toll.“
Als ob ich das nicht gewusst hätte.
Schließlich turnte der Kerl auf meinem
Lieblingsplatz herum.
Der Junge rief überheblich: „Oder traut
ihr euch nicht?“
Ich flüsterte Frank ins Ohr: „Der sieht
aus wie Mr. Spock, mit seinen Segel-

- 51 -
fliegerohren.“ Wir kicherten beide.
„Schaut mal, was ich kann!“, tönte es
jetzt von oben. Langsam richtete der
Junge sich auf und stand freihändig auf
der obersten, schmalen Stange. Mit
ausgestreckten Händen hielt er das
Gleichgewicht.
Der Junge beugte sich vor. „Na? Das
traut sich von euch keiner,
oder?“ Plötzlich verlor er die Balance,
ruderte wild mit den Armen und plumpste
vom Gerüst. Immerhin fiel er weich in
den tiefen Sand.
Mir reichte es. So ein blöder Kerl! Ich
winkte meinen Freunden: „Lasst uns
abhauen.“
Auf dem Weg zu unseren Rädern
schüttelte Dennis den Kopf. „So ein
Angeber!“
Ina pflichtete ihm bei: „Mit dem wollen
wir nichts zu tun haben.“
Wir anderen nickten zustimmend.
Am nächsten Tag brachte unser
Klassenlehrer einen neuen Schüler in

- 52 -
unsere Klasse.

Der Junge schaute schüchtern zu


Boden. Herr Hanke stellte den Neuen vor.
Er hieß Kai.
Ich staunte nicht schlecht, als ich ihn
erkannte. Dann lehnte ich mich nach
hinten. „Das ist doch der Angeber vom
Spielplatz!“, flüsterte ich Selma zu.
Herr Hanke schob den Jungen
ausgerechnet auf den freien Platz neben
mir. Als Kai zum Tisch kam, funkelte ich

- 53 -
ihn finster an.
Der Junge zuckte zusammen. Schön,
wenigstens schien er zu wissen, wen er
vor sich hatte. Dann hörte ich die Worte
des Lehrers: „Kai und Kathrin, ihr werdet
euch sicher gut verstehen.“
Herr Hanke hatte doch keine Ahnung...
Ich drehte den Kopf und starrte zur
Tafel. Ausgerechnet neben diesem
blöden Hammel musste ich sitzen.
Zwei Stunden lang würdigten wir uns
keines Blickes. Dann klingelte es zur
großen Pause. Alle sprangen auf und
flitzten hinaus. Nur Kai blieb sitzen,
während ich noch mein Pausenbrot
suchte. Endlich fand ich es. Schnell lief
ich den anderen hinterher.
Doch draußen im Gang wartete eine
böse Überraschung auf mich. Zwei
große Jungs versperrten mir den Weg.
Die beiden kannte ich. Sie machten sich
oft einen Spaß daraus, die Jüngeren zu
ärgern. Einer drückte mich gegen die
Wand. Der andere drohte mir: „Gib uns

- 54 -
deine Jacke, Kleine! Oder sollen wir sie
uns nehmen?“
Ich schluckte. Ausgerechnet jetzt
musste das passieren, wo die anderen
aus der Bande schon auf dem Schulhof
waren.

- 55 -
„Finger weg!“, ertönte es da.
Ich schaute auf. Es war Kai, der
plötzlich im Flur stand. Ungläubig sah ich
ihn an. Der hatte vielleicht Mumm.
Die großen Jungs lachten Kai aus.
„Willst du uns vielleicht Angst einjagen,
Kleiner?“
Kai sprach kein Wort. Aber seine
großen Augen funkelten gefährlich.
Die beiden Jungs wechselten einen
- 56 -
Blick. Hoffentlich taten sie Kai nichts.
Da kamen Dennis, Ina, Selma und
Frank den Flur entlang. Der große Junge
ließ mich los. Betont lässig sagte er: „Na,
Kleine, wollen wir mal gnädig sein.“ Mit
seinem Freund schlenderte er davon.
„Was war denn hier los?“, fragte Frank.
Ich deutete auf Kai. „Zwei Große
wollten mir die Jacke wegnehmen. Aber
Kai hat mir geholfen.“
Der Junge war schon in Ordnung, auch
wenn er gerne ein wenig angab.
„Ich finde, wir sollten Kai in unsere
Bande aufnehmen“, schlug ich vor. „Der
hat nämlich echt Mut!“
Ich zwinkerte Kai ganz unauffällig zu.
Kai lächelte. Dann zwinkerte er zurück.

- 57 -
Gerit Kopietz, Jahrgang 1963, war mehrere Jahre lang
im erzieherischen Bereich tätig, bevor sie mit dem
Schreiben begann. Seit 1998 publiziert sie zusammen mit
ihrem Mann Jörg Sommer. Das Autorenteam ist in
Fachkreisen bekannt für innovative pädagogische
Ratgeber. Mittlerweile schreiben sie vor allem
Erzählungen und Sachb ücher für Kinder und Jugendliche.
Die Kopietz-Sommers leben auf einem ehemaligen
Bauernhof im Schwäbischen.

Susanne Schulte, geboren 1966, studierte in Münster


Grafik-Design. Bereits während ihrer Ausbildung hat sie
für verschiedene Verlage Kinder- und Jugendbücher
illustriert. Seit 1999 ist sie freiberuflich tätig und arbeitet in
einem kleinen Atelier.

- 58 -
- 59 -

Das könnte Ihnen auch gefallen