Konkrete Poesie als Grundlage für Lehren und Lernen des Deutschen als Fremdsprache
1. Einleitung
Heutzutage steht in Ungarn im Rahmen der Fremdsprachenunterricht die Vorbereitung auf die
Abiturprüfung im Vordergrund. Aus diesem Grund benutzen die Lehrenden oft schon
vorhandene Lehrbücher, deren Ziel ist, das Abitur erfolgreich zu bestehen. Deshalb werden
wichtige Ziele der Fremdsprachenunterricht zweitrangig. (Feld-Knapp 2014: 194) Während
man sich auf die kommenden Prüfungen vorbereitet, vergisst man über die Bedeutung von
Kultur, Identitätsbildung und über die Entwicklung der interkulturellen Kompetenzen, was
später im Leben für das kommunizieren in einer mehrsprachigen Raum notwendig ist. Als
angehende Lehrperson möchte ich, dass meine Arbeit nicht nur auf Prüfungsvorbereitungen
eingegrenzt sei. Mein Interesse an literarischen Texten im DaF-Unterricht, beziehungsweise
an die Gattung der konkreten Poesie wurde durch meine bisherigen Erfahrungen als
Lehrperson geweckt. Ich unterrichte English als erste und als zweite Fremdsprache und
Deutsch als zweite Fremdsprache in einer Fachmittelschule in Budapest seit knapp zwei
Jahren. Viele von meinen Schülerinnen sind Anfänger. Obwohl es schon einige literarische
Texte in Lehrbüchern vorhanden sind, gibt es in den Lehrwerken für Anfänger kaum solche
Texte. Aus diesem Grund liegt es mir am Herzen, mich innerhalb mein Forschungsprojekt
auch damit zu beschäftigen, wie man Poesie mit Anfänger benutzen kann. Literarische Texte
sind für jede Alter und jede Sprachniveau ideal. Sie dienen als authentische Materialien, sie
haben einen ästhetischen Wert und sprechen die Lernenden emotional an. Bis den 1970er
Jahren war die Fremdsprachenunterricht von der sogenannten Grammatik-Übersetzungs-
Methode (GÜM) geprägt. Texte waren im Mittelpunkt des Unterrichtes. Die Lernenden
mussten auf lateinischen Muster die Fremdsprache erlernen, indem sie grammatischen Regeln
eingeprägt, Texte übersetzt und grammatikalisch analysiert haben. Literarische Texte hatten
einen hohen Stellenwert. Seit der kommunikativen Wende in den 1970er Jahren wird die
handlungsorientierte Sprachunterricht bevorzugt. Der kommunikative
Fremdsprachenunterricht schien zwar effektiv zu sein, weil die Lernenden dank vorhandenen
sprachlichen Mitteln früher angefangen haben, in die Zielsprache zu reden. Der
kommunikative Ansatz hatte viele positive Veränderungen mit sich gebracht. Beispielsweise
haben Lehrenden anstatt von Frontalunterricht angefangen, andere Sozialformen zu benutzen,
wie Gruppenarbeit oder Paararbeit. Sie haben anstatt den klassischen Lehrbüchern auch
andere Lehrmaterialien verwendet, wie beispielsweise Alltagsdialoge zum Einkaufen oder
Arztbesuch. Trotz dieser Erfolge hat die Fremdsprachenunterricht seine erzieherische
Dimension verloren. (Feld-Knapp 2009: 60) Obwohl die pragmatische Orientierung eine
Vielfalt von Lehr-und Lernmethoden dargelegt hat, wurde auch diese Orientierung von dem
heutigen, sogenannten Interkulturellen Ansatz in den 1980-90er abgelöst. Dieser Ansatz geht
davon aus, dass Lerner in der heutigen mehrsprachigen Welt auf interkulturelles Lernen
vorbereitet werden sollen. (Feld-Knapp 2009: 64) Dank dieser Ansatz wurden literarische
Texte wieder in dem DaF-Unterricht behandelt, aber statt sie grammatikalisch zu analysieren,
wurden sie zur Vermittlung von Kultur, Empathie und Toleranz behandelt. (Varga-Mónok
2020: 418, Knapp-Feld 2009: 65) Dank der Paradigmenwechsel können literarische Texte als
Basis dazu benutzt werden, mitteilungsbezogene Kommunikation zu verwirklichen. Die
Möglichkeit, anhand von den Vor- bzw. Weltwissen der Lernenden die Meinungen und
Gefühle zu formulieren spielt nämlich eine wesentliche Rolle beim Spracherwerb. In der
Literaturdidaktik gibt es zwei Richtungen, wie man einen Text in den Unterricht behandelt. Es
gibt eine interkulturell hermeneutisch orientierte Richtung, wo der Fokus auf dem Verstehen
und Interpretation des Textes Aufgrund von Faktenwissen liegt. In diesem Fall muss man
über die Rezeption und Hintergrund eines Werkes lernen. Obwohl diese Methodik für die
Literaturwissenschaft geeignet ist, ist es für die Fremdsprachendidaktik allein nicht
voranbringend, weil bei der Interpretation der Lehrer in Vordergrund steht und nicht der
Lernende. Insofern kann keine Kommunikation entstehen. (Knapp-Feld 1996: 21) Obwohl ich
damit einverstanden bin, dass die Biographie eines Autors, oder der Hintergrund eines
Gedichtes bei dem Verständnis hilft, ermöglicht diese Richtung keine Diskussion,
insbesondere, wenn es um Anfänger handelt. Man muss natürlich dabei helfen, den Text zur
Verständnis zu bringen, damit man später mit dem Text arbeiten kann, aber nicht in
übertriebener Maße. Die andere Gliederung ist die kommunikativ handlungsorientierte
Richtung, wo der Fokus auf die Kreativität der Lernenden liegt. Ziel dieser Richtung ist es,
die Schülerinnen auf Handeln zu befähigen, um mit dem Texten aktiv umgehen zu können.
(Knapp-Feld 1996: 11) Die vorliegende Forschung versucht, beide Richtungen in Betracht zu
nehmen, aber mit der Rücksicht auf den Lernenden. Wie gesagt, steht der Lernende mit seinen
Erfahrungen und Weltwissen in Vordergrund, wenn man das Ziel hat, mitteilungsbezogene
Kommunikation anzuregen.
2. Konkrete Poesie
Konkrete Poesie, oder auch konkrete Dichtung oder visuelle Poesie ist in den 1950er Jahre
entstanden. Es ist eine moderne Form der Dichtung. Als Vorläufer der Gattung werden die
französischen Symbolisten wie Apollinaire oder Mallarme betrachtet. Die Vertreter der
Gattung wurden auch von den Futuristen und Dadaisten beeinflusst. Ähnlich, wie bei den
erwähnten Gattungen, dient Kunst als Protest gegen den ersten und zweiten Weltkrieg. Zum
ersten Mal wurde das Genre nach 1945 von Eugen Gomringer erwähnt. Das Wort konkret
stammt aus dem lateinischen concretus (=gegenständlich)
- keine Versform, kein lyrisches Sprechen, das konkrete Gedicht ist selbst ein
Gegenstand, nicht eine Aussage über einen Gegenstand
- konkrete Malerei -> auf diesem Muster wurde die Gattung gebildet
- mehrere Erscheinungsformen: visuelle und akustische Poesie
[…]
3. Lehrziele
4. Lernziele
Die vorliegende Studie setzt sich zum Ziel zu beweisen, dass je mehr sich mit literarischen
Texten in dem Fremdsprachenunterricht beschäftigt, desto mehr kann man über die andere
Kultur lernen. Wenn man in die Rolle des anderen schlüpft, kann man Stereotype und die
Vorurteile einer fremden Kultur abschaffen. Ein zentrales jedoch oft vernachlässigtes Ziel der
Fremdsprachenunterricht ist Fremdverstehen. Mit der Globalisierung nahm dieses Kompetenz
an Bedeutung eindeutig zu. Es ist nämlich die Grundlage für den Zusammenhalt einer
Gesellschaft. Durch die Auseinandersetzung mit solchen Texten lernen die Schülerinnen über
kulturellen Bedingtheiten. Die Schülerinnen werden in der Lage sein, ambiguitätstolerant zu
werden, weil sie die Welt nicht nur aus einer Perspektive kennenlernen. Neben die
Erschließung solcher Texte gibt es eine Vielfalt an Möglichkeiten, konkrete Poesie im
Unterricht zu benutzen. In der vorliegenden Arbeit werde ich unterschiedliche Methoden
ausprobieren, die entweder die Kommunikation ermöglichen, Text-und Lesekompetenzen
fördern oder eben die Schreibfertigkeit der Lernenden schulen, alles mit Hinsicht auf
interkulturelles Lernen. Ziel dieser Arbeit ist es auch, den Schülerinnen zu zeigen, wie man
Sprache als „Spielraum“ mithilfe der Poesie benutzen kann. Sprache ist ein besonderes
System, weil man die Möglichkeit hat, damit zu experimentieren, indem man Wörter schafft,
Bedeutungen verändert, Sätze bildet. Mithilfe von Poesie in dem Fremdsprachenunterricht
kann man die Möglichkeit dazu geben, diesen Spielraum in einer Fremdsprache zu eröffnen
d.h. Eigenversuche bieten, wodurch man kreativer und handlungsfähiger wird (Dietrich,
Rüdriger 1984: 6). Weiterhin möchte ich meine Schülerinnen an Diskussionen beteiligen. Ich
erhoffe, dass durch den spielerischen Umgang mit Texte die Sprachangst leichter abgebaut
werden kann. Die Förderung der grammatischen Kompetenz wird auch eine Zielaufgabe der
Studie. Grammatik ist ein wichtiger Teil des Lernens, trotzdem wird es oft langweilig
unterrichtet. Ich bevorzuge, dass die Schülerinnen grammatische Strukturen inhärent erlernen,
wie Muttersprachler. Viele von den ausgewählten Gedichten (Zeitsätze, Possessivpronomen,
Unbestimmte Zahlwörter, Buchstabenfabel) leisten einen Beitrag dazu, grammatische
Strukturen zu festigen und spielerisch beizubringen.
4. Forschungsprojekt
4.1. Kontext der Forschung
Ich unterrichte in der BGSZC Széchenyi István Handelsschule in Budapest seit ungefähr zwei
Jahren Deutsch und Englisch. Ich hatte mehrere Gruppen, die Anfänger waren, weil viele von
denen Deutsch als zweite Fremdsprache neben ihre Muttersprache lernen müssen (L3).
Momentan habe ich eine zehnte Klasse, die Deutsch seit einem Jahr als zweite Fremdsprache
lernen. Ich möchte einige von den ausgewählten Gedichten bei dieser Gruppe ausprobieren.
(Die Zeit vergeht, Possessivpronomen und auch vielleicht Empfindungswörter) Ich habe eine
zwölfte Klasse, wo die Mehrheit der Klasse das Abitur aus Deutsch bestehen möchte. In
dieser Klasse möchte ich die Gedichte Schtzngrmm, Zeitsätze und vielleicht die Gedichte
Buchstabenfabel oder Unbestimmte Zahlwörter behandeln. Zuletzt habe ich eine begabte
zwölfte Klasse, mit denen ich das englische Gedicht The Lochness Monster’s Song behandeln
möchte. In dieser Gruppe gibt es einige Schülerinnen, die Sprachangst haben, deshalb erhoffe
ich, dass sie an der Stunde aktiver teilnehmen werden.
4.2 Datenerhebung
Die vorliegende Forschung wird mit Triangulation als Verfahren durchgeführt. Das Thema
wird aus verschiedenen Blickwinkeln erläutert und verschiedene Ansätze werden verwendet.
Ich werde sowohl Lehrpersonen als auch die Schülerinnen über das Thema befragen. Mit den
Lehrpersonen werde ich ein qualitatives Interview durchführen. Insgesamt möchte ich mit 3-4
Lehrpersonen ein semistrukturiertes Interview durchführen. Um ein umfassendes Verständnis
zu erreichen, werde ich sowohl Deutsch- als auch Englischlehrer beteiligen. Vor allem werde
ich offene Fragen stellen, bzw. Leitfaden für das Interview geben. Die Lehrpersonen können
zu den Fragen offene Antworten geben. Um einen tieferen Einblick zu gewinnen, möchte ich
die Schülerinnen auch befragen. Für die Schülerinnen werde ich eine Umfrage auf Google
Forms anfertigen. Mit den Schülerinnen möchte ich also eine Quantitative Forschung machen,
vor- und nach der Erprobung. Vor der Erprobung möchte ich allgemein das Wissen der
SchülerInnen über das Thema messen. Nach der Erprobung ist das Ziel der Umfrage, die
Eindrücke der Schülerinnen herausfinden. Das Ziel der doppelten Umfrage ist es
herauszufinden, ob meine Lehr-und Lernziele verwirklicht wurden, damit ich nachher
wirksam reflektieren kann.
4.3 Fragen über die Konkrete Poesie für Lehrpersonen:
a. allgemeine Fragen
1. Welche Fächer unterrichten Sie?
2. Wie lange arbeiten Sie als Lehrer/Lehrerin?
3. Benutzen sie regelmäßig literarische Texte im DaF-Unterricht (Gedichte,
Kurzgeschichten, Novellen usw.)?
4. Wenn ja/nein, wieso?
5. Was für Fähigkeiten können mithilfe von literarischen Texten geschult werden?
6. Was für Methoden gibt es, um literarische Texte innerhalb der
Fremdsprachenunterricht zu unterrichten?
b. Fragen über die Textsorte
7. Kennen sie die Textsorte Konkrete Poesie?
8. Wie wäre die Verwendung solcher Gedichte im Rahmen der Fremdsprachenunterricht
möglich? Mit welchen Methoden?
9. Was denken sie, für welche Alter und Sprachniveau wären solche Gedichte am
meisten geeignet?
10. Welche Ziele im DaF-Unterricht können mit Konkrete Poesie gesetzt werden?
11. Wenn es Lehrmaterialien zur Verfügung stehen würden, würden Sie innerhalb der
DaF-Unterricht sie verwenden?
12. Wenn ja, was für Materialien würden Sie am meisten verwenden (Hörmaterial,
Arbeitsbuch, Videos, Stundenpläne usw.)? (Materialien im Voraus zeigen)
13. Welches Gedicht würden Sie auswählen? Für welche Gruppe? Bitte begründen Sie!
4.4 Fragen über die Konkrete Poesie für die Schülerinnen
a. Fragen vor der Erprobung
1. Liest du Bücher in deiner Freizeit? (Ja/Nein)
2. Magst du Gedichte? (auf einer Skala von 1 bis 10)
3. Hast du schon versucht, ein Gedicht zu schreiben? (Ja/Nein)
4. Wie viel Angst hast du, wenn du vor dem Anderen in einer Fremdsprache sprechen musst?
(auf einer Skala von 1 bis 10)
b. Fragen nach der Erprobung
Literaturverzeichnis:
Dietrich, Krusche, Rüdriger, Krechel (1984): Anspiel. Konkrete Poesie im Unterricht Deutsch
als Fremdsprache. Bonn: Inter Nationes.
Feld-Knapp, Ilona (2009): Erfolgreich kommunizieren zwischen den Kulturen. Überlegungen
zu kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen im DaF- Unterricht. In:
Böttger, Lydia / Masát, András / Tichy, Ellen (Hrsg.): Jahrbuch der ungarischen
Germanistik 2008. Budapest / Bonn: GuG / DAAD. S. 60-73.
Feld-Knapp, Ilona (2014): Kinder- und Jugendliteratur erschließen lernen. Zur Erweiterung
des beruflichen Selbstverständnisses von Lehramtsstudierenden für Deutsch als
Fremdsprache (DaF). In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik. Budapest/Bonn:
GuG/DAAD. S. 194–206. URL: http://jug.hu/aufsaetze-2014/100-feld-knapp
(04.11.2022).
Feld-Knapp, Ilona (1996): Literaturdidaktische Modelle für den Deutschunterricht. In:
Jahrbuch der ungarischen Germanistik. S. 1-35
Romy, Kleine (2005): Aspekte der Konkreten Poesie als Lyrische Textform. In: GRIN
Verlag, München. S. 1-8. URL: https://www.grin.com/document/40878 (04.11.2022)
Varga-Mónok, Eszter (2020): Texte der klassischen deutschen Literatur im DaF-Unterricht:
Vorstellung einer thematischen Unterrichtseinheit mit zwei Balladen von Johann
Wolfgang von Goethe. In: Feld-Knapp, Ilona (Hrsg.): Lexik (= CM-Beiträge zur
Lehrerforschung 5). Budapest: Eötvös-József-Collegium. S. 417-443.