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Philosophie Schachspiel

Das Dokument behandelt die Philosophien von Machiavelli und Spinoza und ihre Verwendung des Schachspiels als Bild für politische Macht beziehungsweise die Beziehung zwischen Geist, Bewusstsein und Natur. Es wird die Darstellung der Philosophien kritisch diskutiert und ein eigenes Modell des Schachspiels als Bild für das Verhältnis von Bewusstsein und Bewusstseinsinhalten vorgestellt.
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Philosophie Schachspiel

Das Dokument behandelt die Philosophien von Machiavelli und Spinoza und ihre Verwendung des Schachspiels als Bild für politische Macht beziehungsweise die Beziehung zwischen Geist, Bewusstsein und Natur. Es wird die Darstellung der Philosophien kritisch diskutiert und ein eigenes Modell des Schachspiels als Bild für das Verhältnis von Bewusstsein und Bewusstseinsinhalten vorgestellt.
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Joachim Stiller

Philosophie des
Schachspiels
Zur Philosophie des
Schachsspiels

Alle Rechte vorbehalten


Philosophie des Schachspiels
Seit meiner Jugend trage ich den Gedanken mit mir herum, das Bewusstsein durch eine
Philosophie des Schachspiels darzustellen, genauer, das Verhältnis von Geist
(Bewusstseinsinhalte) und Bewusstsein. Dabei stellt das Bewusstsein das Schachbrett dar, der
Geist, also die einzelnen Bewusstseinsinhalte stellen dann die Figuren dar, die lediglich auf
dem Schachbrett verschoben werden. Bewusstsein und Geist verhalten sich dabei wie Form
und Inhalt. Interessant ist, dass mindestens zwei Philosophen vor mir das Bild des
Schachspiels gebraucht haben, um ihre Philosophie deutlich zu machen:
1. Machiavelli (Der Fürst) - Stichwort "Macht"
2. Spinoza (Ethik, nach geometrischer Methode dargestellt) - Stichwort "Substanz".
Ich werde beide Philosophien kurz vorstellen.

Machiavelli: Der Fürst


Machiavelli nannte seinen „Fürst“ ursprünglich „Fürstenherrschaft“. Nach einer 15-jährigen
Untersuchung der im 16. Jahrhundert herrschenden Machtpolitik schrieb er dieses Buch
während seines Exils auf dem Lande. Es untersucht das Erlangen von Macht und den
Machterhalt. Dabei wird vor keinem noch so schändlichen Mittel zurückgeschreckt. Ein
Beispiel von vielen:
„Ferner muss der Herr (Fürst) einer fremdländischen Provinz sich zum Oberhaupt und
Beschützer des schwächeren Nachbarn machen und die Mächtigsten unter diesen zu
schwächen suchen; auch muss er verhüten, dass ein Fremder, der so mächtig ist wie er selbst,
bei irgendeinem Anlass ins Land dringt; denn immer wurden solche von Unzufriedenheit, aus
Ehrgeiz oder aus Furcht ins Land gelassen.“
So oder so ähnlich zieht sich ein einzigartiger ideologischer Redeschwall der Macht und
Machterhaltung durch das gesamte Werk. Es liest sich eigentlich wie eine Taktik oder
Strategie für ein politisches Mühle-Dame-Schach-Spiel. Ich habe es interessanter Weise
gleichzeitig mit Gedichten von Pablo Neruda gelesen, und so schlägt einem der ganze
Zynismus diese demiurgischen Machtprinzips von Machiavelli wie Hohn ins Gesicht. Nicht
umsonst ist Machiavelli der Begründer eines politischen Chauvinismus der schlimmsten Art.
Es ist wirklich traurig, dass man in der Politik heute noch so viele Machiavellisten finden
kann, ja, dass die ganze heuchlerische Staatspolitik von einigen selbst Machiavellismus
genannt wird. Wir leben eben stellenweise immer noch im tiefsten Mittelalter.

Spinoza: Ethik, nach geometrischer Methode dargestellt


Ich möchte nun noch eben auf das Werk "Ethik, nach geometrischer Methode dargestellt
(Ethica more geometrico demonstrata) von Spinoza eingehen, und zwar auf den 1. Teil des
Werkes, der sich im Gegensatz zum 2. Teil (Ethik) mit Metaphysischen Fragen beschäftigt.
Dazu lass ich einen kurzen Abschnitt aus dem Werk "Kleine Weltgeschichte der Philosophie"
von Hans Joachim Störig folgen (6. Auflage, S.370-371):
"Ausgangspunkt ist der Begriff der "Substanz". Darunter ist nicht, wie man nach heutigem
Sprachgebrauch annehmen könnte, die Materie zu verstehen. Man kommt der Sache näher,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass das lateinische Wort Substanz wörtlich das
"Darunterstehende" bedeutet. Spinoza meint mir diesem Begriff das Eine oder Unendliche,
das unter oder hinter allen Dinges steht, dass alles Sein in sich vereinigt und begreift. Die
Substanz ist ewig, unendlich, aus sich selbst existierend. Es gibt nichts außerhalb ihrer. So
verstanden ist aber der Substanzbegriff gleichbedeutend mit dem Begriff "Gott" und als
Inbegriff alles Seienden zugleich auch gleichbedeutend mit dem Begriff Natur. So steht am
Anfang der Gedanken Spinozas die Gleichung

Substanz = Gott = Natur

Der Substanz steht der Begriff "Modus" gegenüber. Modus ist alles, was nicht wie die
Substanz aus sich selbst heraus zugleich frei und notwendig besteht (denn Notwendigkeit und
Freiheit fallen hier zusammen) - also alles, was durch anderes bedingt ist, wir können sagen,
die Welt der Dinge im weitesten Sinne, die Welt der (endlichen) Erscheinungen. Im normalen
Sprachgebrauch bezeichnen wir diese Welt eigentlich als Natur. Auch Spinoza ist das
bekannt.
Um hier ein Missverständnis auszuschließen, verwendet er zwei Begriffe der Natur: Natur im
oben zuerst genannten allumfassenden Sinne bezeichnet er als "schaffende Natur" (natura
naturans), Natur als Inbegriff der endlichen Dinge als "geschaffene Natur" (natura naturata)."
(Störig)
Anmerkung: Darüber hinaus unterscheidet Spinoza auch grundsätzlich zwei Substanzen,
nämlich die geistige Substanz und die physische Substanz. Ich habe es jetzt nur mit meinen
eigenen Worten gesagt. Dann kommt man eigentlich dahin, die obige Gleichung von Spinoza
in zwei Gleichungen aufzuspalten, wobei sich die eine dann auf Gott, die andere auf die Natur
bezieht:

1. Formel: Geistige Substanz = Gott = Schaffende Natur


2. Formel: Physische Substanz = Natur = Geschaffene Natur

Ich hatte eine Zeit lang den Gedanken, das Werk von Spinoza einfach neuzuschreiben. Dann
hätte ich die berühmte Gleichung von Spinoza im obigen Sinne ausdifferenziert.
"Da die menschliche Sprache keinen der Welt der mathematischen Symbole vergleichbare
Zeichensprache ist, sondern ein aus unbekannter Vorzeit übernommenes Erbe organisch
gewachsener Formen, so schwingt in jedem Wort, wie sehr man es auch begrifflich definieren
und festnageln mag, immer vieles Ungesagte, aus der Vergangenheit des Wortes und des
menschlichen Denkens überhaupt Überkommene mit. Daher geschieht es bei Spinoza – was
wir auch zum Beispiel bei Kant beobachten können -, dass er sich an die von ihm festgelegten
Definitionen selber oft nicht genau hält, zum Beispiel für "schaffende Natur" lieber Gott, für
"geschaffene Natur" lieber Natur schlechthin gebraucht. Jedes endliche Ding ist also durch ein
anderes bedingt. Wodurch? Spinoza selbst gebraucht zur Veranschaulichung seiner
Grundbegriffe folgendes Beispiel (Bild): Denkt man sich die unendliche Substanz dargestellt
durch eine unermesslich große Fläche, etwa ein Blatt Papier, so entsprechen die Modi, die
Einzeldinge den Figuren, die in die Fläche hineingezeichnet werden können. Teilen wir die
Fläche beispielsweise in lauter kleine Quadrate ein, fassen ein bestimmtes ins Auge und
fragen, wodurch dieses Quadrat bedingt sein, so ist die Antwort durch die es umgebenden
Nachbarquadrate, nicht dagegen, mindestens nicht unmittelbar, durch die ganze Fläche.
Natürlich würde es nicht sein, wenn nicht zuvor diese Fläche wäre Entsprechend lehrt
Spinoza, dass jedes endliche Ding immer nur durch andere endliche Dinge bestimmt ist, dass
aber kein endliches Ding Gott zu seiner unmittelbaren Ursache hat. Wenn kein endliches
Wesen unmittelbar aus Gott folgt, mittelbar aber alles, so muss zwischen Gott als der
unendlichen Substanz und den einzelnen Modi noch ein Zwischenglied sein.
Welches ist dieses Glied? Kehren wir noch einmal zu unserem Beispiel (Bild) zurück. Ein
bestimmtes Quadrat in der Fläche ist bestimmt durch die es umgebenden Nachbarquadrate.
Diese sind wiederum durch die umgebenden Quadrate bestimmt. Gehen wir immer weiter
hinauf so stoßen wir schließlich auf die unendlich große Gesamtheit aller möglichen
Quadrate, ein Umfassendes, das gleichbleibt, wie sich auch die Aufteilung der Flächen im
Einzelnen ändern mag. Diese absolute Summe aller Modi nennt Spinoza "unendliche
Modifikation", die unmittelbar aus Gott folgt. Wir haben also eine dreifache Stufenfolge: Die
unendliche Substanz (=Gott), die absolute Summe aller Modi (=alles), die einzelnen Modi (=
Natur)." (Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie)

Das Schachspiel als Bild für das Bewusstsein


Was mich an der Darstellung von Spinoza etwas stört, ist, dass er die Figuren in die einzelnen
Felder hineinzeichnet, und, anstatt die Figuren auf dem Brett zu verschieben, nur die
einzelnen Felder austauscht. Ich selber möchte gerne, genau wie bei einem richtigen
Schachspiel auch, die dritte Dimension aufrechterhalten. Ich selber finde es so jedenfalls
außerordentlich plastisch. Noch einmal: Bewusstsein und Geist (Bewusstseinsinhalte, denn
Geist ist nichts anderes, als die "Inhalte" des Bewusstseins) verhalten sich wie die Form zum
Inhalt. Das Bewusstsein stellt die Form dar, in der Analogie mit dem Schachspiel das
Schachbrett. Der Geist (Bewusstseinsinhalte) stellt die Inhalte des Bewusstseins dar, also die
einzelnen Figuren auf dem Schachbrett. Dabei können die Figuren jeder Zeit verschoben
werden, wodurch das speziell prozesshafte der Bewusstseinsprozesse dargestellt wird...

Der Steppenwolf von Hermann Hesse


In dem Werk "Vom Unsinn des Sinns oder Vom Sinn des Unsinns" von Paul Watzlawick
fand ich folgende großartige Passage:

Der Steppenwolf ist ein am Leben verbitterter, älterer Mensch, der im Laufe des Romans von
Pablo in eine ganz neue Welt eingeführt wird. Eines Nachts gerät er ins Magische Theater, wo
ihm Pablo erklärt, dass dieses Theater aus vielen Logen bestehe und sich hinter jeder
Logentür eine von ihm frei gewählte Wirklichkeit befinde. In der Loge, die der Steppenwolf
daraufhin betritt, erklärt ihm ein Schachmeister:
"Die Wissenschaft hat insofern recht, als natürlich keine Vielheit ohne Führung, ohne eine
gewisse Ordnung und Gruppierung zu bändigen ist. Unrecht dagegen hat sie darin, dass sie
glaubt, es sei nur eine einmalige, bindende, bebenslängliche Ordnung der vielen Unter-Ichs
möglich. (...) Wir ergänzen daher die lückenhafte Seelenlehre der Wissenschaft durch den
Begriff, den wir Aufbaukunst nennen. Wir zeigen demjenigen, der das Auseinanderfallen
seines Ichs erlebt hat, dass er die Stücke jederzeit in beliebiger Ordnung neu zusammenstellen
und dass er damit eine unendliche Mannigfaltigkeit des Lebensspiels erzielen kann. Wie der
Dichter aus einer Handvoll Figuren ein Drama schafft, so bauen wir aus den Figuren unseres
zerlegten Ichs immerzu neue Gruppen, mit neuen Spielen und Spannungen, mit ewig neuen
Situationen." (...) Dann strich er mit heiterer Gebärde über das Brett, warf alle Figuren
sachte um, schob sie auf einen Haufen und baute nachdenklich, ein wählerischer Künstler,
aus denselben Figuren ein ganz neues Spiel auf, mit ganz anderen Gruppierungen,
Beziehungen und Verflechtungen. Das zweite Spiel war dem ersten verwandt: es war dieselbe
Welt, dasselbe Material, aus dem er es aufbaute. Aber die Tonart war verändert, das Tempo
gewechselt, die Motive anders betont, die Situationen anders gestellt.
Und so baute der kluge Aufbauer aus den Gestalten, deren jede ein Stück meiner selbst war,
ein Spiel ums andere auf, alle einander von ferne ähnlich, alle erkennbar als derselben Welt
angehörig, derselben Herkunft verpflichtet, dennoch jedes völlig neu. (Hermann Hesse: Der
Steppenwolf, Suhrkamp, S.209)

(Siehe auch den Link zu „Wissenspyramide“)


Wittgenstein: Das Sprachspiel
Der Mensch spielt beim späten Wittgenstein Sprachspiele. Damit wendet er sich von der
Abbildtheorie aus dem Tractatus ab, von der er sich nun distanziert. Die Bedeutung eines
Wortes ist nur noch die Art, wie das Wort benutzt wird in der sprach bzw. in einem konkreten
Sprachspiel. Sprachspiele sind praktisch Kommunikationssituationen. Dabei müssen die
Teilnehmer bestimmte Regeln einhalten und auch die Regeln kennen. Wittgenstein vergleicht
die Sprache und überhaupt die konkreten Sprachspiele mit einem Schachspiel. Wichtig ist
nicht, dass die Figuren für etwas stehen, wie noch in der Abbildtheorie, sondern dass es für sie
Regeln gibt…Das Schachspiel selbst könnte man auch mit Autos, Feuerzeugen, Geldmünzen
oder Bauklötzen spielen…

Joachim Stiller Münster, 2011-2014

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