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Hausaufgaben Lernende Schule

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UND STRITTIGES

Hausaufgaben:
auf die Qualität kommt es an!
Ein Überblick über den Forschungsstand

FRANK L1POWSKY Frank Lipowsky zeigt anhand der aktuellen Forschungsergebnisse auf,
dass es auf die Qualität von Hausaufgaben, ihre Einbindung in
Hausaufgaben sind für viele Schü­ den Unterricht und auf die Qualität der Hausaufgabenbetreuung
lerinnen und Schüler, Eltern und
ankommt. Damit wird deutlich, dass die Kontroverse "Pro-Contra­
Lehrpersonen ein Reizthema. Schü­
ler fühlen sich häufig gegängelt und Hausaufgaben" ausgedient hat und der differenzierteren Frage
empfinden Hausaufgaben entweder nach Qualitätsmerkmalen einer guten und effektiven Hausaufgaben­
als tJberforderung oder aber als läs­
praxis gewichen ist.
tige und langweilige Pflichtübung.
Eltern sind in der Regel vom Nut­
zen der Hausaufgaben überzeugt.
Entsprechend häufig kommt es zu
familiären Konflikten.
Auch unter Lehrerinnen tmd Leh­ chem Umfang erledigt werden sol­ ler aus, wenn Lehrer nicht nur die
rern wird kontrovers über den Sinn len, welches Anspruchsniveau die Erledigung kontrollieren, sondern
von Hausaufgaben diskutiert. Ei­ Hausaufgaben haben und welche wenn mit der Kontrolle der Hausauf­
nerseits wird ihnen eine wichtige didaktischen Funktionen mit den gaben auch inhaltliche Rückrneldtm­
Funktion für den langfristigen Lern­ Hausaufgaben verbunden sind. Da­ gen verbunden sind (vgl. Lipowsky
erfolg und für den Aufbau einer rüber hinaus prägt sie den Umgang et al. 20(4).
selbstständigen Arbeitshaltung zu­ mit den Hausaufgaben und ist für Zwei aktuellere Studien verweisen
geschrieben, andererseits werden ge­ die Qualität der Hausaufgaben maß­ darauf, dass die Qualität der Hausauf­
nau diese vermeintlichen Wirkungen geblich. gaben für den Schulerfolg bedeutsam
von Hausaufgaben in Frage gestellt. Aktuellere Forschungsergebnis­ ist. So zeigt die erste Studie, dass der
Dazu kommt.. dass für viele Lehrper­ se venveisen darauf, dass der Um­ Lernerfolg der Schüler in Mathema­
sonen der Aufwand an Unterrichts­ fang der Hausaufgaben keine oder tik dann höher ausfällt, wenn die
und Lehrerarbeitszeit, der für die sogar eine tendenziell negative Wir­ Lehrpersonen prozessorientiert mit
Kontrolle von Hausaufgaben auf­ kung auf die Leistungsentwicklung den Hausaufgaben umgehen, das
gewendet werden muss, nicht mehr der Schüler hat. Insbesondere für heißt, wenn sie sich nicht nur für die
in einer sinnvollen Relation zu den
vermeintlichen Wirkungen steht. In­
sofern macht es Sirm, sich näher und Schülerinnen und Schüler fühlen sich häufig
genauer mit der Hausaufgabenfor­
schung und ihren Ergebnissen zu
gegängelt und empfinden Hausaufgaben
beschäftigen. Dabei zeigt sich, dass entweder als Uberforderung oder aber als
die Wirkungen von Hausaufgaben lästige und langweilige Pflichtübung.
von einer Reihe von Bedingungen
abhängig sind, die sowohl mit der
Person des Lehrers, des Schülers und
der Eltern zu tun haben. den Mathematikunterricht wurde Ergebnisse, sondern auch für die Lö­
nachgewiesen, dass es wichtiger ist, sungsprozesse interessieren, wenn
Hausaufgaben regelmäßig und häu­ sie auf die Fehler bei den Hausauf­
Die Lehrpersonen
fig zu stellen, statt selten und um­ gaben eingehen und Hausaufgaben
Die Forschung hat sich bislang nur fangreich. "Lieber oft als viel", so stellen, bei denen die Schüler über
sehr spärlich mit Merkmalen der haben Berliner Forscher ihre ent­ etwas Neues nachdenken müssen
Hausaufgabenpraxis beschäftigt, die sprechenden Ergebnisse überschrie­ (vgl. Lipowsky et al. 2004)
vom Lehrer beeinflussbar sind. Da­ ben (vgl. Trautwein/Köller /Baumert In der zweiten Studie wurden
bei hängt die Hausaufgabenpraxis 2001; Lipowsky et al. 2004). Mathematik-, Englisch- und Fran­
In mehrfacher Hinsicht vom Ver­ Die Kontrolle von Hausaufgaben zösisch-Hausaufgaben untersucht.
halten der Lehrperson ab Sie legt wirkt sich offenbar nur dann po­ Zum einen ergab sich für die Fä­
fest, welche Hausaufgaben im wel- sitiv auf den Lernerfolg der Schü- cher Mathematik und Englisch, dass

LERNENDE SCHULE 3912007 7


Schüler dann vom Nutzen der Haus­ aufgabenbearbeitungszeit nicht dauernd an den Hausaufgaben zu ar­
aufgaben überzeugt sind und ih­ automatisch zu besseren Leistun­ beiten und sich durchzubeißen, auch
nen einen größeren Wert beimes­ gen. Wer also länger Hausaufgaben wenn es Schwierigkeiten gibt, dürfte
sen, wenn die Hausaufgaben ihrer macht, profitiert nicht zwangsläufig eine wichtige schülerbezogene Vor­
Meinung nach gut vorbereitet und davon (vgl. z. B. Schnyder et al. 2006; aussetzung dafür sein, dass Haus­
in den Unterricht integriert sind. In Lipowsky et al. 2004). aufgaben Wirkungen entfalten kön­
der gleichen Studie zeigte sich für Dieser Befund ist nur auf den nen. Weiterhin konnten Trautwein et
das Fach Französisch, dass kogni­ ersten Blick erstaunlich. Er wird je­ al. (2006) nachweisen, dass die An­
tiv anregende, gut vorbereitete und doch rasch verständlich, wenn man strengungsbereitschaft der Lernen­
in den Unterrichtsablauf integrierte berücksichtigt, dass lange Hausauf­ den auch davon abhängt, inwieweit
Hausaufgaben positiv mit der Mo­ gabenzeiten nicht zwangsläufig ein sie vom Nutzen der Hausaufgaben
tivation und der Anstrengungsbe­ Anzeichen für eine vertiefte und ver­ überzeugt sind und inwieweit sie
reitschaft der Schüler einhergehen ständnisorientierte Auseinanderset­ die Erwartung haben, die Hausauf­
(vgl. Trautwein et al. 2006). Es lässt zung mit den Aufgaben sein müssen, gaben zufriedenstellend erledigen
sich also vermuten, dass die Qualität sondern im Gegenteil auch ein Indi­ zu können.
der Hausaufgaben sowohl die Lern- kator für fachliche und/oder moti-
Die Eltern

Empirische Befunde zeigen, dass Hausaufgaben Aus vielen Studien ist bekannt, dass
die soziale und familiäre Herkunft
Wirksamkeit beanspruchen können. Dabei ist eine wichtige Determinante für schu­
die Stärke der Effekte von den Lernenden, den lische Leistungen darstellt. Gemein­
hin wird von vielen Lehrpersonen
Eltern und den Lehrpersonen abhängig
angenommen, dass elterliche Unter­
stützung bei Hausaufgaben insbe­
sondere für schwächere Schüler eine
entwicklung als auch die Motivation vationale Probleme der Lernenden wichtige kompensatorische Funktion
positiv beeinflussen kann. sein können. Mit anderen Worten: erfüllt. Wenn Eltern, so die Erwar­
Wie sich verschiedene Arten von Wenn ein Schüler oder eine Schüle­ tung der Lehrpersonen, sich intensiv
Hausaufgaben, zum Beispiel Haus­ rin viel Zeit mit den Hausaufgaben um die Hausaufgaben ihrer Kinder
aufgaben, die kognitiv anspruchsvol­ verbringt, kann dies auch auf un­ kümmern, lassen sich Leistungsrück­
lere und verständnisvolle Tätigkeiten günstige Lernvoraussetzungen bzw. stände aufholen.
induzieren, im Gegensatz zu Haus­ auf eine geringe Passung zwischen Diese Annahme wird durch bis­
aufgaben, die eher zu prozeduralen, den fachlichen Anforderungen der lang vorliegende Forschungsergeb­
schematischen Tätigkeiten anregen, Aufgaben und den Fähigkeiten des nisse nicht gedeckt. Es liegen bis
oder vorbereitende im Vergleich zu Schülers zurückzuführen sein. heute keine Befunde vor, die nach­
nachbereitenden Hausaufgaben auf Bedeutsamer als das Quantum an weisen, dass schwächere Schüler
die Lernentwicklung auswirken, ist Zeit, das Schülerinnen und Schüler in besonderem Ausmaß von elter­
noch wenig erforscht.

Die Schüler Es kommt weniger auf die Quantität, sondern


Ob Hausaufgaben wirkungsvoll oder auf die Qualität an: auf die Qualität der Auf­
nutzlos sind, hängt in erster Linie da­ gaben, auf die Qualität der Bearbeitung und
von ab, ob und in welcher Regelmä··
die Qualität der Unterstützung durch die Eltern.
ßigkeit und Qualität sie erledigt wer­
den. Die Hausaufgabenerledigung
wiederum korrespondiert unter an­
derem mit der Gewissenhaftigkeit in die Hausaufgabenerledigung in­ licher Hausaufgabenhilfe profitieren.
der Schüler (vgL Trautwein et aL vestieren, ist offenbar die Art und Im Gegenteil: In den vorliegenden
2006). Weise, wie sie sich mit Hausaufgaben Forschungsergebnissen deutet sich
Häufig wird angenommen, dass beschäftigen: Die Qualität ist ent­ ein gewisser "Teufelskreis" an: Leis­
sich auch die aufgewendete Zeit, die scheidender als die Quantität. Die For­ tungsschwächere Schüler berichten
ein Schüler mit Hausaufgaben ver­ schungsergebnisse deuten darauf über eine stärkere Einmischung ihrer
bringt, positiv auf die künftige Leis­ hin, dass Schüler vor allem dann von Eltern und über mehr Konflikte bei
tungsentwicklung auswirkt. Zwar Hausaufgaben profitieren, wenn sie den Hausaufgaben. Diese direkten
legen große amerikanische Studi­ ihre Aufgaben kontinuierlich, gewis­ Einmischungsversuche sind proble­
en einen solchen Zusammenhang senhaft und regelmäßig erledigen matisch, untergraben die Selbststän­
nahe (zuletzt: Cooper /Robinson / (vgl. z. B. Haag & Mischo 2004). digkeit der Schüler und wirken sich,
Pa tall 2006), aktuellere deutsche Damit rücken auch motivationale das zeigen die Forschungsergebnis­
Forschungsbefunde können die­ und volitionale Aspekte der Schüler­ se, eher negativ auf die weitere Leis­
se Annahme jedoch nicht stützen: persönlichkei t in das Blickfeld. Die tungsentwicklung der Schüler aus
Demnach führt ein Mehr an Haus- Bereitschaft, sich anzustrengen, aus- (vgl. Niggli/Trautwem/Schnyder

8 LERNENDE SCHULE 39/2007


tMIMiJlJm
UND STRITTIGES

Exeler. UWild. E. 120(3) [he Rolle des Eltern~


hauses fur die Forderung selbstbestimmten
Wann sind Hausaufgaben effektiv? Lernens. In. Unterrichts\vissenschaft, 31 Jg.
I--~~~--~~--~~ ~--~--~-~---~----1 H. 1. 5, 6--22.
Haag, L.!Mischo, C (2002)' SaIsonarbeiter in
der Schule -- eInem Phanomen auf der Spur
Zentrale Ergebnisse in: Zettschriit für Padagogische Psychologie.
H 16, S. 109-115
der Hausaufgabenforschung im Überblick I Helmke, A !Schrader, F-W!Hosenield. I
(2.004) Elterliche Lemunterstützung und
Schullelshmgen ihrer Kinder. Bildung und
I
Erziehung. 57 Jg., H. 3. 5 251-277~
Schüler: Lipowsky, F./Rakoczy, K./Klieme, E./Reus­
Die Qualität und Intensität der Hausaufgabenbearbeitung ser, K.!PauIi, C (2004)~ Hausaufgabenpraxis
im Mathematikunterricht - ein Thema für die
sind wichtiger als die Zeit, die ein Schüler mit den Hausauf­ I Unterrichtsqualitätsforschung' in Doll. J./
gaben verbringt. Prenzet M. (Hrsg.l: Studien zur Verbesserung
- Regelmäßig und sorgfältig Hausaufgaben machen zahlt sich der Bildungsqualität von Schule: Lehrerpro­
fessionalisierung, Unterrichtsentvvicklung
aus. und Schülerförderung. ~'1ünster: \:\Taxmann
S. 250-266~
Lehrer: Niggh, A!Trautwein, U.!Schnyder, I. (2007)
Elterliche Unterstützung kann hilfreich sem,
- Lieber oft als viel: Besser häufig kürzere Hausaufgaben ge~ aber Einmischung schadet Familiärer Hinter­
ben als selten und massiert. grund, elterliches Hausaufgabenengagement
- Inhaltliche Rückmeldungen auf Hausaufgaben sind bedeut­ und Leisrungsennvicklung, Psychologie in Er­
ziehlmg und I.;nterricht, 54 Jg.• H. 1, S. 1-14~
samer als Lösungskontrollen. Pomerantz, E. M./Wang,Q!Ng, F~ F.-Y. (2005):
- Hausaufgaben sollten gut in den Unterricht integriert sein. Mothers' dffect in rhe h'omework context: The
- Lehrpersonen sollten prozessorientiert mit Hausaufgaben importance of staving positive Development
Psychology. 41. Jg , H. 2.5 ·1J.l.-427
umgehen statt ausschließlich ergebnisorientiert. Schnyder, I./Cathomas, R!Niggh. A~!Traut­
I
I
wem, U.!Lüdtke, O. (200b). Wer lange lernt,
lernt noch lange nicht viel mehr: Korrelate der
Eltern: Hausaufgabenzeit lm Fach FranZÖSisch und
Direkte Einmischungen sollten die Ausnahme sein. Effekte auf die Leistungsentwicklung. in: Psy­
- Eltern sollten stattdessen die Selbstständigkeit ihrer Kinder chologie in Erziehung und Unterricht. H. 53,
5.107-121.
fördern und sie bei der Hausaufgabenbearbeitung emotio­ I Trautwein, U.!Köller, O./Baumert. J. (2002).
nal unterstützen und bekräftigen. Lieber oft als viel Hausaufgaben und die
EntvvlCklung von Leistung und Interesse im
I Mathematikunterncht der 7 Jahrgangsstu­
te. in~ Zeitschrift für Padagogik 47. Jg.. H~ 5,

__J 5 703-724~
Trautwein, U./Lüdtke. O.!Schnyder, I./Nig­
gli, A. (2006): Predichng Homework elfort:
Support for a domain-specific, multilevel
homework model. Journal of Educational Psy­
chology, 98. fg .. H 2,5 438-456.
2007; Helmke/Schrader /Hosenfeld Selbstständigkeit der Kinder setzt, Wild. E (2004): Häusliches Lernen For­
schungsdesidel'ate und Forschungsperspek­
2004; lipowsky et al. 2004). als erfolgversprechender. Elterliche tiven. In: Zeitschnft für Erziehungswissen­
Eltern von leistungsstärkeren Unterstützung bei Hausaufgaben schaft. 7. Jg., Beiheft 3. 5. 37-M
Schülern mischen sich dagegen we­ sollte also eher zurückhaltend er­
niger stark ein und zeigen ein eher folgen.
indirekt unterstützendes, autonomiefär­
dcrndes Verhalten, was sich nach den Fazit
vorliegenden Forschungsergebnis­
sen eher positiv auf die künftige Leis­ Sind Hausaufgaben wirkungsvoll
tungs- und Motivationsentwicklung oder nutzlos? Die empirischen Be­
der Schülerinnen und Schüler aus­ funde unterstreichen insgesamt, dass
wirkt (vgl. Exeler & Wild 2003; Wild Hausaufgaben Wirksamkeit bean­
2004; Pomerantz/Wang/Ng 2005). spruchen können. Sie zeigen aber
Zusammenfassend lässt sich fest­ auch, dass die Stärke der Effekte von
halten, dass es auch bei der elter­ den Lernenden, den Eltern und den
lichen Unterstützung eher auf die Lehrpersonen abhängig ist. Darüber
Qualität des elterlichen Engagements hinaus wird deutlich, dass es weni­
ankommt und weniger auf die Quan­ ger auf die Quantität, sondern auf
tität. Je intensiver und direkter sich die Qualität ankommt: auf die Qua­
Eltern in die Hausaufgabenerledi­ lität der Aufgaben, auf die Qualität
gung Ihrer Kinder einmischen, des­ der Bearbeitung und die Qualität der ~ONTAKT
to größer ist die Wahrscheinlichkeit, Unterstützung durch die Eltern.
I Dr. Frank Lipowsky
dass die vielleicht gut gemeinten Rat­ [email protected]
schläge und Hinweise ins Gegenteil
umschlagen. Umgekehrt erweist sich I Professor für Erziehungswissenschaf­
Literatur
ein elterliches Hausaufgabenverhal­ Cooper. H.!Robmson. ]. e/Patall, E. A ten mit dem Schwerpunkt Empirische 1
ten, das emotionalere Formen der (2006): Does homework Improve academic Erziehungswissenschaften an der I
achlevement? A svnthesis oi research, 1987­
Unterstützung umfasst und zudem 2003 Review of Educatlonal Research, 76 rg Universität Kassel --.-J 1

auf Anregung und Förderung der H. 1. 5 1-<,2

LERNENDE SCHULE 39/2007 9

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