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Verbotene Siege

Das Dokument beschreibt die politische Situation Deutschlands und Europas vor dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland war nach mehreren Niederlagen geschwächt und politisch bedeutungslos, während England und Frankreich große Kolonialreiche aufbauten. Die deutschen Siege 1940 waren daher nicht nur militärische Erfolge, sondern brachten Deutschland auch größeren politischen Einfluss.

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Verbotene Siege

Das Dokument beschreibt die politische Situation Deutschlands und Europas vor dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland war nach mehreren Niederlagen geschwächt und politisch bedeutungslos, während England und Frankreich große Kolonialreiche aufbauten. Die deutschen Siege 1940 waren daher nicht nur militärische Erfolge, sondern brachten Deutschland auch größeren politischen Einfluss.

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Verbotene Siege 1940 – Compiègne und

Dünkirchen

Von Prof. Dr. Menno Aden

Am Tag der deutschen Einheit (3.10.2010)

I. Ausgangspunkt

Churchill, Roosevelt und Stalin: Als Verbündete gegen Hitler gehören


sie alle drei zu den „Guten“

Der Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8./9. Mai 1945 jährte sich 2010
zum 65. Male und führte zu umfangreichen Siegesgedenkfeiern in den
Staaten unserer ehemaligen Feinde. Darüber wurde der 70. Jahrestag der
deutschen Siege über Frankreich und England vergessen. Das NS-Regime
werden wir, zumal mit der Kenntnis von heute, verwerfen. Die damals
errungenen Siege müssen nicht gefeiert werden; das werden sie auch nicht.
Anscheinend wurde ihrer aber gar nicht gedacht.
Deutschlands politische Entwicklung in den letzten Jahrhunderten hat, wie
folgend näher ausgeführt werden soll, unseren politischen Blick derartig
verengt, daß wir über Deutschland, bestenfalls Europa, kaum hinausschauen
können.
Die beiden Weltkriege erscheinen uns daher nicht als Weltkriege, sondern als
eine Art deutscher Sondervorstellung auf der Bühne der Geschichte, mit der
wir „durchgefallen“ sind.
Wir können Verlauf des Krieges und sein Ende nur mit deutschen Augen
sehen. Schon den asiatischen Krieg und die japanische Niederlage sehen wir
nur durch einen fernen Schleier.
Unter dem ausschließlichen Gesichtspunkt der deutschen Niederlage 1945
sind alle damals errungenen deutschen militärischen Erfolge mit den Worten
E. v. Mansteins nur verlorene Siege.
Das waren sie aber nicht. Es waren diese deutschen Siege über Frankreich
und England, welche die 1648 im Westfälischen Frieden an Frankreich und
ab etwa 1700 zusätzlich an England verlorene politische Selbstbestimmung
Deutschlands wiederherstellten und letztlich dazu führten, daß Deutschland
heute eine seiner Bedeutung in der Weltpolitik entsprechende Rolle spielen
kann. Es waren diese Siege, welche die Entkolonialisierung auslösten und
die heutige multipolare Weltordnung heraufführten.
Diese Siege haben die Sowjetisierung Westeuropas verhindert und so den
Boden für den Umschwung von 1990 mit vorbereitet. Das uns fast irritierende
hohe Ansehen, welches Deutschland in den ehemaligen Untertanenländern
Englands und Frankreichs genießt, ist im wesentlichen eine Fernwirkung
dieser deutschen Siege, besser dieser englischen und französischen
Niederlagen.

Diese Siege waren also nicht verloren. Man wird sie eher verbotene Siege
nennen, denn sie passen nicht in das offiziell gepflegte Geschichtsbild.

Dieses wird weiterhin vom Selbstlob, insbesondere der Englischsprachigen,


geprägt, durch ihren Sieg über das Monstrum Hitler die Welt gerettet zu
haben.
Politisch Korrekte werden daher vor allem daran Anstoß nehmen, daß sich
aus den folgenden Überlegungen ergibt, Hitler habe dann doch auch Gutes
gezeitigt.
Das ist bei dem heutigen Meinungsklima in Deutschland für den Verfasser
eines solchen Aufsatzes in der Tat gefährlich, und es nützt ihm wenig, wenn
er hier und sonst bekundet, wie sehr ihm das NS-Regime als eine
geschichtliche Schande unseres Vaterlandes erscheint.[2] Darauf kann man
nur vertrauensvoll mit Augustinus antworten, daß Gott oft das Böse zuläßt,
um Gutes hervorzubringen – oder wie Lessing sagt: Das Leid wird seinen
guten Grund in dem ewigen unendlichen Zusammenhange aller Dinge haben.
In diesem ist Weisheit und Güte, was uns in den wenigen Gliedern, … blindes
Geschick und Grausamkeit scheinet. [3]
II. Geschichtliche Voraussetzungen

1. Deutschland, der bequeme Nachbar

Deutschland war nach großen Anfängen unter Karl dem Großen, über Höhen
wie unter Otto d. Großen und Friedrich Barbarossa, Niedergängen und
Neuaufbrüchen tausend Jahre später um 1800 zur politischen Nichtigkeit
herabgesunken.

Es war ein harmloser, verschlafener Bär, der keine politischen Ansprüche


stellte und sich wortlos alles gefallen ließ. Pufendorf schreibt 1667, also nach
dem Dreißigjährigen Krieg, über den Zustand Deutschlands: Die Größe und
Stärke des Deutschen Reiches könnte, wenn es eine monarchische
Verfassung hätte, für ganz Europa bedrohlich sein, aber es ist durch innere
Krankheiten und Umwälzungen so geschwächt, daß es sich kaum selbst
verteidigen kann.[4]
Deutsche Eliten begleiteten Deutschlands Weg in die Kümmerlichkeit
unbetroffen. Die völlige Zerstörung Deutschlands im Frieden von Lunéville
(1801), als das gesamte linke Rheinufer, von Mainz bis Bonn und Aachen, an
Frankreich abgetreten wurde, scheint nicht einmal bemerkt worden zu sein.
Auch nicht von Friedrich Schiller, der unter den zeitgenössischen Dichtern
patriotischen Gefühlen noch am ehesten Raum gab.
Unserem Dichterfürsten Goethe fiel zu diesem Epochenereignis nur das
Gedicht Hermann und Dorothea ein, welches die Flucht der überrheinischen
Deutschen vor den wilden Franken zum Thema hat und in der Ermahnung an
Hermann gipfelt, nicht zu den Waffen zu eilen, sondern mit seiner Dorothea
brav Haus und Garten zu pflegen.

Deutschlands Nachbarn im Westen hatten um 1800 die Welt entdeckt und


erobert, und sein Nachbar im Osten, Rußland, hatte nicht nur die
deutschgeprägten ehemaligen Ordenslande in Besitz genommen, sondern
vor allem Sibirien bis zum Pazifik unter russische Herrschaft gebracht. Plus
Ultra – Weiter hinaus! war der Wappenspruch des spanischen Königs Karl I.
gewesen. Amerika und die pazifischen Inseln, und die noch ferneren nach
seinem Sohn benannten Philippinen waren unter sein Zepter geraten.

Als deutscher Kaiser Karl V. aber wurde er von der Reformation und den
immer deutlicheren Teilinteressen der deutschen Fürsten zermürbt.

Spanien schaute über die Ozeane, Magellan umfuhr die Welt, der deutsche
Horizont aber blieb unverrückt. Er wurde sogar enger. Nur noch selten ging er
bis an die Grenzen des Deutschen Reiches bzw. deutschen Kulturgebietes.
Noch zur Zeit des Deutschen Bundes blieb er meist an den Grenzen des
Fürstentums oder der Freien Stadt hängen. Für seine Nachbarn war
Deutschland das Land, durch welches der romantische Rhein floß. In
Thackereys Roman Jahrmarkt der Eitelkeiten (Vanity Fair, 1848) trifft die
englische Reisegruppe am Rhein auf ein harmloses Völkchen, wo auf der
einen Seite der Adel sitzt und weint und Strümpfe strickt, und auf der anderen
Seite die bürgerliche Welt;
und seine Durchlaucht, der Herzog und die durchlauchte Familie, alles sehr
dick und wohlwollend … (61. Kapitel). Mit ähnlichen Eindrücken hatte auch
Victor Hugo um 1850 den Rhein bereist und in seinem Bericht Le Rhin
festgehalten. Reiseberichte über Deutschland von Skandinaviern [5] und
Russen [6] aus dieser Zeit lauten ähnlich.

Das Bild spießiger Enge im fiktiven Reichsmarktflecken Kuhschnappel,


welches Jean Paul in dem um 1750 spielenden Roman Siebenkäs zeichnet,
ist zwar literarisch kostbar, aber unter politischen Gesichtspunkten für uns
peinlich und beschämend.
In derselben Zeit hatte England Frankreich aus Nordamerika und Indien
geworfen und dort seine Herrschaft etabliert. Das geschah wesentlich mit
deutschen Söldnern, die unter Umständen angeworben wurden, die schon
damals als schändlich angesehen wurden.[7]

England dirigierte ab 1700 die europäischen Kriege, auch etwa den


Siebenjährigen Krieg, und der große Preußenkönig Friedrich erscheint bei
näherem Hinsehen fast als Marionette im englischen Spiel um das
Gleichgewicht Europas. England konnte das auf Grund seines Reichtums,
den es insbesondere als Marktführer des transatlantischen Sklavenhandels
erworben hatte. Dieser Reichtum wurde dann durch den englischen Sieg
über Frankreich im Siebenjährigen Krieg, in Indien der 3. Karnatische Krieg
genannt, noch um die Schätze Indiens ergänzt.

Als bei uns nach vielen Mühen der Zollverein gegründet wurde (1834), sah
die Außenwelt wie folgt aus: England vollendete die Eroberung Indiens mit
der Einverleibung Sindhs, des heutigen Pakistans; Frankreich eroberte
Algerien und begann, es zu besiedeln. In China führte England die
Opiumkriege (1840).
Als Bismarck sich im Frankfurter Parlament mit partikularistischen Eitelkeiten
abmühen mußte (1857), versuchten England und Frankreich, China in ihre
Botmäßigkeit zu bringen [8], Rußland eroberte Mittelasien und gründete am
Pazifik als Marinevorposten das heutige Wladiwostok.

Als der Deutsche Bund sich aufraffte, Holstein vor dem dänischen
Zugriff zu retten (1864), provozierte die junge USA einen Krieg mit
Mexiko und nahm alles Land von Texas bis Kalifornien, wodurch sie ihr
Gebiet auf einen Schlag um fast das Doppelte vergrößerte.

Von allen deutschen Staaten, einschließlich Österreichs, hatte nur das


militaristische Preußen sein Gebiet vergrößert. Es hatte nämlich 1853
dem Großherzog von Oldenburg das Jadegebiet (heutiges
Wilhelmshaven) abgekauft. Die bedeutenden wissenschaftlichen Beiträge
von Deutschen, insbesondere ab 1750, sind hier nicht zu behandeln. Sie
mögen, was aber hier nicht auszuführen ist, allerdings das Gegenstück der
politischen Verdumpfung Deutschlands sein. Wem der Weg in die Ferne
versperrt ist, sucht die Ferne eben in der Tiefe seines Innern.

2. Verteilte Welt

Auch 1860 waren wir immer noch nicht aufgewacht. Deutsche Seefahrten
fanden während all der Jahre auf der Opernbühne statt. 1843 wurde Wagners
Der fliegende Holländer uraufgeführt. Die wirklichen Holländer aber waren,
wie die Engländer, in ihren Kolonien reich geworden, so reich, daß wir
Deutschen wie der Handwerksbursche in Kannitverstaan von J. P. Hebel nur
mit offenem Munde fragten, wie das möglich sei.

Deutsche Eroberungen in Übersee gab es nicht. Die 1720 nach nur etwa 30
Jahren wieder aufgegebene brandenburgische Kolonie Groß Friedrichsburg
im heutigen Ghana war der einzige Versuch und lud nicht zur Wiederholung
solcher Abenteuer ein. Spätere Vorstöße in diese Richtung verschwanden in
den Akten. [9] Die Welt war unter England und Frankreich weithin aufgeteilt.
In Asien gab es kaum noch einen Fußbreit, der nicht der Interessensphäre
einer dieser beiden zugerechnet wurde.
Davon merkten wir Deutschen gar nichts. Wir schauten unbetroffen zu, wie
das letzte deutsche Großreich, die vom Vorarlberg bis Lemberg, von (heute)
Dubrovnik bis Krakau reichende Donaumonarchie unter den Nörgeleien der
Ungarn der Auflösung entgegentrieb. Deutsche Politiker konnten niemals
in den Kategorien denken, in welchen sich die Gedanken der
transkontinentalen Imperien bewegten.

Auch Bismarck konnte offenbar nicht in großen Räumen denken. Er


hätte voraussehen müssen, auf welche Widerstände das neue Deutsche
Reich im Kampf um seine europäische Selbstbehauptung stoßen würde,
wie isoliert es sein würde, sobald es (mit seinen Worten) anfangen
würde zu reiten.

Er wußte aus den zahlreichen diplomatischen Feilschereien, wie wichtig


Tauschobjekte waren, um die Interessen der Mächte auszugleichen und
abzuwiegeln. Er selbst war darin ein Meister. [10] Da wir in Europa nichts zu
vergeben hatten, wäre es von Bismarck vorausschauend gewesen, sich in
Übersee Tauschobjekte zu besorgen. Frankreich hatte etwas anzubieten, als
es ein Bündnis gegen Deutschland suchte. Für den Verzicht auf seine Option
im Sudan (Faschodakrise) bekam es die Entente Cordiale, aus welchem der
Ring um Deutschland geschmiedet wurde, der 1914 platzte.
Die späteren bettelnden deutschen Bündnisangebote an England unter
Kaiser Wilhelm II. mußten schon deswegen scheitern, weil wir England nichts
anzubieten hatten, wie Niall Ferguson bemerkt.

Nicht Deutschland, sondern England war eigentlich der geborene Feind


Frankreichs. Die deutsch-französische Feindschaft nach 1871 war im Grunde
substanzlos und beruhte wesentlich auf dem Streit um Elsaß-Lothringen.
Diese Feindschaft hätte vielleicht gegen England umgedreht werden
können, wenn Preußen/Deutschland im Austausch gegen Straßburg
Frankreich eine deutsche Besitzung in Südamerika, Südafrika oder
sonstwo hätte anbieten können, oder besser noch, wenn umgekehrt
Deutschland 1871 im Frankfurter Frieden statt sich Elsaß-Lothringen
abtreten zu lassen, auf den Vorschlag eingegangen wäre, Französisch-
Indochina zu nehmen. Bismarck konnte aber mit solchen Gedanken
weder politisch noch mental etwas anfangen.

Wie anders wäre die deutsche und somit die Weltgeschichte verlaufen,
wenn Bismarck, anstatt sich mit den Nickeligkeiten der deutschen
Kleinstaaterei herumzuschlagen, um 1860 Hawaii [11] und Polynesien
[12], Neuseeland [13], Ägypten [14] oder den ebenfalls noch freien
späteren belgischen Kongo für Preußen erobert hätte.

Deutschland hätte im europäischen und Weltkonzert eine völlig andere Rolle


gespielt. Die deutsche Einheit war fällig. Sie wäre auch so gekommen.
Bismarcks Diplomatie und Moltkes strategisches Genie waren im Grunde
„Schüsse übers Grab“, nur (wenn auch gekonnt plazierte) Fangschüsse auf
das getroffene Wild der deutschen Fürstenherrlichkeiten. Es ist heute nicht
darüber zu rechten, ob solche Ausgriffe für Preußen/Deutschland im Ergebnis
für Deutschland segensreich gewesen wären.
Unrealistisch wäre es nicht gewesen. Die Niederlande konnten, wenn auch
erst nach langem Kriege, noch 1900 die Rieseninsel Sumatra ihrem
indonesischen Kolonialreich einverleiben.
Selbst das unbedeutende Belgien konnte sich noch 1885 das gewaltige
Kongobecken aneignen. Wenn Bismarck, der Gastgeber der
Kongokonferenz (1884/85), darauf gedrungen hätte, wäre wohl uns diese
reiche Kolonie zugefallen. Aber wir Deutschen wollten nicht. Wir konnten seit
Martin Behaim (1490) zwar die Weltkugel abbilden und seit Gerhard Mercator
(1512–94) maßstabgerechte Weltkarten zeichnen, wir konnten aber nicht im
Weltmaßstab denken.
III. Kampf um die Hegemonie in Europa

1. Fremde Mächte in Deutschland

Nicht nur in der Welt, auch in Europa war Deutschland abgeschlagen. Der
größte Block in Mitteleuropa war bis 1870 Gegenstand, nicht Teilnehmer im
Kampf um die Hegemonie in Mitteleuropa. Deutschlands Stellung um 1850
gegenüber den Mächten (Frankreich, England, Rußland und mit
Einschränkungen Österreich) ähnelte der, in welcher sich China um 1900
gegenüber den Großmächten befand: Halb-kolonial. Ein machtloses
politisches Gebilde, in welchem fremde Mächte unkontrollierbare
Sonderrechte hatten.
England besaß Hannover [15] und das 1807 eroberte Helgoland.
Dänemark hatte Holstein und Lauenburg. Schweden, das sich im
Westfälischen Frieden bedeutende Stücke Norddeutschlands genommen
hatte, besaß immer noch gewisse Ansprüche auf Wismar. [16] Luxemburg,
Teil des Deutschen Bundes, schien Frankreich zuzufallen.

England hatte seit etwa 1700 im protestantischen Deutschland prägenden


Einfluß ausgeübt. Dieser gründete sich politisch auf die Personalunion der
englischen Könige mit Hannover. Nach deren Beendigung durch die
Thronbesteigung von Königin Victoria (1830) [17] wurde dieser Einfluß neu
begründet durch die vom englischen Prinzgemahl Albert v. Sachsen-Coburg
arrangierte Heirat seiner, der englischen Königstochter Victoria, mit dem
preußischen Kronprinzen Friedrich, später Kaiser Friedrich III.

Die zeitgenössischen Berichte über diese Heirat erinnern an das Bild eines
etwas unbeholfenen Bräutigams, der „nach oben“ heiratet. Der Prinz aus dem
armen Preußen wird von dem viel reicheren und vornehmeren englischen
Königshaus als Schwiegersohn in Gnaden akzeptiert, freilich in der deutlich
ausgesprochenen Erwartung [18], daß er als künftiger preußischer König den
englischen Forderungen ebenso geneigt sein werde, wie es Brandenburg-
Preußen immer gewesen war. [19] Mit Selbstverständlichkeit redeten
Engländer in der Schleswig-Holstein-Frage mit und gaben uns im Londoner
Protokoll v. 1852 auf, was zu geschehen habe. Bis heute scheint niemand zu
fragen: Was ging sie das eigentlich an?

Frankreich hatte sich unter Napoleon III. zu überraschender Höhe


erhoben. Die deutschen Kleinstaaten nahmen daran Maß und suchten
lieber dort Schutz vor Preußen und Österreich, als in diesen deutsche
Brüder zu sehen. Frankreich griff wieder massiv in die querelles allemandes
ein und wirkte, diese zu verstärken. Es konnte daran denken, das zu
Deutschland gehörende Luxemburg zu annektieren, spielte mit dem
Gedanken, sich Belgien zu nehmen, und die Rheingrenze – ja, die war
sowieso das Ziel, welches auch Victor Hugo trotz grundsätzlicher
Deutschfreundlichkeit in Le Rhin als natürliche Forderung Frankreichs
ansieht. Dieses Ziel war wieder in erreichbare Nähe gerückt. Die französische
Hegemonie auf dem Kontinent war im Grunde unangefochten.

Zu Rußland bestanden nicht nur in Preußen, sondern in verschiedenen


deutschen Kleinstaaten (Hessen, Oldenburg, Mecklenburg, Sachsen-Weimar,
Württemberg) enge dynastische Beziehungen. Der mächtige russische Zar
stand als Schatten hinter den Partikularinteressen seiner Vettern vor den
eventuellen Übergriff en einer etwa entstehenden Zentralmacht wie Preußen.
An sich war der Zar, als der reichere Verwandte, Preußen bis zum Krimkrieg
wohlwollend verbunden. [20] Er erwartete freilich als Gegenleistung
gewisse Freundschaftsdienste, die Bismarck allerdings als
Vasallenpflichten empfand. Zar Alexander II. nahm es Preußen übel,
nicht mit ihm in den Krimkrieg eingetreten zu sein, obwohl es darin
nichts gewinnen konnte. [21]

2. Deutschland als Kulturstaat ohne Macht

Die folgende Bemerkung aus dem Jahre 1942 von Vansittart,


einem der Haupttreiber gegen Deutschland unter Churchill, kann nur völliger
Nichtkenntnis deutscher Verhältnisse zugeschrieben werden, denn nicht
einmal böser Wille kann sich derartig vergreifen:

Der Deutsche … war immer der Barbar, der Bewunderer des Krieges, der
Feind – heimlich oder offen – der Menschenfreundlichkeit, des Liberalismus
und der christlichen Zivilisation; und das Hitler-Regime ist kein zufälliges
Phänomen, sondern die logische Konsequenz der deutschen Geschichte,
des Deutschen in excelsis.

Vansittart muß sich in dem Volk, das er meinte, vertan haben. Niemals hat
man von einem verantwortlichen Deutschen etwas von der Art gehört, wie es
der fromme John Ruskin (1819-1900), der keinen Tag beschloß, ohne in der
Bibel gelesen zu haben, 1865 zu englischen Kadetten ausgedrückt hatte:

Nur im Schoße einer Nation von Kriegern sind jemals auf Erden große
Künste erblüht. Große Kunst ist einem Volke nur möglich, wenn sie auf dem
Schlachtfeld gegründet ist.

Derselbe, in seinem Vaterland bis heute höchst angesehene Gelehrte, sagte


1870 in seiner Oxforder Antrittsrede:

Das ist es, was England tun muß, oder es muß untergehen: es muß
Kolonien gründen …es muß von jedem Stück freier fruchtbarer Erde …
Besitz ergreifen und dann seine Kolonisten lehren, daß ihre
Haupttugend in der Treue zu ihrem Lande besteht, und daß ihr erstes
Streben sein muß, die Macht Englands zu fördern.

Deutschland hätte vielleicht auch gerne so gesprochen, aber es hat nicht,


und es konnte so auch nicht sprechen. 1861 beklagte Hermann Schulze-
Delitzsch, der Mitbegründer des Genossenschaftsgedankens, in einer
Wahlrede zum Preußischen Landtag, daß Deutschland trotz seiner kulturellen
Höhe politisch so völlig unbedeutend sei. Ein Jahr später, 1862, notierte am
fast entgegengesetzten Ende des politischen Meinungsspektrums der
spätere deutsche Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst in
ganz ähnlicher Weise: [22]

Es gibt philosophische Sozialpolitiker, die sagen: die Deutschen sind ein


Kulturvolk, weniger berufen zum Eingreifen in die äußeren Geschicke der
Welt als zur Pflege der geistigen Entwicklung und zur Lösung der großen
Fragen der Menschheit.
Zur Resignation haben wir es noch nicht gebracht. Wir glauben, daß das
deutsche Volk noch nicht so tief gesunken ist, um sich mit dem Bewußtsein,
ein Kulturvolk zu heißen, über seine politische Machtlosigkeit zu trösten.

In diesem Jahre eroberte Frankreich Indochina, und in Deutschland passierte


immer noch nichts. Nur daß Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten
berufen (23. Sept. 1862) wurde.

IV. Deutsches Reich als der Neue in der Klasse

Die Kaiserkrönung in Versailles am 18.01.1871

Am 18. Januar 1871 war Deutschland plötzlich da. In den zeitnahen


diplomatischen Berichten fällt auf, daß die Wiederbegründung des Deutschen
Reiches anfangs kaum Aufmerksamkeit fand. Berichte von Botschaftern aus
den Tagen um und nach dem 18. Januar 1871 erwähnen die Reichsgründung
gar nicht oder nur beiläufig. In Wien hatte man sich damit seit 1866
abgefunden.
In Frankreich hatte man ohnehin andere Sorgen, u. a. tobte der mörderische
Bürgerkrieg in Paris (Pariser Kommune), und auch in London wußte man
offenbar auch nicht so recht, was dieses neue deutsche Kaisertum zu
bedeuten habe.
Anscheinend war aber nicht einmal uns Deutschen bewußt, was da eigentlich
vorgegangen war. In privaten Äußerungen findet dieses Ereignis auch keinen
rechten Niederschlag.
Beispiel sei Theodor Fontane, der Vaterlandsfreund und Preuße schlechthin.
In dem viele kleine und größere Begebenheiten behandelnden Briefwechsel
mit Mathilde v. Rohr [23] schreibt Fontane am 15. 12. 1870 zwar vom Kriege,
u. a. von der baldigen Capitulation von Paris. Sein nächster Brief v. 14. März
1871, keine zwei Monate nach der Reichsgründung, betrifft nur persönliche
Fragen. Auch die weiteren Briefe dieses Jahres nehmen keinen Bezug auf
die Reichsgründung. Ebenso im Briefwechsel mit seiner Schwester. Am 23.
Dezember 1870 schreibt er u. a. von Kriegsereignissen. Der nächstfolgende
Brief v. 2. März 1871 handelt aber nur von privaten Fragen. Die folgenden
Briefe dieses Jahres nehmen zwar auf den Kriegsverlauf in Frankreich
Bezug, aber von der Reichsgründung ist keine Rede.

Ein Vergleich mit China heute bietet sich an. Die romantisierende
Befassung im Westen mit China und seiner Jahrtausende alten Kultur
wurde zum Staunen, dann Bewunderung, und schlug letzthin (unter
Anleitung der englischsprachigen Presse) in immer lautere
Verdächtigungen um. [24] Chinas militärischer Aufbau wird beargwöhnt,
obwohl es noch weit entfernt ist, an die militärische Macht der USA
heranzureichen. China, das in seiner langen Geschichte praktisch
niemals einen Eroberungskrieg [25] geführt hat, wird plötzlich von den
Mächten, die in ihrer sehr viel kürzeren Geschichte sich hauptsächlich
mit Eroberungskriegen beschäftigt haben, verdächtigt, solche zu
planen, und was man selber in Afrika in zügelloser Weise getan hat,
wirft man heute China vor, nämlich zu versuchen, es zu kolonisieren.

So ähnlich widerfuhr es uns nach 1871. Das neue Deutsche Reich hatte sich
über Nacht aus dem politischen Nichts erhoben. In kürzester Zeit war aus der
nichtigen deutschen Kleinstaaterei ein höchst dynamischer Staat geworden.
Die Überraschung war groß. Erst nahm man gar nicht wahr, dass es uns
wieder gab. Dann aber schlug die herablassende, romantisierende
Zuneigung, welche Deutschland bis dahin bei seinen Nachbarn genossen
hatte, um. Der damalige Oppositionsführer und spätere englische
Premierminister Disraeli erkannte in der Gründung des 2. Deutschen Reiches
bald ein größeres politisches Ereignis als die Französische Revolution….Wir
haben eine neue Welt. Das Gleichgewicht der Macht ist völlig zerstört worden
und das Land, das am meisten darunter leidet und das die Auswirkungen
dieses großen Wandels am meisten spürt, ist England. [26]

Das Deutsche Reich wurde bei den bisherigen Mächten sofort ebenso
beliebt, wie China heute. So beliebt, wie es ein Neuling in der Klasse immer
ist, wenn er auch noch die besten Noten schreibt. Der Kreis derer, die uns
Übles ansonnen, schloß sich schnell.
Die deutschblütige Königin Victoria hatte noch einer direkt
deutschfeindlichen englischen Politik im Wege gestanden. Nach ihrem
Tode (1901) war unter ihrem Sohn Eduard VII. die Verbindung mit
Frankreich, welches seinerseits mit Rußland verbündet war, zur entente
cordiale, zum Ring um Deutschland geworden, dem sich Rußland
inoffiziell angeschlossen hatte. Deutschland war rasch isoliert.

Die Welt war verteilt, zumeist an England. Außerhalb Europas gab es


praktisch keinen Seehafen, der nicht direkt unter englischer, wie meistens,
oder französischer Herrschaft stand oder indirekt von diesen Mächten abhing,
wie Niederländisch-Indien, oder auf diese wegen eigener Machtinteressen
Rücksicht nahm wie Japan. Mit wem sollten wir uns auch verbinden? Die
Welt gehörte England, direkt oder indirekt, und was ihm nicht gehörte, befand
sich in französischen Händen. Ausnahmen waren Rußland und die USA, die
selbst imperialistische Zwecke verfolgten.
Nur das Osmanische Reich war noch nicht unter englischem Einfluß. Als
Deutschland hier zaghaft mit der Bagdadbahn Fuß zu fassen suchte, waren
die englischen Verdächtigungen gleich da, so daß das Projekt zum Stehen
kam.
Das Deutsche Reich in seiner schimmernden Wehr hatte außerhalb Europas
kaum mehr Einfluß als Preußen um 1850. Was in der Welt geschah, geschah
ohne (Besetzung Ägyptens) oder gegen uns (Marokkokrise).
Die Beteiligung an der Niederschlagung des Boxeraufstandes war eine
Ausnahme. Das Ergebnis des 1. Weltkrieges hat uns von „geringem“ auf
„keinen“ Einfluß rückgestuft und insofern nicht viel geändert.
Deutschlands Einfluß in Europa und der Welt tendierte weiterhin gegen
Null. So war es auch 1939.

V. Sieg über Frankreich

1. Compiègne

Nach der französischen Kriegserklärung am 3. September 1939 geschah


wenig; drole de guerre – Scheinkrieg. Frankreich plante offenbar keinen
Angriff gegen Deutschland. Einen Aufmarschplan für den von Hitler offenbar
nicht erwarteten Krieg mit Frankreich gab es auch nicht. [27] Um diesen
begann auf unserer Seite der Streit. [28] Der deutsche Feldzug begann am
10. Mai 1940. Er war strategisch überlegen geplant und in ungekannter
Präzision durchgeführt worden. Der Feldzugsplan (Sichelschnitt) wird von
angelsächsischen Militärhistorikern als genial gepriesen. [29] Hitler erkannte
diesen von Erwin v. Manstein erdachten Plan sofort in seiner Genialität und
setzte ihn um. [30] Der Erfolg war glänzend. Die Blutopfer dieses Feldzuges
waren, verglichen mit den entsetzlichen Verlusten auf beiden Seiten während
des Ersten Weltkrieges, geradezu vernachlässigbar.

Am 22. Juni 1940 wurde im Wald von Compiègne der deutsche Sieg über
Frankreich mit dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und
Frankreich geschlossen. Hierdurch wurde ein Sieg besiegelt, wie es ihn in
der neueren europäischen Geschichte kaum ein zweites Mal gibt.
Vergleichbar wären allenfalls Jena (1806) und Waterloo (1815). Der
deutsche Sieg war nicht nur ein militärischer, sondern er hatte eminent
politische Auswirkungen. Nach der Erniedrigung, welche Deutschland
insbesondere durch Frankreich im Frieden von Versailles erdulden mußte,
nach der brutalen und unwürdigen Behandlung Deutschlands während der
jahrelangen Ruhr- und Rheinlandbesetzung, nach jahrhundertelangen meist
erfolgreichen Versuchen Frankreichs, Deutschland politisch niederzuhalten
und, wie Napoleon gewollt hatte, in französische Vasallenstaaten zu
zerstückeln, war es Deutschland gelungen, dem ständig an seinen Grenzen
nagenden westlichen Nachbarn eine völlige Niederlage zuzufügen. Der Krieg
war für Frankreich beschämend kurz. Die französische Niederlage war auch
eine geistige. Der amerikanische Botschafter in Paris berichtete an
Roosevelt:

Die physische und moralische Niederlage der Franzosen ist so vollständig,


daß sie sich völlig damit abgefunden haben, daß Frankreich zur Provinz von
Nazideutschland wird … Es ist nur ihre Hoffnung, zur bevorzugten Provinz
Deutschlands (province favorite de l`Allemagne) zu werden. [31]

Angesichts der allgemein anerkannten Großartigkeit dieses Sieges fällt der


Mangel an deutschem Triumphalismus auf. Die kampflose Übergabe von
Paris am 14. Juni 1940 wurde nicht zu einer Siegesparade benutzt. Der
deutsche Eroberer legte vielmehr vor dem Grab des Unbekannten Soldaten
im Arc de Triomphe, der hauptsächlich französische Siege über und in
Deutschland verherrlicht, einen Kranz nieder. Deutsche Einheiten sind bis
zum Abzug niemals durch den Triumphbogen marschiert, sondern stets
bescheiden im Bogen darum herum. Auch die Frankreich auferlegten
Waffenstillstandsbedingungen sind ungewöhnlich milde. Frankreich
sollte nicht gedemütigt werden. Goebbels schreibt am 22. Juni 1940 in sein
Tagebuch:

In Compiègne ist alles vorbereitet … Frankreich steht offenbar vor dem


Zusammenbruch. Keine demonstrative Demütigung, aber die Schmach vom
11. 11. 1918 muß ausgelöscht werden … Kein Haß und keine Rache leiten
uns. Aber die Schmach von 1918 muß ausgelöscht werden. Darum diese
Zeremonie. Die Bedingungen werden ausschließlich von der deutschen
Sicherheit diktiert und bestimmt von der Tatsache, daß Frankreich England in
seinem Kampf gegen Deutschland nicht unterstützen darf und können soll.

Am 18./19. Juni 1940 hatten Hitler und Mussolini zusammengesessen, um


die Frankreich aufzuerlegenden Waffenstillstandsbedingungen festzulegen.
Der italienische Außenminister Graf Ciano notiert aus diesen Verhandlungen
in seinem Tagebuch:

Hitler … spricht heute mit einer Mäßigung und einer Weitsicht, welche nach
einem derartig großartigen Sieg, wie er ihn errungen hat, wirklich erstaunt.
Ich stehe nicht in dem Verdacht übermäßiger Freundschaft zu ihm, aber oggi
veramente lo ammiro – heute bewundere ich ihn wirklich.

Der Waffenstillstandsvertrag enthält in seinen 24 Artikeln Regelungen zur


Demobilisierung Frankreichs und zur Sicherung der deutschen
Besatzungsmacht. Es findet sich kein Wort, keine Vorschrift, welche
Frankreich als demütigend empfinden mußte. Es ist subjektiv verständlich,
wenn der französische General Huntziger die Bedingungen impitoyable
nannte, aber das will nicht viel bedeuten. Der Kriegsschuldartikel im Versailler
Vertrag hatte uns Deutsche wie kein anderer empört und dann auch
wirtschaftlich ruiniert. Nichts davon hier, obwohl Frankreich uns, und nicht
umgekehrt den Krieg erklärt hatte.
Insbesondere hat es die Welt und Frankreich mit Erstaunen erfüllt, daß darin
kein Wort über Abtretungen vorkommt, nichts über die Rückgabe von
Straßburg, kein Wort über Elsaß-Lothringen. [32] Die
Waffenstillstandsbedingungen haben in der europäischen Geschichte kaum
eine Parallele, jedenfalls nicht bei Napoleons Tilsiter Frieden (1807), und ein
Vergleich mit Versailles 1919 verbietet sich von selbst. Diese Zurückhaltung
ist allenfalls vergleichbar mit der Bismarcks nach Königgrätz 1866 gegenüber
Österreich und im Frankfurter Frieden 1871 gegen Frankreich. Sie war off
enbar darauf berechnet, Vergangenes vergangen sein zu lassen und mit
Frankreich zu einem dauerhaften Ausgleich zu kommen. Selbst Michel spricht
von der Mäßigung, der prudence de Hitler, welche der neuen französischen
Regierung von Vichy eine Reihe von Freiheiten gelassen habe. [33]

2. Frankreich danach

Das alte Deutsche Reich war ein kriegsscheuer Koloß gewesen. Seit etwa
1550 war daher Frankreich die militärische Vormacht Europas geworden.
Spätestens im 17. Jahrhundert unter Richelieu bzw. Ludwig XIII. war es auch
politisch in den Vordergrund getreten. Die Eroberungskriege Ludwigs XIV.
(sogenannter Pfälzer Erbfolgekrieg), denen neben dem Heidelberger Schloß
zahlreiche Schlösser, Burgen und Gebäude an Rhein und Mosel zum Opfer
fielen, wurden, wenn auch nicht mehr unter dem Lilienbanner, von Napoleon
fortgesetzt.
Frankreich konnte nicht alle seine Pläne durchsetzen, blieb aber die
beherrschende Größe in Europa und auch im innerdeutschen Mächtespiel.
Nach der Katastrophe von Waterloo (1815) war es der diplomatischen
Klugheit Talleyrands im Verein mit Dummheit und Selbstsucht der deutschen
Fürsten gelungen, der Welt einzureden, nicht Frankreich, sondern der
inzwischen abgedankte Napoleon habe diese Kriege geführt.
Es sei ein Vergehen gegen die Kultur, Frankreich dafür haftbar zu machen
und zu erniedrigen. England, hiervon weniger als von dem Gedanken an das
europäische Gleichgewicht geleitet, schloß sich dem an.

Frankreich blieb die beherrschende Kraft in Festlandeuropa, und


Deutschland, das die Hauptlast der Kriege getragen hatte, war düpiert. Auch
die Niederlage von 1871 (Frankfurter Friede) hat das nicht nachhaltig
geändert. Frankreichs Prestige war angekratzt, aber nicht vernichtet.
Frankreich blieb in Europa mindestens so einflußreich wie das neue
Deutsche Reich, und außerhalb Europas spielte es, wie dargelegt, eine
ungleich größere Rolle. Das Ergebnis des von Frankreich gewünschten 1.
WK konnte der Welt, unter Hinweis auf seine hohen Blutopfer [34] als
französischer Sieg präsentiert werden. So blieb Frankreich auch bis 1939 die
diplomatische Vormacht in Europa. Erst die Niederlage von 1940 nach einem
nur sechswöchigen Feldzug hat diese in Jahrhunderten aufgebaute
französische Überlegenheit vernichtet. Frankreich wurde 1945 zwar ein Platz
auf der Siegerbank erlaubt, so wie Italien 1940 nach „seinem“ Sieg über
Frankreich neben Deutschland auf dieser Bank Platz nehmen durfte, aber es
gehörte nicht dahin, und alle, auch Frankreich selbst, wußten es.

3. Verlust der Weltgeltung

a. Indochina

Die überseeischen Besitzungen Frankreichs waren nicht Gegenstand des


Waffenstillstandsabkommens. Die französische Regierung, nun in Vichy, übte
daher weiterhin die Hoheit über diese aus. Das militärische Ansehen
Frankreichs, die Basis seiner überseeischen Herrschaft, war aber dahin, und
damit seine herausgehobene Weltgeltung. Die Folgen der Niederlage zeigten
sich sofort. Japan, das sich gar nicht im Kriegszustand mit Frankreich
befand, nutzte die französische Schwäche. Nach einem japanischen
Ultimatum vom Juni 1940 räumte Vichy-Frankreich Japan in
Französisch-Indochina (Vietnam, Laos, Kambodscha) militärische
Stützpunkte ein. Zwischen 1893 und 1907 hatte Frankreich dem Königreich
Thailand in vier kurzen Kriegen mehrere Provinzen entrissen und
Französisch-Indochina eingefügt. Nun nahm sich dieser politisch dritt-
oder viertrangige Staat heraus, gegen (die ehemalige Großmacht)
Frankreich einen Krieg zu beginnen, um diese Provinzen zurückzuholen
(Ende 1940). Frankreich konnte sich nicht mehr wehren. Sein Verbündeter im
Krieg gegen Deutschland, England, half ihm jedenfalls nicht. Thailand
gewann diesen Krieg, wenn auch mit japanischer Hilfe. Damit war den
unter französischer Herrschaft stehenden Vietnamesen usw. das Signal
gegeben, diese Herrschaft abzuschütteln.
Zunächst hielt Japan dagegen, dessen erklärtes Ziel es war, Erbe der
europäischen Kolonialmächte in Asien, auch von Niederländisch-Indien, zu
werden.
Nach dessen Niederlage gegen die USA versuchte Frankreich zwar, die
Kontrolle in Indochina wieder aufzurichten. Der Bann war aber gebrochen.
Die Rückeroberung mißlang und leitete in den blutigen und grausamen
Indochinakrieg über. Das militärische Ende der französischen Herrschaft war
mit dem Fall von Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 gegeben. Im Juli 1954 wurde
es in Genf politisch besiegelt.

b. Algerien

Stora schreibt: La defaite francaise et l`etablissement du régime de Vichy… –


Die französische Niederlage und die Regierungsübernahme durch das
Vichyregime … führten zur entscheidenden Phase der algerischen
Nationalbewegung. [35] Am 8. Mai 1945, dem Tag der französischen
Siegesfeier über Deutschland, zogen in vielen algerischen Städten
muslimische Algerier durch die Straßen mit Spruchbändern A bas le fascisme
et le colonialisme – Nieder mit Faschismus und Kolonialismus. So auch in
Setif/Department Constantine. Die Polizei schießt auf die Demonstranten.
Darauf Unruhen in verschiedenen Orten. Es kommt zu einem regelrechten
Krieg. Dörfer werden bombardiert. Der französische General spricht von
15.000 Toten unter der algerischen Bevölkerung, die algerische
Nationalbewegung (FLN) später von 45.000. Nichts war mehr wie zuvor
(Stora a. a. O.). Neun Jahre später brach der bis dahin schwelende
Algerienkrieg in voller Schärfe aus, welcher nach entsetzlichen
Grausamkeiten 1962 mit der Anerkennung der algerischen
Unabhängigkeit endete. Dieser Krieg hat mehr noch als der Indochinakrieg
Frankreich traumatisiert. Die Gesamtzahl getöteter Algerier wurde von
Frankreich später mit 350.000, von algerischen Quellen mit bis zu 1,5
Millionen angegeben. 150 Jahre französischer Kolonialarbeit sind
beendet, etwa 1 Mio. französische Siedler, pieds noirs, verlieren ihre
Heimat.

Diese Kriege haben nicht nur das politische Ansehen Frankreichs erschüttert.
In Algerien sind, wie der Verfasser aus mehreren Aufenthalten dort weiß, die
Kriegsereignisse nicht vergessen, und in Indochina ist heute das Ansehen
Frankreichs nur geringfügig besser als das der Niederlande in Indonesien.
Auch die Finanzen Frankreichs wurden erschüttert, im Grunde mit
Auswirkungen bis heute. Während Frankreich Kriege um seine verlorene
Größe führte, konnte (West-) Deutschland seine Wirtschaft aufbauen.

4. Verlorene Grandeur

Frankreich hat durch 1940 viel von seinem Selbstbewußtsein verloren. Vieles
wäre in Frankreich anders gelaufen, wenn Frankreich sich erst nach einem
längeren, tapfer gefochtenen Krieg hätte ergeben müssen. Gegenseitige
Schuldzuweisungen sind nach einem solchen Debakel normal. Das sich
selbst gerne als grande nation betitelnde Frankreich wurde aber durch die
Niederlage gegen die nach wie vor als barbarisch angesehen Deutschen in
eine tiefe narzißtische Verletzung gestürzt. Diese bereitete den Boden für
eine Kooperation (colaboration) mit den deutschen Besetzern, deren
Ausmaß und Tiefe bis heute als peinlich empfunden und
heruntergespielt wird. Nachdem sich das Kriegsglück gegen Deutschland
gewendet hatte, entstand hieraus dann ein Gemisch von Wendehälsen und
wirklichen Widerständlern (résistance), aus welchem die Mordorgien der
épuration (1944/45) [36] folgten. Deren Grausamkeiten sind nur mit denen
der Pariser Kommune (1871) und deren Ausmaß nur mit den landesweiten
Massenmorden der Großen Revolution zu vergleichen.

Der Versuch, die 1940 verlorene nationale Ehre wiederherzustellen, führte zu


der grausamen Verbissenheit, mit welcher Frankreich nach 1945 seine
Kolonialkriege in Indochina und Algerien führte. Durch beide Prozesse sind
neue, bis heute wirkende Beschämungen bei unserem Nachbarvolk
entstanden. Heute ist in Frankreich zwar immer noch von grandeur und gloire
die Rede, aber doch nur verhalten. Man ist nüchterner geworden. Man kann
als Deutscher trotz bleibender Kontroversen auch mit Franzosen normal
reden. Die deutsch-französische Freundschaft ist heute glaubhaft, was sie
unter Stresemann/Briand nicht war.

VI. Siege über England

1. Sorge um das Weltreich

Das Britische Weltreich war 1910, beim Tode des englischen Königs Eduard
VII., das wohl großartigste politische Gebilde der Weltgeschichte. Dieses
umfaßte auf allen Kontinenten ein Viertel des Erdbodens und ein Viertel der
Erdbevölkerung. Von Gibraltar bis Neuseeland gab es kaum einen
Küstenstrich, kaum einen Hafen, der nicht in englischer Hand war. Basis des
Britischen Weltreiches war trotz allem aber Europa. Eine Vormacht in Europa
konnte ihm diese Basis entziehen. Das war von Napoleon mit der
Kontinentalsperre (1806–14) versucht worden. Diese war nicht so erfolglos,
wie oft dargestellt. Die englischen Ausfuhren auf den Kontinent brachen
gegenüber der Friedenszeit um fast die Häfte ein. [37] Sollte eine
europäische Vormacht, und das konnte nach Lage der Dinge nur
Deutschland sein, wiederum eine Kontinentalsperre verfügen, dann konnte
das bei den im 20. Jahrhundert deutlich verbesserten technischen und
logistischen Bedingungen England und seinem Empire schwersten Schaden
zufügen. Der wirkliche Grund für seine Kriegserklärung an Deutschland 1914
war daher wohl seine Angst vor einer deutschen Vormacht auf dem
Kontinent. Vorgegebener Grund war allerdings der völkerrechtswidrige
Einmarsch Deutschlands nach Belgien. [38] Ähnlich war es offenbar 1939.
Sogar die politisch korrekte Zeitschrift Der Spiegel öffnet einen Spalt für den
Verdacht, es sei England bei seiner Kriegserklärung 1939 vielleicht doch nicht
um den Schutz Polens gegangen, sondern eher um die Niederlegung
Deutschlands. Dazu wird aus einem Brief Churchills zitiert: Stets sei London
mit der zweitstärksten Macht in Europa verbündet gewesen. Die Hinnahme
einer deutschen Hegemonie wäre gegen unsere Geschichte … Hitler ist die
größte Gefahr für unser Empire. [39]

Winston Churchill war verantwortlich für den Untergang


des englischen Weltreichs

Das Britische Reich war auch 1939 noch im wesentlichen intakt. Die
Dominien, also die weiß besiedelten bzw. beherrschten Staaten Kanada,
Südafrika, Australien, Neuseeland, waren zwar innenpolitisch emanzipiert,
standen aber außenpolitisch weiter unter dem bestimmenden Einfluß
Londons, wo sich auch die Stammhäuser der in diesen tätigen Unternehmen
und noch heute bekannten internationalen Banken und Konzerne befanden.
Die Perle des Reiches, Gewährleistung der englischen Weltgeltung, war aber
Indien. Man hatte zwar auch für Britisch Indien den Aufwand für den Erhalt
des Imperiums und seinen Nutzen für das Herrschervolk nachgerechnet. Zu
einem eindeutig positiven Ergebnis kam man nicht. Schließlich war aber die
Machtfrage entscheidend. The English Nation has no intention of abandoning
its place on the world`s stage, ceasing to be one of the Big Powers. [40]
Entsprechend hatte Lord Curzon, um die Jahrhundertwende Vizekönig von
Indien und später britischer Außenminister, einmal gesagt: [41] As long as we
rule in India we are the greatest power in the world, if we lose it we shall drop
straight away to third rate power. Churchill war fest entschlossen, das Empire,
insbesondere Indien, zu erhalten. Seine kompromißlose Kriegspolitik gegen
Deutschland findet hier ihre wohl wichtigste Begründung. [42] Noch 1942
sagte er: We mean to hold our own, I have not become the King`s First
Minister in order to preside over the liquidation of the British Empire. [43] Ein
Sieg über Feinde pflegt das beste Argument gegenüber aufmüpfigen
Untertanen zu sein. Ein überzeugender britischer Erfolg über Deutschland
wäre daher gegenüber dem indischen Nationalkongreß und den anderen
Kolonialvölkern ein höchst willkommenes Argument gewesen, um zu zeigen,
wer Herr im Hause ist. Insbesondere aber wäre eine ruhmvolle Kriegstat
Englands in dem von ihm selbst offenbar gewollten Krieg ein höchst
willkommenes Argument gegenüber den USA dafür gewesen, daß man
durchaus in der Lage sei, das Empire zu behalten. In Washington waren
nämlich schon im März 1940, also vor dem Debakel von Dünkirchen,
Überlegungen ganz anderer Art angestellt worden:

Britain as a small country may not be able to hold a far-flung empire


together. Should it go under, it is a very fair question whether the United
States might not have to take them all over.

Britannien ist ein kleines Land. Es wird vielleicht nicht in der Lage sein, ein
weit verstreutes Reich zusammenzuhalten. Wenn es untergeht, stellt sich
natürlich die Frage, ob die Vereinigten Staaten nicht einfach alles
übernehmen sollten. [44]

Churchill selbst sah diese amerikanische Gefahr, als er 1940 an den


kanadischen Premier schrieb: We must be careful not to let the Americans …
(get) the British fleet and the guardianship of the British Empire. Churchill
hatte zwar wiederholt bekundet: My whole system is founded on partnership
with Roosevelt. [45] Aber er meinte, kraft seiner Persönlichkeit, schließlich
war seine Mutter Amerikanerin gewesen, und des Gewichtes des Britischen
Empires in dieser Partnerschaft die Rolle des Seniorpartners spielen zu
können. Dieser Anspruch Churchills erwies sich nach dem Debakel in
Norwegen und dann von Dünkirchen (April/Mai 1940) als zweifelhaft, nach
der Niederlage auf Kreta (Mai 1941) als brüchig, und mit dem Fall Singapurs
(1942) als unhaltbar.
2. Norwegen

Churchill schreibt in seinen Erinnerungen: Am 3. April 1940 wurde die


britische Admiralität ermächtigt, die norwegischen Küstengewässer zu
verminen … und es wurde beschlossen, eine britische Brigade nach Narvik
zu entsenden. Weitere Streitkräfte sollten nach Stavanger, Bergen und
Drontheim entsandt werden. Das liest sich so selbstverständlich, daß
folgende Festsstellung nötig ist: Diese Ermächtigung kam nicht von der
norwegischen Regierung, sondern vom britischen Kriegskabinett!
England, das so feinnervig auf deutsche Rechtsverstöße achtete, hatte
keinen Grund gesehen, Norwegen um Zustimmung anzugehen. Am 8. April
morgens begann England mit der Verminung der Gewässer vor Narvik, auch,
trotz anerkannter schwedischer Neutralität, mit der Verminung von
Teilen der schwedischen Nordseeküste. Nur wenige Stunden später
begann die deutsche Operation auf Norwegen. Die britische Flotte
verhedderte sich auf See, fand die deutschen Schiffe nicht oder konnte sie,
wo doch, nur wenig behindern. Am 9. April um 19 Uhr waren Narvik,
Trontheim, Bergen und Oslo in deutscher Hand. Corrigan (a. a. O., S. 195):
The Royal Navy had failed… while the German navy had succeeded –
die Royal Navy hatte verloren, die deutsche Marine gewonnen. Er gibt
Churchill die Schuld an dem Desaster. Der Kampf um Narvik dauerte noch
einige Tage, dann waren die englischen Landungstruppen vertrieben. Es war
ein Desaster. England war jedenfalls in Europa die bei weitem stärkste
Seemacht, vielleicht auch in der Welt. Die Besetzung Norwegens als reine
Seeoperation durfte gegen den zur See weit unterlegenen deutschen Gegner
eigentlich nicht scheitern. Das britische Prestige zur See, auf dem das
Empire wesentlich beruhte, war in peinlichster Weise erschüttert.

3. Dünkirchen

Schlimmer als die Niederlage vor Norwegen war das ruhmlose Ende der
britischen Expeditionsarmee vor Dünkirchen. Hier erlebte England ein
Debakel von historischem Ausmaß, seine wohl größte Niederlage in zwei
Jahrhunderten. Seit dem 10. Mai 1940 regierte Churchill als Premier des
Kriegskabinetts und zugleich als dessen Kriegsminister praktisch
unumschränkt, und die Verantwortung trifft ihn.

Von Anfang an gab es Abstimmungsschwierigkeiten mit Frankreich. England


kam den Bitten um militärische Hilfe nur teilweise nach, was auf französischer
Seite zu Ausrufen über das perfide, treulose und eigensüchtige Albion führte,
die sonst uns Deutschen in den Mund gelegt werden. Die englische
Expeditionsarmee von 338.000 Soldaten operierte in Nordfrankreich/Belgien
anfangs erfolgreich, wich aber dann dem deutschen Vormarsch. Sie wurde,
ohne Abstimmung mit französischen Stellen, schon am 24. Mai, also keine
drei Wochen nach dem Beginn der Kampfhandlungen, auf Dünkirchen
zurückgezogen und am 4. Juni nach England eingeschifft.

Frankreich war seinem Schicksal überlassen. Am 4. Juni 1940, hielt Churchill


seine oft zitierte Durchhalterede: Wir werden kämpfen an den Stränden …
usw. Das war zwar die schönste Rede, die der frisch berufene
Propagandaminister Harold Nicolson je gehört hatte, das Unterhaus war
bewegt. Aber in den Ohren Frankreichs, dessen Strände Churchill
soeben geräumt hatte, war das hohle Rhetorik. [46] Nur der Haltebefehl
Hitlers hatte die völlige Einschließung und Gefangennahme der
gesamten Armee verhindert.

Die Gründe für diesen Befehl sind umstritten. [47] Vielleicht war er aus
unangebrachter militärischer Vorsicht gegeben worden. Wahrscheinlicher ist
wohl, daß er einem politischen Kalkül folgte. Hitler hatte große Achtung vor
dem Britischen Empire. [48] Mehrfach hatte er gesagt, daß er das
Britische Weltreich als Ordnungsfaktor erhalten wolle. [49] Vermutlich
sollte der Haltebefehl England vor der völligen Demütigung und vor
dem Gesichtsverlust gegenüber seinen Untertanenländern schützen.

Vielleicht kam ein Grund hinzu: Churchill glaubte, die USA würden sofort an
seiner Seite eingreifen, falls eine deutsche Invasion nach England drohe. Es
liegt nahe, daß Hitler das auch so sah und deswegen auf den, militärisch als
zwingend und überwiegend wohl auch als Erfolg versprechend [50]
angesehenen, Fortsetzungsschlag, die Invasion, verzichtete. Sicher ist, daß
Hitler den baldigen Frieden sowohl mit Frankreich wie mit England
wünschte und erwartete. Er wolle das Empire nicht zerstören, dessen
Zerfallsteile nur den Japanern zugute kommen mußten. [51]

In jedem Falle war England nach kaum 20 Tagen vom Festland verscheucht
worden. Schon den 1. Weltkrieg hatte das Empire nur mit Hilfe der USA
überstanden. Was nun? Das Debakel wurde vertuscht und geschönt. Die
Rückführung wurde unter der Bezeichnung „Operation Dynamo“ in England
als großer Erfolg gefeiert. Aber überzeugt wurde davon niemand. [52] So war
es ja auch nicht. Der Vater des Autoren war im Juli 1940 an die Kanalküste
verlegt worden. Er schrieb in sein Tagebuch: Hunderte und Tausende
Gewehre und militärische Ausrüstungsgegenstände lagen überall am Strand,
zurückgelassen von den Engländern bei ihrem eiligen Rückzug vom
Festland. [53] Ein Jahr später, im Mai 1941, geschah ähnliches, als England
die im Oktober 1940 besetzte Insel Kreta an deutsche Fallschirmjäger verlor.

4. England danach

Dünkirchen wurde in Frankreich als eine Treulosigkeit Englands gesehen.


[54] Engländer, wenn sie ehrlich waren, sahen das selber so. [55] Hätte
England seine Expeditionsarmee nicht aufstocken anstatt zurückziehen
müssen?

Die Folgen von Dünkirchen waren sofort spürbar. Die englische Politik
verhedderte sich in unlösbare Widersprüche und sah sich zu Handlungen
gezwungen, die zwar dem Erhalt des Empire dienen mochten, die aber mit
den vorgegebenen Kriegsgründen nicht mehr vereinbar waren. Die USA
übernahmen, lange bevor es offiziell zum Krieg mit Deutschland kam, die
Stabführung. England wurde zwar massiv unterstützt, aber damit wuchs die
englische Abhängigkeit, es wurde kaum mehr gefragt. Es war militärisch
diskreditiert und bald auch finanziell am Ende. Die Verzagtheit, man sagte
auch Feigheit, der britischen Streitkräfte bzw. ihrer Führer hatte in Dünkirchen
begonnen. [56] In der Schlacht um Kreta wurde sie erneut sichtbar. 20.000
deutsche Fallschirmspringer und Gebirgsjäger vertrieben im Frühjahr 1941
etwa 30.000 britische (englische und aus dem Empire zusammengezogene)
Truppen von der Insel. Der Fall von Singapur am 15. 2. 1942 macht dem
Ruhm der englischen Fahne endgültig ein Ende. Die finest hour, von der
laut Churchill die Völker des Britischen Empires noch in „tausend Jahren“
sprechen würden, kam nicht. Es ist daher merkwürdig, daß sich der
selbstgeschaffene Mythos von Englands heroischem Widerstand gegen Hitler
bis heute hält, so daß sogar der Papst auf seiner Englandreise 2010 darauf
anspielte.

England hatte die Initiative an die USA verloren. Die von den USA gegen den
verhaltenen Widerstand Churchills durchgesetzte Atlantikcharta v. 4. August
1941 proklamierte als Kriegsziel das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Gemeint waren alle Völker. US-Präsident Roosevelt erklärte: The age of
imperialism is ended! Die niederländische Regierung tat das in ihrem
Londoner Exil mit Blick auf Niederländisch-Indien als Unfug (= slap stuk) ab.
Auch Churchill, der der Charta nolens volens zugestimmt hatte, um die
unverzichtbare Wirtschaftshilfe der USA nicht zu gefährden, spielte ihre
Bedeutung herunter. Er erklärte im Unterhaus, diese Proklamation gelte nur
für zuvor selbständige europäische Staaten, die schon wie Polen und andere
Länder von Deutschland überfallen worden seien. Die Selbstbestimmung in
britischen Untertanenländern sei quite a different problem – etwas völlig
anderes. [57] Roosevelt sah das nicht so und notierte im Februar 1942:

The old master servant – relationship has not been altered by the Dutch (nor
by England). There is no real desire in Britain to recognize a world change …

Das alte Herren-Knecht-Verhältnis hat sich bei den Holländern nicht geändert
(und beiden Engländern auch nicht). Es gibt in Britannien keine wirkliche
Bereitschaft anzuerkennen, dass sich die Welt gewandelt hat. [58]

Dieser Wandel war durch die deutschen Siege bewirkt worden.


5. Indien

Die englische Herrschaft in Indien wurde 1939 nicht mehr so stumm


hingenommen wie 1914. Als der Vizekönig nach der englischen
Kriegserklärung 1939 ohne Rücksprache mit dem indischen Nationalkongreß
den Kriegszustand auch Indiens mit Deutschland ausrief, brach der bis dahin
schwelende Verfassungskonflikt zu offener Revolte aus. Die Mitglieder des
Nationalkongresses traten geschlossen zurück. Die Bewegung des passiven
Widerstandes begann.

Der größte englische Selbstwiderspruch war wohl die Entsendung von


Stafford Cripps im Juni 1940, also unmittelbar nach Dünkirchen, zu Stalin, um
ihn für ein Bündnis gegen Deutschland zu gewinnen. Denselben Stalin, der
soeben die Hälfte Polens, zu dessen Schutz England in den Krieg getreten
war, geschluckt hatte! Damit war das selbstgebaute moralische Kartenhaus
Englands zerfallen. Die deutschen Verbrechen wie die massenhafte
Ermordung von Juden und anderen Völkern in Konzentrationslagern standen
im Sommer 1940 erst noch bevor. Die Verbrechen Stalins, die Massenmorde
der Kommunisten aber waren allbekannt und auch in England noch kurz
zuvor angeprangert worden. Das Verbrechen, das man 1940 Deutschland
hätte vorhalten können, bestand eigentlich nur darin, daß es die Tschechei
und Polen überfallen hätte. Das aber waren aus indischer Sicht Taten, die
England und andere Kolonialisten in Indien selbst und sonst auf der Welt
zahllose Male verübt hatten. Hier war es schwer, die in England zur Schau
getragene moralische Empörung über Hitler ganz nachzuvollziehen.

Es war also nicht recht zu verdeutlichen, warum der Massenmörder


Stalin nun plötzlich zum „lieben Freund“ Churchills avancieren konnte,
und warum Indien diese Gefühle teilen sollte. Die indischen Führer, allen
voran Gandhi, konnten vor allem nicht einsehen, was Indien mit einem Krieg
zu tun haben sollte, der vorgeblich zwar zum Schutz von Demokratie und
Selbstbestimmung begonnen worden war, an dessen siegreichem Ende aber
stehen würde, daß Indien diese Rechte verweigert werden würden.

Aus dem passiven Widerstand erwuchs 1942 die Quit-India-Bewegung: Die


Forderung, Indien bedingungslos zu verlassen! Just quit India! rief Gandhi
den Engländern zu. Der Fall von Singapur förderte diese Bewegungen.
80.000 britische und Kolonialtruppen kapitulierten am 15. 2. 1942 vor 30.000
Japanern.
Hatte man Dünkirchen noch schönzureden versucht, so war nun nichts mehr
zu deuteln. Wie nach Dünkirchen zu Stalin, wurde nach dem Fall von
Singapur nun derselbe Cripps zu Gandhi auf eine vergleichbare Mission
geschickt (März 1942). Er sollte Indien überreden, jedenfalls für die Dauer
des Krieges bei der Stange zu bleiben. Dazu versprach Cripps Indien die
bedingungslose Unabhängigkeit nach dem Kriege. Man streitet, ob Churchill
ein solches Angebot überhaupt autorisiert hat und wenn ja, ob er es ehrlich
meinte. Zwei Jahre nach Churchills Übernahme der
Regierungsverantwortung war praktisch eingetreten, was er
unter allen Umständen hatte vermeiden wollen: Er hatte das
Britische Reich liquidiert!
Das Selbstbewußtsein Englands und auch seine Kraft waren dahin. Britische
Truppen, zum großen Teil aus den Dominien und Indien rekrutiert, hatten
schon bis dahin keinen entscheidenden Beitrag zum alliierten Sieg erbracht.
[59] Und auch nach Singapur nicht. 1947 wurde Indien unabhängig. Wie
Frankreich versuchte England nach dem 2. Weltkrieg noch in
jahrzehntelangen blutigen Kriegen in Malaya, Kenia, Zypern und sonst von
seinen Kolonien etwas zu retten. Aber der Nimbus war weg. Mit der blutig
erkämpften Unabhängigkeit Kenias 1963 war das Britische Weltreich
liquidiert. Clarke bemerkt: If Churchill was the architect of victory, he was
surely… the author of Britain`s post-war distress. (a. a. O., S. Xvii).

VI. Wenn Deutschland 1940 besiegt worden wäre

Hätten Frankreich und England im Mai 1940 Deutschland eine ähnliche


Niederlage zugefügt, wie es umgekehrt geschah, kann fast mit Sicherheit
gesagt werden, daß die USA nicht in den europäischen Krieg verwickelt
worden wären. Der wäre ja Ende 1940 beendet gewesen. Frankreich wäre
wieder zur Hegemonialmacht auf dem Kontinent geworden, woran nach Lage
der Dinge weder Churchill noch Roosevelt Anstoß genommen hätten. Das
Schicksal Deutschlands hätte nicht weiter interessiert. Man hätte es in Stücke
zerlegt, alles wäre wie bisher weitergegangen, und die europäischen
Kolonialreiche hätten noch viele Jahre ihr Wesen gehabt.

Oder? Es ist heute unstreitig, daß Stalin seit etwa 1930 massiv und
systematisch aufgerüstet hatte. Im Jahre 1941/42 war diese Aufrüstung im
wesentlichen abgeschlossen. Während der deutsche Vergeltungsangriff auf
Polen von politischer Korrektheit tabuisiert ist, [60] dürfen in bezug auf den
deutschen Angriff auf die Sowjetunion die historischen Fakten genannt und
gewürdigt werden. Vieles spricht dafür, daß Deutschland am 21. Juli 1941
einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Stalins zuvorkam. Sichere Beweise
wird man aber kaum beibringen können. [61] Aber selbst wenn diese
Annahme falsch ist, so stellte sich nach einer angenommenen Niederlage
Deutschlands 1940 gegen Frankreich/England aus Moskauer Sicht die Lage
wie folgt dar: Die kommunistische Weltrevolution war das erklärte Ziel der
UdSSR. [62] Voraussetzung dafür war mit den Worten Lenins die Eroberung
Europas. Die Gelegenheit war so günstig wie nie. Die UdSSR, bereits im
Besitz von Ostpolen, hätte diese „Mißgeburt von Versailles“ (wie Polen
damals in sowjetischen Zeitungen genannt wurde) kaum wiederhergestellt,
sondern wieder ins Russische Reich eingegliedert.
Die 24.000 (!!) Panzer, die Stalin im Juli 1941 besaß, hätte er durch das
besiegte Deutschland bis an den Atlantik durchfahren lassen können.
Frankreich, ohne eine entwickelte Panzerwaffe, hätte dem nichts
entgegensetzen können. [63] Die angloamerikanische Fixierung auf den
Gegner Deutschland macht es unwahrscheinlich, daß sich in den USA eine
Hand gerührt hätte, um Europa vor den Sowjets zu retten. Es wäre auch zu
spät gewesen. Die Operation hätte wenige Tage gedauert. Ganz Europa wäre
in kürzester Zeit Beute Stalins auf dem Wege zur Weltrevolution geworden,
damit auch wohl die afrikanischen Kolonien Frankreichs und Belgiens. Wenn
diese Annahme richtig ist, dann folgt, daß nur der deutsche Sieg von 1940
dieses verhindert hat. Es waren dann auch die militärisch im Grunde noch
viel beeindruckenderen Siege, die Deutschland 1941/42 gegen die
Sowjetunion erzielte, nicht verloren. Ob deutscher Überfall oder
Präventivkrieg – jedenfalls wurde die UdSSR durch die deutschen Siege
derartig geschwächt, dass Stalin an einen solchen Durchmarsch nicht
denken konnte. Er musste vielmehr die USA nach Europa hereinlassen,
um Deutschland gemeinsam niederzuwerfen! So blieben Westeuropa
und auch Westdeutschland 1945 außerhalb des sowjetischen
Machtbereichs.

VII. Wenn die USA nicht in den Krieg eingetreten wären

Ohne die deutschen Siege von 1940 wären die USA mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in einen europäischen Krieg eingetreten.
Die USA brachte eine Lage wie bereits 1917 hervor. Damals stand
Deutschland kurz vor seinem Endsieg im Weltkrieg, und damit an der
Schwelle, nicht nur in Europa die Vormacht zu werden, sondern auch die
Kolonialmächte zu „beerben“. Nach der Märzrevolution in Rußland und der
Abdankung des Zaren war Deutschland frei, alle Kräfte gegen Frankreich zu
werfen. Deutschland war erschöpft, Frankreich war es noch mehr, und auch
England war am Ende seiner Kraft. Der deutsche Sieg war greifbar nahe.
Das Deutsche Reich wäre dann unter Einschluß des
französischen/belgischen Kolonialreiches, zu einer weltumspannenden
Macht geworden. Die USA griff en ein mit dem bekannten Erfolg, daß
Frankreich und England den 1. WK gewannen.

Eine ganz ähnliche, nur noch deutlichere, Lage ergab sich 1940 durch die
deutschen Siege über England und Frankreich. Das von Guayana in
Südamerika über halb Afrika, Indochina bis nach Polynesien reichende
Französische Kolonialreich war politisch bereits in deutscher Hand.
Hinzu kamen, nach der Ausschaltung Belgiens und der Niederlande die
riesigen Kolonialbesitzungen dieser beiden Staaten im Kongo und vor allem
in Niederländisch-Indien (heute: Indonesien). Ohne amerikanische Hilfe wäre
dann auch das Britische Reich zusammengebrochen und vermutlich
Deutschland in die Hände gefallen. Durch nur einen einzigen Feldzug gegen
Frankreich, durch nur eine einzige gewonnene Schlacht, die England vom
Kontinent vertrieben hatte, wäre Deutschland im Juni 1940 gleichsam über
Nacht aus dem Nichts zum nach der USA und der UdSSR theoretisch
drittmächtigsten Staat der Erde geworden. Seit dem Siege Alexander des
Großen bei Issos (333 v. Chr.) hatte es eine solche Konstellation nicht mehr
gegeben. Angesichts der drohenden Katastrophe Frankreichs war von
dem englischen Politiker Vansittart, von General de Gaulle und Jean
Monnet der Vorschlag gemacht worden, Frankreich und England zu
einem Staat zu vereinigen, mit einer gemeinsamen Regierung,
Staatsangehörigkeit usw. [64] Die jedenfalls anfangs zurückhaltende
deutsche Besatzungspolitik in Frankreich hätte, so konnte man in den USA
mutmaßen, ähnliche Überlegungen auch im Verhältnis
Deutschland/Frankreich aufkommen lassen können. Es gab in der
Vichyregierung und in Frankreich sehr starke antiamerikanische Kräfte, die
einer europäischen Einigung, unter deutscher Herrschaft das Wort redeten,
wenn sie denn unter französischer nicht machbar war. Tatsächlich hatte
schon Victor Hugo diese gefordert:

L’union de l’Allemagne et de la France, ce serait le frein de l’Angleterre et de


la Russie, le salut de l’Europe, la paix du monde – Die Vereinigung von
Deutschland und Frankreich wäre ein Zügel für England und Rußland, ein
Segen für Europa und der Frieden für die Welt. [65]

England wäre zweifellos nicht in der Lage gewesen, sich gegen ein unter
deutscher Herrschaft vereintes Europa zu halten. Damit bekam die genannte
Alexander-Perspektive im Jahre 1940 aus amerikanischer Sicht eine noch
viel umfassendere Weite: DeutschFrankreich, in einer Art karolingischen
Wiedervereinigung, als Fortsetzer und Zusammenfasser der
kontinentaleuropäischen Kräfte, einschließlich ihrer weltumspannenden
Kolonialreiche mußten bei der erkennbaren Schwäche Englands demnächst
auch Erbe des Britischen Weltreichs werden. So ganz fern lagen solche
heute etwas phantasmagorischen Gedanken nicht. Wir suchen Fühlung mit
England auf der Basis der Teilung der Welt, hatte Ende Mai 1940 ein
deutscher Diplomat geschrieben. [66] Das ist ein ähnlicher Gedanke wie der
oben zitierte: Should Britain go under, it is a very fair question whether the
United States might not have to take them (= das Britische Reich) all over. Es
kam auch 1940 für die USA jedenfalls nicht in Betracht, ein deutsches
Weltreich zu dulden – und sie griff en ein. Der deutsche Sieg wurde wieder
verhindert. Dieses Mal allerdings mit der Unterstützung der UdSSR.

Ergebnis

Die beiden Supermächte UdSSR und USA waren schon vor 1939 die
größten. Nicht deren Sieg über Deutschland hat die Welt verändert. Es waren
die deutschen Siege 1940 über England und Frankreich.
Diese haben deren Kolonialreiche zum Einsturz gebracht und zum Ende des
Kolonialismus geführt. Großbritannien und Frankreich sind 1940 auf
Normalmaß zurückgeschnitten worden.
Dadurch wurden Deutschland und andere Staaten in ihrer Weltgeltung relativ
aufgewertet. Deutschland als der vorerst noch kräftigste europäische Staat
hat mithin durch diese Siege unmittelbar gewonnen.
Erstmals seit dem Mittelalter haben wir wieder zu einer unserer Größe
entsprechenden politischen Rolle gefunden. Die ehemaligen Kolonialmächte
aber standen nach dem Verlust ihrer überseeischen Reiche wie der Kaiser
vor der Welt, dessen Herrschermantel gar nicht da ist, er hatte ihnen auch nie
gehört, weil er geraubt worden war.
Die machtpolitische Entzauberung von England und Frankreich lag sicherlich
außerhalb aller Erwartungen der deutschen Führung, als die ersten Schüsse
auf Polen fielen.
Es trifft aber in einem fast mythischen Sinne das lateinische Wort zu: Flectere
si nequeo superos acheronta movebo – kann ich den Himmel nicht zwingen,
so will ich die Tiefen erschüttern. Es ist, als ob die Geschichte Deutschland in
diesem Sinne gebraucht hätte, um eine neue Weltordnung ohne
Kolonialismus zu ermöglichen.

Literatur

Aaron, Robert: Histoire de l`épuration – de l`indulgence aux massacres


novembre 1942 – Septembre 1944. Fayard 1967.

Boog/Förster u. a.: Der Angriff auf die Sowjetunion. Militärgeschichtliches


Forschungsamt Freiburg 1983, Fischer Taschenbuch 1991

Clarke, Peter: The Last Thousand Days of the British Empire. London 2007.

Corrigan, Gordon: Blood, Sweat and Arrogance and the Myths of Churchill`s
War. Weidenfeld & Nicolson, London 2007.

Cunningham, H. S.: British India and Its Rulers. New Delhi 1995 (Nachdruck
der 1. Aufl . von 1882).

Encyclopedia Britannica 1962

Fest, Joachim: Hitler. Ullstein Verlag 1973.

v. Manstein, Erich: Verlorene Siege, Bonn 1955.

Michel, Henri: Vichy – Année 40. Paris, 1966.

Nicolson, Harold: Tagebücher und Briefe. Stuttgart, 1969 (aus dem Engl.).
Schramm, Percy Ernst (Hrsg.): Kriegstagebuch des OKW.

Stora, Benjamin: Algérie – histoire contemporaine 1830–1988. Alger 2004.

***

2 In Wikipedia sieht man z. B. unter dem Stichwort Menno Aden, mit welcher
Akribie in den Schriften des Verfassers nach Spuren einer verbotenen
Gesinnung gesucht wird.

3 Hamburgische Dramaturgie, zitiert nach: Reemtsma, Jan Ph., Lessing in


Hamburg, C.H. Beck München 2007, S. 66.

4 Pufendorf, Samuel, Die Verfassung des Deutschen Reiches (1667), Reclam


Nr. 966 (3) § 7.

5 Vgl. Baggesen, Jens, Das Labyrinth – oder Reise durch Deutschland in die
Schweiz 1789.

6 Die Beschreibung seiner Reise von 1789 bis 1790 durch Europa von
Nikolaus Karamsin (1766–1826).

7 Authentisch Goethes Promemoria v. 30. 11. 1784 wg. Niederländischer


Werbungen im Herzogtum Sachsen- Weimar: Nr. 1: werden für jeden Mann
jährlich 50 thlr … gezahlt. Usw. Die Empörung darüber findet literarischen
Niederschlag z. B. bei Schiller, Kabale und Liebe 2. Akt. 2. Szene: … Juche
nach Amerika! Oder in C.D. Schubarts Kaplied betreffend von den
Niederlanden für Südafrika angeworbener Söldner.

8 In Tientsin, vor den Toren Pekings, hat der Verfasser noch die damals von
Franzosen gebaute Kirche besichtigen können. Notre Dame des Victoires
steht noch auf einer verwitterten Plakette zu lesen.

9 Der spätere Held von Küstrin, Joachim Nettelbeck, der sich eine Zeitlang in
holländischen Diensten als Sklavenhändler in Westafrika betätigt hatte,
machte seinem König, Friedrich d. Großen, 1786 einen solchen Vorschlag,
der aber unbeachtet blieb. Vgl. Lebensbeschreibung des Seefahrers,
Patrioten und Sklavenhändlers Joachim Nettelbeck, verlegt bei Greno 1987.

10 Vgl. die Art, wie er Napoleon III. das immer noch österreichische
Norditalien versprach, um ihn aus der deutschen Innenpolitik herauszuhalten.

11 Am 7. Juli 1898 durch die Vereinigten Staaten annektiert.


12 Der Archipel fiel im März 1888 an Frankreich.

13 Bis 1860 war englische Herrschaft kaum präsent, es herrschten


anarchische Zustände.

14 Der Bau des Suezkanals (1870) machte das Land derart von
ausländischen Anleihen abhängig, daß die von Großbritannien und
Frankreich eingerichtete Staatsschuldenverwaltung zur eigentlichen
Regierung des Landes wurde. Zur Sicherung des Verbindungsweges nach
Indien erwarb Großbritannien die ägyptischen Kanalaktien, besetzte 1882
das Land und machte es 1914 formell zum Protektorat.

15 Eigentlich war es umgekehrt: Der Kurfürst von Hannover besaß die


englische Krone.

16 Förmlich wurde Wismar mit Umland erst 1903 wieder Teil Deutschlands.

17 In Hannover war weibliche Erbfolge ausgeschlossen; in England seit jeher


möglich.

18 Vgl. Briefe des Prinzgemahls Albert an den preußischen König.

19 Vgl. die Tagebücher des Bräutigams, des späteren Kaisers Friedrich III.;
auch die von Botschafter Schweinitz, damals Friedrichs Adjutant.

20 Vgl. Tagebücher v. Schlözer; Botschafter v. Schweinitz u. a.

21 Das war eine ähnliche Konstellation wie 2003, als die USA erwarteten,
daß Deutschland im Irakkrieg für amerikanische Interessen mitkämpfen
würde. In beiden Fällen war die Folge eine nachhaltige Entfremdung, die
durch Rhetorik überdeckt wurde. Was damals im Verhältnis
Preußen/Deutschland zu Rußland die Beschwörung der dynastischen
Verbundenheit war, ist heute im Verhältnis zur USA die ebenso hohle
Berufung auf die sogenannte Atlantische Wertegemeinschaft.

22 Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe- Schillingsfürst, 1.


Band, Deutsche Verlagsanstalt 1907.

23 Theodor Fontane, Briefe, Berlin, Propyläen Verlag.

24 Die objektiv wohl berechtigten westlichen Klagen über fehlenden Schutz


der Menschenrechte in China übersehen oder wollen übersehen, daß diese
im heutigen China um ein Vielfaches besser geschützt werden als jemals
zuvor in der chinesischen Geschichte.
25 Die Eroberung von Tibet mag die Ausnahme sein. Aber Tibet verhält sich
zu China etwa so wie Irland zu England oder das Elsass zu Frankreich.

26 Zitiert nach: Hinz, Th. Die Psychologie der Niederlage, Berlin 2010, S. 50.

27 Schramm, a. a. O., S. 42 E.

28 Manstein, S. 91 ff .

29 Churchill, Aufzeichnungen zu einer Rede im Brit. Unterhaus v. 20. Juni


1940: glänzende militärische Leistung Hitlers. – statt vieler: Corrigan, S. 202
ff .

30 v. Manstein, S. 118.

31 Zitiert bei: Michel, S. 218, aus dem Französischen von M. A.

32 Michel, S. 159 f. – Der Führererlaß v. 2. August 1940 betr. Zivilverwaltung


in Elsaß und Lothringen bewirkte freilich eine allerdings nie formal vollzogene
Annexion.

33 Michel, a. a. O., S. 77.

34 Wie später im 2. WK wurden die viel höheren russischen Blutopfer


irgendwie nicht gewertet.

35 Stora, S. 95; 114.

36 Aaron, a. a. O., gibt ein bestürzendes Bild der Vorgänge. Wir Deutsche
können uns dadurch daran erinnern lassen, daß es solche öffentlichen, unter
Billigung des gesamten Volkes vollzogenen Mordorgien bei uns niemals gab.

37 Vgl. Frz. Wikipedia: blocus continental; England konnte den Verlust durch
neue Absatzmärkte in Nordamerika und Rußland wettmachen.

38 Das Deutsche Reich hat diese Völkerrechtswidrigkeit schon während des


Krieges öffentlich anerkannt und Entschädigung nach dem Kriege
versprochen. – Nach der deutschen Besetzung von Dänemark (9. April 1940)
erklärt sich Island für souverän und für neutral. Im Mai 1940 wurde Island
gleichwohl von England besetzt. Die Encyclopedia Britannica, Stichwort:
Iceland, gibt zwar den Völkerrechtsbruch zu, findet aber sonst nichts dabei.

39 Der Spiegel v. 16. 8. 10, S.61.

40 Cunningham, S. 60.
41 zitiert nach Clarke, a. a. O., S. XiX. So ähnlich auch Hitler, vgl. Mein
Kampf, S. 746.

46 Nicolson v. 4. Juni 1940.

47 Fest, S. 859; vgl. auch Encyclopedia Britannica 1962, Stichwort: World


War II – Dunkirk.

48 Mein Kampf, S. 158.

49 Boog/Förster u. a., S. 36.

50 Vgl. Manstein, S. 152 f.

51 Angesichts der Sprunghaftigkeit Hitlerscher Ad-hoc-Pläne muß es kein


Widerspruch sein, wenn er wenig später der Invasion doch wieder nähertrat;
vgl. Boog/Förster, S. 35.

52 Corrigan, S. 259.

53 Michel, Henri: Les Anglais ont abandonné tout leur matériel lourd – Die
Engländer ließen ihre gesamte schwere Ausrüstung zurück.

54 Unter vielen vgl. Ausführungen von Michel, S. 27.. il (= Lord Gort) accélère
la destruction de la 1ère armée française … 110.000 französische Soldaten
decken den Abzug der Engländer … Nicolson, Harold, Tagebücher und
Briefe, Stuttgart, 1969 (Übers. aus dem Engl.)

55 Nicolson, Eintrag v. 1. Juni 1940.

56 Corrigan, S. 259: 50.000 britische Soldaten warfen einfach ihre Waffen


weg.

57 Clarke, S. 10.

58 Clarke, S. 19.

59 Der Sieg über Rommel bei El Alamein mag die Ausnahme sein. Vermutlich
wird Rommel in England deswegen so gefeiert, um diesen Erschöpfungssieg
um so strahlender erscheinen zu lassen.

60 Vgl. die Äußerungen von E. Steinbach MdB zur (historisch unbestrittenen)


polnischen Mobilmachung im Sommer 1939, die September 2010 zur
förmlichen Stigmatisierung der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen
führte.

61 Boog/Förster S. 88 ff .

62 statt vieler: Boog/Förster, a. a. O., S. 54. – Nach dem Ende des


Sowjetkommunismus ist dieser Aspekt völlig aus dem geschichtlichen
Gedächtnis des Westens gefallen.

63 vgl. Boog/Förster, S. 98: Von diesen Panzern waren rd. 1860 mittlere und
schwere Panzer, die alle deutschen Typen in jeder Hinsicht übertrafen.

64 Nicolson, FN 16, am 19. Juni 1940: Unser Angebot, uns mit Frankreich zu
vereinigen, hat dort wenig Anklang gefunden. Ich hatte mich schon gefreut,
französischer Staatsbürger zu werden und bedaure, daß nichts daraus
geworden ist.

65 Victor Hugo, Le Rhin, Conclusions.

66 Haßo v. Etzdorf, zitiert bei: Boog/Förster, S. 28.

***

Gabriel Hanotaux (1893 bis 1895 und von 1896 bis 1898 Außenminister, und
1898 Kolonialminister Frankreichs) sagte: Die kolonisatorische Mission
Frankreichs ist die intellektuelle und moralische Evangelisation der Völker.
Wenn Kunst, Literatur, Sprache und Geist Galliens nicht ausgesät wären, der
Rest des Universums wäre unfruchtbar gewesen.

***

Jules Ferry (Ministerpräsident des französischen Imperialismus) sagte


1885: Die überlegenen Rassen haben ein Recht gegenüber den
unterlegenen Rassen, und in dieser Hinsicht sollte sich Frankreich nicht
der Pflicht entziehen, die Völker zu zivilisieren, die … barbarisch
geblieben sind.

***

Wir Deutschen aber klagen uns an wegen der harmlosen und überdies ganz
anders gemeinten Verse E. Geibels: Am deutschen Wesen soll die Welt
genesen.

Posted by sternbald on 6. Juli 2012 · Kommentare deaktiviert für Verbotene


Siege 1940 – Compiègne und Dünkirchen

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