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Bachelorarbeit Riegler Fertig

Die Arbeit beschäftigt sich mit Entscheidungsfindung bei ethischen Problemen in der Pflege, insbesondere im Hinblick auf Fallbesprechungen. Zunächst werden Grundlagen von Ethik und Moral erläutert sowie Modelle zur Entscheidungsfindung, wie das Reflexionsmodell von Marianne Rabe und die Nimwegener Methode, vorgestellt. Anschließend werden die Modelle verglichen hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile für die Praxis. Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass jedes Modell eigene Stärken und Schwächen aufweist und die Wahl vom jeweiligen Team abhängt.

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Bachelorarbeit Riegler Fertig

Die Arbeit beschäftigt sich mit Entscheidungsfindung bei ethischen Problemen in der Pflege, insbesondere im Hinblick auf Fallbesprechungen. Zunächst werden Grundlagen von Ethik und Moral erläutert sowie Modelle zur Entscheidungsfindung, wie das Reflexionsmodell von Marianne Rabe und die Nimwegener Methode, vorgestellt. Anschließend werden die Modelle verglichen hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile für die Praxis. Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass jedes Modell eigene Stärken und Schwächen aufweist und die Wahl vom jeweiligen Team abhängt.

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Bachelorarbeit

Entscheidungsfindung bei
ethischen Problemen
Unter besonderer Berücksichtigung
von Fallbesprechungen

eingereicht von
Mara Anna Riegler

zur Erlangung des akademischen Grades


Bachelor of Nursing Science
(BScN)

Medizinische Universität Graz


Institut für Pflegewissenschaft

Unter der Anleitung von


Mag. Dr. Eleonore Kemetmüller

Graz, 12.05.2015
Eidesstaatliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebene Quellen nicht verwendet habe und
die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.

Graz, 12.05.2015 Mara Anna Riegler, eh.

I
Zusammenfassung

Der ethische Aspekt bekommt im jetzigen Klinikalltag immer mehr Aufmerksamkeit und so
ist es wichtig, dass die Pflegepersonen das Wissen besitzen, wie sie beim Auftreten eines
ethischen Problems zu einer Lösung kommen können. In der vorliegenden Arbeit wurde
auf die Entscheidungsfindung bei einem ethischen Problem eingegangen, vor allem in
Hinblick auf die Fallbesprechung. Am Anfang wurden die Grundlagen von Ethik und Moral
beschrieben und im Anschluss daran das ethische Problem versucht zu definieren. Der
Unterschied zwischen Konflikt, Dilemma und Problem wurde dargestellt, damit in weiterer
Folge die Vorgehensweise einer Fallbesprechung verständlich erklärt werden konnte. Das
Reflexionsmodell von Marianne Rabe und die Nimwegener- Methode wurden beschrieben
und im Anschluss daran, wurde ein Vergleich gemacht im Hinblick auf die Vor- und
Nachteile des jeweiligen Modelles. Bei der Bearbeitung dieses Themas wurde ersichtlich,
dass jede von den zwei Methoden seine Vor- und Nachteile besitzt und das Team selbst
entscheiden sollte, welches Modell sie verwenden um eine Lösung zu finden.

Abstract

Nowadays, in a clinic’s daily routine the ethical aspect becomes increasingly more
prominent. Because of this, it is important for the nursing staff to know how to arrive at a
solution when an ethical problem emerges. The main aim of this paper is to investigate the
decision-making process in regard to ethical problems, especially concerning case
reviews. First, the fundamental principles of ethics and moral are described, and following
this, an attempt of defining the ethical problem is made. The difference between conflict,
dilemma and problem are illustrated, in order to give an intelligible explanation of the
procedure of a case review. The “Reflexionsmodell” by Marianne Rabe and the
“Nimwegener” method are described. Subsequently, a comparison reviewing the pros and
cons of each model is made. In conclusion, during the process of writing this paper, it was
found that each of the two methods has pros and cons and that the staff should be
responsible for deciding which method would be the best in order to arrive at a solution.

II
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung................................................................................................ 1

2. Methodenteil ........................................................................................... 3

3. Grundlagen ............................................................................................. 4

3.1. Wissen- Meinen- Glauben ............................................................................... 4


3.2. Moral und Ethik ................................................................................................ 4
3.3. Pflegekompetenz ............................................................................................. 5
3.3.1. Anfänger .................................................................................................... 6
3.3.2. Fortgeschrittene Anfängerin bzw. fortgeschrittener Anfänger ............. 7
3.3.3. Kompetente Pflegende ............................................................................. 7
3.3.4. Erfahrene Pflegende ................................................................................. 7
3.3.5. Pflegeexpertin bzw. Pflegeexperte .......................................................... 8
3.4. Bereichsethik und Berufsethik ....................................................................... 8

4. Definition eines ethischen Problems .................................................. 10

4.1. Ebenen der pflegeethischen Probleme ........................................................ 10


4.2. Moralische Intuition ....................................................................................... 11
4.3. Ethisches Problem, Dilemma und ethischer Konflikt ................................. 11

5. Fallbesprechungen .............................................................................. 13

5.1. Ethisch- Moralisches Stufenschema ........................................................... 13


5.2. Beeinflussende Faktoren .............................................................................. 14
5.3. Organisatorische Grundvoraussetzungen .................................................. 14
5.4. Entscheidungsfindungsmodelle .................................................................. 15
5.5. Deliberation .................................................................................................... 15
5.6. Fallbesprechungsmethoden ......................................................................... 16
5.7. Notwendigkeit einer Fallbesprechung ......................................................... 17

6. Ablauf einer Fallbesprechung ............................................................. 18

6.1. 1. Phase: Sammlung und Verarbeitung von Informationen ....................... 19


6.2. 2. Phase: Lösungssuche und vorläufige Entscheidungen ........................ 19
III
6.3. 3. Phase: Planung der Umsetzung und Dokumentation ............................ 20
6.4. Umsetzung in die Praxis ............................................................................... 20

7. Reflexionsmodell von Marianne Rabe ................................................ 22

7.1. Ethische Prinzipien........................................................................................ 22


7.1.1. Würde ....................................................................................................... 23
7.1.2. Autonomie ............................................................................................... 23
7.1.3. Fürsorge................................................................................................... 24
7.1.4. Gerechtigkeit ........................................................................................... 25
7.1.5. Verantwortung ......................................................................................... 25
7.1.6. Dialog ....................................................................................................... 26
7.2. Beschreibung des Reflexionsmodelles ....................................................... 27
7.2.1. Situationsanalyse .................................................................................... 29
7.2.2. Ethische Reflexion .................................................................................. 30
7.2.3. Ergebnisse ............................................................................................... 30

8. Nimwegener Methode .......................................................................... 31

8.1.1. Problembestimmung .............................................................................. 32


8.1.2. Inventarisieren und Verstehen der Situation ........................................ 33
8.1.3. Ethische Bewertung ................................................................................ 33
8.1.4. Beschlussfassung .................................................................................. 34

9. Vergleich Reflexionsmodell und Nimwegener Methode.................... 35

10. Fazit....................................................................................................... 36

11. Literaturverzeichnis ............................................................................. 38

12. Anhang.................................................................................................. 40

IV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Ablaufschema der ethischen Fallbesprechung S.18

Abb. 2: Ethische Prinzipien S.22

Abb. 3: Modell für die ethische Reflexion S.29

Abb. 4: Kurzfassung der Nimwegener Methode für ethische Fallbesprechung S.32

V
1. Einleitung
Der Begriff „Ethik“ wurde vom griechischen Philosophen Aristoteles geprägt. Ethik
bezeichnet die Gesamtheit der Verhaltensnormen, die in einer bestimmten Gesellschaft
vorherrschen (Körtner 2012, S.16). Viele Personen verwenden die Begriffe „Ethik“ und
„Moral“ als Synonym, doch es gibt klar definierte Unterschiede (Körtner 2012, S.15). Es
gibt aber auch einige Autoren und Autorinnen, die die zwei Wörter gleichsetzen und ihnen
keine unterschiedliche Bedeutung zuschreiben (Lay 2012, S.17).

Wenn davon ausgegangen wird, dass Ethik und Moral verschiedene Ansätze haben,
können die zwei Begriffe so erklärt werden:

Ethik dient als theoretische Grundlage, die für die Allgemeinheit gültig ist. Im Gegensatz
dazu beschäftigt sich die Moral mit einzelnen Handlungen. Moral ist gleichzusetzen mit
dem Wort „Sitte“ (Kemetmüller 2013, S.23). Ziel der Ethik ist es somit, theoretische
Hilfestellung bei der praktischen Umsetzung eines moralischen Problems zu liefern
(Hiemetzberger 2010, S.24). Im Laufe der Jahre entwickelten sich viele verschiedene
Ethiktheorien. In der Pflege ist die Prinzipienethik von Bedeutung (Hiemetzberger 2010,
S.30). Die Prinzipienethik unterteilt sich in vier wichtige Bereiche, nämlich den Respekt vor
der Autonomie, das Nichtschaden, die Fürsorge und die Gerechtigkeit. Diese Prinzipien
dienen dazu, dass daraus spezifischere Regeln formuliert werden können (Beauchamp &
Childress 2009, S.13)

Nicht jedes ethische Problem kann einfach behoben werden, und so kann eine
Fallbesprechung erforderlich werden, um eine passende Lösung zu finden. Eine
individuelle Fallbesprechung wir mit Hilfe von Entscheidungsfindungsmodellen
durchgeführt. Es gibt viele verschieden Ansätze. Durch die in Zuhilfenahme eines Modells
werden die verschiedenen Möglichkeiten so objektiv wie möglich reflektiert. Dadurch kann
eine für die meisten Beteiligten passende Entscheidung getroffen werden (Ruppert
2013,S.96). Prinzipienorientierte Ansätze finden sich auch bei verschiedenen
Entscheidungsinstrumenten wieder, so auch beim Reflexionsmodell von Marianne Rabe,
die sechs Prinzipien aufstellt (Hiemetzberger 2010, S.41). Doch darauf wird in weiterer
Folge noch genauer eingegangen.
Die Nimwegener Methode ist auch ein Entscheidungsfindungsmodell, dass aus vier Stufen
besteht und zur prospektiven Fallbesprechung gehört, auf deren Ablauf auch in weiterer
Folge noch eingegangen wird(Viefhues et al. zit. in Steinkamp 2012, S.179). Das Ziel

1
dieser Arbeit ist außerdem, dass die Unterschiede zwischen den zwei
Entscheidungsfindungsmodellen herausgearbeitet werden.

Die Forschungsfragen lauten:


1. Wie wird ein ethisches Problem in der Literatur definiert?
2. Wann wird eine ethische Fallbesprechung einberufen?
3. Wie läuft eine ethische Fallbesprechung nach dem Auftreten eines ethischen
Problems ab?
4. Was sind die Besonderheiten des Reflexionsmodelles von Marianne Rabe im
Hinblick auf eine ethische Fallbesprechung und wie ist das Modell aufgebaut?
5. Was sind die Besonderheiten der Nimwegener Methode im Hinblick auf eine
ethische Fallbesprechung und wie ist das Modell aufgebaut?
6. Inwieweit unterscheiden sich die zwei Modelle in der Art ihrer Durchführung?

2
2. Methodenteil
Damit diese Fragen ausreichend beantwortet werden können, wurde die
Literaturrecherche in der Bibliothek der Medizinischen Universität Graz und der Karl-
Franzens- Universität durchgeführt. Weiteres wurde per Handsuche aus den gefunden
Werken noch weitere Literatur ergänzt.

Außerdem wurde die Datenbank „PubMed“ verwendet. Die Suchbegriffe in Hinblick auf die
Datenbankrecherche waren „Principle-Based Ethics“, „ethical dilemma“, „ethical problem“,
„nurs*“, „case conference“, „management“ und „case management“. Das Suchprotokoll zu
der durchgeführten Recherche befindet sich im Anhang. Die Suche erbrachte zwei
passende Treffer.

Die eine Studie konnte heruntergeladen werden, jedoch beim genaueren Durchlesen
wurde ersichtlich, dass diese nicht passend für das vorliegende Thema ist. Da in der
Studie die Lebensqualität von Patienten und Patientinnen, die an Krebs erkrankt sind,
untersucht wurde. Dabei wurde auch die ethische Vertretbarkeit untersucht.
Die zweite Studie liegt nur in Hebräisch ohne Übersetzungsmöglichkeit vor. Auch die
Hauptautorin, welche per Mail kontaktiert wurde, hat die gesamte Studie nicht auf
Englisch.

Die gesamte Arbeit wird in Harvard- Style zitiert.

3
3. Grundlagen
Zum Verständnis der vorliegenden Arbeit werden in diesem Kapitel ethische Grundlagen
erörtert.
Die Begriffe „Wissen“, „Meinen“ und „Glauben“ spielen in diesem Zusammenhang eine
wichtige Rolle. Bevor diese Begrifflichkeiten nicht klar verständlich sind, kann die Theorie
von Ethik nicht plausibel erklärt werden (Kemetmüller 2013, S. 11–12).

3.1. Wissen- Meinen- Glauben


Wissen ist objektiv und bezieht sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Das bedeutet
außerdem, dass dies intersubjektiv ist. Das Resultat von Meinen ist immer subjektiv, da
die Person ihre bzw. seine Meinung äußert. Dadurch wird immer ein persönlicher Bezug
auf das Geäußerte bestehen. Aus dieser Erkenntnis lässt sich der Wert ableiten, da so der
Wert einer Person oder eines Gegenstandes durch die Meinungsäußerung subjektiv
erkannt werden kann. So ist es die Aufgabe der Pflegewissenschaft, aus der Meinung der
einzelnen Pflegekräfte eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu schaffen. Durch die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einer Meinung wird sie zum Wissen
(Kemetmüller et al. zit. in Kemetmüller 2013, S.12). Glauben kann nie wissenschaftlich
bewiesen werden (Kemetmüller et al. zit. in Kemetmüller 2013, S.13).

3.2. Moral und Ethik


Von Bedeutung zum Verständnis dieser Arbeit ist auch, dass Ethik und Moral genauer
beschrieben werden. In der Einleitung wurde schon ein kurzer Einblick gegeben, nun wird
diese Thematik genauer beschrieben.

Moral und Ethik obliegen nicht einer exakten Wissenschaft, sondern beziehen sich auf das
nicht messbare Handeln der Menschen. Es ist wichtig, diese zwei Begriffe so
zubeschreiben, dass die meisten Personen in der Bevölkerung dieser Beschreibung zu
stimmen (Gordijn & Steinkamp 2010, S.43).

Unter Moral ist die Gesamtheit der Werte, Normen und Tugenden zu verstehen. Sie betrifft
den einzelnen Menschen, eine Berufsgruppe, eine Institution oder eine ganze Gesellschaft
(Gordijn & Steinkamp 2010, S.43). Im Laufe eines Lebens sammelt der Mensch
Unmengen an Erfahrungen. Daraus entsteht die persönliche Moralvorstellung. Weiters
wird diese durch die Erziehung, Ausbildung, Sozialisation und Charakter geprägt. Dies

4
bedeutet, dass jeder Mensch eine individuelle Moralvorstellung hat. Hinzu kommt noch,
dass die kritische Reflexion des eigenen Handelns bzw. des Einschätzens einer Situation
von großer Bedeutung ist. Nur wer immer wieder die eigenen Handlungen reflektiert und
auch kritisch bewertet, kann ein verantwortliches Handeln vorweisen (Gordijn & Steinkamp
2010, S.45). Durch den Beruf eines Menschen wird die Moral im Laufe seines Lebens
unterschiedlich geprägt. Mit einem Beispiel aus dem Gesundheitssektor wird kann das gut
verdeutlicht werden. Zum Beispiel hat eine Krankenpflegerin oder ein Krankenpfleger, die
bzw. der seit zehn Jahren auf einer Intensivstation arbeitet, eine andere moralische
Haltung als ein eine Pflegekraft, die seit fünf Jahren auf der Hals- Nasen- Ohrenklinik tätig
ist. Da sie unterschiedliche Handlungszusammenhänge in ihrem Berufsleben erlebt
haben, werden sie anders geprägt (Gordijn & Steinkamp 2010, S.46).

Ethik bezeichnet das methodische Nachdenken über die Moral. Wenn es darum geht, die
Moral zu beschreiben, fällt das in den Bereich der deskriptiven Ethik, wird jedoch die Moral
kritisch hinterfragt, so ist dies ein Teil der normativen Ethik (Gordijn & Steinkamp 2010,
S.54). Ethik gehört zur philosophischen Wissenschaft. Es wird der theoretische
Hintergrund zum moralischen Handeln definiert. Die Ethik unterteilt sich in viele
verschiedene Untergruppen, die jede einen anderen Ausgangspunkt der Denkweise
besitzen (Kemetmüller 2013, S.23).

3.3. Pflegekompetenz
Um ein ethisches Problem zu verstehen, muss die Pflegeperson Kompetenzen entwickeln
bzw. besitzen. Ethik ist von Pflege nicht zu trennen, sondern Pflege zählt zur ethischen
Praxis (Benner 2012, S.31).
Das Dreyfus- Modell wurde vom Mathematiker und Systemanalytiker Stuart Dreyfus und
dem Philosophen Hubert Dreyfus entwickelt. Es teilt den Lernenden in fünf Stufen ein, die
jeder und jede durchläuft, wenn er bzw. sie Fähigkeiten erlernt und danach vertieft. Diese
fünf Stufen sind:
1. Anfänger
2. Fortgeschrittene Anfängerin und fortgeschrittener Anfänger
3. Kompetent
4. Erfahren
5. Expertin und Experte

5
Diese Stufen wurden für die Pflege abgeleitet und beziehen sich in diesem Kontext immer
auf das pflegerische Handeln in der Praxis (Benner 2012, S.57–58).

Drei Aspekte spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der nächst höheren
Kompetenzstufe. Der erste Aspekt ist, dass aus dem Befolgen einzelner Grundsätze ein
Rückgriff auf Erfahrungen entsteht. Der zweite ist, dass aus der Summe vieler
Einzelheiten ein Gesamtbild entsteht und die Pflegeperson die wichtigen Teile einer
Situation herausfiltern kann. Der dritte Aspekt ist, dass der zuerst unbeteiligte Pfleger bzw.
die Pflegerin einen aktiven Teil im Praxisalltag einnimmt (Benner 2012, S.57).

Dieses Modell ist Kontext bezogen und es kommt durchaus vor, dass Pflegende die
Stufen im Laufe ihres Berufslebens mehrmals durchlaufen (Körtner 2012, S.106–107).
Durch das Erlernen von pflegerischen Kompetenzen wird auch das Erlernen von
pflegeethischen Kompetenzen gefördert. Diese zwei Bereiche können nicht getrennt
voneinander betrachtet werden, sondern als sich ergänzendes Ganzes. Die Vertiefung von
ethischen Kompetenzen darf nicht nur auf theoretischer Basis geschehen, sondern muss
auch durch praktische Einübung erlernt werden, damit die ethische Urteilsbildung im
späteren Alltag leichter fällt (Körtner 2012, S.108). Das Stufenmodell der Pflegekompetenz
kann auch auf die Kompetenzentwicklung des pflegeethischen Aspektes angewandt
werden (Körtner 2012, S.110). Bei der Entwicklung einer ethischen Kompetenz ist es nicht
nur wichtig, dass theoretisches und praktisches Wissen besteht, sondern auch, dass eine
ethische Haltung eingenommen wird und sich in entsprechenden Verhaltensweisen
widerspiegelt (Körtner 2012, S.112).

3.3.1. Anfänger
In der ersten Stufe sind die Pflegekräfte noch unflexibel und können nicht auf Erfahrungen
zurückgreifen. Daher werden diese Personen ihre Aufgaben mit objektiv messbaren
Werten lösen. In dieser Phase müssen sich die Pflegenden immer auf Regeln stützen, da
sie keine andere Möglichkeit besitzen, Handlungen durchzuführen. Das Problem hierbei
ist, dass das Theoretisch gelernte oft nicht reicht, um Situationen im Arbeitsalltag zu lösen,
da dies immer eine individuelle Herangehensweise voraussetzt. Das Dreyfus- Modell
bezieht sich nicht auf das theoretische Wissen, das eine Person vorweisen kann, sondern
auf die Fähigkeiten, die in einer praxisbezogenen Situation vorhanden sind (Benner 2012,
S.63–64).

6
3.3.2. Fortgeschrittene Anfängerin bzw. fortgeschrittener Anfänger
In dieser Stufe kann die Pflegeperson schon auf Erfahrungen zurückgreifen und
praxisbezogene Entscheidungen treffen. Jedoch sind die Pflegenden insofern noch
eingeschränkt, da sie nur Situationen aufgrund ihrer Erfahrungen lösen können, wenn sie
schon einmal in einer gleichen oder sehr ähnlichen Situation waren. Dies wird in dem
Modell „Aspekte der Situation“ genannt (Benner 2012, S.64). In der ersten Stufe sowie in
der zweiten Stufe sind Pflegepersonen noch nicht in der Lage, Handlungen der Wichtigkeit
entsprechend durchzuführen. Sie führen die Tätigkeiten genau in dieser Reihenfolge
durch, die ihnen gesagt wurde. Deshalb ist es in dieser Phase besonders wichtig, den
Pflegekräften der Näherbringung der Prioritätensetzung klarzumachen (Benner 2012,
S.66).

3.3.3. Kompetente Pflegende


Die kompetenten Pflegenden sind nun in der Lage, ihre Handlungen und Ziele längerfristig
zu planen und können schon Prioritäten setzen. In diese Stufe kommen die meisten, wenn
sie zwei bis drei Jahre im gleichen bzw. in ähnlichen Fachbereichen gearbeitet haben. Die
Pflegekräfte können zwar schon besser den Alltag bewältigen, jedoch sind sie immer noch
zu einem gewissen Grad unflexibel und können Tätigkeiten noch nicht so schnell
abhandeln wie die Pflegenden in der nächsten Stufe. Das Merkmal dieser Stufe ist es,
dass die Pflegepersonen schon bewusst planen können und dadurch effizientes Arbeiten
ermöglicht wird (Benner 2012. S.67).

3.3.4. Erfahrene Pflegende


In dieser Stufe ist die Pflegekraft schon so weit, dass die Situation ganzheitlich gesehen
wird und nicht in vielen verschiedenen einzelnen Situationen, da sie auf einen reichen
Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Durch die vielen Erfahrungen, die die Pflegenden
im Laufe ihrer Berufslaufbahn gesammelt haben, können sie Gegebenheiten besser
einschätzen und deren Folgen für gesetzte Handlungen abschätzen (Benner 2012, S.68).
Erfahrene Pfleger bzw. erfahrene Pflegerinnen haben meist eine drei– bis fünfjährige
Laufbahn in demselben Fachbereich (Benner 2012, S.71). In dieser Phase fällt es leichter,
Entscheidungen zu treffen und es kostet nicht mehr so viel Aufwand, diese zu treffen. Der

7
entscheidende Punkt dabei ist, dass sie die Gesamtheit ihrer Arbeit bewusst erfassen und
aus den Erfahrungen heraus das wesentliche Problem herausfiltern können. Zwar fehlt
den Pflegepersonen noch die Fähigkeit, die Gesamtheit ihrer Arbeit zu erfassen, doch
dieser Prozess erfolgt schneller und leichter als auf einer tieferen Stufe des Modells. Das
Personal ist jetzt in der Lage, Prioritäten zu setzen. Die erfahrenen Pflegenden haben
mittlerweile das tiefere Verständnis für eine Situation und können dadurch individuell auf
die einzelne Lage eingehen (Benner 2012, S.69). In dieser Stufe lernen die Pflegenden
am meisten anhand eines Fallbeispiels, da sie so die induktive Methode anwenden
können. Mit theoretischem Wissen alleine fühlen sich viele Pflegende unterfordert, da sie
mittlerweile einen Praxisbezug besitzen und wissen, dass Theorie alleine nicht reicht, um
eine Situation Wohl eines Patienten bzw. einer Patientin zu lösen (Benner 2012, S.70).

3.3.5. Pflegeexpertin bzw. Pflegeexperte


In dieser Stufe sind die Pflegepersonen fähig, jede Situation intuitiv zu begreifen und sofort
das Hauptproblem zu erkennen. Sie brauchen keine analytischen Hilfsmittel mehr, da sie
diese schon intus haben. In dieser Phase brauchen Pflegende nicht viel Zeit, um zum
Wesentlichen zu kommen (Benner 2012, S.72). Die Experten können meist die gesetzten
Handlungen nicht genau beschreiben, warum sie genau dies angewendet haben, da sie
intuitiv anhand ihres großen Schatzes an Erfahrungen agiert haben (Benner 2012, S.73).
In dieser Stufe können die Pflegenden ihren Kolleginnen und Kollegen, welche noch nicht
die letzte Phase erreicht haben, Wissen vermitteln und ihnen beim Arbeitsalltag behilflich
sein, falls schwerere Probleme auftreten. Für die Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten ist
es von besonderer Wichtigkeit, dass sie erlernen, sich deutlich auszudrücken und ihre
Handlungen für alle verständlich darstellen zu können. Das Besondere, was erfahrene
Pflegende von den Experten und Expertinnen unterscheidet, ist der „Blick des Machbaren“
(Benner 2012, S.74).

3.4. Bereichsethik und Berufsethik


Weiteres muss der Unterschied zwischen Bereichsethik und Berufsethik geklärt werden,
um das Verständnis für ein ethisches Problem in der Pflege zu sichern.
Bereichsethik gehört zur angewandten Ethik (Lay 2012, S.46). Die angewandte Ethik
beschäftigt sich mit allgemeinen ethischen Prinzipien und Kriterien und bezieht sich dann
in weiterer Folge auf konkrete Handlungen und einzelnen Situationen (Körtner 2012,

8
S.23). Die Bereichsethik befasst sich mit allgemein gesellschaftlichen Bereichen. Im
Gegensatz dazu beschäftigt sich die Berufsethik mit normativen Vorstellungen, die mit
einer bestimmten Berufsgruppe im Zusammenhang stehen (Kemetmüller 2013, S.21). Die
Berufsethik wird durch Leitvorstellung der jeweiligen Institution geprägt (Großklaus- Seidel
2012, S.88). Jedoch gehört die Bereichsethik auch zum Teil der angewandten Ethik, die
aber spezifisch auf eine berufliches Gebiet spezialisiert ist (Lay 2012, S.46). Durch diese
Unterteilung wird klar, dass ein ethisches Problem immer in Bezug auf die Berufsethik
gesehen werden muss.

9
4. Definition eines ethischen Problems
Um den Ablauf einer Fallbesprechung zu verstehen, muss zuerst geklärt werden, was
unter einem ethischen Problem zu verstehen ist. Da jede Deliberation in diesem Gebiet
auf einem Problem aufbaut, kann erst dann eine gute Interaktion mit Hilfe eines Modells
stattfinden, wenn die Grundlagen verstanden werden.

4.1. Ebenen der pflegeethischen Probleme


In diesem Unterkapitel werden zwei verschiedene Unterteilungen im Hinblick auf ein
ethisches Problem beschrieben.
Es gibt drei Ebenen, die von Amelung 1992 beschrieben wurden. Die personale Ebene
oder auch Ebene der interaktionellen Beziehungen bezieht sich direkt auf den
Zusammenhang von Gesundheit und Krankheit des Patienten oder der Patientin. Auf
dieser Ebene wird auch die Sinnhaftigkeit einer diagnostischen Maßnahme hinterfragt. Die
nächste Ebene ist die Strukturelle Ebene oder auch die Ebene der Institutionen. Hier
bezieht sich alles auf das System des jeweiligen Gesundheitswesens. Vor allem die
Verteilungsgerechtigkeit ist hier von großer Bedeutung. Dazu kommt der Einfluss des
Versicherungssystems des zuständigen Landes. Die letzte Ebene ist die kulturelle Ebene
oder die Ebene der Einstellungen und Werthaltungen. Auf dieser Ebene sind all jene
Aspekte enthalten, die auf die allgemeine Grundwerte und Normen der jeweiligen
Gesellschaft zurückgreifen. An dieser Stelle ist die interkulturelle und transkulturelle Pflege
von Bedeutung. Außerdem befasst sich diese Ebene auch mit den Menschenrechte und
der damit einhergehenden Menschenwürde. Die Religion darf in dieser Hinsicht auch nicht
außer Acht gelassen werden, da diese auch in der täglichen Pflege eine Rolle spielt
(Körtner 2012, S.98, 99).

Weiters werden noch drei andere Ebenen beschrieben.


Zum ersten die Mikroebene, diese bezieht sich auf die Beziehungen zwischen einzelnen
Personen (Gordijn & Steinkamp 2012, S.75). Die nächst höhere Ebene ist die Mesoebene,
hierbei geht es um die Interaktion in der Institution, wie zum Beispiel in einem
Krankenhaus (Gordijn & Steinkamp 2012, S.75). Die letzte Ebene ist die Makroebene, dies
betrifft alles, was mit politischen Entscheidungen einhergeht (Gordijn & Steinkamp 2012,
S.75).

10
4.2. Moralische Intuition
Unter moralischer Intuition ist die spontane Bewertung von Handlungen zu verstehen,
welche nicht einer kritischen Reflektion unterliegt. Jedoch können im Berufsalltag
Situationen auftreten, welche nicht durch die persönliche Intuition gelöst werden können.
Daraufhin wird eine kritische Beurteilung der Situation notwendig und dies kann in Folge
dessen ein ethisches Problem hervorrufen (Gordijn & Steinkamp 2012, S.47).

4.3. Ethisches Problem, Dilemma und ethischer Konflikt


Ein Konflikt ist, wenn gleichrangige Werte gegeneinander ankämpfen. Dies kann zum
Beispiel passieren, wenn sich die strukturelle Organisation im Klinikalltag ändert
(Hiemetzberger 2010, S.62). Ein Dilemma hingegen entsteht, wenn ein oder mehrere
Werte miteinander konkurrieren, aber nur auf einen Rücksicht genommen werden kann
und egal, welche Option gewählt wird, das Ergebnis nicht optimal ist (Hiemetzberger 2010,
S.62–63). Ein Problem wird hervorgerufen, wenn eine Handlung verschiedene
Lösungsmöglichkeiten bereithält und die sich zu entscheidende Person sich der richtigen
Wahl nicht sicher ist (Hiemetzberger 2010, S.62). Im Alltag jedes einzelnen Menschen
lassen sich Probleme meist durch die moralische Intuition lösen, ist dies jedoch nicht
möglich, so kommt es zu einem Problem. Dieses kann entstehen, wenn jede vorhandene
Möglichkeit, einzeln betrachtet eine gute Ausgangssituation besitzt, aber nicht entschieden
werden kann, welche nun die beste wäre oder wenn die moralische Intuition generell keine
passende Lösung parat hält, da die betroffene Person noch nie in der Situation war ein
solches Problem lösen zu müssen (Gordijn 2000, S.114). Krankenhäuser sind
Institutionen, welche eine Ausnahmesituation für Menschen darstellen. Hierbei ist es
verständlich, dass sich durch diese intensive Lebenserfahrung auch gehäufter ethische
Probleme zeigen. Auch in Pflegeheimen ist dies der Fall, da der Gesundheitszustand der
Bewohner und der Bewohnerinnen meist schon so schlecht bzw. ihr Alter fortgeschritten
ist. In dieser Situation treten oft ethische Probleme auf, die im Zusammenhang mit dem
Tod bzw. mit der letzten Lebensphase zu tun haben (Gordijn & Steinkamp 2012, S.76).
Die Gesellschaft spielt auch eine große Rolle, wenn es darum geht, dass ethische
Probleme immer mehr an Bedeutung gewinnen. Durch die zunehmenden medizinischen
Möglichkeiten in der heutigen Zeit und die Stärkung der Patientenautonomie, ist die
Aufmerksamkeit in Hinblick auf Ethik und Moral im Gesundheitswesen gestiegen. Dies hat
dazu geführt, dass immer mehr ethische Probleme aufgezeigt werden und dies auch
öffentlich angesprochen bzw. besprochen werden (Gordijn & Steinkamp 2012, S.88). Dass

11
immer mehr Probleme sichtbar gemacht werden hat nicht nur mit den objektiven
Handlungen zu tun, sondern auch mit der individuellen Wahrnehmung jeder einzelnen
Person im Hinblick auf die Moral. Da diese zunehmend in die bewusste Wahrnehmung der
Personen kommt, wird die Bestimmung eines Problems mehr und mehr ein wichtiger
Bestandteil im Klinikalltag (Gordijn & Steinkamp 2012, S.87).

12
5. Fallbesprechungen
Fallbesprechungen sind individuelle Besprechungen mit Hilfe eines
Entscheidungsfindungsmodelles (Ruppert 2013, S.96). Sobald ein ethischer Konflikt, ein
ethisches Problem oder ein ethisches Dilemma auftritt, ist eine Fallbesprechung
angebracht, da so eine Lösung in einem strukturierten Rahmen gefunden werden kann.
Wenn die moralische Intuition keine passende Lösung parat hält, kommt es zu einem
sogenannten Problem, das durch das richtige Setting gelöst werden kann (Körtner 2012,
S.139). Es gibt eine Einteilung die aus zwei verschiedenen Methoden besteht. Zum einen
die problemorientierte und zum anderen die haltungsorientierte Methode (Steinkamp 2012,
S177). Außerdem muss vor einer Fallbesprechung abgewogen werden, ob es sinnvoll ist,
die Patientin oder den Patienten bzw. deren Angehörige miteinzubeziehen. Die Praxis hat
gezeigt, dass dies nicht von Vorteil ist, da sich das Team während einer Deliberation ganz
anders verhält, wenn Angehörige anwesend sind, da sich dadurch die Gesprächskultur
verändert (Gordijn & Steinkamp 2010, S.279).

5.1. Ethisch- Moralisches Stufenschema


Zu Erklärung einer Fallbesprechung ist es wichtig, dass das Ethisch- Moralische
Stufenschema (EMS) verstanden wird, da dieses als Grundgerüst zum Verständnis einer
ethischen Problemlösung dient (Kemetmüller 2013,S.33). Dieses Schema ist wie eine
Pyramide aufgebaut. Auf der untersten Ebene steht die Philosophie als Wissenschaft. Auf
der darauffolgenden Ebene steht die Ethik als Position. Die Ethik ist eine philosophische
Richtung. Von dieser Ebene aus entstanden die verschiedenen Ethikrichtungen, wie zum
Beispiel die deontologische Ethik von Immanuel Kant oder die Mitleidsethik von Arthur
Schopenhauer. Auf der nächst höheren Ebene befindet sich die Moralität als Prinzip. Dort
werden sogenannte Prinzipien oder auch Grundsätze gebildet, darunter fallen zum
Beispiel der kategorische Imperativ von Immanuel Kant oder die Prinzipien der
biomedizinischen Ethik nach Beauchamps und Childress. Auf der letzten Ebene befindet
sich die Moral, die in Normen und Werte aufgeteilt ist. Diese sind abhängig von der
vorherrschenden Kultur und Religion einer Gemeinschaft (Kemetmüller 2013, S.34–35).
Dieses Schema verdeutlicht, inwieweit es wichtig ist, sich vom großen Spektrum hin auf
das Spezifische zu spezialisieren, damit so eine passende Lösung für ein Problem
gefunden werden kann.

13
5.2. Beeinflussende Faktoren
Vor einer Fallbesprechung kommt spielen Faktoren eine Rolle, die die Notwendigkeit einer
solchen Besprechung überhaupt aufzeigen. Sozialpsychologische Faktoren sind in
Hinblick auf eine ethische Entscheidungsfindung von großer Bedeutung, da diese die
persönliche Komponente in einem Fall beschreiben und so Auswirkungen auf das
Ergebnis haben können (Lay 2012, S.245). Soziokulturelle Faktoren haben schon im
frühen Stadium einen hohen Stellenwert, da sie die Wertigkeit eines Problems
beeinflussen. Erst wenn es für die Person aus der persönlichen Sicht heraus auf
soziokultureller Ebene wichtig ist, wird eine Fallbesprechung einberufen. Das bedeutet,
dass es von Kultur zu Kultur unterschiedlich ist, ob ein Problem als solches erkannt wird
oder nicht (Lay 2012, S.245). Nicht nur diese Faktoren beeinflussen die Wichtigkeit eines
Problems, sondern auch die persönliche Einstellung und die Tagesverfassung. Subjektive
Gefühle bewegen die zu entscheidende Person auch dazu, einer Situation eine ethische
Problematik zuzuschreiben oder nicht (Lay 2012, S.245–246).

5.3. Organisatorische Grundvoraussetzungen


Damit eine Fallbesprechung im Praxisalltag überhaupt möglich ist, ist es vonnöten, dass
bestimmte Rahmenbedingungen gewährleistet sind. Es ist wichtig, dass die beteiligten
Personen sowohl ethische als auch kommunikative Kompetenzen besitzen. Außerdem
muss auch Wissen über die allgemeine Ethik vorhanden sein (Ruppert 2013, S.105). Auch
zeitliche und räumliche Ressourcen müssen auch vorhanden sein, damit eine ethische
Fallbesprechung durchgeführt werden kann. Von Vorteil ist es auch, wenn ein Konzept
oder eine Richtlinie vorhanden ist, da dieses bzw. diese das Grundgerüst darstellt. Da jede
einzelne Fallbesprechung eine individuelle Angelegenheit ist, ist eine Richtlinie nicht
dringend notwendig, aber kann trotzdem hilfreich sein, damit die Fallbesprechung eine
Struktur erhält. Besonders wichtig ist bei einer Fallbesprechung die Transparenz, wie das
Team zu dem Ergebnis gekommen ist, weswegen alles dokumentiert werden muss. Alle
Beteiligten müssen über das Pflegemodell und das Pflegeleitbild der jeweiligen Institution
Bescheid wissen, da dieses eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Lösungsfindung
darstellt (Ruppert 2013, S.106).

14
5.4. Entscheidungsfindungsmodelle
Entscheidungsfindungsmodelle stützen sich immer auf verschiedene Ansätze, wie zum
Beispiel auf philosophische Theorien, berufsspezifische Prozesse oder auf
medizinethische Prinzipien (Ruppert 2013, S.96). Das wichtige bei der Anwendung eines
solchen Modelles ist es, dass es nicht nur als Checkliste abgearbeitet werden soll,
sondern mit Einfühlungsvermögen und Erfahrungen aus der Vergangenheit versucht
werden soll, das zu behandelnde Problem zu lösen (Körtner 2012, S.139). Die Anwendung
eines Modelles hat auch den Vorteil, dass dadurch der Prozess der Entscheidungsfindung
für Personen, die nicht bei der Lösungsfindung anwesend waren, nachvollziehbar ist. Dies
sichert auch die Transparenz der Arbeit (Ruppert 2013, S.97). Die Entscheidung, die bei
einer solchen Fallbesprechung getroffen wird, ist für alle Beteiligten bindend, außer die
Ausgangssituation hat sich grundlegend verändert (Ruppert 2013, S. 104). Die
Anwendung eines Entscheidungsfindungsmodelles setzt nicht automatisch voraus, dass
das Endergebnis gut ist (Körtner 2012, S.139).

5.5. Deliberation
Eine ethische Fallbesprechung soll eine Beratschlagung sein und keine Beratung. Bei der
Beratschlagung steht das Abwägen von Argumenten und vor allem eigenständiges
Denken jedes einzelnen Mitgliedes im Vordergrund. Diese Form ist sehr praxisbezogen
und eignet sich gut für den Klinikalltag. Es muss unterschieden werden, ob eine informelle
Fallbesprechung zwischen Kollegen und Kolleginnen stattfindet oder bei regelmäßigen
Teambesprechungen der Aspekt „Ethik“ immer mit eingebunden wird, wo zum Beispiel
erfahrenes Pflegepersonal über seine Erlebnisse berichtet. Die Anwendung von ethischen
Fallbesprechungen in Teambesprechungen kommt vor allem in Abteilungen vor, die
komplexe Entscheidungssituationen und einen hohen Entscheidungsdruck im Arbeitsalltag
haben. Bei stark multidisziplinär geprägten Teams, wie zum Beispiel einer Geriatrie oder
Psychiatrie finden solche Besprechungen auch häufiger statt. Es kommt auf die Klinik an,
ob sie für eine Deliberation einen außenstehenden Moderator bzw. eine außenstehende
Moderatorin haben möchte oder diesen Posten mit einer Klinikinternen Person besetzen
möchte. Zwar gibt es auch Modelle, die keiner Moderation bedürfen, jedoch wird dazu
geraten, eine Moderation einzubeziehen, da nur so ein geregelter Ablauf gewährleistet ist
und jede Person zu Wort kommen kann (Gordijn & Steinkamp 2012, S.111–112). Der
große Unterschied nun zwischen Beratung und Beratschlagung ist nun, dass bei der
Beratung immer ein Experte oder eine Expertin im Bereich Ethik anwesend ist und so das
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vorhandene Fachwissen einbringt. Im Gegensatz dazu kann eine Deliberation auch ohne
einer Ethikexpertin oder einem Ethikexperten stattfinden, da vor allem das Abwägen von
Argumenten im Vordergrund steht (Gordijn & Steinkamp 2012, S.111).

5.6. Fallbesprechungsmethoden
Die verschiedenen Methoden lassen sich in drei Kategorien einteilen. Diese Einteilung
erfolgt durch die Art der Gesprächssituationen (Gordijn & Steinkamp 2012, S.252–253).
Die prospektive Methode beschäftigt sich mit den vorausschauenden Ereignissen, das
bedeutet, dass dies angewendet wird, um zu erörtern, welche Lösung für ein vorhandenes
Problem am besten sein wird. Dazu zählt zum Beispiel die Nimwegener Methode. Die
retrospektive Methode wird angewendet, wenn ein vorhergegangenes Problem nach dem
Treffen einer Entscheidung noch einmal reflektiert werden soll. Vor allem geht es darum,
die getroffenen Entscheidungen zu reflektieren und zu evaluieren. Aus dieser Art der
Fallbesprechungen lassen sich neue Ergebnisse ableiten, die in der Zukunft im Klinikalltag
von Bedeutung werden, wenn wieder ein ähnliches Problem auftritt. Dadurch kann im
späteren Verlauf schneller eine Lösung gefunden werden. Die hermeneutische
Fallbesprechung ist ein Beispiel für retrospektive Technik (Gordijn & Steinkamp 2012,
S.253). Die dritte Gruppe ist die begrifflich reflektierende Methode, welche auch
vertiefende Besprechung genannt wird (Gordijn & Steinkamp 2012, S.253, 254). Zu dieser
Methode zählt das Sokratische Gespräch, welches darauf abzielt, anhand eines
spezifischen Fallbeispiels ein Problem zu analysieren. Dazu sind die Erfahrungen der
beteiligten Personen und deren denkerischen Fähigkeiten von großer Bedeutung. Da
diese Art aber sehr zeitaufwendig ist, ist sie nicht für den Berufsalltag geeignet und findet
ihre Anwendung in Fort- und Weiterbildungen oder bei Workshops (Gordijn & Steinkamp
2012, S.254). Alle drei Methoden sind wichtig, um eine Struktur in Besprechungen zu
bringen. Auch wenn die Ansätze unterschiedlich sind, steht immer der ethische Aspekt des
Handelns im Vordergrund. Durch die Bereitstellung ausreichender Ressourcen und einer
optimalen Organisation kann das Potential einer Fallbesprechung unabhängig von der
angewendeten Methode voll und ganz ausgeschöpft und auch der Arbeitsalltag
hinsichtlich der ethischen Problemen optimiert werden (Gordijn & Steinkamp 2012, S.310).

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5.7. Notwendigkeit einer Fallbesprechung
Die Notwendigkeit einer Fallbesprechung besteht dann, wenn im Klinikalltag eine
konfliktbelastete Situation vorherrscht oder wenn das Team in einer Gegebenheit
verunsichert ist und nicht weiß, wie es jetzt am besten handeln sollte. Außerdem kann
eine Fallbesprechung dann einberufen werden, wenn eine schnellere Lösung von Nöten
ist. Weiters kann eine Besprechung abgehalten werden, wenn ein zusätzlicher
Informationsaustausch erwünscht ist oder ein professioneller Wissensaustausch im
interprofessionellen Team stattfinden soll (Albisser Schleger et al. 2012, S.242). Die
Indikationen dafür können verschiedenen Ursprungs sein. Der Patient bzw. die Patientin
oder dessen bzw. deren Bezugsperson war bisher nicht zufrieden mit den Versuchen, wie
ein Problem gelöst wurde und wünscht sich daher eine andere Lösungsoption. Weiters
kann eine solche Fallbesprechung einberufen werden, wenn die betroffene Person sich
nicht mehr äußern kann und eine einschneidende Entscheidung getroffen werden muss.
Außerdem können bei einer solchen Besprechung weitere Therapiemaßnahmen
besprochen werden, wenn keine Verbesserung des Zustandes des Patienten bzw. der
Patientin absehbar ist. Ein weiterer Grund zur Einberufung ist, wenn eine unklare Situation
herrscht und so eine passende Lösung in einem geschützten Rahmen gefunden werden
kann. Eine weitere Thematik, die eine Fallbesprechung erforderlich macht, falls
Informationslücken bestehen und auf dieser Weise eine Situation geklärt werden kann.
Vor allem sollte immer eine Besprechung einberufen werden, wenn die Gefahr einer
Benachteiligung oder einer Überversorgung der Patientinnen bzw. der Patienten besteht
bzw. diese Problematik der ungleichen Versorgung schon vorhanden ist (Albisser
Schleger et al. 2012, S.243).

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6. Ablauf einer Fallbesprechung
In diesem Kapitel wird der allgemeine Ablauf einer Fallbesprechung in einem
interdisziplinären Team erklärt. Eine Fallbesprechung teilt sich in drei Phasen auf. Der
erste Schritt ist die Sammlung und Verarbeitung von Informationen, darauf folgt die
Lösungssuche mit einer vorläufigen Entscheidung und die letzte Phase beinhaltet die
Planung der Umsetzung und die Dokumentation. Diese Unterteilung gliedert sich noch in
Unterpunkte, um einen strukturierten und effektiven Ablauf zu gewährleisten (Albisser
Schleger et al. 2012, S.251, 252).

Abb. 1: Ablaufschema der ethischen Fallbesprechung (Albisser Schleger et al. 2012, S.252)

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6.1. 1. Phase: Sammlung und Verarbeitung von Informationen
Als erster Schritt muss die Moderatorin oder der Moderator den Grund benennen, warum
diese Sitzung überhaupt einberufen wurde. Nachdem dies geschehen ist, werden die
Informationen gesammelt und anschließend sortiert und in Gruppen aufgeteilt. Es ist
hilfreich, wenn die geordneten Informationen für alle sichtbar auf einer großen Tafel im
Raum stehen, damit sie immer sichtbar sind und der Fokus auf dem zu bearbeitenden Fall
liegt. Als nächster Schritt werden zwischen den einzelnen Gruppierungen Verbindungen
hergestellt bzw. Widersprüche zwischen verschiedenen Gruppen aufgezeigt. Dann können
die wichtigsten Punkte noch einmal hervorgehoben werden, damit der weitere
Gesprächsverlauf in die richtige Richtung gelenkt wird. Falls noch Informationslücken
vorhanden sind, wird dies in dieser Phase sichtbar und es können noch fehlende Teile
eingeholt werden und ggf. die weitere Fallbesprechung auf einen anderen Zeitpunkt
verschoben werden, sobald alle relevanten Informationen vorhanden sind (Albisser
Schleger 2012, S.253).

6.2. 2. Phase: Lösungssuche und vorläufige Entscheidungen


Vor der Lösungssuche sollte noch einmal kurz erörtert werden, was das Hauptproblem in
dem konkreten Fall ist, damit gewährleistet ist, dass jedes Teammitglied von der gleichen
Problemstellung ausgeht und es nicht zu Unklarheiten während der Diskussion kommt.
Der Vorteil bei einer interdisziplinären Fallbesprechung ist, dass die verschiedenen
Standpunkte der einzelnen Berufsgruppen aufgezeigt werden können. Aufgabe der
Moderation ist es, dass jede und jeder ihre bzw. seine Sichtweise darlegen kann. Als
erster wichtiger Schritt vor einer Entscheidung einer sollte eine Liste mit allen in Frage
kommenden Möglichkeiten erstellt werden. Wenn diese Liste vollständig ist, wird darauf
geachtet, ob alle Möglichkeiten zum Wohle des Patienten oder der Patientin sind. Geht es
darum, über eine Therapieform zu entscheiden, kann es hilfreich sein, eine
Argumentationsliste mit Vor- und Nachteilen anzulegen. Sollte das vorhandene Problem
komplex sein, könnte die Diskussion in Kleingruppen der einzelnen Berufsgruppen
entsprechend durchgeführt werden und anschließend die Ergebnisse der
Kleingruppengespräche mit den anderen Mitgliedern besprochen werden, um eine
gemeinsame Entscheidung zu finden. Wenn der Großteil der beteiligten Personen die
gleiche Lösung hat und die anderen Mitglieder mit der Lösung auch einigermaßen
zufrieden sind, wird das Ergebnis noch einmal überprüft, ob keine Option oder Information
vergessen worden ist. Sollten jedoch Unstimmigkeiten im Team noch vorherrschen, sollte
19
daran gedacht werden, die Fallbesprechung ohne Lösung abzubrechen und zu einem
anderen Zeitpunkt fortzuführen. Außerdem kann zu einem anderen Zeitpunkt entschieden
werden, ob sie beim zweiten Versuch dieser Fallbesprechung eine Fachperson, wie zum
Beispiel vom Ethikkonsil, in die Gesprächsrunde einladen. Kommt es jedoch zu einer
einstimmigen Lösung, wird diese genau beschrieben und mit der entsprechenden
Begründung dokumentiert (Albisser Schleger et al. 2012, S.254–255).

6.3. 3. Phase: Planung der Umsetzung und Dokumentation


Im letzten Schritt dieses Prozesses wird überlegt, wie das Ergebnis in den Alltag
umgesetzt werden kann und welche Konsequenzen diese Entscheidung mit sich bringt
(Albisser Schleger et al. 2012, S.256). Die Moderatorin oder der Moderator trägt die
Verantwortung dafür, dass ein Ergebnisprotokoll angelegt wird. Dieses Protokoll muss
innerhalb der nächsten 24 Stunden in die Krankenakte der betroffenen Person eingefügt
werden. Die Unterschriften der moderierenden Person und der zuständigen Ärztin oder
des zuständigen Arztes müssen enthalten sein (Albisser Schleger et al. 2012, S.257).
Außerdem müssen alle Gespräche, die im Nachhinein mit der Patientin bzw. dem
Patienten oder deren bzw. dessen Stellvertreter geführt wurden dokumentiert werden
(Albisser Schleger et. Al. 2012, S.259).

6.4. Umsetzung in die Praxis


Das Vorgehen bei der Umsetzung der Lösung unterscheidet sich in Abhängigkeit davon,
ob der urteilsfähige Patient bzw. die urteilsfähige Patientin oder dessen bzw. deren
gesetzlicher Vormund bei der Fallbesprechung anwesend war (Albisser Schleger et al.
2012, S.258). War der Patient bzw. die Patientin oder deren Vormund nicht anwesend, so
bespricht der zuständige Arzt oder die zuständige Ärztin das Ergebnis mit der betroffenen
Person. Erst wenn es bei diesem Gespräch zu einer Einigung kommt, wird von einer
Therapieentscheidung gesprochen. Sollte keine Lösung gefunden werden, muss überlegt
werden, wie eine Entscheidung getroffen werden kann, die für alle beteiligten Personen
als passend empfunden wird(Albisser Schleger et al. 2012, S.258–259). Die getroffene
Entscheidung bei der davor durchgeführten Fallbesprechung ist für alle Beteiligten
verbindlich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Informationsweitergabe. Die Informationen,
die in der Besprechung behandelt wurden, dürfen anhand der gültigen Gesetze intern
weitergegeben werden. Die Angehörigen bekommen nur soweit Auskunft, wie die
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Patientin bzw. der Patient der Informationsweitergabe zugestimmt hat. Unabhängig von
der Art des Aufklärungsgespräches, muss die Regel der Wahrhaftigkeit immer gültig sein,
das bedeutet, dass nur das gesagt werden darf, was auch wirklich der Wahrheit entspricht.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Patientin bzw. der Patient und auch
die Angehörigen das Recht auf „Nicht- Wissen“ haben. Dies bedeutet, dass wenn keine
Auskunft erwünscht ist, auch keine Auskunft gegeben wird (Albisser Schleger et al. 2012,
S.259). Nach der Entscheidung gilt immer das Recht auf Widerruf. Wenn die Betroffene,
der Betroffene oder deren bzw. dessen Angehörige den Therapieentscheid ablehnen bzw.
widerrufen, dann muss dies sofort dem zuständigen Arzt oder der zuständigen Ärztin
berichtet werden. Es können auch die Beteiligten der Fallbesprechung den Entschluss
widerrufen, wenn sich die Situation drastisch verändert hat. Immer, wenn von diesem
Recht Gebrauch gemacht wird, muss dies sofort dokumentiert werden. Sollten
therapiebegrenzende Maßnahmen gesetzt worden sein, so müssen diese nach spätestens
24 Stunden vom zuständigen Arzt überprüft und reevaluiert werden. Bei geriatrischen
Patienten und Patientinnen kann die Evaluation individuell auf jeden einzelnen und jede
einzelne abgestimmt werden. Bei anderen Maßnahmen empfiehlt es sich, diese zu
überprüfen, wenn eine relevante Zustandsveränderung sichtbar wird. Jede Evaluation
muss genau in der Krankenakte vermerkt werden. Die rechtliche Verantwortung für die
Umsetzung der Maßnahmen, die in der Fallbesprechung beschlossen wurden obliegt
immer dem ärztlichen Fachpersonal (Albisser Schleger et al. 2012, S.260).

21
7. Reflexionsmodell von Marianne Rabe
Das Modell von Rabe unterscheidet sich stark von den anderen vorherrschenden
Entscheidungsmodellen in der Medizin und Pflege (Lay 2012, S.261). Da sie im
Gegensatz zu anderen Autorinnen und Autoren einen anderen Zugang vor allem zur
Einteilung der Prinzipien in der Pflege besitzt, werden in diesem Kapitel zuerst die
Auffassungen von Marianne Rabe genauer beschrieben (Rabe 2009, S.125).

7.1. Ethische Prinzipien

Abb. 2.: Ethische Prinzipien (Rabe 2009, S.125)

In der Grafik ist ersichtlich, dass die Würde im Mittelpunkt steht, da sie als oberste
Orientierung für die Ethik steht und automatisch alle anderen fünf Punkte beinhaltet. Die
Würde ist vergleichbar mit dem Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant (Rabe 2009,
S.125). Alle sechs Prinzipien stehen miteinander in Wechselwirkung. Wenn ein Prinzip
einem anderen Prinzip übergestellt wird, dann führt es zur Einschränkung der übrigen.
Durch diese definierten Normen ergeben sich die Handlungsgrundsätze, die im
pflegerischen Alltag Einzug halten. Es darf aber nicht lediglich Deduktion zur Anwendung
kommen, sondern trotz der vorgegebenen Prinzipien muss eine Reflexion der individuellen
Situation entsprechend durchgeführt werden (Rabe 2009, S.126). Durch das Einhalten der
sechs Prinzipien wird nicht automatisch die Handlung der einzelnen Person richtig bzw.
gut, sondern jede und jeder muss trotzdem die Fähigkeit besitzen, die allgemein gültigen
Normen auf eine gegenwärtige Situation umzumünzen. Das setzt Wissen voraus, welches
das richtige Einschätzen von Situation ermöglicht und die genaue Zuordnung eines
Prinzips oder mehrerer Prinzipien (Rabe 2009, S.126–127).

22
7.1.1. Würde
Cicero beschrieb, dass jeder Mensch Würde besitzt, dies aber erst mit moralisch korrekten
Handlungen beweisen muss. Die Würde ist das höchste Gut, das ein Mensch besitzt.
Deswegen muss immer darauf geachtet werden, dass dieser Wert im Vordergrund steht
(Kemetmüller 2013, S.26). Da der Begriff „Würde“ schwer zu definieren ist, steht dieser
Begriff oft in Kritik. Dies erhöht den Druck, die anderen Prinzipien genau zu beschreiben,
da so auch die Würde näher bestimmt wird (Rabe 2009, S.128). Vor allem Immanuel Kant
war für die Definition von Würde prägend und ist dies noch bis heute. Er beschreibt, dass
die Würde ein absoluter innerer Wert und unvergänglich ist. Außerdem ist dieser Wert
immer vollkommen und es gibt keine von Mensch zu Mensch unterschiedliche Verteilung
(Haltmayer & Heintel zit. in Kemetmüller 2013, S.27). Die Definition von Würde in Medizin
und Pflege wird unterschiedlich gedeutet. In der Medizin steht die Würde stark im
Zusammenhang mit dem Prinzip der Autonomie. Im Gegensatz dazu ist in der Pflege die
Fürsorge mit der Würde verbunden. Da, wie vorher schon erwähnt, alle Prinzipien in
wechselseitiger Beziehung stehen, darf nicht vergessen werden, dass jedes Prinzip
unabhängig von der beruflichen Tätigkeit von Bedeutung ist (Rabe 2009, S.129). Dass die
Würde auch an Wert behält, wenn der Patient oder die Patientin schon verstorben ist,
zeigt der Umgang, denn selbst, wenn die Person kein Leben mehr in sich hat, wird er bzw.
sie immer mit Würde und Respekt versorgt (Rabe 2009, S.132). Würde ist unersetzbar
(Kemetmüller 2013, S.27).

7.1.2. Autonomie
Das Wort Autonomie wird im alltäglichen Umfeld oft falsch interpretiert. Im ursprünglichen
Sinn bedeutet es „Selbstgesetzlichkeit“. Dieser Ansatz wurde von Immanuel Kant
aufgenommen (Rabe 2009, S.129). Er beschreibt die Autonomie so, dass es nicht
bedeutet, dass jede und jeder uneingeschränkte Selbstbestimmung hat, sondern, dass
sich jeder Mensch an seine Normen hält, die er bzw. sie sich selbst ausgewählt hat (Rabe
2009, S.130). Jedoch darf die Autonomie nicht als reines individuelles Prinzip des
einzelnen Menschens gesehen werden, da sonst der anthropologische Hintergrund, dass
der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist und sich erst durch das Zusammenleben mit
anderen definieren kann, außer Acht gelassen wird. Die Autonomie ist ein wichtiger Punkt
im heutigen Gesundheitswesen, da durch die Modernisierung der Institution die Wahrung

23
der Autonomie immer mehr gefährdet ist. Außerdem ist die paternalistische Tradition im
Krankenhaus immer noch vorherrschend was auch nicht zum Wohle des autonomen
Patienten und der autnomen Patientin ist (Rabe 2009, S.130). Mittlerweile wird versucht,
durch gute Aufklärung und der informierten Zustimmung der Patienten und Patientinnen
den eigenen Willen in den Vordergrund zu stellen, sodass sich der Klinikalltag vom
Paternalismus entfernt (Rabe 2009, S.131). Selbstbewusste und fordernde Betroffene sind
aus der Sicht der Pflegenden das am häufigsten auftretene Problem, wenn es um die
Autonomie geht, da sich das Pflegepersonal oft wie Dienstboten vorkommt (Rabe 2009,
S.132). Vor allem bei Patientinnen und Patienten, die sich nicht mehr verbal ausdrücken
können, wird von den Pflegekräften im speziellen ein hohes Maß an Sensibilität gefordert,
damit die nonverbalen Wünsche und Bedürfnisse erkannt werden und so die Autonomie
gewahrt und zum Wohl des Betroffenen gehandelt werden kann. Das wichtigste in bezug
auf die Autonomie ist es, dass die Pflegenden nicht die Fachkompetenz als einziges Gut
ansehen, sondern durch die individuelle Betreuung auch auf die Patientin bzw. den
Patienten eingehen, auch wenn das bedeutet, dass die Fachkompetenz nicht immer im
Vordergrund steht und auf die Meinung des Betroffenen eingegangen wird (Rabe 2009,
S.134). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Pflegepersonal die Autonomie
des Betroffenene akzeptiert und gleichzeitig individuell die Selbstständigkeit des Patienten
bzw. der Patientin fördert, ohne etwas aufzuzwingen (Rabe 2009, S.134).

7.1.3. Fürsorge
Fürsorge besitzt in der heutigen Zeit eher einen schlecht besetzten Ruf, da sie oft mit
Paternalismus bzw. Maternalismus und Entmündigung gleichgesetzt wird, aber dies muss
differenziert betrachtet werden. Vor allem in der Berufsgruppe der Pflege spielt dieses
Prinzip eine wesentliche Rolle (Rabe 2009, S.134). Das wichtige bei der Fürsorge ist, dass
sie unterstützend ist und nicht mit der Autonomie unvereinbar ist. Es ist außerdem von
Bedeutung, dass verstanden wird, dass auch ein aktiver Patient bzw. eine aktive Patientin
Fürsorge benötigt, da dieser bzw. diese nicht ohne Grund in einem Krankenhaus oder
andersweitigen Einrichtungen aufgenommen wurde. Professionalität zeichnet sich dadurch
aus, dass diese Gratwanderung zwischen Entmündigung und Fürsorge gelingt (Rabe
2009, S.135). Selbstsorge darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen
werden. Erst wenn jede einzelne Pflegeperson Sorge für das eigene Wohl trägt, kann jede
und jeder Fürsorge für den Nächsten aufbringen, ohne sich selbst zu überfordern. Sobald
die Arbeitskraft sich selbst vergisst, fehlen die moralischen Ziele und die Prinzipien können
24
nicht aufrechterhalten bleiben, das gilt insbesondere beim Prinzip der Fürsorge. Erst wenn
die Pflegekräfte für sich selbst gut sorgen, können sie auch gut anderen Fürsorge leisten
(Rabe 2009, S.136).

7.1.4. Gerechtigkeit
Gerechtigkeit ist die gegenseitige Anerkennung von Menschen (Rabe 2009, S.137). Schon
seit der Antike gilt dieses Prinzip als Grundvoraussetzung für die moralische Haltung. Bei
der Gerechtigkeit geht es vor allem um das Leben in einer Gemeinschaft und hierbei ist
die Gleichberechtigung auch von großer Bedeutung. Im Gesundheitssektor ist dies ein
wichtiger Punkt, da jeder Mensch gleich behandelt werden sollte. Auch wenn eine
Patientin oder ein Patient als „schwierig“ gilt, darf diese oder dieser nicht anders behandelt
werden. Es ist zwar selbstverständlich, dass trotzdem Unterschiede gemacht werden, aber
dies darf nur im geringen Ausmaß erfolgen. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass
nicht jeder Gleichbehandlung gleich definiert und dadurch kommt die Individualität wieder
in den Vordergrund. Im Berufsalltag kann durch den vorgegeben Zeit- und Arbeitsdruck
die Gerechtigkeit zu einem Problem werden, da die Zeit fehlt, jedem die angemesse
Betreuung zu bieten. Hierbei muss im Team besprochen werden, inwiefern eine
Einschränkung bei gewissen Patientinnen und Patienten getroffen werden kann, ohne
dass ein Schaden entsteht. Bei diesem Problem sollte auf die Ressourcen geachtet
werden und begutachtet werden, wie diese am besten verteilt werden können (Rabe 2009,
S.138). Eine weitere Ebene, wo Probleme im Hinblick auf die Gerechtigkeit auftreten
können, ist die gesellschaftspolitische. Da die Finanzen immer wieder im Gespräch sind
und die Auseinandersetzung mit dieser Problematik immer vorhanden ist, sollte darauf
geachtet werden, inwiefern Prioritäten gesetzt werden. Da in diesem Bereich immer
wieder Entscheidungen zugunsten jener Lobby, welche den größten Einfluss besitzt
getroffen werden, kann bei dieser Thematik nicht von Gleichberechtigung gesprochen
werden, da hier jene automatisch benachteiligt werden, welche keine gute Lobby besitzen
(Rabe 2009, S.138–139).

7.1.5. Verantwortung
Verantwortung bedeutet, dass die Pflegekraft zu ihren Handlungen steht und zwar nicht
nur gegenüber sich selbst, sondern auch gegenüber der betroffenen Person und der
Gesellschaft. Daraus lässt sich folgern, dass die Verantwortung immer im Zusammenhang
25
mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu sehen ist. Das Prinzip der Verantwortung
kann unterteilt werden in die prospektive und retrospektive Verantwortung. Prospektiv
bedeutet, dass eine Person eine Pflicht hat, die sie bzw. er zu erfüllen hat. Die
retrospektive Verantwortung hingegen beschreibt, dass nach einer Handlung die Folgen
zu verantworten sind. Dies steht meist im Zusammenhang mit einer Schuldzuweisung
(Rabe 2009, S.139). Die Verantwortung erlangte erst seit kurzem für die Pflege
Bedeutung, da dieses Berufsbild früher nur als Assitenzberuf angesehen wurde und erst
jetzt als eigenständige Berufsgruppe an Relevanz gewann. Die Pflegenden führen jedoch
auch in heutiger Zeit Handlungen durch, die sie möglicherweise nicht in Ordnung finden,
aber dieser Bereich fällt unter den „Mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich“. Die Pflegekraft
kann die Handlung hinterfragen bzw. nachfragen, warum diese unbedingt benötigt wird.
Das wichtigste für die Pflegeperson im „Mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich“ ist es, dass
die Pflegende mit dem eigenen Gewissen vereinbaren kann, welche Tätigkeiten sie bzw.
er durchführen kann, da auch die Pflegerin bzw. der Pfleger Verantwortung für die
gesetzte Handlung übernehmen muss, auch wenn sie von dieser Person nicht angeordnet
wurde (Rabe 2009, S.140). Die Verantwortung zeigt sich stark bei der persönlichen und
professionellen Grundhaltung. Erst wenn die Person die persönlichen Kompetenzen zur
Beurteilung angemessener zwischenmenschlicher Beziehungen und deren
situationsbedingten eigener Gefühle besitzt, kann sich die Person der Bedeutung und
Folgen der Verantwortung bewusst werden. Auch das Prinzip der Verantwortung hat einen
Stellwert auf der institutionellen und gesellschaftspolitischen Ebene, auch wenn dieser für
die einzelne Person schwer zu beeinflussen ist, da dies den Führungskräften obliegt. In
einem Punkt überschneidet sich aber die persönliche mit der institutionellen Ebene,
nämlich bei der Vermeidung vom bzw. im Umgang mit Fehlern (Rabe 2009, S.141). Vor
allem im Hinblick auf Fehler ist das Umfeld der Betroffenen von großer Bedeutung, denn
wenn das Umfeld aufgeschlossen und gut ist, so gesteht die einzelne Person einen Fehler
eher ein, als wenn die Teamkollegen schon eine eher feindliche Atmosphäre schaffen. Die
Politik und die Gesellschaft beeinflussen die Verantwortung im Stationsalltag auch
wesentlich, da getroffene Entscheidungen direkte Auswirkungen auf den Arbeitsalltag
haben (Rabe 2009, S.142).

7.1.6. Dialog
Der wichtigste philosophische Ansatz in punkto Kommunikation ist die Diskursethik (Rabe
2009, S.142). Der Dialog kann nicht mit dem argumentativen Diskurs gleichgesetzt
26
werden, da es im Bereich der Pflege um viel mehr geht, zum Beispiel um das Erfassen
von Emotionen und anderen Bedürfnissen auf nonverbaler Ebene. Dieses ethische Prinzip
bezieht sich auf die Ganzheit von Respekt, Gerechtigkeit, Bemühen, Verstehen,
Ernsthaftigkeit und Unvoreingenommenheit und erst wenn diese Punkte im Dialog erreicht
werden gilt dieses Prinzip als angemessen erfüllt. In der heutigen Gesellschaft wird der
Dialog zwischen den Betroffenen und dem Pflegepersonals meist nur funktionalisiert und
auf die eigentlichen Gespräche wird ganz verzichtet. Dabei braucht ein Patient bzw. eine
Patientin oftmals auch ein Gespräch, das sich nicht nur auf die Arbeitshandlungen auf
einer Station beziehen. Vor allem geht es auch darum, bei der Verweigerung einer
Handlung dies nicht nur einfach zu dokumentieren, sondern den Hintergrund dieser
Handlung oder Weigerung zu erfassen und dies kann am besten vonstatten gehen, wenn
ein Dialog geführt wird und auch auf die nonverbalen Äußerungen geachtet wird. Nicht nur
bei der Gesprächsbeziehung zwischen Pflegepersonen und Patienten bzw. Patientinnen
fehlt es an der angemessenen Durchführung, sondern auch bei der Kommunikation
zwischen den einzelnen Berufgruppen. Diese fehlerhafte Kommunikation kann zu
ethischen Problemen und zur Unzufriedenheit am Arbeitsplatz führen. Nicht nur das Team
leidet darunter, sondern die Personen, welche zur Behandlung auf der Station sind,
spüren diese Spannungen. Dies kann dazuführen, dass der Patient bzw. die Patientin sich
unsicher und nicht gut aufgehoben auf der Station fühlt (Rabe 2009, S.143). Die
interdisziplinäre Kommunikation zu verbessern sollte in jeder Institution einen höheren
Stellenwert besitzen, da so auch die allgemeine Qualität der Arbeit verbessert wird. In
Hinblick auf eine ethische Fallbesprechung ist der Dialog ein wichtiger Bestandteil, da eine
gute Gesprächskultur dazu führt, dass ein besseres Ergebnis erzielt werden kann (Rabe
2009, S.144).

7.2. Beschreibung des Reflexionsmodelles


Pflegende müssen bei ihrer Berufsausübung immer wieder Entscheidungen treffen, da
diese aber meist durch die persönliche Nähe und dem Zeitmangel nicht ausreichend
besprochen werden können, steht die Reflexion der Tätigkeiten an erster Stelle. Bei der
Reflexion stehen die vorhanden Kompetenzen der Pflegepersonen im Vordergrund und je
besser diese ausgeprägt sind, umso besser sind die Ergebnisse einer Reflexion. Da die
Ethik meist nur als ein Hilfsmittel zur Lösung von Problemen gesehen wird, kommt es
öfters zu Missverständnissen hinsichtlich der Bedeutung von Ethik im Berufsalltag. Die
meisten Modelle beruhen auf vielen einzelnen Punkten oder Fragen, diese werden meist
27
einfach strukturiert abgehandelt. Das führt dazu, dass es zu einer Begrenzung der
vorhanden Möglichkeiten kommt. Weiters wird der Sinn einer ethischen Reflexion
eingeschränkt, da die meisten Entscheidungsfindungsmodelle nicht viel Platz für eine
individuelle Durchführung lassen, da sie immer ein sehr klares Schema vorweisen (Rabe
2009, S.145). Ein Modell hat den Sinn, dass die wichtigsten zu bearbeiteten Punkte
aufgezeigt werden und dies auch in einer gewissen Reihenfolge erfolgt. Außerdem kann
anhand eines konkreten Falles auch der theoretische Hintergrund in Hinblick auf die Ethik
bearbeitet werden. Vor allem ist ein Modell als Hilfestellung gedacht, dass die
Fallbesprechung nicht vom Thema abweicht und immer fokussiert bleibt. Ein besonderer
Aspekt des Reflexionsmodelles von Marianne Rabe ist es, dass die teilnehmenden
Personen selbst ihre Begründungen formulieren. Außerdem zielt dieses Modell darauf ab,
dass die relevanten Fragen selbst im Laufe der Besprechung formuliert werden und nicht
schon vorgegeben sind (Rabe 2009, S.152). Diese Form der Falldiskussion ist
hauptsächlich darauf ausgelegt, dass retrospektive Fallbesprechungen durchgeführt
werden (Hiemetzberger 2010, S.69). Außerdem war es für Marianne Rabe von großer
Bedeutung, dass ihr Modell nicht nur von Ethikexperten und Ethikexpertinnen durchgeführt
werden kann, sondern dass auch nicht fachlich spezifizierte Pflegekräfte dieses ohne
große Vorkenntnisse anwenden können (Ruppert 2013, S.99). Rabes Schema unterteilt
sich in drei Schritte, die in der nachstehenden Abbildung ersichtlich sind. Diese Form ist
praxisorientiert und zielt auf eine ethische Reflexion ab (Rabe 2009, S.152).

28
Abb. 3.: Modell für die ethische Reflexion (Rabe 2009, S.153)

7.2.1. Situationsanalyse
Der erste Schritt beinhaltet die Schilderung des Problems. Inwieweit dies mehr oder
minder ausführlich gemacht wird, hängt davon ab, wieviel die einzelnen Teilnehmer und
Teilnehmerinnen an Vorwissen zu diesem spezifischen Fall mitbringen. Nachdem dieser
Schritt beendet ist, folgt die Mitteilung der Gefühle und Reaktionen jeder einzelnen und
jedes einzelnen. Dies kann Aufschluss darüber geben, ob noch ein Klärungsbedarf bei der
Fallgeschichte besteht oder nicht. Als nächster Punkt wird die Situation von jeder
beteiligten Person betrachtet, da so alle Beteiligten als Teil der gesamten Situation
anerkannt werden. Dies hat einen hohen moralischen Stellenwert. Nachdem dies
geschehen ist, ist im Normalfall allen die ethische Bedeutsamkeit auch in Hinblick auf die
Pflege bewusst. Es ist auch wichtig, dass die Beziehungen zwischen allen betroffenen
Personen besprochen werden. Es kommt auch öfter vor, dass nicht die gesamte
Fallgeschichte geklärt werden kann. Wenn dies der Fall ist, können auch Vermutungen
angestellt werden, da dies im geschützten Rahmen einer Fallbesprechung Platz findet.
Der letzte Schritt in der ersten Phase befasst sich damit, dass alle
Handlungsmöglichkeiten, die für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bis jetzt ersichtlich
29
sind, gesammelt werden. Dies hat den Zweck, dass aufgezeigt wird, dass es immer mehr
als nur eine Alternative zur Lösung des Problems gibt. Da viele Pflegekräfte oft nicht einen
großen Schatz an verschiedenen Erfahrungen mitbringen, weil sie durch gewisse
Einflüsse nicht in der Lage waren diese zu sammeln, ist diese Form der Besprechung eine
gute Möglichkeit, die Phantasie auszuleben, ohne auf mögliche Beschränkungen
Rücksicht nehmen zu müssen (Rabe 2009, S.154).

7.2.2. Ethische Reflexion


Nach der ersten Phase der Situationsanalyse kommt die Phase der ethischen Reflexion.
Hier wird als erstes die Frage nach dem eigentlichen ethischen Problem geklärt. Nachdem
dies geklärt wurde, sollte auf verschiedene Prinzipien, Grundsätze und Wertehaltungen
zurückgegriffen werden, um die Problematik zu besprechen und zuvor genannte
Handlungsalternativen zu befürworten oder zu verwerfen. Durch diese Diskussion kann
auch die vorherrschende Moral in der Institution in Kritik geraten, da die übergeordneten
Prinzipien, welche am Anfang dieses Kapitels beschrieben wurden, mit der Wertehaltung
auf Station verglichen werden. Die Grundlage für die letzte Phase wird dadurch gelegt,
indem das Prinzip der Verantwortung besprochen wird und die Verantwortlichen der
Situation entsprechend zugeteilt wird (Rabe 2009, S.155).

7.2.3. Ergebnisse
Der letzte große Schritt ist die Phase der Ergebnisse. Als erstes werden die wichtigsten
Punkte der ersten zwei Schritte in der ethisch begründeten Beurteilung zusammengefasst.
Oftmals kommt es hierbei zu einer Uneinigkeit zwischen den Teilnehmerinnen und
Teilnehmer. Nun ist es wichtig, sowohl die Meinungsverschiedenheiten als auch die
einvernehmlichen Ergebnisse noch einmal zusammenzufassen. Hierbei ist es wichtig,
dass die Begründungen zu jedem Punkt hinzugefügt werden, damit alles nachvollziehbar
bleibt. Das Ziel ist es nicht, eine eindeutige konkrete Lösung des Problems zu finden,
sondern dass Tatsachen aufgezeigt werden, die in Zukunft verändert werden können,
damit ein solches Problem nicht noch einmal auftritt. Im weiteren Verlauf kann dies dazu
führen, dass daraus konkrete Vorschläge für den Klinikalltag entstehen, die im
Zusammenhang auf das Vorgehen zur Durchsetzung noch weiter besprochen werden
können (Rabe 2009, S.155).

30
8. Nimwegener Methode
Dieses Modell wurde in der Nimwegener Universität von dem dortigen Ethikkomitee
entwickelt, damit ethische Probleme im interdisziplinären Team gelöst werden können. Die
Methode wurde anschließend so angepasst, dass sie im Akut- und Langzeitbereich und
auch in der Psychiatrie angewandt werden kann (Steinkamp 2012, S.178). Es beinhaltet
vier Phasen und gehört zu der Gruppe der prospektiven Fallbesprechung (Viefhues et al.
zit. in Steinkamp 2012, S.179). Für die Durchführung bedarf es einer Person, die diese
Deliberation moderiert. Diese Person sollte entweder eine Zusatzausbildung im Bereich
Ethik oder in Moderation besitzen. Dieses Modell beruft sich auf die moralische Intuition
jedes einzelnen Menschen, daher besteht ein Zusammenhang zur Alltagsmoral, besser
bekannt auch als „Common sense“. Diese Methode beruht auf fünf Grundannahmen
(Steinkamp 2012, S.179). Die erste ist, dass ethische Probleme immer stark mit dem
Klinikalltag zusammenhängen (ten Have et al. zit in Steinkamp 2012, S.179). Der zweite
Punkt ist, dass das Problem immer klar und verständlich für alle teilnehmenden Personen
formuliert werden soll, damit die darauffolgende Fallbesprechung einen konstruktiven
Ablauf besitzt. Die dritte Annahme ist, dass Analyse, Interpretation und Argumentation
immer im Zusammenhang zueinander stehen und als eine Einheit zu betrachten sind. Der
vierte Punkt ist, dass zwar eine Übereinkunft unter allen Personen wünschenswert ist, dies
aber jedoch nicht zwingend notwendig ist, sofern die vorgebrachten Beweise in sich
schlüssig sind und ein Zusammenhang besteht. Die letzte Grundannahme ist, dass die
Person, die zur Moderation bestimmt wurde, nicht ein Teil der Hierarchie der Station, wo
das Problem aufgetreten ist, ist (Steinkamp 2012, S.179).

31
Abb. 4.: Kurzfassung der Nimwegener Methode für ethische Fallbesprechung (Steinkamp 2012, S.180)

Dieses Modell besteht aus vielen einzelnen Fragen, jedoch kann die Besprechung in vier
größere Teile unterteilt werden, welche in den folgenden Unterkapiteln genauer
beschrieben werden (Gordijn & Steinkamp 2010, S.256).

8.1.1. Problembestimmung
Bevor mit der Problembestimmung begonnen werden kann, muss der Fall vorgestellt
werden. Das Wesentliche dabei ist, dass der Fall so kurz und genau wie möglich
präsentiert wird (Gordijn & Steinkamp 2010, S.265). Am besten ist es, wenn diese
Vorstellung von mehreren Personen von verschiedenen Berufsgruppen durchgeführt wird,
damit die verschiedenen Perspektiven der Situation ersichtlich sind (Gordijn & Steinkamp
2010, S.266). Der erste wichtige Schritt ist, das Problem so genau wie möglich zu
bestimmen. Dadurch wird klar ersichtlich, in welchem Bereich das Problem vorliegt, damit
die Situation eingeschätzt werden kann. Außerdem ist es wichtig, dass es nicht nur in ein
rein pflegerisches oder medizinisches Problem unterteilt wird, sondern die ganze
Gegebenheit betrachtet wird. Nachdem dies klar definiert wurde, geht es darum, das
wichtigste Problem dieser Situation herauszufiltern. Anschließend wird alles klar und
verständlich formuliert, damit die darauffolgende Fallbesprechung nicht länger als eine
Stunde dauert (Gordijn & Steinkamp 2010, S.261). Das Problem wird in eine Frage
formuliert, diese soll auf die Handlungsmöglichkeiten eingehen, damit die Situation nach
der Besprechung mit der bestmöglichen Option gelöst werden kann, welche jede einzelne
Person mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Außerdem wird mit der Formulierung der
Frage auch die Zielsetzung dieser Zusammenkunft verdeutlicht (Gordijn & Steinkamp
2010, S.262). Nun geht es darum, die verschiedenen Fragen und Probleme zu ordnen.
Dies erfolgt dadurch, dass das Team sich untereinander bespricht und jede und jeder sich
mit ihrer bzw. seiner moralischen Intuition auseinandersetzt. Die verschiedenen
Perspektiven werden im Team diskutiert, um daraufhin das Hauptproblem zu identifizieren.
Hierbei ist es wichtig, dass die einzelnen Personen ihre Intuition in Wörter fassen und ihre
Beweggründe mit der Theorie der Ethik begründen. Nachdem die Ausgangsfrage
gefunden wurde, kann im Prozess der nächste Punkt angesprochen werden (Gordijn &
Steinkamp 2010, S.263).

32
8.1.2. Inventarisieren und Verstehen der Situation
In der zweiten Phase liegt das Hauptaugenmerk auf dem Zusammentragen aller
vorhandenen Fakten. Dabei wird nicht nur der medizinische Hintergrund vorgetragen,
sondern auch die pflegerischen, weltanschaulichen und organisatorischen
Gesichtspunkte, damit so viele professionelle Sichtweisen vorhanden sind wie möglich
(Gordijn & Steinkamp 2010, S.267). Hierbei ist es wichtig, dass die Fakten objektiv
dargestellt werden. Die besondere Wichtigkeit dieser Phase liegt darin, dass der Fall nicht
voreilig verallgemeinert wird und die Vielschichtigkeit eines Falles erhalten bleibt (Gordijn
& Steinkamp 2010, S.268). Neben der Darstellung der Situation kommt noch der Punkt der
Interpretation hinzu. Nachdem alle Fakten klar sind, können die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer sich zur Einschätzung der Tatsachen in Hinblick auf die betroffene Person
äußern. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten zur Lösung des Problems (Gordijn &
Steinkamp 2010, S.270).

8.1.3. Ethische Bewertung


In der dritten Phase geht es darum, die Werte und Normen im Team zu besprechen, damit
anschließend die Handlungsoption miteinander verglichen werden können. Hierbei ist es
wichtig, in die Sicht der betroffenen Person zu schlüpfen, damit die eigene Meinung nicht
im Vordergrund steht. Es geht bei jeder Besprechung darum, zum Wohle des Patient zu
handeln und nicht darum, was eine Person aus dem Team für das Beste hält. Im
Gesundheitswesen haben viele Prinzipien einen hohen Stellenwert. Bei der Nimwegener
Methode ist es wichtig, dass diese Werte aufgezeigt und besprochen werden, aber sie
dürfen nur als Hilfestellung zur Lösung des Problems genutzt und nicht als unumgängliche
Norm betrachtet werden. Nachdem alle Werte aufgezeigt wurden, ist es in weiterer Folge
wichtig, dass jene Prinzipien herausgefiltert werden, welche für die konkrete Situation von
Bedeutung sind. Diese Werte dienen als Ausgangspunkt für den weiteren Verlauf der
Deliberation (Gordijn & Steinkamp 2010, S.271). Als nächster Schritt werden die
ausgewählten Prinzipien individuell an die Ausganssituation angepasst. Hierbei wird die
Sicht von dem Patienten bzw. der Patientin eingenommen und auch die Sicht der
verschiedenen Berufsgruppen. Als letzter Punkt in dieser Phase gilt, dass aus der Intuition
auf die Reflexion geschlossen wird. Dies passiert nicht in einem großen Schritt, sondern
vollzieht sich im Laufe des Prozesses in kleinen vielen Abschnitten, jedoch sollte vor der
Beendigung der dritten Phase die Reflexion erreicht sein (Gordijn & Steinkamp 2010,
S.272).
33
8.1.4. Beschlussfassung
Die letzte Phase beginnt mit der im ersten Schritt formulierten Frage. Nun wird überprüft,
ob die Frage nach der Diskussion gleich geblieben ist oder ob etwaige Änderungen im
Laufe des Prozesses stattgefunden haben. Ist dies der Fall, so muss die Frage neu
formuliert werden. Anschließend werden die Ergebnisse noch einmal zusammengetragen
und kurz und bündig wiedergegeben. Hierbei kann es vorkommen, dass das Team
herausfindet, dass gewisse Fragen noch nicht beantwortet geworden sind. Wenn dies der
Fall ist, so muss im Team entschieden werden, ob trotzdem eine Entscheidung getroffen
werden kann oder ob die offengebliebenen Fragen noch bearbeitet werden müssen. Dies
ist von großer Bedeutung für den Verlauf der weiteren Besprechung, da die Entscheidung,
die getroffen wird, für alle beteiligten Personen verbindlich ist. Es kann der Fall sein, dass
für manche durch die offen gebliebenen Punkte eine Entscheidung nicht denkbar ist, weil
sie das mit ihrem Gewissen nicht verantworten können. So obliegt es der Gruppe, alle
fehlenden Bestandteile zusammenzutragen. Im letzten Schritt wird ein einheitliches
Ergebnis angestrebt. Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig, da es auch dazu kommen
kann, dass zwei oder mehrere Handlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden.
Wenn dies der Fall ist, zeigt es nur auf, wie komplex der Klinikalltag ist und es auch sein
kann, dass mehrere Möglichkeiten denkbar sind. Dabei ist es nur von Wichtigkeit, dass die
Lösungsvorschläge alle gut begründet werden können und diese auch logisch sind
(Gordijn & Steinkamp 2010, S.274–275).

34
9. Vergleich Reflexionsmodell und Nimwegener Methode
Beide Modelle gehören zu der Gruppe der Fallbesprechungen, jedoch sind ihre
Ansatzpunkte verschieden (Steinkamp 2012, S.177, Rabe 2009, S.152). Marianne Rabe
kritisiert die Modelle, welche mit vielen einzelnen Fragen auf die Lösung des Problems
hinsteuern, da sie findet, dass dadurch ein starres Konstrukt entsteht und so die Reflexion
vergessen wird. Außerdem ist Frau Rabe der Ansicht, dass so die beteiligten Personen
glauben, dass sie unabhängig von ihrem Vorgehen, immer die richtige Entscheidung
treffen werden, da dieses Schema alles genau vorgibt (Rabe 2009, S.145). Die
Nimwegener Methode ist ein Beispiel dafür, dass der Fall in vielen einzelnen
Fragestellungen bearbeitet wird (Ruppert 2013, S.101). Das Reflexionsmodell von
Marianne Rabe hingegen teilt sich nur in drei Hauptschritte. Diese Schritte beinhalten nur
wenige Unterpunkte, welche für die Reflexion der beteiligten Personen eine
unterstützende Wirkung haben sollen (Rabe 2009, S.153). Sie sieht den Sinn einer
Fallbesprechung darin, alles genau zu reflektieren und auf die individuellen Gedanken
jeder einzelnen und jedes einzelnen einzugehen, ohne dass ein starres Schema
vorgegeben ist. Durch diese Art der Deliberation werden auch automatisch die einzelnen
ethischen bzw. moralischen Grundgedanken wiederholt. Durch ihr Modell wird auch die
Kommunikation bzw. die Ausdrucksweise der teilnehmenden Personen geschult, da sie
sich immer klar und verständlich äußern und ihre Sichtweise begründen müssen.
Marianne Rabe sieht auch vor, dass die relevanten Fragen in Hinblick auf den
spezifischen Fall von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst definiert werden, um
anschließend beantwortet zu werden (Rabe 2009, S.152). Das Reflexionsmodell ist ein
kontextbezogenes und prinzipienorientiertes Modell (Rabe 2009, S.158). Im Gegensatz
dazu ist die Nimwegener Methode nicht eindeutig ein Verfahren, das den ethischen
Grundgedanken besitzt (Körtner 2012, S.139). Beide Modelle gehören zu der Gruppe der
prospektiven Methode (Rabe 2009, S.153; Gordijn & Steinkamp 2012, S.253). Die
Nimwegener Methode bezieht sich auf die vier Prinzipien, die von Beauchamp und
Childress definiert wurden (Steinkamp zit. in Ruppert 2013, S.100). Im Gegensatz dazu
bezieht sich das Reflexionsmodell auf die sechs Prinzipien, die Marianne Rabe selbst
ausgewählt hat, worauf ihre Fallbesprechung dann aufgebaut wird (Rabe 2009, S.125).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass beide Modelle ihre Vor– und Nachteile
besitzen, jedoch jedes Team selbst entscheiden muss, welche Methode für den jeweils
vorliegenden Fall besser geeignet ist bzw. mit welcher Methode das Team effektiver zu
einer Lösung kommt.

35
10. Fazit
Ein ethisches Problem entsteht dann, wenn die moralische Intuition nicht in der Lage ist
eine Entscheidung zu fällen (Gordijn 2000, S.114). Wenn es mehrere Wahlmöglichkeiten
gibt, um eine bestimmte Situation zu bewältigen, aber die betroffene Person sich nicht
sicher ist, welches dieser Möglichkeiten, die beste ist, dann wird von einem Problem
gesprochen (Hiemetzberger 2010, S.62). Dadurch dass die Medizin immer mehr
Möglichkeiten der verschiedenen Therapieformen besitzt und die Autonomie der
Patientinnen und Patienten immer mehr steigt, kommt es auch zu einer höheren Zahl an
ethischen Problemen, da das bewusste Wahrnehmen von Ethik und Moral in Bezug auf
den Alltag gewachsen ist (Gordijn & Steinkamp 2012, S.88).

Fallbesprechungen dienen zur Findung einer Lösung, wenn ein ethisches Problem in der
Praxis aufgetreten ist, durch die Struktur eines Modells kann effektiv eine Lösung
gefunden werden, da dies das Abschweifen vom eigentlichen Thema verhindert (Ruppert
2013, S.96).

Eine grobe Einteilung einer allgemeinen Fallbesprechung lässt sich in drei Punkte
unterteilen, nämlich in „Sammlung und Verarbeitung von Informationen“, „Lösungssuche
und vorläufige Entscheidung“ und der letzte Punkt ist „Planung der Umsetzung/
Dokumentation“ (Albisser Schleger 2012, S.252). Es gibt viele unterschiedliche Modelle,
welche verschiedene Methoden zur Lösung eines Problems darstellen. Welches Modell
zum Einsatz kommt, hängt vom jeweiligen Team ab und so gibt es auch dann mehr oder
gleich viele Überpunkte, wie oben beschrieben (Lay 2012, S.258).

Die Grundlage des Modells ist die von Frau Rabe zusammengestellten sechs Prinzipien,
die sie als wichtig benennt hat. Im Mittelpunkt steht das Prinzip der Würde, da dies immer
von den anderen beeinflusst wird. Die anderen fünf sind Autonomie, Fürsorge,
Gerechtigkeit, Verantwortung und Dialog (Rabe 2009, S.125). Das Reflexionsmodell von
Marianne Rabe unterteilt sich in drei Schritte. Diese Schritte sind Situationsanalyse,
ethische Reflexion und Ergebnisse (Rabe 2009, S.153). Bei dieser Methode steht die
Reflexion im Vordergrund, da durch die wenige Anzahl an Unterpunkten, die individuelle
Meinung jedes einzelnen Teammitgliedes besser hervorkommt. Durch die Offenheit des
Modelles werden auch automatisch die Grundsteine der Ethik und Moral
durchbesprochen. Außerdem wird auch die Kommunikation gefördert, da jede
Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ihre bzw. seine Sichtweise für alle verständlich

36
dargestellt werden muss, damit anschließend die ethische Frage klar definiert werden
kann (Rabe 2009, S.152).

Die Nimwegener Methode wird in vier Stufen eingeteilt, welche „Problembestimmung“,


„Inventarisieren und Verstehen der Situation“, „ethische Bewertung“ und
„Beschlussfassung“ sind (Steinkamp 2012, S.180). Das Modell baut auf fünf
Grundannahmen auf (Steinkamp 2012, S.179). Die einzelnen Hauptpunkte sind noch
einmal in viele Unterfragen unterteilt (Ruppert 2013, S.101). Mit dieser Methode werden
Fallbesprechungen im multidisziplinären Team durchgeführt. Durch die hohe Anzahl an
Fragen kann ein strukturierter Ablauf der Besprechung gewährleistet werden (Steinkamp
2012, S.179).

Durch die genaue Betrachtung der zwei Modelle konnten wesentliche Unterschiede
festgestellt werden.
Das Reflexionsmodell gibt sehr wenig Punkte zur Bearbeitung des vorliegenden Problems
vor (Rabe 2009, S.153). Im Gegensatz dazu gibt die Nimwegener Methode viele
Einzelfragen vor, damit die Besprechung eine genau Struktur besitzt (Steinkamp 2012,
S.179). Das Modell von Rabe stützt sich auf sechs Prinzipien (Rabe 2009, S.125). Das
Nimwegener Modell hingegen geht von den vier Prinzipien, die von Beauchamp und
Childress definiert worden sind aus (Steinkamp zit. in Ruppert 2013, S.100).

Abschließend kann gesagt werden, dass sobald ein komplexes ethisches Problem in der
Praxis auftritt, auf die Inanspruchnahme eines Entscheidungsfindungsmodelles
zurückgegriffen werden soll, da so eine effiziente Lösung des Problems sichergestellt
werden kann (Ruppert 2013, S.97).

37
11. Literaturverzeichnis
Albisser Schleger, H., Mertz, M., Meyer- Zehender, B. & Reiter- Theil, S. 2012,
Klinische Ethik- METAP, Leitlinie für Entscheidungen am Krankenbett, Springer Verlag,
Berlin.

Beauchamp, T. & Childress, J. 2013, Principles of Biomedical Ethics, 7. Auflage,


Oxford University Press, New York.

Benner, P. 2012, Stufen zur Pflegekompetenz, From Novice to Expert, 2., vollständig
überarbeitete und ergänzte Auflage, Verlag Hans Huber, Bern.

Dorfmeister, M., Hiemetzberger, M. & Messner, I. 2010, Berufsethik und Berufskunde,


Ein Lehrbuch für Pflegeberufe, 2., aktualisierte Auflage, Facultas Verlag, Wien.

Gordijn, B. 2000, „Ethische Diskussionen im Team, Nimweger Modell der


multidisziplinären ethischenFallbesprechung“ in Die Schwester Der Pfleger, 2, 39 Jg.
S.114–117.

Gordijn B. & Steinkamp, N. 2010, Ethik in Klinik und Pflegeeinrichtungen, Ein


Arbeitsbuch, 3. Auflage, Luchterhand, Deutschland.

Großklaus- Seidel, M. 2012, „Pflegeethik als kritische Institutionsethik“, in Monteverde,


Settimio (Hrsg.), Handbuch Pflegeethik, Ethisches denken und handeln in den
Praxisfeldern der Pflege, Kohlhammer, Stuttgart, S.85–97.

Kemetmüller, E. 2013, „Philosophische Grundlagen“, in Kemetmüller, E. & Fürstler, G.


(Hrsg.), Berufsethik, Berufsgeschichte und Berufskunde für Pflegeberufe, Facultas
Verlag, Wien, S.11–45.

Körtner, U. 2012, Grundkurs Pflegeethik, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage,


Facultas Verlag, Wien.

Lay, R. 2012, Ethik in der Pflege, Ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung,
2., aktualisierte Auflage, Schlütersche Verlag, Hannover.

38
Ruppert, S. 2013, „Entscheidungsfindungsmodelle in der Ethik“, in Kemetmüller, E. &
Fürstler, G. (Hrsg.), Berufsethik, Berufsgeschichte und Berufskunde für Pflegeberufe,
Facultas Verlag, Wien, S.95–108.

Rabe, M. 2009, Ethik in der Pflegeausbilung, Beiträge zur Theorie und Didaktik, Verlag
Hans Huber, Bern.

Steinkamp, N. 2012, „Methoden ethischer Entscheidungsfindung im Pflegealltag“, in


Monteverde, S. (Hrsg.), Handbuch Pflegeethik, Ethisches denken und handeln in den
Praxisfeldern der Pflege, Kohlammer, Stuttgart, S.175–192.

39
12. Anhang
Im Anhang befindet sich das Suchprotokoll vom 18.02.2015. Es wurde in PubMed nach
passenden Studien gesucht.

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AND nurs*

Diese Studien wurden gefunden, aber bei genauerer Betrachtung nicht als passend
eingestuft:

 Disclosing the truth: a dilemma between instilling hope and respecting patient
autonomy in everyday clinical practice. -Sarafis P., Tsounis A., Malliarou M. &
Lahana E.
 Applying an ethical decision-making tool to a nurse management dilemma. -Toren
O. & Wagner N.

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