Beurlaubung
Chantal Reiher
Sehr geehrte Frau Hehl,
hiermit beantrage ich, meine Tochter Chantal Reiher, Klasse FOS12B, am 24.09.2021 ab Uhr zu
beurlauben.
Sie wird an diesem Tag nicht am Unterricht teilnehmen, sondern auf eine Demonstration für
eine lebensrettende Klimapolitik gehen.
Am 24.09.2021 ab findet in Bergisch Gladbach , Bergisch Gladbach , eine Demonstration von
Schüler*innen für eine lebensrettende Klimapolitik unter dem Motto "#FridaysForFuture" statt.
Nach dem Vorbild von und in Solidarität mit Greta Thunberg, die jeden Freitag vor dem
schwedischen Parlament streikt, ist die Bewegung inzwischen auf der ganzen Welt vertreten.
Der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung für unsere Zukunft. Unsere Kinder werden die
ersten Leidtragenden des Klimawandels sein. Gleichzeitig sind wir die letzte Generation, die
einen katastrophalen Klimawandel noch verhindern kann. Doch unsere Politiker*innen
unternehmen nichts, um die Klimakrise abzuwenden.
Die Treibhausgas-Emissionen steigen seit Jahren und noch immer werden Kohle, Öl und Gas
abgebaut und verbrannt. Deswegen geht mein Kind freitags nicht in die Schule. Denn mit jedem
Tag, der ungenutzt verstreicht, wird ihre Zukunft aufs Spiel gesetzt!
#FridaysForFuture ist weder an eine Partei noch an eine Organisation gebunden. Die
Klimastreik-Bewegung hat ihre eigene Dynamik und wird durch hunderte individuelle junge
Menschen getragen, die freitags streiken, eine Website aufbauen, Pressemitteilungen schreiben,
Reden halten, Lautsprecher organisieren und vieles mehr.
Die Bewegung hat im Vorfeld schon viel Unterstützung erfahren, ist allerdings auch oft auf
Ablehnung gestoßen, meist aufgrund von Unsicherheit und der Angst vor negativen
Konsequenzen.
Mit diesem Antrag möchte ich klarstellen, dass ich mich mit der rechtlichen Grundlage von
Schülerstreiks sorgfältig auseinandergesetzt habe:
In Artikel 20a des Grundgesetzes ist festgehalten, dass der Staat die natürlichen
Lebensgrundlagen schützt und Verantwortung für die künftigen Generationen trägt.
Dieser Pflicht den künftigen Generationen gegenüber kommt der Staat allerdings nicht nach,
weshalb für uns gilt: "Wir streiken, bis ihr handelt!"
Wir berufen uns bei unserem Streik vor allem auf unser Recht auf Demonstrationsfreiheit,
welches jedem Menschen in Deutschland zusteht (GG, Art. 8). Außerdem ist in der allgemeinen
Schulordnung die Meinungsfreiheit aller Schüler*innen festgehalten (AschO, § 36).
Die Teilnahme und Mitorganisation dieser Veranstaltung steht im Einklang mit dem in § 2
SchulG NRW festgehalten Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, insbesondere mit §2 (2)
„Die Jugend soll erzogen werden im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit,
[...], zu Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage, [...]“
Zudem wird wie in §2 (4) festgeschrieben dadurch die „Entfaltung der Person, die
Selbstständigkeit (von) Entscheidungen und das Verantwortungsbewusstsein für das
Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt“ gefördert, auch handelt es sich hierbei um einen
Beitrag zum ebenfalls in diesem Absatz definierten Erziehungsauftrag, die Schüler*innen „zu
befähigen, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen,
kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten“
Auch legt §2 (6) unter anderem fest, Schüler sollten „insbesondere lernen, selbstständig und
eigenverantwortlich zu handeln, für sich und gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen
zu erbringen, die eigene Meinung zu vertreten und die Meinung anderer zu achten,“
Obwohl das Schulministerium NRW in einer Rundmail empfiehlt, die Teilnahme an
Klimademonstrationen während der Schulzeit zu ächten, da diese einen Streikcharakter
enthielten und Schülern kein Streikrecht zusteht, ist in diesem Falle zu entgegnen, dass der
primäre Charakter dieser Veranstaltung der einer Kundgebung ist. Die Uhrzeit ist nicht bewusst
so gewählt, einen Konflikt mit der Schulpflicht zu provozieren, was sich erstens daraus ergibt,
dass sich die Veranstaltung nicht primär an Schüler richtet und die Uhrzeit von Gewerkschaften
explizit erbeten wurde, da es ihnen dadurch einfacher wird, Teilnehmer aus der Arbeitswelt zu
mobilisieren
Zudem ist im Falle einer Ablehnung zu beachten, dass damit die in §8 Grundgesetz festgelegte
Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird, bei der viele Juristen der Auffassung sind, dass sie
über der §38 SchulG NRW festgelegten Schulpflicht in der Sekundasrstufe II steht, zum einen da
das Grundgesetz im allgemeinen über anderen Gesetzen steht, zum anderen da das deutsche
Rechtsprinzip „Bundesrecht bricht Länderrecht“ gilt; Insofern bitte ich gegebenenfalls eine
Ablehnung genau zu prüfen.
Da die Demonstration eine vom Grundgesetz geschützte Form der Meinungsäußerung ist, die
allen Schüler*innen zusteht (GG, Art. 8), und sich der Streik außerdem für eine Politik stark
macht, welche unser aller Überleben auf diesem Planeten sichert, kann mein Kind den
staatlichen Bildungsauftrag dort am 24.09.2021 besser wahrnehmen, als in der Schule selbst.
Ich nehme zur Kenntnis, dass es sich bei der Demonstration nicht um eine Schulveranstaltung
handelt und die Lehrer*innen keine Aufsichtspflicht haben. Der Veranstalter stellt für die Dauer
der Versammlung volljährige Ordner*innen.
Ich bitte darum, unter diesen besonderen Umständen von einer Eintragung unentschuldigter
Fehlstunden abzusehen.
Mit freundlichen Grüßen
Bergisch Gladbach , den 17.08.2021 __________________________
Unterschrift der/des Erziehungsberechtigten