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Emil Lask DC1804 de Fichte y Espiritu

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<r<u*


lüfl

M&MMM?
•"^.
Fichtes Idealismus
und die Geschichte

Von

Dr. Einif Lask-

Tübingen und Leipzig.

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)

I0O2.
600096_
Meinen Eltern gewidmet
Vorwort.

uns (iesehiehtsphilosophie «Inf in ihren W«


In hm pos bekannt ^el Im Im lr«>l/<lrm «l.is
als
rcchtigk ein hcndcren Behandlaag 1 1 Ell n j
intiNs ich ober die eigentümlichen Geekhtspuukk h»«hcn-
itt ablegen, unter denen nur Darstellung der Geschieh U-

philosnphie (|«s dciits« In ii Idealismus hin von \» ui-m ver-


mcbf wird
Di« VOfikgeodfl AiImiI verdankt nämlich ihn I

sirhunu den modernen Untersuchungen über dk k)0ei


Struktur «Irs Historischen Vor allem hat die von Hu khht
unternommene (»ertragun^ der exakt methodologischen
I

Khungs weise von der Methode dei Naturwissenschaften


die sie bisher fast ausschliesslich annew.mdt worden
war, .ml dk det Geschichtswissenschaften «Im Wunsch
li-rruim dk Ansalze einer logischen
Historischen euch In der frühen n Philosophie /u varibk
>li.it su h iwaj dk s i>« -kui itmn klassischen mann
In > um im- kritische Analyse der gCSChichtSW iss«
<

1a fluchen licitrifTshilduiig noch kaum gekümmert \bcr


in« btl lestoweniger tauch! Its damnl dk Krage am h
l.i^enlumluhkeil .1 nst.in
Ulf
Aus dieser Beobachtn ache <Ma Au%abc dk \n-
fäni r fleschn htsphilosophisrlu n licgriffsbildunu in
• •n in. i zu untersuchen und inJolgedeeeeu grade
formal« iffh.hr Seite des gsschichtspInlasopM-
ecbea Denkern der gleichsam dk Logik das Werfens in
m h ichtsphiloaophk des deutschen Ide.itismai mit
vUSSter I insrili^k« it In iten Ich bin mir ako
vollkommen darüber kkir. überall nur die logische Mruklui
— VI —
der geschichtsphilosophischen Weltanschauung enthüllt, die
ganze Spekulation nur in methodologischer Beleuchtung
behandelt zu haben. Auch wo der Gegenstand meiner Dar-
Methodologie der Geschichte ist, wurde
stellung nicht
darum das Verfahren meiner Untersuchung zu einer Metho-
dologie der Geschichtsphilosophie.
In der „Einleitung" wird auseinandergesetzt, warum
die Klarlegung des erkenntnistheoretischen Unterhaus
von Fichtes Geschichtsphilosophie einen so breiten Raum
einnimmt. Auch hierbei kam es mir in erster Linie auf eine
scharfe problemgeschichtliche Kennzeichnung gewisser
logischer und erkenntnistheoretischer Principien des deut-
schen Idealismus an, so dass dieser Bestandteil der Schrift
ebensosehr als ein Beitrag zur Geschichte des logi-
schen Individualitäts- und Irrationalitätsproblems
wie eine Specialuntersuchung über Fichte angesehen
als
sein will. Da ich vor allem versuchen wollte, die Wirk-
samkeit einzelner erkenntnistheoretischer Tendenzen, die
über Fichte hinausweisen und die Wissenschaftslehre
in den Zusammenhang der gesamten neueren theore-
tischen Spekulation einreihen, um ihrer nicht blos histo-
rischen, sondern sachlichen und systematischen Bedeutung
willen aufzudecken, musste ich die scheinbare Kontinuier-
lichkeit von Fichtes philosophischer Entwicklung arg
zerstören, sowie das durch die Persönlichkeit so geschlossen
auftretende System viel stärker in seine latenten und un-
persönlichen Komponenten zerlegen und viel rücksichtsloser
bis zu seinen letzten, oft gleichsam nur in problemgeschicht-
lichem Sinne gesondert existierenden Faktoren vordringen,
als dies bisher hinsichtlich Fichtes erstrebt worden ist.
Die strenge Durchführung des problemgeschichtlichen Cha-
rakters zwang daher aus unvermeidlichen methodischen
Gründen zu einer gewissen Gleichgiltigkeit gegen die ur-
sprüngliche lebendige Einheitlichkeit des Fichteschen Den-
kens. Weil es sich ausserdem um lauter Probleme der
theoretischen Transscendentalphilosophie handelte, musste
an vielen Punkten die überragende Stellung Kants deutlich
hervortreten. Die verhältnismässig geringe Beachtung, die
grade die von mir behandelten Gegenstände bei Fichte
bisher gewöhnlich erfuhren, machte ein etwas reichliches
Citieren erforderlich.
VII

/um s« hhiss s|.M.in Ich mich im diciMi Stelle denen


inrimii D.ink aus, deren akndcnn .. h« i
BteoicM hl
l

PhllOtopbU im muh \<>ti enlacbeiii« n<i« i Bedeutung wnrdr


Herren 1'rofrsMirrii Hu
n.unli« h «In» ki i i Winum.iiim» und
,

Mi \si i
Voi iillem :ih< i in h aiieh hin imn.
Hu ki in. diinkni, dn mir /ti B*
H.iiii I'm»Ii'sm»i
ginn inriiH Studiums den Sinn Im philosophiichl Poticlw
rrsrhloss. auf meine w issniM h.iflh« h» u BeetrebttagN den
bestimmenden Kinlluss ausuhte, UOd dessen uiimiiinllhh.i
Hilft* Ich fttetl giOI unvergMchHcIlC Förderung verdanktr

Kmil Lask.
Digitized by the Internet Archive
in 2008 with funding from
Microsoft Corporation

http://www.archive.org/details/fichtesidealismuOOIaskuoft
Inhalt.

Einleitung. DU Logik des Wertem In der Geschichts-


phllosophle des deutschen Idealismus
I leSSteSSSS*] il. Ttoi tHt en für dm Kalltr
iH-tfriff I »lmnah%mu% in
i werten» (
in* de» Kinxrlnrn m
i. GefrmaU /um kultu
oiMIl ( M n Hr
deu lungm ron ntt%* and vj|imh*v
«ifffclfhtc des hultiirpr«*blrm% IS).
»ie: Beginnend« Untertorhnns drr logier hm struktur
des GsscMrsHlirhm < 21 Pessstsssssjg des eHeJMtjrtea
togforfcen und

erster Teil Die logischen Voraussetzungen von Ksnts


und Heprels RstlonsJtsmus und die Einordnung- Fiehtes
In den Entwlcklung-sjrtng der deutschen Spekulation
iuui( «Irr »nslTtbriWn sssd der

Kapitel Kanh »na tr*n% »

• jlrn Hrnri f f \
tritt

\ Dil Ke>glS< hr struktur <lc% \r mn%%* r n«trn-


n te grifft im »Ilsen
.

USSftiegiiiiS drr an»JyU*rhrn lja0k mmt da»

ErkeSMrtSÄWlfmlirhkrfl ntt«l «Irr DsSSSSSSSfti drr

H Der lrs)(Ss«4 Isllsgl**: hr gufslh


triff
— X —
C. Die Mathematik als Mittelglied zwischen
analytischer und emanatistischer Logik 39
Die Möglichkeit der „Konstruktion" als Voraus-
setzung für die vollständige Rationalität des
Individuellen ( — 44). Maimon ( 46). Subordi- —
nation und Koordination in der Logik der Mathe-
matik (—51).
D. Die ideale Logik des intuitiven Ver-
standes 51
Die Idee eines intuitiven Verstandes als neue
Beleuchtungsart der Irrationalität. In der Unend-
lichkeit liegende Überwindung der Kluft zwischen
Begriff und Anschauung. Mathematische Ana-
logien (—56).
II. Kapitel. Hegels ernannt ist ische Logik . . . 56
Polemik gegen die Trennung von Form und Inhalt
(—58;. Endgiltige Lösung des transscendentallogischen
Zufalls- und des metapln sischen Endlichkeitsproblems
durch die Lehre vom dialektisch bewegten, die Wirk-
lichkeit aus sich entlassenden «Begriff* 62). Gegen <

logischen Atomismus 63).


< Hegels Begriffslehrc in
logischer Hinsieht i\cv reife Abschluss aller früheren
Metaphysik (—67).
III. Kapitel Pichtes Stellung in der Entwick-
lungsreihe der rationalistischen Systeme - - 68
Kl Fichte kritischer Rationalist wie Kant oder abso-
luter wie Hegel? ( —
72). Wandlungen innerhalb der
älteren Wisscnschaltslchre 71 I'roblcmgcschichl-
{ .

licher Charakter unserer Ausführungen 75). (

Zweiter Teil. Fichtes Rationalismus und die Irrationa-


lität des Empirischen 77

Erster Abschnitt Die Begründung des kritischen


Antirational ism us du rch i\vn Umschwung von 1797 77
Das „System der Vernunft"; Verträglichkeit des Systemati-
schen mit der analytischen Logik h:\ |
.

I. Kapitel. Der ia ns sc enden a logische Lina n:i-


I t I

tismus von 1794 83


Typisch nachkantischer Emanatismus durch Hypostä-
sierung eines erkenntnistheoretischen Pormalen 86).
Mathematische Methode 88). Emanatistische Fassung
|

des Individuationsproblems -92). Ansalze des (le-


(

Wahrwerdens (Wv Irrationalität (—93). Vermischung


von reinem Ich und Idee (—95).
II. Kapitel. Der Ichbegriff von 1797. Das reine
Ich und d ie Idee 95
Gegenüberstellung der blossen Form des Ich und der
Idee (—100).
XI

III Kapilrl. INt «• ,|

punkl
\i»li|»s\. hol KM |l ,n
Imiiih i' lla ..niklis, h I
II,

limaunv l-.linis und Mirhlt BMI


;

l\ K ipl Lei Dil 1 1 «I mlallngis« h- /n


fällst,, ,, ,(| ,,,
Dmümni *«»i» Form and M <r und \n
I h hlr%
\iis.m »mlrtsrf/min mit «Irin inlrll.klu ili .'

iismus i
121 N k. loodern
Maiumn (in V.irl.iiid
I Kapitel Das Ding an ilc and dta Irratlona« i»

Ulli «Irs Inih \ xl iir 1,' n 1 l.'l

hu- JoppalU rmWf iiitf i w billigem i

und Irrationalität durck Pickte aafjeenokea


GejK-n WiihIiIIi.uhU \ .»iw in de* absoluten Rationale |

mih Stellung Ifl «I«-i nachknnliv hrn I nl


I

«ickfong bjh Irrmtkmalltitsproblcflif |


i

Iw< h DU Steigerana; dei Ann ii 1 1 1

rationellen»! 1798 1801 . 1*5


Kapital
1 Dar trainsccndonlalc mpirismus I

und Poall iv ismus 1 >


I ii Betonung der empirisch irrationalen s.
und RcmlititsbegYlfls 141] NoaeJ i

Balismus und l*osilivismuv Die Passivität Bei '

kmntnisinhallrs i
I

ii Kapitel i»i» erkannt aistkeoretlsek« Wart


i ndi \ iduali t ;M .
141
positive Wertung des Indix iduellen 152». I
1

Intelligiblf I ms 156). i

III K PklloaÖpkie und Lob...


WlannerkaftiliB Moaea aasenela
rbeoric 161), Hinausstreb« m ftber den Tra
dentaliMuus 164).

l»r 1
bnltl
1 i» 1 1 i
ehre von dei Irrationa-
lität des Indi \ iilm Min in (Irr mrl aph \ *i\r hm
164
Krihs.hr und inrl.ij sung de» lndi\ idua
HtaUproblcms; dadun h glei« h/rihn kritatckaf UaH
ralionalismus und BMtaphvsUrlMf limervülaane*
:

L Kapitel i>:»s i
lar krltleekea
lanng
irrationale und dir .ücsetilosigkeit* des
lndt\ iduellen ( - 172).
— XII -
II. Kap te i 1. Übergang zur metaphysischen
Fassung 172
Die Irrationalität als „Unendlichkeit" und das „ge-
schlossene Ganze" des Wissens ( 179) —
III. Kapitel. Die metaphysische Fassung .... 179
Die Antinomie von Unendlichkeit und Geschlossen-
heit (— 182). Die Unableitbarkeit des Endlichen aus
dem Unendlichen (188).
Dritter Teil. Fichtes Geschichtsphilosophie 191
I. Kapitel. Die metaphysische Methode der
nachkantischen Kulturspekulation 191
Die analytische Logik als rationalistisch bekämpft
(—196). Übertragung der Wertindividualitätsstruktur
auf die Methode (— 200).
II. Kapitel. Die geschichtsphilosophische Wert-
individuali tat 201
Das Einzelne als Glied einer einmaligen Gesamtent-
wicklung (206). Die sinnliche und die ideale Indi-
vidualität ( -211).
III. Kapitel. Die Gesch ichl sine hodo log e und t i

die Irrationalität 21
Verbindung von WViiindividualisicrung und ana-
lytisch-logischer Charakterisierung 214). Polemik
<

gegen Kants ethischen Formalismus. Geringe Be-


deutung des Ästhetischen 218).
< Methodologische
Ansätze in den „Grundzfigen ( 41
222). Wertung des
Irrationalen In den darauffolgenden Schriften ^28).
Die gewertete Irrationalität als Gegenstand der Ge-
schichtsmethodologie von 1813 (-240).
IV. Kapitel. Die methodologischen Beziehungen
zwischen Geschichte und Gemeinschaft. Der
Begriff der Nation 240
Kants logische Analyse des Begriffs der ..Gattung"
( —
245). Keine Begründung einer Socialethik ( 249).
Portsetzung bei Pichte - 250).
( Das rein sociale
„Ganze44 als abstrakte Tcilstiuktur der geschicht-
lichen „Totalität-- (— 254). Die ..Nation-, unter-
schieden von der systematisierbaren Form des Staats-
lebens (—257). Die Nation. Ihrer Struktur nach ein
überindividuelles organisches Gesamtgebilde (—261).
Grundlegende Bedeutung derUnterscheidung /.wischen
überindividuellcin Allgemeinem und überindividu-
ellein Ganzem (—262). Die Nation als politische
Individualität und als geschichtliche Einheit ( 269). —
Durch die Stellung zum Politischen die Versöhnung
von Wert und Wirklichkeit von Neuein bestätigt (- 270).
Einleitung.

Die Logik des Wertens in der Geschichtsphilosophie


des deutschen Idealismus.

Dar von K \n i eingeleiteten Epoche nun idealistischen


hichtsphilosophie pflegl von den meisten Darstellern die
Dberwindung der einseitigen g^rhfrMffrtmdfn Anschau-
Bogen -Irs Aufklirungneitalteri nachgerühmt zu arerdea
Ob wahre Bedeutung dieser berwindung
Einsicht in die i

hat man jedoch mehr einem riebt!


leider nur zu bAufig
unmittelbaren Bindrucke als der Aufdeckung «In- letzten
dabei zu Grunde liegenden philosophischen Prinzipien AI
Aufklarung und deutschar I<1» .ilismus gehen nun
abei grade auf geschichtsphiloaophischem Gebiete mit un-
merkHchen Unterschieden Ineinander Ober So erwecken
denn auch die meisten zusammenhängenden Darstellun
Aber diesen itand die berzeugung, ah habe man es
I

In Kami mehr mit dem letzten, folgerkhtj Ines


Alteren, K mit dem Begründer eines neuen Zeitalters da
;i

en zu thun. Ein Blick SttfK w


s geschichtsphilosophis<
i

(ielc^enhoitssrhriften scheint diese Auffassung mir /u l>e-


ndet »ich da nicht eine mosaik immen-
setzuug längst hekanntffl Vorstellungen Abei <l.»s Wesen do
Kulturentwicklung statt aengepi Igtei Grundbegriffe Denn
dieVoi itdlungetna einheitlkbe^gemeinsamen Endzwi cken
in einmaliger Kntwicklung zustrcl>en«len Menschheit, «liesen
tiefsten Grund einer historiacben Weltanschauung, hat ilas
( uristentom geschaffen und itets aufrechterhalten Sk gebort
/u den gt* taubsten Ideeeu noch da AufkHrang und bfc
— 2 —
für die kritische Auseinandersetzung der Spekulation mit
dem Geschichtlichen doch gewiss nur ein der Erfüllung mit
bestimmtem Gehalt noch sehr bedürftiges Schema. Jeden-
Kam diesen Gedanken mit Männern wie Rousseau,
falls teilt
Lessixg, Herder. Mit den Vertretern der Aufklärung hat er
sodann auch die Ansicht gemeinsam, dass die fortschreitende
Ausbildung der menschlichen Vernunftanlagen als Wert-
messer der Entwicklung des Menschengeschlechts anzusehen
sei. Allerdings hatte die „Vernunft", die dabei den Mass-
stab der Beurteilung lieferte, grade durch Kant soeben eine
ungeheure, auch für das Verständnis der „Kultur" höchst
fruchtbare Vertiefung erfahren. Aber sollte seine Originalität
als Geschichtsphilosoph darin aufgehen, dass er der auf-
klärerischen Vernunft die Kantische als Wertmesser der
Geschichte unterschob? Darf man ihn deshalb als den Über-
winder des früheren geschichtsphilosophischen Denkens
feiern?
Das wäre eine gewaltige Oberschätzung methodisch un-
wesentlicher Nebenpunkte; Das eigentlich Bedeutsame an
Kants geschichtspbilosnphischer That erschliesst sich uns
vielmehr nur durch Aufzeigung der von Kam selbst nicht
hervorgehobenen Verbindungslinien, die seine geschichts-
philosophischen Gelegenheitsschriften mit dem Grundprinzip
des Kriticismus verknüpfen. Dieses besteht aber in dem
Dualismus erklärender und wertbeurteilender Methode 1).
Durch ihn ist Kam ein Xeuhegründer auch der Geschichts-
philosophie geworden. Indem er überall das wertmessende
Verhalten von dem rein erklärenden scheiden lehrte, hat
er, wie sich noch genauer zeigen wird, sozusagen unser
philosophisches Gewissen über die Anlegung eines Mass-
stabes der Beurteilung auch in der Geschichte beruhigt und
dadurch nichts Geringeres als eine philosophische Recht-
fertigung und allererste Begründung jenes geschichtsphilo-
sophischen Minimums geleistet, dessen die Aufklärung sich
noch „dogmatisch" bedient hatte.
Auf eine genauere Darlegung der angedeuteten Zu-
sammenhänge darf an dieser Stelle verzichtet werden.
Nur an Folgendes sei kurz erinnert. Kant behauptet aus-
>) Windelband, Präludien. „Was ist Philosophie?", „Immanuel
Kant", „Kritische oder genetische Methode?",
- 8 -
driiekheh « 1 1 •
-
Ausdehnbarkeit .In erklärenden Methode auf
die I des Psych!
ttigea Physioloi
bedeutet ihm DOCtl glefchmittig dk nntiirwisseiis« li.iflln
lehre und die naturwisseiisehalthehe Seslcnlchn
naturwissensehafllieheo >«*h.un uii^s.irt vermag sieh I 1 1

kein Objeklihrung zu entziehen «i Theoretische


Philosophie ist das 1< ausschälen (Irr theoi rtltfllfll Werte
1 i

der ipekulativea Vemanfl aus den spul nusera \


Stellungen. ISftand eiuei |>h\-
14
liologischen Ableitung sein darf, praktische Phil
lOphie «Ins Herausheben des ethischen niiii<l\\iilrs. da (

praktischen Vernanfl ans «in Bethitigung unseres Wollt


\on den wir aber rorieich rydic bewegenden Ursachen
ph\ s ioln^iseh erforschen" "i dürfen
Dnss K w den Dual ism us der Methode, die doppelte
i

Behandlungsart eines und desselben iegenstsndei nach für (

die Untersuchung des menschlichen Gnttangslebem


nasdi ucklich postuliert hat, ist \ iei/uw enigbeaebtet n orden
Schon den Begriff der menschlichen Gattung selbst will 1

in dir Unterbegriffe physische oder Natur» odn riergettung


und dttBche Gattung einteilen 1) Die Lehre vom Menschen
soll deineemass entweder in physiologisches"" ödet in ..

1
igmattscher Hinsicht* ab( Stell i^t das-
selbe debiet der Wirklichkeit /ugleich Natur uiul ..\
nunlt |e Dach der Methode,
. der es unterw orten wird
i m aber die Vernunft aus dem unmittelbar G egebenen
herauszuheben, mUSl man schon mit einem Massstab an
die Dinge herantreten. In der gegen Werte gleichgHHgcn
W'irkliehkeit erzeugt man den Gegenstand di Betrachtung i

durch den Gesichtspunkt der Betrachtung, Was Inhalt der


Wertbetrachtung lein soll, kann deshalb nie aus (In
klärenden Wissenschaft desselben Wirklichkeit-
entnommen. / II die sittliehe Vernunft des Menschen als
Einzelwesen nicht ans der Anthropologie, die der ensch- m
liehen Gattung nicht aus der anthrop« im-

«) s. / B w w. Hummnum* m. 277. 55«, eos. i\. 275.


III. 108.
n.i.i 911 rergt 528. IV, 143, das« Du t..»n
BMrhrtN. I. 96.

Ml. MI
geschiente der Menschheit oder einer sonstigen „physio-
logischen" Disciplin abgelesen werden.
Aus diesem methodologischen Grundsatze ergiebt sich
das für uns Bedeutsame an Kants Geschichtsphilosophie.
Die Vernunftbethätigung der Gattung nämlich, d. h. der
Inbegriff des aus ihr als absolut wertvoll Herausgehobenen
ist „Kultur", die Kultur in ihrer Entwicklung Geschichte.
Auch die Grenzen dessen, was Kultur und Geschichte ist,
wollen erst gezogen werden, und ziehen kann sie wiederum
nur, wer mit irgend einem einheitlichen Gesichtspunkt an
das Gewirr des an Menschen irgendwie sich vollziehenden
Geschehens herantritt. Vortrefflich hat deshalb Kam sein
kulturphilosophisches Apriori einen Leitfaden genannt, der
dazu diene, „ein sonst planloses Aggregat menschlicher
Handlungen, wenigstens im Grossen, als ein System dar-
1
zustellen" ).

Kant, so können wir seine Leistung jetzt kurz zu-


sammenfassen, hat die Geschichte besser verstanden als
seine Vorgänger. Er gelang! durch sein ganzes Denken
zu dem, wovon die Aufklürungsphilosophie mil unkritischer
Sorglosigkeit ausgegangen war: zu der Unentbehrlichkeit
eines mit Bewusstsein angelegten Massstabes dafür, worauf
es denn bei Kultur und Geschichte ankomme, .letzt erst

verstehen wir, was Geschichte ist, denn wir kennen ihren


Begriff. Wie die kategoriale Notwendigkeit den Hegriff
der „Erfahrung" ausmacht, so begründen als formales
Apriori die VernunfteiveiiL>nisse der menschlichen Gattung
den Begriff der Geschichte. —
In dieser kritischen Festlegung des Begriffs der Ge-
schichte erblickten wir die Grösse von Kants Geschichts-
philosophie. In der Art aber, wie er sich mit einer solchen
formalen Abgrenzung des geschichtlichen Gebietes begnügte,
müssen wir nun auch die Grenze seiner Spekulation zu
erkennen suchen.
Auf den ersten Blick scheint allerdings der einzige
historische Begriff, den Kant untersucht, nämlich der des
einheitlichen Fortschritts der menschlichen Gattung, eine
wirkliche historische Weltanschauung unmittelbar aus sich
erzeugen zu müssen. Denn in der einmaligen Entwicklung,

') IV, 155.


— o

ix ini m. in. soiii«- doch jcdci «'in/ciiir Vernunflgebilde

seine einmalige UneTScl/ liehe Melle Indien, in ihr sollte i'N


darum eisen einzigen, unvergleichbaren Werl dar-
iugIi
etellen Aber grade diese scheinbai s<> itreng lieh ergebende
erung hal l\ IM nlchl nur /n ziehen unterlassen, sondern
i

ic/ti unmöglich gemacht. Der Gmnd daflkr UegJ in einer

nnlebendigen Erfassung dee Gedankene der VernunfttotalHil


Dies Endziel der Kulturarbeit, dessen Erringung als eine
in die Unendlichkeit der Zeil sich ausdehnende Auf§
der Menschheit zuftllt, bedeutet den Inbegriff aller Werte.
Ihn können wir nicht wirklich denken, sondern mir durch
die Andeutung einer unvollziehbaren, ihrer Tendern nach
aber eindeutigen Aufgabe charakterisieren. Dagegen können
wir wohl gewisse allgemeine Merkmale angeben, denen
dieser Begriff auf jeden Fall genügen musa Als deren
oberstes giebt Kani die Verwirklichung des ethischen Grund-
wertes an, der »Freiheit*, d. h. des sittlich guten, nur durch
das Pflichtbewusstsein bewegten Willens Ans ihm ergiebt
sieh für die Gattung nls Postulat die Vereinigung der Frei-
beil aller: eine gerechte bürgerliche Verfassung und ein
weHbürgeriicher Völkerbund. Neben der Aufzeigung dieser
formalen Erfordernisse tritt für Kant die Thal ganz
xnnick. dass die Gesamtheit der Werte vor allem such als
unendlich mannigfaltige Inhaltsfülle, nls nur einmal vor-
handene undsich entwickelnde Wertgrösse angesehene erden
nuiss. Die Bchematisch gehaltene Umschreibung dl
absoluten [nhaltlichkeit durch einige charakteristische, aber
abstrakte Merkmale genügt Ihm, als wäre sie ichon ein er-
schöpfendes, allen methodischen Anforderungen genügendes
Eindringen. Da wir vom Kulturganzen nur soviel formu-
lieren können, als sieb auf einen einfachen Ausdruck bringen
Ifisst, glaubt Kant, nur sovielWeseutliches enthalte auch seine

ze unendliche Wirklichkeit. Er betrachtet das Ganze nicht


nls sich seihst nde Totalität, sondern attSSChlJCSllich
eis i
wisser abstrakter Werte Dadurch ist aber
Wertung auch des Einzelnen, als eines unersetzlichen
Gliedes in einem grossen einheitlichen Zusammenhang, in
Wurzel zerstört Denn auch dieses kann dann nicht
;iU Individualität betrachtet werden, sondern ebenfalls nur
als i
formaler Werte, und noch dazu jedes Einzelne
;iis rüget immer derselben formalen Werte, die zugleich
i
für den Begriff des Ganzen bestimmend gewesen waren.
Ist es nun zwar doch schon falsch und
begreiflich, aber
irreführend, wenn man sich dem Begriff der Werttotalität
nur durch Angabe seiner formalen Merkmale nähern will, so
wird es vollends unerträglich, auch jedes einzelne geschicht-
liche Ereignis nur nach denselben allgemein gehaltenen
Massstäben gemessen zu sehen. Denn das Ganze können wir
ja in der That gar nicht anders als durch Angabe formaler
Bestimmungen charakterisieren, nicht aber anschaulich als
Totalität erfassen; das Einzelne dagegen sind wir im Stande,
in seiner vollen Individualität unmittelbar nachzuerleben.
Bei der Beurteilung des Ganzen scheint uns deshalb die
Beschränkung auf das Formale entschuldbar, bei der des
Einzelnen dagegen fordern wir eine Würdigung der ganzen
Individualität in ihrer unersetzlichen Eigenart. Wird die viel-
gestaltige Mannigfaltigkeit des besonderen Kulturgeschehens
einzig und allein nach gewissen abstrakten Momenten dar-
gestellt, so empfinden wir die ganze Dürre und Trostlosigkeit
eines schablonenhaften, alles nivellierenden Ansprechens.
Es folgt dann daraus der Rationalismus mit seiner Un-
fähigkeit, dem Historischen gerecht zu werden, mit seiner
Armut an Ansatzpunkten der Beurteilung ). Wie ist eine un-
1

befangene Würdigung geschichtlicher Dinge möglieh, wenn


die historische Persönlichkeit nur nach ihrem Verhältnis
zum kategorischen Imperativ, die That des Staatsmannes
nur danach geprüft wird, wie weit sie die Macht „in die
Hände eines vernünftig eingerichteten gemeinen Wesens u
gab, das historische Ereignis nur darauf hin angesehen wird,
ob es „das allgemeine Wohl der Menschen im bürgerlichen
Zustande" weitergebracht habe 2 )? Charakteristisch für diesen
Bationalismus ist Kants ausdrückliche Vorschrift, dass auch
die Geschichtsschreibung —
nach dem Vorgange der Geo-
graphie —
sich als Prinzip der Forschung einen Allgemein-
begriff suchen solle, dem alle einzelnen Thatsachen sich
subsumieren lassen 8 ).
Kants Verdienst um die Belebung des Verständnisses

*) Vgl. dazu Fester, Rousseau und die deutsche Geschichtsphilo-

sophie 82 ff.
*) Reflexionen zur Anthropologie (hrsg. von EROMANN) 215, 216.

») Ibid. 208 f.
— /

Rfcr Geschichte und die flteichzeiligen Schranken dieses \. i-

dlenstei findet man vielleicht nirgenda anschaulich«


rflgt, als In «I« r .ml den Historiker Cmstoph Prodmucm

Schlosser ausgeübten Wirkung der kritischen Philosophie


Die Mk>DOgraphiea \<>n Du m \ und Loh haben nicht i >
m I

nur überzeugend dnrnethan, d.iss S( in. ossi hei seiner i'.

icharfen WertbenrteUung durchweg die etUedieo und poU-


lisclicn M;isss|;ihr der l\\\iis(iii\ Spekulation entnimmt,
londern ric haben diesen Binfluss auch nach seiner bcgrifT-
liehen und methodologischen Seite beleuchtet Dass durch
K w die Präge mich dem geschichtlichen Werte /um ersten
i

Mal mit Bewusstsein aufgeworfen sei, darin sieht Lorants


sogar die Grundlage der neueren Geschichtschreibung
\l»er auch das n-nm-ende der ganzen KaNTBCHHN Werl-
l

meSSUng gegenüber den konkreten Aufgaben des Historikers


tritt in Schlossers wissenschaftlicher Persönlichkeit mit
brechender Deutlichkeit hervor.*), Denn WO iiher alles
nach einem einzigen abstrakten Schema gleichförmig ab-
geurteilt wird, da i^t eine Unbefangene Versenkung in die
historische Wirklichkeit von vorn herein vereitelt. „Bevor
noch die Handlung eines Menschen in ihrer historisehen
Verzweigung nach allen Seiten hin heohachtet und dar-
gelegt wurde, wird sie hereits von dein Schicksal des gleich-
sam im Hintergründe lauernden Rigorismus erfiusfl und
sittlich vernichtet Ks fehlt „ein starker Sinn für das
>

Positive in allen Bestrebungen*, der Sinn für das prin-


dpium individui Diese Ausführungen von I)ii.im:\ und
)

LOBENl sollten nur zur genauen Bestätigung unserer l>is-


berigen Ergebnisse dienen, die sich jetzt leicht in die aD-
»iiie Formel Eusanunendrftngen lassen Kants Gröl
in der Hervorhebung des Wertmomentes (Ar den Begriil
der Geschichte, seine Grenze in i\n Beschränkung auf

Musische i.iin tacher, Bd. i\

I) (ieschichtswissmschaft in Il.mptrirhtuniion und Aufgaben.


I
ÜMChllHt l>i<* philosophisch«- < irsrhi« hts.hr -cihung.
i
besonder! sock 56 f., 69. Sohiuh in «i

Hinsicht mit S< Hl <>ssi I /iismnncnni'siYllt \on Loai v/ in Tomasc.hi k.


Her in seinem VerhAKnli lurWunemehafl 129, GetchJehtswissen-
ifl iisw IT
) Lorenz, (ieschichtswissonschaft 66 f.

DHd. 67.
«» Du rm r» I | <
>
formale Werte, in der Gewohnheit, das Einzelne lediglich
als Träger von Wertallgemeinheiten zu beurteilen.
Allein es sollte andrerseits nie übersehen werden, wie
eng sogar die Dürftigkeit der logischen Struktur des Wert-
momentes, die sich uns als unabtrennbar von den bahn-
brechenden Anfängen kritischer Erfassung des Geschicht-
lichen erwies, mit den wertvollsten Ergebnissen der Ver-
nunftkritik verwachsen ist. Nach kritischer Methode nämlich
wird überall aus einem vorliegenden empirischen Material
der in ihm steckende „Vernunft"gehalt oder das apriorische
Element durch philosophische Analyse herausgelöst Dar- '
).

aus ergiebt sich notwendig die Scheidung in den überall


gleichbleibenden Wertfaktor und in das überall wechselnde
empirische Material. Das Empirische oder das aposteriori
ist die individuelle Gestaltung, die das apriori in jedem
einzelnen Ealle annimmt; das apriori also ein gemeinsames
Merkmal am aposteriori; ein Allgemein begriff, für den
die Mannigfaltigkeil des aposteriori den empirischen Um-
fang, die snbsumierbaren Exemplare liefert 2 Da nun ).

Kants Untersuchung ihrer ganzen Absicht nach sich nur


auf den apriorischen Bestandteil richtet und in ihm den
uberempirischen Erkenntniswerl erblickt, so verteilen sich
notwendigerweise Wert und Nichtwert folgendermassen auf
die Logischen Gegensätze des Allgemeinen und des Be-
sonderen: nur das Allgemeine ^ilt zugleich als üher-
empirischer Wert, das Konkrete oder Individuelle an
den Erkenntnisobjekten dagegen als für sich wertlos und
Wird höchstens als Träger jener allgemeinen Werte
einer mittelbaren Wertung fähig. Diese mit genauer Folge-
richtigkeit aus der kritischen Betrachtungsweise hervor-
gehende Wertverteilung bestimmt endgültig das Problem
des Individuellen hei Kam und liefert den tiefsten Grund
dafür, warum für ihn wie für den Leibniz-Wolffischen
Rationalismus das Individuelle immer nur das rein
u
Faktische und „blos Empirische, das Wertlose xax 䣰x^Y
bedeutet. Kant hat zwar die unvermeidliche und nicht
rationalistisch hinwegzudeutende Gebundenheit der apri-
orischen Kiemente an empirisches Material besonders auf

») Vgl. ab. S. 10 f.

-) Vgl. die genauere Ausführung darüber unten, erster Teil, Kap. I,A.
*- 9 -
theiiietlschem Gebiet sehr sl.il k Imtiii Usicht i^t Ahei dl« s.s

intelligihlc i I »tum, (liest- brutale I

enthehrlichkei t des Kinpirischen. durfte ihn über dessen


prinzipielle Wertl< it nicht hinwegtäuschen
psychologischer Notwendigkeil musste ;ms so ti**f
Mii
[ewurzelten Gewohnheiten des Denkens, des, was «ms
heute als Einseitigkeit erscheint, nftmlich die Oben
\<»n l*r Innersten nnd eigentlichen Wertlosigkeit des Em-
«

pirischen, individuellen dem Philosophen sich aufdrita


und von der theoretischen Transscendentalphilosophie sul
«l is ethische; rechts- und geschichtsphllosophischc Gebiet
lieh übertragen So wird in der Ethik zwar ragegeben,
sich das Sittengesetz nicht anders ;ds in den Hand-
lungen einzelner Personen verwirklicht; abgr gewertet wird
nur das Formale; die Würde der Persönlichkeit und des
sittlichen Thuns beruht ausschliesslich auf der allgemeinen
Bedingung derPflichtmftssigkeit Ebenso soll in der Rechts- ' ).

lehre das an sich gleichgiltige positive Rechlsinstitut und


Rechtsverhältnis seine Existenzberechtigung einzig und
allein der Möglichkeit einer Subsumption unter die abstrakte
Vernunftregd «die Koexistenz freier Wesen) verdanke
Dieselbe Beschränkung auf Formale Werte wird endlich
auch durch die rationalistische Staats- und Geschichts-
auffassung bestätigt
mimen. daSfl der herw imlei der Auf- t

kl&rungsphilosophie eine typische Grundanschauung j<


unhistorischen Au! khirertums wieder /u Ehren gebracht
hat, nämlieh die schroffe Entgegensetzung von Vernunft-
massigem oder Rationalem und Mos Faktischem oder Em-
pirischem. Durch alle Schriften Kants rieht sich d
Li .iii\i/-\Voi.i im in Unterscheidung hindurch, und mit ihr
i

wird ausserdem die Gleichsetzung von »Empirisch*


und Historisch uhernommeu Zwei Begriffe der I

schichte begegnen steh dadurch In unversöhnbarar Ge-


•chiedenheit in Kants Denken, ein Kulturbegriff der
Chichte und ein logischer I'.' - Historischen, der

Vgl auch Simmm. Rinlritang in «In- Moralwissrnsehafl II.

21 II

Diea mit kenntnta«its überall bestehenden


einheit und Atomismua scharf und
tief erfaast roo Stahl, Philoi d Rechts, B \mi i. «Sit, 2.v.mi 282f. .

I. « • k . Fleht« Mtalbaui and 41« <;«*eblcfale


— 10 —
dieses einfach mit dem unmittelbar Thatsächlichen gleich-
setzt. Kant wohl, so können wir auch sagen, den
legt
Kulturwert in seiner Allgemeinheit philosophisch fest, ver-
mag ihn aber noch nicht mit der historischen Wirklichkeit
zu verbinden. Denn die zeitlosen Werte weisen keine in
ihnen selbst angelegte Beziehung zu irgend einer konkreten
Besonderung der Wirklichkeit und Geschichte auf. Es
besteht deshalb auch zwischen philosophischer Behandlung
der Geschichte und „blos empirisch abgefasster Historie",
die auf eine chronikartige Aufzeichnung schlimmster Art
hinauslaufen müsste, genau dieselbe Kluft, wie zwischen
Wert und Faktischem überhaupt. Zu einer methodologischen
Erfassung der Geschichtswissenschaft bringt es weder seine
formale Abgrenzung des Kulturgebietes noch seine Kenn-
zeichnung der logischen Struktur des „Historischen'*. Dir
beiden von einander unabhängigen Leistungen, die kultur-
philosophische und die geschichts logische, lassen sich
nicht zu einer Kultur-Logik verschmelzen.

Hin prinzipieller Fortschritt über das durch Kant er-


reichte Stadium der Geschichtsphilosophie konnte allein
erfolgen durch bewusste Überwindung der ganzen WVr-
tungsarl des Rationalismus, durch Hinsicht in die Unzu-
länglichkeil und Einseitigkeit der rationalistischen \Yer-
tungslogik. Denn selbst die —
auch bei Kam nicht
fehlende, aus Krinnerungen an die theoretisch feststehende
ünentbehrlichkeit des empirischen oder individuellen Fak-
tors stammende — Besinnung darauf, dass die zeitlosen ab-
strakten Werte sich nur in einer zeitlichen Aufeinander-
folge besonderer Verwirklichungen ausleben können, mag
/war ein gewisses Gefühl für den Wert des Konkreten
erwecken, zur philosophischen Durchdringung des Pro-
blems genügt sie nicht. Denn wird auch bei solcher Er-
kenntnis das empirisch Gegebene als konkreter Wert ge-
fasst, so fehlt doch nie der Nebengedanke, dass es sich da-
bei in letzter Linie lediglich um die Exemplifizierung eines
allgemeinen Wertes handelt. Das abstrakte Schema, nach
dem das Einzelne nur als Exemplar einer Wertallgemein-
heit erscheint, bleibt auch dann noch unangetastet und
i>ilt erschöpfender logischer Ausdruck für die Bedeu-
als
tung des Individuellen. Aber historische Krscheinungen,
11 -
wir etwa ein/eine \ isoiiIk hkeilen I hissen sich niemals .

la-lureh erschöpfend würdigen, dass nneh# prüft wird.


wir weil sie den S.iI/ des Wiilerspl Ui Ils mlcr den I

lachen hnperath (o konk itaK in sieh verwirk-


lieht haben Ei reicht eben nicht ins, Wertallgemebihsfl
und ein/eine \\ Cr! konki vi um in kritis, h.i .\nal\se zu
sondern und das historische .in/el^ehilde dann ;ds reale I

ichmelzung beider, eil Individuellen Niederschlag oder


bestimmten Komplex in die Konkretheil ein ner,
ihrer selbständig n liedeiitung nach aber ahstrakt er Werte
zu betrachten In ^vi historischen Individualität lie^t stets
mehr Bfl muss der Gedankt hin/ulreten. dass die 1m-
stiinmte WertgrÖSSS n in ihrer Imli\ idualilal willen, in
ihrer unersetzlichen Einmaligkeit, «»ewertet wird Nach
Kantischer Art ZU werten, kann das Wert wesent-
liche jedenfalls nie in den individuellen Diffe-
renzen, sondern nur in dem überall identischen
Vernunftfaktor bestehen. Die Wertung dring) hier
nicht in den Kern der Individualitat ein. sondern hattet
an einem Teil, an einem Merkmal, das unzähligen K\em-
plaren derselben Wertun^ssphare gemeinsam sein miiss
Um dieses Gemeinsamen, nicht am seiner Indivi-
duellen Eigenart willen, erhalt das Objekt seinen
Werl Es erschein! /war als ein einzelnes Wertvolles,
aber nicht als wertvoll in seiner Einzigkeit 1

Nennen Wir ein nach der vorher angedeuteten, von


Kwi abweichenden Art gewertetes Gebilde eine „Wert-
Individualität", so geben Wir damit erstens /u erkennen.
dass dabei die Wertung sich Dichtauf einen Teil, sondern
mit einem Schlage auf das Ganze erstrecken soll, und
sweUens ichneiden wir zugleich jene andere Betrachtungt-
arl gradeZU Bb, dk sieh beim Werten des Kin/elnen
immer auf ein über das unmittelbar Gegebene hinaiis-
I».: Verfasser rieht bei diesem Versuch, kwis Wertungsart
ibatrakteii Uiüversalismus m
begreifen, unter dem entscheidenden
i.miinss von Gedanken Rkekrts, Dessen Schrill »Die Grenzen
aturwlssenschaftliche] Ishildnng i i> p. II. III

enthalt eine erste bewnsste tpeknlatlTe Polemik gegen den |shr-


Iten Piatonismus des Wartens, dar SpeJndaftkM
dar In
ten noch viel tiefer wurzeil :ds seine blosse nternrt. der l

!\ üm he Realismus
— 12 —
weisendes Formales richtet )- Ein solches Hinausgehen
1

nämlich wird dann zur Unmöglichkeit, wenn ein Ding


als Ganzes, in der Zusammengehörigkeit aller seiner Teile,
gewertet wird, da es in diesem Fall garnicht als Exemplar
einer Gattung, als Träger allgemeiner Werte auftreten
kann; denn seine ganze Individualität hat es mit keinem
andern Dinge gemein. Die abstrakte und diese neue
Wertungsmethode erweisen sich somit als disparat, d. h.
der Wert, um dessen Willen uns etwas zur Wertindivi-
dualität wird, ist nicht etwa nur relativ individuell, so
dass er sich in andrer Hinsicht zugleich als Wertallgemein-
heit, wenn auch ganz geringen Im langes, denken Hesse
Die „Wertindividualität" ist dadurch genau unterschieden
von jeder individuellen Wertgrösse mit blosser Träger-
schaft abstrakter Werte, mögen diese auch von noch so
geringer Allgemeinheit sein. Als disparal sind die beiden
Wertim^smethoden aber auch komprädikabcl, d h. auf
dieselben Gegenstände neben einander anwendbar und
infolge der selbständigen Bedeutung, die jeder zufällt,
durcb einander unersetzbar 2 ).
Kwts Wertungsaii wird darum nie durcb die andere
[überflüssig gemacht werden, nur grade für die (i escb chts- i

philosophic leistet diese /weite die besten Dienste. Und


darum ist ihr grösster und typischer Vertreter, Hegel, der
in entgegengesetzter Einseitigkeil die abstrakte Wertungsaii
ganz verwirft, als l'berwinder von Kants rationalistischer
Geschichtsphilosophie zu betrachten ). Von dem ersten

') Ansätze zu einer Durchbrechung seiner sonstigen Wertungs


gewohnheil linden sieh übrigens in Kants Ästhetik. Schon «ins
ästhetisch bewertete Objekt, sodann aber das „Genie" seihst stellt
eine richtig gebildete Wertindividualital dar, da es ;ds in seiner
Originalität exemplarisch gelten soll; \<»I. zweiten Teil, Kap. II,
dritten Teil, Kap. I; ober d.is „Genie" bei Fichte s. dritten Teil.
2
)
Diese Möglichkeit des Zusammenwirkens beider Methoden
verkennen nicht nur SCHELLING und HEGEL, sondern auch die Ver-
treter dw sog. genialen Mond. Shaftesbury, Jacobi, die Romantiker
und andere empfinden richtig, wenn sie meinen, durch d;is unter-
schiedslose Beugen anter allgemeine Maximen gelange der Eigenwert
(\w bedeutenden Persönlichkeil nicht zu seinem Recht; aber sie
irren, wenn sie daraus als notwendige Konsequenz die Verdrängung
(\w formalen Wertbetrachtung überhaupt ableiten
3
Allerdings kann HEGEL, dessen Logik sich ja jenseits des in
)

unserem Sinne Individuellen und Allgemeinen bewegen will (s. ersten


Beginn eigener Spekulation an ergeht er sich in hcfti^ci
Polemik legen Trennung einei gegen Jeden Werl In-
« 1 1 *
-

differenten Stoffei und einer dem Konkreten fremd gegen-


QbertlehendenabitraktenWertallgemeinbeit BeiihmkOn
lieh die beabsichtigte völlige Versöhnung dei Spekulation
und der deschiehte schon in der Aufgabe an, «In* Bf dem
chichtsphiloeopben anweist die Vernunft in der Ge-
schichte aufzusuchen, in ihrer Durchdringung auch dm
Einzelnen und Kleinsten Versöhnl werden dabei mit ein-
ander auch die hei l\wi .•iusein;mderf;dlenden Begriffe da
Kultur und des listorisehen Daa Kulturganze wird
l >

als der mit voller Wertinhaltlichkeil ausgestattete objektive


aufgefesst, in den Begriff des historischen Einzellebens
i

wii-d andrerseits die innigste Wcsensgemeinschafl mit den


isen Kufturzusammenhängen aufgenommen. Wir
lernen damit zugleich noch eine nein Eigentümlichkeit der
mit Wertindividualitäten operierenden Methode kennen.
Beim abstrakten Wertschema wird das Wertexemplar
mit dem Wertallgemeinen, heim Hegblschen Verfahren
Wertindividualitat mit Wertindividualität, nämlich einzelne
Gliedindividualiläfl mit der sie realiter umfassenden Ge-
samtindividualität in Beziehung gesetzt Das Einzelne ist
nicht M
Exemplar einer Gattung untergeordnet, sondern
ata Bestandteil einem Wertganzen eingegliedert Nicht
um die Wertindividualität, sondern auch jentftmliche
Verhältnis der Einzel- zur Gesamtindividualität, zum Wert-
ganzen, erweist sich >\\s Kennzeichen dieser neuen Wertungs-
art i

Es i^t notwendig, den dabei waltenden inneren Ztt-


lamjnenhang /wischen Wertindividualitäi und
i» ll». nur indirekt Wertans dea
als typischer Vertreter «in
Individuellen bezeichnet werden
konkrete Ulgemein Aber da »ii<-

die er an Stelle <i»s abstrakten aetieii sn auch rar Würdigung 1 1 .

in unserem Sinne IndividueUen fahrt s " mnrf er gleJehwohJ


Ar uns Wenn auch nicht nach aeinem eigenen philosophischen
Bewnsstsein ala WertnngaindWidnaHst gehen»
J ob S
'» Kam liefern in ihm Kinsrilit-krit ni.ulr/u Hostel
und Hu.n.
piele dienen Unterschied «In WertunajMurten: bei Kwi
für
önlichkeil und Ihr Handeln nur ah Exemplar,
eJnselner Fall us* des SitUichkeitsbegrl f fs. bei li «.i nur ab Glied l i

»mihi sittlichen *l" «» IP*. t :i 1 1 1


— 14 -
Tendenz der Einordnung in reale Werteinheiten
kurz anzudeuten. Geht die Untersuchung (wie beim ab-
strakten Wertschema) nicht von einem konkreten Wert-
ganzen, sondern von einem Gattungsbegriff aus, dann
stösst sie mit logischer Konsequenz nur auf isolierte, ledig-
lich durch die gemeinsame Unterordnung unter denselben
Gattungsbegriff zu einer gedachten Einheit verbundene
Exemplare 1 ). Das abstrakte Wertschema führt deshalb
zur Vereinzelung der Objekte. Mit besonderer Deutlich-
keit macht sich dies Ergebnis fühlbar, sobald die abstrakte
Methode sich auf die Untersuchung von Kulturobjekten
erstreckt. Indem nämlich hierbei das, was wir sonst in
realen Zusammenhängen zu sehen gewohnt sind, lediglich
als unter Gattungsbegriffe (z. B. auch unter abstrakte Ge-
setze) subsumiertes Exemplar betrachtet wird, gebiete!
die Methode gradezu, die Aufmerksamkeit von den realen
Beziehungen der Dinge zu einander und ihrer Einordnung
in konkrete kiillurzusammenhänge abzulenken und bei allen
einzelnen Gegenständen stets nur auf ihr immer gleiches
Verhältnis zum Begriff zu reflektieren. Dadurch zerfällt
naturgemäss die ganze Beobachtungssphäre (als „Umfang"
des Begriffs) in ein unverbundenes Aggregat gegen einander
gleichgültiger Einzelrealitäten. Die durch das Wesen des
Gattungsbegriffs logisch geforderte Vereinzelung der Untcr-
suchungsobjekte verwandelt sich in diesem Fall, sobald das
abstrakte Wertschema wie bei Kam auch auf gesehichis-
und rechtsphilosophischem Gebiet allein herrschend wird,
in die Auflösung historischer Zusammenhänge und die
Atomisierung aller sozialen Gebilde. So stehen auf der
einen Seite abstrakte Wertungsart und Atomismus
in innerem Zusammenhang. Wo
dagegen andrerseits
die Einzelwirklichkeit unter dem Gesichtspunkt der Wert-
individualität angesehen wird, der Gedanke des Allge-
meinen also garnicht herangetragen werden darf, da nmss
die Untersuchung, sofern beim Einzelnen nicht stehn-
geblieben werden soll, auf ein umfassendes, reales Wert-
ganze hingelenkt werden, als dessen Glied das Einzelne
erst verständlich ist. Umgekehrt kann man sagen: wer von

i) Vgl. den ersten Teil, Kap. I, A, über (\\v Begriffslehre der


formalen Logik.
— 16 —
einem realen k nll nr^in/en aufgeht, WlifA aueh das l\m/elne
m seiner Beziehung niehl /n einem All-, meinen, sondern
ehen ZU diesem d.in/en. und Heshalh, <l;i riebUDg
<l

das Kin/elne in seiner Konki etheit und .mm.iliuk» I it

dieses niehl als Wertexemplar, sondern ;iK \\


t. ', 1

Individualität begreifen Ans diesem Grunde werden Werl


Individualitäten nicht In dem unverboDdeoen Zustund gldch-
^illi-« Koordination /usaiuiuennedaeht. sondern in ihren
i

lebendigen Beziehungen in anschaulichen TotaHtMen he-


chtet 1).
Ba wird lieh darum tue Wertbetrachtung unter den
Gesichtspunkte der Individualitäl stets im Gegensatz wissen
cu den atoinisierenden Bestrebungen der abstrakten Rich-
tung. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge und «Ins
unablässige Ringen, den Gesichtspunkt der Wertindivi-
dualität und Werttotalitnt gegenüber einem jahrhunderte-
langen Verfahren der vorangegangenen Philosophie wieda
zur Geltung EU bringen, gehört /n den wertvollsten und
gewaltigsten Bestandteilen von Hegels Denkarbeit Eine
mit Darstellung hätte zu zeigen, wie Hegels Stellung
in der m schichte der Kult in prohlcme. inshesondere auch
(

der rechts- und Staatsphilosophie, gani und gar auf seiner


Polemik gegen die abstrakte Wertlogik beruht 9), statt

>> Diese bisher last tteti vernachlässigten Unterschiede ewischen


AherindtvidtteUem Allgemeinem und uberindividuHUm Gänsen,
deren unvergleichliche Prochtberkeit für dir geschieh ts- und weisJ
philosophisi -in- Forschung rieh in der Zukunft immer denUicher
durch EUcjurn logische Untersuchungen
iiisstoiUn dürfte, sind
und ffr die geschlchtSpbiloSOpbJSChei] Probleme mtw.
t

den: ist qnstres modes de l*unrverse] en bistoire, Reroedesyn


historique 1901 und Grenzen der natura tssenschsiUichen Begrub
bildnng Ki|).i\ udrr hi i tirritfhe ZntsmmTnhsng" VgLdasn ausser-
i

dem noch karten, sndentenden Bemerkongen Suhuls, s.,,


<i i *-

renziemng 15 ir. Philosophie des (ieldes 166* und dir wertToUen


Untersuchungen Kjstiakowskis, GeetJlschafl and Einzelwesen^ bei

bitte mglelcb den sagen riimimncmli


&ic n Hanau
tlehre mit »einer Logik zu verfolgen. Dabei würde
sieb
lUssU'Hrn, dass wertvollst«' kulturphilosophisrh bnisse oft
in innigstem Zusammenhang mit Suasulstioucu iteben, du- vom rein
logisehen und rrki'nntnistlu.n «tis« In n Standpunkt aus /u v erwerfen
sind. rergL den Anfang des »ersten Teiles" und Kap II lli «.i ^• i i

•uik gegen den Alomi


- 16 —
dieses Nachweises, der hier unterbleiben muss, soll zur
Rechtfertigung unserer ganzen wertlogischen Betrachtungs-
artwenigstens andeutungsweise daraufhingewiesen werden,
welche Klarheit über den geschichtlichen Gesamtverlauf
der Wertprobleme durch unsere Unterscheidung der beiden
Wertungsarten sich gewinnen lässt, und wie insbesondere
die Berücksichtigung des Zusammenhanges zwischen ab-
straktem Wertschema und Atomismus einerseits, zwischen
dem Gesichtspunkt der Wertindividualität und dem des
Wertganzen andrerseits, es erst ermöglicht, die in der Ge-
schichte des Wertens aufgetretenen verschiedenen Bedeu-
tungen von „Individualismus" und „Universalismus" aus-
einanderzuhalten. Diesem Zwecke diene folgende schema-
tische Übersicht: man kann unterscheiden
1. einen Individualismus (1), der die Selbständig-

keit des isolierten Individuums gegenüber allen (historischen


wie socialen) Zusammenhängen, also gegenüber dem Wert-
ganzen behauptet, gegenüber dem Wertallgemeinen
dagegen eine das Individuum fast erdrückende Unter-
geordnetlieit zulässt, mithin: Atomismus auf abstrakter
Grundlage. Vertreter: Rationalismus der Aufklärung auf
allen Gebieten und zu allen Zeiten (bei dem in der Thal
mit der Empörung des Einzelnen gegen das Ganze die
weitgehende Unterwerfung unter eine abstrakte Gesetzlich-
keit fast stets Hand in Hand ging).
Wo dabei der Schwerpunkt auf die Nichtigkeil und
Vergänglichkeit des Einzelnen gegenüber den abstrakten
Werten gelegt wird, da wird dieser Individualismus gradezu
zu einem Universalismus (1) hinsichtlich des Allge-
meinen. Besonders typisch: Xeuplatonismus, deutsche
Mystik (Gegenüberstellung des Ewigen und des Historischen,
zugleich individualistischer Gegensatz gegen den Gedanken
der Gemeinschaft).
2. einen Individualismus (2), der die selbständige

Bedeutung der Wertindividualität gegenüber allen blos


abstrakten Werten verficht, dagegen die Eingliederung
in eine Werttotalität behauptet. Vertreter: Christentum
(Wert der Einzelseele, daneben Idee der Gemeinschaft),
moderne historische Weltanschauung (Äusserung auf ein-
zelnen Gebieten: historische Rechtsschule, geschichtliche
Nationalökonomie u. s. w.; deren gemeinsame Polemik
- 17 —
gegen den nhslrnkten Nationalismus und ..Aloiiiisnin
1. 1 Philosophen n ta s« m a um v« hi
in r i
»

Wird dabei dir Einordnung des Einzelnen in dai


Wertganze Aberml o wird dieser Indivi-
dualismus geradezu xu einen Universalismui 2 hin-
sieht lieh des Wertganzen Besondere typisch Im Juristen- I

tum / B Ai<.isii\. Ferner Philosophen wie Plato [in der


J
itslehre 1
I
and II. «.i i. )-

einen Individualismus 3), der nicht nur die


S.
Selbständigkeit des Einzelnen gegenfiber den allgemeinen
Werten behauptet, sondern auch gleichzeitig Jede Ein-
ordnung in eine Werttotalität ablehnt Vertreter geniale
Moral / B. der Stürmer und Dr&oger, rlerrenmoral da
Chlschen Sophisten und Nn i/suus.
1 einen In v eis.» sin u s
i dir die Individuali-
I i
.'>,.

täten lediglich /um Mittel eines Ganzen berabdrückt 1

aber gleichzeitig nach atomistisch-rationalistischem Schema


nur als gleichgültig nebeneinander gereihte Durchschnitts-
exemplare gewissen abstrakten Merkmalen und Erforder-
nissen unterworfen wissen will Vertreter Socialismus,
besser Kollektivismus genannt
Andeutungen dieser
h den hersieht hissfl itdl l

jetzt unsere Charakteristik von Hegels Geschichtsphilo-


Bophte noch in einigen Punkten genauer formulieren und
m/en Es muss auf den ersten Blick im höchsten
de befremdlich seheinen, eine Lehre nls Standpunkt
der WerÜndividualitfil charakterisiert zu sehen, als d.
hervorstechendes Merkmal bisher stets die Leugnung des
Individuell« Iten h.it Allein unser Begriff der Wert-
individualiUM umfassl gleichmfissig die Bedeutungen von
imtindividualiUM und Gliedindividualitit Unter rem
wertlogischen Gesichtspunkten muss deshalb eine Speku-
lation auch dann noch als Vertreterin der Wertindividualitfil
sehen werden, wenn sie die konkreten Gesamtgebilde

- muss tutdrOckttch bemerkt


i werden, «i.«^ Pi \o> in
Kitftarphilotophic nicht wir In der Metaphysik Dtveralfari blnaichl t

in h der Allgemelnbegrlffc tat; vgl data dk iMftthrangen i»«*i


s.M.i. Phil .1 Rechts H ü. I.

Sbereinstlmmende
i

knc ntenchektaog iwt i rmen «i«n


lodh niuiiiismus bei SimoBL, Philosophie def Gelda S74, Halb
noostsschrin .IHm i- 1901, Na i I
— 18 —
der Kultur einseitig bevorzugt und das Einzelne als für
sich wesenloses Moment in „sittliche Totalitäten" ganz
einzuordnen geneigt ist, wenn sie also in einen „Uni-
versalismus" hinsichtlich des Kultlirganzen umschlägt.
Auch die umfassenden Gesamtgebilde der Kultur sind ja
Wirklichkeiten von einmaliger und lebendiger Wertfülle,
und deshalb sieht auch dieser Universalismus in scharfem
und bei Hegel sogar bewusstem Gegensatz zur abstrakten
kulturphilosophischen Methode. Zuzugeben ist allerdings,
dass diese ganze Errungenschaft des konkreten Wertens
von Hegels eigener panlogistischer Metaphysik immer
wieder unterwühlt wird (vgl. S. 12, Anm. 3 u. S. IT),
Anm. 2).

Wie in der Entwicklung der uachkantischen Speku-


laüon Oberhaupt, so erscheint Fictrri als Mittelpunkt
auch in der Reihe der geschichtsphilosophischen Systeme.
Insbesondere darf er in der Methode des Wertens als
philosophisches Mittelglied zwischen der aphoristischen
Philosophie einerseits, und HEGEL, sowie der historischen
Hechtsschule andrerseits gelten. In seinen Versuchen
einer Begriffsbestimmung des Geschichtlichen nimmt zwar
zunächst die kantisehe Auffassung des Einzelnen als
einer konkreten Verwirklichung allgemeiner Werte noch
einen grossen Raum ein. [Jeher Kam hinaus aber ging
er dadurch, dass er zuerst damit Krnst machte, die
vom einheitlichen Menschengeschlecht übernommene Ver-
aunftaufgabe als in ihrer Einmaligkeit wertvolle Ent-
wicklung zu betiachten, das Kinzelne deshalb vor allem
in seiner einzigartigen Stellung innerhalb des Gesamtver-
laufes zu würdigen. So hat er den Gesichtspunkt der
Wertindividualität von der Gesamtheit der Kultur bereits
auch auf Teilerscheinungen übertragen und insbesondere
das Wesen der Nation, zum Teil auch schon das der
historischen Persönlichkeit zu untersuchen begonnen.

Zum besseren Verständnis von PiCHTES geschichtsphilo-


sophischer Leistung muss an dieser Stelle eine allgemeinere
Bemerkung eingeschoben werden. Die Spekulation des
deutschen Idealismus erstrebte bei ihrem Vertrauen auf
ein die einzelnen Wissenschaften verdrängendes „System
II»

Vernunft nlchl ein Verständnis rlei positiven dc-


sehiehlswisseiischnfl, sondern ruht«!. die philosophis.
i onohang sozusagen unmittelbar auf Wesen und Stoff der
hu lil. seihst Nicht die .eschichtsw sse n sc
< i h;i 1 1

londern die Geschichte wollte man verstehen Man


untersuchte nicht kritisch die vorhandenen MstOI lachen
BegriMe. londern erzenste selbsliiiid chiehtsphiloso-
phische liegrifle Oder hessei es entwickelten sich die
Begritiv im Zusammenhang mit der ganzen Philosophie
Die Herausarbettling dieses in den ^cschichtsphilosophischrii
Spekulationen iteckenden Begriflfeapparati bildete die Auf-
gabe unsere!- bisherigen, kurz andeutenden übersieht Aber
wir konnten lediglich die Bildung solcher Begriffe des Ge-
schichtlichen, die An w end nng ^rw isser Wert im lernten \ er-
fÖlgen und uns dem irundcluirukter der \ eischiedcnen
(

philosophischen Systeme auch verstehen; keineswegs aber


durften wir zugleich behaupten, dasi die zu einer Kenn-
eekhnung des Historischen thatsächücfa führende geschichts-
philosophische Wertung, deren logische struktur wir In
jedem ein/einen Fall eist feststellen mussten. zur Klmheit
bewusster Reflexion emporstieg und so zum methodol*
sehen Verständnis der Geschichte benutzt wurde Vielmehr
wird man den Satz aufstellen müssen nach der logischen
und erkenntnistheoretischen Struktur des Ge-
schichtlichen wird in der klassischen Kpoche unserer
Philosophie ^nrnicht oder in unzulänglicher Weise

Diese Bemerkung musste zur besseren Würdigung \<>n


l'i< hmsI reschichtsphilosophie
an «lieser stelle eingeschoben
weiden Denn grade in ihr beobachten wir den bedeut-
samen Anfang der Erscheinung, dam die bewusste philo-
sophische Forschung sich auf den logischen Gehall des
Historischen seihst richtet Z\\;ii wirkt mich hei linin
Kants Gleichsetzung des Historischen mit dem blos" Em-
pirischen noch so Stark mich. d;iss er die Wm.i im m Ent- i

ensetzung \<>n Historischem und Rationalem nie gani


liberwunden hat Aber einen w esentBchen Fortschritt Ober
den Kriticisuius hfasaUS m.icht die \\ iss, uscIuiRsleluv da-
durch, dass sie die Einsicht in die Unentbehrttchkeit
empirischen Paktors, in die debundenheit des Allgemeinen
imeii an konkrete Yerw irklichun^. \ omlei tl
— 20 —
retischen Transscendentalphilosophie ausdrücklich auf das
moralphilosophische Gebiet überträgt. Die Notwendigkeit
eines sittlichen Materialen folgte zwar schon aus Kam s Fest-
legung auch nur des formalen ethischen Wertes; aber
nichtsdestoweniger gebührt erst Fichte das Verdienst, diese
Folgerung in den Vordergrund geschoben und dadurch in
eine ganz neue Beleuchtung gerückt zu haben. Denn die
Unentbehrlichkeit konkreter Realisierung des Formalen wird
jetzt nicht mehr nur als unvermeidliches intelligibles Fahim
empfunden, sondern als lebendiger Zusammenhang end-
licher Beschränktheit und übersinnlicher Werte freudig
begrüsst. Das Konkrete erhält einen tiefen Sinn, es wird
„das versinnlichte Materiale unserer Pflicht*, die Offen-
-
barung unserer individuellen sittlichen »Bestimmung .

Damit aber ist die einfache Identifikation von Histo-


rischem und Empirischem überwunden. In den Begriff
des Historischen wird vielmehr der Wertfaktor jetzt bereits
mit aufgenommen und mit dem formallogischen Charakter
des Besonderen oder Bestimmten verschmolzen. Auch vor
der tiefsten Spekulation soll das Historische eine ursprüng-
liche und selbständige Bedeutung bewahren. Noch besteh!
zwar, wie wir sahen, das alle Vorurteil, dass in dem In-
dividuellen in letzter Linie nur ein aus dem Pormalen
abgeleiteter Werl erblickt werden dürfe. Allein die Ver-
bindung des Individuellen mit dem Werl überhaupt ist
jedenfalls schon angebahnt. Das Kulturprobleni erhall damit
eine Vertiefung durch die scharfe logische Durchdringung,
Kants logischer Begriff des Historischen erhält eine Be-
reicherung durch die beginnende Verbindung mit dem Wert-
Faktor. Die volle Einsicht in das Wesen des Historischen
ist noch nicht gewonnen denn der Gedanke der Wert-
individualität bleibt im Grossen und Ganzen noch logisch
unbegriffen aber Elemente der Gesamtstruktur des
.

Geschichtlichen werden bereits richtig erkannt. Ist somit


die Untersuchung noch unzureichend, so ist es doch PiCHTES
bleibendes Verdienst, wenigstens einen Anfang gemacht,
zum ersten Mal alle Mittel eines grossen Systems zur begriff-
lichen Festlegung des Geschichtlichen aufgeboten zu haben.
In seiner Geschichtsphilosophie beginnt die abstrakte Spe-
kulation sich mit der Thatsache des Historischen aus-
einanderzusetzen, sich dieser Thatsache durch Einordnung
iti umfassende he^rilTHchc Zusnmmcnhange lo^iseh-melhc»-
dologiscli zu bemächti
Die Ergebnisse unserer bisherigen Darstellung lassen
sich rolgendermosscn susammenflssien Kants Hauptleistnng
bestellt in <i«r formalen Festlegung des Wertgesichtspunktes
tm den Kultur- und Getchichlibegriff; lin Heoel ist die
Anwendung <l**i Wertindhridualitäfl und des Wertganzen
onders charakteristisch; Fichti endlich gebühr! das
Verdienst einer eisten methodologisch bedeutsamen
Besinnung auf die logisch« narl <l« hichi-
liehen (.r.idediese Seile |< IN« e se h e
I S |) h
( . o-i I) t i I

sophie ist gegenüber seiner bekannten Geschicbts-


metaphysik viel zu wenij htet worden. Und
doch verdient sie eine eingehende Würdigung Einen wie
n und wichtigen Bestandteil des ganzen Fichteschem
Systems sie bildet, davon überzeugt man sieh jedoch eist
Wenn man Verfolgt, wie sie ihre Wundn bis in die letzten
Prinzipien der Wissenschaftslehre erstreckt Hei der Auf-
suchung der hierbei entscheidenden ei kenntnistheoreti >chen
Grundlagen glaubt nun der Verfasser auf Bestandteile der
Wissenschaftslehre gestossen zn sein, die nicht nur für das
Verständnis der durch sie geschaffenen Begriffsbestimmung
des Historischen unerhisslich sind. Sondern mich für die
Würdigung Ficrtbs und seiner ganzen Stellung in der
des Idealismus eine selbständige Bedeut
chichte
nspruchen. Diese Beobachtung bat schliesslich dazu ge-
führt. d;tss in der \ »liierenden Arbeit die Darstellung der
<

erkenntnistheoretischen Grundlagen gesondert von


der ausführlichen Behandlung dir Geschichtsphiloeophie
selbst herausgegeben wird. Darum ist der jfrösste IVildii
i iiieism hin nur als Vorarbeit anzusehen, aller-
iilich
dings Bis weitem wichtigste und schwierig
die bei
heil für eine Darstellung \<>n Im uns Kultur- und
ii

hichtslogik. Denn nur gewisse Bestandteile seiner


schichtsphilosophischen Leistung verlangen und verdienen
eine s«> straffe Einordnung in die Grundprinzipien da
W issenschaAslehre. Infolge VOH Zusammenhängen, die erst
aus dein letzten Teil dieser Arbeit gSJU ersichtlieh werden.
weist nämlich vor allem In ums rein logischer Begriff des
Sichtlichen über sich selbst hinaus und wird zur un-
w id« rstehlichen Veranhl Ku im s Lehre von der em-
— 22 —
pirischen Wirklichkeit und seine Behandlung gewisser
logischer Grundprobleme eingehend zu untersuchen. Haupt-
sächlich zur Kenntnis der transscendentalen Logik des
deutschen Idealismus wird deshalb diese Schrift einen
Beitrag zu liefern suchen; sie wird aber ausserdem auch
die Wechselwirkung aufzuzeigen haben, die zwischen den
kulturphilosophischen Spekulationen und der rein er-
kenntnistheoretischen Fassung des Individualitäts-
problems, insbesondere der Lehre von der logischen
Irrationalität des Individuellen, stattgefunden hat.
Unsere Einleitung hat zunächst die geschiehtsphilo-
sophischen Schöpfungen des deutschen Idealismus lediglich
als eine Entwicklung verschiedener Wertungsarten zu be-
greifen versucht. Indem dabei das Hauptaugenmerk nicht
auf die inhaltlichen Ergebnisse der Spekulation, sondern
mehr auf deren Form und Methode gerichtet war, musste
notwendig überall die Frage nach der logischen Struktur
des Wertmomentes in den Vordergrund treten. Von der
Wertlogik glitt schliesslich die Betrachtung kurz andeutend
auf das (iebiet rein logischer Probleme hinüber, die wir ein-
leitend als hetzteerkenntnistheoretische Grundlagen einer
Geschichtsphilosophie kennzeichneten, um sie dabei gleich-
zeitig als selbständigen und für sich behandelten Gegenstand
unserer Arbeit festzustellen.
Nur bis zu dem so angedeuteten und in den richtigen
Problemzusammenhang eingeordneten Thema unserer Ab-
handlung sollte die Einleitung orientierend hinführen.
Über den genaueren Inhalt selbst giebt der erste Teil
durch Ausführungen über die Logik des deutschen Idealis-
mus und durch vorläufige Einstellung FlCHTES in den
Entwicklungsgang der hier erörterten Spekulationen die
weitere Aufklärung. Der zweite Teil enthält sodann den
Nachweis der am Sehluss des ersten über die Wissenschat ts-
lehre aufgestellten Behauptungen. Lediglich ein Ausblick
auf FlCHTES (ieschichtsphilosophie, wie sie sich auf den
nachgewiesenen erkenntnistheoretischen Grundlagen auf-
baut, kann endlich im dritten Teil gegeben werden.
Erster Teil.

Die logischen Voraussetzungen von Kants und


Hegels Rationalismus und die Einordnung Fichtes
in den Entwicklungsgang der deutschen
Spekulation.

In Einleitung war bereits an mehreren Stellen


«irr
die Gelegenheil geboten, auf die Innige Wechselwirkun g
swischen der Kulturphilosophie and der Erkenntnistheorie
dei deatschen Idealismus hinzuweisen. Gegenüber dieser
Thatsache historisch gegebener Gedankenzusammenhii
kann nun der Kritik <li< eigentümliche Aufgabe erwachsen,
eine notwendige, Bachliche Zusammengehörigkeit dw hi
den verschiedenen Systemen faktisch miteinander ver-
bundenen Denkbestandteile /u leugnen. So werden wir
die logischen Voraussetzungen von Kants Transscendental-
philosophie Ulligen dürfen, ohne den psychologisch aus
Ihr hervorgehenden einseitigen Formalismus des Werten*
gutzuheissen. So werden wir umgekehrt Hegels Theorie
vom Begriff ablehnen können, crime doch leine ftrucht-
Schöpfung neuer Wertbegriffe verkennen zu müssen
Dieses kritische Verhallen findet dann leine einzige Rechl-
liirin, <l.t>s wir an eine mögliche Vereinigung
Kantischen Theorie \<>m Begriff mit «Irr Bildung der
lli «.i
i s< in \ Wertbegriffe Rauben
w n können aber auch noch einen Schrill weiter gehen
und den Sat/ aufstellen die Kantwchf Logik mm logar

•I. 5 18 \mn. 2.
— 24 -
die einzige, unerlässliche und ausreichende Vor-
bedingung,zwar nicht zur vollkomnienenBegriffsbestimmung
des Historischen, wohl aber zur Erfassung gewisser not-
wendiger Elemente dieses Begriffs, also zu einer Leistung,
die wir andeutungsweise bereits als Fichtes geschichts-
logische Hauptleistung bezeichneten.
Jene Kant und Hegel voneinander scheidenden logi-
schen und erkenntnistheoretischen (irundansichten machen
wir nunmehr zu einem selbständigen Gegenstand der
Untersuchung, und zwar mit der eben geforderten gänz-
lichen Herauslösung aus der Verflechtung in die ver-
schiedenen Wertungsarten und mit alleiniger Zuspitzung
auf das, was sich uns als der eigentliche Mittelpunkt der
Probleme ergeben wird, auf die Lehre von der Irratio-
nalität der empirischen Wirklichkeit, auf die rein
logische Behandl ung des Individuellen. Unser „erster
Teil" soll somit nur den problemgeschichtlichen Ort Für
diejenigen logischen und erkenntnistheoretischen Gedanken-
gänge feststellen, die im »zweiten Teil" als rein theoretische
Grundlage von HTES Begriff des Historischen ausführlieh
1 i<

behandeil werden Eine so genau orientierende Dar-


1

).

stellung dieser Probleme muss aber deshalb vorausgeschickt


werden, weil nur hei ganz scharfer Herausarbeitung des
Gegensatzes zwischen KANTISCHEM und HeGELSCHEII Katio-
nalismus Fichtes Stellung in der Entwicklung des Irrn-
tionalilatsproblems und damit die Bedeutung seiner ge-
schichtslogischen Leistung-) zum Verständnis gebracht
werden kann.
Es wird sieh hei dieser Gegenüberstellung von Kants
und Hegels Philosophie hauptsächlich um die Theorie des
Begriffs handeln. Darum erscheint es zweckmässig, vor
der ausführlichen Behandlung der beiden Systeme das <ler
J
) Auch in der heutigen Methodologie der Geschichtswissenschaft
erscheint die Irrationalität der individuellen empirischen
Wi ikl ichkeil als weitester rein Logischer Begriff des „Historischen";
so Ihm Rickert, Grenzen, Kap. III. Die Unableitbarkeit des Indi-
viduellen aus den allgemeinen Gesetzen als eigentliches Charakte-
ristikum des Geschichtlichen ferner bei Simmel, Probleme der Ge
Schichtsphilosophie, bes. 41 ff. und Windelband, Geschichte und
Naturwissenschaft (Rektoratsrede); vgL ob. S. 21 f.
-> Deren Zusammenhang mit dem urraüonalitfttsgedanken be-
sonders in Kap« III des „dritten Teiles- dargestellt wird.
- 26 —
\ i rgleichung cu Grund
ie Lehrstück wenigstens in

läufigen im issen klarzustellen


i

h der Entscheidung «In Frage, welcher WahrheHs-


nnd Wirklichkeitsgehall den Gattungsbegriffen zuzuer-
kennen ist. lassen sich alle von jeher aufgestellten Begrifls-
theorien In swd Hanptgruppen teilen Die Anhänger der
iinen halten das logisch Untergeordnetste, d.is Inhaltreichst« .

das, was der Stufenfolge der Begriffe nach unten Ihm «in«
Schranke set/t. km/ die unbegrenzte Zahl der BinzeldingB,

das empirisch unmittelbar Erlebbare, für die einzige Wirk-


lichkeit, für die unverrückbare liasis. von der alle Begriflb-
bildung ihren Ausgang nimmt. Das Empirische wird ihnen
rar einzigen und vollen Wirklichkeit: der Begriff zu einem
künstlich ausgesonderten Teilinhalt ohne eigen« Existenz-
llhigkeit, der durch Auflösung des nrsprünglicfa Verbundenen
entsteht und sieh lediglich als Produkt des Denkens erweist
Die Begrifisbfldung vollzieht sieh hier durch Anal
unmittelbar (iegehenen: wir können dir Logik, die auf diesem
Standpunkt steht, kurz die analytische Logik nennen
Die Hör entgegengesetzte Richtung deutet die logische Herr-
schaft des Begrifft Aber das Linzeldin^ zur realen Macht
einer höheren Wirklichkeit mn, der gegenüber die Welt
des Empirischen zu einer niederen und abhängigen Dascins-
fonn berabgedrückl wird Diese Richtung hat einen groasen
Formenreichtum entwickelt, bei dessen Erzeugung mannig-
fache metaphysische und erkenntnistheoretische Gedanken
wirksam gewesen lind Es liest defa aber zeigen, d
diese alle auch einem rein logischen Ideal des Begrifft
zustreben, das seiner Struktur nach dem Begriff wie ihn
die analytische Logik fordert, in wesentlichen Punkten ent-
gegengesetzt ist Bei diesen Theorien nämlich mnss der
ßegriti inhaltsreicher als die empirische Wirklichkeit
stets
anstallen, nicht als denn Teil, sondern umgekehrt sc
«lacht werden, dass er sie als seinen Teil, als Ausfluss seines
nhei wirklichen Wesens nmfasst Beziehungen /wischen
rill und Kinzelnem werden dann nicht etwa durch ein

die Begriffe erst bildendes Denken ermöglicht, sondern ent-


stammen einer realen Ahhün^i^keil des Besonderen, einer
(arischen" innigen Durchdringung \<>n Gattung und
Einzelwirklichkeit. Da hierbei der Begriff* den besonderen
wirklichungsfoll sozusagen aus seiner überreichen Pulk
Las k , Hebte» Idralbnt» uod die Cwhlchi*.
— 26 —
entlässt, mag die solche Ergebnisse hervortreibende An-
schauungsweise eine emanatistische Logik genannt wer-
den. Schon diese kurze Übersicht muss gezeigt haben, dass
das Princip der Einteilung in die beiden Arten der Logik
gebildet wurde durch ein verschiedenes Verhältnis des
Begriffs zur empirischen Wirklichkeit, zu der er sich
nämlich das eine Mal als unterwirklicher Teilinhalt, das
andere Mal als überwirklicher Urgrund verhält.

I. Kapitel.

Kants analytische Logik des transscendentalen


Begriffs.

A. Die logische Struktur des transscendentalen Begriffs im


Allgemeinen.

Dass Kam- als der typische Vertreter einer analy-


tischen Begriffstheorie gelten darf, zeigt sich zunächst ganz
deutlich auf dem Gebiet der formalen Logik, auf dem wir
ihn als Anhänger gewisser Hauptstücke der traditionellen
Lehre ßnden. Der Gattungsbegriff, als fertiges Gebilde ge-
fasst,ist das Produkt einer Reflexion auf die mehreren ver-

gleichbaren Vorstellungen gemeinsamen und einer Absonde-


rung der individuell verschiedenen Merkmale. Seine All-
gemeinheit, d. h. seine Anwendbarkeit auf viele Kinzelvor-
stellungen, verdankt er lediglich seinem abstrakten Charakter,
d. h. seiner Losgerissenheil uns dem ungeteilten Ganzen
der „Anschauung*. Er stellt eine erst durch das Denken
geschaffene Koncentration von Merkmalen und deshalb nur
eine begriffliche, nicht eine reale, anschauliche Grösse dar.
Auch mit jeder Vorstellung einer realen Abhängigkeil des
Einzelnen, das nur „unter" dem Begriff steht, von der Gattung
muss daher gebrochen werden Wie zwischen Exemplar
1
).

und Gattung keine reale Abhängigkeit, so findet aber


ferner zwischen den Exemplaren derselben Gattung unter-
einander auch keine reale Verbundenheit statt. Das Hand,
das den empirischen Umfang eines Begriffs umspannt,
i)
Vgl. EU allem Kants Logik, WW VIII.
27

istnur der Gedanke Ihn leinschaftlichen nterordnung. I

Derempirischc mfang ist eine Summe, ein Uoss ci \


I

Mm Exemplaren, übet deren unbegrenzte Anzahl der Begriff


Mos verstreu! isl l Wie
Subordination keine n
die
Wirkung, der keine milr Substanz, so ist dir
Begrifl leibst
Koordination keine reale Einheit
tnisa dieser analytischen Begriflfctheorie lebii Kami
in rein logischem Betracht die Inhaltsleere und deshalb
in erkenntnistheoretischem Betracht die Unwirklichkeil
riffs gelangt so notwendigerweise /u einem ge-
l i

w Kssen Nominalismus und Empirismus. Dieser aber icheinl


sich im Widersprudi zu befinden mii seinem .Rationalis-
mus*! nach dem die Gegenständlichkeit oder ObjektivHit
de ;ms den reinen Denkformen stammt, mithin aus
einem Allgemeinen, das dem empirischen Wahrnehmung*-
material entgegengesetzt isl Eä scheint demnach, als ob
die erkenntnistheoretischen Gattungri>egriffe,dietra as-
ndentaleu Allgemeinheiten, sich der anal] tischen Logik
nicht einluden Wir wollen nun versuchen, die Verl:
lichkeit der analytischen Logik mit der kritischen Erkennt-
nislehre dadurch d.ir/uthun. dnss wir diese \dii jedem
vorkantischen Rationalismus unterscheiden und dabei die
ischc struktur des rationalen Paktors, wie ihn
der Kriticismus lehrt, gciKiu reststellen
Den Rationalismus finden wir zu-
vorkantischen
nächst auf dem Hoden einer
dogmatischen Metaphysik
Der Rationalist erfährt die Unangemessenheil des neb
empirisch darbietenden Krkenntnisinnterinls gegenüber den
letzten Bestrebungen unserer Vernunft, die ihm auf \
einheittichung und Begreiflichkeit hinauszulaufen icheinen
Was lieh ihm nun hei semer \on den Ycrnunlt/iclcn ge-
leiteten Bearbeitun Materials ata Wesenhaftes
und si( ii vom Zufälligen scheidet, das siebt er nicht ledig-
1
lich als ein Erzeugnis leinerdie »ErscheinungsweH über- '

windenden Denkthfttigkeil an, somlern zugleich als Abbild


einer zweiten und wahreren Wirklichkeit Da er WerU
det Erkennens in Wirklichkeiten umwandelt, muss ihm
der Sinn des rkennens iteü in ^w Abbildung einer
I

n vj i
die bekannte Stelle Hl, SO tan Rsamargiiment
i VI,
476 Anm. ..Inbttfiill". ..r<»m|>li\us\ ...i^rc^itum*' iilcntiliruTt.
3*
- 28 —
Wirklichkeit bestehen. Er gelangt so notwendig zu einer
auf die Abbildtheorie aufgebauten Zwei welten lehre. Einer-
seits ist also bei ihm das Erkennen ganz abhängig vom
absoluten Sein, denn es ist seine getreue Kopie; andrer-
seits ist aber wieder das absolute Sein ganz vorgezeich.net
durch das Erkennen, denn seine jedesmaligen Erkennt-
nisziele hypostasiert ja der dogmatische Rationalist zu der
metaphysischen Realität. Denknotwendigkeiten, Ideale des
Erkennens werden bei ihm zu inhaltlich bestimmten
übersinnlichen Gegenständen, zur naturphilosophisehen
rfpxij zu Platonischen Ideen, mittelalterlichen Universalien,
Naturgesetzen und Atomen, zur Spinozistischen Substanz,
zu allen den rationalen Dingen der Leibniz-Wolffischen
Philosophie. Der vorkantische Rationalismus ist gekenn-
zeichnet durch die Abbildtheorie und die Hypostasierung
von Erkenntniswerten zu inhaltlich bestimmten Realitäten,
Kam ist der Zerstörer der Abbildtheorie; darin besieh I

seine "Kopernikanische, Thai Sein, Realität, Gegenständ-


lichkeit ist eine Regel der Vorstellungsverbindung, eine
Notwendigkeit und Allgemeingilligkeit des Urteilens. Ver-
nichtet ist damit, was wir die Abhängigkeil des Denkens
vom Sein nannten, zugleich aber mich, so scheint es zu-
nächst. die letzte Schranke desRationalismus hinweggeräumt
Allein Kam greift ebenso die andere Lehre der Meln-
physiker an, nämlich ihre Verwandlung von Erkenntnis-
werten in inhaltlich bestimmte Realitäten. Er leugnet
zwar das absolute Sein und führt die Gegenständlichkeil
•au\' eine Notwendigkeit des Urteilens zurück. Aber dieser
Erkenntniswert der Notwendigkeit begründet nach ihm nur
Gegenständlichkeit, nicht inhaltlich bestimmte Gegen-
stände. So ist denn auch die metaphysische Passung der
Abhängigkeit des Seins vom Erkennen beseitigt. Die
kritische Fassung gestattet nur den Wert oder die Dignität
oder die Notwendigkeit des Gegenständlichen aus dem
Erkennen entspringen zu lassen, und erlaubt nicht nur,
sondern fordert demgegenüber die volle Selbständigkeit
des inhaltlich Bestimmten oder Empirischen. Sie fordert
sie; denn jene Notwendigkeit, die (Ins Erkennen erzeug!,
ist eine Form ohne Inhalt. Existieren aber können in der
empirischen wie in der transscendenten Welt nie blosse
Gegenständlichkeiten als Allgemein begriffe, sondern nur
- 29 —
siiitilit in odi i 1 1 1 »t i sinnliche (fegen stände
Schon dadi
i.isst sich einsehen, der Kvnms« m Raiionalismui einen
«i.iss

gewissen Empirismus, eine gewisse unersetzliche Selb-


iiriigkeil des mpirischen nicht mir duldet, londem be-
I

gründet
Jedenfalls eeigl lichunsdieStellung iar empirischen
Wirklichkeit von einer ganz Ihnüchen anssrhlnggrhendrn
Wichtigkeit, n le vorher im- den Gegensatz der beiden Arten
von Logik, s<> jetsl such Ar den Unterschied des Kantum n v

Rationalismus von der vorkantischen rationalistischen


Metaphysik Ei eröffne* sich dadurch zugleich eine Aus-
sieht darauf d;iss mit dem kritischen Rationalismus dk
analytische Logik verträglich ist. Ja d.iss sie auf das trans-
scendentale Gebiet sich übertragen muss Denn wo de
apriorische Erkenntnisbestandteil ah blosse inhaltsleere
Form gefassl wird, ds erscheint er doch hereits all in
hohem Grade den (hörigen Gattungsbegriffen angefthndfl
Wir weiden seiion im Folgenden genauei
hier .'int* <l;is erst
rundete Ergebnis vorbereitet, dass nach transscendeo-
taler Methode das apriori lediglich ala Produkt erkennt-
nistheoretischer Analyse anzusehen ist und die reinen
Denkformen all nach den Vorschriften einer ana-
lytischen Logik richtig gebildete transscendenf
begriffe sich enx eisen.
Obgleich die Verträglichkeit des die analytische I

begleitenden Empirismus mit dem Kantischem Rationalis-


mufl JetZl principicll feststeht, so innss trot/dem EUgSgebeU
werden, dass die Anwendung der analytischen Theorie
.iui das ransscendentale ein verwickeltes Ineinander-
l

icher und erkenn tn ist heor etischer lesichtspimkte (

mit sich bring! Denn «In jene reinen Krkenntnislonnen.


.iis Mos abstrakte («;itti riffe auftreten tollen,
seihst .iis eigentliche Erzeuger der Realit&i und Objek-
ti\ itat Lielten w ic ist es möglich, dass ihnen die .empirische
Wirklichkeit" ganz in deinselhen Sinne wie beliebigen
anderen Allgemeinbegrifft Dfibertritt, mit dem An-
spruch aufselbsUü deutung^ Denn um etwas Ober-
haupt (> ind nennen /n können, muss man Kategorien
Ja ichon mitdenken Allein dieser Überlegung dürfen wii
von rein logischem Standpunkt ans Pol 'idi i entgegen-

halten gani ebenso wk beim Erkennen eines Diu


— 30 —
überhaupt die transscendentale Eigenschaft, die Kategorie,
so wird irgend eine beliebige empirische Eigenschaft, z. B.
die der Schwärze, schon mitgedacht bei der Auffassung
eines schwarzen Dinges, oder anders ausgedrückt: in dem-
selben Sinne wie in jedem schwarzen Ding die Eigen-
schaft der Schwärze, so verwirklicht sich in jedem Ding
überhaupt, sofern es „Erfahrungs" objekt ist, individualiter
die allgemeine Kategorie der Realität. Für unsere rein
logische Betrachtung giebt es somit in dieser Hinsicht
keinen Unterschied zwischen den transscenden taten und allen
sonstigen Gattungsbegriffen ). Grade im Kritieismns —so
1

können wir diese Betrachtung vorläufig abschliessen


innss daher die analytische Logik ihre höchsten Triumphe
feiern; denn in ihm werden sogar die den Erkenntniswert
des inhaltliehen Denkens begründenden „synthetischen"
Formen, die in ausdrücklichem Gegensatz stehen zu den
blos formallogischen Denkoperationen, streng als blosse
Formen, als abstrakte Erkenntniswerte gefasst, ohne Hypo-
stasierung zu selbständigen Realitäten.
Ans demselben (irundc kann sieh darum in der nach-
kantischen Gedankenbewegung auch der alte Gegensatz ana-
lytischer und emanaiistiseher Logik fortsetzen, nur unter
veränderten, nämlich verwickeiteren Bedingungen. Um
Hegels Hinausgehen über Kam' mit genügender Schärfe
erfassen zu können, müssen wir uns jetzt die kritische Leine
in ihrer doppelten Verschlingung von Logik und Erkenntnis-

theorie etwas genauer vergegenwärtigen.


Auszugehen ist dabei von Kants Leugnung eines ...m-
schauenden Verstandes". Ans dem diskursiven Charakter
unseres Lrkeimens wird näinlieh zweierlei gefolgert. Erstens
(las allgemein logische Schicksal, dass für alles Lrkennen
der Wirklichkeit die Scheidung in ../wei ganz heterogene
Stücke, Verstand für Begriffe und sinnliche Anschauung
119
für Objekte, die ihnen korrespondieren ), unerlässlieh sei,
Und zweitens die Übertragung dieses allgemein lo-
gischen Phänomens speciell auf das Erkennen des
Erkennens selbst, d. h. auf die Methode der transscen-
») Vergl. dazuKants Logik § fi; Ki \<> Fischeb, Anti-Trendelenburg
18 — 23, Vaihinger, Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft
II, 209 f.

*) V, 414 vgl. VIII, 36, 88.


«I ml. ihn Dtersuchttog Die \«>lle Ei kenntnif wirklich«
l

k fit .
vi
können nv br auch i ichliesti licfa ebensov
einer intellektuellen Anschauung* wie die Wirklichkeil
ftherheupt Auch dei ranttcendentnlphilotophen Auf|
I

besteht im riiiiT Zerlegung, durch dk der im Begriffe der


fchrung

iteekende Wertgehall der Notwendigkeil und


UlgemeingiltigkeÜ herausgelöst, dk Erkenntnis auf ihre
apriorischen Elemente hin geprüft n ircl l>as;d>er mussnuch >

hierbei festgehalten werden verwirklichen können sich die


w onnenen Erkenntniswerte nuraui empirischemSchau«
platz, mag auch ihre Bedeutung gar nicht aus dem zu er-
messen lein, \\;is eben nur Schauplatz i^t Als Gebilde
philosophischer Analyse setzen sie notwendiger Weise etwas
voraus, aus dem sie durch die Analyse gewonnen sind*).
Derjenige Erkenntnisbestandtefl nun, der Qbrig bleibt, wenn
man vom Apriorischen absieht, ist das Aposteriorische, «1 m
Materiale oder rein Empirische; das Apriori und «1.»^
Apoeteriori bilden eine unauflösliche, nur durch die Kritik
Benetzbare Einheit Für uns ist dk Scheidung aber auch
notwendig, da wir «las. was in der Vereinigung und Durch-
dringung beider enthalten ist. wohl erleben, aber nicht in
seiner Bedeutung fÜr die /wecke der hew Ussten Irnnssccii-
dentaled Erkenntnis anmittelbar durchschauen, «In wir nur
ein/eine Bestandteile der Einheit und diese nicht anders
Sil gesondert denken können.

Wie alle Wirklichkeit miiss somit auch die Krkenntnis-


wnkliehkeit analysier! werden, und wie alle Wirklich-
keit zerfallt feiner auch die Erkenntnis in die Bestandteile

Vgl Der phflosophisclM RHticismu l. SIS: „Diesen


I'.iimi.
nimmt Weg einer rein begrifflichen tnalyseder
Kant, den
itellungen, um Thataache «irs Apriori
< 1 i *•
n
begrAnden.** In der
idenüüphilotopbic dm Standpunkt einer ..amiixhs« heu-
zu erblicken, tat um x«. nehr berechtigt, ata Kaki leJbsl
li

Long des Bmpiriacbei] Bonalen" m I

chei \u alyse" und ptRednctionM tau


&54. V. 169 und vgl. da/u Rmi M h Samume, Grandriu II.
l.

388, 511 4. Autl |

It&ndnis unserer IkwiissI einseitigen Darstellung «1er


lrHill indentalen Methode muxs wiederum daran erinnert werden,
dass n si» h für (ins hin nur um nur kenn/ru JllBQJIg dar logischen
iktur des transseendentalen Apriori handelt, ^lenhsam um dir
formal- der ..t ransseendeu talen Logik"
— 32 -
des „Begriffs" und der „Anschauung' oder — nach Kants
Logik —
des Allgemeinen und des Besonderen. Es ver-
bindet sich demnach mit der transscendentalen Schei-
dung der beiden Erkenntnissphären einerein logische Ent-
gegensetzung. Das Apriorische nämlich ist der allenthalben
sich gleichbleibende, das Empirische der überall verschieden
gestaltete Erkenntnisbestandteil. Die Vernunftnotwendig-
keiten, z. B. die Kategorieen und die aus ihnen sich er-
gebenden Grundsätze des Verstandes, können darum als das
Gemeinsame oder Allgemeine angesehen werden, unter
das sieh der individuelle Bestandteil als Exemplar
subsumieren lässt. An den im übrigen unendlich ver-
schiedenen Empfindungsinhalten treten als erkenntnis-
theoretische Gattungscharaktere Begriffe wie Substantiali-
tät und kausale Verknüpfung auf. Jedes wahrnehmbare
Kausalitätsverhältnis /.. B., etwa das zwischen Sonne und
erwärmtem Stein, ist nur einzelner Verwirklichungsfall der
Kausalität Oberhaupt (des Käiisalitätsbegrifts). Die Anwen-
dung der Kategorien auf die Gegenstände der Erfahrung
gilt deshalb bezeichnender Weise als Geschäft der das Be-
sondere unter das Allgemeine subsumierenden Ur-
teilskraft. Kam gliedert die den Inbegriff der erlahrbaren
Gegenstände, die ..Natur", konstituierenden Paktoren meist
nach drei Hauptstufen der Allgemeinheit Den „allgemeinen
Naturgesetzen", die nur die abstrakt gefesste, allgemeine
Gesetzlichkeit, den „allgemeinen Begriff der Natur dar- 1

stellen und die nur über die Dinge „ihrer (iattu ng nach",
aber nicht als „speeifische"*) etwas aussagen, ordnet er
die besonderen, also nur relativ allgemeinen Naturgesetze ')

unter. Den relativ allgemeinen Naturgesetzen steht als


unterste Stufe der Allgemeinheit das nur noch Indivi-
duelle, gar nicht mehr Allgemeine gegenüber, das „Mannich-
faltige*, „Besondere" oder der unter die transscendentale
u
„Regel subsumierbare „Fall" 4 ).
Nachdem nun einmal ersichtlich geworden ist, dass die

») V, 186.
') Ibid. 190.
a Das „Verschiedene, Für jede Species zwar Allgemeine", ibid. 192.
)

*) V, 192 \rgL über die allgemeinen und besonderen Naturgesetze,


die natura formaliter speetata und die natura materialiter speetata,
noch III, 153 f., 583 I'., IV, 44 f., 54 f., über die „Sperilicalioir III, 443 ff.
— 33 -
Innisi he Erfassung «In- Kransscendentalen BegriffsweM nicht
( iw.i eine dieser Fremde und nur siusscrlich ;in m«- hcrnn-
igclic Hella« ilt llli^sw eise dal stellt . wird \ nn ]«l/| an
«nie vollkommene Aiisemanderhaltim^ rein logiscOCI unil
rein transscendentaler Probleme unmöglich Vielmehr
lieferte uns einersettslogische Beleuchtung bereits den
«In-

wichtigsten Beitrag tum Verständnis der hranssfundfntalfii


Methode und berührte, wie wir sahen, gerade sozusagen
die Lebensfrage des Kantbcheh Rationalismus, den Punkt,
«Irr diesen \<>n allen anderen rationalistischen Systemen
unterscheidet Andrerseits wird lieh Im Folgenden deut-
lich herausstellen, dass Kants Theorie des transscenden-
t.-il Allgemeinen zugleich seine Lehre vom Begrifl Ober-
haupt und seine ganze analytische Logik immer klarer zu
enthüllen im Stande ist Aus der Innigen Durchdringung
des Logischen und des Transscendentalen erhalten wir
somit Kants Theorie «Irr transscendentalen Begriffs-
bildung, d h. einer Begriffsbildung, deren Katende Prin-
cipien die hransscendentalen Erkenntniswerte sind

B. Der transscendentallogische Zufallsbegriff.

Aus der Ionischen Struktur des Rationalen Und dein


diskurshren Charakter unseres Denkens folgte für den in-
dividuellen Erkenn tnisfaktor ins jetzt jedenfalls ichou
soviel, d;iss wir die Wirklichkeit nie in ihrer unmittelbaren
ebenheil hinnehmen dürfen, sondern für Erkenntnis-
swecke sie stets in eine Disjunktion auseinanderlegen müssen,
deren eines Glied d;is Allgemeine oder Abstrakte ist Auch
war leiner bereits festgelegt worden, dasi das dadurch
Ins Leben gerufene Verhältnis des Einzelnen zum Ali
meinen entgegengesetzt werden müsse einer thataächlichen
und metaphysischen Eingliederun
Aber <lie analytische Logik fordert noch weitergehende
Einschränkungen des Erkennens; sie rauht dem Allgemein-
he^iitl nur die metaphysische Würde einer höheren
nicht
ondern deckt muh gewisse Schranken seiner
logischen Bedeutung auf. Indem sie so logische Man
des Begriffs blosslegt, leidet sie dabei in gewissem Sinne
an einet lelbstgeschaflenen Schwierigkeit, denn die el>en
itete UnvoUkommenheÜ verrät der Begriff gr
— 34 —
in seinem Verhältnis zum Empirischen,
zu dessen Erfassung
und Bewältigung doch er ehenso wie der ganze
seihst
Dualismus des Allgemeinen und Besonderen erst künstlich
erzeugt war. So gerät das dem unmittelbaren Erlebnis so
leicht sich erschliessende Einzelne oder Empirische auf
dem Gebiete der Reflexion durch das eigens für die Zwecke
des Denkens geschaffene „Allgemeine" in eine eigentümliche
und problematische Beleuchtung; und hier stossen wir
endlich auf den Funkt, an dem der tiefste Zusammenhang
des erkenntnistheoretischen Wirklichkeits- und Indi-
vidualitätsproblems mit der Natur des transscendentalcn
Abstraktionsbcgrifls sich aufhellt.
Ober das alte (irundverhältnis des Besonderen zum
Allgemeinen finden wir nämlich bei Kam die richtige An-
sicht ausgebildet, dass die grössere Inhaltsfülle, die das
Besondere vor seinem Gattungsbegriffe auszeichnet, aus
diesem für unsere Erkenntnis sich nicht ableiten lässt, das
Verhältnis des Besonderen /um Allgemeinen mit Rücksichl
auf unser Begreifen also irrational genannl zu werden
verdient. Das Besondere ist nicht logisch in dem All-
gemeinen enthalten, unter dein es doeli steht, es ist deshalb
mit Rücksicht nnl den Begriff „zufällig". Die in dieser
Irrationalität sieh offenbarende Unfähigkeit unseres Er-
kennens begründet den logischen Zufallsbegriff l). Da-
durch dnss Kam ihn wiederum überall auf die Verhält-
nisse des transscendenta] Allgemeinen übertrug, hat er
eine besondere Anwendung oder Abart von ihm, näm-
lich den transscendentallogischen Zufallsbegriff, ge-
schaffen. Seine \ iclhesprochene und oft missverstnndene
Lehre vom Zufall ist zumal in der endgütigen Fassung,
die sie in der „Kritik der Urteilskraft* gefunden hat
nicht nur streng kritisch, sondern gehört sogar zu seinen
grossen und fruchtbaren Leistungen 1).

'» Diese von Windelband, Lehren vom Zufall 68fr, aufgestellte


Lehre ist von grundlegender Bedeutung auch für die Klärung trans-
scendentalphilosophischer Probleme«
) Dies i^ili ohne Einschränkung von dw „Kritik der Urteils-
kraft?, Während in der „Kritik der reinen Vernunft" neben der
richtigen Einsicht sieh störende Reste Leibnizischer (Metaphysik er-
halten haben, die auch WlNDELBAND a. a. (). 74 erwähnt, ohne doch
an dieser Stelle Kants Verdienste um i\v\) Zufallsbegriff hervor-
zuheben.
3f>

Um ^niili
i diese streng logische ll< Erfindung bei Rani
isi \ lel ni wenig beachte! word< n nd doch finden wii I

sie Im i ihm mit all DkUchen Schärfe li« rausgi arbeite!


Insbesondere isi <irr noch bei Li ihm/ auftretende Gedanke
einet im absoluten, dogmatischen Sinne Zufälligen durch
die kritisch gefaaste Relativität des Zufalls, nämlich durch
dessen lUv.iohung lediglich auf unsere Erkenntnis, über-
wunden. Denn das Zufällige wird von Kant nicht als eine
physikalische oder metaphysische, sondern ausschliesslich
als »ine kransscendentallogische, die Fähigkeiten uns.
Erkennen*, die logische struktur des Abstraktionsbegriffei
betreffende Thatsache gedeutet Für unsere Vernunft, für
unseren »diskursiven Verstand ist es unmöglich, Ober den
11

ns.li/ des Allgemeinen und Besonderen hinwegzu-


kommen, und mit dieser nie überwundenen Zwiespältigkeit
isi .null der Umstand unauflöslich verknüpft, dnss für uns
der Obergang von der »Unbestimmtheit der logischen
Spinne in Ansehung der möglichen Einteilung* *) zu einem
ipeeiflschen Inhalt unbegreiflich ist, dass das B< sondere
.ils ein Solches in Ansehung des Allgemeinen etw.is
Zufälliges enthält » und durch dasAllgemeine »unbestimmt
:s M n wird 4
». „Unser Verstand ist ein Vermögen der
riffe, d i ein diskuisiver Verstand, Im den es freilich
Zufällig sein welcherlei und wie sehr \ei schieden
inuss.
diis Besondere sein mag, das ihm in der Natur gegeben
werden und dns unter seine Begriffe gebracht werden
kann" Der logische Zufallsbegriff ist der spekulative
i

Unterbau der ganzen Kritik der Urteilskraft

der Schriften \<>n Com v Si um r, Ru hl and Wixoi


i :
..i i i
1

iiwi». in t<"i bransscendentalloglachen Charmktet


denen aussei (

Vernonftkritift grade <in- Bereehtignng des Zanülsbesjrini •!> einer


ic «i»s Rstionslen einen ngemessenen Ausdruck gefunden bat
\ui «lie Ansichten dieser Autoren wird noch an mehreren Stellen
einzugehen Gelegenheil sein
'» III. i;

>) V. 417 v*l IV. lU \nm


in. :;•'.. \. na, ISO, ihö.
lind Sie li< \>J 414
..t IV. M
nd n.imlirh hat «I
\«>m Analytisch Ulsjemetnea (von Begriffen I

nun Besonderen (der sjsg>hencn enipirisehen taschaoung gehen


niuss. v iis.i in insehang der MsnnlgffitttgBrti «trs letzteren
nirhis »»rstimmi 420 vsjE IIK, !*<• s«- GehoadeoheH

anserer Vernunft' nennt er II" nlümllchkeiten unseres (seJbsfl


— 36 —
Seine Anwendung
auf die transscendentalen Verhält-
nisse ergiebt jetzt folgendermassen den oben angekündigten
endgiltigen Aufschluss über das Problem der empirischen
Wirklichkeit. Es stehen einander gegenüber Form und In-
halt des Krkennens, der Inbegriff des Apriori, der zugleich
das Allgemeine, und der empirische Schauplatz, der zugleich
das Besondere abgiebt Dem formalen Element fällt die
1
).

Holle des alle Erkenntnis bedingenden und insofern un-


erlässlichen oder notwendigen Faktors zu. Aus ihm ist
das Zufällige nicht ableitbar, es selbst aber ist das Wider-
spiel des Zufälligen, das Notwendige. Auch die Not-
wendigkeit ist nicht eint' Aussage über die Dinge, sondern
ober eine Beschaffenheil unseres Erkennens. Wie die Zu-
fälligkeit einen Mangel, so bezeichnet die Notwendigkeit
eine Macht unserer Erkenntnis. Die „allgemeinen Natur-
gesetze" beissen notwendig, weil sie ..der Natur
notwendig zukommen '), als aus ihrem Begriff hervor-
gehende, wesentliche Merkmale). Das für die Natur Not-
wendige ist, da die obersten Grundsätze nach Art und Zahl
nicht vom empirischen Material abgelesen werden, zugleich
das für die Vernunft Notwendige, aus dem Wesen derVer-
nimfl Ableitbare, mithin das Rationale. Es begründet die
rationale Erkenntnis, und von ihm lasst sich einsehen, dass
es eine solche Erkenntnis begründen müsse. Ks ist das
unabhängig von der Erfahrung für alle Erfahrung ..Anti-
cipierhaie \ ohne das Erfahrung gar nicht gedacht werden
kann. Dieser von Kant bei den ..Anticipationen der Wahr-
nehmung" gebrauchte, aber auch zur Bezeichnung des

des oberen) Erkenntnisvermögens, welches wir leichtlich als objek-


tive Prädikate nur die Sachen selbst überzutragen verleitet werden."
') V-l. ob. S. 32.
-) V, 193 vgL189. Zufällig*' wird im Gegensatz dazu mit „apriori
Dicht erkannt werden können" gleichgesetzt
Diese Bedeutung h:d die „Notwendigkeit" dann, wenn sie
:;
)

nicht als die nur in i\c\- Idee einer systematischen Einheit der Er-
fahrung vorstellbare Krkennlnisweise, in der die Zufälligkeil bis auf
den letzten Rest überwunden ist, also nicht als der in der Unendlichkeif
liegende Ersatz der Zufälligkeil gefassl Wird, sondern als deren
auch unsern Verstand bestehender Gegensatz, wenn Notwendig-
lüi-
keit und Zufälligkeil als nebeneinander bestehend und auf ver-
schiedene Gebiete verteilt gedacht Werden. Vgl dieses Kapitel unter I).
:t7 —
Formalen >Tarwertete tuadruck liefert ein vom
ftberfaaupl
ptycbologistiiichefi Nebeneinn
freie* logiecbei Princip m f

die Einteilung In Apftariachei und Kmpirischrs


Im leine Begreiflichkeit imssi nun allerdings dai I

nude nach echt analytischer Grundvoraueeetoung notwendig


eise durch leine hochgradige Inhaltslosigkeit Ei bildet
1
gleichsam nur ein Schema zur möglichen Erfahrung* ),
und Qber «Im einzelnen Kategorien erhebt sich noch .ils
höchster bransscendentaler Abstraktionsbegritf, ata oberste,
allgenieinste und darum auch Inhaltsarmste Bedingung dei
mi( ns die bransscendentale Apperception *).
Infolge m'iiun genauen
Gegensätze! zu allen diesen
nachäffen das Materiale jetzt leicht ab dai
lässt rieh
Dsscendentallogisch Zufällige charakterisieren Ent-
iprechend der Abstufung nach den drei Graden der AN
meinheit v^| ob. V 32f.) ii II d.is Los der Zufälligkeit
< t t

«tie besonderen Naturgesetze mit Rücksieht auf die all

meinen, die Wahrnehmungen mit Röcksicht auf die be-


sonderen Naturgesetze 4). Wohl wird alles, auch das Ein-
zelne und Kleinste, von der Gesetzlichkeit beherrscht, aber
•l.is unter die Gesetze Pallende kann in seiner Besonderheil

nie aus eben den Gesetzen abgeleitet und begriffen weiden,


isi logisch nicht in ihnen enthalten. Besondere Gesetze, weil
sie empirisch bestimmte Erscheinungen betreffen, können
davon" nämlich von den allgemeinen Naturgesetzen
.nicht vollständig abgeleitet werden, oh rie gleich alle
esammt anter jenen stehen Das Mannigfall »

der Anschauung* erweist sich ata logisch ans den formalen


Elementen nicht hervorgehende, sondern gani neu zu ihnen
hin/ntretende, darum mir auf empirischem Wege erfaSBfa
ebene Inhaltsfftlle*). sieht man von allem Begreif-
lichen ah. so hieiht die Empfindung übrig ata daqjeni

») III, 159. 215. 357.


III. Uli) und soihl.
beiMl ...ii inslf Vorstrllun^" III. 27Ä, ..an Inh
Sk
tkh irrr-.v.M). copceptn« communis 117 Anm* rie liegt illea Begriffen
zu Grunde 572, muss tue Vorstellungen begleiten können II
\ j

die mf den vm ten angefahrten SteDen, dsm noen
\. 186 fl . 180, 191 f.

*» IM. 134 vul. WiM.niivM». (tmI, ,| IMiil. X Aufl. 4C2.


wahre kriti* he Sinn lies M
m
i

faltig tmi>s. v 'S. 117 II. \'M) f . ff.


— 38 —
„was gar nicht anticipiert" oder apriori bestimmt werden
kann ), als irrationaler Rest. Zufälligkeit oder Irra-
1

tionalität ist der eigentliche Sinn des Materialen, des „für


uns so verworrenen (eigentlich nur unendlich mannigfalti-
2
gen; unserer Fassungskraft nicht angemessenen) Stoffes" );
Zufälligkeit oder Irrationalität ist auch das letzte Wort,
das der Rationalismus, der darum eben zugleich „kritischer
Antirationalismus" 3 ) wird, über das Problem der empiri-
schen Wirklichkeit und des Individuellen zu sagen
hat. Was hier unter „Wirklichkeit" verstanden wird, darf
nicht etwa mit der „Dignität" der Gegenständlichkeit ver-
wechselt werden, die vielmehr eine Verstandesnotwendig-
keit bedeutet. Bei jeder Erkenntnis stellt die Gegenständ-
lichkeit als synthetische Punktion des Verstandes grade
das aus den Denkformen Ableitbare, empirische Wirklich-
keit dagegen den aus den Formen unableitbaren Res! dar.
Da der formale und der materiale Erkenntnisfaktor realiter
miteinander verschmolzen sind, so darf man sagen, dass in
jedem einzelnen Erkenntnisgegenstande, insofern er nicht
nur „Wahrnehmung", sondern „Erfahrung" sein soll, seine
Wirklichkeit zugleich mit dem Charakter der Gegenstand-
lichkeil ausgestattet sein oder umgekehrt die GegenstÖnd-
lickkeit in ihm sieh individnaliter verwirklich! haben imiss.
„Wirklichkeit deutet also nur jenes Unsagbare und Un-
11

ergründliche an, das die Eigenart des Individuellen um-


spielt, zugleich die starre Bestimmtheit und das unverrück-
bare Sosein, an das man denken miiss, wenn man den
Namen ..Wirklichkeit" ausspricht —
Auch für die erkenntnistheoretische Begriffstheorie
hätten wir somit die empirische Wirklichkeit als den testen
und absoluten Mittelpunkt aller Begriffsbildung nachge-
wiesen. Der transscendentale Begriff ist dementsprechend
so können wir unser Krgebnis zusammenfassen das ab- —
strakte und deshalb realiter nicht selbständig vorkommende
Produkt einer Analyse der vollen Erkenntniswirklichkeit,

') S. /.. H. III, 159, 483.


) V, 192.
3
Vgl. Windelband, Gesch. d neueren Philo*, 2. Aufl. II. 337 ff.;
>

aber den Zufallsbegriff besonders 1531". Am eingehendsten behandell


Riehl Kants Lehre von der UnableitbarkeH dos Besonderen :ms den
allgemeinen Formen, S. Absehn. 1, Kap. V des zweiten Teiles.
— 30 -
die Inhaltsreiche] sl i Ihm unahleiÜMu und ffli ihn nn-
. reu
i 1 1lieh um «Irm unmittelbaren Erleben erschliesst
1 ». 1 1 .

C. Die Mathematik als Mittelglied zwischen analytischer


und emanatistiseher Logik.
Immer wieder muss i>e(onl werden, dnss lur den analy-
tischen Logiker diese Inkommensurabilität dei Individuellen
nichl etwa eine Unangemessenheit der Wirklichkeif gegen-
über unsere logischen Idealen, sondern nmgekehrl etneev
l nvollkommenheil nnserei Begreifens gegenüber der Wirk-
lichkeit bedeutet Kani hat das Unvermögen menschlicher
Erkenntnis sehr eindrucksvoll dadurch ingi schärft, dass <

er Ihm das Bild eines das Ganze der Erkenntnis und jedes
Einzelne erschöpfend und mit einem Schlage durchdringen-
den, intuitiven Verstandes, alain unendlicher Ferne liegende
4

Idee entgegenhält Und es konnte in der Thal «1er analytischen


ik die emanatistische, sozusagen als die Logik eines über-

menschlichen Verstandes, jetzt unmittelbar ei teilt


und dien durch diese Entgegensetzung begreiflich gemacht
:<•!! Von der kritischen Ansieht BUS lässt sieh die un-
kritische vollkommen übersehen und konstruieren. Est enim
verum Mii index et falsL Allein es lässt sich ausserdem
noch /wischen beschränkte und das absolute ein in der
«kis
Mitte liegendes Begreifen, nämlich das mathematische,
einschieben. Dadurch gewinnen wir den Vorteil, an einer
von uns noch völlig beherrschten Wissensari doch gewisse
Anfangsgründe jener Oberirdischen Logik zu studieren
Die Ilathematik nahm bereit* In Kants vorkritischer
Spekulation seit der berühmten Preisschrifl vom Jahre 17hl
in methodischer Hinsicht eine wichtige Stellung «in.
eine gani andere allerdings als In der nachfolgenden kriti-
schen Periode Denn In jener Zeit gab Kani die Existenz
eina synthetischen Apriori nur auf einem einzigen Gebiete
(dem der Mathematik) zu und Hesi daneben nur eine analy-
tische He.irheitnnn des /nlet/t „unauflöslichen - Materials dei
nntnis und ausserdem die reine Empirie gelten. Eine
i
bertragung des synthetischen Apriori auf die Philosophie
musste ihm darum damals gleichbedeutend mit den verwerf-
lichen rationalistischen Versuchen der »mathematischen Me-
thode sein Darin tritt mit dem Kritidsmus eine voll-
- 40 —
kommene Änderung ein. Denn ausserhalb der Mathematik
gieht es jetzt ein zweites berechtigtes synthetisches Apriori,
und zwar in der Philosophie selbst. Aber nun galt es, von
diesem nachzuweisen, dass seine Annahme trotzdem nicht
einen Rückfall in die „mathematische Methode'* mit sich
bringe. Und diese Aufgabe konnte jetzt am besten durch
Vergleichung der beiden nunmehr bestehenden Arten des
synthetischen Apriori gelöst werden. Das Mathematisch-
Transscendentale wird darum in der kritischen Epoche nicht
wie früher nur dem „analytischen" ) Apriori und der blossen
l

Empirie entgegengesetzt, sondern vor allem dem syntheti-


schen Apriori der Philosophie. Dadurch wird es aber
zur scharfen Beleuchtung der transscendentalen Kr-
fahrungsbegriffe und der mit ihnen unauflöslich
verknüpften Irrationalität geeignet So erhall die
Mathematik eine ganz neue methodische Bedeutung in dem
neuen System der Erkenntnistheorie.
Dass in der kritischen Epoche Kants die Vergleichung
philosophischer und mathematischer Vernunfterkenntnis in
den Dienst des [rrationalitätsproblems gesteift wird, dafür
bietet insbesondere der letzte Teil der Vernunftkritik, die
hierfür ZU wenig beachtete „transseendentale Met hoden-
lehre \ einen klassischen Beleg*). Der Hauptinhalt der unser
Problem berührenden methodischen Ausführungen lässt sieh
dahin zusammenfassen: die für die begriffliche Erkenntnis
bestehende Kluft zwischen Allgemeinem und Besonderem,
mithin die Irrationalität, wird in der mathematischen An-
schauung überbrückt durch die Möglichkeit der Kon-
struktion. Die einzelnen Verwirklichungsfälle des mathe-
matischen Begriffs können durch den Begriff seihst erzeugl
werden. Vom Begriff des Kreises aus gelangt man durch
Konstruktion zur mathematischen Individualität des ein-
zelnen Kreises, dringt also vom Allgemeinen her bis zum
letzten liest des Individuellen vor). Das Anschauliche und
Mannigfaltige ist ebenso wie der allgemeine Begriff beherrsch-

J
„Analytisch" hier im Sinne Kants, als Gegensatz zu „synthetisch".
)

') II 1/477
S. 485.
>) Nicht zur mathematischen fndividualität gehören die rein

empirischen Hilfsmittel der Zeichnung wie Papier, Tinte, Wandtafel;


Kreide etc. Vgl. Kant III, 478, VI, 8 und Mai.mox, Versuch üb. d.
1'.

TransscendentalphiL 43, Krit Unters. 77.


— 41 —
luir iiihI IhtivIumiImh in dnei Erkenntnis, die lediglich aoi
(Ju.iiit.i ^i'hl
1
) Auch in <l« i M.illuiu.ilik ist dai ;ins< li.ni-

tiche Objekt ein Einzelnes, Konkretes, & übei ein


.i|)ll«»M. nicht in ;i|)(»sh'| HM irorlMMirs
< | ( | \\ lr «|;is M.iln i;il<

«l( i Empfindung; es Ist logisches Unikum


ein in- 1

dividuell, einmalig und doch zugleich apriori konstruier-


bnr a), Beiden apriori Gegebenen kann man dai Mannig-
faltige vom Begriff, von der allgemeinen Regel aus ent-
stehen lassen AX bd dem aposteriori Gegebenen dagegen
sinsst man bei dem Versuch, ea entstehen zu lassen, auf
den harten Kern logischer Undurchdringlichkeil I So liegen
die Verhältnisse von der allgemein« gesehen;
aber diese logischen Beziehungen müssen rieh auch in ihrer
Umkehrung, also von der Mannigfaltigkeit aus betrachtet,
bewahrheiten, Im Falle der aposteriorischen Gegebenheit
ist dann das Mannigfaltige entsprechend seiner Undurch-
dringlichkeil für den Begriff auch unauflöslich, im anderen
Falle dagegen durchsichtig und auflösbar in die allgemeinen
ein; denn was unsere eigene logische (konstruierende
Thatigkeit hineingelegt hat, kann sie leicht wieder heraus-
holen. So schauen wir im einzelnen mathematischen Ge-
bilde zugleich den Begriff an.
Diese Beleuchtung durch das Mathematische, diese
enüberstellung intuitiv- und diskursiv-transscendentaler
Methode verlachet rückwirkend eine so grosse und neue
Klarheit Ober den [rrationalitätsgedanken, dass dadurch
zugleich die Grundfragen der Vernunftkritik einer schärferen
Erfassung zuganglich sind.

in, 478 outen.


Mmm<>\ s«. «richtig gewordene Terminus „apriori
/ i: III. '.»> •

*) »Zur Koiistrukiimi eines BegrlA wird elto eine nlcbl empiii-


ehe sjMchsuoni erfordert, die Folglich, tb Arwehtming, ein <-m
telnei Objekt Ist, tber pJchtsdfatowcnlger eli « I i
»- Konstruktion
tu einer tllgemelneu Vorstellung), Allgemein
gültigkeil rür ;ili<- möglichen Anschauungen, die unter denselben
rhören, in d< isdruckcn muss." 478. ebenso
cahlreichen Stellen, n ut Siqwabt, Logik« 1 \»m 1.263,389. .

l<i« u st, nur Lehre ron «in Definition 59.


*) Man denki «in* N:itui der mat hemst Ischen Formel!;

deren „konkrete Allgemeinheit" \ ^l such DnosjscH, Logik,

>
in. 182, :; \i,.,t B ;

L»«k, richte« Idealismus ud dl« Qmtbkkto. A


— 42 —
Beim diskursiv-transscendentalen Apriori erhebt sich
folgende bekannte Schwierigkeit: wenn die transscen-
dentalen Erfahrnngsbegriffe, die Kategorien, durch die Kluft
der Irrationalität von der empirischen Mannigfaltigkeit ge-
trennt sind, deren sie doch zu ihrer konkreten Erfüllung
bedürfen, wie lässt sich dann ihre Anwendung auf die Er-
fahrungswelt begreifen"? Aus dieser Schwierigkeit findet
Kant allerdings im „Schematismus" der reinen Vernunft
den Ausweg, dass sich zwischen die Kategorien und das
reih aposteriorische Element das apriorisch-sinnliche Ver-
bindungsglied der Zeit einschieben lasse*. Allein auch durch
sie ist eine mittelbare' Anwendbarkeil der Kategorien auf das
Empirische «loch nur in so weil gesichelt, als diesen ihr
Anwendungsmateria] nicht von der unendlichen Mannig-
faltigkeit der Empfindungen geliefert, sondern lediglich durch
den apriori gegebenen Stoff (im obigen Sinne, s. S. 41) i\v\'
Zeit selbst verkörpert wird. Der Schematismus verbürgt
also nur ein Vordringen bis zu apriorischen Bedingun-
gen der Sinnlichkeit. Grade von hier aus aber zeigt sieh
dann die fatale Verzweigung <lei- Wege. Von der apriori-
schen Vermittlungsschicht ans gelangen wir nämlich zum
Individuellen. Konkreten nur unter der Bedingung, dass
dieses ein apriori konstruierbares Mannigfaltiges, also ein
mathematisches und d. h. grade ein ausserhalb der em-
pirischen Wirklichkeit Liegendes sei. Nur für diesen Fall
ziehen sich uns die apriorischen Bedingungen zur konkreten
Besonderung zusammen dagegen grade für die Gegenstände,
;

die wir in der Naturwissenschaft zu beherrschen stieben,


verharren sie — auch nach der Vermittlung durch die
Zeit in unüberwindlich formaler Allgemeinheit. Der
Schematismus Versöhnt wohl Hegriff und Anschau-
ung, aber nicht Hegriff und empirische Anschau-
ung, nicht Hegriff und individuelle Wirklichkeit.
Für die Anwendung auf das Empirische verhilft er uns
im (iegenteil nur zu formalen Principien, die von all-
gemeinem, aber eben darum nicht von individuellem Ge-
brauch sind, zu obersten Grundsätzen, Analogien, Postulaten;
ganz im Gegensatz zur Mathematik, wo sich lauter einzelne
Sätze gewinnen lassen, die den Anforderungen des
strengen Apriorismus genügen. Hegriff -\- Anschauung apri-
ori, diese unsere Grundbedingung, ist eben in der Mathe-
«8 -
m.ililx Übende in der reinen Niitiirwissrnscluifl nui Im i «Im
di iin(ls;il/rn mii/iiIivIIcii In <lri ||g I In- in.it i k 141« |»| «s
einaelnc synthetische der reinen
1 rteilc apriori, In
Naturwissenschaft nur lyntbetitebe Grnndsitzc
priori Den mathematischen Begrifl efnei Mangels
wiinlr leb konstruieren «l a priori In der Anschati
1
i

gehen, und anf diesem Wt f ine synthetieche, aber rationale


nninis bekommen Aber wenn mir der transecenden-
tale Begriff einer Realität, Substanz, Krafl u. % m gegeben
ist, so bezeichnet er weder eine empirische noch reine An-

schauung sondern lediglich die Syntheais der empirischen


Anschauungen (die also a priori nicht gegeben werden
können), und es kann also ;ms ihm. weil die Synthesii
nicht n priori zu der Anschauung, die ihm korrespon-
diert, hinausgehen kann, auch kein bestimmender
synthetischer Satz, sondern nur ein Grundsatz der
Synthesis möglicher empirischer Anschauungen entsprin-
gen So wird die klassische Grundfrage nach der II
iiehkrit s\ nthetischerUrteile apriori erst genau beantwortbar,
wenn man den gemäss dem Postulat absoluter Rationalität
»rderten Unterschied zwischen Mathematik und reiner
Natur* issenschafl berOcksichtigl und dabei «1cm Grundsatze
treu bleibt, <hiss in der Möglichkeit aprioristischer Erzeugung
das im bransscendentale Ästhetik und Logik glefchmäi
geltende Kriterium für die im einzelnen Fall erreichbare
und völlig rationale Einsehbariteil und Nachweisbarkeil
synthetischer Urteile a priori zu suchen ist Schärfer :
»

483 vgl. 491:


') III. /war sichere Gmndl
„. . nicht ein einziges din-kt synthetisches UrteU ;ms Degitfleu
. .

nichts weiter als die Mose Regel der Syn


thesls . . . .", Aü\ „Nun enthält ein Begrill apriori
: ml
weder schon eine reine Anschauung in sich, und alsdann kann
er konstrnieii werden; oder nichts als <iu- Synthesis möglicher
Anschauungen in der ..l.inlcitmur die rharak-
nterscheldun& dass mathematische Urteile ..msgesami
i

synthetisch" seien, Naturwissenschaft dagegen synthetisch-


„Principien*4 in sich „enthalt
is 14 lernet <i. I

Stellung mathematischer und philosophischer ..An;»] «säen •

jener sieb das fehlende GSM


..konstruieren" lasse, bei dieser da-
ans drei gegebenen (iliiMlcrn nur das Verhältnis su einem
i

Vierten, nicht eher dieses x, H.^t folge, 167 f. In der Naturwissenschaft


inselne nicht berechnen wsetederMatheusatik.
»> III, 19 (Voredc snr Büretten Auagan

4*
— u —
als in der „Kritik der reinen Vernunft" hat Kant in der
„Kritik der Urteilskraft" den Gedanken des Schematismus
mit dem der Irrationalität verbunden. Ausdrücklich weist
er auf die Schranke der durch den Schematismus ver-
mittelten Anwendbarkeit der Kategorien hin, die nur
bis zu „notwendigen" Grundsätzen, nicht aber bis zu
„zufälligen" empirischen Gesetzen reiche )- Nur vom Postu-
1

lat absoluter Begreiflichkeit des Individuellen aus ist ferner


Kants Ansicht verständlich, die Naturlehre enthalte so viel
eigentliche Wissenschaft, als in ihr Mathematik anzutreffen
sei. Denn hier wird für ihn wieder der Gedanke ent-
scheidend, dass allein die Mathematik zur Rationalität
des Individuellen, die begriffliche Erkenntnis lediglich
zur Rationalität eines schematisch Allgemeinen
führe 2 ).
Die schärfste rlerausarbeitung dieser bei Kam immer-
hin nur angedeuteten Beziehungen der tntuitiv-transscenden-
talen Methode zur Irrationalität findet sieh bei MAIMON.
Da der Nachweis historischer Wirksamkeit eines Problems
zur Klärung dw Sache selbst dienen kann, sei an dieser
Stelle kurz auf das starke Fortwirken des durch die Mathe-
matik kenntlich gemachten Zufallsbegriffs bei diesem
Schüler Kants hingewiesen. Die ganze Spekulation Maimons
lässt sich nämlich einheitlich begreifen aus der ausschliess-
lichen Beschäftigung mit dem einen Gedanken der Irratio-
nalität 8). Sein Skeplieismus lieblet sieh nicht gegen die
Allgemeingiltigkeil des Apriori er war ja „Dogmatiker

i) S. V, 189.
„Die Möglichkeil bestimmter Naturdinge kann .... nicht
-)

aus blossen Begriffen erkannt werden." ..Also wird, um die Möglich-


keit bestimmte. r Naturdinge, mithin um diese apriori zu erkennen,
noch erfordert dass der Begriff konstruier! werde. Nun ist
die Vernunfterkenntnis durch Konstruktion der Begriffe mathematisch.
Also mag /war eine reine Philosophie der Natur überhaupt, d. i.

diejenige, die nur das, was (\vn Begriff der Natur im Allgemeinen
ausmacht, untersucht, auch ohne Mathematik möglich sein, aber eine
reine Naturlehre über bestimmte Naturdinge (Körperlehre und
Seelenlehre), ist nur vermittelst dw Mathematik möglich." IV, :;üo.
3
Der genauere Nachweis dieser Behauptung nuisstc einer aus-
)

führlicheren Darstellung überlassen werden. Durch die hier folgenden


Winke und Belege dürfte indessen alles lur uns Wesentliche angedeutet
sein.
1 i

im Rationalen »ndern gegen die Begreifllchkell
des i bergan gea
<>m Rationalen /«im Empirisch*
\

I Im/w« iirh auch uuht dk Verwirklichung des Apriori im


i

^posteriori, londern nur die Erkennbarkeil dieser Verwirk-


lichung In Irgend einem einzelnen Falle oder «I i«* praktische
tnwendbarkeil des Apriori Die Anwendbarkeil ist
dezu das Problem in Maimons Spekulation Ihn beun-
ruhigl nichl die Frage quid iuris im Sinne Kants, «I h
w i<* die Geltung der Kategorien im die Erfahrung Ober-
haupt sich begründen lasse (Kants Deduktion), sonderner
befürchtet vielmehr, dass die Gesetzgebung des Apriori,
deren Rechtmässigkeit er nichl bezweifelt, praktisch zui
Unwirksamkeil verdammt sei, indem das Individuelle, Fak-
tische den allgemeinen Gesetzen sich nichl subsumieren
Insso; ilm beunruhigt die Frage »quid Facti Von diesem |

Gesichtspunkt der Anwendbarkeil um! Darstellbarkeil des


Apriori ;ms \\ ir< er wie Kani zu dem Ergebnis gedrängt,
I

dass nur die MathematHk als Vorbild absoluter Rationalität,


als «lern wir »Gott ähnlich**) sind, zu gelten
einGebiet, auf
habe gewährt durch Konstruktion den Fall
Sic allein
einer berechtigten, nämlich durch und durch einsehbaren
Anwendung des Allgemeinen auf das Besondere, einer
apriorischen Erzeugung des Individuellen So wird im 4
»

Mmm<>\ die Anforderung, das Mannigfaltige müsse ein


apriori Gegebenes ein apriori Erzeugbares und Beherrsch-
.

cs sein, /um «illi'inigi'n Kriterium des reellen d h.des .

i»i» Philosophie hst noch keine Bracke snf heilen können,


wodurch <in Übergang \<>m Trsnsscendentsten mm
sonderen möglich gemacht vfird greisen der Philo*
sophic 16 'i \i>ii der jStreifereien l Gebiete «i Phlloi
Versuch über die IVansscendentalphUosopliie -js it.. ~o n .

. philosophischem Wörterbuch 167, Progressei


such einer neuen Logik 00, Kritische Untersuchur
55 IT.. 144
) I' n 20.
Nur die Mathematik kann sich einest :^\"in un-
gemeinen sur Erfindung des Besondern rühmen." Progresseu
ii Versuch 20 fT, 49,82 n 15 u Kni Unters. 2» U •• Dans. 1

^< bematismus sur einsehbaren Anwendbarkeit du >rien


nur nif nn tpriofi UlSChaulicheS, nullt ;mf nn Empirisch huli
viduelles fuhrt, wird schArfer herausgehoben .iN bei Kw
such :.m II [en des
. Krit uters !l9f^ . i
— 46 —
zugleich aprioristischen und konkreten Denkens ). Viel 1

kühner und rücksichtsloser als Kant selbst zieht er sodann


die sich aus einem so radikalen Apriorismus notwendig
ergebenden . skeptischen u Konsequenzen. Nur die Mathe-
matik kann reelles Denken enthalten, nicht die Natur-
wissenschaft. Ausschliesslich die mathematischen Begriffe
sind von reellem, die reinsten und höchsten Naturbegriffe
nur von formalem Gebrauch-). Die klare Hinsicht, dass
der Parallelismus in der nachweisbaren Geltung syntheti-
scher Urteile aprioii Ihm Mathematik und Naturwissenschaft
sich nur mit einer Einschränkung durchführen lässt (vgl. ob.
S. 43), ist ein unbestreitbares Verdienst Maimons. Schärfer
als bei Kam prägt sich uns die wichtige Lehre ein, dass
man in der diskursiv-transsccinlentalen Methode mit abso-
luter, auf Rationalität beruhender Sicherheil blos bis zu
den synthetischen Grundsätzen, nicht bis zu ein/einen Kr-
fahrungssätzen gelangt*).
Nachdem unsere bisherigen Ausführungen gezeigt haben,
mit welcher die Mathematik als eine von
Deutlichkeit
dem Verhängnis der Irrationalität befreite Er-
ken n n isa rt den Zufallsbegriff des diskursi\ -transscenden-
I

talen Krkcnncns hervortreten lässt, soll im Folgenden der


Nachweis weiter fortgesetzt werden, inwiefern darum die
Logik des mathematischen Begriffs als ein Verbindungs-
glied /wischen analytischer und ema na st isc h e r t i

Logik angesehen weiden darf. Zunächst müssen wir da-


bei eines Kinw andes gedenken, der sieh gegen die behauptete
Rationalität des Überganges vom mathematisch Allgemeinen
zum einzelnen Exemplar liebten konnte. Sieht man näm-
lich von den empirischen Hilfsmitteln der Zeichnung einer

'» s. /.. B. Streifereien, 3. Al>h., 1^3 lt., Kategorien 20811"., 249ff.,

Logik 40-1 ET., Krit Int. 94 IT.

-. Streifereien 203H"., Logik 431, Krit tut. 55, 94, 109 f., 147.
s. /. B.

Logik 416 f., 430 ff. : „Wir wissen Mos von synthetischen
S. bes.
Urteilen in Beziehung auf Objekte einer möglichen Erfahrung
überhaupt, nichts aber von synthetischen Urteilen, die sich auf
bestimmte Objekte wirklicher Erfahrung beziehen." 430, Krit
Unters. 150 „Erfahrung im strengen Sinne-- <l. h. einsehbarer Über-
1".

gang vom transscendental Allgemeinen zur empirischen Einzelheil


kann deshalb nur eine ..Idee" sein. Krit. t'nt. 154. Kurze Nachträge
zu dieser Skizzierung von Maimons Philosophie am Sehluss des
IV. und des V. Kap. im 1. Absehn, des zweiten Teiles.
— 17

ii (wie etwa Papier, Wandtafel Kreide u. i. w.j ab


s«. i.issi doch nicht leugnen, d;iss dfc
sK h i B <

des H.hIius cm« s Kreises, die zweifellos auch zui mathe-


matiachen Individualität (nicht hl»>s am empirischen) ge-
bort, durch den Begriff d< *s Kreiaei apriori nicht bestimmt
werden kann Ei erglbe sich damit «in*- im Gattungs-
iiti <l( s Kreises nicht ausdrücklich vorgesehene unend-
liche Variabilität wirklicher Kreise, eine Irrationale Kluft
/wischen begrifflicher Möglichkeit und konkreter Reali-
sierung Allein dieser l.inwnrt l.issl sieh leicht beseitigen.
Denn die unendliche Unbestimmtheit und Variabilität, die
sich Aber den empirischen Umfang eines mathematischen
streckt, ist zwar als Thatsache zuzugeben, aber
nicht als GefUirdung der Rationalität Sie ist nämlich eine
Variabilität lediglich der Grösse nach, und Grössenunter-
schiede und beliebig beherrschbar und berechenbar*) Ifcit
man den Allgemeinbegriff des Kreises, s<» führt die Kon-
strnierh.irkeit nicht nur zum ein/einen Kreis, sondern
dehnt sich beliebig aber den ganzen empirischen Umfang
ms. der eben dadurch in Wahrheit nicht mehr ein empi-
rischer, sondern seihst ein konstruierbarer Umfang ist
11
ebenso sind in der allgemeinen »Formel alle Einzelfälle
ihrer Anwendung potenti.diter enthalten; Begriff Und An-
schauung nicht nur, sondern mich Begriffsinhall und Be-
griffsumfang, sind durch Konstruktion, also durch voll-
ständige Rationalität, mit einnndei -verknüpft. Eine doppelte
Abweichung von der analytischen Logik somit hier
liegt
VOr Wir sehen nämlich erstens d.is Verhältnis des ein-
zelnen Exemplars, wie das niler Exemplare zur Gattung
sich ganz nndt alten nls dort, und wir erhalten da-
durch, wie sich im Folgenden Zeigen wird, zweitens ein
aso abweichendes Verhalten innerhalb des Umfan
d h d< Exemplare zu einander oder der Koordination
i

Kami bat bereits im ersten Hauptteil der Vermmfikritik.


in der tr.mssccndenlnlcn Ästhetik, heide Punkte berührt

In den heiden letzten Hnninni ^mnenten werden Betriff


und Anschauung apriori in dir Art mit einander verglichen,

I. s 4o Aiim. 3.
Im 1 «Im- .\ufh»lninii «Irr I ri:i1 >ii:« I1t.1t
1* in du »Abel Nchbarnr
itischcn ftlAimlgfaltisjkeH 1. Hukiiu. Grenzend ratur*
griflsbildtuig, 89 93.
— 48 —
dass bei dem logischen Begriff nur auf das Verhalten der
Gattung gegenüber ihren Exemplaren, bei der reinen An-
schauung nur auf das Verhältnis des Raumes zu den
Raumteilen Rücksicht genommen wird. Die Exemplare
nämlich stehen .unter" dem Begriff, die Raumteile werden
in dem „einigen allbefassenden" Raum lediglich als Ein-
schränkungen von ihm angeschaut. Nur „unter sich" und
nicht „in sich" enthält somit die Gattung ihre Exemplare,
1
)

d. h. diese können aus ihr nicht geschöpft werden, sind


durch den ewigen Abstand der Unableitbarkeit von ihr
getrennt. Die Irrationalität heftet sich an das begriffliche
Verhältnis des „Unter", nicht an das anschauliche des ..In.
an die begriffliche Allgeuie nheil u aivers alilas), nicht i (

an die anschauliche Allheit (universitas)*).


Allein diese Gegenüberstellung des Anschaulichen und
des Begrifflichen hört sofort auf befriedigend zu sein, so-
bald man bedenkt, dass auch innerhalb der begrifflichen
Erkenntnis eine universitas vorkommt, ein Analogon der
Beziehung zwischen Teil und Ganzem, nämlich die zwischen
einzelnem Exemplar und (iesamtheit des empirischen
Umfangs. Jedoch auch von dieser universitas, nicht nur
von der universal itas, ist nach Kants Ausführungen die
Anschauungstotalitäl genau unterschieden. Die (iesamtheit
des UmfangS eines Begriffs nämlich bildet ein zusammen-
hangsloses Aggregat '), der Raum hingegen nicht ein ans
diskreten Einheiten zusammengesetztes kollektives! „com-
positum sondern ein kontinuierlich es Ganzes! „totüm"),
44
),

ein Ganzes, das nicht Produkt, vielmehr Voraussetzung der


einzelnen Teile ist, die darum nicht als selbständige isolierte
Einheiten, sondern nur als Einschränkungen des Raumes
gedacht werden können '
).

Um den Vergleich analytischer und mathematischer


Logik weiter fortzusetzen, können wir diese Ergebnisse
J
III, 60.
) „Der niedere Begriff ist nicht in dem höheren
doch unter demselben enthalten." Vlil, 96 vgL Küno Fischer, Gesch.
(l. neuer. Phil., Jubiläumsausgabe, IV, 369.
2
) S. dazu Vaihinger, Kommentar II, 212.
») Vgl. ob. S. 26 f.

*)die zahlreichen Interessanten Belege bei Vaihinger II, 2l6f.


S.
Von der gilt dasselbe wie vom Raum; die Zahlenreihe unter-
Zeil
scheide! sieh vom blossen „compositum41 durch die Herechenbarkeil
der Beziehungen zwischen ihren gleichartigen Elementen«
- 40 -
l.l ll .ilisscelidelil;ileii .Ästhetik SO llllll'illiiili. il.iss sic dir
Sprache de Methodenlehre annehmen,
transscendentalen
«l.iss iiso du- Entgegensetzung von reiner Anschauung und
Hierin wieder in die vergleichende Untersuchung zweiei
BegritK-irtcti. in <lir Nebeneinanderstellung <I ^ Be- <*

tfi vom Intuitiven und des diskursiv gebildeten


riffs \ «um empirisch Wirklichen, ein mundet Denn
ebenen wieKjun in der .Methodenlehre nun Zwecke da
Methodenvergleichung innerhalb des Mathematischen noch
swischen Begrifl und Anschauung, Allgemeinem und Be-
sonderem unterscheidet, so hi^st sich auch zweifellos un-
heschndei i\n richtigen Einsicht, d;iss <\n allgemeine*
Raum reine Anschauung und nicht Begriff ist, trotzdem
vom Raum und von den ein/einen Räumen ein Abstrak-
tionsbegriff .Raum" bilden 1). Alle räumlichen Gebilde
einschliesslich des Gesamtraumes winden dann in logischem
sinnt' den Umfang dieses Begriffs ausmachen; für die
Beziehungen der Begriffsexemplare zu einander, also für
die logische Struktur ihrer Koordination wäre dabei die
vorher erwähnte Kontinuierlichkeit des Raumes von ent-
scheidender Bedeutung. Die zuletzt vorgenommene Ent-
usetzung kollektiver und kontinuierlicher Totalität Hesse
sich nämlich sodann in <lie transscendentak Vergleichung
analytischer und mathematischer Logik in der Weise hin-
dass man sie
einarbeiten, als Gegenüberstellung der
beiden Umfangsarten analytisch-logischen und
eines
(inis mathematischen Begriffs aufbrät Halten wir mit
dieser Kontinuieiüchkeit des mathematischen Begriflsum-
nisserdem seine \nrher erläuterte Koiish merku- .

keii s S 17) zusammen, so wird uns sofort der ganze


Unterschied von mathematischer Koordination der
einzelnen Exemplare und «lern Verhalten der ein/einen
Fälle sonstiger Gattungsbegriffe klar. Denn der Koordination
mathematischer Gebilde haftet nicht die Isoliertheit an,
di. wir bei sonstigen Begrifisexemplaren feststellen mussten,
sondern <\r\ empirische Umfang eines mathematischen Be-
griffs liisst sieh vielmehr als ein festes GefAge, als «in Stai res
System vorstellen, in dem jedes Einzelne mit jedem andern
durch eindeutige, anschauliche Beziehungen in dem einen

J Y\mis.,i K ll. 209.


— 50 —
mathematischen Raum verbunden ist. Der mathematische
Umfang nicht ein Aggregat, sondern ein anschauliches,
ist

durch Konstruierbarkeit nach allen Richtungen in sich


verbundenes Nebeneinander bestimmter räumlicher Ver-
hältnisse ). Das Vorbild, den letzten Grund und den ver-
1

einfachten Fall alles übrigen geometrischen Verhaltens weist


der mathematische RegrifT des Raumes selbst auf. Dessen
Umfang nämlich bildet nicht nur einen Gegensatz zu aggre-
gatartiger Vereinzelung, sondern nimmt ausserdem noch
dadurch eine besondere Stellung ein, dass seine einzelnen
Exemplare, die Räume, nicht nur ein starres System bilden,
sondern in ihrer Gesamtheil wiederum ein jedem einzelnen
gleichartiges kontinuierliches Ganzes ausmachen, dessen
durch Einschränkung erst entstandene Teile sie sind.
Ks mag künstlich, vielen vielleicht sogar Irreführend
erscheinen, wenn in dieserWeise bei anschaulichen Gebilden
noch zwischen Begriff und Anschauung, Allgemeinem und
Besonderem unterschieden wird. Nichtsdestoweniger bat
Kwi selbst (ebenso M\i\i<>\> diese Unterscheidung durch-
geführt und IhreZweckmässigkeit Für die kritischen Probleme
glücklich dargethan. Nur unter diesem Gesichtspunkt ist
es ferner auch ausführbar, Kants auf verschiedene Stellen
verteilte Erörterungen über die Logik der Mathematik so
einheitlich zusammenzufassen, wie es in unserer Darstellung
versuch! wurde. —
Mathematische Subordination und mathematische Ko-
ordination werden sich uns als vorbildlich für die einn-
nntistisehe Logik erweisen. Auch nach der Ansieht dieser
soll sieh uns dem Begriffsinhall jeder einzelne Verwirk-
lich un^sl'n II sowie der ganze Umfang konstruieren lassen, soll
ferner der Umfang als ein in sich verbundenes Ganzes gedacht
werden. Zwar die letzte geheimnisvolle Konsequenz, bis
zu der sich, wie später gezeigt wird, der Kmanatismus
versteigen kann, die Identifikation des Inhalts und Um-

*) Mit Recht Vaihingeb II, 213 Lotzes Ausführungen


nennt
(Mikrokosmus 3. 49411., Metaphysik 2. Aufl., 197-199) eine
Aufl. III,

„Weiterbildung** der Kantischen Lehre. Der Allgemeinbegriff „stiftet"


nach Lotze ..keine tnhaltvolle Beziehung" zwischen seinen
einzelnen Exemplaren, das „Gesetz des Nebeneinander" dagegen ge-
stattetgar nicht, Irgend einen Fall seiner Anwendung ZU denken.
der ..isoliert wie in einer Well für sieh existierte".
s und «Im- lieh daran; nd< Folgerung, d;iss
ilen l ml.niL; innspjmncmle H.ind in «Irin blossen Inhalt «lis

Ik^rifTs gesucht werden müsse, wird In dei Mathe-


srli.si

matik nicht vollkommen erfüllt; aber Immerhin erschein!


die konstruktive Herstellung <l»^ ganzen Umfangi ;ds dei
des Inhalts gleichartig, als Ihre blosse Portsetzung und als
potentiell In Ihr enthalten *) Also nur an ein unmittel-
l>an\s Kntluiltensoin «Irr Exemplare im Begriffsinhalt darl
noch nicht gedacht werden
).is Mirreiche logischeZ^ ischenstadium derMatbemaÜk
l

dürfte darum durch folgende abschliessende Sätze zu charak-


terisieren sein die Kluft der Irrationalität /wischen Begrill
und Anschauung ist hier beseitigt, <lic Vereinzelung der
Exemplare auljgehoben, eine Identität von Allgemeinem und
anderem, Inhalt und Umfang dagegen noch nicht an-
zunehmen

D. Die Ideale Logik des intuitiven Verstandes.

Die bisherige Untersuchung


ergeben, dass nach
hat
K w i gemäss dem Unterschied
siih die spekulative Vernunft
Intuitiver und diskursiver Methode In zwei Richtungen
bewegt und dadurch in ein an die lrnitionnlit.it gebundenes
Und in ein von ihr hcfrcilcs Krkennen /er!';illt Di aber
das Individuelle der empirischen (qualitativen) Wirklich-
keit ganz ausser dem Bereich «1er reinen Gröasenlehre liegt,
so ist die Unbegreiflichkeit des Empirischen nur unschäd-
lich für die Mathematik, nicht aber von ihr überwunden,
luh überhaupt unüberwindlich Nkrdas menschliche Be-
feu Diese Unzulänglichkeit der Erkenntnis hat Kant,
wie an anderer Stelle schon bemerkt wurde 1), eindringlich
zum Hrw nssisrin <<ehmchi durch die dag ehaltene
Fiktion eines göttlichen Verstandes Im .intuitiven Vernunft-
gebrauch der Mathematik rehlt dir Irrationalitit, im in-
leUectus intuitivus ist sie überwunden Man kann sich
den letzteren darum als ein Erkennen dei Wirklichkeil
nach Analogie der Mathematik denken Wie die mathe-
in.it Ische Intuition lediglich mit reinen (i rossen .irheitet.

Man denke wieder an il i der mathematischen Formel!


I .,», s
— 52 —
ganz ebenso müsste ein intuitiver Verstand mit aller
Wirklichkeit verfahren )- Es ist deshalb tief begründet,
1

wenn uns nicht nur in der emanatistischen Logik, sondern


auch in der kritischen Vorstellung eines intuitiven Ver-
standes mathematische Analogien begegnen.
Wer wie Kant die Zufälligkeit oder Irrationalität der
empirischen Wirklichkeit im kritischen Sinne behauptet, ver-
2
einigt mit ihr nicht wie der dogmatische „Irrationalist" )
den Ungedanken einer absoluten Unvernünftigkeit des in
der Vernunft nicht aufgehenden Individuellen, sondern er
stellt nur fest, dass an diesem irrationalen Rest auch die
Erklärung ihre Grenze findet, die noch am tiefsten einzu-
dringen vermag, nämlich die tnmsscendentale Erklärung
der Erkenntniskritik« Die eben erwähnte Aufstellung einer
Idee des vollkommenen Wissens bedeutet darum nichts
weiter als einen dir Relativität des Zufallsbegriffs notwendig
begleitenden Hintergedanken; zugleich allerdings auch das
untrügliche An/eichen des Eingeständnisses einer für uns
unübersteiglichen Schranke. Die Zufälligkeit liessesieb nun-
mehr auf verschiedene Weise transscendenta] beleuchten;
erstens durch den Hinweis auf die logische Struktur u nseres
Erkennens, also auf die Thatsache der Unableitbarkeil des
Besonderen ans dem Allgemeinen; zweitens durch die contra-
stierende Entgegenhaltung eines Krkennens, dem die Mängel
unseres diskursiven Verstandes nicht mehr anhaften. Als
dritte Beleuchtungsart käme freilich die Mathematik in Be-
tracht Da diese aber mein- eine Sphäre ausser als über
der Irrationalität darstellt und, unabhängig von ihrer Ver-
wendbarkeit für die erkenntniskritischen /wecke der Yer-
gleichung, eine selbständige Bedeutung besitzt, die Idee einer
unbegrenzten Erkenntnis dagegen in einem streng kritischen
System ausschliesslich zum Behufe transscendentaler Vers

Vgl Maimon, Progressen 36: „Gott bringl die Objekte der


]
>

N:i I auf che 11 die Art wie wir die Objekte <1im- M;i he mal ik durchs
ii r t

reelle Denken, d, h. durch Konstruktion hervor." Ebenso charakteri-


siert Schopenhauer \y\y (Grisebach) in, iöi Anm. die nach intui-
tiver Logik gedachte Platonische Idee: „Die Platonischen Ideen lassen
sich allenfalls beschreiben als Normalanschauungen, die nicht nur,
wie die mathematischen, für das Pormale, sondern auch
für das Maicrialc der vollständigen Vorstellungen ^ilti^ waren."
V<<1. auch Kam VI, 467f.
-i Windelband, Gesch. d. n. Phil N, 345 f.
68 -
gMcbung ersonnen \n ml. s<» ist klai daM diese ii- in einem 1

noch engeren Sinne ;«K die Mathematik einen Hilfs-


vi«!
begnit rar Erfassung der •Zuf&lligkeit' des Empirie hen
Ihmi I11IISS.

Rani hat diesen Zusammenhang der Idee mit dem


Problem des Individuellen durchaus beabsichtigt und
aUSdrOcMich d«railf hingewiesen. lu- ll.'ISS es er;i«| r ihr
Bexion auf die IrrationalitAt des materiellen Erkenntnis-
fakton ist. durch die wir zu dem Gedanken eines Ganzen
derErfahrung" fortgetriebenwerden s<> bedeutet ihm denn '
>

auch die Idee des .Unbedingten" die vollendete Aufhebung


der Irrationalität, den Triumph der »Nota endigkeit* Ober
die gftnzlich verdrängte Zufälligkeit Notwendigkeit" er-
hall dadurch eine andere Bedeutung, <lie der neuen Be-
handlungsart der Zufälligkeit entspricht Sie bezeichne! nicht
<Lis für uns Rationale, also <lie Sphäre des Pormalen, sondern
<lie absolute Rationalität, neben der es gu keine ZufiUlig-

keil mehr geben soll; mithin nicht den auch fnr uns be-
stehenden (»(-(iis.il/ /ur SphäfC «les nheüieillichen. l

sondern den in die Unendlichkeit verlegten absoluten Er-


satz des Zufälligen (vgLob S .86, Anin 9) Unter ZufMlig-
keii ist stets dieselbe transscendentale Eigentflmlichkeil
meint, aber je nachdem man sie hransscendental beleuch-
tet, kann man sie* als Gegensatz zur Notwendigkeil in «lern
einen oder amleren sinne betrachten. Diese Doppeltheit
der kritischen Betrachtungsweise, unter die bei Kani
die Zufälligkeit RUH, mit dieser entsprechenden zweifachen
Entgegensetzung einer Notwendigkeit, ist viel zu wenig he-
uchlet worden l>;i man den logischen Zufiülsbegriff bei
Kant, wie er aus der Prtifang der Erkenntniskrafl «les reinen
Verstandes entspringt, Übersah, wurde die •Zufälligkeit*,
soweit man sie aberhanpt beachtete, meist nur in dem
zuletzt besprochenen Sinne gewürdigt und lediglich als
Abstand von der hlee. d h all Begrifl gefasst <l< sich nur i

durch einen Anshlick auf die Aiispnu he der Vernunft ver-


stehen kisst |

s III. 399.
') S SSSft, 419 tr. V. 415.
\s. ;illl «Im /lll.tllsl».
von her aufmerksam gemacht i« haben, i. Kants
I KnB., WSfn 502D%fefPer50efn&aff^ Begründung
— 54 —
Am glücklichsten hat Kant die Zufälligkeit in dieser
letzteren Hinsicht durch die Fiktion einer „intellektuellen
Anschauung", eines „intuitiven Verstandes" zu erläutern
gewusst. Schon aus der Bezeichnung lässt sich der Sinn
dieses kritischen Hilfsbegriffes erraten. Eine Überwindung
der Irrationalität nämlich kann nur mit gleichzeitiger
Aufhebung des Dualismus von Hegriff u nd Anschau-
ung gedacht werden Für den besonnenen Kritiker liegt
1
).

die Beseitigung dieser Spaltung unseres Erkennens erst in


der Unendlichkeit. Aber trotzdem muss man andrerseits
sagen, dass der Idee gegenüber dieser Dualismus selbst,
diese ganze Organisation unseres Denkens, doch wiederum
einen Schein von Vergänglichkeit und Relativität erhält.
Ja sogar die transscendeiitnleii Ailgemeinhegriffe müssen im
idealen Krkenntnisznstande als wegfallend gedacht werden,
und Kam hat ausdrücklich erklärt, dass für einen intuitiven
Verstand die Synthesis des Mannigfaltigen als „besondrer
Aktus bedeutungslos werden müsste 2 ). In der Idee einer
vollendeten Erkenntnis wäre das Gegensatzpaar des All-
gemeinen und des Besonderen gänzlich verdrängt durch
das andere des Teils und des Ganzen, des ländlichen

der Ethik, 90 ff es Ist die unvermeidliche Aufgabe der Ver


mmft; es ist Bedeckung des Abgrundes, den die Intelligible Zu
die
34, Ästhetik im. Worin aber diese „intelligible
1
rfilligkeil aufdeckt '.

Zufälligkeit* bestellt, wird bei Cohen nicht durch die Unableitbarkeil


desMaterialen aus dem Formalen klar gemacht Cohen zeigt fernerauch,
d;iss die Ideeeiner .systematischen Einheit" im Zusammenhang mit
.

dem inhaltliehen Erkenntnisfaktor steht, &,Theor. d. Erf. 508 ff, Hier


wird der Gedanke (\vv Zufälligkeil im Sinne der l'nerklärbarkeit aus
dem Formalen allerdings gestreift, aber wieder nicht ausdrücklich
hervorgehoben, dass es sieh dabei um die logischen Beziehungen
zwischen Besonderem und Allgemeinem handelt, vgl. noch 55(> ff.,
Begründ. d. Ästhetik im., ferner Theor. d. Erf. 524 tr., Ethik 65 ir.
Auch StADLEB hat in seinen vortrefflichen Ausführungen über das
Zufallsproblem bei Kant dieses hauptsächlich unter dem Gesichts-
punkte der Idee verständlich gemacht und es deshalb zu den Fragen
gerechnet, die „nuv (\w Gerichtsbarkeil der Vernunft anheimfallen".
Kants Teleologie, bes. 61 IV. Die rein logische Begründung bei Kam
wird bei ihm auch nur gestreift, s. 63 f., vgl. 32 f., 54.
') S. z. B. III, 79, 117 ff., 123, 129ff, V, 415ff., 419 f., 421. An der
letzten Stelle kommt das kritische Motiv vorzüglich zum Ausdruck:
der intellectus arehetypus nur ..in (\cr Dagegenhaltung" unseres dis-
kursiven Verstandes!
-> S. III, 119, 123.
— 56 —
und «Irs nendlichen l Die vollständige Durchdringung
.i«s Individuellen, die radikale Vertilgung des irrationalen
l lementes, kann nur ah abgeschlossene! Ganze dei
fishrung" gedacht werden, nichl als imivrrsulitns, sondern
;\\s tmi\ sii. is im «In dai Einzelne <*in«* bestimmte Stelle
« i ».

einnimmt und nicht wie bd «In diskursiven Verstandes-


erkenntnis in einer »Unbestimmtheit nflber dem Be-
griffe ichwebt nser Verstand nämlich hat die Eigen-
), t

m h.iii. dasa er in seinem Erkenntnisse i B. der Ursache


cmcs Produkts vom Analytisch-Allgemeinen (von Be-
griffen) zum Besonderen (da Denen empirischen
Anschauung) gehen muss; wobei er also in Ansehung der
Mannigfaltigkeit des letzteren nichts bestimmt." .Nunkönnen
wir uns aber auch einen Verstand denken, der, nn eil er
nicht, wie der unsiige, diskursiv, sondern intuitiv ist. vom
Synthetisch-Allgemeinen (der Anschauung eines Gan-
zen ;ds eines solchen» /um besonderen geht, d. vom i.

Ganzen ZU den Teilen; der nlso und dessen Vorstellung


des Ganzen die Zufälligkeit der Verbindung der Teile nicht
in sieh enthüll, um eine bestimmte Form des (i.in/en möglich
zu machen"*), überall, wo Kant die logische Struktur
dieses Krkenntnisidcnls zu zeichnen versucht, dringen sich
ihm mathematische, insbesondere räumliche Analogien auf
Sc w Kid das Verhältnis des Einzelnen zum .All der Realität"
um so w das Enthaltensein des Raumtefls im Raum
i,

der Subsumtion des Besonderen unter den Begriff entgegen-
4
izt So ^<>ll die der Totalität eingegliederte Einzel-
).

n\ nklichkeit nicht .ils selbständige GrOSSe, sondern nur ;ds


(died des Ganzen gedacht, das Ganze nicht von den Teilen.
sondern die Teile \<>in Ganaen abhängend orgestellt nn erden, i

der Raumteil nur durch Einschränkung des Einen


Räume* entsteht In dieser Logik eines intuitiven Ver-
>

l
S. 262, 894. Vgl üb S «V Anin. 2.
•) 393. n B6 ff.

isi \Ko
«icr iriinssi feadentalc Obersati der durchs
H«»st i in m
nn aller Dinge nichts anderes ah die Vontelhing des In ,

begriffs niier Realität, nlchi t>i«»s tio Begriff, der lue Prädikate
Ihren transscendentnlen Inhalte nses nnter sich, sondern sie in
sich begreiftM in. 396.
») s. besonders v. 420. 421. Wellers Stellen u*\ Vjumxant, k«>m
r II. 220.
— 56 —
Standes gilt Spinozas Satz: omnis determinatio est negatio 1 ).
Da ferner alle Teilrealitäten untereinander und zum Ganzen
in festenBeziehungen stehen, so bildet diese „organische ->
Erkenntniseinheit, ebenso wie das anschauliche Nebenein-
ander im mathematischen Raum, den schärfsten Gegensatz
zu der aggregatähnlichen Vereinzelung der Exemplare eines
Begriffs. Eben deshalb dürfen wir nach Kam entsprechend
,

unserer beschränkten, nicht-intuitiven Erkenntnis, die Welt


nicht als Totalität fassen, da wir dem Einzelnen wohl das
Allgemeine, nicht aber das abgeschlossene Ganze ent-
gegenzusetzen haben.
So postuliert der kritische Philosoph für die hier ein
Stadium der Erkenntnis, das der unkritische „emana-
tistische" - Logiker schon für uns herbeizuführen wähnt.
-

II. Kapitel

Hegels emanatistische Logik.

War Kant nur ein konsequenter Vertreter <lrr analy-


tischen Begriffstbeorie, so tritt uns in HEGEL nicht bloss ein
Anhänger, sondern zugleich der klassische Vollender der
emanatistischen Logik entgegen. Denn so sehr wir auch
in der kraftvollen Bildung und Verwertung einer neuen Art
von Kulturbegriffen einen revolutionären und höchst zu-
kunftsreichen Anfang erblicken mussten (s. d. Einleitung),
in der Theorie des Begriffs scheint uns Hegel gleichwohl
ein Ende zu bedeuten, über das man nie wird hinausgehen
können 3 ). —
Durch vielfache Andeutungen uns den Vorherigen Ab-
schnitten sind wir in den Stund gesetzt, einige Elemente
(\w emanatistischen Logik von vornherein zu erwarten und
zu postulieren. So kann es für uns nichts Auffallendes mehr
haben, wenn wir hei Ih:r.i:i.den von seinen ersten bis ZU seinen
allerletzten Schrillen unaufhörlich sich wiederholenden Vor-

S. bes. III, 396.


-) S. V, 420.
z
)Die folgende Darstellung verfolgt lediglich den Zweck, uns
der Gesamtheil vom Hegels logischen Lehren den „emanatistischen"
Charakter dw Begriffstheorie herauszuheben.
- 57 —
wuri Kwiistin Philosophie antreffen, d.iss io
\iy#vi\
<li<

ihi unerträglicher Zwiespalt in dai Erkennen hinein-


ein
ragen werde durch Entgegensetzung des reinen Begrifft,
«in absoluten Leerheil dei nendlichen und des i.m- . I

pirisch-Konkreten, des KndlichiMi, ;ms tlcm der Ue^riir doch


sciimh ganzen Inhalt durch Abstraktion erhalle 1) >i<- I

kritische Lehre wml der Standpunkt «l**r Entzweiung 1)


gennnnt. auf <I**m «in gleichgültiges I iegenfibersteben, eine
völlige Entfremdung
Porno und Inhalt notwendig \<>n
erfolge Wo einmal die absolute Totalität durch
i
iso- < 1 i
<
*

lierende Th&tigkei! der Reflexion und Abstraktion in die


Reflexionsprodukte des Unendlichen Begriff) und End-
lichen gespalten ist, wird, wie Hbgei richtig erkennt,
< 1 « •

die Klufl der Irrationalitftl unentrinnbar. „Vom Unend-


lichen lmVI>i es keinen Übergang zum Endlichen, vom Un-
bestimmten keinen Übergang zum Bestimmten* 4). Alle
Grundvoraussetzungen der analytischen Logik sehen wir
hier bekämpft: den Charakter der abstrakthren Analyse
seihst, die Inhaltsarmut des Begriffs, <1 Irrationalität und it*

den Dualismus. Letzterer werde durch den unendlichen


ProgreSS und d.is absolute Jenseits der Idee nur Im -

schönigt*, nicht überwunden*). Hegel beansprucht die


I .Ogflk des mtelleetus intuiti\ us für uns. an Stell«' des Dualis-
mus rordert er die »absolute Mitte des anschauenden Ver-
standes. In der Aufstellung dieser Idee sieht er deshalb
auch den einzigen Keim des Spekulativen" im kritischen
System und hebt ausdrücklich hervor, dass dadurch in der
Kritik der rteilski ;ilt .der Gedanke eines anderen Ver-
l

hältnisses \om Allgemeinen des Verstandes zum Be-

S in.. us Werks I. Uli'.. 1311., 34 11'., 47. ÖOI., V, 19 IT., 47 TgL


VI. 398.
I. der ..formal»- Idealismus ••. ..Dualismus- /. B. I. 31, 35.
177.
'» Das h. eben loSJSCa nieht rm
..aussri liclu". „uliirliKultip"
«I

st hl», ort Verhältnis \mi hirin und Inhalt wird hrsttudi.. Zur
malen Identität" des Selbstbewasstselni „masi ein Pisa
|>uis« h. ii. (Iiinh dleSC Identität nicht Bestimmten, auf eine OD-
reifliche Welse als «in Premdei hlatulreten." 1. 16, vgl. 120
und s«»nst
limi 250 i
bei ein tasetnanderrelstang von Form and
Inhalt in «In Mm alphil..s.»phie K w 1 und In im s 1 s. / 11.350 IT.. 357 f.
B. 47
I, mtn Wi Mft " 225« Mfc
f., l III. 142 ir.. 270 f..
V. 23. 238 r.

L»• k . Pichtet Ideftltemut aod dl* Geschieht« 5


— 58 —
sonderen der Anschauung" erreicht sei, ..als in der Lehre
von der theoretischen und praktischen Vernunft zu Grunde
liegt" *).

Die Logik des -bornierten Verstandes" 2 führt not- )

wendig zu einem „Realismus der Endlichkeit", für den es


nur ein absolut gesetztes Empirisches giebt, das sich in
einem ihm entgegengesetzten Begriff in unsäglich verdünnter
Gestalt widerspiegelt 3 Dieser Nominalismus hängt auf
).

das Engste mit den kahlen Hc^riffsabstraktionen zusammen,


denn je leerer einem der Begriff wird, desto mehr be-
geistert man sich an den schönen Konkretheiten des Em-
pirischen 4 Die echte Philosophie dagegen wählt nicht
).

die empirische Wirklichkeit, sondern das wahrhaft All-


gemeine zum Princip und vermag in der wahren „A Priori-
tät" die ..Möglichkeit der Aposterioritäl selbst* 6), in der
Unendlichkeil den Keim alles Einzelnen und Endliehen ZU
linden. Dieser Forderung kann allerdings nur dann ge-
nügt werden, wenn man, anstatt Generelles und Partiku-
läres zu trennen und einander zu entfremden, den Aus-
41
gangspunkt bei der ..Identität \ „Indifferenz Durchdringung ,

beider nimmt, also bei einem Princip, (Ins nicht ein All-
gemeines, sondern ein realesGanzes, nicht eine „formale* 4

,
1
sondern eine „organische Einheit **), eine geschlossene
Totalität alles unter und zugleich in ihm Befassten dar-
stellt So ist es immer grade (Ins Problem des Dualismus
und der aus ihm hervorgehenden Irrationalität gewesen,
durch dns Hegel die Oberzeugung von der Unzulänglichkeit
der bisherigen Logik schöpfte und durch dns er von Anfang
an zu dem Versuch einer rein logischen Oberwindung
der Irrationalität angetrieben wurde.
Es wäre eine reizvolle Aufgabe, zu verfolgen, wie die
Schöpfung einer neuen Logik, insbesondere einer neuen
Lehre vom Begriff, in allmählichem Fortschritt immer
stärker als notwendige Aufgabe von Hegel empfunden wird.

») I, 33, 39 tr., VI, 116 fr., vgl. V, 26.


») I, 38.
*) S. bes. I, 9 IV., 13 f.

i) S. V, 19 f.

6
) Auch dafür landen sich bereits Ansätze bei Kam, s. I, 33.
") S. über diesen Gegensatz Z. B. I, 42, 44, 244 vgl. V, 27 und
sonst häufig.
- 59 -
In seinen ersten Schriften nimlicfa hissi n es rieh noch mit
einer Polemik gegen die Art des k is< m n Philoeophiei w i

genügen, und nn die Stellt« der Spaltung von Begrifl und


Ahm snnnung weim er im Wesentlichen noch nichts and
/n letaen als d;is & n most m Absolute, d;«s er auch .iK
1 1

Ict.iiiiat oder System im Gegensatz rar blos begriff-


lichen, formalen Einheit charakterisiert Eine neue Passung
des liegrifls setzt er jedoch der Begriibtheorie der analy-
tischen Logik muh nicht entgegen Dann abei den
Wendepunkt bezeichnet dk Phänomenologie'
1

bricht
immer klarer die Überzeugung durch, dass zur Lösung des
h Tationalitalsproblems auch das Absolute im Sinne der
spekulativen Philosophie nicht ausreicht Denn mag
immerhin keine Mos formale Identität bedeuten wie der
leere Begriff sondern eine Totalität, so isi es doch ab ferti
starres Ganzes gedacht, eine höchst anfruchtbare Totalität,
und das Hervorgehen des Endlichen aus diesem Unendlichen
ist ebenso undenkbar, wiedasHervorgehen des Einzelnen ans

dem Allgemeinen ') r>« der Starrheit des Absoluten, der


i

.unbewegten Identität der Spinozistischen Substanz ist die


ein/eine Modifikation verschwindend", nicht werdend .

der »Fortgang des Absoluten zur Unwesentlichkeit"


ebenso unbegreiflich wie der transscendentallogische Zufall,
die Snhstan/ selbst gleichsam nur der »finstei rtalt-

lose Abgrund, der allen bestimmten Inhalt als von Haus ans
nichtig in sich verschlingt* 9). Wie die Irrationalität des
Besonderen das ungelöste Rätsel der analytischen Logik,
><» ist das Problem des Endlichen dk Klippe der al
mistischen Metaphysik Es mnss darum was kein
).

früherer Denker je hatte in das Princip selbst I

eine ursprüngliche Wandelbarkeil .iK Grund aller Ver-


Inderüng verlegt werden Das Starre muss in Bewegung
versetzt, das Fertige in einen Entwkklungsprozess hinein-
d;is Substantielle muss /um Subjekt' erhohen
werden, damit es als wahrer liegrifT im neuen Sinne 4
»

kndeutong eines von Soulums einreichenden Stand


paukte* echon ikoi s. i. 177. Ki ho Fk* n s, Geech. «t n. Phil vin.
242 v«l. Vit. II.'. uhintr Sh-Ilr tfl deff Vorrede der ..I'hui.»
men« I. 13 f., Ki \«> Fischkh, VIII, J'.'J i

III. 21)6. IV. 196 f.. VI. 308.


h Vgl VI, 300.
«» II. 11. III. S5. V. 9.
v
— 60 —
alles Einzelne wahrhaft durchdringe. Es genügt nicht,
dass wie in Kants Idee eines intuitiven Verstandes und
bei dem metaphysischen Gedanken eines Absoluten das
Verhältnis des Besonderen zum Allgemeinen einfach ver-
nichtet und durch das des Endlichen zum unendlichen
Ganzen ersetzt wird. Es muss vielmehr an die Stelle nicht
blos der früheren Logik, deren Unnahbarkeit für Hegel ja be-
reits in der ersten Phase seiner philosophischen Entwicklung
feststand, sondern auch der bisherigen emanatistischen
Metaphysik 1 die emanatistische Logik des sich dialek-
)

tisch bewegenden Hegriffs


gesetzt werden. Nur wenn die
Hegriffe selbst sichwandeln, wenn in sie das Werden und
die unendlich schmiegsame Abstuf barkeit des Lebens ver-
legt wird, verschwinden die abgehackten Begriffe alten
Styls, an denen die Wirklichkeit niemals gemessen, mit
denen sie niemals ausgeglichen werden kann 2 Der Be- ).

griff wird dann seine eigene Selbstverwirklichung in der


„Erscheinung*, jede einzelne Wirklichkeit eine Phase der
Begriffsentwicklung, eine ..Stolle des Ganzen", aber eines
„Ganzen der Bewegung**). Nur bei dieser Auffassung ist
gleichzeitigdie transscendentällogische Irrationalität und
der metaphysische Akosmismus vermieden. Denn aus der
innigen Durchdringung des ..sich selbst bewegenden Ge-
dankens" und der einzelnen emanatistisch daraus folgenden
konkreten Realisation 4) ergiebl sich die dialektisch „ver-

') Aul* die „orientalische Vorstellung der Emanation*4 gehl Hegel


bei Besprechung des Spinozismus ein, IV, 197.

-) s. bes. v, 48 ir Dies Fixe besteht in der betrachteten


Form der abstrakten Allgemeinheit; durch sie werden sie" (sc. die
Bestimmtheiten) „unveränderlich". „Wenn nun am reinen Be-
Ewigkeil zu seiner Natur gehört, so waren seine abstrakten
griffe diese
Bestimmungen DUr ihrer Korm nach ewige Wesenheiten; aber ihr
Inhalt ist dieser Form nicht angemessen; sie sind daher nicht
Wahrheit und t'nvei Räumlichkeit", sondern müssen sich „auflösen* 4

lassen und in ihr Gegenteil „übergehen*4 .

3
) II, 36 f., 42, VI, 318, 367.

4
) Die Identität des Endlichen und Unendlichen schon in (\vn
ersten Schritten, s. /.. 148; später kehrt i\vv Gedanke fortwährend
B. I,

wieder (s. z. B. II, 328 u. sonst), nur modiliciert durch (\v\\ Gesichts-
punkt der dialektischen Bewegung, /.. B. VI, 390 1".
- 61 —
mitteile völlige Rationalität 1 ) dee Cbergangei \<>m n- i

endlichet) /um ländlichen, und andrerseits verschwindel


d;ts ii. Nu Im
I nicht im Ahsnluten. sondern stellt cm not-
wendiges Moment44 Im Prosessc dei Ganzen dar*).
Diinli ilirsc liegriflslehre wird IIm.m. /u dem «Irr
analytischen Logik igass taten Eigebnii gedrängt.
.i.ins je allgemeiner «l<i begriff ist. et desto konkreter iein

mnss, «liiss mit drin int.iuo der Inhalt wnehse 9), die
l

höchste Stufe dei Allgemeinen zugleich die höchste Stufe


da Konkretheil darstelle 4) Allgemeinheit" in IIm.m i
sinne bedeutel gleichzeitig die Anwendbarkeit auf eine
Menge \<>n Exemplaren als logische Qnalitil des Begrills-
inhalts und «Ins die Exemplare realiter umfassende Sich-
Erstrecken über die Unifangsgesamtheit, wodurch also
die Identltil von Inhalt und Umfang gelehrt wird
IIm.m warnt deshalb davor, daa abstrakt Allgemeine .

J>los Gemeinschaftliche" mit «lern „wahrhaft Allgemeinen,


dem Universellen" su verwechseln Vom abstrakt All- >

icinen ist d;is Besondere durch den Abstand der Un-


nitlichkeit getrennt, mit dem wahrhaft Allgemeinen
mich Art der einnnatistischen Vorstellung Ver-
i

schmolzen El kann hiernach mich gesagt werden, die


absolute Idee sei das Allgemeine, aber das Allgemeine nicht
Mos als abstrakte Form, welchem der besondere Inhalt
als ein Ander«- (Übersteht sondern all die absolute
.

lonn. in welche alle Bestimmungen, die ganze Fülle


dei durch dieselbe gesetzten Inhalts, zurück
-
gangen ist *).
Die Beziehungen der IIm.ms<hi\ Logik /um Irratio-

'» Di«- Dialektik steht im Dtaastc eines •beoteten Rationalii


inus s V, 33C: kein Objekt. d:.s \on «In dialektischen Meli
»nicht durchdrangen werden ktante"; L'5r.: „HerleHang des Reellen*
tu den Begriff rgl 2or.
'I S. II. 4» und ili« b 5 SO Anm
I

i. SIS vgl v. 41. 352 . Ml


der rieh begreifende Begriff,
das Sein th «Im- konkrete, ebenen schlechthin intensive Totalität
" \I!I. 435.
mi. im. .Tjon. v. 39 42, 64. 334; ebensowenig wie den
iktcn BegriflVtinhall darf man den Untfanj im gewöhnlichen
Sinne, du- .Allheit-, mit dei wahren \Hjemeinnei1 verwechseln, s
VI. 33».
VI. 409.
— 62 —
nalitätsproblem müssen jetzt klar geworden sein. Das
Verlangen nach absoluter Begreiflichkeit alles Einzelnen,
völliger Ableitbarkeit aus Vernunftprincipien erweist sich
zunächst als spekulativer Beweggrund, dem Begriff das
rein logische Merkmal zu verleihen, dass er inhaltsreicher
sei, als jeder unter ihn subsumierbare Einzelfall seiner
Realisierung; denn nur unter dieser Voraussetzung kann
die wegen ihrer Gleichgültigkeit gegen das Konkrete und
Einzelne absolut verwerfliche Leerheit vermieden werden
bei gleichzeitiger Wahrung der „Allgemeinheit" des Be-
griffs; aus demselben Erfordernis einer alles Einzelne durch-
dringenden Rationalität ergiebt sich sodann das Merkmal
dialektischer Selbstbewegung und schmiegsamer Konkret-
heit. Was aber reicher ist als alle empirische Wirklich-
keit, muss ferner ebenso real oder vielmehr von höherer
Realität sein; es ergiebt sich daraus die Eigenschaft meta-
physischen Eigenlebens, eine höhere Wirklichkeit als Ueber-
bau über der blos empirischen, und es folgl daraus, dass
der dialektische Prozess zugleich Weltprozess, die Logik
zugleich Metaphysik und Ontotogie ist. Umgekehrt ver-
band sich uns ja mit der Inhaltsarmut des Abstraktions-
begriffs die Unfähigkeit ZU selbständiger Existenz. HEGEL
hat diese Verbindung des rein logischen Emanatismus mit
der metaphysischen Rangordnung der Realitäten an vielen
Stellen vorzüglich zum Ausdruck gebracht, am besten in
der „Encyclopädie" ..Es ist verkehrt, anzunehmen, erst
:

seien die Gegenstände, welche den Inhalt unserer Vor-


stellungen bilden, und dann hinterdrein komme
unsere
subjektive Thätigkeit, welche durch die vorher erwähnte
Operation des Ahstrahierens und des Zusammenfassens des
den Gegenständen Gemeinschaftlichen die Begriffe derselben
bilde. Der Begriff ist vielmehr das wahrhaft Erste...
In unserem religieusen Bew usstsein kommt dies so vor,
dass wir sagen, Gott habe die Welt aus nichts erschaffen,
oder, anders ausgedrückt, die Welt und die endlichen
Dinge seien aus der Fülle der göttlichen Gedanken und
der göttlichen Ratschlüsse hervorgegangen" 1
).

J
VI, 323 vgl. 316: „Allerdings ist der Begriff als Form zu be-
)

trachten, allein als unendliche schöpferische Form, welche die


Fülle des Inhalts in sich be schll esst und z u gleich ans sich
entlasst"
— 63 -
Da es nur iiiimmc Ansähe war. «Ins rein In^is« hr dc-
rlppc Von Hm. ms IJctfriflslehre aufietl und ne^cn dk
anaMisrhe Logik schart abztlgn n/en so mttSStC .int «Im
.

hwns verzichtet Verden, einen wfa entscheidenden


l -uiiiuss die BerOckiichtigung von Norm- und Werl-
i
Iffen auf die Einbildung der emanatistischen Begrüb-
M. nustfeuhl h»l. \\'<lch grosses Verdienst insbesond
in der Polemik gegen den kulturphilosophischen Atomismus
Leht, wurde Ja in der Einleitung beretts Angedeutet
IIm.ii bek&mpfl die abstrakten Wertallgemeinheiten und
durchschau! ihren unvermeidlichen Zusammenhaue; mit
der Neigung /um Atomisieren. Ahn wie die Wertbegrifte
bei ihm auf die logische Theorie einwirken, so will er
leider umgekehrt auch wiederum die Kulturphiloeophie
durch rein theoretische und formallogische Spekulationen
tfltzen und demgemftss auch den gegnerischen Standpunkt
einer individualistischen Kulturphiloeophie auf einen Mo-
nismus rein logischer Art zurückführen Der letzte
spekulative Grund seiner Polemik ist mithin nicht die
methodologische Besorgnis, dass das nur in seiner Einheit«
lichkeit verständliche konkrete Kulturganze durch die
atomisiefenden Bestrebungen zerstückelt, sondern die meta-
physische Besorgnis, dass das fiberempirische Ganze
des Begriffs, d;is Iletaphysisch-Konkrete atomisüsch
vernichte! werde Denn von Atomismus auf logischem
(iebiel kann «loch nur unter der einen Voraussetzung geredel
werden, dasfl iii;in. wie IIm.ii es eben thut. den Begriff
seihst EU einer metaphysischen Healitat h\ postasirrt . die
Ycrw irklichun^st'älle EU einem einheitliehen
ihre ein/einen
dan/eu EUSammenftgt NUT unter dieser Voi iiiif>

könnt»- <lie von der analytischen Logik heh;iti|)tete Isoliert-

heit der ein/einen Partikularitaten eine unberechtigte Ver-


einzelung, eine AtomisJerung der Wirklichkeit genannt
Werden Nur dann wird erklärlich, warum Hm.m. in Jeder
iii/elw ii klichkeit nichts anderes als ein aus einem intelli-
I

giblen Kontinuum herausgerissenes Stink, ein lediglich


durch ahstrakte Isolation verselbständigte! Atom ZU er-
hlicken vermag 1).

•> S. z. H. 911.. 119. _cin Heirh eJahsHsloeCf Bsspfaic und «u-


nnigtr HimntgfaHlghtH* 128. vgl. 250. pElaheltslosIgkeit de*
Msnnlgflltlflfir V, 49. dertdktt Voi wurf <i«x Alomismus gegen Vu mjs
— 64 —
Dies antiatqmistische Ergebnis erinnert wieder an
mathematische Analogien. Der Umfang des emanatisti-
schen Begriffs soll nach Art der anschaulichen Beziehungen
innerhall) des mathematischen Lmfangs als in sich ver-
bundenes Ganzes gedacht werden (s. ob. S. 49 f.). Wie aus
dem Mathematisch-Allgemeinen soll sich ferner aus dem Be-
griff jede einzelne Wirklichkeit konstruieren und berechnen
lassen. Das klassische Vorbild für einen solchen von allen
Anhängern einer .mathematischen Methode" vertretenen
Rationalismus ist jedoch nicht Hegel, sondern Spinoza;
die nur mathematisch orientierte Metaphysik darf deshalb
höchstens als Vorläuferin von HEGELS Logik angesehen
werden. Wie im mathematischen Gebilde einzelne konkrete
Anschaulichkeil und begriffähnliche Allgemeingültigkeil zu-
sammenfallen ), so sollen im System Simnozas die end-
1

lichen Dinge in realer und zugleich zeitloser Abhängig-


keit aus der Gottheil folgen-). Auch im Übrigen ist in der

Sitten- und Rechtslehre, ausdrücklich


in Verbindung gebrachl mit
dem Wesen des abstrakten Gattungsbegriffs. „Aber jener Verstandes-
Staai ist Dicht sine Organisation, sondern eine Maschine; das Volk
nicht der organische Körper eines gemeinsamen und reichen Lehens,
sondern eine atomisl Lache Lebensa rme Vielheit, deren Elemente
absolut entgegengesetzte Substanzen.... Elemente« deren Einheil
ein Begriff." „Diese absolute Substantialitäl dw Punkte gründet
ein System der Atomistik der praktischen Philosophie"
I. 242gl. 2431*., 152 f. Ober die abstrakte, zum Atomismus rührende
Methode des naturrechtlichen Rationalismus eingehend 33211"., 3671'.,
über die „atomistische Ansicht im Politischen* VI, 193, In der
„Phänomenologie" s. bes.3ft0ff. „das reine Leere Eins der Person*.
Durch die ganze „Philosophie des Rechtä" zieht sich der Nachweis
des engen Zusammenhanges /.wischen der individualistischen
Rechtskonstruktion und dem Halten an der „formellen Allgemein-
heit", s. B. VIII, 63, 221, 247.
/.. Der Vertrag erscheint dabei als ein
„blos Gemeinsames des Willens" „Gemeinschaftliches" 116, 314,
so schon 243: ..das lixierte Abslraktum des gemeinsamen
I,

Willens".
') Vgl. darüber SCHOPENHAUER, Werke (GrISEBACH) III, 151, Sn;
wart, Logik I, 389 Anm.
Das Wesen von SPINOZAS Pantheismus erfassl man deshalb
*-')

am tiefsten durch Berücksichtigung der mathematischen Analogie,


s. Windelrand, Präludien 97 1., foiff., Gesch. d. neuer. Phüos. I,
203 f., 207 II", Gesch. d. Philosophie 342, mit dem Hinweis auf Schopen-
hauers „Satz vom Grunde des Seins44 . Unter den neueren Mcla-
physikern hat besonders Schelling die Vorbildlichkeil der Mathe-
matik für die Spekulation hervorgehoben: in ihr werde »die Identität
des Allgemeinen und Besonderen44 die „in der Anschauung darge-
,
— «5 —
Spekulation vor Hu.m dei KinfluM mathematische!
h;dlnisse ; 1 1 1 die mct.iphvsischc Fassung des I ndlichkeits-
pfuMumi bemerkbg? t Mathematik besteht, wie oben
In d<
geteilt wurde, zwischen dem Begriff und den Exemplar,
d.is uiih i ihn hilli. eine Ähnliche Konstruktionsinöglichkeit
wie innerhalb unten l'mfanA In den dai Einzelne
sich einfügt Drm
genau entsprechend leitet die hier
allerdingi nur postulierte aprioristische Konstruktion
I

einmal \oii den in abstrakter PunktualHftt gedachten n- l

endlichen zur einzelnen EndlichkeH hinüber, und zweHem


breitet sie liefa ge* Üscumasscn Qficbenartig ausdehnend
<l;is Absolute über den ganzen Umfang seiner ein/einen Er-

zeugungen ;uis Daraui folgt im das metaphysische Princip


ein eigenartiges Schillern nach der Bedeutung des Allge-
meinen wie des Ganzen bin, und das Verhältnis des End-
lichen zum Unendlichen stein eine nicht recht fassbare Mitte
/wischen dem des Besonderen zur Gattung und dem des
Teils zum Ganzen dm Dieses [neinandergehen der Be-
deutungen ist allerdings auch für viel Utere metaphysische
Spekulationen charakteristisch und spielt in der ganzen
chichte des Piatonismus, insbesondere im Universalien-
streit (Gattungs= Substanz), eine wichtige Holle Von
diesen Beobachtungen mis erMhet sich uns. wie hier nur
angedeutet sein mag, der Ausblick auf eine umfassende Ge-
schichte dt s logisch-metaph} siseben Imli\ Idualitätsproblems
Ihre Aufjgabe bestände in der Untersuchung, wie weit in
den ein/einen Systemen d;is Individuelle als Kxemphir \on
Gattungibegriffen und wie weit es nls Glied von erfahr-
bareu oder metaphysischen Totalitäten gedacht wird.
Sie hätte lodann /ui»leich den an die beiden Gegensatzpaare
immer wieder sich heilenden Irrationalitätsgedanken in
Minen beiden Hauptverzweigungen zu verfolgen, nämlich
in der Form der logischen Zufälligkeit und des metaphysi-
schen Endlichkeitsbegritti Grade in der Durchführung
diesei Ms jetzt nicht vorgenommenen Sonderung der
Probleme wurde sieh das Berechtigte einer solchen l'nter-
rochung zu zeigen haben '».
teilte Idee" erkannt ber Konstruktion In der PttfkMophleWW V,
t

125 ti. Vortesungea Sber «i Metli <i *k.u\ Studbumy IbM SSI fl
i»i «h« roriiegende Arbeit einen kleinen Beitrag «ar eec h tc hte G
dei UTfttionalitfttsprohlcrm zu liefern sucht, wird später DOCfa roa
— m —
Soviel aber muss sehon jetzt unbezweifelbar geworden
sein, dass in Hegels Logik die Spekulation einen wesent-
lichen Sehritt über alle früheren rationalistischen Systeme
hinaus gethan hat, eine Gedankenschicht noch über der durch
mathematische Analogien charakterisierten Metaphysik dar-
stellt. Wenn das Ziel spekulativer Überwindung der Irratio-
nalität überhaupt erreichbar wäre, dann hätte einzig und
allein Hegel errungen, wonach alle früheren emanatisti-
schen Metaphysiken vergebens gestrebt hatten. Kr bezeichnet
darum mit Hecht deren typisches Geisteserzeugnis, die ..Sub-
stanz" Spinozas, als die unvollkommene Vorstufe des sich
selbst bewegenden Begriffs, wie er ihn lehrt ). Seine Lehre
1

ist in der Lösung des logischen Individualitätsproblems


das Begreifen und die Vollendung aller früheren Metaphysik,
insbesondere des PlatonismilS und des Spinozismus.
Auch für Plato nämlich werden zwar die Gattungs-
begriffe zu überempirischen Realitäten, aber sie bleiben
unveränderliche spröde Formen, denen die „unendliche"
-/ivea»^ unbeherrschbar, irrational gegenübersteht. Die Linzei-

dinge sollen lediglieh ein „Teilnehmen" an ihrer Inhalts-


fülle darstellen, während wir sie uns höchstens als Teil
ihres l'mlänges denken können und immer in Versuchung
geraten, umgekehrt die Ideeen als Teil der Wirklichkeit ZU
betrachten. Die Substanz bei Spinoza andrerseits soll gar
nicht ein Allgemeines, sondern eine metaphysische Totalität
darstellen. Aber mag sieh Spinoza noch so sein- gegen die
Hypostusierung der Gattungsbegriffe sträuben, grade die
Substanz verflüchtig! sich ihm zu ganz inhaltsleerer All-
gemeinheit. Sie ist umfassendste Umfangsgesamtheil mit
denkbar geringster Inhaltlichkeit. An ihr erfüllt sich so
recht der Fluch der traditionellen Logik. Plato will
-

mit der Idee den reichsten Inhalt, für den uns schliesslich
der Umfang sich unterschiebt; Spinoza will mit der Substanz
den Umfang, ohne dabei aber die leerste Abstraktheit
einzelnen Perioden der Gesamtentwicklung dieses Problems die Rede
sein. Man sieht Übrigens leieht, dass die im Text angedeutete (ie-
sehiehte des Individualitütsproblems die Log] sch-erkenntnistheo-
retische und metaphysische Parallelarbeit und Grundlage einer
geschichtlichen Behandlung der in der Einleitung angedeuteten (s.
ob. S. 16f.) verschiedenen Arten des \\ Vi u ngsindix idualismus und
I

-universalismus abgeben könnte und vielleicht müsste.


») VI, 301 vgl. V, 9 ff.
- »17

da vermeiden zu können
Inhalts Im Ihm hslen Princip
.h< Systeme begegnen »ich ohne gegenteilige Durcb-
si i

dringnng die beiden Bedeutungen dee Allgemeinen und da


Gänsen, und ewu iberwiegl die entere bei Plato, * l

letztere bd Spinoza Die Ai jeden Emanatismui unver-


meidliche Konsequenz eher, dasi dm Princip, dm Allge-
meine, du Absolute inhaltsreicher ku denken ist. ah die
einzelne empirischeWirklichkeit, wird von keinem der beiden
Denker kühn und rflcktichUloi gesogen Idee und Substanz
sind (heu unzulängliche Vorläufer von Hm, ms „Begriff",
mit denen nicht erreieht ist. wai die Denker mit ihnen be-
absichtigt haben. In völligen BinMang lassen rieh Inhall
und Umfang nur bringen, wenn man sie gleichsetzt und so
den Unterschied von Allgemeinheit undTotalHä! überwindet
Der Umfang ist dann der sich verwirklichende Inhalt, der
Inhal! die durch den ganzen Umfang hindurchgehende
lebendige Bewegung; mit dem Wachsen da Umfangi ver-
binde! sieh die Steigerung des Inhalts und umgekehrt
Aus dieser Identität von Inhal! und Umfang wird klar,
warum uns in <lem letzten Teil der Darstellung von Hegels
de. hinken mathematische Analogien ganz verliessen Sie
waren noch ausreichend zur Charakterisierung der emana-
t sehen Metaphysik, der lli Q| idbst anfiulgi .ils Anh;n
ist i i

S( in ings nahestand; de werden aber ungenügend, lobald


1 1

Wir uns den letzten Ergebnissen der dialektischen Theorie


zuwenden Von neuem bewährt lidl die mathematische
Methode ;ils (in Mittleres zwischen analytischer und emana-
tistiseher Logik.
Auch vom
kritischen Standpunk! aus wird darum
Hm.m Sonderstellung in der Geschichte des Irra-
eine
Honalitätsproblemi einzuräumen sein, /weitellos hat a
nie vor oder nach Ihm einen stärkeren, eindringenderen
Rationalismus n. Und dodi war nie ein philo-
sophisi -In -s System weiter \ mi einer Yerkeiimmg der Irra-
tionalitäl entfernt ;ds seine Lehre Aueh der Kritiker
w ird Mi «.i darin Recht geben müssen wenn die dialektisch
i

lieh wandelnden Begriffe annehmbar sind, dann und nur


dann -herw Indung der Irrationalität
riebt es ein« l
| In
dieser Einsicht iteckt ohne Zweifel eine ungeheure -
knlati\e Leistung Aber der Kritiker leugnet allerdings die
Bedingung da Vordersatzes <lic Begriffe im Sinne Hm.m s.
— 68 —
III. Kapitel.

Fichtes Stellung in der Entwicklungsreihe der


idealistischen Systeme.

l'nsere Gegenüberstellung der analytischen und ema-


natistisehen Begriffstheorie sollte nur mittelbar einen Bei-
trag zur Geschichte der Logik liefern, in erster Linie da-
gegen die Entwicklung des Rationalismus in der deutschen
Philosophie erleuchten. Wir haben den mit einem gewissen
Empirismus verträglichen kritischen Rationalismus von
dem absoluten Rationalismus vorkantischer Metaphysik
dadurch unterschieden, dass bei dem letzteren inhaltlich
bestimmte übersinnliche Gegenstände durch hypostasierte
Erkenntnisideale geschaffen werden, bei Kam dagegen
der Erkentniswerl nur inhaltsleere Formen darstellt
(s. S. 27 f.). Insofern mflsste zunächst Hegels Lehre
wenigstens mit Rücksicht auf Empirismus und Irrationalität
mit der \ orkantischen Metaphysik zusammengestellt und
in Gemeinschaft mit ihr dein Kriticismus entgegengesetzt
werden. Es ist jedoch von grosser Wichtigkeit, den Ein-
schnitt so anzubringen, dass zunächst dogmatischer (vör-
kantischer) und idealistischer (kanlischer sowie nachkanti-
scher) Rationalismus auseinanderfallen und dann die neiden
Hauptgruppen in weitere Unterarten zerlegt werden. Das,
was den dogmatischen vom idealistischen Rationalismus
unterscheidet, ist die Abhängigkeit des Erkennens vom
Sein, die Abbildtheorie (s, S. 28). In deren Beseitigung
sind nämlich kantisehe und naehkantische Spekulation einig,
insofern also beide Idealistisch. Innerhalb des idealistischen
Rationalismus bilden sieh sodann die weiteren Gruppen
nur nach den verschiedenen (iraden der Abhängigkeit
des Seins vom Erkennen. Während also der Kriticismus
von der rationalistischen Metaphysik sieh mich zwei Rich-
tungen abhob, erhalten wir für den kantischen und naeh-
kanlischen Rationalismus eine mich den Graden der
Rationalität eindeutig abgestillte Entwicklungsreihe.
Für eine solche scharfe Scheidung innerhalb der Folge
dieser idealistisch- rationalistischen Systeme giebt nun der
Gegensatz der analytischen und emanatistischen Logik ein
vorzügliches prineipium divisionis ab. Durch ihn wurde eine
- m -
l *i n u nu
t A i i" [Ischen Struktur d« js tpriori, eine • \.ik t«-

Mcssiin^ des rationalen Faktors, mithin der Abhängigkeit


des Sems vom Erkennen, ermägücbi Der logische ha- (

rakter durfte jedoch dabei nicht :• i^ ein lusserlichei neben-


s.mIiIkIiis Beiwerk geffesst, londeni mosste all wesentlicher
llestandteil, als eigentlicher Kern des betreffenden Ratio-
nalismus begriffen werden. So brachten \\ ir den formalen
\j)in»i Ismus iw\is ja erst dadurch auf seinen ichfirfsten
Ausdruck, dam n Ir den apriorischen Bestandteil als nach
den Vorschriften einer analytischen Logik richtig gebildeten
transscendentalen Gattungsbegriff verstehen lernten. so
kenn/eiehneten wir den ahsoluten Apriorismus Hm.iis ;im
genauesten als emanatistische Logik. Auf diese W<
Hessen sieh die einzelnen Systeme nach testen logischen
liassstihen auf ihren rationalistischen Gehalt prüfen
Nun giebl es für diese ganze Richtung der Idealistischen
Spekulationen, die d;is Krkennen Über «Ins absolute Sein
stellen, im (irunde genommen nur eine Frage \<>n tunda-
mentaler Wichtigkeit, nämlieh die: ist die Macht des Kr-
kennens schrankenlos oder an Sehranken gebunden*? Ist die
Abhängigkeit des Seins vom Denken ahsolut /u verstehen
oder in ihrer Bedeutung begrenzt? Die beiden einzig
konsequenten Antworten darauf sind Kants und Hegels
Philosophie Heide sehen die drohende Irrationalität des
Individuellen Nur: der eine halt die Sehranke tur unuher-
uindlich. der andere in letzter Linie tili authehhar.
Wie stellt sieh so fragen wir jetzt FICHTE ZU
diesem grossen, alles entscheidenden Gegensatz?
Ist die Wissenschaftslehre absoluter Rationalismus
oder statuiert sie eine dren/e des nationalen"'
GehM sir bereits ganz der \<>n den Halmen des Kritieismus
wichenen deutschen Spekulation an oder nicht? Dies
sind die ragen, die unser zweiter Teil" beantworten soll.
I

dies dai Hauptthema unserer Untersuchung.


Oder Ist vielleicht ein Zweifel ganlicht mehr möglich*?
Seheint es doeh. .ds oi> das Urteil der Geschichtsschreibung
iK endgültig darüber entschieden habe, dass auf Kwrs
-
Kritik der El kenntnis. also auf die sondernde Scheidung,
die Herauslösung der formalen Erkenntniswerte ichon ,

mit Pichti und grade durch ihn eine ganz and


Methode- gefolgt sei. namlieh die all ebene I
— 70 —
Dichtende und in einen zeitlosen Vernunftzusammenhang
einordnende „Konstruktion". Galt es doch schon bei
Fichtes Zeitgenossen als unbestritten, dass die Wissen-
schaftslehre einen verwegenen Idealismus lehre, in dem
die Unterschiede /wischen ..Form" und „Inhalt" des Wissens
sich verwischen und alles aus einer „hohlen Nuss der
Selbständigkeit" ), dem reinen Ich, deducieri und kon-
1

struiert werde.

Dass die kritische Methode von einer anderen, neuen


abgelöst wurde, darüber herrscht kein Zweifel. Ferner
wird niemand das unleugbare Bestreben des deutschen
Idealismus in Abrede stellen, sich in immer höherem
Grade mit stolzem Bewusstsein auf die absolute Selb-
ständigkeit und die erkenntnistheoretische Priorität des
Wissens vor dem Sein zu besinnen. Aber darin kann man
ja immer noch lediglich die Enthüllung des tiefsten Sinns
grade von KANTS ..Apriori" erblicken. Denn für jeden idea-
listiseben Denker bedeutet dieses ..Notwendigkeit und
Allgemeingültigkeit", unbedingten und höchsten Erkenntnis-
wert, <lns schlechthin Oberste im Reiche des Denkens, ein
Unabhängiges BOgaf vom Drucke eines absoluten Seins.
Neben dieser Unabhängigkeit nach oben gebührt ihm ferner
auch nach Kam SO konnte man weiter argumentieren
die Herrschaf! nach unten. Zwar tritt es nach unten, d.h.
Innerhalb seines Geltungsbereiches, in der Menge derDenk-
inhalte, nur als Form auf; aber diese Form ist dafür un-
entrinnbar. Doch muss andrerseits und darin grade
besteht die kritische Zurückhaltung mich streng darauf
geachtet werden, dass diese Herrschaft des Apriori nach
unten nicht über seinen rein formalen Charakter hinweg-
täuschen darf. Da <\w rationale Bestandteil nie eine ein-
zelne Bestimmtheit ans sieh er/engt, bedarf er stets eines
konkreten Anhaltes, eines Substrates, einer Verwirklichung
auf empirischem Schauplatz. Und an diesem entscheidenden
Punkte - das ist allerdings zuzugeben - hat die Geschichte
der deutschen Philosophie bewiesen, dass es nicht gelang,
den formalen Bationalismns in Strenge aufrechtzuerhalten
und mit der Besinnung anl die Selbstherrlichkeit des
Denkens ein kritisches Verständnis der Herrschaft des

') Fr. II. Jacomi. \V\V III, 37.


— 71 —
\i»ii,.ii nach unten s»*vcrbindeH Die Nachfolger Kants
haben da Vertuehang nicht widerlichen können, «- «
1

Gewell des Apriori .in. h nach unten his tu einei dai


I n/H ne sogar sc hu [ndividualititnachvöllig bestimmen-
. i \

den II« ist h.ilt /u steigern, sie hnhen den kl iliseh-toi in.dni
i

Rationalismus allmlhlich in einen emanatistischen um-


mdelt
Eine nur Dfichtige Kenntnis der ersten grund-
auch
PHarnsa schein! mm zu genügen, um
n.lrn Schriften
das Urteil über den Urheber der Wissenscbaftslenre and
scini Stellung in dieser Entwicklung Allen dftrfen m
Im ersten Entwurf des Systems finden sich sollte ei
auch ^<»n^t Berechtigtes enthalten jedenfalls wenige
Spuren jener massvoUen Erkenntnislehre Kants, die diesem
gebot, in der reinen Vernunft nur erkenntnisl« -rundende.
abstrakte, Inhaltslose Formen /u erblicken. Die Vernunft
«ischeint hier vielmehr, als das absolut schöpferische WeH-
prindp, als reine ursprüngliche Geistigkeit, als (SottheÜ und
Absolutes; mithin nls der metnphvsische Oberbau Ober
der «inpii isehen Wirklichkeit, dessen Annahme die BtilMÜgC
Begleiterscheinung jed«er emanatistischen Logik sein muss
Di«- ganze mfihsame Arbeil kritischer Zerlegung seheint
oberflQssig gemachfl /u Sein hei dem glücklichen Resit/
einer -intellektuellen Anschauung*, durch die Inhalt und
Form durch«drungen weiden, somit der
gtefchmässig
\on Kwi Im die Methode der trnnsscendentnlen Unter-
suchung restgestellte Dualismus verschwindet hei einer
solchen Ansicht vom Wesen der Vernunft ist es frei-
lich unmöglich, in der Wissenschaftstheorie noch irgend
welche Schranken des Begreifen* anzuerkennen. Dement-
sprechend erklärt denn auch der Verfasser derWisseiisehiifts-
lehrc seihst „mit dürren Worten", dttSS mich dns Ifannig-
raltige der Erfahrung \<>n uns durch ein schöpferisches
Vermögen producieit werde Kur den em.inntistisehcn
>

iker rerwandell sieh eben die sbstrakte V«ernunftform


Kants in ein Gebilde von metaphysischer Lebendigkeil
Auch wer lerner damit einverstanden sein sollte, daks F« h i i

die Kategorten oder überhaupt die fonnaten Bedingungen

•» Leben und Brtsfweehssl, KMrsnsgegebeii r. J h Pichte,


l \uM .. II. 166.
n
der Erkenntnis, die bei Kant als fertige Thatsaehen hin-
genommen werden, aus einem höchsten Grundsatz ableiten
will; auch wer in seinem Versuch, das Wesen der Vernunft
als einheitlichen Zusammenhang untereinander durch
immanente Notwendigkeit verbundener Vernunftfunktionen
zu begreifen, eine tiefgehende philososphische Leistung, ja
eine bis jetzt noch ungelöste, aber weit in die Zukunft
hinausweisende Aufgabe sieht ), kann sich doch der Ein-
1

sicht nicht verschliessen, dasa Fichte dabei weit über die


Grenzen jeder möglichen Konstruktion hinausgeht, das Em-
pirische bis auf den letzten Rest durch das Apriorische
zersetzt, das Individuelle der Wirklichkeit mit in den
dialektischen Prozess hineinzieht-), kurz, in die Hahnen
der emanatistischen Logik gerät. Auch wer es gar wohl
zu beachten versteht, dass von Anfang an die Kon-
struktionen der Wissenschaftslehre nicht etwa dem ge-
wöhnlichen Standpunkte angemutel werden, kann doch
nicht leugnen, dass die unverkennbare Grundtendenz der
Wissenschaftslehre dahin geht, durch das Apriorische
das Empirische gänzlich verdrängen und aufsaugen zu
lassen, damit die Line absolute Vernunft wie in ethischer,
so auch in logisch-begrill'licher Hinsicht alles in allem sei.
Schon die zeitgenossischen Gegner haben ihre AngritVe
hauptsächlich gegen die 1794 entworfene Darstellung der
Wissenschaftslehre gerichtet. Aber auch auf Anhänger wie
Schelling, Reinhold, Schlegel hat die erste Gestalt der
Wissenschaftslehre einen entscheidenden Kiniluss ausgeübt,
Hegel und Herbart haben grade von ihr nachhaltige An-
regungen empfangen*). Wegen dieser grossen historischen
Wirksamkeit hat denn auch dw von gewaltiger Originalität
zeugende eiste kühne Entwurf seine Alleinherrschaft bis
auf den heutigen Tag behauptet. In der ganzen Geschichts-
schreibung der Philosophie orientiert man sich bei der
Darstellung der früheren, also im achtzehnten Jahrhundert
vertretenen Wissensehaltslehre fast ausschliesslich an der
„Grundlage" von 1794 4 Man verfolgt wohl die Vertiefung,
).

J
) S. Windelband, Gesch. d. neueren Philosophie II, 204 IT. Prä-
ludien 274 ft.
•-)
Ibid.
3
) s.Erdmann, Grundriss II, 444 f.
4
) Hinzugenommei) wird etwa die „erste Einleitung" und der
„sonnenklare Bericht".
- 78 -
dir gewisse Lehren in allmählicher Entwicklung durch
die Hegrftndntitfder Sittenlehre und der Itelitfionsphilosoplne
ihren haben; aber<l;iss daneben sich eine Wandlung im

ntlichen Kerne der WisKensebaftslehre selbst vollzogen,


hm. der restlos Weilei s» In eilend«-. BttCfa die Punda-
menle seiner Philosophie nnlerdessen erschüttert haben
könnte, daran wird ?on niemandem gedacht
Und doch isi die Auffassung, dasi Piarres T rer- i
*
• i

bretener Standpunkt ab kennzeichnend ffir die ganze Utere


w Issenschaftslehre gelten darf, als gsm anhaltbar ani/n-
geben« Innerhalb der Uteren Wissenschaftslehre, die ja
allein den eehten Idealisinns vertritt, also in der \<>i dein
grossen Einschnitt von legendi Phase, hat viel-
mehr schon nach gUI2 kurzer Zeit ein Umschwung
nicht nebensächlichem Beiwerk sondern in der er-
in
kenn tnistbeoreti sehen Grundlegung stattgefunden«
4
Der durch ihn in der ../weiten Einleitung 171)7 be- < >

gonnene PrOZeSI der Abkehr von dein (ieiste der frnheren


Lehre /eij^t allerdings neben fpTOSSer kritischer Besonnenheit
Weniger Kühnheit als der erste EntWUlf, auch nicht eine
so hohe Originalität, sondern eine stärkere Anlehnung an
Kant. Wenn wir nun grade diesen neuen und späteren
Anlauf von FlCBTES lehre in den Mittelpunkt unserer
Darstellung zu rücken -«.lenken, wenn wir von dfc
Revision der erkenntnistheoretischen Prineipien eine nber
I'khiis eigene pldloeophische Entwicklung hinausragende,
auf seine ganze Stellung in der Geschichte des deutschen
Idealismus sich erstreckende Bedeutung ableiten, dann
Chefalt doch ein solches Verfahren künstlich ganz heterogene,
dem (ieiste der W ins, um h;ittslelnv fremde, deshalb un-
wesentliche, ja irreführende Gesichtspunkte einzuführen,
die das Hil<l \on f'iniiis Denken mir entstellen Gegen-
über diesem Einwand können wir uns vorläufig lediglich
SUi die Ausführungen des ../weiten Teiles' berufen ans

dass die
») Aurh der |ftngen in
erst«- DorsteDang noch
m dsraaf snftuerkss
hat nur gemocht,
visier Verbesserungen bedurfte und
m
die in ihr ;im meisten ml»iaueht*n PoiHICIlJ wie ..scl/cn" da
leb und
des Nicbt-Ich u. s. w. aufgegeben wurden, aber er hat niebt n
seines vetmotht, w
elche wichtigen Veränderungen eingetreten sind;
s i.eb I, ta
f, Sinti Werke i. Vorwort S mii. \m Vgl Eromaxx,
(irundriss II. 444.
Laak. ficht« UW*11mbim and dl« Geschichte. I
— 74 —
ihm wird man die Überzeugung gewinnen, dass das Fort-
wirken gewisser Ergebnisse des strengsten Kriticismus bei
Fichte bisher eben nur wider Gebühr unterschätzt wurde
und unbeachtet geblieben ist.
Und andrerseits ist zu betonen, dass wir ja überhaupt
von dem Wahne weit entfernt sind, als ob durch die Klar-
legung der logischen Struktur, die in den verschiedenen
Systemen der rationale Paktor annimmt, die Gedankenfülle
der dabei betrachteten Philosophieen irgendwie sich er-
schöpfen Hesse. Noch viel weniger kann es uns daher
einfallen, durch Heraushebung gewisser Probleme, Fichtes
Denken in seiner ganzen Anschaulichkeit und Originalität
erfassen zu wollen. Nicht nur die ganze, FlCHTES Welt-
anschauung bestimmende praktische Philosophie bleibt un-
berücksichtigt, sondern aueh so manche für ihn eigen-
tümliche und fruchtbare That auf rein theoretischem
Gebiet. Wir verfolgen ja blos, wie sich das Irra-
tional itätspro Mein durch die ganze Entwicklung
des deutsehen Idealismus hindurchzieht, und be-
trachten dabei etwas genauer den Weg. den es bei
diesem Fortgang durch das Gebiet der Fichteschen
Philosophie nimmt
Aber eben daraus inuss doeh aueh verständlieh
werden, warum der Irrationalitats^rdanke, grade in seiner
problemgeschichtlichen Isolation und herausgelöst aus der
lebendigen Verkettung mit anderen Bestandteilen der Wissen-
schaftslehre, uns doch dazu dienen kann, FlCHTE in dem
Werdegang der deutschen Spekulation wenigstens eine
sichere Stelle anzuweisen. Denn daran halten wir aller-
dings fest, dass unsere logische Messung des Rationalis-
mus, mag ihr auch nicht der Wer! eines erschöpfenden
Kindringens und allseitigen Verstehens gebühren, dennoch
das beste und berechtigtste Mittel einer Gliederung oder
Periodisierung jener ganzen geschichtlichen Phase der
Philosophie abgiebt Unter diesen Voraussetzungen werden
wir, sollte der Nachweis gelingen, dass FlCHTE die trans-
scendentale Methode Kants mit klarem Bewusstsein
von deren Tragweite in sich aufgenommen hat, unsere
Vorstellung von dem Entwicklungsgang der nach-
kantischen Philosophie entsprechend berichtigen
müssen. Der Schritt, den FlCHTE Über Kant hinaus thut,
- 75 -
.l.nl .l.inii w.is BUCh s«»iisl mil ihm Verknüpf! s. in m;iL(.
jedenfMli nicht ;iK Abfall \on «I« Sch&rfc dei kritischen
i

Betrachtung ausgelegt werden l>;iss der deutsche l<i«;ilis-

niiis «l i« grossen fruchtbaren Grundgedanken der Er-


kenntniskritik wm (in verdunkelt und zu metaphysischen
Vorstellungen zurückgedeute! hat, «lies«- im übrigen rich-
tige Ansicht würde im den ersten grossen Nachfolger
Kants, für Fichte, noch nicht zutreffen Fichti wird
uns im Gegenteil in seiner eigentlich kritischen Periode
mehr ah Transscendentalphilosopfa und analytischer Lo-
denn als Metaphysiker und logischer Emanatisl er-
i

icheinen. —
Wie dieEinleitung eine problemgeschichtliche Skizze der
Wertlogik, 10 gab <ln erste Teil eine problemgeschichtliche
Zusammenstellung ;ms der Logik des deutschen Idealis-
mus. Und wie ii' Einleitung nur his zu den rein logischen
* 1

Problemen durch Einordnung in den richtigen Problem-


Zusammenhang orientierend und vorbereitend heran-
reichte, lo sollte der „erste Teil" nicht weiter als bis zur
Andeutung von FlCHTBS Stellung ZU diesen rein
logischen und transscendentalen Problemen uns
hinführen.
Zweiter Teil.

Fichtes Rationalismus und die Irrationalität des


Empirischen.

Erster Abschnitt

Die Begründung des kritischen Antirationalismus


durch den Umschwung von 1797.

In unsenn »ersten Teil" wurde der Versuch gemacht,


bd der Charakterisierung der idealistischen Systeme von
Kant bis Hegel die in ihnen zur Anwendung kommende
Methode des Rationalismus den Vordergrund zu
In
rucken und infolgedessen die Entwicklung der Spekulation
als eine allmähliche Wandlung der logischen Struktur
des rationalen Paktors zu begreifen. Bd solcher Auffasssung
dürfte «ils d;is methodisch Wesentliche des Fortganges Ober
Kwi die Richtung auf das System zu betrachten sein.
Von der kritischen Analysewurde zur systematischen Kon-
struktion in D, auf die Kritik folgte das System
der reinen Vernunft
In Kants Philosophie selbst liegen sachliche An-
knüpfungspunkte für diese Umbildung Dk bransscen-
dentale Analyse spalte! die ganze Erkenntnis in die beiden
Bestandteile des Apriorl und des Aposteriori oder was
nach unsenn Nachweis dassell>e bedeutet — des Ratio-
nalen und des Irrationalen Nun ist durch die kritische
Methode /war die Bedeutung des ein/einen rationalen
Faktors und sein Verhältnis zum Empirischen zurGen
klar gelegt, aber nieht gleichen« eise der Inbegriff der apriori-
schen Yermmltluiiktioneti als eine zusammengehörige
— 78 —
Einheit begriffen. Und doch wird durch die Aufgabe der
Transscendentalphilosophie auch noch diese weitere Leistung
dringend gefordert. Denn es soll ja nach Kants eigener
Ansicht von allen Bestandteilen der apriorischen Sphäre
begriffen, apriori anticipiert werden können, dass
sie als allgemeine Vermin ftgesetze den Gegenständen der
Erfahrung „notwendig" zukommen (s. ob. S. 36). Der
Sphäre des Begreiflichen sollte dann als Rest das Reich
der „zufälligen", irrationalen Empirie gegenüberstehen.
Aber schwebt nun nicht diese ganze Unterscheidung in
der Luft, wenn einen einheitlichen Massstab für
es nicht
die genaue Abgrenzung beider Sphären giebt, ein apriori-
sches Kriterium dafür, was in den Bereich des Ratio-
nalen einznbeziehen ist, nnd was Dicht? Aus dem em-
pirischen Material selbst lässt sich die Gliederung seines
überempirischen Gehaltes nicht einlach ablesen, weshalb
ja auch Kant sich um eine systematische Anordnung der
reinen Vernunftformen citri«», bemüh! hat, deren Princip
der reinen Logik nnd den immanenten Gesetzen der reinen
Verstandesthätigkeil entnommen sein soll.
Der Weg einer ausschliesslich induktiven Feststellung
des apriorischen Erkenntnisgehaltes mnss grade dem am
ungangbarsten und zweifelhaftesten erscheinen, der den
streng kritischen Gedanken der Irrationalität nach allen
seinen Konsequenzen in Erwägung zieht. Das logisch
fremde Gegenüberstehen von Form und Inhalt, der zwischen
beiden ausgebreitete Abstand der Unbegreiflichkeit, lässt
es als undenkbar erscheinen, dass allein ans der Struktur
der unmittelbar gegebenen Wirklichkeit die gegenseitigen
Beziehungen der einzelnen Vernunftbestandteile innerhalb
der Region des Apriori je erraten werden können. Viel-
mehr folgt aus der Irrationalität des Überganges vom
transscendental Allgemeinen zum Besonderen konsequenter
Weise nur die kritische Skepsis Maimons, die ja nicht
die Möglichkeit und überempirische Geltung des Apriori,
wohl aber das Faktum einer apriorischen Erkenntnis im
Einzelnen, eine wirkliche, in irgend einem Ealle mit
absoluter Sicherheit aufweisbare Verschmolzenheit des
Pormalen und Materialen, also die Möglichkeit einer un-
angreifbaren Abgrenzimg der absolut apriorischen Bestand-
teile gegen die aposteriorischen in Zweifel zieht. Dem
- 79 —
uusserlichcii l.ndn^.lmis. im hl *l«-r Begründung ii.m I»

stmuni tttesei Standpunkt Notwendigkeit mit Himis. «I m-

liberal] In gesteigerte Gewohnheit auflösender Skepsii


ftbenin Dar ntertchied besteht eben darin, daai Hvm
I

dk Berechtigung einet analytisch unbegreiflichen Apriorl


Oberhaupt leugnet und deshalb Ar dk inhaltliche Er>
kenntnii etwas anderes als nur relative Allgemeingflltigkeit
\on vornherein abschneidet; Maimon d grade von
der absoluten Geltung lynthetischer Erkenntnisformen aus-
geht, dann aber in der noch so sein gesteigerten Empirie
Immer die Gewährleistung für eine absolute Notwendigkeit,
die Möglichkeit, das Apriori zu erkennen, gleichsam
m hmer/lich venu issi. > Schicksal, dai der Kriticisinus
!

| I > ; i

bd Mmmon erfuhr, zeigt m


recht, wohin dai bloi induk-
tive und »rhapsodische" Verfahren, in dem doch auch
|

Kwi noch stecken blieb*), notwendig führen musste


lehrt, dasa auf dem Moden des Hos Empirischen Über den
Unterschied von komparativer und absoluter Allgemein?
gültigkeit nichts entschieden, dasa auf diesem Moden nie
mit gutem Gewissen ausgemacht werden kann, wo die
Grenzlinie zwischen Empirischem und wahrhaft Apriori-
ichem EU suchen sei. An die Yernnnftnotw endiokeiten
wird nur geglaubt, sie können aber nicht begründet werden;
mit Hecht nennt sich Mvimon einen „DogmaÜker" im Ha-
Honalen. Durfte dieser Dogmatismus das letzte Wort
4
bleiben ? Ihn Überwinden, hiess ja grade eine Vertiefimg,
eine Befestigung des Kriticismui selbst anbahnen«
Wer nun einen festen Halt gegen den Einbruch des
Skepticismiis lur die .iprinrische Welt erstrebte, der konnte,
wie ;ms dem Vorangegangenen verständlich wird, allein
im systematischen Aufbau das Heil zu finden glauben und
musste versuchen, einen nur aus der eigenen Bedeutung
der apriorischen Elemente folgenden, deshalb aposteriori
unangreifbaren immanenten Zusammenhang der reinen

Mmmmn. Stretfnelsa, S. \»>h. I88f., 19! tr.

_i Kami wwiii. 101


J
) I- 1« mii :m RSDfHOLO Kwi nimmt dk Ihnkformen auf
einem heuristischen \v< nur die Formen dar Anschaaang it

und fuhrt tlrn BeWCH «limh Induktion" Leben und Briefwechsel II.
215, v^i s.unti Werke \ Mi. 862 and Kum/. Stadien rar Entwicklet
Nichte der Fichieschen Wiwgmchsltitohre ~i* f.. Anhanfl
— 80 -
Vernunftfunktionen aufzudecken und mit Vertilgung aller
hypothetischen Elemente durch Konstruktion und De-
duktion aus obersten Grundsätzen das zu einem festen
und einheitlichen Gefüge zusammenzuschliessen, was bei
Kant noch beziehungslos auseinanderfiel ). 1

Auf der Gemeinsamkeit dieser systematischen Tendenz


beruht die unverkennbare Verwandtschaft der nach-
kantischen Systeme, insbesondere auch von Fichtes
Wissenschaftslehre und von Hegels Dialektik. In der Me-
thode des Rationalismus muss somit Fichte in gewisser
Hinsicht zweifellos mit Hegel zusammen- und gemein-
schaftlich mit ihm Kam gegenübergestellt werden. Aber
zur Lösung unserer Aufgabe genauer Einordnung Fichtes
in den Entwicklungsgang der theoretischen idealistischen
Spekulation bedarf es noch einiger Unterscheidungen
innerhalb der systematischen und dialektischen
Methode selbst, die schliesslich zu dem Ergebnis führen
werden, die Zusammengehörigkeit von Hegel und Fichte
wieder zu lockern und die Behauptung einer Abweichung
Fichtes von der kritischen Philosophie auf ihr richtiges
Mass zurückzuführen.
Zunächst allerdings scheint ja jeder Versuch, die Be-
ziehungslosi^kiil der transscendentalen Begriffe und den Cha-
rakter blos „kollektiver"1) Einheit der Vernunftfunktionen
durch systematische Konstruktion zu überwinden, eine An-
näherung an Hegels Logik herbeizuführen, deren Streben
ebenfalls dahin geht, das gleichgültige Nebeneinander durch
vermittelnde Obergange zu einem Ganzen dialektischer
Entwicklung umzuwandeln. Aber trotz aller Gleichheit
dieses Grundzuges lassen sich zwei ganz verschiedene
Ausgestaltungen des dialektischen Verfahrens
scharf auseinanderhalten. In dem einen Fall nämlich
macht sich die Tendenz dialektischer Vermittlung nur in
einer Sphäre reiner Begriffe geltend, der gegenüber eine
ganze Region des blos Empirischen unberührt und dia-
lektischer Durchdringung unfähig gegenübersteht. In dem
andern Fall dagegen —
den wir bei Hegel kennen gelernt
h;il>en soll durch dialektische Eigenbewegung der

i) S. dazu Windelband, Präludien 272 IL


>) S. Küno Fischer, (lesen, d. n. Phil. V, 627 f.
— 81 —
Hegnti scli»st s«> verfeinert werden, daaa ei flbig wird,
null d.is I in/elnc und kleinste nnl m dm dialektischen
Protep Mneinxuziebeo; mit der Vermittlung der Begriffe
untereinander gabt dun eine vollständige Anagleichung
\ofi Regrifl und empirischer Wirklichkeit Hand in Hand
Hier ist dk IVennung in awol Regionen gÜniHcJi rer-
schwanden, und die ganze Krkenntnisw elt stellt sich als
eine einzige unterschiedslose dialektische Matte dar El
kommt somit darauf an, oh der dialektische Prozess alles
gleichmassig ergreift oder oh er, nur in der Region der
Begriffe heimisch, einen Dualismus von Begriff und em-
pirischer Wirklichkeit noch immer EUlittJ Mit diesem
Dualismus wird dann auch die Möglichkeit gegeben sein.
data das Verfailtnia des Begrift nur Einzelwirklichkeit
nach den Vorschriften der analytischen Logik gedacht
wird, dass mithin trotz allen Kationalismus innerhall)
der apriorischen Welt doch das Hmpirische durch die
Kluft der Irrationalität von dieser getrennt wird und trotz
aller Deduktion ein u ndeducier harer Hest uhrig bleibt
Damit ist aber bew iesen, dass der Gegensatz analytischer
und emanatist ischer Hegriffstheorie entscheidend
auch in die dialektische Methode hineinragt und in ihr
dadurch /wei Unterarten eixeugl, dass die Dialektik ent-
weder eine analytische Logik neben sich duldet oder sie
gani verdringt und durchweg emanatiettach vorgeht.
Alle wi iteren In (erschiede liessen sich nun leicht
daraus ableiten, dass die eine Richtung analvtisch-
s\ st em.it seh, die andere e m a n a
i st isch-s\ stemat isch t i

verfahrt Der systematische Charakter bringt /war heide


in gemeinsamen (><_,. nsat/ /u dem „rhapsodischen
Verfahren Kwis Aber es ist eben genau zu beachten.
data die analytitcb-eyttematitcbc Methode neben der dia-
lektischen Verbindung /wischen den Hegriffen die t n-
verhundenheit und V e re n / el u n g /wischen den ein- i

zelnen empirischen 1. \ ein p a r en die je einem Begriff 1 .

untergeordnet sind, betteben littt <d> man also die trans-


ndentalen UegrifTe rhapsodisch aufstellt wie Kam, oder
lyttematfacfa anordnet wie PicHTB, .Atomist im Sinne
llnais kann man in heiden Pillen bleiben' und es darf >:

') Wie ja HEGEL* Poletuik n«


i
^n logbcbtn Atomismus lieb auch
gegen l*n a n liebtet
— 82 —
daher der Gegensatz von rhapsodisch und systematisch
nicht mit demHEGELSCHENVon atomistisch und organisch
verquickt werden! Ein vollendetes System der Begriffe
ist noch nicht ein dialektischerOrganismus der gesamten

Wirklichkeit. Auch die in unserem „ersten Teil"


beobachtete unvermeidliche Verknüpfung logischer Lehren
mit metaphysischen Konsequenzen muss sich innerhalb
der systematischen Theorien wiederholen. Konsequenter
Weise darf nämlich vom analytisch-systematischen Stand-
punkt aus die Sphäre des Apriori nur als eine blos ab-
strakte BegrifTswelt ohne metaphysisches Eigenleben, als
ein zeitloser Vernunftzusammenhang gefasst werden, eben-
so wie ihr ja auch in methodologischer Hinsicht die ab-
solute Selbständigkeit, die autarke Fähigkeit zur Her-
stellung des systematischen Baues, abgesprochen werden
muss und ihr ein beständiges Bücksichtnehmen auf das
unersetzliche und nicht rationalistisch antieipierbare em-
pirische Material nicht erspart werden kann. Umgekehrt
muss vom emanalisliseh-systematisehen Standpunkt aus
die dialektische Begriffsentwicklung zugleich der alles
durchdringende Wellprozcss sein.
Mit dem Nachweis, dass auch innerhalb des syste-
matischen Standpunktes der Gegensatz analytischer und
emanatistischer Logik seine entscheidende Wichtigkeit
behält, haben wir die leitenden Gesichtspunkte für die
genaue Einstellung FlCHTES zwischen Kwi und Hegel
festgelegt. Denn wir können nunmehr unbeirrt durch den
Umstand, dass FICHTE durch Aufstellung eines ..Systems
der Vernunft" über Kam hinausgegangen ist, den Schwer-
punkt unserer Untersuchung darauf legen, wie die Wissen-
schaftslehre sich ZU dem Gegensatze der analytischen und
der emanatistischen Logik verhält.
Indem wir ferner der herrschenden Ansicht, die in der
Wissenschaftslehre von 1794 die eigentliche und einzige
Quelle von Fichtes theoretischer Philosophie sieht, die
Behauptung entgegenstellen, dass sich schon wenige Jahre
danach ein Umschwung in der erkenntnistheoretischen
Grundlegung vollzogen hat, wird zugleich auch im Ein-
zelnen der Gang derfolgenden Darstellung klar vorgezeichnet.
Wir zeigen nämlich zunächst, wie der von jeher gegen die
Wissenschaftslehre erhobene Vorwurf des schrankenlosen
— as —
Nationalismus Im deren Aiif;ui^sst.i«lium /nlulll (Ka-
'

pild l um darauf durch Feststellung der mit dem m-


'. I

ichwuog von 17!>7 •icwiiniMin n Krgehnisse die Kinscitiflkeif


der Pkhti zuteil gewordenen Beurteilung deutlich hervor-
treten zu lassen (Kapitel ll-\

I. Kapitel

Der transscendentallogisehe Emanatismus von 1794.

Bein ersten Beginn eigener Spekulation sehen wir


Pichti noch gam bdierrschl von dem einen Gedanken,
das Unvollendete und Fragmentarische von Kants Lehre
zu beseitigen und durch umfassenden systematischen Aus-
hau 11 r die idealistische Philosophie eine Unzerstörbare
1

Grundlage tu schaffen. Aber bei dem Ueberman des


systematischen Bedürfnisses sab der Begründer der Wissen-
schallsichre nur verschwommen die Si hranken, in die
jedes Unternehmen dieser Art unerbittlich eingeschlossen
ist So geriet er sofort an die lusserste Grenze, bis zu
der je die rationalistische Konstruktion gelangen kann
er verfiel in den absoluten Rationalismus der
emanat ist isehen Logik. Darinbesteht ja grade
ntümliehe VOU F« uns individueller Entwicklung, daSfl
umgekehrt wie die Gesamtentwicklung der
verläuft
Philosophie, dass bd ihr zu Anfang ein spekulatives
Stadium antieij)iert wird, das im spateien Verlaufe der
Philosophie wieder auftaucht, nachdem Fichte seihst auf
dem Höhepunkt seiiies kritischen Denkens sich bereits von
ihm losgemacht hatte /war konnte mau einen Ausgleich
»

/wischen «lein ersten Entwürfe der WJSSenSChaftslchrC


und den späteren (bis 18M reichenden) Umbüdungen durch
den Hinweis darauf versuchen, dass zuerst eben nur der
Schwerpunkt die systematische Konstruktion gelegl
aut
wird und dass allmählich ergänzend die Berücksich-
eist
tigung der Stellung hinzutritt, die das Problem des End-
lichen und Individuellen im System verlangt Allein

\ls rorbeadschcr Kmanntismu ilooh Kichtbs Stand


punkt von 1794 iiiitiu*rhm BOCll «lureh «l.is I». g w U _, u
l «Irr m.ilhr
mstisckts \m.iI- Basti hn.t. \ -i darüber •»•» S- 61 ir.
— 84 —
so viel Richtiges auch in der Behauptung einer solchen
kontinuierlichen Entwicklung liegen mag, unsere folgende
Darstellung wird zu zeigen haben, dass am Anfang eine
scharfe Erfassung des Endlichkeitsproblems noch gar nicht
möglich, nach den späteren kritischen Wandlungen da-
gegen unvermeidlich war. So werden wir als tiefsten
Grund des sich zur Klarheithera iisarbeitenden Irrationalitäts-
gedankens den Übergang vom transscendental-
logischen Emanatismus zur analytischen Logik
nachweisen und dabei die letzten Wurzeln der beiden
verschiedenen Phasen von Fichtes Idealismus aufdecken.
Da der Kernpunkt aller Umwandlungen, denen Fichtes
Philosophie unterworfen war, in der eigentümlichen Ent-
wicklungsgeschichte ihres höchsten Prinzips, des lehbegrills,
liegt, müssen wir unsere Aufmerksamkeit zunächst auf
den für die Wissenschaftslehre von 17 .)1 charakteristischen
(

Begriff des Absoluten richten.


Von dem, was FlCHTE mit dem „absoluten Ich
1
'
meint,
steht zunächst soviel fest, dass es die oberste Spitze der trans-
scendentalen Begriilspvrnmide darstellen soll und somit
seiner Struktur nach durchaus der formalen, gänzlich inhalts-
leeren transscendentalen Appereeption Kants (vgl. oh. S.37f.)
entsprechen müsste. Diese Auffassung ist nicht etwa eine
dem ursprünglichen Denken Fichtes fremde, nur von der
analytischen Logik erborgte und eigensinnig übertragene
Folgerung, sondern sie ist ein allerdings in andersartige
und damit unverträgliche Gedankenmassen eingebetteter
Bestandteil der damaligen Wissensehaftslehrc selbst. Es
unterliegt nämlich keinem Zweifel, dass am Anfang der
Hauptschrift von 1794 das von allen fremden Bestand-
teilen gereinigte, von allem Inhalt entblösste „Sich-Setzen"
des Ich als abstrakter transscendentaler Allge-
mein begriff gedacht und als letztes und darum inhalts-
losestes, allem „zugrunde liegendes", in allem „enthaltenes"
Ich-, Bewusstseins- oder Vernunllinonient richtig gekenn-
zeichnet wird ). Wäre Fichte dieser Fassung des trans-
1

scendentalen Abstraktionsbegi iffs treu geblieben, dann


hätte er allerdings seine Schrift nicht über § 3 fortsetzen
können. Denn zugleich mit den Ausführungen des „dritten
i) S. bes. I, 91 „Reflexion", „Abstraktion", 92, 95, 134, vgl. 96 f, 102.
- 86 —
Grundsatzes^ bcginnl eine mit dem Vorangegangenen sach-
lich nicht verbundene, 0eni neue Gedankenschichl Hiei
in Mili nämlich jenes Für den ausschliesslich kritisch
I

geschulten l.tMi höchst u hermachende, dem Kenner dei


rin;in.iiisiis( hen Logik jedoch all deren echtes Kennzeichen

wohlbekannte Phänomen die Umsetzung höchster Begriffe,


letzter Erkenntniswerte in inhaltsvollste Gebilde, in realste
Potenzen, <lic Umdeutnng des Abstrakt-Formalen In
ein Konkret-Materialei Insbesondere wird die Hypo-
itasierung des Mlgemeinbegriffii ..Ich" znr Totalitat
•in \ inimft dk Grandlage einer emanatistischen
(

Dialektik. Deren verräterische! Symptom ist die den


Gedanken der Irrationalität an seiner nein logischen Wurzel
Ersetzung des Verhiltnissei von Gattung
angreifende
und Exemplar durch das von Ganzem und Teil.
Aus den transscendentalen geraten wir in metaphysische
Hahnen, wenn wir auf einmal die logische Übergeordnetheit
und Hen schalt des erkenntnistheoretischen Gaitung&egrifll
in eine absolute Inlialtsfülle des Seins, in die „Totalität
der Realität" unischlagen sehen 1
).

In typischer Reinheit zeigt sich dabei die Eigentümlich-


keit gprade des nachkantischen Emanatismus, indem nicht die
einlache HypOStasierung eines Begriflk, sondern die meta-
physische Umdeutung eines transscendentalen Begriffs,
eines erkenntnistheoretischen 'ormalen vorlie-t DarinI

bestand ja die grossere Kompliziertheil der transscendentalen


Begriffst heorie iv^l S dass in ihr selbst die realitat-
erzeugenden Formen <les inhaltlichen Denkens nicht zu in-
haltlichen Realitäten gemacht werden durften (trade di
ihr ist Fh um erlegen, Denn daraus, dass der Erkennt«
nishe^riff oder die formale Kategorie der Healitat im Ich
begründet sein soll, ieitet er ah, dass das Ich die Healitat —
im materialen Sinne, als ein dan/es umfasse» Durch
diesen Dd oder vielmehr Sprung zur Bedeutung
der Totalitat ist sbet der Begriff der blossen Form nn-
gttch geworden und damit zugleich die Spaltung in
DO und Materie, diese notwendige ftedhlg^ng des Be-
merkens der rat iona litat. von vornherein vereitelt
I j Die

Mir I<lrnhlik;ih.»n <l»s formalen .Nu h Se lUta** mit «Irr Tota-


litfit bcsotxfen deatHdi l. 120 .»b.. iüt
») Vgl. dir bridrn StsDen sw sad ioy Aber »Resinat-.
— 86 -
Überwindung des Dualismus, die in unendliche Ferne
hinausgerückt sein sollte, erscheint in die Gegenwärtigkeit
philosophischer Konstruktion hineinversetzt. Von der Form
gelangt man zur Idee, zum Ganzen der Vernunft, auf dem
Wege schneller l'nideutung, statt auf dem Umwege über die
Thatsache des Individuellen oder des Inhalts. Die Endlich-
keit wird dabei ganz eigentlich übersprungen. Derartiger
Verworrenheit entstammen dann doppeldeutige Wendungen
wie: der letzte Grund von allem müsse in das Ich gesetzt,
alles müsse aus dem Ich erklärt werden. Diese brauchen
erstens weiter nichts als das Bekenntnis des konsequenten
Idealismus zu enthalten: nichts entzieht sich dem Schicksal,
Bcwusstseinsinhalt zu sein; Ichheit, Wissen sind die höchsten
philosophischen Abstraktionsbegritfe; was ist, ist für das
Ich, oder im Ich, alles ist ichhalt; Ichheit ist das trans-
scendental Allgemeine, unter dem alles besondere em-
pirische Wissen steht. Aber wie die Bedeutung des reinen
Ich in die der Totalität hinüberschillert, so nehmen jene
.Wendungen zweit ins den Sinn an, das Individuelle sei
als solches, in seiner Besonderheit im Ich enthalten,
als eingeordnete (i licdi ndi v id ual tat in einer um lassenden
i

Gesamtindividualität oder als Teil im Ganzen des Wissens.


Das allgemeinste Prinzip des konsequenten Idealismus
wird damit unabtrennbar von der Behauptung, auch das
Empirisch-Individuelle sei deducierbar, durch dialektische
Spekulation beherrschbar; die Ichheit, unter der aber
getrennt durch die Kluft der Irrationalität — das Besondere
steht, verwandelt sich in das Ich, in dem es bereits voll-
standig enthalten ist. So wird die empirische Wirklichkeit
aus einem dialektisch erschlichenen Begriff (der Totalität
des Wissens) durch dialektische Künste hervorgezaubert.
Die Wissenschaftslehre von 1791 stellt somit den für
Hegels Dialektik vorbildlichen Versuch dar, die von Kam
für die Idee postulierte Logik des intuitiven Verstandes
aus der unerreichbaren Ferne mitten in die wissenschaft-
liche Wirklichkeit hineinzuversetzen. Dass aber die in-
tuitive Methode nur auf eine Welt des rein Quantitativen
anwendbar und deshalb, wiewir sahen, keine emanatistische
Logik denkbar ist ohne verstohlene Ausnutzung mathe-
matischer Analogien, das bewahrheitet sich so recht an
der Wissenschaftslehre. Denn erst die Ve ran seh au-
s7 -
Hebung durch die ltnum\ ei blltnisi die eben-
so wiefür den l'mitheismui Sei\n/\s (vgl, oh S I

SO mich flu ihn PanlogttlllOI «Irr Wissciischnltslehi r


•rnilirhr Verständnis ermöglicht 1 ). Wir können
in verfolgen, Wie Flenn sich i^cnoli^l s.ih. ;m «in-
rmnnntistischcn Hypostasen einen anschaulichen Charakter
inzutragen und darum «In* formale Icbbeil gradezu
in eine alles umfassende ,.sph:ir<" umzudeuten .ins <i<t «las
Besondere durch Einschränkung, wie heim Räume,
hervorgeht Ms ist nicht das Handeln überhaupt,
sondern es ist ein bestimmtes Handeln: eine unter der
Sphäre des Handelns Oberhaupt enthaltene besondere
Handels* eise [Ziehet eine Zirkellinie A. s<> ist die ganze =
durch sie eingeschlossene Fläche — X entgegengesetzt der
unendlichen Fläche im unendlichen Haume .|'*'» Der . . .

..dritte Grundsatz", mit dem der emanatistische Abschnitt


beginnt, hat deshalb bezeichnender Weise die wichtige
methodische Bedeutung, dass er In die bransecendentalcn
HegritTsverhaltnisse das Prinzip der ..< ^uautilätst'ähigkeit"
einrührt Durch bilderreiche logische l indeutungen ver-
wandelt sich die Kluft /wischen Allgemeinem und Be-
sonderem in einen durch quantitative Bestimmungen
ausdrflckbaren Unterschied Der Begriff des ich erscheint
als das die Sphäre ganz Ausfüllende, das Nicht-Ich als das
nur einen Teil der Sphäre Einnehmende, aus ihr Heraus-
gegriffene, ;ds beschränktes Quantum, als Individuelles,
Besonderes So wird <l<i qualitative Gegensatz oder der
unttbersteigiiehe Abstand /wischen Nicht-Empirischem
oder rein Hegritl liebem und Kmpirisehem oder snbsiimier-
barem Exemplar zu einem „quantitierbaren" und wir
befinden uns mitten in der beher rsehburen Welt
des Grösser und Kleiner*). Aus dem kontradiktorischen
•) Vgl daSS auch dir :iuf bisher un^cdi ucklr StAckf aus u »nis \

hlass sieh gründenden Ausführungen und Stellennachweise bei


Kvhit/. Stadien /. Entwgesch. der nefcteschea Wlisenafha ftslehte
61 n". Anhang 25.
140 f, vgl. 191 K und sonst
) I» des Ich
i und &M N i« hl Ich kann nur so rereinigt
werden, d.iss beide _sn h atnadtfinken*. Im Begriffe
aber liegt dar d« t »Quantititi
»Tellbariteit*,
fahigkeit-. 108 r. vgl. 1(W tr. da> N rhl Ich ah „Quantum Tb
keif, ih VejTinfernng ISS 11
I rgl 133 f.
- 88 —
Gegensatz von Ich und Nicht-Ich (das immer das Empirische
bedeutet) ist der konträre von Unendlichkeit und Endlich-
keit, von Substanz und Accidens ) geworden, infolge dessen
1

aus dem „unter" das „in" der Ichheit, aus der logischen
Opposition eine Realrepugnanz 2 ). Die Logik, die hier ge-
trieben wird, passt in der That nicht mehr für den mensch-
lichen, sondern nur für den anschauenden Verstand. Der
kann allerdings von der Totalität ausgehen und durch
Determination eine Verminderung des Inhalts, durch
einfache Einschränkung also die empirische Wirklichkeit
erreichen, da er ja nicht das inhaltsleere, blos logische
Allgemeine, sondern die absolute Inhaltsfülle eines ema-
natistisch gefassten Begriffs zu determinieren hat und ihm
somit das Nicht-Ich als verminderte, nicht aber wie uns
als angewandte, d. h. grade inhaltsreichere Ichthätigkeit
erscheinen muss 3 Für uns aber ist ein solches Schöpfen
).

aus dem Vollen unmöglich; wir verfallen dann unfehlbar


dem echt emanatistischen Beginnen, die empirische Daseins-
fülle aus logisch-metaphysischem Urgründe ganz eigentlich
„herauszuklauben".
Wie stets in der emanatistischen Logik verschlingen
sich in der älteren Wissenschaftslehre metaphysische An-
schauungen mit Ergebnissen rein logischer Art zu einer ein-
zigen unanalysierbaren Vorstellung vom Individuations-
problem. Das Individuelle darf vom Emanatisten nicht als
isoliertes, in sich abgeschlossenes Gebilde gedacht werden,
sondern nur als unselbständiges Glied, als herausgerissene
Teilrealität eines überindividuellen Ganzen, das sich als meta-
physischer Überbau über der Menge der empirischen Einzel-
dinge erhebt. Dieses Ganze aber ist, wie in der mathema-

•) 142.
>) was nicht unmittelbar im: Ich bin liegt; nicht
„Alles im [eh,
unmittelbar durch das Setzen durch sich seihst gesetzt ist," also
kontradiktorisches Gegenteil! ..ist für dasselbe Leiden (Aflektion

überhaupt)." Also plötzlich konträres Gegenteil! 135. Aus dem


kontradiktorisch Entgegengesetzten ist „gleichsam eine reale Negation
(eine negative Grösse)" geworden 133 IV, 137 IV. Im dritten Grund-
satz zaubern ferner die Künste der Dialektik aus der logischen Un-
verträglichkeit des einander Entgegengesetzten ein gegenseitiges
reales Sich-Kinschränkcn und -Pressen, ein Sich-Bedrängen gegen-
sätzlicher Glieder hervor.
«) Vgl. dazu oben S. 55 und 60 f.
- 89 -
tischen Anschauung und In Kvnis I«ogik dei I<1< den
l nlrn. niihi ein compositum »sondern ein lottim (vgl. ob
nicht das 1'roduU. tondern rund seiner
«
« 1 i I

reite, die lediglich Einschränkungen vonihmsind Dai


fol^l. (hiss .ml diesem st imlpmikt « his Individuelle nie
unter dem logischen Gesichtspunkfl des Partikularen,
sondern ausschliesslich unter dem metaphysischen
Endlichen erscheint und sich ntchl anders erläutern und
l;issi. .ils durch den Gegensatz zum Unendlich« n
11

des als absoluter Maststah für seine ootologische Charak-


terisierung stets im Hintergrunde mitgedacht werden
musa Tm«i i» Quantum Thfttigkeil denken zu
sich
können, muss man
einen Massstab der ThätigkeJI haben
«1 i ThAtigkeil Oberhaupt, «w;»s oben absolute >t tu I « . 1 1 i

der RealitiU hiess) Das Besondere (in analytisch-


»

logischem Sinne) läset sich als Besonderes vorstellen, ohne


«l;iss man den Gedanken des allgemeinen herantragt, denn

es ist der Ausgangspunkt für die Bildung des Allgemeinen;


das Endliche «in metaphysischem Sinne) indessen littst als
Endliches sich nicht denken ohne Dagegenhaltung seines
ensatzes, des Unendlichen Das Unendliche ist das Posi-
9
tive, das Endliche das Negative, ) »absolute Endlichkeil
ein .sich seihst widersprechender Begriff schlechthin .

ein Endliches ra letzen,Ist ein offenbarer Widerspruch


Di«* analytische und die metaphysische Logik unter-
scheiden sich nicht nur durch die Verschiedenheit des
womit sie das Individuelle in Gegensatz bringen, sondern
auch noch dadurch, dass bei der einen das Man
faltige der Erfahrung", bei der anderen das Unendliche
den absoluten Ausgangspunkt für ihre logische Ol
tterung abgiebt Den enteren Weg beschritt Kant; aber
auf ihm, wendet l*"i« ein. Iftssl sich zwar ein kollek-
1 1 1 1

tives Allgemeines, ein lanzes der bisherigen Erfahrung,


(

als Einheit unter den gleichen Gesetzen, erklären nie


aber -in unendliches Allgemeines, ein der r- I
I

fahrung in die Unendlichkeil Von dem Endlichen .ms


keinen Weg in die Unendlichkeit; wohl aber giebl

») 139 Vgl 137 ir. HO f


•) Z. B. I3.H n rat sack im i f.

*) 185
•) 1»7.

Utk, Hebt« Id. »li.miu und die «^chlrhu«. 7


— 90 —
es umgekehrt einen von der unbestimmten und unbe-
stimmbaren Unendlichkeit, durch das Vermögen des
Bestimmens zur Endlichkeit (und darum ist alles Endliche
Produkt des Bestimmenden). Die Wissenschaftslehre, die
das ganze System des menschlichen Geistes umfassen
soll, muss diesen Weg nehmen, und vom allgemeinen
zum besonderen herabsteigen". ) x

In die grössten Schwierigkeiten verwickelt sieh das


Individualitätsproblem noch überdies durch den - gleich-
falls für ÜEGBL vorbildlieh gewordenen (vgl. ob. S. 61
u. 66 f.) formallogisch unbegreiflichen Versuch der
-

Identifikation von Inhalt und Umfang. In lang-


wierigen Untersuchungen hat FlCHTE sieh bemüht, die aus
der Umdeutung des formalen „S&ch-Setzens", des ..blossen
Begriffs wie es ausdrücklich heisst -), in die alles um-
.

fassende ..Sphäre" oder absolute Totalität sieh ergehenden


Konsequenzen zu entwickeln, insbesondere über das „Ent-
des Einzelnen im Allgemeinen eine genauere
44
haltensein
Aufklärung zu geben. 3 ) Aber da in fortwährender Be-
griffsverwirrung die ..Sphäre" des Allgemeinen bald als
blos begrifflicher Inhalt, bald als U m fangstotalität ge-
dacht wird, kommt es zu keinem befriedigenden oder
auch nur verständlichen Ergebnis. Wie der Begriff der
.Substanz" bei Pichte mit den verschiedenen Bedeu-
tungen, die er in der Geschichte der Philosophie ange-
nommen hat, belastet ist, so erscheint auch das Endliche
als ..Aeeidens" in doppelter Bedeutung, bald als das in
der „den ganzen schlechthin bestimmten Umkreis allei
Realitäten umfassenden" Substanz enthaltene, bald als das
ausserhalb des ..Wesens" liegende, von dein „rrbegriHe"
ausgeschlossene |d. h. eben im Inhalt des Begriffs nicht
enthaltene 4 „Aeeidens u 6 ) So schiebt sieh dein meta-
]
.

physischen Gegensatzpaar des Endlichen und Unendlichen


doch hie und da wieder unvermerkt das logische Ver-
hältnis des Besonderen zum Allgemeinen unter. Aber die

») 333.
') Z. B. 192.
8 137
) S. bes. (f., 19t IV.

*) Aus dieser Hinsicht schon damals die Ansalze des Irrationalitäts-


gedankens, vgl. das Folgende.
*) S. 142, 1Ü5.
in

dadurch notwendigen Folgerungen der Irrationalität


werden nichtsdestoweniger unterdrückt, und es s«»n die
Kluft, der Uatui zwischen ich und Nicht-Ich, wie mifl
Anwendung ein« an antike EmanatJonalehren erinnernden
Hild«s ausgeführt wird, durch die Möglichkeit einei kon-
tinuierlichen Oh ei beseitigl werden Indem
Ikiin die kootinuieiiiche Abstafbarkeil der unier die
rifle [all enden realen Well der )i nm* zuweilen auch I

auf den bergang vom Begriff nur einzelnen Wirklichkeit


i

übertragen will, aeigen sich bei ihm bereit! die ersten


Spuren jener Ansch.mun^sw eise Iln.u.s. mich der lirgriiT
und Wirklichkeil /u einer ununt«rs< hridh.uen Müsse
schmiegsamer KonkretheM verschmolzen werden
Bi deshalb keineswegi die Annahme verstauet, im
ist

ersten i\w Wissenschaftslehre id es dem Philo-


Entwurf
sophen lediglich auf eine (ics.unlkonstruktion der Yer-
nunfirunkiionen angekommen. Vielmehr glaubte in im.
wie soeben gezeigt \\ ante, mit der Überwindung K im is< m r i

Systemlosigkeit gleichzeitig das für Kwi noch anlösbnr


u< bliebene Problem des individuellen richtig und end-

gültig geltet zu haben. Heissl es doch in demselben Brief


an Reinhold, in dem die .heuristische Methode <\^l ob.
11

S 78 Aiim. :\) gerügl wird Die Hauptfrage, mit der


<lie Wissenschaftslehre sich weiterhin beschäftig! und die
im theoretischen Teile nur l»is zu einem gewissen Punkte,
in dem praktischen nher o;inz hennlwortet wird, i^t die
wenn das Ich ursju Ungücfa nur sich selhsl letzt, wie
kommt es denn dnzu. noch etWUS nmleres ZU setzen. ;ils
ihm entgegengesetzte aus sich seihst herauszugehen
Und auch sonst hat Kuuii in Briefen und Schriften
/ B, oh & 89 Aiim. 1> dieses Ausgehen \om Ah-
iOluten, d;is sich hier schon in der 1 tellung ;m-
kflndigt, als ricbtigei und einziges Mittel zur Behand-
lung des Individualität sproblems ausdrücklich in Ge-
rächt /u Kants anal] tischer Methode Der grftsste
leii der Wisseipschaflslehre will j;i verstanden werden ;ds
ein Aufsuchen des Jet/ten (iriuules. warum <lns Ich nus

») S 144 f
*) Mit 114 f. \*l bes. '."OTT
>> Lolxn II.
— 92 -
sich selbst herausgeht", und es waltet überall die Ansicht
ob, dass empirische Wirklichkeit, als Keim bereits
die
im Absoluten enthalten, nur dialektisch daraus entwickelt
zu werden braucht '). Das sich selbst bestimmende Ich
erfasst und bestimmt in sich zugleich die Möglichkeit des
Materialen. Sein Herausgehen aus sich selbst kann darum
nur als eine freiwillige Selbstbeschränkung, das Nicht-Ich
nur als Produkt einer schöpferischen Thätigkeit des Ich
gedacht werden 2 ).

Es soll nun keineswegs geleugnet werden, dass Fichte


schon in der Wissenschaftslehre von 1794 sich an ein-
zelnen Stellen zur Anerkennung der Irrationalität gedrängt
sah. Darin zeigt sich aber nur die Unklarheit des ganzen
damaligen Standpunktes, die Unausgeglichenheit der zu
Grunde liegenden Prinzipien. Die Wissenschaftslehre von
1791 bringt eben nicht ein einheitliches System zur Dar-
stellung, sondern es stossen mit der dialektischen Haupt-
richtung bereits die Ansätze des später klar heraus-
gearbeiteten Empirismus in unversöhnbarem Widerstreit
zusammen. Überall da nämlich muss die Irrationalität
sich geltend machen, wo hinter den metaphysischen
Konstruktionsgebilden wieder die reinen Ahstraktions-
begriffe erscheinen und dadurch die rein logischen Be-
ziehungen zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen
sichtbar werden*). Indem die theoretische Unbegreiflich-
keit des empirischen „Anstosses" (der hier das Prinzip
der Individuation verkörpert) zugegeben wird, treibt die
Spekulation auf das praktische Gebiet hinüber; die voll-
endete Begreiflichkeil wird als Aufgabe, als ..unendliche
Idee" erkannt, „durch welche demnach das zu erklärende
nicht sowohl erklärt, als vielmehr gezeigt wird, dass und

') S. bes. I, 272 IV.

') S. bes. 21 1 ff.

8
) Die irrationale Klufl zwischen Ich und Nicht-Ich ist an einigen
Stellen klar erkannt. ..Dass jedes Setzen, welches nicht ein Setzen
des Ich ist, ein Gegensetzen sein müsse, ist schlechthin gewiss: d;iss
es ein solches Setzen gebe, kann Jeder nur durch seine eigene Er-
fahrung sich darthnn". ,.Das Objekt ist nicht a priori, sondern es
wird ihr erst in der Erfahrung gegeben; die objektive Gültigkeit
liefert jedem sein eigenes Bewwsstsein des Objekts, welches BewUSSl
sein sich a priori nur postulieren, nicht aber dedtieieren
lässt." 253 vgl. 252, 275.
- 08 —
im hl zu ri klaren sei. der knnlcn nicht sowohl
i s im
gelöst, als la die Unendlichkeil hinein gesetzt wird* '). Ist

die Irrationalität einmal sugegeben, so kann eben das


abaolute Ich oder «In- loi.ilil.il ihs Wissens nicht als
Prinzip, tondern nur muh als von dieaem unterschiedene
hl im- gehssfl werden
Manche der Kühnsten dialektischen Wagnisse des ersten
Entwürfet erscheinen übrigens In anderem Licht, sobald
man bedenkt, dass die „Deduktionen" ofl teleologisch oder
praktisch gemeint lind und durch diesen Charakter «las
Geständnis der theoretischen UnerklArbarkeif grade ein-
schliessen Allerdings lasst sich eine scharfe (uen/linie
nicht ziehen, sondern diese Deduktionen hrechen verheerend
auch in das dehiet der theoretischen Probleme ein. Zudem
en sich die Ergebnisse der antidialektischen Dichtung
oft nur in recht unklaren einrissen, ohne sichere speku-
lative Begründung, mehr als Gebilde unmittelbarer An-
schauung und der Phantasie 1). Sie tauchen wohl auf. be-
ruhen aber nicht auf testen Prinzipien, nicht auf «lein
Grundcharakter der damaligen Spekulation
Hei der Darstellung der Kantischem Philosophie ergab
sich. dass die tnr uns geltende Cmiherwindlichkeit der
Spaltung und Materie ihren
des Erkennen! in Form
kritischen Ausdruck darin fand, dass
Überwindung des die
Dualismus in die Unendlichkeit verleg! wurde Wie die
Kluft /wischen Form und Materie ist darum die Ent-
gegensetzung von reiner Form und Idee in der
Form und Inhalt ausgeglichen sind ein Kriteriuni des
kritischen Standpunktes De in der Wissenschaftslehre
transspendentale Apriori durch den Ichbej»rilT einheitlich
repräsentiert wird, muss der unkritische Standpunkt in der
Zusammenrückung von formalem Ich und Idee sich
/u erkennen gehen In der Thal enthält diese Vermischung
\on abstraktem ichbegriff und Idee in einfachster und

•) I. 156, vgl. 177 unten; aber <n«- »Idee* vgl \n^ MS IT, 254 fr.;
damit ftberelnsUmmend rerner eine Mhere lueeemngj bgedrnckl
bei I Städten / Entwg <i Pkhleechen Wlieemehtflilfhre 9S.
dk produkl
I
bei Kinbilriu < vgl. unten «lio Aus
Mkrangen ober in »ms Stellung In der Geschichte «trs IrraÜoneJitü*
prohtau im letalen Teil von K:«|> V and den Schlnea n«»u Kap. 1
\hschn.
— 94 —
koneentriertester Form den Grund der emanatistischen
Logik und die Quelle aller übrigen Begriffsvermengungen.
Nur ein anderer Ausdruck für sie war die bereits be-
sprochene Umdeutung des formalen Apriori in die Totalität
des realen Inhalts, mit der unmittelbar daraus folgenden
Lberspringung des Individuellen. Denn um überhaupt die
Kluft zwischen Allgemeinem und Besonderem über-
brücken zu können, muss man stets zugleich die Idee in
den Bereich des für uns Möglichen ziehen und Chiliasmus
treiben auf logischem Gebiet. Demgemäss finden wir in
der Wissenschaftslehre von 1794 dem empirischen Ich zwar
das überempirische gegenübergestellt, vermissen aber inner-
halb des letzteren eine weitere Sonderung in das formale
Ich und die Idee. Der Satz: „Das Ich setzt sich selbst
schlechthin", soll, wie PlCHTE ausdrücklich erklärt, dadurch
verständlich werden, dass hierbei nicht das „im wirklichen
Bewusstsein gegebene Ich", sondern eine „Idee des Ich"
gemeint sei ). Das überempirische Ich wird somit zwar
1

als Gebilde philosophischer Reflexion erkannt; aber aus der


Unerreichbarkeit für die oichtphilosophische Auffassung wird
ohne Grund geschlossen, dass es Idee sein müsse, während
später vielmehr die Ansicht herrscht, dass es als nur dem
Philosophen anzumutende Abstraktion, als oberste, also
unbedingte Bedingung des Wissens dem gewöhnlichen
Standpunkte entzogen ist. Ausgangspunkt, transscenden-
taler Begrillsapparat oder Prinzip der Philosophie und
letztes Ziel alles Erkennens ruhen in PiCHTBS früherer
Spekulation noch ungeschieden hei einander. Die „Form
des reinen Ich", die „blosse Ichheit", die rein formale
Unbedingtheil und Identität, soll zugleich die „letzte Be-
stimmung aller vernünftigen Wesen" sein und umgekehrt '-');

sinkt die Idee zur blos tormalen Identität herab. Vom


absoluten Ich aber soll ferner noch die Idee der Gottheit,
u
„ein Ich, dem
nichts entgegengesetzt wäre ein Ich also, ,

das gar nicht aus sich „herausgeht", bei dem das Problem
des Individuellen gänzlich in Wegfall kommt, unterschieden
werden 8).

') 277.
2) S. bes. VI, 296 BF.

«) 1, 258, 254, vgl. Jedoch 23, Leben II, 166, Kabitz, Studien u.s.w , 100.
— 06 -
Das ihsolulr. durch sich seihst geeetzte' *) Ich darf
somit in Kirim gewöhnlich »hin
der Gestalt, in der «'s

emplriechen entgegensetzt, itrenggenommen weder all nüfl


den formalen Ich, noch all mit <i«rIdee gern gleichbedeu-
tend, londern eigentlich aar ili \ndUkanoi beider gedacht
weiden; ei liegt weder Ober der Individualisierung als
Ulgemeines, noch liest es dai Individaeik ganz hinter
sich als endgiltige göttliche berwindung aller I Beschrinkt-
hcit. son. lern es miiss. wie der Hi <,i s< ..HcgrifT", i m als
absolute Indifferenzund Identität aller herausgetretenen
und dialektisch wieder vereinigten Gegensätze verstanden
wrrden 1 ).

erworrene Gemisch verschiedener erkennt-


D;is \

aistheoretischer und metaphysischer Motive. das


nach der ersten Darstellung dem Gedanken des
absoluten Ich zu Grunde lag, Ist bisher stets als
Kennzeichen und (irumlhegriff der Wissenschafts-
lehre Überhaupt ausgegeben worden Wenn wir den
Wandlungen die sich grade an diesem
nachspüren,
Knotenpunkt Verwicklung vollziehen, werden wir
aller
am besten einen Einblick in den Fortgang der Fw htesj hbm
Spekulation gewinnen.

II. Kapitel.

Der IchbegrifT von 1797. Das reine Ich und die Idee.

Wie im IchbegrifT V90 IT'.U der Quellpunkt aller Ver-


wicklungen des früheren Standpunktes gefunden wurde.
so nmss sich jetzt in dem geklärten [chbegriffder neuen Lehre
von \~ M
«ler tiefste drund aller Entwirrung der Probleme
l

aufweisen lassen Ks erwächst daraus die Pflicht des

Diese ZBeammenstellttiig MadrfickHch 248.


3
BfaM vm/ii^Iichr imlin-ktr nflltHlglllH HIHCICII Itat-stcllung
IU*f«*rt Hh.ii. Nvi'iin er tfni<U* (Ü€M Ans.it/«' einer rmnnatistiM-hen
i.«»uik bei in im von leinen ellgeaieinea Tadd «in Wissenschaft!
nisniinmt tm«l si«- als SLmilpiinkt der -Wriuinft" ku
l;iii"ir • -<»nst in der Wlisc im luflilulii i herrschenden An-
rieht rst:m«h's- min «In ..Itctlrxinir UflterschtMilel
W \Y I, 208 f.
— 96 -
Nachweises, dass in der „zweiten Einleitung", in der wir
den bedeutsamen Anfang der neuen Phase erblicken, durch
Entmischung des vorher in unklarer Vermengung Zu-
sammengedachten die Klarheit des kritischen Standpunktes
nachträglich gewonnen wird. Vor allem muss sich zeigen
lassen, dass der scharfen Heraushebung des formalen Ich
aus dem ungeschiedenen Komplex des früher im Ich-
begriff miteinander Verbundenen eine ebenso scharfe Aus-
scheidung der Idee entspricht, dass somit jetzt endlich die
bewusste Zerlegung in das Ich als reine Form und
in das Ich als Idee stattfindet.

Durch die weiteren Ausführungen (Kap. III u. IV)


wird die grundlegende Bedeutung dieses einen Schrittes
immer stärker hervortreten. Denn erst nachdem einmal
der Begriff eines rein formalen Ich in der Tiefe der
Spekulation errungen, als unverlierbarer Bestandteil der
transscendentalen Betrachtung herausgearbeitet ist, kann
auch die Klull /wischen Form und Inhalt dem kritisch
gewordenen Bewusstsein sich aufdrängen. Erst bei so
geebnetem Boden ist eine Grundlage geschaffen und ge-
sichert, der Irrationalitätsgedanke sich erheben
auf der
kann. Wie also der Emanntismus von 1794 in dem ver-
schwommenen Ichbegriflf gipfelte, BÖ werden wir aus dessen
Klärung umgekehrt die Notwendigkeit der analytischen
Logik ableiten können.
Die prinzipielle und gradezu klassisch formulierte
Klarlegung des Ichbegriffs findet sich in der ../.weilen Ein-
leitung", die Überhaupt in allen ihren Teilen, was sieh
später auch in anderen Punkten bewähren wird, eine un-
verkennbare Bückkehr zu kritischer Spekulation aufweist.
Mit einer überraschenden Einfachheit, in der sich die
neu errungene Klarheit deutlich widerspiegelt, wird das
Ergebnis des neugewonnenen Standpunktes in wenigen
Sätzen zusammengefasst: „Noch gedenke ich mit zwei
Worten einer sonderbaren Verwechslung. Es ist die
des Ich, als intellektueller Anschauung, von welchem die
Wissenschaftslehre ausgeht, und des Ich, als Idee, mit
welchem sie schliesst. Im Ich, als intellektueller An-
schauung, liegt lediglich die Form der Ichheit, das in
sich zurückgehende Handeln, welches freilich auch selbst
— 97 —
/um Gehalte desselben wird eher siml i> i
Dum
entgegengesetzt dlSI lO dem Ich. als Anschauung, nur die
Form des Ich Hegt, mul auf ein eigentliche! Material des-
selben] welches am durch sein Denken einer Well denkbai
ist. garnich! Rücksicht genommen wird ds hingegen
im letaleren die vollständige Materie der Ichhelt gedacht
wird Bewunderungswürdig ist die Durchsichtigkeit,
mit der hier die Verteilung von Form und Inhalt auf \\ -/
«
• i

gesonderte Begriffe einleuchtend gemach! wird, die An-


schaulichkeit, mit der gleichsam die Entrdckung des In-
haltlichen sus dem Bereich der Wissenschaftslehrfe und
dessen bertragung auf die von dem Ichbegriff nunmehr
I

sich loslösende Idee sich offenbart Ds nur das Ich ;ds


Intellektuelle Anschauung »Grundbegrlfl derWIssenschafts-
lehre sein soll, ^<» liegl in dieser Trennung ein nnwider-
ipoechliches Zeugnis dafür vor, d;iss nach der Meinung des
Philosophen der für dir transscendentale Konstruktion allein
verl lie^rilTsapparat nicht ausreicht, um «las Inhalt lirht*
der empirischen Wirklichkeit EU erklären. „Nur die Form
des Ich* „vollständige Materie der Ichheit", diese eine
knappe Entgegensetzung sollte alle weiteren Erörterungen
itlieh Überflüssig machen.
Pich hat aberferner auch wieK w r den rein logischen
i i

Zusammenhang des Begriffs der Idee mit dem Problem


der empirischen Wirklichkeit erkannt und ausdrücklich die
beiden Ichbegriffs nach ihrem Verhältnis zur Thatsacfae
des Individuellen charakterisiert und angeordnet Heide,
«las formale hh wie die Idee, bedeuten eine Qberindividuelle

Vernunft, sber doch in ganz verschiedenem Sinne, näm-


lieh <lie intellektuelle Anschauung d;is tormale, noch
nicht individualisierte, die Idee das von der Individuation
schon befreite Ich. „Die Idee des Ich hat mit dem Ich,
als Anschauung, nur das gemein, dass «Lis Ich in beiden
nicht ;iN lmli\iduum geoacht wird; im let/teren darum
nicht, weil die Ichheit noch nicht his zur Individualitat
bestimmt ist, im enteren umgekehrt darum nicht, weil
durch die Bildung nach allgemeinen Gesetzen die In-

i» ii da 1)I«»nm'Akt »i s.-t/nis macht den Hinten In-


halt lies reinen Ichs .ms; dieses ist ..Th;ith;iinllun^". iileulistixehe
cnus.i stii
— 98 —
dividualität verschwunden ist." Als principium in-
dividuationis und darum auch als Grund des Dualismus
in unserem Erkennen gilt nämlich wie hei Kant die Sinn-
lichkeit, die Idee deshalb als leberwindung von beidem,
als „das Vernunftwesen, inwiefern es aufgehört
hat, Individuum zu sein, welches letztere es nur durch
sinnliche Beschränkung war." In der Idee muss die
Spaltung von Allgemeinem und Besonderem, von Begriff
und Anschauung als beseitigt gedacht werden, muss mit
der Partikularität des Individuellen auch die Allgemeinheit
des Begriffes geschwunden sein; denn diese hat nur Sinn
für einen zugleich an die Thatsache des Individuellen ge-
bundenen Verstand, als Abstraktion von diesem Indivi-
duellen 1
), für einen Verstand, der das Einzelne nicht als Glied-
individualitat in einem intelligiblen Kontinuum, sondern nur
vereinzelt denken kann, der darum „diskursiv" Begriffe
bilden muss. Trotzdem ist Ficuns (wie bereits Kants)
tiefbohrende Spekulation zu dem richtigen Ergebnis ge-
kommen, dass für uns die Aufstellung der Idee eine nähere
Beziehung zum Individuellen oder Inhaltlichen haben
muss (vgl. ob. S. 53). Zwar auch das abstrakte oder reine
Ich ist ein durch Analyse des empirischen Wissens ge-
wonnenes Gebilde, kann und muss aber seiner Bedeutung
gemäss nach einmal vollzogener Analyse rein gedacht
werden, ohne dass auf das Empirische, aus dem es heraus-
gelöst ist, also auf das „Material desselben", noch „Rück-
sicht genommen
1
wird. Dagegen ist die Idee für uns
'

anders nicht einmal vorstellbar denn als vollständige


rationale Bewältigung „auch" (so müssen wir ja sagen) des
Inhaltlichen oder als Totalität des „Materialen"; daher wir
denn auch die Thatsache des Individuellen als ihre Voraus-
setzung stets mitdenken müssen, obwohl wir dabei eigent-
lich einen - für die Kenntlichimich ung des Problems aller-
dings durchaus notwendigen —
logischen Anthropomorphis-
mus begehen. Sogar nach vollendeter Erfassung des
Gedankens der „Idee" durch den Philosophen ist es unver-
meidlich, mithin in deren blossem Begriffe oder in deren er-
kenntnistheoretischer Bedeutung liegt es schon, dass von

J
> Dieser nominalistischen Tendenz giebt sich Fichte Jetzt ganz
hin, s. Abschn. 2, Kap. I.
Ihr EndHehkeil mit ! uichl weggedachl werden
1 1 1 < 1 1 \ i 1 1 1
.-
1 M i : 1 1

kann Damm 1 1 ^ 1 1 In im
mit Redifl <li<- blosse Anschauung
dir i«nin. «ü« [des dir vollständige Materie des Ich genannt,
in «Irineinen das inhaltslose All^rinniic, in dem an-
.Kitn <Ik ebeolnte tahaltstotalitil gesehen Ebendarum
hafl er lieh euch daUn entschieden, dass nur <i;is formale
leb iusschliesslicfa dem Philosophen angehöre, Idee «
< l -

dem „natürlichen" Staindpnnkte erreichbar m d


i

Nur dem reinen leh gebührt die /ei Mose (icltunn; wie
jedem AbstrakHonSgeMlde, jeder philosophischen Kon-
struktion: die Idee dagegen muss als ein /n verwirk-
lichender Zustand, slSO als eine freilich unerrcich-
h.iii Wirklichkeit gedacht werden Dem reinen Ich
kommt zeitlose Geltung EU, die Idee lieg! in unendlich
terner /eil ').
Die blosse Aufstellung der Idee ermöglich! schon jetzt
eme schärfe Abgrenzung von Pichtes neuem, an Kam
angenähertem Standpunkl nach zwei Seiten hin. uAmlich
gegen den absoluten Irrationalismus auf dereinen.
en den absoluten Rationalismus auf der anderen
Seite Der brationalisl verkennt den Zusammenhang
zwischen der Irrationalität und den Bedingungen UDSt
Erkennens; ihm muss man das kritische Bewusstsein
«recken, indem man ihm hedeutet. d;iss die Zufall inkeit
nur eine Schranke unseres kennens sei. und indem man 1 i

zur Bezeichnung dessen oder zum Vergleiche die Idee


eines vollkommenen Wissens der menschlichen Be-
schränkung gegenüberstellt Der Rationalist dagegen ver-
kennt Oberhaupt das Vorhandensein und die nvermeidlich- l

keit des Zufallsbegriffes; ihn muss man zur kritischen Be-


scheidenheit zurückfuhren, indem man ihm einschärft, d.iss
die vollendete Rationalität nicht Prinzip, sondern nur
Uee des Idealismus sein könne. dass die restlos, Iher-
h I nt. i s« liciilun« /wischen reinem Ich und Idee in «Irr
../weiten l.mlcitunu" wird VOB I Hi.MVNN. Spekulation seit K \m 1.620
IIkin/k. onindriss. X Aufl.. in. 2. Abt. lt. Ivkkim
hichte der neueren PbikMophie, :i Auii .. 951 I tau -
» Ihnt, >«»n
im ht /in Darstellung von In
Philosophie verwerte! uns
;«uf dlctC Stelle ein Aufsat/ \.»n
i ins Iti iss I

IM' K.misiuilieii IVf ISS 310. in dem richtig erkannt wird,


R \\is..intellekt»n Her Anschauung" in der Wissen
s. h illslchre nur das ..Ich ;ds Idee" sein könne.
— 100 —
windung der Schranke in der Unendlichkeit liege. Gegen-
üher diesen beiden extremen Standpunkten bekennt man
zum kritischen Anti rational ismus. Insofern
sich selbst
man nämlich in der Unableitbarkeit des Individuellen nur
eine Begrenzung der menschlichen Vernunft sieht und
durch sie hindurch den Ausblick auf die Idee freilässt,
giebt man zu verstehen, dass man auf dem Boden, nicht
eines absoluten Irrationalismus, sondern eines kritischen
Antirationalismus steht; insofern man andrerseits sich
dessen bewusst ist, dass das völlige Begreifen nur in der
unerreichbaren Ferne der Idee liegt, lehnt man den ab-
soluten Rationalismus ab und vertritt den kritischen Anti-
rationalismus. Ein erster vorläufiger Beitrag zur
Charakterisierung von Fichtes Rationalismus, also zur Er-
füllung der Aufgabe unseres ganzen ../.weiten Teiles", ist
durch diese doppelte Gegenüberstellung bereits geleistet.

III. Kapitel.

Der analytisch-systematische Standpunkt 1

).

Der pragmatische Zusammenhang zwischen der Ent-


gegensetzung von Ich und Idee und dein Bemerken der
[rrationalitäl ist durch die Ausführungen des „ersten Teiles"
und die bisherigen Andeutungen des „zweiten Teiles" zur
Genüge aufgehellt. Nur wer eine Grenze des Hegreifens
anerkennt, verlegt die Idee in das unerreichbare Jenseits
und umgekehrt: nur wer die Kluft zwischen form und
Inhalt leugnet, vernichte! den Abstand von der Idee. Wie
sich also aus der Zusammenrückung von Ich und Idee
die emanatistische Vernichtung des bransscehdentalen Zufalls
ergab, so verlangen wir jetzt mit der Auseinander-
haltung beider den kritischen Gedanken der Irrationalität
durchbrechen zu sehen. Denn die Umwälzung, die im
centralen Begriff der Wissenschaftsieh re stattgefunden hat,

i) In den folgenden Kapiteln dieses Abschnittes werden zwar


zahlreiche Stellen mich aus dvn zwischen 1798 und 1801 erschienenen
Schrillen mil herangezogen, aber nur insofern sie wesentliche Be-
lege für dvn Umschwung von 1797 liefern. Das für die Entwicklung
nach 1797 noch Hinzukommende behandelt eist der „zweite Abschnitt".
- HM —
wird uns «ist dann n her zeugend und wertvoll, wenn \mi
nachhallige Einwirkungen von ihr auf alle Gebiete dei
theoretischen Philosophie eu verfolgen In Stande sind und
wenn ,iul dir VOM Igene Vin/ipirnvei misdlUDg «in.
I

i ntwirrung und Klärung von Grund aus, eine Einheit-


lichkeil dei ganten Denkern i<»i^i Während alao
bisher nur das «ine Ergebnis des neubegrOndeten Stand-
punktes, nämlich die Ausschaltung des Gedankens der
Idee aus dem IchbqgriQ berücksichtigt wurde, muss jet/i
festgestellt werden, dasi Ihr in der Thal als Korrelat-
erscheinung die exakte Isolation des i> <>s formalen Ich I

entspricht und gleichzeitig damit der dialektische Monis-


mus in einen kritischen Dualismus tunschlägt
Aber diesen Portschritl Fichtes Aber
sieh selbst hin-
aus gilt es wiederum zugleich
einen Fortschritt in der
als
inten Entwicklung der deutschen Spekulation zu ver-
stehen Beides ist hier in der Thai antrennbar verknüpft
gewesen. Denn erst in der Verbindung mit dem neuer-
ningenen bransscendentalen Pormalismus enthüllt ja auch
die Systematisierung der Vernunft werte, di ^ent-
liehe Thal ii is auf theoretisch-methodologischem Gebiet,
l i< i

ihren gediegenen Wert Die Herabstimmung des her- I

masses der konstruktiven Tendeni ZU kritischer Besonnen-


heit bedeute! uns darum nicht einfach ein Zurückgehen
auf. sondern zugleich ein Hinausgehen üher Kwi. und
unsere Darstellung möchte die Oberzeugung wecken, dasi
die Wissenschaf tslehre in ihrer eigentlich kritischen Epoche
le/u einenüöhepunkl Iransscenden taler Begriffs-
l)i hl ul; darstellt
An einer früheren
Stelle (s. oh. S 76 B wurde hereits I

ausgeführt, wie die kritische FtagesteQting selbe! die syste-


matische Tendenz in sieh barg ü>er das Verdienst Fto uns,
dasi er mit <\r\ ganzen Lebendigkeil seiner philosophisclien
i
berzeugung für den Gedanken eintrat, die Formen des
Erkennen« nicht nur nls ein vom empirischen Material al>-
ndern Vielmehr als durch die /wecke
der Vernuntt gegliederten »Organismus eii begreifen ').
konnte in seiner Heinheit eist \ollig /ur Geltung

VergL Wimii i iiwn. Geerli <i neuer Phile« n. SM m.


Indien 274 n
— 102 —
kommen, nachdem der Philosoph auch das Gebundensein
des Formalen an das Inhaltliche auf das Nachdrücklichste
betont hatte. Erst hei gleichzeitiger Berücksichtigung der
Inentbehrlichkeit des Materialen vermochte er es, ohne
rationalistische Übergriffe in dem Merkmal der Deducier-
barkeit von einem einzigen höchsten Grundbegriffe das
die Sphäre des Apriori zusammenhaltende Band und damit
das unentbehrliche einheitliche Kriterium dafür zu finden,
was dem transscendental Allgemeinen und was dem trans-
scendental Besonderen zuzurechnen sei. Die Aufgabe war
so jedenfalls richtig gestellt, und ein Einbruch in den Bereich
der blossen Empirie nicht mehr zu fürchten, sofern nur
der methodische Grundsatz streng gewahrt wurde, dass
sich die Untersuchung der Wissenschaftslehre lediglich so-
weit zu erstrecken habe, wie die Möglichkeit der Ableitung
aus dem formalen oder vorbildlichen Wesen des Wissens
reicht. Das System der reinen Vernunft musste sich nun-
mehr in einer vollständigen Darstellung des lediglich
aus der blossen Form des Wissens Ableitbaren er-
schöpfen.
Mit dieser systematischen Vereinheitlichung und Kon-
centration der Vernunftfunktionen verknüpft sich auf das
Engste ein weiteres Verdienst der Wissenschaftslehre in
der Gesamtgeschichte des Idealismus. Nach kritischer
Methode sollten die den Begriff der Erfahrung begründenden
Kaktoren einer überindividuellen Notwendigkeit durch die
transscendentale Untersuchung herausgelöst werden. Aber
die empiristische Ausdrucksweise Kants drohte immer
wieder die Grösse und die Klarheit des kritischen Gedankens
zu verdunkeln und die überindividuelle Vernunft zur Be-
deutung eines blos „Subjektiven oder gar Psychischen,
44

einer im „Gemüt" bereit liegenden Form, herabzuziehen.


Gegen solche Umdeutung war FiCHTES dem Fmpiristischen
abgeneigte Denkungsart von vornherein gewappnet, l'ber
das blos Psychologische hatte sich seine Spekulation stets
erhoben, anfangs allerdings mehr in transscendentes als in
transscendentales Gebiet. Aber später durchdrangen und
befestigten sich gegenseitig grade die systematisch-aprio-
ristische Konstruktion und der transscendentale Forma-
lismus. Denn schon durch die Systematisierung des
Apriori in einem geschlossenen System war alles sogleich in
— 103 —
rille ahstiakte Sphäre \erset/l dei h.u il.hi des ('ripcr- (

Onttchen, Unlebendigen, Unpeychologlschen ergab sich wie


\on seihst Aher In ii ii hat, besonders den Kantianern
Bfjmfltmr, seine antipsj chologistischc Besinnung sogar ;ms- (

drncklich ho r vorgekehrt Wenn er auch zur Bezeichnung


non Ich sich psychologischer Prädikate nicht ent-
halten hat ^<» iriti doch die sachliche Abgrenzung gegen

<l;is Psychische scharf hervor Das reine Ich soll nicht als
Bewusstseins*», sondern als Wissenselement, als der in alles
wirkliche Bewusstsein hineinragende Vernunftbestandteil
gelten. Mit gutem Redifl konnte Fichti diesen Paktor des
nhci individuellen Ich seinem Auftreten im wirklichen Be-
w nsstsein. wo er stets sozusagen angewandt, mit einem
empirischen Inhalt, einem Stuck Seelenleben I ei -.schmolzen
anftritt, also kurz den psychischen Grössen entgegensetzen
-
1 das Zurückgehen des Ich in sieh seihst ist

sonach auch kein BewuSStsein, nicht einmal ein


Seihst hev. nsstsein Er spottet «lerer, die das reine )

Ich für eine .psychologische schreihe ps\ ihologische —


Täuschung" halten und es „ursprünglich im (iemüt" auf-
lesen haben wollen als ein „zusammenfallendes und in
sieh zurückgehendes Ding, ungefähr wie ein Kinlege-
meSSei Beine Stellung zur Psychologie fasst er etwas
kurz in die Worte: ..Die Wissenschul'tslchre ist nicht Psycho-
logie, welche letztere seihst nichts ist Dm Psychische i

iörl in demselben Sinne wie das Physische zur objek-


tiven, wirklichen Welt zur Sinnlichkeit, zum ..Nicht-Ich ,

Die empirische Wirklichkeit ist ein Widerstehendes im


Raum" ()< ler ein Beharrliches in der Zeit", „und in dieser
Beziehung wird es eine Seele Da d;is individuelle Ich k

w ie jede Wirklichkeit hereits eine S\ uthesis des reinen Ich

mit einem simdichen Bestandteil enthalt, so entsteht, wie


Im hii ausdrücklich hemerkt «las reine Ich eist durch .

eine Abstraktion auch von der in neren Si n nlichk ei t

ilni WnCDBLSAM) «I. Phil. 481 Anm. I.


'» i. 150, noch (lfutli« Ihm ii. 14. li< uns IdeaUsmai i^tweit Mit-
fruit von Pf iiki i i
1 1 s\ Item, <t.'»s für ein .
<! h. s. iiml keines
weg«'- iiisiiM lirs «t ki.ut wird l. -

il. 365. vgl. 369. 413. 509f.


• S |. C'l I . fg 171
•) 476.
— 104 —
Das „Ich des wirklichen Bewusstseins" ist ein abge-
schlossenes Ganzes, eine „Person', das Ich der Wissen-
schaftslehre dagegen ein philosophischer Begriff, „und zu
dieserAbsonderungmussman sich erst durch Abstraktion, von
allem übrigen in der Persönlichkeit, erheben' ). Aus 1

diesen Ausführungan kann man den ungeheuren Abstand


der Wissenschaftslehre von Desgartes ermessen: durch
das transscendentale cogito soll ein psychisches sum durch-
aus noch nicht gewährleistet sein.
Die höchsten Abstraktionsbegriffe, zu denen die Speku-
lation sich erheben kann, sind somit nicht die psycho-
logischen, sondern die transscendentalen Kategorien, bei
denen von allem psychischen ebenso wie von allem phy-
sischen Inhalt abgesehen werden muss, die deshalb ebenso
hyperpsychisch und überbewusst wie hyperphysisch sind.
Erst bei FlCHTE sind die transscendentalen Kategorien ganz
das geworden, was Kant unter ihnen verslanden wissen
wollte: Stammbegriffe des Erkennens, absolut höchste All-
gemeinbegriffe, die von jedem Denkinhal! gelten müssen.
Der Anspruch auf diese absolute Herrschaft erwächsl ihnen
ausdem Umstände, dass sie die blosse Thätigkeit des
Denkens selbst, das reine „Thun des ersl bei FlCHTE
einheitlich gefassten —
überindividuellen Ich, das für alle
einzelnen Inhalte vorbildliche Wesen des Wissens Oberhaupt
darstellen. Während in den empirischen Wissenschaften eine
unendliche Variabilität des Vergleichungs- und Abstraktions«
Verfahrens herrscht, giebt es in der Transscendental Philo-
sophie, infolge der Eindeutigkeil des die Begriffsbildung lei-
tenden Prinzipes, den festen und in sieh geschlossenen Bestand
einer über allen Einzelwissenschaften stehenden Begrifls-
welt 2 ).

»)II, 382 vgl I, 502 505, IV, 18 1V.


a Bei der Untersuchung, was für das einzelne Wissen vorbildlich
)

ist, wird z. B. als Formel alles Wissens die iespaltenheit in Subjekt


(

und Objekt gefunden, woraus sich zwar für einen einzelnen Be-
wusstseinsinhalt nichts folgern, wohl aber im allgemeinen einsehen
lässt, dass jedes Objekt als Gegenstand des auf einen bestimmten
Punkt gerichteten oder sich zusammenziehenden Bewusstseins eine
bestimmte, individuelle Koncentration des Ich bedeuten müsse. Denn
alle diese Verhältnisse stecken schon in der ursprünglichen Subjekt-
ohjektil ität, der Identität von Subjekt und Objekt, wo das Denken
nur sich selbst zum Gegenstande hat, s. z. B. I, 461 11'., 477, 522 ff.,
- 100 —
\\ ii haben nanmehr ra zeigen, wie mit die» \\> raas- i

irbettmig des Gedankens der blossen Erkenntnisform


l uns Idealismus fernen nüchternen transscenden-
i.

Lallogi sehen Charaktei Bonimmt, wir (im enten dm


«mI ;>is Kennzeichen «In- kritischen Richtung bezeichne!
i
i

haben, und wie steh ihm dadurch die Notwendigkeit der


malytischen Methode immer mehr aufdringt.
Durch «ii*- Li.m/c ../weite Einleitung" zieht sieh der
Gedanke einer erkenntnistheoretischen Zerlegung des
Wissens in Bestandteile, von denen zugleich gesagl wird,
dass sie nie in wirklicher Isolation vorkommen, sondern erst
durch <his \bstraktionsverfahren des Kritik- chieden
werden, für die Zwecke philosophischer Reflexion jedoch
nicht anders als in solcher Sonderung sieh cum Be-
w usstsein bringen lassen Mit dieser jetzt herrschend
1
).

ordenen Auffassung verbindet sich notwendig die Ein-


sicht, dass das reine Ich ;ds ein Ergebnis erkenntnia-
kfitischer Analyse, als ein Gebilde philosophischer Abstrak-
tion, .bioseinen Teil und einen nur durch den Philo-
sophen abzusondernden, nicht aber ursprünglich
abgesonderten Teil der ganzen Handlung der In-
w
telligenz bedeuten dürfe 1
. . . Ausdrücklich wird auch
.

hu die transscendentale Begriffsbildung das Yergleichungs-

524 528 f., iv.


f.. ir. ygL die rortreflUcheii Ausführungen dsrtther
i

bei Löwb, die Philosophie Pichtes, .*7 H.


.Vielleicht ist es nur dies, was die Eiferer gegen die in-
tellektuelle Anechauung einschärfen wollen, dass nämlich dieselbe
nur in Verbindung mit einer sinnlichen mttgnVh sei
Wenn knan aber dadurch lieb Ihr berechtigl halt, die Intellektuelle
ansehe uung ibculeuaiierj, so konnte man mit demselben Rechte sack
rinoliche neu, denn such sie ist nur in Verbindung
mit der Intellektuellen möglich »Aber, wenn raajegeben
werden muee, des» es kein unmittclharcs, isoliertes Bawuastaeln
Intellektuellen Anschauung nicht " i. 164; in-
dem er unterscheidet, \\;is im dem gemeinen Heu usst sein
tinlgl rorkommt, und «las Gänse in seine Bestandteile
auflöst- ||)nl 17H. das Salbstbewusst sein sei nur ein „not
i

wend dandteil", wodurch das vollständige Bewuvstsein ..erst


glich werde*4 vgl reiner IV, 91., II. 3*011 i B 983
, ..

Elemente, durch reinigung erat ein ihgeaondertei Ganaei des


WllilkheU Hewusstsrins ubci h nipt entsteht '

459.
L»»fc, ficht«» 14—ifawpo» «nd <U« Owchlckf g
— 106 —
und Abstraktionsverfahren gefordert ). Insbesondere giebt l

die Wissenschaftslehre von 1801 2 ) eine vorzügliche Dar-


stellung von der Aufgabe des Philosophen, die in einer
Reflexion auf den abstrakten und in einem „Absehen"
vom blos empirischen Wissensfaktor bestehe. Welche
Klarheit Fichte über die Methode der Transscendental-
philosophie gewonnen hat, zeigt sich auch darin, dass
er seine Uebereinstimmung mit Kants Lehre von der
transscendentalen Apperception grade durch den Hinweis
auf die für das formale Apriori charakteristischen Merkmale
begründet und deshalb auch seinerseits das Produkt der
transscendentalen Analyse als die oberste, allgemeinste,
überall gleiche Bedingung alles einzelnen Wissens dar-
stellt
8
noch grösserem Nachdruck als Kam hat er
). Mit
ferner einen genauen Parallelismus der analytisch -trans-
scendentalen Methode in der theoretischen und der prak-
4
tischen Philosophie durchzuführen gesucht ).

Dass die Konstruktionen der philosophischen Spekulation


sich in einer dem gewöhnlichen Bewusstsein verschlossenen

l
) II 6 f. „ Die intellektuelle Anschauung, welche der
Transscendentalphilosoph jedem anmutet, der ihn verstehen soll,
ist Form Jener wirklichen intellektuellen Anschauung;
die blosse
Anschauung der hmeren absoluten Spontaneität, mit Ab-
die blosse
straktion von der Bestimmtheil derselben, ohne die wirkliche
wäre die philosophische nicht möglich; denn es wird ursprünglich
nicht abstrakt, sondern bestimmt gedacht44 IV, 47 \ <{l. 24, 25 „Ab- f.

st raktion von allem Fremdartigen", 30: „willkürliche Abst ra ktion"


78: „durch Abstraktion, durch Analyse vgL ferner 61, 90, 44
,

II, 15: nur eine Abstraktion von allem besonderen des


,

Wissens."
3
) In ihr linden sich neben ({^n metaphysischen Hauptpartieen
vorzügliche Reste der kritischen Wisseiischafudehre die Anfänge
;

dieser Schrift reichen ja auch in die Zeit vor 1800 zurück, s. z. B.


Leb. I, 328.
*) S. I, 472 ff. 475 1'.
„Und in welchem Verhältnis denkt Kant, in
i\(>n angeführten Worten, dieses reine zu allem Bewusstsein? Ich
Als dasselbe bedingend." „Nach i\rv Wissenschaftslehre ist alles
Bewusstsein durch das SelbstbewUSStsein bestimmt, d. h. alles, was
im Bewusstsein vorkommt, ist durch die Bedingungen des Selbst-
bewusstseins begründet, geig eben, herbeigeführt!
44
Ibid 476 f.
vgl. 462.
*) S. z. B. IV, 14 IV, 37 f., 78, V, 362, 368. Zahlreiche andere Belege
uns der „Sittenlehre" an verschiedenen Stellen dieses und des fol-
genden Kapitels (vgl z. B. ob. Anm. 1).
- 102 -
w
Sphäre be egen, batte ellcrdingi ichon die Wiasenschafts-
lehre von 1T'.»1 \crsicliril Ah. /n rinn \om nn< hternen
i

taanssccn dentalen desichtspunkt .ins p« n und :

irgendwie klaren crkcnntntstheoretischefl Scheidung war


es iliim.'ils noch nicht gekommen der dialektische Trieb
konnte sich trotz alledem noch in ^rosstci n hundenheit I

entfallen Der eigentliche (nnnd. dass hiermit sp.iter ;mf-


mm
<
wurde, dei wirklich neue und wichtigste metho-
t

diache Portachritl der verinderten Lehre liegt darin, dass


I'imiii Jetzt zum ersten Mal den Dualitmui dei Irans-
icendenial allgemeinen und Iransseendental Be-
londeren in die Untersuchung einführt Erst durch die
innige Durchdringung des transsccmlcntnlen unddes
rein logischen Gegensatzes vgLS.32f.) erhält der ganze
Gedanke einer Spaltung des Wissens m zwei durch die
Reflexion trennbare spinnen seine icharfe und un-
hntterliche Begründung. .let/t erst gelangt die Rintirhl
Kants zum Durchbrach, dasi die Gebilde der philo-
sophischen Konstruktion ihre Rationalität und Dedncier-
harkeit mit ihrer hochgradigen Inhaltslosigkeit ent-
gelten. Jet/t eist, mit Hilfe dieser neuen logischen Kr-
-ehnisse. erscheint das reine Ich wirklich als hlosse Form,
all gleichbleibende Formel des Wissens. als wahrhaft
abstrakter, inhaltsarmer Allgemeinbegriff. Jetzt erst
kann ferner das rein logische Gegensatzpaar aufgestellt
werden Wissen überhaupt" w
issen von Ktw as44
..Wenn es ;mch hei dem hleihen sollte, Wtt einem jeden
schon der Augenschein giebt, dass alles unser wirkliches
Wissen ein Wissen von Ktw.is sei diesem Etwas,
welches nicht ist jenes /weite oder jenes dritte
Etwas; 10 ist doch ohne Zweifel jeder vermögend, du
IChtUüg anzustellen Bnd EU linden. dass es nicht ein
Wissen ron Btwai sein konnte, ohne eben Qberhaupl
ein Wissen, schlechthin Mos und
lediglich als
Wissen, /n sein Wissen \<»n Etwas
Inwiefern in

st. ist es, in jedem andern Wissen von jedem andern
Etwas, \<>n sich seihst \. «schieden, inwiefern es eben
Wissen ist. ist es sich seihst In allem Etwaswissen gleich,
und durchaus dassclhe, oh auch d IwaSWissen in
die Unendlichkeit fortgehe und insofern in «he Unendlichkeit
hin verschieden sei Zu diesem Denken des Wissens nun
— 108 —
als des Einen und sich selbst gleichen in allem besonderen
Wissen, und wodurch dieses letztere nicht dieses, sondern
eben überhaupt Wissen ist, ist der Leser hier ein-
geladen Es ist nicht ein Wissen von Etwas,
noch ist es ein Wissen von Nichts (so dass es ein Wissen
von Etwas, dieses Etwas aber Nichts wäre); es ist nicht
einmal ein Wissen von sich selbst; denn es ist überhaupt
kein Wissen von - noch ist es ein Wissen (quantitativ
und in der Relation), sondern es ist das Wissen (absolut
qualitativ)/")
Man kann in dem Ausdruck „Wissen überhaupt" auch
die Formulierung der idealistischen Überzeugung sehen,
dass der letzte philosophische AbstraktionsbegriiT nicht
„Ding", sondern „Wissen" lautet. Versenkt sich die
idealistische Betrachtung, bei der Abwendimg von allem
Individuellen und Materiellen, in diesen Allgemeinbegriff
1
„Wissen ', achtet sie lediglich auf die Tbätigkeit des
Denkens selbst-), dann entsteht die eigentlich philosophische
Anschauung, die ..intellektuelle Anschauung" die aus-
schliesslich dein Idealistischen Philosophen möglieh und
anzumuten ist. Sie bedeutet bei Pichte seit 17U7 nur das
transscendentalphilosophisehe Ergreifen des reinen Wissens-
faktors oder der intellektuellen Form, der reinen Subjekt-
objektivität, des sieh seihst setzenden reinen leb). Sie
ist das selbst von dem Charakter der „Unerschütterlichkeit
und Unwandelbarkeit des Yorstellens" begleitete Erfassen
oder kurz das „ Wissen" vom Wissen überhaupt. „Alles
Wissen ist nach dem Obigen Anschauung. Daher ist das
Wissen vom Wissen, inwiefern es selbst ein Wissen ist,
Anschauung, und inwiefern es ein Wissen vom Wissen
ist, Anschauung aller Anschauung; absolutes Zu-
sammenfassen aller möglichen Anschauung in Eine" 4). So
wahr unter Kants „transscendentaler Apperception" nur
eine formale Einheit, ein Allgemeinbegriff gemeint ist, so
wahr hat auch Fichte von dem Ich als intellektueller
Anschauung jede Beziehung zum Inhaltlichen der Erkenntnis
ängstlich ferngehalten. In der „zweiten Einleitung"

i) II, 14 f.

2
) Vgl. dazu SlGWART, Logik 11,39.
a) S. bes. I, 45Ü ff., 463, II, 7 IV. ?gL 38.") I
*) 11,9, vgl. 10.
HM
14
wird ausserdem der intellektuellen Anschauung in der
,

ledlglictl (US Form der Ichlirit" liege, ausdrücklich ein Ich-


hegrifT entgegengesetzt, der genau dem entspricht, wm
bei Kwi ..intellektuelle Anschauung" heisst, nämlich d.is

Ich als Idee


1
»
Dir Vennengnng der beiden Begrifft nennfl
i'n mm mit Recht „eine sonderbare Verwechslung11 (vgl, <>i>
itrini Vollziehen dieser „intellektuellen Anschauung"
richtet sich dasWissen auf sich seihst, zieht es sich auf sich
seihst /muck, wild es ..Wissen vom \\ is \uschaiiimg
aller Anschauim-" oder ..W IssenSt 'haltsh In ..Wissen v
VOm Wissen ist darum die in ein ein/i^es Wort /usammen-
11

te UnterauchnngBari der Wissenschaftslehre und


ausserdem tandnii Ihrer prinzipiellen Beschränkung
auf d.is rein Formale, für allei Inhaltliche Wissen Vor-
bildliche. ..Da die \\ 'issensi hattsh lue ehen nur (iie An-
ichanong des unabhängig von Ihr vorausgesetzten und
vorauszusetzenden Wissena ist. so kann sie kein .

neues und besonderes, etw;i nur durch sie mög-


liches ina terialei Wissen (Wissen von El H as) herhei-
luhren. sondern sie ist nur das /mn Wissen von sieh
seihst, zur Besonnenheit. Klarheit und Herrschaft uher
sieh seihst gekommene
lgem ei n e Wisse n. Sie ist gar
al
nicht Ohjekt sondern nur Form des
des Wissens,
Wissena von allen möglichen Objekten. Sie ist auf
keine Weise unsei IStand, sondern unser Werkzeug,
unsere Hand, unser FttSS, unser Auge, ja nicht einmal
Unser Auge, sondern nur die Klarheit des Auges
..Wissen nur vom Wissen uherhuupt *\ so etwa lautet die
kürzeste Zusammenfassung da neuen Standpunktes der
W "issenschaftslehre
Das bis jetzt beobachtete Ergebnis des Umschwunges
von 17OT berechtigt jedenfalls zu dem titeil. dass auch
In uii zur Ausbildung einer r nissc mlentalphilosophie I «

gelangt ist, hei der dal Aprlorl sieh als ein nach den
Vorschiitten einer analytischen Logik richtig ge-

il v-i. ok & 11 K
fernes . dk & ii)4 kam l snsjeftkrtei) CHate,
in ilnun «lie Inh:ills|nsi^knl «In -
;ilislr:ikl SJSfaSStcn ..mnlli-kturllcn Ate
niiiu" kl.n /um AusUruek komm! «In- chOD öftei -

srihnte Gleichsetznng mit Kants „transscendentsAer Appen eptioo*\bel


tiseitiger Betonung grndc «tos formalen Ckarakfg
— 110 —
bildeter, d. h. durch Analyse aus der Erkenntnis-
oder Wissenswirkliehkeit gewonnener abstrakter
Gattungsbegriff darstellt.
Diesen problemgeschichtlich so wichtigen Wand-
lungen in Fichtes Denken ist leider bis jetzt nur eine
allzugeringe Beachtung geschenkt worden. Grade hervor-
ragende Forscher haben ausschliesslich für den ersten,
vielleicht eindrucksvollsten, von Fichte selbst aber bald
wieder aufgegebenen Entwurf Verständnis gezeigt. Von
diesem allein glaubten sie Fichtes Stellung in der nach-
kantischen Spekulation abhängig machen zu sollen und
übersahen so über dem, was Fichte von Kant trennt,
ganz die weitgehende Übereinstimmung gewisser beiden
Denkern gemeinsamer Grundanschauungen. So dürfte
auch die bekannte Darstellung der unglücklichen Schick-
sale von Kants Philosophie, die Liebmann in seiner Schrift
„Kant und die Epigonen" gegeben hat, nicht für die
Wissenschaftslehre überhaupt, sondern nur für deren
allererste Anfänge LiEBMANN ') glaubt nämlich, im
zutrefTen.
u
„reinen Ich Fichtes eine „besondere Spezies der Gattung
Ding an sich" sehen ZU müssen, weil es weder räumlich
noch zeitlich, noch den Kategorien unterworfen, kurz
„von allen Formen des Vorstellens emanzipiert" sei.
Allein grade diese Bestimmungen machen den kritischen
Charakter des Ichbegriffs aus. Das Ich tritt darum nicht
in das wirkliche Bewusstsein ein, weil es allem wirklichen
Bewusstsein als ein nur durch philosophische Abstraktion
abzusondernder Bestandteil zu Grunde liegt; und
es ist über Baum, Zeil und Kategorien erhaben, weil
es allgemeiner und deshalb inhaltsärmer ist als die
einzelnen Formen des Vorstellens, genau ebenso wie bei
Kant die Apperception noch über den Kategorien steht.
Die klare Gleichsetzung des Ichs mit einer abstrakten
Form lässt gar keinen Zweifel darüber aufkommen, dass
es nicht ein qualitätsloses metaphysisches Etwas bedeuten
kann. Dass Fichte das Apriori ..immer nur im meta-
physischen Sinne zu bestimmen vermochte, als eine
Wurzel des Geistes, als eine Grundbedingung des Selbst-
bewusstseins" *), meint selbst Cohen, der andrerseits Fichte
i) 8i tr.

2) Cohen, Knuts Theorie der Erfahrung 581 vgl 583, 590.


III

das Vertuend der tiefen Ergrttndung der letzten Denk-


bedlngungsn In allem Bewutstsein zuerkennt \uf- i i
1

(I 11 111:111 entgegenhalten,
1 imiii lieh i>« H der dm I

kritischen Ncuhe.nriimlung seiner Lehn- grade uhei di«( fahr rt

dei ptyohologittischen Misstrerstindnisses klarwurde 1 ob


s 101 fT »und deshalb dir KmiktiondesApriori am so schärfer
im Sinne der Irniisscendcnlalen und Ini malen Begrun-
dOOg des \\ iss, ns rt.isslc 0111 \ versteht eheli. wie hisher
I
(

t;is| ;illc Beurteiler Fnuns. unter dem reinen leh immer


die Wiir/el und ;msi i< hende Ouelle Im eilen Inhalt
•<

dn Erfahrung im Gegentatze zu Fichti seihst, der


».

in ihm lediglich eine des Inhalts völlig entleerte Form


erblicken will Demnach ist Cohbni Behauptung, Pichte
sei den »Cartesianismus des Denkens nirfickgefidlen,
in
ebenso wie ein ganz ähnlicher Vorwurf Hiiiii.s), gegen-
uher «lern UmadlWUng von 17«>7 nicht mehr aufrechtzu-
erhalten. Dadurch, dass die \\ issensehaftslehre sich gegen
die Angriffe sogar der Forscher verteidigen Unat, die <len
erkenntniskritischen Gedanken am schärfsten vertreten, ist

die bette Gewähr geleistet, dats Fiam In dieser seiner


n listen Zeit des Ahfalls vom Kriticismtis nicht geziehen
werden darf.

IV Kapitel

Der transscendentallogische ZufallsbegriflF.

Bei der Darstellung des Kantischen Rationalismus


hatte sich uns bereits ergeben, dass die analytische Grund-
antchauung notwendig In dem Satt von der transscen-
denfallogischeu Zufälligkeit des Empirischen gipfeln müsse.
lidein nun auch hei Fkiiii die intellektuelle An-
icht u ung" ihres ahsolut rationalistischen Charaktere
entkleidet und /u einer kritisch Inssharcn Funktion um-
gearheitet war, muttte auch für ihn die ausdrückliche

>) Ibid. 581.


») Ibid. 590.
•) I i< htf habe das .lUmillllSIlill ulxi haupt". tBSlatt es als
vom laueren Sinn" /" begreifen, zu eloem meta-
Ibstraktiofl
plnsjsrhm Wcttt gMMHht Philosophischer Krilirisimis II \U\ .

116 kam.
i.
Demg^raübet 00 v 102 1 f.
— 112 —
Übertragung des diskursiven Charakters auf das Er-
kennen des Erkennens, also auf die Wissenschaftslehre,
eine unvermeidliche Konsequenz werden. In dem blossen
Gedanken eines Apriori, das erst durch Abstraktion her-
ausgeschält sein soll, liegt ja schon die Anerkennung eines
empirischen Materials, aus dem es gewonnen worden
ist; ebenso in der Erkenntnis der Inhaltslosigkeit des All-
gemeinen das Zugeständnis, dass der Raum zur Erfüllung
mit dem Inhalt leer gelassen ist ). Das Prinzip der 1

früheren Wissenschaftslehre liess nur die Eine absolute


Vernunfttotalität zu, das Prinzip der neuen Lehre fordert
umgekehrt einen unvermeidlichen Dualismus. Deshalb
jetzt überall eine Doppeltheit der Begründung des ge-
samten Erkenntnisprozesses, eine beständige Gegenüber-
stellung von „Form und „Materie
44
von Allgemeinem und 44

Besonderem, von „überhaupt und „gerade so", von über-


44

all Gleichem und unendlich Verschiedenem-). Wer aber


einmal diese Gespaltenheit des Erkennens zugegeben hat,
wird von da aus zu einer bestimmten logischen Be-
leuchtung des Individuellen, zu einer bestimmten
Fassung des Wirklichkeitsproblems weiter getrieben.
Für die logische Charakterisierung des Empirischen
wird nämlich jetzt die Anerkennung der für unseren Ver-

*) Vgl. z. B. ob. S. 108 das Citri II, 9/10.


') besonders „zweite Einleitung**, ..Sittenlehre-, „Wissen-
S.
schaftslehre" von 1801. Aul den Mangel einer Unterscheidung des
Formalen und Materialen, die sich doch durch die ganze Schriften-
gruppe von 1797 1801 hindurchzieht und der neuen Lehre gradezu
das Gepräge giebt, gründet Dii.tiiky i\vn Abfall FlCHTES von Kam.
Dieser Yorwuri hüll so genau das Wesentliche, dass seine Berechti-
gung der älteren, seine Haltlosigkeit der Jüngeren Wissenschaftslehre
gegenüber den Abstand /.wischen beiden und das entsprechende
Verhältnis zur kritischen Philosophie vorzüglich beleuchtet: ..Aber
er will von diesem Prinzip aus dem schöpferischen Vermögen
des Ich —
„auch die Materie der Empfindungen erklären und so
den kritischen Idealismus vollenden. Das konnte nur geschehen,
indem er (\cn die ganze K.w I8CHE Philosophie ermöglichenden und
i

begründenden Unterschied aulhob: den Unterschied zwischen


dem Was der Empfindungen, ihrer Einzelgegebenheit, und den in
(\w Einheit des Selbstbewußtseins gegründeten, mit dem Charakter
der Allgemeinheit und Notwendigkeil ausgestatteten Bedingungen
des Bewusstseins, unter welche diese Empfindungen einheitlich ge-
ordnet und so zu allgemein gültigen Erfahrungen erhoben werden".
Die Rostocker Kanthandschrit'ten, Arch. I. (lesen, d. Phil. II, 605.
II

stand unüberwindlichen Kluft zwischen allgemein« Form


und spe/ilisrhem Inhalt entscheidend \\ ie der Philosoph
.
neues Gebiet anlegen mnsste'X an rieb Kam reinen
-in

Ich zu erhöhen, s<> niiiss er mich \mi jenes Sphäre aus


in eine andersartige Welt sich wiedei herablassen sobald
«i steh rar Mannigfidtigkeit des [nhalUicbea /nrn«l-
wendet Das Einzelne isi nicht so io des Formell ent-
halten, n ie nach metaphysiseb-emanatistiseber Anschauung
der besondere Bewusstseinsinhalt La das Totalität des
Wissens, sondern es kann nur als unmittelbar gegebeO€
Thatsache entgegengenommen oder erleht werden D
Begründung d< Selbständigkeit des empiriaeben Pakton
i

wuchs, wie sieh spater zeigen wird, allmählich gradezu


/u einem ausgesprochen«) Empirismus aus (i Abschn 8
l in uns kommt hier vorläufig nur das Eine iu Betracht,
dass, sobald die Bedeutung des ormnleii ganz durchschaut I

ist. auch das Individuelle eindeutig gegen das Allgemeine

M/t. seine transsceiidentallogische Hedeutung ent-


deckt werden konnte Während früher bei der ver-
schwommenen Anschauung vom Wesen der Abstraktions-
Ide und der metapln sischen PaSSOng des Individuali-
IttabegriA der dialektische Trieb es /u keiner klaren
issung der materiellen Wiaaenademente kommen b
lügt l'ii n jetzt durch die Möglichkeit scharfer logischer
i i

Konlr.istiening zu einer, wie der weitere Verlan! seiner


Philosophie zeigt (s, Abschnitt 2 und 3>. entscheidenden
und immer beibehaltenen Stellungnahme gegenüber
für
dem Endlichkeüsproblem. In dem Individuell Bestimmten
der Ein benheit, dem unmittelbaren »Gefühl", der
Empfindung erblickt er das jedem Hegreifen unzugängliche
Gebiet; in der empirischen .Wirklichkeit* 1) erkennt er
einen selbst aus den erschöpfend deducierten und begreif-
lich gemachten Formen des ich nnableitbaren, als«,
Irrationalen Rest, eine fftr jede transscendentale
Erklärung unflbersteigliche Grenze an. So besteht
d.isGeheimnis r empirischen Wirklichkeit jetzt
«I *

für ihn wie schon lurKwi Kn der Zufälligkeit oder

») Vgl. I. 449.
Dieser i>»-i Kam zur rtuntU Jittn wng der empirischen
t
itetten seoraaehtc tusdraek iiml«*t m« h In diesem
besomlnrn SfattM h.iulin bd Iimiii. s |. t s um Ahs.-hn. 2, Kap
- 114 —
Irrationalität. „Bei dem unmittelbaren Gefühle hat alle
transscendentale Erklärung ein Ende. * „Alle Beschränkt-
heit ist, zufolge ihrer Anschauung und zufolge ihres Begriffs,
eine durchgängig bestimmte, nicht aber etwa eine Be-
schränktheit überhaupt. Es ist, wie wir sehen, aus der
Möglichkeit des Ich die Notwendigkeit einer Beschränktheit
desselben überhaupt abgeleitet worden. Die Bestimmtheit
derselben kann daher nicht abgeleitet werden, denn sie
selbst ist ja, wie wir sehen, das Bedingende aller Ichheit.
Hier sonach hat alle Deduktion ein Ende. Diese
Bestimmtheit erscheint als das absolut Zufällige und
liefert das blos Empirische unserer Erkenntnis. Sie ist
es z. B., durch die ich unter den möglichen Vermin ftwesen
ein Mensch bin, durch die ich unter den Menschen diese
bestimmte Person bin u. s. w." 1) Die empirische Wirk-
lichkeit erscheint hier als das rein transscendentallogische
Problem ohne jede Nebenbedeutung, als der blosse Gegen-
satz zum Formalen, als Unerklärbarkeit oder »Zufälligkeit"
des Individuellen, als ursprüngliche unbegreifliche Bestimmt-
heit oder „Beschränktheit*. ..Die Welt ist nichts weiter,
als die nach begreiflichen Vernunftgesetzen versinnlichte
Ansicht unseres eigenen inneren Handelns, als blosser
Intelligenz, innerhalb unbegreiflicher Schranken, in
die wir nun einmal eingeschlossen sind, sagt die trans-
4* 2
scendentale Theorie. )
Auch die Relativität des Zufallsbegriffs und dass es
sich bei ihm lediglich um ein Verhältnis zum transscen-
dental Allgemeinen handle, hat FlCHTE durch die Unter-
scheidung des für dns reine Ich „Zufälligen" und „Wesent-
lichen" richtig angegeben. ..Zuvorderst, der Naturtrieb, als
grade so bestimmter Trieb, ist dem Ich zufällig. Vom
transscendentalen Gesichtspunkte aus gesehen, ist er das
Resultat unserer Beschränkung. Nun ist es zwar not-
*) 1,489 f. Dass von Fichte die Unerklärbarkeit des „Faktischen"
behauptet werde, hat Loewb in seinem vorzüglichen Buche ..Die
Philosophie Fichtes", 44, festgestellt, allerdings ohne ausführlicher
;iul diesen Punkt einzugehen; ebenso BERGMANN, Gesch. (1. Phil. II,

215 f; über WlNDELBAND s. Kap. V.


3
) V, 184, vgl. II, 302: übereinstimmende unbegreifliche
Beschränkung der endlichen Vernun ftwesen unserer Gattung . . .

antworte! die Philosophie des blossen reinen Wissens, und muss


dabei, als bei ihrem Höchsten, stehen bleiben." Vgl. IV, 101.
- 115 -
wendig, <l*» ss NV '•' nherhanpt I». s, lu.iiikl s. ii. d< DO i,

dem u ii« k. in \\rw ussis.in möglich; aber ei 1*1 zufällig,


dass wir tfrnde s<> hcschrnnkl sind Del reim- e I» I i

hin^c ist im Ich< wesentlich;


ii er ist, in der Ichheit
:i s solcher gegründet
I Diese besondere Beechrinkt-
heit ist es, die sieh a priori uns der allgemeinen
Dicht ehielten liest ."-). Typisch im die Beur-
. . .

teilung, die Fir.llTl von seinen Zeitgenossen erfuhr, und


eben deshalb Hügel cchtferli.nl erseheint somit der Vorwurf
Mi i\si daSfl in der Wisseiisehallslc Im- dir \on ln\i
i

vertretene »Zufftlligkeil der Empfindung auijgqgebea sei.


Mit der Unterscheidang von Form und »Msieric
des Krkennens kreu/t sich hei l\\\i in ausseist ver-
wickelter, /um Teil nur durch Berücksichtigung der In-
sogaralschrifl verständlicher, schwerlkfa gsm entwirrberet
inkenkomhin.ition der Dualismus von Verstand und
Sinnlichkeit, Spontaneität und Heceptivität. Aus dem
dadurch entstehenden (iemisch kenntnistheoretischer An- l i

deutungen kisst sieh aber ein für das IrrationalititsproUen]


bedeutsame: kritischer Gehall icharf heransheben. Die
Sinnlichkeit spielt Dämlich In der kritischen Philosophie
<he Rolle eines transseendentalen prindpium individnaüonis,
eines die formale All^emeiidieit determinierenden. speci-
Bcierenden individualisierenden Momentes, wahrend anf
.

Rechnung diea Verstandes das Allgemeine oder Begriffliche


im Gebiet der Erkenntnisfaktoren /u stehen kommt Darum
nuisste sieh mit der Überzeugung, dass unser Erkennen
an die (iespaltenheit von Allgemeinem und Besonderem
unentrinnhar gsbunden lei, die l.insicht in die Dualität
\on Verstandesbegriffen und sinnlichen Anschauungen
notwendig verknüpfen. Aber die geheimnisvolle Andeu-
tung einer »gemeinsamen Wurzel" wurde eine unwider-
stehliche Verlockung hu die Naehlol-rr. es nicht hei

') IV, 141.


Ilml 22.) J>ir Imli\ ulu;»ht.it bnn mich in ihrrm l'oiigange
mint nein, nicht lediglich durch dk inih.ii. Mmdsn darch ur-
sprunulnlu- IWsrln inkthcit ; ihr Jedoi h ni«ht zu «i «I ue irren. t*

•oodern eine bmoodgra, und in diese* lturksi.ht für uns tnf den
rhtspunkte «in Erfahrung isfillig isi.- lbi<l.. vgl. 100 f., 254,
\ in. m
S \ Mi i i B !..|,.mIis« Ins Wnil, i l»u. h .lor kritisrhen
Phil VI. 294.
— 116 —
diesem Dualismus bewenden zu lassen. Am kühnsten war
auch hierin Fichte vorgegangen. Wie die Form, so sollte
auch der Inhalt —
man weiss nicht recht, ob in dem-
selben Sinne ) 1

durch eine produktive Kraft der Vernunft
erzeugt sein. An dieser Lehre hat man mit Recht Anstoss
genommen, da sie zum mindesten unklar, missverständlich
und gänzlich ungeeignet ist, das kritische Problem des In-
dividuellen erkennbar hervortreten zu lassen. Fichte aber
glaubte damals, die Zerstörung des Ding-an-sich-BegriiTes
vollzöge sich nur in einer restlosen Auflösung des Ma-
terialen durch die Vernunftproduktivität. Nach derselben
Richtung trieben ihn Anregungen, die er von Maimons
Skepsis erfahren hatte 2 Auch in den auf den ersten Ent-
).

wurf unmittelbar folgenden Schriften wird auf die Un-


möglichkeit, Form und Stoff auseinanderzureissen, auf die
reale Untrennbarkeit beider häufig hingewiesen. Der in-
dividuelle Inhalt ist ein bestimmter Komplex von Hand-
lungen des Ich. Sieht man auf das Handeln des Ich,
dann denkt man es als „Subjekt" und hat den „Begriff*,
reflektiert man dagegen auf die bestimmte Gestaltung des
Vorstellungskomplexes, dann hat man d;is .Ding" oder die
..Anschauung". In dieser Verschmolzenheit mit den
Formen werden die Objekte „hingeschaut', als „Anschau-
ang" hingeworfen 8 ).
Bei der einseitigen Beachtung grade solcher Lehren,
die Fichte selbst später am besten widerlegte, hat man in
der Wissenschaftslehre stets den Höhepunkt jener mit
REINHOLD und Maimon* beginnenden, von Beck am stärk-
Bewegung erblickt, die den Dualismus von
sten vertretenen

) Denn „bewusst los- geschieht mich «Ins Producieren der Formen,


l

s. den Vergleich mit Maimon am SchltlSS dieses Kapitels.


) Die sich ja gr&de auf die Kluft zwischen den transsrendenlalen
3

Formen und deren empirischer Anwendung stützte, s. I, 387, vgl.


227 u. ob. S. 44 f. Auf den grossen EinflllSS, den Maimon auf
die Gestaltung des Irrationalitätsproblems bei FlCHTE ausgeübt hat,
kann hier wie an einigen späteren Stellen nur hingedeutet werden;
vgl. FlCHTES Äusserungen: I, 29, 99, 101, 120 Anm., 387 (vgl. dazu 227),
Leb. II, 205 f., ferner ERDMANN, Spekulation seit Kant, I, 596 f., 605,
615, 629, 632, C.rundriss II, 453, DlLTHEY, Aren. f. (iesch. der Phil., II,
605 f., BERGMANN, (iesch. d. Phil., II, 219, MOELTZNER, S. Maimons
erkth. Verbesserungsversuche d. Kantischen Philos. 31 f., Kahitz,
Studien z. Kntwgcsch. d. Fichteschen Wissenschaftslehre 62, 78.
») III, 4, 58, vgl. I, 374, 387.
Vantand um! Sinnlichkeit ohne die nötige kritische Vor-
suhl aul/uheheu trachtet. Mi. ihn hat man wiederum
übersehen, wn- sehr grade* I'imiii <l;i/u gedfingl wurde,
die Sonderling im kritischen Interesse aufr e< ht/iiej hallen
und seine Anfangs vertretene \nsichl von der Verwisch*
haikeit des (,. «iis.il/cs aufzugehen. Neben die Betonung
realen Ver wachscnseini ron „Begr iff" und „Anschau-
44
ung Irill nämlich Jettt die Krkenntnis ihrer kritisch ge-
lerten Dualität, dir Kinsichl, dass nichtsdestoweniger
im- die philosophische Ubstraktion eine Trennung geboten
Ist, lur dir transscendentale Erklärung eine Unerset/.lich-

keif des Anschaulichen durch das Begriffliche be-


steht ..Nur isl dabei," so heisst es jeiZl in der „zweiten
4
Einleitung *, „mi wie allenthalben, also .nah hier, nicht aus
dt t Acht /u hissen, dass die Anschauung die Unterlage des
riflh, d.is in ihm Begriffene, ist und bleibt Wir können
uns nichts absolut erdenken oder durch Denken er-
schallen, nur das umnittelhar Angeschaute können wir
denken: ein Denken, dem keine Anschauung zu Grunde liegt,
dai kein in demselhen ungeteilten Momente vmh mdenesAn-
SChauen hefasst. ist ein leeres Denken, ist eigentlich gar kein
Denken.* 1) Auch hierfür wird wieder ausdrücklich die
reinstiinmung mit Kam hervorgehohen; Begriff und
Anschauung sind nicht isoliert auftretende Gebilde, sondern
es gilt der Satz Kwis die Anschauung ohne Begriff ist
hlind. der Begriff ohne Anschauung leer 2 ). Diese zur
Betonung der sachlichen Diskrepanz von Begriff und An-
schauung führende Gedankenbewegung lauft auf dasselbe
tbnia aric die Unterscbeidang von Ponnaleao und Ma-
lern, nämlich auf die Lehre \on der trnnsscendentalcn
Seih keil und Irrationalität der Empfindung hinaus

An der Stelle der ../weiten Einleitung", an der sich


des Umschwung in PiCHTSS Denken am entschiedensten
ankündigt, hat er seine Überzeugung von der lelb-
utindigsn und durch alle ti ;uism »dentalen Konstruktionen
•<

unantastharen Bedeutung da «in Empirischen oder der


i

Empfindungen ragleicfa mit einer polemischen Absicht


rächt, durch die uns sein eigener Standpunkt noch

») f. 402.
n tbkL 47J f.
— 118 —
um vieles schärfer und unzweideutiger entgegentritt. Schon
damals, in den ersten Jahren der Verbreitung seiner Phi-
losophie, hat er sich bemüht, der irrtümlichen Auffassung
zu begegnen, als ob von ihm die Grenze der rationalen
Deduktion geleugnet werde, schon damals hat er dabei
Worte der Abwehr und der Berichtigung vernehmen lassen,
die aber ungehört verhallen sollten. Es ist nicht ohne
einen gewissen Beigeschmack philosophiegeschichtlicher
Ironie, wenn er grade das bei einem seiner Anhänger als
Missverständnis kennzeichnet, grade das bei einem anderen
Philosophen als Fehler rügt, was ihm selbst in der Folge-
zeit so oft zur Last gelegt worden ist, nämlich die Ver-
wischung des Unterschiedes von Verstand und Sinnlichkeit.
Zwei Erscheinungen insbesondere haben damals seinen
Widerspruch hervorgerufen die Standpunktslehre von
:

Beck und die von REINHOLD im zweiten Teil seiner „ver-


4
mischten Schriften (1797) gelieferte Darstellung der Wissen-
'

schaftslehre. Beide wollen die Selbständigkeit des nur


Empfindbaren verkümmern, und intellektualistisch zer-
setzen, beide verkennen den im Begriff der „Affektion"
verborgenen kritischen Sinn, den erkenntnistheoretisehen
Wert des unmittelbaren „Gefühls". „Dieses ursprüng-
liche Gefühl vergessen führt auf einen bodenlosen
transscendentalen Idealismus und eine unvoll-
ständige Philosophie, die die blos empfindbaren
Prädikate der Objekte nicht erklären kann. Auf
diesen Abweg scheint mir Bkck zu geinten und IU: in hold
die Wissenschaftslehre zu vermuten 1)." Für einen wie
beachtenswerten und tiefeingreifenden Bestandteil seiner
Lehre Pichte die Unableitbarkeit der individuellen Be-
stimmtheit jetzt angesehen wissen will, entnimmt man der
Ankündigung dieser ganzen Stelle der „zweiten Einleitung",
die sich in einem Briefe an Reinhold findet: „Es wird
soeben eine Abhandlung von mir abge-
druckt, in welcher ich mich über mehreres, was Ihr Brief
enthält, nach Ihren Äusserungen in den vermischten
Abhandlungen im zweiten Teile erkläre. Es hat mir
geschienen, als ob Sie wirklich an die entgegengesetzte
Klippe, von der Sie in Ihrem Briefe sprechen, geraten

») I, 490.
II'.

konnten, rinc Klippe, in da Bkci wirklich scheitert,


indem Si< .l;is Srl/rn des Nicht-Ich in derWissensehsüSlehre
wohl /n absolut nehmen Ich bnbein lbb*ndhing,dk
wohl bald nach dein Briefe bei Ihnm ;mkomim-n wimI.
diesen Punkt klarer ra machen gestiebt, als ich es bisher
im Drucke gethnn habt BfiC» gebuhlt /.w.ir Dank fnr
eine Einsicht, daai die kritische Philosophie nicht Dog-
matismus, sondern [daUsmna lehre 1). Aber er ist daMr,
I'iuiiis Kritik in <lcr ../weiten Einfettung ihm \ or-
14
\\i.

wiiTt. in i\vn entg letzten Fehler rerfidsem er ver-


nachl.issi^t und vertlüehti^t „die blos empfindbaren Prt-
dikate der Objekte-, die Empfindung ist die ..ent^e^en-
8
t/te Klippe in der er scheitert ).
"
.

Obwohl nun auch REINHOLD gleich Iium BbCKS VCP- i

nengnng von Verstand und Sinnlichkeit in seinen »ver-


mischten Schritten" zurückweist SO ist sein Standpunkt ' .

dennoch in Kuhii.s Au^en nicht empiristiscfa genug.

RbmKHJ) hatte sich zwar zur W'issenschattslehre bekehrt,


aber nur zur Wissensch.iltslehre von 17«.»1 Wnhreml PlCHTI
in der Zwischenzeil die empiristischen Ansitze, die bereiti
der erste Entwurf enthält1 ), bis zu ihrem völligen Ober-

leb rgL I, 488: „Dl llr Hm.k. wenn ich ihn recht
II. Vn I .

verstanden diesen wichtigen Umstand Efreraehfl nnd auch


habe,
Hr. RmniOLn in seiner Auseinandersetzung der nauptmonentc
dar Wiisrnerneftilchrci. In den oben sngeselgteu »Vermischten
Schriften' inl dasjenige] was «in^ Setsen slnea Nicht-Ich bedlnal,
1

und wodurch allein Sl möglich wird, dir Aufm» -rksamkeit uirht


Sinns hinleitet
i. m kam.
i
isdruck besiebl eich anl eine Stelle la RsnmouM
mischten Schriften", if. S2S. S< am in«., damali noch Kommen-
ww
i

Wlssenichaitslehre, (eiste in einer nhhandhing I.

403ti ekhfaUi durch Runholm »Vermischte Schriften" w«


anlnsst wurde (s iind KM), ii.iiii inch In dar Beurteilanf *.«>n
Hm ks InVnllimill. dem vorgeworfen wird, dass er „den von kw
irflen Uni d iwiachen transscendentaler Sinnlich
haH and irsnsscendentsJem Verstand völlig verschwinden i.isst** und
gehl ich sieh bemüht, das Krale. «1 h die i'.inplindung In unseren
deUnnaen ia erklärend« Ebenso wie PlcnVi hÜl Scnminw
dieser Vermischnns den Mutant iwischen ,»Anachannn| and BearilT'
ü.i.i ; atatcHnng der Wisse nsc hsft ilehre
/um „unsinnigsten Idealismus**, ibid 113.
v
«) hr II. 295.
9 oh S 9lf.
- 120 —
gewicht über die entgegengesetzten Tendenzen ausgebildet
hatte 1 ), legte Reinhold bei seiner Darstellung das Haupt-
gewicht grade auf die jetzt in den Hintergrund gedrängten
Elemente der Wissenschaftslehre. Darum vermochte Fichte
in den „vermischten Schriften" nicht mehr eine ange-
messene Wiedergabe seiner Lehre zu erblicken, und die
Differenz zwischen ihm und Reinhold im Jahre 1797
ist genau die Differenz zwischen der neubegrün-
deten und der älteren Wissenschaftslehre. Die von
Fichte bei seinem Anhänger jetzt bekämpfte Behandlung
des Endlichkeitsproblems giebt in der That nur eine ge-
treue Nachbildung der Fundamentalsten Sätze seiner eigenen
früheren Lehre wieder. In den „vermischten Schriften*
wird nämlich als Verdienst der Wissenschaftslehre hervor-
gehoben, dass sie „den Unterschied und Zusammenhang
zwischen dem Transseendeii tu len und Empirischen" ..völlig
befriedigend" aus ..dem Unterschied und Zusammenhang
zwischen den ursprünglichen Funktionen" dw absoluten
Thätigkeit erklärt 1), das Problem des Empirischen also
durch rein dialektische Spekulationen gelöst habe. 3 ) So
soll auch die für die transscendentale Erklärung so grosse
Schwierigkeiten bereitende Thatsache der „Allekiioir \ die
in der Empfindung vorzuliegen scheint, durch ..die Ent-
deckung dvi ursprünglichen Anlithesis" glücklich weg-
gedeutet sein.*) Derartige Ausführungen hat Ficht? vor-
nehmlich treffen wollen, wenn er das Setzen des Xicht-Ieh,
w ie Hkimiou) es auflasst. „zu absolut" findet und die voll-
ständige intelleUtualistisehe Beseitigung des (iedankens
der „An°ektion u nicht hilligt. Während die vermischten
,,

Schriften" die dialektische Seite der Wissenschaftslehre so


stark betonen, lassen sie andrerseits die empiristischen
Ansätze des ersten Entwurfs dass der Ansloss sich wohl
„postulieren, nicht aber deducieren" lasse (vgl. ob. S. 91,
Anm. 3) - nicht nur unberücksichtigt, sondern sie polemi-
sieren sogar ausdrücklich gegen sie. Gegen solche ver-

) Fichte war übrigens Dach kurzer Zeit mit der „Grundlage


J

der gesamten Wissenschaftslehre" nicht mehr zufrieden. S. z. B.


Leb. II, 236, 237.
») Verm. Sehr. II, 339
II", vgl. 325 ff., 336 ff., 340, 359 IT.
•) Vgl. z. B. ibid. 327 II,

*) Ibid. 300/1.
- 121 -
4

Ichtüchc Abweisung «Irs blossen „Postulierens der Bmpfln-


dungsinhaltc Wendel nch In der „zweiten Einleitung4
I
*

die Berichtigung In uns „hei den unmittelbaren GefQhk


h;i( ;ill» ti.mssc endenl.de ElitUuTUIIg «in Ind. ISiimkm.m
empfindet eben den Zoeemmenli hier froheren An-
m foauung vom „gegebenen Stoff41 mit der dogmatischen
Lehn n»>ui >iiiu an sich noch §o lebhaft, d;iss er, an die
l

44
„entgegengesetzte Klippe geratend, dai Materiale der
Empfindung ganz in die aprioriittache Konstruktion auf-
gelöst wissen will War er vorher »Kantianei will
lieh jetzt möglichst weit von Kani entfernen, während
Pichte, der dieses Stadium schon durchgemacht hat, sich
umgekehrt Kani wieder stark nähert Dasi Pichte durch
die treue Darstellung seiner eigenen ursprünglichen Lehre
milden Bekennen eines„bodenloeen Idealismus44 zusammen-
orfen zu werden fürchtet, Ist der unmittelbare Ausdruck
dafür, dass sich bereits Umwandlungen In seinem Denken
vollzogen haben

Will man deshalb F« htes Lehre von der Empfindung


und Oberhaupt die oachkantische Entwicklung des brratio-
nalitfttsgedankens richtig erfassen, s<> darf man nicht, wie
herrschende Auflassung will 1), In Beck, sondern höch-
«1 ii*

stens in Mmmon (Ins problemgeschichtliche Mittelglied


/wischen Kani und Fmimi erblicken. Als der ein:
unter den Denkern vor Pichte vortritt Maimom eine auch
in systematischer Hinsieht beachtenswerte Vereinigung von
konsequentem Idealismus und gleichzeitiger Betonung des
ebenheitscharakten der Erfahrung istftnde Soweit
lieh allerdings \<>n der [ntellektualistischen Meta-
physik Li .ium/i \s heeinllussl /ei^t. \ ersucht auch CT <len
ensati von Begriff und Anschauung durch den noch
stark im Psychologischen steckenden Gedanken einer kon-
tinuierlichen Abstufung der ..hewusstseins -r.ide ZU VCT-

») Ibid. II. 320.

') s. z. B. Vmiiinmu. Kommentar


I. 186. II, 20. 2211 Di*- von
Vaihixoi ihrten Stellen aus ipiteren Schriften Pleura be-
handeln I1I1M11 um Teil nacb ptOM anderen metaphymiirhen
7.

htspunkten, tum Teil polemisieren sie nur fegen Kants


..induktiwv- u.
Ulk Klebte» IdtftJUtntu uud dl« Otacblrfat* \t
— 122 —
1
wischen ). Allein es finden sich bei ihm daneben die
Ansätze zu einer streng kritischen Auffassung, die mit
Fichtes späterer Ablehnung jeder psychologistischen Um-
deutung wohl bestehen kann. Er geht nämlich davon aus,
der Transscendentalphilosoph dürfe sich nicht, wie die
Denkart des Lebens es thut, bei dem Umstände beruhigen,
dass das empirisch Anschauliche sich ja dem unmittelbaren
Erleben erschliesst, und er meint, der Philosoph müsse
vielmehr mit dem Vorurteil vollständiger Begreiflichkeit
an alles herantreten und demgemäss auch das Unmittelbare
der Empfindung an diesem Ideale messen, es danach trans-
scendental ausdrücken und veranschlagen. Rationalität ist
ihm demnach transscendentale Grösse; Irrationalität das
transseendentale Unendlich-Kleine oder der transscenden-
tale Grenzbegriff; Unmöglichkeit der rationalen Erzeugung
ist ein Differentiale der Erzeugung, ein Differentiale des

logischen Bewusstseins, l'nautlösliehkeit ein Differentiale


der Auflösung*). Nur wenn wir die Empfindung als
Differentiale lassen, wird sie für uns durch transscenden-
tale Merkmale ausdrücken Nur so wehren wir den (ie-
danken einer absoluten Irrationalität ab und gelungen
zum Verständnis der kritischen Irrationalität, d. h. der
Inkommensurahilitäl für unser Erkennen. Um das noch
besonders hervortreten zu lassen, können wir die Unauf-
löslichkeit unendlich herabgemindert oder aufgehoben
denken in einem gottliehen Verstände und unser Verhältnis
zu diesem intellectus intuitivus als unendliche Aufgabe
ansehen, diese Unauflöslichkeit zu beseitigen '). Der Trans-
scendentalphilosoph erblickt in dem Materialen der Empfin-
dung nicht wie das naive BeWUSStsein in sieh ruhende
Objekte, sondern „Ideen, worin zuletzt die Wahrnehmung
tti
aufgelöst werden muss Die ganze Bedeutung dieser ).

») Dass „Spontaneität* und „Receptivihil- nicht als psycho-


4

logische Unterschiede des Bewusstseinsgrades zu deuten sind, wird


von Pichte ausdrücklich restgestellt, s. II, 217.
) Versuch aber die Transscendentalphilosophie, 27 fT, 3311".
3

Ober die Beziehungen auch dieser kritischen Fassung des Irratio-


nalitätsbegriffs zur Philosophie LmBNIZENS, s. WlNDELBAND, (iesch.
d. n. Ph. II, 154 Anm, 198 f., 338, (iesch. d. Phil. 462 Anm. 1,

472 Anm. 2.
») Versuch 227, 366, 419 f., 443.
*) Ibid. 205. Philos. Wörterbuch 169.
- 188 -
\Iumu\s wird rieh Indessen erst bei da I

,
»limine ninssccnclcnzprohlems genügend Würdigen
«I« -s I

lassen (i den Schlaft d nächsten Kap.) Ihn soll!« Maimo*


um als Glied einer tu Fichti aufstrebenden Entwiclüungs-
reüie verstanden werden, in der Kants Lehn von d«ei
Begrenzung des Erkennen! durch die Sinnlichkeil in rein
logischem Sinne fortgebildet wird
Zum Schhiss darauf hingewiesen, dass
s.-i uoi h km/
dieselben Forscher, die Fichte schon «las Verständnis der

transscendentalen Methode glnzlich absprachen, ihm


Folgerichtig muh dk vollkommene Zersetzung des mate-
riellen Erkenntnisfaktors zutrauen mussten -Die Vernach-
lässigung," tagl Rn m .oder doch zu gerinne hcrucksichii-
.

oiiiim <hs materiellen Faktors des Brkennens neben dem


44
ideellen (bei Kant) „begünstigte die sputen« Ungeheuer-
M
lichkeit, den enteren völlig zu beseitigen ) Ebenso meint l

auch Cohen, dass hei Fichte „aus dem Ich «lenke ein Be-
1
wusstsein geworden* sei, „welches das Ich empfinde und
nehme wahr einsehliesst und /ur Voraussetzung hat"').
Gegenüber diesen Urteilen verweisen wir noch einmal
auf durch die beiden letzten Kapitel gewonnene Er-
«Ins
gebnis, dnss |k hm Flieht nur die Zweiheil der Krkenntnis-
inktoren anerkannt, sondern auch durch Fortbildung des
kritischen Gedankens der Irrationalität den Dualismus von
Verstand und Sinnlichkeit BUS der metapln sisch-psveho-
logistischen in die transscendentale Fragestellung verww
hat Eine gute Bestätigung unserer Auffassung dürfen
wir auch noch darin erblicken, dass Hegel hei seiner
Polemik gegen die abstrakte L<>^ik Kant und Fichte grade
in den wesentlichen Punkten durchaus in eine Linie stellt
und von der Lehre beider Denker seinen emanatistischen
Standpunkt durch eine gleich weite Kluft getrennt wii
44
will Auch l*i« m wird «1er ..formale Idealismus
1 1 die ,

44
„absolute Leerheit und Unbestimmtheit <l<^ Wissens der ,

4
dann dk empirische Mannigfaltigkeil „fremd* und unbe-
ifHch gegenüberstehe, kurz die analytische Lo
und die der emanatistischen Lehre schroff ent-

') Philos Knh. 1. 1 •:. \«l 14. 9


Mi 590 f., VgL 587 Ähnlich urli-ill DlLTRSY, \rch
t
G .1 l'h.l II. 644.
124 —
gegengesetzte Lösung des logischen Individuali-
tätsproblems, beständig zum Vorwurf gemacht 1
).

V. Kapitel.

Das Ding an sich und die Irrationalität


des Individuellen.

Nicht eine immanente, sachliche, sondern eine mehr


durch historische Thatsachen aufgezwungene Notwendig-
keit macht es erforderlich, die Stellungnahme von FiCHTES
Idealismus gegenüber der Lehre vom Ding an sich einer
Prüfung zu unterziehen. Line für die Geschichte der kri-
tischen Philosophie bedeutsam gewordene „Problemver-
schlingung" hat nämlich die Lehren von der Zufälligkeit
und vom Ding an sieh derart mit einander verbunden, dass
auch bei einer Klarstellung des in der Wissenschaflslehre
auftretenden Irralionalitätsgedankens von dieser Verflech-
tung nicht abgesehen werden kann. Da die Zufälligkeit
sowohl den Abstand von der Idee als die Niehtcrfasshar-
keit durch das Formale bedeutet, so kann auch das
Ding an sich dementsprechend in der Vermischung sowohl
mit der Idee als mit der Unbegreiflichkeil aus dem For-
malen auftreten.

Die letztere Möglichkeit ist mehr für die Kantianer,


die Verquickung des Ding-an-sich-Begrififs mit der Idee da-
gegen mein* für Kam seihst charakteristisch gewesen. Aus
der Reflexion auf die Begrenzung unseres Krkennens er-
wuchs ihm eines der theoretischen Motive, die in ihrem
Zusammenwirken mit anderen, praktischen die Lehre
vom Ding an sich verschuldet haben. Kant hat es doch
nicht üherall vermocht, die Dinge konsequent Koperni-
kanisch um das Erkennen zu drehen und den Unterschied
einer hegrenzten und einer unhegrenzten Vernunft nur als
solchen zu fassen. Unser beschränktes Erkennen galt ihm
vielmehr zugleich als Beschränkung durch eine transscen-

•) Vgl. die meisten der im „ersten Teil" angeführten Stellet]


und besonders \\'\v I, 1 1« iL, 128 11'., 209 272.
188 -
deute Macht nnd aul die rtcheinungiwelt; die Idee pines l

aneingeschrinkten rkenneni zugleich ;iK «In Befreiung .ms


l

der racbetaungswell und eh Erfassen d< si transscendenten


l

Srins selbst hu- schon in den anflogen der Spekulation


massgebende Grundanschauung der Zweiweltentheoi
u. ich der den verschiedenen Graden dei Erkennen! ?er-
lehiedene Arten der Wirklichkeil entsprechen 1), brichl hier
noch einmal durch. Rückhaltlot hatte sie noch in der
Inauguralschrifl geherrscht durch i*- Sinnlichkeil wird < I

die phänomenale, durch den Verstand die intelligible Well


erfassl In der Kritik der reinen Vernunfl isi di( rod-
piinki verlassen; das »Ding an sieh wird sinnlos, da die
genstindüchkeit" In einer synthetischen Punktion des
Verstandes bestehen soll Aber die Zweiweltentheorie hal
su h dennoch eingeschlichen. Nur dasa hier Erscheinung
und Ding an sich nicht den beiden Erkenntnisarten *\i\
Sinnlichkeil und dei Verstandes, sondern denen des an die
Sinnlichkeil gebundenen nnd des ohne Sinnlichkeil an-
schauenden Verstandes zugeordnet werden. Das Ding an
sich geht nicht mehr .ins der 1\ postasierung der eine Mos 1

immanente Geltung beanspruchenden, als leer nndinhalts-


erkanntea Verstandesformen hcrl also nicht ein
Einfacher Rückfall In den Standpunkt von 177u Rodel
statt andern es wird ab Gegenstand eines von der
Sinnlichkeit wie den hohlen Yerstnndesfoi inen gleichmäl
emaneipierten Erkennen* gedacht 1). Wenn also das Nou-
menon nur als Folie, als Grenzbegrifl als die »unver- .

meidlich mit «1er Einschränkung unserer Sinnlichkeit /n-


mmmenhftngende Aufgabe, ob ei nicht von jener ihrer
Anschauung gaiu entbundene itftnde geben mögt
oder als Problem gelten soll, so wird /war dadurch der
l

Gedanke der »Idee in die richtige kritische Beleuchtung


nickt, aber unangetastet bleibt hierbei der Grundsati einer
Korrespondenz von Erkenntnis nnd Gegenstand,

i .»I. s 27f.
>) t'm «tu- Vei «vlii uns v,, n is machen, treib! illerdingB r.u-
weUen loch ung von Sinnlichkeit und Verstand
Ihr I nwrscn. s. , lt. W YY III 12», W
*) in. m
1I»mI SU, SS3 \ 115.
— 126

die Auffassung, dass der unsinnlichen Erkenntnis ein über-


sinnliches Objekt, einem zwar problematischen anschauen-
den Verstände ein ebenso problematischer intelligibler
Gegenstand entspreche; dass das vollkommene Erzeugen
und Durchschauen des Inhaltlichen demnach als ein Er-
kennen der Dinge an sich gedeutet werden müsse Der- 1
).

selbe Antagonismus kritischer und dogmatischer Gedanken-


gänge zieht sich durch die ganze Dialektik hindurch. Es
wird der Sache nach stets folgender Satz aufgestellt: wenn
es einen anschauenden Verstand dieser ist aber nur
Problem, Aufgabe usw. gäbe, so würden durch ihn
Dinge an sich erkannt werden. In diesem hypothetischen
Urteile wird aber nach einer bekannten Lehre der Logik
von den beiden problematischen Hypothesen das Verhältnis
einer notwendigen Folge ausgesagt. Dass Dinge an sich
einem anschauenden Verstände entsprechen, wird nicht
problematisch, sondern apodiktisch behauptet. Das Ding
an sich mag zuweilen als problematisch erscheinen, die
Zweiweltentheorie nie. Nur diese Eigentümlichkeit Kants.
die ihn an die gedachte Aufhebung der Zufälligkeit zu-
gleich den Gedanken der transscendenten Realität knüpfen
lässt, sollte von uns hier festgestellt werden"). Man kann

M Hieran wird durch die zweite Auflage, etwa durch die Unter-
scheidung des Noumenon In positiver und in negativer Bedeutung,
nicht das Mindeste geändert Ganz abgesehen davon, wie es über-
haupt mit dem Unterschiede Von ..nicht Objekt unserer sinnliehen
Anschauung und »Objekt einer nichtsinnlichen Anschauung" steht,
11

(s. darüber Volkelt, Kants Erkenntnistheorie 112, vgL 1 10), ist soviel

gewiss, dass auch vom Noumenon in negativer Bedeutung der Ge-


danke jener Korrespondenz nicht ferngehalten wird: ein Verstand,
für den ein Noumenon „gehörte", soll e war ein „Problems" sein, aber
dass es für einen solchen problematischen Verstand gehört, ist
nicht ein Problem, s. 111,222, vgL V, 421/2: „. korrespondierende
. .

intellektuelle Anschauung". Auch sonst herrscht überall die Vor-


stellung, dass der an die sinnliche Anschauung gebundene Verstand
die pinge erkennt, wie sie erscheinen, dagegen der ohne Sinnlich-
keit anschauende, wie sie an sich selbst sind, s. z. li. III, 77, 123,
129, 130 f., 351 fr., 38811'., vgl. 466.

Cohen, der den Beziehungen /wischen


J
) Zufälligkeit, Idee und
Ding an sich sehr genau nachgegangen ist s. bes. Theor. d. Kit".

50211'., 50511'., 50711'., 512, 518f., Begr. d. Ethik 18 116, Begr. d. Ästhetik
118 glaubt das Ding an sich, ohne von Kants eigener Ansicht ab-
zuweichen, restlos in kritische Probleme auflösen zu können. Ob-
gleich nun die „Äquipollenz der folgenden Begriffe .: des Ding . .
in
ifa vielleicht Im in n mi tri
.im wahrend Kwt
hesten sii I

iincisciis «Im des „tninsscendenten Wahr-


Sinnlosigkeit
hettsbegrifTs eingesehen hnt vermag er sich andrerseits * >,

doch Inkonsequenter Weise w i«- Ideale Krkenntnis eines


intuitiven Verttandei nicht ohne diese Voraussetzung zu
denken
Unbeirrt durch dai Schwanken dei Kantischem Bach-
slabens gehorcht !'i< mm Folgerichtig dem Kants» m n (o-ist
In der Beschränkung unserer Vernunft die auch er zuge-
steht glaubt er nicht eine Begrenzung durch ein Ding an
sich, sondern eine Begrenzung nur in dein Sinne erblicken
/u «huieii. dass ihr die Idee eines unbegrenzten Erkennen!
gegenübergestellt werden kann. Dem Dogmatismus letzt
er sc Dass er mit der [dee
ine Einweltentheorie entgegen*).
nicht das Ding an sich vermengt, in ihr nur eine gedachte
Art des Krkennens und weiter nichts erhlickt hat. de
Abweichen vom Buchstaben der Kritik der reinen Ver-
nunft" ist kein Ahlall vom Kriticisinus.
Das werden auch wenige behaupten wollen Schwie-
steht es jedoch mit Kicmtks Al)lelmung auch des
i

zweiten Falles einer Vermengung von Ding an sich und


Irrationalität, also mit seiner Ablehnung auch des \
suches. das Ding an sich durch eine Reflexion auf die Unab-
leitbarkeH des Individuellen aus dem Allgemeinen ZU recht-
fertigen Dem konsequenten Idealismus wird ja nur
dann Genfige gethan, wenn die Gesamtheit des Individuellen
;iis ein Vorstellen des ich geltest, die KorrelaÜviUH von
Objekt und Subjekt Streng gewahrt wird Darin spricht
sich das l'rincip des Idealismus aus. daSS der
lediglich
letztephilosophischeAbstraktionsbegriff^ch" oder. .Wissen"
lautet «vgl oh. S K.") und 1117 daSfl alles Im d is leb. ein
Ichhaftei ist.unter dem Allgcmeinbegriti Ichheit steht
Hier gilt es nun eben ZU entscheiden, oh man mit dieser /er-

.m sii i) .i.> t nbedingten, « l


*-
1 Idee, dsi Greasbegril&i «in lyttema
tiN.hrn I llllinl I
!)•'••' '1 1:1 (12 UllhrdillKt üUCh als KvNTs
Meinung
.
zuzugeben ist. s.» wird dadurch Irotsden der für
k v\is Drnkrn so \\ irhtige (iruotel| <ln /w riw rltrnlhrnrir nichl in
Frage gesteM
S. dm üherWiMii im am». IkmIi.iIii Phil.. II. 791 rr.dudu-n.125f.
s dir vnr/ii^lhlif Ablehnung «Irr bei Kwi in drin Begriff der
intellektuellen UurhSiaag SiSCksndSB /.wei\\eltenthe..i k I
— 128 —
Störung des I)ing-an-sich-Begriffes gleichzeitig dem abso-
luten Rationalismus Thür und Thor öffnet. Wird etwa
mit dem idealistischen Satz: alles ist für das Ich — zu-
gleich behauptet, dass alles im Ich enthalten sei, mit rest-
loser Begreiflichkeit das Besondere aus einem absoluten
Ich herausgeholt werden könne? Wer das meint, steck!
selbst noch tief in der Verwechslung von formalem Ich
und Idee. Wer sich aber von diesem Irrtum befreit hat,
wiespäter Fichte, siehtein, dassderkonsequenteldealismus
nicht zum absoluten, alles Empirische* zersetzenden Ratio-
nalismus führt, sondern dass innerhalb auch des kon-
sequenten Idealismus der kritisch antirationalistische Grund-
satz zu Recht besteht, in der nur erfahrbaren und er-
lebbaren Wirklichkeit einen Gegensatz zwar nicht zum
Ich, wohl aber zum formalen Ich anzuerkennen.
Von Fichte zu verlangen, er solle Idealist nur hinsichtlich
der Formen sein, ist ganz ungerechtfertigt Denn nicht
die Immanenz oder den Idealismus, sondern den
transscendentalen Rationalismus gilt es auf die Formen
einzuschränken. Nicht der Macht des Bewusstseins,
sondern der Macht des rationalen Rcw usstscins ist
das Empirische entzogen. Mau muss sich nämlich davor
hüten, FÜr das Prineip des Idealismus oder der Immanenz
die formale begreifliche Ichheil, die Wissensform in ihrer
Abstraktheit, unvermerkt einzusetzen. Auch der einzelne
Inhalt unserer Vorstellungen ist nur idealistisch aufzu-
fassen, denn er ist weiter nichts als ein Fall empirischer
Verwirklichung des „Wissens", also nur ein Stück Wissen.
Allerdings steckt in ihm mehr als in der begreiflichen
Wissensform, die sich in ihm Mos verwirklicht; aber dies
mehr ist nur seine empirische Besonderheit, seine Eigen-
tümlichkeit, individuell und deshalb unableitbar zu sein,
nicht irgend etwas Transscendentes. Man weiss wohl,
worauf sich der transscendente Realismus gern berufen
möchte: auf die lubcherrschbarkeil und starre Undurch-
dringlichkeit des Empirischen, auf seine alles Formale
fesselnde Bestimmtheit. Aber was berechtigt ihn, diese für
unser Erklären unüberwindliche Härte, diese logische
Thatsache als eine darunter verborgene Zähigkeit des Dinges
an sieh zu deutend Gelangt er etwa durch seine transscenden-
tale Untersuchung zu diesem Ergebnis? Gewiss nicht; denn
— 120 —
• Ins« lehrt «nun matei
lalen von einem formalen
ihn mit
Brkenntnlsfaktoi Der rransscendentalphilosopii
icheiden
M«hi sich ms in dem ganzen Umkreise des vom
Ui iiisrh« n Standpunkt aus Möglichen um. dai Ding an
sich ist und bleibt ihm un\ crshmdlich Mit .Gegenständ-
lichkeit kann rs nichts zu thmi haben, denn die isl eine
Punktion da Verstandes; mit dem Gebeünnii der Indi-
\ ktuellen .Wirklichkeit* auch nichts, denn die isl lediglicheine
sehe Thatsache Wird dennoch die Annahme des Diu
an sich .'ml den Unterschied eon Form und [nhall gestützt,
so ist klar, d;iss l'mdcutung der ,Zn-
hier einfach eine
tAlligkeit" in die Transscenden2 vorliegt, ein kritisch
nicht gerechtfertigter Versuch, die begriffliche Unableitbar-
keit and Unabhängigkeit vom Pormalen des Ich in eine
Inisritiokcit gegenQber dem Ich üherhaupt. eine logische
entümlichkeil also in das Hineinragen einer transscen-
denten Realität, /u verwandeln, stau der Vermengung von
Idealismus und Dogmatismus muss efl darum hei dein mit
linein kritisch nntirntionnlistischeii Element verbundenen
konsequenten Idealismus bleiben: alles ist nur Idealistisch
/u deuten, denn das Allgemeine isl Bew usslscinslnnu. das
Besondere Bewusstseinsmaterie; allerdings lassi sich d
idealistische Materie aus dieser idealistischen Form nicht
ableiten. Aber soviel bleibt dabei gewiss materialer und
formaler Bestandteil stehen nicht in dem Verhältnis von
Ding an sich und ..l.ew usstseiif \ sondern in dem rein
Immanenten zweier rtBewusstseins"faktoren tu einend*
FlCHTl hat nun «las Verdienst, die Erkenntnis der
lrr.itionalit.it heihehalten und sie zugleich aus der Ver-

Bchlingung mit dem Ding an sich gelöst tu haben.


Er bat eingesehen dasi <lie transscendentallogische Be-

» i
bei den Zeaanmenhang \<»n Imtionalltifl und Ding an ilcti
bei Kamt, i V/mosu r» &
PIülosi n. :*37 and die »-m
n.
gehend«- ii Unfahrvngeu KUbbli In erstan Hand des .philoeophiachefi
M&,
389IT., 428 IT, 431 IV. 4-16 Obgleich nach 1

anaeren obigen ViiMHKind« MN.t/mmrn ketnciwegi werden i

kann, dass K\si in dei S U In- mit drin ll IHM flink liU'll RealitnUMI
rechi ha m
ttefert nun tUsche" Aeflasraag dennoch nicht
nur ran Verstandahi \«»n Kwis eoott menl in wenig beachteten
logisehnn /tifallsl>«m ill. smihIhii ichon allrm Wegen der Marken
Bctooang der Irrationalität den IndleideeUen PenhlnhaUea rach
rar »y*l n Erkenntnistheorie wertvolle De
— 130 -
deutung des Unterschiedes von Form und Inhalt nicht zu
einem Auseinanderreissen des Erkennens in eine idealistisch
und eine dogmatisch erklärbare Hälfte berechtige. Er hat
aber ausserdem die Theorieen vom „Stoff*, wie sie ihm
bei den Kantianern entgegentraten, nicht nur abgelehnt,
sondern gleichzeitig die Ursache für den Hang zum Dog-
matismus in der Verquickung mit dem Irrationalitätsgedanken
nachzuweisen verstanden. In das Faktum der jede Reflexion
fesselnden, auch für die idealistische Erklärung harten Wirk- ,,

lichkeit", des unmittelbaren oder „ursprünglichen Gefühls",


in dem sich „meine Beschränktheit in ihrer Bestimmtheit"
offenbart, flüchtet sich nach seiner richtigen Ansicht der
Dogmatismus der Kantianer 1
).

Erst durch Berücksichtigung dieser Zusammenhänge


mit dem Transseendenzproblem wird der Gedankengang
der öfter erwähnten wichtigen Stelle in der „zweiten Ein-
leitung*, an der PiCHTE Beine Ansicht von der Grenze der
rationalen Erkenntnis entwickelt, vollständig aufgehellt.
Zunächst wird dort festgestellt, dnss das „blos Empirische
unserer Erkenntnis" jedenfalls nicht als Affektion durch
ein Ding an sich gedeutet werden darf. Vielmehr ist, wie
sodann gezeigt wird, der Schein einer bransscendenten Ver-
ursachung durch Erweckung des richtigen Verständnisses
der ..Keceptivität", nämlich durch den Hinweis auf die
Irrationalität, ZU erklären und damit ZU zerstören (vgl. ob.
2
S. 112f.) Eine doppelte Aufgabe hal Jilso dieser Hinweis
).

zu erfüllen: er schützt auf der einen Seite vor dem Dogma-


tismus, er warnt auf der anderen vordem intellektualistischen
Übersehen derSelbständigkeit des Empirischen. Schon durch
eine markante Formulierung bat Fichte seine eigeneMeinung
gegen diese beiden gleich falschen Theorieen der Schüler
KANTS abgehoben: „dieses ursprüngliche Gefühl vergessen
i) I, 48811'., vgl. auch 443 und IV, 100 f.

') I, 490. der Frage, ob PiCHTE berechtig! war, Kant dvu


In
Glauben an eine Affektion durch das Ding ;m sich abzusprechen,
muss man sich durchaus Yaihinukks Darstellung (Kommentar II,
45fr.) anschlicssen (vgL Kkdmann, Spekulation I, 5ÜU, VOLKELT, Kants
Erkenntnistheorie 156); daraus folgt aber nicht, dass Pichte in der
Sache unrecht hat und (\vn Fehler begeht, ..einen Gedanken an-
zufangen und ihn in der Mitte abzubrechen" Komm. II, 49), wenn er
eine für das Begreifen unerreichbare Bestimmtheit des Empirischen
behauptet und doch die Allektion durch ein Ding an sieh leugnet.
181 -
»lu bodenlose IdeaMspus Becks, dieses ursprüngliche
lielnhl MM der \\ ii ks.tiiikcit eines Iw.is weitn kl.u I • r * fi

zu wollen der Dogmatismus der Kantianer Von diesen 1


1

beiden Klippen hui lieh die Wissenschaflslehre gleich


i« in So Wlid die ganze nachkantische Entwicklung Ins
PlCHTK, soweit sie Im dieses Problem in Betracht kommt,
qief in knappster nnd glücklichster Passang zusammen-
gestellt der ankritisch antirationalistische Dogmatismus
i

[der frühere Rhnhoi i» nnd die Kantianer], 2. der unkritisch


rationalistische Idealismus [Beck 1) und Reinholo in den
vermischten Schriften"! 8, der kritisch antirationalistische
Idealismus [Fw
%
\.\ ). m
Da Pm h i i in derHen orhebung des undedueterbaren Er-
kenntnisfaktora nicht so originell wie auf anderen Ge-
ist

bieten, s<> lisst sirh sriu kritischer Antirationalismusganz nur


Innerhalb einer Geschichte des [rrationalHfttsgedankens ver-
stehen Am meisten Beachtung hat die Entwicklung dieses
Problems zweifellos bei Wdjdblbanp erfahren; Uerfindenwir
seine Verzweigung nach rwd Hauptrichtungen hin verfolgt:
wie nimlich einerseits die Irrationalität von den kritischen
Antirationalisten und absoluten Rationalisten als Schranke
des Begreifens anerkannt, andrerseits von den dogmatischen
hnitioiKilistcn. besonders von Scbelung, zur Behauptung
einer Bbervernfinftigen oder unvernünftigen Weltpotenz
umgedeutet wird 4). Windblband hat ferner auch gesehen,
•l;iss im in dieser Bewegung mitten inne steht und ihm
I i<

490.
») \V:ihreinl lii im ;m du- Stellt <lrs DittJM :ui sieh du- lninitt«l
harkeit und Iriat m:i ;it «Irr Empfindung setzt und
i< I i t den <d;iuben M
an die Begründung durch das Transseeiiclcnte verständlich macht,
hat BKS durrh du- \ -misrhunt* von Similirhkeit und Verstand
< i

sogar d:is Problem nakenatUcb gemacht Diesen Vorwurf macht


ihm gUH Im Sinnt- Ikiiiis SCBBJJDN Ifl der 6b. S 118 Anm. 3.
genannten S» hrifl <\V\V I. 432t
J
Zu tttoser Kategorie würde ausserdem Maimos gehöre n Zur
> .

Inzung unserer früheren Andeutungen ist nimMch noch hin/u/u


i). dass tUCh für Um uradi- «In- l.r\etzuntf des l>m.
grifles dorch die hrattonalitlt charahter isUach ist ebenheil i

darf nur ill l [nkonstl uiei l>;u keil, nirht als Ttsnstffndfni gedeutet
werden S Des Versach 161. 201 ir. 977, 3S4, 41S, Philo*. Wörterbuch
16tf rlea SOBfl B Knl Int. 65. J9I.
. I .

h d n Phil ii. S37K, in dem Paiajoraphen Der Irratio-


nalisnn. 1S3IT.. 198fT.. SS2f. t.esrh d l'hilos. 402,472.
— 182 —
ein hervorragender Platz in ihr eingeräumt werden muss.
Er bemerkt darum zu Ficutks Lehre, dass die Besonder-
heit der einzelnen Empfindung durch eine ..grundlose"
Handlung des Ich produciert werde: ..Alle Versuche
des Rationalismus, aus dem Wesen des Bewusst-
seins, aus seinen Formen und Gesetzen auch den
Inhalt des Denkens herauszuklauben, werden hier
an einer noch viel tieferen Wurzel abgeschnitten
als hei Kant" ). Damit ist schon für die Anfänge von
1

FlGHTES Denken ein antiralionalistisches Clement festgestellt.


Es muss aber andrerseits durchaus zugegeben werden, dass
dieser (irenzbegriff recht ungeeignet zur Kennzeichnung
der Irrationalität ist, da er. als schöpferische Thal der über-
individuellen Vernunft gelässt, in gewissem Sinne den
Rationalismus grade vollkommen abschliesst Aus unseren >.

Ausführungen hat sich jedoch ergeben, dass FlCHTE all-


mählich zu der Aufstellung eines kritisch schärferen,
nicht mehr missverständlichen Grenzbegriffes Fortge-
schritten ist. In dieser neuen Lösung des Indi\ idualitäts-
problems liegt es denn auch begründet, dass er zumal
in der Zeit von 17 .)<S bis 1801 (
die Eigentümlichkeit
der Yernunftproduktix ität gar nicht mehr wie früher mit
den inhaltlichen l'.Uinenten in Zusammenhäng brachte,
sondern sie ausschliesslich auf die reinen Formen über-
trug, das Empirische dagegen grade als Passivität
betrachtete (s. Abschn. 2). Aus alledem dürfte hervor-
gehen, dass auch WlNDELBANDS Minordnung PlCHTES in die
Entwicklung des nachkantischen Denkens, seine Behauptung,
die Wissenschaftslehre sei durch Beseitigung des irratio-
nalen Faktors bereits vom Kriticismus abgeschwenkt, dann
nicht mehr als zutreffend angesehen werden darf, wenn
man den Umschwung von 17 .>7 gebührend berücksichtigt.
(

Nach Windelbands Ansicht giebl nämlich nur der Ratio-


nalismus Kants die Thatsache der Irrationalität unum-
wunden zu. Darauf beruhe der ..tiefste Sinn der Lehre
vom Ding an sich'". Mit der Zertrümmerung dieses Begriffs
aber, also schon bei FlCHTE, falle auch die damit ver-
bundene „kritische Restriktion" fort *).Allein diese Restriktion,
») Ibid. 214, vgl- 338 und 2131V., 322/3, Gescfc d. Philos. 502.
•j) Gesch. (I. n. Phil. 338.
3) Ibid. 337, 219.
s<> können wir nunmehr wird auch von Fictrn en,
u hi. tun dass und unverständ-
ei iI.-iIm i «In- falsche
liche mdeutung in dk Tranescendcni vermeidel Die
i

Ahlrhnunti da Dinges bii sich bedingt eben nicht, wie


\\'i\ iwn iiirmi. dk Annahme einer absoluten Welt-
erkenntnis, weil wir die Weif his auf den letzten Resl aus
dem Ich erzeugen ').
Dir Nun \\i\hi h\\i> unternommene Darstellung bedarf
i

somii einer Berichtigung und Ergänzung, und zwar durch


den Hinweis auf die Thatsachc, dass nicht nur Kam 'und
M\iM(»\. sondern auch FlCHTl als kritischer Anti-
rationalisl Im strengsten sinne anzusehen ist Erst
d.idurch wild eine gani richtige Umstellung In uns in die
Entwicklung des hrratk>nalttitsproblems möglich sein Die
ganze Gruppe der von Rani zu limn Rlhrenden und
für die Klärung Iransscendentalphilosophischer Probleme
immerhin beachtenswerten Spekulationen lasst sieh nämlich.
sow fit su sich auf theoretischem Gebiet hew e^en. .im besten
uheisiehtlieh anordnen und nach Streng kritischen Mass-
Stäben messen, wenn man sie um die Irrationalität als Avn
v iiwingungsmittelpunkt derProbleme einheitlich gruppiert
Dann Würde die auf doppelte Weise mögliche Verschlingung
der Lehn* oin Ding SU Üch mit dem Irrationalilatsnedanken
\

als die eigentlich treibende Kraft all dieser Systeme sieh


aufdecken lassen So Hessen sich /. B, Rl imioi os Theorieen
Nom Noumenon und vom Ding an sich in der Weise rer-
stehen. dass hier die VerSChÜngling der Traiisseenden/ mit
dem Begriff der Idee bereits ganz lallen gelassen, dage|
die mit der Unbegreiflichkeil aus dem Formalen noch zäh
.(halten wird, wahrend im letzteren Punkte die Ver-
knüpfung sich grade umgekehrt bei In s wirksam /< i

der mit der ung des DingM an sieh auch die


I

Irrationalität rationalistisch aufhellt Die rein prohlem- 3


).

hiehtlich. wie auch


<
Wegen ihres Kinilusses auf
Pichte 9) und dk Anfinge Schblungs entwicklungs-

n>. i 2i9i. Hkr wird mgkiffi


als „allgemeines Kriterium der Kantttchen ErkeiMtoiatli
kann! 11111I auf <lir l'arallclt» mit «tri M athrmatik hiiurwicson.
IrnuMtarphilosophn- und St.m«lpunktslrhi v
I
die beiden .

„Klippen", \->i denSfl Inno warnt!


•> Vgl oh s 11:». tum. 3.
— 134 —
geschichtlich bedeutsamste Erscheinung würde in diesem
Zusammenhang Maimon darstellen, dessen ganze Lehre sich
genau aus Kants transscendental logischem ZufallsbegrifY
heraus entwickelt. Von Kant und Maimon führen endlich
mehrere für die Geschichte des Irrationalitätsproblems
wichtige Verbindungslinien ausser zu Fichte auch zu
SCHELLING lind HEGEL. —
Die Ablehnung des Ding-an-sich-Begriffes hat sich somit
nicht nur in ihrer Verträglichkeit mit der Lehre von der
Irrationalität des Empirischen erwiesen, sondern es hat sich
sogar gezeigt, dass erst innerhalb der konsequenten Imma-
nenzlehre der logische ZufallsbegritT in völliger Reinheit
gedacht werden kann. Die Irrationalität lässt sich entweder
rein dogmatisch als unbegreifliches Hervorgehen des Einzel-
dinges aus der Totalität des Seins, oder rein idealistisch
als Unableitbarkeit der individuellen Iehkoncentration aus
dem allgemeinen Ich, aber niemals synkretistisch lassen.
Wir müssen deshalb neben der einheitlichen systematischen
Konstruktion und der vom psychologistisehen Nebensinn
unbeiiTlen lerausarbeitung der transscendentalen Begriffs-
I

weit die radikale Ausnutzung des transscendenten Asyls


der Irrationalität als dritten principiellen Fortschritt
über Kant hinaus anerkennen und den Höhepunkt
der transscendentalen Methode in einer Lehre er-
blicken, für die es in theoretischer Hinsicht nur Ieh-
koneen rationen, nur eine Bewusstseins-, Wissens-
oder Erkenntniswirklichkeit giebt, aus der ana-
lytisch (wenn aueh mit hinzutretender systemati-
scher Anordnung) die transscendentalen Begriffe
— der „Wissenschafts u lehre gebildet werden.
Indem unsere Auffassung grade diesen gewaltigen und nicht
metaphysischen Schritt über Kam hinaus ganz zu würdigen
vermag und ihm entscheidende Bedeutung beizulegen zwingt,
stellt die hier unternommene Verfolgung nur des einen
isolierten Problems dennoch den Verlauf des Irrationalitäts-
gedankens zugleich in die lebendige Gesamtentwicklung der
Philosophie und wehrt schon dadurch den Verdacht künst-
licher und einseitiger Beleuchtung ab
i ;.. -
2 ÜMchnitl

Die Steigerung des Antirationalismus 1798 1801.

Dir den Umschwung von I7'.i7 begrOndende itürl

Berücksichtigung der materialen !rkenntniseleniente ordnete


I

sich Insofern noch vollständig der früheren Lehre unter,


tli «Irin aprlori nnableitbaren Reste, den Empfindungen,
im Gesamtgefüge des Vernunftsystems immerhin eine nur
cheidene Rolle angewiesen wurde Ei sollte lediglich
die Grenze gegen die gewöhnliche, ausserhalb philosophi-
scher Deducierbarkeil liegende Erfahrung abgesteckt, «lern
rein Empirischen sein Recht gesichert werden Dir darauf
[enden Jahre dagegen Beigen dai deutliche Bestreben,
die im Jede rationale Erkenntnis gleichmassig gebot
Unantastbarkeil der reinen und blossen Erfahrung in ihrer
Bedeutung für die ganze Philosophie immer macht,
hervortreten zu lassen Wir haben hin nicht nur eine
[ftnzung <lrs früheren Entwürfet mit seiner Richtung
nuf Umfassende Systematik, sondern auch der Schwer-
punkt der bransscendentalen Wertung verschieb! sich von
den allgemeinen Vernunftformen auf die Unmittelbarkeif
der Empfindungen. Das 1 7*. »7 Erworbene wird nicht nur
/um sicheren Besitz, der wieder hervorgeholt werden kann.
sondern es steigt in den nächsten .Jahren /um Lieblingqpil
empor, hinter dem alles andere zurücktritt. Die scharte
kritische Sonderling des Pormalen vom Materialen. die für
das Jahr 7*. »7 nachgewiesen weiden konnte, und die von
1

hier ans auf die Fassung Such der letzten Krkenntnis-


piinzipien ausstrahlende Wirkung musste sich allen!
eist einmal durchgesetzfl haben, wenn diese weitere Um-
kippuag überhaupt möglich werden sollte Aber nachdem
mm einmal die glückliche Vorbedingung gegeben war, be-
deute! die itirkere Betonung des Empirischen und
Individuellen doch w leder «ine ueueEpoche Die äusseren
Erlebnisse im Atheismusstreit smd dabei nicht gleichgültig
«srii Di« Verachtung gegen seine vornehmlich der
Aiitklarnngsphilosopln hörenden Ankläger riss den
leidenschaftlichen Denker zu einem ganz persönlichen er-
bitterten Mass ||i'|itMi alles hin. v ndwie muh ratio-
nsllttisfhnr Mritaphjsifc klang Wir werden den eigentüm-
lichen Vorgang kennen lernen, dass moral- und religions-
— 186 —
philosophische Ansichten in die Ausbildung des erkenntnis-
theoretischen Empirismus und Individualismus hineinragen.
Man sollte nun glauben, dass bei der damit verbundenen
grösseren Verwicklung und feineren Verästelung der anti-
rationalistischen Hauptlinien die einzelnen Teilprobleme
sich nicht mit derselben Energie hätten geltend machen
können. Dies trifft jedoch weder für die Probleme der
praktischen Philosophie, noch für die transscendentale
Lehre von der Unmittelbarkeit des Empfindungsgehaltes
zu. In der starken und auffällig hervortretenden Weiter-
bildung, welche in so veränderter Umgebung die Theorie
von der Ursprünglichkeit des „Gefühls jetzt erfährt, dürfen
wir eine neue und unmittelbar aus der lebendigen Ent-
wicklung von Eicu n.s Denken selbst geschöpfte Bestätigung
unserer Ansicht erblicken, dass wir es bei dem für das
Jahr 1797 festgestellten Umschwung nicht mit einer flüch-
tigen Übergangsstufe zu thun hatten, sondern mit einem
wichtigen Wendepunkt im Denken des Philosophen. Und
andrerseits ist ja das Verständnis auch nni- der Möglichkeil
solcher empiristischer Portbildungen und ihrer Verträglich-
keit mit den Grundprineipien der Wissensehnflslehre für
jeden von vornherein ausgeschlossen, der nichi den Um-
schwung von 17 .)7 als spekulatives Bindeglied in Rücksicht
(

zieht. Für uns dagegen kann der stark ausgeprägte Empi-


rismus dieser Jahre nichtsOberraschendesund Unvermitteltes
mehr haben; wir verstehen in ihm vielmehr die vorwärts-
drängende Gewall tief angelegter Denkantriebe.

I. Kapitel.

Der transscendentale Empirismus und Positivismus*

Die eben erwähnte Fehde ^egen die Popularphilösophie


wurde für FlCHTES spätere Entwicklung dadurch von vor-
bildlicher Bedeutung, dass in der Zeit nach 1800 der
Empirismus und Antirnlionalismus, soweit er überhaupt
vorkommt, gewöhnlich von Auseinandersetzungen mit der
Aul'klärungsphilosophie hegleitet wird. Besonders aber hat
sie den Schriften von 1798 bis 1801 ein eigentümliches
Gepräge verliehen. Von jetzt ;in galt es nämlich) das für
i:i7 —
dk Erklärung Unsuglngliche nicht mehr * ic in dei z* eil« n
l-~. inl«*it titi^~
({c^i'ii don bodenlosen UcaHsmus wie ihn .

Hm k und der nul Abwege geratene üiimkui tral


/u verteidigen, sondert gegen «Ich Rationalisnini des
Woi ii in« in n Systems Gegen einen nahestehenden Denker m
wie Hkk konnte du- Wissenschaftslehre ihre Behauptungen
nicht enden all durch reinsten Unterscheidungen, durch
« I i
«

^;m/ schärft' he^rifTliche Knt Wicklungen rechtfertigen Ganz


andere jedoch durfte man sich den Wou iani rn gegenüber i

verhalten, bd denen man ^ Verständnis des Kransscenden-


< l ; i

kalen Idealismus gar nicht voraussetzte Hier n ar ei ofl mehr


geboten, nur die eigenen Brgebn isse von denen des regnen (

eindruckst oll abzuheben. FOr unsere entwicklungsgeschicht-


liche Betrachtung aber wird es nun grade von hoher Wich-
tigkeit, data der Empirismus schon so eindeutig nls fest-
stehende! und für den Idealismus chninktei ist isches Er-
gebnis gilt Ausserdem sehen wir dadurch den kritischen
Standpunkt wie vorher gegen den idealistisch-absoluten,
so jetzt gegen den dogmatisch-absoluten Rationalismus in
einen Streit sich \ci wickeln und crlehen SO, daSS die in
der Theorie schon ;ds notwendig erkannte Abgrenzung des
kriticisinus mich diesen heiden Richtungen hin (vgl S. 27 1

ii s 68ff.) sich auch ;ds bewusster geschichtlicher Kampf


abspielt In der ../weiten Einleitung* richtete sich die
Polemik gegen die idealistische Erzeugung der IchiiKiterie
aus der Verstandesform, in dem darauf folgenden Zeit-
abschnitt gegen die dogmatische Hypostasierung von Er-
kenntnisformen zu absoluten Realitäten. In heiden Fällen
aber musste sich das gleiche Endergebnis herausstellen,
dass n;unlich infolge der polemischen Gegenüberstellung die
empiristische Seit.- des Kriticisinus kräftig /um Durchbruch
igt« ». ., Mragesphilosophk sollte
das Treiben dei
noch einmal die sermalmends Thal von Kants »trans-
ndentaler Dialektik" heraufbeschworen werden*). Bei
dieser Abwehr der rationalistischen Metbaphysik hatte ja
die kritischr Philosophie schon bei ihrem Begründer die

Litte ilch Inzwischen durch den Einflttsa Jacobis


isndrhriibeii sn J. C Lavater und J < Pichte" end ber »Im- i

Piraclfixirn «In neuesten Philosophie- auch die emplrUtischer


gtweedei WlmiurhslUlehrt ron it«»t sem in eJfen gemach!
S im s \k
I
n. / H V, MO II
Lm%k, W«bt— M m IIw m und dl» O—cb ebtr |<i
— 188 —
empiristische Tendenz ganz an die Oberfläche ziehen müssen,
während dieselbe Richtung sonst zuweilen als etwas Selbst-
verständliches und als aufgehobenes Moment in dem über-
geordneten Standpunkte behandelt werden konnte. Gegen-
über den vermeintlichen rationalen Wissenschaften war es
eben wichtig, geltend zu machen, nicht nur, dass die ..Ver-
knüpfung aller realen Eigenschaften in einem Dinge" eine
für die formallogische Analysis unerreichbare Synthesis
voraussetze sondern auch, dass für die Wirklichkeit eines
Dinges das Kingeflochtensein in den ..Kontext der gesamten
Erfahrung", der Zusammenhang mit einer Wahrnehmung
„nach empirischen Gesetzen" unerlässlich sei 1
).

Es ist nach dem Vorangegangenen leicht einzusehen,


warum für Pichte jetzt, da er sich vorwiegend gleichsam
im Gedankenkreise der ..transscendentalen Dialektik be-
wegt, die empiristisch - irrationale Seite des Er-
fahrungsbegriffs ganz in den Vordergrund tritt und die
in diesem ausserdem noch steckende, mehr von der ..trans-
verkündete Bedeutung des über-
-

scendentalen Analytik
individuellen Erkenntnisgehaltes last vollständig verdunkelt.
Die dadurch hervorgerufene Wendung in seinem ganzen
Denken spiegelt sieh auf das Deutlichste in der Auswahl
dessen wieder, was er jetzt als das Wesentliche seiner und
der Kantischen Philosophie bezeichnet. Wenn in früheren
Schriften der leeren ^Formularphilosophie" das „reelle
Denken der WissenschaRslehre entgegengehalten wurde,
so war damit der Fortschritt Kants ober die formale und
die Schöpfung der Iransseendentalen Logik gemeint, die
Kopernikanische That, dass Gegenstandlichkeil eine Regel
der Vorstellungsverbindung sei; die ..reelle philosophische
Wissenschaft" war ihm damals noch die, welche im Gegen-
satz ZU den zw ecklosen Abstraktionen des Logischen Forma-
lismus in der m Vernunft" ein Gefuge notwendiger und n 11—
gemcingiltiger Funktionen zu erblicken vermag 2 ). Unter
Erfahrung verstand er noch in den beiden Einleitungen
das ..System der von dem Gefühl der Notwendigkeit be-
gleiteten Vorstellungen" "), also das von der überindividuellen

') Kam. WW III, 410.


•-) S. z. B. III, 1 BF.

») I, 423 ff.
im
Punktion Erzeugte Im Gegensatz /um willkürlichen Spiek
dar w mhimii
. 1 1 nach Kants Terminologie
1

allem mannigfachen Inhalte Gemeinsame, Pormale Jetrt


hingegen wird ihm im den Erfahrne ifl und zugleich
im die Eigenart dei rransscendentalphilosophic grade dai
Mnlei iale, Bestimmte, Individuelle wesenllieh, nlso <l;»s fui
den Iranseoendentalen Idealismui ZnfUlige*.
In typischer Form zeigl lieh diese Schwerpunkts-
verlegung besonders an «1cm Begriff der Realität Di«*

beiden Im Kriticismui möglichen Bedeutungen dieses Wortes,


nimlich Dignitäl des Gegenständlichen" und Zufälligkeit
dei Wirklichen*, wurden in der Wissenscbaflslehre von
lT'.n noch in eorgloser Beziehungslosigkeil nebeneinander

gebraucht Huld soll das Heule als Erzeugnis des Verstandet


die Gesetzlichkeit bedeuten, durch die das Erkenntnismaterial
verständigt wird: bald als Erzeugnis der Einbildungskraft
4
'

ein .der Reflexion Gegebenes*, den .Stoff der Vorstellung" '>.


Neben entgegengesetzten Gedankenreihen zeigen sich also
m hon hier die ersten Ansätze, das Problem des .Wirklichen
leim Gegebenheitscharakter! in der absoluten Bestimmt-
bett zu Buchen Am besten kommt dies Bestreben in den
Erörterungen Über den Wahrheitsgehalt der Empfindungen
Zum Ausdruck Diese sind uls elw.is nur -.rlehhui 1 und I »

nicht einmal Mitteilbares zweifellos .subjektiver Natur.


Aher um ihrer .Bestimmtheit*, um (hres Grade-so-Seins
willen hat es dennoeh Sinn, ihnen .Objektivität" ZUZU-
schreihen Allein diese Bedeutung «1er Objektivität fruelil-
>

bar zu machen, daran binderte noch die starke dialektische


Strömung jener Zeit Erst in der „/.weilen Einleitung
wird wieder mehr Gewicht darauf gelegt, dassder .Reafis-
mus des gewöhnlichen Lebens auch von der Wissenschafts-
lehre bestätigt weide, da ja Philosophie Wie Lehen hei dem
Individuellen ata bei einem Letzten und Unerklärbaren
«ruhen müssen In noeh höherem Grade
m^i dann in der .Sittenlehre Ä) die empirische
Konkretheit uls d;is Im die Realität Wesentliche Moment
zur Anerkennung Das charakteristische Merkmal einer
.reellen Philosophie wird nicht mehr wie im .Naturrecht*

») Man \ den Stellen l. 227 u. 233.


») S. I, 313 f . vgl. tack 268.
I 4*). 514.
10*
— 140 —
in der Erkenntnis des aberempirischen Notwendigkeits-
charakters der Gegenständlichkeit gesehen, sondern darin,
dass man alles Bewusstsein von einem „Wirklichen", un-
mittelbar Wahrgenommenen ausgehen lasse ). 1

und einseitigen Herausbildung des


Mit dieser klaren
nach der einen Richtung hin musste eine
Realitätsbegriffs
entsprechend scharfe Abgrenzung der anderen Bedeutung
Hand in Hand gehen. Bedenkt man, dass die von der
Einbildungskraft ..hingeschaute" Realität als das Ich im
Zustande der ..Anschauung" gilt, so folgt schon aus drin
seit 1797 bemerkbaren Bestreben, die Verschiedenheit von
„Anschauung" und „Begriff" in den Vordergrund zu
rücken (vgl. oben S. 117), eine entsprechend strengen'
Scheidung der Anschauungsrenlität von der durch den Ver-
stand erzeugten. Auf dvn Dualismus von Begriff und An-
schauung oder Subjektivem und Objektivem-) wird jetzt
aber zugleich die vollständige Andersartigkeit von Leben
und Spekulation gegründet, so dass sich hier zwei Hnupl-
bestrebungen der empiristischen Epoche: die Auseinandei-
haltung der beiden Bedeutungen von Realität und die
Trennung von Leben und Philosophie, an ihrem Kreuzungs-
punkt antreffen lassen"). Ja, noch eine letzte Steigerung
in der Auscinandcrrcissung der beiden Bedeutungen des
Seinsbegriffs ist jetzt eingetreten: Realität in dem konkreten
Sinne soll gar nicht mehr der Spekulation, sondern nur der
Erfahrung und dem Leben erscbliesslKir sein. „Ausdrück-
lich und ganz bestimmt durch das Niebtpbilosopbieren . . .

entsteht uns alle Realität '). Bei dieser Ansiebt hat es keinen
'

Sinn mehr, wie früher von einer „reellen philosophischen


Wissenschaft" zu reden, da jetzt das ..reelle Denken mit
dem ..gemeinen Denken" und nur mit ihm gleichgesetzt
wird). Die bewusste Abweisung jedes spekulativen Ein-
griffes in das Gebiet des materiellen Wissens konnte dabei
glänzend durchgeführt werden"). Die andere, nicht mit der

'. S. /. B. IV, 15, 92, 219.


3
) Ober diese Gleichsetzung vgL ob. S. 116.
») V, 343, vgl Kap. III.

*) V, 342.
6
) S. /.. B. Wendungen, wie „das gemeine und reelle Bewusstsein'
..d:is gemeine und allein reelle Denken", V, 340 1V. u. s. w.
••) Vgl. Kap. III.
III

Unmittelbarkeil «I« ^ Individuellen zusammenhängende, jetzt


itreng geschiedene Seite det RealitltibegHft besteht in dei
formalen lledeiiliin- <l< i I Jin^h.iftiekrit. «Irr Siihsl;inli;iht;il
In genauem Gegensalz zu dei nur Im Leben erfaaabaren
\\ ii Kiichu« ii erscheint nunmehr dai die Mannigfaltigkeit
fixierende und <!i<* Substanz erzeugende Denken aus-
drücklich alfl der erst durch It-n Philosophen künstlich «

Isolierte Iransscendentalc Abstraktionsbegrilf 1).


s h.it l.is! den Anschein. ;ds ob die l'nersel/lichkeit dei
I

Empirischen durch Begriffe das einzige Ziel geworden Ist,


dem in rein theoretischem heimeilt l'i< n s Untersuchung i i

jetzt zustrebt Da ist w nun von Wichtigkeit, einzusehen,


<l;iss nicht der hransscendentale Idealismus, wie
Im ii w ill. sondern allein die über dem Gegensatz
i i

von Idealismus und Dogmatismus sichende analy-


tische Logik der tiefste Grund dieses immer stärker
anschwellenden Empirismus sein kann. Hatte doch
Kwi lange vorder Erreichung des kritischen Standpunktes
bereits den Beweis unternommen, dasi vom Begriff nicht
auf Dasein geschlossen werden könne, die Kxisten/
d;is
nicht ein Merkmal, ein emanatistisch herausklaubbarer Teil
<l(s Begriffs sei. die Wirklichkeit \ ielmehr umgekehrt der

Bildung der Begriffe zu Grunde Hege 1). Diese in der analy-


tischen Logik tief angelegten Konsequenzen dringen jetzt
auch bei Fichte immer mehr durch. Man darf gradezu
Von dem Starken Hervortreten einer nom n;i st sehen i I i i

Grundrichtung reden Alle blosse Möglichkeit gründet


sich, so wird jetzt ;m zahlreichen stellen ausgeführt, „auf
die Abstraktion von der bekannten Wirklichkeit"*). Nur
dai unmittelbar Wahrgenommene, das Besondere oder
Individuelle, hat Anspruch auf den Titel der \\ irklieh-
keit nicht d;is Oberhaupt
. die Allgemeinbegrifle, Abstrak- ,

tionen 4) Deshalb stellt jetzt nicht mehr die Wirklichkeit.

208, 359 li. 366 fr. W(/L IV


i' Hebe Deweisgrand n einer Demonstration
fur «I ; <...ii.s •
1763.
) IV, 2iy. vgL 79: „Vermögen" nur ein »Produkt «los Denkens",
um daran, ..«in «in- endUcbe Vernunft nur dlskarah and vermittelnd
denken kann**, eine Wirklichkeit ..anknüpfen- n können.
b tloSOphiachcn Abstraktion zwar l.tssi sieh \m\ einem
Wollen Sberhaapt, dai eben darum unbestimmt ist, sprechen:
— 142 —
die aufgehört hat als determinierte Endlichkeit (vgl. ob.
S. 89) zu gelten, das Negative dar, sondern grade der Begriff,
und zwar als abstrakte Unwirklichkeit.
Pichte zuweilen geneigt, diesen im Grunde doch
ist
vorkritischen Empirismus, der höchstens ein Moment im
kritischen System bedeuten darf, für den eigentlichen Kern
der Transscendentalphilosophie zu halten. „Ich erkläre
heisst es im „Sonnenklaren
1

sonach hiermit öffentlich, *

Bericht", „dass es der innerste Geist und die Seele


meiner Philosophie sei: der Mensch hat überhaupt nichts,
denn die Erfahrung, und er kommt zu allem, wozu er kommt,
nur durch die Erfahrung, durch das Leben selbst. Alles sein
Denken, sei es ungebunden oder wissenschaftlich, gemein
oder transscendental, geht von der Erfahrung aus und be-
absichtigt hinwiederum Erfahrung* ). Wie er ausschliess-
1

lich gegen vorkritische Gegner sich wendet, so legt er auch


auf die Übereinstimmung mit einem gleichfalls nur vor-
kritischen Bundesgenossen, mit .Iacoiu, einen bergrossen ii

Wert. Auch dieser hatte j;i entscheidende Einflüsse grade


von Kants vorkritischer Leugnung der Begreiflichkeil des
„Daseins** erfahren 1). Mit besonderer Bücksicht auf ihn
(vgl. darüber Kap. III) suchte Pichte in seinen „Rück-
erinnerungen " (1799) seinen Empirismus in voller Schärfe
auszuprägen. „Die Philosophie, seihst vollendet, kann die
Empfindung nicht geben, noch ersetzen" 8). Damit nimmt
er das Ergebnis der /weiten Einleitung" wieder auf. Als
Kantianer im strengen Sinne Läss! er nichts für reell gelten,
„das sich nicht nnl'eine innere oder äussere Wahrnehmung
gründet*; nur durch die Wahrnehmung wird das, ..was
wirklich ist/ erfasst 4). Während in der ../weiten Ein-
alles wirkliche wahrnehmbare Wollen aber ist notwendig ein . .

bestimmtes Wollen, in welchem etwas gewollt wird." IV. 23, ebenso


V, 364 mit Berufung auf d. ..Sittenlehre- u. II, 264: „kann ich wollen,
ohne etwas zu wollen?- „Jede Empfindung ist eine bestimmte. Es
wird nie nur Mos gesehen oder gefühlt oder gehört, sondern immer
etwas Bestimmtes, die rote, grüne, hlaue Farbe u. s. w." II, 206.
„Esgiebl nichts Sichtbares oder Fühlbares überhaupt, weil es kein
Sehen oder Fühlen überhaupt giebt" II, 209/10.
*) II, 333, ähnlich 395.
-•) S. JACOB! \YW II, 189 II"., vgl. IV, 1. Abt., 72 und Kino FjSCHBB,
Gesch. d. n. Phil. IV, 234.
8 V, 343.
)

*) Ibid. 340, 360.


- 115 -
leittMg «Im -'.mptifif 1iiiil*i-ii noch «In- bescheidene Holle des
I

\dii <l*i l-.rkhmmi: übriggelassenen Iteslcs spielten, sind si«


jetzt «l« tlichc Mittelpunkt dn Philosophie geworden!
.In Ittr alle
rette, Ewigkeil gegebene Grundlage alles
Denkens, <lie wir um weiter entwickeln können, wn ile
isi 'i. der Bern aller Wahrheit, von dem ersl alle ändert
w .ihrheit. als lediglich vermittelte, ihre Berechtigung em-
pfangen muss, will sie nicht dem »Gebiete <ln Chimftren
und Hirngespinnste anheimfallen
Wir müssen uns jetzt aber auch darüber klar zu werden
suchen, warum diese Ynsehincl/un^ des \ Ol kr tischen mpi- i I

iismus mit der kritischen Philosophie in itreng prohlem-


geschichtlicher Hinsieht eine gani neue und dritte Stute
in der Entwicklung der Wissenschaftslehre hervorruft Ei
ist bereits bemerkt worden, dass der Umschwung von 1797
nur dasAbsl reiten des transsceiidental logischen Kinnnntisinus.
eine klarende hrenzberichtigung va Ischen Empirischem und
(

Rationalem, einen ei tten Schute der Irrationalität Oberhaupt,


mit sich gebracht hatte )ie Wahrheit, dass die empirische
I

Wirklichkeit auch für die Iransscendentalphilosophische


Spekulation als die feste Grundlage aller Begriffsbildung
anzusehen ist. wurde damit /war schon in der Tiefe be-
grftndet, aher noch nicht sozusagen an die Oberfläche her-
BngeZOgen, vielmehr noch dadurch verdeckt, dass der
Schwerpunkt des spekulativen Interesses ganz im Syste-
matischen Authau lao Sobald nun dieser Interessrn-
schwei [»unkt sich verschob, mussten die gleichsam
bundenen Kräfte der analytischen Logik frei werden
und deren innere Beziehungen ZU einem empi-
i istischen l'os i t i \ i s in u s sich enthüllen Zu einem
Posititfsmus, nicht nur /u einem Kmpirisnius' Denn für
den Leugner der emanatistischen Logik wird der von ih gi i

bekämpfte „Atomismus" auf rein logisch-theoretischem


Gebiet oder der »Realismus der Endlichkeit" zu einer unver-
meidliehen Kmisetpien/ Im giebt lur ihn keine gleichsam 1

über den Kopten der Kin/eldinue sich erhebemlen ftber-


einpuisi hen icbilde. keim siipra- und intrn-individuellcn
(

Zwischensubstanzen, keine metaphysischen Interpolations-


realit;iten Nur das unmittelbar Krlchbare und in seiner

>) Ibid. 252, vgl. II, 335.


— 144 -
vollen Bestimmtheit niemals zu einem Begriffssystem Zu-
sammenschliessbare existiert, und über ihm erheben sich
allein die Gebilde der Abstraktion. Diesen gegenüber
verhält sich aber die empirische Wirklichkeit nicht etwa
wie ein unvollkommener Abglanz oder blosser Ausfluss
niederen ontologischen Grades, sondern wie der gegebene
Ausgangspunkt, wie die einzige und unverrückbare Basis.
Bis zu einer so radikalen Erkenntnistheorie hat Ficii 1

sich besonders im „Sonnenklaren Bericht" hindurchgerungen.


Die empiristischen und nominalistischen Tendenzen gipfeln
hier in einem extremen Positivismus. Das Gebiet des
Materialen oder der Kmplindungen, die ursprügliche „Aus-
stattung", erscheint wie in den „Bückerinnerungen" als die
feste Grundlage aller Spekulation. Das ..wirkliche Beeile"
ist das, was du ..wirklich lebst und erlebst", die „die ab-
iliessenden Momente deines Lebens füllende" Begeben-
heit, das Sichvergessen und Versunkensein in hingebender
Anschauung. „Sonach wäre der gesuchte Grund deiner
Urteile über Wirklichkeit und X ich w rkl ich k ei ge- t i t

funden. Das Selbstvergessen wäre Charakter der


Wirklichkeit; und in jedem Zustande des Lebens wäre
der PokttS, in welchen du dich selbst hineinwirfst und
vergissest, und der Lokus der Wirklichkeit Eins und Eben-
dasselbe* 1)- Die Summe der wirklichen Empfindungen
bildet die „erste Polen/, des Bew usstseins, die „(irund-
bestimmtingen" oder das „Grundleben Das in dieser ".

Sphäre Liegende nennt man auch „Realität*, „Thatsache


des Bew usstseins" oder „Erfahrung* 1). Es giebl /war keine
tiansscendente Wirklichkeit, die das Wissen abzubilden
hätte, aber es giebt gegenüber den Bearbeitungsfunktionen
des Denkens, den Deduktionen der Wissenschaftslehre
ebensogut wie den Syllogismen der formalen Logik und
demonstrierenden Metaphysik, ihnen gegenüber giebt es:
„dein Einsenken des Bew ussstscins in seine niedrigste
Potenz." In ihm ist eine feste Grundmasse gegeben, an
deren Undurchdringlichkeil jede Erklärung abprallt, „der
eigentliche Fuss und die Wurzel alles anderen Lebens";
eine Grundlage, über der sich „in Bücksicht des Hinauf-
steigens" die freie Beilexion ins Unbegrenzte emporheben
i) II, 338, vgl. 335 ff., 343 f.

') Ibid. 344 f.


.
1

i l.ieher zugleich eine* dren/c.


1 1 an «In die Reflexion
Rücksicht des llinahsteigens
in heschrankt und I

langen ist
1
)

Au Stelle der Annahme eines metaphysischen Ober-


bauei über «im Binzeldingen ^ilt im diesen Poeithrismui
der Grundsatz, data nur diu der unmittelbaren Erfahrung
hingeworfene, begrifflich unverbundene und unberechen-
bare Material Anspruch auf den Charakter der Wirklich-
keit habe, und d.»ss darüber hinaus alles nicht unmittelbar
Erlebte nur ala mögliche Begebenheil dea eigenen Lebens,
;iN stattgefandener Wahrnehmungen, zurWirk-
Ergänzu ng
gerechnet werden könne, A)u aagal -'»nach durch
tichkeif
die Behauptung einer Begebenheil ausser deinem Leben
doch nur eine Hr^rhenhcit deines eigenen Lehens .ins. ein
mögliches l'orllhessen und (iefulllsein dieses Lehms
du supplierst und set/est hinein eine Keihe möglicher
Beobachtungen /wischen die Endpunkte zweier wirk-
2
lichen" ).

der hier \ertretene Healisinus grade mil


I);tss sieh
dem konsequenten Standpunkl der »idealistischen* bnma-
nen/ verbindet, darin besteh! wieder der Fortschritt Aber
Kwi hinaus Die Schwierigkeit, die durch das unhe
siim. Festhalten an dieser Fassung des Wirklichkeits-
charakters in dns System der Immanenz hineingetragen
wird, und die in ihm eine dein dogmatischen Dualismus
von Denken und Sein vergleichbare Kluft hervorzurufen
droht, wird mit grosser Schärfe erörtert. Wie sonst Ober-
all Verbinde! sich dabd mit der durch die historische
Stellung gegenüher dem Kantianisinus bedingten Ab-
lehnung der Tbilissi enden/ die gleichzeitige völlige Wür-
digung der Innerhalb des Idealismus sieh erneuernden
/w iespältigkdl /w Ischen |>nssi\cm Bewusstseinsmaterial
und aktiven Lrkenntnisinitteln. Auch die SOZUSSgen kom-
pakte, für das Wissen undurchdringliche Realität erweist
sah vor der idealistischen Besinnung /unachst ;ds ein
item von Bestimmungen eures Bewusstseins*, wenn
nur niis .ms der heschriehenen ersten Potenz, ein

i) n.Mi
ibid. 340—343.
— 146 —
T
durchgängig bestimmtes" ist ). l nd doch muss wiederum
1

auch der Idealist zugehen, dass der „zweiten Potenz", in


der wir uns als das Wissende in jenem Grundbewusstsein
ergreifen, noch in einem höheren Grade und in einem
anderen Sinne die Eigentümlichkeit des Bewusstseins zu-
zukommen scheint. „Es ist uns freilich sehr wohl bekannt,
dass, wenn ihr über jene Bestimmungen des Bewusstseins
wiederum urteilt, also ein Bewusstsein der zweiten Potenz
erzeugt, auch dieses nun in diesem Zusammenhange ganz
besonders als Bewusstsein, und als blosses Bewusstsein,
abgehoben vom Dinge, erscheint; und euch nun jene erste
Bestimmung, in Bücksicht auf dieses blosse Bewusstsein,
als blosses Ding erscheint" 2 ). Die unmittelbar erlebbaren
Objekte, die der Denkthätigkeit ein Material der Bearbeitung
liefern, sind mithin einerseits zwar Wirklichkeit, aber doch
immanente Wirklichkeit, und andrerseits zwar Bewusst-
sein, aber doch passives, gegebenes Bewusstsein.

Die Lehre von der produktiven Einbildungskraft, als


der Erzeugerin des besonderen Erkenntnisinhaltes, wird
damit ganz in den Hintergrund gedrängt. Die Irrationalität
des Individuellen wird nicht mehr wie früher durch die
Vernunftproduktivität, sondern grade durch die Passi-
vität charakterisiert. Umgekehrt gilt der Verstand, der
früher als „blosser Behälter des durch die Einbildungs-
kraft Hervorgebrachten", als ein ..ruhendes, unthätiges Ver-
mögen des Gemüts* angesehen wurde, jetzt grade als eine
)

Punktion spontanen Erzeugens 4). Das Merkmal des „Er*


zeugens" hat sich somit folgerichtig in die Region des reinen
Ich und der blossen Vernunftformen zurückgezogen, ebenso
wie ja auch der Philosoph nur den freien Akt hervor-
bringen kann, vermöge dessen er sich zur intellektuellen
Anschauung, zum Wissen des Wissens, emporschwingt 6).

') II, 400.


») Ibid. 401.
J I, 233.
*) 216fT.
II, Diese Umdrehung der Punktionen bedeutet den
Höliepunkt der Annäherung an Kam, auch in der äusseren Dar-
stellung s. bes. II, 216 ir.
6
) „Die Philosophie kann nur Fakta erklären, keineswegs selbst
welche hervorbringen, aussei- dass sie sieh selbst, als Thalsache. her-
vorbringt." V, 178.
117

Die geläufige Ansicht, dass Imuiii mnlnislchre


mir Spontaneität und Produktivität kennt, ist somit ;ils
gänzlich verfehlt /m m
l/\w\ eisen b<i Wo Ihm der Begriff

« i. luins in weitetet Ausdehnung vorkommt
i all bei
m
dennoefa nkht dem Kritidsmui
Kv\i widerspricht
Vielmehr hat Fichti
\on neuem bestätigen werden
m
tue beiden nächsten Kapitel
mit Abweisung aller-
dings des sinnlosen »urk t.ills in die bransscendente Realität,
i

in hohem drnde wie kaum ein anderer Philosoph


s<»

die Gegebenheit des individuellen Bewusstseins-


Inhalte! anerkannt und rieh /um Problem gemacht

II. KapiteL

Die erkenntnistheoretische Wertindividualität.

Eine noch weitere Steigerung dei »Empirismus' Ober


dai his jetzt hei Fichti nachgewiesene Mast Unaui icheint
/lieh ausseriialb des Bereichei hmnismndffintalpliilo
sophischer Möglichkeit Ell liegen. Allein hier erhebt sieh
die Frag?, oh denn der Uc^rimder <ler Transscendental-
phüOSOphie seihst his /.in denkbar höchsten Stute der
Anerkennung vorgedrungen ist. die in einem kritischen
System der individuellen empirischen Wirklichkeit zu teil
werden kann.
Xu ihrer Beantwortung mfisen wir uns noch einmal
11
.in dargestellten allgemeinen Eigen-
die in der »Einleitung
tümlichkeiten von Kants Wertungsmethode erinnern Dort
ergab sich uns. dass Kam /.war die unvermeidliche Ge-
bundenheit der abstrakten Werte, also Insbesondere auch
der Erkenntniswerte, an empirisches Material und die Selh-
itindigkeil oder logische UnaMettbarkeM des Individuellen
enntnisfokton sich mit höchster Klarheit /um Bewusst-
sein gebracht hatte, dass aber aus der Krkenntnis <li
l nenthehrlichk« it tur ihn durchaus nicht eine selbständige
Wertschätzung des Aposteriorischen zu folgen brauchte
- S Bf) Di« noch m
starke Betonung der Irrationalität
ZufUUgkeil des Individuellen «die unser erster Teil
gehend nachgewiesen hat), dar! also nicht ohne weiteres
— 148 —
einer erkenntnistheoretischen Wertung gleichgesetzt werden.
Vielmehr erscheint das „Materiale" der Empfindung dabei
immer noch lediglich als der gleichgiltige Verwirklichungs-
u
fall kategorialer Formen,. als der .,hlos
faktische, empirisch
beschränkte Schauplatz zeitloser Werte, und es darf seiner
Einmaligkeit oder Individualität in rein theoretischer Hin-
sicht kein Eigenwert beigelegt werden Trotz alles Empiris-
mus und aller Anerkennung der Irrationalität bleibt Kants
Lehre erkenntnistheoretischer Wertungsuniversa-
lismus.
Dieser Standpunkt muss ja auch unvermeidlich das
Bndergebnis jeder Erkenntnistheorie sein, die sich wie
die Lehre Kants von vornherein ausschliesslich die Er-
gründung der formalen und rationalen Erkenntniswerte
zum Ziel setzt 1
Denn dann kann das Individuelle, mag
).

es im Übrigen noch so stark berücksichtigt weiden, immer


nur eine negative Bewertung erfahren, als Unreines,
Schranke, Irrationalität u. s. w gefassl werden*).
. Eine
Änderung kann darin erst dann erfolgen, wenn neben
dieser einen Fragestellung neue, von der aprioristischen
Tendenz unabhängige Ansätze erkenntnistheoretischer For-
schungauftreten, die vom Individuellen ausgehen und es
dadurch einer positiven Bewertung zu unterziehen im
Stande sind. Durch irgend ein Interesse erkenntnistheoreti-
scher Besinnung muss also das Individuelle ans der Stellung
eines bescheidenen Grenzbegriffs in das Centrum kritischer
Wertbeleuchtung gerückt werden. Das Originelle eines
solchen Standpunktes würde dann darin bestehen, dass der
einzelne Inhalt nicht nur als konkrete Realisation eines
Abstrakten, sondern ausdrücklich in seiner Einmaligkeit
und als Besonderheit einen Krken n n iswcrl erhält, und
t

wir würden somit bei dieser Anschauungsweise die Aner-


kennung einer rein erkenntnistheoretischen ..Wert-
individualität" (s. ob. S. 11) antreffen müssen.
Nun ist es zwar leicht verständlich, dass in der methodo-
logischen Besinnung auf die Struktur dn empirischen Einzel-
wissenschaften die Aufdeckung einer Wertindividualität von

n VgL Riehl, Philosophischer Kriticismus, 1, 12 f., II. 1. Abt., 17 11".

Noch weiter gehl der emanatistisch-metaphysische Universa-


*)

lismus, der diese Bedeutungslosigkeit des Individuellen zu einer


ontologischen Negativität steigert, s. ob. S. 89.
- 14!» -
hui w ins« iis. h.ifiiirhn Bedeutung gelingt aber keineswegs
«l;iss d;is (ilciche in «In allgemeinen Theorie des kennen*
I r

selbst geschieht enwärtigen wir «ms nämlich die


Vei i

\iiii ihrei KomprAdikabiliUH unabtrenoliche Disparatheil


der beiden früher einend nübergeeteUten Wertnii
methoden (vgl <>h S 12), m
erkennen artr, dass durch *i«*n
Gedenken der erkenntnistheoreiischen WertindividnaliUM
dem rransscendentalpliiloaopben ragemutd wird, bd der
Bewertung eines individuellen jede Reflexion auf ein Aber
des unmittelbar Gegebene hinausweJsendes Formales ans-*
drflcklich auszuschalten (s. s. in Dieser Konaequem >

dürfen wir ans auf keinem Wertunjpgebiet, also auch nicht


auf «lern <lcr theoretischen Philosophie, entziehen Nun
^ilt aber grade Mit Kani eine notwendige und allgemein-

gil«tige Wertung; die sich gleichzeitig auf einen individuellen


und in sich geschlossenen Inhalt richtet, ab Kennzeichen
nicht der theoretischen, sondern der Ästhetischen \
nuntt Eine unmittelbare Wertung des [ndh iduellen wurde
darum stets nicht als Sache des erkennenden, sondern nur
des Ästhetischen Verhaltens betrachtet; und daraus folgte
bis in die Gegenwart die so Elbe Verschlingung des I

dankens der \\'ertindi\ idualitat mit der Eigenart tfrade


und ausschliesslich des ästhet isehen Anschnuens AK |

in dieser WertungMurt galt bekanntlich daa Gefühl*,


und nur in der Theorie des apriorischen Gefühls durch-
brach deshalb auch l\\\i seihst sein sonst überall ange-
wandtes abstraktes Wertungsschema mit der Lehre, dasi
die Objekte des ästhetischen (iesehmacks" nicht durch
ihre Übereinstimmung mit einem „Begriff*, londeru in
ihrer unmittelbaren Anschaulichkeit Gegenstände eines all-
gemeingiltigen Wohlgefallena seien (vgl, ob. s. 12, Anno i

enthüllten sieh bei K^ N auf das Deutlichste die auch '

snnst in der Geschichte der Philosophie beobachtbaren

') Ki beginnt der Wahn in schwinden, «lass <i:»s in<ü


st |
( t/i

TidaeUc diu Isnd der Kunst und nlemsli Ziel eloei rein
w issiusfhaftl rkenaeai Min dürfe Dieser Uanchwaiig
i

\«»ll/i«ht lieb in Ein ki iit's Untersuchungen über «tu- Methode «I«


M-hii-hiswissmsi stalten; hier wird In bemustern
reiten Ptstonlsmnf odtr UnivenaUssrai des¥ s n.

Um. 1) das in islnsi BtamsUgkeH aad RlnsifjieH sal infemein-


giltige Werte bezogene Individuelle als wissenschaftlicher Be-
triff <i«s fincfihihUhtmi festgestellt
— 150 —
inneren Beziehungen des „Gefühls* zur Wertindi-
vidualität.
Wo darum auch auf theoretischem Gebiet
die Wert-
werden sollte, da musste bezeich-
individualität heimisch
nender Weise sogar das Erkennen unter den Gesichtspunkt
gefühlsmässiger Erfassung des Wahrheitsgehalts gebracht
werden; neben das ästhetische, moralische und religiöse
musste das theoretische Gefühl treten und eine erkenntnis-
theoretischeGefühlsphilosop hie sieh ausbilden. Auch
Fichtes erkenntnistbeoretischen Individualismus werden
wir deshalb mit einer Annäherung an die sogenannte
Glaubensphilosophie verknüpft sehen.
Allein weder bei den Glaubensphilosophen noch bei
Fichte tritt die theoretische Wertindividualität in
scharfer Ausprägung auf, sondern es schieben sich der
Feststellung des theoretischen Wertes zum Teil tnoral- und
religionsphilosophische Betrachtungen unter. Zum Ver-
ständnis der gefühlsphilosophischen Strömungen inner-
halb der Wissenschaftslehre müssen wir deshalb jetzt diesen
Zusammenhang mit der Moralphilosophie kurz andeuten.
Wie bereits in der Einleitung (S. 19f.) bemerkt worden
ist, hat Pichte die Einsicht in die UnaMeit barkeit und
Selbständigkeit des materialen Paktors von der theoretischen
Transscendentalphilosopbie ausdrücklich auf die Sittenlehre
übertragen und infolgedessen die Forderung aufgestellt,
dass man, um einer „formalen und leeren Metaphysik der
Sitten zu entgehen, das Pormalprincip „handle nach deinem
Gewissen ergänzen solle durch das Materialprineip: handle
nach deiner individuellen Bestimmung 1). Nun geht aller-
dings an sich diese Gegenüberstellung von formaler Pflicht-
inässigkeit und konkretem Pflichtinhalt durchaus noch nicht
über den Rahmen der abstrakten Kantisciien Wertungs-
methode hinaus. Allein wenn wir jetzt das Ineinander-
greifen des praktischen und des theoretischen Problems
der „Gegebenheit" verfolgen, wird sich uns etwas principiell
Neues in Fichtks Spekulation, ein grundsätzliches Ab-
weichen von den Bahnen Kantischer Wertungsart heraus-
stellen.
Fichtes ethisch- teleologische Aulfassung, deren An-

. S. bes. IV, 76, 166, vgl. 131, 147 f., V, 209, 362, 364.
— 16t -
fänn« rieh |i bereits bai Kam vorfinden, gebietet ihm. In
«In l'ncrklnrlmrkeil des Empirischen «In- Stelle EU er-
blicken, an dei «In- praktische Betrachtung einzusetzen hal
I
lehrt demnach, dsfltodie theoretisch unoegreii HcheEinzei-
i

hcit der uns umgebenden Welt fttr uns «Im- praktische Be-
deutung" gewinnt', dass sieh in ihr unsere indhriduelle
Pfltchfl offenbare Die empirische Wirklichkeit erweis! lieh
somit .iK »die fortwährende Deutung des Pflichtgebots, der
lebendige Ausdruck dessen was dn sollst, da du Ja sollst
, .

als «las»versinnlichte Materiaie unserer Pflicht" 1). In das


unmittelbare Erfahren der individuellen sinnlichen Aussen-
weit w
erden dk Aberempirischen Werte unserer höheren
Bestimmung hineingedeutet, und diese teleologische
Anschauung erzeugt in ihrer Verbindung mit dem
starken Empirismus dieser Epoche die Möglichkeit
einer er ke u u u sl h CO e m h e n W 'erl nd v id na
t i i t i a i i I i t I

Dabei darf aber wohlgemerkt die in dn theoretischen


und praktischen Philosophie jetzt gleich starke Hervor-
kehrung der Unableitbarkeit des Konkreten nur als eine
conditio sine quanon Rkr den eigentlichen Individualis-
mus des Werten* betrachte! werden Das, worauf
für unser Problem ankommt, findet dagegen seinen eigent-
lichen Grund erst darin. daSS das Anschauliche des indi-
viduellen Eindrucks Dicht mehr, wie es bei Kani stets der
Kall war, lediglich als ein seiner individuellen Eigenart
nach unwesentlicher r&ger eines Abstrakten allgemein-
l

giltige Werte irgendwie blos an sieh aufweisen, londern


dass es ik als abgeschlossene Individualität und um der
Iünmaligkeit und Unvergleichlichkeit seines Inhaltes willen
in sich seihst verkörpern soll Und so sehr ferner auch
eins solche Auffassnngsart als mit praktischem Gehalt
durchtränkt erseheint, es soll schliesslich dennoch ein rein
theoretisches Verhalten daraus all Endresultat gefolf
weiden Denn wie sich hei Fiuim im Allgemeinen die
Lehre- vom Primat der praktischen Vernunft dahin /u-
spit/t. dass auch hinter der Anerkennung der logischen

men das Gewissen steh! so meint er jet/t sogar, d;iss


.

S I 490.
Materials* nicbl mnmIsiu aus-
einfach „Material",
drftcklkfa den («cgenaatz zum JPormsl rgL 211. atet, v. imi .

*) s darüber \u< ki rt, Pichtet ^ktheisaUMBtrstl und die Kaatferhc

Philosophie BMSikulartutmihtunu; hos. 5—18.


— 152 -
in jedem einzelnen empirischen Wahrnehmungs- und Er-
kenntnisakt unbeschadet seiner rein theoretischen Funktion
ein praktischer Gefühlskern stecke. Seine Erkenntnis-
theorie erhält dadurch ihr individualistisches (nicht nur
empiristisches) Gepräge, und sein Empirismus, für dessen
Aufrechterhaltung gleichsam die ganze Wucht der prak-
tischen Philosophie mit in die Wagschale fällt, nimmt einen
supranaturalen Charakter an. Wir erleben durch dieses
Einströmen praktischer Elemente die Ansätze zu einer
neuen und eigentümlichen Umbildung des Erfahrungs-
begriffs. Das rein Faktische oder Individuelle erfährt
eine ungeheure Bereicherung, es enthält in seiner Indi-
vidualität und durch sie zugleich die Verwirklichung über-
sinnlicher Bedeutungen. Ein Überwiegen der receptiven
Erkenntniselemente tritt dadurch in viel höherem Grade
ein, als es allein durch die Reflexion auf den transsccndcn-
talen Zufallsbegriff je möglich gewesen wäre. Denn das
Individuelle wird dabei nicht nur —
wie schon bei Kant —
uls der unumgängliche Verwirklichungsschauplatz, sondern
in seiner einzigartigen Individualität als der eigentliche
und letzte Grund des überempirischen Erkenntniswertes
betrachtet.
Indem so die konkrete Wahrnehmungsthätigkeit und
die unmittelbare GefÜhlsäUS8erung immer mehr zu dem
allein Gewissheit Gewährenden, zu dem Angelpunkt aller
Erkenntnis gemacht werden soll, gelangt PiCHTE, in sach-
licher Hinsicht wie nach seiner eigenen persönlichen Em-
pfindung, allmählich zu einer Annäherung an Jacobi und
den ganzen Gedankenkreis der Glaubensphilosophie. Er
erkennt Jacobi nicht nur ;ds Hundesgenossen im Kamplr
gegen die demonstrierende Metaphysik an 1), sondern folgt
mich, wie noch genauer ZU zeigen sein wird, im Einzelnen
den Argumentationen seiner Schriften. So bedient er sich
jetzt vorwiegend der JACOBISCHEN Unterscheidung von un-
mittelbarer und mittelbarer Gewissheit (vgl. Kapitel III)
und wählt für seinen supranaturalen ErfahrungsbegrifT mit
Vorliebe die Bezeichnungen, die in der Glaubensphilosophie
vorherrschend waren. Insbesondere hat er in jener ent-

') Vgl. Leb. II, 167, 278, Werke I, 483, 508, V, 232, 3431'.; II, 334,
VIII, 32; dazu Kino Fischer, Gesch. d. n. Phil. VI, 120 f., 551.
- 158 -
ftcbetdenden Ausfthrunft in der gezeigt wird, wie dai
wusetsein uns.i.i materialen Pflicht si<l> In den Glauben
in <lic ReeHtil der Sinnenweif verwandelt, «*in Stichwori
der Glanbensphiloeopfik Offenbarung ausdrücklich be-
I
»

sLiiiLii Und .iiH h sonsi merkt man an zahlreichen Stellen


stiiicm Gebrauche der Ausdrucke Glaube und »Offen-
kirim«,»" den benbsirhtitftrn Hinweis .ml die Lehn- dei I

Rlhlaphiloeophen deutlich an 1), We unverkennbare rech-


liche 'hcrcinslimmimi» mit IaCOM lu'^t ;iher ihirin, «lass
l

jetzt praktische Moment nicht nur in der Gestalt eines


eins
durch abstrakte Analyse heraualösbaren Pakton auftreten,
souderu dasi dai unmittelbare Gefühl, im einzelnen Fall
und ;iK m sich ruhendes Um/es betrachtet, all Krkrimtnis-
quelle gelten soll

Am
deutlichsten reigl sieh dieser .supranaturale Sen-
simlisinus und Kmpirismus in der Durchführung des
Pinrallelismui ?op sinnlicher und ttbersinnlicher Erfahrung.
Ohne weiteren Zusati
jetzt die Termini .Em-
werden
pfindung" und gebraucht, um mit ihnen
»Wahrnehmung"
d.is Vernehmen des übersinnlichen, d;is Empfangen des
Intelli^ihlen /u bezeichnen. Sinnliche und intellektuelle
Anschauung", äusserer" und .innerer Sinn", sinnliches und
intellektuelles „(ieluhl" werden «jenau wie hei Kam AHM und
U( obi als unmittelbare Erkenntnis nebeneinander- und
aller lediglich vermittelten Gewissheil gegenübergestellt*).

n VgL betonden mit <i*- n SlcUen V, 182, 185 Iagosu Briefe »Aber
die Lehre 1« m Spin.»/ ;r \ W \Y IV. 1. Abi. 223.
« Den Ausführungen
dieser Schrift hat I'hhii sieh aurh In anderen Punkten sehr genau
schlössen, vgl. unt. Kap. III. Die Verwertung dei Hi mm um
..briuf- erfolgte Snrigeni bei Jacob durch die Anregung Ramamxs,
wie aus nun Vergieiclmng des Briefwechsels beider Männer mit «lei
Schrift Jacobü Aber Spinös* eotnommen werden kann ins I

von Jacosu Terminal jQsuben" \-i Hkimhuds Brief


i

i • b ii. 2\\ u JSendscfareihes n


.it.. Lavater und J. (• Pichte" tut.
Ulf fälligsten bat lnnn: seiner Annäherung an JaCOH im dritten.
unebenen liiit b der Hestiinmung des Menschen**
kaedrucl ben, vgl dnrttber n iinm, Lei». I. 172. Anm.
i

II, 2.V> ein wortliches Chat aus JaCOBI W\Y 1\. 1. Abt.
•) S. bes. II, 263. 301 f.
1
Warn» MW», Gest b & Phil. 469.
• V. 260, 268, 343, 347, 355 f., 360; der Parallel. sinus dee s.nnliehen
und übersinnliehen (.cfuhls bei !\<<»m / H. \Y\Y II. 59 f. l>
Lfttk Ficht« M«*li«snat und dte ÜMckichtr. U
— 154 -
Dabei wird diesem intelligiblen Empirismus derselbe Irans-
seendentale Ort angewiesen, wie dem danebenhergehenden
gewöhnlichen. Es besteht ein genauer Parallelismus in der
Gewinnung des Substanzbegriffes aus den sinnlichen und
aus den übersinnlichen unmittelbaren Erlebnissen; ob sich
aus Wärme- und Kälteempfindungen das feste Denkgebilde
einer substantiellen, „ausser uns vorhandenen Wärme oder
Kälte" verdichtet, oder ob aus intelligiblen Erlebnissen sich
der Hegriff einer substantiellen Gottheit niederschlägt ): 1

immer sind es auf der einen Seite unmittelbare „Akte ,

„Hegebenheiten", auf der andern Seile ein mittelbares, „an


sich nicht notwendiges, nicht konkretes, sondern abstraktes
Denken 2 Das Verhältnis von ..Hegriff" und ..Anschauung",
).

(Ins fÜT diesen ganzen Zeitabschnitt charakteristisch ist. be-


währt sieh so auch in der Lehre vom intelligiblen Gefühl*).
Dieser intelligible Empirismus, d. h. die starke Wert-
betonung des Empirischen als Empirischen oder in seiner
principiell unsystematisierbaren Unmittelbarkeit bedeute!
in rein erkenntnistheoretischer Hinsicht den weitesten, von
FlCHTE jemals erreichten Abstand von der ursprünglichen
Verabsolutierung der abstrakten Vernunftform.
Die wichtige Holle, die jetzt dem „Gefühl" zugeschrieben
wird, erscheint um so auffallender, als sie damals gradezu
eine Stellungnahme in dem Streit zwischen JaCOBI und
Mendelssohn bedeutete 4) und weil sie sieh ferner gegen
Fichtes frühere wie gegen seine späteren Ansichten schart'
abhebt. In der ganz auf den Begriff der Spontaneität auf-
gebauten Wissenschaftslehre von 17 .)i 5 ), ebenso wie in dem
(

sualismus stammt gleichfalls von Hamann, vgl. /.. B. Jacobi \v\V I, 385,
387 mit IV, 1. Abt.. 234 fl.

i) tr. Physisches und Psychisches werden hier-


v, 208, 214, 263
bei vomtransscendentalen Gesichtsptmkl aus wieder völlig gleich-
massig behandelt; auch die „Seele" gehört zur Sinnlichkeit, als ein
„zwar nicht im Haumc, aber doch in der Zeit Ausgedehntes" (264).
«) Vgl. ibid. 366 tr.

») Ibid. 208.
4
Mit ausdrücklichem Hinweis darauf /. B. ibid. 344; vgL auch
>

die Polemik gegen Eberhard, 351 IV., der Pichte wegen seiner „mysti-
schen Gefühlstheologie" in zwei Schriften angegriffen hatte.
•i Mit Hecht spricht Volkmann, Lehrbuch der Psychologie, S. Aufl.,

II, 307 vom „schärfsten Gegensätze zu JaCOBT grade in der Leine


IV,

sp.iirini Rationalismus dei metaphysischen Epoche konnte


.l.is (iriuhi Min eine untergeordnete Stelle einnehmt i

Allerdings auch in clor /eil <l<


i^l Vuiinhcriing an
m
i
\i\

U.oiii Obereinstfamnung nicht vollständig gewesen, da


du Passive der mystischen Stimmung sich nie gsna be-
digend mit demPoetulal absoluter Selbstthfttigkeit
einigen Hess und sich so bereits damals jenes ipüer
t,
in
immer neuen Formen wiederkehrende Ringen zwischen
dem Titanismus des Willens und der religiösen Sehnsucht
nach einem Zustande in sich vollendeter Seligkeit vor-
bereitete Jedenfalls stösst Fichti in dieser /»it Aberall,
in der theoretischen wie in der praktischen Philosophie.
auf «Ins Problem der Passi \ itftt
Es w Are lomit allerdingi «ine irreführende Übertreibung,
die \ielen iemeiiisninUeiteii /wischen PlCHTl
( und der
Crlaubensphilosophie in eine völlige Gleichsetzung beider
umzudeuten Denn auch in rein problemgeschichtliclier
Hinsicht besteht der schwerwiegende Unterschied, dass die
rflndung eines abstrakten Erkenntnis* ertes bei derechten
(leluhlsphilosophie von vornherein und mit ursprünglicher
Blindheit abgelehnt, nach Fichti d neben der andern
Wertungsart nls mit ihr verträglich und nls gleichfalls
berechtigt immerhin noch geduldet werden muss Aber
trotzdem darf auch andrerseits nicht übersehen werden,
dass, soweit FlCHTl sieh wirklieh in jenem glaubens-
philosophischen Gedankenkreise bewegt, völlig neue, ihrer
sehen Struktur nach andersartige Bestandteile dem bis-
herigen System sich angliedern. Bs wird dadurch eine
Betrachtung wonnen, die nicht wie die Wissenschafts-
lehre von 17 .M den Unterschied von Form und Inhalt des
(

Ei kennt ns verwischt, auch nicht wie Hegels Emanatismus


ihn verwirft, sondern neben dem unerkannten Dualismus
noch einen Standpunkt über ihm für möglich Uttt Also
nicht das im uns widerspruchsvolle Gebilde eines
intuitiven Verstandes, sondern neben dem dis-

voss GefUkL Aasllaga an Jacosi itterdiasji schon 1794. s. R


VI. 381, 551 l

S l>- I Vit 90211 IV, 193 ff.

Deshalb gelegentlich auch eine li*-fi iü»- Zurückweisung \«m


Aiisirliten J\« OB] B I..-I» II I7S K
— 156 —
kursiven Verstand das intuitive Erkenntnisgefühl!
Nicht grade eine Verdrängung der kritischen Betrachtungs-
weise, sondern nur eine Vermehrung der transscendentalen
Erkenntnisorgane! Dass durch Einführung dieses „genialen"
Erkennens, wie man es nach dem Vorhilde der „genialen
Moral" nennen könnte ), ganz neue Ansätze der Spekulation
1

beginnen, hat Fichte selbst deutlich gesehen 2 ). Zwar stellt


der durch sie geschaffene Gedanke einer intelligiblen Indivi-
dualität das Wertproblem nicht in seiner völligen Reinheil
dar, weil in die Wertimg des Einzelnen um seiner seihst
willen eben zugleich die metaphysische Vorstellung eines
übersinnlichen Grundes der Erscheinung mit hineinspielt 3 );
aber nichtsdestoweniger zeugt diese Vorstellung auch noch
in ihrer metaphysischen Einkleidung von der starken Be-
achtung, die nunmehr dem Individuellen geschenkt wird.
Dass die philosophische Forschung sieh mit einer grund-
sätzlich neuen Art des Wertens vertraut gemacht hat, zeigt
sieh überdies noch an andern typischen Merkmalen. Die
tiefangelegte Tendenz nämlich, das in seiner einmaligen
Individualität bewertete Einzelne nicht nur als isolierte
Erscheinung ZU verstehen, sondern es in eine Welttotalität
einzugliedern (vgl. S. 13 ff.), bewahrheite! sieh jetzt sofort
auch an Pichte. Nach seiner Religionsphilosophie steht die
wertvolle Kinzelgestall mitten in einein umfassenden Wert-
zusammenhang: als „bestimmte Stelle in der moralischen
Ordnung der I)inge u als ein Resultat seiner „Lage in der
,

gesamten Vemunftwelt*. Diese ihre (ilieder umspannende


(iesamtindividualität wird nun wiederum bald nur als Wcrt-
1
grösse gefasst, als ..Ordnung *, mit ausdrücklicher positivisti-
scher Beschränkung des Seinsbegrifis auf das Empirische 4),
bald zugleich als metaphysische Realität 6).
So gelangt FlCHTES theoretische Spekulation vom trans-
scendentallogischen Kinanatismus durch den kritischen Anti-
rationalismus und Positivismus hindurch schliesslich zu dem
eigentümlichen erkenntnistheoretischen Standpunkt
einer positiven Wertung des Individuellen.

»)Als solches wird es von Kant bekämpft, WW VI, 465 ft".

) VgL den Schluss des nächsten Kapitels.


•') S. z. H. V, 210, 268, II, 301 f.

*) S. bes. V, 260 f.

>) S. bes. V, 185, 188, 211, 365, II, 283, 29811., 309 f.
III Kapitel

Philosophie und Leben.


\\i. dir .m.il\ hs( hr Methode «In Wisscnschnftslehrc
.im bestimmte Fassung des Irratfonalititsproblems rorderte
ÜMchnitt), so wird umgekehrt die iteigende Betonung
l

des Individuellen und Konkreten (3 Abschnitt, Kapitel l

u II» eine noch weitere KUrung und vielleicht sogar Um-


bildung der Irans* adentalen Theorie zur Folge haben
(

müssen In der Thal heoh;iehteten wir Ja hcreils in der


noinin.ilistischen I enden/ (S. IM) und in dem Zurück-
1

treten des Produktivit&tscharakten (S


eine Fort- 1 ~> IT. >

setzung jenes Lftuterungsprazesses, durch den die Ober-


Individuelle Vernunft von ihrer früheren met«iph\ Nischen
Ausgestaltung Immer mehr nur Bedeutung der abstrakten
und unlebendigen Wissensfonn Überging. Wir können jetzt
aber noch einen Schritt weitergeben und den Sab aufstellen,
cIjiss mit der svnchsenden empiristischen Tendenz ein Höhe-

punkt der gesamten kritischen Weltanschauung


in
worden Ist Denn in dieser jede ll\ post.isienm«;
ich!
zeitlos, Erkenntniswerte verbietenden immanenten Philo-
i

sophie des unmittelbar Gegebenen ist das Setzen des Nicht-


Ich im Ich zu gänzlicher UnlebendigkeH herabgesunken,
und der »Idealismus" darf hier nicht, wie er immer wieder
/uerst \<>n SCHELUNG umgedeutet wurde. ;ils Kin-—
Rkhrnng eines idealistischen Weltprincips, sondern nur als
blosser Standpunkt einer kritischen Reflexion verstanden
den.
Nichts erscheint indenreligionsphilosophischenSchriften
der lahre I7 .i«x ihoo anfflUliger als diese klare Heraus-
(

srbeitung eines blossen •Transscendentalismus" *). Trans-


si endenhdphilosophie soll lediglich Theorie Nein. ..He-
schreibung und Darstellung des »natürlichen Be* nsstseii
das sie in seinem »wahrhaft menschlichen, darum not-
wendigen und unvertügbaran Bestand" einfach anzuerkennen
hat 3 Objekt der bransscendentalen Betrachtung ist das
»


Lehen*-, und ihr oberster drunds.it/ die Trennung, der
gensaU \iin Philosophie und Lehen Die Theorie

, I..-I» ||. 333


». V. 339, 340 f., 342, 34511
- 158 -
muss über das Leben, um es als Objekt vor sieh hin-
stets
stellen zu können, hinausgehen und kann mit ihm nie in
Streit geraten, da sie sieh „in einer andern Welt", „auf
einem ganz andern Felde" bewegt 1).
Auch hiermüssen wir wieder auf eine grosse Entwick-
lungstendenz in FtCHTES Philosophie aufmerksam werden:
innerhall) einer gewissen Hetraehtungsw eise weiden Lehen
und Spekulation zu Korrelalerscheinungen: je voller und
unmittelbarer die mächtige Wirklichkeit und das
Leben emporsteigt, desto machtloser, desto blasser
und im lebendiger tritt ihm die Spekulation entgegen.
Dieser Prozess wird in hohem Grade noch verstärkt, wenn
die Sphäre des Lebens nicht nur eine dem abstrakten Denken
undurchdringliche konkrete Masse darstellt, sondern sieh
infolge dvv beginnenden Anerkennung von Wertindividuali-
täten zugleich immer mehr mit Wertgehalt erfüllt. Nicht
allein die Kluft der Irrationalität wird dann das Trennende
zwischen Leben und Philosophie sein, sondern es kommt
noch der viel eindrucksvollere Abstand zwischen lebendigem
Wert und kalter, gleichgültiger Reflexion hinzu. Dadurch,
dass das Leben jetzt als in sich «abgeschlossene, völlig un-
antastbare und unerreichbare Wertindividualitäl oder Wert-
wirklichkeil der Philosophie gegenübersteht, muss die
denkbar stärkste Auseinanderreissung beider, die abstrakteste
Entleerung und Verarmung der Philosophie erfolgen, Es
gebort zu den auffälligsten Veränderungen in der Entwick-
lungsgeschichte Fichtes, dass derselbe Denker, der früher
wie kein anderer die Philosophie als Sache des ganzen
Menschen behandelte und nul" den Charakter, auf eine prak-
tische Notwendigkeit gründen wollte, jetzt umgekehrt mit
last fanatischer Einseitigkeit die Unabhängigkeit der Wissen-

schaftslehre von jedem praktischen Interesse hervorhebt


und erklärt: „Philosophie auf Denkart und Gesinnung be-
zogen, ist mir absolut nichts-)." Ks ist in höchstem Grade
erstaunlich,dass dieser schroffe, unüberbrückbare Gegen-
satz von FlCHTES trüberer und seiner jetzigen Ansicht über
die Bedeutung der Wissenschaftslehre in den meisten Dar-
stellungen unberücksichtigt geblieben ist. Was früher in

») V, 342, 347, 3671., Leb. I, 179.


-> Leb. II, 250, ebenso 248 ff., 253 1".
I.V.»

I. i
Wlseenschaftslehre sdhsi in nngeschiedener Einheit ent-
halten sein sollte, tritt jrl/l ;ils I »hl I« isuphic" 1111(1 Lehm
ms« in.iii.i.i wird die lebendige Wirklichkeit froher
h.iin i

hlosM- Schranke des innen Ich. /um Inbegrifl aller kon-


kreten Werte, die Philosophie hingegen /u einer lediglich
reflektierenden Spekulation Aber Werte, der die gkeifl I II

fehlt, selbst Werte zu begründen Sie ist Erkenntnistheoi


Moraltheorie, Religionstheorie 1), aber Immer mir theoreti-
sche Registrierung nnd Charakterisierung, »Wissensldu
nicht »Weisheitsschule", nur Mittel, das Leben »er- m
kennen", niehl es zu „bilden" 2 Dieses Verfahren des „ab- ).

itrahierenden Denkens also der Analyse <les unmittelbar


.

Vorgefundenen, soll ausdrücklich auch auf die Untersuchung


(Ut religiösen Lebenswerte ausgedehnt werden \ und P* im
entwirrt jetzfl den gross er ligen Plan eines aber die Wert-
gebiete sieh erstreckenden Systems rein durch Analyse und
»Abstraktion 1 gebildeter kransscendentaler Begriffe, die ledig-
lieh die Aufljgabe haben, der Well des Wirklichen den brans-
seendentalen .Ort" nnzuw eisen *).

Die Beschränkung der Transscendentalphilosophie auf


die theoretische Punktion wird jetzt in dem M
rein
auf die Spitze getrieben, dasa die schon durch gemeinsame
Anerkennung der WertindividualitiM sachlich gerechtferl
Annäherung an JACOB! wiederum deutlich hervortritt
'\«^l ob. S 182 Das Leben sei durchaus für das Höchste
t

/u halten, nicht die Spekulation; nur was -ms dem Lehen


hervorgeht, wirkt auf das Leben zurück und mit Bast >.

wörtlicher Anlehnung an Jacobi heissl es, dasa man sich


ise und sondern lebt"*). Wie
«jut nicht \ -ernüuHelt.
Jacobi es ausgesprochen hatte, dasa die Spekulation nicht
/um dotteshew usslsem fuhren könne, SO meint mich Pa u 1

der Philosoph hat gar keinen Gott und kann keinen haben . .

»t i
dei religiösen Sinnes" v. 345, v^. die nächste Anm.
I V. 339 f.. 344 f. 349 f. i.iiiii rTheOfl ic <li'i l.ftM-nsNvrishoil-», 309 f.

«i 385 IT.. 394 f., vgl. dazu besonder» Ri< rhtos Athcismas-
sh.it 29 IT.
»> V. 351 f., 369 T.

•) II, 332, vgl. 398; dnzu «Ins damall \ iHbrKprochriw» — *. WW


|\. | Abt.. 163 Wort Jacohis \\ \\ 1\. t Aht 232.
.
— 160 —
Gott und Religion giebt es nur im Leben" l). Dadurch, dass
alle Wahrheit und aller Wert von der Philosophie in die
Sphäre des Lebens allmählich übergeht, droht die Wissen-
schaftslehre zu einem Schattenbilde ihrer früheren
Bedeutung herabzusinken. Die Theorie ist blosse Em-
pfänglichkeit für das allein Schöpferische und Lebendige,
2
ist „tot an ihr selber" ). Ausdrücklich Jacobi gegenüber
wird in einem unvollendet gebliebenen Schreiben diese
bescheidene Rolle der Spekulation, dass sie „nur das Zu-
sehen hat, „überall zuletzt kommt", zugestanden 3 ), wobei
14

ZU beachten ist, dass noch im Jahre 1812 für PlGHTE grade in


dem Merkmal des blossen „Zusehens" die Eigentümlichkeit
von Jacobis Auffassung der Philosophie zu bestehen schien M.
Auch im Übrigen findet die sachliche Übereinstimmung mit
der Glaubensphilosophie ihren Ausdruck in der Ähnlich-
keit der Gleichnisse, die für das Verhältnis von Spekulation
und Leben gebraucht werden, so wenn die philosophischen
Begriffe ein blosses „Instrument" der Zusammensetzung
oder ein künstliches „Gerippe" im Gegensatz zur lebendigen
Wirklichkeit genannt werden Während ferner zwar im ).

Allgemeinen der Charakter des Produktiven für das Funktio-


nelle im Wissen festgehalten wird (vgl. S. 1(>), soll doch 1

zuweilen in der mit JäCOBI gemeinsam geführten Polemik


gegen die „erschallende" Metaphysik das blosse Autlösen
und » Anderszusammensetzen" des Gegebenen wieder
ganz im Sinne einer mit dem blos vorkritischen Empiris-
mus sich verbindenden analytischen Logik (vgl. S. 141)
als erschöpfende Definition der Transscendentalphilosophie
angesehen werden ). Kin noch liehevolleres Eingehen auf
m v, 3-18, vgL die ganze Schrift „Rückerinnerungen", ibid. 337 bis
373; bei JACOBI /. B. WW IV, 2. Abt., 156 u. sonst häufig; besonders
charakteristisch ferner Pichte, Leb. II, 250 und Jacobi \y\y iii, 6.

") v, 351.
a)
Leb. I. 179, ebenso V, 352 in den „Rückerinnerungen", die ja
zum Teil im Hinbliek auf JXCOBJ verfasst Waren, s. V. 339, Anm.,
Leb. II, 171 ff.

\ II,
i)
344, vgl. SB. B. JACOBI WW IV, 1. Abt., 214, 243, I, 387
(Hamann).
k
) „Instrument",
„Modell eines Körpers", „nackte Gerippe", V,
341; „künstliehe Werkzeuge", „scheussliches Gerippe", Jacobi III, WW
26, I, „anatomisches Gerippe", Hamann
242f.; 11,35. WW
ß) „Trennen und verknüpfen", V, 352, „Zerlegen und Anders-
/.usammenset/.en des Gegebenen", II, 331, „ins Unendliche trennen
101

dk Anschauungen (SefDhlsphilosophen verril <ln ,ms*


<ln
gedehnte Anwendung
Unterscheidung von nnmittetberi <ler i

und mittelbare] Gewissheit, «Im mihi ja ausdrücklich als I

»in Verdienst i\< «»ms rfthml ') Diese n t^ctf cm.sctzung aber I

fuliri in ihn bertngung auf das Verhältnis von S|>«kti-


i i

hition und Leben gleichfalls /u einer Wertherabsetzung des


philosophischen Wissens, dk weil iiImt d.is im kritischen
IntCieSSC erforderliche Mnss hinausgeht Denn während
früher die Sitze derWkaenachaftslehre recht eigentlicfa im
Brennpunk! der unmittelbaren Gewissbeil stehen solli
wird jetZl jedes, auch das Irniissceiidentale \\ 'issen. ;ils nur
vermittelndes Denken*, als .freies, auch /u unterlassen-
des Baisonnement" der »unmittelbaren Erkenntnis", dem
item der Gef&hle und des Begenrem nflber- und
dadurch mil den Syllogismen der is< Hl N Metaphysik WOU I

fast auf eine Stute -est« in Die Reflexion auf die Irra- |

tionalität und Unmittelbarkeit der individuellen Inhalte und


die dadurch sich aufdrängende Kiiisicht in die logische
Struktur des tr.mssc eiidentalen Ahsti U ionshe-nlls droht ; i

den ursprun^lichen Kopernikanischen Sinn des syntheti-


schen Apriori gänzlich su verdrängen.
Damit ist k 11 s Denken /u einer eigenartigen Krise
I 1
1

herangereift: grade durch die Bbencharfe Herausaiheitung,


die übertriebene Ernüchterung der kritischen Lehre ent-
steht als notwendiger Rückschlag »ine Unzufriedenheit mit
«Jen »bisherigen Prindpien <i<s rransscendentalismui
Denn dieser gewährt nur Wissen, aher das bloSSC Wissen
\ ermag derundurchdringlichen Realität", der ..

lebendigen Wertfülle des Lebens nicht gerecht zu


werden, nicht ..Wahrheit, sondern unrein kaltes, glekh-
uixt verbinden -. eher nid bi<l. 395, vd. SSI, 39«; <h-r
srlbr von K w
1 ..l'n-issrln iffi 1763) brrinllusstr \ mkritisrhr
1 inpn is I

inus bd lACOBI vd S |SS \„ m |j ,. n. \\\v |\. 1 Abt.. 72 f 236. .


.

! \bt. \:ai ffff i

»11,50«; hin genaue Reproduktion von l4Com AosfluV


eine
runden W\v IV, i Abt., 210; gegen den unendlichen Progre ssus «i«r
Syllogismen, die ihren Inhalt durch nnmlttelhnn hl" und
in den I ii IV. 147, 169 f.. 173,
V, 182, 353, 353 f., 356, 358, II, 25211 W\V IV. I Abi 32, 210 f.
I, 366 f., Hamann \\ W VII 69, 326.
•i S. brs |. 2X 48, aber ittCS noch V. 1KI. Anm.
») V, 352, 9&1

Lee ii. 333.
— 162 —
giltiges„Bild" alles Wirklichen zu gehen. „Ein System
des Wissens ist notwendig ein System blosser Bilder, ohne
alle Bedeutung und Zweck -1
Realität, So fällt in der ).

..Bestimmung des Menschen die Charakteristik derselben


Wissenschaftslehre aus. die nach der früheren Auffassung
die „Vernunft" in ihrem grossen immanenten Zusammen-
hang erfassen sollte. Was vorher als Inbegriff von Vernunft-
werten gegolten hatte, wird jetzt zu einer Schein- und
Schatten welt, in der alle Realität sich in einen „Traum"
verwandelt. Genauer konnte des (ilaubensphilosophen
Jacobi Beurteilung der Wissenschaftelehre nicht bestätigt
werden-). In die wahre ..ausser dem Wissen liegende"
und ..von ihm völlig unabhängige" Realität dringt nur das
intuitive Erfassen durch den „Glauben
41
ein, wie das dritte
Buch der Bestimmung des Menschen" lehrt, das nicht nur
,,

in seiner Überschrift, sondern häutig selbst in der leineren


Ausführung eine auch von den (ilaubensphilosophen und
andern Zeitgenossen bemerkte Annäherung an Jacobi zu
erkennen giebt 3 ). Das ^durchgeführte, blosse und reine
Wissen" Führt zu der Erkenntnis, „dass wir nichts wissen
können". „Meine Philosophie hat ihr Wesen so gut im
Nichtwissen", sagt Fichte, ..als die Jacobische"*).

'»II. 24(>. v^l. 254 1V.

-) II, 245 ff.; gradezu zu einem psychologischen Idealismus


241 f.,

und Illusionismus wird genau wie in JACOBIS Schriften die Wissen


schaftslehre entstellt, s. bes. 240 247, 269 ff.
») Von 247 an; nur ein „anderes Organ als das Wissen kann
41

„Wahrheit* gehen und die „Realität" ergreifen; ebendahin geht


1

.Iacohis Grundanschauung, dass der „Ort des Wahren*4 ein höherer


Ort sei als der des Wissens, s. z. B. WW
III, 5/6, 26 7, »Off., 41, 44;

vgl da/u Jban Pauls Brief an Jacobi, Jean Pah. WW


(1841), \.\i\,
284 u. .Iacohis Antwort fast abgeschrieben aus meinem Briefe
S. 26 u. 27." (Gemeint ist der „Brief an Fichte**.) R. ZÖPPRITZ,
Aus Fr. II. .Iacohis Nachlass, I, 240; übertreibend der dänische
Dichter Baggbsen, s. seinen Briefwechsel II. Teil, 292 f. „Er hätte
es rein heraus sagen sollen: ich las und las wieder meinen JACOB!
an FICHTE, und die Beilagen, und auf einmal ^ n «4 mir ein Licht i

auf .
."
. .Vgl. 286, 290, 298. Vgl. ob. S. 152, Amii. 1, dazu noch
.1. II. FlCHTE, Beitr. /-• Char. d. neueren Phil., 2. Aufl., 527 f., Anm.
vgl 521 11"., Kino Fischer, VI. 551 f., Windelband, Gesch. d. neuer.
Ph., II, 288, Bergmann, Gesch. d. Phil., II, 205.
*) II, 254, Leb. II, 278, zugleich eine Bestätigung von RbINHOLDS

Äusserung, ibid. 244 und „Sendschreiben an .1. C. Lavater und


J. G. Fichte", 79.
Diese l n/nlin .1« nheil mit « 1
«
• i ;>K leere abstrakt* !'.• -

DexioD endlich entlarvten I nansscendentalphilosophiesteigert


sich so einem immer krftftigei hervortretenden Bedürfnis
nach einer gani neuenSpckulation darin hestehi zweifellos
leugnete, aber niemals hinw egzndcutcnde
( machwung In Fichtes Denken um Wende des Jahr- < l * *

hunderts. Und grade das Individuelle, früher all


h ranke" des Pormalen ein bescheidener Grenz-
riff, erhall hier die Bedeutung einer das ganze
s\ sie in umgestaltendenKrs tt Denn die Unzulänglichkeit
,l< s blossen Wissens s<»n sieh grade darin zeigen, dasi es das
Individuelle nicht anders bransscendental zu charakteri-
tieren weiss, ah durch die Aussage der Irrationalitil
.1 -'s is( «lies eine nhereinst hninende Unbegreifliche Be-
ichrftnkung antworte! die Philosophie des blossen
.

reinen Wissens, und musa dabei als bei ihrem Höchsten


stehen bleiben** 1). An dieser von der Gröberen Theorie
ollen gelassenen Melle hat nun der neue Individualismus
des Intelligiblen einzusetzen; er fängt genau da an, wo
die alte Spekulation notwendig aufhören musa Nämlich
Wissenschaftslehre oder bransscendentaler Idealismus
genommen als «las System, das innerhalb des Umkreises
der Sübjektobjektivität des Ich als endlicher Intelligenz
und einer ursprünglichen Begrenzung desselben durch
materielles GeftkbJ und Gewissen sich bewegt und inner-
halb dieses 1'inkreisrs die Sinnenwelt durchaus ah/ulciten
vermag, auf Erklärung jener ursprünglichen Be-
schränkung selbst aber sieh durchaus nicht ein-
igest bleibt immer die Präge Qblig, ob nicht, wenn nur
erst das Recht, aber das Ich hinauszugehen, aul
witsen w.u.. auch ji'iic ursprünglichen Beschrin-
kun rklärt werden können, das Gewissen aus
dem Intelligjheln ata Noumen (oder Gott), die Gefühle,
Welche nur der niedere Pol des enteren sind aus der
Manifestation des [ntelligibeln im Sinnlichen* ) Zur Ei- 11

chung dieses Zieles das d< Spekulation gSM neue i

Anleihen Stellt, bedarf es einer ..noch weiteren Ausdehnung


der ransscendentalphilosophie, seihst in ihren I'rin-
I

II. 302, ebenso V. 184 f. vgl r>h S 11 i

1.1, II. 321.


— 164 -
cipien" 1), und mit diesem Eingeständnis beginnt die neue
metaphysische Epoche von Fichtes Philosophie.
Die tiefgehende spekulative Umwälzung aber, die sich
hierbei vollzieht, und die sich uns in ihrem Kernpunkt
als die neue Wertung des Individuellen darstellen
wird, soll in ihrer ganzen Bedeutung erst zu Beginn des
werden, nachdem im nächsten
„dritten Teiles*' gewürdigt
Abschnitt zuvörderst die weitere Ausgestaltung des alten
transscendentalen Irrationalitätsproblems innerhall) der
metaphysischen Periode verfolgt worden ist.

Dritter Abschnitt.

Die Lehre von der Irrationalität des Individuellen


in der metaphysischen Periode.

Die Lehre von der Irrationalität des Individuellen in


der letzten Phase von Fichtes philosophischer Entwicklung
zu verfolgen, biete! darum so grosse Schwierigkeiten, weil
sieh hier der für alle Gebiete seinerSpekulation beobachtbare
Umstand geltend macht, dass die älteren Auffassungen
nieht einfach durch neue abgelöst werden, sondern dass
neben ihnen andere, sie nieht grade verdrängende, wohl
aber mannigfach verschiebende und herabdrückende Be-
arbeitungen von trüber sehon vorhandenen Gedanken
auftauchen. Auch in der logischen Behandlung der empi-
rischen Individualität ist diese gefährliche Vervielfältigung
dir Gesichtspunkte, nicht aber eine vollständige Verwand-
lung eingetreten. Von einem gänzlichen Verlassen des
früher eingenommenen Standpunktes konnte offenbar nur
dann die Rede sein, wenn von jetzt an die Formen des
Wissens, das Ableitbare, (ransscendental Begreifliche, über-
haupt das Pormale, Allgemeine /um Range der alleinigen
Realität erhoben worden wäre, auf Kosten des Empirischen
und Individuellen; wenn also die auf den kritischen Zufalls-
begriff sieh gründende „nominalistische" Tendenz in
ihrerWur/el angegriffen worden wäre. Allein eineStrömung,
,
t

i)
scheinbar widerrufen 312, vgL Schbllings richtige
Ibid. 333,
Bemerkungen ibid. 3501V. und Jean Pauli Bericht über Äusserungen
Fichtes, WW
\\l\, 304.
- 166 -
die rieb grade gegen de« Nominalismus richtete i^t nicht
angekommen Trotzdem i^t dk Stellung, die in dei
spi k ii Imi i< >n <ln Wirklichkell
letzten fahre die e mp irische

einnimmt, von Grurifl aus erschüttert, trotzdem soll jetzl


dei besonderen liest immtheii der Charakter echter Realität
ganz abgesprochen werden Dal geschieht aber nicht infolge
ein* Betonung dei abstrakt Allgemeinen, dei
Unbestimmten, dei »Oberhaupl londern zu Gunsten eines .

aberempirischen Ganzen, einer absoluten Realität; also


VOO einer ganz neuen iiiel;»ph\ sis( hm Grundlage ;ms
Eine starke Kompliderung bedeute! es für die Auf-
fassung der empirischen Wirklichkeit, dass durch meta-
physische Beleuchtung das Endliche und Besondere noch
in einen ganz anderen Gegensatz hineingezogen wird, all
in den /um abstrakten AllgemeinhegrifT. wie es bisher dei
Fall war, and «l.iss die alte kritisch bestimmte Gruppierung
sich so mit einer neuen metaphysisch begründeten be-
llet Diese SB den Standpunkt von 1791 erinnernde
Zerklüftung des vorher einheitlich gefassten logischen Indi-
vidualitals- und Xufallshegritts wird wiederum durch das
Nebeneinanderbestehen jener beiden Hauptbehand-
lungsarten erklärbar, denen nach unseren trüberen Aus-
führungen das erkennt n ist heoret seh -metaphysische i

Indi viduationsproblem unterworfen werden darf (s.


Man kann ja entweder die Beziehungen des Be-
sonderen zum Allgemeinen, der ein/einen Dinge zu
den reinen Formen, untersuchen oder das Verhältnis des
Endlichen zum Unendlichen, des Teiles zum Ganzen,
des Vielen zum Einen, erörtern, Der streng kritischen
Behandlung liegt das siliere Schema zu Grunde, während
die rinderen Fragestellungen erst in einer metaphysisch
bestimmten Dcnkungsnrt aultreten können Ein Verhältnis
dei Endlichen zum Unendlichen lässl rieh nämlich nur
dadurch gewinnen, dass dei (.«danke der anschaulichen
l ni\ Tsilas- auf rein begriffliche Verhältnisse übertragen l\
*

die Idee einer vollendeten Erkenntnis zugleich als Erfassen


des Absoluten gedeutet wird.
Durch dies« I )oppeltheit der Betrachtung w und ein un\ er-
sohnlicht t /wiespalt in die ganM Spekulation hinein

' Vgl. S. 54 ff.. 64 ff.


- 166 —
bracht. Denn wenn auch durch sie nicht eigentlich die
„nominalistische
u
Tendenz zurückgedrängt wird es —
handelt sich ja nicht um eine Hypostase des Allgemeinen
- so stellen sich doch alle jene pantheistischen und monisti-
schen Spekulationen Unfehlbar ein, die die Selbständigkeit
des Individuellen von einer andern Seite her stets zu ver-
nichten drohen. In der ganzen Periode nach 1800 ver-
wandelt sich denn auch die schon vorher bei Fichte stark
ausgeprägte ethische Priorität des Gattungszweckes, dem
das Individuum sich aufzuopfern hat, also auch auf
ethischem Gebiet nicht die Hypostasierung eines Allge-
meinen, sondern eines überindividuellen Ganzen in
einen metaphysischen und ontologisehen Universalismus ').
Die Piatonisehe und Spinozistische Grundanschauung, dass
das Endliche die metaphysische Sünde oder der Abfall
vom Absoluten ist und dass sein Wesen allein in der
Sehnsucht nach dem Unendlichen bestellt, bricht vollständig
durch. Vor dem wahren durchdringenden Schauen ver-
schwindet die in unendliche Teile zersplitterte empirische
Wirklichkeit; sie entlarvt sieb nicht nur als das Wert-
lose, sondern aueb als das Xiebtscirnde, das Widerspruehs-
volle, als Schein, als ein von <ln wahren Logosspekulation
als solches erkanntes Truggebilde.Diese Begründung einer
„Phänomenologie" *) nun allerdings auch den kriti-
scheint
schen Antiiationalismus Völlig unterwühlen ZU wollen.
Allein durch die am Sebluss des vorigen Abschnittes (vgl.
S. 160 ff.) erwähnte rlerabdrückung der Bedeutung des
Wissens wird ein Xusamincnbestehen, eine gegenseitige
Anpassung der einander widerstrebenden Antriebe möglich
gemacht. Jenes unmittelbare Schauen des göttlichen Lebens
Dämlich, der „Gedanke", die Vernunft (X£jo$) ist jetzt neben
das ..Wissen
1*

im älteren Sinne getreten und ihm über-


geordnet. Was sieb darum vor einein höchsten
Sc bauen als wesenloser Schein verflüchtigt, braucht
von dem Wissen in dem gewöhnlichen und nüeb-

*) Dieser Üniversallsmus hinsichtlich des Ganzen ist wohl zu


unterscheiden von dem K an tischen Universalismus hinsichtlich des
A [gerne! nbegri ffs.
1

i
Weser Ausdruck z. B. Nil, 195(1804); schon 1802 wird er
von Reiniiou) gebraucht, 5. Beiträge zur leichteren rehersieht des
Zustandes <\v\- Philosophie u. s. w. lieft IV, 104, I09tr.
107

m i. smiim noch nicht n scim


i. relativen Selb« i i

slancli^kcit n mllTr;i n geleugnet und uh I i 1 1 1 1 ;i I

leben iu werden Denn dm diskursive Wissen wird |i


nicht gradezu vernichtet, londeni aar einer höheren Intuition
untergeordnet So erleben \n ir den merkwürdigen Vor^an^.
dass die rmpirisrlu* W i i kli« hkril einem »Hfl p.mlhristisch
weggedeutet, andraneiti abei doch wieder kritisch und
antirationaliatiacb als im dai Wissen unQbersteigliche
Grase nachdrücklich hervorgehoben wird.
Durch den dai n I hathestand w ii d zugleich der
it dem man sich am besten die also verwickelte
Lehn von der individuellen empirischen Wirklichkeit \n-
!i\\ ;n t i^t. klar vorgezeichnei
Ei wird erforderlich sein.
sich zunächst dem Portbestehen der kritischen Richtung
von
/n AbemUgen, lieh dann den Übergang CUT metaphysischen
Passung begreiflich su machen, endlich innerhalb der
letzteren ll»^t die Spuren einer Betonung der Irrationalität
->t

aufzusuchen.

I. Kapitel.

Das Fortbestehen der kritischen Fassung.


Durch dai Portbestehen kritisch-irrationaler Elemente
inmitten universalistischer I^ngnnpg der Sondcrexisten/
bewährt rieh von Neuem die. nachhaltige Bedeutung der
um 17'.«7 festgelegte}) bransscendentallogischen Grund-
anschauung
Mit der Beibehaltung des alten Dualismus \on Form
und Materie wird dein Kmpirischen auch jetzt noch eine
elbstindige Bedeutung gewahrt und die empiristische
I
endem neue Spekulation hinuhcr^erettet
in die .Das
Empirische zwai idnem Dasein nach, durchaus aber
ist

nicht leiner Bestimmtheit nach begreiflich* *), Hier liegt


noch der alte Gegensatz von Bestimmtbeil überhaupt
einem Dasein nach und besonderer Bestimmtheit, von
»

vorbildlicher, .gleichsam ein Geseti vorschreibender Bo-


nn usstseinsthati^keit ') und ein/einem Vei w irklichun^slalle

», M. Sit
II I.» Tgl. Ktt: ..leriiglit h formale Gesetzgebung im Wteen.**
— 168 —
zu Grunde. Der nominalistische Gedanke besteht noch,
dass, soll es zu einem „wirklichen" Wissen kommen, die
unbestimmte Unendlichkeit sich zu einem „bestimmten
Quantum" determinieren muss ), das Wissen sich nur in 1

einzelnen „Punkten des Sichergreifens" zu ..realer An-


schauung" verdichtet 2 ) und die absolute Bestimmtheit
„erste Grundlage und ursprünglicher Entzündungspunkt
alles Wissens" ist 3 In dem „Koncentrationspunkte" des
).

Wissens, den Ficim: wieder Gefühl nennt, soll das ..Princip


der Individualität" entdeckt sein*).
Von der individuellen Bestimmtheit aus lässt sich der
Begriff unendliche Unbestimmtheit oder als blosse
als
„Bestimmbarkeit ') verstehen, in der für eine mögliche
Bestimmung der Platz ins Unendliche ..leer gelassen" wird 6).
Ihm gegenüber erscheint dann wiederum das Individuelle
gleichsam als das Ergebnis eines anendlichen Bestimmungs-
processes, als das durch und durch Gestaltete, individuell
Ausgeprägte. Der „zu gestaltende Stoff" *) des freien Kon-
struierens und Erzeugens, die form- und qualitätslose
Wissens-oXr, wird hier als an feste Bestimmtheit gebunden
gedacht. Man kann den Unterschied der Wirklichkeil vom
Formalen transscendental symbolisieren als ein kräftiges
Sich-Losreissen des Wissens von dem haltlosen Sehweben
über der unendlichen rnbcstinimtheit Hin Denken, das ).

sieh nur in der Sphäre der Unbestimmtheit hält, ist leer


und zerstreut, sehwebt in dem Standpunkte des Absoluten,
„WO es aber vor lauter Absolutheit zu gar nichts kommt 9 ).
Diese klare Veranschaulichung des Unterschiedes
zwischen Allgemeinem und Besonderem drängt wiederum
unmittelbar zu der Hinsicht in den zwischen beiden be-
stehenden, für jedes Begreifen unauf hebbaren Abstand.

') S. z. H. H, 112.
>) Z. B. ibid. 84, 112.
») Ibid. 43.
*) Ibid. 112 f., vgl. 639 lt., wo der actus conrentrationis dem actus
indi\ iduationis gleichgesetzt wird; vgl. ferner ibid. 116, 121.
») Leb. II, 343.
«) S. z. B. II, 102, 243, vgl. I. 116.
<) N I, 55, vgl. II, 121.
8) Vgl. ibid. 102, 133.
') Ibid. 58.
MW —
Im uns hat dei einzelne Wirklichkeitsptinkl kein festet,
bbares Verhftltnis zu <l«i allgemeinen Form, <l<

Kniu rnii.itiMii ,i doch danteilt, Punkt zwar, ei bri ein


der aber nirgends steht, londern In dem unendlichen I«
Raum riatterl l>;is Hervorgehen des Bestimmten aui

dev Bestfmmbarkeil i^i <l>« n hrimnis der einzelnen


Wirklichkeit Von «In Dbestimmtheil den Paden des Be-
i

ifens fortzuspinnen bis zur Bestimmtheit, d h bis zur


individuellen, konkreten Bestimmtheit «leim eine andere
bl es nicht liegt nicht mehr in der liachtsphftre der
philosophischen Deduktion. Der Unentschiedenheit unserea
Denkens muss eben die Brutalität der Wirklichkeit
ein Ende machen Brutalitftt ist daa »Gesetz" der Wirklich-
keit, daa einzige und absolute 1), Die Brutalitftt hat ferner
zur Folge dasa die Wirklichkeit in ihrer Unberechenbar-
keit nur abgewartet und hingenommen weiden kann, iteta
neu und ubeiTuseheiid sein miiss Dieses plötzliche i

Abreissen aller Pftden der Spekulation bei der Thatsache


der brutalen Wirklichkeit nennt Fjk h e den absoluten, durch i

keim* Reflexion auszufüllenden, sondern eben das Letzte,


Unerreichbare dea Wissens selbst ausmachenden »hiatua
Die Wirklichkeit imi^ iii;m sich durum /\\;u als lYodu-
deren durch das ich denken, aber wohlgemerkt als Produ-
cieren eines Objekts, über dessen Entstehen keine Rechen-
schaft abgelegt werden kann, \n<> es demnach in der
Miiie /wischen Projektion und Projekt um finster
und leer ist, wie ich es ein wenig scholastisch, aber, denk
ich, sehr bezeichnend ausdrückte, die proiectio per
biat um n r.ii ionalem
Die absolute .FakÜdtftl ist sieh selbst höchstes und
einziges Gesetz, d h sie ist der gewaltsame Bruch mit
allen Gesetzen; die Fakticitil ist als Brutalitftt des Wirk-
liehen cheu die Gesetzlosigkeit selbst**), Da der
rill der Gesetzlosigkeit auch für Fichtes Geschichts-
betrachtung von grossei Wichtigkeit geworden ist und da
seine neseluehtsphilosnphisehe Theorie d;is Indi\ iduelle dem
>) II)kI
\ I. 313, SSI
I II. 123. vgl V 412, Sl, 429 u. sonsl.
* II. 131 N I. 185.
) NU 200, 203. 212 IT.. 216 IT.

•» \i. 319. ebtm n:t. 550


L«»k, Fichte« IdMlluiu» uuJ di« QwefcfcM«
|)
- 170 -
«Gesetzlichen" gegenüberstellt ), so muss der kritische 1

Sinn dieses Begriffs schon hier genau festgestellt und vor


kOssdeutlingen geschützt werden. Durch die Lehre von der
Gesetzlosigkeit des Besonderen wird vor allem nichts
darüber ausgemacht, ob das Individuelle unter Gesetze lalle
oder nicht: sondern es wird um* behauptet, dass wir in-
folge der eigentümlichen logischen Organisation unseres
Erkennens es in seiner Einzigkeil und Einmaligkeit aus
den Gesetzen, unter die es fällt, nicht abzuleiten ver-
mögen. Die ein/eh, e Wirklichkeil befolgt Gesetze, aber
sie folgt n&mlich für unser Begreifen nicht ans
ihnen Im dieses Nichtfol^en des Wirklichen aus dem
>

Ponnaleu auszudrücken, dient auch in der späteren Zeit


noch die Behauptung der transscendentalen .Zufällig-
keit
Obwohl Fkiiii der Logik der Nnlurw lssen-
sieh mit
Bchaften Gast gar nicht beschäftig! bat, ^<> \\ urde er dennoch

durch seine bransscendcntale Spekulation an einigen stellen


dazu geführt, das Verhältnis dei Vernunftgesetze zum
liesonderen Erkenntnisinhalt auch aul <\w analogen Be-
ziehungen /n Übertragen, die em ischen den Gattungsbegriffen
des Geschehens, den Naturgesetzen, und der empirischen
Wirklichkeit bestehen. Auch innerhalb der nnturw isseii-
schaftlichen Begriffswelt lässt <lie vollständige Kenntnis der
Gesetze uns nie ins zu ihrer einmaligen Äusserung im
konkreten falle vordringen Dass die Inhalte <lcr unmittel-
baren .Gefühle Resultat der Wechselwirkung des Ein-
zelnen mit dem ni\ ei mihi sind. sagt da« sich selbst ei-
l

Uarcnde Wissen Wie mm


aber die Naturkr.iltc s inacheii. (

nach welcher Regel und Gesetz, um rieh grade so zu


äussern, wird keiner tagen können, und dies ist ehen der
beschriebene absolute h tat us m.

Vgl s 21 22, Anni.


24, um\ K:.|». in de* „dritten Teiles1*.
1

\ MS, vgl
!. Ibid 264/5 Ober d:>s Verhältnis von Raum
Konstruktion im«! Qualität: es besieht Ewtschea ihnen ..keine Folge
des Einen aus dem Andern". ..keine knnslniieibare und sichtbare
Gesetztheit des Rinen durch das andere**,
v-i. ii, 136/7, ii». «si: Zufälligkeit hiatus; Wiasenschaftalehre
von ix()4: MNichtgeneaisM biatui Irrational^; NI, 4M: „Wirklich
keii- tli Unkonstruierbarkeit
•) II, 123, vgl. NI, 433, 515.
— 171 —
In miiss zu den bleibenden Verdiensten der Wissen-
schaftslehre gerechnet werden, dass lie den unausgleich-
baren Gegensatz /wischen den „Gesetzen' im weitesten
Sinne, d. h. dem Allgemeinen im Wissen, und der indi-
viduellen Wirklichkeit so klar erkannt hat Gesetz und
Wirklichkeil bleiben gemäss dieser Einsicht inkommensu-
rable Grössen. Das .Anschmiegen* 1) des Gesetzes an die
Wirklichkeil ist unbegreiflich. Allerdings droht zuweilen
die metaphysische Leugnung der Einzelwirklichkeil sogar
die transscend entaleFassung des [rrationalitätsgedankenfl
ZU vernichten): nilein andrerseits fehlt es doch grade
auch in der metaphysischen Kpoehe nicht an unzwei-
deutigen Erklärungen, dass sogar von Seiten der tiefsten
Spekulation dem Individuellen eine selbständige Bedeutung
zuzuerkennen sei'). Eine besonders wichtige Äusserung
für das weitere Fest halten am kritischen Antiratio-
nalismus findet sich in einem Briefe an den damaligen
Hauptvertreter des Irrationalismus, an JaCOBI: „KOBPPENS
ganze Weisheit nämlich scheint mir darauf hinauszulaufen,
dass dem Wissen immer etwas vom Begriffe durch-
aus nicht zu Durchdringendes, ihm Inkommensurables
und Irrationales übrig bleibe; wie wäre es, wenn . . .

grade Einsicht das Wesen der Philosophie läge


in dieser
und diese ganz und gar nichts anderes wäre als das —
Hegreifen des Unbegreiflichen als solchen*/ Wie wäre . . .

es.wenn grade darin, dass weder Kant noch die


Wissenschaftslehre als dieses gefasst worden, von
Ihrer Seite das an uns ausgeübte Miss Verständnis
bestände?" Hätte sich mit der metaphysischen Kr-
4
)

drückung des Individuellen durch das Absolute ein ent-


sprechendes überwiegen der allgemeinen Formen über
den empirischen Erkenntnisfaktor eingestellt, dann mflsste
PlCHTE jetzt dem ..bodenlosen" Idealismus eines BfiCK ver-
fallen sein.Aber grade einen solchen „leeren und formalen"
Idealismus lehnt er auch in der Späteren Zeit nachdrück-
lich ab, und zwar oft mit schroffer Wendung gegen die
universalistische Ausmerzung des Individuellen
») II, 136.
') S. z. B. II, 117, 640 tr.

') Z. B. V, 459, VgL auch VII, 127.


i) Leb. II, 176 f.: Vgl nocb N I, 299f., 819, 428f.. MI. 217.
») S. besonders N I. 437 1.. vgL 307.

ir
- 172 —
Zur Hypostase des Absoluten gesellt sich somit nicht ein
14
„Realismus der Formen. Pichte unterscheidet sieh des-
balfa auch in seiner metaphysischen Periode von N< helung,
der mit der Hypostase des Absoluten noch die Substan-
tiierung der „Ideen verbindet, und ähnelt am meisten
Spinoza, der zwar den Begrifl der Einen Substanz, <lie
nicht ein Allgemeines, sondern ein Ganzes bedeutet, auf-
stellt, die Verdichtung der Gattungsbegriffe (noüones uni-

versales) zu Realitäten dagegen ablehnt 1 ). Fichti huldigt


zwar einem monistischen Bleatismus vor dem plura- >,

listischen Eleatismus l'i \n»s. vor der Hypostasierung der


Gattungsbegriffe bewahren ihn noch die Nach-
wirkungen des früheren Positivismus " und »Nomina- ,

lismus

II Kapitel

Übergang zur metaphysischen Fassung.


Die metaphysische Fassung des EndlichktitsproblemS
t i-ithei Fichti
t nicht unvermittelt neben die Ergebnisse
der kritischen Forsch ondern erweist lieh als hin-
durchgegangen durch die bransscendentalc Fassung des
[rrationtüitfitsgedankens, als durchsetzt mit kritischen Ele-
menten und deshalb als sehr unterschieden von den
wissermassen naiven Frt estellungeo dei Uteren Speku-
lationen uhei das [ndividualitÄtsproblem Aus diesem
Grunde wird die Aufdeckung der bei Fichti wirksam ge-
wordenen Vermittlungsglieder /wischen [ransscendentai-
philosophie um! Metaphysik erforderlich.
Der transscendentallogische Zufallsbegriff beruhte auf
dem Gegensatz des Allgemeinen und Besonderen Allein
wir haben bereits eine zweite Beleuchtungsali derlrratio-
nnlii.it. n.unlieh den Vergleich unseres Erkenntniszustandes

mit der Idee, kennen gdernf (S S 51 ff.), durch den \ er-


sLindlieh wird. daSS man ohne herschreituno der trans- l

Bcendentalen Hahnen ZU einer Hehandluno des Problems

'» VgL Jedoch ob. s. 66.


>) D;iss s< in 1 1 der räumlichen und seitlichen
im, die Baisteni

leugnet, nennt Fichti den „Standpunkt der echten Spekulation**,
N III. 377, vgl. 385.
— 178 -
gelangen kann, Tür die der alte Gegensatz des Formalen
und des Inhaltlichen jedenfalls bedeutungslos wird Da-
durch ist dir Aussicht auf ein noch weiteres Portgleiten,
mitten in die metaphysische Fragestellung hinein, eröffnet.
Der Zersetzungsprozess Belbst aber, dem die kritische
Scheidung in formale und inhaltliche Bestandteile verfällt,
verläuft in seinen Anfangsstadien noch ganz innerhalb der
kritischen Grenzen. Es gelingt nämlich, durch den Hin-
weis auf die Unendlichkeit" des Wissens ein Übcrganos-
glied zu ermitteln, das sich einesteils eng an den hiatus
anschliesst,andernteilsaberdoch den Gedanken der logischen
Zufälligkeit so umformt, dass er von seihst auf den meta-
physischen Individuali tätsbegri IV hindrängt.
Dass grade der Begriff der Unendlichkeit sich für
das Irrationalitätsproblem fruchtbar machen lässt, kann
leicht durch die irrationale Wurzel in der Arithmetik klar
gemacht werden, bei der durch eine unendliche Reihe.
also durch Annäherung ins Unendliche, eine positive Grösse
ausgedrückt wird 1
In analoger Umschreibung darf die
).

irrationale Wissensgrösse, die Inkommensurabilität von


Wissen und Wirklichkeit, durch eine unendliche Reihe des
Begreifens dargestellt werden. „Es könnte nun wohl sein,
dass in dieser Unbegreiflichkeit, die als Unbegreiflich-
keit eben dennoch wieder begriffen würde, die Er-
scheinung unendlich wäre, und dass sie so eine
unendliche Reihe des Begreifens (der Unbegreiflich-
u2
keit nämlich) beschriebe .Die Verwandlung der
. . ).

Unbegreiflichkeit in die Unendlichkeit des Begreifens ist


blos eine neue Wendung dafür, dass der transscendentalc
ZufallsbegrifT nicht eine mystische Zufälligkeit, sondern nur
eine Beziehung zum Wissen oder Begreifen ausdrückt. Der
Gedanke der Inkommensurabilität gerät dadurch in engsten
Zusammenhang mit der Forderung unaufhörlichen Strebens,
die der Wissenschaftslehre von vornherein eigentümlich
war: die Thatsachc des hiatus ist der beständige Hinweis
auf ein unendliches Fortschreiten des Wissens, das sich
nicht anders als in einem unabschliessbaren „System des

») Vgl Leben II, 345.


")NI, 412, ähnlieh bereits I, 148 ff.; der Vergleich mit der
Irrationalzahl" auch bei SCBBLUNG W W l, 314, 451 f.
— 17t -
Werdens" vollziehen kann.
1
) Hegels Polemik gegen «Ion
.unendlichen Progress" und die «schlechte Unendlichkeit"
beweist darum wieder deutlich den weiten Abstand /wischen
Paniogismus und Wissenschaftslehre
Repräsentiert somit jeder individuelle Wissensinhalt
alfl irrationale Grösse schon für sich eine unendliche Reihe

des Begreifens, so steht er überdies noch mitten in einer


anabgeschlossenen Gesamtheit des Werdens und da- ;

durch überträgt sah das Merkmal dir «Unendlichkeit1


auch noch auf dieses sein Verhältnis /um Ganzen. Denn
innerhalb der aerflieaaenden Unendlichkeit ist auch eine
feste Einstellung der konkreten Einzelbestimmtheil un-
denkbar. .Mit dem Unendlichen*, lagt Pichte, giebt
411
es gar kein Verhältnis ) Da das geschlossene Ganze
fehlt, in das das Einzelne als Teil Fest eingegliedert
werden konnte, SO sind unberechenbar \ iel neue i- I

scheinungen möglich, denen gegenüber durch eine Ab-


Sdesmal ein Scherflein zur genaueren Durch-
dringung des in PragS stehenden 1.1 u /el ha es i II 1 1

wurde Die .iii/elbestimmtlieit kann mit der sie mu-


I

nden nendliehkeit nicht anders in Beziehung


l

bracht weiden, all durch einen ins Unendliche immer


weiter gebenden, immer genauer eindringenden Procesi
«hl Determination Das lndi\ iduelle wird deshalb :uis
emer unendlichen, d h Rkr unser Begreifen iinbeherrsch-
baren Fülle von Beziehungen zu den unendlich vielen
anderen Dingen zusammengesetzt, und bei jedem wieder-
holt sieh dieselbe Schwierigkeit Bereits in der »Gründ-
ern IT'.H hatte FlCHTl \eisiieht. das u n e n d che I i
tt

I ileil dadurch für die ransseendentnlphilnsnphie Iruchl-


I

har zu machen, dass er es als An nähern ngsprocess, all


ins Unendliche fortgesetzte! negative* Bestimmen
11
fasste i

Del Heei der l' ncinl lichke


j j |pra.nl sieh dadurch i t

\ I. X'M V& II. 106, 124, 126. 127,


') N Diese gtnsc Verwertung ,,rs
1, 237. nendlichkeitehegrifli l

erinnert H leder stark an M \i "l> S ]

i. B81 Bei len deutlich 11: 111


i
Kami und »eine
nfolger haben daher diese Urteile tehr richtig anendlich«
nenn! , ,Unter den »Nachfolgern* bat beuptsAchlicfa Maimom
memt. dessen Lehre vom unendlichen rtei] iUCh s< nu UNO I. I
W^
221) beeonden hen orhehl
- 175 -
allmählich In zwei ganz.yerschiedenen Bedeutungen
aus. »Unendlich heissl ersten« «ins schlechthin Allge-
meine, das AI lerum fassen dste, das völlig Unbestimmte,
und bilde! so den Gegensatz zu endlicher Bestimmtheit.
Zweitens aber bedeutel ..unendlich'* grade die überreiche
Fülle, die unendlich feine Gestaltung des Individuellen, im
Gegensatz zu dem abgeschlossenen, also endlichen Wissen
eines fingierten Ideals der Erkenntnis. Die zweite Be-
deutung gehört mehr der späteren Zeit an, in der die
Unbegreiflichkeit des Anschaulichen durch die „unendliche
Reihe des Begreifens" ausgedrückt wird. Darum heisst es
jetzt: „unendlich und unerschöpfbar ist blos die An-
schauung" In die bestimmte und unendlich gestaltete
1
).

Wirklichkeit muss sich nach dieser Auffassung das Wissen


bis in alle Unendlichkeit versenken; das Individuelle stellt
ein „in seinen Einzelnheiten" Unendliches 2 ), ein „unendlich
Mannigfaltiges" oder „ins Unendliche Mannigfaltiges" dar 8),
die konkrete Wissensverwirklichung eine „unendliche
Fakticität des einzelnen Wissens"*).
Bevor gezeigt wird, wie dieser zweite Unendlichkeits-
hegriff den Gegensatz von Form und Inhalt zersetzt, soll sein
Hineinpassen in das ältere transscendentale Schema noch
an einem andern Punkte erprobt werden. Da Unerschöpl-
lichkeit mit Inkommensurabilität zusammenfällt, so kommt
die Eigenschaft der Unendlichkeit grade der von der for-
malen Gesetzgebung übriggelassenen, von ihr durch den
hiatus getrennten Hegion zu. Der Gegensatz von Form und
Inhalt, von Begreiflichkeit und Unbegreiflichkeit, Durchdring-
barkeit und Undurchdringbarkeit, lässt sich somit jetzt zu-
gleich auf den von Endlichkeit und Unendlichkeit
zurückführen. In der Unbegreiflichkeit beschreibt die Er-
scheinung eine „unendliche Reihe des Begreifens u „während ,

sie in Absicht des eigentlich und durchaus positiv Be-


greiflichen an sich endlich wäre, und das Begreifen
durchgeführt und zu Ende gebracht werden könnte, was ja
ohne Zweifel die Wissenschaftslehre sich anmutet, und in
der Lösung welcher Aufgabe ihr Wesen wohl bestehen dürfte."

N I, 336.
') N III, 386.
S. /.. B. II. 243, 374, N I, 349, N II, 335 f., 481.
*) II, 55.
— 176 —
Ausdrücklich wird zwischen „unendlichem Begreifen
(derUnbegreiflichkeit als solcher)" und endlichem Be-
greifen unterschieden Den Gegensatz zur Unendlichkeit
1
).

bildet demnach nicht nur die ..Idee" eines vollendetenWissens,


also die absolute Vernichtung der Inkommensurabilität und
Unendlichkeit; sondern noch innerhalb unseres Erkennens
besteht neben der Irrationalität des Faktischen die abge-
schlossene Wissenssphäre des ..Systems", die sich aber nur
auf die lediglich formale Gesetzgebung zu erstrecken hat 2 ).
Soweit diese Beschränkung des Systematischen oder ..End-
lichen" auf das formale A priori streng festgehalten wird, kann
der Wissenschaftslehre nicht mehr der Vorwurf gemacht
werden, dass sie durch gewaltsame und übertriebene Syste-
matik der harten Wirklichkeit Herr zu werden trachte. Ein
vollendetes System nur der Begriffe ist eben nicht ein
panlogistischer Organismus der gesamten Wirklichkeit
8
(vgl. S. 82) ).

Von diesem selbständigen Werte, den der Begriff


des Unendlichen als noch ganz kritisch bleibende Erläu-
terung der [nkommensurabilität beansprucht, ist kaum
seine andere Punktion zu trennen, in der er nämlich das
Obergangsglied zu einer nicht mehr kritischen Passung
dieses Problems werden kann. Soll das Verhältnis des
einzelnen Wissenspunktes zur Gesamtheit i\w Empirie
nicht als ein ins Unendliche zei Müssendes gedacht werden,
so werden wir damit eben auf die ..Idee einer sicheren
Einstellung in ein geschlossenes Ganzes unmittelbar hin-
gewiesen. Überall, wo von der Unendlichkeit die Bede
ist, ruht diese Vorstellung im Hintergründe: ..Das unend-

liche Mannigfaltige der Gesichte würde wenigstens in


der Idee (auszuführen ist es freilich nicht wegen seiner
Unendlichkeil) eine organische Einheit, aus deren
jedwedem Teile sich herstellen Hesse «Ins Ganze 4)« Fak- 1*

tische Unvollendbarkeit der Erfahrung ist ganz dasselbe


wie in der Unendlichkeil liegende Vollendung und Ge-
schlossenheit.

») NI, 412.
a) S. vor allem VII, 107, ferner II, 49, N I, 336, X II, 335.
») Ausdrücklich hervorgehoben N I, 551.
*) NU, 481.
Dadurch ahn der ncndlicbkeitsbegrifl die &
ii.it I

trachtung der alten kritischen Unter» beidung zwischen


\<>n
Form und Inhal! des Erkennen! abgelenkt Denn d.»ss
in dnn Gedanken dtos geschlossenen Ganzen die Dualität
des Ulgemoinen und des Besonderen in der Thal fallen
Ist, folgl
i
am einfachsten ;ms der Überlegung,
dass die vollendete Erkenntnis in der [des nicht etwa
ein System von Gesetzen Grade für das Be-
sein kann
en der Individualität nämlich nichts
als solcher ist

istii. wenn auch die gesamte Wirklichkeit ausnahms-

los mit nacht und vollständig systematisier!


worden wäre, da dann immer noch ein Besonderes einem
Allgemeinen unableitbar gegenüberstände« Vielmehr nur
nach Analogie der für uns allein möglichen, nämlich auf
das lediglich Formale anwendbaren Systematik, nur als
(Inen [ingierte Ausdehnung auch auf «las inhaltliehe, also
als vollständige Konstruierbarkeil und Berechenbarkeil der
inten Erfahrung, ;ds völlig abgeschlossenes und doch
völlig erschöpfendes Erkennen, Ist jenes Ideal zu denken.
An die Stelle der Klult /w isehen orin und Inhalt, /wisehen I

Allgemeinem und Besonderem, ist dann ein unmittel-


bares Begriffensein alles Einzelnen in der Gesamtheit
des Wissens getreten 1). Die Einzelwirklichkeit oder das
Einzelwissen verhält sieh dabei zu der geschlossenen
Summe des Wissens wie der Teil zum Ganzen oder
der M od us zu r Substa nz.
Wird mm gleichzeitig das in der Idee liegende
tue des Wissens zu einer metaphysischen Realität
hypostasiert, ^<> ist damit die Möglichkeit der meta-
physischen Fassung des Individualitätsproblems
in ihren einfachsten Grundlinien verständlich gemacht
Wir beobachten dem überall bei Fichte, dass die
Umdeutung dei logischen Irrationalität in «las meta-
physische Verhältnis von Einzelding und .Universum"
durch die Hypostasierun nen Wissens
totalität vermittelt wird Die ideale Logik eines intuitiven
I

itandes ist dadurch wiederum zu einer für uns mög-


liehen nieta|)h\siseh-eman;tlishs( licn Logik geworden

'
Die Idee wird darum häufl| rtse des Wissens" genannt
i / B II. Hfl
tasflkhrlfti bc m. ii. II. 105 IT.
— 178 —
Es ist jedoch von Wichtigkeit, vor der Betrachtung
dieses metaphysischen Abschwenkens den kritischen Aus-
gangspunkt des ganzen Gedankenganges festzustellen. Er
lässt sich dahin zusammenfassen: soll die individuelle
Bestimmtheit vollständig, d. h. nicht mehr als ins Un-
endliche noch weiter charakterisierbare, sondern als abge-
schlossene, fest umgrenzte Wirklichkeit begriffen werden,
so muss als Hintergrund für sie eine Bestimmtheit im
Grossen, ein ..geschlossenes Ganzes" des Wissens
konstruiert werden, wodurch jene individuelle Bestimmtheit
als Glied einer übersehbaren Gesamtheil begriffen und
eindeutig innerhalb dieser umfassenden Einheit lokalisiert
wird. Man kann kurz sagen: so wahr es eine geschlossene
Einzelwirklichkeit giebt, so wahr muss es für die Idee eine
geschlossene Gesamtheit geben. (Vgl. zu diesen Aus-
führungen Abschn. 1, Kap. I, D.) Zur Wahrung der streng
kritischen Betrachtungsweise ist es deshalb zunächst er-
forderlich, dass man von der geschlossenen Einzel-
bestimmtheit, der endliehen empirischen ..Wirklichkeit
des Wissens ausgeht und sich dann von ihr aus zum
geschlossenen ..Ganzen' «las erst in der l'neudlichkeit liegt
.

und nur als Idee aufzufassen ist, forttreiben lässt. Dieser


Ausgangspunkt wird denn auch von Fichte selbst häufig
als das eigentlich Entscheidende erkannt und sehr klar
hervorgehoben. „Ganzes wurde es ja sichtbar dadurch,
dass das ein/eine Wissen sieh eben als ein geschlossenes
Einzelnes auffasste, welches, da es Resultat einer Bestimmung
durch alle anderen sein soll, doch nur einer geschlossenen
Summe Resultat sein kann" Wo
dagegen der meta-
1
).

physische Dogmatiker das Verhältnis des Ein/einen zum


Ganzen behandelt, schlägt er einen ganz andern Weg ein
und lässt sich nicht zum Ganzen forttreiben, sondern
geht, wie PlCHTE selbst früher (s. S. 88f), vom Absoluten
aus. Ihm ist es verborgen, dass das, was er für eine
starre, absolute Realität ausgiebt, im Grunde lediglich das
II, 110,
') vgl. 106 7, N 237, II, 118.
I, Das geschlossene Ganze
stets „organisiert" oder „organisch" (s. z. B. II, 105, vgl. bereits IV,
109, 113 0, in späteren Schriften Wissenselniltslehre 1801) auch
(

„Universum" genannt, oder ..Sinnenwelt" (NM, 313). Ks ist eben-


sowohl nls psychisch, Wie als physisch. ;ils ..Welt der Iche", wie
;ils ..Welt der Objekte des BewUSStseins dieser [che" zu denken,
s. N I. 313.
- IT

lichtete und nur nicht


lolchei erkannte Gebilde all
lein nen Strebcm Ist,
etwas Absolut- Erstes, eine
höchste Einheil in die Mannigfaltigkeil der Erfahrung tu
bringen 1). Trefflich hat deshalb Schsiximg, k er noch ;i

Anhingei der kritischen Wissenschaftslehre war, bemerkt,


d.iss in.iti /w.n vom nendlichen nicht /um Endlichen, l

aber umgekehrt vom EndHchi m /um Unendlichen ftber-


gdien dürft
Allerdings i^t Pichte, wie bereits bemerkt wurde
s 177). bei dieser kritischen Kennzeichnung des Problems
nicht stehen geblieben Dai vom kritischen Standpunkt
aus allein zulässige ortgleiten der bransscendentalen Über-
I

legung von der Spaltung zwischen Form und Inhalt rar


hier und die dndurch eindeutig Vorgeschriebene Reihen-
folge der Gedanken, nach der wie dem Allgemeinen so
auch «lern Ganzen gegenüber die individuelle Einzelwirklich-
keit den erkenntnistheoretischen Aasgangspunkt bilden muss,
h;it er nicht streng befolgt Sons! hätte er die meta-
physische Passung des Endlichkeitsproblems nur ver-
ständlich machen dürfen, sie aber zugleich verwerfen
müssen An Stelle der Metaphysik des h TBÜOlialiÜtS-
tnkens hätte er der Analytik eine Dialektik dieses
Problems folgen lassen müssen; ds er dies nicht mein- ver-
mochte, sehen wir die frühere Kinhcitliehkeit seiner 1 i

kenntnistheorie sich in einen unversöhnlichen Antagonis-


mus verwandeln«

III. Kapitel

Die metaphysische Fassung.

Hei dem engen Znsammenhang


der metaphysischen
Ausgestaltungen des [rrationalitätsproblems mit Gedanken-
.1 I. 12!
5
» \V
8141 WK I, in kann jenen Übergang vom In

leben /um Endlichen realisieren; kein System kann


ifiicKiiiti ausfüllen, «tu- iwiachen beiden betest Hierbei
fflSf ata Aussprn« h \< .1 I ^iiiiiim, in
diesen Ausfnluun. inefohrUch eingeht, kwebl beben
ilel Vber wir hal on ilem l.wiufii erzeugt
werden können; welch ein mögliches Verhältnis beider tu i

i.isnI sirh, iih'iim -hiirii t>leac Kluft füllt keine


Philosophie - Jacob* \y \y i. 248.
— 180 —
gangen der Transscendentalphilosophie müssen zunächst
noch einige Verwicklungen ins Auge gefasst werden, die
der kritische Begriff der Unendlichkeit notwendig im Ge-
folge hat.

Wieder werden Fichtes Erörterungen darüber am


besten durch mathematische Bilder veranschaulicht. Wie
in der Mathematik durch eine endliche Linie dasselbe sich
geometrisch darstellen lässt, was sich arithmetisch in eine
unendliche Reihe verwandelt, so kann sich dem ..Gefühl"
oder der ..Anschauung" unmittelbar etwas erschliessen,
dem sich eine ..unendliche Reihe des Verstehens" immer
nur anzunähern vermag 1
). Diesem Antagonismus zweier
Ich- oder Wissensfaktoren lässt sich nicht durch die Aus-
flucht begegnen, dvv Widerstreit sei nur in unserm Er-
kennen der Wirklichkeit, nicht in der Wirklichkeit selbst
begründet. Denn eine solche Losimg beruht auf der still-
schweigenden Voraussetzung des transscendenten Realismus.
Für den Idealisten ist ja die empirische Wirklichkeit auch
nur eine Art Wissen, und grade das ..Wirkliche" an ihr
besteht in einer Inkommensurabilität des Wissens oder in
einem unendlichen Hegreiten Die eben erwähnte Ausflucht
wäre also nichts als ein identischer Satz, eine blosse, leicht
erkennbare Umschreibung der Schwierigkeit, die gelöst
werden sollte Wenn deshalb dasselbe, was einerseits nur
durch einen unendlichen Prozess des Wissens, eine ins
Unendliche führende Aufgabe des Bestimmens sich aus-
drücken lässt, doch andrerseits zugleich als bestimmte und
abgeschlossene Wissensgrösse erscheint, so muss man viel-
mehr in der Wissenswirklichkeit eine faktisch hinzu-
nehmende unbegreifliche Verschmelzung zweier in-
kommensurabler Wissensfaktoren eingestehen, (trade
wer den Realismus auf den letzten Rest vernichtet, wird,
bis
wie wir so häufig (s. z. B. S. 1 I5f.) hervorheben mussten, desto
nachdrücklicher auf einen Widerstreit im Reiche des Wissens
selbst hingewiesen. Die alte, den Standpunkt der analy-
tischen Logik stets begleitende Schwierigkeit, dass die zur
Bewältigung des unmittelbar Gegebenen erst gebildeten Be-
griffe sich dann als unzulänglich zur Erfüllung grade der

J
) Leb. 11,345: ..faktisch, nicht genetisch durchdringlich", II, 135,
VI, 365, V, 544.
- 181 -
Anleihe erweisen, um
deren willen sie gSOI -hall» n siml Vgl,
<

5 SSI kehrt in einem konsequenten System des imma-


nenten Idealismus in eigentümlichen Gestalt einer
Gegensitzlichkeil der Wissensfaktoren wied
AK anschauliche Symbole für dlei Zusammenbcstchew
\on genetischer Undurchdrioglichkeit und raktiecher Er-
lebbarkeit dienen nun die mathematischen Antinnmi*
nach denen eine unendliche Mannigfaltigkeit innerhalb
einer endliehen Luisse gedacht werden inuss Mil der
unendlichen Teilbarkeit und Mannigfaltigkeit ist ja die
Gediegenheit", der Charakter des Ruhenden und stehen-
den, die Kontinuität" des Raumes, der Linie, da Köipen
verbunden Auch hierbei isi eine Unendlichkeil in einer
fertigen Geschlossenheit niedergelegt, eine »Agilität" einer
konkreten Gediegenheit hingegeben, ganz ebenso nie die
in sieh \ollendete ein/eine \\ issensw irkliehkeit gleich-
seitig durch die beiden bransscendentaleu Charakteristika
dt s anendlichen Begreifen* und des abgeschlossenen un-

mittelbaren Erlebens sieh ausdrücken lisst 1)


Wird nun ausser Acht gelassen, dasa die vollendete, also
endliche Abgeschlossenheit des Wissens nur für die Idee
postuliert wanden kann, s<> scheint dk tiir die einzelne
Wissenswirklichkeit nachweisbare Antinomie von unend-
licher Mannigfaltigkeilund endlicher Geschlossenheit sich
genau entsprechend auf das dan/e des Wissens ftJ
j-n /u müssen Dabd wäre ehen uheisehen. daSS nur
für die einzelne Wissensverwirklichung ein antinomischei
AufeinanderfaBen der beiden sich entgegenstehenden Merk-
male dei Unendlichen und des Bndlichen) stattfindet,
für m/e dt v \\ iss, ns dagegen das Merkmal der
ndlichkeit ganz innerhalb, das der End-
einseitig
HchkcM ebenso einseitigausserhalb unseres Erkennens —
als für uns unerreichbare und lediglich postuliert
Idr /u stehen kommt Ein Hinüberspielen der
Antinomie auf das i;m/t
( <i, s Wissens letzt deshalb
-

voraus, dass man den Uterschied der beiden Sphären


l

in denen unser Erkennen und die Jdee" liegt, vernach-

s B II y'Jii. 1000 \ i. 250 f Ficht» Spekula-


Honen Ober den Raun icaeinen reu Antun« tu rM»*iifl>g \«>n Maihon
len tu ieln; vgl. darüber au« h Emduaxs ürundrlss II. 453
— 182 —
lässigt. Hypostasiert man ausserdem noch die Idee eines
geschlossenen Ganzen zu dem Einen Absoluten, so erhält
man für die absolute Wirklichkeit ein genaues
Spiegelbild der inkommensurablen Verschmolzen-
heit, wie sie kritisch gerechtfertigt, bei der einzelnen
empirischen Wissenswirklichkeit vorliegt.
Durch Vermittlung solcher (iedankenreihen wird in
Fichtes Spekulation die kritische Inkommen-
späterer
surabilität der Wissensfaktoren in ein antinomisches
Sichdurchdringen von Totalität und Unendlichkeit im
Absoluten umgedeutet, weshalb nach dieser Ansicht
„das Verhältnis jedes Einzelnen zum Ganzen und das
Universum selbst ebensowohl in sich geschlossenes,
vollendetes, als ein unendlich wechselndes ist innerhalb
jener Vollendung Dadurch wird es denn auch ver-
1
).

ständlich, dass die der Behandlung des kritischen Zufalls-


begriffs so vorzüglich dienende Vorstellung der „Idee"
später so leicht grade in das metaphysische Endlich-
keitsproblem, nämlich in die Fragestellung umschlagen
konnte, wie in dem Einen, einfachen, wandellosen Sein
zugleich das Viele, das unendlich Mannigfaltige und Wandel-
bare enthalten sei.
Der im Absoluten enthaltene Paktor der „Unend-
lichkeil" bedeutet somit als „schlechte Unendlichkeit"
(Hegel) grade das Princip der Endlichkeit, den Ur-
grund der aus der „ewigen Substanz" hervorgehenden
„unendlichen Reihe endlicher Modifikationen". Fichtes
Spekulation müht sich hierbei an dem malten metaphysi-
schen Rätsel ab, Wie es ZU denken sei, dass die endlichen
Dinge irgendwie mit dem Absoluten zusammenfallen und
sich doch gleichzeitig irgendwie von ihm unterscheiden.
Er knüpft dabei an Spinoza an, um sich mit ihm über
die Verträglichkeit, den „Übergangs-, Wende- und realen
Identitätspunkt" von Totalität und Unendlichkeit, von
2
Einheit und Allheit auseinanderzusetzen ). Vornehmlich
die gleichzeitigen Schriften SchelliNGS scheinen ihn zu einer
Erörterung des Individualitätsproblems, das ihn auch in
der metaphysischen Gestalt stark beschäftigte, angeregt zu

i) II, 106, vgl. 110, NU, 335 f.

») II, 88 ff., 110, Leb. II, 358, 366 f., 371.


— 183 -
haben Von Schbixomi wird gesagt Doch wh
im inen grflndliche Weise In jenem Unwandelbaren,
.int «in«

i Uhu begreiflich machen, d h dberfaeapl eine Endlich-


keit sns denn Bwfgeu herleiten uriH, daran! ist tcbfl
su geben; denn diese ilerlettung i^t eben die Aufgabe dei
Philosophie' ).
Durch diesen Sprang los Metaphysische verbindet rieh
mit den Verlassen der kritisch allein zulässigen Gedanken-
e, nach der man sich cum Begriffe des Absoluten erst

forttreiben lassen inuss vj»l. hercits S. I78f \ ausserdem noch


<

der unkritische Versuch, die Diskrepanz unseres und des


Idealen Erkenntniszustandei IneineAuseinanderreissung
von iwel Alten der Wirklichkeit ZU verwandeln
Während nämlich der Kritiker lediglich untersucht, wie
man neben die thatsächliche »Unendlichkeit" mittelst einer
fiktiven Projektion die Idee der Kinheit hinstellen darf,
wirft der Metaphysiker vielmehr die Frage m> auf. wie von
dem Einen Absoluten sur unendlichen IfannigfaltigkeÜ der
endlichen Dinge sich eine Jirücke BChhlgea la-
\)v\ /u linde gedachte monistische BIcatiamUS, dein
Kkimi jetzt zuw eilen gam anzuhängen scheint, ver-
nichte! im Grunde jedes ehrliche und gewissenhalte Ein-
gehen auf das Endlichkeitsproblem. Wenn Fkmti trotz-
dem von der spekulativen Würdigung des Individuellen
auch jetzt nicht lassen kann, so macht sich hierbei neben
andern Einflössen (vg). darüber den .dritten Teil". Kap. II
und III von Neuem das sähe Wurzeln auch seiner meta-
>

physischen Spekulation in den ursprünglichen, kritischen


(icdanken der Wissenschaftslehre geltend Einer «1er Gründe
für die stärkere Beachtung des Individuellen lie^t nämlich
darin, daSS sein Begriff des Abeoluten zwar aus einer
Hypostase hervorgeht, aber aus einer Hj postase der Idee
und nicht des formalen Ich Denn das grade wird
S< in ii\(, von Fh hii. w ie spater von Hl <a
i \ ^1 oh S i <

ausdrücklich zum Vorwurf gemacht, dass bei ihm das


Abeolutfl eine nur .formelle Ahsolutheit und Unbedingt-
heit sei, die hlosse Identität, causa sui, ein nur begrifflich

') N III. 37s. vul N II. 328 f.. VIII, 399. Leb. II. 358. Vgl die Ähn-
liche Prwgr irtffling |n dst frfthficn Zelt, ««t» S Ebenso \wn\ In W
«in »Anweisung ran tellgen Lehen" <ii<- ntencheiduns ton N i

und als v'mv «in Hauptaufgaben der Phllotophie hlngestelll


— 184 —
Geltendes, die „Gemeingültigkeit" eines Gesetzes ), und 1

dass er dieser Abstraktion nur durch Erschleichung die


Bedeutung von Totalität, Universum, also absoluter Inhalts-
fülle unterschiebe-). Hier trifft Fichte in der That den
wundesten Punkt jedes Begriffs einer absoluten Substanz,
nämlich dessen notwendige Inhaltslosigkeit und Kahlheit
(vgl. ob. S. 66). Zugleich wird damit an der schon 1797
beginnenden Polemik gegen die Verabsolutier ung
des lediglich Formalen auch noch inmitten meta-
physischer Spekulationen treu festgehalten. Die „formelle
Bedeutung" des Absoluten, die Absolutheit und Unbedingt-
heit, wird von dem Absoluten als Ganzem scharf unter-
schieden. Durch diese Unterscheidung aber — und darin
besteht ihre Bedeutung —
wird wenigstens soviel gewonnen,
dass die Thatsache der Endlichkeit nicht einfach unter-
drückt und verschwiegen werden kann: denn der Weg
vom formalen Prinzip des Absoluten zum materialen führt
stets durch die empirische Wirklichkeit hindurch (vgl. ob.
(
s. .>»sf). Darum sehen wir Pichte gegen Schelling den Vor-
wurf erheben, dass er sich um die „Ableitung der Fakticitat"
nicht kümmere. Wenn auch für den ..Standpunkt der ab-
soluten Totalität" alles durch einen einzigen durchdringenden
Blick des Krkennens erschlossen wird, vor dein die einzelnen
Dinge „als Einzelnes" verschwinden, so sei damit ..noch
das Princip der Endlichkeit, des ewigen Werdens und
Vergehens niehl abgeleitet*. Obgleich also stuf diesem Stand-
punkt das Endliche mit Recht als das eigentlich Nicht-
seiende erscheine, so sollte dessenungeachtet das „Diffe-
rente", „das nur infolge faktischer Erfahrung angenommen
werden kann", doch wenigstens begreiflich gemacht werden >

In der Unendlichkeit mag sieh die Verschiedenheit der Dinge


zur „Indifferenz" ausgleichen, aber eben erst und aus-
schliesslich in der Unendlichkeil. ..Also in der That nicht

i) N III, 374 5. Wenn Fichte das Schweben im Allgemeinen und


Unbestimmten ..den Standpunkt des Absoluten- nennt, „wo es aber
vor lauter Absolulbeit zu gar nichts- kommt II. 58, vgl. ob. S. 168),
so hat er bei dieser an Hegels bekannte Äusserung von der „Nacht
des Absoluten** erinnernden Kritik gleichfalls SCHULUNG im Auf-
gehabt.
-> N III. 372 f.
») N III, 372 f., 378, 380, 384 f., 388.
186 —
ausgeglichen, sondern anandlichc Rechnuog, dir nie
rein aufgabt '»

So kann denn auch nilf melapln sischciii Boden


trotz des iii(li\ idu.ilil.il/risiMi, ndrii I m versalismiis dir
Irrationalität des Individuellen nicht umgangen
werden Nur dass jetzt an Stelle der UnabMtbarkeit des
besonderen am der allgemeinen Form die Un-
Inhalts
beurciflichkeitdes einzelnen Endlichen .ins dem Abso-
luten, des Dasein* aus dem Sein dei Offenbarung" .

oder Äusserung aus dem göttlichen Leben seihst treten


miiss „Keineswegs .«her
i
kann dieses Wissen
in ihm selber begreifen und einsehen, wie es selber
entsiehe, und wie ans dem innern und in sieh \ erhobenen
Sein in Dasein, eine Äusserung und Offenbarung des-
*

selben folgen möge, Wie wir denn mich oben aus-


drücklich eingesehen, dass eine solche notwendige Folge
iHr uns nicht vorhanden sei Apriori ableiten so »

wird ähnlich wie mich früheren, hiermit vergleichbaren


kritischen Grundsätzen jetzt gelehrt lassen sich nur die
allgemeinen Erscheinungen an dem durch Spaltung aus dem
Absoluten Entstandenen, unbegreiflich dagegen bleibt das
Hervorgehen des Individuellen Nur für die „Eine, ab-
4
).

solute und in sich vollendete*" Wissenschaft, also iu der


Idee, enthüllt sich das ..Wie dieses ftiMMiwff^nhany«* im
Einzelnen Diese Unableitbarkeit des Endlichen aus dem
Unendlichen war von der froheren Metaphysik wenn
auch wider Willen in SPINOZAS Lehre VOH der doppelten
Kans;ilit;it mierkannt worden In der unendlichen Folge
der endlichen Dinge auseinander erkennen wir nach dieser
Lehre BW ihre endliche Verkettung, nicht aber ihre un-
mittelbare Verursachung durch Gott Es verrät darum
den Drang nach Erlösung von der „Zufälligkeit", also
die Ancrkennm /ulalli-keit. wenn man es mit diesem
ewigen Kreislauf des Werdens nicht bewenden hissen will
und die Idee einer unmittelbaren Abhängigkeit des end-
lichen Einzeldinges vom absoluten Sein aufstellt Auch
>) N III, 385, vgl. 382, 383, 385 um
*) S. au It. VI, 351. 361 f
«) v. m
*) Ibid. 459 60, 442 3. VII. 297.
») V, 472.
Laik. riebtat Idcftllunus uod dl* Omfckfcl«. IS
— 186 —
in dieser metaphysischen Gestalt hat Fichte später das
Irrationalitätsproblem behandelt. 1 ).
Wenn durch alle diese Zugeständnisse sogar für
die vollendete Erkenntnis die Unausfüllbarkeit der Kluft
zwischen „Metaphysischem" und „Empirischem" anerkannt
wird 2 ), so können schliesslich doch die für jede pan-
theistische Metaphysik in dem Endlichkeitsproblem sich
auftürmenden Schwierigkeiten nur verdeckt, nicht aber be-
wältigt werden. Denn irgendwie wird durch die Lehre von
der logischen Unbegreiflichkeit des Individuellen auch
eine gewisse ontologische Selbständigkeit der endlichen
Einzelheit gegenüber dem Absoluten zugegeben, und diese
Auffassung stösst hart und unversöhnbar mit der anderen
zusammen, dass das Absolute in jedem Sinne alles in allem
sei. Die alte Erkenntnistheorie bedrängt immer wieder den
Universalismus der neuen Metaphysik. Solchen Einwir-
kungen konnte sich Fichte nie ganz entziehen. Obgleich
seine Ansicht eigentlich dahin geht, das endliche „Dasein"
als ungestörtes und inniges Ruhen in Gott „ohne eine
zwischen beiden liegende Kluft oder Trennung, oder dess
etwas" zu denken 8 ), so sieht er sich doch andrerseits zu
der Lehre gedrängt, dass Gott zum Teil, nämlich inwiefern
es Selbstbewusstsein wird, sein „Dasein" „von sich aus-
stösst" 4 ), dieses sich also als Abfall vom Göttlichen darstelle
und ganz Platonisch der Sehnsucht ) nach dem Ewigen
in
5

bestehe. Um solchen Zugeständnissen einer ontologischen


Selbständigkeit des Individuellen zu entgehen, verfällt der
Philosoph zuweilen auch in das andere Extrem. Er lässt
die Thatsache des Endlichen einfach unberücksichtigt und
bringt das Element der unendlichen Mannigfaltigkeit, das
besonders in den ersten Jahren als verschmolzen mit der
„Totalität" gedacht wurde (vgl. ob. S. 182), ganz aus dem
6
Begriff des Absoluten heraus ), so dass dieser jeder Inhalt-
lichkeit beraubt wird und jene schematische Blässe erhält,
aus der sonst Spinoza und Schilling ein so schwerer Vor-

i) II, 106, V, 438, 511, VII, 371.


a) V, 445 f., 450, 530.
») Ibid. 450, ebenso 441, 444.
*) Ibid. 455, vgl. 512.
*) Ibid. 407.
«) S. z. B. VII, 370 f.
- 187 -
unirf gonmrht wird
1
» An kritischer Sctairfc In Erblicken
da Schwierigkeiten ist sonnt in mn diesen beiden Denkern
zwar Überlegen, in der Problemlösung nlxr vermag er als
iphysiker nichl mehr tu Meten eis sie Hinter Hegel
endlich steht er auch in der Metaphysik dadurch /iihick.
Inss im «lein Kriticismns noch nicht «ine neue Logik ent-
gegensetzt
Die nnivcrs.-dislisch-mctnphysische Tenden/ treib! ihn
trotz iller sclhsterhohenen kritischen I-'jiiw ftnde oft zu der
einzig folgerichtigen Behauptung, dass allei Bndliche Schein
id »
Nun verbindet er aber andrerseits wie wir iahen,
mit dem Empirischen stets die Merkmale der Inkommen-
siirnhilitnt und ..rnendlichkeit DieSC wieder Stammen nns
nichts anderem als aus einer QnvollkommenheH unseres
WiSSeni Also ist das Wissen d e Q u e le d es ..Sc h ei n s" i 1

oder der empirischen Mannigfaltigkeit, und die „formale


Freiheil des Wissens" ist. wie Später hei SCHELUNG,
das prineipium indi\ idnntionis oder der dnind der End-
lichkeit Nur in der Reflexion und durch sie erscheint
|

das laue Sein als in unendliche Strahlen gebrochen*), erst


las Wissen bringt das Verhängnis der „Unendlichkeif4 mit
sich rnendlichkeit ist hier stets ijeichhedeutend mit Huhe-
gkeil und SEersplitterung <les Irdischen Der Begriff er-

•) beeonde
S. u
wieder die „Anweisung1', z. B. V, 444 ff., 458.
So bes o nder s in der ..Anweisung" und den darauffolgenden
»)

Schriften, aber auch schon vorher


S. II. 85fl\ 89, V, 440f. Hiermit ist die TOD SOULUM In
einer Schrift ..Philosophie und Keligion" (1804) vertretene FreiheiU
Uhr«-. inieh det uleiehfalls die ..l-'rriheit <lrs Wlsteni als pi ineipium
individuationis aufteilt, bereits xnrwegnennmuien. S< in im. erkennt i i

•nch an, dass in im, Ihr am nächsten gekommen id w\v \i. 42 f.


Allein wenn er in dir Darlegung des wahren Verhältnisses derNatnr-
.

phUosophlc bot \tii»' Bteechen Lehre" ISOSj Fichti he-


sehuldigt. die ..spekulatixe Theorie der Freiheil" von ihm entlehnt
/u hnhen W\V Vit. 82 f.), so beruht das auf einem argen, aber er-
kl.u liehen Irrtum, da S< in LUM6 nämlieh dl« Wissensrhaftslehre
Von ISOI (die in diu .Samtliehen Werken- zum erstenmal gedruckt
,

worden ist noeh imlil kannte In «1er Darstellung seiner dedanken


.

mag Ahrlgeui Picrtb öfter \<m Schblumc hofilnfluiil tein


Sc IIBLUMOS Lehre x«'in Abfall- des Kndliehen \mi dei dottheit
er doch selbst so nahe kam, polemisiert er deutlich V, 441. 444, 450.
452, VII, 298, vgl. VIII. 399.
'» V, 452 IT, 458, vgl. II, 507, 513.
18*
— 188 —
hält so den Sinn wieder, den er bei Plato hatte und den
er später beiHEGELwieder gewinnt ). Während dem kritischen
1

Denker das an der Unbegreiflichkeit des Empirischen sich


abmühende Wissen als der uns allein mögliche Zustand,
zugleich freilich als ein Zurückbleiben hinter einem ge-
dachten Ideale gilt, wird in der metaphysischen Betrachtung
dieser Abstand in einen Abfall von dem wahren „Denken' 4

und „Schauen' in eine Verdeckung und Zersplitterung der


4
,

hypostasierten wahren Wirklichkeit verwandelt (vgl. S. 183);


Diese Lehre vom Wissen kann dennoch in gewissem
Sinne als der verdichtete Ausdruck des von uns festgestellten
Verhältnisses zwischen metaphysischem und kritischem
Irrationalitätsproblem angesehen werden. Selbst in der
metaphysischen Formulierung, nach der das luidliche ge-
leugnet, das Problem des Endlichen eigentlich vernichtet
wird, macht sich noch die Wahrheit geltend, dass die
Irrationalität des Besonderen nur als eine Beziehung zum
Wissen Sinn hat und darum das philosophische Verstehen
dieser Irrationalität nur innerhalb des kritischen Idealismus
möglich ist, dass also in unserem Falle die Metaphysik
jede fruchtbare Behandlung dieses Gedankens im Grunde
der vorangegangenen kritischen Epoche verdankt. Darin
besteht ja überhaupt die hohe problemgeschkhtliche Be-
deutung dieser ganzen Phase von Pichtbs Philosophie,
dass die sonst in der Geschichte gesondert auftretenden
kritischen und metaphysischen Spekulationen über die Un-
begreiflichkeit des Individuellen hier in lebendiger Wechsel-
wirkung beobachtet werden können.

Die rein erkenntnistheoretische Behandlung des Indi-


viduellen, die wir in den Systemen des transscendentalen
Idealismus verfolgt haben, hat uns bis jetzt zwei Haupt-
ausprägungen der philosophischen Stellungnahme zum
Individualitätsproblem gezeigt: die Lehre von der lo-
gischen Irrationalität und die positive Wertung

*) Besonders V, 456 fr., VII, 370


fif. Unendlichkeit giebt es nur in
der Erscheinung oder „Ersichtlichkeit" des Absoluten, das Absolute
selbst hingegen ist „mehr denn das Unendliche".
- 189 -
dei Individuellen Allein die .erkenntnistheoreti
Wcrtindividunlitäl Ist nie gani itreng in ausschliesslich
n kenn tnistbeoretiscbem Sinne gedacht worden v^»l S 150fl
I
>.

lk weist vielmehr slets über die Krkcnntnistheoric auf


enden Wertungsgebiete hinaui. Wenn wir darum im
dritten i«n and noch Pichtbs kulturphiloiophische
Beleuchtung des Individuellen danteilen, so liefern wir
damit eine notwendige, schon durch die rein erkenntnia-
Kheontischen Spekulationen Ober dai Individuelle geford
tazung uml Fortsetzung der bisherigen Ausführung
Umgekehii wird sich andrerseits herausstellen müssen,
dass die Kenntnis von In iiiis logischer und erkenntnis-
kheoretischer Passung des Wirklichkeitsproblems die nner-
lässlfc -lu- Grundlage Ar das Verständnis seiner Geschichts-
philosophie bildet (vgl s. 21 bis 24). Denn grade dai Ein-
geständnis einer rein logischen Irrationalität ist stets die
Vorbedingung für die hinzutretende Weitung des Indi-
w
viduellen ge esen (vgl« s. 151 ff Die gegenseitigen Be-
>.

ziehungen /wischen Wert und l'nbeomflichkcit des Be-


sonderen weiden darum den Hauptinhalt auch des ..dritten
Teiles ausmachen; und wie wir bisher auf den trans-
icendentalen Idealismus steta nur. soweit ersichals Indi-
vidualitätslogik betrachten liess. eingegangen sind, so
wird sieh uns mich die (iesehichtsphilosophie PlCHTES in
ihren methodisch bedeutsamen Bertandteilen als Indivi-
dualitätsphilosophie darstellen
Dritter Teil.

Fichtes Geschichtsphilosophie.

I. Kapitel.

Die metaphysische Methode der nachkantischen


Kulturspekulation.

Dk Ausbildung von Fhhiis deschiehtsphilosophie


t;illt jene Epoche der Abkehr von den Principien des
in
Kritu-ismus. dk hsl ausschliesslich von solchen Denkern
eingeleitet winde, deren Bildungsgang grade von der
KamtBCOBM Philosophie entscheidende Einflüsse erfahren
hatte. Da von diesem weltgeschichtlichen Prozess auch
«l;is System der Wissenschaftslehre In seinen Tiefen er-
griffen wurde, so mU8fl all grundlegende Bedingung jedes
Verst&ndnissei von Pichtes geschichtsphilosophischein
Werten eine Klarheit darüber erstrebt werden, warum in
jener Zeit die reine and blosse Transscendentalphilosophie
wieder einer Metaphysik weichen musste, die zu einem
grossen Teil von knlturphiloso|)hisehen Interessen ge-
leitet war.
Nun hatte uns bereits der Entwicklungsgang der
\\ issi nschattslehre in seinen rein logisch-erkenntnistheo-
retisrhen Bestandteilen his n einem Punkt geführt, an
dem das Problem des Individuellen eine tiefgehende
Unzufriedenheit mit dem trnnsscemlcntalcn Aphorismus
berVOnieC Das Individuelle, im ersten Entwurf der
Wlseenichaflilehrc gleich der aur quantitativen und mathe-
matischen Individualitat rationalistisch /ersetzt und dem
Absoluten emanatistiseh preisgegeben, errang erst durch
— 192 —
den Umschwung von 1797 eine bescheidene Selbständigkeit
und zwar als Gegensatz zu den wertvollen rationalen
Vernunftformen, als Schranke somit, aber eben „nur" als
Schranke. Und erst in dem weitergehenden Antirationa-
lismus der darauffolgenden Jahre tritt der irrationale
Faktor als das „Unmittelbare" dem von aller metaphy-
sischen Verlebendigung nunmehr gänzlich gereinigten
Wissen entgegen. Dieser Verlauf des Irrationalitätsgedankens
ist deshalb von ungemein wichtiger Vorbedeutung für
die spätere Geschichtsphilosophie geworden, weil in ihm
die Leistung, die von der blossen Logik und Erkenntnis-
theorie für die Lösung des Individualitätsproblems zu er-
warten stand, in erschöpfender Vollständigkeit dargeboten
zu sein schien. Diese ganze Bemühung der Logik musste
nun aber gleichzeitig mit einem entscheidenden Umschwung
in der Gewohnheit des Wertens als völlig unzulängliche
und unfruchtbare Arbeit empfunden werden, in dem
Augenblicke nämlich, da das Einzelne seinen Wert nicht
mehr einer über ihm stehenden Allgemeinheit entlehnen,
sondern ihn aus seiner eigenen Individualität schöpfen
sollte. Denn die in dein Dualismus des Abstrakten und
Konkreten, des Allgemeinen und Hcsonderen stets stecken-
gebliebene Erkenntniskritik steht ja dann der eigentüm-
lichen Wertfülle des Einzelnen, die nur jenseits dieser
Scheidung erfassbar wird, aus principiellen, nämlich
methodologischen Gründen ohnmächtig gegenüber. Das
Höchste, zu dem sich der blosse „Transscendentalismus"
aufzuschwingen vermag, war das Zugeständnis der Unsag-
barkeit und Unbegreiflichkeit des empirisch Wirklichen,
also der Verzicht auf jedes weitere Eindringen, das ver-
zweifelnde oder gleichgültige Stehenbleiben vor den Pforten
der Individualität. Diese These der Irrationalität erscheint
plötzlich als im Grunde genommen durch und durch
rationalistisch; sie hält ja den Reichtum des Wirklichen
an ein Ideal des Erkennens und Deducierens, in allem
erblickt sie einen besonderen Fall des allgemeinen Wissens.
Sie ist nur Wissenschaftslehre, „subjektiver Idealismus".
Welch ungeheure Wandlung! Derselbe Denker, der früher
aus Rationalismus die Irrationalität verkannte, kennzeichnet
sie jetzt, nachdem er sie anerkannt, als noch zu rationalistisch
(vergl. den zweiten Teil, Abschn. 2, Kap. III). Wegen dieser
— 103 -
unvollkommenen Bewältigung des I ndividualitfltsprobleim
\erwiilt er mm
ibtr zugleich die gnn/e frühere Melle
drs blossen Wissens und anstatt die bisherige Trans-
.

scendcntnlphilosophie zu ei gingen, glaubt er lic ablösen


zu müssen durch eine grundsätzlich neue Spekulation,
die «len Schwierigkeiten, denen dai Uten Denken unter-
em ganz neues Organ entgegenbringen und dem Remise
dk wiTivoiic EinselgestaM nicht eb ein nndnrchdringlfc
<M jt*k der Reflexion sieh gegenüber stellen, sondern sieh
t

selbst ganz mit Ihr durchdringend!« st rnktnrder .Wcrt-


individualitat sozusagen schon in die Methode auf-
nehmen soll.
Andieser Stelle treffen wir nul einen Kreuzungspunkt
<ler Weitungsarten, die unsere »Einleitung* auseinander
hielt, und der logischen Theorieen. die unser ister Teil" .

ausdrücklich ohne Verflechtung mit jenen darstellen wollte


Denn offenbar wird hier durch ein Bedürfnis
'»).

dei Wertem die analytiaehe Logik als mit diesem unver-


einbar abgestossen und dadurch der ganzen Erkenutnis-
theorie die Grundlage entzogen« Dm diese eigenall
keineswegs sachlich unvermeidliche iednukenverkettung. (

die die deutsche Spekulation etwa im der Scheide des


18. und 1'.». Jahrhunderts aufweist, in ihrer ganzen Hefe
zu Würdigen, müssen wir uns noch genauer die historische
Situation \. .w artigen, der sie entsprang. Eni dann
kann verständlich werden, was es mit der Übertragung
der \Vertindi\idnalitatsstruktur vom Objekt auf die Methode
Rlr ein« ndnii hat
Pör Kami war Philosophie gleichbedeutend mit der
renzung der auf den verschiedenen Gebieten herrsehen-
den Vemunftwertc gewesen. Jedes der hierin gewonnenen i

formalen Kriterien, das erkenntnistheoretische, das ethische,


dm Istbetische, repräsentierte in philosophischer Vhstrak- .

tion betrachte! und ah Gebilde transscendentalerAnah


seiner logischen (Qualität nach einen AllgemeinbegrifT, der
auf jeden ein/einen Kill der .ikenntnis-, der ethisehen.
I

der asthetis» hen Wirklichkeit anwendbar sein musste


Dergestalt in Iraiisscendfinlalfa Isolation einander gleich-
vllt, unterschieden sieh jedoeh diese drei \\ eitarten.
Sobald man ihr innerhalh der \ ei nunftwirklichkeit that-
iJchüch eingenommenes Verhalten verglich. Wahrend
— 194 —
nämlich der theoretische und der ethische Wert auch im
einzelnen Yerwirklichungsfalle sich gegenüber der Einzel-
heit, die ihn blos trug, noch in spröder Allgemeinheit
verhielt, und ohne innere Beziehungen zu deren besonderer
Individualität und deshalb von ihr loslösbar, nur an ge-
wissen allgemeinen Merkmalen haftete, konnte im Gegen-
satz dazu der ästhetische Wert, mochte er auch als trans-
scendental-analytisch gebildeter Begriff gleich dem theo-
retischen und dem ethischen abstrakt formulierbar sein,
sich im einzelnen Verwirklichungsfalle dennoch nur in
inniger und unlösbarer Verschmelzung mit der besonderen
Eigentümlichkeit seines jedesmaligen Schauplatzes offen-
baren. Dies wurde besonders durch das Wesen des Genies
bestätigt, das seinen exemplarischen Werl grade der unver-
gleichlichen Originalität seines einzelnen Auftretens ver-
danken Massgebend für Kants ganze Weltanschauung
sollte.
ist mm. wie 1

unsere „Einleitung bereits ausführte, nicht


"

die inhaltliche Eigenart der ästhetischen, sondern die der


theoretischen und der praktischen Vernunft geworden,
oder noch besser die logische Struktur der begrifflichen
Analyse selbst. Die in allen drei Kritiken gleichmässig
ausgeübte transscendentale Methode ist ihm, um einen
auch hierauf passenden Ausspruch Schlegels anzuwenden,
„auf die inneren Teile geschlagen", d. h. sie hat seine
ganze Wertungsgewohnheit endgiltig bestimmt. Auch dieser
nur psychologisch erklärbare Zusammenhang, dein aber
uul theoretischem und ethischem Gebiete eine sachliche
Bestätigung entgegenzukommen schien, wurde bereits in
der Einleitung angedeutet (s. S. 8 f.). Wir können ihn
jetzt dahin formulieren: Kants analytische Logik des
transscendentalen Begriffs - denn darin besteht die
„Methode" — erzeugt den Wertungsuniversalismus.
Weil in der transscendentalen Analyse alle Gebilde die
logische Form der Allgemeinheit annehmen, glaubt Kam ,

sie müssten auch nach ihrem inhaltlichen Gehalt und ihrer


thatsächlichen Funktion als Werterscheinung ausschliesslich
die Struktur der Allgemeinheit repräsentieren; als Objekte
einer allgemeinen Theorie müssten sie allgemeine Objekte
sein; er überträgt also die Struktur der Methode auf die
Struktur der Objekte. Jede Analyse scheint ihm deshalb
auf allgemeine Begriffe von Objekten stossen zu müssen,
- 106 -
ii im Inhaltliche Bedeutung zugleich lediglich au! eines
Werlnllgenicinheit beruht; an den (ihnraktei der Annlysr
als solcher fcssell er «Ich mir «Ii«- Werlnllgemeinhei! gelten
hissenden '<>i in;ihsmiis des Wcrtcns und damit den Dua-
I

lismus \iin Wertallgemeinheit und besonderer Kxempli-


BkatkNH
In bistorisch-psychologiecbea Bedingtheit ging
.litsri

dtl GretamtbiM des Kriticismus in dns Uewusstscin der


Nachfolge! KANTS über Diese vermoehten die darin
steckenden fundamentalen Problem versehlingungen nicht
n losenund machten für das abstrakte Wertungs-
ichema die abstrakte Methode der Transscen-
dentalphilosphie, die abstrakte Logik verantwort-
lich. Da die tiansseendent.de Analyse nicht zur Lösung
aller Aufgaben ausreichen wollte, verkannten sie auch ihre
innerhalb einer gewissen methodischen Begrenzung unver-
gleichlich hohe Bedeutung, ebenso wie Kam Ja ungekehil
gegen Jede methodologische Begrenzung in des Branch-
barkeil seiner irumlprincipien blind gewesen war.
( Die
Tiansscciidentalphilosophie sie deshalb nicht
erachteten
für nur I sondern sie hielten sie als
r^-in/ Hilfsbedürftig,
solche, als blossen ransscendenlalismus für verwerflich:
I .

d.is Verständnis insbesondere der Wertindividunlitat er-


schien ihnen nicht durch eine weitere Ausdehnung d< ^
analytischen Verfahrens, iluirh eine speziellere, auf die
inhaltlichen Werte gerichtete Kritik gewährleistet, sondern
allein dunh die Prefagabe der kritischen Methode Selbst
In die alten Sehlauche schien der neue sich nicht Wem
lullen Man
zu lassen. sehnte sich darum nach einer
anderen Methode, nach einen neuen „spekula-
tiven" Organ. Hatte Kwi die Methode auf das Objekt
wirken lassen, s,. seinen folgerichtig mit der veränderten
Struktur des Objekts auch die ihm angemeaaene MeÜi
von drund ans sich wandeln /n innssen. In diesen durch
dk unvollkominenc historische Erscheinungsform der
Kantisehen Philosophie hervorgerufenen Verwicklungen
steckt der tiefste Grund im- die metapbyaiachefi Umwtt-
Zungen (\n nachkantisc dien Spekulation.
Zu fast gleicher Zeit haben l'n u S. m L4JMO, S« in
1 1 n -
. i i

HACHES und Iln.ii ein Ziel angestrebt, «las von der tradi-
tionellen Schulphrase die Oberwindung des Mos »eubjek-
— 196 —
tiven Idealismus" oder mit besserem Hecht die beginnende
Versöhnung der Spekulation mit dem Gegebenen" genannt
.,

zu werden pflegt. Die hierbei gewöhnlich zu Grunde


liegende enge Auffassung der Transscendentalphilosophie
verleitet häufig auch heutzutage den Historiker der Philo-
sophie zu der falschen Meinung, als ob, blos als oberster
Leitsatz der Erkenntnistheorie genommen und bei strenger
Einhaltung der methodischen Schranken, der Standpunkt
der Immanenz oder des „Subjektivismus" einer Ergänzung
und Bereicherung durch philosophische Spezialdisciplinen
irgendwie im Wege stehen könnte. Die damalige Generation
vollends sah im Idealismus nur die schablonenhafte Kon-
statierung der allgemeinen Ichhaftigkeit, das System des ver-
standesmässig zerlegenden, kritisch analysierenden Wissens
mit seiner Leerheit, mit seiner aus der abstrakten Me-
thode folgenden Resignation gegenüber den unbegreiflichen
Schranken der Individualität. So verbindet sich, wie stets
in der Geschichte der Philosophie, der Charakter des Ver-
standesmässigen mit der abstrakten Tendenz, während die
theoretisch unergründliche Wertindividualität in geheimnis-
volle Beziehung zum unmittelbaren „Gefühl" tritt (vgl.
auch ob. S. 149 f.). FlCHTE selbst, der Idealist, der Wissen-
schaftslehrer, hat als einer der ersten —
in der „Bestimmung
des Menschen" —das Bedürfnis nach einer über das Wissen
sich erhebenden Spekulation ausgesprochen, und ScHELUNG
griff begierig diese Bestätigung seiner eigenen Ansicht auf,
dass die bisherige Wissenschaftslehre auf dem Reflektier-
standpunkt stehen geblieben sei ). 1

Überall erwacht jetzt eine Entrüstung gegen das


gleichgiltige Wissen, das wie ein Spiegel teilnahmslos alle
Gegenstände an sich vorüberziehen lässt, unfähig, dem
unendlichen Reichtum des Lebens sich verständnisvoll
anzuschmiegen. Statt kalter Reflexion wird auch für die
Philosophie unmittelbares Fühlen, Anschauen, Ergriffen-
sein, Erleben gefordert. Es vollzieht sich das vorher er-
läuterte Überströmen der Wertindividualität vom
Objekt in die Methode.
So werden auch bei Fichte
„Realität" und Trennung von der Philo-
„Leben" aus ihrer
sophie erlöst und von einem „höheren Realismus", einer

') In seinen Briefen an Fichte, Leb. II, 350 f., 353.


— n>7 —
muh Lebenslehre Innig durchdrungen So unendlich
abgcstuit wie dk lebendige wertdurchtrinkte Wirklichkeit
s< ihsi soll die ihr angemessene Spekulation werden. Dk
schiigte Auflehnung gegen den In einse itiger Abstrakt-
heil iteckengebliebenen Kantianismuf wird dabei durch
ii Ekel an aller Analyse, einen mihi mir historisch
\i r.mhisstrii. sondern originär metapln sischen Trieb aul
dm Lebhafteste untentfltzt Hatte doch Pichtb noch km/
rar dem entscheidenden Umschwünge \<>n einer Aus-
dehnung der transsrandr ntal nnaljlisrhm .Theorie auf
alle unmittelbaren Lebenswerte, auch auf die reü
das Heil der Philosophie erhoffen können (s.S. 158 f.).
Aber bald drang euch bei ihm die intelligible Individualitat
am dem pereeptum In dm pereipiens. Die ganze in das
19. Jahrhundert bdiende metaphysische Phase wird durch
diese ügent&mlichkeü einer wertmdividunlisiisch intuitiven
I

Spekulation gekennzeichnet. Und erst in (iieser Zeit kam.


w.is bisher stets missverstanden wurde, auch über I'mutk
def (»eist der intellektuellen Anschauung", während dm
Verlassen des irundsatzes der I)iskursi\ itat in den An-
(

(angsstadien der Wissenschaftslehre rid mehr durch dm


PathosdeS einheitlichen Systematisiereiis. des aphoristischen
und rationalistischen Dcducierens verschuldet wurde. .letzt
stellte er sich selbst mitten in jene Bewegung, deren Ziel
das Hinausgehen Ober jede blosse Wissenschaftslehre" war«
ii i\(.
ii wurde der Anführer in dem Kampf gegen
den transseendeiitalen Idealismus, für den im BewUSStsein
dm 'rspi angliche und Yoraiissetzungslose besteht, die
1

Falle der Wirklichkeit. Natur und drist, zur bloss ,phäno-


menalcn Bxisteni BUMS -Objekts" herabsinkt An die
Stelle der si 1k in.itisc hen und sterilen Subjekt-t )bjekti\ itat
hat. w ie anefa & m u hmai iii:h lehrte, das absolute Krkennen
i

des Absoluten zu treten Die alte Furcht der gefuhls- und


glaubensphilosophischen Richtung vor der Zerstörung der
nur in ihrer Unmittelbarkeit sich offenbarenden intelligiblen
Individualitat durch die /eiset/ende Abstraktion und durch
die Scheidung von Form und Materie. s<>\\ \v durch den Dua-
lismus dm Allgemeinen und Besonderen, kehrt in den
In« i|. nartigsten Umbildungen bei den nachkantischen

Metaphysiken wieder ScHBLUNG setzt die , intellektuelle


Anschauung" dem dualistischen und ver mittelnden Erkennen
- 198 —
der Wissenschaftsichre, Troxler das Urbewusstsein oder
unmittelbare Wissen dem reflektierenden und diskursiven
Bewusstsein mit ausdrücklichem Hinweis auf Jacobi ent-
gegen. Berger stellt den unmittelbar vernehmenden Ver-
stand über die abstrakte oder blos formale Erkenntnis-
weise, Krause die unbedingte, urwesentliche Erkenntnis,
die Wesenschauung über die nur begrifflichen Erkenntnisse,
Solüer bekämpft den Dualismus des Allgemeinen und
Besonderen, Baader den des Apriori und des Aposteriori l).
überall eine gleichsam geniale Erkenntnistheorie, die eine
Wertindividualität in rein methodisch - spekula-
tivem Sinne konstruiert! Auch für Fichte endlich
hat sich in der ganzen metaphysischen Epoche die Welt des
niederen Wissens in eine Schein- und Schattenwelt, eine
Region blosser Schemen und Bilder verwandelt. Auch er
sieht „im Hintergrunde der Form und nach ihrer Zer-
störung erst die wahrhafte Realität*, glaubt an eine Intuition
unmittelbar anschaulicher Werte. Wie das Absolute, das
Eine göttliche Leben, so ninss auch das Erleben, der
„Gedanke", die .Sehe" den Charakter der Wertindividuali«
tat an sich tragen-).

Man sollte über der metaphysischen Umhüllung, über


der ungerechtfertigten Verachtung aller kritischen Analyse,
also über der unvollkommenen Problemlösung nicht die
richtige Problemstellung, die berechtigten Motive, den
Tiefsinn jener naehkantischen Spekulation verkennen. Die
Sehnsucht, eine neue Stellungnahme zum Individnalitats-
problem zu gewinnen, entsprang sehr berechtigten knltur-
phi losop bischen Interessen. Ein ungeheures Verdienst
lag in dem dunklen Gefühl, dass der doch nun einmal
abstrakt gebliebene Kriticismus nicht alle Aufgaben gelöst
habe und dass die Durchdringung der individuellen Wert-
wirklichkeit einen anderen Ausgangspunkt als den dua-
listischen erheische. Mit gutem Grund durfte Schelung
das stolze Wort aussprechen, dass mit der Überwindung

M Schelung w\y l.Abt, IV, 249 f., 253 f., 340 IT., 353 f., V, 249 f.,
273 f., VI, 221V., ERDMANN, Spekulation I, 29611., II, 260 f., 424 f., 447,
596 f, 646, 651.
«) Leb. II, 278, 321, N II, 213, 290 f., VIII, 364 f., 367 f., 370, 372, V,
410, 418, 445, 448, 462, 541 f., 553, N III, 257 tl„ VII, 305, II, 685 f., 690 I.,

IV, 370.
- 199 —
.i.i aller Wh Miciikrii entfremdetes Philoeophie' dei
Durchhruch in oftOS
«las «hl objektiver Wissen-
freie I

schaft SfTUIlgen sei. In den Vorlesungen uh« 9 «In-


Methode des akademischen Studiums li.it er CUM llilri
filier in alle Offenbarungen des Absoluten eindringenden,
in den positiven )iseiplinen objektiv gewordeneu \
I

nunftw issenschnft entworfen Line Loten/ierung dieser


Temlen/. grade/u ein« ;iul Lrlahrung und transs< emlente
I hntsachlichkeit abzielende Richtung, eben «inen „ineta-
ph\siscl)rn Lmpirismiis . stellt endlich S« um i i\«,s posih
oder g< 's, hichtliehe Philosophie dar In umgekehrtem
Sinne winde S< m QSL ein liew eis Im «lie engen hc/iehungen
i

/w isehen der metapln sisc hen Methode und dein neu-


erwachenden sinn im «lie Erforschung des Gegebenen,
Indem seine geniale Fähigkeit da Nacherlebens gescMebt-
lieher Wirklichkeit schliesslich in der Theorie eines speku-
lativen Li fahrungsw issens einen philosophischen Ausdruck
sucht
Als Höhepunkt dieser ganzen Bewegung muss
der
aber lln.u. werden
begriffen Das Medürfnis nach der
Prignng neuer Kult Inbegriffe setzt sich bei ihm un-
mittelbar in eine neue logische Theorie vom Begriff um:
und gnde die für seine Weltanschauung am bedeutsamsten
gewordene Struktur der Werttotalitat. wie sie etwa der
sittliche Organismus' des Staates aufweist, gab das Vor-
bild Rlr die logische Struktur des HcgrilVes ab. weshalb
er z. B. auch den abstrakten kulturphilosophischen Indi-
vidualismus auf einen rein logischen Atomisinus zurück-
zuführen vermochte vgl S Reiht er itcfa so in der
1
••'•

rein spekidativen Ausfüllung der \ on «irr abstrakten Methode


nenen Lucken den übrigen Metaphysiken an
doch gleichseitig weit Aber sie hinaus, ds er rieh
nicht mit einer Negatfou dei anal) tischen Logik oder einer
blossen llerahdrückung der Bedeutung da niederen Wissens
samt sein, \<ih;m-iiis\ ollen Ii r;it »n;ilit:i begnügt, sondern
i i« t

nun seinerseits .Tis Im die Vertreter der intuitiven Meta-


physik unlösbar gebliebene Kantische Irrationalitatsproblem
mit den Mitteln einer eigenen Philosophie in Angriff nimmt
und durch die Schoptung einer neuen Logik bewältigt.

Ynl Kudmann. Gnindri«* II. 484.


— 200 —
Er befreit dadurch zugleich das spekulative Erfassen der
Wertindividualität aus seiner Verschlingung mit der meta-
physischen Intuition. Nur wenn man Hegels System so
als das Zusammenwirken des Ringens mit der logischen
Irrationalität einerseits und der tieferliegenden kultur-
philosophischen Triebkräfte andrerseits würdigt, vermag
man ihm in seiner unvergleichlichen Mischung von Ra-
tionalismus auf der einen, von Tiefe und Gediegenheit des
konkreten Wertens auf der anderen Seite gerecht zu werden.
Er erscheint dann als das einzige ebenbürtige Gegenbild zu
Kant. Denn er verwirft nicht nur die dualistische Logik als
unverträglich mit der intuitiven Erfassung der Wertindivi-
dualität, sondern unterbaut vielmehr sein antidualistisches
Werten des Individuellen durch eine antidualistische Logik,
sowie bei Kam umgekehrt die dualistische und forma-
listische Erkenntnistheorie im Einklänge mit dem ab-
strakten Werten gestanden hat. Auch darin sind beide
Denker miteinander zu vergleichen, dass ihr kulturphilo-
sophisches Werten in Letzter Linie doch einer gleichsam
nur automatischen Übertragung aus ihrer Erkenntnistheorie
verdankt wird. Kants geschichts- und rechtsphilosophischer
Rationalismus erwies sich ja als einseitige, aber psycho-
logisch verständliche Folgerung aus gewissen transscenden-
talen Begriffsverhältnissen. Entsprechend wird Hegels kon-
kreteres Werten nicht gleichzeitig von einem darüberstehen-
den kritischen Bewusstsein erleuchtet, sondern erfolgt ohne
dasAufgebot seiner speziell kulturphilosophischen Besinnung
und ergiebt sich wie von selbst aus einer metaphysischen
Logik.
So erhalten wir hier einen Einblick in die zum
Teil durch die Sache, zum Teil aber durch die Macht
der Problemverschlingung gestifteten gegenseitigen Be-
ziehungen zwischen den logischen Theorieen, die
unser „ erster Teil", und den Wertungsarten, die
unsere „Einleitung'* noch ganz gesondert von ein-
ander behandelt hatte.
Die Eigenart von Eichtes Stellung in der klassi-
schen Epoche der deutschen Geschichtsphilosophie beruht
nun in methodologischer Hinsicht darauf, dass er zwar
Banne der spekulativen Methode gestanden,
auch im
daneben aber die analytische Logik dennoch nicht
- 201 -
aufgegeben bai <\*gl adi «Im 3 Abschnitt de«
/weiten feiles Seine neue Meinphysik bringt ja nicht
)

«nun einlachen Ituckfall in den h .mssi v ndentallo^ischcn


I mni.ilismiis VOfl 17'»l mit sich, durch «Im damals auch
wie später llic.ii.) die annlj tische Logik Staffel h zu
Bisen gedachte, [mmerfain mag aber »ueb an dieser
Melle dann hingewiesen wcnlcn. dass die um IN'*» er-
I

folgende schrotle Wendung gegen einige prin/i|)ielle Fol-


mgeii ;uis <ler analytischen Logik, insbesondere der
Rückschlag gegen die WlssrnirhnfliilfhiT all eine dua-
listische Reflexionaphilotophie eine SdhstbcurtcJln ng ,

die doch in den eisten Jahren gam undenkbar gewesen


Wilt für jeden Völlig rätselhaft bleihen innss. der nicht
die ran uns ^'gedeckten grundlegenden Wandlungen, die
;.

die Wissenschaftalehre inzwischen durchzumachen hatte,


in Rücksicht zieht

Nachdem jetzt die für kulturphilosophische /wecke


methodisch bedeutsamen Tendenzen auch in der
Metaphysik nachgewiesen und damit endlich alle Be-
dingungen der allgemeinen Erkenntnistheorie beigebracht
sind,kann nunmehr verständlich gemacht Werden, welche
Form des Geschichtsphilosophie auf diesen allgemein philo-
sophischen Grandlagen aufgebaut wurde.

II. Kapitel.

Die geschichtsphilosophische Wertindividualität.

I Im t Kuhns
hOrtsetZUng der l\\\iis<m\ (.eschichts-
metaphysik darf dies« Darstellung flüchtig hinweggehen,
uns. uzen Ahsicht gemäss | oh s 21) und weil
dieser leil seiner ( .cm -hichtsphilosophie. in dem man
ja seine geschichtsphilosophische Leistung beschlossen
glaubte, genügend gewürdigt zu st m seheint Ein unhe-
ilbares Verdienst Kuhns Ix steht hierbei zunächst
allerdings darin. «I lie Imdenz der Kwiimiiin (»<-

si-hii htsphilosophie, in der wir deren „(i rosse erblickten.


nämlich die Krkenntnis des Wertmoments im Kultur- und
(ieschichtsbegrifT, weiter \ erfolgt und fruchtbar macht
L»«k, ficht« tdwMwm und dto Gwchicbtr. \\
— 202 —
(vgl.ob. S. 4). Aber dadurch treten gleichzeitig grade
auch die Gefahren des rein spekulativen Verfahrens be-
sonders scharf bei ihm hervor. Da die Geschichtsphilo-
sophie nicht als logische Specialdisciplin, sondern als ein
den übrigen spekulativen Wissenschaften koordinierter
Bestandteil der einen metaphysischen Grundwissenschaft
gedacht wird, so muss der Versuch gewagt werden, den
„Sinn" der Geschichte als eines Ganzen, den „Weltplan'*, in
unmittelbarer Anschauung zu umfassen. Diesem Beginnen
aber haftet unabtrennlich der Mangel an, dass die konkrete
Gesamtheit des Kulturgeschehens in Formeln eingezwängt
und zu metaphysischen Abstraktheiten verflüchtigt wird,
für die Wertstruktur des Geschichtlichen aber kein eigent-
liches Verständnis dabei herauskommt.

Wird somit in den folgenden Ausführungen auf den


genaueren Ausbau von Im uns Geschichtsmetaphysik
kein grosses Gewicht gelegt, so bleibt trotzdem die im
vorigen Kapitel charakterisierte metaphysische Methode
auch für die von uns versuchte Behandlung von PiCHTES
Geschichtsphilosophie ein unentbehrliches Orientierungs-
mittel. Denn sie erscheint doch so sehr als der allgemeine
spekulative Rahmen und die bestimmende Grundströmung,
dass wir alle Ansätze eines nicht metaphysischen Ein-
dringens in das Wesen des Geschichtlichen immer nur
alstrotz Metaphysik und durch Metaphysik hin-
durch sich emporarbeitend richtig werden würdigen
können. —
Als die dem Geschichtlichen von vornherein günstige
Kehrseite der nachkantiscben Spekulation haben wir bereits
im Allgemeinen die bedeutsame Eigentümlichkeit kennen
gelernt, dass in ihr nicht abstrakte und formale Erkenntnis-
werte, letzte ethische oder religiöse Ideale zu inhaltlichen
Übersinnlichkeiten umgedeutet (vgl. darüber S. 28), sondern
We rtindi v idualitä ten metaphysisch hypostasiert werden.
Auch FlCHTES Kulturphilosophie ist grade dadurch vor
der Einseitigkeit des die Wirklichkeit übersehenden (in
doppeltem Sinne!) und überfliegenden Blickes bewahrt
worden und hat trotz der danebenhergehenden aprioristi-
schen Tendenz gleichzeitig das Gepräge einer nur am
Konkreten sich sättigenden, wenn auch sublimierten Ei-
- 908 -
tshrung und eines unmittelbaren Erlebens zwei InsTrans-
scendentc verlegter, ibef dennoch inh.ilt ImIht \V
halten können Oboe deshalb die Bedingtheit dietei \
/u^r durch Ihre metaphysische Kinklcidunn vergessen zu
wollen, werden wir in hm einen ungeheuren Fortschriti
Aber Kani darin zugestehen inAssen, daai er am «Im
rormelhaften Begrlfittfetzen sich gerettet, zum ersten Mal
den Ton darauf zn legen gewagt hat, dass das Ganze
da Geschichte eine einmalige, eigentümliche Ent-
w ickl n g darstelle
ii Schon in dieser berfhhrung schema«
'
» 1

tischen Umschreiben! in unmittelbareres Empfinden steckt,


wie nebenbei bemerk! werden mag, zweifellos wenn —
muh noch latent eine richtige Einsicht auch in die
struktur <lcs Geschichtlichen
Ei Msst sich genau beobachten, dass diese Umsetzung
<irsInbegriffe der Werte, des Grenzen der (»aUungsnufgabe,
des »Einen göttlichen Lebens* aus abstrakter Unbestimmt-
heil oder gestaltloser Verschwommenheil in den Gedanken
<ir> ober die Generationen sich erstreckenden lebend!
Wertverkuifs stets dann gelingt und ausdrücklich zum
BeWUSStsein kommt, wenn grade die ein/einen Individuen
als Glieder und Träger dieses Werdens betrachtet werden
An der ein/einen Wert n d \ id ua i und durch
i I i t ;'i t

sie offenbarl sich auch das Ganze als Werttotalitit;


mit- und (diedindividunlitat weiden mit einein Schlage
lichtet. Den ein/einen Tragern der GattungSZWecke,
den von ihrer höheren Bestimmung .begeisterten Menschen
wird nämlich die Anleihe /uerleilt. die Welt mich der
göttlichen Idee .fortzuentwickeln" und Gottes ewigen Rat-
schluss von einer anderen, his jetzt Völlig Verborgenen
Seite zu denken, ihn „eine neue Gestalt" in sich gewinnen
zu lassen D.iss «Irin Denker so ;m der bedeutenden Einzel-
lall auch das Ganze ils (ine von lndi\ idunlitat zu Indi-

vidualität schreitende Portentwicklung sufjgeht, ist tief in


der Sache begründet Denn da wir die Vernunfttotalitil
all ein wahrhaft gefülltes Ganzes irgendwie zu erfassen
gU nicht im Stande und deshalh nur allzuleicht \ ersucht
sind, sie in einer Inhaltsleeren Formel zu umschreiben

') Vgl N\r\i.n WSFfUMQBa, gSff l-inlw ieklunns - Begriff bei


Pichte i ;. bargst Dissertation, t>os. 39 f., 53 ff.. 74 ff.

14*
— 204 —
oder der die Wirklichkeit verkürzenden Perspektive
in
eines Endziels erschauen zu wollen, so müssen wir
immer wieder durch die greifbare Fülle des Einzelnen
uns zur Erinnerung an des Ganzen lebendige Gesamt-
wirksamkeit zurückführen lassen. Auch bei Fichte wird
ja die konkretere Fassung des Entwicklungsgedankens -
zwar meist nicht mehr durch tötende AbstraktionsbegrifTe,
wohl aber - durch den die „unendliche" Veränderlichkeit
des „Mannigfaltigen" als blossen Schein leugnenden starren
Eleatismus und Monismus immerwährend bedroht, und
nur in beständigem, nie geschlichtetem Streit mit diesem
absoluten Akosmismus vermag sich bei ihm der Glaube
an ein wahrhaftes ewiges Fortschreiten des „ ursprüng-
lichen Lebens" durchzusetzen. Erst vor der lebendigen
Auffassung des Kultur Verlaufes, in den der „einzelne Aus-
erwählte", der „göttliche Mensch" eintritt als hervorbringend
das „Neue, Unerhörte und vorher nie Dagewesene", der
„wie jede Individualität nur einmal gesetzt sein kann in
der Zeit, und iu derselben nie wiederholt werden", schwindet
die universalistische Metaphysik zu leerer Bedeutungs-
losigkeit zusammen, „Jeder ohne Ausnahme, sage ich,
erhält seinenihm ausschliessend eigenen, und schlechthin
keinem andern Individuum ausser ihm also zukommenden
Anteil am übersinnlichen Sein, welcher Anteil nun in ihm
in alle Ewigkeit fort sich also entwickelt, — erscheinend
als ein fortgesetztes Handeln, —
wie er schlechthin in
keinem andern sich entwickeln kann; — was man kurz
den individuellen Charakter seiner höheren Be-
stimmung nennen könnte." Mit solcher Würdigung der
unvergleichbaren Einmaligkeit des historisch Bedeutsamen
geht die konkretere Behauptung Hand in Hand, dass stets
die in einzelnen Persönlichkeiten wirksam gewordenen
Verkörperungen der Gattungszwecke, dass Beligiose, Heroen,
Künstler, Wissenschaftler über den Fortgang des Menschen-
geschlechtes entschieden haben ). 1

Wenn nun so das Einzelleben zwar der Erkenntnis-


grund des Gesamtlebens werden kann, so ist Fichtks An-

') VII, 41, 45 ff., 49, 119, 237, VI, 352, 356, 3681'., 370, 386, 4061.,
V, 465, 530 IT., 572, N III, 192; II, 86, 115, 117 ff., VI, 369, V, 445, 458 f.,
471 ff, VII, 368, 374, II, 600 ff., 639 ff.
MM
sieht doch dahin gegangen, dass In letzter Unk der
iteti
Wertgrand euch lui eins Kin/elne ausschliesslich im
Genien ra suchen lei Wir heben frühci eingesehen, lan f

dk Werttndividualität rar Eingliederung in eine Wert-


totalttäl gndetu enfTorderl (i S ISA l Fichti gehl well
nur die In «in Wartganzes lieh eingliedernde Indi-
vidualität li.it nach ihm n berha |)t Anspruch auf
ii

«len Rang der Wertindividualitäl So wirk! der meta-


physische ni\ crsnlisinus in abgeschwächtem Grade
l .'»

Werttotalismus nach, aber ohne in dieser Gestall der


Individualität des Einzelnen noch gefährlich werden zu
können. Denn obgleich diese /war einen vom (lesamt-
zwech erst übertragenen Werl erhält, so wird dadurch
ihrer Eigl ntümlichkeit und Ln\ crgleichbnrkeit doch um
keines 1: Breite Ahhrueh gethnn. da sie. wenn auch
als Glied, lodoefa als unersetzliches und unvertausch-
hares Glied und als einmaliges, individuelles Gebilde in
die einmalige Entwicklungslinie lest und sozusagen nnver-
sehiebbar eingestellt Wird In praktischer Hinsicht folg)
daraus dk Aufopferung aller persönlichen /wecke und
die Hingabe des Individuums an die Gattung. Der Lin-
/elne betrachtet seine individuelle Person seihst als einen
Gedankte der Gottheit" oder als »Offenbarung des sitt-
lichen Endzwecks von einer neuen, his jetzt durchaus un-
sichtbaren Seite Somit erscheint das Individuelle zwar
nur als Bruchstück, Durchgangspunkt, Fragment; aber
doch als eigenartiges und unverwechselbares Fragment mit
linein eigentümlichen Anteil am übersinnlichen Sein', als
ein Schauplatz göttlichen Lebens, »wk es lediglich in ihm
und seiner Individualität sich entwickeln kann und soll*.
Jeder toll das, was schlechthin nur I
K>U, und nur Li
I

kann nur Er und schlechthin kein anderer: und das.


wenn er es nicht thut, in dieser stehenden dcineinde \ on
4
Individuen wenigstens nicht geschieht Eine eigen-
artige Losung des Individualitatspi ohlems hat FlCRTE hier
gefunden das einzige selbständige und in sich vollendete
Individuelle ist das gan/ Universale, und jedes Lin/el-
gebildc weist über sich hinaus, aber nicht auf ein All
m« i - sieh in ihm verkörpert und das im Grunde
glcichgiltig sein inussle ge- ine Linmaligkeit und
Einzigkeit, sondern auf ein Ganzes, das mit seiner
— 206 —
Individualität die des Gliedes umfängt und be-
stätigt 1 ).
Der tiefste Punkt des Eindringens in das Problem des
Individuellen kann sich uns aber erst erschliessen, wenn
wir aufdecken, wie Fichte bereits eine Versöhnung der
widerstrebenden Richtungen des Akosmismus und Indivi-
dualismus anzubahnen, ein spekulatives Verbindungsglied
zwischen ihnen aufzufinden vermochte. Der letzte tief-
sinnige Hemmungsgrund, aus dem heraus er nur zögernd
und widerwillig, unter stetem Ringen mit entgegengesetzten
Antrieben, den Wert in die Individualität eingehen und
sich von ihr durchdringen lässt, beruht auf der richtigen
Überlegung, dass in der Individualität blos als solcher,
d. h. lediglich in der empirischen U n t erschieden hei t
des EinzeldingS von allen anderen, in dem brutalen Grade-
So-Sein nicht die geringste Legitimation einer Wertung
anzutreffen sei. Soll trotzdem das Individuelle nicht blos
den gleichgiltigen Schauplatz, sondern den wesentlichen
Grund des in ihm verkörperten Wertes angeben, so mtfsfl
doch in gewissem Sinn erst einmal über die blosse Indi-
vidualität hinausgegangen und innerhalb Ihrer zwischen
Wertzufälligem und Wertwesentlichem unterschieden wer-
den, zwischen dein, was die Hülle oder das blosse Substrat
und dem, was den Kern oder den ewig giltigen, aber
gleichfalls individuellen Bestandteil repräsentiert, im Ver-
hältnis zu dem dann das übrige an der Individualität als
vergänglicher Erdenrest erscheint. Blosse Individualität
als gemeinsame Struktur alles Wirklichen steht ja in der
That der besonderen Auszeichnung durch den Wert noch
als „zufällig" gegenüber. Nicht einen Individualismus,
nein, einen Fanatismus des Wertens würde predigen, wer
leugnen wollte, dass die Individualität als solche eine
unterhalb des Wertes gelegene Sphäre bedeutet. Für
diese Region, aber auch nur für sie, behält denn auch
der akosmistische Universalismus das letzte Wort mit
seiner Behauptung, dass alles Individuelle gleich und gleich-

') VII, 56, VI, 356, 377, 383 f: besonderen Individuums


..jedes
Lehen ein besonderes, ihm allein zukommendes u\h\ von ihm allein
gefordertes Resultat", 386, 393f., 406f., II, 663h\, z. B.: „die Entstehung
eines Individuums ist ein besonderes und durchaus bestimmtes
Dekret des sittlichen Gesetzes überhaupt."
— 907 —
nichtig isl I
I i« 1,1 nur Heslimmtheil uhei haupl,
nicht besondere ncatlmmt hcitl — «> vrird vom Wertungs-
slatidpunkt aus die mich jel/t remnicht fallen gelassene
logische i in im (vgl ob S 1671
gradezti umgekehrt I
Di<
Spaltung des Individualititsbegriffes, die Scheidung
in eine Individuell-vergängliche und in eine darauf
ruhende individuell-ewiggiltige Schicht, mit der darauf
erklärbaren VertrigUchkeH \<>n Akosmismus und Indivi-
dualismus du Wartens, diese, wie ei scheint, in ihrer
Bedeutung noch nicht genügend gewürdigte Leistung
l-iiiiiis, giebl den tiefsten An fsehluss uhcr die
isung des Individualitfttsproblems in der ganzen
metaphysischen Epoche der Fichteschbk Philo-
sophie. .Jedes Individnnm erhalt mm eine doppelte
Bedeutung Ei isl teils ein Empirisches, Darstellung der
leeren Form eines Sehens Insofern ist es allen übrigen
schlechthin gleich .... teils ist es etw.is an sieh. <in Glied
der Gemeinde .... Soviel aber ist klar, dass, da di
Gemeinde ein ans solchen Individuen zusammengesetztes
organisches Ganzes ist. jedes Individuum seinen Anteil .in
jenem Sein und Lehen der Gemeine haben werde, worin
schlechthin kein anderes ihm gleich ist Das überempi-
risehe Element unsetes individuellen Wesens wird mm
^em;iss der vorher geschilderten Grundanschauung stets
als eingeordnetes Glied in einem umfassenden Wert-
susammenhaag gedacht; aus dem Mos
es soll also
Empirischen eine Welt von übersinnlichen Individuali-
täten herausragen, die. nur an ein/einen Punkten die
breite Masse <\<v sirmlichen Individualität berührend,
im übrigen nach etsen ein von der Zu-
fUligkeil ihres empirisdiea Ersdieinens unbeeinflusi
Dasein fuhrt. Mit der Klarlegung dieses Gedankens hal
I u
i< an einer k lassischen Stelle zugleich eine Ausein-
i i

anderseUtang mit den Romantikern verbunden und dabei


in höchst prägnanter Form neben seinen individualitat-
nrstörendea Monismus die neue spekulative Wertung des
Individuellen gestellt Denen, die sich durch das Stich-
wort von Individualität blenden lassen, sei entgangen,
d.iss wir unter lndi\ idualitat lediglich die persönlich
sinnliche Existenz des Individuums verstehen, wie denn
«las Wort allerdings nur dies bedeutet; keinesweges aber
— 208 —
leugnen, sondern vielmehr ausdrücklich erinnern und ein-
schärfen, dass die Eine ewige Idee in jedem besonderen
Individuum, welchem sie zum Leben durchdringt, sich
in
durchaus in einer neuen, vorher nie dagewesenen
Gestalt zeige; und dieses zwar ganz unabhängig von
der sinnlichen Natur, durch sich selber und ihre eigene
Gesetzgebung, mithin keinesweges bestimmt durch die
sinnliche Individualität, sondern diese vernichtend
und rein aus sich bestimmend die ideale Individualität,
oder, wie es richtiger heisst, die Originalität" ). 1

Mit diesem Begriff der Originalität beginnt ins Leben —


gerufen durch die neuen kulturphilosophischen Probleme!
— eine zweite Welle des Wertlingsindividualismus, nach-
dem die ersten Ansätze eines intelligiblen Individualismus
des „Lebens" um 1800 von der absolutistischen Metaphysik
rasch im Keime erstickt worden waren. Das Unterscheidende
von dem abstrakten rniversnlismus der früheren Zeit, wie
von dem starren ontologischen Kleatismus der metaphysi-
schen Epoche besteht in einer grundsätzlich neuen Art,
im Individuellen den empirischen und den überempirischen
Faktor zu sondern. Die alte Verschlingung von em-
pirisch und individuell, von überempirisch und
allgemein wird nämlich durch den m ü hsam heraus-
gearbeiteten Gedanken der überemptrischen Individua-
litätvollständig zerstört. Aller Wert ruhte nach der
früheren Anschauung in der unindividualisierten allge-
meinen Vernunft, deren konkrete Realisation im empiri-
schen Ich ebenso wie die Specifikatioo jedes Allgemein-
begriffes zwar als unerlässlich galt, wobei jedoch in
der Einzelheit des Verwirklichungsfalles lediglich der
gleichgiltige Inhaltsüberschuss über das Allgemeine erblickt
wurde 2 ). Daraus ergab sich dann auch jener abstrakte oder
atomistische Individualismus, von dem unsere „Einleitung"
bereits gezeigt hat, dass er mit einem abstrakten Universa-
lismus zusammenfällt (S. 16). Auch nach der späteren
Ansicht soll zwar das „Zufällige" oder unwesentlich

BT., 600 tt, 639 tf., VII, 69, 110, VI, 386, 389, V, 530f.,
i)
II, 86, 115, 117
N III, 65. Durch
diese Spaltung des IndividualitätsbcgrifVs wird, wie
in einer ausführlichen Darstellung zu zeigen sein würde, auch
Fichtes Unsterblichkeitslehre verständlich.
>) IV, 141, 231, 254, vgl. N III, 121.
- J09 -
Individuelle ander einen Aber ihm Stehen- lndi\ Idualitftl
den Werl eignen Vernichtung sich aufopfern,
bis /u srincr
aber diese höhere Bestimmung, der es dient, wird jel/t
tll ein wesentlich Individuelles in das Individuum
seihst verlegt Dndorch gehl zugleich die »atomistische
Beziehungsloeigkeit und OnverbundanbeH der Individuen
in eine feste (diederunn innerhalb des sich entwickelnden

Vernnnftoiganismus über Wir stossen hier auf eine von


der iVulu im Sittenlehre Ihrer Struktur nach völlig ab-
weichende Gedankenschicht in Picbtbs llondphUoeophie,
insofern jetzt eine ethische Norm denkbar wird, die nicht
mehr ausschliesslich in einem Inbegriff von abstrakten
Vernunftwerten, sondern vielmehr in einem aber die sinn-
liche Individualität sich heraushebenden Kosmos von Wert-
individualitaten ihren Ausdruck findet In dieser ethischen
Beleuchtung geschkhtsphiloeophischef Probleme erkennt
man leicht ein Wiederaufleben jener bereits um 1798
zuerst auftauchenden Idee einer intelligiblen Ordnung; in
der der I. in/eine eine bestimmte Stelle einnimmt. Nur wer
.iiism hliesslich dk
altere Kpoche der Wisst iischaftslehre
kann deshalb meinen, Fa. im. habe nie-
berücksichtigt,
mals das Pathos des Allgemeinen" überwunden 1
).

Freilich darf auch diese spitere Iifltung des imlivi-


dualitttsprobleniS keinesw egl etwa mit dem Individualismus
S( .111.1:11 i-.\i\( in its und der Romantiker verwechselt werden.
Was S( in 1 Eigentümlichkeil des Einzel-
n iim\i in f. mit« 1

wesens .
S< in i (.1 \Nov\i is unter „heil:
1 unter ,deni;ilit;it
ntuinlichkeil versteht, das stellt eine Wertindividualitat
d.u. in die d; is w eilende Hew usstsein analoo dem ast hellsehen
Verhalten wie in «ine abgeschlossene Welt sieh versenken
darf drnde diese selbetgenfigaame Isoliertheit schlit
Fan n s Begriff der hriginaliUM ;ms, indem er die Eingliede-
I

rung in eine Totalität fordert S< iili.ii i.\i\« m es ethiseh-indi-


vidualistisi -her Imperativ lautet bilde dich EU einem ei^eti-

So für 1798 mit Hsdri hu mar, Lahsn chielet machet t 1, SWT


Als übereinstimmend mit «In Aullasstinu «los Textes besonders her-
vorzuheben Tonn Ficht« Stellung zur Kunst rStravsburtfer
.

Dissertation / B B BI tl NU M. 129IT.
•*»»Hier wird bereit.
. '.

Hlrffltr Stellen Philosophie


«In in lumis sieh vollziehende l'm-
M'hwunji des Wertens, insb< hrr \mi der idealen
Persönlichkeit. Nor/u^lirh erörtert
- 210 —
tümlichen Ganzen!; Fichtes gleichfalls individualistische
Forderung dagegen nur: werde eigentümliches (unersetz-
liches) Glied eines Ganzen! ) Für ethische und ästhetische
1

Zwecke mag dieser Individualismus sich als unzulänglich


herausstellen. Aber vielleicht trifft er genau das letzte
Geheimnis grade der historischen Beurteilung, die
darin ihr Wesen hat, dass bei der unmittelbaren Wertung
des Individuellen in seiner nur ihm angehörenden Indi-
vidualität dennoch das Kinzelne seinen Wert lediglich seiner
Stellung in einem Ganzen der Wertentwicklung verdankt 2 ).
So steht PiORTES gesehichtsphilosophischer Individualismus
in der Mitte zwischen dem abstrakten Atomismus der ge-
samten Aulklärungsphilosophie und dem absoluten Indi-
vidualismus ScHLElERllAGHERS und anderer Ethiker des
19. Jahrhunderts 3 ).

Dieser wertungsindividualistische Fortschritt FlCHT.ES
über den Rationalismus des 18. Jahrhunderts und Kants
wird, wie bereits hervorgehoben, durch das Hineinragen
der Metaphysik zwar nicht vernichtet, wohl aber ungemein
erschwert. Denn infolge der Il\ postasierung der übersinn-
lichen Eigentümlichkeil zu einem von der irdischen Welt
abgeschiedenen Dasein dringt der Wert blos bis zur Indi-
vidualität, aber nicht bis zur empirischen Individualität
oder bis zur empirischen Wirklichkeit herab; Sinnliche
>) Auch diesen Imperativ kennt selbstverständlich Schleier-
macher.
3
j Zum Verständnis dieser Charakterisierung des geschieht*-,
philosophischen Werfens muss bemerkl werden, d;iss die für die
obige Darstellung ebenso wie für unsere „Einleitung" massgebend
-(•wordenen methodologischen Voraussetzungen In dieser Schärfe erst
in den neueren von Rickbrt unternommenen geschichtsphilo-
sophisehen Untersuchungen anzutreffen sind. In ihnen wird durch
kritisch-methodologische Forschung das Ergebnis gewonnen, d:iss
die historische Begriffsbildung in der Beziehung der durch ihre
Einzigkeit bedeutsamen Individualität ;nil* allgemeingiltige Weile
und inder gleichzeitigen Einordnung i\vr einzelnen Wirklichkeit in
konkret - „allgemeine I.ntwicklungs - Zusammenhänge besteht; vgl.
auch S. 12, Anm 1, S. 15, Anm. l und Rickbrt, Grenzen der natur-
wissenschaftlichen Re^iill'sbildung, 4. Kapitel, besonders II— V.
')SciiriiKKMAdii u \V YY, 3. Abt., I, 366f., EROMANN, Spekulation I
699. Den geschichtsphilosophischen ..Individualismus-, i\cr in einen
konkreten Universalismus Umschlagt, vertritt nur in unendlich
feinerer Ausgestaltung, allerdings mit gleichzeitiger Unterwühlung
durch eine emanatistische Logik - auch Hegel.
211

ihm! Ideale lmli\ i«lii.iii!.ii liehen rieh wk swel Wellen


gegen u Im r. so dass, trotz «1er ln<li\ iduahsicnmn des Werl
.ms «i« r Region des unmiitclh.il I 1 1. 1.I..M» n dei Lebeni
wie «s \mi 1800 bloss, tller Wert ariedei hei igen
wird und Wert und Wirkliehkeil Buseinanderfallen
lehren jedoch, etwa seit L810, bemerken wir
In «Ich letzten
beachtemwerte Versuche, die Uufl Bwiachen dm beiden
Wellen /u überbrücken und die unmittelbare Wirklich«*
keft als Verwirklichung von Werten eu rerstehen. Die
empirische Individualitat erhalt grädezu die Aufjgabe, die
Wertiudividualilat aus der Iranss» iidenten Region in die •<

Sichtbarkeit des seitlichen Daseini Aberznffthren; die


Indi\ iduen-Well soll die absolute \ eicini^un^ und das
wahre Mittelglied der beiden Welten, der unsichtbaren und
der gichtbaren*, darstellen. Der daraus folgende praktische
Imperativ, die Wirkliehkeit nach den J lesiehteir der über-
sinnlichen Welt /u gestalten, darf wiederum keim sv
mit der älteren Anschauung verwechselt wenlen. nach der
das empirische Ich das abstrakte ftberemptrische Uh in
sieh mr Herrschaft zu bringen hat, sondern er bedeutet,
dass in der sinnliehen Partikularitat die ideale Indivi-
dualitat herausgebildet werden solle Dadurch wird aber
der Kosmos der Werte in eine so eindeutige und unver-
sehiehhan Beziehung /ur Region der empirischen Indivi-
dualititen gebracht, wie sie früher gfcnz undenkbar war.
In den allerlet/ten Schriften beginnt denn aueh eine neue,
durch den Tod schnell beendete Phase in der rein speku-
lativen Behandlung des IndhridualititBproblenis, und an I i<

hat es /u wiederholten Malen ausdrücklich zugestanden,


• lass -i.ide zur Lösung dieser Aufgabe die bisherigen l'rinci-
pien DOCh nicht ausreicht« |

III Kapitel

Die Geschichtsmethodologie und die Irrationalität.


I rscheint somit nach den letzten Ausführungen
die gradeZU eine neue BpOChe des Miilosophierens ein- I

leitende I ad i v i d ua 1 1 s 1 1 r u ng des Wertes \ordemuher-


>) II 660 IT., 665, 660. N III. 160 194. VII. 593 ff. N III. 302 ff. 330.
Sit i\ . Won \i\
— 212 —
schauenden Blick schliesslich als die notwendige Vor-
bedingung derVersöh nun g von Wert undWirklichkeit,
,

so wird schon dadurch von vornherein *begreiflich, dass in


der Entwicklung der Fichteschen Kulturphilosophie, von
den „Grundzügen des gegenwärtigen Zeitalters" an, sich
mit der beginnenden Wertdurchtränkung der Wirklichkeit
die Geburt der historischen Weltanschauung in der Speku-
lation vorbereitet.
Aber diese gesteigerte Schätzung der empirischen
„Fakticität" müssen wir nunmehr in ihrer von dem Be-
ginn einer neuen Wertungsart zunächst unabhängigen
rein methodischen Bedeutung zu würdigen suchen. Sie
hat nämlich eine in den tiefsten Principien gelegene Ände-
rung dadurch nach sich gezogen, dass durch sie zum zweiten
Mal das Individuelle grade im Sinne des blos Faktischen,
d. h. in seinem empirischen Grade-So-Sein, in seiner unbe-
greiflichen Bestimmtheit und Begrenztheit, ganz ausdrücklich
in den Kreis der Spekulation rückt Mit dieser Wendung
erhalten nun, wie sich zeigen lässt, zugleich die nur durch
u
die analytische Logik und das blosse „Beflektiersystem
ausdrückbaren rein logischen Qualitäten an der Wirklich-
keit von Neuem eine erhöhte Bedeutung. Das beginnende
Zusammenrücken von Wert und Wirklichkeit im
historischen Material erzwingt für die geschichts-
philosophische Beurteilung ein Zusammengehen
der Wertung wie der spekulativen Methode mit
der analytischen Logik. Was bei Kam als Kultur-
begriff des Geschichtlichen und logischer Begriff des
44
„Historischen unversöhnbar auseinanderfiel (vgl. S. 10),
schliesst sich bei Fichte bereits zu einer beginnenden
Kultur-Logik zusammen. Es wird somit zu zeigen sein,
wie bei ihm sich die Erkenntnis der Möglichkeit, ja der
Notwendigkeit einer Ausdehnung der analytisch-logischen
Charakterisierung auf Wertgebilde anbahnt. Dadurch büssen
einerseits die spekulative Methode und die transscendente
Geschichtsphilosophie ihre Alleinherrschaft ein, indem die
Irrationalität des Empirischen als unerlässliches
Element im Gesamtbegriff des Geschichtlichen an-
erkannt, die Wertindividualität also aus ihrer metaphysischen
Unzugänglichkeit gleichsam bis in die empirische Begion
h nabgezogen wird. Andrerseits aber befreit sich durch diese
i
- 218 -
rornehme Gemeinschetfl «Im* analytiseh-l<
ikimnfl selbst nmi im defolge davon das also C.harakten-
sierharc, nämlich (Ins blos "Faktische, aus seiner ratio-
nalistischen Entwertung, Indem es seinerseits nur Höbe «1er
\\ ( rtindiv
i(ln;ilil;it emporruckt Krsl durch diese gegen-
seitige Durchdringung kann da Geschichtshass des auf-
klärerischen Radikalismus in der Tiefe da Spekulation
uberw unden werden Diese Aufrechterhnltung des Irratio-
nalilatsgedankens «»scheint um so bedeutungsvoller, wenn
man bedenkt, wie st.uk ihm dock die intuitiv-speku-
lative Strömung der neuen Metaphvsik entgegenarbeitet
(vgl. s 192 ff |

Grade in dieser Vereinigung von We rl indi v iduali-


liernng und logischer Besinnung dürfte die unter-
scheidende Eigenart von Im uns Stellung in der
Entwicklung der deutschen Geschichtsphilosophie
/u suchen sein |
\ g) d. 1 'Anleitung u. S.20Of während (Uv l'm-
,

ichwung desWertena, für sich genommen, mehr von den Per-


sönlichkeiten Sciilkikhmaciikhs und Ih.ui.s gelragen wird
Durch das Hin/u treten forma logischer Überlegungen nämlich
I

sticht Fk.iiii /ugleicli erfolgreich Ober die unkritische Nai-


vität des intuitiv -spekulativ rn Verfahrens hinaus und krönt
das \ Vi dienst eines richtig gefühlten Bedürfnisses durch
den streng systematisch wohl noch hoher stehenden Vor-
zug einer kritischen Hcllexion Bei ihm beginnt die ein-
seitige Verachtung; die der Kriticismus von Selten der in-
tuitiven Metaphysik tU erdulden hatte, der Minsicht in den
unersetzliches und unflberholharen Wert erkenntnistheore-
tiseher und logisch-methodologischer Amilv sc wieder Platz
zu machen Dadurch, dass sicli vordem jetzigen Gesamt-
überblick eine so hohe methodische Bedeutung der ana-
iv tischen Transscendentalphiloeophie von Neuem heraus-
stellt und die S|>ekulation über das h ationalitatsprohlem i

nicht nur einen Beitrag zur transsi endentalen Logik und


ein unvermisshares Glied für das Verständnis von I-'iuiiin
philosophischer Entwicklung liefert \^\ V 201), sondern
auch in dem ganzen geschichtsphilosophischen Gedanken-
hau ersichtlich eine herv< le Funktion erfüllt, erhält

unsere ausfuhrliche Behandlung der anal) tischen Tendenz


innerhalb der Wissenschaftslehre «im /weiten Teil") eine
abschliessende Rechtfertigung «vgl auch s 189).
— 214 —
Hat einmal die logische Besinnung im geschichts-
philosophischen Denken wieder eine höhere Stellung
eingenommen, so muss sich mit ihr allmählich auch die
bewusste Erforschung der logischen Struktur des
Geschichtlichen verbinden. Während im übrigen die
Kulturphilosophie des deutschen Idealismus es meist nur
bis zu einer aus der Gesamtspekulation automatisch hervor-
gehenden Anwendung verschiedener Wertungsarten gebracht
hat (vgl. S. 19 u. 200), wird bei FlCHTE das Werten immer
mehr in eine bewusste Strukturforschung hineingezogen.
Nachdem die Wertung sich einmal bis dahin entwickelt hatte,
dass von ihr offenbar die Sphäre des rein Empirischen
mitergriffen wurde, mussten zum mindesten Elemente in
der Struktur derartig gewerteter Gebilde deutlich hervor-
leuchten, und es konnte nicht ausbleiben, dass die An-
wendbarkeit der analytischen Logik auf sie irgendwie auch
eine bewusste Durchdringung ihrer Wertstruktur
Dach sieh zog.
Um den mit den „Grundzügen des gegenwärtigen Zeit-
alters" beginnenden Prozess des gegenseitigen Sich-
Suchens, -Annäherns und -Fimlens von Wert und
Strukturlogik anschaulich zu machen, kann man von
jedem der beiden Extreme von der unreflektierten
Wertung, wie von der nicht wertenden Logik - ausgehen
und dann zeigen, wie das eine stufenweise mit dem anderen
verschmilzt und reichere Synthesen daraus hervorgehen.
Es soll nun zunächst der eine Teilprozess verfolgt,
also untersucht werden, welche Momente auf Seiten der
Wertung für die Klarheit logischer Charakterisierung
günstig waren.
Zweifellos steckt schon in der blossen Herausarbeitung
des Werttotalität und Wertindividualität miteinander ver-
knüpfenden Gedankens der einmaligen Entwicklung im-
plicite eineÜberwindung des Kam 'ischen Rationalismus, in
der blossen Herausarbeitung des Begriffs der Originalität
aber bereits sogar ein Minimum von bewusster Einsicht in
die Struktur. FlCHTE ist jedoch über diese blosse Voll-
ziehung des Wertungsumschwunges noch erheblich hinaus-
gegangen durch eine ausdrückliche und wohlüberlegte
methodische Ablehnung des Kam isciikn und seines eigenen
früheren Wertungsuniversaiismusj Ganz abweichend von
JI6 —
.1. i Manier drr intuitiven Metaphysik hnl vi dabei
m
»In Berechtigung der monüphilosophischcn Analyse und dei
Iranssflcindnutnlnn Konstruktion etiler »Form dei lloralHÜ
odn i teei ethischen
i Abstrakttonabegriflei anerkannt Er
verwirf! also nicht dai analytische Verfahren all iolcbes,
Mindern mit bewusster Würdigung leiner methodisch
begrenzten Zulissigkeit halt ei es nur Ar unzulänglich
und erginzungsbedftrftig Lediglich dagegen erhebt a
Widerspruch, daai die gewöhnliche Sittenlehre" bd der
Heraustösung einer »bim formalen OfSftimlssigkfrH all h<i
ihrem Höchsten und Einzigen stehen bleibe Schon in der
Sittenlehre" von 1798 hatte er \»r der Einseitigkeit einer
..Mos formalen und leeren Mondphilosophie gewarnt (vgl.
oh v 150), w.ir aber damals mit seiner Forderung, in
der empirischen Individualitnt die konkrete Verwirklichung
der abstrakten Vernunft darzustellen, immer noch im »Pathos
des Allgemeinen stecken geblieben, .letzt dagflgfH mündet

überall die bewusstc Ablehnung <les abstrakten Formaüs»


ums in die <l.idurch gleichfalls bewusste Entgegenhaltung
der Wertindividualität Insbesondere hedeutet die hekannte
Unterscheidung von .niederer* und -höherer Moralitat" in
der Anw eisung /.um seligen Leben" die Kntgegensetzung
zweier Arten von Wertst rnkt nr. Die mächtige Sehn-
sucht, die i\w ganzen philosophischen Bewegung jener Zeit
das Gepi lebt, nach einer Befreiung aus dem Bann des
allen Kultui inhalt zu kahler Abstraktheit unerträglich ver-
dünnenden Rationalismus findet in der Gegenüberstellung
d(i Mmnm m und der „qualitati\ en und
Form der
Idee
realen Idee einen trotz seiner l'nheholfenheit un-
Selber
verkennbaren Ausdruck Bricht hierbei vor allem das Ver-
langen nach der Aufstellung inhaltlicher, objektiv geffi ordener
Ideale, einei Heiligen, Guten, Schönen" durch, so wird an
anderen stellen die dem Zeitalter s<> gut als ganz ver-
borgene" W'eltansicht der höhnen Moralitat' ausdrücklich
der Fähigkeit gleichgesetzt, in den einzelnen personlichen
in •
dei höchsten \\ Genialität", «I h. das un-
mittelbare Walten ..derjeni lalt /u \erehreii. welche
liehe Wesen in unserer Individualität angenommen
r neuen Weltanschauung erhalt die Form die
Bedeutung einer hlossen eilfunktion und erscheint als ein
I

lediglich das Vorhandene oi dnender" Begulator. wahrend


— 216 —
das ihr entgegengesetzte Wertprincip als ein „das Neue und
schlechthin nicht Vorhandene erschaffendes und in der
44

Sphäre der Sinnlichkeit „herausarbeitendes" Gesetz charak-


terisiert wird. Hierbei werden die Rollen von Form und
Inhalt gegen früher gradezu vertauscht; denn nach der
älteren Auffassung galt die reine Form als der Endzweck
aller individuellen Inhalte, während sie jetzt, als lediglich
„negativ" und als technische Vorbereitung betrachtet, zum
blossen .Mittel" und zur Begleiterscheinung einer inhaltlich
wertvollen Gestaltung des menschlichen Gattungslebens
herabsinkt, die uns in ruhiger Anschaulichkeit als zu ver-
wirklichendes „Bild einer sittlichen Ordnung" vorschweben
soll. Fortan gelten die formalen Werte als künstlich isolierte
Teilerscheinungen einer Totalität, als ein erst nach ab-
straktiver Zerlegung aus der allein lebendigen Wertfülle
heraushol bares Gerippe. Dadurch erreicht Fichte bereits
ein ungemein feines Kindringen in die Struktur-
verhältnisse jener den verschiedenen Betrachtungsweisen
entsprechenden Wertfaktoren, die im gewerteten Objekt
realiter ineinandergreifen, die jedoch von den beiden kom-
prädikablen Wertungsarten (g. S. 12) nach ihrer sachlichen
Bedeutung auseinandergehalten werden. 1
)

Es Hesse sich im einzelnen zeigen, wie dem „qualitativ"


Wertvollen, dem Konkreten und fest Begrenzten eine immer
stärkere Beachtung zuteil wird, die schliesslich in der be-
wussten Kennzeichnung der Struktur durch den Irratio-
aalitätsbegriff gipfelt; allein der weitere Nachweis der
gegenseitigen Durchdringung von Wert und Logik soll hier
abgebrochen und erst in einem späteren Zusammenhange,
nämlich bei der Darstellung des umgekehrt, also von der
Irrationalität zur Wertung fortschreitenden Prozesses, fort-
gesetzt werden. Statt dessen sei an dieser Stelle die all-
gemeine Bemerkung eingeschoben, dass der ganze Um-
schwung im Werten, insbesondere das neue Verständnis
für das Begrenzte und Anschauliche, für das vom Werte
Gesättigte, ohne Frage durch den Kinfluss ästhetischer
Strömungen bedeutend gefördert wurde 2 ). Man darf sich

') VII, 55 ff., 233 f., V, 466 f., 469 f., 516, 523 f.,
243 f., VI, 367 ff,
526 f., 532 ff, VII, 291 f., N III,
68 ff, IV, 561 f. 25 ff,
») S. Windelband, Gesch. d. neuer. Phil. II, 287 f., Gesch. d. Phil.

494 f., Tempel, Fichtes Stellung zur Kunst.


L>!7

.iIh dadurch niehl /u rinn


i l>en»eli;ilziinj{ der ästhetischen
I

Richtung M
In hn verleiten lassen Wenn ittdl dir Be-
griffe Kunst Kunstirr und ..(irninlit.it Im ihm /iiweilen i

eine hohe Holle /u |p|< Ich sc heinen. und wenn ;nich dk Im


einen Anhänger Kants so miheliegende Verschlingim^ der
W limli\ i(lu;ilil;it mit dci Eigenart grade des ästhetischen
• i

Verhaltens (vgl 8 148] \ieiieicht nicht völlig vermieden


wird, vi kiiim doch keine Rede davon sein. (1,'iss die neue
Wertungsart, die sich in leiner mit gftfhkhtffphiiotffphf-
lohen und politisi -heu Idealen immer inniger \ erschmelzen-
den .höheren Motilität verkörpert, das besondere deprage
eines ..ästhetischen Idealismus \(ir;il'). Von jener Astheti-
sui im- aller Kniturinhalle, die dal Zeitalter der Homantik
auszeichnet, war Fichte vielmehr iteti weil entfernt. Das
llinatisstrehen üher den jede \\ erf indi\ idualitat negieren-
den I\\\iis(hi\ Dualismus /w.n ist ihm mit allen Ver-
tretern einer asthctisici enden Philosophie gemeinsam; allein
le die rharakteristischeKi<<entumlichkeit der ästhetischen

Beurteilung, die wertvolle Einzelgestall als in sieh vollendete


Well und als in ihrer Isoliertheit exemplarische
Verwirk-
lichung der Vernunft zu verstehen 1), wird nicht weniger
ah durch den Kantischem Formalismus durch F» im a Ver-
fahren, das Einzelne als blot dienendes Glied in die Totalität
einer Entwicklung hineinzureissen, erharmungslof zerstört
ob s 2091 Der specilisch ui'schichtsphilosophische
Individualismus oder das eingliedernde Werten ist für
ihn so sein das einzig Ausschlaggebende geworden, dass
die ästhetische ( wo >ie vorkommt,
hai ak terisierune uherall.
nicht sowohl als Mittel eine relatix hohe Bedeutung erlangt,
als vielmehr zu einem untergeordneten Fakten berab- 1

gtdrückt wird, seihst die „Vernunft k u nst des ethischen


Endsustandes bedeute! im Grunde genommen blosse Kunst-
Fertigkeit, ein technisches Mittel nielit Viel anders ;ds
das .ordnende Gesetz! zur Verwirklichung von Zwecken,

w
Dnss vielmehr grade eine Ibseh achmg der Ist]
i

Kirhtimg eintritt, bemerk! mit Recht IIknsrl, nl\le 149, vgl.


(

auch
Meter unterschied der Isthetisehen Wertung \<»n |eder Dn-
gttedentns ta lassnunenhingi wird sau stngehendstea behenden und
cnmsgesrbeitet raoCcent kUgenMUM Isthetik 23fr..
241 ff., vgl. bes. soek Kl MHUBSK »I. I, 121 ff. 145 ff.
I.a • k Floht« tliiHMM and dto Omtkkktm.
, 15
— 218 —
die dann grundsätzlich jenseits aller ästhetischen Wertung
liegen, nämlich um die Menschheit „zum getroffenen Ab-
bilde, Abdrucke und zur Offenbarung des inneren göttlichen
Wesens" zu machen. Mit dieser Auffassung stimmt denn
auch die niedrige Stellung, die dem Ästhetischen in der
Stufenleiter der Werte ausdrücklich zugewiesen wird, auf
das Genaueste überein. Fichte unterscheidet sich grade
dadurch nicht nur von den übrigen Romantikern, sondern
auch von Denkern wie Schellixg und Schleiermacher, dass
bei ihm das Ästhetische den Zutritt in das Innerste und
Heiligste des absoluten Wertes nicht zu erlangen vermag ).
1

Wir wenden uns nunmehr der Darstellung des umge-


kehrt verlaufenden Prozesses zu, der von der bewussten
logischen Charakterisierung und Irrationalitätsbetrachtung
allmählich zu einer Logik der Wertstruktur führt.
Die „(irundzüge des gegenwärtigen Zeitalters" be-
zeichnen das Anfangsstadium mich dieser Entwicklung, den
dem Kantischem Rationalismus am meisten angenäherten
Tiefstand der Geschichtslogik. Hier wirkt die alte Liibmz-
WOLFFISGHE uml KANTISCHE Association des „ Historischen"
mit dem bloss Empirischen oder Faktischen noch so stark
nach, dass der Stoff des Geschichtlichen ohne Weiteres dem
in der Vernunftwissenschaft oder „genetischen Evidenz"
unauflöslichen Rest gleichgesetzt wird, wie denn dem Be-
griff „historisch" bei FlCHTE fast stets eine verächtliche
Nebenbedeutung anhaftet. Der Philosoph hat aus dem
Gesamtverlauf der Kulturentwicklung den vernünftigen oder
„apriorischen" Bestandteil herauszuheben und ihn in der
abstrakten Formel des durch die „fünf Zeitalter" hindurch-
gehenden Weltplans zu fixieren. Alle einzelnen an Ort,
Zeit und „besondere Umstände" gebundenen Gestaltungen
dagegen, die der Weltplan bei seinem wirklichen Hervor-
treten annimmt, gehen aus seinem Begriff keineswegs

!) 526 f.: Schönheit als „niedrigste Form der


S. z. B. VII, 58, V,
Idee". Dieses grundsätzliche Losgelöstsein des höchsten Wertes von
aller ästhetischen Wertharkeit bei Fichte verkennt Windelband,
wenn er (Gesch. d. Phil. 495) von der „Vernunftkunst" meint: „Es
ist das Ideal der »schönen Seele' auf Politik und Geschichte über-
tragen." Ganz einseitig versucht Tempel, a. a. O., jede bei Fichte auf-
tauchende Wertung des Konkreten und Individuellen ins Ästhet i-
siciende umzudeuten.
219 —
Iht\mi m< sin.i dai in ihm Unbegriffene, mnl da ei der
einzige Begriff dafiii ist ci;is überhaupt n begriffene, und I

hier tritt Oll reine l-'.mpirie dei .cm hi< hie, ihr aposte-
< 1 i
«
" (

rioi i
die eigentlich* biehtc in Ihrer orm". In l

der unbegretflichen Einzelheit dei Geecheheni «bei rennag


<l( r Philosoph lediglieh Hemmungen und Störungen dea ..
fl

Absoluten, die Knd liehkeil uml » Deechrinkthcil «Irs menach-


Uchen Lebeni an erblicken, Darin zeigl lieh Jene echl
ration.-ilistist -he. dir Begreif liehkeit zur einzigen und ab-
loteten Norm erhebende Betrachtangweiae, die früher
(17'.>7> .Mich SCHBLUNO EU den Aussprueh \erleitet hatte,
den w ii Geachichte haben, Wert nnaerer Beachrinkt-
sei ein
hfit. Gam folgerichtig mnss bei dieaerAnachauung dai Reicfa
der irrationalen Thataachen den •empiriachen Historiker",
dein .Sammler der bloaaen Pakten" pn ben werden;
Vernnnftwiaaenachafl und AnnaHatib fidlen wie bd Rani
\^i. s. 10) völlig auseinander, «la ihre Objekte, dai All-
gemeine, Absolute und ewig sieh Gleichbleibende" auf der
einen, »die stets veränderliche und wandelbare Sphäre"
auf der .indem Seite, sieh ganz beziehungslos gegenüber-
stehen und wie zwei Welten von einander gesehieden
sind ').

Merkwürdiger Weise ist stets übersehen worden, dnss

sieh bereits in den inind/ugen neben diese! einen Ten-


..(

denz eine and- K hiehlsphilnsnphisehe Biehtung an-


kflndigt, die mit jener nicht ganz in Einklang gebrachl
weiden kann Die Abweichung liaafl sieh vorläufig dahin
ben. d;iss die Aufgabe der Vernunft wissensehaft keines-
p in i\ii Konstruktion des Weltplnnes beseldossen sein
soll, vielmehr gefordert wird, dnss eine eingehende lo-
he Annlvs. der »allgemeinen Bedingungen des
empiriachen Daaeini all des Materials *\<v geechiebt«-
liehen Darstellung hinzu/iitreten habe Schon allein dureh
di« -se Beziehnng rar poetthneu Wiaaenachafl wird zum Ifin-
«lesten die \ollige rnbekuminertheit der reinen Spekulation

Im m. VII, 189 IT.; I.irhtstrahh'ii aus PtcfctM Werken »hrsg. V.


BDVAan Ii« Ilj M. •;• . tt . S. m i i in.., WW I. Abt. I. 461 IT.;
Rbet den Gebrauch <i<s Terminal »historisch* i v B N in. i-
337. III. 391, II, 4<H. 411, \ II, J3. 3" i. VI. 39.'. 101, 4<«3, V.
404, 419 U
508, 568, 578, VII, 286, 332, 339, II, 647 8, VIII, 362, N II, 93.
IV H7, 484.

15»
— 220 —
um alles Empirische beseitigt. Die logische Untersuchung
darüber, welche Bewandtnis es mit dem Irrationalitäts-
charakter des Empirischen habe, wird ausdrücklich dem
Philosophen selbst zugewiesen. So vermag das „Histo-
rische" (in diesem empirischen Sinne), viel stärker als es bei
Kant und der Aufklärung möglich gewesen war, den in
Blickpunkt der Philosophie zu rücken. Wie wenig vor es
dem Forum der Spekulation einfach abgewiesen, wie
sehr es wenigstens einer genauen logischen Erforschung
würdig erachtet werden soll, zeigt sich denn auch sofort
darin, dass zur Charakterisierung des Geschichtlichen jetzt
eine fein ausgearbeitete Theorie der Irrationalität in An-
wendung kommt. Die zum Nachweis dessen erforderliche
Vorarbeit wurde von uns durch die Darstellung des rein
erkenntnistheoretisch gefasstenlrrationalitätsproblems in der
metaphysischen Phase bereits an einer früheren Stelle ge-
leistet (im /weiten Teil, Absehn. 3); sie braucht jetzt Hin-
durch den im Folgenden sich immer mehr bestätigenden
Hinweis darauf ergänzt zu werden, dass seit dem Beginn
der kulturphilosophischen Spekulationen der Irrationali-
tätsgedanke ganz in den Dienst der Logik des
„Historischen" tritt.
Mit dem
Sturz des zeitlosen Seins oder des göttlichen
Lebens das irdische Dasein oder das lortlliessende Zeit-
in ..

leben" verbindet sich, wie in den „frrundzügen" ausgeführt


wird, „Unendlichkeit" und Irrationalität für das Wissen.
Die das Beharrliehe und periodisch Wiederkehrende des
Daseins ermittelnde Empirie heisst Physik, die auf die Er-
füllung der Zeitreihe gerichtete Wissenschaft Geschichte.
Mit dieser Festlegung vollzieht sieh die nächste und elemen-
tarste Aufgabe des Philosophen, nämlich die Auffindung des
transscendentalen Ortes für den Begriff des Geschichtlichen 1).
Während nämlich der Historiker das faktische Dasein einfach
als solches hinnimmt, muss der Philosoph, seine logische
Struktur durchschauend, es in seiner Unbegreiflichkeit be-
greifen und den Schein seiner „Zufälligkeit" aus der „Un-
begriffenheit" erläutern. Die Aufgabe einer (irenzsetzung
zwischen Spekulation und Empirie fällt somit ganz deutlich
der Philosophie zu, die dadurch den Charakter einer me-

l
) Vgl. S. 24, Anm. 1.
- toi -
thodolooischen Stellungnahme erhalt Ihre kritische Thiitig-
1

knt soll Jedoch nach Fichtu Meinung keineewegi mit der


Krkenntnis der Irrationalität erschöpft sein Vielmehr sind
mit dleter noch inderc logische Vorbedingungen des Em-
pirischen verwebt, Qbef die »eil eben MnausUegeod Aber
alles faktische Dasein und alle Empirie* «In- Philosoph
.Rechenschaft n
geben" hat Insbasondcire hat in nn mehr
angedeutel allerdings als ausgeführt, dass der GetcUcbtc
ron der Vernunftwisseiischafl ..die Mythen über <ii<- i'r-
anftnge des Menschengeschlecht! nonunen" werden.
Diese ganze Struk tu rarheil des (iesehiehtslogikers wird dann
folgendennassen rasammengefassl .Welches nun diese Be-
dingungen des empirischen Daseini seien, wai daher für
dk blosse Möglichkeil einer Geschichte überhaupt roraus-
t/t werde und vor allen Dingen sein müsse, ehe die
hiehte auch nur ihren Anfang linden könne. ist Sache

<les Philosophen, welcher denn Historiker -ist leinen (»rund


und Hoden sichern inuss". Dass Kn.un: mit der B realen
Philosophie41 die das ganze Gebiet der Wissenschaften Abcfr-
,

sieht und »das, WMjede ein/eine leisten müsse, bestimmt*,


eine andere Art der icschichtsspekulnlinn. als man hei ihm
(

gewöhnlich vermutet, namlieh eine rein methodologische


gl Ahnt und erstrebt hat. geht ausser ans dem sehon An-
gefühlten nodl ans einer Stelle hervor, wo in \ ei heissimgs-
vollen Worten der Philosophie folgende Aufsähe zugewiesen
wird „Sie erhalt einen hestiinmten Begriff davon,
wonach die Geschichte eigentlich frage, und was in
aebsl einer Logik der historischen Wahrheit:
und so tritt s.ll.st in diesem unendlichen iehiete das sichere
(

Fortschreiten nach einer Regd an die Stelle des Herum-


tappens auf gutefl (duck Wenn die in den Jirund/ü^eir
heuten AttSJtlf einer logischen Besinnung auf das Wesen
da Historischen noch äusserst dürftig ausgefallen sind, SO
muss hierbei wohl beuchtet werden, dass iuiii seihst auf 1

'» Meten methodologischen Sinn der «ose hiebt sphiloso-


phis- igcstellun^ verkennt stkh tlt.uisseau und die deut-
l*i

hu -hlsphilnsiiphii' 132,, wenn er liMiit. cl«*n Vorwurf mnrht. er


überschreite mit der PoraeraBg, «tu- „Hedinxun^en des empirischen
Daseins- einer loiusehen Analyse zu untere erfen. die vorher in Set
l'nableitbarkeit des Endlichen ujs dem Unendlichen von ihm selbst
für unser He^reifen festgesetzte Grenze.
— 222 —
eine Ergänzung und Erhärtung der im populären Vortrage
nicht genauer ausführbaren Andeutungen durch strenge
wissenschaftliche Bearbeitung ausdrücklich hingewiesen hat.
Und diese problemgeschichtlich sehr interessanten Versuche
wären unmöglich einer so völligen Vergessenheit anheim-
gefallen, hätte man nicht die in der „Staatslehre" von 1813
ausgeführte Geschichtsphilosophie gleichfalls ganz unbe-
achtet gelassen; in ihr löst nämlich Fichte seine früheren
Versprechungen zum Teil ein und nimmt, wie wir zeigen
werden, durch einen neuen Anlauf der Geschichts-
logik die Spekulation genau an dem Punkte auf, wo er
sie 1805 unterbrochen hatte ). 1 —
Trotz der Dürftigkeit der damaligen ersten Ansätze einer
Begriffsbestimmung des Geschichtlichen darf man vielleicht
schon allein in dem Unistande, dass überhaupt das Bedürfnis
gefühlt wird, das Historische in den Kreis eingehender logi-
scher Erörterungen einzubeziehen und es als Objekt metho-
dologischer Forschung zu legitimieren, bereits ein Minimum
auch von Würdigung und Wertung des geschichtlichen Stoffes
erblicken, wie ja —
gleichfalls in den „Grundzügen" die —
gegenüberliegende Seite, nämlich die Wertung, mit dem Be-
griff der ..Originalität" ihr Minimum VOH Strukturerkenntnis
erreicht hat (vgl. ob. S. Allein diese beiden Minima
211).
standen sich damals noch unverbunden gegenüber. Eist
in den Schriften der darauffolgenden Zeit beginnt ein An-
näherungsprozess auf beiden Seiten.
Wie durch die bereits dargestellte Polemik gegen den
moralphilosophischen Formalismus die neue Wertung des
Individuellen bis zu einem gewissen Grade schon von der
Klarheit der logischen Beflexion eingeholt wird, so beginnt
auf der andern Seite der irrationale Best der Wirklichkeit
ganz ausdrücklich in die Begion des Wertes emporzutauchen,
ohne dass allerdings die methodologische Untersuchung
gleichzeitig fortgesetzt wird. An eine schon in den „Grund-
u
zügen angedeutete, terminologisch wohl nicht blos zufällig
u
stark an Jacobi erinnernde Entgegensetzung von „Vernunft -
und „ Verstandesreligion" anknüpfend, unterscheidet Fichte
») VII, 105 ff., 129ff.; Ansätze einer Beachtung von Fichtes (\v-
s(hichtsmethodologie bei Marschner, Kritik der Geschichtsphilo-
sophie J. (i. Fichtes in Bezug auf deren Methode. Oberrealschul-
programm. Wien. 1884.
- 223 -
zwischen da Rationalität «l« r »allgemeinen Gesetze und
Regeln die den begreiflichen Wertgehall der Kulturait-
.

w irkluti^ aiisni.ic heu. und <in in -;iiion;iiii;it der »besonderen


4
Inhalte Nach der aprioristischea Tendenz der „GrundzOge*
bitte lieh nun alles spekulative Interesse ganz eindeutig
die allgemeine Ycrnu Ungesetzlichkeit heften müssen Allein
Jetzt hill die höchst bedeutsame Erscheinung ein, dnss sich
die Herabsetzung des Individuellen Paktumi zur Bedeutung
der blossen „Schranke" oder „Hemmung" nicht unangefochten
durchsetzen kann, londern dass gleichzeitig durch den hinein-
ragenden Gedanken der übersinnlichen Individualität grade
dk einzelne Besonderung einen ungeheuren Wert erhilfl
Die Möglichkeit einer spekulativen Überwindung dieses an-
scheinend unlösbaren Widerspruchs eröffnet sich dadurch,
d.iss Ihnlich Wie in der positivistischen Periode um 17
, ,
.» .l

durch das Zauberwort des „Unmittelbaren" für das blos


Empirische wieder eine gewisse Stimmung erweckt und
sogar eine gewiss« Wertbetonung gewonnen wird
hleiht durch den ganzen unendlichen Xeitlluss hindurch in
jedem einzelnen Teile desselhen ;im menschlichen Leben
etwas übrig, das im Begriffe nicht vollkommen aufgeht, und
eben darum mich du ich keine Hegriffe verfrühet oder
ersetzt weiden kann, sondern <l;is da unmittelbar
gelebt werden niuss, wenn es je in das BeWUSStseifl
kommen soll; dies nennt in;m das (iebiet der Mosseu und
reinen Empirie oder Erfahrung." ..Diese unabänderlich
bestimmte und lediglich durch unmittelbare Auffassung
und Wahrnehmung zu ergreifende Weise, dazusein, des
"
Wissens, ist das innere und wahrhalt reale Lehen an ihm
h einmal miiss daran erinnert werden, dass solche Er-
gebnisse sich nur In hartem Widerstreit mit dem akosmisti-
si Ix n I itismiis und Doketisinus durchset/en können.
•'.!•

Die ..wirklichen Gestalten4*, in die das Line und an sich


unwandelbare St in sich mm einmal in der Reflexion zer-
splittert, ..lassen sich nur im wirklichen Hew usstsein, und
SO, dass man sich demselben beobachtend hingebe, — leben
und erleben k e n e sw eges aber erdenken und a priori
i

ableiten Sie sind reine und absolute Erfahrung, die nichts


ist denn Erfahrung; welche aufheben zu wollen wohl keiner

Spekulation, die nur sich selber versteht, jemals einfallen


wird, und /war ist der Moll dieser Erfahrung an jedem
- 224 ->

Dinge das —
absolut ihm allein Zukommende, und es
individuell Charakterisierende; das in dem unend-
lichen Ablaufe der Zeit nie wiederkommen, auch niemals
vorher dagewesen sein kann'*'. „Es ist das Grundgebrechen
aller ihre Grenzen verkennenden, vermeintlichen Wissen-
schaft (des transscendenten Verstandesgebrauchs), wenn sie
sich nicht begnügen will, das Faktum rein als Faktum
zu nehmen, sondern es metaphysiciert. Da unter der
Voraussetzung, dasjenige, was eine solche Metaphysik auf
ein höheres Gesetz zurückzuführen sich bemüht, sei in der
That lediglich faktisch und historisch, es ein solches,
wenigstens im gegenwärtigen Leben uns zugängliches Gesetz
nicht geben kann: so folgt daraus, dass die beschriebene
Metaphysik, willkürlich voraussetzend, es finde hier eine
Erklärung statt, welches ihr erster Fehler ist, - sich
noch überdies auf das Erdichten legen und durch eine will-
kürliche Hypothese die vorhandene Kluft ausfüllen müsse.
welches ihr zweiter Fehler ist." Vor dieser Auflehnung
gegen den rationalistischen Aphorismus und metaphysischen
Monismus, der die logische Erörterung zugleich eine so
glückliche und scharfe Herausarbeitung der Irrationalität
verdankt, ständen wir wie vor einem unauflöslichen Rätsel,
wenn wir nicht als eigentliche Triebfeder den dahinter-
stehenden Zwang begriffen, der jetzt von den kulturphilo-
sophischen Problemen, diesen Zuchtineistern zur Wirklich«
keit, ausgeübt wird 1),
Dass in der geschichtsphilosophischen Idee der über-
sinnlichen Individualität der letzte Grund für die den Ratio-
nalismus umstossende Wertung des im Weltplan „Unbe-
griffeiten" ZU suchen ist, beweist am besten der Begriff,
in dem die Vereinigung von Wert und Irrationalität einen
angemessenen und in mancher Hinsicht abschliessenden
Ausdruck erhalten hat, der Begriff der „Offenbarung
1
'.

„Offenbarung" nämlich zeig! als Trägerin des Neuen, durch


Hegriffe nicht Anticipierbaren oder „Yerfrühbaren" eine
Tendenz nach der Irrationalität und als Verkündigung des
Göttlichen eine Tendenz nach dem absoluten Wert. In
dem Gedanken der Offenbarung verschmilzt die
logische Form des Irrational-Empirischen mit dem

i)
VII, 242 ff., VI, 364 fr, V, 442-460, 567 ü".
- ttfi -
Gehall des überempirischen Wertes Da das Sein
Gottes ..um durch (l.-is absolut in sich gegründete göttliche
wvscn von der einen; und durch die hn wirklichen Dasein
nie aufzulosende oder zu endende orin der
I nendlichkcit
l

von der anderen Seile, bestimmt ist, so ist klar, dass durch-
aus nieht mittelbar und aus einem anderen, und so npriori.
eingesehen werden könne, wie dieses Sein ;iusl;illen weni.
sondern dass es nur unmittelbar erfassl und erlebl
weiden k<»nne Der \ on doli gemeisterte wird uns oflfeo-
baren, wie sie ist, und sie ist, wie er es offenbaret, des-
sen, weil Ei ei offenbaret; ohne innere Offenbarung
aber kann niemand darüber sprechen". Der Begriff der
Offenbarung bat auch bei vielen andern geschichtsphilo-
sophischen Denkern, z. IV bd S< m i.i.ixo. eine entselieidende
Holle gespielt; F* u n b eigentümliche! Verdienst besteht nur
darin, dass bei ihm die religiöse und kulturphilosophische
Bedeutung wiederum auf das längste mit den rein logischen
Problemen verflochten wird Em mundet also jetzt nieht
nur die Polemik gegen den ethischen Formalismus, sondern
auch die ausdrückliche logische Charakterisierung durch die
Irrationalität in die Weltanschauung der Wertindividualitat
ein Die typische Uetrnchtungsw eise der analytischen L
ist schon so sehr in den Mittelpunkt der kulturphilosophi-

schen Wertspekulation hineingerückt, dass man an einigen


Stellen last von einem Pathos der Irrationalität reden mochte
Die stärkste und lebendigste Mahnung, dass das nur „Fak-
tische" in der Kntw icklung des Menschengeschlechts nicht
mit rationalistischer Yerstnndnislosigkeit ohne weiteres dem
..Annalisten" preisgegeben werden dürfe, erwuchs PlCRTI
BUS der BetrachtUO bristentunM Auch hierbei stellt
er gleichsam mit einer gegen seinen eigenen Nationalismus,
dei sich am liebsten dagegen aulgelehnt hätte, unerbittlieben
ik zunächst fest, dass die Gestalt lesu als einer histori-
schen Persönlichkeit so einzig und einmalig und deshalb
von der allgemeinen Gesetzlichkeit und Begreiflichkeit dei
liehen Lehens so ausgeschlossen sei ..w ie jede Indivi-
dualitat !).!•> ganze [ndhridualitätsproblenQ wird bei di<

GelegenheH Hack seinem Wertlings- wie nach seinem rein


logischen Gehalt wieder aufgerollt Auch wird wiederum
gegen die rationalistische Metaphysik polemisiert, „die das
Faktum überfliegt und n
metaphyskiereu begehrt das nur
— 226 —
Historische". Bei dieser wohlüberlegten Reflexion auf den
Individualitäts- und Irrationalitätscharakter wird gleichwohl
der Ausspruch des Evangelisten gutgeheissen, dass in der
Persönlichkeit Jesu das unmittelbare Dasein Gottes „Fleisch
geworden" sei, die „vollkommene sinnliche Darstellung
des ewigen Wortes" sich verwirklicht habe. Auch die reli-
giöse Spekulation erzwingt somit ebenso wie die kultur-
philosophische eine Anerkennung nicht nur der Individuali-
sation, sondern auch der Versinnlichung, d. h. der end-
lichen und „historischen" Verwirklichung unend-
licher Werte ). 1

Damit haben wir zugleich wieder berührt, in eine


wieviel tiefere und schwerer erreichbare Schicht des philo-
sophischen Nachdenkens uns die Idee der Offenbarung
führt, im Vergleich mit dem weiteren Begriff der Wert-
individualität überhaupt. Denn bei dem letzteren handelt
es sich nur um
die Synthese von Wert und unvergleich-
barer Individualität, bei der Offenbarung dagegen um die
bereits früher davon noch unterschiedene (s. S. 2101.) Ver-
einigung von Wert und Wirklichkeit, oder, was jetzt für
uns stets dasselbe bedeutet, um die Versöhnung des
Wertes mit dem ausdrücklich als irrational und
empirisch (iekennzeichneten. Damit hat sich aber
die Wertung noch entschiedener von der Weltanschauung
des 18. Jahrhunderts losgerissen; sie hat das Empirisch-
Errationale vom rationalistischen Vorurteil befreit. Wir
beobachteten zwar früher, dass grade die beginnende
Wertung des Individuellen die These der Irrationalität als
rationalistisch (vom Standpunkt des Wertens aus) empfinden
musste, weil sie durch sie die Fülle der Wirklichkeit ein-
seitig an einem Ideal des Begreifens gemessen sah (vgL
ob. S. 192 f.). Wir werden aber jetzt zugeben müssen, dass
von Rationalismus dann keine Rede mehr sein kann, wenn
gleichzeitig eine ursprüngliche Wertung des als irrational
Betrachteten hinzutritt. Im Gegenteil, die Behauptung der
an und für sich für rationalistisch und für
Irrationalität
ein blosses Reflektierenin einer niederen Region zu er-
klären, wäre selbst Rationalismus, da ein solcher Stand-
punkt die hinzukommende Wertung des Irrationalen nicht

') V, 482 ff., 523—537, 567—574.


- 227 -
Vermissen, sondern seinerseits seihst für unmöglich hallen
wind, h rhti^to Misstrauen ftgen die \ll«inli
s» h.ilt «I« s Irrntionalitats^cdankens würde sich in «in.
i .ihnii.-ilisiisrhf Unduldsamkeit Regen eins Irrationale als
soll in i verwandeln, Die IrnttonaHtil im nicht erginzungs-
badürftig und für nicht ergtasnngsfihig zu hallen, ist
somit deich rationalistisch Das llril d<T k iSChlchtslogik
i

kann deshalb nur darin gesucht weiden, daei man die


Irrationalität ;iK ein Kl cmrii in den Begriff dd Histm ischen
t

aufnimmt ').

in den »Grundzügen war zweifellos die Gefahr noch


nicht überwanden, die Irrationalität für dai Ganze des
chichtsbegriffes anzusehen, obgleich bereiti ein
heimnisvolle Andeutungen darül fallen waren, dass
die methodologisch reslstdlbaren -Bedingungen des empi-
rischen D.is. ins noch andere Strukturei^entütnlichkeiten
in sich enthalten mochten als Mos die Irrationalität Jeden-
falls bedeatd es einen Fortschritt, wenn in den darauf-
folgenden Jahren über dieses Minimum von Würdigung
des Historischen hillausgeschritten wurde und das als
irrational scharf Gekennzeichnete ausdrücklich In die
Ion des Wertes emporstieg Aber schliesslich war doch
auch hiermit nur eine gelegentliche und mehr blitzartig
Auftauchende Berührung /wischen Irrationalität und
Wert, ein Sicb-dringen- und -zwingen-lnssrn eu gewissen
Konseqnenzen erreicht, und noch nicht eine auf dies
lhatsachliche Zusammentreffen gerichtete Überlegung. Erst
in der Geschichtsphilosophie von 1813 wird auch eine
darüberstehende logische Besinnung als Ergebnis dieses
Gibrangsprozesses richtbar Die rationalistische Unduld-
samkeil gegen das Irrationale hört als Thatsacbe zwar
schon früher ;mi. aber die Berechtigung dieses Aufhörens
wird eist jetzt nun Problem gemacht. Mit Hecht haben
wir deshalb an einer früheren Stelle die beWUSSte ipeku-
'» Auchfür diese Auffassung haben die SjSSCllkhllimHludu
logischen ntersuchungen HicKKiiTs «In- entscheidend« Anregung
I

gegeben; erst in ilinni wird US Vereinigung dSff logischen Kenn


Urning durch «In- Irratmnalil.il mit der Kultur \\ ert Itetra. h -

tung unci damit «In- cigmtli« -he Hcgrumlung einer kritisch methodo-
n (ieschichtsphiln 11. Anm 1 und
im über Nimmkis und Wi\nn
1. h \\i»s I h.u akterisierung
des Historischen durch «In- Irrationalität s. S. 24. Anm. I.
- 22Ö -
lative Versöhnung von Wert und empirischer Wirklichkeit
erst diese späteste Phase (seit 1810) verlegt (vgl. ob.
in
S. 211). Mit schematischer Kürze lässt sich nunmehr dieser
ganze Entwicklungsprozess folgendermassen skizzieren. In
den Schriften der Jahre 1805—1809 wird die in den „Grund-
zügen" noch nicht überwundene Beziehungslosigkeit der
beiden „Minima" t hat sächlich aufgehoben, indem das
seiner logischen Struktur nach als irrational Erkannte aus-
drücklich mit dem Wert versehen wird; dagegen erst in
der allerletzten Phase wird die Wertung des als irrational
Begriffenen wiederum ausdrücklich ins Bewusstsein er-
hoben, also ein seiner Struktur nach irgendwie Erkanntes
nicht blos gewertet, sondern eine Wertstruktur erkannt,
oder, wie wir auch sagen könneil, auf ein analytisch-
logisch Charakterisiertes die Wertung nicht nur angewandt,
sondern die Anwendung zum Problem gemacht. Damit
geht aber eine Vertiefung der logischen Charakterisierung
selbst, eine Wiederaufnahme der methodologischen
Bestrebungen von ISO.") Hand in Hand.
Die in der „Staatslehre" von 1813 dargestellte Ge-
schichtsphilosphie macht es sich nämlich zur obersten
Aufgabe, die 1805 begonnene „Logik der historischen Wahr-
heit" fortzusetzen und der Unklarheit über das Wesen des
Geschichtlichen durch feste Einordnung in ein System
endlich ein Ende zu machen. „Ein besonderes Geschicht-
liches ist verständlich nur durch Geschichte überhaupt;
diese wiederum nur verständlich durch ihren Gegensatz,
dns Gesetzliche, streng wissenschaftlich zu Erkennende 1).
Solch eine Ableitung derselben aus dem Gesamten
der Erkenntnis heraus flieht man gewöhnlich. Und 44

am Schlüsse des ganzen Abschnittes wird wiederholt:


„Ein geschichtlicher Zustand war zu erklären: dies nur
dadurch, dass die Geschichte überhaupt verstanden würde,
d. i.das Grundgesetz des gegebenen Seins aufgestellt. 44

Aber im Unterschiede von den „Grundzügen" bleibt die


l ntersuchung bei der Bezeichnung des transscendental-
logischen Ortes lediglich durch das Merkmal der Irratio-
nalität nicht mehr stehen, sondern sie strebt darüber sofort
durch die Überlegung hinaus, dass der „Stoff des Geschicht-44

') Vgl. dazu ob. S. 169 f.


- 229 -
Heben steh! in der blossen Gegebenheit bestehen kor
sondern vielmehr in «In „gegebenen Freiheit*, in dei
irrationalen Mensehheils- oder kiiltiirentwickliinn. d h
in einer Synthese von Werl und Irrationalität, /u suchen
id 1 m i ersl Vollzieht sieh nlso die wahrhaft speku-
lative. EUT beWQSSten ^esehiehlslo^isehen lli.it gewordene
Durchdringung von Logik und Wert, hier ersl der durch
alles Voran nie allerdings vorbereitete Schritt, dass
der Wertcharakter ausdrücklich su einen Objekt der
methodologischen Erforschung des Historischen gemacht
w iid Alle froheren geschichtsphilosophischen Erörterungen
können jetzt ra Bestandteilen einer methodologischen Be-
brachtungsweiae umgewandelt werden.
Die Frage, wie Geschichte ihrer Form oder struktur
nach m6glich ist. koncentriert sich snnichsl in dem Be-
griffder .gegebenen Freiheit*. Auch in methodologischer
Hinsicht beansprucht ja stets bei Fichte das Kthische die
Hegemonie Im Reiche der Werte Damm spitzt sich jetzt
die geschichtsmethodologische Untersuchung zu der einen
Sehw ieri^keit zu. wie die faktische Vei w Krkttchuilg oder die
nheit" des I'reiheilswei les als heina der Mensehen- I

gesebiehte möglich sei Damit werden zugleich alt


ursprünglich ohne Rücksicht anf eine geschichtsphik
phische Verwertung Unternommene Speknlntioncn wieder
aufgenommen. Schon in der „Sitteidehre" von 1798 be-
schäftigte In das spatei- häufig wiederkehrende Problem,
ii i i

wie es dt aikbar sei. dass die Freiheit an Dir eigentliches


enteil, an Bestimmtheit und festnmrissene (iestnltunj*
gebunden sein könne Ks besteht das Postulat, seine In-
dividualität mit Freiheit zu »machen*, wahrend andrerseits
I« das Individuelle des Charakters schon ohne Freiheit
ben iein 10U Bd ntner damals noch streng
KaNTBCHBM Beschränkung |Ht einen formalen und funk-
tionellen Sittlichkeitsbegriff pussle er /n «lern Ergebnis
n. dass das prineipimn imlix idnationis fnr den
I K iln itsw ausschliesslich in der special isierenden Krall
( 1 1

seines sinnlichen Substrates, in der Natur" oder in dem


item der Triebe und Gefühle" liegen könne (vgLS
nif). Sogsr die Besonderheit der sittlichen Bestimmung

») IV. 458 4»5.


— 230 —
wurde allein auf Rechnung des „Naturtriebes" gesetzt. Jedoch
schon damals schien dieses Abwälzen aller Individualisierung
auf die Sinnlichkeit nicht zu genügen, und es regte sich
das Bedürfnis, in der Freiheit selbst das principium in-
dividuationis begründet zu sehen. Da half sich nun Fichte
mit der Vorstellung, dass es die prädeterminierende That
des intelligiblen Charakters sei, die der sittlichen Bethätigung
durch einen nicht formalen, sondern Inhalt und indivi-
duelle Eigentümlichkeit erzeugenden Schöpfungsakt die
ihr notwendige Individualisation entgegen- oder vielmehr
mitbringe. Das für unsere Zwecke Bedeutsame liegt wieder-
um darin, dass hier vor dem abstrakten rniversalismus des
Wertens in der intelligiblen Individualität eine Rettung
gesucht wird. Wir müssen deshalb frühere Bemerkungen
noch dahin ergänzen, dass auch Kants ganzes Wertungs-
schema nicht nur durch den Begriff des Genies im tiefsten
Grunde erschüttert wird (vgl. S. 12, Anm. 1, 149, 194),
sondern auch durch die Lehre vom intelligiblen Charakter,
der denn auch in Kants Denken ebensowenig eine eigent-
liche Heimstätte findet wie die Vorstellung einer indivi-
duellen unsterblichen Seele in den Systemen desPlatonismus.
Bei Ficnn; wird nicht nur dervonKAN'rhierbei verschwiegene
Individnalitatseharakter aufgedeckt, sondern es wird aus-
drücklich der Zusammenhang mit der Irrationalität oder der
„ursprünglichen Beschränktheit" von vornherein ins An^e
gefasst. Um nun die Möglichkeit der in individueller Ge-
staltung auftretenden Freiheil ZU erklären, findet bereits die
„Sittenlehre
44
neben der Annahme eines intelligiblen Ur-
bildes auch noch einen andern Ausweg in der Vorstellung
einer Vorbildlichkeit von Musterindividuen innerhalb der
44
Menschheitsentwicklung selbst. Diese „Muster liefern in
dem sonst leeren und formalen Freiheitsgewebe den kon-
kreten und individuellen Einschlag, den ursprünglichen
Inhalt, der von der formalen Funktion ergriffen und dann
von Individuum zu Individuum, von Generation zu Gene-
44 44
ration fortgetragen, „nacherfunden „nachkonstruiert wird.
,

In diesen Uranfängen aller Kulturentwicklung wohnt die


Sittlichkeit unreflektiert und unentstanden, urwüchsig, wie
„Natur", d. h. als Freiheit, die aber gleichzeitig ihr prin-
eipiiun individuationis, ihre Krystallisationsmöglichkeit in
sich selbst trägt und darum dieselbe Konkretheitsfülle und
- 181 -
Inhaltliche Bestimmtheit aufweist, die nach der froh
AufllMSHHgallflii dem ipedaHsierenden FaktordesSinnlichen
und Kinpirisehen. «I« r .X.iliii*'. \eid.mkt Werden konnte
Mete Verlegung der Lndividualititschaffenden Krall am dei
intellinihlen Sphäre in die historische W i rkl ichkrit inuss
in gBSChiehtsphfloeOßhischein llctrncht ;ils «in Portschritt
esehen werden, da die ausschliessliche LAsung dei
Problemi durch den Intelliglblen Charakter «loch allzusehr
du Angst und Ratlosigkeit des Rationalismus gegenüber dem
Inhaltlichen Wert und seine Flucht vor diesen InsTrans-
icendente verrät Aber and noch dk ins [rdische ver-
n Anfangspunkte der Sittlichkeit bleiben ein „Wunder*
wie alles Unmittelbare, und insbesondere ein Wunder für
eine Philosophie, die ausschliesslich vom Pormalen und
Funktionellen auszugehen gewohn! war 1),
Würdigt man diese allgemeine, die Struktur der Wert-
wirklichkeit erleuchtende Bedeutung dei Problems der
»gegebenen Freiheit", so wird et begreiflich, dnss Fkbti
diesen Begriff jetzt Ar eine Grundlegung <\rv Geschichts-
methodologie verwerten kann. Dir Staatslehre von 1813
bemüht sich denn auch vor allem, diesem Gedanken seine
Stelle im System" anzuweisen. Die Leerheit und Gestalt-
losigkeit des rittlichen Gesetzes bedarf der Ergänzung und
italtnng' durch einen «sittlichen Stoff". Als unvermiss-
barer Faktor in der struktur des sittlichen Lebens muss
deshalb ein ursprünglich rittlicher Wille, ein bestimmtes
inhaltliches »Bild des Sittlichen" abgenommen werden, das
Von der :in sich Unfruchtbaren und lediglich funktionellen
FreiheitsbethAHgung nur nachgebildet zu werden brauch!
ohne die Annahme einei wichen absoluten Querschnittes
wurden wir ins Unendliche vorwärts getrieben werden
und niemals ZU einem Anfimg kommen Bin Anfang der
sittlichen Welt aber * t/t einen Willen, der qualitativ in
sein nen Anschauung sittlich ist. ohne durch eigene
heit sich dazu gemacht zu haben, durch sein blosses
llasein, durch seine Geburt; der in der Anschauung seines
Willens die Welt in einer sittlichen Ordnung erfasst. -
nur ist der HiatttS /wischen der absoluten Hilil-

iv. ioor.. 109IT.. 127. i50fr., 2wr, 22orr.. 224fr.. vu.


54. 237. vi. 350! . \. 182 flL BT] tr.
— 282 —
losigkeit des Sittlichen und der Bildlichkeit, die
es in der Wirklichkeit annehmen soll, ausgefüllt."
Dadurch, dass das ..Wunder" der qualitativen Sittlichkeit
zum Objekt rein methodologischer Forschung geworden
ist, verliert es seine frühere Bedeutung eines blos sporadisch

auftretenden Anfangspunktes der Kulturentwicklung und


wird zu einem konstanten Faktor in der Struktur
der Wirklichkeit gemacht. Wie klar Fichte sich über
den Inhalt dieser Wandlung gewesen ist, geht aus dem Hin-
weis darauf hervor, dass der BegrifT der qualitativen Sittlich-
keit ein Produkt des analysierenden Verstandes sei, und
aus der sich daraus ergebenden häufig eingeschärften metho-
dologischen Regulative, das Vorhandensein einer „sittlichen
Natur" genau soweit anzunehmen, wie es durch die Zwecke
der Erklärung erforderlich wird. Durch die ganze Schrift
zieht sich diese Umhiegung des früheren Wunderproblems
hindurch, das dadurch zur Aufnahme in die formalen Be-
dingungen des Geschichtlichen lauglich wird. „Eine solche
sittliche Beschaffenheit der gegebenen individuellen Willen
liegt in dem formalen Gesetze des göttlichen Erscheinens,
wie in ihm liegt Iehheit, Verstand, Sinnenwelt und alles
u
l'hrige. „Nach unserer Idee haben wir diese Sittlichkeit
der Natur gleich aufgenommen in die notwendige Form
der Erscheinung." Ausdrücklich wird deshalb auch aus-
einandergesetzt, dass die Eigentümlichkeit der sittlichen
Natur als in der Mitte liegend „zwischen dem absolut Gc-
gehenen und dem Produkt der absoluten Freiheit" den von
der geschichtslogischen Forschung gesuchten „Stoff" der
Menschheitsentwicklung angemessen charakterisiere, „zur
Geschichte als einer Darstellung des also Gegebenen, sich
qualificiere" 1).
Durch die Methodologisierung des Wunderproblems
wiederholt sich auch innerhalb dieser Gedankenreihe die
stufenweise fortschreitende Überwindung derTransscendenz
des Wertes und die innigere Versöhnung von Wert und
empirischer Wirklichkeit, wodurch gleichzeitig unsre frühere
Behauptung über die Tendenz der letzten Phase seit 1810
sich von Neuem bestätigt (vgl. ob. S. 211). Das „Wunder
des individuellen Wertes erscheint nicht mehr nur an ein-

') IV, 44£— 469, 471 f.


- na -
leinen sufblitzenden Punkten, londern durchxiebl die ge-
tarnte Paktidtil Nicht nm «I i* Sinnenwelt, londem
.in» h «in gegebene Zustand der Freiheitswelt" soll «l«r
Sichtbarkeil ewig giltiger Werte dienen <\jj ebenda)
Dadurch. dass jel/t die liestiinmtheil der gegebenen indi-
viduellen Willen oder die Gesetzmässigkeit der nichl
;iuiden klaren Begriff dei Gesetzei zurückgehenden mensch-
lichen EntSchliessungen den Hauptinhalt *\n göttlichen
Weltregierung ausmachen soll, wird das nach der brüh
Auffassung im »Weltplan" grade Unbegriffene nicht
nur gewertet, was Ja schon vorher geschah <\^i oh s 2'i
londern et wird die gewertete Unbegreiflichkeil
in die Strukturlogik hineingearbeitet und ausserdem
das früher ;ins dem Welt plan j»r:i de Ausgeschlossene
jei/i ausdrücklich in Ihn aufgenommen und zum
methodologischen Problem gemacht Pkbti selbst
hat angedeutet, dass damit eine neue u geschichtsphilo-
sophischer Besinnung für ihn beginne; er hat die in den
Grundzflgen versuchte Passung des Weltplans mit ihrer
rationalistischen Unduldsamkeit gegen das irrationale aus-
drücklich desavouiert »Aber ist In diesem Elemente dei
Unbegreiflichen, Unverstandenen nicht zugleich ein Welt-
plan, drum allerdings eine Vorsehung und ein Verstand
'

Welch« ist denn d;is (ieset/ d er W'e ffl k en. d.


1 1 t des- i.

jenigen, was der Freiheit ihre Aufjgabe liefert? Di


Präge liegt sehr liei bisher habe ich durch igno-
rieren und Absprechen mir geholfen." Dasi d
Wendung der geschtehtsphilosophischen Spekulation mit
der gleichzeitig erfolgenden Neubelebung des Individualitats
Problems auf dat zusammenhängt, hat Picbtb bei
der /um Teil sein dunklen und unfertigen Erörterung
über Zufall. I.oos. Wunder seihst bemerkt. Ich habe
oben taktische resetze für die Erhaltung der ganzen Mensch-
I

heii zu egeben erstreckt sich «ins nicht auch auf den


g
Einzelnen*? Oberhaupl was gl II der Einzelne)
Do bisherigen Principieu scheinen nicht hinzu-
langen dies zu erledigen Und an einer qpitereu
Stelle Ik issi ei D be eine durchaus veränderte An-
sicht vom Princip der Individualität Die \ er-

löhnung von Wulindividualitat und Wirklichkeit und die


Durchdringung VOn Wert und Irrationalität wirken ZU dem
Luk, Fichte» Idwüüunu» und dl» Geschieht«. |S
— 234 -
einen Endergebnis zusammen, dass der ganze in den
„Grundzügen" noch völlig von der universalistischen
und intuitiv - spekulativen Methode beherrschte
Gedankenkreis, der sich auf den „Weltplan bezieht, 14

jetzt in die früher ihm noch unverbunden gegen-


übergetretene methodologische Fragestellung ein-
gegangen ist ). 1

Ein weiterer Schritt in der Umformung der älteren


geschichtsphilosophischen Ideen und ihrer Umbiegimg ins
Methodologische gelingt Fichte durch die Übertragung des
Wimderbegriffs vom Individuum auf die Gesellschaft. Genau
ebenso wie ein individuelles Vorbild für die Sittlichkeit
des Einzelnen wird das sociale Vorbild eines ganzen Volkes
für die Sittlichkeit der Gesamtheit postuliert Und die
aus der Strukturzergliederung gewonnenen beiden Pak-
loren der absoluten Bildlichkeit und der unendlichen
Freiheit, deren Kntgegengesetztheit wieder ausdrücklich
als „höchst wichtig für die Einsicht in das ganze System"
abgeleitet wird, verteilen sich dabei auf die beiden Ge- l i

schlechter, aus deren Vereinigung erst die Struktur der


gesellschaftlichen Wirklichkeit erklärbar sein soll. Im der
Sichtbarkeit der Frei heil willen niuss in dem einen Irvolk
die Sittlichkeit als „uranfängliches Sein" herrschen, und
um derselben Sichtbarkeit willen muss diese koncenlrierte
und verabsolutierte Inhaltliehkeit, diese gleichsam gebun-
dene und erstarrte Produktivitätsfülle durch die schranken-
lose und für sich gleichfalls unfruchtbare Freiheil eines
zweiten Urgeschlechts wiederum erst in Fluss gebracht
werden. Hier ist die Behandlung der Urvolkshypothesc
völlig zu einer phantastischen Mythologisierung rein
logischer Probleme geworden. So merkwürdig, ja
unbegreiflich ganze Konstruktion auch erscheinen
diese
mag, wir dürfen dennoch aus ihr den bedeutsamen Kern
herausheben, dass die früheren Theorieen vom Vernunft-
instinkt und vom Normalvolk in eine der Absicht nach
methodologische Charakterisierung des geschichtlichen
Stoffes hineingezogen werden. Denn nach Fichtes Meinung
gehört die gegebene Ereiheit des Urgeschlechts genau in
demselben Sinne wie die sittliche Natur der Individuen

) IV, 462 fl'., 466 ff., VII, 574—596.


/u den IiiiiiimIi'ii Bedingungen < l«*s Kulturgeschebeni
und seine Aiiiiiilimi' isl dcsh.dh .im« 1,1 wi;»Ivsc
des Ist der göttlichen Erscheinung"! In dem .Zu-
sammentreten der beiden Urgeschlechter ist der Anfiuigs-
punki der Geschichte, ihr eigentlicher Geist und ihr
Grandgesell, alle Hauptmomente, die in derselben
I

sich ereignen müssen, gegeben; und dies hissi s«^ir i prta I

lieh erkennen. Mit einei solchen Erkenntnis haben wir


als Philosophen es einzig so thuu ." ')

Indem so der tiefe nicht eigentlich im historische, sondern


liberhistorische Grundzug der Kantbchbm und früh
l'i« ii 1 1 s< in \ Weltanschauung, Ihr die dm Machen mit
Freiheit die einzige würdige Lösung auch des Kulturproblemi
Min musste, jetzt durch das Mysterium da Gegebenheit
und des ursprünglichen Seins erschüttert w ir<l. steigt In ii i i

mit Bewusstsein auf den Hoden einer historischen Welt-


anschauung herab und wird dadurch wie durch d;is er-
wachende Verständnis für den •qualitativen' Wert ein Vor- 1

liufer Hegels Durch das Rechnen mit konkreten Werten


anticipieii er auch Hegels Vorstellung, dass die Kulturent-
wicklung, einer Spirale vergleichbar, immer zu den Punkten
ursprünglicher Gegebenheil zurücklaufe Dieser Gedanke
war das Schema der .Grundzüge" gewesen, und er wurde
später In der Annahme einer Individuellen sittlichen Natur
wie in der "r\ olksh\ pothese noch eininnl lebendig.
I

Wir können die Überlegenheit der Spekulation von 1813


allen früheren Ansätzen, Insbesondere gegenüber
der dürftigen Methodologie von 1805, am schärfsten in dem
Satz zusammenfassen, dass für die geschichtsphilosophische
rterung Jetzt eine verwickeitere und prägnant
Form dir Irrationalität oder eine Irrationalität
höhere] Ordnung entdeckt worden ist Die hrans-
scendental logische T na bleitbarkeit, die Unmittelbarkeit des
nur Erlebbaren, Geheimnis dei gegebenen Freiheit sind
d;is
;ds untrennl und blosse Momente in einer
itandteile
neuen Fassung dei Gedankens der Unbegreiflichkeit glekh-
m;issi- iinter^e^iii^en, nämlich in der Idee etnerlmtionalität,
die in ihrem Begriff bereiti Im genauen Mti zur
früheren Auffassung die Beziehung zu einer ertverw brk- W
IV, 46S-494. VIII, 166.

16*
— 236 —
lichung einschliesst. Die irrationale Fakticitai wird hierbei
mit dem aller Gesetzlichkeit stets entschlüpfenden ursprüng-
lichen Freiheitsinhalt identificiert; die „unerklärlichen und
auf kein Gesetz zurückzuführenden Begebenheiten an der
Freiheit'* werden zugleich als das Neue, Schöpferische,
nie Dagewesenes in die Zeit Hineinerschaffende gewertet.
Dadurch erhält die Gegenüberstellung von „Gesetzlichem"
und „Historischem" eine ganz andre Bedeutung als die,
welche das Zeitalter der Aufklärung für allein möglich
gehalten hatte. Zwar ist der alte Sinn dieser Entgegen-
setzung noch nicht verschwunden, nach dem auf die Seite
der Gesetzlichkeit der Inbegriff der Vernunftwerte, auf die
der Gesetzlosigkeit der gleichgültige Bodensatz des Empiri-
schen ZU stehen kommt Aber daneben arbeitet sich jetzt
1

).

eine von ganz andern Gesichtspunkten bestimmte Wert-


verteilung empor, die zur Erhöhung grade des Gesetzlosen
führt. Wie Kant gegen MENDELSSOHN, SCHELLING gegen
Schlegel die Meinung vertreten hatte, dass die Geschichte
nicht in periodischen ..Zirkeln" verlaufe, sondern in ein-
maliger Entwicklung fortschreite, so polemisiert auch PiCHTE
besonders in den ..Heden an die deutsche Nation"
gegen die ..imdeulsrhc lesehiehtsphilosophic, die an ..Still-
(

stand, Rückgang und Zirkeltanz-", an entwicklungslose Natur-


gesetzmässigkeit statt an ewiges Fortschreiten unseres Ge-
schlechtes glaube. Aueh diese neue form einer Ent-
gegensetzung des Einmaligen und des Wieder-
kehrenden rückt
in den letzten Jahren in die
methodologische Strukturforschung hinein. Estritt
nämlich jetzt das Geschichtliche nicht mehr als das YYert-
los-Gesetzlose der Vern u n Rgeselzliehkeit, sondern als In-
begriff des Neuen und Schöpferischen der Gleichförmigkeit
und „UnVeränderlichkeit dem bloss ..stehenden Sein" der
44
,

Natur entgegen. Dadurch wird zugleich die in den „Grund-


zügen" gegebene Gliederung dw Wissenschaften aulgegeben,
nach der Geschichte und Physik sich nur als die beiden
empirischen Disciplinen vom Successiven und vom Be-
harrenden von einander unterscheiden.* Von Neuem be-

') Und demgemäss dus Individuelle ;ils „Schranke" und blosser


„Fall" eines Gesetzes betrachtet wird, vgl. S. 210, ferner II, 639 1V., 644,
IV, 376 IV.
- fc*7

stltigl auch im die steigende Wertbetonung des Ein-


sich i

maligen und Gesetzlosen


Der Nachweil dei Verwachsenseins von Wertung und
Methodologie wird ;il schlössen /n hclnichlcn n
wenn sich noch zeigen lisst, dasi auch der ipeciflsch %e-
ichichtsphilosophische Begrifl der In die WerttotaHtftt «in-
iederten
I Originalität ausdrOcklich In die bewusste
Strukturlogik aufgenommen w Eini entliche) i i « i

einigung von [nrationalit&t und Originalität haben wir bei


bei dem Gedanken der »Offenbarung" kennen gelernt (vgLofa
S 224 Wir können jetzt noch hinzufügen, dass ab drittel
t

Glied dieser gelegentlichen Synthese an den Hauptstellen sich


der Wunderbegriff binzugesellt So wirdbesondersinder An-
weisung dai religiöse Leben in derGestall Jesu als unmittel-
bares qualitative! Sein gekennzeichnet 1), Gleichzeitig mit
der im im:*» nachgewiesenen Methodologisierung des
Wunderproblems rückt mich der Ofltenbarungsbegriff mm
in die Logik der historischen Wertstruktur hinein Der
Charakter des Offenbarungrataigen vermag nunmehraus
den logischen Qualitftten <lcs Historischen ;d>-

f itet zu werden Und grade die Reflexion auf die That-


i.

sache des für den Begriff .Unendlichen", dm noch in den


Grundzügen eindeutig dem mir Empirischen gleichgestellt
wurde (vgl, S 219), führt jetzt zur Einsicht in die Un-
zulänglichkeit des Mos Begrifflichen oder in allgemeinen
in Ausdrückbaren und zur Anerkennung des unersetz-
lichen Wert hichilichcn Thai Wiederumwendet
In ii 1 1 Strukturzergliederung an, und zwar
die Methode «1er

an der Gesamtheit des politischen Geschehens, das die


des Vernunftreiches zum Ziele hat Er unter-
<l
»Errichtung
scheidet da einen streng demonstrativ", durch »absolute
S;it/' durch objekli\ «jiltL tle" erkennhnren und
«inen ..rein faktischen, dem Begriffe undurchdringlichen"
Bestandteil, bei dem lediglich „Beurteilung eine» Gegebenen 44

durch „Annäherung ins nendliche" stattfinden l könne „Nur


der formale, der reinen Wissenschaft aufgestellte Begrifl
in
isi endlich, denn er ist da Begriff eines Gesetzes dieBe-

invsi. \V\\ VII. :ui:ill.. S, im .1 in... \Y\\ 1 \l»l.l. ; im


vi. kh. vii. S8S8 iL »n. «,j;t. S4S&, i\. W5ir, 416.
\ is.if.. 567
— 238 —
urteilung des faktisch Gegebenen aber ist unendlich; denn
sie geht einher nach dem in ihr selbst herrschenden, ewig
verborgen bleibenden Gesetze: quillt ewig neu und frisch.
Aus jedem Punkte entwickelt sich ja durch Hinzutritt des
Gesetzes die Ewigkeit, und so in jedem folgenden Zeit-
momente/ An dieser Irrationalität des Individuellen erweist
4

sich nun das Unzulängliche der blossen Vernunftgesetz-


lichkeit und das absolute, über alle Begreif lichkeil
hinausliegende Hecht der unmittelbaren histo-
rischen Wirklichkeit. Denn wo „der Verstand durch-
aus am Ende ist und das absolut Taktisch Gegebene an-
geht", wo die Begriffe unvermögend sind, „das Recht im
höheren Sinne, dieZeitbestimmung des Volkes" zu beurteilen,
da muss ein „Oberherr", ein „Zwingherr" zum Hecht, der
höchste menschliche Verstand seiner Zeit und seines Volkes,
sich „unmittelbar bewähren durch eine schöpferische, allen
offenbare und faktische, sinnliche Gewissheil tragende That",
durch eine „That von Gottes Gnaden \ „Ein Mensch
muss reden; Gott selbst steigt nicht zur Entscheidung herab."
Erst jetzt tritt somit die früher mit dem Begriffe der Offen-
barung nur thaisächlich ausgeübte Wertung der ein-
maligen irrationalen geschichtlichen Hegebenheit in den
Zusammenhang der methodologischen Erörterungen. An
diesem Punkte ziehen sieh grade in den letzten Jahren alle
Päden der Spekulation zusammen. Denn ebenso wie das
Problein des Wunders und des im Weltplan Unbegriffenen,
so mündet der Gedanke der in jeder Hinsieht ins-
besondere auch transscendentallpgiscfa und verhunftgesetz-
lich — irrationalen Offenbarung jetzt gleichfalls in die
geheimnisvolle Frage nach i\n Bedeutung der einzelnen
Individualität ein (vgl. S. 211 u. 2'X\). Aueh hierbei weist
Fichte wiederum darauf hin, dass er dies „Durchbrechen"
absoluter Werte an der individuellen Erscheinung bis in
die tiefsten Principien zu verfolgen sich nunmehr zur Auf-
gabe machen wolle.
Erst in dieser Phase des Fichteschen Denkens erseheint
somit, was bei Kant noch unversöhnbar auseinanderklaffte,
der logische Begriff des „Historischen" als des Empirischen,
Irrationalen und der Kultur begriff der Geschichte als einer
Wertentwicklung, zu einer wirklichen Kultur-Logik ver-
schmolzen. Entgegen seinem eigenen sonstigen Sprach-
r 188 -
gebrauch rnischii, h durum Iimim m den letzten
Jahren Dich! nur \<>n „ewig gültiger historisch« Wahl beit 4

/u redi ii. si Uni« in such endlich, die ganze Welt-< i

anschauung des achtzehnten Jahrhunderts s<> weit hinter


sich /ii i.isscn.ichichte" ohne sie «-ist
«i.iss (i <h
im Sinuc der legitimieren, d h durch
\ u i k l ;» i u n j_t
/. q
cinr sr hrnwi tische- Kormel / w rationalisieren, riel-
mehr unmittelbare zeitliche Folge irrationalef A
ala < i*-

gebenheiten und nicht all von einei darüberstehenden ab-


4
strakten Verstandes, sondern all von „GottesGnaden* a ertel
and verklär! Er erkennt jetzt wasKANi sieh nie zum
Bewusstsein brachte dass die Aufstellung von End- ,

44
zielen v\ir „Erziehung cur Freiheit Erziehung zur Klar- ,

44
heit , Bedeutung einer allgemeinen, um-
lediglich die
schreibenden Formulierung beanspruchen könne
idei aber ist nur formal. In da ih.it bleibt nämlich
•In unendliche Inhalt jener Freiheit, die sittliche Auf-
gabe, etwas ^begreifliches, das Bild Gottes eben darum,
t

weil dieser schlechthin unbegreiflich ist. und nur zu er-


leben in den Offenbarungen der Geschichte. Es
44

muss „gleichsam ein ewig lebendes Gedächtnis des Ge-


44
schlechts geben »Dies Ist das historische Menschen-
chlecht, welches beding! ist durch ruhiges Beisammen-
leben, Oberiieferung und Ihre Mittel, wie Schritt u. dg).;
in welcher Historie das Beste Est, nicht was man lernt,
sondern Inwiefern man darin selberdurch BeineAbstammung
hineingeboren wird Die kultivierte Menschheit ist die der
eUchte, und Geschichte he kommen und Kultur be-
kom inen (kein •im« w Sehritt verlieren» Ist eigent- w
lich einerlei." ')
Durch den Inlwdt der heiden letzten Kapitel werden
die Ausführungen unseres ersten Kapitels, wenigstens soweit
m<- In im betreffen, stark modificiert und zum Teil wieder
in 1 i
stellt Denn infolge der rein methodologischen
Behandlung befreit sieh die Struktur der WerÜndividualüit
aus dem ftaivmetaphysischea Latenaezustande, den sie im
intuitiven Verfahren annimmt und tritt der beWUSSten |

philosophischen Reflexion als erforschbares Objekt gegen-

Za «Im beiden lelsteo Absüstni IV, -MO- 458, 536 ff., vu.
SS«, N III. 73 f.. 103 IT..114
— t>40 —
über. Fichte gehört somit —
im Unterschiede von Hegel -
zu den Denkern, bei denen sich ein Stadium der Philosophie,
wenn auch nur in allerersten Ansätzen, vorbereitet, in dem
eine nicht abstrakte Wertungsart und eine neue Welt von
Kulturbegriffen mit der Aufrechterhaltung wissenschafts-
kritischer Analyse zusammenbestehen.

IV. Kapitel.

Die methodologischen Beziehungen


zwischen Geschichte und Gemeinschaft.

Der Begriff der Nation.


Um dieGeschichtsphilösophie des deutschen Idealismus,
die wie jede Geschichtsphilosophie socialphilosophische
Keime in sich enthält, ganz kennen zu lernen, müssen wir
noch ihre bis jetzt mit Absieht übergangene, dem Ge-
meinschaftsleben der Menschheil zugewandte Seite hervor-
treten lassen 1 ).
Die eu^r Berührung des geschichts- und des social-
philosophischen Denkens entspring! tiefbegründeten Be-
ziehungen zwischen den Begriffen der Geschichte
und der Gemeinschaft Der blosse Gedanke des realen
geschichtlichen Werdens, der Entwicklung als nur succes-
siver Einheitlichkeit, scheint Dämlich die Vorstellung
von irgend welchen Uoexisteu teu Zusammenhängen
zwischen den einzelnen Trägern der Entwicklung not-
wendig zu machen, von irgend einer nichl Lediglich in
der Successivität sieb manifestierenden Einheitlichkeit
dessen, was als Subjekt der Entwicklung unabhängig vom
Werden und Vergehen der einzelnen Individuen in
koexistentcr Verbundenheit beharren muss. Ohne die
Voraussetzung eines solchen zusammenhaltenden Bandes,
ohne das Entgegenkommen einer gleichsam gegebenen und
von selbst sich vollziehenden Gruppierung, würde jede
J
) Die Ausdrücke „Gemeinschaft*4 , „Gesellschaft", ..social- usw.
werden in diesem Kapitel in einem so weiten Sinne gebraucht, dass
sie das organisierte ..Sinai-!) wie das unorganisierte „gesellschaft-
liche" F. eben gleichmftssig umfassen.
•211

\
'. i
anlassung fehlen, gesondert existierend* Einzelgebilde
sä Gliedern ihm derselben Gesamtentwicklung zu-
«in«!
sammenzufassen Die ÜnbeHHchkeit dei Werdens würdi
l

si< h in federn Augenblick zu efaem zuftllig znsarnmen-


iteneu Geflechl einzelner, von einander unabfa
roeceuhrer Reihen zu zersetzen droben
(Her enthüllt rieh wieder der fundamentale Gegensatz
dei geechicbtlicben Denkern zu jener Atomisierung der
Wirklichkeit, wie sie der Snbeumtion unter allgemeine
rifle anhaftet Bei der Abstrakt-begrifflichen Betrach-
iim^sweiM' müssen und dürfen die einzelnen Exemplare
deshalb In |atartiger Vereinzelung verbleiben, weil
Aber Ihre rein logische und nicht reale Znsammengi horig-
keit das Ziel einer Begriffssystematik als einzig bestimmende!
Princip zu entscheiden hat Die Betonung einer realen
koezistenten Verbundenheit hebt somit die dem abstrakten
Atomismus enf esetzte Tendenz des Geschichtlichen
besondersstark hervor; man kanngredezusagen, derGemein-
chaftscharakter quillt unmittelbar ans der Struktur des
Historischen, er repräsentiert das Problem dn- historischen
Einheitlichkeit, nm nach einer gewissen Richtung hin noch
weiter ausgesponnen; In Ihm gewinnt ein isoliertes Element,
eine einzelne Dimension oder ein Attribut der (iesamt-
Bubstanz des geschichtlichen Lebens ein besonderes Dasein,
das, lobald man es in seiner Bedeutung verselbständigt
denkt, als specilisch genossenschaftliches, staatliches, poli-
tisches Moment des -esehichtliehcn Stotles hervortritt
Mit dieser begrifflichen Deduktion ans dem Wesen der
chichte soll jedoch, wie hier ausdrücklich bemerkt
werden mag, nur die dem Historischen angewandte Seite
des lOCialen Faktors angedeutet und kein s behauptet

sein, dasi er In allen seinen Eigentümlichkeiten von der


historischen Wertung ans sich durchdringen lasse. Viel-
mehr dürfte er. was sich an einer späteren Stelle deut-
licherzeigen wird, ausserdem noch eine ganz selbständige,
auf die Struktur des Geschichtlichen garakhl zurückführ-
igenart aufweisen und deshalb auch mir durch eine
ganz andere, der historischen Betrachtung ebenbürl
kulturwissenschaftliche DisdpHn erfassbar sein —
In der gTSamtfin Spekulation des Christentums hatte
sich der Zusammenhan schichte und Gemein-
- 242 -
schaft darin gezeigt, dass mit der Vorstellung des gött-
lichen Weltplans und der einmaligen Entwicklung stets
die Idee eines einheitlichen Menschengeschlechtes auf das
Engste verknüpft war. Diese universalgeschichtliche Form
des Gemeinschaftsgedankens übernahm auch Kant. Das
Subjekt des geschichtlichen Fortschrittes soll nicht der Ein-
zelne, sondern die „Gattung" sein. Aus dieser Vorstellung
ergiebt sich ihm sodann auch die einzig mögliche ethische
Begründung des Socialen. Da das Endziel aller Kultur-
arbeit nicht durch die nur addierten Kräfte der Einzelnen,
sondern allein durch die „Vereinigung" derMenschen zu einem
„moralischen Ganzen" erreicht werden kann, so muss die
„lediglich ihrer eigenen moralischen Vollkommenheit' nach-
trachtende Freiheit der Individuen so weit beschränkt und
discipliniert werden, dass sie mit den pflichtmüssig anzu-
strebenden /wecken eines „ethischen gemeinen Wesens
oder eines „ethischen Staates" übereinstimmt. Fichte hat
auch diesen Kantis« hin Grundbegriff einer die Generationen
umspannenden unsterblichen Gattung beibehalten. „Wir
reden hier nur vom Portschreiten des Lebens der Gattung,
keinesweges von dem der Individuen," so kündigt er den
Inhalt der „Grundzüge" an. Da bei ihm wie bei Kam- die
Menschheit nicht das anthropologische, sondern das durch
die gemeinsame Arbeit an der Vernunftaufgabe zusammen-
gehaltene Ganze bedeutet, so wird die »Gattung" in diesem
Sinne häufig gradezu mit den grossen Kulturaufgaben oder
den „Ideen" identificiert 1
).

Die Geschichtsphilosophie des deutschen Idealismus ist


nun keineswegs bei der blossen Festlegung der sach-
lichen Beziehungen zwischen dem Entwicklungsganzen der
Geschichte und der Einheitlichkeit des Menschengeschlechts
stehen geblieben, sondern sie hat bereits mit Kam ihr Augen-
merk auch auf die logische Struktur des Gemeinschafts-
begriffs zu richten begonnen. Die „Gattung" ist der ein-
zige Kulturbegriff gewesen, der in der Philosophie Kants
einer logischen und methodologischen Untersuchung
unterworfen worden ist. Im Zusammenhange mit dieser fast

>) S. z. B. Kant WW IV, 145 281 ff., ff., V, 445 fr., VI, 190-200,
342 tr.; vgl. auch SCHULUNG WW Abt. 469,
1. I, III, 591 f., PlCHTE III, 7 f.,
23 ff., 35 ff, VI, 362 f., N III, 6f> ff, 103 f.
248 —
unbeachtet gebliebenen Leistung zeigen rieb gleichzeitig ge-
wiss. \ns;il/e hei Kwi dir ihn /um \ «u hin!« i Hm.m
der Polemik i^cn den abstrakten lndi\ idu.dismus der Auf-
klärung machen, dem .1 |i sonst im (.rossen und dmi/.-n
noch seihst verfallen war (vgl u- »Einleitung Und zwar « I >

hat ri Punkt partieller Strukturgemeinsam-


-i.idr cien
keit, der das GetcbichtUcbe und das Sociale verbindet,
richtig in treffen gewoasl \ j durch den Vorwort
Hmuh i;s. er wandle auf den Wegen der Avsanoist heu Philo-
sophie-, da er die Kulturentwicklung shitt durch die ein-
zelnen Individuen durch d;is Geschlechl Und <lic »Gattung*
Vollzogen denke, die doch nur „allgemeine He^rille seien,
unterscheidet K w I inseiner Entgegnung 2 w ei Heden tun.
I

des Wortes Gattung*; die Gattung im abetrakten Sinne


oder (his Merkmal, worin grade alle Individuen unter-
einander übereinstimmen müssen und die Gattung im .

konkreten Sinne oder <l;is d.in/e einer ins nendliche l

(Unbestimmbare) gehenden Reihe von Zeugungen*. Von


der „Mcnschengattung" in diesem letzteren Sinne, die also
im Gegensab zum Allgemeinbefpriff Mensch Inhaltsreicher
ist als der Einzelne und eine universitär nicht eine nni-
\«is,i|i|;is (vgl oh S 18) darstellt, ist es nicht mehr ein
Widerspruch, zu behaupten, »das« kein Glied aller Zeugungen
da Menschengeschlechtes, sondern nur die Gattung ihre
Itestimmunjf völlig erreiche In seinen späteren Schritten
bat Kwi diese Unterscheidung /wischen dem _<iattun.
ringutorum)" und dem »Ganzen der gesellscbaft-
lich auf Erden vereinigten Menschen (universorum)". . .

an mehreren Stellen ausdrücklich bestätigt 1


).

Diese Auseinanderbaltung zweier Bedeutungen dei


Wort und die daraus Folgende Entgegensetzung
des kulttirwissenschaftlichen und des abstrakt-begrifflichen
iluens wird um SO bedeutungsvoller, wenn man be-
denkt, wie vorzüglich Kwi dieser Unterscheidung bereits
durch die sciuule Abgrenzung der analytisch-logischen Be-
grHhhildung die „Logik i\w Mathematik" und die
i

„intuitiven Verstand« parbeitel hatte Die an-


si ii.iuliche unlversitai des rtumlichen Umfassena und <l.is
metaphysische ..All der Realität" liefern |s bei Ihrem i»cmein-

i
\v\v iv. 190 f.. :i2i r. t:r>. vn, 393, 398.
- :>44 —
samen Gegensatz gegen den AbstraktionsbegrifT vorzügliche
Analoga und dauernd fruchtbare Orientierungsmittel für die
methodologische Erfassung des geschichtlichen und socialen
„Ganzen". Die Struktur-Verhältnisse der Koordination
unterschieden sich nach unsern Ausführungen (S. 49 f.) auf
den Gebieten des Diskursiven und des Intuitiven als aggregat-
artige Vereinzelung und als festgefügte Verbundenheit der
einzelnen Exemplare. Auch das Kulturganze lässt sich am
kürzesten durch die Charakterisierung logisch umschreiben,
dass es ein totum und nicht wie der Umfang eines
Abstraktionsbegriffs ein compositum oder eine
blosse Aggregation darstelle. Darum die auf den ersten
Blick auffallende, aber sehr tiefsinnige Gewohnheit Kants, die
Menschen, nach ihrem Gattungsbegriff betrachtet, stets als
..singuli" zu bezeichnen, im Gegensatz zu ihrer Existenz als
„universi" in einem Gemeinwesen Wenn uns ein Allgemein-
1
).

begriff begegnet, muss nämlich sofort der Umstand einfallen,


dass sein Umfang eine blosse Summe („aggregatum", s. S. 27,
Amn.) einzelner Exemplare darstellt, denn vereinheit-
lichendes Hand lediglich in der gemeinsamen Subsmnier-
barkeit unter einen abstrakteil Begriff besteht. Sollen im
Gegensatz dazu Individuen als eine Gesamtheit oder als
„universi" betrachtet werden, SO müssen sie durch eine
nicht blos begriffliche, sondern reale Einheit zu-
sammengehalten werden, realiter mit einander ver-
bunden sein. Solche reale Ganzheil hat Kam durch die
Merkmale der „Vereinigung" oder des ..Kollektiven'' aus-
zudrücken versucht. Er sprich! von der Menschheil „im
Ganzen ihrer Gattung, d.i. kollektiv genommen (univer-
sorum), nicht aller Einzelnen (singulorum), wo die Menge
nicht ein System, sondern ein zusammengelesenes Aggregat
abgiebt" 1). Er giebl aber ferner dem socialen „Ganzen"

') Vgl. neben <trr oben ciüerten Stelle z. B. noch VI, 345:
..Menschheit im Ganzen ihrer Gattung" ..Menschen, abge
sondert betrachtet*.
') Wie weittragende und auch noch für unsere Zeil durchaus
massgebende methodologische Erkenntnisse von Kant hier bereüs
geahnt werden, entnimmt man am besten aus den fruchtbaren Unter
suchungen von Kistiakowski in der Abhandlung „Gesellschaft und
Einzelwesen", besonders 118 133 (vgj. oh. S. 15, Anm. 1); die in dieser
Schritt durchgeführte Unterscheidung /.wischen dvu durch „rein
begriffliche Zusammenfassung" gebildeten „Summen" oder „Gesamt-
LMfi

dadurch einen besonderen, von der bl<M mathematisch od. I

inrl;i|>h\sisrh uiim baulichen dan/lu unlei s(iii<(lcmn it i« in

kultUTphilosophisehen luh;ill. «I;iss /um haraklcr »In . i <

blossen Kollektivität als weiteres Merkmal das Zusammeu-


iltensein durch eine gemeinsame Vernunftmirgnhe hinzu-
isl aus «l(i
I Synthese der beiden Merkmale reale
Verbundenheit und Kulturwerl ergiebf( lieb Ihm die struktur
4
eines ..moralischen (inn/cn\ eines ..Systems social ver- '

einigt* r Menschen
diesen
In nteisiichun^en kündigt sieh, wie bereits
l

angedeutet, eine eiste schuehterne Erhebung über den j{C-


sellsebat'ls-w isseusehaftlieheii Atoinisinus der Aufklärung
an. Dass die .siiigiili" zugleich die Isolierten egoistischen
lndi\iduen der natui reehtliehen konsh Miktionen bedeuten,
wird besonders durch den an Rousseaus Contral social
anknüpfenden Versuch einer juristischen Unterscheidung
/wischen der ..distribuli\ en Kinheil des Willens aller und
der „kollektiven Kinheit des \ ercini^ten Willens bestätigt.
AN Begleiterscheinungen des [ndividualismus sollen Ferner
stets t tilismus um\ Hedonismus gelten. Allein nieht nur
der ntilislische Egoismus, sondern auch der abstrakte Indivi-
dualismus der Kantischem Moral selbst wird durch die
ethische BegrAndung des Socialen (fl S 212) in seinen
Hebten Grundlagen erschüttert, wenn auch nicht wirklieh
überwunden. .l.s ist \ on <\v\ moralisches. l/^benden
Vernunfl ausser den Gesetzen, die sie jedem Einzelnen
vorschreibt, noch Überdem eine Fahne der Tugend als
Verein igungspunkl für alle, die «las Gute lieben, ans-
teckt, um sich darunter ZU versammeln." Die Pflicht,
einen .ethischen Staat herbei/utuhren. nennt KANT in
der religionsphilosophischen Hauptschrifl der \rt und dem
l'iincip nach \on allen andern untei schieden ' und be-
zeichnet sie als eine Pflicht ..nieht der Menschen ^
Menschen, pondern des menschlichen Geschlechts gegen
sieh seihst" El schwebt hierbei /weil» ÜOS überall die Idee
I im i moralischen „Ganzen" vor. das nicht aus isolierten
Gebfldenewtznsammfiigcstückelt, sondern, vergleichbar dem
lauen Hamm oder dem intelli^iblen Kontinuum. als
beiteil* und den ..i.ilrn I inhcilcii" oder gesellschaftlichen ..K«»ll«kti\ -

t
einen onerem tu einer laknnftigefl
Iwissenschaflcn
— 246 -
Realität von selbständiger Bedeutung, den einzelnen
Teilen überbaut ist. Darauf deuten auch alle jene Bezeich-
nungen des „Kollektiven", die nach Kants Terminologie
keineswegs mit dem zu identificieren sind, was wir unter
Kollektivum verstehen, sondern grade den Gegensatz zu dem
blos „distributiven" Aneinandergereihtsein diskreter Ein-
heiten ausdrücken l). Und doch ist es Kant trotz dieses soci-
alen Überbaues, der am meisten in den letzten Schriften sicht-
bar wird, nicht gelungen, die atomistisch-individualistische
Grundlage seines gesamten Denkens zu verleugnen. Alle
„Vereinigung" der Menschen wird ihm schliesslich doch
immer nur zum Mittel für die Sittlichkeit der Individuen.
nicht für die Herausarbeitung von Kulturaufgaben, die allein
der über den Individuen stehenden Gesamtheit zufallen.
Eine charakteristische Spiegelung dieses allgemein kultur-
philosophischen Standpunktes enthält vor allem seine
Rechtsphilosophie, in der er sich vergebens bemüht, den
juristischen Atomismus der Naturrechtslehre begrifflich-
systematisch zu überwinden 2 Er konstruiert in letzter
).

Linie alles uns den /wecken des Individuums und vermag


deshalb auch nicht eine echte Socialethik zu begründen;
es gieht für ihn kein selbständiges Ethos des (le-
rn e i n e b e n s 8 ).
1

Nur in diesem Sinne behaupten wir die Einseitigkeil


und Ergänzungsbedürftigkeit der Kantischen Ethik. Wir
werfen Kant keineswegs vor, dn.ss er das konkrete „Ganze
der Gattung" nicht zu einer metaphysischen, neben und
Über den Individuen existierenden Realität h\ postasicil
habe. Nicht um die Realität in erkenntnistheoretischer
oder in metaphysischer Bedeutung handelt es sich hierbei,

') Das gehl aus der Verwendung dieser Termini in rein logisch-
metaphysischem Sinne hervor, s. B. \V\V III, 400.
/..

•-)
Gibrke, Johannes Althusius, 120 Bf., 207 f. Die gedrängte
S. bes.
Übersicht unseres „dritten Teiles" gestatte! auch hierüber nur an-
deutende Bemerkungen. Eine kompetente Darstellung wäre allein
von einer die geschichts- und die rechtsphilosophischen Probleme
vollständig in einander arbeitenden — bis jetzt noch nicht versuchten
Behandlung der Kulturphilosophie des deutschen Idealismus zu
erwarten.
••)WYV IV, 146, 190, 281 fr., 321 f., VI, 190-200, 327, 342 f., 438,
VII, 653 f, 393, 398, 401, 635, 65611'.
- -M7 -
sondern allein darum, dassKANi Inda konkreten Gattung
iUCh mihi cinr besondere ..Hcnliläl in ethischer und
KM iiil|>lnl«)so|)hisihci kwi in DielhodologifCbei Umsicht
,

zu erblickeD vermochte. Die gerügte Unzulänglich!


besteht somit darin, dass er für die (iemeinschnfl keinen
eigenen Kulturinhall gewinnt, Ihr vielmehr nur dk
Aufgabe /uweist. die iviheit <l<
I Individuen ;ils Kin/el-
i

weseu /u verwirklichen Insofern bedeute! ihm die Ge-


meinechafl In letzter Linie doch nur «in »Aggregat" ethi-
Kher Atome und eine abstrakte iemein ..-imkeil. nicht aber
(

ein selbständiges oder »reales*, d h. vom Aggregat wie


von der abstrakten Allgemeinheit unterschiedenes, als ein-
heitlicher Träger dei Wertes den Elnzelgebildeu analoges
und als Wertganzes" diese in sich eingliederndes
Kulturgebilde.
hie im Gegensatz zu dieser Auffassung in neuerer Zeil
Vielfach vertretene Ansicht, dass Kwi vor allem als Be-
gründer einer (ie inei n sc ha II sc h ls anzusehen Bei, heruht
t i

auf einer ungenügenden Sonderung der verschiedenen Be-


deutungen, die in dem ethisch-socialen Begriff des „All-
u« meinm hei Kwi enthalten sind Die »Allgemeinheit"
dei Sittengesetzei bedeute! nämlich erstens die Allgemein-
giltigkeil des absoluten ethischen Wertes, seine Unbedingt-
heil und Objektivität; zweitens aber die formallogische All-
gemeinheit, d. h. die Anwendbarkeil des abstrakten Merkmals
der Sittlichkeit auf alle sittlichen an/elinhalte, mithin die
1

hu «»der den Allgemeinbegriff des Moralischen. D


beiden begrifflich streng zu scheidenden Bedeutungen des
Allgemeinen treten in sachlicher Hinsicht stets zusammen
an denselben Inhalten auf; denn nach K w rsganzerWertungs-
arl kommt dem transscendentalloglscl] Allgemeinen ^rade
auch der Intimi n^i ll i|_ie Wert ZU Das ein/eine Individuiini
;i I

innt eine ethische Bedeutung nur als Subjekl des Sitten-


geset/es. .»ls Verwirklichungsfall der .vernünftigen Natur".
Kwi ordnet also allerdings den Menschen der Menschbeil
unter. Aber »Menschheit' bedeutet bd Ihm nicht <h<
konkrete Menschengemeinschaft, sondern den ab-
strakten Menschenwerl Nicht dass wir Glieder,
sondern dass wir Repräsentanten der Menschheit seien.
fordert der kai be Imperath Auch in diesem Falle
heint K w s Werten, begrifflich und nach seiner logische«
i
— 248 —
Struktur betrachtet, nicht als Eingliederung in eine
Totalität, sondern als Subsumtion unter einen All-
gemeinbegriff. Indem Kant das Verhältnis der Persön-
lichkeit zum allgemeinen Sittengesetz untersucht, abstra-
hiert er grade von jeder realen Verbundenheit oder Ge-
meinschaft der Individuen untereinander. Der abstrakte 1

Universalismus, der seine ganze Weltanschauung beherrscht,


steht darum jenseits des Gegensatzes von „Socialismus"
und Anarchismus. Ja, die Alleinherrschaft dieses Uni-
versalismus führt gradezu zur Vernachlässigung uud Zer-
störung des socialen Zusammenhanges und insofern zum
extremen „Individualismus" (vgl. ob. S. KV).
Trotz dieser zweifellosen Disparatheit von abstrakter
„Allgemeinheit" und .Allheil" oder „Totalität ') hat aller-
dings Kam selbst den Gedanken der Gemeinschaft in die
Begründung des formalen sittlichen Wertes mit hinein-
gezogen. Kr hat nämlich neben den beiden, durch die
ganze Methode der Transscendentalphilosophie gerecht-
fertigten Bedeutungen von Allgemeinheit noch eine dritte
Art von Allgemeinheit eingeführt und zwar die eines „Ge-
setzes" in einem intelligiblen »Reich", Durch diese meta-
physisch-juristische Umdeutung des „Vernunftgesetzes"
konnte freilich leicht die Vorstellung einer Gemeinschaft
oder eines „Reichs der Zwecke" gewonnen und für eine
blosse Folgerung aus dem formalen Sittengesetz ausgegeben
werden. Auch in den sonstigen Erörterungen über den
kategorischen Imperativ bildet die in diesem Zusammen-
hange völlig unbegründete Idee eines geschlossenen Gemein-
wesens die stillschweigende Voraussetzung. Häufig wird
ja besonders bekanntlich in den „Beispielen" die—
Absolutheit des ethischen Wertes und seine Notwendigkeit
für jedes moralische Bewusstsein in die davon ganz ver-
schiedene gleichzeitige Ausführbarkeit einer bestimmten
Handlung durch alle Mitglieder eines gedachten Gemein-
wesens umgedeutet. Es handelt sich demnach hierbei nicht
um eine formale Allgemeingiltigkeit des sittlichen Willens,
sondern um die Möglichkeit einer Verallgemeinerung, um
die Ausführbarkeit der ganzen Handlung ihrem Inhalte
nach. Von den daraus sich ergebenden Folgen für die

j Diese Unterscheidung ausdrücklich IV, 285.


- MS -
ilsih.iii wird die sittliche QoalHü da Handlang ab-

hängig gemacht; während dar Absicht nach ein formalen


Kriterium der IM1ichtin;issi^keil tfesuehl wird, erhält M> das
siiiii» Uv Thtin sein»- Sanktion in letzter Unk von den
Inhaltlichen Werl des Gemeinwesens, dessen liesleheti mit
unkritischer Naivität und im Widerspruch mit der ganzen
pstdlung ab endgiltiger ifsenlati sufjgestelll wird
Der Geineinschaftsgsdankc wird in .dien diesen Aus-
führungen teils durch willkfirUche Umdeutnng erschlichen.
leils ohne jede Begründung von \ ornherem voi «USgeSCtZt

Troti aller Ansätze zu einer ethischen Begründung des


Socialen 1) vermochte demnach Kv\i denmitdertransscen-
dentalen Methode bo eng verknüpften «Atomismus" niemali
in der liefe der Spekulation zu überwinden«
Viel gründlicher! all es Kant gelungen war, entzieht
I Kim dem abstrakten Individualismus seine spekulative
Basis, indem er in der Zeit mich 1S00 ) über den l\ \\
2
m\ i
W
Pormalismui hinausgeht und so im stunde ist, den metho-
dologischen Gedanken des realen Kulturganzen viel Kiefer
/u begründen. Ks braucht deshalb, da der gescUchfs-
philosophische Begriff der »Werttotatttät" bereits behandelt
wurde, nunmehr lediglich aufdie sociulphilosophisehe Aiis-
jung diese! philosophischen Wandlung eingegangen zu
werden Einen mit unzulänglichen Bütteln unternommenen
Versuch, auf juristischem Gebiet Aber den Individualismus
hinauszukommen, zeigt bereits das »Naturrecht' von 17''
n die individualistische Wirtschaftspolitik richtet sich
der .geschlossene lnmle|ss|;i;it
I In den spätem) Schrillen
wird wie hei K w
stets die Abwendung von den An
i

nheilen der .Gattung* und dal Verfölgen von Sonder-


interessen ;ds niedriger l'tilismus dd isolierten Indi-
\iduuni werden
.issell D.inehen uhei auch die
methodologischen Untersuchungen Kants fortgesetzt Die

n Am höchsten lieht In dieser Hinsicht die relinionsphilo-


lOphiSChC H;iii|iIm lullt. \iil <d> s HS
die Mm dem iocJsJ-
philosophischen lndi\ idualisram Kvms stehen blieb, -der Gemein
•Cbafl :<ls mlcher keinon selbständigen Wert neben and Aber dein
Individuum bemmes" und dem Staat „keine ftberfadWidujeilen, nur
ton der (iesainthnl als HOlCbef «Ten Kultur. mU.dien" IU-
i

wies, s Mmuanm \\ i tlismiiN bei '2* II . 34 AT.

GoOUEBj Althusius 119 f.. V


Ltik , PIcbiM ld«aU«nna uo.l <U» (IwMrM». 1
- 250 -
besten Bemerkungen enthält wiederum bereits das „Natur-
4
recht*von 1796. Hier tritt mit voller Klarheit der Gedanke
des von der Summe der einzelnen Individuen unterschie-
denen Ganzen hervor, wobei gleichzeitig für die Unter-
scheidung vom Allgemeinbegriir die Kantischen Termini
totum und compositum verwertet werden. Das „nicht
blos eingebildete", sondern ..reelle Ganze" isl dasjenige,
vermittelst dessen alle Individuen „in Eins zusammen-
fliessen; und nicht mehr in einem abstrakten Hegriffe,
als ein compositum, sondern in der That vereinigt sind
als ein totum*. „Man hat, soviel mir bekannt ist, bis jetzl
den Hegriffdes Staatsganzen nur durch ideal eZusamme n-
fassung der Einzelnen zu Stande gebracht, und dadurch
die wahre Einsieht in die Natur dieses Verhältnisses sich
verschlossen. Man kann auf diese Weise alles mögliche
zu einein Ganzen vereinigen. Das Vereinigungsband ist
dann lediglich unser Denken .... Eine wahre Vereinigung
begreift man nicht eher, bis man ein Vereinigungsband
ausser dem
Hegrille aufgezeigt hnl. Diese Polemik
gegen den methodologischen Individualismus und blossen
Kollektivismus wird in mehr gelegentlichen Äusserungen
der späteren Schriften wieder aufgenommen. ..Die Gattung.
heisst es in den ..Grundzügcn „grade das einzige, was .

da wahrhaft existiert, verwandelt sich ihm in eine blosse,


leere Abstraktion, die da nicht existiere, ausser in dem
durch die Kraft irgend eines Individuums künstlich ge-
machten Begriffe dieses Individuums; und es hat gar
kein anderes Ganzes, und ist kein anderes ZU denken
fähig, ausser ein aus Teilen zusam mengest ü ekles.
keinesweges aber ein in sich gerundetes organisches
Ganze." „Man hüte sich nur, den Staat nicht zu denken,
als ob er in diesen oder jenen Individuen, oder als ob er
überhaupt auf Individuen beruhe und aus ihnen zu-
sammengesetzt sei: —
fast die einzige Weise, wie die
gewöhnlichen Philosophen ein Ganzes zu denken ver-
mögen" ').

Während Kant mit seinen socialphilosophischen An-


sätzen nur einen ersten und unsicheren Schritt über das
abstrakte Schema der Kulturphilosophie hinaus gewagt

') III, 195-209, VII, 22 IV.. 144 ff., IV, 402 ff.
- HM -
lt.it . erscheinen bei Pichti dieselbenGedankengange in
eine umfassendere historische Weltanschauung i inet
und getragen \<>n den geschichtsphilosopbiseben Mcrn
des qualitativen Kulturwertee und «In von Individualitifl
/u [ndividuaütlt lieh fortentwickelnden InhaHsgeflllltea
Ih dnung Nur Im ii bd «lein das Klemenl d» s Soeinlen
i i ..

in rin volleres geschichtliches Leben eingebettet a Ird, konnte


Im ii deshalb als blosse reilstruktur des Historischen,
ala herausgesonderte Ader im Gesamtoqpuiismus des I

chichtlichen begreifen, während Ar K\nis nnlebendigc


Auffassung die Geschichte fast gänzlich mit ihrem poli-
tischen Apparat zusammenflMlL Fichte hat deshalb auch,
soweit er von letzten geschichtsphilosophischea Ge-
sichtspunkten ;ms d;is Wesen / B des Staates untersuchte,
stets dessen dienende Stellung gegenüber der fiClMllllllC 11
der Gattungszwecke und seine Rolle ;ds mein- vorbereitende
Organisation hervorgehoben 1). In diesem Zusammen-
hange erscheint der Staat nls Vorstufe, Mittel. Testes Rück-
grat oder blosses Gerüst der einzig lebendigen dtvinil-
WJrklichkeit, ;ds eine Einrichtung" oder ..kunstliebe All-
stedt, alle individuellen Kriil'te nul «bis Leben der Gattung

zu riebten darum darf er keineswegs mit dem End-


:

zustande der ElfUlung selbst verweebselt werden, sondern


<
repräsentiert nur die Maschinerie der Wechselwirkung,
i

die Technik des Zusammenfasse ins, somit Immerhin etwas


Pormales und Abstraktes im Unterschiede von der indi-
viduellen geschichtlichen Wirklichkeit, an der sieb die
politische Gestaltung jedesmal realisiert

Denn bei dem isoliert gedachten Faktor dee Socialen


wie man sich ^t< nwärtig halten musv der
Ton ausschliesslich aut einer gewissen Struktur
oder Form, die ;ds biossei Gerippe die im ubn
italtige Wirklichkeil durchsetzt Erst durch dl
nntnis fangen wir an, in «bis Verhältnis dieses for-
malen gesellschaftlichen Ganzen zur unmittelbaren
•chichtlichen Totalität, also in die Art der nur partiellen
sti ukturgemeinsamkeit zwischen beiden, einen Einblick zu

Die iidl ungen Wa


innerhalb der Staatslehre kutuun dabei
für uns ganz unberücksichtigt bleiben
II. Ittf vi. MS, Mit. 1TI f
.
— 252 —
gewinnen. Bis jetzt ist diese begriffliehe Verwandtschaft
nur logisch umschrieben worden und zwar durch den
Nachweis, dass die Gemeinsamkeit lediglich auf dem
Charakter der „Ganzheit" und dem daraus hervorgehen-
den gleichen Gegensatz zur abstrakten atomistischen Zer-
stückelung beruhe. Aber jetzt muss von diesen logisch
allerdings sehr interessanten Beziehungen einmal abgesehen
und vielmehr darauf hingewiesen werden, dass das rein
Gesellschaftliche in einer viel abstrakteren oder formaleren
Region liegt, in einer Region, die in ihrer Verselbständigung,
d. h. wenn man sie von allen fremden Bestandteilen los-
gelöst denkt, niemals an die unmittelbare und unvergleich-
bare Vollwirklichkeit des Geschichtlichen heranreicht. Da
auch bei der Bildung eines gesellschaftlichen Ganzen stets
ein Kulturwert massgebend sein muss (vgl. S. 24.")). können
wir ein solches Gebilde eine .Wertganzheit" oder ein
„Wertganzes im engeren Sinne" nennen, im Unterschiede
von der lebendigen geschichtlichen „Werttotalität"; so
dass das Wert- oder Kulturganze im weiteren Sinne ..YYert-
totalität" und „Wertganzes im engeren Sinne nml'nssl,
letzteres jedoch der ..Werttotalitär koordiniert ist. ..YVerl-
totalität" darf demnach nur dasjenige Wertganze genannt
werden, das sieh vor der methodologischen Untersuchung
nicht als abstrakte Teilwirklichkeit, sondern als durch
Unvergleichbare Individualität eigentümliche Voll Wirklich-
keit erweist Durch die Charakterisierung des Socialen als
1
).

lediglich formaler Organisation gelangtaUerdingsauchFiCRTE


zu dem Ergebnis, die socialen und organisatorischen Bil-
dungen als Mittel iuv gewisse /wecke zu postulieren, aber
nicht wie Kant als Mittel für die in der philosophischen Kon-
am Ende doch ausschliesslich wertvoll und ohne
struktion
Einschränkung souverän bleibenden Individuen 2 sondern ),

*) Nur die Werttotalität, niemals aber ein blosses Wertganzes


im engeren Sinne, fällt den Begriff der Wertindivi
deshalb unter
dualitfit, der ja stets ein einzigartiges, einmaliges, Dichtauf eine Viel-
heit unmittelbarer Wirklichkeiten anwendbares Gebilde bezeichnet.
) Genauer (zur Abwehr von Missverständnissen): für die ohne
8

Einschränkung durch die selbständigen Zwecke einer über ihnen


stehenden Societas souverän bleibenden Individuen, die aber gleich-
wohl in ihrer atomistischen Isoliertheit der ganz unpersönlichen
und überindividuellen Norm eines abstrakten Sittengesetzes unter-
worfen sind. vgl. S. 247 f.
/in Verwirklichung eines I rbildes <: neinlebens und
einer Aber ilie /« i splitteniiig da Individuen erhabenen
Ideelen Gesnmtenlwieklunn des Wellnesehehens Nur Mir
dk Erreichung dieser Ziele wird, lolenge die Zwecke der
einietnen Persönlichkeit und die objektiven Ideale da
Kultur sich nicht reetloi durchdringen, die gletehforn
Herrschaft socialer Einrichtungen ili unerlissHches Hilfs-
mittel postuliert
Zur Erläuterung der eigentümlichen methodologiscben
Zwischenstellung des socialen Faktori kann man vielleicht
an besten den vorher begonnenen Vergleich mit der Mathe-
matik (vgl S. 243f.) weiter fortsetzen. Den socialen Gebilden
haftet Dftmlich eine Von der sonstigen lie^riffssystematik
verschiedene, wohl aber In gewisser Hinsicht mit der
mathematischen vergleichbare Abstraktheit an. Wie in
der Mathematik aus der räumlich-zeitlichen Wirklichkeil
eine weit der reinen Grössen, so wird in den Gesellschafts-
wissenschaften 1), die somit gleiehsam eine Art kultur-
mathematik darstellten, eine Weh socialer Formen heraus-
pripariert*). Wir erhalten an dieser Stelle wiederum (vg)
s 241) die hier nicht genauer zu untersuchende Hindeutung
darauf, dass dk gesellschaftro issenschafllkhe Betraditun
art wohl in besonderen, «Irr historischen Wertung eben-
bürtigen methodologischen Eigentümlichkeiten Ihren Grund
haben wird, die socialen Erscheinungen ;ds<>. abgesehen
davon, dasa sie als VI /heilen eine Teilstruktur des
ehichtlichen enthalten können, uodi von einer anderen
Seite beleuchtbar sind und dann ;ds selbständige Objekte
einer selbständigen und ganz anders gerichteten Forschungs-
weise erscheinen mögen bt diese Vermutung zu treffend,
so bestände die Gesamtheit der positiven kulturwissen-
ichafUichen Disciplinen in einem System von Wertun
arten, innerhalb dessen eine geschieht!- und eine im
weitesten sinne grmftinBfhaflswlssniihafllii'lu' Richtung
sieh ;ds /wri .lulcin.mder nieht /in uekfuhrbare Tendenzen

u im erettestsn Sinne! wjf. < i i *•


äamsrkang sm AnCuig dieses
l\.l|»lt. |s

\j dich .ii 1 1 iNi k. System der mbjekthree Mfeutltclwii


tr. ISA, ReCtt <tfs MliHlrnir;: >ll
I Ulli. S 1MM M.
.

Schmollen Jslutouck f. Gesetzgelk, ¥erH i Volks« will. 1304 f..


.

WII. 589 f.
— 254 —
unterscheiden Hessen. Auch die geschichtswissenschaftliche
Tendenz, die in ihrer Yerselhständigung und Isoliertheit
die Geschichte im engeren Sinne giebt, bedeutet im Orga-
nismus der Kulturwissenschaften überhaupt lediglich ein
einzelnes Glied, nimmt aber dadurch unter den anderen
kulturwissenschaftlichen Disciplinen eine besondereStellung
ein, dass sie die Wirklichkeit nicht zu einer ähnlichen
Abstraktheit verarbeitet wie diese. Es war zwar auch von
einer specifisch historischen Wertstruktur die Rede, und
die Geschichtslogik hatte die geschichtliche Wertindivi-
dualität als herausgehoben aus der indifferenten Masse
der „empirischen Individualität" und somit als methodisch
bereits bearbeitete Wirklichkeit zu kennzeichnen: allein
diesem Ergebnis darf jetzi die weitere Erläuterung hinzu-
gefügt werden, dass die so herausgearbeiteten Gebilde
dennoch stets dazu geeignet sein müssen, die volle und
unmittelbare Wirklichkeit in ihrer einmaligen und unver-
gleichlichen Individualität irgendwie zu repräsentieren 1).
Die Wertstruktur steht hier im Dienste einer Dar-
stellung der Wirklichkeit. Grade in diesem Punkte
nun verhält es sich anders mit den Wissenschaften, die
eine blosse, stets auf eine Vielheit unmittelbarer Thal-
sächlichkeiten anwendbare form des Socialen aus der
Gesamtheit des Kulturgeschehens herauslosen wollen. Hier
wird die Struktur um der Struktur willen gesucht
und in einen gegliederten systematischen Zusammenhang
eingestellt. Diese gesellschaftswissenschaftlich herausgear-
beitete und nach eigenartigen systematischen Gesichts-
punkten angeordnete Welt soll gar nicht wie die ge-
schichlswissenschaftlich erforschte eine sich selbst ge-
nügende, einmalige und volle Wirklichkeit treffen oder
ersetzen. —
Die ganze Spannung und Entfremdung einerseits und
die ganze Fülle der Beziehungen andrerseits zwischen
historischer und gemeinschaftswissenschalll icher Betrach-
tungsweise enthüllt sich in der späteren Fichteschen Philo-
sophie am deutlichsten da, wo die Gediegenheit der histo-
rischen Weltanschauung grade an den typischen Objekten

') VgL Rickbrt, Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffs-


bildung, 4. Kapitel, II— VI.
-Li abstrakten üemeinschaAswissenschafi sich bewahrt
V«»n i«
hn h,il .im auMalligsteu dei Sl.i.il in drin Schnitt-
punkt der beiden killt urw isse iischnltlichcu lorschungs-
methoden gelegen, und grade mn ihn ist daran zwischen
den gleichmässig einseitigen und Minden Vertretern «l<s
Formalist ischen un<l lies historischen Doktrinarismus eine
erbitterteFehde entbrannt Wie wir stets nur die da
ichichtsphilosophie zugewandte Seite beachten, so wollen
wir auch im Folgenden lediglich dai Erwachen einei
rein geschichtlichen Verständnissei der politischen
Gebilde bei Fichte herausheben, wodurch wir zugleich
den Rückweg su den Im engeren Sinne geschichts-
philosophischen Problemen linden werden
Der Prozesi der Ausbreitung des historischen Verständ-
nisse! auf politische Gebilde lässt rieh mit unseren Be-
zeichnungen jetzt kurz so formulieren: es gill hierbei
ein Wertganzea zur Werttotalität zu erheben! Da-
durch erhielten wir nämlich eine eigentümliche Sp<
der Gattung Werttotalität: eine Werttotalität mit socialem
oder politischem Vor/eichen, hei der der Charakter
sellsch.-illlicher Wcrtganzhcit immer noch mitklingt, aber
so. dan dennoch der Grundton die lebendige f ichicht-
liche Wirklichkeit bleibt. Ins Konkrete übersetzt, wurde
dieselbe Formel lauten: es «_» i 1 den Staat als Nation
1

/u begreifen! Denn Staat bedeutet eine formale ge-


sellschaftliche Organisation. Nation" ein geschjchtüchei
Entwicklungsganzea Fichtbs un\ Ei jliches
Ist
Verdienst, dasi er teit dem Zeitalter der Aufklärung
auf «lein Gebiete der reinen Spekulation der erste
war. der den Schiit vom Staat zu rN n ion ge w Sgl hat
t t

Der Begriff «1er von so grosser Kom-


..Nation ist

|)li( iertheit dass seine Merkmale sich nur allmählich In


.

der Darstellung entfalten lassen Denn auf ihn findet nicht


nur ;illes. w.is \oiher \ <>n der geschichtlichen Welt im
allgemeinen ausgemacht wurde, leine Anwendung, sondern
er wud lerner und /w.n grade wegen der zum Teil
hindurchblickenden Ganzheitsstruktur nicht anders als
in beständiger Abgrenzung die Region «1er blossen
struktur, der Struktur am der struktur willen, verständ-
lich. So kann man zunächst einmal, um grade diesen
n Gegensatz scharf hervortreten /.u lassen, in polcmischei
— 256 —
und indirekter Form, durch eine Auseinandersetzung mit
und formalistischen Tendenzen,
einseitig rationalisierenden
für den Begriff der Nation den Charakter der vollen Wirk-
lichkeit, der historischen Realität, verfechten. Nun lag in
der Gesellschaftsphilosophie der Aufklärung eine Staats-
lehre vor, die sich dem Nationalitätsprincip nicht etwa
aus methodologischen Gründen verschluss, sondern ihm
aus urwüchsiger Blindheit von vornherein in allen ihren
Konstruktionen, in ihrer ganzen Weltanschauung keine
Stelle freiliess. Kein Wunder, dass Fichte in einer solchen
Epoche der Rechtslehre schon gegen die blosse Rechts-
systematik als solche, gegen den blossen juristischen und
ökonomischen Formalismus, den Vorwurf rationalistischer
Einseitigkeit und Leblosigkeit erhebt; der Vordach warI

ja berechtigt, dass diese Dogmatik alles zu sein, die volle

Wirklichkeit zu ersetzen gedachte. Und dass die blosse


Rechtsordnung oder die schematische Formel für das
Zusammenwirken aller, diese „genaue Berechnung" der
Pflichten und „gesetzmässige Verteilung der Lasten - als
..stehende und feste Form" nicht stets die einzige und
höchste Instanz für das Handeln der Gesamtheit abgeben
kann, das offenbart sich dem Denker in jenen grossen Augen-
blicken, in denen ein Volk sich znrSelhstverteidigung aufrafft
und der ganze Staat in eine „revolutionäre Spannung" gerät.
Die gesellschaftliche Ordnung, wie dieselbe im blossen
klaren Begriffe erlasst, und nach Anleitung dieses Be-
griffes errichtet und erhalten wird, erscheint dann als
„nur Mittel, Bedingung und Gerüst dessen, was die
Vaterlandsliebe eigentlich will, des Aufblühens des Ewigen
und Göttlichen in der Welt". Wenn es gilt, über neue,
nie also dagewesene Fälle „ohne einen klaren Ver-
standesbegriff von der sicheren Erreichung des Beab-
44
sichtigten zu entscheiden, dann müssen „alle Zwecke des
Staates im blossen Begriff: Eigentum, persönliche Freiheit,
Leben und Wohlsein, ja die Portdauer des Staates selbst"
auf'sSpiel gesetzt werden, alle die Güter, in deren blosser
Erhaltung „kein rechtes eigentliches Leben und kein ur-
sprünglicher Fntschluss" wohnt, und in deren Besitz die
Zeitalter „gläubig fortgehen auf der angetretenen Bahn'.
Die Thatsache der aus aller begrifflichen Systematik her-
ausfallenden grossen politischen Wandlungen im Leben
-in Volk« i vertieft Iimiii zu dem Gedanken de«
hier
w ii n« i
«
-h.il i
-n i
rrechti ursprünglichen bist
dei
hrniw lek u n u
n i I gegenüber dei iystematisi<
m. in die de rieh ileti kletden mnss, die aber
wumlclhar ist und sich immer von Neuen ii.kIi <ln
unberechenbaren Wirklichkeit eu riebten hat Die Usto-
rieehe Weltanschauung wird bd Fichti eben nicht zu einer
i;< st.iin.ihonsphilosophic entstellt; sondern wahrend dei
i;.iti(»n;ilisnms der Aul UArung die geschichtliche Wirklich-
keit durch eine schematisch blaSM \ Vinunft /.u revolu-
tionieren sich rennass, glaubt I'uum die rationalisiert
und von ahstraktcn Regeln beherrschte Seite des ollent-
lichen Lehens umgekehrt durch die ewig frische Wirk-
lichkeit revolutionieren und verjüngen eu müssen. l>

Überzeugung bestimm! euch In den .Reden an dk deutsche


Nut ion die Gegenüberstellung der beiden Arten von Staats-
lehre, von denen die eine einen künstlichen Mechanismus
SU die Stelle des Lehens setzt, die nndere dagegen auf die
ursprüngliche Lebendigkeit der geschichtlichen Entwicklung
zurückgeht ' ).

Mit gegen die Alleinherrschaft da


solcher Polemik
Formalismus jedoch der Ort für dus Wesen der ist

Nution Vorläufig nur limitativ festgestellt Ini einen greif-


luieren Inhalt /u -cw innen, inuss man dieser noch unhe-
siinimten Charakterisierung die weitere Überlegung nach-
folgen lassen, d.iss die Nation trotz ihr« MStSC!
zur lediglich ahstrakten Form der Organisation doch
andrerseits auch eine scharf ausgeprägte Struktur
aufweist, dass also die geschichtliche Wirklichkeit des
Nationalen mit einem danzheils- und Kinheitschai akter
gestattet ist. der •lieSCO aktor der geschichtlichen Welt I

noch auflU ifa das loustige historische Material von


der Diskretheit der natürlichen, d. h. nicht kulturw issen-
IChaftlkh betrachteten Wirklichkeit unterscheidet la. wir

werden wohl noch einen Schritt weitergeben und sugebea


muss.n ds in diesen eigentümlichen (iehilden, in !<•

denen sich geschichtliche Totalität und Ganzheitscharakter


innig durchdringen, in diesen wirklichen und leben-
'li.ni li.mzheih ii. das gesamte Problem der (ian/heit.
»> S. i>ts niii, 248 r. Reden sn <iic deutsche Nation. :. und
8. Rede Mll. 127 f . VII 568.
— 258 —
auch in der Gestalt, die es in den abstrakteren Regionen
der juristischen, gesellschafts- und wirtschaftswissenschaft-
lichen Begriffswelt annimmt, irgendwie seinen Ursprung
und letzten Grund findet. Denn unbeschadet ihrer metho-
dologischen Eigenart können ja diese Disciplinen in ein-
zelnen Partieen ihrer Begriffsbildung sich manchen Eigen-
tümlichkeiten der konkreten und unmittelbar geschicht-
lichen Wirklichkeit eng anschmiegen und sie innerhalb
ihrer abstrakteren Sphäre in genauer Spiegelung nach-
bilden. Daraus wird sofort begreiflich, dass auch von
der geschichtlichen Wertung der unmittelbaren Kultur-
wirklichkeif aus darüber gewacht und ein Interesse daran
gewonnen wird, dass sogar bis in die abstrakten Disci-
plinen hinein die Selbständigkeit der Gesamtgebilde, d. h.
(\vv von der Zusammenfassung von Einzelgebilden unter-
schiedenen Ganzheiten, eine gebührende Beachtung erfährt
und gleichsam einen Abglanz ihrer ursprünglichen Be-
deutung bewahrt.
So ist von einer andern Seite wiederum verständlich
geworden, warum es nicht eine präßoftt ste äXXo 72'vo; ist,
wenn PlCHTE von der geschichtlichen Erfassung dev Natio-
nalität aus zunächst die zeitgenossische Staats- und
Rechtslehre angreift Während im Kampfe gegen die
Übergriffe des Formalismus lediglich die Besorgnis zum
Ausdruck kommt, es konnte die geschichtliche Wirklich-
keit — einlach als das
lebendige letzte Substrat aller
übrigen wissenschaftlich konstruierbaren Kulturgebilde
durch das darüber ausgebreitete Begriffsnetz verdunkelt
werden, gesellt sich im weiteren Verlauf dieser Polemik
noch der Angriff gegen die auch durch die /wecke der ab-
strakt-gesellschaftswissenschaftlichen Begriffsbildung nicht
gerechtfertigte, sondern aus einseitigen Grundprinzipien
entspringende Vernachlässigung und Zerstörung einer be-
stimmten Struktur der Kulturwirklichkeit hinzu. Hierbei
ist es demnach nicht mehr die formale Abstraktheit und
blosse Struktur als solche, die vom Standpunkt der
volleren Wirklichkeit aus als etwas Sekundäres hingestellt.
und als geschichtsfeindlich beargwöhnt wird, sondern
innerhalb des Bereiches der Struktur wird ein Mangel
an Gestaltungskraft gerügt. Allerdings werden wiederum
grade Kigentümlichkeiten des historischen Substrates selbst
I

durch Hit sr tii/.tiliingl ichkeil der bekämpften Struktm em-


pfindlich geirofft " I I -' den 10 Wirksamkeit
"liimlichkeilcn.
lieh durch eile kulturwiseenschaftlichen Disdplinen hin-
durdi mtfgfihen sollt«' Wählend also hierbei toi den ersten
Anblich nur die eine Struktur gegen die andere auftritt
schieb! lieh doch gleichzeitig der berechtigten und
leidigten Struktur sofort ihr wehrer Urgrund und letzter
nämlich die unmittelbare Wirklichkeil unter 1

und dadurch wird diese ganze Polemik in ihrem innersten


Kern dennoch so einem Kampf der wirklichkeitsfreund-
lichen Richtun{ n eine Verkennung Ustoriscber Reali-
täten durch gewisse Tendenzen «In systematisierenden
Wissenschaft Denn auch im Bereiche «In Rechtslehie
hatte der atomisierend-individualistiscbe Geisl d< r
sich
Aufklärung in der begrifflichen Zertrümmerung aller
Dossenschaftlichen Rechtsgebilde gezeigt Aus den eben
gten Zusammenhängen wird es nunmehr ersichtlich,
warum von Pichti gegen diesen naturrechtlicben Ato-
misrnus, dessen Bekämpfung eigentlich zunächst nur BodaV-
recht liehe Gedanken gegen die einseitig individualrecht-
iichen hätte hervortreiben sollen, unmittelbar gleichsam
mit uberspringung dieses Mittelgliedes das lebendige
Natiobalitätsprincip ausgespiell wird Es erneuert sich
dam ii von der historischen Weltanschauung bus mit grösserer
Lebendigkeil die bei Kant für die Sphäre der formalen
Gesdlschaftsganzheil bereits begonnene Auflehnung
den ntoinistischen Individualismus Wir linden in der
Thal gani allgemein mit dem Erwachen der geschicht-
lichen Weltanschauung im 19, Jahrhundert liberal] mich
in den abstrakteren Wissenschaften der Jurisprudem und
Nationalökonomie, insbesondere der Staatslehre, eine starke
Betonung der selbständigen Gesamtgebilde Hand in Hand
M. sowie eine Reaktfoi die Verabsolutierung des
abstrakten, aus allen Zusammenhängen heraui neu
Individuums
I
spekulativer Vorläute dieser historischen Richtung
in
ist Im um
geworden. Auch er he/eichnet als Wcltan-
chauungqprundlage der von ihm bekämpften Staatslehre
den individualistischen Utilismus, der es unternimmt, aus
n Elementen, nämlich den glflcksuchendeo
Individuen, alles Leben in der Gesellschaft zu einem
— 260 -
und künstlichen Druck- und Räderwerke zusammenzu-
fügen 4
Den Bürger fesseln nach dieser utilistischen An-
.

sicht nicht die persönlichen Bande der Liebe und Be-


geisterung an den Staat; gilt doch die Staatsgewalt ledig-
lich als der „Diener" der Eigentümer, „der von ihnen für
diese Dienste bezahlt wird". Welche Staatsgewalt ihm
diese Dienste leistet, oder welche „ihm durchaus nichts
verschlagende Person" dahinter steht, darum braucht der
Einzelne sich nicht zu kümmern. In einem Komplex
privatrechtlicher Beziehungen giebt es eben nur Träger
abstrakter Funktionen, und alle individuellen Unterschiede
werden bedeutungslos. Dieser verwerflichen Konstruktion
des Staates stellt Fichte seine eigene Lehre entgegen.
Herrschte in jener die Auflösung aller umfassenden Zu-
sammenhänge, die Verabsolutierung des gesellschaftlichen
Atoms und deshalb trostlose, ungeschichtliche Abstrakt heil, so
zeigt die wahre Struktur Verbundenheit, Einheit, Ganz-
heit, überindividuellen Zusammenhang. ..Dies nun ist in
höherer .... Bedeutung des Wortes ein Volk: das Ganze
der in Gesellschaft mit einander fortlebenden und sieh aus
sieh selbst immerfort natürlich und geistig erzeugenden
44
Mensehen. Die Ausdrücke „Volk" und „Nation" bedeuten
bei Fichte keineswegs lediglieh die ethnische Grundlage
des Staates, sondern die politisch geeinigte Menschenmenge.
Sie wollen also vor allem die vorbildliche Struktur
hervorheben, die des staatlichen Gemeinwesens ebenso
wie die der unmittelbar geschichtlichen Wirklichkeit seines
nationalen Substrats. Durch diesen Nationalitätsbegriff,
wie durch die sich daraus ergebende Polemik gegen den
1

Rationalismus und atomisierenden Individualismus in der


Staatslehre, berührt sieh Pichte auf das Engste mit einem
anderen Vorläufer der historischen Schule, mit Adam
Heinrich Müller 1 ).
Als ein über den natürlichen und rechtlichen Einzel-
personen stehendes Gesamtgebilde hat Pichte den Staat

') Polemik gegen den Nationalismus bei Müller, Z. B. Elemente


der Staatskunst (1809) I, 21 iL, 27 ff, 37 f., 94, gegen die atomistis. h
mechanische Konstruktion („Räderwerk"), 3 ff» 21 ff, 52, III, 220;
Forderung ursprünglicher „Bewegung", I, 5 IT., 17 ft"., 43 ff; mit Fichte
übereinstimmende Definition der Nation, 51, 84, Vorlesungen Ober
die deutsche Wissenschaft und Lilteratur (1806), 142 I.
2<H

noch dadurch Mich gekennzeichnet, dass er


kirsoiicl«

h;mfiLi Verwechslung
\oi dri ^u hjtkls mit den <l

persönlichen Trägern «in Staatsgewalt warn! nad heftig


^e^en d;is imoiuilju imip polemisiei
I
*- • mich «Im: I.

I. nid »Privateigentum def l'nterthnri .dem persönlichen


Willen des Herrschers unterworfen i^t s<» fuhrt der
allgemein ktüturphilosophische Gedanke dei \ >n <\*\ <

Summation von Einzelgebilden verschiedenen Ganzen anf


dem sl;i;ilsreehllichen (ichict hereils /u der freilich
noch nicht s\ Btematiscfa begründeten Einsicht in die
Erhabenheit der StaatssouverinetM Aber blosse Herncher-
oder Volkssonvcranetät ').
Vergleichen wir diese SpdLnlationen über Volk und
Nation mit «lein durch K.w r repräsentierten Studium der
Ethik und Politik, so ersieht sich all eigentliche socinl-
philosophische Thal Picbtbs die Übertragung der Struktur
des gesellschaftlichen »Ganzen* auf die unmittelbare histori-
sche Wirklichkeit Erst durch diese ffineinverlegung der
Ganzheitsstruktur In das letzte Substrat niler socialen und
politischen Gebilde, erst durch diese geschichtliche Ver-
lebendigung des .Kulturganzen konnte es gelingen, das
uherindividuellc Allgemeine und d.is uherindividuellc (inn/e
genügend scharf \ <>n einander zu scheiden vgl. auchS.267f.); <

erst jetzt konnte neben und über das Einzelindividuum


eine wirklich reale Gesamtindividualitit, ein wahrhaft
Konkret-Allgemeines gestellt werden, dem das Individuum
nicht wie dem Ahsti ukt-All^eineinen nls Isoliertes l.\einpl;ir.
sondern dem es uls un\ erl.i lisch h.i res Glied ifiberstd
Nicht KANT, sondern eist I'k m gebührt darum d;»s i i

\ idunst, die spekulative bervi Indung des kultur-


i
I

philosophischen Atomismiis angebahnt za haben


Wir müssen nu dieser Stelle wiederum ;in die liemerkuii.
nnaera Einleitung S. 13 18) anknüpfen und von Neuem
41

ml hinweisen, dass alle jene dem »Individualismus"


entgi letzten »socialen' Ideen von der »Allgemeinheit*,
da daslndh iduum gehorchen, oder von ftberindhriduellen*
Zusammenhingen, denen es sii h einordnen soll, nur durch

'
VII, 362 fr, 381 f., ykI H6f.. 548, IV. 402 fr, N III. 426.
\ enr.cn der naturwissenschaftlichen
riflhbilihnigi 4. Kapitel, IV, -«in* elrtoriicbt Zatanunenfeaag" und
716 n
- 262 —
ganz scharfe Kontrastierung des „liberindividuellen" Ganzen
und der gleichfalls „überindividuellen" abstrakten ethischen
Norm, von ihrer bisherigen Verschwommenheit befreit
werden können. Auch die geschichts- und socialphilo-
sophischen Grundbegriffe des deutschen Idealismus lassen
sich in ihrer rein spekulativen und insbesondere in ihrer
methodologischen Bedeutung nur dann richtig würdigen,
wenn man zur logischen Klärung vor allem erst einmal
diesen feinen begrifflichen Unterschieden nachgeht. Es
war die einheitliche Tendenz unserer gesamten Aus-
führungen, auf die Inerlässlichkeit dieser Auseinander-
haltung des Abstrakt- und des Konkret-Allgemei-
nen hinzuweisen, und wir haben diese auch für das
Individualitütsproblem entscheidende und bisher last stets
vernachlässigte Entgegengesetztheit zweier Strukturen so-
gar bis in die reine Erkenntnistheorie und Metaphysik
verfolgen können ').
Bisher wurde Fichtes Nationalitätsphilosophie im
Wesentlichen als Herausarbeitung einer gewissen, gegen
die Zerstörungswut des atomisierenden Individualismus
verteidigten Struktur gekennzeichnet, und ausserdem
wurde nur im Allgemeinen die llauptleistung FlGHTES da-
hin bestimmt, dass er die geschichtliche Wirklichkeil
gegenüber der aus Hegrillen aufgebauten Welt wieder /u
Ehren gebracht hat Wir können nunmehr aber auch
noch genauer verfolgen, wie Fichte den Wirklichkeits-
charakter der Nation, dessen lediglich negative und
mehr gefühlsmässige Abgrenzung gegen das blosse „Gerüst"
der gesellschaftlichen Organisation vorher gezeigt wurde
(S. 256 f.), bereits einer eingellenderen Begriffsbestimmung
zu unterwerfen wusste. Alle Wirklichkeit hat Individua-
lität und Geschichte. Deshalb wird erst durch die Auf-
zeigung diesei* beiden Erfordernisse des Nationalitätsbegriffs
unsere Behauptung, bei Fichte sei die philosophische Be-
handlung der politischen Gebilde von der historischen
Weltanschauung durchdrungen gewesen, ihre inhaltliche
Bestätigung erhalten. Zugleich werden wir dabei die Über-
tragung der individualitätsphilosophischen und methodo-

') VgL oben S. 12 f., 16 U 48, 54 IT., 57 1'., 65 IT., 85—89, 99, loa IT..

172, 177, 183 1'., 205, 290 294.


Ischen Ergebnisse . » n i die sodalphilosophiscben Begriffe
kennen lernen
Ans (In rationalistischen und Individualistischen Maats-
aulTassung folgte die < dcichgiltig|H D die imlix uluellen
l ntris» In« <l< d ihichtlichen liaseins, d;is sich clwn

hinter den in Begriffe erfassbaren rechtlichen und öko-


nomischen Beziehungen verbirg! Dagegen findet onn-
mehr dir Theorie vom lebendigen Organismus desStaats-
lebena In dem Prindp der Nation all der politischen
1 ml idualitit ihren notwendigen Abschlug* Während in
i \

den .Grundzügen der Koemopolitianini des 18 Jahrhun-


derts noch rückhaltlos anerkannt wurde, bringen die Reden
an die deutsche Nation den entscheidenden Umschwung
dadurch, dass durch Übertragung des Princips der
Wertindividualitäl auf das Politische dem er-
* achenden Nationalgefühl jener Zeit der tiefste Aus-
druck verliehen, der grösste und wirksamste kultur-
philosophische Gedanke des in. Jahrhunderts in
die Weltanschauung der deutschen Philosophie
aufgenommen und mit der Klarheit der begriff-
lichen Spekulation formuliert wird Ja, in derWür-
ing <ler nationalen Individualität, der Individualität im
Grossen, hat Pichte vielleicht noch siegreicher die Welt-
anschauung des Jahrhunderts überwunden und noch
in
glänzender d;«s Prindp der Wertindividualitäl angewandt,
als es ihm hei der historischen Kin/clpcrsonlichkcit gel I
Glaubte er doch in dein Aufblühen politischen Lehens /u
onderten und unvergleichbaren »Eigentümlichkeilen"
lezu in selbständiges Ziel der geschichtlichen Ent-
i

wicklung, ein höchst« tz der Geisterwelt* entdecken


/u können D latur vermochte das Wesen
der Mensc hheit nur in höchst mannigfaltigen Abstufungren
an Einzelnen, und an der Einzelnheit im Grossen und Ganzen,
an Völkern, darzustellen Nur wir jedes dieser letzten.
sich seihst überlassen, seiner l.ii^en heil gemäss, und in
in derselben jedei Einzelne jener gemeinsamen,
wie seiner besonderen Eigenheit gemäss, sich entwickelt
und gestaltet, tritt die rscheinung der Gottheit in ihrem
I

ntlichen Spiegel heraus, so wie sie s«.|| Nur in


den unsichtbaren und den eigenen Augen verborgenen
entumlichkei ten der Nationen, en, wo- »i
- 264 —
durch mit der Quelle ursprünglichen Lehens zusammen-
sie
hängen, Bürgschaft ihrer gegenwärtigen und zu-
liegt die
künftigen Würde, Tugend, Verdienstes; werden diese durch
Vermischung und Verreibung abgestumpft, so entsteht Ab-
trennung von der geistigen Natur aus dieser Flachheit, aus
dieser die Verschmelzung aller zu dem gleich-massigen und
aneinanderhängenden Verderben/' Die spekulative Wür-
digung des Individuellen setzt sich sofort in die praktisch-
politische Forderung der nationalen Selbsterhaltung, der
t berlieferung ursprünglicher nationaler Kigenart an die
Enkel um; und aus diesen Pflichten ergiebt sich auch
„der Begriff des wahrhaften Krieges". Mit solcher Indi-
vidualisierung des Wertens verbindet sich wiederum dir
logische Charakterisierung durch die Irrationalität. Die
Nation als „besondere geistige Natur der menschlichen
Umgebung", als „besonderes Gesetz der Entwicklung
des (iöttlichen" erscheint dem abstrakten Verstand als ein
ans den allgemeinen „Gesetzen der Ersichtlichkeit" uner-
klärbarer Bestandteil der Wirklichkeit, als ein „Mehr der
Bildlichkeil, das mit dein Mehr der unleidlichen Ursprüng-
4
lichkeit in (kr Erscheinung unmittelbar verschmilzt und '

deshalb ..niemals von irgend einem, der ja selbst immer-


fort unter desselben ihm unbewussten Einflüsse bleibt,
ganz mit dem Begriffe durchdrungen werden kann" 1).
Grade und ausschliesslich auf politischem (iebiel streift
somit Pichte an Schleiermachers Princip der „Eigentüm-
lichkeit", nach dem die bedeutende Individualität als Selbsl-
zweck, als Ganzes, als in sich geschlossene Welt gewerlet
wird. Bei der ihm eigentümlichen Wertungsgewohnheil
der Kingliederung des Einzelnen in einen umfassenden
Zweckzusammenhang liegt es ihm auch nahe genug, die
Nation, die ja, ähnlich dem höchsten Inbegriff der Kultur-
werte, eine die einzelnen Individuen in sich eingliedernde
Gesamtindividualität darstellt, als sich selbst genügendes
Ganzes gelten zu lassen; leichter als bei der Kinzelpersön-
lichkeit wurde es ihm darum bei der Nation, davon ab-
zusehen, dass auch sie sich als Glied eines noch höheren
Ganzen denken lässt. Im Zeitalter Kants wollte das Indi-

») Reden an die deutsche Kation, 8. Hede, ferner 371 f., 398, 467,
563 f., .Staatslehre", 2. Abschnitt (IV, 401 II.).
- MB -
\idmim «li« im nschliehe (..ilhin- ;ils einzige in
geSfhlnssni« \\ «i M..l.ilil;il iiImi sieh .in« i k.hin n -Im ,in-
selnen Staaten sImi i«.ii ;
ii,ii als \orianiinen Notbehelf
daneben dulden BeiFicHTi Ist bereits dei ungeheure
tschritlder Individualisierung dei Wertem
in
eingetreten, dasi zwischen den Einzelnen und die
Henschheil die Nation als selbständige! Wertgehl Ide
hohen wird ) 1
Freilich isi dadurch anefa Rki
Im hti die Möglichkeil keineswegs aufgehoben, die Nationen
als hlosse d iedindh
I idnalil.iten in die ( icsamth» il da
Kulturentwicklung einzustellen« Dem einzelnen Volk a
dann im »ewigen Entwurf eines Menschengeschlechts! im
Ganzen »ine ebenso unersetzliche »Bestimmung" zu/.u-
weisen wie «lein ein/einen lmli\ idutim im einzelnen Volke
hie Volksform idbsf ist von <ln Natur oder Gotl eine
gewisse hochindividuelle Weise, den Vemnnftzweck
zu befordern. Völker sind Individualitäten, mit
eigentümlicher Begabung und Holle dafür Wer
den universalen Kosmos der Kulturziele ata eine am
den unvergleichbaren nationalen Gliedindividualititea lieh
bildende Gesamtindividualitil erfasst, im den wird der
wahre Kosmopolit" sieh als Patriot betUtigea und echter
Kosmopolitismus" einmünden mAssen.
11

.Patriotismus in
Die icheinbare Unbestimmtheil In Pichtes Stellung zum
Kosmopoütismui erklärt sieh zum grtaten Teil am dk
früher im allgemeinen von uns charakterisierten, auch eui
d.is Politische angewandten Methode des Eingliedern! von

ntindividnalitftten in eine Totalitat. obgleich all» r-


dingi auch zuzugeben ist. dass das Nationahtftsprineip bei
ihm häufig durch eine metaphj sisehe Verabsolutierung dei
Deutschtums durchbrochen wird 1).
Dass Fiam es wirklich vermochte, trotz sein
Entstehen fruchtbarer kulturphilosophischer BegriliB fort-
während bedrohenden Hinneigung zu dem elektischen
Prindp eines gestaltlosen Absoluten, dennoch eine konkrete
Passung tionalititsgedankens \\ enitfstens anznhahnem
d;isni;uhl sich am deutlichsten ans der in den letzten

.1 siaatskunst I. K>7f.. lOOf .. 1151 2H2ff.,

VII. 181. 188, 193, 197, 200. 212, N III. 228 f.. 248, 266. 423. 426 f..

MI. WO ff., 464, 471 f. 533.


Lnt, ruhtm Hullwim ood 4fr nullen. 18
— 266 —
Schriften beobachteten Klärung und schärferen Heraus-
arbeitung des Momentes, auf das alle Ansätze der poli-
tischen Spekulation seit 1800 ja bereits hindrängen, näm-
lich aus der Charakterisierung des Volkes als geschicht-
licher Einheit. In der Betonung dieses Faktors voll-
endet sich die Beleuchtung des Wirklichkeitscharakters
der Nation. Wie Fichte für das Volk die individuelle
Eigentümlichkeit noch rückhaltloser zugestand als für die
einzelne Persönlichkeit, so hat er sich auch der Anerkennung
nicht verschliessen können, dass der ins Unendliche gehen-
den politischen Gestaltungskraft des menschlichen Willens
die konsolidierende Macht einer geschichtlichen Volks-
grundlage als ein „von der geistigen Natur Vorausgegebenes"
zu Hilfe kommen müsse. Das Wunder der »gegebenen Frei-
heit" tauch! hier als Antinomie von politischer Selbst-
tätigkeit und geschichtlicher Gewordenheil wieder auf.
Bereits in den „patriotischen Dialogen" von 1<S<)7 war ge-
legentlich ausgesprochen worden, die Nation müsse „Natur'
d. h. geworden und gewachsen sein. Aber während noch
in „Heden" die Sprache als höchstes, ja einziges
den
nationales BinheÜsband gilt, linden wir in den letzten
Schriften die Mittel nationaler Einigung viel eingehender
untersucht und ihre Notwendigkeil viel stärker hervor-
gehoben. Hier wird neben der Sprache vor allein eine
gemeinsame Geschichte genannt. An ihr sei besonders
(Ins „wodurch eine Menge sieh selber begreif!
lehrreich,
als und zum Volke wird im eigenen Begriffe:
Eins,
entweder durch hervorstechende Ereignisse, gemeinschaft-
liches Thun und Leiden —
.... durch Gemeinschaftlich-
keil des Herrschers, des Hodens, der Kriege und Siege
und Niederlagen und dergleichen; - oder auch der blosse
Begriff andrer von ihnen als Eins giebl ihn ihnen selbst".
„Line Menschenmenge durch gemeinsam sie entwickelnde
Geschichte zur Krrichtung eines Reiches vereint, nennt man
ein Volk." .Gemeinschaftliche Geschichte oder trennende
entscheidet also für die Bildung zum Volke. Hei dieser
viel realistischer gewordenen Vorstellung wird auch der
Krieg als völkerbildendes Element gewürdigt. Wenn FlCHTE
von seinem Begriff der Nation ans den deutschen Terri-
torialstaat nicht als selbständiges und berechtigtes Staals-
gebilde gelten lassen wollte, so darf man darin nicht ein
— M? —
blind« Bifern widci den Schollenpatriotismiis erblicken,
sondern maai i lelmchi die tiefgehende, von ihm häufig ans-
gesproi-lu-tir insu hi erkennen, dasi |eder Staat In tiefsten
l

Grunde krankt, bd dem politische Organisation and »Volks-


i sich nich! decken, Grade ein lolchei Auseinander*
fallen, bd den die Nation nicht als ein nher alle kunsl-
lirhr Ah^nii/niii; erhabener Ckberindividueller Zusammen-
hang gewertet werden kann, verleite! ja auch su der \<>n
l h ii so heftig bekämpften Denkart, die den Fürsten der
1
1

Nation alt ein Jen« riflberstellt, ihn »Tordas Vater-


land setzt, als oh er seihst keina hätte and den Staal als ,

seinen Privatbesitz betrachte! wissen will 1). Wo derartige


Auflassungen durch die politische Entwicklung i

werden, hal sich das wahre Verhältnis grade umgekehrt


die leere Form des Maates triumphiert Aber die Realität
des nationalen Dasein-

Von
dieser Idee dt s geschichtlich gewordenen Volks-
geistes, zu der sich die politische Spekulation in den aller-
letzten Jahren offenbar zuspitzt, sticht nun die Ober alle
empirischen Schranken
hinausgehobene Sonderstellung
merkwürdig dein deutschen Volke zuwi
ab, die FiCHTI
Zunächst darf freilich auch hierbei nicht abersehen werden,
dass für die Erk läru ng der Zerrissenheit und Nationalitäts-
keil Deutschlands der im Vergleich mit der Auf-
rassung <\<\ »Reden vertiefte geschichtsphilosophische
Volksbegrifl als Kriterium restgehalten wird Von den
Deutschen heisst ei keine Gemeinsamen
Tbaten und Geschichte, durchaus kein Unternehmen der
Art Höchstens Stamm- und Spracheinheit, nichl
Volks- und Geschichtseinheit* .lud das ist eben die
Merkwfi] harakter anderer Völker ist gemacht
I

durch ihre Geschichte Die Deutschen haben als iokhe


in den letzten Jahrhunderten keine Geschichte Aber die
Deutschen vermochten wird mm weit ^ert
im Widerspruch mit der feindlichen historischen Wirk-
lich] tt iin.s ni Uchtlichen .metaphysisch

») \'ui dass besonder! r 1— > iit Fasln nliie


Pichtet dk NN"Mi .
«i.is Baste enthält, ^.»^ Über Pteamn Poottt
gesagt wordea Ist
\ III. m, VN.- 266 f., 392 f.. 4SU, 463 f., 465 ff.. IV. 412 4».
18*
— 268 —
Daseins den „Einheitsbegriff eines deutschen Volkes" auf-
rechtzuerhalten, und grade in dieser „Existenz ohne Staat
und über den Staat hinaus" besteht der „merkwürdige
Zug" in ihrem Nationalcharakter. Sie allein sind deshalb
im Weltplan dazu ausersehen, „in rein geistiger Ausbildung'"
sich zu einem Volke erst zu machen, ihr Sein, wie die
Wissenschaftslehre es fordert, aus der reinen Innerlichkeit
aufzubauen. „Dem metaphysischen Volke die metaphysische
Aufgabe!" ) „Der Einheitsbegriff des deutschen Volkes ist
1

noch gar nicht wirklich, er ist ein allgemeines Postulat


der Zukunft. Aber er wird nicht irgend eine gesonderte
Volkseigentümlichkeit zur Geltung bringen, sondern den
Bürger der Freiheil verwirklichen." Hier beansprucht m
der Thal das ethische Postulat der Selbsttätigkeit nicht
nur eine überhistorische Bedeutung, sondern es steigert
sich gradezu zur metaphysischen Leugnung des Histo-
rischen, zur hypostasierenden Erzeugung einer überge-
schichtlichen individualitätslosen Real ilä t.

Allein wenn auch ohne


weiteres zuzugeben ist, dass
das Gesamtbild (\cv bei Pichte ja erst im Entstehen be-
griffenen historischen Weltanschauung an ein/einen stellen
immer wieder von anderen Spekulativen Schichten stark
verdunkelt wird, so nmss man sieh doch davor hüten, die
Kluft /wischen der metaphysischen Ausgestaltung des
Nationalitatsprincips und der wahrhaft historischen Be-
trachtungsweise allzusehr ZU erweitern. Man wird sieh
vielmehr daran ZU erinnern haben, dass nach PiCHTE der
Begriff der Geschichte nicht nur das Gewordene, sondern
ebenso das Lebendige Werden seihst umfasst, seine histo-
rische Weltanschauung deshalb, anstatt zu einer das Be-
stehende vergötternden Restaurationsphilosophie herabzu-
sinken, sich vielmehr zu der Verkündigung einer grund-
sätzlichen Revolution gegen die erstarrten Formen dvi
Gegenwart emporhebt. Das wird ja an den überlebten
föderalistischen Formen des deutschen Reichs grade ge-
rügt, dass sie Kunstprodukte seien, durch die niemals der
belebende Hauch wahrer Geschichte geweht habe. Diese
Empörung gegen das Bestehende ist somit von echt ge-
schichtlichem Gefühl getragen und steht, auf ihre letzten

U Worte Lassallks, a. a. (). 24.


— 908 -

spekulativen Motive bin angesehen, im schroffen Gegensata


zum aufklärerischen Itadiknlismus h im diesen
.mcjuheit und Zukunft umfassenden, hu das LS l.ihr-
hundeii völlig unbegreiflichen ßegrifl von Geschichte
auch wirklich vertreten bat, daftr liefert grade die ent-
scheidende Stelle einen antrflglichen Beweis, an da
Deutschlands Ausnahmestellung und Pflicht eo nationaler
iraeugung am stärksten hervorhebt Denn dort bal n
den postulierten Prozess lelbstthätiger Gestaltung
/um Volke ausdrücklich In dm Umfang d<
schichtsbegriffes gestellt Dies allei hat die Deutschen
bisher gehindert, Deutsche zu werden IhrCharaktei
in der Zukunft jetzt he sieh t er in der Hoffnung einer
neuen und glorreichen Geschichte Der Anfang der-
selhen d;iss sieh seihst mit Bew usstsein nuiehen I
J
wäre die glorreichste Bestimmung.* 1) —
Aber von Neuem bestätigt sieh uns durch die Berück-
sichtigung der N.itionalitntsphilosophie, dass huiiis
schichtsphilosophische \\ reltanschaonng ganz andere Wurzeln
hat als jenes mit der ästhetischen SteOnngnahme so nah
verwandte hingebende Verständnis für alle ein/einen und
entlegensten Äusserungen <les geschichtlichen Lebens der
Völker, das als /weile ursprüngliche Quelle des historischen
Sinnes der Neu/eit von Hmdii. ausgeht und die gesamte
Romantik beherrscht Dem Philosophen aus der K im is< m n i

Schule konnte erst durch das \;h hdenken Aber «las Werden
und die Erhaltung der grossen politischen Organismen
klar werden, dass die uherempirischeii Werte in den seit-
lichen, irdischen Verlauf, in historische Gestaltung
hineingebannt sind lud indem ihm SO auf dem
t in — l

bei das Politische die Versöhnung von Wert


und Wirklichkeit in Ihrer greifbarsten Gestalt lieh offen-
bart. Wird er EUgleicfa der klassische Ausdruck seiner Zeit.
in der der Ideenreichtum einer .staatlos* entstandenen
Kuliur mit den harten Realitäten des politischen Lehens
rieh berührt Durch die schweren Schicksnlsschläge des
h n Volkes gemahnt, postuliert mm plötzlich auch der

Philosoph Selbst das Schweben in hohem Kreisen


Denkens spricht nicht ins von dieser allgemeinen Verbind-
lichkeit, seine Zeit /u verstehen Alles Höhere muss ein-
») VII, 547-573. IV. 422 f.
270 —
greifen wollen auf seine Weise in die unmittelbare Gegen-
l
wart. " )
So vollendet sieh die Erkenntnis des Begriffs der Ge-
schichte erst durch den Hinblick in die Zusammenhänge
mit dem Begriff der politischen Gemeinschaft. In der
Nationalisierung der Trüber ausschliesslich weltbürgerlich
gedachten politischen Ideale lernen wir wiederum ein
gewaltiges neues Mittel zur Erreichung jenes Zieles kennen,
nach dem Fichtes Geschichtsphilosophie auf verschiedenen
Wegen — in hartem Hingen mit der rationalistischen Welt-
anschauung hinstrebte, jenes Zieles, das in der Ver-
söhnung der abstrakten gestaltlosen ..Vernunft" und der
individuellen Wirklichkeit des Geschichtlichen besteht.
Als besonders charakteristische und vor allem auch
von Hegel unterscheidende Eigentümlichkeil von Fichtes
Spekulation dürfen wir aber bei einein letzten Rückblick
den Umstand noch einmal hervorheben, dass sich mit
dieser Schöpfung eine! neuen gesebicbtspbilosopbiscbeu
-

Gedankenwell gleichzeitig ein starkes Wurzeln in der


Kantischen Logik verbindet. Denn erst durch den Logi-
schen Begriff des Historischen, durch die aller Yer-
nunHgesetxliehUeii ew \n unerreichbare Irrationalität des
Individuellen gilt, wie wir sahen, dem Transscendental-
philosophen der kulturphilosophische Gedanke des Urrechts
der geschichtlichen Wirklichkeit gegenüber jedem For-
malismus des Werten« als so weil gerechtfertigl und
gesichert, dass sich dabei das Bedürfnis "neb letzter er-
kenntnistheoretischer Begründung zu beruhigen vermag.
Ein wertvoller, ja unentbehrlicher Haustein in der Grund-
legung einer von Kant abweichenden kulturphilosophischen
Weltanschauung entstamm! somit doch wiederum den un-
erschöpflichen Tiefen Kantischer Erkenntnistheorie. Auch
in der Geschichtsphilosophie erschein! darum Fichte als
der wahre Jünger Kants, als der ..(irösslc aller Kantianer 14

der das dauernd Wertvolle des Meislers behält, um doch


mit schöpferischer Krall über ihn hinauszugehen.
J
) VII, 447 vgl. 37911*., 451ir. Ähnlich wiederum Möller, /.. B.
Vorlcs. üb. d. deutsche Wissenschaft u. Litt 136, 161, Elem.d.Staatskunsi
I, 42. Bereits Gentz spricht von dor „auffälligen Übereinstimmung"
(Wv im Text citierten Stelle, »sogar in einigen entscheidenden Äusse-
rungen und Worten", mil Möller, s. Briefwechsel /wischen Gentz
und Möller 148.
Namenverzeichnis.

Beck 116, 118 ui. i30f., 133. l.'iT. 78f.. llfi Anm . 12111 131 Anm.
Ulm., 160 Anm., 161 133f., 171 Anm. 1X1 Anm.
Anm. Mrmh-Ksnhn 164,

12 KS. 87, 68 f., 1160er, Adam Hetarldi 260, 265

B, im) i . <»;,. ISSI


Anm , 270 Anm.
1-71 19 210 Amn IM;. In 17 Anm . .V2 Anm.. 66f , IM.
172.
Herder MS, 269.
Reinbold 11K 121, 131, 188
Hu im* 79.
Anm.
Jacobl 12 Anm.. 142, 189 156, Sclulliim 861 r>| Anm., 119 Anm..
162; 17«) Anm . 198, 222.
181 Anm.. 172. 178 mihi
Ka.ii i 14,23t, 36 86, 571 . 6k ir..
162, 16801, 166t, 195, 197fT., 218,
i. iir.n.. 121 127 129 210,
Anm. 130 Anm.. 182; 187(1 . 112. Schlegel 199, 209, 286.
147 152, 19311 200, 2171 .
Scbfeiermacber 17, 166, I97,209f.,
70. 218
Lellmia Wolfflecbe PhHoeopbic Schln
Mr., 84 Anm.. SS, 121. 122 Anm , Schopenhauer :>2 Anm.. 64 Anm.
. 1601 . 218. Spin../;, 561 641 . 66f., 169
\l;immn K) Anm.. -Uli"., 52 Anm., 162; I66S
Infolge einer technischen Änderung während des Druckes sind
folgende
Berichtigungen
notwendig geworden
S. 91 Z. 23 lies 79 stn II 78
31 .. 90 89
"
101 .. 30 .. 77 76
.. 109 7 .. 96 95
36 ., 105 104
.. 112 .. 2-1 .. 109 108
.. 120 33 .. 92 91
.. 127 31 .. 86, 108 . BS, 107
.. 131 33 .. 119 118
. 138 .. 11 .. 116 115
Ausserdem:
.. 99 10 286 186
.. 103 _ 35 „ \nm. 2 . Anni. I.

Gedruckt bei Imberß & Lefson in Berlin SW., Bernburgersir. 31,


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