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Anatomie Des Kältesten Aller Ungeheuer

Eine allgemeine Theorie der Entstehung und Dynamik des Staats.

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Stefan Blankertz

Anatomie des kältesten aller kalten Ungeheuer


Theorie der Entstehung und Dynamik des Staats

Also sprach Zarathustra. »Irgendwo gibt es noch Völker und Herden, doch nicht bei uns,
meine Brüder: da gibt es Staaten. Staat? Was ist das? Wohlan! Jetzt tut mir die Ohren auf,
denn jetzt sage ich euch mein Wort vom Tod der Völker. Staat heißt das kälteste aller kalten
Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: ›Ich, der Staat, bin
das Volk.‹ Lüge ist’s! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen
Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben. Vernichter sind es, die
stellen Fallen für viele und heißen sie Staat: sie hängen ein Schwert und hundert Begierden
über sie ihn. Wo es noch Volk gibt, da versteht es den Staat nicht und hasst ihn als bösen
Blick und Sünde an Sitten und Rechten. Dieses Zeichen gebe ich euch: jedes Volk spricht
seine Zunge des Guten und Bösen: die versteht der Nachbar nicht. Seine Sprache erfand es
sich in Sitten und Rechten. Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und
was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er’s. Falsch ist alles an ihm;
mit gestohlenen Zähnen beißt er, der Bissige. Falsch sind selbst seine Eingeweide. […] Dort,
wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch.« — Friedrich Nietzsche

[§01] Die folgende Skizze einer allgemeinen Theorie der Entstehung und Dynamik des Staats
ist die Zusammenfassung meiner über vierzigjährigen Ausarbeitung der libertären
Staatstheorie. Am Ende der Skizze führe ich die Schriften von mir auf, in denen die einzelnen
Stränge und Aspekte sich ausgearbeitet und fundiert finden. Der Übersichtlichkeit halber
verzichte ich in dieser Skizze auf die ausführliche Diskussion historischer Beispiele und auf
Quellen zur Ethnologie, Historie und Theorie, auf die ich mich stützte. Dementsprechend
verzichte ich auch auf die Kennzeichnung der Theoreme, die ich von anderen Autoren
übernehme und für die ich Originalität reklamiere. Die skizzierte allgemeine Theorie
beansprucht, für alle menschliche Gesellschaft und alle menschliche Geschichte zu gelten.

Eroberung: Ursprung aller Herrschaft

[§02] Die frühesten Herrschaftsformen – man mag sie bereits »Staat« nennen oder noch
nicht (siehe unten §14) – entstehen aus Eroberung. Die Eroberung kann extern oder intern
erfolgen.

[§03] Die externe Eroberung erfolgt, wenn ein Volk (ein Stamm, eine Ethnie; oder ganz
allgemein: eine Gruppe) ein anderes Volk (eine andere Gruppe) erstens besiegt und zweitens
nicht nur einmalig ausplündert, sondern dauerhaft unterwirft. Die Tendenz geht dahin, dass
Nomadenvölker Bauern unterwerfen. Es können jedoch auch Bauern andere Bauern
unterwerfen. Nomadenvölker dagegen lassen sich nicht unterwerfen, bei Konflikten weicht
die unterlegene Gruppe räumlich aus. Wenn dies nicht möglich ist (geografischer Einschluss),
steht am Ende eines unversöhnlichen Konflikt die Vernichtung des Verlierers. Nicht-
herrschaftliche Nomadenvölker eignen sich auch nicht als Sklaven, weil sie in der Situation
des Verlusts der Freiheit eher sterben als Gehorsamkeit zu üben, sodass Bauern es nicht
gelingt, besiegte Nomadenvölker zu unfreiwilliger Arbeit heranzuziehen. Bauern lassen sich
darum unterwerfen, weil sie weniger bereit und fähig als Nomaden sind, ihr angestammtes
Siedlungsgebiet zu verlassen (ökonomische Sesshaftigkeit).
[§04] Aus der externen Eroberung (Unterwerfung) folgen entweder Sklaverei. Kennzeichen
sind abhängiges Arbeiten, keine persönliche (außer willkürlich vom Besitzer zugestandene)
Freiheiten, rechtlos und der Willkürbehandlung des Besitzers ausgeliefert. Oder Tributpflicht,
das heißt, das Volk bleibt weitgehend intakt, arbeitet selbstorganisiert und selbstbestimmt in
der hergebrachten Weise und am angestammten Ort; intern genießt es weitgehende
Rechtsautonomie.
[§05] Bei der Tributpflicht bezieht der Eingriff der Eroberer sich zunächst nur auf die
Aufrechterhaltung der Abgaben; in späteren Entwicklungen allerdings kann es auch dazu
kommen, dass das Rechtssystem der Sieger den Besiegten aufoktroyiert wird.
[§06] Bei Sklaverei findet sogar in ansonsten bereits stark verrechtlichten Gesellschaften
selten eine kodifizierte Begrenzung der Willkür statt (zur Verrechtlichung siehe unten,
§19.1); die einzige effektive Begrenzung ist ökonomischer Natur, dass ein gepeinigter Sklave
eventuell weniger leistungsfähig und leistungswillig ist. Später entstehen Mischformen aus
Sklaverei und Tributpflicht wie Leibeigenschaft, Knechtschaft oder zeitlich begrenzte
Dienstverpflichtung (wie Arbeit auf der Domäne des Herrn oder Wehrdienst).
[§07] Die Besitzsklaverei ist zu unterscheiden von Schuldsklaverei (oder Schuldknechtschaft)
und der aus Kriegsgefangenschaft folgenden Sklaverei. Die Schuldsklaverei ist eine Form, in
der ein persönliches Verschulden (oder bei Sippenhaft: ein Verschulden eines
Sippenmitglieds) durch Arbeitsleistung abgegolten wird. Selbst wenn der Umfang der Schuld
so groß ist, dass die Arbeitsleistung sie nicht gänzlich tilgen kann, wird der Status als Sklave
zunächst nicht vererbt. Bei der Versklavung von Kriegsgefangenen werden diese in den
frühen Gesellschaften meist noch zu Lebzeiten völlig in den Stamm integriert. Die Integration
erfolgt meist so, dass die wehrfähigen Männer (manchmal auch die männlichen Kinder)
getötet, die Frauen dagegen »geraubt« und zwangsweise eingegliedert werden. Bereits in
der zweiten Generation ist meist kein Unterschied mehr zu erkennen.

[§08] Die interne Eroberung kann (muss nicht) erfolgen, wenn die angegriffene Gruppe sich
zu wehren versteht (meist bewahrt die herrschaftslose Gesellschaft, die einem Angriff
erfolgreich standgehalten hat, ihren Status der Herrschaftslosigkeit). Vor allem, wenn
Angriffe häufig oder regelmäßig wiederkehrend stattfinden, liegt es nahe, spezialisierte
Krieger auszubilden und ganzjährig zu ernähren, die die Verteidigung übernehmen. Wie stark
der anti-herrschaftliche Impuls der ursprünglichen Gesellschaft ist, lässt sich daran ersehen,
dass als Führer der Krieger oftmals ein Fremder berufen wird, der als Fremder eben nicht Teil
der verwandtschaftlichen Solidarität ist. Die Berufung eines fremden Führers zu Leitung der
Verteidigung setzt allerdings voraus, dass im Einzugsbereich der Konfliktparteien bereits
Gesellschaften mit Herrschaft existieren, aus denen ein geeigneter fremder Führer zu
rekrutieren ist.
[§09] Aus der internen Eroberung folgen Frühformen des Feudalismus. Der Feudalismus
trägt noch lange bestimmte Züge der Freiwilligkeit und behält idealtypisch die Form des
Vertrags zwischen denen, die mit ihren Abgaben die Krieger (z.B. Ritter) bezahlen, um sie zu
schützen.

[§10] Was wird erobert? Der Begriff der Eroberung als Kennzeichen der Entstehung von
Herrschaft setzt voraus, dass Etwas erobert wird. Dies Etwas ist im weitesten Sinne
Gesellschaft (in konkreter Form je nach bevorzugter Begrifflichkeit ein spezielles Volk, ein
spezieller Stamm, eine spezielle Ethnie). Das paradoxe Kennzeichen der Gesellschaft ist der
Widerstand, noch bevor Herrschaft entstanden ist. Widerstand ist die primäre
gesellschaftliche Verhaltensweise von Menschen. Wobei Vorformen von Widerstand gegen
das Alphatier bereits bei Primaten zu beobachten sind. Die menschliche Uranarchie und
deren gesellschaftliche Institutionen (die sich in der jeweiligen Ausprägung kulturell stark
unterscheiden) ist von Widerstand gegen die Tendenz zur Herrschaftsentstehung
gekennzeichnet, der über tausende an Jahren erfolgreich war.
[§11] Für die menschliche Gesellschaft ist Widerstand gegen den Staat die primäre
Strukturierung mit den Kennzeichen:
1. Verwandtschaftliche Solidarität.
2. Freiwillige Gefolgschaft (in der Pendelbewegung zwischen Autorität und Sezession).
3. Eigentum.
4. Recht (Prinzip: Wiedergutmachung durch das Verfahren der Selbsthilfe ggf. mit
Unterstützung der verwandtschaftlichen Solidarität oder mit Unterstützung von
spezialisierten Richtern ohne herrschaftliche Funktion: Mediation, »salomonisches Urteil«).

[§12] Bedingungen von Herrschaftsentstehung (die Aufzählung erfolgt in der zeitlich


notwendigen Reihung der Bedingungen):
1. Vorhandensein von Überschuss an Produkten, die fremde Begehrlichkeiten wecken. Dabei
kann das Begehrte auch aus Arbeitskraft (Sklaven) oder aus Reproduktionskraft (Frauen)
bestehen. Allerdings führt der Raub von Sklaven oder Frauen meist nicht zum Aufbau einer
dauerhaften Herrschaftsbeziehung zum beraubten Volk, sondern erfolgt punktuell. Die das
Verlangen nach Dauerhaftigkeit der Beraubung weckenden Produkte sind bewegliche Güter
des Lebensbedarfs (Nahrungsmittel) oder Luxusgüter (Kleidung, Gefäße, Schmuck).
2. Krieg im Sinne des Versuches, sich fremde Arbeitsleistung aneignen zu wollen (es gibt
keine Beispiele für eine friedliche Entwicklung von Herrschaft aus der Uranarchie heraus).
3. Geografischer Einschluss (keine Ausweichmöglichkeit) oder Sesshaftigkeit, d.h. Flucht bei
Niederlage ist unmöglich oder deren Kosten werden als zu hoch veranschlagt.
4. Keine komplette physische oder ökonomische Vernichtung der Unterlegenen. Die Sieger
müssen wollen, sie auch in Zukunft ausbeuten zu können.
5. Bereitschaft (Fähigkeit) der Unterlegenen zum Gehorsam.
6. Fähigkeit der Sieger zur Maßhaltung (dauerhafter Verzicht auf ökonomische zerstörerische
Ausplünderung der Unterworfenen) und zur machtrationalen Organisation ihrer Herrschaft.

[§13] Abgrenzung dieser Theorie der Herrschafts- bzw. Staatsentstehung von


konkurrierenden Ansätzen:
1. Herrschaft erwächst nicht nahtlos (»natürlich«) aus dem tierischen Ursprung des
Menschen, sodass etwa das Alphatier der Horde zum Staatsoberhaupt wird. Schon die
nächsten Verwandten des Menschen unter den Primaten haben flache und schnell
wechselnde Hierarchien. Sie kennen auch bereits Vorformen des Eigentumsrechts, so wenn
das Alphatier das, was ein rangniederes Tier erbeutet oder sammelt, als unantastbar
respektiert. Allerdings ist an dieser Stelle eine Unterscheidung der Herrschaft von der
Autorität bzw. Hierarchie notwendig: Herrschaft liegt dann vor, wenn Befehle mit einem
Erzwingungsstab (»Polizei«) durchgesetzt werden können. Für die Fragestellung im Rahmen
dieser Skizze nicht weiter relevant ist die Unterscheidung zwischen Hierarchie und Autorität:
Hierarchie (oder Dominanz) ist die formelle Überordnung, Autorität die Anerkennung der
sachlichen Überlegenheit. Diese Unterscheidung gibt es bereits in Tierhorden, wenn in einer
besonders schwierigen Situation das erfahrenste Tier statt des Alphatiers die Leitung
übernimmt. Auch entsteht nicht aus dem tierischen Revierverhalten das Staatsterritorium
(siehe unten, §14.1), sondern eher das Eigentum. Herrschaft ist nicht Definitionsbestandteil
der menschlichen Gesellschaft. Es hat menschliche Gesellschaften ohne Herrschaft (aber
nicht ohne Hierarchie bzw. Dominanz und Autorität) gegeben und kann es geben.
2. Herrschaft entsteht nicht aus der ökonomischen Notwendigkeit der Arbeitsteilung heraus.
Die arbeitsteilige Zusammenarbeit ist älter als die Herrschaftsentstehung und existiert
außerhalb der Herrschaft. Beim Vergleich von Gesellschaften mit und ohne Herrschaft auf
gleicher Entwicklungsstufe und im gleichen Kulturbereich schneiden die Gesellschaften mit
Herrschaft ökonomisch nicht besser ab als die Gesellschaften ohne Herrschaft. Über
Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende hat die Herrschaft sich gar nicht mit Fragen der
Organisation arbeitsteiliger Zusammenarbeit befasst, sondern einzig und allein mit der
eigenen Aufrechterhaltung und der Organisation der Eintreibung von Abgaben (Steuern,
Tribut, Zoll). Nur bei der Sklavenarbeit war die Herrschaft an der Arbeitsorganisation
überhaupt beteiligt. Es besteht für Herrschaft keinerlei ökonomische Notwendigkeit.
3. Herrschaft ist auch keine unausweichliche Konsequenz des Eigentumsrechts in der Weise,
dass die Eigentümer zum Schutz ihres Eigentums gegen den Zugriff durch Eigentumslose eine
Infrastruktur der Polizei aufbauen (die These von Friedrich Engels, nicht von Karl Marx). Das
Eigentum hat bereits im Anfang eine antiherrschaftliche Bedeutung: Es definiert, dass über
die Person (bzw. die Familie) und über deren Produkte niemand Anderes verfügen kann.
Damit ist die in der Eroberung implizierte Fremdbestimmung und der in ihr implizierte Raub
ein Bruch des Eigentumsrechts. Bedeutung erhält das Eigentum mit der Sesshaftwerdung
(neolithische Revolution, Landwirtschaft). Zwischen der neolithischen Revolution und der
Entstehung erster, zunächst sehr kleinräumiger Herrschaftsbereiche liegen rund dreieinhalb
tausend Jahre. Auch der Anspruch des Bauern auf das von ihm (seiner Familie) bearbeitete
Land diente den Zweck der Aufrechterhaltung von Selbstbestimmung.

[§14] Unausweichlich begleiten die Entstehung von Herrschaft


1. die Herausbildung eines Territoriums. Ein Territorium ergibt sich nach der Maßgabe der
Reichweite, in der die Eroberer Personen (Familien, Stämme, Völker, Ethnien) unterwerfen
können. Sobald sich einzelne Personen oder ganze Gruppen außerhalb dieser Reichweite
befinden, endet die faktische Möglichkeit der Herrschenden, über sie zu verfügen. Innerhalb
dieser Reichweite werden sie alles daran setzen, um Konkurrenten auszuschalten (diese
Konkurrenten werden je nach Lage als Räuber, Verbrecher und organisierte Kriminalität oder
als Parallelgesellschaft bezeichnet). Damit einher geht die Vorstellung eines Gewaltmonopols
über ein bestimmtes Territorium, das dann zum Staatsgebiet wird. Systeme mit
konkurrierenden Gewalten, also ohne ausgeprägtes Gewaltmonopol, wie das europäische
Mittelalter, werfen eigene Probleme auf und sehen sich pendeln zwischen Herrschaft und
Anarchie. Sodann müssen Konkurrenten von außerhalb des Territoriums (Feinde)
ferngehalten werden. Allerdings bedarf es sowohl der inneren als auch der äußeren Feinde,
um die Ideologie (siehe unten, §19.2) aufrecht erhalten zu können, die Herrschaft sei
notwendig zum Schutz der Beherrschten. Der Sieg über die Konkurrenten darf aus Gründen
der Machtrationalität niemals umfassend sein, das Gewaltmonopol muss sich stets als fragil
darstellen lassen.
2. die Herausbildung differenzierter Strukturen der Herrschaftsausübung. Die Dynamik der
Herausbildung staatlicher Strukturen skizziere ich unten (§19 bis § 24).
3. die Herausbildung eines Staatsvolks. Die Übereinstimmung der das Staatsterritorium
definierenden Grenzen mit Volks-, Sprach- oder Kulturgrenzen ist faktisch fast nirgends
gegeben. Der »Nationalstaat« ist reine Fiktion. Meist wäre eine entsprechende Grenzziehung
auch gar nicht möglich, da in den Grenzregionen stets eine Überlappung vorliegt. Darüber
hinaus stimmen auch die Sprach-, Kultur- und Religions- und Ethniegrenzen selten
miteinander überein; ein Sprachraum hat mehrere Religionen, manche Religionen werden
über viele Sprachen hinweg geglaubt usw. Das (historisch recht neue, inzwischen aber schon
wieder veraltete) Konzept des »Nationalstaats« hat meist umgekehrt gewirkt als
(ideologische) Behauptung, die Menschen, die in einem mehr oder weniger zufällig, meist
durch Kriege entstandenen Staatsterritorium leben, sollten sich gefälligst als Einheit fühlen.
Wie dem auch sei, das Konzept des Volks gehört zum Bereich der Gesellschaft, also zum
Widerstand gegen den Staat. Der Staat hat es nur okkupiert und sich dienstbar gemacht.

[§15] Notiz zu den Begriffen Staat und Herrschaft. Ursprünglich wiesen anarchistische
Theoretiker im 19. Jahrhundert darauf hin, der moderne Staat sei ein relativ neues
Phänomen. Sie wollten damit andeuten, dass es zuvor nicht nur ganz herrschaftsfreie
Gesellschaften gegeben habe, sondern auch innerhalb der Herrschaftsgebiete weite Teile
des alltäglichen Lebens und Arbeitens ohne jede Einmischung funktioniert haben, sodass die
behauptete strukturelle Notwendigkeit des Staats, um das alltägliche Leben und Arbeiten zu
organisieren, nicht zu erkennen sei. Heute wird die Behauptung, der Staat sei ein neues
Phänomen, von der herrschenden Politikwissenschaft eingesetzt, um zu »beweisen«, nur der
fürsorgliche Staat, der für Gerechtigkeit sorgt und alles Handeln zum Besten Aller organisiert,
sei wirklich Staat, und dieser wirkliche Staat habe die frühere böse Herrschaft abgelöst, die
Herrschaft, die aus der Anarchie notwendig hervorgehe (weil es in der Anarchie kein
Gewaltmonopol gebe, dass die angeblich natürliche Gewalt eindämme). Wie gesagt, es ist
tatsächlich fraglich, inwieweit man für das europäische Mittelalter – oder auch: für die
griechische Antike – von einem »Staat« sprechen kann. Die ersten Herrschaftsformen sind
ebenfalls sicherlich so wenig strukturell differenziert, dass sie mit heutigen Systemen schwer
sich vergleichen lassen. Frühe Reiche wie zum Beispiel die in Ägypten, in Rom, in China oder
im präkolumbianischen Südamerika aber haben Differenzierungen, die zwar auf ökonomisch
anderer Basis standen, aber strukturell große Ähnlichkeiten mit heutigen System aufweisen.
[§16] Eine mögliche Differenzierung von Herrschaft und Staat wäre, alles das als Herrschaft
zu definieren, wo ein Erzwingungsstab die Befolgung der wie auch immer zustande
gekommenen Befehle durchsetzt. Staat läge nur bei einer »ausreichenden« (noch näher zu
definierenden) Differenzierung der Herrschaft in organisatorischer und rechtlicher Hinsicht
vor. Dann wäre Staat ein möglicher Fall von Herrschaft (keineswegs deren Aufhebung).
[§17] Inhaltliche Kriterien wie etwa, nur das sei wirklich ein Staat, der das Allgemeinwohl
befördere, oder nur das sei wirklich ein Staat, der dich demokratisch-parlamentarisch
legitimiere, sind demgegenüber Wachs in den Händen von Ideologen. Wie auch immer solch
ein Kriterium aussieht, es würde dazu führen, dass die Mehrheit der Staaten, die Mitglieder
der UNO sind, ihren Status als »Staat« verlieren würden. Ein definitorisch absurdes Ergebnis.
Ich bevorzuge einen einheitlichen Begriff von Staat von der frühen Herrschaftsentstehung bis
zum heutigen hoch ausdifferenzierten Staat. An der allgemeinen Theorie würde es freilich
nichts ändern, wie auch immer man Herrschaft und Staat differenziert.
[§18] Ich schlage folgende Definition für das Dasein eines Staats vor: Es existiert
1. ein Erzwingungsstab (»Polizei«).
2. ein Territorium für den Anspruch der Geltung des Gewaltmonopols.
3. ein Regelwerk der Organisation der Herrschaft.
Organisationen, die einen Anspruch auf Gewaltmonopol in einem Territorium erheben, aber
nicht durchsetzen, nenne ich Protostaaten. Ein Regelwerk haben allerdings auch solche
Protostaaten, wenn auch oft implizit (z.B. Mafia-Banden, Guerilla, oder Islamischer Staat, der
den Anspruch bereits im Namen erhebt). Organisationen ohne internes und wenigstens
implizites Regelwerk sind höchstens vorübergehende Erscheinungen. Die Fähigkeit zur
Dauerhaftigkeit fehlt ihnen.

Verteilungs- oder Klassenkämpfe:


Gesellschaftliche Dynamik der Staatsentwicklung

[§19] Jede Herrschaft, die eine gewisse Dauer erreicht, wird in ihrer Entwicklung von vier
Faktoren bestimmt. Jeder Faktor wird eine Rolle spielen (fehlt einer der Faktoren, wird keine
Dauer zu erreichen sein), aber in der jeweils konkreten historischen und kulturellen Situation
in einer unterschiedlichen Stärke.
1. Verrechtlichung oder Formalisierung (Regelwerk, Kodifizierung). Bei Tributpflicht ist dieser
Faktor am deutlichsten. Die Tributpflicht ist ein Vertrag zwischen Siegern und Besiegten, den
Besiegten aufgezwungen und dennoch mit gewisser Bindungskraft auch für die Sieger. Nicht
nur moralisch gesehen, sondern auch ganz handfest ökonomisch: Wenn die Sieger sich nicht
zurückhalten bei der Höhe des Tributs, können sie unter Umständen nächstes Jahr mit Nichts
dastehen. Willkürliche nachträgliche Änderungen reizen die Besiegten unter Umständen zum
aktiven Widerstand mittels Gegenwehr oder passivem Widerstand mittels Verringerung der
Arbeitsleistung. Die Tendenz zur Verrechtlichung ist bei Sklaverei sicherlich am geringsten
ausgeprägt, doch müssen die Sieger zumindest untereinander den Umgang mit ihrem
»Besitz« regeln. Der Anspruch der Geltung eines Gewaltmonopols und die Bezeichnung des
Staatsterritoriums sind weitere Motoren der Verrechtlichung. Schließlich ist für die
Dauerhaftigkeit der Herrschaft die Selbstbegrenzung der Ausplünderung unabdingbar,
sodass die Gruppe der Herrschenden hierfür sich selbst Regeln setzen muss. Die
Verrechtlichung steht also ursprünglich am Anfang der Herrschaftsentwicklung, aber im
Zusammenspiel mit den übrigen Faktoren erhält sie eine zunehmend zentrale Rolle.
2. Ideologie. Die Herrschenden haben ein herausragendes Interesse daran, ihre Herrschaft
nicht nur auf stetige Gewaltandrohung zu gründen, vielmehr lässt ihre Position sich um so
sicherer und um so günstiger aufrecht erhalten, je mehr die Unterworfenen daran glauben,
ihre Position sei naturgegeben und moralisch unanfechtbar. Die Ableitung der
Unanfechtbarkeit des herrschaftlichen Anspruchs kann aus dem Vertrag erfolgen (»heiliger
ewiger Vertrag«) oder aus einer behaupteten »natürlichen« Überlegenheit der Sieger über
die Verlierer (»Herrenvolk«) bzw. bei interner Eroberung aus der »natürlichen«
Überlegenheit der Krieger (»Adeligen«, »Aristokraten«, »Optimaten«) über die Arbeitenden,
die sie »beschützen«. Ein probates Mittel der moralischen Ideologie ist die Religion. Damit
sei nicht behauptet, die Religion werde aus reinem Herrschaftsinteresse heraus gebildet;
vielmehr nutzen die Herrschenden die vorhandenen Religionen und funktionieren sie um.
Die Instrumente hierzu sind die beiden nächsten Faktoren, nämlich Privilegierung (3) und
Okkupation (4). Da zunächst die infrastrukturelle Notwendigkeit der Herrschaft für die
Produktivität (der Bauern, der Handwerker und der Händler) nicht gegeben war, blieb als
Rechtfertigung der Herrschaft meist nur das Bedrohungsszenario. Darum musste immer für
genügend Gegner (Angreifer) gesorgt werden. Doch tatsächlicher Krieg war auch teuer,
sodass die religiös abgesicherten Erzählungen von Bedrohung eine wichtige Rolle spielten.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Bauern, Handwerker und Händler selbst in den
Kernländern der westlichen Industriestaaten »natürliche« konservative Anarchisten: Sie
wussten, dass die Herrschenden nichts für sie leisteten. Sie wollten ihre traditionelle
Lebensweise befreit von Abgaben und von sie nur behindernden staatlichen Regeln
verteidigen.
3. Privilegierung. Um den Widerstand unter den Unterworfenen gering zu halten und unter
ihnen Verbündete zu gewinnen, müssen ausgewählte Einzelpersonen oder Personengruppen
am Ausbeutungsgewinn beteiligt werden. Sie werden zu Nutznießern der Herrschaft (der
Staatsgewalt). Dies können etwa die Priester sein, denen dauerhaftes sicheres Einkommen,
alleiniger Anspruch ihrer Religion im gegebenen Territorium, Durchsetzung ihrer moralischen
Regeln auch gegen den Willen der Betroffenen angeboten wird. Auf diese Weise entstehen
Amtskirchen und Staatsreligionen. Eine andere Möglichkeit der frühen Form einer
Privilegierung ist etwa die Vergabe von Steuer- oder Zollbewirtschaftung: Einer Person wird
das »Recht« zugestanden, in einem festgelegten Gebiet die Steuern oder Zölle zu erheben,
von denen sie einen festgelegten Betrag an die Zentrale abführen muss. In entwickelten
Staaten gibt es vielfaltige Formen der Privilegierung, die in der Garantie einer
Monopolstellung für ausgewählte Organisationen oder bestimmte Berufe bestehen oder in
der Gewährung von Subventionen. Die Privilegierung erfordert ein hohes Maß an intensiver
Verrechtlichung, denn der Anspruch jeder Gruppe von Privilegierten muss genau festgelegt
werden. Zudem muss der Staat aber auch verhindern, dass die Privilegierten ihre Position so
ausnutzen, dass Unmut oder gar Widerstand in der übrigen Bevölkerung aufkommt. So darf
der privilegierte Steuereintreiber nicht über das festgelegte Maß hinaus Abgaben erpressen.
Der privilegierte Berufsausübende darf seinen Tarif nicht über Gebühr anheben. Die
Privilegierten verlieren ihre Freiheit und ihre Autonomie.
4. Okkupation. Gesellschaftliche Funktionen zu okkupieren und private Konkurrenz zu
verbieten, ist schließlich das Herzstück der staatlichen Entwicklung, die mit dem Begriff
Etatismus gut bezeichnet ist. Die erste und wichtigste Okkupation ist die des Rechts. Das
heißt, die an der Freiheit der Person (bzw. der verwandtschaftlichen Gruppe) und deren
Eigentum orientierte Mediation, die auf Ausgleich und Konsens gerichtet ist, wird
unterminiert durch die Behauptung, die Herrschenden hätten den berechtigten Anspruch, in
die Regeln des Zusammenlebens einzugreifen, so etwa Tribut, Zoll und Steuern erheben oder
Menschen als Eigentum besitzen und handeln zu dürfen. Mit zunehmender Differenzierung
des Staats und mit zunehmendem Ausbau seiner Infrastruktur werden schließlich alle
Konflikte vom Staat geregelt, sodass der Eindruck entsteht, es gäbe keine gesellschaftliche
Regelung von Konflikten. Es gibt allerdings auch Chimären von Rechtssystemen, in denen die
gesellschaftliche und die staatliche Regelung von Konflikten miteinander verzahnt werden.
So ist das römische Recht ein staatlich gesetztes, doch die Richter sind privat und sie werden
von Privatpersonen angerufen (es gibt keine Staatsanwaltschaft). Erst das Christentum hat
eine Klasse von Vergehen definiert, die nicht auf Basis dieses Privatrechts abzuurteilen war,
die sogenannten opferlosen Delikte wie Homosexualität oder Blasphemie. Im christlichen
europäischen Mittelalter wiederum entstand eine andere Form des staatlich-
gesellschaftlichen Hybridrechts mit vielen Inseln der Rechtsautonomie von Körperschaften.
In der frühen Neuzeit hat sich das Handelsrecht und das Privatrecht aus Kodizes entwickelt,
die zunächst gesellschaftlich und nicht staatlich waren. Ihre Übernahme ins Staatsrecht
machte es möglich, dass Staaten zunehmend im Sinne gegen die Gerechtigkeit und gegen die
Gegenseitigkeit des Vertrags eingreifen konnten.
[§20] Neben dem Recht hat der moderne Staat im Laufe des 19. und dann massiv im 20.
Jahrhundert die gegenseitige Hilfe (Solidarität, Versicherungen) und die Schule okkupiert.
Heute machen diese okkupierten Bereiche die Hauptsache der Aufgaben aus, die als
Vorrecht des Staats angesehen werden, obwohl sie historisch erst ganz neu hinzu
gekommen sind. Diese Okkupation ist derart gut gelungen, dass der ideologische Eindruck
sich fast vollständig durchgesetzt hat, es gäbe überhaupt keine gesellschaftliche
Bereitstellung von Hilfe gegen Krankheit, Armut und Alter, von Gesundheitsfürsorge und von
Bildung (Spätetatismus).

[§21] Die vier Faktoren – Verrechtlichung, Ideologie, Privilegierung, Okkupation – ergeben


sich notwendig aus der Machtrationalität: Ohne sie ist Dauerhaftigkeit der Herrschaft nicht
möglich. Zugleich haben sie eine dynamische Kraft, das heißt, sie sind nicht als statisch
denkbar (selbst wenn die Ideologie konservativ auf Statik und Unveränderlichkeit abzielt wie
im europäischen Mittelalter oder im konfuzianischen chinesischen Kaiserreich). Schon der
erste Pfeiler der Herrschaft, der Erzwingungsstab, konstituiert eine partikulare
Interessengruppe, die zwar an der Aufrechterhaltung der Herrschaft höchstes Interesse hat,
aber ebenso an der eigenen guten Versorgung; diese gute eigene Versorgung ist ein
Interesse, das dem der Herrschenden nicht entspricht, denn sie müssen von ihrem
Ausbeutungsgewinn abgeben. So verhält dies sich mit allen anderen Ausdifferenzierungen
des Staats. Die Kirchen, die für lange Zeit die Ideologieproduktion inne hatten (heute haben
sie die Ideologieproduktion weitgehend an die Wissenschaft abtreten müssen), formulierten
jeweils gesonderte Interessen. Innerhalb der Kirchen entstanden, bei hinreichender Größe
ihrer Organisation wiederum Subgruppen (im europäischen Mittelalter etwa Weltklerus
versus Bettelmönche). Die heutigen zentralen Legitimierungen der Staatsgewalt – Soziales,
Gesundheit, Bildung – stehen in Konkurrenz miteinander. In diesen Bereichen ihrerseits gibt
es Subgruppen mit gegensätzlichen Partikularinteresse, im Gesundheitswesen etwa
Ärzteverbände, Krankenkassen und Pharmaindustrie. Neue Interessengruppen entstehen
und drängen auf Beteiligung (im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert etwa
die Gewerkschaften).
[§22] Die Antriebe der Dynamik sind die Verteilungs- oder Klassenkämpfe zwischen den
unterschiedlichen Interessengruppen um den Zugang zu Ressourcen und zur Gestaltung des
Rechtsrahmens zu ihrem jeweiligen Vorteil.
[§23] Die Interessengruppen kämpfen zunächst »am Hof« um Einfluss (und sei es, heute, das
Parlament oder die Regierung) mittels persönlicher Beziehungen (Lobbyismus),
ökonomischem Druck (Erpressung) und – als Übergang zu gewaltsamen Formen des
Verteilungskampfes – militärischer Drohung. In den Staaten mit demokratisch-
parlamentarischer Verfassung verlagert sich der Verteilungskampf der Interessengruppen
zunehmend in die Öffentlichkeit: Es geht darum, den eigenen Vorteil als
»Allgemeininteresse« zu deklarieren. Wer das am besten beherrscht, obsiegt.
[§24] Die demokratisch-parlamentarischen Staaten sind von einem Burgfrieden
(»Klassenkompromiss«) zwischen den Interessengruppen gekennzeichnet, der die Einhaltung
folgender Regeln voraussetzt:
1. Wir nehmen die Entscheidung der (idealtypischen) Mehrheit in einer Wahl nach dem
zufällig gegebenen Verfahren (Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht usw.) hin. Zudem
erkennen wir das an, was in den Kommissionen der Parlamente oder anderen von der
Regierung eingesetzten Kommissionen als »Allgemeininteresse« deklariert wird.
2. Die Ideologie muss sehr viel volatiler sein, als es frühere religiöse Systeme waren. Was
gestern als Allgemeininteresse galt, muss sich sofort umdefinieren lassen, wenn in einer
Kommission oder in einer Wahl eine andere Entscheidung getroffen wurde. Diese ständige
Umdeutung der Moral nimmt gegenwärtig erschreckende Ausmaße an, wenn sie teilweise
von Woche zu Woche eine neue Formulierung erfährt. Jeder, der diese Bewegungen nicht
mitmacht, verfällt der Ächtung.
3. Neben der Ideologie betrifft auch das Rechtssystem eine Veränderungsdynamik, die einem
den Atem verschlägt. Da jeder neue Kompromiss der Interessengruppen zur
Neuformulierung von Gesetzen oder zumindest von Verordnungen führt, hat die Zahl der
neuen und der anders gestalteten Gesetze und Verordnungen derart zugenommen, dass
nicht einmal die Experten der jeweiligen Rechtsgebiete sie kennen; beispielsweise ist es im
zentralen Bereich des Staats, der Finanzverwaltung, nicht mehr gegeben, dass die
Bediensteten Schritt halten können. Das große Versprechen der Rechtsstaatlichkeit, nämlich
Transparenz und Verlässlichkeit des Rechts, hat sich ins Gegenteil verkehrt: Es herrscht
Undurchsichtig eines kaum noch verlässlichen Rechtsrahmens.
4. Im Gegenzug zur Hinnahme der Mehrheitsentscheidung durch die Minderheit muss für
den demokratisch-parlamentarischen Klassenkompromiss die Mehrheit akzeptieren, die
Minderheitenmeinung (a) nicht zu verfolgen und (b) der Minderheit keinen inakzeptablen
ökonomischen Schaden zuzufügen. Während (a) zumindest definitorisch einfach einzulösen
ist (in der Hitze politischer Kämpfe kommt es allerdings immer wieder zu Zensurversuchen),
ist das Kriterium (b) hochgradig unbestimmt: Ab welchem Punkt fühlt die Minderheit sich
inakzeptabel geschädigt?

Literatur
1. Libertäre Manifest: Zur Neubestimmun der Klassentheorie. Erste Formulierung der hier
vorgestellten Theorie der Staatsentstehung und Staatsentwicklung, zudem genaue
Skizzierung der im Zuge der staatlichen Dynamik und des Widerstands entstehenden
Klassenstrukturen und Kämpfenkämpfe. 2001 zuerst erschienen, 2012 stark überarbeitet,
enthält es Überlegungen, die teils (wie etwa die vier Faktoren der Staatsentwicklung:
Verrechtlichung, Ideologie, Privilegierung und Okkupation) bis Anfang der 1980er Jahre
zurückreichen.
2. Die Katastrophe der Befreiung: Demokratie und Faschismus. Analyse des Zusammenhangs
von Demokratie und totalitären Entwicklungen.
3. Widerstand: Aus den Akten Pinker vs. Anarchie. Dieses Buch enthält die ethnologischen
Grundlagen zur Beschreibung der Uranarchie, der Staatsentstehung und
Staatsentwicklung in Auseinandersetzung mit dem modernen Hobbesianer Steven Pinker,
der behauptet, selbst die schlimmste Tyrannei sei besser als Anarchie.
4. Einladung zur Freiheit: Werkbuch libertäre Theorie und Praxis. Zusammenfassende
Darstellung der libertären Theorie des Staats (inklusive Auseinandersetzung mit
klassischen und modernen Theorien zur Legitimierung von Staat), der Anarchie als
Alternative zur Staatsgewalt sowie der libertären Bewegung.
5. Verschwinde, Staat! Weniger Demokratie wagen. Alle Argumente gegen die Vorstellung,
Demokratie könne Staatsgewalt legitim machen. Enthält daneben drei Essays aus dem
Bereich des klassischen Anarchismus: Emma Goldman und Gustav Landauer.
6. Rothbard denken. Entwicklung der radikalen und radikal erschreckenden These in
Anschluss und Weiterführung der Theorie von Murray Rothbard: Die Staatsgewalt greift
nicht nur punktuell in die gesellschaftliche Struktur ein, sondern sie formiert die
Gesellschaft in ihrem Sinne.
7. Mit Verziehungsauftrag: Werkbuch kritische Schulpolitik. Okkupation am Beispiel der
Schule: Wie der Staat die Bildung monopolisiert und dann behauptet, es gäbe gar keine
Möglichkeit, Bildung anders zur Verfügung zu stellen als durch seine Gewalt.
8. Politik macht Ohnmacht: Demokratie zwischen Rechtspopulismus und
Linkskonservativismus. Analyse der Dynamik staatlicher Entwicklung anhand aktueller
Beispiele. Daneben rund fünfzig Seiten über nicht-staatliche Alternativen zum Sozialstaat.
9. Mit Marx gegen Marx: 11 x 11 Thesen. Marx ist nicht geeignet, den bolschewistischen-
revolutionären oder reformistisch-sozialdemokratischen Staatskommunismus bzw.
Staatssozialismus zu begründen und ebensowenig den grün-romantischen Etatismus.

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