Neurologie Psychi
Neurologie Psychi
Innere Medizin
978-3-540-46350-4
Gynäkologie – Pädiatrie
978-3-540-46347-4
Querschnittsbereiche
978-3-540-46357-3
Gesundheitsstörungen
978-3-540-46339-9
Neurologie
E. N. Cho, H. Thieme
Psychiatrie
V. Kollenbaum
Psychosomatik
Mit 48 größtenteils farbigen Abbildungen und 38 Tabellen
123
Reihenherausgeber
Dr. med. Klaus-Peter Schaps
Rostocker-Str. 21
26388 Wilhelmshaven
Ulrich Fetzner
Von-Lobdeburg-Str. 4
97688 Bad Kissingen
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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere
Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzge-
bung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
Planung: Peter Bergmann, Heidelberg
Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg
Lektorat: Dr. med. Monika Merz, Leimen, Ursula Illig, Stockdorf
Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin
Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg
SPIN 11885528
Vorwort
Das Hammerexamen: die letzte große Hürde vor dem Traumberuf »Arzt«. So mag es all jenen vor-
kommen, die sich kurz vor dem Hammerexamen befinden. Der gesamte klinische Stoff – und noch
dazu im PJ – wie soll das gehen?
Daher hat sich der Springer Medizin Verlag entschlossen, eine neue Repetitorien-Reihe ins Leben
zu rufen. Ideal für das Lernen auf die 2. Ärztliche Prüfung hin – gerade während des PJ – und für das
kurze Repetieren vor dem Examen bieten die 9 Bände alle Krankheitsbilder und die Gesundheits-
störungen des aktuellen Gegenstandskataloges.
Das Besondere daran: Die Krankheitsbilder, die in den ersten 8 Bänden behandelt werden, werden
nach wie vor nach Fächern geordnet angeboten – ganz so, wie es jeder Student aus dem klinischen
Studienabschnitt kennt. In Lerntexten, die größtenteils von Studenten und jungen Assistenzärzten
verfasst und von Fachärzten der jeweiligen Disziplinen gegengelesen wurden, wird all das noch mal
kurz wiederholt, was in der 2. Ärztlichen Prüfung angewandt werden soll. Nach jedem GK-Krank-
heitsbild findet sich eine Zusammenfassung für das schnelle Repetieren an den Tagen unmittelbar vor
dem Examen. Für grafische Lerner stellen große Übersichtsschaubilder, die »Mindmaps«, komplexe
Sachverhalte übersichtlich dar.
Der 9. Band enthält die Gesundheitsstörungen: Jede Gesundheitsstörung wird durch einen Fall
lebendig gemacht und vom Leitsymptom ausgehend die Differentialdiagnose entwickelt. Zusätzlich
finden sich am Ende jeder Gesundheitsstörung noch eine Wiederholung der häufigsten Krankheits-
bilder, die diese Störung hervorrufen, eine grafische Darstellung der Differentialdiagnostik und einige
Fragen zur Selbstprüfung.
»GK2 Das Zweite – kompakt« ist die ideale Reihe, um sich das Grundwissen anzueignen, das man
zum Lösen der Probeexamina in schwarzer oder gelber Reihe und natürlich zum Bestehen der 2. ÄP
benötigt.
Allen Mitwirkenden, den Herausgebern, Herrn Dr. Schaps, Herrn Dr. Kessler und Herrn Fetzner,
allen Autoren und Fachärzten und auch allen studentischen Testlesern sei an dieser Stelle von Seiten
des Springer Medizin Verlags noch einmal sehr herzlich für Ihre Mitarbeit am Entstehen dieses Pro-
jektes gedankt. Wir hoffen alle sehr, den Studenten mit diesem Werk eine echte »erste Hilfe« zum
Bestehen des »Hammerexamens« an die Hand gegeben zu haben.
Auszüge aus Vorabrezensionen:
»Aufgrund der oben genannten Aspekte finde ich das neue Konzept hervorragend!! Der GK wird
erfüllt; ich kann systematisch vorgehen und gleichzeitig verknüpfen, wiederholen und die neue Frage-
stellung üben. Von dem Arbeitsbuch-Charakter des letzten Bandes »Gesundheitsstörungen« halte
ich sehr viel. Der Platz für eigene Notizen, ein einprägsames Bild und die 2-Farbigkeit setzen das sehr
gut um.«
»Das Konzept ist vernünftig und schlüssig. Auch die Aufteilung der Themen ist meiner Meinung
nach gelungen. … Die Sprache finde ich sehr gut getroffen, … das Lesen fällt leicht, was das Arbeiten
mit dem Text angenehm gestaltet. … Auch das Layout der einzelnen Seiten wirkt übersichtlich, nicht
voll gepackt und ist durch Absätze, Tabellen und die farbliche Gestaltung ansprechend und über-
sichtlich.«
Leitsystem:
Schnelle Orientierung
über alle Kapitel
Mindmap:
Grafische Übersicht
komplexer Sachver-
halte
Inhaltliche Struktur:
Klare Gliederung
durch alle Kapitel
Übersichten:
Wichtige Fakten
werden übersichtlich
dargestellt
Tabellen:
Klare Übersicht der
wichtigsten Fakten
Aufzählungen:
Lerninhalte über-
sichtlich präsentiert
Wichtig
Zentrale Informatio-
nen auf einen Blick
In Kürze:
Wiederholung der
wichtigsten Fakten zu
jedem Krankheitsbild
zum schnellen
Repetieren kurz vor
dem Examen
Cave:
Vorsicht! Bei falschem Vorgehen
Gefahr für den Patienten
VIII
Mitarbeiterverzeichnis
J. Bremer H. Thieme
Platten-Str. 10 Dr. Dr.
Zimmer 1710 Kaiserslauterner Str. 35
CH-8032 Zürich 66123 Saarbrücken
E. N. Cho H. Wiendl
Universitätsstr. 1 Prof. Dr. med.
Zimmer 17602 Universität Würzburg
40225 Düsseldorf Neurologische Klinik
Josef-Scheider-Str. 11
V. Kollenbaum 97080 Würzburg
Prof. Dr. Dr.
Fachklinik Heiligenfeld GmbH
Euerdorfer-Str. 4–6
97688 Bad Kissingen
IX
Gegenstandskatalog
Teil 2: Krankheitsbilder
1 A00-A09 Infektiöse Darmkrankheiten, (z.B. Salmonellenenteritis, Lebensmittel- 7 Band Grundlagen, 7 Band Innere Medizin
vergiftung durch Staphylokokken, Enteritis
durch Rotaviren)
2 A15-A19 Tuberkulose 7 Band Grundlagen, 7 Band Innere Medizin,
7 Band Querschnittsbereiche
3 A20-A28 Bestimmte bakterielle Zoonosen
11 B00-B09 Virusinfektionen, die durch Haut- und (z.B. Herpesenzephalitis, Varizellen, Zoster, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Kap. 1.4.1.3
Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind Masern, Röteln, Viruswarzen, Mollusca 7 Band Querschnittsbereiche
contagiosa, Dreitagefieber, Ringelröteln) 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Grundlagen
7 Band Gynäkoloige, Pädiatrie
X Gegenstandskatalog
C21 Bösartige Neubildung des Anus und 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
des Analkanals 7 Band Innere Medizin
C22 Bösartige Neubildung der Leber und der intra- 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
hepatischen Gallengänge 7 Band Innere Medizin
C23 Bösartige Neubildung der Gallenblase 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Innere Medizin
C24 Bösartige Neubildung sonstiger und nicht (z.B. Gallenwegskarzinom) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
näher bezeichneter Teile der Gallenwege 7 Band Innere Medizin
C25 Bösartige Neubildung des Pankreas 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
7 Band Innere Medizin
21 C30-C39 Bösartige Neubildungen der Atmungsor-
gane und sonstiger intrathorakaler Organe
C32 Bösartige Neubildung des Larynx 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
C33 Bösartige Neubildung der Trachea 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
C34 Bösartige Neubildung der Bronchien 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
und der Lunge 7 Band Innere Medizin
22 C40-C41 Bösartige Neubildungen des Knochens
und des Gelenkknorpels
C40 Bösartige Neubildung des Knochens und des (z.B. Osteosarkom des Femurs) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
Gelenkknorpels der Extremitäten
C41 Bösartige Neubildung des Knochens und (z.B. Chondrosarkom, Ewing-Sarkom des 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Chirurgie, Orthopädie,
des Gelenkknorpels sonstiger und nicht näher Beckens) Urologie
bezeichneter Lokalisationen
23 C43-C44 Melanom und sonstige bösartige Neubil- 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
dungen der Haut
C43 Bösartiges Melanom der Haut 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde,
HNO
C44 Sonstige bösartige Neubildungen der Haut (z.B. Basalzellenkarzinom, Plattenepithel- 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
karzinom)
24 C45-C49 Bösartige Neubildungen des mesothelialen (z.B. Pleuramesotheliom, Kaposi-Sarkom, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Gewebes und des Weichteilgewebes Liposarkom) Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopäadie, Urologie, 7 Band
Dermatologie, Augenheilkunde 7 Band Innere Medizin
25 C50 Bösartige Neubildung der Brustdrüse 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie,
[Mamma] Urologie, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie,
7 Band Grundlagen
26 C51-C58 Bösartige Neubildungen der weiblichen
Genitalorgane
C51 Bösartige Neubildung der Vulva 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
C52 Bösartige Neubildung der Vagina 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
C53 Bösartige Neubildung der Cervix uteri 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
C54 Bösartige Neubildung des Corpus uteri 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
C56 Bösartige Neubildung des Ovars 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
C57 Bösartige Neubildung sonstiger und nicht 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
näher bezeichneter weiblicher Genitalorgane
27 C60-C63 Bösartige Neubildungen der männlichen (z.B. Peniskarzinom, Prostatakarzinom, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
Genitalorgane Hodenmalignom) 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie,
Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
28 C64-C68 Bösartige Neubildungen der Harnorgane (z.B. Nierenzellkarzinom, Wilms-Tumor, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
Urothelkarzinom) 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Innere Medizin
7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
29 C69-C72 Bösartige Neubildungen des Auges,
des Gehirns und sonstiger Teile des Zentral-
nervensystems
C69 Bösartige Neubildung des Auges und der (z.B. Retinoblastom, Aderhautmelanom) 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
Augenanhangsgebilde
C71 Bösartige Neubildung des Gehirns 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Kap. 1.5.4
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
C72 Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, 7 Band Chirurgie, Urologie
der Hirnnerven und anderer Teile des Zentral-
nervensystems
30 C73-C75 Bösartige Neubildungen der Schilddrüse
und sonstiger endokriner Drüsen
C73 Bösartige Neubildung der Schilddrüse 7 Band Innere Medizin
C74 Bösartige Neubildung der Nebenniere (z.B. Neuroblastom, Phäochromozytom) 7 Band Innere Medizin
31 C76-C80 Bösartige Neubildungen ungenau bezeich- (z.B. Metastasen, Paraneoplastisches 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Kap. 1.5.4.2
neter, sekundärer und nicht näher bezeich- Syndrom) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Grundlagen,
neter Lokalisationen 7 Band Innere Medizin
32 C81-C96 Bösartige Neubildungen des lymphatischen,
blutbildenden und verwandten Gewebes
C81 Hodgkin-Krankheit [Lymphogranulomatose] 7 Band Innere Medizin
C82 Follikuläres [noduläres] Non-Hodgkin- 7 Band Innere Medizin
Lymphom
XII Gegenstandskatalog
D90 Immunkompromittierung nach Bestrahlung, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Chemotherapie und sonstigen immunsup- Rechtsmedizin
pressiven Maßnahmen
42 E00-E07 Krankheiten der Schilddrüse (z.B. Endemische Struma, Hypothyreose, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
Hyperthyreose, Thyreoiditis)
43 E10-E14 Diabetes mellitus
E10 Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus 7 Band Grundlagen, 7 Band Innere Medizin
[Typ-1-Diabetes]
E11 Nicht primär insulinabhängiger Diabetes 7 Band Innere Medizin
mellitus [Typ-2-Diabetes]
E14 Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen
44 E15-E16 Sonstige Störungen der Blutglukose-Regula- (z.B. Hypoglykämie) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psycho-
tion und der inneren Sekretion des Pankreas somatik 7 Kap. 2.3, 7 Band Querschnittsbereiche
45 E20-E35 Krankheiten sonstiger endokriner Drüsen
E21 Hyperparathyreoidismus und sonstige Krank- 7 Band Innere Medizin
heiten der Nebenschilddrüse
E23 Unterfunktion und andere Störungen der (z.B. Hypopituitarismus, Diabetes insipidus) 7 Band Innere Medizin
Hypophyse
E24 Cushing-Syndrom 7 Band Innere Medizin
E25 Adrenogenitale Störungen 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
E26 Hyperaldosteronismus (z.B. Conn-Syndrom) 7 Band Innere Medizin
E27 Sonstige Krankheiten der Nebenniere (z.B. Nebennierenrinden-Insuffizienz) 7 Band Innere Medizin
E28 Ovarielle Dysfunktion 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
E29 Testikuläre Dysfunktion 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
E30 Pubertätsstörungen, anderenorts nicht (z.B. Pubertas praecox, Pubertas tarda) 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
klassifiziert
E31 Polyglanduläre Dysfunktion 7 Band Innere Medizin
E34 Sonstige endokrine Störungen (z.B. Karzinoid-Syndrom) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
7 Band Innere Medizin
46 E40-E46 Mangelernährung 7 Band Querschnittsbereiche
47 E50-E64 Sonstige alimentäre Mangelzustände (z.B. Vitamin-D-Mangel) 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie, 7 Band Grundlagen, 7 Band Quer-
schnittsbereiche
48 E65-E68 Adipositas und sonstige Überernährung
E66 Adipositas 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
49 E70-E90 Stoffwechselstörungen
E70 Störungen des Stoffwechsels aromatischer (z.B. Phenylketonurie) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen
Aminosäuren
E78 Störungen des Lipoproteinstoffwechsels 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen
und sonstige Lipidämien
E79 Störungen des Purin- und Pyrimidinstoff- 7 Band Innere Medizin
wechsels
E80 Störungen des Porphyrin- und Bilirubinstoff- 7 Band Innere Medizin
wechsels
E83 Störungen des Mineralstoffwechsels (z.B. Hämochromatose) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen, 7 Band Dermatologie,
Augenheilkunde, HNO
E84 Zystische Fibrose 7 Band Grundlagen, 7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie,
Pädiatrie
50 F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer
psychischer Störungen
F00 Demenz bei Alzheimer-Krankheit 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.6.3.1,
Kap. 2.4.2, 7 Band Querschnittsbereiche
F01 Vaskuläre Demenz 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.6.3.3.
7 Band Querschnittsbereiche
F02 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krank- (z.B. bei Creutzfeldt-Jacob-Krankheit, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.6.3.4.,
heiten HIV-Krankheit) Kap. 1.4.4.1., Kap. 2.4.3., Kap. 2.4.4., Kap. 2.4.5.
7 Band Querschnittsbereiche
F05 Delir, nicht durch Alkohol oder andere psycho- 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psycosomatik 7 Kap. 2.2.1.1
trope Substanzen bedingt
F06 Andere psychische Störungen aufgrund einer (z.B. Organische Halluzinose) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 2.2.1.2
Schädigung oder Funktionsstörung des
Gehirns oder einer körperlichen Krankheit
F07 Persönlichkeits- und Verhaltensstörung (z.B. Organische Persönlichkeitsstörung) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 2.2.1.3
aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder
Funktionsstörung des Gehirns
51 F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch (z.B. Psychische und Verhaltensstörungen 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 2.7.1.,
psychotrope Substanzen durch Alkohol, Opioide und Cannabinoide, Kap. 2.7.2., Kap. 2.7.5., Kap. 2.7.1.4., 7 Band Querschnittsbereiche
Entzugssyndrom mit Delir)
52 F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte
Störungen
F20 Schizophrenie 7 Band Grundlagen, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Kap. 2.8.1
F22 Anhaltende wahnhafte Störungen 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 2.8.3
F25 Schizoaffektive Störungen 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 2.8.2
XIV Gegenstandskatalog
G44 Sonstige Kopfschmerzsyndrome (z.B. Cluster-Kopfschmerz, Vasomotori- 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Uro-
scher Kopfschmerz, Spannungskopf- logie, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.9.3.,
schmerz, Chronischer posttraumatischer Kap. 1.9.1., Kap. 1.9.4
Kopfschmerz, Arzneimittelinduzierter
Kopfschmerz)
G45 Zerebrale transitorische Ischämie und ver- 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.2.1.1
wandte Syndrome
G46 Zerebrale Gefäßsyndrome bei zerebrovas- 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.2.,
kulären Krankheiten 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G47 Schlafstörungen 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 2.6
66 G50-G59 Krankheiten von Nerven, Nervenwurzeln
und Nervenplexus
G50 Krankheiten des N. trigeminus [V. Hirnnerv] 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.4.1.,
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G51 Krankheiten des N. facialis [VII. Hirnnerv] 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.4.2
G52 Krankheiten sonstiger Hirnnerven 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.4.3
G54 Krankheiten von Nervenwurzeln und Nerven- 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.1.,
plexus Kap. 1.10.2
G56 Mononeuropathien der oberen Extremität 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.5.,
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G57 Mononeuropathien der unteren Extremität 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.6
67 G60-G64 Polyneuropathien und sonstige Krankheiten
des peripheren Nervensystems
G61 Polyneuritis 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
7 Kap. 1.10.3
G62 Sonstige Polyneuropathien (z.B. Alkoholneuropathie) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.3
G63 Polyneuropathie bei anderenorts klassifizier- (z.B. Diabetische Polyneuropathie) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.10.3
ten Krankheiten
68 G70-G73 Krankheiten im Bereich der neuromusku-
lären Synapse und des Muskels
G70 Myasthenia gravis und sonstige neuromusku- 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.11.3.1
läre Krankheiten
G71 Primäre Myopathien (z.B. Muskeldystrophien, Myotone 7 Band Grundlagen, 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik
Syndrome) 7 Kap. 1.11.2., Kap. 1.11.1
G72 Sonstige Myopathien (z.B. Arzneimittelinduzierte Myopathie) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.11.3.2.,
7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie,
Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin
69 G80-G83 Zerebrale Lähmung und sonstige Lähmungs-
syndrome
G80 Infantile Zerebralparese 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
G81 Hemiparese und Hemiplegie 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.1.2.2
G82 Paraparese und Paraplegie, Tetraparese und 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.1.2.2.,
Tetraplegie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G83 Sonstige Lähmungssyndrome (z.B. Cauda-equina-Syndrom) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.3.2
70 G90-G99 Sonstige Krankheiten des Nervensystems
G90 Krankheiten des autonomen Nervensystems (z.B. Multisystem-Atrophie) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.6.2.1
G91 Hydrozephalus (z.B. Normaldruckhydozephalus) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik 7 Kap. 1.5.2.,
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
G95 Sonstige Krankheiten des Rückenmarkes (z.B. Syringomyelie) 7 Band Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, 7 Kap. 1.6.6.3.,
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
71 H00-H06 Affektionen des Augenlides, des Tränen- 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
apparates und der Orbita
H00 Hordeolum und Chalazion 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H02 Sonstige Affektionen des Augenlides (z.B. Ektropium, Entropium, Ptosis) 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
H04 Affektionen des Tränenapparates 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
XVI Gegenstandskatalog
H91 Sonstiger Hörverlust (z.B. Altersschwerhörigkeit) 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde,
HNO
85 I00-I02 Akutes rheumatisches Fieber 7 Band Innere Medizin
86 I05-I09 Chronische rheumatische Herzkrankheiten
I05 Rheumatische Mitralklappenkrankheiten
I06 Rheumatische Aortenklappenkrankheiten 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
87 I10-I15 Hypertonie [Hochdruckkrankheit]
I10 Essentielle (primäre) Hypertonie 7 Band Grundlagen, 7 Band Innere Medizin
7 Band Querschnittsbereiche
I11 Hypertensive Herzkrankheit 7 Band Innere Medizin
I12 Hypertensive Nierenkrankheit 7 Band Innere Medizin
I15 Sekundäre Hypertonie 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche,
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
7 Band Grundlagen
88 I20-I25 Ischämische Herzkrankheiten
I20 Angina pectoris 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche,
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
I21 Akuter Myokardinfarkt 7 Band Innere Medizin, 7 Band Querschnittsbereiche
I22 Rezidivierender Myokardinfarkt 7 Band Innere Medizin
I25 Chronische ischämische Herzkrankheit 7 Band Innere Medizin
89 I26-I28 Pulmonale Herzkrankheit und Krankheiten
des Lungenkreislaufes
I26 Lungenembolie 7 Band Innere Medizin, 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie,
Arbeits- und Sozialmedizin, Rechtsmedizin, 7 Band Querschnitts-
bereiche, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
I27 Sonstige pulmonale Herzkrankheiten (z.B. Cor pulmonale) 7 Band Innere Medizin
90 I30-I52 Sonstige Formen der Herzkrankheit
I30 Akute Perikarditis 7 Band Innere Medizin
I31 Sonstige Krankheiten des Perikards (z.B. Chronische Perikarditis) 7 Band Innere Medizin
I34 Nichtrheumatische Mitralklappenkrankheiten 7 Band Innere Medizin,
7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K22 Sonstige Krankheiten des Ösophagus (z.B. Erworbene Divertikel, Mallory-Weiss- 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthiopädie, Urologie
Syndrom, Perforation)
K25 Ulcus ventriculi 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin,
7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin
K26 Ulcus duodeni 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbetis- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
7 Band Innere Medizin
K29 Gastritis und Duodenitis 7 Band Innere Medizin
K30 Dyspepsie 7 Band Querschnittsbereiche
106 K35-K38 Krankheiten der Appendix
K35 Akute Appendizitis 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
107 K40-K46 Hernien
K40 Hernia inguinalis 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K41 Hernia femoralis 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K42 Hernia umbilicalis 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K43 Hernia ventralis 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K44 Hernia diaphragmatica 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
108 K50-K52 Nichtinfektiöse Enteritis und Kolitis
K50 Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis] 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie und Unfall-
[Morbus Crohn] chirurgie, Urologie
K51 Colitis ulcerosa 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
109 K55-K63 Sonstige Krankheiten des Darmes
K55 Gefäßkrankheiten des Darmes (z.B. Mesenterialinfarkt, Ischämische 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie
Kolitis)
XX Gegenstandskatalog
K56 Paralytischer Ileus und mechanischer Ileus (z.B. Invagination, Bridenileus) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie,
ohne Hernie 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K57 Divertikulose des Darmes 7 Band Innere Medizin, 7 Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie,
Urologie
K58 Reizdarmsyndrom 7 Band Innere Medizin
K60 Fissur und Fistel in der Anal- und Rektalregion 7 Band Innere Medizin
K61 Abszess in der Anal- und Rektalregion 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K62 Sonstige Krankheiten des Anus und (z.B. Analpolyp, Analprolaps) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie, 7 Band Innere Medizin
des Rektums
K63 Sonstige Krankheiten des Darmes (z.B. Darmabszess, Darmfistel) 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie,
7 Band Innere Medizin
110 K65-K67 Krankheiten des Peritoneums
K65 Peritonitis 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
111 K70-K77 Krankheiten der Leber
K70 Alkoholische Leberkrankheit 7 Band Innere Medizin
K71 Toxische Leberkrankheit 7 Band Innere Medizin
K72 Leberversagen, anderenorts nicht klassifiziert 7 Band Innere Medizin
K74 Fibrose und Zirrhose der Leber 7 Band Grundlagen, 7 Band Chirurgie, Orthopädie,Urologie,
7 Band Innere Medizin
K75 Sonstige entzündliche Leberkrankheiten (z.B. Leberabszess, Autoimmune Hepatitis) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K76 Sonstige Krankheiten der Leber (z.B. Fettleber) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Grundlagen
112 K80-K87 Krankheiten der Gallenblase, der Gallen-
wege und des Pankreas
K80 Cholelithiasis 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K81 Cholezystitis 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K83 Sonstige Krankheiten der Gallenwege (z.B. Gallengangsverschluss) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
K85 Akute Pankreatitis 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädiee, Urologie
K86 Sonstige Krankheiten des Pankreas (z.B. Chronische Pankreatitis) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Chirurgie, Orthopädie, Urologie
113 K90-K93 Sonstige Krankheiten des Verdauungs-
systems
K90 Intestinale Malabsorption (z.B. Zöliakie) 7 Band Innere Medizin, 7 Band Gynäkologie, Pädiatrie
114 L00-L08 Infektionen der Haut und der Unterhaut 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO,
L00 Staphylococcal scalded skin syndrome 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO7 Band Grundlagen
[SSS-Syndrom]
L01 Impetigo 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L02 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie,
Orthopädie, Urologie
L03 Phlegmone 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie,
Orthopädie, Urologie
L04 Akute Lymphadenitis 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L05 Pilonidalzyste 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO 7 Band Chirurgie,
Orthopädie, Urologie
L08 Sonstige lokale Infektionen der Haut und (z.B. Pyodermie, Erythrasma) 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
der Unterhaut
115 L10-L14 Bullöse Dermatosen 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L10 Pemphiguskrankheiten 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L12 Pemphigoidkrankheiten 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L13 Sonstige bullöse Dermatosen (z.B. Dermatitis herpetiformis Duhring) 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
116 L20-L30 Dermatitis und Ekzem 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L20 Atopisches [endogenes] Ekzem 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L21 Seborrhoisches Ekzem 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L22 Windeldermatitis 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO, 7 Band Gynäkologie,
Pädiatrie
L23 Allergische Kontaktdermatitis 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L24 Toxische Kontaktdermatitis 7 Band Allgemeinmedizin, Anästhesie, Arbeits- und Sozialmedizin,
Rechtsmedizin, 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L27 Dermatitis durch oral, enteral oder parenteral (z.B. Arzneimittelexanthem) 7 Band Querschnittsbereiche, 7 Band Dermatologie, Augenheil-
aufgenommene Substanzen kunde, HNO
L30 Sonstige Dermatitis (z.B. Nummuläres Ekzem) 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
117 L40-L45 Papulosquamöse Hautkrankheiten 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L40 Psoriasis 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L41 Parapsoriasis 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L42 Pityriasis rosea 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
L43 Lichen ruber planus 7 Band Dermatologie, Augenheilkunde, HNO
XXI
Gegenstandskatalog
Inhaltsverzeichnis
1 Neurologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.9.2 Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
J. Bremer, H. Wiendl 1.9.3 Cluster-Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . . 78
1.1 Neurologische Untersuchung . . . . . . . 3 1.9.4 Arzneimittelinduzierter Kopfschmerz . . 78
1.1.1 Psychischer Befund . . . . . . . . . . . . . . 3 1.10 Erkrankungen des peripheren
1.1.2 Neurologischer Befund . . . . . . . . . . . . 3 Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . 81
1.1.3 Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . 13 1.10.1 Spinale radikuläre Syndrome . . . . . . . . 81
1.1.4 Liquorpunktion und -diagnostik . . . . . . 15 1.10.2 Plexusparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1.1.5 Muskel- und Nervenbiopsie . . . . . . . . . 16 1.10.3 Polyneuropathie, Polyneuritis . . . . . . . 84
1.2 Vaskuläre Erkrankungen von Gehirn 1.10.4 Hirnnerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
und Rückenmark . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.10.5 Mononeuropathien der oberen
1.2.1 Schlaganfall (Hirninfarkt, Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
zerebrale Blutung) . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.10.6 Mononeuropathien der unteren
1.2.2 Hirnatheriosklerose . . . . . . . . . . . . . . 21 Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
1.2.3 Intrakranielle Blutungen . . . . . . . . . . . 24 1.11 Muskelkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . 96
1.2.4 Hirnvenen-, Sinusvenenthrombose (SVT) 29 1.11.1 Myotone Syndrome . . . . . . . . . . . . . . 96
1.3 Neurotraumatologie . . . . . . . . . . . . . 30 1.11.2 Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . 98
1.3.1 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) . . . . . . . . . 30 1.11.3 Neuromuskuläre Erkrankungen . . . . . . 99
1.3.2 Rückenmarksverletzungen,
Cauda-equina-Syndrom . . . . . . . . . . . 31 2 Psychiatrie, Psychotherapie . . . . . . . 103
1.4 Entzündliche Erkrankungen des zentralen E. N. Cho, H. Thieme
Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.1 Anamnese, Befunde, Therapie . . . . . . 105
1.4.1 Meningitis, Enzephalitis . . . . . . . . . . . 33 2.1.1 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
1.4.2 Nichteitrige Meningoenzephalitiden . . . 38 2.1.2 Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
1.4.3 Lyme-Borreliose, Neuroborreliose . . . . . 39 2.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
1.4.4 Neurosyphilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.2 Körperlich begründbare psychische
1.4.5 Intrakranielle und intraspinale Abszesse 44 Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
1.5 Raumforderungen im ZNS . . . . . . . . . 45 2.2.1 Syndromatische Erscheinungsformen
1.5.1 Hydrozephalus . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 exogener Psychosen . . . . . . . . . . . . . 119
1.5.2 Normaldruckhydrozephalus (NPH) . . . . 45 2.3 Hypoglykämie . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
1.5.3 Hirnödem, erhöhter intrakranieller Druck 2.4 Krankheitsbilder mit sich im Verlauf
(ICP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 verändernden Syndromen . . . . . . . . . . 126
1.5.4 Intrakranielle Tumoren . . . . . . . . . . . . 47 2.4.1 Demenz als gemeinsames Leitsymptom 126
1.6 Demyelinisierende Erkrankungen 2.4.2 Demenz bei Alzheimer-Krankheit . . . . . 128
des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.4.3 Demenz bei HIV-assoziierter
1.6.1 Multiple Sklerose (MS) . . . . . . . . . . . . 53 Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . . . . 129
1.6.2 Degenerative, atrophische 2.4.4 Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-
ZNS-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 57 Erkrankung (CJE) . . . . . . . . . . . . . . . . 130
1.6.3 Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.4.5 Demenz bei Morbus Parkinson . . . . . . . 130
1.6.4 Degenerative Erkrankungen mit Leit- 2.5 Esstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
symptomen Schwäche, Muskelatrophie . 66 2.5.1 Anorexia nervosa . . . . . . . . . . . . . . . 132
1.6.5 Degenerative Erkrankungen mit Leit- 2.5.2 Bulimia nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . 132
symptom Ataxie . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.6 Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . 133
1.6.6 Fehlbildungen von Gehirn 2.7 Missbrauch, Abhängigkeit . . . . . . . . . 134
und Rückenmark . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.7.1 Alkoholismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
1.7 Infantile Zerebralparese . . . . . . . . . . 70 2.7.2 Opioide (Morphintyp) . . . . . . . . . . . . 140
1.8 Epilepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.7.3 Cannabinoide, Marihuana . . . . . . . . . 140
1.8.1 Status epilepticus . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.8 Schizophrenie, anhaltende wahnhafte
1.9 Kopfschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Störung, schizoaffektive Störung . . . . 143
1.9.1 Spannungskopfschmerz (SK) . . . . . . . . 76 2.8.1 Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
XXX Inhaltsverzeichnis
1.1.2.1 Kopf und Hirnnerven > Pathologische Reflexe sind Fremdreflexe, die bei
Der Kopf sollte auf erkenn- oder tastbare Läsionen, Ka- Läsion des 1. motorischen Neurons oder der Pyrami-
lottenklopfschmerz, Schmerzen bei Druck auf Austritts- denbahn auftreten und als Pyramidenbahnzeichen
punkte der Trigeminusäste, Beweglichkeit der HWS, bezeichnet werden.
Meningismus untersucht werden (. Tab. 1.1).
Normalerweise werden sie durch inhibitorische Inner-
1.1.2.2 Motorik vation unterdrückt. Dazu gehören die Reflexe der Ba-
Bei der Untersuchung achtet man auf: binski-Gruppe, die alle die gleiche Reflexantwort aus-
4 Lähmungen: Haltungsbesonderheiten, Schonung lösen: tonische Dorsalbewegung der großen Zehe und
bestimmter Körperteile oder Kraftminderung spreizende Plantarflexion der übrigen Zehen »Fächer-
4 Muskuläre Atrophien phänomen«.
IV 4 Okulomotorik 4 Primärstellung des Bulbus nach innen oben, stärker bei Kopfneigung
N. trochlearis zur betroffenen Seite (Bielschowsky-Phänomen)
4 Schräg und übereinander stehende Doppelbilder
4 Kompensatorische Neigung und Drehung des Kopfes zur gesunden
Seite
4 Doppelbilder sind bei Blick nach innen unten am stärksten
4 Kapitel 1 · Neurologie
V 4 Sensibilität, 4 Sensibilitätsausfälle
N. trigeminus Kaumuskulatur, 4 Ausfall des Kornealreflexes
Korneal- und 4 Ausfall/Schwäche der Kaumuskulatur
Masseterreflex 4 veränderter Masseterreflexes
XII 4 Zungenmuskulatur 4 Abweichen zur kranken Seite beim Herausstrecken der Zunge, ggf.
N. hypoglossus Atrophie und Faszikulieren der Zunge
Optokinetischer Reflex: physiologischer optokinetischer Nystagmus, vestibulo-okulärer Reflex (VOR) und okulozephaler
Reflex = OCR (Puppenaugenphänomen, beruht auf dem VOR, physiologisch bis zum 10. Lebenstag
1.1 · Neurologische Untersuchung
5 1
Lokalisation der 1. motorisches Neuron (Motorkortex oder Pyramidenbahn) 2. motorisches Neuron im Vorder-
Schädigung bis zu den 2. motorischen Neuronen der Hirnnervenkerne horn des Rückenmarks, vordere Wur-
bzw. in den Vorderhörnern des Rückenmarks (exklusive des zel, peripherer Nerv bis zur motori-
2. Neurons selbst) schen Endplatte
Ruhetonus der Eine zentrale Läsion verursacht akut eine schlaffe Lähmung, Hypoton
Muskulatur die später meist hyperton-spastisch wird (bei Läsion von Ze-
rebellum oder zerebellärer Bahnen auch hypoton)
In Kürze
Lähmungen
Hemiparese/-plegie; 4 Symptomatik: Parese = Minderung; Plegie = Ausfall der muskulären Kraft. Lähmung
Tetraparese/-plegie, einer gesamten Körperhälfte = Hemiparese/-plegie; beider Beine = Paraparese/-
Paraparese plegie oder aller 4 Extremitäten = Tetraparese/-plegie
4 Ätiologie: Typische Verteilungsmuster bei ZNS-Läsion. Hemisymptomatik v. a. bei
Prozess im Gehirn; Tetrasymptomatik bei Läsion im Rückenmark (Querschnittsläh-
mung); Parasymptomatik bei Rückenmarkläsion unterhalb der Höhe der Segmente
des Plexus brachialis bzw. Läsion der die Beine versorgenden Nervenfasern (z. B.
Mantelkantensyndrom)
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Identifizierung der Ursache
4 Therapie: abhängig von der Grundkrankheit
1.1.2.3 Koordination und Artikulation Wichtig sind die anamnestische Erfassung spontaner
Schmerzen, sensibler Ausfälle (Taubheit) oder Reizstö-
1.1.2.4 Sensibilität rungen (Kribbeln oder Ameisenlaufen).
Man unterscheidet Oberflächen- und Tiefensensibi- Komplexe sensible Leistungen: räumliches Auf-
lität: lösungsvermögen (Zweipunkt-Diskrimination, Der-
Zur Oberflächensensibilität zählen: molexie)
4 Schmerzsinn (Algesie) Dermatom = sensibel versorgtes Hautareal mit Be-
4 Temperatursinn (Thermästhesie) zug zum Rückenmarkssegment und zugehörigen Spi-
4 Tastsinn (Ästhesie) nalnerven. Kenntnis der Dermatome kann wichtig sein
für die Lokalisation einer Läsion (. Tab. 1.4, . Abb. 1.2,
Zur Tiefensensibilität zählen: . Abb. 1.3).
4 Lagesinn (Gelenklagesinn)
4 Bewegungssinn und Kraftsinn
4 Vibrationsempfinden (Pallästhesie)
1.1 · Neurologische Untersuchung
7 1
Segment Hautareal
C3/4 Schulterbereich
L3 Vom Trochanter major über die Streckseite zur Innenseite des Oberschenkels bis zum Knie
L4 Von der Außenseite des Oberschenkels über die Patellaregion zum Unterschenkel vorne innen bis zum inneren
Fußrand
L5 Von oberhalb des Knies am lateralen Kondylus beginnend über den Unterschenkel vorne außen bis zur Großzehe
S1 Von dorsal am Oberschenkel über den Unterschenkel hinten außen über den Außenknöchel zur Kleinzehe
Pathologisch sind:
4 Störungen der Algesie: Hyperalgesie, Hyp- und
Analgesie
5 Kausalgie: brennender Dauerschmerz mit Hy-
perpathie und Allodynie (durch Kurzschlüsse
zwischen sensiblen und vegetativen Fasern bei
unvollständiger Nervenläsion)
5 Hyperpathie: Überempfindlichkeit für sensib-
le Reize bei gleichzeitig erhöhter Reizschwelle,
nach Verletzung peripherer Nerven oder bei
Thalamusläsion
5 Allodynie: Schmerzauslösung durch Reize, die
normalerweise keinen Schmerz verursachen
z. B. Berührung
5 Neuralgie: neuralgiformer, d. h. einschie-
ßender, brennender oder stechender Schmerz
4 Störungen der Thermästhesie: Thermohyp- oder
-anästhesie, Kältehyperpathie (Überempfindlich-
keit auf Kälte)
4 Störungen der Ästhesie
5 Parästhesie: spontane Missempfindung wie
Kribbeln, Brennen, Ameisenlaufen
5 Dysästhesie: ein Reiz wird als eine andere Qua-
lität wahrgenommen
5 Hyper-, Hyp- oder Anästhesie
5 Astereognosie: taktiles Erkennen von Gegen-
ständen ist trotz intaktem Druck- und Berüh-
rungsempfinden gestört (zentrale Läsion)
4 Störungen der Pallästhesie: Pallhyp- oder -anäs-
thesie
4 Dissoziierte Empfindungsstörung: gestörtes
Schmerz- und Temperaturempfinden bei erhalte-
. Abb. 1.2. Radikuläre und periphere Innervation der Haut nem Druck- und Berührungsempfinden
in der Ventralansicht und in der Dorsalansicht
8 Kapitel 1 · Neurologie
. Abb. 1.3. Periphere sensible Versorgung des Kopfes, zentrale sensible Versorgung des Kopfes
Ursachen dissoziierter Empfindungsstörungen: Schmerzentstehung ist dabei ein anderer als der, wo
4 Brown-Séquard-Syndrom er wahrgenommen wird (übertragener Schmerz).
4 Syringomyelie Bei den neuropathischen Schmerzen unterscheidet
4 A.-spinalis-anterior-Syndrom = ischämische Schä- man neuralgiforme Schmerzen, Sympathalgien
digung vorderer Rückenmarkanteile (Commissura wie CRPS und Deafferenzierungsschmerzen.
ant. und Tractus spinothalamicus) auf Höhe und 5 Neuralgiforme Schmerzen entstehen bei Ner-
unterhalb der Läsion, Hinterstränge bleiben intakt venkompression oder -infiltration z. B. durch
5 Unterhalb der Läsion dissoziierte Empfin- Karzinome. CRPS tritt u. a. nach distaler Radi-
dungsstörung und anfangs schlaffe später spas- usfraktur auf. Die Pathogenese ist nicht voll-
tische Parese ständig geklärt.
5 Auf Höhe der Läsion dissoziierte Empfin- 5 Deafferenzierungsschmerzen entstehen durch
dungsstörung und schlaffe Parese sowie Bla- komplette Durchtrennung von Nerven.
sen- und Mastdarmlähmung, Priapismus
Symptomatik. Neuralgiforme Schmerzen sind bren-
Schmerzen inkl. nend, scharf und einschießend und werden in das Ver-
»complex regional pain syndrome« (CRPS) sorgungsgebiet eines Nerven projiziert.
Synonym. Für CRPS: sympathische Reflexdystrophie,
sympathische Algodystrophie, Sudeck-Syndrom. Sympathalgien/CRPS: Schmerzen können keinem spe-
zifischen Nerven zugeordnet werden, Mitbeteiligung
Definition. Schmerz ist eine komplexe Sinneswahrneh- sympathischer Nervenfasern bewirkt Durchblutungs-
mung unterschiedlicher Qualität, die in der Regel als störungen, Veränderung der Schweißneigung, Haut-,
unangenehm empfunden wird. Sie entsteht durch Rei- Nagel- und Haarwachstumsveränderungen, Kausal-
zung von Nozizeptoren bei Gewebeschädigung oder gien und Hyperalgesien.
durch eine Nervenläsion (neuropathischer Schmerz). Verlauf der CRPS in 3 Stadien:
4 Akute entzündliche Schwellung: 0–3 Monate,
Ätiopathogenese. Differenziert wird in: starker Schmerz, vermehrten Nagel- und Haar-
4 Nozizeptorschmerzen entstehen durch direkte wachstum
Gewebeschädigung und nachfolgende Reizung von 4 Dystrophie: 3–6 Monate
Nozizeptoren. 4 Atrophie: 6–12 Monate = Endstadium: Atrophie
4 Neuropathischer Schmerz entsteht im zentralen der Muskeln, Knochen, Fibrose und Ausbildung
oder peripheren Nervensystem. Der Ort der von Kontrakturen, Blaufärbung, Kältegefühl
1.1 · Neurologische Untersuchung
9 1
Der Verlauf ist individuell unterschiedlich, eine sponta- Epidemiologie. 0,6–4% der Bevölkerung, überwiegend
ne Totalremission möglich. Frauen.
Diagnostik. Anamnese, Befund, Identifizierung der Ur- Symptomatik. Diagnosekriterien des ACR (American
sache/Ausmaß der Schädigung. College of Rheumatology):
4 Schmerz in mindestens 3 Körperregionen über
Therapie. Die Therapie, insbesondere chronischer mindestens 3 Monate
Schmerzen ist schwierig, sie sollte dann interdisziplinär 4 Mindestens 11 schmerzhafte von 18 getesteten
erfolgen. Optionen: konservative (Physio-, Psycho- und »tender points«
medikamentöse Therapie) und operative Maßnahmen 4 Vegetative Symptome: kalte Akren, Hyperhidrosis,
(Dekompression eines Nerven, Schmerzpumpen). Tremor, Mundtrockenheit
Bei CRPS symptomatische Therapie: 4 Funktionelle Beschwerden: Schlafstörungen, Glo-
4 Physiotherapie: in der Phase der akuten Entzün- busgefühl, Abgeschlagenheit, Atem- und Herzbe-
dung Ruhigstellung der betroffenen Extremität, schwerden, gastrointestinale Beschwerden, Dys-
Lymphdrainage, später aktive Übungen menorrhö, Dysurie
4 Medikamentöse Schmerztherapie: trizyklische
Antidepressiva, Kalziumkanalblocker, periphere Diagnostik. Anamnese, Befund (Diagnosekriterien),
Analgetika (NSAIDS: Aspirin, Paracetamol) oder normale Laborwerte, Ausschluss anderer Ursachen für
Opioide (Morphin). Kalzitonin (Nasenspray) kann die Symptome.
den Verlauf positiv beeinflussen
4 Lokale Anwendung von steroidhaltiger Salbe oder Therapie. Multimodale symptomatische Therapie:
DMSO Physio-, Sport- und physikalische Therapie, psycholo-
4 Blockade des sympathischen Ganglion stellatum gische Begleittherapie, Entspannungsübungen, medi-
(innerhalb der ersten 6 Monate) kamentöse Therapie mit Antidepressiva, Antikonvulsi-
va. Bis zu 50% der Betroffenen profitieren von Ernäh-
Fibromyalgie rungsumstellung.
Definition. Multifokales Schmerzsyndrom mit typi-
schen schmerzhaften Druckpunkten (»tender points«) ! Cave
sowie vegetativen und funktionellen Beschwerden. Medikamentenmissbrauch bei unkontrollierter Anal-
getika-Einnahme.
Ätiopathogenese. Unbekannt.
In Kürze
Schmerzsyndrome
Globale Aphasie: Störung von Sprachverständnis sowie -produktion. Oft werden nur einzelne Worte gesprochen, es beste-
hen ausgeprägte Paraphasien oder Neologismen. Verbale Kommunikation ist kaum möglich.
Leitungsaphasie: Sonderform mit Störung insbesondere des Nachsprechens und Schreibens eines Diktats
1.1 · Neurologische Untersuchung
11 1
Nervendehnungszeichen:
4 Lasègue-Zeichen: Das gestreckte Bein des Patien-
ten wird langsam passiv angehoben. Das Zeichen ist
positiv, wenn der Patient dabei unter 70° bzw. sei-
tendifferent einen homolateralen lumbalen und ins
Bein ausstrahlenden Schmerz spürt. Dies weist auf
eine Läsion der Spinalnervenwurzeln L4–S1 hin.
4 Ist dieser Test bei zusätzlicher Dorsalflexion im Fuß
auffällig, spricht man von positivem Bragard-Go-
wers-Zeichen.
4 Umgekehrtes Lasègue-Zeichen: Wird in Bauchla-
ge getestet, bei Überstreckung in der Hüfte wird der
N. femoralis gedehnt. Dabei auftretende sakrale
Schmerzen weisen auf Läsion der Spinalnerven-
wurzeln L2–L4 hin.
4 Gekreuztes Lasègue-Zeichen: Beschreibt Schmer-
zen bei Prüfung des Lasègue-Zeichens in der kon-
tralateralen Hüfte.
oder durch ergänzende Untersuchungen ohne weitere Potenzials. So genannte F-Wellen und H-Reflexe sind
Beobachtungszeit: wichtig in der Diagnostik proximaler peripherer Ner-
4 Null-Linien-EEG über mindestens 30 min, venläsionen.
4 zerebraler Zirkulationsstillstand in Dopplersono- Die transkranielle Magnetstimulation dient der
graphie, Angiographie bzw. Perfusionsszintigra- Messung der Leitfähigkeit im Tractus corticospinalis und
phie. in peripheren Nerven inkl. motorischer Hirnnerven. Ge-
messen werden motorisch evozierte Potenziale (MEP).
Bei primärer infratentorieller Hirnschädigung kann Die zentrale motorische Leitzeit kann daraus abgeleitet
der Hirntod immer erst durch ein Null-Linien-EEG werden. Sie dient z. B. der Frühdiagnostik von multipler
oder durch Nachweis des zerebralen Zirkulationsstill- Sklerose, amyotrophischer Lateralsklerose.
standes festgestellt werden.
Elektromyographie (EMG)
Untersuchung der elektrischen Aktivität der Muskulatur.
1.1.3 Apparative Diagnostik Eine in den Muskel eingestochene konzentrische Nadel-
elektrode dient der Ableitung von Potenzialschwankungen,
1.1.3.1 Bildgebende Verfahren die durch Aktivierung motorischer Einheiten entstehen.
4 Röntgen Beurteilt werden: Einstich- und Spontanaktivität, Potenzi-
5 Röntgen-Nativaufnahme ale motorischer Einheiten, maximale Willküraktivität.
5 Röntgenaufnahme nach Stenvers/Schüller Stimulations-EMG (Ermüdungstest-EMG): Repeti-
5 Myelographie tive Reizung führt bei Myasthenia gravis zu Amplituden-
5 Zerebrale Angiographie: zunehmend als arteri- abnahme (Dekrement), bei Pseudomyasthenie zu vorü-
elle DSA, digitale Subtraktionsangiographie bergehender Amplitudenzunahmen (Inkrement). Patho-
5 Ggf. interventionelle Verfahren (Aneurysma- logische Einstichaktivität mit myotoner Entladungsserie
Coiling, Stentimplantation) ist typisch bei Myotonien (Sturzkampfbombergeräusch).
4 Computertomographie (CT)
5 Nativ-CT Evozierte Potenziale (EP)
5 CT mit Kontrastmittel (KM) EEG-Veränderungen nach Reizapplikation, VEP (nach
5 CT-Angiographie visueller Stimulation), SEP (nach sensibler), AEP (nach
5 Myelo-CT akustischer Stimulation).
4 Kernspintomographie (MRT, Magnetresonanzto-
mographie, NMR, »nuclear magnetic resonance«) Elektroenzephalographie (EEG)
5 MR-Angiographie Messung der elektrischen Aktivität der Hirnrinde mit-
4 Ultraschall tels auf der Schädeldecke lokalisierter Oberflächene-
5 Dopplersonographie (hirnversorgende Arte- lektroden, v. a. in der Epilepsiediagnostik, aber auch
rien) bei Intoxikation, Enzephalitis, Stoffwechselerkrankun-
5 Transkranielle Dopplersonographie (intrakra- gen, Trauma, intraoperativ als Monitoring, differenzi-
nielle Gefäße) aldiagnostisch bei Koma und zum Hirntodnachweis.
5 B-Mode-Sonographie Vermutlich entsprechen kortikale Spannungsschwan-
5 Farbkodierte Duplex-Sonographie (FKDS, kungen synchronisierten postsynaptischen Potenzia-
Kombination aus Dopplersonographie und len in größeren Nervenzellverbänden. Der Spannungs-
B-Bild) verlauf dieser Summenpotenziale wird in der EEG-
4 Liquorszintigraphie (Injektion von 169Ytterbium- Kurve über die Zeit aufgezeichnet. Beurteilt werden:
DTPA, Liquorfistel) 4 Amplitude
4 Knochenszintigraphie 4 Frequenz
4 Wellenform
1.1.3.2 Neurophysiologische Methoden 4 Lokalisation pathologischer Potenziale
Elektroneurographie (ENG)
Die Messung der sensiblen und motorischen Nervenleit- Pathologische Befunde (. Abb. 1.5, . Abb. 1.6) sind:
geschwindigkeit (NLG) dient der Objektivierung und 4 Herdbefunde: kortikale Funktionsstörung über
Lokalisation von Störungen der Nervenleitung. einem umschriebenen Hirnareal als fokale Ver-
Schädigung der Myelinscheide vermindert v. a. langsamung der Grundaktivität
die NLG. Primär axonale Schädigung beeinflusst die 4 Allgemeinveränderungen: Verlangsamung oder
NLG oft nur wenig, verringert aber die Amplitude des Beschleunigung der Grundaktivität
14 Kapitel 1 · Neurologie
a b
. Abb. 1.5a, b. Ten-twenty-System. a Schemazeichnung, b EEG-Haube zur Ableitung
b
. Abb. 1.6a, b. a EEG- Ableitung bei Absence bei Pyknolep- myoklonischer Anfälle. Fast kontinuierliches, generalisiertes
sie. Spike-and-wave-Komplexe über allen Regionen. b Staus Polyspike-wave-Muster
1.1 · Neurologische Untersuchung
15 1
4 Epilepsiespezifische Potenziale: steile und spitze weisen, entwickelt sich aber meist erst im Verlauf
Wellen (»sharp waves«, »spikes«, »polyspikes«), von Tagen, ein erhöhter Hirndruck sollte daher
Spitzen mit langsamer Nachschwankung (»spike mittels Bildgebung ausgeschlossen werden.
waves«). Evtl. werden diese erst durch Provokation 4 Blutungsneigung: Quick, PTT und Thrombozy-
wie Hyperventilation, Stimulation durch Flacker- tenzahl kontrollieren
licht (Photostimulation), Schlafen nach vorange- 4 Infektion an der Punktionsstelle
gangenem Schlafentzug erkennbar.
Durchführung: Liquorgewinnung erfolgt über eine
Liquorpunktion, meist als Lumbalpunktion mittels lan-
1.1.4 Liquorpunktion und -diagnostik ger Hohlnadel mit Mandrin meist zwischen dem 3./4.
oder 4./5. Lendenwirbeldornfortsatzes. Merke: In Höhe
Indikation bei Verdacht auf: der Beckenkämme liegt LWK 4.
4 Entzündlichen Prozess: Meningitis, Enzephalitis, Mögliche Komplikationen:
Multiple Sklerose, Guillain-Barré-Syndrom, Kolla- 4 Postpunktionelles Syndrom: Liquorunterdruck
genose durch Liquorverlust an der Punktionsstelle bewirkt
4 Subarachnoidalblutung Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel,
4 Meningeosis leucaemica oder carcinomatosa Tinnitus, Meningismus und orthostatische Be-
schwerden
Kontraindikationen sind: 4 Selten: Infektionen an der Punktionsstelle bzw. im
4 Hirndrucksteigerung: Gefahr der unteren Ein- Liquorraum
klemmung durch postpunktionellen Druck- 4 Blutungen
abfall. Eine beim Augenspiegeln festgestellte Stau-
ungspapille kann auf erhöhten Hirndruck hin- Zur Diagnostik . Tab. 1.6.
Eiweiß 15–45 mg/dl Eine Erhöhung hat unterschiedliche Ursachen. Ob eine Schran-
Albumin bis 35 mg/dl kenstörung oder autochthone IgG-Produktion vorliegt, kann
IgG bis 4 mg/dl man mit dem Reiber-Schema beurteilen (. Abb. 1.7). Die
Pandy-Reaktion dient dem orientierenden Nachweis erhöhten
Liquoreiweißes
Zellzahl 0/3–12/3 Zellen, d. h. bis 4/µl Pleozytose (erhöhte Zellzahl) z. B. bei Entzündungen
Lymphozyten und Monozyten
Laktat Normal bis 2 mmol/l Erhöht durch Verstoffwechselung von Liquor-Glukose, z. B. bei
bakterieller Meningitis
1.2.1 Schlaganfall
(Hirninfarkt, zerebrale Blutung)
ropraktischer Manipulation, bei fibromuskulärer störung im Raum (abhängig von der dominanten
1 Dysplasie Hemisphäre)
4 Vaskulitis 4 A. vertebralis, A. basilaris (Hirnstammischämie)
4 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom 4 Lakunäre Infarkte: rein motorische oder rein sen-
1. Moya-Moya-Syndrom: progressive Stenosierung sible Ausfälle, evtl. auch sensomotorische Hemipa-
beider Karotiden resen, ataktische Hemiparese oder Dysarthrie mit
2. CADASIL: zerebrale-autosomal-dominante Arte- Feinmotorikstörung der Hand (»dysarthria clumsy
riopathie mit subkortikalen Infarkten und Leuk- hand syndrome«)
enzephalopathie
Einteilung nach der zeitlichen Dauer:
Epidemiologie. Lebenszeitprävalenz 15%, dritthäufigs- 4 Transitorische Ausfälle:
te Todesursache, Inzidenz: 55–64 Jahre: 300/100.000/ 5 TIA (transitorische ischämische Attacke): Dau-
Jahr; 65–74 Jahre: 800/100.000/Jahr. er der Ausfälle einige Minuten bis maximal
24 h. Amaurosis fugax: kurze meist einseitige
Symptomatik. Abhängig vom betroffenen Hirnareal. Erblindung, Leitsymptom einer ipsilateralen
Stenose der A. carotis interna
> Die Einschätzung des initialen Schweregrad (NIH
Stroke Scale, NIHSS) ist wichtig für Therapieentschei- ! Cave
dung und Prognoseeinschätzung. Bei 40% der Patienten mit TIA kommt es innerhalb
von 5 Jahren zum kompletten Hirninfarkt.
Einteilung nach der Lokalisation:
4 Territorialinfarkt: Embolisch bedingter Gefäßver- 5 (P)RIND (prolongiertes, reversibles neurolo-
schluss; betroffen ist das gesamte Versorgungsge- gisches Defizit): Dauer der vollständig rever-
biet des Gefäßes. siblen Ausfälle >24 h (nicht mehr gebräuch-
4 Grenzzoneninfarkt: hämodynamisch bedingte licher Begriff)
Minderversorgung bei Makroangiopathie. Im End- 4 Permanente Ausfälle:
stromgebiet, wo Gefäßversorgungsgebiete aneinan- 5 Kompletter Hirninfarkt: nicht oder nur par-
dergrenzen, kommt es zu einem Perfusionsdefizit tiell rückbildungsfähiges ischämisches neuro-
»letzte Wiese«. logisches Defizit
4 Lakunärer Infarkt: Mikroangiopathisch (hyper- 5 Progredienter Hirninfarkt: neurologische De-
tensive Arteriosklerose, M. Binswanger, CADA- fizite nehmen im Verlauf von Stunden oder
SIL), Endarterienverschlüsse führen zu kleinen Tagen weiter zu
subkortikalen ischämischen Infarkten. Betroffen 5 In der Regel spricht man bei Symptomdauer
sind häufig Capsula interna, Basalganglien, Pons >24 h heute von »vollendetem Insult«
und Thalamus.
Komplikationen:
Ausfallserscheinungen: 4 Hirnödem, Steigerung des intrakraniellen Drucks
4 A. cerebri anterior: kontralaterale beinbetonte He- mit Einklemmungsgefahr
miparese/-hypästhesie, Inkontinenz, Antriebsstö- 4 Einblutung ins Infarktareal
rung bis zum akinetischen Mutismus 4 Epileptischer Anfall
4 A. cerebri media: kontralaterale Mono- oder 4 Depression
Hemiparese, initial schlaff, später spastisch 4 Durch Immobilisation: Dekubitus, Beinvenen-
(positives Babinski-Zeichen), oft brachiofazial thrombose und Lungenembolie, Harnwegsinfekte,
betonte, sensible kontralaterale Ausfälle/Hemi- Aspirationspneumonie
hypästhesie, Aphasie/Dysarthrie, Neglect, Ano- 4 Rezidiv
sognosie, Dyslexie/-graphie (wenn dominante
Hemisphäre betroffen ist), kontralaterale homo- Diagnostik. Anamnese, Befund.
nyme Hemianopsie, Kopf und Augen sind der 4 Akutphase: präklinisch keine sichere Differenzie-
ischämischen Hirnseite zugewandt (»Herd- rung zwischen Schlaganfallsubtypen möglich
blick«) 5 CT: Ausschluss einer Blutung (. Abb. 1.9)
4 A. cerebri posterior: kontralaterale homoyme He- 5 Routinelabor (Blutbild, Gerinnung, Elektro-
mianopsie, Hemihypästhesie, Lese-/Rechenstö- lyte, Blutzucker, Nierenwerte), EKG, Pulsoxy-
rung, visuelle Agnosie, Neglect oder Orientierungs- metrie, Thoraxröntgen
1.2 · Vaskuläre Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark
19 1
b c d
4 Prophylaxe von Komplikationen Häufige Todesursachen der Patienten sind Herz- oder
5 Tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie: ein weiterer Hirninfarkt.
niedermolekulares Heparin s.c., Frühmobilisa-
tion 1.2.1.1 Hirnstammischämien,
5 Aspirationspneumonie: Nasensonde, Frühmo- Basilaristhrombose
bilisation Definition. Sauerstoffminderversorgung des
5 Dekubitalgeschwüre: Frühmobilisation Hirnstamms bzw. thrombotischer Verschluss der A.
4 Ggf. Therapie eines Hirnödems basilaris mit Ischämie versorgter Hirnareale.
1.2 · Vaskuläre Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark
21 1
Symptomatik. Abhängig von der Lokalisation: Definition. Arteriosklerose: Erkrankung der Arterien
4 Bewusstseinsstörungen mit Ablagerungen von Fetten, Thromben, Bindegewe-
4 Blickparesen be und Kalk in den Gefäßwänden.
4 Hemiplegia alterans: ipsilaterale Hirnnervenläh-
mungen bei Läsion der Kerngebiete und kontrala- Ätiopathogenese. Meist liegt der Arteriosklerose eine
terale motorische/sensible Ausfälle bei Läsion ent- Atherosklerose zugrunde. Initial kommt es dabei zu
sprechender Bahnen (. Tab. 1.7). einem Endothelsschaden. LDL-Cholesterin dringt in
4 Drehschwindel die Gefäßwand ein, das von Makrophagen phagozytiert
4 Nystagmus wird, die dadurch zu Schaumzellen werden. Aus Ma-
4 Erbrechen krophagen im Atherom freigesetzte Wachstumsfakto-
ren und Zytokine stimulieren glatte Muskelzellen, die
Diagnostik/Therapie. 7 Kap. 1.2.1.1. proliferieren und in die Intima einwandern. Es bilden
sich fibröse Plaques, es kommt zu Bindegewebsbildung
Subclavian-Steal-Syndrom und weiteren Lipidablagerungen, der Prozess wird irre-
Bei Stenose oder Verschluss der A. subclavia vor Abgang versibel. Durch Thrombozytenaggregation und Mi-
der A. vertebralis kann es durch Flussumkehr in der A. ver- krothrombenbildung oder durch Blutung in das athe-
tebralis zu Blutentzug im Hirnstamm kommen. Arbeit romatöse Plaque hinein (und dadurch Anschwellung)
mit dem ipsilateralen Arm kann eine Hirnstammsympto- kann es zu einem Gefäßverschluss kommen.
matik mit Schwindel, Sehstörungen, plötzlichem Hinfallen Wichtigste Risikofaktoren: arterielle Hypertonie,
ohne Bewusstlosigkeit, amnestischer Lücke (»drop attack«) Diabetes mellitus, Rauchen, Hypercholesterinämie,
oder Ataxie auslösen. Der Arm ist schnell ermüdbar, belas- Hyperlipidämie, familiäres Risiko, besonders bei Be-
tungsabhängige treten Schmerzen auf. troffensein von Verwandten 1. Grades vor dem 66. Le-
Diagnostik: Anamnese, Befund, Pulsuntersuchung (abge- bensjahr, hohes Alter, männliches Geschlecht.
schwächter Radialispuls im Seitenvergleich), Seitendiffe-
renz des Blutdrucks über 20 mmHg, Faustschlussprobe Symptomatik. Der Verlauf ist in der Regel langsam
(Symptomprovokation), Stenosegeräusch über der A. sub- und über Jahre und Jahrzehnte symptomlos. Gefäßlu-
clavia, FKDS und Angiographie. meneinengung kann zu Ischämie der Hirnareale im
Therapie: interventionelle Ballondilatation (PTA) oder Stent, Versorgungsgebiet führen, die asymptomatisch sein
Karotis-Subclavia-Bypass-OperationnurbeischwererSymp- kann oder zu transienten Ischämien bzw. Hirninfarkt
tomatik. führt.
1
1.2 · Vaskuläre Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark
23 1
Diagnostik. Anamnese, Befund, Beurteilung der Steno- Therapie. Konsequente Therapie von Risikofaktoren,
se mittels FKDS oder Angiographie (. Abb. 1.10). Iden- falls beeinflussbar! Oft sind ausreichende Bewegung, ge-
tifizierung der Risikofaktoren. sunde kalorienarme Ernährung und ggf. medikamentöse
Therapie von Risikofaktoren bzw. prophylaktische
> Da in der Regel auch extrazerebrale Gefäße betroffen Thrombozytenaggregationshemmung sinnvoll. Je nach
sind, ist die Untersuchung dieser, v. a. der Koronarge- Grad der Stenose und Konsequenzen evtl. operatives
fäße (EKG, ggf. Belastungs-EKG, Koronarangiographie) Vorgehen (Karotis-TEA bzw. Stent-Implantation – siehe
und der peripheren Gefäße (peripherer Gefäßstatus) Therapie der zerebralen Ischämie). Extrakranielle Mani-
wichtig. festationen der Arteriosklerose sind zu berücksichtigen.
In Kürze
. Abb. 1.10. a Darstellung eines geringfügig arteriosklerotischen A.-carotis-interna-Abgangs durch verschiedene Methoden.
Oben Strömungsmessung durch gepulste Dopplersonographie mit Frequenzanalyse. Normale Frequenzspektren in der Karotis-
bifurkation (oben links), im Bulbus caroticus (oben Mitte) und in der distalen A. carotis interna. Die leichte Störung des Frequenz-
spektrums im Bulbus caroticus (oben rechts) ist an dieser Stelle nicht pathologisch. Mitte links Die Strukturdarsellung der Gefäß-
wand im Ultraschall-B-Bild zeigt mehrere nichtstenosierende Plaques und flache Nischen. Mitte rechts Die eingeblendete farbko-
dierte Strömungsinformation (»Farbduplex«) zeigt ein weitgehend normales Strömungsmuster mit kleinen Rezirkulationszonen
in Wandnischen. Unten Die digitale Substraktionsangiographie (DSA) lässt entsprechend nur leichte Wandunregelmäßigkeiten
der A. carotis interna erkennen. b Darstellung einer 70–80%igen ateriosklerotischen A.-carotis-interna-Abgangsstenose durch
verschiedene Methoden: Oben Strömungsmessung durch gepulste Dopplersonographie mit Frequenzanalyse. Vorwiegend dias-
tolisch reduzierte Strömungsgeschwindigkeit in der distalen A. carotis communis (oben links). Hochgradige Strömungsbe-
schleunigung mit über 500 cm/s Spitzengeschwindigkeit in der A.-carotis-interna-Stenose (oben Mitte links). Unmittelbar post-
stenostisch immer noch hohe Spitzengeschwindigkeit. Gleichzeitig Zeichen starker Verwirbelung mit Frequenzverdichtung um
die Nullinie (oben Mitte rechts). Weiter stromabwärts langsamere, verwirbelte Strömung (oben rechts). Meherer cm distal der Ste-
nose geglättete, aber reduzierte Strömung mit abgeflachtem systolischen Anstieg. Man beachte, dass gegenüber Abb. 1b die
Frequenz- bzw. Geschwindigkeitsskala verändert wurde. Mitte links Die Strukturdarstelllung der Gefäßwand im Ultraschall-B-Bild
zeigt echoarme Wandveränderungen, in denen das Restlumen nicht klar abgrenzbar ist. Mitte rechts Durch die farbkodierte Strö-
mungsinformation werden Strombahnverengung, Strömungsbeschleunigung und poststenotische Verwibelung nicht genau,
aber übersichtlich dargestellt. Unten DSA der Stenose, die eine genaue Beurteilung auch des weiteren Gefäßverlaufs erlaubt.
(R. Winter, Heidelberg) (7 Farbtafelteil)
24 Kapitel 1 · Neurologie
1.2.3.2 Subduralblutung
Definition. Blutung zwischen Dura mater und Arach-
noidea, akut oder chronisch.
Prognose. Letalität bei akuter Blutung bis 90%; bei Epidemiologie. 10/100.000/Jahr. Vor dem 40. Lebens-
chronischer <10%. jahr häufiger bei Männern, nach dem 50. Lebensjahr
häufiger bei Frauen, insgesamt v. a. in der 5. bis 6. De-
1.2.3.3 Subarachnoidalblutung (SAB) kade. SAB wird von manchen Autoren als Ursache von
Definition. Blutung in den Subarachnoidalraum. 3% der Schlaganfällen genannt.
26 Kapitel 1 · Neurologie
4 Schnellstmögliche Korrektur von Gerinnungsstö- Hämatome <10 ml haben meist ohne Operation eine
1 rungen gute Prognose.
4 Bei erhöhtem ICP: Oberkörper hochlagern, kont- Bei initial komatösen Patienten sowie bei großen
rollierte Hyperventilation, Osmotherapie, Barbitu- linkshirnigen Blutungen oder solitären Hirnstamm-
ratnarkose und Thalamusblutungen wird aufgrund der schlechten
4 Operative Therapie: Prognose meist keine Hämatomausräumung mehr
5 Beseitigung der Blutungsquelle durchgeführt.
5 Ventrikeldrainage bei intraventrikulärer Betei-
ligung und Liquorabflussstörung Prognose. Schlechter als beim Hirninfarkt: 30-Tage-
5 Hämatomevakuation bei Kleinhirnblutung Letalität 20–56%, bei initialem Koma Letalität bis
(Hirnstammkompression), evtl. bei mittelgroßen 60%; insgesamt abhängig von Blutungslokalisation und
Hämatomen und mittelschwerer klinischer Symp- -größe.
tomatik, v. a. bei zunehmender Bewusstseinstrü-
bung oder bildgebend zunehmender Raumfor- > 1/3 sterben, 1/3 zeigen schwere, 1/3 leichte oder kei-
derung mit Verschiebung der Mittellinie ne Behinderungen.
In Kürze
Intrakranielle Blutungen
6
1.2 · Vaskuläre Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark
29 1
4 Zum Nachweis der Blutung und ggf. der Blutungs- 1.3 Neurotraumatologie
1 quelle (Tumor) sind CT und MRT mit Angiogra-
phie (Venographie) gleichwertig, das Nativ-CT 1.3.1 Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
zeigt ggf. Stauungsblutungen, unter KM-Gabe sieht
man manchmal das »empty triangle sign« (kont- Definition. Schädelverletzungen mit Gehirnbeteili-
rastmittelumspülter Thrombus) gung.
> Beim leichten SHT ohne Komplikationen ist das CCT Ätiopathogenese. Ursachen können sein:
in der Regel ohne pathologischen Herdbefund. 4 Traumatisch: stumpfes Trauma, Luxation, instabi-
le Wirbelkörperfraktur, Elektrotrauma, ionisieren-
32 Kapitel 1 · Neurologie
de Strahlen (Tumorbestrahlung >40 Gy), chiro- – Kontralaterale Störung von Schmerz- und
1 praktische Therapie. Temperaturempfinden bei erhaltenem
4 Nichttraumatisch, z. B. vaskulär, entzündlich, me- Druck- und Berührungsempfinden (dissozi-
tabolisch, neoplastisch ierte Empfindungsstörung)
5 Auf Höhe der Läsion kommt es zu ipsilateraler
Epidemiologie. Traumatisch: 1–3/100.000/Jahr, M>W. Aufhebung aller sensiblen Qualitäten und
schlaffer Parese
Symptomatik. Unterschieden werden: 4 Central-cord-Syndrom: Verletzung des zentralen
4 Commotio spinalis: Erschütterung des Rücken- Rückenmarks oft im HWS-Bereich mit Ausfällen
marks, innerhalb von Stunden komplett reversibel im Armbereich, meist gute Erholung (Stehen und
4 Contusio spinalis: mit Substanzschädigung, ver- Gehen möglich)
bleiben können motorische Lähmungen, Sensibili- 4 Conus-medullaris-Syndrom: unterer Teil des Rü-
tätsausfälle, Blasen- und Mastdarmstörungen, im ckenmarks mit Lähmung der Mm. glutei, Reitho-
Extremfall komplette Zerreißung des Rückenmarks senanästhesie, Blasen- und Mastdarmstörung
4 Compressio spinalis 4 Cauda-equina-Syndrom: Nervenfasern L2–S5
kaudal des Rückenmarks mit schlaffen Paresen,
Querschnittlähmungen sind Folge einer Schädigung Sensibilitätsstörungen der Beine, Blasen- und
von Rückenmark/Cauda equina: Mastdarmlähmung
4 Einteilung nach dem Verlauf:
5 Akute Querschittslähmung mit schlaffer Läh- Mögliche Komplikationen:
mung und Überlaufblase (Phase des spinalen 4 Dekubitus
Schocks, Tage bis Wochen) 4 Blasen- und Niereninfektionen, Urosepsis
5 Bei bleibender Querschnittslähmung entwi- 4 Autonome Dysreflexie: Bei Rückenmarkläsion
ckelt sich im Verlauf eine Spastik (nicht bei oberhalb von Th 6 werden supraspinale vegetative
Cauda-equina-Syndrom, da periphere Läsion) Kontrollzentren abgetrennt, Folge ist eine Überre-
4 Einteilung nach neurologischen Ausfällen (lokali- aktion des spinalen sympathischen Nervensystems:
sationsabhängig): Reize in Darm oder Blase lösen anfallsartig hyper-
5 Motorisch: spastische Para- bzw. Tetraplegie tone Krisen aus
mit spinalen Automatismen (unwillkürliche 4 Posttraumatische Syringomyelie in ca. 5% der Fälle
Beuge- oder Strecksynergismen), Pyramiden- bis zu Jahrzehnten nach der Läsion
bahnzeichen, gesteigerte Reflexe. Schlaffe Para- 4 Heterotope Ossifikation: Periartikuläre Knochen-
parese bei Caudaläsion, schlaffe Parese/Plegie neubildung bei tetraplegischen Patienten v. a. im
während des spinalen Schocks Hüft-Bereich, Therapie: Bestrahlung, Indometacin,
5 Sensibel: spinales sensibles Niveau, d. h. unter- evtl. operativ
halb eines bestimmten Dermatoms (entspre- 4 Gelenkkontrakturen
chend der Höhe der Läsion) bestehen Hypäs-
thesie und Hypalgesie, darüber ist die Ästhesie Diagnostik. Anamnese, Befund (gemäß ASIA, Ameri-
normal can Spinal Injury Association).
5 Vegetativ: neurogene Blasenlähmung (abhän- 4 Atem-, Blasen-, Mastdarm-, Sexualfunktion, Sudo-
gig von Läsionshöhe Überlaufblase oder Re- motorik, kardiovaskuläre Funktionen, Extremitä-
flexblase), Sexualdysfunktion, Herz-Kreislauf- tendurchblutung, Körpertemperatur
Dysregulation 4 Röntgen, CT, MRT, selten Myelographie (bei Ver-
dacht auf Wurzelausrisse, ggf. Suche nach weiteren
Rückenmarksyndrome: Verletzungen)
4 Anterior-cord-Syndrom: Verletzung der vorderen 4 Elektrophysiologie
2/3 des Rückenmarks mit motorischen Ausfällen und 4 Differenzialdiagnostische Abklärung bei nichttrau-
dissoziierter Empfindungsstörung (ähnlich dem A.- matischer Querschnittlähmung
spinalis-anterior-Syndrom), schlechte Prognose
4 Brown-Séquard-Syndrom: halbseitige Quer- Therapie. Erstversorgung, intensivmedizinische Über-
schnittslähmung wachung:
5 Unterhalb der Läsion: 4 Sicherung der Vitalfunktionen
– Ipsilaterale Störung der Tiefensensibilität 4 Engmaschige Kontrolle neurologischer Ausfälle,
und spastische Parese GCS
1.4 · Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems
33 1
In Kürze
Neurotraumatologie
Epidemiologie. 3–10/100.000/Jahr, 80% Säuglinge und Therapie. Initiale Antibiotikawahl bei unbekanntem
1 Kleinkinder. Erreger:
4 Ceftriaxon und Ampicilin: Patienten ohne Grund-
Symptomatik. Typisch sind: krankheit (Ampicillin wirkt auch gegen Listerien,
4 Prodromi: grippeähnliche Beschwerden Cephalosporine alleine nicht!)
4 Kopfschmerzen 4 Ceftriaxon und Fosfomycin bei HNO-Infektion
4 Meningismus oder offenem SHT (Fosfomycin wirkt gegen Sta-
4 Hohes Fieber phylokokken)
4 Übelkeit, Erbrechen 4 Ceftriaxon, Fosfomycin und Gentamycin: noso-
4 Lichtscheue komiale Infektion (Staphylokokken und gram-
4 Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen negative Enterobakterien wie Pseudomonas aeru-
4 Epileptische Anfälle ginosa)
4 Hirnnervenbeteiligungen (ca. 10%) 4 Ceftriaxon + Fosfomycin + Ampicillin bei Immun-
4 Evtl. Hautexanthem defizienz
5 Meningokokkenmeningitis: Oft plötzlicher 4 Penicillin G i.v.: Verdacht auf Meningikokkenme-
Krankheitsbeginn mit Petechien oder Purpura ningitis
der Haut. In 10% der Fälle große petechiale Haut-
blutungen, Verbrauchskoagulopathie, Kreislauf- > Besteht bei Bewusstseinsstörung oder fokal neuro-
versagen (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) logischem Defizit der Verdacht auf Meningitis, wird
5 Septische Endokarditis mit Osler-Knötchen sofort nach Abnahme der Blutkulturen antibiotisch
an Fingern und Zehen behandelt. Dann erfolgen CCT (Ausschluss erhöh-
ten intrakraniellen Drucks) und Lumbalpunktion.
! Cave Bestehen keine Bewusstseinsstörungen oder fokal
Bei Säuglingen fehlt der Meningismus oft, unspezifi- neurologischen Defizite wird die Lumbalpunktion
sche Symptome wie Trinkfaulheit stehen im Vorder- vor Beginn der antibiotischen Therapie durch-
grund. geführt.
Komplikationen (bei etwa 50% der Erwachsenen, meist Falls notwendig muss später nach Antibiogramm auf
in der 1. Woche): eine gezielte antibiotische Therapie umgestellt werden.
4 Hirnödem Dauer der Antibiotikatherapie:
4 Hydrozephalus (Liquorresorptionsstörung) 4 Unkompliziert verlaufende Meningitis bei Hae-
4 Sinusvenenthrombose mophilus influenzae oder Meningokokken: 7–10
4 Infarkte (evtl. hämorrhagisch transformiert) bei Tage
zerebraler Vaskulitis, bei septisch-embolischer 4 Pneumokokkenmeningitis: 10–14 Tage
Herdenzephalitis oder Stauungsinfarkten bei SVT 4 Listerien oder gramnegativen Enterobakterien:
4 Intrazerebrale Blutung meist >3 Wochen
4 Hirnabszess (Staphylokokken, Streptokokken,
Pneumokokken) In der ersten Woche ist die Unterbringung auf einer
4 Epileptische Anfälle Intensivstation sinnvoll. Ggf. muss die operative Sanie-
4 Hörstörungen(Labyrinthitis)/Vestibulopathie rung einer Infektionsquelle erfolgen.
4 Extrakranielle Komplikationen (septischer Schock
mit Verbrauchskoagulopathie, ARDS) Meldepflicht und Prophylaxe
4 Elektrolytstörungen (Hyponatriämie, SIADH) 4 Meningokokken:
5 Meldepflicht bei Meningitis oder Sepsis (Verdacht,
Diagnostik. Anamnese, Befund. Erkrankung, Tod) und dem Erregernachweis
4 Labor: Entzündungsparameter, d. h. Leukozytose, 5 Isolierung bei Verdacht bis 24 h nach Beginn der
CRP, PCT (Prokalzitonin, spricht für eine bakteri- Antibiotikatherapie
elle, gegen eine virale Meningitis), Blutkulturen 5 Hygienemaßnahmen des Personals
sind in etwa 50% der Fälle positiv 5 Frühe Chemoprophylaxe für enge Kontaktper-
4 Liquordiagnostik, . Tab. 1.8. sonen bis 10 Tage nach Exposition (Rifampicin,
4 CCT/CMRT: KM-Anreicherung in den Meningen, Ciprofloxacin oder Ceftriaxon)
evtl. Ursache der Meningitis darstellbar 5 Meningokokken-Impfung: für alle Kleinkinder ab
4 HNO-Untersuchung (Otitis o. ä.?) dem vollendeten 12. Lebensmonat (gegen Sero-
1.4 · Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems
35 1
Zellzahl/µl 4 Meist >1000 – einige tausend 25–1000 – oft einige hundert, 50–300
4 Zellzahlen <1000 zum Krank- bei chronischem Verlauf fehlt
heitsbeginn, unter Antibiose, die Liquorpleozytose oft oder
bei fulminantem Verlauf oder ist gering
Abwehrschwäche möglich.
gruppe C) sowie bei Reisen in Endemiegebiete Ätiopathogenese. Virale Meningitiden treten bei ver-
(Meningitis-Gürtel Afrikas, v. a. gegen Serogruppe schiedenen Virusinfektionen auf.
A), bei Ausbrüchen und bei Personen mit Immun- 4 Häufige Erreger viraler Enzephalitiden:
defekten (Aplenie) empfohlen 5 Herpes-simplex-Virus (HSV-1, HSV-2) und
4 Haemophilus influenza, Listeria monocytogenes, Zytomegalie-Virus (CMV)
Pneumokokken 5 Enteroviren: Poliomyelitis-, ECHO- und Cox-
5 Meldepflicht bei direktem Nachweis von Haemo- sackie-Virus
philus influenzae oder Listeria monocytogenes im 5 Arbovirus = Arthropode-borne (meist durch
Liquor oder Blut Insekten übertragen): FSME und japanische
5 Impfung gegen Pneumokokken und Haemophilus Enzephalitis
influenzae Typ B für alle Kinder empfohlen 4 Parainfektiöse/immunvermittelte Enzephalitis im
Rahmen viraler Allgemeinerkrankungen: Mumps,
Prognose. Höchste Letalität bei Pneumokokken- und Masern, Röteln, Varizella-Zoster-Virus (VZV)
Listerienmeningitiden (20–40%), Meningokokkenme- 4 Postvakzinale Enzephalitis: Risiko 1/300.000–
ningitiden (3–10%). Neurologische Ausfälle verbleiben 500.000 nach Tollwut-, Masern-, Pertussis- oder
in etwa 1/3 der Fälle. FSME-Impfungen
nose, selbst wenn sie als akute Krankheitsbilder hoch Intervall vor Einsetzen der neurologischen Beschwer-
1 dramatisch in Erscheinung treten können. den (und ein negativer Erregernachweis).
> Die HSV-Enzephalitis hat dagegen unerkannt und Diagnostik. Zur Diagnostik gehören:
unbehandelt eine Letalität von mindestens 70%, 4 Labor: meist unauffällige oder geringfügig erhöhte
unbehandelt Überlebende behalten schwere Defekte Entzündungsparameter, relative Lymphozytose,
zurück. Virusnachweis, PCR/Serologie (Liquordiagnostik:
. Tab. 1.8)
Tollwut (Rabies) endet letal, da eine spezifische Thera- 4 Bildgebung: cCT/cMRT
pie fehlt. 4 EEG (Verlangsamung des Grundrhythmus, Herd-
Virale Meningitis: befunde?)
4 Kopfschmerz
4 Fieber Therapie. Einige Viren können spezifisch antiviral
4 Übelkeit und Erbrechen therapiert werden, z. B. HSV-Enzephalitis. Passive
4 Meningitische Reizsymptome Immunisierung, z. B. bei Rabiesinfektion. Kontrolle
4 Überempfindlichkeit gegenüber Licht und lauten von Vitalparametern, Temperatur und Elektrolyten,
Geräuschen Therapie und Prophylaxe von Hirnödem, Epilepsie,
4 Die akute Symptomatik klingt auch ohne Therapie Thrombembolie.
nach Tagen bis wenigen Wochen ab
! Cave
Akute virale Meningoenzephalitis: Oft im Anschluss Prophylaktisch wird eine generelle aktive Immunisie-
an rung (Mumps, Masern, Röteln, Varizellen, Poliomyeli-
4 eine Allgemeinerkrankung (Mumps, Masern, Rö- tis) bzw. bei Reisen bzw. Aufenthalt in Endemiegebie-
teln, Windpocken, Exanthema subitum, Ringelrö- ten oder bei exponierten Berufsgruppen (FSME,
teln), Tollwut) empfohlen.
4 eine Gastroenteritis (Enteroviren) oder
4 ein katarrhalisches Prodromalstadium (HSV-Enze-
phalitis, FSME). 1.4.1.3 Herpes-simplex-Enzephalitis
4 Beginn der Symptomatik meist mit Fieber, Kopf- Definition. Entzündung des Gehirns durch Herpes-
schmerzen und meningitischen Reizsymptomen simplex-Virus.
Chronische virale Enzephalitiden manifestieren sich Epidemiologie. 1,5–4/1.000.000 Einwohner, kein ge-
langsam progredient mit Persönlichkeitsveränderun- häuftes Auftreten bei rekurrierendem Herpes labialis.
gen, pseudodemenziellem Syndrom und neurologi-
schen Ausfällen. Symptomatik. Verlauf in 3–5 Phasen:
Die Varizellenenzephalitis manifestiert sich 4–8 4 Grippales Vorstadium (Kopfschmerz, Fieber), dann
Tage nach den Hauteffloreszenzen, häufig treten zere- oft kurzzeitige Besserung
belläre Symptome auf. 4 Wernicke-Aphasie, wenn dominante Hemisphäre
Eine Zosterenzephalitis als Komplikation eines betroffen, und Hemiparese
Herpes zoster betrifft meist Personen mit einem Im- 4 Psychotische Episoden (Verwirrtheit, Geruchshal-
mundefekt, z. B. Leukämie-Kranke. Tage bis Wochen luzinationen)
nach Auftreten der kutanen Bläschen kommt es zu 4 Epileptische Anfälle (initial komplex-fokal, sekun-
Symptomen der Enzephalitis, meist ist der Verlauf we- där Generalisierung möglich)
niger schwer als die HSV-1-Enzephalitis. 4 Zunehmende Bewusstseinsstörung bis Koma
Für eine parainfektiöse/postvakzinale Ursache
sprechen eine Infektion oder Impfung in den vorausge- > Leitsymptome: Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörung,
gangenen 1–4 Wochen, meist gefolgt von einem freien Fieber.
1.4 · Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems
37 1
. Abb. 1.13. Klinische, apparative und liquordiagnostische Befunde bei der Herpes-simplex-Enzephalitis. (Nach Hacke u.
Zeumer 1985)
38 Kapitel 1 · Neurologie
fektion mit Befall von Nervensystem, Gelenken 4 <10% der Fälle chronische Infektion mit schlei-
1 und Herz chender Symptomentwicklung und Dauer >6
5 Meningitis fast nur bei Kindern Monate
5 Meningoenzephalitis 4 Eine Beteiligung des ZNS ist bei der Neuroborreli-
5 (Garin-Bujadoux-)Bannwarth-Syndrom ose eher selten und kann betreffen:
(Meningoradikuloneuritis): Neben dem Ery- 5 Rückenmark: Myelitis, meist chronisch Verlauf
thema migrans in Europa häufigste Manifesta- (Blasenstörung, spastischer und ataktischer
tion einer akuten Borreliose Gangstörung, Paresen)
– Radikulitis mit segmentalen Schmerzen 5 Gehirn: Enzephalitis, meist chronisch, Borreli-
wechselnder Lokalisation, nachts verstärkt, en-induzierte zerebrale Vaskulitis
schlechtes Ansprechen auf herkömmliche
Analgetika Eine Borrelien-induzierte Myositis ist sehr selten.
– Meist nach 1–4 Wochen neurologische Aus-
fälle: oft asymmetrische periphere Paresen, Diagnostik. Anamnese (Zeckenbiss, Aufenthalt in En-
seltener Sensibilitätsstörungen (Reizerschei- demiegebieten, Erythema migrans, Lymphadenosis cu-
nungen, Taubheit) tis benigna), Befund, Labor (Entzündungsparameter).
– Promptes Ansprechen auf Antibiotika ist ty- 4 Liquor:
pisch 5 Lymphomonozytäre Liquorpleozytose (bei ak-
– Über die Hälfte der Patienten hat Hirnner- tueller Krankheitsaktivität), Schrankenstörung,
venausfälle (häufig auch bilaterale Fazia- Nachweis oligoklonaler Banden. Glukose und
lisparese) Laktat kaum verändert, Protein im Liquor
– Meist vollständige Rückbildung in 1–2 Mo- leicht erhöht
naten 5 Serologie: Nachweis Borrelien-spezifischer in-
– Residuen oder Defektheilungen mit Fazialis- trathekaler Antikörperproduktion: Liquor/Se-
synkinesien in ca. 5% der Fälle rum-Index
5 Karditis mit Reizleitungsstörungen, Myokardi- – Ab der 2. Krankheitswoche, nach 2–3 Mona-
tis, Perikarditis ten bei Neuroborreliose fast immer nach-
5 Arthralgien und Myalgien, selten Arthritis und weisbar
Myositis – Antikörper, auch IgM können lange nach
5 Lymphadenosis cutis benigna: halbkugelige abgelaufener Entzündung nachweisbar blei-
Tumoren v. a. an Mamillen, im Genitalbereich ben, so dass nur die gleichzeitige Liquor-Pleo-
und an den Ohrläppchen zytose für eine aktive Infektion spricht
4 Stadium 3: Selten nach Monaten bis Jahren, späte – PCR: Nachweis von Borrelien-DNA im Li-
bzw. chronische Manifestation, oft ohne vorherge- quor bei ca. ¼ der Patienten mit akuter Neu-
hende Krankheitszeichen roborreliose
5 Haut: Acrodermatitis chronica atrophicans 4 Serodiagnostik:
Herxheimer 5 Suchtest (Enzym-Immuno-Assay -EIA)
5 Neuroborreliose: 5 Anschließend Bestätigungstest (Western-Blot)
– Chronische Meningitis
– Myelitis Therapie.
– Enzephalitis 4 Antibiotisch: bei Bannwarth-Syndrom, Erythema
– Polyneuropathie/Polyneuritis (häufig zu- chronicum migrans, lymphomonozytärer Pleozy-
sammen mit der Acrodermatitis chronica tose im Liquor und Nachweis einer spezifischen
atrophicans), Hirnnervenlähmungen intrathekalen Antikörperproduktion:
– Selten Mononeuritis multiplex oder Plexus- 5 Doxycyclin ist Mittel der Wahl bei Erythema
neuritis chronicum migrans
5 Lyme-Arthritis v. a. großer Gelenke 5 Ceftriaxon ist Mittel der Wahl bei Neuroborre-
5 Chronisch dilatative Kardiomyopathie liose (liquorgängig, lange HWZ)
fektion positiv, bleibt lebenslang positiv, falsch Therapie. Behandlungsbedarf besteht bei positivem
1 positiv z. B. bei Borreliose Ausfall einer Lipoidantikörperreaktion (VDRL-Test)
5 FTA-ABS-Test (Fluoreszenz-Treponema-An- bzw. Nachweis Treponemen-spezifischer IgM-Antikör-
tikörper-Absorptionstest): Bestätigungsreakti- per im Serum.
on bei positivem TPHA-Test, 3–4 Wochen nach
Infektion positiv, bleibt lebenslang positiv ! Cave
5 Beide Tests beruhen auf dem Nachweis Trepo- Bei aktiver Neurosyphilis im Tertiärstadium können
nemen-spezifischer Antikörper, falsch-positive der VDRL-Test und selten auch der IgM-ELISA negativ
Ergebnisse kommen selten vor, z. B. im Rah- sein. Dann wird die Behandlungsbedürftigkeit in Ab-
men von Autoimmunkrankheiten. Der Nach- hängigkeit von Liquorbefund (Pleozytose und hoher
weis Treponemen-spezifischer IgM-Antikör- TPPA-Titer) sowie klinischer Progredienz abgeschätzt.
per spricht für das Vorhandensein von Erre-
gern und zeigt Behandlungsbedarf an. Mittel der 1. Wahl: Penicillin G i.v. in kristalloider Lö-
5 CMF-Test (Cardiolipinmikroflockungstest) sung über mindestens 14 Tage. Alternativ: tägliche i.v.
und VDRL-Test (Veneral-Disease-Research- Gabe von 2 g Ceftriaxon für 10–14 Tage. Ggf. sympto-
Laboratory-Slide-Test): Nachweis von unspezi- matische Therapie epileptischer Anfälle, lanzierender
fischen Reaginen, die z. B. mit Cardiolipin rea- Schmerzen, psychotischer Episoden.
gieren und etwa 5 Wochen nach der Infektion
auftreten. Der Test ist unspezifisch bei einigen Jarisch-Herxheimer-Reaktion
viralen und bakteriellen Erkrankungen sowie Tritt 12–24 h nach Beginn der Antibiotikatherapie, v. a. bei
bei Kollagenosen positiv. Er dient der Beurtei- Primär- und Sekundärsyphilis auf, wenn durch Erregerzer-
lung der Krankheitsaktivität. fall Endotoxine frei werden. Bei Neurosyphilis tritt sie nur in
4 MRT: Ischämie, Hydrozephalus, Gumma?, Aus- 1–2% der Fälle auf. Symptome: Fieber, Tachykardie, Blut-
schluss anderer Krankheiten druckveränderungen, epileptische Anfälle und neurolo-
4 EEG bei epileptischen Anfällen, evozierte Potenzi- gische Ausfälle, die symptomatisch behandelt werden.
ale und ophthalmologische Untersuchung bei Ta- Wichtig ist die Überwachung, das Antibiotikum muss wei-
bes dorsalis tergegeben werden.
In Kürze
Neuroborreliose 4 Symptomatik: Borreliose ist eine in Stadien verlaufende systemische Erkrankung mit All-
gemeinsymptomen und Symptomen an Haut, Herz, Gelenken und Nervensystem.
4 Manifestationen der Neuroborreliose:
4 Bannwarth-Syndrom = Meningoradikuloneuritis
4 Hirnnervenausfälle, oft (bilaterale) Fazialisparese
4 Polyneuropathie/Polyneuritis
4 Selten Mononeuritis multiplex oder Plexusneuritis
4 Ätiologie: Übertragung von Borrelien durch Zecken
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Liquor: lymphomonozytäre Liquorpleozytose (bei aktu-
eller Krankheitsaktivität), Nachweis oligoklonaler Banden. Glukose und Laktat kaum ver-
ändert, Protein leicht erhöht; Nachweis der Borrelien-spezifischen intrathekalen Anti-
körperproduktion (Liquor/Serum-Index!). Serodiagnostik: Suchtest (EIA), Bestätigungs-
test (Western Blot). Labor: Entzündungsparameter im Blut
4 Therapie: Ceftriaxon
44 Kapitel 1 · Neurologie
Ätiopathogenese. Offenes SHT, fortgeleitet bei Ent- 4 Hydrocephalus e vacuo: Vergrößerung der Li-
zündungen im HNO-Bereich (Otitis, Mastoiditis etc.), quorräume durch primär hirnatrophischen Prozess
hämatogen, Erreger: oft Staphylokokken, Streptokok- bei normalem Hirndruck
ken, E. coli. 4 Normaldruckhydrozephalus
Symptomatik. Abhängig von Lokalisation und Symptomatik. Abhängig vom Alter und von der Ge-
Größe: zerebrale Herdsymptome (fokales neuro- schwindigkeit der intrakraniellen Drucksteigerung Kopf-
logisches Defizit, epileptische Anfälle) und Zeichen schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, psychische Veränderun-
der Hirndrucksteigerung mit Übelkeit, Erbrechen, gen (Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen).
Kopfschmerzen, ggf. Bewusstseinstrübung, oft Bei Säuglingen und Kleinkindern vor Verschluss
afebril. der Schädelnähte nimmt der Kopfumfang bis zum Was-
serkopf zu, Schädelnähte klaffen, Fontanellen sind ge-
Diagnostik. Anamnese, Befund, Labor: Entzündungs- spannt. Die Pupillen zeigen das Sonnenuntergangszei-
parameter, Blutkulturen, Infektfokussuche (Pneumo- chen (Pupillen sind nach unten gerichtet und ver-
nie, HNO-ärztliche Untersuchung, Endokarditis?), schwinden unter dem Unterlid). Ohne Therapie können
Immundefizienz, ggf. Punktion und Erregergewin- Spastik, Nystagmus, motorische und geistige Retardie-
nung aus dem Abszess, Liquordiagnostik, Bildgebung rung auftreten.
(CCT, CMRT).
! Cave
Therapie. Antibiotische Therapie je nach Erreger, symp- Nach Verschluss der Schädelnähte nimmt der Kopf-
tomatische Therapie, neurochirurgische Versorgung umfang nicht mehr zu, der ICP steigt, es kann zu Ein-
(Drainage), Behandlung des ggf. vorliegenden Erreger- klemmung, Koma und Tod kommen.
herdes (Endokarditis etc.).
Diagnostik. Anamnese, Befund.
4 Augenspiegelung (Stauungspapille)
1.5 Raumforderungen im ZNS 4 Bei Säuglingen Kopfumfangsmessung im Verlauf
4 CCT, CMRT, Sonographie bei noch offenen Fonta-
1.5.1 Hydrozephalus nellen, Liquorszintigraphie
4 EEG
Definition. Erweiterung der liquorhaltigen Räume des 4 Liquordruckmessung
Gehirns als:
4 Hydrocephalus internus: Vergrößerung der Vent- Therapie. Therapie der Grundkrankheit. Liquorablei-
rikelräume (innere Liquorräume) tung mittels Katheter vom Seitenventrikel in den rech-
4 Hydrocephalus externus: Vergrößerung der äuße- ten Herzvorhof (ventrikulo-atrialer Shunt) oder ins
ren Liquorräume Peritoneum (ventrikulo-peritonealer Shunt).
4 Hydrocephalus communicans: Vergrößerung der
inneren und äußeren Liquorräume
1.5.2 Normaldruckhydrozephalus (NPH)
Ätiopathogenese. Angeboren oder erworben. Eintei-
lung: Definition. Ventrikelerweiterung bei normalem Li-
4 Hydrocephalus occlusus: Verschlusshydrozepha- quordruck und kommunizierenden Liquorräumen
lus durch Abflussstörung im Ventrikelsystem: Blo- plus typische Symptomatik.
ckade der Foramina, Aquäduktstenose bei Tumor,
Ventrikelblutung, Entzündung, Arnold-Chiari- Ätiopathogenese. Diskutiert wird die Diffusion von
Malformation Liquor durch die Ventrikelwände (Liquordiapedese)
4 Hydrocephalus malresorptivus/aresorptivus: und periventrikuläre Ödembildung, Reduktion der
Resorptionsstörung des Liquors durch Verkle- Blutversorgung und Läsionen im periventrikulären
bung der Granulationes arachnoidales nach SAB, Marklager. Häufig haben Betroffene eine arterielle
eitriger Meningitis, Meningeosis carcinomatosa, Hypertonie.
postoperativ
4 Hydrocephalus hypersecretorius: vermehrte Symptomatik. Der Verlauf ist langsam progredient.
Liquorproduktion (entzündlicher, toxischer Reiz, 4 Gangstörung: häufigstes Symptom variabler Aus-
Plexuspapillom) prägung mit Gangunsicherheit, frontaler Abasie/
46 Kapitel 1 · Neurologie
ZNS-Tumoren
4 Neuroepitheliale Tumoren
– Astrozytäre Tumoren: Astrozytom, Glioblastom
– Oligodendrogliale Tumoren: Oligodendrogliom
– Mischgliome: Oligoastrozytom
– Ependymale Tumoren: Ependymom
– Tumoren des Plexus choroideus: Plexuspapillom, Plexuskarzinom
– Neuroblastäre Tumoren: Olfaktoriusneuroblastom, Neuroblastome der Nebenniere und des sympa-
thischen Nervensystems
– Pinealisparenchym-Tumoren: Pineozytom, Pineoblastom
– Embryonale Tumoren: Medulloblastom, Neuroblastom
4 Tumoren peripherer Nerven
– Schwannom (Neurilemmom, Neurinom)
– Neurofibrom
– Tumoren meningothelialer Zellen: Menigeom
4 Mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren wie Lipom, Lipo- und Fibrosarkom, malignes fibröses Histio-
zytom
4 Lymphome und hämatopoetische Neoplasien
4 Keimzelltumoren: Germinom, Embryonales Karzinom, Dottersack-Tumor, Chorion-Karzinom, Teratom
4 Tumoren der Sella-Region: Kraniopharyngeom
4 Metastasen
Ätiopathogenese. Die Ätiologie der meisten Hirntu- Epidemiologie. Inzidenz primärer intrakranieller Tu-
moren ist unbekannt. Strahlentherapie und bestimmte moren: 1:10.000/Jahr. Erster Häufigkeitsgipfel im 1.
Erbkrankheiten (z. B. Neurofibromatose) können das Lebensjahrzehnt, Abfall zwischen dem 15. und 24. Le-
Risiko für die Entstehung eines Hirntumors erhöhen. bensjahr, dann kontinuierlicher Anstieg, 2. Gipfel zwi-
48 Kapitel 1 · Neurologie
Pilozytisches I Beide Geschlechter, Meist Scharf abgegrenzt, häufig Geringe Tendenz zur
Astrozytom v. a. bei Kindern bis infratentoriell Zysten, kräftig KM auf- Proliferation und fast
20. Lebensjahr nehmend, im CT oft hy- keine zur malignen
podens, im MRT in T1 Transformation; Hei-
leicht hypointens, in T2 lung durch Operati-
hyperintens on möglich
Fibrilläres, II Astrozytome II–III Vor allem CT: homogen hypo- bis Fibrilläres, gemisto-
gemistozys- 25% der intrakrani- Großhirn-hemi- isodens, oft unscharf ab- zystisches und pro-
tisches und ellen Tumoren sphären grenzbar, meist keine KM toplasmatisches As-
proto- Gipfel 30. bis Aufnahme, kein Ödem, in trozytom
plasmatisches 40. Lebensjahr, 10% Verkalkung
Astrozytom M>W MRT: T1 homogen, leicht
hypointens, keine KM-
Aufnahme, T2 homogen
hyperintens
Meningeom I 1/5 der intrakraniel- Dura-assoziiert CT: nativ meist scharf Grad I: Heilung
len Tumoren: von 90% intrakrani- abgegrenzt hyperdens, durch Operation
der Arachnoidea ell: Falx, parasag- Verkalkungen, intensive möglich (20% über
ausgehend; meist ittal, Konvexität, homogene KM-Auf- 20 Jahre)
benigner Tumor Olfaktoriusrinne, nahme, Duraassoziation, Grad III: Überlebens-
(WHO-Grad I), selte- Keilbein, hintere ossäre osteoplastische zeit <2 Jahre
ner anaplastisches Schädelgrube Auftreibungen
M. (WHO-Grad III) Selten spinal, MRT: T1 und T2 hyperin-
Gipfel: 6. bis 7. dann v. a. thora- tens, in T1 heterogenes
Dekade, W:M = 3:2 kal KM-Enhancement, Ver-
kalkungen
Ependymom II–III Meist Kinder oder 60% infratento- CT: iso-hyperdens, oft zys- Frühe Metastasie-
Erwachsene im 20. riell, spinal häu- tisch und Verkalkungen, rung, 5-Jahres-Über-
bis 30. Lebensjahr figster neuroepi- irreguläres KM-Enhance- lebensrate bis 50%
thelialer Tumor ment
MRT: T1: hypointens, T2:
hyperintens
Medullo- IV 70% Kinder (5. bis 9. Oft Dach des IV. CT: homogen, leicht hy- 5-Jahres-Überle-
blastom Lebensjahr) M>W Ventrikels, perdens, z. T. Blutungen, bensrate bis 60%
Metastasen im Zysten, kräftige KM-
Subarachnoidal- Aufnahme
raum, Spinal- MRT: hypointens, z. T. zys-
kanal tisch, starke KM-Aufnah-
me, evtl. Hydrozephalus,
T2: isointens
1.5 · Raumforderungen im ZNS
49 1
schen 60 und 75 Jahren. 15% der primären ZNS Tumo- Spezielle Symptome von Meningeomen, abhängig von
ren sind spinal lokalisiert. der Lokalisation:
Bei Erwachsenen überwiegen supratentorielle Tu- 4 Einseitige Parese oder Paraparese der Beine
more: Gliome, Meningeome, Metastasen; bei Kindern 4 Geruchsstörung, Hör- oder Sehstörungen
infratentorielle Tumore (unterhalb des Tentorium ce- 4 Foster-Kennedy-Syndrom: ipsilaterale Optikusa-
rebelli): pilozytisches Astrozytom, Medulloblastom, trophie, kontralaterale Stauungspapille, bei Keil-
Ependymom. beinflügelmeningeom
4 Querschnittlähmung bei spinaler Lokalisation
> Nach den Leukämien sind ZNS-Tumoren bei Kindern
die häufigsten Tumorerkrankungen. Komplikationen: Durch raumfordernde Wirkung des
Tumors und des perifokalen Ödems:
Symptomatik. Typisch sind: 4 Massenverschiebung und Einklemmung
4 Hirndruckzeichen: 4 Durchblutungs- und Liquorzirkulationsstörungen:
5 Kopfschmerzen Infarkte bzw. Hydrozephalus
5 Übelkeit, Erbrechen, v. a. morgens, Nüchtern-
erbrechen Diagnostik. Anamnese, Befund, Erfassung von Tumor-
5 Singultus progression und Therapiefolgen.
5 Vigilanzstörungen 4 CMRT (. Abb. 1.14, . Abb. 1.15) mit KM (1. Wahl)
5 Zeichen drohender Einklemmung oder CCT (Operationsplanung, unruhige Patien-
4 Epileptische Anfälle ten, Therapieüberwachung, meist bessere Verfüg-
4 Wesens- und Verhaltensänderungen: Konzentrati- barkeit), ggf. zerebrale Angiographie (Operations-
onsstörungen, Antriebslosigkeit, Affektverände- planung, präoperative Embolisierung tumorver-
rung, Dysphorie sorgender Gefäße)
4 Fokale neurologische Ausfälle je nach Lokalisation 4 Bei Metastasen (Diagnostik des Primärtumors)
a b
. Abb. 1.14a, b. a Kraniales MRT, T1, axial mit KM: Man er- ist duraassoziiert lokalisiert. Es kommt zur Kompression des
kennt eine hyperintense, KM-aufnehmende Raumforderung umgebenden Hirnparenchyms sowie der Hinterhörner der
im Bereich des Tentorium cerebri. b Kraniales MRT, T2, axial Seitenventrikel. Die Sulci sind okzipital verstrichen. (Klinik und
mit KM: Die Raumforderung stellt sich hier nahezu isointens Hochschulambulanz für Radiologie und Nuklearmedizin an
zum Hirnparenchym dar. Gut erkennbar ist das hyperintense der Charite Campus Benjamin Franklin, Berlin, Leiter: Prof. Dr.
perifokale Hirnödem, das die eigentliche Raumforderung um- med. Dr. h.c. K.-J. Wolf )
gibt. In beiden Abbildungen ist die Läsion scharf begrenzt. Sie
50 Kapitel 1 · Neurologie
a b c
. Abb. 1.15a–c. Glioblastom rechts. a Kraniales MRT, axial, Zeichen eines perifokalen Hirnödems. c Kraniales MRT, axial,
T1: Hypodenser Herd rechts, Zeichen der Raumforderung: T2-Flair-Sequenz: Das Glioblastom stellt sich hyperdens dar.
Kompression der Ventrikel, verstrichene Gyri und Sulci, Mittel- (Klinik und Hochschulambulanz für Radiologie und Nuklear-
linienverlagerung. b Kraniales MRT, axial, T1 nach der Kont- medizin an der Charite Campus Benjamin Franklin, Berlin, Lei-
rastmittelgabe (KM) sieht man eine ringförmige KM-Aufnah- ter: Prof. Dr. med. Dr. h.c. K.-J. Wolf )
me. In der Umgebung grenzt sich eine Hypodensität ab, als
Gewebe wird entweder durch stereotaktische Serienbi- Epidemiologie. 1:100.000/Jahr, häufigstes Neurinom,
opsie (ungünstige Lokalisation, multiple Läsionen, Altersgipfel 4. bis 6. Dekade.
schlechter Allgemeinzustand) oder offene Tumorresek-
tion gewonnen. Symptomatik. Langsame Entwicklung von Symptomen:
4 Progrediente, meist schrittweise einseitige Hör-
Therapie. Chemotherapie ist abgesehen von einigen Aus- minderung im Hochtonbereich, in >70% Erst-
nahmen (Lymphom) von untergeordneter Bedeutung. symptom
4 Selten Hörsturz
> Therapie der Wahl bei primären Hirntumoren: Ope- 4 Tinnitus
ration mit möglichst vollständiger Resektion und 4 Gestörte Vestibularisfunktion: Schwindel, Gleich-
primärer oder postoperativer Strahlentherapie. gewichtsstörung, Fallneigung
4 Bei Druck auf Pons oder Kleinhirn: Ataxie, Nystag-
Symptomatische Behandlung: mus, evtl. kontralaterale Pyramidenbahnzeichen
4 Perifokales, postoperatives Hirnödem: präopera- 4 Kopfschmerz
tiv Steroide (z. B. 4×4 mg Dexamethason), nach 4 Hyp- oder Parästhesien im Versorgungsbereich des
Operation ausschleichen N. trigeminus, ipsilaterale Fazialisparese, Ausfälle
4 Antikonvulsive Therapie: empfohlen bei epilepti- kaudaler Hirnnerven
schem Anfall als Erstmanifestation, präoperativ 4 Bei großen Tumoren: Zwangshaltung des Kopfes
und bis 3 Monate nach Operation zur erkrankten Seite, Hirndruckzeichen durch Li-
4 Antiemetika, Sedativa, Opiate quorstopp
Lymphom, Leukämie oder auch bei primären Hirntumoren: derate Pleozytose, erhöhtes Protein und Laktat, erhöhter Li-
1 Germinomen, Medulloblastomen). quordruck, Nachweis von Tumorzellen gelingt nicht immer!).
Typische Symptome sind Hirndruckzeichen, Kopf-, Na- Therapie: Strahlentherapie, systemische und intrathekale
cken- und Rückenschmerzen, Hirnnervenparesen, bei spi- Chemotherapie. Klinische Kontrollen und supportive Behand-
nalen Läsionen radikuläre Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, lung (Dexamethason) sind wichtig. Ohne Therapie mediane
Paresen, Blasen- und Mastdarmstörungen. Die Diagnostik be- Überlebenszeit bei soliden Tumoren von 6–8 Wochen, mit
ruht auf CMRT/spinalem MRT (oft weite Ventrikel, KM-Anrei- Therapie 2–8 Monate, etwas günstigere Prognose bei lymp-
cherung entlang der Ventrikelwände), Liquordiagnostik (mo- hohämatopoetischen Tumorerkrankungen.
In Kürze
Raumforderungen im ZNS
1.6 Demyelinisierende Erkrankungen > Schub: Neuauftreten oder Reaktivierung von sub-
des ZNS jektiv berichteten oder in der Untersuchung objekti-
vierbaren klinischen Ausfällen und Symptomen, die
1.6.1 Multiple Sklerose (MS) mindestens 24 h anhalten.
Synonym. Encephalomyelitis disseminata (. Abb. Schübe treten mit einem Zeitintervall von 30 Tagen zu
1.16). vorausgegangenen Schüben auf. Sie dürfen nicht durch
Änderungen der Körpertemperatur (Uhthoff-Phäno-
Definition. Chronisch entzündliche demyelinisierende men) oder im Rahmen von Infektionen erklärbar sein.
ZNS-Erkrankung. Kurzdauernde Paroxysmen müssen von Schüben abge-
grenzt werden.
Ätiopathogenese. T-Zell- und Antikörper-vermittelte Frühsymptome:
autoimmunologische Prozesse gegen Antigene im Mye- 4 Sensibilitätsstörungen (1/3 der Fälle)
lin führen zur Demyelinisierung und Zerstörung der 4 Retrobulbärneuritis mit plötzlicher Sehverschlech-
Oligodendrozyten. Entmarkungsherde werden durch terung, vermindertem Farberkennen, Zentralskotom,
Neuroglia ersetzt (Sklerose). Herde liegen oft periven- Schmerzen bei Bulbusbewegungen (1/3 der Fälle)
trikulär, im Kleinhirn, Hirnstamm, N. opticus und im
Rückenmark. Familiäre Häufung in 10% der Fälle. As- > 45–80% der Patienten mit einer Retrobulbärneuritis
soziation mit Histokompatibilitätsantigen HLA-DR2. entwickeln innerhalb von 15 Jahren eine mulitple
Bestimmte Virusinfektionen (Ebstein-Barr-Virus) wer- Sklerose.
den unter Erkrankten häufiger gefunden.
Im Verlauf häufige Symptome:
Epidemiologie. In Deutschland leben ca. 100.000– 4 Motorisch: spastische Paresen, Myoklonien
120.000 MS-Kranke, weltweit ca. 1 Mio. W:M = 3:2. 4 Sensibel: positives Lhermitte-Zeichen, Par- und Hy-
Häufiger tritt MS in der weißen Bevölkerung und äqua- pästhesien, Allodynie, fehlende Bauchhautreflexe
torfern, auf der Nordhalbkugel und in Australien auf. 4 Zerebellär: Ataxie, Nystagmus, Intentionstremor,
Bei Auswanderung aus dem Geburtsland vor dem Dysdiadochokinese, Dysarthrie
15. Lebensjahr entspricht das individuelle Erkran- 4 Augen: Neuritis N. optici (v. a. Retrobulbärneuri-
kungsrisiko dem des Ziellands. Bei Auswanderung tis), temporale Papillenabblassung, Augenmuskel-
nach dem 15. Lebensjahr dem des Herkunftslands. paresen mit Doppelbildern, internukleäre Oph-
thalmoplegie
Symptomatik. Beginn meist zwischen 20.-40. Lebens- 4 Vegetativ: Dranginkontinenz, Mastdarmstörun-
jahr. Verlaufsformen: gen, sexuelle Funktionsstörungen
4 Schubförmig remittierend: Schübe mit Remission 4 Psychisch: Dysphorie, inadäquate Euphorie, De-
(komplett/inkomplett) pression, Fatigue (pathologische Ermüdbarkeit),
4 Schubförmig mit sekundärer Progredienz: zu- emotionale Labilität, Demenz
nächst schubförmig, später progrediente Beschwer-
den (mit oder ohne aufgelagerte Schübe; ohne The- Depressive Symptome kommen bei bis zu 50% der MS-
rapie bei ca. 40% der Patienten nach 10 Jahren) Patienten vor, das Suizidrisiko ist erhöht.
4 Primär chronisch progredient: zunehmende Klinische Symptomenkomplexe:
Symptomatik ohne Remission, mit oder ohne auf- 4 Charcot-Trias: Nystagmus, Intentionstremor,
gelagerte Schübe skandierte Sprache
54 Kapitel 1 · Neurologie
4 Trias von Marburg: Paraspastik, Erlöschen der International anerkannt sind die Kriterien nach McDo-
Bauchhautreflexe, temporale Papillenabblassung nald (2001).
Die Diagnose MS kann bereits gestellt werden,
Mögliche Komplikationen: Infektion, Thrombose und wenn
Lungenembolie, Dekubitus. 4 nach einem 1. Krankheitsschub mit mindestens ei-
ner objektivierbaren klinischen Läsion der Liquor
Diagnostik. Anamnese, Befund. MS-typische Veränderungen zeigt,
4 Visusprüfung, Augenspiegelung 4 das MRT mindestens 2 für MS charakteristische
4 Pathologische Leitungsverzögerung evozierter Poten- Läsionen zeigt und sich im Verlaufs-MRT (≥3 Mo-
ziale oder in der transkraniellen Magnetstimulation nate nach dem 1. Schub) eine neue KM-aufneh-
(VEP, Tibialis- und Medianus-SEP, MEP und AEP) mende oder T2-hyperintense Läsion darstellt.
4 CMRT/spinales MRT mit Kontrastmittel: hyperin-
tense Herde anfangs nur in der T1-Wichtung mit Differenzialdiagnose. Chronisch-infektiöse Erkran-
Kontrastmittel, später auch in der nativen T2- kungen (Neuro-Lues, Borreliose), Kollagenose, Vasku-
Wichtung. Lokalisation möglich im gesamten ZNS, litis, Sarkoidose, metabolische Erkrankungen wie Vita-
häufig periventrikulär oder subkortikal. Typisch min-B12-Mangel, Sonderformen entzündlich-demyeli-
sind auch Läsionen im Balken, infratentoriell und nisierender Erkrankungen.
spinal (. Abb. 1.17)
4 Liquordiagnostik: Therapie. Unterschieden wird:
5 Oligoklonale IgG-Banden im Liquor sind in 4 Schubtherapie:
95% der Fälle positiv 5 Hochdosiert Methylprednisolon 1 g i.v. (3
5 Intrathekale IgG-Synthese (in 85%), d. h. IgG Tage) oder 500 mg i.v. (5 Tage)
ist im Liquor erhöht, im Serum aber nicht 5 Bei unzureichender Besserung Methylpred-
nachweisbar nisolon oral ausschleichen
5 Evtl. lymphoplasmazelluläre Pleozytose 10–150 5 Ggf. Wiederholung
Zellen/µl 5 Wenn keine Besserung erfolgt und bei klinisch
5 Eiweiß ist oft normal oder gering erhöht schwerem Schub evtl. Plasmapherese oder frü-
her Beginn einer immunsuppressiven Therapie
> Die Diagnose MS lässt sich im Allgemeinen stellen, z. B. mit Mitoxantron
wenn klinisch oder in der Bildgebung eine zeitliche 4 Verlaufsmodifizierende (immunmodulatori-
und räumliche Dissemination MS-typischer Läsionen sche) Therapie bei schubförmigen Verlauf:
nachweisbar sind. 5 Möglichst früh
a b c
. Abb. 1.17a–c. a Kraniales MRT, T2, axial: Man erkennt bei Schrankenstörung hier bedingt durch einen frischen Herd
mehrere hyperintense Läsionen im Marklager bei zerebraler bei zerebraler MS. (Klinik und Hochschulambulanz für Radio-
MS. b Kraniales MRT, T1 vor Kontrastmittelgabe (KM): Hypoin- logie und Nuklearmedizin an der Charite Campus Benjamin
tense Läsionen bei alten Herden einer MS. c Kraniales MRT, T1 Franklin, Berlin, Leiter: Prof. Dr. med. Dr. h.c. K.-J. Wolf )
vor KM-Gabe: KM-aufnehmende Läsion periventrikulär rechts
56 Kapitel 1 · Neurologie
5 Ziel: Reduktion der Anzahl und Dauer der – Myoklonien: Clonazepam, Valproinsäure
1 Schübe – Intentionstremor: Betablocker, Antiepilep-
– Rekombinantes Interferon (IFN)-β-1-a (i.m. tika (Propanolol/Primidom, Carbamazepin,
Injektionen) oder -b; s.c. Injektionen. Oft Clonazepam)
initial grippale Nebenwirkung, lokale Rei- – Fatigue: Modafinil, Amantadin
zung an Einstichstelle, relative Kontraindika- – Paroxysmen: Carbamazepin, ggf. trizyk-
tion ist Depressionsverstärkung, passagere lische Antidepressiva, Valproat
Verstärkung einer Spastik, Absetzen bei Kin- – Schmerzen
derwunsch wegen möglicher Aborte. – Depressiver Symptomatik
– Copaxone (Copolymer-1, syn. Glatiramer- – Harnwegsinfekt: Antibiose, bei rezidivie-
acetat): s.c. Injektionen; wirkt erst nach etwa renden Infekten Harnansäuerung (Meth-
6 Monaten, im Allgemeinen gut verträglich). ionin)
– Alternativen: Azathioprin (oral), Immunglo- – Imperativer Harndrang: Oxybutynin
buline (z. B. in Schwangerschaft und Still- (dämpft Detrusor) unter Restharnkontrol-
zeit), Cyclophosphamid (i.v.), Mitoxantron len, bei Obstruktion intermittierende
(i.v., evtl. kumulative Kardiotoxizität, Einmalkatheterisierung, suprapubische
Höchstdosis beachten), additiv bei unzurei- Blasenfistel
chender Wirkung der Monotherapie die in-
termittierende Kortikosteroid-Pulstherapie. Prognose. Ungünstig bei:
4 Sekundär progrediente MS: IFN-Präparat, Mitox- 4 Erkrankungsalter >40 Jahre, männliches Ge-
antron, bei Zeichen entzündlicher Krankheitsaktivi- schlecht
tät sinnvoll (rasche Progression, aufgelagerte Schü- 4 Initial hoher Entzündungsaktivität (Schubfrequenz,
be, kontrastmittelanreichernde Herde im MRI). MRT-Läsionen)
4 Primär progrediente MS: keine gesicherte Thera- 4 Polysymptomatischem Beginn (pyramidale oder
pie bekannt, evtl. Glukokortikoidstoßtherapie oder zerebelläre Systeme, psychoorganische Auffällig-
Mitoxantron (bei rascher Progression) keiten)
4 Weitere Therapieoptionen: 4 Anhaltenden Defiziten, geringer Remission
5 Physiotherapie 4 Progredientem im Vergleich zum schubförmigen
5 Einsatz von Hilfsmitteln (Orthesen, Rollstuhl) Verlauf
5 Symptomatische medikamentöse Therapie von:
– Spastik: Baclofen, Dantrolen, Tizanidin, Te- Nach 20 Jahren Krankheit leben noch etwa 3/4, nach 30
trazepam, Memantin, Botulinumtoxin Jahren noch 2/3.
In Kürze
Demyelinisierende ZNS-Erkrankung
Jährigen ist L-Dopa Monotherapie die 1. Wahl; kein Dyskinesien, repetitive unangenehm empfunde-
Einfluss auf die Krankheitsprogression, nach eini- ne Bewegungen von Armen und Beinen
gen Jahren Therapiekomplikationen.
4 Dopaminagonisten wirken v. a. gegen Akinese und Weitere Therapieansätze:
Rigor, Mittel der Wahl in der Monotherapie bei <70- 4 Stereotaktische Verfahren beim idiopathischen PS:
Jährigen. Bei Versagen der Monotherapie Kombina- 5 Tiefenhirnstimulation: Stimulation des Nuc-
tion mit möglichst geringer L-Dopa-Dosis. leus subthalamicus über stereotaktisch implan-
4 COMT-Inhibitor Entacapone: Hemmt den Dopa- tierte Elektroden, wirkt auf alle vier Haupt-
minabbau, wirksam in der Behandlung von Fluktua- symptome des PS. Ein Stimulator unter dem
tionen, nicht in der Monotherapie eingesetzt. Schlüsselbein ist reversibel und individuell an-
4 MAO-B-Hemmer Selegilin: Hemmt den Dopa- passbar.
min-Abbau; gering wirksam in der symptomati- 4 Physiotherapie
schen Therapie im frühen Stadium. 4 Logopädie
4 Glutamat-Rezeptor-Antagonist Amantadin: 4 Antidepressive Therapie
Schwache Dopamin-freisetzende und anticholiner-
ge Wirkung, nicht-kompetitive Hemmung von Therapie der akinetischen Krise
NMDA Rezeptoren. Rascher Wirkungseintritt, 4 Identifizierung, Beseitigung des Auslösers: Resorp-
aber schwächer wirksam als L-Dopa. Wirkt v. a. bei tionsstörungen, Einnahmefehler, Einnahme von
Akinese und Rigor. Alternatives Monotherapeuti- Neuroleptika, Dehydrierung, Infektion
kum bei milder Symptomatik, Wirkungsverlust 4 Allgemeine Maßnahmen: Flüssigkeits- und Elek-
nach einigen Monaten, i.v. bei akinetischer Krise. trolytausgleich, Fiebersenkung, ausreichende Kalo-
4 Wenn nach ausreichender Besserung der Akinese rienzufuhr, Thrombose-, Dekubitus- und Pneumo-
und Rigor der Tremor noch therapiebedürftig ist, nieprophylaxe
zusätzlich Anticholinergika, NMDA-Antagonist 4 Medikamentöse Durchbrechung der akinetischen
Budipin oder Betablocker. Krise mit:
4 Sinnvoll sind eine proteinarme Diät und Einnahme 5 Amantadin i.v.
von L-Dopa in zeitlichem Abstand von den Mahlzei- 5 L-Dopa und Dopaminagonisten oral oder per
ten. Eine proteinreiche Nahrung kann den L-Dopa- Magensonde
Plasmaspiegel und die zerebrale Verfügbarkeit redu- 5 Apomorphin s.c. unter intensivmedizinischen
zieren. Die Gabe von Domperidon kann die Resorp- Bedingungen
tion und gastrointestinale Motilität verbessern. 5 Evtl. Dantrolen bei erheblicher Erhöhung der
Kreatinkinase
Therapiekomplikationen
4 Hypokinetische Wirkungsfluktuationen Prognose. Pflegebedürftigkeit nach ca. 20 Jahren, unter
5 Wearing off/End-of-dose-Akinese: häufig und optimaler Therapie annähernd normale Lebenserwar-
früh auftretend, Nachlassen der Medikamenten- tung.
wirkung ca. 4–6 h Einnahme
5 On-off: rascher Wirkungsverlust mit oder ohne zeit- Weitere degenerative Systemerkrankungen mit
lichen Bezug zur Medikamenteneinnahme. Die Be- hyperton-hypokinetischem Syndrom
weglichkeit kann ähnlich schnell wieder eintreten sog. Parkinson plus Erkrankungen (Parkinson-Symptome
5 Freezing: plötzliche Blockade des Gehens, Unfä- plus zusätzliche Symptome). Die medikamentöse Behand-
higkeit der Ganginitiierung lung hat häufig nur geringe Wirksamkeit und sollte mit Phy-
4 Hyperkinetische Fluktuationen sio-, Ergo- und logopädischer Therapie kombiniert werden:
5 ON-Dyskinesien: meist choreatische nicht 4 Multisystematrophie (MSA)
schmerzhafte Dyskinesien, bei relativ guter Be- 4 Zelluntergang in bestimmten Kerngebieten des ZNS
weglichkeit im ON auftretend (»Peak-dose«-Dyski- führt zu einer olivo-ponto-zerebellären Atrophie, stria-
nesien, Plateau-Dyskinesien, sistieren mit Beginn tonigraler Degeneration, Shy-Drager-Syndrom oder
der Off-Phase) Mischformen
5 OFF-Dyskinesien: bei niedriger dopaminerger 4 Leitsymptome, die je nach Form unterschiedlich ak-
Stimulation im OFF, meist schmerzhaft, häufig zentuiert sind:
»Early-morning«-Dystonie 5 Autonom: orthostatische Hypotonie, Blasendys-
5 Biphasische Dyskinesien: zu Beginn oder am funktion (Inkontinenz oder unvollständige Entlee-
Ende einer On-Phase, oft dystone oder ballistische rung) und sexuelle Funktionsstörung
60 Kapitel 1 · Neurologie
4 motorisch: Parkinson-Syndrom ohne oder mit ge- Abbrechen sozialer Kontakte, Verwahrlosung, psychiat-
1 ringem Ansprechen auf L-Dopa rische Störungen wie Depression.
4 zerebelläre Dysfunktion: Gang- und Extremitä- 10% juvenile Form: oft vom Vater vererbt, früher
tenataxie, Dysarthrie, Blickrichtungsnystagmus Beginn, klinisch v. a. Rigor und Akinese.
4 Pyramidenbahnzeichen
4 Progressive supranukleäre Blickparese (syn. Steele- Diagnostik. (Familien-)Anamnese (Mediamente?), Be-
Richardson-Olszewski-Syndrom) fund:
4 Kortikobasale Degeneration 4 Ausschluss einer symptomatischen Chorea: Hyper-
4 Demenz mit Lewy-Körperchen thyreose, M. Wilson, Lupus erythematodes
4 Molekulargenetischer Nachweis der Mutation
1.6.2.2 Extrapyramidale Erkrankungen mit 4 Bildgebung: Nucleus-caudatum-Atrophie bei Cho-
hyperkinetischem Syndrom rea Huntington
Diagnostik. Wichtig ist die Abgrenzung eines sekun- oder hereditär, klinisch und vermutlich genetisch
dären RLS. Dazu dienen neurologischer Untersu- heterogen) und einer sekundären (symptomatisch
chungsbefund, ENG und EMG (bei primärem RLS bei Grunderkrankung oder Medikamentenein-
regelrecht) sowie Labor: Ausschluss von Nierenin- nahme) Form.
suffizienz, Eisenmangel, Elektrolytstörungen. Bei
diagnostischer Unsicherheit Polysomnographie mit Epidemiologie. >40/100.000. Am häufigsten idiopa-
Videoüberwachung. thische fokale oder segmentale Dystonien mit gutar-
tigem Verlauf ohne wesentliche Progressionsneigung
Therapie. Bei ausgeprägten Beschwerden/Schlafstö- und oft gutem Ansprechen auf lokale Botulinum-
rungen L-DOPA plus Benserazid (primäres und urä- toxin-Injektion. Beginn meist zwischen 30. bis 50.
mischen RLS, rascher Wirkungsbeginn). Bei unzu- Lebensjahr.
reichender Wirkung Umsetzen auf Dopaminagonis-
ten. In symptomatischen Fällen Behandlung der Symptomatik. Typisch sind länger anhaltende unwill-
Grunderkrankung. RLS-verstärkende Medikamente kürliche Kontraktionen der quergestreiften Muskulatur
ggf. absetzen. mit repetitiven Bewegungen, abnormen Haltungen
oder bizarren Fehlstellungen von Körperteilen. Auftre-
Athetosen ten können:
Unwillkürliche, langsame, distal betonte, wurmförmige 4 Oromandibuläre Dystonie
Bewegungen. Zellverluste, v. a. im Striatum und sub- 4 Zervikale Dystonie (Torticollis spasmodicus)
thalamischen Kernen durch perinatalen Hirnschaden (O2- 4 Schreibkrampf (Graphospasmus)
Mangel), verursachen eine beidseitige Athetose. Eine ze- 4 Laryngeale Dystonie (spasmodische Dysphonie)
rebrovaskuläre Insuffizienz kann zur kontralateraler Hemi- 4 Meige-Syndrom: oromandibuläre Dystonie und
athetose führen. Bizarre Stellungen der mimischer Blepharospasmus (Lidkrampf)
Muskulatur oder der Hände (Subluxationsstellung der In- 4 Tardive Dystonien sind medikamentös (insbeson-
terphalangealgelenke, Bajonett-Finger-Stellung). Kombi- dere durch Neuroleptika) ausgelöst
nationen mit choreatischen Bewegungsstörungen kom-
men vor. Bei der idiopathischen Form fehlen in der Regel weite-
re neurologische Defizite.
Ballismus
Blitzartige, schleudernde, weit ausfahrende Bewegungen. Diagnostik. Anamnese, Befund, Ausschluss sekundärer
Läsion im Nucleus subthalamicus bzw. seiner Verbindun- Form (Stoffwechselstörungen, v. a. beim Auftreten im
gen zum Thalamus. Häufig liegt ein fokaler Hirninfarkt Kindes- oder Jugendalter).
zugrunde, seltener eine Raumforderung. Ein beidseitiger
Ballismus tritt bei Icterus gravis neonatorum oder degene- Therapie. Je nach Symptomatik:
rativen Erkrankungen auf. Beid- oder einseitig (Hemibal- 4 L-Dopa-sensitive Form: L-Dopa und Decarboxy-
lismus) auftretend, v. a. die proximalen Extremitäten be- lasehemmer
treffend. 4 Fokale Dystonien: lokale Injektion von Botuli-
numtoxin
Dystonie 4 Segmentale, generalisierte Dystonien: Anticholi-
Definition. Fehlerhafter Spannungszustand (Tonus) nergika, bei besonders störenden Fokalsymptomen
der Muskulatur. Unterschieden wird die fokale, seg- lokale Botulinumtoxin-Injektion
mentale, multifokale bzw. generalisierte Dystonie.
Therapierefraktäre Fälle: Chirurgische Behandlungs-
Ätiopathogenese. Zugrunde liegt der Erkrankung verfahren, peripher denervierende Verfahren, stereo-
eine Funktionsstörung der Basalganglien. Differen- taktische Operationsverfahren bei generalisierten Dys-
ziert wird zwischen einer primären (idiopathisch tonien.
62 Kapitel 1 · Neurologie
In Kürze
1
Degenerative Erkrankungen des ZNS
Parkinson- 4 Symptomatik: Hypo- oder Akinese und Rigor, Ruhetremor oder posturale Instabilität
Syndrom (PS) 4 Ätiologie: progredienter Untergang melaninhaltiger nigrostriataler dopaminerger Nerven-
zellen v. a. in der Substantia nigra, überwiegend sporadisch
4 Diagnostik: klinisch
4 Therapie:
– Medikamentös: L-Dopa (Levo-Dopa) plus Decarboxylase-Inhibitor, Dopaminagonisten,
COMT-Inhibitor, MAO-B-Hemmer, Glutamat-Rezeptor-Antagonisten
– Stereotaktische Verfahren beim idiopathischen PS, Physiotherapie, Logopädie, ggf. anti-
depressive Therapie
Chorea Hun- 4 Symptomatik: Hyperkinesen und Hypotonie der Muskulatur, progrediente Demenz, Persön-
tington lichkeitsänderungen, psychiatrische Störungen
4 Ätiologie: autosomal-dominant, CAG-Repeat-Expansion im Huntingtin-Gen, progressiver
Neuronenverlust v. a. im Nucleus caudatus
4 Diagnostik: Befund, Ausschluss einer symptomatischen Chorea, molekulargenetisch (PCR),
Bildgebung: Nucleus-caudatum-Atrophie
4 Therapie: symptomatisch
Restless-legs- 4 Symptomatik: abends und nachts auftretende Dys- oder Parästhesien meist der Beine ver-
Syndrom bunden mit erheblichem Bewegungsdrang und motorischer Unruhe; Ein- und Durchschlaf-
(RLS) störungen, Tagesmüdigkeit
4 Ätiologie: evtl. durch Störung dopaminerger und opioiderger Neurotransmittersysteme, oft
familiäre Häufung; z. T. sekundär symptomatisches RLS z. B. bei Urämie
4 Diagnostik: primäres RLS: normaler neurologischer Befund, Ausschluss eines sekundären
RLS; evtl. Polysomnographie
4 Therapie: evtl. L-DOPA plus Benserazid
Therapie. Symptomatisch, ggf. Therapie von Parkin- Häufiger als beim Morbus Alzheimer psychiatrische
sonsymptomen. Patienten können auf Neuroleptika Begleitsymptome wie Depression, emotionale Labilität
empfindlich reagieren. und Persönlichkeitsveränderungen.
In Kürze
Demenz. Die Diagnose Demenz wird klinisch gestellt! Diagnosekriterien: Gedächtnisstörungen + zusätzlich Be-
einträchtigung von mindestens 2 kognitiven Bereichen
1.6.4 Degenerative Erkrankungen mit 4 Frühzeitige Aufklärung von Patient und Ange-
1 Leitsymptom Schwäche, hörigen
Muskelatrophie 4 Physio- und Ergotherapie, Logopädie, orthopä-
dische Hilfsmittel
1.6.4.1 Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) 4 Pneumonieprophylaxe
Definition. Degenerative Erkrankung des 1. und 2. mo- 4 Psychische Unterstützung
torischen Neurons. 4 Symptomatische medikamentöse Therapie bei
Schmerzen, Spastik, Depression etc.
Ätiopathogenese. Überwiegend sporadisch, seltener 4 Bei chronisch respiratorischer Insuffizienz Heim-
autosomal-dominant erblich, selten Mutationen im beatmung, Mukolytika, ausreichend Flüssigkeits-
Gen einer Superoxiddismutase oder im Alsingen. zufuhr
Epidemiologie. 2/100.000/Jahr, Beginn oft um das Prognose. Progrediente Paresen, nach 3–5 Jahren Tod
60. Lebensjahr. durch Ateminsuffizienz.
In Kürze
Amyotrophe 4 Symptomatik: Zeichen der Schädigung des 1. Motoneurons (gesteigerte MER und Spastik)
Lateralsklerose und des 2. Motoneurons (Muskelschwäche, -atrophie, schlaffe Lähmung, Krämpfe, Fasziku-
(ALS) lationen), keine sensiblen Störungen
4 Ätiologie: überwiegend sporadische degenerative Erkrankung, seltener autosomal-
dominant erblich
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Bildgebung, EMG: Riesenpotenziale, Fibrillationen, erhöhte
zentral-motorische Leitzeit
4 Therapie: neuroprotektives Riluzol, Aufklärung, Physiotherapie, symptomatische Therapie
Weitere hereditäre Ataxien sionen identifiziert; Beginn meist mit 30–50 Jahren:
1 4 Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom): Seltene zunehmende Gang- und Standataxie, muskuläre Hy-
autosomal-rezessiv vererbt mit Mutation im DNA-Re- potonie, Dysdiadochokinese, Dysarthrie (Löwenstim-
paratur-System. Beginn in der Kindheit mit: Augenbe- me), Dysphagie, gestörte Okulomotorik, Faszikulatio-
wegungsstörungen (Frühsymptom), Ataxie, okuloku- nen, Hyperreflexie, choreatischen Bewegungsstörun-
tane Teleangiektasien, Pigmentflecken, PNP, kombi- gen. Bei SCA3 (Machado-Joseph-Krankheit, häufigste
niertem Immundefekt (Immunglobulinmangel und Form) zusätzlich PNP und Demenz.
Störung der zellvermittelten Immunität) mit Sinusiti- 4 Sporadische degenerative Ataxie bei Multisyste-
den, bronchopulmonalen Infekten, Bronchiektasen, matrophie (MSA)
respiratorischer Insuffizienz, 10- bis 20%-iges Leukä- 4 Kleinhirndegeneration durch chronischen Alkoho-
mie- bzw. Lymphom- sowie erhöhtes Mammakarzi- lismus: Stand- und Gangataxie stehen imVordergrund.
nomrisiko. Zur Diagnostik gehören Anamnese, Befund, Neben der toxischen Alkoholwirkung wird auch die
CMRT, ENG, erhöhtes α-Fetoprotein im Serum, In-vitro- begleitende Malnutrition (Vitamin-B1-Mangel) als Ur-
Test: erhöhte Strahlensensitivität von Lymphozyten, sache diskutiert.
molekulargenetische Diagnostik. Die Therapie umfasst 4 Paraneoplastische Kleinhirndegeneration: Autoim-
symptomatische Maßnahmen sowie eine genetische munvermittelte zerebelläre Degeneration, Symptome
Beratung. gehen der Tumorentdeckung oft vorraus. Beispiele:
4 Dominant vererbte spinozerebelläre Ataxien (SCA, kleinzelliges Bronchialkarzinom (Anti-Hu-Antikörper),
Nonne-Marie-Krankheit): Verschiedene genetische Ovarial- und Mammakarzinom (Anti-Yo bei gynäkologi-
Subtypen, z. T. wurden CAG- oder CGT-Repeat-Expan- schen Tumoren), Lymphom (Anti-Tr beim M. Hodgkin).
In Kürze
Hereditäre Ataxien
Friedreich-Ataxie 4 Symptomatik: vor dem 25. Lebensjahr beginnende progressive Ataxie, Areflexie der
unteren Extremitäten und Dysarthrie, distale atrophische Paresen
4 Ätiologie: autosomal-rezessiv vererbte Mutation im Fataxin-Gen
4 Diagnostik: (Familien-)Anamnese, Befund, MRT, ENG: axonale Neuropathie, kardiolo-
gische und endokrinologische Untersuchung, molekulargenetische Diagnostik
4 Therapie: symptomatisch, genetische Beratung
Rückenmark- oder Gehirnanlage bzw. Hemmung des nal, meist im HWS- oder BWS-Bereich bzw. Syringo-
Schließungsprozesses der Neuralplatten. bulbie in der Medulla oblongata.
kaudalen Hirnnerven, oberen Zervikalnerven (Dau- Diagnostik. Anamnese, Befund, CMRT, Schädelsonogra-
1 menballenatrophie) und Hirnstamm (Atem-, Herz- phie, SEP des N. medianus, AEP, Polysomnographie.
rhythmusstörungen) entstehen, evtl. Nacken- od. Hin-
terkopfschmerzen. Therapie. Gegebenenfalls Operation.
In Kürze
Spina bifida 4 Symptomatik: Spina bifida occulta: häufig asymptomatisch; Spina bifida partialis: oft senso-
motorische Querschnittssymptomatik, neurogene Blasenstörung
4 Ätiologie: dysraphische Fehlbildungen bei genetischer, mechanischer, infektiöser, alimentä-
rer (Folsäuremangel) oder toxischer (Valproat) intrauterine Schädigung
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Bildgebung
4 Therapie: bei offener Spina bifida operativer Verschluss, ggf. orthopädische Versorgung
In Kürze
Trauma, Enzephalitis, Epilepsie) entscheidend. CMRT, Anfall zunächst als Monotherapie, da das Wieder-
1 CCT und EEG sollten Normalbefunde ergeben. holungsrisiko mit 50% innerhalb eines Jahres hoch
4 Fieberkrämpfe: 2–5% aller Kinder haben im Alter von ist. Wenn selten Anfälle auftreten (<1- bis 2-mal
6 Monaten bis 4 Jahren bei Fieber derartige, meist ge- pro Jahr), die Anfälle wenig belastend sind oder
neralisierte epileptische Anfälle, bei 1/3 treten 2 oder der Patient keine Medikation wünscht, kann auch
mehr Fieberkrämpfe auf. Unterschieden werden einfa- bei mehrmaligem Auftreten darauf verzichtet
che und komplizierte Fieberkrämpfe, typisch sind: werden.
5 Familiäres Auftreten einer Epilepsie
5 Mehrmaliges Auftreten während eines Infekts > Der Anfallstyp bestimmt wesentlich die Auswahl der
5 Dauer >15 min Antikonvulsiva.
5 Fokale Anfälle
5 Zerebrale Vorschädigung 4 Bei symptomatischen und kryptogenen fokalen
5 Hypersonore Aktivität im Intervall-EEG Epilepsien:
5 Klassische Medikamente: Carbamazepin,
4% der Kinder mit Fieberkrämpfen erkranken später an Epi- Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Valpro-
lepsie. Das Risiko ist höher bei komplizierten Krämpfen. insäure
Fieberkrämpfe treten familiär gehäuft auf. Todesfälle sind 5 Neuere Medikamente: Gabapentin, Lamotri-
extrem selten, Folgeschäden nicht zu erwarten. Vor allem gin, Oxcarbazepin, Topiramat, als Kombinati-
bei Säuglingen muss an Meningitis gedacht werden. onstherapie Tiagabin und Levetiracetam, Ben-
4 Respiratorische Affektkrämpfe (Wutkrämpfe):Treten zodiazepine, bevorzugt Clobazam
bei ca. 3% der Kleinkinder auf und haben kein organi- 4 Erste Wahl bei Rolando-Epilepsie: Sultiam
sches Korrelat. Nach einem emotionalen Auslöser 4 Idiopathische Epilepsie mit generalisierten An-
kommt es zu einem initialen Schrei, Atemanhalten, Zy- fällen:
anose und möglicherweise Bewusstlosigkeit. Auch 5 Ersttherapie: Monotherapie mit Valproinsäure,
klonisches Krampfen kann auftreten. Sie dauern weni- bei Absencen alternativ Monotherapie mit
ger als 1 min. Ethosuximid
4 Pavor nocturnus: Nachtangst bei Kleinkindern, die zum 5 Alternativ: Monotherapie mit Lamotrigin oder
Aufwachen führt. Topiramat
5 Bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation:
Therapie. Die Behandlung umfasst: Phenobarbital
4 Beratung, Aufklärung, Ausschalten von Provoka- 5 Bei BNS-Krämpfen: ACTH oder Glukokorti-
tionsmaßnahmen, Vorsichtsmaßnahmen (Vermei- koide
dung gefährlicher Situationen bei Arbeit oder Frei-
zeit, Autofahrverbot/Richtlinien zur Fahrtauglich- ! Cave
keit) Bei Kombinationstherapie können sich Nebenwirkun-
4 Bei symptomatischer Epilepsie Behandlung der gen durch Medikamenteninteraktion v. a. klassischer
Grundkrankheit Antikonvulsiva verstärken.
4 Die medikamentöse Therapie beruht auf Hem-
mung der neuronalen Erregung durch 4 Epilepsiechirurgie: bei pharmakoresistenter foka-
5 Hemmung exzitatorischer Potenziale ler Epilepsie
5 oder Erregung inhibitorischer Potenziale durch 4 Vagusnervstimulator bei Pharmakoresistenz und
direkte Interaktion mit neuronalen Rezeptoren Unmöglichkeit der Epilepsiechirurgie. Im Brustbe-
oder Kanälen reich wird ein Stimulationsgerät von der Größe ei-
5 oder Beeinflussung von Neurotransmittern. nes Herzschrittmachers implantiert, das alle 5 min
den linken N. vagus stimuliert. Die Wirksamkeit
> Behandlungsziel ist Anfallsfreiheit, die bei fokalen entwickelt sich erst im Laufe der Zeit.
Epilepsien in etwa 60% der Fälle und bei idiopathisch
generalisierten Epilepsien in ca. 80% medikamentös Therapieende: langsames Ausschleichen des Antiepi-
erreicht wird. leptikums bei chronischer Epilepsie frühestens nach
mindestens einjähriger Anfallsfreiheit. Lag einem 1.
Einige antikonvulsive Medikamente haben stark beein- epileptischen Anfall eine therapierte und ausgeheilte
trächtigende Nebenwirkungen. Begonnen wird die Ursache zugrunde, kann nach 6–12 Monaten ein Ab-
Therapie meist nach dem 2. oder 3. tonisch-klonischen setzversuch erfolgen.
1.8 · Epilepsie
75 1
1.8.1 Status epilepticus Allgemeinmaßnahmen:
4 Lagerung zum Schutz vor Verletzungen während
Definition. Epileptischer Anfall mit einer Dauer von des Anfalls, bei postiktaler Bewusstseinstrübung
>5 min bei generalisiert tonisch-klonischen Anfällen stabile Seitenlage
bzw. >20–30 min bei fokalen Anfällen und Absencen 4 Freihalten der Atemwege
oder Abfolge von einzelnen epileptischen Anfällen in 4 Überwachung der Vitalfunktionen, ggf. Gabe von
kurzen Abständen mit oben genannter Mindestdauer, Sauerstoff
zwischen denen klinisch oder elektroenzephalogra- 4 Bei symptomatischem Status epilepticus Behand-
phisch keine vollständige Restitution erfolgt, z. B. das lung der Ursache (Thiamin bei alkoholinduziertem
Bewusstsein nicht wiedererlangt wird. Status, Glukose bei Hypoglykämie, Absetzen pro-
konvulsiver Medikamente)
Atiopathogenese. Status generalisiert tonisch-kloni-
scher Anfälle: Häufigster Status epilepticus mit einer > Gummikeile zwischen Ober-/Unterkiefer und Fixie-
Letalität von 20%. Häufigste Ursache ist das Absinken rung der Extremitäten können die Verletzungsgefahr
des Antikonvulsivaspiegels bei bekannter Epilepsie, erhöhen!
meistens symptomatische Anfälle.
Medikamentöse antikonvulsive i.v. Therapie:
Diagnostik. (Fremd-)Anamnese, Befund, EEG, Liquor- 4 Benzodiazepin (Lorazepam 4–8 mg, Diazepam
diagnostik, weitere ätiologische Diagnostik. 20–50 mg, Clonazepam 3–6 mg)
4 2. Schritt (ggf. parallel über einen separaten i.v. Zu-
Therapie. Der Status epilepticus ist ein akut behand- gang): Phenytoin oder Valproat i.v.
lungsbedürftiger neurologischer Notfall. Ein Status 4 bei Versagen der Benzodiazepin- und Phenytoin-
fokaler Anfälle und von Absencen ist nicht per se le- therapie intensivmedizinische Überwachung, eine
bensbedrohlich, sollte aber ebenfalls unterbrochen Phenobarbital-Narkose kann versucht werden
werden. Bei bekannter Epilepsie sollte unmittelbar 4 Bei Versagen von Phenobarbital: Thiopental, Pro-
nach Blutentnahme zur Bestimmung des Serumspie- pofol, Midazolam unter EEG-Monitoring oder Val-
gels des Antiepileptikums die Therapie eingeleitet proat
werden. 4 Langfristig: Etablieren einer Dauermedikation
In Kürze
Epilepsie
Epilepsie 4 Symptomatik: FOKALE Anfälle beginnen lokal und sind überwiegend symptomatisch:
5 Einfache fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörungen
5 Komplex fokale Anfälle: stadienhafter Verlauf: Aura, Bewusstseinsstörung, Sterotypien, Re-
orientierungsphase.
5 Fokale Anfälle können sekundär generalisieren
5 Generalisierte Anfälle:
– Grand-mal-Anfälle meist generalisierte tonisch-klonische Anfälle mit oder ohne Aura
– Petit-mal-Anfälle: Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe (BNS) = West-Syndrom = »propulsiv petit
mal«, astatische Anfälle, juvenile myoklonische Epilepsie = »impulsiv petit mal« und
Absencenepilepsie
4 Ätiologie: rezidivierend auftretende epileptische Anfälle, idiopathisch bei vermuteter oder
nachgewiesener genetischer Disposition oder symptomatisch als Ausdruck einer identifizierba-
ren Grunderkrankung
4 Diagnostik: Eigen- und Fremdanamnese, Befund (evtl. neurologische Defizite bei symptomati-
scher Epilepsie, Zungenbiss?), Ausschluss einer symptomatischen Epilepsie (Labor, Bildgebung,
Liquor), EEG (Epilepsietypische Potenzialen und Herdbefunde)
4 Therapie: Aufklärung, Vermeidung von Provokationsmechanismen, bei symptomatischer Epi-
lepsie Behandlung der Grundkrankheit, medikamentöse Therapie, seltener: Epilepsiechirurgie,
Vagusnervstimulation
6
76 Kapitel 1 · Neurologie
1 Status 4 Symptomatik: >5 min andauernder generalisiert tonisch-klonischen Anfall bzw. >20–30 min
epilepticus dauernder fokaler Anfall/Abscence oder Abfolge einzelner epileptischer Anfälle >5 bzw. 20–
30 min ohne vollständige Restitution
4 Ätiologie: s. Epilepsie
4 Diagnostik: Fremdanamnese, Befund, EEG, Liquordiagnostik, weitere ätiologische Diagnostik,
ggf. Medikamenten-Serumspiegel bestimmen
4 Therapie: Lagerung zum Schutz vor Verletzungen, Überwachung der Vitalfunktionen, ggf. Be-
handlung der Ursache, Medikamentöse antikonvulsive i.v. Therapie (stufenweise), langfristig:
Dauermedikation
Sekundärere Kopfschmerzen können Symptom einer Epidemiologie. Episodischer SK bei >90% aller Men-
neurologischen oder nicht-neurologischen Erkrankung schen einmal im Leben. Chronischer SK 3% der Bevöl-
sein kerung, W>M.
Neurologische Erkrankungen:
4 Dissektion hirnversorgender Arterien Symptomatik. Schmerzen haben leichte bis mittlere
4 SVT Intensität, sind dumpf oder drückend, oft bilateral oder
4 Erhöhter intrakranieller Druck holozephal lokalisiert (ein Band, das um den Kopf ge-
4 intrakranielle Blutung schnürt ist, Gefühl, nicht klar denken zu können). Ak-
4 Meningitis, Enzephalitis tivität führt in der Regel nicht zur Schmerzzunahme.
4 Arteriitis temporalis Keine Übelkeit, evtl. Photo- oder Phonophobie.
4 Tolosa-Hunt-Syndrom: Granulomatöse Entzün-
dung im Sinus cavernosus oder im Bereich der Fis- ! Cave
sura orbitalis superior, die zu episodischen, einsei- Bei Patienten mit chronischem Spannungskopf-
tigen orbitalen Schmerzen und Lähmung okulo- schmerz kommt es gehäuft zu Analgetikaabusus,
motorischer Nerven führen kann. Schmerzen Angst, depressiven Symptomen, Schlafstörungen.
sistieren typischerweise innerhalb von 72 h nach
Beginn der Kortikosteroidtherapie, Entzündungs- Diagnostik. Fehlen von neurologischen Ausfällen, Aus-
parameter (BSG) sind erhöht. schluss symptomatischer Kopfschmerzen.
4 Optikusneuritis
Therapie. Die Behandlung umfasst bei:
Nichtneurologische Krankheitsbilder: 4 Episodischem SK: symptomatische Therapie (ASS,
4 Arterieller Hypertonus, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Paracetamol, Ibuprofen, Metamizol)
Infekt, Sinusitis, Glaukom etc. 4 Chronischem SK:
4 Iatrogen (postpunktioneller Kopfschmerz, nach 5 Entspannungsübungen, Stressbewältigungs-
Liquorpunktion) training (z. B. progressive Muskelentspan-
4 Arzneimittelinduzierter Kopfschmerz (uner- nung nach Jacobsen), regelmäßiger Schlaf-
wünschte Medikamentennebenwirkung, bei Wach-Rhythmus, Führen eines Kopfschmerz-
Schmerzmittelabusus) Kalenders
1.9 · Kopfschmerzen
77 1
5 Prophylaktische Therapie: Kombination von o. g. Symptomatik. Attackenweise, starke, oft einseitige pul-
Allgemeinmaßnahmen mit trizyklischen Antide- sierend-pochende Kopfschmerzen, die bei körperlicher
pressiva, z. B. Amitriptylin (Wirkung unabhängig Aktivität zunehmen. 1/3 der Patienten hat jedoch holo-
von antidepressivem Effekt, bereits bei geringerer kranielle Kopfschmerzen. Bei einseitigen Attacken
Dosierung), Mittel der 2. Wahl: Valproinsäure kann die betroffene Seite von Mal zu Mal wechseln. At-
tacken-Dauer: 4–72 h.
! Cave Vegetative Symptome:
Therapie mit Schmerzmitteln wegen der Gefahr des 4 Appetitlosigkeit
Analgetikaabusus begrenzen! 4 Übelkeit
4 Erbrechen
4 Lichtscheu, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit
1.9.2 Migräne
Diagnostik. Anamnese, Befund, Kopfschmerzkalender,
Definition. Primärer Kopfschmerz mit typischer Symp- evtl. Herdbefund im EEG während einer Attacke, Aus-
tomatik. schluss sekundärer Kopfschmerzen, v. a. erstmaligem
Auftreten der Migräne nach dem 40 Lebensjahr oder
Ätiopathogenese. Pathophysiologisches Korrelat des Häufung von Auren.
Schmerzes ist vermutlich eine trigeminovaskuläre Re-
aktion mit steriler neurogene Entzündung, bei der u. a. Therapie. Abhängig von der Art der Attacke:
serotoninerge Rezeptoren eine Rolle spielen. An der 4 Akute Migräne-Attacke:
Entstehung der Aura-Symptome scheint eine »cortical 5 Reizabschirmung im abgedunkelten, geräusch-
spreading depression« beteiligt zu sein (Exzitation von armen Raum
kortikalen Neuronen und anschließend sich ausbrei- 5 Kombination von Analgetikum (ASS, Paracet-
tende Depolarisationswelle). Unterschieden werden: amol, Ibuprofen, Diclofenac, evtl. Metaminzol)
4 Einfache Migräne (ohne Aura) und Antiemetikum (Metoclopramid, Dompe-
4 Klassische Migräne (mit Aura) ridon)
4 Komplizierte Migräne mit neurologischen Ausfäl- 4 Mittelschwere, schwere Attacken:
len bis zu 7 Tage (oder bildgebend ischämische Lä- 5 1. Wahl: Serotonin-(5-HT-1B/1D)-Rezeptor-
sion ohne Nachweis einer anderen Ursache) Agonisten: Triptane (Sumatriptan, Wirkung
4 Ophthalmoplegische Migräne mit Störung der bei s.c. Gabe nach 10 min, Applikation auch als
Okulomotorik Nasenspray oder Zäpfchen) wirken oral nach
4 Status migraenosus bis zu 72 h, trotz Behandlung 30–60 min, bei langer Migräneattacke evtl. er-
geht eine Attacke in die andere über, Exsikkose neute Gabe von Triptanen nötig.
kann Folge des Erbrechens sein 5 Reservesubstanz: Mutterkornalkaloide (Ergo-
taminzäpfchen bzw Dihydroergotamin, DHE
Aura = vegetativen Symptomen und Kopfschmerzen parenteral)
vorausgehende neurologische Symptome, häufig visu-
elle Aura mit Flimmern als heller leicht oszillierender ! Cave
Zackenkranz (Fortifikation), der von der Mitte nach Triptane oder Mutterkornalkaloide wegen der Gefahr
peripher wandert und ein Skotom nach sich zieht. Die einer Erhöhung der Attackenfrequenz bzw. dem Auf-
neurologischen Ausfall-/Reizerscheinungen einer Aura treten von medikamenteninduzierten Dauerkopf-
sistieren im Allgemeinen innerhalb von 60 min voll- schmerzen nicht häufiger als 12 Tage im Monat ein-
ständig. Sehr selten kann die Aura auch ohne Kopf- nehmen.
schmerzen auftreten.
Migräneprophylaxe: Reduktion von Häufigkeit,
! Cave Schwere und Dauer der Attacken, Prophylaxe des me-
Patientinnen mit Migräne, insbesondere bei gleich- dikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes (Kopf-
zeitigem Rauchen und Einnahme hormoneller Kon- schmerztagebuch)
trazeptiva, haben ein erhöhtes Hirninfarktrisiko. Indikationen:
4 Mind. 3 Attacken pro Monat
Epidemiologie. 6–8% der Männer, 12–14% der Frauen, 4 Attackendauer >48 h
v. a. im mittleren Lebensalter. Bis 30% aller Frauen ha- 4 Komplizierte Migräne mit manifesten neurologi-
ben im Leben mindestens einmal Migräne. schen Ausfällen >7 Tage anhaltend
78 Kapitel 1 · Neurologie
4 Starker Leidensdruck 8-mal täglich auf und dauern 15–180 min Typische
1 4 Unverträglichkeit der Akuttherapie Trigger: Aufenthalt in großen Höhen (Flug), Alkohol,
Nitroglyzerin, Histamin oder Glutamat (chinesisches
Eingesetzt werden als: Essen, Geschmacksverstärker in Fertiggerichten). Oft
4 Mittel der 1. Wahl besteht eine Bewegungsunruhe während der Attacken.
5 Betablocker Metoprolol und Propranolol (auch Der Kopfschmerz tritt überwiegend episodisch mit lan-
in der Schwangerschaft) gen symptomfreien Phasen auf. Episoden häufen sich
5 Kalziumantagonist Flunarizin im Frühjahr und Herbst.
5 Valproinsäure
4 Mittel der 2. Wahl Diagnostik. Anamnese, Befund.
5 Nichtsteroidale Antirheumatika (ASS, Na-
proxen) Differenzialdiagnose. Sekundäre Kopfschmerzen, v. a.
5 Amitriptylin (trizyklisches Antidepressivum) Glaukomanfall, Sinusitis, Karotisdissektion.
bei gleichzeitigen Spannungskopfschmerzen,
chronischen Schmerzen oder Depression Therapie. Die Behandlung umfasst:
5 Lisurid (Dopaminagonist) 4 Inhalation von 100%-igem Sauerstoff: 7 l/min, über
5 Pizotifen und Methysergid (Serotoninantago- Gesichtsmaske bis 15 min
nisten), Methysergid darf wegen der Gefahr 4 Sumatriptan 6 mg s.c., 20 mg nasal
von Retroperitoneal- und Lungenfibrosen 4 Dihydroergotamin s.c. oder i.m.
nicht länger als 3–6 Monate gegeben werden. 4 Intranasal Lidocain
5 DHE
5 Magnesium (umstrittene Wirksamkeit) Zur Prophylaxe werden eingesetzt:
4 Zusätzlich nicht-medikamentöse Verfahren: Ver- 4 Verapamil
haltenstherapie, Ausdauersport 4 Methysergid bis 6 Monate
4 Lithium (Serumspiegel 0,6–0,8 mmol/l)
4 Kurzzeitig und additiv Prednison
1.9.3 Cluster-Kopfschmerz 4 Ergotamin-Suppositorien abends zur Kurzpro-
phylaxe
Synonym. Bing-Horton-Kopfschmerz, Horton-Neu-
ralgie, Erythroprosopalgie.
1.9.4 Arzneimittelinduzierter
Definition. Primärer Kopfschmerz mit typischer Symp- Kopfschmerz
tomatik.
Definition. Kopfschmerzen nach langfristiger, häufiger
Ätiopathogenese. Diskutiert wird eine trigeminovas- Einnahme von Arzneimitteln, v. a. Analgetika-(Kom-
kuläre Reaktion mit Vasodilatation und Aktivierung binationspräparate): mindestens 15 Tage/Monat,
parasympathischer Nerven im Hypothalamus. >3 Monate, mindestens 100 Tabletten Analgetikum
pro Monat.
Epidemiologie. 10/100.000/Jahr, M>W.
Ätiopathogenese. Andere Kopfschmerzformen kön-
Symptomatik. Attackenartiges Auftreten eines streng nen zum Analgetikaabusus verleiten und eine Chroni-
einseitigen, sehr starken orbitalen, supraorbitalen (als fizierung der Schmerzen bewirken.
ob das Auge herausgedrückt wird) oder temporalen
Kopfschmerzes. Symptomatik. Oft dumpfer, drückender oder pulsie-
Ipsilaterale vegetative Symptome: render Kopfschmerz, kann von Übelkeit, Kältegefühl
4 Konjunktivale Injektion oder Schwindel begleitet sein.
4 Lakrimation
4 Rhinorrhö Therapie. Nach Aufklärung Absetzen aller Schmerz-
4 Schwitzen im Gesicht mittel, Behandlung der Entzugssymptome. Schmer-
4 Miosis, Ptosis zen bessern sich meist innerhalb eines Monats.
Bei zusätzlichen primären Kopfschmerzen entspre-
Attacken treten gehäuft nachts, besonders am frühen chende Prophylaxe in Kombination mit Verhaltens-
Morgen oder kurz nach dem Einschlafen, alle 2 Tage bis therapie.
1.9 · Kopfschmerzen
79 1
Sind mindestens 3 Kriterien erfüllt, liegt mit einer Spezifität Labor: BSG-Erhöhung in 95% der Fälle, CRP ist guter Ver-
und Sensitivität von >90% eine Arteriitis temporalis vor. laufparameter und in >90% erhöht. Häufig besteht eine
Weitere Symptome: normo- oder leicht hypochrome Anämie, die AP ist oft er-
4 Allgemeinsymptome höht, die CK in der Regel normal.
4 Kopfschmerzen sind meist erstes Symptom, oft ein- Temporalarterienbiopsie: Immer vorher Dopplersono-
seitig, pulsierend, frontotemporal und verstärken sich graphie der A. carotis und ihrer extrakraniellen Äste (bei
durch Husten und Kopfbewegung einer hochgradigen Stenose der A. carotis interna kann die
4 Pathognomonisch sind Kauschmerzen durch Ischämie zerebrale Blutversorgung über die Temporalarterien erfol-
der Kaumuskulatur (Claudicatio masticatoria) gen). Farbduplex kann außerdem Arteriitis-typische Befun-
4 Visusverlust durch oder Zentralarterienverschluss oder de liefern. Falsch negative Befunde bei Temporalarterienbi-
anteriore ischämische Optikusneuropathie, Vorläufer opsie sind häufig, v. a. unter Kortisonbehandlung.
kann eine Amaurosis fugax sein. Bei dringendem Verdacht sollte sofort Prednison oder
4 Ein ophthalmologischer Befund inkl. Fundoskopie soll- Prednisolon gegeben werden: 40–60 mg Prednison/Tag für
te immer erhoben werden. ca. 1 Monat, dann langsame Dosisreduktion. Meist ist eine
Behandlung über mindestens 2 Jahre notwendig.
In Kürze
Kopfschmerz
Spannungs- 4 Symptomatik: beidseits, drückend oder beengend, nicht pulsierend, leichte bis mittlere In-
kopfschmerz tensität, keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten, keine Übelkeit/Erbrechen,
(SK) evtl. Photophobie oder Phonophobie
4 Ätiologie: unklar, familiäre Häufung
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Ausschluss sekundärer Kopfschmerzen
4 Therapie: episodischer SK: Analgetika, chronischer SK: Entspannungsübungen, Stressbewäl-
tigungstraining, Kopfschmerzkalender, begrenzte symptomatische medikamentöse Analge-
tikatherapie
Migräne 4 Symptomatik: 4–72 h lang einseitige, pulsierende Kopfschmerzen, Verstärkung durch kör-
perliche Aktivitäten, Übelkeit/Erbrechen, Photophobie, Phonophobie, evtl. mit Aura
4 Ätiologie: trigeminovaskuläre Reaktion mit steriler neurogener Entzündung, »cortical sprea-
ding depression« führt vermutlich zu Aura-Symptomen.
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Ausschluss sekundärer Kopfschmerzen
4 Therapie: Reizabschirmung, bei leichten bis mittelschweren Attacken Analgetikum + Anti-
emetikum, bei mittelschweren bis schweren Attacken Triptane; Prophylaxe: Betablocker,
Flunarizin, Valproinsäure
6
80 Kapitel 1 · Neurologie
Cluster- 4 Symptomatik: Attacken starker einseitiger Kopfschmerzen, 15–180 min, bis 8-mal täglich.
1 Kopfschmerz Ipsilaterale konjunktivale Injektion, Tränen, nasale Kongestion, Rhinorrhö, Lidödem,
Schwitzen, Horner-Trias
4 Ätiologie: trigeminovaskuläre Reaktion, Aktivierung parasympathischer Nerven im Hypotha-
lamus
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Ausschluss sekundärer Kopfschmerzen
4 Therapie: Inhalation von 100%-igem Sauerstoff, Sumatriptan, Dihydroergotamin, intranasal
Lidocain; Prophylaxe Verapamil, Methysergid, Lithium
tolithen ablösen und Konglomerate im hinteren, vertikalen nome, Meningeome), intramedullär (Ependymo-
Bogengang (selten im horizontalen Bogengang) bilden. Bei me, Gliome)
Kopflagewechsel (Hinlegen, Aufrichten oder Umdrehen im 4 Epiduralblutung
Bett) bewegen sich die Partikel im Kanal und verursachen
eine Auslenkung der Cupula. Es kommt zu etwa 30 s dau- Weitere Ursachen:
ernden Drehschwindelattacken, Nystagmus und Oszillop- 4 Entzündungen: Abszesse, Borreliose, Zoster, rheu-
sien (Scheinbewegungen der Umwelt), evtl. Übelkeit. Zent- matische Erkrankungen
rale Hirnstammzeichen fehlen. Attacken schwächen bei 4 metabolische Erkrankungen wie Diabetes mellitus
wiederholtem Lagewechsel ab. 4 Trauma: Wirbelkörperfrakturen, Wurzelausrisse
Diagnostisch hilft das Lagerungsmanöver: Der Pati- 4 Angeborene Spinalkanalstenosen: Kompression
ent wird auf das betroffene Ohr gelegt, wobei der Kopf von Nervenwurzeln/Rückenmark
um 45° zum »gesunden Ohr« gedreht wird. Nach kurzer 4 Zervikale Myelopathie: Schädigung des zervikalen
Latenz tritt ein etwa halbminütiger, erschöpflicher Rückenmark durch chronisch degenerative, trau-
nach unten gerichteter, rotierender Nystagmus auf. matische oder angeborene Spinalkanaleinengung,
Beim Aufrichten kehren sich Drehschwindel und Nys- Folge Pyramidenbahn-Läsion
tagmusrichtung um. Therapeutisch ist das physikalische
Befreiungsmanöver fast immer erfolgreich: Lagerungs- > Bandscheibenvorfälle treten meist lumbal (L5 >S1),
manöver nach Semont oder Epley. Manchmal ist seltener zervikal (C6–C8) auf.
eine begleitende medikamentöse Therapie nötig. Die
Beschwerden klingen meist nach Wochen bis Monaten Unterschieden werden laterale (Einengung des Fora-
ab, können in 30% der unbehandelten Fälle jedoch per- men intervertebrale) von medialen (Einengung des
sistieren. Spinalkanals) Bandscheibenvorfällen.
dorsal an einem oder beiden Beinen auf), auch senso- – Ggf. interkorporelle Spondylodese zum Aus-
1 motorische Ausfälle. Lordosierung der LWS (Bergabge- gleich der Höhenminderung
hen verstärkt die Symptomatik). Kyphosierung (Vorn- – Lumbal auch minimal invasive (perkutan
überbeugen, Radfahren), Hinlegen oder Hinsetzen endoskopische) Verfahren
bessert die Beschwerden. Stehenbleiben ändert die – Ggf. Erweiterung der Foramina interverte-
Schmerzen im Gegensatz zur vaskulären Claudicatio bralia, Laminektomie (Entfernung eines
intermittens nicht. Wirbelbogenteils bei Wirbelkanalstenose)
5 Sensible Ausfälle: ulnar an Hand und Unter- zur N.-axillaris- oder Rotatorenmanschetten-Läsi-
arm on oft schwierig
5 Wenn proximaler Anteil der Th1-Wurzel be- 4 Bei Wurzelläsionen C8–Th2: Horner-Sydrom, un-
troffen, Horner-Syndrom terhalb Th2 auch Schweißsekretionsstörungen
4 Bei Faszikelläsion: Sensibilitätsstörungen und
Bei weiter proximal lokalisierten Armplexusläsionen Schweißsekretionsstörungen
(Faszikelläsion) Kombination der o. g. Symptome.
> Wegweisend für die Diagnostik sind Verteilungsmus-
Neuralgische Schulteramyotrophie (neuralgische Mya- ter der neurologischen Defizite und Beteiligung des
trophie) vegetativen Nervensystems.
Einseitige Entzündung von Nerven des Plexus brachialis,
vermutlich immunologisch nach Impfungen, Infektionen, Therapie. Die Behandlung umfasst:
Lymphomen oder bei i.v. Drogenabusus. Typisch sind akut 4 Armlagerung, Physiotherapie, Analgetika
einsetzende Schmerzen im Schulter- und Oberarmbereich 4 Operative Dekompression: Bei Kompression mit
v. a. nachts. Schmerzen sistieren nach einigen Tagen, dann neurologischen Ausfällen, Durchblutungsstörun-
treten Paresen auf, deren Verteilungsmuster der Läsion ei- gen oder therapieresistenten Schmerzen. Drucklä-
nes peripheren Nerven- oder Plexus entspricht. Sensibili- sionen erholen sich meist gut. Ggf. Tumorbehand-
tätsstörungen sind gering. Gute Prognose, meist mono- lung, Hämatomausräumung, Abszessdrainage
phasischer Verlauf. 4 Neurolyse, Nerveninterposition: Wenn keine Rein-
nervation erfolgt, innerhalb der ersten 6 Monate bei
Diagnostik. Anamnese, Befund, Elektrophysiologie, oberer Armplexusläsion
Abklärung der Ursache: Bildgebung, Labor. 4 Ersatzoperation auch später möglich: Verlagerung
4 Abgrenzung der unterer Armplexusläsion zur N.- der Ansätze intakter Muskeln, die die Funktion pa-
ulnaris-Läsion bzw. der oberen Armplexusläsion retischer Muskeln übernehmen
In Kürze
Spinale radiku- 4 Symptomatik: Schmerzen, schlaffe Paresen, Sensibilitäts- und vegetative Störungen
läre Syndrome 4 Ätiologie: mechanische Kompression (Bandscheibenvorfall, Tumor, Blutung), Entzündun-
gen (Abszess), metabolische Erkrankungen, Trauma, angeborene oder erworbene Spinal-
kanalstenose
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Bildgebung (Nativröntgen, spinales CT oder MRT, ggf. Mye-
lographie), Labor, evtl. Serologie und Liquordiagnostik, Restharnbestimmung, Elektrophy-
siologie
4 Therapie: Bandscheibenvorfall: konservativ (Entlastung, Ruhigstellung, physikalische The-
rapie, Physiotherapie, Analgesie, Myotonolytika, trizyklische Antidepressiva bei chroni-
schen Schmerzen, lokale epidurale Kortikosteroidgabe); ggf. operative Dekompression
Erkrankung Ätiopathogenese
Metabolische Neuropathie Diabetes mellitus, Urämie, Leberzirrhose, Gicht, Hypothyreose, Akromegalie, Hyperlipidämie
Diabetes mellitus: direkte Stoffwechselstörung der Nerven sowie Nervenschädigung durch
diabetische Mikroangiopathie der Vasa nervorum
Toxische Neuropathie Alkohol, Triarylphosphat aus Mineralölen, Blei, Arsen, Thallium, Schwefelkohlenstoff, Medika-
mente: Isoniazid, Statine, Zytostatika (Cisplatin, Vincristin und Vinblastin), antiretrovirale Sub-
stanzen, IFN-α
Alkohol und der Metabolit Acetaldehyd schädigen die Nerven vermutlich direkt, weiterhin
kommt bei Alkoholkranken oft eine Mangelernährung vor
Infektiöse Neuritis Bakteriell: Borreliose, Lepra, Diphtherie, Bruzellose, Botulismus, Typhus und Paratyphus, Fleck-
fieber
Viral: HIV, Mumps, Mononucleosis infectiosa
Neuropathie im Rahmen Paraproteinämisch bei monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) oder
einer neoplastischen lymphoproliferativen Erkrankungen: Plasmozytom, Morbus Waldenström, B-Zell-Lymphom,
Erkrankung CLL
1.10 · Erkrankungen des peripheren Nervensystems
85 1
Verteilungstyp:
4 Distal symmetrisch
5 Mit Sensibilitätsstörungen: Reflexabschwä-
chung/-verlust, zuerst oft ASR; z. B. bei alko-
holtoxischer, urämischer und oft bei diabeti-
scher PNP
5 Mit sensomotorischen Störungen: z. B. GBS,
akute intermittierende Porphyrie, hereditäre
motorische und sensible Neuropathien
5 Mit ausgeprägten autonomen Symptomen: z. B.
Amyloid-PNP, diabetische autonome Neuro-
pathie
4 Asymmetrische Manifestationstypen
5 Mononeuropathia multiplex (Ausfälle ent-
sprechen dem Versorgungsmuster einzelner
Nerven) Ursächlich ist meist eine Vaskulopa-
thie z. B. Mikroangiopathie bei Diabetes melli- a
tus, Panarteriitis nodosa oder Lupus erythema-
todes
5 Schwerpunkt-PNP mit zusätzlich sym-
metrischen, distal betonten Ausfällen z. B.
vaskulitische Neuropathie, Borreliose-
Neuropathie, Zoster-Neuritis, neuralgische
Neuritis
4 Proximal, z. B. Plexusneuritis, proximale diabeti-
sche Neuropathie
4 Proximal und distal, z. B. GBS, Porphyrie
b
Oft beginnt die Erkrankung an der unteren Extremität . Abb. 1.19. a Deutliche Unterschenkelatrophie und beid-
(distal-symmetrisch) und ist langsam progredient. seitiger Hohlfluß bei einem 40-jährigen Mann mit HMSN,
Bei der diabetischen PNP (typischerweise axonal Typ I. b Hohlfuß bei HMSN. (A. Ferbert, Kassel)
und demyelinisierend) stehen meist sensible Reizer-
scheinungen (Brennen, Schmerzen, »burning feet«) im
Vordergrund, neben der häufigen distal-symmetri- Bei der »Critical-illness«-Neuropathie überwie-
schen Form mit anfangs v. a. abgeschwächtem ASR gen motorische Ausfälle, meist beginnt sie mit symme-
und Pallhypästhesie gibt es auch asymmetrische, pro- trischen Paresen an der unteren Extremität.
ximale Formen (diabetische Amyotrophie) und Mono- Unter den HMSN ist Typ I (Charcot-Marie-Tooth-
neuropathien. Oft sind Hirnnerven (III, VI, VII) und Krankheit; demyelinisierend, . Abb. 1.19) der häufigs-
auch vegetative Nerven (cave: stumme Myokardischä- te. Es entwickeln sich zunächst Hohlfüße, im Verlauf
mien) betroffen. Atrophie der Unterschenkelmuskulatur bei erhaltener
Bei alkoholtoxischer PNP (axonal betont) stehen Oberschenkelmuskulatur (Storchenbeine), später auch
oft Schmerzen im Vordergrund, Muskelkrämpfe sind der distalen oberen Extremität. Der Verlauf ist langsam
häufig. Die Verteilung ist in der Regel distal-symmet- progredient. Die Sensibilität ist später und geringer be-
risch. troffen als die Motorik.
86 Kapitel 1 · Neurologie
Diagnostik. Anamnese, Befund. kommen schlaffe, meist symmetrische, innerhalb von Ta-
1 4 Elektrophysiologie gen (manchmal Stunden) aufsteigende Paresen, die meist
5 Nachweis und Bestimmung des Verteilungs- in den Beinen beginnen und zu Atemlähmung führen
typs können, sowie Myalgien, Gang- und Standataxie durch
5 Nachweis einer subklinischen Mitbeteiligung gestörte Tiefensensibilität und Hirnnervenausfälle (in 50%
von klinisch nicht-betroffenen Faserqualitäten Fazialisparese). Autonome Störungen sind häufigste To-
5 Unterscheidung zwischen axonaler (Axonschä- desursache: Tachy- oder Bradyarrhythmie, Hyper- oder
digung) und demyelinisierender (Myelinschä- Hypotonie, ADH-Mangel oder SIADH mit Hyponatriämie.
digung) PNP mit Einschränkungen möglich Selten ist eine zentrale enzephalitische Mitbeteiligung.
5 Zu den axonalen PNP gehören v. a. die to- Das Symptommaximum wird nach ca. 2 Wochen erreicht.
xischen (auch alkoholtoxische), z. T. HMSN, Sonderformen sind das Miller-Fisher-Syndrom mit Oph-
paraneoplastische PNP. In der ENG sind die thalmoplegie, Ataxie, Areflexie sowie die (Pan-)Dysauto-
Amplituden der Muskel- und Nervenaktions- nomie mit fast ausschließlicher Beteiligung des vegetati-
potenziale erniedrigt, die NLG ist normal. Die ven Nervensystems.
EMG zeigt frühzeitig Denervierungszeichen Die Diagnostik umfasst Anamnese, Befund, Liquor-Ei-
(positive Wellen, Fibrillationen) und neurogen weißerhöhung >1 g/l (kann initial gering erhöht sein) bei
veränderte Potenziale normaler oder leicht erhöhter Zellzahl (bis 50/µl), sog. zyto-
5 Zu den demyelinisierenden PNP gehören: GBS albuminäre Dissoziation. Elektrophysiologische Untersu-
(z. T. auch axonal), z. T. HMSN und PNP bei chungen (können anfangs noch normal sein):
Dysproteinämie. ENG: deutliche Verzögerung 4 Neurographie: verlängerte F-Wellen-Latenz, H-Reflexe
der NLG und der distal motorischen Latenz reduziert, verlängerte distale motorische Latenz, ver-
4 Zum Nachweis/Ausschluss zugrunde liegender Er- langsamte Nervenleitfähigkeit
krankungen: Labor und Bildgebung; evtl. Nerven- 4 EMG: Erst nach 2–3 Wochen ist pathologische Spontan-
biopsie bei schwerer oder progredienter PNP un- aktivität nachweisbar.
klarer Genese 4 EKG (Rhythmusstörungen?)
4 Molekulardiagnostik bei hereditären Formen
Therapeutisch eingesetzt werden Immunglobuline oder
> 10–20% der Fälle bleiben ätiologisch ungeklärt. Plasmapherese bei mäßig schwerem bis schwerem Verlauf
(Gehstrecke<5 m, rasche Progression, deutliche Atem-/
Therapie. Behebung der Ursache/Behandlung der Schluckstörung; bei maximal 2 Wochen Krankheitsdauer).
Grundkrankheit: Die symptomatische Behandlung umfasst:
4 Entfernung der Noxe 4 Überwachung der Vitalfunktionen, insbesondere Herz-
4 Ggf. Antidot bei Intoxikation frequenz, Blutdruck, Vitalkapazität
4 Substitution bei Vitamin-Mangel 4 Thromboseprophylaxe, Dekubitusprophylaxe, Physio-
4 Diabeteseinstellung therapie, ggf. Schmerztherapie
4 Behandlung einer Infektionskrankheit 4 Beatmung bei Abfall der Vitalkapazität auf 25% des
4 Schmerzen bei diabetischer PNP zusätzlich symp- Normwertes oder <20 ml/kg KG
tomatisch u. a. mit Carbamazepin, Gabapentin und 4 Therapie von Herzrhythmusstörungen und Hypo- oder
Thioctsäure; weiterhin Neuroleptika und trizykli- Hypertonie
sche Antidepressiva
4 Krankengymnastik Nach Erreichen des Beschwerdemaximums erfolgt die
Rückbildung der Symptome in umgekehrter Reihenfolge
Guillain-Barré-Syndrom (Polyradikulitis) des Auftretens. Meist bleibt keine wesentliche Behinde-
Vermutlich autoimmunologische Genese (Antikörper u. a. rung bestehen, schwere Defektzustände sind möglich, Le-
gegen Myelinbestandteile), oft 1–3 Wochen nach respirato- talität 5%.
rischen oder gastrointestinalen Infektionen durch Viren
oder Bakterien, z. B. Campylobacter jejuni. Meist verläuft CIDP (chronische inflammatorische demyelinisierende
ein GBS als akute inflammatorische demyelinisierende Po- Polyradikuloneuropathie)
lyradikuloneuropathie (AIDP). Die Häufigkeit liegt bei 1– Unterscheidet sich vom GBS im Wesentlichen über die >8
2/100.000/Jahr. Wochen lange Progredienz. Therapie: Kortikosteroide und
Die Erkrankung beginnt oft mit Parästhesien, Taubheit Immunglobuline.
und/oder Schmerzen im Rücken oder in den Muskeln. Dazu
1.10 · Erkrankungen des peripheren Nervensystems
87 1
In Kürze
Polyneuropathie, 4 Symptomatik: sensible und motorische Reiz- und Ausfallserscheinungen: Parästhesien,
Polyneuritis oft strumpf- bzw. handschuhförmige Hyp-, An- oder Parästhesie/-algesie, anfangs sind
oft Pallästhesie und Lagesinn betroffen, schlaffe, atrophische Paresen, Reflexabschwä-
chung oder -ausfall, oft v. a. ASR, autonome Ausfallserscheinungen: trophische Störun-
gen der Haut Hypo- oder Anhidrosis etc.
4 Ätiologie: häufigste Ursachen in Deutschland: Diabetes mellitus und Alkohol, weitere
Ursachen: genetisch, Vitaminmangel, Medikamentennebenwirkung, bei monoklonaler
Gammopathie oder lymphoproliferativen Erkrankungen. Neuritiden sind entzündliche
Neuropathien ausgelöst durch Infektionen oder immunvermittelt (z. B. Guillain-Barré-
Syndrom)
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Elektrophysiologie, Nachweis/Ausschluss zugrunde
liegender Erkrankungen
4 Therapie: Behandlung der Grundkrankheit, KG, symptomatische Therapie
Prognose. Meist Spontanremission bei idiopathischer 5 Zoster ophthalmicus: Befall des 1. Trigeminu-
Parese, in 80% komplette Erholung, beginnende Besse- sastes birgt die Gefahr der Korneaschädigung
rung innerhalb von 3 Wochen. und Erblindung. Bläschen an der Nasenspitze
sind wegweisend!
Herpes zoster (Gürtelrose), Zosterneuralgie
Ätiopathogenese. Akuter Herpes zoster: Reaktivierung Mögliche Komplikationen: beidseitiger Befall, Zoster ge-
von nach Windpocken in den sensiblen Ganglien per- neralisatus (generalisierter Befall mit Beteiligung innerer
sistierenden Varizella-Zoster-Viren durch Abwehr- Organe – Pneumonie, Hepatitis bei Abwehrschwäche),
schwäche, Trauma, Stress oder Sonneneinwirkung; oft Zoster haemorrhagicus (hämorrhagische Transformation
in höherem Lebensalter. der Bläschen), Meningitis, Myelitis, Enzephalitis.
In Kürze
1
Hirnnervenerkrankungen
Trigeminus- 4 Symptomatik: spontaner oder durch Trigger ausgelöster neuralgiformer Schmerz im Versor-
neuralgie gungsgebiet der Trigeminusäste (V2, V3), evtl. Tic douloureux, autonome Reaktionen
4 Ätiologie: idiopathisch: häufig Kompression durch A. cerebelli superior; symptomatisch: bei
MS oder Raumforderungen
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, CMRT
4 Therapie: idiopathische Trigeminusneuralgie: 1. Wahl konservativ mit Carbamazepin, Oxcar-
bazepin, evtl. chirurgische Therapie (Jannetta-Operation, Thermokoagulation des Ganglion
Gasseri); symptomatische Trigeminusneuralgie: Behandlung der Grundkrankheit
Periphere 4 Symptomatik: Lähmung der mimischen Gesichtsmuskeln mit Bell-Zeichen, bei Schädigung
Fazialisparese im Felsenbeinbereich: verminderte Tränensekretion, Hyperakusis, Geschmackstörung
4 Ätiologie: meist idiopathisch, Infektion (Borreliose, Zoster oticus), Sarkoidose, Trauma, Ner-
venkompression Tumorerkrankung, erhöhte Inzidenz bei Schwangerschaft, Bluthochdruck
und Diabetes mellitus
4 Diagnostik: Anamnese, Befund (Ausschluss einer zentralen Parese!). Ausschluss von Infekti-
on, Trauma, Tumor, evtl. Fazialisneurographie
4 Therapie: Operation bei Trauma/Tumor, Verhütung von Sekundärschäden (Uhrglasverband,
Augensalbe, künstliche Tränen), medikamentöse Therapie: Prednison/Methylprednisolon
möglichst frühzeitig, Bewegungsübungen der Gesichtsmuskeln, spezifische Therapie bei
Zoster oticus, Otitis media
1.10.5 Mononeuropathien der oberen Diagnostik. Anamnese, Befund, EMG, NLG, evtl. Bild-
Extremität gebung.
Definition. Schädigung einzelner peripherer Nerven. Differenzialdiagnose. Radikuläre Läsion: Da die Mus-
keln durch mehr als ein Rückenmarksegment inner-
Ätiopathogenese. Ursachen sind: viert werden (außer Kennmuskeln) sind Paresen und
4 Druckeinwirkung (falsche Lagerung bei Narkose, Muskelatrophien hier geringer ausgeprägt. Im Extremi-
Engpass-Syndrome, Kallusbildung nach Frakturen, tätenbereich sind vegetative Fasern nicht mitbetroffen.
Kompartmentsyndrom, weichteilgewebige Raum-
forderungen wie Hämatom und Abszess, schlechte Therapie. Konservativ: Ruhigstellung, Schienung, Elek-
Gipsanlage) trostimulation, Hilfsmittel (Orthesen), medikamentö-
4 Trauma (Zug, Zerrung, Quetschung des Nerven; ser Therapieversuch von Parästhesien (α-Liponsäure,
Durchtrennung bei Stich- oder Schnittverletzun- Carbamazepin). Operationen sind indiziert bei schwe-
gen; Zerreißung bei Frakturen) ren Nervenläsionen oder Engpass-Syndromen.
4 Iatrogen (Injektion oder Bestrahlung)
4 Toxisch 1.10.5.1 Läsion des Nervus ulnaris (C8–Th1)
4 Infektiös Definition. Schädigung des N. ulnaris mit Ausfällen im
4 Ischämisch Versorgungsgebiet.
M. flexor carpi radialis (Ulnarabduktionsstel- In ca. 10% lässt sich eine Ursache finden: posttrauma-
1 lung) tisch, belastungsinduziert (Polsterer oder Arbeiten mit
5 M. abductor pollicis brevis, M. opponens (feh- stark vibrierenden Maschinen), rheumatische Erkrankung,
lende Daumenopposition, sog. Affenhand, Flüssigkeitsretention in der Schwangerschaft, endokrine
Thenaratrophie), Mm. lumbricales I und II, Störungen wie Diabetes mellitus, Hypothyreose, Akrome-
Caput superficiale des M. flexor pollicis brevis galie, Hyper- und Hypoparathyreoidismus, Amyloidose,
5 N.-interosseus-ant.-Syndrom (Kiloh-Nevin- Mukopolysacharidose, Gicht, chronische Niereninsuffizienz
Syndrom, rein motorische Ausfälle mit Lähmung sowie anatomische Varianten.
des M. flexor pollicis longus und digitorum pro-
fundus II und des M. pronator quadratus) Typische Symptome sind:
5 Komplette Lähmung bei Läsion am Oberarm 4 Parästhesien: Kribbeln, Stechen, v. a. Finger I–III, auch
oder Ellenbogenbereich ulnar
4 Brachialgia paraesthetica nocturna: Beschwerden
Diagnostik. Anamnese, Befund: auch proximal des Handgelenks mit Ausbreitung bis
4 Schwurhand: Bei Faustschluss werden nur die zur Schulter, Symptomatik v. a. nachts oder bei fixierter
Finger IV und V gebeugt, da vom N. ulnaris in- Beuge- oder Streckstellung der Hand, Schütteln der
nerviert. Hand führt zur Besserung.
4 Flaschenzeichen: Beim Versuch, eine Flasche zu 4 Im fortgeschritteneren Stadium Hypästhesien, Parese
umgreifen, kann die Hand wegen mangelhafter In- und Atrophie der laterale Daumenballenmuskulatur
nervation des M. abductor pollicis brevis nicht aus- 4 Keine Schwurhand (distale Läsion)
reichend geöffnet werden, zwischen Finger I und II 4 Evtl. trophische Störungen und Hyp- oder Anhidrose
kann kein »O« geformt werden (. Abb. 1.22).
Zur Diagnostik gehören positiver Phalen-Test (maximale
Differenzialdiagnose. Radikuläre Läsionen: Flexion im Handgelenk für eine Minute löst Parästhesien
4 C6, C7: auch Sensibilitätsstörungen in den radialen aus), Hoffmann-Tinel-Zeichen (Perkussion des Hautare-
Fingern, bei C6 besteht eine M.-biceps-brachi-Pa- als über dem geschädigten N. medianus kann ein elektri-
rese, bei C7 M.-triceps- und M.-brachioradialis-Pa- sierendes Gefühl auslösen), sensible Neurographie, Be-
rese und TSR-Abschwächung stimmung der distalen motorischen Latenzzeit des N.
4 C8, Th1: auch Daumenballenatrophie medianus.
Die Behandlung beruht bei leichteren Fällen, jungen
Karpaltunnelsyndrom (KTS) Patienten und in der Schwangerschaft auf Schonung,
10% aller Menschen betroffen, meist nach dem 30. Lebens- nächtlicher Schienung, Reduktion manueller Beanspru-
jahr, W:M = 2:1. Ursache: chronische Druckschädigung des chung, evtl. Glukokortikoidgabe. Die operative Therapie
N. medianus im Karpaltunnel zwischen Handwurzelkno- mit offener oder endoskopischer Durchtrennung des Reti-
chen und dem Retinaculum flexorum, durch Einengung naculum flexorum ist indiziert bei Versagen konservativer
des Tunnels oder Volumenzunahme des Tunnelinhaltes. Maßnahmen, funktionell behindernden sensomotorischen
Ausfallserscheinungen, bei akutem und rasch progredien-
tem Verlauf.
In Kürze
N. ulnaris 4 Symptomatik: sensibel: palmar: Kleinfinger, ulnare Hälfte des Ringfingers, ulnare Handin-
nenfläche, Kleinfingerballen, angrenzendes Handgelenk; dorsal: Finger V und IV, z. T. III,
ulnarer Handrücken. Motorisch: Beugung im Grundgelenk, Streckung in den Mittel- und
Endgelenken, Krallenstellung der Finger
4 Ätiologie: chronisch progrediente mechanische Schädigung, Syndrom der Guyon-Loge,
Kompression bei Hyperextension, Trauma
4 Diagnostik: Anamnese, Befund: Fromnent-Zeichen, eingeschränkte Nasenstüberbewe-
gung, Hoffmann-Tinel-Zeichen bei chronischer Schädigung positiv; Elektrophysiologie, ggf.
Bildgebung
4 Therapie: ggf. chirurgische Dekompression, Physiotherapie
N. medianus 4 Symptomatik: sensibel: palmar: Finger I bis radiale Hälfte Finger II, dorsal: Endglieder Finger
II und III. Motorisch: Pronationsschwäche, Ulnarabduktionsstellung, fehlende Daumenop-
position, sog. Affenhand, Thenaratrophie. Nervus-interosseus-ant.-Syndrom: rein motorisch
4 Ätiologie: Trauma (Fraktur, Luxation etc.), Kompression (Karpaltunnelsyndrom, Pronator-te-
res-Syndrom)
4 Diagnostik: Anamnese, Befund: Schwurhand, Flaschenzeichen; Elektrophysiologie, ggf.
Bildgebung
4 Therapie: ggf. chirurgische Dekompression, Physiotherapie
N. radialis 4 Symptomatik: sensibel: dorsal radial am Unterarm und Handgelenk, dorsal Finger I–III (III
nur radial). Motorisch: mangelhafte Streckung im Ellenbogen, Fallhand, Fallfinger, ggf. rein
motorische Lähmung bei Supinator-Syndrom
4 Ätiologie: Humerusschaftfraktur, Krücken- oder Parkbanklähmung, Supinator-Syndrom,
Radiusköpfchenluxation, Radiusfraktur, Blei-Intoxikation u. a.
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Elektrophysiologie, ggf. Bildgebung
4 Therapie: ggf. chirurgische Dekompression, Physiotherapie
94 Kapitel 1 · Neurologie
1.10.6 Mononeuropathien der unteren sam. Das Knie gibt beim Gehen nach, knickt ein und
1 Extremität wird übertrieben überstreckt. Das Treppensteigen ist
besonders erschwert oder unmöglich. Der PSR ist ab-
Meralgia paraesthetica geschwächt. Die Patella steht im Stehen tief. Eine
Kompression des N. cutaneus femoris lateralis am Durchtritt Schonhaltung bei retroperitonealer Raumforderung
durchdasLeistenbandbeirascherGewichtszunahme,Schwan- (Außenrotation, Flexion, Abduktion in der Hüfte) ist
gerschaft, engen Hosen (Jeanskrankheit), Korsett etc. typisch.
Iatrogene Verletzung bei Spongiosaentnahme oder
Hüftoperation. M>W, v. a. im mittleren Alter, in 10% beid- Differenzialdiagnose. L4-Läsion: Zusätzlich Fußheber-
seitig. schwäche (M. tibialis ant.). L3-Läsion: Keine Sensibili-
Symptome: tätsstörungen im Bereich des N. saphenus.
4 Brennende Schmerzen, Missempfindungen in hand-
tellergroßem Areal an der Vorder- und Außenseite des Therapie. Abhängig von der Ursache; Physiotherapie,
Oberschenkels, Provokation durch Hüftstreckung ggf. operative Dekompression/Neurolyse.
4 Druckschmerz an der Durchtrittsstelle durch das Leis-
tenband (2 Querfinger medial der Spina iliaca ant. sup.) 1.10.6.2 Läsion des Nervus ischiadicus (L4–S3)
4 Positives umgekehrtes Lasègue-Zeichen Definition. Schädigung des N. ischiadicus mit Ausfällen
im Versorgungsgebiet.
Die Rate an Spontanremissionen ist hoch, konservative
Therapie meist erfolgreich: Vermeidung von Streckbelas- Ätiopathogenese. Ursächlich sind:
tung in der Hüfte, Lokalanästhetika, lokale Glukokortikoid- 4 Druckeinwirkung: falsche Lagerung bei Narkose,
therapie. weichteilgewebige Raumforderungen: Hämatom,
Differenzialdiagnostik: radikuläre L3-Läsion: zusätzli- Abszess
che Abschwächung des PSR, Sensibilitätsstörungen kön- 4 Trauma
nen die Mittellinie überschreiten. 4 Iatrogen
4 Toxisch
1.10.6.1 Läsion des Nervus femoralis (L1–L4) 4 Infektiös
Definition. Schädigung des N. femoralis mit Ausfällen 4 Ischämisch
im Versorgungsgebiet-
Symptomatik. Typisch sind:
Ätiopathogenese. Ursächlich sind: 4 Motorische Ausfälle: ischiokrurale Muskulatur,
4 Retroperitoneale Einblutung unter Marcumarthe- alle Muskeln am Unterschenkel und Fuß, Kniebeu-
rapie gung ist nur noch durch den M. sartorius und den
4 Retroperitoneale Raumforderungen (Fibrose etc.) M. gracilis möglich, bei intakter Innervation der
4 Diabetische Mononeuropathie Gesäßmuskeln und der Adduktoren ist Gehen
4 Neuralgische Beckengürtelamyotrophie (analog trotzdem möglich
zur neuralgischen Schulteramyotrophie) 4 Sensible Ausfälle: vor Aufteilung in N. peroneus
4 Druckschädigung des sensiblen N. saphenus im und tibialis unten am Gesäß, Oberschenkelrück-
Canalis adductorius oder Schädigung bei Phlebitis seite
der V. saphena magna.
4 Iatrogen nach Operationen der (Hüfte), Angiogra- Diagnostik. Anamnese, Befund, Elektrophysiologie,
phien (Punktion der A. femoralis), Bestrahlung Bildgebung.
Fraktur des Fibulaköpfchens etc. Isolierte Läsionen 5 Bei ausbleibender Reinnervation Dekompres-
des distalen N. peronaeus profundus im sog. vorderen sion, Neurolyse, mikrochirurgische Nerven-
Tarsaltunnel oder des N. peronaeus superficialis sind naht mit End-zu-End-Anastomose oder auto-
möglich. loges Nerventransplantat.
5 Bei traumatischer Läsion mit glatter Nerven-
> Peronaeuslähmung ist der häufigste periphere Ner- Durchtrennung primäre End-zu-End-Anasto-
venschaden am Bein. mose bis zu 3 Wochen nach dem Trauma.
5 Bei persistierender Fußheberparese kann die
Symptomatik. Typisch sind: M.-tibialis-posterior-Sehne vor die Sprungge-
4 N. peronaeus profundus: Paresen der Fuß- und lenksachse verlegt werden.
Zehenheber, inkl. der Fußmuskeln auf dem Fußrü-
cken (Fallfuß, Steppergang, Gefahr der Spitzfuß- 1.10.6.4 Läsion des Nervus tibialis (L4–S3)
kontraktur). Die Sensibilität ist im 1. Zehenzwi- Definition. Schädigung des N. tibialis mit Ausfällen im
schenraum gemindert. Versorgungsgebiet.
4 N. peronaeus superficialis: Parese der Fußprona-
tion (Mm. peronaei, keine Elevation des lateralen Ätiopathogenese. Tibiafraktur, Tarsaltunnelsyndrom.
Fußrandes), meist inkomplette Sensibilitätsstörung
des Fußrückens und seitlich am Unterschenkel. Symptomatik. Typisch sind:
4 Motorische Ausfalle: M. triceps surae, M. plantaris,
Differenzialdiagnose. L5-Läsion: Zusätzlich Hüftab- kleine Fußmuskeln der Fußsohle (Störung der Knie-
duktoren- und M.-tibialis-posterior-Parese, TPR abge- beugung und Plantarflexion von Fuß und Zehen,
schwächt. Rein motorische Ausfälle bei Dystrophia Zehenspitzengang ist nicht möglich, sog. Bügeleisen-
myotonica, amyotrophe Lateralsklerose, spinaler Mus- gang mit Schleifen des Fußes am Boden, da Abrollen
kelatrophie. nicht möglich). Im Verlauf Krallenstellung der Ze-
hen. Durch Ausfall des M. tibialis post. ist die Fußsu-
! Cave pination gestört, es kommt zur Pronationsstellung.
Insbesondere nach einer Fraktur an ein Kompart- 4 Sensible Ausfälle (N. suralis): Ferse, Fußsohle.
mentsyndrom denken! Ggf. muss frühzeitig die Faszi-
enspaltung erfolgen. Diagnostik. Anamnese, Befund, Elektrophysiologie,
Bildgebung.
Therapie. Die Behandlung umfasst:
4 Konservativ: Krankengymnastik, Spitzfußpro- Therapie. abhängig von der Ursache; Physiotherapie,
phylaxe. ggf. operative Dekompression/Neurolyse, Versorgung
4 Operativ: einer Fraktur.
In Kürze
N. ischiadicus 4 Symptomatik:
– Motorische Ausfälle: ischiokrurale Muskulatur, alle Muskeln am Unterschenkel und
Fuß, Kniebeugung ist nur noch durch den M. sartorius und den M. gracilis möglich,
bei intakter Innervation der Gesäßmuskeln und der Adduktoren ist Gehen trotzdem
möglich
6
96 Kapitel 1 · Neurologie
1 – Sensible Ausfälle: bei Läsion vor Aufteilung in N. peronaeus und tibialis: unten am
Gesäß, Oberschenkelrückseite
4 Ätiologie: Druckeinwirkung (Lagerung bei Narkose, Raumforderungen: Hämatom, Abs-
zess), Trauma, toxisch, infektiös, ischämisch
4 Diagnostik: 7 N. femoralis
4 Therapie: 7 N. femoralis
5 Tagesmüdigkeit bei vielen Patienten mit und Epidemiologie. Typ Thomsen 1:400.000, Typ Becker
ohne Schlaf-Apnoe-Syndrom 1:25.000.
5 Gelegentlich periphere Neuropathie
Symptomatik. Typisch sind für:
! Hauptsymptome: 4 Beide Typen
4 Distal betonte, progrediente Muskelschwäche/- 5 Myotonie: Störung der Muskelerschlaffung
atrophie 5 Warm-up-Phänomen: Abnahme der myotonen
4 Myotonie: verzögerte Muskelerschlaffung, emp- Symptomatik durch wiederholte Bewegungen
funden als Muskelsteife 4 Typ Thomsen
4 In 75% der Fälle Katarakt 5 Manifestation im Kleinkindalter mit Kontrak-
turen der Wadenmuskulatur, Spitzfußneigung,
Die Symptomatik beginnt meist im 15. bis 30. Lebens- häufigem Hinfallen, ungeschicktem Greifen
jahr (adulte Form). 5 Betroffene wirken oft athletisch
Eine schwere, kongenitale Sonderform fällt oft 5 Frauen sind meist leichter betroffen
schon vor der Geburt auf (Polyhydramnion infolge ei- 4 Typ Becker
ner Schluckschwäche). Postpartal kommt es zum Flop- 5 Beginn 5. bis 8. Lebensjahr
py-infant-Syndrom mit Trinkschwäche, offen stehen- 5 Myotonie in den Armmuskeln häufig stärker
dem Mund, hohem Gaumen und psychomotorischer ausgeprägt als in den Beinmuskeln
Entwicklungsretardierung. 5 Gelegentlich Achillessehnenkontrakturen oder
Kontrakturen in Ellbogen- und Schultergelenk
Diagnostik. Anamnese, Befund. 5 Passagere Störung der Muskelkontraktion mit
4 Labor: CK (mäßig erhöht), Transaminasen und γ- transienter Schwäche
GT of leicht erhöht, Abklärung endokriner Störun- 5 Disproportionierte Figur mit schmächtiger
gen: Blutzucker, HbA1c, Schilddrüsenparameter, Hals-, Schulter- und Armmuskulatur und hy-
ggf. Geschlechtshormone pertropher Bein- und Glutealmuskulatur
4 EMG: myotone Entladungsserien (Entladungsseri- 5 Lordose der Wirbelsäule
en z. B. im Perkussionstest »Sturzkampfbomberge-
räusch«) und Myopathie-typische Veränderungen > Beide Formen sind nicht kaliumempfindlich und wer-
4 Augenärztliche Spaltlampenuntersuchung (Kata- den nicht durch Kälte beeinflusst.
rakt)
4 Molekulargenetischer Nachweis Diagnostik. Anamnese, Befund.
4 EKG 4 Faustschlussmyotonie
4 Perkussionsmyotonie der Zungen- oder Extremitä-
Therapie. Physio- und Ergotherapie, Logopädie. Ggf. tenmuskulatur
symptomatische Therapie endokriner Störungen, Kata- 4 Lid-lag
raktoperation, Herzschrittmacher. 4 Bei Typ Becker transiente Parese mit Abnahme der
Kraft bei wiederholten Muskelkontraktionen
Prognose. Progredienter Verlauf, Lebenserwartung oft 4 EMG-Untersuchung (myotone Salven)
auf 50–60 Jahre verkürzt, Herzrhythmusstörungen sind 4 Labor: CK (maximal 2-fach erhöht) und Transami-
oft limitierend. nasen
4 Evtl. molekulargenetische Diagnostik
1.11.1.2 Nichtdystrophe Myotonien: Myotonia
congenita Thomsen und Becker Therapie. Antimyotone medikamentöse Therapie bei
Definition. Ionenkanalkrankheiten mit Übererregbar- Beeinträchtigung im sozialen oder beruflichen Alltag
keit (Myotonie: Störung der Erschlaffung des Muskels/ mit Lokalanästhetika/Antiarrhythmika. 1. Wahl: Mexi-
Relaxationsstörung) und Untererregbarkeit (Störung letin (vor Therapiebeginn (Langzeit-)EKG).
der Muskelkontraktion und transiente Schwäche/
schlaffe Lähmung). Prognose. Nicht progredient.
muskeln, Gesicht, Hals, obere distale Extremitäten. Pa- Diagnostik. Anamnese, Befund.
1 radoxe Myotonie: Zunahme der Myotonie durch 4 Paresen, kein Faszikulieren, MER bleiben lange er-
repetitive Bewegungen/körperliche Aktivität, Atrophi- halten
en oder eine persistierende Muskelschwäche entwi- 4 EMG: myopathisch verändert
ckeln sich im Verlauf nicht. Symptome bestehen von 4 Muskelbiopsie: unregelmäßige Faserdurchmesser,
der Geburt an und sind in Wärme gering oder fehlen. zentral liegende Kerne, Bindegewebs- und Fettge-
4 Hyperkaliämische periodische Lähmung (Adynamia websvermehrung
episodica hereditaria) 4 Labor: erhöhte CK, Überträgerinnen haben in 2/3
4 Hypokaliämische periodische Lähmung der Fälle erhöhte CK-Werte
4 Molekulargenetische Diagnostik
In Kürze
Muskelkrankheiten
Myotone 4 Symptomatik: Beginn meist 15. bis 30. Lebensjahr. Distal betonte, progrediente
Dystrophie Typ 1 Muskelschwäche und -atrophie, Myotonie. Häufig kardiale Beteiligung, Katarakt,
Innenohrschwerhörigkeit, endokrine Erkrankungen, Kognitive Einschränkungen,
Persönlichkeitsveränderung
4 Ätiologie: autosomal-dominant vererbte multisystemische Erkrankung, CTG-
Repeat-Expansion im Dystrophia-myotonica-Proteinkinase- Gen
6
1.11 · Muskelkrankheiten
99 1
Myotonia congenita 4 Symptomatik: Myotonie, Warm-up-Phänomen, athletisches Aussehen, bei Typ Be-
Thomsen, Myotonia cker transiente Paresen
congenita Becker 4 Ätiologie: Mutation von Chloridkanälen
4 Diagnostik: Anamnese, Befund: Faustschluss- und Perkussionsmyotonie, Lid-lag,
EMG: myotone Salven, Labor: CK (maximal 2-fach) und Transaminasen erhöht, evtl.
molekulargenetische Diagnostik
4 Therapie: ggf. antimyotone medikamentöse Therapie mit Mexiletin
Muskeldystrophie Typ 4 Symptomatik: Beginn meist bis zum 3. Lebensjahr mit schlaffen Paresen, v. a. der
Duchenne Beckengürtelmuskulatur, »Gnomenwaden«, Wespentaille, Watschelgang, positives
Trendelenburg-Zeichen, Gowers-Manöwer, mentale Retardierung, Beteiligung von
Herz- und glatter Muskulatur, Tod meist bis zum 20. Lebensjahr
4 Ätiologie: Mutationen im Dystrophin-Gen
4 Diagnostik: Anamnese, Befund, Paresen, kein Faszikulieren, MER lange erhalten,
EMG und Muskelbiopsie: myopathisch verändert, Labor: erhöhte CK, molekularge-
netische Diagnostik
4 Therapie: symptomatisch, Physiotherapie, ggf. Orthesen oder operative Korrektur
von Kontrakturen, Behandlung von Atemwegsinfekten, Heimbeatmung
1.11.3 Neuromuskuläre Erkrankungen bei einem Kind, bildet sich nach einigen Wochen zu-
rück.
1.11.3.1 Myasthenia gravis pseudoparalytica Weitere Autoimmunerkrankungen (Schilddrü-
Definition. Autoimmunerkrankung mit Verlust nikotin- senerkrankungen, andere Endokrinopathien) können
erger Azetylcholinrezeptoren (AChR) an der motorischen assoziiert sein.
Endplatte, das Endplattenpotenzial erreicht die Schwelle Verschlechterung einer Myasthenia gravis bei:
zur Depolarisation der Muskelmembran nicht immer. 4 Infektion
4 Muskelrelaxanzien vom Kurare-Typ
Ätiopathogenese. Autoantikörper gegen AChR lassen 4 Benzodiazepinen
sich bei generalisierter Myasthenie in >80%, bei okulä- 4 Antibiotika (Aminoglykoside, Gyrasehemmer,
rer in 50% der Fälle nachweisen (serumpositive Myas- Makrolide, Ketolide)
thenie). 4 Antirheumatika (D-Penicillamin, Chloroquin)
Seltener sind Antikörper gegen Muskel-spezifische
Rezeptor-Tyrosinkinase (MuSK, positiv bei 50–75% Epidemiologie. Prävalenz: 3–10:100.000, W>M (W oft
der Patienten mit serumnegativer Myasthenie) und 20. bis 40. Lebensjahr; M oft >50 Jahre)
weitere Antigene der Skelettmuskulatur.
Symptomatik. Oft beginnt die Erkrankung als okuläre
> In 75% Thymushyperplasie (Thymitis mit lympho- Myasthenie an den äußeren Augenmuskeln mit transi-
follikulärer Hyperplasie) als Ausdruck eines aktiven enten, fluktuierenden Doppelbildern und Ptosis. In
immunologischen Prozesses. In 10–15% der Fälle 10% der Fälle bleibt die Erkrankung okulär. Häufig ent-
besteht ein Thymom. wickelt sich innerhalb von 2 Jahren eine generalisierte
Myasthenie (. Abb. 1.23a,b).
Neonatalen Myasthenie: durch plazentagängige Auto-
antikörper der Mutter ausgelöste myasthene Symptome
100 Kapitel 1 · Neurologie
Lambert-Eaton-Syndrom
Antikörpervermittelte Zerstörung präsynaptischer Kalzi-
umkanäle führt zu reduzierter Azetylcholinsekretion an
cholinergen Synapsen motorischer und vegetativer Nerven.
b 2/3 der Betroffenen haben ein kleinzelliges Bronchialkarzi-
. Abb. 1.23a,b. Okuläre Myasthenie mit leichter Ptose und nom, weiterhin besteht eine Assoziation zu Autoimmuner-
Schwäche des M. rectus superior auf dem linken Auge vor (a) krankungen wie z. B. perniziöse Anämie, Sjögren-Syndrom,
und nach (b) Tensilontest. Man erkennt, dass die Ptose deut- Hypo- oder Hyperthyreose. Im EMG-Ermüdungstest Amp-
lich zurückgegangen ist und das linke Auge weiter nach oben litudenzunahme (Inkrement).
gewandt werden kann
Therapie. Die Behandlung umfasst:
4 Symptomatisch: Cholinesterase-Inhibitoren, z. B.
> Typisch ist die abnorme, meist bilateral symmetrische Pyridostigmin
Ermüdbarkeit der Muskulatur verschiedener Körper- 4 Immunsuppressiv: anfangs einschleichend Gluko-
regionen. kortikoide, nach Symptom-Rückbildung schritt-
weise Reduktion auf Erhaltungsdosis. Bei zusätzli-
Symptome nehmen bei Belastung und im Tagesverlauf cher Gabe von Azathioprin, evtl. Ciclosporin A,
zu und bessern sich nach Ruhepausen. Mykophenolat Mofetil oder Cyclophosphamid
können Steroide reduziert werden
! Cave 4 Thymektomie:
Myasthene Krise kann durch respiratorische Insuffizi- 5 Bei Thymom: Operation
enz mit Aspirationsgefahr lebensbedrohlich sein. 5 Generalisierte, serumpositive Myasthenie: frü-
he Operation bei jungen Patienten, keine Ope-
Diagnostik. Anamnese, Befund. ration bei älteren Patienten über 60–65 Jahren
4 Quantifizierung der Muskelschwäche 5 Bei rein okulären Symptomen ohne Hinweis auf
4 Klinische Tests: Arm-, Bein-, und Kopfhalteversu- Thymom zurückhaltende Indikationsstellung
che, Messung der Vitalkapazität, Einschätzung des 5 Seronegative Patienten haben selten patholo-
Kauens und Schluckens, Lidschluss, Doppellbilder gische Thymusbefunde und profitieren wenig
beim Blick zur Seite, zunehmende Ptose beim Blick von einer Thymektomie
nach oben (Simpson-Test). Zahlenreihensprechen
(zunehmend verwaschene Sprache) Myasthene Krise: Atemwege freihalten, Sauerstoffzu-
4 EMG-Ermüdungstest (Stimulations-EMG): su- fuhr sichern, intensivmedizinische Überwachung, ggf.
pramaximale, repetitive Nervenstimulation (Serie Intubation, Antibiose, Cholinesterase-Inhibitoren i.v.
1.11 · Muskelkrankheiten
101 1
Plasmapherese oder Immunadsorption zur Entfernung nom). Die Myositis kann dem Tumornachweis um Jahre vor-
von Autoantikörper. Bei Kontraindikation Gabe hoch- ausgehen, man sollte daher bei DM und PM immer aufTumor-
dosierter Immunglobuline. suche gehen. IBM ist in 20% der Fälle mit anderen Autoimmun-
erkrankungen, nicht jedoch mit Malignomen assoziiert.
! Cave Leitsymptom ist die Muskelschwäche. Bei DM und PM
Unter i.v. Gabe von Cholinesterase-Inhibitoren kann weitgehend symmetrisch und v. a. proximal, bei IBM früh
eine cholinerge Krise entstehen. auch distale Muskeln, v. a. Fußextensoren und Fingerflexo-
ren, evtl. asymmetrisch betroffen. Schluck-, Atem- und Na-
Symptome der cholinergen Krise: ckenmuskulatur können mitbeteiligt sein. Ca. 50% der Pa-
4 Glatte Muskulatur: Miosis, abdominelle und epi- tienten leiden an Myalgien oder Arthralgien. Gelegentlich
gastrische Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Harn- kommt es zu einem Raynaud-Syndrom (PM, DM), zu kardi-
drang aler oder pulmonaler Beteiligung. Sensibilität und Mus-
4 Kardial: AV-Block, Bradykardie keleigenreflexe bleiben erhalten.
4 Gesteigerte Drüsensekretion: Bronchialsekretion,
Tränenlaufen, Hypersalivation, Schwitzen Hautveränderungen bei der DM:
4 Skelettmuskuläre Spasmen und Faszikulationen 4 Rote oder lilafarbene Erytheme im Gesicht v. a. perior-
bzw. Depolarisationsblock mit Muskelschwäche bital, Wangen
4 ZNS-Symptome außer bei Pyridostigmin: Reizbar- 4 De- und Hyperpigmentierungen
keit, Unruhe, Krampfanfälle, Koma 4 Gottron-Zeichen: schuppige Erosionen an den Finger-
knöcheln
Nach mehrjähriger stabiler Remission können Immun- 4 Keinig-Zeichen: schmerzhafte erweiterte Kapillaren an
suppressiva langsam reduziert werden, bei abruptem der Basis der Fingernägel
Absetzen können myasthene Symptome wieder auftre- 4 »Mechanikerhände«: raue Haut an Handflächen und
ten und zu einer myasthenen Krise führen. Oft ist die Fingern
lebenslange immunsuppressive Therapie erforderlich. 4 Subkutane Verkalkungen
4 Evtl. auch intestinale Ulzerationen
Myositis
Erworbene entzündliche Muskelerkrankungen: Diagnostik: Anamnese, Befund, Tumorsuche, Elektrophy-
4 Autoimmunmyositis siologie, Muskelbiopsie.
4 Bei Kollagenose »Overlap-Syndrom«
4 Bei anderen Systemerkrankungen, z. B. granulomatöse Therapie bei PM und DM: Immunsuppression mit Kortikos-
Myositis bei Sarkoidose teroiden, in der Langzeittherapie oft in Kombination mit
4 Erregerbedingte Myositis Immunsuppressiva wie Azathioprin. Bei Therapieresistenz
5 Protozoen und Helminthen: Toxoplasmose, Trichi- Versuch mit intravenösen Immunglobulinen. IBM ist weit-
nose, Zystizerkose gehend therapieresistent. Immunglobulin-Infusionen kön-
5 Bakterien: Borreliose, Tbc, Bruzellen, Staphylo- nen versucht werden. Bei paraneoplastischen Myositiden
kokken Behandlung des Grundleidens.
5 Viren: HIV, Coxsackie, Influenza
1.11.3.2 Arzneimittelinduzierte Myopathie
Autoimmunmyositiden Definition. Myopathie als unerwünschte Arzneimittel-
4 Polymyositis (PM) wirkung.
4 Dermatomyositis (DM)
4 Sporadische oder hereditäre Einschlusskörpermyositis Ätiopathogenese. Direkt toxische Wirkung auf den
(»inclusion body myositis«, IBM) Muskel oder immunvermittelter Muskelschaden; auslö-
sende Medikamente können sein: Glukokortikoide, Zi-
Vermutlich sind T-Zell- (PM) bzw. Antikörper-vermittelte dovudin, Chloroquin, Colchizin, Betablocker, Ciclospo-
(DM) Autoimmunprozesse beteiligt. Bei der IBM wird ein rin, Vincristin und mit Rhabdomyolyse durch Fibrate,
ähnlicher degenerativer Prozess wie beim Morbus Alzhei- Statine, Amphetamine, Kokain, Heroin, Barbiturate.
mer mit Akkumulation pathologischer Proteinfibrillen und
sekundärer Entzündungsreaktion diskutiert. Symptomatik. Verlauf akut oder chronisch; unter-
Paraneoplastisches Auftreten: Relatives Malignomrisi- schiedliche Symptomatik mit Schmerzen, Muskel-
ko bei DM etwa 4 (keine speziellen Tumorarten), bei PM etwa schwäche/-atrophie; ggf. bei Rhabdomyolyse Symptome
2 (v. a. Non-Hodgkin-Lymphom, Lungen- und Blasenkarzi- und Komplikationen durch akutes Nierenversagen.
102 Kapitel 1 · Neurologie
In Kürze
Neuromuskuläre Erkrankungen
Myasthenia gravis 4 Symptomatik: bilateral symmetrische Ermüdbarkeit der Muskulatur, zunehmende Symp-
tome im Tagesverlauf/nach Belastung, Beginn oft mit okulären Symptomen (Doppel-
bilder und Ptosis)
4 Ätiologie: oft Autoantikörper-vermittelter Verlust nikotinerger Azetylcholin-Rezeptoren
(AChR) an der motorischen Endplatte. In ¾ der Fälle besteht eine Thymushyperplasie
(Thymitis mit lymphofollikulärer Hyperplasie), bei 10–15% der Fälle ein Thymom, Asso-
ziation mit Autoimmunerkrankungen
4 Diagnostik: Anamese, Befund, klinische Tests: Simpson-Test, Zahlenreihensprechen
4 Dekrement im EMG-Ermüdungstest, Tensilon-Test, Labor: CK in der Regel normal, Nach-
weis von Autoantikörpernachweis, Thorax-CT mit KM und ggf. MRT (Thymom?)
4 Therapie: Cholinesterase-Inhibitoren, Immunsuppressiva, ggf. Thymektomie
Orientierung (falsch in- 4 Falsche Angaben zu Zeit, Ort, Person, 4 Namen, Datum, Ort erfragen
formiert, verwirrt, deso- Situation
rientiert)
Wahn (Beziehungs-, Ver- 4 Wahnstimmung 4 Hört der Patient Stimmen, erhält er in irgend-
folgung-, Eifersuchts-, 4 Wahnwahrnehmung einer Form Botschaften?
Größen-, Verarmungs- 4 Wahneinfall 4 Geht mit seinem Körper etwas Eigenartiges
und hypochondrischer 4 Systematisierter Wahn vor?
Wahn) 4 Sieht er Absonderliches?
Wahrnehmung 4 Halluzinationen (optisch, akustisch, 4 Wendet sich der Patient lauschend ab?
olfaktorisch) 4 Werden abwehrende Handbewegungen
4 Illusionen sichtbar?
> Simulation (Vortäuschung einer Krankheit) und Dissi- Suizidalität(srisiko) müssen bereits im Erstinterview
mulation (Vortäuschung von Gesundheit, Leugnung eruiert werden.
von Krankheit), Selbstbeschädigung(stendenzen) und
Persönlichkeitsdiagnostik
Thematischer Tiefenpsychologische Interviews bei nicht- Zu einer schemenhaften Bilderreihe soll eine Geschichte
Apperzeptions- psychotischen Störungen als Ergänzung, erzählt werden, die erklärt, wie es zu der dargestellten
test (TAT) geben Einblick in das Konfliktverhalten des Situation kam und wie es weitergeht
Patienten
Freiburger Als Verlaufskontrolle (z. B. bei neurotischen Ähnlich MMPI, Skalen für Lebenszufriedenheit, soziale
Persönlichkeits- Störungen), ermöglicht Beurteilung des ak- Orientierung, Leistungsorientierung, Gehemmtheit, Er-
inventar (FPI) tuellen Befindens und der Persönlichkeits- regbarkeit, Aggressivität, Beanspruchung, körperliche
eigenarten. Ausreichende Trennschärfe, zu- Beschwerden, Gesundheitssorgen, Offenheit, Extraver-
friedenstellende Validität sion, Emotionalität
110 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
Memo-Test Erstdiagnostik, Verlaufskontrolle unter The- Globale Einschätzung des Demenzschweregrades, Ab-
rapie. Im ersten Durchgang werden 10 Wor- stufung kognitiver Störungen, um von gesunden Älte-
te vorgesprochen, die erinnert werden sol- ren bis hin zu schwerer Alzheimer-Demenz zu differen-
len. In den folgenden 3 Durchgängen wer- zieren (Orientierungsprüfung, Aufmerksamkeit, Merk-
den die nicht erinnerten Worte vorgespro- fähigkeit, Zahlenverständnis, Sprache)
chen. Nach 15 min erneutes Abfragen
Mini-Mental- Beurteilung der Selbstständigkeit im alltägli- Beurteilung neurologischer und psychiatrischer Störun-
State (MMS) chen Leben, Erstdiagnostik, Verlaufskontrol- gen zur Unterscheidung zwischen vaskulärer und dege-
le unter Therapie, Bewertung anhand Skala nerativer Demenz, Abstufung kognitiver Störungen, um
von gesunden Älteren bis hin zu schwerer Alzheimer-
Demenz zu differenzieren
Global Beurteilung der Selbstständigkeit im alltägli- Fragen nach täglichen Handlungen, z. B. Körperpflege,
Deterioration- chen Leben, Erstdiagnostik, Verlaufskontrol- Haushalt, Hilfsbedürftigkeit, Beurteilung neurologischer
Scale (GDS) le unter Therapie, Bewertung anhand Skala und psychiatrischer Störungen zur Unterscheidung zwi-
schen vaskulärer und degenerativer Demenz
2.1 · Anamnese, Befunde, Therapie
111 2
Hachinski- Beobachtung und Beurteilung des Verhal- Fragen nach täglichen Handlungen, z. B. Körperpflege,
Ischämie-Skala tens unter Zeitdruck. Gedächtnis, Auffas- Haushalt, Hilfsbedürftigkeit
sung und Merkfähigkeit werden untersucht.
Bestimmung des Intelligenzquotienten (nor-
mal 80–120), Beurteilung der Selbstständig-
keit im alltäglichen Leben
HAWIE (für Er- Messung kognitiver Leitungs- und Verarbei- Lücken in geometrischen Figuren müssen ausgefüllt
wachsene) und tungsgeschwindigkeit (z. B. nach Hirnschä- werden, Test wird ohne Sprache ausgeführt, daher auch
HAWIK (für den) bei motorischer Intaktheit des Sch- für fremdsprachige Personen geeignet
Kinder) reibarms und visuellen Funktionen und Aus-
Hamburger- schluss einer Aphasie. Objektiver Test mit
Wechsler-Intelli- guter Realiabilität und Validität, Rückschlüs-
genztest se auf logisch-kombinatorisches Denken,
räumliches Vorstellungsvermögen, Unter-
scheiden und Vergleichen
Progressiver Prüfung visueller Aufmerksamkeit und Kon- Auf Din-A4-Matrizen zufällig verteilte Zahlen von 1–90
Matrizentest zentrationsfähigkeit, organisch bedingte sollen so schnell wie möglich in aufsteigender Reihen-
von Raven Leistungseinbußen werden erfasst. Alterab- folge miteinander verbunden werden (Zeit wird ges-
hängige Normwerte, Messung kognitiver toppt)
Leistungs- und Verarbeitungsgeschwindig-
keit (z. B. nach Hirnschäden), bei motori-
scher Intaktheit des Schreibarms und visuel-
len Funktionen und Ausschluss einer Apha-
sie. Objektiver Test mit guter Reliabilität und
Validität
Prüfung der Prüfung visueller Aufmerksamkeit und Spezielle Buchstabenkombinationen sollen markiert
Aufmerksam- Konzentrationsfähigkeit, organisch bedingte werden unter Zeitdruck; Test ist relativ unabhängig von
keit Leistungseinbußen werden erfasst: Altersab- Intelligenz und Bildungseinflüssen. Auf Din-A4-Matrizen
hängige Normwerte, Messung kognitiver zufällig verteilte Zahlen von 1–90 sollen so schnell wie
Leistungs- und Verarbeitungsgeschwindig- möglich in aufsteigender Reihenfolge miteinander ver-
keit (z. B. nach Hirnschäden), bei motori- bunden werden (Zeit wird gestoppt)
scher Intaktheit des Schreibarms und visuel-
len Funktionen und Ausschluss einer Apha-
sie. Objektiver Test mit guter Reliabilität und
Validität
. Tab. 2.4. Tests zur Verlaufs- und Therapiekontrolle bei Depression sowie zur Erfassung eines chronischen Alkoholabusus
Münchner-Alkoholismus- Erfassen eines chronischen Alkoholabusus Mit »trifft zu/trifft nicht zu« wird eine Liste mit
test (MALT) Score: bei 6–10 Punkten Alkohol- Symptomen, die auf einen chronischen Alkohol-
gefährdung, ab 11 Punkten Alkoholismus konsum hinweisen, von Patient und Untersu-
cher beurteilt, wobei die Beurteilung des Unter-
suchers bei der Auswertung mehr berücksich-
tigt wird
Trierer Alkoholismus- Erfassung und Einschätzung des Schwere- Trinkgewohnheiten und -folgeerscheinungen
inventar (TAI) grades eines chronischen Alkoholkon- werden vom Patienten beurteilt
sums Skalen umfassen: Schweregrad, soziales Trinken,
Motive, süchtiges Trinken, Schädigung, Partner-
probleme durch den Alkoholabusus oder als Ur-
sache
Vorgeschlagen werden sollte die am wenigsten eingrei- Tiefenpsychologie) mit der umfassendsten Persönlich-
fende Therapiemethode. Prognostisch ungünstig sind keitstheorie, ein mittel- bis langfristiges Verfahren
mangelnde Frustrationstoleranz, Tendenzen zur Ver- (. Tab. 2.5):
wahrlosung, Komorbidität, Abhängigkeit, psychotische 4 Unbewusste Vorgänge und deren komplexe Bear-
Störungen und starker sekundärer Krankheitsgewinn. beitungsvorgänge sollen im Dialog von Therapeut
Es muss darauf geachtet werden, den Patienten nicht zu und Patient gefördert werden.
überfordern und Abwehr/Widerstand nicht noch zu 4 Freie Assoziation, Analyse von Träumen und Be-
vergrößern. rücksichtigung aktueller Gefühle/Problemstellun-
Einzige Kontraindikation zur Psychotherapie ist gen des Patienten sowie Beobachtung der Interak-
ein klagender Patient mit starkem Leidensdruck, der tion (Beziehung, die der Patient zum Therapeuten
sich aber nicht mit den angebotenen Methoden helfen aufbaut). Therapeut und Patient bemühen sich um
lassen will. Verstehen problematischer Lebensbereiche und de-
ren mögliche (frühere) Entwicklungsbedingungen
Psychodynamische Therapien sowie um Veränderung. Dieser Prozess wird über-
Die Psychoanalyse ist, als psychodynamische Therapie wiegend durch verbale Interpretationen und Deu-
(andere: Individualpsychologie, Verhaltenstherapie, tungen bewirkt.
Entspannungsverfahren Autogenes Training: Nach Johannes Hein- Erfolgt durch körpergerichtete Übungen zu
rich Schultz (1884–1970) ein Verfahren zur Ruhe und Schwere, Erleben und Wärme und
konzentrativen (Selbst-)Entspannung. In- Übungen zur Regulation bestimmter Organe
diziert bei psychovegetativen Irritationen, (Herz) bzw. vegetativer Funktionen (Atmung).
Erschöpfungszuständen, Angst- und Un- Effekte: Entspannung, Beruhigung, Selbstkon-
ruhezuständen, Schlafstörungen trolle, Schmerzbekämpfung, Verbesserung
des Körpergefühls
Hypnose: Durch Suggestion herbeigeführ- Mittels der Fixationsmethode (ein kleiner Ge-
ter schlafähnlicher Zustand mit Bewusst- genstand wird möglichst nah fixiert, es treten
seinseinengung und besonderen (positiv Ermüdungserscheinungen auf, der Fixations-
affektiven und identifizierenden) Kontakt gegenstand wird undeutlich, begleitende
zum Hypnotiseur. Die Bewusstseinsein- monotonisierende Verbalsuggestionen wie
senkung fördert außerdem regressive Wärme, Ruhe, zunehmende Müdigkeit und
Prozesse (Passivität, Hingabe). Bei positi- Schläfrigkeit führen in einen hypnotischen
ver Suggestibilität und bestimmten psy- Zustand
chosomatischen Erkrankungen (z. B. Herz- Cave: Kontraindiziert bei Patienten mit Psy-
phobie, Asthma). Einzelbehandlung ist zu chosen und Vergewaltigungstraumata in der
bevorzugen Vorgeschichte
Körperorientierte Verfahren Konzentrative Bewegungstherapie (KBT): Das Spüren des Körpers im Raum und das
Körperbezogene Übungen unter Ein- Erspüren einzelner Körperfunktionen gehen
schluss der Atmung mit dem Ziel »An- über Entspannungstechniken hinaus.
spüren« des eigenen Körpers und damit Meist stationär und in Gruppen praktiziert
eine Verbesserung des Körpererlebens zu in Kombination mit anderen (z. B. verbalen)
erreichen, in vier Hauptpositionen (liegen, Therapien
sitzen, stehen, gehen).
Bei funktionellen und psychosomatischen
Beschwerden (auch bei Neurosen, Körper-
schemastörungen, bei Neigung zum
Intellektualisieren)
Funktionelle Entspannung: von Marianne Verfahren ohne feste Regeln. Ziel ist eine ver-
Fuchs entwickeltes kombiniertes Verfah- besserte Selbstwahrnehmung über leibliche
ren bestehend aus autogenem Training Zustandsänderungen
und konzentrativer Selbstentspannung
sowie angestrebte Selbstregulation ge-
störter Funktionen
> Die Selbsterkenntnis des Patienten, d. h. die Erkennt- ren Dramas des Patienten kann zu unbewussten Solida-
nis seines eigenen Anteils an der Aufrechterhaltung ritätskonflikten mit früheren wichtigen Bezugsper-
seiner Störung kann schmerzhaft, verunsichernd und sonen führen (unsichtbare Bindungen) und ihn an der
kränkend sein und wird deshalb immer wieder be- Lösung seiner neurotischen Fixierungen hindern. Der
hindert. Therapeut sollte nicht direkt aktiv werden, sondern im
Hintergrund bleiben, die Projektion des Patienten er-
Im therapeutischen Prozess können zunächst er- möglichen, aber sich nicht in Gefühlsverstrickungen
wünschte Übertragungen früherer (meist familiärer) einlassen.
Gefühlskonstellationen hinderlich sein, wenn der Pa-
tient lange an ihnen festhält. Die Aufdeckung des inne-
116 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
Selektive Serotonin-Wiederauf- Fluoxetin (z. B. Fluctin) Antriebssteigernd, auch bei Zwangs- und
nahmehemmer (SSRI) Panikstörung, prämenstruellem Syndrom,
Bulimie
Trimipramin (z. B. Stangyl) Sedierend, auch bei Wahn oder zum Schlafen
Spezifische Noradrenalin- (und Mirtazapin (z. B. Remergil) Sedierend auch bei Wahn oder zum Schlafen
Serotonin-) Wiederaufnahme-
hemmer Nefazodon (z. B. Nefadar) Sedierend
Verhaltenstherapie
. Tab. 2.7. Neuroleptika
Leitet sich aus der experimentellen der Psychologie ab
(. Tab. 2.5). Den verschiedenen Verfahren gemeinsam Substanzgruppe Substanz (Handelsname)
ist eine naturwissenschaftlich-behavioristische Orien-
Benzamide Amisulprid (z. B. Solian)
tierung mit dem Ziel, erwünschte Verhaltensweisen
Sulpirid (z. B. Dogmatil)
aufzubauen und unerwünschte Verhaltensweisen zu
eliminieren. Somit liefern die Lerntheorien das Grund- Benzisoxazol Risperidon (z. B. Risperdal)
gerüst, auf dessen Prinzipien die Verhaltenstherapie
Butyrophenone Benperidol (z. B. Glianimon)
aufbaut. Die Konzepte innerhalb der klinischen Psy-
Haloperidol (z. B. Haldol)
chiatrie, auch innerhalb der Tiefenpsychologie, werden
von manchen Verhaltenstherapeuten abgelehnt, da sie Dibenzodiazepin Clozapin
das zu ändernde Verhalten als das Problem des Patien- Olanzapin
ten ansehen. Dieses Problem wird als erlernte Reaktion Phenozthiazine Levomepromazin (z. B. Neurocil)
verstanden und wird damit zum Ziel der therapeu- Perazin (z. B. Taxilan)
tischen Bemühungen.
Thioxanthene Chlorprotixen (z. B. Truxal)
Psychopharmaka Clopenthixol (z. B. Ciatyl)
Zur Wirkung und Indikation der Psychopharmaka
. Tab. 2.6 bis . Tab. 2.9 sowie . Abb. 2.1.
2.1 · Anamnese, Befunde, Therapie
117 2
Valproinsäure Weniger sedierend als andere Antiepileptika; Antiepileptikum der 1. Wahl bei Absencen
Cave: schwere Hepatitis mit tödlichem Leberkoma (ab dem 10. Lebensjahr), Aufwach-Grand-Mal,
möglich (Transaminasen engmaschig kontrollieren); atonische, myoklonisch-astatische, tonische
Reye-Syndrom (Lebernekrose), Tremor (behandelbar und myoklonische Anfällen und Lennox-
mit E-Blockern), fetale Neuralrohrdefekte, Intoxika- Gastaut-Syndrom
tion, Thrombozytopenie, Gerinnungsstörungen,
Leukopenie; Ausschleichen!
Barbiturate Durch Enzyminduktion Verminderung des Einsatz mit verschiedensten Indikationen, Wir-
Serumspiegels von oralen Antikonzeptiva, kung: sedierend, schlafinduzierend, anxiolytisch,
Cumarin-Derivate, Kortikosteroide, Pheny- antiaggressiv, antikonvulsiv, muskelrelaxierend
toin, Digitoxin, Chloramphenicol; mit Alko-
hol gegenseitige Wirkungsverstärkung;
Valproinsäure erhöht Barbituratspiegel um
bis zu 40%; erhöhte Methotrexat-Toxizität
Ätiopathogenese. Ursachen sind: leber; GOT stark erhöht, GPT erhöht bei Fettleber-
4 Medikamentenintoxikation: Komplikation bei hepatitis), Gerinnung (Quick erniedrigt bei Leber-
Neuroleptika- und Antidepressivagabe und/oder schäden), CK, Amylase, Lipase, NH3 , Alkohol- und
2 Anti-Parkinson-Mitteln (Anticholinergika, L-Do- Medikamentenspiegel, Serum und Urinproben (Dro-
pa), auch bei plötzlichem Benzodiazepinentzug genscreening).
4 Infektionskrankheiten, Urämie Im Röntgenthorax auf Pneumonie, Rippenserien-
4 Traumata (Schädel-Hirn-Trauma mit Substanz- fraktur (nach Sturz), Pneumothorax (Hypoxie) achten.
schädigung) Bei Verdacht auf Meningitis ist eine Liquorpunktion
indiziert. Bei Verdacht auf eine intrakranielle Blutung,
Symptomatik. Hirnödem, Hirntumor oder Ischämie ein CCT veran-
4 Obligate Symptome lassen.
5 Wechselnde Bewusstseinslage (Somnolenz,
Sopor), Verwirrtheit, Desorientiertheit; Auf- ! Cave
merksamkeit-, Auffassungs-, Immediatgedächt- Wegen der oft ausgeprägten vegetativen Symptome
nisstörung (Speicherung unmittelbar zuvor regelmäßige EKG- und Blutdruckkontrollen!
aufgenommener Sinneseindrücke oder intra-
psychischer Wahrnehmungen) Differenzialdiagnose. Malignes neuroleptisches Syn-
5 Inkohärentes (zerfahrenes) Denken drom (Muskelsteifigkeit, Hyperthermie und Stupor als
5 Wahrnehmungsstörungen (optische, szenische, Neuroleptikanebenwirkung), maligne Hyperthermie,
gelegentlich haptische, akustische Halluzina- fieberhafte Infektionen, Herzrhythmusstörungen ande-
tionen, Illusionen) rer Genese (paroxysmale supraventrikuläre oder Re-
5 Vegetative Störungen (adrenergsympathi- entry-Tachykardie), akute Vewirrtheitszustände nach
kotone Überregulation: Pulsbeschleunigung, Schädel-Hirn-Trauma oder bei Exsikkose, Schizophre-
Schwitzen, Tremor, allgemeine psychomoto- nie, Demenz.
rische Unruhe, Schlafstörungen (Schlafum-
kehr: nachts unruhig, tagsüber schläfrig) Therapie. Zu allgemeinen Maßnahmen . Tab. 2.10.
5 Reizbarkeit, Angst, leichte Ablenkbarkeit, er-
höhte Suggestibilität (Lesen von einem leeren ! Cave
Blatt Papier) Haloperidol senkt die Krampfschwelle, besitzt aber
4 Spezifische Symptome keine sedierende Wirkung, daher Kombination mit
5 Delir durch Anticholinergika: Zusätzlich Diazepam nach Bedarf (z. B. 5–10 mg i.v.)!
Mydriasis, Anhidrose, verminderte Peristaltik,
Harnretention, Tachykardie, Tachypnoe, Ata- Zur Therapie des Delirs, das durch Alkoholentzug,
xie, Tremor Drogen, Hypnotika ausgelöst wird, 7 Kap. 2.7.1.5.
Therapie bei kardiopulmonalen Vorerkrankun-
Mögliche Komplikation des Alkoholentzugsdelir: gen:
Wernicke-Enzephalopathie, Korsakow-Syndrom. 4 Vorzugsweise Benzodiazepine (antikonvulsiv,
hypnotisch), wie Diazepam (z. B. Valium) mehr-
Diagnostik. Klinik: immer Überprüfung von Bewusst- mals täglich p.o. oder i.v. bis zur Symptomfrei-
seinslage, Puls, Blutdruck, Temperatur und EKG-Kon- heit maximal 1 mg), ab dem 2. Tag Dosisreduk-
trolle (Arrhythmien, tachy- oder bradykarde Rhyth- tion. Alternativ Chlordiazepoxid (z. B. Librium)
musstörungen, Blockbildner). Fremdanamnestisch mehrmals täglich p.o. bis zur Symptomfreiheit,
müssen Anfälle, Medikamente und Dosis erfragt ab dem 2. Tag Dosisreduktion. Alternativ Clor-
werden. azepat (z. B. Tranxilium), Intensive Überwachung
nötig
! Cave 4 Ausschleichen über 5–7 Tage
Bei Bewusstseinsstörung und/oder vegetativen 4 Bei starker psychotischer Symptomatik Haloperi-
Symptomen weitere Behandlung auf der Wach-/In- dol (z. B. Haldol) bis 10–15 mg i.v. täglich
tensivstation. 4 Bei schwerem Delir mit Hypertonie vor Gabe von
Clonidin (z. B. Catapresan) über Perfusor, Aus-
Labor: Kreatinin, Elektrolyte (Hyponatriämie, Hypo- schleichen wegen Rebound-Phänomen, kontra-
kaliämie), Blutzucker, Blutbild (Leukozytose), Hämo- indiziert bei bradykarder Herzrhythmusstörung,
globin, Leberenzyme (γ-GT erhöht bei Alkoholfett- AV-Block und Sick-Sinus-Syndrom
2.2 · Körperlich begründbare psychische Störungen
121 2
Prädelir Stationäre Aufnahme, Monitoring der Vitalfunktionen. Wenn keine stationäre Aufnahme
möglich ist: Haloperidol (z. B. Haldol) 5–10 mg i.m. oder i.v., zügig Krankenhaustransport
Krampfanfall Diazepam (z. B. Valium) 10 mg i.v., alternativ Clonzepam (z. B. Rivotril) 2 mg i.v.
Prognose. Das Prädelir klingt nach 5–7 Tagen ab oder Diagnostik. Toxikologische Untersuchungen (Blut,
entwickelt sich zum Delir. Schlafstörungen können Urin). EEG: Allgemeinveränderung, Herdbefund,
nach Abklingen des Prädelirs noch über Monate fort- Krampfpotenziale. CCT/MRT: Lakunäre Infarkte,
bestehen. Raumforderung.
Das Delir hält 4–10 Tage ohne Therapie an und
klingt mit Terminalschlaf ab. Differenzialdiagnose. Physiologische hypnagoge (beim
Einschlafen) oder hypnopompe (beim Aufwachen)
! Cave Halluzinationen, Delir (wechselnde Bewusstseinslage,
Unbehandelt besteht eine Letalität von 15–30%, be- Desorientiertheit, vegetative Störungen), Schizophre-
handelt von 1–5%. Häufigste Todesursache ist Kam- nie (meist akustische Halluzinationen).
merflimmern.
Therapie. Behandlung der Grunderkrankung im Vor-
2.2.1.2 Organisch bedingte Halluzinose dergrund. Ggf. 5 mg Diazepam p.o./i.m., Haloperidol
Definition. Zustand fortlaufender Sinnestäuschungen 5 mg p.o./i.m. oder alternativ Pipamperon-HCL (z. B.
ohne entsprechenden Außenreiz bei erhaltener Be- Dipiperon) 80–160 mg p.o. Bei Alkoholabusus Entzug.
wusstseinshelligkeit und Orientiertheit. Besteht gleichzeitig quälende Angst Gabe von Chlordi-
azepoxid (z. B. Librium) 25–100 mg p.o., eventuell nach
Ätiopathogenese. Häufigste Ursachen: 4 h wiederholen. Alternativ Haloperidol 2–10 mg p.o.
4 Akustischer Halluzinose: Alkoholabhängigkeit
4 Optischer Halluzinose: Intoxikation mit Halluzi- Prognose. Chronische Verläufe bei Dermatozoenwahn
nogenen (LSD), Funktionsstörungen des Okzipi- (taktile Halluzinose: kleine Tiere wie Käfer oder Wür-
tallappens mer krabbeln auf der Haut).
4 Haptischer (taktile) Halluzinose: Intoxikation mit
Amphetaminen, Epilepsie mit Krampfanfallsher- 2.2.1.3 Organische Persönlichkeitsstörung
den temporal oder okzipital, sensorische Depriva- Definition. Psychische Störungen, denen eine (meist)
tion bei Blindheit oder Taubheit, degenerative und/ körperliche Erkrankung zugrunde liegt, die das Gehirn
oder ischämische Veränderungen, raumfordernde direkt (morphologisch fassbar) oder indirekt (in der
Prozesse, Radiojodtherapie bei Hyperthyreose, Regel funktionell, neurochemisch, neurophysiologisch
sehr selten: Charles-Bonnet-Syndrom (bei Sehver- auf dem Umweg über Kreislauf oder Stoffwechsel) in
schlechterung Entstehung von visuellen Trugwahr- Mitleidenschaft zieht.
nehmungen)
122 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
Therapie. Die Behandlung umfasst bei: 4 Expansiv-maniformes Syndrom: Auftreten bei pro-
4 Akuter organischer Persönlichkeitsstörung: gressiver Paralyse, fieberhaften Infektionen, Fleckfie-
5 Allgemeine Maßnahmen: ber nach der Entfieberung, nach Schädel-Hirn-Trauma,
– Soweit möglich Behandlung der Grund- nach Einnahme von Weckaminen (z. B. Ecstasy). Ty-
krankheit pische Symptomatik ist Megalomanie mit Selbstüber-
– Überwachung von Herz-Kreislaufsystem, schätzung einhergehend, Größenideen, -wahn, oft mit
Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt Konfabulationen. Infolge Hirnschädigung Verände-
– Zuverlässige pflegerische Überwachung rungen von Euphorie, Passivität, Reversibilität möglich.
(z. B. Blasenentleerung, Freihalten der Atem- Bei chronischem Alkoholismus nach Wernicke-Enze-
wege) phalopathie, nach CO-Vergiftung, nach schwerem
– Bei Selbst- und Fremdgefährdung Einwei- Schädeltrauma
sung in eine psychiatrische Klinik 4 Demenz: Meist im höheren Alter auftretender, aus
5 Medikamentöse Therapie: organischer Ursache entstehender, progredienter,
– Bei Erregung, Agitiertheit, starker Angst meist irreversibler, mnestischer und intellektueller
(Suizidgefahr!): Tranquilizer (Benzodiaze- Abbau der Persönlichkeit, verbunden mit Wesensän-
pine), z. B. Diazepam, 10–20 mg, ggf. paren- derungen und schwerer Behinderung sozialer Funkti-
teral onen (erworbene »Verblödung«). Im Unterschied zur
– Bei stärkerer Ausprägung niederpotente primären Intelligenzminderung (Oligophrenie) bei
Neuroleptika, z. B. 50–100 mg Chlorproxthi- mittlerem Schweregrad der Demenz noch Fragmente
xen oder Levomepromazin. Auch Haloperi- früheren Wissens. Insbesondere bei vaskulären dege-
dol oder Risperidon, ggf. parenteral nerativen Erkrankungen, bei Pickscher oder Alzhei-
4 Chronischer organischer Persönlichkeitsstörung: merscher Erkrankung, Chorea Huntington, Vitamin
5 Körperliche Behandlung wie bei akuter orga- B12-Mangel. Im ärztlichen Gespräch oft lange Zeit gut
nischer Persönlichkeitsstörung, zusätzlich Ver- erhaltene Fassade und guter affektiver Rapport. Des-
such mit Nootropika, z. B. Dihydroergotoxin, halb gezielte Fragen (Orientierung, Merkfähigkeit,
Piracetam, Pyritinol, Nimodipin Rechenvermögen).
5 Supportive Psychotherapie, Verhaltensthera- 4 Hirnlokales Psychosyndrom (nach Bleuler): Durch
pie, Hirnleistungstraining lokale Schädigung der Hirnsubstanz hervorgerufene
5 Ggf. rechtzeitige Mobilisierung von Hilfe für Störung. Bei Strinhirnkonvexitätssyndrom Abulie (Wil-
den Patienten und seine ihn betreuenden lenslähmung), Antriebsmangel, beim Orbitalhirnsyn-
Angehörigen, um eine Dekompensation des drom mit Enthemmung und Euphorie, bei Hirntumo-
sozialen Netzes möglichst zu verhindern und ren, Morbus Pick, Enzephalitis, in Anfangsstadien von
den (Alters-)Patienten in seinem Milieu zu Chorea Huntington. Zur Symptomatik gehören Stö-
halten rungen des Antriebs, der Einzeltriebe, der Stimmung.
In der Regel keine intellektuellen Ausfälle, jedoch Ent-
Prognose. In der Regel mit der Grundkrankheit rück- differenzierung der Persönlichkeit (z. B. Störungen des
bildungsfähig, abhängig vom Schweregrad der akuten Taktgefühls). Keine produktiv-psychotischen Symp-
organischen Persönlichkeitsstörung ist der Übergang in tome und keine Bewusstseinsstörungen. Häufig exis-
eine chronische organische Psychose/Persönlichkeits- tiert keine Korrelation zwischen Morphologie und
störung möglich. Das Querschnittsbild erlaubt keine Psychopathologie. Es sind keine sicheren Rückschlüsse
sichere Prognose. in eine der beiden Richtungen möglich. Die Differenzi-
aldiagnose gegenüber neurotischen Störungen ist oft
4 Amentielles Syndrom: Typische Symptome sind Rat- schwierig. Zur Therapie 7 Kap. 2.2.1.3 (organische Per-
losigkeit, verworrenes, inkohärentes Denken, Bewusst- sönlichkeitsstörung).
seinstrübung, keine eindeutige produktive Sympto-
matik.
4 Depressives Syndrom: Auftreten bei Schlaganfall,
Morbus Parkinson, Hypothyreose, raumfordernden in-
trakraniellen, frontalen Prozessen, Pankreaskarzinom,
Kortisontherapie. Bei exogenen Psychosen häufig mit
depressivem Wahn und Symptomen wie Merkfähig-
keits- und Gedächtnisstörungen kombiniert.
6
124 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
In Kürze
2
Delir, nicht durch Alkohol und andere 4 Symptomatik: Bewusstseinsstörung, Desorientiertheit, Halluzina-
psychotrope Substanzen bedingt tionen, illusionäre Verkennung, psychomotorische Unruhe,
grobschlägiger Tremor, vegetativ-vasomotorische Symptome
4 Ätiologie: hochfieberhafte Erkrankungen, Intoxikationen, zerebrale
Gefäßprozesse
4 Diagnostik: Psychostatus, Klinik, Labor, Vorerkrankungen, EEG,
CCT, MRT
4 Therapie: Flüssigkeit, Elektrolytsubstitution, stationäre Aufnahme,
Grunderkrankung behandeln
und gleichbleibender Antidiabetikadosierung, oder Proinsulin i. S. (hoch bei Insulinom, normal bei
Interaktionen mit anderen, blutzuckersenken- Einnahme von Sulfonylharnstoffen) können hilfreich
den Medikamenten (Sulfonamide, nichtsteroi- sein. Späthypoglykämien sind mit OGTT (oraler Glu-
dale Antirheumatika, Betablocker, ACE-Hem- kosetoleranztest) über 5 h objektivierbar.
mer), starke körperliche Belastung, Alkoholge-
nuss (Alkohol hemmt die Glukoneogenese) oft Differenzialdiagnose. Psychosen, Epilepsie, Schlagan-
in Kombination mit Nahrungskarenz. fall.
5 Hypoglycaemia factitia: Absolute Überdosie-
rung, Insulininjektion oder Einnahme von Sul- Therapie. Beseitigung der kausalen Ursache. Bei
fonylharnstoffen akzidentiell, in suizidaler oder leichter Hypoglykämie (mit vorhandenem Bewusst-
krimineller Absicht, bei Psychose. Typischer- sein) Gabe von 5–20 g Glukose (Dextrose, Trauben-
weise völlig regelloses Auftreten, unabhängig zucker) oral. Oligosaccharid-Getränke (Obstsäfte,
von Mahlzeiten. Betroffene sind oft in Heilbe- Cola) sind auch geeignet, sofern nicht mit Acarbose
rufen tätig oder Angehörige von Diabetikern. (α-Glukosidasehemmer) therapiert wurde. Liegt eine
schwere Hypoglykämie vor, werden 25–100ml
Symptomatik. . Tab. 2.11. 40%-ige Glukose i.v.verabreicht, evtl. nach 20 min wie-
Bei häufigen Hypoglykämien sinkt die Hypoglykämie- derholen oder anschließend 5%-ige Glukose per infu-
wahrnehmung. sionem, bis zu einem Blutzucker von ca. 200 mg/dl.
> Bei schwerer Neuropathie können die autonomen > Wenn kein venöser Zugang möglich ist, der Patient
Symptome abgeschwächt sein oder fehlen! aggressiv oder durch Laien versorgt wird: 1 mg Glu-
kagon i.m. oder s.c. (z. B. Gluca Gen Hypokit).
Diagnostik. Blutglukose-Bestimmung, bei Spontan-
hypoglykämien von Nicht-Diabetikern Seruminsulin, Dadurch steigt die endogene Glukoseproduktion. Glu-
C-Peptid oder im 72h-Hungerversuch (Fastentest) Be- kagon wirkt nicht bei Erschöpfung der Glykogen-
stimmung des Insulin-/Glukose-Quotienten während reserve. Nach dem Erwachen sofort Glukose oral oder
einer Hypoglykämie. i.v. weiter zuführen unter Blutzuckerkontrolle.
Reaktive Hypoglykämien werden bei vegetativer
> Insulin und C-Peptid zeigen bei endogener Sekretion Labilität versorgt mit kohlenhydratarmer, fett- und
einen parallelen Anstieg, bei Hypoglykämie infolge eiweißreicher Kost in Form vieler kleiner Mahlzeiten,
exogener Insulinzufuhr (Hypoglycaemia factitia) ist dazu Gabe von Parasympatholytika.
das C-Peptid erniedrigt!
> Präventiv müssen Diabetiker geschult werden und
Insulin und C-Peptid sind bei Einnahme von Sulfonyl- erlernen auf Frühsymptome einer Hypoglykämie zu
harnstoffen erhöht. Nachweis von Glibenclamid i. S. achten.
Autonome Reaktionen
4 Parasympathikoton 4 Heißhunger, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche
4 Sympathikoton 4 Unruhe, Schwitzen, Tachykardie, Tremor, Hypertonus, Mydriasis
In Kürze
Hypoglykämie 4 Symptomatik: Heißhunger, Schwindel, Übelkeit, Tachykardie, Tremor, Schwitzen, Hyper-
tonus, Mydriasis, primitive Automatismen, fokale Zeichen
2 4 Ätiologie: Insulin-/Sulfonylharnstoff-Überdosierung, Dumping-Spätsyndrom, endokrine
Erkrankungen
4 Diagnostik: Blutglukose-Bestimmung, bei Spontanhypoglykämien von Nicht-Diabeti-
kern Seruminsulin, C-Peptid oder im 72-h-Hungerversuch (Fastentest) Bestimmung des
Insulin-/Glukose-Quotienten während einer Hypoglykämie, OGTT (oraler Glukosebela-
stungstest)
4 Therapie: leichte Hypoglykämie: 5–20 g Glukose (Dextrose, Traubenzucker) oral. Schwere
Hypoglykämie: 25–100 ml 40%-ige Glukose i.v.
Symptom Beispiel
Verstärkte Vergesslichkeit Schlüssel oder andere Gegenstände werden häufiger als gewohnt verlegt, Fragen wieder-
holen sich, der Herd wird angelassen
Orientierungsstörungen Tag, Monat, Jahr können nicht benannt werden, früher bekannte Orte werden nicht erinnert,
Zuordnung von Namen zu Personen geht verloren
Sprachstörungen Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, zu verstehen, was gemeint ist, sich selbst
verständlich zu machen. Umschreibungen häufen sich
Gefühlsstörungen Leichte Euphorie, Depressivität und auch Aggressivität können auftreten. Häufig werden
diese Gefühle als »Böswilligkeit« oder »wahre Gefühle« von Fremden verkannt
Wahnvorstellungen Kranke können sich bestohlen fühlen, wenn sie vergessen, wohin sie ihre Gegenstände
gelegt haben
Erhaltene Fassade Die vorhandenen Fähigkeiten werden genutzt, um die Beschwerden zu überspielen:
die äußere Fassade ist sehr lange intakt
Neuropsychologische Agnosie, Apraxie, Aphasie (amnestisch und sensorisch mit Konfabulationen, Perserveratio-
Auffälligkeiten nen, Paraphasien), später Agraphie, Alexie
Organisch bedingte Zum Beispiel Delir, häufig durch interkurrente Infektionen oder Medikamentenumstellung
psychische Störungen ausgelöst
Neurologische Symptome Extrapyramidal-motorische Störungen (z. B. Parkinson-Syndrom mit Rigor, Akinese, Ruhe-
tremor), träge Pupillenreaktion auf Licht, vertikale Blickparese und Gesichtsausfälle,
Geruchs- und Geschmacksstörungen, Auftreten von Primitivreflexen (Greif-, Schnauz- und
Saugreflexe), Pyramidenbahnsymptome, später Blasen- und Darmentleerungsstörungen
Epidemiologie. Beginn der Erkrankung vor dem 2.4.3 Demenz bei HIV-assoziierter
65. Lebensjahr. 45% der über 60-Jährigen sind betrof- Enzephalopathie
fen. 50–60% der Demenz-Erkrankten haben einen
Morbus Alzheimer. Definition. Die HIV-assoziierte Enzephalopathie (HAE)
zählt zu den AIDS-Indikatorkrankheiten (»AIDS-de-
Symptomatik. Typisch für die Alzheimer-Demenz ist fining illness«, ADI) und kann als Demenz in Erschei-
ihr langsamer Beginn und progredienter Verlauf. nung treten.
<200/μl auf, kann aber auch bei normaler CD4-Zellzahl zunehmen. Histologisch findet sich in Rinde,
vorliegen. Im MRT/CT kann eine frontotemporale Ge- Stammganglien und Vorderhorn des Rücken-
hirnatrophie hinweisend sein. Serologie, EEG. markes ein Status spongiosus
2
Therapie. . Tab. 2.15. Therapie. Keine kausale Therapie bekannt. Psycho-
soziale Unterstützung der Erkrankten und Familie. We-
gen Gefahr der Übertragung Desinfektion der bei dem
2.4.4 Demenz bei Creutzfeldt-Jakob- Patienten verwendeten Geräte. Vernichtung der Ge-
Erkrankung (CJE) genstände, die mit Liquor oder Gehirngewebe in Be-
rührung gekommen sind.
Definition. Progrediente Demenz aufgrund einer spon-
giösen Enzephalopathie.
2.4.5 Demenz bei Morbus Parkinson
Ätiopathogenese. Unterschieden werden:
4 Spordische Form: Inzidenz 1:1.000.000, Erkran- Definition. Selten wirkliche demenzielle Entwicklung.
kungsgipfel zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr Aspontanität, Bradyphrenität (möglicherweise nur
4 Familiäre Form: akinesebedingt), Depression können Demenz vortäu-
5 Genetische CJD-Erkrankung schen.
5 Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
(GSS) Ätiopathogenese. Unklare Degeneration von melan-
5 Letale familiäre Insomnie (FFI) inhaltigen, Dopamin-produzierenden Zellen in der
4 Iatrogene Form: Übertragung im Rahmen von Substantia nigra mit konsekutivem Dopaminmangel
operativen Eingriffen (infektiöse Dura oder Cor- in den Stammganglien. Diskutiert wird neurotoxische
nea) oder durch Gabe von Wachstumshormon Wirkung von Glutamat oder freien Sauerstoffradi-
4 Neue Variante der CJD: Durch Genuss von Fleisch kalen.
an boviner Enzephalopathie erkrankter Rinder
(sog. Rinderwahnsinn, BSE). Erkrankungsgipfel im Epidemiologie. Prävalenz bei 100–200/100.000 Ein-
3. Lebensjahrzehnt wohner, Neuerkrankungen treten mit 20/100.000/Jahr
auf. Das Manifestationsalter liegt zwischen dem 40. bis
Symptomatik. Initial zeigen sich uncharakteristische 60. Lebensjahr.
psychische Symptome, später dementieller Abbau, Ale-
xie, Aphasie, Visusverlust, Okulomotorikstörungen, Symptomatik. Typische Trias: Rigor, Tremor und Aki-
zentrale Paresen, extrapyramidale Störungen, Ataxie, nese. Maskengesicht, gebeugter Oberkörper, Nichtmit-
Myoklonien, epileptische Anfälle. schwingen der Arme beim Gehen, kleinschrittiger und
schlurfender Gang. Psychische Veränderungen sind
Diagnostik. Die Diagnostik umfasst: Aspontaneität, Depression und selten Demenz.
4 Psychopathologische und körperliche Untersu-
chung Diagnostik. Apomorphintest, psychologische Testver-
4 Neurostatus: GSS (zerebelläre Ataxie und spasti- fahren.
sche Paraparese), FFI (progressive Insomnie und
autonome Dysregulation) Therapie. Die Therapie umfasst:
4 EEG: Periodische bi- und triphasische Komplexe, 4 Medikamentös:
sog. »Sharp-wave«-Komplexe (PSWC) bei der 5 Bei hypokinetisch-rigidem Typ: L-Dopa und
sporadischen Form Decarboxylasehemmer (Benserazid oder Car-
4 MRT: Hyperintensitäten in den Basalganglien bei bidopa), Dopaminagonisten (z. B. Lisurid),
der sporadischen Form oder im posterioren Thala- MAO-B-(Selegilin), COMT-Hemmer (mit L-
mus (»pulvinar sign«) bei der neuen Variante Dopa), Amantadin (parenteral bei akinetischer
4 Liquor: Pleozytose (Protein 14-3-3, TAU, NSE, Krise)
S100 5 Bei Tremordominanztyp: Anticholinergika
4 Biopsie: Diagnosesicherung und um Hygienemaß- (z. B. Biperidin, Benzatropin), Antihistami-
nahmen (Desinfektion der verwendeten Geräte/In- nika (z. B. Diphenhydramin), Beta-Blocker,
strumente, Entsorgung von Gegenständen, die mit trizyklische Antidepressiva, Dopaminagonis-
Blut/Liquor in Kontakt gekommen sind) ggf. vor- ten (z. B. Bromocriptin), Antikonvulsiva (z. B.
2.4 · Krankheitsbilder mit sich im Verlauf verändernden Syndromen
131 2
In Kürze
Krankheitsbilder mit sich im Verlauf verändernden Syndromen
Demenz bei Morbus 4 Symptomatik: Rigor, Tremor, Akinese, Apathie, Verwirrtheit, Bradyphrenie
Parkinson (Denkverlangsamung), kleinschrittiger Gang, Mikrographie, Speichelfluss,
Schwitzen
4 Ätiologie: Dopaminmangel durch Systematrophie der Substantia nigra und
Globus pallidus mit Nervenzelldegeneration
4 Diagnostik: Klinik, Neurostatus, CCT, EEG, Labor, Liquor (Entzündung?)
4 Therapie: Medikamente abhängig von hypokinetisch-rigidem bzw. Tremor-
dominanztyp. Neurochirurgie, Psychotherapie, Ergotherapie, Krankengym-
nastik, Massagen
132 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
Ätiopathogenese. Psychodynamisch liegt eine Störung Prognose. Das Vollbild der Anorexie hat eine Mortali-
der psychosexuellen Entwicklung vor mit einer Ableh- tätsrate von 10%, 40% der Krankheitsfälle chronifizie-
nung der eigenen Geschlechtsrolle. Ambivalenz kenn- ren. Manchmal Wechsel in eine andere Symptomatik
zeichnet die Einstellung zum eigenen Körper, Sexualität (z. B. Medikamentensucht). Somatische Komplikatio-
wird auch abgelehnt; die Beziehung zu primären Be- nen (auch Infektionen), Psychosen und Suizid tragen
zugspersonen (Vater, Mutter) ist oft gestört; auch als mit der Kachexie zur hohen Mortalität bei.
Reaktion auf Essgewohnheiten im sozialen Umfeld.
rungen (Hypokaliämie) können auf eine Bulimie hin- Therapie. Psychotherapie (z. B. analytisch orientiert,
weisen. Verhaltenstherapie), Selbsthilfegruppen (z. B. OA =
Overeaters Anonymous).
> Unspezifische einzelne auffällige Befunde (z. B. Hypo-
kaliämie, erhöhte Triglyzeride) können bei jungen Prognose. Jeweils ein Drittel wird geheilt, erfährt eine
Frauen auf eine Essstörung hinweisen. Symptomverbesserung und chronifiziert oder zeigt
eine Symptomverschlechterung nach 6- bis 12-mona-
Differenzialdiagnose. Störungen des oberen Gastroin- tiger Therapie. Außer in Extremfällen (Ösophagus-,
testinaltrakts mit wiederholtem Erbrechen, organische Magenperforation, sekundäre Depression mit Suizid)
Hirnstörungen (z. B. traumatisch), Persönlichkeitsstö- kein letaler Ausgang.
rungen.
In Kürze
Essstörungen
therapie, Phytopharmaka (Baldrian, Hopfen, Melisse, methazin), Antihistaminikum, Melatonin (bei Jet-lag),
Passionsblume), sedierende Antidepressiva (z. B. Trimi- Benzodiazepine über 2 bis maxiaml 4 Wochen, Zale-
pramin), schwachpotente Antipsychotika (z. B. Pro- phon zur Schlafeinleitung, Lichttherapie.
2 In Kürze
Schlafstörungen 4 Symptomatik: Durchschlaf-, Einschlafstörung, Mangelschlaf, Narkolepsie, Aufwach-
störung, Schläfrigkeit, Schlafwandeln
4 Ätiologie: intrinsisch, extrinsisch, organisch, psychisch, toxisch, medikamentös
4 Diagnostik: Anamnese, EEG, Schlaflabor
4 Therapie: Schlafhygiene, Psychotherapie, Entspannungsübungen, Medikamente
. Tab. 2.16. Phasen nach Jellinek. Symptome nach Stadium der Alkoholabhängigkeit
Stadium Merkmale
gefäßsklerose, nach Hirntraumen und bei Alkoholikern 20%. Jeweils 50% aller Straftaten (Aggressionsdelikte!)
in der chronischen Phase. Potenzierung der Alkohol- und Selbstmordversuche geschehen unter Beteiligung
wirkung erfolgt durch Barbiturate, Tranquilizer, Neuro- von Alkohol. Risikofaktor für Leberzirrhose ist Alkohol
leptika, Antidepressiva. ab 60 g pro Tag für Männer ab; für Frauen ab 40 g Al-
Unterschieden werden verschiedene Typen kohol pro Tag.
(. Tab. 2.17).
Symptomatik. Psychisch zeigt der Alkoholiker in der
Epidemiologie. Neben den neurotischen (psycho- Regel passiv abhängige Persönlichkeitszüge mit de-
genen) Störungen in Europa die weitverbreiteste psy- pressiver Verstimmung und Affektlabilität. Schon im
chische Störung! Erstgespräch werden oft eine Distanzlosigkeit (Wesens-
änderung) und eine latente Gereiztheit spürbar, die un-
> 2–3 Millionen (3% der Erwachsenen) in der BRD ter einer Gefälligkeitshaltung durchschimmern. Häufig
sind alkoholabhängig, etwa die gleiche Anzahl sind hat sich schon ein psychoorganisches Syndrom entwi-
gefährdet, d. h. insgesamt sind 6–10 Millionen direkt ckelt. Eine Fremdanamnese kann sehr hilfreich sein.
oder indirekt (z. B. Angehörige) betroffen. An Alkoholmissbrauch sollte gedacht werden bei:
4 Gastritis mit Erbrechen und Übelkeit
Zurzeit besteht ein Männer-Frauen-Verhältnis von 4:1. 4 Leberschädigung (Fettleber, Leberzirrhose) mit Er-
30% der psychiatrischen Krankenhausaufnahmen sind höhung von γ-GT, GOT, GPT, alkalische Phospha-
Alkoholiker, in Allgemeinkrankenhäusern sind es 10– tase, CDT (Carbohydrat-defizientes Transferrin)
136 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
Art des Alkoholismus Typisierung und Kontrolle Abhängigkeit und Klinik (Folgen)
2 Alphatypus Konflikttrinker ohne Kontrollverlust Nur psychisch, Abstinenz möglich; Übergang
zum Gammatyp möglich; keine Spätfolgen
Gammatypus Suchttrinker mit Kontrollverlust, aber Erst psychisch, dann auch physisch; Toleranz-
abstinenzfähig entwicklung, soziale Spätfolgen
[Gamma-, Delta- und Epsilontypus kennzeichnen die Alkoholkrankheit im engeren Sinne mit seelischen, körperlichen und
sozialen Schädigungen und Abhängigkeit.
Folgen eines chronischen Alkoholabusus können Prognose. Abhängig von der Ausgangspopulation.
sein: Dauerabstinenz wird bei 30–60% erreicht, aber starke
4 Erhöhung der MCV (Makrozyten) Selektion. Nach dem körperlichen Entzug erhalten nur
4 Pankreatitis 10% eine stationäre Kurztherapie, bei einem noch ge-
4 Herzmuskel-Erkrankungen ringeren Anteil zu langfristiger Entwöhnung. Unbe-
4 Akute Myopathie handelt verkürzte Lebenszeit und hohe Suizidrate. Re-
4 Neurologische Störungen: Polyneuropathie zidivgefährdung besteht lebenslang, höchstes Rückfall-
(Gangstörungen, Sensibilitätsstörungen) risiko innerhalb des 1. Jahres.
4 Krampfanfälle
4 Zieve-Syndrom (akutes hämolytisches Syndrom, 2.7.1.1 Einfacher Rausch
Leberzirrhose oder Pankreatitis) Definition. Passagere Alkoholvergiftung.
Zum klinischen Bild des chronischen Alkoholikers Symptomatik. Typisch ist eine zerebelläre Symptoma-
. Abb. 2.2. tik mit Ataxie, Dysarthrie, Koordinationsstörungen
beim Sprechen, Gehen, Schreiben; Blickrichtungsnys-
Diagnostik. Klinisch wegweisend sind eine rötliche, tagmus). Vegetative Reaktionen sind erweiterte Haut-
aufgedunsene Gesichtshaut mit Tränensäcken, Telean- gefäße, Mydriasis und eine Pulsbeschleunigung. Ent-
giektasien und eine belegte Zunge. Ein Foetor ex ore ist hemmung, Euphorisierung, Urteilsschwäche und
oft stark ausgeprägt. Unverzichtbar ist die Bestimmung Selbstüberschätzung zählen zur Bandbreite der psy-
von Blutspiegel und/oder Atemalkohol (bis 1,5‰ leich- chischen Symptome.
ter, bis 2,5‰ mittelschwerer Rausch).
! Cave
Differenzialdiagnose. Durch Alkohol bedingte, psych- Bei depressiver Symptomatik besteht die Gefahr der
iatrische Krankheitsbilder können als akute Intoxika- Suizidalität!
tionen oder als metalkoholische Psychosen auftreten.
Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Depression, Allgemein treten Konzentrations-, Merkfähigkeits-,
bei der es hin und wieder beim Versuch einer Selbst- Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen auf. Für die
heilung zu einem sekundären Alkoholmissbrauch Zeit des Rausches ist oft eine (partielle) Amnesie (Black-
kommt. out) gegeben.
Therapie. Sie erfolgt als Stufentherapie (. Tab. 2.18). Diagnostik. Klinische Untersuchung.
2.7 · Missbrauch, Abhängigkeit
137 2
. Tab. 2.18. Therapie des Alkoholismus: Entzug und Entwöhnung sind 2 voneinander abgrenzbare Phasen
Phase Maßnahmen
2 Entzug Körperlicher Entzug (I) mit Carbamazepin, evtl. Distraneurin (nur stationäre Anwendung)
über 10 Tage, maximal 2 Wochen. Cave: Suchtgefahr!, Clonidin (stationär); unmittelbar
danach Motivations(gruppen)behandlung (Entzug II) als Vorbereitung zur Entwöhnung
(Dauer: 2–3 Wochen)
Entwöhnung Ziel ist Abstinenz, d. h. kein Alkohol oder verarbeiteter Alkohol (cave: Arzneimittel!);
zunächst stationär, dann ambulante Therapie
Medikamentöse Therapie Noch im Erprobungsstadium: Mittel zur Reduktion des Trinkverlangens (Anticraving),
z. B. Acamprosat (Campral) (Nebenwirkungen: Hauterscheinungen, gastrointestinale
Symptome (Diarrhö); Prinzip der Alkoholmeidung durch Angst vor Unverträglichkeits-
reaktionen mit dem Medikament Disulfiram (Antabus), nur bei motivierten Patienten
unter ständiger ärztlicher Kontrolle (cave: bei Überdosierung Leberschädigung, Psycho-
segefahr, Krampfanfälle, deshalb kein Trinkversuch)
Ätiopathogenese. Das Delirium tremens ist auch Symptomatik. Vorherrschend sind akustische Hallu-
durch Anticholinergika (Anti-Parkinson-Mittel, Anti- zinationen. Syndromatisch sind alle Übergänge zu
depressiva), Neuroleptika, Spasmolytika provozierbar. Delir und Schizophrenie möglich. Die Dauer beträgt
Unbehandelt kann das Delir 3 bis maximal 20 Tage Stunden bis maximal 6 Monate. Stimmenhören in
andauern. Früher nahm das Delir oft einen letalen dialogischer und kommentierender Form (bedroh-
Ausgang. lich, Beschimpfungen, Sprechchöre, »Über-Ich«),
(Verfolgungs-)Wahn, Angst, durch das Erleben der
Symptomatik. Als Prodromi (subdelirantes Syndrom) Patienten erklärbare Handlungen (z. B. Aggressivität
gelten Schlafstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, gegen vermeintliche Personen), keine Bewusstseins-
Angst, Unruhe (nächtliche Verwirrtheit), Zittern, störung, Orientierung erhalten, zeitweilige Krankheits-
Schwitzen, Tachykardie, Fieber, Durchfall (vegetatives einsicht.
Entzugssyndrom), Muskelwogen (besonders mi-
misches Beben). Differenzialdiagnose. Dauert eine Alkoholhalluzinose
Das Vollbild eines Delirium tremens ist gekenn- länger als 6 Monate an, Schizophrenie ausschließen.
zeichnet durch Bewusstseinstrübung, Störung von Auf-
merksamkeit, Auffassung und Immediatgedächnisstö- Therapie. Neuroleptika, Abstinenz.
rung, Desorientiertheit, Beschäftigungsdrang, moto-
rische Unruhe, Schreckhaftigkeit, Nesteln, gesteigerte Alkoholischer Eifersuchtswahn
Suggestibilität (z. B. Ablesen von einem weißen Blatt), Durch Impotenz des Alkoholikers und Ablehnung der
inkohärentes Denken, Konfabulationen, Personenver- Partnerin/Ehefrau bedingte seltene Wahnentwicklung.
kennungen, optische und szenische Halluzinationen, Öfter bei Männern auftretend. Typisch sind groteske Be-
Akoasmen. schuldigungen ohne Krankheitseinsicht. Therapeutisch
sind Alkoholabstinenz und (danach) Psychotherapie an-
Therapie. Behandelt werden kann mit: zuvisieren.
4 Clomethiazol (z. B. Distraneurin) auch im begin-
nenden Delir möglichst oral, da gute Resorption, 2.7.1.7 Alkoholisches Korsakow-Syndrom
nur unter Intensivbeobachtung Infusionen (ver- Synonym. Amnestisches Durchgangssyndrom
mehrte Bronchialsekretion!).
4 Clonidin (Catapresan): nur unter Intensivbe- Definition. Tritt bei Hrinschädigungen verschiedenster
dingungen. Bei starker paranoider Symptomatik Art auf, am häufigsten bei alkoholtoxischen Hirnschä-
Kombination mit Neuroleptika (z. B. Haloperidol), den.
Nachteil: Erniedrigung der Krampfschwelle.
4 Carbamezepin zur Anfallsprophylaxe und im Sub- Ätiopathogenese. Häufig im Anschluss an Alkoholde-
delir (schweres Entzugsyndrom; u. U. Vermeidung lir, an Wernicke-Enzephalopathie oder chronisch-pro-
des Volldelirs) geben. Herz- und Kreislaufstützung gredient auftretend; bei 3–5% der Alkoholiker; auch
gegebenenfalls. Vitamin-B1-Gaben. Eine genaue nach Monaten noch Besserung möglich, aber auch un-
Beobachtung (Intensivstation) ist indiziert. günstige, irreversible Verläufe sind möglich.
Prognose. Die Letalität beträgt 10–20% trotz Therapie. Therapie. Schwere des Entzugs entsprechend der
Schwere der Abhängigkeit und Konzentration des Mit-
tels (Reinheitsgrad). Dauer 2 Wochen und länger, Maxi-
2.7.2 Opioide (Morphintyp) mum nach zwei Tagen (. Tab. 2.19). Provokation von
Entzugssyndromen durch Morphinantagonisten (Dap-
Definition. Starke psychische und körperliche Abhän- tazile, Lorfan, Narlorphin, Naloxon).
gigkeit bei Missbrauch. Besonders beim Heroin können
bereits 2–3 Injektionen abhängig machen (hohes Sucht-
potenzial). 2.7.3 Cannabinoide, Marihuana
Ätiopathogenese. Hierzu gehören: Opium, Morphium Definition. Psychotrope Droge mit psychischem Sucht-
hydrochloricum (Alkaloid des Opiums), synthetische potenzial (nicht körperlich) und langer Halbwertszeit,
Suchtmittel (austauschbar, Kreuztoleranz): Diacetyl- sodass Kumulationseffekte zu protrahierten Rauschzu-
morphin (Heroin), Hydromorphon (Dilaudid), Codein ständen und verstärkter Symptomatik führen.
2.7 · Missbrauch, Abhängigkeit
141 2
Stadium Therapie
Ätiopathogenese. Die aktive Substanz ist Tetrahdro- Therapie. Beruhigendes Gespräch. Bei stärkerer Angst-
cannabinol (THC). In anderen Kulturen hat Haschisch reaktion 5–10 mg Diazepam (z. B. Valium) p.o. oder i.v.
eine ähnliche Funktion wie Alkohol im europäischen Neuroleptika.
Raum.
Tranquilizer (Benzodiazepine)
> Haschisch kann Einstiegsdroge sein, hat aber ein Die Wirkung umfasst Anxiolyse, Sedierung, Euphori-
wesentlich geringeres Suchtpotenzial als Opioide. sierung, Schlafstörungen, psychische und körperliche
Abhängigkeit, bei längerfristiger Anwendung Dyspho-
Symptomatik. Typisch sind: rie, Muskelschwäche, Mundtrockenheit, amnestische Stö-
4 Gastrointestinaltrakt: Übelkeit, Erbrechen, Appetit- rungen. Tranquilizer dürfen als Schlafmittel nicht länger
steigerung, Mundtrockenheit als 3 Wochen verschrieben werden, wegen der Gefahr
4 Auge: Konjunktivitis, Mydriasis der iatrogenen Abhängigkeit! Auch in niedriger Dosis
4 Tachykardie, Ataxie, Blässe, Schwindel, Fieber ist eine Niedrig-Dosis-Abhängigkeit nicht selten. Schlaf-
4 ZNS: Halluzinationen, Erregungszustände, Somno- losigkeit kann als Rebound-Effekt beim Absetzen resul-
lenz, Panikreaktionen, Suizidtendenzen, Deperso- tieren. Diagnostisch erfolgt der Nachweis von Benzo-
nalisationserlebnisse, gehobene Stimmung, eupho- diazepinmetaboliten im Urin/Serum. Zur Therapie ge-
risch, albern, friedliche, Wahrnehmungsstörungen hört:
(akustische und Farbwahrnehmungen intensiver 4 Bei akuter Intoxikation, wachem Patienten: Induziertes
etc., illusionäre Verkennungen), Realitätsverände- Erbrechen oder Magenspülung, danach Kohle und Ab-
rungen, Gefühl der Irrealität, Denkstörungen, Ver- führmaßnahmen.
schiebung der Zeit-/Raumdimension 4 Bei bewusstlosem Patienten: Flumazenil (z. B. Anexate)
4 Bei Intoxikation: paranoide Gedanken, optische initial 0,2 mg = 2 ml i.v., 0,1 mg/min. bis Patient wach
(Pseudo-)Halluzinationen (Formen und Farben), ist. Intoxikationserscheinungen möglich, deshalb wei-
vegetative Störungen (Schwindel, Tränenfluss, tere Überwachung trotz subjektiven Wohlbefindens
Schwitzen, Erbrechen, Übelkeit, Tachykardie, Pu- notwendig. Die Dosis muss bei Leberinsuffizienz redu-
pillenerweiterung), Horrortrip mit Angst (sehr sel- ziert werden, bei Kindern unter 15 Jahren, in Schwan-
ten!); Nachhallzustände (Echophänomene, Flash- gerschaft und Stillzeit strenge Indikationsstellung.
back) tage- bis wochenlang (bei Anhalten: Diffe- Mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen,
renzialdiagnose Schizophrenie); Wesensänderung RR- und Frequenzanschwankungen, epileptische An-
bei chronischer Einnahme: adynames Syndrom fälle (selten).
mit Apathie, Rückzug, evtl. Verwahrlosung 4 Im Entzug: Carbamazepin, bei Bedarf zusätzlich nied-
rigpotente Neuroleptika. Häufig prolongierte Entzüge
Diagnostik. Nachweis im Urin bis. Zu 10 Tagen nach über viele Wochen.
Einnahme möglich (EMIT-Test). 6
142 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
In Kürze
Missbrauch und Abhängigkeit
Grundsymptome
2 Formale Denkstörungen Assoziationsstörungen, Zerfahrenheit, Begriffszerfall, Kontamination, Begriffszerfall
(Konkretismus, Symbolismus), Sperrung des Denkens oder Gedankenabreißen
Affektstörungen Parathymie (inadäquater Affekt bezogen auf den Gedankeninhalt; Affekt bzw. Erleben
entsprechen nicht dem Affektausdruck), Ambivalenz (beziehungsloses Nebeneinander-
bestehen, unvereinbare Erlebnisqualitäten, Entscheidungsunfähigkeit), Stimmungs-
instabilität, Ratlosigkeit, die erlebte Gefühlsverarmung, depressive Verstimmungen, auch
ekstatische Stimmung mit Glücksgefühl und Entrücktheit, Schuld- und Versündigungsge-
fühl, Trema (Lampenfieber)
Autismus Rückzug aus der Wirklichkeit, überwiegendes Binnenleben, auch sekundär nach
negativen Umwelterfahrungen
Akzessorische Symptome
Wahn Verfolgung, Beeinträchtigung, Kontrolle, Vergiftung, die aber auch Berufung und Größe),
Apophänie (Offenbarung)
Katatone Symptome Motorik- und Antriebsstörungen: Stupor, Mutismus, psychomotorische Unruhe und
katatone Erregungszustände, die Haltungs- und Bewegungsstereotypien, Negativismus
und Befehlsautomatie
3. Dialogische oder kommentierende Stimmen; Stim- möglich ist. Halluzinatorisches Verhalten darf an-
men aus einem Körperglied gesprochen werden.
4. Bizarrer, völlig »unrealistischer Wahn« 4 Unruhige, aggressive Patienten sollten in einem be-
5. Sonstige anhaltende Halluzinationen jeder Sinnes- ruhigenden Gespräch aus ihrer Erregung zurück-
modalität, welche von Wahn oder überwertigen geholt werden. Hilfe holen bei Gefahr, gegebenen-
Ideen begleitet werden können falls wird mit Gewalt mediziert und im Bett mit
6. Gedankenabreißen, Zerfahrenheit, Danebenreden, Bauchgurt bzw. an Händen und Füßen fixiert. Ge-
Neologismen naue rechtliche Vorgehensweise und Dokumenta-
7. Katatone Symptome tion in Erfahrung bringen! Dies erfolgt immer als
8. Negative Symptome wie Apathie, Sprachverar- ärztliche Anordnung und muss mit exakten Zeitan-
mung, verflachte oder inadäquate Affekte, gefolgt gaben dokumentiert werden! Dem Patienten ist zu
von sozialem Rückzug erklären, weshalb man so vorgehen musste.
4 Insgesamt ist zum Aufbau einer vertrauensvollen
Differenzialdiagnose. Enzephalitis (Lumbalpunktion), therapeutischen Beziehung wichtig, dem Patienten
malignes neuroleptisches Syndrom. die Möglichkeit zu lassen, Nähe und Distanz selbst
zu bestimmen.
Therapie. Umgang mit schizophrenen Patienten:
4 Wahnhaften Patienten zuhören, aber wenige Fra- In Abhängigkeit vom aktuellen Befinden, Begleiter-
gen stellen. Der Patient mit seinem Wahn sollte krankungen (depressive Symptomatik) und Verlauf der
akzeptiert werden, aber nicht so tun als ob man Erkrankung (Rezidiv, Therapieresistenz) werden Neu-
Wahninhalte für die Realität hält. Erst später sollte roleptika in unterschiedlicher Dosierung und Darrei-
geprüft werden, ob eine Distanzierung zum Wahn chungsform gegeben (. Tab. 2.22 und . Tab. 2.23).
2.8 · Schizophrenie, anhaltende wahnhafte Störung, schizoaffektive Störung
145 2
Hebephrenie Beginn in der Adoles- Leistungsknick; auffällige Symp- In den Vorstadien wird oft eine
zenzzeit bzw. im frü- tome: läppische Gestimmtheit, Beschäftigung mit Themen wie
hen Erwachsenenalter Affektindolenz, Grimassieren, Faxen, Religion, Philosophie, Esoterik,
Manierismen; Rückzug, Beziehung- Parapsychologie beobachtet
slosigkeit, auch Enthemmung; ab-
schweifend, verfahren, konfus, häu-
fig Wahnvorstellungen
Paranoid-halluzina- Erkrankungsgipfel Vor allem schizoide, sensitive Per- Persönlichkeit bleibt überwie-
torische Schizo- liegt um das 4. Lebens- sönlichkeiten sind betroffen. Akoas- gend intakt
phrenie jahrzehnt; häufigste men, Körperhalluzinationen. Nach
Form schizophrener abklingendem Schub tritt eine all-
Psychosen mähliche Distanzierung von den
Wahninhalten ein, häufig mit erheb-
licher Ambivalenz gegenüber dem
Wahn
Schizophrenia Seltene Diagnose; Im Vordergrund stehen ein Antriebs- Keine auffälligen produktiven
simplex prognostisch ist ein defizit, Initiativeverlust und ein Symptome vorhanden
ungünstiger Verlauf Mangel an Vitalität und Aktivität.
die Regel Charakteristisch ist ein Knick in der
Lebensentwicklung. Häufig wird
ein Übergang in einen Residual-
zustand beobachtet.
Katatone Formen; Beginnt im frühen Erstarren mit Katalepsie (Haltungs- Die Feststellung der wächsernen
febrile (perniziöse) Erwachsenenalter mit verharren), Haltungsstereotypien Biegsamkeit (Flexibilitas cerea)
Katatonie (seltene, häufig plötzlicher und Mutismus sind typische Er- und der kataleptischen Starre er-
lebensbedrohliche Manifestation; Progno- scheinungsbilder katatoner For- folgt durch das Hochheben einer
Sonderform): mit Er- se ist eher günstig men. Die katatone Erregung ist ge- Extremität oder auch des Kopfes
regung oder häufiger kennzeichnet durch Toben, Schrei- (»orreiller psychique« – psychi-
Stupor hohes Fieber, en, Bewegungssturm mit starker sches Kissen) mit anschließender
Kreislaufstörungen motorischer Aktivität, Aggressivität, Beibehaltung dieser Stellung.
und Exsikkose Selbst- und Fremdgefährdung. Bei erfolgloser Behandlung mit
4 Echopraxie (spiegelbildliche Neuroleptikainfusion Indikation
Wiederholungen von Handlun- für Elektrokrampftherapie! Flüs-
gen des Gegenübers) sigkeitszufuhr!
4 Echolalie (lalein gr. sprechen);
Sprachstereotypien
4 Aktiver und passiver Negativis-
mus (tut das Gegenteil oder
nichts bei Aufforderungen)
. Tab. 2.22. Wichtigste Neuroleptika zur Behandlung von Symptomen schizophrener Psychosen
Zusätzliche Spannungs- und Nur für kurze Zeit: Benzodiazepine Diazepam (z. B. Valium)
Erregungszustände (Tranquilizer)
Nach akuter Erstmanifestation (Depot-)Neuroleptikum für einige Fluphenazin (z. B. Lyogen, z. B. Dapotum)
Monate oder Flupentixol (z. B. Fluanxol)
Nach Zweitmanifestation 1–2 Jahre Weiterbehandlung, nach Fluphenazin (z. B. Lyogen, z. B. Dapotum)
mehrfachen Rezidiven mit einer Dauer- oder Flupentixol (z. B. Fluanxol) als Depot-
medikation eines Depotneuroleptikums; neuroleptikum
bei zuverlässigen Patienten können Bei zuverlässigen Patienten: Zotepin
orale (stark- bis mittel)potente Neuro- (z. B. Nipolept), Olanzapin (z. B. Zyprexa),
leptika gegeben werden, hierbei ist Amisulprid (z. B. Solian), Risperidon
neueren atypischen Neuroleptika der (z. B. Risperdal); Clozapin (z. B. Leponex)
Vorzug zu geben (evtl. Clozapin)
Bei febriler Katatonie und medikamentös schwer be- Definition. Zählt zu den endogenen Psychosen, zeigt
herrschbaren Zuständen hochgradiger Unruhe und Symptome sowohl aus dem schizophrenen als auch aus
Verwirrtheit (Delirium acutum) kann die Elektro- dem manisch-depressiven Formenkreis.
krampftherapie lebensrettend sein. Sie erfolgt in Kurz-
narkose, Muskelrelaxation und mit O2-Beatmung. Die Symptomatik. Entweder zeigt sich eine Symptomatik
Risiken entsprechen der einer Kurznarkose. Vorüber- wie bei Manie (7 Kap. 2.9.4) oder wie bei Depression/
gehend kommen Gedächtnisstörungen vor, es wurde Melancholie. Zusätzlich sind Symptome der schizo-
jedoch keine Substanzschädigung nachgewiesen. phrenen Psychose vorhanden.
Form Charakterisierung
2 Paranoia Ein nichtschizophrener chronischer systematischer Wahn, der sich auf Eifersucht, Verfol-
gung, Beeinträchtigung etc. bezieht
Sensitiver Beziehungswahn Er entwickelt sich aus dem Zusammentreffen von Charakter (sensitiver Persönlichkeits-
(Kretschmer) struktur), Erlebnis (persönliche Niederlage) und sozialem Milieu. Aus dem Primär-
erlebens der peinlichen Kränkung und der Minderwertigkeit entsteht die Gewissheit,
von allen betrachtet, gekannt und verachtet zu werden. Es handelt sich um die Negativ-
variante des Größenwahns und ist schwer vom Begriff der »Paranoia« abzugrenzen.
Frauen sind häufiger betroffen mit einem Beginn ab dem 40. Lebensjahr. Ein Teil der Fälle
geht in eine Schizophrenie über. Die Prognose ist nicht primär ungünstig bei frühzeiti-
gem Beginn der Therapie
Querulantenwahn Psychopathologisch handelt es sich um einen Übergang von einer überwertigen Idee
(Paranoia querulans) zum systematisierten Wahn. Die prämorbide Persönlichkeitsstruktur ist starrsinnig,
rechthaberisch, häufig nachdrücklich und kampfeslustig. Auslöser ist eine wirkliche oder
vermeintliche Ungerechtigkeit. Häufig folgt jahrelanges Prozessieren mit schlüssiger
Argumentation. Der Verlauf ist im Allgemeinen ungünstig und therapeutisch schwer
beeinflussbar
Dysmorphophobie Wahn: Aufgrund eines vermeintlichen oder tatsächlichen Körperfehlers von anderen
Menschen abschätzig beurteilt zu werden. Plastische Chirurgen sollten einen Psychiater
hinzuziehen. Folgen der Wahnentwicklung: depressive Verstimmungen, suizidale Hand-
lungen, psychotische Dekompensation, gelegentliches Symptom bei Beginn einer
Schizophrenie
Dermatozoenwahn Gewissheit, dass am Körper kleine Tierchen (Parasiten, Würmer) vorhanden sind (Miss-
empfindugen, taktile Halluzinationen). Psychiater werden gemieden, stattdessen wer-
den Dermatologen und Hygieniker aufgesucht. Vorwiegend ältere Frauen mit psycho-
organischen Erkrankungen (v. a. Demenz) sind betroffen
(Prä)seniler Beeinträchtigungs- Im Alter auftretender Wahn (mit demenziellen Prozessen), bei vereinsamten Personen
wahn/Kontaktmangelparanoid und nach Verlust des Kontakts zur Umwelt. Er kann jahrelang verborgen bleiben
Wahnentwicklung bei Ähnlich wie beim Kontaktmangelparanoid auch nach Hörverlust. Vergleichbare Störun-
Schwerhörigen gen entwickeln sich in sprachfremder Umgebung sowie in sensorisch-deprivierender
Situation
Induzierte wahnhafte Störung Ein nichtwahnhafter Partner oder die Familie (Gruppe) eines Primärerkrankten (Induktor)
(symbiotischer Wahn, »folie à übernimmt dessen Wahnsymptomatik. Typischerweise besteht ein enge symbioseähn-
deux«) liche Verbindung mit der Familie oder dem Partner bei gleichzeitiger Abkapselung ge-
genüber der Außenwelt (»encapsulated unit«). Die Primärerkrankung ist oft eine para-
noide Schizophrenie. Erfolgreiche Therapie des Induktors korreliert mit Gesundung der
Induzierten. Differenzialdiagnostisch muss ein konformer Wahn abgegrenzt werden:
unabhängige, individuelle Erkrankung aber zusammenwachsende Ausformung zu einer
Wahnsymptomatik
In Kürze
Atypische Depression Atypisch, weil affektive Reagibilität und Modulationsfähigkeit erhalten, Appetit ist
untypischerweise gesteigert, gesteigerte Schlaffähigkeit, bleierne Gliederschwere,
hohe Kränkbarkeit, oft mit neurotischer Komponente
Kurzfristige rezidivierende Weniger als 2 Wochen, oft nur 3 Tage anhaltend oder stundenlang mit erheblichem
depressive Störung Schweregrad und Suizidgefährdung!
Saisonale Depression Jahreszeitliche Gebundenheit (Herbst/Winter) mit Besserung bzw. Remission im Frühling
motorisch geäußerte Unruhe mit deutlich geäu- len Kortex, anteriorem Zingulum und Amygdala und
ßerter Verzweiflung. einen verminderten Blutfluss im orbitofrontalen Kor-
4 Denken: Denkhemmung (verlangsamt, einför- tex, z. T. bestehen diese Veränderungen auch im symp-
mig). Inhaltlich herrschen vor depressiver Wahn tomfreien Intervall. Strukturell zeigt sich eine Volu-
mit Schuld- und Versündigung, Verarmung (exis- menminderung der Frontal- und Parietallappen, des
tenzielle Angst), hypochondrischer Krankheits- Hippokampus sowie der Basalganglien. Eine neuro-
wahn (irrationale Sorge um eigene Gesundheit), psychologische Testung ergibt verminderte kognitive
nihilistischer Wahn (Cotard-Syndrom): Vernich- Leistungen. Chronobiologisch zeigt sich eine verkürzt
tung (Familie, Existenz, Welt). Zwangsgedanken REM-Schlaf-Latenz mit einem insgesamt erhöhten
können eine führende Rolle spielen (anakastische REM-Anteil am Schlaf und vermindertem Tiefschlaf-
Depression), auch Tötungsimpulse. anteil.
4 Kognitive Leistungen: Pseudodemenz, quälende
Unfähigkeit zu Aufmerksamkeit, Konzentration, Differenzialdiagnose. Depressive Verstimmungen bei
Auffassung, Lernen. Schizophrenien, depressiv-organisches Psychosyn-
4 Vitalstörungen, vegetative Symptome: Schlafstö- drom; Depression aufgrund somatischer Grunderkran-
rungen; Libidoverlust; Erschöpfung; körperliche kungen (z. B. Hypothyreose), pharmakogene Depres-
Missempfindungen; Übelkeit, Obstipation; Zoen- sion.
ästhesien (Stromgefühl); Gewichtsabnahme.
Therapie. Psychotherapeutische und pharmakologische
> Pathologisches Weinen bezeichnet hingegen eine Maßnahmen stehen an erster Stelle (. Tab. 2.26).
psychische Störung aufgrund einer erworbenen
Schädigung des Gehirns.
2.9.2 Rezidivierende depressive
Weitere Depressionen Störung
Einige klinisch relevante Konstellationen erfordern eine
speziell abgestimmte Therapie, jedoch rechtfertigen sie Definition. Ähnelt der depressiven Episode, jedoch ent-
nicht die Einordnung in eine spezielle Depressionsform. fallen die melancholische Depression und psychotische
4 Postpartale Depression Symptome. Wiederkehrende anhaltende depressive
4 Erschöpfungsdepression Störung von 2 Jahren Dauer ohne längere Unterbre-
4 Somatisierte, larvierte Depression (verschoben in kör- chung von 2 Monaten.
perliche Beschwerden)
4 Involutionsdepression (Erstmanifestation zwischen Ätiopathogenese. 7 Kap. 2.9.1.
dem 45. bis 65. Lebensjahr)
4 Depression im Senium (nach dem 65. Lebensjahr) Symptomatik. 7 Kap. 2.9.1.
Diagnostik. Eine funktionelle Bildgebung (PET) zeigt Diagnostik. 2 Jahre Dauer ohne längere Unterbrechung
vermehrten Blutfluss im lateralen inferioren präfronta- der Symptomatik von 2 Monaten.
2.9 · Affektive Erkrankungen
151 2
Elektrokrampftherapie (EKT) Bei Versagen nach zwei aufeinander abgestimmten psychotherapeutischen und
pharmakologischen Therapien. Hochwirksam bei depressiven Episoden mit melan-
cholischem Subtypus (besonders bei synthymen Wahn)
Schlafentzug (Wachtherapie) Totaler oder partieller Schlafentzug (2. Nachthälfte) mit meist nur kurz anhaltender
Milderung depressiver Episoden
Lichttherapie Bei Winterdepression: Applikation von sehr hellem Licht (bevorzugt morgens)
für 1–2 h/Tag über 1–3 Wochen mit raschem Eintritt von Besserung (innerhalb von
3–4 Tage)
Kognitive Psychotherapie nach Beck Abbau negativer Kognitionen (Kognitive Triade: negative Sicht von sich selbst, der
Umwelt und der Zukunft)
Interpersonale Psychotherapie nach Fokussierte Kurztherapie, in der das Krankheitskonzept und die mit der depres-
Klerman und Weissman (IPT) siven Symptomatik zusammenhängenden zwischenmenschlichen Probleme bear-
beitet werden
Psychodynamische Psychotherapie Ungelöste und pathologische, teilweise auch unbewusste Konflikte werden heraus-
gearbeitet und Lösungsstrategien erarbeitet
und Wahnbildungen mit Beobachtungs- und Ver- 4 Bipolar-II-Störung. Zusätzliches Auftreten von
folgungsthematik hypomanen Episoden, erhöhte Suizidgefahr.
4 Kognitive Leistungen: subjektiv eher gesteigert,
2 objektiv z. T. ausgeprägte Aufmerksamkeitsmangel Zyklothymia
und fehlende Konzentrationsfähigkeit, die teilweise Persistierende, mit bipolarer Symptomatik einhergehende
persistieren; erschwertes Lernen Erkrankung. Jedoch liegen nur subdepressive oder hypo-
4 Vitalsymptome: Schlafstörungen (z. T. nicht quä- mane Symptomkonstellationen vor. Diagnose nur bei Min-
lendes extremes Schlafdefizit); gesteigerte Libido/ destdauer von 2 Jahren ohne Symptomfreiheit über 2 Mo-
Potenz; eventuell Gewichtsabnahme (ohne Appe- naten.
titstörung)
Diagnostik. 7 Kap. 2.9.1
> Hypomanie. Kurz dauernde Variante (mindesten vier
Tage) der Manie mit geringerer Ausprägung. Häufige ! Cave
Nichtbeachtung und Bagatellisierung mit medizi- Bei allen Bipolaren Störungen ist die Suizidgefahr er-
nischen und forensischen Konsequenzen. höht, hypomane Episoden dürfen nicht unterschätzt
werden.
Diagnostik. Fremdanamnese einholen. Die Psychopa-
thologie ist eindrucksvoll und daher meist eindeutig. Differenzialdiagnose. Hypomanie, Manie, organische
und substanzbedingte Störungen. Schizoaffektive Psycho-
Differenzialdignose. Bei psychotischen Symptomen sen, Schizophrenien (oft erst im Verlauf abzugrenzen.)
schwierige Abgrenzung von schizoaffektiven und schizo-
phrenen Psychosen. Schizomanische Störung. Hyper- Therapie. Im Vordergrund steht die Behandlung der
thyme Persönlichkeit als dauerhaftes Merkmal. Soma- manischen oder depressiven Akutsymptomatik. In den
tische Erkrankungen können manische Symptome USA ist Standard, eine Stimmungsstabilisierung zu er-
hervorrufen. reichen und zu erhalten durch Gabe von Lithiumsalzen
und/oder Valproat/(Ox-)Carbamazepin (Antiepilepti-
Therapie. Oft ist eine stationäre Aufnahme (nach dem ka: bei ungenügender Stabilität oder erneutem Auftre-
psychiatrischen Krankengesetz) erforderlich. Die so- ten von Phasen), ggf. Lamotrigin (bei Neigung zu de-
matische Therapie erfolgt stimmungsstabilisierend pressiven Phasen). Bei ungenügendem Therapiean-
(Lithium, Valproat oder/und (Ox-)Carbamazepin) und schlag Gabe von Antidepressiva (bei bestehender
hochpotent neuroleptisch. Eine Psychotherapie ist Stimmungsinstabilität) bzw. hochpotenten Neurolepti-
häufig schwierig. ka (atypische vor typischen).
Atypische Neuroleptika wie Clozapin und Olanzapin
wirken vorteilhaft stimmungsstabilisierend. Ein Nachteil
2.9.5 Bipolare Störung könnte jedoch eine unzureichende Besserung der
Akutsymptomatik sein mit entsprechender Gefährdung.
Synonym. Bipolare affektive Störung
> Langzeitprophylaxe dringend notwendig mit Lithium-
salzen, ggf. zusätzliche Medikation bei schwerpunkt-
Definition. Manische und depressive Symptomatik im
mäßigen Phasen.
phasenhaften Wechsel, ggf. mit symptomfreien Inter-
vallen. Wenn die medikamentöse Therapie versagt, wird EKT
(Elektrokrampftherapie) angewandt. Bestanden min-
Ätiopathogenese. 7 Kap. 2.9.1. Bei der prämorbiden destens 4 affektive Episoden innerhalb der letzten
Persönlichkeit handelt es sich oft um eine hyperthyme 12 Monate (»rapid cyclings«, begünstigend sind hohe
Persönlichkeit mit meist guter Stimmung, Antriebs- Phasenhäufigkeit, lang andauernde Behandlung mit
reichtum mit mangelnder Fokussierung und wenig Antidepressiva, weibliches Geschlecht, Menopause,
emotionaler Tiefe und Selbstkritik. Hyperthyreose, Stimulanzien und Alkoholmissbrauch),
kann mit Valproat eine gute Wirkung erzielt werden. In
Symptomatik. Unterschieden werden: beiden Fällen stimmungsstabilisierende Therapie an-
4 Bipolar-I-Störung: Möglicher Substanzmiss- schließen.
brauch, Komorbidität mit Persönlichkeitsstörun-
gen sind häufig. Die Bagatellisierungsneigung ist Prognose. Im Verlauf können sich schwerwiegende
ausgeprägt. Krankheitszustände entwickeln.
2.9 · Affektive Erkrankungen
153 2
In Kürze
Affektive Erkrankungen
Gleichaltrigen und Veränderungen hinsichtlich der Schul- vität, Hyperaktivität, Reizhunger, Stimmungsschwan-
anwesenheit. kungen, geringe Frustrationstoleranz, häufige Un-
Die Dunkelziffer ist hoch. Bei Prävalenzerhebungen fälle durch Nichterkennen von Gefahrenquellen.
gaben 2% (Frauen : Männer: 3–4:1) an, im Kindesalter von Sekundär Anpassungsprobleme, Schulschwierig-
Erwachsenen zu vaginalem, analem oder oralem Ge- keiten, dissoziales Verhalten, sekundäre Neurotisie-
schlechtsverkehr gezwungen worden zu sein. Bis zu 12% rung.
der Frauen berichteten über Exhibitionistenkontakte, ver-
bale Belästigung, pornographische Stimulation. Unter- Diagnostik. Verhaltensbeobachtung v. a. mit anderen,
schieden werden: Fragebogen nach Conners für Eltern und Lehrer, Fami-
4 Regressive Täter: am häufigsten, primäre sexuelle Ori- lienanamnese (unruhige Familienverhältnisse), prä-,
entierung auf Erwachsene gerichtet, aufgrund leich- peri- oder postnatale Entwicklung.
terer Verfügbarkeit von Kindern, nichtsexueller Pro-
bleme, Problemen mit erwachsenen Sexualpartnern Differenzialdiagnose. Hyperaktivität (normale Rei-
Rückgriff auf Kinder (Ersatzobjekttäter) fungsvariante, Folge eines Sozialisationsdefizites), hirn-
4 Fixierte Täter: primär sexuelle Orientierung auf Kinder organisches Psychosyndrom, Oligophrenie, psycho-
aus, durch Erwachsene nicht oder kaum erregbar (klas- gene Hyperaktivität (emotionale Spannungen, chro-
sische Pädophile) nische Konflikte, Angst, Depressionen), Deprivations-
4 Soziopathische Täter: mangelnde Empathie für das Op- syndrom, Psychosen, akute und chronische Intoxikation
fer, ggf. sadistische Vorlieben, Sexualität dient ihm zur (z. B. Blei).
Unterdrückung (sadistischer Typ)
Therapie. Psychotherapie, Psychostimulanzien (Am-
Zur Therapie gehören Krisenintervention, Beratung unter phetamine, Methylpheniat, z. B. Ritalin mit paradoxer
Einbezug der Eltern, Einzel- und Gruppenpsychiatrie, Wirkung, keine Suchtgefahr, evtl. Appetitstörungen,
Fremdunterbringung, Präventionsprogramm. Eine Trau- Einschlafstörung, daher keine abendliche Einnahme,
matisierung hinsichtlich emotionaler Reaktionen, psy- vermindertes Größenwachstum, Tics, Stereotypien
chischer Funktionen, Beziehungsfähigkeit, sexueller Ent- (Absetzen!), hoher Blutdruck möglich, Elterntraining,
wicklung und sozialer Funktionen ist häufig. Es findet sich Verhaltenstherapie.
eine erhöhte Rate psychischer Störungen mit hoher Persis-
tenz (Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Sui- 2.10.2.2 Tic-Störung
zidalität, sexuelle Störungen). Prognostisch besonders Definition. Der Tic (franz. das Zucken der Glieder, der
ungünstig ist der Täter in der Familie, genitaler Verkehr, Tick im Sinne von wunderliche Angewohnheit) be-
Einsatz von Gewalt, fehlende Unterstützung durch die zeichnet eine rasche, unwillkürliche, unregelmäßig
Familie. wiederkehrende motorische Entladung in einzelnen
Muskeln oder Muskelgruppen. Auffallend wird ein Tic
durch teilweise heftige körperliche Bewegungen oder
2.10.2 Störungen der Motorik Lautäußerungen.
und Psychomotorik
Ätiopathogenese. Angenommen wird eine hereditäre
2.10.2.1 Hyperkinetisches Syndrom (HKS) Störung in den Basalganglien. Seltener sind organische
Tics als Folge einer generellen Hirnschädigung (z. B.
Definition. Leichte Ablenkbarkeit und geringes Durch- Enzephalitis) oder einer Läsion der Basalganglien (des
haltevermögen, sowie leicht aufbrausendes Wesen striatopallidären System). Zunehmend wird die striato-
mit der Neigung zum Handeln ohne nachzuden- frontale Dysfunktion für die Entstehung von Tics ver-
ken, häufig auch in Kombination mit Hyperaktivität antwortlich gemacht, was erklären würde, dass die Tic-
(ADHS). Störung eine häufige Komorbidität von ADHS darstellt.
Der Tic-Patient kann sowohl den Zeitpunkt des Auftre-
Ätiopathogenese. Unklar. tens als auch den des Verschwindens des Tics nicht
kontrollieren. Tics beginnen zumeist im Alter von 7–12
Epidemiologie. Meist Beginn vor dem 6. Lebensjahr, Jahren mehrheitlich bei Jungen. Die schwerste und des-
Jungen : Mädchen = 3–9:1. halb eindrücklichste Verlaufsform wird nach dem Erst-
beschreiber, dem französischem Neurologen Georges
Symptomatik. Wahrnehmungsstörungen, Aufmerk- Gilles de la Tourette als sog. Tourette-Syndrom be-
samkeitsstörungen, Irritierbarkeit, motorische Akti- zeichnet.
156 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
Symptomatik. Man unterscheidet: Als Sonderformen mit anderer Ursache gilt der Tic
4 die primäre, idiopathische Tic-Störung (Ursache douloureux (franz. der schmerzhafte Tic): ein heftiger,
noch unbekannt) kurzer und sich oft wiederholender Schmerzanfall mit
2 4 von der sekundären, symptomatischen Tic-Störung Gesichtszuckungen bei Trigeminusneuralgie.
(Ursache bekannt).
Diagnostik. Anamnese, Beobachtung.
Nach Ausprägungs- und Schweregrad werden 4 Sub-
typen von Tics, die besonders im kopf- und Schulterbe- Therapie. Bei geringgradiger Beeinträchtigung können
reich auftreten, unterschieden: neben einer umfassenden Aufklärung und Beratung der
4 Einfache motorische Tics, z. B. Stirnrunzeln, Au- Bezugspersonen (bei betroffenen Kindern v. a. Eltern
genblinzeln, ruckartige Kopfbewegungen, Hoch- und Lehrpersonal) die Psychotherapie und Verhaltens-
ziehen der Augenbrauen, Schulterzucken, Grimas- therapie gute Erfolge erzielen. Eine pharmakologische
sieren Behandlung ist indiziert bei lang anhaltender Sympto-
4 Einfache vokale Tics, z. B. Räuspern, mit der Zunge matik (>12 Monate), vokalen Tics, psychiatrischen Be-
schnalzen, Hüsteln, Schmatzen, Grunzen gleiterkrankungen und dem Vollbild des Gilles-de-la-
4 Komplexe motorische Tics, z. B. Springen, Berüh- Tourette-Syndroms. Mittel der Wahl sind hochpotente
ren anderer Leute oder Gegenstände, Körperver- Neuroleptika aus der Klasse der Dopamin-Rezeptorblo-
drehungen, Kopropraxie (Ausführen obszöner cker (z. B. Tiaprid, Pimozid, Haloperidol) sowie bei ent-
Gesten), selbstverletzendes Verhalten sprechender Begleitsymptomatik Antidepressiva (v. a.
4 Komplexe vokale Tics, z. B. Herausschleudern von selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer).
zusammenhanglosen Wörtern und kurzen Sätzen,
Koprolalie (Ausstoßen obszöner Worte), Echolalie Prognose. Bei leichteren Verlaufsformen hören die Tics
(Wiederholung von gehörten Lauten und Wortfet- in der Regel zu Beginn des Erwachsenenalters auf. Bei
zen), Palilalie (Wiederholung von gerade selbst ge- schweren Verlaufsformen bleiben die Symptome auch
sprochenen Worten) im Erwachsenenalter bestehen, oft jedoch in abge-
schwächter Form.
In Kürze
Kindesmisshandlung 4 Symptomatik:
– Battered-child-Syndrom: subdurales Hämatom, Frakturen der langen Röhren-
knochen, Weichteilschwellungen
– Hinweise auf Misshandlung: Unterernährung, striemenförmige Hautveränderun-
gen, Blutergüsse, Verbrennungsmale, zahlreiche Narben, multiple Knochenbrüche
in unterschiedlichen Heilungsstadien, subperiostale Blutungen, subdurale Häma-
tome. Kindliches Verhalten oft ängstlich, überangepasst, verschüchtert, suchen
bei Eltern wenig Schutz
– Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom: Mütter erfinden oder erzeugen beim Kind
(Stellvertreter) körperliche Symptome
– Kindesvernachlässigung: Entbehrung von Nahrung, Kleidung, Unterkunft; Mangel
an emotionaler Zuwendung
4 Ätiologie: Entwicklungsbeeinträchtigungen, psychische Störungen der Eltern,
aktuell belastende Lebensumstände der Eltern
4 Diagnostik: widersprüchliche Anamnese, Beschuldigung der Verletzung des Kindes
gegen die Eltern prüfen
4 Therapie: Schutz des Kindes, therapeutische Arbeit (z. B. Sozialarbeit, Beratung,
Training) mit Eltern und Familie, Psychotherapie, Entwicklungsförderung, ggf. Fremd-
unterbringung des Kindes
6
2.10 · Psychiatrische Aspekte im Kinder- und Jugendalter
157 2
Tic-Störungen 4 Symptomatik:
– einfache motorische Tics, z. B. Stirnrunzeln, Augenblinzeln, ruckartige Kopfbewe-
gungen, Hochziehen der Augenbrauen, Schulterzucken, Grimassieren
– einfache vokale Tics, z. B. Räuspern, mit der Zunge schnalzen, Hüsteln, Schmatzen,
Grunzen
– komplexe motorische Tics, z. B. Springen, Berühren anderer Leute oder Gegen-
stände, Körperverdrehungen, Kopropraxie (Ausführen obszöner Gesten), selbst-
verletzendes Verhalten
– komplexe vokale Tics, z. B. Herausschleudern von zusammenhanglosen Wörtern
und kurzen Sätzen, Koprolalie (Ausstoßen obszöner Worte), Echolalie (Wiederho-
lung von gehörten Lauten und Wortfetzen), Palilalie (Wiederholung von gerade
selbst gesprochenen Worten
4 Ätiologie: hereditäre Störung der Basalganglien, Hirnschädigung (z. B. Enzephalitis),
Läsion der Basalganglien (des striatopallidären Systems), striatofrontale Dysfunktion
4 Diagnostik: Anamnese, Beobachtung
4 Therapie: Aufklärung, Beratung der Bezugspersonen, Psychotherapie, Verhaltensthe-
rapie. Pharmakologische Behandlung indiziert bei lang anhaltender Symptomatik
(>12 Monate), vokalen Tics, psychiatrischen Begleiterkrankungen, dem Vollbild des
Gilles-de-la-Tourette-Syndroms. Mittel der Wahl: hochpotente Neuroleptika aus der
Klasse der Dopamin-Rezeptorblocker (z. B. Tiaprid, Pimozid, Haloperidol), ggf. Anti-
depressiva (v. a. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)
von Figur-Grund-Wahrnehmung, Unterscheidung von Symptomatik. Schwächen vor allem in der Mengen-
wesentlichen und unwesentlichen Reizen und der lehre.
Wahrnehmungskonstanz/Wiedererkennen)
Diagnostik. Klassengestufte Rechentests.
2.10.5.1 Legasthenie
Definition. Lese-Rechtschreib-Schwäche ohne Ein- Therapie. Einübung von Rechenoperationen (Lernen
schränkung der Intelligenz. am Computer). Psychotherapie, Elternberatung.
In Kürze
Intelligenzminderung, Störungen des Sprechens und der Sprache, Störungen im Zusammenhang
mit schulischen Leistungen
Störungen des 4 Symptomatik: Stottern (Balbuties, Störung des Redeflusses, Singen meist nicht be-
Sprechens und einträchtigt), Poltern (Tachyphemie, Störung des Sprechablaufs), Dysarthrie (kloßige,
2 der Sprache verwaschene, verlangsamte Sprache), Mutismus (Sprechverweigerung meist im Vor-
schulalter, elektiv: in Belastungssituationen, bei Fremden bzw. total: bei Psychosen,
als hysterische Reaktion, nach schwerem Trauma), Dyslalie (Stammeln, fehlerhafte
Laut(Phonem-)bildung, physiologisch mit 2–4 Jahren, Konsonantenaustausch),
Dysgrammatismus/Agrammatismus (bis zum 4. Lebensjahr Teil der normalen Ent-
wicklung, grammatisch entstellte Sprache), Hörstummheit (Audimutitas, nach dem
3. Lebensjahr weiter bestehende Stummheit, motorisch: bei Sprachverständnis,
sensorisch: mit Sprachverständnisschwierigkeiten)
4 Ätiologie: Sprachentwicklungsstörungen: Sprachentwicklung fehlt, ist verzögert ab
dem 2,5. bis 3. Lebensjahr bei Vorliegen einer Minderbegabung. Im Einschulungs-
alter 3–4%betroffen, Jungen 2- bis 3-mal häufiger
4 Diagnostik: Anamnese, Sprachtests
4 Therapie: Logopädie, Förderung der Sprache durch Sinneswahrnehmung, Gefühls-
erfahrung in sprachmotivierender Situation
Bei 75% der Patienten besteht zusätzlich eine Intelli- Desintegrative Störung des Kindesalters
genzminderung. Im Jugendalter sind epileptische An- (Dementia infantilis, Heller-Syndrom)
fälle möglich. Im 3. und 4. Lebensjahr eintretender Rückschritt erreichter
Entwicklungsstufen mit Sprachverlust, Verhaltensdesinteg-
> Bei autistischer Entwicklung und geistiger Beein- ration, neurologischen Symptomen, Wesensänderung. Dif-
trächtigung in über 30% Grand-mal-Epilepsie. ferenzialdiagnostisch abgegrenzt werden müssen psycho-
gener Autismus bei Deprivation, somatogener Autismus
Diagnostik. Früherkennungszeichen: Keine oder selek- bei Oligophrenie, Pseudoautismus bei blinden und gehör-
tive Reaktion auf akustische und visuelle Reize. Aus- losen Kindern. Häufig schlechte Prognose.
bleiben des Lächelns nach dem 3. Lebensmonat, des
Arm-Austreckens nach dem 6. Lebensmonat und des
Nachnamens nach dem 10. Lebensmonat. Ungewöhn- 2.10.7 Psychogene Störungen
lich ruhiges Verhalten oder lang andauernde unerklär-
liche Erregungs-, Schrei- oder Weinphasen. Definition. Störungen aufgrund gestörter Primärbezie-
hung, vor allem im 1. Lebensjahr.
Differenzialdiagnose. Taubheit, Oligophrenie, Rötel-
nembryopathie. 2.10.7.1 Nichtorganische Enuresis
Definition. Einnässen bei Kindern über 4 Jahren ohne
Therapie. Verhaltenstherapie, ggf. Heilpädagogik, organische Ursache.
Sprachheilbehandlung, Musiktherapie; Aufbau sozialer
Kontakte und sprachlicher Fähigkeiten, Elternbera- Ätiopathogenese. Üblicherweise sind Kinder im 3. Le-
tungs- und Betreuungsarbeit auch zur Krankheitsbe- bensjahr trocken. Zu den Ursachen der Enuresis zählen
wältigung (Selbsthilfegruppen für Eltern); Neurolepti- Regression bei Trennung von Bezugsperson, Geburt
ka eventuell bei motorischer Unruhe und Affektdurch- eines Geschwisterkindes, zu früh erzwungene Reinlich-
brüchen keitserziehung.
> Die Enuresis tritt familiär gehäuft auf, insbesondere
Prognose. Oft lebenslange Behinderung. Günstig sind
bei zwanghaften Erziehungsmaßnahmen.
gute allgemeine Lern- und Leistungsmöglichkeiten und
Sprachaneignung nach dem 5. Lebensjahr. In ca. 20% der Fälle liegt eine organische Ursache vor
(Entwicklungsrückstand, Anomalie der ableitenden
Autistische Psychopathie nach Asperger Harnwege).
Autismus wird erst im Kleinkindalter deutlich. Auffällige
frühe sprachliche und späte motorische Entwicklung. Symptomatik. Unterschieden werden:
Kennzeichnend sind motorische Ungeschicklichkeit, re- 4 Enuresis persistens: noch nie trocken (Enuresis
petitive stereotype Verhaltensmuster, Sprache mit Wort- nocturna, Bettnässen)
schöpfungen, zusätzlich Sonderinteressen und Spezial- 4 Enuresis acquisata: sekundäre Enuresis nach Tro-
kenntnisse, Kommunikationsstörungen. Betroffen sind ckenheit von etwa 1 Jahr
fast nur Knaben, der Vater ist häufig autistisch-schizoid. 4 Enuresis diurna (Hosennässen): mehrmals täglich
Zur Behandlung gehören Verhaltenstherapie, motorisches
Training, Psychotherapie, Musiktherapie, Familientherapie. Therapie. Blasentraining, Verhaltenstherapie.
Die Prognose ist günstiger als beim frühkindlichen Autis- Prognose. Meist günstig.
mus.
Enkopresis
Rett-Syndrom Einkoten bei Kindern über 4 Jahren (Sauberkeit üblicher-
Tritt bei Mädchen nach scheinbar normaler früher Entwick- weise im 3. Lebensjahr). Betroffen sind 1,5% der Kinder
lung auf, Beginn liegt zwischen dem 7. und 24. Lebensmo- zwischen dem 7. bis 9. Lebensjahr. Die Störung tritt 10-mal
nat. Kennzeichnend sind der Verlust erworbener sprach- seltener als Enuresis auf, häufiger bei Jungen. Ätiologisch
liche und manueller Fähigkeiten, langsames Wachstum des stehen psychogene Faktoren (Verlusterlebnisse; Übergefü-
Kopfes, Ataxie, stereotype windend-wringende Hände- gigkeit gegenüber dominanter, fordernder Mutter, Furcht
waschbewegungen, exzessives Sabbern und Bespeicheln vor allzu fordernder Sauberkeitserziehung, Aggressions-
der Hände und ein leeres soziales Lächeln. Die Prognose ist hemmung, pathologische Familieninteraktionsmuster) im
ungünstig. Vordergrund. Therapeutisch werden Psychotherapie, Ver-
6 haltenstherapie eingesetzt.
162 Kapitel 2 · Psychiatrie, Psychotherapie
In Kürze
2
Frühkindlicher Autismus 4 Symptomatik: Kontaktstörung, Mangel an Mimik und Gestik, Verhaltensrituale,
(verbale) Handlungsstereotypien, zwanghafte Phänomene, Wahrnehmungs-
störung, motorische Koordinationsschwäche, intellektueller Rückstand, Sprach-
entwicklungsstörung, starke Abkapselung, defizientes Ich-Bewusstsein, pro-
nominale Umkehr, Bevorzugung von Nahrezeptoren, epileptische Anfälle
4 Ätiologie: polygenetische Veranlagung
4 Diagnostik: Auftreten vor dem 30. Lebensmonat, Fremdanamnese
4 Therapie: Verhaltenstherapie, ggf. Heilpädagogik, Sprachheilbehandlung, Musik-
therapie, Aufbau sozialer Kontakte, sprachlicher Fähigkeiten, Elternberatungs-
Betreuungsarbeit (Selbsthilfegruppen), Neuroleptika evtl. bei motorischer Un-
ruhe und Affektausbrüchen
Hysterie, dissoziative Bei Kindern häufig Dämmerzustände mit Drang zum Davonlaufen Analytisch orientierte
Störungen Psychotherapie,
Familientherapie,
evtl. Antidepressiva
Psychoreaktive Störungen Zusammenhang mit psychischem Trauma oder Belastung Psycho-, Familien-
(akute Belastungsreaktionen (Battered-child-Syndrom); Symptomdauer je kürzer, desto jünger therapie
oder andauernde Anpas- das Kind
sungsreaktionen)
Pubertäts- und Reifungs- Besonders: Sexual- und Bindungsprobleme, Leistungsfragen, Be- Psycho-, Familien-
krisen in der Adoleszenz rufsfindungsprobleme therapie
Suizid bei über 15-jährigen männlichen Jugendlichen eine der
häufigsten Todesursachen, Suizidversuche öfter von Mädchen (In-
toxikation), Kinder sind immer mehr betroffen
In Kürze
In Kürze
Vorsätzliche Selbstbeschädigung 4 Symptomatik: körperliche Verletzung unklarer Genese
4 Ätiologie: Suizidalität, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen
4 Diagnostik: Anamnese, körperlicher Befund, Psychostatus
4 Therapie: kausal, symptomatisch
3 Psychosomatik
V. Kollenbaum
der entwickelt werden: Tiefenpsychologie und Lern- Anders als in der übrigen Medizin wird die eigene Per-
theorie. sönlichkeit massiv in den Therapieprozess einbezogen.
In der Psychoanalyse haben sich zahlreiche Strö- Daher ist eine Klärung von Verstrickungen immer wie-
mungen entwickelt, denen die Vorstellung eines struk- der hilfreich. Gleichzeitig fördert die Supervision das
turierten psychischen Apparates (Ich, Über-Ich, Es) Verständnis des »Falles«, so dass eine wirksame Be-
gemeinsam ist, der durch frühkindliche Erfahrungen handlung zügiger entwickelt und beibehalten werden
3 und ungelöste (und zusätzlich unbewusste) Konflikte kann. Diesem Ziel dienen auch Balint-Gruppen (Inter-
zu Lösungsversuchen (Neurosen) kommt. Darin wird aktionelle Fallarbeit, IFA-Gruppen in der Verhaltens-
die Grundlage für psychosomatische Störungen gese- therapie), die als besonderes Supervisionskonzept an-
hen. Psychodynamisch arbeitende Therapeuten legen gesehen werden können.
besonderes Gewicht auf die biographische Anamnese, Wo nötig oder förderlich wird eine zusätzliche, sel-
das Verständnis von Übertragungs- und Gegenüber- ten auch alleinige, medikamentöse Therapie durchge-
tragungsreaktionen und die Erarbeitung eines psycho- führt.
dynamischen Fallkonzepts.
Unter dem Einfluss der Lerntheorien hat sich ande-
rerseits die Verhaltenstherapie und die Verhaltens- 3.2 Somatoforme Störungen
medizin entwickelt, die psychosomatische Störungen
als Effekte problematischer Lernprozesse ansehen. Definition. Körperliche Symptome, für die keine organi-
sche Ursache gefunden werden können. Unterschieden
> Vor allem operante Konditionierungen (Lernen am werden
Erfolg) werden als Paradigma für viele psychosoma- 4 Somatisierungsstörung
tische Störungen postuliert. 4 Hypochondrische Störung
4 Somatoforme autonome Funktionsstörung
Lerntheoretisch orientierte Therapeuten werden eine
Verhaltensanalyse (Mikroanalyse als S-O-R-K-C-Mo- > Hypochondrie: Überdauernde, geradezu zwang-
dell, Makroanalyse zur Berücksichtigung von Funktio- hafte Besorgnis, an einer ernsthaften Erkrankung zu
nalitäten) zur Erarbeitung einer Arbeitshypothese an- leiden.
streben.
Die Sprache beider Systeme unterscheidet sich er- Ätiopathogenese. Es wird davon ausgegangen, dass
heblich, obwohl selbstverständlich häufig ähnliche sich die körperlichen Symptome als unbewusster Lö-
Phänomene beschrieben werden. Da der Blickwinkel sungsversuch eines psychischen, nicht aushaltbaren
sich unterscheidet, kann die Ergänzung der jeweils an- inneren Konfliktes herausbilden. Wesentlich ist eine
deren Schule klinisch sehr fruchtbar genutzt werden. damit einhergehende starke emotionale Erregung, die
zur Symptombildung führt. Die Störung wird als inter-
> Eine Verschmelzung der Theoriegebäude ist bislang aktives Phänomen biologischer, sozialer und lebensge-
nicht gelungen. schichtlicher Einflüsse gesehen.
In retrospektiven Studien fielen vermehrte Krank-
Die Psychotherapie lässt sich auch nach dem Setting heitserfahrungen bei Familienangehörigen auf. Lern-
klassifizieren. So kann sie einzeln oder in Gruppe, als theoretisch wird daher Modelllernen als möglicher
Paartherapie oder als Familientherapie durchgeführt Faktor angenommen, der durch operante Bedingungen
werden. Auch die Zeitdauer, sowohl die Dauer einer (Entlastung von aversiv erlebten Pflichten oder Aufga-
Sitzung wie auch die Zahl der Sitzungen über die Zeit, ben, Schonungsverhalten) unterstützt wird.
kann variieren. Eine als Kurzzeit- (bis 25 h) oder Lang-
zeittherapie (50 h) konzipierte Behandlung ist gegen- Bei der hypochondrischen Störung sind die Wahrneh-
wärtig in der niedergelassenen Praxis der Regelfall. mung und die Bewertung der Wahrnehmung verzerrt.
Kennzeichnend für psychosomatisches Arbeiten ist Sekundär sind meist auch zwischenmenschliche Be-
der hohe Stellenwert, den die Supervision für die Be- ziehungen betroffen. Operante Mechanismen (ver-
handlung besitzt. mehrte Aufmerksamkeit durch Angehörige oder medi-
zinische Institutionen) können erklären, warum die
! Cave Störung einer Behandlung lange widersteht. Hypo-
Auch über die Aus- oder Weiterbildungszeit hinaus ist chondrisches Verhalten wird auch als dysfunktionaler
eine Zweitsicht durch einen erfahrenen Therapeuten Lösungsversuch bei primär gestörtem Bindungsverhal-
für eine zielführende Behandlung dringend geboten. ten gesehen.
3.2 · Somatoforme Störungen
169 3
> Meist ist eine somatoforme Störung vergesellschaftet Alle geäußerten Beschwerden müssen ernst genommen
mit einer weiteren psychischen Störung. werden.
In Kürze
Somatoforme Störungen
Somatoforme 4 Symptomatik: Patienten meist auf organische Ursache fixiert, Symptomatik kann
Störung variieren
(allgemein) 4 Ätiologie: Unbewusster Lösungsversuch eines früheren Konfliktes? Modelllernen?
4 Diagnostik: detaillierte Anamnese, Funktionalität der Beschwerden, sekundärer
Krankheitsgewinn
4 Therapie: ausreichende Motivation, plausibles individuelles Krankheitsmodell, dann
Behandlung mit gutem Erfolg möglich
. Abb. 3.2. Zusammenfassendes Störungsmodell für Anorexia nervosa und Bulimie. (Aus Margraf 2003)
172 Kapitel 3 · Psychosomatik
4 Übergeneralisierung (»Fleisch macht fett, deshalb Es liegt in der Regel eine Unterernährung unter-
esse ich jetzt kein Fleisch mehr.«). schiedlichen Schweregrades vor, die sekundär zu endo-
4 Übertreibung (»Wenn ich jetzt nur noch etwas zu- krinen und metabolischen Veränderungen und zu kör-
nehme, sehe ich aus wie eine Wurst in der Pelle und perlichen Funktionsstörungen führt:
kann mich nirgends mehr sehen lassen.«) 4 Amenorrhö bei postmenarchalen Frauen (Ausset-
4 Dichotomes Denken (»Ich muss jetzt die Kontrolle zen von mindestens 3 aufeinander folgenden Men-
3 über das Essen behalten, oder ich verliere sie für immer struationszyklen).
und werde fett.«) 4 Finger- und Zehenspitzen sind oft schlecht durch-
4 Personalisierung (»Ich merke doch, wie die Leute sich blutet und kühl (Akrozyanose).
lustig machen, weil ich fett aussehe.«), 4 Blutdruck und Körpertemperatur sind typischer-
4 Magisches Denken (»Jedes Stück Schokolade, das ich weise erniedrigt. Letzteres kann zum Wiederauftre-
esse, verwandelt sich sofort in Fettpolster.«). ten der Lanugobehaarung führen.
4 Schlafprobleme und depressive Störungen treten
In Kombination mit schwierigen Bedingungen in der Fa- häufig im Gefolge der Fehlernährung auf.
milie und den oben beschriebenen kognitiven Defiziten
können seelischen Belastungen, Traumatisierungen Die Sorge um die vermeintliche Körperfülle wird
oder Überforderungen (Verlusterlebnisse, sexuelle Über- mit schwindendem Körpergewicht nicht etwa ge-
griffe) zur Überforderung der individuellen Bewältigungs- ringer; eher nimmt die Befürchtung, dick zu wer-
möglichkeiten führen. Ereignisse, die für andere Personen den, paradoxerweise zu. Das mit dem Untergewicht
verarbeitbar sind (wie körperliche Veränderungen durch verbundene körperliche Risiko wird in der Regel ge-
die Pubertät), reichen dann zur Auslösung der Störung, die leugnet.
durch sekundären Krankheitsgewinn oder entsprechende Unterschieden werden 2 Typen der Anorexia ner-
Lernerfahrung (Nahrungsverweigerung als Druckmittel) vosa:
stabilisiert wird. 4 Restriktiver Typus: Alleinige Reduktion der Nah-
rungsaufnahme.
Gezielte und spezifische Präventionsmaßnahmen sind 4 Binge-Eating-Typus/Purging-Typus: Ausgeprägte
nicht bekannt. Essanfälle, Purging-Verhalten oder beides. (Pur-
ging bezeichnet alle Maßnahmen, die darauf zie-
Epidemiologie. Am weitaus häufigsten ist die Störung len, die Nahrung schnellstmöglich wieder aus dem
bei heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen; Körper zu entfernen). Bei dieser zweiten Gruppe
jedoch können heranwachsende Jungen und junge kann sich die Störung aus einer Bulimie heraus
Männer, Kinder vor der Pubertät und Frauen bis zur entwickeln, sie weist meist zu Beginn der Erkran-
Menopause ebenfalls betroffen sein. kung ein höheres Körpergewicht auf und ist durch
eine höhere Komorbidität (affektive Störungen,
> Ca. 1% der jungen Frauen zwischen 14 und 21 Jah- Zwangssymptome, Substanzabusus, Persönlich-
ren sind von der Magersucht (Anorexia nervosa) be- keitsstörungen) belastet. Im Vordergrund steht das
troffen. Bedürfnis nach einem extrem niedrigen Körperge-
wicht.
Inzwischen ist bekannt, dass auch ca. 1% der Män-
ner zwischen 14 und 25 Jahren an einer Essstörung Diagnostik. Das Körpergewicht liegt 15% unter dem
leiden. Normalgewicht. Das entspricht etwa einem Body-
Mass-Index (BMI) von 17,5 oder weniger.
Symptomatik. Charakteristisch ist die Befürchtung Der wesentlichste Bestandteil der Diagnostik ist
oder Vorstellung, übermäßig dick zu sein und einen eine detaillierte Exploration, in der Hintergrund und
schlaff wirkenden Körper zu haben. Daraus resultiert Ausprägung des Essverhaltens erhoben werden. Er-
ein ständiges Bemühen, das Gewicht durch einge- kennbar muss sein, dass die Gewichtsverminde-
schränkte Nahrungsauswahl zu reduzieren, sich in er- rung selbst induziert wurde und die Selbstwahrneh-
heblichem Maß körperlich zu betätigen und andere mung im Hinblick auf den eigenen Körper in der
Maßnahmen zur Verringerung des Körpergewichts zu oben beschriebenen Weise verzerrt ist. Typisch ist
ergreifen (selbstinduziertes Erbrechen 7 Kap. 3.3.1, Ein- weiterhin eine ausgeprägte Störung des Hormonhaus-
nahme von Abführmitteln, Appetitzüglern und Diu- halts (Hypothalamus-Hypophyse-Gonaden-Achse)
retika). Diese Maßnahmen beherrschen Gedanken, mit Amenorrhö bei Frauen und Potenzverlust bei
Gefühle und Verhalten der Betroffenen. Männern.
3.3 · Störungen des Essenverhaltens
173 3
> Anorektische Frauen können unter hormoneller Anti- Medikamentöse Behandlungsversuche sind bislang
konzeption oft sehr viel länger vaginale Blutungen ohne überzeugende Erfolge verlaufen.
aufweisen.
Prognose. In einem Viertel der Fälle besteht die Ano-
Gleichzeitig besteht bei stark anorektischen Patien- rexia nervosa auch nach Therapie weiter fort.
tinnen eine Überfunktion der Hypothalamus-Hypo-
physen-Nebennierenrinden-Achse mit Abschwächung ! Cave
der zirkadianen Rhythmik des Kortisolspiegels. In 10% der Fälle endet die Erkrankung tödlich.
Differenzialdiagnose. Organische Störungen, die mit In einem Viertel der Fälle chronifiziert die Erkrankung.
einer Gewichtsverminderung einhergehen. Bulimia 2/3 der Patienten können von der Behandlung profitie-
nervosa: Anorektische Frauen haben im Allgemeinen ren und zeigen eine Besserung bis hin zu völliger Hei-
keine Fressattacken, keine Gier nach Essen oder den lung der Störung.
Zwang, große Mengen zu verschlingen. Allerdings gibt
es Übergänge zwischen verschiedenen Formen von
Essstörungen. 3.3.2 Bulimia nervosa
Eine stationäre Therapie spielt in der Behandlung der Lerntheoretisch werden die Abhängigkeit des Selbst-
Anorexia nervosa eine größere Rolle als bei anderen wertes von Gewicht und Figur sowie die Wichtigkeit
Essstörungen, wobei strukturierte Therapieprogramme der Kontrolle über die Nahrungsaufnahme als zen-
angewandt werden sollten, die eine Normalisierung des trale dysfunktionale Überzeugung angesehen. Bei vie-
Essverhaltens mit Gewichtszunahme und eine Ände- len Patientinnen wird die negative Selbstbewertung
rung der Einstellung zu Gewicht und Figur zum Ziel als Teil der eigenen Identität erlebt. Eine solche Selbst-
haben. Es wird eine durchschnittliche wöchentliche wahrnehmung behindert Veränderung in einem wei-
Gewichtszunahme von 500–1000 g empfohlen. ten Lebensbereich. Strikte Diätregeln, die nahezu un-
Vermieden werden sollten sehr rigide, unflexible möglich eingehalten werden können, prägen das Ver-
und strafende Programme. Viel Wert ist auf die Kon- halten. Durch den ständigen Hungerzustand und
trolle körperlicher Komplikationen und Risiken zu le- durch den ständigen Wunsch nach kontrollierter
gen. Einrichtungen mit ausgewiesener Erfahrung bei Nahrungsaufnahme werden Essanfälle begünstigt.
der stationären Therapie der Anorexia nervosa sollten Diese ziehen dann wieder kompensatorisches Ver-
bevorzugt werden. Es ist auch in der stationären Be- halten wie Erbrechen oder Laxanzieneinnahme nach
handlung sinnvoll, Angehörige in die Therapie einzu- sich und führen zu erneutem Streben nach strikter
beziehen, um den oft schwierigen Übergang zur ambu- Diät. Die Patienten sind oft von pathologischem Per-
lanten Therapie zu erleichtern. Eine unfreiwillige Un- fektionismus gekennzeichnet, der mit einer Über-
terbringung sollte möglichst vermieden werden. Im bewertung des Erreichens hoher persönlicher Stan-
Anschluss an die stationäre Phase wird eine zumindest dards und Ziele einhergeht. Gleichzeitig bewirkt eine
12-monatige ambulante Nachbehandlung empfohlen. übersteigerte selbstkritische Haltung ständige Unzu-
Zur Stabilisierung von Behandlungseffekten kann die friedenheit mit eigenen Leistungen. Kennzeichnend
Teilnahme in einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein. sind weiterhin ähnliche dysfunktionale Kognitionen
174 Kapitel 3 · Psychosomatik
wie sie auch bei der Anorexia nervosa (7 Kap. 3.3.1) gesunden Vergleichspersonen. Wiederholtes selbstin-
anzutreffen sind. duziertes Erbrechen kann zu Komplikationen (Elektro-
Unter tiefenpsychologischem Aspekt liegt häufig lytstörungen, Karies) führen. Auch Fasten, Sport oder
ein narzisstisch-depressiver Kernkonflikt vor. Die dazu Abführmittel werden von den Patienten eingesetzt, um
gehörenden Persönlichkeitsstrukturen liegen allerdings das Körpergewicht zu kontrollieren. Die übertriebene
nicht bei allen Bulimikerinnen vor. Mangelndes Selbst- Sorge um Körperform und Gewicht ähnelt der Anore-
3 wertgefühl ist fassadenhaft überdeckt von äußerer Stär- xia nervosa.
ke und Pseudoautonomie.
Viele Patientinnen haben große Schwierigkeiten, > Eine Bulimia nervosa kann im Verlauf einer Anorexia
angemessen mit Emotionen umzugehen. Eine Vermin- nervosa, bei Normalgewicht oder Übergewicht auf-
derung der rigiden Diätregeln wird bei diesen Patien- treten.
tinnen allein nicht ausreichen, um Essanfälle zu regu-
lieren. Die vorhandenen Störungen werden von den Betrof-
fenen oft geleugnet. Die Patientinnen unternehmen
> Neben Essanfällen zeigen diese Patientinnen häufig dann große Anstrengungen vor ihrer Umgebung, ein-
selbstverletzendes Verhalten oder Substanzmiss- schließlich nahen Angehörigen, die Krankheit zu ver-
brauch. bergen, was oft über erstaunlich lange Zeiträume ge-
lingt.
Als Risikofaktoren sind ebenso wie bei der Anorexia Unterschieden werden 2 Typen der Bulimia ner-
nervosa ein soziokulturell vorgegebenes Schlankheits- vosa:
modell und problematische Bedingungen in der Fa- 4 Purging-Typus (Erbrechen oder Missbrauch von
milie (Verstrickung, rigides Erziehungsverhalten, Miss- Laxanzien, Diuretika, Klistiere)
brauchserfahrungen, Traumatisierungen, aber auch 4 Nicht-Purging-Typus (andere gegensteuernde
Überbehütung, Konfliktvermeidung, wechselnde Koa- Maßnahmen wie Fasten, übermäßige körperliche
litionsbildung) anzusehen. Betätigung)
Zu den biologischen Faktoren, die zur Entstehung
beitragen können, wird ein veränderter Set point ge- Diagnostik. Die Diagnose ist nur durch eine detaillierte
rechnet, eine Art Sollwertverstellung des Normalge- Exploration zu stellen. Das Körpergewicht kann nor-
wichts, die mit Zeichen von Mangelernährung bei sta- mal, erhöht oder erniedrigt sein. Die Essattacken müs-
tistischem Normalgewicht einhergeht. Es werden auch sen über mindestens 3 Monate durchschnittlich 2-mal/
Störungen der Regulation von Hunger und Sättigung Woche nachweisbar sein.
und neurodendokrine Veränderungen vor allem im Die Fressanfälle sind charakterisiert durch:
serotonergen System diskutiert. 4 Essen einer Nahrungsmenge, die eindeutig größer
Als Auslöser können Spannungen in der Familie ist, als die, die die meisten Menschen in einem ähn-
oder veränderte Rollenerwartungen in der späten Ado- lichen Zeitraum essen würden
leszenz und im frühen Erwachsenenalter wirken bzw. 4 Gefühl des Kontrollverlustes über das Essen wäh-
die Erkrankung aufrechterhalten. rend des Fressanfalls
Im Bereich psychosozialer auslösender Faktoren fal-
len kritische Lebenssituationen wie Trennung, Verlust, Die Fressanfälle treten gemeinsam mit mindestens 3
neue Leistungsanforderungen auf. Die kognitive Beein- der folgenden Symptome auf:
trächtigung durch die ständige gedankliche Beschäfti- 4 Wesentlich schneller essen als normal
gung mit Nahrung könnte eine Art dysfunktionalen 4 Essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl
Bewältigungsversuch für das Lebensereignis darstellen, 4 Essen großer Nahrungsmengen, wenn man sich
der allerdings mit erheblichen Nachteilen erkauft wird. körperlich nicht hungrig fühlt
Klare und gesicherte Vorstellungen für eine gezielte 4 Alleine essen aus Verlegenheit über die Menge, die
Prävention der Bulimie existieren nicht. man isst
4 Ekelgefühle gegenüber sich selbst, Deprimiertheit
Epidemiologie. Insbesondere junge Frauen der Alters- oder große Schuldgefühle nach dem übermäßigen
gruppe von 15–30 Jahren sind betroffen, ca. 2‒3% der Essen.
Frauen dieser Altersgruppe sind erkrankt.
> Die Patientinnen leiden deutlich unter ihrer Erkran-
Symptomatik. Typisch ist ein Kontrollverlust während kung.
der Essattacke, es wird deutlich mehr gegessen als von
3.3 · Störungen des Essenverhaltens
175 3
In Kürze
Essstörungen
Anorexia nervosa 4 Symptomatik: willentliche Reduktion des Körpergewichtes durch Regulation des
Essverhaltens unterhalb minimal-normaler Werte, tödlicher Ausgang möglich
4 Ätiologie: Zusammenwirkung von genetischen, gesellschaftlichen, biographischen
Ursachen
4 Diagnostik: eigener Körper wird als zu dick erlebt (auch bei groteskem Untergewicht),
selbstinduzierte Gewichtsreduktion, gestörter Hormonhaushalt
4 Therapie: Motivation, Kombination einsichts- und handlungsorientierter Ansätze mit
körperpsychotherapeutischem Vorgehen
Bulimia nervosa 4 Symptomatik: meist Heißhungerattacken mit Kontrollverlust während des Essens
(ungewöhnliche Mengen), anschließende Maßnahmen, die Nahrungszufuhr rück-
gängig zu machen (z. B. Erbrechen)
4 Ätiologie: Selbstabwertung (oft biographisch bedingt bei invalidierenden Erfahrun-
gen), narzisstisch-depressiver Kernkonflikt.
4 Diagnostik: Essattacken ca. 2-mal/Woche über mindestens 3 Monate, Verheimlichung-
stendenz, Ekelgefühl vor sich selbst
4 Therapie: kognitive Verhaltenstherapie (KVT), initial auch SSRI, in schweren Fällen
stationäre Therapie mit anschließender ambulanter Weiterbehandlung, Stabilisierung
ggf. in Selbsthilfegruppe und weitere Maßnahmen. Erfolg erst nach Monaten bei
ca. nur 50%
176 Kapitel 3 · Psychosomatik
In Kürze
Nichtorganische Schlafstörungen
3.5 Nichtorganische sexuelle senden Triebimpulsen und deren Abwehr und der da-
Funktionsstörungen raus resultierenden Stabilisierung des psychischen
Gleichgewichts darstellt.
Definition. Störungen des sexuellen Erlebens und Ver- Unabhängig von diesen Modellbildungen wird
haltens durch Beeinträchtigung von Appetenz, sexuel- angenommen, dass auf unterschiedlichen Ebenen
ler Erregung oder Orgasmusfähigkeit. Auch Schmerzen wirksame Faktoren interagieren müssen, um eine
im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr, die Funktionsstörung zu bewirken. Danach wirken sich
nicht auf organische Bedingungen zurückführbar sind, auf dem Boden einer entsprechenden Disposition
gehören zu den sexuellen Funktionsstörungen. tiefer liegende, ätiologisch wirksame Faktoren (intra-
psychische Konflikte, partnerschaftliche Probleme,
Ätiopathogenese. Sowohl lerntheoretisch als auch psy- »life events«) dann aus, wenn unmittelbare Ursachen
chodynamisch wird Angst eine hohe Bedeutung zuge- (Fehlerwartungen, übermäßige Kontrollbedürfnisse,
sprochen. Von verhaltenstherapeutischer Seite wird Versagensangst) situativ mit ihnen zusammenwir-
die sich durch den sog. Selbstverstärkungsmechanis- ken und unerwünschte psychophysiologische Effekte
mus aufbauende Versagensangst betont (durch mehre- zeigen.
re vergebliche und enttäuschende Erfahrungen gelernte Angst beeinträchtigt durch starke Hemmung des
negative Reaktion mit anschließendem Vermeidungs- autonomen Nervensystems die adäquate sexuelle und
verhalten), während sie sich aus tiefenpsychologischer somit auch die entsprechende physiologische Erregung.
Sicht als das Ergebnis eines Konflikts von angstauslö- Außerdem stört Angst die kognitiven und emotionalen
178 Kapitel 3 · Psychosomatik
Empfindungen, die zur Entstehung sexueller Erregung 4 Aufrechterhaltende Bedingungen, wie die Angst,
nötig sind. sexuell zu versagen, sind meist notwendig, um eine
länger andauernde funktionelle Störung auszu-
> Ein entspanntes Einlassen auf sexuelle Aktivität ist prägen.
unter ängstlicher Anspannung kaum möglich.
Möglichkeiten zur Prävention liegen im Bereich der
3 Ähnliche Einflüsse scheinen Ärger, Feindseligkeit und Psychoedukation und Wissensvermittlung.
Unterlegenheitsgefühle gegenüber Partner oder Part-
nerin zu spielen. Wissensvermittlung über Sexualverhalten
Im Folgenden wird die erektile Dysfunktion exem- Trotz breiter Diskussion über Sexualität in der Öffentlichkeit
plarisch näher beschrieben. ist diese meist nicht aufklärend, sondern sensationslüstern
und auf Deviationen abzielend, insbesondere in den Me-
dien. Die Durchschnittsbevölkerung ist eher »pseudo-auf-
3.5.1 Erektile Dysfunktion nicht durch geklärt«, ihre Sexualbildung ist angefüllt mit Idealvorstel-
organische Störungen/Krankheit lungen und Mythen. Verzerrte Vorstellungen oder mangeln-
bedingt des Wissen über die »nötige« Penisgröße, die Wichtigkeit
der Gleichzeitigkeit der Orgasmen, irrige Vorstellungen
Selbstverstärkendes Geschehen über die Erregungskurve der Frau, die Koitushäufigkeit,
Bei einem Patienten mit vorliegendem Alkoholabusus mangelnde Zärtlichkeit durch Penisfixierung beim Mann
kommt es aufgrund der Intoxikation zu einer unvollstän- etc. können Versagensängste stabilisieren. Wichtig ist ne-
digen Erektion. Obwohl dies primär Effekt des Alkohols ben umfassender, objektiver Aufklärung, die Förderung der
ist, kann das Gefühl entstehen, durch sexuelle Unzuläng- Kommunikation zwischen den Sexualpartnern bezüglich
lichkeit versagt zu haben. Unsicherheit bezüglich der eige- etwa des sexuellen Erlebens, des vom anderen erwünschten
nen sexuellen Potenz ist die Folge: »Wird es das nächste Sexualverhaltens, Abneigungen und Präferenzen bezüglich
Mal gehen? Versage ich wieder?« Es entsteht eine Fokus- bestimmter Praktiken usw. Eine differenzierte Betrachtung
sierung auf den nächsten Koitus mit Gedanken wie: »Ist und Diskussion über vermeintliche Normen und die Infor-
meine Erektion stark genug? Wird sie lange genug an- mationen über das tatsächlich durchschnittliche Sexual-
dauern?« Womöglich trinkt sich der Mann vorher mittels verhalten können wesentlich zur Entmythologisierung und
Alkohol Mut an, oder versucht, durch Alkohol entspannter somit zur Entlastung und Angstreduktion beitragen.
zu werden, was neben der verstärkten Selbstbeobachtung
und den beginnenden Zweifeln an der eigenen Potenz die Epidemiologie. Prinzipiell ist bei Untersuchungen zur
physiologische Reaktion weiter erschwert. Nach einigen Häufigkeit funktioneller Sexualstörungen von einer ho-
Misserfolgen und eventuell negativen Reaktionen seitens hen Dunkelziffer auszugehen, da der Problembereich
der Partnerin können sich so schnell ein stabiles Vermei- bei vielen Männern stark schambesetzt ist. Zusammen-
dungsverhalten und ausgeprägte Versagensängste ein- fassend zeigen Untersuchungen:
stellen. 4 Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern sind ein
häufiges Problem und bedürfen bei jeder Anam-
Definition. Funktionelle, d. h. primär psychisch be- nese der Erhebung.
dingte Erektionsstörung. 4 Erektionsstörungen nehmen mit dem Alter deut-
lich zu. Das Thema Sexualität sollte bei älteren Pa-
Ätiopathogenese. Unterschieden wird zwischen prä- tienten angesprochen werden, um entlastend und
disponierenden oder auslösenden Bedingungen sowie präventiv zu wirken.
aufrechterhaltenden Faktoren: 4 Sexualtherapeuten werden primär wegen Erek-
4 Prädisponierend können sein allgemeine Ge- tionsproblemen und Ejaculatio praecox aufgesucht.
hemmtheit, Partnerschaftskonflikte, dysthyme In den letzten Jahren nehmen Appetenzstörungen
Stimmungslagen, Probleme der Geschlechtsiden- bei Männern zu, was eventuell mit dem veränderten
tität, Stress, psychosexuelle Traumata, falsche Vor- sexuellen Selbstverständnis und dem resultieren-
stellungen oder Unwissenheit über Sexualität. den veränderten Verhalten der Partnerinnen zu
Hingegen erlegen viele Menschen entsprechende erklären wäre.
Probleme, ohne eine Sexualstörung zu entwickeln.
Häufig ist erst das gemeinsame Auftreten mehre- Symptomatik. Unterschieden wird zwischen
rer dieser Faktoren entscheidend für die Patho- 4 Störungen der sexuellen Appetenz (deutliche und
genese. anhaltende Minderung des sexuellen Verlangens)
3.5 · Nichtorganische sexuelle Funktionsstörungen
179 3
4 Störungen der Erregung (Störungen in Bezug auf schen Mechanismen der Versagensangst eingestellt,
zum Geschlechtsverkehr nötige Dauer und Stärke sodass die Störung persistiert, obwohl der Auslösefak-
der Erektion, Schmerzen bei dessen Ausführung, tor (die Medikation) bereits entzogen wurde.
Dyspareunie)
4 Orgasmusstörungen (Ejaculatio praecox, Anor- Therapie. Entsprechend der multifaktoriellen Genese
gasmie, Ejaculatio ohne Orgasmusgefühl) der erektilen Dysfunktion kommt ein breites Spektrum
4 Störungen der postkoitalen Entspannung (Miss- an Behandlungsmöglichkeiten in Frage. Der Patient
empfindungen im Genitalbereich, postkoitale De- oder besser das Paar sollten in der Wahl der therapeu-
pression, Gereiztheit, Weinkrämpfe, Schlafstörun- tischen Maßnahmen einbezogen werden.
gen Von somatischer Seite bietet sich die Anwendung
oral applizierbarer Medikamente mit zentraler (z. B.
Diagnostik. Formale Beschreibungskriterien sind zur Yohimbin) oder peripherer (PDE-5-Hemmer wie Sil-
Diagnose ebenso wichtig wie inhaltliche Elemente: denafil [Viagra], Tadalafil [Cialis] Wirkung an. Auch
4 Frequenz der Störung (immer oder gelegentlich) die lokale Gabe von Medikamenten (intrakavernöse
4 Situativen Faktoren (wo, wie, mit wem, welche Le- Autoinjektion von Prostaglandin E1 oder speziellen
bensbelastungen, Stressoren etc.) Kombinationspräparaten; intraurethrales Prostaglan-
4 Chronologischer Verlauf (seit wann, Schwan- din E1) kann in Frage kommen. Auch Vakuum-Erek-
kungen) tionshilfen oder Penisprothesen stehen als Behand-
4 Schweregrad (keinerlei/geringe/gerade noch aus- lungsoption zur Verfügung.
reichende Erektion, lange Erregungs- oder Refrak- Psychosoziale Interventionen reichen von ein-
tärzeit, subjektiver Leidensdruck) fachen Beratungen über Paar-Sexualtherapie bis hin
zur umfassenden speziellen psychotherapeutischen Be-
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen primärer (seit handlung zugrunde liegender Problembereiche.
Anbeginn der sexuellen Aktivität bestehender) und se- Hat eine Sexualberatung (primär Psychoeduka-
kundärer Störung (erworbene Störung). Letztere sind tion, Paarberatung, Kommunikationsförderung) nach
meist hinsichtlich auslösender und aufrechterhaltender einigen Sitzungen keine Besserung initiiert, sollte der
Bedingungen besser analysierbar und in der Therapie Patient einer qualifizierten Psychotherapie zugeführt
leichter zugänglich. werden.
Weiter ist die Situationsabhängigkeit ein wichtiges
Kriterium, um entscheiden zu können, ob es sich um > Die sehr häufig zu beobachtende Interdependenz
eine vorwiegend psychogenetische oder eher körper- sexueller und partnerschaftlicher Probleme hat dazu
liche (oder bereits stark chronifizierte und generali- geführt, dass gegenwärtig sexualtherapeutische Inter-
sierte) Problematik handelt. vention und Therapie meist eng mit paartherapeuti-
Die Partnerabhängigkeit ist ein weiterer Hinweis schen Elementen verbunden ist.
darauf, ob es sich um ein partnerschaftsspezifisches
und somit beziehungsrelevantes Geschehen handelt, Die sexualtherapeutische Therapie besteht aus einer
für dessen Therapie der Partner unverzichtbar wäre. Sequenz aufeinander aufbauender Verhaltensübungen.
Sie werden vor- und nachbesprochen und im häus-
Differenzialdiagnose. Auszuschließen sind lichen Bereich durchgeführt.
4 Körperliche Erkrankungen: Diabetes mellitus, Es wird mit dem sog. Sensualitätstraining (»sensate
Herz-Kreislauf-Störungen (insbesondere Hyperto- focus«) begonnen, es folgen Petting-Übungen ohne/mit
nie), neurologische Erkrankungen (Multiple Skle- Orgasmus, Einführung des Penis ohne/mit Bewegung
rose, Polyneuropathien, Temporallappenschädi- usw. bis hin zum nicht mehr durch Anweisungen be-
gungen), urologische Erkrankungen (vor allem der schränkten Koitus. Über graduierte Stufen wird das
Prostata) sexuelle Verhalten wieder aufgebaut und eingeübt.
4 Pharmakanebenwirkungen Begleitend werden die einzel- und paartherapeu-
4 Komorbide psychische Störungen (Depressionen, tischen Elemente der Therapie durchgeführt: Kommu-
Alkoholabhängigkeit) nikationstraining, Probleme der körperbezogenen Ak-
zeptanz und des Selbstwertgefühls, Stressmanagement,
Bei Nebenwirkungen von Pharmaka hilft oft schon eine Konflikte in der Partnerschaft, Fragen der gemein-
Veränderung der Medikation oder eine Neueinstellung, samen Lebensplanung etc.
um die sexuelle Dysfunktion zu beheben. Häufig haben Aufgrund der Interdependenz von sexuellen und
sich aber schon nach kurzer Dysfunktion die psychi- partnerschaftlichen Störungen kann es sein, dass das
180 Kapitel 3 · Psychosomatik
sexualtherapeutische Vorgehen nicht durchgeführt auftretenden Störungen), ein hohes Maß von Aufmerk-
werden kann, bevor grundlegende partnerschaftliche samkeit bezüglich begleitender oder konfundierender
Themen bearbeitet wurden. Faktoren (situative Bedingungen, Partnerschaftskon-
flikte, Stressoren etc.) zu installieren, damit zügig auf
Behandlungsziele solche Faktoren reagiert wird und bei defizitärer Selbst-
Die positive Modifikation dysfunktionaler Selbstverstär- bewältigung frühzeitig wieder externe Hilfe in An-
3 kungsmechanismen der Versagensangst ist (zumindest spruch genommen wird, bevor es zu einer erneuten,
beim lerntheoretisch begründeten therapeutischen Vorge- sich selbst verstärkenden Lernerfahrung mit eventu-
hen) von entscheidender Bedeutung; alle begleitenden eller Resignation kommt.
Faktoren, die hier hinderlich sind (Vermeidungsverhalten,
situativ hinderliche Bedingungen, Konflikte in der Partner- Prognose. Insgesamt sind die Erfolgsquoten von 50‒
schaft etc.) müssen selbstverständlich vorher oder beglei- 80% im Vergleich mit der Behandlung anderer psy-
tend ebenfalls therapeutisch behandelt werden. Bei Män- chischer Störungen erfreulich, wobei die einzelnen
nern ohne Partnerin sind andere Faktoren wesentlich: hier Störungsbilder unterschiedliche Prognosen aufweisen.
stehen Informationsvermittlung und kognitive Umstruktu-
rierungen bezüglich Partnerschaft und Sexualität, Abbau Prognose verschiedener Sexualstörungen
von Beziehungsängsten, Bearbeitung eines negativen Bei der Ejaculatio praecox sind die Behandlungserfolge be-
Selbstwertgefühls und Reduktion von Selbstunsicherheit sonders gut, die Resultate bei primären Erektionsstörun-
sowie der Erwerb sozialer Kompetenzen in Hinsicht auf die gen und gestörter Appetenz liegen darunter. Ungünstig
Partnersuche im Vordergrund. sind konfundierte und/oder co-morbide Störungen (gene-
relle Ängstlichkeit, Chronifizierung der Störung, mangeln-
Bei der Rezidivprophylaxe ist ein effektives Selbst- de Autonomie des Mannes vom Elternhaus, psychiatrische
management mit graduierten posttherapeutischen In- Störungen).
terventionen zu vermitteln.
Als prognostisch valide Indikatoren erweisen sich:
> Insbesondere der schnell einsetzende Selbstverstär- 4 Güte der Partnerschaft, also die Dimension der lie-
kungsmechanismus der Versagensangst sollte in aller bevollen, akzeptierenden und co-operativen Bin-
Transparenz dem Patienten (und seiner Partnerin) dung bis hin zu deren Gegenteil
bewusst sein. 4 Art der Störung
4 Grad der Therapiemotivation und der Com-
Die Notwendigkeit der offenen Kommunikation über pliance
das Wiederauftreten von Störungen und der Rückgriff 4 Vorhandensein weiterer psychischer Störungen
auf erlernte Modifikatoren sollten klar besprochen wor- 4 Erfolg, der bis zur dritten (!) Therapiesitzung zu
den sein. Ebenfalls wichtig ist es (bei in Partnerschaften erzielen ist
In Kürze
Nichtorganische sexuelle Funktionsstörungen
Die Bewertung des Schweregrades der Depression an- falls wirksam, jedoch von einer höheren Rückfallrate
hand der Anzahl und Art der Symptome korreliert kei- nach Beendigung der Medikamenteneinnahme ge-
neswegs immer mit dem subjektiven Leiden des Betrof- kennzeichnet. Eine Kombination von Psychotherapie
fenen. und Medikation ist bei schwereren Erscheinungs-
formen sinnvoll. In besonderen Situationen können
> Affektive Störungen begegnen dem Arzt in allen auch weitere Maßnahmen (Schlafentzug, Lichtthera-
3 Bereichen der Medizin, sind oft schwerwiegende pie) zur Anwendung kommen.
Beeinträchtigungen und beeinflussen die therapeu-
tische Beziehung – besonders, wenn sie unerkannt > Den meisten Menschen mit depressiver Erkrankung
bleiben. kann geholfen werden: Die Depression ist eine be-
handelbare Krankheit.
Diagnostik. Entscheidend ist die oben beschriebene
Symptomatik auf psychischer und psychomotorischer Prognose. Der Verlauf ist abhängig von der Form der
Ebene. Körpermissempfindungen und Vitalfunktionen Depression und vielen weiteren Faktoren. Vollständige
sind anamnestisch zu erheben. Testpsychologische Be- Remissionen, Rezidive und chronifizierter Verlauf (10‒
funde können die Diagnose erhärten und, insbesonde- 15%) sind möglich. Die Häufigkeit von Suiziden wird
re für eine Verlaufsdiagnostik wichtig, quantifizieren. unter depressiven Patienten auf 15% geschätzt. Es ist
daher eine wichtige Aufgabe des Arztes, diese Gefahr
Differenzialdiagnose. Pharmakogene oder organisch im Blick zu behalten und gegebenenfalls präventiv zu
begründete depressive Erscheinungsbilder, depressive handeln.
Symptomatik bei Schizophrenie, Persönlichkeitsstö-
rung. ! Cave
Suizidales Verhalten ist ein Notsignal, das in jedem
Therapie. Psychotherapie hat eine nachgewiesene Wir- Fall ernst genommen werden muss.
kung in der Behandlung der Depression. Besonders gut
untersucht sind kognitive Verhaltenstherapie und in- Depressive Störungen erhöhen das Risiko für koronare
terpersonelle Psychotherapie. Eine medikamentöse Herzkrankheit, Infektionen, allergische und andere Er-
Therapie (trizyklische Antidepressiva, selektive Sero- krankungen. Der Mechanismus für diesen Zusammen-
tonin-Wiederaufnahme-Hemmer [SSRI] u. a.) ist eben- hang ist ungeklärt.
In Kürze
Affektive Störungen
die das psychische System in seinem Konflikt zwischen ten. Sekundäre Ängste beziehen sich häufig auf Kon-
Bedürfnis (Impuls) und Überich-Verbot entlastet. trollverlust, Verrücktwerden, Sterben.
Menschen mit phobischen Störungen haben oft auch Die angstauslösenden Situationen werden zuneh-
eine histrionische (u. a. gekennzeichnet durch sich in mend gemieden, wodurch die Angst reduziert wird.
den Mittelpunkt rückendes, theatralisches Verhalten) Nach tiefenpsychologischem Verständnis sind Ab-
oder zwanghafte Persönlichkeitsstruktur. Bei zwang- wehr und Ichstärke besser entwickelt als bei anderen
haften Charakteren handelt es sich häufig um aggres- Angstkrankheiten. Durch das Vermeidungsverhalten
sive Impulse, die abgewehrt werden, bei histrionischen wird die Symptomatik jedoch verstärkt und stabilisiert,
dagegen häufig um sexuelle Impulse. was ohne Behandlung zu einer schnellen und oft lang
In lerntheoretischer Sicht spielen negative Vorer- anhaltenden Chronifizierung führt.
fahrungen mit dem auslösenden Objekt eine Rolle
(Klassische Konditionierung). Im weiteren Verlauf, ins- > Der Leidensdruck hängt von der Vermeidbarkeit des
besondere bei Chronifizierung, spielen dysfunktionale Objektes und von den daraus resultierenden Ein-
und auch fehlende Lernprozesse eine zentrale Rolle. schränkungen des täglichen Lebens ab.
Insofern können Phobien als Weigerung aufgefasst
werden, neue und korrigierende Erfahrungen zu ma- Bei der Agoraphobie stehen Ängste vor offenen Plät-
chen. Bei der Aufrechterhaltung des Störungsbildes zen, Menschenmengen und alleinigem Fernreisen im
haben auch sekundäre negative Erwartungen und ein Vordergrund, in schweren Fällen auch davor, sich in der
dadurch erhöhtes Stressniveau einen starken Einfluss. Öffentlichkeit zu bewegen. Betroffene sind häufig über
Zur Prävention ist eine konsequente und angemes- Jahre ans Haus gebunden.
sene Konfrontation mit im phobischen Sinne ängsti- Die soziale Phobie bezieht sich auf die prüfende
genden Reizen und den dahinter liegenden Grund- Betrachtung durch andere Menschen im Einzelkontakt
ängsten unumgänglich, da das Vermeidungsverhalten oder in kleinen Gruppen. Sie ist entweder klar abge-
eine notwendige Bedingung zur Entstehung einer pho- grenzt auf Sprechen oder Essen in der Öffentlichkeit
bischen Störung darstellt. Mit gutem Erfolg kommen oder auf das Zusammentreffen mit dem anderen Ge-
Expositionstechniken aus dem verhaltenstherapeu- schlecht, oder sie ist unbestimmt in sozialen Situatio-
tischen Repertoire zur Anwendung. nen außerhalb der Familie. Befürchtet wird Aufmerk-
samkeit mit der Folge von Beschämung. Es werden
Epidemiologie. In der Gesamtbevölkerung treten Pho- häufig sekundäre Beschwerden wie Erröten oder Bla-
bien mit 5–10% auf, erreichen jedoch nur zu einem sendrang irrtümlich als Ursache angesehen.
kleinen Teil ein schweres klinisches Ausmaß. Frauen Isolierte Phobien sind Ängste vor spezifischen Si-
sind häufiger betroffen (Agoraphobie, Angst vor öffent- tuationen (Höhe, Dunkelheit), Gegenständen oder Tie-
lichen Plätzen: 80–90%). Bei den sozialen Phobien ist ren (Blut, Schlangen).
das Geschlechterverhältnis in etwa gleich.
Die Hälfte aller phobischen Erkrankungen sind Diagnostik. Da leichte Formen von Angststörungen
Agoraphobien, diese übertreffen die anderen pho- sehr häufig sind, werden nur Ängste von erheblicher
bischen Störungen auch meist an Schweregrad und Aus- Relevanz als Gesundheitsstörung diagnostiziert. Banale
maß. Sie entstehen zumeist im dritten Lebensjahrzehnt, und daher subklinische Alltagsphobien werden außer
wohingegen isolierte Phobien im Kindesalter entstehen Acht gelassen. Die Symptome müssen deutlich und an-
und dann zum Teil persistieren oder später wieder- haltend und dabei ichdyston sein. Es müssen psychische
auftauchen. Soziale Phobien entstehen überwiegend in und vegetative Symptome gegeben sein. Außerdem
der Adoleszenz. Es überwiegen insgesamt chronische muss eine deutliche psychische Belastung durch die
Verläufe, spontane Rückbildungen sind eher selten. Symptome und/oder das Vermeidungsverhalten gege-
ben sein.
Symptomatik. In der realen oder vorgestellten Kon-
frontation mit dem angstauslösenden Objekt entstehen Differenzialdiagnose. Angst bei organischen oder-
neben der eigentlichen Angst zahlreiche körperliche schizophrenen Erkrankungen, generalisierte Angst
angstäquivalente vegetative Erscheinungen wie Herz- (7 Kap. 3.7.2), Persönlichkeitsstörung: Durch Vermei-
klopfen, Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern, Enge dung wird keine Angstfreiheit erreicht. Hypochond-
in der Brust, Atembeschwerden, Schwindel, Schwäche, rische Erkrankungen: Ängste vor körperlicher Erkran-
Ohnmacht. Zusätzlich können dissoziative Symptome kung, die nicht auf bestimmte Erkrankungsvorstellun-
erscheinen (Derealisation, Depersonalisation). Es kön- gen begrenzt sind. Panikattacken (7 Kap. 3.7.3). Angst
nen in diesem Zusammenhang Panikattacken auftre- bei Zwangserkrankung.
184 Kapitel 3 · Psychosomatik
Therapie. Bei tiefenpsychologisch orientiertem Vorge- der neuen Verhaltensweisen und Denkmuster bei zusätz-
hen hat sich als hilfreich erwiesen, rigide Überich-In- licher Belastung durch evtl. pathogene häusliche Umfelder
halte als Ursache der vorherrschenden innerpsychi- und erhöhte familiäre und/oder berufliche Anforderungen
schen Konflikte aufzuspüren, bestehende Phantasien zu gewährleisten. Zu empfehlen sind darüber hinaus Ver-
über mögliche Bestrafungen oder negative Konse- netzung mit anderen Betroffenen zur Stärkung der Motiva-
quenzen des unerwünschten Verhaltens durchzuarbei- tion und des Durchhaltevermögens (Selbsthilfegruppe,
3 ten und – falls möglich – bei gruppentherapeutischem Internet) und weitere, eigenständige Psychoedukation
Setting eine Realitätsüberprüfung einzuleiten. Darauf- durch vertiefende Laienliteratur.
hin wären die Entstehungsbedingungen der häufig un-
bewussten Befürchtungen zu erforschen und explizit zu Prognose. Bei konsequenter und angemessener Kon-
würdigen, um sich erst dann den bislang abgewehrten frontation mit dem angstauslösenden Reiz, gleichzei-
Impulsen und Wünschen zuzuwenden, diesen Raum zu tiger Aufarbeitung der biografischen Hintergründe,
geben und sie gegebenenfalls trainierend einzuüben. insbesondere der unbewussten inneren Konflikte, und
Im weiteren Verlauf ist es notwendig, die Patienten Einübung gesünderer Verhaltensweisen ist von einem
bei der Übernahme von Verantwortung und Manage- guten Behandlungsergebnis mit guten Chancen für
ment sowohl der krankmachenden als auch der heil- langfristige Ausheilung auszugehen. Rückfälle sollten
samen Prozesse zu unterstützen und auch zu fordern. miteinberechnet und konsequent in die (Selbst-)Be-
Auch sollte neben der Aufarbeitung der zugrunde lie- handlung einbezogen werden. Bei Komorbidität ver-
genden psychodynamischen Konflikte unbedingt eine schlechtert sich die Prognose.
gründliche Aufklärung über Zusammenhänge zwi-
schen Symptomatik, Vermeidungsverhalten und beste- > Phobien sind häufig und quälend, aber gut behandel-
henden kognitiven Verzerrungen stattfinden. bar.
Dies ist auch beim verhaltenstherapeutischen
Vorgehen als Vorbereitung für eine Expositionsbe-
handlung zu empfehlen. Die vorherige Umwandlung 3.7.2 Generalisierte Angststörung
dysfunktionaler Kognitionen sollte eingeübt und voll-
zogen werden. Die Konfrontation mit dem auslösenden Definition. Bei der generalisierten Angststörung han-
Objekt sollte nach Möglichkeit während der Therapie delt es sich um eine in zahlreichen Situationen auftre-
möglichst häufig real oder mental stattfinden, in der tende Ängstlichkeit, die sich mitunter an Kleinigkeiten
Intensität und Rangfolge der Exposition entsprechend entzündet. Zusätzlich kann es zur übermäßigen und
angepasst (und ggf. in den psychodynamischen Prozess überdauernden Sorge um alle möglichen Lebensbe-
miteinbezogen) werden. Für eine erfolgreiche Exposi- reiche kommen, die von außen kaum nachvollziehbar
tion ist es bedeutsam, dass ein Abflauen der zunächst ist.
ansteigenden Angstintensität erlebbar wird. Da der da-
für erforderliche Zeitraum interindividuell unter- Ätiopathogenese. Menschen, die unter sozialem Druck
schiedlich ist, sollte die Behandlungsdauer der Exposi- stehen oder vermehrten realen Gefahren ausgesetzt
tionssitzungen daher entsprechend flexibel eingeplant sind, entwickeln häufiger eine generalisierte Angststö-
werden. rung als andere. Generalisierte Angststörungen kom-
men häufiger in städtischer als in ländlicher Umgebung
> Die Expositionsbehandlung hat sich in vielen Studien vor. Kriege, politische Unterdrückung, Modernisie-
als wirkungsvolle Therapietechnik erwiesen. rungsmaßnahmen und ähnliches können zu einem
erhöhten Auftreten beitragen. Ein niedriger sozioöko-
Häufig müssen Betroffene und Angehörige bezüglich nomischer Status ist ein zusätzlicher Risikofaktor.
eines angemessenen Helferverhaltens wie auch bezüg- Zusätzlich kommen individuelle Bedingungen zum
lich zu erwartender Rückfälle geschult oder zumindest Zuge, die je nach theoretischer Ausrichtung unter-
informiert werden. schiedlich konzipiert sind.
Aus tiefenpsychologischer Sicht werden Triebim-
Nachsorge pulse, die meist sexuelle oder aggressive Tendenz ha-
Vor allem bei stationärer Erstbehandlung, aber auch bei ben, durch die Ich-Funktion an ihrem Ausdruck gehin-
ambulanter Vorbehandlung, sollte dringend eine ambu- dert. Dies erfolgt jedoch unbewusst, so dass die Angst,
lante Nach- oder Weiterbehandlung angestrebt werden, die mit der Realisierung des Triebimpulses oder mit
um eine konsequente Umsetzung und Weiterverfolgung einer phantasierten Bestrafung zusammenhängen
6 kann, in ihrer Herkunft und Bedeutung ebenfalls unbe-
3.7 · Angststörungen
185 3
wusst bleibt. Lediglich die physiologischen Erschei- bewusstseinsfähig zu machen und sich diesen Kon-
nungen und der Affekt der Angst werden spürbar. Da flikten zu stellen.
es kein auslösendes Objekt gibt, kann die Angst nicht Im lerntheoretischen Behandlungsansatz werden
vermieden werden und in allen möglichen Situationen 2 Strategien verfolgt:
auftreten. 4 Identifizierung und Veränderung dysfunktionaler
In lerntheoretisch fundierter Sicht spielt es eine Kognitionen (Katastrophisierungen, Übergenerali-
Rolle, dass Patienten bedrohliche Ereignisse als nicht sierungen)
kontrollierbar wahrnehmen. Kontrollverlust und resul- 4 Verbesserte Bewältigung von Belastungssituatio-
tierende Hilflosigkeit sind damit zentrale Merkmale der nen durch kognitive Neustrukturierung
generalisierten Angst. Zusätzliche Merkmale von Pa-
tienten mit generalisierten Angststörungen betreffen Ein dritter Behandlungsansatz, der die biologische
katastrophisierende Kognitionen, die auch unbedeu- Grundlage von Angststörungen betont, lässt sich mit
tenden Ereignissen eine potenzielle Gefährlichkeit zu- den bisher genannten Möglichkeiten gut verbinden und
schreiben. Ein weiterer kognitiver Ansatz geht davon besteht in der Anwendung einer Entspannungstechnik
aus, dass durch die Konzentration auf Sorgen die Ver- und/oder in der Verordnung von Medikamenten:
arbeitung der unangenehmen emotionalen Inhalte ver- 4 Benzodiazepine, kurzfristig günstige angstlösende
mieden wird. Dadurch wird dieses Verhalten, sich Sor- Effekte, langfristig droht Abhängigkeit
gen zu machen, aufrechterhalten. 4 Antidepressiva (angstlösende Wirkung)
Entsprechend diesen Annahmen über die Ätio-
pathogenese müssten sozialtherapeutische Maßnah- Abgesehen von den Nebenwirkungen dieser Substan-
men sowie günstige entwicklungspsychologische Be- zen ist eine alleinige Behandlung mit Medikamenten
dingungen präventiv wirken. Gesicherte Erkenntnisse dadurch beeinträchtigt, dass nach Absetzen des Medi-
aus Interventionsstudien sind dazu jedoch nicht vor- kamentes die Angststörung in der Regel wieder auftritt.
handen. Dieser Aspekt ist auch für die Nachsorge wichtig. So ist
die Aufnahme mit angstinkompatibler Aktivitäten (po-
Epidemiologie. Die Lebenszeitprävalenz der generali- sitiv wahrgenommene Tätigkeiten, die einen Zugewinn
sierten Angststörung wird mit etwa 5% in der Allge- an sozialen Verstärkern mit sich bringen) von Bedeu-
meinbevölkerung angegeben. Die Störung tritt bei tung. Dabei werden Ressourcen aktiviert, die Lebens-
Frauen etwa doppelt so häufig auf wie bei Männern. qualität wird gefördert. Dies zu etablieren gelingt in
Der Beginn liegt oft bereits in der Adoleszenz oder in vielen Fällen erst in einer psychotherapeutischen Be-
jungen Erwachsenenjahren. handlung.
Symptomatik. Außer Angst und Sorge treten häufig Prognose. Unbehandelt bleibt eine generalisierte
Konzentrationsprobleme und Ruhelosigkeit auf. Die Pa- Angststörung in der Regel bestehen. Es zeigen sich le-
tienten sind leicht gereizt, schnell ermüdbar und leiten diglich Schwankungen in der Schwere der Symptoma-
oft unter starken Muskelverspannungen. Auch Schlaf- tik. Vor allem beim Vorliegen psychischer Komorbidi-
störungen gehören häufig dazu. In der Regel kann, wenn täten ist mit einer Spontanremission nicht zu rechnen.
auch mit Schwierigkeiten, ein geregeltes berufliches und Durch psychotherapeutische Behandlung ist eine deut-
soziales Leben dennoch geführt werden. liche Linderung der Beschwerden bis hin zur Beschwer-
defreiheit zu erwarten. Mitunter sind auch nach abge-
Diagnostik. Eine generalisierte und anhaltende Angst, schlossener Therapie gelegentliche Sitzungen zur Auf-
die mit Anspannung und Besorgnis über Ereignisse frischung der Bewältigungsstrategien erforderlich.
einhergeht, die für Dritte unerheblich erscheinen, wird
als generalisierte Angststörung diagnostiziert, wenn sie
über einen Zeitraum von 6 Monaten oder mehr be- 3.7.3 Panikstörung
steht.
Definition. Unterschieden werden:
Differenzialdiagnose. Hypochondrie: Hypochondri- 4 Panikattacke: spontanes Auftreten akuter Angst,
sche Ängste werden durch den Einfluss des Behandlers ohne dass eine reale Gefahr vorhanden ist, Dauer
situativ nur wenig gemindert. Depressive Störung. begrenzt (Minuten bis wenige Stunden)
4 Panikstörung: wiederholtes Auftreten solcher
Therapie. Aus tiefenpsychologischer Sicht ist die Be- Panikanfälle kombiniert mit körperlichen Symp-
handlung darauf gerichtet, die verdrängten Konflikte tomen
186 Kapitel 3 · Psychosomatik
. Abb. 3.3. Das psychophysiologische Modell des Paniksyndroms. (Aus Margraf 2003)
Ätiopathogenese. Die Panikstörung (. Abb. 3.3) weist Diagnostik. Wiederholte Panikanfälle, die in der Regel
eine familiäre Häufung auf und zeigt auch in Zwillings- spontan auftreten und keine spezifischen Auslösersitua-
studien eine genetische Komponente. Es gibt Hinweise tionen aufweisen, sprechen für eine Panikstörung. Die
auf eine übermäßige noradrenerge Aktivität. Bei Pa- einzelnen Panikanfälle dürfen nicht in Folge einer kör-
tienten mit Panikstörungen wurde beobachtet, dass an perlichen oder psychischen anderen Störung auftreten.
sich harmlose körperliche Empfindungen zu einer Die einzelne Panikattacke ist gekennzeichnet als inten-
übermäßigen Beunruhigung führen und die Aufmerk- sive Angst oder intensives Missbehagen, das abrupt
samkeit auf die Körperempfindungen intensiviert wird. beginnt und mindestens einige Minuten lang anhält.
Gleichzeitig werden Bewertungen der Körpersymp- Innerhalb weniger Minuten wird ein hohes Maß an In-
tome vorgenommen, die angststeigernd wirken und tensität erreicht und es sind mindestens vier weitere
weitere Körpersymptome produzieren. Da das Gesche- Symptome vorhanden, die problematisch bewerteten
hen als unbeeinflussbar erlebt wird, kommt es zu Angst Körperwahrnehmungen entsprechen und gegebenen-
vor Kontrollverlust, was weiter zu einer Steigerung der falls auch von Kontrollverlustängsten begleitet sind.
körperlichen Symptome führt.
Maßnahmen zur gezielten Prävention der Panik- > Für die Unterscheidung von anderen Angststörungen
störung sind nicht untersucht. ist es wichtig, dass Panikstörungen ohne reproduzier-
baren Auslöser auftreten.
Epidemiologie. Für die Panikstörung wird eine Lebens-
zeitprävalenz von 2,4% angegeben. Der Beginn der Stö- Panikanfälle können zusammen mit anderen, z. B. pho-
rung liegt meist im jungen Erwachsenenalter, Frauen bischen Störungen auftreten. Da keine spezifische Aus-
sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. lösesituation vorliegt, fürchten die Patienten den Panik-
anfall selbst oder beschreiben eine Angst vor der Angst.
Symptomatik. Eine Panikattacke beginnt plötzlich und Das Vorliegen somatischer Erkrankungen schließt eine
erreicht innerhalb von wenigen Minuten ein hohes Panikstörung nicht aus.
Niveau. Sie hält mindestens einige Minuten an und
ist begleitet von körperlichen Symptomen und meist Therapie. Für die Behandlung der Panikstörung in
auch kognitiven Besonderheiten. Zu den körperlichen einem lerntheoretisch orientierten Ansatz ist die Ver-
Erscheinungen können gehören Herzklopfen, Schweiß- mittlung eines plausiblen Störungsmodells grundle-
ausbrüche, Zittern oder Mundtrockenheit. Auch gend. Darauf aufbauend kann die ungünstige Bewer-
Atem- oder Brustbeschwerden, ein Beklemmungsge- tung körperlicher Symptome durch kognitive Neu-
fühl oder Übelkeit, Schwindel oder Benommenheit strukturierung korrigiert werden. In einer folgenden
können auftreten. Häufig wird eine Angst vor Kon- Phase können die neu erworbenen Kognitionen unter
trollverlust, die Angst zu Sterben oder Verrückt zu provozierten Körperwahrnehmungen erprobt werden.
werden erlebt. Von besonderer Bedeutung ist die Einbeziehung einer
3.8 · Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen
187 3
Rückfallprophylaxe, die unter anderem auch die kog- Prognose. Eine unbehandelte Panikstörung kommt
nitive Verarbeitung gelegentlich wieder auftretender nur sehr selten spontan zur Remission. Auch unter ei-
Panikattacken beinhaltet. Unterstützend kann in die ner adäquaten psychotherapeutischen Behandlung
Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Wieder- kann es zum Wiederauftreten einzelner Panikattacken
aufnahme-Hemmer oder einem trizyklischen Anti- kommen. Diese sind meist schwächer und für die Be-
depressivum vorgenommen werden. troffenen leichter zu handhaben.
In Kürze
Angststörungen
Phobische Störung 4 Symptomatik: emotionale, kognitive, vegetative Angstzeichen, auf ein normalerweise
ungefährliches Objekt gerichtete Angst, Auslöser klar.
4 Ätiologie: unbewusste Konflikte, Konditionierungsprozesse
4 Diagnostik: reversible Angst mit identifizierbarem Auslöser
4 Therapie: Exposition (verhaltenstherapeutisch), Bearbeitung unbewusster Konflikte
(tiefenpsychologisch). Kombination möglich, Prognose gut
ness«). Ebenfalls präventiv wirksam ist das soziale Un- Therapie. Psychotherapeutische Maßnahmen sollten
terstützungssystem, in dem ein Mensch sich bewegt. Je sobald als möglich nach dem traumatischen Ereignis
stärker dieses ist, desto weniger gefährdet ist ein einsetzen. Wesentlicher Bestandteil des Vorgehens ist
Traumaopfer, eine akute Belastungsreaktion zu entwi- zunächst die Aufklärung des Patienten über die Symp-
ckeln. Grundlegend präventiv wirksam ist außerdem tome als Reaktion auf das traumatische Ereignis. Als
noch eine intakte Kindheit ohne Armut, ohne Fami- nächster Schritt werden Angstmanagementfähigkeiten
3 lienangehörige mit psychischen Störungen, ohne Miss- ausgebildet (Muskelentspannungstraining). Im Rah-
handlung, Missbrauch, Katastrophen bzw. ohne ge- men kognitiver Therapie werden dysfunktionale Ge-
schiedene Eltern. danken und Glaubenssätze in Bezug auf das trauma-
tische Ereignis herausgearbeitet und umstrukturiert.
Epidemiologie. Die Häufigkeit des Auftretens einer Danach erfolgt die Traumakonfrontation, in dem der
akuten Belastungsreaktion schwankt in Abhängigkeit Patient die Erinnerungen und Gefühle in Zusam-
von der Art des traumatischen Ereignisses zwischen 10 menhang mit dem traumatischen Ereignis zunächst in
und 16%. Frauen haben ein ca. 2-mal so hohes Risiko sensu, später in vivo konfrontiert.
wie Männer. Etwa 20% aller Frauen, die einem trauma- Neuere Ansätze psychotherapeutischen Vorgehens
tischen Ereignis ausgesetzt waren, entwickeln eine aku- zur Behandlung von Traumafolgen beziehen die kör-
te Belastungsstörung. Jedes traumatische Ereignis kann perlichen Reaktionen bzw. die Deregulationssymptome
eine Belastungsstörung verursachen. Nach Vergewalti- des autonomen Nervensystems stärker mit ein. Dabei
gung, kriegerischen Handlungen, Vernachlässigung, werden die Symptome als das Ergebnis einer hochakti-
körperlicher Gewalt und Naturkatastrophen ist die vierten, unvollständigen biologischen Antwort auf die
Wahrscheinlichkeit der Entwicklung höher. Bedrohung durch das traumatische Ereignis angesehen.
Es kommt zu einer Überladung im autonomen Nerven-
Symptomatik. Bei der akuten Belastungsreaktion ent- system, die vor allen Dingen durch ressourcenorien-
wickelt die Person als Reaktion auf das traumatische tiertes, körperorientiertes, kleinschrittiges Vorgehen
Ereignis, auf das sie währenddessen oder danach mit behandelt wird (»somatic experiencing«). Des Weiteren
intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen reagier- hat sich der Einsatz imaginativer Stabilisierungsverfah-
te, dissoziative Symptome, d. h. subjektive Gefühle ren (nach Reddemann) und die Methode des »Eye Mo-
emotionaler Taubheit, Losgelöstheit, das Fehlen einer vement Desensitization and Reprocessing« (EMDR)
normalen emotionalen Reaktionsfähigkeit, Beeinträch- bewährt. Eine pharmakologische Begleittherapie ist ad-
tigung der bewussten Wahrnehmung der Umwelt und juvant bei Symptomen wie Depression, Angst, Psycho-
des Gedächtnisses, hier insbesondere Schwierigkeiten, se, emotionaler Instabilität. Vor allem werden mittel-
sich an bestimmte Details des traumatischen Ereig- potente Neuroleptika und Antidepressiva eingesetzt,
nisses zu erinnern. Des Weiteren leidet die betroffene mit Benzodiazepin sollte wegen der Suchtgefahr zu-
Person an einem deutlichen Freud- und Interessenver- rückhaltend umgegangen werden. Eine Behandlung
lust und hat häufig Schuldgefühle und Konzentrations- mit Antikonvulsiva kann im Einzelfall sinnvoll sein.
schwierigkeiten. Außerdem liegt mindestens ein Symp- Nach stationärer Behandlung haben sich Nachsor-
tom aus den Bereichen anhaltenden Wiedererlebens gegespräche, 2– Wochen nach Entlassung als sinnvoll
(Intrusionen), Vermeidung und erhöhter Erregung erwiesen. Ebenfalls hat sich nachbetreuende Hilfen
(»arousal«) vor, die auch zu den Symptomclustern der durch Selbsthilfegruppen, Regionalgruppen etc. be-
posttraumatischen Belastungsstörung gehören. währt.
Diagnostik. Die Diagnose setzt voraus, dass die Symp- Prognose. Die Behandlung ist schwierig und nicht im-
tome innerhalb eines Monats nach dem traumatischen mer vollständig erfolgreich. Eine erfolgreiche Behand-
Ereignis auftreten, mindestens 2 Tage bis höchstens lung ist möglich, aber eine relativ große Zahl der Pa-
4 Wochen dauern und zu einer Einschränkung der Be- tienten profitiert nur unvollständig. Es gibt Hinweise
findlichkeit oder Beeinträchtigung in sozialen, beruf- auf einen Zusammenhang zwischen dem Sich-Aufge-
lichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen ben während des Traumas und schlechtem Ansprechen
führen. auf Konfrontationstherapie. Weiteren Forschungen zu-
folge hängt auch die Aktivierung von Furcht positiv
Differenzialdiagnose. Psychische Störung auf Grund und die Aktivierung von Ärger negativ mit dem Thera-
eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Kopfver- pieerfolg zusammen. Ein weiterer möglicher Prädiktor
letzung). Substanzinduzierte Störung (z. B. Alkohol- für schlechten Therapieerfolg ist ausgeprägte Dissozia-
intoxikation). tion. Erste Ergebnisse beim Vorgehen mit körperorien-
3.8 · Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen
189 3
tierten Verfahren geben Anlass zu begründeter Hoff- Diagnostik. In Abgrenzung von normalen psychischen
nung auf verbesserte Ergebnisse. Reaktionen auf Belastungen ist bei der Anpassungs-
störung eine erhebliche Beeinträchtigung der beruf-
lichen und/oder sozialen Leistungsfähigkeit zu beob-
3.8.2 Anpassungsstörung achten. Die Symptome müssen innerhalb eines Monats
nach Beginn der Belastung auftreten und dürfen nicht
Definition. Zeitlich begrenzte Störung, die sich auf länger als 2 Jahre nach dem Ende der Belastung persis-
konkrete Ereignisse beziehen lässt und nicht in schwere tieren.
depressive oder posttraumatische Bilder einmündet.
Differenzialdiagnose. Depressive Störungen, Angststö-
> Ohne auslösende Situation, z. B. ein schwerwie- rungen, posttraumatische Belastungsstörungen, soma-
gendes Lebensereignis, kann diese Diagnose nicht toforme und dissoziative Störungen, selten Persönlich-
gestellt werden. keitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens.
Ätiopathogenese. Ähnlich wie bei der posttrauma- Therapie. Zur kurzfristigen Kupierung einer Krise kann
tischen Belastungsstörung (7 Kap. 3.8.3) wird ange- medikamentös (Benzodiazepine) behandelt werden.
nommen, dass es neben dem auslösenden Ereignis an- Tiefenpsychologische Kurztherapien oder kognitiv-be-
dere Bedingungen geben muss, die die Entwicklung haviorale Verfahren lassen eine nachhaltig verbesserte
einer Anpassungsstörung ermöglichen. Fähigkeit zur Bewältigung der Belastungssituation er-
warten und werden üblicherweise zur Behandlung ein-
> Es handelt sich bei den auslösenden Ereignissen de- gesetzt. Wesentlich sind oftmals eine Neubewertung
finitionsgemäß um solche, die keinen katastrophalen der Situation und eine Aktivierung vorhandener Res-
oder aus der normalen Vorstellungswelt herausfal- sourcen.
lenden Charakter haben und die normalerweise von In schwereren Fällen können abgewandelte Vorge-
der Mehrzahl der Betroffenen ohne Entwicklung hensweisen wie bei der Behandlung von Traumafolgen
einer Störung bewältigt werden können. zum Einsatz kommen.
Ambulante Nachsorgegespräche im Anschluss an
Schwere Erkrankungen, Trennung, Verlusterlebnisse eine stationäre Behandlung 2–4 Wochen nach Entlas-
u. a. können als Beispiele für solche Auslöser dienen. sung, haben sich bewährt, ebenso wie die nachbetreu-
Zur Prävention dürften die Stärkung des Selbst- enden Hilfen von Selbsthilfegruppen, Regionalgruppen
wirksamkeitserlebens und das Ausbilden von Problem- etc.
lösefertigkeiten beitragen. Ebenfalls präventiv wirksam
ist die Fähigkeit zum Einwerben sozialer Unterstüt- Prognose. Die Prognose ist meist günstig, jedoch lässt
zung. das Auftreten einer Anpassungsstörung erwarten, dass
auch weitere Belastungssituationen krisenhaft erlebt
Epidemiologie. Angaben zur Häufigkeit einer Anpas- werden.
sungsstörung fehlen. Entsprechend dem Auslöser (z. B.
Krebserkrankung) liegen spezifische Zahlen vor, die ! Cave
jedoch erheblich variieren (10–30%). Bei Gruppen Frühes Auftreten bei Jugendlichen oder jungen Er-
psychiatrischer Patienten werden Anpassungsstörun- wachsenen ist ein Signal zu erhöhter Wachsamkeit
gen beispielsweise bei 5‒28% der Patienten festgestellt. bzw. verstärkten Bemühungen zur Sekundär- und
Tertiärprävention.
Symptomatik. Bei der Anpassungsstörung entwickelt
die Person innerhalb eines Monats nach einem psy-
chosozial belastenden Ereignis eine Reaktion, die 3.8.3 Posttraumatische Belastungsstörung
meist durch depressive oder ängstliche Tönung ge-
kennzeichnet ist. Aber auch andere oder unspezi- Definition. Veränderung des Verhaltens und Erlebens
fischere emotionale Reaktionen (Besorgnis, Ärger, frühestens einen Monat bis meistens sechs Monate
Anspannung, Regression) sind möglich. Mitunter nach dem Erleben eines traumatischen Ereignisses für
kann die Störung auch auf eine Veränderung des Sozial- die Dauer von mindestens einem Monat. Das trauma-
verhaltens beschränkt bleiben oder es kann zum Auf- tische Ereignis beinhaltet das direkte, persönliche Erle-
treten somatoformer oder dissoziativer Symptome ben einer Situation, die mit dem Tod oder der Andro-
kommen. hung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer
190 Kapitel 3 · Psychosomatik
anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit, tische Ereignis, auf das sie währenddessen oder danach
der eigenen oder der einer anderen, insbesondere einer mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen rea-
nahe stehenden Person einhergeht. Klinisch resultiert gierte. Kennzeichnend sind:
eine Angstreaktion, die durch eine Vielzahl von exter- 4 Dissoziative Zustände
nen und internen an das Trauma erinnernden Stimuli 4 Intrusionen (Symptome von anhaltendem Wieder-
ausgelöst werden kann. erleben, Flashbacks, Wiederholungsträume)
3 4 Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma asso-
Ätiopathogenese. Pathophysiologisch kommt es of- ziiert sind
fensichtlich zu einer unvollkommenen Verarbeitung 4 Abgeflachte, allgemeine Reagibilität (emotionale
der traumaassoziierten Reize, indem die Einordnung Taubheit, Teilnahmslosigkeit)
und Bewertung des Traumas angesichts der Heftig- 4 Anhaltende, erhöhte Erregung (Schlafstörungen,
keit der Ereignisse nicht stattfindet, sondern die Er- Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit)
eignisse vom Bewusstsein abgespalten werden. Biolo-
gisch geht dies mit erhöhter Aktivierung des Kate- Biologisch geht dies mit erhöhter Aktivierung des Ka-
cholaminsystems bei gleichzeitiger Abschwächung der techolaminsystems bei gleichzeitiger Abschwächung
Nebennierenrindenaktivität einher. Bei den bildge- der Nebennierenrindenaktivität einher. Bei den bildge-
benden Verfahren fallen eine Atrophie des Hippokam- benden Verfahren fallen eine Atrophie des Hippokam-
pus und eine funktionelle Hyperreagibilität der Amyg- pus und eine funktionelle Hyperreagibilität der Amyg-
dala auf. dala auf.
Nicht alle Personen entwickeln nach dem Erleben
eines traumatischen Ereignisses diese Störung. Vor Diagnostik. Die Diagnose einer posttraumatischen Be-
allem Personen mit gehäuften Stresserfahrungen in der lastungsstörung setzt voraus, dass die Symptome nach
Kindheit scheinen über eine Schädigung des orbitalen einem Monat für die Dauer von meistens 6 Monaten
Cortex praefrontalis (verringerte Bewältigungskompe- nach dem traumatischen Ereignis auftreten und zu
tenz) sowie des Hippokampus (Einbußen im deklara- einer Einschränkung der Befindlichkeit oder Beein-
tiven Gedächtnis) empfänglich für die Entwicklung ei- trächtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wich-
ner posttraumatischen Belastungsstörung. tigen Funktionsbereichen führen. Ein verzögerter Be-
Zur effektiven Prävention gehört die Stärkung des ginn ist möglich, bei dem die Symptome erst sechs
Selbstwirksamkeitserlebens und das Ausbilden posi- Monate oder später nach dem traumatischen Ereignis
tiver Einstellungen, die die Fähigkeit geben, das Leben auftreten.
mit dem Gefühl von Stärke, Kontrolle und Engagement
zu leben (»hardiness«). Ebenfalls präventiv wirksam ist Differenzialdiagnose. Anpassungsstörung (kein le-
das soziale Unterstützungssystem, in dem ein Mensch bensbedrohlicher Belastungsfaktor, sondern z. B. Tren-
sich bewegt. Je stärker dieses ist, desto weniger gefähr- nung vom Partner, Wohnungswechsel). Affektive oder
det ist ein Traumaopfer eine posttraumatische Belas- andere Angststörungen (auch Symptome von Vermei-
tungsstörung zu entwickeln. Grundlegend präventiv dung, Empfindungslosigkeit, erhöhtem Arousalvor-
wirksam ist zudem eine intakte Kindheit ohne Armut, kommen). Akute Belastungsreaktion (kürzere Dauer
ohne Familienangehörige mit psychischen Störungen, und früheres Eintreten der Beschwerden). Zwangsstö-
ohne Misshandlung, Missbrauch, Katastrophen bzw. rung (wiederkehrende aufdringliche Gedanken, die
ohne geschiedene Eltern. aber als unangemessen empfunden werden und nicht
im Zusammenhang mit einem erlebten traumatischen
Epidemiologie. Die Häufigkeit wird mit etwa 9,2% an- Ereignis stehen).
gegeben, wobei Frauen doppelt so häufig betroffen sind
wie Männer (3,0 versus 6,2%), obwohl Männer häufiger Therapie. Zu den initialen Maßnahmen gehört die
einem traumatischen Ereignis ausgesetzt sind. Dies Herstellung einer sicheren Umgebung und Vermitt-
liegt u. a. daran, dass Frauen im Vergleich zu Männer lung eines plausiblen und akzeptablen Störungs-
signifikant häufiger Opfer einer Art Trauma werden, modells.
das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine posttrauma- Bevor eine Konfrontation mit den traumaauslösen-
tische Belastungsstörung zur Folge hat, wie z. B. eine den Ereignissen stattfinden kann, sind stabilisierende
Vergewaltigung. Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören Entspan-
nungsverfahren, Distanzierungstechniken, imaginative
Symptomatik. Die betroffene Person entwickelt eine Verfahren sowie evtl. eine pharmakotherapeutische
verzögerte oder protrahierte Reaktion auf das trauma- Unterstützung (vorzugsweise mit SSRI).
3.8 · Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen
191 3
Die Traumabearbeitung kann nach ausreichender Traumata können Ausgangspunkt für eine Einstel-
Stabilisierung als dosierte Konfrontation mit dem aus- lungsveränderung auf höheren Ebenen (spirituelle Ent-
lösenden Ereignis in Angriff genommen werden. Ziel wicklung, transpersonale Orientierung, Sinnfragen,
ist die Durcharbeitung und Integration unter ge- existentielle Dimension des Traumas) werden. Es wird
schützten therapeutischen Bedingungen. dann zwischen dem Leben vor und nach dem Trauma
Neben psychotherapeutischer Behandlung ist eine strikt unterschieden. Im günstigen Fall entwickelt sich
angemessene soziale Unterstützung (Einbeziehung von daraus eine persönliche Reifung.
Angehörigen, Opferhilfsorganisationen, berufliche Re-
habilitation) zu organisieren. Prognose. Bei etwa einem Drittel der Patienten mit
Auch für die Behandlung der posttraumatischen posttraumatischer Belastungsstörung muss ohne Be-
Belastungsreaktion werden Maßnahmen eines ressour- handlung mit einer Chronifizierung gerechnet werden.
cenorientierten, körperorientierten, kleinschrittigen Das Risiko für einen chronischen Verlauf steigt dabei
Vorgehens gewählt, wie sie unter der akuten Belas- mit dem Schweregrad der anfänglichen Symptome.
tungsreaktion (7 Kap. 3.8.1) beschrieben sind. Wichtig Meistens kommt es parallel oder zeitversetzt zur post-
ist stets, dass die einzelnen Maßnahmen in einen Ge- traumatischen Belastungsstörung zu weiteren psychi-
samtbehandlungsplan eingebettet sind. schen Störungen (vor allem Angst, Depression, Sucht,
Im Fall einer stationären Behandlung sind ambu- Somatisierung).
lante Nachsorgegespräche, 2–4 Wochen nach Entlas- Sowohl verhaltenstherapeutisch-kognitive als auch
sung sinnvoll. Auch die die Vermittlung nachbetreuen- psychodynamische Therapien führen zu einer Reduk-
der Hilfen wie Selbsthilfegruppen, Regionalgruppen tion der spezifischen Symptome der posttraumatischen
etc. hat sich bewährt. Belastungsstörung.
In Kürze
Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen
3.9 Persönlichkeitsstörungen > Üblicherweise wird keine Reue für die angerichteten
Schäden empfunden. Komorbidität besteht vor allem
Definition. Unterschieden werden: zum Substanzmissbrauch.
4 Persönlichkeitszüge: Überdauernde Muster des
Erlebens und Verhaltens. Das Verhalten erscheint durch aversive Reize wie Straf-
4 Persönlichkeitsstörungen: Extreme und unfle- androhung und Bestrafung kaum änderungsfähig. Es
3 xible, im sozialen Kontext problematische Ausprä- besteht eine geringe Frustrationstoleranz und eine hohe
gungen von Persönlichkeitszügen. Die bisher üb- Gewaltbereitschaft, eine Neigung, andere zu beschuldi-
liche Klassifizierung zeigt Überschneidungen, so- gen oder vordergründige Rationalisierungen für das
dass sich oftmals keine »reinen« Bilder präsentieren. Verhalten anzubieten, durch das der betreffende Patient
Meist sind auch Komorbiditäten mit anderen Stö- in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist.
rungen vorhanden.
4 Persönlichkeitsstil: Akzentuierter Persönlichkeits- Diagnostik. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung ist
zug, der nicht den Kriterien einer Persönlich- wesentlich durch Verhaltensauffälligkeiten (unerlaub-
keitsstörung entspricht. Bei der Behandlung von tes Fehlen in der Schule, Diebstahl, Zerstörung von
Persönlichkeitsstörungen wird es daher häufig Eigentum, Brandstiftung, habituelles Lügen, Weglaufen
als erheblicher Erfolg bezeichnet, wenn es ge- von Zuhause) gekennzeichnet. Diese treten bereits vor
lingt, die Symptomatik so weit abzuschwächen, Vollendung des 15. Lebensjahres auf; die Verhaltensauf-
dass lediglich ein Persönlichkeitsstil festzustellen fälligkeiten werden auch im Erwachsenenalter fortge-
ist. setzt.
lassung aus der stationären Behandlung und (bei Eig- pieerfolge bestehen oft in einer graduellen Besserung
nung) Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ergänzt der Symptomatik, die Behandlung gehört in die Hände
werden. erfahrener Therapeuten.
Prognose. Die Prognose ist bei schweren Ausprägungen > Wesentlich für eine günstige Prognose ist eine an-
der Persönlichkeitsstörungen eher ungünstig, Thera- dauernde und regelmäßige Psychotherapie.
3
In Kürze
Persönlichkeitsstörungen
Dissoziale 4 Symptomatik: impulsives Verhalten ohne die Interessen und Rechte anderer zu
Persönlichkeitsstörung berücksichtigen; kaum Angst, fast keine Empathie, häufig delinquent
4 Ätiologie: genetische Einflüsse, problematische Bedingungen während der Kindheit
4 Diagnostik: Symptomatik im Verlauf, ggf. ergänzt durch strukturiertes Interview
und Testdiagnostik
4 Therapie: aufgrund mangelnder Motivation schwierig
3.10 Dissoziative Störungen, Epidemiologie. Präzise Daten über Prävalenz und Inzi-
Konversionsstörungen denz dissoziativer Störungen und von Konversionsstö-
rung liegen nicht vor. Es scheint, dass auch unter dem
Definition. Störungen, die neurologischen Erkrankun- Einfluss des kulturellen Wandels die Häufigkeit dieser
gen ähneln, ohne dass eine körperliche neurologische Störungen nicht konstant bleibt.
oder sonstige organische Ursache aufgedeckt werden
könnte. Symptomatik. Häufig prägen motorische Phänomene
(Bewegungs-, Haltungs- und Koordinationsstörungen,
Ätiopathogenese. Die ursprünglich von Freud als Kon- Lähmungen) das klinische Bild. Es kann aber auch zu
versionssymptomatik geprägte Vorstellung ging von krampfartigen Anfällen oder Sensibilitätsstörungen
der Theorie aus, dass die Energie eines verdrängten kommen.
Triebanspruchs in sensomotorische Funktionen hin-
einwirke und damit Funktionsstörungen verursache. > Die Symptome entsprechen den Vorstellungen des
Modernere Konzepte gehen von einem Zusammenwir- Patienten von Funktionszusammenhängen im Kör-
ken genetischer, kultureller und entwicklungspsycholo- per und nicht so sehr anatomischen oder physiolo-
gischer Einflussfaktoren aus. Zu den biographischen gischen Gegebenheiten.
Faktoren gehören während der Kindheit erlebter sexu-
eller Übergriffe, erlernter familiärer Krankheitsmodelle Diagnostik. Beim Vorliegen von Bewegungsstörungen
sowie ein sehr organ-medizinisch orientierter Gesund- folgen diese häufig einem ähnlichen Muster. Anderer-
heitsbegriff. Diese Einflussfaktoren werden durch kri- seits sind die Merkmale organischer Bewegungsstörun-
tische Lebensereignisse als auslösende Faktoren sowie gen davon deutlich unterschieden. Der Nachweis einer
aufrechterhaltende Faktoren zusätzlich beeinflusst. vorangehenden psychischen Belastung unterstützt die
Abgesehen von allgemeinen Maßnahmen zur Psy- Diagnose, ist jedoch nicht pathognomonisch, da auch
chohygiene sind keine spezifischen präventiven Maß- organische Erkrankungen in der Folge psychischer Be-
nahmen bekannt. lastungen auftreten können.
3.11 · Zwangstörung
195 3
Differenzialdiagnose. Neurologisch bedingte Erkran- ten Konfliktes im Vordergrund stehen und die Sympto-
kungen, Simulationen oder Aggravationen einer blan- matik nach dessen Auflösen überflüssig machen.
den Symptomatik. Eine Stabilisierung nach erfolgter psychotherapeu-
tischer Behandlung kann durch niederfrequente Be-
> Es existieren keine klaren Kriterien, die es erlauben handlungssitzungen angestrebt werden.
würden, eine Konversionssymptomatik von einer
Simulation sicher abzugrenzen. Gegebenenfalls Prognose. Studien an Patienten mit dissoziativen Stö-
können Symptomvalidierungstests einen Verdacht rungen zeigen, dass bei der Hälfte der Patienten auch
entkräften oder unterstützen. Jahre nach der Diagnosestellung eine entsprechende
Symptomatik nachweisbar ist. Das Problem dieser Pa-
Therapie. Soweit beim Patienten ein entsprechendes tienten ist vor allem die weitere und vergebliche Inan-
Störungsmodell plausibel gemacht werden konnte, spruchnahme des Gesundheitssystems. Durch psycho-
kann eine unmittelbare Beeinflussung der Symptoma- therapeutische Behandlung werden deutlich günstigere
tik durch eine kognitiv-behaviorale Psychotherapie Bedingungen geschaffen, ohne jedoch bei allen Patien-
angegangen werden. Dabei ist insbesondere die Be- ten Symptomfreiheit zu erzielen. Ein günstiges stabiles
rücksichtigung auslösender und aufrechterhaltender soziales Umfeld sowie ein psychosomatisches Verständ-
Bedingungen von Bedeutung. Unter tiefenpsycholo- nis in der Störung stellen günstige Prognosefaktoren
gischem Aspekt würde die Bearbeitung des unbewuss- dar.
In Kürze
Dissoziative und Konversionsstörungen
In Kürze
Zwangsstörungen
Zwangsstörung 4 Symptomatik: als unbehaglich oder bedrohlich erlebte Gedanken, Bilder, Impulse. Objek-
tiv überflüssige Handlungen, deren Unterlassen erhebliche Angst und Unruhe auslöst.
4 Ätiologie: Abwehrmaßnahme gegen nicht bewusstseinsfähige Impulse, Ergebnis
ungünstiger Lernvorgänge auf dem Boden einer genetischen Prädisposition
4 Diagnostik: Frage nach Händewaschen, Kontrollwunsch, belastenden Gedanken
4 Therapie: Exposition und Reaktionsverhinderung, ggf. unterstützende Pharmakotherapie
(SSRI)
Konfliktsituationen zu einer Organschwächung führen und nicht auf den ersten Blick als behandlungsbedürf-
oder zu einer besonderen Bereitschaft, mit diesem Organ tig erkennbar.
zu reagieren. Einige tiefenpsychologische Schulen ver-
> Den Betroffenen ist der Zusammenhang zwischen
muten sogar eine Art Organsprache, die dem zugrunde
diesen Störungen und den sehr viel stärker imponie-
liegenden Konflikt Gehör verschaffen will. Diese Annah-
renden körperlichen Beschwerden in der Regel nicht
men sind empirisch nicht belegt, können aber u. U. einen
3 therapeutischen Prozess günstig beeinflussen.
unmittelbar zugänglich, meist wird er sogar als abwe-
gig zurückgewiesen.
Zu den Faktoren, die begünstigend auf die Entste-
hung der Störung wirken, je nach zugrunde gelegter Diagnostik. Neben klinische Interviews können Frage-
Theorie genetische Besonderheiten, Vorerkrankungen, bogen zur Erfassung von Stressbelastung und -verar-
Traumata und frühkindliche Konflikte. Es handelt sich beitung hilfreich sein. Es ist keine gute Praxis, erst an
jedoch in allen Fällen um Hypothesen, die einer wei- begleitende Verhaltensfaktoren zu denken, wenn die
teren Überprüfung bedürfen. somatische Therapie unzureichend wirkt.
Ausgehend von dem Diathese-Stress-Modell liegen
Möglichkeiten zur Vorbeugung psychosomatischer Differenzialdiagnose. Zu warnen ist vor einer Überbe-
Erkrankungen einerseits in der Verbesserung individu- tonung der Verhaltensfaktoren, die zu einer Vernach-
eller Belastungsverarbeitung (Stressbewältigung, sozi- lässigung der körperlichen Seite der Behandlung führt.
ale Unterstützung), andererseits in Maßnahmen zur Die Vorstellung, dass psychosomatische Krankheiten
Reduktion vermeidbarer Belastungen (Lärmreduktion, ausschließlich mit psychotherapeutischen Methoden
Ergonomie, Arbeitsorganisation, Pausen usw.). zu behandeln seien oder dass es sich bei der Psychothe-
rapie um die kausale und damit »einzig relevante« The-
Epidemiologie. Verhaltensfaktoren bei somatischen rapie handle, führt leicht zu unnötig langem Leiden
Störungen werden außerordentlich häufig beobachtet. und therapeutischen Misserfolgen.
Da bisher keine Einigkeit darüber besteht, welche quan-
titative Rolle die unterschiedlichen Einflüsse auf das Therapie. Erst eine genaue Analyse der individuellen
Zustandekommen der jeweiligen Störung besteht, gibt Verhaltensfaktoren kann eine zielführende Therapie
es sehr unterschiedliche Zahlenangaben zu Prävalenz ermöglichen. Häufig werden jedoch Maßnahmen hilf-
und Inzidenz. reich sein, die zu einer verbesserten Belastungsverar-
beitung führen. Dazu gehören aus verhaltenstherapeu-
> Da für die Mehrzahl der häufigen Krankheiten, be-
tischer Sicht in der Regel Entspannungsverfahren in
sonders der sog. Zivilisationskrankheiten, Verhalten-
Kombination mit Stressbewältigungstrainings. Diese
seinflüsse nachgewiesen sind oder wahrscheinlich
können auch einen direkten Einfluss auf körperliche
gemacht wurden, sind Krankheiten ohne Verhaltens-
Prozesse nehmen (vegetative Stabilisierung). Dazu
faktoren eher die Ausnahme!
können auch andere Komponenten wie Selbstsicher-
Schätzungen über die Häufigkeit funktioneller psycho- heitstraining, Problemlösetechniken und anderes kom-
somatischer Erkrankungen in der Bevölkerung liegen men. Ferner sind sekundäre oder komorbide psychische
bei 10–20%. Störungen zu berücksichtigen.
In jedem Fall sind psychoedukative Maßnahmen
Symptomatik. Die psychischen Störungen sind oft we- (Informationsvermittlung, Schulung) hilfreich, die auf
nig eindrucksvoll, meist lang anhaltend (wie alltägliche das konkrete Verhalten abzielen und den Verlauf der
Sorgen, emotionale Konflikte, ängstliche Erwartung) Erkrankung günstig beeinflussen helfen.
In Kürze
Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei anderorts klassifizierten Krankheiten
. Abb. 1.10. a Darstellung eines geringfügig arteriosklerotischen A.-carotis-interna-Abgangs durch verschiedene Methoden.
Oben Strömungsmessung durch gepulste Dopplersonographie mit Frequenzanalyse. Normale Frequenzspektren in der Karotis-
bifurkation (oben links), im Bulbus caroticus (oben Mitte) und in der distalen A. carotis interna. Sie leichte Störung des Frequenz-
spektrums im Bulbus caroticus (oben rechts) ist an dieser Stelle nit pathologisch. Mitte links Die Strukturdarsellung der Gefäß-
wand im Ultraschall-B-Bild zeigt mehrere nichtstenosierende Plaques und flache Nischen. Mitte rechts Die eingeblendete farbko-
dierte Strömungsinformation (»Farbduplex«) zeigt ein weitgehend normales Strömungsmuster mit kleinen Rezirkulationszonen
in Wandnischen. Unten Die digitale Substraktionsangiographie (DSA) läßt entsprechend nur leichte Wandunregelmäßigkeiten
der A. carotis interna erkennen.
200
. Abb. 1.10. b Darstellung einer 70–80%igen ateriosklerotischen A.-carotis-interna-Abgangsstenose durch verschiedene Me-
thoden: Oben Strömungsmessung durch gepulste Dopplersonographie mit Frequenzanalyse. Vorwiegend diastolisch reduzierte
Strömungsgeschwindigkeit in der distalen A. carotis communis (oben links). Hochgradige Strömungsbeschleunigung mit über
500 cm/s Spitzengeschwindigkeit in der A.-carotis-interna-Sternose (oben Mitte links). Unmittelbar poststenostisch immer noch
hohe Spitzengeschwindigkeit. Gleichzeitig Zeichen starker Verwirbelung mit Frequenzverdichtung um die Nullinie (oben Mitte
rechts). Weiter stromabwärts langsamere, verwirbelt Strömung (oben rechts). Meherer cm distal der Stenose geglättete, aber
reduzierte Strömung mit abgeflachtem systolischen Anstieg. Man beachte, daß gegenüber Abb. 1b die Frequenz- bzw. Ge-
schwindigkeitsskala verändert wurde. Mitte links Die Strukturdarstelllung der Gefäßwand im Ultraschall-B-Bild zeigt echoarme
Wandveränderungen, in denen das Restlumen nicht klar abgrenzbar ist. Mitte rechts Durch die farbkodierte Strömungsinforma-
tion werden Strombahnverengung, Störumungsbeschleunigung und poststenotische Verwibelung nicht genau, aber über-
sichtlich dargestellt. Unten DSA der Stenose, die eine genaue Beurteilung auch des weiteren Gefäßverlaufs erlaubt. (R. Winter,
Heidelberg)
201 A–B
Sachverzeichnis
Aneurysma-Clippung 26 – fibrilläres 48
A Aneurysma-Coiling 26 – pilozysisches 48
Anfall Ataxia teleangiectatica 68
Aachener Aphasie-Test 110 – astatischer 72 Ataxie 67, 68
Abhängigkeit, Definition 134 – epileptischer 29, 36, 71, 72 – degenerative 68
Absenceepilepsie 72, 73 – fokaler 71, 72 – spinozerebelläre 68
Abstinenzsyndrom, neonatales 140 – generalisierter 72 – vestibuläre 67
Abszess – myoklonischer 72 – zerebelläre 67
– intrakranieller 44, 45 – psychogener 73 Audimutitas 158
– intraspinaler 44, 45 – tonischer 73 Aufmerksamkeitsprüfung 111
Achillessehnenreflex 5 Angststörung 163, 182–187 Aufmerksamkeitsstörung 107
Acitivites of Daily Living 111 – generalisierte 184, 185 Aufwachsepilepsie 72
Adduktorenreflex 5 Anorexia nervosa 132, 171–173 Autismus 109
Adynamia episodica hereditaria 98 – Ätiopathogenese 171 – frühkindlicher 160, 161
Affektkrampf, respiratorischer 73 – Symptomatik 172 Autoimmunmyositis 101
Affektstörung 108, 149 – Therapie 173
Agnosie 10 Anosmie 3
Agoraphobie 182, 183 Anpassungsstörung 168, 189
Agrammatismus 158 Anterior-cord-Syndrom 32
B
Agraphie 10 Anticholinergika 130
Akalkulie 10 Antidepressiva 63, 116, 151 Babinski-Reflex 3, 4
Akinese 57, 59, 109 – trizyklische 116, 117 Balint-Gruppe 168
– axiale 57 Antikoagulation 20 Bandscheibenvorfall 82
akinetische Krise Antikonvulsiva 75, 130 Bannwarth-Syndrom 40
Akustikusneurinom 50, 51 Antiphospholipid-Antikörper- Barbiturate 119
Alexie 10 Syndrom 18 Basilarismigräne 81
Alkoholhalluzinose 139 Antriebsstörung 108, 109, 149 Basilaristhrombose 20, 21
Alkoholismus 134–140 Anxiolytika 118 Battered-child-Syndrom 154
– Diagnostik 135 apallisches Syndrom 12 Becker-Kiener-Muskeldystrophie 98
– Formen 135 Apathie 108 Beinhalteversuch 5
– körperliche Störungen 137 Aphasie 10 Belastungsreaktion, akute 187, 188
– Phasen 134 – globale 10 Belastungsstörung, posttraumatische
– Symptomatik 134 Apomorphintest 130 189–191
Allodynie 7 Apoplex 7 Schlaganfall Bell-Zeichen 88
Alterans-Syndrome 21 Appetenz, sexuelle 178 Benzodiazepine 118
Alzheimer-Demenz 63, 128, 129 Apraxie 10 – Missbrauch 141
Amantadin 59, 130 Arbeitsintelligenz 111 Beschaffungskriminalität 134
Amaurosis fugax 18, 79 Armhalteversuch 5 Bewegungstherapie 115
Ambivalenz 108 Armplexusläsion 82 Bewusstseinslage 11, 106
amentielles Syndrom 123 Arnold-Chiari-Malformation 69, 70 Bewusstseinsstörung 11, 29, 36,
Amnesie, transiente globale 73 Arovirus 35 107
Amyloidangiopathie 27 Arteria-spinalis-anterior-Syndrom Beziehungswahn 148
Amyloid-Plaques 44 8 binge eating 172, 175
Analgesie 7 Arteriitis temporalis Horton 79 Bing-Horton-Kopfschmerz 78
Anamnese Arteriosklerose 16 Binswanger-Erkrankung 64
– psychiatrische 105, 106 Asperger-Syndrom 161 Bizepssehnenreflex 5
– psychosomatische 166 Astereognosie 7 Blickparese, progressive supra-
Anamnesemosaik 105 Astrozytom nukleäre 60
Aneurysma dissecans 16 – anaplastisches 48 Blitz-Nick-Salaam-Krampf 72
202 Sachverzeichnis
E F H
ECHO-Virus 35 Fallneigung 58 Hachinski-Ischämie-Skale 111
Eifersuchtswahn, alkoholischer 139 Familienanamnese, psychiatrische Haemophilus influenzae 33,
Eigenreflexe 3, 5 105 Halluzinogene 142
Einschlusskörpermyositis 101 Faszikelläsion 83 Halluzinose, organisch bedingte
Elektroenzephalographie 13 Faszikulation 3 121
Elektrokrampftherapie 147, 151 Fazialisparese 88 Hamilton-Depressions-Skala
Elektromyographie 13 Feinmotorik, gestörte 67 112
Elektroneurographie 13 Fibromyalgie 9 Hämodilution, hypertensive
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie Fieberkrampf 73 hypervolämische 27
98 Fingerbeugerreflex 5 HAWIE 111
EMG-Ermüdungstest 100 Freiburger Persönlichkeitsinventar HAWIK 111
Empfindungsstörung, dissoziierte 109 Hebephrenie 145
7, 8 Fremdreflexe 3, 5 Heller-Syndrom 161
Endokarditits, septische 34 Fressanfall 174 Hemiparese 21
Entspannungstherapie 115 Friedreich-Ataxie 67 – Definition 5
Entzugsdelir 138 Fromnent-Zeichen 91 Hemiplegia alterans 21
Entzugssyndrom 134, 138 Frühsommer-Meningoenzephalitis Hemiplegie, Definition 5
Enuresis 161 38 Heparinisierung 20
Enzephalitis FSME 38 Herpes zoster 89
– hämorrhagisch nekrotisierende FTA-ABS-Test 42 Herpes-simplex-Enzephalitis
36 Funktionsstörung, sexuelle 177–180 36, 37
– postvakzinale 36 Herpes-simplex-Virus 35, 36
– virale 35, 36 Hirnatherosklerose 21, 23
Enzephalopathie Hirndruck, erhöhter 27, 46
– HIV-assoziierte 64, 65, 129, 130
G – Therapie 47
– humane spongiforme 44 Hirnentzündung 7 Enzephalitis
– spongiforme 44 Gangataxie 67 Hirnhautentzündung 7 Meningitis
Ependymom 48 Ganglion-stellatum-Blockade 9 Hirninfarkt 16
Epiduralblutung 24, 25 Garin-Bujadoux-Bannwarth- Hirnleistungsschwäche 122
Epilepsie 71–76 Syndrom 40 Hirnmetastase 51
– Diagnostik 73 Gedächtnisprüfung 110 Hirnnerven
– idiopathische 71, 74 Gedächtnisstörung 107 – Funktionsausfall 3, 4
– juvenile myoklonische 72 Gegenübrtragung 106 – Untersuchung 3, 4
– kryptogene 71 Gerstmann-Sträussler-Scheinker- Hirnödem 46
– Operation 74 Syndrom 44, 130 – interstitielles 46
– pharmakoresistente 74 Gesprächstherapie 114 – postoperatives 50
– rolandische 71, 74 Gilles-de-la-Tourette-Syndrom – Therapie 47
– symptomatische 71 196 – vasogenes 46
– Therapie 74, 75 Glasgow Coma Scale 12, 31 – zytotoxisches 46
Ermüdungs-EMG 13 Glioblastom 48 Hirnstammblutung 27
Erythema migrans 39, 40 Gliose, astrozytäre 44 Hirnstammischämie 20, 21
Ess-Brech-Sucht 7 Bulimia nervosa Global Deterioriation Scale 110 Hirnstimulation, elektrische 59,
Essstörungen 132, 133, 171 Gnomenwade 98 131
Euphorie 108 Gordon-Reflex 5 Hirntod 12, 13
extrapyramidales Syndrom 57 Grand-mal-Anfall 73 Hirnvenenthrombose 29
Grenzzoneninfarkt 18 HIV-Enzephalopathie 64, 65, 129,
Größenwahn 151 130
Großhirnblutung 27 Hoffmann-Tinel-Zeichen 91, 92
Guillain-Barré-Syndrom 84, 86 Horner-Syndrom 10
Gürtelrose 89 Hörstummheit 158
204 Sachverzeichnis
Standataxie 67 Territorialinfarkt 18
Status Tethered-cord-Syndrom 69
W
– epilepticus 72, 75 Tetraparese, Definition 5
– psychischer 3 Tetraplegie, Definition 5 Wahn 106, 147, 148
Stent-Implantation 20 Thematischer Apperzeptionstest 109 – symbiotischer 148
Stimulanzien, Missbrauch 142 Thrombendarteriektomie 20 Wahrnehmungsstörung 107, 108,
Stimulations-EMG 13 Thrombolyse 20 158, 160
Störung Thrombophlebitis, infektiöse 29 Wallenberg-Syndrom 21
– affektive 181, 182 Thymektomie 100 Weber-Syndrom 21
– anhaltende 151 TIA 18 Wernicke-Aphasie 36, 158
– bipolare 152, 181 Tic 155, 156 Wernicke-Enzephalopathie 140
– depressive 149, 150 Tiefenhirnstimulation 59, 131 Wortfindungsstörung 158
– dissoziative 163, 194, 195 Tiefenpsychologie 168
– emotionale 162, 163 Tiefensensibilität 6
– hypochondrische 168 Toleranzentwicklung 134
– psychogene 161, 162 Torpidität 108
X
– psychosomatische, Definition 166 Toxoplasma gondii 129
– schizoaffektive 147 Toxoplasmose 39 Xanthochromie 26
– somatoforme 168–170 TPHA-Test 41
– Sozialverhalten 162 Tranquilizer 141
– wahnhafte 147, 148 Transitivismus 107
Stottern 158 transitorische ischämie Attacke 18
Y
Stupor Treponema pallidum 41
– depressiver 149 Trierer Alkoholismusinventar 112 Yohimbin 179
– katatoner 143, 146 Trigeminusneuralgie 87
Subarachnoidalblutung 25, 26 Trizepssehnenreflex 5
Subclavian-Steal-Syndrom 21 Trömner-Reflex 5
Subduralblutung 25
Z
Supervision 168
Supinatorsyndrom 93 Zahlenverbindungstest 111
Sympathalgie 8
U Zerebralparese, infantile 70
Syndrom ZNS-Tumoren 47–52
– amentielles 123 Übertragung 106 – Diagnostik 49, 50
– apallisches 12 Untersuchung – Symptomatik 49
– chronisch posttraumatisches 30 – Hirnnerven 3 – Therapie 50
– depressives 123 – Motorik 3 Zolpidem 119
– expansiv-maniformes 123 – neurologische 3–16 Zopliclon 119
– extrapyramidales 57 – psychiatrische 105–112 Zoster
– hyperkinetisches 155 – ophthalmicus 89
Synkope 73 – oticus 88, 89
Syringobulbie 69 Zosterenzephalitis 36
Syringomyelie 8, 69
V Zosterneuralgie 89
Zwangsgedanke 195, 196
Vagusnervstimulation 74 Zwangshandlung 195, 196
Valproinsäure 118 Zwangsstörung 163, 195, 196
T Varizellenenzephalitis 36 Zyklothymie 152
Vasospasmus 27 Zytomegalievirus 35, 37
Tabes dorsalis 41 VDRL-Test 42 Zytomegalievirus-Enzephalitis 37
Tadalafil 179 Verhaltenstherapie 114, 116, 168
Taubstummheit 158 Versivanfall 71
Teilleistungen, Prüfung 109, 110 Viagra 179
Teilleistungsschwäche 158 Vigilanz 107
Tensilon-Test 100 Virchow-Trias 16