Brandenburgisches Konzert Nr.
2 (BWV 1047) – Johann Sebastian Bach
Das Zeitalter des Barocks (1600 – 1750)
Das Wort «barock» wurde ursprünglich abwertend ge-
braucht (absonderlich, verschroben, übertrieben, schwüls-
tig) für eine Kunstrichtung des 17. und 18. Jahrhunderts,
«die mit den künstlerischen Idealen der Zeit nicht mehr
übereinstimmte» und «für die erste gegen Ende des 19.
Jahrhunderts Verständnisaufkam».
Diese Epoche ist geprägt von einem besonderen Lebens-
gefühl und Menschenbild. Es ist eine Zeit der Glaubensspal-
tung, Kriege und Friedenssehnsucht. Das politische Leben
ist vom Absolutismus geprägt. Sowohl Staat als auch Kirche
erleben in ähnlicher Weise einen absoluten und totalen
Machtanspruch. Der Fürst als Repräsentant des absolutisti-
schen Machtstaates bedient sich der Kunst als Medium der
Selbstdarstellung. Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)
Das Barockzeitalter ist von daher ein Zeitalter des Pathos und der Repräsentation mit Drang zum
Monumentalen, ein Zeitalter des Überschwangs und der Ausdruckssteigerung. Das barocke Kunst-
werk will berauschen, überwältigen und in Ekstase versetzen.
Bestimmend für weltliche wie auch für geistliche Musik wird das Concerto-Prinzip.
Michael Praetorius berichtet über den Musizierstil und die Aufführungspraxis dieser Zeit: «Auf ita-
lienisch Concetto oder Conerto, lateinisch concertatio (Wettstreit), in dem sich verschiedene Stim-
men oder Instrumente zu einem Concert zusammentun.» Dieses konzertante Prinzip entwickelt
sich zu einer reinen Instrumentalgattung, in welcher einzelne Solisten oder Solistengruppen (Soli,
concertino) im Wechsel mit allen (Tutti, Ritornell) musizieren.
Das Concerto grosso
Die instrumentale Konzertform Concerto grosso entwickelte sich aus der Venezianischen
Mehrchörigkeit. Bereits im 16. Jahrhundert wurde das Zusammenspiel von unterschiedlichen
Klanggruppen als Concerto bezeichnet. Das zugrunde liegende lateinische Wort «concertare» be-
deutet «wetteifern, streiten» oder «mit jemanden zusammenwirken». Aus beiden Wortbedeutun-
gen lässt sich das Prinzip des Zusammenwirkens unterschiedlicher Klanggruppen ableiten.
Im Concerto grosso findet ein Wechselspiel zwischen dem Hauptorchester (Tutti oder Ripieno ge-
nannt) und einer kleinen Solistengruppe, dem Concertino statt. Dieser Besetzungstyp bestimmt
die Gattung Concerto grosso. Dieses Prinzip lebt vom Spannungsverhältnis, das durch Wechsel-
spiel und Kontrastierung erzeugt wird.
Aus dem Concerto grosso entwickelte sich später das Solokonzert, wo ein Orchester im Zusam-
menspiel mit einem einzigen Solisten musiziert.
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Johann Sebastian Bach: Die Brandenburgischen Konzerte
Die sechs Brandenburgischen Konzerte verkörpern die verschiedenen Typen konzertanter Ensem-
blemusik im Barock. Das zweite Konzert entspricht dem Typ des Concerto grosso. Das heisst, es
konzertiert ein grösser besetztes Orchester (Ripieno) mit einer Solistengruppe (Concertino). Das
Concertino ist bei diesem Konzert gleichzeitig auch Bestandteil des Tutti, bzw. des Ripieno.
Brandenburgisches Konzert Nr. 2, F – Dur BWV 1047
J. S. Bach (1685 – 1750), von 1717 bis 1723 Hofkapellmeister in Köthen, widmete seine sechs
«Brandenburgische Konzerte» in der Hoffnung auf eine Anstellung dem Markgrafen von Branden-
burg. 1721 wählte Bach aus seinen Köthener Konzerten sechs besonders typische und verschie-
denartige Gruppenkonzerte aus und verfasste eine sorgfältige Abschrift. Es ist möglich, dass ein-
zelne der Konzerte sogar bereits in seiner Weimarer Amtszeit entstanden sind.
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Besetzung
• Trompete
• Oboe
• Blockflöte
• Violine (solo)
• Violine 1
• Violine 2
• Viola
• Violoncello
• Violone
• Basso continuo (Cembalo)
Musik
Das Konzert folgt der im Barock üblichen dreisätzigen Form in der Tempofolge schnell – langsam
– schnell.
1. Satz
1. Satz - Brandenburgisches Konzert Nr. 2
Das Ritornell
Die einleitende Tutti-Passage des ersten Satzes wird vom gesamten Orchester gespielt (Ripieno).
Dieses Thema kehrt im Verlauf des Satzes jeweils in den Tutti-Abschnitten vollständig bzw. teil-
weise wieder und wird deshalb auch als Ritornell (ital. ritornello = Wiederkehr) bezeichnet.
1. Satz, Tutti-Thema
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Die Couplets
In den Couplets (Solo-Abschnitten) treten die Concertino-Instrumente (hier: Trompete, Flöte,
Oboe und Violine) in unterschiedlichen Kombinationen solistisch hervor. In diesem Beispiel bleibt
das kurze Concertino-Thema unverändert:
1. Satz, Concertino-Thema
Im Concertino mit der farbigen solistischen Besetzung von ________________________________,
________________________________________, ________________________________________, und
________________________________ ist die wachsende Individualisierung der Einzelstimmen im
Concerto Grosso spürbar. Es verarbeitet das gegensätzliche Thema:
Der Satz gilt als einer der beliebtesten Sätze der Barockmusik. Die Instrumentierung und der Auf-
bau mit den wiederholten Motiven machen die Komposition leicht zugänglich.
Definiere folgende Begriffe in eigenen Worten:
- Concertino: __________________________________________________________________
__________________________________________________________________
- Couplets: __________________________________________________________________
__________________________________________________________________
- Ripieno: __________________________________________________________________
__________________________________________________________________
- Ritornell: __________________________________________________________________
__________________________________________________________________
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2. Satz
2. Satz - Brandenburgisches Konzert Nr. 2
Der langsame 2. Satz steht in der parallelen Molltonart. Er folgt der Idee eines musikalischen Ge-
sprächs. Für die damalige Trompete ist dies aufgrund ihres begrenzten Tonvorrats nicht spielbar.
Es spielen nur Violine, Oboe, Blockflöte und Basso continuo.
Im Verlauf dieses «musikalischen Gesprächs» wird das Thema in mannigfaltiger Weise variiert und
geringfügig abgewandelt.
Was ist ein Basso continuo? Zeichne diesen in den Noten (vorherige Abbildung) ein.
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3. Satz
3. Satz - Brandenburgisches Konzert Nr. 2
Der 3. Satz ist eine Kombination von Konzertsatz und
Fugenform. Die Fuge mit ihrer streng durchkomponier-
ten Form galt den Zeitgenossen als Abbild einer voll-
kommenen, göttlichen Ordnung. Der Mensch wird da-
bei zum Schöpfer einer künstlichen Idealwelt. Der baro-
cke Ordnungswille lässt sich ebenso in der Zahlensym-
bolik wie auch in den Gartenanlagen dieser Zeit nach-
weisen.
Definition Fuge:
Ein musikalisches Thema wird in verschiedenen Stimmen zeitlich versetzt wiederholt, wobei es
jeweils auf unterschiedlichen Tonhöhen einsetzt.
Abschliessende Betrachtung
Wenn wir die drei Sätze nun abschliessend betrachten und vergleichen, stellen wir deutlich eine
innere Geschlossenheit fest. Der erste und dritte Satz als Ecksätze weisen in ihrer geschlossenen
Formgebung mit festen Ordnungsprinzipien (Konzert-, Fugenform), in Tonart, Tempo, Taktart, Be-
setzung und Längenverhältnissen Gemeinsamkeiten auf. Der 2. Satz bildet dazu in allen Punkten
einen klaren Gegensatz.
Diese Erkenntnisse im Bereich der Musik lassen sich auch auf die Architektur des Barocks übertra-
gen. Der Geschlossenheit der Ecksätze entsprechen die grossen «verschlossenen» Rahmenteile
des Baukörpers. Dem kontrastierenden, nach innen gekehrten 2. Satz lassen sich der Mittelteil der
Bauwerke zuordnen, der niedriger und als Eingangsbereich mit Portalen und Arkaden gestaltet
ist.
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Voyager Golden Record
1977 wurde eine goldene Schallplatte mit Bild- und Audiodaten an Bord der beiden interstellaren
Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 angebracht. Die beiden Schallplatten wurden in der Hoff-
nung hergestellt, etwaige intelligente, ausserirdische Lebensformen könnten dadurch von der
Menschheit erfahren. Die Lebensdauer der Platten wird auf 500 Millionen Jahre geschätzt.
Der Anfang der Datenspur enthält 115 analog gespeicherte Bilder. Der Rest besteht aus Audioda-
ten. Dazu gehören gesprochene Grüsse in 55 verschiedenen Sprachen (deutsche Text: «Herzliche
Grüsse an alle») sowie verschiedene Töne wie Wind, Donner und Tiergeräusche.
Die Musikstücke auf der Voyager Golden Record bilden den letzten Abschnitt der interstellaren
Datenplatte. Das erste Musikstück ist das 2. Brandenburgische Konzert, 1. Satz von Johann Sebas-
tian Bach.
Ein Test mit verschiedenen Geheimdiensten ergab, dass die Platte fast gar nicht zu verstehen ist.
Der einzige Geheimdienst, der die Platte entziffern konnte, war der israelische Mossad.
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