Prof. Buzzard - Lehre - Von - Der - Dreieinigkeit
Prof. Buzzard - Lehre - Von - Der - Dreieinigkeit
Dreieinigkeit Gottes
Die selbst zugefügte
Wunde der Christenheit
Originaltitel:
THE DOCTRINE
OF THE TRINITY
Christianity's Self-Inflicted Wound
Anthony F. Buzzard
Charles F. Hunting
Copyright © 1998 by
Anthony F. Buzzard and Charles F. Hunting
Inyternational Scholars Publications
4720 Boston Way
Lanham, Maryland 20706
12 Hid's Copse Rd.
Cumnor Hill, Oxford OX2 911
ISBN 1-57309-309-2
Sir Anthony F. Buzzard
Charles F. Hunting
Diese Kapitel sind der Erinnerung
an jene edel gesinnten Studenten der
Schrift gewidmet, die den Gott der Bibel
entdeckten und für ihre Überzeugung,
dass Er Einer ist, starben.
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT xi
DANK xv
EINLEITUNG 1
BIBLIOGRAPHIE 319
SCHRIFTSTELLENVERZEICHNIS 327
AUTORENVERZEICHNIS 335
STICHWORTVERZEICHNIS 339
„Im Jahr 317 begann in Ägypten ein neuer Streit, der verderbliche
Konsequenzen nach sich zog. Das Thema dieser fatalen Kontroverse, die
solch bedauernswerte Teilungen in der christlichen Welt hervorbrachte,
war die Lehre von drei Personen in der Gottheit, eine Lehre, die in den
drei Jahrhunderten davor glücklicherweise der eitlen Neugierde der
menschlichen Forschung entgangen war.“ 1
„Wenn wir über die langen Jahre der Herrschaft der Trinität
zurückblicken......werden wir bemerken, dass wenige Lehren mehr an
reinem Bösen bewirkt haben.“2
„Da die Trinität ein so wichtiger Teil der späteren Doktrin ist, ist es
verblüffend, dass sie im Neuen Testament nicht vorkommt. Ebenso kann
das entwickelte Konzept von drei gleichberechtigten Partnern innerhalb
1
J.L. Mosheim, Institutes of Ecclesiastical History (New York: Harper,
1839),1:399.
2
Andrews Norton, A Statement of Reasons for Not Believing in the Doctrine of
the Trinitarians Concerning the Nature of God and the Person of Christ (Hilliard,
Gray & Co., 1833), 287.
3
Maurice Wiles, The Remaking of Christian Doctrine (London: SCM Press,
1974), 54,55.
4
Professor G.W. Buchanan, aus Korrespondenz, 1994.
5
William Barclay, A Spiritual Autobiography (Grand Rapids: Eerdmans, 1975),
50.
der Gottheit, das in den späteren Glaubensbekenntnissen gefunden wird,
innerhalb der Grenzen des Kanons nicht klar entdeckt werden.“6
„Wie sollen wir die Natur der Unterscheidung zwischen dem Gott, der
Mensch wurde, und dem Gott, der nicht Mensch wurde, bestimmen, ohne
einerseits die Einheit Gottes zu zerstören und andererseits mit der
Christologie zu interferieren? Weder das Konzil von Nizäa noch die
Kirchenväter des vierten Jahrhunderts konnten diese Frage zur
Zufriedenheit beantworten.“7
6
“Trinity“, in The Oxford Companion to the Bible (Oxford University Press,
1993), 782.
7
I.A. Dorner, The History of the Development of the Person of Christ
(Edinburgh: T&T Clark, 1882), Teil 1, 2: 330.
8
„Dogma, Dogmatic Theology“, in Encyclopedia Britannica, 14th edition (1936),
7:501, 502.
VORWORT
Ich konnte Die selbst zugefügte Wunde der Christenheit nicht lesen,
ohne wiederum über die einfache Lehre der Christen (und Juden), dass
Gott Einer ist, begeistert zu werden. Wenn in den Gedanken und im Leben
eines Menschen noch nizänische Verkrustungen sind, dann sollte dieses
Buch sie alle wegfegen.
Es ist eine angenehme Erfahrung, Anthony Buzzards und Charles
Huntings klare Erklärungen von Schlüsselpassagen der Schriften zu
erfahren, die normalerweise durch eine trinitarische „Brille“ betrachtet
werden. Gleichzeitig ist es ein Vergnügen, prägnante Feststellungen zu
lesen, die sich mit Sicherheit in den Gedanken des Lesers einprägen. Ein
Beispiel dafür ist die Erklärung des großartigen Bekenntnisses von
Thomas in Johannes 20,28. Thomas erkannte in dem auferstandenen Jesus
jenen, der dazu bestimmt war, der „Gott“ des kommenden Zeitalters zu
sein, um Satan als „Gott“ dieses Zeitalters abzulösen.
Jedoch sind die von Thomas gebrauchten Worte „Herr“ und „Gott“
einfach messianische Titel, vergleichbar mit den göttlichen Titeln, die im
Alten Testament dem Engel als Vertreter Gottes gegeben wurden. Der
zuvor zweifelnde Apostel adoptierte nicht plötzlich das Nizänische oder
das Athanasianische Glaubensbekenntnis und sah Jesus als „wahren Gott
von wahrem Gott“. Das Johannesevangelium darf nicht dazu genötigt
werden, die späteren Spekulationen der griechischen Theologen zu
bestätigen.
Keine Stelle, die scheinbar trinitarisch ist oder für die Präexistenz
spricht, bleibt unwidersprochen. (Dies schließt auch die rätselhaften
Aussagen von Jesus in Johannes 8,58 mit ein, die mit den vielen anderen
parallelen christologischen Feststellungen im Johannesevangelium und im
Rest der Schrift ausbalanciert werden müssen.) Es ist ein wichtiger Punkt
und die Grundlage dieses Buches, dass die Behauptung der Präexistenz
Christi als „Gott, der Sohn“ eine Belastung für die Wirklichkeit seiner
Menschlichkeit im theologischen Denken darstellte, das dieses nicht
ertragen konnte.
xii Vorwort
ließen sich von solchen Straßensperren wie Nizäa oder dem Konzil von
Chalcedon aber nicht abschrecken.
Die selbst zugefügte Wunde der Christenheit versucht weder die
frühen Kirchenkonzile zu überspringen, noch einen Umweg um sie zu
machen. Das Buch begegnet ihnen direkt, betrachtet sie und endet bei den
Verordnungen von Jesus und den Aposteln, die mit größerer Autorität
sprechen. Wenn Jesus offensichtlich kein Trinitarier war, warum sollten
es seine Nachfolger sein?
Leser werden über den Titel des Buches verblüfft sein. Er passt
ausgezeichnet zu der These der Autoren. Soweit das ursprüngliche
jüdische Christentum Jesu und der Apostel betroffen ist, war die Wunde
beinahe tödlich. Das Leben des Patienten wurde durch das Prinzip der
Schrift bewahrt, dass Gott immer Seinen übriggebliebenen Rest an
Menschen hat.
Um es anders auszudrücken (diese Illustration ist von mir und nicht
von den Autoren), das Dogma der Dreieinigkeit war dieser Gifttrank, den
die gnostisch zugeneigten Theologen absichtlich als Getränk wählten,
indem sie den reinen Strom hebräischer Lehre mit dem Gift der
griechischen Philosophie vermischten. Dann zwangen sie die Mixtur ihren
Jüngern auf. Die Strafe im Falle einer Verweigerung sollte die ewige
Verdammnis sein.
Wenn es einen Schlüsseltext für dieses Buch gibt, dann ist es
Johannes 17,3: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, den allein
wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ In
Bezug darauf betonen die Autoren, dass Jesus durch die Zeugung zum
Sohn Gottes wurde und es nicht von Ewigkeit an war (Lukas 1,35). Er
kam en sarki („im Fleisch“) in die Welt, als menschliches Wesen, und
nicht in einen menschlichen Körper (vgl. 1.Joh. 4,2; 2.Joh.7),
Die Dreieinigkeitslehre hat lange mit der Beschuldigung ihren Platz
gehalten, dass Gläubige, die nicht an die Dreieinigkeit glauben, keine
wirklichen Christen sind. Das Athanasianische Glaubensbekenntnis ist
berühmt für seine verdammenden Klauseln. Die Autoren begegnen dieser
Anschuldigung, indem sie aufzeigen, dass „ewiges Leben“ (das Leben im
kommenden Zeitalter) mit der Erkenntnis über den wahren Gott und Jesus
verbunden ist (Joh. 17,3; 1. Tim. 2,4-5). Es sollten die Trinitarier sein, die
sich verteidigen müssen und nicht die biblischen Unitarier. Diese
letztgenannte Gruppe hatte ihre heldenhaften Vertreter und die Autoren
erzählen viel von ihrer wenig bekannten Geschichte.
xiv Vorwort
Dieses Buch ist eine verheerende Anklage des zentralen Dogmas der
geschichtlichen Hauptströmung der Christenheit, dieser Version des
Glaubens, welche - unbekannterweise für viele – von den Konzilen und
deren Glaubensbekenntnissen stammt. Das Christentum wirft sich immer
noch vor dem vergoldeten Thron Konstantins nieder. Sein Dogma hat
tragische und blutige Episoden in der Geschichte hervorgebracht. Etwas
ist schief gelaufen.
Zur gleichen Zeit sind die Botschaft und der Zweck von Die selbst
zugefügte Wunde der Christenheit jedoch positiv. Das Buch verdammt
nicht, sondern versucht, dem Patienten von der schrecklichen Wunde an
seinem kirchlichen Leib zu erzählen und bietet dann den heilenden
Balsam von Jesu eigener verbindender Glaubenslehre an. Das eigentliche
Thema ist der Vorschlag eines Glaubensweges, der genauer mit dem
übereinstimmt, was Jesus über Gott und sich selbst glaubte und lehrte.
Lasst uns beten, dass diese Botschaft nicht unbeachtet bleibt.
Dieses Buch beschäftigt sich mit einer einzigen Frage: Lehrt die
Bibel, dass Gott eine einzige Person ist, der alleinige Schöpfer des
Universums, oder setzt sich die Gottheit aus zwei oder drei
gleichberechtigten Partnern zusammen? Die Autoren anerkannten früher
das vorherrschende Verständnis, Jesus sei gleichberechtigt und gleich-
ewig mit seinem Vater. Wir lehrten diese Ansicht auch zwanzig Jahre
lang. Es ist uns völlig klar, dass es im Neuen Testament Verse gibt, die
anscheinend die traditionelle Lehre der Dreieinigkeit unterstützen. Doch
eine lange Suche in den Schriften und in der Dogmengeschichte brachte
uns zu der festen Meinung, dass die Frage der Trinität auf einer
fragwürdigen Behandlung der biblischen Dokumente beruht. Sie ignoriert
die massiven Beweise für den unitarischen Monotheismus - den Glauben
an Gott als einzelne Person, den Vater Jesu Christi – und beruft sich stark
auf Schlussfolgerungen aus einzelnen, ausgewählten Versen. Sie isoliert
gewisse Texte und vergisst ihren Gesamtzusammenhang in der Schrift.
Biblische Lehren müssen auf Basis der einfachen, unkomplizierten
Texte erstellt werden, die sich direkt auf die Fragestellung beziehen.
Wenn man die Glaubensaussagen der Bibel entsprechend der normalen
Sprachregeln für bare Münze nimmt, so präsentieren sie uns eine Lehre
über Gott, die nicht mit den traditionellen Glaubenssystemen in Einklang
gebracht werden kann. Als wir in die Frage über den biblischen Glauben
eindrangen, wurden wir in unserer Suche durch eine Anzahl
zeitgenössischer Studien bekannter Bibelexperten ermutigt. Viele
Gelehrte räumen nun ein, dass der Trinitarismus nicht in der Bibel
dokumentiert werden kann. Er ist eine heidnische Verzerrung der Bibel,
die in nachbiblischer Zeit aufkam.
2 Einleitung
„Was immer einen fragenden Geist zurückhält, begünstigt den Irrtum und
was diesen fördert, ist der Wahrheit dienlich. Doch sicherlich wird mir darin
zugestimmt, dass nichts eine größere Tendenz hat, einen Geist der Fragestellung
zu behindern, als ein Geist und ein Gefühl der Parteilichkeit. Sobald diese einmal
in den Interessen und in den Neigungen fest verwurzelt sind, wird es selbst für die
stärksten Verstandesargumente extrem schwer, diese zu entfernen.“ 2
1
The Doctrine of the Trinity (Nisbet, 1943), 220,223, Hervorhebung beigefügt.
Das „unitarische“ Verständnis der Natur Gottes, das wir in den folgenden
Kapiteln vorschlagen, sollte nicht mit zeitgenössischer unitarisch universeller
Theologie verwechselt werden.
2
„Terms of Communion“, Works, 1:352, zitiert bei John Wilson in Unitarian
Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies (Boston: American Unitarian
Association, 1848), 156.
Einleitung 3
3
Encyclopedia Britannica, 11th edition, Vol. 23,963.
4 Einleitung
Vielleicht sind Sie, ebenso wie wir es sind, davon überzeugt, die
letztendliche Ironie des fundamentalistischen Christentums im 20.
Jahrhundert, welches so eifrig an der Unfehlbarkeit der Schrift festhält, sei
jene, dass es niemals an die zusammenfassende Aussage Jesu über den
Weg zur Errettung glaubte: „Das aber ist das ewige Leben, dass sie dich,
den allein wahren Gott, und den du gesandt hat, Jesus Christus, erkennen“
(Joh. 17,3). Könnte es sein, dass unsere Generation für die Warnungen
Jesu unempfindlich wurde, der sagte: „Vergeblich aber verehren sie mich,
indem sie als Lehren Menschengebote lehren“ (Mt. 15,9). Sind vielleicht
auch wir unter den Einfluss von Theologen, hauptsächlich aus der
heidnischen Welt des zweiten bis fünften Jahrhunderts, gekommen, deren
griechisch philosophische Hintergründe sie dazu brachten, die hebräische
Denkweise und Theologie, welche das Fundament der apostolischen
christlichen Gemeinde bildete, zu verfälschen?
Indem wir den Schritten derer folgen, die sich einen Unterschied zur
trinitarischen Theologie erlaubten, ist es unsere Absicht aufzuzeigen, dass
weder das Alte noch das Neue Testament eine kräftige Beweisführung für
die Lehre der Trinität, wie sie allgemein im Glauben angenommen wird,
bieten. Wir glauben, dass auch der Leser diese Tatsache durch eine
sorgfältige und offene Untersuchung der heiligen Dokumente feststellen
wird. Es gibt keinen Vers in der Schrift, der behauptet, Gott sei „drei“.
Kein authentischer Vers nimmt in Anspruch, der Eine Gott bestehe aus
drei Personen, drei Geistern, drei göttlichen, unendlichen Wesen oder drei
„Irgendetwas“. Es kann kein Vers oder Wort der Bibel mit der Bedeutung
von „Gott in drei Personen“ gefunden werden. Jede Behauptung, es gebe
Drei, welche die Gottheit ausmachen, muss auf Überlagerung und nicht
auf einfache Aussagen zurückgeführt werden. Das trinitarische Konzept
gründet sich auf intellektueller und oftmals verdrehter Logik, die in den
ersten christlichen Schriften keine Unterstützung findet. Es ist unser
Eindruck, dass sich die meisten Trinitarier dem Neuen Testament nähern,
als wäre es ein Dokument, das ohne Umweg direkt zum Trinitarismus
führt. Sie übersehen die grundlegende Tatsache, dass von keinem
neutestamentlichen Schreiber jemals gezeigt werden kann, er habe den
„dreieinen Gott“ gemeint, wenn er „Gott“ sagte. Dann durchstöbern sie
die Dokumente nach Hinweisen, dass die Apostel das Material für die
spätere Schöpfung der Trinitätslehre bereitstellten. Die Tatsache, dass
keiner von ihnen beim Trinitarismus ankommt, scheint sie nicht
abzuschrecken.
Einleitung 5
4
C.B. Sanford, The Religious Life of Thomas Jefferson (University Press of
Virginia, 1987), 88.
6 Einleitung
verlangen, diese Lehre, die niemals beim Namen genannt wird und auch,
wie sogar Trinitarier zugeben, niemals auf den Seiten des Neuen
Testaments diskutiert wird, „im Glauben“ anzunehmen? Sollten wir nicht
an wenigstens einer Stelle der Schrift eine präzise, klare Formulierung der
erstaunlichen Vorstellung, dass Gott „Einer in Drei“ ist, erwarten?
Wenn unsere Vermutung gut begründet ist, dann könnte das heutige
Christentum unwissentlich im Widerspruch zu seinem Begründer, Jesus,
dem Messias, stehen. Der Glaube, so wie wir ihn kennen, scheint eine
Lehre über Gott angenommen zu haben, die Jesus nicht gekannt hatte.
Die Kirchengeschichte zeigt uns, dass die Vorstellung von sogar nur
zwei gleichwertigen Personen in der Gottheit – Vater und Sohn – keine
offizielle Zustimmung in der christlichen Gemeinschaft bis dreihundert
Jahre nach dem Wirken Jesu, bis zum Konzil von Nizäa im Jahre 325 fand
und das nur unter Umständen, die von politischer Agitation beeinflusst
waren. Das, was im vierten und fünften Jahrhundert als Wahrheit
angesehen wurde, müsste doch auch im ersten Jahrhundert wahr gewesen
sein. Wenn Jesus im ersten Jahrhundert als Gott eingestuft worden wäre,
wieso brauchte die Kirche dann so lange, um formell die Gottheit von
zwei - und später von drei – Personen zu bestätigen und selbst dann nur
unter massivem politischen Druck? Dem Konzil von Nizäa folgend
starben Tausende von Christen durch die Hand anderer Christen, weil sie
aufrichtig glaubten, Gott sei nur eine einzige Person.
Das trinitarische Dogma ist eines der größten Rätsel unserer Zeit. Die
Tatsache, dass es sowohl die Logik als auch die verstandesmäßige
Erklärung vermisst, scheint das Verlangen der Trinitarier, diese komplexe
theologische Formel ohne Rücksicht auf die Kosten zu verteidigen, nicht
zu vermindern. Wir wundern uns über die Aufregung, die entsteht, wenn
die Trinität in Frage gestellt wird. Das scheint auf einen Mangel an
Vertrauen auf das zu deuten, was von praktisch allen christlichen Leitern
als unbestreitbare „Parteilinie“ angesehen wird. Das allgemeine
Brandmarken der Gegner als Ungläubige trägt nichts zu unserer
Beruhigung bei.
Die Akzeptanz einer religiösen Idee von Seiten der überwältigenden
Mehrheit bestätigt und erklärt die Wahrheit dieser aber keinesfalls als
rechtsgültig. Ist die Erde flach oder das Zentrum unseres Sonnensystems?
Die gesamte Christenheit war einst dazu aufgefordert, diesen
Glaubensartikel anzunehmen und die Strafe für Unglauben war groß.
Trotzdem war es eine falsche Lehre.
Einleitung 7
5
Eine noch andere Ansicht Gottes gibt es in der United Pentecostal Church. Ihre
„Einheitsvorstellung“ der Gottheit ist, dass Gott und Jesus dieselbe Person sind.
8 Einleitung
In unserer Untersuchung der Trinität benutzten wir die Bibel und die
aufgezeichnete Geschichte als unsere Quellen. Die verschiedenen
Kontroversen, ob die Bibel das offenbarte Wort Gottes ist oder nicht, sind
für uns ohne Bedeutung. Wir ignorieren die Anklage, die Bibel sei
überholt und für die moderne Gesellschaft nicht länger relevant. Unsere
primäre Frage ist: Was bedeuteten die Worte Jesu und die der Apostel für
die Gläubigen, welche die erste Gemeinde formten? Wenn die christliche
Religion auf die Aussagen der Bibel begründet ist, dann muss die Bibel
unsere Quelle für den authentischen christlichen Glauben sein.
Natürlich stellen wir die Aufrichtigkeit des trinitarischen Glaubens
nicht in Frage. Dennoch beharren wir darauf, dass die Aufrichtigkeit den
Glauben nicht zur Wahrheit macht. Wir unterschätzen auch nicht die
außergewöhnliche Macht der Tradition in der Formung theologischer
Überzeugungen und die fast grenzenlose Kapazität der Religionslehrer, zu
glauben, ihre Lehre werde durch die Autorität der Schrift bestärkt.
Der Zweck dieses Buches ist eine Hilfestellung, um die Barrieren,
welche durch die Zeit und die Tradition zwischen uns und der von Jesus
gegründeten Gemeinde des ersten Jahrhunderts errichtet wurden, zu
durchbrechen. Wir sind überzeugt, dass unter dem Einfluss der
griechischen Philosophie eine neue Gottesvorstellung entstand und sich
selbst in den ursprünglichen Glauben einbrachte. Wir denken, dies war ein
Fehler und keine legitime kulturelle Entwicklung.
Wir schulden den vielen Gelehrten, die halfen, die ursprüngliche
Bedeutung der biblischen Worte in ihrer ursprünglichen Umgebung klar
zu machen, großen Dank. Wir sind reich durch ihre lebenslangen Studien
auf diesem so wichtigen Gebiet. Durch diese Ausleger, die uns erklären,
was ein Text bedeutet und nicht, was er bedeuten soll, wurden wir sehr
ermutigt. Von der Methode Alexander Reeses sind wir sehr beeindruckt,
der sich bei der Suche der Wahrheit in einer anderen Frage „den großen
Exegeten näherte......und vertraute, der durchschnittlich gebildete Leser
sehe ein, dass eine natürliche Interpretation, die von herausragenden
Gelehrten unterstützt wird, einer verwunderlichen, durch Dogmatik und
den Erfordernissen des Systems gedeckten, vorzuziehen ist.“6
Wir liehen uns Ideen aus dem Schatz vieler Autoren der
Vergangenheit und Gegenwart, doch ohne zu versäumen, ihnen in allen
Fällen die Ehre zu geben. Ihre Werke scheinen in der Liste der
6
The Approaching Advent of Christ (Grand Rapids: International Publications,
Neuauflage 1975), xii.
Einleitung 9
7
Augustinus, On the Trinity, Book V, Kap. 9
Einleitung 11
gleichwertige „Götter“, weil das der einzige Weg ist, wie sie sich drei
verschiedene Personen, die alle Gott genannt werden, vorstellen können.
Wir beginnen, indem wir die entscheidendste Frage stellen, die von
jedem Christen beantwortet werden muss, der in Anspruch nimmt, dass
die Bibel das maßgebliche Wort des Höchsten Wesens ist: Was meinte der
Begründer des Christentums, wenn er den Vater ansprach und sagte:
„Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und
den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“? (Joh. 17,3)
1. DER GOTT DER JUDEN
„…wir beten an, was wir kennen, denn das Heil ist aus den Juden“ –
Jesus Christus
Einen Gottes mit Seinem erwählten Volk, Israel. Darüber hinaus sagten
die heiligen Schriften eine glorreiche Zukunft für die Nation und die Welt
voraus, einen Tag, an dem jeder auf Erden den einen wahren Gott Israels
erkennen und Ihm dienen wird (Sach. 14,9).
Jesus wurde in diese äußerst verpflichtete und ausgeprägte religiöse
Gesellschaft hinein geboren. Die Ursprünge der Hingabe dieser gläubigen
Gemeinschaft an den Monotheismus waren in dem Bündnis mit Abraham,
dem Vater der Gläubigen, verwurzelt. Das Hauptthema des Judentums,
dass Gott nur ein Herr ist, wurde dem Volk von Mose mit Sorgfalt und
Mühe eingeprägt. Später dann hatten sich einige vom Glauben abgefallene
Israeliten dem Glauben an die Götter ihrer heidnischen Nachbarn
zugewandt. Die Repräsentanten dieser mächtigen alten Gottheiten
widmeten sich dann auch der Tempelprostitution, der Kinderverbrennung
vor dem Gott Moloch und der Verstümmelung ihrer Körper – um einige
der bekannteren Riten zu erwähnen.
Der in den ersten fünf Büchern von Israels alter Literatur
aufgezeichnete Bericht beschreibt eine Nation, die von Gott auserwählt
wurde, von der polytheistischen Welt getrennt zu sein. Durch einen
mächtigen göttlichen Eingriff, zuerst bei der Berufung Abrahams und
später beim Auszug aus Ägypten, wurde die gesamte Nation mit einem
Wesen bekannt gemacht, das nicht nur für sich beanspruchte, der einzige
Schöpfer von allem, was existierte, zu sein, sondern auch der einzige
wahre Gott, den es gab. Seine Botschaft an Sein Volk Israel kannte nicht
ihresgleichen. Durch Mose verkündete Er: „Euch aber hat der HERR
genommen und euch herausgeführt aus dem eisernen Schmelzofen, aus
Ägypten, damit ihr das Volk seines Erbes wäret, so wie es heute ist. ... Du
hast es zu sehen bekommen, damit du erkennst, daß der HERR der
alleinige Gott ist.“ (5. Mo. 4, 20, 35).
Es steht fest, dass die Nation Israel, der diese großartigen
Verkündigungen über die Gottheit zuteil wurden, nichts über eine Dualität
oder Trinität der Personen in der Gottheit wusste. Keine Tatsache kann
mit größerer Bestimmtheit etabliert werden, wenn man einmal ihre
nationale Literatur als Leitfaden nimmt und wenn Sprache überhaupt eine
feste Bedeutung hat.
Eine Sache ist unbestreitbar: Die Israel umgebenden Nationen hatten
keinerlei falsche Vorstellungen über Israels Glauben an nur Einen Gott.
Dieses Glaubensbekenntnis war teilweise dafür verantwortlich, dass die
religiösen Juden über Jahrhunderte verfolgt wurden, weil sie sich
weigerten, irgend ein anderes Objekt zur Anbetung zu akzeptieren außer
Der Gott der Juden 15
ihrem Einen Gott. Die Kreuzritter, jene christlichen Krieger des 11.
Jahrhunderts, vertrieben mit Vorliebe die „ungläubigen“,
monotheistischen Moslems aus dem Heiligen Land. Ihr Übereifer
verleitete sie in gleicher Weise dazu, viele hilflose europäische Juden in
einer Stadt nach der andern zu vernichten. Drei Jahrhunderte später
konnte weder ein unitarischer Jude oder Christ noch ein trinitarischer
Protestant die Verfolgung durch die Spanische Inquisition überleben, ohne
seinen religiösen Glauben aufzugeben und den Römischen Katholizismus
anzunehmen oder aber in einen weniger feindseligen Teil der Welt zu
fliehen. Es mag für viele ein Schock sein, aber Tausende von Christen, die
ebenfalls an den Ein-Personen-Gott der Juden glaubten, waren ebenso nur
durch Flucht in der Lage, dem gleichen grausamen Schicksals von Seiten
der Kirche zu entkommen.
Der Glaube an einen Ein-Personen-Gott vermittelte Israel eine
Weltanschauung, die es von allen anderen Philosophien, Religionen,
Kulturen und Nationen trennte. Es hält an diesem besonderen Verständnis
Gottes bis auf den heutigen Tag fest. Im Gegensatz dazu hält die breite
Masse der Christenheit an der Vorstellung eines Drei-Personen-Gottes in
der Trinität (Vater, Sohn und Heiliger Geist) fest, und eine Minderheit
beansprucht, an einen Zwei-Personen-Gott (Vater und „Wort“)2 zu
glauben, bei dem beide Personen seit Ewigkeit existieren. Orientalische
Religionen gestehen mehr als einen Gott ein, oder zumindest persönliche
Zwischenwesen zwischen dem obersten Gott und der Schöpfung, so wie
es in weiten Teilen der griechischen Welt der Fall war, von der die frühe
christliche Gemeinde kurz nach dem Tod ihres Gründers, Jesus, des
Messias, beeinflusst wurde. Viele finden heute ihre theologischen
Wurzeln in dem orientalischen Konzept vieler Götter - dem
Glaubensbekenntnis etwa, dass wir alle Gott sind, und lediglich auf unsere
Selbstentdeckung warten, und, ein wenig konfus, dass alles Gott ist. Es ist
schwer, nicht zu beobachten, dass religiöse Anarchie unweigerlich dann
folgt, wenn jede Person in ihrem eigenen Recht ein Gott ist und ihr
eigenes Glaubensbekenntnis und den eigenen Wandel bestimmt.
Um die Einzahl Gottes gegenüber der Nation Israel zu betonen, so
dass keine Chance eines Fehlers oder Missverständnisses bestand,
wiederholte Gott durch Mose: „So erkenne denn heute und nimm dir zu
Herzen, dass der HERR der alleinige Gott ist im Himmel oben und auf der
Erde unten, keiner sonst.“ (5.Mo. 4,39). Aufgrund der Stärke dieses
2
Die World Wide Church of God, gegründet von Herbert Armstrong, hatte diese
“binitäre” Ansicht. Lehrmäßige Veränderungen fanden im Jahre 1995 statt.
16 Der Gott der Juden
Textes und vieler ähnlicher können wir völlig mit der jüdischen Hingabe
an den Ein-Personen-Gott mitfühlen. Diese Aussage scheint ein Zeugnis
gegen jede Möglichkeit einer Fehlinterpretation zu sein. Die Juden
verstanden „ein“ als „ein“ und hatten niemals einen Zweifel bezüglich des
Ausdrucks „und keiner sonst“. Ein führender zeitgenössischer jüdischer
Sprecher, Pinchas Lapide, betont die Beständigkeit, mit der Juden das
Herzstück ihres Glaubens bewachen.
3
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine (Philadelphia, Fortress
Press, 1981), 27.
Der Gott der Juden 17
4
Der Gott, der dem Juden Paulus bekannt war, wurde von ihm sehr prägnant in
Gal. 3,10 (hier in den Worten der Amplified Translation of the New Testament)
beschrieben: „Gott ist (nur) eine Person“.
18 Der Gott der Juden
persönlich und zugänglich - ein Gott zum Lieben, von dem es hieß: „Und
der HERR redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann
mit seinem Freunde redet" (2.Mo. 33,11). Er war eine Person, mit der
David Umgang hatte: „Mein Herz erinnert dich: ‚Suchet mein Angesicht!‘
Dein Angesicht, HERR suche ich“ (Ps. 27,8). Beim Auszug wussten die
Juden, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine ganze Nation in einen
innigen Kontakt mit dem Schöpfer, Gott, mittels Seines eingesetzten
Repräsentanten gebracht wurde. Dieses unvergleichliche Ereignis wurde
für immer in das nationale Bewusstsein eingebettet. Die Götter der sie
umgebenden Welt sollten von der Anbetung ausgeschlossen werden. Es
ist tragisch, aber manchmal wurde Israel durch abergläubische Ängste und
das Verlangen versucht, so wie die anderen Nationen zu sein und die
vielfachen Götter des Heidentums anzunehmen. Dafür mussten sie
schlimm leiden. Kurz nach ihrer Flucht aus Ägypten bauten sie ein
goldenes Kalb als Objekt für ihre Anbetung, was sie sehr teuer zu stehen
kam.
Das Volk musste stetig an sein einzigartiges Glaubensbekenntnis
erinnert werden: „Höre, Israel, der HERR, unser Gott, ist ein HERR“
(5.Mo. 6,4). Durch den Propheten Jesaja wurde Israel wiederum an seine
nationale Identität erinnert: „Ihr aber seid meine Zeugen, spricht der
HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr erkennt und mir
glaubt und einseht, dass ich es bin. Vor mir wurde kein Gott gebildet, und
nach mir wird keiner sein“ (Jes. 43,10). Theologien, die ihren Anhängern
verheißen, dass sie eines Tages „Gott“ sein werden, scheinen nicht das
exklusive Vorrecht erkannt zu haben, welches der eine für sich in
Anspruch nimmt, der darauf besteht, dass weder vor ihm ein Gott gemacht
wurde, noch einer nach ihm kommen wird!
Jesajas fortgesetzte Betonung der Einzahl Gottes ist deutlich und klar.
Er zitiert Gott mit den Worten: „Ich bin der Erste, und bin der Letzte, und
außer mir gibt es keinen Gott“ (Jes. 44,6). Die Frage wird wiederholt:
„Gibt es einen Gott außer mir? Es gibt keinen Fels, ich kenne keinen.“
(Jes. 44,8). Dieser exklusive Anspruch war ein integraler Bestandteil der
religiösen Unterweisung, mit der Jesus aufwuchs. Es war ein
Glaubensbekenntnis, welches er mit allen anderen jungen Juden teilte.
Seine während seines öffentlichen Wirkens wiederholten Zitate aus dem
Propheten Jesaja, und in der Tat aus dem gesamten Alten Testament,
demonstrieren, wie bedeutsam seine Theologie von den hebräischen
Schriften geprägt worden war. Der Gott, dem Jesus diente, hatte sich
selbst als eine einzige Person bezeichnet und niemals als drei.
Der Gott der Juden 19
Wir sollten von der Hartnäckigkeit nicht überrascht sein, mit der die
Juden das Konzept von einem einzigen und einzigartigen Schöpfer, Gott,
bewahrten. Ihre Beharrlichkeit wurde durch Jesajas fortwährende
Wiederholung der allerwichtigsten religiösen Tatsache ermutigt. Der
Prophet spricht erneut von Israels Gott: „So spricht der HERR, dein
Erlöser und der dich vom Mutterleib an bereitet hat: Ich, der HERR, bin
es, der alles wirkt, der die Himmel ausspannte, ich allein, der die Erde
ausbreitete - wer war da bei mir? (Jes. 44,24). Nur wenige Feststellungen
könnten besser geplant sein, um für immer die Idee aus dem jüdischen
Sinn zu verbannen, dass mehr als eine Person für die Schöpfung
verantwortlich war.
Die Betonung wird noch auffälliger, wenn der gleiche Schreiber in
sieben unterschiedlichen Versen im 45. Kapitel seines Buches Folgendes
berichtet: „Ich bin der HERR, und sonst keiner; es gibt keinen Gott außer
mir“ (Jes. 45,5). Diese Aussagen waren geplant, in Israels Sinn für immer
die Idee zu verankern, dass Gott nur einer ist. Der gleiche Eine Gott
verkündete weiterhin durch Jesaja: „Ich habe die Erde gemacht und den
Menschen auf ihr geschaffen“ (Jes. 45,12).
Es ist eine weit verbreitete Lehre, dass der eine, der dann zu Jesus
werden sollte, der Sohn Gottes des Neuen Testaments, für die Schöpfung
verantwortlich gewesen sein soll. Wie konnte eine solche Idee auf der
Grundlage dessen, was wir gerade gelesen haben, überhaupt aufkommen?
Verhindern nicht die Schriften des Jesaja, dass ein solcher Gedanke in
einem jüdischen Sinn aufkommt? „Ja, bei dir ist Gott. Es gibt keinen
sonst, keinen Gott.“ (Jes. 45,14). Und wiederum: „Denn so spricht der
HERR, der die Himmel geschaffen hat - er ist Gott - der die Erde gebildet
und sie gemacht hat – er hat sie gegründet, nicht als eine Öde hat er sie
geschaffen, sondern zum Bewohnen hat er sie gebildet: Ich bin der HERR,
und sonst gibt es keinen Gott (Jes. 45,18).
Zwei weitere Stellen forderten Israel zu einer treuen Hinwendung an
den Einen Gott: „Berichtet und bringt Beweise herbei! Ja, sollen sie sich
miteinander beraten! Wer hat dies von alters her hören lassen, schon
längst es verkündet? Nicht ich, der HERR! Und sonst gibt es keinen Gott
außer mir. Einen gerechten und rettenden Gott gibt es nicht außer mir.
Wendet euch zu mir und lasst euch retten, alle ihr Enden der Erde! Denn
ich bin Gott und keiner sonst“ (Jes. 45,21-22). Einige haben den Gebrauch
des Wortes „Heiland“ („rettender Gott“) in dieser Stelle mit den vielen
Stellen verwechselt, in denen das gleiche Wort für Jesus, den Messias,
verwendet wird. Er wird im Neuen Testament ganz offensichtlich auch als
20 Der Gott der Juden
5
Richter 3,9.15, wo das Wort „Erlöser“ an anderen Stellen als „Heiland“
wiedergegeben wird.
6
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine, 31.
Der Gott der Juden 21
mir kennst du nicht, und es gibt keinen anderen Retter als mich“ (Hos.
13,4). Auch war der einzigartige Status des Einen Gottes nicht auf jene
frühen Tage beschränkt. Wir erhalten den klaren Eindruck durch den
Propheten Joel, der von einem zukünftigen Israel nach der Erlangung der
verheißenen Größe spricht, dass die Nation auch weiterhin und für ewig
an den Einen Gott gebunden sein wird. „Und ihr werdet erkennen, dass
ich in Israels Mitte bin, und daß ich, der HERR, euer Gott bin, und keiner
sonst. Und mein Volk soll nie mehr zuschanden werden.“ (Joel 2,27). Joel
teilt uns mit, dass was und wer auch immer der Gott der Juden im Alten
Testament war, auch ihr Gott in Ewigkeit sein würde.
Der jüdische Sinn war davon überzeugt, dass der Eine Gott, der
Schöpfer, auch der Vater der Nation war. So berichtet der Prophet
Maleachi: „Haben wir nicht alle einen Vater? Hat nicht ein Gott uns
geschaffen? Warum handeln wir treulos aneinander, um den Bund unserer
Väter zu entweihen?“ (Mal 2,10).7 Nichts könnte deutlicher sein, als dass
der Eine Gott des jüdischen Monotheismus, auf den das Erbe Jesu
gründete, der Vater war. Dieses einzigartige Wesen wird im Neuen
Testament sehr oft als „Gott und Vater“ beschrieben. Er ist wahrlich der
„Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“8, Seines Sohnes. Überaus
wichtig ist die Tatsache, dass Jesus selbst als „Herr“ auch weiterhin
seinem Gott untergeordnet ist. Der messianische Titel „Herr“ bedeutet
also nicht, dass Jesus Gott ist.
7
Siehe auch 1.Chronik 29,10, wo der Gott Israels auch „unser Vater“ ist.
8
Rö.15,6; 2. Kor. 1,3; 11,31; 1. Pet 1,3
9
Man vgl. 1. Könige 22,19-22 und beachte dabei die kraftvolle Aussage des
trinitarischen Kommentators G.I. Wenham: „Christen haben traditionell diesen
Vers (1.Mo. 1,26) so betrachtet, als weise er voraus (schattenhaft) auf die Trinität.
22 Der Gott der Juden
die neben dem Einen Gott anwesend waren und die selbst dereinst im
Bilde Gottes geschaffen worden waren und die Zeugen der Schöpfung des
Universums waren (vgl. Hiob 38,7). Es ist schon eine phantasiereiche
Vorstellung, dass dieser Vers die Idee unterstütze, Gott habe zu Seinem
Sohn und dem Heiligen Geist geredet. Wo spricht Gott je in der Schrift zu
Seinem eigenen Geist? Der Text sagt absolut nichts aus über einen ewigen
Sohn Gottes, das zweite Glied einer gleichwertigen Trinität. Außerdem
weist das „uns“ im Text in keiner Weise darauf hin, dass zwei andere
gleichwertige Partner Teil der Gottheit sind. Wenn Gott eine einzige
Person ist, so bedeutet die Verwendung des Wortes „uns“, dass er jemand
anderen als sich selbst anspricht, also jemand anderen als Gott.
Ein Hebräischlexikon für die Bibel bestätigt, dass das Wort elohim
(Gott) kein „uniplurales“ Wort ist, wobei zwei oder mehr Personen die
Gottheit ausmachen (oder, wie einige dachten, die „Gott-Familie“). Die
Besonderheiten einer jeden Sprache müssen beachtet werden, wenn wir
ein rechtes Verständnis ihrer Bedeutung erlangen wollen. Das, so werden
wir entdecken, ist unverzichtbar auf unserer Suche nach einem wahren
Verständnis.
Die anerkannten Tatsachen der hebräischen Sprache werden kein
Argument für vielfache Personen in der Gottheit stützen. Wir beachten,
was die Gesenius‘ Hebrew Grammar, eine anerkannte Autorität,
bezüglich des Wortes elohim zu sagen hat:
Es wird aber nun allgemein eingestanden, dass dies nicht das war, was das Plural
„uns“ für den ursprünglichen Autor bedeutete“ (Genesis 1–15, Word Biblical
Commentary, Hrsg. Donald A. Hubbard and Glenn W. Barker, Waco, TX: Word
Books, 1987, 27). Man vgl. auch die Anmerkung in der NIV Study Bible (Grand
Rapids: Zondervan, 1985), 7: „Gott spricht als der Schöpfer und König, und
verkündet sein krönendes Werk den Mitgliedern seines himmlischen Hofstaates
(siehe 3,22; 11,7; Jes. 6,8; siehe auch 1. Kö. 22,19-21; Hiob 15.8; Jer. 23,18)“
10
Gesenius‘ Hebrew Grammar, Hrsg. E. Kautzsch (Oxford: Clarendon Press,
1910) 398,399. Vgl. auch die Standardautorität, Hebrew and English Lexicon for
the Old Testament, by Brown, Driver, and Briggs (Oxford: Clarendon Press,
1968) 43,44. Gesenius führt viele Beispiele von hebräischen Wörtern mit
Der Gott der Juden 23
Wir müssen die Tatsache respektieren, dass die Vertrautheit der Juden
mit ihrer eigenen Sprache sie nie dazu geleitet hatte zu schließen, dass
eine Pluralität der Personen in der Gottheit in diesem Kapitel über die
Schöpfung in 1. Mose auch nur angedeutet wird. Falls wir meinen, die
Juden hätten etwas in ihrer eigenen Bibel übersehen, sollten wir beachten,
dass in den nachfolgenden Versen (Verse 27-31) immer das Fürwort im
Singular mit dem Wort „Gott“ benutzt wird: „in seinem [nicht in ihrem]
Bilde, im Bilde Gottes schuf er [nicht schufen sie] sie“ (Verse 27). Man
wäre schon in Bedrängnis, wenn man aus diesem Vers, in dem das für
Gott benutzte Fürwort (seinem) im Singular steht, schließen müsste, dass
eine Mehrzahl von Wesen gemeint sei. Man beachte weiterhin: „...Siehe,
ich [nicht „wir“] habe euch gegeben alles samenbringende Kraut, ... Und
Gott sah alles, was er [nicht „sie“] gemacht hatte, und siehe, es war sehr
gut (Verse 29, 31).11
Eine Studie des hebräischen Wortes für Gott (elohim) gibt keine
Unterstützung für die sich hartnäckig haltende Idee, dass „Gott“ in 1. Mo.
1,1 sowohl Gott, den Vater, wie auch Seinen Sohn und Seinen Geist
einschließt. Wir sollten dabei nicht die offensichtlichen Probleme einer
solchen Interpretation übersehen. Wenn elohim in diesem Text mehr als
eine Person einschließt, wie will man dann erklären, dass das gleiche
Wort, elohim, für Mose benutzt wird: „Und der HERR sprach zu Mose:
Siehe, ich habe dich für den Pharao zum Gott [elohim] eingesetzt, und
dein Bruder Aaron soll dein Prophet sein“ (2.Mo. 7,1)? Sicher würde
niemand eine Pluralität für die eine Person Moses beanspruchen. Der eine
heidnische Gott Dagon wird als elohim (Gott) bezeichnet: „Und als die
Leute von Aschdod sahen, dass es so zuging, sprachen sie: Die Lade des
Gottes [elohim] Israels soll nicht bei uns bleiben; denn seine Hand liegt
hart auf uns und auf unserem Gott [elohim] Dagon“ (1. Sam. 5,7). In
ähnlicher Weise wird elohim benutzt, um den Gott der Amoriter zu
beschreiben: „Wen Kemosch, dein Gott [elohim], vor dir vertreibt, dessen
Land nimmst du in Besitz“ (Ri. 11,24). Außerdem wird auch der Messias
selbst als elohim bezeichnet.(Ps. 45,6, Hebr.1,8). Niemand würde
behaupten wollen, der Messias sei mehr als eine einzige Person.
Aus diesen Beweisen schließen wir, dass die Juden, in deren Sprache
das Alte Testament aufgezeichnet ist, das Wort elohim bei der
Beschreibung des wahren Gottes nicht in der Bedeutung von mehr als
einer Person benutzten. Diejenigen, die versuchen, die Trinität oder
Binität in 1. Mo. 1,26 oder in das Wort elohim hinein zu lesen,
beschäftigen sich mit einer gezwungenen Interpretation. Elohim ist Plural
in der Form, aber Singular in der Bedeutung. Wenn es von dem Einen
Gott handelt, folgt immer ein Verb im Singular. Niemand vor dem 12.
Jahrhundert stellte sich vor, dass eine Pluralität in der Gottheit in
irgendeiner Weise durch den hebräischen Titel für Gott angezeigt werde.
Selbst viele Trinitarier haben seit langem aufgehört, aus 1. Mo. 1,1 oder 1.
Mo. 1,26 Argumente für die Trinität abzuleiten.
Es ist dann durchaus vernünftig, Trinitarier, die sagen, Elohim sei ein
tatsächlicher Plural, zu fragen: Warum reden sie dann nicht von
„Göttern“? Im Deutschen ist „Götter“ der Plural von „Gott“, und wenn
das Plural-Fürwort „uns“ in 1.Mose 1,26 eine Pluralität der Gottheit
umschreibt, dann sollte die Gottheit auch regelmäßig und durchgehend im
Plural beschrieben werden. Darüber sind Trinitarier gar nicht glücklich,
denn es zeigt auf, dass ihre Ideen bezüglich der Gottheit die Regeln
sowohl von Sprache als auch von Logik missachten. Wenn Gott wirklich
im Plural besteht, warum sollten wir dann nicht den Eröffnungsvers der
Schöpfungsgeschichte in 1. Mo. 1,1 folgendermaßen übersetzen: „Am
Anfang schufen Götter....“. Der latente Polytheismus in vielen
trinitarischen Gedanken würde klar aufgedeckt werden.
12
Robert Money, The Trinity: Evidence and Issues (World Publishing, 1996).
13
Theological Dictionary of the Old Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 1974),
1:194.
14
Morey, 88.
26 Der Gott der Juden
Früh in 1.Mose lernen wir von Mann und Frau, dass „sie ein Fleisch
sein werden” (1.Mo. 2,24). Das Wort „ein“ bedeutet hier genau „ein“ und
nicht mehr (ein Fleisch, und nicht zwei „Fleische”!). Eine Rebe voll
Trauben ist genau das - eine Rebe, nicht zwei. Wenn es also von Gott
heißt, dass er „ein Herr“ ist (5.Mo. 6,4; Mk. 12,29), dann ist Er ein
einzelner Herr und nicht mehr.
Man stelle sich vor, jemand behaupte, das Wort „ein” würde in dem
Ausdruck „ein Stativ“ ein „zusammengesetztes ein” bedeuten. Nehmen
wir an, jemand denkt, dass bei dem einen Land „Vereinigte Staaten von
Amerika“ das „eine“ eigentlich von der Bedeutung her Plural sei. Die
scheinbar einleuchtende Überlegung ist klar: die Idee einer Pluralität
kommt jeweils durch die Substantive „Stativ“ (mit seinen drei Beinen),
die Vereinigten „Staaten”, nicht aber von dem Wort „ein“. Es ist ein
Täuschungsmanöver, die Pluralität, die dem nachfolgenden Substantiv
angehört, auf das Wort „ein” zu legen. Das wäre etwa so, als ob man sage
„ein“ bedeute wirklich „eintausend“, wenn es in dem Ausdruck „ein
Tausendfüßler“ benutzt wird!
Unser Punkt kann anhand eines jeden biblischen Hebräischlexikons
bestätigt werden. Das Lexikon von Koehler und Baumgartner gibt als
grundlegende Bedeutung für echad „ein Einzelner“ an.15 Als die
Kundschafter mit ihrem Beweis der Fruchtbarkeit des verheißenen Landes
zurückkamen, trugen sie bei sich „eine einzelne [echad] Weintraube” (4.
Mo. 13,23). Echad wird oft wiedergegeben als „ein einzelner“ oder „nur
einer“.16 Daher bezeugt uns der Text (wie auch die vielen für Gott
benutzten Fürwörter im Singular), wenn wir nun zur Angelegenheit von
Israels Glaubensbekenntnis kommen, dass Israels oberster Herr „ein
einzelner Herr“, „nur ein Herr“ ist.
Es war notwendig, auf diesen Punkt so umfassend einzugehen, weil
die neueren Verteidigungen für die Trinität die erstaunliche Behauptung
aufstellen, dass echad immer eine „zusammengesetzte Einheit“ impliziere.
Der Autor baut dann seinen Fall für einen Multi-Personen-Gott auf dem
auf, was er für ein sicheres Fundament in der hebräischen Bibel hält. Die
sprachliche Tatsache aber ist, dass echad nie eine „zusammengesetzte
Einheit” anzeigt, sondern immer strikt „einen Einzelnen”. Die Tatsache,
dass „viele Wasser an einen [echad] Ort gesammelt wurden” (1.Mo. 1,9),
15
Hebrew and Aramaic Lexicon of the Old Testament (Leiden: E.J. Brill, 1967).
16
Vgl. 2.Mo. 10,19, „eine einzelne Heuschrecke”; 2.Mo. 33,5, „nur einen
Augenblick ”; 5.Mo. 19,15 „ein einzelner Zeuge” usw.
Der Gott der Juden 27
„Noch schwächer (als das Argument bezüglich Elohim) ist das Argument,
dass das hebräische Wort für ‚einer‘ (echad) in dem Shema (‚Höre, o Israel, der
Herr unser Gott ist ein Herr‘) sich auf einen vereinigten Einen und nicht auf
Einen im absoluten Sinn bezieht. Von daher haben einige Trinitarier
argumentiert, das Alte Testament habe eine Vorstellung einer vereinten Gottheit.
Es ist selbstverständlich wahr, dass das Wort in manchen Zusammenhängen eine
vereinte Pluralität kennzeichnen kann (z.B. 1.Mo. 2,24, ‚sie sollen ein Fleisch
sein‘). Das aber beweist eigentlich gar nichts. Eine Untersuchung des Gebrauchs
im Alten Testament offenbart uns, dass das Wort echad genauso verschiedene
Bedeutungen haben kann wie etwa unser deutsches Wort ‚einer‘. Der Kontext
muss jeweils entscheiden, ob eine numerische oder eine vereinte Einzigartigkeit
beabsichtigt ist.“18
Manchmal wird vorgebracht, dass Gott als yachid, d.h. als „allein-
stehend, isoliert, der eine Einzige“ beschrieben worden wäre, wenn es nur
eine Person in der Gottheit gäbe. Der Gebrauch von echad („ein
Einzelner”) genügt jedoch völlig, um anzuzeigen, dass die Gottheit
lediglich die Eine Person umfasst. Yachid ist seltenes biblisches
Hebräisch. Es hat in der Bibel die Bedeutung von „Geliebter”,
„eingeboren” oder „einsam”, und wäre als Beschreibung der Gottheit
17
Allein in 1.Mo. 1 - 2 haben wir Beispiele für „ein Tag, ein Ort, eine seiner
Rippen, einer von uns“. Wenn „uns” dann nach trinitarischer Theorie eine
dreieinige Gottheit bedeutet, würde „ein” dann vermutlich bedeuten „ein
einzelnes Mitglied dieser drei“.
18
Gregory Boyd, Oneness Pentecostals and the Trinity (Baker Book House,
1995), 47, 48. Es ist streng genommen nicht wahr, dass echad eine vereinte
Pluralität kennzeichnet. Es kann auch ein zusammengesetztes Substantiv
bezeichnen.
28 Der Gott der Juden
ungeeignet.19 Es gibt ein anderes hebräisches Wort, bad, „alleine, für sich
allein, isoliert“, welches tatsächlich den Einen Gott umschreibt. 5.Mo.
4,35 stellt fest: „… dass Jahwe Gott ist, keiner sonst außer ihm.“ Die
absolute Einzahl des Einen Gottes wird ähnlich betont, wenn er
angesprochen wird mit: „Du bist, der da ist, Jahwe, du allein“ (Neh. 9,6),
„Jahwe, Gott Israels, der du zwischen den Cherubim thronst, du allein bist
es, der Gott ist von allen Königreichen der Erde; du hast den Himmel und
die Erde gemacht“ (2.Kö. 19,15), „Denn groß bist du und Wunder tuend,
du bist Gott, du allein“ (Ps 86,10) Der Eine Gott Israels ist eine einzige
Person; konkurrenzlos und in einer Klasse für sich. Er ist Einer, mit all der
mathematischen Schlichtheit, die in diesem Wort enthalten ist.20
Da wir diese Tatsachen vor uns haben, wäre es schwierig, nicht
Sympathien für den Juden des ersten Jahrhunderts zu hegen, der das Alte
Testament als seine Anleitung hatte und mit unbeugsamer Zähigkeit am
Glauben an den Einen Gott, der aus einer Person bestand, festhielt. Eine
Suche in den hebräischen Schriften nach einem Zeichen für eine Dualität
oder Trinität göttlicher Personen, die bei der Schöpfung aktiv waren, wird
sich als fruchtlos erweisen.21 Eine Gottheit mit mehr als einer Person
19
Yachid kommt tatsächlich als eine Beschreibung des Einen Gottes in den
Pseudepigraphien vor.
20
Vgl. Die Anmerkungen in „Der alttestamentliche Name für Gott” (in dem
Theological Dictionary of the New Testament, Abridged in One Volume, 489):
„Der Name Jahwe wird unterschieden durch einen besonderen Inhalt. Gott ist
nicht nur irgend eine Gottheit, sondern eine klar getrennte göttliche Person
…Hinter Aussagen wie ‚der Herr ist Gott’ (1. Kö. 18,39) oder ‚der Herr ist sein
Name” (2.Mo. 15,3) stehen noch genauere spezifische Ausdrücke „Jahwe (oder
Jahwe der Heerscharen) ist sein Name.’ Hier liegt eine Begegnung mit einer
definitiven Person Gottes vor.“ Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Gott drei
Personen ist.
21
Die nachfolgenden Aussagen von Standardautoritäten bestätigen die Schwäche
eines jeden Versuchs, die Trinität auf das Alte Testament zu gründen. „Es gibt im
Alten Testament keinerlei Anzeichen von Unterschieden in der Gottheit; es ist ein
Anachronismus, entweder die Lehre der Inkarnation oder die Lehre von der
Trinität auf ihren Seiten vorzufinden. (“God,” in der Encyclopedia of Religion
and Ethics, T&T Clark, 1913, 6:254). „Heutige Theologen stimmen überein, dass
die hebräische Bibel keine Lehre von einer Trinität enthält” (The Encyclopedia of
Religion, ed. Mircea Eliade, Macmillan Publishing Company, 1987, 15:54). „Die
Trinitätslehre wird im Alten Testament nicht gelehrt” (New Catholic
Encyclopedia, Pub. Guild., 1967, 14:306). „Das Alte Testament berichtet uns
nichts deutlich oder durch notwendige Implikation von einem dreieinigen Gott,
Der Gott der Juden 29
vorzuschlagen, würde von uns erfordern, dass wir die Sprach- und
Grammatikregeln wegwerfen. Verantwortungsbewusste Historiker,
sowohl weltliche wie auch religiöse, stimmen darin überein, dass die
Juden zu Jesu Zeit fest an einem Glauben an einen Ein-Personen Gott
festhielten. Es ist eine der großen Ironien der Geschichte, dass christliche
Theologen den Juden das Recht verweigerten, die Bedeutung ihres Gottes
in ihren eigenen Schriften zu erläutern. Die jüdische Stimme in dieser
Sache muß unbedingt und dringend wieder gehört werden.
„Das Alte Testament ist strikt monotheistisch. Gott ist ein einzelnes
persönliches Wesen. Die Idee, dass eine Trinität dort gefunden werden kann oder
auch nur in irgendeiner Form als vorausgeworfener Schatten erkennbar ist, ist
eine Vermutung, die zwar lange in der Theologie herrschte, aber jeglicher
Grundlage entbehrt. Die Juden, als ein Volk, wurden unter jener Lehre strenge
Gegner aller polytheistischen Tendenzen und sie sind bis auf den heutigen Tag
unnachgiebige Monotheisten geblieben. In diesem Punkt gibt es keinen Bruch
zwischen den Schriften des Alten Testaments und denen im Neuen Testament.
Die monotheistische Tradition wird fortgesetzt. Jesus war ein Jude, von jüdischen
Eltern in den Schriften des Alten Testaments geschult. Seine Lehre war im Kern
jüdisch, in der Tat eine neue Botschaft, aber keine neue Theologie.“22
„Der Judaismus ist nicht so frei von dogmatischen Formeln wie man
oft annimmt. Der Judaismus hat seine eigenen Glaubenssätze und
Glaubensartikel. Das Shema Israels (5.Mo. 6,4) ist nicht nur eine
liturgische Formel und ein Gebot, es ist auch ein Glaubensbekenntnis und
wird als wichtiger angesehen, als die historischen jüdischen Bekenntnisse.
Als Glaubensbekenntnis ist das Shema die Versicherung der Einheit und
der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist … Es gibt keinerlei Erweis, dass einer der
Schreiber der heiligen Schriften überhaupt die Existenz einer Trinität in der
Gottheit vermutete. …Im Alten Testament Vorschläge oder einen Vorausschatten
oder „verborgene Zeichen” für eine Trinität in Personen zu erkennen, ist ein
Überschreiten der Worte und Absichten der Schreiber der heiligen Schriften”
(Edmund J. Fortman, The Triune God, Baker Book House, 1972, xv, 8, 9). „Das
Alte Testament kann schwerlich als Autorität für die Existenz von Unterschieden
innerhalb der Gottheit benutzt werden. Der Gebrauch von „uns“ durch den
göttlichen Sprecher (1.Mo. 1,26; 3,32; 11,7) ist verwunderlich, aber vielleicht
beruht es darauf, dass er sich bewusst war, von anderen Wesen einer höheren
Ordnung als Menschen umgeben zu sein“ (Jes. 6,8) (A.B. Davidson, “God,”
Hastings Dictionary of the Bible, Charles Scribner’s Sons, 1911, 2:205).
22
L.L. Paine, A Critical History of the Evolution of Trinitarianism (Boston and
New York: Houghton Mifflin and Co., 1902), 4.
30 Der Gott der Juden
23
Adonai bedeutet ‚der (oberste) Herr‘ und kommt in der hebräischen Bibel vor
(449 mal) genau wie auch der göttliche Name JHWH. Juden benutzen heute
Adonai als Ersatz für den heiligen Namen, wenn sie die Schrift lesen und auch im
Gebet.
24
Lev Gillet, Communion in the Messiah: Studies in the Relationship between
Judaism and Christianity (Lutterworth Press, 1968), 75, 76.
25
Chief Rabbi J.H. Hertz, Pentateuch and Haftorahs (London: Soncino Press,
1960), 770.
Der Gott der Juden 31
26
Christian Faith and Practice, Seven Lectures (Oxford: Blackwell, 1952), 74.
2. JESUS UND DER GOTT DER JUDEN
„Alle, die Gott anbeten, müssen ihn in Geist und Wahrheit anbeten.“
– Jesus Christus
„Dass eine Lehre (die der Trinität), die für uns so schwierig ist, in den
Händen von Leuten, die feurig monotheistisch waren, sich so still und unmerklich
ohne Kampf und Widerstand unter den feststehenden christlichen Wahrheiten
ihren Platz behaupten konnte, ist sicherlich eines der bemerkenswertesten
Phänomene in der Geschichte des menschlichen Denkens.....Zur Zeit der
neutestamentlichen Bücher war die Trinität schon Allgemeingut.“ 1
1
Studies in Theology (Grand Rapids: Eerdmans, 1957), 95.
Jesus und der Gott der Juden 37
Diskussion wert waren, wie viel mehr hätte es unter diesen feurig
monotheistischen Juden, den Leitern der christlichen Gemeinschaft, eine
Konferenz geben müssen, um den explosiven Wandel vom Glauben an
einen Ein-Personen-Gott zu dem eines Drei-Personen-Gottes zu
diskutieren?
Was angesichts aller Kontroversen Jesu mit seinen Hauptkritikern
noch erstaunlicher erscheint: es gab niemals auch nur den leisesten
Anschein einer Diskussion bezüglich einer Trinität. Das bedeutet aber
nicht, dass wir die Diskussion ignorieren, die aus dem Anspruch Jesu,
„Sohn Gottes“ zu sein, resultierte. Doch dieser Anspruch sollte nicht mit
der viel späteren Aussage der Kirche vermischt werden, Jesus sei „Gott,
der Sohn.“ Es bleibt eine Tatsache, dass die Lehre der Trinität im Neuen
Testament niemals verteidigt wurde. Das könnte doch einfach sein, weil
nie etwas davon gehört worden war. In den neutestamentlichen
Dokumenten wird der Messias als einzigartiger, rechtlicher Vertreter
Gottes gesehen und nicht als der zweite Teil der Trinität.
Boettners Beobachtungen scheinen auch die Diskussionen des zweiten
und dritten Jahrhunderts zu ignorieren, die sich über die Natur Gottes und
Christi ergaben und auch die gewalttätigen Auseinandersetzungen zur Zeit
des Konzils von Nizäa selbst, als Christen gezwungen wurden, an eine
präexistente zweite Person in der Gottheit zu glauben, die mit Jesus
identifiziert wurde. Die Encyclopedia Americana macht diese wichtige
Bemerkung, wenn sie über den Konflikt zwischen den Gläubigen an den
Ein-Personen- und jenen an den Zwei- und Drei-Personen-Gott spricht:
„Der Unitarismus als eine theologische Bewegung begann schon viel früher
in der Geschichte, ja er ging dem Trinitarismus um viele Jahrzehnte voraus. Das
Christentum entstand aus dem Judentum und das Judentum war streng
monotheistisch. Der Weg, der von Jerusalem zum Konzil von Nizäa führte, war
kaum ein geradliniger. Der Trinitarismus des vierten Jahrhunderts spiegelte die
frühchristliche Lehre bezüglich der Natur Gottes nicht wahrhaftig wider; im
Gegenteil, er war eine Abweichung von dieser Lehre. So entwickelte er sich
gegen eine ständige unitarische oder zumindest anti-trinitarische Opposition“.2
2
(1956), 27: 2941, Hervorhebung beigefügt.
38 Jesus und der Gott der Juden
3
11th edition, 23: 963.
4
Boettner, Studies on Theology, 95.
5
Tractata CV, Kap. 17. Vgl. Die Bemerkungen von H.A.W. Meyer (Commentary
on John, New York: Funk & Wagnalls, 1884, 462). Trotz seines eigenen
Beharrens auf die Göttlichkeit Jesu gibt er zu, dass es „eine Verdrehung der
Passage war und dem strikten Monotheismus von Johannes entgegenlief, wenn
Augustinus, Ambrosius, Hilarius, Beda, Thomas, Aretius und etliche andere Joh.
17,3 so übersetzten, als hieße es: ‚dass sie dich und Jesus Christus als den allein
wahren Gott erkennen.’ Nur einer, der Vater, kann absolut Gott genannt werden
(vgl. „der da ist Gott über alles“, Rö. 9,5) und nicht zur selben Zeit Christus (der
nicht einmal in 1. Joh. 5,20 der „wahre Gott“ ist), weil Sein göttliches Wesen im
Verhältnis der generischen Existenz zum Vater steht, Joh, 1,18, obwohl Er, in
Einheit mit dem Vater, als Sein Bevollmächtigter handelt, 10,30, und Sein
Jesus und der Gott der Juden 39
Diese gewagte Änderung der Heiligen Schrift verzerrt ernsthaft die Worte,
die uns von Jesus gegeben wurden. Jesus definiert seine eigene Stellung
als Messias, der sich von der Gottheit unterscheidet, welche allein aus
dem Vater besteht. Der weise Gläubige wird sich von einer solchen
Verzerrung der Bibel distanzieren. Eine derartige Gewaltanwendung und
Druck auf den Text verraten nur das verzweifelte Bemühen von
Augustinus, seinen Glauben in den Schriften zu finden.
Die ursprüngliche Aussage Jesu bedarf keiner Klärung. Sie ist
geradlinig und klar. Jesus ist eine Person, die sich vom Vater, dem allein
wahren Gott, unterscheidet und von Ihm verschieden ist. Jesus ist nicht
der Gottheit einverleibt. Die Bedeutung des Bekenntnisses Jesu kann nicht
überbetont werden. Das Wort „einzig“ in der griechischen Sprache ist
monos, ein Ausdruck, der im Englischen und auch im Deutschen mehrere
Äquivalente hat. Seine Bedeutung schließt „einzig“, „allein“, „solitär“ und
„einzeln“ ein. Das Wort „wahr“ im Griechischen ist alethinos, das
bedeutet „wahr“ im Sinn von echt, real und wirklich. Wenn man nun diese
beiden griechischen Worte, monos und alethinos, zusammenfügt, so sieht
man, dass Jesus seinen Vater als den einzigen echten Gott bezeichnet.
Bedenken wir weiter den Gebrauch des Wortes „allein, einzig“ bei
Jesus. Es gibt keinen Zweifel über die Bedeutung dieses Wortes in der
Richtigkeit seiner Übersetzung in Joh. 17,3. „Allein“ ist ein limitierendes
und ausschließendes Wort. Was auch immer mit „allein“ oder „einzig“
beschrieben wird, ist in einer eigenen Klasse – eben einzigartig. Alles
andere wird ausgeschlossen. Wenn etwas „das Einzige...“ ist, so kann es
automatisch nichts anderes daneben geben. Um den Gebrauch in einer
anderen Schriftpassage zu sehen, betrachten wir die Worte von Paulus an
die Gemeinde von Philippi: „...dass keine Gemeinde mich am
gegenseitigen Geben und Empfangen beteiligt hat, als ihr allein“ (Phil.
4,15). Alle anderen Gemeinden waren unbeteiligt. An einer anderen
Stelle, als er über seine Wiederkunft spricht, sagt Jesus: „Von jenem Tag
aber und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel in den
Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein“ (Mt. 24,36; Mk.
13,32). Nur der Vater wusste es, sonst hatte niemand Kenntnis davon.
Wir brauchen keine Vielzahl von theologischen Experten oder
Sprachgelehrten, um diese Aussagen zu verstehen. Wir selbst gebrauchen
seit wir sprechen lernten immer wieder eine ähnliche Sprache, wenn wir
Vertreter ist, 14,9, 10.“ Es ist schwer, dass ein Unitarier mit dieser
ausgezeichneten Aussage nicht übereinstimmen könnte.
40 Jesus und der Gott der Juden
„einzig“ meinen. Wir alle wissen, was „einzig“ heißt. Jesus beschrieb den
Vater als den „einzig“ oder „allein wahren Gott“. Niemand bezweifelt,
dass der Vater der wahre Gott ist. Aber es ist zu beachten: der Vater ist
nicht nur der „wahre Gott“, er ist der “allein wahre Gott“. Wir würden
einem Mann misstrauen, der behauptet, er habe „nur eine Frau“, wenn
sein Haushalt aber aus drei verschiedenen Frauen besteht, von denen er
jede als seine alleinige Frau bezeichnet. Als der „allein wahre Gott“, oder
wie wir es auch ausdrücken könnten, „der Einzige, der wahrer Gott ist“,
ist der Vater Jesu in einer einzigartigen und unvergleichlichen Position.
Eine andere Aussage Jesu, die von Johannes berichtet wird, gibt uns
den stärksten Beweis für seinen beständigen Glauben an den
unipersonalen Gott der Juden. Er sagte zu den Pharisäern: „Wie könnt ihr
glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von dem
alleinigen Gott ist, nicht sucht?“ (Joh. 5,44).6 Die New Revised Standard
Version übersetzt die Worte Jesu als: „der eine, der allein Gott ist“. Eine
klarere und einfachere unitarische Behauptung ist kaum vorstellbar. „Der
eine, der allein Gott ist“ ruft uns eine Vielzahl monotheistischer Aussagen
in Erinnerung, welche in den Dokumenten des Erbes Jesu gefunden
werden können. Es war der Gott Israels, der „allein das Herz aller
Menschenkinder kennt“ (1. Kö. 8,39). Hiskia betete mit folgenden Worten
zu Gott: „Herr, Gott Israels, der du über allem Cherubim thronst, du bist
es, der da Gott ist, du allein für alle Königreiche der Erde“ (2.Kö. 19,15).
Der Psalmist rief: „..dass du allein, Herr ist ja dein Name, der Höchste bist
über die ganze Erde“ (Ps. 83,19). Jesus rief diese wunderbaren Zeugnisse
für Israels einzigartiges Vorrecht, der Wächter des Monotheismus zu sein,
in Erinnerung. Es war sein Vater, für den die Worte „alleiniger Gott“ und
der „eine, der allein Gott ist“ galten. Das macht Jesus in seinen Worten,
die unmittelbar nach „dem alleinigen Gott“ (Joh. 5,44) folgen, klar. Die
Pharisäer sollten nicht glauben, er würde sie vor dem Vater verklagen
(Joh. 5,45). Die Worte von Mose selbst verdammten sie für ihr Versagen,
in Jesus den verheißenen Messias zu sehen. Andererseits suchte Jesus
immer Ehre von „dem, der ihn gesandt hatte“ (Joh. 7, 18). Der Messias
war wirklich derjenige „den der Vater, Gott, beglaubigt“ (Joh. 6,27).
6
Standardkommentare sehen, dass Jesus ohne Zurückhaltung seinem jüdischen
Erbe anhing. Z.B. G.R. Beasley-Murray sagt: „Der alleinige Gott – Joh. 5,44 –
spiegelt das jüdische Glaubensbekenntnis wider, das in dem Shema in. 5. Mose
6,4 verwurzelt ist.“ (John, World Biblical Commentary, Waco, TX: Word Books,
1987, 70).
Jesus und der Gott der Juden 41
7
Vgl. Walter Bauer, A Greek Lexicon of the New Testament and Other Early
Christian Literature, 527, das den „einen Herrn“ von Judas 4 als den „Einzigen,
der Herr ist“ übersetzt. Die Ansprache Gottes durch Jesus als „alleiniger Gott“
(Joh. 5,44) designiert den Vater gleicherweise als „den Einzigen, der Gott ist“.
8
The Present-Day Christological Debate (InterVarsity Press, 1984), 93.
42 Jesus und der Gott der Juden
„Wenn die Schriften über Jesus als Messias reden, so ist der vielleicht
wichtigste Titel, den sie verwenden „Sohn Gottes.“ In Abschnitten wie z.B. Mt.
16,16 und 26,63 ist es klar, dass diese beiden Titel – Messias und Sohn Gottes –
in Apposition stehen (d.h. ein Titel definiert den anderen). Der Titel Sohn Gottes
kommt ohne Zweifel aus alttestamentlichen Texten wie 2. Sam. 7,14 und Ps. 2,7,
in ihrer Assoziation mit dem davidischen König.“ 9
Runia bietet Mk. 2,7 und Joh. 5,18 als Beweis an, dass der Anspruch
Jesu, Sünden vergeben zu können und dass Gott sein Vater ist, bedeuten,
dass er sich selbst als Gott sah. Wenn Jesus sagte, er sei der „Sohn
Gottes“, so werden wir aufgefordert zu glauben, er habe den Anspruch
erhoben, Gott zu sein. Es wäre weiser, Jesu eigene Antwort auf die
Anklage der Blasphemie zu bedenken, als sich auf die Seite der
feindlichen Pharisäer in ihrer voreiligen Kritik an den Ansprüchen Jesu zu
stellen.
Es ist besonders wichtig, den alttestamentlichen Gebrauch des
Ausdrucks „Sohn Gottes“ nicht aus den Augen zu verlieren. Es wäre fatal,
diesen Titel aus seinem biblischen Zusammenhang herauszuheben und
ihm eine neue Bedeutung zu geben, die in der Schrift nicht gefunden
werden kann. Jesus bezog sich regelmäßig auf das Alte Testament, um
seine Lehre zu unterstützen. Diese Technik zerstörte bei einer anderen
Gelegenheit, wie wir sehen werden, die Argumente der religiösen Leiter,
als sie ihn fälschlich bezichtigten, die Vorrechte Gottes für sich zu
beanspruchen. Jesus beklagte, sie hätten ihre eigenen heiligen Schriften
falsch verstanden.
Lasst uns zuerst beide von Runia genannten Texte untersuchen.
Gemäß Markus sagte Jesus zu dem Gelähmten: „Kind, deine Sünden sind
vergeben.“ Einige der Schriftgelehrten sprachen zu sich selbst: „Er lästert.
Wer kann Sünden vergeben außer einem, Gott?“ (Mk. 2,5,7). Der
Anspruch Jesu, Sünden vergeben zu können, schien ihn Gott
gleichzustellen. Zur Klärung und um die Kritik, die Jesus üble Absichten
9
„Do Miracles Authenticate the Messiah“ Evangelical Review of Theology 13
(1989): 101, Hervorhebung beigefügt.
Jesus und der Gott der Juden 43
Gottes. Er ist ein Ausdruck für Königtum und identifiziert den König als
Gottes Sohn.“ 10
Theologen, die ohne Beweisführung behaupten ‚Sohn Gottes‘ meine
‚Gott, den Sohn‘, leiden, mit den Worten Browns ausgedrückt, unter
„einem systematischen Missverstehen der „Sohn Gottes Sprache“ in der
Bibel.“
10
Colin Brown, „Trinity and Incarnation: In Search of Contemporary
Orthodoxy“, Ex Auditu, 1991, 87-88.
11
Joh. 17,3; 5,44; vgl. Mk. 12,28-30. Jesus nahm wirklich eine „Gleichheit“ mit
Gott in Anspruch (Joh. 5,18), doch es handelt sich dabei nicht um die Gleichheit,
die von den Trinitariern behauptet wird. Jesus handelte an Stelle Gottes als dessen
Vertreter. In diesem Sinn kann von ihm gesagt werden, er sei „Gott gleich“. Es ist
ein Missbrauch dieser Texte, wenn behauptet wird, Jesus hätte Wissen um eine
Gottheit bestehend aus drei Personen gehabt.
Jesus und der Gott der Juden 45
Werkes steinigen wir dich nicht, sondern wegen der Lästerung, und weil
du, der du ein Mensch bist, dich selbst zu Gott machst.“12 Jesus entgegnete
der Anklage, indem er das Alte Testament zitierte und zeigte, dass die
hebräischen Schriften noch immer die oberste Autorität waren, die seinen
messianischen Anspruch klären konnten: „Steht nicht in eurem Gesetz
geschrieben: ‚Ich habe gesagt: ihr seid Götter?‘ Wenn er jene Götter
nannte, an die das Wort Gottes erging,......sagt ihr von dem, den der Vater
geheiligt und in die Welt gesandt hat (Jesus): Du lästerst, weil ich sagte:
Ich bin Gottes Sohn?“
Jesus ergriff die Gelegenheit, um wiederum seine Position im
Verhältnis zu Gott zu definieren. Indem er Psalm 82,6 zitierte, zeigte er,
dass das Wort „Gott“ gerechtfertigt für menschliche Personen benützt
werden kann, die ausgewählte Positionen als göttlich beauftragte Vertreter
innehaben. „Gott“ meinte im Fall der Richter Israels sicherlich nicht Gott,
den Allmächtigen. Niemand würde Göttlichkeit für diese menschlichen
Anführer Israels beanspruchen. Die „Götter“, die in Psalm 82 beschrieben
werden, waren wahrscheinlich Verwalter, die von Gott beauftragt wurden,
für ihn zu handeln. Jesus begründete sein Argument für das korrekte
Verständnis vom „Sohn Gottes“ auf diesen Psalm, wo „Götter“ als „Söhne
des Allerhöchsten“ definiert werden: „Ich sagte: ‚Ihr seid Götter, Söhne
des Allerhöchsten seid ihr alle‘. Doch wie ein Mensch werdet ihr sterben“
(Ps. 82, 6-7).
Es wäre unlogisch zu behaupten, Jesus habe diese besondere
alttestamentliche Bedeutung des Wortes „Gott“, äquivalent zu dem
Ausdruck „Sohn Gottes“ („Söhne des Allerhöchsten“) verändert, als er
sich ausdrücklich auf Psalm 82 bezog, um sein eigenes Anrecht auf den
Titel „Sohn Gottes“ zu klären. Als er der Anklage der Gotteslästerung
entgegnete, erhob Jesus den Anspruch auf seine einzigartige Position als
göttlicher Vertreter. Er ist das beste Beispiel für einen menschlichen
Herrscher, der mit göttlichen Kräften ausgestattet ist. Er legte sich auf
seinen wahren Status fest: „Ich sagte: Ich bin Gottes Sohn“ (Joh. 10,36).
Doch das bietet keine Grundlage für die spätere trinitarische Bekräftigung,
„Sohn Gottes“ sei äquivalent zu „Gott, der Sohn.“ So enthält Jesu eigene
Verteidigung seines Status ausdrücklich den Anspruch, nicht der
allmächtige Gott zu sein. Sehr oft übergehen Trinitarier schweigend diese
Stelle in Joh. 10, 34-36.
12
Das Griechische ist zweideutig: es könnte auch mit „ein Gott“ übersetzt
werden.
46 Jesus und der Gott der Juden
13
Siehe 5. Mose 18, 15-20, wo vom verheißenen Propheten, dem Messias
ausdrücklich gesagt wird, er sei nicht Gott.
Jesus und der Gott der Juden 47
Psalm 110,1
Obwohl die Juden keinen bereits existierenden, viel weniger noch
ewigen Sohn Gottes im Alten Testament finden konnten, so konnte dies
eine große Anzahl von zeitgenössischen Studenten der Bibel nicht davon
abhalten, die Präexistenz Jesu aus Psalm 110,1 zu beweisen und somit
auch zumindest eine Dualität in Gott: „Der HERR sagte zu meinem
Herrn: ‚Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde gemacht habe
zum Schemel deiner Füße.‘“ Sowohl die Pharisäer als auch Jesus
erkannten in diesem zweiten Herrn den verheißenen Messias Israels. Jesus
sah diesen Text als eine göttliche Weissagung, die seine Ansicht über den
Messias sowohl als Sohn Davids als auch als Davids Herr zeigte (Mk.
12,35-37). Was meint nun die inspirierte göttliche Aussage, wenn es den
Messias „Herr“ nennt? Manche behaupten, es solle besser heißen: „Gott
sagte zu meinem Gott.....“ Sie bestehen darauf, dass David von einer
Dualität in der Gottheit wusste und unter Inspiration die ewige Sohnschaft
und Göttlichkeit desjenigen bezeugte, welcher später der Mann Jesus
werden sollte.
So eine Theorie schließt einen Missbrauch der hebräischen Sprache
ein, der leicht aufgeklärt werden kann. Die beiden Worte für „Herr“ in
diesem Satz „der HERR spricht zu meinem Herrn“ sind ganz verschieden.
Der erste „Herr“ ist Jahwe. Es ist wahr, dass alttestamentliche Texte, die
dieses Wort beinhalten, manchmal im Neuen Testament auf Jesus
angewandt werden, wenn dieser als Vertreter Jahwes handelt (ebenso wie
der Engel Gottes, der die Autorität Jahwes ausführt, manchmal mit Jahwe
gleichgesetzt wird).15 In Psalm 110,1 bezieht sich jedoch fraglos der erste
Herr, der genannt wird, auf Gott, den Vater, den Einen Gott Israels (wie
auch an etwa 6700 weiteren Stellen). Das zweite Wort für „Herr“ (hier:
„mein Herr“) ist adoni,16 was in Übereinstimmung mit allen
14
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine, 27, 28.
15
Richter 13,3,6,9,13,15,16,17,18,20,21, verglichen mit V. 22
16
d.h. adon mit der persönlichen Nachsilbe „i“ („mein“). Es ist erstaunlich, dass
eine Anzahl von Kommentatoren fälschlicherweise annimmt, dieser zweite Herr
48 Jesus und der Gott der Juden
sei adonai . Siehe z.B. The Bible Knowledge Commentary (Hrsg. Walvoord und
Zuck, welche die Fakultät der Universität von Dallas vertreten, Victor Books,
1987), der falsch ausführt, dass „mein Herr“ in Ps. 110,1 „das hebräische adonay
übersetzt, das nur für Gott gebraucht wird“ (73). Unglücklicherweise legt dieser
Kommentar nahe, der Messias sei Gott selbst. Tatsächlich ist das hebräische Wort
für „mein Herr“ nicht adonai sondern adoni, welches niemals für Gott gebraucht
wird, dagegen aber oft für den König Israels und andere menschliche Oberste.
Dieser erstaunliche Irrtum ist symptomatisch für die weit verbreitete
Vermischung Gottes mit dem Messias. 1. Sam 24,6 ist typisch für die hebräische
Art, zwischen „mein Herr, der König“ und dem Herrn Gott zu unterscheiden.
Kein Leser von Ps. 110,1 hätte sich vorstellen können, der Messias sei Gott. Der
Messias ist der Gesalbte des Herrn. Siehe Lk. 2,11,26 für die sorgfältige
Wortverwendung bei den Titeln. Der „Herr Christus“ (Lk. 2,11) ist „mein Herr“
von Ps. 110,1. So gibt es zwei Herrn: den einen Herrn Gott und den einen Herrn
Messias, Jesus. Das ist genau das Bekenntnis von Paulus in 1. Kor. 8, 4-6. Robert
Sumner gründet in seinem Buch Jesus Christ is God (Biblical Evangelism Press,
1983) sein Hauptargument für die Trinität auf Psalm 110,1: „Der Bezug Jesu war
auf den oftmals zitierten Psalm 110,1, der von den Juden seiner Zeit sowohl als
davidisch als auch als messianisch angesehen wurde, in dem König David
Christus „meinen Herrn“ nennt, und dabei den Namen Gottes benutzt, Adonai
(321). Er fährt fort und findet die gesamte Trinität in Jehova, Adonai, Geist. Eine
richtige Wiedergabe der Sprachgegebenheiten würde solche Schlüsse unmöglich
machen. Eben dieser Irrtum bezüglich des Wortes „Herr“ in Psalm 110,1 findet
sich sehr oft in der evangelikalen Literatur. Siehe zum Beispiel Herbert Lockyer,
All Divine Names and Titles in the Bible (Zondervan, 1975): „Hier spricht Jehova
Worte zu Adonai, die richtigerweise auf Jesus angewandt werden“ (15). Die
Lockman Foundation NASV Randnote über Apg. 2,36 gibt ebenfalls das
hebräische Wort als Adonai wieder. Doch sie versicherten, in zukünftigen
Ausgaben diesen Fehler zu korrigieren.
17
Sowohl die Pharisäer als auch Jesus selbst sahen den Text als eine göttliche
Weissagung über den kommenden Messias, den Sohn Davids. Siehe auch Mt.
22,41-45.
18
Der Leser soll wissen, dass dieser Unterschied in der Strong’s Concordance –
Hebrew and Chaldee Dictionary, Wortnummern 113, 136, nicht so klar
beschrieben wird.
Jesus und der Gott der Juden 49
Psalm 110,1 gibt uns einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis, wer
Jesus ist. Die hebräische Bibel unterscheidet genau den göttlichen Titel
adonai, der Allerhöchste Gott, von adoni, der Anrede, die für menschliche
Oberste und Engel verwendet wird. Adoni, „mein Herr“, „mein Meister“
bezieht sich in keinem Fall auf Gott. Andererseits ist adonai die besondere
Form von adon, eine Anrede, die dem Einen Gott vorbehalten ist.19
Ein Leser der hebräischen Bibel ist geschult, diesen wichtigen
Unterschied zwischen Gott und dem Menschen zu erkennen. Es ist ein
riesengroßer Unterschied zwischen adoni, „mein Herr“ und adonai, dem
Höchsten Gott. Nicht weniger als 195 Mal bezeichnet adoni im
hebräischen Kanon die angesprochene Person als Empfänger von
Ehrerbietung, doch niemals als den Höchsten Gott. Diese wichtige
Tatsache sagt uns, dass die hebräischen Schriften nicht erwarteten, dass
der Messias Gott sei, sondern der menschliche Nachkomme Davids, den
David ganz richtig auch als seinen Herrn erkannte.20
In einem Buch, das sich zur Gänze dem Studium von Psalm 110 im
frühen Christentum widmete, bemerkt David Hay, dass es nicht weniger
als „dreiunddreißig Zitate und Erwähnungen von Psalm 110 an
verschiedenen Stellen des Neuen Testaments gibt......viele davon stehen in
Passagen, die eine wichtige theologische Bedeutung haben.“21 Psalm
110,1 ist von einer „gewissen Aura prophetischer Offenbarung“
19
Der Unterschied hängt von den hebräischen Selbstlautzeichen ab. Es ist klar,
dass der Unterschied zwischen adonai und adoni seit alten Zeiten sehr sorgfältig
überliefert wurde. Die Übersetzer der Septuaginta im 3. Jahrhundert v. Chr.
bestätigen eine genaue Unterscheidung zwischen den Formen von adon, die für
Gott und Menschen gebraucht wurden, indem sie adoni als to kurio mou, „mein
Herr“ übersetzen. Das Neue Testament bestätigt diese Übersetzung. In Ps. 110,5
kommt der göttliche Titel adonai vor (hier unterstützt Jahwe den Messias, indem
Er zu seiner Rechten steht, vgl. Ps. 109,31; 16,8) und die Septuaginta gibt adonai,
wie auch sonst immer, mit kurios, wieder. Der Herr (Gott) von Vers 5 wird so
ganz klar von Davids menschlichem Herrn, dem Messias, unterschieden (V. 1).
20
Aus einer Analyse des Vorkommens von adoni, siehe Herbert Bateman,
„Psalm 110,1 and the New Testament“, Bibliotheca Sacra 149, (1992): 438-453.
Der Autor, ein Trinitarier, behauptet, dieser Psalm könne sich vorrangig nicht auf
Jesus beziehen, weil adoni einen menschlichen Messias beschreibt! Batemans
Trinitarismus führt ihn dazu, die offensichtliche messianische Referenz dieses
Psalms zurückzuweisen. Jesus bezweifelte nicht, dass er dieser „Herr“ war (Mt.
22, 41-45) und er wusste, dass er nicht der Eine Gott ist.
21
Glory at the Right Hand: Psalm 110 in Early Christianity (Nashville:
Abingdon, 1973), 15.
50 Jesus und der Gott der Juden
umgeben.“22 Aus der Diskussion Jesu mit den Pharisäern geht ebenso wie
aus dem jüdischen Targum, das die alte Tradition widerspiegelt, klar
hervor, dass Psalm 110,1 den Messias in seiner Beziehung zu Gott
designiert. Der Erstere ist eine davidische, messianische Figur, „der
kommende Fürst der Welt.“ Neutestamentliche Erwähnungen von Ps.
110,1 erwecken den Eindruck, dass dieser Vers einen Teil der frühen
christlichen Bekenntnisse und vielleicht auch der Lieder ausmachte.
Offensichtlich sollte nach göttlicher Weissagung eine sehr erhabene
Person eine einzigartige Position zur Rechten Gottes einnehmen. Aber
wer sollte das sein? Ein zweites Mitglied einer dreieinen Gottheit?
Eine derartige Idee ist im biblischen Zusammenhang absolut
unmöglich. Doch der Psalm gibt uns einen kostbaren Schlüssel zum
Verständnis der Natur und der Identität des Messias als erwählter
Vertreter Gottes. In seiner entscheidenden apostolischen Predigt legte
Petrus das Fundament des Glaubens und erklärte, dass Jesus, „ein Mann,
der ans Kreuz geschlagen wurde“, bei seiner Himmelfahrt nun in seinem
königlichen Status als „Herr und auch Christus“ bestätigt wurde (Apg.
2,22,23,36). Hier begegnen wird er obersten Wahrheit der Christologie.
Jesus ist aber nicht der Herr, Gott Jahwe, sondern der Herr Messias,
basierend, wie Petrus bestätigt, auf der Weissagung von Ps. 110,1. Auf
Grundlage dieser Definition des Status von Jesus wird die
neutestamentliche Christologie aufgebaut. Jesus ist der Herr, den David
prophetisch als „mein Herr“ (adoni) bezeichnet hatte. Jesus ist wirklich
kurios (Herr), doch sicherlich nicht der Herr Gott. Dieser Titel, adoni,
unterscheidet unweigerlich einen menschlichen Obersten vom Einen Gott
des Alten Testaments. Es ist eine klare und konsequente Unterscheidung.
Adonai dagegen bezeichnet den einen und einzigen höchsten Gott der
Bibel in 449 Fällen.
Es ist ungewöhnlich, dass die Tatsachen über ein im hebräischen oder
griechischen Text vorkommendes Wort in den Lehrbüchern falsch
wiedergegeben wird. Doch erstaunlicherweise schlich sich ein
bemerkenswerter Irrtum in die Aussagen der höchsten Autoritäten
bezüglich der Identität des Messias in dieser so entscheidenden
christologischen Passage in Psalm 110,1 ein. Dieser Vers, der so oft im
Neuen Testament zitiert wird, legitimiert den Titel „Herr“ für Jesus.
Dennoch war er außergewöhnlichen Attacken von theologischer Seite her
ausgesetzt. Weder das Hebräische noch das Griechische der Septuaginta
22
Ebenso, 21.
Jesus und der Gott der Juden 51
und das Neue Testament lassen zu, dass dieser „Herr“ zu Gott wird. Beide
Testamente vereinen sich so in ihrer Opposition zur Idee der Trinität. Es
ist Jesus als „Herr“, dem in der Gemeinde Verehrung, Dienst und auch
Bitten entgegengebracht werden.23 Auf der Grundlage von Psalm 110,1 ist
Jesus Davids Herr („mein Herr“) und so auch „unser Herr Jesus Christus“
(Eph. 1,17). „Gott“ und „Herr“ deuten also auf einen Unterschied in der
Rangordnung hin. Der Messias ist nicht „gleichberechtigter Gott.“
Die Tatsache der weitverbreiteten Verwirrung in der Behandlung
dieses Psalms ist bemerkenswert. Die Position Jesu als menschlicher
adoni erwies sich als Schwierigkeit für die spätere „Orthodoxie“. Ein
römisch-katholischer Autor schreibt im Bemühen, seine traditionelle
Lehre des ewigen Sohnes zu unterstützen:
„In Psalm 110,1 sagte Jahwe zu Adonai: Sitze zu meiner Rechten“. Diese
Passage wird von Christus zitiert, um zu beweisen, dass er Adonai ist, der zur
Rechten von Jahwe sitzt (Mt. 22,44). Doch Adonai „mein Herr“ wird als Name
nur für die Gottheit verwendet, entweder allein oder in einem Ausdruck wie
Jahwe Adonai. Es ist klar, dass in diesem Text Jahwe Christus als
unterschiedliche Person bezeichnet und dennoch identisch in der Gottheit.“24
„In der Southern Presbyterian Church wird angenommen und gelehrt, dass
Jesus Jehova ist; das heißt, dass derjenige, der von alttestamentlichen Heiligen als
Jehova verehrt wurde, ohne aufzuhören, Gott zu sein, Mensch wurde „für uns
Menschen und zu unserer Erlösung“...Doch der schottische Professor der
systematischen Theologie am Union Seminary, New York, forderte kürzlich diese
Feststellung heraus, indem er im Presbyterian of the South Folgendes schrieb:
23
Es ist erwiesen, dass im Neuen Testament üblicherweise Gebete dem Vater
durch den Sohn erwiesen werden.
24
Walter Drum, S.J., „Christology“, Encyclopedia Americana (1949), 694.
52 Jesus und der Gott der Juden
Der Autor fährt fort, dass die Annahme „Jesus ist Jahwe“ ein
Jahrhunderte alter Grundsatz der Kirche und der Höhepunkt der
Orthodoxie ist.
Die Zweifel des Union Seminary Professors deuten auf ein
tiefsitzendes Unbehagen über die Gleichsetzung des Messias mit Gott hin.
Dennoch argumentiert Dr. Robinson, dass Jesus Gott sein muss, da er
kurios (Herr) genannt wird. Er bezieht sich auf Lk. 2,11, wo der Erlöser
als „Herr Messias“ vorgestellt wird und schließt daraus, dass dies
„Christus-Jehova“ meint. Dann wendet er sich zu Apg. 2, 34-36, wo
Petrus Psalm 110,1 zitiert, um die Position Jesu als „Herr“ zu begründen.
Doch er liest den hebräischen Text falsch und behauptet, dass Jesus als
„der Herr Adonai zur Rechten Jehovas sitzt.“ „ Dieses erhabene
himmlische Messiastum - gipfelnd im eschatologischen Menschensohn,
Adonai zur Rechten Jehovas zeigt, dass Jesus Jehova ist.“26 Doch die
Tatsachen sprechen gegen ihn. Der Messias wird hier nicht adonai
genannt, wie er behauptet, sondern adoni. Die hebräische Bibel vermischt
Gott nicht wie der Trinitarismus mit einem menschlichen Wesen.
Das berühmte Smith’s Bible Dictionary ignoriert den menschlichen
Titel, der dem Messias in Ps. 110,1 gegeben wird und bezieht sich dann
auf den Text als Beweis für einen trinitarischen Jesus:
„Entsprechend sehen wir nach der Himmelfahrt, dass die Apostel versuchen,
den Juden verständlich zu machen, dass Jesus nicht nur der Christus war, sondern
auch eine göttliche Person, sogar der Herr Jehova. So sagt z.B. der heilige Petrus
nach der Ausgießung des Heiligen Geistes durch Christus am Pfingsttag: „Das
ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn sowohl zum HERRN
(Kurion, Jehova) als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr
gekreuzigt habt“(Apg. 2,36).
25
William Childs Robinson, „Jesus Christ is Jehovah“, Evangelical Quarterly 5:2
(1933), 144.
26
Ebenso, 155.
Jesus und der Gott der Juden 53
27
„Son of God“, Smith’s Dictionary of the Bible, Hrsg. Hackett (Baker Book
House, 1971), 4: 3090.
28
Alfred Plummer, Gospel According to S. Luke, International Critical
Commentary (Edinburgh: T&T Clark, 1913), 472.
54 Jesus und der Gott der Juden
24,12). „Gepriesen sei der HERR (Jahwe), der Gott meines Herrn (adoni)
Abraham“ (1. Mo. 24,27).
„So hat der HERR (Jahwe) meinem Herrn (adoni), dem König, Rache
verschafft an Saul“ (2. Sam. 4,8). Der Titel (mein Herr, der König) kommt
oft als Ansprache des Herrschers Israels vor.
Leser der englischen und deutschen Bibel sind daran gewöhnt,
„LORD“ oder „HERR“ in Großbuchstaben als Übersetzung des
ursprünglichen Wortes Jahwe zu lesen. Englischsprachige Leser wissen
vielleicht auch, dass das Wort „Lord“ (mit großem „L“) den
ursprünglichen göttlichen Titel adonai anzeigt (im Gegensatz zu „lord“ –
adoni. Diese Unterscheidung ist im Deutschen nicht möglich). In Psalm
110,1 ist diese Unterscheidung leider verloren gegangen – und zwar nur in
diesem einen Fall – wenn der Messias in vielen Übersetzungen als
„HERR“ („Lord“) erscheint und doch nicht der Titel adonai, der göttliche
Titel, sondern adoni „mein Herr“ („my lord“) als Bezeichnung für den
menschlichen König vorkommt. Dieser falsche Eindruck hat folglich den
Messias zum Einen göttlichen Herrn gemacht, denn in allen seinen 449
Vorkommen erscheint adonai in englischen (und auch in deutschen)
Bibeln als „HERR“ („Lord“). The Cambridge Bible for Schools and
Colleges sagt, dass die englische Revised Version, ebenso wie im
Deutschen die Elberfelder und die Luther Übersetzung, die „Herr“ anstelle
von „HERR“ schreiben, „zu Recht den Großbuchstaben „L“ in „lord“
wegließ, da es sich dabei um eine Interpretation handelt. „Mein Herr“
(adoni) ist eine Ansprache des Respekts und der Verehrung, die im Alten
Testament verwendet wird, um mit einem Menschen eines höheren
Ranges und einer höheren Würde, besonders mit einem König, zu
sprechen (u.a. 1.Mose 23,6; 1. Sam. 22,12).“29
Die ständige Unterscheidung zwischen menschlichen und göttlichen
Ansprachen, gekennzeichnet durch den entscheidenden Unterschied in der
Selbstlautsetzung im hebräischen Wort „Herr“, wurde ignoriert und in
Bibelübersetzungen, Anmerkungen und Kommentaren unter dem Druck
des trinitarischen Dogmas falsch interpretiert. Die Berichtigung von
„HERR“ zu „Herr“ in der Revised Version von Ps. 110,1 wurde in der
RSV (Revised Standard Version) und der NRSV (New Revised Standard
Version) beibehalten. Auch in der Übersetzung der Jewish Publication
Society, in der Moffat Übersetzung und in der Roman Catholic New
29
A.F. Kirkpatrick, Psalms (Cambridge University Press, 1901), 665.
Jesus und der Gott der Juden 55
30
Im Deutschen geben die meisten Bibelübersetzungen die Bedeutung richtig
wieder, z.B. die Elberfelder und die Luther Übersetzungen, die Jerusalemer Bibel,
Bruns und auch moderne Übersetzungen wie die Gute Nachricht oder Hoffnung
für Alle.
31
The Companion Bible von E.W. Bullinger informiert uns falsch, dass das
zweite Wort adonai ist.
56 Jesus und der Gott der Juden
32
Diese Ansicht kann durch I. Howard Marshall bestärkt werden, in: Acts,
Tyndale New Testament Commentaries (Grand Rapids: Eerdmans, 1980). Wenn
er über das Zitat von Ps. 110,1 durch Petrus in Apg, 2,34 spricht, sagt Marshall
„das Attribut des Herr-Seins......wird Jesus gegeben; er wird nicht mit Jahwe
gleichgesetzt“ (80, Hervorhebung beigefügt).
33
Evangelical Quarterly 68:2 (1996): 121-138.
34
(Oxford University Press, 1993), 85.
Jesus und der Gott der Juden 57
Wenn der Bericht über das Leben Jesu richtig ist, dann muss das am
besten gehütete Geheimnis seiner Mutter die Tatsache der Gottheit ihres
Sohnes gewesen sein. Mitbürger, die ein Leben lang Bekanntschaft mit
Jesus und seiner Familie hatten, waren über seine Fähigkeiten und seine
Weisheit erstaunt, fühlten sich jedoch durch die Autorität, mit der er
lehrte, verärgert.
Ihre Antwort auf seine Lehre und auf seine wundersamen Kräfte war
sehr skeptisch. Sie fragten: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns?
Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder Jakobus und Josef und
Simon und Judas? Und seine Schwestern, sind sie nicht alle bei uns?
Woher hat er nun dies alles? Und sie ärgerten sich an ihm " (Mt. 13, 55 -
57).
Allem Anschein nach betrachteten sie ihn als einen Menschen wie sie
selbst, als ein Mitglied einer Familie, die aus Brüdern und Schwestern
zusammengesetzt war, als Sohn eines Handwerkers, der in der
Ortsgemeinde wohlbekannt war.
Seine engste Familie dachte anscheinend nie, dass Jesus den
Anspruch erhoben hätte, Gott zu sein. Einmal baten sie ihn, seine
Heimatgegend zu verlassen, weil er ihre persönliche Sicherheit
gefährdete. Johannes erzählt die Sache folgendermaßen:
„Und danach zog Jesus in Galiläa umher, denn er wollte nicht in Judäa
umherziehen, weil die Juden ihn zu töten suchten. Es war aber nahe das Fest der
Juden, die Laubhütten. Es sprachen nun seine Brüder zu ihm: ‚Zieh von hier fort
und geh nach Judäa, dass auch deine Jünger deine Werke sehen, die du tust! Denn
niemand tut etwas im Verborgenen und sucht (dabei) selbst öffentlich bekannt zu
sein. Wenn du diese Dinge tust, so zeige dich der Welt!‘ Denn auch seine Brüder
glaubten nicht an ihn“ (Joh. 7,1-5).
60 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Selbst wenn wir die Tatsache anerkennen, dass die Familie Jesu seine
Ansprüche nicht akzeptierte, so gibt es dennoch keinen Hinweis darauf,
dass sie Jesus wegen seines Anspruchs Gott zu sein, abgelehnt hatten.
Keiner der Evangeliumsberichte legt uns nahe, dass die Familie des
Messias heimlich eingeweiht worden wäre, dass er Gott sei - eine
Information, die eine Kluft zwischen ihnen und ihm bedingt hätte.
Lukas, der einen Bericht über den christlichen Glauben an Theophilus
verfasste, verabsäumte es, die Gottheit Jesu aufzuzeigen. Er nannte ihn
Gottes Sohn und das auf Grund seiner Geburt durch eine Jungfrau (Lk. 1,
35). „Sohn Gottes" (nicht: „Gott, der Sohn") war ein bekannter
messianischer Titel. Wenn Lukas nun mit der Mutter Jesu über die
Geschichte der Jungfrauengeburt sprach, so vergaß sie entweder, die
Tatsache der Göttlichkeit ihres Sohnes zu erwähnen oder Lukas dachte,
das sei nicht erwähnenswert. Kann es sein, dass ihnen die Idee, Jesus sei
als Teil der Gottheit präexistent gewesen, niemals gekommen war? Sollte
Maria sich als die Mutter Gottes gesehen haben, so hätte sie diese
Tatsache doch sicherlich erwähnt.
Für jemanden, der in einer modernen christlichen Umgebung
aufgewachsen ist, ist es sehr natürlich, die Idee eines Gottes in zwei oder
drei Personen anzunehmen, auch wenn noch niemand in der Lage war zu
erklären, wie drei, die alle „Gott" genannt werden, in Wirklichkeit „ein
Gott" sein können. Es ist Teil unseres religiösen Erbes. Sollte man anders
glauben, so läuft man in Gefahr, als gefährlicher Häretiker gebrandmarkt
zu werden. Wie auch immer, für die ersten Christen war die Idee einer
zweiten, präexistenten Person der Gottheit, unvorstellbar. Raymond
Brown, ein römisch- katholischer Theologe und durch seine Ausbildung
sicherlich kein Gegner der Trinität, bemerkt, dass Matthäus und Lukas
„keinerlei Wissen über die Präexistenz (Jesu) zeigen; anscheinend war für
sie die Empfängnis zugleich auch die Entstehung (die Zeugung) des
Sohnes Gottes." 1 Wenn Jesus nicht präexistent war, so gibt es keinen
ewigen Sohn. So gibt es nun keinen Beweis, dass Matthäus und Lukas an
einen dreieinen Gott glaubten.“
Wir müssen die trinitarische Methode, dieses Problem handzuhaben,
prüfen - die in weiten Kreisen anerkannte Tatsache der sehr spärlichen
Beweise des trinitarischen oder binitarischen Konzepts.
Verfechter der Dreieinigkeit, wie beispielsweise Warfield, stimmen
zu, dass sich die „neutestamentlichen Schreiber sicher nicht bewusst
1
The Birth of the Messiah (London: Geoffrey Chapman, 1977), 31,
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 61
„Die Einfachheit und Sicherheit, mit der die Schreiber des Neuen Testaments
über Gott als Dreiheit sprechen, haben eine weitere Folge. Wenn sie keinerlei
Sinn für die Neuheit verraten, so über Ihn zu sprechen, so ist dies wohl teilweise
dadurch bedingt, dass es keine Neuheit mehr ist, so über Ihn zu sprechen. Um es
in anderen Worten auszudrücken, es ist klar, dass wir beim Lesen des Neuen
Testaments keinesfalls die Zeugen der Geburt eines neuen Konzepts über Gott
sind. Was wir antreffen ist ein festgefügtes Konzept Gottes. Die Lehre der
Dreieinigkeit wird im Neuen Testament nicht eingeführt, sondern erscheint als
schon vorhanden.“2
2
„Trinität“ in der International Standard Bible Encyclopedia (Grand Rapids:
Eerdmans, Neuauflage 1983) 4:3014
3
Ebenso
62 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Lukas kein Wort über die wohl revolutionärste religiöse Lehre, die jemals
in der jüdisch-christlichen Gemeinde in Erwägung gezogen wurde,
verliert?
Die Idee, dass ein Mann zu einem gewissen Zeitpunkt seiner Karriere
plötzlich als der Gott-Mann der Dreieinigkeit entdeckt wurde, hätte doch
Grund für eine weitverbreitete Diskussion sein sollen. Auf die
Niederschrift dieses außergewöhnlichen Falles zu verzichten, würde
Geschichtsbüchern vergleichbar sein, die aus der Geschichte der
Vereinigten Staaten die Gründerväter oder den Bürgerkrieg auslassen,
oder britischen Geschichtsbüchern, welche die beiden Weltkriege oder
Winston Churchill ignorieren. Dieser Gedanke ist unannehmbar. Die neue
Idee, dass Jesus Gott ist, hätte einen großen Umbruch hervorgebracht und
die größtmögliche Aufmerksamkeit hervorgerufen. Es ist unmöglich, dass
sie still und heimlich in die Gedanken der streng monotheistischen
jüdischen apostolischen Gemeinschaft gedrungen ist. Ein neues Konzept
der Gottheit hätte sicherlich heftigste Reaktionen ausgelöst.
die Anerkennung Jesu durch Petrus als „Christus Gottes" und einfach als
„der Christus". Die Schreiber fühlten keine Notwendigkeit, diesen Titel
weiter auszudehnen. Das beweist, dass der Zusatz „Sohn des lebendigen
Gottes" bei Matthäus keine besondere Auswirkung auf die Identität Jesu
hat. „Sohn Gottes" ist ein Synonym für den Messias, basierend auf Psalm
2,2, 6, 7: Messias (= der Gesalbte) = König = Sohn Gottes. Beide Titel -
Messias und Sohn Gottes - weisen auf den erwarteten Sohn Davids, den
König Israels, hin. Sohn Gottes ist im Neuen Testament auch
gleichbedeutend mit dem König Israels (Joh. 1,49). Salomo wurde ebenso
Sohn Gottes genannt (2. Sam.7,14), wie auch Israel als gesamtes Volk
(2.Mo. 4,22). Auch Hosea 1,10 ist sehr signifikant. Dort wird Israel bei
seiner zukünftigen Wiederherstellung des gleichen Titels für würdig
befunden, den Petrus Jesus gibt: „Söhne des lebendigen Gottes“.
Als Nation warteten die Juden sehnsüchtig auf den versprochenen
Messias. Der Faktor Jesu in der Messiasrolle, der Ärgernis erregte, war
seine Beharrlichkeit, dass er sterben müsse anstatt das Joch der Römer
abzuwenden. Nur durch seine Auferstehung und seine Wiederkunft auf
die Erde sollte das versprochene Königreich der Herrlichkeit gegründet
werden können. Es ist wahr, dass Petrus lange nicht begreifen wollte, dass
der Messias zuerst sterben müsse. Nichtsdestotrotz wurde er von Jesus
gelobt, weil er verstanden hatte, dass sein Herr in der Tat der messianische
Sohn Gottes war. Petrus hatte das Vorrecht, die Botschaft zu hören, die
Jesus an Israel richtete. Er hatte seine Wunderheilungen gesehen, er war
dabei gewesen, als Jesus die religiösen Führer durch seine überragende
Weisheit verblüffte; er hatte die Autorität über Dämonen gesehen und
auch die Auferstehung von den Toten. Er konnte das Alte Testament
heranziehen und beobachten, wie Jesus genau die vielen Prophetien
bezüglich des angekündigten Retters der Welt erfüllt hatte. Was Gott dem
Petrus enthüllt hatte, konnte durch viele Tatsachen belegt werden. Und
das Bekenntnis, dass Jesus der Messias ist, sollte für alle Zeiten die
Glaubensgrundlage der Gemeinde sein (Mt. 16,16,18).
Ohne Hilfe der früheren Indoktrination, dass Jesus ein ewig
präexistentes Wesen ist - also Gott - würde ein Leser des Neuen
Testamentes annehmen, der erwartete Messias sei eine richtige
menschliche Person, ein Nachkomme Abrahams und Davids,
übernatürlich empfangen (Mt. 1,20). Ebenso wie wir kam er als hilfloses
Kind in die Welt; er wuchs in Wissen und Weisheit; er erfuhr all die
üblichen Schwächen der Menschheit - Hunger, Durst und Müdigkeit; er
hatte ebenso wie jeder Mensch tiefe Gefühle; er äußerte Zorn, Mitleid und
64 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
4
Dieses Geschehnis war eine Vorschau auf das zukünftige Königreich Gottes und
vermittelte die notwendige Ermutigung für die Jünger, die sie nach der
Ankündigung des Todes Jesu benötigten (Mt. 16,21). Siehe auch 2. Petr. 1, 16-18
betreffend die Verbindung zwischen dem zweiten Kommen Jesu (und dem
Königreich) und der Verklärung. Die Vorschau auf die Wiederkunft Christi in
Herrlichkeit gab auch einen kurzen Blick (in einer Vision) auf Elia und Mose, die
zu diesem Zeitpunkt durch die Auferstehung wieder zum Leben kommen sollten
(1.Kor. 15,53). Lk. 9,27-28 verbindet ganz ausdrücklich die Aussagen Jesu über
das Königreich mit dem Ereignis, welches acht Tage später stattfand. Die Jünger
sollten eine außerordentliche und ungewöhnliche Vision des Königreiches
während ihres Lebens erfahren.
5
Apg. 1,6; vgl. Mt. 5,5; Apg. 3,21; Rö. 4,13; Hebr. 11,8
66 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
6
Mt. 19,28; Rö. 5,17; 1. Kor. 6,2; 2. Tim. 2,12; Offb. 2,26; 3,21; 5,10; 20,1-6;
Jes. 32,1
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 67
Zeitweise schienen sie ihre Antwort auf die Frage: „Und was sagt ihr,
wer ich bin?" aus den Augen zu verlieren. Eine frühere Frage: „Was sagen
die Menschen, wer der Menschensohn ist?" zeigt die scharfe Trennung
zwischen jenen im nahen Umfeld Jesu und denen außerhalb an. Manche
sagten, er sei „Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere
wiederum: Jeremia oder einer der Propheten" (Mt.16,14). Die Vielzahl der
Antworten ist den verschiedenen Meinungen heute nicht unähnlich.
Manche behaupten, Jesus habe nie gelebt; andere meinen, er wäre ein
guter Morallehrer gewesen - ein reiner Mensch so wie wir, der aber durch
die mythologischen Ausschmückungen der ersten Christen mit der
Geschichte der Jungfrauengeburt in eine übermenschliche Position
gebracht wurde.
Wiederum andere behaupten, er war präexistenter Gott, der Gott-
Mensch wurde und dann durch seine Auferstehung wiederum in seine
ursprüngliche Position als Gott zurückkehrte. Manche schrieben Bücher,
um zu beweisen, dass die Geschichte seiner Auferstehung ein Komplott
seiner Jünger war, um eine neue Religion zu gründen. Andere bevorzugen
die Idee, er wäre ein präexistenter oder vormenschlicher Engel7 höheren
Ranges gewesen, der Erstgeborene der Schöpfung Gottes. Die meisten
nennen die Bibel als Autorität für diese weit auseinandergehenden
Meinungen.
Einige meinen, es sei unwichtig, was wir glauben, wenn wir nur
seinen moralischen und sozialen Vorgaben folgen. Das scheint ein
sinnvoller Zugang zu sein, aber es gibt viele wichtige biblische
Überlegungen, die dagegen sprechen. Jesus definierte den Kernpunkt des
christlichen Glaubens mit den Worten: „Dies aber ist das ewige Leben,
dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus
Christus, erkennen" (Joh.17,3). Anscheinend hat die richtige Identifikation
Gottes und des Messias sehr viel mit dem ewigen Leben zu tun. Wenn
dies weniger wichtige Dinge gewesen wären, warum stellte dann Jesus die
zentrale Frage nach seiner Identität und warum lobte er Petrus so sehr für
dessen Einsicht, dass Jesus der Messias war ?(Mt.16, 15-19). Der Apostel
Paulus zeigt eine große Sorge, als er die Gemeinde in Korinth vor einer
Verführung warnt, einen „anderen Jesus" zu akzeptieren (2.Kor.11,1-4).
Da ist auch noch die bedeutende Aussage in 1.Joh. 4,2: „Jeder Geist, der
7
Die Ausdrucksweise „vormenschlich“ allein deutet schon an, dass ein solcher
Jesus nicht wirklich ein Mensch war. Wenn er seinem Ursprung nach ein Engel
war, so würde er das in seinem innersten Wesen immer bleiben.
68 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Christus, im Fleisch gekommen, bekennt, ist aus Gott". Diese Stelle macht
die richtige Identifikation ebenso wichtig.
Wir können allein aus den Worten des Erlösers und seiner Anhänger
bestimmen, welches die richtige Identifikation Jesu unter all den
konkurrierenden Ideen ist. Wir wissen, wie die Jünger ihren Herrn zu
dessen Lebzeiten betrachteten und wir haben uns auch kurz mit ihren
Reaktionen auf seinen Tod befasst. Aber was ist mit dem auferstandenen
Jesus? Wenn diese Leute nun eine neue Religion einführen wollten, indem
sie die Auferstehung vortäuschten, wie es manche behaupten, so hätten sie
auch Göttlichkeit für ihn beanspruchen können, wie es die übliche Ehre
für Könige und Herrscher jener Zeit war. Diese Idee war keinesfalls
einzigartig. Die Apostelgeschichte berichtet uns, dass bei König Herodes,
als er den Thron einnahm und zu sprechen begann, die Menge rief: „Die
Stimme Gottes und nicht eines Menschen!" Mit einer weniger
enthusiastischen Begrüßung wäre ihm wohl besser gedient gewesen. Das
Resultat seiner Weigerung, diese Schmeichelei zurückzuweisen, war der
Tod. „Sein Körper wurde von den Würmern zerfressen" (Apg.12, 21-23)
Die römischen Kaiser wurden vergöttlicht und als Götter verehrt. Der
Apostel Paulus vermied das Schicksal des Herodes, als er die Menge
zurückwies, die über ihn behauptete: „Die Götter sind den Menschen
gleich geworden und sind zu uns herabgekommen" (Apg.14,11). Paulus
war sehr schnell, eine beträchtliche Distanz zwischen sich selbst und einer
solchen Idee herzustellen. Es gibt nicht nur keine Beweise, dass Jesus
während seines Lebens von seinen Jüngern als Gott betrachtet wurde,
sondern auch die Auferstehung bewirkte nichts, was die Ansicht der
Apostel geändert hätte, dass Jesus etwas anderes als ein Mensch war. Sie
glaubten jetzt nicht, dass Jesus Gott war. Sie glaubten einfach, dass Gott
einen Menschen auferstehen hatte lassen. Zu Pfingsten legte Petrus ein
Glaubensbekenntnis ab, welches im Christentum als besonders wichtig
angesehen wird:
„Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, einen Mann, der
von Gott euch gegenüber erwiesen worden ist durch Machttaten und Wunder und
Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat - wie ihr selbst wisst - diesen
(Mann), der nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes
hingegeben worden ist, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an (das Kreuz)
geschlagen und umgebracht" (Apg.2,22-23).
Das wäre doch eine großartige Gelegenheit gewesen, den Tod des
zweiten Teils der Gottheit zu bezeugen und die Schwere des Verbrechens
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 69
Intervention: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft
des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das
geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk.1 ,35). Da ist
keine Rede von „ewiger Sohnschaft“, nur das Versprechen, dass der Sohn
wegen des Wunders, welches Gott an ihr tun wollte, als „Sohn Gottes“
bezeichnet würde – ein Wunder, welches den Einen Gott direkt in die
Geburt eines einzigartigen menschlichen Wesens, Israels prophezeiten
Messias, einbeziehen würde.
In diesen Versen wird uns, durch die Autorität des Boten Gottes, die
Herkunft Jesu als Sohn Gottes nahegebracht. Die übernatürliche
Empfängnis in Maria war nach den Worten von Lukas der unmittelbare
Grund für die göttliche Sohnschaft Jesu. „Darum – aus diesem Grund“
(Lk. 1,35) - der Empfängnis Marias durch die Kraft des Heiligen Geistes
Gottes – sollte Jesus „Sohn Gottes“ genannt werden. Ein französischer
Kommentator gibt diesen Vers aus dem Griechischen dio kai sehr gut
wieder: „c’est prècisément pourquoi“ (das ist genau der Grund, warum...
ja, genau aus diesem Grund ) wird er der Sohn Gottes genannt werden.8
Es ist nicht schwer zu sehen, dass die Ansicht von Lukas über die
Sohnschaft Jesu zu der traditionellen Idee im Widerspruch steht, einer, der
bereits als Gott und Sohn Gottes existiert hatte, sei in den Leib Marias
gekommen. Wenn das der Fall gewesen wäre, so würde die Empfängnis
nicht der Grund für die göttliche Sohnschaft Jesu sein. Er wäre bereits der
Sohn Gottes gewesen. Alfred Plummer hat eine aufrichtige Einschätzung
des Ursprungs Jesu bei Lukas: „Der Titel „Sohn des Höchsten“ – 1,32 –
drückt eine enge Verbindung zwischen Jesus und Jehovah aus, jedoch
nicht die Gottessohnschaft der Trinität.“9 Der Autor ruft uns die Tatsache
in Erinnerung, dass Christen ebenso als „Söhne des Allerhöchsten“ (Lk.
6,35) bezeichnet werden, diese Bezeichnung sie aber keineswegs zu ewig
präexistenten Wesen macht. Nur durch den Einfluss der doktrinären
trininitarischen Denkweise und einer Verzerrung der hebräischen
Verwendung des Wortes „Sohn Gottes“ wird von so vielen „Gott der
Sohn“ in den Bericht von Lukas hineingelesen – was Lukas selbst
unbekannt war.
8
S. Lyonnet, „L’Annonciation et la Mariologie Biblique“ in Maria in Sacra
Scriptura (Acta Congressus Mariologici-Mariani in Republica Dominicana anno
1965 Celebrati, Rom: Pontifica Academia Mariana Internationalis, 1967), 4: 59-
72. Lukas zeigt uns einen Jesus, der völlig menschlich ist, übernatürlich
empfangen, und so berechtigt, der Sohn Gottes genannt zu werden.
9
Gospel According to S. Luke, International Critical Commentary,23
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 71
Ein weiteres aufrichtiges Zugeständnis, dass Lukas Jesus nicht als vor
seiner Geburt existierend angesehen hat, kommt von einem führenden
katholischen Theologen, Raymond Brown. Er betont, dass Matthäus und
Lukas „keine Zeichen des Wissens von Präexistenz zeigen; anscheinend
bedeutete für sie die Konzeption das Werden (die Zeugung) von Gottes
Sohn.“10 Brown zeigt auf, dass das traditionelle Konzept der Präexistenz
bedeutet, die Empfängnis Jesu sei ein Abbruch einer Existenz als Gott
gewesen und der Beginn eines irdischen Daseins, aber nicht die Zeugung
des Sohnes Gottes. Doch für Lukas beginnt Jesus im Leib Marias zu
existieren – „Empfängnis ist ursächlich mit der Gottessohnschaft
verbunden“.11 Jesus wurde als der Sohn Gottes bei seiner Empfängnis
gezeugt. Lukas glaubte nicht, Jesus habe ein vor-menschliches Leben
gehabt. Darum konnte Lukas auch nicht an eine dreieine Gottheit
glauben.12
Brown bezieht sich auf das Wort „darum“ in Lk.1,35, wenn er sagt,
dass „eine gewisse Kausalität vorhanden ist.“13 Die Sohnschaft Jesu
resultiert aus der übernatürlichen Empfängnis. Das, so sagt er, „ist eine
Schwierigkeit für viele orthodoxe Theologen, weil in der traditionellen
Inkarnationstheologie eine Empfängnis durch den Heiligen Geist nicht das
Dasein des Sohnes Gottes mit sich bringt“.14 Brown bezieht sich dann auf
Theologen, die „versuchen, die kausale Verbindung ‚deshalb....‘ in Lk.
1,35 zu vermeiden, indem sie argumentieren, dass die Zeugung des
Kindes den Sohn Gottes nicht entstehen lässt.“15 Brown selbst kann sich
ihnen nicht anschließen. Was Brown aufdeckt, ist einfach die Abneigung
des durchschnittlichen Studenten der Bibel, zuzugeben, dass die Schrift in
dieser wichtigen Sache der Herkunft und Natur Jesu nicht damit
10
The Birth of the Messiah, 31,
11
Ebenso, 291
12
In Abwesenheit jeglicher Erwähnung der Präexistenz Jesu in Lukas/
Apostelgeschichte wäre es unweise, in Lk. 10,18 eine Bezugnahme auf eine
vorgeburtliche Existenz zu sehen. Jesus könnte hier sehr gut über den Herabstieg
Satans sprechen, um angesichts der Exorzismen Jesu zum Gegenangriff
überzugehen, oder Jesus könnte auch in einer Vision den eschatologischen Fall
Satans voraussehen, „da er weiß, dass er nur eine kurze Zeit hat“ (Offb. 12,12),
oder auch dessen endgültige Niederlage beim Anbrechen des Reiches.
13
Ebenso
14
Ebenso
15
Ebenso
72 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Lukas und Matthäus äußerst unorthodox und sie wären vielleicht sogar
angeklagt worden, gar keine Christen zu sein.
Hebr.2,17: „ Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden“ (seine Brüder
waren alle Menschen).
Hebr.7,14: „Denn es ist offenbar, dass unser Herr aus Juda entsprossen ist“ (als
Sohn Davids war er Teil der menschlichen Rasse).
Hebr.5,8: „..und lernte, obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, Gehorsam“ (er
litt wie jeder andere Mensch auch. Gott lernt keinen Gehorsam).
Hebr.5,7: „Der (Jesus) hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als auch
Flehen mit starkem Geschrei und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod
erretten kann“ (wäre er Gott gewesen, so hätte er sich wohl selbst retten können).
Hebr.4,15: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben
könnte mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem in gleicher Weise wie
wir versucht worden ist“ (Gott kann nicht versucht werden)
Hebr. 4,4: Gott, nicht Jesus, ruhte von seinen Werken, d.h. Gott war der Schöpfer.
Hebr. 2,12: Jesus vereint sich mit den Christen im Lobgesang Gottes.
Dunn bemerkt, dass der Hebräerbrief oft als Beweis für die
Präexistenz Christi herangezogen wird: „Der spezielle Beitrag des
Hebräerbriefes besteht darin, dass er als erstes der neutestamentlichen
Schriftstücke den Gedanken an eine präexistente göttliche Sohnschaft zu
tragen scheint“. Aber er schließt weiter:
mehr eine Idee und ein Zweck in den Gedanken Gottes als ein persönliches
göttliches Wesen“.16
16
Christology in the Making (Philadelphia: Westminster Press,1980), 55, 56,
Hervorhebung hinzugefügt
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 75
Was sich in den ersten beiden Versen des Hebräerbriefs zeigt, ist die
Tatsache, dass Jesus in alttestamentlicher Zeit für Israel nicht Gottes
Vertreter war. Gott sprach in der Vergangenheit durch andere Personen
als durch Jesus. Oft waren Engel Vertreter Gottes. Das heißt aber nicht,
dass „der Engel Gottes“, der den Gott Israels repräsentierte, der
präexistente Sohn Gottes war, wie manche behaupten. Manche Autoren
bemerken ganz richtig, dass Gott nie einen Engel als Sohn bezeichnet hat
(Hebr.1,5). Dieses Privileg war für Gottes einzigen Sohn, Jesus, reserviert.
Diese Tatsache sollte die Theorie ausschließen, dass Jesus als Engel
präexistiert hatte. Der Gedanke, dass er der Erzengel Michael war, wird
eindeutig im ersten Kapitel des Hebräerbriefs widerlegt. Der Dienst des
Gottessohnes ist weitaus dem der Engel überlegen, obwohl diese bei der
Gesetzgebung am Berg Sinai gebraucht wurden (Gal.3,19).
Der Schreiber des Hebräerbriefes lenkt unsere Aufmerksamkeit auf
eine andere Zeit, wenn er bemerkt: „Denn nicht Engeln hat er den
zukünftigen Erdkreis unterworfen, von dem wir reden“ (Hebr.2,5). Er
spricht nicht von einer vergangenen Zeit, sondern von einer zukünftigen
Ära, die kommen wird. Der Vorrang des Messias als Haupt dieser neuen
Schöpfung durchdringt die neutestamentliche Lehre. Der Autor des
Hebräerbriefs unterstreicht die Tatsache, dass Jesus an ein Erbe kam,
welches größer ist als das der Engel. Es war das rechtmäßige Erbe eines
erstgeborenen Sohnes: „Denn zu welchem der Engel hat er jemals gesagt:
„Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt?“ (Hebr.1,5). Jesus
konnte nicht Gott sein. Er wurde vom Vater erschaffen. Zeugung oder
Vaterschaft bedeuten einen Beginn und Gott hat keinen Beginn. Jesus war
der Erstgeborene von Gottes neuer Schöpfung. Seine Herkunft war
einzigartig und beinhaltete eine übernatürliche Empfängnis (Lk.1,35),
aber er war nicht Gott oder wortwörtlich präexistent. Er war auch nicht
der Melchisedek aus 1. Mo. 14,18-20. Melchisedek war nicht Sohn
Gottes, sondern ihm ähnlich, wie Hebr. 7,3 sagt. Melchisedek hatte einen
Stammbaum, auch wenn ihn die Bibel nicht erwähnt. Der geheimnisvolle
Priester, dessen Abstammung uns die Bibel nicht verrät, war nicht der
höchste Gott. (In der hebräischen Bibel ist Gott kein Mensch!).
Übersetzungen, die Melchisedek als „dieser Mann“ (Hebr.7,4)
bezeichnen, haben Recht. Er ist auch jene Person, „dessen Stammbaum
nicht von den Leviten kommt“ (Hebr.7,6), aber der Punkt ist, dass der
Stammbaum doch zu jemandem hinführt. „Sein Geschlecht“ legt nahe,
dass er einen hatte, so wie alle. Zugegebenermaßen ist all diese
Argumentation, die auf der fehlenden Vorfahrenschaft eines Priester-
76 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Königs aufbaut, für uns im 21. Jahrhundert sehr weit hergeholt. Auch das
ist ein Grund, wieso die Bibel im Licht ihres Zusammenhanges studiert
werden sollte und auch manchmal mit Hilfe solcher, die über den
Hintergrund Bescheid wissen.17 Die Mentalität jener, die behaupten „Ich
studiere die Bibel, nicht die Kommentare“, könnte sich so als ein
Freischein ins Unglück und in die Unwissenheit herausstellen.
Was der Schreiber des Hebräerbriefes und Paulus klar machen
wollten, war die Vorrangstellung Jesu als „Erstgeborener aus den Toten,
damit er in allem den Vorrang habe“ (Kol.1,18). Im jüdischen Gesetz
bekam der erstgeborene Sohn einen Großteil der Erbschaft. Der
Hebräerbrief beschreibt die hervorragende Position des Sohnes: „Wenn er
aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er: „Und
alle Engel Gottes sollen ihn anbeten“ (Hebr.1,6). Die neutestamentlichen
Schreiber empfanden es als wichtig, die Größe von Jesu Amt als Messias
zu unterstreichen. Wieso behauptete der Autor nicht einfach, Jesus sei der
Eine Gott? Das hätte seine Vorrangstellung über die Engel, Mose und
Josua klar zum Ausdruck gebracht. Weil der Autor ebenso wie Petrus und
die Apostel Jesus als den Messias (Mt.16,16) sah, musste er seine
Vorrangstellung gegenüber allen anderen geschaffenen Autoritäten
anhand der Schrift beweisen. Ich bitte auch zu bemerken, dass es Gott war
und nicht Jesus-Messias, der von seinen Werken ruhte (Hebr.4,4).
Das ergibt wenig Sinn, wenn der Sohn die Arbeit der Schöpfung
ausführte – eine Tatsache, die er in Mk.10,6 leugnet. Im Licht von Jesaja
44,24 konnte Jesus kaum von sich angenommen haben, mit Gott in
1.Mose 1 präsent gewesen zu sein.
Ohne Zweifel ist das Mensch-Sein Jesu als Hohepriester ein anderer
wichtiger Punkt im Hebräerbrief. Es herrscht jedoch Verwirrung über
Vers 8 in Kapitel 1. „Vom Sohn sagt er aber: „Dein Thron, o Gott, ist von
Ewigkeit zu Ewigkeit“.
Brown präsentiert folgende Beobachtungen:
„Vincent Taylor gibt zu, dass in Vers 8 der Ausdruck „o Gott“ als Anrede an
Jesus gerichtet ist, aber er sagt ebenfalls, dass der Schreiber des Hebräerbriefs nur
den Psalm zitiert und seine Terminologie gebraucht hat, ohne den Vorsatz, Jesus
als Gott zu bezeichnen. Es ist wahr, dass der Hauptgrund des Psalmzitats war, den
Gegensatz zwischen dem Sohn und den Engeln darzustellen und so zu zeigen,
dass der Sohn ewige Dominanz hat, während die Engel nur Diener waren. So
17
Moderne Kommentare sind besonders beim Verständnis des jüdischen
Sprachhintergrundes von Hebräer 7 in Bezug auf Melchisedek sehr hilfreich.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 77
wurde in dem Zitat keinerlei Betonung der Tatsache gemacht, dass der Sohn als
Gott bezeichnet werden kann. Dennoch können wir nicht annehmen, der Autor
habe keine Notiz davon genommen, dass dieses Zitat diesen Effekt hatte. Wir
können zumindest sagen, dass der Autor in dieser Ansprache nichts Falsches sah
und wir können uns auf eine ähnliche Situation in Hebr.1,10 berufen, wo die
Anwendung von Ps.102,25-27 auf den Sohn die Auswirkung hat, dass Jesus
„Herr“ genannt wird. Sicherlich können wir nicht sicher wissen, was der
Ausdruck „o Gott“ für den Schreiber des Hebräerbriefes bedeutete, als er ihn auf
Jesus anwandte. Psalm 45 ist ein königlicher Psalm; und in Analogie zum
„mächtigen Gott“ aus Jes.9,6, könnte „Gott“ einfach als ein königlicher Titel
angesehen und so auf Jesus als davidischen Messias angewendet worden sein.“ 18
18
Jesus, God and Man (New York: Macmillan, 1967), 24, 25, Hervorhebung
hinzugefügt
19
Brown, Driver and Briggs, Hebrew and English Lexicon of the Old Testament
(Oxford: Clarendon Press, 1968), 42. Vgl. den Plural elim, „Götter“, der für
andere Personen als den Einen Gott gebraucht wird. In Qumran werden Engel
„elim“ genannt, Michael mit eingeschlossen. Das New International Dictionary of
Old Testament Theology and Exegesis gibt folgenden Kommentar: „Die
Offenheit, göttliche Titel für wichtige Engel zu verwenden, hat offensichtlich
Auswirkungen auf die neutestamentliche Christologie“ (Hrsg. Willem A.
VanGemeren, Paternoster Press, 1996, 1:402).
78 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
ist natürlich in der Schrift oft zu finden. Paulus erklärte der heidnischen
Welt ganz klar, dass „Gott einen Tag festgesetzt hat, an dem er den
Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu
bestimmt hat, und er hat allen einen Beweis gegeben, dass er ihn
auferweckt hat aus den Toten“.20
Der Mensch Jesus lebte und starb auf dieser Erde und durch seinen
Gehorsam qualifizierte er sich, der erste gerechte Regent dieser Welt zu
sein. Durch seine Auferstehung und durch die Kraft, die ihm nun durch
seinen Vater übertragen wurde, wird er zu einer festgesetzten Zeit
wiederkommen, um auf dem Thron seines Vaters David zu sitzen und die
Welt zu regieren und zu richten. Er bleibt aber sogar in seiner
auferstandenen Position „der Mensch, Messias Jesus“ (1.Tim. 2,5). Das ist
ein wunderbares Zeugnis dafür, was Gott durch und für Menschen getan
hat. Man würde dem Schreiber des Hebräerbriefes Unrecht tun, wenn man
darauf besteht, er hätte im ersten Kapitel des Briefes einen präexistenten
Gott-Mann präsentiert.
Die oftmals wiederholte Bemerkung, wir hätten keinen Erretter, wenn
Jesus nicht Gott ist, entbehrt jedes Hinweises in der Schrift. Im Gegenteil,
die Bibel bezeugt den erstaunlichen Plan, den Gott durch einen erwählten
Menschen ausführt. Wir müssen verstehen, dass all die Quelle unserer
Hoffnung in diesem Mann Jesus gefunden wird, den Gott von den Toten
auferweckt hat. Wenn Jesus nicht ein Mensch gewesen wäre, ebenso wie
wir, dann hätten wir keine Gewissheit, dass Menschen zum ewigen Leben
auferweckt werden können.
Die Auferstehung Jesu hat der Gemeinde bewiesen, dass der
menschliche Messias wirklich aller Titel würdig ist, die dem Messias im
Alten Testament zugeschrieben werden. Seine Auferstehung war die
Hoffnung, welche die frühe Gemeinde motivierte. Wenn es bei einem
Menschen möglich gewesen war, so könnte es auch bei ihnen möglich
sein.
20
Apg. 17,31, Zitat von Ps. 96,13, wo der Psalmist sagt, dass Gott „kommt, die
Welt zu richten in Gerechtigkeit“, was ein Grund zur Freude ist (V. 11-12). Das
ist die Ankündigung des kommenden Königreichs von Paulus bei den Athenern.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 79
21
To Know and Follow Jesus (Paulist Press, 1984), 46
80 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
22
Vgl. D.R.G. Owen, „Body and Soul in the New Testament“, in Readings in
Christian Theology, herausgegeben v. M.J. Erickson (Baker Book House, 1967),
86: „In der hebräischen Denkweise steht das Wort „Seele“, wie wir gesehen
haben, einfach für das persönliche Fürwort und meint das „Selbst“ und der
Ausdruck „Körper und Seele“....steht für die hebräische Idee, dass der Mensch
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 81
ein „belebter Körper“ ist und nicht für die griechische Anschauung, dass er eine
„fleischgewordene Seele“ ist.
82 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Herrschaft, die von dieser ausging (Mt. 2,2-4). Der heidnische Herrscher
Herodes war sehr betroffen, als er von der Suche der Magier aus dem
Osten nach demjenigen, der als König der Juden geboren werden sollte,
hörte. Eine neue Dynastie sollte seine Herrschaft bedrohen. Herodes
befragte die Priester und Schriftgelehrten, wo dieser Messias geboren
werden sollte. Matthäus schreibt über ihre Antwort: „Zu Bethlehem in
Judäa....Und du, Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die geringste
unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird ein Führer hervorkommen“
(Mt.2,5-6). All das war Allgemeinwissen. Eine voreingenommene
Übersetzung der King James Bibel über den „ewigen Ursprung“ des
Messias in Micha 5,2 (zitiert in Mt. 2,6), sollte uns nicht in die Irre führen.
Das Versprechen eines Messias kann bis in die „ferne Vergangenheit“ 23
zurückverfolgt werden. Der Messias sollte aus dem Stamm Juda
hervorkommen und den Thron seines Vaters David erben. Die Juden
erwarteten einen menschlichen Befreier, der übernatürlich mit göttlicher
Weisheit und Kraft ausgestattet sein sollte (Jes. 11,1-5), aber keinesfalls
Gott, der Mensch wird. Zu diesem Gedanken hat das Alte Testament
nichts zu sagen.
Die Auferstehung einer ewigen Person unterminiert das Wunder,
welches Gott an und durch einen Menschen und für die ganze Menschheit
tat. Die Tatsache, dass Gott so wunderbar an den Menschen handelte,
indem er für einen Menschen sorgte, der den Weg zur Errettung
beleuchtet, bringt die Unsterblichkeit in Reichweite der Menschen. Die
heutigen Christen vertrauen auf die falsche Hoffnung einer vagen
Belohnung im Himmel nach dem Tod. Apostolische Hoffnung beruhte auf
der Tatsache, dass der verheißene Erretter, ein Sterblicher, den Tod durch
seine Auferweckung aus dem Grab besiegt hatte. Noch mehr, er hatte
seine Rückkehr zur Erde versprochen, um die Treuen mit Stellungen in
23
Siehe NEB und The New International Commentary on Micah (Grand Rapids:
Eerdmans, 1976), 343. Den gleichen hebräischen Ausdruck findet man in 5. Mose
32,7 (y’mot olam). Y’may Olam findet sich in Micha 7,14; Amos 9,11; Jes.
63,9,11. The Hastings Bible Dictionary (Edinburgh:T&T Clark, 1912), extra vol.,
696, übersetzt den Ausdruck in Micha 5,2 als von „ferner Vorzeit“ her, und fügt
hinzu, dass „von den Tagen der Ewigkeit her“ fälschlicherweise die ewige
Präexistenz des Messias suggeriert. Siehe auch die Cambridge Bible for Schools
and Colleges: „Ganz offensichtlich und viel besser im Zusammenhang bezieht
sich (der „Ursprung“) auf seine Abstammung von der alten davidischen Familie –
vgl. Amos 9,11, wo sich die „Tage der Vorzeit“ auf die Herrschaft Davids
beziehen.“
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 83
24
Offb. 2,26; 3,21; 5,10; 20,1-4; 1.Kor. 6,2; Mt. 19,28; Lk. 22, 28-30. 2.Tim.
2,12.
25
Dieselbe Erwartung wird in Apg. 3,21 gefunden
26
Vgl. Martin Werners Beobachtung, dass „das Dogma der Göttlichkeit Christi
Jesus in einen hellenistischen Erlösergott verwandelt hat und so ein Mythos
verbreitet wurde, hinter dem der historische Jesus völlig verschwand (Formation
of Christian Dogma: An Historical Study of Its Problems, (A&C Black,
1957,298)
84 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
Als einmal die Sterblichkeit und das wahre Mensch-Sein des Messias
abgestreift waren, fiel die historische Realität unter eine Wolke. Das
orientalische Konzept der Reinkarnation zog unter dem Deckmantel der
Menschwerdung ein. Griechische Spekulationen und Mythologie
erreichten den Glauben durch die Hintertür und hatten verheerende
Folgen. Der Kommentar von Canon Goudge sollte wiederholt werden:
„Als die griechische und römische Denkweise in der Gemeinde die
Oberhand über die hebräische gewannen, ereignete sich eine Katastrophe
in der Lehre und in der Praxis, von der wir uns niemals erholt haben“.27
Diese Beobachtung verdient eine weitere Untersuchung. Ist der
Verlust der biblischen Lehre über Gott letztendlich auf die Infiltration mit
fremder griechischer Philosophie zurückzuführen?
„Die Geschichte der christlichen Theologie und der Dogmen lehrt uns, das
Dogma der Trinität Gottes als ein entscheidendes Element der christlichen
Vorstellung von Gott anzusehen......andererseits müssen wir ehrlicherweise
zugeben, dass die Lehre der Dreieinigkeit keinen Teil des frühen Neuen
Testaments ausmachte.......Es war niemals die Absicht der ursprünglichen Zeugen
Christi im Neuen Testament, uns dieses intellektuelle Problem – das der drei
göttlichen Personen – vorzulegen und uns dann wortlos zu sagen, dieses Wunder
von Drei-in-Einem anzubeten. Es gibt keine Spur einer solchen Idee im Neuen
Testament. Dieses „mysterium logicum“ (logisches Geheimnis) - die Tatsache,
dass Gott Drei und trotzdem Einer ist - liegt völlig außerhalb der Botschaft der
Bibel. Es ist ein Geheimnis, welches die Kirche in ihrer Theologie vor die
27
„The Calling of the Jews“ in den gesammelten Essays Judaism and Christianity
(Shears and Sons, 1939). Die Abkehr von der biblischen Wahrheit in Richtung
des Heidentums hat ihre Wurzeln in den philosophischen Spekulationen der
Kirchenväter des 2. Jahrhunderts.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 85
Gläubigen hinstellt......aber welches keine Verbindung mit der Botschaft Jesu und
der Apostel hat. Kein Apostel hätte daran gedacht zu glauben, dass es hier drei
göttliche Personen gibt, deren wechselseitige Beziehungen und paradoxe Einheit
jenseits unseres Verständnisses liegen. Das Geheimnis der Trinität....ist ein
Pseudo-Geheimnis, welches aus einem Abirren des logischen Denkens von der
Linie der Bibel herstammt und nicht von der biblischen Lehre selbst.“28
28
Christian Doctrine of God, Dogmatics (Westminster Press, 1950), 1:205, 226,
238
29
Zitiert bei Klaas Runia in The Present- Day Christological Debate , 97
86 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?
30
Brown, Driver and Briggs, Hebrew and English Lexicon of the Old Testament,
42. Dieselbe Quelle sagt, dass das Wort „Gott“ (el) , das von Jesaja verwendet
wurde, an anderen Stellen der Schrift auf „Männer von hohem Rang und auch auf
Engel“ angewandt wurde. (Siehe Hes. 31,11, „Mächtiger der Nationen“, 32,21:
„gewaltige Helden“, 17,13: „Mächtige des Landes“, Hiob 41,17: „Machthaber“).
El in Hes. 28,2 bezieht sich auf jemand anderen als auf den Einen Gott.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 87
Juden im Mittelalter bezogen sich auf David als „unser Herr David“ und
„unser Herr Messias“, basierend auf Ps. 110,1 (Lk.2,11).
Ein Theologe des 19. Jahrhunderts sagte Folgendes über die Anrede
Jesu von Thomas: „Thomas gebrauchte das Wort ‚Gott‘ im gleichen Sinn,
wie es für die Könige und Richter angewendet wurde (welche als
Vertreter Gottes angesehen werden) und hauptsächlich für den Messias“.31
Aber was ist mit dem späteren Apostel Paulus? Gibt es biblische
Beweise, dass dieser ehemals strikte Pharisäer das alttestamentliche
jüdische Erbe abgelegt und sein Konzept Gottes durch die Aufnahme
einer zweiten und dritten Person erweitert und so eine Basis für die Lehre
der Trinität geschaffen hat?
31
C.G. Kuehnoel, zitiert bei W.G. Eliot, Discourses on the Doctrines of
Christianity (Boston: American Unitarian Society. 1886), 79
4. PAULUS UND DIE TRINITÄT
1
Das wird ganz deutlich durch seine Aussagen in 1. Kor. 8,4,6: Eph.4,6 und 1.
Tim. 2,5 gezeigt. In anderen Bereichen seiner Theologie, wie zum Beispiel in der
Frage der Bedeutung des Gesetzes für die neue jüdisch/heidnische Gemeinde,
entfernte sich Paulus ganz eindeutig von seiner pharisäischen Ansicht. Als
Pharisäer hätte er Galater 3 und 4 nicht schreiben können. Unter der Inspiration
des auferstandenen Jesus erklärt er, dass das Gesetz des Mose zeitlich begrenzt
war. Seine Gleichgültigkeit gegenüber der mosaischen Gesetzgebung die
Beschneidung betreffend zeigt diese Tatsache auch laut und deutlich auf.
Paulus und die Trinität 91
2
The Doctrine of the Person of Christ (Duckworth, 1925), 48.
3
A Pilgrim’s Further Progress: Dialogues on Christian Teaching
(Blackwell,1943), 40-42.
92 Paulus und die Trinität
Vater und Gott genannt wird; und es gibt die Person, die Sohn und auch
Gott genannt wird.“7
In dem Teil des Buches, der „Monotheismus im Neuen Testament“
betitelt wird, macht Beisner die ausgezeichnete Beobachtung, dass eine
monotheistische Ansicht „die ganze Anschauung über Jesus durchdringt“8
und er zitiert Joh. 17,3: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den
allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“
Beisner fügt dann noch das Zeugnis von Paulus hinzu, der
wohlüberlegt auf die Frage antwortet, ob es mehrere Götter als einen gibt.
Die Worte von Paulus sind wie folgt: „ ...wir wissen, dass es keinen
Götzen in der Welt gibt und dass kein Gott ist als nur einer. Denn wenn es
auch sogenannte Götter gibt im Himmel oder auf Erden – wie es ja viele
Götter und viele Herren gibt - so ist doch für uns ein Gott, der Vater,...und
ein Herr, Jesus Christus...“(1. Kor. 8,4-6).
Beisner zeigt richtig auf, dass die Antwort von Paulus auf die
monotheistische Frage war, „es gibt nur einen Gott“. „Dieser
monotheistische Standpunkt“, fährt er fort, „herrscht im ganzen Neuen
Testament vor, wird aber nirgends stärker ausgedrückt als hier in den
Schriften von Paulus.“9
An diesem kritischen Punkt in der Argumentation müssen wir darauf
schauen, was Paulus wirklich sagt. Alle werden dem Glauben von Paulus
zustimmen, dass es nur „einen Gott gibt“, aber wer ist bei Paulus dieser
eine Gott? Gibt es „einen Gott – den Vater“ (Unitarismus) oder „einen
Gott – den Vater, Sohn und Heiligen Geist“ (Trinitarismus)? Beisner
scheint die unheimlich wichtige Definition des Monotheismus von Paulus
zu übersehen: „So ist doch für uns ein Gott, der Vater“ (1. Kor.8,6).
Paulus nennt den einen Gott den Vater und er fügt keine andere Person
hinzu. Er fährt fort zu sagen, dass es einen Herrn gibt, Jesus Christus, aber
er sagt nicht (weder hier noch anderswo), dass Jesus „der eine Gott“ ist.
Der eine Gott des Monotheismus von Paulus, ausdrücklich festgestellt und
in Harmonie mit allem, was wir im Alten Testament und den Lehren von
Jesus gehört haben, ist der Vater allein.
Den gewöhnlichen Regeln der Sprache folgend, gebührt das Vorwort
mono nicht mehr, wenn wir eine Anzahl von mehr als einem haben. Zum
Beispiel, wenn ein Mann zwei Frauen hat, ist er nicht länger monogam,
7
Ebenso, 26
8
Ebenso
9
Ebenso, 27
94 Paulus und die Trinität
sondern polygam. Auf dieser Basis fragen wir gemeinsam mit vielen
Juden und Moslems, ob vom Trinitarismus als Monotheismus gesprochen
werden darf – sicherlich nicht als Monotheismus im Sinn des hebräischen
Alten Testaments. Es ist schwer für uns, die Schlussfolgerung zu
vermeiden, dass drei Personen, die alle Gott genannt werden, drei Götter
sind. Wir sind uns dessen bewusst, dass das von den Trinitariern bestritten
wird; wir haben jedoch auch festgestellt, dass eine Anzahl von Theologen
den Glauben vieler gewöhnlicher Gläubiger an den dreieinen Gott als
Glauben an drei Götter bedauert. Es ist schwer, nicht mit Hans Küng zu
sympathisieren, wenn er formuliert: „Es ist die aufrichtige Sorge vieler
Christen und die gerechtfertigte Frustration von Juden und Moslems,
wenn sie versuchen, in solch trinitarischen Formeln den reinen Glauben
an den einen Gott zu finden.“10
Hätten Jesus oder Paulus irgendwo in der Sprache der Trinität
ausgedrückt, „drei sind eins“ oder „eins ist drei“, so würden wir genötigt
sein, das als Teil der Offenbarung als christliche Lehre zu akzeptieren.
Aber die Geschichte kennt bis 300 Jahre nach dem Dienst Jesu wenig von
dieser Sprache über die Gottheit. Zu dieser Zeit war die Theologie in die
Hände von Männern geraten, die nicht die enge Verbindung der Apostel
zu Jesus, dem Messias, gehabt hatten und die Produkte einer ganz anderen
theologischen Bildung waren. Gemeinsam mit Hans Küng bedauern wir
„die Hellenisierung der ursprünglichen christlichen Botschaft durch die
griechische Theologie.“11 Es ist eine Sache für Christen zu behaupten, es
ist nur ein Gott, von dem in der Bibel gesprochen wird. Ganz eine andere
Sache ist es, Christen davon zu überzeugen, dass es in diesem einen Gott
drei Personen gibt. Die Fähigkeit der Theologen, die Gläubigen davon zu
überzeugen, dass zwei oder drei Personen in Wirklichkeit nur ein Gott
sind, muss als eines der größten Wunder in der Geschichte der
Christenheit angesehen werden. Wir wundern uns, wie sonst verständige
Personen so bereitwillig akzeptieren, was letztendlich als unverständliches
Geheimnis erklärt wird. Das alles ist noch bemerkenswerter, weil die
Glaubensgrundsätze der Bibel keinerlei Hinweis auf eine derartige
Terminologie geben. Es gibt keinen Hinweis auf ein Rätsel in der
transparenten und einfachen Bekräftigung, „es ist ein Gott, der Vater“
(1.Kor. 8,6).
10
Zitiert bei Pinchas Lapide, Jewish Monotheism and Christian Trinitarian
Doctrine, 40
11
Ebenso
Paulus und die Trinität 95
Mythologie den Eingang zum Hades bewacht), mit drei Köpfen und
einem Körper“, bezeichnet.12
Es war Paulus, welcher der Gemeinde in Korinth seine Sorge zum
Ausdruck brachte: „Ich fürchte aber, dass, wie die Schlange Eva durch
ihre List verführte, so vielleicht euer Sinn von der Einfalt und Lauterkeit
Christi gegenüber abgewandt und verdorben wird. Denn wenn der,
welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt
haben....so ertragt ihr das recht gut“ (2.Kor. 11,3-4). Wir behaupten, dass
der Gedanke an Gott als eine Person in sich selbst Einfachheit ist. Ein
Gott, welcher aus zwei oder drei Personen besteht, aber trotzdem nur ein
Wesen ist, ist extrem komplex. Nicht das kleinste Problem der Trinität ist
die Tatsache, dass Gott und Jesus in der Bibel offensichtlich zwei
Personen im modernen Verständnis dieses Wortes sind – genauso
unterschiedliche Personen wie ein Vater und sein Sohn.
Nicht ohne Grund sind die Worte von Paulus der Kritik ausgesetzt, sie
seien manchmal widersprüchlich. Das hat Öl in die Flammen der
trinitarischen Kontroverse geschüttet. Petrus warnte davor, dass in den
Schriften des Paulus „einiges schwer zu verstehen ist, was die
Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen
Schriften zu ihrem eigenen Verderben“ (2. Petr. 3,16). Wenn das so ist, so
haben wir umso mehr Grund, unser Verständnis der Lehre von Paulus
über Gott auf seine expliziten Glaubensaussagen zu gründen. Unter keinen
Umständen sollten wir anderen, weniger klaren Stellen in seinen Schriften
zugestehen, die transparenten, einfachen Behauptungen mit denen er Gott
definiert, in den Schatten zu stellen.
Philipper 2
Viele sehen die Aussage von Paulus in Phil. 2, 5-8 als Beweis an, dass
dieser an einen Messias glaubte, welcher sowohl präexistent, als auch Gott
in seinem eigenen Recht war. Der Text lautet wie folgt:
„Habt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war, der in Gestalt
Gottes war und es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein. Aber er machte
sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich
geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte er sich
selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“
12
C.B. Sandford, The Religious Life of Thomas Jefferson, 88, 89
Paulus und die Trinität 97
Wir sollten uns einige der ursprünglichen Aussagen von Paulus über
den Einen Gott ins Gedächtnis rufen, wenn wir uns diesem Abschnitt
widmen:
1. Dem allein weisen Gott durch Jesus Christus, ihm sei die Herrlichkeit in
Ewigkeit (Rö. 16,27).
2. Denn einer ist Gott und einer ist Mittler zwischen Gott und den Menschen,
der Mensch Christus Jesus (1.Tim. 2,5).
3. Ein Leib..... ein Herr, ein Glaube....ein Gott und Vater aller (Eph. 4,4-6).
4. ...und dass kein Gott ist als nur einer....und ein Herr, Jesus Christus (1.Kor.
8,4,6).
5. Die wird zu seiner Zeit der selige und alleinige Machthaber zeigen, der
König der Könige und Herr der Herrn, der allein Unsterblichkeit hat und ein
unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat, auch
nicht sehen kann ( 1.Tim. 6, 15-16).
So sehr er auch die Tatsache betont, dass die beiden in völliger Harmonie
handeln, so vergisst er niemals, dass der Vater der Eine Gott seines
monotheistischen Erbes ist. Es ist verwirrend zu denken, er fordere uns
inmitten all dieser Beharrlichkeit auf der Tatsache, dass Gott einer ist, auf,
ohne Erklärung zu glauben, auch Jesus sei der Eine Gott. So eine
drastische Änderung des religiösen Rahmens der wahren Religion hätte
den Ärger des jüdischen Flügels der Gemeinde hervorgerufen und wäre
der Grund für eine weitreichende Kontroverse gewesen. Es gibt keinen
Hinweis für so eine Debatte.
Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, unsere
Interpretationen des 21. Jahrhunderts in die Schriften des ersten
Jahrhunderts hineinzulesen. Man muss Worten gestatten, das zu meinen,
was sie in ihrem ursprünglichen Zusammenhang aussagten. Das Denken
von Paulus ist logisch. Er drückte sich an anderen Stellen mit völliger
Klarheit aus, als er definierte, wer der Eine Gott sei. Gemeinsam mit
vielen Kommentatoren, früheren und heutigen, fragen wir uns, ob die
frühe Gemeinde diesen Text in Philipper als Vorläufer der Nizäa-Formel
sah –Jesus als wahrer Gott von wahrem Gott, ewig präexistent und
Schöpfer?
James Dunn nähert sich diesem Text, indem er versucht, die Tendenz,
die späteren christologischen Entwicklungen in die Ideen von Paulus
hineinzulegen, beiseite zu legen: „Unsere Aufgabe ist wieder einmal die
wesentliche, aber sehr schwierige, unsere Ohren des 20. Jahrhunderts in
Einklang mit den Konzepten und Nebentönen der 50iger und 60iger Jahre
des ersten nachchristlichen Jahrhunderts im östlichen Mittelmeerraum zu
bringen.“13
Er kommt zum Schluss, dass die „präexistente-Inkarnations-
Interpretation“ von Phil.2, 2-6 mehr auf den späteren gnostischen Erlöser-
Mythos als auf Phil. 2,2-11 zurückzuführen ist. Er warnt uns vor der
Gefahr, in die Schriften von Paulus die Schlussfolgerungen späterer
Generationen von Theologen, den „Vätern“ der griechischen Kirche, in
den der Fertigstellung der neutestamentlichen Schriften folgenden
Jahrhunderten, zu lesen.14
Es ist weitgehend bekannt, dass wir in der Schrift genau das zu finden
suchen, was wir uns als bereits darin stehend vorgestellt haben, weil
niemand der erschreckenden Möglichkeit ins Auge sehen möchte, dass
13
Christology in the Making, 125
14
Ebenso, 128
Paulus und die Trinität 99
„Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist
.....Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose selbst über die, welche nicht
gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung Adams, der ein Bild des
Zukünftigen ist (Jesus)....denn wenn durch des einen Übertretung die vielen
gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des
einen Menschen Jesus Christus gegen die vielen überreich geworden.“
15
In Phil. 2,7 gibt es keine Erwähnung von „geboren werden“. Das Wort
genomenos meint einfach „werden“. Jesus nahm den Status eines Knechtes an
und erschien als gewöhnlicher Mensch.
Paulus und die Trinität 101
wieder einnahm, sondern dass ein wahrer Mensch, der Messias, in dem
der Charakter Gottes fehlerlos widergespiegelt wurde (Kol. 1,15), Demut
und Gehorsam gezeigt hatte und er von Gott bestätigt und erhöht wurde.
Paulus beschreibt auch an einer anderen Stelle das Leben Jesu als eine
Demonstration von Demut, wenn er bemerkt, dass „er, der reich war, um
euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (2.Kor.
8,9). Der Messias, obwohl er der designierte König Israels und der Welt
war, opferte sich für andere. Ohne freilich die gleichen Ansprüche wie
Jesus zu stellen, benützt Paulus dieselben Worte für sein eigenes Leben.
Er war „arm, aber viele reich machend, nichts habend und doch alles
besitzend“ (2.Kor. 6,10). Er „suchte nicht Ehre von Menschen......obwohl
wir als Christi Apostel gewichtig hätten auftreten können“ (1. Thess. 2,6).
Paulus betrachtete sich selbst und seine Mitapostel als messianische
leidende Knechte, wenn er die „Knechts-Prophetien“ Jesajas auf seine
eigene Mission (Apg. 13,47; s. Jes. 42,6; Jes. 49,6) anwandte.
Die traditionelle Lesart von Phil. 2 beruht fast zur Gänze auf der
Annahme, Jesu Zustand „er war in der Gestalt Gottes“ beziehe sich auf
ein präexistentes Leben als Gott im Himmel, anstelle einer rechtlichen
Identität mit Gott als menschliche Person auf der Erde.
Unglücklicherweise haben Kommentatoren viel dazu beigetragen, diese
Ansicht zu bestärken. Das Zeitwort „war“ im Satz „er war in der Gestalt
Gottes“ kommt im Neuen Testament häufig vor und bedeutet keinesfalls
sinngemäß „von Ewigkeit an bestehend“, obwohl manche Übersetzungen
diese Idee hineinbringen. In 1.Kor. 11,7 schreibt Paulus, dass ein Mann
sein Haupt nicht bedecken soll, weil er Bild und Abglanz Gottes ist. Das
Zeitwort „ist“ hier ist eine Form des selben Verbs, welches gebraucht
wird, um Jesus als in Gestalt Gottes zu beschreiben. Die Absicht von
Paulus war nicht, ein ewig göttliches, zweites Mitglied der Trinität
einzuführen, sondern über Demut am Beispiel des historischen Jesus zu
lehren. Es gibt keinen klaren Beweis in diesem Abschnitt, dass Paulus ein
Trinitarier war, der an die traditionelle Doktrin der Inkarnation glaubte.
Wir schlagen folgende Übersetzung des Originaltextes von Philipper
2 vor:
„Nehmt die selbe Haltung an wie Jesus, der Messias: Er, obwohl er
eine göttliche Stellung hatte, dachte nicht daran, seine Gleichheit mit Gott
zu seinem eigenen Vorteil zu benutzen, sondern verzichtete auf seinen
Rang, indem er die Rolle eines Sklaven annahm und wie alle anderen
Menschen wurde. In seiner Erscheinung als gewöhnlicher Mensch,
erniedrigte er sich durch seinen Gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am
102 Paulus und die Trinität
Kreuz“. In dieser Übersetzung gibt es nichts, was uns auf ein präexistentes
Wesen hinweist. Die Erhöhung des Messias zur Rechten Gottes ist die
Erfüllung von Psalm 110,1. Es wurde gut argumentiert, dass der Text
folgendermaßen gelesen werden sollte: „Im Namen Jesu beuge sich jedes
Knie“ (wie es auch die Elberfelder und die Luther Übersetzung
wiedergeben) und nicht „vor dem Namen Jesu“ (Phil. 2,10). So verändert
auch die oberste Erhöhung Jesu zur rechten Hand des Vaters nicht die
Tatsache, dass alles, was Jesus bewirkte, zur Ehre Gottes dient. Der Herr
zur Rechten Gottes ist, wie wir uns in Erinnerung rufen, adoni, was
niemals als Titel für die Gottheit gebraucht wird.
Kolosser 1,15-17
Um die erhöhte Position des auferweckten Messias, seine Autorität
über alle Feinde und seine besondere Rolle im Plan Gottes zu betonen,
schrieb Paulus an die Gemeinde in Kolossä:
„Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung.
Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das
Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten
oder Mächte; alles ist durch ihn und zu ihm hin erschaffen; und er ist vor allem,
und alles besteht durch ihn“ (Kol. 1,16).
„Wir müssen die Tatsache verstehen, dass Paulus nicht versuchte, Menschen
zum Glauben an ein präexistentes Wesen zu bringen. Er musste nicht den
Ausdruck der „präexistenten Weisheit“ einführen. Solche Sprache wurde
normalerweise gesprochen, war üblich und sicherlich nichts Unbekanntes für die
meisten seiner Leser. Er behauptete auch nicht, Jesus sei ein bestimmtes
präexistentes Wesen gewesen....Was er sagte war, dass Weisheit, was auch immer
dieses Wort für seine Leser bedeutete, nun in aller Fülle in Jesus ausgedrückt
wurde – Jesus war die vollständige Verkörperung göttlicher Weisheit; all die
göttliche Fülle wohnte in ihm. Der Fehler, den viele (unbewusst) machen, ist, die
Argumente von Paulus umzudrehen und sie in die falsche Richtung deuten zu
lassen. Weil eine Sprache, die präexistente göttliche Wesen ins Auge zu fassen
scheint, fremd für unsere Ohren ist, so ist es einfach (durch eine illegitime
Paulus und die Trinität 103
„Doch die Sprache von Paulus war natürlich durch die Kultur und die
kosmologischen Annahmen seiner Zeit geprägt. So argumentierte er nicht für die
Existenz eines präexistenten göttlichen Wesens oder für die Existenz eines
bestimmten göttlichen Wesens.......und der Sinn ist natürlich, wenn man diese Art
der Sprache im jüdischen Monotheismus versteht, dass Jesus als die weise
Aktivität Gottes gesehen wird, als die Weisheit und Verkörperung der Weisheit
Gottes, vollständiger als jede vorherige Manifestation derselben Weisheit, sei es
in der Schöpfung oder im alten Bund.“17
Die Analyse Dunns genügt, um uns zu zeigen, dass diese Passage der
Schrift keinen Glauben an eine Gottheit bestehend aus zwei oder drei
Personen begründet. Einige weitere Punkte sollten betrachtet werden.
Paulus nennt Jesus den Erstgeborenen aller Schöpfung. Im natürlichen
Sinn schließt der Ausdruck Erstgeborener die Vorstellung eines
ungeschaffenen, ewigen Wesens aus. Geboren zu werden benötigt einen
Beginn. Gottes Erstgeborener ist „der höchste der Könige auf Erden“ (Ps.
89,27). Paulus wendet einen bekannten messianischen Titel an. Jesus ist
für Paulus nicht Gott, aber der Messias – und da gibt es einen großen
Unterschied.
In vielen Übersetzungen heißt es, „alle Dinge sind durch ihn (den
Messias) geschaffen“. Die Präpositionen in Kol. 1,16 müssen korrekt
übersetzt werden (wie wir an den Randversionen der
Standardübersetzungen sehen). Was Paulus wirklich schrieb, war, dass
„alle Dinge“ – in diesem Fall „Throne, Herrschaften, Gewalten und
Mächte“ „in“ Jesus geschaffen wurden – „durch“ ihn und „für“ ihn. Es
16
Christology in the Making, 195
17
Ebenso, 195, 196
104 Paulus und die Trinität
heißt nicht, dass Jesus der Schöpfer im Eröffnungsvers von 1.Mose war,
sondern dass er in der Mitte von Gottes kosmischer Hierarchie war. Alle
Mächte sollten dem Sohn untertan sein, der letztendlich alles seinem
Vater unterwerfen würde, dem Obersten, dem er zur Treue verpflichtet
war, damit „Gott (der Vater) alles in allem ist“ (1.Kor.15,28).18 Es wäre
eigenartig zu sagen, Jesus habe alle Dinge für sich selbst geschaffen (Kol.
1,16). Der Punkt ist eher, dass Gott alles mit dem Gedanken an Jesus, mit
ihm als Anlass für die Schöpfung und so für ihn schuf. Als Erstgeborener
ist Jesus der Erbe des Universums, welches Gott für Seinen verheißenen
Sohn als designierten Erben schuf. Paulus rückt in diesem Abschnitt die
neue Schöpfung in den Blickpunkt, die durch die Auferstehung Jesu, des
Erstgeborenen aus den Toten, begonnen wurde (Kol.1,18). Die
Bezugnahme auf die Schöpfung von Engeln bedeutet nicht die Existenz
Jesu zum Zeitpunkt der Schöpfung. Wie immer ist der Zusammenhang ein
wichtiger Faktor in der Interpretation. Paulus konzentriert sich in diesem
Abschnitt auf „Erbe“, „Reich“ und „Mächte“ (Kol. 1,12,13,16). Dies
deutet stark darauf hin, dass er an die Herrschaft des Messias über die
gesamte Schöpfung denkt, als neue Ordnung, die Gott von Anfang an im
Sinn hatte und als deren Haupt Christus ernannt wurde. In diesem Fall
gibt es keine Bezugnahme auf die Schöpfung in 1. Mose und so auch
keinen Hinweis auf die Präexistenz. Wie üblich ist der Kontext ein
wichtiger Faktor bei der Interpretation.
Ausdrücke, die, wie Dunn sagt, im 20. (und jetzt natürlich auch im
21.) Jahrhundert antiquiert erscheinen, und die deswegen besonders
vorsichtig behandelt werden müssen, liefern keine Grundlage für den
Glauben an die Präexistenz Jesu. Paulus glaubte, dass Gottes Plan die
Vorherrschaft des Messias über alles Geschaffene, sei es nun sichtbar oder
unsichtbar, im Himmel oder auf Erden, seien es Throne, Herrschaften,
Gewalten oder Mächte, vorsah. Jesus war der Anfangspunkt aller
Kreativität Gottes – der Schlüssel zu Gottes ganzem Vorsatz und auch die
Verkörperung von Gottes Weisheit. Der Messias jedoch war nicht ein
ewiges Wesen, sondern eine menschliche Person, die zur festgesetzten
18
Wir stellen fest, dass gemäß J.H. Moulton (Hrsg.), Grammar of New Testament
Greek (T&T Clark,1963), Kol. 1,16 folgendermaßen wiedergegeben werden
sollte: „denn wegen ihm (Jesus).....(3:253). Das ergibt einen völlig anderen Sinn
als: „durch ihn...“. Siehe auch: Expositor’s Greek Commentary“ (Hrsg. W.
Robertson Nicoll, Grand Rapids: Eerdmans, 1967) über diesen Vers: „en auto:
Das bedeutet nicht ‚durch ihn’“ (504). Übersetzer scheinen diesen Autoritäten
wenig Beachtung geschenkt zu haben.
Paulus und die Trinität 105
Zeit geoffenbart werden sollte und die nun, als Erstgeborener aus den
Toten, dazu qualifiziert ist, der neuen Ordnung vorzustehen (Eph. 1,10).
1. Korinther 10,4
Viele, welche an die persönliche Präexistenz Jesu glauben, beziehen
sich auf die Worte des Apostels in 1. Kor. 10,4, wo er über die Israeliten
in der Wüste schreibt, dass sie alle „aus einem geistlichen Felsen, der sie
begleitete, tranken. Der Fels aber war der Christus“.
John Cunningham bemerkte:
„Auf Grundlage dieses Textes wird behauptet, dass Christus persönlich das
Volk Israel begleitete, als dieses durch die Wüste ins verheißene Land zog. Um
dieses Argument zu unterstützen werden 5.Mo. 32,4 und Ps. 18,2 zitiert, weil
Jahwe (Gott) dort als Fels beschrieben wird. Weil nun Gott der Fels ist und
ebenso Christus als Fels, der das Volk Israel begleitete, bezeichnet wird, schließt
man, dass Christus Jahwe bzw. der Gott des Alten Testaments sein muss.“19
Ein Text, der Gottes Aktivität über die Zeitalter betrachtet, sagt:
„Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals geredet hat zu
den Vätern in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet
im Sohn“ (Hebr. 1,1-2). Das scheint zu bestätigen, dass Jesus bis zu seiner
Geburt als Mensch weder Sohn Gottes noch Botschafter Gottes an die
Menschheit war. Dasselbe Buch an die Hebräer deutet an, dass das Wort
in alttestamentlicher Zeit durch Engel gesprochen wurde (Hebr.2,2).
Wenn nun die Botschaft an Israel durch denselben präexistenten Jesus, der
später Mensch wurde, gesprochen wurde, so scheint dem Schreiber dieses
neutestamentlichen Buches diese Tatsache unbekannt gewesen zu sein.
Botschaften wurden sicherlich durch Propheten und Engel überbracht,
aber es gab niemals einen Hinweis darauf, dass die alttestamentliche
Botschaft jemals durch den einen, der später als Sohn identifiziert wurde,
überbracht worden wäre.
Nimmt man 1. Korinther 10,4 allein, ohne den Kontext oder die
hebräische Denkweise von Paulus zu beachten, so scheint diese Stelle
anzudeuten, Christus sei vor seiner Geburt lebendig gewesen. Es gibt
zahlreiche andere Schriftstellen, die zeigen, dass Engel üblicherweise die
Botschaften Gottes an Israel überbrachten. Stephanus spricht über Mose
19
„That Rock Was Christ“, Restoration Fellowship, 1981. Wir sind sowohl
diesem Autor für die stichhaltigen Argumente als auch James Dunns Christology
in the Making, 183, 184, zu Dank verpflichtet.
106 Paulus und die Trinität
und die Gesetzgebung: „Dieser ist es, der in der Gemeinde in der Wüste
gewesen ist mit dem Engel, der auf dem Berg Sinai zu ihm redete.......Er
empfing lebendige Aussprüche, um sie uns zu geben“ (Apg.7,38).
Apostelgeschichte 7,53 stellt fest, dass sie das Gesetz durch Anordnung
von Engeln empfangen und nicht befolgt haben. Paulus spricht auch von
der Rolle der Engel im Gegensatz zu einem späteren Offenbarer, der „der
Nachkomme“ genannt wird (der Messias): „Was soll nun das Gesetz? Es
wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt – bis der Nachkomme
(Jesus) käme, dem die Verheißung galt – angeordnet durch Engel in der
Hand eines Mittlers“ (Gal.3,19). Paulus fährt fort, indem er die Einheit
Gottes bestätigt: „Ein Mittler ist aber nicht Mittler von einem; Gott aber
ist nur einer“ (Gal.3,20). In jeder dieser Passagen ist es klar, dass die
Gesetzgebung durch die Engel eine wichtige Rolle spielt. Aber es sollte
nicht übersehen werden, dass das gemeinsame Thema die Überlegenheit
des Evangeliums über das Gesetz ist. Das Gesetz wurde nur durch die
Engel vermittelt, aber die Gute Nachricht (Evangelium) wurde durch den
Sohn gebracht und ist deswegen unvergleichlich erhabener. Paulus
glaubte sicherlich nicht an die Präexistenz Jesu als Engel.
Christus konnte auch gar keinen Anteil an der Gesetzgebung an Israel
oder beim Dienst an den Israeliten in der Wüste gehabt haben. Die Wahl
des Wortes „Same“ oder „Nachkomme“ bei Paulus ist sehr zutreffend.
Der „Same“ – als Christus erkenntlich gemacht - war noch nicht
gekommen und noch nicht aktiv im Dienste Gottes.
Es ist klar, dass „der Same“ für Paulus hier und an anderen Stellen -
Same Abrahams (1.Mo. 22,18), Same Judas (1.Mo. 49,10) und Same
Davids20 - speziell Christus, den verheißenen Nachkommen der
Patriarchen und Davids, bedeutete. Römer 1,3 beinhaltet einen direkten
Hinweis auf Christus als Sohn Gottes. Das Evangelium bescheinigt: „Sein
Sohn, der aus der Nachkommenschaft Davids gekommen ist dem Fleisch
nach und als Sohn Gottes mit Kraft eingesetzt.“ Das wiederholte Beharren
auf den Sohn, der von einer Frau geboren wurde und ein Nachkomme
eines Menschen war, ist unausweichlich. Der Messias sollte aus der
menschlichen Rasse kommen. Das ist genau das, was die Juden der
damaligen Zeit und die frühe Gemeinde glaubten und erwarteten. Es hätte
einen überwältigenden Widerspruch zu den Worten der Propheten
bedeutet, wenn Paulus gelehrt hätte, der Messias sei persönlich, schon als
Sohn Gottes, mit dem Volk Israel in der Wüste gewesen.
20
2. Sam. 7, 12-14 mit Jes. 11,1; Rö. 1,3; 2. Tim. 2,8
Paulus und die Trinität 107
Wir müssen uns vor einer mehr als wörtlichen, starren Lesart von
1.Kor. 10,4 hüten und uns die hebräische Verwendung von Symbolen und
die jüdische Art zu sprechen, ins Gedächtnis rufen. Es ist für die Schrift
nicht ungewöhnlich, das Zeitwort „sein“ in einem weniger wörtlichen
Sinn zu verwenden. Jesus sagte: „Dieser Kelch ist der neue Bund in
meinem Blut“ (Lk.22,20). Das Verb „sein“ bedeutet nicht einfach eine
eins-zu-eins Identität; die Sprache ist symbolisch: „Dieser Kelch
repräsentiert mein Blut“.
Der unmittelbare Zusammenhang von 1.Kor.10,4 schließt uns auf, wie
Paulus denkt. Paulus sieht die Erfahrungen Israels in der Wüste als
Beispiele, „Typen“ oder Modelle gegenwärtiger christlicher Erfahrungen.
Wie Paulus sagt: „All dies widerfuhr jenen als Vorbild.....“ (1.Kor.10,11).
Der Durchzug Israels durch das Rote Meer war ein Sinnbild für die Taufe.
Die „geistliche“ Nahrung, die in Vers 3 erwähnt wird, ist klarerweise das
Manna, welches über einen Zeitraum von 40 Jahren auf wundersame Art
täglich gegeben wurde. Sie tranken auch von einem „geistlichen Felsen“.
Diesen einzelnen Hinweis auf den Felsen, der dem Volk Israel folgte,
als Beweis für einen „vor-menschlichen“ Jesus zu nehmen, verfehlt den
Sinn der Lektion von Paulus. Es übersieht auch die Tatsache, dass die
Juden nichts anderes als einen menschlichen Messias erwarteten. Ein
näherer Blick auf die Geschichte im Alten Testament, die Paulus im Sinn
hatte, zeigt uns, dass es zwei Begebenheiten gibt, bei denen auf der
Wanderung der Israeliten durch die Wüste ein Fels erwähnt wird. Es ist
wichtig, den Unterschied zwischen den beiden zu bemerken.
Die erste geschah gleich, nachdem das Manna das erste Mal auf so
wundersame Weise gegeben worden war. Israel kam nach Rephidim und
begann sofort über den Mangel an Wasser zu murren. Daraufhin befahl
Gott Mose, den Felsen zu schlagen. Es kam Wasser heraus und der Durst
des Volkes wurde gestillt (2. Mo. 17,1-6). Der Schlag auf den Felsen
symbolisiert die Tatsache, dass Christus, unser Felsen, später für die
Sünden der Welt zerschlagen wurde. Das Wasser deutete aber auch schon
die Gabe des Heiligen Geistes an, der von Jesus als Wasser des Lebens
beschrieben wird: „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke“
(Joh.7,37). Der Felsen in der Wüste war eine Darstellung des Messias, der
als Geber des Heiligen Geistes kommen würde.
Das zweite Vorkommen eines Felsens geschieht gegen Ende der
Wüstenwanderung. Wieder murrte Israel wegen des Wassermangels und
wiederum sorgte Gott für ihre Bedürfnisse. Dieses Mal befahl er Mose, zu
dem Felsen zu sprechen, aber in seinem Zorn gehorchte Mose nicht und
108 Paulus und die Trinität
schlug den Felsen zweimal (4.Mo. 20,1-12). Weil er den Felsen schlug,
anstatt zu ihm zu sprechen, wurde Mose schuldig, den Sinn des „Modells“
zerstört zu haben. Der Felsen in 2. Mose symbolisierte Christus im
Fleisch, zerschlagen, um uns das Wasser des Lebens zu geben, während
der Felsen in 4. Mose Christus als unseren Hohepriester darstellt, der nicht
zweimal geschlagen werden darf, sondern den man um das Wasser des
Lebens anspricht.
Das erste Geschehnis begab sich am Beginn der Wanderung, das
zweite am Ende; beide Geschehnisse sind eine Parabel über die bleibende
Gegenwart Christi mit seinem Volk während seiner „Wüstenwanderung“,
der christlichen Reise hin zum „verheißenen Land“ des Königreiches
Gottes.
Die beiden Geschehnisse, die wir eben betrachteten, begaben sich an
völlig verschiedenen Orten und es werden auch zwei verschiedene Wörter
für „Fels“ verwendet. In 2. Mose 17 steht das Wort tsur und in 4.Mose 20
steht sela. Was nun meint Paulus, wenn er schreibt „sie tranken von einem
geistlichen Felsen, der ihnen folgte“? Logischerweise folgte dem Volk
Israel kein wirklicher Felsen. Eine bessere Antwort wäre die, dass Paulus
die Sprache christlicher Erfahrung gebraucht und sie auf das
alttestamentliche Modell anwendet. Das zeigt sich deutlich bei seiner
Bezugnahme auf die Taufe zu Beginn seiner Diskussion. Die Israeliten
wurden nicht wirklich getauft. In der Tat, es wird uns gesagt, dass ihnen
das Wasser nicht nahe kam; sie gingen trockenen Fußes durch das Rote
Meer. Aber ihre Erfahrung ist für Mose eine naheliegende Parallele und so
schreibt er, sie seien „auf Mose getauft worden“. Ebenso folgte ihnen der
Fels nicht wirklich. Es war einfach ein „Modell“ oder „Typ“ Christi, der
die Christen durch ihr Leben begleitet. Das ist auch genau das, was auch
Paulus behauptet: „Alles dies widerfuhr aber jenen als Vorbild...“ (1.Kor.
10,11).
Die Beweislage ist viel zu dünn, um zu behaupten, Paulus hätte ein
neues Dogma über einen präexistenten Gott-Mann einführen wollen. Das
würde seinen eigenen Argumenten widersprechen, wenn er schreibt, dass
Christus in Existenz kam. Hätte er behauptet, der Messias sei eine
gleichberechtigte Person mit Gott, so hätte seine radikale Abkehr von
seinem jüdischen Erbe einer genaueren Darstellung bedurft.
Wir müssen gegenüber dem Fehler, spätere trinitarische Tradition in
die Schriften des ersten Jahrhunderts hineinzulesen, wachsam sein. Die
Wahrheit über die Identität und den Ursprung Jesu muss strikt auf die
Information begründet sein, die uns von den Schriften der frühen
Paulus und die Trinität 109
Gottheit bestehend aus zwei oder drei Personen? Die Geschichte der
Entstehung dieses neuen, fremden und äußerst einflussreichen
Glaubenssystems ist bemerkenswert.
5. DER WEG VON DER HEBRÄISCHEN WELT DER BIBEL
ÜBER DIE GRIECHISCHE PHILOSOPHIE INS 20.
JAHRHUNDERT
„Um das Fach, welches uns als Philosophie bekannt ist, richtig zu studieren,
ist es nicht allein nötig zu lernen, was die großen Denker glaubten. Du musst
lernen, für dich selbst zu denken. Nimm etwas nur an, nachdem du darüber
nachgedacht hast und es dir als richtig erscheint. Dann wirst du Philosophie
anwenden und nicht nur darüber lernen; du wirst ein Philosoph sein.“1
Dieser gute Rat trifft auch auf das Studium der Theologie zu. Es
veranlasst uns, über die wichtige Frage der Veränderungen nachzudenken,
die am apostolischen Christentum vorgenommen wurden, als ab dem
Beginn des 2. Jahrhunderts der Glaube dem römisch - griechischen
Umfeld angepasst wurde. Biblisches Christentum selbst repräsentiert sich
trotz der verschiedenen Betonungen innerhalb des Neuen Testaments als
eine „Philosophie“. Es nimmt in Anspruch zu definieren, was von ewigem
Wert ist (z.B. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes – Mt.6,33 ; So
ist doch für uns ein Gott, der Vater...und ein Herr, Jesus Christus –
1.Kor.8,6); es bietet einen Bericht über den Sinn des Daseins und über
einen obersten göttlichen Plan, der in der Geschichte verwirklicht wird,
an. Unser Anliegen ist es, die Frage zu ergründen, wie weit der
ursprüngliche „Glaube, der für allemal den Heiligen überliefert worden
ist“ (Judas 3), den zu bewahren Judas seine Zeitgenossen aufgefordert
hatte, schrittweise und manchmal unbemerkt unter einer radikalen
Umwandlung durch den Einfluss fremder Philosophien litt. Wenn so ein
Prozess stattfand, so ist es wichtig, wenn wir es mit einer
1
Rogers und Baird, Introduction to Philosophy (Harper& Row, 1981), 21.
112 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
„Viele Leute heute, auch Gläubige, sind weit davon entfernt, die Basis ihres
Glaubens zu kennen....ziemlich unbewusst verlassen sie sich in ihrem Verständnis
der Welt, in der sie leben, mehr auf die griechische Philosophie als auf das Wort
Gottes. Ein Beispiel dafür ist der im Christentum vorherrschende Glaube an eine
unsterbliche Seele. Viele Gläubige sind in dieser Welt, in der Leid und
Frustration zu herrschen scheinen, verzweifelt. Und so suchen sie nach einer
Freisetzung ihrer Seelen von der Last des Fleisches, sie hoffen auf einen Eintritt
in die ‚Welt des Geistes’, wie sie es nennen, auf einen Platz, an dem ihre Seelen
ein Gesegnet-Sein finden, das sie im Fleisch nicht entdecken können. Das Alte
Testament, welches die Schrift der frühen Gemeinde war, hat kein Wort für die
moderne (oder alt-griechische) Idee von Seele. Wir haben kein Recht dazu, dieses
2
Ebenso, 5.
3
Zitiert von Robert Friedmann in The Theology of Anabaptism (Herald Press,
1973), 50.
4
Rogers und Baird, Introduction to Philosophy, 5.
5
Ebenso
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 113
moderne Wort in das Wort ‚psyche’ von Paulus zu lesen, denn er gebrauchte es
nicht in demselben Sinn, wie Plato es tat; er drückte damit aus, was auch Jesaja
und Jesus damit gemeint hatten........es gibt etwas, was wir an dieser Stelle sicher
behaupten können und das ist, dass die populäre Doktrin über die Unsterblichkeit
der Seele nicht bis zur biblischen Lehre zurückverfolgt werden kann.“6
6
Law and Grace (Philadelphia: Westminster Press, 1962), 78, 79.
7
„The Last Things in the Last Decade“, Interpretation 71 (April, 1960): 136.
114 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
Die Christologie blieb durch die Neuformung der Lehre über Gott
nicht unberührt; aber kann das Neue Testament mit seinem Erbe der
Propheten Israels ohne Verlust eines essentiellen Elementes von der
griechischen Philosophie eingenommen werden? Die Sorge von Filson
kommt in der folgenden Aussage zum Ausdruck:
8
The Person of Christ (London: Nisbet and Co. Ltd., 1933), 122.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 115
„Die grundlegende Verwandtschaft des Neuen Testaments ist nicht mit seiner
heidnischen Umgebung, sondern vielmehr mit dem jüdischen Erbe und der
Umgebung, die wir im ersten Teil des Vortrags behandelt haben. Sehr oft werden
wir durch unser traditionelles Glaubensbekenntnis und unsere Theologie
angeleitet, Denkweisen zu benutzen, die von heidnischen und auch besonders von
griechischen Auffassungen herstammen. Wir wissen, dass sich schon im zweiten
Jahrhundert Ausleger systematisch darum bemühten, aufzuzeigen, wie der
christliche Glaube die griechische Theologie perfektioniert. ...Das Neue
Testament spricht immer mit Ablehnung und gewöhnlich mit offener
Verurteilung von heidnischen Kulten und Philosophien. Im Grunde stimmt es mit
der jüdischen Anklage der heidnischen Welt überein.“9
„Es gab immer Juden, welche versuchten, mit der heidnischen Welt gut
auszukommen und für sie bedeutete es nach einiger Zeit den Tod des Judentums.
Ebenso gab es auch von Anfang an Christen, die das ebenso wollten. Oft wurde
es unbewusst getan, aber ob nun bewusst oder unbewusst, die Frage muss gestellt
werden, ob es richtig ist. Unsere Überzeugung ist die, dass die Neuinterpretation
biblischer Theologie in Denkweisen der griechischen Philosophen in allen
Jahrhunderten weit verbreitet war und sich überall destruktiv auf das Wesentliche
des christlichen Glaubens ausdrückte...... Die gesamte Bibel, sowohl das Neue als
auch das Alte Testament, ist auf hebräische Einstellung und Haltung aufgebaut.
Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Tatsache immer mehr bekannt
gemacht werden muss. Für uns ist es klar, und wir hoffen, das mit diesen Seiten
auch für andere klar zu machen, dass oft ein großer Unterschied zwischen
christlicher und biblischer Theologie besteht....weder die katholische noch die
protestantische Theologie sind auf biblischer Theologie aufgebaut. Bei beiden
sehen wir die Überlagerung durch die griechische Denkweise.... Wir meinen, es
gibt keine richtige Antwort (auf die Frage: was ist das Christentum?), bis wir eine
klare Sichtweise über die charakteristischen Aussagen sowohl des Alten als auch
des Neuen Testamentes und den Unterschied zu den heidnischen Ideen, welche so
weitgehend das christliche Denken dominierten, haben.“10
9
F. Filson, The New Testament Against Its Environment (London: SCM Press,
1950), 26, 27.
10
The Distinctive Ideas of the Old Testament (London: Epworth Press, 1944),
187, 185, 188, Hervorhebung beigefügt.
116 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
„Jesus könnte der ‚einzige Sohn’ (eingeboren bedeutet einzigartig) und ein
wahrer Vertreter der Menschen sein, ‚ganz Gott und ganz Mensch mit zwei
‚Naturen’ in einer ‚Person’, ohne Verwirrung, Änderung, Teilung oder Trennung
der beiden (ein Zitat aus der doktrinären Entscheidung des Konzils von
Chalcedon, 451 n. Chr.). Jesus war ‚Mann’, nicht ‚ein Mann’; sein Ich, seine
Persönlichkeit, waren göttlich, präexistent, die sich in einen menschlichen Körper
hüllten und auch aus diesem heraus wirkten; er ‚kam in die Geschichte, nicht aus
der Geschichte’; er war Gott im Mann und handelte aus dem Mann, kein Mann,
der auf göttliche Ebene erhoben worden war. Sein Mann-Sein war ganz und
komplett, er war völlig ‚vereinigt’, trotz seiner alters – und ortsabhängigen
Einschränkungen als Jude.......Das Vorhergegangene mag uns trocken,
akademisch und schwer verständlich vorkommen. Das ist ein Resultat unserer
Einstellung, der des griechischen Denkens......Jesus und seine ersten Jünger
akzeptierten nicht nur fraglos den jüdischen Monotheismus; Jesus beteuerte ihn
ausdrücklich (Mk.12,29 ff). Der Glaube an den einen Schöpfergott ist folglich die
Grundlage des christlichen Glaubens und wir müssen von Beginn an jede
Vorstellung aufgeben, dass die Lehre der Trinität sie entweder preisgibt oder
verändert.“11
„Jesus wird Mann im allgemeinen Sinn genannt, aber nicht ein Mann. Er hat
eine menschliche Natur, er ist aber keine menschliche Person. Die Person in Ihm
ist die zweite Person der Heiligen Dreieinigkeit. Jesus hat kein menschliches
Inneres. So umgeht das Konzil (von Chalcedon) das Problem einer gespaltenen
Persönlichkeit“.
11
R.J.W. Bevan, Steps to Christian Understanding (Oxford University Press,
1958), 140, 167.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 117
Er fährt fort:
„Die Mängel, die viele der heutigen Theologen am Modell von Chalcedon
finden:
1. Göttliche Natur und menschliche Natur können nicht Seite an Seite
zusammengestellt und zusammengezählt werden, als ob sie ähnliche
Quantitäten wären.
2. Die Formel von Chalcedon macht ein wahres Menschsein unmöglich. (Diese
Schwierigkeit) entspringt der Tatsache, dass das Göttliche das Menschliche
überschattet und dass Jesus kein menschliches Inneres hat.......
3. Die Formel von Chalcedon hat keine feste Basis in der Schrift. Das Konzil
nennt Jesus wahren Gott. Das Neue Testament scheut davor zurück, Jesus
Gott zu nennen.“12
12
To Know and Follow Jesus, 44-48.
118 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
Der Amerikaner war erstaunt, dass der Milchmann auch „pies“ (Pasteten)
lieferte, bis er bemerkte, was dieser wirklich wollte. In seinem Cockney (=
Ostlondoner) Akzent bedeutete das: „Do you want to pay“? (Möchten Sie
zahlen?). Ein schwerwiegendes Missverständnis entstand durch den
Wortgebrauch der einen Person, welcher der anderen unbekannt war.
Zu ähnlichen Verwechslungen kann es kommen, wenn die Bibelleser
mit der „Sprache“ der Autoren des Neuen Testamentes nicht vertraut sind.
Das bedeutet nicht, dass nun alle Griechisch lernen müssen. Dennoch
muss erkannt werden, dass die neutestamentlichen, hebräischen Christen
Worte oft anders verwendeten, als es bei uns im 21. Jahrhundert der Fall
ist (uns allen ist klar, wie sehr sich die Wortbedeutungen z.B. seit den
frühen Ausgaben der Lutherbibel und heute verändert haben, ja, dass
manche Wörter einen ganz neuen Sinn bekommen haben). Um die Bibel
intelligent lesen zu können, müssen wir uns in die Gedankenwelt des
Neuen Testamentes begeben. Wir müssen die Worte „hören“, so wie sie
damals gehört wurden. Wenn wir das nicht tun, könnten wir den Glauben,
den uns die Apostel zu übermitteln versuchten, ganz schwerwiegend
missverstehen.13
13
In einer interessanten Art wurde diese Aussage auch von einem früheren
Geistlichen der Church of England gemacht, der seine Unfähigkeit verspürte, mit
den jüdischen Dokumenten, die er interpretieren musste, umzugehen. David
Watson schrieb: „Ein verständnisvolles Studium der traditionellen jüdischen
Religion kann uns das Ausmaß anzeigen, in dem der moderne englische Christ
den Worten des Neuen Testamentes eine andere Bedeutung gibt, als es die
jüdischen Schreiber im Sinn hatten. Griechisch war die Sprache, in der sie die
universale christliche Botschaft mitteilten, doch ihre Denkweise war zum größten
Teil hebräisch. Für ein volles Verständnis ist es für den heutigen Christen
notwendig, nicht nur den griechischen Text zu studieren, sondern auch den
hebräischen Sinn dahinter zu erspüren, den die jüdischen Schreiber in
griechischen Worten ausdrücken wollten. Ich kann nicht behaupten, darin sehr
bewandert zu sein, doch machte ich bereits genügend Fortschritte um
herauszufinden, wie falsch ich die Bibel in der Vergangenheit interpretiert hatte.
Wie alle ordinierten christlichen Geistlichen hatte ich dogmatisch und autoritativ
von der Kanzel herab gesprochen, die niemand ohne Erlaubnis des Bischofs
besteigen darf; und vieles von dem, was ich sagte, war irreführend, weil mein
eigener Verstand nicht fähig war, das Buch korrekt zu interpretieren, welches zu
erklären ich autorisiert worden war. Für mich machte das Erkennen dieser
Tatsache die Unterscheidung zwischen Geistlichkeit und Laien unsinnig und das
war auch der Hauptgrund, wieso ich auf meine Weihen verzichtete.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 119
Das Wort „Gott“ und die Frage der Trinität bei Johannes
Was meinen die biblischen Schreiber zum Beispiel mit dem so
überaus wichtigen Wort „Gott“? Verstehen sie, so wie wir, ein
ungeschaffenes, göttliches Wesen, welches seit ewig existiert? Sehr häufig
ist „Gott“ der Name für das höchste Wesen.14 Aber hat vielleicht das Wort
„Gott“ in der Bibel noch eine andere Bedeutung?
Wenn wir erzählen, dass wir dem „Präsidenten“ vorgestellt wurden,
denken die Leute vielleicht, dass man den Bundespräsidenten getroffen
habe. Andererseits könnte auch der Zusammenhang der Erzählung unsere
„Indem ich meine eigenen intellektuellen Defizite beschrieb und auch den
Prozess, durch den ich meine Unfähigkeit erkannte, den Sinn der Bibel über den
riesigen sprachlichen Abgrund hinweg, der mich von den jüdischen Schreibern
trennt, zu verstehen, kann ich sicherlich behaupten, mit Erfahrung aus erster Hand
zu schreiben. Was ich von der Priesterschaft so im Allgemeinen weiß, kann ich
keinen Grund für die Annahme sehen, dass ich in besonderer Weise unter diesem
Mangel litt. Tatsächlich ist die Autorität der gesamten protestantischen
Geistlichkeit, der Anspruch, die Bibel zu verstehen und sie als Wort Gottes
auszulegen, in meinen Augen ein großer Schwindel. Ich klage die Geistlichkeit
nicht an, betrügerisch oder unaufrichtig zu sein. Der Schwindel ist kollektiv;
persönlich sind alle jene, die beteiligt sind, durch ihn getäuscht, ebenso wie ich,
als ich begann, die Bibel von der Kanzel aus auszulegen, völlig davon überzeugt
war, eine korrekte Interpretation zu geben.
„Einige mögen glauben, dass der Ritus der Ordination genügend göttliche Gnade
gewährt, um jede Möglichkeit, die Gemeinde durch eine falsche Interpretation in
die Irre zu führen, auszuschließen. Wenn man dieser Anschauung ist, dass muss
sie mit der unbestreitbaren Tatsache vereinbart werden, dass die christliche
Geistlichkeit als Ganzes eine große Anzahl verschiedener und oft unvereinbarer
Versionen des christlichen Glaubens hervorgebracht hat, die alle angeblich aus
der gleichen biblischen Quelle stammen.....jeder Anspruch, dass Studium und
Weihe nur authentische christliche Lehre hervorbringen, ist betrügerisch.
„Die 39 Articles der Church of England stellen unzweifelhaft fest, dass die
wahre christliche Lehre nicht von Kirchenkonzilen und Traditionen herstammt,
sondern aus der Bibel allein. Anglo-Katholiken glauben das genaue Gegenteil;
wenn einer von ihnen nach der Einleitung zu einem Benefiz diese Artikel
öffentlich vorliest und seine Zustimmung dazu gibt, so leistet er einen Meineid.
Es ist ein legalisierter Meineid.“ (Christian Myth and Spiritual Reality; London,
1967; 28-30).
14
Ho theos, d.h. “der (eine) Gott”, bezieht sich im Neuen Testament etwa 1325
Mal auf den Vater.
120 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
15
Life of Moses, 1: 155-158.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 121
Untergeordnetheit unter Gott, den Vater. Jesus ist deshalb nicht Gott im
absoluten Sinn. Auch für Thomas ist Jesus „Gott“ in einem berechtigten
Sinn als Messias, des höchsten rechtsgültigen Vertreters des Einen Gottes.
Der eine, den Thomas Gott nennt, ist selbst dem Einen Gott
untergeordnet, den Jesus seinen Gott nennt. So gesehen verbleibt Jesus in
der Kategorie des Messias, des Sohnes Gottes, einer Kategorie, die
Johannes ausdrücklich seinem ganzen Buch auferlegt (Joh. 20,31). Zwei
Tatsachen sind für den christologischen Ausblick bei Johannes
fundamental: An Jesus sollte als „Messias, den Sohn Gottes“ geglaubt
werden, während der einzigartige Status des Vaters derjenige des „allein
wahren Gottes“ (Joh.17,3) und des „alleinigen Gottes“ (Joh.5,44) ist.
Signifikanterweise wurde dem prophezeiten Messias in Psalm 45,7
der Titel „Gott“ gegeben: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig“. Im
nächsten Vers wird klar, dass dieser „Gott Messias“ von seinem Gott
gesalbt wurde: „darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt...“ .16 Jesus wurde
von Thomas die höchste Ehre zuerkannt, als dieser ihn mit den
messianischen Titeln „Herr“ und „Gott“, die dem 45. Psalm entnommen
sind, anredete. Neutestamentliche Beweise, dass Jesus Gott im selben Sinn
ist wie der Vater, sind wahrhaft spärlich. Wenn wir offen sind für die
Anzahl der biblischen Verwendung des Ausdrucks „Gott“, so wird uns die
Tatsache auffallen, dass er im Neuen Testament über 1325 Mal auf den
Vater angewandt wird, während „Gott“ für Jesus nur zwei Mal mit
völliger Sicherheit verwendet wird (andere mögliche Fälle, in denen Jesus
Gott genannt wird, sind, wie weitgehend bekannt, aus grammatikalischen
und syntaktischen Gründen zweifelhaft). Diese Fakten legen nahe, dass
die so seltene Verwendung von „Gott“ für Jesus eine spezielle Referenz
ist. Daher könnte es sehr irreführend sein, wenn man im 21. Jahrhundert
behauptet, „Jesus ist Gott“, ohne zuerst zu verstehen, in welchem Sinn
dieses Wort von Johannes (und Thomas, von dem es erzählt wird)
verwendet wurde. Unsere Verwendung der Wörter darf natürlich nicht die
Bedeutung in der Bibel diktieren. Wir dürfen uns nicht einfach auf den
Wortklang verlassen, ohne nach seinem Sinn zu fragen. Und vor allem
müssen wir darauf verzichten, auf einer dogmatischen Behauptung der
Annahme der Doktrin ohne genaue Prüfung zu beharren. Solch ein
unflexibles Festhalten an der Art, wie wir schon immer glaubten, blockiert
16
Hebr. 1,8, Zitat v. Ps. 45,6, wendet den Titel Gott mit Einschränkungen direkt
auf Jesus an.
122 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
die Suche nach der Wahrheit, welche ein Kennzeichen des wachsenden
Christen ist (Apg.17,11).
17
Hrsg. John Hick (London: SCM Press, 1977).
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 123
die sehr menschlichen Portraits von Matthäus, Markus, Lukas und der
Apostelgeschichte ausgelassen wurden.
Es ist eine Tatsache, dass dem Johannesevangelium mehr als ein
anteilsmäßiger Rang bei der Entstehung der Christologie gegeben wurde.
Könnte der Grund der Stil von Johannes sein, der, obwohl er sehr
hebräisch war, doch den spekulativen griechischen Geist ansprach und
sehr leicht von den Heiden missverstanden und verdreht werden konnte?
Wir glauben, dass die Tendenz, das Mensch-Sein Jesu zu
verschleiern, im Gegensatz zu der zentralen und einfachen
neutestamentlichen Bestätigung Jesu als Messais, dem zweiten Adam, der
übernatürlich empfangen und doch im Leib seiner Mutter ins Leben kam,
steht. Dieses Verständnis der Abstammung Jesu können wir so wie
Raymond Brown ganz treffend als „Konzeptionschristologie“
bezeichnen.21 Brown besteht darauf, dass Matthäus und Lukas nichts von
einer wirklichen Präexistenz des Messias wissen.22 So konnten sie
keinesfalls Trinitarier im traditionellen Sinn gewesen sein. Die
Empfängnis Jesu ist für sie der Beginn seines Daseins. Der Keim der
späteren trinitarischen Theologie sollte anderswo als in den
Evangeliumstexten gesucht werden. Sollte er Johannes oder Paulus
zugeschrieben werden? Oder einer Verzerrung ihrer Schriften durch die
spekulative Tendenz der griechischen Philosophie? Dieser Einfluss war
offensichtlich schon am Werk, als Johannes, der am Ende des 1.
Jahrhunderts schrieb, gezielt das Mensch-Sein Jesu (1.Joh. 4,2; 2.Joh. 7)
gegen einen beginnenden gnostischen Doketismus hervorhob. Er kam „en
sarki“, „als menschliche Person“, nicht „in einen menschlichen Körper“,
was grundverschieden ist. Johannes scheint in seinem ersten Brief ein
aufkommendes Missverstehen seiner „Logos-Doktrin“ im
Johannesevangelium (Joh.1,1-3) zu korrigieren. Es war das unpersönliche
„ewige Leben“, welches vor der Geburt Jesu „mit dem Vater“ war (1.Joh.
1,2), nicht der präexistente Sohn selbst. Mit anderen Worten, Johannes
wollte uns zu verstehen geben, dass durch das Fleischwerden des Wortes,
der Übergang nicht jener einer göttlichen Person zu einer menschlichen
Person war, sondern eine unpersönliche Personifizierung (vergl. Weisheit
in Sprüche 8,22, 30) – das „Wort“ Gottes – als menschliches Wesen
Gestalt bekam.
21
The Birth of the Messiah, 150, Fußnote 52.
22
Ebenso, 31, Fußnote 17.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 125
23
Maurice Wiles, The Remaking of Christian Doctrine (London: SCM Press,
1974), 53; vgl. Die Beobachtung Wiles in The Myth of God Incarnte 3:
“Inkarnation, im vollständigen und eigentlichen Sinn, ist etwas, was in der Schrift
nicht direkt vorkommt.“
126 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
ein Sinn gegeben wurde, den Johannes niemals beabsichtigt hatte. Die
funktionelle Sprache betreffend den Sohn und den Geist, die vom Vater in die
Welt gesandt wurden, wurde in ewige und interne Beziehungen zwischen
Personen in der Gottheit umgewandelt und Worte wie ‚Generation’ und
‚Reihenfolge’ wurden zu technischen Ausdrücken, welche der neutestamentliche
Gebrauch nicht erhärtet.“24
24
„The Fourth Gospel and the Church’s Doctrine of the Trinity“, Twelve More
New Testament Studies (London: SCM Press, 1984), 172; Hervorhebung
beigefügt.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 127
Schritt wurde nach Professor Wendt gemacht, als das „Wort“ aus dem
Prolog des Johannes nicht mehr aus seinem hebräischen Hintergrund
heraus, sondern im alexandrinischen und philonischen Sinn als
Zwischending zwischen Gott und Mensch verstanden wurde.
25
System der Christlichen Lehre (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1907),
Pt. 2, Kap. 4, 353, 354.
128 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
„Von der Zeit Justins an wurde das logos in der christlichen Theologie
dominant...Diese logos - Lehre schuf einen Kontakt und eine Übereinstimmung
mit der Lehre des Altertums. Das Hauptproblem für die Letztere war die
Bestimmung der Beziehung zwischen der niedrigen, materiellen Welt und der
transzendentalen Welt Gottes und des Geistes. Um dieses Problem zu lösen,
wurde die Existenz von ‚Mittelwesen’ eingeführt. Diese Wesen waren
Ausstrahlungen der Gottheit und repräsentierten den Weg, durch den der Abstand
zwischen Gott und den Menschen überbrückt werden konnte. Christliche
Spekulationen über das logos als Vermittler in der Schöpfung waren direkt mit
dieser hellenistischen, philosophischen Spekulation verwandt, weil sie eine
ähnliche Lösung für das gleiche kosmologische Problem anbieten.......aber die
Kombination der kosmologischen und philosophischen Interessen mit denen der
Religion und Soteriologie beinhalteten einen inneren Widerspruch in sich selbst.
Wenn die logos - Lehre eine adäquate Lösung der kosmologischen Probleme
bringen sollte, so müsste das logos eine reale, vermittelnde Person sein, die
wirklich von Gott kommt, aber Gott untergeordnet ist, damit das logos als
Vermittler zwischen Gott und den Menschen handeln kann. Wenn andererseits
der Vermittler die Errettung bringen sollte, dann müsste er von gleichem Wert
sein wie die Errettung, die er den Menschen bringt....Er müsste als ‚eine Art Gott’
angesehen werden (2.Clem.1,1). Als entweder die kosmologische oder die
soteriologische Überzeugung die Oberhand gewannen, so wurde parallel dazu die
Entfernung des logos von Gott oder seine Ähnlichkeit mit Gott betont.“26
Der Widerspruch in der Spekulation über das logos wird durch die
verschiedenen Argumente der Anhänger von Arius und Athanasius
aufgezeigt. Beide Lager glaubten an das Wort als präexistente Person.
Aber, wie uns Professor Wendt gezeigt hat, führte diese Annahme des
Wortes logos als persönliches Wesen zu einer beunruhigenden
Konsequenz. „Wenn dem Sohn nicht nur eine persönliche, himmlische
Präexistenz zugeschrieben wird, sondern auch eine ewige und
wesensgleiche Existenz, so geht die Idee der Einheit Gottes verloren. Das
ist eine wichtige Klage aller Monarchier (Unterstützer des Glaubens an
die Einheit Gottes).“27
26
Ebenso, 357, 358.
27
Ebenso, 359.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 129
„das christologische Konzept des präexistenten Sohnes die reale, sozial und
kulturell bedingte Persönlichkeit Jesu zu einer metaphysischen Abstraktion
‚menschlicher Natur’ reduziert. Es ist ein umfassendes Mensch-Sein, das der
Sohn angenommen und sich zu eigen machte......aber umfassendes Mensch-Sein
ist ein abstrakter Begriff.......Gemäß dieser Christologie, nimmt der ewige Sohn
eine zeitlose menschliche Natur an oder macht diese zeitlos, indem er sie
annimmt; es ist eine menschliche Natur, die nichts mit geographischen
Umständen zu tun hat; sie korrespondiert mit nichts in dieser konkreten Welt.
Jesus Christus ist keineswegs ‚im Fleisch’ gekommen.“29
28
Ebenso, 368.
29
God as Spirit (London: SCM Press, 1977), 144.
130 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
„Quer durch die Seiten des Alten und des Neuen Testamentes fließen die
klaren Wasser der offenbarten Wahrheit wie ein majestätischer Fluss. Es ist Gott,
der allein Unsterblichkeit besitzt und den Menschen Sein göttliches
unvergängliches Leben anbietet. Aber parallel zu diesem Strom fließt der
schlammige Fluss der heidnischen Philosophie, welche von der menschlichen
Seele als der göttlichen Substanz, ewig und vor dem Körper existierend und
diesen auch überlebend, spricht. Nach dem Tod der Apostel vereinten sich die
beiden Strömungen und brachten Einheit in die unruhigen Wasser. Schritt für
Schritt vermischte sich die menschliche Spekulation mit göttlicher Lehre. Nun ist
es die Aufgabe der evangelikalen Theologie, die beiden unvereinbaren Elemente
voneinander zu lösen und das heidnische Element, welches sich als
unrechtmäßiger Machthaber ins Zentrum der traditionellen Theologie eingesetzt
hatte, zu eliminieren. Ebenso ist es ihre Aufgabe, den Wert des biblischen
Elements, welches allein wahr ist und welches allein der Natur Gottes und der des
Menschen, seines Geschöpfes, entspricht, wieder herzustellen.“ 32
Von dieser frühen Vermischung der Lehre über die Natur Gottes und
die des Menschen heraus wird der klare biblische Monotheismus der
30
Institutes of Ecclesiastical History (New York: Harper, 1839).
31
Hades or the Intermediate State ( Herausgeber unbekannt, 1893), 278.
32
Le Problème de l`Immortalité (Herausgeber unbekannt, 1957), 6.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 131
Propheten, Jesu und der Apostel hervorkommen. Gott wird wieder als
Eine Person angesehen werden, als Vater Jesu, Seines einzigartig
empfangenen Sohnes, des Messias. Das vollständige Mensch-Sein Jesu,
welches durch die spekulative und abstrakte Theologie der Kirchenväter
verdunkelt wurde, muss als Basis des neutestamentlichen Glaubens an
Jesus als den Messias,33 als Herold des kommenden Reiches Gottes auf
Erden, wiederhergestellt werden.
Gelehrte verschiedener Richtungen vereinigen sich in ihrem Zeugnis
über die Korruption des christlichen Glaubens ab dem zweiten
Jahrhundert. Schrittweise wurden die messianischen Hoffnungen
vergessen. Die Vorstellung des Reiches Gottes auf Erden verschwand.
Unsterblichkeit zum Zeitpunkt des Todes nahm den Platz der
Auferstehung ein:
Wie alle Konzepte wird die Bedeutung religiöser Worte mit einem
Wechsel in der Erfahrung und mit einem sich wandelnden Weltbild
verändert. Indem es in das griechische Weltbild übertragen wurde,
wandelte – ja verwandelte - sich die christliche Lehre unweigerlich.
Fragen, die vorher nie aufgetaucht waren, kamen nun in den Vordergrund
und die jüdischen Vorstellungen begannen zu verschwinden. Besonders
wurden die messianischen Hoffnungen vergessen oder in eine
transzendente Sphäre über den Tod hinaus verwandelt. Als das Reich im
vierten Jahrhundert christlich wurde, verschwand die Vorstellung eines
Reiches Christi auf der Erde, welches durch eine große Bedrängnis
eingeleitet werden sollte und bleib nur als Glaube obskurer Gruppen
zurück. Unsterblichkeit – das philosophische Konzept - nahm den Platz
der Auferstehung des Leibes ein. Trotzdem bleibt die Letztere durch ihr
Vorhandensein in den ursprünglichen Quellen bestehen, doch ist sie nicht
länger ein bestimmender Faktor, weil ihre Vorstellung – das messianische
Königreich auf der Erde – verdunkelt wurde. Als sich so der Hintergrund
vom Jüdischen in das Griechische wandelte, passierte dasselbe mit den
fundamentalen religiösen Vorstellungen....so haben wir eine eigenartige
Kombination – die religiösen Lehren der Bibel laufen durch die Formen
einer fremden Philosophie.34
33
Mt. 16,16; Joh. 9,22; 20,31; Apg. 5, 42; 9,22 etc.
34
G.W. Knox, D:D. LL.D., Professor der Philosophie und der
Religionsgeschichte am Union Theological Seminary, New York, Encyclopedia
Britannica, 11th edition, Vol 6, 284.
132 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
1.Johannes 4,2
Frühen Versuchen von verschiedenen Seiten, Zweifel an dem wahren
Mensch-Sein Jesu aufkommen zu lassen, wurde von Johannes mit
scharfen Warnungen an seine Jünger begegnet, dass „viele Verführer in
die Welt hinausgegangen sind, die nicht Jesus Christus, im Fleisch
gekommen, bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist (2.Joh.7,
vgl.1.Joh.4,2)
Das „Translator’s New Testament“35 (das Neue Testament für
Übersetzer) gibt diesen Vers in einer Art weiter, die jede Unklarheit über
den Ausdruck „im Fleisch gekommen“ beseitigt: „Viele Verführer sind in
die Welt ausgegangen, welche die Tatsache nicht akzeptieren, dass Jesus
als menschliche Person gekommen ist. Hier ist der Verführer und der
Antichrist“. Der klare Stand von Johannes zugunsten des Mensch-Seins
Christi sollte jedes System als antichristlich entlarven, welches die
Tatsache in Frage stellt, dass Jesus ein wahrer Mensch war. In einem
früheren Kapitel haben wir gesehen, dass die offizielle trinitarische
Position behauptet, der Erlöser habe eine unpersönliche menschliche
Natur gehabt, sei aber keine menschliche Person gewesen.
Ein Wesen, welches gleichzeitig Gott und Mensch ist oder war, kann
schwerlich wirklich menschlich sein und in allen Bereichen so wie wir
versucht werden. Wie so viele Kritiker der Trinität beklagten, ist die
traditionelle Lehre, dass Jesus Gott ist, unvereinbar mit seinem wahren
Menschsein. Der Gott-Mann der nachbiblischen Konzile ähnelt gefährlich
jenem „anderen Jesus“, vor dem Paulus im zweiten Brief an die Korinther
warnt (2.Kor.11,4).
Die Ironie dieser bitteren, alten Kontroverse ist die, dass alle
Fraktionen, Unitarier, Binitarier und Trinitarier beanspruchen, nur einen
Gott anzubeten. Diejenigen, die darauf bestehen, dass Jesus Gott ist,
argumentieren damit, dass er es Wert ist, angebetet zu werden – was nur
Gott zusteht. Wenn diese Anschauung aufrecht erhalten wird, dass müssen
wir schließen, dass zwei Personen es wert sind, als Gott angebetet zu
werden. Eine Gottheit bestehend aus zwei oder drei Personen widerspricht
den vielen klaren biblischen Aussagen über Gott als eine Person. Es ist
nutzlos, dieser Folgerung zu entfliehen, indem man sagt, die Bekenntnisse
meinen mit Person nicht das, was wir heute darunter verstehen. In der
Bibel sind der Vater und Jesus ganz offensichtlich Personen in unserem
heutigen Sinn – zwei verschiedene Individuen.
35
British and Foreign Bible Society, 1973.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 133
Die Lösung dieses Rätsels ist, dass „Anbetung“ in der Schrift nicht
nur Gott, sondern auch menschlichen Personen, welche Positionen der
Ehre innehaben, entgegengebracht wird. Das griechische Verb proskuneo
wird sowohl für die Anbetung Gottes als auch für die Ehrerbietung
gegenüber menschlichen Personen verwendet. So wurde zum Beispiel der
König Israels im Zusammenhang mit Gott verehrt (1.Chronik 29,20).
Daniel wurde verehrt (Dan.2,46). Die Heiligen wurden verehrt (Offb.3,9).
Jesus wird als Messias angebetet, aber nur eine Person, der Vater, ist es
Wert, als Gott angebetet zu werden. Es ist signifikant, dass ein anderes
griechisches Wort, latreuo, welches nur im Zusammenhang mit
religiösem Dienst verwendet wird, in allen 21 Vorkommen nur für den
Vater allein im Neuen Testament angewandt wird.
Zum Beispiel wird Lesern der King James Version der falsche
Eindruck vermittelt, Jesus sei Gott, weil er „angebetet“ wird. Dasselbe
Argument würde beweisen, dass David und die anderen Heiligen ebenfalls
Gott sind. Es ist der moderne Sinn des Wortes „Anbetung“, welches die
Leser dazu führt anzunehmen, Jesus sei als Gott angebetet worden.
Gott und Seine menschlichen Diener stehen oft in einem sehr nahen
Zusammenhang. „...da fürchtete das Volk den HERRN und sie glaubten
an den HERRN und an seinen Knecht Mose (2. Mo. 14,31). „Da fürchtete
das ganze Volk den HERRN und Samuel sehr“ (1. Sam. 12,18). „Und sie
verneigten sich und warfen sich nieder vor dem HERRN und vor dem
König“ (1. Chr. 29,20). „Und Hiskia und die Obersten kamen...und sie
priesen den HERRN und sein Volk Israel“ (2.Chr. 31,8).
Moderne Übersetzungen haben dazu beigetragen, die „Anbetung“
Jesu klarzumachen. In Mt. 8,2 steht zum Beispiel, dass ein Aussätziger
kam und sich „vor ihm niederwarf“.
Es ist nicht zu leugnen, dass es Jesus ist, von dem gesagt wird:
„Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die
Macht und den Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und
Herrlichkeit und Lobpreis“. Als Messias, als anerkannter Vertreter des
Schöpfers, wird Jesus in Zusammenhang mit dem Einen Gott, seinem
Vater, geehrt (Offb.5,12-13). Aber er vereint sich auch mit den Heiligen
im Lied des Lammes zur Ehre des Vaters (Offb.15,3). Er ist der Anfang
und das Ende in Gottes großem Erlösungsplan (Offb.1,17). Trotzdem
starb er (Offb.1,18), eine Tatsache, die zeigt, dass er nicht Gott sein kann,
weil Gott nicht sterben kann. Nur der Allmächtige allein ist Gott. In
Offenbarung 1,18 (vgl. 1,4) ist der Vater sowohl das Alpha als auch das
Omega und der allmächtige Herr und Gott, „der kommt“. Dieser letztere
134 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert
36
Vgl. „das Wort war bei Gott“ (Joh. 1,1).
6. DIE TRINITÄT UND DIE POLITIK
„So wisse denn, mein Freund, die Trinität wurde 300 Jahre nach der
Proklamation des alten Evangeliums geboren; sie wurde durch
Unwissenheit empfangen und durch Grausamkeit hervorgebracht und
aufrechterhalten.“ – William Penn
„Das Christentum muss durch seine Identifikation von Wahrheit mit Glauben
– und richtig verstanden, lehrt es das auch – lehren, dass jede Beeinträchtigung
der Wahrheit unmoralisch ist. Ein Christ, der glaubt, hat nichts von Seiten der
Tatsachen zu befürchten; ein christlicher Historiker, der bei seinen
Untersuchungen an einem Punkt eine Grenze zieht, gibt die Grenzen seines
Glaubens zu.“1
1
Paul Johnson, A History of Christianity (New York: Atheneum, 1976), viii.
136 Die Trinität und die Politik
„Der Großteil der Christen, wären sie allein gelassen worden, wären mit dem
Glauben an den einen Gott, den Vater, zufrieden gewesen und hätten der
‚Dispensation‘, wie sie genannt und durch welche die alleinige Gottheit des
Vaters auf die Gottheit von Vater und Sohn ausgedehnt wurde, misstraut“......
‚Alle einfachen Leute‘, schrieb Tertullian, ‚nicht um sie unwissend und
ungebildet zu nennen..... haben vor der ‚Dispensation‘ Angst...... sie glauben, dass
wir zwei oder drei Götter verkündigen.“2
„Es ist eine einfache und unwiderlegbare historische Tatsache, dass mehrere
große Doktrinen, die nun in unserem Glauben zentral erscheinen – so wie die
Lehre von der Trinität und von der Natur Christi – keinesfalls in einer
vollständigen, selbstdefinierten und generell akzeptierten Form bis zum vierten
oder fünften Jahrhundert vorhanden waren. Wenn sie heute wesentlich sind – so
wie es alle orthodoxen Glaubensbekenntnisse bekräftigen – so muss es sein, weil
sie wahr sind. Wenn sie wahr sind, dann müssen sie immer wahr gewesen sein;
sie können nicht erst im vierten oder fünften Jahrhundert wahr geworden sein.
Aber wenn sie sowohl wahr als auch notwendig sind, wie kommt es, dass die
frühe Kirche Jahrhunderte brauchte, um sie zu formulieren?“3
„Wer die Entwicklung der Geschichte der Dogmen kennt, weiß auch, dass
das Bild Gottes in der ersten Gemeinde unitarisch war und erst im zweiten
Jahrhundert langsam, gegen die Lehre der Subordination, binitarisch wurde. Für
die Kirchenväter wie Justin (der Märtyrer), Irenaeus und Tertullian, war Jesus
2
Christianity and the Roman Empire (New York: W.W. Norton, 1967), 174.
3
Heresies (Doubleday, 1984), 20.
4
Ebenso, 4.
138 Die Trinität und die Politik
dem Vater in allem untergeordnet und Origenes zögerte, seine Gebete an Jesus zu
richten, weil, wie er schrieb, dies nur dem Vater zukomme.“5
„anscheinend ein Anbeter der Sonne war. Das war einer jener Kulte, welche
ähnliche Gebräuche wie die Christen hatten. Die Anbetung solcher Götter war
keine neuartige Idee. Jeder Grieche und Römer glaubte daran, dass politischer
Erfolg von religiöser Frömmigkeit herkomme. Das Christentum war die Religion
von Konstantins Vater. Obwohl Konstantin in Anspruch nahm, der dreizehnte
Apostel zu sein, war seine Bekehrung kein „Damaskus-Erlebnis“. Tatsächlich ist
es höchst zweifelhaft, ob er jemals die Sonnenanbetung wirklich aufgab. Nach
seinem Bekenntnis des christlichen Glaubens baute er einen Triumphbogen zu
Ehren des Sonnengottes und stellte in Konstantinopel eine Statue des
Sonnengottes auf, welche seine eigenen Gesichtszüge trug. Schließlich wurde er
nach seinem Tod durch ein Edikt des Römischen Reiches vergöttlicht, so wie es
bei vielen Kaisern geschah.“8
5
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine, 39.
6
Ebenso.
7
Ebenso, 40.
8
A History of Christianity, 67.
Die Trinität und die Politik 139
gut fragen, wie sehr sein Leben Parallelen zu dem des Gründers des
Christentums, der den Titel „Friedefürst“ trägt, aufweist. Es war
Konstantin, der durch ein offizielles Edikt das Christentum zum Glauben
an die formelle Unterteilung der Gottheit in zwei Personen – Gott Vater
und Gott Sohn - brachte. Einer späteren Generation blieb die Aufgabe, das
Christentum zum Glauben an den dreieinen Gott zu bringen.
Es war derselbe Konstantin, welcher im Triumphzug in Rom einzog
und dabei den bluttriefenden Kopf seines enthaupteten Widersachers
(seines eigenen Schwagers) an seiner Lanze trug. Die Ehre für diesen Sieg
gab er einer angeblichen Vision, in der er die griechischen Buchstaben
Chi-Ro, die ersten zwei Buchstaben des Namens „Christus“, gesehen
hatte. Die Geschichte wird verschieden erzählt, aber vor diesem
historischen Gemetzel hatte er angeordnet, dass diese Buchstaben auf die
Schilde seiner Soldaten geschrieben wurden. Nur sechs Jahre vor seinem
Triumphzug nach Rom hatte er befohlen, dass Hunderte von fränkischen
Gefangenen in einer Arena in Stücke gerissen wurden. Er war auch zur
Stelle, als durch die antichristliche Politik Diokletians heilige christliche
Schriften verbrannt wurden, nachdem Gläubige, welche die Anbetung
heidnischer Götter abgelehnt hatten, verstümmelt worden waren.
Die Geschichte zeigt uns, dass dieser angebliche Nachfolger Jesu elf
Jahre nach seinem „himmelsinspirierten“ Triumph einen bereits besiegten
Rivalen ermorden ließ, seine Frau töten ließ, indem er sie lebendig in
ihrem eigenen Bad kochte – und einen unschuldigen Sohn ermordete.
„Sein Privatleben wurde ungeheuerlich, als er älter wurde. Er wurde fett
und war als „Stiernacken“ bekannt......Seine Fähigkeiten hatten immer im
Management gelegen....er war ein Meister....des glattzüngigen
Kompromisses.“9 Dennoch war er „unterdrückend, egoistisch,
selbstgerecht und rücksichtslos.“10 In späteren Jahren „zeigte er eine
zunehmende Vorliebe für Schmeichelei, bunte Uniformen, persönliches
Zur-Schau-Stellen und erhabene Titel. Sein Neffe Julian sagte, er habe
sich selbst durch sein Erscheinungsbild lächerlich gemacht – durch
komische, steife östliche Gewänder, an seinen Armen Juwelen und am
Kopf eine Tiara, die verrückt einer gefärbten Perücke aufgesetzt war.“ 11
Sein Hauptverteidiger, Eusebius von Cäsarea, behauptete, dieser
christliche Kaiser hätte sich nur so gekleidet, um den Massen zu
9
Ebenso, 68.
10
Ebenso.
11
Ebenso.
140 Die Trinität und die Politik
Christologische Kontroverse
Im Römischen Reich entstand eine tiefgehende theologische
Kontroverse zwischen den Christen in Alexandria und Antiochien. Diese
gegensätzlichen Gruppen bedeuteten eine Bedrohung für die Einheit des
Reiches. Aufgrund des politischen Potentials der rivalisierenden
Fraktionen mussten diese Differenzen gelöst werden. Die Christen in
Alexandria glaubten, dass Jesus als ewiges göttliches Wesen präexistiert
hatte und er Mensch wurde, indem er als Mensch erschien. Der Jesus
dieser Theologie lief in die Gefahr, nur scheinbar ein menschliches Wesen
zu sein. In der technischen Sprache der Christologie war der Jesus der
alexandrinischen Gläubigen „doketisch“ (abgeleitet vom griechischen
Zeitwort „scheinen“). Das Wichtige daran ist, dass seine Göttlichkeit sein
Mensch-Sein so überlagerte, dass Letzteres nur eine Vortäuschung war.
Der Erlöser war Gott selbst, der in einem menschlichen Körper wohnte
und (wie es später am Konzil von Chalcedon im Jahre 451 ausgedrückt
wurde) nur „unpersönliche menschliche Natur“ besaß. Jesus selbst, so
glaubten die Orthodoxen, war „Mann“, aber nicht „ein Mann“.
Bei all jenen, die rund um Antiochien aufwuchsen, jener Region,
welche die Heimat Jesu einschloss, herrschte eine andere Meinung über
Christus vor. Hier resultierte der ursprüngliche Monotheismus der Juden,
12
Ebenso.
Die Trinität und die Politik 141
13
Zitiert bei Ian Wilson, Jesus: The Evidence (Harper & Row, 1984), 165.
14
Ebenso.
142 Die Trinität und die Politik
wenn nicht Monate, für die Anreise.....der Eremit Jakob von Nisibis kam
in Ziegenhäuten, begleitet von einer Schar von Mücken. Ein anderer
Delegierter war der heilige Nikolaus.....welcher das Vorbild von Santa
Claus wurde..... Vor dieser bizarren und noch nie dagewesenen Menge
nahm Konstantin, glänzend bekleidet und mit Gold und Juwelen behängt
(was frühere Kaiser verabscheut hatten), seinen Platz auf einem niedrigen,
goldenen Stuhl ein.“15
15
Ebenso, 165, 166.
16
History of the Christian Church (Grand Rapids: Eerdmans, 1907-1910), 3:625.
17
Ian Wilson, Jesus: The Evidence, 168.
Die Trinität und die Politik 143
18
„The Calling of the Jews“, in den gesammelten Essays über Judaism and
Christianity.
19
Ian Wilson, Jesus: The Evidence, 168.
144 Die Trinität und die Politik
war, bei Luther, Calvin, oder bei einem modernen Führer, wie Joseph
Smith es ist – treue Anhänger erlauben keine Trübung des
Heiligenscheines, sondern fahren fort, ihren Ruf mit Glanz zu versehen.
Die Wahrheit der Geschichte mag sie härter beurteilen, aber ihre
geistlichen Nachkommen tolerieren selten jemanden, der es wagt, Fehler
an ihnen zu finden. Zwei Jahrhunderte lang nach Konstantin folgte ein
Gemetzel dem anderen, als bei der Verteidigung der heute bekannten
Orthodoxie bekennende Christen andere Christen bekämpften. Es wurde
verlangt, an die Gottheit in zwei Personen (und später drei Personen) zu
glauben, oder man wurde dem Bann, dem Exil, der Folter und dem Tod
ausgesetzt – hauptsächlich im Interesse politischer Zweckmäßigkeit und
zur Erhaltung einer dogmatisch festgesetzten, unzweifelhaften Wahrheit.20
In der Zeit nach Konstantin wurde die Gewalt zu einer akzeptierten
christlichen Methode, um Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen. In
der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts brannten christliche Kreuzfahrer
danach, das Heilige Land durch Gewalt zu befreien. Nach der
Hinschlachtung europäischer Juden fuhren sie fort, Zerstörung über die
„untreuen“ monotheistischen Moslems zu bringen, welche die heilige
Stadt Jerusalem kontrollierten. Dieses Gemetzel wurde unter dem blutigen
Banner des dreieinen Gottes ausgeführt. Manche denken, der Islam hätte
nie die Chance gehabt, sich als einflussreiche Religion zu etablieren, wenn
die Ein-Personen-Gottheit der Juden der christliche Gott geblieben wäre.
In allen diesen Entwicklungen findet man kaum etwas, was mit dem
Leben des Gründers des Christentums im Einklang steht, welcher sagte:
„Widersteht nicht dem Bösen“, „haltet die andere Wange hin“ (Mt.5,39),
„glückselig sind die Friedensstifter“ (Mt. 5,9), und der den Sanftmütigen
die Erbschaft des Landes versprach (Mt.5,5). Derselbe Messias hatte
protestiert: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (d.h. es hat seinen
Ursprung nicht in gegenwärtigen, bösen Weltsystemen, obwohl es im
kommenden Zeitalter auf der Erde sein wird); wenn mein Reich von
dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft“ (Joh. 18,36).21
Sobald sich das Christentum dem theologischen Urteilsspruch des
20
Ein gut dokumentierter Bericht über den starken politischen Einfluss bei der
Formation des christlichen Dogmas wird durch R.E. Rubensteins: When Jesus
Became God: The Struggle to Define Christianity during the Last Days of Rome,
(Harcourt, 1999), gegeben.
21
Viele Bibelstellen sagen uns, dass das Reich Gottes auf der Erde bei der
Wiederkunft Jesu aufgerichtet werden wird (Mt. 5,5; 19,28; 25,31; Offb. 5,10;
Jes. 2, 1-4 etc.).
Die Trinität und die Politik 145
22
General Repository and Review, Hrsg. Andrews Norton, (Cambridge, MA:
William Hilliard, Okt. 1813), 4:37.
146 Die Trinität und die Politik
verdiene es, dass ihm die Gedärme herausgerissen und er selbst in Stücke
gerissen würde.23
Obwohl Servetus im Großen und Ganzen mit der protestantischen
Sache sympathisierte, fand er ironischerweise im protestantischen
Deutschland und in der Schweiz keine Zuflucht. Er fand schließlich einen
Unterschlupf im Palast eines römisch- katholischen Erzbischofs in
Frankreich, der ein Bewunderer des gelehrten Mannes war. Zu dieser Zeit
war Servetus ein geschickter Arzt und der Erste, der eine Abhandlung
über die Fließrichtung des Blutes vom rechten Ventrikel zum linken
Vorhof des Herzens schrieb. Die Weitläufigkeit seiner Fertigkeiten erwies
ihn als den anderen Reformatoren ebenbürtig. Seine fortdauernde
Korrespondenz mit Calvin die Trinität betreffend machte ihn bei der
Regierung in Genf, wo Calvin ein starkes theokratisches System
kontrollierte, nicht gerade beliebt. Er sagte Calvin: „Euer Evangelium ist
ohne den Einen Gott, ohne wahren Glauben, ohne gute Werke. Anstelle
des Einen Gottes habt ihr den dreiköpfigen Cerberus 24 (den dreiköpfigen
Hund aus der griechischen Mythologie, der den Eingang zur Hölle
bewacht).“ Weiters bemerkte er gegenüber Calvin: „anstelle des wahren
Glaubens habt ihr eine tödliche Illusion; und die guten Werke sind eine
leere Zurschaustellung.“25 Diese Worte qualifizierten Servetus sicherlich
nicht für das diplomatische Corps. Aber wir sollten seine Integrität und
den Mut, hinter seiner Überzeugung zu stehen, nicht bezweifeln.
Entsprechend dem Geist Konstantins schwor Calvin, ihn zu töten,
wenn er die Macht dazu habe. Servetus entschied sich, ein weiteres Werk
zu publizieren, das dazu bestimmt war, das Christentum in seiner
ursprünglichen Reinheit wieder herzustellen und es von den Irrtümern, die
den Glauben verunreinigt hatten, zu befreien. Calvin erwarb das
komplette Werk von Servetus, in dem dieser die Lehre der Trinität angriff.
Danach ließ er Servetus durch einen Mittelsmann und die katholische
Kirche verhaften. Während seiner Haft wurde dieser mit Respekt
behandelt und nach drei Tagen bekam er von einem Wärter den Schlüssel,
um im Garten spazieren gehen zu können. Er flüchtete, aber es stellte sich
heraus, dass es ein Weg zum Tod war.
Seine Freiheit währte nur kurz. Er beschloss, nach Neapel in Italien zu
reisen, um seinem Beruf als Arzt nachzugehen. Er traf den
23
Ebenso.
24
Ebenso, 47.
25
Ebenso.
Die Trinität und die Politik 147
„seinen Exekutor um eine kurze Folter gebeten hatte, wurde das Feuer an den
kleinen Haufen grüner Eichenzweige gelegt. Er wand sich lange in seiner Qual
und rief mit einer durchdringenden Stimme aus: „Jesus, Sohn des ewigen Gottes,
erbarme dich meiner!“ Schließlich warfen einige Zuseher aus Gnade brennende
Reisigbündel auf ihn und bereiteten so seiner Qual ein Ende.“29
26
Ebenso, 56.
27
Ebenso, 48.
28
Ebenso, 58.
29
Ebenso, 72.
148 Die Trinität und die Politik
„Der Heilige Geist wird über dich kommen ....darum wird auch das
Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ -
Gabriel
„In der christlichen Tradition wurde das Neue Testament lange durch die
Brille der späteren Glaubensbekenntnisse der Konzile gelesen.....Wenn von Jesus
als dem Sohn Gottes gesprochen wurde, so hatte das im ersten Jahrhundert eine
völlig andere Bedeutung als seit dem Konzil von Nizäa (325 n. Chr.). Wenn von
seiner Präexistenz gesprochen wird, so sollte sie in den meisten, wenn nicht in
allen Fällen, analog zur Präexistenz der Torah verstanden werden, um den ewigen
göttlichen Zweck anzudeuten, welcher durch ihn erreicht wurde, und nicht als
Präexistenz in einer vollständig personalen Art.“1
„Die Hauptvertreter der Kirchen sind einer bestimmten Lehre über Jesus
verpflichtet, doch diejenigen, die im Verständnis der frühen christlichen Lehre
ausgebildet sind, hinterfragen die Argumente, durch welche diese Lehre erreicht
wurde. Neutestamentliche Gelehrte fragen, ob sie durch das Neue Testament
überhaupt gelehrt wird und Historiker wundern sich über die Verschiedenheit
zwischen Jesus selbst und dem vollentwickelten Christentum. Diese Fragen sind
sehr beunruhigend, denn sie laufen darauf hinaus, dass das Christentum in einem
schlechteren Zustand ist, als es allgemein erwartet wird. Vielleicht ist es keine an
der Basis starke Struktur, die nur modernisiert zu werden braucht, sondern es
benötigt einen radikalen Neuaufbau....Das Neue Testament deutet niemals an,
dass der Ausdruck ‚Sohn Gottes’ einfach nur ‚Gott’ meint.“2
1
Maurice Wiles, The Remaking of Christian Doctrine.
2
Don Cupitt, The Debate About Christ (London: SCM Press, 1979), vii,4.
152 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
3
E.G. Selwyn, First Epistle of St. Peter (Baker Book House, 1983), 124.
4
G.T. Purves, The Testimony of Justin Martyr to Early Christianity (New York:
Randolph and Co., 1889), 167.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 153
5
Hrsg. G.A. Buttrick (Nashville: Abingdon Press, 1962), 1:802. Siehe auch
unseren Artikel “Do Souls Go to Heaven?”
154 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
Der Gelehrte fährt fort, indem er uns erklärt, dass dieses typisch
jüdische Denken ganz klar in 1. Petrus illustriert wird. Das erinnert uns
sofort daran, dass Petrus seine jüdische Denkweise (basierend auf der
hebräischen Bibel) nicht aufgegeben hatte, als er Christ geworden war.
Der Brief von Petrus ist adressiert an „die Auserwählten nach Vorkenntnis
Gottes, des Vaters“ (1.Petr.1,2). Petrus glaubte, dass alle Christen
vorausgesehen waren, aber das bedeutet nicht, dass wir alle präexistierten!
Die Lehre von Petrus bezüglich der zukünftigen Dinge wird durch
dieselbe Idee - dass alles in Gottes großem Plan vorherbestimmt ist -
durchdrungen. Gott sieht alles vor sich liegen. Jene, welche die Gabe des
Geistes haben, werden Gottes Blick teilen und im Glauben annehmen,
dass die Realität von Gottes Plan in der Zukunft Realität auf der Erde
wird. Bei Petrus war der Messias selbst vorausgesehen, nicht nur sein Tod
für unsere Sünden, sondern er ganz persönlich (1.Petr. 1,20). Petrus
verwendet dasselbe Wort bei der Beschreibung der „Existenz“ des Sohnes
Gottes in Gottes Plan, welches er auch gebraucht, um die „Existenz“ der
christlichen Gemeinde zu erläutern (V.2).
Obwohl der Messias vorherbestimmt („erkannt“) war (ebenso wie
Jeremia vor seiner Geburt, Jer.1,5), so wurde er doch erst durch seine
Geburt in tatsächliche Existenz gebracht und offenbart (Lk.1,35). Das ist
eine typisch jüdische Art, den Plan Gottes für die Menschen zu verstehen.
Er führt den Plan dann zu Seiner passenden Zeit aus.
6
E.C. Dewick, Primitive Christian Eschatology, The Hulsean Prize Essay for
1908 (Cambridge University Press, 1912), 253, 254, Hervorhebung beigefügt.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 155
Diese Art der „Präexistenz“, welche Petrus im Sinn hatte, wird dem
hebräischen Umfeld gerecht und entspricht nicht der Atmosphäre des
späteren, nachbiblischen Christentums.
„Wir dürfen nicht sagen, Petrus sei mit der Idee der Präexistenz Christi mit
dem Vater vor der Inkarnation vertraut gewesen (und wir dürfen deshalb auch
nicht behaupten, Petrus sei ein Trinitarier gewesen!). Denn diese Idee ist nicht
unbedingt in der Beschreibung, dass Christus ‚im Voraus vor Grundlegung der
Welt erkannt wurde’ enthalten, denn auch die Christen sind Teil von Gottes
Vorhersehung. Alles, was wir sagen können, ist, dass die Aussage pro kataboles
kosmou (vor Grundlegung der Welt) für das Amt und das Werk Christi eine
überirdische Rangstellung und Wichtigkeit ausdrückt........Petrus hat seinen
Glauben an die Göttlichkeit Christi nicht zu einer Bekräftigung seiner Präexistenz
erweitert: seine Christologie hat mehr Ähnlichkeit mit den ersten Kapiteln der
Apostelgeschichte als mit Johannes und Paulus.“7
Petrus hätte als Anführer der Apostel keine Sympathie für ein
trinitarisches oder arianisches (wie z.B. die modernen Zeugen Jehovas)
Verständnis von Jesus gehabt.
Wir bemerken auch, dass für Petrus die zukünftige Erlösung der
Christen, das Reich Gottes, das sie bei der Rückkehr Christi erben werden,
ebenso im Himmel aufbewahrt ist „bereit zur Offenbarung in der letzten
Zeit“ (1.Petr.1,5). Die Wiederkunft Jesu, sein zweites Kommen, wird so
eine „Apokalypse“, eine Enthüllung dessen sein, was jetzt zwar schon
„existiert“, aber unserer Sicht verborgen ist. So heißt es von Jesus, dass er
„erkannt“ war und darauf wartete, zu Gottes Zeit geoffenbart zu werden
(1.Petr.1,20). Weder das Reich Gottes noch Jesus selbst existierten im
Voraus. Sie waren aber vor der Grundlegung der Welt geplant.
Paulus verwendet dasselbe Konzept und auch dieselbe
Ausdrucksweise für die zukünftige Auferstehung und die Unsterblichkeit
der Heiligen. Er sagt, dass wir schon „einen Bau von Gott haben, ein
ewiges Haus (für das zukünftige Zeitalter)“ (2.Kor.5,1).8 Unser
7
E.G. Selwyn, First Epistle of St. Peter, 248, 250. Wir stimmen nicht überein,
dass sich die Ansicht Jesu bei Petrus von jener bei Paulus unterscheidet. Es ist
höchst unwahrscheinlich, dass die Apostel in ihrer Sichtweise Jesu nicht
übereinstimmten.
8
Dies ist die richtige Übersetzung von aionios, d.h. dem zukünftigen Zeitalter des
Königreichs zugehörig, nicht „ewig“. Das bedeutet freilich nicht, dass der Körper
der Zukunft vergänglich sein wird. Es überträgt Unsterblichkeit und währt somit
156 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
ewig. Der Erwerb dieses Körpers ist trotzdem das große Ereignis des kommenden
Zeitalters, das durch die Auferstehung anfing.
9
Die Art der Synoptiker diese Idee auszudrücken, ist vom Königreich als
„bereitet vor der Grundlegung der Welt“ zu sprechen. (Mt. 25,34).
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 157
kommenden Sohn Gottes zu sagen hat, keine Aussage darüber macht, dass
der Messias Gott ist und von einer vorgeburtlichen Existenz im Himmel
auf die Erde kommt. Die Idee, dass Gott als Mensch geboren wird, ist der
jüdischen Umgebung, in der Jesus lehrte, völlig fremd. Es hätte einer
Revolution bedurft, um ein solch neues Konzept einführen zu können.
Die sogenannte „Präexistenz“ Jesu bei Johannes bezieht sich auf seine
„Existenz“ im Plan Gottes. Die Kirche wurde durch die Einführung
unbiblischer Ausdrucksweise geplagt. Es gibt in der griechischen Sprache
ein ausgezeichnetes Wort für wirkliche Präexistenz (pro-uparchon). Es ist
sehr signifikant, dass es niemals in der Schrift mit Bezug auf Jesus
vorkommt, wohl aber in den Schriften der griechischen Kirchenväter des
zweiten Jahrhunderts. Diese griechischen Kommentatoren der Schrift
verstanden die hebräische Denkweise, in der das Neue Testament
geschrieben worden war, nicht.
Das biblische Verständnis Jesu vor seiner Geburt hat mit seiner
„Existenz“ in Gottes Plan und Vision zu tun. In der Bibel bedeutet
Präexistenz nicht das, was es in den späteren Glaubensbekenntnissen
bedeutet: die wirklich bewusste Existenz des Sohnes Gottes vor seiner
Geburt, als er auf die Erde kam, und die menschliche Form durch den
Aufenthalt im Leib seiner Mutter. In der Schrift kommt Jesus von Maria
(Mt. 1,16). Es ist erstaunlich, dass im 2. Jahrhundert Justin davon zu
sprechen begann, Jesus sei durch seine Mutter gekommen.
Ein jüdisches und biblisches Verständnis von Präexistenz ist
besonders wichtig für das Verständnis, welches Jesus selbst von sich als
Menschensohn hatte. Den Menschensohn findet man im Buch Daniel. Er
„präexistiert“ nur in dem Sinn, dass Gott uns eine Vision von ihm - dem
menschlichen Wesen – in Seinem Plan für die Zukunft zeigt. Der
Menschensohn ist ein menschliches Wesen – das bedeuten diese Worte.
So will uns Johannes zu verstehen geben, dass der Messias - in Gottes
Plan – vor seiner Geburt im Himmel war und in der Vision Daniels von
der Zukunft gesehen worden war (Dan.7; Joh.6,62). Bei seiner
Himmelfahrt stieg Jesus zu der Position auf, die früher in Gottes Plan für
ihn bereitet worden war. Keine Schriftstelle sagt aus, dass Jesus zu Gott
zurückging (upostrepho), obwohl dieser Gedanke zu Unrecht in manche
moderne Übersetzung importiert wurde, um die „Orthodoxie“ zu stützen.
Solch eine falsche Übersetzung des griechischen „zum Vater gehen“ als
158 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
„zum Vater zurückkehren“ spricht Bände für sich.10 Die Bibel wurde mit
einem Vorurteil zugunsten der traditionellen, nachbiblischen Ideen über
Jesus übersetzt.
Der Sohn Gottes ist kein Engel. Kein Engel wurde jemals
„Menschensohn“ (= Teil der menschlichen Rasse – mit gutem Grund der
Titel, mit dem sich Jesus selbst bezeichnete) genannt. Den Messias als
Engel zu bezeichnen, würde eine Vermischung verschiedener Kategorien
bedeuten. Hier sagen die Gelehrten zu Recht, dass die Idee einer
Präexistenz des Messias „seiner Geburt in Bethlehem vorausgehend, im
Judentum unbekannt ist“. All den Prophetien im Alten Testament zufolge
gehört der Messias zur menschlichen Rasse: „Das Judentum wusste nichts
von einer Präexistenz, die der Geburt des Messias als menschliches
Wesen vorausgegangen war (Dalman, Words of Jesus, S. 128-132, 248,
252).
Die Vorherrschaft dieser Idee im Kreis von Juden kann seriöserweise
nicht aufrecht erhalten werden. Das Judentum kennt nichts von einem (im
wörtlichen Sinn) präexistenten Idealmann.“11
Zu behaupten, man „sei vor Abraham“ (Joh.8,58) bedeutet nicht, dass
man sich an ein Leben vor der Geburt erinnert. Das würde der Denkweise
der Griechen entsprechen, die an die Präexistenz der Seelen glaubten. In
der hebräischen Denkweise des Neuen Testamentes kann man als Teil von
Gottes Plan und Absicht „existieren“, ebenso wie der Tabernakel, der
Tempel, Buße und andere wichtige Teile im Plan Gottes. Sogar Mose
präexistierte in diesem Sinn. Wir werden die Schriftstelle später
betrachten. Der Apostel Johannes konnte ebenso sagen, dass Christus „vor
der Grundlegung der Welt geschlachtet wurde“ (Offb. 13,8). Das gibt uns
einen sehr wertvollen Hinweis auf die Art und Weise, wie
neutestamentliche Schreiber die „Präexistenz“ verstanden.
Es gibt mannigfaltige Beispiele von Vergangenheit in der hebräischen
Bibel, die sich auf zukünftige Ereignisse beziehen. Sie sind „vergangen“,
weil sie festgesetzte Ereignisse im Ratschluss Gottes beschreiben und so
sicherlich zustande kommen werden. Bibelleser vernachlässigen diese
sehr hebräische Art zu denken, wenn sie den Schluss ziehen, die Worte
Jesu über die Herrlichkeit, die er vor Grundlegung der Welt beim Vater
hatte, bedeuten, dass er meinte, zu jener Zeit bereits am Leben gewesen zu
10
Siehe die New International Version, Joh. 16,28 oder in Deutsch: Hoffnung für
Alle über Joh. 16,28 und 20,17.
11
Charles Gore, Belief in Christ (London: John Murray, 1923), 31.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 159
12
Die falsche Übersetzung in unseren Versionen ist zu beachten: Der Text
bezieht sich nicht auf die Empfängnis, sondern auf die „Zeugung“ vom Vater
durch den Heiligen Geist. Es ist die Handlung des Vaters, welche den Sohn in
Existenz bringt. Der Sohn Gottes, der Messias, ist eine übernatürlich geschaffene
Person, der zweite Adam. Die Bezugnahme in Apg. 13,33 auf die Auferweckung
Jesu, die sich auf die Tatsache bezieht, dass Gott ihn ins Leben brachte, ist zu
bemerken. Vers 34 nennt seine darauffolgende Auferstehung. Die King James
Version verdunkelt diesen wichtigen Unterschied.
13
Justin ist vielleicht der erste Kirchenvater, der von einer Zeugung des Sohnes
vor der Schaffung der Welt (also vor der Schöpfung) sprach. Doch er kann keine
Unterstützung in der Schrift für eine so vor-weltliche Zeugung des Sohnes
angeben. Der Bibel nach wurde der Sohn Gottes, so wie alle anderen Menschen,
zur Zeit seiner Empfängnis im Mutterleib gezeugt. Justin unterscheidet sich von
Matthäus, indem er sagt, Jesus sei „durch“ Maria gekommen. Matthäus sagt aus,
er sei von Maria gekommen. Dieser Wandel im Denken fand ca. im Jahre 150
statt und er bereitete den Samen für die spätere trinitarischen Formulierung vor.
160 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
den Gläubigen nach der Zeit Jesu (-die also noch nicht geboren worden
waren, als Jesus sprach -) ebenso gegeben worden war (Joh.17,22). Das
bedeutet einfach, dass Dinge, die bereits in Gottes Plan beschlossen sind,
in einem anderen Sinn als dem der tatsächlichen Existenz existieren. Wir
müssen uns entscheiden, ob wir das Neue Testament als Amerikaner oder
Europäer lesen, oder im Verständnis Jesu und seiner jüdischen Kultur. Ein
Vers in Offenbarung spricht über die Dinge, „die sind“, bevor sie
erschaffen wurden. „Deines Willens wegen waren sie und sie sind
erschaffen worden“ (Offb. 4,11).14 Ihre Erschaffung folgte dem Plan
Gottes, sie in Existenz zu bringen.
Die Kenntnis des Hintergrundes des Neuen Testamentes zeigt uns den
Glauben der Juden an die „Präexistenz“ Mose im Ratschluss Gottes,
jedoch nicht als tatsächliche, bewusste Person.
„Denn das ist, was der Herr der Welt verordnet hat: Er hat die Welt für sein
Volk erschaffen, aber er machte diesen Zweck der Schöpfung nicht vom Beginn
der Welt an bekannt, so dass die Nationen schuldig gefunden würden........Aber er
ersah und ersann mich (Mose), der vom Beginn der Welt an bestimmt war, der
Mittler des Bundes zu sein“ (Das Testament des Mose 1,13-14).
Wenn Mose in Gottes Plan bestimmt war, so macht es Sinn, dass der
Messias der Grund für Gottes Schöpfung war. Man kann dann sagen, dass
alle Dinge für Christus geschaffen wurden. Aus Respekt für den
offenbarten Plan Gottes und zur Ehre des menschlichen Erlösers sollten
wir versuchen, dessen Identität im Zusammenhang mit seinem
hebräischen Umfeld zu verstehen.
Eine abschließende Aussage über das jüdische Verständnis von
„Präexistenz“ gibt uns der norwegische Gelehrte Mowinckel in seinem
berühmten Buch „He That Comth“ (Er der kommt):
„Dass sowohl der Ausdruck als auch der Träger von Gottes Willen für die
Welt – Sein rettender Ratschluss und Sein Zweck – in Seinem Geist, oder Seinem
14
Die Verwendung des Wortes „waren“ ist im Licht einer alternativen Lesart von
Joh. 17,5 interessant, die von „der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte“ spricht. Das
würde der Ausdruck für die präexistente Herrlichkeit sein (und nicht für den vor-
menschlichen Jesus), um deren Gewährung Jesus betete - für sich (Joh. 17,5) und
auch für seine Jünger (Joh, 17,22). Siehe auch Raymond Brown, The Gospel
According to John, Anchor Bible (New York: Doubleday, 1966), 743. Es ist auch
zu beachten, dass Augustinus und viele andere Kommentatoren in Joh.17,5
keinen Beweis für eine wörtliche Präexistenz finden.
162 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
„Wort“ von Anfang an gegenwärtig waren, ist ein natürlicher Weg zu sagen, dass
diese nicht zufällig sind, sondern die Enthüllung und der Ausdruck von Gottes
eigenem Sein (siehe Johannes „das Wort war bei Gott und war Gott“). Dieses
Attribut von Präexistenz weist uns auf höchste Wichtigkeit im religiösen Bereich
hin. Oft spricht die rabbinische Theologie vom Gesetz, vom Thron der
Herrlichkeit Gottes, von Israel und anderen wichtigen Bereichen des Glaubens als
von Dingen, die von Gott geschaffen und dennoch schon vor der Erschaffung der
Welt mit ihm gegenwärtig gewesen waren. Dasselbe gilt für den Messias. Es wird
gesagt, sein Name sei vorher im Himmel bei Gott gewesen, vor der Welt
erschaffen worden war, und ewig.
Aber dieser Hinweis bezieht sich nicht auf eine echte Präexistenz im strikten
und wörtlichen Sinn. Das wird durch die Tatsache klar, dass Israel auch erwähnt
wird, wenn von präexistenten Dingen gesprochen wird. Das bedeutet nicht, dass
die Nation Israel oder sein Stammvater lange zuvor im Himmel existiert hatten,
sondern dass die Gemeinschaft der Israeliten, das Volk Gottes, von Ewigkeit her
im Plan Gottes, als Faktor seines Ratschlusses, gewesen waren.......das ist bei den
Bezugnahmen auf den Messias ebenso. Es ist sein „Name“, nicht er selbst, der
vor der Erschaffung der Welt bei Gott gewesen war. In Pesikta Rabbati 125b wird
gesagt, dass „vom Beginn der Schöpfung der Welt an der Messias geboren wurde,
weil er vor der Erschaffung der Welt in die Gedanken Gottes gekommen war“.
Das bedeutet, dass im Willen Gottes von Ewigkeit her der Messias in Existenz
kommen und seine Aufgabe in dieser Welt tun sollte, damit Gottes ewiger
rettender Plan erfüllt werden sollte.“15
15
Übers. G.W. Anderson (Nashville: Abingdon, 1954), 334, Hervorhebung
beigefügt.
16
Jesus verkörpert die Weisheit Gottes ebenso wie er die „Rettung“ Gottes
verkörpert (Lk. 2,30).
17
5. Mose 6,4; Mk. 12,29 ff; 1. Kor. 8, 4-6; 1. Tim. 2,5; Joh. 17,3; 5,44.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 163
18
Justin, Dialogue, 56, 62, 128, 12. Justin glaubte, der Sohn wurde vor der
Genesis Schöpfung gezeugt, aber er sei nicht immer der Sohn gewesen. Also war
Justin kein Trinitarier.
19
Eph. 3,9; Kol. 1,26; 2. Tim. 1,9; Tit. 1,2; vgl. 1. Petr. 1,20; Offb. 13,8.
20
Wir bemerken den gerechtfertigten Protest von James Dunn gegen den
Kommentar Cranfields über Rö. 1,3: „Unbekümmert in seiner Verwendung
anachronistischer Kategorien fährt Cranfield fort zu argumentieren, dass Paulus
‚die Anwendung von „welcher in Existenz kam“ auf die menschliche Natur
einschränken wollte, die der Eine (Gottes Sohn, V.3) annahm“’ (Romans 1-8;
Word Biblical Commentary; Dallas: Word Books, 1988; 15). Cranfield kämpft,
die „Orthodoxie“ aus den Worten von Paulus zu rechtfertigen. Doch Paulus war
weder ein „orthodoxer“ Trinitarier, noch ein „unorthodoxer“ Arianer.
164 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
Johannes 1,1
Die Christologie - das Studium über Jesus – hat viel mit einer
vernünftigen Feststellung über das Verhältnis Jesu zu dem Einen Gott
Israels zu tun. Es gibt keinen Zweifel, dass Jesus für die ersten Christen
den Wert und die Realität Gottes hatte. Das bedeutet aber nicht, dass sie
daran glaubten, Jesus „sei Gott“. Manche Leute denken, Johannes habe
Jesus in metaphysischen Ausdrücken präsentiert, welche die Menschen in
der griechischen Welt durch ihre abstrakten, der hellenistischen
Denkweise ähnlichen Ideen, ansprechen würde. Die „Orthodoxie“ beruft
sich auf Johannes als Brücke zur Welt der griechischen Metaphysik - der
Metaphysik, die dazu beitrug, den Jesus der Kirchenkonzile zu formen.
Wir schlagen vor, wir sollten uns zuerst ansehen, ob Johannes mit
seiner sonst jüdischen Denkweise so verstanden werden kann. Wieso
sollten wir versuchen, Johannes so zu verstehen, als sei er ein Schüler des
21
Joh. 17,3; Joh. 5,44; 1. Tim. 2,5; 1. Kor. 8, 4-6.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 165
„Als Johannes das ewige Wort präsentierte, dachte er nicht an ein Wesen,
welches in irgendeiner Art von Gott getrennt war, oder an eine ‚Hypostase‘. Die
späteren trinitarischen Unterscheidungen sollten nicht in die Gedanken von
Johannes gelesen werden........in einer Art von Philosophie, die nicht seine eigene
war......Wir dürfen Johannes nicht im Licht der dogmatischen Geschichte der drei
den Schriften des Evangelisten folgenden Jahrhunderte lesen.“ 24
22
C.J. Wright, Jesus, The Revelation of God, Book 3 von The Mission and
Message of Jesus: An Exposition of the Gospels in the Light of Modern Research
(New York: E.P. Dutton and Co., 1938), 677.
23
Vgl. zum Beispiel die irreführende Umschreibung der Living Bible: Bevor es
etwas anderes gab, war Christus, mit Gott. Er war immer am Leben und Er selbst
ist Gott. Er schuf alles, was ist – es gibt nichts, das Er nicht schuf“
Dt. Hoffnung für Alle: Am Anfang war das ewige Wort Gottes: Christus.
Immer war er bei Gott und ihm in allem gleich. Durch ihn wurde alles geschaffen,
nichts ist ohne ihn geworden.
24
C.J. Wright, Jesus, the Revelation of God,707.
166 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
„Die Sprache eines Autors wird uns verwundern, solange wir keine
Beziehung zu seinem Denken haben....Der Evangelist Johannes nimmt das
wohlbekannte Wort logos, er definiert es nicht, sondern enthüllt uns, was er selbst
darunter versteht.... Die Idee gehörte zum Alten Testament und ist Teil des
religiösen Glaubens und der Erfahrung der hebräischen Schriften. Es ist das beste
Wort, um seine Botschaft auszudrücken. Denn das Wort eines Menschen ist der
Ausdruck seiner Gedanken, seines Sinnes; und sein Sinn ist der Ausdruck seiner
Persönlichkeit.......So spricht Johannes vom Wort, welches bei Gott war und das
göttlich war, um die Überzeugung auszudrücken, dass Gott in seinen Gedanken
immer aktiv und offenbarend war. Gott kann durch seine Natur bedingt nicht
müßig im Himmel sitzen. Wenn an einer späteren Stelle im Evangelium Jesus
sagt: „Mein Vater wirkt bis jetzt“, so sagt er dasselbe, was der Evangelist im
ersten Vers des Prologs ausdrückt.
Die Sprache von Johannes ist nicht die Ausdrucksweise der philosophischen
Definition. Johannes hat einen „konkreten“ und einen „bildlichen“ Sinn. Der
Fehler, Johannes (in seinem Prolog) nicht zu verstehen, hat viele zum faschen
Schluss geführt, er sei der „Vater der metaphysischen – trinitarischen –
Christologie“ und so auch für die spätere kirchliche Verschleierung der ethischen
und geistlichen Betonung Jesu verantwortlich.......Der Evangelist dachte nicht in
Ausdrücken der Kategorie von „Substanz“ – eine Kategorie, die dem
griechischen Denken entsprach.“25
25
Ebenso, 707, 711.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 167
sie Jesus und seine Familie gekannt hatten und dass er ein Mensch gewesen war,
ein großer Lehrer und jemand, der mit dem göttlichen Logos erfüllt war.....aber
dass er im ontologischen Sinn nicht göttlich war, wie die Alexandriner
behaupteten. Die Argumente blieben gleich, bis die Fraktion von Cyrus von
Alexandria schließlich mit der Anschauung eines stark mythologisierten Jesus mit
göttlichem ontologischen Wesen gewann. Cyril war fähig, seine Mitbischöfe zu
ermorden, um sich durchsetzen zu können.“
Zur Zeit des Konzils von Nizäa 325 n.Chr. dominierte diese alexandrinische
Perspektive der Hochchristologie, aber ihr wurde von Seiten der antiochischen
Niederchristologie widersprochen. In der Zeit zwischen Nizäa und Chalcedon
gewann diese spekulative und neoplatonische Ansicht immer mehr Bedeutung
und wurde im Jahr 451 n. Chr. orthodoxe christliche Lehre. Leider war das, was
die Theologen dieser großen ökumenischen Konzile mit solchen Glaubenstiteln
wie Sohn Gottes meinten, völlig verschieden von der Bedeutung dieser Titel in
den Evangelien. Die Konzile sprachen in griechisch philosophischen Ausdrücken;
die Evangelien sprachen in Ausdrücken des vom Zweiten Tempel geprägten
Judentums......Die Bischöfe der Konzile hätten erkennen sollen, dass sie vom der
hebräischen Metapher zur griechischer Ontologie abgerutscht waren und so den
wahren Jesus verraten hatten.“26
26
Siehe „The Ancient Library of Alexandria“, Bible Review (Feb. 1997), 19-29
und weitere Kommentare in “From Logos to Christ” (“Readers Reply”), BR (June
1997), 4-7, Hervorhebung beigefügt.
168 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament
„Wie ist es möglich, dass die Religion der Liebe für einige der
schrecklichsten Gräueltaten , die auf die Geschichte der Menschen Unehre
gebracht haben, verantwortlich ist?...Die Kirche verfolgte weitaus härter als
andere Religionen....unsere religiösen Überzeugungen sind durch traditionelle
Gerüste gestützt und viele von uns sind verärgert, wenn die Stabilität dieser
Gerüste hinterfragt wird. Der durchschnittliche Katholik (dasselbe gilt auch für
viele Protestanten) verlässt sich auf die Unfehlbarkeit der Kirche, die er
normalerweise ohne Untersuchung akzeptiert. Zuzugeben, dass diese Kirche
gefehlt und abscheuliche Verbrechen gutgeheißen hat, ist für ihn fast
unmöglich.“28
Der Monotheismus
Weder Paulus noch irgendein anderer Autor der Bibel haben jemals
behauptet: „Es gibt Einen Gott: den Vater, den Sohn und den Heiligen
Geist.“ Bei tausendfachen Vorkommen von Jahwe und Gott gibt es kein
einziges, welches „Gott in drei Personen“ meint. Der dreieine Gott ist der
Bibel fremd. Die Worte von Paulus bedürfen einer genauen Betrachtung:
„Es ist kein Gott als nur einer........so ist doch für uns ein Gott, der Vater“
(1.Kor. 8,4;6). Es gibt auch einen Herrn Messias – Jesus (1.Kor. 8,6), aber
er ist der Herr Christus (Lk. 2,11; Ps. 110,1), der Sohn des Einen Gottes,
seines Vaters.
Die beiden Hauptakteure in der Bibel werden in einer kostbaren
göttlichen Weissagung beschrieben, die im Neuen Testament öfter zitiert
27
Als lehrreiches Beispiel für fehlgeleiteten religiösen Eifer und Brutalität siehe
den Bericht über Calvins grausame Verfolgung und Hinrichtung des spanischen
Arztes und Gelehrten, der die Lehre der Trinität hinterfragte in Marian Hillar, The
Case of Michael Servetus (1511-1553) – The Turning Point in the Struggle for
Freedom of Conscience (Edwin Mellen Press, 1997).
28
Dean W.R. Inge, A Pacifist in Trouble (London: Putnam, 1939), 180, 181.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 169
wird als jede andere Stelle der hebräischen Bibel: Psalm 110,1. Dort
spricht der Eine Gott „Jahwe“ zum Herren Davids, der als adoni („mein
Herr“) bezeichnet wird. Adoni kommt in der Bibel 198 Mal vor und
bedeutet nie, wie wir schon sahen, den Einen Gott,. Es bezieht sich immer
auf einen Menschen oder (in seltenen Fällen) Engel, aber niemals auf
Gott. Jesus ist der Herr Davids, von dem Psalm 110,1 spricht. Er wurde
zum Herrn und Messias gemacht – erhoben von Gott, seinem Vater (Apg.
2,34 –36).
Aus Respekt und Ehre vor Jesus, dem Messias, sollten Christen den
jüdischen Glauben von Markus 12,29 annehmen: „Höre, Israel: der Herr,
unser Gott, ist ein Herr.“ Gott ist ein Herr. Jesus ist ein anderer Herr. Das
macht zwei Herren, aber das Bekenntnis kennt nur einen Herren, der Gott
ist (5. Mose 6,4; Mk. 12,29). Das ist der Glaube Jesu und daher auch der
originale, authentische christliche Glaube. Es ist gleichfalls der Glaube
von Paulus. Könnten wir doch alle diesen Glauben mit Freude annehmen
und uns an Jesus, dem historischen Messias, ausrichten!
8. JOHANNES, DIE PRÄEXISTENZ UND DIE TRINITÄT
„Die klare Aussage von Johannes ist, dass Jesus den Anspruch, Gott
zu sein, ablehnte.“– Professor J.A.T. Robinson
Jemand hat berechnet, dass Fürwörter in der Einzahl den Gott der
hebräischen Bibel Tausende Male beschreiben.1 Jede dieser
Verwendungen ist ein Zeugnis für einen Gott als einzelne Person und
nicht als Mehrzahl von Personen. Es ist eine Standardtatsache, die
niemand bestreiten wird, dass das persönliche Fürwort in der Einzahl eine
einzelne Person meint.
Der Prozess, durch den der Gott Israels zur Trinität wurde, erzählt uns
vom Versäumnis der Heiden, die Tiefen des jüdischen Monotheismus zu
durchdringen und über die Tendenz, einen Hang zum Heidentum mit dem
Christentum zu vermischen. Es wurden erstaunliche Anstrengungen
unternommen, um den Gott Israels in mehr als eine Person zu verwandeln.
„Hinweise“, welche auf die Trinität hindeuten, wurden an den
unglaublichsten Stellen gefunden, z.B. das „Heilig, heilig, heilig“ aus
Jesajas Vision (Jes. 6,3). Doch viele Trinitarier haben nun die
Anstrengung beendet, ihren Glauben in der hebräischen Bibel finden zu
wollen. Viel unnötige Arbeit hätte vermieden werden können, wenn den
einfachen Glaubensaussagen von Jesus und Paulus Beachtung geschenkt
worden wäre. Es bleibt eine unwidersprochene Tatsache, dass Jesus mit
dem unitarischen Glaubensbekenntnis Israels übereinstimmte (Mk.12,29)
und Paulus den Einen Gott als eine Person definierte. In einer Passage, die
bewusst das Christentum in Gegensatz zum Heidentum stellt, beschreibt
Paulus den Einen Gott als zahlenmäßig einen, und so verschieden von den
vielen Göttern der Heiden. Wenn wir die Information, die uns Paulus im
vierten und sechsten Vers von 1.Korinther 8 gibt, zusammenfassen, so
finden wir die folgende Glaubensaussage: „Es gibt keinen Gott außer den
1
James Yates, Vindication of Unitarianism (Boston: Wells and Lilly, 1816), 66,
153.
172 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
2
Treatise on Christian Doctrine (Neuauflage durch die British and Foreign
Unitarian Association, 1908), 16, 17.
3
Epistle of Paul to the Romans, zitiert von Hugh Schonfield, The Politics of God
(London: Hutchinson, 1970), 105.
4
Paul and His Interpreters (London, 1912), v.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 173
5
„All things were made by it………In it was life. Tyndale’s New Testament: A
Translation from the Greek by William Tyndale in 1534. Hrsg. David Daniell
(New Haven: Yale University Press, 1989), Hervorhebung beigefügt.
174 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
6
John Knox, The Humanity and Divinity of Jesus (Cambridge University Press,
1967), 106.
7
Ps. 132,11; Apg. 2,3; 2. Sam. 7, 14-16; Mt. 1,1.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 175
„Zuerst haben wir die Christologie der synoptischen Evangelien und hier
kann nicht auf sicherem Boden behauptet werden, dass sie uns die geringste
Rechtfertigung für eine Vorstellung, die über einen menschlichen Messias
hinausgeht, geben. Das Verständnis von Präexistenz liegt völlig außerhalb der
synoptischen Anschauungssphäre. Nichts kann dies besser zeigen als die
Erzählung von der übernatürlichen Geburt Jesu. Alles, was ihn über die
Menschheit hinaushebt – obwohl es das Mensch-Sein seiner Person nicht aufhebt
– kann nur dem pneuma hagion (dem Heiligen Geist) zugeschrieben werden, der
seine Empfängnis zustande brachte.... Die synoptische Christologie hat als
substantielle Basis die Erkenntnis, dass der Messias als huios theou (Sohn Gottes)
designiert und empfangen wurde; all die Versuche, diese Erkenntnis zu erklären,
basieren auf der Annahme einer essentiellen menschlichen Natur.“9
8
B.F. Westcott, The Gospel of John (Grand Rapids, Eerdmans, 1981), lxxxiv,
lxxxvii.
9
F.C. Baur, Church History of the First Three Centuries (London: Williams and
Norgate’s, 1878), 65.
176 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
Es ist signifikant, dass die Anschauung, Jesus habe vor seiner Geburt
nur im Ratschluss des Vaters existiert, von Petrus in seinem ersten Brief
ausgedrückt wird. Gegen Ende seines Lebens hatte er seine Meinung, die
er in seinen frühen Reden in der Apostelgeschichte geäußert hatte, nicht
geändert: „Er ist zwar im Voraus vor Grundlegung der Welt erkannt, aber
am Ende der Zeiten geoffenbart worden um euretwillen“ (1.Petr.1,20).
E.G. Selwyn schreibt zutreffend: „Wir sind auch nicht berechtigt zu
sagen, dass Petrus mit der Idee der Präexistenz Christi vertraut
war.......Denn diese Anschauung ist nicht unbedingt in seiner
Beschreibung Christi als „erkannt vor Grundlegung der Welt“ enthalten,
denn die Christen sind ebenso Teil von Gottes Vorhersehung.“11
All die Treuen waren ebenso im Voraus ersehen (1.Petr.1,2), aber das
bedeutet natürlich nicht, dass sie präexistierten. Wenn nun Petrus nicht
glaubte, dass Jesus vor seiner Geburt gelebt hatte, so konnte dieser
führende Apostel auch nicht an die Trinität geglaubt haben.
Ein Professor der Kirchengeschichte, der alles genau untersucht hatte,
fand keinen Beweis für den Glauben an die Präexistenz Jesu in Matthäus,
Markus und Lukas.
„Dass Jesus, dessen Gedanken von den Propheten durchdrungen waren, seine
messianische Auffassung von hebräischen Quellen erhielt, ist
offenkundig.....Während seine messianische Aufgabe in den Prophetien wurzelte,
so erscheint es nicht so, dass er sich selbst eine vorzeitliche Existenz zuschrieb.
Wenn man ansieht, was Matthäus und Lukas über seinen Ursprung schreiben, so
ist er göttlich gezeugt. Aber er hatte nicht präexistiert. Seine Herkunft wird aus
dem Leib einer Jungfrau beschrieben, durch die Zeugung durch den Heiligen
Geist......Es kann niemand vernünftigerweise behaupten, dass, gemäß den
Beschreibungen der übernatürlichen Zeugung nach Matthäus und Lukas, Jesus
10
Dictionary of the Apostolic Church (T&T Clark, 1916), 2:264, Hervorhebung
beigefügt.
11
First Epistle of St. Peter, 248.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 177
vor diesem kreativen göttlichen Akt gelebt hatte........Es gibt auch keinen
deutlichen Hinweis von seiner eigenen Seite, dass er sich einer persönlichen
Präexistenz bewusst war. ...so haben wir es in den synoptischen Evangelien nicht
mit einem präexistenten, ätherischen Wesen zu tun, welches in menschlicher
Form zu Fleisch wurde, sondern mit einem, der, obwohl durch göttliche
Bestimmung zu einer erhabenen Berufung bestimmt, von seiner Geburt bis zu
seinem Tod völlig den Regeln der menschlichen Existenz unterworfen war.“12
„Die Tatsache, dass Matthäus von Jesus als gezeugt spricht (Passiv von
gennan, in 1,16 und 20), weist darauf hin, dass die Empfängnis durch den
Heiligen Geist die Entstehung des Sohnes Gottes bewirkte.........Klarerweise ist
hier die göttliche Sohnschaft keine adoptive, aber es gibt keinen Hinweis auf eine
Inkarnation, bei der ein Wesen, das vorher bei Gott gewesen war, Fleisch
wurde.“13
Im selben Werk sagt er: „Ich betone, dass Matthäus und Lukas kein
Wissen von Präexistenz hatten. Anscheinend bedeutete für sie die
Empfängnis das Werden oder die Zeugung des Sohnes Gottes.“13
Dieses verblüffende Zugeständnis eines angesehenen Bibelgelehrten
bestärkt die Tatsache, dass die Lehre der Inkarnation weder in Matthäus
noch in Lukas gefunden werden kann. Dasselbe gilt für das
Markusevangelium. Brown stellt fest, dass dieses eine peinliche Tatsache
für Theologen bedeutet, die im traditionellen Glauben an den
präexistenten Sohn ausgebildet wurden:
12
James MacKinnon, The Historic Jesus (Longmans, Green & Co., 1931), 375-
379, Hervorhebung beigefügt.
13
The Birth of the Messiah, 140, 141, Hervorhebung beigefügt. Vgl. Aaron
Milavec, “Matthew’s Integration of Sexual and Divine Begetting”, in Biblical
Theology Bulletin 8 (1978), 108: “Die christliche Lehre der Präexistenz ist völlig
unvereinbar mit der Beschreibung des Ursprungs Jesu bei Matthäus.”
13
Ebenso, 31, Fußnote 7.
14
„L’Annonciation et la Mariologie Bibliquein Maria in Sacra Scriptura, 4 :61.
178 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
15
Brown, The Birth of the Messiah, 291.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 179
„In der christlichen Tradition wurde das Neue Testament lange durch die
Brille der späteren konziliären Glaubensbekenntnisse gelesen........Wenn von
Jesus als Sohn Gottes gesprochen wurde, so hatte das im ersten Jahrhundert eine
völlig andere Bedeutung als nach der Zeit von Nizäa. Die Rede von der
Präexistenz Jesu (in der Schrift) sollte in den meisten, vielleicht auch in allen
Fällen, auf Basis der Analogie über die Präexistenz der Torah verstanden werden,
um den ewigen göttlichen Zweck anzudeuten, der durch ihn erreicht wurde und
nicht so sehr eine Präexistenz in einer persönlichen Art.“16
16
The Remaking of Christian Doctrine, 52, 53.
17
Gemäß vielen Manuskripten berichtet Matthäus in Mt. 1,18 die Schöpfung oder
den „Ursprung“, den „Beginn“ Jesu. Es war nicht nur seine Geburt. Markus und
Lukas wissen nichts von einem Jesus, der vor seiner Geburt existierte. Die
Geburtsgeschichte von Lukas schließt ausdrücklich eine „ewige Generation“ des
Sohnes aus, der bei seiner Empfängnis der Sohn Gottes wird. Eine vernünftige
Möglichkeit ist, dass die Anschauung Christi bei Johannes wirklich mit den
anderen Evangeliumsschreibern übereinstimmt.
180 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
18
Gabriel Fackrè in The Christian Story (Eerdmans, 1978), 103, verweist mit
Zustimmung auf das Verständnis des “logos” als Gottes Plan, Zweck, Absicht
und Vision von Theophilus von Antiochien hin und schlägt als Übersetzung von
Joh. 1,1 Folgendes vor: „Die Vision war mit Gott und die Vision war Gott.“
19
Die New English Bible versucht die Aussage so wiederzugeben: „Was das
Wort war, war Gott.“
20
Zum Gebrauch des Wortes „Wort“ im Alten Testament siehe Ps. 33, 6-12 und
James Dunns Christology in the Making, 217, 218.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 181
„Die Schlussfolgerung, die sich aus unserer Analyse (von Joh. 1,1 – 14) zu
ergeben scheint, ist, dass wir erst ab Vers 14 („das Wort wurde Fleisch“) von
einem persönlichen Logos sprechen können. Die Dichtung verwendet eher
unpersönliche Ausdrucksweise („es wurde Fleisch“), aber keinem Christen würde
der Bezug auf Jesus entgehen. Das Wort wurde nicht im Allgemeinen zu Fleisch,
sondern zu Jesus Christus. Vor dem Vers 14 befinden wir uns auf der Ebene der
vorchristlichen Ausdrucksweise von Weisheit und Logos, derselben
Ausdrucksweise und Sprache, wie wir sie bei Philo finden. Wir haben gesehen,
21
R.H. Mounce, The Book of Revelation (Marshal, Morgan and Scott, 1977),, 140
(über Offb. 4,11).
23
Leon Morris, The Gospel According to John, New International Commentary
on the New Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 1971), 102.
182 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
Aber warum „müssen“ wir das maskuline logos als „er“ übersetzen?
Wohl nur, um eine traditionelle Interpretation des Prologs zu unterstützen.
Wenn logos als „Plan Gottes“ übersetzt wird, so ist der Sohn Gottes vor
seiner Geburt nicht am Leben und ein Hauptgrund für die Struktur der
traditionellen Ansicht über Präexistenz und die Trinität ist entfernt.
24
Christology in the Making, 243, Hervorhebung beigefügt.
25
Vgl. Good News Bible über Joh. 1,1: “Christus war am Leben, als die Welt
begann.”
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 183
seiner neuen Untersuchung über den Ursprung Christi: „Wieso lesen wir
instinktiv: Am Anfang war der Sohn und der Sohn war mit Gott?“26
Es scheint uns, die hebräische Bibel sollte unsere erste Hilfsquelle
sein, wenn wir die Absicht von Johannes in seinem Prolog verstehen
wollen. Ein Professor sagte mir im Seminar: „Wenn du das Alte
Testament missverstehst, so kannst du auch das Neue Testament nicht
verstehen.“ Verblüffenderweise gibt es kein einziges Mal das Vorkommen
des Wortes davar (Wort) in einer Entsprechung des griechischen Wortes
logos bei Johannes, welches Beweise erbringt, dass das „Wort vom
Anfang“ eine Person meint, ganz zu schweigen von einer ungeschaffenen
zweiten göttlichen Person, dem Sohn Gottes, neben dem Einen Gott des
Bekenntnisses Israels. Davar bedeutet im Alten Testament Wort,
Tatsache, oft auch Verheißung oder Absicht, aber niemals eine Person.
Johannes sagte nicht, das präexistente Wort sei eine zweite und
unterschiedliche Person gewesen, bevor es im Messias Gestalt
angenommen hatte.
Warum sollte Johannes nicht sagen, dass Gottes kreative und sich
ausdrückende Aktivität, Sein Wort oder Seine Weisheit, die Zeichen
Seiner Gedanken, „mit Ihm“ gewesen waren, ebenso wie die Weisheit
„mit Ihm“ (para) war (Spr.8,30, in der Septuaginta). Sprüche 8 hat
übrigens bemerkenswerte Parallelen mit dem, was Johannes später über
Jesus sagt. In den Worten Jesu wird Leben gefunden (Joh.6,63), ebenso
wie es in der Weisheit gefunden werden kann. Weisheit ruft ebenso aus
wie Jesus (Joh.12,44), als er die Leute auffordert, seinen Lehren
Beachtung zu schenken. Was in den Sprüchen von der Weisheit gesagt
wird, wird sonst Gott zugeschrieben (Hiob 12,13-16).
Es ist bemerkenswert, dass Johannes immer die Präposition para (mit)
verwendet, um die Nähe einer Person zu einer anderen zu beschreiben
(1,39;4,40; 8,38 etc.). Doch in seinem Prolog wählt er pros (mit) und
deutet damit an, dass „das Wort“ keine Person neben Gott beschreiben
sollte. Der erste Vers von Johannes erinnert uns an das, was die Weisheit
in Jesus Sirach (Ecclesiasticus) 24,9 sagt: „Von der Urzeit her, im Anfang
ward ich erschaffen.“
Es gibt genügend Beweise, dass die hebräische Präposition im oder et
, die „mit“ bedeuten, ein Verhältnis zwischen einer Person und dem, was
26
Born before All Time? The Debate About the Origin of Christ (New York:
Crossroads, 1992), 381. Dt. Originalausgabe: Geboren vor aller Zeit? Der Streit
um Christi Ursprung (Piper Verlag, München, 1990).
184 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
4.Mose 14,24: „...weil ein anderer Geist mit ihm war...“ (der in seinem Geist
wirkte).
1.Könige 11,11: „Und weil dir dies bewusst war....“ (was du wolltest).
1.Chron. 28,12: „Und der Plan von allem, was durch den Geist in ihm war“ (in
seinen Gedanken).
Hiob 10,13: „ ..ich habe erkannt, dass du dies im Sinn hattest (parallel zu: dies
verbargst du in deinem Herzen).
Hiob 15,9: „..was wir nicht erkannt hätten...“ (wir verstehen es nicht).
Hiob 23,10: „Denn er erkennt den Weg, der bei mir ist“ (den Weg, dessen ich mir
bewusst bin).
Hiob 23,14: „Ja, er wird vollenden, was für mich bestimmt ist; und dergleiches
hat er vieles noch im Sinn“ (Septuaginta: er wollte etwas und führte es aus).
Hiob 27,11: „..ich will euch...was der Allmächtige im Sinn hat, nicht
verhehlen...“ (seinen Ratschluss).
Ps. 50,11: „..was sich tummelt im Feld, ist mir bekannt....“ (ich weiß es, denke an
es und sorge für es).
Et: „von einem Traum oder einem Wort Jahwes wird gesagt, es sei mit
dem Propheten.“28
1.Mose 40,14: „Aber denke an mich bei dir, wenn es dir gut geht“ (es war das
Wort, welches Gott im Sinn hatte).
27
Brown, Driver and Briggs, Hebrew and English Lexicon of the Old Testament,
768.
28
Ebenso, 86.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 185
2.Könige 3,12: „Das Wort des Herrn ist bei ihm“ (vergl. 2.Joh.2 „die Wahrheit
ist mit uns“; Gal.2,5: „die Wahrheit verbleibt bei euch“).
Jer.12,3: „...du siehst mich und prüfst mein Herz“ (wörtlich: „du hast mein Herz
bei dir geprüft“).
Hiob 14,5: „Wenn seine Lebenstage festgesetzt sind, die Zahl seiner Monate bei
dir feststeht...“ (dir bekannt sind)
„In der Mitte des zweiten Jahrhunderts bildete Justin seine Apologetik und
seinen Dialog und in diesen erscheint der Einfluss der Philosophie auf das
Christentum sehr stark.....Er bringt die Verknüpfung zu heidnischen Formen der
Philosophie zum Vorschein, welche die Brücke sind, durch welche die Erstere
auf das Letztere gewirkt hat........Das Christentum fand im hellenistischen
Judentum von Alexandria Mittel, um philosophische Gedanken annehmen und
die philosophischen Ansichten jener Zeit teilen zu können und dennoch seinen
Einfluss auf christliche und jüdische Offenbarung behalten zu können.“3629
29
G.T. Purves, „The Influence of Paganism on Post-Apostolic Christianity“,
Presbyterian Review 36 (Oct., 1888). Der vernichtende Einfluss alexandrinischer
Philosophie wird von heutigen Gelehrten gut erkannt. In The Bible Review von
Juni 1997 bemerkt Professor J. Harold Ellens, dass „von Nizäa bis Chalcedon die
spekulative und neoplatonische Ansicht der alexandrinischen Christologie an
Boden gewann und im Jahre 451 christliches Dogma wurde.“
30
„Es gab eine Zeit, als der Sohn nicht existierte; Gott war nicht immer ein
Vater“ (Against Hermogenes, Kap. 3).
31
Mit dieser einen Ausnahme gaben folgende Bibelversionen Joh. 1,3
folgendermaßen wieder: „Durch dieses wurden alle Dinge gemacht. Ohne dieses
wurde nichts gemacht“: Tyndale Bible (1535), Coverdale (1550; diese Version
hat ‚dasselbe’ an Stelle von ‚dieses’), Matthew ( 1535), Taverner (1539), The
Great (Cranmer’s) Bible (1539), Whittingham (1557), Geneva (1560), Bishop’s
Bible (1568).
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 187
wurde auch nicht eines, das geworden ist“ (1,3). In I QS iii 15 lesen wir:
„Vom Gott des Wissens stammt alles, was ist und was werden wird“, und
in den Apokryphen steht: „Gott der Väter und Herr des Erbarmens, der
du das All durch dein Wort geschaffen hast“ (Weisheit 9,1) und in Sirach
42,15: „Gedenken will ich der Werke des Herrn, und was ich gesehen,
will ich erzählen. Durch die Worte des Herrn sind Seine Werke
geschaffen....“. In den Oden von Salomo erfahren wir: „Die Welten
wurden durch Gottes Wort gemacht“ und durch „die Gedanken Seines
Herzens“ (16,19). Wir sind eindeutig in einer Atmosphäre des Gottes, der
sprach und es geschah. In 1.Mose 1 und in Johannes 1,1 erfahren wir
mehr über die sich selbst ausdrückende und schöpferische Aktivität des
Wortes, welches (nicht „welcher“) Jesus wurde. Jesus ist also das, was
das Wort wurde. Ich denke, viele Gelehrte würden zu dieser Art von
Interpretation kommen, wenn sie nicht unter dem Zwang der Orthodoxie
stünden. Es ist erstaunlich, dass z.B. der bekannte F.F. Bruce über
Johannes 1,1 und das Problem der Präexistenz Christi Folgendes schreibt:
„In der Frage der Präexistenz kann man zumindest die Präexistenz des
ewigen Wortes oder der Weisheit Gottes, welches (welcher?) in Jesus zu
Fleisch wurde, akzeptieren. Es ist aber nicht klar, ob einer der Schreiber
des Neuen Testamentes an seine gesondert und bewusste Existenz als
eine „zweite göttliche Person“ glaubte....ich denke nicht, dass Paulus das
glaubte.“32 Ist dies etwas anderes, als die einfache Aussage, die uns vom
Standardlexikon von Arndt und Gingrich angeboten wird? Sie sagen über
das „Wort“ in Joh. 1,1: „Unsere Literatur zeigt Spuren einer Denkweise,
die im damaligen Synkretismus und auch in der jüdischen
Weisheitsliteratur und bei Philo weit verbreitet war und deren wichtigstes
Merkmal das Konzept des Logos war, dem unabhängigen,
personifizierten „Wort (Gottes)“...dieses göttliche „Wort“ nahm eine
menschliche Gestalt in einer menschlichen Person an.“33 Es ist sehr
beruhigend, diese Definition von einer so angesehenen Autorität
angeboten zu bekommen. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass Arndt und
Gingrich nichts darüber sagen, dass das Wort den Sohn vor der Geburt
meint. Das „Wort“ in Joh. 1,1 ist ihrer Meinung nach eine Personifikation
und nicht eine Person.
32
Aus Korrespondenz, 13. Juni 1981.
33
William F. Arndt und F. Wilbur Gingrich, A Greek-English Lexicon of the New
Testament and Other Early Christian Literature (Chicago: University of Chicago
Press, 1957), 480.
188 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
37
Harrison, Romans, Expositor’s Bible Commentary (Zondervan, 1976), 52,
Hervorhebung beigefügt.
38
Moule, Romans, Cambridge Bible for Schools and Colleges (Cambridge UP,
1918), 95.
39
Die folgenden „prophetischen Vergangenheiten“ in den Propheten sind typisch
für die hebräische Denkweise. In unseren Übersetzungen werden sie großteils
sinngemäß mit der Zukunft oder der Gegenwart wiedergegeben. Im Originaltext
steht Folgendes: „Mein Volk ist gefangen weggezogen“ (Jes. 5, 13), „Ein Sohn ist
uns gegeben worden“ (Jes. 9,5), „Das Volk, das im Dunkeln lebte, hat ein großes
Licht gesehen“ (Jes. 9,1), „Sie haben Israel gefressen“ (Jes. 12,11), „Er kam auf
Ajat zu“ (Jes. 10,28), „Siehe, ich habe in Zion einen Grundstein gelegt“
(Jes.28,16), „Er hat an ihnen den Bann vollstreckt..“ (Jes. 34,2)
190 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
Was meint Johannes, wenn er schreibt, Jesus kommt und ist gesandt?
Wenn man von der Annahme im Johannesevangelium ausgeht, dass
Jesus von einer Präexistenz im Himmel zur Erde kam, so meinen Leser
des vierten Evangeliums, die Aussagen über Jesus „der vom Vater
kommt“, „vom Vater herkommt“, oder „vom Vater gesandt wurde“,
bedeuten einen klaren Beweis für die Lehre der Inkarnation – dass der
Sohn vor seiner Geburt existiert hatte und dann Mensch wurde. Dennoch
wird auch dieselbe Sprache für Personen verwendet, die sicherlich keine
Präexistenz hatten. Johannes der Täufer war auch „von Gott gesandt“
(Joh. 1,6). Nikodemus sah Jesus als Lehrer, der von Gott gesandt war – er
meinte damit nicht, dass Jesus präexistiert hatte, sondern dass Gott ihn
beaufragt hatte (Joh.3,2). Jesus war „aus Gott“ (ek theou), aber seine
Jünger waren ebenso aus Gott (ek theou) (Joh. 8,47). In der Sprache von
Johannes sind falsche Propheten „in die Welt hinausgegangen“
(exerchesthai) (1.Joh.4,1). Jesus behauptete ebenfalls, dass er
„ausgegangen sei“ (Mk.1,38), um das Evangelium vom Reich Gottes zu
predigen. Markus hat in seinem Evangelium keinerlei Hinweis auf
40
Morris Simon, The Soncino Church (London: Soncino Press, 1947), 34.
41
Trotz eines früheren Besitztums des Landes unter Josua (Jos.21, 43-45). Die
Propheten erwarten, dass das alte Versprechen an Abraham zu einer letzten,
zukünftigen Erfüllung kommt (Jer. 3,18; 30,3).
41
Der Schreiber an die Hebräer erwartet, dass Abraham das Land noch erben
wird, in dem er einst als Fremdling lebte (Hebr. 11,9).
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 191
Präexistenz und bei Lukas heißt es an derselben Stelle, Jesus sei von Gott
„gesandt“ (Lk. 4,43). „Kommen“ und „gesandt werden“ sind Synonyme
um im typisch jüdischen Sinn von shaliach – Botschafter, auszudrücken,
dass Jesus von Gott als Sein Vertreter bestimmt worden war und die volle
Autorität dessen besaß, der ihn mit der Botschaft „ausgesandt“ hatte.43
Dunn zeigt, dass Mose, die Propheten und auch andere von Gott
gesandt wurden: „Es ist offensichtlich, dass „ausgesandt (exapostellein)
von Gott“ uns keine Aussage über den Ursprung oder den Ausgangspunkt
des Gesandten macht; es unterstreicht den himmlischen Ursprung seiner
Berufung, aber nicht den Berufenen selbst.“44
Das wird auch durch die Bemerkungen von Rengstorf bestärkt. Sein
Kommentar enthüllt eine bestehende Tendenz von Auslegern, welche die
Vorstellung von Präexistenz in sonst „unschuldige“ Bibelverse
einbringen: „Sprachlich gibt es keine Unterstützung der These von Zn
(Zn. Gl. 199 zu Gal. 4,4;6, ebenso wie viele ältere und auch moderne
Kommentatoren), dass in Gal. 4,4 das ex in apostellein andeutet, der
Gesandte sei vor seiner Sendung in der Gegenwart dessen gewesen, der
ihn ausschickte.“45
Die gleiche Vorsicht sollte man bei der Verwendung von
exapostollein (aussenden) bei Johannes walten lassen. Es beinhaltet nicht
die Präexistenz des Sohnes beim Vater vor seiner Sendung.
„Von Gott gesandt“ zu sein bedeutet, von Gott berufen zu sein, eine
bestimmte Aufgabe für Ihn zu erfüllen; und „in die Welt hinauszugehen“
bedeutet, mit einer Mission an die Öffentlichkeit zu gehen. Es hat nichts
mit vorgeburtlicher Existenz zu tun. Johannes wird dennoch mit der
Annahme gelesen, Jesus sei von einer vor-irdischen Existenz in eine
andere Sphäre geschickt worden. Ähnlich muss auch das „vom Himmel
herabgekommen“ nicht notwendigerweise eine vorherige himmlische
Existenz im wörtlichen Sinn bedeuten. In neutestamentlicher Sprache
kommt „alle gute Gabe von oben“ (Jak.1,17; 3,15), das bedeutet nicht,
dass alle Gaben aus dem Himmel fallen. Ebenso wird eine ganze Stadt aus
dem Himmel kommen (Offb.21,2). Aber das heißt nicht, dass sie wörtlich
43
Vgl. P. Borgen, „God’s Agent in the Fourth Gospel“, in Religions in Antiquity:
Essays in Memory of E.R. Goodenough, Hrsg. J. Neusner (Leiden, 1968), 137-
148.
44
Christology in the Making, 39.
45
Theological Dictionary of the New Testament, Hrsg. Gerhard Kittel, Gerhard
Friedrich und Geoffrey W. Bromiley, Übers. G.W. Bromiley, 10 Bände (Grand
Rapids: Eerdmans, 1976), I:406.
192 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
46
Vgl. Emil Schurers Bemerkung, dass in der jüdischen Denkweise „alles
wirklich Wertvolle im Himmel präexistierte.“ (The History of the Jewish People
in the Age of Jesus Christ, T&T Clark, 1979, 2:522).
47
Vgl J.A.T. Robinson, The Human Face of God (London: SCM Press, 1973),
172-179, für eine Betrachtung der Verwendung derselben Sprache für Jesus und
für die Gläubigen bei Johannes.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 193
nach“ und das den Sinn von „Er war mein Chef“ ergibt.48 So verstehen
auch Murray und Abbot diesen Vers.49 Johannes 1,15, 30 kann nicht als
Beweis für die Existenz Jesu vor seiner Geburt herangezogen werden.
48
Leon Morris, The Gospel According to John, 108, 109.
49
J.O.F. Murray, Jesus According to John (London: Longmans, Green, 1936);
E.A. Abbot, Johannine Grammar (London: A. u. C. Black, 1906), zitiert be Leon
Morris in The Gospel According to John, 109.
50
„Himmlische Dinge“ im Brief an die Hebräer sind Dinge, die mit dem
kommenden Zeitalter zu tun haben (Hebr. 11,16, 20; vgl. 13,14).
194 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
„Und er fing an zu lehren: Der Sohn des Menschen muss vieles leiden und
verworfen werden..............und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen“
(Mk.8,31).
„Der Sohn des Menschen wird überliefert (d.h. es ist ihm bestimmt, überliefert zu
werden) in der Menschen Hände, und sie werden ihn töten; und nachdem er
getötet ist, wird er nach drei Tagen auferstehen“ (Mk.9,31).
„Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie geschrieben steht“ (Mt.26,24).
51
Morris, The Gospel According to John, 223.
52
Raymond Brown, The Gospel According to John, 1: 132.
53
C.K. Barrett, The Gospel According to John (London: SPCK, 1972), 177.
54
J.H. Bernard, St. John, International Critical Commentary (Edinburgh: T&T
Clark, 1948), 1: cxxx, cxxxi.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 195
„Und wie steht es über den Sohn des Menschen geschrieben? Dass er vieles
leiden und verachtet werden soll“ (Mk.9,12).
„Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht“
(Mk.14,21).
Zur Unterstützung dieses Verständnisses von Joh. 3,13 zitieren wir die
Bemerkung des geschätzten Kommentators Henry Alford zu diesem Vers:
„Jesus spricht in der prophetischen Sprache der vollbrachten
Erlösung.........er spricht hier proleptisch (in Vorwegnahme) von den
Ergebnissen seiner Leiden hier auf der Erde.“55
In Joh. 6,62 macht Jesus eine weitere erstaunliche Aussage über seine
Bestimmung als der verheißene Menschensohn. Nachdem er sich auf
seine eigenen „schwierigen Äußerungen“ über „das Brot, das vom
Himmel kam“ (Joh.6,58-60) bezog, fragte Jesus, ob diese Lehre seine
Zuhörer auch zum Schweigen bringen könnte: „Wenn ihr nun den
Menschensohn auffahren seht, wo er vorher war?“ (Joh.6,62)
Wiederum ist der Gegenstand dieser rätselhaften Frage der
Menschensohn, der Titel, der Jesus als das menschliche Wesen
bezeichnet. Die Bezugnahme scheint auf die zukünftige Auferstehung
(ebenso wie in Joh. 3,13) zu sein. Wenn wir fragen, wo der Menschensohn
zuvor war, so finden wir die biblische Antwort in Daniel 7,13. Der Mann
Messias wurde in einer Vision der Zukunft im Himmel gesehen und diese
Zukunft wurde in der Himmelfahrt Realität (Apg. 2,33), als Jesus zur
Rechten Gottes erhöht wurde. David war nicht zum Himmel aufgefahren
(Apg. 2,34). Entgegen einer hochgehaltenen Tradition, sind die
Patriarchen nicht „in den Himmel gegangen“. Sie schlafen in ihren
Gräbern und erwarten die Auferstehung aller Treuen (Dan. 12,2; Joh.
5,28-29). Nur der Messias war für diese Position bestimmt. So hatte Jesus
vorhergesagt, dass nur der Sohn des Menschen in den Himmel aufsteigen
würde (Joh. 3,13). In Joh. 6,62 nimmt er seine zukünftige Auferstehung
wiederum vorweg, um zu erfüllen, was ihm in der offenbarten Vision
Daniels entsprechend dem Plan Gottes bestimmt war.
Diese Verse geben der Lehre, dass ein zweiter Teil der Gottheit, der
„ewige Sohn Gottes“, vor seiner Geburt im Himmel gewesen war,
keinerlei Unterstützung. Es ist der Menschensohn, eine menschliche
Person, die im Himmel präexistiert. Das kann sich nicht auf ein
ungeschaffenes göttliches Wesen beziehen, wie es die trinitarische
55
Greek New Testament (London: Rivingtons and Deighton, Bell & Co., 1861).
Andere Kommentatoren sehen in der Vergangenheit in Joh. 3,13 einen figurativen
Bezug auf die einzigartige Gemeinschaft Jesu mit dem Vater und die spezielle
göttliche Offenbarung, die ihm gegeben worden war (vgl. Spr. 30, 3-4). In Eph.
2,6 heißt es, dass Christen „im Himmel eingesetzt sind in Jesus Christus“. Das
könnte eine Art sein auszusagen, dass sie für Positionen der Ehre im kommenden
Königreich bestimmt sind.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 197
Überzeugung bekräftigen. „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir
selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“. Im
Licht der konzeptionellen Rahmenbedingungen bei Johannes ist es
fraglich, ob dieser Vers als Beweis für die Existenz Jesu von Ewigkeit her
herangezogen werden kann. In der biblischen Denkweise und Redensart
kann man bereits etwas „haben“, was im Plan Gottes verheißen ist, bevor
man es tatsächlich hat. Abraham wurde das Land durch göttliche
Verheißung (den Bund) gegeben, obwohl er noch nichts davon besaß. Die
Verheißung lautet folgendermaßen: „Deinen Nachkommen habe ich
dieses Land gegeben“ (1.Mose 15,18). Zu diesem Zeitpunkt hatte
Abraham noch gar keine Nachkommen. Dennoch war ihnen das Land
gegeben worden. Gottes Verheißung wird so ausgedrückt, als sei sie
bereits geschehen.
So ist in Joh, 17,5 die Herrlichkeit, die Jesus beim Vater „hatte“ für
ihn in Gottes Plan für Seinen Sohn aufbewahrt. Eine eindrucksvolle
Illustration dieser eigenartigen Verwendung der Vergangenheit findet sich
in Vers 22. Hier wird dieselbe Herrlichkeit, die dem Sohn verheißen
worden war, den Jüngern, die damals noch gar nicht lebten, gegeben. Es
sind das die Jünger, die sich später bekehren sollten (V.20). Jesus spricht
von ihnen und sagt: „Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich
ihnen gegeben“. Die Bedeutung ist klarerweise, dass Jesus ihnen diese
Herrlichkeit versprach. Sie besaßen sie bereits, obwohl nicht tatsächlich.
So wie Gott sprach auch Jesus von den Dingen „wie wenn sie da wären“
(Rö.4,17). Als er für die Herrlichkeit betete, von der er wusste, dass sie
ihnen von Gott verheißen worden war, sprach er ebenfalls von der
Herrlichkeit, der er beim Vater „hatte“ und bezeichnete so, dass sie „beim
Vater aufgehoben war“, als Unterpfand in Gottes Plan. An einer anderen
Stelle ermutigte er die Jünger mit der Verheißung dass „ihr Lohn im
Himmel groß sei“ (Mt.5,12). Der Lohn wartete bereits darauf, ihnen in der
Zukunft bei der Wiederkunft Jesu gegeben zu werden (Mt.16,27). So war
also die Herrlichkeit Jesu von Beginn an als sein Besitz ausgewiesen
worden. Nun betete er darum, sie auch zu erhalten.
Diese besondere Verwendung der Sprache kommentiert H.H.Wendt,
ein Theologieprofessor aus Heidelberg, folgendermaßen:
„Es beruht auf einem Missverständnis der Sprechart und des Konzepts des
Neuen Testamentes, wenn wir sofort schließen, dass die Erklärung Jesu (in Joh.
17,5) - er habe Herrlichkeit beim Vater gehabt vor der Grundlegung der Welt -
einfach und notwendigerweise identisch ist mit dem Gedanken, er selbst habe
präexistiert...... Entsprechend der Sprechart und des vorherrschenden Konzepts im
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 199
Neuen Testament, kann ein himmlisches Ding, und so auch eine himmlische
Herrlichkeit, empfangen und als bei Gott existierend und auch einer Person
zugehörend bezeichnet werden, nicht weil diese Person schon existiert und mit
Herrlichkeit umgeben ist, sondern weil die Herrlichkeit Gottes in einer Art schon
hinterlegt und für diese Person im Himmel vorbereitet ist. Wir können uns daran
erinnern, wie Jesus, dem Matthäusevangelium nach, von einem Schatz im
Himmel sprach (Mt. 6,20), oder auch vom Lohn (Mt. 5,12, 46; 6:1), den seine
Jünger im Himmel bei Gott haben.........und mehr noch, wie beim letzten Gericht
über die Nationen, das Reich, welches die Gesegneten des Vaters erben sollen, als
ein solches beschrieben wird, das schon vom Anfang der Welt (Mt. 25,34) für sie
im Himmel vorbereitet war und wie auch die Hoffnung der Errettung (Kol. 1,5
und 1.Petr. 1,4) der Christen als eine Segnung beschrieben wird, die für sie im
Himmel bereitliegt......Jesus bittet für sich selbst nicht um etwas Willkürliches,
sondern um etwas, was ihm nach der Verordnung Gottes gegeben werden sollte
und was ihm im ideellen Sinn bereits immer gehört hatte...........die Voraussetzung
für diese Verordnung war sicherlich der Gedanke, welcher seinen entscheidenden
Ausdruck am Ende des Gebetes in Vers 24 findet – dass Jesus selbst als der
Messias nicht wirklich vom Anfang an mit Gott existiert hatte, sondern das Objekt
der Liebe Gottes, Seiner liebenden Gedanken, Pläne und Ratschlüsse war.“ 56
56
The Teaching of Jesus (Edinburgh: T&T Clark, 1892), 2:169-172,
Hervorhebung beigefügt.
200 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
„Man kann aus daraus (der Annahme von „Anbetung“ durch Jesus) nicht
schließen, dass der blinde Mann glaubte, Jesus habe die gleiche Natur wie Gott.
Der Ausdruck, der mit Anbetung übersetzt wird, wird auch bei der Ehrerbietung
verwendet, die Untertanen ihrem Herrscher entgegenbringen und er sagt nur aus,
dass derjenige, der die Ehre empfängt, eine höhere Würde als derjenige besitzt,
der sie ihm darbringt (vgl. Offb.22,8).“
Über die Anrede Jesu als „Gott“ von Seiten des Thomas schreibt er:
„Jesus nahm die Ehrerbietung von Thomas als Anerkennung der
Messiasrolle an..........es gibt keinen Hinweis darauf, dass er diese Ehre
annahm und aus ihr schloss, er sei aus derselben Substanz wie der
Vater.“57
Dieser Punkt ist wichtig für die allgemeine Anschauung, Jesus sei
Gott, weil er angebetet oder verehrt wurde. Aber „Verehrung“ kann auch
Königen, die Gott vertreten, entgegengebracht werden und auch
verherrlichten Heiligen (1. Chr. 29,20; Offb. 3,9). Es ist folglich
trügerisch zu argumentieren, weil Jesus verehrt wurde, muss er Gott sein.
Jesus kann als Messias verehrt werden. Nur der Vater darf als Gott verehrt
werden. Dasselbe griechische Wort wird für beide Arten von Verehrung
benützt.
Gilbert sprach die Frage der Präexistenz im Johannesevangelium an
und sah, dass die synoptischen Evangelien nichts darüber aussagen. Die
Herrlichkeit, um die Jesus in Joh. 17,5 betet, sieht Gilbert als Belohnung
für das vollbrachte Werk Christi.
„Jesus besaß diese Herrlichkeit vor Grundlegung der Welt in dem Sinn, dass
sie für ihn vorgesehen war. Er wusste, dass seine Aufgabe als Messias von Gott
von Ewigkeit her geplant war und auch, dass das herrliche Ende festgesetzt
worden war und für ihn aufbewahrt wurde.........So schließen wir, dass diese drei
Abschnitte in Johannes ( 6,62; 8,58; 17,5), in denen Jesus auf seine Präexistenz
anspielt, nicht die Forderung beinhalten, seine Präexistenz als persönlich und real
zu verstehen. Sie müssen gemeinsam mit anderen Phänomenen des messianischen
Verständnisses von Jesus klassifiziert werden, von denen keines, weder in den
Synoptikern noch im vierten Evangelium, etwas mit einer metaphysischen
Beziehung zum Vater zu tun hat.“58
57
The Revelation of Jesus, A Study of the Primary Sources of Christianity (New
York: Macmillan Co, 1899), 225,226. Gilbert war auch der Autor von The
Student’s Life of Jesus und The Student’s Life of Paul.
58
Ebenso, 221, 222.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 201
Bestätigt eine genaue Exegese dieses Kapitels, dass dies der richtige
Weg ist, die Präexistenzausdrücke bei Johannes zu verstehen? Die
Verwendung der Vergangenheit in Joh. 17 muss genau untersucht werden.
Es gibt eindeutige Hinweise in diesem Kapitel, dass die Vergangenheit
nicht unbedingt etwas beschreiben muss, was schon geschehen ist,
sondern was von Gott bestimmt ist zu geschehen, weil Gott es bereits
festgelegt hat. Wir sollten zuerst die Warnung von Brown beachten: „In
den johanninischen Bezügen auf Jesus gibt es eine sonderbare
Zeitlosigkeit oder eine Belanglosigkeit der Zeitabfolge, die man sich
bewusst machen muss.“59 Bernard beobachtet, dass „das vorgesehene
Ende vom Anfang an gesehen wird.“60
In seiner Analyse von Johannes 17 sagt Morris: „Allen diesen
Abschnitten (Joh. 17) ist der Wunsch gemeinsam, den Willen des Vaters
voranzutreiben.“61 In Joh. 17,2 „finden wir den Gedanken der göttlichen
Prädestination.“62 Brown erwähnt, dass „die Macht, Leben zu geben, nicht
völlig vor der Erhöhung Jesu wirksam war“, obwohl Jesus sagte, „diese
Macht ist mir gegeben.“63 Wir können mit Joh. 5,27 vergleichen: „Gott hat
ihm Vollmacht gegeben, Gericht zu halten.“ Die Vollmacht wurde
gegeben, doch die Erfüllung musste bis zur Auferstehung warten, wie der
nächste Vers aussagt. In Joh. 17,4 spricht Jesus „als ob die Tat vollbracht
sei.“64 In Joh. 3,35 hat auch der Vater alle Dinge in die Hand Jesu
gegeben. Hebr. 2,8 stimmt zu: „...du hast alles unter deine Füße
gelegt...........jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.“
Natürlich, göttlich geplante zukünftige Ereignisse können durch
Verwendung der Vergangenheit beschrieben werden.
Das gemeinsame Prinzip, welches vielen Aussagen Jesu in seinem
letzten Gebet zugrunde liegt, ist, dass Gott vorgesehen hat, ihm Macht und
Autorität zu geben, wovon aber viel noch nicht vollendet ist. Dieses
Muster des Gebrauchs der Vergangenheit mit zukünftiger Bedeutung setzt
sich fort: Über Joh. 17,4 sagt Meyer, das Jesus „in dieser Darstellung die
Tatsache seines bereits vollbrachten Todes einbezieht“65 – obwohl er noch
59
The Gospel According to John, 1:132.
60
St. John, International Critical Commentary, 1:76.
61
Gospel According to John, 716.
62
Ebenso, 719.
63
Gospel According to John, 2:740.
64
Ebenso, 2:741.
65
Commentary on the New Testament: Gospel of John (New York: Funk and
Wagnalls, 1884), 462.
202 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
66
Greek New Testament, 823
67
Brown, The Gospel According to John, 758.
68
Morris, Gospel According to John, 726, Hervorhebung beigefügt.
69
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John, 465.
70
Morris, Gospel According to John, 726.
71
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John,466.
72
Morris, Gospel According to John, 731.
73
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John,468.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 203
werden würden. Jesus sagt, die Herrlichkeit, die „Gott ihm gegeben habe“,
nun den Jüngern aller Zeitalter „gegeben worden sei“ (Joh. 17,22).
Diese Herrlichkeit:
„welche der Vater ihm gegeben hatte, obwohl noch nicht objektiv, aber
dennoch als sicheres Besitztum der unmittelbar nahen Zukunft; diese Herrlichkeit
hatte er von Gott erlangt, als Besitztum zuerkannt bekommen und nun stand die
tatsächliche Inbesitznahme bevor. In derselben Weise hatte er die
Herrlichkeit........den an ihn Gläubigen gegeben, welche die wahre Inbesitznahme
am Tag der Wiederkunft Jesu antreten werden, wenn sie zusammen verherrlicht
werden (Rö.8,17), nachdem sie bis zu dieser Zeit auf Hoffnung gerettet waren
(Rö.8,24). In Christus sind sie bereits die Miterben und der Geist, den sie erhalten
sollen, ist das Unterpfand des Erbes (Eph.1,14; 2.Kor. 1,22; 5,5), aber die
endgültige Inbesitznahme des Erbes wird erst bei der Wiederkunft stattfinden.“ 74
74
Ebenso, 470.
75
Morris, Gospel According to John, 470.
76
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John, 471, 472.
204 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
„Aus 2. Tim 1,9 ist klar ersichtlich, dass eine Person beim Vater vor
Grundlegung der Welt Dinge besitzen konnte - und so auch Herrlichkeit - ohne
Rückschluss auf tatsächliche Existenz.. Dort spricht der Apostel über Gläubige,
denen vor ewigen Zeiten Gnade gegeben wurde. Hier (in Joh. 17) wird auch noch
davon gesprochen, dass Jesus um seine Herrlichkeit betete. Christus flehte Gott
an, ihm diese Herrlichkeit, die er bei Ihm in Seinem Plan und Seinem Ratschluss
vor Grundlegung der Welt hatte, als tatsächliches Besitztum bei Ihm zu geben. Es
wird oft gesagt, eine Person besitze bereits etwas, wenn es ihr versprochen oder
vorherbestimmt war. So wird von den Evangelisten oft gesagt, die Gläubigen
hätten ewiges Leben. Daher sagt auch Jesus nicht im absoluten Sinn, er habe die
Herrlichkeit gehabt, sondern, dass er sie bei dem Vater gehabt hatte - so als er
sagte, er bete nun, dass die Herrlichkeit tatsächlich auf ihn übergehen würde,
welche für ihn seit Ewigkeit und vor Grundlegung der Welt beim Vater für ihn
aufbewahrt worden war.“78
77
Brown, The Gospel According to John, bezieht sich auf eine Variante im Text
von Joh. 17,5: „Unter den lateinischen Vätern und einigen äthiopischen
Manuskripten gibt es Unterstützung für die Lesart: ‚die Herrlichkeit, die bei dir
war’, wobei een = „war“ anstelle von „ich hatte“ gelesen wird (743).
78
The Racovian Catechism (London: Longman, Hurst, Rees, Orme and Brown,
aus dem Lateinischen von Rees übersetzt, 1818), 144, 145. Der Autor des
Originaltextes (1609), B. Wissowatius, bemerkt in einer Notiz: „dass dies der
wahre Sinn dieser Passage ist, wird direkt von Augustinus und Beda gezeigt.....Es
sollte hier auch beachtet werden, dass es bis zum heutigen Tag die einheitliche
Meinung der Juden ist, der Messias habe vor der Schaffung der Welt keine
Existenz gehabt, außer in der göttlichen Bestimmung.“ Alle existierenden Kopien
des Katechismus mussten auf Anordnung des Parlaments in England im April
1652 verbrannt werden.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 205
(Joh. 8,56) - das heißt, Abraham sah im Glauben die Ankunft des Messias
noch vor seinem tatsächlichen Kommen. Der Tag des Messias
„präexistierte“ sozusagen in der Vorstellung Abrahams.79 Die Juden
missverstanden, was Jesus gesagt hatte und glaubten, er nehme in
Anspruch, ein wirklicher Zeitgenosse Abrahams zu sein (Joh. 8,57). Jesus
bestätigte wiederum seine absolute Vorrangstellung in Gottes Plan mit
seiner erstaunlichen Aussage: „Bevor Abraham war, bin ich“ (Joh. 8,58).
Um die Bedeutung des Ausdrucks „ich bin“ in dieser Passage zu
verstehen, ist es wichtig, sie mit der häufigen Verwendung bei Johannes
an verschiedenen anderen Stellen zu lesen, wo sie im Zusammenhang mit
der Messiasrolle Jesu stehen:
Joh. 18,5: „Er sprach zu ihnen: Ich bin es“ (und identifizierte sich damit als
derjenige, den sie suchten).
Joh. 6,20: „Er aber spricht zu ihnen (als er am Wasser ging): Ich bin es
(wörtlich: ich bin), fürchtet euch nicht!“
Joh. 9,9: „(Der von Blindheit geheilte Bettler) sagte: Ich bin es. (Um
auszudrücken: Ich bin derjenige).
Joh. 4,26: „Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet“ (d.h. der
Messias; V. 25).
Joh. 8,24: „...wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, werdet ihr in
euren Sünden sterben...“
Joh. 8,28: „Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht haben werdet, werdet
ihr erkennen, dass ich es bin.“
Joh. 13,19: „Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn
es geschieht, glaubt, dass ich es bin.“
Joh. 9,35-37: „Glaubst du an den Sohn des Menschen?.........der mit dir redet,
der ist es.“
Vgl. Joh. 10,24 – 25: „Wenn du der Christus bist, so sage es uns frei heraus.
Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt mir nicht...“
79
Rabbinische Traditionen sagen aus, dass Abraham eine Vision der ganzen
Geschichte seiner Nachkommen sah (Midrash Rabbah, XLIV, über 1. Mose
15,18). IV Esra 3,14 sagt, dass Gott Abraham eine Vision der Endzeit gewährte.
206 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
das „Ich bin“ ein „er“ anzufügen (Ich bin er oder Ich bin es). Es gibt allen
Grund, beständig zu sein und in Joh. 8,58 ebenfalls ein „er“ anzufügen.
Ebenso in Joh. 4,26: „Ich bin“ = Ich bin es, der Messias“. In Joh. 8,58 sagt
Jesus ebenso: „Ehe Abraham war, bin ich - der verheißene Messias“.
Es ist wichtig zu bemerken, dass Jesus nicht den Ausdruck benutzt,
der Mose Gottes Namen offenbarte. Beim brennenden Dornbusch
verkündigte Gott Seinen Namen durch „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich bin
der allein existiert“ (2. Mose 3,14). Diese Aussage heißt in der
griechischen Ausgabe des Alten Testaments ego eimi ho hown, und das ist
sehr verschieden von den „Ich bin“ Aussagen Jesu. Wenn Jesus wirklich
beansprucht hätte, Gott zu sein, so ist es sehr verwunderlich, dass er in
einer folgenden Auseinandersetzung mit den feindlichen Juden behauptet,
nicht Gott zu sein, sondern der einzigartige Vertreter Gottes, der den Titel
„Sohn Gottes“ trägt (Joh. 10,34-36).
Es ist gerechtfertigt zu fragen, wie jemand „sein kann“, bevor er
tatsächlich ist. Ist die traditionelle Lehre der Inkarnation einer zweiten
göttlichen Person der einzig mögliche Weg, die Aussagen über
Präexistenz bei Johannes zu verstehen? Das Muster der „Vorsehungs-
Sprache“, die im Johannesevangelium gefunden wird, bedarf nicht einer
tatsächlichen Präexistenz des Sohnes. Abraham freute sich, als er dem
kommenden Messias entgegensah. Der Tag des Messias war durch die
Augen des Glaubens für Abraham eine Realität. So existierte auch der
Messias als oberstes Objekt des Planes Gottes lange vor der Geburt
Abrahams. „Ehe Abraham war, bin ich (er)“ ist eine tiefgehende Aussage
über Gottes Plan für die Welt mit Jesus, den Johannes auch als
„gekreuzigt vor Grundlegung der Welt“ (Off. 13,8) bezeichnen konnte, als
Mittelpunkt. Wir haben keine Schwierigkeiten zu verstehen, wie das
gemeint ist: Jesus war der Bestimmte – und er war bestimmt zu sterben –
lange vor Abraham, und als oberster Vertreter in Gottes Plan. Wenn Jesus
„vor Abraham gekreuzigt wurde“, so kann von ihm behauptet werden, er
habe im ewigen Ratschluss Gottes existiert. In diesem Sinn wurde er
wirklich vor der Geburt Abrahams zum Retter der Welt bestimmt.
Zur Unterstützung dieser Interpretation zitieren wir die Anmerkungen
Gilberts. Dieser schreibt über Joh. 8,58:
„Jesus betont seinen messianischen Anspruch. Er sagt nicht, das logos habe
vor der Geburt Abrahams existiert; er sagt „Ich bin“. Es ist Jesus der Messias,
Jesus der Mensch, den der Vater zum messianischen Werk, von dem er spricht,
geweiht hatte. Kurz zuvor sprach er noch von „meinem Tag“, den Abraham
gesehen hatte (Joh. 8,56) und unter dem wir die historische Erscheinung Jesu als
208 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
80
The Revelation of Jesus, A Study of the Primary Sources of Christianity, 214,
215. Die Bemerkung, dass die ego eimi Aussage Jesu mit seiner Rolle als Messias
zu tun haben, wird auch von Edwin Freed in „Ego Eimi in the Light of Its Context
and Jewish Messianic Belief“, Journal of Theological Studies 33 (1982), 163-
167, gemacht. Vgl. auch Barrett, Essays on John (London: SPCK, 1982),71: “Das
ego eimi Jesu ist nicht ein Anspruch auf Göttlichkeit; Johannes hat andere Wege,
diesen Anspruch zu erheben, die sowohl deutlicher und vorsichtiger sind.“
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 209
gesagt, ehe es geschieht..“ (Joh. 14,29; prin + Aorist Infinitiv). Die Frage
stellt sich nun: was ist die richtige Wiedergabe von Joh. 8,58? Sagte Jesus:
„Ehe Abraham kommen wird (= bei der Auferstehung ins Leben
zurückkehrt), bin ich“ oder: „Ehe Abraham ins Leben kam (= bevor er
geboren wurde), bin ich?“
Es ist möglich, dass die Orthodoxie diesen Vers als Beweis der
Präexistenz Christi missversteht. Nur wenige Verse zuvor sprach Jesus
über die Auferstehung als Zuteilung des ewigen Lebens an jene, die ihm
folgen (Joh. 8,51). Die Juden warfen ihm vor, dass dies Jesus über
Abraham, der bereits tot war, stellte. Jesus rechtfertigt seinen Anspruch
indem er aufzeigt, dass sich Abraham danach sehnte, den Tag des Messias
zu sehen. Die Juden missverstanden Jesus, weil sie glaubten, er behaupte,
er und Abraham seien Zeitgenossen. „Hast du Abraham gesehen?“ (Joh.
8,53; 56, 57). Es ist möglich, dass Jesus mit der erstaunlichen Aussage
antwortete, er werde Abraham in der Auferstehung vorangehen. Bevor
Abraham bei der Auferstehung Unsterblichkeit bekommt, wird Jesus
lebendig und unsterblich sein. Das würde für die Behauptung völlig
ausreichen, er sei höher als Abraham. Der Aorist Infinitiv von ginomai
„zu kommen“ wird tatsächlich in der griechischen Septuaginta für die
Auferstehung verwendet (Hiob 14,14: „Ich wollte harren, bis meine
Ablösung /Auferstehung käme“).
Wenn wir den Text so lesen, wie ihn die Standardübersetzungen
wiedergeben, so behauptet Jesus, der von Ewigkeit her bestimmte Messias
zu sein. Er könnte aber auch seine Überlegenheit über Abraham auf eine
andere Art dargelegt haben. Abraham sah den Triumph des Messias
voraus. Jesus wird tatsächlich als auferstandener Erlöser ewiges Leben
haben, lange bevor Abraham in der zukünftigen Auferstehung
wiederkommt.
Ideelle Präexistenz
Präexistenz im Ratschluss Gottes passt viel besser in die jüdische
Umgebung, in welcher die Evangelien geschrieben wurden, als eine
tatsächliche Präexistenz. In jüdischen Schriften, die uns einen wichtigen
Hintergrund für das Verständnis des Neuen Testaments geben, wird
„Präexistenz dem erwarteten Messias zugesprochen, aber nur gemeinsam
mit anderen verehrungswürdigen Dingen und Personen, so wie dem
210 Johannes, die Präexistenz und die Trinität
„Das apokalyptische Bild (des Messias) ist zum größten Teil das eines
menschlichen Prinzen, majestätisch und reich begabt – dessen Ankunft eine
ruhmreiche Zukunft für Israel einleiten wird. Der Messias sollte ein Instrument
der Gerechtigkeit über menschliche Unterdrücker sein, der siegreiche Rächer der
Gerechten (so wie es Jesus bei seiner Wiederkunft sein wird). Er ist menschlich,
der Menschensohn, obwohl er transzendentale Gaben von Weisheit und Macht
besitzt. Einer Anschauung nach wird er wiederkommen, wenn die Mühsal der
Gerechten ihren Höhepunkt erreicht hat und seine Herrschaft wird mit der
Vernichtung seiner Feinde beginnen und danach wird er in Ruhe und Frieden
regieren, wobei das Heilige Land der Sitz seiner Herrschaft sein
wird.......Hinweise auf seine Offenbarung und seine ewige Präexistenz können
nicht mehr bedeuten als Prädestination im göttlichen Zweck und
Vorhersehung.“82
81
C. Ottley, The Doctrine of the Incarnation (Methuen and Co., 1896), 59,
Hervorhebung beigefügt.
82
Ebenso, 59, 60.
83
Charles Gore, Belief in Christ, 31.
9. DER HEILIGE GEIST: EINE DRITTE PERSON ODER
GOTT IN AKTION?
Dem orthodoxen Trinitarismus nach ist der Heilige Geist eine dritte
Person der ewigen Gottheit, gleichwertig und gleich-ewig mit dem Vater
und dem Sohn. Diese „Person“ oder „Unterscheidung“ in der Gottheit hat
aber keinen eigenen Namen. Die Frage, die von Nicht – Trinitariern
gestellt wird, ist: Unterstützt die Bibel wirklich den Glauben an eine dritte
„Existenz“ (um die Sprache der Trinitarier zu benutzen), welche vom
Vater ebenso verschieden ist, wie es der Sohn ist?
Es fällt uns schwer zu glauben, dass die Bibel, wenn sie ohne
Hintergrund der späteren Glaubensbekenntnisse gelesen wird, den
Heiligen Geist klar als „Person“ (was immer das bedeutet – Trinitarier
scheinen unfähig zu sein, dieses Wort überzeugend zu definieren) und
verschieden von Vater und Sohn, darstellt. Der gewöhnliche, aber
willkürliche Gebrauch des persönlichen Fürwortes „er“ für den Geist hat
uns daran gewöhnt, an ihn als Person zu denken. Eine ganz andere
Vorstellung wird geschaffen, wenn wir „es“ verwenden.1
Unsere Schwierigkeiten, den Geist als die dritte Person einer
dreieinigen Gottheit zu akzeptieren, zeigt sich in einem erstaunlichen
Eingeständnis des prominenten griechisch orthodoxen Kirchenführers
Gregor von Nanzianzen, der im Jahre 381 feststellte: „Von den Weisen
halten einige den Heiligen Geist für eine Kraft (energeia), andere für ein
Wesen, andere für Gott und andere sind nicht bereit, sich (wie sie sagen)
1
Leider ist uns das im Deutschen im Gegensatz zum Englischen nicht möglich.
Dort steht zum Beispiel in der King James Version:„The Spirit itself beareth
witness with our spirit that we are the children of God.“ Doch die KJV macht an
anderen Stellen den Geist zu einer Person und schreibt “he”.
212 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
aus Ehrerbietung vor der Schrift, die nicht klar über diese Sache spricht,
zu entscheiden.“2
Wo war dann die Trinität die dreihundert Jahre, welche die
griechische Tradition vom Tod der Apostel trennten? Unsere Theologie
scheint bemerkenswert langsam beim Begreifen dessen gewesen zu sein,
was immer schon apostolische Orthodoxie gewesen war. Unterstützt das
Lesen der Bibel von 1. Mose bis Offenbarung die trinitarische
Anschauung vom Geist? Wenn man sich durch Standardbibellexika
durchliest, so ist es offensichtlich, dass es für 98% des biblischen
Materials genügt, wenn wir den Geist als Gott in Aktion, als Gott in
Kommunikation, als Seine Kraft und Persönlichkeit, welche ihren Einfluss
ausdehnen, um die Erde in vielfältiger Weise zu berühren, definieren. Die
restlichen Stellen können in die Richtung des späteren Trinitarismus
gedrängt werden, aber ist das gerechtfertigt? Ist der Geist wirklich etwas
anderes als die Kraft Gottes, welche die Menschen inspiriert, besondere
Großtaten zu vollbringen und sie mit einer speziellen künstlerischen
Fähigkeit oder wunderbaren Kräften und besonders der Fähigkeit,
göttliche Wahrheit zu vermitteln, ausstattet? Dieses Neue, welches seit
Pfingsten stattfindet - mit dem Geist des auferstandenen Christus im
Mittelpunkt - verlangt keine Notwendigkeit, die ursprünglich offenbarte
Bedeutung von „Geist“ als Gottes belebende, inspirierende Energie, zu
verändern. Seine heilige Intelligenz wird durch Christus, von Herz zu
Herz, an diejenigen offenbart und weitergegeben, die Ihn und Seine
Wahrheit suchen.
Das Wort „Geist“ hat in der Bibel verschiedene Bedeutungen, die alle
auf unsichtbare Kraft und Gedanken verweisen. In beiden Testamenten
beschreibt der „Heilige Geist“ die Energie Gottes, die auf die Schöpfung
und Inspiration ausgerichtet ist. Es ist Gott in Aktion und eine
Ausdehnung Seiner Persönlichkeit. Wo immer der Geist am Werk ist,
können wir die tätige Gegenwart Gottes erkennen: „...erneuere in mir
einen festen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und den
Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir!“ (Ps. 51, 12-13). Einige
Verse zuvor hat David Sehnsucht nach „Wahrheit im Inneren“ und nach
„Kundtun der Weisheit“ (Ps. 51,8).3 Die Arbeit des Geistes Gottes sollte
2
Zitiert in „Macedonius“, The New Schaff- Herzog Encyclopedia of Religious
Knowledge (Grand Rapids: Baker book House, 1963), 7:112.
3
Vgl „stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen“ (Eph.
3,16), wo die enge Beziehung zwischen Wahrheit und Geist gezeigt wird, ebenso
Joh. 6,63.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 213
4
Ascension of Isaiah, 4:21; 7:23; 9:36, 39; 10,4; 11,35. Der Engel wird vielleicht
mit Gabriel identifiziert (Ascension 3:16; 11,4). Vgl. eine Verbindung von
Gabriel mit der Tätigkeit des Geistes in Lk. 1,26, 35.
214 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
„Zu fragen, ob der Geist im Neuen Testament eine Person im modernen Sinn
des Wortes ist, ist, als ob man fragte, ob der Geist des Elias eine Person ist.
Natürlich ist der Geist Gottes personal; er ist Gottes dynamis (Kraft) in Aktion.
Aber der Heilige Geist ist keine Person, die unabhängig von Gott existiert; es ist
ein Weg, um über Gott zu sprechen, der persönlich in der Geschichte agiert; oder
vom auferstandenen Christus, der im Leben und im Zeugnis der Gemeinde
handelt. Das Neue Testament (und patristische Denkart im Allgemeinen)
präsentiert nirgendwo einen Geist, genauso wenig wie die Weisheit Gottes, mit
einer unabhängigen Persönlichkeit.“5
5
Alan Richardson, Introduction to the Theology of the New Testament (London:
SCM Press, 1958), 120.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 215
Nähe von Nysien kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen, und
der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht.“ (Apg. 16,6-7). Es gibt anscheinend
keinen essentiellen Unterschied zwischen dem Geist Gottes und dem
Geist Jesu. „Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn
wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist
nicht hat, der ist nicht sein“ (Rö. 8,9). Im selben Abschnitt spricht Paulus
vom Geist, der für die Gläubigen eintritt. Da er sonst nirgends den Geist
als dritte Person erkennt, ist es sinnvoll zu glauben, dass er keinen
Unterschied zwischen dem Eintreten des Geistes und dem Eintreten
Christi, das im selben Zusammenhang erwähnt wird (Rö. 8,27;34), macht.
Während Christus selbst beim Vater ist, ist der Geist in den Herzen des
Gläubigen tätig.
Manche argumentieren, dass es eine dritte Person neben Gott und
Christus geben muss, da dem Heiligen Geist Intelligenz und Güte
zugeschrieben werden. Zum Beispiel schreibt Nehemia über Gott:
„Deinen guten Geist hast du gegeben, um sie zu unterweisen“ (Neh. 9,20).
Es ist offensichtlich, dass der Geist Gottes alle Qualitäten Gottes besitzt.
Aber es besteht keine Notwendigkeit, an den Geist als eigene
Persönlichkeit zu glauben. Eine einfachere Erklärung gibt uns Paulus,
wenn er den Geist Gottes mit dem Geist des Menschen vergleicht. Er
beginnt, indem er über den Geist Gottes spricht: „...denn der Geist
erforscht alles, auch die Tiefen Gottes“. Dann vergleicht er die Tätigkeit
dieses „Geistes“ mit dem inneren Selbstbewusstsein des Menschen.
„Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der
Geist des Menschen, der in ihm ist? So hat auch niemand erkannt, was in
Gott ist, als nur der Geist Gottes“ (1.Kor.2,10-11). Der Geist des
Menschen ist für seine eigenen Gedanken das, was der Geist Gottes für
Gottes Gedanken ist. Heiliger Geist ist demnach „göttliche Intelligenz“,
eine Offenbarung des Geistes Gottes. Geist und Herz sind in der
hebräischen Bibel sehr oft eng verbunden oder sogar austauschbar. Was
könnte beruhigender für uns sein, als dass Gott uns Seine innersten Pläne
und Absichten eröffnet, von Herz zu Herz zum Menschen, Seinem
Geschöpf, spricht und diese Verbindung durch Seine eigene kreative
Intelligenz und Seinen Geist zustande bringt.
Prominente trinitarische Autoren scheinen über die Tatsachen der
Schrift weit hinauszugehen, wenn sie versichern, die dritte Person der
Trinität sei in ein Gespräch mit Gott verwickelt gewesen, als dieser sagte:
„Lasst uns Menschen machen in unserm Bild“ (1.Mo. 1,26). Torrey
schrieb:
216 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
„Es gibt viele, die behaupten, die Lehre der Trinität sei nicht im Alten
Testament zu finden, während sie doch im Neuen Testament zu finden ist. Doch
die Lehre der Trinität erscheint im Alten Testament, im ersten Kapitel der Bibel.
In 1.Mose 1,26 lesen wir: Und Gott sprach: lasst uns Menschen machen in
unserm Bild.“6
6
R.A. Torrey,The Holy Spirit (Fleming Revell C. 1977), 20.
7
Ebenso, 13, 19.
8
Ebenso, 21, 22.
9
Wenn wir den Heiligen Geist nicht als eine Person sehen, die sich vom Vater
und vom Sohn unterscheidet, sondern als Kraft und Gegenwart Gottes, so können
wir Joh. 14,15-18, 26 folgendermaßen wiedergeben:
„Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten; und ich werde den
Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, dass er mit euch sei
in Ewigkeit (bis zum kommenden Zeitalter), den Geist der Wahrheit, Gottes Kraft
und Seine Gegenwart, welche die Welt nicht empfangen kann, weil sie diese nicht
sieht und auch nicht kennt. Ihr kennt sie, denn diese Kraft bleibt bei euch und
wird in euch sein. Ich werde euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu
euch.....Der Beistand aber, der Heilige Geist, die Kraft, die der Vater senden wird
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 217
„Was uns hier verwundert, ist der neue Name, der dem Geist gegeben wird –
„ein anderer Beistand“. Es ist in der Tat nur der Name, der neu ist. Als Idee
korrespondiert er eng mit der einzigen Verheißung des Geistes, die wir in den
synoptischen Evangelien finden. Der Ausdruck „ein anderer Beistand“ deutet an,
dass die Jünger bereits die Erfahrung eines Beistands gemacht hatten, nämlich
Jesus selbst! Solange er bei ihnen ist, wird ihre Kraft von ihm verstärkt und als er
geht, wird sein Platz vom Geist eingenommen. Es gibt jetzt eine andere Kraft, die
für sie tut, was Jesus früher tat. Doch ist es wirklich eine andere? In 1. Joh. 2,1 ist
Jesus der Parakletos (Beistand), sogar nach Pfingsten, und sogar hier (Joh.14,18)
sagt er: „Ich komme zu euch“. Die Gegenwart des Geistes ist Jesu eigene
Gegenwart im Geist.10
Die Gleichsetzung von Gottes Geist mit dem Geist Jesu in seiner
belebenden Kraft und Persönlichkeit ist auch im Rest der Schrift
offensichtlich. Jesus sagt den Jüngern: „Und wenn sie euch hinführen, um
euch zu überliefern, so sorgt euch vorher nicht, was ihr reden sollt,
sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet! Denn nicht ihr
seid die Redner, sondern der Heilige Geist“ (Mk.13,11). Die Version von
Lukas macht es klar, dass der Geist, der aus den Jüngern spricht, Jesus
selbst ist: „Setzt es nun fest in euren Herzen, nicht vorher darauf zu
sinnen, wie ihr euch verantworten sollt! Denn ich werde euch Mund und
Weisheit geben, der alle eure Widersacher nicht werden widerstehen oder
widersprechen können.“ (Lk. 21,14-15). Eine Erfüllung dieses
Versprechens geschah, als die Feinde von Stephanus nicht imstande
waren, „der Weisheit und dem Geist zu widerstehen, womit er redete“
(Apg. 6,10). Es ist erbaulich zu sehen, dass „der Heilige Geist“ von
Mk.13,11 in der Parallelstelle in Mt. 10,20 einfach „der Geist eures
Vaters“ ist. Beide Texte werden von Lukas noch klarer gemacht, der den
Geist Gottes als Gott sieht, der Seine Worte und Seine Weisheit den
verfolgten Jüngern mitteilt (Lk. 21,15). Diese Ansicht vom Geist
entspricht völlig dem der hebräischen Bibel. Es ist jedoch unmöglich,
diesen Texten eine Definition des Geistes als Person, die sich vom Vater
und vom Sohn unterscheidet, zugrunde zu legen.
in meinem Namen, sie wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich
euch gesagt habe.“ Siehe auch Lk. 24,49.
10
„Holy Spirit“, Dictionary of Christ and the Gospels (Edinburgh: T&T Clakr,
1917), 742.
218 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
Sollte das klare Zeugnis des allergrößten Teils der Schrift durch eine
Handvoll Verse im Johannesevangelium gestört werden? Alan Richardson
schließt, dass für Johannes „Christus selbst durch das Kommen des
Geistes kommt.....Der Geist, der die Schrift auslegt, ist kein anderer als
der Herr selbst.“11 Johannes nennt in seinem ersten Brief (1. Joh. 2,1)
Christus auch den Beistand. Dies ist die einzig wiederholte Verwendung
von parakletos. Die Ansicht von Paulus ist exakt dieselbe. Er sagt: „Der
Herr ist Geist, und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2.
Kor.3,17).
Ein trinitarischer Gelehrter und Kommentator des
Johannesevangeliums fasste seine Erkenntnisse zusammen: „Wir sollten
nicht schließen, dass Johannes den Geist als Person im selben Sinn wie
die spätere kirchliche Lehre verstand. Die Predigten von Johannes ruhen
auf der Beziehung des Vaters zum Sohn ohne jeden Gedanken an eine
dritte Person, die mit ihnen in einer Gottheit verbunden ist.“12
Ein anderer Bibelgelehrter des vorletzten Jahrhunderts definierte den
„Beistand“: „Die göttliche Kraft, die als ein Helfer personifiziert ist, wird
wie in Joh. 15,26 mit dem Botschafter eines Fürsten verglichen, der nur in
Belangen, die ihm von seinem Auftraggeber übergeben wurden, und nur
in dessen Willen und zu dessen Zufriedenheit spricht.13
Es gibt nur unzulängliche Beweise, dass Paulus an „drei Personen in
einem Gott“ glaubte. Wir haben gesehen, dass Paulus den Geist als
Selbstbewusstsein und als Sinn Gottes verstand. Wenn er vom Geist als
einer himmlischen Kraft, die sich vom Vater unterscheidet und die
Christen in ihren Gebeten hilft, spricht, so bezieht er sich im selben
Abschnitt auf Christus selbst, der „sich für uns verwendet“ (Rö. 8,26; 34).
Der Geist ist Christus selbst, der seinen Einfluss zu den Gläubigen hin
ausstreckt.
Als Zusammenfassung können wir sagen, dass der Heilige Geist in
der hebräischen Bibel (dem Alten Testament) nie als Person angesehen
wurde, die sich vom Vater unterscheidet. Die folgende Aussage wurde
von einem bekannten Professor für biblische Sprachen gemacht:
„Es kann aus einer großen Anzahl von Passagen des Alten Testamentes, in
denen der Geist erwähnt wird, nicht bewiesen werden, dass dieser eine Person in
11
Introduction to the Theology of the New Testament, 121.
12
E.F. Scott, The Fourth Gospel (T&T Clark, 1926), 342, Hervorhebung
beigefügt.
13
C.T. Kuinoel, zitiert bei Wilson, Concessions, 372, Hervorhebung beigefügt.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 219
der Gottheit ist; und es ist nun (im Jahre 1775) die vorherrschende Meinung der
gelehrten Kommentatoren, dass in der Sprache der Juden der „Heilige Geist“
nichts anderes als eine göttliche Inspiration ist, ohne jeden Hinweis auf eine
göttliche Person.“14
Und was ist mit dem Neuen Testament? In unserer Zeit sagt Karl
Rahner einfach: „Ho theos (Gott) wird im Neuen Testament niemals für
pneuma hagion (den Heiligen Geist) verwendet.15 Apg. 5,3-4 ist keine
Ausnahme. Einige Trinitarier nehmen diese Verse als Beweis für eine
dritte Person der Trinität – Gott, der Heilige Geist. Der Text setzt das
Belügen des Heiligen Geistes mit dem Belügen Gottes gleich. Mit dem
Heiligen Geist ist hier die Kraft und die Autorität gemeint, die von Gott in
Petrus gelegt wurde. Von denjenigen, welche die Apostel, die im Namen
Gottes und Seines Geistes sprechen, belügen, wird richtig gesagt, dass sie
den Geist und Gott belügen. Das wird auch in einer Bemerkung von
Paulus bestärkt: „Deshalb nun, der dies verwirft, verwirft nicht einen
Menschen, sondern Gott, der auch seinen Heiligen Geist in euch gibt“ (1.
Thess.4,8). Es gibt eine bemerkenswerte Parallele im Alten Testament, als
die Israeliten gegen Mose und Aaron rebellierten. Moses sagte ihnen:
„Nicht gegen uns richtet sich euer Murren, sondern gegen den HERRN“
(2. Mose 16, 2; 8).
Die Gleichsetzung von Mose und Aaron mit Gott macht die beiden
nicht zu Teilen der Gottheit. Der Geist Gottes wohnte jedoch in Mose und
es ist möglich, dass die Rebellion der Israeliten, die in den Psalmen
erwähnt wird, gegen den „Geist Mose“ (Ps. 106,33) oder vielleicht gegen
den Engel der Gegenwart Gottes, der mit der Autorität und der Macht
Jahwes ausgerüstet war, gerichtet war (Jes. 63, 9-11).16
Es ist unser Eindruck, dass ausgezeichnete Trinitarier manchmal an
die offizielle Lehre gebunden sind, obwohl sie persönlich Bedenken über
die Art haben, in der diese ausgedrückt wird. Luther mochte den
Ausdruck Trinität nicht: „Das Wort Trinität (Dreieinigkeit) wird an keiner
Stelle der Heiligen Schrift gefunden, sondern wurde von Menschen
erfunden und klingt deshalb sehr kalt.“17 Calvin spürte, dass ein Gebet zu
einem dreieinen Gott nicht schriftgemäß ist: „Ich missbillige dieses
14
J.D. Michaelis, Remarks on John 16, 13-15, zitiert bei Wilson, Unitarian
Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies, 477.
15
Theological Investigations (Baltimore: Helicon Press, 1963), 1:143.
16
Vgl 2. Mose 23,21, wo der Engel den Namen Gottes trägt.
17
Concessions, 331.
220 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
verbreitete Gebet: ‚Heilige Dreieinigkeit, der Eine Gott!‘, denn es ist eine
Sprachwidrigkeit. Wir verwerfen solche Ausdrücke nicht nur als geistlos,
sondern als profan.“18
Doch warum sollte jemand einen Einwand erheben, wenn Gott
wirklich eine Trinität ist? Was ist falsch an dem Ausdruck „Mutter
Gottes“ (den die Protestanten ablehnen), wenn Jesus wirklich Gott war
und Maria seine Mutter? Und wenn der Geist wirklich eine eigene
Persönlichkeit ist, war er der Vater Jesu und nicht Gott, der Vater? Die
Empfängnis Marias geschah durch den Heiligen Geist (Lk. 1,35).
Als der reife Apostel Johannes seinen ersten Brief schrieb, begrenzte
er seine Verwendung von „Geist“ auf die Aktivität Gottes und eine
Ausstattung, die Christen gegeben ist, ein: „Hieran erkennen wir, dass wir
in ihm bleiben und er in uns ist, dass er uns von (= einen Teil) seinem
Geist gegeben hat (ek tou pneumatos autou) (1. Joh. 4,13). Gott gibt nicht
einen Teil einer Person, sondern einen Teil Seines Sinnes und Seiner
Macht. Johannes denkt an etwas, was quantifiziert werden kann, ebenso
wie Petrus, wenn er eine Stelle zitiert, die davon spricht, dass „von
meinem (Gottes) Geist ausgegossen wird“ (Apg. 2,17). Sicherlich werden
keine Personen ausgegossen. Doch Gott kann die Versorgung mit Seiner
grenzenlosen Kraft versprechen. Diese Sprache ist recht ungewöhnlich,
wenn man den Heiligen Geist als eine dritte Person versteht. An einer
anderen Stelle spricht Johannes vom Geist als „dem, der dies bezeugt“ (1.
Joh.5,6), denn er selbst ist die Wahrheit in unseren Gedanken. Es ist
weithin bekannt, dass dieser Aussage ein gefälschter Vers folgt. Er spricht
von den drei Zeugen „im Himmel, dem Vater, dem Wort und dem
Heiligen Geist“; und diese drei sind eins“. Diese Worte haben „kein
Recht, im Neuen Testament zu stehen.“19 In modernen
Bibelübersetzungen sind sie nicht zu finden. Ihr erstes Auftreten findet
sich in griechischen Bibeln im Jahr 1215 und da nur als eine Übersetzung
der lateinischen Geschichte des Laterankonzils. Vor dem sechzehnten
Jahrhundert wurden diese Worte in keinem griechischen Manuskript
gefunden und später dann nur als Übersetzung einer lateinischen
Bibelausgabe.20
Der Befehl Jesu „auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des
Heiligen Geistes“ zu taufen (Mt. 28,19) ist kein Beweis, dass Jesus an
18
Concessions, 40.
19
B.M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament (United
Bible Society, 1971), 715.
20
Ebenso
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 221
eine Trinität von drei gleichen Personen glaubte, da er den Vater als den
„allein wahren Gott“ ansah (Joh.17,3) und dem nicht-trinitarischen
Glaubensbekenntnis Israels zustimmte (Mk. 12,29). Der Trinitarier
Michaelis sagte: „Aus dieser Passage kann man unmöglich ableiten, dass
der Heilige Geist eine Person ist. Vielleicht hat Jesus Folgendes gemeint:
Alle sollten bei ihrer Taufe bekennen, dass sie an den Vater und an den
Sohn glauben und an alle Lehren, die ihnen vom Heiligen Geist
eingeprägt werden.“21
Der Segen von Paulus, der von „der Gnade des Herrn Jesus Christus
und der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ spricht
(2.Kor. 13,13), ist ebenfalls keine trinitarische Formel, obwohl sie
vielleicht trinitarisch klingt, wenn man sie mit der vorgefassten Meinung
liest, Paulus habe an drei ewige Personen gedacht. Paulus spricht an
anderen Stellen von der „Gemeinschaft des Geistes“ und der
„Ermunterung in Christus“ (Phil. 2,1). Diese Textstellen können als
Einfluss Jesu, der durch den Geist in den Gläubigen wirkt, erklärt werden.
Es ist nicht notwendig, die Existenz einer dritten Person in der Gottheit zu
postulieren. Eine ungewöhnliche Verwendung von pneuma hagion
(Heiliger Geist) bei Lukas, dem Begleiter von Paulus, lässt vermuten, dass
für ihn der Heilige Geist schon immer der göttliche Einfluss und keine
dritte Person war. Er schreibt folgendermaßen: „Der du durch den
Heiligen Geist durch den Mund unseres Vaters, deines Knechtes David,
gesagt hast“ (Apg. 4,25). Dieser Ausdruck ruft das Bewusstsein Davids in
Erinnerung, dass „der Geist des Herrn durch mich geredet hat und sein
Wort auf meiner Zunge war“ (2. Sam 23,2). In der jüdischen Literatur zur
Zeit der Abfassung des Neuen Testaments finden wir dasselbe Bild der
Inspiration: „Der Geist der Gerechtigkeit stieg in Jakobs Mund herab“
(Jubiläenbuch, 25,14). So eine Sprache unterstützt nicht die Anschauung
einer eigenständigen Persönlichkeit. Der Trinitarismus steht der gleichen
Schwierigkeit der Quantifizierung des Geistes gegenüber, wenn Maleachi
davon spricht, dass Gott Mann und Frau „zu einem Fleisch, in dem Geist
ist“ macht (Mal. 2,15). Johannes spricht auch davon, dass der Geist in
verschiedenem Maß gegeben wird. Jesus erhielt „ein volles Maß“ (Joh.
3,34). Paulus spricht ebenso von „dem Beistand des Geistes Jesu Christi“
(Phil. 1,19). Die Sprache weist auf einen Kraftspeicher und nicht auf eine
Person hin. Es ist bezeichnend, dass Paulus von den Gebeten der
21
The Burial and Resurrection of Jesus Christ, 325-327, zitiert in Concessions,
281.
222 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
22
Philip Schaff, History of the Christian Church, 3:664.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 223
eng verbunden. Dies sind göttliche Attribute des Einen Gottes, nicht
Personen, die sich von Ihm unterscheiden. Die Definition des Geistes als
dritte Person ist nicht notwendig. Sie führt zu spekulativen Problemen mit
katastrophalen Folgen. Die Probleme ergeben sich, wenn göttliche
Attribute (die in der Bibel manchmal personifiziert sind) zu einer Person
gemacht werden.
Es gibt keinen guten Grund, die offensichtliche Analogie zwischen
dem „Geist des Elia“ (Lk. 1,17) und dem „Geist Gottes“ aufzugeben. Der
Geist des Elia ist keine von Elia zu unterscheidende Person und so ist
auch der Geist Gottes keine von Gott verschiedene Person. Der Geist
Gottes gibt uns Einblick in die tiefste Wesensart Gottes. Wir begegnen
Gott, wenn sich dieser hauptsächlich in den Worten der „inspirierten“
Schrift“ (2. Tim 3,16) durch den Geist erfahrbar macht. Wenn wir lesen,
dass „es den Herrn reute, dass er den Menschen gemacht hatte und es
bekümmerte ihn in sein Herz hinein“ (1. Mose 6,6), so war es der Geist
Gottes, der betrübt wurde (vgl. Eph. 4,30). Wenn Gottes Augen und Sein
Herz im Tempel wohnten (1. Kö.9,3), so könnte man auch sagen, dass
Sein Geist gegenwärtig war. Die Nähe von Geist, Gedanken, Herz und
Worten kommt in den offenbarenden Worten von Spr. 1,23 zum
Vorschein: „Wendet ihr euch meiner Mahnung zu, so will ich meinen
Geist euch sprudeln lassen, will euch kundtun meine Worte“. Moffatt
erfasst eine weitere Facette wenn er übersetzt: „Ich will euch meinen
Geist kundtun“. Die englische Revised Standard Version zeigt den
intellektuellen Aspekt auf: „Ich will meine Gedanken auf euch strömen
lassen“, während die Jerusalemer Bibel uns eine weitere Blickrichtung
eröffnet: „Ich will euch mein Herz öffnen“ (engl. Übersetzung).
Der Geist Gottes ist Seine heilige Intelligenz, Sein Charakter und Sein
Wesen, der Index Seiner Pläne und der Absichten Seines Herzens. Durch
den Geist sind wir eingeladen, in diesem Rahmen an der göttlichen
Aktivität teilzunehmen, „heilig, wie Gott heilig ist“ zu werden und in den
geheimen Plan, den Er mit uns teilen will, eingeweiht zu werden: „Der
Herr zieht ins Vertrauen, die ihn fürchten und sein Bund dient dazu, sie zu
unterweisen“ (Ps. 25,17). Paulus weiß nichts von den späteren Lehren,
wenn er freimütig „Geist“ und „Sinn“ untereinander austauscht und uns so
eine apostolische Definition des Heiligen Geistes gibt. „Denn wer hat des
Herren Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen?“ (Rö.11,34).
Der hebräische Text, den Paulus hier zitiert, liest sich folgendermaßen:
„Wer hat den Geist des Herrn ermessen, und wer ist der Mann seines
Rates, den er unterwiese?“ (Jes. 40,13). Durch den Empfang des Geistes,
224 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?
„Jesus kann immer noch der Christus Gottes sein, auch wenn ich nicht in der
Lage sein sollte, seine Präexistenz als Sohn Gottes, der alles erschaffen hat, zu
beweisen......Selbst wenn ich nicht beweisen kann, dass er präexistierte, so ist es
richtig zu sagen, nur ich sei in dieser Hinsicht verführt, und nicht zu leugnen, dass
er der Christus ist......, obwohl es scheinen sollte, er sei als Mensch von
Memschen geboren....Denn es gibt einige unserer Rasse, die zugeben, dass er der
1
Mk 12,29-34; Joh. 5,44; 17,3; 1. Kor. 8,4-6; Eph. 4,6; 1. Tim. 2,5 etc.
2
Vgl. Thomas Hart, To Know and Follow Jesus und das bekannte God Was in
Christ von Donald Baillie (London: Faber, 1961)
226 Der Konflikt über die Trinität
Christus ist, ihn aber für einen Menschen von Menschen halten; mit diesen
stimme ich jedoch nicht überein.“3
Trypho, der als einer spricht, der mit den jüdischen Erwartungen an
den Messias vertraut ist, stimmt denen zu, die „glauben, dass Jesus ein
Mensch war und von Gott erwählt und als Christus gesalbt wurde“. Er hält
dies für eine glaubhaftigere Meinung als diejenige von Justin. Obwohl
Trypho sich hier vielleicht auf eine adoptionalistische Christologie bezieht
(d.h. Jesus wurde erst bei seiner Taufe zum Sohn Gottes), die sich von der
Konzeptionschristologie bei Lukas unterscheidet (Jesus ist Sohn Gottes
auf Grund seiner übernatürlichen Zeugung, Lk. 1,35), so scheint es doch
in seiner Diskussion mit Justin klar zu sein, dass der Glaube an die
Präexistenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht die universelle Lehre der
„Orthodoxie“ war, die sie im Lauf der späteten Zeit wurde. Es ist ebenso
bemerkenswert, dass „Justin nirgendwo behauptet, der Vater, der Sohn
und der Heilige Geist seien ein Gott, wie es in den späteren Jahrhunderten
üblich wurde. Streng genommen war er ein Unitarier, ebeso wie alle
Kirchenväter jener Zeit; das bedeutet, dass sie glaubten, der Sohn
unterscheide sich wirklich vom Vater und sei Ihm untergeordnet.“4
Ein weiterer Anhaltspunkt in der Diskussion über das
Johannesevangelium und die Präexistenz findet sich in den Schriften des
griechischen Kirchenvaters Epiphanius (ca. 310-403), der daran
interessiert war, „Häresie“ zu identifizieren. Er bezieht sich auf eine
Gruppe von heidnischen Gläubigen, den Alogi (ca. 180), denen
vorgeworfen worden war, das Johannesevangelium abzulehnen. Joseph
Priestley erwägt den Gedanken, die Alogi seien von Epiphanus kritisiert
worden, weil „sie das ‚logos‘ im Prolog des Johannesevangeliums anders
erklärten als er selbst.“5 So war also die wichtige Frage nach der
Bedeutung des „logos“ im Johannesprolog schon damals ein Grund für
3
Dialog mit Trypho, Kap. 48 u. 49
4
Alvan Lamson, D.D., The Church of the First Three Centuries (Boston:
Houghton, Osgood &Co., 1880), 80. Justin legte jedoch die Richtung zum
Trinitarismus fest, indem er die wörtliche Präexistenz Jesu betonte. Der
Trinitarismus war nicht der Glaube der nachapostolischen Zeit für mindestens 80
Jahre, wie es durch das Eingeständnis der New Schaff-Herzog Encyclopedia of
Religious Knowledge zugegeben wird, dass in den Jahren 100 – 180 „nichts
darauf hinweist, dass Jesus als tatsächliche Gottheit angesehen wurde“ (Harnack,
„Monarchism“, 7:453)
5
History of the Corruptions of Christianity (J.& J.W. Prentiss, 1838), 21
Der Konflikt über die Trinität 227
Ungewissheit. Die Lösung der Frage bezüglich der Natur der Präexistenz
bei Johannes zugunsten des Glaubens an einen präexistenten Sohn hatte
einen tiefe und bleibende Auswirkung auf das, was die orthodoxe
Christologie der Glaubensbekenntnisse werden sollte. Die Lehre der
Trinität kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn nicht gezeigt werden
kann, dass Jesus als der ewige Sohn Gottes schon vor seiner Geburt
existiert hatte. Proteste gegen eine besondere Lesart von Johannes, welche
in der Frage der Anschauung über Christus eine Spannung zwischen
diesem und den Synoptikern aufwerfen, kommen wieder zum Vorschein.
6
William Childs Robinson, „Jesus Christ is Jehovah“ (Teil 2), Evangelical
Quarterly 5:3 (1933):275, Hervorhebung beigefügt. Für die Entwicklung des
Trinitarismus in der nachbiblischen Zeit siehe M. M. Mattison, „The Making of a
Tradition“ (Ministry School Publications, 1991)
228 Der Konflikt über die Trinität
7
Foundations (London: Macmillan& Co, 1913),226
8
Zitiert bei F.W. Green, „The Later Development of the Doctrine of the Trinity“,
in Essays on the Trinity and the Incarnation (Longman, Green & Co., 1928), 259
9
Vgl. ebenso die Bemerkung von Canon Goudge: „Als die griechische und
römische Denkweise an die Stelle der hebräischen trat und die Kirche dominierte,
da passierte eine Katastrophe in der Lehre und in der Praxis, von der wir uns nie
erholt haben“ („The Calling of the Jews“, in den gesammelten Essays über
Judaism and Christianity)
Der Konflikt über die Trinität 229
Das Verständnis von „logos“ bei Paulus von Samosata war, dass
dieses keine von Gott unabhängige Existenz hatte; in anderen Worten,
dass es vor der Zeugung Jesu keinen Sohn gegeben hatte. Eine
weitverbreitete Ähnlichkeit mit dieser Tradition wird
bemerkenswerterweise durch eine unerwartete Beobachtung von Origenes
in seinem Kommentar über Johannes bestätigt. Dieser stellte fest, dasss er
„zahlreiche Christen gab, die nur den Namen des „logos“ für den
präexistenten Christus verwendeten (ohne dessen philosophische
Bedeutung und das auch nur im Sinn eines Wortes des Vaters), welches
sich in einem Sohn bei dessen Zeugung ausdrückte“ (vgl. Hebr. 1, 1-2).
Sie maßten diesem „logos“ keine eigenständige hypostasis oder
Individualität zu.10 Es ist interessant, dass Tertullian (ca. 155-230) „logos“
mit sermo, also „Rede“ übersetzt. Er bemerkt dann, „es ist die einfache
Art unserer Leute (über Joh. 1,1) zu sagen, dass das Wort der Offenbarung
bei Gott war“. Er selbst bestand darauf, dass „logos“ als „was auch immer
du denkst“ und „Rede“ als „was immer du verstehst“ verstanden werden
sollte.“ Indem er sich auf eine Zeit vor der Schöpfung bezog, fügte er
hinzu, dass, „obwohl Gott Sein Wort noch nicht ausgesandt hatte, so hatte
Er es doch sowohl mit und in Seinem Sinn.“11 Es ist klar, dass das „Wort“
noch nicht als der ewig präexistente Sohn verstanden wurde, wie es später
in der Orthodoxie der Fall war.
Green gibt zu, dass die Lehre von Paulus von Samosata bezüglich der
Trinität (jedoch nicht der Trinität, wie sie später formuliert wurde)
„zumindest ebenso schriftgemäß war, wie jene von Origenes und sie
gründete sich auch auf eine feste und weit verbreitete Tradition der
Gemeinde“12 Er fährt mit der bemerkenswerten Behauptung fort:
„Es kann nicht stark genug betont werden, dass die antiochische Tradition
den Ausdruck Sohn, bezogen auf das präexistente Logos, in keiner Weise kannte
und verwendete. Mit dem Wort „Sohn“ meinten sie immer den historischen
Christus.......Loofs bemerkt, dass die Übertragung der Zeugung des Sohnes auf
das präexistente Logos durch die alexandrinischen Theologen der wichtigste
Faktor in der Entstehung des pluralistischen Charakters in der christlichen Lehre
war.“ 13
10
F.W. Green, Essays on the Trinity and the Incarnation, 262
11
Tertullian, Ad Praxeus, 5
12
F.W. Green, Essays on the Trinity and the Incarnation, 64
13
Ebenso
230 Der Konflikt über die Trinität
Indem man von Jesus als dem präexistenten Sohn sprach, entstand die
fatale Verlagerung, die den Erretter aus der Kategorie eines menschlichen
Wesens entfernte und eine Serie von furchtbaren Auseinandersetzungen
über Christus hervorbrachte. Sobald der Anfang und Beginn Jesu nicht
mehr bei seiner Zeugung zu finden war, gab es wilde Spekulationen, die
Einheit der Gottheit war bedroht und Jesus war nicht länger der „Mann
Messias“, der von der hebräischen Bibel vorhergesagt worden war. Eine
Rekonstruktion, die den Ausdruck „Sohn“ auf den menschlichen Christus
beschränkt, scheint eine feste Basis sowohl in der Geschichte der frühen
Gemeinde als auch in der Bibel selbst zu haben. Es ist ermutigend zu
sehen, dass William Temple ein authentischeres Verständnis der Natur
von Präexistenz bei Johannes unterstützt: „Die johanninische
Identifikation Christi mit dem „logos“ hatte in den Schriften des
Evangelisten ursprünglich bedeutet: ‚Du glaubst an ein einzelnes
Weltprinzip, doch du kennst dessen Charakter nicht; wir jedoch kennen es
– es wurde Fleisch in der Person Jesu von Nazareth.‘“14
Der verstorbene bekannte Bibelgelehrte F.F. Bruce scheint eine
Ansicht über Präexistenz gehabt zu haben, welche die Frage offenlässt, ob
in Joh. 1,1 der Sohn präexistierte. Er sagte: „In der Frage der Präexistenz
kann man zumindest die Präexistenz des ewigen Wortes oder der Weisheit
Gottes akzeptieren, die in Jesus zu Fleisch wurde. Doch ob einer der
neutestamentlichen Schreiber an die Existenz als „zweites göttliches
Wesen“ vor der Inkarnation glaubte, ist nicht so klar.“15
Die offene Frage von Bruce ist sehr aufschlussreich. Wenn tatsächlich
kein neutestamentlicher Schreiber glaubte, dass der Sohn Gottes ein
präexistentes zweites göttliches Wesen war, so kann man schlussfolgern,
dass kein Schreiber des Neuen Testamentes an die Trinität glaubte.
14
Foundations, 227
15
Aus Korrespondenz, 13. Juni 1981
Der Konflikt über die Trinität 231
16
Siehe M.M. Mattison, „Biblical Unitarianism form the Early Church Through
the Middle Ages“, A Journal from the Radical Reformation: A Testimony to
Biblical Unitarianism 1( Winter 1992), 4-13. Ein Reichtum an Information alle
Aspekte die trinitarische Kontroverse betreffend kann in diesem Journal gefunden
werden, das von 1991 bis 2000 publiziert wurde. Zurückliegende Ausgaben
können unter der US-amerikanischen Telefonnummer 800-347-4261 bezogen
werden. Weitere Quellen können unter www.restorationfellowship.org gefunden
werden.
17
G.H. Williams,The Radical Reformation (Philadelphia: Westminster Press,
1962), 271,322, 333
232 Der Konflikt über die Trinität
18
Für nähere Details über Calvins Behandlung von Michael Serevtus siehe R.H.
Bainton, Hunted Heretic: The Life and Death of Michael Servetus (Beacon Press,
1953) und Stefan Zweig, The Right to Heresy (Das Recht der Häresie) (Beacon
Press, 1951)
19
H.E. Dosker, The Dutch Anabaptists (Judson Press, 1921),58
20
Siehe Hendrikus Berkhof, Christian Faith (Grand Rapids: Erdmans, 1979) und
Ellen Flesseman, A Faith for Today, übers. v. J.E. Steely, (Association of Baptist
Professors of Religion, Box A, Mercer University, 1980)
21
Unterscheit tusschen rechte und falsche leer (Bibliotheca Reformatoria
Nederlandica),5:315-581
22
Dosker, The Dutch Anabaptists, 163
23
Ebenso,93
Der Konflikt über die Trinität 233
Pastor sieht die Lehre Mennos und Melchior Hoffmans, dass das Wort
nur durch Maria durchging, ohne mit ihrem Körper in Berührung zu
kommen, sehr kritisch. Das würde Maria zu einer Art Ersatzmutter
machen, die Jesus nicht eigentlich empfing, wie es die Schrift sagt. Eine
derartige Christologie kann kaum der Anschuldigung des Doketismus und
Gnostizismus entkommen. Pastor bestehet darauf, dass Christus ein
wahrer Mensch und ein Nachkomme Abrahams war, der übernatürlich
empfangen wurde. Seine Ansicht scheint gut mit dem übereinzustimmen,
was Raymond Brown bei Lukas und Matthäus sieht. Es ist sicher, dass ein
Jahrhundert später die polnischen Anabaptisten Adam Pastor als den
ersten Mann bezeichneten, der ihre Anschauung über Präexistenz klar
artikuliert hatte. Ohne Zweifel nahm Adam Pastor die moderne
Diskussion über das Mensch-Sein Jesu vorweg, wenn er das „logos“ nicht
als präexistente Person sah, sondern als die sich selbst ausdrückende
Aktivität Gottes, der Seine Energie in der Schöpfung ausdrückt, indem Er
Wahrheit offenbart und den Messias zeugt.24
24
Für einen vollständigeren Bericht über Adam Pastor, siehe A.H. Newman,
„Adam Pastor, Antitrinitarier, Antipaedobaptist“, in Papers of the American
Society of Church History (G. Putnam’s Sons, 1917), 2nd series,5:98. Auch
Anthony Buzzard, „Adam Pastor: Antitrinitarian, Anabaptist“,A Journal from the
Radical Reformation‘ 3:3 (Frühling 1994), 23-30
234 Der Konflikt über die Trinität
und der Sinn seiner Lehre. Er sah seine Lehren nicht für die Theorie,
sondern für die Anwendung in der Praxis an.“25
„das Resultat meiner Suche der Welt mitteilen zu dürfen; wenn ich es darf,
so ist Gott mein Zeuge, dass ich es mit einem freundlichen und wohlwollenden
Gefühl der Menschheit gegenüber tun will, dass ich gerne so weit wie möglich
weitergebe, was ich als meinen besten und reichsten Besitz ansehe und ich auf
eine ehrliche Antwort von allen Parteien hoffe........auch wenn manche Sachen
ans Licht gebracht werden, die von gewissen überlieferten Meinungen
abweichend angesehen werden“.
Er fährt mit der Bitte an alle „Liebhaber der Wahrheit“ fort, dass sie
alle Dinge im Licht der Schrift „beweisen“. Sein einziger Wunsch ist es,
die Bibel gegen die Tradition zu verteidigen:
„Für meinen Teil, ich hänge allein den Heiligen Schriften an – ich folge
keiner anderen Häresie oder Sekte. Ich hatte noch nicht einmal die Werke der
sogenannten Häretiker gelesen, als die Fehler derjenigen, die als orthodox
angesehen werden, und auch deren unachtsame Behandlung der Schrift mich
lehrten, mit ihren Gegnern übereinzustimmen, wenn diese Gegner mit der Schrift
übereinstimmten“.26
25
Die Information über diesen Abschnitt wurde von H.J. McLachlans
Socinianism in Seventeenth Century England (Oxford University Pess, 1951),
163-217, entnommen
26
John Milton, Treatise on Christian Doctrine (London: British and Foreign
Unitarian Association, 1908),x, xi
236 Der Konflikt über die Trinität
Christentum sei Jesus als den Messias und nicht als Gott anzusehen.29
27
Ebenso, 20
28
Christopher Hill, Milton and the English Revolution (New York: Viking
Press,1977), 286, 296
29
Siehe Lockes The Reasonableness of Christianity as Delivered in the
Scriptures (1695)
30
John Knox, The Humanity and Divinity of Christ (Cambridge University Press,
1987), 53
Der Konflikt über die Trinität 237
Sohn präexistiert hatte, würde das nicht sofort sein wahres Mensch-Sein
leugnen? Knox ist davon überzeugt: „Wir können Mensch-Sein ohne
Präexistenz haben und wir können Präexistenz ohne Mensch-Sein haben.
Aber es gibt absolut keinen Weg, beides gleichzeitig zu haben“.31 Knox
sagt, „es sei einfach unglaublich, dass eine göttliche Person eine völlig
normale menschliche Person wird- das heißt, wenn er auch weiterhin in
seiner essentiellen Identität die gleiche Person bleibt“.32
Das traditionelle Bild von Jesus als die Inkarnation des präexistenten
Sohnes Gottes ist ein schwieriges Problem für Knox. Er sieht das
orthodoxe Christentum als „halbes Märchen und halbes Dogma an, eine
Zusammensetzung aus Mythologie und Philosophie, von Poesie und
Logik, genauso schwierig zu verteidigen, wie zu verstehen.......das betrifft
die gesamte patristische Christologie (und so auch die formelle
Christologie, die uns überliefert wurde).“33
Diese Angelegenheiten wurden in neuerer Zeit von einer Anzahl
bekannter Theologen angesprochen und es zeigte sich, dass das alte
Problem der Natur des göttlichen und menschlichen Jesus genauso
lebendig und aktuell ist wie zuvor.
Knox sieht die Entwicklung in Richtung eines präexistenten Jesus als
Verzerrung, die, ob es uns gefällt oder nicht, eine Leugnung der
vollständigen Wirklichkeit des Mensch-Seins Jesu mit sich bringt. Er
zeigt, dass die Proteste der Kirchenväter, ihr Jesus sei menschlich, wenig
überzeugend sind, weil „es gibt, bei Worten ebenso wie bei Dingen,
Möglichkeiten, mit einer Hand das zurückzuholen, was man mit der
anderen gerade hergegeben hat. Man kann das Mensch-Sein als formalen
Akt bestätigen und dann fortfahren, es so zu definieren oder darzustellen,
dass seine Wirklichkeit in jedem normalen Sinn geleugnet wird.“34
In dieser Meinung wird er von Norman Pittenger unterstützt, der
folgende wichtige Beurteilung über patristische Christologie abgibt,
welche ihre Inspiration hauptsächlich durch das Johannesevangelium
bekam:
31
Ebenso, 106
32
Ebenso, 98
33
Ebenso, 98, 99
34
Ebenso, 62
238 Der Konflikt über die Trinität
Das scheint genau das Problem zu sein. Doch Knox liegt falsch, wenn
er Johannes dafür verantwortlich macht, diese Verzerrung hervorgerufen
zu haben. Johannes trägt keine Schuld an einem solchen Verbergen des
Mensch-Seins Jesu. Vielmehr liegt das Problem bei dem Missverstehen
des „logos“ bei Johannnes auf Seiten der nizänischen Kirchenväter und
einigen ihrer Vorgänger und deshalb auch das Missverstehen der
Bedeutung von Präexistenz. Die spätere offizielle Formel, dass Jesus
„Mann“ gewesen sei, aber nicht „ein Mann“ (sie wird bis heute im
Trinitarismus gefunden), spiegelt die Absicht von Johannes keinesfalls
wider, denn es gibt keine Möglichkeit, „Mensch“ zu sein, ohne „ein
Mensch“ zu sein. 37
35
Vgl. Thomas Hart, To Know and Follow Jesus, bes. 44-48
36
The Word Incarnate (Nisbet, 1959), 89
37
Vgl. die Bestürzung von A.T. Hanson, als er darüber nachdachte, was er am
Seminar über die orthodoxe Definition Jesu gehört hatte: „Während meiner
theologischen Ausbildung wurde ich gut über die traditionelle Anschauung der
Inkarnation Gottes in Jesus Christus unterrichtet. Ich kann mich genau erinnern,
dass mir gesagt wurde, das Wort Gottes nahm unpersönliches Mensch-Sein an,
als es Mensch-Sein annahm; dass Jesus keine menschliche Persönlichkeit besitzt;
dass Gott in Christus Jesus Mensch wurde, aber nicht ein Mensch....zwei
Überlegungen haben mich davon überzeugt, dass diese traditionelle Christologie
unglaubwürdig ist“ (Grace and Truth: A Study in the Doctrine of the Incarnation
London: SCPK, 1975,1)
Eine ebensolche Verwirrung wird von Oliver Quick in Doctrines of the
Creed ausgedrückt (Nisbet, 19938): „Wenn wir bekräftigen, dass Jesus eine
menschliche Person ist, so werden wir zwangsläufig zu einer unmöglichen
Annahme einer doppelten Persönlichkeit des fleischgewordenen Sohnes Gottes
getrieben oder aber in die Annahme des liberalen Flügels des Protestantismus, die
wir als unpassend empfinden. Wenn wir leugnen, dass Jesus eine menschliche
Person war, so leugnen wir dadurch sein vollständiges Mensch-Sein und werden
des Apollinarianismus verurteilt. Dr. Raven (siehe sein Buch Apollinarianismus)
macht geltend, dass die meisten, die in der katholischen Kirche mit der
Der Konflikt über die Trinität 239
Mackey fährt fort, indem er die wichtige Bemerkung macht, dass die
Beschreibung Jesu bei Johannes als monogenes (einzigartig) nicht das
unigenitus (einzig gezeugt) der Vulgata in sich trägt, obwohl Jesus der
einzige Sohn war. Es bedeutet vielmehr, dass er unter anderen seiner Art
einzigartig war. Er zitiert Schillebeeckx, welcher sagt, dass das Adjektiv
bei Johannes uns „keine Basis in der johanninischen Theologie für die
spätere scholastische Theologie des Hervorströmens des Sohnes aus
demVater innerhalb der Trinität, per modum generationis (durch Geburt),
gibt.“44 Auf dieser Tatsache beruhend ist die Bestätigung dieser These,
dass Johannes nicht über die „Konzeptionschristologie“ von Lukas
40
Ebenso, 51
41
Ebenso, 56
42
Ebenso, 56, 57
43
Ebenso, 57
44
Ebenso, 59
Der Konflikt über die Trinität 241
„Wenn wir noch etwas Respekt für das übrig haben, was wir allzu oft und zu
schnell als normative Rolle der Schrift bezeichnen, dann dürfen wir einfach nicht
vorgeben, dass uns die Schrift irgend eine wirkliche Information über eine zweite
göttliche „Person“ oder hypostasis gibt, die sich sowohl von Gott, dem Vater als
auch von dem historischen Jesus, bevor dieser geboren wurde oder bevor ‚die
Welt gemacht wurde‘, unterscheidet.“47
Dies ist eine starke Warnung, dass die traditionelle trinitarische Lehre
nicht in der Bibel gefunden wird.
45
Ebenso
46
Ebenso
47
Ebenso, 64
48
85 (März und September 1982). Für eine äußerst nützliche Zusammenfassung
der neueren Diskussion s. Klaas Runia, The Present-Day Christological Debate.
242 Der Konflikt über die Trinität
Gottes“ und auf „Seine Kraft und Seine Absicht“, zu beschränken. Der
Punkt ist einfach folgender: Wir sollten die Verschiebung im Verständnis
des „Wortes“ bei Johannes von Gottes Selbst-Ausdruck zu dem
Gedanken, es meine eine präexistente göttliche Person, als außerhalb des
Neuen Testaments liegend sehen. Johannes sollte für diese Verschiebung
nicht verantwortlich gemacht werden. Sie passierte am
Johannesevangelium, als es von frühen gnostischen Tendenzen
fehlinterpretiert wurde und das eine Prägung auf die patristische
Theologie hinterließ. Es passiert nicht im Johannesevangelium. Robinson
glaubt, dass das „Wort“, welches theos war („Gott“ Joh. 1,1) Gottes Plan,
Zweck und Charakter vollständig ausdrückte. Dieses „Wort“ wurde
gänzlich in einer menschlichen Person verkörpert, als es Fleisch wurde
(Joh. 1,14). Jesus ist demnach das, was das Wort wurde. Er kann nicht
eins-zu-eins mit dem präexistenten Wort identifiziert werden, als ob er
selbst präexistiert hätte. Das mag als kleiner Unterschied erscheinen, aber
er hatte eine verheerende Bedeutung für die Entwicklung der Christologie.
Es war nicht so, dass das Wort eine Person war, eine hypostasis, die dann
auch die menschliche Natur annahm, sondern dass das „Wort“
„anhypostatisch“, impersonal, war, obwohl es Gott vollständig
ausdrückte, bis es zu einer individuellen historischen Person in Jesus
wurde. Jesus ist so eine völlig menschliche Person, die den Einen Gott für
die Menschheit „auslegt“ (Joh. 1,18).
Diese Lesart des Johannesevangeliums hat den riesigen Vorteil, die
Gefahren einer doketischen Präsentation Christi, sowie auch die
Polarisation zwischen Johannes und den Synoptikern, die nichts von
einem präexistenten Christus wissen, zu vermeiden. Weiters erlaubt es
auch dem Ausdruck „Wort“ seine alttestamentliche, jüdische Bedeutung
für „Zweck“, „Plan“ oder sogar „Verheißung“ beizubehalten. Jesus kann
als die Erfüllung der alten Verheißung an Abraham gesehen werden,
welche für Matthäus und Lukas so bedeutungsvoll ist. Jesus ist Gottes
aktiver Erlösungsplan, der durch eine menschliche Person ausgedrückt
wird. Die „Göttlichkeit“ Jesu wird nicht vermindert, denn „wer ihn
gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh. 14,9). Aber es ist „Göttlichkeit“
in einem anderen Sinn, als er in der trinitarischen Orthodoxie ausgedrückt
wird. Denn die Göttlichkeit ist Gottes aktive Arbeit in und durch einen
vollkommen hingegebenen Menschen. Jesus ist bei diesem Verständnis
nicht Gott im trinitarischen Sinn, sondern ein Mensch, der Gott
vollständig ausdrückt, Sein Vertreter für eine Versöhnung der Welt. Das
Wunderbare, was Gott getan hat, wird dann durch die Verherrlichung
244 Der Konflikt über die Trinität
Frances Young
Es ist leicht, mit jenen biblisch ausgerichteten Gelehrten zu
sympathisieren, die auf The Myth of God Incarnate antworteten.53 Es
schien, als würde an den Säulen des Christentums gerüttelt. Einige der
Proponenten dieser neuen Anschauung schienen sehr wenig vom Inhalt
der Bibel zu glauben. John Stott, der den Evangelikalismus vertritt,
wiederholt die orthodoxen Gründe, um an die völlige Göttlichkeit Jesu zu
glauben. Er besteht darauf, dass Jesus ganz Mensch war, aber er erklärt
uns nicht, wie das möglich ist, angesichts der Behauptung von Leo Tome
(gebilligt vom Zweiten Anglikanischen Artikel, 1563), dass der ewige
Sohn Gottes „Menschennatur“ angenommen hat. Viele haben das Gefühl,
dass ein Wesen, welches „Mann“ ist, ohne „ein Mann“ zu sein, weit
weniger menschlich ist als „der Mann Messias Jesus“ aus dem Bekenntnis
des Paulus (1.Tim 2,5). Stott gesteht zu, dass Jesus nicht herumging und
unmissverständlich erklärte, er sei Gott. Trotzdem hat die „Übertragung
von Gottes Titeln und Aussagen von Jahwe auf Jesus eine unvermeidliche
Bedeutung. Sie identifiziert Jesus als Gott“.54 Außerdem wird Jesus
angebetet, was beweist, dass er Gott ist.
53
Ed. John Hick (London:SCM Press, 1977)
54
The Authentic Jesus (Marshall, Morgan und Scott, 1985), 33
Der Konflikt über die Trinität 245
55
The Myth of God Incarnate, 14
56
Ebenso, 19
57
Ebenso, 21
58
Ebenso, 23
59
Ebenso
246 Der Konflikt über die Trinität
George Carey
George Carey, der später Erzbischof von Canterbury wurde, erhob
sich zur Verteidigung der traditionellen Lehre der Inkarnation in God
Incarnate: Meeting the Contemporary Challenges to a Classic Christian
Doctrine. Die Stärke seiner Essays liegt in seinem gerechtfertigten Protest
gegen einige der Autoren von The Myth of God Incarnate, die Jesus mit
dem Interesse neu definieren, ihn dem modernen, wissenschaftlich
orientierten Menschen annehmbarer zu machen. Carey ist zu Recht durch
die Leugnung der Jungfrauengeburt Christi, seiner Sündlosigkeit und
seiner Auferstehung als objektiver Faktor der Geschichte, bestürzt. Die
Autoren von Myth unterminierten so die Kraft ihrer eigenen biblischen
Einwände gegen die orthodoxe Inkarnation. Ihre unglückliche
Ambivalenz bezüglich des Übernatürlichen, besonders die Auferstehung
betreffend, lenkte unweigerlich von den gut argumentierten Einwänden
gegen die Trinität ab. So schwenken die „Liberalen“ oftmals eine rote
Flagge gegen die „Konservativen“. Trotzdem kann ein „Liberaler“ in
60
Ebenso, 27
61
Ebenso, 29
Der Konflikt über die Trinität 247
seiner Untersuchung der Bibel objektiver sein, denn er ist weniger darauf
bedacht als ein „Konservativer“, ein traditionelles System zu verteidigen.
Es ist möglich, ganz fest so an Jesus zu glauben, wie Carey ihn
definiert, als „besonders, einzigartig mit Gott verbunden“,62 ohne den
Glauben zu haben, er sei Gott. Sogar Carey zögert, ihn vorbehaltlos Gott
zu nennen. Er zieht eine weniger direkte Beschreibung vor und bezeichnet
ihn als „in einer Art Gott“. 63 So ist der Weg für ein Verständnis Jesu
zwischen den Extremen einiger der Myth Exponenten und dem voll
entwickelten Trinitarismus geöffnet. Wenn die neue Christologie die
übernatürlichen Elemente des biblischen Bildes von Jesus bestätigen
würde und wenn Carey seine Schwäche der „Sendungssprache“ als
Beweis für die Präexistenz überdenken würde, so könnte eine
schriftgemäßere Christologie entstehen. Natürlich muss Jesus dem
apostolischen Vorbild nach als der einzige Weg der Errettung verkündigt
werden. Aber das Potential der Christen „erfüllt zu werden zur ganzen
Fülle Gottes“ (Eph. 3,19) sollte der Betonung der Orthodoxie auf die
„Fülle der Gottheit“ (Kol. 1,19; 2,9) in Jesus als Zeichen seines Gott-
Seins, die Waage halten.
Die Verteidigung Careys ist an manchen Stellen verwundbar. Wo ist
die biblische Unterstützung für den Anspruch des Glaubensbekenntnisses,
dass Jesus „vor allen Zeiten gezeugt wurde“, den Carey ohne Beweise
seitens des Neuen Testamentes bekräftigt? Und warum ist es klar, dass
Gottes „Sendung des Sohnes“ bedeutet, der Sohn sei vor seiner Zeugung
lebendig gewesen? Petrus hat keinen Gedanken der Prääexistenz im Sinn,
wenn er sagt, dass „Gott zuerst seinen Knecht erweckt hat und ihn gesandt
hat“, Israel zu predigen (Apg. 3,26). Jesus war beauftragt zu predigen und
wurde nicht aus einem vorherigen Leben gesandt. Es scheint, dass
Verantwortliche für die Standardlexika die Schwäche dieses Arguments
des Wortes „gesandt“ erkennen, aber der Druck, den Status Quo aufrecht
zu erhalten, die Ausleger drängt, sie zu übersehen.
Karl-Josef Kuschel
Im Jahre 1990 erschien in Deutschland aus dem Lager der römisch
katholischen Gelehrten eine lange Studie über die Präexistenz und die
Trinität: Geboren vor aller Zeit? Der Streit um Christi Ursprung (1990
62
God Incarnate: Meeting the Contemporary Challenges to a Classic Christian
Doctrine (InterVarsity Press, 1977), 7
63
Ebenso, 18
248 Der Konflikt über die Trinität
Piper Verlag, München. Engl. Ausgabe: Born Before All Time? The
Dispute over Christ’s Origin). Karl-Josef Kuschel untersuchte die
gegensätzlichen Christologien von Harnack, Barth und Bultmann und
unternahm dann seine eigene Analyse der Daten des Neuen Testaments.
Er stellt die richtigen Fragen: „Wird der historische Jesus wirklich ernst
genommen?“ und „Wurde die konkrete Bedeutung von ‚Fleisch‘ bei Barth
und Bultmann nicht zu einer bloßen Abstraktion?“64 Er wundert sich, ob
einer der Theologen, deren Einfluss so groß ist, in ihrem Portrait Jesu „das
Neue Testament wirklich richtig verstanden hat?“65 Es ist schockierend,
dass ein anderer deutscher Theologe, Wolfgang Pannenberg, sagte: „Barth
entwickelt seine Lehre von der Trinität nicht vordergründig auf der
Grundlage der exegetischen Tatsachen“ und so den Ausspruch von Ernst
Fuchs wiederholt, dass „wenn es keine biblischen Texte gäbe, die
Entwürfe Barths vorzuziehen seien.“66
Professor Kuschel untersucht weiters die Rolle der Weisheit in der
hebräischen Bibel und sieht sie dort als identisch mit Gottes kreativem
Wort und auch mit der Torah als Entwurf Gottes bei der Schöpfung. Er
argumentiert, dass der Mann Jesus die Verkörperung dieser präexistenten
Weisheit ist und nicht der ewige Sohn, der vor seiner Geburt in Bethlehem
lebendig war. Kuschel behauptet, dass es in Phil. 2 keine Aussage über
Christus gibt, in der gesagt wird, er sei mit Gott gleich. Vielmehr wird
Christus als „große Kontrastfigur zu Adam“ dargestellt.67 Kuschel stimmt
mit James Dunn überein, dass es bei Paulus keinen präexistenten Sohn
gibt. Und im Johannesevangelium ist „Gott niemals jemand anderer als
der Vater Jesu Christi “68 Er stellt die Frage, warum der Prolog des
Johannes nicht (wie so viele ihn instinktiv lesen) beginnt: „Am Anfang
war der Sohn und der Sohn war mit Gott und der Sohn war Gott.“ 69
Diese monumentale Kritik am orthodoxen Trinitarismus unterstützt
unsere Überzeugung, dass „die Geschichte der Christologie des jüdischen
Christentums........dringend eine Untersuchung benötigt......nicht nur der
historischen Gerechtigkeit, sondern auch um der ökumenischen
Verständigung willen.“70 Die dominierende Theologie des Konzils von
64
Geboren vor aller Zeit? Der Streit um Christi Ursprung.
65
Ebenso
66
Ebenso
67
Ebenso
68
Ebenso
69
Ebenso
70
Ebenso
Der Konflikt über die Trinität 249
Chalcedon „berührt kaum das Leben und die Geschichte Jesu auf dieser
Erde.“71 Es ist wahr, dass das Verhältnis zwischen dem Vater und dem
Sohn, wie es durch das Konzil vorgeschlagen wurde, „von einem
Judenchristen wie Paulus nicht besser verstanden worden wäre als von
Johannes.“72
Professor Kuschels brillante Studie mit ihrer enthusiastischen
Zustimmung von Hans Küng, der das Vorwort schrieb, macht uns
wachsam für die Bedrohung des Monotheismus von Seiten des
Trinitarismus und auch für die Macht, unnötige Barrieren im Dialog mit
Juden und Moslems aufzubauen. Geboren vor aller Zeit? ist ein Echo auf
die lange Tradition des Protestes gegen die „orthodoxe“ Sichtweise Jesu,
die sein Mensch-Sein zu unterdrücken scheint und so seine Messiasrolle
verschleiert.
Karl-Heinz Ohlig
Im Jahre 1999 wurde eine brillante Geschichte des trinitarischen
Problems herausgegeben, ebenfalls in Deutschland. Karl-Heinz Ohligs
Ein Gott in drei Personen? Vom Vater Jesu zum „Mysterium“ der Trinität
zeigt die dürftige Verbindung der Bibel mit dem Trinitarismus. Der Autor
macht die ausgezeichnete Bemerkung, dass das trinitarische Dogma lange
Zeit Juden und Moslems vom Christentum abgehalten hat. Ohlig bricht
auch ein altes Tabu. Er nimmt nicht Zuflucht zum vagen Gerede von
„Geheimnis“ als Erklärung der Trinität. Er gibt uns einen wunderbar
prägnanten und informationsgeladenen Abriss der Entwicklung des
Trinitarismus. Er schreibt diese Entwicklung dem Druck auf die
Gemeinde zu, der früh im 2. Jahrhundert begann. Er beklagt einen Verlust
des ursprünglichen jüdischen Monotheismus und stellt die exzellente
Frage, warum die Jünger Jesu Trinitarier sein sollten, wenn Jesus keiner
war. Der Trinitarismus war in seiner endgültigen Form nicht vor dem
fünften Jahrhundert ausgeprägt und im zweiten Jahrhundert sicher nicht
als Dogma über drei ewige Personen vorhanden. Welche Stufe in der
„Evolution“ des Dogmas sollte da für Christen bindend sein? Ohlig
behauptet, es sei historisch und auch theologisch illegitim, das Dogma des
Trinitarismus für Gläubige zur Norm zu erheben:
71
Ebenso
72
Ebenso
250 Der Konflikt über die Trinität
„Die Apologeten haben den Grund gelegt zur Verkehrung des Christentums
in eine offenbarte Lehre. Im Speziellen hat ihre Christologie die Entwicklung
verhängnisvoll beeinflusst. Sie haben, die Übertragung des Sohnesbegriffs auf
den präexistenten Christus als selbstverständlich betrachtend, die Entstehung des
christologischen Problems des 4. Jahrhunderts ermöglicht; sie haben den
Ausgangspunkt des christologischen Denkens verschoben (von dem historischen
Christus weg in die Präexistenz), Jesu Leben der Menschwerdung gegenüber in
den Schatten gerückt; sie haben die Christologie mit der Kosmologie verbunden,
mit der Soteriologie sie nicht zu verknüpfen vermocht. Ihre Logoslehre ist nicht
eine „höhere" Christologie als üblich war, sie bleibt vielmehr hinter der genuin
christlichen Schätzung Christi zurück: nicht Gott offenbart sich in Christus,
sondern der Logos, der depotenzierte Gott, ein Gott, der als Gott untergeordnet ist
dem höchsten Gott (Inferiorismus oder Subordinationismus). Auch die
Zurückdrängung der okonosmisch-trinitarischen Gedanken durch metaphysisch-
pluralistische Vorstellungen von der göttlichen trias geht auf die Apologeten
zurück.“74
73
Ein Gott in drei Personen? Mainz: Matthias Grünewald-Verlag, 1999; 123-
125.
74
Friedrich Loofs, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, 1890, Halle-
Saale: Max Niemeyer Verlag, 1951, Teil 1, Abschnitt 18: „Das Christentum als
geoffenbarte Philosophie. Die griechischen Apologeten.“
11. DIE HERAUSFORDERUNG AN DEN TRINITARISMUS
HEUTE
1
Boston: Munroe & Co.
252 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
2
Siehe auch 1. Mose 42,33: „Der Mann, die Herren des Landes.“
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 253
schädliche, wenn auch fromme Exegese, welche die Lehre der Trinität in
der Mehrzahl von elohim findet.“3
Der Artikel über Gott in derselben Arbeit schließt: „Im Alten
Testament gibt es keinen Hinweis auf eine Unterscheidung innerhalb der
Gottheit; es ist ein Anachronismus, die Lehre der Inkarnation oder jene
der Trinität in seinen Seiten zu finden.“4
Die Definition von elohim („Gott“), die von dem Illustrated Bible
Dictionary dargelegt wird, widerspricht der Meinung, dass Gott „drei
Personen“ ist: „Obwohl elohim eine Pluralform ist, kann sie wie ein
Singular behandelt werden, und in diesem Fall bedeutet es eine oberste
Gottheit.....Es gibt nur einen höchsten Gott und dieser ist eine Person.“5
„Manchmal wird das Wort „Vater“ nicht für den Einen verwendet, der sich
vom Sohn und vom Heiligen Geist unterscheidet – eine andere Person in der
Gottheit – sondern für die Gottheit selbst. Lasst uns einige Beispiele
geben.....(Paulus sagt, dass).....es nur einen Gott gibt, der wirklich existiert, und
das ist der Eine, den die Christen anbeten. So schreibt er: „So ist doch für uns ein
Gott, der Vater“ (1. Kor.8,6). Hier bedeutet das Wort „Vater“ dasselbe wie „ein
Gott“. Paulus sagt, dass es nur einen Gott gibt, aber er denkt überhaupt nicht an
die einzelnen Personen der Gottheit. Er verwendet das Wort „Vater“ im selben
Sinn wie in Eph. 4,6, wo er schreibt: „ein Gott und Vater aller.“6
Der Autor kämpft mit der einfachen unitarischen Aussage von Paulus,
die Gott als „Einen Gott, den Vater“ definiert. Die Stärke von Olyotts
Überzeugung, dass Gott wirklich drei ist, drängt ihn zu der Vorstellung,
mit „Vater“ seien tatsächlich drei Personen gemeint. Diese Theorie ist nur
Bildersprache. Der Autor kann sich selbst nicht eingestehen, Paulus sei
vielleicht kein Trinitarier gewesen.
Ist Jesus „Mad, Bad or God“? (Ist Jesus verrückt, schlecht oder
Gott?)
Trinitarier werden durch den altbekannten Slogan gefangen, dass
Jesus entweder ein Lügner, ein Geisteskranker oder aber der höchste Gott
sein müsse. Sie sind nicht in der Lage, eine andere Kategorie zu sehen –
jene des Messias. Wenn Anderson Scott die Sichtweise Jesu in der
Offenbarung beschrieb, so gab er uns einen Hinweis auf das biblische Bild
Jesu: „(Johannes) trieb die Gleichsetzung Christi mit Gott bis zu dem
weitest möglichen Punkt, nämlich bis knapp vor die ewige Gleichsetzung
der beiden.“7
Die Christologie von Paulus bewertend, sagt er: „Der heilige Paulus
gibt Christus nirgendwo den Namen oder die Beschreibung Gottes....
6
Stuart Olyott, The Three Are One (Evangelical Press, 1997), 28,29
7
„Christology“ Dictionary of the Apostolic Church, 1:185, Hervorhebung
beigefügt
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 255
8
Ebenso, 194
9
Theological Investigations, 143
10
The Birth of the Messiah, 432
256 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
Ewige Sohnschaft
Für Trinitarier ist es ein mühseliger Kampf, den Gedanken der
„ewigen Sohnschaft“ aus der Bibel herzuleiten. Ein zeitgenössischer
Trinitarier gibt uns die Information, dass Jesus durch „Zeugung in der
Ewigkeit als Sohn Gottes aus dem Vater in einer Geburt, die niemals
stattgefunden hat, weil sie schon immer gewesen war“, hervorgekommen
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 257
sei.11 Wir fragen uns, ob eine solch mystifizierende Sprache dazu beiträgt,
den christlichen Glauben zu vermitteln. In der Schrift fand die Zeugung
statt und das auch zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die klassische
Verheißung der Ernennung des Messias zum König erscheint in Psalm 2,
7. Der Eine Gott verkündigt: „Du bist mein Sohn; heute habe ich dich
gezeugt.“ Lukas wusste, dass der Sohn Gottes im Leib Marias auf
wundervolle Weise entstanden war (Lk. 1,35). In einer Predigt in
Antiochien predigte Paulus über die Geburt des Messias und zeigte, dass
Gott Jesus „erweckt hatte“, d.h. indem er ihn als Erfüllung der
„Zeugungsverheißung“ in Psalm 2 „in Szene“ brachte.12 Lukas hatte bei
der Geburt des verheißenen Propheten bereits den gleichen Ausdruck -
„erwecken“ - gebraucht.13 In der Schrift gibt es nichts Derartiges wie eine
Zeugung des Sohnes in Ewigkeit außer in den Absichten Gottes.
Ein bekannter Trinitarier drückte am Ende des 19. Jahrhunderts seine
Verwunderung über die Idee der Sohnschaft, die keinen Anfang hat und
so über die ganze Lehre des „ewigen Sohnes“ aus. Adam Clarke sagte
über Lukas 1,35:
„Wir können einfach verstehen, dass der Engel hier den Sohn Gottes nicht als
göttliche Natur Christi benennt, sondern die heilige Person oder das Heilige, to
hagion, welches aus der Jungfrau durch die Kraft des Heiligen Geistes geboren
wurde........Hier glaube ich sagen zu dürfen, dass, mit allem Respekt gegenüber
denen, die mir hier widersprechen, die Lehre der ewigen Sohnschaft Christi
meiner Meinung nach unbiblisch und höchst gefährlich ist. Diese Lehre lehne ich
aus folgenden Gründen ab:
1. Ich konnte in den Schriften keine sich darauf beziehende Erklärung finden.
2. Wenn Christus durch seine Natur der Sohn Gottes ist, dann kann er nicht
ewig sein: denn der Ausdruck Sohn schließt auch einen Vater mit ein und
Vater schließt die Idee der Zeugung ein. Zeugung wiederum schließt einen
Zeitpunkt ein, an dem sie zustande kam und auch eine Zeit, die ihr
vorausging.
11
Kenneth Wuest, Great Trusts to Live By (Grand Rapids: Eerdmans, 1952), 30,
Hervorhebung hinzugefügt.
12
Siehe Apg. 12,33, die Psalm 2,7 zitiert. „Erwecken“ bezieht sich hier besser auf
die Geburt Jesu als auf seine Auferstehung. Paulus fährt im nächsten Vers fort,
sich auf die Auferweckung von den Toten zu beziehen. Die King James Version
scheint diese Tatsache durch die Einfügung von „wieder“ nach „erweckt“ (V.33)
durcheinander gebracht zu haben.
13
Apg. 2,30 (Textus Receptus); Apg. 3,22; 3,26; 7,37
258 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
3. Wenn Christus durch seine Natur der Sohn Gottes ist, so ist der Vater
notwendigerweise älter und vor ihm gewesen und folglich ihm übergeordnet.
4. Wiederum, wenn diese göttliche Natur vom Vater gezeugt wurde, so muss es
eine Zeit gegeben haben, in der er nicht existierte und einen Zeitpunkt, zu
dem er zu existieren begonnen hatte. Das zerstört die Ewigkeit unseres
verehrten Herrn und raubt ihm sogleich seine Gottheit.
5. Zu sagen, er sei in Ewigkeit gezeugt, ist meiner Meinung nach absurd und
der Ausdruck „ewiger Sohn“ ist in sich selbst ein Widerspruch. Ewigkeit hat
keinen Anfang und steht auch in keiner Beziehung zur Zeit. Sohn unterstützt
den Gedanken an Zeit, Zeugung und Vater: und auch an die Zeit, die einer
solchen Zeugung vorausgegangen ist. Demnach ist die Verbindung dieser
beiden Ausdrücke - Sohn und Ewigkeit – absolut unmöglich, weil sie
verschiedene und einander entgegengesetzte Ideen ausdrücken.“ 14
UMSTRITTENE TEXTE
Die Diskussion über die Trinität bezieht sich oft nur auf eine Handvoll
neutestamentlicher Verse, die zeigen sollen, dass Jesus die Höchste
Gottheit ist und nicht das perfekte Ebenbild Gottes, der autorisierte
menschliche Botschafter des Einen Gottes. Einige moderne Vertreter des
Trinitarismus sprechen über diese Verse in einer Art, als würde ihre
Aussage ganz selbstverständlich den Trinitarismus beweisen. Dennoch
gibt es eine starke Tradition unter Trinitariern des höchsten Ansehens,
dass diese Texte nicht die Gottheit Jesu begründen.
Nennt das Neue Testament Jesus Gott? Titus 2,13; 2. Petrus 1,1
Eine Anzahl zeitgenössischer Diskussionen machen die sogenannte
„Granville Sharp’s Rule“ geltend, um ihren Anspruch, Jesus werde in Tit.
14
Clarke’s Commentary (New York: T. Mason and G. Lane, 1837) über Lukas
1,35
15
Moses Stuart, Answer to Channing, zitiert bei Wilson, Concessions, 315
(Hervorhebung durch Stuart)
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 259
16
Grammatical Insights into the New Testament (Edinburgh: T & T Clark, 1965),
16. Es findet sich ein unglücklicher Fehler in Nigel Turners Aussage. Das Wort
„nicht“ vor „wiederholt“ wird ausgelassen und verkehrt so die Absicht Turners
auszusagen, dass der Artikel nicht wiederholt zu werden braucht, um zwei
verschiedene Subjekte zu trennen. Wir hatten oft Gelegenheit, diesen Punkt mit
dem verstorbenen Dr. Turner zu diskutieren.
260 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
17
Siehe Raymond Brown, Jesus, God and Man, 15-18
18
Ebenso,18. Vgl. Nels Ferrés Einwand, diese Titel schließe einen doketischen
Jesus ein („Is the Basis of the World Council Heretical?“ Expository Times 73:12
(Dez. 1962), 67)
19
A.E. Humphreys, The Epistle to Timothy & Titus (Cambridge University Press,
1895), 225
20
Granville Penn, Supplemental Annotations to the New Covenant, 146, zitiert bei
Wilson, Unitarian Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies, 431.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 261
Römer 9,5
Einige Trinitarier bieten Rö 9,5 als überzeugenden Beweis an, dass
Jesus „Gott über alles“ ist und so auch Teil der Gottheit. Es ist abhängig
von der Übersetzung, die man liest, denn es gibt sieben verschiedene
Arten, wie man in diesem Vers die Satzzeichen setzen kann und davon
abhängig werden entweder Christus oder der Vater „Gott, gepriesen in
Ewigkeit“21, genannt. Die Frage ist: Sollen wir folgendermaßen lesen:
„aus dem, nach dem Fleisch, Christus ist, der über allem ist. Gott sei
gepriesen für immer“ oder: „aus dem, nach dem Fleisch, Christus ist, der
als Gott über allem, für immer gepriesen ist“? Unter den früheren
Kommentatoren war Erasmus, obwohl er ein Trinitarier war, sehr
vorsichtig, diesen Vers als Beweistext heranzuziehen:
„Diejenigen, die behaupten, Christus werde in diesem Vers klar als Gott
bezeichnet, sprechen den Arianern alles Verständnis ab oder achten kaum auf den
Stil des Apostels. Eine ähnliche Passage kommt in 2. Kor. 11,31 vor „Der Gott
und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der gepriesen ist in Ewigkeit“; das
Letztere bezieht sich eindeutig auf den Vater.“22
Wenn man das Prinzip des Vergleiches eines Textes mit einem
anderen heranzieht, so ist es sehr wahrscheinlich, dass Paulus den Vater
als „Gott über alles“ beschreibt. Generell macht Paulus eine
Unterscheidung zwischen Gott und dem Herrn Jesus. Im selben Buch
preist Paulus den Schöpfer und es gibt keinen Grund zu zweifeln, dass
damit der Vater gemeint ist (Rö. 1,25). An einer anderen Stelle spricht er
von „Gott, unserem Vater, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen“ (Gal. 1,4-5). Römer 9,5 ist eine offensichtliche
Parallele. Es sollte nicht vergessen werden, dass das Wort theos, Gott,
mehr als 500 Mal in den Briefen von Paulus vorkommt und es gibt keine
einzige unzweifelhafte Stelle, in der es sich auf Christus bezieht. Eine
Anzahl von bekannten Textkritikern (Lachmann, Tischendorf) setzen
einen Absatz nach dem Wort „Fleisch“ und erlauben es dem Rest des
Satzes, eine Doxologie („Lobgesang“) auf den Vater zu sein. Alte
griechische Manuskripte beinhalten keine Satzzeichen, doch der Codex
Ephraemi aus dem fünften Jahrhundert macht einen Absatz nach
„Fleisch“. Bemerkenswerter ist jedoch die Tatsache, das während der
21
Für eine vollständige Betrachtung der verschiedenen Möglichkeiten, s. die
Essays im Journal of the Society of Biblical Literature and Exegesis, 1883.
22
Works, ed. Jean Leclerc, 10 vols. (Leiden, 1703-1706), 6:610, 611
262 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
und Er selbst ist Gott.“ Aber damit wird das ganze trinitarische Problem
geschaffen. Plötzlich besteht Gott aus zwei Personen. Es ist eine wenig
bekannte Tatsache, dass das „Wort“ in Übersetzungen vor der King James
Version nicht als zweite Person angesehen wurde. Die Übersetzung des
Bischofs Temple aus dem Jahr 1568, die im Jahre 1611 durch die King
James Version ersetzt wurde, versteht das Wort als „unpersonal“ und
benutzt das Wort „es“, ebenso wie die Genfer Bibel aus dem Jahr 1560.
Es ist eine Annahme, dass Johannes mit „Wort“ eine zweite
ungeschaffene Person neben dem Einen Gott meint. An anderen Stellen
bemerkt Johannes, dass der Vater der „allein wahre Gott“ ist (Joh. 17,3)
und der „alleinige Gott ist“ (Joh. 5,44). Viele haben die offensichtliche
Verbindung zwischen dem Wort und dem, was in der hebräischen Bibel
über die Weisheit gesagt wird, erkannt. In den Sprüchen ist die „Weisheit“
personifiziert und wird als „mit Gott“ beschrieben (Spr. 8,30). Johannes
sagt, das „Wort“ war „mit (pros) Gott“. Im Alten Testament wird über
eine Vision, ein Wort oder eine Absicht gesagt, sie sei „mit“ derjenigen
Person, die sie empfängt oder besitzt. Das Wort hat eine eigene „Quasi-
Existenz“: „Das Wort des Herrn ist mit ihm“; „der Prophet.....hatte einen
Traum mit ihm“ Es war im Herzen Davids (wörtlich: mit seinem Herzen),
einen Tempel zu bauen. Weisheit ist „mit Gott“.26 Das Letztere ist eine
auffallende Parallele zum Eröffnungssatz bei Johannes. Im Neuen
Testament kann etwas Unpersönliches „mit“ einer Person sein, wie z.B.
Paulus hofft, dass „die Wahrheit des Evangeliums bei - pros – euch
verbliebe“ (Gal. 2,5). Am Anfang des ersten Johannesbriefes, der den
Kommentar für Johannes 1,1 liefern könnte, schreibt der Apostel, dass
„das ewige Leben bei – pros – dem Vater war“ (1.Joh, 1,2). Auf der Basis
dieser Parallelen ist es unmöglich mit absoluter Gewissheit zu sagen, dass
das „Wort“ in Joh. 1,1 eine zweite Person der Trinität, d.h. den
präexistierenden Sohn Gottes, meinen muss.
Johannes fährt fort, indem er sagt, „das Wort war Gott“ (Joh. 1,1).
Eine intensive Diskussion der exakten Bedeutung von „Gott“ (der keinen
bestimmten Artikel hat) macht die gesamte Passage scheinbar schwierig.
Einige meinen nach der Regel Colwells, dass das Fehlen des Artikels
nicht die Intention von Johannes mindert, das Wort sei völlig Gott
gewesen und mit Ihm identisch. Andere meinten, dass „Gott“ ohne Artikel
26
2. Könige 3,12; Jer. 23,28; 1. Kö. 8,17; 2. Chr. 6,7; Hiob 12,13, 16; Hiob
10,13: „mit dir“ ist eine Parallele zu „verborgen im Herzen“, d.h. „festgesetzt in
deiner Absicht“. Siehe auch Hiob 23,10, 14
264 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
die Art von Johannes ist, uns zu sagen, dass das Wort den Charakter
Gottes hatte und vollkommen Seine Absichten ausdrückte. Die Meinung
des trinitarischen Bischofs Wescott wird weitgehend respektiert und hat
auch die vorläufige Zustimmung von Professor Moule:
„Die Ansicht von Bischof Wescott (über Joh. 1,1) repräsentiert vielleicht
noch immer die Absicht von Johannes, wenn auch eine Bezugnahme auf den
Sprachgebrauch hinzugefügt werden muss: ‚(Gott) ist notwendigerweise ohne
Artikel (theos und nicht ho theos), weil es die Natur des Wortes beschreibt und
sich nicht mit Seiner Person identifiziert. Es wäre reiner Sabellianismus zu sagen,
das Wort war ho theos.‘“27
Der Punkt des Bischofs war, dass das „Wort“ nicht von Gott
verschieden sein kann („mit Gott“) und dennoch zugleich mit Ihm
identifiziert wird. Das würde alle Unterschiede in der Gottheit
verwischen. Vielmehr beschreibt Johannes die Natur des „Wortes“ und
das Fehlen des Artikels vor Gott „setzt mehr Betonung auf den
qualitativen Aspekt des Hauptwortes als auf deine einfache Identität. Ein
Objekt der Gedanken kann von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet
werden: von dem der Identität und dem der Qualität. Um den ersten
Gesichtspunkt zu betonen, verwendet das Griechische den Artikel; für den
zweiten wird die artikellose Konstruktion benutzt.28
Nach einer sorgfältigen Analyse schlägt Philip Harner vor: „Vielleicht
sollte der Satzteil mit ‚das Wort hatte dieselbe Natur wie Gott‘ übersetzt
werden.“29 Er fügt hinzu: „Es gibt keine Basis, das Subjekt theos als ein
bestimmtes anzusehen.“30 Ein anderer Gelehrter sagt: „So deutet Joh. 1,1b
nicht die Identität, sondern vielmehr den Charakter des Logos, an.“31
Die Schwierigkeit, die den Übersetzern begegnet, ist, wie sie die
feinen Nuancen in ihrer Sprache ausdrücken sollen. James Denny besteht
darauf, dass das Neue Testament nicht das sagt, was die englischen
Übersetzungen nahelegen: „Das Wort war Gott“. Er glaubt, dass im
27
C.F.D. Moule, An Idiom Book of New Testament Greek (Cambridge University
Press, 1953), 116
28
Dana und Mantey, A Manual Grammar of the Greek New Testament (New
York: Macmillan, 1955), Sektion 149
29
„Qualitative Anarthrous Predicate Nouns: Mark 15,39 and John 1,1,“ Journal
of Biblical Literature 92(1973): 87
30
Ebenso, 85
31
D.A. Fennema, „John 1,18:‘God the Only Son‘“, New Testament Studies 31
(1985): 130
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 265
32
Letters of Principal James Denny to W. Robertson Nicoll (London: Hodder and
Stoughton, 1920), 121-126
33
C.C. Torrey, The Four Gospels – A New Translation (New York: Harper, 1947,
second edition)
34
Harner, „Qualitative Anarthrous Predicate Nouns: Mark 15,39 and John 1,1,“
87. Die Äquivalenz von „Wort“ und „Gott“, listet er als „Satz A“ , „ho theos en
ho logos“ und das wird auf Seite 84 seines Artikels beschrieben. Die Übersetzung
„das Wort war Gott“ führt die Leser fälschlicherweise zum Gedanken, dass
Johannes die trinitarische Idee vertritt, das Wort (und so auch Jesus) seien dem
Allerhöchsten Gott äquivalent.
266 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
„Die Schlussfolgerung, die sich aus unserer Analyse (von Joh. 1,1-14) ergibt,
ist, dass erst ab Vers 14 („und das Wort wurde Fleisch“) von einem personalen
Logos gesprochen werden kann. Es wird eher unpersönliche Sprache verwendet
(wurde Fleisch), doch kein Christ würde hier die Bezugnahme auf Jesus nicht
bemerken – das Wort wurde nicht zu Fleisch im Allgemeinen, sondern in Jesus
Christus. Vor Vers 14 befinden wir uns im gleichen Bereich wie die vorchristliche
Rede von Weisheit und Logos. Dieselben Ideen finden wir bei Philo und wir
haben gesehen, dass es sich mehr um Personifikationen als um Personen handelt,
mehr um personifizierte Handlungen Gottes als um ein individuelles göttliches
Wesen als solches. Das wird durch die Tatsache verschleiert, dass wir das
männliche Logos während der ganzen Passage als „er“ übersetzen. Doch wenn
wir das Logos als „Aussage Gottes“ übersetzten würden, so würde klarer werden,
dass vom Logos in den Versen 1-13 nicht unbedingt als von einem personalen
göttlichen Wesen gedacht werden muss. In anderen Worten, die revolutionäre
Bedeutung von Vers 14 mag sein, dass er nicht nur den Übergang in den
Gedanken der Passage von Präexistenz zur Inkarnation, sondern auch den
Übergang von der Personifikation zu der tatsächlichen Person, markiert.“35
Diese Lesart von Johannes hat den großen Vorteil, dass sie mit dem
Zeugnis von Matthäus, Markus und Lukas übereinstimmt und die
ungeteilte Einheit des Einen Gottes, des Vaters, nicht beeinträchtigt.
Markus 13,32
Dieser Vers überliefert die Aussage Jesu, dass er den Tag seiner
Wiederkunft nicht wusste. Es erscheint einfach widersprüchlich, dass die
allwissende Gottheit in irgendeinem Aspekt unwissend sein könnte.
Einige Trinitarier berufen sich auf die Lehre von der göttlichen und der
menschlichen Natur in Jesus, um dieses Problem zu lösen. Der Sohn
wusste es, aber als menschliches Wesen wusste er es nicht. Das scheint
der Aussage ähnlich zu sein, dass jemand arm ist, weil er in einer Tasche
kein Geld hat, obwohl er in der anderen Tasche eine Million Dollar hat. In
dieser Schriftstelle ist es der Sohn, der sich vom Vater unterscheidet, der
es nicht wusste. Daher ist es ziemlich unmöglich zu plädieren, nur die
menschliche Natur in Jesus sei unwissend gewesen. Die Bibel
unterscheidet jedenfalls nicht „Naturen“ in Jesus als Sohn Gottes und als
Menschensohn. Beide sind messianische Titel für eine Person. Wenn ein
Zeuge bei einer Gerichtsverhandlung gefragt wird, ob er den Angeklagten
an einem bestimmten Tag gesehen hat und dieser es in dem Sinn verneint,
35
Christology in the Making, 243.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 267
dass er ihn mit seinem blinden Auge nicht gesehen hat, obwohl er ihn aber
mit seinem gesunden Auge gesehen hat, so würden wir ihn als unehrlich
bezeichnen. Wenn sich Jesus selbst als Sohn bezeichnete, so konnte er
nicht nur einen Teil von sich gemeint haben. Die Theorie, dass Jesus
einerseites den Tag seiner Wiederkunft gewusst und andererseits nicht
gewusst hat, würde alle seine Aussagen unverständlich machen. Es ist
einfach Tatsache, dass eine Erklärung der Unwissenheit mit der Theorie
der absoluten Göttlichkeit Jesu unvereinbar ist.
Eine vergleichbare Schwierigkeit ergibt sich für Trinitarier, wenn sie
behaupten, nur der menschliche Teil Jesu sei gestorben. Wenn Jesus Gott
wäre, und Gott ist unsterblich, so hätte Jesus nicht sterben können. Wir
sind verwundert, wie es möglich ist zu behaupten, „Jesus“ repräsentiere
nicht die vollständige Person. Nichts in der Bibel deutet an, dass Jesus nur
der Name seiner menschlichen Natur ist. Wenn Jesus die ganze Person ist
und Jesus starb, so kann er nicht unsterbliche Gottheit sein. Es scheint, als
argumentierten Trinitarier, dass nur Gott genügt, um die notwendige
Sühne zu liefern. Aber wenn die göttliche Natur nicht starb, wie wird dann
in der trinitarischen Theorie die Sühne gesichert?
Es ist schwer zu verstehen, warum Gott, wenn Er es will, nicht ein
einzigartig gezeugtes, sündloses menschliches Wesen als ein
ausreichendes Opfer für die Sünden der Welt bestimmen darf. Es ist nicht
überzeugend, darauf zu bestehen, dass nur der Tod einer ewigen Person
die Sünde sühnen kann. Die Bibel sagt es nicht so. Sie sagt jedoch, dass
Jesus starb und Gott unsterblich ist. Die Schlussfolgerung auf die Natur
Jesu ist unvermeidlich.
behaupten, der Name Immanuel beweise die Lehre (der Gottheit Jesu) ist
ein trügerisches Argument, obwohl viele Trinitarier es ins Feld führen.
Jerusalem wird ‚Gerechtigkeit Gottes‘ genannt. Ist Jerusalem also
göttlich?“36
Johannes 10,30
In diesem Vers sagt Jesus, er sei „eins“ mit dem Vater. Das Wort
„eins“ in diesem so viel diskutierten Text ist hen. Es ist nicht die
männliche Zahl heis, welche die Gottheit in dem christlichen Bekenntnis
beschreibt, das von Jesus verkündigt wurde (Mk. 12,29). Es ist unfair,
dass die Zeugen Jehovas manchmal in populären Präsentationen der
Trinität für etwas angegriffen werden, was sogar konservative
evangelikale Kommentatoren sagen: „Der Ausdruck (‚Ich und der Vater
sind eins‘)...scheint hauptsächlich auszusagen, dass der Vater und der
Sohn im Willen und in der Absicht verbunden sind. Jesus betet in Joh.
17,11, dass seine Jünger eins (hen) seien, d.h, geeint in der Absicht,
ebenso, wie er und sein Vater verbunden sind.“37
Das ist, was viele Unitarier (und auch Trinitarier) über viele
Jahrhunderte hinweg behauptet haben. Der Trinitarier Erasmus sah die
Gefahr, diesen Vers über seine wirkliche Bedeutung hinaus zu betonen:
„Ich kann nicht sehen, dass dieser Text für die Bestätigung der orthodoxen
Meinung oder für die Diskussion mit hartnäckigen und entschlossenen
Häretikern bedeutsam ist.“38
Die Bedeutung dieser Aussage ist in ihrem Zusammenhang ganz klar.
Jesus hatte von einem Vater gesprochen, der die Schafe bewahrt. Da die
Macht Jesu von seinem Vater kommt, kann diese Macht die Schafe
bewahren. Jesus und der Vater waren in der Bewahrung der Schafe eins.
Johannes Calvin war in dieser Hinsicht weiser als manche heutigen
Exponenten. Er bemerkte, dass „die Vorfahren diesen Text
unrichtigerweise dazu gebrauchten, zu beweisen, dass Christus aus der
selben Substanz wie der Vater ist. Denn Jesus spricht nicht über Einheit in
Substanz, sondern über seine Übereinstimmung mit dem Vater; also was
immer von Christus getan wird, wird durch die Macht des Vaters
bekräftigt werden.“39
36
Moses Stuart, Answer to Channing, zitiert in Concessions, 236
37
R.V.G. Tasker, John, Tyndale Commentaries (Grand Rapids: Eerdmans, 1983),
136
38
Zitiert bei Wilson, Concessions, 353.
39
Zitiert bei Wilson, Concessions, 354.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 269
Eine weitere trinitarische Autorität bemerkt, dass „wenn die Lehre der
Dreieinigkeit und die Einheit von Substanz unmittelbar daraus abgeleitet
werden, so ist das eine falsche Anwendung des dogmatischen Systems,
weil der Kontext der Passage nicht beachtet wird.“40
Es ist für Trinitarier üblich anzunehmen, dass der feindliche Eindruck
der Juden auf die Worte Jesu richtig ist. Da sie ihn der Blasphemie
anklagten und dass er „sich Gott gleichmachte“ (Joh. 5,18), wird
behauptet, Jesus müsse einen trinitarischen Anspruch gestellt haben. Es ist
unfair anzunehmen, die Juden hätten die Worte Jesu richtig eingeschätzt.
Wenn sie es getan hätten, dann hätte Jesus keinen Grund gehabt, sich
weiter rechtfertigen zu müssen. Er hätte nur nochmals bestätigen müssen,
dass er der Allerhöchste Gott sei. In seiner sehr vernachlässigten Antwort
sagt Jesus den aufgebrachten Juden (Joh. 10, 34-36): „Weil Beamte und
Richter in der Schrift ausdrücklich Götter genannt werden, ist es
ungerecht, wenn ihr mich der Gotteslästerung anklagt, wenn ich, den der
Vater als Messias berufen hat und der ich daher größer bin als alle Könige
und höher als alle Propheten, mich den Sohn Gottes, also den Messias,
nenne, der den Willen des Vaters vollständig wiedergibt.“ Jesus verbindet
seine eigene Autorität mit jener menschlicher „Götter“, die Gott dazu
berief (Ps. 82,1,6). Wenn man ihm zugesteht, dass er jeder früheren
„göttlichen Autorität“ weit überlegen ist, kann eine richtige Anschauung
über seinen Status erworben werden und so behauptete es auch Jesus und
gab zu bedenken, dass sogar die Führer Israels dazu berechtigt waren,
„Götter“ genannt zu werden. Jesus ist die höchste menschliche Autorität,
die völlig und einzigartig vom Vater bevollmächtigt ist.
Die trinitarische Überzeugung über die Einheit von Substanz verleitet
dazu, die „Sender/Vertreter – Bezeichnung“ bei Johannes
misszuverstehen. Indem sie Jesus sahen, sahen die Menschen Gott; wenn
sie an ihn glaubten, glaubten sie an Gott; indem sie ihn ehrten, ehrten sie
Gott und wenn sie ihn hassten, so hassten sie Gott.41 Nichts davon
verlangt ein trinitarisches Verständnis. Johannes gibt uns ein schönes Bild
eines wunderbaren menschlichen Wesens, in das Gott Seinen Geist gelegt
hatte und zu dem hin Gott Seine Autorität und Seinen Charakter
ausgedehnt hatte – all das auf eine Art, die nie vorher oder nachher
gesehen wurde. Jesus ist der einzigartige Vertreter des Einen Gottes. Es ist
nicht so, dass Gott Mensch wurde, sondern dass Gott für den verheißenen
40
C.F. Ammon, zitiert bei Wilson, Concessions, 355.
41
Joh. 14,9; 12,44; 5,23; 15,23:
270 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
Nachkommen Davids sorgte, den Mann welcher die raison d’etre (der
Daseinsgrund) Seines kosmischen Plans ist.
Johannes 20,28
Die wohlbekannten Worte von Thomas zu Jesus: „Mein Herr und
mein Gott“ werden als Begründung für die volle Göttlichkeit Christi
hergenommen. Doch Jesus hatte schon zuvor geleugnet, Gott zu sein
(siehe weiter oben über Joh. 10,34-36). Johannes unterscheidet Jesus von
dem einen und wahren Gott, seinem Vater (Joh. 17,3). Die Leser des
Neuen Testaments bemerken oft nicht, dass das Wort „Gott“ auch auf
Vertreter Gottes angewendet werden kann. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass Johannes in sein Portrait Jesu als Messias Ideen einfließen ließ, die er
aus dem messianischen Psalm 45 bezog. Jesus antwortete auch Pilatus,
dass er ein König sei, dessen Aufgabe es war, die Wahrheit zu bezeugen
(Joh. 18,37). Für dieses Thema gibt es einen alttestamentlichen
Hintergrund. Psalm 45 ist als Lobpreis auf den Messias geschrieben
(Hebr. 1,8), der „Allerhöchster und Held“ genannt wird, der für „die
Sache der Wahrheit auszieht“ (Verse 3 bis 5). Der Psalmist sieht im
Voraus, dass die Feinde des Königs „unter ihm fallen“ (V. 6). Der
königliche Status dieses Führers wird verdeutlicht, wenn ihn der Schreiber
des Psalms mit den Worten „o Gott“ bezeichnet. (Ps. 45,7). Die Laufbahn
des Messias, die im Psalm 45 umrissen wird, spiegelt sich in der
Beobachtung bei Johannes wider, dass die Feinde Jesu zurückwichen und
„zu Boden fielen“, als er den Anspruch erhob, der Messias zu sein (Joh.
18,6).42 Das Erkennen Jesu als „Gott“ ist eine wunderbare Erfüllung der
hohen Anrede des Königs von Israel in Psalm 45. In diesem Psalm wird
dem Messias als dem Herrn und „Gott“ der Gemeinde zugejubelt. Doch
der „Gott“ Messias wurde von seinem Gott, dem Einen und einzig
Unendlichen Gott (Ps. 45,8) gesalbt.
Jesus selbst interessierte sich für den Gebrauch des Wortes „Gott“ für
menschliche Führer (Joh. 10,34; Ps. 82,6). Der Messias ist äußerst
berechtigt, in diesem besonderen Sinn „Gott“ genannt zu werden, weil er
auch das „Wort“ verkörpert, welches selbst theos ist (Joh. 1,1). Es ist
möglich, dass Johannes eine weitere Aussage über Jesus als „Gott“
hinzufügt. Er bezeichnet ihn (falls es die richtige Lesart des Manuskripts
ist, die Sache wird diskutiert) als „eingeborener Sohn, Gott (theos)“ (Joh.
42
Siehe Reim, „Jesus as God in the Fourth Gospel: The Old Testament
Background“, New Testament Studies 30 (1984): 158-160
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 271
1. Johannes 5,20
Einige Autoren, welche die Idee vertreten, dass das Neue Testament
Jesus „Gott“ im selben Sinn wie den Vater nennt, erklären uns, dass in 1.
Joh. 5,20 ausdrücklich gesagt wird, Jesus sei der wahre Gott. Der Vers
lautet folgendermaßen: „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes
gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den
Wahrhaftigen erkennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen und seinem
Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhafte Gott und das ewige Leben“.
Viele Trinitarier glauben nicht, dass Jesus hier als der wahrhafte Gott
beschrieben wird. Henry Alford, der bekannte britische Ausleger und
Verfasser des berühmten Kommentars über das Griechische Testament
bezieht sich auf eine Tendenz, welche in der Geschichte bei der
Auslegung der Bibel eine große Rolle spielte. Er bemerkt, dass die
Kirchenväter 1. Joh. 5,20 eher doktrinär als exegetisch erklärten. In
einfachen Worten, sie wurden mehr durch einen Wunsch beeinflusst, ihre
bereits festgesetzte theologische Position zu verteidigen, als durch die
Entschlossenheit, die wahre Bedeutung des Textes wiederzugeben.
Alford vergleicht die Aussage von Johannes über den Einen Gott in 1.
Joh. 5,20 mit dem Aufbau ähnlicher Sätze in den Johnnesbriefen. Er
bemerkt auch die auffällige Parallele in Joh. 17,3, wo Jesus sehr sorgfältig
von dem Einen Gott unterschieden wird. Er schließt, dass Ausleger,
welche die einfache Bedeutung dieser Passage suchen, den Ausdruck
„wahrer Gott“ sich nicht als auf Jesus, sondern auf den Vater beziehend,
sehen. Dieser (houtos) im letzten Satz von 1.Joh. 5,20 muss sich nicht auf
das nächstgelegene Hauptwort beziehen (in diesem Fall Jesus Christus).
272 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
43
(London: SPCK, 1962), 71,72
44
Greek Testament, ad. loc. cit.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 273
„In keinem Teil der Heiligen Schriften wird offenbart, dass der Sohn
essentiell oder cosubstanziell mit dem Vater übereinstimmt, weder durch
bekräftigende Aussagen noch durch sichere und unveränderliche
Schlussfolgerung. Diese und andere Meinungen der Protestanten können nicht
aus den Heiligen Schriften bewiesen werden und lassen das traditionelle Wort
Gottes beiseite....die Schrift selbst scheint an vielen Stellen das Gegenteil zu
zeigen, doch die Kirche lehrte uns anderes.“46
„Es muss zugegeben werden, dass die Lehre der Trinität, wie sie in unseren
(Church of England) Glaubenssatzungen, in unserer Liturgie und in unseren
Glaubensbekenntnissen ausgedrückt wird, in den heiligen Schriften nicht mit
vielen Worten gelehrt wird. Was wir in unseren Gebeten bekennen, lesen wir
nirgends in der Schrift – dass der Eine Gott, der Eine Herr nicht eine, sondern
drei Personen in einer Substanz ist. Einen solchen Text gibt es in den Schriften
nicht, dass die „Einheit in der Dreieinigkeit und die Dreieinigkeit in der Einheit“
angebetet werden soll. Kein einziger der inspirierten Schreiber bestärkte
ausdrücklich, dass in der Trinität keiner vor oder nach dem anderen ist, keiner
größer oder kleiner als der andere ist, sondern dass diese drei Personen
gleichewig und gleich sind.“47
45
Confessio Fidei Christiana (1553), Kap. 27
46
James Masenius, Apud Sandium, 9-11, zitiert bei Wilson, Concessions, 54
47
Bishop George Smalridge, Sixty Sermons Preach’d on Several Occasions, no.
33, 348, zitiert bei Wilson, Unitarian Principles Confirmed by Trinitarian
Testimonies, 367.
274 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
Wenn die Trinität ihren Ursprung in der Bibel hätte, so würden wir
erwarten, sie in einer ungebrochenen Tradition bis zu den frühesten
nachbiblischen Schreibern zurückverfolgen zu können. Aber kann die
geschehen? Es gibt viele im trinitarischen Lager, welche die Schwierigkeit
bestätigen, den Trinitarismus in den Schriften der führenden Vertreter des
Glaubens vor der Zeit des Konzils von Nizäa zu finden. Diese Tatsachen
wurden in einem informativen Artikel von Mark Mattison
zusammengestellt.48 Indem er sowohl Originalquellen als auch
Standardautoritäten zitiert, zeigt Mattison, dass der „Trinitarismus“ von
Justin und Theophilus ein klares Element der Unterordnung des Sohnes
enthielt. Irenaeus, ebenfalls aus dem 2. Jahrhundert, spricht vom Vater als
autotheos, „Gott in sich selbst“. Die Gottheit des Sohnes stammt von jener
des Vaters. Das ist beim voll entwickelten Trinitarismus nicht der Fall, bei
dem alle drei Personen gleich sind. Tertullian (ca. 160-225) glaubte an die
Präexistenz des Sohnes, doch er verneinte ausdrücklich dessen
„Ewigkeit“: „Gott war nicht schon immer Vater und Richter, einfach auf
Grund Seines ewigen Gott-Seins. Denn er konnte nicht Vater sein, bevor
der Sohn war, und auch kein Richter vor der Sünde. So gab es eine Zeit, in
der weder Sünde noch der Sohn existierten.“49
Ein weiterer einflussreicher Kirchenvater, Origenes (ca. 185-254)
glaubte ganz klar nicht an eine Gleichstellung Christi mit dem Vater. In
seinen Kommentaren über das Johannesevangelium behauptet er, dass
„Gott, das Logos“, d.h. der Sohn, „vom Gott des Universums übertroffen
wird.“50 „Der Sohn kann in keiner Hinsicht mit dem Vater verglichen
werden, da er das Abbild Seiner Güte ist und nicht der Glanz Gottes,
sondern der Abglanz Seiner Herrlichkeit und Seines ewigen Lichts.“ 51
Obwohl Origenes der Erste war, der die Idee des „ewigen Sohnes“
entwickelte, bestand er auf der untergeordneten Rolle Christi. „Der Vater,
der Jesus sandte, ist allein gut und größer als der, der gesandt wurde.“ 52
Origenes lehnte auch das Gebet zu Jesus ab und lehrte, dass dieses nicht
48
„The Development of Trinitarianism in the Patristic Period“, A Journal from
the Radical Reformation 1 (Sommer 1992): 4-14. Siehe auch M.M.Mattison, The
Making of a Tradition. Neugedruckte nicht-trinitarische Werke, hauptsächlich aus
dem 19. und 20. Jahrhundert, sind nun von C.E.S., P.O. Box 30336, Indianapolis,
IN 46230 erhältlich.
49
Against Homogenes, Kap.3.
50
Commentary on John, ii,3
51
Ebenso, xiii, 35
52
Ebenso, vi, 23
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 275
das Objekt der höchsten Anbetung sein sollte.53 The Oxford Dictionary of
the Christian Church weist darauf hin, dass Origenes den Sohn als
„weniger göttlich als den Vater“ ansah. „Der Sohn ist theos (Gott oder
göttlich), doch nur der Vater ist autotheos (der absolute Gott, Gott in sich
selbst).“54
Die ersten „Apologeten“ und Kirchenväter waren nicht im selben Sinn
trinitarisch wie das spätere Bekenntnis von Nizäa. Diese Tatsache kann
durch das Lesen der Originalschriften dieser Vertreter des Glaubens oder
durch das Konsultieren von Standardautoritäten auf dem Gebiet der
Kirchengeschichte bestätigt werden. Ein deutscher Gelehrter des 19.
Jahrhunderts schrieb: „Das doktrinäre System der vor-nizänischen Kirche
ist unvereinbar mit dem Ausdruck und der Autorität der Formeln der
konstantinischen und byzanthinischen Konzile und auch mit dem
mittelalterlichen System, das auf diesen aufbaute.“55 Diese Tatsache ist
auch im 21. Jahrhundert klar ersichtlich. The Westminster Dictionary of
Christian Theology stellt fest, dass die Lehre von der Subordination „für
die vor-nizänische Christologie kennzeichnend war. Origenes glaubte zum
Beispiel an eine Hierarchie, in der Gott der Vater der Höchste war und das
Logos das verbindende Glied zwischen dem höchsten und dem
geschaffenen Dasein.“56 Das spätere Athanasianische Bekenntnis, das
durch das Konzil von Nizäa stark beeinflusst wurde, sprach den drei
Personen der Gottheit absolute Gleichheit zu. Wenn nun der Trinitarismus
die „ewige Sohnschaft“ Christi fordert, so waren die ersten nachbiblischen
Schreiber Häretiker und sogar Origenes schaffte kein Bekenntnis, welches
heute in den meisten trinitarischen Kreisen akzeptiert werden würde.
Schlussfolgerung
Es erscheint, als ob die trinitarische Expertenexegese oftmals den
Versuch schwächt, die Dreieinigkeit durch die Schrift zu begründen. Es
werden keine Texte vorgelegt, welche das orthodoxe Verständnis der
Trinität unterstützen und die nicht schon von Trinitariern anders
53
Treatise on Prayer, 15
54
„Origen“, ed. Cross and Livingstone (Oxford University Press, 1974, second
edition), 1009
55
C.C. Bunsen, Christianity and Mankind, 1: 464, zitiert bei Alvan Lamson, The
Church of the First Three Centuries, 181
56
Frances Young, „Subordinationism“ in The Westminster Dictionary of
Christian Theology, ed. Richardson and Bowden (Philadelphia: Westminster
Press, 1983), 553
276 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute
Wenn Jesus Gott wäre, dann müsste er immer existiert haben und eine
weitere Diskussion über seinen Ursprung wäre irrelevant. In Nizäa wurde
die Frage nach dem Ursprung Jesu offiziell beigelegt. Unter der Leitung
Konstantins und der griechischen Theologen des vierten Jahrhunderts
wurde der Glaube an die cosubstanzielle Göttlichkeit Jesu ein Hauptpunkt
im Glaubenssystem der Kirche und so blieb es auch weiterhin. Doch die
aufkommende trinitarische Theorie verursachte den Theologen ein
beträchtliches Problem. Wie sollten sie eine Gottheit bestehend aus zwei
(und später aus drei) Personen erklären und gleichzeitig behaupten, es
gäbe nur einen Gott? Die Einheit, die durch Konstantins Konzil erreicht
werden sollte, blieb in endlosen Debatten über die Natur Christi stecken.
Wenn Christus Gott wäre, und sein Vater Gott ist, würde das nicht zwei
Götter ausmachen?
Dieser Punkt war eine ständige Quelle der Verunsicherung. Die
Doketen lieferten eine Lösung. Gott war Einer, der als Jesus in einer
anderen Erscheinungsart auftrat. So war Jesus nicht eine wirklich andere
Person, sondern Gott in einer anderen Form. „So wie der menschliche
Körper Christ eine Erscheinung war, so waren auch sein Leiden und sein
Tod nur äußerer Schein: ‚Wenn er litt, war er nicht Gott. Und wenn er
Gott war, so litt er nicht.‘“ 1
Andere überlegten folgendermaßen: wenn der Vater einen Sohn
zeugte, so muss es eine Zeit gegeben haben, in welcher der Sohn nicht
existiert hatte. Die Entscheidung von Nizäa im Jahr 325 und später in
Chalcedon (451) war die, Jesus sowohl „wahrer Gott von wahrem Gott“
1
Paul Johnson, A History of Christianity, 90
278 Laufen wir einem anderen Gott nach?
wurde von den Führern der Church of England am 25. April 1551 in
Smithfield/England verbrannt.2
Zweihundertfünfzig Jahre später sah ein britischer
nonkonformistischer Priester, Joseph Priestley, aus Birmingham/ England,
sein Lebenswerk durch die Hände des Mobs in Flammen aufgehen.
Priestley war das Opfer des Feuers, welches durch die Entscheidung des
Konzils von Nizäa, alle Gegner zu unterdrücken, entfacht wurde. Er
glaubte, Gott sei nur eine einzige Person und Jesus ein sterblicher
Mensch, also entgegengesetzt zu den orthodoxen Entscheidungen des
konstantinischen Konzils. Dieser brilliante Wissenschafter und Priester,
ein Griechisch- und Hebräischlehrer, war zu dem Schluss gekommen,
dass vieles von dem, was als Christentum gelehrt wurde, nicht aus der
Bibel hergeleitet werden konnte. Seine Ansichten führten zu vielen
Angriffen. Sein Haus, seine Bibliothek, seine Papiere und seine Kapelle
wurden von einer meuternden Menge zerstört. Obwohl er ein starker
Verteidiger der Bibel gegen die Attacken von Kritikern und Verleumdern
war, machte ihn sein Verlassen des akzeptierten Glaubens zum
„Anathema“ (er sei verflucht) seitens seiner klerikalen Kollegen.
Was fanden diese Männer und viele andere, die mit ihrem Leben
dafür bezahlten, in der Bibel, was sie veranlasste, zu einer anderen
Überzeugung über die Natur Gottes zu kommen? Warum war diese
Überzeugung so stark, dass sie gewillt waren, alles dafür aufzugeben?
Warum fühlten sich religiöse Leiter so bedrängt, dass sie ihre Gegner mit
dem Tod bestraften? Warum führt auch heute noch die Infragestellung der
Trinität in manchen Kreisen zu solchem Aufruhr?
Wenn es auch nur eine unzweifelhafte biblische Aussage gäbe,
welche die außerordentliche Idee, der präexistierende Sohn Gottes sei
selbst wirklich Gott, sei zum Menschen geworden und sei auch in sich
selbst der Schöpfer aller Dinge, unterstützte, würden dann nicht alle, die
an eine solche Idee glauben, ein Gefühl der Sicherheit in sich tragen und
jene bemitleiden, die nicht daran glauben? Warum verzeichnet nur die
Geschichte so viel Gewalt und ungeheure Wut, die im trinitarischen
Verteidiger hochkommt, wenn er das verteidigt, was sogar er selbst als
verblüffendes Geheimnis bezeichnet?
Es ist schwer zu glauben, dass die Zustimmung zu einer solch
unmöglich schwierigen Behauptung das alles entscheidende Kriterium für
die Errettung sein sollte. Ein orthodoxer Bischof der Church of England
2
G.H. Williams, The Radical Reformation, 779, 780
280 Laufen wir einem anderen Gott nach?
„Wir sollten die Rangordnung der Personen der Trinität, wie sie uns in den
Worten von Mt. 28,19 beschrieben wird, in Erwägung ziehen. Zuerst der Vater,
dann der Sohn und dann der Heilige Geist; jeder dieser drei ist wahrhaftig Gott.
Das ist ein Geheimnis, das wir glauben müssen. Dennoch müssen wir sehr
sorgfältig damit umgehen, wie wir davon sprechen, denn es ist sowohl leicht und
auch gefährlich, sich beim Ausdrücken einer so großen Wahrheit zu irren. Wenn
wir daran denken, wie schwer es ist, sich die zahlenmäßig eine göttliche Natur in
mehr als einer und derselben göttlichen Person vorzustellen. Oder drei göttliche
Personen in nicht mehr als einer und derselben göttlichen Natur. Wenn wir davon
sprechen, ist es schwer, Worte zu finden, die das ausdrücken. Wenn ich sage, der
Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind drei, und doch ist jeder ausdrücklich
Gott, so ist das wahr. Doch wenn ich sage, sie sind drei, und jeder ist ein
verschiedener Gott, so ist es falsch. Ich könnte sagen, Gott der Vater ist ein Gott,
der Sohn ist ein zweiter Gott und der Heilige Geist ist ein weiterer Gott. Ich
könnte sagen, der Vater zeugte einen anderen, der auch Gott ist; dennoch kann
ich nicht sagen, er zeugte einen anderen Gott. Ich könnte sagen, vom Vater und
vom Sohn geht einer aus, der auch Gott ist; dennoch kann ich nicht sagen, vom
Vater und vom Sohn geht ein anderer Gott aus. Obwohl ihre Natur dieselbe ist,
sind ihre Personen verschieden; und obwohl ihre Personen verschieden sind, ist
dennoch ihre Natur dieselbe. Obwohl nun der Vater die erste Person in der
Gottheit ist, der Sohn die zweite und der Heilige Geist die dritte, so ist nun nicht
der Vater der erste Gott, der Sohn der zweite und der Heilige Geist ein dritter
Gott. Es ist so schwer, ein so großes Geheimnis in Worte zu fassen, oder so eine
hoch erhabene Wahrheit in richtige Ausdrücke zu fassen, ohne auf die eine oder
die andere Art davon abzuweichen.“3
Wenn wir uns auf die einfachen Aussagen der christlichen Dokumente
beschränken, was ist dort der Kern der biblischen Aussage über den
Ursprung Jesu? Ist es nicht klar ersichtlich, dass Jesus nicht daran glaubte,
der Schöpfer gewesen zu sein, wenn er sich auf Gott bezieht, „der sie als
Mann und Frau geschaffen hat?“ (Mk. 10,6). In Hebr. 4,4 sehen wir, dass
sich Gott am siebten Schöpfungstag ausruhte. Der Schreiber an die
Hebräer meint den Vater, wenn er sich auf „Gott“ bezieht (der Ausdruck
„Gott“ wird in einem zweitrangigen Sinn in Hebr. 1,8 für Jesus
3
Bishop Beverage, Private Thoughts, Part 2, 48, 49, zitiert bei Charles
Morgridge, The True Beleiver’s Defence Against Charges Preferred by
Trinitarians for Not Believing in the Deity of Christ (Boston: B. Greene, 1837),
16
Laufen wir einem anderen Gott nach? 281
verwendet). Von Jesus wird erzählt, dass er sagte, er sei nicht Gott (Mk.
10,18). Selbst ein flüchtiges Lesen des Matthäus- und Markusevangeliums
führt uns zum Schluss, dass Jesus bei seiner Geburt durch die Jungfrau
Maria ins Leben kam (Lk. 1,35). Das scheint auch genau das zu sein, was
das Alte Testament vom Messias erwartete, wenn wir nicht versuchen, die
Idee der Präexistenz in die alttestamentlichen Schriften hineinzulesen und
sie versehentlich den biblischen Schreibern zuzuschreiben.
Die kurze Zusammenfassung des Lebens Jesu durch Paulus ist keine
trinitarische Aussage: „Und anerkannt groß ist das Geheimnis der
Gottseligkeit: Der geoffenbart worden ist im Fleisch (d.h. als
menschliches Wesen)...aufgenommen in Herrlichkeit“ (1. Tim. 3,16).
Paulus glaubt, dass Jesus im Fleisch offenbart wurde – eine einfache
Aussage, wie der Erlöser den Menschen zuerst erschien. Es geschah als
menschliche Person. In diesem konzentrierten Bild des Messias findet sich
kein Hinweis auf eine Präexistenz als Engel oder Gott. Einige
Manuskripte fügten „Gott“ für die Worte „er, der“ ein. Viele moderne
Übersetzer bezeichnen diese Änderung als ungerechtfertigt. Es ist äußerst
unwahrscheinlich, dass „Gott“ in den ältesten Manuskripten vorkam.
Solche Einschaltungen, wie die bekannte, aber gefälschte trinitarische
Beifügung zu 1.Joh. 5,7, die von modernen Übersetzungen heute
ausgelassen wird, deuten an, dass jemand versuchte, dem ursprünglichen
Text eine neue Idee aufzuzwingen. Dieselbe Gewalt wird der Schrift in
der Vulgata (der lateinischen Bibelübersetzung) zugefügt, wenn sie die
Aussage: „Er ist dein Herr“ in „Er ist dein Herr, dein Gott“, abändert (Ps.
45,12). Die Änderung symbolisiert einen fatalen Verlust der Identität Jesu
als Messias.
Bemerkungen von Theologen und Historikern, welche die Tragödie,
welche die Christenheit im vierten und fünften Jahrhundert befallen hatte,
erkannten, könnten einen ganzen Buchband füllen. Ein früherer Professor
der Geschichte der Philosophie an der Universität Wien schrieb:
„Das Christentum heute ähnelt einem Baum, oder einem Wald, auf der Spitze
eines Berges: durch einen Sturm entwurzelt, sieht man plötzlich, wie wenig Erde
vorhanden war, um ihn aufrecht zu erhalten....Der Grund für diese alarmierende
Tatsache ist, dass das Christentum nicht im Erdreich verwurzelt ist, aus dem es
stammt – aus der jüdischen Frömmigkeit, der jüdischen Gottesfurcht, Liebe für
die Menschheit, Liebe für weltliche Vergnügungen, Freude am Gegenwärtigen
und Hoffnung für die Zukunft. Das Christentum brachte sich selbst durch die
Identifikation mit dem politisch-religiösen Staat Konstantins in eine gefährliche
282 Laufen wir einem anderen Gott nach?
Lage. Seit Johannes Paul XXIII ergaben sich einige Möglichkeiten, dem
konstantinischen Einfluss zu entkommen.“4
4
Friedrich Heer, God’s First Love (Weidenfeld and Nicolson, 1970), xiv,xv
Laufen wir einem anderen Gott nach? 283
sogar wenn es ein unhaltbarer Irrtum ist. Wir neigen dazu, den
hochgehaltenen Kirchentraditionen zuzustimmen. Oftmals sind wir von
der Autorität und Titeln eingeschüchtert. Selten halten wir inne und
überlegen, dass die religiöse Führung in den Händen jener ist, die sich
einem vorherrschenden Muster oder einer vorherrschenden Denkrichtung
angepasst haben und die für ihre Orthodoxie belohnt wurden. Doch
können unsere gegenwärtigen Konfessionssysteme, zwischen denen
schwerwiegende Konflikte und Meinungsverschiedenheiten bestehen, alle
ernsthaft Gott und die Wahrheit repräsentieren? Ein britischer
Bibelgelehrter und Autor von Artikeln über die Christologie gab in
Korrespondenz zu: „Meine Erfahrung ist die, dass Christologie ein
Gegenstand ist, bei dem manche nicht so offen sind, wie sie sein sollten,
besonders wenn sie als Kirchenmänner formell den traditionellen
Bekenntnissen verpflichtet sind.“
Das Beharren der Theologie auf dem Glauben an eine unbewiesene
Theorie, dass drei eins sind und eins drei ist - eine Theorie, die
zugegebenermaßen von niemandem verstanden oder erklärt werden kann -
legt auf das Christentum eine unerträgliche Last und belastet den
gesunden Menschenverstand eines jeden, der versucht, Gott in aller
Ernsthaftigkeit, die der Verstand aufbringen kann, anzubeten, so wie er
gelehrt wurde, es zu tun. Eine Aura der Heiligkeit auf ein nicht zu
beweisendes und unbiblisches Konzept zu legen, weil Theologen des
vierten Jahrhunderts gemeinsam mit einem „christlichen“ Kaiser die
Bedingungen des Glaubensbekenntnisses festlegten, erhebt blinde
Akzeptanz eines Dogmas über die ehrliche Suche nach der biblischen
Wahrheit.
Das Christentum hat zu Recht mit dem Finger auf die Welt gewiesen,
als sie versuchte, die unbewiesene Evolutionstheorie der Menschheit
aufzudrängen. Mit bemerkenswerter Schärfe enthüllten Gläubige die
orientalischen Wurzeln der modernen New Age Bewegung und warnten
vor ihr. Doch das Christentum erkennt nicht, dass es in seinem eigenen
doktrinären System eine Theorie über Gott beherbergt, die es von seinen
hebräischen theologischen Wurzeln und von Jesus entfernt, dessen
Verständnis Gottes von den Propheten Israels geformt wurde und nicht
durch Philosophie oder Kirchenkonzile.
Den Christen wurde erzählt, Konstantin, der mit dem Konzil, das den
trinitarischen Glauben einführte, eng verbunden ist, habe sich zum
Christentum bekehrt. Tatsächlich ereignete sich das Gegenteil. Der
schlaue politische Gigant nahm das Christentum unter seine Fittiche, um
Laufen wir einem anderen Gott nach? 285
seine politischen Ziele zu fördern. Eine große Anzahl von Christen fand
schließlich Zuflucht unter dem Schutz des konstantinischen Systems und
erfreut sich seitdem einer Arbeitsgemeinschaft mit den politischen
Kräften. Das Christentum bekehrte sich zu Konstantin und wurde mit
einer religiös-politischen Koalition verheiratet, deren Sponsor immer noch
Münzen zur Ehre seines Gottes prägen ließ - Sol Invictus, des
Sonnengottes - und nicht zur Ehre des Gottes der frühen Christen. Das
sind die nachprüfbaren Fakten der Geschichte, die dem Versuch von
Apologeten widerstehen, die Tatsachen zu interpretieren, um das
christliche Bild Konstantins zu fördern. Viele sind sich der Anpassung des
Christentums an das Heidentum und der Beeinträchtigung der wahren
Verehrung des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht bewusst. Der
auferweckte Sohn Gottes musste mit dem unbesiegbaren Sonnengott, Sol
Invictus, dem Gott Konstantins, in Wettkampf treten.
Das Christentum verschloss seine Augen gegenüber der biblischen
Realität und Einfachheit, als es sich zur Meinung entschloss, dass zwei
oder drei Personen den Einen Gott bilden. Die Verbreitung dieser
Mehrfach-Gottheit war einer der größten ideologischen Erfolge, die
jemals erzielt wurden. Er wurde mit Hilfe des Zwanges, des Schwertes,
der Folter und durch den massiven Druck einer Koalition aus
Kirchenvertretern und Staat, die sich in einer unheiligen Allianz
verbanden, erreicht, und er profitierte von einem geheimnisvollen
Konzept. Es nannte sich das „Heilige Römische Reich“, doch dieser Name
reflektierte kaum seine wahre Natur wieder.
Am Konzil von Nizäa exkommunizierte und verbannte Konstantin
nicht nur jene, die sich weigerten zuzustimmen, sondern er verbrannte
auch Briefe, die Beschwerden oder Kontroversen enthielten. Das war eine
tragische Unterdrückung von unliebsamen Tatsachen und die Geschichte
ist voll von parallelen Beispielen. Indem Jesus als Gott verkündigt wurde -
als ein weiterer, zusätzlich zum Vater – lief das Christentum wirklich
einem anderen Gott nach (Ps. 16,4). Es gereichte ihm zur Schande und
zum Leid, dass es mit dem historischen Mann Jesus, dem Messias,
handelte, dessen Verlangen als der einzigartige menschliche Vertreter
Gottes es war, die Menschen zu dem Einen Gott zu führen; an seiner
Stelle wurde der Gott-Mann erhoben. Die griechische Mythologie
triumphierte über die hebräische Theologie. So verkaufte das Christentum
sein Erstgeburtsrecht.
Die bestehende Religion hatte versagt, Christus und seine Botschaft
während seiner kurzen Pilgerfahrt auf der Erde anzunehmen. Auch seine
286 Laufen wir einem anderen Gott nach?
nimmt ihn in den Ausdruck „wahrer Gott“ mit hinein. Jesus und Gott
werden ausdrücklich unterschieden, wenn sie gemeinsam genannt werden.
Sie sind zwei eigenständige und verschiedene Personen. Es gibt ungefähr
1350 unitarische Aussagen im Neuen Testament, neben tausenden im
Alten Testament. Diese kommen immer dann vor, wenn der Vater Gott
genannt wird. Jesus wird nur zweimal sicher Gott genannt (aber in einem
anderen Sinn, Joh. 20,28; Hebr. 1,8). Johannes 1,14 sagt aus, dass das
Wort, welches (nicht: welcher) Gott vollständig ausdrückte – theos – ein
Mensch wurde, der Mann Jesus. Die ständige Verwendung von „Gott“ für
den Vater deutet kaum darauf hin, dass Er und Jesus „völlig gleicher
Gott“ sind. In den alttestamentlichen Aussagen über Gott kommen
persönliche Fürwörter in der Einzahl ungefähr 11 000 Mal vor und zeigen
uns, dass Gott eine einzelne Person ist.
Die Formel des Konzils von Chalcedon - „Jesus ist wahrer Gott von
wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, aus der gleichen Substanz wie
der Vater“ und „ebenso vollständig im Gott-Sein, ebenso vollständig im
Mensch-Sein, wahrer Gott und wahrer Mensch“- ist so verwundbar, dass
ein römisch-katholischer Gelehrter fordert: „Der Bedarf einer
vollständigen Neueinschätzung des Glaubens der Kirche über Christus bis
zum heutigen Tag ist sehr dringend gegeben.“6
Baillie gab zu, dass „viele nachdenkliche Leute, die sich heutzutage
zum Evangelium hingezogen fühlen, von der Lehre der Dreieinigkeit
vollständig verwirrt werden - von der Idee, dass Gott in Jesus nur in einer
anderen Gestalt erschien – und das viel häufiger passiert, als wir
Theologen es erkennen.“7 Einer der führenden Sprecher des
fundamentalistischen Evangelikalismus bemerkte bei einer landesweiten
Fernsehübertragung, dass niemals ein Theologe in der Lage sein wird, ihm
die Lehre der Dreieinigkeit zu erklären. Das scheint zu bedeuten, dass
man in der Frage der Trinität einfach sein Vertrauen auf die Beschlüsse
der Kirchenväter des vierten und fünften Jahrhunderts setzen muss. Aber
dürfen wir die Frage stellen: Wer gab diesen griechischen Theologen das
Recht, die christliche Theologie für alle Zeiten zu bestimmen? Wer gab
ihnen die Macht, unfehlbar zu erklären, dass die Gottheit aus drei ewigen
Personen besteht?
6
Aloys Grillmeier, S.J. Christ in Christian Tradition (Atlanta: John Knox Press,
1975), 1: 557.
7
God Was in Christ, 29.
288 Laufen wir einem anderen Gott nach?
„Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine göttliche Kraft als auch seine
Göttlichkeit, wird seit der Erschaffung der Welt an in dem Gemachten
wahrgenommen......Weil sie Gott kannten, ihn aber weder als Gott
verherrlichten......sondern in ihren Überlegungen der Torheit
verfielen..........welche die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem
Geschöpf Verehrung und Dienst dargebracht haben statt dem Schöpfer (Röm
1,20, 21, 25)
Nun sprechen wir darüber, wie großartig Mutter Natur ist. Wir haben
den Vatergott, den Schöpfer, aus unseren Gedanken verbannt. Wenn es
nach verschiedenen Leuten geht, dann dürfen wir nicht länger von Gott als
Vater sprechen, denn sonst erscheinen wir sexistisch. Der Verlust einen
klaren Anschauung über den Einen Gott öffnete die Schleusentore des
sogenannten New Age Denkens; jedermann nennt sich selbst Gott (oder
göttlich) und wartet auf die Selbstentdeckung. Diese Philosophie ist nicht
wirklich neu. Es handelt sich um eine alt-orientalische Idee, die zuallererst
Adam und Eva mit den Worten präsentiert wurde: „Sondern Gott weiß,
dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr
sein werdet wie Gott“ (1. Mo. 3,5). Das Streben nach Wissen ist
gerechtfertigt, aber es muss die wahre Erkenntnis des wahren Gottes sein.
Alles andere ist nutzlos.
Ein Abgleiten in den Polytheismus war unvermeidlich, sobald der
Gott der Juden abgelehnt wurde. Das Christentum hatte die Voraussage
des Psalmisten David erfüllt, als dieser sagte: „Zahlreich sind die
Schmerzen derer, die einem anderen Gott nachlaufen“ (Ps. 16,4). Der
Apostel Paulus warnte die Gemeinde des ersten Jahrhunderts: „Denn
wenn der, welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht
gepredigt haben......so ertragt ihr das recht gut“ (2. Kor. 11,4). Es ist
unmöglich, in den Schriften von Paulus einen präexistenten Gott/Sohn zu
entdecken, es sei denn, man verleugnet seine primären Glaubensaussagen
über den Sohn Gottes, „der aus der Nachkommenschaft Davids
gekommen ist dem Fleische nach“ (Rö. 1,3; vgl. Gal. 4,4). Das Zeitwort,
welches Paulus hier verwendet, bedeutet einfach „kommen“, „ins Dasein
kommen“, d.h. von einer Frau (Gal.4,4), die selbst eine Nachkommin
Laufen wir einem anderen Gott nach? 289
„Es ist möglich, dass er in den beiden Passagen, in denen er davon spricht,
Gott habe Seinen Sohn geschickt (Rö. 8,3 und Gal. 4,4) andeuten will, der Sohn
Gottes sei präexistent gewesen und sei als Jesus zu Fleisch geworden; doch es ist
ebenso wahrscheinlich, oder sogar noch viel wahrscheinlicher, dass die
Bedeutung bei Paulus an diesem Punkt nicht so weit ging und er und seine Leser
Jesus einfach als jemanden sahen, der von Gott beauftragt war und der völlig die
Zerbrechlichkeit des Menschen, seine Knechtschaft und die Versuchung zur
Sünde teilte und dessen Tod die befreiende und verändernde Absicht Gottes für
den Menschen erwirkte.“8
8
Christology in the Making,46, Hervorhebung beigefügt
290 Laufen wir einem anderen Gott nach?
seinem Erdendasein ein Leben im Himmel hatte. In der Schrift waren die
Propheten und Johannes der Täufer ebenfalls „gesandt“. Jeremia war
vorhergesehen, aber nicht präexistent.9 Jesus kam zuerst ins Dasein und
wurde dann gesandt (Apg. 3,26). Das ist Sendung nach seiner Geburt,
nicht die Ankunft aus einer vormenschlichen Existenz.
9
Vgl. Jer. 1,5 mit 1. Petr. 1,20 und siehe Jer. 1,7; 7,25; Joh. 1,6
Laufen wir einem anderen Gott nach? 291
ist hier unausweichlich, ebenso wie in den Aussagen von Paulus, in denen
„Glaube an die Wahrheit“ völlig entgegengesetzt zur Schlechtigkeit
verwendet wird und wo die Errettung von der „Liebe der Wahrheit“
abhängt (2. Thess. 2,10-13).
Der Prophet Jeremia gab sich keiner Illusion über die Bedeutung des
Kennens des Gottes Israels hin, als er sagte: „Der Weise rühme sich nicht
seiner Weisheit und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke.....sondern
wer sich rühmt, der rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu
erkennen...(Jer. 9,23-24). Er fuhr fort zu bestätigen: „Aber der Herr ist in
Wahrheit Gott“ (Jer. 10,10), eine Wahrheit, die von Jesus wiederholt
wurde, als dieser später sagte: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie
dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hat, Jesus Christus,
erkennen“ (Joh. 17,3).
Mit einer auffallenden Beharrlichkeit besteht die Bibel auf der
einzigartigen Persönlichkeit des Einen Gottes, des Schöpfers und Vaters,
und auf der Notwendigkeit, diesen Einen Gott, den Vater, und Seinen
Sohn, den Messias, zu kennen. Diese ausdrücklich monotheistischen
Texte vertreiben jede Idee, dass es mehr als Einen geben könnte, der
wahrer Gott ist. Die Schrift widerspricht der Idee, dass wir die Freiheit
haben, unsere Ansicht über Gott dem kulturellen Umfeld anzupassen, wie
gut unsere Absichten auch sein mögen. Das zu tun, bedeutet das
Heidentum und schließlich auch den Polytheismus, welcher das Ende des
wahren Glaubens ist, zu umwerben.
Christen in aller Welt sind herausgefordert, sich der uralten Frage
„Was ist die Wahrheit?“ zu stellen. Wo sich zwei entgegengesetzte
Anschauungen präsentieren, da ist es die Aufgabe des
Wahrheitssuchenden zu entscheiden, welche, oder ob überhaupt eine,
wahr ist. Wir wagen es nicht, der Herausforderung zu entkommen, indem
wir versichern, die Wahrheit sei schwer zu definieren oder unerreichbar.
Das würde gleichbedeutend sein mit der Frage des Pilatus bei der
Verhandlung gegen Jesus: „Was ist Wahrheit?“ (Joh. 18,38). Das war
mehr als eine aufrichtige Frage, es war eine Philosophie, die den Glauben
an eine erreichbare absolute Wahrheit zurückwies. Es implizierte im guten
Stil der späten Aufklärung, dass eine Wahrheit ebenso gültig ist wie eine
andere. Der Anspruch Jesu, er sei in die Welt gekommen, um Zeugnis für
die Wahrheit abzulegen (Joh. 18,37), wird ignoriert. Die Ansicht, jede
Wahrheit sei relativ, leugnet die Verheißung Jesu: „Ihr werdet die
Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8,32).
292 Laufen wir einem anderen Gott nach?
Der Apostel Paulus anerkannte keinen Moment lang, dass der Irrtum
eines anderen denselben Wert wie seine Wahrheit hatte. Seine düstere
Warnung an die Gemeinde in Thessaloniki betreffend einer großen
Verführung, die über die Welt kommen sollte und welche das Verderben
jener sein sollte, welche die Wahrheit nicht liebten, sollte nicht ungehört
verstummen. Er sagte ganz deutlich, dass es Gott selbst ist, der ihnen eine
wirksame Kraft des Irrwahns sendet, dass sie der Lüge glauben, „weil sie
die Liebe der Wahrheit zu ihrer Errettung nicht angenommen haben“ (2.
Thess, 2,10-11). Er wiederholte diese Warnung an Timotheus: „Denn es
wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen“, sondern nur
jenen zuhören werden, die ihren menschlichen Begierden Vorschub
leisten. Als Resultat würden sie sich von der Wahrheit abkehren und zu
den Fabeln hinwenden (2.Tim. 4, 3-5). Er sprach nicht über unwichtige
theologische Punkte, sondern über schwerwiegende Irrtümer und Fabeln,
welche zu geistlicher Blindheit, falschen Zielen und Göttern, Ungehorsam
gegenüber Gott und zum Tod führten. Neunzehn Jahrhunderte später
möchte ein scharfsinniger Beobachter der zeitgenössischen Kirche wissen,
wieso es solche Spaltungen in der wichtigen Frage der Identität des Einen
Gottes und Jesu gibt. Wir können die Quelle dieses Problems bis zu einem
Bruch mit der wertvollsten aller Glaubensaussagen, nämlich dass es nur
Einen Gott, den Vater, gibt, und keinen neben ihm, zurückverfolgen (1.
Kor. 8,4,6). John Locke sah die traditionelle Theologie als wertlos an, da
sie nicht primär an der Wahrheit interessiert war. Er machte diese
kraftvolle Aussage in einem Essay Concerning Human Understanding im
Jahre 1661:
„Jeder, der wirklich ernsthaft nach der Wahrheit forschen will, sollte
zuallererst seine Gesinnung mit einer Liebe zu ihr ausstatten. Denn wer sie nicht
liebt, der wird nicht viele Schwierigkeiten auf sich nehmen, um sie zu erlangen;
er wird auch nicht sehr besorgt sein, wenn er sie nicht findet. Es gibt niemanden
im Staat, der sich nicht als Liebhaber der Wahrheit bezeichnen würde; und es gibt
kein rationales Wesen, das es nicht übelnehmen würde, wenn von ihm anders
gedacht würde. Und doch kann man trotz allem sagen, dass es sehr wenige
Liebhaber der Wahrheit um ihrer selbst willen gibt, selbst unter jenen, die sich
selbst überzeugen, dass sie welche sind.“10
Wenn man der scharfsinnigen Analyse und Aufdeckung der New Age
Theologie unserer Zeit durch das Christentum folgt, so ist nun die Zeit
10
Zitiert bei Paul Johnson in A History of Christianity, 355
Laufen wir einem anderen Gott nach? 293
„Wenn Jesus eine Formel für die Religion, die er lehrte, hätte einführen
wollen, so hätte es einen perfekten Moment dafür gegeben, der im
Markusevangelium beschrieben wird. Ein Schriftgelehrter, so wird erzählt, fragte
ihn: „Welches ist das erste Gebot von allen?“ Das war die Gelegenheit, bei der
Jesus eine dieser charakteristischen Verdrehungen hätte einbringen können,
indem er etwas Neues brachte, das ihn selbst einbezog, wenn er wirklich gewollt
hätte, dass wir glauben, er sei ein Mitglied einer Trinität, gleichberechtigt mit
Gott, dem Vater. Statt dessen griff er ohne zu zögern auf seine jüdischen Wurzeln
zurück.“12
11
„The Calling of the Jews“ in den gesammelten Essays über Judaism and
Christianity
12
Jesus, The Evidence, 176, 177
294 Laufen wir einem anderen Gott nach?
13
Mt. 4,17, 23; 9,35; 13,19; 24,14; Mk. 1,14, 15; Lk. 4,43; 8,1, 12; ),2; 6,11; Apg.
8,12; 19,8; 20,25; 28,23, 31; 2.Tim. 4,1,2. Für eine Untersuchung des christlichen
Evangeliums über das Reich Gottes, siehe Anthony Buzzard, The Coming
Kingdom of the Messiah: A Solution to the Riddle of the New Testament
(Restoration Fellowship, 1988).
13. EIN AUFRUF ZU EINER RÜCKKEHR ZUM BIBLISCHEN
CHRISTUS
„Ich sollte dich, o Leser, über den Ursprung der Lehre der
Dreieinigkeit informieren:
Du kannst versichert sein, sie kommt nicht aus der Bibel und auch
nicht aus dem Verstand.“
- William Penn
1
Twelve More New Testament Studies, 172, Hervorhebung beigefügt.
2
„Dunn on John“, Theology 85 (Sept. 1982), 235
296 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
und den Geist, die vom Vater in die Welt gesandt wurden, wurde in eine
Sprache der ewigen und internen Beziehungen zwischen den Personen der
Gottheit transponiert und Worte wie „Zeugung“ oder „Ausströmen“
wurden in technische Ausdrücke umgewandelt, die im neutestamentlichen
Gebrauch nicht bewiesen werden können.“3
Als Augustinus mit Joh. 17,3, wo der unitarische Monotheismus von
Johannes am klarsten zum Ausdruck kommt, konfrontiert wurde, da
wurde dieser dazu getrieben, eine Änderung des Textes vorzuschlagen,
um Jesus Christus innerhalb des Ausdrucks „allein wahrer Gott“
unterzubringen. Er schlug vor, den Vers folgendermaßen neu zu
konstruieren: „Das ist das ewige Leben, dass sie dich und Jesus Christus,
den du gesandt hast, als den allein wahren Gott erkennen.“4 Augustinus
hatte eine Tradition geerbt, in welcher der biblische Monotheismus so
erweitert wurde, dass eine zweite Person als allerhöchstes Wesen mit
eingeschlossen wurde.
Die Veränderung der Schrift durch Augustinus mit dem Zweck, sie
seinem System anzupassen, ist das unvermeidliche Resultat des Versuchs,
die grundsätzlich hebräischen Schriften in Bezeichnungen der fremden
Gedankenwelt der griechischen Philosophie auszudrücken. Dieser
Versuch muss aufgegeben werden. Die griechische Philosophie denkt in
Ausdrücken des „Daseins“ und „Wesens“. Dinge sind miteinander
verwandt, weil sie aus demselben „Stoff“ oder „Material“ bestehen.
Objekte, die eine grüne Farbe aufweisen, teilen das „Wesen“ von
„Grünheit“. Ebenso argumentierten nachbiblische Theologen, teilen der
Vater, der Sohn und der Heilige Geist eine gemeinsame Qualität des
„Gott-Seins“. Diese Tatsache ist ganz offensichtlich, aber es ist leider ein
sehr unbrauchbarer Weg, die Fülle und Reichhaltigkeit der biblischen
Angaben zu beschreiben. Es verwischt die scharfe biblische Definition des
Einen Gottes, Seines Sohnes und des Heiligen Geistes. Uns erscheint die
Lehre der Trinität wie die Behauptung, ein Flugzeug, ein Auto und ein
Dreirad seien grundsätzlich dasselbe. Sie besitzen alle drei die Qualität
„Transportmittel“. Darin liegt Wahrheit, aber es ist nicht die ganze
Wahrheit. In Wirklichkeit sind diese drei Dinge sehr verschieden. Es ist
eben dieser Unterschied zwischen dem Vater, dem Sohn und dem
Heiligen Geist, der durch das Dogma, sie alle seien „ein Gott“, verwischt
3
J.A.T. Robinson, Twelve More New Testament Studies, 172, Hervorhebung
beigefügt
4
Siehe seine Homilies on John, tractate CV, Kap. 17
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 297
wird. Die Tatsache, dass der Sohn Gottes laut Lukas einen Anfang hatte,
wird durch die Lehre, der Sohn habe nie einen Anfang gehabt, erdrückt.
Der Einfluss der griechischen Philosophie war eine Katastrophe,
besonders weil er verzweifelte Versuche auslöste, den Text der Bibel zu
manipulieren, um ihn in die Form der späteren Glaubensbekenntnisse zu
pressen.
Ein weiterer bekannter Gelehrter in Bezug auf das Neue Testament
bemerkt, indem er den nachbiblischen Ansichtswechsel über die Gottheit
dokumentiert, dass „es in der johanninischen Theologie keine Grundlage
für die spätere scholastische Theologie des Ausströmens des Sohnes aus
dem Vater innerhalb der Trinität durch „Zeugung“ gibt.“5 Die Vorstellung
eines Sohnes Gottes, der in der Ewigkeit gezeugt wurde, ist der Bibel
fremd. Der Jesus der Bibel ist Sohn Gottes durch die Jungfrauengeburt
(Lk. 1,35) und als solcher „in Kraft“ eingesetzt durch die Auferstehung
(Rö. 1,4). Dennoch wurde der Glaube an die ewige Zeugung des Sohnes
zum Zeichen für den orthodoxen Glauben und eine Notwendigkeit für die
Errettung.
Raymond Brown gibt zu, dass nicht-biblische Ausdrucksweisen in die
Sprache über das Kommen Jesu von Gott im Johannesevangelium
eingesetzt wurden. Als Kommentar über Joh. 8,42, „Denn ich bin von
Gott ausgegangen und gekommen“, schreibt er:
„Der Ausdruck ‚von Gott‘ fand in der Formel ‚Gott von Gott‘ einen Eingang
in das nizänische Glaubensbekenntnis. Theologen gebrauchten diese Passage als
Beschreibung des ‚Innenlebens‘ der Trinität, die zeigt, wie der Sohn aus dem
Vater hervorgeht. Doch der Gebrauch des Aorists zeigt eher, dass sich die
Bemerkung vielmehr auf die Sendung des Sohnes bezieht.“6
Ähnliches sagte Jesus: „Ich bin von dem Vater ausgegangen“ (Joh.
16,28). Brown warnt uns, dass „‚von‘ (ek) theologisch nicht als Beziehung
innerhalb der Trinität zwischen Vater und Sohn interpretiert werden
kann.“ Der Ausdruck meint nicht das, was „spätere Theologie das
Ausströmen des Sohnes“ nannte.7 Mehr noch, Brown zeigt, dass in Joh.
8,47 der Ausdruck „von Gott“ (ek tou theou) dazu verwendet wird „einen
5
Edward Schillebeeckx, Christ, (London: SCM Press, 1980), 875, Fußnote 57
6
The Gospel of John, Anchor Bible (New York: Doubleday & Co., Inc., 1966),
357
7
Ebenso, 274
298 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
normalen Gläubigen zu beschreiben: ‚den Mann, der aus Gott ist“. 8 Die
Sprache, die für Jesus gebraucht wird, gilt auch für die Christen. So auch
in Joh. 17,8: „Ich bin von dir ausgegangen“, „bezieht sich auf die Mission
des Sohnes in der Welt und nicht auf eine Ausströmung innerhalb der
Trinität.“9 Wir möchten hinzufügen, dass die „Sendungstexte“, die
manchmal als Beweis für die ewige Präexistenz des Sohnes gebraucht
werden, dem Gewicht, welches auf sie gelegt wird, nicht standhalten
können. Dieselben Worte werden für die Gläubigen gebraucht, die ebenso
„gesandt“ sind, wie Jesus gesandt wurde (Joh. 17,18; 20,21).
Trotz dieses klaren Zeugnisses missdeuten Kommentatoren immer
noch die Absichten von Johannes im Interesse der Förderung der
nizänischen Theologie. Plummer sagt dogmatisch, doch ohne Grundlage
im Text: „‚Ich kam von‘ beinhaltet die ewige Zeugung des Sohnes.“10 Das
scheint ein Beispiel für das Lesen des Johannesevangeliums innerhalb des
nachbiblischen Rahmens zu sein, anstatt anzuerkennen, dass Johannes
nicht „einen Fuß in der Welt der griechischen Philosophie und den
anderen in der Welt der nizänischen Theologie hatte, wie so oft behauptet
wird.“11
Die sogenannten Kirchenväter des dritten und vierten Jahrhunderts
änderten die Sprache der Bibel, indem sie ihre eigenen philosophischen
Bedeutungen in die biblischen Worte hinein lasen, anstatt den
Schrifttexten zu erlauben, in ihrem eigenen hebräischen und
messianischen Zusammenhang zu ihnen zu sprechen. Das Resultat war
eine Rekonstruktion der Person Jesu, die ihn zu einer Abstraktion machte,
entgegengesetzt zur klaren und durchsichtigen Aussage bei Lukas, Jesus
sei durch die übernatürliche Empfängnis in Maria eine neue Schöpfung:
„Heiliger Geist (pneuma hagion) wird über dich kommen (Maria) und die
Kraft des Höchsten wird dich überschatten, und darum wird auch das
Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk.
1,35).
Das ist eine Sohnschaft in der Geschichte und nicht in der Ewigkeit.
Sie erfüllte perfekt den großen Grundtext in 2. Sam.7,14, die Verheißung
an David, dass Gott in der Zukunft der Vater eines Nachkommen werden
würde. Die Sohnschaft des Messias ist in einem historischen Ereignis
8
Ebenso, 725
9
Ebenso, 744
10
Gospel of John, Cambridge Bible for Schools and Colleges (Cambridge
University Press, 1882), 296
11
J.A.T. Robinson, Twelve More New Testament Studies,178
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 299
etwa im Jahre 3 v. Chr. fest gegründet. Seine Zeugung geschah, als Gott
den Sohn in Existenz brachte (Apg. 13,33, Zitat von Ps.2,7)12
Das Ergebnis der falschen Lesart der biblischen Ausdrucksweise
seitens der Kirchenväter war die Schaffung eines trinitarischen Jesus, der
in der Substanz dem Einen Gott gleich ist. Doch im Johannesevangelium
ist es klar, dass:
„Jesus den Anspruch, Gott zu sein zurückwies (Joh. 10,33) und in keiner
Weise versuchte, sich die Position des Vaters anzueignen.....Jesus ist bereit, die
Anklage zurückzuweisen, er fordere durch das Nennen Gottes als seinen Vater
Gleichheit mit Gott (Joh. 5,18). Er versteht sich als Sohn Gottes (10,36) und weist
energisch die Blasphemie, Gott oder dessen Ersatz zu sein, ab.“13
Jacob Jervell stimmt zu: „Jesus ist nicht Gott, sondern Gottes
Vertreter und als solcher handelt er völlig an der Stelle Gottes und er steht
vor der Welt an Gottes Statt. Das Evangelium sagt deutlich aus, dass Gott
und Jesus nicht als identische Personen gesehen werden, z.B. in 14,28,
‚Der Vater ist größer als ich.‘“14
Paradoxerweise schrieb die orthodoxe Theologie Jesus zu, den
Anspruch, Gott zu sein, erhoben zu haben – eine Blasphemie, die er
missbilligte, indem er seinen Anspruch, Gottes Sohn zu sein, verteidigte.
Sohn Gottes ist ein rechtmäßiger Titel für den obersten Repräsentanten
Gottes seit die Richter als Götter angesprochen wurden (Joh. 10,34; Ps.
82,6), was für Jesus dem Ausdruck „Sohn Gottes“ gleichkam (Joh. 10,36).
Der Sohn Gottes zu sein bedeutete, dem Vater vollständig gehorsam zu
sein, also die Idealstellung Israels, dessen Bürger bestimmt waren „Söhne
des lebendigen Gottes“ zu sein (Hosea 1,10). „Sohn Gottes“ ist auch ein
anerkannter Titel des Messias, des von Gott erwählten Königs.15 Johannes
schrieb das gesamte Evangelium, um die Messiasrolle Jesu zu beweisen
(Joh. 20,31). Überall im Neuen Testament wird Jesus als der „Herr
Messias“ oder „Herr Jesus Messias“ verkündet.16 Der Ausdruck „Herr“
bedeutet nicht, wie oftmals angenommen wird, dass Jesus der Herr Gott
12
Apg. 13,34 fährt fort, über die Auferstehung Jesu zu sprechen.
13
Ebenso, 175, 176
14
Jesus in the Gospel of John (Minneapolis: Augsburg, 1984), 21
15
Ps. 2,6-7; 89,26,27,35,36; Mt. 16,16; 2. Sam. 7,14
16
Siehe auch Lk. 2,11 bezügl. des messianischen Titels christos kurios – Herr
Messias
300 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
ist (was das trinitarische Problem mit sich bringt). Jesus ist der „Messias-
Herr“, basierend auf Psalm 110, 1, wo der zweite „Herr“ der verheißene
Messias ist. Petrus wusste, dass dieser Psalm die Salbung Christi zum
„Herrn“ beschreibt (Apg. 2,34-36). Die große Bedeutung von Psalm 110,1
für die neutestamentliche Christologie wurde von den Trinitariern
weitgehend ignoriert. Die Tatsache, dass dieser Vers im Neuen Testament
öfter zitiert wird als jeder andere Vers der hebräischen Schriften, sollte
uns für seine entscheidende Bedeutung achtsam machen. Die Verwendung
von adoni und nicht adonai bei der Bezeichnung des Messias in dieser
göttlichen Weissagung hätte Studenten der Bibel abhalten sollen, Jesus als
Gott zu sehen.
Natürlich beanspruchte Jesus, für Gott als dessen Vertreter zu
handeln. Seine Worte sind die Worte Gottes. Seine Werke sind die Werke
Gottes; und der Vater übertrug ihm das Recht, Sünden zu vergeben, die
Welt zu richten und sogar Tote wieder aufzuwecken. So kommt es, dass
alttestamentliche Verse, die Jahwe zum Mittelpunkt haben, im Neuen
Testament auf die Aktivität des Sohnes angewendet werden können, da
dieser ja für Jahwe handelt. Trinitarier scheitern daran, das hebräische
Prinzip der Vertretung zu verstehen, wenn sie versuchen, aus diesen
Versen zu zeigen, dass Jesus Jahwe ist. Er ist nicht Jahwe, sondern dessen
hoch erhobener Vertreter. Die Gleichheit der Funktion Jesu mit dem Vater
bedeutet nicht, dass Jesus Gott ist. Solch eine Idee ist im
Johannesevangelium, das darauf besteht, dass der Vater der „allein wahre
Gott“ (Joh. 17,3) und der „alleinige Gott“ (Joh. 5,44) ist, eine
Unmöglichkeit. „Es sollte bemerkt werden“ sagt Robinson, „dass
Johannes ein ebenso unbeirrbarer Zeuge für die fundamentale Grundlehre
des Judentums, nämlich für den unitarischen Monotheismus, ist, wie jeder
andere im Neuen Testament. Da gibt es den einen wahren und einzigen
Gott (Joh. 5,44; 17,3); alle anderen sind Götzen (1. Joh. 5,21).17
Es scheint nun sehr vernünftig, dass die Schrift zuallererst innerhalb
ihres sprachlichen und kulturellen Rahmens gelesen werden sollte. Vor
allem ihre Grundlage in dem Shema Israels sollte bemerkt werden. Zur
Zeit „hören“ Leser und Kommentatoren der Bibel Johannes instinktiv in
der Weise, die sie von den Bekenntnissen gelehrt bekamen und sie lesen
ihn durch Brillen, die durch griechische Philosophie getrübt sind.
17
Twelve More New Testament Studies,175
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 301
18
W. Sanday, „Son of God“, in Hastings Dictionary of the Bible, 4: 576,
Hervorhebung hinzugefügt.
19
Vgl die Beobachtung Buswells, dass „wir mit Bestimmtheit sagen können, die
Bibel habe nichts über die ‚Zeugung‘ als eine ewige Beziehung zwischen Vater
und Sohn zu sagen“ (A Systematic Theology of the Christian Religion,
Zondervan, 1962, S. 111). Doch ohne Lehre der ewigen Sohnschaft fällt die
Lehre der Trinität in sich zusammen.
302 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
„ ‚Jesus ist Gott‘ scheint einer dieser provokativen Wege (den Glauben an
die Göttlichkeit Jesu zu beschreiben) zu sein. Für mich hat es dieselbe
Anstößigkeit wie die Beschreibung Marias als Mutter Gottes.......Im
Griechischen, und im ersten Jahrhundert, konnte man sagen ‚Jesus ist Gott‘. Doch
die englische oder deutsche Übersetzung ist nicht einfach ‚Jesus ist Gott‘ (‚Jesus
is God‘), sondern, wie ich es als an seine Göttlichkeit Glaubender sage, „er ist
göttlich“ (im Englischen: ‚he is god‘ - nicht ein Gott, sondern ein Wesen, in dem
die Natur, die dem einen Gott gehört, ist)....Eine Art der Behauptung, die in
unserem Sprachgebrauch auf die völlige Gleichheit von Jesus und Gott hindeutet,
tut der Wahrheit Unrecht.“21
20
Matthew Black, Romans, New Century Bible (Marshall, Morgan and Scott,
1973), 35
21
Letters of Principal James Denny to W. Robertson Nicoll, 124,125
22
J.A.T. Robertson, Twelve More New Testament Studies, 142
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 303
23
J.A.T. Robinson, Twelve More New Testament Studies, 142.
304 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
sei „noch nicht hinaufgestiegen“ (Joh. 20,17), sondern sei in Erfüllung der
Vision Daniels über den Menschensohn (Joh. 6,62) dazu bestimmt. Seine
Herrlichkeit war für ihn vor Grundlegung der Welt bereitet worden (Joh.
17,5) und er war als Gottes höchster menschlicher Vertreter, als Messias,
lange vor Abraham auserwählt worden (Joh. 8,58). Er hatte als
menschlicher Sohn Gottes im göttlichen Plan präexistiert. Keine Stelle im
Johannesevangelium spricht von „Gott, dem Sohn“, der im Himmel
präexistiert hatte. Das Denken Jesu ist durch den Gedanken bestimmt, er
müsse ausführen, was im Plan Gottes vorherbestimmt und im Voraus
aufgeschrieben worden war: „Musste nicht der Christus dies leiden und in
seine Herrlichkeit hineingehen?.....Alles muss erfüllt werden, was über
mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und in den Propheten und
Psalmen“ (Lk. 24,26, 44).
Der Gedanke einer wirklichen Existenz vor der Zeugung führte
schließlich zu der furchtbaren Komplexität und zu den Konflikten über die
Natur Jesu, die nie geklärt wurden. Durch die Einführung der
dogmatischen Christologie (in Nizäa und Chalcedon), die eine offizielle
Lösung der Probleme diktierte, wurden alle Argumente zum Schweigen
gebracht. Doch versucht diese Lösung, das Thema hauptsächlich auf Basis
der gänzlich jüdischen Theologie von Johannes zu verstehen, die von den
Griechen so leicht und tragisch missverstanden wurde. Die Opfer dieses
Streits über die Naturen Gottes und Jesu waren die zentralen Wahrheiten
über den Ein-Personen-Gott und das wahre Mensch-Sein Christi.24 Da der
Weg zum ewigen Leben mit einem richtigen Verständnis des Vaters als
allein wahrer Gott und Jesu als Messias (Joh. 17,3) beginnt, sollten
Bibelleser wachsam sein für den Schaden, der dem Glauben
möglicherweise zugefügt wurde, als philosophisch orientierte Griechen
das Johannesevangelium ohne feste Grundlage im Alten Testament lasen
und auch mit zu wenig Respekt für die Christologie von Matthäus,
Markus, Lukas und der Apostelgeschichte, welche vorschnell als
„primitiv“ abgetan wurden. In diesem Zusammenhang sind die Worte
Karl Rahners eine Ermutigung, zur frühen Christologie zurückzukehren.
Er gesteht ein:
24
Joh. 17,3; 5,44; 5.Mo. 6,4; Mk. 12,29 ff.; 1. Kor. 8, 4-6; Eph. 4,6; 1. Tim. 2,5;
Judas 25.
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 305
Messias und sei als solcher durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung
zum Herrn geworden. Man stimmt darin überein, diese Behauptung sei einfach
ohne die Lehre der metaphysischen Sohnschaft, wie wir sie kennen und in der
Erklärung von Chalcedon ausdrücken, gemacht worden und dass unser einziges
Interesse nun ein historisches ist....? Ist die Christologie der Taten der Apostel,
welche von unten, mit der menschlichen Erfahrung von Jesus, beginnt, wirklich
nur primitiv? Oder hat sie uns vielleicht etwas Bestimmtes zu sagen, was uns die
klassische Christologie nicht in dieser Klarheit sagen kann?“25
25
Theological Investigations, 1:155 ff.
26
Ebenso
27
Ebenso, 1:143.
306 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
des Sohnes „enhypostasiert“; sie wurde zur menschlichen Natur eines göttlichen
personalen Subjekts...Dieser Christologie zufolge nahm der ewige Sohn eine
zeitlose menschliche Natur an, oder machte diese zeitlos, indem er sie annahm; es
ist eine menschliche Natur, die im Wesentlichen nicht von geographischen
Umständen abhängig ist; sie entspricht nichts in dieser gegenwärtigen Welt; Jesus
ist also nicht wirklich ‚im Fleisch gekommen.‘“ 28
„Es gibt keine klaren Anzeichen, dass die Priorität (Jesu) in einem zeitlichen
Sinn gedacht war. Wir können darauf schließen, dass in der frühen Gemeinde in
Wirklichkeit Jesus die Priorität gewährt wurde, welche die Rabbis der Torah
zugeschrieben hatten. Würde man den Anspruch der zeitlichen Priorität erheben,
so würde man behaupten, Jesus von Nazareth, geboren von Maria, habe mit Gott
vor Grundlegung der Welt existiert. Diese Annahme würde schlimmer als dumm
sein; es würde jede Klarheit aus der christlichen Behauptung, Jesus sei wahrer
Mensch gewesen, das Wort sei Fleisch geworden, entfernen....Jesus von Nazareth
begann sein Leben und er begann, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der
Geschichte zu existieren: das Wort wurde zu Fleisch.“29
Dieses vorliegende Buch ist von dem Verlangen getragen, eine solche
Vorstellung eines abstrakten Jesus zu vermeiden und zu einer Rückkehr
zum historischen Jesus, dem verheißenen Messias Israels, aufzufordern.
Die Lesart des Johannesevangeliums, die wir vorschlagen, erlaubt es dem
Jesus von Johannes, wie hoch erhoben er auch ist, ebenso menschlich zu
sein wie in den Synoptikern.
Wenn man im Johannesevangelium einen präexistenten Sohn findet,
so erklärt es die herabsetzende Art, in welcher die „orthodoxen“
Kommentatoren manchmal die Christologie von Lukas als „volkstümlich“
abtun. Vielleicht ist es eine Tatsache, dass Lukas eine verbreitete
neutestamentliche messianische Christologie vertritt, die nicht mit dem
übereinstimmt, was in nachbiblischen Zeiten „orthodox“ wurde. Indem er
sich auf Lk. 1,35, „Darum wird auch das Heilige, das geboren werden
wird...“ bezieht, sagt Strachan: „Das gehört zu einem Milieu, in dem die
theologische Vorstellung der Präexistenz Jesu den Weg zu einer mehr
28
God as Spirit, 144, Hervorhebung beigefügt
29
A Theology of Jewish-Christian Reality (Haroer & Row, 1983), 82
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 307
30
R.H. Strachan, „Holiness“ in Dictionary of the Apostolic Church, 1: 568
308 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
Diese Fakten deuten kaum darauf hin, dass es zwei gibt, die
gleichermaßen Gott sind und gemeinsam den Einen Gott ausmachen.
Wenn man dazu noch die Tatsache sieht, dass Gott im Alten Testament
tausende Mal als einzelne Person bezeichnet wird, so sollte es klar sein,
dass die Trinitarier den biblischen Unterlagen nicht Gerechtigkeit tun.
Vielmehr, die Titel „alleiniger Gott“ und „allein wahrer Gott“, die allein
dem Vater zugeschrieben werden, deuten auf Seine einzigartige
Klassifizierung und auf die Verschiedenheit von Seinem Sohn hin. Eine
Vielzahl neutestamentlicher Texte zeigen Jesus als dem Vater
untergeordnet, was nicht leicht mit dem Gedanken an die völlige
Gleichheit des Sohnes mit dem Vater vereinbart werden kann.31 Paulus
glaubte, der Sohn werde für alle Zeiten dem Vater untergeordnet sein,
nachdem er das (zukünftige) Königreich Gott zurückgegeben haben wird
(1. Kor. 15,28).
Wenn das Neue Testament die Trinität lehrte, so würde man doch
erwarten, dass wenigstens ein Vers aussagen würde, es gebe einen Gott
„den Vater, Sohn und Heiligen Geist“. So eine Aussage ist der Schrift
jedoch fremd. Wenn Vater, Sohn und Heiliger Geist gemeinsam in einer
Bibelstelle genannt werden, so werden sie niemals als „der eine Gott“
bezeichnet (Mt. 28,19; 2. Kor. 13,13). Es ist bemerkenswert, dass am
Anfang der Briefe von Paulus nie Grüße vom Heiligen Geist übermittelt
werden. Auch wird der Heilige Geist nie angesprochen und es wird auch
nicht zu ihm gebetet.
Doch wenn Paulus den Monotheismus als unterschiedlich vom
Polytheismus beschreibt, sagt er ausdrücklich, es gibt einen Gott, den
Vater, und dass es keinen anderen Gott gibt als diesen einen Gott, den
Vater (1.Kor. 8,4,6).32 Das ist der biblische Glaube in seiner einfachen
31
Es ist eine Ermutigung unserer These, dass der bekannte Exeget I. Howard
Marshall schreibt: „Die gesamte neutestamentliche Christologie ist
subordinationistisch“ (Buchbesprechung von Jervell, The Theology of the Acts of
the Apostles, in Evangelical Quarterly, 70,1, Jan. 1998, 76)
32
Symptomatisch für die Verwirrung über die Gottheit ist die Tatsache, dass
Gelehrte manchmal unabsichtlich das Bekenntnis des Paulus falsch zitierten. So
sagt Klaas Runia: „Paulus schreibt an die Korinther: ‚So gibt es einen Gott, von
dem alle Dinge sind und wir auf ihn hin...‘ (An Introduction to the Christian
Faith, Lynx Communications, 1992, 114). Doch Paulus schrieb tatsächlich: „So
ist doch für uns ein Gott, der Vater...‘ Runia fügt hinzu, dass Jakobus und andere
Apostel ‚mit gleicher Deutlichkeit sagen, dass Jesus Christus auch Gott ist‘
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 309
„(In 2 Esdras 5,43-56)........wird der Sprecher Gottes, der Engel Uriel, von
Ezra befragt, als sei dieser sowohl Schöpfer als auch Richter. Ezra verwendet
denselben Stil der Ansprache an Uriel (‚mein Herr, mein Meister‘) wie in seiner
direkten Bitte an Gott. Dieser Brauch, den Vertreter so zu behandeln, als wäre er
der Prinzipal, ist von größter Bedeutung für die neutestamentliche
Christologie.“35
(ebenso, seine eigene Hervorhebung). Aber wo sagen Jakobus oder Petrus, dass
Jesus Gott ist?
33
Lk. 2,11; Rö. 16,18; Kol. 3,24; Vgl. Lk. 1,43 und das extrakanonische Buch der
Psalmen Salomons 17,32; 18,7.
34
Im Griechischen der Septuaginta erscheinen alle drei Worte als kurios.
35
G.B. Caird, The Language and the Imagery of the Bible (Philadelphia:
Westminster Press, 1980), 181
310 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
36
Kurt Rudolph,Gnosis: The Nature and History of Gnosticism (Harper & Row,
1983), 372, Hervorhebung hinzugefügt.
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 311
Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen können, dass die Christen
den Wunsch haben, den Christus der Schrift und Gott, seinen Vater, zu
erkennen und ihnen zu dienen, so muss daraus folgen, dass sie sich
wünschen, ein möglichst genaues Verständnis darüber zu besitzen, wer
Christus war. Ein solches Verständnis wird sich selbst auf das durch die
christlichen Dokumente bereitgestellte Portrait Jesu beschränken. Es ist
fraglich, ob die traditionellen, orthodoxen Definitionen Jesu in
genügendem Ausmaß auf das biblische Material eingehen. Der Prolog des
Johannes wurde so in seiner Wichtigkeit für die Definition Jesu erhoben,
dass alle anderen Zeugnisse sich vor dem zu beugen hatten, was als
Wahrheit jener Passage angesehen wurde. Die berühmte christologische
Aussage von Paulus in Philipper 2 wurde ebenso als Norm für alle seine
anderen Verweise auf Jesus genommen, obwohl viele nicht daran glauben,
dass Paulus in dieser Schriftstelle etwas über eine präexistente Person
aussagt. Vielmehr fordert er die Gläubigen auf, den aufopfernden
Lebensstil des Messias Jesus, der im Grunde genommen das Thema seiner
Aussage ist, zu imitieren.37
Wenn der Aussage der Synoptiker, der Apostelgeschichte und der
nicht-paulinischen Briefe volles Gewicht gegeben wird, so wird klar, dass
ihr kombiniertes Zeugnis für Jesus eines für den Messias ist und nicht für
Gott im chalcedonischen Sinn. Dasselbe kann man Johannes betreffend
37
Vgl. A.H. McNeiles Beobachtung: ‚Viele haben bezweifelt, ob Paulus in so
einem Zusammenhang sich auf ein so transzendentales Geheimnis berufen hätte.‘
In Phil. 2‚ bittet Paulus die Philipper von Streitigkeiten abzusehen und in Demut
miteinander umzugehen. In 2. Kor. 8,9 fordert er seine Leser auf, bei den
Almosen freigiebig zu sein. Es wird die Frage gestellt, ob es für ihn ganz
natürlich ist, diese beiden moralischen Lektionen durch beiläufige Bezugnahmen
(und das sind die einzigen Bezugnahmen, die er jemals macht) auf das riesige
Problem der Art der Inkarnation, zu verstärken. Viele denken, seine schlichten
Mahnungen haben mehr Erfolg, wenn er auf das inspirierende Beispiel der Demut
und Selbstaufopferung Christi in dessen menschlichem Leben, hinweist, wie z.B.
in 2. Kor.10,1: ‚Ich ermahne euch durch die Sanftmut und Milde Christ...‘ (New
Testament Teaching in the Light of St. Paul’s; Cambridge University Press,
1923,65). Der Fall von Phil. 2,5 ff. als eine Beschreibung des menschlichen Jesus
kann in den Artikeln von C.H. Talbert, ‚The Problem of Prexistence in
Philippians 2:6-11‘ Journal of Biblical Literature 86 (1967): 141-153; J.
Murphey O’Connor, „Christological Anthropology in Phil. 2,6-11,“ Revue
Biblique (1976): 26-50; G. Howard, „Philippians 2, 6-11 and the Human Christ“,
Catholic Biblical Quarterly 40 (1978): 368-387, nachgelesen werden.
312 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus
38
Für eine detaillierte Untersuchung von Hebr. 1,10 siehe die Analyse von F.F.
Bruce im New International Commentary on Hebrews (Eerdmans, 1964). Der
Schreiber des Hebräerbriefes zitiert hier einen Text der Septuaginta, der sich
deutlich vom masoretischen hebräischen Text unterscheidet.
14. NACHWORT: DEN WORTEN JESU GLAUBEN
Es ist eine oft übersehene, aber sehr bedeutsame Tatsache, dass Jesus
den wahren Glauben mit dem Glauben an seine Reden und Worte
gleichsetzt. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat,
der hat ewiges Leben...“ (Joh. 5,24). Dieses Beharren auf der Botschaft
und der Lehre Jesu wird auch in den Synoptikern stark betont und warnt
uns davor, Jesus von seinen eigenen Worten zu trennen und so für uns
selbst das Bild eines anderen Jesus aufzubauen. Johannes gibt die Worte
Jesu folgendermaßen wieder: „Wer mich verwirft und meine Worte nicht
annimmt, hat den, der ihn richtet: das Wort, das ich geredet habe, das wird
ihn richten am letzten Tag“ (Joh. 12,48). „Mose glauben“ ist dasselbe wie
„an seine Schriften zu glauben“ (Joh. 5,46, 47) und im gleichen
Zusammenhang bedeutet „an Jesus glauben“ seinen Worten zu glauben
(Joh. 5,47). Das scheint jede Frage nach der Wichtigkeit von „Lehre“ im
Vergleich zu „Gewohnheit“ zum Schweigen zu bringen, denn „jeder....,
der nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht“ (2.Joh. 9). 1 Jesu
eigener Glaube ist zentral für alle seine Aussagen und Taten. Doch
spiegelt unsere Tradition dieses „jüdische“ Bekenntnis getreulich wider?
Den Worten des Erretters zufolge ist es nicht möglich, an ihn zu glauben,
wenn wir nicht bereit sind, Mose zu glauben (Joh. 5,46–47). Das
Versäumnis, den Glauben Israels und die Worte Mose - besonders in 5.
Mose 18,15-18 - über das Kommen des Messias zu verstehen, wird zu
1
Wir wundern uns, dass Dr. James Kennedy die große Bedeutung, die auf die
Lehren Jesu gelegt wird, nicht zu sehen scheint.. Er schreibt: „Viele Leute heute
denken, dass die Essenz des Christentums die Lehre Jesu ist, doch dem ist nicht
so.....Das Christentum zentriert sich nicht in den Lehren Jesu, sondern in der
Person Jesu als fleischgewordener Gott, der in die Welt kam, um unsere Schuld
auf sich zu nehmen und an unserer Stelle zu sterben“ („How I know Jesus is
God“, Truths that Transform, 11. Nov. 1989).
314 Nachwort: Den Worten Jesu glauben
ist, so ist Jesus nicht Gott. Er ist der bevollmächtigte Vertreter Gottes, der
ideale König Israels, nach dem sich das Alte Testament sehnte. Jesus
drückt den Charakter des Vaters makellos aus und gibt Seine Botschaft
des Königreiches weiter (Lk. 4,43). So kann gesagt werden, dass „die
Fülle der Gottheit leibhaftig in Jesus wohnt“ (Kol. 2,9).2 Doch das
bedeutet nicht, dass er selbst Gott ist.
Der vollkommen menschliche Jesus von Johannes ist nicht nur der
Jesus, der von der kanonischen Literatur beschrieben wird, sondern auch
ein attraktiveres Vorbild zur Nachahmung als die traditionellen Versionen
Jesu. Einer, der wahrhaftig Gott ist (in Verkleidung?) scheint so über uns
erhaben zu sein, dass wir keine Chance haben, so zu leben wie er. Doch
der Jesus von Johannes, obwohl er auf Grund des Geistes, der ihm „nicht
nach Maß“ (Joh. 3,34) gegeben wurde, einzigartig ist, stellt keinen
Abstand zwischen sich und den Jüngern her, als ob sie nicht fähig wären,
eben das zu tun, was er auch tat. Er verspricht ihnen ständig, dass sie,
„ebenso“ wie er in die Welt gesandt wurde, „in diese Welt gesandt
werden“ um gleich große oder sogar noch größere Werke zu vollbringen
als er (Joh. 17,18; 14,12). Und „ebenso“ wie er mit dem Vater eins ist, so
sollen es auch die Jünger sein (Joh. 17,11, 21). So wie er gesandt wurde,
um das Reich Gottes zu verkünden (Lk. 4,43), so sind es auch sie.
Es ist die Absicht dieses Buches, Wege aufzuzeigen, wie man
richtiger glauben kann, was Jesus über Gott und über sich selbst dachte
und wie man die eigene Lehre in Einklang mit seiner bringen kann. „Wer
in der Lehre (Christi) bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn“
(2.Joh. 9). Jedes Wort des Messias ist kostbar, denn jedes seiner Worte
trägt in sich „Geist und Leben“ (Joh. 6,63). Sie sind wirklich die einzigen
Worte, die uns zum „Leben im kommenden Zeitalter“, das heißt zum
Leben im Königreich Gottes, führen können. Johannes unterscheidet sich
in seinem Verständnis nicht von den Synoptikern, wenn er den häufigen
Ausdruck „Reich Gottes“ auslässt. Der Jesus von Johannes spricht oft
vom Königreich als vom „ewigen Leben“, das in seinem hebräischen Sinn
richtig als „Leben im kommenden Zeitalter“ übersetzt werden sollte. Das
Vokabular von Johannes muss sowohl bei seiner Erklärung über die
Identität Jesu als auch dessen Botschaft in das hebräische „Original“
zurückübersetzt werden, sodass ein einfaches Bild Jesu unter den
verzerrenden Schichten der Tradition, die dieses verdunkelt,
2
Eine sehr ähnliche Sprache über die Fülle Gottes, die in den Christen wohnt,
findet sich in Eph. 3,19.
316 Nachwort: Den Worten Jesu glauben
3
Siehe z.B. Mk. 1,14-15; Lk. 4,43; Lk. 18, 31-34.
4
Joh. 20,28 und Hebr. 1,8 sind offensichtlich Ausnahmen. Der bestimmte Artikel
wird in diesen Versen mit einer „vokativen“, also „anrufenden“ Bedeutung
gebraucht. In keinem Vers wird Jesus als der absolute Gott angesprochen. Vgl.
C.F.D. Moule, An Idiom Book of New Testament Greek, 116-117.
Nachwort: Den Worten Jesu glauben 317
Bedeutung von „Gott in drei Personen“ hat, dann gibt es keine Gründe für
die Trinität. Die Tatsachen deuten stark darauf hin, dass der dreieine Gott
der biblischen Offenbarung fremd ist. Eine intelligente Bibelstudie muss
nach einer revidierten Christologie suchen, welche die offensichtliche und
dauerhafte Unterordnung Jesu unter den Einen Gott erlaubt. Die Kategorie
des Messias, des hocherhobenen göttlichen Vertreters Gottes, wird für die
Darstellung aller Dinge, die das neue Testament über Jesus zu sagen hat,
als adäquat befunden werden. Religiöser Dienst, wie er durch das
griechische Wort latreuo in den 21 Vorkommen beschrieben wird, ist an
Gott den Vater gerichtet, während dem Messias als Vertreter des Einen
Gottes Huldigung entgegengebracht wird.
Ein Theologieprofessor bemerkte in einem Kursus über Christologie,
dass „unsere Tradition bestenfalls zu einer doketischen Melodie tanzt“. 5
Im Interesse der Wiedererlangung des völligen Mensch-Seins Jesu, der
Herrlichkeit des Messiastums und der unvergleichlichen Majestät des
Einen Gottes, seines Vaters, schlagen wir vor, sie (die Christologie) sollte
wieder zu einer hebräischen, biblischen Melodie tanzen. Vielleicht
instrumentiert diese Melodie niemand besser als Johannes.
5
D.M. Scholer, Northern Baptist Seminary, Wintersemester 1986
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SCHRIFTSTELLENVERZEICHNIS
2.Mose 2.Samuel
2.Mo. 3,14..............................207 2.Sam. 4,8.................................53
2.Mo. 4,22................................63 2.Sam. 7,14........................42, 63,
2.Mo. 7,1............................24, 87 106, 298, 309
2.Mo. 16,2,8...........................219 2.Sam. 22,32.............................35
2.Mo. 16,4,15.........................192 2.Sam. 23,2.............................221
2.Mo. 17,1-6...........................107
2.Mo. 20,1-3.............................17 1.Könige
2.Mo. 23,20,21.........................88 1.Kö. 8,39.................................40
2.Mo. 33,11..............................18 1.Kö. 9,3.................................223
1.Kö. 11,11.............................184
4.Mose
4.Mo. 11,9..............................192 2.Könige
4.Mo. 13,23..............................26 2.Kö. 3,12...............................185
4.Mo. 14,24............................184 2.Kö. 19,15.........................28, 40
328 Schriftstellenverzeichnis
1.Petrus Offenbarung
1.Petr. 1,2.................154,176,181 Offb. 1,1.................................134
1.Petr. 1,4...............................199 Offb. 1,8.................................134
1.Petr. 1,4-5............................204 Offb. 1,17...............................133
1.Petr. 1,5...............................155 Offb. 1,18........................133,134
1.Petr.1,20......154,155,163n,164, Offb. 3,9..........................133,200
176,181 Offb. 4,11.......................161,181
1.Petr. 3,15.............................256 Offb. 5,10.................................66
Offb. 5,12-13..........................133
2.Petrus Offb. 11,15.............................256
2.Petr. 1,1........................259-261 Offb. 12,10.............................256
2.Petr. 2..................................164 Offb. 13,8.................158,189,207
2.Petr. 3,16...............................96 Offb. 15,3...............................133
Offb. 21,2........................134,192
1.Johannes Offb. 21,6...............................134
1.Joh. 1,1................................127 Offb. 22,8...............................200
1.Joh. 1,1-2.............................134 Offb. 22,12-13........................134
1.Joh. 1,2..................124,134,180
1.Joh. 1,10..............................127
1.Joh. 2,1.........................217,218
AUTORENVERZEICHNIS
Selwyn, E.G., 152, 155, 176, 188 Williams, G.H., 231, 279n
Servetus, Michael, 123, 145-47, Wilson, Ian, 141-42, 293
168n,179, 231, 232n Wilson, John, 2n,92n,251
Simon, Morris, 190n Wissowatius, B., 204n
Simons, Menno, 232 Wright, C.J., 165-66
Smalridge, George, 274 Wuest, Kenneth, 257n
Snaith, Norman, 115
Sozomen, 231 Yates, James, 171
Stott, John, 244 Young, Frances, 244-45, 275n
Strachan, R.H., 306
Strecker, George, 277 Zuck, R.B., 47n
Stuart, Moses, 258, 268 Zweig, Stefan, 232n
Sumner, Robert, 48n
Abraham, 14, 25, 53, 65, 189, 241, Auferstehung Jesu, 63, 67, 68, 69, 78-
243, 252, 253, 285 82, 104, 194, 201, 286, 297,
Jesus als Nachkomme von, 63, 72, 304
79, 106, 174, 178, 233 Seele und, 131, 153, 155
Jesus vor Abraham, 158, 205-209, Augustinus, 9, 10n, 38-39, 161n,
241, 303 204n, 296
Adam, 79-80, 99-100, 124, 174, 248,
288 Bibel
Adonai, 30, 48-54, 300, 309 Irrtümer und Veränderungen
Adoni, 30, 48-54, 300, 309 Durch nicht-jüdische Denkweise,
Adoptionalistische Christologie, 177, 112, 113, 181, 182, 186,
226 187
Alogi, 226 (s. auch griechische Denkweise)
Anabaptisten, 123, 173, 178, 179, 204, Geist, Bedeutung von, 212
232, 233, 242 Gleichstellung Jesu mit Gott, 38-
Anbetung, 132-133, 200, 213 39, 46-52, 82, 133, 134,
Anhypostase, 72, 243 280, 281, 295, 296
s.auch Hypostase, unpersönliche In sekundären Quellen, 50-54,
Menschheit Christi 104n, 259n
Anrede, Formen der, 60, 62-65, 77-79, Quelle authentischen Glaubens, 14,
84-88, 166-168, 200, 206, 255- 28-31, 109, 111-115, 122-
256, 267-268, 299-301 123, 148-149, 273, 286
Apokryphen, 187 Ursprung Jesu, 159n, 165n, 256-
Apollinarianismus, 238n, 239 258
Apostolisches Glaubensbekenntnis, 30 Zusätze, gefälschte, 220, 281
Arianische Christologie, 141, 155, s. auch Umstrittene Texte, Fragen
158, 160 der Sprache
s. auch Präexistenz Bibel, Bücher der
Athanasianisches Daniel, siehe
Glaubensbekenntnis, xi, xiii, Schriftstellenverzeichnis
30, 123, 129, 168, 234, 275 Hebräer, siehe
Athanasius, 128, 142, 245 Schriftstellenverzeichnis
Jesaja, siehe
Schriftstellenverzeichnis
340 Stichwortverzeichnis
Valentinianismus, 310
Vorherbestimmung, 154-164, 167-
168, 188-190, 207-210
Vorherwissen
s. Vorherbestimmung
Vulgata (lateinische
Bibelübersetzung), 240, 281