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Prof. Buzzard - Lehre - Von - Der - Dreieinigkeit

Prof. Buzzard_Lehre_von_der_Dreieinigkeit starkes Buch zur Aufklärung über die Dreieinigkeit

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Die Lehre von der

Dreieinigkeit Gottes
Die selbst zugefügte
Wunde der Christenheit
Originaltitel:

THE DOCTRINE
OF THE TRINITY
Christianity's Self-Inflicted Wound
Anthony F. Buzzard
Charles F. Hunting

International Scholars Publications


Lanham · New York · Oxford

Copyright © 1998 by
Anthony F. Buzzard and Charles F. Hunting
Inyternational Scholars Publications
4720 Boston Way
Lanham, Maryland 20706
12 Hid's Copse Rd.
Cumnor Hill, Oxford OX2 911
ISBN 1-57309-309-2
Sir Anthony F. Buzzard
Charles F. Hunting
Diese Kapitel sind der Erinnerung
an jene edel gesinnten Studenten der
Schrift gewidmet, die den Gott der Bibel
entdeckten und für ihre Überzeugung,
dass Er Einer ist, starben.
INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT xi

DANK xv

EINLEITUNG 1

1. DER GOTT DER JUDEN 13

2. JESUS UND DER GOTT DER JUDEN 33

3. GLAUBTEN DIE ANHÄNGER JESU, DASS ER


GOTT WAR? 59

4. PAULUS UND DIE TRINITÄT 89

5. DER WEG VON DER HEBRÄISCHEN WELT DER BIBEL


ÜBER DIE GRIECHISCHE PHILOSOPHIE
INS 20. JAHRHUNDERT 111

6. DIE TRINITÄT UND DIE POLITIK 135

7. DIE NATUR VON PRÄEXISTENZ


IM NEUEN TESTAMENT 151

8. JOHANNES, DIE PRÄEXISTENZ UND DIE TRINITÄT 171

9. DER HEILIGE GEIST: EINE DRITTE PERSON


ODER GOTT IN AKTION? 211

10. DER KONFLIKT ÜBER DIE TRINITÄT IN


DER KIRCHENGESCHICHTE UND
DIE HEUTIGE DISKUSSION 225

11. DIE HERAUSFORDERUNG AN DEN


TRINITARISMUS HEUTE 251
12. LAUFEN WIR EINEM ANDEREN GOTT NACH? 277

13. EIN AUFRUF ZU EINER RÜCKKEHR ZUM


BIBLISCHEN CHRISTUS 295

14. NACHWORT: DEN WORTEN JESU GLAUBEN 313

BIBLIOGRAPHIE 319

SCHRIFTSTELLENVERZEICHNIS 327

AUTORENVERZEICHNIS 335

STICHWORTVERZEICHNIS 339
„Im Jahr 317 begann in Ägypten ein neuer Streit, der verderbliche
Konsequenzen nach sich zog. Das Thema dieser fatalen Kontroverse, die
solch bedauernswerte Teilungen in der christlichen Welt hervorbrachte,
war die Lehre von drei Personen in der Gottheit, eine Lehre, die in den
drei Jahrhunderten davor glücklicherweise der eitlen Neugierde der
menschlichen Forschung entgangen war.“ 1

„Wenn wir über die langen Jahre der Herrschaft der Trinität
zurückblicken......werden wir bemerken, dass wenige Lehren mehr an
reinem Bösen bewirkt haben.“2

„Eine christologische Lehre wurde in der Praxis niemals einfach


durch eine logische Beeinflussung von Aussagen der Schrift
hergeleitet....Die Kirche hat normalerweise in der Praxis (was immer sie
auch in Anspruch nimmt, in der Theorie getan zu haben) ihre Christologie
nicht ausschließlich auf dem Zeugnis des Neuen Testaments aufgebaut.“3

„Die Griechen verzerrten das Konzept von der legalen Vertreterschaft


Jesu zur ontologischen Identität und schufen eine unlogische Reihenfolge
von Glaubensbekenntnissen und Lehren, die Verwirrung und Schrecken
für die nachfolgenden Generationen von Christen mit sich brachten.“4

„Nirgends identifiziert das Neue Testament Jesus mit Gott.“5

„Da die Trinität ein so wichtiger Teil der späteren Doktrin ist, ist es
verblüffend, dass sie im Neuen Testament nicht vorkommt. Ebenso kann
das entwickelte Konzept von drei gleichberechtigten Partnern innerhalb

1
J.L. Mosheim, Institutes of Ecclesiastical History (New York: Harper,
1839),1:399.
2
Andrews Norton, A Statement of Reasons for Not Believing in the Doctrine of
the Trinitarians Concerning the Nature of God and the Person of Christ (Hilliard,
Gray & Co., 1833), 287.
3
Maurice Wiles, The Remaking of Christian Doctrine (London: SCM Press,
1974), 54,55.
4
Professor G.W. Buchanan, aus Korrespondenz, 1994.
5
William Barclay, A Spiritual Autobiography (Grand Rapids: Eerdmans, 1975),
50.
der Gottheit, das in den späteren Glaubensbekenntnissen gefunden wird,
innerhalb der Grenzen des Kanons nicht klar entdeckt werden.“6

„Wie sollen wir die Natur der Unterscheidung zwischen dem Gott, der
Mensch wurde, und dem Gott, der nicht Mensch wurde, bestimmen, ohne
einerseits die Einheit Gottes zu zerstören und andererseits mit der
Christologie zu interferieren? Weder das Konzil von Nizäa noch die
Kirchenväter des vierten Jahrhunderts konnten diese Frage zur
Zufriedenheit beantworten.“7

„Die Annahme eines nicht-biblischen Ausdrucks in Nizäa stellte einen


Meilenstein im Wachstum des Dogmas dar; die Trinität ist wahr, weil es
die Kirche – die universelle Kirche, die durch die Bischöfe spricht – so
sagt, obwohl es in der Bibel nicht so gesagt wird!.....Wir haben eine
Formel, aber was beinhaltet diese Formel? Kein Kind der Kirche wagt es,
eine Antwort zu versuchen.“8

6
“Trinity“, in The Oxford Companion to the Bible (Oxford University Press,
1993), 782.
7
I.A. Dorner, The History of the Development of the Person of Christ
(Edinburgh: T&T Clark, 1882), Teil 1, 2: 330.
8
„Dogma, Dogmatic Theology“, in Encyclopedia Britannica, 14th edition (1936),
7:501, 502.
VORWORT

Ich konnte Die selbst zugefügte Wunde der Christenheit nicht lesen,
ohne wiederum über die einfache Lehre der Christen (und Juden), dass
Gott Einer ist, begeistert zu werden. Wenn in den Gedanken und im Leben
eines Menschen noch nizänische Verkrustungen sind, dann sollte dieses
Buch sie alle wegfegen.
Es ist eine angenehme Erfahrung, Anthony Buzzards und Charles
Huntings klare Erklärungen von Schlüsselpassagen der Schriften zu
erfahren, die normalerweise durch eine trinitarische „Brille“ betrachtet
werden. Gleichzeitig ist es ein Vergnügen, prägnante Feststellungen zu
lesen, die sich mit Sicherheit in den Gedanken des Lesers einprägen. Ein
Beispiel dafür ist die Erklärung des großartigen Bekenntnisses von
Thomas in Johannes 20,28. Thomas erkannte in dem auferstandenen Jesus
jenen, der dazu bestimmt war, der „Gott“ des kommenden Zeitalters zu
sein, um Satan als „Gott“ dieses Zeitalters abzulösen.
Jedoch sind die von Thomas gebrauchten Worte „Herr“ und „Gott“
einfach messianische Titel, vergleichbar mit den göttlichen Titeln, die im
Alten Testament dem Engel als Vertreter Gottes gegeben wurden. Der
zuvor zweifelnde Apostel adoptierte nicht plötzlich das Nizänische oder
das Athanasianische Glaubensbekenntnis und sah Jesus als „wahren Gott
von wahrem Gott“. Das Johannesevangelium darf nicht dazu genötigt
werden, die späteren Spekulationen der griechischen Theologen zu
bestätigen.
Keine Stelle, die scheinbar trinitarisch ist oder für die Präexistenz
spricht, bleibt unwidersprochen. (Dies schließt auch die rätselhaften
Aussagen von Jesus in Johannes 8,58 mit ein, die mit den vielen anderen
parallelen christologischen Feststellungen im Johannesevangelium und im
Rest der Schrift ausbalanciert werden müssen.) Es ist ein wichtiger Punkt
und die Grundlage dieses Buches, dass die Behauptung der Präexistenz
Christi als „Gott, der Sohn“ eine Belastung für die Wirklichkeit seiner
Menschlichkeit im theologischen Denken darstellte, das dieses nicht
ertragen konnte.
xii Vorwort

In diesem Zusammenhang entwickeln Buzzard und Hunting eine sehr


interessante These. Die Briefe des Johannes sind dessen Antwort auf diese
gnostischen Ketzer, die sein Evangelium missbrauchten. Johannes
bezeichnet ihre Behandlung seines Evangeliums als äußerst
„antichristlich“.
Doch die Autoren von Die selbst zugefügte Wunde der Christenheit
geben sich nicht damit zufrieden, die kritischen Texte der Schriften zu
erklären. Jenen Erklärungen folgen normalerweise bestätigende Worte
bekannter Theologen aus Europa und Nordamerika. Die Vertrautheit der
Autoren mit dem gesamten Umfeld theologischer Meinungen - speziell
zum Thema Dreieinigkeit – ist offensichtlich und beeindruckend.
Es gibt auch ein vergnügliches Element des Humors in diesem Buch,
welches es zu mehr als einem dicken Wälzer und Lehrbuch macht.
Professor Buzzard und Charles Hunting zeigen auf, dass eines der großen
Wunderwerke der Kirchengeschichte die Fähigkeit der Theologen war,
das Christenvolk davon zu überzeugen, dass drei Personen wirklich Ein
Gott sind. Paulus predigte den gesamten Ratschluß Gottes (Apg. 20,27).
Warum erklärte er die Dreieinigkeit nicht?
In der Diskussion um die Verwendung des Wortes „einziger“ oder
„alleiniger“ durch Jesus in Johannes 17,3 („der allein wahre Gott“)
schreiben die Autoren, dass ihnen jeder verdächtig erscheinen würde, der
behauptet, er hätte nur „eine einzige Frau“, wenn seine Familie aus drei
verschiedenen Frauen besteht, die er alle als seine einzige Frau
bezeichnet!
Paulus erklärte den Korinthern, „es gibt keinen Gott außer dem
Einen“ und definierte diesen Einen Gott als den Vater. Er fuhr fort zu
sagen, dass „nicht alle diese Erkenntnis haben“. Die Autoren fügen hinzu:
„Wir sind in Versuchung zu sagen, dass sich seit dem ersten Jahrhundert
nicht viel geändert hat.“
Letztendlich ist die Lehre der Dreieinigkeit in dieser Hinsicht ein
ausgewachsener theologischer Mythos. Das Christentum verurteilt die
Menschheit für ihr Festhalten an der unbewiesenen Theorie der Evolution.
Doch die Orthodoxie besteht auf etwas gleichwertig Problematischem:
einem Mehrfach-Personen-Gott.
Es ist eine bekannte Kritik an der protestantischen Reformation, dass
sie nur bis zum Konzil von Nizäa zurückging. Dort begegnete ihr eine
Straßensperre, in diesem Fall eine Barrikade, die aus Politik, Philosophie,
Bigotterie, Neid und Intrigen errichtet wurde. Die Autoren dieses Buches
Vorwort xiii

ließen sich von solchen Straßensperren wie Nizäa oder dem Konzil von
Chalcedon aber nicht abschrecken.
Die selbst zugefügte Wunde der Christenheit versucht weder die
frühen Kirchenkonzile zu überspringen, noch einen Umweg um sie zu
machen. Das Buch begegnet ihnen direkt, betrachtet sie und endet bei den
Verordnungen von Jesus und den Aposteln, die mit größerer Autorität
sprechen. Wenn Jesus offensichtlich kein Trinitarier war, warum sollten
es seine Nachfolger sein?
Leser werden über den Titel des Buches verblüfft sein. Er passt
ausgezeichnet zu der These der Autoren. Soweit das ursprüngliche
jüdische Christentum Jesu und der Apostel betroffen ist, war die Wunde
beinahe tödlich. Das Leben des Patienten wurde durch das Prinzip der
Schrift bewahrt, dass Gott immer Seinen übriggebliebenen Rest an
Menschen hat.
Um es anders auszudrücken (diese Illustration ist von mir und nicht
von den Autoren), das Dogma der Dreieinigkeit war dieser Gifttrank, den
die gnostisch zugeneigten Theologen absichtlich als Getränk wählten,
indem sie den reinen Strom hebräischer Lehre mit dem Gift der
griechischen Philosophie vermischten. Dann zwangen sie die Mixtur ihren
Jüngern auf. Die Strafe im Falle einer Verweigerung sollte die ewige
Verdammnis sein.
Wenn es einen Schlüsseltext für dieses Buch gibt, dann ist es
Johannes 17,3: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, den allein
wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ In
Bezug darauf betonen die Autoren, dass Jesus durch die Zeugung zum
Sohn Gottes wurde und es nicht von Ewigkeit an war (Lukas 1,35). Er
kam en sarki („im Fleisch“) in die Welt, als menschliches Wesen, und
nicht in einen menschlichen Körper (vgl. 1.Joh. 4,2; 2.Joh.7),
Die Dreieinigkeitslehre hat lange mit der Beschuldigung ihren Platz
gehalten, dass Gläubige, die nicht an die Dreieinigkeit glauben, keine
wirklichen Christen sind. Das Athanasianische Glaubensbekenntnis ist
berühmt für seine verdammenden Klauseln. Die Autoren begegnen dieser
Anschuldigung, indem sie aufzeigen, dass „ewiges Leben“ (das Leben im
kommenden Zeitalter) mit der Erkenntnis über den wahren Gott und Jesus
verbunden ist (Joh. 17,3; 1. Tim. 2,4-5). Es sollten die Trinitarier sein, die
sich verteidigen müssen und nicht die biblischen Unitarier. Diese
letztgenannte Gruppe hatte ihre heldenhaften Vertreter und die Autoren
erzählen viel von ihrer wenig bekannten Geschichte.
xiv Vorwort

Dieses Buch ist eine verheerende Anklage des zentralen Dogmas der
geschichtlichen Hauptströmung der Christenheit, dieser Version des
Glaubens, welche - unbekannterweise für viele – von den Konzilen und
deren Glaubensbekenntnissen stammt. Das Christentum wirft sich immer
noch vor dem vergoldeten Thron Konstantins nieder. Sein Dogma hat
tragische und blutige Episoden in der Geschichte hervorgebracht. Etwas
ist schief gelaufen.
Zur gleichen Zeit sind die Botschaft und der Zweck von Die selbst
zugefügte Wunde der Christenheit jedoch positiv. Das Buch verdammt
nicht, sondern versucht, dem Patienten von der schrecklichen Wunde an
seinem kirchlichen Leib zu erzählen und bietet dann den heilenden
Balsam von Jesu eigener verbindender Glaubenslehre an. Das eigentliche
Thema ist der Vorschlag eines Glaubensweges, der genauer mit dem
übereinstimmt, was Jesus über Gott und sich selbst glaubte und lehrte.
Lasst uns beten, dass diese Botschaft nicht unbeachtet bleibt.

— Sidney A. Hatch, B.A. (UCLA),


M. Div. (American Baptist Seminary of the West),
Th. M. (Dallas Theological Seminary)
DANK

Besonderer Dank gebührt Professor George Buchanan für seine


wertvollen Vorschläge; sowie Jeff, Harry, Mark, Lorraine, Sarah, Claire,
Heather, Aaron, Jason, Lisa, Amy, Wendy, Barbara, Martha und Don,
deren Fähigkeiten ihre Handschrift in diesem Buch hinterließen, und auch
vielen anderen für ihre enthusiastische Unterstützung.
EINLEITUNG

„Nirgendwo im Neuen Testament gibt es....eine Schriftstelle, in der


„Gott“ vorkommt, die ohne Zögern auf den dreieinigen Gott als Ganzes
und in drei Personen existierend bezogen werden kann.“
– Karl Rahner

Dieses Buch beschäftigt sich mit einer einzigen Frage: Lehrt die
Bibel, dass Gott eine einzige Person ist, der alleinige Schöpfer des
Universums, oder setzt sich die Gottheit aus zwei oder drei
gleichberechtigten Partnern zusammen? Die Autoren anerkannten früher
das vorherrschende Verständnis, Jesus sei gleichberechtigt und gleich-
ewig mit seinem Vater. Wir lehrten diese Ansicht auch zwanzig Jahre
lang. Es ist uns völlig klar, dass es im Neuen Testament Verse gibt, die
anscheinend die traditionelle Lehre der Dreieinigkeit unterstützen. Doch
eine lange Suche in den Schriften und in der Dogmengeschichte brachte
uns zu der festen Meinung, dass die Frage der Trinität auf einer
fragwürdigen Behandlung der biblischen Dokumente beruht. Sie ignoriert
die massiven Beweise für den unitarischen Monotheismus - den Glauben
an Gott als einzelne Person, den Vater Jesu Christi – und beruft sich stark
auf Schlussfolgerungen aus einzelnen, ausgewählten Versen. Sie isoliert
gewisse Texte und vergisst ihren Gesamtzusammenhang in der Schrift.
Biblische Lehren müssen auf Basis der einfachen, unkomplizierten
Texte erstellt werden, die sich direkt auf die Fragestellung beziehen.
Wenn man die Glaubensaussagen der Bibel entsprechend der normalen
Sprachregeln für bare Münze nimmt, so präsentieren sie uns eine Lehre
über Gott, die nicht mit den traditionellen Glaubenssystemen in Einklang
gebracht werden kann. Als wir in die Frage über den biblischen Glauben
eindrangen, wurden wir in unserer Suche durch eine Anzahl
zeitgenössischer Studien bekannter Bibelexperten ermutigt. Viele
Gelehrte räumen nun ein, dass der Trinitarismus nicht in der Bibel
dokumentiert werden kann. Er ist eine heidnische Verzerrung der Bibel,
die in nachbiblischer Zeit aufkam.
2 Einleitung

Vielleicht kommt das bedeutsamste aller Zugeständnisse über den


Versuch, die Trinität aus der Bibel zu begründen, von einem der
führenden trinitarischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Leonard
Hodgson informiert uns, dass in Diskussionen des siebzehnten und
achtzehnten Jahrhunderts zwischen Unitariern und Trinitariern beide
Parteien akzeptierten, „die Bibel beinhalte Offenbarung in der Form von
Lehrsätzen.“ Dann fährt er fort, dass „auf der Basis der Argumente, die
beide Seiten gemeinsam hatten, die Unitarier die besseren hatten.“1 Diese
Behauptung verdient sorgfältige Beachtung durch alle Trinitarier.
Unser Wunsch ist es, dass der Leser den Aussagen dieses Buches mit
einem offenen Sinn begegnet. Es ist uns bewusst, dass dies viel von jedem
verlangt, der in einer anderen theologischen Anschauung ausgebildet und
vielleicht tief darin verwurzelt ist. Sobald ein Glaube einmal verstandes-
und gefühlsmäßig als Wahrheit angenommen wurde, ist jede
Herausforderung dieser geliebten Lehre einer fast automatischen
Ablehnung ausgesetzt. Das sehr menschliche Verlangen, mit einer Gruppe
übereinzustimmen, die uns gefördert hat und auch die lebenslangen
Denkmuster, die wir von aufrichtigen Lehrern, denen wir vertrauten und
die wir respektierten, gelernt haben, tragen dazu bei, Barrieren
aufzubauen, die uns gegen jede Art von Bedenken schützen und die uns
blind für die ganz offensichtlichen Wahrheiten machen. Wenn dieser
tiefsitzende Glaube herausgefordert wird, fühlen wir uns ganz natürlich
bedroht und abwehrend. Robert Hall, ein Autor religiöser Literatur des 19.
Jahrhunderts, bemerkte sehr weise:

„Was immer einen fragenden Geist zurückhält, begünstigt den Irrtum und
was diesen fördert, ist der Wahrheit dienlich. Doch sicherlich wird mir darin
zugestimmt, dass nichts eine größere Tendenz hat, einen Geist der Fragestellung
zu behindern, als ein Geist und ein Gefühl der Parteilichkeit. Sobald diese einmal
in den Interessen und in den Neigungen fest verwurzelt sind, wird es selbst für die
stärksten Verstandesargumente extrem schwer, diese zu entfernen.“ 2

1
The Doctrine of the Trinity (Nisbet, 1943), 220,223, Hervorhebung beigefügt.
Das „unitarische“ Verständnis der Natur Gottes, das wir in den folgenden
Kapiteln vorschlagen, sollte nicht mit zeitgenössischer unitarisch universeller
Theologie verwechselt werden.
2
„Terms of Communion“, Works, 1:352, zitiert bei John Wilson in Unitarian
Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies (Boston: American Unitarian
Association, 1848), 156.
Einleitung 3

Die Gedanken, die in den nächsten Kapiteln dargelegt werden, sind


nicht neu, obwohl sie der Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert weitgehend
verborgen geblieben sind. Sie waren der Eckstein der apostolischen
Gemeinde des ersten Jahrhunderts und (zumindest am Anfang) die
unbehinderten Glaubensanschauungen dieser dynamischen, kämpfenden
Gruppe. Für viele mag es erstaunlich klingen, doch Kirchenhistoriker
verzeichnen, dass Gläubige an einen Gott als einzelne Person –
unitarische Christen – „am Beginn des dritten Jahrhunderts noch immer
die große Mehrheit bildeten.“3
Der Glaube an eine einzelne Person, Einen Gott und Schöpfer, wurde
niemals völlig aufgegeben, wenn er auch schnell durch die wetteifernde
griechische Philosophie und den politischen Ehrgeiz Roms bedrängt und
schließlich durch einen drei-personalen Gott ersetzt wurde. Er wurde dazu
gedrängt, sich hartnäckig am Rand des Christentums festzuhalten - als
kleine, doch beständige Stimme, welche das Gewissen aller anspricht, die
zuhören wollen.
Viel der Verwirrung, welche das klare Denken über die Gottheit
verhindert, kann auf einen Hauptgrund zurückgeführt werden: Wir haben
nicht mit dem Wechsel in der Bedeutung der Worte gerechnet, die sich im
Laufe der Zeit ergaben, als Sprache von einer Kultur zur anderen
weitergegeben wurde. Ein besonderes Beispiel dafür ist der Ausdruck
„Sohn Gottes“, den heute die meisten unwissentlich als „Gott, der Sohn“
übersetzen, eine Bedeutung, die in den ersten christlichen Dokumenten
keinesfalls bekräftigt wird. „Sohn Gottes“ ist der Titel, welcher den
Hauptdarsteller im christlichen Drama, Jesus, den Messias, bezeichnet.
„Sohn Gottes“ ist in der Bibel ein Name, der Vertretern Gottes gegeben
wird, hauptsächlich Seinem auserwählten König. Eine Verzerrung der
Bedeutung dieses Titels wird eine verhängnisvolle Auswirkung auf unser
Verständnis des ursprünglichen Glaubens haben. Wahres Christentum
muss durch die Vorstellungen und die Konzepte bestimmt werden, welche
im apostolischen Milieu des ersten Jahrhunderts gegenwärtig waren und
von uns nun mit einem Abstand von 1900 Jahren betrachtet werden. Der
Ablauf der Zeit entfernt uns in philosophischer Hinsicht von den
apostolischen Schreibern der Bibel. Wenn wir unsere Schriften im Licht
des sprachlichen, kulturellen und religiösen Hintergrundes dieser
historischen Gläubigen des ersten Jahrhunderts untersuchen, so ergibt sich
ein sehr anderes Bild ihrer Lehre.

3
Encyclopedia Britannica, 11th edition, Vol. 23,963.
4 Einleitung

Vielleicht sind Sie, ebenso wie wir es sind, davon überzeugt, die
letztendliche Ironie des fundamentalistischen Christentums im 20.
Jahrhundert, welches so eifrig an der Unfehlbarkeit der Schrift festhält, sei
jene, dass es niemals an die zusammenfassende Aussage Jesu über den
Weg zur Errettung glaubte: „Das aber ist das ewige Leben, dass sie dich,
den allein wahren Gott, und den du gesandt hat, Jesus Christus, erkennen“
(Joh. 17,3). Könnte es sein, dass unsere Generation für die Warnungen
Jesu unempfindlich wurde, der sagte: „Vergeblich aber verehren sie mich,
indem sie als Lehren Menschengebote lehren“ (Mt. 15,9). Sind vielleicht
auch wir unter den Einfluss von Theologen, hauptsächlich aus der
heidnischen Welt des zweiten bis fünften Jahrhunderts, gekommen, deren
griechisch philosophische Hintergründe sie dazu brachten, die hebräische
Denkweise und Theologie, welche das Fundament der apostolischen
christlichen Gemeinde bildete, zu verfälschen?
Indem wir den Schritten derer folgen, die sich einen Unterschied zur
trinitarischen Theologie erlaubten, ist es unsere Absicht aufzuzeigen, dass
weder das Alte noch das Neue Testament eine kräftige Beweisführung für
die Lehre der Trinität, wie sie allgemein im Glauben angenommen wird,
bieten. Wir glauben, dass auch der Leser diese Tatsache durch eine
sorgfältige und offene Untersuchung der heiligen Dokumente feststellen
wird. Es gibt keinen Vers in der Schrift, der behauptet, Gott sei „drei“.
Kein authentischer Vers nimmt in Anspruch, der Eine Gott bestehe aus
drei Personen, drei Geistern, drei göttlichen, unendlichen Wesen oder drei
„Irgendetwas“. Es kann kein Vers oder Wort der Bibel mit der Bedeutung
von „Gott in drei Personen“ gefunden werden. Jede Behauptung, es gebe
Drei, welche die Gottheit ausmachen, muss auf Überlagerung und nicht
auf einfache Aussagen zurückgeführt werden. Das trinitarische Konzept
gründet sich auf intellektueller und oftmals verdrehter Logik, die in den
ersten christlichen Schriften keine Unterstützung findet. Es ist unser
Eindruck, dass sich die meisten Trinitarier dem Neuen Testament nähern,
als wäre es ein Dokument, das ohne Umweg direkt zum Trinitarismus
führt. Sie übersehen die grundlegende Tatsache, dass von keinem
neutestamentlichen Schreiber jemals gezeigt werden kann, er habe den
„dreieinen Gott“ gemeint, wenn er „Gott“ sagte. Dann durchstöbern sie
die Dokumente nach Hinweisen, dass die Apostel das Material für die
spätere Schöpfung der Trinitätslehre bereitstellten. Die Tatsache, dass
keiner von ihnen beim Trinitarismus ankommt, scheint sie nicht
abzuschrecken.
Einleitung 5

Es gab eine Zeit, in welcher von religiösen Leitern verlangt wurde, zu


glauben, dass die Erde flach und das Zentrum des Universums ist. Wenn
man anderer Meinung war, wurde man als Häretiker gebrandmarkt und
das trotz der revolutionären Entdeckung von Kopernikus. Die heutige
Situation bezüglich der Lehre der Trinität ist vielleicht eine
bemerkenswerte Parallele.
Wenn wir glauben, dass Gott sich selbst in den Worten der Bibel
offenbart, so muss es die Pflicht eines jeden Menschen, der sich auf Jesus
beruft, sein, die Tatsachen in den Schriften zu prüfen um zu bestimmen,
wer der Gott der Bibel ist. Ein wahrheitssuchender Christ ist persönlich
für die sorgfältige Untersuchung der verschiedenen relevanten Texte
verantwortlich, ebenso wie es die begeisterten Beröer taten. Sie wurden
für ihre erfrischende, doch sehr seltene vornehme Denkart gelobt (Apg.
17,11). Sie wagten zu untersuchen, „ob sich die Dinge so verhielten“. Als
Ergebnis davon wurden sie zu wahren Gläubigen.
Viele von uns mögen der Ansicht sein, die Lehre der Trinität sei
bestenfalls ein verblüffendes Geheimnis, das den Überlegungen von
ausgebildeten Theologen überlassen werden sollte. Doch können wir
ihnen eine so wichtige und entscheidende Frage wirklich getrost
überlassen? Sogar ein solch scharfsinniger Beobachter wie Thomas
Jefferson (der dritte Präsident der Vereinigten Staaten - Amtszeit von
1800 bis 1809 - und Verfasser der Unabhängigkeitserklärung) bemerkte,
dass die Trinität eine „unverständliche Lehre eines platonischen
Mystizismus sei, dass drei eins sind und eins drei ist und trotzdem eins
nicht drei und drei nicht eins sind.“ Er fährt fort: „Ich hatte noch nie
genug Verstand, um die Trinität zu verstehen, und bin der Meinung, dass
das Verstehen der Zustimmung vorangehen muss.“4
Nichtsdestotrotz ist es für religiöse Leiter nicht ungewöhnlich, darauf
zu bestehen, dass man an die Trinität glauben muss, um ein Christ zu sein.
Andernfalls wird man als Sektierer gebrandmarkt. Um ein Mitglied des
Weltkirchenrates sein zu können, muss man zum Beispiel der Lehre der
Trinität zustimmen.
In einer freien Wiedergabe der Bemerkungen Thomas Jeffersons
stellen wir die Frage: Wie kann man von jemandem erwarten, dass er
seine Zustimmung zu etwas gibt, was weder erklärt noch verstanden
werden kann? Ist es gerechtfertigt, von der christlichen Gemeinschaft zu

4
C.B. Sanford, The Religious Life of Thomas Jefferson (University Press of
Virginia, 1987), 88.
6 Einleitung

verlangen, diese Lehre, die niemals beim Namen genannt wird und auch,
wie sogar Trinitarier zugeben, niemals auf den Seiten des Neuen
Testaments diskutiert wird, „im Glauben“ anzunehmen? Sollten wir nicht
an wenigstens einer Stelle der Schrift eine präzise, klare Formulierung der
erstaunlichen Vorstellung, dass Gott „Einer in Drei“ ist, erwarten?
Wenn unsere Vermutung gut begründet ist, dann könnte das heutige
Christentum unwissentlich im Widerspruch zu seinem Begründer, Jesus,
dem Messias, stehen. Der Glaube, so wie wir ihn kennen, scheint eine
Lehre über Gott angenommen zu haben, die Jesus nicht gekannt hatte.
Die Kirchengeschichte zeigt uns, dass die Vorstellung von sogar nur
zwei gleichwertigen Personen in der Gottheit – Vater und Sohn – keine
offizielle Zustimmung in der christlichen Gemeinschaft bis dreihundert
Jahre nach dem Wirken Jesu, bis zum Konzil von Nizäa im Jahre 325 fand
und das nur unter Umständen, die von politischer Agitation beeinflusst
waren. Das, was im vierten und fünften Jahrhundert als Wahrheit
angesehen wurde, müsste doch auch im ersten Jahrhundert wahr gewesen
sein. Wenn Jesus im ersten Jahrhundert als Gott eingestuft worden wäre,
wieso brauchte die Kirche dann so lange, um formell die Gottheit von
zwei - und später von drei – Personen zu bestätigen und selbst dann nur
unter massivem politischen Druck? Dem Konzil von Nizäa folgend
starben Tausende von Christen durch die Hand anderer Christen, weil sie
aufrichtig glaubten, Gott sei nur eine einzige Person.
Das trinitarische Dogma ist eines der größten Rätsel unserer Zeit. Die
Tatsache, dass es sowohl die Logik als auch die verstandesmäßige
Erklärung vermisst, scheint das Verlangen der Trinitarier, diese komplexe
theologische Formel ohne Rücksicht auf die Kosten zu verteidigen, nicht
zu vermindern. Wir wundern uns über die Aufregung, die entsteht, wenn
die Trinität in Frage gestellt wird. Das scheint auf einen Mangel an
Vertrauen auf das zu deuten, was von praktisch allen christlichen Leitern
als unbestreitbare „Parteilinie“ angesehen wird. Das allgemeine
Brandmarken der Gegner als Ungläubige trägt nichts zu unserer
Beruhigung bei.
Die Akzeptanz einer religiösen Idee von Seiten der überwältigenden
Mehrheit bestätigt und erklärt die Wahrheit dieser aber keinesfalls als
rechtsgültig. Ist die Erde flach oder das Zentrum unseres Sonnensystems?
Die gesamte Christenheit war einst dazu aufgefordert, diesen
Glaubensartikel anzunehmen und die Strafe für Unglauben war groß.
Trotzdem war es eine falsche Lehre.
Einleitung 7

Eine weitere Frage muss gestellt werden: Bestand die erste


apostolische Gemeinde aus brillanten, intellektuellen Theologen? Mit der
Ausnahme des Apostels Paulus sehen wir in der Leiterschaft der ersten
Gemeinde einen Querschnitt der Menschheit – einfache Arbeiter,
Geschäftsleute und Beamte. Wären sie nicht alle ebenso wie wir über die
Vorstellung, Gott sei zwei oder drei Personen und dennoch irgendwie nur
ein Wesen, verwirrt gewesen? Hätte so eine Neuerung nicht einer
besonders sorgfältigen und wiederholten Erklärung für Menschen bedurft,
die von Geburt an darin unterwiesen worden waren, dass Gott eine einzige
Person ist? Es ist unbestritten, dass die Vorstellung eines alleinigen,
einzigen Schöpfergottes die heiligste Lehre des nationalen Erbes Israels
war. Ihr zentraler Glaube an Einen Gott konnte nicht einfach und schnell
verbannt werden. Tatsächlich wäre der Glaube an den trinitarischen Gott
die revolutionärste und explosivste Vorstellung gewesen, welche die
Gemeinde des ersten Jahrhunderts erschüttern hätte können. Doch für eine
solche Revolution, falls sie jemals stattgefunden habe sollte, finden wir im
neuen Testament keinen Hinweis.
Viele von uns sind sich vielleicht nicht bewusst, dass die ungelöste
Kontroverse über die Trinität nun schon seit fast zweitausend Jahren
wütet. Tausende wurden gefoltert und hingeschlachtet, als sie nicht
zustimmten. Trotzdem, auch im Bewusstsein der möglichen
Brandmarkung, als „liberal“, „Häretiker“, „Sektierer“ und der Isolation
durch die „etablierte“ Religion, stellt heute eine wachsende Anzahl
sowohl katholischer als auch protestantischer Theologen, in Hochachtung
gegenüber den heiligen Schriften aber auch mit dem Wissen, alles durch
das Verlassen der Hauptbewegung des Christentums zu verlieren, die
Frage, ob die fundamentalste aller Lehren – die Trinität – in der Bibel
gefunden werden kann.
Die theologische Tradition hat sich bezüglich der Definition Gottes in
drei Lager aufgespalten. Es gibt den Glauben an den dreieinigen Gott (drei
Personen – Vater, Sohn und Heiliger Geist), an einen binitarischen Gott
(zwei Personen – Vater und Sohn) und einen Ein-Personen-Gott, den
Vater, der ungeschaffen und im ganzen Universum einzigartig ist
(Unitarismus).5 Jede Lehre, die unter bekennenden Gläubigen eine
derartige Feindschaft bewirkt, bedarf einer sorgfältigen Analyse.

5
Eine noch andere Ansicht Gottes gibt es in der United Pentecostal Church. Ihre
„Einheitsvorstellung“ der Gottheit ist, dass Gott und Jesus dieselbe Person sind.
8 Einleitung

In unserer Untersuchung der Trinität benutzten wir die Bibel und die
aufgezeichnete Geschichte als unsere Quellen. Die verschiedenen
Kontroversen, ob die Bibel das offenbarte Wort Gottes ist oder nicht, sind
für uns ohne Bedeutung. Wir ignorieren die Anklage, die Bibel sei
überholt und für die moderne Gesellschaft nicht länger relevant. Unsere
primäre Frage ist: Was bedeuteten die Worte Jesu und die der Apostel für
die Gläubigen, welche die erste Gemeinde formten? Wenn die christliche
Religion auf die Aussagen der Bibel begründet ist, dann muss die Bibel
unsere Quelle für den authentischen christlichen Glauben sein.
Natürlich stellen wir die Aufrichtigkeit des trinitarischen Glaubens
nicht in Frage. Dennoch beharren wir darauf, dass die Aufrichtigkeit den
Glauben nicht zur Wahrheit macht. Wir unterschätzen auch nicht die
außergewöhnliche Macht der Tradition in der Formung theologischer
Überzeugungen und die fast grenzenlose Kapazität der Religionslehrer, zu
glauben, ihre Lehre werde durch die Autorität der Schrift bestärkt.
Der Zweck dieses Buches ist eine Hilfestellung, um die Barrieren,
welche durch die Zeit und die Tradition zwischen uns und der von Jesus
gegründeten Gemeinde des ersten Jahrhunderts errichtet wurden, zu
durchbrechen. Wir sind überzeugt, dass unter dem Einfluss der
griechischen Philosophie eine neue Gottesvorstellung entstand und sich
selbst in den ursprünglichen Glauben einbrachte. Wir denken, dies war ein
Fehler und keine legitime kulturelle Entwicklung.
Wir schulden den vielen Gelehrten, die halfen, die ursprüngliche
Bedeutung der biblischen Worte in ihrer ursprünglichen Umgebung klar
zu machen, großen Dank. Wir sind reich durch ihre lebenslangen Studien
auf diesem so wichtigen Gebiet. Durch diese Ausleger, die uns erklären,
was ein Text bedeutet und nicht, was er bedeuten soll, wurden wir sehr
ermutigt. Von der Methode Alexander Reeses sind wir sehr beeindruckt,
der sich bei der Suche der Wahrheit in einer anderen Frage „den großen
Exegeten näherte......und vertraute, der durchschnittlich gebildete Leser
sehe ein, dass eine natürliche Interpretation, die von herausragenden
Gelehrten unterstützt wird, einer verwunderlichen, durch Dogmatik und
den Erfordernissen des Systems gedeckten, vorzuziehen ist.“6
Wir liehen uns Ideen aus dem Schatz vieler Autoren der
Vergangenheit und Gegenwart, doch ohne zu versäumen, ihnen in allen
Fällen die Ehre zu geben. Ihre Werke scheinen in der Liste der

6
The Approaching Advent of Christ (Grand Rapids: International Publications,
Neuauflage 1975), xii.
Einleitung 9

Quellenangaben am Ende dieses Buches auf. Manchmal fügten wir


ausgedehnte Zitate aus Werken bekannter Gelehrter aus dem Bereich des
biblischen Studiums ein. Unsere Absicht ist, die volle Kraft ihrer
Einblicke in unseren Dialog einzubringen.
Am Anfang möchten wir die bekannten Ansprüche von Trinitariern
und Binitariern in Frage stellen, die behaupten, wenn Jesus nicht „wahrer
Gott“ wäre, dann gäbe es keine angemessene Sühne für die Sünden der
Menschheit. Wir fordern sie heraus: Wenn das wahr ist, wo kann es in der
Bibel dokumentiert werden? Besitzt Gott nicht die Freiheit, die Welt
durch denjenigen, den Er erwählt, zu retten? Die Entdeckung, dass die
Schrift nicht die Quelle dieses klassischen trinitarischen Arguments ist, ist
ebenso verwunderlich wie die Tatsache, dass das Wort „Gott“ im Neuen
Testament niemals einen Drei-Personen-Gott beschreibt. Fast ohne
Ausnahme meint das neue Testament den Vater, wenn es von Gott spricht.
Wir fordern die Trinitarier auf, diesbezüglich eine Inventur der
offenkundigen Differenzen zwischen der Bibel und ihnen selbst zu
machen.
Es ist wichtig festzustellen, was wir in diesem Buch nicht sagen. Wir
glauben nicht, dass Jesus nur „ein guter Mensch“ war oder einer aus der
Reihe der Propheten. Unser Glauben an ihn ist als an denjenigen, der
Gottes einzigartiger, auserwählter und sündloser Vertreter für die
Erlösung der Menschen ist. Im heutigen Deutsch zu sagen, er ist Gott,
interpretiert jedoch die christlichen Schriften falsch. Es genügt und ist
völlig biblisch, zu glauben, dass er der Messias, der Sohn Gottes ist. Wir
sind durch das populäre Argument, Jesus müsse entweder „verrückt,
schlecht oder Gott“ (im Englischen „mad, bad or God“), nicht
eingeschüchtert. Das Aufzwängen einer Entscheidung über ihn, die ihn als
entweder Irrer, Lügner oder Gott selbst bezeichnet, bringt uns sehr
geschickt von der Wahrheit über seine wahre Identität ab. Es gibt eine
andere Möglichkeit – eine, die der Beschreibung in der Schrift volle
Genüge tut.
Als einen „technischen Punkt“ möchten wir vorausschicken, dass wir
von Gott und Jesus als „Personen“ sprechen. Es ist uns bewusst, dass gut
unterrichtete Trinitarier ihren Glauben an drei „Personen“ ausdrücken,
wobei sie aber unter „Person“ nicht das meinen, was wir normalerweise
unter diesem Wort verstehen. Es scheint aber in der Bibel ganz
offensichtlich so zu sein, dass der Vater und Jesus als Personen dargestellt
werden, d.h. als zu unterscheidende Individuen im modernen Sinn des
Wortes und wir wehren uns gegen den verwirrenden Vorgang, die Bibel
10 Einleitung

durch eine unbiblische Vorstellung von „Person“ zu erklären.


Nachdenkliche Trinitarier waren nicht in der Lage zu erklären, was sie
unter „Person“ in der Gottheit verstehen. Die geheimnisvollen Ausdrücke
„Unterscheidung“ und „Substanz“ befreien sie nicht aus ihrer misslichen
Lage. Augustinus, der berühmte lateinische Kirchenvater, entschuldigte
sich für die Verwendung des Ausdrucks „Person“, wenn er von den
Mitgliedern der Trinität sprach. Er gab zu, dass bestenfalls behauptet
werden kann, der Ausdruck „Person“ sei dem absoluten Schweigen
vorzuziehen.7 Dennoch benötigten die Schreiber der Bibel keine solch
spezielle Terminologie, um das Verhältnis von Gott und Jesus zu
beschreiben. Einer war der Vater und der andere Sein Sohn.
Was den Versuch mancher angeht, Gott als drei „Etwas“ in drei
„Jemand“ zu definieren, so denken wir, dass es dafür keine biblische
Unterstützung gibt. Ein kurzer Augenblick der Überlegung wird uns
offenbaren, dass in der Schrift der Gott Israels niemals als ein „Etwas“
oder auch nur irgendwie unpersönlich beschrieben wird. Persönliche
Fürwörter in der Einzahl zeigen uns, dass der Eine Gott eindeutig ein
„Jemand“ ist. Ihn zu drei „Jemand“ zu machen, verletzt ganz eindeutig
das gleichbleibende Zeugnis der Schrift. Sollte irgend jemand bekennen,
dass er die trinitarische Idee von Gott als sowohl drei und doch einer nicht
versteht, so möchten wir vorschlagen, dass das nur auf die Schwäche des
ganzen trinitarischen Konzepts hindeutet.
Schlussendlich, wir bezweifeln nicht das Vorhandensein von
„Geheimnissen“ in der Religion. Wir weisen auch keine Lehre zurück, die
wir nicht vollständig erklären können. Doch Geheimnis und Widerspruch
sind zwei verschiedene Dinge. Es gibt vieles über die Wiederkunft Jesu,
was wir nicht verstehen, doch weil Jesus erklärte, er kenne nicht den
Zeitpunkt seiner Wiederkunft auf die Erde, so ist es ein klarer Irrtum,
wenn wir behaupten, er war allwissend. Es ist ein Missbrauch der Sprache
und mit Charles Wesley wollen wir sagen: „Es ist alles Geheimnis; der
Unsterbliche stirbt“. Eine Bankrotterklärung des Denkens geschieht, wenn
Worte unverständlich werden. Unsere Beschwerde über die Lehre der
Trinität ist, dass sie ein Schibboleth ohne eigentliche Bedeutung ist. Eines
der stärksten Argumente gegen sie ist, dass sie nicht ausgedrückt werden
kann, ohne die biblische Sprache aufzugeben. Es gibt einen weiteren
wichtigen Einwand: von vielen wird sie so verstanden, als gäbe es drei

7
Augustinus, On the Trinity, Book V, Kap. 9
Einleitung 11

gleichwertige „Götter“, weil das der einzige Weg ist, wie sie sich drei
verschiedene Personen, die alle Gott genannt werden, vorstellen können.
Wir beginnen, indem wir die entscheidendste Frage stellen, die von
jedem Christen beantwortet werden muss, der in Anspruch nimmt, dass
die Bibel das maßgebliche Wort des Höchsten Wesens ist: Was meinte der
Begründer des Christentums, wenn er den Vater ansprach und sagte:
„Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und
den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“? (Joh. 17,3)
1. DER GOTT DER JUDEN

„…wir beten an, was wir kennen, denn das Heil ist aus den Juden“ –
Jesus Christus

Die Tiefe des jüdischen Gefühls hinsichtlich des Monotheismus


wurde über Jahrhunderte hinweg durch Erfahrungen geformt. Solange die
Nation sich an seine zentrale Überzeugung von nur Einem Gott hielt, ging
es ihr gut. Furchtbares Leid war die Strafe für jegliche Abweichung zum
Polytheismus. Resultat war, dass das gelobte „Höre Israel: Der HERR,
unser Gott, ist ein einziger HERR!“ (5. Mo. 6,4, vgl. Mk. 12,29)1, welches
Israels nationales Glaubensbekenntnis darstellte, von jedem
gottesfürchtigen Israeliten während seines Lebens und in der Stunde
seines Todes gesprochen wurde. Um sich den Eifer vorzustellen, welcher
den jüdischen Glauben an den Einen Gott umgab, sollten wir an unsere
eigenen tiefsten Überzeugungen und Verpflichtungen zu Freiheit, Land,
Heim und Familie denken.
Wären Sie als Jude von orthodoxen religiösen Eltern in Israel im 1.
Jahrhundert geboren worden, hätten Sie die unerschütterliche
Überzeugung gehabt, dass es nur einen, und nur einen einzigen höchsten
Schöpfer, Gott, gibt, dem im Universum Anbetung gebührt. Dieses
Glaubensbekenntnis war unauflöslich in den Stoff jüdischen Lebens
eingewoben. Die nationalen Feiertage, der landwirtschaftliche Kalender,
sowie auch die Hoffnung der nationalen Befreiung von den römischen
Unterdrückern und die Verheißung zukünftiger Größe, waren alle auf die
Offenbarung des Ein-Personen-Gottes gegründet, welche auf den Seiten
der Schriften, die wir das Alte Testament nennen, enthalten ist. Die
jüdische religiöse Literatur bestimmte die Beziehung des Gläubigen zu
dem Einen Gott und vermittelte Unterweisung darüber, wie man mit
seinen Mitmenschen umgehen sollte. Vieles im Alten Testament ist die
manchmal positive, manchmal tragische Geschichte des Umgangs dieses
1
Der Nash Papyrus, der älteste bekannte hebräische biblische Text, vielleicht aus
dem zweiten Jahrhundert, beendet das Shema mit den Worten: „ein Herr ist Er“.
14 Der Gott der Juden

Einen Gottes mit Seinem erwählten Volk, Israel. Darüber hinaus sagten
die heiligen Schriften eine glorreiche Zukunft für die Nation und die Welt
voraus, einen Tag, an dem jeder auf Erden den einen wahren Gott Israels
erkennen und Ihm dienen wird (Sach. 14,9).
Jesus wurde in diese äußerst verpflichtete und ausgeprägte religiöse
Gesellschaft hinein geboren. Die Ursprünge der Hingabe dieser gläubigen
Gemeinschaft an den Monotheismus waren in dem Bündnis mit Abraham,
dem Vater der Gläubigen, verwurzelt. Das Hauptthema des Judentums,
dass Gott nur ein Herr ist, wurde dem Volk von Mose mit Sorgfalt und
Mühe eingeprägt. Später dann hatten sich einige vom Glauben abgefallene
Israeliten dem Glauben an die Götter ihrer heidnischen Nachbarn
zugewandt. Die Repräsentanten dieser mächtigen alten Gottheiten
widmeten sich dann auch der Tempelprostitution, der Kinderverbrennung
vor dem Gott Moloch und der Verstümmelung ihrer Körper – um einige
der bekannteren Riten zu erwähnen.
Der in den ersten fünf Büchern von Israels alter Literatur
aufgezeichnete Bericht beschreibt eine Nation, die von Gott auserwählt
wurde, von der polytheistischen Welt getrennt zu sein. Durch einen
mächtigen göttlichen Eingriff, zuerst bei der Berufung Abrahams und
später beim Auszug aus Ägypten, wurde die gesamte Nation mit einem
Wesen bekannt gemacht, das nicht nur für sich beanspruchte, der einzige
Schöpfer von allem, was existierte, zu sein, sondern auch der einzige
wahre Gott, den es gab. Seine Botschaft an Sein Volk Israel kannte nicht
ihresgleichen. Durch Mose verkündete Er: „Euch aber hat der HERR
genommen und euch herausgeführt aus dem eisernen Schmelzofen, aus
Ägypten, damit ihr das Volk seines Erbes wäret, so wie es heute ist. ... Du
hast es zu sehen bekommen, damit du erkennst, daß der HERR der
alleinige Gott ist.“ (5. Mo. 4, 20, 35).
Es steht fest, dass die Nation Israel, der diese großartigen
Verkündigungen über die Gottheit zuteil wurden, nichts über eine Dualität
oder Trinität der Personen in der Gottheit wusste. Keine Tatsache kann
mit größerer Bestimmtheit etabliert werden, wenn man einmal ihre
nationale Literatur als Leitfaden nimmt und wenn Sprache überhaupt eine
feste Bedeutung hat.
Eine Sache ist unbestreitbar: Die Israel umgebenden Nationen hatten
keinerlei falsche Vorstellungen über Israels Glauben an nur Einen Gott.
Dieses Glaubensbekenntnis war teilweise dafür verantwortlich, dass die
religiösen Juden über Jahrhunderte verfolgt wurden, weil sie sich
weigerten, irgend ein anderes Objekt zur Anbetung zu akzeptieren außer
Der Gott der Juden 15

ihrem Einen Gott. Die Kreuzritter, jene christlichen Krieger des 11.
Jahrhunderts, vertrieben mit Vorliebe die „ungläubigen“,
monotheistischen Moslems aus dem Heiligen Land. Ihr Übereifer
verleitete sie in gleicher Weise dazu, viele hilflose europäische Juden in
einer Stadt nach der andern zu vernichten. Drei Jahrhunderte später
konnte weder ein unitarischer Jude oder Christ noch ein trinitarischer
Protestant die Verfolgung durch die Spanische Inquisition überleben, ohne
seinen religiösen Glauben aufzugeben und den Römischen Katholizismus
anzunehmen oder aber in einen weniger feindseligen Teil der Welt zu
fliehen. Es mag für viele ein Schock sein, aber Tausende von Christen, die
ebenfalls an den Ein-Personen-Gott der Juden glaubten, waren ebenso nur
durch Flucht in der Lage, dem gleichen grausamen Schicksals von Seiten
der Kirche zu entkommen.
Der Glaube an einen Ein-Personen-Gott vermittelte Israel eine
Weltanschauung, die es von allen anderen Philosophien, Religionen,
Kulturen und Nationen trennte. Es hält an diesem besonderen Verständnis
Gottes bis auf den heutigen Tag fest. Im Gegensatz dazu hält die breite
Masse der Christenheit an der Vorstellung eines Drei-Personen-Gottes in
der Trinität (Vater, Sohn und Heiliger Geist) fest, und eine Minderheit
beansprucht, an einen Zwei-Personen-Gott (Vater und „Wort“)2 zu
glauben, bei dem beide Personen seit Ewigkeit existieren. Orientalische
Religionen gestehen mehr als einen Gott ein, oder zumindest persönliche
Zwischenwesen zwischen dem obersten Gott und der Schöpfung, so wie
es in weiten Teilen der griechischen Welt der Fall war, von der die frühe
christliche Gemeinde kurz nach dem Tod ihres Gründers, Jesus, des
Messias, beeinflusst wurde. Viele finden heute ihre theologischen
Wurzeln in dem orientalischen Konzept vieler Götter - dem
Glaubensbekenntnis etwa, dass wir alle Gott sind, und lediglich auf unsere
Selbstentdeckung warten, und, ein wenig konfus, dass alles Gott ist. Es ist
schwer, nicht zu beobachten, dass religiöse Anarchie unweigerlich dann
folgt, wenn jede Person in ihrem eigenen Recht ein Gott ist und ihr
eigenes Glaubensbekenntnis und den eigenen Wandel bestimmt.
Um die Einzahl Gottes gegenüber der Nation Israel zu betonen, so
dass keine Chance eines Fehlers oder Missverständnisses bestand,
wiederholte Gott durch Mose: „So erkenne denn heute und nimm dir zu
Herzen, dass der HERR der alleinige Gott ist im Himmel oben und auf der
Erde unten, keiner sonst.“ (5.Mo. 4,39). Aufgrund der Stärke dieses
2
Die World Wide Church of God, gegründet von Herbert Armstrong, hatte diese
“binitäre” Ansicht. Lehrmäßige Veränderungen fanden im Jahre 1995 statt.
16 Der Gott der Juden

Textes und vieler ähnlicher können wir völlig mit der jüdischen Hingabe
an den Ein-Personen-Gott mitfühlen. Diese Aussage scheint ein Zeugnis
gegen jede Möglichkeit einer Fehlinterpretation zu sein. Die Juden
verstanden „ein“ als „ein“ und hatten niemals einen Zweifel bezüglich des
Ausdrucks „und keiner sonst“. Ein führender zeitgenössischer jüdischer
Sprecher, Pinchas Lapide, betont die Beständigkeit, mit der Juden das
Herzstück ihres Glaubens bewachen.

„Um die Einzahl Gottes vor jeglicher Vervielfältigung, Verwässerung, oder


Vermischung mit den Riten der sie umgebenden Welt zu bewahren, wählte das
Volk Israel für sich selbst diesen Vers der Bibel als sein Glaubensbekenntnis, das
bis auf den heutigen Tag zur täglichen Liturgie der Synagoge gehört und auch
einem fünfjährigen Schulkind als erster Satz der Unterweisung eingeprägt wird.
Dies ist das Bekenntnis, welches auch Jesus als ‚das wichtigste aller Gebote‘
anerkannte.“ 3

Wie Lapide erkennt, wiederholte Jesus, als er die Grundlage seines


Glaubens erläuterte, die Worte, die Mose dem Volk Israel verkündet hatte:
„Höre Israel, der HERR, unser Gott, ist ein HERR allein; und du sollst
Gott, deinen HERRN, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von
ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften. Das ist das vornehmste
Gebot.“ (5.Mo. 6,4-5; Mk. 12,29-30).Von Jesu Bestätigung der Worte des
Mose aus dem 5. Buch Mose sind wir gezwungen zu folgern, dass er eben
das verstanden und geglaubt haben muß, was Moses unter diesen Worten
verstand. Wenn es anders gewesen wäre, oder wenn ein radikaler Wechsel
stattgefunden hätte, der die definitive Aussage Mose über „Einen Gott“
negiert hätte, so versagten die Schreiber des Neuen Testaments völlig, uns
eine entsprechend eindeutige Erklärung mitzuteilen, um diesen zentralen
Punkt des jüdischen Glaubens rückgängig zu machen oder zu revidieren.
Eine weitere Bestätigung der Fortdauer des zentralen
Glaubensbekenntnisses des Judentums findet sich in der Unterhaltung
Jesu mit der samaritischen Frau. Er teilte ihr freimütig mit: „Ihr betet an,
was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen, denn das Heil ist aus
den Juden. Es kommt aber die Stunde und sie ist jetzt, da die wahren
Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn der Vater
sucht solche als seine Anbeter.“ (Joh. 4,22-23). Wir sehen nicht ein
einziges Mal, dass Jesus seine Landsleute kritisiert, weil sie ein

3
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine (Philadelphia, Fortress
Press, 1981), 27.
Der Gott der Juden 17

inadäquates Verständnis bezüglich der Zahl der Personen der Gottheit


gehabt hätten. Auch Paulus kannte keinen anderen Gott als den Gott
Israels. Er erwartete, dass Heiden in den Baum Israels „eingepfropft“ und
den gleichen Gott anbeten würden: „Oder ist Gott ein Gott der Juden
allein? Nicht auch der Nationen? Ja, auch der Nationen“ (Rö. 3,29, vgl.
11,17).4
Früh während seines Wirkens bestätigte Jesus ausdrücklich die
Offenbarung, welche Mose gegeben worden war: „Meint nicht, daß ich
gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht
gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Mt. 5,17). Das erste Prinzip
der großen Zusammenfassung des in der Torah durch Mose gegebenen
Gesetzes Israels enthielt das nationale Glaubensbekenntnis: „Du sollst
keine anderen Götter neben mir haben“ (2.Mo. 20,1-3).
Wenn es ein einziges, einzigartiges, allmächtiges Wesen im
Universum gibt, das Seiner Schöpfung offenbaren will, dass nur es allein
Gott ist, und dass es keinen anderen gibt, wie genau sollte dies ohne die
Möglichkeit eines Fehlers dargelegt werden? Was hätte gesagt werden
können, um auch die geringste Möglichkeit eines Missverständnisses
auszuschließen? Wie würde jemand unter uns die Einzigartigkeit Gottes
ausdrücken, wenn es unsere Aufgabe wäre, diese Botschaft einer ganzen
Nation klar zu machen? Hätten wir nicht auch gesagt, was Mose über das
berichtete, was Gott gesagt hatte: „Seht nun, daß ich, ich es bin und kein
Gott neben mir!“ (5.Mo. 32,39)? Israel wird als Antwort auf diese
kategorischen Erklärungen bis auf den heutigen Tag keinen anderen Gott
als den Ein-Personen-Gott des Mose als Ergebnis dieser Worte
akzeptieren. Unabhängig von anderen religiösen Unterschieden verbleibt
die Einzahl Gottes als verbindender Faden innerhalb der jüdischen
Gemeinschaft.
Die hebräische Bibel und das Neue Testament enthalten weit über
zwanzigtausend Fürwörter und Verben in der Einzahl, die den Einen Gott
beschreiben. Sprache kennt keinen deutlicheren und offensichtlicheren
Weg, um ein Zeugnis für Israels und Jesu Monotheismus zu geben.
Das in Israels Torah offenbarte Wesen war ein Gott, der von den
heidnischen Göttern Ägyptens scharf abgegrenzt werden sollte. Durch
einen Kraftakt hatte Er eine versklavte Nation aus der Gefangenschaft
befreit. Er war ein Gott von Ehrfurcht gebietender Kraft und doch

4
Der Gott, der dem Juden Paulus bekannt war, wurde von ihm sehr prägnant in
Gal. 3,10 (hier in den Worten der Amplified Translation of the New Testament)
beschrieben: „Gott ist (nur) eine Person“.
18 Der Gott der Juden

persönlich und zugänglich - ein Gott zum Lieben, von dem es hieß: „Und
der HERR redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann
mit seinem Freunde redet" (2.Mo. 33,11). Er war eine Person, mit der
David Umgang hatte: „Mein Herz erinnert dich: ‚Suchet mein Angesicht!‘
Dein Angesicht, HERR suche ich“ (Ps. 27,8). Beim Auszug wussten die
Juden, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine ganze Nation in einen
innigen Kontakt mit dem Schöpfer, Gott, mittels Seines eingesetzten
Repräsentanten gebracht wurde. Dieses unvergleichliche Ereignis wurde
für immer in das nationale Bewusstsein eingebettet. Die Götter der sie
umgebenden Welt sollten von der Anbetung ausgeschlossen werden. Es
ist tragisch, aber manchmal wurde Israel durch abergläubische Ängste und
das Verlangen versucht, so wie die anderen Nationen zu sein und die
vielfachen Götter des Heidentums anzunehmen. Dafür mussten sie
schlimm leiden. Kurz nach ihrer Flucht aus Ägypten bauten sie ein
goldenes Kalb als Objekt für ihre Anbetung, was sie sehr teuer zu stehen
kam.
Das Volk musste stetig an sein einzigartiges Glaubensbekenntnis
erinnert werden: „Höre, Israel, der HERR, unser Gott, ist ein HERR“
(5.Mo. 6,4). Durch den Propheten Jesaja wurde Israel wiederum an seine
nationale Identität erinnert: „Ihr aber seid meine Zeugen, spricht der
HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr erkennt und mir
glaubt und einseht, dass ich es bin. Vor mir wurde kein Gott gebildet, und
nach mir wird keiner sein“ (Jes. 43,10). Theologien, die ihren Anhängern
verheißen, dass sie eines Tages „Gott“ sein werden, scheinen nicht das
exklusive Vorrecht erkannt zu haben, welches der eine für sich in
Anspruch nimmt, der darauf besteht, dass weder vor ihm ein Gott gemacht
wurde, noch einer nach ihm kommen wird!
Jesajas fortgesetzte Betonung der Einzahl Gottes ist deutlich und klar.
Er zitiert Gott mit den Worten: „Ich bin der Erste, und bin der Letzte, und
außer mir gibt es keinen Gott“ (Jes. 44,6). Die Frage wird wiederholt:
„Gibt es einen Gott außer mir? Es gibt keinen Fels, ich kenne keinen.“
(Jes. 44,8). Dieser exklusive Anspruch war ein integraler Bestandteil der
religiösen Unterweisung, mit der Jesus aufwuchs. Es war ein
Glaubensbekenntnis, welches er mit allen anderen jungen Juden teilte.
Seine während seines öffentlichen Wirkens wiederholten Zitate aus dem
Propheten Jesaja, und in der Tat aus dem gesamten Alten Testament,
demonstrieren, wie bedeutsam seine Theologie von den hebräischen
Schriften geprägt worden war. Der Gott, dem Jesus diente, hatte sich
selbst als eine einzige Person bezeichnet und niemals als drei.
Der Gott der Juden 19

Wir sollten von der Hartnäckigkeit nicht überrascht sein, mit der die
Juden das Konzept von einem einzigen und einzigartigen Schöpfer, Gott,
bewahrten. Ihre Beharrlichkeit wurde durch Jesajas fortwährende
Wiederholung der allerwichtigsten religiösen Tatsache ermutigt. Der
Prophet spricht erneut von Israels Gott: „So spricht der HERR, dein
Erlöser und der dich vom Mutterleib an bereitet hat: Ich, der HERR, bin
es, der alles wirkt, der die Himmel ausspannte, ich allein, der die Erde
ausbreitete - wer war da bei mir? (Jes. 44,24). Nur wenige Feststellungen
könnten besser geplant sein, um für immer die Idee aus dem jüdischen
Sinn zu verbannen, dass mehr als eine Person für die Schöpfung
verantwortlich war.
Die Betonung wird noch auffälliger, wenn der gleiche Schreiber in
sieben unterschiedlichen Versen im 45. Kapitel seines Buches Folgendes
berichtet: „Ich bin der HERR, und sonst keiner; es gibt keinen Gott außer
mir“ (Jes. 45,5). Diese Aussagen waren geplant, in Israels Sinn für immer
die Idee zu verankern, dass Gott nur einer ist. Der gleiche Eine Gott
verkündete weiterhin durch Jesaja: „Ich habe die Erde gemacht und den
Menschen auf ihr geschaffen“ (Jes. 45,12).
Es ist eine weit verbreitete Lehre, dass der eine, der dann zu Jesus
werden sollte, der Sohn Gottes des Neuen Testaments, für die Schöpfung
verantwortlich gewesen sein soll. Wie konnte eine solche Idee auf der
Grundlage dessen, was wir gerade gelesen haben, überhaupt aufkommen?
Verhindern nicht die Schriften des Jesaja, dass ein solcher Gedanke in
einem jüdischen Sinn aufkommt? „Ja, bei dir ist Gott. Es gibt keinen
sonst, keinen Gott.“ (Jes. 45,14). Und wiederum: „Denn so spricht der
HERR, der die Himmel geschaffen hat - er ist Gott - der die Erde gebildet
und sie gemacht hat – er hat sie gegründet, nicht als eine Öde hat er sie
geschaffen, sondern zum Bewohnen hat er sie gebildet: Ich bin der HERR,
und sonst gibt es keinen Gott (Jes. 45,18).
Zwei weitere Stellen forderten Israel zu einer treuen Hinwendung an
den Einen Gott: „Berichtet und bringt Beweise herbei! Ja, sollen sie sich
miteinander beraten! Wer hat dies von alters her hören lassen, schon
längst es verkündet? Nicht ich, der HERR! Und sonst gibt es keinen Gott
außer mir. Einen gerechten und rettenden Gott gibt es nicht außer mir.
Wendet euch zu mir und lasst euch retten, alle ihr Enden der Erde! Denn
ich bin Gott und keiner sonst“ (Jes. 45,21-22). Einige haben den Gebrauch
des Wortes „Heiland“ („rettender Gott“) in dieser Stelle mit den vielen
Stellen verwechselt, in denen das gleiche Wort für Jesus, den Messias,
verwendet wird. Er wird im Neuen Testament ganz offensichtlich auch als
20 Der Gott der Juden

„Heiland“ bezeichnet (wie auch die Richter im Buch Richter so genannt


werden und wie Josephus auch Vespasian bezeichnete).5 Wir beachten den
Unterschied, wie er in Judas 25 gemacht wird, wo sowohl Jesus wie auch
Gott am Schluß des Briefes erwähnt werden: „...dem alleinigen Gott,
unserem Heiland, durch Jesus Christus, unseren Herrn, sei Herrlichkeit,
Majestät, Gewalt und Macht vor aller Zeit und jetzt und in alle
Ewigkeiten! Amen“. Ganz offensichtlich wird das jüdische Konzept eines
Ein-Personen-Gottes durch diesen neutestamentlichen Schreiber nicht
gestört. In der Tat kann wohl kaum eine deutlichere Aussage gemacht
werden - dass die Gottheit „nur“ aus einer Person besteht. Sowohl Gott,
der Vater, und Jesus Christus werden beide in einem Satz erwähnt, aber
Jesus wird offensichtlich von dem „alleinigen Gott“ unterschieden.
Andere neutestamentliche Schreiber machen ähnlich unmissverständliche
Aussagen. Der Vater Jesu ist der einzige absolute Heiland. Andere können
als Heiland wirken, doch in einem untergeordneten und delegierten Sinn.
Jesus wurde in diese jüdische Kultur mit ihrem tief eingeprägten
Glauben an den Einen Gott hineingeboren. Neunzehn Jahrhunderte später
zeigte ein orthodoxer israelischer Jude, Pinchas Lapide, Mitglied der
Fakultät an der Bar Ilan Universität in Israel (den wir zuvor zitierten),
dass den Juden verboten war, von dem Glauben an die Einzahl Gottes
abzuweichen. „Von dem hebräischen Wort echad (es bedeutet ‚einer‘)
lernen wir nicht nur, dass es außer dem HERRN keinen gibt, sondern
auch, dass der HERR einer ist und dass daher der HERR nicht als etwas
Zusammengesetztes angesehen werden kann, das dann in verschiedene
Attribute oder Teile geteilt werden kann.“6 Dem biblischen Bericht
zufolge ist es daher kein Wunder, dass Chaos folgte, sich die Nation
spaltete und die drohenden Weissagungen Jesajas zustande kamen, sobald
Israel erwählte, sich anderen Göttern zuzuwenden. Nationale
Gefangenschaft war die Strafe für ihren Schritt in den Polytheismus. Es ist
sehr gut möglich, dass das Durcheinander und die Aufspaltung, die wir in
der Geschichte des Christentums erkennen, auf genau das gleiche
Verlassen des ursprünglichen Glaubens an einen Ein-Personen-Gott
zurückgeführt werden können.
Das Konzept des Ein-Personen-Gottes war nicht auf den Propheten
Jesaja beschränkt. Hosea berichtet davon, dass Israels Gott sprach: „Ich
aber bin der HERR, dein Gott, vom Land Ägypten her; Einen Gott außer

5
Richter 3,9.15, wo das Wort „Erlöser“ an anderen Stellen als „Heiland“
wiedergegeben wird.
6
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine, 31.
Der Gott der Juden 21

mir kennst du nicht, und es gibt keinen anderen Retter als mich“ (Hos.
13,4). Auch war der einzigartige Status des Einen Gottes nicht auf jene
frühen Tage beschränkt. Wir erhalten den klaren Eindruck durch den
Propheten Joel, der von einem zukünftigen Israel nach der Erlangung der
verheißenen Größe spricht, dass die Nation auch weiterhin und für ewig
an den Einen Gott gebunden sein wird. „Und ihr werdet erkennen, dass
ich in Israels Mitte bin, und daß ich, der HERR, euer Gott bin, und keiner
sonst. Und mein Volk soll nie mehr zuschanden werden.“ (Joel 2,27). Joel
teilt uns mit, dass was und wer auch immer der Gott der Juden im Alten
Testament war, auch ihr Gott in Ewigkeit sein würde.
Der jüdische Sinn war davon überzeugt, dass der Eine Gott, der
Schöpfer, auch der Vater der Nation war. So berichtet der Prophet
Maleachi: „Haben wir nicht alle einen Vater? Hat nicht ein Gott uns
geschaffen? Warum handeln wir treulos aneinander, um den Bund unserer
Väter zu entweihen?“ (Mal 2,10).7 Nichts könnte deutlicher sein, als dass
der Eine Gott des jüdischen Monotheismus, auf den das Erbe Jesu
gründete, der Vater war. Dieses einzigartige Wesen wird im Neuen
Testament sehr oft als „Gott und Vater“ beschrieben. Er ist wahrlich der
„Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“8, Seines Sohnes. Überaus
wichtig ist die Tatsache, dass Jesus selbst als „Herr“ auch weiterhin
seinem Gott untergeordnet ist. Der messianische Titel „Herr“ bedeutet
also nicht, dass Jesus Gott ist.

Das hebräische Wort Elohim


Mit wenig Autorität derer, die in der hebräischen Sprache geübt sind,
bringen Trinitarier und Binitarier manchmal die Aussage in 1.Mo. 1,26 als
Beweis vor (im Widerspruch zu dem Beweis aus Tausenden von
Fürwörtern in der Einzahl, die nur Einen Gott anzeigen), dass eine
Pluralität der Personen in der Gottheit für die Schöpfung verantwortlich
war. „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserem Bilde ...“.
Dieses Argument ist bedenklich. Moderne Gelehrte verstehen den
Ausdruck „Lasst uns“ oder das Wort Elohim (Gott) nicht mehr länger als
eine Pluralität von Gott-Personen als Schöpfer. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass das Plural Fürwort „uns“ einen Bezug zu dem Rat von Engeln9 hat,

7
Siehe auch 1.Chronik 29,10, wo der Gott Israels auch „unser Vater“ ist.
8
Rö.15,6; 2. Kor. 1,3; 11,31; 1. Pet 1,3
9
Man vgl. 1. Könige 22,19-22 und beachte dabei die kraftvolle Aussage des
trinitarischen Kommentators G.I. Wenham: „Christen haben traditionell diesen
Vers (1.Mo. 1,26) so betrachtet, als weise er voraus (schattenhaft) auf die Trinität.
22 Der Gott der Juden

die neben dem Einen Gott anwesend waren und die selbst dereinst im
Bilde Gottes geschaffen worden waren und die Zeugen der Schöpfung des
Universums waren (vgl. Hiob 38,7). Es ist schon eine phantasiereiche
Vorstellung, dass dieser Vers die Idee unterstütze, Gott habe zu Seinem
Sohn und dem Heiligen Geist geredet. Wo spricht Gott je in der Schrift zu
Seinem eigenen Geist? Der Text sagt absolut nichts aus über einen ewigen
Sohn Gottes, das zweite Glied einer gleichwertigen Trinität. Außerdem
weist das „uns“ im Text in keiner Weise darauf hin, dass zwei andere
gleichwertige Partner Teil der Gottheit sind. Wenn Gott eine einzige
Person ist, so bedeutet die Verwendung des Wortes „uns“, dass er jemand
anderen als sich selbst anspricht, also jemand anderen als Gott.
Ein Hebräischlexikon für die Bibel bestätigt, dass das Wort elohim
(Gott) kein „uniplurales“ Wort ist, wobei zwei oder mehr Personen die
Gottheit ausmachen (oder, wie einige dachten, die „Gott-Familie“). Die
Besonderheiten einer jeden Sprache müssen beachtet werden, wenn wir
ein rechtes Verständnis ihrer Bedeutung erlangen wollen. Das, so werden
wir entdecken, ist unverzichtbar auf unserer Suche nach einem wahren
Verständnis.
Die anerkannten Tatsachen der hebräischen Sprache werden kein
Argument für vielfache Personen in der Gottheit stützen. Wir beachten,
was die Gesenius‘ Hebrew Grammar, eine anerkannte Autorität,
bezüglich des Wortes elohim zu sagen hat:

„Der Majestätsplural ... fasst die verschiedenen Charakteristika dieser Idee


zusammen und fügt weiterhin die sekundäre Bedeutung einer Intensivierung der
ursprünglichen Idee mit ein. Dass die Sprache die Idee einer numerischen
Pluralität in elohim (wenn es sich auf den einen Gott bezieht) völlig abgelehnt
hat, wird besonders dadurch bewiesen, dass es fast immer mit einem singulären
Attribut verbunden wird.“10

Es wird aber nun allgemein eingestanden, dass dies nicht das war, was das Plural
„uns“ für den ursprünglichen Autor bedeutete“ (Genesis 1–15, Word Biblical
Commentary, Hrsg. Donald A. Hubbard and Glenn W. Barker, Waco, TX: Word
Books, 1987, 27). Man vgl. auch die Anmerkung in der NIV Study Bible (Grand
Rapids: Zondervan, 1985), 7: „Gott spricht als der Schöpfer und König, und
verkündet sein krönendes Werk den Mitgliedern seines himmlischen Hofstaates
(siehe 3,22; 11,7; Jes. 6,8; siehe auch 1. Kö. 22,19-21; Hiob 15.8; Jer. 23,18)“
10
Gesenius‘ Hebrew Grammar, Hrsg. E. Kautzsch (Oxford: Clarendon Press,
1910) 398,399. Vgl. auch die Standardautorität, Hebrew and English Lexicon for
the Old Testament, by Brown, Driver, and Briggs (Oxford: Clarendon Press,
1968) 43,44. Gesenius führt viele Beispiele von hebräischen Wörtern mit
Der Gott der Juden 23

Wir müssen die Tatsache respektieren, dass die Vertrautheit der Juden
mit ihrer eigenen Sprache sie nie dazu geleitet hatte zu schließen, dass
eine Pluralität der Personen in der Gottheit in diesem Kapitel über die
Schöpfung in 1. Mose auch nur angedeutet wird. Falls wir meinen, die
Juden hätten etwas in ihrer eigenen Bibel übersehen, sollten wir beachten,
dass in den nachfolgenden Versen (Verse 27-31) immer das Fürwort im
Singular mit dem Wort „Gott“ benutzt wird: „in seinem [nicht in ihrem]
Bilde, im Bilde Gottes schuf er [nicht schufen sie] sie“ (Verse 27). Man
wäre schon in Bedrängnis, wenn man aus diesem Vers, in dem das für
Gott benutzte Fürwort (seinem) im Singular steht, schließen müsste, dass
eine Mehrzahl von Wesen gemeint sei. Man beachte weiterhin: „...Siehe,
ich [nicht „wir“] habe euch gegeben alles samenbringende Kraut, ... Und
Gott sah alles, was er [nicht „sie“] gemacht hatte, und siehe, es war sehr
gut (Verse 29, 31).11
Eine Studie des hebräischen Wortes für Gott (elohim) gibt keine
Unterstützung für die sich hartnäckig haltende Idee, dass „Gott“ in 1. Mo.
1,1 sowohl Gott, den Vater, wie auch Seinen Sohn und Seinen Geist
einschließt. Wir sollten dabei nicht die offensichtlichen Probleme einer
solchen Interpretation übersehen. Wenn elohim in diesem Text mehr als
eine Person einschließt, wie will man dann erklären, dass das gleiche
Wort, elohim, für Mose benutzt wird: „Und der HERR sprach zu Mose:
Siehe, ich habe dich für den Pharao zum Gott [elohim] eingesetzt, und
dein Bruder Aaron soll dein Prophet sein“ (2.Mo. 7,1)? Sicher würde

Pluralendungen an, die aber keine Pluralbedeutung haben. Z.B. panim =


Angesicht. Elohim wird z.B. in Psalm 7,10 von einem Adjektiv im Singular
modifiziert.
11
Eine gelegentliche grammatische Anormalität kann nicht den Beweis von
Tausenden von Stellen über den Haufen werfen, in denen der Gottesname und
Titel Verben im Singular haben. Wo ein Verb im Plural mit Elohim steht, etwa in
2. Sam. 7,23, findet sich in der Parallelstelle in 1. Chronik 17,21 statt des Plurals
das Verb im Singular. Dies zeigt an, dass der ausnahmsweise benutzte Plural
ohne weitere Bedeutung war. Elohim in 1. Mo. 31,24 kann als Engel
wiedergegeben werden (wie Calvin und andere dachten), wie auch z.B. in Ps. 8,5
und dem Zitat in Hebr. 2,7. Yahweh und Adonai („der Herr“) haben immer ein
Verb im Singular. Die Wörter El und Elohim (Gott) im Singular bestätigen
weiter, dass Gott nur eine Person ist. Es ist erstaunlich, dass einige weiterhin,
entgegen des Beweises von Tausenden von Stellen, in denen Gott mit singulären
Fürwörtern und Verben umschrieben wird, vier „uns“ Verse als Hinweis, Gott sei
dreieinig, vorbringen wollen.
24 Der Gott der Juden

niemand eine Pluralität für die eine Person Moses beanspruchen. Der eine
heidnische Gott Dagon wird als elohim (Gott) bezeichnet: „Und als die
Leute von Aschdod sahen, dass es so zuging, sprachen sie: Die Lade des
Gottes [elohim] Israels soll nicht bei uns bleiben; denn seine Hand liegt
hart auf uns und auf unserem Gott [elohim] Dagon“ (1. Sam. 5,7). In
ähnlicher Weise wird elohim benutzt, um den Gott der Amoriter zu
beschreiben: „Wen Kemosch, dein Gott [elohim], vor dir vertreibt, dessen
Land nimmst du in Besitz“ (Ri. 11,24). Außerdem wird auch der Messias
selbst als elohim bezeichnet.(Ps. 45,6, Hebr.1,8). Niemand würde
behaupten wollen, der Messias sei mehr als eine einzige Person.
Aus diesen Beweisen schließen wir, dass die Juden, in deren Sprache
das Alte Testament aufgezeichnet ist, das Wort elohim bei der
Beschreibung des wahren Gottes nicht in der Bedeutung von mehr als
einer Person benutzten. Diejenigen, die versuchen, die Trinität oder
Binität in 1. Mo. 1,26 oder in das Wort elohim hinein zu lesen,
beschäftigen sich mit einer gezwungenen Interpretation. Elohim ist Plural
in der Form, aber Singular in der Bedeutung. Wenn es von dem Einen
Gott handelt, folgt immer ein Verb im Singular. Niemand vor dem 12.
Jahrhundert stellte sich vor, dass eine Pluralität in der Gottheit in
irgendeiner Weise durch den hebräischen Titel für Gott angezeigt werde.
Selbst viele Trinitarier haben seit langem aufgehört, aus 1. Mo. 1,1 oder 1.
Mo. 1,26 Argumente für die Trinität abzuleiten.
Es ist dann durchaus vernünftig, Trinitarier, die sagen, Elohim sei ein
tatsächlicher Plural, zu fragen: Warum reden sie dann nicht von
„Göttern“? Im Deutschen ist „Götter“ der Plural von „Gott“, und wenn
das Plural-Fürwort „uns“ in 1.Mose 1,26 eine Pluralität der Gottheit
umschreibt, dann sollte die Gottheit auch regelmäßig und durchgehend im
Plural beschrieben werden. Darüber sind Trinitarier gar nicht glücklich,
denn es zeigt auf, dass ihre Ideen bezüglich der Gottheit die Regeln
sowohl von Sprache als auch von Logik missachten. Wenn Gott wirklich
im Plural besteht, warum sollten wir dann nicht den Eröffnungsvers der
Schöpfungsgeschichte in 1. Mo. 1,1 folgendermaßen übersetzen: „Am
Anfang schufen Götter....“. Der latente Polytheismus in vielen
trinitarischen Gedanken würde klar aufgedeckt werden.

Das hebräische Wort für ein – Echad


Es ist unwahr zu sagen, dass das hebräische Wort echad (ein) in 5.
Mo. 6,4 auf eine zusammengesetzte Einheit hinweist. Eine kürzlich
Der Gott der Juden 25

veröffentlichte Verteidigungsschrift für die Trinität12 argumentiert, dass


wenn „ein“ ein kolletives Substantiv wie „Menge“ oder „Herde“
bezeichnet, eine Pluralität in echad impliziert ist. Dieses Argument ist
jedoch irreführend. Der Eindruck der Pluralität rührt vom Substantiv
(Herde, usw.) her, nicht aber von dem Wort „ein“. Echad ist im
Hebräischen das Zahlwort „eins“. Abraham war ein Einzelner [echad]
(Hes. 33,24). Jes. 51,2 beschreibt Abraham ebenfalls als „einen“ (echad,
„den einen“), und hier gibt es keine Möglichkeit eines Missverständnisses
bezüglich der Bedeutung dieses einfachen Wortes. Echad wird übersetzt
als das numerische „eins“, und dann als „einer, einzelner, alleinige, allein,
ganze, ungeteilt, ein Einzelner.“13 Seine normale Bedeutung ist „ein
Einzelner und kein Zweiter” (Pred. 4,8). „Gott ist ein einiger Herr” (5.Mo.
6,4, von Jesus in Mk. 12,29 zitiert) und so offensichtlich nur eine Person,
die von dem „Herrn“, dem Messias, der im gleichen Abschnitt erwähnt
wird, unterschieden wird (Mk. 12,36). Der Eine Gott wird in Mal. 1,6 und
2,10 mit dem Vater identifiziert, und er wird fortwährend im Neuen
Testament von Jesus, dem Sohn Gottes, der als ein von ihm getrenntes
Individuum dargestellt wird, unterschieden. In der hebräischen Bibel ist
„der Gesalbte (wörtlich: der Christus) des Herrn” der König Israels.
Dieser Vertreter Gottes, des Herrn, wird bei keiner Gelegenheit je mit
Gott verwechselt.
Der Anspruch, dass „ein” wirklich eine „zusammengesetzte Einheit”
anzeige, ist ein Beispiel für ein Argument aus einer Behauptung ohne
logischen Beweis. Robert Morey ist der Ansicht, dass echad nicht ein
absolutes „ein“ bedeutet, sondern ein zusammengesetztes „ein“.14 Dieses
Argument enthält aber einen leicht zu entdeckenden sprachlichen Irrtum.
Echad erscheint etwa 960 Mal in der hebräischen Bibel und an keiner
Stelle hat das Wort selbst einen Hinweis auf eine Pluralität. Es bedeutet
strikt “einer, und nicht zwei oder mehr”. Echad ist ein numerisches
Adjektiv und wird natürlich manchmal auch zusammen mit einem
kollektiven Substantiv benutzt - eine Familie, eine Herde, eine Gruppe.
Wir müssen dabei aber sorgfältig beachten, dass der Gedanke an Pluralität
hier in dem zusammengesetzten Substantiv liegt und nicht in dem Wort
echad (ein).

12
Robert Money, The Trinity: Evidence and Issues (World Publishing, 1996).
13
Theological Dictionary of the Old Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 1974),
1:194.
14
Morey, 88.
26 Der Gott der Juden

Früh in 1.Mose lernen wir von Mann und Frau, dass „sie ein Fleisch
sein werden” (1.Mo. 2,24). Das Wort „ein“ bedeutet hier genau „ein“ und
nicht mehr (ein Fleisch, und nicht zwei „Fleische”!). Eine Rebe voll
Trauben ist genau das - eine Rebe, nicht zwei. Wenn es also von Gott
heißt, dass er „ein Herr“ ist (5.Mo. 6,4; Mk. 12,29), dann ist Er ein
einzelner Herr und nicht mehr.
Man stelle sich vor, jemand behaupte, das Wort „ein” würde in dem
Ausdruck „ein Stativ“ ein „zusammengesetztes ein” bedeuten. Nehmen
wir an, jemand denkt, dass bei dem einen Land „Vereinigte Staaten von
Amerika“ das „eine“ eigentlich von der Bedeutung her Plural sei. Die
scheinbar einleuchtende Überlegung ist klar: die Idee einer Pluralität
kommt jeweils durch die Substantive „Stativ“ (mit seinen drei Beinen),
die Vereinigten „Staaten”, nicht aber von dem Wort „ein“. Es ist ein
Täuschungsmanöver, die Pluralität, die dem nachfolgenden Substantiv
angehört, auf das Wort „ein” zu legen. Das wäre etwa so, als ob man sage
„ein“ bedeute wirklich „eintausend“, wenn es in dem Ausdruck „ein
Tausendfüßler“ benutzt wird!
Unser Punkt kann anhand eines jeden biblischen Hebräischlexikons
bestätigt werden. Das Lexikon von Koehler und Baumgartner gibt als
grundlegende Bedeutung für echad „ein Einzelner“ an.15 Als die
Kundschafter mit ihrem Beweis der Fruchtbarkeit des verheißenen Landes
zurückkamen, trugen sie bei sich „eine einzelne [echad] Weintraube” (4.
Mo. 13,23). Echad wird oft wiedergegeben als „ein einzelner“ oder „nur
einer“.16 Daher bezeugt uns der Text (wie auch die vielen für Gott
benutzten Fürwörter im Singular), wenn wir nun zur Angelegenheit von
Israels Glaubensbekenntnis kommen, dass Israels oberster Herr „ein
einzelner Herr“, „nur ein Herr“ ist.
Es war notwendig, auf diesen Punkt so umfassend einzugehen, weil
die neueren Verteidigungen für die Trinität die erstaunliche Behauptung
aufstellen, dass echad immer eine „zusammengesetzte Einheit“ impliziere.
Der Autor baut dann seinen Fall für einen Multi-Personen-Gott auf dem
auf, was er für ein sicheres Fundament in der hebräischen Bibel hält. Die
sprachliche Tatsache aber ist, dass echad nie eine „zusammengesetzte
Einheit” anzeigt, sondern immer strikt „einen Einzelnen”. Die Tatsache,
dass „viele Wasser an einen [echad] Ort gesammelt wurden” (1.Mo. 1,9),

15
Hebrew and Aramaic Lexicon of the Old Testament (Leiden: E.J. Brill, 1967).
16
Vgl. 2.Mo. 10,19, „eine einzelne Heuschrecke”; 2.Mo. 33,5, „nur einen
Augenblick ”; 5.Mo. 19,15 „ein einzelner Zeuge” usw.
Der Gott der Juden 27

liefert keinerlei Daten für eine zusammengesetzte Bedeutung von „einen”


und noch viel weniger für eine Pluralität in der Gottheit.17
Da das seltsame Argument einer sogenannten „Pluralität” im Wort
„eins” so weitverbreitet und anscheinend ohne jegliche Kritik akzeptiert
worden ist, fügen wir hier die Kommentare eines trinitarischen Professors
der Theologie an, der eingesteht, dass das verbreitete Argument bezüglich
des Wortes echad (einer) ebenso schwach ist wie das Argument das Wort
elohim betreffend. Auf die Tatsache, dass „einer“ im Hebräischen oder im
Deutschen manchmal einem Kollektivbegriff zugeordnet ist, lässt sich
kein Argument für einen Multi-Personen-Gott gründen.

„Noch schwächer (als das Argument bezüglich Elohim) ist das Argument,
dass das hebräische Wort für ‚einer‘ (echad) in dem Shema (‚Höre, o Israel, der
Herr unser Gott ist ein Herr‘) sich auf einen vereinigten Einen und nicht auf
Einen im absoluten Sinn bezieht. Von daher haben einige Trinitarier
argumentiert, das Alte Testament habe eine Vorstellung einer vereinten Gottheit.
Es ist selbstverständlich wahr, dass das Wort in manchen Zusammenhängen eine
vereinte Pluralität kennzeichnen kann (z.B. 1.Mo. 2,24, ‚sie sollen ein Fleisch
sein‘). Das aber beweist eigentlich gar nichts. Eine Untersuchung des Gebrauchs
im Alten Testament offenbart uns, dass das Wort echad genauso verschiedene
Bedeutungen haben kann wie etwa unser deutsches Wort ‚einer‘. Der Kontext
muss jeweils entscheiden, ob eine numerische oder eine vereinte Einzigartigkeit
beabsichtigt ist.“18

Manchmal wird vorgebracht, dass Gott als yachid, d.h. als „allein-
stehend, isoliert, der eine Einzige“ beschrieben worden wäre, wenn es nur
eine Person in der Gottheit gäbe. Der Gebrauch von echad („ein
Einzelner”) genügt jedoch völlig, um anzuzeigen, dass die Gottheit
lediglich die Eine Person umfasst. Yachid ist seltenes biblisches
Hebräisch. Es hat in der Bibel die Bedeutung von „Geliebter”,
„eingeboren” oder „einsam”, und wäre als Beschreibung der Gottheit

17
Allein in 1.Mo. 1 - 2 haben wir Beispiele für „ein Tag, ein Ort, eine seiner
Rippen, einer von uns“. Wenn „uns” dann nach trinitarischer Theorie eine
dreieinige Gottheit bedeutet, würde „ein” dann vermutlich bedeuten „ein
einzelnes Mitglied dieser drei“.
18
Gregory Boyd, Oneness Pentecostals and the Trinity (Baker Book House,
1995), 47, 48. Es ist streng genommen nicht wahr, dass echad eine vereinte
Pluralität kennzeichnet. Es kann auch ein zusammengesetztes Substantiv
bezeichnen.
28 Der Gott der Juden

ungeeignet.19 Es gibt ein anderes hebräisches Wort, bad, „alleine, für sich
allein, isoliert“, welches tatsächlich den Einen Gott umschreibt. 5.Mo.
4,35 stellt fest: „… dass Jahwe Gott ist, keiner sonst außer ihm.“ Die
absolute Einzahl des Einen Gottes wird ähnlich betont, wenn er
angesprochen wird mit: „Du bist, der da ist, Jahwe, du allein“ (Neh. 9,6),
„Jahwe, Gott Israels, der du zwischen den Cherubim thronst, du allein bist
es, der Gott ist von allen Königreichen der Erde; du hast den Himmel und
die Erde gemacht“ (2.Kö. 19,15), „Denn groß bist du und Wunder tuend,
du bist Gott, du allein“ (Ps 86,10) Der Eine Gott Israels ist eine einzige
Person; konkurrenzlos und in einer Klasse für sich. Er ist Einer, mit all der
mathematischen Schlichtheit, die in diesem Wort enthalten ist.20
Da wir diese Tatsachen vor uns haben, wäre es schwierig, nicht
Sympathien für den Juden des ersten Jahrhunderts zu hegen, der das Alte
Testament als seine Anleitung hatte und mit unbeugsamer Zähigkeit am
Glauben an den Einen Gott, der aus einer Person bestand, festhielt. Eine
Suche in den hebräischen Schriften nach einem Zeichen für eine Dualität
oder Trinität göttlicher Personen, die bei der Schöpfung aktiv waren, wird
sich als fruchtlos erweisen.21 Eine Gottheit mit mehr als einer Person

19
Yachid kommt tatsächlich als eine Beschreibung des Einen Gottes in den
Pseudepigraphien vor.
20
Vgl. Die Anmerkungen in „Der alttestamentliche Name für Gott” (in dem
Theological Dictionary of the New Testament, Abridged in One Volume, 489):
„Der Name Jahwe wird unterschieden durch einen besonderen Inhalt. Gott ist
nicht nur irgend eine Gottheit, sondern eine klar getrennte göttliche Person
…Hinter Aussagen wie ‚der Herr ist Gott’ (1. Kö. 18,39) oder ‚der Herr ist sein
Name” (2.Mo. 15,3) stehen noch genauere spezifische Ausdrücke „Jahwe (oder
Jahwe der Heerscharen) ist sein Name.’ Hier liegt eine Begegnung mit einer
definitiven Person Gottes vor.“ Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Gott drei
Personen ist.
21
Die nachfolgenden Aussagen von Standardautoritäten bestätigen die Schwäche
eines jeden Versuchs, die Trinität auf das Alte Testament zu gründen. „Es gibt im
Alten Testament keinerlei Anzeichen von Unterschieden in der Gottheit; es ist ein
Anachronismus, entweder die Lehre der Inkarnation oder die Lehre von der
Trinität auf ihren Seiten vorzufinden. (“God,” in der Encyclopedia of Religion
and Ethics, T&T Clark, 1913, 6:254). „Heutige Theologen stimmen überein, dass
die hebräische Bibel keine Lehre von einer Trinität enthält” (The Encyclopedia of
Religion, ed. Mircea Eliade, Macmillan Publishing Company, 1987, 15:54). „Die
Trinitätslehre wird im Alten Testament nicht gelehrt” (New Catholic
Encyclopedia, Pub. Guild., 1967, 14:306). „Das Alte Testament berichtet uns
nichts deutlich oder durch notwendige Implikation von einem dreieinigen Gott,
Der Gott der Juden 29

vorzuschlagen, würde von uns erfordern, dass wir die Sprach- und
Grammatikregeln wegwerfen. Verantwortungsbewusste Historiker,
sowohl weltliche wie auch religiöse, stimmen darin überein, dass die
Juden zu Jesu Zeit fest an einem Glauben an einen Ein-Personen Gott
festhielten. Es ist eine der großen Ironien der Geschichte, dass christliche
Theologen den Juden das Recht verweigerten, die Bedeutung ihres Gottes
in ihren eigenen Schriften zu erläutern. Die jüdische Stimme in dieser
Sache muß unbedingt und dringend wieder gehört werden.

„Das Alte Testament ist strikt monotheistisch. Gott ist ein einzelnes
persönliches Wesen. Die Idee, dass eine Trinität dort gefunden werden kann oder
auch nur in irgendeiner Form als vorausgeworfener Schatten erkennbar ist, ist
eine Vermutung, die zwar lange in der Theologie herrschte, aber jeglicher
Grundlage entbehrt. Die Juden, als ein Volk, wurden unter jener Lehre strenge
Gegner aller polytheistischen Tendenzen und sie sind bis auf den heutigen Tag
unnachgiebige Monotheisten geblieben. In diesem Punkt gibt es keinen Bruch
zwischen den Schriften des Alten Testaments und denen im Neuen Testament.
Die monotheistische Tradition wird fortgesetzt. Jesus war ein Jude, von jüdischen
Eltern in den Schriften des Alten Testaments geschult. Seine Lehre war im Kern
jüdisch, in der Tat eine neue Botschaft, aber keine neue Theologie.“22

„Der Judaismus ist nicht so frei von dogmatischen Formeln wie man
oft annimmt. Der Judaismus hat seine eigenen Glaubenssätze und
Glaubensartikel. Das Shema Israels (5.Mo. 6,4) ist nicht nur eine
liturgische Formel und ein Gebot, es ist auch ein Glaubensbekenntnis und
wird als wichtiger angesehen, als die historischen jüdischen Bekenntnisse.
Als Glaubensbekenntnis ist das Shema die Versicherung der Einheit und

der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist … Es gibt keinerlei Erweis, dass einer der
Schreiber der heiligen Schriften überhaupt die Existenz einer Trinität in der
Gottheit vermutete. …Im Alten Testament Vorschläge oder einen Vorausschatten
oder „verborgene Zeichen” für eine Trinität in Personen zu erkennen, ist ein
Überschreiten der Worte und Absichten der Schreiber der heiligen Schriften”
(Edmund J. Fortman, The Triune God, Baker Book House, 1972, xv, 8, 9). „Das
Alte Testament kann schwerlich als Autorität für die Existenz von Unterschieden
innerhalb der Gottheit benutzt werden. Der Gebrauch von „uns“ durch den
göttlichen Sprecher (1.Mo. 1,26; 3,32; 11,7) ist verwunderlich, aber vielleicht
beruht es darauf, dass er sich bewusst war, von anderen Wesen einer höheren
Ordnung als Menschen umgeben zu sein“ (Jes. 6,8) (A.B. Davidson, “God,”
Hastings Dictionary of the Bible, Charles Scribner’s Sons, 1911, 2:205).
22
L.L. Paine, A Critical History of the Evolution of Trinitarianism (Boston and
New York: Houghton Mifflin and Co., 1902), 4.
30 Der Gott der Juden

Einzigartigkeit Gottes. Es stellt die höchste Ausdrucksform des ‚jüdischen


Monotheismus‘ dar. ‚Adonai23 ist unser Gott; Adonai ist einer …‘ Die
christlichen Symbole des Glaubens - das Apostolische
Glaubensbekenntnis, das Nizänische Glaubensbekenntnis und das von
Konstantinopel, das Athanasianische Glaubensbekenntnis, um nur die
wichtigsten zu nennen - werden von den Juden als grober Widerspruch zu
dieser fundamentalen Feststellung des jüdischen Monotheismus gesehen.
Claude Montefiore hat es am deutlichsten ausgedrückt: „Hinsichtlich des
Wesens Gottes beharren alle Juden darauf, dass die Lehren von der
Göttlichkeit Christi, von der Trinität, von dem ewigen Sohn, von der
Persönlichkeit des Heiligen Geistes, Übertretungen der Einzigkeit Gottes
und daher falsch sind.”24

„Der Glaube, dass Gott aus mehreren verschiedenen Persönlichkeiten


besteht, wie etwa der christliche Glaube an die Trinität, ist eine Trennung von der
reinen Vorstellung der Einzigkeit Gottes. Israel hatte während aller Zeiten alles
abgelehnt, was die Vorstellung des reinen Monotheismus getrübt oder verdeckt
hätte, den es der Welt gegeben hat, und die Juden sind lieber bereit, umher zu
wandern, zu leiden und zu sterben, als eine Schwächung dieser Position
zuzugeben.“25

Trinitarische Theologen haben mit dem offensichtlichen Problem zu


kämpfen, wie sie die Trinität mit der Tatsache in Einklang bringen
können, dass die Matrix des Christentums unitarisch war. Der trinitarische
Theologe Leonard Hodgson schrieb:

„(Das Christentum) wuchs innerhalb des Judaismus und der Monotheismus


des Judaismus war damals unitarisch und ist das auch heute noch. Wie sollte die
christliche Gemeinde eine adäquate Theologie formulieren, um die neue
Erkenntnis Gottes, die sie durch Jesus Christus erhalten hatte, auszudrücken?
…Konnte der Monotheismus revidiert werden, um die neue Offenbarung

23
Adonai bedeutet ‚der (oberste) Herr‘ und kommt in der hebräischen Bibel vor
(449 mal) genau wie auch der göttliche Name JHWH. Juden benutzen heute
Adonai als Ersatz für den heiligen Namen, wenn sie die Schrift lesen und auch im
Gebet.
24
Lev Gillet, Communion in the Messiah: Studies in the Relationship between
Judaism and Christianity (Lutterworth Press, 1968), 75, 76.
25
Chief Rabbi J.H. Hertz, Pentateuch and Haftorahs (London: Soncino Press,
1960), 770.
Der Gott der Juden 31

einzuschließen, ohne dabei aufzuhören, auch weiterhin monotheistisch zu


bleiben?“26

Jesus war ein Jude, dem Glaubensbekenntnis Israels verpflichtet (Mk.


12,28ff.). Diese Tatsache allein sollte uns überzeugen, dass eine
Abweichung von Jesu jüdischem Bekenntnis irgendwo in der Geschichte
des Glaubens eingetreten ist. Für jetzt müssen wir betonen, dass der
Judaismus unitarisch und niemals trinitarisch war. Unter der
Vormundschaft dieser jüdischen geistigen Richtung und befähigt durch
den Glauben an Israels Einen Gott, erlangte der Messias das Mannesalter
und begann sein einzigartiges Amt.
Kann aufgezeigt werden, dass Jesus während seiner gesamten
Karriere den Glauben an diesen selben Einen Gott aufrecht erhielt und
lehrte? Um diese Frage zu beantworten, geziemt es sich, dass wir seine
eigenen Worte zu Rate ziehen, die uns treu berichtet worden sind von
denen, die ihn begleiteten, als er das rettende Evangelium vom
kommenden Reich Gottes in Israel verkündete. (Mk. 1,14.15; Lk. 4,43,
usw.)

26
Christian Faith and Practice, Seven Lectures (Oxford: Blackwell, 1952), 74.
2. JESUS UND DER GOTT DER JUDEN

„Alle, die Gott anbeten, müssen ihn in Geist und Wahrheit anbeten.“
– Jesus Christus

Die scharfsichtigen Wächter des fundamentalistischen Judentums


waren durch die wachsende Konkurrenz und die Bedrohung sehr
beunruhigt, die der religiösen Gesellschaft durch den lästigen Galiläer
Jesus präsentiert wurde. Seine ständig wachsende Gefolgschaft, die durch
seine Wunder, seinen schnellen Verstand und die ehrlichen, freimütigen
Beobachtungen, welche die Scheinheiligkeit der religiösen Führung
aufdeckten, angezogen wurde, hatte ein Klima der Angst und der
Feindschaft innerhalb des Gesellschaftsgefüges wachsen lassen.
Seit dem Anfang der Geschichtsaufzeichnung führte die Angst vor
einem religiösen Wettstreit normalerweise zu einem schlecht
verschleierten Kriegszustand auf Seiten der offiziellen Wächter des
Glaubens. In einer solchen Atmosphäre scheint es wenig Raum für eine
ruhige und offene Diskussion der Differenzen zu geben. Es ist
gerechtfertigt, uns selbst die Frage zu stellen, wie wir eine reale oder auch
eingebildete Bedrohung unserer eigenen hochgehaltenen Überzeugung
empfinden. Die ideale Antwort auf eine Herausforderung ist eine
demütige, fragende Haltung und die Bereitschaft, die Vorzüge und die
Schwächen dessen zu prüfen, was uns zur Begutachtung vorgelegt wurde.
Unglücklicherweise begegnen traditionelle religiöse Systeme der
Bedrohung des gegenwärtigen Zustands mit Feindschaft und
Unnachgiebigkeit. Sie gehen sehr hart mit dem Nonkonformisten um.
Im Falle Jesu zeigte eine intolerante Geistlichkeit ihre Ängste, indem
sie sich verschwor, um die Bedrohung zu beenden, die durch den Einfluss
des emporstrebenden Lehrers auf die Gedanken der wahrheitssuchenden
Leute in seiner Zuhörerschaft ausgeübt wurde. Das Markusevangelium
verzeichnet den andauernden theologischen Streit, bei dem sich Vertreter
zweier wetteifernder religiöser Fraktionen verbündeten, indem sie „einige
der Pharisäer und Herodianer zu ihm sandten, um ihn in seiner Rede zu
34 Jesus und der Gott der Juden

fangen“ (Mk. 12,13). Ihre anfängliche Schmeichelei war dazu gedacht,


Jesus in ihrem Netz zu fangen: „Lehrer, wir wissen, dass du wahrhaftig
bist und dich um niemand kümmerst; denn du siehst nicht auf die Person
der Menschen, sondern lehrst den Weg Gottes in Wahrheit“ (Mk. 12,14).
Diesem einleitenden Schritt folgten Fragen, die Jesus in den Augen seiner
Zuhörerschaft in Verruf bringen sollten. Seine scharfsichtigen Antworten
auf diese schwierigen Fragen brachten ihm aber die Bewunderung
zumindest eines der offenherzigeren Schriftgelehrten.
Der Schriftgelehrte (oder Bibelgelehrte) entschloss sich, seine eigene
Frage zu stellen. Sein Zugang war aufrichtig, ohne Betrügerei und
Schwindel. Als freie Wiedergabe in unserer heutigen Sprache würde es
sich etwa so lesen: „Was ist der Kern, die zentrale Idee, dessen, was du
glaubst und lehrst? Welches ist die wichtigste Hauptaussage deiner
Lehre?“ Markus gibt die Frage folgendermaßen wieder: „Welches Gebot
ist das erste von allen?“ Oder nach anderen Übersetzungen: „Welches ist
das oberste aller Gebote?“ (Mk. 12,28).
Die Antwort Jesu überging die zehn Gebote und zitierte direkt aus
einer späteren göttlichen Aussage, dem sogenannten Shema: „Höre Israel:
der Herr, unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen
Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und
mit deiner ganzen Kraft“ (5.Mo. 6,4-5; Mk. 12,29-30). Bibelstudenten
sollten erwägen, ob sie die eigentliche Bedeutung der grundlegenden
christlichen Aussage Jesu verstanden haben. Offensichtlich behandelt er
die alttestamentlichen Worte von Mose als Quelle göttlicher Wahrheit.
Seine Definition Gottes beruht auf der Autorität dessen, was sowohl Jesus
als auch seine Zuhörer als wichtigste Offenbarung kannten. Jesus
formulierte mit vollständiger Klarheit einfach neu, was die grundlegende
Lehre des jüdischen religiösen Systems war und bekräftigte über jeden
Zweifel hinaus, dass der wahre Gott ein Herr ist – und das in einer
Person.
Die Unterredung, die folgte, offenbart uns die entscheidende Natur
der Frage. Wenige Unterhaltungen können aufklärender sein, als wenn wir
hören, wie Jesus selbst das Fundament jedes wahren Glaubens und
Verständnisses legt. Hier waren die beiden religiösen Juden in einer
Unterhaltung über die wichtigste Frage des geistlichen Lebens. Eine
unwahre Aussage hätte die Glaubwürdigkeit Jesu in der jüdischen
Gemeinschaft zerstört. Die Antwort, die Jesus gab, schlug jedoch sofort
eine empfindsame Saite in dem durch und durch monotheistischen
Schriftgelehrten an. Sein Enthusiasmus für das historische Bekenntnis
Jesus und der Gott der Juden 35

Israels wird durch seine herzliche Reaktion gezeigt: „Meister, du hast


wahrhaft recht geredet! Er ist nur einer und ist kein anderer außer ihm“
(Mk. 12,32).
Im Verständnis dieses oder jedes anderen Juden konnte sich Jesus nur
auf den Einpersonengott des Alten Testaments beziehen. Das
hochgehaltene Shema („Höre, o Israel..“) stellte fest: „Der Herr unser Gott
ist ein Herr“ (5. Mo. 6,4).
„Gott ist einer“, bekräftigte Jesus „und Er ist ein Herr“ (Mk. 12,29).
Dieses klarste und einfachste aller Glaubensbekenntnisse durchdringt das
gesamte Alte Testament: „Denn wer ist Gott, wenn nicht der Herr?.....Es
ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie
unser Gott ist“ (2. Sam. 22, 32; 1. Sam 2,2).
Konnte sich im Bewusstsein Jesu die Idee versteckt halten, er selbst
sei eine andere, gleichwertige Person in der Gottheit und so auch völlig
Gott? Es übersteigt unsere Vorstellungskraft, dass so ein Gedanke hier
oder an einer anderen von Markus überlieferten Aussage über Jesus
aufgedeckt werden könnte. Es gab überhaupt keine
Meinungsverschiedenheit zwischen dem orthodoxen jüdischen Theologen
und Jesus, dem Pionier des christlichen Glaubens. Gott ist einer und
wirklich einer. Er ist ein Herr. Das ist das zentrale Bekenntnis Christi über
die Natur Gottes. Da es von Jesus selbst kommt, muss es auch
automatisch als zentrales christliches Bekenntnis gelten.
Die abschließende Bemerkung Jesu bestärkt das Verständnis, das wir
mit dem Schriftgelehrten gemeinsam haben: „Als Jesus sah, dass er
verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reiche
Gottes“ (Mk. 12,34). Von dieser Aussage können wir herleiten, dass man
ohne intelligenten Glauben an den Einen Gott der Juden vom Reich
Gottes fern ist. Die offene Bemerkung Jesu über die Grundlage wahrer
Religion sollte uns einladen, unser eigenes Denken über die
grundlegendsten Fragen mit dem seinen zu vergleichen.
Es ist wichtig zu sehen, dass diese Unterredung zu einem späten
Zeitpunkt im Dienst Jesu stattfand. Wenn er einen zerstörenden, radikalen
Wandel im jüdischen Verständnis Gottes hätte einbringen wollen, so wäre
dies eine offensichtliche Möglichkeit dazu gewesen. Einige moderne
Theologen versuchten, das Fehlen einer neuen Aussage über die Natur
Gottes in der Lehre Jesu zu erklären. Ein trinitarischer Kommentator,
Lorraine Boettner bemerkte:
36 Jesus und der Gott der Juden

„Dass eine Lehre (die der Trinität), die für uns so schwierig ist, in den
Händen von Leuten, die feurig monotheistisch waren, sich so still und unmerklich
ohne Kampf und Widerstand unter den feststehenden christlichen Wahrheiten
ihren Platz behaupten konnte, ist sicherlich eines der bemerkenswertesten
Phänomene in der Geschichte des menschlichen Denkens.....Zur Zeit der
neutestamentlichen Bücher war die Trinität schon Allgemeingut.“ 1

Das ist eine bemerkenswerte, aber problematische Aussage. Zuerst ist


da die offene Erkenntnis, dass das jüdische Volk - und das schließt die
ursprünglichen zwölf Jünger ein, die alle Juden waren – „feurig
monotheistisch“ war. Aber wo sind die Beweise für die Aussagen, dass
die trinitarische Anschauung „sich so still und unmerklich ihren Platz
unter den feststehenden christlichen Wahrheiten behaupten konnte“ und
dass „zur Zeit der neutestamentlichen Bücher die Trinität schon
Allgemeingut war“, angesichts der einfachen Lehre Jesu, wie sie uns von
Markus überliefert wird? Offenbar weiß Jesus nichts von einer Trinität. Er
bringt keine neue Anschauung über Gott ein. Er stimmt mit dem Neuen
Testament, dem jüdischen Schriftgelehrten und mit Millionen von Juden
seit jeher darin überein, dass Gott eine Person ist. Was bedeutet das nun
für das traditionelle Christentum, welches so lange eine Definition der
Gottheit verbreitet hat, die sich von jener, auf die Jesus beharrte,
unterscheidet?
Boettners Versicherung scheint die Tatsache zu übersehen, dass das
Markusevangelium den christlichen Glauben so zeigt, wie ihn die
Gemeinde zu der Zeit, als er sein Evangelium schrieb, vielleicht erst im
Jahre 80, verstand. Boettner schreibt der Gemeinde im ersten Jahrhundert
eine Lehre über Gott zu, die nicht vor dem vierten Jahrhundert als Teil des
offiziellen Bekenntnisses der Kirche formuliert wurde und auch dann nur
unter großem Protest. Seine Schlussfolgerung, dass der Trinitarismus
schon im Kreis der Jünger Jesu beheimatet war, nimmt auf die große
Sensibilität der jüdischen Mehrheit keine Rücksicht, welche die
Mitgliedschaft in der ersten Gemeinde ausmachte und für die der Gedanke
an einen dreieinen Gott fremd, um nicht zu sagen gotteslästerlich war.
Die erste geschriebene Geschichte über die Gemeinde, die
Apostelgeschichte, erzählt uns, dass eine ganze Konferenz abgehalten
wurde, um solche Fragen wie die Beschneidung der Heiden, das Essen
von Nahrungsmitteln, die Blut enthalten, und das Essen von Fleisch
erdrosselter Tiere, zu klären. Wenn diese äußeren Dinge einer formalen

1
Studies in Theology (Grand Rapids: Eerdmans, 1957), 95.
Jesus und der Gott der Juden 37

Diskussion wert waren, wie viel mehr hätte es unter diesen feurig
monotheistischen Juden, den Leitern der christlichen Gemeinschaft, eine
Konferenz geben müssen, um den explosiven Wandel vom Glauben an
einen Ein-Personen-Gott zu dem eines Drei-Personen-Gottes zu
diskutieren?
Was angesichts aller Kontroversen Jesu mit seinen Hauptkritikern
noch erstaunlicher erscheint: es gab niemals auch nur den leisesten
Anschein einer Diskussion bezüglich einer Trinität. Das bedeutet aber
nicht, dass wir die Diskussion ignorieren, die aus dem Anspruch Jesu,
„Sohn Gottes“ zu sein, resultierte. Doch dieser Anspruch sollte nicht mit
der viel späteren Aussage der Kirche vermischt werden, Jesus sei „Gott,
der Sohn.“ Es bleibt eine Tatsache, dass die Lehre der Trinität im Neuen
Testament niemals verteidigt wurde. Das könnte doch einfach sein, weil
nie etwas davon gehört worden war. In den neutestamentlichen
Dokumenten wird der Messias als einzigartiger, rechtlicher Vertreter
Gottes gesehen und nicht als der zweite Teil der Trinität.
Boettners Beobachtungen scheinen auch die Diskussionen des zweiten
und dritten Jahrhunderts zu ignorieren, die sich über die Natur Gottes und
Christi ergaben und auch die gewalttätigen Auseinandersetzungen zur Zeit
des Konzils von Nizäa selbst, als Christen gezwungen wurden, an eine
präexistente zweite Person in der Gottheit zu glauben, die mit Jesus
identifiziert wurde. Die Encyclopedia Americana macht diese wichtige
Bemerkung, wenn sie über den Konflikt zwischen den Gläubigen an den
Ein-Personen- und jenen an den Zwei- und Drei-Personen-Gott spricht:

„Der Unitarismus als eine theologische Bewegung begann schon viel früher
in der Geschichte, ja er ging dem Trinitarismus um viele Jahrzehnte voraus. Das
Christentum entstand aus dem Judentum und das Judentum war streng
monotheistisch. Der Weg, der von Jerusalem zum Konzil von Nizäa führte, war
kaum ein geradliniger. Der Trinitarismus des vierten Jahrhunderts spiegelte die
frühchristliche Lehre bezüglich der Natur Gottes nicht wahrhaftig wider; im
Gegenteil, er war eine Abweichung von dieser Lehre. So entwickelte er sich
gegen eine ständige unitarische oder zumindest anti-trinitarische Opposition“.2

Eine Aussage der Encyclopedia Britannica zeigt uns, wie weit


verfehlt die Anschauung ist, der Trinitarismus sei das feste Bekenntnis der
ersten Gläubigen gewesen: „Die Trinitarier und die Unitarier

2
(1956), 27: 2941, Hervorhebung beigefügt.
38 Jesus und der Gott der Juden

konfrontierten einander weiterhin, wobei die Letzteren am Beginn des


dritten Jahrhunderts die große Mehrheit waren.“3
Angesichts dieser dokumentierten Zeugnisse ist es nicht verständig zu
behaupten, die „Lehre der Trinität habe sich so still und unmerklich ohne
Kampf und Widerstand unter den feststehenden christlichen Wahrheiten
ihren Platz behaupten können.“4 Boettners Annahme scheint nicht mit der
Entwicklung der Lehre im Lauf von drei Jahrhunderten
übereinzustimmen.
Es gibt andere ebenso unzweifelhafte Aussagen, die den Glauben Jesu
an den Gott des Judentums bestärken. Es gibt nicht den leisesten Hinweis
auf die Einführung einer zweiten Person in die Gottheit im großen
Abschiedsgebet Jesu, das er am Ende seines Dienstes betete. Kurz vor
seinem Tod betete er zu seinem Vater für die Jünger, die er zurückließ,
um das Werk fortzuführen, das er begonnen hatte. Indem er den wahren
Glauben zusammenfasste, betete er:
„Und das ist das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott
bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh. 17,3).
Wir bemerken die ungewöhnliche Aussage eines Kirchenvaters. Für
Augustinus war es so schwierig, diesen ursprünglichen christlichen
Glauben mit der trinitarischen Lehre, die er im fünften Jahrhundert
kannte, zu harmonisieren, dass dieser so einflussreiche Kirchenführer
tatsächlich die Worte Jesu umstellte, um sowohl den Vater als auch den
Sohn in der Gottheit „unterzubringen“. In seinen Homilies on John
(Homilien über Johannes) behauptet Augustinus kühn, Johannes 17,3
meine Folgendes: „Das ist das ewige Leben, dass sie dich und Jesus
Christus, den du gesandt hast, als den allein wahren Gott erkennen.” 5

3
11th edition, 23: 963.
4
Boettner, Studies on Theology, 95.
5
Tractata CV, Kap. 17. Vgl. Die Bemerkungen von H.A.W. Meyer (Commentary
on John, New York: Funk & Wagnalls, 1884, 462). Trotz seines eigenen
Beharrens auf die Göttlichkeit Jesu gibt er zu, dass es „eine Verdrehung der
Passage war und dem strikten Monotheismus von Johannes entgegenlief, wenn
Augustinus, Ambrosius, Hilarius, Beda, Thomas, Aretius und etliche andere Joh.
17,3 so übersetzten, als hieße es: ‚dass sie dich und Jesus Christus als den allein
wahren Gott erkennen.’ Nur einer, der Vater, kann absolut Gott genannt werden
(vgl. „der da ist Gott über alles“, Rö. 9,5) und nicht zur selben Zeit Christus (der
nicht einmal in 1. Joh. 5,20 der „wahre Gott“ ist), weil Sein göttliches Wesen im
Verhältnis der generischen Existenz zum Vater steht, Joh, 1,18, obwohl Er, in
Einheit mit dem Vater, als Sein Bevollmächtigter handelt, 10,30, und Sein
Jesus und der Gott der Juden 39

Diese gewagte Änderung der Heiligen Schrift verzerrt ernsthaft die Worte,
die uns von Jesus gegeben wurden. Jesus definiert seine eigene Stellung
als Messias, der sich von der Gottheit unterscheidet, welche allein aus
dem Vater besteht. Der weise Gläubige wird sich von einer solchen
Verzerrung der Bibel distanzieren. Eine derartige Gewaltanwendung und
Druck auf den Text verraten nur das verzweifelte Bemühen von
Augustinus, seinen Glauben in den Schriften zu finden.
Die ursprüngliche Aussage Jesu bedarf keiner Klärung. Sie ist
geradlinig und klar. Jesus ist eine Person, die sich vom Vater, dem allein
wahren Gott, unterscheidet und von Ihm verschieden ist. Jesus ist nicht
der Gottheit einverleibt. Die Bedeutung des Bekenntnisses Jesu kann nicht
überbetont werden. Das Wort „einzig“ in der griechischen Sprache ist
monos, ein Ausdruck, der im Englischen und auch im Deutschen mehrere
Äquivalente hat. Seine Bedeutung schließt „einzig“, „allein“, „solitär“ und
„einzeln“ ein. Das Wort „wahr“ im Griechischen ist alethinos, das
bedeutet „wahr“ im Sinn von echt, real und wirklich. Wenn man nun diese
beiden griechischen Worte, monos und alethinos, zusammenfügt, so sieht
man, dass Jesus seinen Vater als den einzigen echten Gott bezeichnet.
Bedenken wir weiter den Gebrauch des Wortes „allein, einzig“ bei
Jesus. Es gibt keinen Zweifel über die Bedeutung dieses Wortes in der
Richtigkeit seiner Übersetzung in Joh. 17,3. „Allein“ ist ein limitierendes
und ausschließendes Wort. Was auch immer mit „allein“ oder „einzig“
beschrieben wird, ist in einer eigenen Klasse – eben einzigartig. Alles
andere wird ausgeschlossen. Wenn etwas „das Einzige...“ ist, so kann es
automatisch nichts anderes daneben geben. Um den Gebrauch in einer
anderen Schriftpassage zu sehen, betrachten wir die Worte von Paulus an
die Gemeinde von Philippi: „...dass keine Gemeinde mich am
gegenseitigen Geben und Empfangen beteiligt hat, als ihr allein“ (Phil.
4,15). Alle anderen Gemeinden waren unbeteiligt. An einer anderen
Stelle, als er über seine Wiederkunft spricht, sagt Jesus: „Von jenem Tag
aber und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel in den
Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein“ (Mt. 24,36; Mk.
13,32). Nur der Vater wusste es, sonst hatte niemand Kenntnis davon.
Wir brauchen keine Vielzahl von theologischen Experten oder
Sprachgelehrten, um diese Aussagen zu verstehen. Wir selbst gebrauchen
seit wir sprechen lernten immer wieder eine ähnliche Sprache, wenn wir

Vertreter ist, 14,9, 10.“ Es ist schwer, dass ein Unitarier mit dieser
ausgezeichneten Aussage nicht übereinstimmen könnte.
40 Jesus und der Gott der Juden

„einzig“ meinen. Wir alle wissen, was „einzig“ heißt. Jesus beschrieb den
Vater als den „einzig“ oder „allein wahren Gott“. Niemand bezweifelt,
dass der Vater der wahre Gott ist. Aber es ist zu beachten: der Vater ist
nicht nur der „wahre Gott“, er ist der “allein wahre Gott“. Wir würden
einem Mann misstrauen, der behauptet, er habe „nur eine Frau“, wenn
sein Haushalt aber aus drei verschiedenen Frauen besteht, von denen er
jede als seine alleinige Frau bezeichnet. Als der „allein wahre Gott“, oder
wie wir es auch ausdrücken könnten, „der Einzige, der wahrer Gott ist“,
ist der Vater Jesu in einer einzigartigen und unvergleichlichen Position.
Eine andere Aussage Jesu, die von Johannes berichtet wird, gibt uns
den stärksten Beweis für seinen beständigen Glauben an den
unipersonalen Gott der Juden. Er sagte zu den Pharisäern: „Wie könnt ihr
glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von dem
alleinigen Gott ist, nicht sucht?“ (Joh. 5,44).6 Die New Revised Standard
Version übersetzt die Worte Jesu als: „der eine, der allein Gott ist“. Eine
klarere und einfachere unitarische Behauptung ist kaum vorstellbar. „Der
eine, der allein Gott ist“ ruft uns eine Vielzahl monotheistischer Aussagen
in Erinnerung, welche in den Dokumenten des Erbes Jesu gefunden
werden können. Es war der Gott Israels, der „allein das Herz aller
Menschenkinder kennt“ (1. Kö. 8,39). Hiskia betete mit folgenden Worten
zu Gott: „Herr, Gott Israels, der du über allem Cherubim thronst, du bist
es, der da Gott ist, du allein für alle Königreiche der Erde“ (2.Kö. 19,15).
Der Psalmist rief: „..dass du allein, Herr ist ja dein Name, der Höchste bist
über die ganze Erde“ (Ps. 83,19). Jesus rief diese wunderbaren Zeugnisse
für Israels einzigartiges Vorrecht, der Wächter des Monotheismus zu sein,
in Erinnerung. Es war sein Vater, für den die Worte „alleiniger Gott“ und
der „eine, der allein Gott ist“ galten. Das macht Jesus in seinen Worten,
die unmittelbar nach „dem alleinigen Gott“ (Joh. 5,44) folgen, klar. Die
Pharisäer sollten nicht glauben, er würde sie vor dem Vater verklagen
(Joh. 5,45). Die Worte von Mose selbst verdammten sie für ihr Versagen,
in Jesus den verheißenen Messias zu sehen. Andererseits suchte Jesus
immer Ehre von „dem, der ihn gesandt hatte“ (Joh. 7, 18). Der Messias
war wirklich derjenige „den der Vater, Gott, beglaubigt“ (Joh. 6,27).

6
Standardkommentare sehen, dass Jesus ohne Zurückhaltung seinem jüdischen
Erbe anhing. Z.B. G.R. Beasley-Murray sagt: „Der alleinige Gott – Joh. 5,44 –
spiegelt das jüdische Glaubensbekenntnis wider, das in dem Shema in. 5. Mose
6,4 verwurzelt ist.“ (John, World Biblical Commentary, Waco, TX: Word Books,
1987, 70).
Jesus und der Gott der Juden 41

Johannes portraitiert Jesus als einen aufrichtigen Juden, der dem


strikten Monotheismus seines Volkes treu ist und der in Einklang mit
ihnen über „den einen, der allein Gott ist“, „den allein wahren Gott“ und
den Gott, der das Siegel Seiner Zustimmung auf Seinen einzigartigen
Sohn gelegt hat, ist. Wenn der Vater Jesu „der eine, der allein Gott ist“7
ist, so ist es offensichtlich, dass keiner sonst in diese „Klasse“ gehört. Der
Jesus von Johannes anerkennt eindeutig den unitarischen Monotheismus
Israels.

Jesus als Sohn Gottes


Trotz der unzweifelhaften Glaubensbekenntnisse Jesu, die ihn als
einen wahren Sohn Israels zeigen, sind manche der heutigen Theologen
entschlossen, die viel später aufgestellten Bekenntnisse des vierten und
fünften Jahrhunderts zu rechtfertigen. Sie behaupten, dass Jesus trotz
allem in Anspruch nahm, Gott zu sein, da er nicht verneinte, der „Sohn
Gottes“ zu sein. Die wiederholte Gleichsetzung von „Sohn Gottes“ mit
„Gott“ in trinitarischen Schriften muss untersucht werden.
Klaas Runia ist typisch für eine zeitgenössische Denkschule, die
behauptet, der Ausdruck „Sohn Gottes“ führe ganz natürlich zum
entwickelten orthodoxen Dogma, Jesus sei Gott, der Sohn. Doch was
heißt es in der Bibel, der Sohn Gottes zu sein?
Runia untersucht den Titel „Sohn Gottes“ in seinem Buch über
Christologie und stellt kategorisch fest, dass das Verständnis des
Ausdrucks „Sohn Gottes“ in seinem alttestamentlichen Sinn für
Theologen „völlig entgegengesetzt dem verläuft, was die Evangelien uns
vermitteln.“8 Er behauptet, der Titel „Sohn Gottes“, wie er im Neuen
Testament gebraucht wird, sei ein klarer Hinweis auf Jesus als
präexistente Gottheit.
Es werden keine Hinweise vorgelegt, die zeigen, dass das Neue
Testament seine eigenen Wurzeln im Alten Testament verleugnet und
dem Titel „Sohn Gottes“ eine neue Bedeutung zuschreibt, die in der
hebräischen Bibel niemals angedeutet wurde. Die alttestamentliche
Bedeutung von „Sohn Gottes“ ist für die Sache des Trinitarismus
vernichtend. „Sohn Gottes“ wurde in den verschiedensten Weisen

7
Vgl. Walter Bauer, A Greek Lexicon of the New Testament and Other Early
Christian Literature, 527, das den „einen Herrn“ von Judas 4 als den „Einzigen,
der Herr ist“ übersetzt. Die Ansprache Gottes durch Jesus als „alleiniger Gott“
(Joh. 5,44) designiert den Vater gleicherweise als „den Einzigen, der Gott ist“.
8
The Present-Day Christological Debate (InterVarsity Press, 1984), 93.
42 Jesus und der Gott der Juden

gebraucht – um die Nation Israel zu beschreiben, seinen König und im


Plural sogar Engel. In keinem dieser Fälle schließt dieser Titel
Göttlichkeit im trinitarischen Sinn ein. Eine viel einfühlsamere
Behandlung dieser Frage erscheint in einem Artikel eines anderen
Bibelgelehrten, James R. Brady, der Folgendes sagt:

„Wenn die Schriften über Jesus als Messias reden, so ist der vielleicht
wichtigste Titel, den sie verwenden „Sohn Gottes.“ In Abschnitten wie z.B. Mt.
16,16 und 26,63 ist es klar, dass diese beiden Titel – Messias und Sohn Gottes –
in Apposition stehen (d.h. ein Titel definiert den anderen). Der Titel Sohn Gottes
kommt ohne Zweifel aus alttestamentlichen Texten wie 2. Sam. 7,14 und Ps. 2,7,
in ihrer Assoziation mit dem davidischen König.“ 9

Runia bietet Mk. 2,7 und Joh. 5,18 als Beweis an, dass der Anspruch
Jesu, Sünden vergeben zu können und dass Gott sein Vater ist, bedeuten,
dass er sich selbst als Gott sah. Wenn Jesus sagte, er sei der „Sohn
Gottes“, so werden wir aufgefordert zu glauben, er habe den Anspruch
erhoben, Gott zu sein. Es wäre weiser, Jesu eigene Antwort auf die
Anklage der Blasphemie zu bedenken, als sich auf die Seite der
feindlichen Pharisäer in ihrer voreiligen Kritik an den Ansprüchen Jesu zu
stellen.
Es ist besonders wichtig, den alttestamentlichen Gebrauch des
Ausdrucks „Sohn Gottes“ nicht aus den Augen zu verlieren. Es wäre fatal,
diesen Titel aus seinem biblischen Zusammenhang herauszuheben und
ihm eine neue Bedeutung zu geben, die in der Schrift nicht gefunden
werden kann. Jesus bezog sich regelmäßig auf das Alte Testament, um
seine Lehre zu unterstützen. Diese Technik zerstörte bei einer anderen
Gelegenheit, wie wir sehen werden, die Argumente der religiösen Leiter,
als sie ihn fälschlich bezichtigten, die Vorrechte Gottes für sich zu
beanspruchen. Jesus beklagte, sie hätten ihre eigenen heiligen Schriften
falsch verstanden.
Lasst uns zuerst beide von Runia genannten Texte untersuchen.
Gemäß Markus sagte Jesus zu dem Gelähmten: „Kind, deine Sünden sind
vergeben.“ Einige der Schriftgelehrten sprachen zu sich selbst: „Er lästert.
Wer kann Sünden vergeben außer einem, Gott?“ (Mk. 2,5,7). Der
Anspruch Jesu, Sünden vergeben zu können, schien ihn Gott
gleichzustellen. Zur Klärung und um die Kritik, die Jesus üble Absichten

9
„Do Miracles Authenticate the Messiah“ Evangelical Review of Theology 13
(1989): 101, Hervorhebung beigefügt.
Jesus und der Gott der Juden 43

zuschrieb, zum Schweigen zu bringen, sagte er zu ihnen: „Damit ihr aber


wisst, dass der Sohn des Menschen Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu
vergeben – spricht er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein
Bett auf und geh in dein Haus“ (Mk. 2,10-11). Die Autorität, Sünden zu
vergeben, wurde Jesus als Vertreter Gottes gegeben. Das machte ihn nicht
zu Gott, sondern zu einem Menschen, der als rechtmäßiger Vertreter
Gottes mit außergewöhnlichen Kräften ausgestattet war. Die Volksmenge
verstand diesen Punkt. Sie glaubten nicht, Jesus hätte behauptet, Gott zu
sein, sondern dass Gott einem Menschen außerordentliche Autorität
gegeben hatte. Matthäus berichtet: „Als aber die Volksmengen es sahen,
fürchteten sie sich und verherrlichten Gott, der solche Vollmacht den
Menschen gegeben hat“(Mt. 9,8).
Nichts in der Begebenheit weist darauf hin, dass die Menge
verstanden hätte, Jesus erhebe den Anspruch, Gott zu sein. Es gibt keinen
Hinweis, dass der Monotheismus des Alten Testaments in irgendeiner
Weise gestört worden wäre. Tatsächlich ging es nicht um die Frage des
alttestamentlichen Monotheismus. Die Gegner Jesu nahmen Anstoß an
seinem Anspruch, der einzigartig autorisierte Vertreter Gottes zu sein.
Jesus hat eine funktionelle Gleichheit mit Gott, welche nichts mit einem
Anspruch zu tun hat, ein gleichberechtigtes, gleich-ewiges Mitglied der
Gottheit zu sein. Jesus war darauf bedacht, aufzuzeigen, dass der Sohn
nichts von sich selbst tun kann (Joh. 5,19). Bei einer späteren Gelegenheit
gab er den Aposteln die Autorität, Sünden zu vergeben – eine
Verantwortung, die sie nicht in die Gottheit einschloss (Joh. 20,23).
Durch die Aussage eines bekannten Professors der Systematischen
Theologie am Fuller Seminary und hauptsächlichen Herausgebers des
angesehenen New International Dictionary of New Testament Theology
werden wir sehr ermutigt. In einer aufschlussreichen Diskussion über
Themen, die mit der Trinität in Zusammenhang stehen, sagt er: „Der
springende Punkt dieser Sache ist die Art und Weise, wie wir den
Ausdruck ‚Sohn Gottes‘ verstehen....Der Titel ‚Sohn Gottes‘ in sich selbst
ist nicht eine Bezeichnung einer personellen Gottheit oder ein Ausdruck
metaphysischer Unterschiede innerhalb der Gottheit. Ja, um ein ‚Sohn
Gottes‘ zu sein, muss man eine Person sein, die nicht Gott ist. Er ist eine
Bezeichnung für eine Kreatur und zeigt ein besonders Verhältnis zu Gott
an. Im Besonderen bezeichnet er den Vertreter, den Vize-Regenten
44 Jesus und der Gott der Juden

Gottes. Er ist ein Ausdruck für Königtum und identifiziert den König als
Gottes Sohn.“ 10
Theologen, die ohne Beweisführung behaupten ‚Sohn Gottes‘ meine
‚Gott, den Sohn‘, leiden, mit den Worten Browns ausgedrückt, unter
„einem systematischen Missverstehen der „Sohn Gottes Sprache“ in der
Bibel.“

Der Messias ist nicht Gott, sondern der Vertreter Gottes


Könnte es sein, dass heutige Trinitarier unabsichtlich und mit dem
Verlangen, Jesus zu erhöhen, in die Falle gehen, dem Messias eine
Position als Gott zuzuschreiben, die er selbst nicht für sich beanspruchte?
Der Anspruch, im trinitarischen Sinn Gott zu sein, wäre für Jesu eigenen
Maßstab gotteslästerlich gewesen, da er wiederholt bestärkte, sein Vater
sei der allein wahre Gott.
Runia besteht darauf, dass Jesus in Anspruch nahm, Gott zu sein und
dass er von einigen der jüdischen Leitern in Joh. 5, 18 so verstanden
worden war. Doch dieser las zur Verwirrung der ganzen Frage eine viel
spätere trinitarische Kontroverse in diese Begebenheiten des ersten
Jahrhunderts hinein. Im vierten Evangelium ist Jesus ein kompromissloser
Advokat des unipersonalen Monotheismus seines jüdischen Erbes.11 Als
„Sohn Gottes“ wusste Jesus, dass er keine eigenständige Macht
unabhängig vom Vater hatte. Er hatte eine „abgeleitete“ Autorität. Er
suchte immer den Willen dessen, der ihn gesandt hatte, d.h er war völlig
von dem Einen Gott abhängig. Sein Austausch mit den Pharisäern endete
mit der Bekräftigung des Glaubens an den Einen, der allein Gott ist (Joh.
5,44). Er hielt den Monotheismus seines jüdischen Erbes aufrecht.
Eine darauf folgende Anklage wegen Gotteslästerung durch die
Pharisäer gab Jesus die Möglichkeit, seinen Gegnern zu zeigen, wie wenig
sie ihre eigenen Schriften verstanden. Diese Episode wird in Joh. 10, 32-
36 geschildert. Bei dieser Gelegenheit fragte Jesus: „Für welches gute
Werk steinigt ihr mich?“ Die Juden antworteten ihm: „Wegen eines guten

10
Colin Brown, „Trinity and Incarnation: In Search of Contemporary
Orthodoxy“, Ex Auditu, 1991, 87-88.
11
Joh. 17,3; 5,44; vgl. Mk. 12,28-30. Jesus nahm wirklich eine „Gleichheit“ mit
Gott in Anspruch (Joh. 5,18), doch es handelt sich dabei nicht um die Gleichheit,
die von den Trinitariern behauptet wird. Jesus handelte an Stelle Gottes als dessen
Vertreter. In diesem Sinn kann von ihm gesagt werden, er sei „Gott gleich“. Es ist
ein Missbrauch dieser Texte, wenn behauptet wird, Jesus hätte Wissen um eine
Gottheit bestehend aus drei Personen gehabt.
Jesus und der Gott der Juden 45

Werkes steinigen wir dich nicht, sondern wegen der Lästerung, und weil
du, der du ein Mensch bist, dich selbst zu Gott machst.“12 Jesus entgegnete
der Anklage, indem er das Alte Testament zitierte und zeigte, dass die
hebräischen Schriften noch immer die oberste Autorität waren, die seinen
messianischen Anspruch klären konnten: „Steht nicht in eurem Gesetz
geschrieben: ‚Ich habe gesagt: ihr seid Götter?‘ Wenn er jene Götter
nannte, an die das Wort Gottes erging,......sagt ihr von dem, den der Vater
geheiligt und in die Welt gesandt hat (Jesus): Du lästerst, weil ich sagte:
Ich bin Gottes Sohn?“
Jesus ergriff die Gelegenheit, um wiederum seine Position im
Verhältnis zu Gott zu definieren. Indem er Psalm 82,6 zitierte, zeigte er,
dass das Wort „Gott“ gerechtfertigt für menschliche Personen benützt
werden kann, die ausgewählte Positionen als göttlich beauftragte Vertreter
innehaben. „Gott“ meinte im Fall der Richter Israels sicherlich nicht Gott,
den Allmächtigen. Niemand würde Göttlichkeit für diese menschlichen
Anführer Israels beanspruchen. Die „Götter“, die in Psalm 82 beschrieben
werden, waren wahrscheinlich Verwalter, die von Gott beauftragt wurden,
für ihn zu handeln. Jesus begründete sein Argument für das korrekte
Verständnis vom „Sohn Gottes“ auf diesen Psalm, wo „Götter“ als „Söhne
des Allerhöchsten“ definiert werden: „Ich sagte: ‚Ihr seid Götter, Söhne
des Allerhöchsten seid ihr alle‘. Doch wie ein Mensch werdet ihr sterben“
(Ps. 82, 6-7).
Es wäre unlogisch zu behaupten, Jesus habe diese besondere
alttestamentliche Bedeutung des Wortes „Gott“, äquivalent zu dem
Ausdruck „Sohn Gottes“ („Söhne des Allerhöchsten“) verändert, als er
sich ausdrücklich auf Psalm 82 bezog, um sein eigenes Anrecht auf den
Titel „Sohn Gottes“ zu klären. Als er der Anklage der Gotteslästerung
entgegnete, erhob Jesus den Anspruch auf seine einzigartige Position als
göttlicher Vertreter. Er ist das beste Beispiel für einen menschlichen
Herrscher, der mit göttlichen Kräften ausgestattet ist. Er legte sich auf
seinen wahren Status fest: „Ich sagte: Ich bin Gottes Sohn“ (Joh. 10,36).
Doch das bietet keine Grundlage für die spätere trinitarische Bekräftigung,
„Sohn Gottes“ sei äquivalent zu „Gott, der Sohn.“ So enthält Jesu eigene
Verteidigung seines Status ausdrücklich den Anspruch, nicht der
allmächtige Gott zu sein. Sehr oft übergehen Trinitarier schweigend diese
Stelle in Joh. 10, 34-36.

12
Das Griechische ist zweideutig: es könnte auch mit „ein Gott“ übersetzt
werden.
46 Jesus und der Gott der Juden

Alttestamentliche Erwartungen über den Messias


Jesus war in den hebräischen Schriften geschult und hätte für sich
selbst keine Ansprüche erheben können, welche den göttlichen
Aufzeichnungen widersprachen, auf die er sich ständig berief. Eine der
bedeutungsvollsten Prophetien in 5. Mo. 18,15 wird von Petrus und
Stephanus in der Apostelgeschichte (3,22,; 7,37) auf Jesus bezogen und
beschreibt den erwarteten „größeren Mose“. Der wichtige Punkt ist, dass
dieser Prophet nach den Worten Mose „ein Prophet, gleich mir, aus euren
Brüdern“ sein sollte. Mose und seine Brüder waren offensichtlich völlig
menschlich, so wie alle Mitglieder der Stämme Israels. Es könnte keinen
stärkeren Anhaltspunkt dafür geben, dass derjenige, der diese Prophetie
erfüllen sollte, ebenso menschlich und sterblich sein sollte. Mose wäre
geschockt zu erfahren, dass dieser Prophet „wie ich“ bereits als Gott
präexistiert hatte und nicht wirklich aus der Menschenfamilie stammte.
Darüber hinaus stimmte Gott der Bitte Israels zu, dass der Vertreter Gottes
und nicht Gott selbst zu ihnen reden werde.13 Würde man das
Johannesevangelium so lesen, als beanspruchte Jesus, Gott zu sein, so
würde das sowohl in einem direkten Widerspruch mit dem bedeutsamen
christologischen Text in 5. Mose als auch mit den Behauptungen Jesu
über sich selbst stehen. Noch dazu versicherten die Apostel: „Wir haben
den gefunden, von dem Mose in dem Gesetz geschrieben und die
Propheten, Jesus aus Nazareth“ (Joh. 1,45). Dieser verheißene Messias
war nicht Gott, sondern Gottes höchster menschlicher Sprecher. Zu
behaupten, Johannes wollte Jesus als Gott präsentieren, würde dessen
eigenes Zeugnis in einen hoffnungslosen Widerspruch bringen.
Wenn nun ein Wissen um eine Gottheit bestehend aus zwei oder drei
Personen jemals durch die Jahrhunderte langsam einsickerte, so entging
dies vollständig der Aufmerksamkeit des jüdischen Volkes. Wir zitieren
nochmals die Worte des zeitgenössischen orthodoxen jüdischen
Theologen Lapide:

„Das Bekenntnis, welches Jesus als „das wichtigste aller Gebote“


bezeichnete und das von jedem Kind Israels als letztes Wort in der Todesstunde
gesprochen wird, war: „Höre, Israel: Der Herr unser Gott ist ein Herr allein“ (5.
Mo. 6,4). Was das „Shema Israel“ für das innere Leben und für das Überleben
des Judentums bedeutet hat, kann von außen her nur mit Schwierigkeiten

13
Siehe 5. Mose 18, 15-20, wo vom verheißenen Propheten, dem Messias
ausdrücklich gesagt wird, er sei nicht Gott.
Jesus und der Gott der Juden 47

verstanden werden. So orthodox, liberal oder progressiv man in seiner


Religiosität auch sein mag, die Einheit Gottes bringt den Glauben zu einer
zentralen Höhe, vor der alle anderen Fragen zweitrangig werden. Was auch
immer den Juden aus dem Randbereich vom Juden im Zentrum trennen mag, die
Einheit des gemeinsamen Gottes versichert die Einheit des religiösen
Bewusstseins.“14

Psalm 110,1
Obwohl die Juden keinen bereits existierenden, viel weniger noch
ewigen Sohn Gottes im Alten Testament finden konnten, so konnte dies
eine große Anzahl von zeitgenössischen Studenten der Bibel nicht davon
abhalten, die Präexistenz Jesu aus Psalm 110,1 zu beweisen und somit
auch zumindest eine Dualität in Gott: „Der HERR sagte zu meinem
Herrn: ‚Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde gemacht habe
zum Schemel deiner Füße.‘“ Sowohl die Pharisäer als auch Jesus
erkannten in diesem zweiten Herrn den verheißenen Messias Israels. Jesus
sah diesen Text als eine göttliche Weissagung, die seine Ansicht über den
Messias sowohl als Sohn Davids als auch als Davids Herr zeigte (Mk.
12,35-37). Was meint nun die inspirierte göttliche Aussage, wenn es den
Messias „Herr“ nennt? Manche behaupten, es solle besser heißen: „Gott
sagte zu meinem Gott.....“ Sie bestehen darauf, dass David von einer
Dualität in der Gottheit wusste und unter Inspiration die ewige Sohnschaft
und Göttlichkeit desjenigen bezeugte, welcher später der Mann Jesus
werden sollte.
So eine Theorie schließt einen Missbrauch der hebräischen Sprache
ein, der leicht aufgeklärt werden kann. Die beiden Worte für „Herr“ in
diesem Satz „der HERR spricht zu meinem Herrn“ sind ganz verschieden.
Der erste „Herr“ ist Jahwe. Es ist wahr, dass alttestamentliche Texte, die
dieses Wort beinhalten, manchmal im Neuen Testament auf Jesus
angewandt werden, wenn dieser als Vertreter Jahwes handelt (ebenso wie
der Engel Gottes, der die Autorität Jahwes ausführt, manchmal mit Jahwe
gleichgesetzt wird).15 In Psalm 110,1 bezieht sich jedoch fraglos der erste
Herr, der genannt wird, auf Gott, den Vater, den Einen Gott Israels (wie
auch an etwa 6700 weiteren Stellen). Das zweite Wort für „Herr“ (hier:
„mein Herr“) ist adoni,16 was in Übereinstimmung mit allen

14
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine, 27, 28.
15
Richter 13,3,6,9,13,15,16,17,18,20,21, verglichen mit V. 22
16
d.h. adon mit der persönlichen Nachsilbe „i“ („mein“). Es ist erstaunlich, dass
eine Anzahl von Kommentatoren fälschlicherweise annimmt, dieser zweite Herr
48 Jesus und der Gott der Juden

Standardlexika der hebräischen Sprache „Herr“, „Meister“, „Besitzer“


bedeutet und sich hier, als Prophetie, auf den Messias bezieht. 17 Wenn
David erwartet hätte, dass der Messias Gott ist, so hätte er nicht das Wort
adoni sondern adonai verwendet, das nur für den Einen Gott benutzt
wird.18

sei adonai . Siehe z.B. The Bible Knowledge Commentary (Hrsg. Walvoord und
Zuck, welche die Fakultät der Universität von Dallas vertreten, Victor Books,
1987), der falsch ausführt, dass „mein Herr“ in Ps. 110,1 „das hebräische adonay
übersetzt, das nur für Gott gebraucht wird“ (73). Unglücklicherweise legt dieser
Kommentar nahe, der Messias sei Gott selbst. Tatsächlich ist das hebräische Wort
für „mein Herr“ nicht adonai sondern adoni, welches niemals für Gott gebraucht
wird, dagegen aber oft für den König Israels und andere menschliche Oberste.
Dieser erstaunliche Irrtum ist symptomatisch für die weit verbreitete
Vermischung Gottes mit dem Messias. 1. Sam 24,6 ist typisch für die hebräische
Art, zwischen „mein Herr, der König“ und dem Herrn Gott zu unterscheiden.
Kein Leser von Ps. 110,1 hätte sich vorstellen können, der Messias sei Gott. Der
Messias ist der Gesalbte des Herrn. Siehe Lk. 2,11,26 für die sorgfältige
Wortverwendung bei den Titeln. Der „Herr Christus“ (Lk. 2,11) ist „mein Herr“
von Ps. 110,1. So gibt es zwei Herrn: den einen Herrn Gott und den einen Herrn
Messias, Jesus. Das ist genau das Bekenntnis von Paulus in 1. Kor. 8, 4-6. Robert
Sumner gründet in seinem Buch Jesus Christ is God (Biblical Evangelism Press,
1983) sein Hauptargument für die Trinität auf Psalm 110,1: „Der Bezug Jesu war
auf den oftmals zitierten Psalm 110,1, der von den Juden seiner Zeit sowohl als
davidisch als auch als messianisch angesehen wurde, in dem König David
Christus „meinen Herrn“ nennt, und dabei den Namen Gottes benutzt, Adonai
(321). Er fährt fort und findet die gesamte Trinität in Jehova, Adonai, Geist. Eine
richtige Wiedergabe der Sprachgegebenheiten würde solche Schlüsse unmöglich
machen. Eben dieser Irrtum bezüglich des Wortes „Herr“ in Psalm 110,1 findet
sich sehr oft in der evangelikalen Literatur. Siehe zum Beispiel Herbert Lockyer,
All Divine Names and Titles in the Bible (Zondervan, 1975): „Hier spricht Jehova
Worte zu Adonai, die richtigerweise auf Jesus angewandt werden“ (15). Die
Lockman Foundation NASV Randnote über Apg. 2,36 gibt ebenfalls das
hebräische Wort als Adonai wieder. Doch sie versicherten, in zukünftigen
Ausgaben diesen Fehler zu korrigieren.
17
Sowohl die Pharisäer als auch Jesus selbst sahen den Text als eine göttliche
Weissagung über den kommenden Messias, den Sohn Davids. Siehe auch Mt.
22,41-45.
18
Der Leser soll wissen, dass dieser Unterschied in der Strong’s Concordance –
Hebrew and Chaldee Dictionary, Wortnummern 113, 136, nicht so klar
beschrieben wird.
Jesus und der Gott der Juden 49

Psalm 110,1 gibt uns einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis, wer
Jesus ist. Die hebräische Bibel unterscheidet genau den göttlichen Titel
adonai, der Allerhöchste Gott, von adoni, der Anrede, die für menschliche
Oberste und Engel verwendet wird. Adoni, „mein Herr“, „mein Meister“
bezieht sich in keinem Fall auf Gott. Andererseits ist adonai die besondere
Form von adon, eine Anrede, die dem Einen Gott vorbehalten ist.19
Ein Leser der hebräischen Bibel ist geschult, diesen wichtigen
Unterschied zwischen Gott und dem Menschen zu erkennen. Es ist ein
riesengroßer Unterschied zwischen adoni, „mein Herr“ und adonai, dem
Höchsten Gott. Nicht weniger als 195 Mal bezeichnet adoni im
hebräischen Kanon die angesprochene Person als Empfänger von
Ehrerbietung, doch niemals als den Höchsten Gott. Diese wichtige
Tatsache sagt uns, dass die hebräischen Schriften nicht erwarteten, dass
der Messias Gott sei, sondern der menschliche Nachkomme Davids, den
David ganz richtig auch als seinen Herrn erkannte.20
In einem Buch, das sich zur Gänze dem Studium von Psalm 110 im
frühen Christentum widmete, bemerkt David Hay, dass es nicht weniger
als „dreiunddreißig Zitate und Erwähnungen von Psalm 110 an
verschiedenen Stellen des Neuen Testaments gibt......viele davon stehen in
Passagen, die eine wichtige theologische Bedeutung haben.“21 Psalm
110,1 ist von einer „gewissen Aura prophetischer Offenbarung“

19
Der Unterschied hängt von den hebräischen Selbstlautzeichen ab. Es ist klar,
dass der Unterschied zwischen adonai und adoni seit alten Zeiten sehr sorgfältig
überliefert wurde. Die Übersetzer der Septuaginta im 3. Jahrhundert v. Chr.
bestätigen eine genaue Unterscheidung zwischen den Formen von adon, die für
Gott und Menschen gebraucht wurden, indem sie adoni als to kurio mou, „mein
Herr“ übersetzen. Das Neue Testament bestätigt diese Übersetzung. In Ps. 110,5
kommt der göttliche Titel adonai vor (hier unterstützt Jahwe den Messias, indem
Er zu seiner Rechten steht, vgl. Ps. 109,31; 16,8) und die Septuaginta gibt adonai,
wie auch sonst immer, mit kurios, wieder. Der Herr (Gott) von Vers 5 wird so
ganz klar von Davids menschlichem Herrn, dem Messias, unterschieden (V. 1).
20
Aus einer Analyse des Vorkommens von adoni, siehe Herbert Bateman,
„Psalm 110,1 and the New Testament“, Bibliotheca Sacra 149, (1992): 438-453.
Der Autor, ein Trinitarier, behauptet, dieser Psalm könne sich vorrangig nicht auf
Jesus beziehen, weil adoni einen menschlichen Messias beschreibt! Batemans
Trinitarismus führt ihn dazu, die offensichtliche messianische Referenz dieses
Psalms zurückzuweisen. Jesus bezweifelte nicht, dass er dieser „Herr“ war (Mt.
22, 41-45) und er wusste, dass er nicht der Eine Gott ist.
21
Glory at the Right Hand: Psalm 110 in Early Christianity (Nashville:
Abingdon, 1973), 15.
50 Jesus und der Gott der Juden

umgeben.“22 Aus der Diskussion Jesu mit den Pharisäern geht ebenso wie
aus dem jüdischen Targum, das die alte Tradition widerspiegelt, klar
hervor, dass Psalm 110,1 den Messias in seiner Beziehung zu Gott
designiert. Der Erstere ist eine davidische, messianische Figur, „der
kommende Fürst der Welt.“ Neutestamentliche Erwähnungen von Ps.
110,1 erwecken den Eindruck, dass dieser Vers einen Teil der frühen
christlichen Bekenntnisse und vielleicht auch der Lieder ausmachte.
Offensichtlich sollte nach göttlicher Weissagung eine sehr erhabene
Person eine einzigartige Position zur Rechten Gottes einnehmen. Aber
wer sollte das sein? Ein zweites Mitglied einer dreieinen Gottheit?
Eine derartige Idee ist im biblischen Zusammenhang absolut
unmöglich. Doch der Psalm gibt uns einen kostbaren Schlüssel zum
Verständnis der Natur und der Identität des Messias als erwählter
Vertreter Gottes. In seiner entscheidenden apostolischen Predigt legte
Petrus das Fundament des Glaubens und erklärte, dass Jesus, „ein Mann,
der ans Kreuz geschlagen wurde“, bei seiner Himmelfahrt nun in seinem
königlichen Status als „Herr und auch Christus“ bestätigt wurde (Apg.
2,22,23,36). Hier begegnen wird er obersten Wahrheit der Christologie.
Jesus ist aber nicht der Herr, Gott Jahwe, sondern der Herr Messias,
basierend, wie Petrus bestätigt, auf der Weissagung von Ps. 110,1. Auf
Grundlage dieser Definition des Status von Jesus wird die
neutestamentliche Christologie aufgebaut. Jesus ist der Herr, den David
prophetisch als „mein Herr“ (adoni) bezeichnet hatte. Jesus ist wirklich
kurios (Herr), doch sicherlich nicht der Herr Gott. Dieser Titel, adoni,
unterscheidet unweigerlich einen menschlichen Obersten vom Einen Gott
des Alten Testaments. Es ist eine klare und konsequente Unterscheidung.
Adonai dagegen bezeichnet den einen und einzigen höchsten Gott der
Bibel in 449 Fällen.
Es ist ungewöhnlich, dass die Tatsachen über ein im hebräischen oder
griechischen Text vorkommendes Wort in den Lehrbüchern falsch
wiedergegeben wird. Doch erstaunlicherweise schlich sich ein
bemerkenswerter Irrtum in die Aussagen der höchsten Autoritäten
bezüglich der Identität des Messias in dieser so entscheidenden
christologischen Passage in Psalm 110,1 ein. Dieser Vers, der so oft im
Neuen Testament zitiert wird, legitimiert den Titel „Herr“ für Jesus.
Dennoch war er außergewöhnlichen Attacken von theologischer Seite her
ausgesetzt. Weder das Hebräische noch das Griechische der Septuaginta

22
Ebenso, 21.
Jesus und der Gott der Juden 51

und das Neue Testament lassen zu, dass dieser „Herr“ zu Gott wird. Beide
Testamente vereinen sich so in ihrer Opposition zur Idee der Trinität. Es
ist Jesus als „Herr“, dem in der Gemeinde Verehrung, Dienst und auch
Bitten entgegengebracht werden.23 Auf der Grundlage von Psalm 110,1 ist
Jesus Davids Herr („mein Herr“) und so auch „unser Herr Jesus Christus“
(Eph. 1,17). „Gott“ und „Herr“ deuten also auf einen Unterschied in der
Rangordnung hin. Der Messias ist nicht „gleichberechtigter Gott.“
Die Tatsache der weitverbreiteten Verwirrung in der Behandlung
dieses Psalms ist bemerkenswert. Die Position Jesu als menschlicher
adoni erwies sich als Schwierigkeit für die spätere „Orthodoxie“. Ein
römisch-katholischer Autor schreibt im Bemühen, seine traditionelle
Lehre des ewigen Sohnes zu unterstützen:

„In Psalm 110,1 sagte Jahwe zu Adonai: Sitze zu meiner Rechten“. Diese
Passage wird von Christus zitiert, um zu beweisen, dass er Adonai ist, der zur
Rechten von Jahwe sitzt (Mt. 22,44). Doch Adonai „mein Herr“ wird als Name
nur für die Gottheit verwendet, entweder allein oder in einem Ausdruck wie
Jahwe Adonai. Es ist klar, dass in diesem Text Jahwe Christus als
unterschiedliche Person bezeichnet und dennoch identisch in der Gottheit.“24

Diese Information ist nicht korrekt. Der zweite Herr im hebräischen


Text ist nicht adonai sondern adoni. Dieses Letztere ist niemals ein
göttlicher Titel. Das gesamte trinitarische Argument auf Grundlage dieses
Psalms ist zum Scheitern verurteilt, weil die Tatsachen der Sprache falsch
beschrieben werden.
In einem Artikel, der im Evangelical Quarterly erschien, stellt
William Childs Robinson mit Überzeugung fest:

„In der Southern Presbyterian Church wird angenommen und gelehrt, dass
Jesus Jehova ist; das heißt, dass derjenige, der von alttestamentlichen Heiligen als
Jehova verehrt wurde, ohne aufzuhören, Gott zu sein, Mensch wurde „für uns
Menschen und zu unserer Erlösung“...Doch der schottische Professor der
systematischen Theologie am Union Seminary, New York, forderte kürzlich diese
Feststellung heraus, indem er im Presbyterian of the South Folgendes schrieb:

23
Es ist erwiesen, dass im Neuen Testament üblicherweise Gebete dem Vater
durch den Sohn erwiesen werden.
24
Walter Drum, S.J., „Christology“, Encyclopedia Americana (1949), 694.
52 Jesus und der Gott der Juden

„Die orthodoxe Sichtweise ist sicherlich nicht „Christus ist Jehova“ 25


– so ein
Satz ist neu für mich.“

Der Autor fährt fort, dass die Annahme „Jesus ist Jahwe“ ein
Jahrhunderte alter Grundsatz der Kirche und der Höhepunkt der
Orthodoxie ist.
Die Zweifel des Union Seminary Professors deuten auf ein
tiefsitzendes Unbehagen über die Gleichsetzung des Messias mit Gott hin.
Dennoch argumentiert Dr. Robinson, dass Jesus Gott sein muss, da er
kurios (Herr) genannt wird. Er bezieht sich auf Lk. 2,11, wo der Erlöser
als „Herr Messias“ vorgestellt wird und schließt daraus, dass dies
„Christus-Jehova“ meint. Dann wendet er sich zu Apg. 2, 34-36, wo
Petrus Psalm 110,1 zitiert, um die Position Jesu als „Herr“ zu begründen.
Doch er liest den hebräischen Text falsch und behauptet, dass Jesus als
„der Herr Adonai zur Rechten Jehovas sitzt.“ „ Dieses erhabene
himmlische Messiastum - gipfelnd im eschatologischen Menschensohn,
Adonai zur Rechten Jehovas zeigt, dass Jesus Jehova ist.“26 Doch die
Tatsachen sprechen gegen ihn. Der Messias wird hier nicht adonai
genannt, wie er behauptet, sondern adoni. Die hebräische Bibel vermischt
Gott nicht wie der Trinitarismus mit einem menschlichen Wesen.
Das berühmte Smith’s Bible Dictionary ignoriert den menschlichen
Titel, der dem Messias in Ps. 110,1 gegeben wird und bezieht sich dann
auf den Text als Beweis für einen trinitarischen Jesus:

„Entsprechend sehen wir nach der Himmelfahrt, dass die Apostel versuchen,
den Juden verständlich zu machen, dass Jesus nicht nur der Christus war, sondern
auch eine göttliche Person, sogar der Herr Jehova. So sagt z.B. der heilige Petrus
nach der Ausgießung des Heiligen Geistes durch Christus am Pfingsttag: „Das
ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn sowohl zum HERRN
(Kurion, Jehova) als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr
gekreuzigt habt“(Apg. 2,36).

Ein nachfolgender Herausgeber fühlte sich mit diesem Gewaltakt


unbehaglich, der Petrus zu einem Anhänger der späteren Kirchenkonzile
machte. In einer Fußnote des Herausgebers brachte er eine Berichtigung:

25
William Childs Robinson, „Jesus Christ is Jehovah“, Evangelical Quarterly 5:2
(1933), 144.
26
Ebenso, 155.
Jesus und der Gott der Juden 53

„Wenn er Petrus die bemerkenswerte Behauptung zuschreibt, ‚Gott habe


Jesus zu Jehova gemacht‘, so scheint der Schreiber dieses Artikels die Tatsache
übersehen zu haben, dass kurion (HERR) sich auf ho kurio mou (‚mein Herr‘) in
Vers 34 bezieht, der aus Psalm 110,1 zitiert wird, wo die hebräische
Entsprechung nicht Jehova, sondern adon ist, das übliche Wort für ‚Herr‘ “. 27

Dieselbe falsche Information über den entscheidenden Titel „Herr“


für den Messias erscheint sogar in dem angesehenen International Critical
Commentary über das Lukasevangelium: „Im Hebräischen haben wir zwei
verschiedene Worte für Herr: ‚Jehova sagte zu Adonai‘. Man glaubte
immer, Psalm 110 sei messianisch und von David geschrieben worden.“28
Sicherlich gibt es zwei verschiedene Worte, doch wie es von Dr. Plummer
wiedergegeben wird, spricht Gott zu sich selbst und nicht zu Seinem
menschlichen Vertreter, dem Messias. Wieder einmal wurde das
trinitarische Dogma der Schrift durch eine Änderung im Wortlaut
aufgedrängt.
Zahlreiche Beispiele desselben Irrtums können in älteren
Kommentaren gefunden werden und überraschend schreibt auch die
Scofield Bibel über Psalm 110,1: „Die Wichtigkeit des 110. Psalms wird
durch die bemerkenswerte Bedeutung, die ihm im Neuen Testament
gegeben wird, bestätigt. Er bestärkt die Göttlichkeit Jesu und antwortet so
jenen, welche die vollständig göttliche Bedeutung des neutestamentlichen
Titels ‚Herr‘ leugnen“. Doch wie kann es die „Göttlichkeit Jesu“
bestärken, wenn der hebräische Titel, der ihm gegeben wird, in jedem
seiner 195 Vorkommen einen menschlichen Obersten (und in seltenen
Fällen einen Engel) bezeichnet? Der Ausdruck „zu meinem Herrn“, der in
der Weissagung von Psalm 110,1 für den Messias verwendet wird, kommt
24 Mal vor. Bei diesen Gelegenheiten bezeichnen Männer und Frauen
andere Männer, besonders den König. In jedem Fall, wenn „mein Herr“
(adoni) und Jahwe im gleichen Satz vorkommen, so wie in Ps. 110,1,
kontrastiert „mein Herr“ unweigerlich den Einen Gott von einer
menschlichen Person. Leser der hebräischen Bibel sind diesem
Unterschied zwischen Gott und Seinen Vertretern ständig ausgesetzt:
„Und der HERR (Jahwe), Gott meines Herrn (adoni) Abraham“ (1. Mo.

27
„Son of God“, Smith’s Dictionary of the Bible, Hrsg. Hackett (Baker Book
House, 1971), 4: 3090.
28
Alfred Plummer, Gospel According to S. Luke, International Critical
Commentary (Edinburgh: T&T Clark, 1913), 472.
54 Jesus und der Gott der Juden

24,12). „Gepriesen sei der HERR (Jahwe), der Gott meines Herrn (adoni)
Abraham“ (1. Mo. 24,27).
„So hat der HERR (Jahwe) meinem Herrn (adoni), dem König, Rache
verschafft an Saul“ (2. Sam. 4,8). Der Titel (mein Herr, der König) kommt
oft als Ansprache des Herrschers Israels vor.
Leser der englischen und deutschen Bibel sind daran gewöhnt,
„LORD“ oder „HERR“ in Großbuchstaben als Übersetzung des
ursprünglichen Wortes Jahwe zu lesen. Englischsprachige Leser wissen
vielleicht auch, dass das Wort „Lord“ (mit großem „L“) den
ursprünglichen göttlichen Titel adonai anzeigt (im Gegensatz zu „lord“ –
adoni. Diese Unterscheidung ist im Deutschen nicht möglich). In Psalm
110,1 ist diese Unterscheidung leider verloren gegangen – und zwar nur in
diesem einen Fall – wenn der Messias in vielen Übersetzungen als
„HERR“ („Lord“) erscheint und doch nicht der Titel adonai, der göttliche
Titel, sondern adoni „mein Herr“ („my lord“) als Bezeichnung für den
menschlichen König vorkommt. Dieser falsche Eindruck hat folglich den
Messias zum Einen göttlichen Herrn gemacht, denn in allen seinen 449
Vorkommen erscheint adonai in englischen (und auch in deutschen)
Bibeln als „HERR“ („Lord“). The Cambridge Bible for Schools and
Colleges sagt, dass die englische Revised Version, ebenso wie im
Deutschen die Elberfelder und die Luther Übersetzung, die „Herr“ anstelle
von „HERR“ schreiben, „zu Recht den Großbuchstaben „L“ in „lord“
wegließ, da es sich dabei um eine Interpretation handelt. „Mein Herr“
(adoni) ist eine Ansprache des Respekts und der Verehrung, die im Alten
Testament verwendet wird, um mit einem Menschen eines höheren
Ranges und einer höheren Würde, besonders mit einem König, zu
sprechen (u.a. 1.Mose 23,6; 1. Sam. 22,12).“29
Die ständige Unterscheidung zwischen menschlichen und göttlichen
Ansprachen, gekennzeichnet durch den entscheidenden Unterschied in der
Selbstlautsetzung im hebräischen Wort „Herr“, wurde ignoriert und in
Bibelübersetzungen, Anmerkungen und Kommentaren unter dem Druck
des trinitarischen Dogmas falsch interpretiert. Die Berichtigung von
„HERR“ zu „Herr“ in der Revised Version von Ps. 110,1 wurde in der
RSV (Revised Standard Version) und der NRSV (New Revised Standard
Version) beibehalten. Auch in der Übersetzung der Jewish Publication
Society, in der Moffat Übersetzung und in der Roman Catholic New

29
A.F. Kirkpatrick, Psalms (Cambridge University Press, 1901), 665.
Jesus und der Gott der Juden 55

American Bible wird der Psalm richtig wiedergegeben.30 31 Andere


moderne Versionen vermitteln weiterhin den Eindruck, die Weissagung
der hebräischen Bibel über Christus, die der apostolischen Christenheit so
wichtig war, versetze Jesu in die Kategorie einer Gottheit. Die beliebte
Ansicht, dass Jesus der Herr Gott ist, sollte dem biblischen Zeugnis, dass
er der Herr Messias ist, der menschliche Oberste Davids, der einzigartige
menschliche Vertreter des Einen Gottes Israels, Platz machen. Die
Anwendung alttestamentlicher Texte über Jahwe auf Jesus bedeutet, dass
er an der Stelle Gottes, seines Gottes und Vaters, handelt. Es bedeutet
nicht, dass er Jahwe ist. Wenn Jesus „Herr“ genannt wird, oder „der Herr
Jesus“, „der Herr Jesus Christus“ und „unser Herr“, so ist das keinesfalls
ein Hinweis, dass er Jahwe ist. Diese Titel zeigen uns, dass er der Herr
Messias ist, wie auch durch den christologischen Grundtext in Ps. 110,1
ausgesagt wird.
Der von Jesus berufene Apostel folgt dem Argument seines Meisters
von Ps. 110,1, als er den Status des auferstandenen Messias in Beziehung
zu Gott beschreibt. Mit der hebräischen Bibel im Kopf unterscheidet
Paulus in einer entscheidenden Aussage zwischen dem „einen Gott, dem
Vater“ und dem „einen Herrn Jesus Christus“. Paulus hat das Shema Israel
nicht zwischen zwei Personen aufgeteilt. Das würde ein Aufgeben seines
kostbaren jüdischen Glaubens bedeuten. Tatsächlich macht Paulus eine
klare unitarische Aussage: „Es ist kein Gott als nur einer.....So ist doch für
uns ein Gott, der Vater“ (1. Kor. 8, 4,6). Dann beansprucht er für Jesus
einen Status als Herr auf Grundlage der zentralen christologischen
Bestärkung der göttlichen Weissagung, dass er der verheißene „mein
Herr, der König Messias, der Gesalbte des Herrn“ ist (Ps. 110,1, Lk.
2,11): „Und es ist ein Herr, Jesus Christus (= Messias; 1. Kor. 8,6). Das ist
sein vollständiger offizieller Titel. Ebenso hatte Petrus in Apg. 2, 34-36
mit apostolischer Autorität, die er vom Messias erhalten hatte, verkündigt,
dass Jesus der festgesetzte Herr Christus ist, in Übereinstimmung mit Ps.
110,1, aber verschieden vom Herrn Gott, dessen Diener er ist.
Weder Jesus noch die Juden missverstanden ihre eigene Sprache in
dieser kritischen Frage der Definition Gottes und Seines Sohnes. Niemals

30
Im Deutschen geben die meisten Bibelübersetzungen die Bedeutung richtig
wieder, z.B. die Elberfelder und die Luther Übersetzungen, die Jerusalemer Bibel,
Bruns und auch moderne Übersetzungen wie die Gute Nachricht oder Hoffnung
für Alle.
31
The Companion Bible von E.W. Bullinger informiert uns falsch, dass das
zweite Wort adonai ist.
56 Jesus und der Gott der Juden

dachten sie, Psalm 110,1 hätte Unterschiede in der Gottheit eingeführt


oder dass Gott zu sich selbst sprach. Nur wenn man eine trinitarische oder
binitarische Ansicht in diesen Text hineinliest – dass der Messias
vollständig Gott ist – kann dieser Anspruch aufrecht erhalten werden. Der
„Herr“, den König David erwartete, war sowohl sein Nachkomme und
Sohn als auch sein Oberster und Meister, aber ganz sicher nicht Jahwe
persönlich.32 Psalm 110,1 steht als Barriere gegen jede Erweiterung der
Gottheit auf zwei oder drei Personen. Dem Zeugnis der hebräischen
Schriften wird durch die Ansicht, das Neue Testament sehe den Sohn
Gottes als Teil der Gottheit, widersprochen. Die traditionelle Orthodoxie
hat ihre eigene Definition von Herr, wie sie auf Jesus zutrifft, eingetauscht
und eine außergewöhnliche und sehr unhebräische Sichtweise
angenommen, nämlich dass Gott mehr als eine einzelne Person ist, im
Gegensatz zur definitiven göttlichen Weissagung von Psalm 110,1.
In einem Artikel, der „God or god“: Arianism, Ancient and Modern“33
betitelt ist, endet Donald Macleod mit einem Schrei zugunsten des
orthodoxen Trinitarismus und besteht: „Wir können ein Geschöpf, wie
herrlich auch immer, nicht Herr nennen“. Er scheint übersehen zu haben,
dass David in seiner inspirierten prophetischen Aussage über den Messias,
in einem Text, der Jesus so wertvoll war und den er in Kontroversen
benutzte, um seine Widersacher zum Schweigen zu bringen,, den Messias
tatsächlich als menschlichen Herrn (adoni) bezeichnete. Von alter Zeit her
bis heute wurde diese christologisch so kostbare Perle weggeworfen. In
der faszinierenden Studie Bart Ehrmans The Orthodox Corruption of
Scripture 34 nennt er umfassende Beispiele willkürlicher Änderungen der
neutestamentlichen Manuskripte (manche dieser Verfälschungen haben
Eingang in unsere Übersetzungen gefunden), durch die Jesus Gott anstatt
Christus genannt wird. Beim Zitat von Ps. 110,1 in Lk. 20,42 wurde der
Text der „Persischen Harmonie“ der Evangelien geändert, dass es nicht
länger heißt: „Der HERR sagte zu meinem Herrn“, sondern „Gott sagte zu
meinem Gott“. Das Fehlen jeder derartigen Teilung innerhalb der Gottheit
im wahren Text der Bibel konnte die Orthodoxie nicht davon abhalten,

32
Diese Ansicht kann durch I. Howard Marshall bestärkt werden, in: Acts,
Tyndale New Testament Commentaries (Grand Rapids: Eerdmans, 1980). Wenn
er über das Zitat von Ps. 110,1 durch Petrus in Apg, 2,34 spricht, sagt Marshall
„das Attribut des Herr-Seins......wird Jesus gegeben; er wird nicht mit Jahwe
gleichgesetzt“ (80, Hervorhebung beigefügt).
33
Evangelical Quarterly 68:2 (1996): 121-138.
34
(Oxford University Press, 1993), 85.
Jesus und der Gott der Juden 57

diesen inspirierten Dokumenten, sei es durch tatsächliche Änderung des


Textes oder in einem Kommentar, eine erstaunliche Verwendung des
Titels Gottes für den Messias aufzudrängen.
Christen zur Zeit der Abfassung des Neuen Testaments hätten
sicherlich zugestimmt, dass Jesus in der Rolle Jahwes als dessen Vertreter
agierte. Dass er tatsächlich Jahwe war, stand gar nicht zur Debatte. Ihre
Bekenntnisse über diese Frage sind klar. Wie definierten nun die engsten
Nachfolger Jesu den Status ihres Meisters? Jesus war an der
Beantwortung dieser Frage äußerst interessiert. Er stellte ihnen mit
Absicht die Frage: „Und ihr, was sagt ihr, wer ich bin?“ (Mt. 16,15). Ihre
Antwort war entscheidend für unser Verständnis des christlichen
Glaubens.
3. GLAUBTEN DIE ANHÄNGER JESU, DASS ER GOTT WAR?

"Paulus setzt Jesus niemals mit Gott gleich " - Professor W. R.


Matthews

Wenn der Bericht über das Leben Jesu richtig ist, dann muss das am
besten gehütete Geheimnis seiner Mutter die Tatsache der Gottheit ihres
Sohnes gewesen sein. Mitbürger, die ein Leben lang Bekanntschaft mit
Jesus und seiner Familie hatten, waren über seine Fähigkeiten und seine
Weisheit erstaunt, fühlten sich jedoch durch die Autorität, mit der er
lehrte, verärgert.
Ihre Antwort auf seine Lehre und auf seine wundersamen Kräfte war
sehr skeptisch. Sie fragten: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns?
Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder Jakobus und Josef und
Simon und Judas? Und seine Schwestern, sind sie nicht alle bei uns?
Woher hat er nun dies alles? Und sie ärgerten sich an ihm " (Mt. 13, 55 -
57).
Allem Anschein nach betrachteten sie ihn als einen Menschen wie sie
selbst, als ein Mitglied einer Familie, die aus Brüdern und Schwestern
zusammengesetzt war, als Sohn eines Handwerkers, der in der
Ortsgemeinde wohlbekannt war.
Seine engste Familie dachte anscheinend nie, dass Jesus den
Anspruch erhoben hätte, Gott zu sein. Einmal baten sie ihn, seine
Heimatgegend zu verlassen, weil er ihre persönliche Sicherheit
gefährdete. Johannes erzählt die Sache folgendermaßen:

„Und danach zog Jesus in Galiläa umher, denn er wollte nicht in Judäa
umherziehen, weil die Juden ihn zu töten suchten. Es war aber nahe das Fest der
Juden, die Laubhütten. Es sprachen nun seine Brüder zu ihm: ‚Zieh von hier fort
und geh nach Judäa, dass auch deine Jünger deine Werke sehen, die du tust! Denn
niemand tut etwas im Verborgenen und sucht (dabei) selbst öffentlich bekannt zu
sein. Wenn du diese Dinge tust, so zeige dich der Welt!‘ Denn auch seine Brüder
glaubten nicht an ihn“ (Joh. 7,1-5).
60 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Selbst wenn wir die Tatsache anerkennen, dass die Familie Jesu seine
Ansprüche nicht akzeptierte, so gibt es dennoch keinen Hinweis darauf,
dass sie Jesus wegen seines Anspruchs Gott zu sein, abgelehnt hatten.
Keiner der Evangeliumsberichte legt uns nahe, dass die Familie des
Messias heimlich eingeweiht worden wäre, dass er Gott sei - eine
Information, die eine Kluft zwischen ihnen und ihm bedingt hätte.
Lukas, der einen Bericht über den christlichen Glauben an Theophilus
verfasste, verabsäumte es, die Gottheit Jesu aufzuzeigen. Er nannte ihn
Gottes Sohn und das auf Grund seiner Geburt durch eine Jungfrau (Lk. 1,
35). „Sohn Gottes" (nicht: „Gott, der Sohn") war ein bekannter
messianischer Titel. Wenn Lukas nun mit der Mutter Jesu über die
Geschichte der Jungfrauengeburt sprach, so vergaß sie entweder, die
Tatsache der Göttlichkeit ihres Sohnes zu erwähnen oder Lukas dachte,
das sei nicht erwähnenswert. Kann es sein, dass ihnen die Idee, Jesus sei
als Teil der Gottheit präexistent gewesen, niemals gekommen war? Sollte
Maria sich als die Mutter Gottes gesehen haben, so hätte sie diese
Tatsache doch sicherlich erwähnt.
Für jemanden, der in einer modernen christlichen Umgebung
aufgewachsen ist, ist es sehr natürlich, die Idee eines Gottes in zwei oder
drei Personen anzunehmen, auch wenn noch niemand in der Lage war zu
erklären, wie drei, die alle „Gott" genannt werden, in Wirklichkeit „ein
Gott" sein können. Es ist Teil unseres religiösen Erbes. Sollte man anders
glauben, so läuft man in Gefahr, als gefährlicher Häretiker gebrandmarkt
zu werden. Wie auch immer, für die ersten Christen war die Idee einer
zweiten, präexistenten Person der Gottheit, unvorstellbar. Raymond
Brown, ein römisch- katholischer Theologe und durch seine Ausbildung
sicherlich kein Gegner der Trinität, bemerkt, dass Matthäus und Lukas
„keinerlei Wissen über die Präexistenz (Jesu) zeigen; anscheinend war für
sie die Empfängnis zugleich auch die Entstehung (die Zeugung) des
Sohnes Gottes." 1 Wenn Jesus nicht präexistent war, so gibt es keinen
ewigen Sohn. So gibt es nun keinen Beweis, dass Matthäus und Lukas an
einen dreieinen Gott glaubten.“
Wir müssen die trinitarische Methode, dieses Problem handzuhaben,
prüfen - die in weiten Kreisen anerkannte Tatsache der sehr spärlichen
Beweise des trinitarischen oder binitarischen Konzepts.
Verfechter der Dreieinigkeit, wie beispielsweise Warfield, stimmen
zu, dass sich die „neutestamentlichen Schreiber sicher nicht bewusst

1
The Birth of the Messiah (London: Geoffrey Chapman, 1977), 31,
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 61

waren, neue Götter bekannt zu machen. Ihrer eigenen Einschätzung nach


verkündigten und beteten sie den Gott Israels an und sie bezeugten nicht
weniger als das Alte Testament dessen Einheit." Aber weitere
Bemerkungen Warfields stellen sich als schwierig heraus:

„Die Einfachheit und Sicherheit, mit der die Schreiber des Neuen Testaments
über Gott als Dreiheit sprechen, haben eine weitere Folge. Wenn sie keinerlei
Sinn für die Neuheit verraten, so über Ihn zu sprechen, so ist dies wohl teilweise
dadurch bedingt, dass es keine Neuheit mehr ist, so über Ihn zu sprechen. Um es
in anderen Worten auszudrücken, es ist klar, dass wir beim Lesen des Neuen
Testaments keinesfalls die Zeugen der Geburt eines neuen Konzepts über Gott
sind. Was wir antreffen ist ein festgefügtes Konzept Gottes. Die Lehre der
Dreieinigkeit wird im Neuen Testament nicht eingeführt, sondern erscheint als
schon vorhanden.“2

In Anlehnung an Warfield stellt sich die trinitarische Position so dar:


1. Wir glauben an einen Gott in drei Personen.
2. Diese Lehre wird nicht im Neuen Testament entwickelt.
3. Sie muss schon vor der Abfassung des Neuen Testaments eine
unzweifelhafte Lehre gewesen sein und bedingt durch ihre weite
Annahme außerhalb jeder Diskussion gestanden sein.
Obwohl sie niemals beim Namen genannt wurde, so schrieben die
neutestamentlichen Schreiber mit einer „Einfachheit und Sicherheit" über
diese namenlose, unerklärbare Lehre. Warfield wurde offensichtlich durch
den Gedanken ermutigt, dass in der hebräischen Bibel „bestimmte
Wiederholungen des Namens Gottes vorkommen, die einen Unterschied
zwischen Gott und Gott machen."3
Eines dieser Beispiele fand er in Psalm 110,1, doch untersuchte er
anscheinend nicht den hebräischen Text, welcher ganz klar, wie wir schon
gesehen haben, zwischen Gott und dem Messias, welcher nicht Gott ist,
unterscheidet.
In Anbetracht der Worte der Jünger Jesu, seiner Familie und seiner
Bekannten, ist das oben erwähnte Argument Warfields unhaltbar.
Diejeneigen, die Jesus gut kannten, betrachteten ihn als Mann, der mit
keinem anderen menschlichen Wesen verglichen werden konnte. Aber sie
dachten nicht, er sei der Gott Israels. Wie kommt es, dass zum Beispiel

2
„Trinität“ in der International Standard Bible Encyclopedia (Grand Rapids:
Eerdmans, Neuauflage 1983) 4:3014
3
Ebenso
62 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Lukas kein Wort über die wohl revolutionärste religiöse Lehre, die jemals
in der jüdisch-christlichen Gemeinde in Erwägung gezogen wurde,
verliert?
Die Idee, dass ein Mann zu einem gewissen Zeitpunkt seiner Karriere
plötzlich als der Gott-Mann der Dreieinigkeit entdeckt wurde, hätte doch
Grund für eine weitverbreitete Diskussion sein sollen. Auf die
Niederschrift dieses außergewöhnlichen Falles zu verzichten, würde
Geschichtsbüchern vergleichbar sein, die aus der Geschichte der
Vereinigten Staaten die Gründerväter oder den Bürgerkrieg auslassen,
oder britischen Geschichtsbüchern, welche die beiden Weltkriege oder
Winston Churchill ignorieren. Dieser Gedanke ist unannehmbar. Die neue
Idee, dass Jesus Gott ist, hätte einen großen Umbruch hervorgebracht und
die größtmögliche Aufmerksamkeit hervorgerufen. Es ist unmöglich, dass
sie still und heimlich in die Gedanken der streng monotheistischen
jüdischen apostolischen Gemeinschaft gedrungen ist. Ein neues Konzept
der Gottheit hätte sicherlich heftigste Reaktionen ausgelöst.

Das Bekenntnis von Petrus' Glauben


Petrus hatte eine wunderbare Möglichkeit, sich über die Identität Jesu
zu äußern, als er von Jesus gefragt wurde: „Ihr aber, was sagt ihr, wer ich
bin?" Petrus antwortete: „Du bist der Christus (Messias), der Sohn des
lebendigen Gottes". Die Antwort Jesu auf dieses berühmte
Glaubensbekenntnis ist ein Schlüssel zum Verständnis des gesamten
Neuen Testaments. Jesus stimmte dieser inspirierten Einsicht von Petrus
zu, indem er antwortete: „Glückselig bist du, Simon Bar Jona, denn
Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der
in den Himmeln ist (Mt. 16, 15 - 17). Die Definition der Identität Jesu
durch Petrus ist einfach und klar. Diese Definition wird immer wieder im
Neuen Testament unterstrichen. Ebenso ist es die erfrischend
unkomplizierte Bemerkung eines Jüngers Jesu, der sich in keinster Weise
der Komplexität der trinitarischen Lehre bewusst ist. Unglücklicherweise
wurde dieses zentrale christliche Glaubensbekenntnis missverstanden.
Unter vollständiger Missachtung der biblischen Bedeutung von „Gottes
Sohn" wird behauptet, dass Petrus damit ausdrücken wollte, Jesus sei
„wahrer Gott".
Es sollte anerkannt werden, dass die Zugabe des Ausdrucks „Sohn des
lebendigen Gottes" zum Titel „Messias" (Mt. 16,16) keineswegs die
Tatsache ändert, dass Jesus eine völlig menschliche Person war. Die
Parallelstellen in Lukas und Markus (Lk. 9,20 und Mk. 8,29) verzeichnen
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 63

die Anerkennung Jesu durch Petrus als „Christus Gottes" und einfach als
„der Christus". Die Schreiber fühlten keine Notwendigkeit, diesen Titel
weiter auszudehnen. Das beweist, dass der Zusatz „Sohn des lebendigen
Gottes" bei Matthäus keine besondere Auswirkung auf die Identität Jesu
hat. „Sohn Gottes" ist ein Synonym für den Messias, basierend auf Psalm
2,2, 6, 7: Messias (= der Gesalbte) = König = Sohn Gottes. Beide Titel -
Messias und Sohn Gottes - weisen auf den erwarteten Sohn Davids, den
König Israels, hin. Sohn Gottes ist im Neuen Testament auch
gleichbedeutend mit dem König Israels (Joh. 1,49). Salomo wurde ebenso
Sohn Gottes genannt (2. Sam.7,14), wie auch Israel als gesamtes Volk
(2.Mo. 4,22). Auch Hosea 1,10 ist sehr signifikant. Dort wird Israel bei
seiner zukünftigen Wiederherstellung des gleichen Titels für würdig
befunden, den Petrus Jesus gibt: „Söhne des lebendigen Gottes“.
Als Nation warteten die Juden sehnsüchtig auf den versprochenen
Messias. Der Faktor Jesu in der Messiasrolle, der Ärgernis erregte, war
seine Beharrlichkeit, dass er sterben müsse anstatt das Joch der Römer
abzuwenden. Nur durch seine Auferstehung und seine Wiederkunft auf
die Erde sollte das versprochene Königreich der Herrlichkeit gegründet
werden können. Es ist wahr, dass Petrus lange nicht begreifen wollte, dass
der Messias zuerst sterben müsse. Nichtsdestotrotz wurde er von Jesus
gelobt, weil er verstanden hatte, dass sein Herr in der Tat der messianische
Sohn Gottes war. Petrus hatte das Vorrecht, die Botschaft zu hören, die
Jesus an Israel richtete. Er hatte seine Wunderheilungen gesehen, er war
dabei gewesen, als Jesus die religiösen Führer durch seine überragende
Weisheit verblüffte; er hatte die Autorität über Dämonen gesehen und
auch die Auferstehung von den Toten. Er konnte das Alte Testament
heranziehen und beobachten, wie Jesus genau die vielen Prophetien
bezüglich des angekündigten Retters der Welt erfüllt hatte. Was Gott dem
Petrus enthüllt hatte, konnte durch viele Tatsachen belegt werden. Und
das Bekenntnis, dass Jesus der Messias ist, sollte für alle Zeiten die
Glaubensgrundlage der Gemeinde sein (Mt. 16,16,18).
Ohne Hilfe der früheren Indoktrination, dass Jesus ein ewig
präexistentes Wesen ist - also Gott - würde ein Leser des Neuen
Testamentes annehmen, der erwartete Messias sei eine richtige
menschliche Person, ein Nachkomme Abrahams und Davids,
übernatürlich empfangen (Mt. 1,20). Ebenso wie wir kam er als hilfloses
Kind in die Welt; er wuchs in Wissen und Weisheit; er erfuhr all die
üblichen Schwächen der Menschheit - Hunger, Durst und Müdigkeit; er
hatte ebenso wie jeder Mensch tiefe Gefühle; er äußerte Zorn, Mitleid und
64 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Todesfurcht; er hatte einen eigenen Willen und betete, er möge dem


furchtbaren Tod, den er erwartete, entkommen. Er starb den Tod eines
sterblichen Menschen und als liebender und mitfühlender Mann sorgte er
für die weitere Versorgung seiner Mutter. Nach dem Tod Jesu reagierten
seine Jünger zunächst so, als wäre er ein Mann gewesen, welcher in seiner
Aufgabe, die Wiederherstellung Israels zu bewirken, versagt hatte, ebenso
wie viele andere sogenannte Messiasse vor ihm dabei versagt hatten
(Lk.24,21). Wäre unser Denken nicht durch jahrhundertelange
Indoktrination und das unglückliche Missverständnis über die Bedeutung
von „Sohn Gottes" in der jüdischen Umgebung jener Zeit, vernebelt, so
würden wir, ebenso wie Petrus, wenig Schwierigkeiten haben zu
verstehen, dass Jesus der Messias, aber nicht Gott ist.
Sollte Israel wirklich durch die Ankunft von Gott selbst überrascht
worden sein? Wie sollte der Messias nach Ansicht der Propheten wirklich
sein? Ein Mann, ein Gott-Mann, ein höherer Engel? Wonach hielten
Petrus und der Rest Israels Ausschau? Die Geschichte zeigt uns, dass eine
Anzahl Männer als Retter Israels aufgetreten waren und auch Anhänger in
der jüdischen Gemeinde gefunden hatten. Die Nation erwartete
richtigerweise einen Befreier aus der königlichen Linie Davids. Sie
stellten sich einen Mann vor, der den Thron Davids besteigen würde,
ausgestattet mit der Macht, seine Herrschaft auszudehnen und alle
Nationen einzuschließen. Solches hatten alle Propheten vorhergesehen.
Und die letzte Frage der Jünger an Jesus vor seinem Weggang war: „Herr,
stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?"(Apg. 1,6) Sie
hatten allen Grund zu glauben, dass Jesus als der Messias nun die
versprochene Wiederherstellung bringen würde. Die Antwort Jesu war
nur: „Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der
Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat" (Apg. 1,7). Jesus
hinterfragte nicht die Tatsache, dass das Königreich für Israel eines Tages
wiederhergestellt würde. Der Zeitpunkt dieses großen Ereignisses sollte
nicht geoffenbart werden. Die Wiederherstellung des Königreiches selbst
durch den Messias war eine übliche Denkweise Jesu und seiner Jünger. Es
war jedenfalls das, was die Propheten ständig vorhergesagt hatten.
Die Jünger erwarteten einen Messias aus dem Geschlecht Davids. Der
Titel "Sohn Gottes " hatte für jeden monotheistischen Juden die
königliche Bedeutung, die er im Alten Testament hatte. Er war bestimmt
für einen Menschen, einen König, der in besonderer Weise Verbindung zu
Gott hatte und mit Gottes Geist ausgestattet war. Dass diese Tatsache die
Göttlichkeit Jesu im trinitarischen Sinn bedeutet, wäre für Petrus und
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 65

jeden anderen religiösen Juden eine äußerst verblüffende und


revolutionäre Information gewesen. Nirgendwo in den überlieferten
Worten der Apostel, vielleicht abgesehen von einer möglichen Ausnahme
bei Thomas, findet man den leisesten Hinweis, dass sie es mit einem Gott-
Mann zu tun hatten. Wusste Judas, dass er seinen Schöpfer und Gott
verriet? Und bei den Gelegenheiten, als ihn die Jünger im Stich ließen,
war ihnen da klar, dass sie Gott verließen? Glaubten sie, dass Gott ihnen
beim letzten Abendmahl die Füße wusch? Als Petrus sein Schwert zog
und dem Soldaten das Ohr abschlug, glaubte er da, der Gott, der ihn
erschaffen hatte, wäre aus irgendeinem Grund unfähig, sich selbst zu
schützen? Am Berg der Verklärung wollten die Jünger drei Hütten bauen,
nachdem sie eine Vision von Jesus in einem zukünftigen verklärten
Zustand zusammen mit Mose und Elia gesehen hatten - sie wollten für
jeden dieser drei Männer eine Hütte bauen (Mt.17,4).4 Warum wollten sie
keinen Rangunterschied zwischen ihnen machen, wo doch einer von ihnen
Gott war?
Der menschliche Messias erschien in Galiläa als Verkünder der
Botschaft des Königreiches des Einen Gottes (Lk.4,43; Mk. 1,14, 15 etc.).
Das Evangelium vom Königreich Gottes zeigte so eine realistische und
lebendige Erwartung von der zukünftigen Herrlichkeit, dass zwischen den
Jüngern Rivalität entstand, wer der Größte im kommenden Königreich
sein würde. Die Botschaft des Königreiches hatte mit der Verheißung des
Landes an Abraham zu tun - ein Versprechen, das noch nicht erfüllt ist. Es
betraf die Errichtung des Thrones Davids und die dauerhafte
Wiederherstellung und Erweiterung des Volkes Israel.5 Seinen Propheten
war die Zukunft Israels wichtig, als Zeugnis für den Einen Gott in einer
Gesellschaft unter theokratischer Ordnung. Himmel, als Belohnung für

4
Dieses Geschehnis war eine Vorschau auf das zukünftige Königreich Gottes und
vermittelte die notwendige Ermutigung für die Jünger, die sie nach der
Ankündigung des Todes Jesu benötigten (Mt. 16,21). Siehe auch 2. Petr. 1, 16-18
betreffend die Verbindung zwischen dem zweiten Kommen Jesu (und dem
Königreich) und der Verklärung. Die Vorschau auf die Wiederkunft Christi in
Herrlichkeit gab auch einen kurzen Blick (in einer Vision) auf Elia und Mose, die
zu diesem Zeitpunkt durch die Auferstehung wieder zum Leben kommen sollten
(1.Kor. 15,53). Lk. 9,27-28 verbindet ganz ausdrücklich die Aussagen Jesu über
das Königreich mit dem Ereignis, welches acht Tage später stattfand. Die Jünger
sollten eine außerordentliche und ungewöhnliche Vision des Königreiches
während ihres Lebens erfahren.
5
Apg. 1,6; vgl. Mt. 5,5; Apg. 3,21; Rö. 4,13; Hebr. 11,8
66 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

körperlose Seelen, war völlig außerhalb der Denkweise der Jünger.


Wonach sie Ausschau hielten, war die Erbschaft des Landes (Mt.5,5;
20,21; Offb.5,10) und die zukünftige Herrschaft mit dem Messias in einer
paradiesisch wiederhergestellten Welt, so wie es die Propheten
vorhergesehen hatten.6 Ihr Traum war die Wiederherstellung der Welt aus
dem Chaos der Herrschaft Satans. Schlussendlich gaben sie ihr Leben für
die Verbreitung dieser Botschaft, aber sie erlebten die Erfüllung ihrer
Hoffnung nicht.
Dieser Jesus sah nun aus wie einer, der die Sehnsucht der Propheten
Realität werden lassen konnte. Er hatte die Macht, Tote zum Leben zu
erwecken, Menschenmengen praktisch aus dem Nichts heraus satt zu
machen und unangetastet den Anschlägen der Autoritäten, die ihn töten
wollten, zu entkommen. Er verblüffte seine Kritiker durch seine Weisheit.
Die Zeit für das Erscheinen des Messias war reif und so schien Jesus den
lange gehegten Träumen der Nation Substanz zu geben. Daher ist es nicht
verwunderlich, dass ihn einige gleich zum König machen wollten (Joh.
16,5). Es schien ihnen passend, dem Messias Palmblätter zu streuen und
ihm einen königlichen Empfang zu bereiten. Er aber schlug das Angebot
aus und kurz danach waren die großen Hoffnungen seiner Anhänger
zerschlagen. Hinter der steinernen Tür eines bewachten Grabes lag der
leblose Körper ihres Messias. Aber ein Mann schien niemals aufzugeben.
„Und siehe, ein Mann mit Namen Josef, der ein Ratsherr war, ein guter
und gerechter Mann - dieser hatte nicht eingewilligt in ihren Rat und in
ihre Tat - von Arimathäa, einer Stadt der Juden, der das Reich Gottes
erwartete, dieser ging hin zu Pilatus und bat um den Leib Jesu“ (Lk. 23,
50-52).
Wo waren seine engsten Vertrauten kurz nach seinem Tod? Als die
Kreuzigung all ihre Hoffnung auf die Wiederherstellung Israels und ihre
eigene Beförderung in eine königliche Stellung im Königreich des
Messias zerstörte, gingen Petrus und auch einige andere ihren
ursprünglichen Berufen nach. Man könnte glauben, dass zumindest
menschliche Neugier sie dazu führen hätte sollen, sich den Frauen am
Grab anzuschließen, um zu sehen, was mit ihrem toten „Gott" passieren
würde. Ihre Reaktion zeigt uns jedoch, dass sie den Tod Jesu als den eines
normalen Menschen betrachteten, der die Geschichte eines weiteren
gefallenen Helden-Messias beendete.

6
Mt. 19,28; Rö. 5,17; 1. Kor. 6,2; 2. Tim. 2,12; Offb. 2,26; 3,21; 5,10; 20,1-6;
Jes. 32,1
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 67

Zeitweise schienen sie ihre Antwort auf die Frage: „Und was sagt ihr,
wer ich bin?" aus den Augen zu verlieren. Eine frühere Frage: „Was sagen
die Menschen, wer der Menschensohn ist?" zeigt die scharfe Trennung
zwischen jenen im nahen Umfeld Jesu und denen außerhalb an. Manche
sagten, er sei „Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere
wiederum: Jeremia oder einer der Propheten" (Mt.16,14). Die Vielzahl der
Antworten ist den verschiedenen Meinungen heute nicht unähnlich.
Manche behaupten, Jesus habe nie gelebt; andere meinen, er wäre ein
guter Morallehrer gewesen - ein reiner Mensch so wie wir, der aber durch
die mythologischen Ausschmückungen der ersten Christen mit der
Geschichte der Jungfrauengeburt in eine übermenschliche Position
gebracht wurde.
Wiederum andere behaupten, er war präexistenter Gott, der Gott-
Mensch wurde und dann durch seine Auferstehung wiederum in seine
ursprüngliche Position als Gott zurückkehrte. Manche schrieben Bücher,
um zu beweisen, dass die Geschichte seiner Auferstehung ein Komplott
seiner Jünger war, um eine neue Religion zu gründen. Andere bevorzugen
die Idee, er wäre ein präexistenter oder vormenschlicher Engel7 höheren
Ranges gewesen, der Erstgeborene der Schöpfung Gottes. Die meisten
nennen die Bibel als Autorität für diese weit auseinandergehenden
Meinungen.
Einige meinen, es sei unwichtig, was wir glauben, wenn wir nur
seinen moralischen und sozialen Vorgaben folgen. Das scheint ein
sinnvoller Zugang zu sein, aber es gibt viele wichtige biblische
Überlegungen, die dagegen sprechen. Jesus definierte den Kernpunkt des
christlichen Glaubens mit den Worten: „Dies aber ist das ewige Leben,
dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus
Christus, erkennen" (Joh.17,3). Anscheinend hat die richtige Identifikation
Gottes und des Messias sehr viel mit dem ewigen Leben zu tun. Wenn
dies weniger wichtige Dinge gewesen wären, warum stellte dann Jesus die
zentrale Frage nach seiner Identität und warum lobte er Petrus so sehr für
dessen Einsicht, dass Jesus der Messias war ?(Mt.16, 15-19). Der Apostel
Paulus zeigt eine große Sorge, als er die Gemeinde in Korinth vor einer
Verführung warnt, einen „anderen Jesus" zu akzeptieren (2.Kor.11,1-4).
Da ist auch noch die bedeutende Aussage in 1.Joh. 4,2: „Jeder Geist, der

7
Die Ausdrucksweise „vormenschlich“ allein deutet schon an, dass ein solcher
Jesus nicht wirklich ein Mensch war. Wenn er seinem Ursprung nach ein Engel
war, so würde er das in seinem innersten Wesen immer bleiben.
68 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Christus, im Fleisch gekommen, bekennt, ist aus Gott". Diese Stelle macht
die richtige Identifikation ebenso wichtig.
Wir können allein aus den Worten des Erlösers und seiner Anhänger
bestimmen, welches die richtige Identifikation Jesu unter all den
konkurrierenden Ideen ist. Wir wissen, wie die Jünger ihren Herrn zu
dessen Lebzeiten betrachteten und wir haben uns auch kurz mit ihren
Reaktionen auf seinen Tod befasst. Aber was ist mit dem auferstandenen
Jesus? Wenn diese Leute nun eine neue Religion einführen wollten, indem
sie die Auferstehung vortäuschten, wie es manche behaupten, so hätten sie
auch Göttlichkeit für ihn beanspruchen können, wie es die übliche Ehre
für Könige und Herrscher jener Zeit war. Diese Idee war keinesfalls
einzigartig. Die Apostelgeschichte berichtet uns, dass bei König Herodes,
als er den Thron einnahm und zu sprechen begann, die Menge rief: „Die
Stimme Gottes und nicht eines Menschen!" Mit einer weniger
enthusiastischen Begrüßung wäre ihm wohl besser gedient gewesen. Das
Resultat seiner Weigerung, diese Schmeichelei zurückzuweisen, war der
Tod. „Sein Körper wurde von den Würmern zerfressen" (Apg.12, 21-23)
Die römischen Kaiser wurden vergöttlicht und als Götter verehrt. Der
Apostel Paulus vermied das Schicksal des Herodes, als er die Menge
zurückwies, die über ihn behauptete: „Die Götter sind den Menschen
gleich geworden und sind zu uns herabgekommen" (Apg.14,11). Paulus
war sehr schnell, eine beträchtliche Distanz zwischen sich selbst und einer
solchen Idee herzustellen. Es gibt nicht nur keine Beweise, dass Jesus
während seines Lebens von seinen Jüngern als Gott betrachtet wurde,
sondern auch die Auferstehung bewirkte nichts, was die Ansicht der
Apostel geändert hätte, dass Jesus etwas anderes als ein Mensch war. Sie
glaubten jetzt nicht, dass Jesus Gott war. Sie glaubten einfach, dass Gott
einen Menschen auferstehen hatte lassen. Zu Pfingsten legte Petrus ein
Glaubensbekenntnis ab, welches im Christentum als besonders wichtig
angesehen wird:

„Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, einen Mann, der
von Gott euch gegenüber erwiesen worden ist durch Machttaten und Wunder und
Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat - wie ihr selbst wisst - diesen
(Mann), der nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes
hingegeben worden ist, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an (das Kreuz)
geschlagen und umgebracht" (Apg.2,22-23).

Das wäre doch eine großartige Gelegenheit gewesen, den Tod des
zweiten Teils der Gottheit zu bezeugen und die Schwere des Verbrechens
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 69

des Gottesmordes zu unterstreichen. Petrus fährt fort: „Da er (David) nun


ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen
hatte, einen seiner Nachkommen auf seinen Thron zu setzen, hat er
voraussehend von der Auferstehung des Christus geredet" (Apg. 2,30-31).
Petrus wiederholte die Lehre seines Meisters. Von der Geburt Jesu bis zu
seinem Tod ist es unmöglich, ein klares biblisches Zeugnis zu finden,
welches den strikten monotheistischen Glauben Jesu und seiner jüdischen
(und auch christlichen) Jünger stört.

Das Verständnis der Herkunft Jesu bei Lukas


Lukas, der Arzt, war ein sehr sorgfältiger Historiker und ein
scharfsinniger Beobachter. Er war ein glühender Anhänger und Evangelist
des apostolischen Christentums. Im Vorwort seines ersten Berichtes
beschreibt er, wie er bewusst auszog, um das Christentum, welches er
kannte, zu untersuchen und zu dokumentieren, indem er sich an die
Zeugen wandte, die Jesus gekannt hatten (Lk.1,1-4). In seinem zweiten
Bericht, der Apostelgeschichte, deutet er an, dass er lange Zeit mit Paulus
auf Reisen verbracht hatte. Es wäre sehr verwunderlich, wenn Paulus und
Lukas über die Herkunft Jesu verschiedener Meinung gewesen wären. In
seinem Bericht über das Wunder der Geburt Jesu durch eine Jungfrau
erwähnt er nicht, dass Jesus schon vorher existiert hätte. Seine
Aufzeichnung beschreibt die übernatürliche Zeugung einer menschlichen
Person, die im Bauch seiner Mutter entsteht. Lukas schrieb zwei Teile der
Bibel (und er steuerte damit mehr zum Neuen Testament bei als jeder
andere Schreiber) ohne den geringsten Hinweis darauf, dass er an einen
präexistenten zweiten Teil einer Trinität glaubte. Als der Engel Gabriel
Maria die Ankunft des lange versprochenen Messias ankündigte, erklärte
er ihr, dass sie „einen Sohn gebären werde und ihn Jesus nennen sollte. Er
würde groß sein....und Gott würde ihm den Thron seines Vaters David
geben“ (Lk.1,31-32). Gabriel sprach von einer zukünftigen Größe, die
durch die Berufung Gottes zum Thron von Jesu berühmten Vorfahren
erworben werden würde. Es gab keine Andeutung Gabriels, dass Maria
jemanden gebären würde, der als Gott oder hoher Engel schon vorher
existiert hatte. Die frohe Botschaft war, dass sie einen Sohn empfangen
und gebären sollte, der somit sowohl der Sohn Gottes als auch der Sohn
Davids sein würde. Der Glauben von Lukas und der Gemeinschaft, für die
er schrieb, hätte wohl kaum klarer definiert werden können.
Lukas zeichnete die Tatsache auf, dass Marias Sohn auf eine
übernatürliche Weise empfangen werden sollte, durch eine göttliche
70 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Intervention: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft
des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das
geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk.1 ,35). Da ist
keine Rede von „ewiger Sohnschaft“, nur das Versprechen, dass der Sohn
wegen des Wunders, welches Gott an ihr tun wollte, als „Sohn Gottes“
bezeichnet würde – ein Wunder, welches den Einen Gott direkt in die
Geburt eines einzigartigen menschlichen Wesens, Israels prophezeiten
Messias, einbeziehen würde.
In diesen Versen wird uns, durch die Autorität des Boten Gottes, die
Herkunft Jesu als Sohn Gottes nahegebracht. Die übernatürliche
Empfängnis in Maria war nach den Worten von Lukas der unmittelbare
Grund für die göttliche Sohnschaft Jesu. „Darum – aus diesem Grund“
(Lk. 1,35) - der Empfängnis Marias durch die Kraft des Heiligen Geistes
Gottes – sollte Jesus „Sohn Gottes“ genannt werden. Ein französischer
Kommentator gibt diesen Vers aus dem Griechischen dio kai sehr gut
wieder: „c’est prècisément pourquoi“ (das ist genau der Grund, warum...
ja, genau aus diesem Grund ) wird er der Sohn Gottes genannt werden.8
Es ist nicht schwer zu sehen, dass die Ansicht von Lukas über die
Sohnschaft Jesu zu der traditionellen Idee im Widerspruch steht, einer, der
bereits als Gott und Sohn Gottes existiert hatte, sei in den Leib Marias
gekommen. Wenn das der Fall gewesen wäre, so würde die Empfängnis
nicht der Grund für die göttliche Sohnschaft Jesu sein. Er wäre bereits der
Sohn Gottes gewesen. Alfred Plummer hat eine aufrichtige Einschätzung
des Ursprungs Jesu bei Lukas: „Der Titel „Sohn des Höchsten“ – 1,32 –
drückt eine enge Verbindung zwischen Jesus und Jehovah aus, jedoch
nicht die Gottessohnschaft der Trinität.“9 Der Autor ruft uns die Tatsache
in Erinnerung, dass Christen ebenso als „Söhne des Allerhöchsten“ (Lk.
6,35) bezeichnet werden, diese Bezeichnung sie aber keineswegs zu ewig
präexistenten Wesen macht. Nur durch den Einfluss der doktrinären
trininitarischen Denkweise und einer Verzerrung der hebräischen
Verwendung des Wortes „Sohn Gottes“ wird von so vielen „Gott der
Sohn“ in den Bericht von Lukas hineingelesen – was Lukas selbst
unbekannt war.

8
S. Lyonnet, „L’Annonciation et la Mariologie Biblique“ in Maria in Sacra
Scriptura (Acta Congressus Mariologici-Mariani in Republica Dominicana anno
1965 Celebrati, Rom: Pontifica Academia Mariana Internationalis, 1967), 4: 59-
72. Lukas zeigt uns einen Jesus, der völlig menschlich ist, übernatürlich
empfangen, und so berechtigt, der Sohn Gottes genannt zu werden.
9
Gospel According to S. Luke, International Critical Commentary,23
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 71

Ein weiteres aufrichtiges Zugeständnis, dass Lukas Jesus nicht als vor
seiner Geburt existierend angesehen hat, kommt von einem führenden
katholischen Theologen, Raymond Brown. Er betont, dass Matthäus und
Lukas „keine Zeichen des Wissens von Präexistenz zeigen; anscheinend
bedeutete für sie die Konzeption das Werden (die Zeugung) von Gottes
Sohn.“10 Brown zeigt auf, dass das traditionelle Konzept der Präexistenz
bedeutet, die Empfängnis Jesu sei ein Abbruch einer Existenz als Gott
gewesen und der Beginn eines irdischen Daseins, aber nicht die Zeugung
des Sohnes Gottes. Doch für Lukas beginnt Jesus im Leib Marias zu
existieren – „Empfängnis ist ursächlich mit der Gottessohnschaft
verbunden“.11 Jesus wurde als der Sohn Gottes bei seiner Empfängnis
gezeugt. Lukas glaubte nicht, Jesus habe ein vor-menschliches Leben
gehabt. Darum konnte Lukas auch nicht an eine dreieine Gottheit
glauben.12
Brown bezieht sich auf das Wort „darum“ in Lk.1,35, wenn er sagt,
dass „eine gewisse Kausalität vorhanden ist.“13 Die Sohnschaft Jesu
resultiert aus der übernatürlichen Empfängnis. Das, so sagt er, „ist eine
Schwierigkeit für viele orthodoxe Theologen, weil in der traditionellen
Inkarnationstheologie eine Empfängnis durch den Heiligen Geist nicht das
Dasein des Sohnes Gottes mit sich bringt“.14 Brown bezieht sich dann auf
Theologen, die „versuchen, die kausale Verbindung ‚deshalb....‘ in Lk.
1,35 zu vermeiden, indem sie argumentieren, dass die Zeugung des
Kindes den Sohn Gottes nicht entstehen lässt.“15 Brown selbst kann sich
ihnen nicht anschließen. Was Brown aufdeckt, ist einfach die Abneigung
des durchschnittlichen Studenten der Bibel, zuzugeben, dass die Schrift in
dieser wichtigen Sache der Herkunft und Natur Jesu nicht damit

10
The Birth of the Messiah, 31,
11
Ebenso, 291
12
In Abwesenheit jeglicher Erwähnung der Präexistenz Jesu in Lukas/
Apostelgeschichte wäre es unweise, in Lk. 10,18 eine Bezugnahme auf eine
vorgeburtliche Existenz zu sehen. Jesus könnte hier sehr gut über den Herabstieg
Satans sprechen, um angesichts der Exorzismen Jesu zum Gegenangriff
überzugehen, oder Jesus könnte auch in einer Vision den eschatologischen Fall
Satans voraussehen, „da er weiß, dass er nur eine kurze Zeit hat“ (Offb. 12,12),
oder auch dessen endgültige Niederlage beim Anbrechen des Reiches.
13
Ebenso
14
Ebenso
15
Ebenso
72 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

übereinstimmt, was er oder sie ohne große Prüfung als Wahrheit


angenommen hat.
Wenn die Entscheidungen des Konzils von Nizäa und später des
Konzils von Chalcedon schwierig und verwirrend waren, so ist der
Bericht von Lukas gerade das Gegenteil. Ihm zufolge war Jesus eine
menschliche Person, deren Existenz und Persönlichkeit von seiner Mutter
Maria stammt, die selbst eine Nachfahrin König Davids war. Wenn er
nicht ein vollkommener Mensch gewesen wäre, wie hätte er der
versprochene Messias, der Same (Abkömmling) Abrahams und Davids
sein können? Wie kann eine Person, die schon von Ewigkeit her existiert,
in einer bedeutungsvollen Art ein Abkömmling Davids sein? Die
trinitarischen Sichtweisen über Jesus scheinen seine Abstammung von
David zu eliminieren und so auch seinen Anspruch, der Messias zu sein.
Hätte der Gedanke an einen zweiten Teil der Gottheit, eines göttliches
Wesens, das ein hilfloser Fetus im Leib seiner Mutter wird, während er
dennoch seine Göttlichkeit bewahrt, für Lukas Sinn gemacht? Wäre
irgend jemandem eine spezielle göttliche Offenbarung zugestanden
worden – Paulus, Petrus oder Maria, bei denen Lukas vor der
Niederschrift der Grundlagen des Glaubens sicher gründlich
nachgeforscht hatte - hätte er nicht wenigstens eine kurze Erwähnung
dieses bedeutsamen Ereignisses gemacht?
Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass die offizielle trinitarische
Lehre behauptet, Jesus habe „eine unpersönliche menschliche Natur“
gehabt (diese Doktrin wird als „Anhypostase“ bezeichnet), aber er sei
keine menschliche Person gewesen. Diese Verleugnung kommt direkt von
der fälschlichen Annahme, Jesus sei Gott, ein ewiges Mitglied der
dreieinen Gottheit. Das Argument ist folgendes: Wenn das Ego Jesu, das
Zentrum seiner Persönlichkeit, Gott ist, dann kann logischerweise das
menschliche Element in ihm kein anderes Ego oder Selbst sein. So muss
gesagt werden, dass sein Mensch-Sein in Wirklichkeit eine
„unpersönliche menschliche Natur“ ist. Die Behauptung, Jesu habe ein
zweites menschliches Ego, würde ihn zu zwei Personen machen.
All diese außergewöhnliche Kompliziertheit ist den Schreibern des
Neuen Testaments unbekannt. Es ist bezeichnend, dass Gabriel, Lukas
und Matthäus keine Notiz von der angenommenen ewigen Präexistenz des
Sohnes Gottes, der Mensch wurde, nehmen, wenn sie über seine Herkunft
sprechen. Sie sind sich auch keiner Schwierigkeit in Bezug auf die
menschliche Natur des Erlösers bewusst. Gemessen am heutigen
religiösen Standard und an der Meinung vieler Theologen, waren Gabriel,
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 73

Lukas und Matthäus äußerst unorthodox und sie wären vielleicht sogar
angeklagt worden, gar keine Christen zu sein.

Der Messias im Hebräerbrief


Im Hebräerbrief wird eine besondere Betonung auf das Mensch-Sein
des Messias gelegt. Jesus ist ganz klar ein Teil der menschlichen Rasse:

Hebr.2,17: „ Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden“ (seine Brüder
waren alle Menschen).

Hebr.7,14: „Denn es ist offenbar, dass unser Herr aus Juda entsprossen ist“ (als
Sohn Davids war er Teil der menschlichen Rasse).

Hebr.5,8: „..und lernte, obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, Gehorsam“ (er
litt wie jeder andere Mensch auch. Gott lernt keinen Gehorsam).

Hebr.2,18: „...denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht wurde...“(Gott


kann nicht versucht werden – Jak.1,13).

Hebr.5,7: „Der (Jesus) hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als auch
Flehen mit starkem Geschrei und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod
erretten kann“ (wäre er Gott gewesen, so hätte er sich wohl selbst retten können).

Hebr.4,15: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben
könnte mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem in gleicher Weise wie
wir versucht worden ist“ (Gott kann nicht versucht werden)

Hebr. 4,4: Gott, nicht Jesus, ruhte von seinen Werken, d.h. Gott war der Schöpfer.

Hebr. 2,12: Jesus vereint sich mit den Christen im Lobgesang Gottes.

Dunn bemerkt, dass der Hebräerbrief oft als Beweis für die
Präexistenz Christi herangezogen wird: „Der spezielle Beitrag des
Hebräerbriefes besteht darin, dass er als erstes der neutestamentlichen
Schriftstücke den Gedanken an eine präexistente göttliche Sohnschaft zu
tragen scheint“. Aber er schließt weiter:

„Es würde sicherlich über unsere Beweise hinausgehen zu behaupten, der


Autor habe den Sohn Gottes als persönlich präexistent verstanden. Kurz, ein
Konzept einer präexistenten Sohnschaft – ja; aber diese Präexistenz ist vielleicht
74 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

mehr eine Idee und ein Zweck in den Gedanken Gottes als ein persönliches
göttliches Wesen“.16

Wenn der Hebräerbrief von Jesus spricht (Hebr.2, 6-8), so lehnt er


sich an die klassische Passage in den Psalmen an, die mit der Zukunft des
Menschen zu tun hat: „Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst, und
des Menschen Sohn, dass du dich um ihn kümmerst? Denn du hast ihn ein
wenig geringer gemacht als Engel, mit Herrlichkeit und Pracht krönst du
ihn. Du machst ihn zum Herrscher über die Werke deiner Hände, alles
hast du unter seine Füße gestellt“ (Ps.8,5-7).
Könnte diese Textstelle, die ursprünglich von Menschen redet, auf
Jesus angewandt werden, wenn dieser in der Tat Gott wäre? Wie könnte
er „niedriger sein als Gott (oder die Engel)“ und trotzdem gleichzeitig,
selbst als Mensch, vollständig Gott sein?
Der Hebräerbrief wurde als Beweis für die vergangene ewige Existenz
des Messias herangezogen. Beweise dieser Art unterliegen völlig einer
Schlussfolgerung, die aus einzelnen Versen gezogen wird. Zum Beispiel:
„....Gott ...hat am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er zum
Erben aller Dinge eingesetzt hat, durch den er auch die Welten gemacht
hat“ (Hebr.1,2). Von manchen wird angenommen, dieser Vers sei der
Beweis, dass Jesus die Welt erschaffen hat. Doch dieser Vers wird richtig
übersetzt mit: „durch den Er (Gott) die Zeitalter gemacht hat“. Es gibt
keinen Hinweis, dass Jesus Himmel und Erde gemacht hat. Was
ausgedrückt wird, ist, dass der Eine Gott, der durch Seine eigene Aussage
beim Schöpfungsakt ohne Begleitung war (Jes.44,24), die Zeitalter der
menschlichen Geschichte mit Jesus als Mittelpunkt seiner Absicht
gemacht hatte, bevor er in „diesen letzten Tagen“ durch Seinen Sohn zu
uns gesprochen hat. Es ist nicht schwer zu begreifen, dass das Leben,
Sterben und die Herrschaft des Messias über die Welt eine Wirkung auf
alle Zeiten - vergangen, gegenwärtig und zukünftig - haben. Das gleiche
Bild mit Jesus als Zentrum von Gottes Plan für die Welt finden wir in Kol.
1,15-18. Im Hebräerbrief ist es besonders signifikant, dass Gott im Alten
Testament nicht durch den Sohn sprach, sondern erst „am Ende dieser
Tage“ (Hebr.1,2). Es gibt hier einen starken Hinweis darauf, dass der
Sohn nicht ewig, sondern als der historische Jesus in Existenz gekommen
ist.

16
Christology in the Making (Philadelphia: Westminster Press,1980), 55, 56,
Hervorhebung hinzugefügt
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 75

Was sich in den ersten beiden Versen des Hebräerbriefs zeigt, ist die
Tatsache, dass Jesus in alttestamentlicher Zeit für Israel nicht Gottes
Vertreter war. Gott sprach in der Vergangenheit durch andere Personen
als durch Jesus. Oft waren Engel Vertreter Gottes. Das heißt aber nicht,
dass „der Engel Gottes“, der den Gott Israels repräsentierte, der
präexistente Sohn Gottes war, wie manche behaupten. Manche Autoren
bemerken ganz richtig, dass Gott nie einen Engel als Sohn bezeichnet hat
(Hebr.1,5). Dieses Privileg war für Gottes einzigen Sohn, Jesus, reserviert.
Diese Tatsache sollte die Theorie ausschließen, dass Jesus als Engel
präexistiert hatte. Der Gedanke, dass er der Erzengel Michael war, wird
eindeutig im ersten Kapitel des Hebräerbriefs widerlegt. Der Dienst des
Gottessohnes ist weitaus dem der Engel überlegen, obwohl diese bei der
Gesetzgebung am Berg Sinai gebraucht wurden (Gal.3,19).
Der Schreiber des Hebräerbriefes lenkt unsere Aufmerksamkeit auf
eine andere Zeit, wenn er bemerkt: „Denn nicht Engeln hat er den
zukünftigen Erdkreis unterworfen, von dem wir reden“ (Hebr.2,5). Er
spricht nicht von einer vergangenen Zeit, sondern von einer zukünftigen
Ära, die kommen wird. Der Vorrang des Messias als Haupt dieser neuen
Schöpfung durchdringt die neutestamentliche Lehre. Der Autor des
Hebräerbriefs unterstreicht die Tatsache, dass Jesus an ein Erbe kam,
welches größer ist als das der Engel. Es war das rechtmäßige Erbe eines
erstgeborenen Sohnes: „Denn zu welchem der Engel hat er jemals gesagt:
„Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt?“ (Hebr.1,5). Jesus
konnte nicht Gott sein. Er wurde vom Vater erschaffen. Zeugung oder
Vaterschaft bedeuten einen Beginn und Gott hat keinen Beginn. Jesus war
der Erstgeborene von Gottes neuer Schöpfung. Seine Herkunft war
einzigartig und beinhaltete eine übernatürliche Empfängnis (Lk.1,35),
aber er war nicht Gott oder wortwörtlich präexistent. Er war auch nicht
der Melchisedek aus 1. Mo. 14,18-20. Melchisedek war nicht Sohn
Gottes, sondern ihm ähnlich, wie Hebr. 7,3 sagt. Melchisedek hatte einen
Stammbaum, auch wenn ihn die Bibel nicht erwähnt. Der geheimnisvolle
Priester, dessen Abstammung uns die Bibel nicht verrät, war nicht der
höchste Gott. (In der hebräischen Bibel ist Gott kein Mensch!).
Übersetzungen, die Melchisedek als „dieser Mann“ (Hebr.7,4)
bezeichnen, haben Recht. Er ist auch jene Person, „dessen Stammbaum
nicht von den Leviten kommt“ (Hebr.7,6), aber der Punkt ist, dass der
Stammbaum doch zu jemandem hinführt. „Sein Geschlecht“ legt nahe,
dass er einen hatte, so wie alle. Zugegebenermaßen ist all diese
Argumentation, die auf der fehlenden Vorfahrenschaft eines Priester-
76 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Königs aufbaut, für uns im 21. Jahrhundert sehr weit hergeholt. Auch das
ist ein Grund, wieso die Bibel im Licht ihres Zusammenhanges studiert
werden sollte und auch manchmal mit Hilfe solcher, die über den
Hintergrund Bescheid wissen.17 Die Mentalität jener, die behaupten „Ich
studiere die Bibel, nicht die Kommentare“, könnte sich so als ein
Freischein ins Unglück und in die Unwissenheit herausstellen.
Was der Schreiber des Hebräerbriefes und Paulus klar machen
wollten, war die Vorrangstellung Jesu als „Erstgeborener aus den Toten,
damit er in allem den Vorrang habe“ (Kol.1,18). Im jüdischen Gesetz
bekam der erstgeborene Sohn einen Großteil der Erbschaft. Der
Hebräerbrief beschreibt die hervorragende Position des Sohnes: „Wenn er
aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er: „Und
alle Engel Gottes sollen ihn anbeten“ (Hebr.1,6). Die neutestamentlichen
Schreiber empfanden es als wichtig, die Größe von Jesu Amt als Messias
zu unterstreichen. Wieso behauptete der Autor nicht einfach, Jesus sei der
Eine Gott? Das hätte seine Vorrangstellung über die Engel, Mose und
Josua klar zum Ausdruck gebracht. Weil der Autor ebenso wie Petrus und
die Apostel Jesus als den Messias (Mt.16,16) sah, musste er seine
Vorrangstellung gegenüber allen anderen geschaffenen Autoritäten
anhand der Schrift beweisen. Ich bitte auch zu bemerken, dass es Gott war
und nicht Jesus-Messias, der von seinen Werken ruhte (Hebr.4,4).
Das ergibt wenig Sinn, wenn der Sohn die Arbeit der Schöpfung
ausführte – eine Tatsache, die er in Mk.10,6 leugnet. Im Licht von Jesaja
44,24 konnte Jesus kaum von sich angenommen haben, mit Gott in
1.Mose 1 präsent gewesen zu sein.
Ohne Zweifel ist das Mensch-Sein Jesu als Hohepriester ein anderer
wichtiger Punkt im Hebräerbrief. Es herrscht jedoch Verwirrung über
Vers 8 in Kapitel 1. „Vom Sohn sagt er aber: „Dein Thron, o Gott, ist von
Ewigkeit zu Ewigkeit“.
Brown präsentiert folgende Beobachtungen:

„Vincent Taylor gibt zu, dass in Vers 8 der Ausdruck „o Gott“ als Anrede an
Jesus gerichtet ist, aber er sagt ebenfalls, dass der Schreiber des Hebräerbriefs nur
den Psalm zitiert und seine Terminologie gebraucht hat, ohne den Vorsatz, Jesus
als Gott zu bezeichnen. Es ist wahr, dass der Hauptgrund des Psalmzitats war, den
Gegensatz zwischen dem Sohn und den Engeln darzustellen und so zu zeigen,
dass der Sohn ewige Dominanz hat, während die Engel nur Diener waren. So

17
Moderne Kommentare sind besonders beim Verständnis des jüdischen
Sprachhintergrundes von Hebräer 7 in Bezug auf Melchisedek sehr hilfreich.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 77

wurde in dem Zitat keinerlei Betonung der Tatsache gemacht, dass der Sohn als
Gott bezeichnet werden kann. Dennoch können wir nicht annehmen, der Autor
habe keine Notiz davon genommen, dass dieses Zitat diesen Effekt hatte. Wir
können zumindest sagen, dass der Autor in dieser Ansprache nichts Falsches sah
und wir können uns auf eine ähnliche Situation in Hebr.1,10 berufen, wo die
Anwendung von Ps.102,25-27 auf den Sohn die Auswirkung hat, dass Jesus
„Herr“ genannt wird. Sicherlich können wir nicht sicher wissen, was der
Ausdruck „o Gott“ für den Schreiber des Hebräerbriefes bedeutete, als er ihn auf
Jesus anwandte. Psalm 45 ist ein königlicher Psalm; und in Analogie zum
„mächtigen Gott“ aus Jes.9,6, könnte „Gott“ einfach als ein königlicher Titel
angesehen und so auf Jesus als davidischen Messias angewendet worden sein.“ 18

Raymond Brown spürt richtigerweise die starke königliche


Atmosphäre in Hebräer 1. Der „mächtige Gott“ aus Jesaja 9,6 wird durch
das Hebräischlexikon wirklich als „göttlicher Held, der die göttliche
Majestät widerspiegelt“ definiert.19 Es ist genau der gleiche messianische
Sinn des Wortes „Gott“, welches dem Psalmisten erlaubt, den König als
Gott zu bezeichnen, ohne uns aber einzuladen zu glauben, dass es nun
zwei Mitglieder der Gottheit gibt. Das Zitat von Ps. 45,6 in Hebräer 1,8
bringt eben diese messianische Verwendung des Wortes „Gott“ in das
Neue Testament. Wir sollten diese jüdische Verwendung des Titels nicht
missverstehen. Es ist ein schwerwiegender Fehler zu glauben, der Messias
sei nun an den Platz getreten, der für den Einen Gott, den Vater, reserviert
ist. Wie hoch erhoben die Stellung Jesu auch immer sein mag, und auch
trotz seiner Funktion als Vertreter Gottes, wurde der strikt
monotheistische Glaube Israels von keinem neutestamentlichen Schreiber
beeinträchtigt.
Der Autor des Hebräerbriefes schließt sich dem Rest des Neuen
Testamentes an, indem er Jesus als Gottes königlichen Messias verkündet.
Das Versprechen vom kommenden Königreich des menschlichen Messias

18
Jesus, God and Man (New York: Macmillan, 1967), 24, 25, Hervorhebung
hinzugefügt
19
Brown, Driver and Briggs, Hebrew and English Lexicon of the Old Testament
(Oxford: Clarendon Press, 1968), 42. Vgl. den Plural elim, „Götter“, der für
andere Personen als den Einen Gott gebraucht wird. In Qumran werden Engel
„elim“ genannt, Michael mit eingeschlossen. Das New International Dictionary of
Old Testament Theology and Exegesis gibt folgenden Kommentar: „Die
Offenheit, göttliche Titel für wichtige Engel zu verwenden, hat offensichtlich
Auswirkungen auf die neutestamentliche Christologie“ (Hrsg. Willem A.
VanGemeren, Paternoster Press, 1996, 1:402).
78 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

ist natürlich in der Schrift oft zu finden. Paulus erklärte der heidnischen
Welt ganz klar, dass „Gott einen Tag festgesetzt hat, an dem er den
Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu
bestimmt hat, und er hat allen einen Beweis gegeben, dass er ihn
auferweckt hat aus den Toten“.20
Der Mensch Jesus lebte und starb auf dieser Erde und durch seinen
Gehorsam qualifizierte er sich, der erste gerechte Regent dieser Welt zu
sein. Durch seine Auferstehung und durch die Kraft, die ihm nun durch
seinen Vater übertragen wurde, wird er zu einer festgesetzten Zeit
wiederkommen, um auf dem Thron seines Vaters David zu sitzen und die
Welt zu regieren und zu richten. Er bleibt aber sogar in seiner
auferstandenen Position „der Mensch, Messias Jesus“ (1.Tim. 2,5). Das ist
ein wunderbares Zeugnis dafür, was Gott durch und für Menschen getan
hat. Man würde dem Schreiber des Hebräerbriefes Unrecht tun, wenn man
darauf besteht, er hätte im ersten Kapitel des Briefes einen präexistenten
Gott-Mann präsentiert.
Die oftmals wiederholte Bemerkung, wir hätten keinen Erretter, wenn
Jesus nicht Gott ist, entbehrt jedes Hinweises in der Schrift. Im Gegenteil,
die Bibel bezeugt den erstaunlichen Plan, den Gott durch einen erwählten
Menschen ausführt. Wir müssen verstehen, dass all die Quelle unserer
Hoffnung in diesem Mann Jesus gefunden wird, den Gott von den Toten
auferweckt hat. Wenn Jesus nicht ein Mensch gewesen wäre, ebenso wie
wir, dann hätten wir keine Gewissheit, dass Menschen zum ewigen Leben
auferweckt werden können.
Die Auferstehung Jesu hat der Gemeinde bewiesen, dass der
menschliche Messias wirklich aller Titel würdig ist, die dem Messias im
Alten Testament zugeschrieben werden. Seine Auferstehung war die
Hoffnung, welche die frühe Gemeinde motivierte. Wenn es bei einem
Menschen möglich gewesen war, so könnte es auch bei ihnen möglich
sein.

Der Mensch Jesus


Die ersten Jünger Jesu scheinen das Mensch-Sein Jesu besonders zu
betonen. Das trifft besonders auch für den Hebräerbrief zu. „Weil nun die
Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise

20
Apg. 17,31, Zitat von Ps. 96,13, wo der Psalmist sagt, dass Gott „kommt, die
Welt zu richten in Gerechtigkeit“, was ein Grund zur Freude ist (V. 11-12). Das
ist die Ankündigung des kommenden Königreichs von Paulus bei den Athenern.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 79

daran Anteil gehabt........und daher musste er in allem den Brüdern gleich


werden, damit er barmherzig und ein treuer Hoherpriester vor Gott
werde...“ (Hebr.2, 14, 17). Es ist fair zu fragen: wie konnte er versucht
werden, an Fleisch und Blut Teil haben, und in allen Dingen seinen
Brüdern gleich sein, ohne ein völlig sterblicher Mensch wie wir zu sein?
Ein Wesen, welches ein mit Menschenfleisch umhüllter Gott ist, oder
einer, der gleichzeitig vollständiger Mensch und Gott ist, kann kein
menschliches Wesen sein.
Der katholische Autor Thomas Hart sieht dem Problem, das durch die
späteren Doktrinen entstand, freimütig ins Gesicht, wenn er bemerkt:

„Die Aussage von Chalcedon (die Entscheidung zu behaupten, Jesus sei


sowohl Gott als auch Mensch) macht eine richtige Menschlichkeit unmöglich.
Die Definition des Konzils sagt, Jesus sei wahrer Mensch. Sind in ihm jedoch
zwei Naturen, so ist klar, welche die beherrschende ist. Und somit wird Jesus sehr
verschieden von uns. Er ist allwissend, allmächtig, allgegenwärtig. Er kennt die
Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft....Er kennt genau all unsere
Gedanken und Absichten. Das ist mehr, als der gewöhnliche Mensch kann. Jesus
wird versucht, kann aber nicht sündigen, weil er Gott ist. Welche Art der
Versuchung ist dies? Sie hat sehr wenig Ähnlichkeit mit jener Art von Kämpfen,
die uns vertraut sind.“21

Als Hoherpriester, „dieser Prophet“ und Nachkomme Abrahams und


Davids überschreitet Jesus nicht die Grenzen der Menschlichkeit, obwohl
er einzigartig als Sohn Gottes ist. Paulus stellt Jesus dem ersten
Menschen, Adam, gegenüber, um die Position Jesu als Messias zu
festigen. Den Korinthern schreibt er: „Denn da ja durch einen Menschen
(Adam) der Tod kam, so auch durch einen Menschen (Jesus) die
Auferstehung der Toten .....Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer
lebendigen Seele, der letzte Adam zu einem lebendig machenden
Geist......Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch
vom Himmel“ (1.Kor.15,21; 45; 47). Adam wurde aus dem Staub der
Erde gemacht. Jesus stammte aus der Kraft von Gottes Geist, der an Maria
tätig war und er wird bei seiner Wiederkunft als der Lebensspender
erscheinen, der er bei seiner Auferstehung wurde.
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass einer der Apostel der Neuerer
einer Idee Jesu als Gott war. Paulus kennt nur einen Messias, der Mensch
ist, den letzten Adam. Im ersten Timotheusbrief macht er zwischen ihm

21
To Know and Follow Jesus (Paulist Press, 1984), 46
80 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

und seinem Vater eine kategorische Unterscheidung. In einer klassischen


Aussage über den christlichen Glauben schreibt er : „Denn einer ist Gott,
und einer ist Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch
Christus Jesus“ (1.Tim 2,5). Das ist eine gute Zusammenfassung des
christlichen Glaubens. Um jede mögliche Verwechslung zwischen Gott
und Mensch zu vermeiden, stellt er den Einen Gott dem menschlichen
Messias gegenüber. Nicht nur das, er beschreibt den Glauben an den
Einen Gott und an den Messias als Basis der Erkenntnis der Wahrheit,
welche zur Errettung führt (1. Tim. 2,4-5). Paulus Verbindung von
Rettung, der Kenntnis der Wahrheit und des richtigen Verständnisses der
Identität Gottes und Jesu sollen nicht übersehen werden.
Ebenso kennt Petrus nach der Auferstehung keinen anderen Messias
als „den Mann Jesus“. Er macht seinen Mitbürgern den Retter mit
folgenden Worten bekannt: „Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus,
den Nazoräer, einen Mann, der von Gott euch gegenüber erwiesen worden
ist....“(Apg. 2,22). Lukas zitiert die Worte von Paulus an die Griechen,
dass „Gott einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis richten wird
in Gerechtigkeit durch einen Mann....“ (Apg.17,31). Sowohl Petrus als
auch Paulus beschrieben eine auferstandene Person, den Messias, der
wiederkommen sollte, um zu richten und zu regieren. Jesus wurde immer
noch als Mensch definiert. Es ist Teil von Gottes Weisheit, dass er alle
Gerichtsbarkeit einem Menschen überträgt, der das Leben ebenso wie die
Menschen erlebte.
Das Neue Testament ist voll mit einfachen Aussagen über einen
menschlichen Jesus, der in allen diesen Dingen ebenso wie wir versucht
wurde (Hebr. 4,15). Jemand, der vollständig Gott und auch vollständig
Mensch ist, kann nicht ganz Mensch sein. Das ist die Wurzel des
trinitarischen Problems. In der Bibel ist es völlig unmöglich, den Einen
Gott mit einem Menschen zu vermischen. Wie sehr auch Gott Seinen
Geist einer vergänglichen Person gibt, und wie hoch erhoben der
auferstandene Jesus auch wurde, ist der Mensch doch von der biblischen
Aussage her Staub, der durch den Geist lebendig gemacht wurde und nicht
Körper und getrennte Seele, welches eine griechische Idee ist.22

22
Vgl. D.R.G. Owen, „Body and Soul in the New Testament“, in Readings in
Christian Theology, herausgegeben v. M.J. Erickson (Baker Book House, 1967),
86: „In der hebräischen Denkweise steht das Wort „Seele“, wie wir gesehen
haben, einfach für das persönliche Fürwort und meint das „Selbst“ und der
Ausdruck „Körper und Seele“....steht für die hebräische Idee, dass der Mensch
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 81

„Menschliches Wesen“ schließt per Definition die Sterblichkeit ein und


die Unterwerfung unter Vergänglichkeit und Tod. „Es ist dem Menschen
gesetzt zu sterben....“ (Hebr. 9,27). Jesus erlitt das letztendliche Schicksal
der Menschen – und das ohne Notwendigkeit zu sterben, da er nicht
gesündigt hatte. Nichtsdestotrotz starb er und trug die Strafe der
Menschen für die Sünde. Gott kann nicht sterben. Wir müssen diesen
Punkt betonen: Ein Retter, der Gott ist, kann nicht sterben und starb
deshalb auch nicht für unsere Schuld. Die Tatsache, dass Jesus für unsere
Sünden gestorben ist, ist in sich selbst der Beweis, dass er nicht Gott war.
Es ist ein offensichtlicher Trugschluss zu behaupten, dass der
unsterbliche Gott starb. Diejenigen, die behaupten, nur der sterbliche
Körper sei gestorben, tappen in die Falle zu behaupten, dass Jesus selbst
nicht gestorben ist. All diese Argumente basieren auf dem Dualismus und
sind ziemlich unbiblisch. Der Hauptpunkt für den Zusammenhang des
ganzen Glaubens ist die Tatsache, dass Jesus selbst starb.
Das ganze Leben Jesu wurde unter der Begrenztheit eines
menschlichen Wesens gelebt. Er wurde zornig und müde (Mk. 3,5; Joh.
4,6), obwohl er dabei nie sündigte. Er musste Gehorsam lernen, indem er
litt (Hebr. 5,8). Er konnte sich nicht in eine geistige, göttliche Kapsel
zurückziehen um den Härten und Kämpfen des täglichen Lebens zu
entgehen. Er selbst gab zu, nicht alles Wissen zu haben; er wusste nicht
den Zeitpunkt seiner Wiederkunft (Mk. 13,32). Als Kind musste er in der
Weisheit wachsen (Lk. 2,52). Einmal musste er seine Jünger fragen: „Wer
hat mich berührt?“ (Mk. 5,30). Er weinte (Joh. 11,35) und kannte
Entmutigung. Er hatte offensichtlich auch nicht die Gabe der
Allwissenheit (Mk. 13,32) und Unsterblichkeit, die unentbehrliche
Charakteristika Gottes sind.
Die Juden des ersten Jahrhunderts und die Christen hielten Ausschau
nach einem menschlichen Messias, der, ausgehend vom verheißenen
Land, in einer neuen Ordnung regieren sollte. Die Entscheidung der
Theologen des vierten und fünften Jahrhunderts, dass dieser einzigartige
Jesus „wahrer Gott von wahrem Gott“ ist, wäre für die Gemeinde im
ersten Jahrhundert, die eine klare Vorstellung von der Abstammung des
Messias hatte, ein Schock gewesen. „Denn es ist offenbar, dass unser Herr
aus Juda entsprossen ist“ (Hebr. 7,14). Matthäus verzeichnet die
Erwartungen der jüdischen Nation und die Bedrohung der heidnischen

ein „belebter Körper“ ist und nicht für die griechische Anschauung, dass er eine
„fleischgewordene Seele“ ist.
82 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Herrschaft, die von dieser ausging (Mt. 2,2-4). Der heidnische Herrscher
Herodes war sehr betroffen, als er von der Suche der Magier aus dem
Osten nach demjenigen, der als König der Juden geboren werden sollte,
hörte. Eine neue Dynastie sollte seine Herrschaft bedrohen. Herodes
befragte die Priester und Schriftgelehrten, wo dieser Messias geboren
werden sollte. Matthäus schreibt über ihre Antwort: „Zu Bethlehem in
Judäa....Und du, Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die geringste
unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird ein Führer hervorkommen“
(Mt.2,5-6). All das war Allgemeinwissen. Eine voreingenommene
Übersetzung der King James Bibel über den „ewigen Ursprung“ des
Messias in Micha 5,2 (zitiert in Mt. 2,6), sollte uns nicht in die Irre führen.
Das Versprechen eines Messias kann bis in die „ferne Vergangenheit“ 23
zurückverfolgt werden. Der Messias sollte aus dem Stamm Juda
hervorkommen und den Thron seines Vaters David erben. Die Juden
erwarteten einen menschlichen Befreier, der übernatürlich mit göttlicher
Weisheit und Kraft ausgestattet sein sollte (Jes. 11,1-5), aber keinesfalls
Gott, der Mensch wird. Zu diesem Gedanken hat das Alte Testament
nichts zu sagen.
Die Auferstehung einer ewigen Person unterminiert das Wunder,
welches Gott an und durch einen Menschen und für die ganze Menschheit
tat. Die Tatsache, dass Gott so wunderbar an den Menschen handelte,
indem er für einen Menschen sorgte, der den Weg zur Errettung
beleuchtet, bringt die Unsterblichkeit in Reichweite der Menschen. Die
heutigen Christen vertrauen auf die falsche Hoffnung einer vagen
Belohnung im Himmel nach dem Tod. Apostolische Hoffnung beruhte auf
der Tatsache, dass der verheißene Erretter, ein Sterblicher, den Tod durch
seine Auferweckung aus dem Grab besiegt hatte. Noch mehr, er hatte
seine Rückkehr zur Erde versprochen, um die Treuen mit Stellungen in

23
Siehe NEB und The New International Commentary on Micah (Grand Rapids:
Eerdmans, 1976), 343. Den gleichen hebräischen Ausdruck findet man in 5. Mose
32,7 (y’mot olam). Y’may Olam findet sich in Micha 7,14; Amos 9,11; Jes.
63,9,11. The Hastings Bible Dictionary (Edinburgh:T&T Clark, 1912), extra vol.,
696, übersetzt den Ausdruck in Micha 5,2 als von „ferner Vorzeit“ her, und fügt
hinzu, dass „von den Tagen der Ewigkeit her“ fälschlicherweise die ewige
Präexistenz des Messias suggeriert. Siehe auch die Cambridge Bible for Schools
and Colleges: „Ganz offensichtlich und viel besser im Zusammenhang bezieht
sich (der „Ursprung“) auf seine Abstammung von der alten davidischen Familie –
vgl. Amos 9,11, wo sich die „Tage der Vorzeit“ auf die Herrschaft Davids
beziehen.“
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 83

seinem messianischen Reich24 zu belohnen und die Herrlichkeit Israels


wiederherzustellen. Die brennende Frage, welche die Jünger Jesus
stellten, bevor dieser zur Rechten des Vaters auffuhr, hätte nicht passender
sein können: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder
her?“ (Apg. 1,6). Seine Antwort war, es sei nicht ihre Sache zu wissen,
wann dieses gewaltige Ereignis stattfinden würde. Dass es eintreffen
sollte, so wie alle Propheten es vorhergesehen hatten, wurde von Jesus
bestätigt. Der Zeitfaktor jedoch blieb ungewiss.25
Der Held, den die damaligen Christen kannten, war kein Gott-
Mensch. Er war der erste Sohn Israels, der Spross aus der Familie Davids,
das hervorragendste der Kinder Judas, aber einzigartig der Sohn Gottes
von der Zeugung her. Er lehrte in ihrer Mitte, starb und wurde auferweckt.
Seine Laufbahn erweckte in ihnen die gleiche Hoffnung auf Auferstehung.
Ein drastisch neues Bild des Erlösers sollte in nachbiblischer Zeit
entstehen. Der spätere „Jesus“ der Kirchenkonzile, den die Gläubigen in
vierten und fünften Jahrhundert annahmen, war ein seltsames Zerrbild des
wahren Menschen der Evangelien. Obwohl es Proteste gab, schien der
Jesus des neuen Glaubens nur ein Mensch zu sein. Sein wahres „Ich“ sei
die ewig zweite Person einer Dreieinigkeit, wurde behauptet. Der Jesus
der Konzile schien den realen, historischen und menschlichen Messias der
christlichen Aufzeichnungen verschluckt zu haben.26
Der demütige Zimmermann aus Nazareth wäre ein besserer Führer zur
Wahrheit als die Entscheidungen des Konzils, welches von einem
römischen Kaiser geführt wurde, der schlecht ausgerüstet war, um über
die weitreichende Streitfrage der Identität Jesu zu entscheiden. Er wandte
der Tatsache, dass Jesus selbst keinen Anspruch erhob, Gott zu sein,
keinerlei Aufmerksamkeit zu. Die Konzile scheiterten daran, zu
informieren, dass Jesus nichts getan hatte, um sich die Autorität des Einen
Gottes Israels widerrechtlich anzueignen und dass er ebenso wie seine
jüdischen Zeitgenossen zustimmte, Gott sei eine einzige Person (Joh.
5,44; 17,3; Mk. 12,29).

24
Offb. 2,26; 3,21; 5,10; 20,1-4; 1.Kor. 6,2; Mt. 19,28; Lk. 22, 28-30. 2.Tim.
2,12.
25
Dieselbe Erwartung wird in Apg. 3,21 gefunden
26
Vgl. Martin Werners Beobachtung, dass „das Dogma der Göttlichkeit Christi
Jesus in einen hellenistischen Erlösergott verwandelt hat und so ein Mythos
verbreitet wurde, hinter dem der historische Jesus völlig verschwand (Formation
of Christian Dogma: An Historical Study of Its Problems, (A&C Black,
1957,298)
84 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Als einmal die Sterblichkeit und das wahre Mensch-Sein des Messias
abgestreift waren, fiel die historische Realität unter eine Wolke. Das
orientalische Konzept der Reinkarnation zog unter dem Deckmantel der
Menschwerdung ein. Griechische Spekulationen und Mythologie
erreichten den Glauben durch die Hintertür und hatten verheerende
Folgen. Der Kommentar von Canon Goudge sollte wiederholt werden:
„Als die griechische und römische Denkweise in der Gemeinde die
Oberhand über die hebräische gewannen, ereignete sich eine Katastrophe
in der Lehre und in der Praxis, von der wir uns niemals erholt haben“.27
Diese Beobachtung verdient eine weitere Untersuchung. Ist der
Verlust der biblischen Lehre über Gott letztendlich auf die Infiltration mit
fremder griechischer Philosophie zurückzuführen?

Der zweifelnde Thomas


Aber was ist mit dem zweifelnden Thomas? Als dieser frühere
Skeptiker zum auferstandenen Jesus sagte: „Mein Herr und mein Gott!“
(Joh. 20,28), etablierte er da in einem Satz eine Theologie, welche Jesus
zu einem Teil einer Trinität machte und so zum „wahren Gott von wahrem
Gott“, entsprechend den Aussagen der Konzile von Nizäa und Chalcedon,
und das lange bevor (wie auch die Trinitarier zugeben) seine Begleiter
eine Idee von der Göttlichkeit Jesu hatten? Erklärte er da Jesus zum Teil
einer Zwei-Personen-Gottheit, wie andere behaupten? Trotz der klaren
Anwendung des Wortes „Gott“ auf Jesus durch Thomas in Joh. 20,28,
macht der bekannte Theologe Emil Brunner folgende Beobachtung:

„Die Geschichte der christlichen Theologie und der Dogmen lehrt uns, das
Dogma der Trinität Gottes als ein entscheidendes Element der christlichen
Vorstellung von Gott anzusehen......andererseits müssen wir ehrlicherweise
zugeben, dass die Lehre der Dreieinigkeit keinen Teil des frühen Neuen
Testaments ausmachte.......Es war niemals die Absicht der ursprünglichen Zeugen
Christi im Neuen Testament, uns dieses intellektuelle Problem – das der drei
göttlichen Personen – vorzulegen und uns dann wortlos zu sagen, dieses Wunder
von Drei-in-Einem anzubeten. Es gibt keine Spur einer solchen Idee im Neuen
Testament. Dieses „mysterium logicum“ (logisches Geheimnis) - die Tatsache,
dass Gott Drei und trotzdem Einer ist - liegt völlig außerhalb der Botschaft der
Bibel. Es ist ein Geheimnis, welches die Kirche in ihrer Theologie vor die

27
„The Calling of the Jews“ in den gesammelten Essays Judaism and Christianity
(Shears and Sons, 1939). Die Abkehr von der biblischen Wahrheit in Richtung
des Heidentums hat ihre Wurzeln in den philosophischen Spekulationen der
Kirchenväter des 2. Jahrhunderts.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 85

Gläubigen hinstellt......aber welches keine Verbindung mit der Botschaft Jesu und
der Apostel hat. Kein Apostel hätte daran gedacht zu glauben, dass es hier drei
göttliche Personen gibt, deren wechselseitige Beziehungen und paradoxe Einheit
jenseits unseres Verständnisses liegen. Das Geheimnis der Trinität....ist ein
Pseudo-Geheimnis, welches aus einem Abirren des logischen Denkens von der
Linie der Bibel herstammt und nicht von der biblischen Lehre selbst.“28

Die Bedeutung von Worten muss innerhalb der Umgebung, in


welcher jene gesprochen wurden, gesucht werden. Die Bibel wurde nicht
im 20. oder 21. Jahrhundert geschrieben und ihre Autoren wussten auch
nichts von den nachfolgenden Glaubensbekenntnissen und Konzilen. Der
Kontext ist bei der Ermittlung der Absicht des Autors am wichtigsten. Im
Johannesevangelium nannte sich Jesus selbst niemals Gott. Es ist eine
Tatsache, dass das Neue Testament das Wort Gott – in seiner griechischen
Form ho theos – auf Gott, den Vater, allein ca. 1350 Mal anwendet. Die
Worte ho theos (der Eine Gott) in ihrer absoluten Bedeutung werden
nirgends mit Sicherheit auf Jesus angewandt. Das Wort, mit dem Thomas
Jesus in Joh. 20,28 anredete, war in der Tat theos. Aber Jesus selbst hatte
erkannt, dass im Alten Testament die Richter „Götter“ genannt wurden,
als er sich in Joh. 10,34 auf Psalm 82,6 bezog: „Ich sagte: Ihr seid
Götter...“ Theos (hier im Plural theoi) kam in der Septuaginta, der
griechischen Übersetzung des Alten Testaments, als ein Titel für
Menschen vor, die den Einen wahren Gott repräsentierten.
Jesus bezeichnete sich selbst zu keinem Zeitpunkt als Gott im
absoluten Sinn. Was für einen Grund hatte Thomas, Jesus „mein Gott“ zu
nennen? Ohne Frage, die ersten Christen verwendeten das Wort „Gott“
mit einer ausgedehnteren Bedeutung als heute üblich. „Gott“ war ein
beschreibender Titel, der auf eine Reihe von Autoritäten, den römischen
Kaiser eingeschlossen, angewandt werden konnte. In seinem absoluten
Sinn war es nicht als persönlicher Name für die oberste Gottheit, so wie
wir es heute verstehen, begrenzt. Dieses biblische Wort kommt von der
ersten Gemeinde zu uns und wir müssen es ausgehend von dieser
neutestamentlichen Umgebung zu verstehen versuchen.
Die Idee Martin Luthers, dass „die Schriften sehr leicht beginnen, uns
zu Christus als Menschen weiterführen, dann zu demjenigen, der Herr ist
über alle Geschöpfe und schließlich zu einem, der ‚Gott‘ ist“29, findet

28
Christian Doctrine of God, Dogmatics (Westminster Press, 1950), 1:205, 226,
238
29
Zitiert bei Klaas Runia in The Present- Day Christological Debate , 97
86 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

wenig Unterstützung im Neuen Testament. Sie widerspiegelt den Druck,


überlieferte Tradition mit dem Text der Bibel zu vereinen. Die
aufgezeichnete Lehre Jesu widerspricht jeder Abkehr vom strikten Ein-
Personen-Monotheismus der Torah.
Jesus bestärkte das Glaubensbekenntnis Israels und verkündigte:
„Höre, o Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr“ (Mk. 12,29). Er
drückte seine Treue zu Israels deutlichstem Glaubenssatz aus. Er wählte
seine Worte wohl kaum so, um seine Jünger „sehr langsam“ zu Einem zu
führen, der auch Gott ist. So eine Anschauung ist höchst widersprüchlich.
Wenn man sie in Klarheit liest und die Worte in ihrem ursprünglichen
Sinn belässt, dann sollte Jesu absolute Zustimmung zur Hauptlehre des
Judaismus als Beweis für seine Anerkennung des einheitlichen
Monotheismus des Alten Testaments gesehen werden.
Thomas, der nicht an die Tatsache der Auferstehung glauben konnte,
bevor er klare Beweise dafür hatte, verstand schlussendlich die erhöhte
Position, die Jesus als der auferstandene Messias eingenommen hatte. Die
lang ersehnte nationale Größe schien nun für Israel wirklich in Reichweite
gekommen zu sein. Der Anspruch Jesu, der verheißene Messias zu sein,
war nun bestätigt. Jesus wurde nun zu Thomas‘ Herrn und „Gott des
zukünftigen Zeitalters“ der Königsherrschaft. Thomas kannte das Alte
Testament mit seinen Prophetien über das Reich Gottes gut. Das
Versprechen an Israel: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns
gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt
seinen Namen: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit,
Fürst des Friedens“ (Jes. 9,6)
Das war eine klare, nicht misszuverstehende Aussage über den
kommenden Messias. Aber dieser „mächtige Gott“ aus Jes. 9,6 wird von
einem führenden Hebräisch-Lexikon als „königlicher Held, der göttliche
Majestät widerspiegelt“,30 definiert.
Der Titel „ewiger Vater“ wurde von den Juden als „Vater des
kommenden, messianischen Zeitalters“ verstanden. Das griechische Wort
für „ewig“ in der Septuaginta muss in diesem Fall nicht unbedingt „immer
und ewig – in alle Ewigkeit – vergangen und zukünftig“ bedeuten, wie wir

30
Brown, Driver and Briggs, Hebrew and English Lexicon of the Old Testament,
42. Dieselbe Quelle sagt, dass das Wort „Gott“ (el) , das von Jesaja verwendet
wurde, an anderen Stellen der Schrift auf „Männer von hohem Rang und auch auf
Engel“ angewandt wurde. (Siehe Hes. 31,11, „Mächtiger der Nationen“, 32,21:
„gewaltige Helden“, 17,13: „Mächtige des Landes“, Hiob 41,17: „Machthaber“).
El in Hes. 28,2 bezieht sich auf jemand anderen als auf den Einen Gott.
Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war? 87

es normalerweise verstehen, sondern es beinhaltet das Konzept von „auf


das zukünftige Zeitalter bezogen“. Es ist wahr, dass Jesus, als Messias,
der Vater des kommenden Zeitalters des Reiches Gottes auf der Erde ist,
bis „ihm alles unterworfen ist. Dann wird auch der Sohn selbst dem
unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem
sei“ (1. Kor.15,26). Es war im Judentum gut bekannt, dass ein
menschlicher politischer Leiter auch Vater genannt werden konnte. Jesaja
schreibt über einen Führer Israels: „Ich werde deine Herrschaft in seine
Hand geben. Und er wird den Bewohnern von Jerusalem und dem Haus
Juda zum Vater sein“ (Jes.22,21).
Thomas hatte im Gegensatz zu Judas denjenigen erkannt, welcher der
„Gott“ des künftigen Zeitalters sein sollte und der Satan, den „Gott“ des
gegenwärtigen Zeitalters, ersetzen sollte (2.Kor. 4,4). Thomas glaubte
nicht plötzlich den revolutionären Glauben, Jesus sei „wahrer Gott von
wahrem Gott“. Es fand sich im Alten Testament nichts den Messias
Betreffendes, was vorhersagte, dass ein unsterbliches Wesen als eine
menschliche Person der verheißene König Israels werden sollte.
Nichtsdestotrotz konnte der menschliche König an einigen wenigen
Stellen „Gott“, als messianischer Titel, genannt werden, so wie z.B. in
Psalm 45,6, wo er auch mit dem Titel „Herr“ bezeichnet wird. Sowohl
„Gott“ als auch „Herr“ sind messianische Titel und sie wurden von
Johannes passenderweise gebraucht, als dieser sein ganzes Buch schrieb,
um uns zu überzeugen, dass Jesus der Messias ist (Joh.20,31).
Die Realität wurde Thomas bewusst, als er merkte, dass es der
auferstandene Jesus ist, durch welchen Gott die Lage Israels
wiederherstellen wollte. So wurde Jesus für Thomas zum „Gott“,
vielleicht sinngemäß in gleicher Weise, wie Mose den Status Gottes vor
dem Pharao innehatte: „Und der Herr sprach zu Mose: Siehe, ich habe
dich für den Pharao zum Gott eingesetzt...“ (2.Mose 7,1). Diese Titel einer
Hochachtung, die menschlichen Instrumenten Gottes verliehen wurden,
verletzten nicht den strengen Monotheismus des Alten Testaments. Sie
sollen auch nicht dazu führen, das erste Prinzip der Bibel zu ändern: Gott
ist eine Person, nicht zwei oder drei (Mk.12,29). Der Engel des Herrn im
Alten Testament hätte, als Vertreter des einen Gottes Israels, ebenso
„Gott“ genannt werden können (1.Mo. 16,9-11, 13).
Die Autorität Jahwes wurde ihm übertragen, weil Gottes Name „in
ihm war“ (2.Mo.23,20-21). In der damaligen Welt bedeutete das Wort
„Gott“ etwas anderes als es heute für uns bedeutet. Eine Inschrift aus dem
Jahre 62 v.Chr. nennt König Ptolemäus XIII den „Herrn König Gott“. Die
88 Glaubten die AnhängerJesu, dass er Gott war?

Juden im Mittelalter bezogen sich auf David als „unser Herr David“ und
„unser Herr Messias“, basierend auf Ps. 110,1 (Lk.2,11).
Ein Theologe des 19. Jahrhunderts sagte Folgendes über die Anrede
Jesu von Thomas: „Thomas gebrauchte das Wort ‚Gott‘ im gleichen Sinn,
wie es für die Könige und Richter angewendet wurde (welche als
Vertreter Gottes angesehen werden) und hauptsächlich für den Messias“.31
Aber was ist mit dem späteren Apostel Paulus? Gibt es biblische
Beweise, dass dieser ehemals strikte Pharisäer das alttestamentliche
jüdische Erbe abgelegt und sein Konzept Gottes durch die Aufnahme
einer zweiten und dritten Person erweitert und so eine Basis für die Lehre
der Trinität geschaffen hat?

31
C.G. Kuehnoel, zitiert bei W.G. Eliot, Discourses on the Doctrines of
Christianity (Boston: American Unitarian Society. 1886), 79
4. PAULUS UND DIE TRINITÄT

„Offensichtlich nannte Paulus Jesus niemals Gott“


– Professor Sidney Cave

Es gab keinen militanteren Gegner, der im Zorn gegen die ersten


Christen ausschlug, als einen Mann namens Saulus. Und es gab auch
keinen besser ausgebildeten Theologen, der dieser ersten Gemeinde
beitrat, als eben diesen Saulus, welcher unter dem Namen Paulus als
profilierter Schreiber und führender Sprecher des Christentum des ersten
Jahrhunderts bekannt wurde. Von einigen modernen Demythologen als
unmöglicher Visionär oder psychotischer Drogenabhängiger
gebrandmarkt, widersteht er weiterhin dem harten Urteil seiner Kritiker
und bleibt auch heute ein Standardzeichen für das Christentum.
Wegen der extremen Inbrunst seines Glaubens, hatte sich Paulus einer
Gruppe angeschlossen, vor der Jesus gewarnt hatte: „Es kommt sogar die
Stunde, dass jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu tun“
(Joh. 16,2). Sein missgeleiteter Eifer führte Paulus dazu, eine mörderische
Verfolgungstaktik gegenüber der neuen christlichen Sekte einzuschlagen.
Es ist kein Ziel dieses Buches, die ganze Breite der Theologie von
Paulus zu bewerten. Im Speziellen möchten wir seine Harmonie oder
Disharmonie mit dem Alten Testament und den Worten Jesu, des Messias,
bezüglich des Wesens Gottes betrachten.
Paulus nahm für sich eine besondere Offenbarung des auferstandenen
Jesus in Anspruch. Während manche behaupten, Vernunft und
Offenbarung seien unvereinbar, so ist es unsere Voraussetzung, dass sich
die beiden nicht widersprechen. Paulus hilft uns dabei, diesen Punkt zu
illustrieren. Kein Teil der Offenbarung Jesu an Paulus beleidigt die
Vernunft. Wenn man ein Element der progressiven Offenbarung zulässt,
so ist die Theologie von Paulus nicht im Widerspruch zu den Lehren des
historischen Jesus oder zu anderen neutestamentlichen Schreibern. Er
wich nicht von der Lehre des Messias über Gott ab.
90 Paulus und die Trinität

In den religiösen jüdischen Kreisen hoch angesehen, bemerkte Paulus:


„...beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israels...Hebräer von
Hebräern, dem Gesetz nach ein Pharisäer.....dem Eifer nach ein Verfolger
der Gemeinde; der Gerechtigkeit nach, die im Gesetz ist, untadelig
geworden“ (Phil. 3,5-6). Ohne Frage machte ihn dieser Hintergrund
kompromisslos monotheistisch – zu einem überzeugten Advokaten des
Glaubens an den Einen Gott als eine einzelne Person.1 So, wie wir es
erwarten, hatte die rabbinische Erziehung in ihm die feste Überzeugung
bewirkt, dass es nur einen Gott, den Schöpfer aller Dinge, gibt. Es ist
offensichtlich, dass er mit dem erst kürzlich gekreuzigten Messias völlig
über die Vorschrift übereinstimmte, welche Jesus als das wichtigste aller
Gebote bezeichnet hatte. Einem fragenden Schriftgelehrten hatte Jesus
erklärt: „Höre, o Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr, und du sollst
den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen....“ (Mk. 12,29-
30). Als Pharisäer hätte Paulus sicher dem Enthusiasmus des
Schriftgelehrten für den Monotheismus Jesu zugestimmt: „Recht, Lehrer,
du hast nach der Wahrheit geredet; denn er ist einer, und es ist kein
anderer außer ihm“ (Mk. 12,32). Das jüdische Erbe hatte für Paulus den
Ein-Personen-Gott an die Spitze seines Glaubens gesetzt. Seine
Verehrung für den Einen Gott der hebräischen Bibel blieb, auch nach
seiner Bekehrung zum Christentum, als Hauptmotivation hinter all seinen
Aktivitäten bestehen.
Es gibt in den Schriften von Paulus keinerlei Hinweis, dass er mit der
frühen Gemeinde über die Person Gottes in Uneinigkeit gewesen war. Die
Feindschaft vor seiner Bekehrung war gegen den Anspruch Jesu, der
Messias zu sein, gerichtet gewesen, welchen er als Bedrohung für die
etablierte Religion der Nation Israel betrachtete. Viele anerkannte
Gelehrte glauben nach sorgfältigem Studium der Beweismittel nicht, dass
Paulus jemals die jüdischen Überzeugungen, Gott sei eine einzige Person,
in Frage stellte. Sydney Cave stellt fest: „Offensichtlich nannte Paulus

1
Das wird ganz deutlich durch seine Aussagen in 1. Kor. 8,4,6: Eph.4,6 und 1.
Tim. 2,5 gezeigt. In anderen Bereichen seiner Theologie, wie zum Beispiel in der
Frage der Bedeutung des Gesetzes für die neue jüdisch/heidnische Gemeinde,
entfernte sich Paulus ganz eindeutig von seiner pharisäischen Ansicht. Als
Pharisäer hätte er Galater 3 und 4 nicht schreiben können. Unter der Inspiration
des auferstandenen Jesus erklärt er, dass das Gesetz des Mose zeitlich begrenzt
war. Seine Gleichgültigkeit gegenüber der mosaischen Gesetzgebung die
Beschneidung betreffend zeigt diese Tatsache auch laut und deutlich auf.
Paulus und die Trinität 91

Jesus niemals Gott.“2 C.J. Cadoux stimmt zu: „Paulus differenziert


gewöhnlich Christus von Gott.“3 Man kann die Schriften von Paulus
vergeblich nach der einfachen Aussage, Jesus sei Gott, im Sinn eines
präexistenten „ewigen Sohnes“ und zweiten Mitglieds einer
gleichberechtigten Trinität, absuchen. Nur Hebräer 1,8 (ob Paulus diesen
Brief geschrieben hat ist unklar) könnte als Text genannt werden, in dem
Jesus, in einem gewissen Sinn, sicherlich Gott genannt wird. Eine
Handvoll anderer Texte könnte eventuell einen Hinweis auf Jesus als
„Gott“ geben. Diese Tatsache wird jedoch von einigen Gelehrten wegen
der Grammatik und des Satzbaus bestritten. Diese Verse können aus
diesem Grund nicht als „Beweistexte“ hergenommen werden. Weil wir
wissen, dass in der Bibel der Ausdruck „Gott“ nicht immer „den
allerhöchsten Gott“ meint, ist es unmöglich, den Trinitarismus durch
isolierte Verse, in denen Jesus Gott genannt wird oder auch nicht, zu
beweisen.
Das trinitarische Problem muss aus der Perspektive von Paulus streng
monotheistischem jüdischen Hintergrund, den Berichten von Lukas über
die Tätigkeit von Paulus in der Apostelgeschichte und natürlich seinen
Briefen, analysiert werden. Eine Frage ist wichtig: Sollte Paulus ein
Trinitarier oder Binitarier geworden sein – wann fand dieses Ereignis
statt? Wurde er von den übrigen Aposteln über die Trinität belehrt, erfuhr
er es durch Offenbarung von Jesus, dem Messias, oder entwickelte sich
diese Ansicht langsam im Laufe seines Lebens, bis die Erkenntnis der
Realität schließlich über ihn hereinbrach und seinen früheren Glauben an
Gott als eine Person drastisch modifizierte? Es gibt einfach keine Beweise
für eine derartige Entwicklung. Die Neuheit einer solchen Ansicht hätte
sicher viele Seiten in der Bibel für sich beansprucht, wenn man die
jüdische Indoktrination, und ganz besonders diejenige dieses religiösen
Eiferers bezüglich des Monotheismus, in Betracht zieht.
Immer dann, wenn die Grundlage einer Religion geändert wird,
müssen klare Erläuterungen gegeben werden. Solch drastische
theologische Revolutionen passieren nicht unbemerkt; als Beispiel seien
die Bände herangezogen, die während der manchmal blutigen
Kontroverse von Verfechtern der Trinität gegenüber strikten Unitariern
geschrieben wurden. Eine göttliche Offenbarung bei der Einführung des

2
The Doctrine of the Person of Christ (Duckworth, 1925), 48.
3
A Pilgrim’s Further Progress: Dialogues on Christian Teaching
(Blackwell,1943), 40-42.
92 Paulus und die Trinität

Glaubens an einen Drei-Personen-Gott wäre akzeptiert und erklärlich


gewesen. Aber wo sowohl Offenbarung fehlt, als auch der Verstand
angegriffen wird, da gibt es sehr wenig Basis, eine solche
außergewöhnliche Idee wie den Trinitarismus, anzunehmen. Mit den
Worten eines englischen Geistlichen, eines Trinitariers, wird durch die
Trinität „der Verstand beleidigt und der Glaube steht halb entgeistert da.“4
Als Paulus am Apostelkonzil in Jerusalem teilnahm, wurde über die
Beschneidung und andere alttestamentliche Gesetze gesprochen. Wie weit
sollten diese auf die neuen Heidenchristen angewandt werden? (Apg.15,5
ff). Die Entscheidung wurde von Jakobus, dem Leiter der Jerusalemer
Gemeinde, getroffen. Es ist dieser derselbe Jakobus, der an die verstreute
Gemeinde als „die zwölf Stämme in der Zerstreuung“ (Jak.1,1) schreibt:
„Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht; auch die Dämonen
glauben und zittern“ (Jak.2,19). Zu diesem Zeitpunkt der
Kirchengeschichte gibt es nichts, was auf einen radikalen
Ansichtswechsel über die Natur Gottes hinweist.
Das Fehlen jeder neuen Offenbarung über die Trinität bereitet dem
trinitarischen Autor E. Calvin Beisner Schwierigkeiten, als dieser den
orthodoxen Standpunkt des Glaubens in seinem Buch „Gott in drei
Personen“ verteidigt. Wir untersuchen sein Werk, weil er auch den
Apostel Paulus als Stütze seiner These heranzieht. Am Beginn von
Kapitel eins zitiert er das Bekenntnis von Nizäa, wie es am Konzil von
Konstantinopel im Jahre 381 verkündigt wurde: „Ich glaube an den einen
Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde und von allem,
was sichtbar und unsichtbar ist. Und an den einzigen gezeugten
(eingeborenen) Sohn Gottes, Licht von Licht, wahrer Gott von wahrem
Gott...und an den Heiligen Geist, den Herrn und Spender des Lebens....“
Beisner stellt dann die Frage: „Enthält das Neue Testament eine
derartige Lehre (diejenige der Trinität) entweder offen oder
unausgesprochen? Und...wenn es der Fall ist, wie wird es ausgedrückt?“5
Die Antworten der Gelehrten auf diese beiden Fragen sind nach
Beisner „gelinde gesagt, höchst unterschiedlich“.6 Er behauptet
nichtsdestotrotz, die Trinität werde in der Bibel gefunden. Der
Hauptpunkt seines Argumentes lautet wie folgend: „Im Neuen Testament
gibt es den einen und einzigen wahren Gott; da gibt es die Person, die
4
Bishop Hurd, Sermons Preached at Lincoln’s Inn, 2:287, zitiert bei John Wilson
in Unitarian Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies, 321.
5
God in Three Persons (Tyndale House Publishers, 1984), 24
6
Ebenso
Paulus und die Trinität 93

Vater und Gott genannt wird; und es gibt die Person, die Sohn und auch
Gott genannt wird.“7
In dem Teil des Buches, der „Monotheismus im Neuen Testament“
betitelt wird, macht Beisner die ausgezeichnete Beobachtung, dass eine
monotheistische Ansicht „die ganze Anschauung über Jesus durchdringt“8
und er zitiert Joh. 17,3: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den
allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“
Beisner fügt dann noch das Zeugnis von Paulus hinzu, der
wohlüberlegt auf die Frage antwortet, ob es mehrere Götter als einen gibt.
Die Worte von Paulus sind wie folgt: „ ...wir wissen, dass es keinen
Götzen in der Welt gibt und dass kein Gott ist als nur einer. Denn wenn es
auch sogenannte Götter gibt im Himmel oder auf Erden – wie es ja viele
Götter und viele Herren gibt - so ist doch für uns ein Gott, der Vater,...und
ein Herr, Jesus Christus...“(1. Kor. 8,4-6).
Beisner zeigt richtig auf, dass die Antwort von Paulus auf die
monotheistische Frage war, „es gibt nur einen Gott“. „Dieser
monotheistische Standpunkt“, fährt er fort, „herrscht im ganzen Neuen
Testament vor, wird aber nirgends stärker ausgedrückt als hier in den
Schriften von Paulus.“9
An diesem kritischen Punkt in der Argumentation müssen wir darauf
schauen, was Paulus wirklich sagt. Alle werden dem Glauben von Paulus
zustimmen, dass es nur „einen Gott gibt“, aber wer ist bei Paulus dieser
eine Gott? Gibt es „einen Gott – den Vater“ (Unitarismus) oder „einen
Gott – den Vater, Sohn und Heiligen Geist“ (Trinitarismus)? Beisner
scheint die unheimlich wichtige Definition des Monotheismus von Paulus
zu übersehen: „So ist doch für uns ein Gott, der Vater“ (1. Kor.8,6).
Paulus nennt den einen Gott den Vater und er fügt keine andere Person
hinzu. Er fährt fort zu sagen, dass es einen Herrn gibt, Jesus Christus, aber
er sagt nicht (weder hier noch anderswo), dass Jesus „der eine Gott“ ist.
Der eine Gott des Monotheismus von Paulus, ausdrücklich festgestellt und
in Harmonie mit allem, was wir im Alten Testament und den Lehren von
Jesus gehört haben, ist der Vater allein.
Den gewöhnlichen Regeln der Sprache folgend, gebührt das Vorwort
mono nicht mehr, wenn wir eine Anzahl von mehr als einem haben. Zum
Beispiel, wenn ein Mann zwei Frauen hat, ist er nicht länger monogam,

7
Ebenso, 26
8
Ebenso
9
Ebenso, 27
94 Paulus und die Trinität

sondern polygam. Auf dieser Basis fragen wir gemeinsam mit vielen
Juden und Moslems, ob vom Trinitarismus als Monotheismus gesprochen
werden darf – sicherlich nicht als Monotheismus im Sinn des hebräischen
Alten Testaments. Es ist schwer für uns, die Schlussfolgerung zu
vermeiden, dass drei Personen, die alle Gott genannt werden, drei Götter
sind. Wir sind uns dessen bewusst, dass das von den Trinitariern bestritten
wird; wir haben jedoch auch festgestellt, dass eine Anzahl von Theologen
den Glauben vieler gewöhnlicher Gläubiger an den dreieinen Gott als
Glauben an drei Götter bedauert. Es ist schwer, nicht mit Hans Küng zu
sympathisieren, wenn er formuliert: „Es ist die aufrichtige Sorge vieler
Christen und die gerechtfertigte Frustration von Juden und Moslems,
wenn sie versuchen, in solch trinitarischen Formeln den reinen Glauben
an den einen Gott zu finden.“10
Hätten Jesus oder Paulus irgendwo in der Sprache der Trinität
ausgedrückt, „drei sind eins“ oder „eins ist drei“, so würden wir genötigt
sein, das als Teil der Offenbarung als christliche Lehre zu akzeptieren.
Aber die Geschichte kennt bis 300 Jahre nach dem Dienst Jesu wenig von
dieser Sprache über die Gottheit. Zu dieser Zeit war die Theologie in die
Hände von Männern geraten, die nicht die enge Verbindung der Apostel
zu Jesus, dem Messias, gehabt hatten und die Produkte einer ganz anderen
theologischen Bildung waren. Gemeinsam mit Hans Küng bedauern wir
„die Hellenisierung der ursprünglichen christlichen Botschaft durch die
griechische Theologie.“11 Es ist eine Sache für Christen zu behaupten, es
ist nur ein Gott, von dem in der Bibel gesprochen wird. Ganz eine andere
Sache ist es, Christen davon zu überzeugen, dass es in diesem einen Gott
drei Personen gibt. Die Fähigkeit der Theologen, die Gläubigen davon zu
überzeugen, dass zwei oder drei Personen in Wirklichkeit nur ein Gott
sind, muss als eines der größten Wunder in der Geschichte der
Christenheit angesehen werden. Wir wundern uns, wie sonst verständige
Personen so bereitwillig akzeptieren, was letztendlich als unverständliches
Geheimnis erklärt wird. Das alles ist noch bemerkenswerter, weil die
Glaubensgrundsätze der Bibel keinerlei Hinweis auf eine derartige
Terminologie geben. Es gibt keinen Hinweis auf ein Rätsel in der
transparenten und einfachen Bekräftigung, „es ist ein Gott, der Vater“
(1.Kor. 8,6).

10
Zitiert bei Pinchas Lapide, Jewish Monotheism and Christian Trinitarian
Doctrine, 40
11
Ebenso
Paulus und die Trinität 95

Paulus hat niemals die Anschauung verlassen, dass eins, in


Verbindung mit Gott, auch wirklich eins bedeutet. Offensichtlich legte er
seinen jüdischen Monotheismus nicht ab, als er im Brief an Timotheus
schrieb: „Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und
Menschen, der Mensch Jesus Christus“ (1. Tim. 2,5) Hier wird eine
Person, der Vater, der eine Gott genannt. Im selben Satz wird eine andere
Person der Mensch Jesus Christus genannt. Das bedeutet eine ziemliche
Schwierigkeit für den Trinitarismus. Paulus bekräftigt denselben Glauben
in seinem Brief an die Gemeinde zu Ephesus. Er spricht vom „Gott
unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit“ (Eph. 1,17) und
fährt in einem späteren Kapitel fort, zu beteuern, „ein Leib und ein
Geist......ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“ (Eph.
4,4-6). Wir alle verstehen, dass „ein Geist“ und „eine Taufe“ numerisch
eins bedeuten. Aber Gott ist für Paulus auch im mathematischen Sinn
eins. Er ist „der Vater unseres Herrn Jesus Messias“. Der Standpunkt von
Paulus änderte sich auch nicht, als er den Galatern schrieb: „Ein Mittler
aber ist nicht (Mittler) von einem; Gott aber ist nur einer“ (Gal. 3,20).
Es gibt eine bemerkenswerte Beständigkeit in den Schriften von
Paulus, wenn er von Gott als einem Einzelnen spricht, nämlich dem Vater
Jesu. Zu behaupten, Paulus wäre zu einem Glauben an ein
„multipersonales“ Wesen übergegangen, ist höchst problematisch. Seine
Glaubensdeklarationen sind ganz konform mit dem uneingeschränkten
Monotheismus Jesu und dem jüdischen Erbe, welches ihnen gemeinsam
war.
Wenn Paulus darauf beharrt, es „gebe keinen Gott außer einem“, fährt
er mit der Erläuterung fort: „Diese Erkenntnis ist aber nicht in allen“
(1.Kor. 8,4,7). Wir sind versucht zu glauben, seit dem ersten Jahrhundert
habe sich nicht viel verändert. Wenn wir die klaren Behauptungen von
Paulus in 1.Kor. 8,4 und 6 zusammenfassen, so haben wir die
Versicherung, dass „es keinen Gott gibt außer dem Vater“. Der
Trinitarismus muss sich sicher vor diesem reinen Monotheismus beugen.
Vielleicht ist auch die Polemik von Thomas Jefferson gegen das Dogma
der Dreieinigkeit nicht zu hart. Er sah es als ein Zurückgleiten von „der
wahren Religion, die Jesus im Glauben an die Einheit Gottes gegründet
hat, in einen unverständlichen Polytheismus“. In einem Brief an den
befreundeten Pastor Jared Sparks bedauerte er das Wachstum eines
Dogmas, welches er als eine „Hokus-Pokus Phantasie eines Gottes ähnlich
dem Cerberus (dem dreiköpfigen Hund, welcher in der griechischen
96 Paulus und die Trinität

Mythologie den Eingang zum Hades bewacht), mit drei Köpfen und
einem Körper“, bezeichnet.12
Es war Paulus, welcher der Gemeinde in Korinth seine Sorge zum
Ausdruck brachte: „Ich fürchte aber, dass, wie die Schlange Eva durch
ihre List verführte, so vielleicht euer Sinn von der Einfalt und Lauterkeit
Christi gegenüber abgewandt und verdorben wird. Denn wenn der,
welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt
haben....so ertragt ihr das recht gut“ (2.Kor. 11,3-4). Wir behaupten, dass
der Gedanke an Gott als eine Person in sich selbst Einfachheit ist. Ein
Gott, welcher aus zwei oder drei Personen besteht, aber trotzdem nur ein
Wesen ist, ist extrem komplex. Nicht das kleinste Problem der Trinität ist
die Tatsache, dass Gott und Jesus in der Bibel offensichtlich zwei
Personen im modernen Verständnis dieses Wortes sind – genauso
unterschiedliche Personen wie ein Vater und sein Sohn.
Nicht ohne Grund sind die Worte von Paulus der Kritik ausgesetzt, sie
seien manchmal widersprüchlich. Das hat Öl in die Flammen der
trinitarischen Kontroverse geschüttet. Petrus warnte davor, dass in den
Schriften des Paulus „einiges schwer zu verstehen ist, was die
Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen
Schriften zu ihrem eigenen Verderben“ (2. Petr. 3,16). Wenn das so ist, so
haben wir umso mehr Grund, unser Verständnis der Lehre von Paulus
über Gott auf seine expliziten Glaubensaussagen zu gründen. Unter keinen
Umständen sollten wir anderen, weniger klaren Stellen in seinen Schriften
zugestehen, die transparenten, einfachen Behauptungen mit denen er Gott
definiert, in den Schatten zu stellen.

Philipper 2
Viele sehen die Aussage von Paulus in Phil. 2, 5-8 als Beweis an, dass
dieser an einen Messias glaubte, welcher sowohl präexistent, als auch Gott
in seinem eigenen Recht war. Der Text lautet wie folgt:

„Habt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war, der in Gestalt
Gottes war und es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein. Aber er machte
sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich
geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte er sich
selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“

12
C.B. Sandford, The Religious Life of Thomas Jefferson, 88, 89
Paulus und die Trinität 97

Wir sollten uns einige der ursprünglichen Aussagen von Paulus über
den Einen Gott ins Gedächtnis rufen, wenn wir uns diesem Abschnitt
widmen:

1. Dem allein weisen Gott durch Jesus Christus, ihm sei die Herrlichkeit in
Ewigkeit (Rö. 16,27).

2. Denn einer ist Gott und einer ist Mittler zwischen Gott und den Menschen,
der Mensch Christus Jesus (1.Tim. 2,5).

3. Ein Leib..... ein Herr, ein Glaube....ein Gott und Vater aller (Eph. 4,4-6).

4. ...und dass kein Gott ist als nur einer....und ein Herr, Jesus Christus (1.Kor.
8,4,6).

5. Die wird zu seiner Zeit der selige und alleinige Machthaber zeigen, der
König der Könige und Herr der Herrn, der allein Unsterblichkeit hat und ein
unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat, auch
nicht sehen kann ( 1.Tim. 6, 15-16).

Wenn Paulus wusste, dass Jesus ein gleichberechtigtes, präexistentes


Mitglied der Gottheit war, konnte er dann die oben erwähnten Texte
geschrieben haben, welche offensichtlich den Einen Gott, auf eine Person,
den Vater, einschränkten? Wenn das der Fall ist, so würde die Anklage,
die Bekehrten in Bezug auf die Natur Gottes verwirrt zu haben,
angebracht sein. Es ist auch bemerkenswert, dass Lukas, welcher die
Tätigkeit von Paulus in der Apostelgeschichte aufschrieb, es versäumte,
die neu gefundene Wahrheit über die dreieine Gottheit zu erwähnen.
Paulus behauptete von sich selbst: „denn ich habe nicht zurückgehalten,
euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen“ (Apg. 20,27).
Sicherlich wäre in seinen Schriften und Predigten irgendwo dieses
großartige Wissen über die dreieine Gottheit erwähnt, wenn er es als
wichtigen Teil der christlichen Tradition angesehen hätte.
Paulus machte wiederholte Erwähnungen über den einen Gott, den
Vater allein, sogar an Stellen, an denen Vater und Sohn gemeinsam
genannt werden. Und es gibt ein eindrucksvolles Fehlen einer eindeutigen
Aussage, die zeigt, dass Jesus, der präexistente Gott-Mann, ein Teil der
ewigen Gottheit ist, und völlig den Titel „Gott“ in seiner absoluten
Bedeutung verdient. Paulus verwischt nicht die Unterscheidung zwischen
dem einen Gott, dem Vater, und Jesus, Seinem Sohn, dem Herrn Messias.
98 Paulus und die Trinität

So sehr er auch die Tatsache betont, dass die beiden in völliger Harmonie
handeln, so vergisst er niemals, dass der Vater der Eine Gott seines
monotheistischen Erbes ist. Es ist verwirrend zu denken, er fordere uns
inmitten all dieser Beharrlichkeit auf der Tatsache, dass Gott einer ist, auf,
ohne Erklärung zu glauben, auch Jesus sei der Eine Gott. So eine
drastische Änderung des religiösen Rahmens der wahren Religion hätte
den Ärger des jüdischen Flügels der Gemeinde hervorgerufen und wäre
der Grund für eine weitreichende Kontroverse gewesen. Es gibt keinen
Hinweis für so eine Debatte.
Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, unsere
Interpretationen des 21. Jahrhunderts in die Schriften des ersten
Jahrhunderts hineinzulesen. Man muss Worten gestatten, das zu meinen,
was sie in ihrem ursprünglichen Zusammenhang aussagten. Das Denken
von Paulus ist logisch. Er drückte sich an anderen Stellen mit völliger
Klarheit aus, als er definierte, wer der Eine Gott sei. Gemeinsam mit
vielen Kommentatoren, früheren und heutigen, fragen wir uns, ob die
frühe Gemeinde diesen Text in Philipper als Vorläufer der Nizäa-Formel
sah –Jesus als wahrer Gott von wahrem Gott, ewig präexistent und
Schöpfer?
James Dunn nähert sich diesem Text, indem er versucht, die Tendenz,
die späteren christologischen Entwicklungen in die Ideen von Paulus
hineinzulegen, beiseite zu legen: „Unsere Aufgabe ist wieder einmal die
wesentliche, aber sehr schwierige, unsere Ohren des 20. Jahrhunderts in
Einklang mit den Konzepten und Nebentönen der 50iger und 60iger Jahre
des ersten nachchristlichen Jahrhunderts im östlichen Mittelmeerraum zu
bringen.“13
Er kommt zum Schluss, dass die „präexistente-Inkarnations-
Interpretation“ von Phil.2, 2-6 mehr auf den späteren gnostischen Erlöser-
Mythos als auf Phil. 2,2-11 zurückzuführen ist. Er warnt uns vor der
Gefahr, in die Schriften von Paulus die Schlussfolgerungen späterer
Generationen von Theologen, den „Vätern“ der griechischen Kirche, in
den der Fertigstellung der neutestamentlichen Schriften folgenden
Jahrhunderten, zu lesen.14
Es ist weitgehend bekannt, dass wir in der Schrift genau das zu finden
suchen, was wir uns als bereits darin stehend vorgestellt haben, weil
niemand der erschreckenden Möglichkeit ins Auge sehen möchte, dass

13
Christology in the Making, 125
14
Ebenso, 128
Paulus und die Trinität 99

unser „empfangenes“ Verständnis nicht mit der Bibel übereinstimmt. (Das


Problem wird noch vergrößert, wenn wir die Bibel lehren oder predigen).
Eine religiöse Doktrin, welche intellektuell und gefühlsmäßig akzeptiert
wurde, ist sehr schwer zu entfernen.
Der Zusammenhang der Bemerkung von Paulus in Philipper 2 zeigt
uns, wie er die Philipper dazu anleitet, demütig zu sein. Die Frage wurde
gestellt, ob Paulus möglicherweise diese einfache Lektion verstärkt haben
könnte, indem er seine Leser aufforderte, die Gesinnung desjenigen
anzunehmen, der ewiger Gott war und die Entscheidung getroffen hatte,
Menschengestalt anzunehmen. Ist diese Art von Vergleich irgendwie
anwendbar auf unseren menschlichen Zustand? Es scheint auch eigenartig
für Paulus zu sein, auf den präexistenten Jesus als Jesus, den Messias,
Bezug zu nehmen und folglich den Namen und das Amt, welche er bei
seiner Geburt empfangen hatte, zurück in die Ewigkeit zu legen.
Paulus zögert sonst niemals, Jesus einen Menschen zu nennen. Er
definiert mehrmals die Rolle des Messias, indem er Parallelen zwischen
Adam und dem Menschen Jesus zieht. Das wird in 1. Kor.15,45-47 ganz
deutlich, wo Paulus schreibt: „So steht auch geschrieben: der erste
Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele, der letzte Adam zu
einem lebendig machenden Geist.....Der erste Mensch ist von der Erde,
irdisch; der zweite Mensch vom Himmel“. Paulus besteht darauf, dass
Jesus sogar bei seinem zweiten Kommen Mensch ist, so wie Adam,
welcher aus dem Staub der Erde gebildet wurde. Paulus schreibt in Römer
5,12-15:

„Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist
.....Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose selbst über die, welche nicht
gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung Adams, der ein Bild des
Zukünftigen ist (Jesus)....denn wenn durch des einen Übertretung die vielen
gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des
einen Menschen Jesus Christus gegen die vielen überreich geworden.“

In Phil. 2 beschreibt Paulus den erhöhten Status des Menschen Jesus.


Als Spiegelbild Gottes, seines Vaters, war er „in der Gestalt Gottes“ (der
Text sagt nicht, dass er Gott war) und erachtete solche „Gleichheit mit
Gott“ nicht als Privileg, welches für seinen eigenen Ruhm hätte
ausgenützt werden dürfen. Jesus, welcher als Messias mit der
funktionellen Gleichheit mit Gott ausgerüstet war und dazu ausersehen
war, an der Rechten des Vaters zu sitzen, demütigte sich selbst, indem er
zum Sklaven der Menschheit wurde, sogar bis zu dem Punkt, als er
100 Paulus und die Trinität

einwilligte, den Tod eines Verbrechers am Kreuz zu sterben. Jesus zog


keinen Nutzen aus der Tatsache seiner königlichen Position als Vertreter
Gottes, sondern nahm den Charakter eines Knechtes an. Der Kontrast ist
zwischen der Position Gottes, wobei Jesus der Vertreter Gottes ist, und
dem Rang eines Dieners. Der Kontrast ist nicht, wie oftmals angenommen
wird, zwischen „Gott in Ewigkeit zu sein“ und „Mensch zu werden.“15
Jesus spielte gehorsam die Rolle eines Dieners, als er sein Recht zu
regieren aufgab und das Angebot Satans ausschlug, der ihm Macht über
die Königreiche der Erde anbot (Mt.4,8-9). Er war bereit, in den Händen
einer feindlichen Welt zu leiden. Was Paulus hier meint ist die Karriere
des Mannes Jesus (1. Tim 2,5), nicht die Inkarnation eines präexistenten
Mitglieds der Gottheit. Die Demut Jesu ist der Arroganz Adams genau
entgegengesetzt. Der Erstere missbrauchte nicht seinen gottgegebenen
Status, Gott, seinen Vater, widerzuspiegeln und machte sich auch sein
Privileg nicht für selbstsüchtige Zwecke zunutze. Adam versuchte unter
dem Einfluss des Teufels Gott gleich zu werden, was ihm nicht zustand.
Jesus war es durch völligen Gehorsam Gott gegenüber möglich, die
Gesinnung und die Persönlichkeit des Einen Gottes, seines Vaters,
widerzuspiegeln.
Als Paulus das außerordentliche Leben, welches der Messias auf der
Erde führte, beschrieb, hatte er keinesfalls im Sinn, einen Hinweis auf ein
präexistentes Leben zu geben. Er ermahnte die Philipper, so demütig wie
Jesus zu sein. Jesus war ein Modell in seiner Demut und in seinem Dienst.
Dennoch war er in die königliche Familie des Hauses David geboren
worden und hatte sich durch seine Selbstverleugnung den erhöhten Status
eines Herrschers erworben, wie schon Psalm 2 Jahrhunderte vor seiner
Geburt prophezeit hatte. Als er von Pilatus gefragt wurde: „Also bist du
doch ein König?“ antwortete Jesus: „Du sagst es, dass ich ein König bin.
Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen...“ (Joh. 18,37).
Jesus überwand den natürlichen Ehrgeiz, die Welt erobern zu wollen
(obwohl er bei seiner Wiederkunft völlig rechtmäßig die Mächte des
Antichristen besiegen wird). Sein Beispiel einer geduldigen Unterordnung
unter den Willen Gottes führte zu seiner Erhöhung zur rechten Hand des
Vaters. Der springende Punkt war nicht, dass ein präexistentes Mitglied
der Gottheit seinen ursprünglichen Platz, den es kurz verlassen hatte,

15
In Phil. 2,7 gibt es keine Erwähnung von „geboren werden“. Das Wort
genomenos meint einfach „werden“. Jesus nahm den Status eines Knechtes an
und erschien als gewöhnlicher Mensch.
Paulus und die Trinität 101

wieder einnahm, sondern dass ein wahrer Mensch, der Messias, in dem
der Charakter Gottes fehlerlos widergespiegelt wurde (Kol. 1,15), Demut
und Gehorsam gezeigt hatte und er von Gott bestätigt und erhöht wurde.
Paulus beschreibt auch an einer anderen Stelle das Leben Jesu als eine
Demonstration von Demut, wenn er bemerkt, dass „er, der reich war, um
euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (2.Kor.
8,9). Der Messias, obwohl er der designierte König Israels und der Welt
war, opferte sich für andere. Ohne freilich die gleichen Ansprüche wie
Jesus zu stellen, benützt Paulus dieselben Worte für sein eigenes Leben.
Er war „arm, aber viele reich machend, nichts habend und doch alles
besitzend“ (2.Kor. 6,10). Er „suchte nicht Ehre von Menschen......obwohl
wir als Christi Apostel gewichtig hätten auftreten können“ (1. Thess. 2,6).
Paulus betrachtete sich selbst und seine Mitapostel als messianische
leidende Knechte, wenn er die „Knechts-Prophetien“ Jesajas auf seine
eigene Mission (Apg. 13,47; s. Jes. 42,6; Jes. 49,6) anwandte.
Die traditionelle Lesart von Phil. 2 beruht fast zur Gänze auf der
Annahme, Jesu Zustand „er war in der Gestalt Gottes“ beziehe sich auf
ein präexistentes Leben als Gott im Himmel, anstelle einer rechtlichen
Identität mit Gott als menschliche Person auf der Erde.
Unglücklicherweise haben Kommentatoren viel dazu beigetragen, diese
Ansicht zu bestärken. Das Zeitwort „war“ im Satz „er war in der Gestalt
Gottes“ kommt im Neuen Testament häufig vor und bedeutet keinesfalls
sinngemäß „von Ewigkeit an bestehend“, obwohl manche Übersetzungen
diese Idee hineinbringen. In 1.Kor. 11,7 schreibt Paulus, dass ein Mann
sein Haupt nicht bedecken soll, weil er Bild und Abglanz Gottes ist. Das
Zeitwort „ist“ hier ist eine Form des selben Verbs, welches gebraucht
wird, um Jesus als in Gestalt Gottes zu beschreiben. Die Absicht von
Paulus war nicht, ein ewig göttliches, zweites Mitglied der Trinität
einzuführen, sondern über Demut am Beispiel des historischen Jesus zu
lehren. Es gibt keinen klaren Beweis in diesem Abschnitt, dass Paulus ein
Trinitarier war, der an die traditionelle Doktrin der Inkarnation glaubte.
Wir schlagen folgende Übersetzung des Originaltextes von Philipper
2 vor:
„Nehmt die selbe Haltung an wie Jesus, der Messias: Er, obwohl er
eine göttliche Stellung hatte, dachte nicht daran, seine Gleichheit mit Gott
zu seinem eigenen Vorteil zu benutzen, sondern verzichtete auf seinen
Rang, indem er die Rolle eines Sklaven annahm und wie alle anderen
Menschen wurde. In seiner Erscheinung als gewöhnlicher Mensch,
erniedrigte er sich durch seinen Gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am
102 Paulus und die Trinität

Kreuz“. In dieser Übersetzung gibt es nichts, was uns auf ein präexistentes
Wesen hinweist. Die Erhöhung des Messias zur Rechten Gottes ist die
Erfüllung von Psalm 110,1. Es wurde gut argumentiert, dass der Text
folgendermaßen gelesen werden sollte: „Im Namen Jesu beuge sich jedes
Knie“ (wie es auch die Elberfelder und die Luther Übersetzung
wiedergeben) und nicht „vor dem Namen Jesu“ (Phil. 2,10). So verändert
auch die oberste Erhöhung Jesu zur rechten Hand des Vaters nicht die
Tatsache, dass alles, was Jesus bewirkte, zur Ehre Gottes dient. Der Herr
zur Rechten Gottes ist, wie wir uns in Erinnerung rufen, adoni, was
niemals als Titel für die Gottheit gebraucht wird.

Kolosser 1,15-17
Um die erhöhte Position des auferweckten Messias, seine Autorität
über alle Feinde und seine besondere Rolle im Plan Gottes zu betonen,
schrieb Paulus an die Gemeinde in Kolossä:

„Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung.
Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das
Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten
oder Mächte; alles ist durch ihn und zu ihm hin erschaffen; und er ist vor allem,
und alles besteht durch ihn“ (Kol. 1,16).

Einige sind überzeugt davon, dass dieser Abschnitt genügend Beweis


ist um alles, was Paulus an anderen Stellen über den christlichen Glauben
als „Glauben an den einen Gott, den Vater“, sagte, umzustürzen. Einige
Dinge sollten jedoch beachtet werden. Der trinitarische Gelehrte James
Dunn macht eine wichtige Beobachtung, wenn er über den oben zitierten
Abschnitt spricht:

„Wir müssen die Tatsache verstehen, dass Paulus nicht versuchte, Menschen
zum Glauben an ein präexistentes Wesen zu bringen. Er musste nicht den
Ausdruck der „präexistenten Weisheit“ einführen. Solche Sprache wurde
normalerweise gesprochen, war üblich und sicherlich nichts Unbekanntes für die
meisten seiner Leser. Er behauptete auch nicht, Jesus sei ein bestimmtes
präexistentes Wesen gewesen....Was er sagte war, dass Weisheit, was auch immer
dieses Wort für seine Leser bedeutete, nun in aller Fülle in Jesus ausgedrückt
wurde – Jesus war die vollständige Verkörperung göttlicher Weisheit; all die
göttliche Fülle wohnte in ihm. Der Fehler, den viele (unbewusst) machen, ist, die
Argumente von Paulus umzudrehen und sie in die falsche Richtung deuten zu
lassen. Weil eine Sprache, die präexistente göttliche Wesen ins Auge zu fassen
scheint, fremd für unsere Ohren ist, so ist es einfach (durch eine illegitime
Paulus und die Trinität 103

Übertragung der Voraussetzungen des 20. Jahrhunderts in das erste Jahrhundert)


anzunehmen, dass das der Grund ist, warum diese Art der Sprache benutzt wurde
(um den Glauben an präexistente göttliche Mittler zu bestärken) und dass Paulus
versuchte, Christus mit oder als ein solches Wesen zu identifizieren.“16

Wir zitieren Professor Dunn ausführlich wegen seiner wichtigen


Aussage über die Gefahr, Paulus so zu lesen, als sei dieser mit den
späteren Entscheidungen der Kirchenkonzile vertraut gewesen. Paulus
sollte in seinem hebräischen Kontext gelesen werden. Dunn schreibt nicht
als ein Anti-Trinitarier. Aber er findet keinen Hinweis für die Trinität in
diesem Abschnitt. Er fährt fort:

„Doch die Sprache von Paulus war natürlich durch die Kultur und die
kosmologischen Annahmen seiner Zeit geprägt. So argumentierte er nicht für die
Existenz eines präexistenten göttlichen Wesens oder für die Existenz eines
bestimmten göttlichen Wesens.......und der Sinn ist natürlich, wenn man diese Art
der Sprache im jüdischen Monotheismus versteht, dass Jesus als die weise
Aktivität Gottes gesehen wird, als die Weisheit und Verkörperung der Weisheit
Gottes, vollständiger als jede vorherige Manifestation derselben Weisheit, sei es
in der Schöpfung oder im alten Bund.“17

Die Analyse Dunns genügt, um uns zu zeigen, dass diese Passage der
Schrift keinen Glauben an eine Gottheit bestehend aus zwei oder drei
Personen begründet. Einige weitere Punkte sollten betrachtet werden.
Paulus nennt Jesus den Erstgeborenen aller Schöpfung. Im natürlichen
Sinn schließt der Ausdruck Erstgeborener die Vorstellung eines
ungeschaffenen, ewigen Wesens aus. Geboren zu werden benötigt einen
Beginn. Gottes Erstgeborener ist „der höchste der Könige auf Erden“ (Ps.
89,27). Paulus wendet einen bekannten messianischen Titel an. Jesus ist
für Paulus nicht Gott, aber der Messias – und da gibt es einen großen
Unterschied.
In vielen Übersetzungen heißt es, „alle Dinge sind durch ihn (den
Messias) geschaffen“. Die Präpositionen in Kol. 1,16 müssen korrekt
übersetzt werden (wie wir an den Randversionen der
Standardübersetzungen sehen). Was Paulus wirklich schrieb, war, dass
„alle Dinge“ – in diesem Fall „Throne, Herrschaften, Gewalten und
Mächte“ „in“ Jesus geschaffen wurden – „durch“ ihn und „für“ ihn. Es

16
Christology in the Making, 195
17
Ebenso, 195, 196
104 Paulus und die Trinität

heißt nicht, dass Jesus der Schöpfer im Eröffnungsvers von 1.Mose war,
sondern dass er in der Mitte von Gottes kosmischer Hierarchie war. Alle
Mächte sollten dem Sohn untertan sein, der letztendlich alles seinem
Vater unterwerfen würde, dem Obersten, dem er zur Treue verpflichtet
war, damit „Gott (der Vater) alles in allem ist“ (1.Kor.15,28).18 Es wäre
eigenartig zu sagen, Jesus habe alle Dinge für sich selbst geschaffen (Kol.
1,16). Der Punkt ist eher, dass Gott alles mit dem Gedanken an Jesus, mit
ihm als Anlass für die Schöpfung und so für ihn schuf. Als Erstgeborener
ist Jesus der Erbe des Universums, welches Gott für Seinen verheißenen
Sohn als designierten Erben schuf. Paulus rückt in diesem Abschnitt die
neue Schöpfung in den Blickpunkt, die durch die Auferstehung Jesu, des
Erstgeborenen aus den Toten, begonnen wurde (Kol.1,18). Die
Bezugnahme auf die Schöpfung von Engeln bedeutet nicht die Existenz
Jesu zum Zeitpunkt der Schöpfung. Wie immer ist der Zusammenhang ein
wichtiger Faktor in der Interpretation. Paulus konzentriert sich in diesem
Abschnitt auf „Erbe“, „Reich“ und „Mächte“ (Kol. 1,12,13,16). Dies
deutet stark darauf hin, dass er an die Herrschaft des Messias über die
gesamte Schöpfung denkt, als neue Ordnung, die Gott von Anfang an im
Sinn hatte und als deren Haupt Christus ernannt wurde. In diesem Fall
gibt es keine Bezugnahme auf die Schöpfung in 1. Mose und so auch
keinen Hinweis auf die Präexistenz. Wie üblich ist der Kontext ein
wichtiger Faktor bei der Interpretation.
Ausdrücke, die, wie Dunn sagt, im 20. (und jetzt natürlich auch im
21.) Jahrhundert antiquiert erscheinen, und die deswegen besonders
vorsichtig behandelt werden müssen, liefern keine Grundlage für den
Glauben an die Präexistenz Jesu. Paulus glaubte, dass Gottes Plan die
Vorherrschaft des Messias über alles Geschaffene, sei es nun sichtbar oder
unsichtbar, im Himmel oder auf Erden, seien es Throne, Herrschaften,
Gewalten oder Mächte, vorsah. Jesus war der Anfangspunkt aller
Kreativität Gottes – der Schlüssel zu Gottes ganzem Vorsatz und auch die
Verkörperung von Gottes Weisheit. Der Messias jedoch war nicht ein
ewiges Wesen, sondern eine menschliche Person, die zur festgesetzten

18
Wir stellen fest, dass gemäß J.H. Moulton (Hrsg.), Grammar of New Testament
Greek (T&T Clark,1963), Kol. 1,16 folgendermaßen wiedergegeben werden
sollte: „denn wegen ihm (Jesus).....(3:253). Das ergibt einen völlig anderen Sinn
als: „durch ihn...“. Siehe auch: Expositor’s Greek Commentary“ (Hrsg. W.
Robertson Nicoll, Grand Rapids: Eerdmans, 1967) über diesen Vers: „en auto:
Das bedeutet nicht ‚durch ihn’“ (504). Übersetzer scheinen diesen Autoritäten
wenig Beachtung geschenkt zu haben.
Paulus und die Trinität 105

Zeit geoffenbart werden sollte und die nun, als Erstgeborener aus den
Toten, dazu qualifiziert ist, der neuen Ordnung vorzustehen (Eph. 1,10).

1. Korinther 10,4
Viele, welche an die persönliche Präexistenz Jesu glauben, beziehen
sich auf die Worte des Apostels in 1. Kor. 10,4, wo er über die Israeliten
in der Wüste schreibt, dass sie alle „aus einem geistlichen Felsen, der sie
begleitete, tranken. Der Fels aber war der Christus“.
John Cunningham bemerkte:

„Auf Grundlage dieses Textes wird behauptet, dass Christus persönlich das
Volk Israel begleitete, als dieses durch die Wüste ins verheißene Land zog. Um
dieses Argument zu unterstützen werden 5.Mo. 32,4 und Ps. 18,2 zitiert, weil
Jahwe (Gott) dort als Fels beschrieben wird. Weil nun Gott der Fels ist und
ebenso Christus als Fels, der das Volk Israel begleitete, bezeichnet wird, schließt
man, dass Christus Jahwe bzw. der Gott des Alten Testaments sein muss.“19

Ein Text, der Gottes Aktivität über die Zeitalter betrachtet, sagt:
„Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals geredet hat zu
den Vätern in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet
im Sohn“ (Hebr. 1,1-2). Das scheint zu bestätigen, dass Jesus bis zu seiner
Geburt als Mensch weder Sohn Gottes noch Botschafter Gottes an die
Menschheit war. Dasselbe Buch an die Hebräer deutet an, dass das Wort
in alttestamentlicher Zeit durch Engel gesprochen wurde (Hebr.2,2).
Wenn nun die Botschaft an Israel durch denselben präexistenten Jesus, der
später Mensch wurde, gesprochen wurde, so scheint dem Schreiber dieses
neutestamentlichen Buches diese Tatsache unbekannt gewesen zu sein.
Botschaften wurden sicherlich durch Propheten und Engel überbracht,
aber es gab niemals einen Hinweis darauf, dass die alttestamentliche
Botschaft jemals durch den einen, der später als Sohn identifiziert wurde,
überbracht worden wäre.
Nimmt man 1. Korinther 10,4 allein, ohne den Kontext oder die
hebräische Denkweise von Paulus zu beachten, so scheint diese Stelle
anzudeuten, Christus sei vor seiner Geburt lebendig gewesen. Es gibt
zahlreiche andere Schriftstellen, die zeigen, dass Engel üblicherweise die
Botschaften Gottes an Israel überbrachten. Stephanus spricht über Mose

19
„That Rock Was Christ“, Restoration Fellowship, 1981. Wir sind sowohl
diesem Autor für die stichhaltigen Argumente als auch James Dunns Christology
in the Making, 183, 184, zu Dank verpflichtet.
106 Paulus und die Trinität

und die Gesetzgebung: „Dieser ist es, der in der Gemeinde in der Wüste
gewesen ist mit dem Engel, der auf dem Berg Sinai zu ihm redete.......Er
empfing lebendige Aussprüche, um sie uns zu geben“ (Apg.7,38).
Apostelgeschichte 7,53 stellt fest, dass sie das Gesetz durch Anordnung
von Engeln empfangen und nicht befolgt haben. Paulus spricht auch von
der Rolle der Engel im Gegensatz zu einem späteren Offenbarer, der „der
Nachkomme“ genannt wird (der Messias): „Was soll nun das Gesetz? Es
wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt – bis der Nachkomme
(Jesus) käme, dem die Verheißung galt – angeordnet durch Engel in der
Hand eines Mittlers“ (Gal.3,19). Paulus fährt fort, indem er die Einheit
Gottes bestätigt: „Ein Mittler ist aber nicht Mittler von einem; Gott aber
ist nur einer“ (Gal.3,20). In jeder dieser Passagen ist es klar, dass die
Gesetzgebung durch die Engel eine wichtige Rolle spielt. Aber es sollte
nicht übersehen werden, dass das gemeinsame Thema die Überlegenheit
des Evangeliums über das Gesetz ist. Das Gesetz wurde nur durch die
Engel vermittelt, aber die Gute Nachricht (Evangelium) wurde durch den
Sohn gebracht und ist deswegen unvergleichlich erhabener. Paulus
glaubte sicherlich nicht an die Präexistenz Jesu als Engel.
Christus konnte auch gar keinen Anteil an der Gesetzgebung an Israel
oder beim Dienst an den Israeliten in der Wüste gehabt haben. Die Wahl
des Wortes „Same“ oder „Nachkomme“ bei Paulus ist sehr zutreffend.
Der „Same“ – als Christus erkenntlich gemacht - war noch nicht
gekommen und noch nicht aktiv im Dienste Gottes.
Es ist klar, dass „der Same“ für Paulus hier und an anderen Stellen -
Same Abrahams (1.Mo. 22,18), Same Judas (1.Mo. 49,10) und Same
Davids20 - speziell Christus, den verheißenen Nachkommen der
Patriarchen und Davids, bedeutete. Römer 1,3 beinhaltet einen direkten
Hinweis auf Christus als Sohn Gottes. Das Evangelium bescheinigt: „Sein
Sohn, der aus der Nachkommenschaft Davids gekommen ist dem Fleisch
nach und als Sohn Gottes mit Kraft eingesetzt.“ Das wiederholte Beharren
auf den Sohn, der von einer Frau geboren wurde und ein Nachkomme
eines Menschen war, ist unausweichlich. Der Messias sollte aus der
menschlichen Rasse kommen. Das ist genau das, was die Juden der
damaligen Zeit und die frühe Gemeinde glaubten und erwarteten. Es hätte
einen überwältigenden Widerspruch zu den Worten der Propheten
bedeutet, wenn Paulus gelehrt hätte, der Messias sei persönlich, schon als
Sohn Gottes, mit dem Volk Israel in der Wüste gewesen.

20
2. Sam. 7, 12-14 mit Jes. 11,1; Rö. 1,3; 2. Tim. 2,8
Paulus und die Trinität 107

Wir müssen uns vor einer mehr als wörtlichen, starren Lesart von
1.Kor. 10,4 hüten und uns die hebräische Verwendung von Symbolen und
die jüdische Art zu sprechen, ins Gedächtnis rufen. Es ist für die Schrift
nicht ungewöhnlich, das Zeitwort „sein“ in einem weniger wörtlichen
Sinn zu verwenden. Jesus sagte: „Dieser Kelch ist der neue Bund in
meinem Blut“ (Lk.22,20). Das Verb „sein“ bedeutet nicht einfach eine
eins-zu-eins Identität; die Sprache ist symbolisch: „Dieser Kelch
repräsentiert mein Blut“.
Der unmittelbare Zusammenhang von 1.Kor.10,4 schließt uns auf, wie
Paulus denkt. Paulus sieht die Erfahrungen Israels in der Wüste als
Beispiele, „Typen“ oder Modelle gegenwärtiger christlicher Erfahrungen.
Wie Paulus sagt: „All dies widerfuhr jenen als Vorbild.....“ (1.Kor.10,11).
Der Durchzug Israels durch das Rote Meer war ein Sinnbild für die Taufe.
Die „geistliche“ Nahrung, die in Vers 3 erwähnt wird, ist klarerweise das
Manna, welches über einen Zeitraum von 40 Jahren auf wundersame Art
täglich gegeben wurde. Sie tranken auch von einem „geistlichen Felsen“.
Diesen einzelnen Hinweis auf den Felsen, der dem Volk Israel folgte,
als Beweis für einen „vor-menschlichen“ Jesus zu nehmen, verfehlt den
Sinn der Lektion von Paulus. Es übersieht auch die Tatsache, dass die
Juden nichts anderes als einen menschlichen Messias erwarteten. Ein
näherer Blick auf die Geschichte im Alten Testament, die Paulus im Sinn
hatte, zeigt uns, dass es zwei Begebenheiten gibt, bei denen auf der
Wanderung der Israeliten durch die Wüste ein Fels erwähnt wird. Es ist
wichtig, den Unterschied zwischen den beiden zu bemerken.
Die erste geschah gleich, nachdem das Manna das erste Mal auf so
wundersame Weise gegeben worden war. Israel kam nach Rephidim und
begann sofort über den Mangel an Wasser zu murren. Daraufhin befahl
Gott Mose, den Felsen zu schlagen. Es kam Wasser heraus und der Durst
des Volkes wurde gestillt (2. Mo. 17,1-6). Der Schlag auf den Felsen
symbolisiert die Tatsache, dass Christus, unser Felsen, später für die
Sünden der Welt zerschlagen wurde. Das Wasser deutete aber auch schon
die Gabe des Heiligen Geistes an, der von Jesus als Wasser des Lebens
beschrieben wird: „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke“
(Joh.7,37). Der Felsen in der Wüste war eine Darstellung des Messias, der
als Geber des Heiligen Geistes kommen würde.
Das zweite Vorkommen eines Felsens geschieht gegen Ende der
Wüstenwanderung. Wieder murrte Israel wegen des Wassermangels und
wiederum sorgte Gott für ihre Bedürfnisse. Dieses Mal befahl er Mose, zu
dem Felsen zu sprechen, aber in seinem Zorn gehorchte Mose nicht und
108 Paulus und die Trinität

schlug den Felsen zweimal (4.Mo. 20,1-12). Weil er den Felsen schlug,
anstatt zu ihm zu sprechen, wurde Mose schuldig, den Sinn des „Modells“
zerstört zu haben. Der Felsen in 2. Mose symbolisierte Christus im
Fleisch, zerschlagen, um uns das Wasser des Lebens zu geben, während
der Felsen in 4. Mose Christus als unseren Hohepriester darstellt, der nicht
zweimal geschlagen werden darf, sondern den man um das Wasser des
Lebens anspricht.
Das erste Geschehnis begab sich am Beginn der Wanderung, das
zweite am Ende; beide Geschehnisse sind eine Parabel über die bleibende
Gegenwart Christi mit seinem Volk während seiner „Wüstenwanderung“,
der christlichen Reise hin zum „verheißenen Land“ des Königreiches
Gottes.
Die beiden Geschehnisse, die wir eben betrachteten, begaben sich an
völlig verschiedenen Orten und es werden auch zwei verschiedene Wörter
für „Fels“ verwendet. In 2. Mose 17 steht das Wort tsur und in 4.Mose 20
steht sela. Was nun meint Paulus, wenn er schreibt „sie tranken von einem
geistlichen Felsen, der ihnen folgte“? Logischerweise folgte dem Volk
Israel kein wirklicher Felsen. Eine bessere Antwort wäre die, dass Paulus
die Sprache christlicher Erfahrung gebraucht und sie auf das
alttestamentliche Modell anwendet. Das zeigt sich deutlich bei seiner
Bezugnahme auf die Taufe zu Beginn seiner Diskussion. Die Israeliten
wurden nicht wirklich getauft. In der Tat, es wird uns gesagt, dass ihnen
das Wasser nicht nahe kam; sie gingen trockenen Fußes durch das Rote
Meer. Aber ihre Erfahrung ist für Mose eine naheliegende Parallele und so
schreibt er, sie seien „auf Mose getauft worden“. Ebenso folgte ihnen der
Fels nicht wirklich. Es war einfach ein „Modell“ oder „Typ“ Christi, der
die Christen durch ihr Leben begleitet. Das ist auch genau das, was auch
Paulus behauptet: „Alles dies widerfuhr aber jenen als Vorbild...“ (1.Kor.
10,11).
Die Beweislage ist viel zu dünn, um zu behaupten, Paulus hätte ein
neues Dogma über einen präexistenten Gott-Mann einführen wollen. Das
würde seinen eigenen Argumenten widersprechen, wenn er schreibt, dass
Christus in Existenz kam. Hätte er behauptet, der Messias sei eine
gleichberechtigte Person mit Gott, so hätte seine radikale Abkehr von
seinem jüdischen Erbe einer genaueren Darstellung bedurft.
Wir müssen gegenüber dem Fehler, spätere trinitarische Tradition in
die Schriften des ersten Jahrhunderts hineinzulesen, wachsam sein. Die
Wahrheit über die Identität und den Ursprung Jesu muss strikt auf die
Information begründet sein, die uns von den Schriften der frühen
Paulus und die Trinität 109

Gemeinde im Neuen Testament überliefert ist. Es ist zu einfach, die


Schriften durch Brillen zu lesen, welche durch Doktrinen des 2. bis 5.
Jahrhunderts gefärbt sind.
Es gibt genaue Prophetien im Alten Testament, die sich auf Jesus
beziehen, aber keine von ihnen zeigt ihn außerhalb der
Menschheitsfamilie. Die meisten werden zustimmen, dass die erste
Prophetie in 1.Mose vorkommt, wo Gott zur Schlange sprach: „Und ich
werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem
Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du, du
wirst ihm die Ferse zermalmen“ (1.Mo. 3,15).
Es ist ganz klar der menschliche Nachkomme Evas, der die Schlange,
oder Satan, unterwerfen würde. Sowohl Juden als auch Christen glauben,
dass sich diese Prophetie im Messias erfüllen soll, aber keine dieser
beiden Gruppen findet im Text einen Hinweis darauf, dass der Messias
bereits am Leben war.
Wenn wir Paulus hören, wie er zu der Welt der Heiden, die durch die
Männer Athens repräsentiert wird, spricht, so erinnern uns seine Worte an
einen Propheten des Alten Testamentes. Er nimmt Bezug auf den Einen
Gott Israels und sagt: „Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was
darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln,
die mit Händen gemacht sind“ (Apg.17,24). Das ähnelt der Aussage
Jesajas: „Ich, der Herr, bin es, der alles wirkt, der die Himmel ausspannte,
ich allein, der die Erde ausbreitete - wer war da bei mir?“ (Jes.44,24). Mit
diesem fundamentalen jüdischen Monotheismus zu brechen und eine
andere ungeschaffene Person als einen aktiven Helfer bei der Schöpfung
in 1.Mose einzuführen, steht in krassem Widerspruch zum
offensichtlichen Glauben von Paulus an die grundsätzlichen Lehren der
jüdischen Theologie, insbesonders an den entschlossenen unitarischen
Monotheismus.
Es geschah nicht vor dem 4. Jahrhundert, mehr als 300 Jahre nach
dem Tod des Gründers des Christentums, dass Kirchenfürsten es für nötig
befanden, das trinitarische Dogma offiziell zu formulieren und es allen
Gläubigen als Bedingung für ihre Kirchenzugehörigkeit und auch für ihre
Errettung aufzuzwingen.
Wir müssen fragen, wie und warum das geschah. Viele der heutigen
Gläubigen haben keine Möglichkeit, von der Entwicklung des
trinitarischen Dogmas zu erfahren. Wenn weder Jesus noch Paulus jemals
den Glauben an das alttestamentliche Konzept Gottes als einzelne Person
verließen, wie kam es dann zum Wachstum eines Glaubens an eine
110 Paulus und die Trinität

Gottheit bestehend aus zwei oder drei Personen? Die Geschichte der
Entstehung dieses neuen, fremden und äußerst einflussreichen
Glaubenssystems ist bemerkenswert.
5. DER WEG VON DER HEBRÄISCHEN WELT DER BIBEL
ÜBER DIE GRIECHISCHE PHILOSOPHIE INS 20.
JAHRHUNDERT

„Nachapostolische Schriften sind mit Ideen vermischt, die dem


apostolischen Christentum fremd waren. Dieses wird unabsichtlich
verdreht und falsch interpretiert“. – G.T. Purves

„Um das Fach, welches uns als Philosophie bekannt ist, richtig zu studieren,
ist es nicht allein nötig zu lernen, was die großen Denker glaubten. Du musst
lernen, für dich selbst zu denken. Nimm etwas nur an, nachdem du darüber
nachgedacht hast und es dir als richtig erscheint. Dann wirst du Philosophie
anwenden und nicht nur darüber lernen; du wirst ein Philosoph sein.“1

Dieser gute Rat trifft auch auf das Studium der Theologie zu. Es
veranlasst uns, über die wichtige Frage der Veränderungen nachzudenken,
die am apostolischen Christentum vorgenommen wurden, als ab dem
Beginn des 2. Jahrhunderts der Glaube dem römisch - griechischen
Umfeld angepasst wurde. Biblisches Christentum selbst repräsentiert sich
trotz der verschiedenen Betonungen innerhalb des Neuen Testaments als
eine „Philosophie“. Es nimmt in Anspruch zu definieren, was von ewigem
Wert ist (z.B. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes – Mt.6,33 ; So
ist doch für uns ein Gott, der Vater...und ein Herr, Jesus Christus –
1.Kor.8,6); es bietet einen Bericht über den Sinn des Daseins und über
einen obersten göttlichen Plan, der in der Geschichte verwirklicht wird,
an. Unser Anliegen ist es, die Frage zu ergründen, wie weit der
ursprüngliche „Glaube, der für allemal den Heiligen überliefert worden
ist“ (Judas 3), den zu bewahren Judas seine Zeitgenossen aufgefordert
hatte, schrittweise und manchmal unbemerkt unter einer radikalen
Umwandlung durch den Einfluss fremder Philosophien litt. Wenn so ein
Prozess stattfand, so ist es wichtig, wenn wir es mit einer

1
Rogers und Baird, Introduction to Philosophy (Harper& Row, 1981), 21.
112 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

„wahrheitssuchenden“ Philosophie ernst meinen, uns zu bemühen, das


Verlorene oder Verborgene wiederherzustellen.
Nicht-Trinitarier sind oft mit den „Häretikern“ identifiziert worden,
die als Gegenzug dazu neigten, die Orthodoxie ebenso zu bezeichnen. Wie
auch immer, eine Anzahl orthodoxer Kommentatoren sprachen die
Warnung aus, dass in einer Situation nicht alles in Ordnung sein kann, in
der „Christen sich der hellenistischen Kultur anpassten, um zu überleben
und Bekehrte zu gewinnen“.2 Eberhard Griesebach bemerkte in einer
akademischen Vorlesung über „Christentum und Humanismus“ im Jahre
1938, dass „das Christentum beim Kontakt mit der griechischen
Philosophie zur Religion wurde. Das war der Niedergang des
Christentums.“3
Das angesprochene Problem kommt von der Tatsache, dass die
traditionelle Orthodoxie den Anspruch erhebt, ihren Ursprung in den
Schriften zu finden, und dennoch Elemente einer Synthese aus der Schrift
und aus dem Neo-Platonismus enthält.4 Die Vermischung hebräischen und
griechischen Denkens wurde im ersten und zweiten Jahrhundert,
beeinflusst durch den Hellenismus der Kirchenväter, deren Theologie von
den Platonisten Plotinus und Porphyrus5 gefärbt war, in Gang gebracht.
Die Auswirkungen des griechischen Einflusses werden von den
Theologen weitgehend erkannt, aber der Mehrzahl der Gläubigen sind sie
unbekannt.
G.A.T. Knight stellt fest:

„Viele Leute heute, auch Gläubige, sind weit davon entfernt, die Basis ihres
Glaubens zu kennen....ziemlich unbewusst verlassen sie sich in ihrem Verständnis
der Welt, in der sie leben, mehr auf die griechische Philosophie als auf das Wort
Gottes. Ein Beispiel dafür ist der im Christentum vorherrschende Glaube an eine
unsterbliche Seele. Viele Gläubige sind in dieser Welt, in der Leid und
Frustration zu herrschen scheinen, verzweifelt. Und so suchen sie nach einer
Freisetzung ihrer Seelen von der Last des Fleisches, sie hoffen auf einen Eintritt
in die ‚Welt des Geistes’, wie sie es nennen, auf einen Platz, an dem ihre Seelen
ein Gesegnet-Sein finden, das sie im Fleisch nicht entdecken können. Das Alte
Testament, welches die Schrift der frühen Gemeinde war, hat kein Wort für die
moderne (oder alt-griechische) Idee von Seele. Wir haben kein Recht dazu, dieses

2
Ebenso, 5.
3
Zitiert von Robert Friedmann in The Theology of Anabaptism (Herald Press,
1973), 50.
4
Rogers und Baird, Introduction to Philosophy, 5.
5
Ebenso
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 113

moderne Wort in das Wort ‚psyche’ von Paulus zu lesen, denn er gebrauchte es
nicht in demselben Sinn, wie Plato es tat; er drückte damit aus, was auch Jesaja
und Jesus damit gemeint hatten........es gibt etwas, was wir an dieser Stelle sicher
behaupten können und das ist, dass die populäre Doktrin über die Unsterblichkeit
der Seele nicht bis zur biblischen Lehre zurückverfolgt werden kann.“6

Ungeachtet all dieser Warnungen fährt die populäre Predigt damit


fort, im Namen Christi diese Lehre eines Weges in den Himmel als
körperlose Seele im Moment des Todes zu verbreiten.
Die Beanstandung, dass die Schrift ständig durch eine neo-platonisch
gefärbte Brille gelesen wird, erhebt auch Neill Hamilton und er ist besorgt
über den Effekt der griechischen Denkweise auf unsere Lesart der
biblischen Eschatologie (der Lehre über die Zukunft): „Mein Eindruck ist,
dass die übereinstimmende Meinung in der Kirche mehr durch die außer-
christliche Idee der unsterblichen Seele geformt ist, als durch
Vorstellungen, die durch ein treues Hören auf die neutestamentlichen
Zeugen gewonnen wurden.“7
Dieses Zeugnis warnt und zeigt uns, dass den biblischen Dokumenten
neue Bedeutungen übergestülpt wurden. Dieser Prozess muss in einer
Lockerung des Bandes resultieren, welches uns an die ursprüngliche
Absicht der biblischen Schreiber knüpft. Klar, wenn wir einen
vorgegebenen Ausdruck in einen neuen sprachlichen Kontext stellen,
besteht die große Gefahr, dass die ursprüngliche Bedeutung ganz verloren
geht. Ja, die „biblische Geschichte“ kann so fast bis zur Unkenntlichkeit
verzerrt werden. Die Frage stellt sich, wie weit wir die Stimmen der
Apostel hören, besonders wenn wir uns nicht bewust sind, welche
Spannung unser stark griechisch beeinflusstes Erbe auf unsere Lesart der
Schrift hat.
Die Übersetzung der Bibel in die Sprache des Neo-Platonismus
scheint einige grundsätzliche Ausdrücke, die biblische Sicht des
Menschen betreffend, beeinträchtigt zu haben. Sie hat auch dazu
beigetragen, die biblische Ansicht Christi und auch der Gottheit zu
verschleiern. Diese Frage ist wichtig, weil die Glaubensbekenntnisse,
welche die Trinität für die Nachfahren definierten, in einem griechisch-
römischen Milieu geformt wurden.

6
Law and Grace (Philadelphia: Westminster Press, 1962), 78, 79.
7
„The Last Things in the Last Decade“, Interpretation 71 (April, 1960): 136.
114 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

Die weiteren christologischen Fragen


Der Antrieb für diese Erkundung des biblischen Portraits von Jesus
und seiner Beziehung zu Gott kommt von einem langen Nachdenken über
die plagereiche Geschichte der Christologie. Theologen, welche die
Entwicklung der Zeit vor dem Konzil von Nizäa in Bezug auf die Lehre
über Christus studierten, sind der Meinung, dass ein korrumpierender
Einfluss am Werk war, als sich der christliche Glaube von der Sicherheit
seiner ursprünglichen jüdischen Umgebung entfernte und der gefährlichen
griechischen Philosophie ausgesetzt war. Dieser Übergang könnte mehr
beinhaltet haben als einfach eine legitime Neuformulierung der
christlichen Wahrheit für neue, aus dem Heidentum bekehrte Christen.
Der Christus der Kirchenkonzile des vierten und fünften Jahrhunderts
stellte sich als eine völlig andere Figur dar, als jener Jesus, den die
neutestamentlichen Schreiber einmütig als den Messias, durch den Gottes
Plan mit der Welt erfüllt wurde, verkündigten.
Einige überraschende Zitate sollen illustrieren, dass mit dem Glauben
nicht alles in Ordnung war, als der Versuchung nachgegeben wurde,
religiöse Konzepte aus der heidnischen Umgebung einzubinden.
L.W.Grensted bemerkte im Jahre 1933 über die Entwicklung des
Christentums:

„Das Erbe der Philosophie kam sehr schleichend herein. Im zweiten


Jahrhundert finden wir Justin den Märtyrer und andere, welche das Christentum
als eine Philosophie der Schulen bezeichnen........das Wort (logos) des Stoizismus
wird mit dem Wort aus Johannes gleichgesetzt....das wachsende Netzwerk der
Phantasie....blieb eine sehr reale Gefahr, und sie bleibt es bis zum heutigen
Tag.....In der Zwischenzeit, und das ist besonders ernst, befiel eine radikale
Verwirrung die Lehre von Gott. Der personale Gott des Judentums wurde sehr
unvollkommen mit den Halbgöttern der populären griechischen Religion
vermischt, ebenso wie mit metaphysischen Abstraktionen, durch welche die
Philosophen versucht hatten, das Konzept Gottes zu einer adäquaten Basis für
Denken und Dasein zu machen.“8

Die Christologie blieb durch die Neuformung der Lehre über Gott
nicht unberührt; aber kann das Neue Testament mit seinem Erbe der
Propheten Israels ohne Verlust eines essentiellen Elementes von der
griechischen Philosophie eingenommen werden? Die Sorge von Filson
kommt in der folgenden Aussage zum Ausdruck:

8
The Person of Christ (London: Nisbet and Co. Ltd., 1933), 122.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 115

„Die grundlegende Verwandtschaft des Neuen Testaments ist nicht mit seiner
heidnischen Umgebung, sondern vielmehr mit dem jüdischen Erbe und der
Umgebung, die wir im ersten Teil des Vortrags behandelt haben. Sehr oft werden
wir durch unser traditionelles Glaubensbekenntnis und unsere Theologie
angeleitet, Denkweisen zu benutzen, die von heidnischen und auch besonders von
griechischen Auffassungen herstammen. Wir wissen, dass sich schon im zweiten
Jahrhundert Ausleger systematisch darum bemühten, aufzuzeigen, wie der
christliche Glaube die griechische Theologie perfektioniert. ...Das Neue
Testament spricht immer mit Ablehnung und gewöhnlich mit offener
Verurteilung von heidnischen Kulten und Philosophien. Im Grunde stimmt es mit
der jüdischen Anklage der heidnischen Welt überein.“9

Befürchtungen über die Art, in der die griechische Philosophie den


Glauben schädigte, sind sehr verbreitet. Besonders unverblümt sind die
Warnungen von Norman Snaith:

„Es gab immer Juden, welche versuchten, mit der heidnischen Welt gut
auszukommen und für sie bedeutete es nach einiger Zeit den Tod des Judentums.
Ebenso gab es auch von Anfang an Christen, die das ebenso wollten. Oft wurde
es unbewusst getan, aber ob nun bewusst oder unbewusst, die Frage muss gestellt
werden, ob es richtig ist. Unsere Überzeugung ist die, dass die Neuinterpretation
biblischer Theologie in Denkweisen der griechischen Philosophen in allen
Jahrhunderten weit verbreitet war und sich überall destruktiv auf das Wesentliche
des christlichen Glaubens ausdrückte...... Die gesamte Bibel, sowohl das Neue als
auch das Alte Testament, ist auf hebräische Einstellung und Haltung aufgebaut.
Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Tatsache immer mehr bekannt
gemacht werden muss. Für uns ist es klar, und wir hoffen, das mit diesen Seiten
auch für andere klar zu machen, dass oft ein großer Unterschied zwischen
christlicher und biblischer Theologie besteht....weder die katholische noch die
protestantische Theologie sind auf biblischer Theologie aufgebaut. Bei beiden
sehen wir die Überlagerung durch die griechische Denkweise.... Wir meinen, es
gibt keine richtige Antwort (auf die Frage: was ist das Christentum?), bis wir eine
klare Sichtweise über die charakteristischen Aussagen sowohl des Alten als auch
des Neuen Testamentes und den Unterschied zu den heidnischen Ideen, welche so
weitgehend das christliche Denken dominierten, haben.“10

9
F. Filson, The New Testament Against Its Environment (London: SCM Press,
1950), 26, 27.
10
The Distinctive Ideas of the Old Testament (London: Epworth Press, 1944),
187, 185, 188, Hervorhebung beigefügt.
116 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

Christologische Lehrer können heute in einem von zwei Lagern


gefunden werden. Das erste behauptet unentwegt die sogenannte
„orthodoxe“ Sichtweise über die Person Christi, obwohl sie in Rätseln
über die von ihnen beschriebene Person sprechen:

„Jesus könnte der ‚einzige Sohn’ (eingeboren bedeutet einzigartig) und ein
wahrer Vertreter der Menschen sein, ‚ganz Gott und ganz Mensch mit zwei
‚Naturen’ in einer ‚Person’, ohne Verwirrung, Änderung, Teilung oder Trennung
der beiden (ein Zitat aus der doktrinären Entscheidung des Konzils von
Chalcedon, 451 n. Chr.). Jesus war ‚Mann’, nicht ‚ein Mann’; sein Ich, seine
Persönlichkeit, waren göttlich, präexistent, die sich in einen menschlichen Körper
hüllten und auch aus diesem heraus wirkten; er ‚kam in die Geschichte, nicht aus
der Geschichte’; er war Gott im Mann und handelte aus dem Mann, kein Mann,
der auf göttliche Ebene erhoben worden war. Sein Mann-Sein war ganz und
komplett, er war völlig ‚vereinigt’, trotz seiner alters – und ortsabhängigen
Einschränkungen als Jude.......Das Vorhergegangene mag uns trocken,
akademisch und schwer verständlich vorkommen. Das ist ein Resultat unserer
Einstellung, der des griechischen Denkens......Jesus und seine ersten Jünger
akzeptierten nicht nur fraglos den jüdischen Monotheismus; Jesus beteuerte ihn
ausdrücklich (Mk.12,29 ff). Der Glaube an den einen Schöpfergott ist folglich die
Grundlage des christlichen Glaubens und wir müssen von Beginn an jede
Vorstellung aufgeben, dass die Lehre der Trinität sie entweder preisgibt oder
verändert.“11

Andererseits haben sich im Lauf der christlichen Geschichte viele


gefragt, ob solche „orthodoxe“ Definitionen über die Person Christi so
einfach mit dem eindeutig monotheistischen Glauben Jesu (zitiert in
Mk.12,29ff) vereinbart werden können. Der zeitgenössische römisch-
katholische Gelehrte Thomas Hart schreibt über die orthodoxe
Christologie mit folgender Mahnung:

„Jesus wird Mann im allgemeinen Sinn genannt, aber nicht ein Mann. Er hat
eine menschliche Natur, er ist aber keine menschliche Person. Die Person in Ihm
ist die zweite Person der Heiligen Dreieinigkeit. Jesus hat kein menschliches
Inneres. So umgeht das Konzil (von Chalcedon) das Problem einer gespaltenen
Persönlichkeit“.

11
R.J.W. Bevan, Steps to Christian Understanding (Oxford University Press,
1958), 140, 167.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 117

Er fährt fort:

„Die Mängel, die viele der heutigen Theologen am Modell von Chalcedon
finden:
1. Göttliche Natur und menschliche Natur können nicht Seite an Seite
zusammengestellt und zusammengezählt werden, als ob sie ähnliche
Quantitäten wären.
2. Die Formel von Chalcedon macht ein wahres Menschsein unmöglich. (Diese
Schwierigkeit) entspringt der Tatsache, dass das Göttliche das Menschliche
überschattet und dass Jesus kein menschliches Inneres hat.......
3. Die Formel von Chalcedon hat keine feste Basis in der Schrift. Das Konzil
nennt Jesus wahren Gott. Das Neue Testament scheut davor zurück, Jesus
Gott zu nennen.“12

Das Problem der Sprache


Eine Menge an Problemen entsteht durch die traditionelle
Vorstellung, Jesus sei „Gott“ in dem Sinn, der von den orthodoxen
Glaubensbekenntnissen gefordert wird. Präsentiert uns das Neue
Testament wirklich diese Definition der Erlösers, oder haben wir
vielleicht einen Teil der Angaben missverstanden und verdrehen so die
christologische Botschaft des Neuen Testaments? Gibt es da vielleicht
eine semantische Barriere zwischen unserer Art, neutestamentliche Worte
zu lesen und der ursprünglichen Absicht der Autoren der Schrift?
Ein Engländer, der Amerika besucht und bemerkt, er sei „mad about
his flat“ sollte nicht erwarten, verstanden zu werden. Diese Situation kann
ein gutes Beispiel für das Wortspiel Shaws sein, England und Amerika
seien zwei Länder, die durch die gemeinsame Sprache getrennt wären. In
England würde der Engländer so verstanden werden, dass er „über seine
Wohnung begeistert ist“. Auf der anderen Seite des Atlantiks würde man
denken, er „ärgere sich über einen platten Reifen“. Ein ähnlicher
Zusammenbruch der Kommunikation findet statt, wenn der Engländer in
Amerika verkündet „Tom and Jane have broken up“. Der Amerikaner
versteht, dass die beiden ihre Beziehung beendet hätten. In England
bedeuten diese Worte, dass das Schuljahr zu Ende ist.
Einst wurde ein Amerikaner in England gefragt: „Do you want a pie“?
Die Frage kam von einem Mann, der Milch auslieferte, einem
sogenannten Milchmann, wie er in England genannt wird. Dieses Wort ist
in Amerika, wo die Milch im Supermarkt gekauft wird, ohne Bedeutung.

12
To Know and Follow Jesus, 44-48.
118 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

Der Amerikaner war erstaunt, dass der Milchmann auch „pies“ (Pasteten)
lieferte, bis er bemerkte, was dieser wirklich wollte. In seinem Cockney (=
Ostlondoner) Akzent bedeutete das: „Do you want to pay“? (Möchten Sie
zahlen?). Ein schwerwiegendes Missverständnis entstand durch den
Wortgebrauch der einen Person, welcher der anderen unbekannt war.
Zu ähnlichen Verwechslungen kann es kommen, wenn die Bibelleser
mit der „Sprache“ der Autoren des Neuen Testamentes nicht vertraut sind.
Das bedeutet nicht, dass nun alle Griechisch lernen müssen. Dennoch
muss erkannt werden, dass die neutestamentlichen, hebräischen Christen
Worte oft anders verwendeten, als es bei uns im 21. Jahrhundert der Fall
ist (uns allen ist klar, wie sehr sich die Wortbedeutungen z.B. seit den
frühen Ausgaben der Lutherbibel und heute verändert haben, ja, dass
manche Wörter einen ganz neuen Sinn bekommen haben). Um die Bibel
intelligent lesen zu können, müssen wir uns in die Gedankenwelt des
Neuen Testamentes begeben. Wir müssen die Worte „hören“, so wie sie
damals gehört wurden. Wenn wir das nicht tun, könnten wir den Glauben,
den uns die Apostel zu übermitteln versuchten, ganz schwerwiegend
missverstehen.13

13
In einer interessanten Art wurde diese Aussage auch von einem früheren
Geistlichen der Church of England gemacht, der seine Unfähigkeit verspürte, mit
den jüdischen Dokumenten, die er interpretieren musste, umzugehen. David
Watson schrieb: „Ein verständnisvolles Studium der traditionellen jüdischen
Religion kann uns das Ausmaß anzeigen, in dem der moderne englische Christ
den Worten des Neuen Testamentes eine andere Bedeutung gibt, als es die
jüdischen Schreiber im Sinn hatten. Griechisch war die Sprache, in der sie die
universale christliche Botschaft mitteilten, doch ihre Denkweise war zum größten
Teil hebräisch. Für ein volles Verständnis ist es für den heutigen Christen
notwendig, nicht nur den griechischen Text zu studieren, sondern auch den
hebräischen Sinn dahinter zu erspüren, den die jüdischen Schreiber in
griechischen Worten ausdrücken wollten. Ich kann nicht behaupten, darin sehr
bewandert zu sein, doch machte ich bereits genügend Fortschritte um
herauszufinden, wie falsch ich die Bibel in der Vergangenheit interpretiert hatte.
Wie alle ordinierten christlichen Geistlichen hatte ich dogmatisch und autoritativ
von der Kanzel herab gesprochen, die niemand ohne Erlaubnis des Bischofs
besteigen darf; und vieles von dem, was ich sagte, war irreführend, weil mein
eigener Verstand nicht fähig war, das Buch korrekt zu interpretieren, welches zu
erklären ich autorisiert worden war. Für mich machte das Erkennen dieser
Tatsache die Unterscheidung zwischen Geistlichkeit und Laien unsinnig und das
war auch der Hauptgrund, wieso ich auf meine Weihen verzichtete.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 119

Das Wort „Gott“ und die Frage der Trinität bei Johannes
Was meinen die biblischen Schreiber zum Beispiel mit dem so
überaus wichtigen Wort „Gott“? Verstehen sie, so wie wir, ein
ungeschaffenes, göttliches Wesen, welches seit ewig existiert? Sehr häufig
ist „Gott“ der Name für das höchste Wesen.14 Aber hat vielleicht das Wort
„Gott“ in der Bibel noch eine andere Bedeutung?
Wenn wir erzählen, dass wir dem „Präsidenten“ vorgestellt wurden,
denken die Leute vielleicht, dass man den Bundespräsidenten getroffen
habe. Andererseits könnte auch der Zusammenhang der Erzählung unsere

„Indem ich meine eigenen intellektuellen Defizite beschrieb und auch den
Prozess, durch den ich meine Unfähigkeit erkannte, den Sinn der Bibel über den
riesigen sprachlichen Abgrund hinweg, der mich von den jüdischen Schreibern
trennt, zu verstehen, kann ich sicherlich behaupten, mit Erfahrung aus erster Hand
zu schreiben. Was ich von der Priesterschaft so im Allgemeinen weiß, kann ich
keinen Grund für die Annahme sehen, dass ich in besonderer Weise unter diesem
Mangel litt. Tatsächlich ist die Autorität der gesamten protestantischen
Geistlichkeit, der Anspruch, die Bibel zu verstehen und sie als Wort Gottes
auszulegen, in meinen Augen ein großer Schwindel. Ich klage die Geistlichkeit
nicht an, betrügerisch oder unaufrichtig zu sein. Der Schwindel ist kollektiv;
persönlich sind alle jene, die beteiligt sind, durch ihn getäuscht, ebenso wie ich,
als ich begann, die Bibel von der Kanzel aus auszulegen, völlig davon überzeugt
war, eine korrekte Interpretation zu geben.

„Einige mögen glauben, dass der Ritus der Ordination genügend göttliche Gnade
gewährt, um jede Möglichkeit, die Gemeinde durch eine falsche Interpretation in
die Irre zu führen, auszuschließen. Wenn man dieser Anschauung ist, dass muss
sie mit der unbestreitbaren Tatsache vereinbart werden, dass die christliche
Geistlichkeit als Ganzes eine große Anzahl verschiedener und oft unvereinbarer
Versionen des christlichen Glaubens hervorgebracht hat, die alle angeblich aus
der gleichen biblischen Quelle stammen.....jeder Anspruch, dass Studium und
Weihe nur authentische christliche Lehre hervorbringen, ist betrügerisch.
„Die 39 Articles der Church of England stellen unzweifelhaft fest, dass die
wahre christliche Lehre nicht von Kirchenkonzilen und Traditionen herstammt,
sondern aus der Bibel allein. Anglo-Katholiken glauben das genaue Gegenteil;
wenn einer von ihnen nach der Einleitung zu einem Benefiz diese Artikel
öffentlich vorliest und seine Zustimmung dazu gibt, so leistet er einen Meineid.
Es ist ein legalisierter Meineid.“ (Christian Myth and Spiritual Reality; London,
1967; 28-30).
14
Ho theos, d.h. “der (eine) Gott”, bezieht sich im Neuen Testament etwa 1325
Mal auf den Vater.
120 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

Zuhörer darauf hinweisen, dass wir z.B. den Präsidenten einer


Wirtschafts- oder Handelskammer begrüßen durften. Zum Glück gibt es in
diesem Fall keinen weiten Spielraum für Missverständnisse. Uns ist allen
klar, dass der Titel „Präsident“ auf vielen Ebenen benutzt werden kann. Es
ist sozusagen ein „elastischer“ Begriff, der auf Personen in verschiedenen
Positionen angewandt werden kann. Das Wort selbst ist allerdings unklar.
Seine Bedeutung muss durch seinen Kontext erklärt werden. Wir würden
kaum jemanden als sehr intelligent einschätzen, der darauf beharrt, das
Wort „Präsident“ beziehe sich immer auf den Bundespräsidenten.
Wenn wir die Bibel mit unserer Überzeugung des 21. Jahrhunderts
lesen, dass „Gott“ unbedingt ein ewiges, ungeschaffenes Wesen bedeutet,
so haben wir schnell das Problem mit 2. Korinther 4,4, wo Satan „Gott“
genannt wird. Unsere ursprüngliche Theorie über das Wort „Gott“ muss
nun an eine zweite Bedeutung für Gott angepasst werden, nicht zu
verwechseln mit der Verwendung des Namens „Gott“ im absoluten Sinn.
In Joh. 10,34 finden wir den Plural „Götter“. Eine Untersuchung des
Zusammenhanges würde uns zeigen, wie Jesus hier von den Führern
Israels als „Göttern“ spricht. Sie waren Vertreter Gottes, die Gott mit
Seinem Wort angesprochen hatte und als solche wurde ihnen ein
göttlicher Titel gegeben (Ps.82,6). Aber niemand würde sie als „Götter“
im gleichen Sinn wie den Einen Gott betrachten. Ein jüdischer
Schriftsteller des ersten Jahrhunderts, Philo, spricht von Mose als „Gott
und König“;
„Erfreute sich Mose, der dieses gleichen Titels für würdig erachtet
wurde, denn nicht einer größeren Partnerschaft mit dem Vater und
Schöpfer des Universums? Denn er wurde Gott und König ( theos kai
basileus) der ganzen Nation genannt.“15
Die Worte des Thomas, mit denen er Jesus in Joh. 20,28 anredete,
lauten folgendermaßen:
„Mein Herr und mein Gott“. Weil viele Bibelleser daran gewöhnt sind
zu glauben, Jesus sei „Gott“ im selben Sinn, mit dem wir das Wort im 20.
Jahrhundert verwenden, so schließen sie, dass Thomas eben das gemeint
habe. Jesus muss daher ein ewig präexistentes Wesen sein. Aber wenn
nun Jesus „Gott“ im absoluten Sinn ist, warum spricht er Gott dann nur
einige Verse zuvor als „mein Gott“ an und nennt ihn im gleichen
Zusammenhang auch „euren Gott“, den Gott der Jünger? Als Jesus Gott
als „mein Gott“ anredete (Joh. 20,17), anerkannte er die Tatsache seiner

15
Life of Moses, 1: 155-158.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 121

Untergeordnetheit unter Gott, den Vater. Jesus ist deshalb nicht Gott im
absoluten Sinn. Auch für Thomas ist Jesus „Gott“ in einem berechtigten
Sinn als Messias, des höchsten rechtsgültigen Vertreters des Einen Gottes.
Der eine, den Thomas Gott nennt, ist selbst dem Einen Gott
untergeordnet, den Jesus seinen Gott nennt. So gesehen verbleibt Jesus in
der Kategorie des Messias, des Sohnes Gottes, einer Kategorie, die
Johannes ausdrücklich seinem ganzen Buch auferlegt (Joh. 20,31). Zwei
Tatsachen sind für den christologischen Ausblick bei Johannes
fundamental: An Jesus sollte als „Messias, den Sohn Gottes“ geglaubt
werden, während der einzigartige Status des Vaters derjenige des „allein
wahren Gottes“ (Joh.17,3) und des „alleinigen Gottes“ (Joh.5,44) ist.
Signifikanterweise wurde dem prophezeiten Messias in Psalm 45,7
der Titel „Gott“ gegeben: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig“. Im
nächsten Vers wird klar, dass dieser „Gott Messias“ von seinem Gott
gesalbt wurde: „darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt...“ .16 Jesus wurde
von Thomas die höchste Ehre zuerkannt, als dieser ihn mit den
messianischen Titeln „Herr“ und „Gott“, die dem 45. Psalm entnommen
sind, anredete. Neutestamentliche Beweise, dass Jesus Gott im selben Sinn
ist wie der Vater, sind wahrhaft spärlich. Wenn wir offen sind für die
Anzahl der biblischen Verwendung des Ausdrucks „Gott“, so wird uns die
Tatsache auffallen, dass er im Neuen Testament über 1325 Mal auf den
Vater angewandt wird, während „Gott“ für Jesus nur zwei Mal mit
völliger Sicherheit verwendet wird (andere mögliche Fälle, in denen Jesus
Gott genannt wird, sind, wie weitgehend bekannt, aus grammatikalischen
und syntaktischen Gründen zweifelhaft). Diese Fakten legen nahe, dass
die so seltene Verwendung von „Gott“ für Jesus eine spezielle Referenz
ist. Daher könnte es sehr irreführend sein, wenn man im 21. Jahrhundert
behauptet, „Jesus ist Gott“, ohne zuerst zu verstehen, in welchem Sinn
dieses Wort von Johannes (und Thomas, von dem es erzählt wird)
verwendet wurde. Unsere Verwendung der Wörter darf natürlich nicht die
Bedeutung in der Bibel diktieren. Wir dürfen uns nicht einfach auf den
Wortklang verlassen, ohne nach seinem Sinn zu fragen. Und vor allem
müssen wir darauf verzichten, auf einer dogmatischen Behauptung der
Annahme der Doktrin ohne genaue Prüfung zu beharren. Solch ein
unflexibles Festhalten an der Art, wie wir schon immer glaubten, blockiert

16
Hebr. 1,8, Zitat v. Ps. 45,6, wendet den Titel Gott mit Einschränkungen direkt
auf Jesus an.
122 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

die Suche nach der Wahrheit, welche ein Kennzeichen des wachsenden
Christen ist (Apg.17,11).

Gelehrte weisen auf die nachteiligen Auswirkungen der Philosophie


hin
Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts machte die Frage des
negativen Einflusses der griechischen Philosophie auf den ursprünglichen
Glauben geltend. Der berühmte Adolf Harnack verfocht die Meinung, das
Evangelium sei durch die starke Hellenisierung, welche das Aufstellen der
traditionellen Formulierungen über Christus ermöglichte, obskur
geworden. Der Wunsch, Jesus und seine Lehre von der Beeinflussung der
griechischen Philosophie zu trennen, ermutigte eine gesunde Freiheit,
neue Ideen zu untersuchen. Leider entwickelte der Liberalismus seine
eigenen Annahmen. Wir können vermuten, seine Theologie sei manchmal
mehr ein Versuch gewesen, zu beweisen, dass sich die eigenen modernen
Ideen in der Lehre Jesu widerspiegelten, als eine erfolgreiche Rückkehr
zum apostolischen Glauben. Es scheint, dass die hebräische Art der Bibel
zu denken weiterhin unpopulär blieb.
Der Geist der Wahrheit und der Geist der Toleranz sollten nicht
zwangsläufig gleichgesetzt werden. Trotzdem, wo die Toleranz ein freies
Prüfen und das Beiseitelegen traditioneller Annahmen ermöglicht, wird
die Wahrheit wahrscheinlich hervorkommen. Die „liberale“ Tendenz
schuf eine Atmosphäre, in der traditionelle Lehren hinterfragt werden
konnten. Der Prozess der Neubewertung jedes Glaubensaspektes
ermutigte eine Berücksichtigung der Art und Weise, in der nachbiblische
griechische Metaphysik zu einem Verlust des biblischen Christus geführt
hatte. Die Lockerung der Macht traditioneller Dogmen erwies sich als
positives Resultat der Theologie der späten Aufklärung. Unzufriedenheit
mit den Definitionen Jesu von Nizäa und Chalcedon kamen wiederholt an
die Oberfläche. Die Suche nach dem historischen Jesus setzt sich bis in
die heutige Zeit fort. Sie erfuhr durch die Veröffentlichung des Buches
„Myth of God Incarnate“ im Jahre 1977 einen neuen Aufschwung.“17
Harnack hatte Recht, als er die problematische Hellenisierung des
ursprünglich hebräisch-orientierten Glaubens aufzeigte. Es ist ein
Versäumnis, keine Unterscheidung zwischen dem zu machen, was
wirklich schriftgemäß ist, und dem, was aus der Tradition kommt und es
führt viele heutige „Evangelikale“ dazu, Opposition zur Lehre der ewigen

17
Hrsg. John Hick (London: SCM Press, 1977).
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 123

Göttlichkeit Christi mit einem Angriff auf die Schrift selbst


gleichzusetzen. „Evangelikale“, die unter dem Banner sola scriptura
auftreten, sind oft nicht fähig, die Schrift von traditionellen
Interpretationen der Schrift zu unterscheiden. Lindbeck schlägt Alarm,
wenn er aufzeigt, dass „die meisten biblischen Protestanten am
nachbiblischen Trinitarismus festhalten und so handeln, als wären diese
Lehren ganz selbstverständlich biblisch“.18 Die kluge Beobachtung von
F.F.Bruce verdient wirklich Beachtung: „Leute, die dem biblischen
Glauben allein anhängen (wie sie selbst glauben), hängen in Wirklichkeit
einer traditionellen Schule der Interpretation von sola scriptura an.
Evangelikale Protestanten können ebenso Sklaven der Tradition sein, wie
Römisch Katholische oder Griechisch Orthodoxe, nur bemerken sie nicht,
dass es Tradition ist.“19
Für Michael Servetus, die holländischen Anabaptisten, die von Adam
Pastor angeführt wurden, und auch für die ganze Gemeinschaft der
polnischen Anabaptisten war die Trinität eine Abweichung vom
biblischen Monotheismus, ein misslungener Versuch, den apostolischen
Glauben an Einen Gott, den Vater,20 in die Sprache der griechischen
Metaphysik zu übersetzen. Noch schlimmer, die Glaubensbekenntnisse
und die Konzile von Nizäa und Chalcedon wurden in einer zwanghaften
und destruktiven Art gebraucht, um den Glauben an diese Dogmen zu
erzwingen. Das alles ist umso betrüblicher, weil die Terminologie der
Diskussion über die Christologie selbst ein Durcheinander von unklaren
Ausdrücken ist – im scharfen Kontrast zu dem einfachen unitarischen
Glaubensbekenntnis der Bibel.
Die Freiheit, ohne die „Tyrannei des Dogmas“ (z.B. repräsentiert
durch das Athanasianische Bekenntnis, welches den dem orthodoxen
Trinitarismus Abtrünnigen den Tod androht) zu forschen, führte zu einer
Wiederentdeckung eines oft vergessenen Elements der Präsentation Jesu
durch die Kirche: das seines Mensch-Seins. Es wird weitgehend
zugegeben, dass die traditionellen Erklärungen über Jesus oft an einem
latenten „Doketismus“ (dem Glauben, Jesus war nur scheinbar Mensch)
litten, was für den Apostel Johannes den „Antichristen“ ausmachte
(1.Joh.4,2; 2.Joh.7). Noch mehr, traditionelle Formulierungen über
Christus schienen eine spezielle Vorliebe für Joh.1,1 zu zeigen, während
18
The Nature of Doctrine and Religion: Theology in a Postliberal Age
(Philadelphia: Westminster Ptess, 1984), 74.
19
Aus Korrspondenz, 13. Juni 1981.
20
1. Kor, 8,6; 1. Tim. 2,5; Joh. 17,3; Eph. 4,6.
124 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

die sehr menschlichen Portraits von Matthäus, Markus, Lukas und der
Apostelgeschichte ausgelassen wurden.
Es ist eine Tatsache, dass dem Johannesevangelium mehr als ein
anteilsmäßiger Rang bei der Entstehung der Christologie gegeben wurde.
Könnte der Grund der Stil von Johannes sein, der, obwohl er sehr
hebräisch war, doch den spekulativen griechischen Geist ansprach und
sehr leicht von den Heiden missverstanden und verdreht werden konnte?
Wir glauben, dass die Tendenz, das Mensch-Sein Jesu zu
verschleiern, im Gegensatz zu der zentralen und einfachen
neutestamentlichen Bestätigung Jesu als Messais, dem zweiten Adam, der
übernatürlich empfangen und doch im Leib seiner Mutter ins Leben kam,
steht. Dieses Verständnis der Abstammung Jesu können wir so wie
Raymond Brown ganz treffend als „Konzeptionschristologie“
bezeichnen.21 Brown besteht darauf, dass Matthäus und Lukas nichts von
einer wirklichen Präexistenz des Messias wissen.22 So konnten sie
keinesfalls Trinitarier im traditionellen Sinn gewesen sein. Die
Empfängnis Jesu ist für sie der Beginn seines Daseins. Der Keim der
späteren trinitarischen Theologie sollte anderswo als in den
Evangeliumstexten gesucht werden. Sollte er Johannes oder Paulus
zugeschrieben werden? Oder einer Verzerrung ihrer Schriften durch die
spekulative Tendenz der griechischen Philosophie? Dieser Einfluss war
offensichtlich schon am Werk, als Johannes, der am Ende des 1.
Jahrhunderts schrieb, gezielt das Mensch-Sein Jesu (1.Joh. 4,2; 2.Joh. 7)
gegen einen beginnenden gnostischen Doketismus hervorhob. Er kam „en
sarki“, „als menschliche Person“, nicht „in einen menschlichen Körper“,
was grundverschieden ist. Johannes scheint in seinem ersten Brief ein
aufkommendes Missverstehen seiner „Logos-Doktrin“ im
Johannesevangelium (Joh.1,1-3) zu korrigieren. Es war das unpersönliche
„ewige Leben“, welches vor der Geburt Jesu „mit dem Vater“ war (1.Joh.
1,2), nicht der präexistente Sohn selbst. Mit anderen Worten, Johannes
wollte uns zu verstehen geben, dass durch das Fleischwerden des Wortes,
der Übergang nicht jener einer göttlichen Person zu einer menschlichen
Person war, sondern eine unpersönliche Personifizierung (vergl. Weisheit
in Sprüche 8,22, 30) – das „Wort“ Gottes – als menschliches Wesen
Gestalt bekam.

21
The Birth of the Messiah, 150, Fußnote 52.
22
Ebenso, 31, Fußnote 17.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 125

Die spätere Entwicklung des trinitarischen Denkens wurde durch ein


Missverstehen des hebräischen Ausdrucks „Wort“ durch Justin begünstigt.
Für Johannes bedeutete „logos“ nicht eine zweite Person in der Gottheit,
sondern Gottes Ausdruck Seiner eigenen Persönlichkeit. Justin, der als
Anhänger Platons daran gewöhnt war, an das „logos“ als Mittelding
zwischen Gott und Mensch zu denken, liest Jesus natürlich in dieses
„logos“ als präexistenten Sohn hinein, der numerisch verschieden und
dem Einen Gott untergeordnet ist. Justin fährt dann fort, Jesus auch im
Alten Testament zu finden und identifiziert ihn vor seiner
Menschwerdung sogar mit dem Engel des Herrn. Aber selbst bei Justin
sind wir noch weit von der endgültigen Formulierung des
Glaubensbekenntnisses des Konzils von Chalcedon entfernt. Der wichtige
Punkt ist, dass der sich entwickelnde Trinitarismus von den Kirchenvätern
nicht auf das Neue Testament zurückgeführt werden konnte. Diese Väter
dachten immer an Jesus als dem Vater untergeordnet. Einige glaubten
auch, er habe einen Anfang gehabt.
Der Punkt, an dem sich die griechische Philosophie mit der biblischen
Lehre vermischen konnte, war das Johannesevangelium und da besonders
der Prolog. Ein Missverstehen des Johannesevangeliums führte zu einer
Rückprojektion Jesu auf das präexistente „logos“. Folglich wurde die
einfache messianische Christologie der Synoptiker und auch von Johannes
(vorausgesetzt er wird nicht aus einer spekulativen griechischen
Perspektive gelesen) verdunkelt. Es war die Aufgabe der Theologen von
Cambridge, die das Buch „The Myth of God Incarnate“ schrieben, die
Frage zu stellen, ob „das Erwähnen der Präexistenz Jesu in den meisten,
vielleicht auch in allen Fällen, mit der Analogie der Präexistenz der Torah
verglichen werden könnte, um den göttlichen Zweck, der dadurch erreicht
werden sollte (vgl.1.Petrus 1,20) aufzuzeigen und nicht die gänzlich
menschliche Präexistenz.“23
Wenn das die richtige Lesart ist, so ist die Beobachtung von John
Robinson über die Behandlung des Vaters im Johannesevangelium
korrekt:

„Patristische Theologie, welcher Schule auch immer, missbrauchte diese


Texte (von Johannes), indem sie aus dem Kontext genommen wurden und ihnen

23
Maurice Wiles, The Remaking of Christian Doctrine (London: SCM Press,
1974), 53; vgl. Die Beobachtung Wiles in The Myth of God Incarnte 3:
“Inkarnation, im vollständigen und eigentlichen Sinn, ist etwas, was in der Schrift
nicht direkt vorkommt.“
126 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

ein Sinn gegeben wurde, den Johannes niemals beabsichtigt hatte. Die
funktionelle Sprache betreffend den Sohn und den Geist, die vom Vater in die
Welt gesandt wurden, wurde in ewige und interne Beziehungen zwischen
Personen in der Gottheit umgewandelt und Worte wie ‚Generation’ und
‚Reihenfolge’ wurden zu technischen Ausdrücken, welche der neutestamentliche
Gebrauch nicht erhärtet.“24

Klagen über den Missbrauch der Auffassung von „Wort“ bei


Johannes sind oft in die Vergessenheit gedrängt worden. Es wird Zeit,
dass wichtige Stimmen zu Wort kommen. Im Jahre 1907 verfasste ein
Professor der systematischen Theologie in Jena (Deutschland) sein Buch
„System der christlichen Lehre“, den Höhepunkt einer lebenslangen
Betrachtung der Natur des christlichen Glaubens. Gemeinsam mit vielen
später berühmt gewordenen Kommentatoren zeigt der Professor das
trinitarische Problem auf, welches entsteht, wenn das „Wort“ aus Joh.1 als
zweite präexistente Person (oder Wesen) anstatt als Synonym für die
Weisheit und den kreativen Zweck des Einen Gottes angesehen wird. Man
findet keinen Trinitarismus im Prolog des Johannesevangeliums, wenn
das „Wort“ als Beschreibung des Planes Gottes und (an dieser Stelle)
nicht als Sohn Gottes angesehen wird.
Hans Wendt aus Jena unterwirft das Problem einer durchdringenden
Analyse. Er zeigt, wenn das „Wort“ in einem hebräischen Sinn verstanden
wird, als Gottes kreative Aktivität – basierend auf sein wiederholtes
Auftreten in diesem Sinn im Alten Testament – dann gibt es keinerlei
Berechtigung zu behaupten, dass Johannes sagen wollte: „Am Anfang war
der gleich-ewige Sohn Gottes und der Sohn war mit dem Vater und der
Sohn war Gott“. Solch eine Interpretation verwirrt nur das große, zentrale
Prinzip aller Offenbarung, dass Gott eine einzige Person ist. Wenn das
Wort der Sohn in einem vor-menschlichen Zustand ist, dann sind sowohl
Vater als auch Sohn gleichberechtigt, als oberste Gottheit angesehen zu
werden. Diese Entwicklung versetzte dem Monotheismus der hebräischen
Bibel, den Jesus öffentlich sowohl in Gegenwart eines fragenden
Theologen als auch im Kreis seiner Jünger bekräftigt hatte (Mk.12,28,29),
einen verhängnisvollen Schlag. Wenn das „Wort“ in Johannes 1 als „Wort
Gottes“ gelesen wird, so ist es klar, dass Johannes das kreative Wort aus
1.Mose 1,1-3, Psalm 33,6,9; 119, 103-105 meinte. Ein verhängnisvoller

24
„The Fourth Gospel and the Church’s Doctrine of the Trinity“, Twelve More
New Testament Studies (London: SCM Press, 1984), 172; Hervorhebung
beigefügt.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 127

Schritt wurde nach Professor Wendt gemacht, als das „Wort“ aus dem
Prolog des Johannes nicht mehr aus seinem hebräischen Hintergrund
heraus, sondern im alexandrinischen und philonischen Sinn als
Zwischending zwischen Gott und Mensch verstanden wurde.

„Die ersten Sätze im Johannesevangelium, die vielleicht der Philosophie


Philos ähnlich klingen, konnten von einem unterrichteten Juden oder Christen
ohne jeden Verweis auf Philo verstanden werden. Daher sollten wir nicht vom
Gebrauch des ‚Wortes’ bei Philo ausgehen und behaupten, Johannes habe
ebenfalls eine präexistente Persönlichkeit gemeint.
Im Rest des Evangeliums und im 1.Johannesbrief wird das ‚Wort’ niemals in
einem persönlichen Sinn verstanden ...es meint eher, dass die ‚Offenbarung’
Gottes, die Israel schon früher gegeben (10,35) und zu den Juden in den heiligen
Schriften gekommen war (5,38). Sie war nun Jesus anvertraut worden und dieser
übergab sie seinen Jüngern (8,55; 12,48; 17,6,8,14,17; 1.Joh.1,1), von welchen sie
nun aufbewahrt werden sollte (1.Joh.1,10; 2,5,14). Die leicht personifizierende
Art, in der vom Wort, welches in die Welt kommt, gesprochen wird (1,9-14) ist
typisch für den das Wort personifizierenden Stil des Alten Testamentes
(Jes.55,11; Ps.107,20; 147,15; vgl. 2.Thess. 3,1). Es kann nicht bewiesen werden,
dass der Autor des Prologs im Zusammenhang mit dem Wort an eine richtige
Person dachte. Nur der historische Jesus und nicht das ursprüngliche Wort
werden Sohn Gottes genannt (Joh.1,14,18). Aber in diesem Sohn wohnte und
wirkte die ewige Offenbarung Gottes.“25

Professor Wendt fährt fort aufzuzeigen, dass die augenscheinliche


Verbindung von Johannes mit Philo nicht durch die Annahme der
philosophischen Idee Philos vom Wort erklärt werden kann. Es ist
Tatsache, dass der Apostel den Einbruch der Philosophie Philos durch
Vertreter der alexandrinischen Schule, die schon früh der Wahrheit durch
ihre Spekulationen widerstanden (vgl. Apg.18,24-28), abweist. Johannes
richtete seinen Prolog an sie. Die Ironie der Geschichte ist, dass die
Orthodoxie in dieselben philosophischen Spekulationen verfiel und einen
zweiten, präexistenten Gott schuf und Johannes für diese Abkehr vom
Monotheismus benutzte. Moderne Übersetzungen des Prologs mit ihrer
maskulinen Übersetzung des Artikels von Wort sind ein bleibendes
Zeugnis, wie die griechische Philosophie Philos den hebräischen Glauben
des Neuen Testamentes verwirrte. Johannes wurde verdreht und

25
System der Christlichen Lehre (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1907),
Pt. 2, Kap. 4, 353, 354.
128 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

missverstanden und das Opfer war der unitarische Monotheismus Jesu


und seiner Jünger (Joh.5,44; 17,3).
Die scharfsichtige Analyse Professor Wendts verdient Gehör:

„Von der Zeit Justins an wurde das logos in der christlichen Theologie
dominant...Diese logos - Lehre schuf einen Kontakt und eine Übereinstimmung
mit der Lehre des Altertums. Das Hauptproblem für die Letztere war die
Bestimmung der Beziehung zwischen der niedrigen, materiellen Welt und der
transzendentalen Welt Gottes und des Geistes. Um dieses Problem zu lösen,
wurde die Existenz von ‚Mittelwesen’ eingeführt. Diese Wesen waren
Ausstrahlungen der Gottheit und repräsentierten den Weg, durch den der Abstand
zwischen Gott und den Menschen überbrückt werden konnte. Christliche
Spekulationen über das logos als Vermittler in der Schöpfung waren direkt mit
dieser hellenistischen, philosophischen Spekulation verwandt, weil sie eine
ähnliche Lösung für das gleiche kosmologische Problem anbieten.......aber die
Kombination der kosmologischen und philosophischen Interessen mit denen der
Religion und Soteriologie beinhalteten einen inneren Widerspruch in sich selbst.
Wenn die logos - Lehre eine adäquate Lösung der kosmologischen Probleme
bringen sollte, so müsste das logos eine reale, vermittelnde Person sein, die
wirklich von Gott kommt, aber Gott untergeordnet ist, damit das logos als
Vermittler zwischen Gott und den Menschen handeln kann. Wenn andererseits
der Vermittler die Errettung bringen sollte, dann müsste er von gleichem Wert
sein wie die Errettung, die er den Menschen bringt....Er müsste als ‚eine Art Gott’
angesehen werden (2.Clem.1,1). Als entweder die kosmologische oder die
soteriologische Überzeugung die Oberhand gewannen, so wurde parallel dazu die
Entfernung des logos von Gott oder seine Ähnlichkeit mit Gott betont.“26

Der Widerspruch in der Spekulation über das logos wird durch die
verschiedenen Argumente der Anhänger von Arius und Athanasius
aufgezeigt. Beide Lager glaubten an das Wort als präexistente Person.
Aber, wie uns Professor Wendt gezeigt hat, führte diese Annahme des
Wortes logos als persönliches Wesen zu einer beunruhigenden
Konsequenz. „Wenn dem Sohn nicht nur eine persönliche, himmlische
Präexistenz zugeschrieben wird, sondern auch eine ewige und
wesensgleiche Existenz, so geht die Idee der Einheit Gottes verloren. Das
ist eine wichtige Klage aller Monarchier (Unterstützer des Glaubens an
die Einheit Gottes).“27

26
Ebenso, 357, 358.
27
Ebenso, 359.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 129

Wendt schließt seinen Teil über „Schwierigkeiten mit den frühen


christologischen Dogmen“: „Der Monotheismus, für den die Ansichten
über Gott keine unbedeutende Sache sind, sondern von fundamentaler
Wichtigkeit, wurde beeinträchtigt.... Wenn das logos, welches dem
ewigen Gott gehört, eine Person ist und als solche von der Person des
Vaters unterschieden werden sollte, dann ergibt sich unvermeidlich eine
Pluralität in Gott und der reine Monotheismus wird zerstört.“28 Dieses
Problem wird durch die orthodoxen Trinitarier hervorgebracht.
Die nahe Verbindung Jesu zu dem Einen Gott Israels führt nicht zu
den christologischen Schlüssen der Glaubensbekenntnisse. Diese
Entwicklung, die ihren Höhepunkt in Nizäa und Chalcedon fand, kann auf
drei Stufen zurückgeführt werden. Zuerst wurde das logos der
griechischen Philosophie von den alexandrinischen Theologen mit dem
präexistenten Christus gleichgesetzt. Zweitens postulierte Origenes die
unbiblische Doktrin der ewigen Zeugung des Sohnes. Drittens vernichtete
das sogenannte Athanasianische Bekenntnis jede Unterordnung des
Sohnes unter den Vater und reduzierte die Unterschiede innerhalb der
Gottheit bis zu einem Punkt, an dem es unmöglich ist, „die Drei“ zu
beschreiben.
Es scheint, dass die komplexen nachbiblischen Kontroversen über die
Definition des Sohnes im Verhältnis zum Vater zu vermeiden gewesen
wären, wenn die hebräische Terminologie der Bibel beibehalten worden
wäre. Geoffrey Lampe beklagt in seiner scharfsichtigen Analyse, dass:

„das christologische Konzept des präexistenten Sohnes die reale, sozial und
kulturell bedingte Persönlichkeit Jesu zu einer metaphysischen Abstraktion
‚menschlicher Natur’ reduziert. Es ist ein umfassendes Mensch-Sein, das der
Sohn angenommen und sich zu eigen machte......aber umfassendes Mensch-Sein
ist ein abstrakter Begriff.......Gemäß dieser Christologie, nimmt der ewige Sohn
eine zeitlose menschliche Natur an oder macht diese zeitlos, indem er sie
annimmt; es ist eine menschliche Natur, die nichts mit geographischen
Umständen zu tun hat; sie korrespondiert mit nichts in dieser konkreten Welt.
Jesus Christus ist keineswegs ‚im Fleisch’ gekommen.“29

Mosheim bemerkte, dass „die Kontoversen über die Trinität im 2.


Jahrhundert durch die Einführung der griechischen Philosophie in die

28
Ebenso, 368.
29
God as Spirit (London: SCM Press, 1977), 144.
130 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

Kirche begannen“.30 Das Studium der biblischen Theologie hat Beweise


ans Licht gebracht, welche uns zwingen, die Verdrehung des Glaubens,
die einsetzte, als die griechische Philosophie dem einfachen hebräischen
Rahmen der Bibel hinzugefügt wurde, zu erwägen.
Wir beenden mit drei weiteren Zitaten: Diese laden uns ein, unsere
Untersuchung der Geschichte der Glaubenslehren im Rahmen der Suche
nach der Wahrheit zu erneuern. Canon H. Constable schrieb im Jahr 1893:

„Christen untersuchen zur Zeit, ob die akzeptierten Ansichten über die


menschliche Natur und die zukünftige Bestrafung von der Philosophie und der
Tradition herstammen, oder aus der Schrift. Sie beginnen zu vermuten, dass ein
Großteil der heutigen Theologie aus der Quelle menschlicher Philosophie stammt.
Personen im christlichen Denken, die als Figuren Christi, seiner Propheten und
Apostel angesehen wurden, werden nun langsam als Figuren des bösen Geistes
angesehen, als Figuren Platos und verschiedener Väter, welche ihre Theologie
zum größten Teil von diesem herleiteten.“31

Alfred Vaucher ruft uns zu einer Rückkehr zum biblischen Glauben


auf:

„Quer durch die Seiten des Alten und des Neuen Testamentes fließen die
klaren Wasser der offenbarten Wahrheit wie ein majestätischer Fluss. Es ist Gott,
der allein Unsterblichkeit besitzt und den Menschen Sein göttliches
unvergängliches Leben anbietet. Aber parallel zu diesem Strom fließt der
schlammige Fluss der heidnischen Philosophie, welche von der menschlichen
Seele als der göttlichen Substanz, ewig und vor dem Körper existierend und
diesen auch überlebend, spricht. Nach dem Tod der Apostel vereinten sich die
beiden Strömungen und brachten Einheit in die unruhigen Wasser. Schritt für
Schritt vermischte sich die menschliche Spekulation mit göttlicher Lehre. Nun ist
es die Aufgabe der evangelikalen Theologie, die beiden unvereinbaren Elemente
voneinander zu lösen und das heidnische Element, welches sich als
unrechtmäßiger Machthaber ins Zentrum der traditionellen Theologie eingesetzt
hatte, zu eliminieren. Ebenso ist es ihre Aufgabe, den Wert des biblischen
Elements, welches allein wahr ist und welches allein der Natur Gottes und der des
Menschen, seines Geschöpfes, entspricht, wieder herzustellen.“ 32

Von dieser frühen Vermischung der Lehre über die Natur Gottes und
die des Menschen heraus wird der klare biblische Monotheismus der
30
Institutes of Ecclesiastical History (New York: Harper, 1839).
31
Hades or the Intermediate State ( Herausgeber unbekannt, 1893), 278.
32
Le Problème de l`Immortalité (Herausgeber unbekannt, 1957), 6.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 131

Propheten, Jesu und der Apostel hervorkommen. Gott wird wieder als
Eine Person angesehen werden, als Vater Jesu, Seines einzigartig
empfangenen Sohnes, des Messias. Das vollständige Mensch-Sein Jesu,
welches durch die spekulative und abstrakte Theologie der Kirchenväter
verdunkelt wurde, muss als Basis des neutestamentlichen Glaubens an
Jesus als den Messias,33 als Herold des kommenden Reiches Gottes auf
Erden, wiederhergestellt werden.
Gelehrte verschiedener Richtungen vereinigen sich in ihrem Zeugnis
über die Korruption des christlichen Glaubens ab dem zweiten
Jahrhundert. Schrittweise wurden die messianischen Hoffnungen
vergessen. Die Vorstellung des Reiches Gottes auf Erden verschwand.
Unsterblichkeit zum Zeitpunkt des Todes nahm den Platz der
Auferstehung ein:
Wie alle Konzepte wird die Bedeutung religiöser Worte mit einem
Wechsel in der Erfahrung und mit einem sich wandelnden Weltbild
verändert. Indem es in das griechische Weltbild übertragen wurde,
wandelte – ja verwandelte - sich die christliche Lehre unweigerlich.
Fragen, die vorher nie aufgetaucht waren, kamen nun in den Vordergrund
und die jüdischen Vorstellungen begannen zu verschwinden. Besonders
wurden die messianischen Hoffnungen vergessen oder in eine
transzendente Sphäre über den Tod hinaus verwandelt. Als das Reich im
vierten Jahrhundert christlich wurde, verschwand die Vorstellung eines
Reiches Christi auf der Erde, welches durch eine große Bedrängnis
eingeleitet werden sollte und bleib nur als Glaube obskurer Gruppen
zurück. Unsterblichkeit – das philosophische Konzept - nahm den Platz
der Auferstehung des Leibes ein. Trotzdem bleibt die Letztere durch ihr
Vorhandensein in den ursprünglichen Quellen bestehen, doch ist sie nicht
länger ein bestimmender Faktor, weil ihre Vorstellung – das messianische
Königreich auf der Erde – verdunkelt wurde. Als sich so der Hintergrund
vom Jüdischen in das Griechische wandelte, passierte dasselbe mit den
fundamentalen religiösen Vorstellungen....so haben wir eine eigenartige
Kombination – die religiösen Lehren der Bibel laufen durch die Formen
einer fremden Philosophie.34

33
Mt. 16,16; Joh. 9,22; 20,31; Apg. 5, 42; 9,22 etc.
34
G.W. Knox, D:D. LL.D., Professor der Philosophie und der
Religionsgeschichte am Union Theological Seminary, New York, Encyclopedia
Britannica, 11th edition, Vol 6, 284.
132 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

1.Johannes 4,2
Frühen Versuchen von verschiedenen Seiten, Zweifel an dem wahren
Mensch-Sein Jesu aufkommen zu lassen, wurde von Johannes mit
scharfen Warnungen an seine Jünger begegnet, dass „viele Verführer in
die Welt hinausgegangen sind, die nicht Jesus Christus, im Fleisch
gekommen, bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist (2.Joh.7,
vgl.1.Joh.4,2)
Das „Translator’s New Testament“35 (das Neue Testament für
Übersetzer) gibt diesen Vers in einer Art weiter, die jede Unklarheit über
den Ausdruck „im Fleisch gekommen“ beseitigt: „Viele Verführer sind in
die Welt ausgegangen, welche die Tatsache nicht akzeptieren, dass Jesus
als menschliche Person gekommen ist. Hier ist der Verführer und der
Antichrist“. Der klare Stand von Johannes zugunsten des Mensch-Seins
Christi sollte jedes System als antichristlich entlarven, welches die
Tatsache in Frage stellt, dass Jesus ein wahrer Mensch war. In einem
früheren Kapitel haben wir gesehen, dass die offizielle trinitarische
Position behauptet, der Erlöser habe eine unpersönliche menschliche
Natur gehabt, sei aber keine menschliche Person gewesen.
Ein Wesen, welches gleichzeitig Gott und Mensch ist oder war, kann
schwerlich wirklich menschlich sein und in allen Bereichen so wie wir
versucht werden. Wie so viele Kritiker der Trinität beklagten, ist die
traditionelle Lehre, dass Jesus Gott ist, unvereinbar mit seinem wahren
Menschsein. Der Gott-Mann der nachbiblischen Konzile ähnelt gefährlich
jenem „anderen Jesus“, vor dem Paulus im zweiten Brief an die Korinther
warnt (2.Kor.11,4).
Die Ironie dieser bitteren, alten Kontroverse ist die, dass alle
Fraktionen, Unitarier, Binitarier und Trinitarier beanspruchen, nur einen
Gott anzubeten. Diejenigen, die darauf bestehen, dass Jesus Gott ist,
argumentieren damit, dass er es Wert ist, angebetet zu werden – was nur
Gott zusteht. Wenn diese Anschauung aufrecht erhalten wird, dass müssen
wir schließen, dass zwei Personen es wert sind, als Gott angebetet zu
werden. Eine Gottheit bestehend aus zwei oder drei Personen widerspricht
den vielen klaren biblischen Aussagen über Gott als eine Person. Es ist
nutzlos, dieser Folgerung zu entfliehen, indem man sagt, die Bekenntnisse
meinen mit Person nicht das, was wir heute darunter verstehen. In der
Bibel sind der Vater und Jesus ganz offensichtlich Personen in unserem
heutigen Sinn – zwei verschiedene Individuen.

35
British and Foreign Bible Society, 1973.
Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert 133

Die Lösung dieses Rätsels ist, dass „Anbetung“ in der Schrift nicht
nur Gott, sondern auch menschlichen Personen, welche Positionen der
Ehre innehaben, entgegengebracht wird. Das griechische Verb proskuneo
wird sowohl für die Anbetung Gottes als auch für die Ehrerbietung
gegenüber menschlichen Personen verwendet. So wurde zum Beispiel der
König Israels im Zusammenhang mit Gott verehrt (1.Chronik 29,20).
Daniel wurde verehrt (Dan.2,46). Die Heiligen wurden verehrt (Offb.3,9).
Jesus wird als Messias angebetet, aber nur eine Person, der Vater, ist es
Wert, als Gott angebetet zu werden. Es ist signifikant, dass ein anderes
griechisches Wort, latreuo, welches nur im Zusammenhang mit
religiösem Dienst verwendet wird, in allen 21 Vorkommen nur für den
Vater allein im Neuen Testament angewandt wird.
Zum Beispiel wird Lesern der King James Version der falsche
Eindruck vermittelt, Jesus sei Gott, weil er „angebetet“ wird. Dasselbe
Argument würde beweisen, dass David und die anderen Heiligen ebenfalls
Gott sind. Es ist der moderne Sinn des Wortes „Anbetung“, welches die
Leser dazu führt anzunehmen, Jesus sei als Gott angebetet worden.
Gott und Seine menschlichen Diener stehen oft in einem sehr nahen
Zusammenhang. „...da fürchtete das Volk den HERRN und sie glaubten
an den HERRN und an seinen Knecht Mose (2. Mo. 14,31). „Da fürchtete
das ganze Volk den HERRN und Samuel sehr“ (1. Sam. 12,18). „Und sie
verneigten sich und warfen sich nieder vor dem HERRN und vor dem
König“ (1. Chr. 29,20). „Und Hiskia und die Obersten kamen...und sie
priesen den HERRN und sein Volk Israel“ (2.Chr. 31,8).
Moderne Übersetzungen haben dazu beigetragen, die „Anbetung“
Jesu klarzumachen. In Mt. 8,2 steht zum Beispiel, dass ein Aussätziger
kam und sich „vor ihm niederwarf“.
Es ist nicht zu leugnen, dass es Jesus ist, von dem gesagt wird:
„Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die
Macht und den Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und
Herrlichkeit und Lobpreis“. Als Messias, als anerkannter Vertreter des
Schöpfers, wird Jesus in Zusammenhang mit dem Einen Gott, seinem
Vater, geehrt (Offb.5,12-13). Aber er vereint sich auch mit den Heiligen
im Lied des Lammes zur Ehre des Vaters (Offb.15,3). Er ist der Anfang
und das Ende in Gottes großem Erlösungsplan (Offb.1,17). Trotzdem
starb er (Offb.1,18), eine Tatsache, die zeigt, dass er nicht Gott sein kann,
weil Gott nicht sterben kann. Nur der Allmächtige allein ist Gott. In
Offenbarung 1,18 (vgl. 1,4) ist der Vater sowohl das Alpha als auch das
Omega und der allmächtige Herr und Gott, „der kommt“. Dieser letztere
134 Der Weg von der hebräischen Welt der Bibel ins 20. Jahrhundert

Titel, pantokrator, wird Jesus nirgendwo gegeben, trotz der Versuche


mancher Bibeln, welche die alte Vermischung des Messias mit Gott
wiederholen, diesen Vers dem Sohn zuzuschreiben,. Der auferstandene
Jesus erhält eine Offenbarung vom Vater (Offb.1,1), die wiederum zeigt,
dass der Sohn nicht der allwissende Gott ist.
In Offb. 22,12-13 kann es gut möglich sein, dass der Engel („er“ von
Vers 10), ebenso wie im Alten Testament an der Stelle Gottes spricht. Das
Alpha und Omega von Vers 13 bezieht sich vielleicht, ebenso wie in Offb.
1,8 und 21,6, auf den Vater, für den der Engel spricht. Der allmächtige
Gott ist derjenige, der in Offb. 1,8 „kommt“ und Sein Kommen könnte
ebenso in Offb. 21,2 beschrieben werden, gefolgt vom göttlichen Titel in
Vers 13. Jesus ist erst ab Vers 16 wieder der Sprecher.
Es ist ein faszinierender Widerspruch, dass Johannes, der so ängstlich
darauf bedacht war zu betonen, Jesus sei Mensch gewesen, müde und
hungrig, dahingehend missverstanden wurde, als lehrte er, Jesus sei völlig
Gott in einem trinitarischen Sinn. Das Johannesevangelium spricht immer
wieder von Gott als dem Vater. Und doch sehen wir aus dem ersten
Johannesbrief, dass sogar schon zu seinen Lebzeiten versucht wurde,
Definitionen über Jesus in seine Schriften zu bringen, die Johannes
niemals beabsichtigt hatte. Der Beweis ist dieser: Im Johannesevangelium
kann logos (das Wort) leicht missverstanden werden, da es etwas unklar
ist. Man könnte glauben, Johannes meint die Existenz einer zweiten
ewigen Person neben dem Vater. Aber das hatte Johannes nicht im
Geringsten im Sinn und er benützte die Gelegenheit, sich am Beginn
seines ersten Briefes klar auszudrücken. Es war, wie er sagt, „das ewige
Leben“, welches „mit dem Vater“ war (1.Joh.1,2).36 Es war dies das
unpersönliche Wort des Lebens oder das Leben (1.Joh.1,1-2), welches
sich nun in einer wirklichen Person, Jesus, ausdrückte. Es war nicht der
Sohn Gottes, der präexistent war, sondern das Wort, die Botschaft oder
das Versprechen des Lebens. Dieses Versprechen des Lebens wurde in
einem menschlichen Wesen ausgedrückt, im Messias Israels.
Menschwerdung in der Bibel meint nicht die Menschwerdung einer
zweiten Person der Gottheit, sondern die Absicht Gottes, Seinen
Geschöpfen Unsterblichkeit zu schenken, wurde offenbart,
veranschaulicht und in einem einzigartigen menschlichen Wesen
verkörpert.

36
Vgl. „das Wort war bei Gott“ (Joh. 1,1).
6. DIE TRINITÄT UND DIE POLITIK

„So wisse denn, mein Freund, die Trinität wurde 300 Jahre nach der
Proklamation des alten Evangeliums geboren; sie wurde durch
Unwissenheit empfangen und durch Grausamkeit hervorgebracht und
aufrechterhalten.“ – William Penn

Ein Historiker bemerkte ganz korrekt:

„Das Christentum muss durch seine Identifikation von Wahrheit mit Glauben
– und richtig verstanden, lehrt es das auch – lehren, dass jede Beeinträchtigung
der Wahrheit unmoralisch ist. Ein Christ, der glaubt, hat nichts von Seiten der
Tatsachen zu befürchten; ein christlicher Historiker, der bei seinen
Untersuchungen an einem Punkt eine Grenze zieht, gibt die Grenzen seines
Glaubens zu.“1

Der furchtsame Gläubige behindert den Sinn des christlichen


Unternehmens, nämlich das progressive Verständnis von Wahrheit.
Leider wird die Geschichte oft mit den Augen eines Beobachters
angesehen, besonders wenn eine geschichtliche Tatsache von einer sehr
engen weltlichen oder religiösen Perspektive aus gesehen wird.
Untersuche die Leben der Gründer verschiedenster religiöser Gruppen;
dann lies in einigen Büchern, Magazinen und Zeitungen nach, die von
weltlichen Journalisten geschrieben wurden. Dann studiere dasselbe
Leben anhand einer Autobiographie oder eines Werkes eifriger Anhänger.
Abgesehen von einigen Tatsachen und irrelevanten statistischen Daten,
wird es kaum Übereinstimmung geben. Es wurde viel Mühe aufgewandt,
um die Schattenseiten der Gründungsväter verschiedener religiöser
Gruppen, z.B. der Kirche der Heiligen der Letzten Tage (Joseph Smith)
oder der Presbyterianer (Johannes Calvin), zu verbergen.
Im Gegensatz dazu kommen in der Heiligen Schrift ganz offene
Enthüllungen über die Leben der Helden der Bibel vor – selbst bis zu

1
Paul Johnson, A History of Christianity (New York: Atheneum, 1976), viii.
136 Die Trinität und die Politik

Details von Trunkenheit und freizügiger Sexualität. Dennoch erscheint es


uns als notwendig, die Leben der späteren religiösen Führer als heilig
darzustellen. So unangenehm und hart es für manche erscheinen mag, so
können wir doch vermuten, dass diese Tendenz mit der biblischen
Aussage Jesu zu tun hat: „Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte
bringen“ (Mt. 7,18). Könnte es möglich sein, dass eine offene Enthüllung
die verwirrenden Saaten der Korruption aufdecken würde? Es werden
erstaunliche Bemühungen gemacht, die Leben berühmter religiöser Führer
in einem möglichst heiligen Licht darzustellen, alles in der Hoffnung, dass
dies ihren Lehren Glaubwürdigkeit verleiht und die Lehrgebäude an die
Nachwelt weitergegeben werden.
Wir sind ähnlich erstaunt, wenn wir über die verschiedenen Berichte
über den Ursprung der Trinität lesen, wie verschiedene Quellen die
gleiche Begebenheit schönfärben. Manche Autoren sind der Meinung, die
Trinität sei in christlichen Kreisen schon zur Zeit der Abfassung des
Neuen Testamentes bekannt gewesen. Es sei ein solch akzeptierter Teil
der Tradition gewesen, dass sie kaum erwähnten, was eigentlich die
dramatischste Änderung in der religiösen Gemeinschaft des ersten
Jahrhunderts gewesen war. Andere Autoren, welche die gleiche
historische Begebenheit schildern, sind völlig anderer Meinung. Sie
erwähnen einen blutigen, jahrhundertelangen Kampf zwischen den
Christen, in dem Tausende mit ihrem Leben bezahlten, bevor die Trinität
endlich als christliches Dogma kanonisiert wurde und das mehr als
dreihundert Jahre nach dem Tod des Begründers des Christentums.
Die Kirche war gerne bereit, große politische Führer zu unterstützen,
wenn diese das Christentum und die kirchliche Kontrolle förderten. Im
Edikt von Mailand im Jahre 313 erwarb sich Kaiser Konstantin
langdauernde Ehre von Seiten der Kirche, als er allen Christen und
anderen Kulten Religionsfreiheit gewährte. Einige Jahre später entwarf er
den harten Kurs, der zur Beilegung der Diskussion über Lehrmeinungen
zwischen verschiedenen rivalisierenden Fraktionen führte. Das Resultat
war ein erster großer Schritt in Richtung der formalen Aufnahme des
trinitarischen Glaubens in das Christentum.
Die meisten Christen wären erstaunt über die Folgerung aus der
Beobachtung des römisch- katholischen Gelehrten W.E. Addis. In seinem
Kommentar über den religiösen Aufruhr durch den Versuch, die Idee
eines Mehr-Personen-Gottes einzuführen, schreibt er:
Die Trinität und die Politik 137

„Der Großteil der Christen, wären sie allein gelassen worden, wären mit dem
Glauben an den einen Gott, den Vater, zufrieden gewesen und hätten der
‚Dispensation‘, wie sie genannt und durch welche die alleinige Gottheit des
Vaters auf die Gottheit von Vater und Sohn ausgedehnt wurde, misstraut“......
‚Alle einfachen Leute‘, schrieb Tertullian, ‚nicht um sie unwissend und
ungebildet zu nennen..... haben vor der ‚Dispensation‘ Angst...... sie glauben, dass
wir zwei oder drei Götter verkündigen.“2

Jene Trinitarier, welche glauben, das Konzept eines dreieinen Gottes


sei eine etablierte Tatsache gewesen und sie sei nicht wichtig genug
gewesen, zur Zeit der Abfassung des Neuen Testamentes erwähnt zu
werden, sollten durch die Bemerkungen eines anderen Autors, Harold
Brown, herausgefordert werden:

„Es ist eine einfache und unwiderlegbare historische Tatsache, dass mehrere
große Doktrinen, die nun in unserem Glauben zentral erscheinen – so wie die
Lehre von der Trinität und von der Natur Christi – keinesfalls in einer
vollständigen, selbstdefinierten und generell akzeptierten Form bis zum vierten
oder fünften Jahrhundert vorhanden waren. Wenn sie heute wesentlich sind – so
wie es alle orthodoxen Glaubensbekenntnisse bekräftigen – so muss es sein, weil
sie wahr sind. Wenn sie wahr sind, dann müssen sie immer wahr gewesen sein;
sie können nicht erst im vierten oder fünften Jahrhundert wahr geworden sein.
Aber wenn sie sowohl wahr als auch notwendig sind, wie kommt es, dass die
frühe Kirche Jahrhunderte brauchte, um sie zu formulieren?“3

An einer anderen Stelle sagt er: „Häresie erscheint in den historischen


Berichten früher und ist auch besser dokumentiert, als das, was die Kirche
Orthodoxie nennt.“4 Das erstaunliche Zugeständnis, dass die religiöse
Welt die Originallehre durch eine neue und andere Orthodoxie ersetzte, ist
anderen Beobachtern der christlichen Szene entgangen. Der jüdische
Autor Pinchas Lapide bemerkt in seinem Dialog mit dem protestantischen
Gelehrten Jürgen Moltmann über die Lehre der Trinität Folgendes:

„Wer die Entwicklung der Geschichte der Dogmen kennt, weiß auch, dass
das Bild Gottes in der ersten Gemeinde unitarisch war und erst im zweiten
Jahrhundert langsam, gegen die Lehre der Subordination, binitarisch wurde. Für
die Kirchenväter wie Justin (der Märtyrer), Irenaeus und Tertullian, war Jesus

2
Christianity and the Roman Empire (New York: W.W. Norton, 1967), 174.
3
Heresies (Doubleday, 1984), 20.
4
Ebenso, 4.
138 Die Trinität und die Politik

dem Vater in allem untergeordnet und Origenes zögerte, seine Gebete an Jesus zu
richten, weil, wie er schrieb, dies nur dem Vater zukomme.“5

Das Gesamtbild, welches sich in der Geschichte zeigt, gleicht einer


arithmetischen Folge: „Im ersten Jahrhundert ist Gott nach guter jüdischer
Tradition immer noch monotheistisch. Im zweiten Jahrhundert wird Gott
zu Zwei-in-Einem; vom dritten Jahrhundert an wird Gott schrittweise
dreifach.“6
Lapide spricht von „blutigen Kriegen zwischen Christen im vierten
und fünften Jahrhundert, als Tausende von Christen andere Christen
aufgrund der Trinität hinschlachteten.“7
Wie wurde dieser tragische Disput nun gelöst? Ein Mann, Kaiser
Konstantin, veränderte den Lauf der christlichen Geschichte. Er war der
Erste, der eine Vermischung aus Christentum, Heidentum und
Staatsgewalt unter dem Schirm des Römischen Reiches zustande brachte.
Johnson zeigt auf, dass Konstantin ohne Zweifel der weitverbreiteten
Ansicht anhing, alle religiösen Kulte seien um der Beschwichtigung der
verschiedenen nationalen Gottheiten zuliebe zu respektieren.
Er bemerkt auch, dass Konstantin

„anscheinend ein Anbeter der Sonne war. Das war einer jener Kulte, welche
ähnliche Gebräuche wie die Christen hatten. Die Anbetung solcher Götter war
keine neuartige Idee. Jeder Grieche und Römer glaubte daran, dass politischer
Erfolg von religiöser Frömmigkeit herkomme. Das Christentum war die Religion
von Konstantins Vater. Obwohl Konstantin in Anspruch nahm, der dreizehnte
Apostel zu sein, war seine Bekehrung kein „Damaskus-Erlebnis“. Tatsächlich ist
es höchst zweifelhaft, ob er jemals die Sonnenanbetung wirklich aufgab. Nach
seinem Bekenntnis des christlichen Glaubens baute er einen Triumphbogen zu
Ehren des Sonnengottes und stellte in Konstantinopel eine Statue des
Sonnengottes auf, welche seine eigenen Gesichtszüge trug. Schließlich wurde er
nach seinem Tod durch ein Edikt des Römischen Reiches vergöttlicht, so wie es
bei vielen Kaisern geschah.“8

In Konstantin, einem Berufssoldaten, fand das Christentum einen


ungewöhnlichen Helden. Er war der einflussreichste weltliche Herrscher
aller Zeitalter, die zu den Helden der Kirche gezählt werden. Man kann

5
Jewish Monotheism and Christian Trinitarian Doctrine, 39.
6
Ebenso.
7
Ebenso, 40.
8
A History of Christianity, 67.
Die Trinität und die Politik 139

gut fragen, wie sehr sein Leben Parallelen zu dem des Gründers des
Christentums, der den Titel „Friedefürst“ trägt, aufweist. Es war
Konstantin, der durch ein offizielles Edikt das Christentum zum Glauben
an die formelle Unterteilung der Gottheit in zwei Personen – Gott Vater
und Gott Sohn - brachte. Einer späteren Generation blieb die Aufgabe, das
Christentum zum Glauben an den dreieinen Gott zu bringen.
Es war derselbe Konstantin, welcher im Triumphzug in Rom einzog
und dabei den bluttriefenden Kopf seines enthaupteten Widersachers
(seines eigenen Schwagers) an seiner Lanze trug. Die Ehre für diesen Sieg
gab er einer angeblichen Vision, in der er die griechischen Buchstaben
Chi-Ro, die ersten zwei Buchstaben des Namens „Christus“, gesehen
hatte. Die Geschichte wird verschieden erzählt, aber vor diesem
historischen Gemetzel hatte er angeordnet, dass diese Buchstaben auf die
Schilde seiner Soldaten geschrieben wurden. Nur sechs Jahre vor seinem
Triumphzug nach Rom hatte er befohlen, dass Hunderte von fränkischen
Gefangenen in einer Arena in Stücke gerissen wurden. Er war auch zur
Stelle, als durch die antichristliche Politik Diokletians heilige christliche
Schriften verbrannt wurden, nachdem Gläubige, welche die Anbetung
heidnischer Götter abgelehnt hatten, verstümmelt worden waren.
Die Geschichte zeigt uns, dass dieser angebliche Nachfolger Jesu elf
Jahre nach seinem „himmelsinspirierten“ Triumph einen bereits besiegten
Rivalen ermorden ließ, seine Frau töten ließ, indem er sie lebendig in
ihrem eigenen Bad kochte – und einen unschuldigen Sohn ermordete.
„Sein Privatleben wurde ungeheuerlich, als er älter wurde. Er wurde fett
und war als „Stiernacken“ bekannt......Seine Fähigkeiten hatten immer im
Management gelegen....er war ein Meister....des glattzüngigen
Kompromisses.“9 Dennoch war er „unterdrückend, egoistisch,
selbstgerecht und rücksichtslos.“10 In späteren Jahren „zeigte er eine
zunehmende Vorliebe für Schmeichelei, bunte Uniformen, persönliches
Zur-Schau-Stellen und erhabene Titel. Sein Neffe Julian sagte, er habe
sich selbst durch sein Erscheinungsbild lächerlich gemacht – durch
komische, steife östliche Gewänder, an seinen Armen Juwelen und am
Kopf eine Tiara, die verrückt einer gefärbten Perücke aufgesetzt war.“ 11
Sein Hauptverteidiger, Eusebius von Cäsarea, behauptete, dieser
christliche Kaiser hätte sich nur so gekleidet, um den Massen zu

9
Ebenso, 68.
10
Ebenso.
11
Ebenso.
140 Die Trinität und die Politik

imponieren, privat hätte er sich selbst ausgelacht. „Aber das widerspricht


so vielen anderen Aussagen, auch von Eusebius selbst. Eitel und
abergläubisch, könnte er sich dem Christentum zugewandt haben, weil es
seinen persönlichen Interessen und seinem wachsenden Größenwahn
diente.“12
Der Zyniker mag nun fragen, wie weit das Leben Konstantins den
demütigen Zimmermann aus Nazareth widerspiegelte. Trotz der Taufe
kurz vor seinem Tod wurde spekuliert, dass Konstantins tieferes Interesse,
abgesehen vom üblichen Aberglauben der Soldaten jener Zeit,
hauptsächlich ein politisches gewesen war. Sein Wunsch, Einheit in ein
zerrissenes Reich zu bringen, verlangte Scharfsinn. Die Fähigkeit
Konstantins muss von späteren politischen Führern beneidet worden sein,
welche sich bei verschiedenen politisch aktiven, rivalisierenden religiösen
Gruppen lieb Kind machen mussten. In manchen Fällen führte dies dazu,
am Höhepunkt des Wahlkampfes die Erfahrung der Wiedergeburt
vorzugeben.

Christologische Kontroverse
Im Römischen Reich entstand eine tiefgehende theologische
Kontroverse zwischen den Christen in Alexandria und Antiochien. Diese
gegensätzlichen Gruppen bedeuteten eine Bedrohung für die Einheit des
Reiches. Aufgrund des politischen Potentials der rivalisierenden
Fraktionen mussten diese Differenzen gelöst werden. Die Christen in
Alexandria glaubten, dass Jesus als ewiges göttliches Wesen präexistiert
hatte und er Mensch wurde, indem er als Mensch erschien. Der Jesus
dieser Theologie lief in die Gefahr, nur scheinbar ein menschliches Wesen
zu sein. In der technischen Sprache der Christologie war der Jesus der
alexandrinischen Gläubigen „doketisch“ (abgeleitet vom griechischen
Zeitwort „scheinen“). Das Wichtige daran ist, dass seine Göttlichkeit sein
Mensch-Sein so überlagerte, dass Letzteres nur eine Vortäuschung war.
Der Erlöser war Gott selbst, der in einem menschlichen Körper wohnte
und (wie es später am Konzil von Chalcedon im Jahre 451 ausgedrückt
wurde) nur „unpersönliche menschliche Natur“ besaß. Jesus selbst, so
glaubten die Orthodoxen, war „Mann“, aber nicht „ein Mann“.
Bei all jenen, die rund um Antiochien aufwuchsen, jener Region,
welche die Heimat Jesu einschloss, herrschte eine andere Meinung über
Christus vor. Hier resultierte der ursprüngliche Monotheismus der Juden,

12
Ebenso.
Die Trinität und die Politik 141

der die Einheit Gottes betont, in einem Glauben an einen erschaffenen


Sohn. Der unterschiedliche Lehrpunkt dieser „arianischen“ Christologie
war, dass Jesus als Sohn Gottes einen Anfang hatte und, obwohl
präexistent, nicht gleich-ewig und dem Vater völlig gleich war. Im
Mittelpunkt dieser Kontroverse, die sich zwischen diesen beiden Parteien
entwickelte, stand der Priester Arius, der eine beachtliche Anhängerschaft
aus dem Bereich des alexandrinischen Bischofs Alexander hatte. Die
Bemühungen von Arius, seine theologische Ansicht in Ägypten zu
verbreiten, führten zu seiner Exkommunikation.
Die aufgezeigten ideologischen Differenzen zwischen Rom,
Alexandria und Antiochien waren dem römischen Kaiser ein Anliegen.
Die Macht der Religion spielte im vierten Jahrhundert eine so große Rolle
für die Stabilität des Römischen Reiches, dass der religiöse Aufruhr vom
Staat unter Kontrolle gebracht werden musste, da er die politische Einheit
bedrohte. Konstantin wollte den Disput durch den folgenden
vermittelnden Brief beenden, den er jeder Fraktion senden ließ und in dem
er die Beilegung der Differenzen forderte:

„Konstantin, der Sieger, der höchste Augustus, an Alexander und


Arius......Welch tiefe Wunde hat die Nachricht, dass unter euch Differenzen
bestehen, nicht nur meinen Ohren, sondern auch meinem Herzen
zugefügt....Nachdem ich mich sorgfältig nach dem Ursprung und den Grundlagen
dieser Differenzen erkundigt habe, glaube ich nun, dass sie wirklich unwichtiger
Natur sind und eines solch bitteren Streites unwürdig.“13

Konstantin war offensichtlich blind für die tiefen theologischen


Fragen in dieser Kontroverse. Als sein erster Versuch, diesen Streit zu
beenden, fehlschlug, berief er das vielleicht einflussreichste ökumenische
Konzil in der Geschichte der christlichen Kirche ein. Dort wurde eine
schicksalsschwere und weitreichende Entscheidung über die Natur Christi
und die der Gottheit getroffen. „Der festgesetzte Termin war der
Frühsommer des Jahres 325 nach Christus in der hübschen Seestadt
Nizäa....in der nordwestlichen Türkei, wo Konstantin einen bequemen
Palast hatte.“14

„Das Christentum hatte sich bis nach Britannien im Westen und


Indien im Osten verbreitet und so brauchten manche Delegierte Wochen,

13
Zitiert bei Ian Wilson, Jesus: The Evidence (Harper & Row, 1984), 165.
14
Ebenso.
142 Die Trinität und die Politik

wenn nicht Monate, für die Anreise.....der Eremit Jakob von Nisibis kam
in Ziegenhäuten, begleitet von einer Schar von Mücken. Ein anderer
Delegierter war der heilige Nikolaus.....welcher das Vorbild von Santa
Claus wurde..... Vor dieser bizarren und noch nie dagewesenen Menge
nahm Konstantin, glänzend bekleidet und mit Gold und Juwelen behängt
(was frühere Kaiser verabscheut hatten), seinen Platz auf einem niedrigen,
goldenen Stuhl ein.“15

Der Kirchenhistoriker Schaff beschreibt sie Szene weiter, wobei er


Eusebius von Cäsarea zitiert:
„Das Erscheinen des Kaisers wurde durch ein Signal angekündigt,
dann erhoben sich alle von ihren Sitzen und der Herrscher erschien wie
ein himmlischer Bote Gottes, behängt mit Gold und Edelsteinen, eine
glorreiche Erscheinung, groß und schlank, voller Schönheit, Kraft und
Majestät.“16
„Es war zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte, dass eine
Entscheidung getroffen wurde, die bis heute die weitreichendsten
Auswirkungen für die an Christus Glaubenden hat.“17 Aus Gründen, die er
selbst am besten kannte, stand dieser in biblischen Belangen weitgehend
unwissende Kaiser, der die vorliegenden theologischen Fragen nicht
gänzlich verstand, einer der signifikantesten Debatten vor, die jemals von
der Kirche geführt wurden. Die Resolution, die vom Konzil angenommen
wurde, hatte wichtige und weitreichende Auswirkungen auf den Leib der
Gläubigen. Die Entscheidung Konstantins favorisierte die Meinung der
Minderheit am Konzil. Die getroffene Entscheidung wird vom Großteil
der heutigen Christen akzeptiert – dass Jesus gleich und gleich-ewig mit
Gott ist, „wahrer Gott von wahrem Gott.“ So wurde das zweite Bein der
Trinität zum Dogma. Im nächsten Jahrhundert wurde es durch die
Deklaration, der Heilige Geist sei die dritte Person der Gottheit,
vollendet.“
Die griechischen, philosophisch gesinnten alexandrinischen
Theologen, die von Athanasius angeführt wurden, errangen den Sieg.
Alle, die eher dem früheren jüdischen Monotheismus anhingen, wurden
geschlagen. Andersdenkende, die sich weigerten, die Vereinbarung zu
unterschreiben, wurden sofort verbannt. Die Kirche wurde nun von

15
Ebenso, 165, 166.
16
History of the Christian Church (Grand Rapids: Eerdmans, 1907-1910), 3:625.
17
Ian Wilson, Jesus: The Evidence, 168.
Die Trinität und die Politik 143

Theologen übernommen, die stark von der griechischen Denkweise


beeinflusst waren. So wurde die Richtung für die zukünftigen Doktrinen
der nächsten siebzehn Jahrhunderte festgelegt. Die Beobachtung von H.L.
Goudge ist zutreffend: „Als die griechische und die römische Denkweise
in der Kirche die Oberhand über die hebräische gewannen, ereignete sich
eine Katastrophe in der Lehre und in der Praxis, von der wir uns niemals
erholt haben.“18 Diese Kontrolle blieb seit dem vierten Jahrhundert
unvermindert bestehen. Den angestrebten politischen Zusammenhalt des
Römischen Reiches erreichte Konstantin sicherlich. Das sind historische
Fakten, aber wie sehr ging das auf Kosten der Wahrheit? Die christliche
Kirche wirft sich bis heute vor dem niedrigen, goldenen Thron
Konstantins nieder.
Einige der Unterzeichner der Urkunde, die aus Antiochien kamen,
protestierten zu spät, als sie Konstantin schrieben, sie hätten „eine gottlose
Tat begangen, o Prinz, durch das Unterzeichnen einer Blasphemie aus
Angst vor dir.“19 So schrieb Eusebius von Nicomedia. Nichtsdestotrotz
war die Tat begangen. Eine gänzlich neue Theologie wurde in der Kirche
formell kanonisiert. Seit dieser Zeit wurden unzählige hingegebene
Christen, welche mit dem erzwungenen Edikt des Kaisers nicht
einverstanden waren, gefoltert und oft durch den Staat oder andere
Christen hingerichtet.
Es sollte einen nicht verwundern, dass eine Gottheit bestehend aus
zwei Personen von Konstantin und den griechischen Theologen akzeptiert
wurde. Es entsprach im Charakter der weitverbreiteten Akzeptanz
mehrfacher Gottheiten. Die römische und griechische Weltanschauung
war von vielen Göttern durchdrungen. Die Idee, dass Gott Mensch
geworden war, war keinesfalls eine Neuheit (siehe Apg.14,11),
ebensowenig wie die Behauptung, dass ein Mensch zum Gott erhoben
wurde. Konstantin hatte die Vergöttlichung seines Vaters angeordnet und
wusste, ihm würde nach seinem Tod dieselbe Ehre zuteil werden. Bei
seinem Begräbnis wurde er zum dreizehnten Apostel erklärt.
Heute wirft die gewaltige Entscheidung Konstantins ohne
nennenswerte Opposition ihren Schatten auf den geteilten Leib Christi des
21. Jahrhunderts. Konstantins Einfluss scheint unangefochten weiter zu
bestehen. So wie es bei Napoleon, welcher der blutige Schlächter Europas

18
„The Calling of the Jews“, in den gesammelten Essays über Judaism and
Christianity.
19
Ian Wilson, Jesus: The Evidence, 168.
144 Die Trinität und die Politik

war, bei Luther, Calvin, oder bei einem modernen Führer, wie Joseph
Smith es ist – treue Anhänger erlauben keine Trübung des
Heiligenscheines, sondern fahren fort, ihren Ruf mit Glanz zu versehen.
Die Wahrheit der Geschichte mag sie härter beurteilen, aber ihre
geistlichen Nachkommen tolerieren selten jemanden, der es wagt, Fehler
an ihnen zu finden. Zwei Jahrhunderte lang nach Konstantin folgte ein
Gemetzel dem anderen, als bei der Verteidigung der heute bekannten
Orthodoxie bekennende Christen andere Christen bekämpften. Es wurde
verlangt, an die Gottheit in zwei Personen (und später drei Personen) zu
glauben, oder man wurde dem Bann, dem Exil, der Folter und dem Tod
ausgesetzt – hauptsächlich im Interesse politischer Zweckmäßigkeit und
zur Erhaltung einer dogmatisch festgesetzten, unzweifelhaften Wahrheit.20
In der Zeit nach Konstantin wurde die Gewalt zu einer akzeptierten
christlichen Methode, um Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen. In
der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts brannten christliche Kreuzfahrer
danach, das Heilige Land durch Gewalt zu befreien. Nach der
Hinschlachtung europäischer Juden fuhren sie fort, Zerstörung über die
„untreuen“ monotheistischen Moslems zu bringen, welche die heilige
Stadt Jerusalem kontrollierten. Dieses Gemetzel wurde unter dem blutigen
Banner des dreieinen Gottes ausgeführt. Manche denken, der Islam hätte
nie die Chance gehabt, sich als einflussreiche Religion zu etablieren, wenn
die Ein-Personen-Gottheit der Juden der christliche Gott geblieben wäre.
In allen diesen Entwicklungen findet man kaum etwas, was mit dem
Leben des Gründers des Christentums im Einklang steht, welcher sagte:
„Widersteht nicht dem Bösen“, „haltet die andere Wange hin“ (Mt.5,39),
„glückselig sind die Friedensstifter“ (Mt. 5,9), und der den Sanftmütigen
die Erbschaft des Landes versprach (Mt.5,5). Derselbe Messias hatte
protestiert: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (d.h. es hat seinen
Ursprung nicht in gegenwärtigen, bösen Weltsystemen, obwohl es im
kommenden Zeitalter auf der Erde sein wird); wenn mein Reich von
dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft“ (Joh. 18,36).21
Sobald sich das Christentum dem theologischen Urteilsspruch des

20
Ein gut dokumentierter Bericht über den starken politischen Einfluss bei der
Formation des christlichen Dogmas wird durch R.E. Rubensteins: When Jesus
Became God: The Struggle to Define Christianity during the Last Days of Rome,
(Harcourt, 1999), gegeben.
21
Viele Bibelstellen sagen uns, dass das Reich Gottes auf der Erde bei der
Wiederkunft Jesu aufgerichtet werden wird (Mt. 5,5; 19,28; 25,31; Offb. 5,10;
Jes. 2, 1-4 etc.).
Die Trinität und die Politik 145

weltlichen, erobernden Armes des Staates hingegeben hatte, wurde die


Gewalt zum akzeptierten Bestandteil der Kirche. Die Kirche schloss einen
fatalen Kompromiss mit der Welt, eine Entscheidung, die sie dazu
bestimmt, sich mit Ungewissheit und doktrinärer Verwirrung abzuquälen,
und sie war auch dazu bereit, in Kriegszeiten sowohl ihre Feinde als auch
ihre eigenen Angehörigen in fremden Ländern zu töten.
Die katholische Kirche sah es später, als sie von falscher Doktrin
bedroht wurde, als Verantwortung der Gläubigen, alle Opposition durch
die Inquisition zu beenden. Sie sah ihre protestierenden Kinder in der
protestantischen Welt eben diese Mittel anwenden. Dissidenten in der
protestantischen Bewegung wurden von den protestantischen Führern
ebenso hart behandelt wie von weltlichen Regierungen.

Calvin gegen Servetus


Ein bemerkenswertes Beispiel für die Art, wie christliche Leiterschaft
antworten kann, wenn ihre jahrhundertealte Doktrin der Trinität durch die
Ansicht, Gott sei eine einzige Person, bedroht wird, zeigt sich in der
Reaktion eines der angesehensten Leiter der protestantischen
Reformation, Johannes Calvin. Der unglückliche Leidtragende von
Calvins Grausamkeit war der Anti-Trinitarier Michael Servetus.
Servetus, der im katholischen Glauben erzogen worden war, ließ sich
in der Rechtssprechung ausbilden und anschließend in Medizin. Er wurde
durch den Pomp und die Verehrung, die dem Papst in Rom
entgegengebracht wurden, abgestoßen. Nachdem er unter den Einfluss der
frühen Reformation gekommen war, setzte er sein eifriges Studium der
Bibel fort und wurde der erste Protestant, der die Lehre von der Trinität
angriff. Seine Schriften lassen keinen Zweifel aufkommen, dass er
außerordentlich gut ausgebildet war, sowohl in der hebräischen als auch in
der griechischen Sprache. Er verkündete in einer emotionalen, manchmal
scharfen Weise, dass das katholische Dogma der drei Personen der
Gottheit ein Gebilde der Einbildung ist, ein Monstrum, welches sich aus
unvereinbaren Teilen, metaphysischen Göttern und philosophischen
Abstraktionen zusammensetzt.22 Diese Anschuldigungen erregten die
Aufmerksamkeit Calvins, der mit der Entgegnung reagierte, Servetus

22
General Repository and Review, Hrsg. Andrews Norton, (Cambridge, MA:
William Hilliard, Okt. 1813), 4:37.
146 Die Trinität und die Politik

verdiene es, dass ihm die Gedärme herausgerissen und er selbst in Stücke
gerissen würde.23
Obwohl Servetus im Großen und Ganzen mit der protestantischen
Sache sympathisierte, fand er ironischerweise im protestantischen
Deutschland und in der Schweiz keine Zuflucht. Er fand schließlich einen
Unterschlupf im Palast eines römisch- katholischen Erzbischofs in
Frankreich, der ein Bewunderer des gelehrten Mannes war. Zu dieser Zeit
war Servetus ein geschickter Arzt und der Erste, der eine Abhandlung
über die Fließrichtung des Blutes vom rechten Ventrikel zum linken
Vorhof des Herzens schrieb. Die Weitläufigkeit seiner Fertigkeiten erwies
ihn als den anderen Reformatoren ebenbürtig. Seine fortdauernde
Korrespondenz mit Calvin die Trinität betreffend machte ihn bei der
Regierung in Genf, wo Calvin ein starkes theokratisches System
kontrollierte, nicht gerade beliebt. Er sagte Calvin: „Euer Evangelium ist
ohne den Einen Gott, ohne wahren Glauben, ohne gute Werke. Anstelle
des Einen Gottes habt ihr den dreiköpfigen Cerberus 24 (den dreiköpfigen
Hund aus der griechischen Mythologie, der den Eingang zur Hölle
bewacht).“ Weiters bemerkte er gegenüber Calvin: „anstelle des wahren
Glaubens habt ihr eine tödliche Illusion; und die guten Werke sind eine
leere Zurschaustellung.“25 Diese Worte qualifizierten Servetus sicherlich
nicht für das diplomatische Corps. Aber wir sollten seine Integrität und
den Mut, hinter seiner Überzeugung zu stehen, nicht bezweifeln.
Entsprechend dem Geist Konstantins schwor Calvin, ihn zu töten,
wenn er die Macht dazu habe. Servetus entschied sich, ein weiteres Werk
zu publizieren, das dazu bestimmt war, das Christentum in seiner
ursprünglichen Reinheit wieder herzustellen und es von den Irrtümern, die
den Glauben verunreinigt hatten, zu befreien. Calvin erwarb das
komplette Werk von Servetus, in dem dieser die Lehre der Trinität angriff.
Danach ließ er Servetus durch einen Mittelsmann und die katholische
Kirche verhaften. Während seiner Haft wurde dieser mit Respekt
behandelt und nach drei Tagen bekam er von einem Wärter den Schlüssel,
um im Garten spazieren gehen zu können. Er flüchtete, aber es stellte sich
heraus, dass es ein Weg zum Tod war.
Seine Freiheit währte nur kurz. Er beschloss, nach Neapel in Italien zu
reisen, um seinem Beruf als Arzt nachzugehen. Er traf den

23
Ebenso.
24
Ebenso, 47.
25
Ebenso.
Die Trinität und die Politik 147

verhängnisvollen Entschluss, über Genf zu reisen. Das war Calvins


Herrschaftsgebiet. Er hatte dort eine kirchliche Theokratie errichtet, in der
er mit fast absoluter Herrschaft regierte. Ohne Zweifel wusste Servetus,
dass er im Falle seiner Gefangennahme von Seiten der Protestanten mehr
Milde zu erwarten hatte als von den katholischen Autoritäten. Nach seiner
Flucht hatte ihn die katholische Kirche in seiner Abwesenheit dazu
verurteilt, „in einem Mistwagen zum Hinrichtungsplatz gefahren zu
werden um dort (tout vif – ganz lebendig) bei schwachem Feuer
zusammen mit seinen Büchern verbrannt zu werden.26 Tragischerweise
rechnete Servetus nicht mit dem Charakter seines protestanischen Feindes,
der gesagt hatte: „Wenn er kommt und ich nur irgendeine Autorität habe,
so werde ich ihn nicht mit dem Leben davonkommen lassen.“27 Calvin
gab später zu: „Ich will nicht verbergen, dass er durch meine Anstrengung
und auf meinen Rat hin ins Gefängnis geworfen wurde.“28 Calvin hätte
seinen modernen Apologeten einen Gefallen getan, wenn er nicht einen
Bericht über seine Vorgehensweise mit Servetus geschrieben hätte. Aber
es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Anhänger von Führern blind stellen
und die scheußlichsten Aspekte des Benehmens ihres Helden ohne
Rücksichtnahme auf die Tatsachen vor den Augen der Öffentlichkeit
verbergen.
Servetus erlebte die volle Härte des rücksichtslosen Calvin. Nachdem
er grausame Entbehrungen und Erniedrigung erlitten hatte, wurde er mit
Eisenketten an einen Pfahl gebunden und sein letztes Buch wurde an
seinen Oberschenkeln befestigt. Nachdem er

„seinen Exekutor um eine kurze Folter gebeten hatte, wurde das Feuer an den
kleinen Haufen grüner Eichenzweige gelegt. Er wand sich lange in seiner Qual
und rief mit einer durchdringenden Stimme aus: „Jesus, Sohn des ewigen Gottes,
erbarme dich meiner!“ Schließlich warfen einige Zuseher aus Gnade brennende
Reisigbündel auf ihn und bereiteten so seiner Qual ein Ende.“29

So endete das Leben eines brillanten Mannes, dessen Studium der


Bibel ihn in eine oppositionelle Stellung zu einem protestantischen
Reformator des 16. Jahrhunderts gebracht hatte. Ungeachtet der
historischen Meinungsverschiedenheit über die Stärken und Schwächen

26
Ebenso, 56.
27
Ebenso, 48.
28
Ebenso, 58.
29
Ebenso, 72.
148 Die Trinität und die Politik

der beiden Gegenspieler in diesem tragischen Drama bleibt die nackte


Tatsache, dass Servetus aufgrund seiner Opposition zu einem religiösen
Dogma - der Trinität - am Pfahl verbrannt wurde. Er erlitt einen
grausamen Tod, weil er es gewagt hatte, seine aufrichtige und
wohldurchdachte Meinungsverschiedenheit mit der geheiligten Tradition,
deren Anhänger sich angegriffen fühlten, zu veröffentlichen. Es ist der
Zeit nicht gelungen, diesen furchtbaren Schandfleck aus den
Aufzeichnungen des Christentums zu entfernen.
Es wäre falsch zu glauben, dass religiöse oder weltliche Opposition zu
einem Glauben an eine Ein-Personen-Gottheit der Vergangenheit
angehört. Durch das eine oder andere Mittel, offen oder verdeckt, wird das
biblische Konzept Gottes als eine Person - „ein Gott, der Vater“ aus dem
Bekenntnis von Paulus (1.Kor.8,6) - unter einer Decke aus
widersprüchlichen Worten, Phrasen und unterdrückter Diskussion
versteckt.
Die Kraft, mit der die Lehre von der Dreieinigkeit verteidigt wird,
wirft eine Wolke des Verdachtes auf sie. Mit einer Lehre, die solch
tragische und blutige Vorkommnisse in der Kirchengeschichte
hervorbrachte, scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Das Dogma, von
dem sogar seine Vertreter behaupten, dass es nicht erklärbar ist, und das
für den rationalen Verstand so wenig Sinn ergibt, war ein Produkt der
griechischen Denkweise. Es war der hebräischen Theologie, in der Jesus
und seine Jünger aufgewachsen waren, entgegengesetzt. Der Gott von
Mose, Jesaja, Jesu und der Apostel war eine Person, der Vater. Eins kann
nicht zwei oder drei gleichgesetzt werden. Alles, was mit „eins“ gemacht
werden kann, ist es zu zerteilen. Teile es in mehrere kleinere Fragmente,
so ist es nicht mehr eins. Dehne es aus und es kann, trotz erstaunlicher
mentaler Gymnastik der Trinitarier, nicht zu zwei oder drei gemacht
werden und trotzdem eins bleiben. (Das soll nicht heißen, dass Gott nicht
Vertreter ernennen kann, um Seinen Einfluss auszudehnen und Autorität
auszuüben). Gott wird sich nicht Fraktionierung und Zerteilung
unterziehen. Als das Christentum seinen ersten Schritt in Richtung einer
Teilung Gottes in zwei Teile (Vater und Sohn) machte, spaltete es sich
selbst, nicht Gott. So bleibt die christliche Welt bis zum heutigen Tag;
nicht vereint, wie Jesus betete, sondern in verschiedene Denominationen
gespalten. Diese Tatsache sollte uns veranlassen, uns die Frage zu stellen:
Als Jesus darum bat, dass seine Gemeinde eins sei (Joh. 17, 20-21), wurde
da sein Gebet nicht erhört? Ist es möglich, dass die heutige gespaltene und
verwirrte religiöse Gemeinschaft nur dem Namen nach christlich ist?
Die Trinität und die Politik 149

Sollte ihr vorrangiges Glaubensbekenntnis, welches sie selbst so als


Standard hervorhebt, eine Abweichung von der Bibel sein?
Wenn wir die phantasiereichen Spekulationen der griechischen
Philosophen und Theologen beiseite lassen, wenn wir die Störung durch
verschiedene Argumentationen in unserer Suche nach dem wahren Gott
und dem wahren Jesus verhindern und uns nur auf die klaren
Glaubensdeklarationen der Schrift stützen, so enthüllt uns die Bibel, dass
Jesus der Messias war, der Sohn Gottes. Das ist das zentrale „Dogma“ des
Neuen Testaments. Das ist auch der Glaube der ersten Christen und es
gibt keinen Grund, ihre Anschauung über den Heiland zu verändern,
indem man ihn als präexistenten Super-Engel oder als ewigen Gott, der
Mensch wurde, ausgibt.
Es ist vernünftig, durch den Wechsel in der Denkweise die
Schwierigkeiten zu erklären, die Bibelleser bei der Unterscheidung
zwischen Tradition und der ursprünglichen Lehre Jesu und der Apostel
haben. Eine christliche Suche nach der Wahrheit wird keine Furcht vor
den Tatsachen haben müssen.
7. DIE NATUR VON PRÄEXISTENZ IM NEUEN
TESTAMENT

„Der Heilige Geist wird über dich kommen ....darum wird auch das
Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ -
Gabriel

„In der christlichen Tradition wurde das Neue Testament lange durch die
Brille der späteren Glaubensbekenntnisse der Konzile gelesen.....Wenn von Jesus
als dem Sohn Gottes gesprochen wurde, so hatte das im ersten Jahrhundert eine
völlig andere Bedeutung als seit dem Konzil von Nizäa (325 n. Chr.). Wenn von
seiner Präexistenz gesprochen wird, so sollte sie in den meisten, wenn nicht in
allen Fällen, analog zur Präexistenz der Torah verstanden werden, um den ewigen
göttlichen Zweck anzudeuten, welcher durch ihn erreicht wurde, und nicht als
Präexistenz in einer vollständig personalen Art.“1

„Die Hauptvertreter der Kirchen sind einer bestimmten Lehre über Jesus
verpflichtet, doch diejenigen, die im Verständnis der frühen christlichen Lehre
ausgebildet sind, hinterfragen die Argumente, durch welche diese Lehre erreicht
wurde. Neutestamentliche Gelehrte fragen, ob sie durch das Neue Testament
überhaupt gelehrt wird und Historiker wundern sich über die Verschiedenheit
zwischen Jesus selbst und dem vollentwickelten Christentum. Diese Fragen sind
sehr beunruhigend, denn sie laufen darauf hinaus, dass das Christentum in einem
schlechteren Zustand ist, als es allgemein erwartet wird. Vielleicht ist es keine an
der Basis starke Struktur, die nur modernisiert zu werden braucht, sondern es
benötigt einen radikalen Neuaufbau....Das Neue Testament deutet niemals an,
dass der Ausdruck ‚Sohn Gottes’ einfach nur ‚Gott’ meint.“2

Dennoch beharrt der Evangelikalismus für jemanden, der als Christ


angesehen werden will, auf der Gleichsetzung der beiden Ausdrücke!

1
Maurice Wiles, The Remaking of Christian Doctrine.
2
Don Cupitt, The Debate About Christ (London: SCM Press, 1979), vii,4.
152 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

„Wenn Juden etwas als vorherbestimmt bezeichnen wollten, so


sprachen sie davon, dass es im Himmel schon „existierte.“3 So haben die
Feststellungen der „Präexistenz“ im Neuen Testament in Wirklichkeit mit
Vorherbestimmung und Vorsehung zu tun. Die Griechen missverstanden
die jüdischen Art zu denken und verwandelten Jesus in eine kosmische
Figur, die vom Weltall auf die Erde gekommen war. Aber ist ein solcher
Jesus ein menschliches Wesen? Ist er der wahre Messias Israels?
Viele hingegebene Christen sind heute über die gnostischen und
mystischen Tendenzen, die auch die Gemeinden betreffen, beunruhigt.
Aber viele sind sich nicht bewusst, dass philosophische, mystische Ideen
die Gemeinde seit dem zweiten Jahrhundert beeinflussten. Die
„Kirchenväter“ versenkten sich in heidnische Philosophie und legten die
Grundlage der Glaubensbekenntnisse, die heute „orthodox“ genannt
werden. Der Same der trinitarischen Lehre wurde durch das Denken von
Justin (dem Märtyrer) gesät, einem Apologeten des zweiten Jahrhunderts,
welcher „im Platonismus die engste Annäherung an das Christentum fand
und glaubte, dass weder dessen Geist noch seine Prinzipien geändert
werden mussten, um in das größere Licht christlicher Offenbarung zu
gelangen“. „Die Kräfte, welche bei der Änderung der apostolischen Lehre
am Werk waren, kamen aus dem Heidentum.......Die Denkweise, die
durch die Heiden in die Gemeinde gebracht wurde, genügt, um die
Korruption der apostolischen Lehre, die in nachapostolischer Zeit begann,
zu erklären.“4
Intelligente Christen müssen von dieser Korruption informiert werden
und auch von der Art und Weise, wie diese zur Zeit von vielen als
„schriftgemäß“ erklärt wird. Scharfblick bedeutet, den Unterschied
zwischen der offenbarten Wahrheit und heidnischen philosophischen
Lehren, die ihren Ursprung außerhalb der Bibel haben und nun als
„Orthodoxie“ bezeichnet werden, zu erkennen.
Wir möchten den Leser bitten, die verheerenden Auswirkungen zu
bedenken, die entstehen, wenn auf die jüdische Denkweise der Bibel,
welche mit Ausnahme von Lukas von Juden geschrieben wurde, keine
Rücksicht genommen wird. Klar, wenn Juden mit dem Wort
„Präexistenz“ etwas anderes meinen als wir, so sind wir in Gefahr, sie bei
den grundlegenden Aussagen über Jesus misszuverstehen. Es gibt einen

3
E.G. Selwyn, First Epistle of St. Peter (Baker Book House, 1983), 124.
4
G.T. Purves, The Testimony of Justin Martyr to Early Christianity (New York:
Randolph and Co., 1889), 167.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 153

großen Unterschied zwischen vorgesehen und vorherbestimmt zu sein und


der tatsächlichen Präexistenz. Die griechische Philosophie glaubte an
einen „zweiten Gott", an einen nicht menschlichen Mittler zwischen dem
Schöpfer und der Welt. Doch der wahre Jesus ist der „Mensch Messias“,
der Eine Mittler zwischen Gott und den Menschen (1. Tim. 2,5). „So ist
doch für uns ein Gott, der Vater..... und ein Herr, Jesus Christus...“ (1.Kor.
8,6). Bitte beachten Sie sorgfältig die Definition des Einen Gottes bei
Paulus.
Das Neue Testament ist durch und durch ein jüdisches Buch. Seine
Schreiber waren alle Juden, vielleicht mit Ausnahme von Lukas (der aber
trotzdem genauso jüdisch in Bezug auf seine offensichtliche Freude über
die jüdische Rettung - Joh. 4,22 - ist, die durch Jesus sowohl den Juden als
auch den Heiden angeboten wird). Moderne Bibelleser nähern sich den
biblischen Aussagen mit einem griechischen Verständnis des Lebens. Das
ist ihr Erbe der Kirchen und der ersten nachbiblischen Bekenntnisse,
welche die Tatsache übersahen, dass Jesus Jude war und wie ein Jude
dachte und auch mit jüdischem Verständnis lehrte.
Es gibt in unserem traditionellen Bekenntnischristentum eine
antisemitische Tendenz, die erkannt und aufgegeben werden muss. Sie hat
auf dramatische Weise die christliche Lehre beeinflusst. Und sie hat auch
die Art beeinflusst, in der wir die Person Jesu, den Messias, erklären.
Die Anschauung, dass sich die Seele vom Körper löst und bewusst
ohne Körper überlebt, ist eine gänzlich unjüdische Idee (das zeigt sich gut
im Alten Testament – und die Lehre des Neuen Testamentes über die
Natur des Menschen beruht auf der des Alten Testamentes). Moderne
Leser der Bibel sind schockiert, wenn sie bemerken, dass in der Bibel der
ganze Mensch stirbt und ohne Bewusstsein ist („Schlaf“) und erst in der
zukünftigen Auferstehung der gesamten Person wieder lebendig wird. Das
traditionelle Christentum bleibt dem falschen Gedanken treu, dass der
Mensch eine „unsterbliche Seele“ hat, welche nach dem Tod weiter lebt.
Viele Bibelleser haben der Aussage von „The Interpreter’s Dictionary of
the Bible“ keine Aufmerksamkeit geschenkt: „Kein einziger biblischer
Text gestattet die Behauptung, dass sich die Seele im Moment des Todes
vom Körper löst.“5
Die Annahme, dass Jesus schon vor seiner Geburt in Bethlehem
lebendig und bei Bewusstsein gewesen war, ist eine ebenso unjüdische

5
Hrsg. G.A. Buttrick (Nashville: Abingdon Press, 1962), 1:802. Siehe auch
unseren Artikel “Do Souls Go to Heaven?”
154 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

Idee. Im jüdischen Verständnis existieren Menschen nicht bewusst vor


ihrer Geburt. Die Präexistenz der Seele gehört in die griechische
Philosophie und wurde von einigen Kirchenvätern geglaubt (besonders
vom philosophisch und mystisch interessierten Origenes). Aber sie
konnten diese Idee nicht von der Bibel herleiten.
Eine besonders wichtige Tatsache muss uns bewusst sein, wenn wir
versuchen zu verstehen, wer Jesus war:

„Wenn ein Jude sagte, etwas sei ‚vorherbestimmt’, so dachte er an diese


Sache als bereits in einer höheren Sphäre existierend. So ist das Schicksal der
Welt prädestiniert, weil es in einem gewissen Sinn bereits präexistiert und somit
festgesetzt ist. Dieses typisch jüdische Verständnis von Prädestination kann von
der griechischen Vorstellung der Präexistenz durch die Vorherrschaft des
Gedankens der ‚Präexistenz’ im göttlichen Plan unterschieden werden.“6

Der Gelehrte fährt fort, indem er uns erklärt, dass dieses typisch
jüdische Denken ganz klar in 1. Petrus illustriert wird. Das erinnert uns
sofort daran, dass Petrus seine jüdische Denkweise (basierend auf der
hebräischen Bibel) nicht aufgegeben hatte, als er Christ geworden war.
Der Brief von Petrus ist adressiert an „die Auserwählten nach Vorkenntnis
Gottes, des Vaters“ (1.Petr.1,2). Petrus glaubte, dass alle Christen
vorausgesehen waren, aber das bedeutet nicht, dass wir alle präexistierten!
Die Lehre von Petrus bezüglich der zukünftigen Dinge wird durch
dieselbe Idee - dass alles in Gottes großem Plan vorherbestimmt ist -
durchdrungen. Gott sieht alles vor sich liegen. Jene, welche die Gabe des
Geistes haben, werden Gottes Blick teilen und im Glauben annehmen,
dass die Realität von Gottes Plan in der Zukunft Realität auf der Erde
wird. Bei Petrus war der Messias selbst vorausgesehen, nicht nur sein Tod
für unsere Sünden, sondern er ganz persönlich (1.Petr. 1,20). Petrus
verwendet dasselbe Wort bei der Beschreibung der „Existenz“ des Sohnes
Gottes in Gottes Plan, welches er auch gebraucht, um die „Existenz“ der
christlichen Gemeinde zu erläutern (V.2).
Obwohl der Messias vorherbestimmt („erkannt“) war (ebenso wie
Jeremia vor seiner Geburt, Jer.1,5), so wurde er doch erst durch seine
Geburt in tatsächliche Existenz gebracht und offenbart (Lk.1,35). Das ist
eine typisch jüdische Art, den Plan Gottes für die Menschen zu verstehen.
Er führt den Plan dann zu Seiner passenden Zeit aus.

6
E.C. Dewick, Primitive Christian Eschatology, The Hulsean Prize Essay for
1908 (Cambridge University Press, 1912), 253, 254, Hervorhebung beigefügt.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 155

Diese Art der „Präexistenz“, welche Petrus im Sinn hatte, wird dem
hebräischen Umfeld gerecht und entspricht nicht der Atmosphäre des
späteren, nachbiblischen Christentums.

„Wir dürfen nicht sagen, Petrus sei mit der Idee der Präexistenz Christi mit
dem Vater vor der Inkarnation vertraut gewesen (und wir dürfen deshalb auch
nicht behaupten, Petrus sei ein Trinitarier gewesen!). Denn diese Idee ist nicht
unbedingt in der Beschreibung, dass Christus ‚im Voraus vor Grundlegung der
Welt erkannt wurde’ enthalten, denn auch die Christen sind Teil von Gottes
Vorhersehung. Alles, was wir sagen können, ist, dass die Aussage pro kataboles
kosmou (vor Grundlegung der Welt) für das Amt und das Werk Christi eine
überirdische Rangstellung und Wichtigkeit ausdrückt........Petrus hat seinen
Glauben an die Göttlichkeit Christi nicht zu einer Bekräftigung seiner Präexistenz
erweitert: seine Christologie hat mehr Ähnlichkeit mit den ersten Kapiteln der
Apostelgeschichte als mit Johannes und Paulus.“7

Petrus hätte als Anführer der Apostel keine Sympathie für ein
trinitarisches oder arianisches (wie z.B. die modernen Zeugen Jehovas)
Verständnis von Jesus gehabt.
Wir bemerken auch, dass für Petrus die zukünftige Erlösung der
Christen, das Reich Gottes, das sie bei der Rückkehr Christi erben werden,
ebenso im Himmel aufbewahrt ist „bereit zur Offenbarung in der letzten
Zeit“ (1.Petr.1,5). Die Wiederkunft Jesu, sein zweites Kommen, wird so
eine „Apokalypse“, eine Enthüllung dessen sein, was jetzt zwar schon
„existiert“, aber unserer Sicht verborgen ist. So heißt es von Jesus, dass er
„erkannt“ war und darauf wartete, zu Gottes Zeit geoffenbart zu werden
(1.Petr.1,20). Weder das Reich Gottes noch Jesus selbst existierten im
Voraus. Sie waren aber vor der Grundlegung der Welt geplant.
Paulus verwendet dasselbe Konzept und auch dieselbe
Ausdrucksweise für die zukünftige Auferstehung und die Unsterblichkeit
der Heiligen. Er sagt, dass wir schon „einen Bau von Gott haben, ein
ewiges Haus (für das zukünftige Zeitalter)“ (2.Kor.5,1).8 Unser

7
E.G. Selwyn, First Epistle of St. Peter, 248, 250. Wir stimmen nicht überein,
dass sich die Ansicht Jesu bei Petrus von jener bei Paulus unterscheidet. Es ist
höchst unwahrscheinlich, dass die Apostel in ihrer Sichtweise Jesu nicht
übereinstimmten.
8
Dies ist die richtige Übersetzung von aionios, d.h. dem zukünftigen Zeitalter des
Königreichs zugehörig, nicht „ewig“. Das bedeutet freilich nicht, dass der Körper
der Zukunft vergänglich sein wird. Es überträgt Unsterblichkeit und währt somit
156 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

zukünftiger Auferstehungskörper „existiert“ bereits in der Absicht Gottes


und kann von uns als real angesehen werden, weil er sicher in der Zukunft
zustande kommen wird. In diesem Sinn „haben“ wir ihn also, obwohl wir
ihn natürlich genau genommen noch nicht haben. Dasselbe ist vom
Schatz, den wir in den Himmeln haben, wahr. Er ist uns für die Zukunft
versprochen. Wir werden als Vergeltung das Erbe empfangen (Kol.3,24),
wenn Christus es bei seiner Wiederkunft vom Himmel zur Erde bringt.

Vorbestimmung und nicht wörtliche Präexistenz


Wenn man diese elementare Aussage jüdischer (und biblischer)
Theologie verstanden hat, so wird es nicht schwierig sein, andere
Schriftstellen, wo demselben Prinzip der „Existenz“ die tatsächliche
Manifestation folgt, zu verstehen. So sagt Jesus in Johannes 17,5: „Und
nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich
bei dir hatte, ehe die Welt war“. Auf der Basis von 2. Kor.5,1 wird ein
Christ in der Zukunft, nach der Auferstehung bei der Wiederkunft Jesu,
sagen können, er habe nun bekommen, was er schon „hatte“, d.h. was für
ihn in Gottes Plan bereitet war. Christen haben einen Schatz im Himmel
(Mk.10,21), eine Belohnung, die in diesem Moment bei Gott aufgehoben
ist und ihnen in Zukunft übertragen werden wird. So heißt es, dass sie
eines Tages in der Zukunft „das Reich erben werden, welches ihnen
bereitet ist von Grundlegung der Welt an“ (Mt.25,34).
Wenn Jesus behauptet, er habe die Herrlichkeit gehabt, für die er nun
betet (Joh.17,5), so bittet er einfach um die Herrlichkeit, die, wie er weiß,
von Anfang an für ihn vorgesehen war.9 Diese Herrlichkeit existierte in
Gottes Plan und in diesem Sinn hatte sie Jesus auch bereits. Wir müssen
bedenken, dass Jesus nicht sagte: „Gib mir die Herrlichkeit zurück“ oder
„Stelle die Herrlichkeit wieder her, die ich hatte, als ich vor meiner Geburt
mit dir lebte“. So eine Aussage wäre dem Judentum völlig fremd. Es ist
gänzlich unnotwendig und sogar sehr falsch, heidnische Ideen in die
Schrift zu lesen, wenn wir sie uns gut in ihrem jüdischen Umfeld erklären
können. Die Verpflichtung zu zeigen, dass diese Texte in ihrem jüdischen
Zusammenhang nicht verstanden werden können, liegt bei jenen, die an
eine wörtliche Präexistenz glauben. Und man sollte sich daran erinnern,
dass die hebräische Bibel, die so viel über die Hoffnung auf den

ewig. Der Erwerb dieses Körpers ist trotzdem das große Ereignis des kommenden
Zeitalters, das durch die Auferstehung anfing.
9
Die Art der Synoptiker diese Idee auszudrücken, ist vom Königreich als
„bereitet vor der Grundlegung der Welt“ zu sprechen. (Mt. 25,34).
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 157

kommenden Sohn Gottes zu sagen hat, keine Aussage darüber macht, dass
der Messias Gott ist und von einer vorgeburtlichen Existenz im Himmel
auf die Erde kommt. Die Idee, dass Gott als Mensch geboren wird, ist der
jüdischen Umgebung, in der Jesus lehrte, völlig fremd. Es hätte einer
Revolution bedurft, um ein solch neues Konzept einführen zu können.
Die sogenannte „Präexistenz“ Jesu bei Johannes bezieht sich auf seine
„Existenz“ im Plan Gottes. Die Kirche wurde durch die Einführung
unbiblischer Ausdrucksweise geplagt. Es gibt in der griechischen Sprache
ein ausgezeichnetes Wort für wirkliche Präexistenz (pro-uparchon). Es ist
sehr signifikant, dass es niemals in der Schrift mit Bezug auf Jesus
vorkommt, wohl aber in den Schriften der griechischen Kirchenväter des
zweiten Jahrhunderts. Diese griechischen Kommentatoren der Schrift
verstanden die hebräische Denkweise, in der das Neue Testament
geschrieben worden war, nicht.
Das biblische Verständnis Jesu vor seiner Geburt hat mit seiner
„Existenz“ in Gottes Plan und Vision zu tun. In der Bibel bedeutet
Präexistenz nicht das, was es in den späteren Glaubensbekenntnissen
bedeutet: die wirklich bewusste Existenz des Sohnes Gottes vor seiner
Geburt, als er auf die Erde kam, und die menschliche Form durch den
Aufenthalt im Leib seiner Mutter. In der Schrift kommt Jesus von Maria
(Mt. 1,16). Es ist erstaunlich, dass im 2. Jahrhundert Justin davon zu
sprechen begann, Jesus sei durch seine Mutter gekommen.
Ein jüdisches und biblisches Verständnis von Präexistenz ist
besonders wichtig für das Verständnis, welches Jesus selbst von sich als
Menschensohn hatte. Den Menschensohn findet man im Buch Daniel. Er
„präexistiert“ nur in dem Sinn, dass Gott uns eine Vision von ihm - dem
menschlichen Wesen – in Seinem Plan für die Zukunft zeigt. Der
Menschensohn ist ein menschliches Wesen – das bedeuten diese Worte.
So will uns Johannes zu verstehen geben, dass der Messias - in Gottes
Plan – vor seiner Geburt im Himmel war und in der Vision Daniels von
der Zukunft gesehen worden war (Dan.7; Joh.6,62). Bei seiner
Himmelfahrt stieg Jesus zu der Position auf, die früher in Gottes Plan für
ihn bereitet worden war. Keine Schriftstelle sagt aus, dass Jesus zu Gott
zurückging (upostrepho), obwohl dieser Gedanke zu Unrecht in manche
moderne Übersetzung importiert wurde, um die „Orthodoxie“ zu stützen.
Solch eine falsche Übersetzung des griechischen „zum Vater gehen“ als
158 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

„zum Vater zurückkehren“ spricht Bände für sich.10 Die Bibel wurde mit
einem Vorurteil zugunsten der traditionellen, nachbiblischen Ideen über
Jesus übersetzt.
Der Sohn Gottes ist kein Engel. Kein Engel wurde jemals
„Menschensohn“ (= Teil der menschlichen Rasse – mit gutem Grund der
Titel, mit dem sich Jesus selbst bezeichnete) genannt. Den Messias als
Engel zu bezeichnen, würde eine Vermischung verschiedener Kategorien
bedeuten. Hier sagen die Gelehrten zu Recht, dass die Idee einer
Präexistenz des Messias „seiner Geburt in Bethlehem vorausgehend, im
Judentum unbekannt ist“. All den Prophetien im Alten Testament zufolge
gehört der Messias zur menschlichen Rasse: „Das Judentum wusste nichts
von einer Präexistenz, die der Geburt des Messias als menschliches
Wesen vorausgegangen war (Dalman, Words of Jesus, S. 128-132, 248,
252).
Die Vorherrschaft dieser Idee im Kreis von Juden kann seriöserweise
nicht aufrecht erhalten werden. Das Judentum kennt nichts von einem (im
wörtlichen Sinn) präexistenten Idealmann.“11
Zu behaupten, man „sei vor Abraham“ (Joh.8,58) bedeutet nicht, dass
man sich an ein Leben vor der Geburt erinnert. Das würde der Denkweise
der Griechen entsprechen, die an die Präexistenz der Seelen glaubten. In
der hebräischen Denkweise des Neuen Testamentes kann man als Teil von
Gottes Plan und Absicht „existieren“, ebenso wie der Tabernakel, der
Tempel, Buße und andere wichtige Teile im Plan Gottes. Sogar Mose
präexistierte in diesem Sinn. Wir werden die Schriftstelle später
betrachten. Der Apostel Johannes konnte ebenso sagen, dass Christus „vor
der Grundlegung der Welt geschlachtet wurde“ (Offb. 13,8). Das gibt uns
einen sehr wertvollen Hinweis auf die Art und Weise, wie
neutestamentliche Schreiber die „Präexistenz“ verstanden.
Es gibt mannigfaltige Beispiele von Vergangenheit in der hebräischen
Bibel, die sich auf zukünftige Ereignisse beziehen. Sie sind „vergangen“,
weil sie festgesetzte Ereignisse im Ratschluss Gottes beschreiben und so
sicherlich zustande kommen werden. Bibelleser vernachlässigen diese
sehr hebräische Art zu denken, wenn sie den Schluss ziehen, die Worte
Jesu über die Herrlichkeit, die er vor Grundlegung der Welt beim Vater
hatte, bedeuten, dass er meinte, zu jener Zeit bereits am Leben gewesen zu

10
Siehe die New International Version, Joh. 16,28 oder in Deutsch: Hoffnung für
Alle über Joh. 16,28 und 20,17.
11
Charles Gore, Belief in Christ (London: John Murray, 1923), 31.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 159

sein. Sicherlich ist dieses traditionelle Verständnis im westlichen


Kulturrahmen verständlich. Aber können wir dem Messias nicht die Ehre
erweisen, zu versuchen, seine Worte in ihrem hebräischen Umfeld zu
verstehen? Sollte die Bibel nicht im Licht ihres eigenen Zusammenhanges
gelesen werden und nicht mit dem Verständnis der späteren
Glaubensbekenntnisse?

Keine Präexistenz Jesu bei Matthäus, Markus und Lukas


Es gibt ein absolutes Stillschweigen über eine wirkliche Präexistenz
Christi in Matthäus, Markus, Lukas, in der Apostelgeschichte, bei Petrus
und im gesamten Alten Testament. Nicht nur, dass jeder Hinweis auf
einen vor-menschlichen Sohn Gottes fehlt, der Idee wird sogar durch die
Erwähnung des Ursprungs (genesis) Jesu (Mt.1,18) und seiner Zeugung
als Sohn im Leib Marias (Mt.1,20) widersprochen.12 Es ist
bemerkenswert, dass für Arianer und Trinitarier, die an eine Zeugung Jesu
in der Ewigkeit vor seiner Empfängnis/Zeugung in Maria glauben, eine
zweite Zeugung notwendig ist.13 Lukas ist eine solche Idee unbekannt.
Unvoreingenommene Leser werden bemerken, dass (was auch durch viele
biblische Experten bestätigt wird) der Jesus von Matthäus, Markus, Lukas,
der Apostelgeschichte und von Petrus ein menschliches Wesen ist,
welches bei seiner Zeugung und Geburt zu existieren begonnen hatte, so
wie es bei allen anderen Menschen auch der Fall ist. Er hatte nicht
präexistiert. Matthäus spricht in Mt.1,18 sogar vom „Ursprung“ (genesis)
Jesu.

12
Die falsche Übersetzung in unseren Versionen ist zu beachten: Der Text
bezieht sich nicht auf die Empfängnis, sondern auf die „Zeugung“ vom Vater
durch den Heiligen Geist. Es ist die Handlung des Vaters, welche den Sohn in
Existenz bringt. Der Sohn Gottes, der Messias, ist eine übernatürlich geschaffene
Person, der zweite Adam. Die Bezugnahme in Apg. 13,33 auf die Auferweckung
Jesu, die sich auf die Tatsache bezieht, dass Gott ihn ins Leben brachte, ist zu
bemerken. Vers 34 nennt seine darauffolgende Auferstehung. Die King James
Version verdunkelt diesen wichtigen Unterschied.
13
Justin ist vielleicht der erste Kirchenvater, der von einer Zeugung des Sohnes
vor der Schaffung der Welt (also vor der Schöpfung) sprach. Doch er kann keine
Unterstützung in der Schrift für eine so vor-weltliche Zeugung des Sohnes
angeben. Der Bibel nach wurde der Sohn Gottes, so wie alle anderen Menschen,
zur Zeit seiner Empfängnis im Mutterleib gezeugt. Justin unterscheidet sich von
Matthäus, indem er sagt, Jesus sei „durch“ Maria gekommen. Matthäus sagt aus,
er sei von Maria gekommen. Dieser Wandel im Denken fand ca. im Jahre 150
statt und er bereitete den Samen für die spätere trinitarischen Formulierung vor.
160 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

Es ist eine schamlose Ausnützung des Johannesevangeliums, wenn


man behauptet, es lehre einen anderen Jesus als Matthäus, Markus und
Lukas – nämlich einen solchen, der in Wirklichkeit ein als Mensch
erscheinender Engel Gottes ist. So ein nicht-menschlicher Messias ist
nicht nur dem Rest des Neuen Testaments fremd, sondern auch der
Offenbarung Gottes bezüglich des kommenden Messias im Alten
Testament. 5.Mose 18,15-18 sagt expressiv, dass der Messias einer
Familie in Israel entstammen wird. Es wird in diesem so wichtigen
christologischen Text ganz eindeutig gesagt, der Messias sei nicht Gott,
sondern Gottes Vertreter, der aus dem Volk Israel geboren werden wird.
Alle Juden erwarteten einen Menschen, nicht einen Engel und noch viel
weniger Gott selbst! Obwohl die Juden nicht verstanden hatten, dass der
Messias übernatürlich geboren werden sollte, so war doch seine
geheimnisvolle Zeugung prophezeit worden (Jes.7,14; Mt.1,23). Von
einem „vor-menschlichen“ Messias wird nirgends gesprochen.
Jesaja 44,24 sagt aus, dass Gott bei der ursprünglichen Schöpfung
alleine war. Jesus selbst schreibt die Schöpfung dem Vater zu und hat
keine Erinnerung daran, an dieser beteiligt gewesen zu sein (Mk.10,6;
Mt.6,30; 19,4; Lukas 12,28). Wenn Jesus wirklich der Schöpfer des
Himmels und der Erde aus Genesis gewesen wäre, wieso kann er sich
daran nicht erinnern? Wieso sagt er ausdrücklich, Gott sei der Schöpfer
gewesen? Die Antwort ist klar – Jesus lehrte im jüdischen und biblischen
Rahmen des Erbes der Schrift, die ihm überliefert worden war und die zu
zerstören er „nicht gekommen war“.
Der Geist Gottes steht den Gläubigen zur Verfügung. Wenn sie
lernen, wie Gott zu denken, werden sie verstehen, dass „Gott von nicht
existierenden Dingen spricht, wie wenn sie da wären“ (Rö.4,17). Es ist ein
Fehler, „Existenz“ im Plan Gottes mit tatsächlicher Präexistenz zu
verwechseln und so einen Jesus zu schaffen, der nicht ganz Mensch war.
Der Christus der biblischen Hoffnung ist ein Mensch, der übernatürlich
empfangen wurde. Die Herrlichkeit seiner Errungenschaft liegt für uns in
der Tatsache, dass er wirklich Mensch war. Er wurde versucht – aber Gott
kann nicht versucht werden (Jak.1,13).
Der „Fels-Apostel“, dem Jesus aufgetragen hatte, seine Schafe zu
weiden, gab uns eine wunderbare Lektion, damit wir die Bedeutung der
Präexistenz als Vorherbestimmung und Vorhersehung verstehen können.
Es war Petrus, dessen Verständnis von Jesus als Messias von diesem so
gelobt worden war (Mt.16,16-18). Petrus und Johannes verstanden, dass
die Herrlichkeit, die Jesus bereits „hatte“, dieselbe Herrlichkeit ist, welche
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 161

den Gläubigen nach der Zeit Jesu (-die also noch nicht geboren worden
waren, als Jesus sprach -) ebenso gegeben worden war (Joh.17,22). Das
bedeutet einfach, dass Dinge, die bereits in Gottes Plan beschlossen sind,
in einem anderen Sinn als dem der tatsächlichen Existenz existieren. Wir
müssen uns entscheiden, ob wir das Neue Testament als Amerikaner oder
Europäer lesen, oder im Verständnis Jesu und seiner jüdischen Kultur. Ein
Vers in Offenbarung spricht über die Dinge, „die sind“, bevor sie
erschaffen wurden. „Deines Willens wegen waren sie und sie sind
erschaffen worden“ (Offb. 4,11).14 Ihre Erschaffung folgte dem Plan
Gottes, sie in Existenz zu bringen.
Die Kenntnis des Hintergrundes des Neuen Testamentes zeigt uns den
Glauben der Juden an die „Präexistenz“ Mose im Ratschluss Gottes,
jedoch nicht als tatsächliche, bewusste Person.

„Denn das ist, was der Herr der Welt verordnet hat: Er hat die Welt für sein
Volk erschaffen, aber er machte diesen Zweck der Schöpfung nicht vom Beginn
der Welt an bekannt, so dass die Nationen schuldig gefunden würden........Aber er
ersah und ersann mich (Mose), der vom Beginn der Welt an bestimmt war, der
Mittler des Bundes zu sein“ (Das Testament des Mose 1,13-14).

Wenn Mose in Gottes Plan bestimmt war, so macht es Sinn, dass der
Messias der Grund für Gottes Schöpfung war. Man kann dann sagen, dass
alle Dinge für Christus geschaffen wurden. Aus Respekt für den
offenbarten Plan Gottes und zur Ehre des menschlichen Erlösers sollten
wir versuchen, dessen Identität im Zusammenhang mit seinem
hebräischen Umfeld zu verstehen.
Eine abschließende Aussage über das jüdische Verständnis von
„Präexistenz“ gibt uns der norwegische Gelehrte Mowinckel in seinem
berühmten Buch „He That Comth“ (Er der kommt):

„Dass sowohl der Ausdruck als auch der Träger von Gottes Willen für die
Welt – Sein rettender Ratschluss und Sein Zweck – in Seinem Geist, oder Seinem

14
Die Verwendung des Wortes „waren“ ist im Licht einer alternativen Lesart von
Joh. 17,5 interessant, die von „der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte“ spricht. Das
würde der Ausdruck für die präexistente Herrlichkeit sein (und nicht für den vor-
menschlichen Jesus), um deren Gewährung Jesus betete - für sich (Joh. 17,5) und
auch für seine Jünger (Joh, 17,22). Siehe auch Raymond Brown, The Gospel
According to John, Anchor Bible (New York: Doubleday, 1966), 743. Es ist auch
zu beachten, dass Augustinus und viele andere Kommentatoren in Joh.17,5
keinen Beweis für eine wörtliche Präexistenz finden.
162 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

„Wort“ von Anfang an gegenwärtig waren, ist ein natürlicher Weg zu sagen, dass
diese nicht zufällig sind, sondern die Enthüllung und der Ausdruck von Gottes
eigenem Sein (siehe Johannes „das Wort war bei Gott und war Gott“). Dieses
Attribut von Präexistenz weist uns auf höchste Wichtigkeit im religiösen Bereich
hin. Oft spricht die rabbinische Theologie vom Gesetz, vom Thron der
Herrlichkeit Gottes, von Israel und anderen wichtigen Bereichen des Glaubens als
von Dingen, die von Gott geschaffen und dennoch schon vor der Erschaffung der
Welt mit ihm gegenwärtig gewesen waren. Dasselbe gilt für den Messias. Es wird
gesagt, sein Name sei vorher im Himmel bei Gott gewesen, vor der Welt
erschaffen worden war, und ewig.
Aber dieser Hinweis bezieht sich nicht auf eine echte Präexistenz im strikten
und wörtlichen Sinn. Das wird durch die Tatsache klar, dass Israel auch erwähnt
wird, wenn von präexistenten Dingen gesprochen wird. Das bedeutet nicht, dass
die Nation Israel oder sein Stammvater lange zuvor im Himmel existiert hatten,
sondern dass die Gemeinschaft der Israeliten, das Volk Gottes, von Ewigkeit her
im Plan Gottes, als Faktor seines Ratschlusses, gewesen waren.......das ist bei den
Bezugnahmen auf den Messias ebenso. Es ist sein „Name“, nicht er selbst, der
vor der Erschaffung der Welt bei Gott gewesen war. In Pesikta Rabbati 125b wird
gesagt, dass „vom Beginn der Schöpfung der Welt an der Messias geboren wurde,
weil er vor der Erschaffung der Welt in die Gedanken Gottes gekommen war“.
Das bedeutet, dass im Willen Gottes von Ewigkeit her der Messias in Existenz
kommen und seine Aufgabe in dieser Welt tun sollte, damit Gottes ewiger
rettender Plan erfüllt werden sollte.“15

Der Vorschlag von heidnischen, philosophisch ausgerichteten


„Kirchenvätern“, dass Jesus entweder die zweite Person der Gottheit
(später der orthodoxe Glaube) oder ein geschaffener Engel (Arianer und in
heutiger Zeit die Zeugen Jehovas) sei, brachte das beunruhigende Problem
der Natur Christi im Verhältnis zur Gottheit mit sich und vernebelte die
wahre Position Jesu als Messias und sein messianisches Evangelium vom
Reich Gottes. Jesus von Nazareth ist das, was das Wort Gottes (Gottes
Weisheit) aus Joh.1,1 wurde (Joh.1,14).16 Er ist als Mensch der
einzigartige Ausdruck Gottes. Es ist die Weisheit Gottes, die von Anfang
an existierte und diese Weisheit wurde bei der Empfängnis Jesu Mensch.
Diese Erklärung lässt das Herzstück der Lehre intakt, dass der Eine Gott
der Vater ist und Jesus der Herr Messias, aber nicht der Herr Gott.17 Es

15
Übers. G.W. Anderson (Nashville: Abingdon, 1954), 334, Hervorhebung
beigefügt.
16
Jesus verkörpert die Weisheit Gottes ebenso wie er die „Rettung“ Gottes
verkörpert (Lk. 2,30).
17
5. Mose 6,4; Mk. 12,29 ff; 1. Kor. 8, 4-6; 1. Tim. 2,5; Joh. 17,3; 5,44.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 163

waren die frühen griechischen Kirchenväter, die den jüdisch/christlichen


Monotheismus vermischten, indem sie die Idee eines „zahlenmäßig
zweiten Gottes“ einführten.18
Es ist äußerst bedeutsam, dass Paulus das Evangelium oft als
„verborgen im Ratschluss Gottes von den Zeitaltern her“ bezeichnet.19 Er
spricht auch davon, dass der Sohn Gottes durch eine Frau geboren wurde
und aus der Nachkommenschaft Davids kam (Gal.4,4; Rö.1,3). Es ist
unvorstellbar, dass Paulus an die Präexistenz des Sohnes glauben konnte.
Wenn er von ewig her existiert hätte, so wäre es falsch zu sagen, er sei bei
seiner Geburt ins Leben gekommen. Es ist viel sinnvoller anzunehmen,
dass Paulus mit Petrus übereinstimmte, als er sagte, der Messias sei in den
Ratschlüssen Gottes verborgen gewesen und sei zur Fülle der Zeit
offenbart worden.20 Paulus glaubte, in Jesus seien „alle Dinge geschaffen“
worden (Kol.1,16). Er sagte nicht, sie seien „von ihm“ gemacht worden.
Schlussendlich, es ist wenig sinnvoll zu behaupten, die „Weisheit“ in
den Sprüchen („Frau Weisheit“) sei der präexistente Jesus, der Sohn,
gewesen. Es sollte nicht schwer zu erkennen sein, dass die „Weisheit“ hier
eine Personifikation einer göttlichen Qualität ist und nicht eine Person.
Den Beweis dafür findet man nicht nur in allen größeren Kommentaren
zur Bibel, sondern ganz klar im Text selbst. „Ich, die Weisheit, bin die
Nachbarin der Klugheit“ (Spr.8,11). Wenn die Weisheit wirklich der
(männliche) Sohn Gottes ist, wer ist dann die Klugheit?
Vorbestehende Absichten und Personifikationen sind Teil der
jüdischen Literatur. Ein präexistenter, nicht-menschlicher Messias ist es
nicht. Ein Messias, der kein Mensch ist, ist der heidnischen Idee von
präexistenten Seelen und gnostischen „Aionen“ viel näher. Vor dieser

18
Justin, Dialogue, 56, 62, 128, 12. Justin glaubte, der Sohn wurde vor der
Genesis Schöpfung gezeugt, aber er sei nicht immer der Sohn gewesen. Also war
Justin kein Trinitarier.
19
Eph. 3,9; Kol. 1,26; 2. Tim. 1,9; Tit. 1,2; vgl. 1. Petr. 1,20; Offb. 13,8.
20
Wir bemerken den gerechtfertigten Protest von James Dunn gegen den
Kommentar Cranfields über Rö. 1,3: „Unbekümmert in seiner Verwendung
anachronistischer Kategorien fährt Cranfield fort zu argumentieren, dass Paulus
‚die Anwendung von „welcher in Existenz kam“ auf die menschliche Natur
einschränken wollte, die der Eine (Gottes Sohn, V.3) annahm“’ (Romans 1-8;
Word Biblical Commentary; Dallas: Word Books, 1988; 15). Cranfield kämpft,
die „Orthodoxie“ aus den Worten von Paulus zu rechtfertigen. Doch Paulus war
weder ein „orthodoxer“ Trinitarier, noch ein „unorthodoxer“ Arianer.
164 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

frühen Invasion des Heidentums, welche den Glauben verderben sollte,


hatten schon Petrus und Paulus gewarnt (2. Petr.2, Apg. 20,29-31).
Dieser Einbruch des Heidentums resultierte in einer sehr eigenartigen
Sprache über Jesus. Seine „vor-menschliche“ Existenz signalisiert uns die
Tatsache, dass er kein richtiger Mensch ist. Er sollte vor seiner Geburt als
Engel existiert haben. Dies ist der Vorstellung von den „Göttern, die den
Menschen gleich geworden sind und auf die Erde herabgekommen sind“
(Apg.14,11) sehr ähnlich. Ein derartiger Jesus klingt wie eine heidnische
Retterfigur. In der griechisch-römischen Welt gab es viele ähnliche
kosmische Retter. Aber es gab nur einen Messias, dessen Identität schon
lange vor seiner Geburt bekannt gegeben wurde. Er war im Voraus
erkannt (1.Petr.1,20) und sollte aus dem Hause Israel als ein Israelit aus
dem Stamme Juda hervorkommen (5. Mo. 18,15-18; Apg. 3,22; 7,37).
Dieser wichtige Text in 5. Mose sagt klar aus, dass der versprochene
Vertreter Gottes nicht Gott der Herr sein wird, sondern Sein Sprecher und
Beauftragter. Christen sollten darauf bedacht sein, diesem Erlöser
nachzufolgen. Einen Erlöser mit falschem Verständnis anzubeten, bringt
die Gefahr mit sich, einen anderen Retter anzubeten. Der Glaube Jesu ist
der richtige Glaube für Christen (Mk.12,29). Wie viele Gelehrte wissen,
ist dieser Glaube kein trinitarischer. Der Eine Gott Israels und Jesu war
und ist der Vater,21 „der alleinige Gott“ (Joh.5,44), „der allein wahre Gott“
(Joh.17,3).

Johannes 1,1
Die Christologie - das Studium über Jesus – hat viel mit einer
vernünftigen Feststellung über das Verhältnis Jesu zu dem Einen Gott
Israels zu tun. Es gibt keinen Zweifel, dass Jesus für die ersten Christen
den Wert und die Realität Gottes hatte. Das bedeutet aber nicht, dass sie
daran glaubten, Jesus „sei Gott“. Manche Leute denken, Johannes habe
Jesus in metaphysischen Ausdrücken präsentiert, welche die Menschen in
der griechischen Welt durch ihre abstrakten, der hellenistischen
Denkweise ähnlichen Ideen, ansprechen würde. Die „Orthodoxie“ beruft
sich auf Johannes als Brücke zur Welt der griechischen Metaphysik - der
Metaphysik, die dazu beitrug, den Jesus der Kirchenkonzile zu formen.
Wir schlagen vor, wir sollten uns zuerst ansehen, ob Johannes mit
seiner sonst jüdischen Denkweise so verstanden werden kann. Wieso
sollten wir versuchen, Johannes so zu verstehen, als sei er ein Schüler des

21
Joh. 17,3; Joh. 5,44; 1. Tim. 2,5; 1. Kor. 8, 4-6.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 165

Juden Philo oder einer heidnischen Mysterienreligion gewesen? Warum


sollte Johannes als Unterstützer der dogmatischen Beschlüsse der viel
späteren Kirchenkonzile bezeichnet werden? Sollten wir ihn nicht aus
dem Verständnis der alttestamentlichen Welt heraus verstehen? Ein
führender Bibelgelehrter sagt Folgendes: „Was wir wissen, ist, dass
Johannes von den alttestamentlichen Schriften durchdrungen war. Wenn
wir die historische Vorfahrenschaft von Johannes Konzept des Logos
verstehen wollen, so wie er selbst verstand, so müssen wir zu diesen
Schriften zurückgehen.“22
Es ist ein bedeutsamer Fehler, Johannes 1,1 zu lesen, als ob es
aussagte: „Am Anfang war Gott der Sohn und der Sohn war mit dem
Vater und der Sohn war Gott.“23 Das hat Johannes niemals geschrieben.
Der deutsche Poet Goethe kämpfte darum, eine richtige Übersetzung zu
finden. „Am Anfang war das Wort, der Gedanke, die Kraft oder die Tat“.
Er entschied sich für die „Tat“. Er kommt der Absicht von Johannes sehr
nahe. Was uns der Evangelist sagen wollte, war: „Der kreative Gedanke
Gottes wirkte von aller Ewigkeit an.“
Ein führender britischer Bibelgelehrter schrieb:

„Als Johannes das ewige Wort präsentierte, dachte er nicht an ein Wesen,
welches in irgendeiner Art von Gott getrennt war, oder an eine ‚Hypostase‘. Die
späteren trinitarischen Unterscheidungen sollten nicht in die Gedanken von
Johannes gelesen werden........in einer Art von Philosophie, die nicht seine eigene
war......Wir dürfen Johannes nicht im Licht der dogmatischen Geschichte der drei
den Schriften des Evangelisten folgenden Jahrhunderte lesen.“ 24

Um Johannes (und den Rest des Neuen Testamentes) zu verstehen,


müssen wir das kulturelle Erbe von Johannes beachten, welches nicht die
Welt der griechischen Philosophie war, in der die dogmatischen
Glaubensbekenntnisse etwa dreihundert Jahre später geformt wurden.

22
C.J. Wright, Jesus, The Revelation of God, Book 3 von The Mission and
Message of Jesus: An Exposition of the Gospels in the Light of Modern Research
(New York: E.P. Dutton and Co., 1938), 677.
23
Vgl. zum Beispiel die irreführende Umschreibung der Living Bible: Bevor es
etwas anderes gab, war Christus, mit Gott. Er war immer am Leben und Er selbst
ist Gott. Er schuf alles, was ist – es gibt nichts, das Er nicht schuf“
Dt. Hoffnung für Alle: Am Anfang war das ewige Wort Gottes: Christus.
Immer war er bei Gott und ihm in allem gleich. Durch ihn wurde alles geschaffen,
nichts ist ohne ihn geworden.
24
C.J. Wright, Jesus, the Revelation of God,707.
166 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

Wenn Johannes im Licht seines jüdischen Hintergrundes gelesen wird, so


bietet er keine Unterstützung für die Lehre eines Jesus, welcher „Gott, der
Sohn“ ist, eine ewige, unerschaffene Person in einer dreieinigen Gottheit.

„Die Sprache eines Autors wird uns verwundern, solange wir keine
Beziehung zu seinem Denken haben....Der Evangelist Johannes nimmt das
wohlbekannte Wort logos, er definiert es nicht, sondern enthüllt uns, was er selbst
darunter versteht.... Die Idee gehörte zum Alten Testament und ist Teil des
religiösen Glaubens und der Erfahrung der hebräischen Schriften. Es ist das beste
Wort, um seine Botschaft auszudrücken. Denn das Wort eines Menschen ist der
Ausdruck seiner Gedanken, seines Sinnes; und sein Sinn ist der Ausdruck seiner
Persönlichkeit.......So spricht Johannes vom Wort, welches bei Gott war und das
göttlich war, um die Überzeugung auszudrücken, dass Gott in seinen Gedanken
immer aktiv und offenbarend war. Gott kann durch seine Natur bedingt nicht
müßig im Himmel sitzen. Wenn an einer späteren Stelle im Evangelium Jesus
sagt: „Mein Vater wirkt bis jetzt“, so sagt er dasselbe, was der Evangelist im
ersten Vers des Prologs ausdrückt.
Die Sprache von Johannes ist nicht die Ausdrucksweise der philosophischen
Definition. Johannes hat einen „konkreten“ und einen „bildlichen“ Sinn. Der
Fehler, Johannes (in seinem Prolog) nicht zu verstehen, hat viele zum faschen
Schluss geführt, er sei der „Vater der metaphysischen – trinitarischen –
Christologie“ und so auch für die spätere kirchliche Verschleierung der ethischen
und geistlichen Betonung Jesu verantwortlich.......Der Evangelist dachte nicht in
Ausdrücken der Kategorie von „Substanz“ – eine Kategorie, die dem
griechischen Denken entsprach.“25

In einem blendenden Artikel in „The Bible Review“ zeigt J. Harold


Ellens auf, dass Titel wie „Sohn Gottes“, wie sie zur Zeit der Abfassung
des Neuen Testamentes gebraucht wurden...

„niemals dazu gedacht waren, die Menschen, denen sie zugeschrieben


wurden, zu Gott zu machen. Sie bedeuteten vielmehr, dass diese Personen mit
göttlichem Geist, oder dem Logos, erfüllt waren. Diese Titel bezogen sich auf
ihre Funktion und ihren Charakter als Männer Gottes und nicht darauf, dass sie
Gott waren. Der Gedanke, ein Mensch wäre Gott, war einzig eine griechische
oder hellenistische Idee. So waren die frühen theologischen Debatten ab der Mitte
des zweiten Jahrhunderts hauptsächlich zwischen Antiochien, dem Zentrum des
jüdischen Christentums einerseits, und dem alexandrinischen Christentum
andererseits, welches stark durch neoplatonische Spekulation beeinflusst wurde.
Zum größten Teil argumentierten die jüdischen Christen mit der Tatsache, dass

25
Ebenso, 707, 711.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 167

sie Jesus und seine Familie gekannt hatten und dass er ein Mensch gewesen war,
ein großer Lehrer und jemand, der mit dem göttlichen Logos erfüllt war.....aber
dass er im ontologischen Sinn nicht göttlich war, wie die Alexandriner
behaupteten. Die Argumente blieben gleich, bis die Fraktion von Cyrus von
Alexandria schließlich mit der Anschauung eines stark mythologisierten Jesus mit
göttlichem ontologischen Wesen gewann. Cyril war fähig, seine Mitbischöfe zu
ermorden, um sich durchsetzen zu können.“

Zur Zeit des Konzils von Nizäa 325 n.Chr. dominierte diese alexandrinische
Perspektive der Hochchristologie, aber ihr wurde von Seiten der antiochischen
Niederchristologie widersprochen. In der Zeit zwischen Nizäa und Chalcedon
gewann diese spekulative und neoplatonische Ansicht immer mehr Bedeutung
und wurde im Jahr 451 n. Chr. orthodoxe christliche Lehre. Leider war das, was
die Theologen dieser großen ökumenischen Konzile mit solchen Glaubenstiteln
wie Sohn Gottes meinten, völlig verschieden von der Bedeutung dieser Titel in
den Evangelien. Die Konzile sprachen in griechisch philosophischen Ausdrücken;
die Evangelien sprachen in Ausdrücken des vom Zweiten Tempel geprägten
Judentums......Die Bischöfe der Konzile hätten erkennen sollen, dass sie vom der
hebräischen Metapher zur griechischer Ontologie abgerutscht waren und so den
wahren Jesus verraten hatten.“26

Es ist nicht schwer zu verstehen, dass man biblischen Boden verlässt,


wenn fundamentalen Ausdrücken wie „Sohn Gottes“ neue und
unbiblische Bedeutungen zugeschrieben werden. Die Kirchenkonzile
unter dem Einfluss des griechischen spekulativen Neo-Platonismus
ersetzten den neutestamentlichen „Sohn Gottes“ durch den philosophisch
modernen „Gott, den Sohn“. Wenn für einen Titel eine andere Bedeutung
als im Original aufkommt, so wird ein neuer Glaube gegründet. Dieser
neue Glaube wurde zur „Orthodoxie“. Er bestand auf den „Dogmen“, auf
dem Schmerz der Exkommunikation und der Verdammnis (das
Athanasianische Bekenntnis). Die nizänische dogmatische Orthodoxie
hob Jesus aus seiner hebräischen Umgebung heraus und verdrehte das
Johannesevangelium, um Johannes der orthodoxen philosophischen Form
anzupassen.
Es bedarf einer Revolution, um diesen tragischen Prozess rückgängig
zu machen. Diese wird geschehen, wenn Christen persönliche
Verantwortung dafür übernehmen, in Kontakt mit der Bibel zu kommen

26
Siehe „The Ancient Library of Alexandria“, Bible Review (Feb. 1997), 19-29
und weitere Kommentare in “From Logos to Christ” (“Readers Reply”), BR (June
1997), 4-7, Hervorhebung beigefügt.
168 Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament

und sie mit allen unseren heutigen Möglichkeiten untersuchen. Ein


Schlüssel für ein richtiges Verständnis der Bibel ist die Erkenntnis, dass
die Bibel eine Zusammenstellung jüdischer Bücher ist und dass Jesus ein
Jude war, der von der hebräischen Bibel – dem Alten Testament –
durchdrungen war.
Das versteckte Heidentum im Christentum muss aufgedeckt werden.
Die Geschichte der Orthodoxie zeigt Anzeichen eines Geistes, der vom
Geist Jesu weit entfernt ist. Diejenigen, die es wagten, die Orthodoxie zu
hinterfragen, wurden oft sehr schlecht behandelt.27 Ein Kommentator stellt
die Frage:

„Wie ist es möglich, dass die Religion der Liebe für einige der
schrecklichsten Gräueltaten , die auf die Geschichte der Menschen Unehre
gebracht haben, verantwortlich ist?...Die Kirche verfolgte weitaus härter als
andere Religionen....unsere religiösen Überzeugungen sind durch traditionelle
Gerüste gestützt und viele von uns sind verärgert, wenn die Stabilität dieser
Gerüste hinterfragt wird. Der durchschnittliche Katholik (dasselbe gilt auch für
viele Protestanten) verlässt sich auf die Unfehlbarkeit der Kirche, die er
normalerweise ohne Untersuchung akzeptiert. Zuzugeben, dass diese Kirche
gefehlt und abscheuliche Verbrechen gutgeheißen hat, ist für ihn fast
unmöglich.“28

Der Monotheismus
Weder Paulus noch irgendein anderer Autor der Bibel haben jemals
behauptet: „Es gibt Einen Gott: den Vater, den Sohn und den Heiligen
Geist.“ Bei tausendfachen Vorkommen von Jahwe und Gott gibt es kein
einziges, welches „Gott in drei Personen“ meint. Der dreieine Gott ist der
Bibel fremd. Die Worte von Paulus bedürfen einer genauen Betrachtung:
„Es ist kein Gott als nur einer........so ist doch für uns ein Gott, der Vater“
(1.Kor. 8,4;6). Es gibt auch einen Herrn Messias – Jesus (1.Kor. 8,6), aber
er ist der Herr Christus (Lk. 2,11; Ps. 110,1), der Sohn des Einen Gottes,
seines Vaters.
Die beiden Hauptakteure in der Bibel werden in einer kostbaren
göttlichen Weissagung beschrieben, die im Neuen Testament öfter zitiert

27
Als lehrreiches Beispiel für fehlgeleiteten religiösen Eifer und Brutalität siehe
den Bericht über Calvins grausame Verfolgung und Hinrichtung des spanischen
Arztes und Gelehrten, der die Lehre der Trinität hinterfragte in Marian Hillar, The
Case of Michael Servetus (1511-1553) – The Turning Point in the Struggle for
Freedom of Conscience (Edwin Mellen Press, 1997).
28
Dean W.R. Inge, A Pacifist in Trouble (London: Putnam, 1939), 180, 181.
Die Natur von Präexistenz im Neuen Testament 169

wird als jede andere Stelle der hebräischen Bibel: Psalm 110,1. Dort
spricht der Eine Gott „Jahwe“ zum Herren Davids, der als adoni („mein
Herr“) bezeichnet wird. Adoni kommt in der Bibel 198 Mal vor und
bedeutet nie, wie wir schon sahen, den Einen Gott,. Es bezieht sich immer
auf einen Menschen oder (in seltenen Fällen) Engel, aber niemals auf
Gott. Jesus ist der Herr Davids, von dem Psalm 110,1 spricht. Er wurde
zum Herrn und Messias gemacht – erhoben von Gott, seinem Vater (Apg.
2,34 –36).
Aus Respekt und Ehre vor Jesus, dem Messias, sollten Christen den
jüdischen Glauben von Markus 12,29 annehmen: „Höre, Israel: der Herr,
unser Gott, ist ein Herr.“ Gott ist ein Herr. Jesus ist ein anderer Herr. Das
macht zwei Herren, aber das Bekenntnis kennt nur einen Herren, der Gott
ist (5. Mose 6,4; Mk. 12,29). Das ist der Glaube Jesu und daher auch der
originale, authentische christliche Glaube. Es ist gleichfalls der Glaube
von Paulus. Könnten wir doch alle diesen Glauben mit Freude annehmen
und uns an Jesus, dem historischen Messias, ausrichten!
8. JOHANNES, DIE PRÄEXISTENZ UND DIE TRINITÄT

„Die klare Aussage von Johannes ist, dass Jesus den Anspruch, Gott
zu sein, ablehnte.“– Professor J.A.T. Robinson

Jemand hat berechnet, dass Fürwörter in der Einzahl den Gott der
hebräischen Bibel Tausende Male beschreiben.1 Jede dieser
Verwendungen ist ein Zeugnis für einen Gott als einzelne Person und
nicht als Mehrzahl von Personen. Es ist eine Standardtatsache, die
niemand bestreiten wird, dass das persönliche Fürwort in der Einzahl eine
einzelne Person meint.
Der Prozess, durch den der Gott Israels zur Trinität wurde, erzählt uns
vom Versäumnis der Heiden, die Tiefen des jüdischen Monotheismus zu
durchdringen und über die Tendenz, einen Hang zum Heidentum mit dem
Christentum zu vermischen. Es wurden erstaunliche Anstrengungen
unternommen, um den Gott Israels in mehr als eine Person zu verwandeln.
„Hinweise“, welche auf die Trinität hindeuten, wurden an den
unglaublichsten Stellen gefunden, z.B. das „Heilig, heilig, heilig“ aus
Jesajas Vision (Jes. 6,3). Doch viele Trinitarier haben nun die
Anstrengung beendet, ihren Glauben in der hebräischen Bibel finden zu
wollen. Viel unnötige Arbeit hätte vermieden werden können, wenn den
einfachen Glaubensaussagen von Jesus und Paulus Beachtung geschenkt
worden wäre. Es bleibt eine unwidersprochene Tatsache, dass Jesus mit
dem unitarischen Glaubensbekenntnis Israels übereinstimmte (Mk.12,29)
und Paulus den Einen Gott als eine Person definierte. In einer Passage, die
bewusst das Christentum in Gegensatz zum Heidentum stellt, beschreibt
Paulus den Einen Gott als zahlenmäßig einen, und so verschieden von den
vielen Göttern der Heiden. Wenn wir die Information, die uns Paulus im
vierten und sechsten Vers von 1.Korinther 8 gibt, zusammenfassen, so
finden wir die folgende Glaubensaussage: „Es gibt keinen Gott außer den

1
James Yates, Vindication of Unitarianism (Boston: Wells and Lilly, 1816), 66,
153.
172 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

einen Gott, den Vater“. So lautet die nicht-trinitarische Beschreibung


Gottes bei Paulus.
Der Kommentar von John Milton, dem berühmten englischen Poeten,
Theologen und bestimmten Anti-Trinitarier, bestärkt unseren Standpunkt:
„Hier (1.Kor.8,4 u. 6) schließt ‚es ist kein anderer Gott als nur einer‘ nicht
nur alle anderen Geister, sondern auch alle anderen Personen aus, denn es
wird im 6.Vers ganz ausdrücklich gesagt , dass ‚der Vater der eine Gott
ist‘; so gibt es keine andere Person als eine.“2
Es ist erstaunlich, dass der Trinitarismus nicht mit diesen so einfach
erfassbaren Definitionen über die Gottheit zufrieden ist. Er scheint es
darauf abgesehen zu haben, den Glauben, der nicht nur zu den Schreibern
des Alten Testaments, sondern auch zu Jesus selbst gehörte, hinter sich zu
lassen. Ein Wechsel im Denken ist unverkennbar. Bekannte Namen in der
Theologie spürten, dass ein fremder Einfluss den ursprünglichen Glauben
verdunkelt hatte. C.H. Dodd bemerkte „die Juden haben in lebendiger
Tradition Elemente des prophetischen Ideals bewahrt, die zuerst zum
Christentum gehörten, aber dann von griechischer Metaphysik und
römischem Gesetz überlagert wurden.“3
Eben dieses Problem wurde von Albert Schweitzer erwähnt: „Die
große und noch immer nicht abgeschlossene Aufgabe, mit der diejenigen,
die sich dem Studium des frühen Christentums widmen, konfrontiert
werden, ist die Erklärung, wie sich die Lehren Jesu zu griechischer
Theologie entwickelten.“4

Beeinträchtigung des Johannesevangeliums


Unsere Übersetzung von Johannes 1,1-4 scheint die einfache Majestät
des Glaubens an den Einen Gott Israels zu verkomplizieren und eine
ungewollte Barriere zwischen Christentum, Judentum und dem Islam zu
errichten. Der bekannte Übersetzer der englischen Bibel, William
Tyndale, war sich nicht so sicher, ob das „Wort“ bei Johannes wirklich
eins-zu-eins äquivalent zum präexistenten Christus ist. Er gibt den
bekannten Vers folgendermaßen wieder: „Am Anfang war das Wort und
das Wort war bei Gott und das Wort war Gott....Alle Dinge wurden durch

2
Treatise on Christian Doctrine (Neuauflage durch die British and Foreign
Unitarian Association, 1908), 16, 17.
3
Epistle of Paul to the Romans, zitiert von Hugh Schonfield, The Politics of God
(London: Hutchinson, 1970), 105.
4
Paul and His Interpreters (London, 1912), v.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 173

es gemacht......in ihm war das Leben“5 (s. Elberfelder Übersetzung). Es ist


eigenartig, dass es Johannes 1,1-4 und einer Handvoll anderer
neutestamentlicher Bibelverse erlaubt sein sollte, die konstante und große
biblische Beweisführung für den unitarischen Monotheismus zu
vernichten. Die Einheit Gottes wurde von Priestern, Propheten und Jesus,
der ein ebenso glühender Vertreter dieses Teils seines jüdischen Erbes wie
seine Zeitgenossen war, tatkräftig verteidigt.
Dieses Kapitel ist der Diskussion der Fragen gewidmet, die sich durch
den Bericht des Apostels Johannes über die Person Jesu stellen. Das
vielschichtige Portrait, welches Johannes von Jesus zeichnet, beinhaltet
nicht die Erklärung, dass der Sohn Gottes eine präexistente göttliche
Person und ein Teil der Trinität ist. Die gehegte Idee, Jesus sei
ungeschaffen und dem Vater gleich, kann nicht aus der Schrift abgeleitet
werden, sondern wurde durch nachbiblische Tradition weitergegeben.
Versuche, diese Idee im Johannesevangelium zu verwurzeln, bewirken
eine Verdrehung der Absicht von Johannes. Richtig ausgelegt
harmonieren die Aussagen des geliebten Apostels mit der synoptischen
Präsentation von Jesus als einzigartiges menschliches Wesen, das seinen
Ursprung von seiner übernatürlichen Zeugung herleitet.
Johannes präsentiert uns Jesus nicht als ewiges Mitglied einer
dreieinen Gottheit sondern als Erfüllung von Gottes ewigem Plan, indem
er den Messias schuf. So präexistierte für Johannes, ebenso wie für
Paulus, Jesus in den Gedanken und im Plan Gottes und nicht wörtlich als
ewiges Wesen. Dieses unorthodoxe Portrait Jesu hatte seine Vertreter in
den Jahrhunderten, die der Abfassung des Neuen Testamentes folgten,
obwohl es zum Großteil im lehrmäßigen Wandel, der die Kirche ab dem
zweiten Jahrhundert überkam, verloren ging. Es erscheint an wichtigen
Kreuzungspunkten der Kirchengeschichte wieder, besonders bei den
polnischen Anabaptisten des 16. Jahrhunderts. Die moderne Diskussion
über die Christologie hat diese Frage nach der Natur der Präexistenz zum
Mittelpunkt. Der traditionelle Begriff von Präexistenz ist schlecht für das
wahre Mensch-Sein Jesu und schmälert das Wunder, welches er an
unserer Stelle zustande brachte. Es erzeugt auch das gesamte Problem der
Trinität, an die wir nur glauben, weil dies von uns erwartet wird. Eine
Rückkehr zu biblischer Christologie bedeutet die Wiederherstellung der

5
„All things were made by it………In it was life. Tyndale’s New Testament: A
Translation from the Greek by William Tyndale in 1534. Hrsg. David Daniell
(New Haven: Yale University Press, 1989), Hervorhebung beigefügt.
174 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Messiasrolle Jesu, die so lange von den nachbiblischen christologischen


Entwicklungen versteckt und herabgesetzt wurde.

Probleme mit dem Begriff der wörtlichen Präexistenz


Die weitverbreitete Idee, dass Jesus vor seiner Empfängnis am Leben
gewesen war, wirft eine Reihe von Fragen bezüglich seiner Natur auf. Ist
es denn möglich, ein Mensch in einem bedeutungsvollen Sinn zu sein,
ohne im Leib seiner Mutter den Ursprung zu haben? Eine Anzahl
führender Gelehrter dachte in letzter Zeit anders. „Wir können das
Mensch-Sein (Christi) ohne die Präexistenz haben oder die Präexistenz
ohne sein Mensch-Sein. Es gibt absolut keinen Weg, beides gleichzeitig
zu haben.“6 Engel gehören wegen ihres Ursprungs außerhalb des Systems
der menschlichen Fortpflanzung in eine andere Kategorie als Menschen.
Wenn der Sohn Gottes wirklich ein Wesen war, das sich selbst
verwandelte (oder von Gott verwandelt wurde), um in das
Menschengeschlecht durch Geburt einzutreten, so gehört er in eine
Kategorie, die vom Rest der Menschheit sehr verschieden ist.
Es gibt andere Überlegungen. Der Messias, sollte nach der Schrift ein
Nachkomme Davids,7 Abrahams (Gal.3,16) und ein Same der Frau sein
(1.Mose 3,15). Paulus denkt an Christus immer als an den letzten Adam
(einen Menschen). Wenn er als Person bereits vor seiner Empfängnis
gelebt hätte, in welchem Sinn wäre er – die reale Person – dann ein
menschliches Wesen und ein Nachkomme Davids und Abrahams? Setzt
die Schrift Jesus wirklich in eine Klasse von Wesen, deren Ursprung sich
außerhalb des Mutterleibes befindet? Unsere Meinung ist, dass der Beweis
für den Glauben an eine wörtliche Präexistenz, der so oft aus der Bibel -
hauptsächlich aus dem Johannesevangelium – heraus zitiert wird, einer
näheren Untersuchung nicht standhält. Wir behaupten, dass die Idee vor
einer Untersuchung der Tatsachen in der Schrift entstanden und dann in
die Schrift hinein gelesen werden muss. Es gibt in unseren
Standardübersetzungen auch ein Vorurteil zugunsten der vorgefassten
Meinung der Orthodoxie, die uns dazu ermutigt, das Neue Testament
durch die Brille der späteren Dogmen zu lesen.
Dasselbe Vorurteil bringt Theologen dazu, die Apostel sogar nach
Pfingsten als „primitive“ Gläubige darzustellen, die sich ihren Weg zu den

6
John Knox, The Humanity and Divinity of Jesus (Cambridge University Press,
1967), 106.
7
Ps. 132,11; Apg. 2,3; 2. Sam. 7, 14-16; Mt. 1,1.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 175

trinitarischen Bekenntnissen der nachbiblischen Kirchenkonzile schwer


erkämpften.

Gab es zwischen Johannes und Matthäus, Markus und Lukas


Meinungsunterschiede bezüglich der Präexistenz?
Wenn man den Hintergrund des Johannesevangeliums erforscht, so ist
es wichtig, sich die Tatsachen des Ursprungs Jesu, wie er durch die
synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) präsentiert wird, ins
Gedächtnis zu rufen. Lukas machte sich auf, Theophilus die großen
christlichen Wahrheiten zu unterbreiten, die der Letztere als Gläubiger
gelernt hatte: „damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen
du unterrichtet worden bist“ (Lk.1,4). Bis jetzt haben wenige versucht zu
behaupten, Lukas habe in seinem Portrait Jesu nur ein einziges Wort
darüber verloren, dass Jesus etwas anderes als ein Mensch gewesen sei,
der, obwohl übernatürlich empfangen, zum Zeitpunkt seiner Konzeption
zum ersten Mal ins Leben gekommen war. Dasselbe könnte von den
Berichten bei Matthäus und Markus und von der Darstellung Jesu in der
Apostelgeschichte gesagt werden. Sowohl Theologen als auch Historiker
sind sich einig, dass dies der Fall ist: „In den Synoptikern findet sich keine
direkte Aussage über die Präexistenz Christi....auch sonst erwähnen sie
nirgends seine Präexistenz.“8

„Zuerst haben wir die Christologie der synoptischen Evangelien und hier
kann nicht auf sicherem Boden behauptet werden, dass sie uns die geringste
Rechtfertigung für eine Vorstellung, die über einen menschlichen Messias
hinausgeht, geben. Das Verständnis von Präexistenz liegt völlig außerhalb der
synoptischen Anschauungssphäre. Nichts kann dies besser zeigen als die
Erzählung von der übernatürlichen Geburt Jesu. Alles, was ihn über die
Menschheit hinaushebt – obwohl es das Mensch-Sein seiner Person nicht aufhebt
– kann nur dem pneuma hagion (dem Heiligen Geist) zugeschrieben werden, der
seine Empfängnis zustande brachte.... Die synoptische Christologie hat als
substantielle Basis die Erkenntnis, dass der Messias als huios theou (Sohn Gottes)
designiert und empfangen wurde; all die Versuche, diese Erkenntnis zu erklären,
basieren auf der Annahme einer essentiellen menschlichen Natur.“9

8
B.F. Westcott, The Gospel of John (Grand Rapids, Eerdmans, 1981), lxxxiv,
lxxxvii.
9
F.C. Baur, Church History of the First Three Centuries (London: Williams and
Norgate’s, 1878), 65.
176 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

„Präexistenz gehört nicht zu den ersten Einzelheiten des christlichen


Glaubens an den historischen und den erhöhten Jesus, aber es ist eine notwendige
Folge dieses Zusammenhanges (solidere Beweise als nur Zusammenhänge sind
notwendig). Es macht kein Element der frühen Lehre, die in der
Apostelgeschichte aufgezeichnet ist, aus. Dort gibt es kein Aufkommen des
Gedankens, dass sein Ursprung ebenso transzendent wie seine Bestimmung sein
muss – und keinen Hinweis auf die Präexistenz. Der Platz Christi in der Ewigkeit
ist in der Vorhersehung und im Ratschluss des Vaters.“10

Es ist signifikant, dass die Anschauung, Jesus habe vor seiner Geburt
nur im Ratschluss des Vaters existiert, von Petrus in seinem ersten Brief
ausgedrückt wird. Gegen Ende seines Lebens hatte er seine Meinung, die
er in seinen frühen Reden in der Apostelgeschichte geäußert hatte, nicht
geändert: „Er ist zwar im Voraus vor Grundlegung der Welt erkannt, aber
am Ende der Zeiten geoffenbart worden um euretwillen“ (1.Petr.1,20).
E.G. Selwyn schreibt zutreffend: „Wir sind auch nicht berechtigt zu
sagen, dass Petrus mit der Idee der Präexistenz Christi vertraut
war.......Denn diese Anschauung ist nicht unbedingt in seiner
Beschreibung Christi als „erkannt vor Grundlegung der Welt“ enthalten,
denn die Christen sind ebenso Teil von Gottes Vorhersehung.“11
All die Treuen waren ebenso im Voraus ersehen (1.Petr.1,2), aber das
bedeutet natürlich nicht, dass sie präexistierten. Wenn nun Petrus nicht
glaubte, dass Jesus vor seiner Geburt gelebt hatte, so konnte dieser
führende Apostel auch nicht an die Trinität geglaubt haben.
Ein Professor der Kirchengeschichte, der alles genau untersucht hatte,
fand keinen Beweis für den Glauben an die Präexistenz Jesu in Matthäus,
Markus und Lukas.

„Dass Jesus, dessen Gedanken von den Propheten durchdrungen waren, seine
messianische Auffassung von hebräischen Quellen erhielt, ist
offenkundig.....Während seine messianische Aufgabe in den Prophetien wurzelte,
so erscheint es nicht so, dass er sich selbst eine vorzeitliche Existenz zuschrieb.
Wenn man ansieht, was Matthäus und Lukas über seinen Ursprung schreiben, so
ist er göttlich gezeugt. Aber er hatte nicht präexistiert. Seine Herkunft wird aus
dem Leib einer Jungfrau beschrieben, durch die Zeugung durch den Heiligen
Geist......Es kann niemand vernünftigerweise behaupten, dass, gemäß den
Beschreibungen der übernatürlichen Zeugung nach Matthäus und Lukas, Jesus

10
Dictionary of the Apostolic Church (T&T Clark, 1916), 2:264, Hervorhebung
beigefügt.
11
First Epistle of St. Peter, 248.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 177

vor diesem kreativen göttlichen Akt gelebt hatte........Es gibt auch keinen
deutlichen Hinweis von seiner eigenen Seite, dass er sich einer persönlichen
Präexistenz bewusst war. ...so haben wir es in den synoptischen Evangelien nicht
mit einem präexistenten, ätherischen Wesen zu tun, welches in menschlicher
Form zu Fleisch wurde, sondern mit einem, der, obwohl durch göttliche
Bestimmung zu einer erhabenen Berufung bestimmt, von seiner Geburt bis zu
seinem Tod völlig den Regeln der menschlichen Existenz unterworfen war.“12

Niemand wird die Gründlichkeit der Untersuchung der


Geburtsgeschichten des Messias von Raymond Brown bezweifeln. Er
findet ebenso, dass weder Matthäus noch Lukas an eine Existenz Jesu vor
seiner Geburt glaubten:

„Die Tatsache, dass Matthäus von Jesus als gezeugt spricht (Passiv von
gennan, in 1,16 und 20), weist darauf hin, dass die Empfängnis durch den
Heiligen Geist die Entstehung des Sohnes Gottes bewirkte.........Klarerweise ist
hier die göttliche Sohnschaft keine adoptive, aber es gibt keinen Hinweis auf eine
Inkarnation, bei der ein Wesen, das vorher bei Gott gewesen war, Fleisch
wurde.“13

Im selben Werk sagt er: „Ich betone, dass Matthäus und Lukas kein
Wissen von Präexistenz hatten. Anscheinend bedeutete für sie die
Empfängnis das Werden oder die Zeugung des Sohnes Gottes.“13
Dieses verblüffende Zugeständnis eines angesehenen Bibelgelehrten
bestärkt die Tatsache, dass die Lehre der Inkarnation weder in Matthäus
noch in Lukas gefunden werden kann. Dasselbe gilt für das
Markusevangelium. Brown stellt fest, dass dieses eine peinliche Tatsache
für Theologen bedeutet, die im traditionellen Glauben an den
präexistenten Sohn ausgebildet wurden:

Lyonnet, L’Annonciation,14 zeigt auf, dass das (die Auslassung einer


Referenz auf die Präexistenz bei Lukas) viele orthodoxe Theologen verwirrt,

12
James MacKinnon, The Historic Jesus (Longmans, Green & Co., 1931), 375-
379, Hervorhebung beigefügt.
13
The Birth of the Messiah, 140, 141, Hervorhebung beigefügt. Vgl. Aaron
Milavec, “Matthew’s Integration of Sexual and Divine Begetting”, in Biblical
Theology Bulletin 8 (1978), 108: “Die christliche Lehre der Präexistenz ist völlig
unvereinbar mit der Beschreibung des Ursprungs Jesu bei Matthäus.”
13
Ebenso, 31, Fußnote 7.
14
„L’Annonciation et la Mariologie Bibliquein Maria in Sacra Scriptura, 4 :61.
178 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

denn in der Präexistenztheologie führt eine Empfängnis im Leib Marias durch


den Heiligen Geist zu keiner Existenz des Sohnes Gottes. Lukas scheint sich einer
solchen Christologie nicht bewusst zu sein; für ihn ist die Empfängnis
grundsätzlich mit der Sohnschaft verbunden. 15

Das traditionelle Christentum beharrte bemerkenswerterweise


trotzdem darauf, Jesus habe vor seiner Empfängnis gelebt und sei als Sohn
Gottes der zweite Teil einer göttlichen Trinität. Diese Auffassung kann
aber keineswegs auf Matthäus oder Lukas zurückgeführt werden. Beide
zeigen uns einen Jesus, dessen Leben begann, als ihn Maria in der Kraft
des Heiligen Geistes empfing. Die Botschaft bei Lukas ist klar: Es war die
übernatürliche Tat Gottes an Maria, die Sohn Gottes ins Leben brachte.
Niemand, der die Worte von Lukas liest, kommt auf die Idee, dass diese
Person bereits vor dem Wunder, das Gott in Maria vollbracht hatte, der
Sohn Gottes war. Der Jesus von Lukas beginnt so wie jeder andere
Mensch auch im Leib seiner Mutter: „ ...du wirst schwanger werden und
einen Sohn gebären... Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die
Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige,
das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk.1,31;35).
Diese Schlüsselpassage bringt keinen Beweis für die Annahme, Jesus
habe vor seiner Empfängnis eine Existenz gehabt. Für Lukas wurde der
Sohn Gottes ungefähr im Jahre 3 v. Chr. geboren und nicht in der
Ewigkeit. Matthäus stimmt mit Lukas völlig überein. Er bezeugt Jesus als
„Sohn Davids und Sohn Abrahams“ (Mt. 1,1), der übernatürlich von
Maria durch den Einfluss des Heiligen Geistes empfangen wurde (Mt.
1,18;20).
Die traditionelle Orthodoxie beruft sich hauptsächlich auf einige
Stellen im Johannesevangelium (Joh.17,5; 8,58). Diese sollen zeigen, dass
der Ursprung Jesu nicht im Leib seiner Mutter war, sondern in der
Ewigkeit und er sich seiner Präexistenz mit dem Vater bewusst war.
Können diese Verse wirklich die Last einer so schwerwiegenden
Behauptung tragen, welche den Jesus von Johannes anscheinend in eine
andere Klasse als die der Synoptiker stellt? Oder gibt es einen anderen
Weg, Johannes zu lesen, der sein Zeugnis in Harmonie mit den anderen
Evangelien bringt? Diese Frage ist im Verlauf der Geschichte des
Christentums immer wieder aufgetaucht, besonders in den Werken von
Paulus von Samosata (ca. 200-275), Photinus (ca. 300–376), dem
Anabaptisten Adam Pastor (ca. 1500–1570), Michael Servetus (1511–

15
Brown, The Birth of the Messiah, 291.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 179

1553), den polnischen Anabaptisten, dem Engländer John Biddle (1615–


1662) und den antitrinitarischen Gelehrten des 19. Jahrhunderts in
Amerika, Großbritannien und Deutschland, und seit kurzem in
Cambridge. Die Bemerkung von Maurice Wiles zeigt deutlich auf, was
schon lange die Überzeugung dieser Minderheit von Gläubigen ist:

„In der christlichen Tradition wurde das Neue Testament lange durch die
Brille der späteren konziliären Glaubensbekenntnisse gelesen........Wenn von
Jesus als Sohn Gottes gesprochen wurde, so hatte das im ersten Jahrhundert eine
völlig andere Bedeutung als nach der Zeit von Nizäa. Die Rede von der
Präexistenz Jesu (in der Schrift) sollte in den meisten, vielleicht auch in allen
Fällen, auf Basis der Analogie über die Präexistenz der Torah verstanden werden,
um den ewigen göttlichen Zweck anzudeuten, der durch ihn erreicht wurde und
nicht so sehr eine Präexistenz in einer persönlichen Art.“16

Die Trinitarier haben das Problem, dass sie ihre Hauptunterstützung


bei Johannes im Widerspruch zu Matthäus und Lukas suchen müssen.17 Es
gibt aber einen anderen Weg, das Johannesevangelium zu lesen – einen
Weg, der im Einklang mit den anderen Evangeliumsschreibern ist. Durch
eine Tatsache ist klar bewiesen, dass sich Matthäus und Johannes über
Jesus einig waren: Matthäus 16,16 und 18 berichtet von Jesus, der den
Glauben an ihn als Messias zur Grundlage des christlichen Glaubens
machte. Johannes 20,31 gibt das Objekt der Niederschrift des
Johannesevangeliums bekannt. Es geschah, um eben diese Wahrheit zu
zeigen, nämlich dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist.

Das Wort im Prolog des Johannes


Neuere Kommentare über das Johannesevangelium geben trotz der
alten Tradition, Gegenteiliges zu behaupten, zu, dass sich der Ausdruck
„Wort“ im bekannten Prolog des Johannes nicht auf den Sohn Gottes vor
seiner Geburt beziehen muss. Unsere Übersetzungen drängen dem Leser
die Überzeugung der traditionellen Lehre der Inkarnation auf, indem sie

16
The Remaking of Christian Doctrine, 52, 53.
17
Gemäß vielen Manuskripten berichtet Matthäus in Mt. 1,18 die Schöpfung oder
den „Ursprung“, den „Beginn“ Jesu. Es war nicht nur seine Geburt. Markus und
Lukas wissen nichts von einem Jesus, der vor seiner Geburt existierte. Die
Geburtsgeschichte von Lukas schließt ausdrücklich eine „ewige Generation“ des
Sohnes aus, der bei seiner Empfängnis der Sohn Gottes wird. Eine vernünftige
Möglichkeit ist, dass die Anschauung Christi bei Johannes wirklich mit den
anderen Evangeliumsschreibern übereinstimmt.
180 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

den männlichen Artikel gebrauchen (Vers 11-13,Elberfelder). Aber was


wurde dann in Joh.1,14 Fleisch? War es eine präexistente Person? Oder
war es die sich selbst ausdrückende Aktivität Gottes, des Vaters, Sein
ewiger Plan? Ein Plan mag Gestalt annehmen, wenn z.B. die
Vorstellungen in den Gedanken eines Architekten schließlich Formen
eines Hauses annehmen. Was den sichtbaren Ziegeln und dem Mörtel
vorausging, war die Absicht in den Gedanken des Architekten. So ist es
auch richtig, Johannes 1,1-3a folgendermaßen zu lesen: „Am Anfang war
die kreative Absicht Gottes“,18 „sie war bei Gott und war der Ausdruck
Gottes (theos)“19 (ebenso wie die Weisheit vor der Schöpfung bei Gott
war – Spr.8,30). „Alle Dinge wurden durch sie gemacht“. Diese
Wiedergabe entspricht auch der Verwendung von „Wort“ im Alten
Testament bestens: „So wird mein Wort sein, das aus meinem Munde
hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkommen, sondern es wird
bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe"
(Jes.55,11).20 Jesus ist dieses Wort, das durch eine menschliche Person
ausgedrückt wurde – das letzte Wort Gottes an die Welt, der Sohn, durch
den Gott am Ende dieser Tage gesprochen hat (Hebr. 1,1-2). Es ist
bemerkenswert, dass der Schreiber des Hebräerbriefes den Sohn „in diese
letzten Tage“ setzte, als göttlichen Agenten in der Nachfolge der
Propheten. Er stellte ihn nicht in die Ewigkeit, sondern sah den Sohn als
den historischen Christus.
Die Unklarheit in der griechischen Sprache ( dia autou – durch ihn ,
oder: durch es; Joh.1,3) erlaubt ein unpersönliches Wort vor der Geburt
Jesu. Die Unpersönlichkeit dieses Wortes wird durch den Kommentar von
Johannes selbst über Johannes 1,1 in 1.Joh.1,2 nahegelegt. Es war das
„unpersönliche“ ewige Leben, das „mit dem Vater“ war ( pros ton theon,
1.Joh. 1,2), das heißt, das ewige Leben, welches durch Jesus ermöglicht
wurde. Petrus scheint dieselbe Idee auszudrücken, wenn er Jesus als
Lamm Gottes beschreibt, welches „vor Grundlegung der Welt erkannt
war, aber geoffenbart am Ende der Zeiten“ (1.Petr.1,20). Nur einige Verse

18
Gabriel Fackrè in The Christian Story (Eerdmans, 1978), 103, verweist mit
Zustimmung auf das Verständnis des “logos” als Gottes Plan, Zweck, Absicht
und Vision von Theophilus von Antiochien hin und schlägt als Übersetzung von
Joh. 1,1 Folgendes vor: „Die Vision war mit Gott und die Vision war Gott.“
19
Die New English Bible versucht die Aussage so wiederzugeben: „Was das
Wort war, war Gott.“
20
Zum Gebrauch des Wortes „Wort“ im Alten Testament siehe Ps. 33, 6-12 und
James Dunns Christology in the Making, 217, 218.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 181

zuvor gebraucht er eben dieses Verständnis von Vorsehung, wenn er von


Gottes Plan spricht, die Christen zu erretten (1.Petr. 1,2). Gott erkannte
jene im Voraus, die er später berief, aber sie präexistierten natürlich nicht
im wörtlichen Sinn. Die Anwendung dieses Prinzips bei Petrus für Jesus
in Vers 20 weist auf eine „ideelle Präexistenz“ im ewigen Ratschluss
Gottes hin und nicht auf eine tatsächliche Existenz in einer anderen
Dimension vor der Geburt als Mensch.
Eine interessante Parallele kommt im Buch Offenbarung vor, wo alle
Dinge „waren und erschaffen werden“ (Offb.4,11). Mounce kommentiert
dass „dieser ungewöhnliche Ausdruck zeigt, dass alle Dinge, die sind,
zuerst im ewigen Willen Gottes gewesen waren und durch seinen Willen
zu seiner festgesetzten Zeit in tatsächliche Existenz kamen.“21
Trinitarische Kommentatoren geben zu, dass es keinen zwingenden
Grund gibt zu glauben, die ursprünglichen Leser des Prologs hätten das
„Wort“ als präexistente Person angesehen.
Bis Joh.1,14 („und das Wort wurde Fleisch“) „wäre es für den Leser
durchaus möglich gewesen, das Wort als ein höheres kosmisches Prinzip
oder etwas Ähnliches zu verstehen.“23 Es ist eine wenig bekannte
Tatsache, dass die englischen Bibelübersetzungen von Johannes 1,2 vor
der King James Version das Wort mit „es“ beschrieben und nicht mit „er“.
Der Punkt wird durch James Dunn beleuchtet. In seiner ausgiebigen
Untersuchung der traditionellen Lehre der Inkarnation bemerkt er
außerhalb des Johannesevangeliums keine Lehre einer wörtlichen
Präexistenz. Dunn macht auch die wichtige Beobachtung, dass es vor
Johannes 1,14 keinen Grund gibt, das Wort als zweite Person neben dem
Vater zu sehen. Über Johannes 1,1 schreibt er:

„Die Schlussfolgerung, die sich aus unserer Analyse (von Joh. 1,1 – 14) zu
ergeben scheint, ist, dass wir erst ab Vers 14 („das Wort wurde Fleisch“) von
einem persönlichen Logos sprechen können. Die Dichtung verwendet eher
unpersönliche Ausdrucksweise („es wurde Fleisch“), aber keinem Christen würde
der Bezug auf Jesus entgehen. Das Wort wurde nicht im Allgemeinen zu Fleisch,
sondern zu Jesus Christus. Vor dem Vers 14 befinden wir uns auf der Ebene der
vorchristlichen Ausdrucksweise von Weisheit und Logos, derselben
Ausdrucksweise und Sprache, wie wir sie bei Philo finden. Wir haben gesehen,

21
R.H. Mounce, The Book of Revelation (Marshal, Morgan and Scott, 1977),, 140
(über Offb. 4,11).
23
Leon Morris, The Gospel According to John, New International Commentary
on the New Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 1971), 102.
182 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

dass es sich mehr um Personifikationen als um Personen handelt, um


personifizierte Handlungen Gottes und nicht um eine göttliche Person als solche.
Dieser Punkt wird durch die Tatsache verdunkelt, dass wir das männliche Logos
in allen Versen als „er“ übersetzen. Wenn wir stattdessen das Logos als „Wort
Gottes“ bezeichnen würden, so würde uns klar werden, dass die Verse 1-13 nicht
unbedingt von einem personellen göttlichen Wesen sprechen. In anderen Worten,
die revolutionäre Bedeutung von Vers 14 ist nicht nur die Tatsache, dass in der
Erzählung vom Gedanken der Präexistenz zur Inkarnation übergegangen wird,
sondern auch der Übergang von einer unpersönlichen Personifikation zu einer
tatsächlichen Person.“24

Aber warum „müssen“ wir das maskuline logos als „er“ übersetzen?
Wohl nur, um eine traditionelle Interpretation des Prologs zu unterstützen.
Wenn logos als „Plan Gottes“ übersetzt wird, so ist der Sohn Gottes vor
seiner Geburt nicht am Leben und ein Hauptgrund für die Struktur der
traditionellen Ansicht über Präexistenz und die Trinität ist entfernt.

Ein weiterer Blick auf Johannes 1,1


Ist die heutige Übersetzung von Johannes 1,1 wirklich als
Übersetzung zu bezeichnen, wenn man Übersetzung als Übermittlung des
Originals in ein verständliches Gegenstück in der Zielsprache versteht?
Bedeutet der Ausdruck „Das Wort war mit Gott“ überhaupt etwas auf
Deutsch? Wann war dein letztes Wort „mit dir“? Wir vermuten, unsere
heutige Wiedergabe, mag sie auch dem Wortlaut nach korrekt sein,
erlaubt es einfach dem Leser, sich bei seiner überlieferten orthodoxen
Christologie über den ewigen Sohn, der Menschennatur annahm, wohl zu
fühlen. Der männliche Artikel ab Vers 11 statt korrekterweise ab Vers 14
führt zum Gedanken an eine präexistente Person. Und vielen Lesern
werden freie Umschreibungen angeboten, so etwa in der englischen Good
News Bible: „Bevor etwas anderes existierte, war Christus, mit Gott. Er
war immer lebendig und ist selbst Gott. Er erschuf alles, was ist. Es gibt
nichts, was er nicht schuf.“25 Die deutsche Hoffnung für Alle Übersetzung
schreibt: „Am Anfang war das ewige Wort Gottes: Christus. Immer war er
bei Gott und ihm in allem gleich.“
Die Orthodoxie des Lesers wird durch solche Übersetzungen bestärkt.
Doch der römisch- katholische Theologe Karl-Josef Kuschel fragt in

24
Christology in the Making, 243, Hervorhebung beigefügt.
25
Vgl. Good News Bible über Joh. 1,1: “Christus war am Leben, als die Welt
begann.”
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 183

seiner neuen Untersuchung über den Ursprung Christi: „Wieso lesen wir
instinktiv: Am Anfang war der Sohn und der Sohn war mit Gott?“26
Es scheint uns, die hebräische Bibel sollte unsere erste Hilfsquelle
sein, wenn wir die Absicht von Johannes in seinem Prolog verstehen
wollen. Ein Professor sagte mir im Seminar: „Wenn du das Alte
Testament missverstehst, so kannst du auch das Neue Testament nicht
verstehen.“ Verblüffenderweise gibt es kein einziges Mal das Vorkommen
des Wortes davar (Wort) in einer Entsprechung des griechischen Wortes
logos bei Johannes, welches Beweise erbringt, dass das „Wort vom
Anfang“ eine Person meint, ganz zu schweigen von einer ungeschaffenen
zweiten göttlichen Person, dem Sohn Gottes, neben dem Einen Gott des
Bekenntnisses Israels. Davar bedeutet im Alten Testament Wort,
Tatsache, oft auch Verheißung oder Absicht, aber niemals eine Person.
Johannes sagte nicht, das präexistente Wort sei eine zweite und
unterschiedliche Person gewesen, bevor es im Messias Gestalt
angenommen hatte.
Warum sollte Johannes nicht sagen, dass Gottes kreative und sich
ausdrückende Aktivität, Sein Wort oder Seine Weisheit, die Zeichen
Seiner Gedanken, „mit Ihm“ gewesen waren, ebenso wie die Weisheit
„mit Ihm“ (para) war (Spr.8,30, in der Septuaginta). Sprüche 8 hat
übrigens bemerkenswerte Parallelen mit dem, was Johannes später über
Jesus sagt. In den Worten Jesu wird Leben gefunden (Joh.6,63), ebenso
wie es in der Weisheit gefunden werden kann. Weisheit ruft ebenso aus
wie Jesus (Joh.12,44), als er die Leute auffordert, seinen Lehren
Beachtung zu schenken. Was in den Sprüchen von der Weisheit gesagt
wird, wird sonst Gott zugeschrieben (Hiob 12,13-16).
Es ist bemerkenswert, dass Johannes immer die Präposition para (mit)
verwendet, um die Nähe einer Person zu einer anderen zu beschreiben
(1,39;4,40; 8,38 etc.). Doch in seinem Prolog wählt er pros (mit) und
deutet damit an, dass „das Wort“ keine Person neben Gott beschreiben
sollte. Der erste Vers von Johannes erinnert uns an das, was die Weisheit
in Jesus Sirach (Ecclesiasticus) 24,9 sagt: „Von der Urzeit her, im Anfang
ward ich erschaffen.“
Es gibt genügend Beweise, dass die hebräische Präposition im oder et
, die „mit“ bedeuten, ein Verhältnis zwischen einer Person und dem, was

26
Born before All Time? The Debate About the Origin of Christ (New York:
Crossroads, 1992), 381. Dt. Originalausgabe: Geboren vor aller Zeit? Der Streit
um Christi Ursprung (Piper Verlag, München, 1990).
184 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

in ihrem Herzen oder in ihren Gedanken ist, beschreiben kann. Es folgen


einige interessante Verwendungen der hebräischen Präpositionen im und
et in der hebräischen Bibel:
„Im (mit) allein = im Bewusstsein eines Menschen, sei es Wissen,
Erinnerung oder Absicht“:27

4.Mose 14,24: „...weil ein anderer Geist mit ihm war...“ (der in seinem Geist
wirkte).

1.Könige 11,11: „Und weil dir dies bewusst war....“ (was du wolltest).

1.Chron. 28,12: „Und der Plan von allem, was durch den Geist in ihm war“ (in
seinen Gedanken).

Hiob 10,13: „ ..ich habe erkannt, dass du dies im Sinn hattest (parallel zu: dies
verbargst du in deinem Herzen).

Hiob 15,9: „..was wir nicht erkannt hätten...“ (wir verstehen es nicht).

Hiob 23,10: „Denn er erkennt den Weg, der bei mir ist“ (den Weg, dessen ich mir
bewusst bin).

Hiob 23,14: „Ja, er wird vollenden, was für mich bestimmt ist; und dergleiches
hat er vieles noch im Sinn“ (Septuaginta: er wollte etwas und führte es aus).

Hiob 27,11: „..ich will euch...was der Allmächtige im Sinn hat, nicht
verhehlen...“ (seinen Ratschluss).

Ps. 50,11: „..was sich tummelt im Feld, ist mir bekannt....“ (ich weiß es, denke an
es und sorge für es).

Et: „von einem Traum oder einem Wort Jahwes wird gesagt, es sei mit
dem Propheten.“28

1.Mose 40,14: „Aber denke an mich bei dir, wenn es dir gut geht“ (es war das
Wort, welches Gott im Sinn hatte).

27
Brown, Driver and Briggs, Hebrew and English Lexicon of the Old Testament,
768.
28
Ebenso, 86.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 185

2.Könige 3,12: „Das Wort des Herrn ist bei ihm“ (vergl. 2.Joh.2 „die Wahrheit
ist mit uns“; Gal.2,5: „die Wahrheit verbleibt bei euch“).

Jer.12,3: „...du siehst mich und prüfst mein Herz“ (wörtlich: „du hast mein Herz
bei dir geprüft“).

Jer.23,28: „Der Prophet, der einen Traum hat...“

Jer.27,18: „...wenn das Wort des Herrn bei ihnen ist...“

Hiob 14,5: „Wenn seine Lebenstage festgesetzt sind, die Zahl seiner Monate bei
dir feststeht...“ (dir bekannt sind)

Spr. 2,1: „...wenn du meine Gebote bei dir verwahrst.“

Spr.11,2: „...doch bei den Bescheidenen ist Weisheit.“

Angesichts dieses hebräischen Hintergrundes schlagen wir folgende


Übersetzung vor: „Am Anfang hatte Gott eine Absicht und diese Absicht
war in Gottes Ratschluss festgesetzt und die Absicht drückte völlig die
Gedanken Gottes aus und die Absicht wurde im Menschen Messias Jesus
verkörpert.“

Die Absicht von Johannes


In seinem Prolog arbeitet Johannes den gnostischen Tendenzen in
Richtung der Idee eines zweigeteilten oder pluralistischen Gottes
entgegen. Ein gnostischer Christ glaubte, dem erhabenen, unnahbaren
Gott, der von seiner Schöpfung weit entfernt war, würde durch weniger
göttliche Wesen vermittelt werden – „Aionen“, oder auch durch ein
einziges weniger göttliches Wesen (die verschiedenen gnostischen
Systeme unterschieden sich in diesem Punkt). Justin (der Märtyrer), der
sicherlich keinerlei gnostische Zugehörigkeit hatte, hat dennoch keine
Bedenken, vom präexistenten Sohn zu sprechen, der ein „arithmetisch
zweiter Gott“ ist, nicht so ewig und ungeschaffen wie der Sohn im
weiterentwickelten trinitarischen Glauben, aber dennoch als Sohn
präexistierend und im Moment vor der Genesis- Schöpfung
hervorkommend. Justin beschreitet einen Weg, der dem Neuen Testament
fremd ist, wenn er den Sohn Gottes bereits in alttestamentlichen Zeiten
als Engel des Herrn aktiv sieht.
186 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

„In der Mitte des zweiten Jahrhunderts bildete Justin seine Apologetik und
seinen Dialog und in diesen erscheint der Einfluss der Philosophie auf das
Christentum sehr stark.....Er bringt die Verknüpfung zu heidnischen Formen der
Philosophie zum Vorschein, welche die Brücke sind, durch welche die Erstere
auf das Letztere gewirkt hat........Das Christentum fand im hellenistischen
Judentum von Alexandria Mittel, um philosophische Gedanken annehmen und
die philosophischen Ansichten jener Zeit teilen zu können und dennoch seinen
Einfluss auf christliche und jüdische Offenbarung behalten zu können.“3629

Tertullian, der als der Gründer des lateinischen Christentums bekannt


ist, kennt ebenso wie Justin ein zweites göttliches Wesen, welches vom
Vater „in der Zeit“ geschaffen wurde.30 Diese Christologie, die eine
verhängnisvolle Verwandtschaft mit dem heidnischen Dualismus hat,
hätte sich nicht entwickeln können, wenn man nicht angenommen hätte,
Johannes habe den Sohn als verschieden von Gottes Wort und von
Anfang an existierend bezeichnet. Die Allgemeinheit stützt sich bei der
Lehre der ewigen Göttlichkeit Christi noch immer stark auf Joh. 1,1.
Aber was wäre, wenn sie in einer der z.B. acht englischen Bibelausgaben
unterrichtet worden wäre, die der King James Version von 1611
vorausgegangen waren?31
Eine andere Untersuchungsrichtung der Bedeutung von Johannes ist
die außerbiblische Literatur des Judentums. Im „Handbuch der Disziplin“
aus Qumran lernen wir, dass „durch Gottes Wissen alles zustande
gekommen ist; und alles, was existiert, wurde durch seinen Ratschluss
geschaffen; und ohne ihn (ohne es?) ist es nicht geschehen". Das ist
sicherlich ein Echo auf „alles wurde durch dasselbe und ohne dasselbe

29
G.T. Purves, „The Influence of Paganism on Post-Apostolic Christianity“,
Presbyterian Review 36 (Oct., 1888). Der vernichtende Einfluss alexandrinischer
Philosophie wird von heutigen Gelehrten gut erkannt. In The Bible Review von
Juni 1997 bemerkt Professor J. Harold Ellens, dass „von Nizäa bis Chalcedon die
spekulative und neoplatonische Ansicht der alexandrinischen Christologie an
Boden gewann und im Jahre 451 christliches Dogma wurde.“
30
„Es gab eine Zeit, als der Sohn nicht existierte; Gott war nicht immer ein
Vater“ (Against Hermogenes, Kap. 3).
31
Mit dieser einen Ausnahme gaben folgende Bibelversionen Joh. 1,3
folgendermaßen wieder: „Durch dieses wurden alle Dinge gemacht. Ohne dieses
wurde nichts gemacht“: Tyndale Bible (1535), Coverdale (1550; diese Version
hat ‚dasselbe’ an Stelle von ‚dieses’), Matthew ( 1535), Taverner (1539), The
Great (Cranmer’s) Bible (1539), Whittingham (1557), Geneva (1560), Bishop’s
Bible (1568).
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 187

wurde auch nicht eines, das geworden ist“ (1,3). In I QS iii 15 lesen wir:
„Vom Gott des Wissens stammt alles, was ist und was werden wird“, und
in den Apokryphen steht: „Gott der Väter und Herr des Erbarmens, der
du das All durch dein Wort geschaffen hast“ (Weisheit 9,1) und in Sirach
42,15: „Gedenken will ich der Werke des Herrn, und was ich gesehen,
will ich erzählen. Durch die Worte des Herrn sind Seine Werke
geschaffen....“. In den Oden von Salomo erfahren wir: „Die Welten
wurden durch Gottes Wort gemacht“ und durch „die Gedanken Seines
Herzens“ (16,19). Wir sind eindeutig in einer Atmosphäre des Gottes, der
sprach und es geschah. In 1.Mose 1 und in Johannes 1,1 erfahren wir
mehr über die sich selbst ausdrückende und schöpferische Aktivität des
Wortes, welches (nicht „welcher“) Jesus wurde. Jesus ist also das, was
das Wort wurde. Ich denke, viele Gelehrte würden zu dieser Art von
Interpretation kommen, wenn sie nicht unter dem Zwang der Orthodoxie
stünden. Es ist erstaunlich, dass z.B. der bekannte F.F. Bruce über
Johannes 1,1 und das Problem der Präexistenz Christi Folgendes schreibt:
„In der Frage der Präexistenz kann man zumindest die Präexistenz des
ewigen Wortes oder der Weisheit Gottes, welches (welcher?) in Jesus zu
Fleisch wurde, akzeptieren. Es ist aber nicht klar, ob einer der Schreiber
des Neuen Testamentes an seine gesondert und bewusste Existenz als
eine „zweite göttliche Person“ glaubte....ich denke nicht, dass Paulus das
glaubte.“32 Ist dies etwas anderes, als die einfache Aussage, die uns vom
Standardlexikon von Arndt und Gingrich angeboten wird? Sie sagen über
das „Wort“ in Joh. 1,1: „Unsere Literatur zeigt Spuren einer Denkweise,
die im damaligen Synkretismus und auch in der jüdischen
Weisheitsliteratur und bei Philo weit verbreitet war und deren wichtigstes
Merkmal das Konzept des Logos war, dem unabhängigen,
personifizierten „Wort (Gottes)“...dieses göttliche „Wort“ nahm eine
menschliche Gestalt in einer menschlichen Person an.“33 Es ist sehr
beruhigend, diese Definition von einer so angesehenen Autorität
angeboten zu bekommen. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass Arndt und
Gingrich nichts darüber sagen, dass das Wort den Sohn vor der Geburt
meint. Das „Wort“ in Joh. 1,1 ist ihrer Meinung nach eine Personifikation
und nicht eine Person.

32
Aus Korrespondenz, 13. Juni 1981.
33
William F. Arndt und F. Wilbur Gingrich, A Greek-English Lexicon of the New
Testament and Other Early Christian Literature (Chicago: University of Chicago
Press, 1957), 480.
188 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Und dennoch ist es in vielen Kirchenkreisen nicht möglich, als


wahrer Gläubiger zu gelten, wenn man nicht an diesen zweiten
präexistenten Sohn glaubt! Was für ein erstaunlicher Widerspruch. Die
Situation ist auf der Ebene der akademischen Bibelstudien anders.
Wieviel steht dann bei dem Wort „Wort“ auf dem Spiel? Ist es eine
präexistente Person oder ein Plan? Manchmal argumentieren Trinitarier
folgendermaßen: 1) Das Wort war Gott; 2) Jesus war das Wort; 3)
deshalb war Jesus auch Gott. Diese Voraussetzungen müssen geprüft
werden. Das Wort ist nicht identisch mit Gott.34 Es wird von Gott
unterschieden, indem es „bei ihm“ war. Das Wort war kein zweiter Gott.
Wenn nun das Wort nicht identisch mit Gott ist (wie kann es das sein,
wenn es bei Gott ist?) und auch kein unabhängiger Gott, so kann der
Ausdruck „das Wort war bei Gott“ nur meinen, dass, wie A.E. Harvey es
ausdrückt, „das Wort der Ausdruck oder eine Widerspiegelung Gottes
ist“ (vgl Weisheit, 7,25- 26) und dass es in gewissem Sinn göttlich war,
das heißt „von Gott.“35
Die zweite Voraussetzung: „Jesus war das Wort“ muss nicht meinen,
dass das Wort von Ewigkeit her identisch mit Jesus war. Jesus ist das,
was aus dem Wort wurde. Er ist ab seiner Geburt als Sohn Gottes ein
Ausdruck des Wortes (Joh. 1,14). Die Behauptung, Jesus sei ein
Ausdruck von Gottes offenbarender Aktivität, beweist in keineswegs,
dass der Sohn Gottes ein ungeschaffenes Mitglied einer Trinität ist.

Denken wie die Juden


Die ganze Frage der Präexistenz wird weitgehend von der Art
beeinflusst, wie wir biblische Aussagen lesen. Was bedeutet es, wenn
etwas „ist“ bevor es auf der Erde existiert? Haben wir es mit
Vorhersehung oder wörtlicher Präexistenz zu tun? Es ist eine Tatsache,
dass „Juden, wenn sie etwas als vorbestimmt bezeichnen wollten, von
diesem als bereits im Himmel existierend sprachen.“36 So spricht Paulus
in Kol. 1,5 von der Hoffnung der Christen auf das Erbe des kommenden
Reiches Gottes als von „im Himmel aufbewahrt“. Die Erbschaft, die uns
für die Zukunft versprochen ist, existiert in Gottes Plan von Ewigkeit her.
Was für uns Zukunft ist, ist in diesem besonderen Fall für Gott bereits
Vergangenheit. Ähnlich ist auch das Geheimnis des zukünftigen Reiches
34
Identität würde durch „o theos“ und nicht „theos“ ausgedrückt werden.
35
Jesus and the Constraints of History (Philadelphia: Westminster Press, 1982),
app. III, 176, 177.
36
E.G. Selwyn, First Epistle of St. Peter, 124, Hervorhebung beigefügt.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 189

in Gottes ewigem Ratschluss verborgen (Rö. 16,25). So wurde auch die


Weisheit, die uns jetzt gegeben ist, von Gott vorherbestimmt vor den
Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit (1. Kor. 2,7). Dieser Art der
Beschreibung von Gottes vorherbestimmten Plänen entsprechend, kann
die Bibel sogar sagen, dass Jesus „von der Grundlegung der Welt an
geschlachtet wurde“ (Offb.13,8). Was beschlossen wurde, kann mit „in
Gottes Absicht bereits ausgeführt“ beschrieben werden, obwohl das
Geschehnis eigentlich noch gar nicht eingetreten ist. Dieses wichtige
biblische Prinzip kommt auch bei Paulus zum Vorschein: „...vor dem
Gott, dem er glaubte...wie wenn es da wäre..“ (Rö. 4,17). In diesem
Zusammenhang bezieht es sich auf Isaak, der „im Plan Gottes real und
vorhanden war, noch ehe er gezeugt worden war“.37 „Der Allmächtige
nennt........nicht-existente Dinge.......als gäbe es sie, weil sie nach Seinem
Plan bald existieren werden.“38 Im selben Brief kann Paulus sagen, dass
Gott die Gläubigen „verherrlicht hat“ und er meint, dass ihre zukünftige
Herrlichkeit gesichert ist, weil Gott sie zugesagt hat (Rö. 8,30). Die
Schrift verkündet uns 700 Jahre vor der Geburt Jesus „ein Sohn ist uns
gegeben“ (Jes.9,6). Moderne Übersetzungen setzen die Vergangenheit
hier richtig in die Zukunft - „ein Sohn wird uns gegeben werden - denn
das ist, was diese Stelle meint.39 Es ist gerechtfertigt zu fragen, ob diese
„Vergangenheitsprophetie“ oder „Absicht“ nicht auch im
Johannesevangelium vorkommen könnte.
Wir haben keine Schwierigkeit zu erkennen, dass sich Gottes
Verheißung des Landes an Abraham auf die Zukunft bezog. Dennoch
wurde davon in der Vergangenheit gesprochen: „Deinen Nachkommen
habe ich dieses Land gegeben“ (1. Mo. 15,18). Der Soncino Kommentar
bemerkt richtig: „Gottes Verheißung wird so ausgedrückt, als sei sie

37
Harrison, Romans, Expositor’s Bible Commentary (Zondervan, 1976), 52,
Hervorhebung beigefügt.
38
Moule, Romans, Cambridge Bible for Schools and Colleges (Cambridge UP,
1918), 95.
39
Die folgenden „prophetischen Vergangenheiten“ in den Propheten sind typisch
für die hebräische Denkweise. In unseren Übersetzungen werden sie großteils
sinngemäß mit der Zukunft oder der Gegenwart wiedergegeben. Im Originaltext
steht Folgendes: „Mein Volk ist gefangen weggezogen“ (Jes. 5, 13), „Ein Sohn ist
uns gegeben worden“ (Jes. 9,5), „Das Volk, das im Dunkeln lebte, hat ein großes
Licht gesehen“ (Jes. 9,1), „Sie haben Israel gefressen“ (Jes. 12,11), „Er kam auf
Ajat zu“ (Jes. 10,28), „Siehe, ich habe in Zion einen Grundstein gelegt“
(Jes.28,16), „Er hat an ihnen den Bann vollstreckt..“ (Jes. 34,2)
190 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

bereits erfüllt“.40 Die Vergangenheit muss hier nicht wörtlich genommen


werden, denn das Land war noch nicht im Besitz Abrahams (und ist es
noch immer nicht41). Stefanus sagt einfach: „Und er gab ihm kein Erbteil
darin, auch keinen Fußbreit, und er verhieß, es ihm zum Besitztum zu
geben...“ (Apg.7,5). Der offenbare Widerspruch zwischen 1. Mo. 15,18
(„ich habe gegeben...“) und Apg. 7,5 („Gott gab ihm nicht...“) kann sehr
einfach gelöst werden, wenn man die „prophetische Vergangenheit“, die
auf eine gewisse Erfüllung in der Zukunft wegen eines vergangenen
Beschlusses in Gottes großem Plan hinweist, versteht. Ähnlich gab auch
Gott Abraham und Isaak das Land (1.Mo. 35,12), obwohl sie es nicht
empfingen.42 Wir empfehlen auch die Anwendung dieses Prinzips von
Präexistenz in der Sprache von Johannes, wenn wir Johannes 17,5
betrachten. Doch zuerst kommt noch eine Betrachtung der anderen
„Präexistenz-Texte“ bei Johannes gemäß ihrer Reihenfolge.

Was meint Johannes, wenn er schreibt, Jesus kommt und ist gesandt?
Wenn man von der Annahme im Johannesevangelium ausgeht, dass
Jesus von einer Präexistenz im Himmel zur Erde kam, so meinen Leser
des vierten Evangeliums, die Aussagen über Jesus „der vom Vater
kommt“, „vom Vater herkommt“, oder „vom Vater gesandt wurde“,
bedeuten einen klaren Beweis für die Lehre der Inkarnation – dass der
Sohn vor seiner Geburt existiert hatte und dann Mensch wurde. Dennoch
wird auch dieselbe Sprache für Personen verwendet, die sicherlich keine
Präexistenz hatten. Johannes der Täufer war auch „von Gott gesandt“
(Joh. 1,6). Nikodemus sah Jesus als Lehrer, der von Gott gesandt war – er
meinte damit nicht, dass Jesus präexistiert hatte, sondern dass Gott ihn
beaufragt hatte (Joh.3,2). Jesus war „aus Gott“ (ek theou), aber seine
Jünger waren ebenso aus Gott (ek theou) (Joh. 8,47). In der Sprache von
Johannes sind falsche Propheten „in die Welt hinausgegangen“
(exerchesthai) (1.Joh.4,1). Jesus behauptete ebenfalls, dass er
„ausgegangen sei“ (Mk.1,38), um das Evangelium vom Reich Gottes zu
predigen. Markus hat in seinem Evangelium keinerlei Hinweis auf

40
Morris Simon, The Soncino Church (London: Soncino Press, 1947), 34.
41
Trotz eines früheren Besitztums des Landes unter Josua (Jos.21, 43-45). Die
Propheten erwarten, dass das alte Versprechen an Abraham zu einer letzten,
zukünftigen Erfüllung kommt (Jer. 3,18; 30,3).
41
Der Schreiber an die Hebräer erwartet, dass Abraham das Land noch erben
wird, in dem er einst als Fremdling lebte (Hebr. 11,9).
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 191

Präexistenz und bei Lukas heißt es an derselben Stelle, Jesus sei von Gott
„gesandt“ (Lk. 4,43). „Kommen“ und „gesandt werden“ sind Synonyme
um im typisch jüdischen Sinn von shaliach – Botschafter, auszudrücken,
dass Jesus von Gott als Sein Vertreter bestimmt worden war und die volle
Autorität dessen besaß, der ihn mit der Botschaft „ausgesandt“ hatte.43
Dunn zeigt, dass Mose, die Propheten und auch andere von Gott
gesandt wurden: „Es ist offensichtlich, dass „ausgesandt (exapostellein)
von Gott“ uns keine Aussage über den Ursprung oder den Ausgangspunkt
des Gesandten macht; es unterstreicht den himmlischen Ursprung seiner
Berufung, aber nicht den Berufenen selbst.“44
Das wird auch durch die Bemerkungen von Rengstorf bestärkt. Sein
Kommentar enthüllt eine bestehende Tendenz von Auslegern, welche die
Vorstellung von Präexistenz in sonst „unschuldige“ Bibelverse
einbringen: „Sprachlich gibt es keine Unterstützung der These von Zn
(Zn. Gl. 199 zu Gal. 4,4;6, ebenso wie viele ältere und auch moderne
Kommentatoren), dass in Gal. 4,4 das ex in apostellein andeutet, der
Gesandte sei vor seiner Sendung in der Gegenwart dessen gewesen, der
ihn ausschickte.“45
Die gleiche Vorsicht sollte man bei der Verwendung von
exapostollein (aussenden) bei Johannes walten lassen. Es beinhaltet nicht
die Präexistenz des Sohnes beim Vater vor seiner Sendung.
„Von Gott gesandt“ zu sein bedeutet, von Gott berufen zu sein, eine
bestimmte Aufgabe für Ihn zu erfüllen; und „in die Welt hinauszugehen“
bedeutet, mit einer Mission an die Öffentlichkeit zu gehen. Es hat nichts
mit vorgeburtlicher Existenz zu tun. Johannes wird dennoch mit der
Annahme gelesen, Jesus sei von einer vor-irdischen Existenz in eine
andere Sphäre geschickt worden. Ähnlich muss auch das „vom Himmel
herabgekommen“ nicht notwendigerweise eine vorherige himmlische
Existenz im wörtlichen Sinn bedeuten. In neutestamentlicher Sprache
kommt „alle gute Gabe von oben“ (Jak.1,17; 3,15), das bedeutet nicht,
dass alle Gaben aus dem Himmel fallen. Ebenso wird eine ganze Stadt aus
dem Himmel kommen (Offb.21,2). Aber das heißt nicht, dass sie wörtlich

43
Vgl. P. Borgen, „God’s Agent in the Fourth Gospel“, in Religions in Antiquity:
Essays in Memory of E.R. Goodenough, Hrsg. J. Neusner (Leiden, 1968), 137-
148.
44
Christology in the Making, 39.
45
Theological Dictionary of the New Testament, Hrsg. Gerhard Kittel, Gerhard
Friedrich und Geoffrey W. Bromiley, Übers. G.W. Bromiley, 10 Bände (Grand
Rapids: Eerdmans, 1976), I:406.
192 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

aus dem Himmel herabgesenkt werden wird. Diese „Niederkunftssprache“


reflektiert eine wohlbekannte Art des hebräischen Denkens, dass viele der
wichtigen Personen und Dinge in Gottes Plan bereits im Himmel
„existieren“, bevor sie auf der Erde gesehen werden können.46
Als Jesus die Parallele zwischen seinem „zur Erde Kommen“
(Joh.6,33, 38, 50, 51, 58) und der „Gabe des Manna aus dem Himmel“
(2.Mo. 16,4, 15; 4.Mo. 11,9; Septuaginta) zog, machte er keine
Bemerkung, er sei im wörtlichen Sinn herabgekommen. Das Manna selbst
kam auch nicht wörtlich von Gottes Thron in die Wüste. Es erschien auf
wunderbare Weise auf der Erde. Das „Kommen Jesu aus dem Himmel“
meint die wunderbare Gabe Gottes in ihm an die Menschheit, die in
Seinem ewigen Ratschluss geplant worden war. Jesus kam auch „in die
Welt“. In der Sprache von Johannes kommt ebenso jeder Mensch „in die
Welt“ (Joh.1,9) und der Ausdruck bedeutet einfach geboren zu werden:
„Du sagst es, dass ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die
Welt gekommen...“ (Joh,18,37). Die synoptische Version seines
Ausspruchs hat den gleichen Sinn, obwohl die Sprache verschieden ist:
„Ich muss die gute Botschaft vom Reich Gottes verkünden, denn dazu bin
ich gesandt worden...“ (vgl. Lk. 4,43; Mk. 1,38).47

Jesus vor Johannes


Johannes der Täufer sagt von Jesus : „Der nach mir kommt, ist vor
mir geworden, denn er war eher als ich“ (Joh. 1,15). Viele Leser finden
natürlich in diesen Worten die Bestätigung des Glaubens, der Sohn sei im
Himmel vor seiner Geburt lebendig gewesen. Doch Morris zeigt, dass
diese unklare Aussage „vor mir“ mehr auf eine Wertigkeit in der
Rangstellung als auf eine zeitliche Priorität hindeutet. Der Vers kann
folgendermaßen übersetzt werden: „Einer meiner Nachfolger hat eine
Vorrangstellung gegenüber mir, denn er war (immer) vor mir, mein
Superior (Oberer). Obwohl der Kommentar die Idee unterstützt, Jesus sei
zeitmäßig vor Johannes gewesen, gibt er zu, dass manche das „zuerst“
nicht im zeitlichen Sinn verstehen, sondern „der Erste der Wichtigkeit

46
Vgl. Emil Schurers Bemerkung, dass in der jüdischen Denkweise „alles
wirklich Wertvolle im Himmel präexistierte.“ (The History of the Jewish People
in the Age of Jesus Christ, T&T Clark, 1979, 2:522).
47
Vgl J.A.T. Robinson, The Human Face of God (London: SCM Press, 1973),
172-179, für eine Betrachtung der Verwendung derselben Sprache für Jesus und
für die Gläubigen bei Johannes.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 193

nach“ und das den Sinn von „Er war mein Chef“ ergibt.48 So verstehen
auch Murray und Abbot diesen Vers.49 Johannes 1,15, 30 kann nicht als
Beweis für die Existenz Jesu vor seiner Geburt herangezogen werden.

Johannes 3,13 und 6,62


Oft weisen Kommentatoren auf die Unklarheit in der Zeitabfolge
mancher Aussprüche im Johannesevangelium hin. Johannes schreibt auch
mit einem starken Gefühl für Gottes vorherbestimmten Plan. Jesus sagt
oft, etwas „müsse geschehen“. Göttliche Notwendigkeit kontrolliert seine
Sendung als Vertreter Gottes.
In seiner Diskussion mit Nikodemus bekräftigt Jesus die
Notwendigkeit der Wiedergeburt: „Du musst von Neuem geboren
werden“ (Joh. 3,7). Er ist erstaunt, dass Nikodemus als ein geistlicher
Leiter in Israel (Joh. 3,10) nichts über diese Notwendigkeit der
Wiedergeburt weiß.
Jesus und alle, die zu ihm gehören, bezeugen die Dinge, die sie
gesehen haben (Joh. 3,11). Der Mangel an Verständnis von „irdischen
Dingen“ bei Nikodemus führt Jesus zur Frage, wie sehr er dann die
„himmlischen Dinge“ verstehen könne (Joh. 3,12). Dann gibt er Beispiele
von „himmlischen Dingen“. Im Licht des Zusammenhanges sind dies
Dinge, die in Gottes Plan geschehen müssen.50 Um diesen Punkt zu
illustrieren sagt Jesus: „Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel
als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des
Menschen. Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der
Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges
Leben habe“ (Joh. 3,13-15).
Es hat viele Diskussionen um die rätselhafte Aussage Jesu gegeben,
dass „niemand in den Himmel hinaufgestiegen ist als der Menschensohn“.
Wenn die Worte als Jesu eigene genommen werden und nicht als späterer
Kommentar von Johannes, so scheint Jesus auszudrücken, dass er alleine
in den Himmel aufgestiegen sei. Kommentatoren sind durch die
ungewöhnliche Verwendung der Vergangenheit betroffen. Die

48
Leon Morris, The Gospel According to John, 108, 109.
49
J.O.F. Murray, Jesus According to John (London: Longmans, Green, 1936);
E.A. Abbot, Johannine Grammar (London: A. u. C. Black, 1906), zitiert be Leon
Morris in The Gospel According to John, 109.
50
„Himmlische Dinge“ im Brief an die Hebräer sind Dinge, die mit dem
kommenden Zeitalter zu tun haben (Hebr. 11,16, 20; vgl. 13,14).
194 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Vergangenheit „ist aufgestiegen“ ist unerwartet.51 „Die Verwendung der


Vergangenheit ist eine Schwierigkeit, denn sie scheint anzudeuten, dass
der Menschensohn schon in den Himmel aufgefahren sei.“52 „Die
Schwierigkeit dieses Verses liegt in der Zeitangabe ‚ist aufgestiegen“’. Es
scheint angedeutet zu werden, dass der Menschensohn bereits zum
Zeitpunkt seiner Aussage zum Himmel aufgestiegen sei.“53 Jesus sprach in
dieser Passage von sich selbst als dem Menschensohn. Wie allgemein gut
bekannt ist, liegt der Ursprung dieses Titels in Daniel 7,13, wo Daniel 550
Jahre vor der Geburt Jesu eine Vision des Menschensohns im Himmel
sah, als dieser die Autorität empfing, das zukünftige messianische
Königreich gemeinsam mit den Heiligen zu regieren: „Jesus verwendete
diesen Titel (Menschensohn) für sich immer in dem Zusammenhang, dass
er die Erfüllung der Vision Daniels sei.........Es ist der Titel, den er speziell
dann verwendete, wenn er seinen Jüngern seinen Leidensweg als die
unausweichliche und vorherbestimmte Aufgabe seines öffentlichen
Dienstes ankündigte.“54
Die folgenden Texte aus den synoptischen Evangelien illustrieren
diesen Punkt. In jedem Fall spricht Jesus von sich selbst als
Menschensohn - ein Titel, der „Teil des menschlichen Geschlechts“
bedeutet – dem es bestimmt ist zu leiden, zu sterben und aufzuerstehen.

„Und er fing an zu lehren: Der Sohn des Menschen muss vieles leiden und
verworfen werden..............und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen“
(Mk.8,31).

„Der Sohn des Menschen wird überliefert (d.h. es ist ihm bestimmt, überliefert zu
werden) in der Menschen Hände, und sie werden ihn töten; und nachdem er
getötet ist, wird er nach drei Tagen auferstehen“ (Mk.9,31).

„Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie geschrieben steht“ (Mt.26,24).

Zwei Passagen in Markus sprechen über den Leidensweg des


Menschensohnes als Gegenstand alttestamentlicher Prophetie:

51
Morris, The Gospel According to John, 223.
52
Raymond Brown, The Gospel According to John, 1: 132.
53
C.K. Barrett, The Gospel According to John (London: SPCK, 1972), 177.
54
J.H. Bernard, St. John, International Critical Commentary (Edinburgh: T&T
Clark, 1948), 1: cxxx, cxxxi.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 195

„Und wie steht es über den Sohn des Menschen geschrieben? Dass er vieles
leiden und verachtet werden soll“ (Mk.9,12).

„Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht“
(Mk.14,21).

Im Johannesevangelium wird der Titel Menschensohn ebenso mit der


Vorherbestimmung, was an Jesus als Erfüllung alttestamentlicher
Prophetie oder Typologie geschehen muss, in Verbindung gebracht: „So
wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Menschensohn
erhöht werden“ (Joh.3,14)
Dieses letzte Beispiel begleitet die schwierige Aussage, die wir vorhin
betrachteten „niemand sei in den Himmel aufgestiegen als der
Menschensohn“. Die Verbindung „und“ setzt die Verse 13 und 14 in eine
ganz enge Verbindung. Beide Verse scheinen „himmlische Dinge“ zu
illustrieren, die am Menschensohn nach göttlichem Plan geschehen
müssen.
Wie konnte Jesus nur sagen, dass der Sohn „in den Himmel
aufgestiegen“ sei? Einfach deswegen, weil ihm dies von Daniel
vorausgesagt worden war. Wenn man einem alten Prinzip der hebräischen
Denkweise folgt, so kann man Gottes festgesetzte Pläne als bereits
geschehen annehmen. Die unvermutete Verwendung der Vergangenheit
„ist aufgestiegen“ kann durch eine „Vergangenheit der Bestimmung im
göttlichen Plan“ erklärt werden. So ist - wie es im Buch Daniel steht -
„niemand dazu bestimmt, in den Himmel hinaufzusteigen als derjenige,
der vom Himmel herabgekommen ist, der Menschensohn, der (in Daniels
Vision der Zukunft) im Himmel ist“. Die abschließende Feststellung „der
im Himmel ist“ (die in manchen Ausgaben ausgelassen wird), ist gut
bewiesen und könnte das Original sein; die Auslassung in manchen
Manuskripten könnte auf die Schwierigkeit des Verständnisses
zurückzuführen sein, wie Jesus sagen konnte, er sei im Himmel, als er
noch auf der Erde diente. Diese Schwierigkeit verschwindet, wenn man
den besonderen Bezug auf die Prophetie Daniels in Betracht zieht. Der
Menschensohn wird mit der Figur identifiziert, die im Buch Daniel im
Himmel gesehen wird. Er ist nicht dort, weil er schon vor seiner Geburt
gelebt hat, sondern weil Gott eine Vision seiner zukünftigen Bestimmung
geschenkt hatte. Zum Zeitpunkt seiner Rede war Jesus noch nicht in den
Himmel hinaufgestiegen, aber die Himmelfahrt wurde von Daniel so
sicher prophezeit, dass Jesus behaupten konnte, er sei bereits
hinaufgestiegen bzw. es bestimmt war, dass er hinaufsteigen sollte.
196 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Zur Unterstützung dieses Verständnisses von Joh. 3,13 zitieren wir die
Bemerkung des geschätzten Kommentators Henry Alford zu diesem Vers:
„Jesus spricht in der prophetischen Sprache der vollbrachten
Erlösung.........er spricht hier proleptisch (in Vorwegnahme) von den
Ergebnissen seiner Leiden hier auf der Erde.“55
In Joh. 6,62 macht Jesus eine weitere erstaunliche Aussage über seine
Bestimmung als der verheißene Menschensohn. Nachdem er sich auf
seine eigenen „schwierigen Äußerungen“ über „das Brot, das vom
Himmel kam“ (Joh.6,58-60) bezog, fragte Jesus, ob diese Lehre seine
Zuhörer auch zum Schweigen bringen könnte: „Wenn ihr nun den
Menschensohn auffahren seht, wo er vorher war?“ (Joh.6,62)
Wiederum ist der Gegenstand dieser rätselhaften Frage der
Menschensohn, der Titel, der Jesus als das menschliche Wesen
bezeichnet. Die Bezugnahme scheint auf die zukünftige Auferstehung
(ebenso wie in Joh. 3,13) zu sein. Wenn wir fragen, wo der Menschensohn
zuvor war, so finden wir die biblische Antwort in Daniel 7,13. Der Mann
Messias wurde in einer Vision der Zukunft im Himmel gesehen und diese
Zukunft wurde in der Himmelfahrt Realität (Apg. 2,33), als Jesus zur
Rechten Gottes erhöht wurde. David war nicht zum Himmel aufgefahren
(Apg. 2,34). Entgegen einer hochgehaltenen Tradition, sind die
Patriarchen nicht „in den Himmel gegangen“. Sie schlafen in ihren
Gräbern und erwarten die Auferstehung aller Treuen (Dan. 12,2; Joh.
5,28-29). Nur der Messias war für diese Position bestimmt. So hatte Jesus
vorhergesagt, dass nur der Sohn des Menschen in den Himmel aufsteigen
würde (Joh. 3,13). In Joh. 6,62 nimmt er seine zukünftige Auferstehung
wiederum vorweg, um zu erfüllen, was ihm in der offenbarten Vision
Daniels entsprechend dem Plan Gottes bestimmt war.
Diese Verse geben der Lehre, dass ein zweiter Teil der Gottheit, der
„ewige Sohn Gottes“, vor seiner Geburt im Himmel gewesen war,
keinerlei Unterstützung. Es ist der Menschensohn, eine menschliche
Person, die im Himmel präexistiert. Das kann sich nicht auf ein
ungeschaffenes göttliches Wesen beziehen, wie es die trinitarische

55
Greek New Testament (London: Rivingtons and Deighton, Bell & Co., 1861).
Andere Kommentatoren sehen in der Vergangenheit in Joh. 3,13 einen figurativen
Bezug auf die einzigartige Gemeinschaft Jesu mit dem Vater und die spezielle
göttliche Offenbarung, die ihm gegeben worden war (vgl. Spr. 30, 3-4). In Eph.
2,6 heißt es, dass Christen „im Himmel eingesetzt sind in Jesus Christus“. Das
könnte eine Art sein auszusagen, dass sie für Positionen der Ehre im kommenden
Königreich bestimmt sind.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 197

Theologie verlangt. Trinitarier nehmen nicht in Anspruch, dass der


Menschensohn, der menschliche Jesus, bereits vor seiner Geburt existiert
hatte.
Dieser offensichtlichen Komplexität der Aussagen liegt ein ganz
einfaches Konzept zugrunde, an das sich die Leser von Johannes
gewöhnen müssen. Jesus betrachtete sich selbst als Erfüllung des
vorherbestimmten „Programmes“, das von den Schriften im Voraus
dargelegt worden war. Was für ihn verheißen worden war, konnte als in
einer Vision oder in einer anderen Voraussage als bereits geschehen
bezeichnet werden, bevor es in der Realität stattfand. Der Sohn des
Menschen war im Himmel und wurde sozusagen in einer „himmlischen
Vorschau“ dort gesehen, bevor er wirklich dort war (Joh. 6,62). Ein
ähnliches Phänomen wird von den synoptischen Evangelien vom
Erscheinen von Elia und Mose in einer Vision beschrieben (Mt. 17,1-9).
In Joh. 3,13 ist der Sohn des Menschen „hinaufgestiegen“. Doch
paradoxerweise spricht Jesus später in Joh. 20,17 fest, dass er noch nicht
zum Vater hinaufgestiegen ist. Dieser offensichtliche Widerspruch
zwischen diesen beiden Aussagen kann leicht gelöst werden, wenn wir
verstehen, dass Dinge im Plan Gottes als bereits geschehen bezeichnet
werden können, während sie noch auf ihre Erfüllung in der Geschichte in
der Zukunft warten.
Wir müssen mit dieser besonderen Denkweise im
Johannesevangelium rechnen und bedenken, dass Johannes ein
tiefsinniger Denker und Theologe war, der sich freute, den jüdischen und
manchmal unklaren Austausch Jesu mit seinen Zuhörern zu erzählen. Das
sollte uns davor warnen, Johannes so zu lesen, dass seine Christologie in
Opposition zu Matthäus, Markus, Lukas und der Apostelgeschichte steht.
Es ist bedeutsam, dass die traditionelle Christologie, die den trinitarischen
Glauben unterstützt, zum größten Teil nur aus dem Johannesevangelium
kommt und fast kein Augenmerk auf das Portrait Jesu bei den
Synoptikern, auf die Reden des Petrus in der Apostelgeschichte und
dessen Briefe gelegt wird. Auf das Bekenntnis des Petrus über Jesus als
Messias sollte die Gemeinde gebaut werden (Mat. 16,16). Petrus gibt uns
keinen Grund, an die wörtliche Präexistenz Jesu vor seiner Geburt zu
glauben.

Herrlichkeit vor der Grundlegung der Welt


Wenn man sich dem Text mit dem festen Glauben an die Existenz
Jesu vor seiner Geburt nähert, so wird Joh. 17,5 ohne Zweifel diese
198 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Überzeugung bekräftigen. „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir
selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“. Im
Licht der konzeptionellen Rahmenbedingungen bei Johannes ist es
fraglich, ob dieser Vers als Beweis für die Existenz Jesu von Ewigkeit her
herangezogen werden kann. In der biblischen Denkweise und Redensart
kann man bereits etwas „haben“, was im Plan Gottes verheißen ist, bevor
man es tatsächlich hat. Abraham wurde das Land durch göttliche
Verheißung (den Bund) gegeben, obwohl er noch nichts davon besaß. Die
Verheißung lautet folgendermaßen: „Deinen Nachkommen habe ich
dieses Land gegeben“ (1.Mose 15,18). Zu diesem Zeitpunkt hatte
Abraham noch gar keine Nachkommen. Dennoch war ihnen das Land
gegeben worden. Gottes Verheißung wird so ausgedrückt, als sei sie
bereits geschehen.
So ist in Joh, 17,5 die Herrlichkeit, die Jesus beim Vater „hatte“ für
ihn in Gottes Plan für Seinen Sohn aufbewahrt. Eine eindrucksvolle
Illustration dieser eigenartigen Verwendung der Vergangenheit findet sich
in Vers 22. Hier wird dieselbe Herrlichkeit, die dem Sohn verheißen
worden war, den Jüngern, die damals noch gar nicht lebten, gegeben. Es
sind das die Jünger, die sich später bekehren sollten (V.20). Jesus spricht
von ihnen und sagt: „Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich
ihnen gegeben“. Die Bedeutung ist klarerweise, dass Jesus ihnen diese
Herrlichkeit versprach. Sie besaßen sie bereits, obwohl nicht tatsächlich.
So wie Gott sprach auch Jesus von den Dingen „wie wenn sie da wären“
(Rö.4,17). Als er für die Herrlichkeit betete, von der er wusste, dass sie
ihnen von Gott verheißen worden war, sprach er ebenfalls von der
Herrlichkeit, der er beim Vater „hatte“ und bezeichnete so, dass sie „beim
Vater aufgehoben war“, als Unterpfand in Gottes Plan. An einer anderen
Stelle ermutigte er die Jünger mit der Verheißung dass „ihr Lohn im
Himmel groß sei“ (Mt.5,12). Der Lohn wartete bereits darauf, ihnen in der
Zukunft bei der Wiederkunft Jesu gegeben zu werden (Mt.16,27). So war
also die Herrlichkeit Jesu von Beginn an als sein Besitz ausgewiesen
worden. Nun betete er darum, sie auch zu erhalten.
Diese besondere Verwendung der Sprache kommentiert H.H.Wendt,
ein Theologieprofessor aus Heidelberg, folgendermaßen:

„Es beruht auf einem Missverständnis der Sprechart und des Konzepts des
Neuen Testamentes, wenn wir sofort schließen, dass die Erklärung Jesu (in Joh.
17,5) - er habe Herrlichkeit beim Vater gehabt vor der Grundlegung der Welt -
einfach und notwendigerweise identisch ist mit dem Gedanken, er selbst habe
präexistiert...... Entsprechend der Sprechart und des vorherrschenden Konzepts im
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 199

Neuen Testament, kann ein himmlisches Ding, und so auch eine himmlische
Herrlichkeit, empfangen und als bei Gott existierend und auch einer Person
zugehörend bezeichnet werden, nicht weil diese Person schon existiert und mit
Herrlichkeit umgeben ist, sondern weil die Herrlichkeit Gottes in einer Art schon
hinterlegt und für diese Person im Himmel vorbereitet ist. Wir können uns daran
erinnern, wie Jesus, dem Matthäusevangelium nach, von einem Schatz im
Himmel sprach (Mt. 6,20), oder auch vom Lohn (Mt. 5,12, 46; 6:1), den seine
Jünger im Himmel bei Gott haben.........und mehr noch, wie beim letzten Gericht
über die Nationen, das Reich, welches die Gesegneten des Vaters erben sollen, als
ein solches beschrieben wird, das schon vom Anfang der Welt (Mt. 25,34) für sie
im Himmel vorbereitet war und wie auch die Hoffnung der Errettung (Kol. 1,5
und 1.Petr. 1,4) der Christen als eine Segnung beschrieben wird, die für sie im
Himmel bereitliegt......Jesus bittet für sich selbst nicht um etwas Willkürliches,
sondern um etwas, was ihm nach der Verordnung Gottes gegeben werden sollte
und was ihm im ideellen Sinn bereits immer gehört hatte...........die Voraussetzung
für diese Verordnung war sicherlich der Gedanke, welcher seinen entscheidenden
Ausdruck am Ende des Gebetes in Vers 24 findet – dass Jesus selbst als der
Messias nicht wirklich vom Anfang an mit Gott existiert hatte, sondern das Objekt
der Liebe Gottes, Seiner liebenden Gedanken, Pläne und Ratschlüsse war.“ 56

Es ist äußerst wichtig, eine biblische Bedeutung für diese biblischen


Ausdrücke zu finden. Wenn wir Johannes im strikt monotheistischen
Rahmen, den er sich setzt (Joh. 17,3; 5,44), lesen, so sollten wir vorsichtig
sein, dem Messias eine vorgeburtliche Existenz als ungeschaffenes
zweites Mitglied der Gottheit zuzuschreiben. Die Falle, den biblischen
Monotheismus aufs Spiel zu setzen, kann vermieden werden, wenn wir
mit Jesus und Johannes darauf bestehen, dass der „Vater allein Gott ist“ (
Joh. 5,44) und dass er der „allein wahre Gott“ (Joh. 17,3) ist. Es wäre
unklug, in diese Texte unsere nachbiblischen Ideen hineinzulesen, die von
den Glaubensbekenntnissen herstammen, wenn eine bessere Lösung des
Puzzles der johanninischen Christologie innerhalb der Grenzen seines
selbst festgelegten jüdischen Monotheismus zur Hand ist.
Die Ansicht, die wir vertreten, wurde von einer Anzahl Bücher
präsentiert, die zur Jahrhundertwende von G.H. Gilbert, einem Professor
für neutestamentliche Literatur und Sprache am Theologischen Seminar in
Chicago geschrieben wurden. Er stellt zuerst fest:

56
The Teaching of Jesus (Edinburgh: T&T Clark, 1892), 2:169-172,
Hervorhebung beigefügt.
200 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

„Man kann aus daraus (der Annahme von „Anbetung“ durch Jesus) nicht
schließen, dass der blinde Mann glaubte, Jesus habe die gleiche Natur wie Gott.
Der Ausdruck, der mit Anbetung übersetzt wird, wird auch bei der Ehrerbietung
verwendet, die Untertanen ihrem Herrscher entgegenbringen und er sagt nur aus,
dass derjenige, der die Ehre empfängt, eine höhere Würde als derjenige besitzt,
der sie ihm darbringt (vgl. Offb.22,8).“

Über die Anrede Jesu als „Gott“ von Seiten des Thomas schreibt er:
„Jesus nahm die Ehrerbietung von Thomas als Anerkennung der
Messiasrolle an..........es gibt keinen Hinweis darauf, dass er diese Ehre
annahm und aus ihr schloss, er sei aus derselben Substanz wie der
Vater.“57
Dieser Punkt ist wichtig für die allgemeine Anschauung, Jesus sei
Gott, weil er angebetet oder verehrt wurde. Aber „Verehrung“ kann auch
Königen, die Gott vertreten, entgegengebracht werden und auch
verherrlichten Heiligen (1. Chr. 29,20; Offb. 3,9). Es ist folglich
trügerisch zu argumentieren, weil Jesus verehrt wurde, muss er Gott sein.
Jesus kann als Messias verehrt werden. Nur der Vater darf als Gott verehrt
werden. Dasselbe griechische Wort wird für beide Arten von Verehrung
benützt.
Gilbert sprach die Frage der Präexistenz im Johannesevangelium an
und sah, dass die synoptischen Evangelien nichts darüber aussagen. Die
Herrlichkeit, um die Jesus in Joh. 17,5 betet, sieht Gilbert als Belohnung
für das vollbrachte Werk Christi.

„Jesus besaß diese Herrlichkeit vor Grundlegung der Welt in dem Sinn, dass
sie für ihn vorgesehen war. Er wusste, dass seine Aufgabe als Messias von Gott
von Ewigkeit her geplant war und auch, dass das herrliche Ende festgesetzt
worden war und für ihn aufbewahrt wurde.........So schließen wir, dass diese drei
Abschnitte in Johannes ( 6,62; 8,58; 17,5), in denen Jesus auf seine Präexistenz
anspielt, nicht die Forderung beinhalten, seine Präexistenz als persönlich und real
zu verstehen. Sie müssen gemeinsam mit anderen Phänomenen des messianischen
Verständnisses von Jesus klassifiziert werden, von denen keines, weder in den
Synoptikern noch im vierten Evangelium, etwas mit einer metaphysischen
Beziehung zum Vater zu tun hat.“58

57
The Revelation of Jesus, A Study of the Primary Sources of Christianity (New
York: Macmillan Co, 1899), 225,226. Gilbert war auch der Autor von The
Student’s Life of Jesus und The Student’s Life of Paul.
58
Ebenso, 221, 222.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 201

Bestätigt eine genaue Exegese dieses Kapitels, dass dies der richtige
Weg ist, die Präexistenzausdrücke bei Johannes zu verstehen? Die
Verwendung der Vergangenheit in Joh. 17 muss genau untersucht werden.
Es gibt eindeutige Hinweise in diesem Kapitel, dass die Vergangenheit
nicht unbedingt etwas beschreiben muss, was schon geschehen ist,
sondern was von Gott bestimmt ist zu geschehen, weil Gott es bereits
festgelegt hat. Wir sollten zuerst die Warnung von Brown beachten: „In
den johanninischen Bezügen auf Jesus gibt es eine sonderbare
Zeitlosigkeit oder eine Belanglosigkeit der Zeitabfolge, die man sich
bewusst machen muss.“59 Bernard beobachtet, dass „das vorgesehene
Ende vom Anfang an gesehen wird.“60
In seiner Analyse von Johannes 17 sagt Morris: „Allen diesen
Abschnitten (Joh. 17) ist der Wunsch gemeinsam, den Willen des Vaters
voranzutreiben.“61 In Joh. 17,2 „finden wir den Gedanken der göttlichen
Prädestination.“62 Brown erwähnt, dass „die Macht, Leben zu geben, nicht
völlig vor der Erhöhung Jesu wirksam war“, obwohl Jesus sagte, „diese
Macht ist mir gegeben.“63 Wir können mit Joh. 5,27 vergleichen: „Gott hat
ihm Vollmacht gegeben, Gericht zu halten.“ Die Vollmacht wurde
gegeben, doch die Erfüllung musste bis zur Auferstehung warten, wie der
nächste Vers aussagt. In Joh. 17,4 spricht Jesus „als ob die Tat vollbracht
sei.“64 In Joh. 3,35 hat auch der Vater alle Dinge in die Hand Jesu
gegeben. Hebr. 2,8 stimmt zu: „...du hast alles unter deine Füße
gelegt...........jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.“
Natürlich, göttlich geplante zukünftige Ereignisse können durch
Verwendung der Vergangenheit beschrieben werden.
Das gemeinsame Prinzip, welches vielen Aussagen Jesu in seinem
letzten Gebet zugrunde liegt, ist, dass Gott vorgesehen hat, ihm Macht und
Autorität zu geben, wovon aber viel noch nicht vollendet ist. Dieses
Muster des Gebrauchs der Vergangenheit mit zukünftiger Bedeutung setzt
sich fort: Über Joh. 17,4 sagt Meyer, das Jesus „in dieser Darstellung die
Tatsache seines bereits vollbrachten Todes einbezieht“65 – obwohl er noch

59
The Gospel According to John, 1:132.
60
St. John, International Critical Commentary, 1:76.
61
Gospel According to John, 716.
62
Ebenso, 719.
63
Gospel According to John, 2:740.
64
Ebenso, 2:741.
65
Commentary on the New Testament: Gospel of John (New York: Funk and
Wagnalls, 1884), 462.
202 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

nicht gestorben war. Alford schreibt, dass „unser Herr in Voraussicht am


Ende seines vollbrachten Weges steht und auf ihn als Vergangenheit
zurückblickt.“66 Sogar in Joh. 17,9 sind „die historischen Jünger ein
Modell für alle Christen........die Christen einer zukünftigen Zeit werden
ins Auge gefasst.“67 Dennoch sprach Jesus in einer Weise, als wäre seine
Tätigkeit für seine Gemeinde bereits vollendet.
Wenn Jesus sagt: „ich wurde in ihnen verherrlicht“, so ist die
Vergangenheit „eher eine proleptische (die Zukunft vorhersehende) und
die sichere Herrlichkeit, die noch kommen würde, andeutende.“68 „Von
etwas, das schon begonnen hat und in naher Zukunft sicher vollendet
werden wird, von dem spricht Jesus in der Vergangenheit mit
prophetischer Voraussicht, so als ob es bereits existierte und vollendet
wäre“ (Vers 10).69
Das Gebet Jesu geht weiter: „Ich bin nicht mehr in der Welt (Joh.
17,11). Er spricht, als hätte er die Welt bereits verlassen. „Sein Weggang
stand so nahe bevor, dass er die Gegenwart benutzen konnte.“70 Sogar in
Vers 12 war Judas, streng genommen, noch nicht umgekommen. Dennoch
wird besagt, dass er bereits umgekommen war, als Erfüllung der Schrift
als „göttliche Bestimmung“.71
Die Verwendung der Vergangenheit mit zukünftiger Bedeutung setzt
sich weiter fort: „Ich habe sie gesandt...“ (Joh. 17,18). Morris findet:
„Wenn wir die Apostel betrachten, so sollten wir eine Gegenwart oder die
Zukunft erwarten anstelle von: ich habe sie gesandt...Es ist
wahrscheinlich, dass dieses Wort proleptisch gemeint ist. Es fügt der
zukünftigen Sendung der Jünger einen Anstrich der Gewissheit hinzu.“72
Meyers denkt ebenso: „Die Sendung war noch keine deutliche Tatsache
(Joh. 20,21; Mt. 28,19), aber dennoch schon als Idee in der Ernennung
und der Unterweisung für den apostolischen Dienst vorhanden.“73
Schlussendlich betet Jesus für Jünger, welche noch nicht einmal
bekehrt waren, aber durch den apostolischen Predigtdienst zu Christen

66
Greek New Testament, 823
67
Brown, The Gospel According to John, 758.
68
Morris, Gospel According to John, 726, Hervorhebung beigefügt.
69
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John, 465.
70
Morris, Gospel According to John, 726.
71
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John,466.
72
Morris, Gospel According to John, 731.
73
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John,468.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 203

werden würden. Jesus sagt, die Herrlichkeit, die „Gott ihm gegeben habe“,
nun den Jüngern aller Zeitalter „gegeben worden sei“ (Joh. 17,22).
Diese Herrlichkeit:

„welche der Vater ihm gegeben hatte, obwohl noch nicht objektiv, aber
dennoch als sicheres Besitztum der unmittelbar nahen Zukunft; diese Herrlichkeit
hatte er von Gott erlangt, als Besitztum zuerkannt bekommen und nun stand die
tatsächliche Inbesitznahme bevor. In derselben Weise hatte er die
Herrlichkeit........den an ihn Gläubigen gegeben, welche die wahre Inbesitznahme
am Tag der Wiederkunft Jesu antreten werden, wenn sie zusammen verherrlicht
werden (Rö.8,17), nachdem sie bis zu dieser Zeit auf Hoffnung gerettet waren
(Rö.8,24). In Christus sind sie bereits die Miterben und der Geist, den sie erhalten
sollen, ist das Unterpfand des Erbes (Eph.1,14; 2.Kor. 1,22; 5,5), aber die
endgültige Inbesitznahme des Erbes wird erst bei der Wiederkunft stattfinden.“ 74

Hier beschreibt die Vergangenheit wieder auf sehr lebendige Weise


Dinge, die sicher in Gottes Plan für die Zukunft eintreten werden.
Jesus spricht nochmals über die Herrlichkeit, die „du mir gegeben
hast“ (Joh. 17,24). Morris bemerkt, dass „Jesus sich vielleicht auf die
Majestät und die Pracht bezieht, die er im zukünftigen Leben besitzen
wird.“75 Diese Herrlichkeit wurde (den Jüngern) schon geschenkt, aber
einstweilen als ein Besitz auf Hoffnung.“76
Durch das ganze Kapitel 17 hindurch spricht Jesus von Dingen, deren
Erfüllung in der Zukunft liegen, als seien sie schon erfüllt. Er benutzt die
prophetische Vergangenheit, welche für die Schrift nicht ungewöhnlich
ist. In Joh. 17,5 betet er für die Herrlichkeit, die „er beim Vater vor
Grundlegung der Welt hatte.“ Beim Blick auf den Kontext dieses Kapitels
wird klar, dass die Herrlichkeit, die er „hatte“, jene ist, die für ihn in
Gottes Plan bereitet ist. Es ist dieselbe Herrlichkeit, die alle Jünger
„hatten“ („die ihnen gegeben wurde“ – Joh. 17,22), obwohl sie diese noch
nicht hatten. Es ist die Herrlichkeit, die für Jesus in Gottes Ratschluss
vorbestimmt war. Er „hatte“ sie von aller Ewigkeit her im Himmel
aufbewahrt, so wie Christen ihr zukünftiges Erbe des Königreiches Gottes
nun auch schon haben. Es wird bei der Wiederkunft Jesu auf die Erde
manifest werden (1.Petr. 1,4-5). In Joh. 17 betet Jesus um den Empfang
dessen, was Gott für ihn vorbereitet hat. Joh. 17,5 bietet keinen Beweis für

74
Ebenso, 470.
75
Morris, Gospel According to John, 470.
76
Meyer, Commentary on the New Testament: Gospel of John, 471, 472.
204 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

die Präexistenz Jesu, wenn es im Licht des Zusammenhanges gelesen


wird.77 Aus diesem Kontext herausgerissen und mit Blick auf die
folgenden nachbiblischen Lehren über die Trinität scheint es die Idee,
dass der Sohn wörtlich und nicht ideell von Ewigkeit an existiert hatte, zu
stützen.
Joh. 17,5 wurde von den polnischen Anabaptisten des 17.
Jahrhunderts in der Weise verstanden, wie wir es vorschlagen und die im
Katechismus von Rakow schrieben:

„Aus 2. Tim 1,9 ist klar ersichtlich, dass eine Person beim Vater vor
Grundlegung der Welt Dinge besitzen konnte - und so auch Herrlichkeit - ohne
Rückschluss auf tatsächliche Existenz.. Dort spricht der Apostel über Gläubige,
denen vor ewigen Zeiten Gnade gegeben wurde. Hier (in Joh. 17) wird auch noch
davon gesprochen, dass Jesus um seine Herrlichkeit betete. Christus flehte Gott
an, ihm diese Herrlichkeit, die er bei Ihm in Seinem Plan und Seinem Ratschluss
vor Grundlegung der Welt hatte, als tatsächliches Besitztum bei Ihm zu geben. Es
wird oft gesagt, eine Person besitze bereits etwas, wenn es ihr versprochen oder
vorherbestimmt war. So wird von den Evangelisten oft gesagt, die Gläubigen
hätten ewiges Leben. Daher sagt auch Jesus nicht im absoluten Sinn, er habe die
Herrlichkeit gehabt, sondern, dass er sie bei dem Vater gehabt hatte - so als er
sagte, er bete nun, dass die Herrlichkeit tatsächlich auf ihn übergehen würde,
welche für ihn seit Ewigkeit und vor Grundlegung der Welt beim Vater für ihn
aufbewahrt worden war.“78

Jesus vor Abraham


In Joh. 8,58 beansprucht Jesus Überlegenheit über Abraham. Seine
oberste Stellung hängt jedoch vom Vater ab, der Seinen Sohn verherrlicht
(Joh. 8,54). Er stellt fest, dass Abraham sich freute „seinen Tag zu sehen“

77
Brown, The Gospel According to John, bezieht sich auf eine Variante im Text
von Joh. 17,5: „Unter den lateinischen Vätern und einigen äthiopischen
Manuskripten gibt es Unterstützung für die Lesart: ‚die Herrlichkeit, die bei dir
war’, wobei een = „war“ anstelle von „ich hatte“ gelesen wird (743).
78
The Racovian Catechism (London: Longman, Hurst, Rees, Orme and Brown,
aus dem Lateinischen von Rees übersetzt, 1818), 144, 145. Der Autor des
Originaltextes (1609), B. Wissowatius, bemerkt in einer Notiz: „dass dies der
wahre Sinn dieser Passage ist, wird direkt von Augustinus und Beda gezeigt.....Es
sollte hier auch beachtet werden, dass es bis zum heutigen Tag die einheitliche
Meinung der Juden ist, der Messias habe vor der Schaffung der Welt keine
Existenz gehabt, außer in der göttlichen Bestimmung.“ Alle existierenden Kopien
des Katechismus mussten auf Anordnung des Parlaments in England im April
1652 verbrannt werden.
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 205

(Joh. 8,56) - das heißt, Abraham sah im Glauben die Ankunft des Messias
noch vor seinem tatsächlichen Kommen. Der Tag des Messias
„präexistierte“ sozusagen in der Vorstellung Abrahams.79 Die Juden
missverstanden, was Jesus gesagt hatte und glaubten, er nehme in
Anspruch, ein wirklicher Zeitgenosse Abrahams zu sein (Joh. 8,57). Jesus
bestätigte wiederum seine absolute Vorrangstellung in Gottes Plan mit
seiner erstaunlichen Aussage: „Bevor Abraham war, bin ich“ (Joh. 8,58).
Um die Bedeutung des Ausdrucks „ich bin“ in dieser Passage zu
verstehen, ist es wichtig, sie mit der häufigen Verwendung bei Johannes
an verschiedenen anderen Stellen zu lesen, wo sie im Zusammenhang mit
der Messiasrolle Jesu stehen:

Joh. 18,5: „Er sprach zu ihnen: Ich bin es“ (und identifizierte sich damit als
derjenige, den sie suchten).

Joh. 6,20: „Er aber spricht zu ihnen (als er am Wasser ging): Ich bin es
(wörtlich: ich bin), fürchtet euch nicht!“

Joh. 9,9: „(Der von Blindheit geheilte Bettler) sagte: Ich bin es. (Um
auszudrücken: Ich bin derjenige).

Joh. 4,26: „Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet“ (d.h. der
Messias; V. 25).

Joh. 8,24: „...wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, werdet ihr in
euren Sünden sterben...“

Joh. 8,28: „Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht haben werdet, werdet
ihr erkennen, dass ich es bin.“

Joh. 13,19: „Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn
es geschieht, glaubt, dass ich es bin.“

Joh. 9,35-37: „Glaubst du an den Sohn des Menschen?.........der mit dir redet,
der ist es.“

Vgl. Joh. 10,24 – 25: „Wenn du der Christus bist, so sage es uns frei heraus.
Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt mir nicht...“

79
Rabbinische Traditionen sagen aus, dass Abraham eine Vision der ganzen
Geschichte seiner Nachkommen sah (Midrash Rabbah, XLIV, über 1. Mose
15,18). IV Esra 3,14 sagt, dass Gott Abraham eine Vision der Endzeit gewährte.
206 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Joh. 8,58: „Ehe Abraham war, bin ich.“

An dieser Stelle muss die ausdrücklich festgestellte Absicht von


Johannes für die Verfassung des Evangeliums beachtet werden. Sein Ziel
war, dass wir „glauben, dass Jesus der Christus ist und damit wir durch
den Glauben Leben haben in seinem Namen“ (Joh. 20,31). Die Tatsache,
dass Gott im Alten Testament von sich selbst als „Ich bin“ spricht, darf
nicht, wie so oft geschehen, zu der Annahme verleiten, dass bei Jesus ein
„Ich bin“ bedeutet, er sei Gott im trinitarischen Sinn. Die „Ich bin“ -
Aussagen Jesu im Johannesevangelium können zur Genüge mit seinem
Anspruch erklärt werden, der Messias zu sein. Als solcher präsentiert sich
Jesus als einzigartiger Vertreter des Einen Gottes, von dem er auch
befähigt wurde, an Seiner Stelle zu handeln.
Sogar wenn wir die ego eimi („Ich bin“) Aussagen Jesu mit den
Worten Gottes im Alten Testament vergleichen, so würde es noch immer
keine Berechtigung geben, Jesus mit Gott im trinitarischen Sinn zu
vergleichen. Jesus kann als Messias einen göttlichen Titel tragen, ohne
Gott zu sein. Sobald man das jüdische Prinzip der „Vertreterschaft“ in
Betracht zieht, kann schnell verstanden werden, dass Jesus seinen Vater
vollkommen widerspiegelt. Als Vertreter Gottes kann er für seinen
Obersten sprechen und handeln, so dass die Taten Gottes in Jesus manifest
werden. Trotzdem macht nichts von alledem Jesus zu Gott. Er bleibt der
menschliche Messias, der von der Schrift versprochen wurde. Die
trinitarische Theologie zeigt oft ein anti-messianisches Vorurteil und
„überliest“ die Tatsachen bei Johannes, indem sie seine einfachen
monotheistischen Aussagen, die den Vater als den „allein wahren Gott“
definieren, der von Seinem Sohn unterschieden werden muss (Joh. 17,3;
5,44), nicht bemerken. Diese Vorgangsweise stellt Johannes in Gegensatz
zu Matthäus, Markus und Lukas. Sie verschleiert auch die zentrale
Aussage des Neuen Testamentes, welches die Identität Jesu als Messias
verkündigt.
Die Beweise, welche uns vorliegen (und oben genannt wurden),
zeigen uns die Bedeutung der bekannten Aussage ego eimi : „Ich bin der
Verheißene“, „der, nach dem gefragt wurde“. Der ehemals Blinde
identifiziert sich als „Ich bin die Person, die ihr gesucht habt“, als „Ich bin
derjenige“. In Zusammenhängen, bei denen der Menschensohn oder der
Christus diskutiert werden, beansprucht Jesus “Ich bin es“, d.h. der
Menschensohn, der Christus. In jedem dieser Fälle ist es gerechtfertigt, an
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 207

das „Ich bin“ ein „er“ anzufügen (Ich bin er oder Ich bin es). Es gibt allen
Grund, beständig zu sein und in Joh. 8,58 ebenfalls ein „er“ anzufügen.
Ebenso in Joh. 4,26: „Ich bin“ = Ich bin es, der Messias“. In Joh. 8,58 sagt
Jesus ebenso: „Ehe Abraham war, bin ich - der verheißene Messias“.
Es ist wichtig zu bemerken, dass Jesus nicht den Ausdruck benutzt,
der Mose Gottes Namen offenbarte. Beim brennenden Dornbusch
verkündigte Gott Seinen Namen durch „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich bin
der allein existiert“ (2. Mose 3,14). Diese Aussage heißt in der
griechischen Ausgabe des Alten Testaments ego eimi ho hown, und das ist
sehr verschieden von den „Ich bin“ Aussagen Jesu. Wenn Jesus wirklich
beansprucht hätte, Gott zu sein, so ist es sehr verwunderlich, dass er in
einer folgenden Auseinandersetzung mit den feindlichen Juden behauptet,
nicht Gott zu sein, sondern der einzigartige Vertreter Gottes, der den Titel
„Sohn Gottes“ trägt (Joh. 10,34-36).
Es ist gerechtfertigt zu fragen, wie jemand „sein kann“, bevor er
tatsächlich ist. Ist die traditionelle Lehre der Inkarnation einer zweiten
göttlichen Person der einzig mögliche Weg, die Aussagen über
Präexistenz bei Johannes zu verstehen? Das Muster der „Vorsehungs-
Sprache“, die im Johannesevangelium gefunden wird, bedarf nicht einer
tatsächlichen Präexistenz des Sohnes. Abraham freute sich, als er dem
kommenden Messias entgegensah. Der Tag des Messias war durch die
Augen des Glaubens für Abraham eine Realität. So existierte auch der
Messias als oberstes Objekt des Planes Gottes lange vor der Geburt
Abrahams. „Ehe Abraham war, bin ich (er)“ ist eine tiefgehende Aussage
über Gottes Plan für die Welt mit Jesus, den Johannes auch als
„gekreuzigt vor Grundlegung der Welt“ (Off. 13,8) bezeichnen konnte, als
Mittelpunkt. Wir haben keine Schwierigkeiten zu verstehen, wie das
gemeint ist: Jesus war der Bestimmte – und er war bestimmt zu sterben –
lange vor Abraham, und als oberster Vertreter in Gottes Plan. Wenn Jesus
„vor Abraham gekreuzigt wurde“, so kann von ihm behauptet werden, er
habe im ewigen Ratschluss Gottes existiert. In diesem Sinn wurde er
wirklich vor der Geburt Abrahams zum Retter der Welt bestimmt.
Zur Unterstützung dieser Interpretation zitieren wir die Anmerkungen
Gilberts. Dieser schreibt über Joh. 8,58:

„Jesus betont seinen messianischen Anspruch. Er sagt nicht, das logos habe
vor der Geburt Abrahams existiert; er sagt „Ich bin“. Es ist Jesus der Messias,
Jesus der Mensch, den der Vater zum messianischen Werk, von dem er spricht,
geweiht hatte. Kurz zuvor sprach er noch von „meinem Tag“, den Abraham
gesehen hatte (Joh. 8,56) und unter dem wir die historische Erscheinung Jesu als
208 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Messias verstehen müssen. Abraham hatte das gesehen, im Versprechen eines


Samens von Gott (1.Mo. 12,3; 15,4-5) und hatte es von ferne her gegrüßt (Hebr.
11,13). Und nun ist es dieser, der die ferne Vision Abrahams realisiert und sagt:
„Ehe Abraham geboren wurde, bin ich“. So scheint Jesus zu versichern, dass
seine historische messianische Persönlichkeit bereits vor der Geburt Abrahams
existiert hatte. Wenn dies der Fall ist, so muss die Existenz vor Abraham als
ideell gesehen werden.“80

Die Unklarheit von Johannes 8,58


Kommentatoren des Johannesevangeliums fällt oft eine gewisse
Unklarheit in den Aussagen Jesu auf, besonders im Zusammenhang mit
der Unfähigkeit der feindlichen Juden, die Worte Jesu zu verstehen. Die
Orthodoxie ist oft erpicht darauf, mit der Meinung der Juden gegen Jesus
übereinzustimmen. Es wird oft behauptet, die Juden hätten geglaubt, Jesus
hätte für sich in Anspruch genommen, Gott zu sein. Darum ist er es auch.
Doch die feindliche Zuhörerschaft Jesu ist kein sicherer Führer die
Absichten Jesu betreffend. Wir haben bereits gesehen, dass Jesus die
Juden korrigieren musste, weil sie verstanden, er habe den Anspruch, Gott
zu sein, erhoben hatte. Doch sein Anspruch war, der Sohn Gottes zu sein,
welcher der Rang eines menschlichen Wesens ist. In Joh. 8,58 gibt es eine
interessante grammatikalische Unklarheit, die eine andere Übersetzung
möglich macht. Die Standardübersetzung: „Ehe Abraham geboren wurde,
bin ich“, ist nicht die einzige Möglichkeit, das Griechische
wiederzugeben.
Es ist eine Grundwahrheit der Sprache, dass der griechische Aorist
Infinitiv seine Bedeutung durch den Zusammenhang erhält. Er kann sich
auf vergangene oder zukünftige Ereignisse beziehen. So schreibt
Matthäus: „ Ehe der Hahn kräht...“ (Mt. 26,34; prin, „ehe“ + Aorist
Infinitiv). Doch an früherer Stelle im gleichen Evangelium finden wir:
„Ehe sie zusammengekommen waren..“ (Mt. 1,18; prin + Aorist Infinitiv).
Im Johannesevangelium lesen wir: „Herr, komm herab, ehe mein Kind
stirbt“ (Joh. 4,49; prin + Aorist Infinitiv); „Und jetzt habe ich es euch

80
The Revelation of Jesus, A Study of the Primary Sources of Christianity, 214,
215. Die Bemerkung, dass die ego eimi Aussage Jesu mit seiner Rolle als Messias
zu tun haben, wird auch von Edwin Freed in „Ego Eimi in the Light of Its Context
and Jewish Messianic Belief“, Journal of Theological Studies 33 (1982), 163-
167, gemacht. Vgl. auch Barrett, Essays on John (London: SPCK, 1982),71: “Das
ego eimi Jesu ist nicht ein Anspruch auf Göttlichkeit; Johannes hat andere Wege,
diesen Anspruch zu erheben, die sowohl deutlicher und vorsichtiger sind.“
Johannes, die Präexistenz und die Trinität 209

gesagt, ehe es geschieht..“ (Joh. 14,29; prin + Aorist Infinitiv). Die Frage
stellt sich nun: was ist die richtige Wiedergabe von Joh. 8,58? Sagte Jesus:
„Ehe Abraham kommen wird (= bei der Auferstehung ins Leben
zurückkehrt), bin ich“ oder: „Ehe Abraham ins Leben kam (= bevor er
geboren wurde), bin ich?“
Es ist möglich, dass die Orthodoxie diesen Vers als Beweis der
Präexistenz Christi missversteht. Nur wenige Verse zuvor sprach Jesus
über die Auferstehung als Zuteilung des ewigen Lebens an jene, die ihm
folgen (Joh. 8,51). Die Juden warfen ihm vor, dass dies Jesus über
Abraham, der bereits tot war, stellte. Jesus rechtfertigt seinen Anspruch
indem er aufzeigt, dass sich Abraham danach sehnte, den Tag des Messias
zu sehen. Die Juden missverstanden Jesus, weil sie glaubten, er behaupte,
er und Abraham seien Zeitgenossen. „Hast du Abraham gesehen?“ (Joh.
8,53; 56, 57). Es ist möglich, dass Jesus mit der erstaunlichen Aussage
antwortete, er werde Abraham in der Auferstehung vorangehen. Bevor
Abraham bei der Auferstehung Unsterblichkeit bekommt, wird Jesus
lebendig und unsterblich sein. Das würde für die Behauptung völlig
ausreichen, er sei höher als Abraham. Der Aorist Infinitiv von ginomai
„zu kommen“ wird tatsächlich in der griechischen Septuaginta für die
Auferstehung verwendet (Hiob 14,14: „Ich wollte harren, bis meine
Ablösung /Auferstehung käme“).
Wenn wir den Text so lesen, wie ihn die Standardübersetzungen
wiedergeben, so behauptet Jesus, der von Ewigkeit her bestimmte Messias
zu sein. Er könnte aber auch seine Überlegenheit über Abraham auf eine
andere Art dargelegt haben. Abraham sah den Triumph des Messias
voraus. Jesus wird tatsächlich als auferstandener Erlöser ewiges Leben
haben, lange bevor Abraham in der zukünftigen Auferstehung
wiederkommt.

Ideelle Präexistenz
Präexistenz im Ratschluss Gottes passt viel besser in die jüdische
Umgebung, in welcher die Evangelien geschrieben wurden, als eine
tatsächliche Präexistenz. In jüdischen Schriften, die uns einen wichtigen
Hintergrund für das Verständnis des Neuen Testaments geben, wird
„Präexistenz dem erwarteten Messias zugesprochen, aber nur gemeinsam
mit anderen verehrungswürdigen Dingen und Personen, so wie dem
210 Johannes, die Präexistenz und die Trinität

Tabernakel, dem Gesetz, der Stadt Jerusalem, dem Gesetzgeber Mose


selbst und dem Volk Israel.“81
Das Bild des Messias, welches die Juden aus dem Alten Testament
empfangen hatten, beinhaltete keine Idee, dass der Messias vor seiner
Geburt bereits existiert hatte:

„Das apokalyptische Bild (des Messias) ist zum größten Teil das eines
menschlichen Prinzen, majestätisch und reich begabt – dessen Ankunft eine
ruhmreiche Zukunft für Israel einleiten wird. Der Messias sollte ein Instrument
der Gerechtigkeit über menschliche Unterdrücker sein, der siegreiche Rächer der
Gerechten (so wie es Jesus bei seiner Wiederkunft sein wird). Er ist menschlich,
der Menschensohn, obwohl er transzendentale Gaben von Weisheit und Macht
besitzt. Einer Anschauung nach wird er wiederkommen, wenn die Mühsal der
Gerechten ihren Höhepunkt erreicht hat und seine Herrschaft wird mit der
Vernichtung seiner Feinde beginnen und danach wird er in Ruhe und Frieden
regieren, wobei das Heilige Land der Sitz seiner Herrschaft sein
wird.......Hinweise auf seine Offenbarung und seine ewige Präexistenz können
nicht mehr bedeuten als Prädestination im göttlichen Zweck und
Vorhersehung.“82

Ein weiterer Gelehrter findet im Hintergrund des Neuen Testamentes


die Präexistenz des Messias nur in Gottes Plan: „Dalman, von dem ich
behaupte, dass es keine größere Autorität in den das Judentum
betreffenden Fragen gibt, sagt: Das Judentum hat niemals etwas von einer
Präexistenz des Messias, seiner Geburt als menschliches Wesen
vorangehend, gewusst.“83

81
C. Ottley, The Doctrine of the Incarnation (Methuen and Co., 1896), 59,
Hervorhebung beigefügt.
82
Ebenso, 59, 60.
83
Charles Gore, Belief in Christ, 31.
9. DER HEILIGE GEIST: EINE DRITTE PERSON ODER
GOTT IN AKTION?

„Die konventionelle Anschauung über den Heiligen Geist als


eigenständige und verschiedenartige göttliche Person ist gewachsen. Sie
war kein Glaube der frühen Christenheit“-Basil Wilberforce,D.D.

Dem orthodoxen Trinitarismus nach ist der Heilige Geist eine dritte
Person der ewigen Gottheit, gleichwertig und gleich-ewig mit dem Vater
und dem Sohn. Diese „Person“ oder „Unterscheidung“ in der Gottheit hat
aber keinen eigenen Namen. Die Frage, die von Nicht – Trinitariern
gestellt wird, ist: Unterstützt die Bibel wirklich den Glauben an eine dritte
„Existenz“ (um die Sprache der Trinitarier zu benutzen), welche vom
Vater ebenso verschieden ist, wie es der Sohn ist?
Es fällt uns schwer zu glauben, dass die Bibel, wenn sie ohne
Hintergrund der späteren Glaubensbekenntnisse gelesen wird, den
Heiligen Geist klar als „Person“ (was immer das bedeutet – Trinitarier
scheinen unfähig zu sein, dieses Wort überzeugend zu definieren) und
verschieden von Vater und Sohn, darstellt. Der gewöhnliche, aber
willkürliche Gebrauch des persönlichen Fürwortes „er“ für den Geist hat
uns daran gewöhnt, an ihn als Person zu denken. Eine ganz andere
Vorstellung wird geschaffen, wenn wir „es“ verwenden.1
Unsere Schwierigkeiten, den Geist als die dritte Person einer
dreieinigen Gottheit zu akzeptieren, zeigt sich in einem erstaunlichen
Eingeständnis des prominenten griechisch orthodoxen Kirchenführers
Gregor von Nanzianzen, der im Jahre 381 feststellte: „Von den Weisen
halten einige den Heiligen Geist für eine Kraft (energeia), andere für ein
Wesen, andere für Gott und andere sind nicht bereit, sich (wie sie sagen)

1
Leider ist uns das im Deutschen im Gegensatz zum Englischen nicht möglich.
Dort steht zum Beispiel in der King James Version:„The Spirit itself beareth
witness with our spirit that we are the children of God.“ Doch die KJV macht an
anderen Stellen den Geist zu einer Person und schreibt “he”.
212 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

aus Ehrerbietung vor der Schrift, die nicht klar über diese Sache spricht,
zu entscheiden.“2
Wo war dann die Trinität die dreihundert Jahre, welche die
griechische Tradition vom Tod der Apostel trennten? Unsere Theologie
scheint bemerkenswert langsam beim Begreifen dessen gewesen zu sein,
was immer schon apostolische Orthodoxie gewesen war. Unterstützt das
Lesen der Bibel von 1. Mose bis Offenbarung die trinitarische
Anschauung vom Geist? Wenn man sich durch Standardbibellexika
durchliest, so ist es offensichtlich, dass es für 98% des biblischen
Materials genügt, wenn wir den Geist als Gott in Aktion, als Gott in
Kommunikation, als Seine Kraft und Persönlichkeit, welche ihren Einfluss
ausdehnen, um die Erde in vielfältiger Weise zu berühren, definieren. Die
restlichen Stellen können in die Richtung des späteren Trinitarismus
gedrängt werden, aber ist das gerechtfertigt? Ist der Geist wirklich etwas
anderes als die Kraft Gottes, welche die Menschen inspiriert, besondere
Großtaten zu vollbringen und sie mit einer speziellen künstlerischen
Fähigkeit oder wunderbaren Kräften und besonders der Fähigkeit,
göttliche Wahrheit zu vermitteln, ausstattet? Dieses Neue, welches seit
Pfingsten stattfindet - mit dem Geist des auferstandenen Christus im
Mittelpunkt - verlangt keine Notwendigkeit, die ursprünglich offenbarte
Bedeutung von „Geist“ als Gottes belebende, inspirierende Energie, zu
verändern. Seine heilige Intelligenz wird durch Christus, von Herz zu
Herz, an diejenigen offenbart und weitergegeben, die Ihn und Seine
Wahrheit suchen.
Das Wort „Geist“ hat in der Bibel verschiedene Bedeutungen, die alle
auf unsichtbare Kraft und Gedanken verweisen. In beiden Testamenten
beschreibt der „Heilige Geist“ die Energie Gottes, die auf die Schöpfung
und Inspiration ausgerichtet ist. Es ist Gott in Aktion und eine
Ausdehnung Seiner Persönlichkeit. Wo immer der Geist am Werk ist,
können wir die tätige Gegenwart Gottes erkennen: „...erneuere in mir
einen festen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und den
Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir!“ (Ps. 51, 12-13). Einige
Verse zuvor hat David Sehnsucht nach „Wahrheit im Inneren“ und nach
„Kundtun der Weisheit“ (Ps. 51,8).3 Die Arbeit des Geistes Gottes sollte

2
Zitiert in „Macedonius“, The New Schaff- Herzog Encyclopedia of Religious
Knowledge (Grand Rapids: Baker book House, 1963), 7:112.
3
Vgl „stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen“ (Eph.
3,16), wo die enge Beziehung zwischen Wahrheit und Geist gezeigt wird, ebenso
Joh. 6,63.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 213

dieses erwünschte Ergebnis hervorbringen. An einer anderen Stelle


werden der „Geist“ und die Gegenwart Gottes gleichgesetzt: „Wohin
sollte ich gehen vor deinem Geist, wohin fliehen vor seinem Angesicht?“
(Ps. 139,7). In Psalm 33,6 gibt es eine nahe Beziehung zwischen dem
Geist Gottes und Seiner schöpferischen Aktivität: „Durch des Herrn Wort
sind die Himmel gemacht und all ihr Heer durch den Hauch seines
Mundes“ (hebr. ruach, Septuaginta: pneuma). Die Tatsache, dass „Geist“
und „Hauch“ Übersetzungen desselben hebräischen und griechischen
Wortes sind, deutet auf die ursprüngliche Bedeutung des Geistes als
Gottes schöpferische Kraft und Energie hinter Seinen Worten.
Der Geist Gottes ist sicherlich nicht nur eine abstrakte Kraft. Wenn er
Gott in Aktion ist, ist er sehr personal. Er ist das Hinausreichen Gottes,
Seine Persönlichkeit, die sich bis zu Seiner Schöpfung erstreckt. Sündige
Menschen können ihm widerstehen. So betrübte die Rebellion des Volkes
Israel den Geist Gottes (Jes. 63,10). Im selben Zusammenhang lernen wir,
dass der „Engel Seiner Gegenwart“ aktiv an der Rettung des Volkes
Gottes beteiligt war (Jes. 63,9). Es gibt hier Beweise, dass Engel in der
Mediation von Gottes geistlicher (spiritueller) Aktivität in menschlichen
Angelegenheiten beteiligt sind. Lukas schrieb, dass „ein Engel zu
Philippus sprach“ (Apg. 8,26). Drei Verse später erzählt er, dass „der
Geist zu Philippus sprach“ (V.29). Einen „Engel des Geistes“ findet man
in der jüdischen Literatur außerhalb der Bibel und das könnte die indirekte
Bezugnahme auf einen göttlichen Boten, der den Geist Gottes vermittelt,
bei Lukas erklären.4
Man überschreitet die Tatsachen der Schrift, wenn man den Geist
Gottes mit einer Person gleichsetzt, die vom Einen Gott im selben Sinn
verschieden ist, wie sich der Sohn vom Vater unterscheidet. Es gibt klare
Unterschiede zwischen dem, was die Bibel über den Vater und den Sohn
einerseits und den Geist andererseits, aussagt. Gott und Christus sind
offensichtlich getrennte Persönlichkeiten, die der Anbetung würdig sind.
Der Vater in Seiner Eigenschaft als Schöpfer, der Sohn Jesus als
Instrument und Vermittler bei der Errettung der Menschheit. Der Heilige
Geist hat keinen eigenen Namen. Wie kommt es, dass an keiner Stelle der
Schrift der Heilige Geist verehrt oder zu ihm gebetet wird? Kein einziges
Mal sendet der Geist Grüße an die Gemeinden. Wenn die Apostel an die

4
Ascension of Isaiah, 4:21; 7:23; 9:36, 39; 10,4; 11,35. Der Engel wird vielleicht
mit Gabriel identifiziert (Ascension 3:16; 11,4). Vgl. eine Verbindung von
Gabriel mit der Tätigkeit des Geistes in Lk. 1,26, 35.
214 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

Gemeinden schreiben, dann werden immer Grüße von zwei Personen


geschickt, dem Vater und dem Sohn. Es ist ganz außergewöhnlich, wenn
Paulus immer die dritte Person der Trinität auslassen würde, wenn er an
sie glaubte. Wenn er Timotheus auffordert, im Glauben zu bleiben, dann
spricht er von der unsichtbaren Gegenwart „von Gott und Christus Jesus
und den auserwählten Engeln“ (1.Tim. 5,21).
Ein führender Theologe des 20. Jahrhunderts, ein prominentes
Mitglied der Church of England, scheint die Idee zurückzuweisen, dass
die Bibel den Geist als dritte Person präsentiert:

„Zu fragen, ob der Geist im Neuen Testament eine Person im modernen Sinn
des Wortes ist, ist, als ob man fragte, ob der Geist des Elias eine Person ist.
Natürlich ist der Geist Gottes personal; er ist Gottes dynamis (Kraft) in Aktion.
Aber der Heilige Geist ist keine Person, die unabhängig von Gott existiert; es ist
ein Weg, um über Gott zu sprechen, der persönlich in der Geschichte agiert; oder
vom auferstandenen Christus, der im Leben und im Zeugnis der Gemeinde
handelt. Das Neue Testament (und patristische Denkart im Allgemeinen)
präsentiert nirgendwo einen Geist, genauso wenig wie die Weisheit Gottes, mit
einer unabhängigen Persönlichkeit.“5

Die sorgfältige Wortwahl bei Lukas in drei wichtigen Passagen zeigt,


wie „Geist“ und „Kraft“ austauschbare Ausdrücke sind: Johannes der
Täufer war ein Vorläufer des Messias „im Geist und der Kraft des Elia“
(Lk. 1,17). Bei der Empfängnis des Sohnes Gottes wird Maria gesagt:
„Heiliger Geist (im Griechischen steht kein Artikel) wird über dich
kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk.1,35).
Als Jesus das Kommen des Geistes zu Pfingsten ankündigt, spricht er über
seine Absicht: „Ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch. Ihr
aber, bleibt in der Stadt, bis ihr bekleidet werdet mit Kraft aus der Höhe“
(Lk. 24,49). Der Ausdruck „Geist Gottes“ in diesem Abschnitt wird durch
den „Finger Gottes“ im Paralleltext (Lk.11,20) ersetzt. Der Finger Gottes
beschreibt wohl kaum eine Person.
Der Geist, der in der ersten Gemeinde wirkte, wurde als „Geist Jesu“
erkannt, als seine Persönlichkeit, die sich ausstreckte, um die Gläubigen
zu kräftigen und zu inspirieren. Lukas schreibt: „Sie durchzogen aber
Phrygien und die galatische Landschaft, nachdem sie vom Heiligen Geist
verhindert worden waren, das Wort in Asien zu reden; als sie aber in die

5
Alan Richardson, Introduction to the Theology of the New Testament (London:
SCM Press, 1958), 120.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 215

Nähe von Nysien kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen, und
der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht.“ (Apg. 16,6-7). Es gibt anscheinend
keinen essentiellen Unterschied zwischen dem Geist Gottes und dem
Geist Jesu. „Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn
wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist
nicht hat, der ist nicht sein“ (Rö. 8,9). Im selben Abschnitt spricht Paulus
vom Geist, der für die Gläubigen eintritt. Da er sonst nirgends den Geist
als dritte Person erkennt, ist es sinnvoll zu glauben, dass er keinen
Unterschied zwischen dem Eintreten des Geistes und dem Eintreten
Christi, das im selben Zusammenhang erwähnt wird (Rö. 8,27;34), macht.
Während Christus selbst beim Vater ist, ist der Geist in den Herzen des
Gläubigen tätig.
Manche argumentieren, dass es eine dritte Person neben Gott und
Christus geben muss, da dem Heiligen Geist Intelligenz und Güte
zugeschrieben werden. Zum Beispiel schreibt Nehemia über Gott:
„Deinen guten Geist hast du gegeben, um sie zu unterweisen“ (Neh. 9,20).
Es ist offensichtlich, dass der Geist Gottes alle Qualitäten Gottes besitzt.
Aber es besteht keine Notwendigkeit, an den Geist als eigene
Persönlichkeit zu glauben. Eine einfachere Erklärung gibt uns Paulus,
wenn er den Geist Gottes mit dem Geist des Menschen vergleicht. Er
beginnt, indem er über den Geist Gottes spricht: „...denn der Geist
erforscht alles, auch die Tiefen Gottes“. Dann vergleicht er die Tätigkeit
dieses „Geistes“ mit dem inneren Selbstbewusstsein des Menschen.
„Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der
Geist des Menschen, der in ihm ist? So hat auch niemand erkannt, was in
Gott ist, als nur der Geist Gottes“ (1.Kor.2,10-11). Der Geist des
Menschen ist für seine eigenen Gedanken das, was der Geist Gottes für
Gottes Gedanken ist. Heiliger Geist ist demnach „göttliche Intelligenz“,
eine Offenbarung des Geistes Gottes. Geist und Herz sind in der
hebräischen Bibel sehr oft eng verbunden oder sogar austauschbar. Was
könnte beruhigender für uns sein, als dass Gott uns Seine innersten Pläne
und Absichten eröffnet, von Herz zu Herz zum Menschen, Seinem
Geschöpf, spricht und diese Verbindung durch Seine eigene kreative
Intelligenz und Seinen Geist zustande bringt.
Prominente trinitarische Autoren scheinen über die Tatsachen der
Schrift weit hinauszugehen, wenn sie versichern, die dritte Person der
Trinität sei in ein Gespräch mit Gott verwickelt gewesen, als dieser sagte:
„Lasst uns Menschen machen in unserm Bild“ (1.Mo. 1,26). Torrey
schrieb:
216 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

„Es gibt viele, die behaupten, die Lehre der Trinität sei nicht im Alten
Testament zu finden, während sie doch im Neuen Testament zu finden ist. Doch
die Lehre der Trinität erscheint im Alten Testament, im ersten Kapitel der Bibel.
In 1.Mose 1,26 lesen wir: Und Gott sprach: lasst uns Menschen machen in
unserm Bild.“6

Es ist sehr phantasievoll, von dieser Stelle zu behaupten, Gott habe


zum Heiligen Geist gesprochen. Gott spricht nicht zu Seinem eigenen
Geist. Er würde mit sich selbst sprechen (außer bei „Geist“ ist ein
Engelsbote Gottes gemeint). Gibt es sonst irgendwo in der Schrift einen
Hinweis darauf, dass Gott zu Seinem Heiligen Geist spricht? So eine Idee
ist der Bibel fremd, ebenso wie die Empfehlung Torreys, den Heiligen
Geist anzubeten oder ihm zu danken.7 Das Lied, welches uns ermutigt,
„Vater, Sohn und Heiligen Geist zu preisen“, entstammt einem Milieu,
welches die ursprüngliche Lehre über den Heiligen Geist verlassen hat.
Torrey erzählt uns sogar, dass das Shema Israels (5.Mo. 6,4) eigentlich ein
trinitarisches Bekenntnis ist.8 Der Plural elohim ist die Basis für dieses
Argument, welches von vielen trinitarischen Gelehrten verworfen wurde.
Wie kommt es, dass populäre Literatur solch einen Anklang findet und die
tiefgehenden Untersuchungen bekannter Autoritäten auf dem Gebiet der
hebräischen Sprache unbemerkt bleiben?
In den letzten Reden Jesu zu seinen Jüngern spricht dieser vom
„Tröster“ oder vom „Beistand“, der kommen wird, um die Treuen zu
ermutigen, wenn er selbst beim Vater sein wird. Derselbe Beistand wird
auch der „Geist der Wahrheit“ genannt. Dieser Titel suggeriert kaum eine
Person.9

6
R.A. Torrey,The Holy Spirit (Fleming Revell C. 1977), 20.
7
Ebenso, 13, 19.
8
Ebenso, 21, 22.
9
Wenn wir den Heiligen Geist nicht als eine Person sehen, die sich vom Vater
und vom Sohn unterscheidet, sondern als Kraft und Gegenwart Gottes, so können
wir Joh. 14,15-18, 26 folgendermaßen wiedergeben:
„Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten; und ich werde den
Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, dass er mit euch sei
in Ewigkeit (bis zum kommenden Zeitalter), den Geist der Wahrheit, Gottes Kraft
und Seine Gegenwart, welche die Welt nicht empfangen kann, weil sie diese nicht
sieht und auch nicht kennt. Ihr kennt sie, denn diese Kraft bleibt bei euch und
wird in euch sein. Ich werde euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu
euch.....Der Beistand aber, der Heilige Geist, die Kraft, die der Vater senden wird
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 217

Der Kommentar des Trinitariers James Denny ist aufschlussreich:

„Was uns hier verwundert, ist der neue Name, der dem Geist gegeben wird –
„ein anderer Beistand“. Es ist in der Tat nur der Name, der neu ist. Als Idee
korrespondiert er eng mit der einzigen Verheißung des Geistes, die wir in den
synoptischen Evangelien finden. Der Ausdruck „ein anderer Beistand“ deutet an,
dass die Jünger bereits die Erfahrung eines Beistands gemacht hatten, nämlich
Jesus selbst! Solange er bei ihnen ist, wird ihre Kraft von ihm verstärkt und als er
geht, wird sein Platz vom Geist eingenommen. Es gibt jetzt eine andere Kraft, die
für sie tut, was Jesus früher tat. Doch ist es wirklich eine andere? In 1. Joh. 2,1 ist
Jesus der Parakletos (Beistand), sogar nach Pfingsten, und sogar hier (Joh.14,18)
sagt er: „Ich komme zu euch“. Die Gegenwart des Geistes ist Jesu eigene
Gegenwart im Geist.10

Die Gleichsetzung von Gottes Geist mit dem Geist Jesu in seiner
belebenden Kraft und Persönlichkeit ist auch im Rest der Schrift
offensichtlich. Jesus sagt den Jüngern: „Und wenn sie euch hinführen, um
euch zu überliefern, so sorgt euch vorher nicht, was ihr reden sollt,
sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet! Denn nicht ihr
seid die Redner, sondern der Heilige Geist“ (Mk.13,11). Die Version von
Lukas macht es klar, dass der Geist, der aus den Jüngern spricht, Jesus
selbst ist: „Setzt es nun fest in euren Herzen, nicht vorher darauf zu
sinnen, wie ihr euch verantworten sollt! Denn ich werde euch Mund und
Weisheit geben, der alle eure Widersacher nicht werden widerstehen oder
widersprechen können.“ (Lk. 21,14-15). Eine Erfüllung dieses
Versprechens geschah, als die Feinde von Stephanus nicht imstande
waren, „der Weisheit und dem Geist zu widerstehen, womit er redete“
(Apg. 6,10). Es ist erbaulich zu sehen, dass „der Heilige Geist“ von
Mk.13,11 in der Parallelstelle in Mt. 10,20 einfach „der Geist eures
Vaters“ ist. Beide Texte werden von Lukas noch klarer gemacht, der den
Geist Gottes als Gott sieht, der Seine Worte und Seine Weisheit den
verfolgten Jüngern mitteilt (Lk. 21,15). Diese Ansicht vom Geist
entspricht völlig dem der hebräischen Bibel. Es ist jedoch unmöglich,
diesen Texten eine Definition des Geistes als Person, die sich vom Vater
und vom Sohn unterscheidet, zugrunde zu legen.

in meinem Namen, sie wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich
euch gesagt habe.“ Siehe auch Lk. 24,49.
10
„Holy Spirit“, Dictionary of Christ and the Gospels (Edinburgh: T&T Clakr,
1917), 742.
218 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

Sollte das klare Zeugnis des allergrößten Teils der Schrift durch eine
Handvoll Verse im Johannesevangelium gestört werden? Alan Richardson
schließt, dass für Johannes „Christus selbst durch das Kommen des
Geistes kommt.....Der Geist, der die Schrift auslegt, ist kein anderer als
der Herr selbst.“11 Johannes nennt in seinem ersten Brief (1. Joh. 2,1)
Christus auch den Beistand. Dies ist die einzig wiederholte Verwendung
von parakletos. Die Ansicht von Paulus ist exakt dieselbe. Er sagt: „Der
Herr ist Geist, und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2.
Kor.3,17).
Ein trinitarischer Gelehrter und Kommentator des
Johannesevangeliums fasste seine Erkenntnisse zusammen: „Wir sollten
nicht schließen, dass Johannes den Geist als Person im selben Sinn wie
die spätere kirchliche Lehre verstand. Die Predigten von Johannes ruhen
auf der Beziehung des Vaters zum Sohn ohne jeden Gedanken an eine
dritte Person, die mit ihnen in einer Gottheit verbunden ist.“12
Ein anderer Bibelgelehrter des vorletzten Jahrhunderts definierte den
„Beistand“: „Die göttliche Kraft, die als ein Helfer personifiziert ist, wird
wie in Joh. 15,26 mit dem Botschafter eines Fürsten verglichen, der nur in
Belangen, die ihm von seinem Auftraggeber übergeben wurden, und nur
in dessen Willen und zu dessen Zufriedenheit spricht.13
Es gibt nur unzulängliche Beweise, dass Paulus an „drei Personen in
einem Gott“ glaubte. Wir haben gesehen, dass Paulus den Geist als
Selbstbewusstsein und als Sinn Gottes verstand. Wenn er vom Geist als
einer himmlischen Kraft, die sich vom Vater unterscheidet und die
Christen in ihren Gebeten hilft, spricht, so bezieht er sich im selben
Abschnitt auf Christus selbst, der „sich für uns verwendet“ (Rö. 8,26; 34).
Der Geist ist Christus selbst, der seinen Einfluss zu den Gläubigen hin
ausstreckt.
Als Zusammenfassung können wir sagen, dass der Heilige Geist in
der hebräischen Bibel (dem Alten Testament) nie als Person angesehen
wurde, die sich vom Vater unterscheidet. Die folgende Aussage wurde
von einem bekannten Professor für biblische Sprachen gemacht:

„Es kann aus einer großen Anzahl von Passagen des Alten Testamentes, in
denen der Geist erwähnt wird, nicht bewiesen werden, dass dieser eine Person in

11
Introduction to the Theology of the New Testament, 121.
12
E.F. Scott, The Fourth Gospel (T&T Clark, 1926), 342, Hervorhebung
beigefügt.
13
C.T. Kuinoel, zitiert bei Wilson, Concessions, 372, Hervorhebung beigefügt.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 219

der Gottheit ist; und es ist nun (im Jahre 1775) die vorherrschende Meinung der
gelehrten Kommentatoren, dass in der Sprache der Juden der „Heilige Geist“
nichts anderes als eine göttliche Inspiration ist, ohne jeden Hinweis auf eine
göttliche Person.“14

Und was ist mit dem Neuen Testament? In unserer Zeit sagt Karl
Rahner einfach: „Ho theos (Gott) wird im Neuen Testament niemals für
pneuma hagion (den Heiligen Geist) verwendet.15 Apg. 5,3-4 ist keine
Ausnahme. Einige Trinitarier nehmen diese Verse als Beweis für eine
dritte Person der Trinität – Gott, der Heilige Geist. Der Text setzt das
Belügen des Heiligen Geistes mit dem Belügen Gottes gleich. Mit dem
Heiligen Geist ist hier die Kraft und die Autorität gemeint, die von Gott in
Petrus gelegt wurde. Von denjenigen, welche die Apostel, die im Namen
Gottes und Seines Geistes sprechen, belügen, wird richtig gesagt, dass sie
den Geist und Gott belügen. Das wird auch in einer Bemerkung von
Paulus bestärkt: „Deshalb nun, der dies verwirft, verwirft nicht einen
Menschen, sondern Gott, der auch seinen Heiligen Geist in euch gibt“ (1.
Thess.4,8). Es gibt eine bemerkenswerte Parallele im Alten Testament, als
die Israeliten gegen Mose und Aaron rebellierten. Moses sagte ihnen:
„Nicht gegen uns richtet sich euer Murren, sondern gegen den HERRN“
(2. Mose 16, 2; 8).
Die Gleichsetzung von Mose und Aaron mit Gott macht die beiden
nicht zu Teilen der Gottheit. Der Geist Gottes wohnte jedoch in Mose und
es ist möglich, dass die Rebellion der Israeliten, die in den Psalmen
erwähnt wird, gegen den „Geist Mose“ (Ps. 106,33) oder vielleicht gegen
den Engel der Gegenwart Gottes, der mit der Autorität und der Macht
Jahwes ausgerüstet war, gerichtet war (Jes. 63, 9-11).16
Es ist unser Eindruck, dass ausgezeichnete Trinitarier manchmal an
die offizielle Lehre gebunden sind, obwohl sie persönlich Bedenken über
die Art haben, in der diese ausgedrückt wird. Luther mochte den
Ausdruck Trinität nicht: „Das Wort Trinität (Dreieinigkeit) wird an keiner
Stelle der Heiligen Schrift gefunden, sondern wurde von Menschen
erfunden und klingt deshalb sehr kalt.“17 Calvin spürte, dass ein Gebet zu
einem dreieinen Gott nicht schriftgemäß ist: „Ich missbillige dieses

14
J.D. Michaelis, Remarks on John 16, 13-15, zitiert bei Wilson, Unitarian
Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies, 477.
15
Theological Investigations (Baltimore: Helicon Press, 1963), 1:143.
16
Vgl 2. Mose 23,21, wo der Engel den Namen Gottes trägt.
17
Concessions, 331.
220 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

verbreitete Gebet: ‚Heilige Dreieinigkeit, der Eine Gott!‘, denn es ist eine
Sprachwidrigkeit. Wir verwerfen solche Ausdrücke nicht nur als geistlos,
sondern als profan.“18
Doch warum sollte jemand einen Einwand erheben, wenn Gott
wirklich eine Trinität ist? Was ist falsch an dem Ausdruck „Mutter
Gottes“ (den die Protestanten ablehnen), wenn Jesus wirklich Gott war
und Maria seine Mutter? Und wenn der Geist wirklich eine eigene
Persönlichkeit ist, war er der Vater Jesu und nicht Gott, der Vater? Die
Empfängnis Marias geschah durch den Heiligen Geist (Lk. 1,35).
Als der reife Apostel Johannes seinen ersten Brief schrieb, begrenzte
er seine Verwendung von „Geist“ auf die Aktivität Gottes und eine
Ausstattung, die Christen gegeben ist, ein: „Hieran erkennen wir, dass wir
in ihm bleiben und er in uns ist, dass er uns von (= einen Teil) seinem
Geist gegeben hat (ek tou pneumatos autou) (1. Joh. 4,13). Gott gibt nicht
einen Teil einer Person, sondern einen Teil Seines Sinnes und Seiner
Macht. Johannes denkt an etwas, was quantifiziert werden kann, ebenso
wie Petrus, wenn er eine Stelle zitiert, die davon spricht, dass „von
meinem (Gottes) Geist ausgegossen wird“ (Apg. 2,17). Sicherlich werden
keine Personen ausgegossen. Doch Gott kann die Versorgung mit Seiner
grenzenlosen Kraft versprechen. Diese Sprache ist recht ungewöhnlich,
wenn man den Heiligen Geist als eine dritte Person versteht. An einer
anderen Stelle spricht Johannes vom Geist als „dem, der dies bezeugt“ (1.
Joh.5,6), denn er selbst ist die Wahrheit in unseren Gedanken. Es ist
weithin bekannt, dass dieser Aussage ein gefälschter Vers folgt. Er spricht
von den drei Zeugen „im Himmel, dem Vater, dem Wort und dem
Heiligen Geist“; und diese drei sind eins“. Diese Worte haben „kein
Recht, im Neuen Testament zu stehen.“19 In modernen
Bibelübersetzungen sind sie nicht zu finden. Ihr erstes Auftreten findet
sich in griechischen Bibeln im Jahr 1215 und da nur als eine Übersetzung
der lateinischen Geschichte des Laterankonzils. Vor dem sechzehnten
Jahrhundert wurden diese Worte in keinem griechischen Manuskript
gefunden und später dann nur als Übersetzung einer lateinischen
Bibelausgabe.20
Der Befehl Jesu „auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des
Heiligen Geistes“ zu taufen (Mt. 28,19) ist kein Beweis, dass Jesus an
18
Concessions, 40.
19
B.M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament (United
Bible Society, 1971), 715.
20
Ebenso
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 221

eine Trinität von drei gleichen Personen glaubte, da er den Vater als den
„allein wahren Gott“ ansah (Joh.17,3) und dem nicht-trinitarischen
Glaubensbekenntnis Israels zustimmte (Mk. 12,29). Der Trinitarier
Michaelis sagte: „Aus dieser Passage kann man unmöglich ableiten, dass
der Heilige Geist eine Person ist. Vielleicht hat Jesus Folgendes gemeint:
Alle sollten bei ihrer Taufe bekennen, dass sie an den Vater und an den
Sohn glauben und an alle Lehren, die ihnen vom Heiligen Geist
eingeprägt werden.“21
Der Segen von Paulus, der von „der Gnade des Herrn Jesus Christus
und der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ spricht
(2.Kor. 13,13), ist ebenfalls keine trinitarische Formel, obwohl sie
vielleicht trinitarisch klingt, wenn man sie mit der vorgefassten Meinung
liest, Paulus habe an drei ewige Personen gedacht. Paulus spricht an
anderen Stellen von der „Gemeinschaft des Geistes“ und der
„Ermunterung in Christus“ (Phil. 2,1). Diese Textstellen können als
Einfluss Jesu, der durch den Geist in den Gläubigen wirkt, erklärt werden.
Es ist nicht notwendig, die Existenz einer dritten Person in der Gottheit zu
postulieren. Eine ungewöhnliche Verwendung von pneuma hagion
(Heiliger Geist) bei Lukas, dem Begleiter von Paulus, lässt vermuten, dass
für ihn der Heilige Geist schon immer der göttliche Einfluss und keine
dritte Person war. Er schreibt folgendermaßen: „Der du durch den
Heiligen Geist durch den Mund unseres Vaters, deines Knechtes David,
gesagt hast“ (Apg. 4,25). Dieser Ausdruck ruft das Bewusstsein Davids in
Erinnerung, dass „der Geist des Herrn durch mich geredet hat und sein
Wort auf meiner Zunge war“ (2. Sam 23,2). In der jüdischen Literatur zur
Zeit der Abfassung des Neuen Testaments finden wir dasselbe Bild der
Inspiration: „Der Geist der Gerechtigkeit stieg in Jakobs Mund herab“
(Jubiläenbuch, 25,14). So eine Sprache unterstützt nicht die Anschauung
einer eigenständigen Persönlichkeit. Der Trinitarismus steht der gleichen
Schwierigkeit der Quantifizierung des Geistes gegenüber, wenn Maleachi
davon spricht, dass Gott Mann und Frau „zu einem Fleisch, in dem Geist
ist“ macht (Mal. 2,15). Johannes spricht auch davon, dass der Geist in
verschiedenem Maß gegeben wird. Jesus erhielt „ein volles Maß“ (Joh.
3,34). Paulus spricht ebenso von „dem Beistand des Geistes Jesu Christi“
(Phil. 1,19). Die Sprache weist auf einen Kraftspeicher und nicht auf eine
Person hin. Es ist bezeichnend, dass Paulus von den Gebeten der

21
The Burial and Resurrection of Jesus Christ, 325-327, zitiert in Concessions,
281.
222 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

Gemeinde abhängig ist, um die andauernde Hilfe des Heiligen Geistes zu


erfahren.
Eine ernste Schwierigkeit für den Trinitarismus ist die Tatsache, dass
in der ersten nachbiblischen Zeit nichts über den Geist als dritte Person in
der Gottheit erwähnt wird. Es gibt keine formelle trinitarische Definition
des Heiligen Geistes vor dem Jahr 381 am Konzil von Konstantinopel.
Erst dann wurde erklärt, dass es „drei Personen in einem Gott“ gibt. Mehr
als dreihundert Jahre nach dem Dienst Jesu waren die Kirchenführer
ungewiss über die Natur des Heiligen Geistes. Selbst damals glaubten
viele, der Heilige Geist sei keine Person.22 So gibt es also keine
ununterbrochene trinitarische Tradition, die uns mit den Schriften der
Apostel verbindet.
Die biblischen Aussagen werden genügend erklärt, wenn man vom
Geist als dem Sinn, den Gedanken und der Persönlichkeit Gottes und
Christi spricht, die sich zur Schöpfung hin ausstrecken. Der Geist hat
Persönlichkeit, weil er die Personen des Vaters und des Sohnes
widerspiegelt. Der Heilige Geist ist eine andere Art, um vom Vater und
vom Sohn in Aktion zu sprechen, der die Gemeinde lehrt, leitet und
inspiriert. Wir brauchen keine Existenz einer dritten Person, die sich vom
Vater und von Seinem Sohn unterscheidet und verschieden ist. In der Tat
gibt es die biblische Tatsache einer „Trinität“ von Vater, Sohn und
Gläubigen, die vom Heiligen Geist vereint und zusammengehalten
werden. So erzählt Johannes vom Gebet Jesu: „...damit sie alle eins seien,
wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien......ich
in ihnen und du in mir – dass sie in eins vollendet seien...“ (Joh. 17,21,
23). Der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, ist der Geist des
Schöpfers, der gnädig der leidenden Menschheit zur Verfügung gestellt
wird. Den Zugang zum Geist findet man in den Worten Jesu, die „Geist
und Leben“ sind (Joh. 6,63). Christen besitzen die Salbung, die sie die
wahre Lehre lehrt, sie vor den zerstörerischen Lügen des Teufels bewahrt
und sie befähigt, in Einheit mit Christus zu leben (1.Joh. 2,27). Wir
glauben, dass die wahre Funktion des Heiligen Geistes verschleiert wird,
wenn die Aufmerksamkeit auf die Frage gerichtet ist, ob der Geist die
dritte Person in der Gottheit ist. Die besondere Bedeutung des Geistes
liegt darin, dass er Gott selbst in Seiner kreativen und kommunizierenden
Funktion ist, der Sein Herz Seinen Geschöpfen öffnet. „Der Geist spricht“
bedeutet nichts anderes als „Gott spricht“. Wort, Weisheit und Geist sind

22
Philip Schaff, History of the Christian Church, 3:664.
Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion? 223

eng verbunden. Dies sind göttliche Attribute des Einen Gottes, nicht
Personen, die sich von Ihm unterscheiden. Die Definition des Geistes als
dritte Person ist nicht notwendig. Sie führt zu spekulativen Problemen mit
katastrophalen Folgen. Die Probleme ergeben sich, wenn göttliche
Attribute (die in der Bibel manchmal personifiziert sind) zu einer Person
gemacht werden.
Es gibt keinen guten Grund, die offensichtliche Analogie zwischen
dem „Geist des Elia“ (Lk. 1,17) und dem „Geist Gottes“ aufzugeben. Der
Geist des Elia ist keine von Elia zu unterscheidende Person und so ist
auch der Geist Gottes keine von Gott verschiedene Person. Der Geist
Gottes gibt uns Einblick in die tiefste Wesensart Gottes. Wir begegnen
Gott, wenn sich dieser hauptsächlich in den Worten der „inspirierten“
Schrift“ (2. Tim 3,16) durch den Geist erfahrbar macht. Wenn wir lesen,
dass „es den Herrn reute, dass er den Menschen gemacht hatte und es
bekümmerte ihn in sein Herz hinein“ (1. Mose 6,6), so war es der Geist
Gottes, der betrübt wurde (vgl. Eph. 4,30). Wenn Gottes Augen und Sein
Herz im Tempel wohnten (1. Kö.9,3), so könnte man auch sagen, dass
Sein Geist gegenwärtig war. Die Nähe von Geist, Gedanken, Herz und
Worten kommt in den offenbarenden Worten von Spr. 1,23 zum
Vorschein: „Wendet ihr euch meiner Mahnung zu, so will ich meinen
Geist euch sprudeln lassen, will euch kundtun meine Worte“. Moffatt
erfasst eine weitere Facette wenn er übersetzt: „Ich will euch meinen
Geist kundtun“. Die englische Revised Standard Version zeigt den
intellektuellen Aspekt auf: „Ich will meine Gedanken auf euch strömen
lassen“, während die Jerusalemer Bibel uns eine weitere Blickrichtung
eröffnet: „Ich will euch mein Herz öffnen“ (engl. Übersetzung).
Der Geist Gottes ist Seine heilige Intelligenz, Sein Charakter und Sein
Wesen, der Index Seiner Pläne und der Absichten Seines Herzens. Durch
den Geist sind wir eingeladen, in diesem Rahmen an der göttlichen
Aktivität teilzunehmen, „heilig, wie Gott heilig ist“ zu werden und in den
geheimen Plan, den Er mit uns teilen will, eingeweiht zu werden: „Der
Herr zieht ins Vertrauen, die ihn fürchten und sein Bund dient dazu, sie zu
unterweisen“ (Ps. 25,17). Paulus weiß nichts von den späteren Lehren,
wenn er freimütig „Geist“ und „Sinn“ untereinander austauscht und uns so
eine apostolische Definition des Heiligen Geistes gibt. „Denn wer hat des
Herren Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen?“ (Rö.11,34).
Der hebräische Text, den Paulus hier zitiert, liest sich folgendermaßen:
„Wer hat den Geist des Herrn ermessen, und wer ist der Mann seines
Rates, den er unterwiese?“ (Jes. 40,13). Durch den Empfang des Geistes,
224 Der Heilige Geist: Eine dritte Person oder Gott in Aktion?

der gleichbedeutend ist mit „die Erkenntnis der Wahrheit empfangen“


(Hebr. 10,26), bekommen wir Zugang zur göttlichen Persönlichkeit, die
sich durch den Geist zu uns ausstreckt.
10. DER KONFLIKT ÜBER DIE TRINITÄT IN DER
KIRCHENGESCHICHTE
UND DIE HEUTIGE DISKUSSION

„Im fünften Jahrhundert hatte das Christentum das Heidentum


besiegt und das Heidentum hatte das Christentum infiziert“ –
Macaulay

Die historische Vorwegnahme der gegenwärtigen Diskussion über


Präexistenz
Das Problem der Präexistenz (und so auch der Trinität) und deren
Auswirkungen auf die Natur des Erlösers hatten eine lange Geschichte in
der Kirche. In den letzten Jahren beschäftigte es die Gedanken einer
Anzahl von Bibelgelehrten, die sich fragten, ob unser Erbe der
Kirchenväter dem unitarischen Monotheismus der Apostel gerecht wird.1
Es besteht auch weiterhin die Frage, wie weit der Jesus der
Glaubensbekenntnisse als eine wirklich menschliche Person angesehen
werden kann.2 Eine historische Studie wird uns helfen, den Schauplatz für
die gegenwärtige Debatte aufzubauen.
Wir sehen zuerst, dass Justin (der Märtyrer, ca. 114 – 165) einer der
ersten nachbiblischen Autoren war, welche die Präexistenz Christi
entwickelten, obwohl er anerkannte, dass nicht alle seiner Mitgläubigen
seine Ansicht teilten. Er bekannte dem Juden Trypho:

„Jesus kann immer noch der Christus Gottes sein, auch wenn ich nicht in der
Lage sein sollte, seine Präexistenz als Sohn Gottes, der alles erschaffen hat, zu
beweisen......Selbst wenn ich nicht beweisen kann, dass er präexistierte, so ist es
richtig zu sagen, nur ich sei in dieser Hinsicht verführt, und nicht zu leugnen, dass
er der Christus ist......, obwohl es scheinen sollte, er sei als Mensch von
Memschen geboren....Denn es gibt einige unserer Rasse, die zugeben, dass er der

1
Mk 12,29-34; Joh. 5,44; 17,3; 1. Kor. 8,4-6; Eph. 4,6; 1. Tim. 2,5 etc.
2
Vgl. Thomas Hart, To Know and Follow Jesus und das bekannte God Was in
Christ von Donald Baillie (London: Faber, 1961)
226 Der Konflikt über die Trinität

Christus ist, ihn aber für einen Menschen von Menschen halten; mit diesen
stimme ich jedoch nicht überein.“3

Trypho, der als einer spricht, der mit den jüdischen Erwartungen an
den Messias vertraut ist, stimmt denen zu, die „glauben, dass Jesus ein
Mensch war und von Gott erwählt und als Christus gesalbt wurde“. Er hält
dies für eine glaubhaftigere Meinung als diejenige von Justin. Obwohl
Trypho sich hier vielleicht auf eine adoptionalistische Christologie bezieht
(d.h. Jesus wurde erst bei seiner Taufe zum Sohn Gottes), die sich von der
Konzeptionschristologie bei Lukas unterscheidet (Jesus ist Sohn Gottes
auf Grund seiner übernatürlichen Zeugung, Lk. 1,35), so scheint es doch
in seiner Diskussion mit Justin klar zu sein, dass der Glaube an die
Präexistenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht die universelle Lehre der
„Orthodoxie“ war, die sie im Lauf der späteten Zeit wurde. Es ist ebenso
bemerkenswert, dass „Justin nirgendwo behauptet, der Vater, der Sohn
und der Heilige Geist seien ein Gott, wie es in den späteren Jahrhunderten
üblich wurde. Streng genommen war er ein Unitarier, ebeso wie alle
Kirchenväter jener Zeit; das bedeutet, dass sie glaubten, der Sohn
unterscheide sich wirklich vom Vater und sei Ihm untergeordnet.“4
Ein weiterer Anhaltspunkt in der Diskussion über das
Johannesevangelium und die Präexistenz findet sich in den Schriften des
griechischen Kirchenvaters Epiphanius (ca. 310-403), der daran
interessiert war, „Häresie“ zu identifizieren. Er bezieht sich auf eine
Gruppe von heidnischen Gläubigen, den Alogi (ca. 180), denen
vorgeworfen worden war, das Johannesevangelium abzulehnen. Joseph
Priestley erwägt den Gedanken, die Alogi seien von Epiphanus kritisiert
worden, weil „sie das ‚logos‘ im Prolog des Johannesevangeliums anders
erklärten als er selbst.“5 So war also die wichtige Frage nach der
Bedeutung des „logos“ im Johannesprolog schon damals ein Grund für

3
Dialog mit Trypho, Kap. 48 u. 49
4
Alvan Lamson, D.D., The Church of the First Three Centuries (Boston:
Houghton, Osgood &Co., 1880), 80. Justin legte jedoch die Richtung zum
Trinitarismus fest, indem er die wörtliche Präexistenz Jesu betonte. Der
Trinitarismus war nicht der Glaube der nachapostolischen Zeit für mindestens 80
Jahre, wie es durch das Eingeständnis der New Schaff-Herzog Encyclopedia of
Religious Knowledge zugegeben wird, dass in den Jahren 100 – 180 „nichts
darauf hinweist, dass Jesus als tatsächliche Gottheit angesehen wurde“ (Harnack,
„Monarchism“, 7:453)
5
History of the Corruptions of Christianity (J.& J.W. Prentiss, 1838), 21
Der Konflikt über die Trinität 227

Ungewissheit. Die Lösung der Frage bezüglich der Natur der Präexistenz
bei Johannes zugunsten des Glaubens an einen präexistenten Sohn hatte
einen tiefe und bleibende Auswirkung auf das, was die orthodoxe
Christologie der Glaubensbekenntnisse werden sollte. Die Lehre der
Trinität kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn nicht gezeigt werden
kann, dass Jesus als der ewige Sohn Gottes schon vor seiner Geburt
existiert hatte. Proteste gegen eine besondere Lesart von Johannes, welche
in der Frage der Anschauung über Christus eine Spannung zwischen
diesem und den Synoptikern aufwerfen, kommen wieder zum Vorschein.

Der dynamische Monarchianismus


Es dauerte nicht lange, bis eine Reaktion auf die offensichtliche
Bedrohung des Monotheismus durch die Einführung eines „zweiten
Gottes“ in Form des präexistenten Christus erfolgte. Justin und andere
frühe Schreiber waren vor ihrer Bekehrung zum Christentum von
Philosophie durchdrungen. Für sie war es nur allzu leicht, ihrer Fähigkeit
zur Spekulation nachzugeben und den Prolog des Johannes so zu lesen, als
ob er mit der griechischen Weltanschauung übereinstimme.

„Die Apologeten des zweiten Jahrhunderts waren mit der Kosmologie


Platons mehr vertraut als mit der Soteriologie der Bibel. So dehnten sie die
christliche Lehre aus, damit sie in eine philosophische Prokrustesform passte. Sie
sahen Gott als über und jenseits alles Daseins, unbeschreibbar, nicht
auszudrückend, gefühlslos, erhoben über jeden Umgang mit Materie, Zeit oder
Raum. Dieser platonische Gott brachte das Wort hervor...durch einen Akt Seines
Willens, damit es Sein Zwischenglied für die Schöpfung, Offenbarung und
Erlösung sei. Diese Lehre konstruiert den Sohn als präexistent.“ 6

Die Reaktion erfolgte, als eine Gruppe von Gläubigen protestierte,


dass die Gottheit nur aus einer Person besteht – eine „Monarchie“.
Theodotus der Gerber erhob die Frage nach dem Mensch-Sein Jesu in
Rom etwa in den Jahren 190-200. Indem er sich auf die strikt
monotheistische Aussage von Paulus in 1. Tim. 2,5 bezog, behauptete er,
dass Jesus nicht berechtigt war, Gott genannt zu werden. Sein Nachfolger,
ein anderer Theodotus, trat weiterhin für die Ansicht ein, Jesus sei ein

6
William Childs Robinson, „Jesus Christ is Jehovah“ (Teil 2), Evangelical
Quarterly 5:3 (1933):275, Hervorhebung beigefügt. Für die Entwicklung des
Trinitarismus in der nachbiblischen Zeit siehe M. M. Mattison, „The Making of a
Tradition“ (Ministry School Publications, 1991)
228 Der Konflikt über die Trinität

übernatürlich gezeugter Mensch. Etwa dreißig Jahre später disputierte


Artemas, der dieselbe „dynamisch monarchische“ Anschauung der
Gottheit hatte, mit dem Bischof von Rom, dass die ursprüngliche
Christologie, welche die Monarchier vertraten, von der Kirche verzerrt
wurde.

Paulus von Samosata


Die Frage nach der Natur der Präexistenz kam als nächstes in der
Theologie des Paulus von Samosata, einem Bischof in Antiochien, in der
Mitte des dritten Jahrhunderts zum Vorschein. Obwohl Paulus offiziell im
Jahre 268 n. Chr. wegen Häresie verdammt worden war, würdigten
zeitgenössische Autoren die Kraft seines Protestes gegen die
„Orthodoxie“.
„Unsere Theologie wurde in eine scholastische Form gebracht“,
schreibt Erzbischof Temple. „Wir brauchen eine Theologie, die auf
Psychologie gebaut ist, und wir werden schrittweise auch dazu gedrängt.
Dieser Übergang wird, wie ich fürchte, nicht schmerzlos erfolgen, aber
nichts kann ihn aufhalten“. Temple fuhr fort: „Wir dürfen nicht vergessen,
dass Paulus von Samosata einen frühen Versuch dazu machte. Er sah
ernsthafte Schwierigkeiten in der Formulierung des Glaubens der Kirche,
Christus betreffend, so lange dies in Ausdrücken von Substanz geschah
und er selbst versuchte, es in Ausdrücken des Willens auszudrücken“. 7
Eine andere Seite, Professor Bethune-Baker, äußerte seine
Überzeugung, dass „Paulus von Samosata eine ursprüngliche theologische
Tradition hinter sich hatte, zu der wir in unserer Rekonstruktion des
Glaubens zurückkehren müssen.“8 Loofs, der Historiker, was die
Christologie betrifft, kam zu dem Ergebnis, dass Paulus von Samosata
„einer der interessantesten Theologen der vornizänischen Zeit ist, weil er
in einer Linie mit einer Tradition steht, welche ihre Wurzeln in einer Zeit
hatte, bevor die Flut des Hellenismus über die Gemeinde hereinbrach.“9

7
Foundations (London: Macmillan& Co, 1913),226
8
Zitiert bei F.W. Green, „The Later Development of the Doctrine of the Trinity“,
in Essays on the Trinity and the Incarnation (Longman, Green & Co., 1928), 259
9
Vgl. ebenso die Bemerkung von Canon Goudge: „Als die griechische und
römische Denkweise an die Stelle der hebräischen trat und die Kirche dominierte,
da passierte eine Katastrophe in der Lehre und in der Praxis, von der wir uns nie
erholt haben“ („The Calling of the Jews“, in den gesammelten Essays über
Judaism and Christianity)
Der Konflikt über die Trinität 229

Das Verständnis von „logos“ bei Paulus von Samosata war, dass
dieses keine von Gott unabhängige Existenz hatte; in anderen Worten,
dass es vor der Zeugung Jesu keinen Sohn gegeben hatte. Eine
weitverbreitete Ähnlichkeit mit dieser Tradition wird
bemerkenswerterweise durch eine unerwartete Beobachtung von Origenes
in seinem Kommentar über Johannes bestätigt. Dieser stellte fest, dasss er
„zahlreiche Christen gab, die nur den Namen des „logos“ für den
präexistenten Christus verwendeten (ohne dessen philosophische
Bedeutung und das auch nur im Sinn eines Wortes des Vaters), welches
sich in einem Sohn bei dessen Zeugung ausdrückte“ (vgl. Hebr. 1, 1-2).
Sie maßten diesem „logos“ keine eigenständige hypostasis oder
Individualität zu.10 Es ist interessant, dass Tertullian (ca. 155-230) „logos“
mit sermo, also „Rede“ übersetzt. Er bemerkt dann, „es ist die einfache
Art unserer Leute (über Joh. 1,1) zu sagen, dass das Wort der Offenbarung
bei Gott war“. Er selbst bestand darauf, dass „logos“ als „was auch immer
du denkst“ und „Rede“ als „was immer du verstehst“ verstanden werden
sollte.“ Indem er sich auf eine Zeit vor der Schöpfung bezog, fügte er
hinzu, dass, „obwohl Gott Sein Wort noch nicht ausgesandt hatte, so hatte
Er es doch sowohl mit und in Seinem Sinn.“11 Es ist klar, dass das „Wort“
noch nicht als der ewig präexistente Sohn verstanden wurde, wie es später
in der Orthodoxie der Fall war.
Green gibt zu, dass die Lehre von Paulus von Samosata bezüglich der
Trinität (jedoch nicht der Trinität, wie sie später formuliert wurde)
„zumindest ebenso schriftgemäß war, wie jene von Origenes und sie
gründete sich auch auf eine feste und weit verbreitete Tradition der
Gemeinde“12 Er fährt mit der bemerkenswerten Behauptung fort:

„Es kann nicht stark genug betont werden, dass die antiochische Tradition
den Ausdruck Sohn, bezogen auf das präexistente Logos, in keiner Weise kannte
und verwendete. Mit dem Wort „Sohn“ meinten sie immer den historischen
Christus.......Loofs bemerkt, dass die Übertragung der Zeugung des Sohnes auf
das präexistente Logos durch die alexandrinischen Theologen der wichtigste
Faktor in der Entstehung des pluralistischen Charakters in der christlichen Lehre
war.“ 13

10
F.W. Green, Essays on the Trinity and the Incarnation, 262
11
Tertullian, Ad Praxeus, 5
12
F.W. Green, Essays on the Trinity and the Incarnation, 64
13
Ebenso
230 Der Konflikt über die Trinität

Indem man von Jesus als dem präexistenten Sohn sprach, entstand die
fatale Verlagerung, die den Erretter aus der Kategorie eines menschlichen
Wesens entfernte und eine Serie von furchtbaren Auseinandersetzungen
über Christus hervorbrachte. Sobald der Anfang und Beginn Jesu nicht
mehr bei seiner Zeugung zu finden war, gab es wilde Spekulationen, die
Einheit der Gottheit war bedroht und Jesus war nicht länger der „Mann
Messias“, der von der hebräischen Bibel vorhergesagt worden war. Eine
Rekonstruktion, die den Ausdruck „Sohn“ auf den menschlichen Christus
beschränkt, scheint eine feste Basis sowohl in der Geschichte der frühen
Gemeinde als auch in der Bibel selbst zu haben. Es ist ermutigend zu
sehen, dass William Temple ein authentischeres Verständnis der Natur
von Präexistenz bei Johannes unterstützt: „Die johanninische
Identifikation Christi mit dem „logos“ hatte in den Schriften des
Evangelisten ursprünglich bedeutet: ‚Du glaubst an ein einzelnes
Weltprinzip, doch du kennst dessen Charakter nicht; wir jedoch kennen es
– es wurde Fleisch in der Person Jesu von Nazareth.‘“14
Der verstorbene bekannte Bibelgelehrte F.F. Bruce scheint eine
Ansicht über Präexistenz gehabt zu haben, welche die Frage offenlässt, ob
in Joh. 1,1 der Sohn präexistierte. Er sagte: „In der Frage der Präexistenz
kann man zumindest die Präexistenz des ewigen Wortes oder der Weisheit
Gottes akzeptieren, die in Jesus zu Fleisch wurde. Doch ob einer der
neutestamentlichen Schreiber an die Existenz als „zweites göttliches
Wesen“ vor der Inkarnation glaubte, ist nicht so klar.“15
Die offene Frage von Bruce ist sehr aufschlussreich. Wenn tatsächlich
kein neutestamentlicher Schreiber glaubte, dass der Sohn Gottes ein
präexistentes zweites göttliches Wesen war, so kann man schlussfolgern,
dass kein Schreiber des Neuen Testamentes an die Trinität glaubte.

Photinus und die Photinianer


Einwände gegen die Präexistenz Jesu erfolgten wieder im vierten
Jahrhundert durch den Bischof Photinus von Sirmium. Sein Verständnis
Jesu war vielleicht mit jenem von Paulus von Samasota identisch.
Photinus behauptete, dass die Sohnschaft Jesu bei seiner übernatürlichen
Zeugung begonnen habe. Etliche Konzile verdammten ihn für seine
Aussage, der Sohn habe vor seiner Zeugung in Maria nur in der
Vorhersehung und im Ratschluss Gottes präexistiert. Der

14
Foundations, 227
15
Aus Korrespondenz, 13. Juni 1981
Der Konflikt über die Trinität 231

Kirchenhistoriker Sozomen beschrieb Photinus als jemanden, der


anerkannte, dass „es Einen Gott, den Allmächtigen, gibt, durch dessen
Wort alle Dinge gemacht wurden.“ Doch Photinus wollte nicht zugeben,
dass „die Zeugung und Existenz des Sohnes vor allen Zeitaltern gewesen
war; im Gegenteil, er behauptete, dass Christus sein Dasein von Maria
erlangte.“ Die Tradition, welche die wörtliche Präexistenz des Sohnes
leugnete, überlebte in Spanien und im südlichen Gallien mindestens bis
zum siebten Jahrhundert. Die Photinianer wurden ebenso wie die
Anhänger des Bischofs Bonosus, der die Präexistenz Christi leugnete,
durch die Synode von Toledo im Jahre 675 als Häretiker verdammt.16

Michael Servetus und Adam Pastor


Der Spanier Michael Servetus (1511-1553) war einer der
sprachgewandtesten Vertreter der antinizänischen Christologie. Seine
grundlegende These war, dass der Fall der Kirche von der katastrophalen
Einmischung Konstantins in die Angelegenheiten der christlichen Lehre
am Konzil von Nizäa herrührt. Er argumentierte, dass die Annahme Jesu
als messianischer Sohn Gottes die Grundlage für eine rekonstruierte
Christologie sein sollte. Er behauptete, der Sohn sei bei seiner Zeugung in
Maria in Existenz gekommen. Er wies auch alle Rede von einer
„vorweltlichen ewigen Zeugung“ des Sohnes als philosophische
griechische Spekulation zurück. Er sah den Heiligen Geist als Kraft und
Persönlichkeit Gottes, die sich zur Welt hin ausstreckt, und nicht als
eigenständige Person der Gottheit. Servetus betonte, den Sohn könne man
nur in Anbetracht der Absicht Gottes, diesen zu einem späteren Zeitpunkt
in der Geschichte zu zeugen, als ewig betrachten.17 Wie gut bekannt ist,
musste Servetus für seine „häretische“ Christologie mit seinem Leben
bezahlen. Er wurde auf Antreiben der römisch katholischen Kirche und
des Reformators Johannes Calvin am 27. Oktober 1553 an einem Pfahl in

16
Siehe M.M. Mattison, „Biblical Unitarianism form the Early Church Through
the Middle Ages“, A Journal from the Radical Reformation: A Testimony to
Biblical Unitarianism 1( Winter 1992), 4-13. Ein Reichtum an Information alle
Aspekte die trinitarische Kontroverse betreffend kann in diesem Journal gefunden
werden, das von 1991 bis 2000 publiziert wurde. Zurückliegende Ausgaben
können unter der US-amerikanischen Telefonnummer 800-347-4261 bezogen
werden. Weitere Quellen können unter www.restorationfellowship.org gefunden
werden.
17
G.H. Williams,The Radical Reformation (Philadelphia: Westminster Press,
1962), 271,322, 333
232 Der Konflikt über die Trinität

Genf verbrannt. Diese tragische Episode ist eine schreckliche Erinnerung


an die furchtbare Gewalt und an den fehlgeleiteten Eifer, welche einige
der bedeutenden Kreise der bekennenden Christenheit kennzeichneten.18
Die Frage der Präexistenz war auch eine wichtige Sorge der
holländischen Anabaptisten des sechzehnten Jahrhunderts in der
Auseinandersetzung zwischen Menno Simons und einem Anabaptisten
namens Adam Pastor (ca. 1500-1570). Als früherer Mönch, mit
bürgerlichem Namen Rodolf Martens, war Pastor ohne Zweifel „der
brillianteste Mann und Gelehrte der gesamten anabaptistischen Gemeinde
seiner Zeit.“19 Die Christologie Pastors nimmt die zeitgenössische Frage
nach der Natur der Präexistenz vorweg. Eine ähnliche Christologie
entwickelte sich in den Werken der holländischen Theologen des 20.
Jahrhunderts, Hendrikus Berkhof und Ellen Flessemann.20 Pastor widerrief
den orthodoxen Trinitarismus im Jahre 1547 in Emden und wurde von
Simons und Obbe Philips sofort exkommuniziert. Wie wir von Pastors
„Difference Between True Doctrine and False Doctrine“21 sehen,
leugnete er die Präexistenz Christi. Es ist nicht verwunderlich, dass
Sandius und andere polnische antitrinitarische Autoren sich auf Pastor als
„den Mann in unserem Heimatland, welcher der erste und fähige
Schreiber in dieser Richtung war“ beziehen – d.h. in der Richtung, dass
das „Wort“ in Joh. 1,1 keine Person, sondern Gottes personifiziertes Wort
und Wille ist.22 H.E. Dosker bemerkt: „Wenn wir Adam Pastor lesen, so
müssen wir unsere Augen reiben, um zu sehen, ob wir wachen oder
träumen. Was er uns zu sagen hat, ist so verwunderlich modern, dass es
den Leser verblüfft. Und wir wachen auf und sehen, dass nicht alles
Moderne....modern ist.“23

18
Für nähere Details über Calvins Behandlung von Michael Serevtus siehe R.H.
Bainton, Hunted Heretic: The Life and Death of Michael Servetus (Beacon Press,
1953) und Stefan Zweig, The Right to Heresy (Das Recht der Häresie) (Beacon
Press, 1951)
19
H.E. Dosker, The Dutch Anabaptists (Judson Press, 1921),58
20
Siehe Hendrikus Berkhof, Christian Faith (Grand Rapids: Erdmans, 1979) und
Ellen Flesseman, A Faith for Today, übers. v. J.E. Steely, (Association of Baptist
Professors of Religion, Box A, Mercer University, 1980)
21
Unterscheit tusschen rechte und falsche leer (Bibliotheca Reformatoria
Nederlandica),5:315-581
22
Dosker, The Dutch Anabaptists, 163
23
Ebenso,93
Der Konflikt über die Trinität 233

Pastor sieht die Lehre Mennos und Melchior Hoffmans, dass das Wort
nur durch Maria durchging, ohne mit ihrem Körper in Berührung zu
kommen, sehr kritisch. Das würde Maria zu einer Art Ersatzmutter
machen, die Jesus nicht eigentlich empfing, wie es die Schrift sagt. Eine
derartige Christologie kann kaum der Anschuldigung des Doketismus und
Gnostizismus entkommen. Pastor bestehet darauf, dass Christus ein
wahrer Mensch und ein Nachkomme Abrahams war, der übernatürlich
empfangen wurde. Seine Ansicht scheint gut mit dem übereinzustimmen,
was Raymond Brown bei Lukas und Matthäus sieht. Es ist sicher, dass ein
Jahrhundert später die polnischen Anabaptisten Adam Pastor als den
ersten Mann bezeichneten, der ihre Anschauung über Präexistenz klar
artikuliert hatte. Ohne Zweifel nahm Adam Pastor die moderne
Diskussion über das Mensch-Sein Jesu vorweg, wenn er das „logos“ nicht
als präexistente Person sah, sondern als die sich selbst ausdrückende
Aktivität Gottes, der Seine Energie in der Schöpfung ausdrückt, indem Er
Wahrheit offenbart und den Messias zeugt.24

John Biddle, Vater der englischen Antitrinitarier


John Biddle (1615-1662) wurde in Klassik und Philosophie in Oxford
ausgebildet und unternahm eine „unvoreingenommene Untersuchung der
Schrift“, nachdem er die überlieferte Lehre der Kirche zu hinterfragen
begonnen hatte. Von 1641 bis 1645 war Biddle Direktor der Crypt School
in Gloucester. Während dieser Zeit führte ihn sein Studium des Neuen
Testamentes dazu, dass er mit der Lehre der Trinität unzufriedener wurde.
Die Sache war von solch ernsthafter Natur, dass Beamte einen Befehl, ihn
zu inhaftieren, erließen. Nach einer Debatte mit dem Erzbischof Ussher
(berühmt durch die Chronologie) fasste Biddle das Resultat seiner Studie
des frühen Christentums zusammen: „Die Väter der ersten zwei
Jahrhunderte, als das Urteilsvermögen der Christen noch frei und nicht
den Beschlüssen der Konzile unterworfen war, stimmten zu, dass der
Vater der Eine Gott ist.“
Biddle bedauerte, dass die griechische philosophische Sprache „sich
durch die Spitzfindigkeit Satans in den Köpfen der Platonisten entwickelt
hatte, um die Anbetung des wahren Gottes zu pervertieren.“ Das

24
Für einen vollständigeren Bericht über Adam Pastor, siehe A.H. Newman,
„Adam Pastor, Antitrinitarier, Antipaedobaptist“, in Papers of the American
Society of Church History (G. Putnam’s Sons, 1917), 2nd series,5:98. Auch
Anthony Buzzard, „Adam Pastor: Antitrinitarian, Anabaptist“,A Journal from the
Radical Reformation‘ 3:3 (Frühling 1994), 23-30
234 Der Konflikt über die Trinität

Parlament verlor keine Zeit und ordnete an, Biddles Bücher zu


verbrennen. Im Jahre 1648 erließ die britische Regierung einen Beschluss,
der die „drakonische Verordnung“ für die Anwendung der Todesstrfae bei
„Blasphemien und Häresien“ genannt wurde und gegen den Anspruch
Biddles gerichtet war, die Lehre der Trinität führe „drei Götter ein und
würde so die Einheit Gottes, die in der Schrift so oft ausgedrückt wird,
untergraben“. Das Athanasianische Bekenntnis ist keine Antwort auf
dieses Problem: denn wo gibt es jemanden (der wenigstens seinen
Verstand in seiner Religion gebrauchen darf), der nicht einsieht, dass es
lächerlich ist zu behaupten, Petrus sei ein Apostel, Jakobus ein Apostel
und Johannes ein Apostel – und dennoch seien es nicht drei Apostel,
sondern nur einer?“
Im Jahre 1655 wurde Biddle in die Newgate Prison eingeliefert, weil
er „öffentlich geleugnet hatte, Jesus sei der Allmächtige und Allerhöchste
Gott.“
Unterstützer Biddles waren schnell mit der Behauptung zur Hand, alle
Christen müssten bei dem Versuch des Parlaments, den Antitrinitarismus
zu unterdrücken, als des Todes schuldig angesehen werden, denn „wer
sagt, dass Christus gestorben ist, sagt, dass Christus nicht Gott war, denn
Gott kann nicht sterben. Dennoch sagt jeder Christ, Christus sei gestorben,
und deswegen sagt auch jeder Christ, Christus ist nicht Gott.“
Eine Petition, Biddle freizulassen, beschrieb ihn als „einen Mann, der,
obwohl er sich in vielen großen Fragen des Glaubens von uns
unterscheidet, doch bedingt durch seine sorgfältige Studie der Heiligen
Schriften, seine sachliche und friedliche Diskussion, die einige von uns
gut kennen, es wirklich wert ist, die Freiheit, die ihm zugesichert wurde,
zu erlangen.“
Obwohl er erst 47 Jahre alt war, hatte Biddle bereits fast 10 Jahre
seines Lebens für sein Beharren, dass Gott eine einzige Person ist, im
Gefängnis verbracht. Er starb im Jahre 1662 in Gefangenschaft, „ein
Opfer eines odium theologicum (theologischen Hasses) und der
schmutzigen Verhältnisse des Ortes, an dem er gefangengehalten wurde.“
Ein verständnisvoller Biograph schrieb von Biddles „großem Eifer für
Heiligkeit im Leben und in den Sitten; denn das war immer seine Absicht
Der Konflikt über die Trinität 235

und der Sinn seiner Lehre. Er sah seine Lehren nicht für die Theorie,
sondern für die Anwendung in der Praxis an.“25

John Milton, Sir Isaac Newton, John Locke


Der gefeierte britische Dichter John Milton (1608-1674) ist der
Öffentlichkeit weniger wegen seines Werkes Treatise on Christian
Doctrine bekannt. Der Inhalt ging für die Öffentlichkeit für die Dauer von
150 Jahren nach seinem Tod verloren. Es wurde im Jahr 1823 neu
entdeckt und diese Abhandlung (engl. treatise) zeigte Miltons biblische
Argumente gegen den orthodoxen Trinitarismus. Milton wünschte sich
nur:

„das Resultat meiner Suche der Welt mitteilen zu dürfen; wenn ich es darf,
so ist Gott mein Zeuge, dass ich es mit einem freundlichen und wohlwollenden
Gefühl der Menschheit gegenüber tun will, dass ich gerne so weit wie möglich
weitergebe, was ich als meinen besten und reichsten Besitz ansehe und ich auf
eine ehrliche Antwort von allen Parteien hoffe........auch wenn manche Sachen
ans Licht gebracht werden, die von gewissen überlieferten Meinungen
abweichend angesehen werden“.

Er fährt mit der Bitte an alle „Liebhaber der Wahrheit“ fort, dass sie
alle Dinge im Licht der Schrift „beweisen“. Sein einziger Wunsch ist es,
die Bibel gegen die Tradition zu verteidigen:

„Für meinen Teil, ich hänge allein den Heiligen Schriften an – ich folge
keiner anderen Häresie oder Sekte. Ich hatte noch nicht einmal die Werke der
sogenannten Häretiker gelesen, als die Fehler derjenigen, die als orthodox
angesehen werden, und auch deren unachtsame Behandlung der Schrift mich
lehrten, mit ihren Gegnern übereinzustimmen, wenn diese Gegner mit der Schrift
übereinstimmten“.26

Milton baut seinen Antitrinitarismus auf die ausdrücklich unitarischen


Glaubenssätze des Neuen Testaments auf. Seine Argumente sind durch
eine knappe Logik gekennzeichnet, durch detaillierte Kenntnis der
biblischen Sprachen und eine Frustration gegenüber den traditionellen

25
Die Information über diesen Abschnitt wurde von H.J. McLachlans
Socinianism in Seventeenth Century England (Oxford University Pess, 1951),
163-217, entnommen
26
John Milton, Treatise on Christian Doctrine (London: British and Foreign
Unitarian Association, 1908),x, xi
236 Der Konflikt über die Trinität

Versuchen, das unitarischen Bekenntnis von Paulus – „es gibt keinen


Gott, außer dem Vater“: „Es ist wunderbar, mit welch nutzlosen
Spitzfindigkeiten, oder besser, mit welchen Jonglierkünsten, gewisse
Leute versucht haben, die einfache Bedeutung dieser Abschnitte
auszuschließen oder zu verschleiern“.27
Milton ist mit der Fülle der trinitarischen Argumente vertraut und
seine Antwort stellt einen unbezahlbaren Beitrag zur zeitgenössischen
Diskussion dar.
Sir Isaac Newton (1642-1727) und John Locke (1632-1704) werden
als herausragende Geister des siebzehnten Jahrhunderts angesehen.
Gemeinsam mit Milton protestierten sie gegen die Schöpfung von
Mystizismen, die in der Bibel nicht gefunden werden können. Ihre
Argumente sind „äußerst logisch und von gesundem
Menschenverstand“. Beide beharrten darauf, das Wesentliche am
28

Christentum sei Jesus als den Messias und nicht als Gott anzusehen.29

Die zeitgenössische Diskussion über Präexistenz


Die Frage nach der Präexistenz war der Mittelpunkt des Essays von
John Knox über die Menschlichkeit und Göttlichkeit Christi. Sein
wichtigstes Argument ist, dass „die Behauptung der Präexistenz Christi
eine Spannung auf das Mensch-Sein Jesu bewirkt hat, die sie unmöglich
aushalten konnte“.30 Er fährt fort zu behaupten, dass das Mensch-Sein
Christi im Johannesevangelium „im formalen Sinn unzweideutig und stark
versichert wird, es aber tatsächlich durch die von allen Seiten umgebende
Göttlichkeit so verändert wurde, dass es nicht länger als Mensch-Sein im
herkömmlichen Sinn erscheint.“ Mit diesen Worten reflektiert er seine
Einwände gegen das Portrait Jesu bei Johannes. Aber widerspricht sich
Johannes wirklich selbst? Nur dann, wie wir zugeben, wenn er von den
späteren Glaubensbekenntnissen interpretiert wird. Knox setzte die
Bedingungen der Diskussion fest, die mit besonderem Interesse für die
Christologie des Johannes und die Natur von Präexistenz weitergeführt
wurde. Wenn Johannes wirklich gelehrt hätte, dass Jesus persönlich als

27
Ebenso, 20
28
Christopher Hill, Milton and the English Revolution (New York: Viking
Press,1977), 286, 296
29
Siehe Lockes The Reasonableness of Christianity as Delivered in the
Scriptures (1695)
30
John Knox, The Humanity and Divinity of Christ (Cambridge University Press,
1987), 53
Der Konflikt über die Trinität 237

Sohn präexistiert hatte, würde das nicht sofort sein wahres Mensch-Sein
leugnen? Knox ist davon überzeugt: „Wir können Mensch-Sein ohne
Präexistenz haben und wir können Präexistenz ohne Mensch-Sein haben.
Aber es gibt absolut keinen Weg, beides gleichzeitig zu haben“.31 Knox
sagt, „es sei einfach unglaublich, dass eine göttliche Person eine völlig
normale menschliche Person wird- das heißt, wenn er auch weiterhin in
seiner essentiellen Identität die gleiche Person bleibt“.32
Das traditionelle Bild von Jesus als die Inkarnation des präexistenten
Sohnes Gottes ist ein schwieriges Problem für Knox. Er sieht das
orthodoxe Christentum als „halbes Märchen und halbes Dogma an, eine
Zusammensetzung aus Mythologie und Philosophie, von Poesie und
Logik, genauso schwierig zu verteidigen, wie zu verstehen.......das betrifft
die gesamte patristische Christologie (und so auch die formelle
Christologie, die uns überliefert wurde).“33
Diese Angelegenheiten wurden in neuerer Zeit von einer Anzahl
bekannter Theologen angesprochen und es zeigte sich, dass das alte
Problem der Natur des göttlichen und menschlichen Jesus genauso
lebendig und aktuell ist wie zuvor.
Knox sieht die Entwicklung in Richtung eines präexistenten Jesus als
Verzerrung, die, ob es uns gefällt oder nicht, eine Leugnung der
vollständigen Wirklichkeit des Mensch-Seins Jesu mit sich bringt. Er
zeigt, dass die Proteste der Kirchenväter, ihr Jesus sei menschlich, wenig
überzeugend sind, weil „es gibt, bei Worten ebenso wie bei Dingen,
Möglichkeiten, mit einer Hand das zurückzuholen, was man mit der
anderen gerade hergegeben hat. Man kann das Mensch-Sein als formalen
Akt bestätigen und dann fortfahren, es so zu definieren oder darzustellen,
dass seine Wirklichkeit in jedem normalen Sinn geleugnet wird.“34
In dieser Meinung wird er von Norman Pittenger unterstützt, der
folgende wichtige Beurteilung über patristische Christologie abgibt,
welche ihre Inspiration hauptsächlich durch das Johannesevangelium
bekam:

„Meiner Einschätzung nach ist eine grundlegende Schwierigkeit der


Christologie des patristischen Zeitalters jene, dass sie zwar in Worten dem
Mensch-Sein Jesu Christi zustimmte, aber dann tatsächlich das Mensch-Sein

31
Ebenso, 106
32
Ebenso, 98
33
Ebenso, 98, 99
34
Ebenso, 62
238 Der Konflikt über die Trinität

nicht mit genügendem Ernst betrachtete....(Interessanterweise nimmt er Paulus


von Samaosata von seiner Kritik aus). Die Tendenz des christologischen Denkens
in der Strömungsrichtung des sogenannten „orthodoxen“ Glaubens hatte auf der
Seite der Göttlichkeit Christi weit mehr Gewicht als auf jener seines Mensch-
Seins.35 Die orthodoxe Christologie, sogar nach der Zügelung der Exzesse der
alexandrinischen Lehre im Jahr 451 am Konzil von Chalcedon, tendierte in
Richtung eines unpersönlichen Mensch-Seins, welches meiner Meinung nach
kein wahres Mensch-Sein ist.“36

Das scheint genau das Problem zu sein. Doch Knox liegt falsch, wenn
er Johannes dafür verantwortlich macht, diese Verzerrung hervorgerufen
zu haben. Johannes trägt keine Schuld an einem solchen Verbergen des
Mensch-Seins Jesu. Vielmehr liegt das Problem bei dem Missverstehen
des „logos“ bei Johannnes auf Seiten der nizänischen Kirchenväter und
einigen ihrer Vorgänger und deshalb auch das Missverstehen der
Bedeutung von Präexistenz. Die spätere offizielle Formel, dass Jesus
„Mann“ gewesen sei, aber nicht „ein Mann“ (sie wird bis heute im
Trinitarismus gefunden), spiegelt die Absicht von Johannes keinesfalls
wider, denn es gibt keine Möglichkeit, „Mensch“ zu sein, ohne „ein
Mensch“ zu sein. 37

35
Vgl. Thomas Hart, To Know and Follow Jesus, bes. 44-48
36
The Word Incarnate (Nisbet, 1959), 89
37
Vgl. die Bestürzung von A.T. Hanson, als er darüber nachdachte, was er am
Seminar über die orthodoxe Definition Jesu gehört hatte: „Während meiner
theologischen Ausbildung wurde ich gut über die traditionelle Anschauung der
Inkarnation Gottes in Jesus Christus unterrichtet. Ich kann mich genau erinnern,
dass mir gesagt wurde, das Wort Gottes nahm unpersönliches Mensch-Sein an,
als es Mensch-Sein annahm; dass Jesus keine menschliche Persönlichkeit besitzt;
dass Gott in Christus Jesus Mensch wurde, aber nicht ein Mensch....zwei
Überlegungen haben mich davon überzeugt, dass diese traditionelle Christologie
unglaubwürdig ist“ (Grace and Truth: A Study in the Doctrine of the Incarnation
London: SCPK, 1975,1)
Eine ebensolche Verwirrung wird von Oliver Quick in Doctrines of the
Creed ausgedrückt (Nisbet, 19938): „Wenn wir bekräftigen, dass Jesus eine
menschliche Person ist, so werden wir zwangsläufig zu einer unmöglichen
Annahme einer doppelten Persönlichkeit des fleischgewordenen Sohnes Gottes
getrieben oder aber in die Annahme des liberalen Flügels des Protestantismus, die
wir als unpassend empfinden. Wenn wir leugnen, dass Jesus eine menschliche
Person war, so leugnen wir dadurch sein vollständiges Mensch-Sein und werden
des Apollinarianismus verurteilt. Dr. Raven (siehe sein Buch Apollinarianismus)
macht geltend, dass die meisten, die in der katholischen Kirche mit der
Der Konflikt über die Trinität 239

Im Licht diese Überlegungen ist es nicht schwer zu sehen, dass die


Anschuldigung des Doketismus sehr wohl auf die orthodoxe Definition
Christi angewandt werden kann. Wenn menschlich sein bedeutet, ein
Mensch zu sein und die Orthodoxie sich scheut zu sagen, Jesus sei „ein
Mann“, dann sollte diese Kritik vielleicht angenommen werden. Aber
verlangt nicht Johannes, dass wir an den präexistenten „Gott, den Sohn“
glauben? Viele glauben es und haben an der orthodoxen Definition von
Präexistenz festgehalten, trotz einer gefährlichen Annäherung an den
„Apollinarianismus“ (eine Häresie, die das Mensch-Sein Jesu leugnet).
Die neuen Arbeiten von drei führenden Gelehrten zeigen nicht nur die
akute Natur des Problems, sondern schlagen auch eine Lösung des
Problems vor – eine Lösung, die nicht neu ist, obwohl von modernen
Autoren selten der Ruhm denen gegeben wird, die in früheren Zeiten
bereits in diese Richtung gewiesen hatten. Diese Lösung folgt einer
Auslegung von Johannes, wie wir sie weiter vorne vorgeschlagen haben.

James Dunn und James Mackey


James Dunn untersuchte in einer weitläufigen Studie die Frage der
Inkarnation (und so auch der Trinität) im Neuen Testament. 38 Er sieht die
traditionelle Meinung nur im Johannesevangelium und argumentiert, dass
Paulus und die anderen neutestamentlichen Schreiber an die Präexistenz
nur in einem gedanklichen oder ideellen Sinn denken und deshalb nicht an
einen präexistenten Sohn glauben. Ein wichtiger Beitrag zu dieser
Diskussion wurde im Jahr 198339 von James Mackey gemacht. In einem
Kapitel, welches er „Das Problem der Präexistenz des Sohnes“ nennt,
wundert er sich, wie etwas sich selbst präexistieren kann „was genau,
entsprechend diesem Ausdruck (präexistieren), präexistiert was genau,
und im welchem Sinn tut es das.“ Er schreibt, dass genau diese Fragen zu
den Schwierigkeiten führten, die sich in der traditionellen
Inkarnationschristologie und der trinitarischen Theologie ergeben. Er
bemerkt, dass Exegeten „oftmals im Lauf ihrer sehr professionellen Arbeit

Doktorswürde geehrt wurden, apollinarisch waren, obwohl sie Apollinarius


verurteilten (178). Vgl. Norman Pittengers Beobachtung, dass „Chalcedon es
verabsäumt hat zu verhindern, dass eine Form des Apollinarianismus die
Orthodoxie des Mittelalters wurde“ (The Word Incarnate“,102)
38
Christology in the Making
39
The Christian Experience of God as Trinity (London: SCM Press, 1983)
240 Der Konflikt über die Trinität

die unwissenden Opfer von sehr dogmatischen (das heißt auch


unkritischen) Annahmen sind.“ 40
Mackey versucht, den wahren Ursprung des Ausdrucks „Präexistenz“
in Verbindung mit Christus zu finden und bemerkt, dass Gelehrte oftmals
diese in Abschnitte hineinlesen, von denen traditionellerweise behauptet
wird, sie enthielten diese. In den synoptischen Evangelien jedoch, so sagt
er, beinhaltet der Ausdruck „Sohn Gottes“ keinesfalls den Sinn eines
„präexistenten Sohnes“, sondern er passt genau zu der alttestamentlichen
Bezeichnung des Königs von Israel als Sohn Gottes. Er ist der Meinung,
dass „der logische Weg zur behaupteten Präexistenz ein qualvoller ist.“ 41
Erstens: die erhalten gebliebenen jüdischen Quellen deuten nur auf eine
„gedankliche Präexistenz des Messias insoweit hin, als sein Name, d.h.
sein Wesen und seine Natur, der Erschaffung des Lichtes durch Gott am
ersten Tag der Schöpfung vorausging....In der jüdischen Denkweise
berührt die himmlische Präexistenz des Messias nicht seine menschliche
Natur“.42
Weiters ist diese Art von Präexistenz:

„Teil und Inhalt des geoffenbarten Modells in der menschlichen Vorstellung,


durch das Gott, der nicht an unsere Zeit gebunden ist, seit Ewigkeit und bevor
irgend etwas anderes geschaffen worden war, den Einen im Sinn hatte, welcher
der Schlüssel zu allem Dasein ist, der alles zur Vollendung bringen sollte und für
den (in dem, durch den) also alles geschaffen wurde, wie man sagen kann.“43

Mackey fährt fort, indem er die wichtige Bemerkung macht, dass die
Beschreibung Jesu bei Johannes als monogenes (einzigartig) nicht das
unigenitus (einzig gezeugt) der Vulgata in sich trägt, obwohl Jesus der
einzige Sohn war. Es bedeutet vielmehr, dass er unter anderen seiner Art
einzigartig war. Er zitiert Schillebeeckx, welcher sagt, dass das Adjektiv
bei Johannes uns „keine Basis in der johanninischen Theologie für die
spätere scholastische Theologie des Hervorströmens des Sohnes aus
demVater innerhalb der Trinität, per modum generationis (durch Geburt),
gibt.“44 Auf dieser Tatsache beruhend ist die Bestätigung dieser These,
dass Johannes nicht über die „Konzeptionschristologie“ von Lukas

40
Ebenso, 51
41
Ebenso, 56
42
Ebenso, 56, 57
43
Ebenso, 57
44
Ebenso, 59
Der Konflikt über die Trinität 241

hinausgeht, gesichert, weil die Sohnschaft bei Johannes trotz der


patristischen Ansicht nirgends eine Sohnschaft in Ewigkeit einschließt.
Noch mehr, Mackey behauptet, es sei nicht nötig, das „Wort“ des
Johannes anders zu lesen als in dem Sinn, wie jüdische „Weisheit“ bereits
gelehrt wurde, nämlich als präexistenter Plan Gottes. „Dieses ‚Wort‘ war,
ebenso wie die Weisheit (Spr. 8,30), am Anfang mit Gott und durch es
(nicht ihn) wurde alles gemacht.“45 Wiederum unterstützt ihn
Schillebeeckx. „Das Johannesevangelium spricht von Jesus von Nazareth,
als dieser auf der Erde erschien.“46 Mackey fügt hinzu, dass die
„Niederkommenssprache“ (d.h. Jesus „kam vom Himmel hernieder“) bei
Johannes nicht den Glauben an wörtliche Präexistenz beinhaltet. Vielmehr
wollte Johannes sagen, dass Jesus die endgültige Offenbarung von Gottes
Natur ist. Sogar der eindrucksvollste Anspruch Jesu „bevor Abraham war,
bin ich“, deutet nicht auf ein bewusstes vormenschliches Leben hin,
sondern auf seine absolute Wichtigkeit im göttlichen Plan, besonders sein
messianisches Amt, wie es von Abraham vorhergesehen wurde. Mackey
schließt mit einer starken Feststellung:

„Wenn wir noch etwas Respekt für das übrig haben, was wir allzu oft und zu
schnell als normative Rolle der Schrift bezeichnen, dann dürfen wir einfach nicht
vorgeben, dass uns die Schrift irgend eine wirkliche Information über eine zweite
göttliche „Person“ oder hypostasis gibt, die sich sowohl von Gott, dem Vater als
auch von dem historischen Jesus, bevor dieser geboren wurde oder bevor ‚die
Welt gemacht wurde‘, unterscheidet.“47

Dies ist eine starke Warnung, dass die traditionelle trinitarische Lehre
nicht in der Bibel gefunden wird.

John A.T. Robinson


Die alte Frage der Präexistenz und besonders auch die Frage, ob
Johannes uns zu verstehen geben möchte, dass Jesus ein persönlich
präexistierendes göttliches Wesen war, wurde in der Zeitschrift Theology
heftig diskutiert.48 Die Diskussion begann mit einem Briefwechsel
zwischen James Dunn und Maurice Wiles. Die kritischen Fragen, die sich

45
Ebenso
46
Ebenso
47
Ebenso, 64
48
85 (März und September 1982). Für eine äußerst nützliche Zusammenfassung
der neueren Diskussion s. Klaas Runia, The Present-Day Christological Debate.
242 Der Konflikt über die Trinität

aus diesem Dialog ergaben, wurden in den nachfolgenden Kommentaren


von Robinson diskutiert.49
Robinson begann, indem er beobachtete, dass Wiles und Dunn darin
übereinstimmten, dass im Neuen Testament nur Johannes Jesus so
präsentiert, als habe er eine vormenschliche Präexistenz. Wiles sieht dies
als eine folgenschwere christologische Entwicklung an, welche das
Mensch-Sein Jesu unterminiert und so die Anklage des Doketismus
herausfordert. Robinson führt aus, dass Johannens in den Briefen ganz
stark gegen jede Annahme argumentiert, Jesus sei etwas anderes als ganz
Mensch – „im Fleisch gekommen“. Das führt Robinson dazu, mit Wiles
und Dunn übereinzustimmen, dass Johannes in seinem Evangelium
möchte, dass wir Jesus als präexistentes göttliches Wesen verstehen. So
wiederholt die Diskussion das Problem, welches von Paulus von Samosata
und später von einigen Anabaptisten, vor allem in Polen, aufgeworfen
wurde.
Robinson stellt die Frage, ob wir Johannes so lesen, wie dieser es
wollte. Nähern wir uns nicht vielleicht Johannes mit Brillen, die von
späteren patristischen Entwicklungen in der Christologie gefärbt sind?
Indem er Dunns eigene Warnung verwendet, drängt uns Robinson dazu,
die Worte des Johannes so zu verstehen, wie sie seine ursprünglichen
Leser verstanden hätten. Robinson erinnert Dunn, dass dieser auch
zugegeben hatte, dass für Paulus Jesus der Ausdruck von Gottes Weisheit
war, „der Mann, der die Weisheit wurde“.50 Dunn hatte zugestanden, dass
nicht einmal Johannes 1,14 eine solide Grundlage für die traditionelle
Lehre der Inkarnation darstellt. Tatsächlich zeigt sie den „Übergang von
der impersonalen Personifikation zur tatsächlichen Persönlichkeit“ an.51
Damit stimmt Robinson überein. Weiters stimmen sowohl Dunn als auch
Robinson überein, dass das „Wort“ bei Johannes der personifizierte
Ausspruch Gottes ist und keine göttliche Person, die sich von Gott
unterscheidet. Erst bei der Zeugung Jesu wird das „Wort“ personalisiert,
was von „personifiziert“ unterschieden werden muss.
Robinson konnte dennoch mit Dunn nicht übereinstimmen, dass „die
Präexistenz des Wortes als Person mit Gott überall (im Evangelium)
bestätigt wird“.52 Er fordert uns auch auf, unser Verständnis des
präexistenten Wortes, sogar im Johannesevangelium, auf „Aussage
49
„Dunn on John“, Theology 85 (Sept.1982), 332-338
50
Christology in the Making, 212
51
Ebenso, 243
52
Ebenso, 250
Der Konflikt über die Trinität 243

Gottes“ und auf „Seine Kraft und Seine Absicht“, zu beschränken. Der
Punkt ist einfach folgender: Wir sollten die Verschiebung im Verständnis
des „Wortes“ bei Johannes von Gottes Selbst-Ausdruck zu dem
Gedanken, es meine eine präexistente göttliche Person, als außerhalb des
Neuen Testaments liegend sehen. Johannes sollte für diese Verschiebung
nicht verantwortlich gemacht werden. Sie passierte am
Johannesevangelium, als es von frühen gnostischen Tendenzen
fehlinterpretiert wurde und das eine Prägung auf die patristische
Theologie hinterließ. Es passiert nicht im Johannesevangelium. Robinson
glaubt, dass das „Wort“, welches theos war („Gott“ Joh. 1,1) Gottes Plan,
Zweck und Charakter vollständig ausdrückte. Dieses „Wort“ wurde
gänzlich in einer menschlichen Person verkörpert, als es Fleisch wurde
(Joh. 1,14). Jesus ist demnach das, was das Wort wurde. Er kann nicht
eins-zu-eins mit dem präexistenten Wort identifiziert werden, als ob er
selbst präexistiert hätte. Das mag als kleiner Unterschied erscheinen, aber
er hatte eine verheerende Bedeutung für die Entwicklung der Christologie.
Es war nicht so, dass das Wort eine Person war, eine hypostasis, die dann
auch die menschliche Natur annahm, sondern dass das „Wort“
„anhypostatisch“, impersonal, war, obwohl es Gott vollständig
ausdrückte, bis es zu einer individuellen historischen Person in Jesus
wurde. Jesus ist so eine völlig menschliche Person, die den Einen Gott für
die Menschheit „auslegt“ (Joh. 1,18).
Diese Lesart des Johannesevangeliums hat den riesigen Vorteil, die
Gefahren einer doketischen Präsentation Christi, sowie auch die
Polarisation zwischen Johannes und den Synoptikern, die nichts von
einem präexistenten Christus wissen, zu vermeiden. Weiters erlaubt es
auch dem Ausdruck „Wort“ seine alttestamentliche, jüdische Bedeutung
für „Zweck“, „Plan“ oder sogar „Verheißung“ beizubehalten. Jesus kann
als die Erfüllung der alten Verheißung an Abraham gesehen werden,
welche für Matthäus und Lukas so bedeutungsvoll ist. Jesus ist Gottes
aktiver Erlösungsplan, der durch eine menschliche Person ausgedrückt
wird. Die „Göttlichkeit“ Jesu wird nicht vermindert, denn „wer ihn
gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh. 14,9). Aber es ist „Göttlichkeit“
in einem anderen Sinn, als er in der trinitarischen Orthodoxie ausgedrückt
wird. Denn die Göttlichkeit ist Gottes aktive Arbeit in und durch einen
vollkommen hingegebenen Menschen. Jesus ist bei diesem Verständnis
nicht Gott im trinitarischen Sinn, sondern ein Mensch, der Gott
vollständig ausdrückt, Sein Vertreter für eine Versöhnung der Welt. Das
Wunderbare, was Gott getan hat, wird dann durch die Verherrlichung
244 Der Konflikt über die Trinität

eines völlig gehorsamen Menschen, der wahrhaftig genauso versucht


worden war wie wir, gesehen werden. Dieses Portrait harmonisiert mit
dem synoptischen Verständnis von Jesus. Darüber hinaus verhindert es die
Präsentation eines Jesus als weniger als ein vollständig menschliches
Wesen, das von Ewigkeit an selbst Gott gewesen war. Die Wahrheit wird
dann hervorkommen, dass Jesus „in der Gestalt Gottes“ war (Phil. 2,6)
und nicht selbst Gott war. „Gott war in Christus“ (2.Kor. 5,19), aber
Christus war nicht Gott.
Mit dieser tiefen Untersuchung der Schrift zeigt Robinson den Weg
zurück zum biblischen Bild von Jesus als das perfekte Spiegelbild seines
Vaters, als Christus, dessen vollständiger Gehorsam und dessen Opfer ihn
dazu berechtigen, wahrhaftig „Sohn Gottes“ zu sein. Es ist sehr zu
bedauern, dass Robinson dem Glauben an die übernatürliche Zeugung
Jesu, die bei Matthäus und Lukas das Wunder ausmacht, durch welches
der Eine Gott das Haupt der neuen Schöpfung, den sündlosen Messias,
den Sohn Gottes, hervorbrachte, nicht zustimmt.

Frances Young
Es ist leicht, mit jenen biblisch ausgerichteten Gelehrten zu
sympathisieren, die auf The Myth of God Incarnate antworteten.53 Es
schien, als würde an den Säulen des Christentums gerüttelt. Einige der
Proponenten dieser neuen Anschauung schienen sehr wenig vom Inhalt
der Bibel zu glauben. John Stott, der den Evangelikalismus vertritt,
wiederholt die orthodoxen Gründe, um an die völlige Göttlichkeit Jesu zu
glauben. Er besteht darauf, dass Jesus ganz Mensch war, aber er erklärt
uns nicht, wie das möglich ist, angesichts der Behauptung von Leo Tome
(gebilligt vom Zweiten Anglikanischen Artikel, 1563), dass der ewige
Sohn Gottes „Menschennatur“ angenommen hat. Viele haben das Gefühl,
dass ein Wesen, welches „Mann“ ist, ohne „ein Mann“ zu sein, weit
weniger menschlich ist als „der Mann Messias Jesus“ aus dem Bekenntnis
des Paulus (1.Tim 2,5). Stott gesteht zu, dass Jesus nicht herumging und
unmissverständlich erklärte, er sei Gott. Trotzdem hat die „Übertragung
von Gottes Titeln und Aussagen von Jahwe auf Jesus eine unvermeidliche
Bedeutung. Sie identifiziert Jesus als Gott“.54 Außerdem wird Jesus
angebetet, was beweist, dass er Gott ist.

53
Ed. John Hick (London:SCM Press, 1977)
54
The Authentic Jesus (Marshall, Morgan und Scott, 1985), 33
Der Konflikt über die Trinität 245

Frances Young war eine jener, die zu Myth of God Incarnate


beigetragen hatten. Es ist gerechtfertigt, in diesem Kapitel eine
Zusammenfassung ihres bemerkenswerten Essays „A Cloud of
Witnesses“ („Eine Wolke von Zeugen“) zu erwähnen, denn er
repräsentiert das Gefühl vieler, die für den biblischen Jesus gestritten
hatten, ohne der orthodoxen Christologie zuzustimmen. Professor Young
zeigt die Schwächen der traditionellen Sichtweise Jesu. Sie bedauert, dass
die Fülle der neutestamentlichen christologischen Einsichten durch das
Bekenntnis, er sei der fleischgewordene Gott, der Sohn, verschattet
wurden. Es gibt einen erfrischenden neuen Weg, das neutestamentliche
Zeugnis über Christus zu lesen: „Wenn wir es vermeiden, das Neue
Testament durch Brillen zu lesen, die durch spätere Lehren gefärbt sind,
so finden wir ein sich entwickelndes christologisches Bild – oder vielmehr
christologische Bilder – die sich von der späteren Orthodoxie sehr
unterscheiden.“55 (Jesus) war die Verkörperung aller Verheißungen
Gottes, die zur Erfüllung gebracht wurden. So eine Christologie
repräsentiert meiner Meinung nach die neutestamentliche Christologie
besser als die Idee der Inkarnation und sie war in der Tat der Keim von
mehr und mehr christologischen Ideen, weil das ganze Alte Testament als
in Christus erfüllt angesehen wurde.“56
Frances Young stellt das biblische Bild von Jesus, der als Gott tätig
ist, ohne Gott zu sein, wieder her: „Paulus nennt Jesus weder Gott noch
identifiziert er ihn an einer Stelle mit Gott. Es ist wahr, er tut das Werk
Gottes; er ist sicherlich Gottes übernatürlicher Vertreter, der durch Gottes
Initiative wirkt.“57
Der klare Blick der Autorin über die Unterscheidung zwischen Gott
und Jesus befähigt sie auch, die Fehler der Kirchenväter zu erkennen. Sie
ist nicht davon überzeugt, dass in der Entwicklung der Christologie „die
Fragen in einer richtigen Art gefragt wurden oder dass die richtigen
Antworten gefunden wurden.“58 Die Orthodoxie, die schließlich entstand,
wurde durch „mangelhafte Argumente und verzerrende Exegese“ 59
unterstützt. Jesus als fleischgewordenen Gott zu verstehen wurde durch
das vorherrschende philosophische Umfeld diktiert. Tatsächlich gibt es

55
The Myth of God Incarnate, 14
56
Ebenso, 19
57
Ebenso, 21
58
Ebenso, 23
59
Ebenso
246 Der Konflikt über die Trinität

erstaunliche Parallelen zwischen neoplatonischer triadischer Kosmologie


und der Trinität.
Sehr hilfreich ist auch Frances Youngs Kritik an der eingewurzelten
Idee, dass nur Gott selbst die Rettung für uns sichern kann und dass
deshalb Jesus Gott sein muss. Das Problem mit der orthodoxen
Anschauung ist, dass dem unveränderlichen Gott nicht Leiden,
Versuchung oder Tod möglich sind. Die Behandlung der Versuchung Jesu
bei Athanasius fällt unter die Rubrik Doketismus und führt zu seiner
offensichtich sinnlosen Schlussfolgerung, dass Jesus „litt ohne zu leiden“:
„die Vorstellung, dass während des Leidens des Körpers Jesu oder des
„Mannes Jesu“ am Kreuz das Logos irgendwie aus Sympathie mitlitt, weil
es „sein Körper“ oder „sein Mann“ war, obwohl es bedingt durch seine
Natur überhaupt nicht leiden konnte.“60
Dieser Essay liefert eine starke Widerlegung der beruhigenden
Ansicht, die Kirchenväter hätten das neutestamentliche Portrait Jesu
gewissenhaft weitergegeben. Ihr Philosophieren führte dagegen eher zu
den „blinden Verbündeten des Paradoxen, des Unlogischen und des
Doketismus.“61

George Carey
George Carey, der später Erzbischof von Canterbury wurde, erhob
sich zur Verteidigung der traditionellen Lehre der Inkarnation in God
Incarnate: Meeting the Contemporary Challenges to a Classic Christian
Doctrine. Die Stärke seiner Essays liegt in seinem gerechtfertigten Protest
gegen einige der Autoren von The Myth of God Incarnate, die Jesus mit
dem Interesse neu definieren, ihn dem modernen, wissenschaftlich
orientierten Menschen annehmbarer zu machen. Carey ist zu Recht durch
die Leugnung der Jungfrauengeburt Christi, seiner Sündlosigkeit und
seiner Auferstehung als objektiver Faktor der Geschichte, bestürzt. Die
Autoren von Myth unterminierten so die Kraft ihrer eigenen biblischen
Einwände gegen die orthodoxe Inkarnation. Ihre unglückliche
Ambivalenz bezüglich des Übernatürlichen, besonders die Auferstehung
betreffend, lenkte unweigerlich von den gut argumentierten Einwänden
gegen die Trinität ab. So schwenken die „Liberalen“ oftmals eine rote
Flagge gegen die „Konservativen“. Trotzdem kann ein „Liberaler“ in

60
Ebenso, 27
61
Ebenso, 29
Der Konflikt über die Trinität 247

seiner Untersuchung der Bibel objektiver sein, denn er ist weniger darauf
bedacht als ein „Konservativer“, ein traditionelles System zu verteidigen.
Es ist möglich, ganz fest so an Jesus zu glauben, wie Carey ihn
definiert, als „besonders, einzigartig mit Gott verbunden“,62 ohne den
Glauben zu haben, er sei Gott. Sogar Carey zögert, ihn vorbehaltlos Gott
zu nennen. Er zieht eine weniger direkte Beschreibung vor und bezeichnet
ihn als „in einer Art Gott“. 63 So ist der Weg für ein Verständnis Jesu
zwischen den Extremen einiger der Myth Exponenten und dem voll
entwickelten Trinitarismus geöffnet. Wenn die neue Christologie die
übernatürlichen Elemente des biblischen Bildes von Jesus bestätigen
würde und wenn Carey seine Schwäche der „Sendungssprache“ als
Beweis für die Präexistenz überdenken würde, so könnte eine
schriftgemäßere Christologie entstehen. Natürlich muss Jesus dem
apostolischen Vorbild nach als der einzige Weg der Errettung verkündigt
werden. Aber das Potential der Christen „erfüllt zu werden zur ganzen
Fülle Gottes“ (Eph. 3,19) sollte der Betonung der Orthodoxie auf die
„Fülle der Gottheit“ (Kol. 1,19; 2,9) in Jesus als Zeichen seines Gott-
Seins, die Waage halten.
Die Verteidigung Careys ist an manchen Stellen verwundbar. Wo ist
die biblische Unterstützung für den Anspruch des Glaubensbekenntnisses,
dass Jesus „vor allen Zeiten gezeugt wurde“, den Carey ohne Beweise
seitens des Neuen Testamentes bekräftigt? Und warum ist es klar, dass
Gottes „Sendung des Sohnes“ bedeutet, der Sohn sei vor seiner Zeugung
lebendig gewesen? Petrus hat keinen Gedanken der Prääexistenz im Sinn,
wenn er sagt, dass „Gott zuerst seinen Knecht erweckt hat und ihn gesandt
hat“, Israel zu predigen (Apg. 3,26). Jesus war beauftragt zu predigen und
wurde nicht aus einem vorherigen Leben gesandt. Es scheint, dass
Verantwortliche für die Standardlexika die Schwäche dieses Arguments
des Wortes „gesandt“ erkennen, aber der Druck, den Status Quo aufrecht
zu erhalten, die Ausleger drängt, sie zu übersehen.

Karl-Josef Kuschel
Im Jahre 1990 erschien in Deutschland aus dem Lager der römisch
katholischen Gelehrten eine lange Studie über die Präexistenz und die
Trinität: Geboren vor aller Zeit? Der Streit um Christi Ursprung (1990

62
God Incarnate: Meeting the Contemporary Challenges to a Classic Christian
Doctrine (InterVarsity Press, 1977), 7
63
Ebenso, 18
248 Der Konflikt über die Trinität

Piper Verlag, München. Engl. Ausgabe: Born Before All Time? The
Dispute over Christ’s Origin). Karl-Josef Kuschel untersuchte die
gegensätzlichen Christologien von Harnack, Barth und Bultmann und
unternahm dann seine eigene Analyse der Daten des Neuen Testaments.
Er stellt die richtigen Fragen: „Wird der historische Jesus wirklich ernst
genommen?“ und „Wurde die konkrete Bedeutung von ‚Fleisch‘ bei Barth
und Bultmann nicht zu einer bloßen Abstraktion?“64 Er wundert sich, ob
einer der Theologen, deren Einfluss so groß ist, in ihrem Portrait Jesu „das
Neue Testament wirklich richtig verstanden hat?“65 Es ist schockierend,
dass ein anderer deutscher Theologe, Wolfgang Pannenberg, sagte: „Barth
entwickelt seine Lehre von der Trinität nicht vordergründig auf der
Grundlage der exegetischen Tatsachen“ und so den Ausspruch von Ernst
Fuchs wiederholt, dass „wenn es keine biblischen Texte gäbe, die
Entwürfe Barths vorzuziehen seien.“66
Professor Kuschel untersucht weiters die Rolle der Weisheit in der
hebräischen Bibel und sieht sie dort als identisch mit Gottes kreativem
Wort und auch mit der Torah als Entwurf Gottes bei der Schöpfung. Er
argumentiert, dass der Mann Jesus die Verkörperung dieser präexistenten
Weisheit ist und nicht der ewige Sohn, der vor seiner Geburt in Bethlehem
lebendig war. Kuschel behauptet, dass es in Phil. 2 keine Aussage über
Christus gibt, in der gesagt wird, er sei mit Gott gleich. Vielmehr wird
Christus als „große Kontrastfigur zu Adam“ dargestellt.67 Kuschel stimmt
mit James Dunn überein, dass es bei Paulus keinen präexistenten Sohn
gibt. Und im Johannesevangelium ist „Gott niemals jemand anderer als
der Vater Jesu Christi “68 Er stellt die Frage, warum der Prolog des
Johannes nicht (wie so viele ihn instinktiv lesen) beginnt: „Am Anfang
war der Sohn und der Sohn war mit Gott und der Sohn war Gott.“ 69
Diese monumentale Kritik am orthodoxen Trinitarismus unterstützt
unsere Überzeugung, dass „die Geschichte der Christologie des jüdischen
Christentums........dringend eine Untersuchung benötigt......nicht nur der
historischen Gerechtigkeit, sondern auch um der ökumenischen
Verständigung willen.“70 Die dominierende Theologie des Konzils von

64
Geboren vor aller Zeit? Der Streit um Christi Ursprung.
65
Ebenso
66
Ebenso
67
Ebenso
68
Ebenso
69
Ebenso
70
Ebenso
Der Konflikt über die Trinität 249

Chalcedon „berührt kaum das Leben und die Geschichte Jesu auf dieser
Erde.“71 Es ist wahr, dass das Verhältnis zwischen dem Vater und dem
Sohn, wie es durch das Konzil vorgeschlagen wurde, „von einem
Judenchristen wie Paulus nicht besser verstanden worden wäre als von
Johannes.“72
Professor Kuschels brillante Studie mit ihrer enthusiastischen
Zustimmung von Hans Küng, der das Vorwort schrieb, macht uns
wachsam für die Bedrohung des Monotheismus von Seiten des
Trinitarismus und auch für die Macht, unnötige Barrieren im Dialog mit
Juden und Moslems aufzubauen. Geboren vor aller Zeit? ist ein Echo auf
die lange Tradition des Protestes gegen die „orthodoxe“ Sichtweise Jesu,
die sein Mensch-Sein zu unterdrücken scheint und so seine Messiasrolle
verschleiert.

Karl-Heinz Ohlig
Im Jahre 1999 wurde eine brillante Geschichte des trinitarischen
Problems herausgegeben, ebenfalls in Deutschland. Karl-Heinz Ohligs
Ein Gott in drei Personen? Vom Vater Jesu zum „Mysterium“ der Trinität
zeigt die dürftige Verbindung der Bibel mit dem Trinitarismus. Der Autor
macht die ausgezeichnete Bemerkung, dass das trinitarische Dogma lange
Zeit Juden und Moslems vom Christentum abgehalten hat. Ohlig bricht
auch ein altes Tabu. Er nimmt nicht Zuflucht zum vagen Gerede von
„Geheimnis“ als Erklärung der Trinität. Er gibt uns einen wunderbar
prägnanten und informationsgeladenen Abriss der Entwicklung des
Trinitarismus. Er schreibt diese Entwicklung dem Druck auf die
Gemeinde zu, der früh im 2. Jahrhundert begann. Er beklagt einen Verlust
des ursprünglichen jüdischen Monotheismus und stellt die exzellente
Frage, warum die Jünger Jesu Trinitarier sein sollten, wenn Jesus keiner
war. Der Trinitarismus war in seiner endgültigen Form nicht vor dem
fünften Jahrhundert ausgeprägt und im zweiten Jahrhundert sicher nicht
als Dogma über drei ewige Personen vorhanden. Welche Stufe in der
„Evolution“ des Dogmas sollte da für Christen bindend sein? Ohlig
behauptet, es sei historisch und auch theologisch illegitim, das Dogma des
Trinitarismus für Gläubige zur Norm zu erheben:

71
Ebenso
72
Ebenso
250 Der Konflikt über die Trinität

„Religionswissenschaftlich betrachtet, ist die Trinitätslehre erwachsen aus


dem Synkretismus von Judentum und Christentum mit dem Hellenismus und der
daraus folgenden Addition von jüdischem und christlichem Monotheismus mit
dem hellenistischen Monismus.........Was der Religionswissenschaftler einfachhin
konstatieren kann, bedeutet aber zugleich eine Anfrage an die Theologie nach der
Legitimität eines solchen Konstrukts. Wenn es feststeht - und daran scheint kein
Weg vorbeizuführen -, dass Jesus selbst nur vom Gott Israels, den er Vater
nannte, und nichts von seiner eigenen späteren „Vergottung" wusste, mit
welchem Recht kann dann eine Trinitätslehre normativ sein?.......Wie auch die
einzelnen Etappen zu interpretieren sein mögen, so steht doch fest, dass die
Trinitätslehre, wie sie sowohl im Osten wie - erst recht - im Westen am Ende
„Dogma" wurde, keinerlei biblische Grundlage besitzt und auch keine
„ununterbrochene Aufeinanderfolge" (continua successio) kennt.........Allmählich
muss sich die Theologie den Fakten stellen.73

Die Beobachtungen Ohligs bestärken das, was ein früherer berühmter


Professor der Dogmengeschichte herausgefunden hat, der Folgendes
schrieb:

„Die Apologeten haben den Grund gelegt zur Verkehrung des Christentums
in eine offenbarte Lehre. Im Speziellen hat ihre Christologie die Entwicklung
verhängnisvoll beeinflusst. Sie haben, die Übertragung des Sohnesbegriffs auf
den präexistenten Christus als selbstverständlich betrachtend, die Entstehung des
christologischen Problems des 4. Jahrhunderts ermöglicht; sie haben den
Ausgangspunkt des christologischen Denkens verschoben (von dem historischen
Christus weg in die Präexistenz), Jesu Leben der Menschwerdung gegenüber in
den Schatten gerückt; sie haben die Christologie mit der Kosmologie verbunden,
mit der Soteriologie sie nicht zu verknüpfen vermocht. Ihre Logoslehre ist nicht
eine „höhere" Christologie als üblich war, sie bleibt vielmehr hinter der genuin
christlichen Schätzung Christi zurück: nicht Gott offenbart sich in Christus,
sondern der Logos, der depotenzierte Gott, ein Gott, der als Gott untergeordnet ist
dem höchsten Gott (Inferiorismus oder Subordinationismus). Auch die
Zurückdrängung der okonosmisch-trinitarischen Gedanken durch metaphysisch-
pluralistische Vorstellungen von der göttlichen trias geht auf die Apologeten
zurück.“74

73
Ein Gott in drei Personen? Mainz: Matthias Grünewald-Verlag, 1999; 123-
125.
74
Friedrich Loofs, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, 1890, Halle-
Saale: Max Niemeyer Verlag, 1951, Teil 1, Abschnitt 18: „Das Christentum als
geoffenbarte Philosophie. Die griechischen Apologeten.“
11. DIE HERAUSFORDERUNG AN DEN TRINITARISMUS
HEUTE

„Das Konzept von drei gleichberechtigten Partnern in der Gottheit,


das sich entwickelt hat und in den späteren Formulierungen des Glaubens
gefunden wird.......kann innerhalb des Kanons nicht klar entdeckt
werden.“ – Oxford Companion to the Bible

Der Trinitarismus ist heute einer Menge von guten Argumenten


ausgesetzt, welche einige seiner geliebten biblischen „Beweise“
unterminiert haben. Den meisten Kirchgängern ist unbekannt, dass es eine
Fülle nichttrinitarischer (tatsächlich, wenn auch nicht so genannt und auch
ein besserer Ausdruck als antitrinitarisch) Literatur gibt, die einige der
Hauptrequisiten des Trinitarismus in verschiedener Weise abgelegt hat.
Der Antitrinitarismus hat seinen Fall seit langem präsentiert, indem er
zeigte, dass verschiedene orthodoxe Trinitarier die trinitarischen
Schlüsselverse in einem unitarischen Sinn erklären. Ein bemerkenswertes
Handbuch Concessions of Trinitarians (Eingeständnisse von Trinitariern)
wurde von John Wilson im Jahre 1845 herausgegeben.1 Dieses Werk hat
eine Bedeutung für die fortlaufende Diskussion über die Trinität. Es
überschaut einen großen Teil der Schriften der Gelehrten und es
dokumentiert von Trinitariern vorgebrachte nicht-trinitarische
Erklärungen verschiedener Bibelverse, die im populären Denken die
Trinität zu beweisen scheinen. Auch die zeitgenössische theologische
Literatur bietet ebenso wie jene des neunzehnten Jahrhunderts die
Tatsachen solcher Eingeständnisse. Dieses Kapitel untersucht einige
dieser Punkte, die als trinitarische „Beweise“ in der populären
Hilfsliteratur zur Bibel genannt werden. Es scheint, dass eine große
Anzahl von Trinitariern nicht mehr länger an diesen Argumenten festhält,
um eine orthodoxe Sichtweise der Gottheit zu unterstützen.

1
Boston: Munroe & Co.
252 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

Die Pluralform von Elohim


Die Organisation „Jews for Jesus“ („Juden für Jesus“) und andere
evangelikale Gruppen fahren fort, den dreieinen Gott in den hebräischen
Schriften zu finden. Die Pluralform des hebräischen Wortes für Gott,
elohim, zeigt aber keine Hinweise auf die Trinität. Es ist ebenso
irreführend, von elohim als einem „unipluralen“ Wort zu sprechen, wie zu
sagen, echad – „eins“ deute auf die dreieine Gottheit. Man kann die
Trinität nicht erfolgreich mit der Tatsache behaupten, dass echad ein
Hauptwort wie „Traube“ oder „Herde“ modifizieren und uns so zum
Gedanken, dass Gott ein „Verbund“ ist, leiten kann. Echad ist einfach
zahlenmäßig „eins“ in der hebräischen Sprache. „Jahwe ist ein Herr
allein“, so sagt das Glaubensbekenntnis Israels (5. Mose 6,4). Echad
erscheint als nähere Bestimmung auch für Abraham (Hes. 33,24, Jes.
51,2) und kann manchmal mit „einzigartig“ übersetzt werden (Hes. 7,5,
z.B. in der englischsprachigen NASB). Die normale Bedeutung ist „eins“
und nicht „zwei“ (Pred. 4,8). Es gibt absolut nichts im Wort „Jahwe“, was
auf eine Pluralität hindeutet, besonders weil das Wort auch mit ungefähr
5500 Verben und Fürwörtern in der Einzahl vorkommt. Wenn persönliche
Fürwörter in der Einzahl, die ständig für den Einen Gott gebraucht
werden, den Leser nicht davon überzeugen, dass Gott ein einzelnes Wesen
ist, dann gibt es wenig Möglichkeiten in der Sprache, es sonst zu tun.
Elohim führt in fast allen der ungefähr 2500 Referenzen auf den Einen
Gott Verben im Singular nach sich. Eine fallweise Ausnahme beweist
ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Herr von Josef mehrere Male mit
einem Hauptwort im Plural bezeichnet wird (1.Mose 39,2,3,7,8,19,20).
Möchte jemand behaupten, dass „der Herr (im Hebräischen Plural) ihn
nahm (Singular)“ falsch übersetzt ist? Abraham ist „Herren“ (Pluralwort
im Hebräischen) seiner Sklaven (1.Mose 24,9,10) Gibt es in Abraham
eine Pluralität? Niemand würde die Übersetzung einer anderen Stelle in
1.Mose ändern: „Der Mann, der Herr des Landes, redete hart mit uns“.
Obwohl das Zeitwort hier im Singular steht, hat das Hauptwort eine
Pluralform, „die Herren des Landes“ (1. Mose 42,30).2 In diesen
Beispielen haben wir eben dieselbe Pluralität in Abraham, Potiphar und
Josef, die angeblich in elohim gefunden wird, wenn es sich auf den
höchsten Gott bezieht. Diese Fakten rechtfertigen die Beobachtung der
Autors in der Encyclopedia of Religion and Ethics: „Es ist eine sehr

2
Siehe auch 1. Mose 42,33: „Der Mann, die Herren des Landes.“
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 253

schädliche, wenn auch fromme Exegese, welche die Lehre der Trinität in
der Mehrzahl von elohim findet.“3
Der Artikel über Gott in derselben Arbeit schließt: „Im Alten
Testament gibt es keinen Hinweis auf eine Unterscheidung innerhalb der
Gottheit; es ist ein Anachronismus, die Lehre der Inkarnation oder jene
der Trinität in seinen Seiten zu finden.“4
Die Definition von elohim („Gott“), die von dem Illustrated Bible
Dictionary dargelegt wird, widerspricht der Meinung, dass Gott „drei
Personen“ ist: „Obwohl elohim eine Pluralform ist, kann sie wie ein
Singular behandelt werden, und in diesem Fall bedeutet es eine oberste
Gottheit.....Es gibt nur einen höchsten Gott und dieser ist eine Person.“5

Gott ist Einer


Eine Betrachtung der Verwendung des Zahlwortes „eins“ in
Verbindung mit Gott ist aufklärend. Niemand hat auch nur die geringste
Schwierigkeit mit den folgenden Aussagen. Nach Hesekiel war „Abraham
einer“(Hes. 33,24) – hebräisch echad, griechisch heis. In der Luther
Übersetzung heißt es: „Abraham war ein einzelner Mann“. Jesus
gebrauchte das Wort „eins“ in derselben Weise, um eine einzelne Person
zu bezeichnen: „Ihr aber, lasst euch nicht Rabbi nennen! Denn einer (heis)
ist euer Lehrer, ihr aber alle seid Brüder. Ihr sollt auch nicht (jemanden)
auf der Erde euren Vater nennen; denn einer (heis) ist euer Vater,
(nämlich) der im Himmel. Lasst euch nicht Meister nennen, denn einer
(heis) ist euer Meister, der Christus“ (Mt. 23, 8-10). In jedem dieser Fälle
meint „eins“ eine einzelne Person. Für Paulus ist Christus „eine Person“
(heis): „Er (Gott) spricht nicht: ‚und seinen Nachkommen‘, wie bei vielen,
sondern wie bei einem: ‚und deinem Nachkommen‘, (und) der ist der
Christus“ (Gal. 3,16). Einige Verse später wird die gleiche
Ausdrucksweise auf Gott angewandt. Paulus sagt: „Ein Mittler ist aber
nicht (Mittler) von einem (heis), Gott aber ist (nur) einer (heis)“ (Gal.
3,20). Der Sinn ist, dass Gott „eine Partei“ oder „eine Person“ ist. Das
alles ist übereinstimmend mit dem einheitlichen Zeugnis der Schrift, dass
der Eine Gott der Vater Jesu ist. Es ist wahr, heis kann eine „kollektive
Einheit“ bedeuten: „ihr seid alle einer in Christus Jesus“ (Gal. 3,28). Diese
Bedeutung ist aber im Fall Gottes höchst unpassend, da er ständig durch
3
W. Fulton, „Trinity“, in Encyclopedia of Religion and Ethics, 12: 458
4
W.T. Davison, „God (Biblical and Christian)“, in Encyclopedia of Religion and
Ethics, 6:252-269.
5
(InterVarsity Press, 1980), 571, Hervorhebung beigefügt
254 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

Fürwörter in der Einzahl beschrieben und mit dem Vater, der


offensichtlich eine einzige Person ist, gleichgesetzt wird.
Diese Tatsachen bedeuten für den Trinitarismus ein schwieriges
Problem. Einige wurden zu dem Extrem geleitet zu behaupten, das Wort
„Vater“ im Neuen Testament könnte vielleicht nicht eine Person der
Trinität beschreiben, sondern alle drei, „Vater, Sohn und Heiliger Geist“:

„Manchmal wird das Wort „Vater“ nicht für den Einen verwendet, der sich
vom Sohn und vom Heiligen Geist unterscheidet – eine andere Person in der
Gottheit – sondern für die Gottheit selbst. Lasst uns einige Beispiele
geben.....(Paulus sagt, dass).....es nur einen Gott gibt, der wirklich existiert, und
das ist der Eine, den die Christen anbeten. So schreibt er: „So ist doch für uns ein
Gott, der Vater“ (1. Kor.8,6). Hier bedeutet das Wort „Vater“ dasselbe wie „ein
Gott“. Paulus sagt, dass es nur einen Gott gibt, aber er denkt überhaupt nicht an
die einzelnen Personen der Gottheit. Er verwendet das Wort „Vater“ im selben
Sinn wie in Eph. 4,6, wo er schreibt: „ein Gott und Vater aller.“6

Der Autor kämpft mit der einfachen unitarischen Aussage von Paulus,
die Gott als „Einen Gott, den Vater“ definiert. Die Stärke von Olyotts
Überzeugung, dass Gott wirklich drei ist, drängt ihn zu der Vorstellung,
mit „Vater“ seien tatsächlich drei Personen gemeint. Diese Theorie ist nur
Bildersprache. Der Autor kann sich selbst nicht eingestehen, Paulus sei
vielleicht kein Trinitarier gewesen.

Ist Jesus „Mad, Bad or God“? (Ist Jesus verrückt, schlecht oder
Gott?)
Trinitarier werden durch den altbekannten Slogan gefangen, dass
Jesus entweder ein Lügner, ein Geisteskranker oder aber der höchste Gott
sein müsse. Sie sind nicht in der Lage, eine andere Kategorie zu sehen –
jene des Messias. Wenn Anderson Scott die Sichtweise Jesu in der
Offenbarung beschrieb, so gab er uns einen Hinweis auf das biblische Bild
Jesu: „(Johannes) trieb die Gleichsetzung Christi mit Gott bis zu dem
weitest möglichen Punkt, nämlich bis knapp vor die ewige Gleichsetzung
der beiden.“7
Die Christologie von Paulus bewertend, sagt er: „Der heilige Paulus
gibt Christus nirgendwo den Namen oder die Beschreibung Gottes....

6
Stuart Olyott, The Three Are One (Evangelical Press, 1997), 28,29
7
„Christology“ Dictionary of the Apostolic Church, 1:185, Hervorhebung
beigefügt
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 255

Wenn man alle Aussagen von Paulus über Christus betrachtet, so


bekommt man den Eindruck, dass eine monotheistische Überzeugung
immer wieder eines verhindert – Jesus Gott zu nennen.“8
Die Korrektheit dieser Einschätzung wird durch die überraschende
Tatsache bestätigt, dass es im Neuen Testament keinen Text gibt, in dem
der Ausdruck ho theos („Gott“) „Vater, Sohn und Heiligen Geist“ meint.
Der Grund scheint zu sein, dass keiner der Schreiber glaubte, Gott sei
„Drei-in-Einem“. Es sollte eine Sorge der Trinitarier sein, dass sie bei
dem Wort „Gott“ den dreieinen Gott meinen, doch im Neuen Testament
(besser, in der gesamten Bibel) mit Gott nie ein dreieiner Gott bezeichnet
wird. Es ist schwer, einen überzeugenderen Beweis zu finden, dass der
dreieine Gott nicht jener der Schrift ist. Unsere Anschauung wird von Karl
Rahner bestätigt: „Nirgends im Neuen Testament kann ein Text gefunden
werden, in dem ho theos (wörtlich „der Gott“) sich unzweifelhaft an den
trinitarischen Gott als Ganzen, der in drei Personen existiert, wendet. In
der weitaus größten Zahl der Texte bezieht sich ho theos auf den Vater als
Teil der Trinität.“9
Wir stimmen nicht zu, dass der Vater Teil der Trinität ist, doch
Rahners Beobachtung ist korrekt: Gott bedeutet im Neuen Testament fast
unveränderlich den Vater Jesu und niemals drei Personen.

Die Inkarnation in den synoptischen Evangelien


Eine bedeutende Frage über den Trinitarismus wird durch das
vollständige Fehlen von Beweisen für die Lehre der Inkarnation im
Lukasevangelium (dasselbe könnte von Matthäus gesagt werden) gestellt.
Raymond Brown beobachtet: „Es gibt keinen Beweis, dass Lukas eine
Theologie der Inkarnation oder der Präexistenz hatte; für Lukas ist
göttliche Sohnschaft vielmehr durch die Jungfrauenzeugung zustande
gekommen...Jesus wurde gezeugt und geboren und das ist genügend
Solidarität mit der menschlichen Rasse.“10
Lukas definierte mit völliger Genauigkeit, wer Jesus war, als er ihn
zuerst „Christus, der Herr“ und einige Verse später „Christus des Herrn“
(Lk. 2,11, 26). Der Titel „Herr Messias“ wird auch in der Literatur, die
zeitgleich mit dem Lukasevangelium abgefasst wurde, gefunden (Ps. Sol.
17,32; 18,7). Sie beschreibt den versprochenen Retter Israels, die

8
Ebenso, 194
9
Theological Investigations, 143
10
The Birth of the Messiah, 432
256 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

jahrhundertealte Hoffnung Israels. Dieselbe messianische Beschreibung


wird einem Herrscher Israels in der Septuaginta gegeben, die Klagelieder
4,10 wiedergibt. In keinem Fall beinhaltet dieser königliche Titel, dass der
Messias Gott ist. Er wird von Psalm 110,1 hergeleitet, wo der Messias der
„Herr“ Davids , d.h. sein König, ist.
Lukas wählt noch einen zweiten Titel für Jesus aus, „der Herr
Messias“, weil er das exakt Äquivalent zum alttestamentlichen Ausdruck
„der Gesalbte des Herrn“, zum König Israels darstellt. David spricht von
König Saul als „mein Herr, der Gesalbte (Messias) des Herrn“ (1.Sam.
24,6; vgl V.10). Abner sollte Saul, „den Herrn, deinen König“, „deinen
Herrn, den Gesalbten des Herrn“, bewachen (1. Sam 26, 15-16). Jesus ist
der höchste Gesalbte, der verheißene König Israels. Seine Beschreibung
bei Lukas steht in völliger Übereinstimmung mit Johannes, der Jesus als
den „Sohn Gottes“ und „König Israels“ beschreibt (Joh. 1,49). Paulus
erkennt, dass die Christen „dem Herrn Messias“ dienen (Gal. 3,24) und
Petrus, der in einer früheren Predigt verkündigt hatte, dass Gott Jesus
„zum Herrn und Messias“ gemacht hatte (Apg. 2,36), fordert gegen Ende
seines Lebens die Gläubigen auf, „Christus, den Herrn“ in ihren Herzen
heilig zu halten (1.Petr.3,15). Im letzten Buch der Bibel ist der
verherrlichte Jesus noch immer „der Gesalbte (Messias) Gottes“ (Offb.
11,15; 12,10). Der oft übersehene Titel Jesu „der Herr Messias“ wird uns
im Neuen Testament immer wieder als bevorzugter Titel für ihn, den
„Herrn Jesus Messias“, nahegebracht.
Der Trinitarismus vermischt den Herrn Gott mit dem gesalbten oder
ernannten Herrn, dem König. Die Kategorie des Messias ist völlig
ausreichend für das Verständnis Jesu im Neuen Testament. Die Bibel
benötigt keine weitere „Hilfe“ durch eine weiterentwickelte Christologie,
die über das Bekenntnis, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist,
hinausgeht. Als Christus ist Jesus das perfekte Ebenbild des Einen Gottes.
Der Charakter und das Werk Jesu zeigen den Charakter und das Werk
seines Vaters ebenso, wie ein Gesandter seinen Sender repräsentiert.

Ewige Sohnschaft
Für Trinitarier ist es ein mühseliger Kampf, den Gedanken der
„ewigen Sohnschaft“ aus der Bibel herzuleiten. Ein zeitgenössischer
Trinitarier gibt uns die Information, dass Jesus durch „Zeugung in der
Ewigkeit als Sohn Gottes aus dem Vater in einer Geburt, die niemals
stattgefunden hat, weil sie schon immer gewesen war“, hervorgekommen
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 257

sei.11 Wir fragen uns, ob eine solch mystifizierende Sprache dazu beiträgt,
den christlichen Glauben zu vermitteln. In der Schrift fand die Zeugung
statt und das auch zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die klassische
Verheißung der Ernennung des Messias zum König erscheint in Psalm 2,
7. Der Eine Gott verkündigt: „Du bist mein Sohn; heute habe ich dich
gezeugt.“ Lukas wusste, dass der Sohn Gottes im Leib Marias auf
wundervolle Weise entstanden war (Lk. 1,35). In einer Predigt in
Antiochien predigte Paulus über die Geburt des Messias und zeigte, dass
Gott Jesus „erweckt hatte“, d.h. indem er ihn als Erfüllung der
„Zeugungsverheißung“ in Psalm 2 „in Szene“ brachte.12 Lukas hatte bei
der Geburt des verheißenen Propheten bereits den gleichen Ausdruck -
„erwecken“ - gebraucht.13 In der Schrift gibt es nichts Derartiges wie eine
Zeugung des Sohnes in Ewigkeit außer in den Absichten Gottes.
Ein bekannter Trinitarier drückte am Ende des 19. Jahrhunderts seine
Verwunderung über die Idee der Sohnschaft, die keinen Anfang hat und
so über die ganze Lehre des „ewigen Sohnes“ aus. Adam Clarke sagte
über Lukas 1,35:

„Wir können einfach verstehen, dass der Engel hier den Sohn Gottes nicht als
göttliche Natur Christi benennt, sondern die heilige Person oder das Heilige, to
hagion, welches aus der Jungfrau durch die Kraft des Heiligen Geistes geboren
wurde........Hier glaube ich sagen zu dürfen, dass, mit allem Respekt gegenüber
denen, die mir hier widersprechen, die Lehre der ewigen Sohnschaft Christi
meiner Meinung nach unbiblisch und höchst gefährlich ist. Diese Lehre lehne ich
aus folgenden Gründen ab:
1. Ich konnte in den Schriften keine sich darauf beziehende Erklärung finden.
2. Wenn Christus durch seine Natur der Sohn Gottes ist, dann kann er nicht
ewig sein: denn der Ausdruck Sohn schließt auch einen Vater mit ein und
Vater schließt die Idee der Zeugung ein. Zeugung wiederum schließt einen
Zeitpunkt ein, an dem sie zustande kam und auch eine Zeit, die ihr
vorausging.

11
Kenneth Wuest, Great Trusts to Live By (Grand Rapids: Eerdmans, 1952), 30,
Hervorhebung hinzugefügt.
12
Siehe Apg. 12,33, die Psalm 2,7 zitiert. „Erwecken“ bezieht sich hier besser auf
die Geburt Jesu als auf seine Auferstehung. Paulus fährt im nächsten Vers fort,
sich auf die Auferweckung von den Toten zu beziehen. Die King James Version
scheint diese Tatsache durch die Einfügung von „wieder“ nach „erweckt“ (V.33)
durcheinander gebracht zu haben.
13
Apg. 2,30 (Textus Receptus); Apg. 3,22; 3,26; 7,37
258 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

3. Wenn Christus durch seine Natur der Sohn Gottes ist, so ist der Vater
notwendigerweise älter und vor ihm gewesen und folglich ihm übergeordnet.
4. Wiederum, wenn diese göttliche Natur vom Vater gezeugt wurde, so muss es
eine Zeit gegeben haben, in der er nicht existierte und einen Zeitpunkt, zu
dem er zu existieren begonnen hatte. Das zerstört die Ewigkeit unseres
verehrten Herrn und raubt ihm sogleich seine Gottheit.
5. Zu sagen, er sei in Ewigkeit gezeugt, ist meiner Meinung nach absurd und
der Ausdruck „ewiger Sohn“ ist in sich selbst ein Widerspruch. Ewigkeit hat
keinen Anfang und steht auch in keiner Beziehung zur Zeit. Sohn unterstützt
den Gedanken an Zeit, Zeugung und Vater: und auch an die Zeit, die einer
solchen Zeugung vorausgegangen ist. Demnach ist die Verbindung dieser
beiden Ausdrücke - Sohn und Ewigkeit – absolut unmöglich, weil sie
verschiedene und einander entgegengesetzte Ideen ausdrücken.“ 14

Ein berühmter Bibelgelehrter, der als der „Vater der amerikanischen


biblischen Literatur“ bekannt ist, Moses Stuart, sagte Folgendes über
dieses Thema. Er sprach als Trinitarier: „Die Zeugung des Sohnes als
göttlich, als Gott, scheint außerhalb der Diskussion zu stehen - es sei
denn, es drückt eine Lehre der Offenbarung aus, was so unwahrscheinlich
ist, dass ich es als das Gegenteil zu dem, was gelehrt wird, ansehe.“15
Aber kann die Lehre der Trinität bestehen, wenn es keine
Unterstützung für die „ewige Zeugung“ in der Schrift gibt?

UMSTRITTENE TEXTE
Die Diskussion über die Trinität bezieht sich oft nur auf eine Handvoll
neutestamentlicher Verse, die zeigen sollen, dass Jesus die Höchste
Gottheit ist und nicht das perfekte Ebenbild Gottes, der autorisierte
menschliche Botschafter des Einen Gottes. Einige moderne Vertreter des
Trinitarismus sprechen über diese Verse in einer Art, als würde ihre
Aussage ganz selbstverständlich den Trinitarismus beweisen. Dennoch
gibt es eine starke Tradition unter Trinitariern des höchsten Ansehens,
dass diese Texte nicht die Gottheit Jesu begründen.

Nennt das Neue Testament Jesus Gott? Titus 2,13; 2. Petrus 1,1
Eine Anzahl zeitgenössischer Diskussionen machen die sogenannte
„Granville Sharp’s Rule“ geltend, um ihren Anspruch, Jesus werde in Tit.

14
Clarke’s Commentary (New York: T. Mason and G. Lane, 1837) über Lukas
1,35
15
Moses Stuart, Answer to Channing, zitiert bei Wilson, Concessions, 315
(Hervorhebung durch Stuart)
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 259

2,13 der „große Gott und Heiland“ genannt, zu unterstützen. Sharp


behauptete, wenn im Griechischen das Wort kai (und) zwei Hauptwörter
desselben Falles verbindet und das erste Hauptwort einen bestimmten
Artikel hat, das zweite jedoch nicht, so beziehen sich beide Hauptwörter
auf ein Subjekt. So sollte der diskutierte Vers „.....unser großer Gott und
Heiland Jesus Christus“ gelesen werden und nicht, wie die King James
Version es wiedergibt „der große Gott und unser Heiland Jesus Christus“.
Um diese Frage zu klären, kann man sich jedoch nicht auf die Auslassung
des Artikels stützen. Nigel Turner sagt (als Trinitarier) Folgendes darüber:

„Unglücklicherweise können wir für jene Zeit in der griechischen Sprache


nicht behaupten, dass so eine Regel entscheidend war. Manchmal wird der
bestimmte Artikel nicht wiederholt, auch wenn ganz klar eine Verschiedenheit
der Aussage oder Idee vorliegt. ‚Die Wiederholung des Artikels war nicht
unbedingt nötig, um zu versichern, dass die Punkte als getrennt beachtet wurden‘
(Moulton – Howard – Turner, Grammar, Vol. III, S. 181. Die Referenz bezieht
sich auf Titus 2,13).“16

Da das Fehlen eines zweiten Artikels nicht entscheidend ist, ist es


natürlich, hier das Erscheinen von Gottes Herrlichkeit, wie sie durch
Seinen Sohn bei der Wiederkunft gezeigt wird, zu sehen. Es gibt eine
auffallende Parallele mit der Beschreibung der Wiederkunft Jesu in Macht
bei Matthäus: „Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der
Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln“ (Mt.16,27). Weil der Vater
Seine Herrlichkeit auf den Sohn überträgt (so wie Er sie auch mit den
Heiligen teilen wird), so ist es höchst passend, dass der Vater und der
Sohn sehr eng verbunden sein sollten. Nur einige Verse zuvor sprach
Paulus von „Gott, dem Vater, und von Christus Jesus, unserem Heiland“
(Tit. 1,4).
Eine große Anzahl von Grammatikern und Bibelgelehrten haben
erkannt, dass das Fehlen des bestimmten Artikels vor „unser Heiland
Jesus Christus“ äußerst ungeeignet ist, um den trinitarischen Anspruch,
Jesus werde hier „der große Gott“ genannt, zu begründen. Bestenfalls ist

16
Grammatical Insights into the New Testament (Edinburgh: T & T Clark, 1965),
16. Es findet sich ein unglücklicher Fehler in Nigel Turners Aussage. Das Wort
„nicht“ vor „wiederholt“ wird ausgelassen und verkehrt so die Absicht Turners
auszusagen, dass der Artikel nicht wiederholt zu werden braucht, um zwei
verschiedene Subjekte zu trennen. Wir hatten oft Gelegenheit, diesen Punkt mit
dem verstorbenen Dr. Turner zu diskutieren.
260 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

dieses Argument „dubios“.17 Es ist unglücklich, wie auch Brown sagt,


„dass hier keine Gewissheit erlangt werden kann, denn es erscheint, als
habe diese Passage das Bekenntnis des Weltkirchenrates, dass „Jesus
Christus Gott und Heiland ist“, stark geformt.“18 Es sollte auch bemerkt
werden, dass der römische Kaiser „Gott und Heiland“ genannt werden
konnte, ohne die Bedeutung, er sei die höchste Gottheit. Selbst wenn der
Titel „Gott und Heiland“ ausnahmsweise für Jesus gebraucht werden
sollte, so würde das nicht seine Position als Gott gleichwertig und
gleichewig mit dem Vater, bedingen. Es würde ihn vielmehr als den
Vertreter des Einen Gottes designieren, wie es auch der Sicht der ganzen
Bibel entspricht.
Dasselbe grammatikalische Problem haben die Expositoren auch in 2.
Petrus 1,1. Henry Alford ist einer der vielen Trinitarier, die behaupten,
Jesus werde in diesem Vers nicht „Gott“ genannt. Für ihn wird das Fehlen
des Artikels hier, ebenso wie in Tit. 2,13, bei weitem durch die
signifikantere Tatsache aufgewogen, dass sowohl Petrus als auch Paulus
normalerweise klar zwischen Gott und Jesus Christus unterscheiden. Der
Schreiber der Cambridge Bible for Schools and Colleges stimmte zu, dass
„man sich auf die Regel, dass ein Artikel ein Subjekt bestimmt....... nicht
zu stark bei der Entscheidung stützen soll.“19 Ein trinitarischer Autor des
vorletzten Jahrhunderts war denjenigen, welche die Göttlichkeit Christi
aus der Auslassung des Artikels beweisen wollten, weit weniger gnädig:
„Manche sehr fromme und gelehrte Studierende ......haben das Argument
basierend auf dem Vorhandensein oder dem Fehlen des Artikels so weit
überzogen, dass sie in eine trügerische Spitzfindigkeit verfielen und in der
Intensität ihres Eifers, die ‚Ehre des Sohnes‘ aufrecht zu erhalten, nicht
bemerkten, dass sie dabei waren, ‚dem Vater Ehre streitig zu machen‘.“20
Die letzte Aussage kann wirklich für die ganzen Bemühungen der
Orthodoxie, Jesus in jeder Hinsicht dem Vater gleich zu machen, wahr
sein.

17
Siehe Raymond Brown, Jesus, God and Man, 15-18
18
Ebenso,18. Vgl. Nels Ferrés Einwand, diese Titel schließe einen doketischen
Jesus ein („Is the Basis of the World Council Heretical?“ Expository Times 73:12
(Dez. 1962), 67)
19
A.E. Humphreys, The Epistle to Timothy & Titus (Cambridge University Press,
1895), 225
20
Granville Penn, Supplemental Annotations to the New Covenant, 146, zitiert bei
Wilson, Unitarian Principles Confirmed by Trinitarian Testimonies, 431.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 261

Römer 9,5
Einige Trinitarier bieten Rö 9,5 als überzeugenden Beweis an, dass
Jesus „Gott über alles“ ist und so auch Teil der Gottheit. Es ist abhängig
von der Übersetzung, die man liest, denn es gibt sieben verschiedene
Arten, wie man in diesem Vers die Satzzeichen setzen kann und davon
abhängig werden entweder Christus oder der Vater „Gott, gepriesen in
Ewigkeit“21, genannt. Die Frage ist: Sollen wir folgendermaßen lesen:
„aus dem, nach dem Fleisch, Christus ist, der über allem ist. Gott sei
gepriesen für immer“ oder: „aus dem, nach dem Fleisch, Christus ist, der
als Gott über allem, für immer gepriesen ist“? Unter den früheren
Kommentatoren war Erasmus, obwohl er ein Trinitarier war, sehr
vorsichtig, diesen Vers als Beweistext heranzuziehen:

„Diejenigen, die behaupten, Christus werde in diesem Vers klar als Gott
bezeichnet, sprechen den Arianern alles Verständnis ab oder achten kaum auf den
Stil des Apostels. Eine ähnliche Passage kommt in 2. Kor. 11,31 vor „Der Gott
und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der gepriesen ist in Ewigkeit“; das
Letztere bezieht sich eindeutig auf den Vater.“22

Wenn man das Prinzip des Vergleiches eines Textes mit einem
anderen heranzieht, so ist es sehr wahrscheinlich, dass Paulus den Vater
als „Gott über alles“ beschreibt. Generell macht Paulus eine
Unterscheidung zwischen Gott und dem Herrn Jesus. Im selben Buch
preist Paulus den Schöpfer und es gibt keinen Grund zu zweifeln, dass
damit der Vater gemeint ist (Rö. 1,25). An einer anderen Stelle spricht er
von „Gott, unserem Vater, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen“ (Gal. 1,4-5). Römer 9,5 ist eine offensichtliche
Parallele. Es sollte nicht vergessen werden, dass das Wort theos, Gott,
mehr als 500 Mal in den Briefen von Paulus vorkommt und es gibt keine
einzige unzweifelhafte Stelle, in der es sich auf Christus bezieht. Eine
Anzahl von bekannten Textkritikern (Lachmann, Tischendorf) setzen
einen Absatz nach dem Wort „Fleisch“ und erlauben es dem Rest des
Satzes, eine Doxologie („Lobgesang“) auf den Vater zu sein. Alte
griechische Manuskripte beinhalten keine Satzzeichen, doch der Codex
Ephraemi aus dem fünften Jahrhundert macht einen Absatz nach
„Fleisch“. Bemerkenswerter ist jedoch die Tatsache, das während der

21
Für eine vollständige Betrachtung der verschiedenen Möglichkeiten, s. die
Essays im Journal of the Society of Biblical Literature and Exegesis, 1883.
22
Works, ed. Jean Leclerc, 10 vols. (Leiden, 1703-1706), 6:610, 611
262 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

gesamten arianischen Kontroverse dieser Text von den Trinitariern nicht


gegen die Unitarier benutzt wurde. Er bezeugte Jesus ganz klar nicht als
zweiten Teil der Gottheit.
In der heutigen Zeit sieht Raymond Brown, dass man „höchstens eine
gewisse Möglichkeit behaupten kann, dass die Passage Jesus Gott
nennt.“23 Im konservativen Tyndale Commentary über den Römerbrief
warnt F.F. Bruce vor der Anschuldigung wegen „christologischer
Unorthodoxie“ jener, die diese Worte auf den Vater beziehen.24 Es ist
gerechtfertigt hinzuzufügen, dass, wenn Jesus wirklich ausnahmsweise
Gott genannt werden würde, dieser Titel in seiner sekundären,
messianischen Form für den einen gebraucht würde, der die göttliche
Majestät des Einen Gottes, seines Vaters, widerspiegelt.
Wenn die Details der grammatikalischen Nuancen völlig erforscht
worden sind, so kann die Wahrscheinlichkeit auf verschiedene Art
abgewogen werden. Es ist kaum vorstellbar, dass das christliche
Bekenntnis von verschiedenen Feinheiten der Sprache abhängen sollte,
die natürlich viele Menschen nicht beurteilen können und über die sich die
Experten uneinig sind. Die einfache Sprache des Bekenntnisses von
Paulus und auch von Jesus ist für jeden Studenten der Bibel verständlich:
„Es ist kein Gott als nur einer.........so ist doch für uns ein Gott, der Vater“
(1. Kor. 8,4,6).
Dieser „eine Gott“ wird bei Paulus von dem „einen Herrn Jesus
Christus“ ebenso unterschieden wie von den vielen Göttern der Heiden.
Die Kategorie des „Einen Gottes“ gehört allein dem Vater, jene des
„Herrn Messias“ allein Christus. Jesus selbst hatte die Grundlage für
dieses einfache Verständnis des „einen Gottes“ bei Paulus geschaffen.
Sowohl der Meister als auch der Jünger teilten das Bekenntnis Israels, das
an Gott als eine und einzigartige Person glaubte.

Die Spitzfindigkeiten in Joh. 1,1


Joh. 1,1 war das Objekt einer ganz genauen Analyse von
Kommentatoren jeglicher Anschauungsrichtung. Es ist offensichtlich, dass
manche modernen Übersetzungen himmelschreiende trinitarische
Interpretationen sind. The Living Gospels25 sagt Folgendes: „Bevor irgend
etwas anderes existierte, war Christus, mit Gott. Er war immer lebendig
23
Jesus, God and Man, 22
24
Romans, Tyndale New Testament Commentaries (Grand Rapids: Eerdmans,
1985), 176
25
Tyndale House, 1966
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 263

und Er selbst ist Gott.“ Aber damit wird das ganze trinitarische Problem
geschaffen. Plötzlich besteht Gott aus zwei Personen. Es ist eine wenig
bekannte Tatsache, dass das „Wort“ in Übersetzungen vor der King James
Version nicht als zweite Person angesehen wurde. Die Übersetzung des
Bischofs Temple aus dem Jahr 1568, die im Jahre 1611 durch die King
James Version ersetzt wurde, versteht das Wort als „unpersonal“ und
benutzt das Wort „es“, ebenso wie die Genfer Bibel aus dem Jahr 1560.
Es ist eine Annahme, dass Johannes mit „Wort“ eine zweite
ungeschaffene Person neben dem Einen Gott meint. An anderen Stellen
bemerkt Johannes, dass der Vater der „allein wahre Gott“ ist (Joh. 17,3)
und der „alleinige Gott ist“ (Joh. 5,44). Viele haben die offensichtliche
Verbindung zwischen dem Wort und dem, was in der hebräischen Bibel
über die Weisheit gesagt wird, erkannt. In den Sprüchen ist die „Weisheit“
personifiziert und wird als „mit Gott“ beschrieben (Spr. 8,30). Johannes
sagt, das „Wort“ war „mit (pros) Gott“. Im Alten Testament wird über
eine Vision, ein Wort oder eine Absicht gesagt, sie sei „mit“ derjenigen
Person, die sie empfängt oder besitzt. Das Wort hat eine eigene „Quasi-
Existenz“: „Das Wort des Herrn ist mit ihm“; „der Prophet.....hatte einen
Traum mit ihm“ Es war im Herzen Davids (wörtlich: mit seinem Herzen),
einen Tempel zu bauen. Weisheit ist „mit Gott“.26 Das Letztere ist eine
auffallende Parallele zum Eröffnungssatz bei Johannes. Im Neuen
Testament kann etwas Unpersönliches „mit“ einer Person sein, wie z.B.
Paulus hofft, dass „die Wahrheit des Evangeliums bei - pros – euch
verbliebe“ (Gal. 2,5). Am Anfang des ersten Johannesbriefes, der den
Kommentar für Johannes 1,1 liefern könnte, schreibt der Apostel, dass
„das ewige Leben bei – pros – dem Vater war“ (1.Joh, 1,2). Auf der Basis
dieser Parallelen ist es unmöglich mit absoluter Gewissheit zu sagen, dass
das „Wort“ in Joh. 1,1 eine zweite Person der Trinität, d.h. den
präexistierenden Sohn Gottes, meinen muss.
Johannes fährt fort, indem er sagt, „das Wort war Gott“ (Joh. 1,1).
Eine intensive Diskussion der exakten Bedeutung von „Gott“ (der keinen
bestimmten Artikel hat) macht die gesamte Passage scheinbar schwierig.
Einige meinen nach der Regel Colwells, dass das Fehlen des Artikels
nicht die Intention von Johannes mindert, das Wort sei völlig Gott
gewesen und mit Ihm identisch. Andere meinten, dass „Gott“ ohne Artikel

26
2. Könige 3,12; Jer. 23,28; 1. Kö. 8,17; 2. Chr. 6,7; Hiob 12,13, 16; Hiob
10,13: „mit dir“ ist eine Parallele zu „verborgen im Herzen“, d.h. „festgesetzt in
deiner Absicht“. Siehe auch Hiob 23,10, 14
264 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

die Art von Johannes ist, uns zu sagen, dass das Wort den Charakter
Gottes hatte und vollkommen Seine Absichten ausdrückte. Die Meinung
des trinitarischen Bischofs Wescott wird weitgehend respektiert und hat
auch die vorläufige Zustimmung von Professor Moule:

„Die Ansicht von Bischof Wescott (über Joh. 1,1) repräsentiert vielleicht
noch immer die Absicht von Johannes, wenn auch eine Bezugnahme auf den
Sprachgebrauch hinzugefügt werden muss: ‚(Gott) ist notwendigerweise ohne
Artikel (theos und nicht ho theos), weil es die Natur des Wortes beschreibt und
sich nicht mit Seiner Person identifiziert. Es wäre reiner Sabellianismus zu sagen,
das Wort war ho theos.‘“27

Der Punkt des Bischofs war, dass das „Wort“ nicht von Gott
verschieden sein kann („mit Gott“) und dennoch zugleich mit Ihm
identifiziert wird. Das würde alle Unterschiede in der Gottheit
verwischen. Vielmehr beschreibt Johannes die Natur des „Wortes“ und
das Fehlen des Artikels vor Gott „setzt mehr Betonung auf den
qualitativen Aspekt des Hauptwortes als auf deine einfache Identität. Ein
Objekt der Gedanken kann von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet
werden: von dem der Identität und dem der Qualität. Um den ersten
Gesichtspunkt zu betonen, verwendet das Griechische den Artikel; für den
zweiten wird die artikellose Konstruktion benutzt.28
Nach einer sorgfältigen Analyse schlägt Philip Harner vor: „Vielleicht
sollte der Satzteil mit ‚das Wort hatte dieselbe Natur wie Gott‘ übersetzt
werden.“29 Er fügt hinzu: „Es gibt keine Basis, das Subjekt theos als ein
bestimmtes anzusehen.“30 Ein anderer Gelehrter sagt: „So deutet Joh. 1,1b
nicht die Identität, sondern vielmehr den Charakter des Logos, an.“31
Die Schwierigkeit, die den Übersetzern begegnet, ist, wie sie die
feinen Nuancen in ihrer Sprache ausdrücken sollen. James Denny besteht
darauf, dass das Neue Testament nicht das sagt, was die englischen
Übersetzungen nahelegen: „Das Wort war Gott“. Er glaubt, dass im
27
C.F.D. Moule, An Idiom Book of New Testament Greek (Cambridge University
Press, 1953), 116
28
Dana und Mantey, A Manual Grammar of the Greek New Testament (New
York: Macmillan, 1955), Sektion 149
29
„Qualitative Anarthrous Predicate Nouns: Mark 15,39 and John 1,1,“ Journal
of Biblical Literature 92(1973): 87
30
Ebenso, 85
31
D.A. Fennema, „John 1,18:‘God the Only Son‘“, New Testament Studies 31
(1985): 130
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 265

Griechischen „Gott“ ohne Artikel bedeutet, „Gottes Qualitäten zu


besitzen“ und nicht eins-zu-eins mit Gott identifiziert zu werden.32 Ein
Versuch, die richtige Nuance oder Schattierung der Bedeutung zu
vermitteln, findet sich in folgender Übersetzung: „Das Wort war
göttlich“.33
Unglücklicherweise vermitteln englische wie auch deutsche
Standardübersetzungen ein falsches Verständnis. Wie Harner sagt: „Das
Problem all dieser Übersetzungen (RSV, Jerusalemer Bibel, New English
Bible, Good News for Modern Man, Gute Nachricht...) ist, dass sie das
Verständnis repräsentieren, Gott und Wort seien austauschbar.“34
Der Prolog des Johannesevangeliums verlangt nicht den Glauben an
eine Gottheit bestehend aus mehr als einer Person. Es ist äußerst
wahrscheinlich, dass Johannes eine damals bestehende gnostische
Tendenz berichtigt, Gott von weniger göttlichen Figuren zu unterscheiden.
Die Absicht von Johannes ist, die „Weisheit“ oder das „Wort“ Gottes so
eng wie möglich an Gott selbst zu binden. Das Wort Gottes ist Seine
eigene kreative Aktivität. So sagt Johannes vom Anfang, dass Gottes
Weisheit, die der Eine Gott ebenso bei sich hatte, wie ein Architekt seine
Pläne, Gott völlig ausdrückte. Sie war Gott selbst in Seiner „Selbst-
Manifestation“. Alle Dinge wurden durch diesen Plan gemacht. Dasselbe
„Wort“ wurde schließlich in einem menschlichen Wesen verkörpert, im
Messias, als Jesus geboren wurde, das „Wort Fleisch wurde“ (Joh. 1,14).
Jesus ist also das, was das Wort wurde. Er ist der perfekte Ausdruck der
Gedanken Gottes in menschlicher Form. Jesus kann nicht eins-zu-eins mit
dem Wort aus Joh. 1,1 verglichen werden, als ob der Sohn von Anfang an
existiert hätte. Jesus ist der göttlich autorisierte Bote Gottes und er hat,
ebenso wie das Wort, den Charakter Gottes.
Die Schlussfolgerung von James Dunn bezüglich der Absicht von
Johannes bestätigt eine nicht-trinitarische Lesart von Joh. 1,1-3, 14:

32
Letters of Principal James Denny to W. Robertson Nicoll (London: Hodder and
Stoughton, 1920), 121-126
33
C.C. Torrey, The Four Gospels – A New Translation (New York: Harper, 1947,
second edition)
34
Harner, „Qualitative Anarthrous Predicate Nouns: Mark 15,39 and John 1,1,“
87. Die Äquivalenz von „Wort“ und „Gott“, listet er als „Satz A“ , „ho theos en
ho logos“ und das wird auf Seite 84 seines Artikels beschrieben. Die Übersetzung
„das Wort war Gott“ führt die Leser fälschlicherweise zum Gedanken, dass
Johannes die trinitarische Idee vertritt, das Wort (und so auch Jesus) seien dem
Allerhöchsten Gott äquivalent.
266 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

„Die Schlussfolgerung, die sich aus unserer Analyse (von Joh. 1,1-14) ergibt,
ist, dass erst ab Vers 14 („und das Wort wurde Fleisch“) von einem personalen
Logos gesprochen werden kann. Es wird eher unpersönliche Sprache verwendet
(wurde Fleisch), doch kein Christ würde hier die Bezugnahme auf Jesus nicht
bemerken – das Wort wurde nicht zu Fleisch im Allgemeinen, sondern in Jesus
Christus. Vor Vers 14 befinden wir uns im gleichen Bereich wie die vorchristliche
Rede von Weisheit und Logos. Dieselben Ideen finden wir bei Philo und wir
haben gesehen, dass es sich mehr um Personifikationen als um Personen handelt,
mehr um personifizierte Handlungen Gottes als um ein individuelles göttliches
Wesen als solches. Das wird durch die Tatsache verschleiert, dass wir das
männliche Logos während der ganzen Passage als „er“ übersetzen. Doch wenn
wir das Logos als „Aussage Gottes“ übersetzten würden, so würde klarer werden,
dass vom Logos in den Versen 1-13 nicht unbedingt als von einem personalen
göttlichen Wesen gedacht werden muss. In anderen Worten, die revolutionäre
Bedeutung von Vers 14 mag sein, dass er nicht nur den Übergang in den
Gedanken der Passage von Präexistenz zur Inkarnation, sondern auch den
Übergang von der Personifikation zu der tatsächlichen Person, markiert.“35

Diese Lesart von Johannes hat den großen Vorteil, dass sie mit dem
Zeugnis von Matthäus, Markus und Lukas übereinstimmt und die
ungeteilte Einheit des Einen Gottes, des Vaters, nicht beeinträchtigt.

Markus 13,32
Dieser Vers überliefert die Aussage Jesu, dass er den Tag seiner
Wiederkunft nicht wusste. Es erscheint einfach widersprüchlich, dass die
allwissende Gottheit in irgendeinem Aspekt unwissend sein könnte.
Einige Trinitarier berufen sich auf die Lehre von der göttlichen und der
menschlichen Natur in Jesus, um dieses Problem zu lösen. Der Sohn
wusste es, aber als menschliches Wesen wusste er es nicht. Das scheint
der Aussage ähnlich zu sein, dass jemand arm ist, weil er in einer Tasche
kein Geld hat, obwohl er in der anderen Tasche eine Million Dollar hat. In
dieser Schriftstelle ist es der Sohn, der sich vom Vater unterscheidet, der
es nicht wusste. Daher ist es ziemlich unmöglich zu plädieren, nur die
menschliche Natur in Jesus sei unwissend gewesen. Die Bibel
unterscheidet jedenfalls nicht „Naturen“ in Jesus als Sohn Gottes und als
Menschensohn. Beide sind messianische Titel für eine Person. Wenn ein
Zeuge bei einer Gerichtsverhandlung gefragt wird, ob er den Angeklagten
an einem bestimmten Tag gesehen hat und dieser es in dem Sinn verneint,

35
Christology in the Making, 243.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 267

dass er ihn mit seinem blinden Auge nicht gesehen hat, obwohl er ihn aber
mit seinem gesunden Auge gesehen hat, so würden wir ihn als unehrlich
bezeichnen. Wenn sich Jesus selbst als Sohn bezeichnete, so konnte er
nicht nur einen Teil von sich gemeint haben. Die Theorie, dass Jesus
einerseites den Tag seiner Wiederkunft gewusst und andererseits nicht
gewusst hat, würde alle seine Aussagen unverständlich machen. Es ist
einfach Tatsache, dass eine Erklärung der Unwissenheit mit der Theorie
der absoluten Göttlichkeit Jesu unvereinbar ist.
Eine vergleichbare Schwierigkeit ergibt sich für Trinitarier, wenn sie
behaupten, nur der menschliche Teil Jesu sei gestorben. Wenn Jesus Gott
wäre, und Gott ist unsterblich, so hätte Jesus nicht sterben können. Wir
sind verwundert, wie es möglich ist zu behaupten, „Jesus“ repräsentiere
nicht die vollständige Person. Nichts in der Bibel deutet an, dass Jesus nur
der Name seiner menschlichen Natur ist. Wenn Jesus die ganze Person ist
und Jesus starb, so kann er nicht unsterbliche Gottheit sein. Es scheint, als
argumentierten Trinitarier, dass nur Gott genügt, um die notwendige
Sühne zu liefern. Aber wenn die göttliche Natur nicht starb, wie wird dann
in der trinitarischen Theorie die Sühne gesichert?
Es ist schwer zu verstehen, warum Gott, wenn Er es will, nicht ein
einzigartig gezeugtes, sündloses menschliches Wesen als ein
ausreichendes Opfer für die Sünden der Welt bestimmen darf. Es ist nicht
überzeugend, darauf zu bestehen, dass nur der Tod einer ewigen Person
die Sünde sühnen kann. Die Bibel sagt es nicht so. Sie sagt jedoch, dass
Jesus starb und Gott unsterblich ist. Die Schlussfolgerung auf die Natur
Jesu ist unvermeidlich.

Matthäus 1,23 (Jesaja 7,14)


Manchmal wird behauptet, der Name Immanuel - „Gott ist mit uns“ –
der Jesus gegeben wurde, beweist, dass er Gott ist. Wenn das wirklich so
wäre, dann hätte das Kind, welches kurz nach der Verheißung Jesajas in
den Tagen Ahazs geboren wurde, auch Gott sein müssen. So sagt uns der
Name nicht, dass Jesus Gott ist, sondern dass Gott in sein Leben eingriff,
um Sein Volk zu retten. Die Eltern, die in alttestamentlicher Zeit ihr Kind
Ithiel (Spr. 30,1) nannten – „Gott ist mit mir“ – glaubten auch nicht, ihr
Nachkomme sei Gott. Namen dieser Art zeigen das göttliche Ereignis, das
mit dem Namen der so benannten Person verbunden ist. Gott, der Vater
Jesu, war sicherlich mit Israel, als Er durch Seinen einzigartigen Sohn
wirkte. Im Leben Jesu, dem Sohn Gottes, besuchte Gott Sein Volk. Ein
trinitarischer Gelehrter des neunzehnten Jahrhunderts schrieb: „Zu
268 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

behaupten, der Name Immanuel beweise die Lehre (der Gottheit Jesu) ist
ein trügerisches Argument, obwohl viele Trinitarier es ins Feld führen.
Jerusalem wird ‚Gerechtigkeit Gottes‘ genannt. Ist Jerusalem also
göttlich?“36

Johannes 10,30
In diesem Vers sagt Jesus, er sei „eins“ mit dem Vater. Das Wort
„eins“ in diesem so viel diskutierten Text ist hen. Es ist nicht die
männliche Zahl heis, welche die Gottheit in dem christlichen Bekenntnis
beschreibt, das von Jesus verkündigt wurde (Mk. 12,29). Es ist unfair,
dass die Zeugen Jehovas manchmal in populären Präsentationen der
Trinität für etwas angegriffen werden, was sogar konservative
evangelikale Kommentatoren sagen: „Der Ausdruck (‚Ich und der Vater
sind eins‘)...scheint hauptsächlich auszusagen, dass der Vater und der
Sohn im Willen und in der Absicht verbunden sind. Jesus betet in Joh.
17,11, dass seine Jünger eins (hen) seien, d.h, geeint in der Absicht,
ebenso, wie er und sein Vater verbunden sind.“37
Das ist, was viele Unitarier (und auch Trinitarier) über viele
Jahrhunderte hinweg behauptet haben. Der Trinitarier Erasmus sah die
Gefahr, diesen Vers über seine wirkliche Bedeutung hinaus zu betonen:
„Ich kann nicht sehen, dass dieser Text für die Bestätigung der orthodoxen
Meinung oder für die Diskussion mit hartnäckigen und entschlossenen
Häretikern bedeutsam ist.“38
Die Bedeutung dieser Aussage ist in ihrem Zusammenhang ganz klar.
Jesus hatte von einem Vater gesprochen, der die Schafe bewahrt. Da die
Macht Jesu von seinem Vater kommt, kann diese Macht die Schafe
bewahren. Jesus und der Vater waren in der Bewahrung der Schafe eins.
Johannes Calvin war in dieser Hinsicht weiser als manche heutigen
Exponenten. Er bemerkte, dass „die Vorfahren diesen Text
unrichtigerweise dazu gebrauchten, zu beweisen, dass Christus aus der
selben Substanz wie der Vater ist. Denn Jesus spricht nicht über Einheit in
Substanz, sondern über seine Übereinstimmung mit dem Vater; also was
immer von Christus getan wird, wird durch die Macht des Vaters
bekräftigt werden.“39

36
Moses Stuart, Answer to Channing, zitiert in Concessions, 236
37
R.V.G. Tasker, John, Tyndale Commentaries (Grand Rapids: Eerdmans, 1983),
136
38
Zitiert bei Wilson, Concessions, 353.
39
Zitiert bei Wilson, Concessions, 354.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 269

Eine weitere trinitarische Autorität bemerkt, dass „wenn die Lehre der
Dreieinigkeit und die Einheit von Substanz unmittelbar daraus abgeleitet
werden, so ist das eine falsche Anwendung des dogmatischen Systems,
weil der Kontext der Passage nicht beachtet wird.“40
Es ist für Trinitarier üblich anzunehmen, dass der feindliche Eindruck
der Juden auf die Worte Jesu richtig ist. Da sie ihn der Blasphemie
anklagten und dass er „sich Gott gleichmachte“ (Joh. 5,18), wird
behauptet, Jesus müsse einen trinitarischen Anspruch gestellt haben. Es ist
unfair anzunehmen, die Juden hätten die Worte Jesu richtig eingeschätzt.
Wenn sie es getan hätten, dann hätte Jesus keinen Grund gehabt, sich
weiter rechtfertigen zu müssen. Er hätte nur nochmals bestätigen müssen,
dass er der Allerhöchste Gott sei. In seiner sehr vernachlässigten Antwort
sagt Jesus den aufgebrachten Juden (Joh. 10, 34-36): „Weil Beamte und
Richter in der Schrift ausdrücklich Götter genannt werden, ist es
ungerecht, wenn ihr mich der Gotteslästerung anklagt, wenn ich, den der
Vater als Messias berufen hat und der ich daher größer bin als alle Könige
und höher als alle Propheten, mich den Sohn Gottes, also den Messias,
nenne, der den Willen des Vaters vollständig wiedergibt.“ Jesus verbindet
seine eigene Autorität mit jener menschlicher „Götter“, die Gott dazu
berief (Ps. 82,1,6). Wenn man ihm zugesteht, dass er jeder früheren
„göttlichen Autorität“ weit überlegen ist, kann eine richtige Anschauung
über seinen Status erworben werden und so behauptete es auch Jesus und
gab zu bedenken, dass sogar die Führer Israels dazu berechtigt waren,
„Götter“ genannt zu werden. Jesus ist die höchste menschliche Autorität,
die völlig und einzigartig vom Vater bevollmächtigt ist.
Die trinitarische Überzeugung über die Einheit von Substanz verleitet
dazu, die „Sender/Vertreter – Bezeichnung“ bei Johannes
misszuverstehen. Indem sie Jesus sahen, sahen die Menschen Gott; wenn
sie an ihn glaubten, glaubten sie an Gott; indem sie ihn ehrten, ehrten sie
Gott und wenn sie ihn hassten, so hassten sie Gott.41 Nichts davon
verlangt ein trinitarisches Verständnis. Johannes gibt uns ein schönes Bild
eines wunderbaren menschlichen Wesens, in das Gott Seinen Geist gelegt
hatte und zu dem hin Gott Seine Autorität und Seinen Charakter
ausgedehnt hatte – all das auf eine Art, die nie vorher oder nachher
gesehen wurde. Jesus ist der einzigartige Vertreter des Einen Gottes. Es ist
nicht so, dass Gott Mensch wurde, sondern dass Gott für den verheißenen

40
C.F. Ammon, zitiert bei Wilson, Concessions, 355.
41
Joh. 14,9; 12,44; 5,23; 15,23:
270 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

Nachkommen Davids sorgte, den Mann welcher die raison d’etre (der
Daseinsgrund) Seines kosmischen Plans ist.

Johannes 20,28
Die wohlbekannten Worte von Thomas zu Jesus: „Mein Herr und
mein Gott“ werden als Begründung für die volle Göttlichkeit Christi
hergenommen. Doch Jesus hatte schon zuvor geleugnet, Gott zu sein
(siehe weiter oben über Joh. 10,34-36). Johannes unterscheidet Jesus von
dem einen und wahren Gott, seinem Vater (Joh. 17,3). Die Leser des
Neuen Testaments bemerken oft nicht, dass das Wort „Gott“ auch auf
Vertreter Gottes angewendet werden kann. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass Johannes in sein Portrait Jesu als Messias Ideen einfließen ließ, die er
aus dem messianischen Psalm 45 bezog. Jesus antwortete auch Pilatus,
dass er ein König sei, dessen Aufgabe es war, die Wahrheit zu bezeugen
(Joh. 18,37). Für dieses Thema gibt es einen alttestamentlichen
Hintergrund. Psalm 45 ist als Lobpreis auf den Messias geschrieben
(Hebr. 1,8), der „Allerhöchster und Held“ genannt wird, der für „die
Sache der Wahrheit auszieht“ (Verse 3 bis 5). Der Psalmist sieht im
Voraus, dass die Feinde des Königs „unter ihm fallen“ (V. 6). Der
königliche Status dieses Führers wird verdeutlicht, wenn ihn der Schreiber
des Psalms mit den Worten „o Gott“ bezeichnet. (Ps. 45,7). Die Laufbahn
des Messias, die im Psalm 45 umrissen wird, spiegelt sich in der
Beobachtung bei Johannes wider, dass die Feinde Jesu zurückwichen und
„zu Boden fielen“, als er den Anspruch erhob, der Messias zu sein (Joh.
18,6).42 Das Erkennen Jesu als „Gott“ ist eine wunderbare Erfüllung der
hohen Anrede des Königs von Israel in Psalm 45. In diesem Psalm wird
dem Messias als dem Herrn und „Gott“ der Gemeinde zugejubelt. Doch
der „Gott“ Messias wurde von seinem Gott, dem Einen und einzig
Unendlichen Gott (Ps. 45,8) gesalbt.
Jesus selbst interessierte sich für den Gebrauch des Wortes „Gott“ für
menschliche Führer (Joh. 10,34; Ps. 82,6). Der Messias ist äußerst
berechtigt, in diesem besonderen Sinn „Gott“ genannt zu werden, weil er
auch das „Wort“ verkörpert, welches selbst theos ist (Joh. 1,1). Es ist
möglich, dass Johannes eine weitere Aussage über Jesus als „Gott“
hinzufügt. Er bezeichnet ihn (falls es die richtige Lesart des Manuskripts
ist, die Sache wird diskutiert) als „eingeborener Sohn, Gott (theos)“ (Joh.

42
Siehe Reim, „Jesus as God in the Fourth Gospel: The Old Testament
Background“, New Testament Studies 30 (1984): 158-160
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 271

1,18). Das ist die allerhöchste messianische Beschreibung, welche die


Tatsache ausdrückt, dass Jesus das Ebenbild des Einen Gottes ist. Als
Sohn Gottes muss er dennoch von dem Einen, dem Vater, unterschieden
werden, der ohne Ursprung ist. Es bleibt eine Tatsache, dass Johannes das
ganze Buch geschrieben hatte um zu beweisen, dass Jesus der Christus ist
(Joh. 20,31) und dass der Gott Jesu auch der Gott der Jünger ist (Joh.
20,17). Ein ungewöhnliches Vorkommen von theos in Bezug auf Jesus
sollten nicht das einheitliche Beharren von Jesus und Johannes auf das
Bekenntnis Israels umwerfen. Es ist eine ungerechtfertigte Annahme (2.
Joh. 9 sollte beachtet werden), die über die Absicht von Johannes
hinausgeht, ihn zu einen Innovator der Gleichsetzung Christi mit dem
Allerhöchsten Gott zu machen. Es ist genug, an Jesus als den Messias, den
Sohn Gottes zu glauben (Joh. 20,31).

1. Johannes 5,20
Einige Autoren, welche die Idee vertreten, dass das Neue Testament
Jesus „Gott“ im selben Sinn wie den Vater nennt, erklären uns, dass in 1.
Joh. 5,20 ausdrücklich gesagt wird, Jesus sei der wahre Gott. Der Vers
lautet folgendermaßen: „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes
gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den
Wahrhaftigen erkennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen und seinem
Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhafte Gott und das ewige Leben“.
Viele Trinitarier glauben nicht, dass Jesus hier als der wahrhafte Gott
beschrieben wird. Henry Alford, der bekannte britische Ausleger und
Verfasser des berühmten Kommentars über das Griechische Testament
bezieht sich auf eine Tendenz, welche in der Geschichte bei der
Auslegung der Bibel eine große Rolle spielte. Er bemerkt, dass die
Kirchenväter 1. Joh. 5,20 eher doktrinär als exegetisch erklärten. In
einfachen Worten, sie wurden mehr durch einen Wunsch beeinflusst, ihre
bereits festgesetzte theologische Position zu verteidigen, als durch die
Entschlossenheit, die wahre Bedeutung des Textes wiederzugeben.
Alford vergleicht die Aussage von Johannes über den Einen Gott in 1.
Joh. 5,20 mit dem Aufbau ähnlicher Sätze in den Johnnesbriefen. Er
bemerkt auch die auffällige Parallele in Joh. 17,3, wo Jesus sehr sorgfältig
von dem Einen Gott unterschieden wird. Er schließt, dass Ausleger,
welche die einfache Bedeutung dieser Passage suchen, den Ausdruck
„wahrer Gott“ sich nicht als auf Jesus, sondern auf den Vater beziehend,
sehen. Dieser (houtos) im letzten Satz von 1.Joh. 5,20 muss sich nicht auf
das nächstgelegene Hauptwort beziehen (in diesem Fall Jesus Christus).
272 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

Henry Alford zitiert zwei Passagen aus den Johannesbriefen, um seine


Aussage zu unterstreichen: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der
leugnet, dass Jesus der Christus ist? Der ist der Antichrist“ (1.Joh. 2,22).
„Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht Jesus
Christus, im Fleisch gekommen, bekennen; dies ist der Verführer und der
Antichrist“ (2. Joh.7). Aus diesen zwei Passagen ergibt sich klar, dass
„dieser“ sich nicht unbedingt auf das unmittelbar davor stehende
Hauptwort beziehen muss. Wenn es so wäre, so würde es Jesus zum
Verführer und zum Antichristen machen. Das Fürwort „dieser“ in 1. Joh.
5,20 bezieht sich vielmehr auf die vorangegangene Aussage „wir sind in
dem Wahrhaftigen“, die den Vater und nicht Jesus beschreibt. Wenn wir
diese Aussage mit Joh. 17,3 vergleichen, so sehen wir 1. Joh. 5,20 als
Echo auf diesen Vers: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den
allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“
In seinem Buch The Trinity in the New Testament kommt der
Trinitarier Arthur Wainwright zu demselben Schluss.43 Er glaubt nicht,
dass Jesus in 1. Joh. 5,20 wahrer Gott genannt wird. Henry Alford, der die
Schriften über alles hochschätzte, schließt: „Ich selbst kann nach der
Erklärung unseres Herrn ‚du bist der allein wahre Gott‘ nicht sehen, wie
sich jemand vorstellen kann, derselbe Apostel könnte in diesen Worten
(Joh. 17,3) einen anderen Bezug gehabt haben, als in jenen gegeben wird
(1. Joh. 5,20)“.44
Wenn wir die Tatsachen sorgfältig abwägen, so scheint es außer Frage
zu stehen, dass Johannes niemals vom Glauben an den „unipersonalen“
Gott des alttestamentlichen Erbes abwich. Das stellt ihn auf die gleiche
Ebene mit seinem geliebten Herrn, der sich auch niemals von der Hingabe
an den Einen Gott Israels abkehrte.

Das Argument aus der Geschichte


Da die Schrift der letztendliche Richter in christlichen
Glaubensangelegenheiten ist, sehen viele nicht die Notwendigkeit, den
Trinitarismus aus einem historischen Blickwinkel heraus zu betrachten.
Andere wird es interessieren zu hören, dass die Lehre der Dreieinigkeit,
wie sie in Nizäa (325) und Chalcedon (451) festgelegt wurde, das
Endprodukt eines Enwicklungsprozesses darstellt. Es ist fast unmöglich,
den Glauben an drei gleiche, gleichewige Personen in den christlichen

43
(London: SPCK, 1962), 71,72
44
Greek Testament, ad. loc. cit.
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 273

Schriften vor dem Ende des 2. Jahrhunderts zu finden. Diese Tatsache


wird von trinitarischen Gelehrten weitgehend erkannt. Römisch-
katholisch Gläubige geben freimütig zu, dass ihre Lehre der Trinität nicht
aus der Bibel stammt, sondern aus nachbiblischer Tradition. Die
Bemerkung von Kardinal Hosier aus dem 16. Jahrhundert ist einer
Erwähnung wert: „Wir glauben an die Lehre eines dreieinen Gottes, weil
wir sie durch die Tradition so überliefert bekamen, obwohl sie in den
Schriften nicht erwähnt wird.“45
Die Bemerkungen eines anderen römisch-katholischen Gelehrten
stellen Trinitarier vor eine ähnliche Herausforderung:

„In keinem Teil der Heiligen Schriften wird offenbart, dass der Sohn
essentiell oder cosubstanziell mit dem Vater übereinstimmt, weder durch
bekräftigende Aussagen noch durch sichere und unveränderliche
Schlussfolgerung. Diese und andere Meinungen der Protestanten können nicht
aus den Heiligen Schriften bewiesen werden und lassen das traditionelle Wort
Gottes beiseite....die Schrift selbst scheint an vielen Stellen das Gegenteil zu
zeigen, doch die Kirche lehrte uns anderes.“46

Einige protestantische Theologen, die aber Trinitarier blieben, gaben


die Schwierigkeit zu, die Trinität aus der Bibel zu begründen:

„Es muss zugegeben werden, dass die Lehre der Trinität, wie sie in unseren
(Church of England) Glaubenssatzungen, in unserer Liturgie und in unseren
Glaubensbekenntnissen ausgedrückt wird, in den heiligen Schriften nicht mit
vielen Worten gelehrt wird. Was wir in unseren Gebeten bekennen, lesen wir
nirgends in der Schrift – dass der Eine Gott, der Eine Herr nicht eine, sondern
drei Personen in einer Substanz ist. Einen solchen Text gibt es in den Schriften
nicht, dass die „Einheit in der Dreieinigkeit und die Dreieinigkeit in der Einheit“
angebetet werden soll. Kein einziger der inspirierten Schreiber bestärkte
ausdrücklich, dass in der Trinität keiner vor oder nach dem anderen ist, keiner
größer oder kleiner als der andere ist, sondern dass diese drei Personen
gleichewig und gleich sind.“47

45
Confessio Fidei Christiana (1553), Kap. 27
46
James Masenius, Apud Sandium, 9-11, zitiert bei Wilson, Concessions, 54
47
Bishop George Smalridge, Sixty Sermons Preach’d on Several Occasions, no.
33, 348, zitiert bei Wilson, Unitarian Principles Confirmed by Trinitarian
Testimonies, 367.
274 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

Wenn die Trinität ihren Ursprung in der Bibel hätte, so würden wir
erwarten, sie in einer ungebrochenen Tradition bis zu den frühesten
nachbiblischen Schreibern zurückverfolgen zu können. Aber kann die
geschehen? Es gibt viele im trinitarischen Lager, welche die Schwierigkeit
bestätigen, den Trinitarismus in den Schriften der führenden Vertreter des
Glaubens vor der Zeit des Konzils von Nizäa zu finden. Diese Tatsachen
wurden in einem informativen Artikel von Mark Mattison
zusammengestellt.48 Indem er sowohl Originalquellen als auch
Standardautoritäten zitiert, zeigt Mattison, dass der „Trinitarismus“ von
Justin und Theophilus ein klares Element der Unterordnung des Sohnes
enthielt. Irenaeus, ebenfalls aus dem 2. Jahrhundert, spricht vom Vater als
autotheos, „Gott in sich selbst“. Die Gottheit des Sohnes stammt von jener
des Vaters. Das ist beim voll entwickelten Trinitarismus nicht der Fall, bei
dem alle drei Personen gleich sind. Tertullian (ca. 160-225) glaubte an die
Präexistenz des Sohnes, doch er verneinte ausdrücklich dessen
„Ewigkeit“: „Gott war nicht schon immer Vater und Richter, einfach auf
Grund Seines ewigen Gott-Seins. Denn er konnte nicht Vater sein, bevor
der Sohn war, und auch kein Richter vor der Sünde. So gab es eine Zeit, in
der weder Sünde noch der Sohn existierten.“49
Ein weiterer einflussreicher Kirchenvater, Origenes (ca. 185-254)
glaubte ganz klar nicht an eine Gleichstellung Christi mit dem Vater. In
seinen Kommentaren über das Johannesevangelium behauptet er, dass
„Gott, das Logos“, d.h. der Sohn, „vom Gott des Universums übertroffen
wird.“50 „Der Sohn kann in keiner Hinsicht mit dem Vater verglichen
werden, da er das Abbild Seiner Güte ist und nicht der Glanz Gottes,
sondern der Abglanz Seiner Herrlichkeit und Seines ewigen Lichts.“ 51
Obwohl Origenes der Erste war, der die Idee des „ewigen Sohnes“
entwickelte, bestand er auf der untergeordneten Rolle Christi. „Der Vater,
der Jesus sandte, ist allein gut und größer als der, der gesandt wurde.“ 52
Origenes lehnte auch das Gebet zu Jesus ab und lehrte, dass dieses nicht

48
„The Development of Trinitarianism in the Patristic Period“, A Journal from
the Radical Reformation 1 (Sommer 1992): 4-14. Siehe auch M.M.Mattison, The
Making of a Tradition. Neugedruckte nicht-trinitarische Werke, hauptsächlich aus
dem 19. und 20. Jahrhundert, sind nun von C.E.S., P.O. Box 30336, Indianapolis,
IN 46230 erhältlich.
49
Against Homogenes, Kap.3.
50
Commentary on John, ii,3
51
Ebenso, xiii, 35
52
Ebenso, vi, 23
Die Herausforderung an den Trinitarismus heute 275

das Objekt der höchsten Anbetung sein sollte.53 The Oxford Dictionary of
the Christian Church weist darauf hin, dass Origenes den Sohn als
„weniger göttlich als den Vater“ ansah. „Der Sohn ist theos (Gott oder
göttlich), doch nur der Vater ist autotheos (der absolute Gott, Gott in sich
selbst).“54
Die ersten „Apologeten“ und Kirchenväter waren nicht im selben Sinn
trinitarisch wie das spätere Bekenntnis von Nizäa. Diese Tatsache kann
durch das Lesen der Originalschriften dieser Vertreter des Glaubens oder
durch das Konsultieren von Standardautoritäten auf dem Gebiet der
Kirchengeschichte bestätigt werden. Ein deutscher Gelehrter des 19.
Jahrhunderts schrieb: „Das doktrinäre System der vor-nizänischen Kirche
ist unvereinbar mit dem Ausdruck und der Autorität der Formeln der
konstantinischen und byzanthinischen Konzile und auch mit dem
mittelalterlichen System, das auf diesen aufbaute.“55 Diese Tatsache ist
auch im 21. Jahrhundert klar ersichtlich. The Westminster Dictionary of
Christian Theology stellt fest, dass die Lehre von der Subordination „für
die vor-nizänische Christologie kennzeichnend war. Origenes glaubte zum
Beispiel an eine Hierarchie, in der Gott der Vater der Höchste war und das
Logos das verbindende Glied zwischen dem höchsten und dem
geschaffenen Dasein.“56 Das spätere Athanasianische Bekenntnis, das
durch das Konzil von Nizäa stark beeinflusst wurde, sprach den drei
Personen der Gottheit absolute Gleichheit zu. Wenn nun der Trinitarismus
die „ewige Sohnschaft“ Christi fordert, so waren die ersten nachbiblischen
Schreiber Häretiker und sogar Origenes schaffte kein Bekenntnis, welches
heute in den meisten trinitarischen Kreisen akzeptiert werden würde.

Schlussfolgerung
Es erscheint, als ob die trinitarische Expertenexegese oftmals den
Versuch schwächt, die Dreieinigkeit durch die Schrift zu begründen. Es
werden keine Texte vorgelegt, welche das orthodoxe Verständnis der
Trinität unterstützen und die nicht schon von Trinitariern anders

53
Treatise on Prayer, 15
54
„Origen“, ed. Cross and Livingstone (Oxford University Press, 1974, second
edition), 1009
55
C.C. Bunsen, Christianity and Mankind, 1: 464, zitiert bei Alvan Lamson, The
Church of the First Three Centuries, 181
56
Frances Young, „Subordinationism“ in The Westminster Dictionary of
Christian Theology, ed. Richardson and Bowden (Philadelphia: Westminster
Press, 1983), 553
276 Die Herausforderung an den Trinitarismus heute

interpretiert wurden. Kann die biblische Lehre von Gott wirklich so


verborgen sein? Es wäre wahrscheinlich einfacher, das Schema Israels zu
akzeptieren und so den Glauben an einen „unipersonalen“ Gott. Das
dieses auch das Bekenntnis von Jesus selbst war, scheint es den Anspruch
erheben zu dürfen, auch das christliche Bekenntnis zu sein. Nichts von der
Ehre des Sohnes geht verloren, wenn er als einzigartiger menschlicher
Vertreter Gottes angesehen wird, für den Gott die ganze Welt geschaffen
hatte und den der Vater zur Unsterblichkeit erhöhte. Seine Position als
Richter der Menschheit reflektiert diesen erhöhten Status als Messias und
dennoch bezieht er all seine Autorität vom Vater.
12. LAUFEN WIR EINEM ANDEREN GOTT NACH?

„In der frühesten Christenheit standen einander Orthodoxie und


Häresie nicht als primär und sekundär gegenüber, sondern in vielen
Gebieten war die Häresie die ursprüngliche Manifestation des
Christentums.“ – George Strecker

Wenn Jesus Gott wäre, dann müsste er immer existiert haben und eine
weitere Diskussion über seinen Ursprung wäre irrelevant. In Nizäa wurde
die Frage nach dem Ursprung Jesu offiziell beigelegt. Unter der Leitung
Konstantins und der griechischen Theologen des vierten Jahrhunderts
wurde der Glaube an die cosubstanzielle Göttlichkeit Jesu ein Hauptpunkt
im Glaubenssystem der Kirche und so blieb es auch weiterhin. Doch die
aufkommende trinitarische Theorie verursachte den Theologen ein
beträchtliches Problem. Wie sollten sie eine Gottheit bestehend aus zwei
(und später aus drei) Personen erklären und gleichzeitig behaupten, es
gäbe nur einen Gott? Die Einheit, die durch Konstantins Konzil erreicht
werden sollte, blieb in endlosen Debatten über die Natur Christi stecken.
Wenn Christus Gott wäre, und sein Vater Gott ist, würde das nicht zwei
Götter ausmachen?
Dieser Punkt war eine ständige Quelle der Verunsicherung. Die
Doketen lieferten eine Lösung. Gott war Einer, der als Jesus in einer
anderen Erscheinungsart auftrat. So war Jesus nicht eine wirklich andere
Person, sondern Gott in einer anderen Form. „So wie der menschliche
Körper Christ eine Erscheinung war, so waren auch sein Leiden und sein
Tod nur äußerer Schein: ‚Wenn er litt, war er nicht Gott. Und wenn er
Gott war, so litt er nicht.‘“ 1
Andere überlegten folgendermaßen: wenn der Vater einen Sohn
zeugte, so muss es eine Zeit gegeben haben, in welcher der Sohn nicht
existiert hatte. Die Entscheidung von Nizäa im Jahr 325 und später in
Chalcedon (451) war die, Jesus sowohl „wahrer Gott von wahrem Gott“

1
Paul Johnson, A History of Christianity, 90
278 Laufen wir einem anderen Gott nach?

und gleichzeitig völlig Mensch sein zu lassen. Der technische Ausdruck


für diese Kombination der Naturen war „hypostatische Einheit“, die Lehre
der Einheit der göttlichen und der menschlichen Natur in Christus, die
gemeinsam eine einzige Person bilden. Die Anschauung, Jesus sei sowohl
vollständig Gott als auch vollständig Mensch, erschien jedoch vielen sich
selbst widersprechend. Sie warfen ein, Gott sei durch Seine Natur ein
ewiges Wesen, doch der Mensch sei endlich. Eine Person kann nicht
gleichzeitig unendlich und endlich sein. Noch dazu wird Jesus von den
Evangelien, besonders in den Berichten von Matthäus, Markus und Lukas,
als völlig menschliche Person, die sich ganz klar von Gott, seinem Vater
unterscheidet, beschrieben. Über seine Gottheit wird von diesen
Schreibern nichts erwähnt und auch nicht darüber, dass er schon vor
seiner Geburt existiert haben sollte.
Die qualvollen Details des Streites über die Identität Christi können in
jedem Buch über die Kirchengeschichte nachgelesen werden. Der Kampf
tobte über die Natur des Messias. Wie konnte sein Mensch-Sein mit der
nun so tief verwurzelten Anschauung, er sei auch Gott, vereinbart
werden? Da der Jesus der Evangelien als Person so klar von seinem Vater
unterschieden wurde, wie konnte die Anklage des Polytheismus
vermieden werden? Die Debatte, die zwar dogmatisch in vielen
Kirchenkonzilen gelöst wurde, kam jedoch nie völlig zur Ruhe. Sowohl
Laien als auch Gelehrte der gesamten christlichen Welt werden weiterhin
von den so offenbar widersprüchlichen Aussagen der Kirchenkonzile
verunsichert, ganz zu schweigen von dem Durcheinander an verwirrenden
Worten, die bei dieser Diskussion verwendet werden. Wie können zwei
sich unterscheidende Personen (wie sie ganz klar im gesamten Neuen
Testament dargestellt werden), der Vater und der Sohn, beide völlig Gott
sein und in Wahrheit nur eine einzige Gottheit darstellen? Normalerweise
war es sicherer, diese Aussage einfach als gegeben hinzunehmen.
Eine andere Meinung als die Orthodoxie zu haben, wurde mit einer
unerklärlichen Härte erwidert. Die bestehende Religion sah anscheinend
nichts Unchristliches darin, die Wut an ihren Gegnern auszulassen. Einer
der vielen späteren Gegner des Trinitarismus war ein „untiarischer
Chirurg, George van Parris...(der) sich weigerte, seinem Glauben
abzuschwören. Es wird erzählt, dass bei seiner Verhandlung vor dem
Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, gesagt wurde: ‚Er glaubt,
dass nur Gott, der Vater, Gott ist und Christus nicht wahrer Gott ist.‘“ Er
Laufen wir einem anderen Gott nach? 279

wurde von den Führern der Church of England am 25. April 1551 in
Smithfield/England verbrannt.2
Zweihundertfünfzig Jahre später sah ein britischer
nonkonformistischer Priester, Joseph Priestley, aus Birmingham/ England,
sein Lebenswerk durch die Hände des Mobs in Flammen aufgehen.
Priestley war das Opfer des Feuers, welches durch die Entscheidung des
Konzils von Nizäa, alle Gegner zu unterdrücken, entfacht wurde. Er
glaubte, Gott sei nur eine einzige Person und Jesus ein sterblicher
Mensch, also entgegengesetzt zu den orthodoxen Entscheidungen des
konstantinischen Konzils. Dieser brilliante Wissenschafter und Priester,
ein Griechisch- und Hebräischlehrer, war zu dem Schluss gekommen,
dass vieles von dem, was als Christentum gelehrt wurde, nicht aus der
Bibel hergeleitet werden konnte. Seine Ansichten führten zu vielen
Angriffen. Sein Haus, seine Bibliothek, seine Papiere und seine Kapelle
wurden von einer meuternden Menge zerstört. Obwohl er ein starker
Verteidiger der Bibel gegen die Attacken von Kritikern und Verleumdern
war, machte ihn sein Verlassen des akzeptierten Glaubens zum
„Anathema“ (er sei verflucht) seitens seiner klerikalen Kollegen.
Was fanden diese Männer und viele andere, die mit ihrem Leben
dafür bezahlten, in der Bibel, was sie veranlasste, zu einer anderen
Überzeugung über die Natur Gottes zu kommen? Warum war diese
Überzeugung so stark, dass sie gewillt waren, alles dafür aufzugeben?
Warum fühlten sich religiöse Leiter so bedrängt, dass sie ihre Gegner mit
dem Tod bestraften? Warum führt auch heute noch die Infragestellung der
Trinität in manchen Kreisen zu solchem Aufruhr?
Wenn es auch nur eine unzweifelhafte biblische Aussage gäbe,
welche die außerordentliche Idee, der präexistierende Sohn Gottes sei
selbst wirklich Gott, sei zum Menschen geworden und sei auch in sich
selbst der Schöpfer aller Dinge, unterstützte, würden dann nicht alle, die
an eine solche Idee glauben, ein Gefühl der Sicherheit in sich tragen und
jene bemitleiden, die nicht daran glauben? Warum verzeichnet nur die
Geschichte so viel Gewalt und ungeheure Wut, die im trinitarischen
Verteidiger hochkommt, wenn er das verteidigt, was sogar er selbst als
verblüffendes Geheimnis bezeichnet?
Es ist schwer zu glauben, dass die Zustimmung zu einer solch
unmöglich schwierigen Behauptung das alles entscheidende Kriterium für
die Errettung sein sollte. Ein orthodoxer Bischof der Church of England

2
G.H. Williams, The Radical Reformation, 779, 780
280 Laufen wir einem anderen Gott nach?

im 17. Jahrhundert scheint gegen sein besseres Wissen in einer Falle zu


sitzen:

„Wir sollten die Rangordnung der Personen der Trinität, wie sie uns in den
Worten von Mt. 28,19 beschrieben wird, in Erwägung ziehen. Zuerst der Vater,
dann der Sohn und dann der Heilige Geist; jeder dieser drei ist wahrhaftig Gott.
Das ist ein Geheimnis, das wir glauben müssen. Dennoch müssen wir sehr
sorgfältig damit umgehen, wie wir davon sprechen, denn es ist sowohl leicht und
auch gefährlich, sich beim Ausdrücken einer so großen Wahrheit zu irren. Wenn
wir daran denken, wie schwer es ist, sich die zahlenmäßig eine göttliche Natur in
mehr als einer und derselben göttlichen Person vorzustellen. Oder drei göttliche
Personen in nicht mehr als einer und derselben göttlichen Natur. Wenn wir davon
sprechen, ist es schwer, Worte zu finden, die das ausdrücken. Wenn ich sage, der
Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind drei, und doch ist jeder ausdrücklich
Gott, so ist das wahr. Doch wenn ich sage, sie sind drei, und jeder ist ein
verschiedener Gott, so ist es falsch. Ich könnte sagen, Gott der Vater ist ein Gott,
der Sohn ist ein zweiter Gott und der Heilige Geist ist ein weiterer Gott. Ich
könnte sagen, der Vater zeugte einen anderen, der auch Gott ist; dennoch kann
ich nicht sagen, er zeugte einen anderen Gott. Ich könnte sagen, vom Vater und
vom Sohn geht einer aus, der auch Gott ist; dennoch kann ich nicht sagen, vom
Vater und vom Sohn geht ein anderer Gott aus. Obwohl ihre Natur dieselbe ist,
sind ihre Personen verschieden; und obwohl ihre Personen verschieden sind, ist
dennoch ihre Natur dieselbe. Obwohl nun der Vater die erste Person in der
Gottheit ist, der Sohn die zweite und der Heilige Geist die dritte, so ist nun nicht
der Vater der erste Gott, der Sohn der zweite und der Heilige Geist ein dritter
Gott. Es ist so schwer, ein so großes Geheimnis in Worte zu fassen, oder so eine
hoch erhabene Wahrheit in richtige Ausdrücke zu fassen, ohne auf die eine oder
die andere Art davon abzuweichen.“3

Wenn wir uns auf die einfachen Aussagen der christlichen Dokumente
beschränken, was ist dort der Kern der biblischen Aussage über den
Ursprung Jesu? Ist es nicht klar ersichtlich, dass Jesus nicht daran glaubte,
der Schöpfer gewesen zu sein, wenn er sich auf Gott bezieht, „der sie als
Mann und Frau geschaffen hat?“ (Mk. 10,6). In Hebr. 4,4 sehen wir, dass
sich Gott am siebten Schöpfungstag ausruhte. Der Schreiber an die
Hebräer meint den Vater, wenn er sich auf „Gott“ bezieht (der Ausdruck
„Gott“ wird in einem zweitrangigen Sinn in Hebr. 1,8 für Jesus

3
Bishop Beverage, Private Thoughts, Part 2, 48, 49, zitiert bei Charles
Morgridge, The True Beleiver’s Defence Against Charges Preferred by
Trinitarians for Not Believing in the Deity of Christ (Boston: B. Greene, 1837),
16
Laufen wir einem anderen Gott nach? 281

verwendet). Von Jesus wird erzählt, dass er sagte, er sei nicht Gott (Mk.
10,18). Selbst ein flüchtiges Lesen des Matthäus- und Markusevangeliums
führt uns zum Schluss, dass Jesus bei seiner Geburt durch die Jungfrau
Maria ins Leben kam (Lk. 1,35). Das scheint auch genau das zu sein, was
das Alte Testament vom Messias erwartete, wenn wir nicht versuchen, die
Idee der Präexistenz in die alttestamentlichen Schriften hineinzulesen und
sie versehentlich den biblischen Schreibern zuzuschreiben.
Die kurze Zusammenfassung des Lebens Jesu durch Paulus ist keine
trinitarische Aussage: „Und anerkannt groß ist das Geheimnis der
Gottseligkeit: Der geoffenbart worden ist im Fleisch (d.h. als
menschliches Wesen)...aufgenommen in Herrlichkeit“ (1. Tim. 3,16).
Paulus glaubt, dass Jesus im Fleisch offenbart wurde – eine einfache
Aussage, wie der Erlöser den Menschen zuerst erschien. Es geschah als
menschliche Person. In diesem konzentrierten Bild des Messias findet sich
kein Hinweis auf eine Präexistenz als Engel oder Gott. Einige
Manuskripte fügten „Gott“ für die Worte „er, der“ ein. Viele moderne
Übersetzer bezeichnen diese Änderung als ungerechtfertigt. Es ist äußerst
unwahrscheinlich, dass „Gott“ in den ältesten Manuskripten vorkam.
Solche Einschaltungen, wie die bekannte, aber gefälschte trinitarische
Beifügung zu 1.Joh. 5,7, die von modernen Übersetzungen heute
ausgelassen wird, deuten an, dass jemand versuchte, dem ursprünglichen
Text eine neue Idee aufzuzwingen. Dieselbe Gewalt wird der Schrift in
der Vulgata (der lateinischen Bibelübersetzung) zugefügt, wenn sie die
Aussage: „Er ist dein Herr“ in „Er ist dein Herr, dein Gott“, abändert (Ps.
45,12). Die Änderung symbolisiert einen fatalen Verlust der Identität Jesu
als Messias.
Bemerkungen von Theologen und Historikern, welche die Tragödie,
welche die Christenheit im vierten und fünften Jahrhundert befallen hatte,
erkannten, könnten einen ganzen Buchband füllen. Ein früherer Professor
der Geschichte der Philosophie an der Universität Wien schrieb:

„Das Christentum heute ähnelt einem Baum, oder einem Wald, auf der Spitze
eines Berges: durch einen Sturm entwurzelt, sieht man plötzlich, wie wenig Erde
vorhanden war, um ihn aufrecht zu erhalten....Der Grund für diese alarmierende
Tatsache ist, dass das Christentum nicht im Erdreich verwurzelt ist, aus dem es
stammt – aus der jüdischen Frömmigkeit, der jüdischen Gottesfurcht, Liebe für
die Menschheit, Liebe für weltliche Vergnügungen, Freude am Gegenwärtigen
und Hoffnung für die Zukunft. Das Christentum brachte sich selbst durch die
Identifikation mit dem politisch-religiösen Staat Konstantins in eine gefährliche
282 Laufen wir einem anderen Gott nach?

Lage. Seit Johannes Paul XXIII ergaben sich einige Möglichkeiten, dem
konstantinischen Einfluss zu entkommen.“4

Unglücklicherweise erwies sich dieser konstantinische Einfluss, der


nur von einigen abweichenden Stimmen abgesehen unwidersprochen
blieb, als das Grab der wahren christlichen Einheit. Können wir einen
Körper, der aus einer Synthese biblischer Wahrheit und fremder
griechischer Philosophie, verschmolzen mit heidnischen politischen
Systemen, heidnischen Gebräuchen und Glaubensanschauungen, besteht,
wirklich christlich nennen? Seit der Zeit, als Konstantin die
Kirchenkonzile des vierten Jahrhunderts veranstaltete, verzeichnet die
Geschichte die lange Agonie einer geteilten Christenheit, die durch
sektiererischen Kampf und Länder, welche durch einige der blutigsten
Kämpfe in der Geschichte der Menschheit geschändet wurden,
gekennzeichnet ist. Es liegt eine tiefe Ironie in der Tatsache, dass solche
Kriege im Namen Christi geführt wurden. Das in Windeln gehüllte Baby
in einer Krippe wurde der Welt durch die Ankündigung der himmlischen
Heerscharen, die Gott priesen, folgendermaßen vorgestellt: „Ehre sei Gott
in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen Seines Wohlgefallens
(Seinem auserwählten Volk“ - Lk. 2,14). Und doch hat die christliche
Gemeinschaft, die der Welt ein Beispiel des Friedens zwischen den
Menschen sein sollte, sogar im eigenen Haus jämmerlich versagt, diesen
Frieden zu demonstrieren.
Jesus selbst kündigt an, er „sei nicht gekommen, Frieden zu bringen,
sondern das Schwert“ (Mt. 10,34). Er war sich völlig klar darüber, dass
seine Botschaft vom kommenden Reich Gottes, welche in die Gläubigen
eine Liebe für den Frieden, die Wahrheit und den Respekt für den einen
Schöpfergott, legen und unsere Gedanken von den Fallen der Furcht und
des Aberglaubens befreien sollte, nicht friedlich in ein System voll
überhandnehmender Unterdrückung und der Kontrolle der Menschen
durch ihre Mitmenschen integriert werden konnte. Unter dem Banner des
Friedefürsten wurden einige der schrecklichsten Kriege geführt. Das
Schauspiel, als Christen andere Christen töteten, und die Kirche Folter
und Gewalt gegen die angeblichen Häretiker unterstützte, bewahrheitete
die Ankündigung Christi, „es kommt sogar die Stunde, dass jeder, der
euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu tun“ (Joh. 16,2). Eine große
Verantwortung liegt auf den Schultern jener, die den Namen Christi

4
Friedrich Heer, God’s First Love (Weidenfeld and Nicolson, 1970), xiv,xv
Laufen wir einem anderen Gott nach? 283

benutzten, um Systeme der Gewalt fortzusetzen. Die absolute Ethik der


Liebe Jesu sollte die Gläubigen davor bewahrt haben, in die Maschinerie
des Krieges einzusteigen, die doch so oft das Hinschlachten jener
beinhaltete, die als Glaubensbrüder angesehen wurden. Es gibt absolut
nichts Schwieriges in der Botschaft Jesu über die Verehrung des Einen
Gottes, seines Vaters, und der Liebe zu allen, sogar zu den Feinden:

„Das Evangelium war an einfache und aufrichtige Gemüter gerichtet und


diese können auch seine wichtigen und praktischen Lehren verstehen. Die großen
Prinzipien der natürlichen Religion sind so einfach, dass unser Erlöser dachte, der
Mensch könne sie von den Vögeln des Himmels lernen, von den Blumen des
Feldes und von den Wolken des Himmels. Und er fragte jene, die um ihn
herumstanden, warum sie nicht selbst beurteilten, was richtig ist. Das Evangelium
war an die Armen gerichtet, an die Ungebildeten; und es wurde ungebildeten
Männer anvertraut, dieses anderen zu lehren. So wäre es höchst ungewöhnlich,
wenn nur Gebildete es verstehen oder erklären könnten. Wahrhaftig, die großen
und praktischen Prinzipien sind ganz einfach, wie alle jene herausfinden werden,
welche in den Lehren und Beispielen Jesu suchen und nicht inmitten all der
Verwirrung von Sprachen, allzu strenger Kritik, der Anmaßung oder der frivolen
Eitelkeit kompromissloser, voreingenommener, bigoter und wütender Polemiker,
und eingebettet in die geheimnisvolle und metaphysische Tiefgründigkeit
theologischer Kontroversen.....“5

Historiker wären in Bedrängnis, wenn sie ein eindrucksvolleres


Beispiel der Verwirrung und bitteren Kirchenkampfes finden sollten, als
den Streit über die Frage, wer Gott und wer Jesus ist – Fragen, die in den
der Abfassung des Neuen Testamentes folgenden Jahrhunderten immer
wieder auftauchten und die zur Zeit des Konzils von Nizäa zu tragischen
Entscheidungen führten. Heute schrecken wir vor der Ermordung
Andersdenkender zurück. Sie werden durch das Gesetz geschützt.
Dennoch werden sie auf eine andere Art bestraft. Diejenigen, die mit dem
akzeptierten Dogma nicht übereinstimmen, werden von den anderen, die
sich als Wächter der Orthodoxie bezeichnen, oft verachtet und als
Häretiker abgestempelt. Ohren und Herzen sind dem verschlossen, was
Andersdenkende zu sagen haben, so als ob eine satanische Verschwörung
losbräche, sobald eine gegensätzliche Meinung geäußert wird. Sehr selten
gibt es Christen, die sich vorstellen könnten, einen jahrhundertelangen
Irrtum geglaubt zu haben. Von unseren Lehrern wurden wir gut darin
unterrichtet, einen Schutzschild um unsere angebliche Wahrheit zu bauen,
5
Valedictory, aus Predigten von Henry Colman (n.p.,1820), 322, 323
284 Laufen wir einem anderen Gott nach?

sogar wenn es ein unhaltbarer Irrtum ist. Wir neigen dazu, den
hochgehaltenen Kirchentraditionen zuzustimmen. Oftmals sind wir von
der Autorität und Titeln eingeschüchtert. Selten halten wir inne und
überlegen, dass die religiöse Führung in den Händen jener ist, die sich
einem vorherrschenden Muster oder einer vorherrschenden Denkrichtung
angepasst haben und die für ihre Orthodoxie belohnt wurden. Doch
können unsere gegenwärtigen Konfessionssysteme, zwischen denen
schwerwiegende Konflikte und Meinungsverschiedenheiten bestehen, alle
ernsthaft Gott und die Wahrheit repräsentieren? Ein britischer
Bibelgelehrter und Autor von Artikeln über die Christologie gab in
Korrespondenz zu: „Meine Erfahrung ist die, dass Christologie ein
Gegenstand ist, bei dem manche nicht so offen sind, wie sie sein sollten,
besonders wenn sie als Kirchenmänner formell den traditionellen
Bekenntnissen verpflichtet sind.“
Das Beharren der Theologie auf dem Glauben an eine unbewiesene
Theorie, dass drei eins sind und eins drei ist - eine Theorie, die
zugegebenermaßen von niemandem verstanden oder erklärt werden kann -
legt auf das Christentum eine unerträgliche Last und belastet den
gesunden Menschenverstand eines jeden, der versucht, Gott in aller
Ernsthaftigkeit, die der Verstand aufbringen kann, anzubeten, so wie er
gelehrt wurde, es zu tun. Eine Aura der Heiligkeit auf ein nicht zu
beweisendes und unbiblisches Konzept zu legen, weil Theologen des
vierten Jahrhunderts gemeinsam mit einem „christlichen“ Kaiser die
Bedingungen des Glaubensbekenntnisses festlegten, erhebt blinde
Akzeptanz eines Dogmas über die ehrliche Suche nach der biblischen
Wahrheit.
Das Christentum hat zu Recht mit dem Finger auf die Welt gewiesen,
als sie versuchte, die unbewiesene Evolutionstheorie der Menschheit
aufzudrängen. Mit bemerkenswerter Schärfe enthüllten Gläubige die
orientalischen Wurzeln der modernen New Age Bewegung und warnten
vor ihr. Doch das Christentum erkennt nicht, dass es in seinem eigenen
doktrinären System eine Theorie über Gott beherbergt, die es von seinen
hebräischen theologischen Wurzeln und von Jesus entfernt, dessen
Verständnis Gottes von den Propheten Israels geformt wurde und nicht
durch Philosophie oder Kirchenkonzile.
Den Christen wurde erzählt, Konstantin, der mit dem Konzil, das den
trinitarischen Glauben einführte, eng verbunden ist, habe sich zum
Christentum bekehrt. Tatsächlich ereignete sich das Gegenteil. Der
schlaue politische Gigant nahm das Christentum unter seine Fittiche, um
Laufen wir einem anderen Gott nach? 285

seine politischen Ziele zu fördern. Eine große Anzahl von Christen fand
schließlich Zuflucht unter dem Schutz des konstantinischen Systems und
erfreut sich seitdem einer Arbeitsgemeinschaft mit den politischen
Kräften. Das Christentum bekehrte sich zu Konstantin und wurde mit
einer religiös-politischen Koalition verheiratet, deren Sponsor immer noch
Münzen zur Ehre seines Gottes prägen ließ - Sol Invictus, des
Sonnengottes - und nicht zur Ehre des Gottes der frühen Christen. Das
sind die nachprüfbaren Fakten der Geschichte, die dem Versuch von
Apologeten widerstehen, die Tatsachen zu interpretieren, um das
christliche Bild Konstantins zu fördern. Viele sind sich der Anpassung des
Christentums an das Heidentum und der Beeinträchtigung der wahren
Verehrung des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht bewusst. Der
auferweckte Sohn Gottes musste mit dem unbesiegbaren Sonnengott, Sol
Invictus, dem Gott Konstantins, in Wettkampf treten.
Das Christentum verschloss seine Augen gegenüber der biblischen
Realität und Einfachheit, als es sich zur Meinung entschloss, dass zwei
oder drei Personen den Einen Gott bilden. Die Verbreitung dieser
Mehrfach-Gottheit war einer der größten ideologischen Erfolge, die
jemals erzielt wurden. Er wurde mit Hilfe des Zwanges, des Schwertes,
der Folter und durch den massiven Druck einer Koalition aus
Kirchenvertretern und Staat, die sich in einer unheiligen Allianz
verbanden, erreicht, und er profitierte von einem geheimnisvollen
Konzept. Es nannte sich das „Heilige Römische Reich“, doch dieser Name
reflektierte kaum seine wahre Natur wieder.
Am Konzil von Nizäa exkommunizierte und verbannte Konstantin
nicht nur jene, die sich weigerten zuzustimmen, sondern er verbrannte
auch Briefe, die Beschwerden oder Kontroversen enthielten. Das war eine
tragische Unterdrückung von unliebsamen Tatsachen und die Geschichte
ist voll von parallelen Beispielen. Indem Jesus als Gott verkündigt wurde -
als ein weiterer, zusätzlich zum Vater – lief das Christentum wirklich
einem anderen Gott nach (Ps. 16,4). Es gereichte ihm zur Schande und
zum Leid, dass es mit dem historischen Mann Jesus, dem Messias,
handelte, dessen Verlangen als der einzigartige menschliche Vertreter
Gottes es war, die Menschen zu dem Einen Gott zu führen; an seiner
Stelle wurde der Gott-Mann erhoben. Die griechische Mythologie
triumphierte über die hebräische Theologie. So verkaufte das Christentum
sein Erstgeburtsrecht.
Die bestehende Religion hatte versagt, Christus und seine Botschaft
während seiner kurzen Pilgerfahrt auf der Erde anzunehmen. Auch seine
286 Laufen wir einem anderen Gott nach?

Evangeliumsbotschaft des Königreiches Gottes fand seit dieser Zeit wenig


Zustimmung bei Kirchenvertretern. Jesus wurde in einen Gott-Mann
verwandelt, in eine Figur, die nicht ganz menschlich ist, in ein
metaphysisches Gebilde des spekulativen griechischen Zeitgeistes, und er
war nicht mehr der Mann Messias, der König Israels, der von den
christlichen Schriften beschrieben wurde. In der theologischen
Verwirrung ging die Realität des menschlichen Messias unter, der
wirklich starb und zur Unsterblichkeit auferweckt wurde - als Beispiel für
die Menschheit, den Weg für andere beleuchtend, die seinem Pfad zur
Unsterblichkeit durch die Auferstehung in das Königreich Gottes auf der
Erde, das bei der Wiederkunft Jesu beginnen wird, folgen.
Als das Christentum eine Gottheit von mehr als einer Person annahm,
spielte es unwissentlich mit Götzendienst. Es begab sich auf einen Kurs
der Gesetzlosigkeit, indem es „einen anderen Gott“ neben dem einzig
wahren Gott, dem Vater, aufnahm. So brach das Christentum das erste
Gebot und es geht auf diesem qualvollen Weg weiter, ohne die Quelle
seiner schwierigen Probleme zu kennen. Man könnte argumentieren,
allein das Gewicht der Anzahl der Mitglieder, die an das trinitarische
Konzept glauben, sei genügend Beweis für seine Richtigkeit. Wie können
nur so viele Menschen falsch liegen? Als Antwort könnte man fragen, seit
wann die Meinung der Mehrheit als Richtschnur für richtig oder falsch
ist? Ist die Erde flach oder das Zentrum des Universums? Protestanten
geben zu, dass die gesamte Kirche vor Luther in einem Zeitraum von
tausend Jahren falsch gegangen war, bis dieser es zurück zur Schrift
brachte. Es gibt gute Gründe zu glauben, dass die Reformation
weitergehen muss. Luthers Annahme des Schlafes der Toten deutet auf
ein Element im Prozess der Reformation, welches seine Anhänger als zu
radikal für jene Zeit empfanden. Sicherlich ist die Lehre der Trinität reif
für eine gründliche Prüfung, um festzustellen, ob sie nicht eher Teil
unseres Erbes von den Kirchenvätern und der Konzile ist, als Erbe der
Bibel.
Selbst die Andeutung, dass Jesus nicht Gott im selben Sinn wie der
Vater ist, ist für manche ein unverzeihlicher Angriff auf die Schrift. Doch
Jesus selbst machte es klar, dass es nur einen wahren Gott gibt und er
benannte diesen Gott als den Vater. Er unterschied sich selbst immer von
Gott und behauptete, sein Botschafter zu sein. Er protestierte, er sei nicht
Gott, sondern Gottes Sohn (Joh. 10, 34-36). Im Neuen Testament wird
Jesus immer wieder „Mann“ genannt, selbst nach seiner Auferstehung.
Kein Schreiber bezieht sich auf Jesus als den „einen wahren Gott“ oder
Laufen wir einem anderen Gott nach? 287

nimmt ihn in den Ausdruck „wahrer Gott“ mit hinein. Jesus und Gott
werden ausdrücklich unterschieden, wenn sie gemeinsam genannt werden.
Sie sind zwei eigenständige und verschiedene Personen. Es gibt ungefähr
1350 unitarische Aussagen im Neuen Testament, neben tausenden im
Alten Testament. Diese kommen immer dann vor, wenn der Vater Gott
genannt wird. Jesus wird nur zweimal sicher Gott genannt (aber in einem
anderen Sinn, Joh. 20,28; Hebr. 1,8). Johannes 1,14 sagt aus, dass das
Wort, welches (nicht: welcher) Gott vollständig ausdrückte – theos – ein
Mensch wurde, der Mann Jesus. Die ständige Verwendung von „Gott“ für
den Vater deutet kaum darauf hin, dass Er und Jesus „völlig gleicher
Gott“ sind. In den alttestamentlichen Aussagen über Gott kommen
persönliche Fürwörter in der Einzahl ungefähr 11 000 Mal vor und zeigen
uns, dass Gott eine einzelne Person ist.
Die Formel des Konzils von Chalcedon - „Jesus ist wahrer Gott von
wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, aus der gleichen Substanz wie
der Vater“ und „ebenso vollständig im Gott-Sein, ebenso vollständig im
Mensch-Sein, wahrer Gott und wahrer Mensch“- ist so verwundbar, dass
ein römisch-katholischer Gelehrter fordert: „Der Bedarf einer
vollständigen Neueinschätzung des Glaubens der Kirche über Christus bis
zum heutigen Tag ist sehr dringend gegeben.“6
Baillie gab zu, dass „viele nachdenkliche Leute, die sich heutzutage
zum Evangelium hingezogen fühlen, von der Lehre der Dreieinigkeit
vollständig verwirrt werden - von der Idee, dass Gott in Jesus nur in einer
anderen Gestalt erschien – und das viel häufiger passiert, als wir
Theologen es erkennen.“7 Einer der führenden Sprecher des
fundamentalistischen Evangelikalismus bemerkte bei einer landesweiten
Fernsehübertragung, dass niemals ein Theologe in der Lage sein wird, ihm
die Lehre der Dreieinigkeit zu erklären. Das scheint zu bedeuten, dass
man in der Frage der Trinität einfach sein Vertrauen auf die Beschlüsse
der Kirchenväter des vierten und fünften Jahrhunderts setzen muss. Aber
dürfen wir die Frage stellen: Wer gab diesen griechischen Theologen das
Recht, die christliche Theologie für alle Zeiten zu bestimmen? Wer gab
ihnen die Macht, unfehlbar zu erklären, dass die Gottheit aus drei ewigen
Personen besteht?

6
Aloys Grillmeier, S.J. Christ in Christian Tradition (Atlanta: John Knox Press,
1975), 1: 557.
7
God Was in Christ, 29.
288 Laufen wir einem anderen Gott nach?

Sobald einmal der Glaube an Gott als einzelne Person geleugnet


wurde, nahm die Spekulation überhand. Der einzelne allerhöchste Gott
der Hebräer regierte in den Köpfen der Gläubigen nicht länger ohne einen
Rivalen. Paulus dokumentierte die anhaltende Tendenz der menschlichen
Gedanken, den wahren Gott gegen andere Götter einzutauschen:

„Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine göttliche Kraft als auch seine
Göttlichkeit, wird seit der Erschaffung der Welt an in dem Gemachten
wahrgenommen......Weil sie Gott kannten, ihn aber weder als Gott
verherrlichten......sondern in ihren Überlegungen der Torheit
verfielen..........welche die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem
Geschöpf Verehrung und Dienst dargebracht haben statt dem Schöpfer (Röm
1,20, 21, 25)

Nun sprechen wir darüber, wie großartig Mutter Natur ist. Wir haben
den Vatergott, den Schöpfer, aus unseren Gedanken verbannt. Wenn es
nach verschiedenen Leuten geht, dann dürfen wir nicht länger von Gott als
Vater sprechen, denn sonst erscheinen wir sexistisch. Der Verlust einen
klaren Anschauung über den Einen Gott öffnete die Schleusentore des
sogenannten New Age Denkens; jedermann nennt sich selbst Gott (oder
göttlich) und wartet auf die Selbstentdeckung. Diese Philosophie ist nicht
wirklich neu. Es handelt sich um eine alt-orientalische Idee, die zuallererst
Adam und Eva mit den Worten präsentiert wurde: „Sondern Gott weiß,
dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr
sein werdet wie Gott“ (1. Mo. 3,5). Das Streben nach Wissen ist
gerechtfertigt, aber es muss die wahre Erkenntnis des wahren Gottes sein.
Alles andere ist nutzlos.
Ein Abgleiten in den Polytheismus war unvermeidlich, sobald der
Gott der Juden abgelehnt wurde. Das Christentum hatte die Voraussage
des Psalmisten David erfüllt, als dieser sagte: „Zahlreich sind die
Schmerzen derer, die einem anderen Gott nachlaufen“ (Ps. 16,4). Der
Apostel Paulus warnte die Gemeinde des ersten Jahrhunderts: „Denn
wenn der, welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht
gepredigt haben......so ertragt ihr das recht gut“ (2. Kor. 11,4). Es ist
unmöglich, in den Schriften von Paulus einen präexistenten Gott/Sohn zu
entdecken, es sei denn, man verleugnet seine primären Glaubensaussagen
über den Sohn Gottes, „der aus der Nachkommenschaft Davids
gekommen ist dem Fleische nach“ (Rö. 1,3; vgl. Gal. 4,4). Das Zeitwort,
welches Paulus hier verwendet, bedeutet einfach „kommen“, „ins Dasein
kommen“, d.h. von einer Frau (Gal.4,4), die selbst eine Nachkommin
Laufen wir einem anderen Gott nach? 289

König Davids war (Rö. 1,3). Paulus hält an seinem uneingeschränkten


Monotheismus fest, an einem Bekenntnis, welches in einfachsten
Aussagen feststellt, dass „einer Gott ist und einer Mittler zwischen Gott
und Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1.Tim 2,5) und dass es
„keinen Gott gibt als den Vater“ (1. Kor. 8,4,6).
Als das Christentum einen „anderen Jesus“ verkündigte, der „wahrer
Gott“ ist, predigte es automatisch einen „anderen Gott“, der Teil eines
göttlichen Dreiecks wurde. Der Gott des Alten Testaments, der durch
Jesaja gesagt hatte: „Vor mir wurde kein Gott gebildet, und nach mir wird
keiner sein....und meine Ehre geben ich keinem anderen“ (Jes. 43,10;
42,8), war in den Gedanken der Juden und der Gemeinde des ersten
Jahrhunderts ein einzelnes Wesen.
Das Christentum begann jemanden als Gott zu verehren, der
geschaffen worden war. So wurde der Glaube zum Götzendienst. Die
Leser der Bibel wollten nicht erkennen, dass Jesus aufgrund seiner
übernatürlichen Zeugung der Sohn Gottes genannt wurde (Lk. 1,35).
Jesus kam im Leib seiner Mutter ins Dasein und war so Teil der
Schöpfung und nicht der Schöpfer. Die offiziellen Glaubensbekenntnisse
billigten den Glauben an einen „anderen Jesus“ und an einen „anderen
Gott“. Auf den fadenscheinigsten Beweisstücken, z.B. dem Glauben von
Paulus, Gott habe Seinen Sohn gesandt, wurde die Idee der Präexistenz
Jesu vor seiner Geburt propagiert. James Dunn legt seinen Finger auf das
Problem:

„Es ist möglich, dass er in den beiden Passagen, in denen er davon spricht,
Gott habe Seinen Sohn geschickt (Rö. 8,3 und Gal. 4,4) andeuten will, der Sohn
Gottes sei präexistent gewesen und sei als Jesus zu Fleisch geworden; doch es ist
ebenso wahrscheinlich, oder sogar noch viel wahrscheinlicher, dass die
Bedeutung bei Paulus an diesem Punkt nicht so weit ging und er und seine Leser
Jesus einfach als jemanden sahen, der von Gott beauftragt war und der völlig die
Zerbrechlichkeit des Menschen, seine Knechtschaft und die Versuchung zur
Sünde teilte und dessen Tod die befreiende und verändernde Absicht Gottes für
den Menschen erwirkte.“8

Es ist verständlich, dass Trinitarier eine beträchtliche Anstrengung


unternehmen, gewisse „Beweistexte“ als Beleg für die Präexistenz Christi
anzubieten. Elohim zeigt keinen Hinweis auf eine Pluralität in der
hebräischen Gottheit. „Gesandt von Gott“ beweist nicht, dass man vor

8
Christology in the Making,46, Hervorhebung beigefügt
290 Laufen wir einem anderen Gott nach?

seinem Erdendasein ein Leben im Himmel hatte. In der Schrift waren die
Propheten und Johannes der Täufer ebenfalls „gesandt“. Jeremia war
vorhergesehen, aber nicht präexistent.9 Jesus kam zuerst ins Dasein und
wurde dann gesandt (Apg. 3,26). Das ist Sendung nach seiner Geburt,
nicht die Ankunft aus einer vormenschlichen Existenz.

Eine festverwurzelte Verzerrung des Monotheismus


Das verborgene Problem, das der Kirche heute begegnet, ist der
Irrtum in ihrem Verständnis Gottes, ausgehend von den heidnischen
Philosophien. Die frühe Gemeinde stritt und verlor den Kampf für den
Glauben an einen „unipersonalen“ Gott. Doch mit der Absicht, einen
objektiven und neuen Blick auf die klaren Tatsachen der Schrift zu
werfen, wird es möglich, dass das Konzept des dreieinen Gottes zu nicht
mehr als einem theologischen Mythos wird. Trinitarier sind außerstande,
eine einzige Bibelpassage zu nennen, in welcher die Lehre der Trinität
deutlich festgestellt wird. Wenn wir die Worte des Gründers des
Christentums als wahr annehmen, so fordert der Glauben an die Trinität
seine Lehren über das wichtigste Gesetz und den Mittelpunkt jeglicher
wahren Religion heraus – den Glauben an einen Gott, der ein einzelnes,
ungeteiltes Wesen ist. Vor allen anderen Überlegungen kommt die Frage
nach dem „höchsten und wichtigsten Gebot“, zu „hören“ und an den Gott
Israels zu glauben, welcher „ein Herr“ ist (Mk. 12,29). Paulus folgt Jesus,
wenn er sagt, es gibt keinen Gott außer den Vater (1. Kor. 8,4, 6).
Das führt uns zu wichtigen Fragen: Macht es wirklich einen
Unterschied, was wir glauben? Eine der verheerendsten Lehren, welche in
die heutige moderne Kirche eingedrungen sind, ist die Anschauung, dass
der Glaube einer Person unwichtig ist, solange sie Gott und den
Mitmenschen liebt. Fördern denn nicht alle Religionen die Anbetung
desselben Gottes? Die einfache biblische Tatsache ist, dass die Bibel auf
der Wahrheit als Basis der Anbetung und der Errettung besteht und diese
vom Irrtum unterscheidet. Paulus verband ausdrücklich Errettung mit
einem korrekten Verständnis der Identität Gottes und Jesu: „Dies ist gut
und angenehm vor unserem Heiland-Gott, welcher will, dass alle
Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Denn einer ist Gott und einer ist Mittler zwischen Gott und den
Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1.Tim 2,3-5). Die Verbindung
zwischen richtigem, d.h. biblisch orthodoxem Glauben, und der Errettung

9
Vgl. Jer. 1,5 mit 1. Petr. 1,20 und siehe Jer. 1,7; 7,25; Joh. 1,6
Laufen wir einem anderen Gott nach? 291

ist hier unausweichlich, ebenso wie in den Aussagen von Paulus, in denen
„Glaube an die Wahrheit“ völlig entgegengesetzt zur Schlechtigkeit
verwendet wird und wo die Errettung von der „Liebe der Wahrheit“
abhängt (2. Thess. 2,10-13).
Der Prophet Jeremia gab sich keiner Illusion über die Bedeutung des
Kennens des Gottes Israels hin, als er sagte: „Der Weise rühme sich nicht
seiner Weisheit und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke.....sondern
wer sich rühmt, der rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu
erkennen...(Jer. 9,23-24). Er fuhr fort zu bestätigen: „Aber der Herr ist in
Wahrheit Gott“ (Jer. 10,10), eine Wahrheit, die von Jesus wiederholt
wurde, als dieser später sagte: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie
dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hat, Jesus Christus,
erkennen“ (Joh. 17,3).
Mit einer auffallenden Beharrlichkeit besteht die Bibel auf der
einzigartigen Persönlichkeit des Einen Gottes, des Schöpfers und Vaters,
und auf der Notwendigkeit, diesen Einen Gott, den Vater, und Seinen
Sohn, den Messias, zu kennen. Diese ausdrücklich monotheistischen
Texte vertreiben jede Idee, dass es mehr als Einen geben könnte, der
wahrer Gott ist. Die Schrift widerspricht der Idee, dass wir die Freiheit
haben, unsere Ansicht über Gott dem kulturellen Umfeld anzupassen, wie
gut unsere Absichten auch sein mögen. Das zu tun, bedeutet das
Heidentum und schließlich auch den Polytheismus, welcher das Ende des
wahren Glaubens ist, zu umwerben.
Christen in aller Welt sind herausgefordert, sich der uralten Frage
„Was ist die Wahrheit?“ zu stellen. Wo sich zwei entgegengesetzte
Anschauungen präsentieren, da ist es die Aufgabe des
Wahrheitssuchenden zu entscheiden, welche, oder ob überhaupt eine,
wahr ist. Wir wagen es nicht, der Herausforderung zu entkommen, indem
wir versichern, die Wahrheit sei schwer zu definieren oder unerreichbar.
Das würde gleichbedeutend sein mit der Frage des Pilatus bei der
Verhandlung gegen Jesus: „Was ist Wahrheit?“ (Joh. 18,38). Das war
mehr als eine aufrichtige Frage, es war eine Philosophie, die den Glauben
an eine erreichbare absolute Wahrheit zurückwies. Es implizierte im guten
Stil der späten Aufklärung, dass eine Wahrheit ebenso gültig ist wie eine
andere. Der Anspruch Jesu, er sei in die Welt gekommen, um Zeugnis für
die Wahrheit abzulegen (Joh. 18,37), wird ignoriert. Die Ansicht, jede
Wahrheit sei relativ, leugnet die Verheißung Jesu: „Ihr werdet die
Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8,32).
292 Laufen wir einem anderen Gott nach?

Der Apostel Paulus anerkannte keinen Moment lang, dass der Irrtum
eines anderen denselben Wert wie seine Wahrheit hatte. Seine düstere
Warnung an die Gemeinde in Thessaloniki betreffend einer großen
Verführung, die über die Welt kommen sollte und welche das Verderben
jener sein sollte, welche die Wahrheit nicht liebten, sollte nicht ungehört
verstummen. Er sagte ganz deutlich, dass es Gott selbst ist, der ihnen eine
wirksame Kraft des Irrwahns sendet, dass sie der Lüge glauben, „weil sie
die Liebe der Wahrheit zu ihrer Errettung nicht angenommen haben“ (2.
Thess, 2,10-11). Er wiederholte diese Warnung an Timotheus: „Denn es
wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen“, sondern nur
jenen zuhören werden, die ihren menschlichen Begierden Vorschub
leisten. Als Resultat würden sie sich von der Wahrheit abkehren und zu
den Fabeln hinwenden (2.Tim. 4, 3-5). Er sprach nicht über unwichtige
theologische Punkte, sondern über schwerwiegende Irrtümer und Fabeln,
welche zu geistlicher Blindheit, falschen Zielen und Göttern, Ungehorsam
gegenüber Gott und zum Tod führten. Neunzehn Jahrhunderte später
möchte ein scharfsinniger Beobachter der zeitgenössischen Kirche wissen,
wieso es solche Spaltungen in der wichtigen Frage der Identität des Einen
Gottes und Jesu gibt. Wir können die Quelle dieses Problems bis zu einem
Bruch mit der wertvollsten aller Glaubensaussagen, nämlich dass es nur
Einen Gott, den Vater, gibt, und keinen neben ihm, zurückverfolgen (1.
Kor. 8,4,6). John Locke sah die traditionelle Theologie als wertlos an, da
sie nicht primär an der Wahrheit interessiert war. Er machte diese
kraftvolle Aussage in einem Essay Concerning Human Understanding im
Jahre 1661:

„Jeder, der wirklich ernsthaft nach der Wahrheit forschen will, sollte
zuallererst seine Gesinnung mit einer Liebe zu ihr ausstatten. Denn wer sie nicht
liebt, der wird nicht viele Schwierigkeiten auf sich nehmen, um sie zu erlangen;
er wird auch nicht sehr besorgt sein, wenn er sie nicht findet. Es gibt niemanden
im Staat, der sich nicht als Liebhaber der Wahrheit bezeichnen würde; und es gibt
kein rationales Wesen, das es nicht übelnehmen würde, wenn von ihm anders
gedacht würde. Und doch kann man trotz allem sagen, dass es sehr wenige
Liebhaber der Wahrheit um ihrer selbst willen gibt, selbst unter jenen, die sich
selbst überzeugen, dass sie welche sind.“10

Wenn man der scharfsinnigen Analyse und Aufdeckung der New Age
Theologie unserer Zeit durch das Christentum folgt, so ist nun die Zeit

10
Zitiert bei Paul Johnson in A History of Christianity, 355
Laufen wir einem anderen Gott nach? 293

gekommen, den Fokus auf die Untersuchung seines eigenen Lagers zu


richten und das Eindringen des Heidentums, das bis ins zweite
Jahrhundert zurückverfolgt werden kann, zu berücksichtigen. Der Einfluss
der griechischen Philosophie, den Canon Goudge als „Katastrophe, von
der sich die Kirche niemals wieder erholt hat“ bezeichnet11, wird weiterhin
von der Mehrzahl aufrichtiger Christen nicht wahrgenommen. Dennoch
hat es Auswirkungen auf das Herzstück des Glaubens. Es ist naiv
anzunehmen, dass wir das biblische, hebräische Konzept Gottes, welches
als Grundlage des wahren Glaubens von Jesus bestätigt wurde, ohne
Risiko eines verheerenden Schadens in die griechische Denkweise
übernehmen können.
Es ist auch wirklichkeitsfremd zu denken, dass die trinitarischen und
byzanthinischen Systeme, die behaupten, ihre Wurzeln in der Bibel zu
haben, mit dem eindeutigen Unitarismus Jesu und der Schriften in
Einklang gebracht werden können. Der beständige Einwand der Juden,
das Christentum habe seinen Ursprung durch die Korruption der
Hauptaussage über Gott verraten, muss anerkannt werden.
Auch die scharfsinnigen Beobachtungen zeitgenössischer Historiker
sollten nicht ignoriert werden. Historiker haben eine Möglichkeit, die
Wahrheit klar zu sehen, während die Theologen dazu geneigt sind, einen
durch die Tradition verschwommenen Blick zu haben. Ian Wilson ist ein
Zeuge für die unsinnige Art und Weise, in der die Trinität immer noch
herrscht, obwohl Jesus selbst von einer solchen Lehre nichts wusste:

„Wenn Jesus eine Formel für die Religion, die er lehrte, hätte einführen
wollen, so hätte es einen perfekten Moment dafür gegeben, der im
Markusevangelium beschrieben wird. Ein Schriftgelehrter, so wird erzählt, fragte
ihn: „Welches ist das erste Gebot von allen?“ Das war die Gelegenheit, bei der
Jesus eine dieser charakteristischen Verdrehungen hätte einbringen können,
indem er etwas Neues brachte, das ihn selbst einbezog, wenn er wirklich gewollt
hätte, dass wir glauben, er sei ein Mitglied einer Trinität, gleichberechtigt mit
Gott, dem Vater. Statt dessen griff er ohne zu zögern auf seine jüdischen Wurzeln
zurück.“12

Indem er das „Shema“ - „Höre, o Israel“ – zitierte, bestätigte Jesus


mit der höchstmöglichen Betonung die grundsätzliche Lehre des wahren

11
„The Calling of the Jews“ in den gesammelten Essays über Judaism and
Christianity
12
Jesus, The Evidence, 176, 177
294 Laufen wir einem anderen Gott nach?

Glaubens. Wir sind nur aufgefordert zu glauben, das Bekenntnis Christi


sei das christliche Bekenntnis und daher bindend für alle christlichen
Gemeinden. Wenn das „Shema“ mit dem Trinitarismus unvereinbar ist, so
wird das Bekenntnis Jesu nicht unserem orthodoxen Bekenntnis
entsprechen. Viele Kirchgänger handeln so, als habe Jesus (in Parodie zur
Bergpredigt) irgendwo gesagt: „Ihr habt gehört, dass gesagt wurde, ‚der
Herr, dein Gott, ist ein Herr‘, doch ich sage euch, er ist Drei- in- Einem.“
Der erste Schritt in Richtung der Wiederherstellung des biblischen
Christentums wäre eine ehrliche Erkenntnis, dass Jesus ein Jude war und
dass er als solcher die Theologie der Propheten Israels bestätigte. Die
Geschichte des Versagens des Volks Israel, Gott zu kennen, lag genau in
ihrer Unfähigkeit, sich an den „unipersonalen“ Gott zu halten, an den
Schöpfer des Himmels und der Erde. Während Israel in die Hände von
Assyrien und Babylonien fiel, wurde die christliche Gemeinde durch die
verlockende Welt der griechischen Philosophie eingefangen. Sie verließ
den Gott Israels. Das „Israel Gottes“ (Gal. 6,16; vgl. Phil. 3,3), das neue
christliche Volk, verließ unverständlicherweise den Glauben Israels.
Als das Christentum seinen ursprünglichen Glauben änderte und den
Glauben an einen Gott bestehend aus drei Personen annahm, lief es einem
anderen Gott nach – zu seinem vielfachen Leid. Von dieser Katastrophe
kann nur eine aus tiefstem Herzen kommende Wiederherstellung des
biblischen Glaubens an den Einen Gott, den Vater, in Jesus als Herrn
Messias und an seine Botschaft über das kommende Königreich Gottes 13,
zu der Herrlichkeit eines neuen Tages führen.

13
Mt. 4,17, 23; 9,35; 13,19; 24,14; Mk. 1,14, 15; Lk. 4,43; 8,1, 12; ),2; 6,11; Apg.
8,12; 19,8; 20,25; 28,23, 31; 2.Tim. 4,1,2. Für eine Untersuchung des christlichen
Evangeliums über das Reich Gottes, siehe Anthony Buzzard, The Coming
Kingdom of the Messiah: A Solution to the Riddle of the New Testament
(Restoration Fellowship, 1988).
13. EIN AUFRUF ZU EINER RÜCKKEHR ZUM BIBLISCHEN
CHRISTUS

„Ich sollte dich, o Leser, über den Ursprung der Lehre der
Dreieinigkeit informieren:
Du kannst versichert sein, sie kommt nicht aus der Bibel und auch
nicht aus dem Verstand.“
- William Penn

Die falsche Behandlung des Johannesevangeliums durch die


Kirchenväter
Viel der traditionellen Sprache der Theologen über die Natur Jesu ist
auf einer „Neuinterpretation“ der Bibel, besonders des
Johannesevangeliums, gegründet. Doch es ist eine Neuinterpretation,
welche den Sinn des Originals verändert. John Robinson sagt: „Es ist klar,
dass die patristische Theologie jeglicher Schule diese Texte (im
Johannesevangelium) falsch verwendet hat, indem sie diese außerhalb des
Kontextes stellte und ihnen eine Bedeutung gab, die Johannes ganz
offensichtlich niemals beabsichtigte.“1 Anders ausgedrückt, das
Johannesevangelium wurde von den Gnostikern „übernommen“.2 Die
damals begonnene Tendenz begleitet uns bis zum heutigen Tag.
Die Texte, denen in den Händen der Kirchenväter Gewalt angetan
wurde, sind jene, welche mit dem Ursprung Jesu zu tun haben. Den
Worten von Johannes wurde eine neue Bedeutung verliehen, um den
Gedanken Unterstützung zu geben, Jesus sei der ewige Sohn Gottes und
nicht ein menschliches Wesen, welches übernatürlich als Sohn Gottes im
Leib seiner Mutter gezeugt wurde, wie es Matthäus und Lukas
überlieferten. Der Übergang erfolgte, als die Christologie in Ausdrücken
griechischer Philosophie neu formuliert wurde und das mit den biblischen
Dokumenten unvereinbar war. „Die funktionelle Sprache über den Sohn

1
Twelve More New Testament Studies, 172, Hervorhebung beigefügt.
2
„Dunn on John“, Theology 85 (Sept. 1982), 235
296 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

und den Geist, die vom Vater in die Welt gesandt wurden, wurde in eine
Sprache der ewigen und internen Beziehungen zwischen den Personen der
Gottheit transponiert und Worte wie „Zeugung“ oder „Ausströmen“
wurden in technische Ausdrücke umgewandelt, die im neutestamentlichen
Gebrauch nicht bewiesen werden können.“3
Als Augustinus mit Joh. 17,3, wo der unitarische Monotheismus von
Johannes am klarsten zum Ausdruck kommt, konfrontiert wurde, da
wurde dieser dazu getrieben, eine Änderung des Textes vorzuschlagen,
um Jesus Christus innerhalb des Ausdrucks „allein wahrer Gott“
unterzubringen. Er schlug vor, den Vers folgendermaßen neu zu
konstruieren: „Das ist das ewige Leben, dass sie dich und Jesus Christus,
den du gesandt hast, als den allein wahren Gott erkennen.“4 Augustinus
hatte eine Tradition geerbt, in welcher der biblische Monotheismus so
erweitert wurde, dass eine zweite Person als allerhöchstes Wesen mit
eingeschlossen wurde.
Die Veränderung der Schrift durch Augustinus mit dem Zweck, sie
seinem System anzupassen, ist das unvermeidliche Resultat des Versuchs,
die grundsätzlich hebräischen Schriften in Bezeichnungen der fremden
Gedankenwelt der griechischen Philosophie auszudrücken. Dieser
Versuch muss aufgegeben werden. Die griechische Philosophie denkt in
Ausdrücken des „Daseins“ und „Wesens“. Dinge sind miteinander
verwandt, weil sie aus demselben „Stoff“ oder „Material“ bestehen.
Objekte, die eine grüne Farbe aufweisen, teilen das „Wesen“ von
„Grünheit“. Ebenso argumentierten nachbiblische Theologen, teilen der
Vater, der Sohn und der Heilige Geist eine gemeinsame Qualität des
„Gott-Seins“. Diese Tatsache ist ganz offensichtlich, aber es ist leider ein
sehr unbrauchbarer Weg, die Fülle und Reichhaltigkeit der biblischen
Angaben zu beschreiben. Es verwischt die scharfe biblische Definition des
Einen Gottes, Seines Sohnes und des Heiligen Geistes. Uns erscheint die
Lehre der Trinität wie die Behauptung, ein Flugzeug, ein Auto und ein
Dreirad seien grundsätzlich dasselbe. Sie besitzen alle drei die Qualität
„Transportmittel“. Darin liegt Wahrheit, aber es ist nicht die ganze
Wahrheit. In Wirklichkeit sind diese drei Dinge sehr verschieden. Es ist
eben dieser Unterschied zwischen dem Vater, dem Sohn und dem
Heiligen Geist, der durch das Dogma, sie alle seien „ein Gott“, verwischt

3
J.A.T. Robinson, Twelve More New Testament Studies, 172, Hervorhebung
beigefügt
4
Siehe seine Homilies on John, tractate CV, Kap. 17
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 297

wird. Die Tatsache, dass der Sohn Gottes laut Lukas einen Anfang hatte,
wird durch die Lehre, der Sohn habe nie einen Anfang gehabt, erdrückt.
Der Einfluss der griechischen Philosophie war eine Katastrophe,
besonders weil er verzweifelte Versuche auslöste, den Text der Bibel zu
manipulieren, um ihn in die Form der späteren Glaubensbekenntnisse zu
pressen.
Ein weiterer bekannter Gelehrter in Bezug auf das Neue Testament
bemerkt, indem er den nachbiblischen Ansichtswechsel über die Gottheit
dokumentiert, dass „es in der johanninischen Theologie keine Grundlage
für die spätere scholastische Theologie des Ausströmens des Sohnes aus
dem Vater innerhalb der Trinität durch „Zeugung“ gibt.“5 Die Vorstellung
eines Sohnes Gottes, der in der Ewigkeit gezeugt wurde, ist der Bibel
fremd. Der Jesus der Bibel ist Sohn Gottes durch die Jungfrauengeburt
(Lk. 1,35) und als solcher „in Kraft“ eingesetzt durch die Auferstehung
(Rö. 1,4). Dennoch wurde der Glaube an die ewige Zeugung des Sohnes
zum Zeichen für den orthodoxen Glauben und eine Notwendigkeit für die
Errettung.
Raymond Brown gibt zu, dass nicht-biblische Ausdrucksweisen in die
Sprache über das Kommen Jesu von Gott im Johannesevangelium
eingesetzt wurden. Als Kommentar über Joh. 8,42, „Denn ich bin von
Gott ausgegangen und gekommen“, schreibt er:

„Der Ausdruck ‚von Gott‘ fand in der Formel ‚Gott von Gott‘ einen Eingang
in das nizänische Glaubensbekenntnis. Theologen gebrauchten diese Passage als
Beschreibung des ‚Innenlebens‘ der Trinität, die zeigt, wie der Sohn aus dem
Vater hervorgeht. Doch der Gebrauch des Aorists zeigt eher, dass sich die
Bemerkung vielmehr auf die Sendung des Sohnes bezieht.“6

Ähnliches sagte Jesus: „Ich bin von dem Vater ausgegangen“ (Joh.
16,28). Brown warnt uns, dass „‚von‘ (ek) theologisch nicht als Beziehung
innerhalb der Trinität zwischen Vater und Sohn interpretiert werden
kann.“ Der Ausdruck meint nicht das, was „spätere Theologie das
Ausströmen des Sohnes“ nannte.7 Mehr noch, Brown zeigt, dass in Joh.
8,47 der Ausdruck „von Gott“ (ek tou theou) dazu verwendet wird „einen

5
Edward Schillebeeckx, Christ, (London: SCM Press, 1980), 875, Fußnote 57
6
The Gospel of John, Anchor Bible (New York: Doubleday & Co., Inc., 1966),
357
7
Ebenso, 274
298 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

normalen Gläubigen zu beschreiben: ‚den Mann, der aus Gott ist“. 8 Die
Sprache, die für Jesus gebraucht wird, gilt auch für die Christen. So auch
in Joh. 17,8: „Ich bin von dir ausgegangen“, „bezieht sich auf die Mission
des Sohnes in der Welt und nicht auf eine Ausströmung innerhalb der
Trinität.“9 Wir möchten hinzufügen, dass die „Sendungstexte“, die
manchmal als Beweis für die ewige Präexistenz des Sohnes gebraucht
werden, dem Gewicht, welches auf sie gelegt wird, nicht standhalten
können. Dieselben Worte werden für die Gläubigen gebraucht, die ebenso
„gesandt“ sind, wie Jesus gesandt wurde (Joh. 17,18; 20,21).
Trotz dieses klaren Zeugnisses missdeuten Kommentatoren immer
noch die Absichten von Johannes im Interesse der Förderung der
nizänischen Theologie. Plummer sagt dogmatisch, doch ohne Grundlage
im Text: „‚Ich kam von‘ beinhaltet die ewige Zeugung des Sohnes.“10 Das
scheint ein Beispiel für das Lesen des Johannesevangeliums innerhalb des
nachbiblischen Rahmens zu sein, anstatt anzuerkennen, dass Johannes
nicht „einen Fuß in der Welt der griechischen Philosophie und den
anderen in der Welt der nizänischen Theologie hatte, wie so oft behauptet
wird.“11
Die sogenannten Kirchenväter des dritten und vierten Jahrhunderts
änderten die Sprache der Bibel, indem sie ihre eigenen philosophischen
Bedeutungen in die biblischen Worte hinein lasen, anstatt den
Schrifttexten zu erlauben, in ihrem eigenen hebräischen und
messianischen Zusammenhang zu ihnen zu sprechen. Das Resultat war
eine Rekonstruktion der Person Jesu, die ihn zu einer Abstraktion machte,
entgegengesetzt zur klaren und durchsichtigen Aussage bei Lukas, Jesus
sei durch die übernatürliche Empfängnis in Maria eine neue Schöpfung:
„Heiliger Geist (pneuma hagion) wird über dich kommen (Maria) und die
Kraft des Höchsten wird dich überschatten, und darum wird auch das
Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk.
1,35).
Das ist eine Sohnschaft in der Geschichte und nicht in der Ewigkeit.
Sie erfüllte perfekt den großen Grundtext in 2. Sam.7,14, die Verheißung
an David, dass Gott in der Zukunft der Vater eines Nachkommen werden
würde. Die Sohnschaft des Messias ist in einem historischen Ereignis

8
Ebenso, 725
9
Ebenso, 744
10
Gospel of John, Cambridge Bible for Schools and Colleges (Cambridge
University Press, 1882), 296
11
J.A.T. Robinson, Twelve More New Testament Studies,178
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 299

etwa im Jahre 3 v. Chr. fest gegründet. Seine Zeugung geschah, als Gott
den Sohn in Existenz brachte (Apg. 13,33, Zitat von Ps.2,7)12
Das Ergebnis der falschen Lesart der biblischen Ausdrucksweise
seitens der Kirchenväter war die Schaffung eines trinitarischen Jesus, der
in der Substanz dem Einen Gott gleich ist. Doch im Johannesevangelium
ist es klar, dass:

„Jesus den Anspruch, Gott zu sein zurückwies (Joh. 10,33) und in keiner
Weise versuchte, sich die Position des Vaters anzueignen.....Jesus ist bereit, die
Anklage zurückzuweisen, er fordere durch das Nennen Gottes als seinen Vater
Gleichheit mit Gott (Joh. 5,18). Er versteht sich als Sohn Gottes (10,36) und weist
energisch die Blasphemie, Gott oder dessen Ersatz zu sein, ab.“13

Jacob Jervell stimmt zu: „Jesus ist nicht Gott, sondern Gottes
Vertreter und als solcher handelt er völlig an der Stelle Gottes und er steht
vor der Welt an Gottes Statt. Das Evangelium sagt deutlich aus, dass Gott
und Jesus nicht als identische Personen gesehen werden, z.B. in 14,28,
‚Der Vater ist größer als ich.‘“14
Paradoxerweise schrieb die orthodoxe Theologie Jesus zu, den
Anspruch, Gott zu sein, erhoben zu haben – eine Blasphemie, die er
missbilligte, indem er seinen Anspruch, Gottes Sohn zu sein, verteidigte.
Sohn Gottes ist ein rechtmäßiger Titel für den obersten Repräsentanten
Gottes seit die Richter als Götter angesprochen wurden (Joh. 10,34; Ps.
82,6), was für Jesus dem Ausdruck „Sohn Gottes“ gleichkam (Joh. 10,36).
Der Sohn Gottes zu sein bedeutete, dem Vater vollständig gehorsam zu
sein, also die Idealstellung Israels, dessen Bürger bestimmt waren „Söhne
des lebendigen Gottes“ zu sein (Hosea 1,10). „Sohn Gottes“ ist auch ein
anerkannter Titel des Messias, des von Gott erwählten Königs.15 Johannes
schrieb das gesamte Evangelium, um die Messiasrolle Jesu zu beweisen
(Joh. 20,31). Überall im Neuen Testament wird Jesus als der „Herr
Messias“ oder „Herr Jesus Messias“ verkündet.16 Der Ausdruck „Herr“
bedeutet nicht, wie oftmals angenommen wird, dass Jesus der Herr Gott

12
Apg. 13,34 fährt fort, über die Auferstehung Jesu zu sprechen.
13
Ebenso, 175, 176
14
Jesus in the Gospel of John (Minneapolis: Augsburg, 1984), 21
15
Ps. 2,6-7; 89,26,27,35,36; Mt. 16,16; 2. Sam. 7,14
16
Siehe auch Lk. 2,11 bezügl. des messianischen Titels christos kurios – Herr
Messias
300 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

ist (was das trinitarische Problem mit sich bringt). Jesus ist der „Messias-
Herr“, basierend auf Psalm 110, 1, wo der zweite „Herr“ der verheißene
Messias ist. Petrus wusste, dass dieser Psalm die Salbung Christi zum
„Herrn“ beschreibt (Apg. 2,34-36). Die große Bedeutung von Psalm 110,1
für die neutestamentliche Christologie wurde von den Trinitariern
weitgehend ignoriert. Die Tatsache, dass dieser Vers im Neuen Testament
öfter zitiert wird als jeder andere Vers der hebräischen Schriften, sollte
uns für seine entscheidende Bedeutung achtsam machen. Die Verwendung
von adoni und nicht adonai bei der Bezeichnung des Messias in dieser
göttlichen Weissagung hätte Studenten der Bibel abhalten sollen, Jesus als
Gott zu sehen.
Natürlich beanspruchte Jesus, für Gott als dessen Vertreter zu
handeln. Seine Worte sind die Worte Gottes. Seine Werke sind die Werke
Gottes; und der Vater übertrug ihm das Recht, Sünden zu vergeben, die
Welt zu richten und sogar Tote wieder aufzuwecken. So kommt es, dass
alttestamentliche Verse, die Jahwe zum Mittelpunkt haben, im Neuen
Testament auf die Aktivität des Sohnes angewendet werden können, da
dieser ja für Jahwe handelt. Trinitarier scheitern daran, das hebräische
Prinzip der Vertretung zu verstehen, wenn sie versuchen, aus diesen
Versen zu zeigen, dass Jesus Jahwe ist. Er ist nicht Jahwe, sondern dessen
hoch erhobener Vertreter. Die Gleichheit der Funktion Jesu mit dem Vater
bedeutet nicht, dass Jesus Gott ist. Solch eine Idee ist im
Johannesevangelium, das darauf besteht, dass der Vater der „allein wahre
Gott“ (Joh. 17,3) und der „alleinige Gott“ (Joh. 5,44) ist, eine
Unmöglichkeit. „Es sollte bemerkt werden“ sagt Robinson, „dass
Johannes ein ebenso unbeirrbarer Zeuge für die fundamentale Grundlehre
des Judentums, nämlich für den unitarischen Monotheismus, ist, wie jeder
andere im Neuen Testament. Da gibt es den einen wahren und einzigen
Gott (Joh. 5,44; 17,3); alle anderen sind Götzen (1. Joh. 5,21).17
Es scheint nun sehr vernünftig, dass die Schrift zuallererst innerhalb
ihres sprachlichen und kulturellen Rahmens gelesen werden sollte. Vor
allem ihre Grundlage in dem Shema Israels sollte bemerkt werden. Zur
Zeit „hören“ Leser und Kommentatoren der Bibel Johannes instinktiv in
der Weise, die sie von den Bekenntnissen gelehrt bekamen und sie lesen
ihn durch Brillen, die durch griechische Philosophie getrübt sind.

17
Twelve More New Testament Studies,175
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 301

Das Wörterbuch zur Bibel und der Sohn Gottes


Es ist interessant, die Schwierigkeit zu sehen, der die „orthodoxe“
Theologie ausgesetzt ist, wenn sie versucht, die neue, unbiblische
Bedeutung, die dem Ausdruck „Sohn Gottes“ von den nachbiblischen
Vätern gegeben wurde, zu rechtfertigen. Sanday diskutiert den Titel
„Sohn Gottes“ und stellt die Frage, ob dieser Ausdruck bei seinem
Vorkommen im Neuen Testament irgendwo die Präexistenz bedingt.
Bezieht sich „Sohn Gottes“ ausschließlich auf Jesus nach seiner Geburt
oder könnte der Ausdruck bedeuten, dass er schon vor seiner Geburt
existiert hatte? Diese Frage ist für das gesamte trinitarische Problem von
großer Bedeutung. Ohne ewigen Sohn gibt es keine Trinität. Was sind nun
die biblischen Tatsachen über den Sohn Gottes?

„Schließt es die Präexistenz ein oder nicht? Welche Schlussfolgerung kann


aus den Evangelien gezogen werden? Wenn wir sie betrachten, so steht es ohne
Zweifel fest, dass in der großen Mehrzahl der Fälle den Worten durch einen
Bezug auf den fleischgewordenen Christus Genüge getan wird. Alle Beispiele bei
Matthäus, Markus und Lukas fallen unter diese Rubrik. (Spricht Johannes jemals
vom präexistenten Sohn ?). Das ist schon eher umstritten. Wir müssen uns nach
Ausdrücken umsehen, die nicht zweideutig sind. Vielleicht gibt es gar keine.“ 18

Das Zugeständnis, bei Johannes gebe es vielleicht keine sicheren


Referenzen über Jesus als präexistenten Sohn, bestärkt, wie weit sich die
spätere Orthodoxie von den Tatsachen der Schrift in ihrer Definition Jesu
entfernt hat. Das spätere Dogma über den Glauben an einen „ewigen
Sohn“, eine Bezeichnung, für welche die Schrift keinen Anhaltspunkt
bietet,19 als heilsnotwendig, war, wie wir gesehen haben, auf einer
Fehlinterpretation der Worte bei Johannes und auf einem Ersatz durch
neue Bedeutungen von Schlüsselversen Jesus betreffend, gegründet. Die
Entwicklung der Christologie wäre vielleicht anders verlaufen, wenn die
Exegeten innerhalb der Bedeutung von „Sohn Gottes“ als „höchste

18
W. Sanday, „Son of God“, in Hastings Dictionary of the Bible, 4: 576,
Hervorhebung hinzugefügt.
19
Vgl die Beobachtung Buswells, dass „wir mit Bestimmtheit sagen können, die
Bibel habe nichts über die ‚Zeugung‘ als eine ewige Beziehung zwischen Vater
und Sohn zu sagen“ (A Systematic Theology of the Christian Religion,
Zondervan, 1962, S. 111). Doch ohne Lehre der ewigen Sohnschaft fällt die
Lehre der Trinität in sich zusammen.
302 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

christologische Bezeichnung mit jüdisch-messianischem Ursprung“20,


geblieben wären.

Die Weisheit von James Denny


James Denny (1856-1917) war ein ausgezeichneter Theologe der
Scottish Free Church, der in der Aussage „Jesus ist Gott“ etwas
Unbiblisches bemerkte, obwohl er sich als Trinitarier bekannte. In seinen
Letters to W. Robertson Nicoll schrieb er:

„ ‚Jesus ist Gott‘ scheint einer dieser provokativen Wege (den Glauben an
die Göttlichkeit Jesu zu beschreiben) zu sein. Für mich hat es dieselbe
Anstößigkeit wie die Beschreibung Marias als Mutter Gottes.......Im
Griechischen, und im ersten Jahrhundert, konnte man sagen ‚Jesus ist Gott‘. Doch
die englische oder deutsche Übersetzung ist nicht einfach ‚Jesus ist Gott‘ (‚Jesus
is God‘), sondern, wie ich es als an seine Göttlichkeit Glaubender sage, „er ist
göttlich“ (im Englischen: ‚he is god‘ - nicht ein Gott, sondern ein Wesen, in dem
die Natur, die dem einen Gott gehört, ist)....Eine Art der Behauptung, die in
unserem Sprachgebrauch auf die völlige Gleichheit von Jesus und Gott hindeutet,
tut der Wahrheit Unrecht.“21

Dennys Einwand verdient die Aufmerksamkeit jener, die darauf


bestehen, Jesus ist Gott. Ein menschliches Wesen, in dem die Göttlichkeit
einzigartig wohnt, ist wohl qualifiziert, der Erretter zu sein. Das ist der
Erretter, für den Gott gesorgt hat.

Die gnostische Tendenz in der traditionellen Lehre der Trinität


Die Tatsachen der Kirchengeschichte legen nahe, dass gnostische
Häretiker das Johannesevangelium missbrauchten: „Johannes wurde als
‚ihr‘ Evangelium adoptiert und die Betonung in den johanninischen
Briefen, Jesus sei im Fleisch gekommen (d.h. als wirklich menschliche
Person – 1.Joh. 4,2; 2.Joh. 7) muss als Reaktion auf den doketischen
Eindruck, den sein Evangelium offensichtlich bewirkt hatte, gesehen
werden.“22 Ein nicht vollständig menschlicher Jesus wurde wirklich von
den Gnostikern auf der Basis eines Missverstehens des
Johannesevangeliums konstruiert. Johannes reagierte auf diese falsche

20
Matthew Black, Romans, New Century Bible (Marshall, Morgan and Scott,
1973), 35
21
Letters of Principal James Denny to W. Robertson Nicoll, 124,125
22
J.A.T. Robertson, Twelve More New Testament Studies, 142
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 303

Lesart seines Evangeliums, indem er eine solche Behandlung als sehr


„antichristlich“ bezeichnete (1.Joh. 4,3; 2.Joh. 7). „Es war eine
Fehlinterpretation seiner Absicht.“23
Doch vermied die „Orthodoxie“ eben diese Falle, wenn sie die
Sprache des Johannes in griechisch philosophische Ausdrucksweise
verwandelte? Viele bedauern, dass die Definition des Bekenntnisses über
Jesus als „völlig Gott und völlig Mensch“ das missversteht, was Johannes
schrieb und die einfache Beschreibung des menschlichen Jesus bei
Matthäus, Markus und Lukas übersieht. Es muss doch bezeichnend sein,
dass die Lehre über den „ewigen Sohn“ zum größten Teil auf dem
Johannesevangelium beruht, obwohl Bibelwörterbücher einräumen, dass
es vielleicht sogar im Johannesevangelium keinen sicheren Text gibt, der
eine vormenschliche Sohnschaft Jesu unterstützt.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung


Das Mensch-Sein Jesu ist nicht mehr ganz echt, sobald behauptet
wird, dass er nicht im Leib seiner Mutter in Existenz kam. Das Fehlen
eines biblischen Beweises für Jesus als Sohn Gottes vor seiner Zeugung
deutet darauf hin, dass der weit verbreitete Glaube an seine
vormenschliche Existenz nicht fest in der Schrift gegründet ist. Wir
glauben, dass er auf einer falschen Lesart des Johannesevangeliums
gegründet ist, indem das eigenartige jüdische Konzept der
Vorherbestimmung übersehen wird. Die Tatsache, dass nichts über
Präexistenz in Matthäus, Markus, Lukas und in der Apostelgeschichte
(und den Petrusbriefen) gesagt wird, sollte uns die Frage stellen lassen, ob
Johannes uns wirklich ein solch verschiedenes Bild Jesu gab und ihm ein
bewusstes Leben vor seiner Zeugung zuschrieb. Begründete Johannes
wirklich das „trinitarische Problem“, welches in den ersten Jahrhunderten
so viele Probleme bereitete?
Schriftstellen im Johannesevangelium, die als Beweistexte für die
wörtliche Präexistenz Jesu herangezogen wurden, wurden missverstanden,
weil der jüdischen Denkweise von Johannes und Jesus zu wenig
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Besonders das Phänomen, dass sich
die Verwendung der Vergangenheit nicht immer auf vergangene
Ereignisse bezieht, wurde übersehen. So meinte Jesus nicht, er sei bereits
„in den Himmel hinaufgestiegen“ (Joh. 3,13), und noch viel weniger, er
sei von Ewigkeit her im Himmel gewesen. Später sagte er auch selbst, er

23
J.A.T. Robinson, Twelve More New Testament Studies, 142.
304 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

sei „noch nicht hinaufgestiegen“ (Joh. 20,17), sondern sei in Erfüllung der
Vision Daniels über den Menschensohn (Joh. 6,62) dazu bestimmt. Seine
Herrlichkeit war für ihn vor Grundlegung der Welt bereitet worden (Joh.
17,5) und er war als Gottes höchster menschlicher Vertreter, als Messias,
lange vor Abraham auserwählt worden (Joh. 8,58). Er hatte als
menschlicher Sohn Gottes im göttlichen Plan präexistiert. Keine Stelle im
Johannesevangelium spricht von „Gott, dem Sohn“, der im Himmel
präexistiert hatte. Das Denken Jesu ist durch den Gedanken bestimmt, er
müsse ausführen, was im Plan Gottes vorherbestimmt und im Voraus
aufgeschrieben worden war: „Musste nicht der Christus dies leiden und in
seine Herrlichkeit hineingehen?.....Alles muss erfüllt werden, was über
mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und in den Propheten und
Psalmen“ (Lk. 24,26, 44).
Der Gedanke einer wirklichen Existenz vor der Zeugung führte
schließlich zu der furchtbaren Komplexität und zu den Konflikten über die
Natur Jesu, die nie geklärt wurden. Durch die Einführung der
dogmatischen Christologie (in Nizäa und Chalcedon), die eine offizielle
Lösung der Probleme diktierte, wurden alle Argumente zum Schweigen
gebracht. Doch versucht diese Lösung, das Thema hauptsächlich auf Basis
der gänzlich jüdischen Theologie von Johannes zu verstehen, die von den
Griechen so leicht und tragisch missverstanden wurde. Die Opfer dieses
Streits über die Naturen Gottes und Jesu waren die zentralen Wahrheiten
über den Ein-Personen-Gott und das wahre Mensch-Sein Christi.24 Da der
Weg zum ewigen Leben mit einem richtigen Verständnis des Vaters als
allein wahrer Gott und Jesu als Messias (Joh. 17,3) beginnt, sollten
Bibelleser wachsam sein für den Schaden, der dem Glauben
möglicherweise zugefügt wurde, als philosophisch orientierte Griechen
das Johannesevangelium ohne feste Grundlage im Alten Testament lasen
und auch mit zu wenig Respekt für die Christologie von Matthäus,
Markus, Lukas und der Apostelgeschichte, welche vorschnell als
„primitiv“ abgetan wurden. In diesem Zusammenhang sind die Worte
Karl Rahners eine Ermutigung, zur frühen Christologie zurückzukehren.
Er gesteht ein:

„Die traditionelle Christologie ist für uns oft schwer verständlich........und


ebenso Fragen an ihre Quelle, die Schriften. Lasst uns zum Beispiel eine so
zentrale Behauptung der Schrift hernehmen wie die Aussage, Jesus sei der

24
Joh. 17,3; 5,44; 5.Mo. 6,4; Mk. 12,29 ff.; 1. Kor. 8, 4-6; Eph. 4,6; 1. Tim. 2,5;
Judas 25.
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 305

Messias und sei als solcher durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung
zum Herrn geworden. Man stimmt darin überein, diese Behauptung sei einfach
ohne die Lehre der metaphysischen Sohnschaft, wie wir sie kennen und in der
Erklärung von Chalcedon ausdrücken, gemacht worden und dass unser einziges
Interesse nun ein historisches ist....? Ist die Christologie der Taten der Apostel,
welche von unten, mit der menschlichen Erfahrung von Jesus, beginnt, wirklich
nur primitiv? Oder hat sie uns vielleicht etwas Bestimmtes zu sagen, was uns die
klassische Christologie nicht in dieser Klarheit sagen kann?“25

Die Analyse Karl Rahners über den neutestamentlichen Gebrauch des


Wortes „Gott“ muss wiederholt werden: „In keinem neutestamentlichen
Text wird theos (Gott) in einer Art und Weise gebraucht, um Jesus mit
demjenigen zu identifizieren, der an anderen Stellen des Neuen
Testaments als ho theos, also als höchster Gott, verkörpert wird.“26
„Nirgends im Neuen Testament wird ein Text mit ho theos gefunden, der
unzweifelhaft auf den trinitarischen Gott als Ganzes, der in drei Personen
existiert, bezogen werden muss.“27
Wir meinen, dass zwischen der sogenannten „hohen“ Christologie bei
Johannes und der Christologie „von unten“ in den Synoptikern eine
falsche Unterscheidung gemacht wurde. Sowohl Johannes als auch die
Synoptiker zeigen einen Jesus, der nicht nur „von oben“ kommt (Matthäus
und Lukas beschreiben den Ursprung Jesu aus dem Leib seiner Mutter),
sondern auch „von hinten“ – Jesus ist der Höhepunkt der
alttestamentlichen Verheißung, dass der größere Sohn Davids erscheinen
wird. Tatsächlich ist die gesamte neutestamentliche Christologie
messianisch. Jeder Schreiber trägt mit unterschiedlicher Betonung in
diesem messianischen Sinn zum Portrait Jesu als Sohn Gottes bei. Es ist
der Übergang vom „Sohn Gottes“ im biblischen Sinn zu „Gott, dem
Sohn“, der sich so verheerend für die apostolische Präsentation Jesu
erwiesen hat. Lampe stellt ausdrücklich fest, dass die Einführung des
Konzepts der wörtlichen Präexistenz das wahre Mensch-Sein Jesu in
Frage stellt:

„Das christologische Konzept des präexistenten göttlichen Sohnes reduziert


die wahre, soziale und kulturell bedingte Persönlichkeit Jesu auf eine
metaphysische Abstraktion‚ menschlicher Natur‘...Nach klassischer
alexandrinischer Tradition war die menschliche Natur in der göttlichen Person

25
Theological Investigations, 1:155 ff.
26
Ebenso
27
Ebenso, 1:143.
306 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

des Sohnes „enhypostasiert“; sie wurde zur menschlichen Natur eines göttlichen
personalen Subjekts...Dieser Christologie zufolge nahm der ewige Sohn eine
zeitlose menschliche Natur an, oder machte diese zeitlos, indem er sie annahm; es
ist eine menschliche Natur, die im Wesentlichen nicht von geographischen
Umständen abhängig ist; sie entspricht nichts in dieser gegenwärtigen Welt; Jesus
ist also nicht wirklich ‚im Fleisch gekommen.‘“ 28

Eine ähnliche Warnung vor der Gefahr, Jesus in ein Wesen zu


verwandeln, welches vor seiner Geburt eine ewige Existenz gehabt hatte,
kommt von Paul van Buren:

„Es gibt keine klaren Anzeichen, dass die Priorität (Jesu) in einem zeitlichen
Sinn gedacht war. Wir können darauf schließen, dass in der frühen Gemeinde in
Wirklichkeit Jesus die Priorität gewährt wurde, welche die Rabbis der Torah
zugeschrieben hatten. Würde man den Anspruch der zeitlichen Priorität erheben,
so würde man behaupten, Jesus von Nazareth, geboren von Maria, habe mit Gott
vor Grundlegung der Welt existiert. Diese Annahme würde schlimmer als dumm
sein; es würde jede Klarheit aus der christlichen Behauptung, Jesus sei wahrer
Mensch gewesen, das Wort sei Fleisch geworden, entfernen....Jesus von Nazareth
begann sein Leben und er begann, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der
Geschichte zu existieren: das Wort wurde zu Fleisch.“29

Dieses vorliegende Buch ist von dem Verlangen getragen, eine solche
Vorstellung eines abstrakten Jesus zu vermeiden und zu einer Rückkehr
zum historischen Jesus, dem verheißenen Messias Israels, aufzufordern.
Die Lesart des Johannesevangeliums, die wir vorschlagen, erlaubt es dem
Jesus von Johannes, wie hoch erhoben er auch ist, ebenso menschlich zu
sein wie in den Synoptikern.
Wenn man im Johannesevangelium einen präexistenten Sohn findet,
so erklärt es die herabsetzende Art, in welcher die „orthodoxen“
Kommentatoren manchmal die Christologie von Lukas als „volkstümlich“
abtun. Vielleicht ist es eine Tatsache, dass Lukas eine verbreitete
neutestamentliche messianische Christologie vertritt, die nicht mit dem
übereinstimmt, was in nachbiblischen Zeiten „orthodox“ wurde. Indem er
sich auf Lk. 1,35, „Darum wird auch das Heilige, das geboren werden
wird...“ bezieht, sagt Strachan: „Das gehört zu einem Milieu, in dem die
theologische Vorstellung der Präexistenz Jesu den Weg zu einer mehr

28
God as Spirit, 144, Hervorhebung beigefügt
29
A Theology of Jewish-Christian Reality (Haroer & Row, 1983), 82
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 307

volkstümlichen Vorstellung seiner natürlichen Geburt frei gegeben hat.“30


Doch das ist eine Argumentation, die uns im Kreis herumführt. Verließ
Lukas wirklich die Vorstellung eines präexistenten Jesus zugunsten eines
populäreren Verständnisses? Im Gegenteil, es scheint, dass die
nachapostolische „Orthodoxie“ eine Anschauung entwickelte, die jene
von Lukas und auch von Johannes ersetzte. Diese Verlagerung konnte viel
leichter erreicht werden, indem man von der christlich-jüdischen Sprache
von Johannes ausging. Man dachte damals, Johannes habe ein völlig
anderes Bild Jesu als die Synoptiker dargestellt. Die Wiederherstellung
einer messianischen Christologie und Harmonie zwischen allen vier
Evangeliumsschreibern würde von großem Nutzen sein, um die Gläubigen
rund um die zentralen neutestamentlichen Bekräftigungen, dass Jesus der
Christus, der Sohn Gottes und der Herold des kommenden Königreiches
Gottes ist, zu vereinen. Das ist ja, was Johannes darstellen wollte, indem
er verkündigte, das Leben könne in Jesus, dem Sohn Gottes und Messias
gefunden werden (Joh. 20,31; vgl. Mt. 16,16). Die Einladung, zu glauben
und diesem Jesus zu gehorchen, bleibt ebenso modern und dringend wie
schon immer. Eine Rückkehr zu Jesus, dem Messias, muss eine
Neuentdeckung der synoptischen Evangelien und der Frohen Botschaft
vom Königreich Gottes, der so oft vergessenen rettenden Botschaft des
historischen Jesus und der Apostel, beinhalten. Viele der heutigen
Predigten verlaufen so, als ob alles, was zählt, in ausgewählten Teilen von
Versen in den Paulusbriefen und im Kreuz Jesu zu finden sei.
Einige der Argumente, die zugunsten der Lehre der Trinität
vorgebracht werden, sind bemerkenswert irreführend. In der Bibel, so sagt
man, gibt es einen, der Vater genannt wird und der Gott ist, einen, der
Sohn genannt wird und Gott ist und einen, der Heiliger Geist genannt wird
und Gott ist. Doch wir wissen, dass es nur einen Gott gibt. So müssen also
diese drei Personen den einen Gott bilden. Dies ist ein außergewöhnlicher
Weg, um die Tatsachen zu präsentieren. Im Neuen Testament gibt es
wirklich einen, der Vater genannt wird und von dem über 1300 Mal
gesagt wird, er sei der Eine Gott (ho theos). Er wird auch als der „alleinige
Gott“ bezeichnet (Rö. 16,27; Judas 25; Joh. 5,44) und als der „allein
wahre Gott“ (Joh. 17,3). Es gibt einen, der Sohn genannt wird, Jesus
Christus, dem der Titel „Gott“ (theos) zwei Mal sicher gegeben wird (Joh.
20,28; Hebr. 1,8), doch der niemals ho theos, der „alleinige Gott“(im
absoluten Sinn gebraucht), oder der „allein wahre Gott“ genannt wird.

30
R.H. Strachan, „Holiness“ in Dictionary of the Apostolic Church, 1: 568
308 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

Diese Fakten deuten kaum darauf hin, dass es zwei gibt, die
gleichermaßen Gott sind und gemeinsam den Einen Gott ausmachen.
Wenn man dazu noch die Tatsache sieht, dass Gott im Alten Testament
tausende Mal als einzelne Person bezeichnet wird, so sollte es klar sein,
dass die Trinitarier den biblischen Unterlagen nicht Gerechtigkeit tun.
Vielmehr, die Titel „alleiniger Gott“ und „allein wahrer Gott“, die allein
dem Vater zugeschrieben werden, deuten auf Seine einzigartige
Klassifizierung und auf die Verschiedenheit von Seinem Sohn hin. Eine
Vielzahl neutestamentlicher Texte zeigen Jesus als dem Vater
untergeordnet, was nicht leicht mit dem Gedanken an die völlige
Gleichheit des Sohnes mit dem Vater vereinbart werden kann.31 Paulus
glaubte, der Sohn werde für alle Zeiten dem Vater untergeordnet sein,
nachdem er das (zukünftige) Königreich Gott zurückgegeben haben wird
(1. Kor. 15,28).
Wenn das Neue Testament die Trinität lehrte, so würde man doch
erwarten, dass wenigstens ein Vers aussagen würde, es gebe einen Gott
„den Vater, Sohn und Heiligen Geist“. So eine Aussage ist der Schrift
jedoch fremd. Wenn Vater, Sohn und Heiliger Geist gemeinsam in einer
Bibelstelle genannt werden, so werden sie niemals als „der eine Gott“
bezeichnet (Mt. 28,19; 2. Kor. 13,13). Es ist bemerkenswert, dass am
Anfang der Briefe von Paulus nie Grüße vom Heiligen Geist übermittelt
werden. Auch wird der Heilige Geist nie angesprochen und es wird auch
nicht zu ihm gebetet.
Doch wenn Paulus den Monotheismus als unterschiedlich vom
Polytheismus beschreibt, sagt er ausdrücklich, es gibt einen Gott, den
Vater, und dass es keinen anderen Gott gibt als diesen einen Gott, den
Vater (1.Kor. 8,4,6).32 Das ist der biblische Glaube in seiner einfachen

31
Es ist eine Ermutigung unserer These, dass der bekannte Exeget I. Howard
Marshall schreibt: „Die gesamte neutestamentliche Christologie ist
subordinationistisch“ (Buchbesprechung von Jervell, The Theology of the Acts of
the Apostles, in Evangelical Quarterly, 70,1, Jan. 1998, 76)
32
Symptomatisch für die Verwirrung über die Gottheit ist die Tatsache, dass
Gelehrte manchmal unabsichtlich das Bekenntnis des Paulus falsch zitierten. So
sagt Klaas Runia: „Paulus schreibt an die Korinther: ‚So gibt es einen Gott, von
dem alle Dinge sind und wir auf ihn hin...‘ (An Introduction to the Christian
Faith, Lynx Communications, 1992, 114). Doch Paulus schrieb tatsächlich: „So
ist doch für uns ein Gott, der Vater...‘ Runia fügt hinzu, dass Jakobus und andere
Apostel ‚mit gleicher Deutlichkeit sagen, dass Jesus Christus auch Gott ist‘
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 309

Schönheit. Er sollte alle Argumente zum Schweigen bringen. Die Gottheit


wurde nicht erweitert. Gott ist, wie in der hebräischen Bibel, immer noch
der Vater allein. Er ist der Herr Gott des Bekenntnisses Jesu. Der Letztere
identifiziert sich selbst ausdrücklich als „Herr“, der nicht der Herr Gott
dem Shema ist (Mk. 12, 35-37). Jesus ist der Herr Messias und wird so
ständig als „der Herr Jesus Christus (Messias)“ bezeichnet.33 Sein
messianischer Titel „Herr“ stammt aus dem Psalm 110,1. Das ständige
Vermischen des obersten messianischen Titels „Herr“ mit „Herr“ in der
Bedeutung „Herr Gott“ durch die Trinitarier, ist der Grund aller
Schwierigkeit. Es gibt keinen guten Grund, den eindeutigen Unterschied
zwischen Herr Messias (adoni) und Herr Gott (Jahwe und adonai)34 zu
verwischen (Ps. 110,1,5). Wir können immer noch voll anerkennen, dass
Jesus an der Stelle Gottes handelt. Eine wichtige Frage wurde von Caird
angeschnitten, als er sich auf die jüdische Sitte bezog, den Vertreter so
anzusprechen, als sei er der „Chef“:

„(In 2 Esdras 5,43-56)........wird der Sprecher Gottes, der Engel Uriel, von
Ezra befragt, als sei dieser sowohl Schöpfer als auch Richter. Ezra verwendet
denselben Stil der Ansprache an Uriel (‚mein Herr, mein Meister‘) wie in seiner
direkten Bitte an Gott. Dieser Brauch, den Vertreter so zu behandeln, als wäre er
der Prinzipal, ist von größter Bedeutung für die neutestamentliche
Christologie.“35

Viele Trinitarier scheinen zufrieden zu sein, zwei widersprüchliche


Behauptungen gleichzeitig aufzustellen, ohne sie harmonisieren zu
wollen: Gott ist Einer und doch ist Er Drei. Das scheinen die offiziellen
Glaubensbekenntnisse von ihnen zu verlangen. Doch die Bibel verlangt
keine solche geistige Großtat. Manche Trinitarier versuchen, der Anklage,
dass der Glaube an drei Personen, die alle Gott sind, den Glauben an drei
Götter beinhaltet, zu entkommen. Sie antworten, dass Gott und Jesus nicht
Personen in dem Sinn sind, wie wir den Ausdruck normalerweise
verwenden. Die offensichtliche Tatsache ist jedoch, dass jeder

(ebenso, seine eigene Hervorhebung). Aber wo sagen Jakobus oder Petrus, dass
Jesus Gott ist?
33
Lk. 2,11; Rö. 16,18; Kol. 3,24; Vgl. Lk. 1,43 und das extrakanonische Buch der
Psalmen Salomons 17,32; 18,7.
34
Im Griechischen der Septuaginta erscheinen alle drei Worte als kurios.
35
G.B. Caird, The Language and the Imagery of the Bible (Philadelphia:
Westminster Press, 1980), 181
310 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

neutestamentliche Schreiber Jesus als von seinem Vater verschieden


beschreibt. Es findet sich keine Mystifizierung des Ausdrucks „Sohn“ und
kein Wort über eine „Zeugung in der Ewigkeit“. Der widersprüchliche
Lehrsatz, der durch die Trinität verkörpert wird, ist sowohl unnotwendig
als auch unbiblisch. Er trägt dazu bei, dass die biblische Hauptaussage -
Gott ist Einer - und die Grundlage jeder Wahrheit - Jesus ist der Messias,
Sohn Gottes und Sohn Davids (Mt. 16,16; 2. Sam. 7,14; Hebr. 1,5) -
untergraben wird.
Christen sind berechtigt zu wissen, welche Vorstellungen das
Glaubenssystem, das ihnen als der Glaube präsentiert wurde, beeinflusst
haben. Viele sind sich des krypto-gnostischen Elements, welches uns in
der trinitarischen Christologie weitergegeben wurde, nicht bewusst.
Während seines gesamten Dienstes mühte sich Paulus damit ab, die
Gefahr der „fälschlich sogenannten Erkenntnis (gnosis)“ (1. Tim. 6,20) zu
bekämpfen. In der nachapostolischen Gemeinde wurde die Gefahr der
gnostischen Philosophie, die in den Glauben eindrang, nicht abgewendet.
Obwohl die Gemeinde behauptete, die schlimmen Formen des
Gnostizismus zurückzuweisen, versagte sie, den unterschwelligen
Einfluss, der die ursprüngliche Lehre über Gott und Christus zugrunde
richtete, zu verhindern. Der Versuch, die Göttlichkeit Jesu zu verkünden,
führte zu einer unsagbaren Komplexität seine „zwei Naturen“ betreffend
und zu einem Entlehnen heidnischer Anschauungen, die in den Schriften
keinen Platz haben. Die Bemerkung eines bekannten Experten über den
frühen Gnostizismus verdient Gehör:

„Die frühen Kirchenväter, hauptsächlich Irenaeus und Tertullian, bemühten


sich sehr, Formen zu finden, welche die vorherrschende Aufteilung des einen
Christus in einem nicht-gnostischen Sinn verständlich machen. Strenggenommen
waren sie nicht erfolgreich. Schon Harnack musste sagen: ‚Wer kann behaupten,
die Kirche habe jemals die gnostische Lehre über die zwei Naturen oder den
valentinischen Doketismus überwunden?‘ Sogar die späteren Kirchenkonzile,
welche die christologischen Probleme in komplizierten und heute kaum
verständlichen Definitionen diskutierten, konnten es nicht; die Einheit der Kirche
scheiterte genau daran....... Oftmals wurde vergessen, dass die gnostischen
Theologen Christus als „cosubstantiell“ mit dem Vater sahen, bevor die
kirchliche Theologie das als ein Prinzip einführte, um seine vollständige
Göttlichkeit zu bewahren.“36

36
Kurt Rudolph,Gnosis: The Nature and History of Gnosticism (Harper & Row,
1983), 372, Hervorhebung hinzugefügt.
Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus 311

Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen können, dass die Christen
den Wunsch haben, den Christus der Schrift und Gott, seinen Vater, zu
erkennen und ihnen zu dienen, so muss daraus folgen, dass sie sich
wünschen, ein möglichst genaues Verständnis darüber zu besitzen, wer
Christus war. Ein solches Verständnis wird sich selbst auf das durch die
christlichen Dokumente bereitgestellte Portrait Jesu beschränken. Es ist
fraglich, ob die traditionellen, orthodoxen Definitionen Jesu in
genügendem Ausmaß auf das biblische Material eingehen. Der Prolog des
Johannes wurde so in seiner Wichtigkeit für die Definition Jesu erhoben,
dass alle anderen Zeugnisse sich vor dem zu beugen hatten, was als
Wahrheit jener Passage angesehen wurde. Die berühmte christologische
Aussage von Paulus in Philipper 2 wurde ebenso als Norm für alle seine
anderen Verweise auf Jesus genommen, obwohl viele nicht daran glauben,
dass Paulus in dieser Schriftstelle etwas über eine präexistente Person
aussagt. Vielmehr fordert er die Gläubigen auf, den aufopfernden
Lebensstil des Messias Jesus, der im Grunde genommen das Thema seiner
Aussage ist, zu imitieren.37
Wenn der Aussage der Synoptiker, der Apostelgeschichte und der
nicht-paulinischen Briefe volles Gewicht gegeben wird, so wird klar, dass
ihr kombiniertes Zeugnis für Jesus eines für den Messias ist und nicht für
Gott im chalcedonischen Sinn. Dasselbe kann man Johannes betreffend

37
Vgl. A.H. McNeiles Beobachtung: ‚Viele haben bezweifelt, ob Paulus in so
einem Zusammenhang sich auf ein so transzendentales Geheimnis berufen hätte.‘
In Phil. 2‚ bittet Paulus die Philipper von Streitigkeiten abzusehen und in Demut
miteinander umzugehen. In 2. Kor. 8,9 fordert er seine Leser auf, bei den
Almosen freigiebig zu sein. Es wird die Frage gestellt, ob es für ihn ganz
natürlich ist, diese beiden moralischen Lektionen durch beiläufige Bezugnahmen
(und das sind die einzigen Bezugnahmen, die er jemals macht) auf das riesige
Problem der Art der Inkarnation, zu verstärken. Viele denken, seine schlichten
Mahnungen haben mehr Erfolg, wenn er auf das inspirierende Beispiel der Demut
und Selbstaufopferung Christi in dessen menschlichem Leben, hinweist, wie z.B.
in 2. Kor.10,1: ‚Ich ermahne euch durch die Sanftmut und Milde Christ...‘ (New
Testament Teaching in the Light of St. Paul’s; Cambridge University Press,
1923,65). Der Fall von Phil. 2,5 ff. als eine Beschreibung des menschlichen Jesus
kann in den Artikeln von C.H. Talbert, ‚The Problem of Prexistence in
Philippians 2:6-11‘ Journal of Biblical Literature 86 (1967): 141-153; J.
Murphey O’Connor, „Christological Anthropology in Phil. 2,6-11,“ Revue
Biblique (1976): 26-50; G. Howard, „Philippians 2, 6-11 and the Human Christ“,
Catholic Biblical Quarterly 40 (1978): 368-387, nachgelesen werden.
312 Ein Aufruf zu einer Rückkehr zum biblischen Christus

diskutieren. Die zusammenfassende Aussage von Johannes selbst über


den Zweck seines Evangeliums, nämlich dass an Jesus als Messias
geglaubt werden soll (Joh. 20,31), deutet darauf hin, dass er mit den
anderen Glaubenszeugen übereinstimmt. Sogar Hebräer 1,10, der Text,
der am ehesten von allen die Genesis-Schöpfung Jesus zuschreibt, tut das
tatsächlich nicht.38 Der Schreiber sagt ausdrücklich, dass es sich auf den
„zukünftigen Erdkreis, von dem wir reden“ bezieht (Hebr. 2,5) und dass
es Gott war, der von all seinen Werken ruhte (Hebr. 4,4), ebenso wie
Jesus sagt, es war Gott, der sie „als Mann und Frau schuf“ (Mk. 10,6; vgl.
13,19).Wenn wir in der Elberfelder Übersetzung lesen: „Wenn er aber den
Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt“ (Hebr. 1,6), so ist es klar,
dass der Autor uns einen Bezug auf die Funktion Jesu als Gründer der
kommenden Welt des Königreichs (vgl. Jes. 51,16) zu verstehen geben
will. Gelegentliche schwierige Verse dürfen nicht das einfache Zeugnis,
das uns quer durch die Schriften gegeben wird, überlagern.

38
Für eine detaillierte Untersuchung von Hebr. 1,10 siehe die Analyse von F.F.
Bruce im New International Commentary on Hebrews (Eerdmans, 1964). Der
Schreiber des Hebräerbriefes zitiert hier einen Text der Septuaginta, der sich
deutlich vom masoretischen hebräischen Text unterscheidet.
14. NACHWORT: DEN WORTEN JESU GLAUBEN

„Der Herr, unser Gott, ist ein Herr“ – Jesus Christus

Es ist eine oft übersehene, aber sehr bedeutsame Tatsache, dass Jesus
den wahren Glauben mit dem Glauben an seine Reden und Worte
gleichsetzt. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat,
der hat ewiges Leben...“ (Joh. 5,24). Dieses Beharren auf der Botschaft
und der Lehre Jesu wird auch in den Synoptikern stark betont und warnt
uns davor, Jesus von seinen eigenen Worten zu trennen und so für uns
selbst das Bild eines anderen Jesus aufzubauen. Johannes gibt die Worte
Jesu folgendermaßen wieder: „Wer mich verwirft und meine Worte nicht
annimmt, hat den, der ihn richtet: das Wort, das ich geredet habe, das wird
ihn richten am letzten Tag“ (Joh. 12,48). „Mose glauben“ ist dasselbe wie
„an seine Schriften zu glauben“ (Joh. 5,46, 47) und im gleichen
Zusammenhang bedeutet „an Jesus glauben“ seinen Worten zu glauben
(Joh. 5,47). Das scheint jede Frage nach der Wichtigkeit von „Lehre“ im
Vergleich zu „Gewohnheit“ zum Schweigen zu bringen, denn „jeder....,
der nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht“ (2.Joh. 9). 1 Jesu
eigener Glaube ist zentral für alle seine Aussagen und Taten. Doch
spiegelt unsere Tradition dieses „jüdische“ Bekenntnis getreulich wider?
Den Worten des Erretters zufolge ist es nicht möglich, an ihn zu glauben,
wenn wir nicht bereit sind, Mose zu glauben (Joh. 5,46–47). Das
Versäumnis, den Glauben Israels und die Worte Mose - besonders in 5.
Mose 18,15-18 - über das Kommen des Messias zu verstehen, wird zu

1
Wir wundern uns, dass Dr. James Kennedy die große Bedeutung, die auf die
Lehren Jesu gelegt wird, nicht zu sehen scheint.. Er schreibt: „Viele Leute heute
denken, dass die Essenz des Christentums die Lehre Jesu ist, doch dem ist nicht
so.....Das Christentum zentriert sich nicht in den Lehren Jesu, sondern in der
Person Jesu als fleischgewordener Gott, der in die Welt kam, um unsere Schuld
auf sich zu nehmen und an unserer Stelle zu sterben“ („How I know Jesus is
God“, Truths that Transform, 11. Nov. 1989).
314 Nachwort: Den Worten Jesu glauben

erschreckenden Ergebnissen führen, wenn es zum Glauben an Jesus


kommt.
Von Christen wird offenbar erwartet, alles zu glauben, was Jesus
sagte, sei es nun eine Ermahnung zur christlichen Lebensführung oder
seien es Aussagen, welche die eigene Person betreffen. Diese beiden sind
in der Bibel untrennbar verbunden, damit nicht „Lehre“ in Gegensatz zur
Lebensführung gesetzt werden kann. Eine Beziehung zu Jesus kann nur
durch sein Wort aufgebaut werden. Die Worte Christi sind der Weg seiner
Selbstmitteilung. Durch diese werden dem Gläubigen die „Atmosphäre“
und die Absichten des Geistes vermittelt. Es ist möglich, dass die Christen
die verunreinigte Luft der griechischen Philosophie einatmen und sie eine
erstaunliche Verbesserung ihrer geistlichen Gesundheit erfahren würden,
wenn sie versuchten, die saubere Atmosphäre der hebräisch-biblischen
Gedankenwelt zu atmen.
Ein erfolgreiches Christentum ist von der Anleitung des Erretters
„wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben“ (Joh. 15,7, vgl.
2. Joh. 9) abhängig. Jeder falsche Glaube ist gefährlich, weil er auf einer
Ablehnung dessen beruht, was Jesus sagte. So braucht man auch keinen
Entschuldigungsgrund zu suchen, wenn man herausfinden will, was Jesus
gemäß Johannes und der anderen Evangelien tatsächlich über sich selbst
und seine Beziehung zu Gott aussagte. Quer durch alle Evangelien ist der
Glaube ein Synonym für den Glauben sowohl an das, was Jesus sagte als
auch an das, was er tat und immer noch tut – und was er bei seiner
Wiederkunft in Kraft und Herrlichkeit bei der Errichtung seines
Königreiches auf der Erde tun wird. Daher ist es sehr wichtig, was ein
Christ versteht und glaubt. Die heute vorherrschende Meinung sagt uns
oft, dass „Lehre“ trennt und deshalb vermieden werden soll. Doch das
genaue Gegenteil ist wahr: Lehre, die auf dem Zeugnis der Worte Jesu
gegründet ist, ist die eine Hoffnung für Einheit in der gegenwärtigen
chaotischen Trennung der Kirchen. Die Kirche scheint den Kern der
Lehren Jesu übersehen zu haben: dass Buße und Vergebung von der
verständnisvollen Aufnahme des Evangeliums des Messias über das Reich
Gottes durch den Konvertiten abhängig sind (Mk. 4,11-12; Lk. 8,12).
Markus 12,28 ff. zeigt Jesus, als er seinen eigenen Glauben an den
unitarischen Monotheismus der Juden bestärkt. Auf diesen Abschnitt
sollten sich alle Diskussionen über die Gottheit berufen. Der „jüdische“
Monotheismus von Johannes wird niemals bezweifelt. Der Vater ist
immer noch der „allein wahre Gott“ (Joh. 17,3) und der „alleinige Gott“
(Joh. 5,44) und da Jesus offensichtlich eine andere Person als sein Vater
Nachwort: Den Worten Jesu glauben 315

ist, so ist Jesus nicht Gott. Er ist der bevollmächtigte Vertreter Gottes, der
ideale König Israels, nach dem sich das Alte Testament sehnte. Jesus
drückt den Charakter des Vaters makellos aus und gibt Seine Botschaft
des Königreiches weiter (Lk. 4,43). So kann gesagt werden, dass „die
Fülle der Gottheit leibhaftig in Jesus wohnt“ (Kol. 2,9).2 Doch das
bedeutet nicht, dass er selbst Gott ist.
Der vollkommen menschliche Jesus von Johannes ist nicht nur der
Jesus, der von der kanonischen Literatur beschrieben wird, sondern auch
ein attraktiveres Vorbild zur Nachahmung als die traditionellen Versionen
Jesu. Einer, der wahrhaftig Gott ist (in Verkleidung?) scheint so über uns
erhaben zu sein, dass wir keine Chance haben, so zu leben wie er. Doch
der Jesus von Johannes, obwohl er auf Grund des Geistes, der ihm „nicht
nach Maß“ (Joh. 3,34) gegeben wurde, einzigartig ist, stellt keinen
Abstand zwischen sich und den Jüngern her, als ob sie nicht fähig wären,
eben das zu tun, was er auch tat. Er verspricht ihnen ständig, dass sie,
„ebenso“ wie er in die Welt gesandt wurde, „in diese Welt gesandt
werden“ um gleich große oder sogar noch größere Werke zu vollbringen
als er (Joh. 17,18; 14,12). Und „ebenso“ wie er mit dem Vater eins ist, so
sollen es auch die Jünger sein (Joh. 17,11, 21). So wie er gesandt wurde,
um das Reich Gottes zu verkünden (Lk. 4,43), so sind es auch sie.
Es ist die Absicht dieses Buches, Wege aufzuzeigen, wie man
richtiger glauben kann, was Jesus über Gott und über sich selbst dachte
und wie man die eigene Lehre in Einklang mit seiner bringen kann. „Wer
in der Lehre (Christi) bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn“
(2.Joh. 9). Jedes Wort des Messias ist kostbar, denn jedes seiner Worte
trägt in sich „Geist und Leben“ (Joh. 6,63). Sie sind wirklich die einzigen
Worte, die uns zum „Leben im kommenden Zeitalter“, das heißt zum
Leben im Königreich Gottes, führen können. Johannes unterscheidet sich
in seinem Verständnis nicht von den Synoptikern, wenn er den häufigen
Ausdruck „Reich Gottes“ auslässt. Der Jesus von Johannes spricht oft
vom Königreich als vom „ewigen Leben“, das in seinem hebräischen Sinn
richtig als „Leben im kommenden Zeitalter“ übersetzt werden sollte. Das
Vokabular von Johannes muss sowohl bei seiner Erklärung über die
Identität Jesu als auch dessen Botschaft in das hebräische „Original“
zurückübersetzt werden, sodass ein einfaches Bild Jesu unter den
verzerrenden Schichten der Tradition, die dieses verdunkelt,

2
Eine sehr ähnliche Sprache über die Fülle Gottes, die in den Christen wohnt,
findet sich in Eph. 3,19.
316 Nachwort: Den Worten Jesu glauben

wiedergewonnen werden kann. Es geschieht mit dieser Absicht, dass wir


auf eine nochmalige Prüfung mancher nachbiblischer Wege, Johannes zu
verstehen, bestehen, welche ein verständiges Lesen der Bibel verhindern
und den Glauben an Jesus und Gehorsam gegenüber dem, was er glaubte
und lehrte, behindern.
Eine Wiederherstellung des Glaubens an Jesus als Messias wird den
Nebel der Verwirrung vertreiben, der das Evangelium, wie es von Jesus
verkündigt wurde, umhüllt. Zur Zeit wird oft Evangelisation so
durchgeführt, als hätte es vor dem Tod Jesu keine Evangeliumspredigt
gegeben. Ein Blick auf die Synoptiker zeigt jedoch, dass das nicht der
Wahrheit entspricht. Jesus verkündigte das Evangelium des Reiches lange
vor jedem Hinweis auf seinen Tod und seine Auferstehung.3 Es ist
irreführend, ein theologisches System auf gewisse Textstellen in den
Paulusbriefen zu erbauen, ohne zuerst die hebräische Bibel und die
synoptischen Darstellungen des Evangeliums, wie sie von den Lippen
Jesu kamen, in Betracht zu ziehen.
Der Verlust des klaren Verständnisses über Jesus ist für eine
feststehende theologische Tradition verantwortlich, die annimmt, Jesus
habe sich über den Titel „Messias“ geärgert und das Neue Testament
versuche, den Messianismus durch andere Kategorien zu ersetzen, die den
Bekehrten aus dem Heidentum angemessener sind. Die Lehre der Trinität
ist eine unglückliche Ablenkung, die den biblischen Fokus auf den
Messias und dessen kommendes Reich durch metaphysische Fragen und
„Beziehungen“ innerhalb der Gottheit ablöst. Allzu lange schon haben
Christen in die falsche Richtung geblickt: rückwärts zum Herabkommen
des sogenannten „ewigen Sohns“ vom Himmel, anstelle eines
Vorwärtsblickens in Richtung der Ankunft des Messias in der Herrlichkeit
seines Reiches.
Es genügt nicht länger zu behaupten, die einfache Gleichsetzung
„Jesus = Gott“ stelle eine wahrhaftige Reflexion des Neuen Testaments
dar. Jesus wird nirgendwo ho theos4 genannt. Es erscheint uns sehr
verwunderlich, dass es in der Schrift bei tausendfachen Vorkommen
keinen einzigen Fall gibt, in dem das Wort „Gott“, in Bezug zum höchsten
Schöpfer, den „dreieinen Gott“ meint. Wenn „Gott“ nirgends die

3
Siehe z.B. Mk. 1,14-15; Lk. 4,43; Lk. 18, 31-34.
4
Joh. 20,28 und Hebr. 1,8 sind offensichtlich Ausnahmen. Der bestimmte Artikel
wird in diesen Versen mit einer „vokativen“, also „anrufenden“ Bedeutung
gebraucht. In keinem Vers wird Jesus als der absolute Gott angesprochen. Vgl.
C.F.D. Moule, An Idiom Book of New Testament Greek, 116-117.
Nachwort: Den Worten Jesu glauben 317

Bedeutung von „Gott in drei Personen“ hat, dann gibt es keine Gründe für
die Trinität. Die Tatsachen deuten stark darauf hin, dass der dreieine Gott
der biblischen Offenbarung fremd ist. Eine intelligente Bibelstudie muss
nach einer revidierten Christologie suchen, welche die offensichtliche und
dauerhafte Unterordnung Jesu unter den Einen Gott erlaubt. Die Kategorie
des Messias, des hocherhobenen göttlichen Vertreters Gottes, wird für die
Darstellung aller Dinge, die das neue Testament über Jesus zu sagen hat,
als adäquat befunden werden. Religiöser Dienst, wie er durch das
griechische Wort latreuo in den 21 Vorkommen beschrieben wird, ist an
Gott den Vater gerichtet, während dem Messias als Vertreter des Einen
Gottes Huldigung entgegengebracht wird.
Ein Theologieprofessor bemerkte in einem Kursus über Christologie,
dass „unsere Tradition bestenfalls zu einer doketischen Melodie tanzt“. 5
Im Interesse der Wiedererlangung des völligen Mensch-Seins Jesu, der
Herrlichkeit des Messiastums und der unvergleichlichen Majestät des
Einen Gottes, seines Vaters, schlagen wir vor, sie (die Christologie) sollte
wieder zu einer hebräischen, biblischen Melodie tanzen. Vielleicht
instrumentiert diese Melodie niemand besser als Johannes.

5
D.M. Scholer, Northern Baptist Seminary, Wintersemester 1986
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SCHRIFTSTELLENVERZEICHNIS

1.Mose 4.Mo. 20,1-12.........................108


1.Mo. 1,1 .................................24
1.Mo. 1,1-3 ............................126 5.Mose
1.Mo. 1,9 .................................27 5.Mo. 4,20,35...........................14
1.Mo. 1,26 ..................21,24, 215 5.Mo. 4,35................................28
1.Mo. 2,24 ...............................26 5.Mo. 4,39................................16
1.Mo. 3,5 ...............................288 5.Mo.6,4..........13, 18, 25, 26, 29,
1.Mo. 3,15 .....................109, 174 35, 46, 169
1.Mo. 6,,6 ..............................223 5.Mo. 6,4-5.........................16, 34
1.Mo. 12,3 .............................208 5.Mo. 18,15-18.........46, 164, 313
1.Mo. 14,18-20 ........................75 5.Mo. 32,4..............................105
1.Mo. 15,4-5...........................208 5.Mo. 32,39..............................17
1.Mo. 15,18.............189, 190,198
1.Mo. 16,9,10,11,13.................88 Richter
1.Mo. 22,18 ...........................106 Richter 11,24............................24
1.Mo. 23,6 ...............................54
1.Mo. 24,9-10 ........................252 1.Samuel
1.Mo. 24,12 .............................53 1.Sam. 2,2.................................35
1.Mo. 24,27 .............................53 2.Sam. 5,7.................................24
1.Mo. 35,12 ...........................190 1.Sam. 12,18...........................133
1.Mo. 39,2,3,7,8,19,20...........252 1.Sam. 22,12.............................54
1.Mo. 40,14 ...........................185 1.Sam. 24,6.............................256
1.Mo. 42,30............................252 1.Sam. 24,10...........................256
1.Mo. 49,12 ...........................106 1.Sam. 26,15-16.....................256

2.Mose 2.Samuel
2.Mo. 3,14..............................207 2.Sam. 4,8.................................53
2.Mo. 4,22................................63 2.Sam. 7,14........................42, 63,
2.Mo. 7,1............................24, 87 106, 298, 309
2.Mo. 16,2,8...........................219 2.Sam. 22,32.............................35
2.Mo. 16,4,15.........................192 2.Sam. 23,2.............................221
2.Mo. 17,1-6...........................107
2.Mo. 20,1-3.............................17 1.Könige
2.Mo. 23,20,21.........................88 1.Kö. 8,39.................................40
2.Mo. 33,11..............................18 1.Kö. 9,3.................................223
1.Kö. 11,11.............................184
4.Mose
4.Mo. 11,9..............................192 2.Könige
4.Mo. 13,23..............................26 2.Kö. 3,12...............................185
4.Mo. 14,24............................184 2.Kö. 19,15.........................28, 40
328 Schriftstellenverzeichnis

Ps. 82,6..............................45, 85,


1.Chronik 120, 270, 299
1.Chr.28,12.............................184 Ps. 82,6-7..................................45
1.Chr.29,20.....................133, 200 Ps. 83,19...................................40
Ps. 86,10...................................28
2.Chronik Ps. 89,27.................................103
2.Chr. 31,18............................133 Ps. 102,25-27............................77
Ps. 106,33...............................219
Nehemia Ps. 107,20...............................127
Neh. 9,6....................................28 Ps. 110,1........................47-57,61,
Neh. 9,20................................215 88,102,169,256,300
Ps. 110,1,5..............................309
Hiob Ps. 119,103-105..............126-127
Hi. 10,13.................................184 Ps. 139,7.................................213
Hi. 12,13-16...........................183 Ps. 147,15...............................127
Hi. 14,5...................................185
Hi. 14,14.................................209 Sprüche
Hi. 15,9...................................184 Spr. 1,23.................................223
Hi. 23,10.................................184 Spr. 2,1...................................185
Hi. 23,14.................................184 Spr. 8,11.................................164
Hi. 27,11.................................184 Spr. 8,22,30............................124
Hi. 38,7.....................................22 Spr. 8,30............180,183,240,263
Spr. 11,2.................................185
Psalmen Spr. 30,1.................................268
Ps. 2........................................257
Ps. 2,2,6,7.................................63 Prediger
Ps. 2,7...............................42, 257 Pred. 4,8...........................25, 252
Ps. 8,4-6...................................74
Ps. 16,4...........................285, 288 Jesaja
Ps. 18,2...................................105 Jes. 6,3....................................171
Ps. 25,17.................................223 Jes. 7,14..........................160, 268
Ps. 27,8.....................................18 Jes. 9,6........................77, 86, 189
Ps. 33,6...................................213 Jes. 11,1-5.................................82
Ps. 33,6,9................................126 Jes. 22,21..................................87
Ps. 45,3-5................................270 Jes. 40,13................................223
Ps. 45,6.................24, 77, 87, 121 Jes. 42,6..................................101
Ps. 45,6-7................................270 Jes. 42,8..................................289
Ps. 45,7...................................270 Jes. 43,10..........................18, 289
Ps. 45,21.................................281 Jes. 44,6....................................18
Ps. 50,11.................................184 Jes. 44,8....................................18
Ps. 51,6...................................212 Jes. 44,24..........19,74,76,109,160
Ps. 51,10,11............................212 Jes. 45,5....................................19
Ps. 82, 1,6...............................269 Jes. 45,12..................................19
Schriftstellenverzeichnis 329

Jes. 45,14..................................19 Sacharja


Jes. 45,18..................................19 Sach. 14,9.................................14
Jes. 45, 21-22............................20 Maleachi
Jes. 49,6..................................101 Mal. 1,6....................................25
Jes. 51,2............................25, 252 Mal. 2,10............................21, 25
Jes. 51,16................................312 Mal. 2,15................................221
Jes. 55,11........................127, 180
Jes. 63,9..................................213 Matthäus
Jes. 63,9-11.............................219 Mt. 1,1..........................174n, 178
Jes. 63,10................................213 Mt. 1,16..................................157
Mt. 11,18......................179n, 209
Jeremia Mt. 1,18,20.............................178
Jer. 1,5..........................154, 290n Mt. 1,20............................63, 159
Jer. 9,23-24.............................291 Mt. 1,23..................................160
Jer. 10,10................................291 Mt. 2,2-6...................................82
Jer. 12,3..................................185 Mt. 2,5-6...................................82
Jer. 23,28................................185 Mt. 2,6......................................82
Jer. 27,18................................185 Mt. 4,8-9.................................100
Mt. 5,5......................65n, 66, 144
Klagelieder Mt. 5,9....................................144
Kla. 4,10...........................25, 256 Mt. 5,12..........................198, 199
Mt. 5, 12,46............................199
Hesekiel Mt. 5,17....................................17
Hes. 7,5...................................252 Mt. 5,39..................................144
Hes. 33,24.................25, 252, 253 Mt. 6,1....................................199
Mt. 6,20..................................199
Daniel Mt. 6,30..................................160
Dan. 2,46................................133 Mt. 6,33..................................111
Dan. 7.....................................157 Mt. 7,18..................................136
Dan. 7,13................................196 Mt. 9,8......................................43
Dan. 12,2..........................19, 196 Mt. 10,20................................217
Mt. 10,34................................282
Hosea Mt. 13,55-57.............................60
Hos. 1,10................................299 Mt. 15,9......................................4
Hos. 13,4..................................21 Mt. 16,14..................................67
Mt. 16,15..................................57
Joel Mt. 16,15-17.............................62
Joe 2,27....................................21 Mt. 16,15-19.............................67
Mt. 16,16..............42,62,76,131n,
Micha 299n,307,309
Mi 5,2.......................................82 Mt. 16,16,18.............................63
Mt. 16,16-18......................63,161
Mt. 16,27........................198, 259
330 Schriftstellenverzeichnis

Mt. 17,1-9...............................197 Mk. 13,19...............................312


Mt. 17,4....................................65 Mk. 13,32..............39,81,266-267
Mt. 19,4..................................160 Mk.14,21...........................195
Mt. 20,21..................................66
Mt. 22,44..................................51 Lukas
Mt. 23,8-10.............................253 Lk. 1,1-4...................................69
Mt. 24,36..................................39 Lk. 1,4....................................175
Mt. 25,34......................156n, 199 Lk. 1,17..........................214, 223
Mt. 26,24................................195 Lk, 1,31-32...............................69
Mt. 26,34................................209 Lk. 31,35................................178
Mt. 26,63..................................42 Lk.1,35xiii.........60,70,71,76,155,
Mt. 28,19...........202,221,280,308 214,220,226,257,281,
289,297,298,306
Markus Lk. 2,11....48n,52,55,88,169299n
Mk. 1,14,15........................31, 65 Lk. 2,11,26......................48n,255
Mk. 1,38.........................191, 192 Lk. 2,14..................................282
Mk. 2,5,7..................................42 Lk. 2,52....................................81
Mk. 2,7.....................................42 Lk. 4,43..........31,65,191,192,315
Mk. 2,10-11..............................43 Lk. 6,35....................................70
Mk. 3,5.....................................81 Lk. 8,12..................................314
Mk. 4,11-12............................314 Lk. 9,20....................................63
Mk. 5,30...................................81 Lk. 11,20................................214
Mk. 8,29...................................63 Lk. 12,28................................160
Mk. 8,31.................................194 Lk. 20,42..................................56
Mk. 9,12.................................195 Lk. 21,14-15...........................217
Mk. 9,31.................................194 Lk. 21,15................................217
Mk. 10,6..............76,160,280,312 Lk. 22,20................................107
Mk. 10,18...............................281 Lk. 23,50-52.............................66
Mk. 10,21...............................156 Lk. 24,21..................................64
Mk. 12,13............................33-34 Lk. 24,26,44...........................304
Mk. 12,14.................................34 Lk. 24,49.......................214,216n
Mk. 12,28.................................34
Mk. 12,28-29..........................126 Johannes
Mk. 12,28 ff............................314 Joh. 1,1......124,162,186-188,229,
Mk.12,29......25,26,35,84,86,164, 230,232,243,262-266,271
169,172,221,268,290 Joh. 1,1,14................181,188,266
Mk. 12,29-30..................16,34,90 Joh. 1,1-3.........................124,266
Mk. 12,29 ff............................116 Joh. 1,1-4................................172
Mk. 12,32............................35,90 Joh. 1,6...................................190
Mk. 12,34.................................35 Joh. 1,9...................................192
Mk. 12,35-37.....................47,308 Joh. 1,9-14..............................127
Mk. 12,36.................................25 Joh. 1,14.....163,180,181,243,265
Mk. 13,11...............................217 Joh. 1,14,18............................127
Schriftstellenverzeichnis 331

Joh. 1,15.................................192 Joh. 9,9..................................205


Joh. 1,15,30............................193 Joh. 9,35-37...........................206
Joh. 1,18..........................243,271 Joh. 10,24-25.........................206
Joh. 1,39.................................183 Joh. 10,30.......................268-270
Joh. 1,45...................................46 Joh. 10,32-36...........................44
Joh. 1,49............................63,256 Joh. 10,33...............................299
Joh. 3,2...................................190 Joh. 10,34............85,120,270,299
Joh. 3,13..................193-197, 303 Joh.10,34-36..............45,207,269,
Joh. 3,34..........................221,315 270,286
Joh. 3,35.................................201 Joh. 10,35...............................127
Joh. 4.6.....................................81 Joh. 10,36..........................45,299
Joh. 4,22.................................153 Joh. 11,32.................................81
Joh. 4,22,23..............................17 Joh. 11,35..........................81,127
Joh. 4,26..........................205,207 Joh. 12,44.............................. 183
Joh. 4,40.................................183 Joh. 12,48........................127,313
Joh. 4,49.................................209 Joh. 13,19...............................206
Joh. 5,18................42,44,269,299 Joh. 14,9.................................243
Joh. 5,19...................................43 Joh. 14,12...............................315
Joh. 5,24.................................313 Joh. 14,15-18,26...................216n
Joh. 5,27.................................201 Joh. 14,18...............................217
Joh. 5,28-29............................196 Joh. 14,28...............................299
Joh. 5,38.................................127 Joh. 14,29...............................209
Joh.5,44...........40,44,84,199,206, Joh. 15,7.................................314
300,314 Joh. 15,26...............................218
Joh. 5,45...................................40 Joh. 16,2............................89,282
Joh. 5,46-47............................313 Joh. 16,28........................218,297
Joh. 6,15...................................66 Joh. 17,3.....38,39,67,93,121,164,
Joh. 6,20.................................205 199,206,221,27,272,273,
Joh. 6,27...................................40 291,296,300,304,307,314
Joh. 6,33.................................192 Joh. 17,5....156,178,198-200,203,
Joh. 6,62............157,193-197,303 204,303,314
Joh. 6,63...................183,222,315 Joh. 17,5 ff......................198-204
Joh.7,1-5...................................59 Joh. 17,6,8,14,17....................127
Joh. 7,18...................................40 Joh. 17,8.................................298
Joh. 7,37.................................107 Joh. 17,11........................202,268
Joh. 8,24.................................205 Joh. 17,11,21..........................215
Joh. 8,28.................................205 Joh. 17,18.................202,298,315
Joh. 8,32.................................291 Joh. 17,20,21..........................148
Joh. 8,38.................................183 Joh. 17,21,23..........................222
Joh. 8,42.................................297 Joh. 17,22.................161,203,204
Joh. 8,47..........................191,297 Joh. 18,5.................................205
Joh. 8,56.................................208 Joh. 18,6.................................270
Joh. 8,58xi...............205-209,303 Joh. 18,36...............................144
332 Schriftstellenverzeichnis

Joh. 18,37..........100,192,270,291 Apg. 20,29-31.........................164


Joh. 18,38...............................291
Joh. 20,17..........120,197,271,303 Römer
Joh. 20,21.................202,206,298 Rö. 1,3.............106n,163,288,289
Joh. 20,23.................................43 Rö. 1,4....................................297
Joh. 20,28xi..........84,85,120,270- Rö. 1,25..................................261
271,287,307 Rö. 3,29....................................17
Joh.20,31............87,121,179,206, Rö. 4,17....................160,189,198
271,299,307,311 Rö. 5,12-15...............................99
Rö. 8,3....................................289
Apostelgeschichte Rö. 8,9....................................215
Apg. 1,6........................64,65n,83 Rö. 8,17..................................203
Apg. 1,7....................................64 Rö. 8,24..................................203
Apg. 2,17................................220 Rö. 8,26,34.............................218
Apg. 2,22..................................80 Rö. 8,27,34.............................215
Apg. 2,22-23..........................68n Rö. 8,30..................................189
Apg. 2,22,23,36.......................50 Rö. 9,5....................................38n
Apg. 22,30,31..........................69 Rö. 11,17..................................17
Apg. 2,33...............................196 Rö. 11,34................................223
Apg. 2,34...............................196 Rö. 16,25................................189
Apg. 2,34-36.........52,55,196,299 Rö. 16,27...........................97,307
Apg. 2,36...................48n,52,256
Apg. 3,22...............................164 1.Korinther
Apg. 3,26.........................247,290 1.Kor. 2,7-9............................189
Apg. 4,25................................221 1.Kor. 2,10-11........................215
Apg. 5,3-4...............................219 1.Kor. 8,4..................................95
Apg. 6,10................................217 1.Kor. 8,4-6..............55,93,95,97,
Apg. 7,5..................................190 169,172,262,289,290,292,308
Apg. 7,37................................164 1.Kor. 8,4,7...............................95
Apg. 7,38................................106 1.Kor. 8,6.........55,93,94,111,148,
Apg. 7,53................................106 153,169,254
Apg. 8,26................................213 1.Kor. 10,4......................105-107
Apg. 12,21-23...........................68 1.Kor. 10,11.....................107,108
Apg. 13,33............159n,257n,298 1.Kor. 11,7..............................101
Apg. 13,47..............................101 1.Kor. 15,21,45,47....................80
Apg. 14,11..................68,143,164 1.Kor. 15,28.....................104,308
Apg. 15,5 ff..............................92 1.Kor. 15,45-47.........15,26,87,99
Apg. 16,6-7.............................215
Apg. 17,11...........................5,122 2.Korinther
Apg. 17,24..............................109 2.Kor. 1,22..............................203
Apg. 17,31.........................78n,80 2.Kor. 3,17..............................218
Apg. 18,24-28.........................127 2.Kor. 4,4..................................87
Apg. 20,27...........................xii,97 2.Kor. 5,1................................156
Schriftstellenverzeichnis 333

2.Kor. 5,5................................203 Kol.1,15-18..............................75


2.Kor. 5,19..............................243 Kol. 1,16..................102-104,163
2.Kor. 6,10..............................101 Kol. 1,18............................76,104
2.Kor. 8,9................................101 Kol. 1,19.................................247
2.Kor. 11,1-4............................67 Kol. 2,9............................247,315
2.Kor. 11,3-4............................96 Kol. 3,24........................156,308n
2.Kor. 11,4.......................132,288
2.Kor. 11,31............................261 1.Thessalonicher
2.Kor. 13,13.....................221,308 1.Thess. 2,6............................101
1.Thess. 4,8............................219
Galater
Gal. 1,4-5................................261 2.Thessalonicher
Gal. 2,5............................185,263 2.Thess. 2,6............................101
Gal. 3,16..........................174,253 2.Thess. 2,10-13.....................291
Gal. 3,19............................75,106 2.Thess. 3,1............................127
Gal. 3,20.....................95,106,253
Gal. 3,28.................................253 1.Timotheus
Gal. 4,4..............163,191,288,289 1.Tim. 2,3-5............................290
Gal. 4,4,6................................191 1.Tim. 2,4-5.......................xiii,80
Gal. 6,16.................................294 1.Tim. 2,5...78,90n,95,97,153227
1.Tim. 3,16.............................281
Epheser 1.Tim. 5,21.............................214
Eph. 1,14................................203 1.Tim. 6,15-16..........................97
Eph. 1,17.............................51,95 1.Tim. 6,20.............................310
Eph. 3,19.......................247,315n
Eph. 4,4-6............................95,97 2.Timotheus
Eph. 4,6..................90n,225n,254 2.Tim. 1,9.............................163n
Eph. 4,30................................223 2.Tim. 3,16.............................223
2.Tim. 4,3-5............................292
Philipper
Phil. 1,19................................221 Titus
Phil. 2.........................96-102,248 Tit. 1,4....................................259
Phil. 2,1..................................221 Tit. 2,13...........................259-261
Phil. 2,5................................311n
Phil. 2.6..................................243 Hebräer
Phil. 3,3..................................294 Hebr. 1,1-2...............105,180,229
Phil. 3,5-6.................................90 Hebr. 1,2..............................74,75
Phil. 4,15..................................39 Hebr. 1,5............................75,309
Hebr. 1,6............................76,312
Kolosser Hebr. 1,8.......24,270,281,287,307
Kol. 1,5............................188,199 Hebr. 1,10.................................77
Kol. 1,15.................................101 Hebr. 2,2.................................105
Kol. 1,15-17....................102-105 Hebr. 2,5............................75,311
334 Schriftstellenverzeichnis

Hebr. 2,6-8...............................74 1.Joh. 2,5,14...........................127


Hebr. 2,8.................................201 1.Joh. 2,22..............................272
Hebr. 2,12.................................73 1.Joh. 2,27..............................222
Hebr. 2,14,17............................70 1.Joh. 4,1................................191
Hebr. 2,17.................................73 1.Joh. 4,2.............xiii,67,123,124,
Hebr. 2,18.................................73 132,302
Hebr. 4,4................73,76,280,311 1.Joh. 4,3................................302
Hebr. 4,15............................73,80 1.Joh. 4,13..............................220
Hebr. 5,8..............................73,81 1.Joh. 5,6................................220
Hebr. 7,3...................................75 1.Joh. 5,7................................281
Hebr. 7,6...................................76 1.Joh. 5,20.......................271-272
Hebr. 7,14............................73,82 1.Joh. 5,21..............................300
Hebr. 9,27.................................81
Hebr. 10,26.............................224 2.Johannes
Hebr. 11,13.............................208 2.Joh. 2...................................185
2.Joh. 7.....................xiii,123,124,
Jakobus 132,272,302
Jak. 1,1.....................................92 2.Joh. 9.....................271,313-315
Jak. 1,13............................73,160
Jak. 1,17.................................192 Judas
Jak. 2,19...................................92 Jud. 3......................................111
Jak. 3,15.................................192 Jud. 25....................................307

1.Petrus Offenbarung
1.Petr. 1,2.................154,176,181 Offb. 1,1.................................134
1.Petr. 1,4...............................199 Offb. 1,8.................................134
1.Petr. 1,4-5............................204 Offb. 1,17...............................133
1.Petr. 1,5...............................155 Offb. 1,18........................133,134
1.Petr.1,20......154,155,163n,164, Offb. 3,9..........................133,200
176,181 Offb. 4,11.......................161,181
1.Petr. 3,15.............................256 Offb. 5,10.................................66
Offb. 5,12-13..........................133
2.Petrus Offb. 11,15.............................256
2.Petr. 1,1........................259-261 Offb. 12,10.............................256
2.Petr. 2..................................164 Offb. 13,8.................158,189,207
2.Petr. 3,16...............................96 Offb. 15,3...............................133
Offb. 21,2........................134,192
1.Johannes Offb. 21,6...............................134
1.Joh. 1,1................................127 Offb. 22,8...............................200
1.Joh. 1,1-2.............................134 Offb. 22,12-13........................134
1.Joh. 1,2..................124,134,180
1.Joh. 1,10..............................127
1.Joh. 2,1.........................217,218
AUTORENVERZEICHNIS

Abbot, E.A., 193 Brown, Raymond, 60, 71-72, 76-


Addis, W.E., 136 77, 124, 161n, 177, 194n, 201,
Alford, Henry, 196, 202, 260, 271- 233, 255, 260, 262, 297
72 Bruce, F.F., 123, 187, 230, 262,
Ammon, C.F., 269 311n
Arndt, William F., 187 Brunner, Emil, 84
Artemas, 228 Bullinger, E.W., 54n
Augustinus, 9, 10, 38-39, 161n, Bultmann, Rudolf K., 247
204n, 296 Bunsen, C.C., 275n
Buswell, J.O., 301n
Baillie, Donald, 225n, 287 Buzzard, Anthony, 233n, 295n
Bainton, R.H., 232n
Baird, F.E., 111-112n Cadoux, C.J., 91
Barrett, C.K., 194n, 208n Caird, G.B., 309
Barth, Karl, 247-248 Calvin, Johannes, 23n, 135, 143,
Bateman, Herbert, 49n 145-47, 168n,219, 231, 232n
Bauer, Walter, 41n 268
Baur, F.C., 175n Carey, George, 246-47
Beasley-Murray, G.R., 40n Cave, Sydney, 89-90
Beisner, E. Calvin, 92-93 Clarke, Adam, 258
Bernard, J.H., 194n, 201 Colman, Henry, 283n
Berkhof, Hendrikus, 232 Colwell, E.C., 264
Bethune-Baker, J.F. 228 Constable, H., 130
Bevan, R.J.W., 116n Cranfield, C.E.B., 163n
Beverage, William, 280n Cunningham, John, 105
Biddle, John, 179, 233-234 Cupitt, Don, 151n
Black, Matthew, 301n Cyril von Alexandria, 167
Boettner, Loraine, 35-38
Bonosus, 231 Dalman, G., 158, 210
Borgen, P., 191n Davidson, A.B., 29n
Boyd, Gregory, 27n Davison, W.T., 253n
Brady, James R., 42 Denny, James, 217, 266, 302
Brown, Colin, 44 Dewick, E.C., 154n
Brown, Harold, 137 Dodd, C.H., 172
336 Autorenverzeichnis

Dosker, H.E., 232 Harrison, Everett F., 189n,225n


Drum, Walter, 51n Hart, Thomas, 79, 116, 226n,237n
Dunn, James, 73, 98, 102-4, 181, Harvey, A.E., 188
191, 239, 241-42, 248, 266, 289 Hay, David, 49
Heer, Frederich, 282n
Ehrman, Bart, 56 Hertz, J.H., 30n
Eliot, W.G., 88n Hick, John, 122n,244n
Ellens, J. Harold, 166, 186n Hill, Christopher, 236n
Epiphanius, 226 Hillar, Marian, 168n
Erasmus, 261, 268 Hodgson, Leonard, 2, 30
Eusebius, 139-40, 142-43 Hosier, S., 273
Howard, G., 311n
Fackré, Gabriel, 180n Humphreys, A.E., 260
Fennema, D.A., 264n Hurd, Richard, 92n
Ferré, Nels, 260n
Filson, Floyd, 114, 115n Inge, W.R., 168n
Flesseman, Ellen, 232 Irenaeus, 274, 310
Fortman, Edmund J., 29n
Freed, Edwin, 208n Jefferson, Thomas, 5, 95
Friedmann, Robert, 112n Jervell, Jacob, 299, 308n
Fuchs, Ernst, 248 Johnson, Paul, 135n,277n,292n
Fulton, W., 253n Justin,114, 125, 128, 137, 152, 157,
159n,163n,185-86, 225-27, 274
Gesenius, H.F.W., 22-23
Gilbert, G.H., 199-200, 207 Kennedy, James, 313n
Gillet, Lev, 30n Kirkpatrick, A.F., 54n
Gingrich, F. Wilbur, 187 Knight, G.A.T., 112
Goethe, 165 Knox, G.W., 131n
Gore, Charles, 158n, 210n Knox, John, 174n,236-38
Goudge, H.L., 84, 143, 228n,293 Kuehnoel, C.G., 88n
Green, F.W., 229 Kuinoel, C.T., 218
Gregorius von Nazianzen, 211 Küng, Hans, 94, 248
Grensted, L.W., 114 Kuschel, Karl-Josef, 183, 247-49
Griesebach, Eberhard, 112
Grillmeier, Aloys, 287n Lachmann, Karl, 261
Lampe, Geoffrey, 129, 305
Hackett, H.B., 53n Lamson, Alvan, 226n
Hall, Robert, 2 Lapide, Pinchas, 16, 20, 46,
Hamilton, Neill, 113 94n,137-38
Hanson, A.T., 238n Lindbeck, George, 123
Harnack, Adolf, 122, 226n, 247, Lockyer, Herbert, 48n
310 Locke, John, 235-36, 292
Harner, Philip, 264-65 Loofs, F., 228, 250
Autorenverzeichnis 337

Luther, Martin, 86, 143, 219, 286


Lyonnet, S., 70, 177 Paine, L.L., 29n
Pannenberg, Wolfgang, 247
Macaulay, T., 225 Pastor, Adam, 123, 178, 231-33
Mackey, James, 239-41 Paulus von Samosata, 178, 229-30,
MacKinnon, James, 177 242
Macleod, Donald, 56 Penn, Granville, 260n
Marshall, I. Howard, 56n, 308n Penn, William, 135, 295
Masenius, James, 273n Philo, 120, 127, 165, 182, 187, 266
Matthews, W.R., 59 Photinus, 178, 230
Mattison, M.M., 227n, 231n, 274 Pittenger, Norman, 237
McLachlan, H.J., 234 Plato, 113, 130, 217
McNeile, A.H., 311n Plummer, Alfred, 53, 70, 298
Metzger, B.M., 220n Priestley, Joseph, 226, 279
Meyer, H.A.W., 38n, 201 Purves, G.T., 111, 152n,186n
Michaelis, J.D., 221, 219n
Milavec, Aaron, 177n Quick, Oliver, 238n
Milton, John, 172, 235-36
Moltmann, Jurgen, 137 Rahner, Karl, 1, 219, 255, 304-05
Montefiore, Claude, 30 Reese, Alexander, 8
Morey, Robert, 25 Reim, G., 270n
Morgridge, Charles, 280n Rengstorf, K.H., 191
Morris, Leon, 192, 201-03, Richardson, Alan, 214n,218
181n,193n,194n Robinson, John A.T.,125, 171,
Mosheim, J., 129 192n,141-44, 295,
Moule, C.F.D., 264, 316n 297n,298n,300, 302n
Moule, H.C.G., 189n Robinson, William Childs, 51-52,
Moulton, J.H., 14n, 259 227n
Mounce, R.H., 181 Rogers, J.B., 111-12
Mowinckel, S., 162 Rubenstein, R.E., 144n
Murray, J.O.F., 193 Rudolph, Kurt, 310
Runia, Klaas, 41-44, 86n,241n,308n
Neusner, J., 191n
Newman, A.H., 233n Sanday, W., 300, 301n
Norton, Andrews, 137n,145n Sandius (Sand, Christopher), 232
Sanford, C.B., 5n,96n
O’Connor, J. Murphy, 311n Schaff, Philip, 222n
Ohlig, Karl-Heinz, 249-50 Schillebeeckx, Edward, 240, 297n
Olyott, Stuart, 254 Schonfield, Hugh, 172n
Origenes, 129, 137n,154, 229, 274- Schurer, Emil, 192n
76 Schweitzer, Albert, 172
Ottley, C., 210n Scott, Anderson, 254
Owen, D.R.G., 81n Scott, E.F., 218
338 Autorenverzeichnis

Selwyn, E.G., 152, 155, 176, 188 Williams, G.H., 231, 279n
Servetus, Michael, 123, 145-47, Wilson, Ian, 141-42, 293
168n,179, 231, 232n Wilson, John, 2n,92n,251
Simon, Morris, 190n Wissowatius, B., 204n
Simons, Menno, 232 Wright, C.J., 165-66
Smalridge, George, 274 Wuest, Kenneth, 257n
Snaith, Norman, 115
Sozomen, 231 Yates, James, 171
Stott, John, 244 Young, Frances, 244-45, 275n
Strachan, R.H., 306
Strecker, George, 277 Zuck, R.B., 47n
Stuart, Moses, 258, 268 Zweig, Stefan, 232n
Sumner, Robert, 48n

Talbert, C.H., 311n


Tasker, R.V.G., 268
Temple, William, 228, 230, 263
Tertullian, 137, 186, 229, 274, 310
Theodotus (der Gerber), 227
Tischendorf, C., 261
Torrey, C.C., 265
Torrey, R.A., 215-16
Trypho, 226
Turner, Nigel, 259
Tyndale, William, 172-73, 186n

Ussher, James, 233

Van Buren, Paul, 306


Vaucher, Alfred, 130

Wainwright, Arthur, 271


Walvoord, John, 47n
Warfield, B.B., 61
Watson, David, 118n
Wendt, H.H., 198
Wendt, Hans, 126-28
Wenham, G.J., 22n
Werner, Martin, 83n
Westcott, B.F., 175
Wilberforce, Basil, 211
Wiles, Maurice, 125, 151, 179, 241-
42
STICHWORTVERZEICHNIS

Abraham, 14, 25, 53, 65, 189, 241, Auferstehung Jesu, 63, 67, 68, 69, 78-
243, 252, 253, 285 82, 104, 194, 201, 286, 297,
Jesus als Nachkomme von, 63, 72, 304
79, 106, 174, 178, 233 Seele und, 131, 153, 155
Jesus vor Abraham, 158, 205-209, Augustinus, 9, 10n, 38-39, 161n,
241, 303 204n, 296
Adam, 79-80, 99-100, 124, 174, 248,
288 Bibel
Adonai, 30, 48-54, 300, 309 Irrtümer und Veränderungen
Adoni, 30, 48-54, 300, 309 Durch nicht-jüdische Denkweise,
Adoptionalistische Christologie, 177, 112, 113, 181, 182, 186,
226 187
Alogi, 226 (s. auch griechische Denkweise)
Anabaptisten, 123, 173, 178, 179, 204, Geist, Bedeutung von, 212
232, 233, 242 Gleichstellung Jesu mit Gott, 38-
Anbetung, 132-133, 200, 213 39, 46-52, 82, 133, 134,
Anhypostase, 72, 243 280, 281, 295, 296
s.auch Hypostase, unpersönliche In sekundären Quellen, 50-54,
Menschheit Christi 104n, 259n
Anrede, Formen der, 60, 62-65, 77-79, Quelle authentischen Glaubens, 14,
84-88, 166-168, 200, 206, 255- 28-31, 109, 111-115, 122-
256, 267-268, 299-301 123, 148-149, 273, 286
Apokryphen, 187 Ursprung Jesu, 159n, 165n, 256-
Apollinarianismus, 238n, 239 258
Apostolisches Glaubensbekenntnis, 30 Zusätze, gefälschte, 220, 281
Arianische Christologie, 141, 155, s. auch Umstrittene Texte, Fragen
158, 160 der Sprache
s. auch Präexistenz Bibel, Bücher der
Athanasianisches Daniel, siehe
Glaubensbekenntnis, xi, xiii, Schriftstellenverzeichnis
30, 123, 129, 168, 234, 275 Hebräer, siehe
Athanasius, 128, 142, 245 Schriftstellenverzeichnis
Jesaja, siehe
Schriftstellenverzeichnis
340 Stichwortverzeichnis

Johannes, siehe Chalcedon, Konzil von, xii, 72, 79,


Schriftstellenverzeichnis 84, 116, 117, 122, 123, 125,
Prolog, 125-127, 166, 179-188, 129, 140, 167, 237, 248, 273,
226-27, 248, 265, 310 278, 287, 304
Synoptischer Vergleich, 175-179 Christologie
Trinitarische Irrtümer, 28n, 35-38, Adoptionalistische, 176, 226
61-62, 84-86, 91-96, 101- Arianische, 141, 155, 159, 162
108, 136-137, 240, 241, Konzeptions-siehe
295, 307 Konzeptionschristologie
Kolosser, siehe Trinitarische, siehe trinitarische
Schriftstellenverzeichnis Christologie
Korinther 1&2, siehe Unitarische, 30, 37-40, 55, 123,
Schriftstellenverzeichnis 251, 278-281, 286
1. Johannes, siehe s. auch Häresien
Schriftstellenverzeichnis Christus, s. Jesus
Markus, siehe Church of England, 214, 273, 279,
Schriftstellenverzeichnis 280
Matthäus, siehe Codex ephraem, 262
Schriftstellenverzeichnis Colwell, Gesetz von, 264
Petrus, siehe Cosubstantiell, s. auch Gleichheit des
Schriftstellenverzeichnis Sohnes, Substanz, 273, 277
Philipper, siehe Cyril von Alexandrien, 167
Schriftstellenverzeichnis
Psalmen, siehe Definitionen, s. Fragen der Sprache
Schriftstellenverzeichnis Doketismus, 123-124, 140, 233, 238,
Römer, siehe 241, 243, 245, 246, 277, 302,
Schriftstellenverzeichnis 310, 317
Sprüche, siehe Drakonische Ordinanz, 234
Schriftstellenverzeichnis
Titus, siehe Edikt, von Mailand, 136
Schriftstellenverzeichnis Einheit Gottes, 25-27, 30, 47, 61, 95,
Biddle, John, 179, 233-234 106, 128, 140, 173, 230, 234,
Binitarismus, 7, 9, 21, 55, 60, 91, 132, 266
137 Engel
Blasphemie, 42-44, 143, 234, 269, Als Vertreter Gottes, 47, 75, 105-
299 106, 134, 213, 216
s. auch Gleichheit des Sohnes Gabriel, 69, 72, 73, 151
Buzzard,Anthony, xi, xii, 233n, 294n Michael, 75
Präexistenz und, 76, 76, 149, 162,
Calvin, Johannes, 23n, 135, 143, 145- 164
147, 168n, 219, 231, 232n, 268 Titel, Anreden, 42, 53, 76, 88, 158,
309
Uriel, 309
Stichwortverzeichnis 341

Epiphanius, 226 Auswirkungen auf die Einheit


Erasmus, 261, 268 Gottes, 20, 25-28, 133-134,
Errettung 252-254, 267-269
Voraussetzung für, 80, 188, 247, Blasphemie, 36, 43-46, 143, 234,
279, 291 269, 299
Trinitarischer Standpunkt, 109, In außerbiblischer Literatur, 109,
127-128, 245, 297, 301 184
Essenz, s. Substanz Justin über, 274
Ewige Sohnschaft, Lehre von der Origenes über, 274-275
Als Leugnung der übernatürlichen Unbiblisch, 35, 51-54, 91, 173,
Geburt, 257-259 251, 258, 272-276
Definition, 297-298 Gleichwertigkeit des Sohnes mit Gott,
„kommen“ und „gesandt werden“, s. Gleichheit des Sohnes
190-192, 247, 269, 289, Gnostizismus, 98, 124, 152, 164, 185,
297-298 233, 242, 265, 296, 302, 309-
Origenes über, 129, 274-275 310
Präexistenz und, 300-306 Götzendienst, 93, 286, 289
Servetus über, 231 Gott
Trinitarische Abhängigkeit von der, Adonai (Herr Gott), 30, 48-54, 300,
216-217, 227, 256-258, 309 309
s. auch Präexistenz Allein bei der Schöpfung, 19-23,
28, 74-76, 109, 128, 160
„Fels“, Symbolsprache, 18, 35, 105- Attribute, 74, 79-84, 130-131, 133-
108, 160 134, 160, 266-267
Einheit, 25-27, 30, 47, 61, 95, 106,
Gebet, 38, 132-133, 138, 148, 199, 128, 140, 173, 230, 234,
200-202, 213, 218-220, 222, 266
244, 273, 275, 308 „Gott, der Sohn“ xi, 3, 37, 41, 45,
Geist Gottes, s. auch Hl. Geist 60, 166, 244, 280
Glaube Natur, 35-37, 92, 97, 130, 166,
Die Bibel als Quelle, 14, 30-32, 241, 278, 280, 304
108-109, 112-117, 122-123, Pluralität, 21-27, 129, 252, 289
130, 149, 272-275, 286 Verwendung des Ausdrucks, 44-
Glaubensanschauung identifiziert 46, 68, 77, 85-88, 91, 121-
mit, 314-317 122, 269, 316-317
Wahrheit identifiziert mit, 135 Gottheit Jesu, 30, 53, 59, 116, 236,
s. auch Häresie 258, 266, 274
Gleichewiger Sohn, s. ewige Gott/Mann in der Trinität, 62-65, 78,
Sohnschaft 97, 108, 132, 285-286
Gleichheit des Sohnes s. auch „Gott, der Sohn“
Auswirkungen auf das Menschsein Grammatik, Fragen der
Jesu, 129, 162-168, 230, Adjektive, 25, 240
236-250, 286-290, 303-308 Aorist, 209, 297
342 Stichwortverzeichnis

Artikel, 127, 180, 182, 214, 259- Adoptionalistische Christologie,


265 176-177, 226
Colwells Regel, 264 Alogi, 226
Fürwörter, 10, 17, 21-26, 172, 212, Apollinarianismus, 238n, 239
252, 254, 272, 287 Arianismus, 141, 155, 158, 160
Granville Sharp Regel, 259 Binitarismus, 7, 9, 21, 55, 60, 91,
Großbuchstaben, 54 132, 137
Identität im Gegensatz zu Doketismus, 123-124, 140, 233,
Charakter, 187-188, 263- 238, 241, 243, 245, 246,
264 277, 302, 310, 317
Konjunktionen, 259 Formel von Chalcedon, xii, 72, 79,
Plural, 21-25, 252-253 84, 116, 117, 122, 123, 125,
Prädikatsnomen ohne Artikel, 264 129, 140, 167, 237, 248,
Prophetische Vergangenheit, 158, 273, 278, 287, 304
189-190, 194, 195, 198, Formel von Konstantinopel, 30, 92,
201-203, 303 222
Punktuationen, 259-262 Formel von Nizäa, 92, 122, 123,
Satzbau, 271-272 129, 273, 275, 278
Verbformen von „sein“, 101, 107, Gnostizismus, 98, 124, 152, 164,
161n, 188, 204n, 205-208, 185, 233, 242, 265, 296,
163-264 302, 309-310
Vokativ, 77, 316n Monarchianismus, 128, 227-228
Zeitwörter, 17, 252 Neo-Platonismus, 112-113, 167,
Zusammengesetzte Einheit, 25-27, 186n, 245
253 Paulus von Samosata, 178, 228-
Griechische Denkweise 230, 242
Hypostase, 72, 124, 132, 140, 165, Photinianer, 230-231
229, 238, 241, 243, 278, Sabellianismus, 264
305 Servetus, 123, 145-147, 179, 231-
Jesus – „ein Gott“, 302 233
Kommentar, 118-119n, 124-130, Unitarismus, 31, 37-40, 56, 123,
132, 228n, 235-236, 268, 278-280, 286
Korruption durch Valentinianismus, 310
s. Häresie s. auch griechische Denkweise,
Neo-Platonismus, 112-113, 167, trinitarische Christologie
186n, 245 Heidentum, 7, 24-25, 94-96, 168, 171,
Vorherbestimmung im Gegensatz 288
zur Präexistenz., 152-164, Heiliger Geist, s. Geist Gottes
167-169, 188-190, 207-210, Herr/HERR
303-304 s. adonai (Herr Gott), adoni (Herr
Wesen, s. Substanz Messias)
Hervorkommen des Sohnes, 126, 240,
Häresie 295-298
Stichwortverzeichnis 343

s. auch ewige Sohnschaft 226, 229, 262-266


Hypostase, 72, 124, 132, 140, 165, „in Gestalt Gottes“, 96, 99-101,
229, 238, 241, 243, 278, 305 243
Idiome, s. Fragen der Sprache Lukas über, 69-73
Inkarnation, Lehre der Natur, 72-73, 80, 115-116, 132,
Definition, 134, 190, 242, 287, 140-145, 180, 237-238,
311n, 313n 277-288, 296-300
Paulus über, 91-96, 101 Personifikation, 124, 187, 241-242,
Präexistenz und, 70-73, 98 263
s.auch Präexistenz Präexistenz, 105-107, 134, 149,
Schweigen der Synoptiker, 125n, 157-162, 177-178
177-178, 255-256 s. auch Präexistenz
Wort und, 179-182 Petrus über, 62-69, 80
s. auch Ewige Sohnschaft, Selbstidentität, 4, 49n, 286, 299,
Menschheit Jesu 314-317
Irenaeus, 137, 274, 310 Judaismus
Islam, 144, 172 s. jüdische Denkweise
Jüdische Denkweise
Jesus Ewigkeit, 188, 315
Als Gott, Probleme mit, 51-57, Monotheismus, 13-18, 30, 86, 92-
117-121, 256-262, 264-265, 95, 168-169, 249, 291-294
268-270, 287 Prophetische Vergangenheit, 158,
Als Vertreter Gottes, 9, 25, 41-46, 188-190, 194-204, 303
100, 133, 160, 309, 315 Seele, 66, 81, 112, 113, 130, 153-
Auferstehung, 68, 78-80, 82-83, 154
208-209, 267, 285 Vertreter wird Herrscher genannt,
Bei der Schöpfung anwesend, 19- xi, 45, 103, 206, 309
23, 28, 74-77, 104, 109, Vorherbestimmung, 152-164, 195-
128, 160 197, 207-210, 303
„ein anderer“, 62-63, 82-87, 96, Jungfrauengeburt
132, 159-160, 162-164, s. Konzeptionschristologie
167, 278, 288-289, 313 Justin (der Märtyrer), 114, 125, 128,
Funktionelle Gleichheit, 99, 245, 137, 152, 157, 159n, 163n,
270-271, 295, 300 185-86, 225-27, 274
Gleichheit in Substanz mit dem
Vater, 43, 53, 91, 260-262, Knox, John, 174n, 236-38
269 Königreich Gottes auf der Erde, 131,
s.auch Gleichheit des Sohnes, 144n, 154, 156, 188-197
Substanz Konstantin, xiv, 136-144, 231, 278,
Gottheit/Göttlichkeit, 30, 53, 59, 282-285
116, 236, 258, 266, 274 Konstantinopel, Konzil von, 92, 222
Im Johannesprolog, 114, 124-128, Konzile
134, 165-166, 179-188, s. Chalcedon, Konstantinopel,
344 Stichwortverzeichnis

Nizäa, Synode von Toledo Menschsein Jesu, 59-60, 70-73,


Konzeptionschristologie 157-159, 174, 177-179,
Definition, 164, 226 230-231, 257, 282
Diskussion, 30, 60, 69-73, 75, 124, Übernatürliche Zeugung Jesu, 70-
159, 226, 303 72, 159, 177-178, 214, 230,
Göttliche Sohnschaft, 70, 177, 255, 298
289, 298 Martens, Rudolf
Mackey über, 239-241 s. Pastor, Adam
Maria und die, 59-60, 70-73, 157- Menno, Simons, 232-233
159, 174, 178, 214, 231- Menschensohn
233, 257, 289, 298 Alttestamentliche Quellen, 158,
Menno Simons über, 233 194, 195, 304, 305
Pastor über, 232 Definition, 158, 193-197, 207
Paulus von Samosata über, 228- Von Gott verschieden, 52, 197, 299
230 s. auch Jesus
Präexistenz und, 174-179, 303-304 Menschheit (Menschsein) Christi
Servetus über, 231 Alttestamentliche Erwartungen, 46-
s. auch Menschsein Jesu 57
Kuschel, Karl-Josef, 183, 247-249 Effekt der Präexistenz, 128, 162-
168, 229-230, 236-250,
Lehre über Gott, 287-290, 303-307
s. Gott, Natur Formel von Chalcedon, 117
„Leidender Knecht“ – Prophetie, 101 Maria und,.59-60, 70-73, 158-160,
Locke, John, 235-236, 292 174-178, 214, 230-231,
Logos, 114, 124, 125, 128, 129, 134, 256-257, 228, 298
165-167, 181-183, 187, 208, Paulus über, 72-82, 89-96
226, 229, 230, 233, 238, 245, Petrus über, 62-69
264, 266, 274, 275 Rettung und, 79-81, 83
LXX Sühne, 245, 267, 277-278
s. Septuaginta Thomas über, 84-89
s. auch Gottheit Christi,
Mackey, James, 239-241 unpersönliche Menschheit
Märtyrer, Justin der, 114, 125, 128, Jesu
137, 152, 157, 159n, 163n, Messias
185-86, 225-27, 274 Adoni (Herr Messias), 30, 48-54,
Märtyrer, unitarische, 231-234 300, 309
Mailand, Edikt von, 136 Sohn Gottes, 44-46, 74-78, 120,
Manual der Disziplin (Qumran), 186 149
Maria s. auch Jesus, Sohn Gottes,
Als „Ersatzmutter“, 233 Menschensohn
Argument der „Mutter Gottes“, 60, Mittler, Konzept eines, 80, 95, 106,
220, 302 128, 253, 289
Monarchianismus, 128, 227-228
Stichwortverzeichnis 345

Monotheismus, 1, 13, 18, 40-44, 90- Auswirkungen der wörtlichen


95, 109, 168-169, 289-294, Präexistenz auf die
314 Menschheit Jesu, 128, 161-
Moses, 14-18, 24, 34, 40, 46, 87, 99, 168, 229, 236-250, 286-
106-109, 120, 158, 161, 191, 290, 302-307
219 Carey über, 246-247
Dunn über, 239
Neo-Platonismus, 112-113, 167, 186n, Griechische Denkweise, 152-164,
245 225-236
„Niederkunftssprache“, 192, 241 Inkarnationslehre und, 70-73, 98
Nizäa In Kolosser, 102-105
Glaubensbekenntnis von, 92, 122, In 1. Korinther, 105-110
123, 129, 273, 275, 278 In Philipper, 96-102
Konzil von, xii, 6, 37, 72, 84, 114, Jüdische Denkweise, 122, 152-163,
123, 151, 167, 231, 273, 188-190, 198-200
275-278, 285 s. auch Vorherbestimmung
Knox über, 236-239
Ohlig, Karl-Heinz, 249-250 Kuschel über, 247-249
Origenes, 129, 137, 154, 229, 274-276 Mackey über, 239-241
Mose, 161
Person „Niederkunftssprache“, 192, 241
Definition, 9 Robinson über, 241-244
Heiliger Geist, 211-216, 220-224 Trinitarische Argumente für, 216-
Jesus, 116-125, 241-249, 253-254, 217, 227, 256-258, 300-
309 306, 309
Personifikation, 123-127, 164, 182, Von Jeremia, 154
187, 218, 241-242, 263, 266 Wörtliche, Kritik an, 124-129, 134,
s. auch Menschheit Jesu, 156-159, 162, 173-175,
unpersönliche Menschheit 181-182, 209-210, 239
Pastor, Adam, 123, 178, 231-33 Young über, 244-246
Paulus von Samosata, 178, 228-230, s.auch Ewiger Sohn
242 Priestley, Joseph, 226, 279
Philo, 120, 127, 165, 182, 187, 266 Prophetie, 46, 100, 109, 176, 190-192,
Philosophie 196
s. griechische Denkweise Psalm 110
Photinus, 230-231 s. Schriftstellenverzeichnis
Platonismus, 152
s. auch Neo-Platonismus Rakow, Katechismus von, 204
Polytheismus, 13, 20, 24, 95, 278, Reinkarnation, 84
288, 291, 308 Restorationfellowship.org, 231n
Prädestination Robinson, John A.T., 125, 171, 192n,
s. Vorherbestimmung 141-44, 295, 297n, 298n, 300,
Präexistenz 302n
346 Stichwortverzeichnis

autotheos (Gott in sich selbst),


Sabellianismus, 264 274, 275
Satan, 66, 87, 100, 109, 120, 233 bad (einer), 28
Seele, 66, 81, 112-113, 130, 153-154, davar, 183
158, 164 exerchesthai, 191
„Segnungssprache“, 221 echad (einer), 20, 25-31-252-
„Sendungssprache“, 190-192, 247, 253
169-170, 289-290, 298 een (war, hatte), 204n
Septuaginta, 50, 85, 87, 183, 184, 192, ego eimi (ich bin), 206, 207
209, 213, 256 ek (von, aus), 190, 191, 220, 297
Servetus, Michael, 123, 145-47, 168n, elohim, 21-24, 27, 216, 252-253,
179, 231, 232n 289
Sharps Regel, 259 en auto (um seinetwillen), 104n
Simons, Menno, 232-233 en sarki (im Fleisch, als
Sohn Gottes Mensch), xiii,124
Als Messias, 44-46, 73-78, 120, et (mit), 184
151 exapostellein (aussenden), 191
Als Titel, 63-65, 166-167, 207 gennan (gezeugt), 177
Definition, 19-20, 41-44, 46-58, genomenos, 100n
65, 70-72, 151, 178, 239- ginomai, 209
240, 269 heis (einer), 253, 268
Im Johannesprolog, 179-185 ho theos, 85, 219, 255, 264, 305,
Menschheit des, 151, 178, 208 307, 316
s. auch Menschheit Jesu huios theou (Sohn Gottes), 175
Präexistenz, 105-107, 134, 151, Ich bin (es, er), 206, 207
156-164, 178, 301 im (mit), 184--185
Unterschied zu Gott, 120, 151, 156, latreuo (anbeten), 133, 317
159, 165-166, 206 logos, 114, 124, 125, 128, 129,
Verwendung des Ausdrucks, 3, 9, 134, 165-167, 181-183,
37, 41-47, 63-65, 172, 226, 187, 208, 226, 229, 230,
240, 301 233, 238, 245, 264, 266,
s. auch Jesus 274, 275
Sprache, Fragen der monogenes (einzigartig), 240
„Niederkunftssprache“, 192, 241 monos (einzig), 39
„Sendungssprache“, 190-192, 247, o theos, s. ho theos
169-170, 289-290, 298 pantokrator (einer, der kommt),
spezielle Wörter 133
adonai (Herr Gott), 30, 48-54, para (mit), 183
300, 309 parakletos (Tröster), 217, 218
adoni (Herr Messias), 30, 48-54, pros (mit), 180, 183, 263
300, 309 proskuneo (anbeten, Ehre
aionios, 156 erweisen), 132-133
alethinos (wahr), 39 pros ton theon (mit Gott), 180
Stichwortverzeichnis 347

theos, 180, 243, 261, 264, 271, Errettung, s. Errettung


275, 287, 305, 307 Heidentum in der, 7, 24-25, 94-96,
Tröster, 217, 218 168, 171, 288
unigenitus (einzig-gezeugt), 240 Sühne, 245, 267-268, 277-278
upostrepho Über die Natur Jesu, 7, 71-72, 116,
(zurückkehren,zurückge 236, 244, 278
hen), 157 s. auch unpersönliche
yachid (einzeln), 27 menschliche Natur,
s. auch Grammatik, Fragen der Inkarnation
Subordination(ismus), 137, 250, 275 Übersicht über Gegenargumente, 3-
Substanz (philosophische Kategorie), 11
9, 166, 200, 228, 269, 273, s. auch Konzile
277, 287, 299 Trypho, 225-226
s. auch Hypostase
Sünde, Macht zur Vergebung der, 42, Übersetzungen
43, 300 s. Grammatik, Sprache, Fragen der
Umstrittene Bibeltexte
„Taufsprache“, 221 Allwissenheit trotz Unkenntnis,
Tertullian, 137, 186, 229, 274, 310 266-267
Thomas, xi, 65, 84-88, 120, 121, 200, Geist/Person, 219-224
270 In Johannes, 28-29n, 36-38, 61-62,
Titel (Arten der Anrede), xi, xii, 3, 21, 84-86, 91-96, 208-209, 242-
24, 41-56, 60-64, 70, 77, 78, 243, 262-266, 268-271,
85, 87, 97, 102, 103, 120, 121, 295-296, 307
133, 134, 158, 166, 167, 194- In 1. Johannes, 271-272
196 206, 207, 216, 255, 256, In Markus, 266-267
260, 262, 299, 301, 307, 308, In Matthäus, 267-268
316 In Römer, 261-262
Tod, 81, 153, 196-197, 267, 286 Jesus als Gott, 52-58, 117-121,
Toledo, Synode von, 231 220, 257-262, 268-269, 287
Translator’s New Testament, 132 „leiden ohne zu leiden“, 245-246
Trinitarische Christologie Luthers Widersprüche, 86
Beanspruchte Beweise für, 28n, 36- Offensichtliche Widersprüche, 95,
38, 61-62, 85, 91-96, 102- 190
107, 240, 307 Singuläre Pluralität, 27, 30, 132,
Beanspruchte Beweise anhand 280
biblischer Grundlagen Völlig Mensch und völlig Gott,
s. umstrittene Bibeltexte 277-278
Eingeständnisse der, 252-276, 284 Widersprüche über den „ewigen
Entwicklungsprozess, 159n, 225- Sohn“, 159, 220, 236-239,
236, 249-250 257
Ewige Sohnschaft, 227, 256-258, Zwischen Johannes und den
300-306, 309 Synoptikern, 179-182, 197
348 Stichwortverzeichnis

Zwischen den Testamenten, 46-57, Zeugen Jehovas, 155, 162, 268


107, 191 Zweck dieses Buches, 8
s. auch Bibel,
Irrtümer/Veränderungen
sowie Grammatik und Sprache,
Fragen der
Unitarismus, 31, 37-40, 56, 123, 235-
236, 268, 278-280, 286
s. auch Servetus
Universelle Menschheit, 129
s.auch unpersönliche Menschheit
Unpersönliche Menschheit Jesu, 72,
116, 124, 132, 140-145, 180-
182, 237-238, 241-242, 266
s. auch Menschheit Jesu, Person
Unsterblichkeit
Auferstehung und, 131, 153-155,
196
der Seele, 81n, 112-113, 131, 153-
155
Eigenschaft Gottes, 81-83, 97, 130-
131, 266-267

Valentinianismus, 310
Vorherbestimmung, 154-164, 167-
168, 188-190, 207-210
Vorherwissen
s. Vorherbestimmung
Vulgata (lateinische
Bibelübersetzung), 240, 281

Wahrheit, 67, 78-81, 288, 290-292


Weisheit (im Buch der Sprüche), 124,
163, 164, 180, 240, 263
Weltkirchenrat, 5, 260
Wort
s. logos
Wortdefinitionen
s. Sprache, Fragen der

Young, Frances, 244-246

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