2 Jan Simon Henze Hausarbeit Der Junge Goethe Entweder Oder - Gründe Für Die Leiden Des Jungen Werthers
2 Jan Simon Henze Hausarbeit Der Junge Goethe Entweder Oder - Gründe Für Die Leiden Des Jungen Werthers
1. Einleitung 3
2.4 Diskussion der Ursache für Werthers Abhängigkeit von seinen Leidenschaften 9
3. Schluss 14
4. Abkürzungsverzeichnis 16
5. Literaturverzeichnis 17
2
1. Einleitung
Der Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ wurde im Jahr 1774 vom jungen Jo-
hann Wolfgang Goethe verfasst und 1787 von dem bereits etablierten und bekannten Au-
tor Johann Wolfgang von Goethe zur Veröffentlichung in einer Werkausgabe noch ein-
mal leicht abgewandelt und ergänzt. Insbesondere die erste Fassung des Romans von
1774, die Gegenstand dieser Hausarbeit ist, gilt als eines seiner erfolgreichsten Werke.
Gleichzeitig ist sie jedoch auch eines seiner am häufigsten missverstandenen. So wurde
sie von vielen Zeitgenossen als ein Werk angesehen, in dem durch eine besonders positive
Darstellung Werthers die Empfindsamkeit propagiert und sein Selbstmord verteidigt
wird.1 Demgegenüber finden sich in aktuelleren Lektüreschlüsseln Ansichten, dass in
dem Roman der Versuch Werthers beschrieben wird, „sein Leben zu meistern“2 und seine
starken Empfindungen zu bewältigen, u.a. indem er sich in die Natur rettet.3 Eine gründ-
liche Analyse des Briefes, den Werther seinem Freund Wilhelm am 8. August 1771
schreibt, birgt das Potenzial, diese durchaus gegensätzlichen Thesen anzugreifen. In dem
Brief stellt Goethe die tatsächliche Einstellung Werthers und seinen Umgang mit seinen
Leidenschaften für den Leser gut erkennbar heraus und nimmt mit einigen Anspielungen
und Verweisen eine Wertung vor, die zentral zur Erkenntnis seiner Rezeptionsabsicht ist.
1
Vgl. Trunz, Erich: Nachwort zu Die Leiden des jungen Werther. In: Goethe, Johann Wolfgang: Die Lei-
den des jungen Werther. Hg. v. Erich Trunz, München 101981 (Goethe, Johann Wolfgang: ders. Werke.
Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Hg. v. Trunz, Erich. München 1982, Bd. 6), S. 542-565, hier: S. 562.
2
Leis, Mario: Lektüreschlüssel. Johann Wolfgang Goethe. Die Leiden des jungen Werther. Stuttgart
2004, S. 35.
3
Vgl. ebd.
4
Vgl. Nadler, Steven: Baruch Spinoza. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2022 Edi-
tion). Hg. v. Edward N. Zalta, URL = <https://plato.stanford.edu/archives/sum2022/entries/spinoza/>.
dieser Grundlage wird ausgehend von dem Brief vom 8. August Werthers tatsächlicher
Umgang mit seiner Leidenschaftlichkeit diskutiert und aufgezeigt, dass Goethe, der von
Spinozas Gedanken durchaus beeinflusst war, gerade hierin die Quelle für Werthers Lei-
den sieht. Daran kann herausgearbeitet werden, dass Goethe bei der Rezeption seines Ro-
mans vielmehr auf eine Warnung vor einer übermäßigen Empfindsamkeit abzielt, bei der
der Selbstmord als negative und zu vermeidende Konsequenz angesehen werden kann.
Der Brief vom 8. August befindet sich an einer ersten zentralen Wendestelle für den emo-
tionalen Zustand Werthers in Goethes Roman. Relativ zu Beginn des Romans verliebt
sich die Hauptfigur in Lotte, eine junge Frau, die er bei einem Aufenthalt auf dem Land
kennenlernt und seit ihrem ersten Aufeinandertreffen verehrt und idealisiert. Lotte zeigt
sich Werthers Nähe nicht abgeneigt, ist jedoch Albert versprochen und liebt diesen auch.
Nach einigen Wochen in Abwesenheit Alberts, in denen sich Werthers Hoffnungen auf
Lotte mehren, kehrt Albert zurück. An dieser Stelle verfasst Werther den Brief vom 8.
August an seinen Freund Wilhelm, in dem sich andeutet, wie die intensive Leidenschaft,
die Werther empfindet und von der er sich nicht zu trennen vermag, sein Leiden begrün-
det und letztendlich eine Ursache für seinen Selbstmord darstellt.
Der Brief vom 8. August ist als eine Antwort Werthers auf einen vorangegangenen, je-
doch in dem Roman nicht vorkommenden Brief seines Freundes Wilhelm angelegt. Nach-
dem Werther in seinem Brief vom 30. Juli von der Wiederankunft Alberts berichtet und
dann von seiner Entscheidung schreibt, Wahlheim, den Ort, an dem er Lotte kennenge-
lernt hat, zu verlassen, nur um seinen Brief damit zu schließen, doch „derer doppelt und
dreyfach [zu spotten], die sagen könnten, er solle [s]ich resigniren“5, sich also mit seiner
unerfüllten Liebe abfinden6, stellt Wilhelm seinen Freund vor zwei Alternativen. Entwe-
der soll er „suche[n] die Erfüllung [s]einer Wünsche zu umfassen“ (LdW, S. 88) und
Lotte doch für sich zu gewinnen oder er soll „suche[n] [s]einer elenden Empfindung los
5
Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werthers. Paralleldruck der Fassungen von 1774 und
1787. Hg. v. Matthias Luserke. Stuttgart 1999, S. 86.; im Folgenden zitiert als LdW.
6
Vgl. Dreisbach, Elke: resignieren. In: Goethe-Wörterbuch, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des
Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/GWB>, abgerufen
am 25.09.2023. Bd. 7, Sp. 440.
4
zu werden“ (LdW, S. 88), seine Liebe zu Lotte also abkühlen zu lassen. Die Alternativ-
losigkeit dessen, einer dieser beiden Optionen zu folgen, um sich vor einem emotionalen
Leiden zu bewahren, erkennt Werther mit der Aussage: „Und im Grunde hast du recht!“
(LdW, S. 86) durchaus an. So ist es zunächst überraschend, dass Werther „[s]ich doch
zwischen dem Entweder Oder durchzustehlen such[t]“ (LdW, S. 88).
Um die Signifikanz seines Umgangs mit der Situation zu erfassen, lohnt es sich zunächst,
die beiden Optionen, die Werther ausschlägt, genauer zu betrachten. Als Voraussetzung
dafür, dass Werther versuchen kann, Lottes Liebe zu gewinnen, wird genannt, dass
Werther „Hoffnung auf Lotten“ (LdW, S. 88) hat. Auch wenn Lotte Werther durchaus
Signale sendet, die er in eine solche Richtung interpretieren könnte, es z. B. arrangiert,
dass die beiden auf einem Ball „beym Deutschen zusammenbleiben“ (LdW, S. 46), und
bemerkt, „daß [dies] jedes Paar, das zusammen gehört“ (LdW, S. 46) tut7, stellt sie zu-
mindest am Ende des Romans deutlich klar, dass sie „das Eigenthum eines andern [ist]“
(LdW, S. 226). Auch während Werther seinen Brief vom 8. August schreibt, ist er sich
dessen zumindest rational schon bewusst.8 Entsprechend stellt sich seine andere Option,
sich zu „ermanne[n] […] und suche[n] einer elenden Empfindung loszuwerden, die all
[s]eine Kräfte verzehren muß“ (LdW, S. 88) als einzig sinnvolle Möglichkeit für Werther
heraus, sein Liebesleiden zumindest in absehbarer Zeit zu lindern. Mit diesem Ratschlag
Wilhelms nimmt Goethe direkten Bezug auf den niederländischen Philosophen Baruch
de Spinoza, dessen Gedanken ihn u. a. zu der Zeit, als er den Roman verfasst, beeinflus-
sen9 und die er entsprechend prägnant in seinen Roman einfließen lässt.
Zum Verständnis der zahlreichen Bezüge auf Baruch de Spinozas „Ethica ordine geomet-
rico demonstrata“, die Goethe in seinen Roman einbaut und die von Relevanz für die
7
Zur Vertiefung der unterschiedlichen in diesem Brief beschriebenen Tänze vgl. Ring, Weijie: Tanz in
der Literatur. Zum kulturgeschichtlichen und ästhetischen Wandel in der Sattelzeit (1750-1850). Hg. v.
Christine Lubkol und Stephan Müller. Berlin/Boston 2022 (Hermea, Bd. 157), S. 57.
8
Vgl.: „Ich wuste alles, was ich jetzt weis, eh Albert kam, ich wuste, daß ich keine Prätensionen auf sie
zu machen hatte.“ (LdW, S. 86).
9
Vgl. Bollacher, Martin: Spinoza, Baruch de. In: Goethe Handbuch. Personen Sachen Begriffe L-Z. Hg.
v. Hans-Dietrich Dahnke et al. Stuttgart/Weimar 1998, S. 999-1003, hier S. 1000.
5
Erkenntnis seiner Rezeptionsabsicht sind, werden im Folgenden Spinozas Gedanken dar-
über erläutert, was er als aktive und passive Affekte bezeichnet.10
Spinoza ist ein Vertreter des Determinismus. In seiner Schrift stellt er die These auf, dass
jede Handlung, die ein Mensch vollführt, und jeder Gedanke, den ein Mensch hat, not-
wendige Glieder einer unendlichen Kausalkette sind, die in Gott ihren Ursprung hat und
in der die Zustände der unterschiedlichen Glieder sich gegenseitig notwendig bedingen.
Hiervon ausgehend unterscheidet Spinoza zwischen zwei Arten von Affekten, die die
Handlungen von Menschen bestimmen. Zum einen nennt er die aktiven Affekte. Hier
habe der Mensch durch eingehende Studien ein Wissen (adequate idea) darüber erlangt,
was, also welche Kausalität, zur eigenen Handlung führt. So könne es ihm gelingen, seine
eigenen Affekte und Emotionen abzuschwächen und sie zu regulieren, um selbst zum
Ursprung (adequate cause) dieser Handlung zu werden. Dadurch handelt es sich hierbei
Spinozas Ansicht nach um aktive Tätigkeiten des Individuums. Demgegenüber stehen die
passiven Affekte. Hier verfüge das Individuum über kein vollständiges Wissen über die
Kausalitäten seiner Handlung und werde deshalb in seinen Handlungen ausschließlich
von äußeren Einflüssen gesteuert. Anstatt selbst bewusst tätig zu werden, handle der
Mensch hier nach seinen Leidenschaften. Spinoza beschreibt diesen Zustand so,
daß wir von den äußerlichen Ursachen auf mancherley Weise in Bewegung gesetzet werden, und
daß wir, wie die Meereswellen, die vom Winde getrieben werden, unter denselben hin- und her
schweben, und den Ausgang und das Schicksal von uns nicht wissen. 11
Diese äußerlichen Ursachen seien Objekte, denen gegenüber das Individuum einen Affekt
entwickelt.
Bei jedem dieser Affekte, die der Mensch realisiert, ob aktiv oder passiv, findet
laut Spinoza eine Stärkung oder Schwächung der eigenen Kraft und des eigenen Strebens,
selbst zu agieren (power of acting) bzw. weiterzubestehen (power to persevere in being)
statt. Da der Mensch wie jedes Lebewesen danach strebe, diese Kraft zu erhöhen, neige
er dazu, positive Affekte gegenüber Objekten zu entwickeln, von denen er diesen Effekt
erwartet, und vermeidende Affekte gegenüber anderen Objekten. Ein zentraler Affekt,
den Spinoza beschreibt, ist beispielsweise die Liebe. „Wenn […] ein Ding als Ursache
10
Grundlage dieser Erläuterung bildet der Lexikonartikel: Nadler, Steven: Baruch Spinoza. In: The Stan-
ford Encyclopedia of Philosophy. Bei den eingeklammerten Begriffen handelt es sich um die im Artikel
verwandten Originalbezeichnungen.
11
Spinoza, Benedictus de: Sittenlehre. Wiederleget von dem berühmten Weltweisen unserer Zeit Herrn
Christian Wolf. Aus dem Lateinischen übersetzet [Übersetzer: Johann Lorenz Schmidt]. Frankfurt und
Leipzig 1744, S. 301.
6
von Lust vorgestellt wird, wird es geliebt.“12 Liebe wird also definiert als die Zuneigung
zu einem Objekt oder Menschen, von dem man denkt, dass es einen selbst mit Lust erfüllt
und die eigenen Kräfte steigert. Die große Gefahr hieran sei allerdings, dass man die Ob-
jekte, denen gegenüber man positive Affekte entwickelt und von denen man sich entspre-
chend emotional und in seinen Kräften abhängig macht, nicht kontrollieren kann. Sie
könnten vielmehr ihr Verhalten oder ihre Eigenschaften ändern und dazu führen, dass die
eigenen Kräfte reduziert werden. Besonders gefährlich sei dies, wenn es sich hierbei um
einen passiven Affekt, also eine unreflektierte Leidenschaft handelt.
Eben diesen Fall einer intensiven und unkontrollierten Liebe lässt Goethe bei der Figur
des Werthers eintreten.
Im gesamten Roman wird Werther als außerordentlich leidenschaftliche Figur
dargestellt, die von passiven Affekten stark beeinflusst wird. So schreibt er beispielsweise
wiederholt davon, wie tief die Natur, die ihn umgibt, ihn emotional berührt und bewegt.
Schon im ersten Brief des Romans wird dieses Motiv mit Werthers Satz „Die Einsamkeit
ist meinem Herzen köstlicher Balsam in dieser paradiesischen Gegend, und diese Jahres-
zeit der Jugend wärmt mit aller Fülle mein oft schauderndes Herz“ (LdW, S. 10) promi-
nent eingeleitet. Einen mindestens ebenso großen Effekt scheint Lotte auf ihn zu haben.
So schreibt er schon nach seinem ersten Zusammentreffen mit ihr davon, „wie sie voll-
kommen ist [und] […] all [s]einen Sinn gefangen genommen“ (LdW, S. 34) hat.
Bereits mit diesen beiden Sätzen stellt Goethe klar, dass er Werther als empfind-
samen Charakter verstanden haben möchte. Die Empfindsamkeit ist eine gesellschaftli-
che und literarische Tendenz in der Mitte des 18. Jahrhunderts, in der davon ausgegangen
wird, dass der Mensch über ein inneres ‚moralisches Gefühl‘ verfügt, mit dessen Hilfe er
entscheiden kann, wann eine Handlung tugend- oder lasterhaft ist. Entsprechend „kann
[er] sich den Affekten unter Leitung der Vernunft anvertrauen“13, sich also von seinen
Affekten leiten lassen, solange er sie unter dem Aspekt überwacht, dass sie ihn zu tugend-
haften Handlungen verleiten.14 Insbesondere die Affekte Freundschaft, Sympathie, Liebe
12
Röd, Wolfgang: Benedictus de Spinoza. Eine Einführung. Stuttgart 2002, S. 230.
13
Sauder, Gerhard: Empfindsamkeit. In: Goethe Handbuch. Personen Sachen Begriffe A-K. Hg. v. Hans-
Dietrich Dahnke et al. Stuttgart/Weimar 1998, S. 248-252, Zitat: S. 248.
14
Vgl. ebd.
7
und Mitleid spielen hier eine zentrale Rolle15; außerdem werden die Fähigkeiten, zu
schaudern und zu weinen, zu dieser Zeit geschätzt16.
Werthers Brieffreundschaft zu Wilhelm, seine intensive Liebe zu Lotte sowie das Schau-
dern seines Herzens und die vielen Stellen, an denen Werther davon berichtet zu weinen17,
dienen also als Belege für die empfindsamen Eigenschaften Werthers. Von Besonderheit
hierbei ist jedoch die überaus hohe Stellung, die er seinem Herzen beimisst. Werthers
Herz ist eines der am häufigsten in seinen Briefen vorkommenden Motive; es scheint der
hauptsächliche und zentrale Ausgangspunkt seiner Handlungen zu sein.18 Abzulesen ist
dies beispielsweise an der Äußerung „Auch halt ich mein Herzgen wie ein krankes Kind,
all sein Wille wird ihm gestattet“ (LdW, S. 14), die Werther in seinem Brief vom 13. Mai
1771 tätigt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich Werthers Vorgehen, keine der beiden Optio-
nen, die Wilhelm ihm ausbreitet, zu wählen, nicht nur als überraschend, sondern vielmehr
auch als besorgniserregend dar. Werther scheint seinen Affekt, die Liebe zu Lotte, nicht
etwa zu reflektieren oder unter die „Leitung der Vernunft“19 zu stellen und sich so zu
ermöglichen, selbst Kontrolle über seine Handlung zu übernehmen, sondern sich statt-
dessen allein von seinem Herzen leiten zu lassen, also von seinen Leidenschaften. Das
resultiert darin, dass er von einem passiven Affekt getrieben wird. Wie in der Erläuterung
von Spinozas „Ethica ordine geometrico demonstrata“ dargestellt, ist diese totale Fixie-
rung Werthers auf seine Leidenschaften, ohne dass er dabei steuernd eingreift, ziemlich
ambivalent. So ist es außerhalb seines Einflussbereiches, ob Lotte seine starken Emotio-
nen erwidert bzw., wie bereits erläutert, schon sicher, dass dies nicht der Fall ist. Man
kann also davon ausgehen, dass es sich bei seiner intensiven, ungezügelten Liebe zwangs-
läufig um einen Affekt handelt, der zumindest ab dem Brief vom 8. August seine Kraft
zu handeln vielmehr einschränkt als erhöht. Beziehungsweise, wie im Brief vom 8. Au-
gust ausgedrückt, „all [s]eine Kräfte verzehren muß“ (LdW, S. 88).
15
Vgl. Heinz, Jutta: Empfindsamkeit. In: Metzler Lexikon Literatur. Hg. v. Dieter Burdorf, Christoph
Fasbender und Burghard Moennighoff. Stuttgart 32007, S. 187 f., hier: S. 187.
16
Vgl. Rothmann, Kurt: Erläuterungen und Dokumente. Johann Wolfgang Goethe. Die Leiden des jungen
Werther. Stuttgart 2009, S. 5.
17
Vgl. u. a. LdW, S. 10, 52, 68, 72 und 90.
18
Hierzu vgl. auch: Schilar, Michael: Herz. In: Goethe-Wörterbuch. Bd. 4, Sp. 1079.
19
Sauder, Gerhard: Empfindsamkeit. In: Goethe Handbuch. Personen Sachen Begriffe A-K, S. 248-252,
Zitat: S. 248.
8
Eben hiervor scheint Wilhelm seinen Freund Werther im Vorfeld des Briefes ge-
warnt zu haben; in der Hoffnung, dass der Kraftverfall Werthers noch nicht so weit fort-
geschritten ist, dass er sich nicht mehr selbst aus seiner Situation befreien kann.
2.4 Diskussion der Ursache für Werthers Abhängigkeit von seinen Leidenschaften
Die Antwort, die Werther Wilhelm im Brief vom 8. August gibt, scheint das Ziel zu ver-
folgen, seinen Freund und möglicherweise auch sich selbst davon zu überzeugen, dass
genau dies schon der Fall ist. So stellt er Wilhelm die beiden rhetorischen Fragen, ob er
„von dem Unglücklichen, dessen Leben unter einer schleppenden Krankheit unaufhalt-
sam allmählich abstirbt, […] verlangen [kann], er solle durch einen Dolchstoß der Quaal
auf einmal ein Ende machen“ (LdW, S. 88) und ob „das Übel, das ihm die Kräfte weg-
zehrt, ihm nicht auch gleich den Muth [raubt], sich davon zu befreien“ (LdW, S. 88).
Sowohl die „schleppende Krankheit“ als auch „das Übel, das ihm die Kräfte wegzehrt,“
lassen sich als sehr negative Bezeichnung für Werthers Leidenschaft gegenüber Lotte
deuten, über die er selbst die Kontrolle verloren hat und die ihm jegliche Kraft, selbst zu
handeln und sich aus der Situation zu befreien, indem er eine Entscheidung für eine seiner
beiden Optionen trifft, raubt.
Diese These wird in dem Brief nicht ohne sorgfältige Einbettung in den Roman
geäußert. Ganz im Gegenteil wird dem Leser anhand einer Fülle von Textstellen sugge-
riert, dass Werther in seiner Leidenschaftlichkeit bis auf seinen Selbstmord nicht in der
Lage ist, jegliche Entscheidung für sich selbst zu treffen. Stattdessen stellt Goethe ihn als
einen Charakter dar, der über den Roman hinweg fast hilflos durch seine Leidenschaften
hin- und hergeworfen wird, oder wie es Spinoza in Bezug auf die passiven Affekte be-
schreibt, „wie die Meereswellen, die vom Winde getrieben werden, unter denselben hin-
und her schweb[t]“20. In die Nähe von Wahlheim begibt sich Werther, weil er von seiner
Mutter dorthin gesendet wird, um eine Erbschaftsangelegenheit zu klären (vgl. LdW, S.
8, 10). Wahlheim zu verlassen, gelingt ihm daraufhin nur, weil er von seiner Mutter und
Wilhelm dazu überredet wird (vgl. LdW, S. 80), und entsprechend kurz hält er bei dem
Gesandten, dem er sich anschließt, aus (vgl. LdW, S. 150). Auf einer weiteren kurzen
20
Spinoza, Benedictus de: Sittenlehre, S. 301.
9
Zwischenstation bei einem Fürsten äußert Werther dann die Absicht, sich „in Krieg“
(LdW, S. 156) zu begeben, nur um es sich im ersten Gespräch über dieses Thema von
dem Fürsten ausreden zu lassen. Nach diesen gescheiterten Versuchen, sich gegen seine
Leidenschaft zu stellen und Lotte fernzubleiben, kehrt Werther letztendlich wieder nach
Wahlheim zurück, mit der bezeichnenden Aussage „Und ich lache über mein eigen Herz
– und thu ihm seinen Willen“ (LdW, S. 158).
Hierbei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass die erste Entscheidung, die
dem passiven Werther im Roman abgenommen wird, nämlich nach Wahlheim zu gehen,
schon fällt, bevor er sich in Lotte verliebt. Zumindest seine intensive Leidenschaft Lotte
gegenüber mag also nicht der primäre Grund dafür sein, dass Werther aus sich heraus
ausschließlich seinen Leidenschaften folgt. Außerdem fällt auf, dass Werther sich an ei-
nigen Stellen darüber beschwert, von seiner Mutter und Wilhelm zur Aktivität aufgefor-
dert zu werden und ihren Sinn in Frage stellt, anstatt ihnen dankbar zu sein, dass sie ihm
eine Entscheidung abnehmen, die er selbst nicht stark genug ist zu treffen (vgl. LdW, S.
80).
Für den aufmerksamen Leser hält Goethe im Verlauf des Briefes vom 8. August gleich
mehrere Hinweise darauf bereit, dass Werther nicht ganz so unfrei und aussichtslos von
seiner Leidenschaft Lotte gegenüber kontrolliert sein kann, wie er es selbst in seinem
Brief vom 8. August erscheinen lässt. Nachdem Werther seine beiden rhetorischen Fragen
stellt, versucht er, Wilhelm anhand eines „verwandten Gleichnisse[s]“ (LdW, S. 88), das
einen objektiveren Blick auf seine Situation ermöglichen könnte, zu überzeugen, wie un-
möglich es für ihn sei, in seiner Situation aktiv zu handeln und sich von Lotte zu entfer-
nen. Anhand des Einschubes „- Ich weiß nicht -“ (LdW, S. 88) und des abrupten Endes
„Genug -“ (LdW, S. 88) lässt sich aber erkennen, dass er hieran scheitert. Daraufhin ge-
steht er sich sogar ein, er „habe manchmal so einen Augenblik aufspringenden, abschüt-
telnden Muths, und da, wenn [er] nur wüste wohin, [er] gienge wohl“ (LdW, S. 88). Über
die „emotionale Befähigung zur Bewältigung […] [seiner] schwierigen Situation“21
21
Brandsch, Juliane: Mut. In: Goethe-Wörterbuch. Bd. 6, Sp. 416.
10
verfügt er also. Jedoch scheint er keine Alternative zu seiner aktuellen Situation als at-
traktiver oder erstrebenswerter wahrzunehmen.
Einen noch geschickteren Hinweis darauf, dass Werther durchaus in der Lage wäre, sich
dazu zu entscheiden, seine Affekte aktiv zu regulieren, liefert Goethe dadurch, welches
Wortmaterial und welche Metapher Werther in diesem Brief vom 8. August verwendet.
Sowohl das Wort „ermanne“ (LdW, S. 88), mit dem Werther seinen Brieffreund Wilhelm
zitiert, als auch die Metapher der „Krankheit“ (LdW, S. 88), mit der er seine schädlichen
Leidenschaften und Emotionen beschreibt, verwendet Werther auch in einer Diskussion
darüber, ob es möglich sei, „die üble Laune“ (LdW, S. 64), also anhaltende negative Emo-
tionen, selbstständig zu überwinden. Diese Diskussion dient in der Komposition des Ro-
mans zur Vorbereitung auf die Frage, die im Brief vom 8. August wieder aufgeworfen
wird. In ihrem Verlauf bezeichnet Werther die „üble Laune“ (LdW, S. 64) metaphorisch
als „Krankheit“ (LdW, S. 64) und vertritt die Position, dass man sich „ermannen“ (LdW,
S. 64) müsse, dann ginge „uns die Arbeit frisch von der Hand, und wir finden in der
Thätigkeit ein wahres Vergnügen“ (LdW, S. 64). Außerdem behauptet er, dass „niemand
weiß, wie weit seine Kräfte gehen, bis er sie versucht hat. Gewiß, einer der krank ist, wird
bey allen Aerzten herumfragen und die größten Resignationen, die bittersten Arzneyen,
wird er nicht abweisen, um seine Gesundheit zu erhalten“ (LdW, S. 66). Mit dieser Posi-
tion widerspricht Werther direkt seiner späteren Behauptung, bei seiner Leidenschaft ge-
genüber Lotte und seinem Liebeskummer handle es sich um etwas, dem er nichts entge-
genzusetzen hat. Stattdessen besteht er selbst darauf, dass jeder, der unter einer solchen
„Krankheit“ (LdW, S. 64, 88) leidet, die Kraft hat, sich daraus zu befreien.
Die Krankheit ist ein weiteres der vielen Motive, die sich durch den gesamten
Roman ziehen. Es tritt beispielsweise auch im Brief vom 12. August als „Krankheit zum
Tode“ (LdW, S. 98) auf. Hier wird am deutlichsten sichtbar, dass es sich bei dem Motiv
um einen Bibelverweis handelt, und zwar auf das elfte Kapitel des Evangeliums nach
Johannes.22 Hier sagt Jesus über die Krankheit des gläubigen Lazarus explizit: „Diese
Krankheit ist nicht zum Tode“ (Joh. 11,4 LU), woraufhin er diesen wiederauferstehen
lässt (Joh. 11,41-44 LU). Auch dieser Verweis mag sich als Hinweis darauf verstehen
lassen, dass die Krankheit, also die Leidenschaft Werthers, durchaus zu bekämpfen ist.
22
Vgl. Rothmann, Kurt: Erläuterungen und Dokumente, S. 38.
11
Durch die Verwendung dieser Motive im Brief vom 8. August verdeutlicht Goethe
also offensichtlich, dass Werthers Leidenschaften ihn, anders als dieser es darstellt, nicht
zwangsläufig auf eine Katastrophe zusteuern lassen, sondern dass dieser die Möglichkeit
hat, dabei kontrollierend einzugreifen.
Die „Arzney“ (LdW, S. 66), also das Mittel, das Spinoza hierzu in seiner „Ethica ordine
geometrico demonstrata“ vorschlägt, wäre der Versuch, aktive Affekte anzustreben, also
durch den Erwerb von Wissen darüber, welche Kausalität einen Affekt in einem auslöst,
die Fähigkeit zu erlangen, seine Affekte aktiv zu regulieren.23 Goethe deutet an, dass
Werther sich mit dem Denkansatz, umfassendes Wissen über die Ursachen von Affekten
zu erlangen, durchaus schon vertraut gemacht hat. So fordert seine Figur in einer Diskus-
sion mit Albert von diesem ein, „die inneren Verhältnisse einer Handlung zu er-
forsch[en]“ (LdW, S. 94) und „mit Bestimmtheit die Ursachen zu entwickkeln, warum
sie geschah, warum sie geschehen musste“ (LdW, S. 94). Trotzdem ist Werther offen-
sichtlich nicht dazu bereit, dies für sich selbst zu verfolgen. Er lehnt vehement ab, seine
Bücher von Wilhelm zugeschickt zu bekommen. Schließlich „will [er] nicht mehr gelei-
tet, ermuntert, angefeuret seyn“ (LdW, S. 14), sondern liest stattdessen „[s]eine[n] Ho-
mer“ (LdW, S. 14), um „[s]ein empörendes Blut zur Ruhe“ zu „lull[en]“ (LdW, S. 14).
Auch zeigt Goethe anhand einiger Textstellen auf, wie Werther sich über gelehrte und
konventionelle Menschen erhebt24 und die Ursprünglichkeit der kindlichen Gefühlswelt
bewundert25. Spätestens auf dieser Grundlage lässt sich schließen, dass Werther gar nicht
unbedingt daran gelegen ist, seinen Leidenschaften Einhalt zu gebieten, zumal er zum
einen in der Lage wäre, sie zu regulieren, und zum anderen auch darüber Bescheid weiß,
wie er dies tun könnte, es aber nicht tut. Entgegen der Ansicht, dass „Werther […] sich
Mühe [gibt], sein Leben zu meistern“26, muss hier also festgestellt werden, dass er viel-
mehr kompromisslos danach strebt, seinen Leidenschaften zu folgen, auch wenn er da-
runter leidet. Auch dient ihm nicht „[d]ie Natur als Rettung“27 und als „Mittel […], um
23
Hierzu vgl. auch Nadler, Steven: Baruch Spinoza. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Und
die Erläuterungen in Kapitel 2.2.
24
Vgl. u. a. LdW, S. 18, 20 und 58.
25
Vgl. LdW, S. 22.
26
Leis, Mario: Lektüreschlüssel, S. 35.
27
Ebd.
12
sich selbst zu finden“28, sondern vielmehr als eine weitere Quelle seiner Empfindungen.
Es ist also auch weniger der Liebeskummer selbst, der zu Werthers Leiden führt; Werther
ist per se in seinen Emotionen nicht vollständig emotional abhängig von Lotte. Stattdes-
sen entscheidet er sich, seiner Leidenschaft ihr gegenüber zu folgen. Dies führt zu seinem
Leiden.
Die Konsequenz dieses Verhaltens von Werther hält der Brief vom 8. August bereit. Ne-
ben der bereits erläuterten Warnung Wilhelms, dass sie „all [s]eine Kräfte verzehren
muss“ (LdW, S. 88), springt hier insbesondere die Metapher des „Dolchstos[es]“, der „der
Quaal auf einmal ein Ende machen“ (LdW, S. 88) könnte, ins Auge. Vor dem Hintergrund
von Spinozas Gedanken über die „power to persevere in being“29 lässt sich beides als
Hinweis darauf deuten, dass Werthers Einstellung zwangsläufig zum negativen Ende, sei-
nem Selbstmord, führen wird.
Den gleichen Zweck mag auch Werthers Behauptung „es g[ebe] so viel Schatti-
rungen der Empfindungen und Handlungsweisen, als Abfälle zwischen einer Habichts-
und Stumpfnase“ (LdW, S. 86, 88) erfüllen. Mit dieser Anspielung bezieht sich Goethe
auf den Wissenschaftszweig der Physiognomik, den der Schweizer Pfarrer, Philosoph und
Schriftsteller Johann Caspar Lavater in seinem Werk „Von der Physiognomik“ (1771) zu
etablieren versucht. Hiernach sollen der Charakter und die geistigen Fähigkeiten eines
Menschen anhand seines Aussehens und insbesondere seiner Gesichtspartie abgelesen
werden.30 Auch beispielsweise eine „Habichts[…]nase“ (LdW, S. 88) dient hier also als
Anzeichen gewisser Charaktereigenschaften. Goethe war zu der Zeit, als er seinen Roman
verfasste, nicht nur sehr interessiert an diesem möglichen wissenschaftlichen Ansatz31,
sondern setzte sich darüber hinaus auch noch mit anderen Schriften Lavaters auseinander.
Von Relevanz sind an dieser Stelle insbesondere Lavaters „Predigten über das Buch Jo-
nas“, die in einer Fußnote unter der vorbereitenden Diskussion über die „üble Laune“
28
Ebd.
29
Nadler, Steven: Baruch Spinoza. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy.
30
Zur Vertiefung: Vgl. Caflisch-Schnetzler, Ursula: Von der Physiognomik. Einführung. In: Lavater, Jo-
hann Caspar: Physiognomik. Hg. v. Ursula Caflisch-Schnetzler, Zürich 2009 (Lavater, Johann Caspar:
Ausgewählte Werke in historisch-kritischer Ausgabe. 10 Bände. Hg. v. Herausgeberkreis Johann Caspar
Lavater. Zürich 2009, Bd. 4), S. 517-543.
31
Vgl. Rothmann, Kurt: Erläuterungen und Dokumente, S. 34.
13
(LdW, S. 64) als „trefliche Predigt“ (LdW, S. 66) bezeichnet werden. Hier stellt Lavater
die „üble Laune“ (LdW, S. 66), also den anhaltenden negative Gemütszustand, als Laster
dar, das, wie bei Werther geschehen, zum Selbstmord führen kann.32
Auch die Anspielungen auf den Selbstmord Werthers am Ende des Romans sind
ein Motiv, das sich durch den Roman zieht. Auffällig hierbei ist, dass die erste Anspielung
auf den Selbstmord schon zu einem Zeitpunkt in der Handlung auftritt, zu dem Werther
Lotte noch gar nicht getroffen hat.33 Goethe erklärt also nicht lediglich den später einset-
zenden Umgang Werthers mit seiner Liebe zu Lotte, sondern vielmehr seine übermäßig
empfindsame Einstellung und seine übersteigerte Emotionalität im Allgemeinen zum ei-
gentlichen Grund für Werthers Leiden und letztendlichen Selbstmord.
3. Schluss
Die detaillierte Betrachtung des Briefes vom 8. August 1771 im Gesamtkontext des Ro-
mans „Die Leiden des jungen Werthers“ liefert wichtige Erkenntnisse über die zentralen
Fragen zur Rezeptionsabsicht Goethes, ob es sich bei diesem Werk um eine positive, ver-
herrlichende Darstellung der Empfindsamkeit handelt und ob der Selbstmord, der zur da-
maligen Zeit oftmals als sündhaft verurteilt wird, hier tatsächlich verteidigt wird.
Goethe stellt seinen Charakter Werther nicht nur als einen Menschen dar, der
durch seine intensiven Leidenschaften beispielsweise der Natur und Lotte gegenüber ge-
trieben wird, sondern verdeutlicht in der Argumentation, die Werther in seinem Brief vom
8. August verwendet, dass Werter sich bewusst dazu entscheidet, in diesem Zustand zu
verweilen. Anhand einiger Bezüge auf Baruch de Spinozas „Ethica ordine geometrico
demonstrata“, auf Lavaters „Predigten über das Buch Jonas“ und auf andere Briefe in-
nerhalb des Romans wird dann impliziert, dass dieses Verhalten die Ursache der Leiden
Werthers und seines Selbstmordes darstellt. In diesem Lichte ist der Roman vielmehr als
Warnung davor zu verstehen, sich wie Werther unreflektiert vom empfindsamen Gedan-
ken vereinnahmen zu lassen und sich seiner Leidenschaftlichkeit ohne Regulation durch
die Vernunft hinzugeben. Anders als es Goethe in seinem fiktiven Herausgeber-Vorwort
32
Vgl. Atkins, Stuart Pratt: J. C. Lavater and Goethe: Problems of Psychology and Theology in Die Lei-
den des jungen Werthers. In: PMLA 63 (1948), S. 520-576.
33
Vgl. Trunz, Erich: Anmerkungen zu Die Leiden des jungen Werther. In: Goethe, Johann Wolfgang: Die
Leiden des jungen Werther. Hg. v. Erich Trunz, München 101981 (Goethe, Johann Wolfgang: ders.
Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Hg. v. Trunz, Erich. München 1982, Bd. 6), S. 566-601, hier:
S. 583.
14
zu Beginn des Romans ironisch darstellt, soll man Werther gegenüber nicht „seinem Geist
und seinem Charakter […] Bewunderung und Liebe“ (LdW, S. 6) schenken und ihn als
empfindsames Vorbild sehen. Vielmehr dient er als abschreckendes Beispiel für die Emp-
findelei, eine emotionale Übersteigerung der Empfindsamkeit, derer Goethe sich erwehrt
und als deren Folge er „eine wachsende Bereitschaft zur falschen Introspektion und
Selbstquälerei bei jungen Menschen“34 befürchtet.
34
Sauder, Gerhard: Empfindsamkeit. In: Goethe Handbuch. Personen Sachen Begriffe A-K, S. 248-252,
Zitat: S. 251.
15
4. Abkürzungsverzeichnis
LdW: Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werthers. Paralleldruck der Fas-
sungen von 1774 und 1787. Hg. v. Matthias Luserke. Stuttgart 1999.
16
5. Literaturverzeichnis
5.1 Textausgaben
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Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werthers. Paralleldruck der Fassungen
von 1774 und 1787. Hg. v. Matthias Luserke. Stuttgart 1999.
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serer Zeit Herrn Christian Wolf. Aus dem Lateinischen übersetzet [Über-
setzer: Johann Lorenz Schmidt]. Frankfurt und Leipzig 1744.
5.2 Forschungsliteratur
Atkins, Stuart Pratt: J. C. Lavater and Goethe: Problems of Psychology and Theology in
Die Leiden des jungen Werthers. In: PMLA 63 (1948), S. 520-576.
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17
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Trunz, Erich: Anmerkungen zu Die Leiden des jungen Werther. In: Goethe, Johann Wolf
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10
1981 (Goethe, Johann Wolfgang: ders. Werke. Hamburger Ausgabe in
14 Bänden. Hg. v. Trunz, Erich. München 1982, Bd. 6), S. 566-601.
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10
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Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbstständig verfasst habe
und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel genutzt habe. Alle Stel-
len, die wörtlich oder sinngemäß aus Print- oder Online-Veröffentlichungen entnommen
sind, sind als solche kenntlich gemacht.
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