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Die Strukturen der

deutschen
Wortbildung

Zusammengestellt von: P. Aslankhani

1
1. Die deutsche Sprache
• Die deutsche Sprache gehört zu indoeuropäischen Sprachfamilie.
• Von einer deutschen Sprache können wir jedoch erst seit etwa dem 7.
Jahrhundert n.Chr. sprechen. Natürlich ist sie damals nicht plötzlich
entstanden, sondern sie ist das Ergebnis eines langen
Entwicklungsprozesses.
• Das frühe Deutsch tritt uns keineswegs als einheitliche Sprache,
sondern in Form der Sprachen jener germanischen Stämme
entgegen, die den Raum zwischen Nordsee und Alpen bewohnten.
• Das deutsche Sprachgebiet war zu Beginn des 7. Jahrhunderts n. Chr.
noch wesentlich kleiner als heute, es erweiterte sich jedoch in den
folgenden Jahrhunderten bedeutend.
 Das Deutsche wird in drei großen Dialektgruppen gegliedert:
Oberdeutsch, Mitteldeutsch (zusammen: Hochdeutsch) und
Niederdeutsch.

 Zeitliche Gliederung:
1. Althochdeutsch (6. bis 11. Jahrhundert)
2. Mittelhochdeutsch (11. bis 14. Jahrhundert)
3. Frühneuhochdeutsch (1350- 1650)
4. Neuhochdeutsch (ab 1650)
2
2. Das Wort als lexikalische Grundeinheit
• Jede Sprache verfügt über einen größeren oder geringeren Vorrat an
Wörtern. Alle Wörter, die es in einer Sprache gibt, bilden ihren
Wortbestand.

• Aber der Wortbestand macht noch nicht die Sprache aus. Sprache tritt
in der Wirklichkeit nicht in Gestalt vereinzelter Wörter auf, sondern
mit Ausnahme von sog. Einwortsätzen (Feuer! Einverstanden!
Wirklich?) immer in größeren Redeeinheiten, in Sätzen, die nach den
Regeln der Grammatik aus Wörtern zusammengefügt sind.

• Das Einzelwort, so wie es im Wörterbuch vorkommt, wird zum Zwecke


der wissenschaftlichen Betrachtung aus dem lebendigen
Redezusammenhang isoliert.
• In der Sprachwirklichkeit betrachten wir das „Wort“ als einen Teil der
Rede, und zwar ist es der kleinste selbständige sprachliche
Bedeutungsträger.
• Die Lautkomplexe b-a-u-m oder l-e-r-n-e-n sind also insofern Wörter,
als wir sie aus dem Zusammenhang der lebendigen Rede deutlich als
Einheiten isolieren können, die selbständig eine bestimmte Bedeutung
tragen.

3
• Um die Grenzen des Begriffes „Wort“ etwas deutlicher darzustellen, ist
es erforderlich, das Wort sowohl nach oben als auch nach unten, also
gegen die nächsthöheren und die nächstniederen sprachlichen
Einheiten abzugrenzen.
• Wie schon erwähnt, kann das Wort aus der höheren sprachlichen
Einheit, dem Satz ausgegliedert werden. Zwischen dem Einzelwort und
dem Satz stehen jedoch noch andere sprachliche Einheiten, die kleiner
als der Satz, aber größer als das Einzelwort sind. Zum Beispiel
Wortgruppen im Satz:

der große Raum


(Artikel + Adjektiv + Substantiv)
oder die festen Wortverbindungen, die aus zwei oder mehreren
Wörtern bestehen, aber jeweils eine unlösliche Bedeutungseinheit
bilden:
Radio hören / zu Abend essen

4
3. Morpheme
• Kleinere sprachliche Einheiten als die Wörter sind die Morpheme. Das
können Lautgruppen oder einzelne Laute sein. Morpheme sind die
kleinsten sprachlichen Einheiten, die eine konstante Bedeutung oder
eine grammatische Funktion haben.
• Wenn wir diese Definition mit der des Wortes vergleichen, stellen wir
folgenden Unterschied fest:
Die Morpheme sind zwar ebenfalls Bedeutungsträger,
sie treten jedoch in der Rede nicht als selbständige
Bezeichnungen von Gegenständen und Erscheinungen
der Wirklichkeit auf, sondern als Bestandteile, als
Bildungselemente von Wörtern.

• Morpheme kombinieren sich nicht willkürlich(beliebig) zu Wörtern.


Nicht alles ist möglich. Es gibt logische und bestimmte Regeln.
• folgende Beispiele sind ungrammatisch:

*tisch-lich, *Tisch-keit, *tisch-bar

*sing-lich, *Sing-keit, *Sing-es

*er-tisch, *er-klein, *er-mit

5
• Morpheme tragen dieselbe Bedeutung, auch wenn sie in
verschiedenen Kontexten auftreten.
• Der begriffliche Inhalt eines Wortes ist an seine Morpheme
gebunden.

3.1. Klassifikation von Morphemen

 Basismorphem/ Stammmorphem
 Ein Basismorphem ist ein Grundmorphem, an das sich andere
Morpheme anhängen:
Ein-sicht
 Ein Basismorphem ist einfach , wenn er nur aus einem Morphem
besteht. Es ist komplex , wenn es aus mehreren Teilen besteht.
Sicht
ein-sicht-ig

6
 Affixe
 Morpheme, die sich an ein Basismorphem hängen, nennt man Affixe.
 Affixe, die vor dem Basismorphem stehen, sind Präfixe.
 Durch die Kombination mit Präfixen ändert sich nie die Wortart der
Morphemkonstruktion.
Ein-sicht ver-suchen
Ab-sicht aus-suchen
Um-sicht ab-suchen

 Affixe, die hinter dem Basismorphem stehen, sind Suffixe:


sicht-bar
sicht-lich
sicht-en
 Bei Suffixen kann sich die Wortart der Morphemkonstruktion ändern:
schön + heit Schönheit (Substantiv)

7
3.2. Man unterscheidet freie und gebundene Morpheme:
 freie Morpheme (als selbstständige Wörter auftretende Morpheme)
 Ein Morphem ist frei, genau dann, wenn es alleine in der Syntax
stehen kann, also ohne sich mit einem anderen Morphem verbinden
zu müssen.
Zum Beispiel:
Hasutür (Haus) (Tür)

Glücklich (Glück)

weniger (wenig)

 gebundene Morpheme
 Ein Morphem ist gebunden, genau dann, wenn es nicht frei ist und
nur innerhalb von Wörtern auftreten kann.

Glücklich (-lich)

weniger (-er)

Die Unterscheidung zwischen Basismorphem und Affix bezieht sich


genau auf die Unterscheidung zwischen freien und gebundenen
Morphemen:

Basismorpheme sind frei, Affixe gebunden.


8
3.3. Die drei Funktionsklassen der Morpheme
 Wir unterscheiden je nach der Rolle, die sie bei der Bildung der
Wörter und Wortformen spielen, folgende Arten von Morphemen:
 Basismorpheme / Stammmorpheme
 Wortbildungsmorpheme
 grammatische Morpheme

zum Beispiel in der flektierten Wortform: (des) Fisch- er- s

fisch- Basismorphem

-er- Wortbildungsmorphem

-s grammatisches Morphem

 Basismorpheme / Stammmorpheme
 ausschlaggebend für die inhaltliche Bestimmung:
Freund, freund-lich, be-freund-en, Freund-e,
Freund -schaft, an-freund-en
 Auch verbal Basen werden als Basismorphem verstanden:
Bau, bau-en, an-bau-en, be-bau-en, ver-bau-en, ge-bau-t

9
 Eine verbale Grundform ohne Flexionsendung (bau) ist ein
Basismorphem, da es als bedeutungstragende Einheit und als
semantische Kern einer Morphemkonstruktion verstanden wird.
 Wortbildungsmorpheme
Präfixe (Vorsilben) und Suffixe (Nachsilben)
Präfixe (Vorsilben, z. B. be-, ent-, ge-, ver- usw.)
be-leben, be-tonen, ent-fernen, ge-fallen, ver-gessen, ver-
laufen
Suffixe (Nachsilben, z. B. -keit, -lich, -ig, -heit, -ung usw.)
Sauber-keit, Kind-heit, gier-ig, ärger-lich, höf-lich, Bild-ung,
Deut-ung

zauber- + -er Zauberer

Basismorphem Wortbildungsmorphem Personenbezeichnung

zauber- + -isch zauberisch

Basismorphem Wortbildungsmorphem Eigenschaftsbezeichnung

Der Begriffsinhalt des Basismorphems


wird durch das Wortbildungsmorphem
in die Eigenschaftsqualität transponiert. 10
 Bäckerei
bäck- + -er + -ei
 Druckerei
druck- + -er + -ei

Die Wörter Bäckerei, Brauerei, Druckerei, Wäscherei ... haben


alle eine verbale Basis einer berufsmäßigen Tätigkeit, z. B. bäck-
als Stamm, an das die Endung -er-ei gehängt ist.
Die Endung -ei hat eine bestimmte Bedeutung: Betrieb in dem
der vom Basismorphem bezeichnete Beruf ausgeübt wird. In
einer Bäckerei arbeitet ein Bäcker, der dort bäckt. Andere
Wörter mit einer -ei Endung haben eine ganz andere
Bedeutung, z. B. In Teufelei, Kinderei, Staffelei.

◼ Die Nachsilbe -chen ist als Verkleinerungsendung mit der Bedeutung


„klein“ festgelegt:
Hünchen, Kindchen , Pferdchen, Häschen
◼ Für „Mens-chen“ und „Kanin-chen“ gilt aber diese Regel nicht.

11
 grammatische Morpheme/ Flexionsmorpheme
Konjugationsendungen, Deklinationsendungen, Pluralendungen
usw.
Konjugationsendungen: geh-st, sieh-st, lern-st, schreib-st, hör-st
Deklinationsendungen: des Mann-es, des Kind-es
Pluralendungen: die Männ-er, den Kind-ern
klein-er, klein-ere, klein-eren, klein-sten

 Abgesehen davon, dass manche Wörter nur aus einem


Basismorphem bestehen, das heißt, dass manche Basismorpheme in
der Funktion von Wörtern auftreten können (z. B. Fisch, Tal, Berg,
Halt usw.), unterscheiden sich die Morpheme von den Wörtern also
dadurch, dass sie nur als unselbständige Bestandteile von Wörtern
vorkommen.

 Morphologische Konstruktionen haben eine binäre Struktur. Es


treten also immer zwei morphologische Elemente zusammen und
bilden ein neues bedeutungtragendes sprachliches Element.

12
Sprachliche Einheit, die Teil
einer größeren Einheit ist

‫سازه‬

 So besteht wachsam aus den zwei unmittelbaren Konstituenten1


wach- und -sam. Dieses wachsam selbst kann als eine unmittelbare
Konstituente mit einem wieteren morphologischen Element
zusammentreten, z. B. mit -keit und das komplexere Wort
Wachsamkeit bilden.
 Dementsprechend ergeben sich als unmittelbare Konstituente des
Wortes Furchtsamkeit zunächst furchtsam- und -keit: In einem
zweiten Schritt ergeben sich die beiden morphologischen Elemente
Furcht- und -sam. Damit wird die substantivische
Morphemkonstruktion in zwei Schritte in drei Elemente aufgeteilt:
Furcht- , -sam,-keit.

Wenn man eine komplexe sprachliche Einheit (Wort, Satz) schrittweise


immer wieder in zwei Bestandteile zerlegt, so sind diejenigen
Bestandteile, die bei ein und demselben Analyseschritt gewonnen
werden, zueinander unmittelbare Konstituenten.
‫سازه های بی واسطه‬

‫ سازه‬1
13
wachsam

wach -sam

Morphologische
Analyse eines Wortes
Wachsamkeit mit Hilfe des
Strukturbaums

Wachsam -keit

wach -sam

Furchtsamkeit

Furchtsam -keit

Furcht -sam
 Das Ergebnis einer derartigen morphologischen Struktur ist eine
Konstituentenstruktur2.

‫ ساختار سازه ها‬2

14
◼ Diese Struktur zeigt die binäre Struktur der unmittelbaren
Konstituenten.
◼ Um die Konstituentenstruktur eines zusammengesetzen Wortes
beschreiben zu können, muss man ihre einzelnen
Bedeutungsbestandteile verstehen und die Struktur klassifizieren.
◼ Eine falsche Analyse macht die Struktur unveständlich:
 Blumento-pferde 
☺ Blumentopf-erde✓
Die Morphologie betrachtet den internen Aufbau von komplexen
Wörtern, Wortformen und die dazugehörigen bedeutungstragenden
„Bausteine“.
Sie erstellt das Morpheminventar einer Sprache und beschreibt die
Kombinationsmöglichkeiten von Morphemen zu komplexen Wörten.

‫واژه شناسی (ريخت شناسی واژه) ساختار داخلی واژه ها و حامل های معنايی متعلق به‬
‫ دستگاه مجموعه واژک های يک زبان‬،‫ اين علم‬.‫آن ها را مورد بررسی قرار می دهد‬
‫را تعيين می کند وامکانات ترکيب واژک ها را برای ساخت واژه های پيچيده توصيف‬
. ‫می کند‬

15
4. Wortbildung, Flexion und Wortschöpfung
➢ Wortbildung befasst sich mit der Schaffung neuer Wörter, die auf der
Grundlage bereits vorhandenen Wortmaterials auf verschiedene Art
und Weise entstehen können.
➢ Die Wortbildung wird einerseits von der Wortformen-Bildung
(Flexion) und anderseits von der Wortschöpfung abgegrenzt.

4.1. Wortbildung und Flexion


Wortbildung, Bildung von Wortstämmen:
Edel-stein , stein-ig , ver-stein-er- n
Wortformen-Bildung (Flexion):
Stein, Steine, Steines/ Steins

 Der Unterschied zwischen Flexion und Wortbildung besteht im


Wesentlichen darin, dass durch Wortbildung neue Wörter entstehen,
während die Flexion die grammatischen Funktionen der Wörter im
Satz zum Ausdruck bringt.

16
 So wird aus dem Substantiv „(die) Tat“ durch Wortbildung,
beispielsweise durch Ableitung mit dem Präfix „un-“, das neue Wort
„Untat“.
 Durch Flexion aber entsteht aus „Tat“ in einem Satz wie „Die Taten
müssen bestraft werden“ kein neues Wort, sondern mit der Form
„Taten“ wird das zusätzliche Merkmal Plural angezeigt.

 „Tat“ und „Untat“ sind demnach zwei verschiedene Wörter, während


„Tat“ und „Taten“ zwei Formen desselben Wortes darstellen.

 Der gleiche Fall liegt etwa bei „schreiben“ und „beschreiben“ vor (zwei
Wörter) bzw. „schreiben“ und „schreibst“ (zwei Wortformen).
Flexionsmerkmale können auch mehr oder weniger bedeutungshaltig
sein (etwa im Fall des Plurals).

4.2. Wortbildung und Wortschöpfung


➢ Es gibt in der Linguistik eine Tradition, zwischen Wortbildung und
Wortschöpfung zu unterscheiden: „W o r t s c h ö p f u n g besteht
dagegen darin, dass Wörter aus Lautkomplexen ‚geschaffen‘ werden,

17
die in der Sprache (noch) nicht als bedeutungstragende Elemente
(Zeichen) vorhanden sind; es entstehen also neue Wortwurzeln.
➢ Unter Wortschöpfung versteht man also ein neugebildetes Wort, das
im Gegensatz zur Wortbildung nicht aus bereits bekannten
Morphemen hergeleitet ist, sondern lautlich neu entwickelt wurde.

➢ Die älteste und ursprünglich wichtigste Quelle der Bereicherung des


Wortbestandes ist die Wortschöpfung. Sie steht am Anfang der
sprachlichen Entwicklung und ist die Form, in der die Wortwurzeln
geschaffen wurden.

➢ Heute warden freilich kaum noch neue Wurzeln zur Bezeichnung


neuer Begriffe gebildet. Die deutsche Sprache greift bei Bedarf in der
Regel zum Mittel der Wortbildung, das heißt, sie bildet aus dem
bereits bestehenden Wurzeln bzw. Morphemen neue Wörter.

18
5. Die Wortbildung
➢ Das wichtigste Mittel der Erweiterung des Wortbestandes der
deutschen Sprache ist die Wortbildung.

➢ Wortbildung befasst sich mit der Schaffung neuer Wörter, die auf der
Grundlage bereits vorhandenen Wortmaterials auf verschiedene Art
und Weise entstehen können.

➢ Es gibt drei Hauptarten der Wortbildung:


 Die Ausdruckserweiterung
 Die Konversion
 Die Ausdruckskürzung

5.1. Ausdruckserweiterung
➢ Mit Hilfe der Ausdruckserweiterung werden die meisten neuen
Wörter gebildet.
➢ Dieser Wortbildungstyp kommt weit häufiger als die Konversion oder
die Ausdruckskürzung vor und betrifft einen viel größeren Teil des
Wortschatzes.
➢ Ausdruckserweiterungen werden nach den beiden Typen der
Komposition und der Derivation unterschieden:
19
Komposition: Zusammensetzung von zwei Basismorphemen
(oder Morphemkonstruktionen = MK).
Derivation: explizite Ableitung von einem Basismorphem (oder
MK) durch Hinzufügen von Wortbildungsmorphemen. Oder
implizitr Ableitung eines Basismorphems durch innere
Umstrukturierung ohne die Verwendung von
Wortbildungsmorphemen.
➢ Ausdruckserweiterung heißt, dass durch die kombination von
Basismorphemen oder durch die Verbindung von einem
Basismorphem mit einem Wortbildungsmorphem neue
Bennenungseinheiten (Begriffe) geschaffen werden.
➢ Die deutsche Sprache hat unbegrenzte möglichkeiten der
Kombination, um neue Bennenungseinheiten zu bilden.
➢ Der Bauplan aller Wortbildungen hat immer eine binäre
Grundstruktur. Bei einer Wortbildungsanalyse lassen sich die
Wortbildungen immer binär in zwei unmittelbare Konstituenten
gliedern.
➢ Die Bildung neuer Bennenungseinheiten nahezu ausschließlich auf
der Basis vorhandenen sprachlichen Materials.

20
5.1.1. Die Komposition (Zusammensetzung)
➢ Die Komposition oder Zusammensetzung ist ein häufiger Vorgang
in der Wortbildung. Jedes Kompositum besteht aus zwei Gliedern
(Basismorphemen) , die ihrerseits wieder zusammengesetzt
(Morphemkonstruktionen) sein können:

Mond- nacht
dunkel - rot
frei - sprechen
Haus – tür === schlüssel
Haupt ==== bahn – hof
Bahn - hofs === vor – steher

➢ Obwohl das Substantiv am stärksten an der Bildung von


Zusammensetzungen beteiligt ist, können doch alle beliebigen
Wortarten miteinander zusammengesetzt werden und sowohl als
erstes wie auch als zweites Kompositionsglied erscheinen.

21
hoch - haus
Adjektiv + Substantiv

hell - blau
Adjektiv + Adjektiv

unter - geschoss
Präposition + Substantiv

röst - frisch (gerade geröstet - röstfrischer Kaffee )


Verb + Adjektiv

➢ Das zweite Glied der meisten Zusammensetzungen bestimmt den


Charakter des Wortes.
➢ Von dem zweiten Glied hängen in der Regel die Wortart und (bei
sunstantivischen Zusammensetzungen) das Geschlecht des
Kompositums ab.
➢ Das zweite Glied wird allein flektiert:
Haus - tor Gen. : Haus – tors
➢ Wir nennen das zweite Glied der Komposita das Grundwort.

22
➢ Die Zusammensetzung besteht aus freien Basismorphemen oder
freien Morphemgefügen (Morphemkonstruktionen):
Kartoffel - salat
Schreib - tisch
Umwelt - freundlich
Mutter - sprache

➢ Das Kompositum enthält ein Grundmorphem und ein Konfix:


Bio - gemüse
➢ Die Zusammensetzung besteht aus zwei Konfixen:
biblio - phil

Konfix: aus einer Verkürzung oder


Kurzform entstandenes, nicht
selbstständiges Wortbildungselement (z. B.
bio[logischer] Rhythmus = Biorhythmus)

23
5.1.2. Folgende Kombinationen sind möglich:
BM (Basismorphem) + BM (Basismorphem):

BM BM

Auto + Dach = Autodach das Dach eines Autos

frisch + Fleisch = Frischfleisch Fleisch, das frisch ist

✓ Zwischen die Kompositionselemente kann ein Fugenelement treten:


Präsident + Palast = Präsidentenpalast
der Palast des Präsidenten

-en-: Fugenelement

BM (Basismorphem) + MK (Morphemkonstruktion):

BM MK
Abend + Dämmerung = Abenddämmerung die Dämmerung am Abend

Kunst + Ausstellung = Kunstausstellung eine Ausstellung von Kunst

24
MK (Morphemkonstruktion) + BM (Basismorphem):

MK BM -s-: Fugenelement

Wortbildung + Skizze = Wortbildungsskizze


die Skizze einer Wortbildung
Beschäftigung + Grad = Beschäftigungsgrad
Grad der Beschäftigung

MK (Morphemkonstruktion) + MK (Morphemkonstruktion):
MK MK -s-: Fugenelement

Kindheit + Erinnerung = Kindheitserinnerung


Erinnerung an die Kindheit
Malerei + Ausstellung = Malereiausstellung
eine Ausstellung von Malerei
❑ Besonders produktiv sind Komposita aus zwei substantivischen
Basismorphemen:
Substantiv Substantiv

Winter + Monat = Wintermonat


Mutter + Liebe = Mutterliebe
Mutter + Sprache = Muttersprache
Leder + Schuh = Lederschuh
Regen + Schirm = Regenschirm
25
❑ Seltener sind Verbindungen von adjektivischen mit substantivischen
Basismorphemen:
frisch + Fleisch = Frischfleich
frisch + Gemüse = Frischgemüse
halb + Final = Halbfinal (m.)
hart + Beton = Hartbeton (m.)
kurz + Film = Kurzfilm
kurz + Geschichte = Kurzgeschichte

Adjektiv Substantiv

❑ Selten sind auch Verbindungen von verbalen mit substantivischen


Basismorphemen:
bügel + Brett = Bügelbrett
lern + Modell = Lernmodell (n.)
fahr + Bahn = Fahrbahn
einkaufs + Zentrum = Einkaufszentrum
ess + Tisch = Esstisch

Verb Substantiv

26
➢ Komposita haben den Größten Anteil an neuen Wortbildungen, „die
Zunahme und Verstärkung der Univerbierung kann als Haupttendenz
im Berich der deutschen Wortbildung angesehen werden.“
Unuverbierung bezeichnet die Tendenz, Wortgruppen zu einem Wort
zusammenzufssen. Daher lassen sich diese Wortbildungen leicht in
satzförmige Paraphrasen überführen:

Parkplatz:
ein ausgewiesener Bereich auf einen öffentlichen oder privaten
Grundstück, auf dem Fahrzeuge längere Zeit, zum Teil gegen
Entgelt, abgestellt werden können.
oder:
ein Stellplatz, auf dem man das Auto parken kann
➢ Durch Univerbierung wachsen mehrgliedrige syntaktische
Konstruktionen zu einem Wort zusammen. Der
Wortbildungsprozess der Komposition basiert auf diesem Prinzip
der Sprachökonomie.
➢ Eine Wortbildungsanalyse von Komposita kann nur dann
vorgenommen werden, wenn die Gesamtbedeutung erkennbar
aus den Einzelbedeutungen der unmittelbaren Konstituenten
hervorgeht.
27
➢ Ausgenommen von einer Kompositionsanalyse sind die Fälle, in
denen die Motivation der Wortbildung nicht mehr erkennbar ist;
besonders wenn diese Wörter bereits selbst lexikalisiert und
idiomatisiert sind.

➢ So ist der „Kindergarten“ nicht als ein „Garten für Kinder“ zu


verstehen, sondern als öffentliche Einrichtung (in einem Raum,
einem Gebäude) zur Betreuung und zur Förderung der Entwicklung
von Kindern im Vorschulalter. Ein weiteres Beispiel ist das Wort
„Augenblick“.

➢ Eine inhaltliche Analyse ist der erste Schritt, um eine Wortbildung zu


untersuchen:
Naturschutz: der Schutz der Natur
Kaffeemühle: eine Mühle, um Kaffee zu mahlen
Windmühle: eine Mühle, die mit Wind angetrieben wird

28
5.1.3. Die Arten der Komposita

In der Wortbildung unterscheidet man vier Typen von Komposita:

 Determinativkompositum
 Zusammenrückung
 Possessivkompositum
 Kopulativkompositum

 Determinativkompositum
Der Typ des Determinativkompositums ist die häufigste nominale
Wortzusammensetzung. Hierbei wird in der Regel das zweite Glied
der Komposition (das Grundwort = Determinatum) durch das erste
Glied (das Bestimmungswort = Determinans) näher bestimmt.
 Determinativkomposita zeigen die Reihenfolge Determinans
plus Determinatum.
 Sonderfälle sind zum Beispiel Ortsnamen wie Berlin - West, bei
dem das näherbestimmende Element nach dem Grundwort
folgt.

29
Beispiel:

Determinatum Tisch

Konferenztisch ein Tisch für eine Konferenz

Wohnzimmertisch ein Tisch für das Wohnzimmer

Arbeitstisch ein Tisch, an dem gearbeitet wird

Schreibtisch ein Tisch zum schreiben

Weizenmehl aus Weizenkörnern hergestelltes Mehl

Roggenmehl Mehl aus Roggen

Das Basismorphem Tisch ist das Grundwort (Determinatum) und wird


durch die vier anderen Basismorpheme (oder Morphemkonstruktionen)
Konferenz-, Wohnzimmer-, Arbeit- und Schreib- näher bestimmt.

➢ Ebenso verhält es sich bei Komposita aus Adjektiv plus Substantiv:

Rotwein: ein Wein der rot ist

Weißwein: ein Wein, der weiß ist

Roséwein: ein Wein, der rosé ist

30
➢ Weitere Beispiele für kompositorische Zusammensetzungen
unterschiedlicher Wortarten sind:
 Substantivkomposita
a) Teegeschirr Substantiv + Substantiv
b) Roggenmehl Substantiv + Substantiv
c) Hochhaus Adjektiv + Substantiv
d) Edelstein Adjektiv + Substantiv
e) Untergeschoss Präposition + Substantiv
f) Hinterhof Präposition + Substantiv
g) Schlafmütze Verb + Substantiv
h) Waschmaschine Verb + Substantiv

 Adjektivkomposita
a) stadtbekannt Substantiv + Adjektiv
b) todmüde Substantiv + Adjektiv
c) tropfnass Verb + Adjektiv
d) röstfrisch Verb + Adjektiv
e) hellblau Adjektiv + Adjektiv
f) frühreif Adjektiv + Adjektiv

31
 Verbkomposita
a) lobpreisen Substantiv + Verb
b) Acht geben (achtgeben) Substantiv + Verb
c) Dank sagen (danksagen) Substantiv + Verb
d) stillsitzen Adjektiv + Verb
e) ruhigbleiben Adjektiv + Verb
f) sitzen bleiben (sitzenbleiben) Verb + Verb
g) bleiben lassen (bleibenlassen) Verb + Verb

Das Determinans Rot- in Rotwein kann in den Nebensatz „der rot


ist“ überführt werden.
Das zwiete Glied legt die grammatische Funktion des Kompsiums
fest; das erste Glied gibt intensiviernde oder spezifiernede
Zusatzmerkmale und trägt in der Regel den Hauptakzent.
Wichtig ist bei Komposita die Reihenfolge, denn diese ist
bestimmend für die semantische Interpretation des
Kompositums.
Das Determinatum ist die Hauptaussage: „Es handelt sich um
Wein“. Das Determinans ist die Nebensatzaussage, „der rot ist“.

32
 Beispiele:

Haustor ist nicht gleich Torhaus.

Arbeitszeit ist nicht gleich Zeitarbeit.

Determinativkomposita werden als endozentrische Wortbildungen3


bezeichnet, da sich das Determinans auf ein Element bezieht, das
innerhalb des Kompositums genannt wird. Dieser Wortbildungstyp ist
nach innen gerichtet.
Wichtig ist dabei, das Komposita mittels einer Paraphrase4 inhaltlich
aus seinen beiden Bestandteilen satzförmig umschreiben werden
können.
In einer solchen Paraphrase müssen beide unmittelbaren
Konstituenten (BM und/oder MK) möglichst unverändert vorkommen
und syntaktisch miteinander verknüpft werden.
So werden bei dem Determinativkompositum „Kaffeetasse“ die
beiden Wortbildungselemente „Kaffee“ und „Tasse“ in die
Paraphrase „eine Tasse für Kaffee“ überführt.

‫ ترکيب های درون مرکز‬3

‫ تأويل معنايی‬4

33
 Beispiele:

Teetasse eine Tasse für Tee

Arbeitszimmer ein Zimmer zum Arbeiten

Schlafzimmer ein Zimmer zum Schlafen

Bei adjektivischem oder verbalem Grundwort (Determinatum) bieten


sich satzförmige Paraphrasen mit einem Bezugssubstantiv an:

kohlschwarze Hände Hände, die kohlschwarz sind

hellbraune Haare Haare, die ein Braun haben, das hell ist

pflichtvergessener Mensch ein Mensch, der seine Pflichten

vergessen hat

druckreife Arbeit eine Arbeit, die reif für den Druck ist

34
Paraphrasen sind deshalb wichtig, weil sie sowohl die unmittelbaren
Konstituenten einer Wortbildung, als auch deren inhaltliche
semantische Beziehung satzförmig aufzeigen:

Lärmschutz Schutz vor Lärm

Arbeitsschutz Schutz bei der Arebit

Impfschutz Schutz durch Impfen

Naturschutz Schutz der Natur

Torbogen der Bogen eines Tores

Brückenbogen der Bogen einer Brücke

Großvater nicht: „Vater, der groß ist“ sondern „der Vater des

Vaters“

35
➢ Durch Überführung einer Wortbildung in eine Paraphrase lassen sich
„Schein-Komposita“ wie etwa Großvater erkennen.
➢ Großvater lässt sich nicht paraphrasieren als „ein Vater ,der groß ist“.
Dieses Wort kann nicht als Determinativkompositum bezeichnet
werden, da sich seine Bedeutung nicht mehr aus der Summe der
beiden Einzelbedeutungen groß und Vater ergibt.
➢ Vielmehr muss Großvater als lexikalisiert gelten, denn die
ursprüngliche Motivation der Wortbildung ist nicht mehr
durchsichtig.
weitere Beispiele für Schein-Komposita:
Zeitschrift, Augenblick, Regenbogen
➢ Diese Wörter sind zu eigenständigen, nicht weiter zerlegbaren
Einheiten des Lexikons geworden.

36
❖ Die zwei Schritte der Wortbildungs-Analyse:

Wortbildung Morphemkonstruktion Lärmschutz

inhaltliche Analyse
Schritt 1: der Schutz vor Lärm
n
Wortbildungsparaphrase

formale Analyse
Schritt2: Determinativkompositum
Wortbildungstyp

 Die Zusammenrückung
➢ Bei der Zusammenrückung handelt es sich um einen Spezialfall der
Determinativkomposition. Bei diesem Wortbildungstyp wird eine
Gruppe aufeinander folgender Wörter unter Beibehaltung iherer
Reihenfolge zu einem Kompositionsglied zusammengezogen und
als Determinans (Bestimmungswort) vor ein Determinatum
(Grundwort) gestellt.
➢ Die unmittelbaren Konstituenten der Zusammenrückung
„Unterwassergeburt“ sind die Wortgruppe unter Wasser
(Determinans) und das Basismorphem Geburt (Determinatum).
37
Die Paraphrase lautet: „Eine Geburt, die unter Wasser stattfindet“.

Paraphrase: Umschreibung eines sprachlichen


Ausdrucks mit anderen Wörtern oder
Ausdrücken

Definition Zusammenrückung:

✓ Der Wortbildungstyp der Zusammenrückung ist


ein Spezialfall der Determinativkomposition.
✓ Eine syntaktische Gruppe wird -unter
Beibehaltung der Reihenfolge und meist der
flexivischen Relationsmorpheme – zum
Bestimmungswort (Determinans) einer neuen
Wortbildungskonstruktion zusammengerückt.
✓ Die erste Konstituente ist also eine Wortgruppe.

38
Heißwasserspeicher
Unterwassergeburt
Fünfmarkstück
Elftagereise
Fünfuhrtee
Kaffeeundkuchengäste

 Das Possessivkompositum
◼ Auch der Typ Possessivkompositum wird wie die
Zusammenrückung als Untergruppe der
Determinativkomposita eingeordnet. Denn auch bei diesem
Wortbildungstyp spezifiziert das erste Glied semantisch das
zweite.
◼ Beim Possessivkompositum „Trotzkopf“ bezieht sich das
Bestimmungswort „Trotz“ als ein hervorstechendes Merkmal
auf eine besondere Eigenschaft des bezeichneten Objekts
„Kopf“, wobei allerdings eine Person als Träger des Merkmals
nicht in der Wortbildung direkt angesprochen wird, sondern
nur ein Teil dieser Person.

39
◼ Der Merkmalsträger wird semantisch durch possessives
Verhältnis klassifiziert, und ist durch „Haben- Verhältnis“
charakterisiert. Ein „Trotzkopf“ ist nicht ein Kopf, der trotzig
ist, sondern eine Person, die oft einen trotzigen Kopf hat.
◼ Bei einem `Rotschwänzchen` handelt es sich um einen Vogel
mit einem roten Schwanz, doch wird das bezeichnete Objekt,
der Vogel, nicht explizit genannt, sondern nur durch sein
besonderes Merkmal – den roten Schwanz – als par pro toto5
charakterisiert.
Das Inhaltsmuster dieser Bildung und das possessive
Verhältnis der beiden Uks rot und Schwanz zueinander sind
mit einer Haben-Paraphrase zu umschreiben als `hat einen
roten Schwanz` .
Das Diminutivsuffix6 -chen kann sich auf den Vogel und auf
seinen Schwanz `kleiner Vogel mit einem kleinen roten
Schwanz` beziehen.
◼ Genauso lässt sich das Inhaltsmuster bei Rotkehlchen in die
Paraphrase `Vogel, der eine rote Kehle hat` überführen.

‫ مجاز جزء به جای کل‬5


‫ پسوند تصغير‬6
40
◼ Die Bedeutungsbeziehung liegt somit außerhalb der
Wortbildung, daher bezeichnet man dieden Typ auch als
exozentrische Wortbildung7 (im Gegensatz zu endozentrisch).
◼ Besonders häufig tritt der Typ Possessivkompositum bei
Personenbezeichnungen auf, um eine bestimmte Eigenschaft
auszudrücken.
Trotzkopf Person, die einen trotzigen Kopf hat
Glatzkopf Person, die einen Kopf mit einer Glatze hat
Schreihals Er hat einen Hals, mit dem er oft schreit
 Es zeigt sich, dass nur dann ein Possessivkompositum vorliegt, wenn
bei der Inhaltanalyse eine `Haben-Paraphrase` möglich ist.

Ich fahre einen Achtzylinder.


Paraphrase: Ich fahre einen Wagen, der acht Zylinder hat.
Wagen: Denotat = Objekt, Ziel der Benennung
acht: Determinans
Zylinder: Determinatum

‫ ترکيب برون مرکز‬7


41
Ich sehe ein Rotkehlchen.
Paraphrase: Ich sehe einen Vogel, der eine rote Kehle hat.
Vogel: Denotat = Objekt, Ziel der Benennung
rot: Determinans
Kehle: Determinatum

 Das Kopulativkompositum
Wenn bei den Zusammensetzungen die beiden Kompositionsglieder
addiert werden, nennt man diesen Wortbildungstyp
Kopulativkompositum. Beide Wortbildungselemente sind
parataktisch verbunden und stehen in einem gleichgeordneten
Verhältnis zueinander.
Die Inhaltsseiten der beiden Bestandteile stehen im Gegensatz zur
Determinativkomposition nicht in einem unterordnenden Verhältnis.
Vielmehr sind beide Kompositionsglieder semantisch gleichrangig an
der Wortbildung beteiligt und ergeben zusammengesetzt eine neue
Inhaltsseite.
Die Bestandteile dieses Wortbildungstyps gehören stets der gleichen
Wortart an.
Diese Wortbildungstyp ist vergleichweise selten.

42
 Bei dem Kopulativkompositum Dichterkomponist ist die bezeichnete
Person gleichermaßen als Dichter wie als Komponist tätig.
 Als Franz Beckenbauer bei dem Fußballverein Bayern München am
Ende der Spielzeit 1995/96 als Präsident des Vereins kurzzeitig auch
die Funktion des Manschaftstrainers übernahm, wurde er in den
Medien häufig Trainerpräsident genannt. Diese Ausdruck bezeichnete
die Gleichgewichtigung seiner beiden Tätigkeiten.
Beispiele:
Autor-Regisseur
Strich-Punkt
Hosenrock
Fürstbischof
süß-sauer
taub-stumm
schwarz-weiß
 Häufig werden Kopulativkomposita mit einem Bindestrich
geschrieben, um auf diese Weise besser das gleichwertige Verhältnis
der beiden unmittelbaren Konstituenten anzuzeigen. Die ist bei der
deutsch-polnisch in dem Ausdruck „Die deutsch-polnischen
Beziehungen“ der Fall.

43
5.1.2. Die Derivation – Ableitung

Neben der Komposition gibt es im Deutschen ein zweites Hauptmuster


von Wortbildungstypen:

Dumm-heit

Ein-wurf

trinken ➔ Trank

Die Derivation (auch: Ableitung) ist ein Wortbildungstyp mit einem


Basismorphem (oder einer Morphemkonstruktion) plus einem
Wortbildungsmorphem.
Derivationen, die mit Affixen (Präfixe oder Suffixe) gebildet weden,
sind explizite Derivationen.8
Allerdings können bei bestimmten Derivationstypen
Wortbildungsnorpheme auch gänzlich fehlen. Stattdessen erscheint
dann nur das Basismorphem und ist intern verändert. Dieser
Derivationstyp ohne Affix heißt implizite Derivation. 9

)‫ اشتقاق رصي ح (آشكار‬8


)‫ اشتقاق ضمن (نهان‬9
44
Bei der explitziten Derivation Dummheit bestehen die zwei
unmittelbaren Konstituenten aus dem Basismorphem {dumm} und
dem Wortbildungsmorphem {-heit}.
Bei der impliziten Derivation Trank wurde das Basismorphem {trink-}
intern (Stammvokal) verändert und ein neues Basismorphem
geschaffen.
 Derivation:
 explizite Derivation
Suffigierung
Präfigierung
kombinatorische Derivation
 implizite Derivation

 Die explizite Derivation


Eine explizite Derivation (explizite Ableitung) ist eine
Morphemkonstruktion. Sie hat als unmittelbare Konstituenten ein
Basismorphem (oder eine Morphemkonstruktion) als
Wortbildungsbasis und zudem ein oder mehrere Affixe als
Wortbildungsmorpheme.

45
➢ Charakteristika der expliziten Derivation:
Sie besteht aus: Derivationsbasis10 plus Derivationsaffix11
<BM (oder MK) + A>
Derivationsbasis kann sein: ein Basismorphem (BM) oder eine
Morphemkonstruktion (MK)
Derivationsaffix (A) kann sein: ein Präfix oder ein Suffix

Beispiele

Präfix Basismorphem Suffix

Suffixderivation: sand -ig

Schön -heit

stück -eln

Präfixderivation: Un- sinn

zer- reden

un- klug

)‫ تكواژ پايۀ اشتقاق (= پايه‬10


‫ وند اشتقاق‬11
46
Präfix Basismorphem Suffix

kombinatorische Ge- red -e

Derivation ver- absolut -ieren

be- grad -igen

 Hinweis:
Flexionsmorpheme (grammatische Morpheme) sind nicht Bestandteil
der Wortbildungsanalyse.
Im Beispiel «sein jugendlicher Leichtsinn» ist {-er} ein
Flexionsmorphem.
Flexionsmorpheme (grammatische Morpheme) bilden nur eine
Wortform, aber kein neues Wort. Die Wortart bleibt nach dem
Hinzufügen von Flexionsmorphemen immer gleich.
Flexionsmorpheme (grammatische Morpheme) zeigen lediglich
syntaktische Relationen im Satz auf und sind daher nicht Gegenstand
einer Wortbildungsanalyse.

47
a) Die Suffigierung – explizite Suffixderivation
Affixe werden in Präfixe und Suffixe unterteilt. Entsprechend dieser
Unterteilung wird der Wortbildungstyp expliziter Derivation mit
Suffix auch als Suffigierung bezeichnet.
Dieser Wortbildungstyp ist durch folgende Wortbildungsstruktur
charakterisiert:
Basismorphem (oder Morphemkonstruktion) plus
Wortbildungsmorphem (WB), das direkt rechts vom Basismorphem
steht (=Suffix).

Definition Suffigierung:
Suffigierung (auch: explizite Suffixderivation) nennt man die Bildung
von komplexen Wörtern zu neuen Benennungseinheiten durch
Anhängen eines Suffixes rechts an ein Basismorphem (oder an eine
Morphemkonstruktion).
 Mehr als zwei aufeinander folgende Suffixe sind im Deutschen selten.
 Suffixe zur Bildung von Flexionsformen gehören nicht zu diesem
Wortbildungstyp.

48
Bauplan Suffixderivation:

Ein Basiselement wird kombiniert mit einem Wortbildungsmorphem


BM oder MK + WB als Suffix

Beispiele:

BM + Suffix

feig + -ling ➔ Feigling

reich + -tum ➔ Reichtum

Kind + -heit ➔ Kindheit

dumm + -lich ➔ dümmlich

(mit dem Suffix geht hier ein Umlaut einher)

✓ Derivationssuffixe sind Wortbildungsmorpheme, die eine


Bedeutung tragen, die nur mit einem Basismorphem verwendet
werden kann.
✓ Derivationssuffixe schaffen zusammen mit der Derivationsbasis
eine neue Inhaltsseite.

49
✓ Häufig ändert sich durch den Prozess der Derivation mit Suffix auch
die Wortart.
✓ Die Suffixderivation ist besonders bei der Substantivbildung
augeprägt.
✓ Suffixe haben eine vergleichsweise hohe Kombinierbarkeit. So gibt
es viele Wortbildungen auf -heit: Feigheit, Menschheit, Kindheit,
Reinheit.
✓ Außerdem ist für ein Suffix unterschiedliche Derivationsbasen
möglich. So lässt sich das Suffix {-tum} mit substantivischen Basen
(Christentum, Beamtentum) und mit adjektivischen Basen
(Reichtum, Heiligtum) kombinieren.
{-tum} ➔ Christentum, Beamtentum
Reichtum, Heiligtum
✓ Der Gebrauch von Suffixen ist nicht beliebig, die Distribution ist bei
Derivationssuffixen strenger geregelt als bei anderen
Wortbildungsmitteln. Ein Suffix lässt sich abhängig von seiner
Bedeutung und seiner formalen Funktion eben nur mit
ausgewählten Basen kombinieren. So ist das Suffix {-ling} nur zur
Bildung von substantivischen Personenbezeichnungen möglich:
(Lehrling, Prüfling) , wobei häufig eine abschätzige oder

50
abwertende Kennzeichnung menschlicher Qualitäten gemeint ist
(Feigling, Schönling).
{-ling} ➔ Lehrling, Prüfling, Feigling, Schönling

Es lassen sich verschiedene semantische Klassen von Suffixen bilden:

➢ Derivation von Abstrakta, zum Beispiel mit -igkeit, -nis, -tum


Müdigkeit, Genauigkeit, Leichtigkeit
Düsternis, Fäulnis, Hemmnis
Eigentum, Christentumm, Irrtum
➢ Derivation von Personenbezeichnungen:
-er Zauberer, Taucher, Besserwisser
-bold Witzbold, Trunkenbold, Raufbold
-ner Glöckner, Zöllner, Bühnenbildner
-ler Sportler, Zuchthäusler, Radler, Bettler, Künstler
-rich Fähnrich, Wüterich
 Personenbezeichnungen können auch mit fremdsprachigen
(Lehn-) Suffixen abgeleitet werden:
-ist Bassist, Florist, Karrierist
-eur Friseur, Monteur
-ator Organisator, Editor

51
-ent/-ant Student, Assistent, Patient
Simulant, Praktikant
➢ Weibliche Personenbezeichnungen werden häufig von männlichen
abgeleitet. Dies geschieht vor allem mit dem Suffix -in:
Lehrer-in , Bassist-in, Student-in , Schüler-in.
Diese Art der Ableitung heißt Motion bzw. Movierung. Die Formen
heißen movierte Femina.
Der umgedrehte Fall, also die Ableitung männlicher
Personenbezeichnungen von weiblichen, ist deutlich seltener:
Witwe zu Witwer, Hexe zu Hexer.
➢ Als wortklassenspezifische Suffixe können gelten:
-ung: nur zur Derivation von Substantiven (Heizung, Forschung,
Leitung)
-lich: nur zur Derivation von Adjektiven (ärgerlich, mütterlich,
peinlich)
-ieren: nur um (fremdsprschigen) Verben abzuleiten (laborieren,
reparieren, produzieren, telefonieren)
-chen/-lein: nur um Substantive zu diminuieren (Tischchen,
Hütchen, Männlein, Vöglein)

52
 Beispiele:
{-e} Pfeife , Spucke , Fähre , Pflege
{-ei} Brauerei , Pfarrei , Schreinerei, Wäscherei
{-sal} Labsal, Mühsal, Trübsal
{-schaft} Feindschaft, Studentenschaft, Mannschaft
{-icht} Röhricht, Dickicht, Kehricht

 Exkurs: Das mittelhochdeutsche Wort heit mit der


Bedeutung, Art und Weise, Beschaffenheit, Eigenschaft,
hat sich im Laufe der Sprachgeschichte (diachron) zu einem
Wortbildungsmorphem entwickelt.
{-heit} kann nicht mehr als Basismorphem vorkommen,
sondern immer nur als Suffix.
Das mittelhochdeutsche Morphem kommt in der
neuhochdeutschen Gegenwartssprache in den drei
Varianten {-heit, -keit, -igkeit} vor, die alle drei Allmorphe12
mit gleicher Bedeutung sind:

‫ واژگونه‬12
53
Belebtheit, Benommenheit, Frechheit

{-heit, -keit, -igkeit} Heiterkeit, Weltmännischkeit, Lustigkeit

Genauigkeit, Arglosigkeit, Fehlerhaftigkeit

 Hinweis: In wenigen Fällen gibt es aber eine semantische


Differenzierung dieser Suffixe. So steht Kleinheit in der
Bedeutung „geringe Größe, geringes Ausmaß, geringer
Umfang“, neben Kleinigkeit in der Bedeutung „kleine
unbedeutende Sache“.
➢ Es gibt Suffixe, die ausdrucksseitig wie Basismorphem aussehen, zum
Beispiel {wesen} in Steuerwesen und {zeug} in Schreibzeug. Jedoch
sind diese Wortbildungselemente inhaltsseitig nur in Wortbildungen
verwendbar, sie können nur gemeinsam mit einer Wortbildungsbasis
verwendet werden.
Der Suffixcharakter dieser Wortbildungselemente wird darin deutlich,
dass sie nicht dieselbe bedeutung haben wie die entsprechenden
Basismorpheme. So bedeutet -arm in abgasarm nicht „ohne Geld,
bedürftig, mittellos“ wie dies in Wortbildungen armselig, ärmlich und
Armut der Fall ist. Stattdessen bedeutet das Suffix -arm „wenig

54
besitzend“ wie in rauscharm, schadstoffarm , fettarm und
kalorienarm.
Derselbe Fall liegt bei mäßig vor, das als Basismorphem „das rechte
Maß einhaltend, maßvoll“ bedeutet, zum Beispiel in Mäßigkeit und
sich mäßigen.
In den suffixderivationen unimäßig, und arbeitsmäßig hingegen
bedeutet mäßig stattdessen, was die Uni/Arbeit betrifft; hinsichtlich,
bezüglich der Uni/Arbeit.
Weitere Beispiele sind:
-echt in farbecht , gefühlsecht
als Suffix `die Farbe/das Gefühl erhaltend; bleibend`
als Basismprphem: {echt} `nicht nachgehamt, unverfälscht`

-reif in uterschriftenreif, druckreif


als Suffix `fertig seiend`
als Basismorphem: {reif} `im Wachstum voll entwickelt`

-frei in bleifrei, atomwaffenfrei


als Suffix `nicht habend, ohne seiend`
als Basismorphem: {frei} `sich in Freiheit befindend,
unabhängig, nicht gebunden`
55
➢ Bei diesem Suffixtyp wird deutlich, dass sich das Morpheminventar
verändert. Durch die neu entstehenden Nebenbedeutungen von
Basismorphemen, die nur als Suffixe vorkommen können, wächst das
Inventar der Derivationssuffixe.
Mit -mäßig und -arm entstehen neue produktive
Wortbildungssuffixe. Gleichzeitig können andere in ihrem Gebrauch
veralten.
Als in dieser Verwendung veraltete Suffixe, die kaum noch in
Wortbildungen produktiv sind, gelten -gleich in zwergengleich und
engelgleich sowie -haft in jungenhaft und dämonenhaft.
➢ Ein Beispiel für ein Suffix, das in einer Bedeutungsvariante
mittlerweile veraltet und daher kaum noch produktiv ist: -fest in
kochfest, reißfest, wetterfest.
als Suffix -fest `stabil seiend; nicht durch kochen/reißen
kapput gehend`
als Basismorphem fest `von harter, kompakter Beschaffenheit;
stabil`

 Das System und Inventar der Wortbildungselemente zeigt die


Auswirkungen des Sprachwandels.

56
 Exkurs: Modifikation und Transposition
Es gibt zwei möglichkeiten der Suffixderivation: die Modifikation
und die Transposition.
Modifikation bedeutet, dass durch Wortbildungsmittel (Präfixe und
Suffixe) ein neues Wort entsteht: Dabei bleiben sowohl die Wortart
wie auch die onomasiologische Kategorie gleich. Es ändert sich der
Inhalt des Wortes. Dabei wird die Wortbildungsbasis semantisch
modifiziert, in dem ein semantisches Merkmal hinzukommt.
Beispiele:
Auge – Äuglein bleibt Substantiv
Arbeiter – Arbeiterschaft bleibt Substantiv
Krank – krankhaft bleibt Adjektiv
schön – unschön bleibt Adjektiv
Hof – Vorhof bleibt Substantiv
schlafen – einschlafen bleibt Verb

57
Bei der Transposition entsteht, ebenfalls durch
Wortbildungsmittel, ein neues Wort. Auch hier wird die
Wortbildungsbasis semantisch erweitert. Die Wortart kann sich
verändern.
Beispiele:
schön – Schönheit aus Adjektiv wird Substantiv
Rad – radeln aus Substantiv wird Verb
hinder(n) – hinderlich aus Verb wird Adjektiv
 Präfixe dienen zur syntaktisch-semantischen Modifizierung und
Suffixe sind meistens Mittel der Transposition.

b) Die Zusammenbildung
Als Sondertypus der Suffixderivation gilt die Zusammenbildung, wie
sie in folgenden Fällen vorliegt:
zweistöckig, dreitürig, hochnäsig, siebenköpfig
Unter Zusammenbildung versteht man einen Spezialfall der
expliziten Suffixderivation, bei der die Derivationsbasis eine
Wortgruppe ist, an die ein Suffix tritt.
Die Paraphrase ist im herkömmlichen Sinne problematisch,wie das
Beispiel zweistöckig zeigt, da sich die Wortbildung nicht in die beiden
58
Konstituenten zwei und *stöckig auflösen lässt. Stattdessen muss die
Paraphrase lauten: „zwei Stockwerke habend“.
Bei der Zusammenbildung dreitürig lautet die Paraphrase „drei
Türen habend; mit drei Türen versehen“.
Bei den unmittelbaren Konstituenten handelt es sich in diesem Fall
um die Wortgruppe drei Türen und das Derivationssuffix -ig, denn
die Wortbildung *türig gibt es im Deutschen nicht.
Hier wird der enge Zusammenhang mit dem Wortbildungsmuster
der Zusammenrückung deutlich.

c) Die Präfigierung – explizite Präfixableitung


Die Präfigierung oder Präfixderivation ist eine Form der Derivation,
die durch folgende Wortbildungsstruktur charakterisiert:
Wortbildungsmorphem plus Basismorphem
(oder Morphemkonstruktion) wobei das Wortbildungsmorphem
(=Präfix) direkt Links vom Basismorphem steht.

59
Definition Präfigierung:
Bildung von komplexen Wörtern durch Anhängen eines Präfixes an
den Wortstamm.
Ein (oder seltener mehrere) Präfix-Wortbildungsmorphem(e)
verbinden sich mit einem Basismorphem (oder
Morphemkonstruktion).
✓ Bei der Präfigierung wird die Bedeutung der Derivationsbasis durch
das davor stehende Präfix modifiziert.
✓ Die Präfigierung bewirkt keinen Wortartwechsel:
schlafen ➔ verschlafen
cod ➔ uncod
✓ Fast alle Präfixe sind wortartenunabhängig, so kann sich etwa das
Präfix miss- mit einem Substantiv, Adjektiv und Verb verbinden:
Miss-handlung, miss-mutig, miss-brauchen
✓ Weitaus am häufigsten sind Präfixe bei Verben produktiv, nahezu
für jedes Verb ist im Deutschen eine Präfigierung möglich:
be- : -gehen, -steigen, -suchen
ver-: -gehen, -steigen, -suchen, -geben
ab-: -gehen, -steigen, -suchen, -geben
ent-: -gehen, -stören, hemmen
zer-: -gehen, -stören, -schlagen
60
er-: -gehen, -kämpfen, -schlagen

Bauplan Präfixderivation

Ein Wortbildungsmorphem wird kombiniert mit einem Basiselement


BM oder MK + WB als Suffix

Zur Funktion und Charakterisierung der Präfigierung:


➢ Präfixe stellen ein begrenztes Inventar dar.
➢ Präfixe haben eine eingeschränkte inhaltliche Distribution, sie sind
nicht immer beliebig kombinierbar. So ist reden und bereden, aber
nicht *verreden produktiv.
➢ Manche Präfixe können auch als Verdopplung und mehrfach
kombiniert auftreten. So kann zweimal ur- in Ururgroßvater
vorkommen oder ver- mit un- in veruntreuen.
➢ Präfixe können verschiedene Bedeutungen haben, so trägt das Präfix
un- drei verschiedene Bedeutungen und kann somit drei
unterschiedliche Modifikationen der Derivationsbasis bewirken:
un- schön , un- höflich Negation
Un- menge, Un- tier Steigerung, Verstärkung
Un-sitte, Un-art, Un-wetter Bedeutung: schlimm, schlecht

61
➢ Es gibt eine Reihe von Augmentativpräfixe13, um etwas mit
Nachdruck als `groß, besonders oder wichtig` darzutellen:
Un- in Unmenge ➔ besonders große Menge

Affen- in Affenhitze ➔ große Hitze

Mega- in Megaprojekt ➔ besonders großes Projekt

Riesen- in Riesenüberraschung ➔ große, intensive


Überraschung

Monster- in Monsterveranstaltung ➔ große, auffallende


Veranstaltung

➢ Es gibt Präfixe, die ausdrucksseitig wie Basismorpheme aussehen:


an- , auf- , haupt- , ultra-, super-, nach-, affen-.
Bei Verben sind das abtrennbare Präfixe wie bei ein-schlafen, das
realisiert werden kann als er schlief ein.
Dies ist nicht bei verschlafen möglich, es kann nicht „*er schlief ver“
gebildet werden.

13
Präfix, das die Größe eines Dinges oder Wesens ausdrückt .
62
➢ Präfixe wie Haupt- in Hauptgewinn und Hauptstadt oder hoch- in
hochwertig und hochmodern sind nicht bedeutungsidentisch mit den
gleichen Basismprphemen Haupt (Kopf) und hoch (große, vertikale
Ausdehnung nach oben).
Alerdings sind sie mit den Basismorphemen bedeutungsverwandt,
denn sie haben sich als eine Bedeutungsvariante entwickelt.
Dieser Präfixtyp wird als Präfixoid oder Halbpräfix bezeichnet:

Beispiele für die Präfigierung bei Adjektiven:


 zur Negation:
un-, in-, a- unseriös, inakzeptabel, asozial
des- , miss- desinformiert, desinteressiert, missbehaglich
 zur Verstärkung
ur- , super-, ultra- urkomisch, superbequem, ultracool
mega-, tief-, hoch- megastark, tiefblau, hochmodern

d) Die kombinatorische Derivation


Der Wortbildungstyp der kombinatorische Derivation ist ein
Sonderfall, der selten ist.

63
Es handelt sich bei einer kombinatorischen Derivation immer um
eine Wortbildung, die an ein Basismorphem bzw. eine
Morphemkonstruktion ein Präfix und ein Suffix gleichzeitig anhängt:
singen Ge- sing -e
fragen Ge- frag -e
g(e)rad(e) be- grad -igen
 Die kombinatorische Derivation ist im Bereich des Substantivs nur
noch bei Ableitungen mit Präfix Ge- produktiv.
 Der Wortbildungstyp kombinatorische Derivation kommt am
häufigsten als deverbale Derivation mit den unmittelbaren
konstituenten Ge- + -e vor. (bezeichnet in Bildungen mit Verben
(Verbstämmen) ein andauerndes Tun, Geschehen).
Ge-bäud -e , Ge-renn-e, Vor-ge-sag-e......

 Die implizite Derivation


Bei der impliziten Derivation handelt es sich um einen
Wortbildungstyp, bei dem ein Basismorphem oder eine
Morphemkonstruktion ohne jegliche Ableitungsaffixe in eine neue
Benennungseinheit überführt wird.
Die so entstandene Wortbildung ist nicht in unmittelbare
Konstituenten zu gliedern. Vielmehr ist diese Derivation als Ganzes
64
durch ihre formale und inhaltliche (semantische) Beziehung motiviert
und wird daher auch als innere Ableitung bezeichnet.
 Die implizite Derivation betrifft in erster Linie die deverbale
Substantivierung und geht immer mit einer
Wortklassenänderung einher.
Eine implizite Derivation liegt zum Beispiel vor, wenn aus einer
verbalen Wortbildungsbasis nur durch die Änderung des
Stammvokals und ohne Hinzufügung von Affixen ein Substantiv
abgeleitet wird:
fliegen Flug
werfen Wurf
gehen Gang
entwerfen Entwurf
trinken Trank
abbrechen Abbruch
greifen Griff
ziehen Zug
zwingen Zwang
fortschreiten Fortschritt

65
Definition implizite Derivation
Bei der impliziten Derivation wird aus einem Basismorphem oder
einer Morphemkonstruktion eine neue Benennungseinheit gebildet.
Dies geschieht gänzlich ohne Wortbildungsmorpheme (Affixe),
sondern ausschießlich durch eine Änderung des Stammvokals.
Mit der impliziten Derivation geht ein Wortklassenwechsel einher.

Bauplan implizite Derivation

Wortart 1 durch internen Umbau zu Wortart 2


BM oder MK ➔ (Stammvokalwechsel) BM oder MK

➢ Bei der selteneren deverbalen impliziten Derivation von Verben durch


Änderung des Stammvokals zu einem neuen Verb abgeleitet. Die neu
entstandenen Verben sind die si genannten Kausativa wie tränken
aus trinken, fällen aus fallen sowie säugen aus saugen.
5.2. Konversion – Grammatische Umsetzung
Als Konversion (auch: grammatische Umsetzung) wird innerhalb
der Wortbildungslehre der Prozess bezeichnet, der ohne
Stammvokalveränderung und ohne Wortbildungsaffixe einen
Wortartwechsel bewirkt.

66
Durch Konversion entsteht aus einem Basismorphem (oder einer
MK) eine neue Benennungseinheit (= Konversionsprodukt) in einer
anderen Wortart.
Auch bei der Konversion ist, wie bei den Wortbildungstypen
Komposition und Derivation, eine vollständige inhaltliche und
formale Wortbildungsanalyse notwendig.
 Besonders produktiv ist die desubstantivische Verbkonversion.
Dabei entstehen Verben, die aus einer substantivischen Basis
gebildet sind:
filtern aus Filter
fischen aus Fisch
 Auch der Fall der Substantivbildung auf Verbbasis tritt häufig auf:
deverbale Substantivkonversion:
Blick aus dem Verb blicken
Knall aus dem Verb knallen
Rutsch aus dem Verb rutschen
Verfall aus dem Verb verfallen
Fall aus dem Verb Fallen

67
Definition Konversion:

Bei der Konversion entsteht eine neue Benennungseinheit dadurch, dass


ein Basismorphem (bzw. eine Morphemkonstruktion) in eine andere
Wortklasse überführt wird. Damit geht keine Stammvokalveränderung
oder Affigierung einher.

Dieser Wortklassenwechsel funktioniert auch bei Wortgruppen und


Sätzen.

Bauplan Konversion

Wortart 1 zu Wortart 2
BM oder MK keine ausdruckseitige Veränderung BM oder MK

Beispiele:

frühstücken aus Frühstück


Treff aus treffen
Stau aus stauen
 Nur selten gibt es deadjektivische Verben wie: kürzen aus
Kurz; oder Umsetzung von Wortgruppen wie (Die Kinder wollen)
Märchen lesen zu Das Märchenlesen und Das Schreiben der
Briefe zu Das Briefeschreiben.

68
 Nicht immer ist eindeutig zu klären, ob das Verb die
Ausgangsform für die Konversion eines Substantivs ist oder
umgedreht.
Während Abstrakta14 eher deverbale Bildungen sind (besuchen
➔ Besuch), sind Konkreta15 primär desubstantivisch Schaufel ➔
schaufeln.
Dies gilt logischerweise vor allem bei Geräten und Instrumenten:
Flöte ➔ flöten

Beispiele
BM ➔ BM
rufen Ruf
fluchen Fluch
schreien Schrei
Pumpe pumpen
Schock schocken
Geige geigen

14
abstrakte Substantive, die etwas nicht Gegenständliches benennen.
15
Substantive, die etwas Gegenständliches benennen.
69
5.3. Ausdruckskürzung
Die Tendenz zur Verkürzung von Wörtern und Wortbildungen
gehört zum Prinzip sprachlicher Ökonomie und ist im Deutschen
recht häufig. Die Wortbildungstypen der Ausdruckskürzung lassen
sich folgendermaßen gliedern:
1. Kurzwörter
Kurzwörter sind aus einem komplexen Wort durch
Verkürzung gebildete Varianten des Ausgangswortes.
Man unterscheidet drei Typen:
a. Kopfwort
b. Schwanzwort
c. Klammenform

Bei einer Kurzwortbildung entsteht kein neues Wort als


Einheit des Lexikons, sondern vielmehr eine Wortvariante.

a. Kopfwort
Hier bleibt der erste Bestandteil eines Wortes, eben der
Kopf, erhalten, der zweite Bestandteil fällt weg:
Kilo Kilogramm
Profi Professioneller

70
Uni Universität
Demo Demonstration
Auto Automobil
Lok Lokomotive
Bio Biologie
Foto Fotoapparat
Foto Fotografie
Ober Oberkellner
Krimi Kriminalroman

b. Schwanzwort
Hier wird nur der letzte Bestandteil einer Wortbildung
verwendet. Der oder die ersten Bestandteile fallen weg:
Rad Fahrrad
Band Tonband
Bahn Eisenbahn
Bus Omnibus
Platte Schallplatte
Kapitän Mannschaftskapitän

71
c. Klammerform
Wenn der erste und der letzte Bestandteil einer
komplexen Wortbildung erhalten bleiben und nur der
mittlere Bestandteil (=ein Basismorphem) entfällt, dann
spricht man von Klammerformen:
Ozonloch Ozonschichtloch
Flugführer Flugzeugführer
Polarforscher Polargebietsforscher

2. Abkürzungswörter
Ein Abkürzungswort wird aus den Anfangsbuchstaben oder
Anfangssilben mehrerer Wörter oder mehrgliedriger
Wortbildungen gebildet:
LKW Lastkraftwagen
ICE Intercityexpress
EDV Elektronische Datenverarbeitung
U-Bahn Untergrundbahn
Onko Ohne Koffein
Azubi Auszubildender

72
3. Kontamination
Als Kontamination bezeichnet man eine Wortbildung bei
der zwei Ausdrücke in Teilen zu einem Ausdruck kombiniert
werden und dadurch zu einem neuen Wort fusionieren.
Der neu-gebildete kontaminierte Ausdruck ist in seiner
Bedeutung mehr als die Summe der Einzelbedeutung,
sondern geht darüber hinaus:
Kurlaub Kur+ Urlaub
tragikomisch tragisch + komisch
Telematik Telekomunikation+Informatik
verschlimmbessern verschlimmern+verbessern

73

Common questions

Auf Basis von KI

Die Komposition ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Wortbildung und unterscheidet sich von der Derivation durch die Zusammensetzung von Basismorphemen (freien Morphemen) zu einem neuen Wort, wobei jedes Kompositum aus zwei Gliedern besteht . Häufig ist das zweite Glied dabei bestimmend für die Wortart und das Geschlecht des Kompositums . Im Gegensatz dazu beinhaltet die Derivation typischerweise die Kombination eines Basismorphems mit einem Affix, wodurch neue Wortformen gebildet werden können, ohne zwangsläufig neue Wörter zu erzeugen .

Fugenelemente dienen in der Komposition dazu, die Lesbarkeit und Klarheit der Wortbildung zu verbessern, indem sie die Verbindung von Morphemen flüssiger machen . Sie unterstützen die Sprachökonomie, indem sie helfen, längere syntaktische Konstruktionen in kompakte, leicht interpretierbare Formen zu überführen, was ein charakteristischer Prozess in der deutschen Kompositionsbildung ist . Dennoch können sie auch zur Verwirrung führen, wenn der Gebrauch nicht einheitlich ist oder das Fugenelement semantisch irrelevant erscheint .

In der Wortbildung wird zwischen expliziter und impliziter Derivation unterschieden, um die unterschiedlichen Methoden zu charakterisieren, wie neue Wörter gebildet werden . Die explizite Derivation verwendet Affixe (Präfixe oder Suffixe) zur Änderung des Basismorphems, während die implizite Derivation völlig ohne solche Affixe auskommt, stattdessen eine innere Veränderung des Stammvokals oder der Struktur bewirkt . Diese Unterschiede verdeutlichen die Vielfalt der morphologischen Prozesse in der deutschen Wortbildung .

Es gibt vier Hauptarten von Komposita: Determinativkomposita, Zusammenrückungen, Possessivkomposita und Kopulativkomposita . Determinativkomposita sind die häufigsten und bestehen aus einem Grundwort (Determinatum) und einem bestimmenden Wort (Determinans), wobei das Determinans das Determinatum näher bestimmt . Zusammenrückungen fusionieren zwei Wörter zu einem, während bei Possessivkomposita ein Teil eine metaphorische Bedeutung entfaltet. Kopulativkomposita verbinden gleichwertige Teile, die unabhängig die Bedeutung tragen . Jedes dieser Komposita erfüllt unterschiedliche Funktionen und trägt zur Vielfalt der deutschen Wortschatzbildung bei .

Komposita entstehen durch die Zusammensetzung von zwei oder mehr Basismorphemen, wobei jedes Teil des Kompositums häufig aus freien Morphemen besteht . Diese Struktur erlaubt eine binäre Grundstruktur, die unendliche Kombinationsmöglichkeiten zur Schaffung neuer Bezeichnungen bietet . Im Gegensatz dazu beruht die Derivation auf der Modifikation eines Basismorphems durch das Hinzufügen von Affixen, wodurch neue Formen meist ohne vollständige semantische Transparenz der Einzelbestandteile geschaffen werden .

Ein Determinativkompositum ist dadurch charakterisiert, dass das erste Glied (Determinans) das zweite Glied (Determinatum) näher bestimmt. Es ist die häufigste Form der nominalen Wortzusammensetzung und im Gegensatz zu anderen Kompositatypen wie dem Kopulativkompositum, bei dem beide Teile gleichwertig sind, ist die Beziehung hier assymetrisch . Das Determinans gibt zusätzliche Merkmale und trägt meist den Hauptakzent, während das Determinatum die Hauptaussage bestimmt .

Der Begriff ‚Univerbierung‘ beschreibt die Tendenz, Wortgruppen zu einem einzigen Wort zusammenzufassen . Dieser Prozess spielt in der Wortbildung eine wichtige Rolle bei der Verstärkung der Sprachökonomie, da mehrgliedrige syntaktische Strukturen zu einem Wort vereinfacht werden . Ein Beispiel hierfür ist "Parkplatz", der aus einer ausführlicheren Definition, wie "ein ausgewiesener Bereich, auf dem Fahrzeuge parken können", zu einem kompakten Ausdruck zusammenfasst wird .

Präfixe in der deutschen Wortbildung modifizieren die Bedeutung der Derivationsbasis, ohne typischerweise die Wortart zu verändern . Sie können zur Negation, Verstärkung oder Steigerung eingesetzt werden und tragen zu einer bedeutungsbezogenen Variation der Wörter bei . Oft haben Präfixe eine eingeschränkte inhaltliche Distribution und sind nicht beliebig kombinierbar, was ihre Bedeutung modifiziert und den semantischen Rahmen des Ausgangsmaterials erweitert .

Implizite Derivation ist ein Wortbildungstyp, der eine Änderung des Stammvokals ohne Hinzufügung von Affixen beinhaltet, um eine neue Benennungseinheit zu bilden . Dieser Prozess führt typischerweise zu einem Wortklassenwechsel, was bedeutet, dass die Wortart der Derivationsbasis geändert wird, wie etwa aus einem Verb ein Substantiv wird . Beispiele hierfür sind die Umwandlungen von "fliegen" zu "Flug" oder "werfen" zu "Wurf" .

Die Zusammenbildung ist ein Spezialfall der expliziten Suffixderivation, bei der die Derivationsbasis eine Wortgruppe ist, an die ein Suffix tritt . Im Gegensatz zur standardmäßigen Suffixderivation, die ein einfaches Basismorphem mit einem Suffix kombiniert, nutzt die Zusammenbildung eine komplexere Struktur, was oft zu problematischen Paraphrasen führt . Dies zeigt sich darin, dass Paraphrasen nicht immer direkt aus den Konstituenten ableitbar sind, wie z.B. bei „zweistöckig“ .

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