Studienhefte Zur Altertumswissenschaft 1 Bruno Snell Griechische
Studienhefte Zur Altertumswissenschaft 1 Bruno Snell Griechische
Von
Bruno Snell
1. Auflage 1955
2. Auflage 1957
3. Auflage 1962
Snell. Bruno:
Griechische Metrik / von Bruno Snell. — 4., neubearb, Aufl. —
Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1922,
ISBN 3-525-25318-4
NE: GT
. Einleitung ..........2ccseeccneesenneeeesnerssenennenenen
κεν 1
1. Literatur .... «νον ον εν νννννννν κεν ννν e hm
2. Zeichenerklärung .......0ὐὐν ον νννν κεν ννεννεν εν εν κεν εν nenne 2
3. Poetische Sprache und quantitierende Metrik ................ 4
4. Perioden................eeeeeeeeeee
εν εν eene 7
δ. Metren ...........sseeeesseelleeeeeee ehh 7
6. Metrische Ετθι μοϊΐθῃ...... Ὁ ννν νον εν νον εν εν νννν κε νεν εν nnne 8
7. Sing- und Sprechverse .. .... «νον ν νυν νιν κ νειν νεννννν εν κεν νενενν 9
E. Prosodie .....................ssseeeesseee
eene 66
1. Quantität ....... «ον ννννννννννννννννννν
ehh hh ra 65
8) Positionslänge ..............eeeeeeeee nn 65
b) Silbendehnung und -kürzung ................ eene 61
F. Νδοβμβμνογῦ........ννννγνννννν
νιν νιν κεν εν εν In 71
Register ...{{νννννενννννννν
κεν ννν εν εκ ee] hn 73
1. Stellenregister ...... sees 73
2. Personen- und Sachregister ....................Luulueeessee. 74
A. EINLEITUNG
1. Literatur
Das wichtigste Werk zur Geschichte der griechischen Metrik ist: Ulrich
v. Wilamowitz-Moellendorff, Griechische Verskunst, Berlin 1921; das
zuverlüssigste Hilfsmittel zur beschreibenden Systematik: Paul Maas,
Griechische Metrik, Leipzig 1923, 21929 (Gercke- Norden, Einleitung in
die Altertumswissenschaft I. 7; englische Ausgabe von H. Lloyd-Jones,
Oxford 1962, mit Ergänzungen auch von P. Maas). W. J. Koster, Traité
de métrique grecque, Leiden ?1962, gibt sorgfáltige Einzeldarstellungen. Daa
neueste umfangreiche Werk von Carlo del Grande, La Metrica Greca, En-
ciclopedia Classica, Sez. II vol. V p. 133-513, Torino 1960, verfolgt dem-
gegenüber vor allem höhere Ziele: es möchte (trotz des Titels) nicht nur die
*Metrik', sondern vor allem die *Rhythmik' erforschen, d.h. den von der
Musik her zu deutenden Gang der gesungenen Verse; damit geht er über das
hinaus, was die vorliegende Darstellung erstrebt — was man auch lieber der
Textinterpretation überläßt. Leider nutzt er, wo es möglich (und daher auch
notwendig) ist, nicht die Exaktheit, die Paul Maas gelehrt hat. Er stellt aus-
führlich die antiken Theorien dar und gibt eine Geschichte der modernen
Wissenschaft über Metrik (wenn man da von ‘Geschichte’ reden darf, denn
neben den wenigen wichtigen Entdeckungen von Münnern wie Bentley,
Porson, Gottfried Hermann, Boeckh gibt es eigentlich nur ein Gewim-
mel von Absurditáten). In einem Anhang sammelt er die erhaltenen Noten-
texte (mit Abbildungen; s. jetzt E. Pöhlmann, Denkmäler altgriechischer
Musik, Nürnberg 1970, und dazu Annemarie J. Neubecker, Altgriechische
Musik. Eine Einführung, Darmstadt 1977). Die Indices erschließen ein
reiches Material antiker Autoren und ihrer Terminologie. — Reich an Bei-
spielen ist K. Rupprechts Einführung in die griechische Metrik, München
31950; kürzer (aber ausführlicher über das Porsonsche Gesetz) ist sein
AbriB der griechischen Verslehre, München 1949. Den Zielen, die del
Grande sich gesteckt hat, versucht in gewissem Maß Dietmar Korze-
niewski nachzustreben in seiner Griechischen Metrik, Darmstadt 1968
(dazu R. Kannicht, Gnomon 45, 1973, 113-134). Zum attischen Drama
vgl. A. M. Dale, The lyric metres of Greek drama, Cambridge 1948, ?1968.
Sämtliche Chorlieder der Dramen analysiert Otto Schroeder: Aeschyli
Cantica (1906, 21916); Sophoclis Cantica (1907, 21923); Euripidis Cantica
(1910, ?1928); Aristophanis Cantica (1909, 21930). Ausführlich interpretiert
die Chorlieder bei Aischylos und Sophokles W. Kraus, Strophengestaltung
2 Α. Einleitung
2. Zeichenerklürung!)
- longum (d.h. langes Element im metrischen Schema = Platz für eine
Lànge)
breve (Platz für eine Kürze)
c
1) Im Anschluß an P. Maas.
2. Zeichenerklärung 3
Ein kleiner Strich zwischen muta und liquida (r'p usw.) bedeutet, daB
diese Konsonantengruppe 'Position' bildet, s.u. S. 65f.
Durch ein Komma werden einzelne Metren voneinander abgetrennt, z. B.
im Trimeter (trim) « o, x-o-, x-u-, ebenso im Dimeter (dim), Tetra-
meter (tetr), Pentameter (pent), Hexameter (her), s.u. S. 12.
eine lange Silbe), andere eine Kürze (kurze Silbe), einige, durch Regeln be-
stimmbare, sind frei für Länge oder Kürze. Den Platz für eine Länge be-
zeichnet Paul Maas als ‘(elementum) longum’ (_), den Platz für eine Kürze
als' (elementum) breve’ (.), den Platz, an dem Länge oder Kürze stehen kann,
als ' (elementum) anceps' (.)). Im Deutschen, bei dem "betonenden’ Rhyth-
mus, sind solche strikten Platzanweisungen schwieriger zu erfüllen, da könn-
ten etwa die Worte: „Habe nun, ach, Philosophie . . .'' einen daktylischen
Hexameter einleiten (Hábe nun, ách, Philósophíe . . .), man könnte sie aber
auch choriambisch messen (Hábe nun, äch, Phílosophfe ...) oder gar
iambisch (Habe nun, ách, Philósophíe ...), was die folgenden Verse sogar
nahelegen.
Da das Griechische den Rhythmus auf so feste Basis stellt!?), kann es
klare "metrische’ Formen ausbilden; tatsächlich sind die kunstvollen Vers-
maße der abendländischen Dichtung abhängig von der Metrik der Griechen.
Verse, die nur aus Längen oder nur aus Kürzen bestehen, sind unrhythmisch,
wenn sie nicht durch Wortenden gegliedert sind!!).
4. Perioden
Die griechischen Verse sind, wie Aug. Boeckh erkannt hat, durch
‘Pausen’ gegliedert; eine metrische Einheit hebt sich gegen die folgende ab
durch das geforderte Wortende, durch den Hiat, der hier erlaubt ist (s.u.
S. 69), und dadurch, daB jeweils das letzte Element anceps ist!*). Durch
solche Pausen begrenzte Stücke heiBen Perioden. Im metrischen Schema
wird Pause durch | markiert. Diese Perioden sind jeweils die Einheiten, von
denen eine metrische Analyse auszugehen hat. Bei lyrischen Versen ist vor
allem davor zu warnen, die Teile von Perioden so zu behandeln, als ob sie
selbständig existierende Stücke würen!?) In den Sprechversen (s.u. S. 9)
bildet jeweils ein “Vers’ eine Periode.
Sophokles und die Komodie haben gelegentlich am Ende einer Periode
(d.h. am Ende des iambischen Trimeters) nicht volles Wortende, sondern
Elision (Oed. R. 332 τί ταῦτ᾽ [ἄλλως ἐλέγχεις)5). Aristarch nahm diese
Freiheit auch für den homerischen Hexameter bei dem Akkusativ Ζῆν᾽
(© 206, Ξ 265, Ω 331) an (vgl. Mette, Pfeilschuß des Pandaros 8,2). Kalli-
machos erlaubt sie sich einmal im Übergang vom Hexameter zum Penta-
meter (ep. 41,1). Bei Sappho 31,9/10 wird man elidiertes δ᾽ am Perioden-
ende anzuerkennen haben (vgl. Maas, Metrik $ 139).
Hephaistion 4,6 p. 15 Consbr. gibt zwei Beispiele dafür, daB Dichter
in Distichen einen Eigennamen, der sich sonst dem Metrum nicht fügt, auf
Hexameter und folgenden Pentameter so verteilen, daß die Kompositions-
fuge des Eigennamens in das Periodenende fällt (Sim. fr. 76 D. = Epigr.
Gr. 81 P. ’Apıoro- | γείτων 15), Nikomachos II p. 316 B* ᾿Απολλό- | δωρος).
b. Metren
Griechische Verse sind “nach Metren' (κατὰ μέτρον) gebaut oder 'nicht
nach Metren'. Die nach Metren gebauten Verse bilden eine Periode dadurch,
übrigens auch die Akzente weitgehend respondieren. Siehe auch Dion. Hal.
comp. 17 p. 68sqq. U.-R. (Mel. ad. 1027 Page).
13) Da dieses anceps durchaus anderer Natur ist als dasjenige, das als erstes
Element im Iambus (s. S. 19), als letztes Element im Trochäus (s. u. S. 23)
oder in der äolischen Basis (g. u. S. 43f.) erscheint, empfiehlt es eich, mit Paul
Maas eine im ‘finale’ vor der Pause auftretende Kürze als 'brevis in longo' zu
bezeichnen, denn im langen Element darf die kurze Silbe erscheinen, weil die
folgende Pause ihr Zeit leiht.
3) Vgl. z.B. S. 63 bei Dochmien.
M) Zu diesem εἶδος Σοφόκλειον vgl. G. Zuntz, An Inquiry into the Trans-
mission of the Plays of Euripides 232f.; 8. auch u. S. 68, 14.
15) Ähnlich auf dem 2. der von Trypanis veröffentlichten Epigramme aus
Chios, wenn die Ergänzung von Lloyd-Jones richtig ist: '"Aptoro-||]yelrovos
αἰχμητ[οὔ σῆμα x«l 'ApuoBlou (Hermes 88, 1960, 69). Weiteres bei R. Kassel,
ZPE 19, 1975, 213f.
8 A. Einleitung
daß ein bestimmtes “Metron’ (wie wir heute sagen) wiederholt wird. Eine
Periode aus 2 Metren heißt Dimeter, eine aus 3 Trimeter, eine aus 4 Tetra-
meter, eine aus 5 Pentameter (obwohl dieser Terminus gewöhnlich in un-
genauem Sinn verwandt wird, s.u. S. 16f.), eine aus 6 Hexameter. Das letzte
Metron vor der Pause ist bisweilen gekürzt ('katalektisch'). Die wichtigsten
Metren 8.0. S. 3f.
6. Metrische Freiheiten
16) S. u. S. 66.
17) Zum "anceps’ vgl. E. Rossi, Riv. fil. cl. 91, 1963, 52ff.
7. Sing- und Sprechverse 9
Eine andere Art freier Quantitäten zeigen die äolischen Verse: Sie sind
nicht κατὰ μέτρον gebaut — so fehlt ihnen das 'anceps' von Iambus und
Trochäus. Aber auch die Gleichung Doppelkürze = Länge ist in ihnen
streng verpónt: weder können (wie bei den Daktylen) zwei Kürzen 'zu-
sammengezogen', noch (wie im Iambus der Tragödie) Längen ‘geteilt’
werden.
Der Glykoneus, offenbar das äolische Urmaß, ist ein 8-Silbler, der
zwischen seinen festen longa zunächst zwei brevia und dann ein einzelnes
breve hat. Dafür stehen am Anfang zwei ancipitia: oo_uu_-u-; die strenge
Entschiedenheit der Lang-kurz-Ordnung wächst gleichsam aus einem
anfänglichen Zögern heraus.
Die hier kurz skizzierten (teils nur vermuteten) Zustände ändern sich in
der griechischen Dichtung zum Teil sehr wesentlich — offenbar auch
dadurch, daß die verschiedenen ursprünglichen Versformen wechselseitig
einander beeinflussen. Das ist weiterhin an den einzelnen Versmaßen zu
prüfen; dabei zeigt sich, wie dieser Prozeß einerseits die Ausdruckskraft
der Metren steigert, zugleich aber ihre Festigkeit bedroht.
1) Vgl. Maas, Gr. Metr. $76, Kannicht, Gnomon 46, 1973, 119. 123; zur
sog. παρακαταλογή der Komödie vgl. Franca Perusino, Quad. Urbin. 1,
1966, 90ff.
10 A. Einleitung
die Wortenden, die Plätze für longa, brevia usw.) wie für die Handhabung
der Wörter (ihre Silbenmessung, ihr soziales Niveau etc.), und es stellt sich
immer wieder die zentrale Frage: wie streng folgt hier oder dort der Autor
diesen Regeln; das hängt ab von seinem ‘Stil’: ist er streng, klassisch, feier-
lich, — oder aber lässig, natürlich, unprezios. Die Singverse dagegen ent-
wickeln sich dadurch, daß die Lyriker Persönliches sagen möchten und
dafür neue Formen suchen. Das wird sich im folgenden zeigen.
B. SPRECHVERSE
1) Von diesem strikten Gebrauch des Wortes weicht es ab, wenn man beim
iambischen Trimeter von 'Mitteldihürese' statt von Mittelzäsur spricht, wo das
2. Metron nach dem 1. longum durch Wortende geteilt wird (8. u. S. 19, Anm.30a
u. 21,36). — Über ,,Wortende'' im Sinne der Metrik s.u. S. 68 unter "Wortbild’,
über die gelegentliche Problematik von Wortenden bei Wortbildern und bei
Elisionen oder Aphäresen s. P. Maas, Gr. Metr. $$ 135ff., D. Korzeniewski,
Gr. Metr. 18f. — Bemerkenswert etwa ist, daB Archilochos Elision in der
Dihárese nur bei δ᾽ kennt, 8. West zu fr. 105,3; 108,2; 122,4.
12 B. Sprechverse
weiter gilt?): außerhalb der Mittelzäsur (oder -dihärese) darf nach Länge im
anceps kein Wort enden (Schema: .... S _v...).
Die wichtigsten Sprechverse sehen im metrischen Schema, wenn man die
einzelnen Metra durch Komma voneinander trennt, so aus:
der daktylische Hexameter (= 6 da. |):
-US, 2S, -Um, -US, -vve, --]
der iambische Trimeter (= 3 ia):
Xl, KV, x-v-|
2. Daktylische Hexameter*)
Der älteste uns bekannte griechische Vers ist der daktylische Hexameter,
in dem die homerischen Gedichte abgefaßt sind und der, da im Griechischen
ein Versmaß und eine bestimmte Dichtgattung weitgehend aneinander
gebunden bleiben, der epische Vers ist. Auch für Lehrgedichte benutzte
man ihn seit Hesiod.
Im Daktylus (_..) sind das longum und die zwei brevia insofern gleich-
wertig, als an die Stelle der zwei Kürzen fast immer auch eine Länge treten
kann), nicht aber kann das Longum durch zwei Kürzen gefüllt werden.
Maas bezeichnet daher die zweite Hälfte des Daktylus als “biceps’ (notiert
o) — wir sprechen lieber von 3silbigen (_..) oder 2silbigen (--) Daktylen.
Der 6. Daktylus des Hexameters ist katalektisch (... ||).
Die Zäsur des Hexameters liegt, da sie den Vers in zwei annähernd (aber
nicht genau!) gleiche Teile zerlegen und da nach dem Gesetz der wachsenden
Glieder der zweite Teil womöglich länger sein soll, hinter dem dritten
longum:
μῆνιν ἄειδε, 9e, | Πηληϊάδεω ᾿Αχιλῆος,
oder hinter dem “3. Trochäus’:
ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον, ὃς μάλα πολλά),
selten dagegen (etwa alle 100 Verse einmal, zumeist bei Eigennamen) nach
dem 4, longum
A 145: ἢ Αἴας f ᾿Ιδομενεὺς | ἢ δῖος ᾿Οδυσσεύς,
wobei dann häufig eine Zäsur nach dem 2. longum hinzutritt, so daß der Vers
in drei einander fast gleiche, aber immer länger werdende Teile geteilt
wird!?). Das Schema für die Zäsuren ist also etwa:
-- — (Ὁ
Lv 1 vViv-ivve-v€- «| .
Selten dagegen (etwa in jedem 1000. Vers) findet sich Wortende nach dem
“4 Trochäus’ (die sog. Hermannsche Brücke!!). Solcher Einschnitt würde
?) Cicero nennt solchen Vers, der bei den römischen Dichtern seiner Zeit
besonders beliebt war, σπονδειάζων.
9) Doch vgl. ı 306 'Hà δῖαν, ὃ 604 κρῖ λευκόν, wobei ᾿Ηῶ < 'Hóa.
9) Zäsur hinter dem longum wird gelegentlich als 'männlich’, die um ein Ele-
ment später liegende als ‘weiblich’ bezeichnet. — Da die Zäsuren sich so aus
der Gliederung des Hexameters erklären lassen — Entsprechendes werden wir
im iambischen Trimeter wiederfinden, — besteht kein Anlaß, sich den Hexa-
meter aus den durch eine Zäsur getrennten Stücken zusammengesetzt zu den-
ken und diese Teile womöglich für Urverse zu halten; s. u. 8. 37-39.
1) O. Behagel, IF 25, 1909, 110-142. — Dies “Gesetz’ haben schon die
Humanisten beobachtet: s. E. Lindholm, Stil. Stud. z. Erweit. d. Satzglieder
im Lat., Lund 1931, 15ff.; L. E. Rossi, Stud. Urb. 39, 1965, 255 über Homer.
1) Gottfried Hermann, Orphica, 1805, 692. Inzwischen hat sich allerdings
herausgestellt, daB schon vorher Johann Heinrich Voss das Unschóne solcher
14 B. Sprechverse
den Eindruck erwecken, der Vers sei als daktylischer Tetrameter mit Kata-
lexe zu seinem Ende gekommen, und der Vers bekommt etwas Klapperndes,
da der gleiche Klang zwei Metren später am Versschluß wiederkehrt:
Hes. theog. 319 4 δὲ Χίμαιραν ἔτικτε πνέουσαν | ἀμαιμάχετον πῦρ |.
Im Lateinischen und Deutschen (Ausnahmen: Voss und Hermann) ist
man gegen solche Hexameter weniger empfindlich (,, Pfingsten, das liebliche
Fest, war gekommen. Es grünte und blühte'"). Der angeführte Hesiod-
Vers klappert vollends dadurch, daß auch nach dem ‘2. und 3. Trochäus’
Wortende ist. Nach dem 3. Trochàus' ist die normale Zäsur; nach dem 2.
dagegen vermeidet Homer eher das Wortende, und erst recht nach dem
2silbigen 2. Daktylus!?). Auch am Anfang scheut man also den Anschein,
mit einem katalektischen Dimeter sei ein Haltepunkt erreicht. Dagegen ist
Wortende nach 3silbigem 4. Daktylus häufig (bukolische Dihárese); solche
Dihärese weckt die Erwartung, daB der Vers fortgesetzt wird.
Die verschiedenen Einschnitte und der Wechsel von 3- und Zsilbigen
Daktylen machen den Hexameter außerordentlich bildsam: er kann sich
dem Inhalt der Worte auf mannigfache Weise anpassen. Im allgemeinen
malen die 2silbigen Daktylen eher eine langsame, schleppende Bewegung,
vor allem die σπονδειάζοντες, wie A 600
ὡς ἴδον Ἥφαιστον διὰ δώματα ποιπνύοντα,
die 3silbigen dagegen eher eine hurtige, wie X 598
αὖτις ἔπειτα πέδονδε χυλίνδετο λᾶας ἀναιδής (8.0. S. 4).
Es ist mißlich, allgemeine Regeln über dergleichen aufzustellen, wohl aber
kann die Einzelinterpretation oft das Treffende oder Schöne bestimmter
Versformen aufweisen — gerade wenn sie regelwidrig sind ?).
Die Frage, ob im älteren Epos mit 'akephalen' Hexametern (|| "’u._....)
oder mit sog. στίχοι μείουροι (oder μύουροι, antiker Mustervers: M 208
. . . αἰόλον ὄφιν, . .. -o |), also mit der metrischen Freiheit zu rechnen ist,
daB im longum des 1. und 6. Daktylus auch eine Kürze erscheinen kann,
oder aber, ob es sich dabei um die prosodische Freiheit der metrischen
Dehnung (darüber s.u. S. 20) handelt und die dort auftauchenden kurzen
Silben lang gemessen werden kónnen, ist noch nicht endgültig geklàrt (vgl.
Verse erkannt und sie auch in seinen Übersetzungen vermieden hat, vgl.
Rudolf Kassel (s. o. S. 4, 4) 22 Anm. zu 10, 30.
13) K. Meister (8.8.0. 5) unterscheidet allerdings nicht zwischen Ende nach
2silbigem oder 3silbigem Daktylus; 8. auch H. N. Porter, The early Greek
Hexameter, Yale Class. Stud. 12, 1951, 3-63, und H. J. Mette (s. o. 8. 12, 5).
13) Der zuletzt angeführte Vers mit viermaligem Wortende nach der ersten
Daktylos-Kürze und den zwei aufeinanderfolgenden Wörtern der Form | ._. |
klappert besonders schön, weil er das Rollen des Felsens malt (es kommen
hinzu noch die Lautwiederholungen -τὶς ^ -ta, -Sovde » -Aw8e), während in
dem zitierten Hesiod-Vers die drei | -ὦ |-Wórter recht peinlich wirken.
2. Daktylische Hexameter 15
etwa K. Witte, Rh. Mus. 70, 1915, 481ff.). Ähnlich steht es mit der Frage,
ob man die sog. στίχοι λαγαροί anzuerkennen hat, d.h. Verse, in denen am
Anfang oder im 4. Metron _. statt _.., erscheint (Witte, 6.6.0. 522f.)154).
Da die bei Homer als sicher angenommenen Fälle Wortende nach dem
breve haben, erhebt sich die Frage, ob hier allenfalls Längung der Endsilbe
anzunehmen ist, also nicht eine rhythmische, sondern eine prosodische
Anomalie (s.u. S. 43). Wilamowitz rechnet bei Hesiod mit “Trochäus im
ersten Fuß’, auch ohne daß Wortende danach vorhanden ist1*).
Die Zäsuren des Verses macht man dadurch sinnfälliger, daß man vor
ihnen längere Wortbilder anstrebt. Da der Einschnitt nach dem “2. Tro-
cháus' und nach dem 2. Daktylus nicht ins Ohr fallen darf, muB, wenn nicht
vor oder hinter dem 2. longum Wortende ist, ein einziges Wort, beginnend
im ersten Metron, bis zur Züsur des 3. Metrons reichen (das sog. erste
Meyersche Gesetz, vgl. Wilh. Meyer, S. Ber. bayr. Ak. 1884, 1004, for-
muliert im Anschluß an Herm. Fränkel). Etwas Neues gegenüber dem eben
schon Festgestellten besagt dies Meyersche Gesetz allerdings nur insofern,
als die Einschnitte nach dem '2. Trochäus’ und nach dem 2silbigen 2. Dakty-
lus, die an sich schon vermieden werden, ganz verboten sind, wenn vor oder
nach dem 2. longum kein Wortende ist.
Verse mit Züsuren nach 3. longum haben fast immer Nebenzäsur nach
dem 4. longum oder bukolische Dihärese oder beides??). Monosyllabon am
Versschluß, das in allen Dichtgattungen gemieden wird und sich bei Homer
etwa alle 50 Verse einmal findet, haben Kallimachos und Nonnos nur
nach bukolischer Dihärese.
c) Das Distichon
Die *Elegie' und das 'Epigramm' verbinden den Hexameter mit dem
Pentameter zum “Distichon’. Das Schema ist:
-vs-vs-iv ἢ υ-σύ-υὐ-.
Schon
„5 ||
im Altertum dachte man sich den Pentameter entstanden aus der
Wiederholung des "halben Hexameters’, des Hemiepes, d.h. des Kolons
μῆνιν ἄειδε ϑεά (Hephaest. p. 51, 20C.)?!). Da er tatsächlich nicht als selb-
im 4. Metron der Einschnitt nach dem Trochäus strenger vermieden wird als
der nach dem Spondeus, während es im 2. Metron umgekehrt ist, wird daran
liegen, daß im Hexameter-Anfang die Quantitäten-Folge -,. » | nicht leicht
als Katalexe und Periodenende mißverstanden werden kann, während im
anderen Fall der Anschein eines Tetrameter-Schlusses entstehen kónnte. Dar-
über, daß auch für die lyrischen Daktylen ursprünglich wohl der Dimeter und
nicht das einzelne Metron die Grundeinheit ist, daß sie also, wie man sagt, nicht
κατὰ μέτρον, sondern κατὰ συζυγίαν gebaut sind, s. u. S. 25ff.
30) Verse ohne Mittelzäsur bespricht W. Bühler, Die Europa des Moschos,
1960, 221, zumal solche, bei denen ein zásurloser Platz zwischen Präposition
und zugehórigea Wort fällt, sei es bei vorangestellter oder bei (mit Anastrophe)
n&chgestellter.
31) Der Name Pentameter führt also irre, denn es handelt sich nicht um fünf
Metren. Näheres über die Entstehung des Hemiepes s. o. S. 13. — Über Ge-
dichte nur aus Pentametern, mit vorangestelltem Pentameter usw. s. Schmid-
Stählin, Gesch. d. gr. Lit. I 4, 1046, 475,13. Über die ältesten Distichen vgl.
P. H. Hansen, Glotta 56, 1978, 1994. Schon der Antike war der Pentameter
ein ästhetisch wirkungsvoller *'Abklang' des Hexsmeters, wie H. Homme]
zeigt: ‘Über den Ursprung des Epigramms', Symbola 1, 1976, 43-54. Weiteres
dazu s. u. S. 39.
3. Trimeter und Tetrameter 17
Würde man sich Iambus und Trochäus aus jeweils zwei ‘Füßen’ zusam-
mengesetzt vorstellen, könnte man glauben, daß, wenn beim Iambus die
beiden durch geteiltes longum entstandenen Kürzen von dem dazugehórigen
— d.h. vorhergehenden — breve oder anceps gern durch Wortende
getrennt werden (.i.. oder «i..), entsprechend beim Trochäus die beiden
durch Auflösung des longum entstandenen Kürzen von dem darauf fol-
genden breve oder anceps getrennt würden (..i. oder uuix). Gerade das
ist aber nicht der Fall. Bei den geteilten longa der Tetrameter ergibt sich
vielmehr nach den Untersuchungen von À. M. Dale (Anm. 24), die durch
Irigoin 8.8.0. 72 noch etwas ergänzt sind, folgendes: Bei aufgelöstem lon-
gum darf zwischen die so entstandenen Kürzen kein Wortende fallen; bei
aufgelostem 2. longum eines trochäischen Metrons ist Wortende zwischen
Das zeigt deutlich, daß die Regelung des Wortendes nichts mit den
angeblichen *Füfen' zu tun hat, sondern daß Wortende vermieden wird,
wenn es eine vorhergehende Kürze zu sehr längen würde. Zwei durch Auf.
losung eines longum entstandene Kürzen beanspruchen offenbar mehr Zeit
also die dort eigentlich zu erwartende lange Silbe, und diese Zeit darf nicht
noch durch Wortende belastet werden.
8) Iambische Trimeter®)
Schon vor die Zeit des Archilochos und der jonischen Iambographen
gehört vielleicht der dem Homer zugeschriebene 'Margites', in dessen Hexa-
meter einige Trimeter eingestreut waren, von denen aber nur wenig erhalten
ist??) Die Trimeter der Iambographen, der Tragödie und der Komödie
weichen voneinander stark ab sowohl in der Regelung der Längen und
Kürzen wie in der der Wortenden.
Die Zäsur nach dem 2. anceps ist häufiger als die nach dem 2. breve,
so daß auch hier wie beim Hexameter der 2. Teil des Verses meist länger
ist 818 der erste). Mittelzäsur (Wortende nach dem 3. longum) kennen
die alten Iambographen nicht. Aischylos und Sophokles haben sie selten,
Euripides hat sie öfter, aber mildert sie durch Elision (z.B. Her. 456
ὦ μοῖρα δυστάλαιν᾽ ἐμή τε καὶ τέκνων) 395).
Die alten Iambographen kennen Teilung der longa nur bei längeren
Wörtern, in denen sich Kürzen hàufen?!). Die älteren Tragiker sind mit der
Teilung der longa noch sehr zurückhaltend; Euripides hat in den frühen
Stücken 5-6 Fälle auf 100 Verse, steigert dies aber allmählich bis zu 35-38
Fällen in den späteren 53), Da die Entwicklung bei Euripides, die Gottfried
Hermann zuerst erkannt und Zielinski im einzelnen verfolgt hat, beson-
ders interessant ist und manches für das rhythmische Empfinden lehrt,
gebe ich (nach Zielinski) deren wichtigste Züge: Ursprünglich läßt Euri-
pides in jedem Vers höchstens eine Teilung des longum zu, und zwar am
ehesten des 3.; 1. und 4. longum werden fast nur bei benachbartem kurzen
anceps, das 5. überhaupt nicht geteilt, das 2. nur bei Zäsur hinter dem
nachfolgenden anceps (über den Grund hierfür s. D. Korzeniewski, Gr.
Metr. 58). Geteiltes longum findet sich — abgesehen vom ersten — nur
im Wortanfang (Ausnahme: Med. 375 und 505). Auf die kurzen Vokale
der beiden Kürzen eines geteilten longum folgt keine muta cum liquida
(in den ältesten 3 Stücken des Eur. nur 2 Ausnahmen: Med. 1341, Hercld.
68933)). Geteiltes longum gibt es nur innerhalb 3- oder mehrsilbiger Wort-
bilder. Das 1. anceps kann in mehr als 2silbigen Wortbildern, zumal Eigen-
namen, geteilt werden. Geteiltes 2. und 3. anceps und 1. und 2. breve
kommt bei Eigennamen vor.
Bei den Tragikern und Komikern kann der 1. Iambus gelegentlich durch
Choriambus ersetzt werden (s.u. S. 33). Für die Regelung der Wortenden ist
am wichtigsten das Porsonsche Gesetz (s.o. S. 12,2), das für alten Iambus
und Tragódie ausnahmslos gilt, weniger streng für das Satyrspiel, nicht
dagegen für die Komódie?*). Für die Trimeter und Tetrameter der archai-
schen Lyrik gilt außerdem, daß nicht gleichzeitig hinter vorletztem und
drittletztem longum ein Wort enden darf; verboten ist also ein Versende wie
Aischylos Pers. 178
oder 293 ᾿Ιαόνων γῆν οἴχεται | πέρσαι | ϑέλων |
ὅμως δ᾽ ἀνάγκη πημονὰς βροτοῖς φέρειν
81 Und zwar im 1., 2. und 3. longum: Archil. 22,2 ἐρατός, 19,3 μεγάλης,
49,7 περὶ πόλιν, 112,6 διὰ πόλιν, Sol. 37, 1 διαφάδην (vgl. Alkm. fr. 1,56), Sem. 10
διὰ λόγων (Nauck). Ähnlich im 1., 3., 5. und 6. longum des troch. Tetrameters:
Archil. 114,1 διαπεπλιγμένων, 133,1 περίφημος, 128,5 καταπεσών, 129 παρὰ φίλων,
122,2 ϑαυμάσιον, 122,8 ἐνάλιον, Sol. 33,3 περιβαλών (meist am Anfang eines
Wortes oder Wortbildes, nie mit Akzent auf der ersten Kürze, nur einmal —
außer bei Prápositionskomposita — auf der zweiten).
2) Th. Zielinski, Tragodumena, 1925, 140ff. J. Descroix, Le trimétre
iambique, Paris (Mácon) 1931. E. B. Ceadel, Class. Quart. 35, 1941, 66ff.
Wichtige neue Beobachtungen bei A. M. Dale zu Eur. Hel. X XV ff. Vgl. auch
K. Lee, Glotte 46, 1968, 54ff. und Am. Journ. Philol. 102, 1971, 312ff. zur
Versifikation der Komposite von δίδωμι, τίϑημι und βάλλω.
93) Vgl. J. Irigoin, 8.8.0. 75. Weiteres zur Quantitát der Silbe vor muta
cum liquide u. S. 66ff.
*4 Auch nicht für Epicharm, vgl. Ernst Wüst, Rh. Mus. 93, 1950, 340f.
3. Trimeter und Tetrameter 21
c) Trochäische Tetrameter
Beim Trochäus können wir ausnahmsweise Bestimmtes über die Art
einer Wirkung sagen: Schon sein Name bezeichnet ihn als ‘laufend’, und
so malt er z.B. häufig ein eiliges Auftreten von Personen (vgl. schol. Aristo-
phanes, Ach. 204). Für Aristoteles, poet.4, 1449a 21 geht der Ersatz
des trochäischen Tetrameters durch den iambischen Trimeter in der Tra-
gödie parallel mit ihrem Feierlich-Werden (vgl. auch etwa rhet. 3,8, 1408b
36 ὁ δὲ τροχαῖος κορδακικώτερος), — Näheres hierzu bei R.Kannicht,
Gnomon 45, 1973, 117. — Der Sprechvers, in dem der Trochäus bei
weitem am häufigsten erscheint, ist der katalektische Tetrameter mit
Mitteldihärese: 2 tro | 2 tro. | ϑυμέ, ϑύμ᾽ ἀμηχάνοισι κήδεσιν κυκώμενε (Archil.
fr. 128W.).
Die Zerlegung der Periode durch die Mitteldihärese unterscheidet sich
von der Teilung durch Zäsur bei Hexameter und Trimeter dadurch, daß die
2. Vershälfte nicht länger ist, sondern gekürzt (katalektisch); sie hat Klausel-
charakter.
Daß bei den archaischen Dichtern (Archilochos, Solon, Hipponax)
auch für ihre Tetrameter die Gesetze von Porson, Havet und Knox
gelten, ist schon S. 12,2 u. 20 gesagt; ebenso, daß in der Tragödie Porsons
Gesetz gilt.
Die Komódie gestattet statt der Mitteldihürese gelegentlich eine Züsur
vor dem 2. anceps:
:
-wu-x-e-ix: -v-x-v-| ,
:
was diesen etwas starren Vers reicher gliedert*!).
Aus katalektischen trochäischen Trimetern besteht Kallimachos’
12. Iambus (zur Regelung der Wortenden vgl. E. Lobel, Hermes 70, 1935,
42); danach ist anzunehmen, daß auch Archilochos, für den Hephai-
stion (Ench. 6,2) einen solchen zitiert (197 W.), den Vers stichisch verwandt
hat (s.u. S. 40, 6). Wichtig wurde er vor allem für die Daktyloepitriten
(E «e, s.u. S. 63).
Bei Stesichoros findet sich an dieser Stelle auch einzelnes breve — zum
mindesten nach vorhergehenden ‘männlich’ auslautenden (d.h. mit festem
longum endenden) Daktylen:
219,1 cà δὲ δράκων ἐδόκησε μολεῖν 4 da.. |
κάρα βεβροτώμενος &x'pov v3da. |
(vgl. 187,3 und 210,1, offen bleibt, ob in Responsion mit einer Länge, so
daß also anceps anzusetzen ist; darüber im nächsten Absatz).
3. Das Ende einer daktylischen Reihe braucht nicht die Form ...-u.--||
zu haben (... 2 da. |), sondern kann auch stumpf enden:
ἐνανυς. (notiert: 2 ἀα..),
oder gar: ...-vu-u_] (notiert: 2 da” |),
oder: eO -vucv--] (notiert: 3 daz |).
Dieser letzte Schluß respondiert in Alkmans Partheneion fr. 1 mit dem
Schluß ..._u_uu_ (notiert: 3daZ2Z- ||), — ist also kein angehängtes tro-
chäisches Metron oder dergleichen, sondern eine Responsionsfreiheit, die
(das ist kaum Zufall) am Ende der Strophe auftaucht: in der größeren
Kompositionseinheit ist nicht nur das letzte Element (wie in der Periode),
sondern sind die beiden letzten Elemente ancipitia. (Vielleicht darf man die
Hinkiamben zum Vergleich heranziehen, 8.0. S. 22°)). Mit Daktylen der
Form ....... schließt auch Ibykos in seinem Polykrates-Gedicht (fr. 282
P.) die Strophen (allerdings nicht in Responsion zu -..-...)9). Das legt
es nahe, in einigen Fragmenten diesen Daktylenausklang, der keinmal
innerhalb der Strophe vorkommt, als Strophenende zu nehmen. So ist offen-
bar in Stesichoros fr. 210 P., dem dann fr. 212 respondiert, die erste
Strophe der Oresteia erhalten:
& Μοῦσα, σὺ μὲν πολέμους ΣΤΡ 3 da.. |
ἀπωσαμένα μετ᾽ ἐμεῦ x 3 da... |
κλείουσα ϑεῶν τε γάμους
ἀνδρῶν τε δαῖτας - 5 dazz- |||)
sicher: Κύπριδος βάλλει codd.] -πριδι .Schosemann, Κύπριδος (εἰσλβάλλει Clemm,
(ἐσ.) Page.
5) Auf den δάχτυλος μείουρος Il. 12,208, der auf αἰόλον ὄφιν — οὐ.) | aus-
geht, läßt sich nicht bauen, s. Wilamowitz, G. V. 364 u. o. S. 14. — Länge
im vorletzten Element des Glykoneus (Wilamowitz, G.V.251) ist sicher
nichts Frühes, und es geht nicht an, sich aus der Tragödie etwas zu holen, um
Altes zu rekonstruieren. Entsprechende Asklepiadeen, die Wilamowitz zu-
versichtlich machten (411), sind zerplatzt (Alk. fr. 58,1; 13 L.-P.).
*) Die Epoden haben einen noch auffallenderen Klausel-Schluß _._- | v... |||
ἢ Das Folgende respondiert dann dem 1. Vers. — Fr. 211 und 219 müssen
dann zur Epode oder zur 2. Orestie gehören. Fr. 211 wird so zu gliedern sein:
«ον ὅτε (ξ)ῆρος | ὥρᾳ κελαδῇ χελιδών | =... vu-- | - 3 da, 2 -- |||. Die Deutung
des letzten Kolons von fr. 210 ^ 212 ist allerdings unsicher; es wäre such
-212?
möglich, es ele_ Di * e. ||| zu fassen, also als asynartetisch (s.u. S. 41, 8). Das
1. Singverse κατὰ μέτρον 27
Eine volle Strophe Alkmans ist vielleicht fr. 56; auch der triadische Bau
würde dafür sprechen:
4 da" |4 da- |
4 da" | 4 da- |
4da" |6daZz- || 15) vel 6da. |||? (Page)
Sicher kennen wir den Strophenaufbau von Ibykos' Polykrates-Gedicht
(282 P.)9):
ΣΤΡ 4da” | 4da--| 6daz-
EII -3da- |-3da- |--3da- |
pher*à10) | 2 da... 2 da ἢ.
Womöglich haben wir volle Epode (v. 1-7) und Strophe (8-12) auch in
fr. 286, da in v. 7 und 12 die charakteristische Strophenklausel erscheint 11):
EZTP3da"-|3da-- 7da- |4daz--
ἘΠ 3 da“- |3da-- |3da-- |
4 da” |4 da“ | 4da7" | 4 dazz-
Das spätere Vorkommen dieser Klausel bestätigt, daß wir sie bei den frühen
Chorlyrikern als Strophenklausel ansehen dürfen !?). Ohne daß die 'Strophen-
könnte sogar dadurch nahegelegt werden, daß jetzt bei Alkman fr. 3 der
Encomiologicus (s. u. 8. 41) als Abschluß von Daktylen aufgetaucht ist, und
zwar auch als Strophen-Ende. Dort ist die Deutung als encom gesichert durch
das auf das Hemiepes folgende anceps, während bei Stesichoros an beiden
erhaltenen Stellen eine Länge steht. Man müßte dann annehmen, daß Stesi-
choros den encom vorn um ein longum erweitert hätte, wofür es aber, soviel
ich sehe, aus so früher Zeit keinen Beleg gibt. — Zu diesem „Übergang von
Daktylen zu Daktyloepitriten‘ bei Stesichoros vgl. L. E. P. Parker, Lustrum
15, 1972, 41 und die von ihr angeführte Literatur, zumal aber R. Führer,
Gött. Gel. Anz. 229,1, 1977, 1-44, worauf näher einzugehen hier zu weit führen
würde.
8) Die 'Strophenklausel' kehrt bei Alkman noch wieder in fr. 91 = 6 da 77-
und vielleicht fr. 36 = 4 da 7-- und bei Ibykus in fr. 282 (— S 151) v... —
-€w3daT..
9) Dazu, daß das Gedicht an den Tyrannen Polykrates von Samos ge-
richtet ist, vgl. Dichtung u. Gesellschaft 119ff.
10) Zu dieser Notierung s. u. S. 45.
11) 1-7 könnte natürlich auch Antistrophe und 8-12 Epode sein; das ist un-
wahrscheinlicher, da in den frühen Beispielen die Epode länger als die Strophe
ist. Außerdem ist hinter V. 7 Interpunktion, wie auch in dem Polykrates-
Gedicht jede Epode mit Sinneseinschnitt endet.
12) Nach den Aufstellungen von E. Fraenkel (8. ο. Anm. 3) 166ff. kommen
solche Daktylenschlüsse an folgenden Tragödienstellen vor: Aisch. Hik. 526,
630, 846, Sept. 485, Prom. 166, Ag. 1024 und 1482, Eur. Or. 1300 — am
Strophenende oder zum mindesten als Abschluß der Daktylen (Eur. Or. 1300
mit den Hss. ἐμοῖσι). --- Das von Wilamowitz dem Antigenes zugeschriebene
Gedicht Diehl 5,144 hat Strophen der Form: 4da|ith||xex=| 4dal,.
Praxilla hat Daktylen der Form 5 da 7;- stichisch verwandt ('Praxilleion").
28 Ο. Singverse
klausel’ erhalten wäre, können wir vielleicht auch aus Alkmans fr. 17
etwas über Strophenbau und -umfang lernen, denn das Metrum scheint
gewesen zu sein (v. 38):
4 da“ |4da. |
4 da*" |4da. |
4da. |. [***]]].
Da wir so die ältesten Strophenformen der Chorlyrik kennengelernt haben,
mag eine kurze Bemerkung eingeschaltet sein über die Entwicklung des
Strophenbaus: während wir bei Alkman, zumal im Pariser Partheneion
(fr. 1), Strophen finden, die in sich triadisch gegliedert, aber nicht umfang-
reich genug sind, um sie in Strophe, Antistrophe und Epode aufzuteilen,
wachsen diese Gebilde bei Stesichoros und Ibykos so weit, daB man
Dreistrophigkeit annehmen muß.
Die Zahlen der Metren für den kenntlichen und erschlossenen Umfang
der Strophen sind etwa die folgenden:
Alkmans Partheneion: 8 - 8 + 18 = 34
fr. 56: 8 +8 - 10 = 26
fr. 3 = 26
fr. 27: 1213)
Stesichoros' Geryoneis fr. S7: 29 +29 + 27 = 851)
Iliupersis fr. S 88: 324- 32+ 41— 105!5)
Syotherai? fr. 222: Str. 231°)
(Pap. Lille: 31 - 31 4- 28 — 90)17)
Ibykos' Polykrates-Ged.: 14 -- 14 4- 16 — 44
fr. 286: 17 - 17 - 25 = 59
fr. 287: 25 - 25 -- x = 75?
13) Von Hephaistion als volle Strophe zitiert. Ob das Lied triadisch gebaut
war, ist unsicher. Immerhin fällt auf, daß der 3. Tetrameter mit Spondeus be-
ginnt und nicht Zäsur nach 3. longum hat.
14) Siehe R. Führer, Hermes 96, 1968, 675-684.
18) Vgl. R. Führer (s. o. S. 27.7) 11-14.
16) Die Strophen scheinen folgende Form gehabt zu haben: 8 da“ | 6 da. |
vu " da, | vu 2da .. |||; vgl. R. Führer, Hermes 97, 1969, 115f. Eine Epode ist
auf dem Papyrus nicht kenntlich. Vielleicht aber gehört fr. 221 P. dazu. Um-
fangreicher sind die Strophen von fr. 209, wohl ebenfalls von Stesichoros,
anscheinend mit 5x 6 = 30 Daktylen und 2 κ 3 + 2 = 8 Trochäen (darüber s.
o. S. 27.7 und u. 53.41).
17) Vgl. M. Haslam, Gr. Rom. Byz. St. 190, 1978, 29-57.
1. Singverse κατὰ μέτρον 29
Vgl. auch Eur. Hel. 164f.; die SchluDworte des Chors in Aristoph. Fróschen:
-ev-ev- | oo- 1 55: -v-- |. Eur. Suppl. haben 271-273, 283-285 diese strengen
Hexameter ; in 274-282 sind, soweit die Verse überhaupt herzustellen sind,
dektylische Dimeter und Tetrameter abzuteilen (etwas anders À. M. Dale,
p. 29ff., die weitere Beispiele anführt).
30) Die gleichen Lángen nebeneinander lassen keinen Rhythmus erkennen,
aber die Worttrennung (s.o. S. 6, 11) gliedert den Vers, sei es nach jedem
Metrum, sei es nach jedem festen longum. Vgl. etwa auch Aisch. Ag. 106 πειϑὼ |
μολπᾶν | ἀλκᾷ | σύμφυτος αἰών ^ 125 πομπούς τ᾽ | ἀρχάς" | οὕτω δ᾽ | ἅδε κέλευϑος.
71) Vgl. die oben Anm. 19 angeführten Beispiele.
30 C. Singverse
stehen kann. Als Beispiel führe ich an Sophokles O.C. 228ff., wo ich von
der herkömmlichen Kolometrie etwas abweiche:
οὐδενὶ μοιριδία | τίσις ἔρχεται | 4 da |
ὧν προπάϑῃ τὸ τίνειν |
ἀπάτα δ᾽ ἀπάταις | ἑτέραις ἑτέρα |
παραβαλλομένα | πόνον, οὐ χάριν J 10 da |
ἀντιδίδωσιν ἔχειν. | σὺ δὲ τῶνδ᾽ ἑδράνων |
πάλιν ἔκτοπος | 6 da |
αὖτις ἄφορμος ἐμᾶς | χϑονὸς ἔκϑορε |
μή τι πέρα χρέος | 6 da |
ἐμᾷ πόλει προσάψγς. 2 ia.. |
Hier sind die Wortenden so gelegt, daB A = ...-..- 4mal, B — υὐυν
4mal, C = ...-.. 1mal erscheint, außerdem 4mal ......, aber nur
zwischen A und B. Ähnliches ist auch sonst nachzuweisen.
b) Anapäste
Ein anapästisches Metron besteht in seiner Grundform (..-..- |) aus
zwei longa mit vorhergehenden Doppelbrevia, es gehóren also wie bei
Iambus und Trochäus zwei “Füße’ zu einem Metron, während beim Daktylus
zum mindesten schon seit Alkman ein 'Fu das Metron bilden kann.
Longum und Doppelbrevia sind beim Anapäst stärker als in allen an-
deren Versmaßen gleichwertig, denn sowohl das longum kann durch zwei
brevia und das Doppelbreve durch ein longum ersetzt werden („w_.),
wobei allerdings die Formen —_-_- und _._we häufiger sind δ]8..... ὦὖὔὖὔὖὦ
(z.B. Aisch. Ag. 92), „zuuuu, υὐυυροῦ oder wuuuuw. Diese Gleich-
wertigkeit der Teile gibt dem Anapást als dem einzigen griechischen Vers-
maß einen festen Takt (vgl. u. S. 38); so sind sie der Marschrhythmus wie
in den katalektischen Dimetern (Paroimiakoi) des alten spartanischen
Soldatenliedes:
ἄγετ᾽ ὦ Σπάρτας εὐάνδρου (fr. 866 P. = 15-55 [.-- |) **).
Es ist charakteristisch für das rhythmische Empfinden der Griechen, daB
in diesem einzigen taktmäßigen Vers, bei dem alle Längen und Doppel-
kürzen metrisch gleichwertig sind, Wortende nach jedem Metron erwartet
wird; sonst wären offenbar die Verse ohne Gliederung (s.o. S. 6, Anm. 11).
Wo in der Tragödie der Chor längere anapästische Reihen beim Einzug,
bei seinem Abgang oder bei Ortswechsel innerhalb des Dramas (auch von
Einzelpersonen) rezitiert, schlieBt er mit katalektischen Dimetern, bei
denen Wortende vor dem letzten Metron zwar auch erstrebt wird, doch in
etwa !/, der Fälle fehlt, — aber dann ist meist Wortende nach der folgenden
Kürze??); das Schema ist also etwa:
—yuu— "en
σπου στον.
: |
32) Ein Doppelschritt im Metron, s. M. L.West, BICS 24, 1977, 103 n. 16.
133) Laetitia Parker, Class. Quart. 52, 1958, 82f.
1. Singverse κατὰ μέτρον 31
Das letzte Metron hat gewöhnlich die Form ...... | (nie „uuu_||, selten __-|).
Die Aufeinanderfolge von 4 Kürzen wird in den ‘Marschanapästen’ der
Tragödie vermieden, so daB auch einem mit Doppelkürze schließenden
Metron keins mit beginnender Doppelkürze folgen darf*).
Von den rezitierten Marschanapästen unterscheiden sich die lyrischen
Anapäste der Tragödie, die sog. Klage-Anapäste, die in den Handschriften
allgemein 'dorisch" und nicht 'attisch" vokalisiert werden. In ihnen können
sich sowohl die Längen als auch die Kürzen stärker häufen, sie dürfen
akatalektisch schließen, Katalexe kann schon vor dem Abschluß auftreten,
und solch katalektischer Vers kann mit 3 longa enden, es können andere
Verse hinzutreten?*). Euripides hat diese Anapäste zu längeren Liedern
ausgebaut (vgl. Kannicht, Gnomon 45, 1973, 119).
34) Ausnahmen: Eur. Hec. 145 IT’ ᾿Αγαμέμνονος | ἱκέτις γονάτων, 8. Dale 49,4;
Barrett zu Eur. Hipp. 1364ff. — Die Dihärese nach anapüstischem Metron
fehlt gelegentlich auch bei akatalektischen Versen, — aber dann findet sich
Wortende nach dem folgenden breve: Aisch. Ag. 52 πτερύγων ἐρετμοῖσιν ἐρεσσό-
μενοι (die Stellen bei Christ, Metrik 3252); Aisch. Prom. 172 und fr. 192,4
füllt das Ende des Metrons in die Kompositionsfuge. — Singulàr sind die
Anapäste in Pratinas’ Hyporchema (4F 3): trotz der vielen Kürzen fehlt oft
Wortende hinter dem Metron, so daB der Rhythmus sehr undeutlich wird. Der
Text ist freilich unsicher — auch die Entstehungszeit (s. H. Lloyd-Jones,
Cuaderno de la Fondación Pastor 13, 1966, 15-18). — Die nur aus Làngen be-
stehenden katalektischen Dimeter gesungener Anapäste haben die geringste
Neigung zur Dihárese nach dem 1. Metron, haben dafür aber Züsur nach der
3. Länge (___ | 2... |); diese und weitere Beobachtungen zum Paroimiakos bei
L. Parker 8.8.0. 83f. — M. L. West, 8.8.0. 89ff. zeigt vor allem im An-
schluß an Wilamowitz, daß es offenbar falsch ist, Anapäste möglichst nach
Dimetern aufzuteilen (gegen Dale, Lyric Metres? 49).
35) Beispiele für alle diese Erscheinungen bieten schon die ältesten Klage-
anapäste, die wir besitzen, Aisch. Pers. 922ff. Die Herstellung der Verse bei
Wilamowitz befriedigt freilich noch nicht in allem; in V. 835 zerstört er bei
akatalektischen Anapästen die Worttrennung nach dem Metron und die über-
lieferte Lautentsprechung
937 ϑρηνητῆρος ____ πολύδακρυν
^ 946 πενθητῆρος. οὐ ἀρίδακρυν (vgl. jetzt auch die Ausgaben von
G. Murray, 1955, und D. Page, 1972).
Ich schlage vor: 935 πρόσφϑογγόν cot νοστοῦ(ντι)
κακοφάτιδα βοάν, καχομέλετον ἰὰν
Μαριανδυνοῦ ϑρηνητῆρος
πέμψω, πέμψω πολύδακ' ρυν [ἰαχάν].
945 ἥσω τοι καὶ πάνδυρτον
σά πάϑη τε σέβων ἁλίτυπά τε βάρη
πολέως γέννας, πενθητῆρος
χλάγξω δ᾽ αὖ γόον ἀρίδακ' ρυν
(ἰαχάν V. 938 als Erklärung von l&v in V. 936 zu entfernen, empfiehlt sich eher
als am Ende von 948 den Ausfall von (..-) anzunehmen: vgl. Eur. Hipp. 584,
wo das ursprüngliche, von Weil konjizierte und von P.Oxy. 2224 überlieferte
ἰὰν in den Handschriften durch ἰαχὰν verdrüngt ist: vgl. Barrett z.St.). —
32 C. Singverse
Ferner wird im Paroimiakos, wenn das erste Metron aus zwei Spondeen
besteht, Wortende hinter der dritten Länge vermieden: . ^7... |?*).
Auch hier würde an falscher Stelle der Eindruck der Klausel erweckt.
c) Jamben
Alkman verwendet in seinen Liedern iambische Dimeter (fr. 20 P. ]2 ia |
2ia | 2ia | 2ia[; vielleicht mit katalektischem drittem Dimeter fr. 2
& 2ia | 2 ia | 2 ia. |? und mit Tetrameter 4 ia |), katalektische iambische
Trimeter (offenbar stichisch fr. 19, vgl. 30. 59a. 96) und 'brachykatalek-
tische’, wie Hephaistion sie nennt (fr. 174: ta ia sp |, wenn der Vers wirk-
lich von Alkman ist), vielleicht Tetrameter (fr. 15?) und noch längere
Reihen (fr. 16: 6 ia | 4 ia _ |?). In der Chorlyrik tauchen Iamben dann erst
wieder bei Simonides auf (fr. 545? und 585,2?), aber die kurzen Stückchen
lassen keine sichere Analyse zu. Auch für Sappho ist der katalektische
Trimeter bezeugt (fr. 117), und Alkaios hat ein Lied vielleicht mit einem
iambischen Tetrameter begonnen (374V.), ihn womoglich sogar stichisch
verwandt — aber auch in der monodischen Dichtung kónnen wir den Auf.
bau lyrischer Iamben erst verhältnismäßig spät zum erstenmal mit Sicher-
heit greifen.
Von Anakreon ist ein Gedicht von 4 Strophen vielleicht vollständig
erhalten (fr. 388 P.: πρὶν μὲν ἔχων βερβέριον, καλύμματ᾽ ἐσφηκωμένα), in dem
Iamben mit Choriamben korrespondieren kónnen:
-
-ev--es-|Souu-x-u- |
chi:
2 al ia } wa |
_ _ ch ch f ch).
ψωυ..-Οὐτ νυ. κου. | ia ia ia va |
x-v-x-ve- | 2 ia |.
In dem ersten Tetrameter sind die beiden ersten Metren stets chor-
iambisch, das 3. wechselt, das 4. ist iambisch, im 2. Tetrameter kann auch
schon das 1. Metron iambisch sein (v. 11?), der abschließende Dimeter ist
rein ismbisch.
Mit einem Terminus, den die antiken Metriker auf die Quantitätsver-
schiebung in den Ionikern anwenden (s.u. S. 34ff.), spricht man bei solcher
Respondenz des Choriambus mit dem Iambus von Anaklasis. Diese begegnet
uns gelegentlich auch im iambischen Trimeter, und zwar im ersten Metron
zumal bei Eigennamen (Aisch. Sept. 488 "Inrou£dovros, 547 Παρϑενοπαῖος,
Cho. 657 εἶεν: ἀκούω, 1049 φαιοχίτωνες
39).
d) Ioniker
Ioniker a minore (._-) und Choriamben (_..-) sind die einzigen κατὰ
μέτρον gebauten Verse, die nicht in Sprechversen, sondern nur in der Lyrik
vorkommen, dort aber sowohl in Monodien wie in Chorliedern. Die antike
Theorie rechnet auch mit Ionikern a maiore (__..), doch gibt es sie nirgends
in reinen Reihen: sie sind nur erfunden, um bestimmte uneinheitliche
Perioden in Metren zu zerlegen; da jedoch kein Zwang besteht, alle lyrischen
Versmaße κατὰ μέτρον aufzuteilen (8.0. S. 7f. und u. S. 37f.), brauchen wir
mit solchen "fallenden' Ionikern nirgends zu rechnen ὅ3).
Ganze Gedichte in Ionikern hat schon Alkman geschrieben; der über-
lieferte Anfang eines solchen Gedichts (46 P.) hat Wortende hinter jedem
einzelnen Metron:
"Exarov μέν, | Διὸς υἱόν, | τάδε Μῶσαι | κροκόπεπλοι |...
Ob das durch das ganze Gedicht so war, oder ob es irgendwie sich änderte,
läßt sich nicht erkennen. Ein Gedichtanfang Sapphos bringt Dihärese
erst nach dem 3. Metron (135 V.; vgl. 113). Alkaios (10 V.) baute Strophen
aus 10 Ionikern mit häufiger Dihärese®®). In Kultliedern auf Dionysos
kommt dies Versmaß bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. vor). Ionische Reihen
schließen oft mit einem katalektischen Metron der Form ... (io.), so z.B.
die zuerst bei Phrynichos (3 F 14) belegten Galliamben:
τό γε μὴν ξείνια δούσας, λόγος ὥσπερ λέγεται 4 do. |.
81) Vgl. Kannicht, Eur. Helena II 62ff. — Bei Ionikern (s. u. S. 341.) kann
ein breve oder ein longum unterdrückt werden.
32) In Tragödienliedern ist eine Entscheidung darüber oft nicht wichtig,
weil das Versmaß wechseln kann (s. u. S. 58f.). Über die Chorlyriker vgl. M. L.
West, ZPE 37, 1980, 137-156.
*) Genauso steht es mit dem 'Antispast' „__. (statt υ-.υ.) und mit dem
*Molossos' ___ (statt os...).
883) Zur Kolometrie s. R. Führer, Nachr. Akad. Göttingen, phil.-hist. Klass.
1976 Nr. 6, 253ff.
*4) Graffito aus Dura, Am. Journ. Philol. 69, 1948, 20 mit den Bemerkungen
von H. N. Porter (S. 40), der noch Belege aus den Hymnen Gregors v. Na-
zianz und Synesios anführt.
1. Singverse κατὰ μέτρον 38
oder mit vorausgehendem Choriambus (in einem Stück, das jetzt für
Sappho gesichert ist)®):
inc. auct. 23 ---—5 vv-u-v--].
VU--UU-V-. ti
6) Choriamben
Choriamben haben wir (S. 33) bei Anakreon (fr. 388) in Responsion zu
gewöhnlichen Iamben gefunden. Schon Sappho kennt rein choriambische
Reihen mit abschlieBender baccheischer Klausel (vgl. auch 114 und 103, 5[? ])
128: Δηῦτε vuv ἅβ'ραι Χάριτες καλλίχομοί τε Μοῦσαι
= 3 cho ba (wohl sogar 2 cho | cho ba). Der gleiche Vers mit geteiltem 1. lon-
gum taucht bei Anakreon auf (378f.). Ein Tetrameter der Form: 2 ia
2 cho | scheint Anakreon 389 vorzuliegen. Ein choriambischer Trimeter
mit baccheischer Klausel, den Hephaistion zitiert (382), war offenbar
Abschluß einer längeren Reihe. Den Rekord scheint Philikos von Ker-
kyra gehalten zu haben, der choriambische Hexameter mit baccheischer
Klausel stichisch in seinem Demeterhymnus verwandte (6,158 Diehl),
worin ihm Simmias von Rhodos insofern vorangegangen war, als er sein
»Beil" mit 2 solchen Reihen begann (0,142 Diehl; p. 117 Powell).
f) Trochäen
Alkman hat Trochäen in der beim Sprechvers üblichen Form
2 tro | 2 tro. |
anscheinend in einem Hymnos auf Aphrodite verwandt (55 P. — vgl. auch
65? und 95a). Doppelkatalexe (am Strophenende?) findet sich vielleicht 60:
2 tro
|2 tro |trosp|| oder: ...|crba|.
In dem Partheneion (fr. 1) stehen trochäische Dimeter, Trimeter und durch
Mitteldihárese geteilte Tetrameter zwischen Versstücken anderer Herkunft
(s.u. S. 49). Anakreon baut sein Gedicht an das thrakische Füllen (417 P.)
in Strophen der Form:
2 tro | 2 tro| 2 tro | 2 tro. |],
hat aber auch Tetrameter der üblichen Art (419). Einen akatalektischen
Tetrameter ohne Mitteldihärese (418) zitiert Hephaistion. — Über
Trochäen mit “unterdrücktem Anceps’ = cr 8.0. S. 34.
g) Kretiker
Lieder mit Kretikern hat ebenfalls schon Alkman; Hephaistion führt
ein Gedicht mit katalektischen Hexametern (58 P.) an:
᾿Αφ'ροδίτα μὲν οὐκ ἔστι, μάργος δ᾽ "Ἔρως οἷα παῖς παίσδει,
(4 er |t er sp |),
aber nach den beiden ersten Versen muß es anders weitergegangen sein,
denn Hephaistion sagt, es habe auch Lieder gegeben, die ganz aus Kreti-
kern bestanden hätten, z.B. bei Bakchylides; von diesem kennen wir
kretische Hexameter (fr. 15) und Pentameter (fr. 16), die den Charakter von
leichten Tanzweisen haben. Kretiker mit einem geteilten Longum ('Paione':
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 37
vuu._ oder _uu.) finden sich vor allem in der Komödie und in hellenistischer
Zeit. Werden beide longa geteilt, so daß Reihen von lauter Kürzen ent-
stehen, müssen (nach dem o. S.6 Gesagten) Dihäresen den Rhythmus
deutlich machen wie in dem von Hephaistion ench. 13,4 (42,3 Consb.)
zitierten Vers:
σέ ποτε Διὸς | ἀνὰ πύματα | νεαρὲ xópe | veßpoxlrwv,
in dem übrigens auf gefällige Weise die Wortenden innerhalb des cr wechseln.
h) ‘Choriambische Dimeter!
Wilamowitz hat einen von ihm in der Tragódie aufgespürten Vers
‘choriambischen Dimeter' benannt, der dann später in den Gedichten
Korinnas aufgetaucht ist. Das Schema der tragischen Verse ist o0o00_u.-,
das der Verse Korinnas oo «s... Aber ein Dimeter ist es nicht (wir ver-
lassen hiermit also schon die κατὰ μέτρον gebauten Verse), denn gerade die
Form .....-.. ist ausgeschlossen (beiKorinna auch --ὦ- ὧὖὐ- das z.B.
Eur. Hel. 1338f. vorkommt). Maas empfiehlt daher, ihn wilamowitzianus
zu nennen (wil). Auch die 'akephale' Form tritt auf: o00_..- („wil). Wila-
mowitz sah im wil eine Variante zum Glyconeus oo_uu_-.-, und tatsächlich
erschienen dann bei Korinna (fr. 654 u. 655 P.) beide als gleichwertig, in
fr. 655 mit geteilten 1. 'anceps'; Schema:
veo x} v» M),
Auf diesem Gebiet herrscht kaum über einzelne Punkte Einigkeit!). Ver-
wirrung beginnt schon damit, daB man sich nicht einig ist, was es heißt,
die verschiedenen Versformen zu 'erklüren': Einer versteht darunter, ihre
Geschichte zu verfolgen, womóglich sie auf Urverse zurückzuführen, aber
dazu reicht unser Material nicht?). Andere versuchen, Verse in einander
gleichwertige Stückchen zu zerlegen und womöglich auf feste Takte zu
bringen. Schon in der Antike suchte man die komplizierteren Gebilde aus
kleineren Einheiten aufzubauen, was bei den xar& μέτρον gebauten Versen
geboten war. Mochte das statthaft sein, wenn man nur einzelne Kola
wie die Dichter ältere, κατὰ μέτρον gebaute Verse aufgefaDt, abgewandelt
und womöglich wechselweise verschränkt haben. Jedenfalls sollte man nichts
Späteres zur Erklärung von etwas Früherem verwenden. In der Tat läßt
sich, scheint mir, solch eine saubere Scheidung des Systematischen vom
Historischen — aber dann auch wieder eine geläuterte Verbindung des
Historischen mit dem Systematischen im wesentlichen durchführen, und es
wird sich trotz des primär systematischen Interesses auch Wichtiges für die
Geschichte der lyrischen Versmaße ergeben. DaB immer von den Boeckh-
schen Perioden auszugehen ist, steht fest (s.o. S. 7).
Den Grundsatz, bei komplizierten Versgebilden zunächst einmal das
Prinzip und die Regeln festzustellen, nach denen die einzelnen Dichter ver-
fahren, hat zuerst Paul Maas für die Daktyloepitriten bei Bakchylides
und Pindar durchgeführt. Die Epoden-Verse und Asynarteten des Archi-
lochos sowie die äolischen Verse beiSappho und Alkaios hat Ernst Kapp
in diesem Sinn erklärt, ohne es allerdings zu veröffentlichen ; schon vor 1030
hat er es in Vorlesungen und Gesprächen dargelegt. Im Folgenden versuche
ich, auf dieser Grundlage weiterzubauen. Bestimmte geschichtliche Ein-
sichten ergeben sich dann, scheint mir, gleichsam von selbst. Doch verzichte
ich auf das, was manchen das eigentlich Historische zu sein scheint:
*Urverse' zu rekonstruieren.
Stück aus einem seiner „vollständigen‘‘ Verse. Das wird, hoffe ich, helfen,
den Epoden-Bau zu verstehen.
(1) Hexameter-Teile: fr. 188-91 (cf. fr. 195) ---—-&- «| (oder | 3) =
fr. 5 ἀσπίδι μὲν Xatov τις ἀγάλλεται. fr. 182 (cf. 196a. [Hipp.] 115) -οὐ-υὐ.}}
= fr. 8 πολλὰ δ᾽ ἐυπλοκάμου. fr. 168-71 ν΄... os | + fr. 1,1 ᾿Ενυαλίοιο
ἄνακτος, fr. 15 τόσσον φίλος ἔσκε μάχηται, fr. 13,3 πολυφλοίσβοιο ϑαλάσσης.
(2) Trimeter-Teile: In fr. 172-181, 193f., 1968, 199 kommen iambische
Dimeter vor®). Daß Archilochos sie alsTeile des Trimeters nehmen konnte,
zeigt etwa fr. 21 ἔστηκεν ὕλης ἀγρίης i ἐπιστεφής | und vollends die Epode
196a, wo auf den Dimeter ein Trimeter folgt — und sogar einer, der Inter-
punktion nach dem 2. Iambus hat (v. 5): χαλὴ r&peıva xap9fvoc: doxi δέ
μιν | ... (vgl. auch v. 18. 21. 48).
Als 2. Kolon von fr. 168-71 tritt der sog. Ithyphallicus auf (168 χρῆμά
τοι γελοῖον). DaB Archilochos dieses Kolon als den 2. Teil des katalek-
tischen iambischen Trimeters (nach der Zäsur) nehmen konnte, zeigt
fr. 188:
| κάρφεται γὰρ ἤδη |
ὄγμοις, κακοῦ δὲ i γήραος καϑαιρεῖ ||).
Wenn Archilochos seine Epoden aus Sprechversen und ihren Zäsur-
abschnitten zusammensetzte, so konnte er damit anknüpfen an die dakty-
lischen Distichen, bei denen man jedenfalls später (s.o. S. 16) den auf den
Hexameter folgenden Pentameter als Klauselvers auffaßte”), und ähnlich
wird für ihn auch der trochäische Tetrameter gewesen sein: 2 tro |2 tro. |.
Daß man verschiedene Metren nebeneinander stellen kann, begegnet uns
wohl zum ersten Mal in dem Spott-Epos ‚Margites‘, das man Homer
zuschrieb und das vielleicht schon aus der Zeit des Archilochos stammte.
Seinen daktylischen Hexametern sind iambische Trimeter eingestreut;
solches Spottgedicht könnte Vorbild für Archilochos gewesen sein. Ihm
aber wurde wichtig, daß der Wechsel des Versmaßes Lebendigkeit und
Ausdruckskraft seiner Gedichte erhöhte. Er hatte Persönliches zu sagen,
das ihn aus dem Gleichmaß der Metren hinausdrängte. Dafür nur ein Bei-
spiel, der Schluß der Straßburger Epode:
ὅς μ᾽ ἠδίκησε, λὰξ δ᾽ Ex? ὁρκίοισ᾽ ἔβη,
τὸ πρὶν Ératpoc ἐών
Thraker dem Archilochos erheblich näher sind als dem Hipponax.) Aber
auf diese alte Diskussion kann ich hier nicht eingehen.
5) Vgl. Hippon. fr. 118.
*) Unsicher bleibt noch fr. 197, das Hephaest. Ench. 6,2 eher für einen kata-
lektischen trocháischen Trimeter als für einen akephalen iambischen Trimeter
hält: Ζεῦ πάτερ, γάμον μὲν οὐκ ἐδαισάμην, — 8.u. 8. 23 über Kallimachos'
Jamb. 12.
?) Auch hier gehe ich nicht auf „Praehistorie‘ ein und frage, wie gesagt, nur,
wie einzelne Dichter die ihnen überlieferten Metren auffassen und womöglich
weiterentwickeln.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 4
Von den hier vorkommenden Stücken sind bei Archilochos nicht belegt:
das Reizianum (reiz «_u_x |, d.h. der Anfang des iambischen Trimeters
bis zur ersten Züsur, 8.0. S. 38), und der seit Hipponax übliche 'Hink-
ismbus’ (chol), — das hält sich also an die Regeln des Archilochos!?).
Von diesen Formen ist für die weitere Entwicklung der griechischen
Metrik vor allem das Asynarteton bedeutsam geworden, das Hephaistion
(15,10) zuerst bei Alkaios belegen kann:
fr. 383 Ἦρ᾽ ἔτι Awvou£vr, τὼ Τυρραχκήω.
Er nennt es Enkomiologikon und erklärt es, durchaus richtig, wie ich glaube,
als zusammengesetzt aus dem ersten Stück des Hexameters bis zur Pent-
hemimeres und dem ersten Stück des Trimeters bis zur Hauptzäsur:
-uUV_-vuv. | κ--ὦ-.-. | = hem | reiz (= ta).
Dies ist jetzt auch für Alk man belegt (fr. 3 P., s. u. S. 49); es taucht wieder
auf bei Anakreon (fr. 97-101; 188 G. 391—093; 416; 438; 957 P.), nun aber
mit der Freiheit, daB das Wortende statt hinter dem Hemiepes auch um ein
Element spáter erscheinen kann:
-vu_uu_:ix: ---| .
Beispiel defür an, daß, wenn das erste anceps lang sei, der Einschnitt ein
Element früher liegen könnte, also statt:
κιυσονυ. ἡ] ———— Ϊ
Da die von Hephaistion zitierten Worte αὔτα δὲ σύ, Καλλιόπα kein Gedicht-
anfang zu sein scheinen, handelt es sich wohl um eine Variante, die Sappho
in einem sonst nach archilochischem Muster gestalteten Gedicht zugelassen
hat. — Ob fr. 168C von Sappho stammt, ist zweifelhaft; es besteht aus dem
Trimeterstück bis zur Zäsur nach 2. anceps und hemiepes. Neben dem Enco-
miologicus des Alkaios, der gleich erwähnt wird, wäre dergleichen durchaus
möglich.
12) Das Lekythion (_._u__ = lec) kommt vor ᾿ὲν τοῖς ἀναφερομένοις εἰς
᾿Αρχίλοχον ᾿Ιοβάκχοις᾽. West bringt es als 'spurium' (fr. 322). Hephaistion,
der es zitiert, nennt es Εὐριπίδειον. Sicher belegt ist es erst in der Tragödie
(Stellen bei Korzeniewski im Index S. 211). Der gebräuchliche Name stammt
bekanntlich aus dem in den *Fróschen' öfter wiederholten Satz ληκύϑιον ἀπώ-
λεσεν. Dieser Trimeter-Teil (nach Hauptzäsur) würde natürlich gut in die Epoden
des Archilochos passen. (Als ich im Hermes 107, 1979, 128-133 den Witz des
Aristophanes besprach, hätte ich auf weitere frühere Literatur hinweisen
sollen: z.B. R.J. Penella, Mnemos. IV 26, 1973, 337, J. Henderson u.
Penella ibid. IV 27, 1974, 293 u. 295.) — M. L. West, Glotta 51, 1973, sieht in
dem Lekythion eine der Varianten des indogermanischen Urverses (die er
8. 167 aufzählt). Gerade dieses Versmaß ist aber deutlich als 'Teilstück' eines
Sprechverses verwandt. (Doch vgl. jetzt West, Bull. Inst. Cl. St. 28, 1981, 32.]
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 43
t KUH t? — am DE m
verwendet er paarweise so, daD er jeweils ein mit longum beginnendes und
‘männlich’ ausgehendes (h! oder t?) durch ein mit anceps beginnendes und
*weiblich' endendes (h? oder t!) fortsetzt, also:
v pm e D {τ}
e] Val ES lees
Hier bestreitet niemand die Teilstücke des iambischen Trimeters und des
daktylischen Hexameters. Bei Archilochos ist der Unterschied nur der,
daB der Trimeter-Anfang als Kolon nicht belegt ist (der taucht erst bej.
Alkman im encom auf), daß auch das Hexameter-Stück bis zur bukolischen
Dihärese (4 da^") und das Ende des katalektischen Trimeters (ith) vor-
kommen. All dies ändert aber nichts an dem Prinzip. Freilich stimmt es,
daß mit dieser “Derivationstheorie’ viel Unfug schon in der Antike getrie-
ben ist, und mit allem Nachdruck ist hervorzuheben, daß sie nur für die
Epoden des Archilochos und die daraus abgeleiteten Verse gilt!*); zu
diesen gehören dann freilich die Daktyloepitriten bei Bakchylides und
Pindar (s.u. S. 51), die sowieso nicht in Gefahr sind, zu den “Urversen’
gezählt zu werden!5).
15) Siehe Maas, Metrik $ 68; Berl. Philol. Woch. 1911, 1011ff. und 1214ff.
14) In der Lyrik der Kaiserzeit tauchen von neuem eigentümliche Asynarteten
auf; darüber s. Hermes, Einzelschriften 5, 1937, 109 u. Deubner, S. Ber.
Heidelb. 1918 Nr. 17.
15) Über Alkman 8. Weiteres u. S. 49f.
44 C. Singverse
einzelne Metren hatten: die Bicipitia (==), wo im Daktylus und vor allem
im Anapäst entweder eine Länge oder eine Doppelkürze stehen kann, ja,
kennen diese Freiheit nicht einmal in der begrenzten Form, daß wie im
Iambus und Trochäus eine Länge ‘aufgelöst’, d.h. durch 2 Kürzen ersetzt
werden kann!®). Diese haben daher feste Silbenzahl. Ancipitia gibt es nur
am Anfang der äolischen Kola. Die Grundmaße sind:
Glyconeus: 00 -uu-v- (gl)
Pherekrateus: 00 -u._- (pher)
Hipponacteus: oo_uu_._-- (kipp).
In den 'Ancipitia' der sog. äolischen Basis (bezeichnet oo, 8.0. S. 2) sind
-- und _. häufiger als υ-- oder gar υυ 17). Diese Grundmaße erscheinen auch
mit einsilbiger Basis (akephal)!5):
Telesilleus: κιυυςυς- (+98)
Reizianum: x vu... (^pher)
Achtsilber: x-uu-u-- (^Aipp)!*).
All diese Formen kommen vor als selbstándige Perioden. Meist aber sind
sie 'erweitert', und zwar ist zu scheiden zwischen ‘äußerer’ Erweiterung und
“innerer” Erweiterung. Die äußere Erweiterung fügt 2-3 Grundmaße
zusammen oder (bzw. und) setzt vor oder (bzw. und) hinter das Grundmaf
ein volles oder gekürztes 'iambisches Metron', und zwar ist das gekürzte
Metron vor dem Grundmaß akephal: kretisch (...), hinter ihm kata-
lektisch : bakcheisch (._-). In der 3. Periode der sog. 1. Alkäischen Strophe
(z.B. Alk. 6.71 ff.)2%) treten zwei Iamben vor ein akephales äolisches Stück:
.
“Vz ”»—V-; KI—-UVYUn 1.0.
.
16) Das findet sich erst bei Pindar (die Stellen: II* 173f.) und bei Bakchy-
lides (ed.* p. 32*).
17) Alle bei Sappho und Alkaios vorkommenden Versformen hat E.M.
Voigt übersichtlich zusammengestellt im Conspectus metrorum ihrer Ausgabe
(8. o. S. 2) 15ff.
18) ‘Akephal’ ist systematisch, nicht historisch gemeint, soll also nicht heißen,
daß die Basen mit 2 Elementen älter seien als die 'kopflosen'. Ich halte mich
nur möglichst an eingebürgerte Terminologie.
19) Schon bei Alkman fr. 1,39 P. usw.
30) Daß die 3. und 4. Zeile dieser Strophe eine Periode bilden, zeigt Alk. 73,5
und 75,13.
31) So schon Augustin de metris IV 13.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 45
22) Es dürfen also nicht die letzten 5 Elemente als sog. Adoneus ( .... )
abgetrennt werden, obwohl schon die antike Kolometrie so teilt.
33) Darüber, wie hier 'Daktylus' und 'Choriambus' in uneigentlicher Bedeu-
tung gesagt ist, vgl. u. S. 50, aber weil es so hilfreich ist, schien es mir schon
1943 in meiner Pindar-Ausgabe (die dann freilich erst 1953 erschien) statthaft,
hochgestelltes c und d zu verwenden, um die von E. Kapp (s.u. S. 71) erkannten
“inneren Erweiterungen’ der äolischen Verse zu bezeichnen. — B. Gentili,
Quad. Urb. 26, 1977, 31 verweist darauf, daß schon A. Kórte, Neue Wege zur
Antike 8, 1929, 49f. äolische Versmaße im wesentlichen auf gleiche Weise be-
schrieben hat. Er meint, dies sei unhistorisch (ebenso wie die Beschreibung der
Daktyloepitriten von Paul Maas, der ich gefolgt bin) — und versucht selbst
mit hervorragender Sachkenntnis und großem Geschick die Urformen fest-
zustellen. Das aber führt in die Prähistorie, von der ich mich fernhalten möchte.
Mir würde es genügen herauszufinden, wie die Dichter, deren Werke wir be-
sitzen, ältere Verse aufgefaßt und weiterentwickelt haben,
34) Fortgelassen habe ich, da sie mir unerklärlich sind, nur S. 112; 141,2£.;
132. S. 112,1-3 scheinen Dimeter der Form cho ba | zu sein, 4 ist dann aber ein
Tetrameter der Form cho ba cho ba |. Das scheint wahrscheinlicher als eine un-
gewöhnliche Reihe |... ... ‚hipp | anzunehmen. — ine. auct. 22 = ‚gl u_.__
ist von Hephaistion aus dem Zusammenhang gerissen, — möglich wäre
Agl ba | --- . .. — Auch sind hier natürlich die κατὰ μέτρον gebauten Verse nicht
berücksichtigt; einiges dazu o. S. 33ff. und u. S. 47. — Die bei Seneca vor-
kommenden Formen cr ,gl (Oed. 405) und er, pher (Ag. 812) würden sich dem
hier entwickelten System gut einfügen und könnten bei Sappho oder Alkaios
vorgekommen sein. Aber Seneca hat vielleicht nur horazische Maße (die er
sonst benutzt) gekürzt. — Über Kompositionsfugen, über Wortenden und über
die Kolometrie der antiken Handschriften bei "äußerlich erweiterten’ äolischen
Versen macht wichtige Beobachtungen J. Irigoin, L’Ant. Class. 25, 1956,5—19
und Rev. de phil. 31, 1957, 234-238.
46 C. Singverse
S1,3f.
Diese 39 Perioden sind teils stichisch verwandt (z.B. gi*4, pher?«, pher®,
pheriá, pher’®), teils in Strophen eingebaut (z.B. Sapphische Strophe:
cr „hipp | er -hipp | er -gl xpher |||; Alkäische Strophe: ia .gl | ia .gl | 2 ἴα
„hipp® |||), teils kommen sie in beiden Arten vor (z.B. gl, gite, gle).
Dies Schema enthält nicht alle Formen, die nach dem System möglich
wären; da man wohl annehmen darf, daß die häufiger vorkommenden
Formen die früheren sind, läßt sich vielleicht über die Entstehung des
Systems folgendes sagen: Da selten äußere und innere Erweiterungen
zusammen in einer Periode auftreten (nur 2 ia .hipp@ in der alkäischen
Strophe; cr .hipp* in der auch sonst singulären Strophe Hor. 1,8; zweifel-
haft ia pher!4 Sappho 104,2) haben sich offenbar die inneren und die äuße-
ren Erweiterungen getrennt voneinander entwickelt.
Die ‘äußeren’ Erweiterungen setzen ein beim gl (so schon bei Alkm.
fr. 3,6 P.: .gl ia) und stehen in Endstellung nur noch (.)gl; es fehlt der
PeriodenschluB . . . υ---ο-(0)- |. («)pher und (.)&ipp beschließen also immer
: eine Periode, was auch natürlich ist, da der Pherekrateus als Klausel wirkt
35) Im 5. Buche nach Caes. Bass. gramm. Lat. VI, 258,15 (= Phalaeceus).
36) Dies auch schon bei Alkman fr. 3P. (weiteres dazu u. S. 48). Daß an den
drei kenntlich respondierenden Stellen (v. 5. 68. 77) Wortende nicht in der
Fuge zwischen „gl und ie, sondern ein Element früher erscheint, stimmt zu den
Beobachtungen von Irigoin (s. o. S. 19, 30).
37) Vielleicht ia ba anacl 8. o. S. 35.
138) Schon Alkman, 8. o. Anm. 19.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 471
Die innere Erweiterung durch Wiederholung des ' Daktylus' setzt wohl beim
pher ein, verständlicherweise, da ein pher mit Längen in der Basis ---.._-
zur daktylischen Reihe wird und es nahelegt, sie so zu erweitern, wie denn
Sappho tatsächlich daktylische Hexameter hat (104-106, 142/3), von denen
die Hälfte als pher*4 gefaßt werden kann (so sicher Alk. 367)?*). Nun sind
uns unter den lyrischen Daktylen solche begegnet, die das für den gl charak-
teristische Ende υὐ. ὦ. zeigten (s.0. S. 26). Ob diese auf die innere Erweite-
rung des gl gewirkt haben, oder ob umgekehrt die gl auf die Daktylen, die
dann wieder auf die gl zurückgewirkt hätten, läßt sich kaum entscheiden.
Tatsächlich hat Alk. fr. 369 solche Daktylen (8 da"-), so daß es nichts
Gewagtes hat, ihren Einfluß auf äolische Metrik anzunehmen.
Wichtig ist, daB in den sog. 'áolischen" Daktylen nie das Ende ... vu- |
vorkommt, das nur in echten Daktylen auftaucht). Die Teilung des longum
im äolischen Versmaß, wodurch das Prinzip der Silbenzühlung verletzt wird,
und worin sich ein weiterer Einfluß der iambischen Verse zeigt, ist bei Ana-
kreon (96 G., 374 P.) unsicher, doch seit Pindar, vor allem im attischen
Drama, häufig.
Die schon oben S. 37 erwähnten Fälle, daß die Überlieferung wil mit gl
respondieren läßt, haben sich durch die genaueren Lesungen vermindert
(Sappho 96,19 und 28); die übrigbleibenden sind zu unsicher (95,9) oder
lassen sich durch Konjektur zu leicht beseitigen (96,7; Anakreon 357,5),
als daß sich darauf bauen lieBe?!). Immerhin ist bei Anakreon 372 der
iembische Dimeter offenbar dem Glykoneus gleichwertig. Aber ob gi und
39) Die Stellen bei E.-M. Voigt in ihrer Ausgabe S. 16 (B 1) u. 22.
80) Ed. Fraenkel, Rh. Mus. 72, 1917, 165 vermutet, „daß die lesbischen
Dichter bei der Gestaltung ihrer Daktylenanfänge gerade von der pyrrhichischen
Form ausgegangen sind“, d. h. also von der Basis mit Doppelkürze — zu Un-
recht, denn gerade der pyrrhichische Anfang tritt stark zurück — gesucht, wird
eher der Spondeus, der richtige fallende Daktylen entstehen läßt.
31 Maas $ 33,4 gegen Wilamowitz, SBB 1902, 887; G. V. 235; Pfeiffer,
Gnomon 1926, 316; Page, Sappho and Alcaeus p. 81.
48 Ο. Singverse
82 Maas, RE. s.v. Telesilla; dort weiteres über das Fortleben des Maßes.
33) Vgl. auch die Sotadeen eines M.oschion (saec. II/III p. Chr.) auf einer
Inschrift aus Sakha (Hondius, Suppl. epigr. graec. 8,70ff. nr. 464G2 u. G5),
wo noch die folgenden Formen hinzutreten : ‚gl pher, ia „gl ba, cr ia pher und ein
iambischer Tetrameter der Form cr 2 ia ba. — Hinzu gekommen ist jetzt ein
Papyrus (Groningen, inv. 66) mit einem Preislied auf Alexandria, hrsg. von
I. H. M. Hendriks-P. J. Parsons-K. A. Worp, ZPE 4t, 1981, 71-83 (S. 76-
78 über Form, Bedeutung und Verbreitung des Metrum).
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 49
-u-x-v-x-v-x | bis |
-e-x-v-x | bis |
Iv)
--- τ οὐ -υὐν.-ὄ Il
συ
fr. 3 CTP. — UV-UVU_ UV UND |
%4) Das Metron ist freilich an vielen Stellen unsicher, zumal die Kolometrie
Fehler hat. Vgl. M.L. West, ZPE 26, 1977, 38 und A.L. Brown, ebd. 32,
1978, 36.
3) Über dies bei Alkman und Archilochos gleiche 'Asynarteten'-Ver-
fahren s. Wilamowitz, G. V. 121.
δ0 C. Singverse
Hier variieren jeweils Stücke des einen Metrums die eines anderen, aber
jedes einzelne ist klar bestimmbar und durch Wortende von dem anderen
getrennt.
Während Archilochos die Variation des Metrums benutzt, die Aus-
druckskraft der Sprache zu stärken (eine iambische Silbenfolge kann etwa
ruhig gelassen klingen, eine darauf folgende daktylische erregt und leiden-
schaftlich), nutzt Alkman sie eher für einen reicheren Wohlklang, für
harmonische Schönheit des Gesprochenen oder gar Gesungenen.
Daß die Chorlyrik sich auf diesem Weg weiterentwickelt, geschieht offen-
bar unter dem Einfluß der äolischen Metrik, wie umgekehrt auf diese die
anderen Versarten eingewirkt hatten: die „äußeren‘‘ Erweiterungen stam-
men von den Iamben, die ‚inneren‘ aus Daktylen und Choriamben. Doch
weder bei Alkaios noch bei Sappho führt das zu einer Addition von Teil-
stücken wie bei Archilochos und Alkman, sondern zu erweiterten Perio-
den, die sie nicht einmal durch Zäsuren zerlegen; und sie wahren die Strenge
der Silbenzählung, halten z.B. Länge und Doppelkürze nicht für austausch-
bar. So sind die Perioden bei Sappho und Alkaios zugleich variations-
reicher und einheitlicher als bei Archilochos und Alkman.
Da Alkman höchstwahrscheinlich älter ist als Sappho und Alkaios,
lernen wir aus dem Kolon .gl ia in dem neuen Partheneion, daß der Einfluß
der Iamben auf die äolischen Versmaße schon vor Sappho und Alkaios
beginnt. — Ob Alkman in dem gleichen Gedicht den encom (fr. 3 — 3 da... |
reiz) von Archilochos übernommen hat oder ob er älter ist, läßt sich nicht
sagen *).
Jedenfalls läßt sich über Stesichoros?”), Ibykos und Simonides
hinaus verfolgen, wie die Chorlyriker der klassischen Zeit die '"Kompositions-
Metren' aufgeben und neue organische Einheiten schaffen, die nun auch
umfangreicher werden können, sowohl durch längere Perioden als durch
periodenreichere Strophen und Epoden.
Vor allem der Wechsel von einem Metrum zum anderen geht damit
zurück. Bei Bakchylides findet sich nur ein Beispiel: In seinem 3. Epi-
nikion hat die Strophe iambisch-äolische Verse, die Epode dagegen Daktylo-
epitriten. So sind jedenfalls die Strophen einheitlich. Auch Pindar geht
einmal innerhalb eines Gedichts (O. 13 von 464 v.Chr.) von einem Metrum
**) Archilochos wird den Vers nicht von Alkman haben, denn er pflegt
Teile von Versen zusammenzusetzen; Alkman rückt immer, soviel wir sehen,
vollständige ihm gegebene Stücke zusammen, d.h. mit Ausnahme dieses
encom nur ganze 'Metren'.
87) Wichtig ist vor allem der im Supplement von Page (1970) noch nicht
aufgenommene Stesichoros-Papyrus aus Lille (ed. Parsons, ZPE 26, 1977,
7-36). Dazu vgl. vor allem Haslam, GrRomByzSt. 19, 1978, 29-57; weitere
Literatur bei J. M. Bremer, Lampas 13, 1980, 368. Er klärt vieles in der Ent-
wicklung der Daktyloepitriten (vgl. Anm. 41), — leider ist es mir nicht ge-
glückt, hier näher darauf einzugehen.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 51
zum anderen über, und zwar innerhalb der Strophe von äolischen Versen
zu Daktyloepitriten. Hier ist er offenbar beeinflußt von der attischen Tra-
gödie, denn er wechselt in einem 'gleitenden' Übergang (darüber s.u. S. 58):
die 6. Periode ist zwar Variation der vorhergehenden äolischen Verse, doch
ihren Schluß kann man zugleich daktyloepitritisch messen — das Folgende
ist dann rein daktyloepitritisch. In der Tragödie wird dann das Umspringen
von einem Metrum zum anderen sehr viel häufiger als etwa bei Alkman
und Ibykos, denn nun bestehen die Perioden nicht mehr aus fest definier-
baren Stücken, sondern die Strophen werden nach neuen Prinzipien als
Einheiten komponiert (darüber s.u. S. 57).
35) Wie zurückhaltend man deswegen z.B. sein muß, in den Eitheoi metrische
Anomalien durch Konjekturen zu entfernen, zeigt R. Führer, indem er gründ-
lich nicht nur Metrik und Prosodie, sondern auch Lautentsprechungen, syntak-
tische Beziehungen usw. untersucht (Nachr. Gótt. Ak. phil. Kl. 1976 Heft 5;
über Simonides' Danae — fr. 543 P. spricht er besonders ausführlich und er-
gebnisreich ebd. Heft 4). Weiteres bei M. L. West, Iambies in Simonides,
Bacchylides and Pindar, ZPE 37, 1980, 137-155.
δ2 Ο. Singverse
sich in e-Gliedern gelegentlich (“6 und **e häufiger als e““ und 655), im
mittleren longum eines D-Gliedes nur Pind. I. 3,63 (Eigenname), im 'ein-
geschobenen anceps' vielleicht Pind. P. 1,92. Ein D-Glied der Form _--..-
hat Pind. N. 8,1 und fr. 221, auch Bakchyl. 13 str. 3. Das seltenere Glied d!
findet sich vor allem in der Verbindung
=U---vV-v- =®e. die),
d? vor allem hinter D: _._uu_uu- (= D d?) oder am Strophenanfang
||| »»--. Pindar reißt gelegentlich durch Pause ein Kolon auseinander, z.B.
0.6,5f.:...|.-|| v--E...; auch sonst hat er noch einige Abweichungen
vom Normalen.
Die Daktyloepitriten der Tragödie unterscheiden sich dadurch von denen
der Chorlyrik, daß in ihnen häufig eine ‘ithyphallische’ Klausel auftritt *).
y) Daktyloiamben
Einen den Daktyloepitriten ähnlichen Vers verwendet Bakchylides in
seinem 19. Gedicht: D- und d!-Stücke werden mit e-Stücken durch Kürzen
verbunden, als Klausel tritt aber auch (.)..-.-- auf. Da er es mit den
Worten beginnt: „Es gibt tausenderlei Arten von Melodien für einen be-
gnadeten Dichter“, ist anzunehmen, daß er hier einmal seine eigenen Wege
gegangen ist; c. 20 scheint hauptsächlich aus Daktylen bestanden zu haben,
die aber in V. 8 durch einen anderen Vers (.hipp?) unterbrochen werden.
4) Bei Simonides fr. 581,7 ist ungewiß, wie das Stück weiterging.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 55
3 2v
4 2v -vv--|
eria |
her |
B -v-u-0-| er ia |
9 „2 u vo (ia) 2 cr |
10 u --u-. eve -| baia cr |
EII
1 oo-o--ev-e 2-2. v2 iacr cho
ba ia |
2 ν--α«ὧν--ἰ | νων | .-ὖ.- | pher |? νυυ-ὄυ.-.Ψ. |
1*7) Bei den Bezeichnungen der Versteile bedeutet die Klammer um ein Sigel,
daß dieses Stück zwar in dem Vorhergehenden schon vorkommt, hier aber
so &bgewandelt ist, daß es sich nicht durch eins der üblichen Sigel bezeich-
nen läßt. Selbstverstándlich sind bei dieser Art freier Variation der Elemente
die erklàrenden Sigel nur Notbehelfe, — vielleicht mehr irreführende als
helfende: sie kónnen nur angeben, welche konventionellen Formen jeweils
durchklingen. Jedenfalls ist das Entscheidende, daß Pindar sich hier wie in
den oben S. 51 besprochenen "aus Iamben abgeleiteten Versen’ nicht an alte
Formen, also auch nicht an 'Metren' hält. Er setzt demit deutlich fort, was
Alkman begonnen hatte (s. o. S. 49).
56 C. Singverse
Das Gedicht beginnt also mit der normalen Folge gl pher | (= priapeus).
Die 2. Periode erweitert den pher durch zwei ‘wiederholte Daktylen’ und
setzt davor die Elementenfolge, die auch vor dem pher der 1. Periode er-
scheint, aber mit geteiltem vorletzten longum („._ = cr), die zugleich
aber auch dem Anfang der 1. Periode (u__ — ba) gleichwertig ist — oder,
anders gefaßt: die 2. Periode ist der 1. Periode fast gleich, nur daß die
Elemente - οὐ aus dem gl versetzt sind hinter die folgenden 3 Elemente,
und daß die Basis des pher von _. auf _.. erweitert ist. Die 3. Periode er-
weitert den Anfang der 2. zu einem Dimeter, der sich vom gl nur dadurch
unterscheidet, daß statt der 2 brevia ein einzelnes erscheint; in der 4. folgt
wieder der pher aus der 1. Periode. Die 5. wiederholt die 3.; die 6. erweitert
diesen Dimeter zu einem Trimeter und hängt einen akephalen pher und ein
weiteres iambisches Metron daran. Die 7. Periode kürzt die vorhergehende
am Anfang um ein Metron und am Ende um ein halbes. Die 8. nimmt den
Trimeter der 6. Periode auf, beginnt ihn aber nicht mit cr, sondern mit
vollem tz. Die 9. reduziert diese 3 Metren: das erste zu einem halben ἴα,
die beiden weiteren zu cr. Die 10. erweitert die vorige durch .., so daß
wieder ein echter Trimeter entsteht, der nun aber mit ba anhebt, so daß
der Dimeter die gleiche "Basis’ bekommt wie der gl der 1. Periode und sich
von ihm nur durch das Fortlassen des einen breve unterscheidet. Die 11.
variiert den vorhergehenden Trimeter durch Auffüllen des 1. und Kürzung
des 2. und 3. Metrons, aber man kann auch sagen, es sei nur das 1. (geteilte)
longum des letzten cr ausgelassen.
Die Epode nimmt zunächst den Anfang der letzten Periode der Strophe
auf, führt ihn jedoch weiter in der Form des gl der 1. Periode der Strophe,
bringt ihn aber nicht wie dort mit dem pher ........ zu Ende, sondern in
kürzerer Form __.-,d.h. mit dem Schluß der letzten Periode der Strophe;
80 entsteht ein Pentameter, dessen mittleres Metron choriambisch ist. Die
2. Periode ist der 1. sehr ähnlich, nur fehlen die ersten 6 Elemente und durch
eine Art Anaklasis ist in dem vorletzten Metron aus dem ba ein cr geworden;
dadurch ist erreicht, daß der Anfang einem pher gleich ist und so die
2. Hälfte der 1. Periode der Strophe anklingt, was noch hervorgehoben wird
durch das Wortende hinter diesem pher. Die 3. Periode unterscheidet sich
dadurch von der 2., daß statt des ia am Ende ein tro am Anfang steht, und
dementsprechend ist die Basis des pher _. statt ._ (es treten also die ersten
4 Elemente des pher noch einmal davor). In der 4. treten gl und pher wieder
verbunden auf wie in der 1. Periode der Strophe, allerdings ist der pher
akephal, und davor tritt ein zum ba verkürztes Metron (es werden die drei
2. Nicht ματὰ μέτρον gebaute Singverse 57
β) Gleitende Übergänge
Der deutlichste Fall eines ‘Gleitenden Übergangs’ ist der Wechsel von
einem Versmaß zu einem anderen in der Form, daß zwischen die eindeutigen
Formen der verschiedenen Versmaße ein Stück tritt, das ambivalent ist, das
sowohl dem vorhergehenden wie dem folgenden Versmaß zugerechnet werden
kann, so daß z.B. der Übergang von einem daktylischen zu einem äolischen
Stück vermittelt wird durch einen Pherekrateus mit Doppellänge in der
Basis, also etwa:
- UV UV. 3 da.
--,ἨῺἉ᾽ο.ευν.- | „wil |
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 59
Aber auch ohne solche *ambivalenten' Glieder kann ein gleitender Übergang
von einem Versgeschlecht in das andere sich vollziehen, etwa dadurch, daß
durch geringe Variationen oder durch die Verteilung der Wortenden das
eine Versmaß dem anderen nahegerückt wird.
Für diese über das bei Pindar Vorkommende weit hinausgehende Art
organischer Komposition sei aus Aischylos’ Hiketiden ein charakteristi-
sches Beispiel angeführt: Auf die Einzugsanapäste des Chors folgen 6 Stro-
phenpaare mit folgenden Metren:
I. 41-48 » 49-56
1 wu -ὐὐ- hem |
2 -- L2veve- οὐ-- hem (= sp cho) tro = pher ba
-u-x -vee-| tro cho | (= wil)
wu. [vu -ὐ-- | 4 da. | = cho | pher |
3... vo Lov-ov
τυ τους | 7 da. |
«τον vss ἢ οἱ ep]
Diese 4 Perioden beginnen mit hem, das in der 2. Periode mit dem Ersatz
der 2 ersten brevia durch ein longum so umgewandelt wird, daß es auch als
^w (sp + cho), zugleich aber auch mit dem folgenden tro als pher + ba
angesehen werden kónnte. Damit sind die 3 Versarten eingeführt, die sich
in der 1. Strophe zusammenfinden, — und die auch für die nächsten Stro-
phen die Hauptverse bleiben. In der folgenden Reihe der 4da entsteht
nach dem vorhergehenden cho durch das Wortende nach dem 4. Element
zunüchst der Eindruck, als ob es choriambisch weiterginge und sich ein pher
anschlósse. Zugleich aber ist cho | pher — 4 da., und so werden die Daktylen
des Anfangs wieder aufgenommen. Die 4. Periode wandelt die letzten 4 da
der vorhergehenden Periode so um, daß statt _.. des ersten Daktylus ὦ
eintritt und am Ende das drittletzte Element gedehnt wird. Dadurch wird
&ber die 4. Periode zu einer Variation des Anfangs der 2.
II. 57-62 ^ 63-68
-uu_. | υυ---οὐυ-. | =--V_U_U | 3 cho 2 1a |
-w -vev-- | pher | — cr $o |
der so gebaut ist, daß er auch als cr + io zu nehmen ist, wodurch er zugleich
nach rückwärts den Anschluß an den iambischen Dimeter vermittelt. Die
letzte Periode kann dann aber auch als ‘choriambisch’ erweiterter pher +
cr ia genommen werden.
III. 69-76 « 77-84
-vev-vv-vu-vu-vu--|
-— -uu-|
6 do. |
hem ( — sp cho) |
(3 das.--) = cho ba |
VIV | „hipp (=. cho ba) |
ὑπ νυ cu- | 2 ia |
LEM Lvu- hem (ΞΕ sp cho ) |
-vev- | cho|
-ev-we-| --»----[ hem | er ia |
Der Hexameter am Anfang nimmt die da der 1. Strophe wieder auf. Genau
wie dort erscheint an 2. Stelle ein hem mit spondeischem Anfang, der auch
ein Dimeter sein kann, woran sich ein Dimeter der Form cho ba anschlieDt,
der aber auch eine daktylische Klausel der Form 3 da "77 (s.o. S. 26) sein
konnte, so daB die beiden Dimeter zusammen wie eine Variation, und zwar
eine Kürzung des ersten Hexameters wirken. Der letzte Dimeter wird im
folgenden durch ein davor gesetztes breve erweitert, so daß ein akephaler
hipp entsteht. Daraus wird durch Umsetzen eines breve ein iambischer
Dimeter, der zweimal schon in der vorigen Strophe erschienen war. Dann
nimmt das hem mit spondeischem Anfang (in der Gegenstrophe steht aller-
dings 3silbiger Daktylos) das 2. Kolon dieser Strophe wieder auf, und über
einen cho werden wir zurückgeführt zu reinen Daktylen in einem hem; den
Abschluß bildet der um das 1. Element gekürzte iambische Dimeter.
IV. 85-89 — 90-94
-- “1-00 - 4 da.
τους ον }- 3 das.
---2ew- - | 3da. (= pher) |
---vs-| 3 da... (= sp cho) |
πους συν. - -|| cr ba hipp ||.
V. 95-102 » 103-10
ν- κυ] ba cr |
v-u--u--.-| ia2cr|
ev v] (ia) cr ba | = 8 ba |
-vv--vs-| 2 cho |
vun - v- | cho ia |
—---J-—wV - -| cho ba |
- wu.
τ ν..1-.1-|}
9-|-vveves-[5]
sp$[8(25]|er
ba| sp | sp | | er) |
-υὐ- e --ἤ cho
ba |.
Hiermit gehen die Verse ganz (mit Ausnahme des ὃ gegen Ende) zu Iamben
über, die auch in der 7. und 8. Strophe festgehalten werden, nur daß als
letzter Abschluß (165ff. ^
173ff.) wieder das hipp erscheint:
- UV. UVUV--UY- UV ἢ 2 cho hipp ||.
Stärker als Pindar halten die Tragiker sich im allgemeinen an feste Kola,
so daß es durchweg sinnvoll ist, solche Kola zu benennen, obwohl gelegent-
lich auch Stücke auftauchen, die nur aus dem Zusammenhang heraus zu
deuten sind. Die Schwierigkeit ist im allgemeinen eher die umgekehrte,
daB man beachten muß, wie vieldeutig die Glieder sind, die einen gleitenden
Übergang zwischen verschiedenen Versarten darstellen.
Aischylos Pers. 647-651 - 652-656 zeigt eine eigentümliche Ver-
schränkung von cho, to und da:
ees] vu 0..}
Ya | UV UV Von | .
54) ξὺν λακίδι mit cod. (so M. Dale). — Man beachte, wie bei Häufung von
Längen oder Kürzen die Wortenden helfen, den Vers zu gliedern.
62 C. Singverse
Die erste Periode beginnt mit 3 cho, die Wortenden, in der Strophe sogar
durch Sinneseinschnitte betont, lassen aber den ionischen Rhythmus
heraushören (vgl. auch schon 633), und die 2. Hälfte ist tatsächlich ein
anacl, und mit cho ist da nicht durchzukommen, so daB man den Anfang
eher als 2 da fassen wird. Die 2. Periode ist dann ionisch, aber durch die
Katalexe des 2. Metrons ergibt sich vom 2. longum an daktylischer Gang.
Die 3. Periode hebt wieder ionisch an (durch Anapher mit der vorigen eng
verbunden), dann kommen wirklich Daktylen, deren Strophen-Klausel υ--..
(8.0. S. 26) an das Ende der 1. Periode anklingt. Der Aufbau wird vollends
durchsichtig, wenn man erkennt, wie der anacl der 1. Periode in der 2. um
ein Element verkürzt, in der 3. um zwei Elemente erweitert ist; mit unseren
Sigeln ist gerade das nicht zu beschreiben, daf der Dichter mit den Über-
gängen von einem Versmaß zum anderen spielt (zu ähnlichen Fällen vgl.
R. Kannicht, Gnomon 40, 1973, 121f.).
Aus Sophokles wähle ich als Beispiel das Chorlied aus der Antigone
604—614 » 615-625:
x - - wu-v-- | hipp |
3 --u0-
“un |
-vuu-- |
-ipp
„hipp®
|
- su | cho ba |
-ου- wu-u-- | 2 cho ba |
6 vu. | anaclı |
- νυς-υς-ς | cho ba |
wu. wow. | anacl |
9 22. v.| a
ev v -vu-- | er ba |
11 --u- -υνου..! Ahipp*|| .
Die Anapäste leiten hier zu den Daktylen über, und der Daktylenschluß
-ὖ- (8.0. S. 26) bereitet die Iamben des Schlusses vor. — In all solchen
Fällen kann nur eine ausführliche Einzelinterpretation, wie es auch schon
für Pindar galt (s.o. S. 55), den metrischen Aufbau kenntlich machen,
doch kommt hier noch Wesentliches hinzu: da jeweils nur 2 Strophen
respondieren, kann sich das Metrum in ganz anderem Maße dem Inhalt
anpassen; auch das ist also zu berücksichtigen
55).
y) Dochnien
Als neues Versmaß hat sich die Tragödie den Dochmius (= 8) geschaffen ;
jedenfalls ist er vor Aischylos nicht belegt; auch bei Pindar und Bak-
chylides kommt man ohne seine Annahme aus. Vielleicht ist sogar Aischy-
los sein Erfinder
®). Die Formen des 5 sind außerordentlich variabel; die
Grundform ist etwa «__u_, wobei die longa auch geteilt werden können;
häufig ist die Form «u._,_. Das Vorkommen bei den Tragikern zeigt die ὃ
in naher Verbindung mit Iamben, und es liegt nahe, sie als aus dem Ver-
band der festen Metren gelöste Iamben aufzufassen, auch wenn sie selb-
ständige Kola sind wie z.B. sa |8]8|[8|85|8|23|:
Hik. 347—349 — 359—361:
Παλαίχϑονος τέκος, κλῦϑί μου
πρόφρονι καρδίᾳ, Πελασγῶν ἄναξ.
ἴδε με τὰν ὑμώτιν φυγάδα περίδρομον,
λυκοδίωκτον ὡς δάμαλιν ἂμ, πέτραις,
beginnt mit einem richtigen iambischen Metron, und daß wir im folgenden
nicht einfach, wie es (bis auf die 3. Zeile) möglich wäre, Iamben weiter-
zählen (mit den Kurzformen cr und ba), liegt daran, daß sich durch die Wort-
enden und Sinneseinschnitte immer wieder die Kola ὁ www’ _ herausheben,
und wie hier in der 2. Zeile sind auch sonst sehr häufig 2 ὃ gleich einem
iambischen Trimeter mit Mitteldihärese. Der hüpfende abgehackte Gang
macht die ὃ besonders geeignet für leidenschaftliche Äußerungen, zumal
von Angst und Verzweiflung").
55) Nach einigen früheren Interpretationen solcher Art (W. Ax, Die Parodos
des Oed. T., Hermes 67, 1932, 413-437, P. Friedländer, πολλὰ τὰ δεινά,
Hermes 69, 1943, 56-63) analysiert jetzt W. Kraus (s. o. S. 1) die Chorlieder
von Aischylos und Sophokles nach solchen Gesichtspunkten. Der Vf. ist sich
darüber klar, daß seine Ergebnisse im einzelnen oft nur hypothetische Geltung
beanspruchen können (S. 10), aber sein Buch zeigt, daß man auf diesem pre-
kären Gebiet sehr wohl weiterkommen kann, wenn man künstlerischen Takt
mit Nüchternheit und Akribie verbindet. — Über die metrischen Neuerungen
beim späten Euripides vgl. Silvia J. Brown, AJPh 95, 1974, 207-234.
56), A. M. Dale 102. — Vgl. P. Maas, Sokrates 69 (3), 1915, Jahresbericht
312-314 = Kl. Schr. 39-41. Die sämtlichen Dochmien der griechischen Dramen
stellt zusammen N. C. Conomis, Hermes 92, 1964, 23-50.
5?) Dale 107f.; Kannicht, Gnomon 45, 1973, 123f.
64 C. Singverse
Ich kann die Dochmien-Diskussion hier nicht weiterführen ®), nur kurz
darauf hinweisen, daß man beim Besprechen der „Kurzverse‘‘ des 5. Jahr-
hunderts leicht aneinander vorbeiredet, weil die festen Formen der archai-
schen Zeit sich immer weiter auflösen. Es ist nicht zu leugnen, daB bei
Pindar und Bakchylides Quantitätsfolgen vorkommen, die man „Doch-
mien‘ nennen kann, die aber keine selbständigen Kola, sondern innerhalb
einer beweglich gewordenen Metrik nur Variationen sind (Kürzungen,
Erweiterungen), die aus dem Zusammenhang zu verstehen sind. Da ist
kaum vorauszusetzen, daß der Dichter ein bestimmtes Stück mit Namen
*Dochmius' zur Hand gehabt hätte.
$8) Siehe jetzt Pindar ed. Maehler II, 1975, p. 169(B) und Bakchylides
ed. id., 1970, p. XXXIV f. — Einen Versuch, in der chorlyrischen Metrik echte
*"Dochmien' nachzuweisen, macht noch R. Pretagostini, Il doemio nella
lirica corale, Quad. Urb. 31, 1979, 101-117.
5%) Zuletzt bei Diehl 6, 197.
9?) Page, Greek Lit. Pap. 1, 1942, Nr. 74-79. — Auf die spütgriechisch-
byzantinische Metrik, in der am Versende die Betonung bedeutsam wird, kann
ich hier nicht eingehen. Erwähnt sei nur das Lied der Nil-Schiffer (Lyr. adesp.
32 Powell, Coll. Alex. p. 195), dessen metrisches Schema (L5; a5 -os- mit
Oxytonese des vorletzten Elements) sich den klassischen Formen nicht fügt;
über den Zusammenhang dieses Metrons mit 'meiurischen' Daktylen vgl.
A. Dihle, Hermes 82, 1954, 184f.
D. DIE ANTIKEN METRISCHEN THEORIEN
E. PROSODIE
Wenn die Metrik im eigentlichen Sinn zu erforschen sucht, an welchen
Stellen eines Gedichtes lange oder kurze Silben erscheinen müssen oder
dürfen, wo Wortende gefordert, gesucht oder verboten, wo Hiat statthaft
oder unstatthaft ist, lehrt die Prosodie, was eine lange oder kurze Silbe, was
Wortende im Sinn der Metrik und was ein Hiat ist. Hier erläutere ich nur
kurz einige besonders wichtige prosodische Termini, von denen im übrigen
die Grammatiken ausführlich handeln?), und zeige an ein paar Beispielen,
wie die Prosodie die Schonheit eines Verses mitbestimmen kann.
1. Quantität‘)
a) Positionslänge
Silben, deren Vokal lang ist (ἃ ἡ τ 0 €), αἱ εἰ yı ot ut ox, au eu nu ou wu), gelten
als lang (naturlang’), es sei denn, daß “Hiatkürzung’ (s.u. S. 68) eintritt.
1) Mit den antiken Kommentaren herausgegeben von M. Consbruch, Teub-
ner 1906. Im Anhang ist der wichtige Oxyrhynchos-Papyrus 220 abgedruckt.
3) Vgl. Wilamowitz, G. V. 58-79. Hervorgehoben sei das Buch von J. Iri-
goin, Les scholies métriques de Pindare, Paris 1958.
3) Grundsätzliches zumal zur homerischen Prosodie bei H. J. Mette, Glotta
35, 1956, 3ff.
4) Zur neueren Diskussion über die Quantität der griechischen Silben vgl.
D. E. Hill, Glotta 56, 1978, 159ff. — M. L. West, Glotta 48, 1970, 185-194
66 E. Prosodie
Silben, deren Vokal kurz ist, gelten als ‘natura’ kurz, aber im allgemeinen
als lang ("positionslang’), wenn mehrere Konsonanten zwischen diesen Vokal
und den nächsten treten; dabei zählt h nicht als Konsonant, ζ & ψ zählen
als zwei Konsonanten. Offenbar wird eine Silbe mit kurzem Vokal zu lang,
um als Kürze zu dienen, wenn ein folgender Konsonant zu ihr und nicht zu
der folgenden Silbe gezogen wird; sie ist aber als Länge zu gebrauchen,
weil sich die Pause zwischen den Konsonanten dehnen läßt. Die dem kurzen
Vokal vorausgehenden Konsonanten dagegen (und seien es drei wie etwa in
στρα-τός) längen die Silbe nicht. Die Konsonantengruppe muta + liquida
bildet nicht immer Positionslänge; die Regelung ist verschieden, einerseits
nach der Art der Konsonanten und andererseits in den verschiedenen Dicht-
arten*).
a) Media (B y 3) + u oder v hat stets den Wert von 2 Konsonanten,
media + A meistens; bei Homer gilt jede muta + p oder v und media + Δ
als Doppelkonsonant. Auch sonst ist media eher als tenuis oder aspirata,
sind y, v und X eher als p geeignet, die vorhergehende Silbe zu längen, —
offenbar, da sie 'stimmhafter' sind. Muta cum liquida am Wortanfang
wirkt eher einkonsonantisch als im Wortinnern*).
B) Bei Homer, Pindar und Bakchylides kann muta cum liquida ein-
oder zweikonsonantisch wirken, aber das Häufigere ist bei ihnen die zwei-
konsonantische Wertung; einkonsonantische Wertung ist bei Homer vor-
wiegend (bei Nonnos immer) durch Verszwang entschuldigt”). Bei den
alten Iambographen wie fast stets bei Sappho und Alkaios (doch vgl.
Sapph. 16, 19 u. Alk. 332, 1) gilt die zweikonsonantische Wertung, nur hat
Sappho in den daktylischen oder daktylenähnlichen Versen auch die ein-
konsonantische zugelassen?). Die attische Tragödie mißt anlautende muta
cum liquida (außer media + ^ u v) einkonsonantisch, die attische Komö-
die sowohl anlautende wie inlautende muta cum liquida (mit Ausnahme
von media + u oder v) einkonsonantisch ('correptio Attica’), so daB Posi-
tionslänge ein Zeichen für Tragödienparodie ist*).
Diese verschiedene Behandlung der muta cum liquida zeigt, daB eine
Silbe mit kurzem Vokal und folgender muta cum liquida offenbar kürzer als
eine naturlange und länger als eine kurze Silbe war, und daß die Teilung
der Silben in lange oder kurze den komplizierten Verhältnissen der lebendi-
gen Sprache nicht gerecht wurde (wenn auch gerechter als unsere Aufteilung
der Silben in betonte und unbetonte, 8.0. S. 6). Die eingehenden Unter-
suchungen von Th. Zielinski (Tragodumenon libri III, Krakau 1925) über
den Trimeter des Euripides haben gerade an der Behandlung der muta
cum liquida in dieser Beziehung Interessantes zutage gefördert (S. 151 ff.;
8.0. S. 20): bei geteiltem longum sind die entstehenden Kürzen vorwiegend
natura kurz, einkonsonantische Wirkung tritt eher bei tenuis und aspirata
als bei media ein, p bildet weniger Positionslänge als ἃ oder gar u und
v usw.19).
Wenn in einem Versmaß nur auf Grund respondierender Strophen er-
sichtlich ist, ob muta + liquida ein- oder doppelkonsonantisch zu werten
ist (wie bei Bakchylides und Pindar), sollte man nach dem Vorgang
von F. Blass (Bakchyl.-Ausgabe) die doppelkonsonantische Wertung stets
bezeichnen (rat'póg = -., πατρός = vu).
Ein Wort wie Σχάμανδρος, das mit Doppelkonsonant beginnt und dann
die Silbenfolge J.. zeigt, ist, wenn ox Position bildet, im Hexameter nicht zu
verwerten; deswegen erlaubt sich Homeri in solchen Fällen eeinkonsonanti-
sche Wertung (vgl. exérapvov, Ζάχυνθος, Ζέλεια, ferner ἀνδρότητα, ἄνδρι-
φόντης usw.)1!).
b) Silbendehnung und -kürzung
Die Quantitätsverhältnisse der gesprochenen Sprache sind bei Homer in
verschiedener Hinsicht gestórt. Durch die Lautentwicklung, zumal durch
den Schwund des F, entstanden in der dichterischen Sprache, besonders in
epischen Formeln, Anomalien, die leicht zu falschen Analogiebildungen
führen konnten. Da ferner anlautendes p, aber auch anlautende u, v, 2, c
doppelkonsonantisch wirken konnten, und schlieBlich offenbar in der mánn-
9) Näheres bei E. Wüst, Rh. Mus. 93, 1950, 341; Barrett zu E. Hipp. 760.
10) Auf eine stärkere Differenzierung der Quantitäten weisen auch die Beob-
achtungen von H. Pipping, Soc. Scient. Fennica, Comm. Hum. Litt. 9,6,
Helsingfors 1937: Er behauptet, daß bei Homer in den longa die Vokale ὦ
und n häufiger vor Konsonantengruppen erscheinen als die längeren Vokale à,
7, €, rn, 6, fi. Ich kenne die Arbeit nur aus der Besprechung von M. Dale,
Lustrum 2, 1957, 35.
4) Dazu jetzt K. Strunk, Indog. F. 66, 1961, 164.
68 E. Prosodie
lichen Zäsur die Pause dazu verhalf, der vorhergehenden Kürze die Quan-
tität einer Länge zu geben, erlauben sich die epischen Dichter ziemlich
weitgehend, kurze Endsilben als Längen zu behandeln 2).
Bei Wörtern (Wortbildern), deren Silbenfolge sich dem Hexameter nicht
oder schlecht fügt, kann eine Silbe gedehnt werden ('metrische Dehnung’
aus 'Verszwang): ἀϑανάτων _uu_ statt vuu-, γεινόμενον = -οὐ- statt
γενόμενον — vuu_, Οὐλύμποιο — ---- statt ᾽Ολύμποιο = vx usw. (Grund-
legend darüber Wilh. Schulze, Quaestiones Epicae und neuerdings W.F.
Wyatt, Metrical Lengthening in Homer, Rom 1969).
Ein &uslautender Vokal kann vor anlautendem Vokal gekürzt werden.
Diese 'Hiatkürzung' ist von Homer freier verwandt als von den späteren
Dichtern ??).
2. Wortbild
12) Beispiele für anlautendes $ als Doppelkonsonant bei Pindar s. ed. 114
p. 174, wobei homerische Wörter mit ursprünglichen Fe- wirksam waren. Über
die umstrittenen langen Endsilben auf -0V und -ἰὖ bei Pindar und Bakchy-
lides s. die sorgfältige Untersuchung von R. Führer, Nachr. Gött. Ak., phil.-
hist. Kl. 1976. 5, 245; vgl. auch B. Gentili, Gnomon 48, 1976, 744f.
13) Schwyzer, Griech. Gramm. I, 400. — Über die Kürzung von οἱ und αἱ
vor Vokal innerhalb eines Wortes vgl. Hephaistion, Ench. 1,4-6 (p. 3-5
Consbr.); R. Führer (s. Anm. 12), 196 Anm. 197.
M) Belege für Praepositiva am Versende: Pind. Ed. II! 174, Bacchyl. Ed.!?
XXI, E.Bruhn, Anhang zu Sophokles, Berlin 1899, 161 (εἶδος Σοφόκλειον,
vgl. ὁ. S. 7, 14); weiteres Maas $$ 135ff. — Zum 'Wortbild' vgl. neben Maas
auch H. Fränkel (s. o. S. 12, 5) 142ff.; schon im mykenischen Griechisch der
Linear-B-Tafeln werden *Wortbilder' ohne Worttrenner geschrieben.
4. Prosodische Kunst 69
8. Hiat
Der Hiat, das heißt das Aufeinanderstoßen von auslautendem Vokal mit
dem anlautenden Vokal des folgenden Wortes, wird in der griechischen
Dichtung (wie auch in Kunstprosa) gemieden, es sei denn, daß der aus-
lautende Vokal gekürzt wird ('Hiatkürzung' s.o.). Bei Homer erklären
sich viele Hiate, wie Bentley entdeckt hat, aus dem Schwund des F, aber
auch echte Hiate sind bei ihm nicht selten.
Von den verschiedenen Möglichkeiten, den Hiat nicht eintreten zu lassen,
wie Elision (Fortfall des kurzen Endvokals), Aphairesis (Fortfall des kurzen
Anfangsvokals), Krasis (Verschmelzung der beiden Vokale zu einem neuen),
verdient hier ein Wort der Erwähnung, daß der auslautende Vokal und der
folgende anlautende im Vers so zusammengezogen werden können, daß sie
zusammen den Wert einer Länge haben: es kommen dabei, wenn auch
selten, so auffallende Beispiele vor wie Sappho 1,11 ὠράνω αἴϑερος = -.---
oder Bakchylides 3,22 ἀγλαϊζέτω, ὁ γὰρ = -υ-ὦ- (geschrieben im Pap.
ATAAIZEONTAP).
4. Prosodische Kunst
Wie ein griechischer Dichter mit den möglichen verschiedenen Quanti-
täten einer Silbe spielen kann, zeigt Leonidas von Tarent, wenn er in
einem Weihepigramm (AP. 6,129) die eroberten Waffen aufzählt, die ein
Krieger der Athena widmet:
᾽Οχτώ τοι ϑυρεούς, ὀκτὼ κράνη, ὀκτὼ ὑφαντούς
ϑώρηκας, τόσσας 9 αἱμαλέας κοπίδας ...
Die zweite Silbe von ὀχτώ steht das erste Mal im 1. “biceps’, das zweite Mal
im 4. ‘longum’ (und Dionys von Halikarnaß sagt, comp. verb. 17 p. 71,
10 U.-R., daß im Daktylus die Länge im 'longum' kürzer sei als im zweiten
Teil des Versfußes), das dritte Mal vor Vokal im 5. breve: in Hiatkürzung.
Der Platz für die zweite Silbe wird also immer geringer. Außerdem steht sie
das erste Mal vor einem Enklitikon, so daf) nach ihr nicht Wortende ist (und
sie etwas Raum gewinnt) und sie einen Hochton bekommt; das zweite Mal
Bteht sie am Wortende vor Doppelkonsonanz (wenn auch muta cum liquida),
das dritte Mal im Hiat. Das treibt offenbar die raffinierte variatio bis an
die Grenze des Móglichen oder Ertráglichen — und so sagt er für die vierte
Achter-Gruppe τόσσας. Wie er so schließlich die Flinte ins Korn wirft, ist
vielleicht das Witzigste an dem Gedicht !5).
18) Wenn Geffcken, RE XII 2,2029,31 unser Epigramm bespricht, so hátte
er diese „rhetorische Würze'', die er sonst bei Leonidas lobt (Z. 21), auch hier
erwähnen können. Harmloser ist AP. 7,726, 10 ἡ κἀλὰ xal κἄλῶς .. . ὑφηναμένη.
Belege für diesen Typus, der auch wechselnde Wertung von muta cum liquida
einschließt, bei Jebb zu Soph. Ant. 1310f., Headlam zu Herondas 7,115,
Gow zu Theokrit 6,19.
70 E. Prosodie
b. Didaktische Schlußbemerkung
Da die technischen Vokabeln der griechischen Metrik so mühsam zu lernen
sind, sei zum Ende etwas erwähnt, das zwar skandalös unernst ist, sich mir
aber, als ich noch unterrichtete, bewährt hat: ich ließ griechische Versmaße
sich auf deutsch vorstellen und, wie bei uns üblich, Längen durch betonte
Silben wiedergeben: =«_-.- „ich heiß Döchmiüs, oo_u._.- „Glykoneus bin
ich benánnt", οο..υὐ.--.-- „ich heiß Phérekratéus'', oo_u._u__ „Ich möcht’
Hipponaktéus heißen“, «_.__ „das Reiziánum", _._._- „[thyphälliküm-
bum''.
F. NACHWORT
1. Stellenregister