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Studienhefte Zur Altertumswissenschaft 1 Bruno Snell Griechische

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GRIECHISCHE METRIK

Von

Bruno Snell

4., neubearbeitete Auflage

GÖTTINGEN - VANDENHOECK & RUPRECHT - 1982


Studienhefte zur Altertumswissenschaft
Herausgegeben von Bruno Snell und Hartmut Erbse, Hamburg
Heft 1

1. Auflage 1955
2. Auflage 1957
3. Auflage 1962

CIP-Kurititelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Snell. Bruno:
Griechische Metrik / von Bruno Snell. — 4., neubearb, Aufl. —
Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1922,

(Studienhefte zur Altertumswissenschaft ; H.1)

ISBN 3-525-25318-4

NE: GT

© Vandenhoeck & Ruprecht In Göttingen 1082. — Printed in Germany.


Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages Ist es nicht gestattet, das Buch
oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu verviellältigen.
Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
INHALT

. Einleitung ..........2ccseeccneesenneeeesnerssenennenenen
κεν 1
1. Literatur .... «νον ον εν νννννννν κεν ννν e hm
2. Zeichenerklärung .......0ὐὐν ον νννν κεν ννεννεν εν εν κεν εν nenne 2
3. Poetische Sprache und quantitierende Metrik ................ 4
4. Perioden................eeeeeeeeeee
εν εν eene 7
δ. Metren ...........sseeeesseelleeeeeee ehh 7
6. Metrische Ετθι μοϊΐθῃ...... Ὁ ννν νον εν νον εν εν νννν κε νεν εν nnne 8
7. Sing- und Sprechverse .. .... «νον ν νυν νιν κ νειν νεννννν εν κεν νενενν 9

. ΒΡΙΘΟΒΉΨΘΓΙΒΘ.. . «0 .ὐνννννννν εν ενννν κε κεν ν εν εν enn 11


1. Züsuren, Dihäresen, Brücken ........................
eese 11
2. Daktylische Hexameter ................. sess 12
a) Der homerische Hexameter ................eeeeeeeeee
een 13
b) Der nachhomerische Hexameter .....................
κεν κεν 15
c) Das Distichon ...................
eese een nnn 16

3. Trimeter und Tetrameter ......................seeeueeeusss 17


&) Iambische Trimeter ....................eeeeeeeeen
nnn nn 19
b) Hinkiamben, katalektische Trimeter, Tetrameter ............. 22
c) Trochäische Tetrameter ..............
eee eee ΝΕ 23

. ΒΙΏΡΨΘΥΒΘ.. ν εν εν εν νεν εν κννννν εν εν ννν εν εννν κεν νιν κννν εν 24


1. Singverse κατὰ μέτρον .....«««ὐνὐν
νιν ννννννενεν nnn 24
8) Daktylen ............. εν ν εν εν κε εν ee hn nnn 25
b) Anapüste ........{νν νιν εν RI HH n hn 30
6) Iamben .................eseeeeeeeeeeeeeee
ehh nhan 33
d) Ioniker ......0ὉὉνν νιν νιν ν εν ννν κεν κεν he eh hh hn 34
e) Choriamben ..........0ννν νων εν ν κεν κόνιν ενε κεν εν mmn 36
f) Trochäen ............... νειν ν εν εν t nh hh mh hn 36
g) ον} ΟΕ ΕΥ̓ ΕΝ 36
h) Choriambische Dimeter ................. eee nnn 37

2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse ...............eeeeee 37


a) Archilochos und die Epoden-Verse.........:.22cereeeanene 39
b) Die äolischen Dichter ...........css0ecseeeersernernen
en nn 43
c) Die Mischung verschiedener Versgattungen in der frühen Chor-
lyrik ΕΚ. 48
IV Inhalt

d) Pindar und Bakchylides .............22c2cueeeeeennenen 51


a) Die aus Iamben abgeleiteten Verse ...........r2ccceeren 51
8) Daktyloepitriten .......{0ὖὐνννν εν ν κεν νενν In 51
Y) Dektyloiamben ............... esee nnn 54
8) Die 'üáolischen' Versmaße .............. eese 54
e) Tragödie und Komödie .............-.22eeneeeeeeeenenennn 57
a) Aufbau der Strophen ............. sees 57
8) „Gleitende Übergänge“ ................usleeeeeeeeeees 58
Y) Dochmien ..............eeeseeeeeeeee heh rn hh rn 63
f) Die nachklassische Zeit..................... ellen 64

D. Die antiken metrischen Theorien ......................sse 65

E. Prosodie .....................ssseeeesseee
eene 66
1. Quantität ....... «ον ννννννννννννννννννν
ehh hh ra 65
8) Positionslänge ..............eeeeeeeee nn 65
b) Silbendehnung und -kürzung ................ eene 61

2. Wortbild .................. esee e 68


3. Ηἰαῦ..... νον νννννν νειν εν εν γεν νεν εν Rh I nnn 69
4. Prosodische Kunst ........0νὐννννννννννννν γεν νενννν nennen 69
5. Didaktische Schlußbemerkung .....................sesseesse 70

F. Νδοβμβμνογῦ........ννννγνννννν
νιν νιν κεν εν εν In 71

Register ...{{νννννενννννννν
κεν ννν εν εκ ee] hn 73
1. Stellenregister ...... sees 73
2. Personen- und Sachregister ....................Luulueeessee. 74
A. EINLEITUNG

1. Literatur

Das wichtigste Werk zur Geschichte der griechischen Metrik ist: Ulrich
v. Wilamowitz-Moellendorff, Griechische Verskunst, Berlin 1921; das
zuverlüssigste Hilfsmittel zur beschreibenden Systematik: Paul Maas,
Griechische Metrik, Leipzig 1923, 21929 (Gercke- Norden, Einleitung in
die Altertumswissenschaft I. 7; englische Ausgabe von H. Lloyd-Jones,
Oxford 1962, mit Ergänzungen auch von P. Maas). W. J. Koster, Traité
de métrique grecque, Leiden ?1962, gibt sorgfáltige Einzeldarstellungen. Daa
neueste umfangreiche Werk von Carlo del Grande, La Metrica Greca, En-
ciclopedia Classica, Sez. II vol. V p. 133-513, Torino 1960, verfolgt dem-
gegenüber vor allem höhere Ziele: es möchte (trotz des Titels) nicht nur die
*Metrik', sondern vor allem die *Rhythmik' erforschen, d.h. den von der
Musik her zu deutenden Gang der gesungenen Verse; damit geht er über das
hinaus, was die vorliegende Darstellung erstrebt — was man auch lieber der
Textinterpretation überläßt. Leider nutzt er, wo es möglich (und daher auch
notwendig) ist, nicht die Exaktheit, die Paul Maas gelehrt hat. Er stellt aus-
führlich die antiken Theorien dar und gibt eine Geschichte der modernen
Wissenschaft über Metrik (wenn man da von ‘Geschichte’ reden darf, denn
neben den wenigen wichtigen Entdeckungen von Münnern wie Bentley,
Porson, Gottfried Hermann, Boeckh gibt es eigentlich nur ein Gewim-
mel von Absurditáten). In einem Anhang sammelt er die erhaltenen Noten-
texte (mit Abbildungen; s. jetzt E. Pöhlmann, Denkmäler altgriechischer
Musik, Nürnberg 1970, und dazu Annemarie J. Neubecker, Altgriechische
Musik. Eine Einführung, Darmstadt 1977). Die Indices erschließen ein
reiches Material antiker Autoren und ihrer Terminologie. — Reich an Bei-
spielen ist K. Rupprechts Einführung in die griechische Metrik, München
31950; kürzer (aber ausführlicher über das Porsonsche Gesetz) ist sein
AbriB der griechischen Verslehre, München 1949. Den Zielen, die del
Grande sich gesteckt hat, versucht in gewissem Maß Dietmar Korze-
niewski nachzustreben in seiner Griechischen Metrik, Darmstadt 1968
(dazu R. Kannicht, Gnomon 45, 1973, 113-134). Zum attischen Drama
vgl. A. M. Dale, The lyric metres of Greek drama, Cambridge 1948, ?1968.
Sämtliche Chorlieder der Dramen analysiert Otto Schroeder: Aeschyli
Cantica (1906, 21916); Sophoclis Cantica (1907, 21923); Euripidis Cantica
(1910, ?1928); Aristophanis Cantica (1909, 21930). Ausführlich interpretiert
die Chorlieder bei Aischylos und Sophokles W. Kraus, Strophengestaltung
2 Α. Einleitung

in der griechischen Tragödie I, Österr. Ak. d. Wiss., Phil.-hist. ΚΊ., Sitz.-Ber.


231,4, Wien 1957. Für die Analyse der Gedichte Pindars und Bakchylides'
lege ich die zuletzt von H. Maehler bearbeiteten Ausgaben der Bibliotheca
Teubneriana zugrunde (Bacchyl. "1970; Pindar *I 1980, *II 1975), für Sappho
und Alkaios die Ausgabe von Eva-Maria Voigt, Amsterdam 1971, die die
Fragmentzählung von Lobel- Page, Oxford 1955, beibehält. Die Fragmente
der übrigen frühgriechischen Lyriker sind zitiert nach den 'Poetae Melici
Graeci' von D. L. Page, Oxford 1962 (S — Supplementum 1974), der aller-
dings auf metrische Fragen kaum eingeht, und nach den 'Iambi et Elegi
Graeci" von M. L. West, Oxford I 1971, II 1972. Für die Elegiker bis zu
Xenophanes sei verwiesen auf die Ausgabe von B. Gentili und C. Prato,
Leipzig 1979 (8. besonders S. VII-XIII 'grammatica et metrica"). Die Lite-
ratur von 1908-1933 bespricht ausführlich E. Kalinka, Jahresberichte
über die Fortschritte der Klass. Altertumswissenschaft Bd. 250, 290—494 ;
256, 1-126; 257, 1-100, die von 1936-57 A. M. Dale, Lustrum 2, 1957,
6-51, die von 1957-70 L. P. E. Parker ebenda 15, 1970, 37-98. Wegen
seines reichen Materials noch nützlich ist W. Christ, Metrik der Griechen
und Römer, 21879. — Die metrischen Termini erklären Otto Schroeder,
Nomenclator metricus, Heidelberg 1929, sowie J.B.Hofmann und
H. Rubenbauer, Worterbuch der grammatischen und metrischen Ter-
minologie, Heidelberg 1950.

2. Zeichenerklürung!)
- longum (d.h. langes Element im metrischen Schema = Platz für eine
Lànge)
breve (Platz für eine Kürze)
c

anceps (Platz für Länge oder Kürze)


x

anceps (Länge häufiger als Kürze)


K

v anceps (Kürze häufiger als Länge)


vu longum, wo auch 2 Kürzen erscheinen (sog. aufgelöste Länge)
vc 2 brevia, wo auch Länge erscheint
oo 2 ancipitia, wo selten Doppelkürze erscheint
4 Fehlen eines Elements: a) am Anfang eines äolischen Grundmaßes
(Akephalie); b) am Ende einer Periode (Katalexe)
& Gedichtanfang oder -ende
l| Strophenende
| Pause (= Periodenende, s. S. 7)
| regelmäßiges Wortende (sowohl in Zàsur wie in Dihärese, s. S. 11f.)
i gesuchtes Wortende

1) Im Anschluß an P. Maas.
2. Zeichenerklärung 3

το: Wechselschnitt (Wortende vor oder nach dem longum gefordert)


:-; Wechselschnitt (Wortende meist nach dem longum, sonst davor)
—-Brücke (Wortende zwischen den beiden Elementen verboten)
= erstrebte Brücke (Wortende zwischen den beiden Elementen vermieden)?))

Die wichtigsten Metren (Versmaße)

Iambus x_u- (bezeichnet τα) Ὁ)


Ἰτοοβᾶυθβὀυ -...« (tro)?)
Dactylus _w (genauer: -2-) (da)?)
Anapüst vu_uu- M (genauer: συυυσονυ) (an)?)
Creticus -υ- (er)
Baccheus υ-- (ba)
Ionicus vuc- (to)
Choriambus _.._ (cho)
Dochmius (8) s. u. S. 6f., 63
Wilamowitzianus (Choriambischer Dimeter) (wil) s.u. S. 37
gl pher hipp usw. s.u. 5. 43f.
anacl s.u. S. 35
lec ith chol encom 8.u. S. 42,12. 40. 36. 41

In Daktyloepitriten (s.u. S. 51) bezeichnet Maas


-os-vu- mit D
αὖ- mit e
—ulx-u- mit E
-wu_ mit d!
V mit d?

Ein kleiner Strich zwischen muta und liquida (r'p usw.) bedeutet, daB
diese Konsonantengruppe 'Position' bildet, s.u. S. 65f.
Durch ein Komma werden einzelne Metren voneinander abgetrennt, z. B.
im Trimeter (trim) « o, x-o-, x-u-, ebenso im Dimeter (dim), Tetra-
meter (tetr), Pentameter (pent), Hexameter (her), s.u. S. 12.

?) Aus drucktechnischen Gründen ist im folgenden allerdings 'erstrebte'


Brücke oft einfach als Brücke markiert.
8) Manchmal liest man noch (im Anschluß an antike Metriker) von iam-
bischen "Füßen’ (.-) oder trochäischen (..) oder anapästischen (....) 'FüBen'.
Iamben, Trochäen und Anapäste erscheinen aber nur als 'Metren', und es ver-
wirrt, sie ‘Doppelfüße’ (Dipodien) zu nennen. Auch in den Daktylen scheint
_u_u0’ als metrische Einheit empfunden zu sein: s. darüber u. S. 15, 19 und
S. 25.
4 Α. Einleitung

3. Poetische Sprache und quantitierende Metrik*)

Unsere europäische Tradition unterschied (jedenfalls bis vor kurzem) die


Sprache der Poesie dadurch von der Prosa, daB sie den Klang der Worte
nach bestimmten Gesetzen regelte; freilich erstrebten das die verschiedenen
Sprachen auf sehr verschiedene Weise. Niemand aber war darin so eigenwillig
und ehrgeizig wie die alten Griechen, als sie ihre ,,Metrik'' entwickelten.
Wenn Dichtung „klangvoll‘ sein soll, wenn Laute ,,klingen" sollen (im
Geschriebenen oder Gedruckten heißt das: die Buchstaben), tritt notwendig
stärker als in der Prosa das Gemeinte der Wörter, ihr Inhalt, zurück gegen-
über dem sinnlich Wahrgenommenen: schon das mit dem Ohr Aufgenom-
mene soll seinen Reiz haben. Daß artikulierte Laute reizvoll sein können,
spielt bereits in den frühesten Stadien der Sprachentwicklung eine Rolle;
noch heute empfinden wir das, wenn wir etwa im Gewitter eine Erscheinung
„Blitz“, die andere ‚Donner‘ nennen. Daß die Sprachlaute so das Gemeinte
„nachahmen“, taucht in der Dichtung als 'Onomatopoeie' auf. In der
Odyssee (11,598) heißt es vom Sisyphos-Felsen: αὖτις ἔπειτα πέδονδε κυλίν-
Sero λᾶας ἀναιδὴς (was Voss treffend übersetzt: ,, Hurtig mit Donnergepolter
entrollte der tückische Marmor''); das ist "Mimesis’ in sehr wörtlichem Sinn:
die konkrete, mit polterndem Geräusch verbundene Szene ahmen die stets
drei-silbigen Daktylen und vollends die Lautfolge -donde kylinde- vor-
trefflich nach. Aber es ist mehr als bloße Kopie: es übersetzt das Getöse in
das artikulierte System der menschlichen Sprachlaute, das sich aufbaut aus
den verschiedenen Vokalen, aus den Konsonanten, unter denen es 'liquida
gibt und *muta' und unter diesen dentale, labiale und gutturale und so fort.
Wenn Kalypso den Odysseus umschmeichelt (Odyssee 1,56): αἰεὶ δὲ
μαλακοῖσι xal αἱμυλίοισι λόγοισι ϑέλγει, so ist diese ,,Lautmalerei'' gewiß auch
„Mimesis‘‘, aber eher noch ‚Ausdruck‘, denn die acht weichen Iota.
Diphthonge in den sieben Wörtern und die vier gleitenden Lambdas haben
musikalischen Reiz, sind als Sinnes-Phànomene ,,ausdrucksvoll'" — aber
auch ,,eindrucksvoll", indem sie locken oder abstoßen®).
Unsere eigene Literatur band die poetische Sprache lange Jahrhunderte
hindurch an bestimmte Laut-Wiederholungen: Das begann mit dem ,,Stab-

*) Einige hierher gehörige Fragen habe ich näher besprochen in meinem


Aufsatz: Das Musikalische in der Sprache. Betrachtungen zum Altgriechischen,
ZPE 36, 1979, 1-14. Daß die Poesie (und damit auch die Verskunst) in der
griechischen Literatur eine besonders groDe Rolle spielt, zeigt Rudolf Kassel
in seinem Vortrag „Dichtkunst und Versifikation'', Rhein.-Westf. Ak. d. Wiss.
(Geistesw. Vortr. 250) 1981.
5) Ich habe früher einmal an einem kurzen Kallimachos-Gedicht (Epigr. 2)
zu zeigen versucht, wie das Wiederholen von Lauten und ihr Wechsel der
Schönheit und Ausdruckskraft dienen kann (Ges. Schr. 185-188, dort auch
weiteres über die Bedeutung der Laute für die Poesie; 8. a. Aufbau der Sprache
35-50).
3. Poetische Sprache und quantitierende Metrik 5

reim', bis dann im 9. Jahrhundert, anscheinend unter dem Einfluß der


hebräischen Dichtung, der Endreim über die lateinischen Hymnen auch in
die weltliche Poesie der europäischen Sprachen eindrang.
Das klassische Griechisch kannte solche strengen Formen von Laut-
responsionen nicht. Allerdings haben die Chorlyriker der archaischen und
klassischen Zeit ihre (wie wir noch sehen werden) streng korrespondierenden
Strophen gelegentlich auch durch Gleichklänge aneinander gebunden, wofür
nur ein Beispiel angeführt sei (Pind. fr. 108)®):
8 b
ϑεοῦ δὲ δείξαντος ἀρχάν ϑεῷ δὲ δυνατὸν μελαίνας
ἕχαστον ἐν πρᾶγος, εὐϑεῖα δή ἐκ νυκτὸς ἀμίαντον ὄρσαι φάος
χκέλευϑος ἀρετὰν ἑλεῖν κελαινεφέϊ δὲ σκότει
τελευταί τε καλλίονες καλύψαι σέλας καϑαρόν
ἁμέρας
Wichtiger aber als irgendwelche Lautresponsion ist für die altgriechische
Poesie der ‘Rhythmus’ der Sprache; dieser unterscheidet sich freilich fun-
damental von dem, was wir in unserer Dichtung so nennen: ihn bestimmt
die Quantität der Silben, nicht wie bei uns die Betonung; dort ist der
Wechsel von kurzen und langen Silben geregelt, bei uns der von laut und
leise gesprochenen’?). So liegt das Wesentliche der altgriechischen poetischen
Sprache darin, daß objektiv meßbare Größen sich nebeneinander ordnen;
diese Rhythmen zu beschreiben konnte man mit Recht 'Metrik' nennen,
während unser Wechsel der Betonung nicht durch exakte Zahlen festzu-
legen ist.
Im nachklassischen Griechisch hat der expiratorische Akzent den musika-
lischen zurückgedrängt®); dabei verschwanden die Längen- Unterschiede
der Silben — also auch die quantitierende Metrik. Aber bis zum Ende des
5. Jhs. n. Chr. liegt den Versen regelmäßig (oft den späteren auch noch) ein
metrisches Schema zugrunde: bestimmte Plätze fordern eine Länge (d.h.
*) Es gibt hierzu, soviel ich weiß, keine ausführliche Sammlung, wohl aber
gelegentlich sehr nützliche Bemerkungen wie von R. Führer (z.B. Nachr. Ak.
Wiss. Gött. 1976 und Gött. Gel. Anz. 229, 1977 in seiner Besprechung von
Pages Supplementum Lyricis Graecis); sie können etwa helfen, den Strophen-
bau unvollkommen erhaltener Gedichte zu erkennen, vgl. Pind. fr. 1280 1 » 12
(Strophenanfang), fr. 128d 5 — 13 (offenbar Strophenende).
?) Nietzsche hat gesehen, daß die quantitierende Metrik der Griechen zu-
sammenháüngt mit dem musikalischen Akzent der Sprache. Darüber, daß man
das mit Unrecht bestreitet, s. ZPE 36, 1979, 5f. Der neue Versuch von W. S.
Allen, einen 'stress-&ccent' des Altgriechischen als metrisch relevant zu er-
weisen (Vox Graeca, Cambridge 1968; Accent and Rhythm, Cambridge 1973),
hält der Kritik nicht stand: s. D. M. Jones, Cl. Rev. 21, 1971, 2905f.; M. LL.
West, Gnomon 48, 1976, 1-8.
5) Er blieb durchaus erhalten: „mit einer Tonhóhe von Terz bis Quint'',
A. Mirambel, La langue grecque moderne. Collection Linguistique 59, 1959, 28.
6 A. Einleitung

eine lange Silbe), andere eine Kürze (kurze Silbe), einige, durch Regeln be-
stimmbare, sind frei für Länge oder Kürze. Den Platz für eine Länge be-
zeichnet Paul Maas als ‘(elementum) longum’ (_), den Platz für eine Kürze
als' (elementum) breve’ (.), den Platz, an dem Länge oder Kürze stehen kann,
als ' (elementum) anceps' (.)). Im Deutschen, bei dem "betonenden’ Rhyth-
mus, sind solche strikten Platzanweisungen schwieriger zu erfüllen, da könn-
ten etwa die Worte: „Habe nun, ach, Philosophie . . .'' einen daktylischen
Hexameter einleiten (Hábe nun, ách, Philósophíe . . .), man könnte sie aber
auch choriambisch messen (Hábe nun, äch, Phílosophfe ...) oder gar
iambisch (Habe nun, ách, Philósophíe ...), was die folgenden Verse sogar
nahelegen.
Da das Griechische den Rhythmus auf so feste Basis stellt!?), kann es
klare "metrische’ Formen ausbilden; tatsächlich sind die kunstvollen Vers-
maße der abendländischen Dichtung abhängig von der Metrik der Griechen.
Verse, die nur aus Längen oder nur aus Kürzen bestehen, sind unrhythmisch,
wenn sie nicht durch Wortenden gegliedert sind!!).

*) Von Hebung’ (Arsis) und ‘Senkung’ (Thesis) beim griechischen Vers zu


sprechen, empfiehlt sich schon deswegen nicht, weil der moderne Sprach-
gebrauch die antike Verwendung der Wórter geradezu umgekehrt hat, — vor
allem aber deswegen nicht, weil die Wörter vom Taktieren hergenommen sind
und daher für uns leicht die Vorstellung vom festen Takt hervorrufen (darüber
8. u. 8. 37f.) und von einem Rhythmus, der bestimmt wird durch den ex-
piratorischen Akzent, also durch Stellen im Vers, an denen man eine betonte,
d. h. lauter gesprochene Silbe erwartet (Iktus), darüber s. u. S. 64, 60.
10) Es ist eine Ausnahme, und man muß sie schon mit Witz nutzen, wenn der
Anfang eines Trimeters ἱερὸς ὁ πλόχαμος (Eur. Bacch. 494 = σου vuux) auch als
Pentameter-Anfang fungieren kann (Callim. ep. 48,6 = _uu_uu_). Über Ähn-
liches bei Horaz s. Ed. Fraenkel, Horace 349; ausführlicher jetzt R. Kassel,
ZPE 42, 1081, 15-18.
1) Vgl. A. M. Dale, Class. Rev. 73, 1939, 196f. — Kannicht stellt in seinem
Kommentar zu Euripides’ Helena auf S. 61 die Schemata solcher Trochäen
zusammen, die durch Auflösung der Längen und durch kurze ancipitia nur aus
Kürzen bestehen. Die Texte zeigen, wie der Rhythmus häufig daran kenntlich
ist, daß die 1. Kürze der aufgelösten Länge einen Akut trägt, also 'betont',
d. h. um eine Quint höher gesprochen wurde, und Wortende hinter dem breve
bevorzugt ist, z.B.:
172 σύνοχα δάκρυα, πάϑεσι πάϑεα, μέλεσι μέλεα
^ 184 ὅμαδον ἔχλυον, ἄλυρον ἔλεγον, ὅτι ποτ᾽ ἔλαχεν.
Diese Verse behalten auch in neugriechischer Aussprache einen deutlichen
Rhythmus, nur ist der nicht ‘trochäisch’ (2-1 | 2-1...), sondern entspricht
eher den alten Daktylen (2-1+1 2-1+1...). Mit dieser Ambivalenz spielt
schon Euripides in den daktylischen Liedern der Phoenissen: 796 |... ..
uv v ve v' ('9(xaov ἔνοπλον᾽) = 813 4 da (vgl. 1557, zwischen da, 'ξίφεσι βρίϑων᾽
= vv v-- und die Sequenz 1567-9: 1570ff.): vgl. Wilamowitz, GV 359f. und
Dale, Lyrik Metres? 66. — Zu Eur. Hel. 171 vgl. ferner M. Dinat, Rev. ét.
gr. 89, 1976, 296 (p. 298 zu 185, 299 zu 195). Zu Kretikern vgl. u. S. 37, zu
Komödien-Trimetern S.21, zu Anapästen S. 30, zu Daktylen S. 29,20, wo
ὅ. Metren 7

4. Perioden
Die griechischen Verse sind, wie Aug. Boeckh erkannt hat, durch
‘Pausen’ gegliedert; eine metrische Einheit hebt sich gegen die folgende ab
durch das geforderte Wortende, durch den Hiat, der hier erlaubt ist (s.u.
S. 69), und dadurch, daB jeweils das letzte Element anceps ist!*). Durch
solche Pausen begrenzte Stücke heiBen Perioden. Im metrischen Schema
wird Pause durch | markiert. Diese Perioden sind jeweils die Einheiten, von
denen eine metrische Analyse auszugehen hat. Bei lyrischen Versen ist vor
allem davor zu warnen, die Teile von Perioden so zu behandeln, als ob sie
selbständig existierende Stücke würen!?) In den Sprechversen (s.u. S. 9)
bildet jeweils ein “Vers’ eine Periode.
Sophokles und die Komodie haben gelegentlich am Ende einer Periode
(d.h. am Ende des iambischen Trimeters) nicht volles Wortende, sondern
Elision (Oed. R. 332 τί ταῦτ᾽ [ἄλλως ἐλέγχεις)5). Aristarch nahm diese
Freiheit auch für den homerischen Hexameter bei dem Akkusativ Ζῆν᾽
(© 206, Ξ 265, Ω 331) an (vgl. Mette, Pfeilschuß des Pandaros 8,2). Kalli-
machos erlaubt sie sich einmal im Übergang vom Hexameter zum Penta-
meter (ep. 41,1). Bei Sappho 31,9/10 wird man elidiertes δ᾽ am Perioden-
ende anzuerkennen haben (vgl. Maas, Metrik $ 139).
Hephaistion 4,6 p. 15 Consbr. gibt zwei Beispiele dafür, daB Dichter
in Distichen einen Eigennamen, der sich sonst dem Metrum nicht fügt, auf
Hexameter und folgenden Pentameter so verteilen, daß die Kompositions-
fuge des Eigennamens in das Periodenende fällt (Sim. fr. 76 D. = Epigr.
Gr. 81 P. ’Apıoro- | γείτων 15), Nikomachos II p. 316 B* ᾿Απολλό- | δωρος).

b. Metren
Griechische Verse sind “nach Metren' (κατὰ μέτρον) gebaut oder 'nicht
nach Metren'. Die nach Metren gebauten Verse bilden eine Periode dadurch,

übrigens auch die Akzente weitgehend respondieren. Siehe auch Dion. Hal.
comp. 17 p. 68sqq. U.-R. (Mel. ad. 1027 Page).
13) Da dieses anceps durchaus anderer Natur ist als dasjenige, das als erstes
Element im Iambus (s. S. 19), als letztes Element im Trochäus (s. u. S. 23)
oder in der äolischen Basis (g. u. S. 43f.) erscheint, empfiehlt es eich, mit Paul
Maas eine im ‘finale’ vor der Pause auftretende Kürze als 'brevis in longo' zu
bezeichnen, denn im langen Element darf die kurze Silbe erscheinen, weil die
folgende Pause ihr Zeit leiht.
3) Vgl. z.B. S. 63 bei Dochmien.
M) Zu diesem εἶδος Σοφόκλειον vgl. G. Zuntz, An Inquiry into the Trans-
mission of the Plays of Euripides 232f.; 8. auch u. S. 68, 14.
15) Ähnlich auf dem 2. der von Trypanis veröffentlichten Epigramme aus
Chios, wenn die Ergänzung von Lloyd-Jones richtig ist: '"Aptoro-||]yelrovos
αἰχμητ[οὔ σῆμα x«l 'ApuoBlou (Hermes 88, 1960, 69). Weiteres bei R. Kassel,
ZPE 19, 1975, 213f.
8 A. Einleitung

daß ein bestimmtes “Metron’ (wie wir heute sagen) wiederholt wird. Eine
Periode aus 2 Metren heißt Dimeter, eine aus 3 Trimeter, eine aus 4 Tetra-
meter, eine aus 5 Pentameter (obwohl dieser Terminus gewöhnlich in un-
genauem Sinn verwandt wird, s.u. S. 16f.), eine aus 6 Hexameter. Das letzte
Metron vor der Pause ist bisweilen gekürzt ('katalektisch'). Die wichtigsten
Metren 8.0. S. 3f.

6. Metrische Freiheiten

Der Zwang, im Versschema jeder Silbe eine bestimmte Quantität zu


geben, ist für den griechischen Dichter etwas aufgelockert: es gibt, wie schon
erwähnt, Silben, die er sowohl als kurz wie als lang verwerten darf, wenn
etwa auf einen kurzen Vokal muta cum liquida folgt!*). Andererseits erlau-
ben die Metren an einigen Plätzen gewisse Freiheiten, was jeweils im
Einzelnen zu besprechen ist; zwei Regeln gelten dabei: Doppelkürze kann
gleich einer Länge sein, und: an bestimmten Stellen darf sowohl eine Länge
wie eine Kürze stehen ('ancipitia', 8.0. S. 2).
Nach der ersten Regel setzt schon Homer im Daktylos statt Doppel-
kürze auch Länge (-_—,...., s.u. S. 13). Im Anapäst gilt nicht nur dies,
sondern auch umgekehrt kann Doppelkürze statt Länge stehen, so daß
Doppelkürze und Länge gleichwertig sind („= . . ., s.u. S. 25). Besonders
wichtig für die Geschichte der Metrik wird dann, daß im tragischen Iambus
die “Auflösung” der Länge in zwei Kürzen üblich wird («wuw...), ja, sogar
Doppelkürze im 'anceps' stehen kann (“-_._-..., s.u. S. 21).
Die 'ancipitia' hatten ursprünglich offenbar ihren Platz am Anfang oder am
Ende einer metrischen Einheit, waren also gleichsam Stücke einer Sprech-
pause!?). Am deutlichsten ist das am Periodenende, das (von wenigen Aus-
nahmen abgesehen, 8.0. S. 7) Wortschluß fordert, wo also ein Moment der
Stille gewissermaßen die für den Rhythmus nötige Zeit ausfüllt. Anders
erklärt sich das *anceps' am Beginn des Iambus (-_._...) oder am Ende
eines Trochäus (-._x... .), denn Anfang oder Ende eines “Metrons’ fordern
innerhalb der ‘Periode’ (des Trimeters, des Tetrameters) kein Wortende.
Daß im Iambus am Anfang, im Trochäus am Ende die Quantität der Silbe
nicht streng genommen wurde, liegt offenbar daran, daß der Kern des Rhyth-
mus die Silbenfolge lang-kurz-lang ist (-.-), wo die Quantitäten scharf
getrennt sind; baut man dies ein in einen steigenden Rhythmus (wie bei
den Iamben) oder einen fallenden (wie bei den Trochäen), scheint es natür-
lich, die Quantität der Silbe, die dies Steigen oder Fallen bestimmt, nicht
ganz ernst zu nehmen. Das ließe sich, scheint mir, auch im Takt der Musik
zeigen, doch auf dies Gebiet wage ich mich nicht.

16) S. u. S. 66.
17) Zum "anceps’ vgl. E. Rossi, Riv. fil. cl. 91, 1963, 52ff.
7. Sing- und Sprechverse 9

Eine andere Art freier Quantitäten zeigen die äolischen Verse: Sie sind
nicht κατὰ μέτρον gebaut — so fehlt ihnen das 'anceps' von Iambus und
Trochäus. Aber auch die Gleichung Doppelkürze = Länge ist in ihnen
streng verpónt: weder können (wie bei den Daktylen) zwei Kürzen 'zu-
sammengezogen', noch (wie im Iambus der Tragödie) Längen ‘geteilt’
werden.
Der Glykoneus, offenbar das äolische Urmaß, ist ein 8-Silbler, der
zwischen seinen festen longa zunächst zwei brevia und dann ein einzelnes
breve hat. Dafür stehen am Anfang zwei ancipitia: oo_uu_-u-; die strenge
Entschiedenheit der Lang-kurz-Ordnung wächst gleichsam aus einem
anfänglichen Zögern heraus.
Die hier kurz skizzierten (teils nur vermuteten) Zustände ändern sich in
der griechischen Dichtung zum Teil sehr wesentlich — offenbar auch
dadurch, daß die verschiedenen ursprünglichen Versformen wechselseitig
einander beeinflussen. Das ist weiterhin an den einzelnen Versmaßen zu
prüfen; dabei zeigt sich, wie dieser Prozeß einerseits die Ausdruckskraft
der Metren steigert, zugleich aber ihre Festigkeit bedroht.

7. Sing- und Sprechverse

Man unterscheidet zwischen Sprechversen und Singversen, obwohl die


Grenze nicht streng zu ziehen ist: den 'Sprechvers' des Epos haben die
ἀοιδοί zu Homers Zeiten offenbar noch ‘gesungen’, und viele Singverse der
Lyriker hat man später für gesprochene (oder geschriebene) Gedichte ver-
wandt. Aber die Unterscheidung ist für die Geschichte der Metrik wichtig.
So sei zum Wortgebrauch Folgendes kurz vermerkt: wir nennen 'Sing-
verse’ die mehr oder weniger frei komponierten, κατὰ μέτρον oder nicht
κατὰ μέτρον gebauten Verse der 'Melik', d.h. der lyrischen und drama-
tischen “Lieddichtung’, — 'Sprechverse' die streng κατὰ μέτρον gebauten,
an feste Regeln gebundenen und κατὰ στίχον gereihten Verse, wie im Dialog
des Dramas die iambischen Trimeter oder trochäischen Tetrameter. Die
beiden Versarten beeinflussen sich wechselseitig auf mannigfache Weise
und einige stehen auch zwischen Sing- und Sprechvers, wie etwa die
Distichen der Elegien und die Epoden-Verse, oder im Drama ein Rezitativ
(παρακαταλογή) wie die Anapäste, oder vielleicht auch die Dochmien!®).
Jedenfalls muß eine Metrik Sprech- und Singverse voneinander trennen, da
ihre Probleme weitgehend verschieden sind: für Sprechverse gibt es durch
die Jahrhunderte hindurch Regeln, sowohl für das metrische Schema (z.B.

1) Vgl. Maas, Gr. Metr. $76, Kannicht, Gnomon 46, 1973, 119. 123; zur
sog. παρακαταλογή der Komödie vgl. Franca Perusino, Quad. Urbin. 1,
1966, 90ff.
10 A. Einleitung
die Wortenden, die Plätze für longa, brevia usw.) wie für die Handhabung
der Wörter (ihre Silbenmessung, ihr soziales Niveau etc.), und es stellt sich
immer wieder die zentrale Frage: wie streng folgt hier oder dort der Autor
diesen Regeln; das hängt ab von seinem ‘Stil’: ist er streng, klassisch, feier-
lich, — oder aber lässig, natürlich, unprezios. Die Singverse dagegen ent-
wickeln sich dadurch, daß die Lyriker Persönliches sagen möchten und
dafür neue Formen suchen. Das wird sich im folgenden zeigen.
B. SPRECHVERSE

1. Zäsuren, Dihäresen, Brücken

Die Periode des Sprechverses ist in anspruchsvoller Dichtung nicht nur


durch den vorgeschriebenen Wechsel von Längen und Kürzen geregelt,
sondern außerdem dadurch, daß an bestimmten Stellen Wortende gemieden
(oder gar verboten), an anderen erstrebt (oder gar gefordert) wird (ver-
botenesWortende wird markiert: 7 \,, gesuchtes Wortende: i o.à., 8.0. S.2f.,
gefordertes Wortende: |). Die Stelle, an der das Wortende erstrebt wird,
nennen wir "Züsur', wenn sie innerhalb eines Metrons, 'Di(h)árese', wenn sie
zwischen zwei Metren fällt!). Die Stelle, an der Wortende gemieden wird,
heißt '"Brücke'. Jeder Sprechvers wird durch Zäsur oder Dihärese in zwei
annähernd, doch nicht genau gleiche Teile gegliedert. Solche Einschnitte
dienten wohl zunächst dazu, dem Sprechenden innerhalb des Verses eine
Pause zum Atemholen zu gestatten, halfen dann aber, den Vers angenehm
zu gliedern. Dabei liegen die Hauptzäsuren so, daß die 2. Hälfte des Verses
beim daktylischen Hexameter etwas lànger als die erste wird, beim iambi-
schen Trimeter ebenfalls meist, jedoch beim trochàischen Tetrameter stets
kürzer. Außer dem Haupteinschnitt können weitere Einschnitte (Neben-
zäsuren oder -dihäresen) einen Vers gliedern.
Die “Brücken? dienen teils *rhythmischen' Zwecken, d.h. dazu, das Aus-
einanderfallen des Verses in allzu gleichartige Teile zu verhindern (um ihn
nicht *klappern' zu lassen), andererseits "prosodischen’ Zielen, nämlich dazu,
an bestimmten Stellen den Vers nicht schleppend werden zu lassen. Denn
das Wortende belastet, wie manches im griechischen Vers zeigt, die Zeit-
dauer: so kann, um zunächst nur das wichtigste Beispiel solcher Brücke zu
nennen, eine Länge im anceps die bei strengem Vortrag zur Verfügung
stehende Zeit so stark belasten, daß sie nicht außerdem noch ein Wortende
erträgt. Darauf beruht das Gesetz, das Porson für das Ende des iambischen
Trimeters und des trocháischen Tetrameters entdeckt hat, das aber noch

1) Von diesem strikten Gebrauch des Wortes weicht es ab, wenn man beim
iambischen Trimeter von 'Mitteldihürese' statt von Mittelzäsur spricht, wo das
2. Metron nach dem 1. longum durch Wortende geteilt wird (8. u. S. 19, Anm.30a
u. 21,36). — Über ,,Wortende'' im Sinne der Metrik s.u. S. 68 unter "Wortbild’,
über die gelegentliche Problematik von Wortenden bei Wortbildern und bei
Elisionen oder Aphäresen s. P. Maas, Gr. Metr. $$ 135ff., D. Korzeniewski,
Gr. Metr. 18f. — Bemerkenswert etwa ist, daB Archilochos Elision in der
Dihárese nur bei δ᾽ kennt, 8. West zu fr. 105,3; 108,2; 122,4.
12 B. Sprechverse

weiter gilt?): außerhalb der Mittelzäsur (oder -dihärese) darf nach Länge im
anceps kein Wort enden (Schema: .... S _v...).
Die wichtigsten Sprechverse sehen im metrischen Schema, wenn man die
einzelnen Metra durch Komma voneinander trennt, so aus:
der daktylische Hexameter (= 6 da. |):
-US, 2S, -Um, -US, -vve, --]
der iambische Trimeter (= 3 ia):
Xl, KV, x-v-|

der trochàische (katalektische) Tetrameter (= 4 tro. ||):


-——— X, -v-x, I-v-x, -u-|.

Am Periodenende (|) ist Hiat erlaubt, aber Elision verboten?); in Zäsur


und Dihärese (|) ist Hiat grundsätzlich verboten‘), aber Elision erlaubt.

2. Daktylische Hexameter*)

Der älteste uns bekannte griechische Vers ist der daktylische Hexameter,
in dem die homerischen Gedichte abgefaßt sind und der, da im Griechischen
ein Versmaß und eine bestimmte Dichtgattung weitgehend aneinander
gebunden bleiben, der epische Vers ist. Auch für Lehrgedichte benutzte
man ihn seit Hesiod.
Im Daktylus (_..) sind das longum und die zwei brevia insofern gleich-
wertig, als an die Stelle der zwei Kürzen fast immer auch eine Länge treten
kann), nicht aber kann das Longum durch zwei Kürzen gefüllt werden.

*) R. Porson, Praefatio zu Eur. Hec. p. XXX (London 1797); er hat dies


such ausgedehnt auf den Anfang des trochäischen Tetrameters (was man zu
Unrecht Havet zuschreibt, doch s. Parker, Lustrum 15, 1970, 82). — Ob man
die ‘'Maassche Brücke' bei den von Pindar unbeeinflußten Daktyloepitriten
(s. u. 8. 53) mit dem Porsonschen Gesetz verbinden darf, ist unsicher. Denn das
Porsonsche Gesetz hat offenbar *prosodische' Bedeutung (Näheres s. u. S. 18),
was bei dem Maasschen Gesetz zweifelhaft ist, (s. u. S. 53, 45). — Vgl. L. P. E.
Parker, Porson’s Law Extended. Cl. Qu. N. S. 16, 1966, 1-26.
*) Doch 5. o. S. 7.
1) Über die bei Homer vorkommenden Hiate vgl. z. B. P. Chantraine,
Gramm. hom. 1, 88ff., Koster, Traité 42.
5) Statistiken zu den Formen des homerischen Hexameters bei K. Meister,
Die homerische Kunstsprache, Leipzig 1921, 1—10; systematische Übersicht
über die Formen des homerischen und späteren Hexameters bei P. Maas,
$ 87-100; Versuch einer Erklärung der Zásurenregelung bei H. Fränkel, Der
Kallimacheische und der Homerische Hexameter. Neubearbeitung: Wege und
Formen frühgr. Denkens, München 1955 (31968) 100-156. Dazu H. J. Mette,
Glotta 35, 1956, 1-17; A. M. Dale, Lustrum 2, 1957, 29-35; ΒΕ. S. P. Beekes,
Glotta 50, 1972, 1-10.
*) Darüber, daß sie in Wahrheit nicht genau gleichwertig waren, 8. u. S. 38.
2. Daktylische Hexameter 13

Maas bezeichnet daher die zweite Hälfte des Daktylus als “biceps’ (notiert
o) — wir sprechen lieber von 3silbigen (_..) oder 2silbigen (--) Daktylen.
Der 6. Daktylus des Hexameters ist katalektisch (... ||).

8) Der homerische Hexameter


In den ersten 3 Metren sind 3silbige Daktylen nur wenig hàufiger als
2silbige. Im 4. Metron ist 3silbiger Daktylus vor allem dann bevorzugt,
wenn danach Wortende ist (bukolische Dihärese). 2silbiger 5. Daktylus
kommt nur etwa alle 50 Verse einmal vor?), und zwar, wenn vor dem Vers-
ende kein Wort mehr endet:
A 11: οὕνεκα τὸν Χρύσην ἠτίμασεν ἀρητῆραϑ).
Das Schema ist danach
4—: —
εν... ZzUUS UV, xX|e

Die Zäsur des Hexameters liegt, da sie den Vers in zwei annähernd (aber
nicht genau!) gleiche Teile zerlegen und da nach dem Gesetz der wachsenden
Glieder der zweite Teil womöglich länger sein soll, hinter dem dritten
longum:
μῆνιν ἄειδε, 9e, | Πηληϊάδεω ᾿Αχιλῆος,
oder hinter dem “3. Trochäus’:
ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον, ὃς μάλα πολλά),
selten dagegen (etwa alle 100 Verse einmal, zumeist bei Eigennamen) nach
dem 4, longum
A 145: ἢ Αἴας f ᾿Ιδομενεὺς | ἢ δῖος ᾿Οδυσσεύς,
wobei dann häufig eine Zäsur nach dem 2. longum hinzutritt, so daß der Vers
in drei einander fast gleiche, aber immer länger werdende Teile geteilt
wird!?). Das Schema für die Zäsuren ist also etwa:
-- — (Ὁ
Lv 1 vViv-ivve-v€- «| .

Selten dagegen (etwa in jedem 1000. Vers) findet sich Wortende nach dem
“4 Trochäus’ (die sog. Hermannsche Brücke!!). Solcher Einschnitt würde
?) Cicero nennt solchen Vers, der bei den römischen Dichtern seiner Zeit
besonders beliebt war, σπονδειάζων.
9) Doch vgl. ı 306 'Hà δῖαν, ὃ 604 κρῖ λευκόν, wobei ᾿Ηῶ < 'Hóa.
9) Zäsur hinter dem longum wird gelegentlich als 'männlich’, die um ein Ele-
ment später liegende als ‘weiblich’ bezeichnet. — Da die Zäsuren sich so aus
der Gliederung des Hexameters erklären lassen — Entsprechendes werden wir
im iambischen Trimeter wiederfinden, — besteht kein Anlaß, sich den Hexa-
meter aus den durch eine Zäsur getrennten Stücken zusammengesetzt zu den-
ken und diese Teile womöglich für Urverse zu halten; s. u. 8. 37-39.
1) O. Behagel, IF 25, 1909, 110-142. — Dies “Gesetz’ haben schon die
Humanisten beobachtet: s. E. Lindholm, Stil. Stud. z. Erweit. d. Satzglieder
im Lat., Lund 1931, 15ff.; L. E. Rossi, Stud. Urb. 39, 1965, 255 über Homer.
1) Gottfried Hermann, Orphica, 1805, 692. Inzwischen hat sich allerdings
herausgestellt, daB schon vorher Johann Heinrich Voss das Unschóne solcher
14 B. Sprechverse

den Eindruck erwecken, der Vers sei als daktylischer Tetrameter mit Kata-
lexe zu seinem Ende gekommen, und der Vers bekommt etwas Klapperndes,
da der gleiche Klang zwei Metren später am Versschluß wiederkehrt:
Hes. theog. 319 4 δὲ Χίμαιραν ἔτικτε πνέουσαν | ἀμαιμάχετον πῦρ |.
Im Lateinischen und Deutschen (Ausnahmen: Voss und Hermann) ist
man gegen solche Hexameter weniger empfindlich (,, Pfingsten, das liebliche
Fest, war gekommen. Es grünte und blühte'"). Der angeführte Hesiod-
Vers klappert vollends dadurch, daß auch nach dem ‘2. und 3. Trochäus’
Wortende ist. Nach dem 3. Trochàus' ist die normale Zäsur; nach dem 2.
dagegen vermeidet Homer eher das Wortende, und erst recht nach dem
2silbigen 2. Daktylus!?). Auch am Anfang scheut man also den Anschein,
mit einem katalektischen Dimeter sei ein Haltepunkt erreicht. Dagegen ist
Wortende nach 3silbigem 4. Daktylus häufig (bukolische Dihárese); solche
Dihärese weckt die Erwartung, daB der Vers fortgesetzt wird.
Die verschiedenen Einschnitte und der Wechsel von 3- und Zsilbigen
Daktylen machen den Hexameter außerordentlich bildsam: er kann sich
dem Inhalt der Worte auf mannigfache Weise anpassen. Im allgemeinen
malen die 2silbigen Daktylen eher eine langsame, schleppende Bewegung,
vor allem die σπονδειάζοντες, wie A 600
ὡς ἴδον Ἥφαιστον διὰ δώματα ποιπνύοντα,
die 3silbigen dagegen eher eine hurtige, wie X 598
αὖτις ἔπειτα πέδονδε χυλίνδετο λᾶας ἀναιδής (8.0. S. 4).
Es ist mißlich, allgemeine Regeln über dergleichen aufzustellen, wohl aber
kann die Einzelinterpretation oft das Treffende oder Schöne bestimmter
Versformen aufweisen — gerade wenn sie regelwidrig sind ?).
Die Frage, ob im älteren Epos mit 'akephalen' Hexametern (|| "’u._....)
oder mit sog. στίχοι μείουροι (oder μύουροι, antiker Mustervers: M 208
. . . αἰόλον ὄφιν, . .. -o |), also mit der metrischen Freiheit zu rechnen ist,
daB im longum des 1. und 6. Daktylus auch eine Kürze erscheinen kann,
oder aber, ob es sich dabei um die prosodische Freiheit der metrischen
Dehnung (darüber s.u. S. 20) handelt und die dort auftauchenden kurzen
Silben lang gemessen werden kónnen, ist noch nicht endgültig geklàrt (vgl.

Verse erkannt und sie auch in seinen Übersetzungen vermieden hat, vgl.
Rudolf Kassel (s. o. S. 4, 4) 22 Anm. zu 10, 30.
13) K. Meister (8.8.0. 5) unterscheidet allerdings nicht zwischen Ende nach
2silbigem oder 3silbigem Daktylus; 8. auch H. N. Porter, The early Greek
Hexameter, Yale Class. Stud. 12, 1951, 3-63, und H. J. Mette (s. o. 8. 12, 5).
13) Der zuletzt angeführte Vers mit viermaligem Wortende nach der ersten
Daktylos-Kürze und den zwei aufeinanderfolgenden Wörtern der Form | ._. |
klappert besonders schön, weil er das Rollen des Felsens malt (es kommen
hinzu noch die Lautwiederholungen -τὶς ^ -ta, -Sovde » -Aw8e), während in
dem zitierten Hesiod-Vers die drei | -ὦ |-Wórter recht peinlich wirken.
2. Daktylische Hexameter 15

etwa K. Witte, Rh. Mus. 70, 1915, 481ff.). Ähnlich steht es mit der Frage,
ob man die sog. στίχοι λαγαροί anzuerkennen hat, d.h. Verse, in denen am
Anfang oder im 4. Metron _. statt _.., erscheint (Witte, 6.6.0. 522f.)154).
Da die bei Homer als sicher angenommenen Fälle Wortende nach dem
breve haben, erhebt sich die Frage, ob hier allenfalls Längung der Endsilbe
anzunehmen ist, also nicht eine rhythmische, sondern eine prosodische
Anomalie (s.u. S. 43). Wilamowitz rechnet bei Hesiod mit “Trochäus im
ersten Fuß’, auch ohne daß Wortende danach vorhanden ist1*).

b) Der nachhomerische Hexameter


Schon Archilochos baut den Hexameter strenger als Homer. Ihm
folgen vor allem Kallimachos und Nonnos!5). Besonders in Distichen
meidet man, um den Hexameter von dem Pentameter abzuheben, die Zäsur
nach dem 3. longum. Sie ist bei Kallimachos in den hexametrischen
Hymnen häufiger als in dem 5., der in Distichen verfaßt ist!*), aber auch
in reinen Hexametern tritt die "weibliche Zäsur stärker hervor als bei
Homer. Die Hermannsche Brücke ist bei den alten Elegikern, Kalli-
machos und Nonnos ausnahmslos gewahrt. Ebenfalls nach 4. 2silbigem
Daktylus findet sich kein Wortende!?), bei Kallimachos und Nonnos
auch nicht nach 2. 2silbigem Daktylus, während das Wortende nach 2.
Trochäus noch seltener ist als bei Homer und zumal bei männlicher Zäsur
vermieden wird!9). Es ergibt sich also für den streng gebauten Hexameter
das Schema:
ER 1 vo.3
——N
29 3 τ
“με
--
;vV—
4 Zinn.
So wird, peinlicher noch als bei Homer, der Eindruck eines katalektischen
Dimeters oder Tetrameters vermieden?!?).
Ha) W.F.Wyatt, Metrical Lengthening in Homer, Rom 1969, Ch. IX
*Acephalos and meiouros lines’ (201-32) macht wahrscheinlich, daß die Er-
scheinung ausschließlich prosodisch bzw. linguistisch zu erklären ist; vgl.
A. Heubeck, Gnomon 43, 1971, 539.
M) Die Stellen im Index seiner Ausgabe der 'Erga' S. 166, wo 22 statt 21 und
655 statt 650 zu schreiben ist. Vgl. jedoch M. L. West, Hes. Theog. p. 91f.
15) Zum Hexameter des Kallimachos vgl. R. Pfeiffers Ausgabe II 1953
p. 135, zu dem des Nonnos die Ausgabe von R. Keydell 1959 I 35*—42*,
zum Distichon der Elegiker B. Gentili und C. Prato in ihrer Ausgabe (1979)
p. VII-XIII, der Epigrammatiker A. 8. F. Gow und D. L. Page, The Garland
of Philip, Cambridge 1968, I, xxxvirff.
16) Wobei meist die bukolische Dihärese hinzutritt. Näheres bei P. Maas,
Hephthemimeres im Hexameter des Kallimachos, Festschrift Snell 23 = Kl.
Schr. 92.
1?) Tyrt. 10,8 West ist "Y23éec statt Ὑλλεῖς zu schreiben (so jetzt Gentili-
Prato 10,16).
18) Sogenanntes 2. Meyersches Gesetz.
19) Dieser Versuch, die Regelung der Wortenden im Hexameter zu erklären,
setzt voraus, daß jeweils zwei Daktylen als zusammengehörig galten. — Daß
16 B. Sprechverse

Die Zäsuren des Verses macht man dadurch sinnfälliger, daß man vor
ihnen längere Wortbilder anstrebt. Da der Einschnitt nach dem “2. Tro-
cháus' und nach dem 2. Daktylus nicht ins Ohr fallen darf, muB, wenn nicht
vor oder hinter dem 2. longum Wortende ist, ein einziges Wort, beginnend
im ersten Metron, bis zur Züsur des 3. Metrons reichen (das sog. erste
Meyersche Gesetz, vgl. Wilh. Meyer, S. Ber. bayr. Ak. 1884, 1004, for-
muliert im Anschluß an Herm. Fränkel). Etwas Neues gegenüber dem eben
schon Festgestellten besagt dies Meyersche Gesetz allerdings nur insofern,
als die Einschnitte nach dem '2. Trochäus’ und nach dem 2silbigen 2. Dakty-
lus, die an sich schon vermieden werden, ganz verboten sind, wenn vor oder
nach dem 2. longum kein Wortende ist.
Verse mit Züsuren nach 3. longum haben fast immer Nebenzäsur nach
dem 4. longum oder bukolische Dihärese oder beides??). Monosyllabon am
Versschluß, das in allen Dichtgattungen gemieden wird und sich bei Homer
etwa alle 50 Verse einmal findet, haben Kallimachos und Nonnos nur
nach bukolischer Dihärese.

c) Das Distichon
Die *Elegie' und das 'Epigramm' verbinden den Hexameter mit dem
Pentameter zum “Distichon’. Das Schema ist:
-vs-vs-iv ἢ υ-σύ-υὐ-.

Schon
„5 ||
im Altertum dachte man sich den Pentameter entstanden aus der
Wiederholung des "halben Hexameters’, des Hemiepes, d.h. des Kolons
μῆνιν ἄειδε ϑεά (Hephaest. p. 51, 20C.)?!). Da er tatsächlich nicht als selb-
im 4. Metron der Einschnitt nach dem Trochäus strenger vermieden wird als
der nach dem Spondeus, während es im 2. Metron umgekehrt ist, wird daran
liegen, daß im Hexameter-Anfang die Quantitäten-Folge -,. » | nicht leicht
als Katalexe und Periodenende mißverstanden werden kann, während im
anderen Fall der Anschein eines Tetrameter-Schlusses entstehen kónnte. Dar-
über, daß auch für die lyrischen Daktylen ursprünglich wohl der Dimeter und
nicht das einzelne Metron die Grundeinheit ist, daß sie also, wie man sagt, nicht
κατὰ μέτρον, sondern κατὰ συζυγίαν gebaut sind, s. u. S. 25ff.
30) Verse ohne Mittelzäsur bespricht W. Bühler, Die Europa des Moschos,
1960, 221, zumal solche, bei denen ein zásurloser Platz zwischen Präposition
und zugehórigea Wort fällt, sei es bei vorangestellter oder bei (mit Anastrophe)
n&chgestellter.
31) Der Name Pentameter führt also irre, denn es handelt sich nicht um fünf
Metren. Näheres über die Entstehung des Hemiepes s. o. S. 13. — Über Ge-
dichte nur aus Pentametern, mit vorangestelltem Pentameter usw. s. Schmid-
Stählin, Gesch. d. gr. Lit. I 4, 1046, 475,13. Über die ältesten Distichen vgl.
P. H. Hansen, Glotta 56, 1978, 1994. Schon der Antike war der Pentameter
ein ästhetisch wirkungsvoller *'Abklang' des Hexsmeters, wie H. Homme]
zeigt: ‘Über den Ursprung des Epigramms', Symbola 1, 1976, 43-54. Weiteres
dazu s. u. S. 39.
3. Trimeter und Tetrameter 17

ständiger Vers vorkommt, wird er als Klauselvers zum Hexameter ent-


standen sein, und zwar als eine Art Doppelklausel: nicht nur wird die zweite
Hexameterhälfte, deren letztes Metron (am Periodenende) zum 2-Silbler
gekürzt ist, auf eine SchluBsilbe reduziert, sondern auch die erste Hälfte er-
scheint als die Kurzform, die im Hexameter bei Zäsur nach 3. longum üblich
ist. Dabei wird in der zweiten Pentameter-Hälfte der daktylische Charakter
hervorgehoben: statt der Doppelkürzen gibt es keine Längen 33).

3. Trimeter und Tetrameter

(Iambische) Trimeter und (trochäische) Tetrameter unterscheiden sich


vom (daktylischen) Hexameter dadurch, daß sie Versstellen kennen, an
denen entweder eine Kürze oder eine Länge erscheinen kann (ancipitia).
Sie lassen sich daher auch nicht auf einen bestimmten Takt festlegen.
Die Schemata sind:
Iamb. Trimeter: x-u_x:-n;-Zu0]
Troch. Tetrameter: _._52.-=| -_Su-|
Es kommt hinzu, daß, zumal in der Komödie, an die Stelle nicht nur dea
longum, sondern auch des anceps oder gar des breve zwei Kürzen treten
können. Solche metrischen Variationsmöglichkeiten dienen zwar der Er-
weiterung des im Trimeter und Tetrameter verwendbaren Wortschatzes
und bei den Komikern der Mimesis der attischen Umgangssprache und der
Lebendigkeit, gefährden jedoch den stetigen Rhythmus, zumal des an-
spruchsvollen, ernsten Verses.
Daß in diesen beiden Versarten longa durch zwei Kürzen ausgefüllt (Län-
gen “aufgelöst’) werden, ist freilich bei den alten Iambographen noch selten
(8.u. S. 20). Iamben können also etwa die Form „_u_ oder _u. „_, Trochäen
die Form _._. oder _. uu_ haben, wobei die zweite Form jeweils eine Kürze
mehr hat als die erste. Damit so verschiedene Gestalten noch als einheit-
liche Metren gehórt werden, sind die Dichter (vor allem im strengen Stil)
darauf bedacht, den Rhythmus nicht noch weiter zu stören: Hinter solchen
Kürzen, die durch ‘Auflösung’ entstanden sind, meiden sie z.B. muta cum
liquida (s.u. S. 66), offenbar um solche Kürzen besonders kurz zu halten.
Ebenso meiden sie nach solchen Kürzen Wortende, denn dies längt sicher-
lich &uch solche Kürze in einer für den Rhythmus geführlichen Weise.
Entsprechendes gilt in der Komodie für die Doppelkürzen, die ein anceps
oder ein breve ‘auflösen’ (s.u. S. 21). Besonders wichtig ist, daß im strengen
Stil ein langes anceps (es sei denn, es steht vor einer Züsur) unertrüglich
lang wird durch folgendes Wortende (Porsonsches und Havetsches
Gesetz, 8.0. S. 12,2 und u. S. 20)*?).
13) Das wurde wichtig für die Daktyloepitriten, 8. u. 8. 52.
33) Zu all diesem vgl. J. Irigoin, Rev. 6t. gr. 72, 1959, 67-80.
18 B. Sprechverse

Solche *Brücken' im iambischen Trimeter und im trochäischen Tetra-


meter regeln die Quantitäten der Silben, haben also "prosodische’ Funktion,
während etwa die Hermannsche Brücke (8.0. S. 13f.) das 'Klappern' des
Verses verhindert, also 'rhythmische' Bedeutung hat.
Wie sich die 'prosodischen' Brücken bei Iamben und Trochàen im
einzelnen auswirken, ist weiter unten (S. 19 u. 20) zu zeigen. Hier sei nur
zweierlei bemerkt: Beim Komödien-Trimeter spricht man gewöhnlich vom
'zerrissenen Anapäst’, wenn die durch aufgelöstes anceps oder breve ent-
standene Silbenfolge ..- durch Wortende unterbrochen wird. Bei Tro-
cháen entspricht dem natürlich ein 'zerrissener Daktylus’ (_.. statt ὦ
oder _=)*). Schon deswegen, weil bei Iamben und Trochäen solche halben
Metren ("Füße’) nur mit Willkür angenommen werden?®) — obwohl bereits
die alten Metriker damit wirtschafteten —, bringt es nur Verwirrung, hier
von Anapästen oder Daktylen zu sprechen. Mit echten Anapästen und
Daktylen haben sie nichts gemein.
Die Iambographen und die Tragiker meiden, wie bemerkt, sowohl im
iambischen Trimeter wie im trochäischen Tetrameter Wortende zwischen
den durch Auflösung eines longum entstandenen Kürzen; wie Irigoin
beobachtet hat?*), vermeiden sie außerdem (abgesehen vom 1. longum)
Wortende nach solchen Doppelkürzen, erstreben aber Wortende vor solchen
Doppelkürzen:

„SUN ᾿ς DET VISS vigvY | 15)

Würde man sich Iambus und Trochäus aus jeweils zwei ‘Füßen’ zusam-
mengesetzt vorstellen, könnte man glauben, daß, wenn beim Iambus die
beiden durch geteiltes longum entstandenen Kürzen von dem dazugehórigen
— d.h. vorhergehenden — breve oder anceps gern durch Wortende
getrennt werden (.i.. oder «i..), entsprechend beim Trochäus die beiden
durch Auflösung des longum entstandenen Kürzen von dem darauf fol-
genden breve oder anceps getrennt würden (..i. oder uuix). Gerade das
ist aber nicht der Fall. Bei den geteilten longa der Tetrameter ergibt sich
vielmehr nach den Untersuchungen von À. M. Dale (Anm. 24), die durch
Irigoin 8.8.0. 72 noch etwas ergänzt sind, folgendes: Bei aufgelöstem lon-
gum darf zwischen die so entstandenen Kürzen kein Wortende fallen; bei
aufgelostem 2. longum eines trochäischen Metrons ist Wortende zwischen

*) A. M. Dale, Collected Papers 1969, 130-134.


38) 8.0. 8. 3, 3.
1?) Rev. ót. gr. 72, 1059, 67-80.
1) Euripides ist dabei strenger ala Aischylos und Sophokles und hat
z.B. stets Wortende vor geteiltem 5. longum (schon von Seidler festgestellt):
ev] o υς- |. Die lex Porsoniana schließt dabei natürlich aus, daß das letzte
&nceps lang ist.
3. Trimeter und Tetrameter 19

den letzten 3 Silben des Metrons verboten; Ausnahmen hiervon gibt es im


1. Metron. Also:
v eV EVEX
VI Ko

Das zeigt deutlich, daß die Regelung des Wortendes nichts mit den
angeblichen *Füfen' zu tun hat, sondern daß Wortende vermieden wird,
wenn es eine vorhergehende Kürze zu sehr längen würde. Zwei durch Auf.
losung eines longum entstandene Kürzen beanspruchen offenbar mehr Zeit
also die dort eigentlich zu erwartende lange Silbe, und diese Zeit darf nicht
noch durch Wortende belastet werden.

8) Iambische Trimeter®)
Schon vor die Zeit des Archilochos und der jonischen Iambographen
gehört vielleicht der dem Homer zugeschriebene 'Margites', in dessen Hexa-
meter einige Trimeter eingestreut waren, von denen aber nur wenig erhalten
ist??) Die Trimeter der Iambographen, der Tragödie und der Komödie
weichen voneinander stark ab sowohl in der Regelung der Längen und
Kürzen wie in der der Wortenden.
Die Zäsur nach dem 2. anceps ist häufiger als die nach dem 2. breve,
so daß auch hier wie beim Hexameter der 2. Teil des Verses meist länger
ist 818 der erste). Mittelzäsur (Wortende nach dem 3. longum) kennen
die alten Iambographen nicht. Aischylos und Sophokles haben sie selten,
Euripides hat sie öfter, aber mildert sie durch Elision (z.B. Her. 456
ὦ μοῖρα δυστάλαιν᾽ ἐμή τε καὶ τέκνων) 395).

38) Seth L. Schein, The iambic trimeter in Aeschylus and Sophocles. A


study in metrical form. Columbia Stud. in the classical tradition, Leiden 1979,
gibt umfangreiche Statistiken (nicht nur zu Aesch. u. Soph.) über Quantitäten,
Wortenden usw., die fruchtbar sind für Fragen der Echtheit, der Chronologie,
aber auch für die Textinterpretation, wenn Ausnahme-Erscheinungen eine be-
sondere poetische Absicht erkennen lassen. Reiche Literatur-Angaben.
39) Das Material bei West, Iambi et Elegi Gr. II 69 ff. (71f. testimonia de
metro). Zu fr. 1 jetzt Pap. Fackelmann ed. B. Kramer. ZPE 34, 1979, 24-7,
zu fr. 7 W. Ludwig, Gnomon 33, 1961, 448ff.
80) Werden longe aufgelöst, wird jeweils die Zäsur vorgezogen, die eine
möglichst gleiche Silbenzahl in den beiden Teilen des Verses herbeiführt
(J. Irigoin, Rev. ét. gr. 72, 1959, 67-80).
808) Der früheste Beleg (Mitte 6. Jh.) ist in dem trimetrischen Siegerepigramm
Nr. 3 Ebert (Abh. Sáchs. Akad. Wiss. Leipzig, ph.-hist. Kl., Bd. 03 H. 2, 1972,
38) V. 3 hírotot νικέ[σας ἔ]ϑεκέ u[' ὀκέαις. — Der Versuch von G. Stephan,
Hermes 108, 1980, 402-18 (ausführlicher *Die Ausdruckskraft der caesura
media im iambischen Trimeter der Tragödie’, Beiträge 2. Klass. Philol. H. 126/
1981), die Mittelzasur ale gesuchtes Mittel der Versgestaltung zu erweisen, kann
nur zum Teil überzeugen.
20 B. Sprechverse

Die alten Iambographen kennen Teilung der longa nur bei längeren
Wörtern, in denen sich Kürzen hàufen?!). Die älteren Tragiker sind mit der
Teilung der longa noch sehr zurückhaltend; Euripides hat in den frühen
Stücken 5-6 Fälle auf 100 Verse, steigert dies aber allmählich bis zu 35-38
Fällen in den späteren 53), Da die Entwicklung bei Euripides, die Gottfried
Hermann zuerst erkannt und Zielinski im einzelnen verfolgt hat, beson-
ders interessant ist und manches für das rhythmische Empfinden lehrt,
gebe ich (nach Zielinski) deren wichtigste Züge: Ursprünglich läßt Euri-
pides in jedem Vers höchstens eine Teilung des longum zu, und zwar am
ehesten des 3.; 1. und 4. longum werden fast nur bei benachbartem kurzen
anceps, das 5. überhaupt nicht geteilt, das 2. nur bei Zäsur hinter dem
nachfolgenden anceps (über den Grund hierfür s. D. Korzeniewski, Gr.
Metr. 58). Geteiltes longum findet sich — abgesehen vom ersten — nur
im Wortanfang (Ausnahme: Med. 375 und 505). Auf die kurzen Vokale
der beiden Kürzen eines geteilten longum folgt keine muta cum liquida
(in den ältesten 3 Stücken des Eur. nur 2 Ausnahmen: Med. 1341, Hercld.
68933)). Geteiltes longum gibt es nur innerhalb 3- oder mehrsilbiger Wort-
bilder. Das 1. anceps kann in mehr als 2silbigen Wortbildern, zumal Eigen-
namen, geteilt werden. Geteiltes 2. und 3. anceps und 1. und 2. breve
kommt bei Eigennamen vor.
Bei den Tragikern und Komikern kann der 1. Iambus gelegentlich durch
Choriambus ersetzt werden (s.u. S. 33). Für die Regelung der Wortenden ist
am wichtigsten das Porsonsche Gesetz (s.o. S. 12,2), das für alten Iambus
und Tragódie ausnahmslos gilt, weniger streng für das Satyrspiel, nicht
dagegen für die Komódie?*). Für die Trimeter und Tetrameter der archai-
schen Lyrik gilt außerdem, daß nicht gleichzeitig hinter vorletztem und
drittletztem longum ein Wort enden darf; verboten ist also ein Versende wie
Aischylos Pers. 178
oder 293 ᾿Ιαόνων γῆν οἴχεται | πέρσαι | ϑέλων |
ὅμως δ᾽ ἀνάγκη πημονὰς βροτοῖς φέρειν
81 Und zwar im 1., 2. und 3. longum: Archil. 22,2 ἐρατός, 19,3 μεγάλης,
49,7 περὶ πόλιν, 112,6 διὰ πόλιν, Sol. 37, 1 διαφάδην (vgl. Alkm. fr. 1,56), Sem. 10
διὰ λόγων (Nauck). Ähnlich im 1., 3., 5. und 6. longum des troch. Tetrameters:
Archil. 114,1 διαπεπλιγμένων, 133,1 περίφημος, 128,5 καταπεσών, 129 παρὰ φίλων,
122,2 ϑαυμάσιον, 122,8 ἐνάλιον, Sol. 33,3 περιβαλών (meist am Anfang eines
Wortes oder Wortbildes, nie mit Akzent auf der ersten Kürze, nur einmal —
außer bei Prápositionskomposita — auf der zweiten).
2) Th. Zielinski, Tragodumena, 1925, 140ff. J. Descroix, Le trimétre
iambique, Paris (Mácon) 1931. E. B. Ceadel, Class. Quart. 35, 1941, 66ff.
Wichtige neue Beobachtungen bei A. M. Dale zu Eur. Hel. X XV ff. Vgl. auch
K. Lee, Glotte 46, 1968, 54ff. und Am. Journ. Philol. 102, 1971, 312ff. zur
Versifikation der Komposite von δίδωμι, τίϑημι und βάλλω.
93) Vgl. J. Irigoin, 8.8.0. 75. Weiteres zur Quantitát der Silbe vor muta
cum liquide u. S. 66ff.
*4 Auch nicht für Epicharm, vgl. Ernst Wüst, Rh. Mus. 93, 1950, 340f.
3. Trimeter und Tetrameter 21

= ...-u-|«-|v-|| (Wilamowitz, G.V. 1921, 289 und A. D. Knox,


Philologus 81, 1925, 250; 87, 1931, 19)35); ebenso darf nicht vor vorletztem
und drittletztem longum ein Wort enden wie Aischylos Cho. 556:
ὡς ἂν δόλῳ κτείναντες | ἄνδρα | τίμιον
= ...x-u [-ὐ οὖς | (Knox, Proceedings Cambr. Philol. Assoc. 1926;
Philol. 87, 1931, 20; P. Maas, Metrik, Nachträge S. 37). Diese Brücken
haben also 'rhythmische' Bedeutung: sie verhindern, daß der Vers durch
gleichartige Wortschlüsse *klappert 85).
Der Trimeter der Komódie?") ist abgesehen von der erwähnten Freiheit
von der lex Porsoniana (sie wird durchschnittlich alle 5 Verse einmal ver-
letzt) auch dadurch ungebundener als der tragische Trimeter, daß die Zäsur
fehlen kann und daß die longa sehr häufig geteilt werden, aber nur, abge-
sehen vom ersten longum, innerhalb des Wortbildes. Ferner kann vor
ungeteiltem longum jedes anceps und das 1. und 2. breve geteilt werden ®®),
doch mit einer durch diese Teilung entstandenen Kürze darf kein Wortbild
enden (Verbot des 'zerrissenen Anapásts' ; Ausriahmen etwa alle 700 Verse
einmal)??). Das Schema des komischen Trimeters sieht danach etwa so aus:
woNuv INS οὗ κυ IND AS ul

Tragödien-Parodien iin der Komódie sind oft im Metrum tragisch. Da das


Publikum den tragischen Ton sofort erkennen mußte, trug man die tragi-
schen Verse feierlicher vor als die komischen.
Die Entwicklung der Trimeter vom frühen Iambus bis zur neuen Komödie
und zumal der der Tragödie erweckt den Eindruck, daB die Freiheit immer
größer wird, während die Geschichte des Hexameters eher so aussieht, als
ob die größere Strenge erst allmählich erworben wäre. Genauere Betrach-
tung zeigt in beiden Fällen, daß einfache Schematisierungen unstatthaft
sind. Immerhin gilt soviel, daß der Vers des Epos feierlichen Klang besaß
und deshalb zur kunstvollen Ausfeilung reizen konnte, während sich der
Iambus — nach Aristoteles rhet. 3,1, 1404a 30 und 3,8, 1408} 34 das
3) Eine Stelle wie Archil. fr. 23,13 W. οὐδ᾽ οἵων ἄπο | ist durch die Zusammen-
gehörigkeit der beiden letzten Wörter und durch die vorhergehende Elision ge-
mildert; vgl. auch fr. 29,7 ]eı8’ ὅπῃ δύνεαι, Zur Tragödie vgl. Korzeniewski,
Gr. Metr. 51.
86) Sowohl Trimeter wie Tetrameter meiden Dihäresen (mit Ausnahme natür-
lich der Mitteldihärese des Tetrameters) besonders sorgfältig in der Nachbar-
schaft von aufgelösten longa, 8. J. Irigoin, 8.8.0. 77.
37) J. W. White, The Verse of Greek Comedy, London 1912, 37ff.
35) Zum Verbot des 'Prokeleusmatikos', d. h. von 4 Kürzen statt anceps oder
breve + longum, s. H.-J. Newiger, Hermes 89, 1961, 175ff. — Die singuläre
Teilung des 3. breve Aristoph. Vóg. 1203 ist eine gesuchte Verletzung der Regel,
daß die psenultima im komischen Trimeter (wie im lateinischen Senar) eine
reine Kürze ist.
89) Vgl. W. G. Arnott, Class. Quart. 7, 1957, 188ff. Die Menander-Stellen
zählt A. Thierfelder auf in Kórtes Menander II 384; vgl. E. W. Handley,
The Dyskolos of Menander, London 1965, 63ff. Siehe u. S. 22.
22 B. Sprechverse

Maß, das sich am leichtesten in der Prosarede unwillkürlich einstellt —


bei bürgerlich-naturalistischen Tendenzen am bequemsten dem erstrebten
Sprachstil angleichen ließ (vgl. P. Maas, Gr. Metr. ὃ 75. 77).

b) Hinkiamben, katalektische Trimeter, Tetrameter


Hinkiamben (Cholismben, Skazontes) unterscheiden sich von gewöhnlichen
Trimetern dadurch, daß statt des letzten breve ein longum erscheint (der
Vers ‘hinkt’ also dadurch, daß in der Paenultima als der rhythmisch emp-
findlichsten Stelle des Trimeters [Anm. 38] der iambische Duktus sozusagen
frech abgefälscht wird):
x_u.xi-u:-5--].

Damit ist vielleicht zu vergleichen, daß in der frühen Chorlyrik am Strophen-


ende die Klausel vorkommt ...x-||| (s.u. S. 26); wenn so für die frühe Zeit
eine Klausel von zwei ancipitia anzunehmen ist, wäre sie im katalektischen
Trimeter und im Hinkiambus auf unterschiedliche Art normalisiert.
Der Cholismbus des Hipponax hat fast stets, der des Kallimachos
stets kurzes 3. anceps (....-—.|, vgl. Knox, Ausgabe des Hipponax,
Loeb Library S. XII und P. Maas, Metrik, Nachträge S. 37).
Katalektische iambische Trimeter kamen bei Archilochos in den
Epoden vor: darüber s.u. S. 40. Die 3 erhaltenen haben Zàsur nach 2. anceps
(fr. 188f., 191; vgl. Theocr. epigr. 21 Wil.). Ob sie je als Sprechverse ver-
wandt sind, ist zweifelhaft; bei Alkman fr. 19 stehen 3 hintereinander,
so daß ihr stichischer Gebrauch wohl gesichert ist (vgl. fr. 14,3; 96).
Hephaistion bezeugt sie auch für Sappho (129).
Akatalektische iambische Tetrameter kommen nach den Lyrikern (Alk-
man 15 P., Alkaios 65) als Sprechverse im Satyrspiel vor bei Sophokles
Ichn. 297-328, mit Zäsur entweder nach 2. oder 3. anceps, einmal (306) nur
nach 2. breve; also
x-u-xi-2veioxi-e-x-e-|

Der katalektische iambische Tetrameter taucht zuerst bei Hipponax auf


(fr. 119 W.):
εἴ μοι γένοιτο παρϑένος καλή τε xal τέραινα 2 $a | 2 $a. |
und findet sich öfter bei Aristophanes, meist wie in dem Hipponax-
Vers mit Mitteldihärese, sonst mit Zäsur entweder um ein Element spä-
ter (z.B. ran. 916f.) oder auch um eins früher (z.B. ran. 923; es gibt aber
auch zäsurlose Verse, etwa nub. 1076). Das Schema ist also:
.
καουςκουϊ-ξκτονους-ς. | #9)
:

19) Jetzt auch bei Menander, Dyskolos 880—958, rezitiert zu Aulos-Musik ;


s. W. Kraus, SB. óst. Ak. d. Wiss., Ph.-hist. Kl. 234. 4,14, Handley δ. 8.0. 61
und 283f. — Vgl. F. Perusino, Il tetrametro catalettico nella com. gr., Rom
1968; L. P. E. Parker, Cl. Rev. 21, 1971, 71-3.
8. Trimeter und Tetrameter 23

Derselbe Vers mit unterdrücktem 3. anceps z.B. Aristophanes vesp.


248-272: - 252.265

κους-χους.ξυου.., 2 iaicr ba (= sth)

c) Trochäische Tetrameter
Beim Trochäus können wir ausnahmsweise Bestimmtes über die Art
einer Wirkung sagen: Schon sein Name bezeichnet ihn als ‘laufend’, und
so malt er z.B. häufig ein eiliges Auftreten von Personen (vgl. schol. Aristo-
phanes, Ach. 204). Für Aristoteles, poet.4, 1449a 21 geht der Ersatz
des trochäischen Tetrameters durch den iambischen Trimeter in der Tra-
gödie parallel mit ihrem Feierlich-Werden (vgl. auch etwa rhet. 3,8, 1408b
36 ὁ δὲ τροχαῖος κορδακικώτερος), — Näheres hierzu bei R.Kannicht,
Gnomon 45, 1973, 117. — Der Sprechvers, in dem der Trochäus bei
weitem am häufigsten erscheint, ist der katalektische Tetrameter mit
Mitteldihärese: 2 tro | 2 tro. | ϑυμέ, ϑύμ᾽ ἀμηχάνοισι κήδεσιν κυκώμενε (Archil.
fr. 128W.).
Die Zerlegung der Periode durch die Mitteldihärese unterscheidet sich
von der Teilung durch Zäsur bei Hexameter und Trimeter dadurch, daß die
2. Vershälfte nicht länger ist, sondern gekürzt (katalektisch); sie hat Klausel-
charakter.
Daß bei den archaischen Dichtern (Archilochos, Solon, Hipponax)
auch für ihre Tetrameter die Gesetze von Porson, Havet und Knox
gelten, ist schon S. 12,2 u. 20 gesagt; ebenso, daß in der Tragödie Porsons
Gesetz gilt.
Die Komódie gestattet statt der Mitteldihürese gelegentlich eine Züsur
vor dem 2. anceps:
:
-wu-x-e-ix: -v-x-v-| ,
:
was diesen etwas starren Vers reicher gliedert*!).
Aus katalektischen trochäischen Trimetern besteht Kallimachos’
12. Iambus (zur Regelung der Wortenden vgl. E. Lobel, Hermes 70, 1935,
42); danach ist anzunehmen, daß auch Archilochos, für den Hephai-
stion (Ench. 6,2) einen solchen zitiert (197 W.), den Vers stichisch verwandt
hat (s.u. S. 40, 6). Wichtig wurde er vor allem für die Daktyloepitriten
(E «e, s.u. S. 63).

4) In Menanders Dyskolos 708-785 haben die Tetrameter wohl immer


Mitteldihärese; zum enklitischen ἐστὶ nach der Züsur v. 754 vgl. Archil. fr. 122,1,
ferner im Pentameter Asklepiades 959 G.-P., Hedylos 1872 G.-P., Meleagros
4141. 4627 G.-P. u. 5. West zu Hes. Op. 587.
C.SINGVERSE

Während die Sprechverse ‘reihenweise’ (κατὰ στίχον) gebraucht werden,


d.h. ein und dieselbe Periode sich beliebig oft wiederholt, faBt man die Sing-
verse zu Strophen zusammen. Selbst wenn ein Gedicht aus der Wiederholung
ein und derselben Periode bestand, scheinen die griechischen Philologen
immer je zwei zu einer Strophe zusammengefaßt zu haben, was nur möglich
war, wenn das Gedicht aus einer geraden Anzahl bestand ; dann war solche
'strophische' Zusammenfassung offenbar auch beabsichtigt und hatte wahr-
scheinlich ihren Grund in der Musik, die zwei Sätze zu einer größeren Ein-
heit zusammenschloB. — In der Chorlyrik setzte sich eine Dreiteilung in
Strophe, Antistrophe und Epode durch ('triadischer' Bau: a|||a|||b|||a|
| |a|||bl]|
...), schon bei Alkman ist dies deutlicher ausgeprägt (s.u. S. 27) als in man-
chen Gebilden der monodischen Lyrik (etwa der sapphischen Strophe, s.u.
S. 44f.). Anscheinend erst seit Stesichoros und Simonides sind diese
Chorstrophen umfangreicher geworden!). In den Tragódien des Aischylos
ist zu verfolgen, wie die Strophen der Chorlieder im allgemeinen bis zur
Orestie allmáhlich an Umfang gewinnen. — Strophe bedeutet ursprünglich
das Sich-Umdrehen beim Tanz (das Chorlied war mit Tanz verbunden):
die in langer Reihe oder im Kreis aufgestellten Tänzer und Sänger ^wenden"
sich, um nach rechts oder links zu schreiten. In der 'Gegenwendung' führt
dann dieselbe Schrittfolge zum Ausgangspunkt zurück. Wie sich in dem
abschließenden *Zugesang' (Epode) die Tänzer bewegten, bleibt unklar. Ist
diese Deutung des Wortes ‘Strophe’ richtig, müßte sie von der Chorlyrik
auf die monodische Lyrik übertragen sein. (Bowra hat beobachtet, daß
noch bei Pindar und Bakchylides die 'triadisch' gebauten Gedichte
anscheinend Chorlieder sind, während die nur aus wiederholten Strophen
bestehenden zum Einzelvortrag bestimmt waren.)
Schon die Partheneia des Alkman verbinden verschiedene Versgattun-
gen, Iamben, Trochäen, Daktylen und äolische Stücke, miteinander; im
allgemeinen besteht aber bis in das 5. Jahrhundert die Tendenz, innerhalb
eines einzelnen Gedichts die metrische Einheitlichkeit zu wahren (näheres
darüber s.u. S. 371f.).

1. Singverse κατὰ μέτρον


Singverse sind teils ‘nach Metren', teils nicht ‘nach Metren' gebaut. Die
Fülle der Formen, in denen die nach Metren gebauten Singverse in der
!) Vgl. Dion. Halic., comp. verb. 19 (85,15 U.-R.); s. u. S. 265.
1. Singverse κατὰ μέτρον 25

griechischen Dichtung auftreten, kann hier nyr in der gröbsten Systematik


gegeben werden; auch für das Geschichtliche reicht der Raum eben, das
erste Vorkommen und die allgemeinen Züge der Verbreitung aufzuzeigen.
Die späteren Formen, z.B. in der Tragödie, machen, wenn man die Grund-
lagen verstanden hat, auch nicht die Schwierigkeiten, die sie zunächst zu
bieten scheinen.
a) Daktylen
Gesungene Daktylen erscheinen zuerst bei Alkman. Wenn wir unserem
begrenzten Material trauen dürfen, kamen bei ihm nur gerade Zahlen von
Daktylen vor: Tetrameter, Hexameter und Oktameter?); das läßt wohl
darauf schließen, daß wie im epischen Hexameter (s.o. S. 15) auch in
diesen gesungenen Daktylen jeweils zwei Daktylen als Einheit empfunden
wurden. Das Hemiepes 3,9» 63 » 72 » 81 P. und vielleicht Stesichoros'
daktylische Trimeter (fr. 210 - 212, s.u. S. 20) hängen offenbar ab von
den Hexameterhälften, die Archilochos in den Epoden verwandt hat
(s.u. S. 40; Alkman 14,2 ist mir zweifelhaft); außerdem hat Stesichoros
auch daktylische Heptameter (s.u. S. 28, 16).
Die gesungenen Daktylen der archaischen Lyriker unterscheiden sich von
den Daktylen des Sprechverses, des Hexameters, vor allem durch folgendes:
1. Die Doppelbrevia werden nicht in gleichem Umfang durch Längen
ausgefüllt. Alkman, dessen monodische Gedichte wesentlich aus reinen
Daktylen bestanden zu haben scheinen, hat in daktylischen Reihen des
öfteren statt des ersten Daktylus einen Spondeus, statt des zweiten nur
17,1 und 3,79, statt des dritten ib. v. 80. In den 4 Hexametern von fr. 26
erscheint kein einziger Spondeus. In den Daktylen von Stesichoros und
Ibykos tritt die Vorliebe für 3silbige Daktylen ebenfalls hervor.
2. Die Daktylen können auch 'steigend' sein, d.h. vor das erste longum
einer Periode kann ein longum oder ein Doppelbreve treten?), z. B. Ibykos
287 P.:
Φ Ἔρος αὖτε με κυανέοισιν ὑπὸ
β'λεφάροις τακέρ᾽ ὄμμασι δερκόμενος οὐ 8 da... |
κηλήμασι παντοδαποῖσ᾽ ἐς ἄπειρα -4 da. |
δίκτυα Κύπ'ριδι βάλλει") 3 da. |
3) Bei den auf 3silbigen Daktylus ausgehenden Tetrametern (fr. 14,27 Page)
sowie in den durch Mitteldihärese geteilten Oktametern (fr. 1. 17. 56) scheint
Alkman Wortende nach dem 2. Daktylus zu meiden, wohl damit der Vers
nicht in zu kleine gleiche Teile zerfällt; bei Hexametern (fr. 26. 56. 80) findet
sich Wortende nach 2. Daktylus in 26,3 (nach Elision 107), im Tetrameter 17,7
und 56,4. Fr. 89 ist zu unsicher (vgl. R. Pfeiffer, Hermes 87, 1959, 5,1).
2) Ed. Fraenkel, Rh. Mus. 72, 1917, 164 in einem für die Beurteilung der
lyrischen Daktylen grundlegenden Aufsatz (= Kl. Beitr. I 165-233).
4) Es folgt _ 4 da, [6 da, |. Danach kann sehr wohl Strophenende sein;
dann hätte die Strophe eine Länge von 25 Daktylen. — V. 4 ist allerdings un-
26 C. Singverse

Bei Stesichoros findet sich an dieser Stelle auch einzelnes breve — zum
mindesten nach vorhergehenden ‘männlich’ auslautenden (d.h. mit festem
longum endenden) Daktylen:
219,1 cà δὲ δράκων ἐδόκησε μολεῖν 4 da.. |
κάρα βεβροτώμενος &x'pov v3da. |
(vgl. 187,3 und 210,1, offen bleibt, ob in Responsion mit einer Länge, so
daß also anceps anzusetzen ist; darüber im nächsten Absatz).
3. Das Ende einer daktylischen Reihe braucht nicht die Form ...-u.--||
zu haben (... 2 da. |), sondern kann auch stumpf enden:
ἐνανυς. (notiert: 2 ἀα..),
oder gar: ...-vu-u_] (notiert: 2 da” |),
oder: eO -vucv--] (notiert: 3 daz |).
Dieser letzte Schluß respondiert in Alkmans Partheneion fr. 1 mit dem
Schluß ..._u_uu_ (notiert: 3daZ2Z- ||), — ist also kein angehängtes tro-
chäisches Metron oder dergleichen, sondern eine Responsionsfreiheit, die
(das ist kaum Zufall) am Ende der Strophe auftaucht: in der größeren
Kompositionseinheit ist nicht nur das letzte Element (wie in der Periode),
sondern sind die beiden letzten Elemente ancipitia. (Vielleicht darf man die
Hinkiamben zum Vergleich heranziehen, 8.0. S. 22°)). Mit Daktylen der
Form ....... schließt auch Ibykos in seinem Polykrates-Gedicht (fr. 282
P.) die Strophen (allerdings nicht in Responsion zu -..-...)9). Das legt
es nahe, in einigen Fragmenten diesen Daktylenausklang, der keinmal
innerhalb der Strophe vorkommt, als Strophenende zu nehmen. So ist offen-
bar in Stesichoros fr. 210 P., dem dann fr. 212 respondiert, die erste
Strophe der Oresteia erhalten:
& Μοῦσα, σὺ μὲν πολέμους ΣΤΡ 3 da.. |
ἀπωσαμένα μετ᾽ ἐμεῦ x 3 da... |
κλείουσα ϑεῶν τε γάμους
ἀνδρῶν τε δαῖτας - 5 dazz- |||)
sicher: Κύπριδος βάλλει codd.] -πριδι .Schosemann, Κύπριδος (εἰσλβάλλει Clemm,
(ἐσ.) Page.
5) Auf den δάχτυλος μείουρος Il. 12,208, der auf αἰόλον ὄφιν — οὐ.) | aus-
geht, läßt sich nicht bauen, s. Wilamowitz, G. V. 364 u. o. S. 14. — Länge
im vorletzten Element des Glykoneus (Wilamowitz, G.V.251) ist sicher
nichts Frühes, und es geht nicht an, sich aus der Tragödie etwas zu holen, um
Altes zu rekonstruieren. Entsprechende Asklepiadeen, die Wilamowitz zu-
versichtlich machten (411), sind zerplatzt (Alk. fr. 58,1; 13 L.-P.).
*) Die Epoden haben einen noch auffallenderen Klausel-Schluß _._- | v... |||
ἢ Das Folgende respondiert dann dem 1. Vers. — Fr. 211 und 219 müssen
dann zur Epode oder zur 2. Orestie gehören. Fr. 211 wird so zu gliedern sein:
«ον ὅτε (ξ)ῆρος | ὥρᾳ κελαδῇ χελιδών | =... vu-- | - 3 da, 2 -- |||. Die Deutung
des letzten Kolons von fr. 210 ^ 212 ist allerdings unsicher; es wäre such
-212?
möglich, es ele_ Di * e. ||| zu fassen, also als asynartetisch (s.u. S. 41, 8). Das
1. Singverse κατὰ μέτρον 27

Eine volle Strophe Alkmans ist vielleicht fr. 56; auch der triadische Bau
würde dafür sprechen:
4 da" |4 da- |
4 da" | 4 da- |
4da" |6daZz- || 15) vel 6da. |||? (Page)
Sicher kennen wir den Strophenaufbau von Ibykos' Polykrates-Gedicht
(282 P.)9):
ΣΤΡ 4da” | 4da--| 6daz-
EII -3da- |-3da- |--3da- |
pher*à10) | 2 da... 2 da ἢ.
Womöglich haben wir volle Epode (v. 1-7) und Strophe (8-12) auch in
fr. 286, da in v. 7 und 12 die charakteristische Strophenklausel erscheint 11):
EZTP3da"-|3da-- 7da- |4daz--
ἘΠ 3 da“- |3da-- |3da-- |
4 da” |4 da“ | 4da7" | 4 dazz-
Das spätere Vorkommen dieser Klausel bestätigt, daß wir sie bei den frühen
Chorlyrikern als Strophenklausel ansehen dürfen !?). Ohne daß die 'Strophen-

könnte sogar dadurch nahegelegt werden, daß jetzt bei Alkman fr. 3 der
Encomiologicus (s. u. 8. 41) als Abschluß von Daktylen aufgetaucht ist, und
zwar auch als Strophen-Ende. Dort ist die Deutung als encom gesichert durch
das auf das Hemiepes folgende anceps, während bei Stesichoros an beiden
erhaltenen Stellen eine Länge steht. Man müßte dann annehmen, daß Stesi-
choros den encom vorn um ein longum erweitert hätte, wofür es aber, soviel
ich sehe, aus so früher Zeit keinen Beleg gibt. — Zu diesem „Übergang von
Daktylen zu Daktyloepitriten‘ bei Stesichoros vgl. L. E. P. Parker, Lustrum
15, 1972, 41 und die von ihr angeführte Literatur, zumal aber R. Führer,
Gött. Gel. Anz. 229,1, 1977, 1-44, worauf näher einzugehen hier zu weit führen
würde.
8) Die 'Strophenklausel' kehrt bei Alkman noch wieder in fr. 91 = 6 da 77-
und vielleicht fr. 36 = 4 da 7-- und bei Ibykus in fr. 282 (— S 151) v... —
-€w3daT..
9) Dazu, daß das Gedicht an den Tyrannen Polykrates von Samos ge-
richtet ist, vgl. Dichtung u. Gesellschaft 119ff.
10) Zu dieser Notierung s. u. S. 45.
11) 1-7 könnte natürlich auch Antistrophe und 8-12 Epode sein; das ist un-
wahrscheinlicher, da in den frühen Beispielen die Epode länger als die Strophe
ist. Außerdem ist hinter V. 7 Interpunktion, wie auch in dem Polykrates-
Gedicht jede Epode mit Sinneseinschnitt endet.
12) Nach den Aufstellungen von E. Fraenkel (8. ο. Anm. 3) 166ff. kommen
solche Daktylenschlüsse an folgenden Tragödienstellen vor: Aisch. Hik. 526,
630, 846, Sept. 485, Prom. 166, Ag. 1024 und 1482, Eur. Or. 1300 — am
Strophenende oder zum mindesten als Abschluß der Daktylen (Eur. Or. 1300
mit den Hss. ἐμοῖσι). --- Das von Wilamowitz dem Antigenes zugeschriebene
Gedicht Diehl 5,144 hat Strophen der Form: 4da|ith||xex=| 4dal,.
Praxilla hat Daktylen der Form 5 da 7;- stichisch verwandt ('Praxilleion").
28 Ο. Singverse

klausel’ erhalten wäre, können wir vielleicht auch aus Alkmans fr. 17
etwas über Strophenbau und -umfang lernen, denn das Metrum scheint
gewesen zu sein (v. 38):
4 da“ |4da. |
4 da*" |4da. |
4da. |. [***]]].
Da wir so die ältesten Strophenformen der Chorlyrik kennengelernt haben,
mag eine kurze Bemerkung eingeschaltet sein über die Entwicklung des
Strophenbaus: während wir bei Alkman, zumal im Pariser Partheneion
(fr. 1), Strophen finden, die in sich triadisch gegliedert, aber nicht umfang-
reich genug sind, um sie in Strophe, Antistrophe und Epode aufzuteilen,
wachsen diese Gebilde bei Stesichoros und Ibykos so weit, daB man
Dreistrophigkeit annehmen muß.
Die Zahlen der Metren für den kenntlichen und erschlossenen Umfang
der Strophen sind etwa die folgenden:
Alkmans Partheneion: 8 - 8 + 18 = 34
fr. 56: 8 +8 - 10 = 26
fr. 3 = 26
fr. 27: 1213)
Stesichoros' Geryoneis fr. S7: 29 +29 + 27 = 851)
Iliupersis fr. S 88: 324- 32+ 41— 105!5)
Syotherai? fr. 222: Str. 231°)
(Pap. Lille: 31 - 31 4- 28 — 90)17)
Ibykos' Polykrates-Ged.: 14 -- 14 4- 16 — 44
fr. 286: 17 - 17 - 25 = 59
fr. 287: 25 - 25 -- x = 75?

Bei Pindar und Bakchylides spielen die Daktylen keine bedeutende


Rolle, aber in der kultischen Poesie haben sie ihren Platz behauptet; so hat
Sophokles den Paian auf Asklepios in langen daktylischen Reihen gedich-

13) Von Hephaistion als volle Strophe zitiert. Ob das Lied triadisch gebaut
war, ist unsicher. Immerhin fällt auf, daß der 3. Tetrameter mit Spondeus be-
ginnt und nicht Zäsur nach 3. longum hat.
14) Siehe R. Führer, Hermes 96, 1968, 675-684.
18) Vgl. R. Führer (s. o. S. 27.7) 11-14.
16) Die Strophen scheinen folgende Form gehabt zu haben: 8 da“ | 6 da. |
vu " da, | vu 2da .. |||; vgl. R. Führer, Hermes 97, 1969, 115f. Eine Epode ist
auf dem Papyrus nicht kenntlich. Vielleicht aber gehört fr. 221 P. dazu. Um-
fangreicher sind die Strophen von fr. 209, wohl ebenfalls von Stesichoros,
anscheinend mit 5x 6 = 30 Daktylen und 2 κ 3 + 2 = 8 Trochäen (darüber s.
o. S. 27.7 und u. 53.41).
17) Vgl. M. Haslam, Gr. Rom. Byz. St. 190, 1978, 29-57.
1. Singverse κατὰ μέτρον 29

tet (fr. 737 Page); auch der weitverbreitete, Asklepios-Hymnos, der um


400 v.Chr. entstanden sein wird (fr. 934 Page), besteht aus daktylischen
Tetrametern und Trimetern, denen nur der Anruf ἰὲ Παιάν und ἰὴ Παιάν,
᾿Ασκληπιόν (= 21a) eingefügt ist.
In der Tragödie treffen wir gelegentlich gesungene daktylische Hexa-
meter (Wilamowitz, G. V. 347): Sophokles läßt im Thamyras (fr. 242 R.)
den Titelhelden und Euripides in der Antiope (fr. 182a N.? 1964) den
Amphion solche Verse singen — beide sind Kitharoden und sollen es offen-
bar in der Art des alten Terpander sein, dem man Daktylen (wie auch dem
Eumelos) zuschrieb (fr. 696 u. 697 P.). Solche daktylischen Lieder haben
oft hieratisch-feierlichen Klang wie z.B. das Chorlied aus Aischylos'
Agamemnon 104: κύριός εἰμι ϑροεῖν18) oder das Einzugslied der Wolken bei
Aristophanes 275ff.
Die lyrischen Hexameter der Tragödie unterscheiden sich von den epi-
schen dadurch, daß der Einschnitt nach dem 3. longum und die bukolische
Dihärese stark hervortreten und Spondeen gemieden werden!?). Anderer-
seits gibt es feierliche Daktylen, in denen die Spondeen vorherrschen, ja
ausschließlich stehen, wie in den dem Terpander (fr. 698 P.) zugeschriebe-
nen 2 Pentametern:
Ζεῦ, πάντων ἀρχά, πάντων ἁγήτωρ, 5 da |
Ζεῦ, σοὶ πέμπω ταύταν ὕμνων &py&v??).
Wenn auch zwischen κατὰ μέτρον und κατὰ συζυγίαν gebauten Daktylen
nicht streng zu scheiden ist, also zwischen Perioden, die aus einzelnen
Daktylen und solchen, die aus Daktylus-Paaren bestehen, so machen doch
die meisten Stücke den Eindruck, aus Dimetern aufgebaut zu sein, selbst
wenn die Worttrennung hinter dem 1. Element des 3. Daktylus liegt: das
hebt dann solche Stücke des Hexameters hervor, die durch die Penthemi-
meres und die bukolische Dihärese entstehen 31), wo dann 3silbiger Daktylus
und zumal das Kolon | ..-.. | auch am Abschluß daktylischer Reihen

18) Das Euripides in Aristoph. Fróschen 1276 zusammen mit ähnlichen


*Liedweisen' als ἐκ τῶν χιϑαρῳδικῶν νόμων εἰργασμένην aufführt.
19) Soph. PPhil. 839-842 --w-iu! Dew |-ve—- |, Soph. 'frach. 1010-1039
-uc-ug- iviv- D gg i -vv-- |, Soph. fr. 242 R., Eur. Tro. 595-600, Suppl. 808—
821 _uu_uu_ | AL | -o— |» Eur. Phaet. 773, 66ff. _ σν-““- | ww 1-οο-- B

Vgl. auch Eur. Hel. 164f.; die SchluDworte des Chors in Aristoph. Fróschen:
-ev-ev- | oo- 1 55: -v-- |. Eur. Suppl. haben 271-273, 283-285 diese strengen
Hexameter ; in 274-282 sind, soweit die Verse überhaupt herzustellen sind,
dektylische Dimeter und Tetrameter abzuteilen (etwas anders À. M. Dale,
p. 29ff., die weitere Beispiele anführt).
30) Die gleichen Lángen nebeneinander lassen keinen Rhythmus erkennen,
aber die Worttrennung (s.o. S. 6, 11) gliedert den Vers, sei es nach jedem
Metrum, sei es nach jedem festen longum. Vgl. etwa auch Aisch. Ag. 106 πειϑὼ |
μολπᾶν | ἀλκᾷ | σύμφυτος αἰών ^ 125 πομπούς τ᾽ | ἀρχάς" | οὕτω δ᾽ | ἅδε κέλευϑος.
71) Vgl. die oben Anm. 19 angeführten Beispiele.
30 C. Singverse

stehen kann. Als Beispiel führe ich an Sophokles O.C. 228ff., wo ich von
der herkömmlichen Kolometrie etwas abweiche:
οὐδενὶ μοιριδία | τίσις ἔρχεται | 4 da |
ὧν προπάϑῃ τὸ τίνειν |
ἀπάτα δ᾽ ἀπάταις | ἑτέραις ἑτέρα |
παραβαλλομένα | πόνον, οὐ χάριν J 10 da |
ἀντιδίδωσιν ἔχειν. | σὺ δὲ τῶνδ᾽ ἑδράνων |
πάλιν ἔκτοπος | 6 da |
αὖτις ἄφορμος ἐμᾶς | χϑονὸς ἔκϑορε |
μή τι πέρα χρέος | 6 da |
ἐμᾷ πόλει προσάψγς. 2 ia.. |
Hier sind die Wortenden so gelegt, daB A = ...-..- 4mal, B — υὐυν
4mal, C = ...-.. 1mal erscheint, außerdem 4mal ......, aber nur
zwischen A und B. Ähnliches ist auch sonst nachzuweisen.

b) Anapäste
Ein anapästisches Metron besteht in seiner Grundform (..-..- |) aus
zwei longa mit vorhergehenden Doppelbrevia, es gehóren also wie bei
Iambus und Trochäus zwei “Füße’ zu einem Metron, während beim Daktylus
zum mindesten schon seit Alkman ein 'Fu das Metron bilden kann.
Longum und Doppelbrevia sind beim Anapäst stärker als in allen an-
deren Versmaßen gleichwertig, denn sowohl das longum kann durch zwei
brevia und das Doppelbreve durch ein longum ersetzt werden („w_.),
wobei allerdings die Formen —_-_- und _._we häufiger sind δ]8..... ὦὖὔὖὔὖὦ
(z.B. Aisch. Ag. 92), „zuuuu, υὐυυροῦ oder wuuuuw. Diese Gleich-
wertigkeit der Teile gibt dem Anapást als dem einzigen griechischen Vers-
maß einen festen Takt (vgl. u. S. 38); so sind sie der Marschrhythmus wie
in den katalektischen Dimetern (Paroimiakoi) des alten spartanischen
Soldatenliedes:
ἄγετ᾽ ὦ Σπάρτας εὐάνδρου (fr. 866 P. = 15-55 [.-- |) **).
Es ist charakteristisch für das rhythmische Empfinden der Griechen, daB
in diesem einzigen taktmäßigen Vers, bei dem alle Längen und Doppel-
kürzen metrisch gleichwertig sind, Wortende nach jedem Metron erwartet
wird; sonst wären offenbar die Verse ohne Gliederung (s.o. S. 6, Anm. 11).
Wo in der Tragödie der Chor längere anapästische Reihen beim Einzug,
bei seinem Abgang oder bei Ortswechsel innerhalb des Dramas (auch von
Einzelpersonen) rezitiert, schlieBt er mit katalektischen Dimetern, bei
denen Wortende vor dem letzten Metron zwar auch erstrebt wird, doch in
etwa !/, der Fälle fehlt, — aber dann ist meist Wortende nach der folgenden
Kürze??); das Schema ist also etwa:
—yuu— "en
σπου στον.
: |

32) Ein Doppelschritt im Metron, s. M. L.West, BICS 24, 1977, 103 n. 16.
133) Laetitia Parker, Class. Quart. 52, 1958, 82f.
1. Singverse κατὰ μέτρον 31

Das letzte Metron hat gewöhnlich die Form ...... | (nie „uuu_||, selten __-|).
Die Aufeinanderfolge von 4 Kürzen wird in den ‘Marschanapästen’ der
Tragödie vermieden, so daB auch einem mit Doppelkürze schließenden
Metron keins mit beginnender Doppelkürze folgen darf*).
Von den rezitierten Marschanapästen unterscheiden sich die lyrischen
Anapäste der Tragödie, die sog. Klage-Anapäste, die in den Handschriften
allgemein 'dorisch" und nicht 'attisch" vokalisiert werden. In ihnen können
sich sowohl die Längen als auch die Kürzen stärker häufen, sie dürfen
akatalektisch schließen, Katalexe kann schon vor dem Abschluß auftreten,
und solch katalektischer Vers kann mit 3 longa enden, es können andere
Verse hinzutreten?*). Euripides hat diese Anapäste zu längeren Liedern
ausgebaut (vgl. Kannicht, Gnomon 45, 1973, 119).

34) Ausnahmen: Eur. Hec. 145 IT’ ᾿Αγαμέμνονος | ἱκέτις γονάτων, 8. Dale 49,4;
Barrett zu Eur. Hipp. 1364ff. — Die Dihärese nach anapüstischem Metron
fehlt gelegentlich auch bei akatalektischen Versen, — aber dann findet sich
Wortende nach dem folgenden breve: Aisch. Ag. 52 πτερύγων ἐρετμοῖσιν ἐρεσσό-
μενοι (die Stellen bei Christ, Metrik 3252); Aisch. Prom. 172 und fr. 192,4
füllt das Ende des Metrons in die Kompositionsfuge. — Singulàr sind die
Anapäste in Pratinas’ Hyporchema (4F 3): trotz der vielen Kürzen fehlt oft
Wortende hinter dem Metron, so daB der Rhythmus sehr undeutlich wird. Der
Text ist freilich unsicher — auch die Entstehungszeit (s. H. Lloyd-Jones,
Cuaderno de la Fondación Pastor 13, 1966, 15-18). — Die nur aus Làngen be-
stehenden katalektischen Dimeter gesungener Anapäste haben die geringste
Neigung zur Dihárese nach dem 1. Metron, haben dafür aber Züsur nach der
3. Länge (___ | 2... |); diese und weitere Beobachtungen zum Paroimiakos bei
L. Parker 8.8.0. 83f. — M. L. West, 8.8.0. 89ff. zeigt vor allem im An-
schluß an Wilamowitz, daß es offenbar falsch ist, Anapäste möglichst nach
Dimetern aufzuteilen (gegen Dale, Lyric Metres? 49).
35) Beispiele für alle diese Erscheinungen bieten schon die ältesten Klage-
anapäste, die wir besitzen, Aisch. Pers. 922ff. Die Herstellung der Verse bei
Wilamowitz befriedigt freilich noch nicht in allem; in V. 835 zerstört er bei
akatalektischen Anapästen die Worttrennung nach dem Metron und die über-
lieferte Lautentsprechung
937 ϑρηνητῆρος ____ πολύδακρυν
^ 946 πενθητῆρος. οὐ ἀρίδακρυν (vgl. jetzt auch die Ausgaben von
G. Murray, 1955, und D. Page, 1972).
Ich schlage vor: 935 πρόσφϑογγόν cot νοστοῦ(ντι)
κακοφάτιδα βοάν, καχομέλετον ἰὰν
Μαριανδυνοῦ ϑρηνητῆρος
πέμψω, πέμψω πολύδακ' ρυν [ἰαχάν].
945 ἥσω τοι καὶ πάνδυρτον
σά πάϑη τε σέβων ἁλίτυπά τε βάρη
πολέως γέννας, πενθητῆρος
χλάγξω δ᾽ αὖ γόον ἀρίδακ' ρυν
(ἰαχάν V. 938 als Erklärung von l&v in V. 936 zu entfernen, empfiehlt sich eher
als am Ende von 948 den Ausfall von (..-) anzunehmen: vgl. Eur. Hipp. 584,
wo das ursprüngliche, von Weil konjizierte und von P.Oxy. 2224 überlieferte
ἰὰν in den Handschriften durch ἰαχὰν verdrüngt ist: vgl. Barrett z.St.). —
32 C. Singverse

In der Komödie sind die Marschanapäste beim Auftreten des Chors


seltener, kommen aber vor allem in der Parabase vor. Die Komödie kennt
außerdem als Dialogvers den anapästischen katalektischen Tetrameter:
συσσνοῦ: vcorETσυ- σοὺςνσυ-ὐ-.},

2.Β. Aristoph. Wolken 264


ὦ δέσποτ᾽ ἄναξ, ἀμέτρητ᾽ ᾿Αήρ, ὃς ἔχεις τὴν γῆν μετέωρον.
Das longum vor der Dihärese ist fast nie geteilt (z.B. Arist. Wolk. 326), die
Mitteldihärese selten zugunsten des Wortendes nach dem folgenden breve
aufgegeben (Arist. Wolk. 987, Wesp. 568, Vög. 600). Bei geteiltem 2. lon-
gum fällt zwischen die so entstehenden Kürzen kein Wortende (Porson,
ed. Hecuba XLIX sqq.). Aufeinanderfolge von 4 Kürzen wird vermieden 35).
In den Anapästen, die durch Wortende in Metren gegeneinander abge-
setzt sind (in den Marschanapästen der Tragödie und in den Anapästen der
mittleren und neueren Komódie), darf kein Monosyllabon am Ende des
Metrons stehen, wenn eine spondeische Silbenfolge voraufgeht: —_-”-
(A. Wifstrand, Hermes 69, 1934, 210)?”). Es soll offenbar nicht der Ein-
druck einer Klausel (des Paroimiakos) entstehen. Im Paroimiakos wird das
vorletzte longum nicht geteilt, denn bei Doppelkürze vor dem Mono-
syllabon oder an Stelle des vorletzten longum geht der Klausel-Charakter
verloren. So ist der gefälschte Thespisvers (1 F 4,4)
ἐρυϑρῷ μελιτῷ κατὰ τῶν σῶν, Πὰν
δίκερως, τίϑεμαι βωμῶν ἁγίων
anstößig, dagegen erlaubt Aisch. Suppl. 970:
τοῦ γὰρ προτέρα μῆτις, ὅπου χρή 3").
940—053 ^ 062-965 wagt es Aischylos, den anapästischen Gang ohne Bindung
an einzelne Metren zu verwenden. Durch die gleichen Wortenden in Strophe
und Antistrophe wird folgende Abteilung empfohlen (so auch Murray):
950 ᾿Ιάνων γὰρ ἀπηύρα υυ-υν.-Ὦ
᾿Ι,Ὧώάλδνων ναύφρακτος vunoon I
"Aene ἑτεραλκής --vv--|
νυχίαν πλάκα κερσάμενος ve-vu..
uw |
δυσδαίμονά τ᾽ ἀκτάν. --uuv.—|
Diese Verse sind, wenn man sie nicht lieber daktylisch auffaßt, ähnlich zu
beurteilen wie die 'unmetrischen' Iamben bei Pindar und Bakchylides (s. u.
S. 51), was Aischylos wohl nahelegt durch das Bestehen des áolischen Rei-
zianums (vgl. Wilamowitz, G. V. 402): man kann sie sehr wohl auffassen als
*anapüstische' Varianten zu den am Anfang, in der Mitte und am Ende stehen-
den Reizianen. (Wilamowitz läßt 952-953, die er zusammenfaßt, mit einem
anapástischen Metron beginnen, das aber nicht durch Wortende markiert ist.)
Über die Unsicherheit der Benennung von Tragödienversen s. u. S. 58ff.
36) Dazu ist jetzt zu vergleichen der Dialog aus einem Satyrspiel oder einer
Komödie: Pap. Fackelmann 5 = TrGF 2, ad. 6468.
37) Die Bemerkungen hierzu von E. Lefövre, Wien. Stud. 72, 1959, 108 sind
nicht in allem stichhaltig.
38) Wifstrand versucht eine andere Erklárung.
1. Singverse κατὰ μέτρον 33

Ferner wird im Paroimiakos, wenn das erste Metron aus zwei Spondeen
besteht, Wortende hinter der dritten Länge vermieden: . ^7... |?*).
Auch hier würde an falscher Stelle der Eindruck der Klausel erweckt.

c) Jamben
Alkman verwendet in seinen Liedern iambische Dimeter (fr. 20 P. ]2 ia |
2ia | 2ia | 2ia[; vielleicht mit katalektischem drittem Dimeter fr. 2
& 2ia | 2 ia | 2 ia. |? und mit Tetrameter 4 ia |), katalektische iambische
Trimeter (offenbar stichisch fr. 19, vgl. 30. 59a. 96) und 'brachykatalek-
tische’, wie Hephaistion sie nennt (fr. 174: ta ia sp |, wenn der Vers wirk-
lich von Alkman ist), vielleicht Tetrameter (fr. 15?) und noch längere
Reihen (fr. 16: 6 ia | 4 ia _ |?). In der Chorlyrik tauchen Iamben dann erst
wieder bei Simonides auf (fr. 545? und 585,2?), aber die kurzen Stückchen
lassen keine sichere Analyse zu. Auch für Sappho ist der katalektische
Trimeter bezeugt (fr. 117), und Alkaios hat ein Lied vielleicht mit einem
iambischen Tetrameter begonnen (374V.), ihn womoglich sogar stichisch
verwandt — aber auch in der monodischen Dichtung kónnen wir den Auf.
bau lyrischer Iamben erst verhältnismäßig spät zum erstenmal mit Sicher-
heit greifen.
Von Anakreon ist ein Gedicht von 4 Strophen vielleicht vollständig
erhalten (fr. 388 P.: πρὶν μὲν ἔχων βερβέριον, καλύμματ᾽ ἐσφηκωμένα), in dem
Iamben mit Choriamben korrespondieren kónnen:
-
-ev--es-|Souu-x-u- |
chi:
2 al ia } wa |

_ _ ch ch f ch).
ψωυ..-Οὐτ νυ. κου. | ia ia ia va |

x-v-x-ve- | 2 ia |.

In dem ersten Tetrameter sind die beiden ersten Metren stets chor-
iambisch, das 3. wechselt, das 4. ist iambisch, im 2. Tetrameter kann auch
schon das 1. Metron iambisch sein (v. 11?), der abschließende Dimeter ist
rein ismbisch.
Mit einem Terminus, den die antiken Metriker auf die Quantitätsver-
schiebung in den Ionikern anwenden (s.u. S. 34ff.), spricht man bei solcher
Respondenz des Choriambus mit dem Iambus von Anaklasis. Diese begegnet
uns gelegentlich auch im iambischen Trimeter, und zwar im ersten Metron
zumal bei Eigennamen (Aisch. Sept. 488 "Inrou£dovros, 547 Παρϑενοπαῖος,
Cho. 657 εἶεν: ἀκούω, 1049 φαιοχίτωνες
39).

3.) K. Rupprecht, Einführung $ 27. Die von ihm angenommene Ausnahme


Soph. Oed. Col. 175 entfällt, da zu gliedern ist: σοὶ πιστεύσας καὶ μεταναστάς.
80) Wilamowitz, Eur. Her. II? 375f., Sappho und Sim. 271; weiteres bei
Volkmar Schmidt, Sprachliche Untersuchungen zu Herondas B6ff. — Siehe
auch o. S. 20.
34 C. Singverse

Im katalektischen iambischen Trimeter (8.0. S. 22) hat das Schlußmetron


die Form des Baccheus (.__), im “brachykatalektischen’ Trimeter die Form
des Spondeus (--); diese verkürzten Formen sind häufig in gesungenen
Iamben; eine weitere ist der Creticus (-.-). Solche “Unterdrückung” eines
Elements, des anceps beim Creticus, des breve beim Baccheus, beider beim
Spondeus, ist (wenn man absieht von der Klausel-Katalexe) eine Eigen-
tümlichkeit der Iamben, findet sich aber auch bei Trochäen im Drama).
Bei kretischem Anfang einer Reihe ist bisweilen nicht sicher auszumachen,
ob sie Iamben oder Trochäen enthält 33).

d) Ioniker
Ioniker a minore (._-) und Choriamben (_..-) sind die einzigen κατὰ
μέτρον gebauten Verse, die nicht in Sprechversen, sondern nur in der Lyrik
vorkommen, dort aber sowohl in Monodien wie in Chorliedern. Die antike
Theorie rechnet auch mit Ionikern a maiore (__..), doch gibt es sie nirgends
in reinen Reihen: sie sind nur erfunden, um bestimmte uneinheitliche
Perioden in Metren zu zerlegen; da jedoch kein Zwang besteht, alle lyrischen
Versmaße κατὰ μέτρον aufzuteilen (8.0. S. 7f. und u. S. 37f.), brauchen wir
mit solchen "fallenden' Ionikern nirgends zu rechnen ὅ3).
Ganze Gedichte in Ionikern hat schon Alkman geschrieben; der über-
lieferte Anfang eines solchen Gedichts (46 P.) hat Wortende hinter jedem
einzelnen Metron:
"Exarov μέν, | Διὸς υἱόν, | τάδε Μῶσαι | κροκόπεπλοι |...
Ob das durch das ganze Gedicht so war, oder ob es irgendwie sich änderte,
läßt sich nicht erkennen. Ein Gedichtanfang Sapphos bringt Dihärese
erst nach dem 3. Metron (135 V.; vgl. 113). Alkaios (10 V.) baute Strophen
aus 10 Ionikern mit häufiger Dihärese®®). In Kultliedern auf Dionysos
kommt dies Versmaß bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. vor). Ionische Reihen
schließen oft mit einem katalektischen Metron der Form ... (io.), so z.B.
die zuerst bei Phrynichos (3 F 14) belegten Galliamben:
τό γε μὴν ξείνια δούσας, λόγος ὥσπερ λέγεται 4 do. |.

81) Vgl. Kannicht, Eur. Helena II 62ff. — Bei Ionikern (s. u. S. 341.) kann
ein breve oder ein longum unterdrückt werden.
32) In Tragödienliedern ist eine Entscheidung darüber oft nicht wichtig,
weil das Versmaß wechseln kann (s. u. S. 58f.). Über die Chorlyriker vgl. M. L.
West, ZPE 37, 1980, 137-156.
*) Genauso steht es mit dem 'Antispast' „__. (statt υ-.υ.) und mit dem
*Molossos' ___ (statt os...).
883) Zur Kolometrie s. R. Führer, Nachr. Akad. Göttingen, phil.-hist. Klass.
1976 Nr. 6, 253ff.
*4) Graffito aus Dura, Am. Journ. Philol. 69, 1948, 20 mit den Bemerkungen
von H. N. Porter (S. 40), der noch Belege aus den Hymnen Gregors v. Na-
zianz und Synesios anführt.
1. Singverse κατὰ μέτρον 38

Anaklastische Ioniker (Dimeter mit Umspringen des 2. longum und des


3. breve: „u_'u_’u__) begegnen ebenfalls schon bei Sappho, und zwar in
Verbindung mit einem nachfolgenden gewóhnlichen ionischen Metron:
134: VU-U-UV--, υὧὦν...- | ,

mit einem vorausgehenden iambischen Metron


133: κ-ν-ν vu-uu-|,

oder mit vorausgehendem Choriambus (in einem Stück, das jetzt für
Sappho gesichert ist)®):
inc. auct. 23 ---—5 vv-u-v--].

Auch 102 wird hierher zu ziehen sein:


Γλύκηα μᾶτερ οὔ τοι δύναμαι κρέκην τὸν ἴστον
νους, vo. | vs-o--- | ia ba | anacl |
Bei Anakreon (402c. 397f.? P.) erscheinen dann Tetrameter der Form
anacl i anacl, (408-11) Trimeter in der Form ;. zz.. «c... | und (356 u.
395) Strophen in der Form
anacl | anacl |
anacl | anacl |
2$o |anac .
Ferner bezeugt Hephaistion, daB Anakreon einen 'brachykatalekti-
schen’ ionischen Tetrameter stichisch verwandt hätte (413 P.):
υυ-- νους, vom | = to anacl. ba |,
wo also nicht nur das letzte Metron die katalektische Form des Baccheus
hat, sondern such der in der Mitte stehende anaklastische Dimeter um sein
End-longum gekürzt ist. Bakchylides hat in fr. 19 nach einem anacl
einen ähnlichen Trimeter
vu, v--] = anacl. ba |,
und das gleiche Stück, aber ohne Anaklasis, steht jetzt als letztes Kolon ın
einer 3geteilten Strophe Anakreons (fr. 60 Gent. — 346 fr. 1 P.) hinter
einem anaklastischen Dimeter, dem ein am Anfang um ein longum er-
weitertes Metron vorangeht:

VU--UU-V-. ti

Solche doppeldeutigen Kola (longum + anacl oder cho ia + longum) kannten


wir bisher nur aus der Tragödie (s.u. S. 59f. über Aisch. Hik. 57ff. und
S. 61f. über Pers. 047ff.). Ohne Berücksichtigung der Wortenden ergäbe sich
cho ia cho ia 2 cho ba |||. — Den Galliambus (katalektischen ionischen Tetra-
meter) verwendet Catull (c. 63) nach griechischem Vorbild in anaklasti-
scher Form und mit Teilung des 2. longum im 2. Dimeter.

*5) Vgl. Musso, ZPE 22, 1976, 37.


96 Ο. Singverse

6) Choriamben
Choriamben haben wir (S. 33) bei Anakreon (fr. 388) in Responsion zu
gewöhnlichen Iamben gefunden. Schon Sappho kennt rein choriambische
Reihen mit abschlieBender baccheischer Klausel (vgl. auch 114 und 103, 5[? ])
128: Δηῦτε vuv ἅβ'ραι Χάριτες καλλίχομοί τε Μοῦσαι
= 3 cho ba (wohl sogar 2 cho | cho ba). Der gleiche Vers mit geteiltem 1. lon-
gum taucht bei Anakreon auf (378f.). Ein Tetrameter der Form: 2 ia
2 cho | scheint Anakreon 389 vorzuliegen. Ein choriambischer Trimeter
mit baccheischer Klausel, den Hephaistion zitiert (382), war offenbar
Abschluß einer längeren Reihe. Den Rekord scheint Philikos von Ker-
kyra gehalten zu haben, der choriambische Hexameter mit baccheischer
Klausel stichisch in seinem Demeterhymnus verwandte (6,158 Diehl),
worin ihm Simmias von Rhodos insofern vorangegangen war, als er sein
»Beil" mit 2 solchen Reihen begann (0,142 Diehl; p. 117 Powell).

f) Trochäen
Alkman hat Trochäen in der beim Sprechvers üblichen Form
2 tro | 2 tro. |
anscheinend in einem Hymnos auf Aphrodite verwandt (55 P. — vgl. auch
65? und 95a). Doppelkatalexe (am Strophenende?) findet sich vielleicht 60:
2 tro
|2 tro |trosp|| oder: ...|crba|.
In dem Partheneion (fr. 1) stehen trochäische Dimeter, Trimeter und durch
Mitteldihárese geteilte Tetrameter zwischen Versstücken anderer Herkunft
(s.u. S. 49). Anakreon baut sein Gedicht an das thrakische Füllen (417 P.)
in Strophen der Form:
2 tro | 2 tro| 2 tro | 2 tro. |],
hat aber auch Tetrameter der üblichen Art (419). Einen akatalektischen
Tetrameter ohne Mitteldihärese (418) zitiert Hephaistion. — Über
Trochäen mit “unterdrücktem Anceps’ = cr 8.0. S. 34.

g) Kretiker
Lieder mit Kretikern hat ebenfalls schon Alkman; Hephaistion führt
ein Gedicht mit katalektischen Hexametern (58 P.) an:
᾿Αφ'ροδίτα μὲν οὐκ ἔστι, μάργος δ᾽ "Ἔρως οἷα παῖς παίσδει,
(4 er |t er sp |),
aber nach den beiden ersten Versen muß es anders weitergegangen sein,
denn Hephaistion sagt, es habe auch Lieder gegeben, die ganz aus Kreti-
kern bestanden hätten, z.B. bei Bakchylides; von diesem kennen wir
kretische Hexameter (fr. 15) und Pentameter (fr. 16), die den Charakter von
leichten Tanzweisen haben. Kretiker mit einem geteilten Longum ('Paione':
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 37

vuu._ oder _uu.) finden sich vor allem in der Komödie und in hellenistischer
Zeit. Werden beide longa geteilt, so daß Reihen von lauter Kürzen ent-
stehen, müssen (nach dem o. S.6 Gesagten) Dihäresen den Rhythmus
deutlich machen wie in dem von Hephaistion ench. 13,4 (42,3 Consb.)
zitierten Vers:
σέ ποτε Διὸς | ἀνὰ πύματα | νεαρὲ xópe | veßpoxlrwv,
in dem übrigens auf gefällige Weise die Wortenden innerhalb des cr wechseln.

h) ‘Choriambische Dimeter!
Wilamowitz hat einen von ihm in der Tragódie aufgespürten Vers
‘choriambischen Dimeter' benannt, der dann später in den Gedichten
Korinnas aufgetaucht ist. Das Schema der tragischen Verse ist o0o00_u.-,
das der Verse Korinnas oo «s... Aber ein Dimeter ist es nicht (wir ver-
lassen hiermit also schon die κατὰ μέτρον gebauten Verse), denn gerade die
Form .....-.. ist ausgeschlossen (beiKorinna auch --ὦ- ὧὖὐ- das z.B.
Eur. Hel. 1338f. vorkommt). Maas empfiehlt daher, ihn wilamowitzianus
zu nennen (wil). Auch die 'akephale' Form tritt auf: o00_..- („wil). Wila-
mowitz sah im wil eine Variante zum Glyconeus oo_uu_-.-, und tatsächlich
erschienen dann bei Korinna (fr. 654 u. 655 P.) beide als gleichwertig, in
fr. 655 mit geteilten 1. 'anceps'; Schema:
veo x} v» M),

Schon in der älteren äolischen Dichtung gibt die Überlieferung an einigen


Stellen einen wil, wo wir gl erwarten würden (s.u. S. 47). Ob diese Fälle an-
zuerkennen sind, — vor allem, ob dadurch ursprüngliche Identität von gl
und wil bewiesen wird, bleibt zweifelhaft. Jedenfalls stehen in der Chor-
lyrik des 5. Jahrhunderts choriambische und &olische Verse so nebenein-
ander, daß man sie als zusammengehörig empfunden haben muß.

2. Nieht κατὰ μέτρον gebaute Singverse

Auf diesem Gebiet herrscht kaum über einzelne Punkte Einigkeit!). Ver-
wirrung beginnt schon damit, daB man sich nicht einig ist, was es heißt,
die verschiedenen Versformen zu 'erklüren': Einer versteht darunter, ihre
Geschichte zu verfolgen, womóglich sie auf Urverse zurückzuführen, aber
dazu reicht unser Material nicht?). Andere versuchen, Verse in einander
gleichwertige Stückchen zu zerlegen und womöglich auf feste Takte zu
bringen. Schon in der Antike suchte man die komplizierteren Gebilde aus
kleineren Einheiten aufzubauen, was bei den xar& μέτρον gebauten Versen
geboten war. Mochte das statthaft sein, wenn man nur einzelne Kola

**) Maas $ 383,40.


1) Vgl. A. M. Dale, Class. Quart. 44, 1950, 138ff. = Collected Papers 41ff.
3) Zum Grundsätzlichen Koster (o. S. 1) S. 8, 158 u. à.
38 C. Singverse

beschreiben wollte, um richtiges Lesen oder Dichten zu lehren; Aug. Boeckh


jedoch rechtfertigte solches Aufteilen: die Singverse hingen mit Musik
zusammen — was richtig ist —, und die Musik erfordere einen festen Takt.
Das ist falsch. Fester Takt ist erst durch die abendländische Orchestermusik
aufgekommen (Rud. Wagner, Gnomon 9, 1933, 163), und selbst nach
Metren gebaute Verse haben keinen festen Takt, mit Ausnahme der Marsch-
Anapäste (die Festlegung des Taktes bei Iamben und Trochäen scheitert
an den ancipitia; für den Daktylus bezeugt Dionys von Halikarnass
[comp. verb. 17 p. 71 U.-Rad.], daß das longum nicht den gleichen Zeitwert
wie die beiden brevia hatte). Die griechische Musik kannte keine Viel-
stimmigkeit, brauchte deshalb nicht durch festen Takt zusammengehalten
zu werden, und die anspruchsvolle Kunst suchte Fülle und Wechsel gerade,
indem sie vom einförmigen Rhythmus der festen Metren und gleichlangen
Perioden loszukommen strebte. Zu reichen Formen führte das zumal in der
Chorlyrik, wo jedes neue Gedicht anscheinend neue metrische Formen
haben mußte; jedenfalls kennen wir kein Beispiel, daß eine Strophe wieder-
verwandt wäre.
Selbst wer sich von der Vorstellung eines "festen Taktes’ befreit hat,
glaubt noch oft, eine wissenschaftliche Metrik könne nicht absehen von der
*Rhythmik', d.h. von der Gestaltung, die die Verse durch die Musik erhiel-
ten. Mein Versuch hier möchte dies jedoch. Denn obwohl selbstverständlich
die Musik die metrische Gestalt der Singverse bestimmte, wissen wir von
antiker Musik und Musiktheorie zu wenig, um Überzeugendes oder Frucht-
bares daraus zu gewinnen. So habe ich hier absichtlich die antiken ' Rhyth-
miker' nicht berücksichtigt3).
Trotzdem braucht eine wissenschaftliche Metrik nicht dabei stehenzu-
bleiben, nur nüchtern Längen, Kürzen und Wortenden zu registrieren und
Abweichungen vom Normalen statistisch festzustellen. Zum mindesten läßt
sich aufweisen, welches System oder Rezept die Dichter jeweils befolgt
haben, um ihre Strophen aufzubauen, und dabei ergibt sich, daß sie nach
sehr verschiedenen Grundsätzen verfuhren. Das Versmaterial, das ein Dich-
ter oder eine Dichtergruppe benutzt, muß man zunächst als Ganzes hin-
nehmen. Woher es stammt, ob sich darin Älteres von Jüngerem unterschei-
den läßt, wird oft fraglich bleiben. Was wir brauchen, ist nicht eine
Geschichte einzelner Kola (wie etwa ein Reizianum oder ein Adoneus durch
die Dichtung aller Zeiten geistert), denn diese angeblich gleichen Stücke
können in verschiedenen Systemen sehr verschiedenes bedeuten. Im Vorder-
grund der folgenden Ausführungen steht der Versuch, jeweils zunächst die
Methoden, nach denen die Dichter ihre Verse gebaut haben, möglichst klar-
zustellen, und dafür ist es, wie sich zeigen wird, oft wichtig zu ermitteln,
8) Es erschwert die Diskussion musikalischer Fragen, daß die Notenschrift
im Altertum wenig bekannt und offenbar nur den Sängern und Schauspielern
zugänglich war, s. E. Poehlmann, Würzb. Jahrb. N. F. 2, 1976, 53-73.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 30

wie die Dichter ältere, κατὰ μέτρον gebaute Verse aufgefaDt, abgewandelt
und womöglich wechselweise verschränkt haben. Jedenfalls sollte man nichts
Späteres zur Erklärung von etwas Früherem verwenden. In der Tat läßt
sich, scheint mir, solch eine saubere Scheidung des Systematischen vom
Historischen — aber dann auch wieder eine geläuterte Verbindung des
Historischen mit dem Systematischen im wesentlichen durchführen, und es
wird sich trotz des primär systematischen Interesses auch Wichtiges für die
Geschichte der lyrischen Versmaße ergeben. DaB immer von den Boeckh-
schen Perioden auszugehen ist, steht fest (s.o. S. 7).
Den Grundsatz, bei komplizierten Versgebilden zunächst einmal das
Prinzip und die Regeln festzustellen, nach denen die einzelnen Dichter ver-
fahren, hat zuerst Paul Maas für die Daktyloepitriten bei Bakchylides
und Pindar durchgeführt. Die Epoden-Verse und Asynarteten des Archi-
lochos sowie die äolischen Verse beiSappho und Alkaios hat Ernst Kapp
in diesem Sinn erklärt, ohne es allerdings zu veröffentlichen ; schon vor 1030
hat er es in Vorlesungen und Gesprächen dargelegt. Im Folgenden versuche
ich, auf dieser Grundlage weiterzubauen. Bestimmte geschichtliche Ein-
sichten ergeben sich dann, scheint mir, gleichsam von selbst. Doch verzichte
ich auf das, was manchen das eigentlich Historische zu sein scheint:
*Urverse' zu rekonstruieren.

a) Archilochos und die Epoden-Verse


Archilochos benutzt in den meisten seiner Gedichte die sicher her-
kómmlichen Sprechverse: daktylische Distichen (fr. 1-17 W.), iambische
Trimeter (fr. 18-87), trochäische Tetrameter (fr. 88-167). In seinen Epoden
verknüpft er diese Metren miteinander, gebraucht aber dabei nicht nur die
vollen „Perioden‘‘ (die Trimeter, Tetrameter, Hexameter), sondern auch
deren Teilstücke, wie sie schon in seinen Voll-Versen erkennbar sind als
,,Abschnitte' (roual), die durch die Zäsuren (oder Dihäresen) entstehen.
Ich stelle hier zunächst Beispiele für all diese Teilstücke zusammen, die für
seine Epoden belegt sind“), und zitiere dazu jeweils ein metrisch identisches

4) Übersichtlich zusammengestellt und zuverlässig beschrieben von M.L.


West in seiner Ausgabe der Iambi et Elegi Graeci, vol. 1, 1971, 61-79. Den in-
zwischen gefundenen Kölner Papyrus (Bd. 2, 1978, p. 13 nr. 58) druckt West
jetzt in seinem Delectus ex Iambis et Elegis Graecis (1980) als fr. 1968 des
Archilochos. Den oben mit herangezogenen Straßburger Papyrus (Archil.
fr. 79 Diehl) schreibt West dem Hipponax zu (fr. 115) mit einem Verweis:
*v. imprimis Perotta SIFC 15, 1938, 3-41’. Perotta meint (S. 28), für Hip-
ponax spräche besonders, daß Kallimachos ähnliche Epoden-Formen kenne,
die auf Hipponax zurückzuführen seien. West selbst aber druckt in seiner
Archilochos-Ausgabe (fr. 182-187) genau die gleichen Epoden-Formen als
wohlbezeugte Werke eben des Archilochos. — Darüber, daß der Straßburger
Papyrus eher von Archilochos stammt, vgl. jetzt auch R. Führer, Gött.
Gel. Anz. 229, 1977, 42ff. (Es kommt hinzu, daß Salmydessos und die
40 Ο. Singverse

Stück aus einem seiner „vollständigen‘‘ Verse. Das wird, hoffe ich, helfen,
den Epoden-Bau zu verstehen.
(1) Hexameter-Teile: fr. 188-91 (cf. fr. 195) ---—-&- «| (oder | 3) =
fr. 5 ἀσπίδι μὲν Xatov τις ἀγάλλεται. fr. 182 (cf. 196a. [Hipp.] 115) -οὐ-υὐ.}}
= fr. 8 πολλὰ δ᾽ ἐυπλοκάμου. fr. 168-71 ν΄... os | + fr. 1,1 ᾿Ενυαλίοιο
ἄνακτος, fr. 15 τόσσον φίλος ἔσκε μάχηται, fr. 13,3 πολυφλοίσβοιο ϑαλάσσης.
(2) Trimeter-Teile: In fr. 172-181, 193f., 1968, 199 kommen iambische
Dimeter vor®). Daß Archilochos sie alsTeile des Trimeters nehmen konnte,
zeigt etwa fr. 21 ἔστηκεν ὕλης ἀγρίης i ἐπιστεφής | und vollends die Epode
196a, wo auf den Dimeter ein Trimeter folgt — und sogar einer, der Inter-
punktion nach dem 2. Iambus hat (v. 5): χαλὴ r&peıva xap9fvoc: doxi δέ
μιν | ... (vgl. auch v. 18. 21. 48).
Als 2. Kolon von fr. 168-71 tritt der sog. Ithyphallicus auf (168 χρῆμά
τοι γελοῖον). DaB Archilochos dieses Kolon als den 2. Teil des katalek-
tischen iambischen Trimeters (nach der Zäsur) nehmen konnte, zeigt
fr. 188:
| κάρφεται γὰρ ἤδη |
ὄγμοις, κακοῦ δὲ i γήραος καϑαιρεῖ ||).
Wenn Archilochos seine Epoden aus Sprechversen und ihren Zäsur-
abschnitten zusammensetzte, so konnte er damit anknüpfen an die dakty-
lischen Distichen, bei denen man jedenfalls später (s.o. S. 16) den auf den
Hexameter folgenden Pentameter als Klauselvers auffaßte”), und ähnlich
wird für ihn auch der trochäische Tetrameter gewesen sein: 2 tro |2 tro. |.
Daß man verschiedene Metren nebeneinander stellen kann, begegnet uns
wohl zum ersten Mal in dem Spott-Epos ‚Margites‘, das man Homer
zuschrieb und das vielleicht schon aus der Zeit des Archilochos stammte.
Seinen daktylischen Hexametern sind iambische Trimeter eingestreut;
solches Spottgedicht könnte Vorbild für Archilochos gewesen sein. Ihm
aber wurde wichtig, daß der Wechsel des Versmaßes Lebendigkeit und
Ausdruckskraft seiner Gedichte erhöhte. Er hatte Persönliches zu sagen,
das ihn aus dem Gleichmaß der Metren hinausdrängte. Dafür nur ein Bei-
spiel, der Schluß der Straßburger Epode:
ὅς μ᾽ ἠδίκησε, λὰξ δ᾽ Ex? ὁρκίοισ᾽ ἔβη,
τὸ πρὶν Ératpoc ἐών
Thraker dem Archilochos erheblich näher sind als dem Hipponax.) Aber
auf diese alte Diskussion kann ich hier nicht eingehen.
5) Vgl. Hippon. fr. 118.
*) Unsicher bleibt noch fr. 197, das Hephaest. Ench. 6,2 eher für einen kata-
lektischen trocháischen Trimeter als für einen akephalen iambischen Trimeter
hält: Ζεῦ πάτερ, γάμον μὲν οὐκ ἐδαισάμην, — 8.u. 8. 23 über Kallimachos'
Jamb. 12.
?) Auch hier gehe ich nicht auf „Praehistorie‘ ein und frage, wie gesagt, nur,
wie einzelne Dichter die ihnen überlieferten Metren auffassen und womöglich
weiterentwickeln.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 4

(was in einer Übersetzung natürlich nicht hinlänglich wiederzugeben ist;


Zoltan Franyó- Richard Möring übersetzten:
Der mich verriet, den Eid mit Füßen trat, er war
Einst mein Gefährte und Freund.)
DaB Archilochos so in seinen Epoden Daktylen und Iamben verband,
ist später vor allem für die Chorlyrik wichtig geworden in den Daktylo-
epitriten (s.u. S. D1f.), die in doppelter Weise über Archilochos hinaus-
gingen: die Strophen, die bei Archilochos kaum länger waren als Disti-
chen, wurden größer, und, was noch wichtiger war, sie verbanden die Teil-
stücke zu organischen Einheiten, während Archilochos die einzelnen
Versabschnitte, getrennt durch Wortende, einfach nebeneinander setzt
('Asynarteten')9), wie auch noch die bildenden Künstler seiner Zeit ihre
Figuren im „additiven Stil“ aus einzelnen ,,Gliedern'" aufbauten®). Darüber
wird noch zu sprechen sein (s.u. S. 57).
Zu für Archilochos bezeugten Epoden-Versen kommen spáter u.a. die
folgenden (mehr bei L. E. Rossi, Arethusa 9, 1976, 223-9):
hex | dim | hem | Hor. ep. 13
hex | trim | Hor. ep. 16
4 da"" | sth | trim | trim. | Theokr. ep. 21 Wil.
4 da"" | ith | reiz |4da7;- Antigenes (5,144 D., s.o. S. 27,12)
vgl. hem | reiz | = encom(iologicus) Alkm. fr. 3,9, Alk. fr. 383
trim | ith | Kallim. ia. 6f.
chol | dim | Kallim. ia. 5
dim | sth | Kallim. Pannychis (fr. 227 Pf.)19)
ich | sth | Sappho fr. 127 V.11).

8) Ich möchte auf den Ausdruck nicht verzichten (trotz S. R. Slings,


Lampas 13, 1980, 326), um die beiden Arten, metrische Teile voneinander zu
trennen, hier zusammenzufassen: solche, die nur durch Wortende, und solche,
die durch 'Pause' (d. ἢ. als 'Perioden', 8. o. S. 7) voneinander getrennt sind.
9) Siehe Entdeckung d. Geistes? 17: Homer hat noch kein Wort für ‘Körper’,
er spricht von 'Gliedern' (Gyia, Melea); darüber, daß für Hesiod, Archi-
lochos, Xenophanes Soma nicht mehr der Leichnam ist, vgl. Entd. d.
Geistes* 294,13, — es ist jedoch noch nicht der tätige Körper, sondern eher
‘Leib’, ‘Rumpf’. — Hephaistion 15,1ff. (p. 47ff. Consbr.) bezeugt ausdrück-
lich, daß Archilochos hinter dem Kolon stets Wortende hat (im Gegensatz
zu Kratinos).
10) Offenbar eine Variante dazu ist es, wenn Anakreon den Dimeter in
fr. 387 P. choriambisch beginnen läßt.
11) Nach der Beschreibung Hephaistions wäre Sappho fr. 132 ein Asynar-
tet aus zwei &katalektischen Trochäen (also dem Stück des Tetrameters vor der
Dihárese) und ia ba | (also dem ersten Trimeterstück vor der Zäsur nach
2. breve), aber der Text ist unsicher. — Sappho fr. 124 wird von Hephaistion
gleichgestellt mit Archil. fr. 168 (Ερασμονίδη, Χαρίλαε . . .), aber er führt es als
42 C. Singverae

Von den hier vorkommenden Stücken sind bei Archilochos nicht belegt:
das Reizianum (reiz «_u_x |, d.h. der Anfang des iambischen Trimeters
bis zur ersten Züsur, 8.0. S. 38), und der seit Hipponax übliche 'Hink-
ismbus’ (chol), — das hält sich also an die Regeln des Archilochos!?).
Von diesen Formen ist für die weitere Entwicklung der griechischen
Metrik vor allem das Asynarteton bedeutsam geworden, das Hephaistion
(15,10) zuerst bei Alkaios belegen kann:
fr. 383 Ἦρ᾽ ἔτι Awvou£vr, τὼ Τυρραχκήω.
Er nennt es Enkomiologikon und erklärt es, durchaus richtig, wie ich glaube,
als zusammengesetzt aus dem ersten Stück des Hexameters bis zur Pent-
hemimeres und dem ersten Stück des Trimeters bis zur Hauptzäsur:
-uUV_-vuv. | κ--ὦ-.-. | = hem | reiz (= ta).

Dies ist jetzt auch für Alk man belegt (fr. 3 P., s. u. S. 49); es taucht wieder
auf bei Anakreon (fr. 97-101; 188 G. 391—093; 416; 438; 957 P.), nun aber
mit der Freiheit, daB das Wortende statt hinter dem Hemiepes auch um ein
Element spáter erscheinen kann:
-vu_uu_:ix: ---| .

Das gibt dem Kolon schon daktyloepitritischen Charakter (D e. |);


so hat es eine reiche, wenn auch nur kurze Entwicklung erlebt (s.u. S. 52).

Beispiel defür an, daß, wenn das erste anceps lang sei, der Einschnitt ein
Element früher liegen könnte, also statt:
κιυσονυ. ἡ] ———— Ϊ

hier: «--αοσὖ.-οὧὐ.-. | κ-υ.υ.-.. [-

Da die von Hephaistion zitierten Worte αὔτα δὲ σύ, Καλλιόπα kein Gedicht-
anfang zu sein scheinen, handelt es sich wohl um eine Variante, die Sappho
in einem sonst nach archilochischem Muster gestalteten Gedicht zugelassen
hat. — Ob fr. 168C von Sappho stammt, ist zweifelhaft; es besteht aus dem
Trimeterstück bis zur Zäsur nach 2. anceps und hemiepes. Neben dem Enco-
miologicus des Alkaios, der gleich erwähnt wird, wäre dergleichen durchaus
möglich.
12) Das Lekythion (_._u__ = lec) kommt vor ᾿ὲν τοῖς ἀναφερομένοις εἰς
᾿Αρχίλοχον ᾿Ιοβάκχοις᾽. West bringt es als 'spurium' (fr. 322). Hephaistion,
der es zitiert, nennt es Εὐριπίδειον. Sicher belegt ist es erst in der Tragödie
(Stellen bei Korzeniewski im Index S. 211). Der gebräuchliche Name stammt
bekanntlich aus dem in den *Fróschen' öfter wiederholten Satz ληκύϑιον ἀπώ-
λεσεν. Dieser Trimeter-Teil (nach Hauptzäsur) würde natürlich gut in die Epoden
des Archilochos passen. (Als ich im Hermes 107, 1979, 128-133 den Witz des
Aristophanes besprach, hätte ich auf weitere frühere Literatur hinweisen
sollen: z.B. R.J. Penella, Mnemos. IV 26, 1973, 337, J. Henderson u.
Penella ibid. IV 27, 1974, 293 u. 295.) — M. L. West, Glotta 51, 1973, sieht in
dem Lekythion eine der Varianten des indogermanischen Urverses (die er
8. 167 aufzählt). Gerade dieses Versmaß ist aber deutlich als 'Teilstück' eines
Sprechverses verwandt. (Doch vgl. jetzt West, Bull. Inst. Cl. St. 28, 1981, 32.]
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 43

Die Prinzipien des Archilochos hat in hellenistischer Zeit Kerkidas


in seinen ‘strengen’ Meliamben abgewandelt (S. 202ff. Pow.); er verwendet
allerdings nur ganz simple Stücke von daktylischen Hexametern und von
iambischen Trimetern: beim Hexameter das Hemiepes und das Stück
’Epaouovlön Χαρίλαε (<_uu_uu_x) und beim Trimeter die Stücke, die durch
Zäsur nach 2. anceps entstehen.
Diese Stücke

t KUH t? — am DE m

verwendet er paarweise so, daD er jeweils ein mit longum beginnendes und
‘männlich’ ausgehendes (h! oder t?) durch ein mit anceps beginnendes und
*weiblich' endendes (h? oder t!) fortsetzt, also:

v pm e D {τ}
e] Val ES lees
Hier bestreitet niemand die Teilstücke des iambischen Trimeters und des
daktylischen Hexameters. Bei Archilochos ist der Unterschied nur der,
daB der Trimeter-Anfang als Kolon nicht belegt ist (der taucht erst bej.
Alkman im encom auf), daß auch das Hexameter-Stück bis zur bukolischen
Dihärese (4 da^") und das Ende des katalektischen Trimeters (ith) vor-
kommen. All dies ändert aber nichts an dem Prinzip. Freilich stimmt es,
daß mit dieser “Derivationstheorie’ viel Unfug schon in der Antike getrie-
ben ist, und mit allem Nachdruck ist hervorzuheben, daß sie nur für die
Epoden des Archilochos und die daraus abgeleiteten Verse gilt!*); zu
diesen gehören dann freilich die Daktyloepitriten bei Bakchylides und
Pindar (s.u. S. 51), die sowieso nicht in Gefahr sind, zu den “Urversen’
gezählt zu werden!5).

b) Die äolischen Dichter


Die Verse der üolischen Dichter Sappho und Alkaios, die Horaz in
seinen Oden aufgenommen hat, unterscheiden sich dadurch von den meisten
anderen Versen, daB sie nicht zurückgehen auf bestimmte, wiederholbare
‘Metren’ (Dimeter, Trimeter usw.); sie kennen deswegen nicht die inner-
halb der Periode wiederkehrenden Anceps-Stellen der Iamben und Tro-
chäen (x), auch nicht, was noch wichtiger ist, die andere Freiheit, die

15) Siehe Maas, Metrik $ 68; Berl. Philol. Woch. 1911, 1011ff. und 1214ff.
14) In der Lyrik der Kaiserzeit tauchen von neuem eigentümliche Asynarteten
auf; darüber s. Hermes, Einzelschriften 5, 1937, 109 u. Deubner, S. Ber.
Heidelb. 1918 Nr. 17.
15) Über Alkman 8. Weiteres u. S. 49f.
44 C. Singverse

einzelne Metren hatten: die Bicipitia (==), wo im Daktylus und vor allem
im Anapäst entweder eine Länge oder eine Doppelkürze stehen kann, ja,
kennen diese Freiheit nicht einmal in der begrenzten Form, daß wie im
Iambus und Trochäus eine Länge ‘aufgelöst’, d.h. durch 2 Kürzen ersetzt
werden kann!®). Diese haben daher feste Silbenzahl. Ancipitia gibt es nur
am Anfang der äolischen Kola. Die Grundmaße sind:
Glyconeus: 00 -uu-v- (gl)
Pherekrateus: 00 -u._- (pher)
Hipponacteus: oo_uu_._-- (kipp).
In den 'Ancipitia' der sog. äolischen Basis (bezeichnet oo, 8.0. S. 2) sind
-- und _. häufiger als υ-- oder gar υυ 17). Diese Grundmaße erscheinen auch
mit einsilbiger Basis (akephal)!5):
Telesilleus: κιυυςυς- (+98)
Reizianum: x vu... (^pher)
Achtsilber: x-uu-u-- (^Aipp)!*).
All diese Formen kommen vor als selbstándige Perioden. Meist aber sind
sie 'erweitert', und zwar ist zu scheiden zwischen ‘äußerer’ Erweiterung und
“innerer” Erweiterung. Die äußere Erweiterung fügt 2-3 Grundmaße
zusammen oder (bzw. und) setzt vor oder (bzw. und) hinter das Grundmaf
ein volles oder gekürztes 'iambisches Metron', und zwar ist das gekürzte
Metron vor dem Grundmaß akephal: kretisch (...), hinter ihm kata-
lektisch : bakcheisch (._-). In der 3. Periode der sog. 1. Alkäischen Strophe
(z.B. Alk. 6.71 ff.)2%) treten zwei Iamben vor ein akephales äolisches Stück:
.
“Vz ”»—V-; KI—-UVYUn 1.0.
.

Diese ‘äußeren’ Erweiterungen sind kenntlich an den ancipitia, die immer


nur am Anfang des Iambus erscheinen, und an der äolischen Basis, die
erhalten bleibt, auch wenn ein Metron davortritt. Danach ist z.B. der sog.
Sapphische Elfsilber __<_-uu_u_- (die 1. und 2. Periode der Sapphischen
Strophe) aufzufassen als cr + „hipp®!), oder die 3. Periode der Sapphischen

16) Das findet sich erst bei Pindar (die Stellen: II* 173f.) und bei Bakchy-
lides (ed.* p. 32*).
17) Alle bei Sappho und Alkaios vorkommenden Versformen hat E.M.
Voigt übersichtlich zusammengestellt im Conspectus metrorum ihrer Ausgabe
(8. o. S. 2) 15ff.
18) ‘Akephal’ ist systematisch, nicht historisch gemeint, soll also nicht heißen,
daß die Basen mit 2 Elementen älter seien als die 'kopflosen'. Ich halte mich
nur möglichst an eingebürgerte Terminologie.
19) Schon bei Alkman fr. 1,39 P. usw.
30) Daß die 3. und 4. Zeile dieser Strophe eine Periode bilden, zeigt Alk. 73,5
und 75,13.
31) So schon Augustin de metris IV 13.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 45

Strophe _u_x_uu_u_x_uu__ als er + „gl + „pher??). Die ‘innere’ Erwei-


terung besteht darin, daß entweder die Elementenfolge _u. oder -υὐ-
einmal oder mehrmal wiederholt wird. So entsteht aus dem gl durch Wieder-
holung des "Daktylus' der Elfsilber
KX-UU-UV_Un = gl4,

durch Wiederholung des 'Choriambus' ?3) der Asklepiadeus


XX vU συ... = gl*,

durch doppelte Wiederholung des cho der größere Asklepiadeus


xx-vv--vu-ovu-v- zm gl*?*,
In der folgenden Übersicht, die alle bei Alkaios, Sappho, Anakreon
und in Horaz' Oden vorkommenden oder durch die Angaben der Metriker
sicher zu erschließenden äolischen Perioden anführt, bezeichnet ent-
sprechend den eben angeführten Beispielen der Exponent d zu dem Sigel
eines der Grundmaße, daß in diesem Grundma die Elementenfolge _.
einmal wiederholt isi, der Exponent 2 d, daß sie zweimal wiederholt ist usw.
Dazu ist jeweils eine Stelle zitiert, an der die betreffende Periode bei
A(lkaios), Sappho), An(akreon) oder H(oraz) vorkommt
**).

22) Es dürfen also nicht die letzten 5 Elemente als sog. Adoneus ( .... )
abgetrennt werden, obwohl schon die antike Kolometrie so teilt.
33) Darüber, wie hier 'Daktylus' und 'Choriambus' in uneigentlicher Bedeu-
tung gesagt ist, vgl. u. S. 50, aber weil es so hilfreich ist, schien es mir schon
1943 in meiner Pindar-Ausgabe (die dann freilich erst 1953 erschien) statthaft,
hochgestelltes c und d zu verwenden, um die von E. Kapp (s.u. S. 71) erkannten
“inneren Erweiterungen’ der äolischen Verse zu bezeichnen. — B. Gentili,
Quad. Urb. 26, 1977, 31 verweist darauf, daß schon A. Kórte, Neue Wege zur
Antike 8, 1929, 49f. äolische Versmaße im wesentlichen auf gleiche Weise be-
schrieben hat. Er meint, dies sei unhistorisch (ebenso wie die Beschreibung der
Daktyloepitriten von Paul Maas, der ich gefolgt bin) — und versucht selbst
mit hervorragender Sachkenntnis und großem Geschick die Urformen fest-
zustellen. Das aber führt in die Prähistorie, von der ich mich fernhalten möchte.
Mir würde es genügen herauszufinden, wie die Dichter, deren Werke wir be-
sitzen, ältere Verse aufgefaßt und weiterentwickelt haben,
34) Fortgelassen habe ich, da sie mir unerklärlich sind, nur S. 112; 141,2£.;
132. S. 112,1-3 scheinen Dimeter der Form cho ba | zu sein, 4 ist dann aber ein
Tetrameter der Form cho ba cho ba |. Das scheint wahrscheinlicher als eine un-
gewöhnliche Reihe |... ... ‚hipp | anzunehmen. — ine. auct. 22 = ‚gl u_.__
ist von Hephaistion aus dem Zusammenhang gerissen, — möglich wäre
Agl ba | --- . .. — Auch sind hier natürlich die κατὰ μέτρον gebauten Verse nicht
berücksichtigt; einiges dazu o. S. 33ff. und u. S. 47. — Die bei Seneca vor-
kommenden Formen cr ,gl (Oed. 405) und er, pher (Ag. 812) würden sich dem
hier entwickelten System gut einfügen und könnten bei Sappho oder Alkaios
vorgekommen sein. Aber Seneca hat vielleicht nur horazische Maße (die er
sonst benutzt) gekürzt. — Über Kompositionsfugen, über Wortenden und über
die Kolometrie der antiken Handschriften bei "äußerlich erweiterten’ äolischen
Versen macht wichtige Beobachtungen J. Irigoin, L’Ant. Class. 25, 1956,5—19
und Rev. de phil. 31, 1957, 234-238.
46 C. Singverse

gl A 67,4 ‚.gEA303A,2 JiaglA70,1 |2glia A140


gl* A112 gie 8130 „gl A130b,4 |ia,gl A307a gl pher An357,7
gl** A344 gi'* 844 cr gl 898,4 |gl ba 823015)
gl’: A387 „gi ba S154
gl τα
A303Aa,2**)

pher H1,5,3 Apher 8141,1 ia gl ba 81027)


pher* S 161 pher* S110. |, pher* S111,3 cr 3 gl ba 898
pher!* 8140 pher!^ S115 ia | phert4 ia „gl ia inc. 21
S104a,2?

S1,3f.

hipp A130b,3 „hipp S168B!") ia ,hipp A384

Ahipp'ine.18 |cr,hippS1,1 |22a...,gl||


2 *a|||t
Α 303 Ab
hipp!* An376,2P. Ahipp** 882 2 ia „hipp®
A 208, 3f.
cr ,hipp*
H1,8,2

Diese 39 Perioden sind teils stichisch verwandt (z.B. gi*4, pher?«, pher®,
pheriá, pher’®), teils in Strophen eingebaut (z.B. Sapphische Strophe:
cr „hipp | er -hipp | er -gl xpher |||; Alkäische Strophe: ia .gl | ia .gl | 2 ἴα
„hipp® |||), teils kommen sie in beiden Arten vor (z.B. gl, gite, gle).
Dies Schema enthält nicht alle Formen, die nach dem System möglich
wären; da man wohl annehmen darf, daß die häufiger vorkommenden
Formen die früheren sind, läßt sich vielleicht über die Entstehung des
Systems folgendes sagen: Da selten äußere und innere Erweiterungen
zusammen in einer Periode auftreten (nur 2 ia .hipp@ in der alkäischen
Strophe; cr .hipp* in der auch sonst singulären Strophe Hor. 1,8; zweifel-
haft ia pher!4 Sappho 104,2) haben sich offenbar die inneren und die äuße-
ren Erweiterungen getrennt voneinander entwickelt.
Die ‘äußeren’ Erweiterungen setzen ein beim gl (so schon bei Alkm.
fr. 3,6 P.: .gl ia) und stehen in Endstellung nur noch (.)gl; es fehlt der
PeriodenschluB . . . υ---ο-(0)- |. («)pher und (.)&ipp beschließen also immer
: eine Periode, was auch natürlich ist, da der Pherekrateus als Klausel wirkt

35) Im 5. Buche nach Caes. Bass. gramm. Lat. VI, 258,15 (= Phalaeceus).
36) Dies auch schon bei Alkman fr. 3P. (weiteres dazu u. S. 48). Daß an den
drei kenntlich respondierenden Stellen (v. 5. 68. 77) Wortende nicht in der
Fuge zwischen „gl und ie, sondern ein Element früher erscheint, stimmt zu den
Beobachtungen von Irigoin (s. o. S. 19, 30).
37) Vielleicht ia ba anacl 8. o. S. 35.
138) Schon Alkman, 8. o. Anm. 19.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 471

und auch im Hipponakteus die 2 longa am Ende Klauselcharakter haben.


Das läßt vermuten, der gl sei als verwandt empfunden mit einem Dimeter,
den man zum Trimeter (und weiter zum Tetrameter) erweitern konnte;
das bedeutet aber nicht, daß der σὲ ursprünglich ein Dimeter war.
Die innere Erweiterung durch Wiederholung des 'Choriambus' setzt
ebenfalls beim gl ein; auch das legt nahe, daB er als verwandt mit dem
Dimeter galt; man erweiterte ihn so, wie neben choriambischen ' Dimetern'
choriambische “Trimeter’ (Tetrameter, Pentameter) standen — also etwa
nach der Analogie
wie 0000 _uu_
zu οοοο-υὐ--ὖὐ-
80 00 _uu_.._
ZU OO-uvcuo--uvc-uc.

Die innere Erweiterung durch Wiederholung des ' Daktylus' setzt wohl beim
pher ein, verständlicherweise, da ein pher mit Längen in der Basis ---.._-
zur daktylischen Reihe wird und es nahelegt, sie so zu erweitern, wie denn
Sappho tatsächlich daktylische Hexameter hat (104-106, 142/3), von denen
die Hälfte als pher*4 gefaßt werden kann (so sicher Alk. 367)?*). Nun sind
uns unter den lyrischen Daktylen solche begegnet, die das für den gl charak-
teristische Ende υὐ. ὦ. zeigten (s.0. S. 26). Ob diese auf die innere Erweite-
rung des gl gewirkt haben, oder ob umgekehrt die gl auf die Daktylen, die
dann wieder auf die gl zurückgewirkt hätten, läßt sich kaum entscheiden.
Tatsächlich hat Alk. fr. 369 solche Daktylen (8 da"-), so daß es nichts
Gewagtes hat, ihren Einfluß auf äolische Metrik anzunehmen.
Wichtig ist, daB in den sog. 'áolischen" Daktylen nie das Ende ... vu- |
vorkommt, das nur in echten Daktylen auftaucht). Die Teilung des longum
im äolischen Versmaß, wodurch das Prinzip der Silbenzühlung verletzt wird,
und worin sich ein weiterer Einfluß der iambischen Verse zeigt, ist bei Ana-
kreon (96 G., 374 P.) unsicher, doch seit Pindar, vor allem im attischen
Drama, häufig.
Die schon oben S. 37 erwähnten Fälle, daß die Überlieferung wil mit gl
respondieren läßt, haben sich durch die genaueren Lesungen vermindert
(Sappho 96,19 und 28); die übrigbleibenden sind zu unsicher (95,9) oder
lassen sich durch Konjektur zu leicht beseitigen (96,7; Anakreon 357,5),
als daß sich darauf bauen lieBe?!). Immerhin ist bei Anakreon 372 der
iembische Dimeter offenbar dem Glykoneus gleichwertig. Aber ob gi und
39) Die Stellen bei E.-M. Voigt in ihrer Ausgabe S. 16 (B 1) u. 22.
80) Ed. Fraenkel, Rh. Mus. 72, 1917, 165 vermutet, „daß die lesbischen
Dichter bei der Gestaltung ihrer Daktylenanfänge gerade von der pyrrhichischen
Form ausgegangen sind“, d. h. also von der Basis mit Doppelkürze — zu Un-
recht, denn gerade der pyrrhichische Anfang tritt stark zurück — gesucht, wird
eher der Spondeus, der richtige fallende Daktylen entstehen läßt.
31 Maas $ 33,4 gegen Wilamowitz, SBB 1902, 887; G. V. 235; Pfeiffer,
Gnomon 1926, 316; Page, Sappho and Alcaeus p. 81.
48 Ο. Singverse

wil vor Korinna im beliebigen Wechsel oder gar in Responsion erschienen,


ist fraglich.
Das Telesilleion (.gl) ist jetzt, wenn auch nicht völlig sicher, für Alkaios
belegt (303 Aa): da es in der Erweiterung .gl*, ia .gl, „gl ia (schon Alkman),
^gl ba auftaucht, war es sicher schon älter; es wird volkstümlich gewesen
sein. Später treffen wir es bei Telesilla, die es stichisch verwandt hat??),
dann in dem epidaurischen Hymnos auf die Göttermutter, den Maas eben
dieses Versmaßes wegen der Telesilla zuschreibt.
Die Klausel dazu, das ' Reizianum' (.pher), ist stichisch verwandt in den
ersten Versen des rhodischen Schwalbenliedes (fr. 848 Page); die einzelnen
Pherekrateen dazwischen (v. 3.5.10) haben die Basis _., wobei das longum
&ber immer durch xal eingenommen wird (Wilamowitz, G.V. 400). Das
Sotadeum = .pher!* fügt sich diesem System ein. Den Mustervers dafür
(Heph. p. 36,12 Consbr.) setzt Diehl unter die Fragmente des Sotades
(fr. 7) — doch zum mindesten das Metrum kann älter gewesen sein; Sota-
des hat es mit Varianten gebraucht; er ließ Teilung der longa und Ana-
klasis zu, so daß etwa folgendes Schema für seine Sotadeen gilt:
ZSu_25u- u 50--| (fr. 6-14 Powell p. 240).
So entstehen (abgesehen von der Teilung der longa) 5 verschiedene legitime
äolische 14-Silber (.pher!*e = .gle δα — .gl ia δα — cr pher* = cr gl ba), und
da sich keine andere Variation außer diesen fünf findet), wird man an-
nehmen dürfen, daß für ihn das alte äolische System gültig war.

c) Die Mischung verschiedener Versgattungen in der frühen Chorlyrik


Sowohl Archilochos wie die äolischen Dichter schaffen, wie sich gezeigt
hat, neue metrische Formen, indem sie, obschon auf unterschiedliche Weise,
Elemente verschiedener Systeme zu neuen, lebendigeren, ausdrucksstarken
Formen verknüpfen. Diese Tendenz führen die großen Chorlyriker der
archaischen und der beginnenden klassischen Zeit fort: Sie alle, Alkman,
Stesichoros, Ibykos, Simonides, dann Pindar und Bakchylides,
bauen ihre Strophen aus zahlreicheren Perioden auf und entfalten eine
größere metrische Pracht. Wichtiger noch ist, daß auch die einzelnen Pe-
rioden unabhängiger von den alten Metren werden. So setzt sich die Ent-
wicklung fort, die wir schon mit der der bildenden Kunst verglichen haben
(8.0. S. 41), daß in der Metrik aus addierten Teilen organische Einheiten

82 Maas, RE. s.v. Telesilla; dort weiteres über das Fortleben des Maßes.
33) Vgl. auch die Sotadeen eines M.oschion (saec. II/III p. Chr.) auf einer
Inschrift aus Sakha (Hondius, Suppl. epigr. graec. 8,70ff. nr. 464G2 u. G5),
wo noch die folgenden Formen hinzutreten : ‚gl pher, ia „gl ba, cr ia pher und ein
iambischer Tetrameter der Form cr 2 ia ba. — Hinzu gekommen ist jetzt ein
Papyrus (Groningen, inv. 66) mit einem Preislied auf Alexandria, hrsg. von
I. H. M. Hendriks-P. J. Parsons-K. A. Worp, ZPE 4t, 1981, 71-83 (S. 76-
78 über Form, Bedeutung und Verbreitung des Metrum).
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 49

werden. Das wissenschaftliche Interesse an ihr entfernt sich damit immer


weiter von dem Historischen hin zur Einzel-Interpretation; eine Einführung
kann da nur einige Grundlinien zeichnen.
Neugefundene Papyri zeigen, daB schon Alkman, der jüngere Zeit-
genosse von Archilochos, in zwei Partheneia auf neue Weise Trochäen,
äolische Stücke, Iamben und Daktylen miteinander vereint:
fr. 1 P.: 2tro|| .hipp| 2 trol -ipp|
2 tro|| -hipp|| 2tro|| -hipp|
8 tro|| 3 tro|| 2 tro | 2 tro|| 4 da | 4 da:ἢ,
fr.
3 P.: 4da | 2tro | 2 tro | 2 tro. |
^gl ia | iat | 4 da | 4 da | encom (= 3 da.. | reiz) |||.
Dazu vgl. fr. 14 P.:
4 da | 3 da.. | 3 ia. |?
und POx. 2443 fr. 1 + 3213:
| 4da | 4da"- | 4da | 4da"- |...
4 da.. | 3da.. | .gl | ba |||.
Auch Alkman hält sich streng an das, was jeweils in den einzelnen Vers-
gattungen möglich ist (z.B. Länge im Doppel-breve der Daktylen, Doppel-
Kürze im longum der Trocháen, feste Silbenzahl und Basis-anceps in den
äolischen Teilen) und reiht kleine, leicht kenntliche Stücke verschiedener
Versgattungen zusammen, ohne sie einander anzugleichen®®). Aber daß er
einen ganz neuen Rhythmus erstrebt, wird unmittelbar deutlich im metri-
schen Schema:
fr. 1 ΟΤἹΡ........] MEN ! bis | bis |

-u-x-v-x-v-x | bis |
-e-x-v-x | bis |
Iv)
--- τ οὐ -υὐν.-ὄ Il
συ
fr. 3 CTP. — UV-UVU_ UV UND |

%4) Das Metron ist freilich an vielen Stellen unsicher, zumal die Kolometrie
Fehler hat. Vgl. M.L. West, ZPE 26, 1977, 38 und A.L. Brown, ebd. 32,
1978, 36.
3) Über dies bei Alkman und Archilochos gleiche 'Asynarteten'-Ver-
fahren s. Wilamowitz, G. V. 121.
δ0 C. Singverse

Hier variieren jeweils Stücke des einen Metrums die eines anderen, aber
jedes einzelne ist klar bestimmbar und durch Wortende von dem anderen
getrennt.
Während Archilochos die Variation des Metrums benutzt, die Aus-
druckskraft der Sprache zu stärken (eine iambische Silbenfolge kann etwa
ruhig gelassen klingen, eine darauf folgende daktylische erregt und leiden-
schaftlich), nutzt Alkman sie eher für einen reicheren Wohlklang, für
harmonische Schönheit des Gesprochenen oder gar Gesungenen.
Daß die Chorlyrik sich auf diesem Weg weiterentwickelt, geschieht offen-
bar unter dem Einfluß der äolischen Metrik, wie umgekehrt auf diese die
anderen Versarten eingewirkt hatten: die „äußeren‘‘ Erweiterungen stam-
men von den Iamben, die ‚inneren‘ aus Daktylen und Choriamben. Doch
weder bei Alkaios noch bei Sappho führt das zu einer Addition von Teil-
stücken wie bei Archilochos und Alkman, sondern zu erweiterten Perio-
den, die sie nicht einmal durch Zäsuren zerlegen; und sie wahren die Strenge
der Silbenzählung, halten z.B. Länge und Doppelkürze nicht für austausch-
bar. So sind die Perioden bei Sappho und Alkaios zugleich variations-
reicher und einheitlicher als bei Archilochos und Alkman.
Da Alkman höchstwahrscheinlich älter ist als Sappho und Alkaios,
lernen wir aus dem Kolon .gl ia in dem neuen Partheneion, daß der Einfluß
der Iamben auf die äolischen Versmaße schon vor Sappho und Alkaios
beginnt. — Ob Alkman in dem gleichen Gedicht den encom (fr. 3 — 3 da... |
reiz) von Archilochos übernommen hat oder ob er älter ist, läßt sich nicht
sagen *).
Jedenfalls läßt sich über Stesichoros?”), Ibykos und Simonides
hinaus verfolgen, wie die Chorlyriker der klassischen Zeit die '"Kompositions-
Metren' aufgeben und neue organische Einheiten schaffen, die nun auch
umfangreicher werden können, sowohl durch längere Perioden als durch
periodenreichere Strophen und Epoden.
Vor allem der Wechsel von einem Metrum zum anderen geht damit
zurück. Bei Bakchylides findet sich nur ein Beispiel: In seinem 3. Epi-
nikion hat die Strophe iambisch-äolische Verse, die Epode dagegen Daktylo-
epitriten. So sind jedenfalls die Strophen einheitlich. Auch Pindar geht
einmal innerhalb eines Gedichts (O. 13 von 464 v.Chr.) von einem Metrum

**) Archilochos wird den Vers nicht von Alkman haben, denn er pflegt
Teile von Versen zusammenzusetzen; Alkman rückt immer, soviel wir sehen,
vollständige ihm gegebene Stücke zusammen, d.h. mit Ausnahme dieses
encom nur ganze 'Metren'.
87) Wichtig ist vor allem der im Supplement von Page (1970) noch nicht
aufgenommene Stesichoros-Papyrus aus Lille (ed. Parsons, ZPE 26, 1977,
7-36). Dazu vgl. vor allem Haslam, GrRomByzSt. 19, 1978, 29-57; weitere
Literatur bei J. M. Bremer, Lampas 13, 1980, 368. Er klärt vieles in der Ent-
wicklung der Daktyloepitriten (vgl. Anm. 41), — leider ist es mir nicht ge-
glückt, hier näher darauf einzugehen.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 51

zum anderen über, und zwar innerhalb der Strophe von äolischen Versen
zu Daktyloepitriten. Hier ist er offenbar beeinflußt von der attischen Tra-
gödie, denn er wechselt in einem 'gleitenden' Übergang (darüber s.u. S. 58):
die 6. Periode ist zwar Variation der vorhergehenden äolischen Verse, doch
ihren Schluß kann man zugleich daktyloepitritisch messen — das Folgende
ist dann rein daktyloepitritisch. In der Tragödie wird dann das Umspringen
von einem Metrum zum anderen sehr viel häufiger als etwa bei Alkman
und Ibykos, denn nun bestehen die Perioden nicht mehr aus fest definier-
baren Stücken, sondern die Strophen werden nach neuen Prinzipien als
Einheiten komponiert (darüber s.u. S. 57).

d) Pindar und Bakchylides


a) Die aus Iamben abgeleiteten Verse
Ein eigentümliches Metron weisen Pindars 2. Olympische Ode (’Ava£ı-
φόρμιγγες ὕμνοι), Bakchylides’ Eitheoi (c. 17) und Pindars fr. 1088 auf.
Maas $ 56a beschreibt diese Verse so: ihr „Grundsatz scheint, daß die longa
in Gruppen von 1 (...v-u...)und2(...v_-u...), die brevia in Gruppen
von 1 (...-.-...) und 3 (..._uuu_...) zusammentreten, ancipitia nur
am Periodenanfang erscheinen‘, d.h. aber, daß die Aufeinanderfolge der
Elemente ähnlich wie in iambischen Reihen (mit geteilten longa) oder in
kretisch-päonischen ist, nur daB die Perioden keine vollen Metren enthalten
(wenn man vorn anfüngt, Metren abzuteilen, bleiben am Ende einzelne
Elemente übrig, die kein Metron füllen, und entsprechend am Anfang, wenn
man vom Ende aus Metren abteilt). Hier haben offenbar die nicht κατὰ
μέτρον gebauten Verse auf die lyrischen Iamben gewirkt und die Bindung
an die festen Metren gelöst?®).
ß) Daktyloepitriten
Der (moderne, seit Rud. Westphal bei uns eingebürgerte) Name Dak-
tyl(o)epitrit beruht darauf, daß in diesem Versmaß Daktylen und 'epitri-
tische’ Glieder (_.__ oder _-.-, das heißt Stücke, in denen sich die Teile
wie 3:4 oder 4:3 verhalten) zusammenzutreten scheinen. Das Prinzip dieses
Versmaßes hat Maas $55 zutreffend formuliert: Die Elementargruppen
-vev-vv- (notiert D) und ... (notiert e) werden so zusammengefügt, daß
zwischen diese Gruppen meist ein anceps tritt, das in der Regel lang ist.
Solches anceps tritt oft vor die erste und hinter die letzte Gruppe der Periode.

35) Wie zurückhaltend man deswegen z.B. sein muß, in den Eitheoi metrische
Anomalien durch Konjekturen zu entfernen, zeigt R. Führer, indem er gründ-
lich nicht nur Metrik und Prosodie, sondern auch Lautentsprechungen, syntak-
tische Beziehungen usw. untersucht (Nachr. Gótt. Ak. phil. Kl. 1976 Heft 5;
über Simonides' Danae — fr. 543 P. spricht er besonders ausführlich und er-
gebnisreich ebd. Heft 4). Weiteres bei M. L. West, Iambies in Simonides,
Bacchylides and Pindar, ZPE 37, 1980, 137-155.
δ2 Ο. Singverse

— Die häufige Verbindung e _e notiert Maas E; über die weniger häufigen


Glieder d! = .... und ἀξ = ... s.u. S. δά.
Wie sehr sich die Daktyloepitriten an Archilochos' Epoden anschließen,
zeigt M. L. West in seiner Ausgabe (1971 p. 1), wenn er versucht, in den
metrischen Schemata Maassche Zeichen zu verwerten und den Hexameter
mit D v» D - wiedergibt. Doch bei den Daktyloepitriten tritt ein anceps
zwischen die D-Glieder (D « D) und bei ihnen ist D = _.._u._ (wie bei
der 2. Hälfte des Pentameters) für den Hexameter .,,-,,.. Über die
Gründe s.o. S. 42.
Die Daktyloepitriten erscheinen schon in den frühesten Gedichten Pin-
dars in reich entwickelter Gestalt. Da aber die gleichzeitigen Daktylo-
epitriten des Bakchylides noch viel einfacher sind, scheint Pindar dies
Versmaß selbständig weiterentwickelt zu haben; daß die Formen bei Bak-
chylides allmählich komplizierter werden, beruht dann darauf, daß er
Pindar vorsichtig folgt. Wenn demnach die Entwicklung bei Bakch ylides
auch nicht originell und selbständig ist, können wir aus ihr doch Wichtiges
für die Geschichte der Daktyloepitriten lernen. Leider wissen wir nur wenig
über dies Versmaß bei Simonides; sein Enkomion auf die bei Thermo-
pylä Gefallenen (fr. 531 P.) hat schon entwickelte Daktyloepitriten — aber
im Jahr 480 konnte auch Simonides schon unter Pindars Einfluß stehen.
Der Anfang des Epinikos auf Anaxilas:
Χαίρετ᾽ ἀελλοπόδων ϑύγατ'ρες ἵππων
(fr. 515) erlaubt uns, die Daktyloepitriten an die Asynarteten anzuknüpfen:
dies ist der Encomiologicus??), wie er schon bei Alkman, Alkaios und
Anakreon vorkam (s.o. S. 27, 7 u. 41f.), d.h. nach den Regeln der archi-
lochischen Asynarteten sind die Stücke Hemiepes - halber Trimeter
zusammengefügt. Anfang eines Gedichts auf Eros ist dieser Vers bei Simo-
nides fr. 575 P., nun aber mit dem Wortende um ein Element später, wie
er ebenfalls bei Anakreon begegnete (o. S. 41,10), und es folgt ein Vers, der
wohl korrupt und so herzustellen ist, daB das gleiche Gebilde, nur hinten um
ein Element gekürzt und ohne Wortende zwischen dem daktylischen und
iambischen Teil, entsteht:
Σχέτ'λιε παῖ δολόμηδες "Ao!poB(rac,
τόν {ποτ᾽ )49) "Ἄρει ϑρασυμηχάνῳ τέκεν ...
80) Der Name wird schon aus früher Zeit stammen, denn wir finden dies
Versmaß bei Simonides in einem Enkomion, in einer Preislied auf Menschen,
und die, wie sich gleich zeigen wird, daraus entwickelten Daktyloepitriten sind
für Pindar und Bakchylides das Hauptversmaß, um Menschen zu preisen,
während in den Götterliedern die äolischen Verse vorherrschen (Ausnahme:
das im folgenden erwähnte Gedicht des Simonides auf Eros). Da die Münzen
des Anaxilas mit dem Maultiergespann ca. 480 beginnen, gehört das Gedicht
in diese Zeit.
40) Oder τόν (rep) o.ä. Fr. 509,3 und 604,1 haben die gleiche Form wie
dieser Vers; 509, 1-2 ließen sich leicht ebenso herstellen; 604,2 ist kaum heil.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 63

Die bei Alkman und Archilochos stets getrennt voneinander gehaltenen


verschiedenen Versarten verschmelzen jetzt also zur Einheit und wir haben
echte Daktyloepitriten, mit dem Massschen Zeichen (s.o. S. 3 u. 51) notiert:
D. | e- | D.e |*!). Ebenso sehen die ältesten und einfachsten Daktylo-
epitriten bei Bakchylides aus, nur daß das 1. Kolon steigend beginnt
(also wie "Epaouovldn, 8.0. S.40 unter (1): - D...) und daß zum Ende
die e-Glieder gehäuft werden (fr. 20 B):
Ὦ Bapßıre, μηκέτι πάσσαλον φυλάσσων - Dx ex |
ἑπτάτονον λιγυρὰν χκάππαυε γᾶρυν" Dxe-|
δεῦρ᾽ ἐς ἐμάς χέρας, ὁρμαίνω τι πέμπεν Dxe- |
χρύσεον Μουσᾶν ᾿Αλεξάνδρῳ πτερόν. E_e |||“)
Die weitere Entwicklung?) geht dann dahin, daB die D- und e-Glieder
immer beweglicher werden, also die e-Glieder auch vor die D-Glieder treten,
die D-Glieder verdoppelt werden, längere oder auch kürzere Perioden
erscheinen. Es bleibt aber die Regel, daB die Strophen mit e-Gliedern
schließen“), — Ausnahmen sind nur Bakchyl. c.7(?), Pind. O. 11 str.,
O. 13 str., P.9ep., N. 11 str. und ep., pae. δ.
Das 'eingeschobene anceps’ kann gelegentlich fehlen, innerhalb der
Perioden vor allem gegen Ende der Strophen. — Nach 'eingeschobenem
anceps’ vermeidet Bakchylides Wortende streng vor ...ex |, weniger
streng vor . . . e |, ziemlich streng nach |e x... ., gar nicht nach | « e x... .*5).
Pindar kennt diese Einschränkungen nicht. Ist das “eingeschobene anceps'
von Stellen mit regelmäßigem Wortende um mehr als (x) e (x) entfernt,
so sucht Bakchylides geradezu Wortende vor oder nach dem anceps,
während Pindar solche ' Diháresen' nicht erstrebt. Geteiltes longum findet

In fr. 675 v. 1 übernimmt Page die Konjektur Rieckmanns δολομήδεος, das


ergäbe D .. | oder D. | (-95); aber D «| ist sicher nicht schlechter.
41) Dies Versmaß in die große Chorlyrik einzuführen, war dadurch vor-
bereitet, daß Stesichoros Strophen aus daktylischen und trochäischen Pe-
rioden gebaut hatte, wie es jetzt fr. 209 zeigt (s.o. S.28, 16). Die Daktylen
werden da schon ähnlich wie in den Daktyloepitriten so verwandt, daB Hemiepe
(= D) nebeneinandergestellt werden und Ancipitia, aber auch Doppelbrevia
‚dazwischentreten können. Aber innerhalb einer Periode erschien bisher meist
mur eine einzige Versart. Erst die Neufunde (s. 0. Anm. 37) haben jetzt auch
*verschmolzene' Perioden der Form («) D: x _u__ zutage gefördert.
43) Katalektischer trochäischer Trimeter, 8. ο. S. 22 u. 40.
48) Siehe Bakchylides-Ausgabe p. 24ff. und Pindar-Ausgabe p. 306 ff.
4) Beobachtet von G. Zuntz, 8. Maas, Nachträge zu $ 55, S. 35.
4) 'Maassche Brücke’ in der modifizierten Fassung von W. S. Barrett,
Hermes 84, 1956, 251-253 (dort weitere Einzelheiten). Offenbar wirkt | . |
als klappernd und schleppend, während |x..-« | wie im Trimeter-Anfang den
gleichfórmigen Rhythmus auflockert und ein Weiterführen erwarten läßt. Denn
wäre die Maassche Brücke nicht 'prosodisch' wie die Porsonsche, sondern
‘rhythmisch’ (8. ο. S. 11 u. 17). — Vgl. auch J. Irigoin, Recherches sur les
mötres de la lyrique chorale 1953, 48f.
54 C. Singverse

sich in e-Gliedern gelegentlich (“6 und **e häufiger als e““ und 655), im
mittleren longum eines D-Gliedes nur Pind. I. 3,63 (Eigenname), im 'ein-
geschobenen anceps' vielleicht Pind. P. 1,92. Ein D-Glied der Form _--..-
hat Pind. N. 8,1 und fr. 221, auch Bakchyl. 13 str. 3. Das seltenere Glied d!
findet sich vor allem in der Verbindung
=U---vV-v- =®e. die),
d? vor allem hinter D: _._uu_uu- (= D d?) oder am Strophenanfang
||| »»--. Pindar reißt gelegentlich durch Pause ein Kolon auseinander, z.B.
0.6,5f.:...|.-|| v--E...; auch sonst hat er noch einige Abweichungen
vom Normalen.
Die Daktyloepitriten der Tragödie unterscheiden sich dadurch von denen
der Chorlyrik, daß in ihnen häufig eine ‘ithyphallische’ Klausel auftritt *).

y) Daktyloiamben
Einen den Daktyloepitriten ähnlichen Vers verwendet Bakchylides in
seinem 19. Gedicht: D- und d!-Stücke werden mit e-Stücken durch Kürzen
verbunden, als Klausel tritt aber auch (.)..-.-- auf. Da er es mit den
Worten beginnt: „Es gibt tausenderlei Arten von Melodien für einen be-
gnadeten Dichter“, ist anzunehmen, daß er hier einmal seine eigenen Wege
gegangen ist; c. 20 scheint hauptsächlich aus Daktylen bestanden zu haben,
die aber in V. 8 durch einen anderen Vers (.hipp?) unterbrochen werden.

δ) Die “äolischen’ Versmaße


Bakchylides hält sich in seinen äolischen Gedichten im wesentlichen an
die überkommenen Formen, auf die hier näher einzugehen nicht lohnt. Bei
Pindar kommen in einigen einfacheren Gedichten die schon früher üblichen
“äolischen’ Verse vor, z.B. parth. 2: gl ia i gl ia | .gl gl | -pher ||| 2 gl »pher |
gl „pher ||. In einem einzigen Gedicht, parth. 1, verwendet Pindar ver-
hältnismäßig einfache choriambische Dimeter (chodim oder wil) und Tri.
meter: ia sp chodim | .chodim ba | chotrim 2 cr ba ||| chodim 4 cr ba | chotrim
3 er ba | , also erweitert durch einzelne iambische (meist gekürzte) Metren;
in den meisten hierher gehörigen Gedichten ist Pindar aber sehr eigenwillig
mit diesen Versen verfahren, und es sieht so aus, als ob er hier wie auch in
den Daktyloepitriten selbst der große Neuerer gewesen ist. Daß wir be-
rechtigt sind, die große Masse seiner nicht daktyloepitritischen Gedichte
auf die äolischen und die mit diesen verwandten choriambischen Verse
zurückzuführen, geht daraus hervor, daß die erste Periode dieser Lieder
regelmäßig den vor ihm geltenden Prinzipien entspricht und daß die neuen
Formen erst im weiteren Aufbau erscheinen; die Anfänge der betreffenden
olympischen und pythischen Epinikien sehen so aus: O. 1: gl pher | 4: wil
„wil | ith | 5: gle er | 9: gl | „gl gl δα | 13: „pher | ia pher | 14: -wil | ia „glba |

4) Bei Simonides fr. 581,7 ist ungewiß, wie das Stück weiterging.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 55

Py.5: ia cr | ia wil || ia gl cr | 6: ia gl wil | 7:2 ia | ba | 8: gl | gl | 10: pel


11: il .gl sp |. Ausnahmen sind O. 10: „pher υ-.-.-ὦὕὄ- ||, wo also das En
nicht mehr iambisch κατὰ μέτρον ist; ähnlich Py. 2: cr 2 ia υ- | pher 2 .glT
N. 3: .gl .pher ὦ. | N. 4: «gl cho | pae. 2 (unsicher).
Diese äolischen Grundformen variiert Pindar in so freier Form durch
Hinzusetzen oder Fortlassen, durch Wiederholen bestimmter Elemente oder
durch Übergänge in andere Elementenfolgen, daß sich Regeln dafür nicht
aufstellen lassen. Jedes Einzelgedicht fordert eine Einzelinterpretation, ohne
daB wir dabei zu exakten Ergebnissen kommen kónnen; denn abgesehen
davon, daB uns die musikalisch-akustischen Grundlagen dafür fehlen, lassen
sich solche künstlerischen Form-Spiele natürlich nicht auf Regeln bringen.
Ein Beispiel mag zeigen, auf welchen Bahnen sich etwa solche metrische
Analyse zu bewegen hätte. Das Schema des ersten Olympischen Gedichts
aus dem Jahr 476 sieht so aus*?):
CIP
1 Yo ---᾿οῶοἂυ.υ..: -νΨυ -ev--| gl pher |

3 2v
4 2v -vv--|
eria |
her |
B -v-u-0-| er ia |

7 - UV. -J- v -vu--0-| cr ia Apher (ia) |

9 „2 u vo (ia) 2 cr |
10 u --u-. eve -| baia cr |

EII
1 oo-o--ev-e 2-2. v2 iacr cho
ba ia |
2 ν--α«ὧν--ἰ | νων | .-ὖ.- | pher |? νυυ-ὄυ.-.Ψ. |

3 _u-0 v wu. v-| tr (er) cho


cr |
4 UL_L U_-UU_U _U -wu--| ba gl „pher |

1*7) Bei den Bezeichnungen der Versteile bedeutet die Klammer um ein Sigel,
daß dieses Stück zwar in dem Vorhergehenden schon vorkommt, hier aber
so &bgewandelt ist, daß es sich nicht durch eins der üblichen Sigel bezeich-
nen läßt. Selbstverstándlich sind bei dieser Art freier Variation der Elemente
die erklàrenden Sigel nur Notbehelfe, — vielleicht mehr irreführende als
helfende: sie kónnen nur angeben, welche konventionellen Formen jeweils
durchklingen. Jedenfalls ist das Entscheidende, daß Pindar sich hier wie in
den oben S. 51 besprochenen "aus Iamben abgeleiteten Versen’ nicht an alte
Formen, also auch nicht an 'Metren' hält. Er setzt demit deutlich fort, was
Alkman begonnen hatte (s. o. S. 49).
56 C. Singverse

Das Gedicht beginnt also mit der normalen Folge gl pher | (= priapeus).
Die 2. Periode erweitert den pher durch zwei ‘wiederholte Daktylen’ und
setzt davor die Elementenfolge, die auch vor dem pher der 1. Periode er-
scheint, aber mit geteiltem vorletzten longum („._ = cr), die zugleich
aber auch dem Anfang der 1. Periode (u__ — ba) gleichwertig ist — oder,
anders gefaßt: die 2. Periode ist der 1. Periode fast gleich, nur daß die
Elemente - οὐ aus dem gl versetzt sind hinter die folgenden 3 Elemente,
und daß die Basis des pher von _. auf _.. erweitert ist. Die 3. Periode er-
weitert den Anfang der 2. zu einem Dimeter, der sich vom gl nur dadurch
unterscheidet, daß statt der 2 brevia ein einzelnes erscheint; in der 4. folgt
wieder der pher aus der 1. Periode. Die 5. wiederholt die 3.; die 6. erweitert
diesen Dimeter zu einem Trimeter und hängt einen akephalen pher und ein
weiteres iambisches Metron daran. Die 7. Periode kürzt die vorhergehende
am Anfang um ein Metron und am Ende um ein halbes. Die 8. nimmt den
Trimeter der 6. Periode auf, beginnt ihn aber nicht mit cr, sondern mit
vollem tz. Die 9. reduziert diese 3 Metren: das erste zu einem halben ἴα,
die beiden weiteren zu cr. Die 10. erweitert die vorige durch .., so daß
wieder ein echter Trimeter entsteht, der nun aber mit ba anhebt, so daß
der Dimeter die gleiche "Basis’ bekommt wie der gl der 1. Periode und sich
von ihm nur durch das Fortlassen des einen breve unterscheidet. Die 11.
variiert den vorhergehenden Trimeter durch Auffüllen des 1. und Kürzung
des 2. und 3. Metrons, aber man kann auch sagen, es sei nur das 1. (geteilte)
longum des letzten cr ausgelassen.
Die Epode nimmt zunächst den Anfang der letzten Periode der Strophe
auf, führt ihn jedoch weiter in der Form des gl der 1. Periode der Strophe,
bringt ihn aber nicht wie dort mit dem pher ........ zu Ende, sondern in
kürzerer Form __.-,d.h. mit dem Schluß der letzten Periode der Strophe;
80 entsteht ein Pentameter, dessen mittleres Metron choriambisch ist. Die
2. Periode ist der 1. sehr ähnlich, nur fehlen die ersten 6 Elemente und durch
eine Art Anaklasis ist in dem vorletzten Metron aus dem ba ein cr geworden;
dadurch ist erreicht, daß der Anfang einem pher gleich ist und so die
2. Hälfte der 1. Periode der Strophe anklingt, was noch hervorgehoben wird
durch das Wortende hinter diesem pher. Die 3. Periode unterscheidet sich
dadurch von der 2., daß statt des ia am Ende ein tro am Anfang steht, und
dementsprechend ist die Basis des pher _. statt ._ (es treten also die ersten
4 Elemente des pher noch einmal davor). In der 4. treten gl und pher wieder
verbunden auf wie in der 1. Periode der Strophe, allerdings ist der pher
akephal, und davor tritt ein zum ba verkürztes Metron (es werden die drei
2. Nicht ματὰ μέτρον gebaute Singverse 57

ersten Elemente des gl noch einmal gesetzt). In der 5. Periode erscheint


der pher mit folgendem ia wie in der 6. Periode der Strophe, das ih der 3.
und 4. Periode am Anfang stehende Metron ist nun aber weiter verkürzt zu
zwei brevia, so daB die Periode eher ein wil mit folgendem . υὕ..υ.- ist. In
der 6. Periode jedenfalls steht diese Elementenfolge hinter .gl. Die 7.
Periode ist eine Verkürzung der 5., und die 8. greift auf die 4. zurück, nur
statt des akephalen pher erscheint als Klausel cho ba.
Solche Analyse zeigt, daß es grundsätzlich verkehrt ist, anzunehmen,
jede einzelne Periode in den Gedichten Pindars sei ein fest bestimmbares
und benennbares Gebilde, sondern daß die einzelne Periode nur deutbar ist
aus dem Zusammenhang, in dem sie erscheint. Wenn wir trotzdem durch
bestimmte Sigel die einzelnen Perioden bezeichnen, so sollen diese nur mit
einer kurzen Formel den Aufbau kennzeichnen, aber nicht eine strikte Er-
klärung bieten, und es kann sehr wohl eine andere Formel geben, die ebenso
kurz und ebenso treffend die Periode charakterisiert. In diesen 'áolisieren-
den' Versen Pindars wird noch deutlicher als in seinen Daktyloepitriten
und in den nicht nach Metren gebauten Iamben, daß er das Ganze einer
Strophe als Einheit nimmt, in der der einzelne Teil nicht mehr selbstándige
Bedeutung hat, sondern nur als Glied dient. Dieser charakteristische Unter-
schied zwischen archaischer und klassischer Kompositionsweise, der sich
auch in der bildenden Kunst nachweisen läßt (s.o. S. 41,9), schreitet also
fort. Die Metrik der Tragödie wird allerdings zeigen, daß erst dort der wirk-
lich organische Aufbau einer Strophe erreicht ist — verglichen damit haben
die Metren Pindars eher einen ornamentalen Charakter*®). Die Druck-
anordnung der metrischen Schemata, wie sie oben S. 55 versucht ist, kann
die metrischen Variationen bei Pindar oft augenfällig machen, — aber
selbstverständlich ist das nur ein kümmerlicher Ersatz: ursprünglich waren
die Variationen, unterstützt durch die Musik, natürlich unmittelbar zu
hören — und (im Tanz) zu sehen.

e) Tragödie und Komödie


a) Aufbau der Strophen
Während die Chorlieder der Lyriker triadisch gebaut sind, d.h. die
Dreiheit Strophe, Antistrophe und Epode öfter wiederholen (8.0. S. 49 und
55; Schema: a ||a||| ὃ ||| a ||| a || ὃ |||. . .), ist es im Drama das übliche, daß
paarweis respondierende Strophen einander folgen, die allenfalls durch ein
nicht respondierendes Stück (astrophon) abgeschlossen werden können;
Schema: a ||| a ||| ^ ||| ὁ ||| . . - (n ||. Gelegentlich treten solche Astropha auch
zwischen die respondierenden Strophen (Mesoden)**) oder auch davor (Pro-
18) Vgl. Entdeckung des Geistes* 89f. — Aus 'numeris lege solutis’ (Hor.
c. 4,2, 11) bestehen seine Perioden; dafür, daß er ohne Strophen-Responsion
gedichtet hátte, gibt es kein sicheres Beispiel.
4) Vgl. Münscher, Hermes 62, 1927, 154—178.
δ8 C. Singverse

oden). Sophokles und Euripides haben meist in einem Chorlied 2 Stro-


phenpaare, Aischylos dagegen durchweg noch mehr®). Erst unter dem
Einfluß des sogenannten jüngeren Dithyrambos (s.u. S. 64) treten Astropha
in den Chorliedern hervor?!) und entstehen vor allem die großen Schau-
spielerarien.
Die metrischen Formen der Dramen-Lieder sind noch reicher und viel-
fältiger als die der großen Chorlyrik, andererseits sind die einzelnen Perioden
meist kürzer oder aus kleineren, sich wiederholenden und variierenden
Stücken zusammengesetzt?). Die Lieder der Komödie sind im ganzen ein-
facher als die der Tragödie, so daß sie im Grundsätzlichen weniger Schwierig-
keiten bereiten. Neben Liedern, die durchgehend in ein und demselben
Versmaß gehalten sind, gibt es von früh an solche, bei denen das Versmaß
innerhalb der Strophe wechselt, was bei Pindar und Bakchylides kaum
vorkommt (8.0. S. 57). Von der Art des Alkman unterscheiden sich diese
Lieder aber dadurch, daß nicht feste typische Stücke einfach nebeneinander
gesetzt werden, sondern daß in freier Komposition einheitliche Gebilde ge-
schaffen werden, bei denen die einzelnen Kola organische Glieder des grö-
Beren Zusammenhanges werden. Das zeigt sich besonders deutlich in der
für die Tragödie charakteristischen Form des 'gleitenden Übergangs’.

β) Gleitende Übergänge
Der deutlichste Fall eines ‘Gleitenden Übergangs’ ist der Wechsel von
einem Versmaß zu einem anderen in der Form, daß zwischen die eindeutigen
Formen der verschiedenen Versmaße ein Stück tritt, das ambivalent ist, das
sowohl dem vorhergehenden wie dem folgenden Versmaß zugerechnet werden
kann, so daß z.B. der Übergang von einem daktylischen zu einem äolischen
Stück vermittelt wird durch einen Pherekrateus mit Doppellänge in der
Basis, also etwa:
- UV UV. 3 da.

-- οὐ... 3 da. = pher


_ - -vuu- gi ?).
50) Siehe die tabellarische Übersicht bei W. Kranz, Stasimon 124f.
91) Über diese Kranz, Stasimon 117 und 177; dazu Kalinka 257. 114.
985 Vgl. A. M. Dale, Class. Quart. 44, 1950, 140 = Coll. Papers 44. De in
den Tragódienliedern nur je zwei Strophen einander respondieren, ist oft schwer
&auszumachen, wo Wortende oder Periodenende anzusetzen ist.
53) Vgl. Aisch. Pers. 576ff., dazu Dale (s. o. S. 1) 43. Eur. Ion. 470ff., 500ff.
Anapáste > reiz., vgl. Dale 62 und F. D. Alsen, Die metrischen Übergänge in
den Chorliedern des Aischylos, Diss. Hamburg 1955. — Harmloser ist ein
'gleitender Übergang’ in dem spätesten Pindar-Gedicht Py. 8 (446 v.Chr.)
v. 1-3 von einem äolischen Vers zu einem "Wilamowitzianus’; beide sind für
den Dichter miteinander verwandt:
eese | gt |
--υ-υὐνυν.. | gl > wil I

--,ἨῺἉ᾽ο.ευν.- | „wil |
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 59

Aber auch ohne solche *ambivalenten' Glieder kann ein gleitender Übergang
von einem Versgeschlecht in das andere sich vollziehen, etwa dadurch, daß
durch geringe Variationen oder durch die Verteilung der Wortenden das
eine Versmaß dem anderen nahegerückt wird.
Für diese über das bei Pindar Vorkommende weit hinausgehende Art
organischer Komposition sei aus Aischylos’ Hiketiden ein charakteristi-
sches Beispiel angeführt: Auf die Einzugsanapäste des Chors folgen 6 Stro-
phenpaare mit folgenden Metren:
I. 41-48 » 49-56
1 wu -ὐὐ- hem |
2 -- L2veve- οὐ-- hem (= sp cho) tro = pher ba
-u-x -vee-| tro cho | (= wil)
wu. [vu -ὐ-- | 4 da. | = cho | pher |
3... vo Lov-ov
τυ τους | 7 da. |
«τον vss ἢ οἱ ep]
Diese 4 Perioden beginnen mit hem, das in der 2. Periode mit dem Ersatz
der 2 ersten brevia durch ein longum so umgewandelt wird, daß es auch als
^w (sp + cho), zugleich aber auch mit dem folgenden tro als pher + ba
angesehen werden kónnte. Damit sind die 3 Versarten eingeführt, die sich
in der 1. Strophe zusammenfinden, — und die auch für die nächsten Stro-
phen die Hauptverse bleiben. In der folgenden Reihe der 4da entsteht
nach dem vorhergehenden cho durch das Wortende nach dem 4. Element
zunüchst der Eindruck, als ob es choriambisch weiterginge und sich ein pher
anschlósse. Zugleich aber ist cho | pher — 4 da., und so werden die Daktylen
des Anfangs wieder aufgenommen. Die 4. Periode wandelt die letzten 4 da
der vorhergehenden Periode so um, daß statt _.. des ersten Daktylus ὦ
eintritt und am Ende das drittletzte Element gedehnt wird. Dadurch wird
&ber die 4. Periode zu einer Variation des Anfangs der 2.
II. 57-62 ^ 63-68
-uu_. | υυ---οὐυ-. | =--V_U_U | 3 cho 2 1a |

-w -vev-- | pher | — cr $o |

νσυ---υὐυ-. | zUV__uV_ | --V-U_U- I 4 io cr ia |] = «cho 3 cho 2ia ,


= phertc cr ia |||
In der Mitte steht pher, der den gl vom Ende der vorigen Strophe wieder-
aufnimmt. Das davorstehende Stück unterscheidet sich von dem dahinter-
stehenden nur dadurch, daß das letztere am Anfang „u_ mehr bat, wodurch
aber der Charakter geändert wird: am Anfang haben wir Choriamben, später
Ioniker, aber beide Male ist in dem 2. Metron das Wortende so gelegt, daß
in den Choriamben der ionische Charakter, in den Ionikern der choriambi-
sche durchklingt. Die Ioniker sind außerdem durch den pher vorbereitet,
60 C. Singverse

der so gebaut ist, daß er auch als cr + io zu nehmen ist, wodurch er zugleich
nach rückwärts den Anschluß an den iambischen Dimeter vermittelt. Die
letzte Periode kann dann aber auch als ‘choriambisch’ erweiterter pher +
cr ia genommen werden.
III. 69-76 « 77-84

-vev-vv-vu-vu-vu--|

-— -uu-|
6 do. |
hem ( — sp cho) |
(3 das.--) = cho ba |
VIV | „hipp (=. cho ba) |
ὑπ νυ cu- | 2 ia |
LEM Lvu- hem (ΞΕ sp cho ) |
-vev- | cho|
-ev-we-| --»----[ hem | er ia |

Der Hexameter am Anfang nimmt die da der 1. Strophe wieder auf. Genau
wie dort erscheint an 2. Stelle ein hem mit spondeischem Anfang, der auch
ein Dimeter sein kann, woran sich ein Dimeter der Form cho ba anschlieDt,
der aber auch eine daktylische Klausel der Form 3 da "77 (s.o. S. 26) sein
konnte, so daB die beiden Dimeter zusammen wie eine Variation, und zwar
eine Kürzung des ersten Hexameters wirken. Der letzte Dimeter wird im
folgenden durch ein davor gesetztes breve erweitert, so daß ein akephaler
hipp entsteht. Daraus wird durch Umsetzen eines breve ein iambischer
Dimeter, der zweimal schon in der vorigen Strophe erschienen war. Dann
nimmt das hem mit spondeischem Anfang (in der Gegenstrophe steht aller-
dings 3silbiger Daktylos) das 2. Kolon dieser Strophe wieder auf, und über
einen cho werden wir zurückgeführt zu reinen Daktylen in einem hem; den
Abschluß bildet der um das 1. Element gekürzte iambische Dimeter.
IV. 85-89 — 90-94
-- “1-00 - 4 da.
τους ον }- 3 das.
---2ew- - | 3da. (= pher) |
---vs-| 3 da... (= sp cho) |
πους συν. - -|| cr ba hipp ||.

Die Daktylen der 1. Strophe werden hier aufgenommen und so variiert,


daß der spondeische Anfang über einen pher-gleichen Trimeter zu dem
schon in der 1. Strophe und zweimal in der 3. Strophe (v. 89) vorkommenden
hem = sp cho führt, was die Iamben und das hipp vorbereitet. Letzteres
stand akephal schon in der Mitte der 3. Strophe (v. 72), während der dort
vorausgehende Dimeter um ein breve länger war.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 61

V. 95-102 » 103-10
ν- κυ] ba cr |
v-u--u--.-| ia2cr|
ev v] (ia) cr ba | = 8 ba |
-vv--vs-| 2 cho |
vun - v- | cho ia |
—---J-—wV - -| cho ba |

--ev-e - -] .hipp = .cho ba.


Während die 4. Strophe hauptsächlich aus Daktylen bestand und nur auf
cr ba hipp auslief, nimmt die 5. eben diesen Schluß auf: ba (zugleich = Ende
des hipp) + cr formen einen Dimeter, der zum Trimeter erweitert, dann zu
2!/, Metren = $ ba) verkürzt wird. Es folgen 3 Varianten des Dimeters, die,
ähnlich wie in der 2. Strophe, vom choriambischen Ende über ein iambisches
zum bakcheischen führen und durch Vorsetzen eines Elements zu dem .Aipp,
also dem gleichen Abschluß wie in der vorigen Strophe.
VI 111-22 — 123-33
“uw σ νυν νουςlec] 3ia|
ΗΝ ia |ia|
τς} Ὁ u ou]
-οὐ-. υ--ῇ
ia]
cho
2 ia |
ba ἢ
- - οὖ -ου-.--]} mo ia sp |

- wu.
τ ν..1-.1-|}
9-|-vveves-[5]
sp$[8(25]|er
ba| sp | sp | | er) |
-υὐ- e --ἤ cho
ba |.
Hiermit gehen die Verse ganz (mit Ausnahme des ὃ gegen Ende) zu Iamben
über, die auch in der 7. und 8. Strophe festgehalten werden, nur daß als
letzter Abschluß (165ff. ^
173ff.) wieder das hipp erscheint:
- UV. UVUV--UY- UV ἢ 2 cho hipp ||.
Stärker als Pindar halten die Tragiker sich im allgemeinen an feste Kola,
so daß es durchweg sinnvoll ist, solche Kola zu benennen, obwohl gelegent-
lich auch Stücke auftauchen, die nur aus dem Zusammenhang heraus zu
deuten sind. Die Schwierigkeit ist im allgemeinen eher die umgekehrte,
daB man beachten muß, wie vieldeutig die Glieder sind, die einen gleitenden
Übergang zwischen verschiedenen Versarten darstellen.
Aischylos Pers. 647-651 - 652-656 zeigt eine eigentümliche Ver-
schränkung von cho, to und da:

ees] vu 0..}
Ya | UV UV Von | .

54) ξὺν λακίδι mit cod. (so M. Dale). — Man beachte, wie bei Häufung von
Längen oder Kürzen die Wortenden helfen, den Vers zu gliedern.
62 C. Singverse

Die erste Periode beginnt mit 3 cho, die Wortenden, in der Strophe sogar
durch Sinneseinschnitte betont, lassen aber den ionischen Rhythmus
heraushören (vgl. auch schon 633), und die 2. Hälfte ist tatsächlich ein
anacl, und mit cho ist da nicht durchzukommen, so daB man den Anfang
eher als 2 da fassen wird. Die 2. Periode ist dann ionisch, aber durch die
Katalexe des 2. Metrons ergibt sich vom 2. longum an daktylischer Gang.
Die 3. Periode hebt wieder ionisch an (durch Anapher mit der vorigen eng
verbunden), dann kommen wirklich Daktylen, deren Strophen-Klausel υ--..
(8.0. S. 26) an das Ende der 1. Periode anklingt. Der Aufbau wird vollends
durchsichtig, wenn man erkennt, wie der anacl der 1. Periode in der 2. um
ein Element verkürzt, in der 3. um zwei Elemente erweitert ist; mit unseren
Sigeln ist gerade das nicht zu beschreiben, daf der Dichter mit den Über-
gängen von einem Versmaß zum anderen spielt (zu ähnlichen Fällen vgl.
R. Kannicht, Gnomon 40, 1973, 121f.).

Aus Sophokles wähle ich als Beispiel das Chorlied aus der Antigone
604—614 » 615-625:
x - - wu-v-- | hipp |

3 --u0-
“un |
-vuu-- |
-ipp
„hipp®
|
- su | cho ba |
-ου- wu-u-- | 2 cho ba |
6 vu. | anaclı |
- νυς-υς-ς | cho ba |
wu. wow. | anacl |
9 22. v.| a
ev v -vu-- | er ba |
11 --u- -υνου..! Ahipp*|| .

Die Verse 1, 2, 4, 6 werden vorn immer um ein Element kürzer; 3 und 5


nehmen jeweils den vorhergehenden Vers mit Verdoppelung des cho auf.
7 kehrt zu 4, 11 zu dem längsten Vers 3 zurück, 9 ist eine Variante von 7,
10 steht in der Mitte von 6 und 7. Das Wichtigste ist auch hier nicht, die
einzelnen Glieder zu benennen, sondern die Variationen zu durchschauen.

SchlieBlich noch ein einfaches Beispiel aus Euripides' Medea 131-138:


su--- [u -w-| 2an |
- --- | -vu-u| 2 an | — 4 da |
-ου.- - - - 2an.| — 4 da.. |
- ve-es 2 ve - vu-v- | ὅ da- |
- σον Zu vv-v- | 5 da*- |
= wu = UV _V --| ia cr ba |.
2. Nicht κατὰ μέτρον gebaute Singverse 63

Die Anapäste leiten hier zu den Daktylen über, und der Daktylenschluß
-ὖ- (8.0. S. 26) bereitet die Iamben des Schlusses vor. — In all solchen
Fällen kann nur eine ausführliche Einzelinterpretation, wie es auch schon
für Pindar galt (s.o. S. 55), den metrischen Aufbau kenntlich machen,
doch kommt hier noch Wesentliches hinzu: da jeweils nur 2 Strophen
respondieren, kann sich das Metrum in ganz anderem Maße dem Inhalt
anpassen; auch das ist also zu berücksichtigen
55).

y) Dochnien
Als neues Versmaß hat sich die Tragödie den Dochmius (= 8) geschaffen ;
jedenfalls ist er vor Aischylos nicht belegt; auch bei Pindar und Bak-
chylides kommt man ohne seine Annahme aus. Vielleicht ist sogar Aischy-
los sein Erfinder
®). Die Formen des 5 sind außerordentlich variabel; die
Grundform ist etwa «__u_, wobei die longa auch geteilt werden können;
häufig ist die Form «u._,_. Das Vorkommen bei den Tragikern zeigt die ὃ
in naher Verbindung mit Iamben, und es liegt nahe, sie als aus dem Ver-
band der festen Metren gelöste Iamben aufzufassen, auch wenn sie selb-
ständige Kola sind wie z.B. sa |8]8|[8|85|8|23|:
Hik. 347—349 — 359—361:
Παλαίχϑονος τέκος, κλῦϑί μου
πρόφρονι καρδίᾳ, Πελασγῶν ἄναξ.
ἴδε με τὰν ὑμώτιν φυγάδα περίδρομον,
λυκοδίωκτον ὡς δάμαλιν ἂμ, πέτραις,
beginnt mit einem richtigen iambischen Metron, und daß wir im folgenden
nicht einfach, wie es (bis auf die 3. Zeile) möglich wäre, Iamben weiter-
zählen (mit den Kurzformen cr und ba), liegt daran, daß sich durch die Wort-
enden und Sinneseinschnitte immer wieder die Kola ὁ www’ _ herausheben,
und wie hier in der 2. Zeile sind auch sonst sehr häufig 2 ὃ gleich einem
iambischen Trimeter mit Mitteldihärese. Der hüpfende abgehackte Gang
macht die ὃ besonders geeignet für leidenschaftliche Äußerungen, zumal
von Angst und Verzweiflung").

55) Nach einigen früheren Interpretationen solcher Art (W. Ax, Die Parodos
des Oed. T., Hermes 67, 1932, 413-437, P. Friedländer, πολλὰ τὰ δεινά,
Hermes 69, 1943, 56-63) analysiert jetzt W. Kraus (s. o. S. 1) die Chorlieder
von Aischylos und Sophokles nach solchen Gesichtspunkten. Der Vf. ist sich
darüber klar, daß seine Ergebnisse im einzelnen oft nur hypothetische Geltung
beanspruchen können (S. 10), aber sein Buch zeigt, daß man auf diesem pre-
kären Gebiet sehr wohl weiterkommen kann, wenn man künstlerischen Takt
mit Nüchternheit und Akribie verbindet. — Über die metrischen Neuerungen
beim späten Euripides vgl. Silvia J. Brown, AJPh 95, 1974, 207-234.
56), A. M. Dale 102. — Vgl. P. Maas, Sokrates 69 (3), 1915, Jahresbericht
312-314 = Kl. Schr. 39-41. Die sämtlichen Dochmien der griechischen Dramen
stellt zusammen N. C. Conomis, Hermes 92, 1964, 23-50.
5?) Dale 107f.; Kannicht, Gnomon 45, 1973, 123f.
64 C. Singverse

Ich kann die Dochmien-Diskussion hier nicht weiterführen ®), nur kurz
darauf hinweisen, daß man beim Besprechen der „Kurzverse‘‘ des 5. Jahr-
hunderts leicht aneinander vorbeiredet, weil die festen Formen der archai-
schen Zeit sich immer weiter auflösen. Es ist nicht zu leugnen, daB bei
Pindar und Bakchylides Quantitätsfolgen vorkommen, die man „Doch-
mien‘ nennen kann, die aber keine selbständigen Kola, sondern innerhalb
einer beweglich gewordenen Metrik nur Variationen sind (Kürzungen,
Erweiterungen), die aus dem Zusammenhang zu verstehen sind. Da ist
kaum vorauszusetzen, daß der Dichter ein bestimmtes Stück mit Namen
*Dochmius' zur Hand gehabt hätte.

f) Die nachklassische Zeit

Wirklich Neues in der lyrischen Verskunst hat die nachklassische Zeit


nicht mehr geschaffen. Einzelnes, wie die stichische Verwendung äolischer
Verse oder die Meliamben des Kerkidas, ist schon oben erwähnt (s.0.
S.43). Spielereien wie die Figuren-Gedichte des Simmias lohnen hier
keine ausführliche Behandlung. Noch in die klassische Zeit zurück reichen
die Anfänge des 'neuen Dithyrambos', dessen Einfluß auf Euripides, zumal
&uf die Schauspielerarien wie die des phrygischen Sklaven im 'Orestes'
(1369 ff.) kenntlich ist. Diese freien, weder durch Responsion noch durch
das Festhalten an einem bestimmten Metron gebundenen Kompositions-
formen haben wir kennengelernt durch den Papyrus mit Timotheos'
Persern, in denen weite Strecken iambisch mit eingestreuten d, wil und gl
sind, das Metrum schlágt aber auch zu tro und zu da um — in lockerer Form
wird der Vers den wechselnden Stimmungen angepaßt. In den Rezitationen
des hellenistischen Mimus hat diese Verskunst ihre Fortsetzung gefunden.
In “Des Mädchens Klage' 59) sind am Anfang da kenntlich, dann nach einem
cho 4 8, dann anscheinend an | cr | — aber in diesem unregelmäßigen Wechsel
ist wenig Sicheres auszumachen, zumal da auch hier die Responsionen
fehlen; ähnlich ist es in den anderen Stücken dieser Art 99).

$8) Siehe jetzt Pindar ed. Maehler II, 1975, p. 169(B) und Bakchylides
ed. id., 1970, p. XXXIV f. — Einen Versuch, in der chorlyrischen Metrik echte
*"Dochmien' nachzuweisen, macht noch R. Pretagostini, Il doemio nella
lirica corale, Quad. Urb. 31, 1979, 101-117.
5%) Zuletzt bei Diehl 6, 197.
9?) Page, Greek Lit. Pap. 1, 1942, Nr. 74-79. — Auf die spütgriechisch-
byzantinische Metrik, in der am Versende die Betonung bedeutsam wird, kann
ich hier nicht eingehen. Erwähnt sei nur das Lied der Nil-Schiffer (Lyr. adesp.
32 Powell, Coll. Alex. p. 195), dessen metrisches Schema (L5; a5 -os- mit
Oxytonese des vorletzten Elements) sich den klassischen Formen nicht fügt;
über den Zusammenhang dieses Metrons mit 'meiurischen' Daktylen vgl.
A. Dihle, Hermes 82, 1954, 184f.
D. DIE ANTIKEN METRISCHEN THEORIEN

Einen Überblick über die antiken und mittelalterlichen Schriften zur


Metrik und Rhythmik gibt C. del Grande (s.o. S. 1) S. 145-152. Es fehlt
noch an den nótigen Vorarbeiten, um eine wirkliche Geschichte der antiken
metrischen Wissenschaft schreiben zu kónnen. Die einzige zusammen-
hángende Darstellung aus der Antike, die wir besitzen, ist das stark verkürzt
auf uns gekommene Handbuch des Hephaistion!) aus dem 2. Jh. n.Chr.,
das nicht wegen seiner Erklärung der Metren, wohl aber wegen der ange-
führten Verse von großem Wert für uns ist. Aus der metrischen Terminologie,
aus verstreuten Bemerkungen bei Komikern, Grammatikern und Rhetoren,
aus den Dichterscholien, aus den Papyrusresten, den römischen Traktaten
usw. ließe sich noch viel Material zusammenbringen, um die Theorien der
antiken Metriker zu rekonstruieren?).

E. PROSODIE
Wenn die Metrik im eigentlichen Sinn zu erforschen sucht, an welchen
Stellen eines Gedichtes lange oder kurze Silben erscheinen müssen oder
dürfen, wo Wortende gefordert, gesucht oder verboten, wo Hiat statthaft
oder unstatthaft ist, lehrt die Prosodie, was eine lange oder kurze Silbe, was
Wortende im Sinn der Metrik und was ein Hiat ist. Hier erläutere ich nur
kurz einige besonders wichtige prosodische Termini, von denen im übrigen
die Grammatiken ausführlich handeln?), und zeige an ein paar Beispielen,
wie die Prosodie die Schonheit eines Verses mitbestimmen kann.

1. Quantität‘)
a) Positionslänge
Silben, deren Vokal lang ist (ἃ ἡ τ 0 €), αἱ εἰ yı ot ut ox, au eu nu ou wu), gelten
als lang (naturlang’), es sei denn, daß “Hiatkürzung’ (s.u. S. 68) eintritt.
1) Mit den antiken Kommentaren herausgegeben von M. Consbruch, Teub-
ner 1906. Im Anhang ist der wichtige Oxyrhynchos-Papyrus 220 abgedruckt.
3) Vgl. Wilamowitz, G. V. 58-79. Hervorgehoben sei das Buch von J. Iri-
goin, Les scholies métriques de Pindare, Paris 1958.
3) Grundsätzliches zumal zur homerischen Prosodie bei H. J. Mette, Glotta
35, 1956, 3ff.
4) Zur neueren Diskussion über die Quantität der griechischen Silben vgl.
D. E. Hill, Glotta 56, 1978, 159ff. — M. L. West, Glotta 48, 1970, 185-194
66 E. Prosodie

Silben, deren Vokal kurz ist, gelten als ‘natura’ kurz, aber im allgemeinen
als lang ("positionslang’), wenn mehrere Konsonanten zwischen diesen Vokal
und den nächsten treten; dabei zählt h nicht als Konsonant, ζ & ψ zählen
als zwei Konsonanten. Offenbar wird eine Silbe mit kurzem Vokal zu lang,
um als Kürze zu dienen, wenn ein folgender Konsonant zu ihr und nicht zu
der folgenden Silbe gezogen wird; sie ist aber als Länge zu gebrauchen,
weil sich die Pause zwischen den Konsonanten dehnen läßt. Die dem kurzen
Vokal vorausgehenden Konsonanten dagegen (und seien es drei wie etwa in
στρα-τός) längen die Silbe nicht. Die Konsonantengruppe muta + liquida
bildet nicht immer Positionslänge; die Regelung ist verschieden, einerseits
nach der Art der Konsonanten und andererseits in den verschiedenen Dicht-
arten*).
a) Media (B y 3) + u oder v hat stets den Wert von 2 Konsonanten,
media + A meistens; bei Homer gilt jede muta + p oder v und media + Δ
als Doppelkonsonant. Auch sonst ist media eher als tenuis oder aspirata,
sind y, v und X eher als p geeignet, die vorhergehende Silbe zu längen, —
offenbar, da sie 'stimmhafter' sind. Muta cum liquida am Wortanfang
wirkt eher einkonsonantisch als im Wortinnern*).
B) Bei Homer, Pindar und Bakchylides kann muta cum liquida ein-
oder zweikonsonantisch wirken, aber das Häufigere ist bei ihnen die zwei-
konsonantische Wertung; einkonsonantische Wertung ist bei Homer vor-
wiegend (bei Nonnos immer) durch Verszwang entschuldigt”). Bei den
alten Iambographen wie fast stets bei Sappho und Alkaios (doch vgl.
Sapph. 16, 19 u. Alk. 332, 1) gilt die zweikonsonantische Wertung, nur hat
Sappho in den daktylischen oder daktylenähnlichen Versen auch die ein-
konsonantische zugelassen?). Die attische Tragödie mißt anlautende muta
cum liquida (außer media + ^ u v) einkonsonantisch, die attische Komö-

unterscheidet bei den griechischen Silben die Möglichkeit von 7 verschiedenen


Quantitäten. Dagegen A.M. Devine u. L.Stephens, TAPhA 107, 1977,
103ff.
*) Charakteristisch ist, daB in Komposita wie ἐκλείπειν, ἐκρίπτειν, ἐκμετρεῖν,
Éxvouoc die erste Silbe immer lang ist, denn natürlich hat man ἐκ-λείπειν und
nicht ἐ-κλείπειν usw. gesprochen. Vgl. Kühner-Blass, Gr. Gramm. $ 74,4
2.5; Descroix (8. o. S. 20, 32) S. 12.
*) Dies erklärt sich natürlich daraus, daß bei muta cum liquida am Wort-
anfang die muta nicht so leicht zur vorhergehenden Silbe gezogen wird. Das
wirkt also stärker als die Zeit, die durch das Wortende in Anspruch genommen
wird.
ἢ Die Einzelheiten bei Chantraine, Grammaire Homérique I, 108ff.
8) Vgl. E. Lobel, Σαπφοῦς Μέλη XLIII; Page, Sappho and Alcaeus 54. —
In ihrer Ausgabe der Elegiker (1979 S. VIILff.) stellen Gentili und Prato die
Fälle von *positio debilis’ zusammen: nur bei pp, xp, 9p, rp, xp, 1p, BA, nA, χλ, —
nur bei Xenophanes je einmal bei yp und xv Vgl. M. L. West, Studies in Greek
Elegy and Iambus, Berlin 1974, 113f.
1. Quantität 67

die sowohl anlautende wie inlautende muta cum liquida (mit Ausnahme
von media + u oder v) einkonsonantisch ('correptio Attica’), so daB Posi-
tionslänge ein Zeichen für Tragödienparodie ist*).
Diese verschiedene Behandlung der muta cum liquida zeigt, daB eine
Silbe mit kurzem Vokal und folgender muta cum liquida offenbar kürzer als
eine naturlange und länger als eine kurze Silbe war, und daß die Teilung
der Silben in lange oder kurze den komplizierten Verhältnissen der lebendi-
gen Sprache nicht gerecht wurde (wenn auch gerechter als unsere Aufteilung
der Silben in betonte und unbetonte, 8.0. S. 6). Die eingehenden Unter-
suchungen von Th. Zielinski (Tragodumenon libri III, Krakau 1925) über
den Trimeter des Euripides haben gerade an der Behandlung der muta
cum liquida in dieser Beziehung Interessantes zutage gefördert (S. 151 ff.;
8.0. S. 20): bei geteiltem longum sind die entstehenden Kürzen vorwiegend
natura kurz, einkonsonantische Wirkung tritt eher bei tenuis und aspirata
als bei media ein, p bildet weniger Positionslänge als ἃ oder gar u und
v usw.19).
Wenn in einem Versmaß nur auf Grund respondierender Strophen er-
sichtlich ist, ob muta + liquida ein- oder doppelkonsonantisch zu werten
ist (wie bei Bakchylides und Pindar), sollte man nach dem Vorgang
von F. Blass (Bakchyl.-Ausgabe) die doppelkonsonantische Wertung stets
bezeichnen (rat'póg = -., πατρός = vu).
Ein Wort wie Σχάμανδρος, das mit Doppelkonsonant beginnt und dann
die Silbenfolge J.. zeigt, ist, wenn ox Position bildet, im Hexameter nicht zu
verwerten; deswegen erlaubt sich Homeri in solchen Fällen eeinkonsonanti-
sche Wertung (vgl. exérapvov, Ζάχυνθος, Ζέλεια, ferner ἀνδρότητα, ἄνδρι-
φόντης usw.)1!).
b) Silbendehnung und -kürzung
Die Quantitätsverhältnisse der gesprochenen Sprache sind bei Homer in
verschiedener Hinsicht gestórt. Durch die Lautentwicklung, zumal durch
den Schwund des F, entstanden in der dichterischen Sprache, besonders in
epischen Formeln, Anomalien, die leicht zu falschen Analogiebildungen
führen konnten. Da ferner anlautendes p, aber auch anlautende u, v, 2, c
doppelkonsonantisch wirken konnten, und schlieBlich offenbar in der mánn-

9) Näheres bei E. Wüst, Rh. Mus. 93, 1950, 341; Barrett zu E. Hipp. 760.
10) Auf eine stärkere Differenzierung der Quantitäten weisen auch die Beob-
achtungen von H. Pipping, Soc. Scient. Fennica, Comm. Hum. Litt. 9,6,
Helsingfors 1937: Er behauptet, daß bei Homer in den longa die Vokale ὦ
und n häufiger vor Konsonantengruppen erscheinen als die längeren Vokale à,
7, €, rn, 6, fi. Ich kenne die Arbeit nur aus der Besprechung von M. Dale,
Lustrum 2, 1957, 35.
4) Dazu jetzt K. Strunk, Indog. F. 66, 1961, 164.
68 E. Prosodie

lichen Zäsur die Pause dazu verhalf, der vorhergehenden Kürze die Quan-
tität einer Länge zu geben, erlauben sich die epischen Dichter ziemlich
weitgehend, kurze Endsilben als Längen zu behandeln 2).
Bei Wörtern (Wortbildern), deren Silbenfolge sich dem Hexameter nicht
oder schlecht fügt, kann eine Silbe gedehnt werden ('metrische Dehnung’
aus 'Verszwang): ἀϑανάτων _uu_ statt vuu-, γεινόμενον = -οὐ- statt
γενόμενον — vuu_, Οὐλύμποιο — ---- statt ᾽Ολύμποιο = vx usw. (Grund-
legend darüber Wilh. Schulze, Quaestiones Epicae und neuerdings W.F.
Wyatt, Metrical Lengthening in Homer, Rom 1969).
Ein &uslautender Vokal kann vor anlautendem Vokal gekürzt werden.
Diese 'Hiatkürzung' ist von Homer freier verwandt als von den späteren
Dichtern ??).

2. Wortbild

Wortende im Sinn der Metrik ist nicht danach zu beurteilen, wie in


unseren Texten die Wörter abgeteilt werden. Vielmehr haben wir auszu-
gehen von dem, was P. Maas 'Wortbild" nennt: Postpositiva wie γάρ, μέν,
δέ, re gehören mit zum vorigen Wort, Präpositiva wie Artikel, Präpositionen
(zumal einsilbige), einsilbige präpositive Konjunktionen und Pronomina
usw. gehören zum folgenden Wort; so stehen also Worte wie xal und ἀλλὰ
in der Regel nicht vor Periodenende oder Züsur, Worte wie yàp nicht am
Periodenanfang oder nach der Zàásur!^).
In der quantitierenden Metrik sind die Wortenden deswegen wichtig, weil
sie wenn auch nur geringe Zeit in Anspruch nehmen: durch ein folgendes
Wortende kann eine Kürze (z.B. beim geteilten breve der Komödien-
trimeter, also eine ganz besonders kurze Kürze) so gedehnt werden, daf
sie der erforderten Kürze nicht mehr entspricht, oder eine Länge (z.B. in
der Porsonschen Brücke) kann so lang werden, daf sie über das für ein
anceps erträgliche Maß hinauswächst (s.o. S. 12,2 u. 20).

12) Beispiele für anlautendes $ als Doppelkonsonant bei Pindar s. ed. 114
p. 174, wobei homerische Wörter mit ursprünglichen Fe- wirksam waren. Über
die umstrittenen langen Endsilben auf -0V und -ἰὖ bei Pindar und Bakchy-
lides s. die sorgfältige Untersuchung von R. Führer, Nachr. Gött. Ak., phil.-
hist. Kl. 1976. 5, 245; vgl. auch B. Gentili, Gnomon 48, 1976, 744f.
13) Schwyzer, Griech. Gramm. I, 400. — Über die Kürzung von οἱ und αἱ
vor Vokal innerhalb eines Wortes vgl. Hephaistion, Ench. 1,4-6 (p. 3-5
Consbr.); R. Führer (s. Anm. 12), 196 Anm. 197.
M) Belege für Praepositiva am Versende: Pind. Ed. II! 174, Bacchyl. Ed.!?
XXI, E.Bruhn, Anhang zu Sophokles, Berlin 1899, 161 (εἶδος Σοφόκλειον,
vgl. ὁ. S. 7, 14); weiteres Maas $$ 135ff. — Zum 'Wortbild' vgl. neben Maas
auch H. Fränkel (s. o. S. 12, 5) 142ff.; schon im mykenischen Griechisch der
Linear-B-Tafeln werden *Wortbilder' ohne Worttrenner geschrieben.
4. Prosodische Kunst 69

8. Hiat
Der Hiat, das heißt das Aufeinanderstoßen von auslautendem Vokal mit
dem anlautenden Vokal des folgenden Wortes, wird in der griechischen
Dichtung (wie auch in Kunstprosa) gemieden, es sei denn, daß der aus-
lautende Vokal gekürzt wird ('Hiatkürzung' s.o.). Bei Homer erklären
sich viele Hiate, wie Bentley entdeckt hat, aus dem Schwund des F, aber
auch echte Hiate sind bei ihm nicht selten.
Von den verschiedenen Möglichkeiten, den Hiat nicht eintreten zu lassen,
wie Elision (Fortfall des kurzen Endvokals), Aphairesis (Fortfall des kurzen
Anfangsvokals), Krasis (Verschmelzung der beiden Vokale zu einem neuen),
verdient hier ein Wort der Erwähnung, daß der auslautende Vokal und der
folgende anlautende im Vers so zusammengezogen werden können, daß sie
zusammen den Wert einer Länge haben: es kommen dabei, wenn auch
selten, so auffallende Beispiele vor wie Sappho 1,11 ὠράνω αἴϑερος = -.---
oder Bakchylides 3,22 ἀγλαϊζέτω, ὁ γὰρ = -υ-ὦ- (geschrieben im Pap.
ATAAIZEONTAP).

4. Prosodische Kunst
Wie ein griechischer Dichter mit den möglichen verschiedenen Quanti-
täten einer Silbe spielen kann, zeigt Leonidas von Tarent, wenn er in
einem Weihepigramm (AP. 6,129) die eroberten Waffen aufzählt, die ein
Krieger der Athena widmet:
᾽Οχτώ τοι ϑυρεούς, ὀκτὼ κράνη, ὀκτὼ ὑφαντούς
ϑώρηκας, τόσσας 9 αἱμαλέας κοπίδας ...
Die zweite Silbe von ὀχτώ steht das erste Mal im 1. “biceps’, das zweite Mal
im 4. ‘longum’ (und Dionys von Halikarnaß sagt, comp. verb. 17 p. 71,
10 U.-R., daß im Daktylus die Länge im 'longum' kürzer sei als im zweiten
Teil des Versfußes), das dritte Mal vor Vokal im 5. breve: in Hiatkürzung.
Der Platz für die zweite Silbe wird also immer geringer. Außerdem steht sie
das erste Mal vor einem Enklitikon, so daf) nach ihr nicht Wortende ist (und
sie etwas Raum gewinnt) und sie einen Hochton bekommt; das zweite Mal
Bteht sie am Wortende vor Doppelkonsonanz (wenn auch muta cum liquida),
das dritte Mal im Hiat. Das treibt offenbar die raffinierte variatio bis an
die Grenze des Móglichen oder Ertráglichen — und so sagt er für die vierte
Achter-Gruppe τόσσας. Wie er so schließlich die Flinte ins Korn wirft, ist
vielleicht das Witzigste an dem Gedicht !5).
18) Wenn Geffcken, RE XII 2,2029,31 unser Epigramm bespricht, so hátte
er diese „rhetorische Würze'', die er sonst bei Leonidas lobt (Z. 21), auch hier
erwähnen können. Harmloser ist AP. 7,726, 10 ἡ κἀλὰ xal κἄλῶς .. . ὑφηναμένη.
Belege für diesen Typus, der auch wechselnde Wertung von muta cum liquida
einschließt, bei Jebb zu Soph. Ant. 1310f., Headlam zu Herondas 7,115,
Gow zu Theokrit 6,19.
70 E. Prosodie

b. Didaktische Schlußbemerkung
Da die technischen Vokabeln der griechischen Metrik so mühsam zu lernen
sind, sei zum Ende etwas erwähnt, das zwar skandalös unernst ist, sich mir
aber, als ich noch unterrichtete, bewährt hat: ich ließ griechische Versmaße
sich auf deutsch vorstellen und, wie bei uns üblich, Längen durch betonte
Silben wiedergeben: =«_-.- „ich heiß Döchmiüs, oo_u._.- „Glykoneus bin
ich benánnt", οο..υὐ.--.-- „ich heiß Phérekratéus'', oo_u._u__ „Ich möcht’
Hipponaktéus heißen“, «_.__ „das Reiziánum", _._._- „[thyphälliküm-
bum''.
F. NACHWORT

Diese kurze Skizze beruht in wesentlichen Teilen auf den Grundsätzen


von Paul Maas; schon deswegen konnte es nicht meine Absicht sein, seine
Metrik, zumal in dem, was er ausführlicher über die Sprechverse dargelegt
hat, zu ersetzen. Wenn ich, über das von ihm Gewollte hinausgehend, ver-
sucht habe, mehr über die lyrischen Verse zu sagen, so folge ich darin An-
regungen von Ernst Kapp, dem ich besonders das verdanke, was ich über
die Prinzipien des Archilochos und der äolischen Dichter gesagt habe
(8.0. S. 39 u. 45,23).
In der 2. Auflage habe ich die Neufunde aus Band 22 und 23 der Oxy-
rhynchos-Papyri eingearbeitet. Ferner habe ich dankbar die Rezension von
A. M. Dale, Gnomon 28, 1956, 192-195 benutzt; ich möchte aber ausdrück-
lich auf die Teile hinweisen, denen ich nicht habe folgen kónnen. Die meisten
Verbesserungen aber haben Rudolf Pfeiffer und vor allem Paul Maas und
H. J. Mette beigetragen.
Während die 2. Auflage ein anastatischer Neudruck war, der nur geringe
Änderungen gestattete, licDen sich die für die 3. Auflage nötigen Ergänzun-
gen nicht mehr in den alten Satz hineinpressen. So hat der Verleger einer
umgreifenden Neuerung zugestimmt. Es waren jetzt ein besonders wichtiges
neues Alkman-Stück aus Bd. 24 der Oxyrhynchos-Papyri (2387 = fr. 3
Page) und eine Reihe neuer Untersuchungen zu berücksichtigen ; aber auch
ältere Literatur habe ich etwas mehr zitiert. Meinen Rezensenten (z.B.
K. Rupprecht, Gymnasium 65, 1958, 309-313) habe ich versucht gerecht
zu werden; wo sie mich nicht überzeugt haben, hoffe ich jetzt gelegentlich
etwas klarer zu sein und, was ich meine, besser zu begründen. — Mrs.
M. Dale-Webster hat mir wieder einige freundliche Warnungen beige-
steuert.
Die 4. Auflage ist stärker noch als die 3. eine Neubearbeitung, schon der
neuen Papyri wegen, zumal der Chorlyriker, die die geschichtliche Ent-
wicklung der Metren verständlicher machen können. Mancherlei Korrek-
turen haben H. Erbse, R. Führer, B.Gentili, R. Kannicht, H. J.
Mette beigetragen — ihnen allen danke ich herzlich. — Die Korrektur-
Fahnen haben K. Alpers, R.Führer, R. Kannicht und R. Kassel
mitgelesen und dabei viel verbessert und ergänzt, aber leider habe ich nur
einen Teil ihrer oft wichtigen Vorschläge aufnehmen können, da diese
„Kurze Skizze'' eine erste Einführung geben will.
REGISTER

1. Stellenregister

Aisch. Ag. 104: 29 — 96: 22 Bacchyl. c. 3: 50


— Pers. 178. 293: 20 — 174: 33 — o. 17: δὶ
— — 647: 615. Anakreon 346: 35 — fr. 15f.: 365.
— — 922ff.: 31,25 — 350: 35 — fr. 20B: 53
— Suppl. 41-133: 59ff. — 357:
— — 2947 ff.: 63 — 372: 47 Catull 63: 35
Alkaios 10: 45 — 374: 47 Cicero, ad Att. 7,2,1:
— 67: 46 13,7
— 70: 46
— "Aff.: 44 Dion. v. Hal., comp.
— 72: 44 — 387: 41,10 verb. 17: 7,11. 38
— 73: 44,20 — 388: 33. 36 — 19: 24,1
— 112: 46 — 389: 36
— 130: 46 — 391-393: 42 Epigr. fr. 3 Ebert: 19,
— 140: 48 — 395: 35 308
— 208: 46 — 397f.: 35 Eur. Bakch. 484: 6,10
— 343: 46 — 4026: 36 — Hek. 145: 31,24
— 367: 62 — 408-11: 35 — Hel. 164f.: 29,19
— 368: 46 — 413: 35 — — 172: 6,11
— 369: 62 — 418: 42 — Her. 450: 19
— 374: 28 — 417: 36 — Herakld. 6898: 20
— 383: 42 — 418f.: 36 — Med. 131ff.: 621.
— 384: 46 — 438: 42 — — 375. 505. 1341:20
— 387: 46 — 967 (1): 42 — Phaeth. 773, 66ff.:
inc. auct. 22: 45, 24 Archilochos 21: 40 29,19
Alkman 1: 20. 28. 36. 49 — 23,13: 21,35 — Phoen. 796: 6. 11
— 2: 33 — 128: 22f. — Suppl. 271ff.: 29,19
— 3: 27,7. 46,26. 49f. — 188: 40 — — B08ff.: 29,19
— 14,3: 22 — 196a: 40 — "Tro. 595ff.: 29,19
— 15: 22. 33 — 197: 40,6 — fr. 182a: 29
— 16: 33 — Straßb.Pap.: 38, 4.
— 17: 25,2. 18 40 Hephaist. 4,6: 7
— 19: 22. 33 Aristoph. Fró. 1528ff.: — 6,2: 40,6
— 20: 33 29,19 — 15,14: 16
— 26: 25 — Wolk. 275ff.: 20 Hes. theog. 319: 14
— 46: 34 — — 1070: 22 Homer A 11: 13
— 565: 36 Aristot. poet. 4: 23 — — 145: 13
— 56: 25,2. 27 — rhet. 3,1. 3.8: 21f. 23 — — 600: 14
— 58: 36 Augustin. de metris — Θ 206: 7
— 91: 27,8 4,13: 44,21 — M 208: 14. 26,3
74 Register

— a 50: 4 31,0f.: 7 Simon. 515: 52


— ) 598: 4. 14 44: 46 — 531: 52
82: 46 — 543: 51,38
Ibykos 282 (— S 151): 90: 46 — 545: 33
20f. 90,10: 47 — 575: 52 (m.Anm.40)
— 280: 27 98: 46 — 585: 33
— 287: 25 102: 35. 46 — 604,2: 52,40
104—108: 47 Soph. Ant. 604ff.: 62
Kallim. ep. 2: 4,5 104a: 46 — Ichn. 391ff.: 22
— — 41,1: 7 110: 46 — Oed. Col. 175: 33,29
— — 48,6: 6,10 111: 46 — — — 228ff.: 30
— ie. 5-7: 41 112: 45,34 — Oed. R. 332: 7
— — 12: 23. 40,6 115: 40 — Phil. 830ff.: 29,19
— pennych. (fr. 227): 117: 33 — Trach.1010ff.: 29,19
41 128: 36 — fr. 242: 29,19
Korinna fr. 654f.: 37 129: 22 — — paean: 28f.
130: 46
Phrynichos 3F 14: 133f.: 35 Steaich. 109: 28,16. 53,
34 135: 34 41
PindarO. 1: 54£f. 140: 46 — 210-212: 26
——2: δι 141: 46 — 219: 26
— — 13: 50f. 151: 46 — P.Lille: 50,37
— parth. 1. 2: δά 154: 46
— fr. 108: 5 168B: 46 Terpander fr. 696-8 P.:
— 230: 46 29
Sappho 1: 44ff. Schol. Aristoph. Ach. Theokr. ep. 21: 22
— 28: 47 204: 23 Tyrtaios 19,8: 15,17

. Personen- und Sachregister

Achtsilber 44ff. Arnott, W. G. 21,39 Brücke 3. 11f. 13,11.


„additiver‘‘ Stil 41. 57 Arsis 6,9 17 ff. 21. 53,45
Adoneus 30. 45,22 Asclepiadeus 45 Bühler, W. 16,20
Aischylos 24. 58 Asynarteten 26,7. 41,8 bukolische Dihärese 13f.
Akephalie 2. 37. 44 aufgelöste Längen 17ff.
— d. Hexameters 14 Ax,W. 63,55 Ceadel, E. B. 20,32
Akzent 5 Chantraine 12,4. 60,7
Alkaios 43ff. 50. 66 Baechéus 3 Choliamben s. Hink-
Alkman 25ff. 42f. 49 Bakchylides 50ff. 66f. iamben
Allen, W.S. 6,7 Barrett, W.S. 31,24. Choriambus 3. 20. 33ff.
Alsen 58, 53 53,45 Christ, W. 2. 31,24
Anaklasıs 33ff. Basis, äolische 7, 12. 43f. correptio Attica 67
Anapäst. 3. 30ff. Beekes, R. S. P.12,5 Creticus 3. 34. 36f.
— 'zerrissener' 18 Behagel 13,10
anceps 2. 7ff. 17ff. 44 Bentley 1. 69 Daktylus 3. 25ff.
Antigenes 27,13. 41 Betonung 5f. Daktylen,'áolische' 44 ff.
Antispast 34,33 biceps 13 Daktyloepitriten 3. 42f.
Antistrophe 24. 56ff. Boeckh 1. 7. 39 51ff.
Aphairesis 69 Bowra 24 Daktyloiamben 39. 54
Archilochos 16. 19. 39ff. Brachykatalexe 34ff. Dale, M. 1f., 6.11. 12,65.
48 breve 2. 6 18,24. 20,32 u.ó.
Register 75

Dehnung, metrische 14. Goethe 6 Kompositionsfuge 7. 45,


26 Gow 15,15 23
Del Grande, C. 1 Gregor v. Naz. 34,34 Korinna 37
Derivationstheorie 43 Korzeniewski 1. 11,1.
Descroix, J. 20,32. 66, Handley, E. W. 21,39 20
δ Hansen, P. M. 16,21 Koster, W.J.W. 1. 12,4.
Deubner 43,14 Havet 12,2 37,2
Digamma 69 Hebung 0,9 Kramer, B. 10,29
Dihärese 11f. Hemiepes 13. 10,21. 19, Kranz 58,50 u. 51
Dihle 64,60 308 Krasis 69
Dimeter 3. 8. 16,19 Hephaistion 16. 65 Kraus, W. 1f. 22,40
Dimeter 'chor- Hermann, Gottfr. 1. 13,
iambischer’ 3. 37. 47 11. 14. 15. 20 Lautresponsion 5
Dinat, M. 6,11 Heeiod 12ff. Lee, K. 20,32
Dipodie 3,3 Heubeck 15,13a Lefevre, E. 32,27
Distichon 16f. 39ff. Hexameter 3. 8. 11ff. Lekythion 42,12
Dochmius 3. 7. 13. 631. Hiat 7. 68 Lindholm, E. 13,10
Histkürzung 68 Lloyd-Jones 1. 7,15
Ebert 19,306 Hinkiamben 22 Lobel 2. 23. 66,8
Elegie 165. Hipponacteus 44ff. longum 2. 6
»Element'' 6 Hipponax 22 Ludwig, W. 19,29
Elfsilbler 44 Hofmann, J.B. 2
Elision 11,1. 69 Homer 13ff. 66ff. Maas, P. passim
— am Periodenende 7. Hommel, H. 16,21 Maassche Brücke 53,45
12 Horaz 45f. ‘Mädchens Klage’ 64
Encomiologicus 27,7. Maehler, H. 2
41f. 49. 52,39 Iambus 3. 12. 17ff. männliche Zäsur 13,9
Epicharm 20,34 — daraus abgeleitete Margites 19
Epigramm 16,21 Verse 22 Marschanapüste 30
Epoden 24. 39ff. 55f. Ibykos 25ff. 50 Meister, K. 12,5. 14,12
Erasmonideus 41,11 Iktus 5. 0,9. 64,60 Meliamben 43
Erweiterungen, äußere Ionicus 3. 34f. Mesode 5f.
und innere 44ff. — amaiore 34 Metron 3. 7ff.
Eumelos 29 lrigoin 17ff. 45,24. 46, Mette 7. 12,5. 14,12,
Euripides 19. 58. 64 26. 53,45. 65,2 65,3. 71
Ithyphallicus 40. 70 Meyer, Wilh. (‘Gesetz’)
Fraenkel, Ed. 6,10. 27, 15,18. 16
12. 47,30 Jones, D. M. 5,7 Mirambel 5,8
Fränkel, H. 12,5. 16. Molossus 34,33
25,3 Kalinka, E. 2. 58,61 Monosyllabon 16
Friedländer, P. 63,55 Kallimachos 15f. 23 Moschion 48,33
Führer, R. 5,6. 27,7. Kannicht, R. 1. 6,11. Münscher 57,49
39,4. 51,38. 71 9,18. 23 usw. 71 Musik und Metrik 5ff.
‘Fuß’ 3,3. 18 Kapp, E. 39. 45,23. 71 muta cum liquida 3. 8.
Kassel, R. 4,4. 5,10. 7, 66f.
Galliamben 35 15 usw. 71
Gentili, B. 2. 15,15 u. Katalexe 2. 8. 34 natur-lang 65
17 Kerkidas 43. 64 Neubecker, J. 1
gleitende Übergànge 51. Keydell 15,15 Newiger, H. J. 21,38
58ff. Kiageanapäste 31 Nietzsche 5,7
Glyconeus 9. 26,5. 37. Knox 21f. Nil-Schiffer-Lied 64,60
43 ff. Komödie 21. 57 f. Nonnos 1δῇ. 66
76 Register

Oxytonese 64,60 Schroeder, O. tf. Triaden 24. 49. 55ff.


Schulze, W. 68 Trimeter 3. 8. 17ff.
Paeone 36f. Schwyzer 68,13 — katalektischer 22.
Pege 2. 15,15 Seidler 18,27 40
Parker, L. P. E. 2. 12,2. Senkung 0,9 Trochäus 3. 17ff. 23.
22,40. 27,7. 31,24 Simmias 36. 64
Paroemiacus 30 Simonides 24ff. 50. 52,
Pause 2. 7 39
Pentameter 8. 16,21 Singverse 9f. 24ff. “Unterdrücktes’
Periode 7 Skazontes 22 Element 34
Perusino,F. 9,18. 22,40 Solon 20,31 Urverse 37. 39. 42,12
Pfeiffer, R. 15,15. 25,2 Sophokles 7. 58 ‘Versfuß’ 3,3
Phalseceus 46,25 Sotadeus 48 Voigt, Eva-M. 1. 44,
Pherecrateus 44ff. Spondeux 34 17
Philikos 36 Sprechverse 9ff. Vokalkürzung 68,13
Pindar 47. 50ff. Stephan, G. 19,306
Pipping, H. 67,10 Stesichoros 24ff. 50. 53, Wagner, Rud. 38
Pöhlmann, E. 1. 38,3 41 Wechselschnitt 3
Porson 1. 12,2. 20f. Strophe 24 weibliche Zäsur 13,9
Porter 14,12 — alkaische 44ff. West, M. L. 2. 5,7. 11,1.
Position 3 — sapphische 44ff. 15,14. 19,29. 66,8
Pratinas 31,24 Strophenbau (Drama) u.ó.
Prato, C. 2. 15,15 u. 17 57f. Westphal, R. 51
Prexilla, Praxilleum 27, Strophenende 2 White, J. W. 21,37
12 Strunk 67,11 Wifstrand 32,28
Pretagostini, R. 04,58 Synesios 34,34 Wilamowitz passim
Proode 57f. Syzygie 16,19. 25 Wilamowitzianus 3. 37.
Prosodie 65 47
Takt, fester 6,9. 17. 30. Witte, K. 15
Quantitierende Metrik 37f. Wortbild 68
4ff. Telesilla 48 Wortende 2. 11. 00,6.
Teleeilleus 48 68
Reim 4f. Terpander 20 Wüst, E. 20,34
Reizianum 38. 41f. Tetrameter 3. 8. 17ff. Wyatt, M.F. 15,13a.
Rossi, L. E. 8,17. 13,10 23 08
Rubenbauer, H. 2 Thesis 6,9
Rupprecht,K. 1. 33,29. Thespis 32 Züsur 11f. 19
71 Thierfelder, A. 21,39 Züsur männliche, weib-
Timotheus 64 liche 13,0
Sappho 43ff. 50. 66 Tragödie 57ff. Zielinski, Th. 20. 67
Schein, S. L. 10,28 Tragödienparodie 21 Zuntz, G. 7,14

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