Die Grundbausteine der Erde Forschung intensiv
1 Eine regenschwere Cumulo-Nimbus-Wolke baut sich über der Schwäbischen Alb auf. Nur etwa jede zehnte Wolke regnet aus.
In den meisten Fällen verdampfen die kleinen Wolkentröpfchen wieder. Damit Regentropfen entstehen, die schwer genug sind,
um zu Boden zu fallen, müssen die Wolkentröpfchen auf ein Vielfaches ihrer Größe anwachsen.
Wie in Wolken der Regen entsteht
Kristallisationskeime als Schlüssel
Wolken haben einen maßgeblichen Einfluss auf den Wasserhaushalt der Erde, das Wetterge- von Joachim Curtius
und
schehen und das Klima. Sie wissenschaftlich zu beschreiben, ist schwierig – und das er-
Heinz Bingemer
schwert die Niederschlagsvorhersage ebenso wie die Klimamodellierung. Wichtig für die Ent-
stehung von Regen in unseren Breiten sind Eispartikel. Sie machen einen großen Teil der Wol-
ken aus. Doch wie bilden sie sich, und warum sind sie für viele physikalische Prozesse in den
Wolken unentbehrlich? Und schließlich: Wirkt sich menschliches Handeln auf die Wolken aus?
Z ur Eröffnungsfeier der diesjährigen Olympischen
Spiele in Peking gab es nicht nur ein großes Feu-
erwerk, sondern auch Artilleriefeuer mit Silberjodid-
geschuldet ist, bleibt ungewiss. Silberjodid hat zwar tat-
sächlich einen Einfluss auf die Entstehung des Regens,
die Vorgänge im Einzelnen sind aber viel zu komplex,
Granaten. Während das Feuerwerk allerdings im un- als dass man einzelne größere Regenwolken oder gar
mittelbaren Umfeld des Vogelnest-Stadions gezündet das Wetter allgemein heute wirklich so beeinflussen
und über das Fernsehen in alle Welt übertragen wurde, könnte, dass Ort, Zeitpunkt und Intensität des Regens
fand das Artilleriefeuer fast unbemerkt vor den Toren gezielt im Voraus manipuliert werden könnten.
Pekings statt. Die mehr als 1100 Silberjodid-Granaten Wie sich der Regen in unseren Breitengraden bil-
sollten am Tag der Eröffnungsfeier verhindern, dass die det, ist inzwischen zumindest im Prinzip verstanden.
aufziehenden Wolken über Peking abregneten. Tatsäch- Wolken entstehen, sobald die relative Feuchte in ei-
lich blieb der Regen an diesem Tag aus. Ob dies jedoch ner Luftmasse einen Wert von 100 Prozent erreicht.
dem Zufall oder den chinesischen »Wettermachern« Dies geschieht meist, wenn sich Luftmassen abkühlen,
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während sie aufsteigen. Es bilden sich zunächst kleine,
Bergeron-Findeisen-Prozess flüssige Wolkentröpfchen, die nur einige Mikrometer
groß sind, das heißt kleiner als die Dicke eines mensch-
lichen Haares. Damit aus den kleinen Wolkentröpfchen
D a die Wassermoleküle im Eis
stärker gebunden sind als in
flüssigem Wasser, ist bei gleicher
auch Eispartikel gebildet haben,
beginnt daher ein Wachstum der
Eisteilchen, während die Tröpf-
Regentropfen entstehen, die schwer genug sind, um zu
Boden zu fallen, müssen die Wolkentröpfchen auf ein
Temperatur der Gleichgewichts- chen verdampfen. Diesen Trans- Vielfaches ihrer Größe anwachsen. Dies ist in der Regel
dampfdruck über Eisteilchen fer von Wassermolekülen von nicht der Fall: Die meisten Wolken verdampfen wieder,
niedriger als über unterkühlten den Tröpfchen auf die Eiskristalle und nur etwa jede zehnte Wolke regnet aus. 1
Wassertröpfchen. Solange sowohl nennt man den Bergeron-Findei-
Eispartikel als auch unterkühlte sen-Prozess. Haben die Eisparti- Ohne Eispartikel kein Regen
Wassertröpfchen in einer Wolke kel auf diese Weise eine Größe Entscheidend für die Entstehung von Regen ist ein
vorhanden sind, kann sich daher um 50 Mikrometer erreicht, Zusammenspiel von unterkühlten flüssigen Tröpfchen
kein Dampfdruckgleichgewicht steigt ihre Kollisionswahrschein- und Eispartikeln. Nur die allerwenigsten Wolkentröpf-
einstellen. Dies führt dazu, dass lichkeit mit den verbliebenen chen gefrieren tatsächlich schon bei Temperaturen
ständig Wasser von den unter- unterkühlten Tröpfchen deutlich kurz unterhalb von 0 °C. Bis zu Temperaturen von
kühlten Tröpfchen abdampft, da an, und es setzt eine Bereifung –38 °C können sie flüssig bleiben, ohne zu gefrieren.
für sie die Gasphase mit Wasser- der Eiskristalle ein, wobei die Im Temperaturbereich zwischen 0 °C und –38 °C – das
molekülen untersättigt ist, wäh- unterkühlten Tröpfchen an den entspricht in unseren Breiten etwa den untersten sie-
rend sich Wassermoleküle auf Eispartikeln festfrieren. So kön- ben bis acht Kilometern der Atmosphäre – entstehen
den Eispartikeln anlagern, denn nen die Eispartikel bis zu Grö- zunächst nur einige wenige Eispartikel. Jedes dieser
in Bezug auf die Eispartikel ist ßen anwachsen, bei denen sie Eispartikel benötigt zu seiner Entstehung einen Eis-
die Gasphase übersättigt. schließlich schwer genug sind, keim. Nur die Eispartikel können in den Wolken so
Sobald sich in einer Wolke um aus den Wolken herauszu- groß anwachsen, dass sie schwer genug sind, um aus
aus flüssigen Wassertröpfchen fallen. der Wolke herauszufallen und dann als Regen, Grau-
pel, Hagel oder Schnee den Boden zu erreichen.
Die Wolken, in denen sowohl Eispartikel als auch
unterkühlte Flüssigkeitströpfchen gleichzeitig vorkom-
men, werden Mischphasenwolken genannt. 2 Die un-
terkühlten Flüssigkeitstropfen verdampfen in diesen
Aerosolpartikel Wolken, und der Wasserdampf lagert sich dann an den
Wolke Eispartikeln an [siehe »Bergeron-Findeisen-Prozess«.
Dadurch wachsen die Eispartikel zunächst bis zu einer
Größe von etwa 50 Mikrometern an. Danach erfolgt
Eiskristalle das weitere Wachstum hauptsächlich durch Zusam-
Eiskristalle wachsen durch
wachsen durch Bereifung
menstöße der Eispartikel mit den kleinen unterkühl-
Deposition ten Tröpfchen, die an den Eispartikeln festfrieren. So
wachsen die Partikel auf Größen von mehr als 100 Mi-
Wolkentröpfchen krometer an und werden so schwer, dass sie aus den
verdampfen Wolken herausfallen. In wärmeren Luftschichten
Transfer von
Wassermolekülen
schmelzen sie dann häufig wieder und erreichen als
(Bergeron- flüssige Regentropfen den Boden. Die Eispartikel sind
Findeisen- absinken also ganz wesentlich an der Entstehung des Regens be-
Eiskristalle
P.) teiligt.
bilden sich an
Wolkentröpfchen Eiskeimen Warum gefrieren die meisten Tröpfchen auch weit
bilden sich an
unterhalb von 0 °C nicht? In der Regel fehlt ihnen ein
Kondensations-
keimen Eiskeim, der eine geeignete feste Oberfläche für das
Wachstum des Eiskristalls bietet. Die meisten in der
Schnee Atmosphäre schwebenden Partikel (Aerosole) sind
flüssig, zum Beispiel Sulfattröpfchen oder organische
Aerosolpartikel
(Kondensationskeime,
schmelzen Partikel. Bei den wenigen festen Partikeln kommt es
Eiskeime und Partikel, die dann auf die chemische Beschaffenheit, die Größe und
nicht in der Wolke aktiviert die Oberfläche der Partikel an, ob sie sich als Eiskeim
werden.) eignen. Gute Eiskeime sind Partikel, deren Kristall-
struktur derjenigen von Eis ähnlich ist. Dazu gehört
das in Peking verwendete Silberjodid. Die Kristallgitter
von Eis und Silberjodid sind fast identisch, und deshalb
2 Bildung von Regentropfen in Mischphasenwolken, die aus fungiert Silberjodid schon bei Temperaturen von – 4 °C
Eispartikeln und unterkühlten Flüssigkeitströpfchen bestehen. als Eiskeim.
Die Eispartikel wachsen, indem sie den Wasserdampf der ver-
dampfenden Flüssigkeitströpfchen anlagern. Haben die Parti-
Bakterien und künstlicher Schnee
kel eine Größe von etwa 50 Mikrometern erreicht, häufen sich
die Zusammenstöße mit den unterkühlten Tröpfchen, so dass Noch bessere Eiskeimeigenschaften besitzt ein Prote-
diese an den Eispartikeln festfrieren (Bereifung). Ab einer in, das in Pseudomonas-syringae-Bakterien vorkommt./1/
Größe von 100 Mikrometern werden die Eispartikel so schwer, Diese Bakterien, die vor allem auf verrottenden Blät-
dass sie aus den Wolken herausfallen. tern und anderen Pflanzenresten zu finden sind, wir-
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Atmosphärenforschung Forschung intensiv
ken schon bei Temperaturen von –2,6 °C als effiziente –45 –30 –15 0 15 30 45 60
Eiskeime. Diese Proteine werden daher dem Wasser für 2 (12) 60
60
Schneekanonen zugesetzt, um die Schneebildung bei 32 (+ – 7) IN/L
1 (5)
möglichst hohen Temperaturen zu ermöglichen. Nun 29 (+ – 12) IN/L
kommt Silberjodid aber normalerweise nicht in der At- 7 (22) 3 (17)
35 (+7) IN/L 24 (+ – 4) IN/L
mosphäre vor, und auch die Pseudomonas-syringae-Bak- 50
50
terien können zwar am Erdboden die Eisbildung auslö-
sen, sie gelangen aber kaum massenhaft in die Atmo-
sphäre, um dort in den Wolken als Eiskeime zu dienen. (12)
34 (+6) IN/L
Interessanterweise wirkt nur etwa eines von meh- 40
5 40
reren 10 000 Aerosolpartikeln als Eiskeim. Während
sich in der Luft ständig in jedem Kubikzentimeter viele 5
(8)
Hunderte Schwebteilchen aufhalten (der berüchtigte 39 (+ – 10) IN/L
30 30
»Feinstaub«), findet man darunter nur einige Dutzend 4
Eiskeime pro Liter Luftvolumen. Was zeichnet diese
(8)
seltenen Eiskeime aus? Genau diese Frage ist ein zent- 171 (+ – 35) IN/L
rales Thema des von der Deutschen Forschungsgemein- –15 0 15 30
schaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs © DWD 29. Aug. 2008
»Die Troposphärische Eisphase«, in dem Forscher der
Universität Frankfurt, der Universität Mainz, der Tech- 3 Am Observatorium auf dem Kleinen Feldberg im Taunus
nischen Universität Darmstadt, des Max-Planck-Insti- haben wir in einer Zeitreihen-Messung Luftmassen beprobt
tuts für Chemie in Mainz und des Instituts für Tropo- und auf Eiskeime untersucht. Die elektronenmikroskopische
Analyse individueller Eiskeime erlaubt die Rekonstruktion der
sphärenforschung in Leipzig gemeinsam die Rolle von
Haupt-Transportwege von Mineralstaub, der bis zu 3000 Kilo-
Eis in der unteren Atmosphäre untersuchen. meter aus der Sahara bis zur Messstation zurückgelegt hat.
Die roten Zahlen geben die mittleren Eiskeimkonzentrationen
Seltene Eiskeime in der Troposphäre der beprobten Luftmassen an. Die orangenen Zahlen geben
Im Rahmen von »TROPEIS« haben wir in den letzten die Anzahl der untersuchten Fälle an./3/
vier Jahren unter anderem Messverfahren entwickelt,
mit denen wir die Konzentration und die chemische zu ermitteln, an dem die niederschlagsentscheidende
Zusammensetzung der Eiskeime in der Luft messen Eisphase einsetzt. Wir wollten wissen, ob sich die Vor-
können. Es gibt nur eine direkte Methode herauszufin- hersagen verbessern lassen, wenn man stattdessen die
den, welche Partikel aus der Vielzahl atmosphärischer situationsspezifische »wahre« Eiskeimkonzentrationen
Aerosolpartikel in der Lage sind, in der Atmosphäre als einsetzt. Dazu haben wir mit unseren Projektpartnern
Eiskeim zu wirken. Sie besteht darin, diese Partikel den zunächst für einige Monate eine Zeitreihe der Eiskeim-
entsprechenden Bedingungen in der Wolke auszuset- konzentrationen für die Luftmassen Mitteleuropas und
zen. Dazu unterkühlt man sie wie in der Wolke unter des Nahen Ostens gemessen. Die Messstellen waren
den Gefrierpunkt von Wasser und setzt sie einer mit
Wasserdampf übersättigten Umgebung aus. (Die Über-
sättigung bezieht sich auf den Dampfdruck über Eis.) Literaturangaben
Unter diesen Bedingungen wird nun beobachtet, an /1/ Möhler, O., DeMott, P. J., Vali, G, Borrmann, Comparison of Two Aerodyna-
welchen der Partikel das Eis wächst.
and Levin, Z. Microbiology and atmosphe- mic Lenses as an Inlet for a Single Particle
Je nach gegebener Aufgabenstellung haben wir zwei ric processes: the role of biological particles Laser Ablation Mass Spectrometer Aerosol
unterschiedliche Verfahren eingesetzt, um die Eiskei- in cloud physics Biogeosciences: 4, Science and Technology, 42, 970 – 980.
me zu zählen. Für zeitlich hochaufgelöste Messungen 1059 – 1071, 2007.
/6/
konstruierten wir den schnellen Eiskeimzähler FINCH. Kamphus, M., M. Ettner-Mahl, F.
/2/ Drewnick, S. Borrmann, L. Keller, D. J.
Wir leiten vor Ort eine atmosphärische Probe in einen Bundke, U., B. Nillius, R. Jaenicke,
Strömungsreaktor, in dem die entsprechende Unter- T.Wetter, H. Klein, and H. Bingemer: Cziczo, S. Mertes and J. Curtius Chemi-
The Fast Ice Nucleus Chamber FINCH, At- cal composition of ambient aerosol, ice nuc-
kühlung und Wasserübersättigung eingestellt sind. Die lei, cloud condensation nuclei of supercooled
mos. Res., in press.
sich entwickelnden Eiskristalle werden direkt und in drops in mixed-phase clouds: The Cloud and
der Luft schwebend mit einer Spezialoptik von den /3/Klein, H., et al. poster presented at In- Aerosol Characterization Experiment
unterkühlten Tröpfchen unterschieden und gezählt./2/ ternational Conference on Clouds and Preci- (CLACE 6) at the Jungfraujoch Alpine
Diese schnelle Messmethode wird beispielsweise auf pitation, Cancun, Mexico, 2008. Station submitted to Atmos. Chem.
dem neuen Forschungsflugzeug HALO (High Altitude Phys. Discuss., 2008b.
/4/
and Long Range Research Aircraft) im kommenden Mertes, S., Verheggen, B., Walter, S.,
Conolly, P., Ebert, M., Schneider, J., Allgemein:
Jahr erstmals zum Einsatz kommen. Für die Messung Cantrell, W. and Heymsfield, A. Produc-
Bower, K. N., Cozic, J., Weinbruch, S.,
der mittleren Eiskeimkonzentration der Luft reichern Baltensperger, U. and Weingartner, E. tion of ice in tropospheric clouds Bull. Am.
wir dagegen eine Probe des atmosphärischen Aerosols Counterflow virtual impactor based collec- Met. Soc., 86, 795 – 807, 2005.
auf einem Probenträger an und analysieren diesen da- tion of small ice particles in mixed-phase
nach im Eiskeimzähler FRIDGE im Labor./2/ clouds for the physico-chemical characteriza- Pruppacher, H. R., and Klett, J.D. Micro-
tion of tropospheric ice nuclei: Sampler de- physics of Clouds and Precipitation 2nd ed.,
scription and first case study Aerosol Sci- Kluwer Academic Publishers, Dord-
FRIDGE zählt Eiskeime
ence and Technology, 41, 848 – 864, recht, NL, 2000.
In den Computermodellen der Wetterdienste zur
2007.
Vorhersage von Niederschlägen verwendet man in Er-
mangelung aktueller Eiskeim-Daten bisher die »globa- /5/ Kamphus, M., M. Ettner-Mahl, M.
le mittlere« Eiskeimkonzentration, um den Zeitpunkt Brands, J. Curtius, F. Drewnick and S.
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Forschung intensiv Atmosphärenforschung
Siliziumträger durch die Abbildung bestimmt sind,
Ice-Nuclei-Concentration [IN/I]
350
können auch ihre chemischen und morphologischen
East Europe (3)
(6/7/5)
Atlantic (Azores) (6)
Scandinavian (2)
Mediteranean (5)
Northern (1)
North-East (3,2)
Sahara (4)
(3)
(7)
North-East (3,2)
North-Atlantic (7,1)
(5,6,7)
300 Eigenschaften individuell elektronenmikroskopisch un-
250 tersucht werden. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit
der Arbeitsgruppe Umweltmineralogie der Technischen
200 Universität Darmstadt mit einem Environmental Scan-
150 ning Electron Microscope (ESEM). Hieraus ergeben sich
Hinweise auf die Natur und Herkunft der Eiskeime.
100
50 Woher kommen die Eiskeime?
0 Die Zeitreihe unserer bisherigen Messungen mit
23. April 3. Mai 13. Mai 23. Mai 2. Juni 12. Juni 22. Juni 2. Juli 08 dem neu entwickelten System am Observatorium auf
dem Kleinen Feldberg im Taunus weist beispielsweise
Continental Air Masses Maritime Air Masses () Number of
trajectory-path als markantes Ereignis eine Saharastaub-Episode vom
28. bis 30. Mai 2008 auf, während der die Spitzenwer-
4 Zeitreihe der Konzentration von Eiskeimen in der Luft am Taunus Observatorium. te der Eiskeimkonzentration etwa zehnfach überhöht
Auffällig ist die Saharastaub-Episode vom 28. bis 30. Mai 2008, die zu einer zehn- sind./3/ 4 Die meteorologische Analyse und die elekt-
fach erhöhten Konzentration der Eiskeime führte./3/ ronenmikroskopische Analyse individueller Eiskeime
belegen den Transport von Mineralstaub aus der zen-
am Taunus Observatorium der Universität Frankfurt tralen Sahara (Algerien/Libyen) über zirka 3000 Ki-
und an der Universität Tel Aviv. Die Projektpartner an lometer. 3 Da wir die Probennahme im Feld und die
den Universitäten Mainz und Tel Aviv haben dann mit nachfolgende Probenanalyse im Labor trennen, kön-
numerischen Modellen untersucht, welchen Einfluss nen wir auch relativ unzugängliche Orte beproben. So
die beobachtete Variabilität der Eiskeime auf die Wol- werden wir in diesem Winter Proben analysieren, die
ken- und Niederschlagsentwicklung hat. amerikanische Kollegen von einem Fesselballon aus
Zur Bestimmung der Eiskeimkonzentration in am Südpol sammeln werden.
FRIDGE (FRankfurt Ice nuclei Deposition freezinG Ex- Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs »TRO-
periment) entnehmen wir der Atmosphäre eine reprä- PEIS« und in Kooperation mit der Universität Man-
sentative Aerosolprobe. Dazu werden die Aerosolparti- chester, der Eidgenössischen Technischen Hochschule
kel eines Luftprobenstroms in einem neu entwickelten Zürich und dem schweizerischen Paul-Scherrer-Institut
elektrostatischen Aerosolabscheider elektrisch geladen haben wir auch zwei größere Messkampagnen auf der
und auf einem Silizium-Probenträger deponiert. Dieser hochalpinen Forschungsstation Jungfraujoch durch-
Probenträger wird danach im Eiskeimzähler FRIDGE geführt. 5 Die Messstation befindet sich in 3580 Me-
Unterkühlung und Wasserdampfübersättigung ausge- tern Höhe auf dem Bergsattel zwischen den Gipfeln
setzt. Nachdem die Eiskeime in der Probe »aktiviert« von Jungfrau und Mönch. Die Station ist im Winter
worden sind, entstehen Eiskristalle, die mit einer CCD- häufig in Wolken gehüllt, bei Temperaturen von –15
Kamera abgebildet und automatisch gezählt werden. bis –20 °C. Dort können wir also direkte Messungen in
Da die Koordinaten der einzelnen Eiskristalle auf dem Mischphasenwolken vornehmen. 6
5 Die Forschungsstation Jungfraujoch in 3580 Metern Höhe bietet Gelegenheit, Eispartikel direkt in den 6 Eine Probennahme von Eispartikeln
Wolken zu untersuchen. In einem hochempfindlichen Partikel-Massenspektrometer können wir die chemi- in den Wolken auf der Forschungsstati-
sche Zusammensetzung der Eiskeime analysieren. Da die Forschungsstation nicht immer von Wolken um- on Jungfraujoch ist eine frostige Angele-
geben ist und die Eiskeime zudem selten und sehr klein sind, kommen in einer Messzeit von vier Wochen genheit. Sie geschieht glücklicherweise
nur etwa 350 Eiskeime zusammen. im Regelfall automatisch.
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Atmosphärenforschung Forschung intensiv
7 Die Grafik zeigt die Häufigkeit, mit der Hintergrundaerosol-
partikel und Eiskeime von den gezeigten chemischen Kompo- Mineralstaub Aerosolpartikel Eiskeime
nenten dominiert werden. Die Daten entstammen der mas-
senspektrometrischen Analyse von etwa 10 000 Hintergrund- Sulfat und 7% 14 %
4% 18 %
partikeln und etwa 350 Eiskeimen, die am Jungfraujoch im Mineralstaub
38 %
Februar und März 2007 gemessen wurden. Bei den Hinter- 3%
Sulfat und Nitrat
grundpartikeln sind Sulfate, Nitrate und organische Verbindun-
Sulfat und
gen die häufigsten Aerosolkomponenten. Bei den Eiskeimen ist 25 %
organische
der Anteil von Partikeln, die hauptsächlich aus Mineralstaub- Komponenten
komponenten bestehen, stark überhöht. Stark kaliumhaltige und/oder Ruß 25 %
Partikel, die mineralischen Ursprungs sein können oder aus
Kalium
Biomassenverbrennung stammen, treten ebenfalls als Eiskei- 47 %
me überproportional häufig auf. In vielen Eiskeimen wurden Kalium, Sulfat, 19 %
auch Anteile von Schwermetallen gefunden, relativ unabhängig Nitrat
davon, was die dominierende chemische Komponente ist./6/
Um die Eiskeime analysieren zu können, müssen sie
zunächst von allen anderen Partikeln abgetrennt wer-
den: Mithilfe eines speziellen Einlasssystems werden in Die Autoren
einem mehrstufigen Verfahren nur die kleinen, frisch Prof. Dr. Joachim Curtius, 39, ist Profes-
gebildeten Eispartikel in einem trockenen und war- sor für Experimentelle Atmosphären-
men Luftstrom zu den Messgeräten geleitet, während forschung am Institut für Atmosphäre
die übrigen Aerosolpartikel, die unterkühlten flüssigen und Umwelt der Goethe-Universität. Er
Wolkentröpfchen und die bereits bereiften Eispartikel studierte Physik in Heidelberg und pro-
sehr effizient von den frisch gebildeten Eispartikeln ab- movierte dort. Nach einem zweijährigen
Post-Doc bei der National Oceanic and
getrennt werden./4/ Die Eispartikel verdampfen in der
Atmospheric Ad ministration (NOAA)
warmen Luft auf dem Weg zum Messinstrument. Übrig in Boulder, CO, USA, arbeitete er als
bleibt nur der ursprüngliche Eiskeim, der eine Größe wissenschaftlicher Assistent am Institut für Atmosphä-
von weniger als ein Mikrometer besitzt. Dieser wird renphysik der Universität Mainz, bevor er 2007 an die
dann vor Ort in einem hochempfindlichen Partikel- Goethe-Universität berufen wurde. Er befasst sich mit der
Massenspektrometer auf seine chemische Zusammen- Charakterisierung von Partikeln in der Atmosphäre und
setzung hin analysiert./5/ Da die Eiskeime so selten und mit Nukleationsprozessen, insbesondere der Neubildung
von Aerosolpartikeln und der Entstehung von Eis. Hierbei
so klein sind und die Forschungsstation nicht immer
kommen massenspektrometrische und optische Methoden
von Wolken umgeben ist, waren etwa vier Wochen zum Einsatz. Curtius leitete ein Teilprojekt des Sonder-
Messzeit auf der Forschungsstation Jungfraujoch nötig, forschungsbereichs »Die Troposphärische Eisphase« und
um 350 einzelne Eiskeime zu analysieren. koordinierte die Messkampagnen an der Forschungssta-
tion Jungfraujoch. Zu den Arbeiten haben insbesondere
Beeinflusst der Mensch die Wolkenbildung? beigetragen: Prof. Stephan Borrmann, Dr. Ulrich Bundke,
Die Messungen zeigen, dass vor allem natürliche Dr. Michael Kamphus, Diplom-Meteorologe Holger Klein,
Dr. Stephan Mertes, Diplom-Meteorologe Björn Nillius,
Mineralstaubpartikel atmosphärische Eiskeime bil-
Prof. Ulrich Schmidt und Prof. Stephan Weinbruch. Unter-
den. 7 Elemente wie Silizium, Kalzium, Aluminium stützt wurde das Projekt von der Deutschen Forschungs-
und deren Oxide finden sich besonders häufig in den gemeinschaft sowie der Stiftung Hochalpine Forschungs-
Eiskeimen. Sie bilden die bestimmende Fraktion der station Jungfraujoch und Gornergrat (HFSJG). Curtius ist
Eiskeime, während sie nur einen kleinen Teil des Hin- Koordinator des 2008 angelaufenen EU-Doktorandennetz-
tergrundaerosols ausmachen. Wir fanden aber auch werks »CLOUD-ITN«, in dem der mögliche Einfluss von
Hinweise auf Partikel, die aus anthropogenen Quellen kosmischer Strahlung auf die Aerosol- und Wolkenbildung
in einem Experiment am CERN untersucht wird.
stammen und die zum Beispiel Schwermetalle enthal-
ten, mit erhöhter Häufigkeit in den Eiskeimen. Weiter-
Dr. Heinz Bingemer, 56, ist akademischer Oberrat am Institut
hin wurde eine Gruppe stark kaliumhaltiger Partikel für Atmosphä re und Umwelt. Er leitet
identifiziert, die entweder mineralischen Ursprungs das Taunus Observatorium der Universi-
sind oder aus der Verbrennung von Biomasse stam- tät auf dem Kleinen Feldberg im Taunus
men./6/ und ist wissenschaftlicher Sekretär des
Als Nächstes wollen wir untersuchen, ob Eiskeime, SFB 641, in dem er zwei Teilprojekte
die durch den Menschen verursacht in die Atmosphä- hat. Er studierte Meteorologie an der
Universität Frankfurt und promovierte
re gelangen, tatsächlich die Eigenschaften der Wolken
dort. Von 1984 bis 1990 forschte er als
verändern und so den Niederschlag und das Klima be- Stipendiat der MPG und wissenschaftli-
einflussen. Dies ist sowohl auf der regionalen als auch cher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Chemie in
auf der globalen Skala von großem Interesse. Auf der Mainz, seit 1990 an der Universität Frankfurt. Neben den
regionalen Skala könnte dies einen Einfluss auf den Arbeiten zum atmosphärischen Aerosol gehören vor allem
Niederschlag im Abwind von Ballungsräumen und In- experimentelle Feldstudien zum Gasaustausch zwischen
dustriegebieten haben. Auf der globalen Skala können Atmosphäre und Ozean sowie Atmosphäre und terrestri-
scher Biosphäre zu seinem Forschungsschwerpunkt.
schon kleine Veränderungen der mittleren Eiskeim-
konzentrationen und ihrer Eigenschaften zu signifi-
[email protected] kanten Änderungen der Strahlungseigenschaften und
[email protected] der Lebensdauern der Wolken führen. Und das hätte http://www.sfb641.uni-frankfurt.de/index.html
einen direkten Einfluss auf das Erdklima. ◆
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