Prof. Dr.
Volker Caspari
Vivian Zoé Grudde, M.A., BSc. mult.
Einführung in die Volkswirtschaftslehre
(OVWL)
Wintersemester 2024/25
Vivian Grudde //
[email protected] Vorlesung 9
Der Geld- und Güterkreislauf und das BIP
Die Konzeption des Wirtschaftskreislaufs
• Das Denken in Kreisläufen geht in der VWL auf den französischen Ökonomen Francois
Quésnay (1694 – 1774) zurück, der als Leibarzt von Madame Pompadour am Hofe Ludwigs XV.
in einer Gruppe von Gelehrten, dem auch Turgot u.a., angehörte. Man nannte sie die
Physiokraten.
• Quésnay waren die Arbeiten des englischen Arztes W. Harveys bekannt, der erstmals den
Blutkreislauf (1628) bei Hunden beschrieb.
• Quésnay erklärte die Funktionsweise einer Ökonomie mit Hilfe der Kreislauf-Metapher in seinem
Werk Analyse du Tableau économique, in: Journal de l'agriculture, commerce, arts et finances.
1766.
• Heute unterscheidet man offene und geschlossene Kreisläufe. Der Wirtschaftskreislauf wird als
geschlossener Kreislauf – es geht „nichts verloren“ – begriffen. Also ist an jeder Stelle des
Kreislaufs Volumen oder der Wert dessen, was zirkuliert, gleich groß!
• Anders ausgedrückt: „Blutverlust“ ist ab einer bestimmten Größenordnung „lebensgefährlich“!
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Die Haushalte zahlen also an die Unternehmen den Wert
Der Güterkreislauf in einer der gelieferten
geschlossenen Konsumgüter CH.
Volkswirtschaft
Der Güterkreislauf in einerohne Staat
geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat
Die Pfeile bezeichnen die Fließrichtung des Geldstroms.
Die Haushalte zahlen also an die Unternehmen den Wert
der gelieferten Konsumgüter CH. UNTERNEMEN
b
D I
CH
Vermögens-
UNTERNEMEN änderung
Yu
SH
b
D I
CH
HAUSHALTE
Vermögens-
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änderung
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Der Güterkreislauf in einer Volkswirtschaft
Der Güterkreislauf in einer Volkswirtschaft mit Staat und Außenhandel
mit Staat und Außenhandel
ZG UNTERNEHMEN
X
G CH M
T b
I -D
STAAT VERMÖGENS- AUSLAND
ÄNDERUNG X-M
dir
T SH Yu
ZH + YSt HAUSHALTE
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Beispielökonomie: Bauer, Müller & Bäcker
Bauer Müller Bäcker
Vorleistungen Vorleistungen Vorleistungen
(Dünger, Saatgut) (Getreidekäufe) (Mehlkäufe)
Abschreibungen Getreideverkäufe Abschreibungen Mehlverkäufe Abschreibungen Brotverkäufe
Löhne + Gewinn Löhne + Gewinn Löhne + Gewinn
Wenn wir das als eine Ökonomie ansehen und das Produktionskonto dieser Ökonomie aufschreiben, dann
dürfen wir das nicht einfach aufaddieren, weil wir sonst die Getreideverkäufe und die Mehlverkäufe doppelt
zählen würden. Hingegen sind die Abschreibungen auf jeder Stufe und die Löhne und Gewinne auf jeder
Stufe zu addieren. Deren Wert plus die Vorleistungen des Bauern stecken im Wert des Brotverkaufs.
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Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
So gibt es in der VGR drei Kontentypen:
1) Produktionskonto (bildet die Produktion im Unternehmenssektor ab)
2) Einkommenskonto (bildet die Verwendung der Einnahmen der Haushalte und des Staates ab)
3) Vermögensänderungskonto (bildet die Spar – und Investitionswerte in der Ökonomie ab)
Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto
Abschreibungen (D) Verkäufe Konsumgüter an private HH (Cpr)
Indirekte Steuern – Subventionen (TG – Z )
G Konsumausgaben Staat (CSt)
Nettowertschöpfung (NWS) Bruttoinvestitionen (Ib)
(Löhne + Zinsen + Pacht + Gewinne) - des Staates (ISt)
- der Unternehmen (IU)
Export – Import (X – M)
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Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
Gesamtwirtschaftliches Einkommenskonto
Nettotransfer ans Ausland Nettonationaleinkommen
Privater Konsum
Konsum des Staates
Sparen
- Haushalte
- Unternehmen
- Staat
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Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
Gesamtwirtschaftliches Vermögensänderungskonto
Bruttoinvestitionen Abschreibungen
Nettovermögenstransfer Ausland Ersparnis
- Haushalte
Export – Import – - Unternehmen
Nettoübertragungen an Ausländer - Staat
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Bruttoinlandsprodukt & Nettoinlandsprodukt
BIP- Entstehung: 𝑌𝑈 + 𝑌𝑆𝑡 + 𝑇 𝐺 − 𝑍𝐺 + 𝐷 + 𝑀 = 𝐶𝐻 + 𝐶𝑆𝑡 + 𝐼 𝑏 + 𝑋
𝑌+𝐷+ 𝑇 𝐺 − 𝑍𝐺 = 𝐶𝐻 + 𝐶𝑆𝑡 + 𝐼 𝑏 + 𝑋−𝑀
Verwendung: 𝑌 = 𝐶𝐻 + 𝐶𝑆𝑡 + 𝑆𝐻
Vermögensänderung: 𝐼 𝑏 = 𝑆𝐻 + 𝐷 − 𝑋 − 𝑀
𝐼 𝑏 − 𝐷 = 𝐼 𝑛 = 𝑆𝐻 − 𝑋 − 𝑀
𝐺 𝑏
𝐵𝐼𝑃 = 𝑁𝑊𝑆 + 𝐷 + 𝑇 − 𝑍𝐺 = 𝐶𝐻 + 𝐶𝑆𝑡 + 𝐼 + 𝑋 − 𝑀
𝑁𝐼𝑃 = 𝐵𝐼𝑃 − 𝐷 = 𝑁𝑊𝑆 + 𝑇 𝐺 − 𝑍𝐺 = 𝐶𝐻 + 𝐶𝑆𝑡 + 𝐼 𝑛 + 𝑋−𝑀
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Bruttoinlandsprodukt Deutschland (2023)
BIP 2023 BRD 4.179 Billionen Euro In % des BIP
Konsum Haushalte (Cpr) 2.206 52,7%
Konsum Staat (Cst) 0.905 21,7%
Bruttoinvestitionen (I )
b 0.900 21,6%
Export – Import (X – M) 0.168 4%
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Inlandskonzept (BIP) und Inländerkonzept (BNE)
• Inländer sind in der VGR alle Arbeitnehmer und Unternehmen, die ihren Wohn- bzw.
Unternehmenssitz im Inland (z.B. BRD) haben.
• Nun gibt es sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmen, die sogenannte Grenzgänger sind:
also Arbeitnehmer mit Wohnsitz in D., die aber im grenznahen Ausland (z.B. F, CH, DK, usw.)
arbeiten und dort ihr Einkommen erzielen. Analog gibt es Arbeitnehmer, die in Frankreich (oder
B, DK, PL, A, …) ihren Wohnsitz haben, aber in der BRD ihr Einkommen erzielen. Analog für
Unternehmen.
• Saldiert man diese beiden Größen und addiert oder subtrahiert (hängt vom Vorzeichen ab)
diesen Saldo vom BIP, erhält man das BNE (Bruttonationaleinkommen, früher
Bruttosozialprodukt).
• In der BRD ist die Differenz zwischen BIP und BNE sehr klein, meist unter 1% des BIP.
→ BIP > BNE
• BNE minus D = NNE (Nettonationaleinkommen)
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Nominales und reales BIP – realwertorientiertes Deflationieren
• Wir nehmen an, das BIP bestehe aus zwei Gütern: „Brot“ (XB ) und „Traktoren“ (XT ).
• Im Jahr 2023 wurden 2000 kg Brot zu € 5,- je kg produziert und verkauft sowie 50 Traktoren zu
€ 1000,- pro Stück. Das ergibt einen nominalen Wert von 2000 kg x € 5,- + 50 Stück x € 1000,-.
Das ergibt € 10.000 + € 50.000 = € 60.000.
• Im Jahr 2024 erhöhte sich der Brotpreis auf € 6,- pro kg und die Zahl der verkauften Brote stieg
auf 3000 kg. Bei den Traktoren ging die Zahl der Traktoren auf 40 Stück zurück, aber der Preis
stieg auf € 1200 pro Stück.
• Ergibt € 18.000 + € 48.000 = € 64.000,- . Das ist ein Anstieg des nominalen BIPs um 6,67%.
• Der „reale“ Anstieg ergibt sich, wenn man die Mengen von 2024 mit den Preisen von 2023
multipliziert. Also 3000 kg x € 5,- + 40.000 x € 1000,- = € 55.000,- Das sind – 8,33% .
• Das BIP ist also nominal gestiegen, aber „real“ gefallen.
• Wenn man das BIP-Wachstum behandelt, dann ist das „reale“ BIP die Datengrundlage, nicht
das nominale!
• Wie man aus einer Zeitreihe des nominalen BIP eine Zeitreihe des „realen“ BIPs gewinnt, ist
Thema der nächsten Folie!
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Deflationierung mit dem Paasche-Index
• Deflationierung ist eine einfach statistische Methode, um wirtschaftliche Kenngrößen, wie das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder auch Löhne, von Preisänderungen zu bereinigen. Somit gelingt
es, reale Größen oder Entwicklungsraten zu ermitteln. Wenn also von Reallöhnen gesprochen
wird, dann sind diese um die Verbraucherpreisrate (Inflation) bereinigt. Unbereinigt um die
Inflation sind die Nominallöhne (Geldlöhne).
• Zur Deflationierung benötigt man einen Preisindex vom Paasche-Typ. Dieser hat immer das
aktuelle Mengengerüst, während der Preisindex vom Laspeyres-Typ immer das alte
Mengengerüst hat.
𝑁𝑜𝑚𝑖𝑛𝑎𝑙𝑒𝑠 𝐵𝐼𝑃
= „reales“ BIP
𝑃𝑟𝑒𝑖𝑠𝑖𝑛𝑑𝑒𝑥 𝐵𝐼𝑃
• Das Mengengerüst eines Preisindex ist ein Güterkorb. So besteht der Güterkorb des
Verbraucherpreisindex (VPI) aus rund 700 Gütern.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Methoden/Downloads/waegungsschema-2020.pdf?__blob=publicationFile
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Methoden/Downloads/waegungsschema-2020.pdf?__blob=publicationFile.
Siehe auch Pflichtliteratur
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Warenkörbe der Preisindices
Hier können Sie Ihre persönliche Inflationsrate berechnen und dann mit der offiziellen vom
Statistischen Bundesamt berechneten vergleichen.
https://service.destatis.de/inflationsrechner/
Denn jeder Haushalt hat ja einen bestimmten eigenen Warenkorb:
Einer hat kein Auto, ein anderer drei.
Einer hat Miete zu zahlen, der andere nicht.
Ein Haushalt muss lange Strecken zur Arbeit fahren, der andere arbeitet im eigenen Haus.
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