.
Ich war noch in Sibirien,
in Ulan-Ude, im Hotel.
Wir waren sozusagen auf
der ersten Etappe unseres Rückweges.
Und da kam eine SMS,
dass wir ihm fehlen.
Und da lachten meine Kollegen
und sagten:
"Wir fehlen dem nicht,
du fehlst ihm."
Viele sagen: "Oh, du bist immer
mit dem gleichen Mann zusammen,
du hast was versäumt."
Aber das empfind ich nicht so.
Wir haben ein
wunderschönes Leben zusammen gehabt.
Wie gesagt, nicht immer einfach.
Aber ich liebe das so.
Es fällt einfach manchmal
wahnsinnig schwer,
sich zu überlegen,
wann möchte man Kinder haben,
wenn man nicht mal weiß,
wann man zusammenziehen kann.
Und in so einer Verzweiflungswut ...
man ist verletzt,
Liebe tut auch weh, mitunter,
hab ich gesagt,
ich muss hier erst mal weg.
Ich muss einfach ...
Ich brauch jetzt Distanz.
Beim Demenzkranken
ist es so ...
Er ist da.
Und er braucht mich ja.
Aber er ist nicht mehr mein Partner,
sondern er ist mein Pflegefall.
(Belebte Musik)
Herzlich willkommen im "Nachtcafé"
Schön, dass Sie da sind.
Danke schön.
Vielen Dank!
Genießen Sie es,
liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin
nicht ständig um Sie rum ist?
Wenn Sie Freiräume haben,
vielleicht sogar in
unterschiedlichen Wohnungen leben?
Oder sagen Sie:
"Nee. Das wär gar nicht mein Ding"?
Wie viel Distanz verträgt die Liebe?
Das fragen wir uns
heute im "Nachtcafé"
Ich bin gespannt auf diese Gäste:
Eigentlich wollten Sie, Britta Wulf,
nur einen Film über ein kleines
Minderheitenvolk in Sibirien drehen.
Doch dann verliebten Sie sich,
und es begann eine Beziehung über
8.000 Kilometer Entfernung hinweg.
Trotz zahlreicher Widrigkeiten
hielten Sie an Ihrer Liebe fest.
Ob es ein Happy End gab?
Das verrät uns Britta Wulf,
herzlich willkommen!
(Applaus)
Ein ...
Ein Leben getrennt voneinander
können Sie sich nicht vorstellen,
Nellia und Dietmar Ehrentraut.
Schon in Ihrer Jugend rissen Sie
gemeinsam von zu Hause aus.
Seitdem machen Sie
fast alles zusammen.
Welche Rolle der Tanz
in Ihrem Leben spielt
und wie Sie einen Streit beenden,
das hören wir
von Nellia und Dietmar Ehrentraut.
Herzlich willkommen im "Nachtcafé"
(Applaus)
Sie, Vanessa Ringwald,
lernten Ihren heutigen Mann Jörg
in der Kuppelshow
"Bauer sucht Frau" kennen
und zogen der Liebe wegen aufs Land.
Doch schon bald merkten Sie,
dass seine Welt
nicht unbedingt die Ihre war.
Heute leben Sie als Familie
ein eher ungewöhnliches Modell.
Herzlich willkommen,
Vanessa Ringwald.
(Applaus)
Sie ...
Sie arbeiten und leben in Frankfurt,
Ihr Freund in München, Julia Anton.
Seit fünf Jahren schon pendeln Sie
an den Wochenenden zueinander.
Doch mit Blick in die Zukunft
stehen Sie beide
auch vor wichtigen Entscheidungen.
Wann wird es Zeit, zusammenzuziehen?
Und wer zieht dann wohin?
Das fragt sich Julia Anton.
(Applaus)
Ihr Mann ...
Ihr Mann, Ines Eigenmann,
war gerade mal 64 Jahre alt,
als er die Diagnose Demenz bekam.
Seit sechs Jahren
begleiten Sie ihn auf den Wegen,
die diese Krankheit nimmt.
Was es bedeutet, wenn der Partner
langsam verschwindet,
und ob Sie sich trotzdem nahe sind,
erzählen Sie uns.
Ines Eigenmann, herzlich willkommen.
(Applaus)
Und ...
Und wir begrüßen Daniel Wagner,
Psychotherapeut in eigener Praxis
und Mitglied der
Medizinischen Fakultät der Uni Köln.
Sie kennen die Vor- und Nachteile
von Fernbeziehungen,
wissen aber auch, woran man erkennt,
dass eine Beziehung zu eng ist.
Wir sind gespannt auf Daniel Wagner.
Herzlich willkommen an Sie,
und herzlich willkommen
noch mal in die gesamte Runde.
Frau Wulf, über eine Beziehung
auf Distanz reden wir oft
und haben Konstellationen im Blick,
wenn, wie bei Ihnen, Frau Anton,
einer vielleicht in Frankfurt lebt,
der andere in München.
Sie haben sich
in einen Mann verliebt ...
der hat 8.000 Kilometer
entfernt gelebt.
Das ist mal eine Ansage.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Erzählen Sie mal.
Wie schon vorhin
in dem Anfangstext ...
Ja, angedeutet.
- Genau, angedeutet wurde.
Ich hab einen Film gedreht,
in Sibirien,
über das Volk der Ewenken.
Und Anatoli ist ein Ewenke
und war einer unserer Protagonisten.
Und haben Sie erst telefoniert?
Oder wie war der erste Kontakt?
Am Anfang haben wir geschrieben.
Wir haben per Mail geschrieben.
Ich hab im Social-Media-Netz,
sozusagen, nach Menschen gesucht,
die Ewenkisch sprechen.
Weil uns ging's in dem Film
tatsächlich auch um die Sprache.
Anatoli hat geantwortet.
Und wir haben so ein Viertel- bis
halbes Jahr ungefähr geschrieben.
Dann sind wir hingefahren,
haben den Film gedreht.
Da war noch gar nichts.
Und irgendwann ...
Aber trotzdem wollen wir erst mal
dieses erste Erlebnis miteinander
ein bisschen nachvollziehen können.
Irgendwann, als Sie dann zu
den Dreharbeiten hingefahren sind,
sind Sie sich
zum ersten Mal begegnet.
In welcher Situation war das?
- Am Flughafen.
Aber Flughafen ist nicht Flughafen,
was wir denken,
sondern das ist
ein ganz kleines Gebäude.
Da landet, glaub ich,
zweimal in der Woche eine Cessna.
Und das war Flughafen.
Und dort stand er.
Und meine Sorge war auch vorher:
Steht er da wirklich?
Ist er da?
Ist unser Protagonist da?
Waren diese ganzen Mails,
die wir hin-
und hergeschrieben haben,
so fundiert,
dass er wirklich da ist?
Und er war da.
- Er war da.
Das war erst mal nur
ein Protagonist eines Films.
Sie sind ja auch
in sein Leben etwas eingetaucht.
Wie würden Sie das beschreiben,
was Sie da kennengelernt haben?
Wie war die Landschaft?
Wie war das Leben?
Wie haben Sie das da empfunden
in diesen Tagen der Dreharbeiten?
Das Besondere war,
dass das Dorf, wo Anatoli lebt ...
das liegt am Baikalsee.
Und der Baikalsee,
viele kennen diesen Begriff,
der ist einfach so magisch,
dass das schon einfach toll war.
Es war auch von uns natürlich
ein bisschen ausgesucht.
Wenn wir über dieses Volk reden,
suchen wir eine Stelle,
wo es sehr schön ist.
Es war Winter,
obwohl es gar nicht kalt war.
Es war April,
der See war zugefroren.
Es war Schnee da.
Aber wir konnten sehr gut drehen,
wir konnten schöne Sachen drehen
und viele Menschen kennenlernen,
unter anderem ihn.
Und Sie haben schon zweimal gesagt,
da war aber nichts.
Da war auch kein Blick mal.
Da war gar nichts bei Ihnen.
Im Nachhinein,
als das alles richtig losging,
hab ich gedacht,
doch, da war was.
Es gab so Situationen,
wo ich dachte ...
Komischerweise wirklich
im Nachhinein erst dachte,
ich wär gern dichter
an ihn rangerutscht.
Aber das denkt man nicht
beim Arbeiten.
Wenn man, ach,
zwölf Stunden am Tag dreht
und darüber nachdenkt,
wie man das schneidet
und ob der nächste Termin
klappt und so,
da hat man für so was ...
Da denkt man
an das Ranrutschen nicht.
Nee, erst im Nachhinein dachte ich,
irgendwas war.
Er hat mich irgendwie fasziniert.
Und dann hat er irgendwann
eine SMS geschrieben.
Genau, wir waren
gerade dort weggefahren,
also das kleine Team -
wir waren nur zu dritt.
Ich war noch in Sibirien,
in Ulan-Ude, im Hotel.
Wir waren sozusagen auf
der ersten Etappe unseres Rückweges.
Und da kam eine SMS,
dass wir ihm fehlen.
Und da lachten meine Kollegen
und sagten:
"Wir fehlen dem nicht,
du fehlst ihm."
Also, das Team hat das
schon mehr mitbekommen als Sie?
Ja, es war sehr lustig für mich.
Beide Männer sind
ein ganzes Stück jünger als ich.
Ich dachte: "Wieso haben die was
gemerkt, was ich nicht gemerkt hab?"
Aber kurz danach kam die zweite SMS,
und da stand: "Du fehlst mir"
Mhm, hat das noch mal präzisiert.
Verstehe.
Und dann haben Sie geantwortet?
Genau, dann hab ich geantwortet.
Und dann haben wir
tatsächlich so einen Marathon an ...
Alles, was es gab damals.
Also, SMS, Skype ...
- Mhm.
Was gab's noch damals?
Na ja, richtig telefonieren.
Mein Russisch
war damals sehr schlecht,
aber das hab ich
wieder aufgefrischt.
Wir haben alles genutzt.
Ich glaube, das ist was,
was besonders ist
an Fernbeziehungen.
Ob da so eine Entfernung ist
von 500 oder 8.000 Kilometern,
das merkt man dann gar nicht mehr.
Weil, man kann sich jeden Tag
mehrfach sprechen,
man kann sich sehen,
man kann Kontakt halten, man kann
am Leben des anderen teilnehmen.
Man kann mit Laptop oder Handy
durch die Wohnung gehen und sagen:
"Schau mal,
was mir gerade passiert ist."
"Das hat der Hund gemacht" oder
"Das haben die Kinder gemacht".
Es ist gar nicht so weit weg
dann plötzlich.
Würden Sie sagen, Sie haben sich
über diese Distanz verliebt?
Ich hab mich am Computer verliebt.
- Am Computer?
Ja. Es gab so Situationen,
es war so emotional,
dass ich dann plötzlich dachte,
ich empfinde da ja auch viel mehr,
als ich mir vorstellen konnte.
Erzählen Sie mal,
was waren das für Situationen?
Es gab zum Beispiel ...
Unser Internet
war damals relativ schlecht.
Manchmal brach
diese Skype-Verbindung zusammen.
Und wenn sie aber dann stand,
dann kamen Anatoli die Tränen.
Dann nahm er nicht ein Taschentuch,
sondern ein ganzes Handtuch,
um sich die Augen zu wischen und
sich zu freuen, dass er mich sieht.
Und solche Dinge waren mir
noch nicht passiert bis dahin.
Ich war lange Zeit Single damals
und dachte so:
Ist das toll,
dass das jemand für dich empfindet!
Aber dann kam auch ganz,
ganz schnell natürlich der Gedanke,
ich muss da mal hin jetzt.
Ich muss den Mann
ja erst mal kennenlernen.
Wenn Sie über den Mann sprechen,
wie würden Sie ihn uns beschreiben?
Was war er für ein Typ Mann,
was war Ihr Eindruck damals von ihm?
Er war eher ein einfacher Mann,
also nicht superintellektuell.
Er hat, wie viele Sibirier,
damit zu kämpfen gehabt,
zu überleben.
Den sehr, sehr kalten Winter,
der bis minus 50 Grad geht,
zu überleben.
Arbeit zu finden,
immer wieder neue Arbeit zu finden,
weil richtig stabile Arbeitsplätze
sind dort in der Gegend selten.
Also, diese Sachen waren für ihn ...
ja, wichtig.
Und vielleicht
war auch etwas wichtig:
Man konnte nicht alles zerreden,
weil die Sprachbarriere
natürlich relativ groß war.
Wie haben Sie sich dann verständigt?
Er kann wirklich
nur Russisch und Ewenkisch.
Ich kann ...
na ja, ein bisschen Russisch.
Ich hab's lange
in der Schule gelernt,
auch beim Studium noch gehabt.
Es war schon viel da.
Ich musste aber
viel wieder auffrischen.
Aber ich hatte ja auch Zeit.
Sie haben zwei Kinder,
Sie waren zu dem Zeitpunkt
schon ein paar Jahre geschieden.
Was wussten Sie über ihn?
War er verheiratet?
- Ich wusste viel über ihn,
weil er Protagonist
in unserem Film war.
Ich wusste, dass er geschieden ist,
dass er einen Sohn hat.
Und ich wusste ein bisschen was
über seine Familie,
dass er sehr viele Geschwister hat.
Und, ja, wir haben ihn natürlich
auch in dem Film viel gefragt,
wie er lebt.
- Mhm.
Wie er früher gelebt hat,
wie er heute lebt.
Es ging ja immer auch um dieses:
Was ist noch ewenkisch in dem Leben?
Es war sehr spannend.
Ich wusste schon ein bisschen,
aber eigentlich
wusste ich nicht viel.
Und Sie haben ja gesagt:
"Ich wollte ja dahin."
"Ich wollte ihn ja kennenlernen."
Fünf Monate später
sind Sie wieder nach Sibirien.
Ganz alleine.
- Ganz alleine, ohne Team.
Ohne Team.
Und erzählen Sie mal -
ich glaub, wir sind alle neugierig:
Wie war das dann, als Sie ihm
dann unter neuen Voraussetzungen -
Sie hatten sich ja schon
ganz anders kennengelernt -
wieder begegnet sind?
Das war ganz merkwürdig,
es war wie so ein Zwang.
Also, ich musste dahin,
ich musste sehen, was da ist.
Das war erst mal lustig,
wie die Umwelt so reagiert hat.
Die Freundinnen, die gesagt haben:
"Ja, mach, du musst gucken."
Die Mama, die gesagt hat: "Hm."
- Kind.
"Kind.
Das ist vielleicht gefährlich."
Und trotzdem hab ich gedacht,
ich muss dahin.
Und ... ja, dann war er da.
Und es war tatsächlich
jetzt vielleicht nicht die Umarmung,
die man sich wünscht im Sinne
von einem heißen Kuss oder so.
Aber es war eine Umarmung,
die mir gesagt hat:
Das ist genau richtig,
dass ich dahin gefahren bin.
Das war alles wirklich so besonders,
dass ich das tatsächlich
auch festhalten wollte
und deswegen sogar zwei Bücher
darüber geschrieben hab.
Weil es einfach ...
Für mich war#s damals
wie so ein Abenteuer ...
was ich vielleicht auch mit ...
ich war 50 damals.
Was ich da gar nicht
so ganz erwartet hatte.
Dass mir so was noch mal passiert,
dass man sich so verliebt,
dass man nicht alles
infrage stellt.
Wie war das dann?
- Mach ich sonst sehr viel.
Sie haben sich getroffen,
haben gesagt, da war diese Umarmung,
ich wusste, das ist richtig.
War dann klar,
Sie übernachten bei ihm?
Also, es wird ja ganz praktisch
dann irgendwann, ne?
Ja, es war sehr lustig.
Also, ich wusste,
dass er irgendein ...
ein sibirisches Holzhaus
vorbereitet hatte.
Das hatte er mir vorher gezeigt,
in Form von Fotos und so.
Ich dachte, es wäre sein Haus.
Das hatte er nur für uns gemietet.
- Mhm.
Wir waren erst bei seiner Schwester,
es war alles offiziell.
Dann sagte er: "Ich schlafe hier."
Ich fragte: "Wo?"
"Auf den beiden Sesseln.
Und das ist dein Bett."
Mir war klar, brauchen wir nicht.
Wir können das anders ausprobieren,
sehen, ob das näher funktioniert.
Ich fragte ihn, wie er darauf kommt.
Er sagte: "Du hast gesagt,
dass wir das getrennt machen."
Ich dachte, irgendwann
werde ich das geschrieben haben.
Aber es war klar: "Nein,
das probieren wir richtig aus."
War das dann ein romantischer ...
- Ja.
Es war genau so,
wie ich mir das vorgestellt hatte.
Und die Tage danach,
haben Sie die einfach genossen?
Ja. Ich war insgesamt,
glaub ich, dreieinhalb Wochen
das erste Mal dort.
Mhm. - Und, ja, das war sehr,
sehr spannend und sehr schön.
War er aufmerksam, Ihnen gegenüber?
- Ja.
Viel aufmerksamer als andere Männer,
die ich so in meinem Leben
kennengelernt hatte.
Das hat mich auch fasziniert.
Es gab aber auch Situationen,
die die Möglichkeit
dazu gegeben haben.
Wir waren auf einer Wanderung,
zum Beispiel,
zu einer Rentierfarm seines Bruders.
Irgendwann steckte ich mit
den Gummistiefeln im Schlamm fest.
Ich hab die Gummistiefel
nicht mehr rausgekriegt.
Ich bin da nicht mehr rausgekommen.
Er hat mich einfach genommen,
rausgehoben,
auf was Trockenes gesetzt.
Dann hat er im Schlamm
meine Gummistiefel ausgebuddelt.
Hat sie mir wiedergegeben.
Solche Sachen, da war nicht:
"Ich zieh dich da raus"
"Nein, ich helf dir richtig."
Das waren so Sachen,
die haben mich beeindruckt.
Toll, wie Sie uns teilhaben lassen.
Möchte ich auch mal sagen.
Er hatte ja auch eine große Familie,
zehn Geschwister.
Wie sind Sie
von denen aufgenommen worden?
Großartig.
- Ja?
Ja, ich gehörte, also, in diesem
Sommer und auch im nächsten Winter
gehörte ich tatsächlich zur Familie.
Das war ... Also ...
Diese Frau kommt zu unserem Bruder.
Und das ist toll.
Ich bin überall
mit hingenommen worden.
Auch das,
was ich mir gewünscht hatte,
dass man dieses Leben kennenlernt.
Ich durfte überall teilnehmen.
Ich durfte
in der Taiga Pilze sammeln,
immer mit der Angst,
ich verliere die Familie
und finde hier nie wieder raus.
Es war wirklich
ein ganz anderes Leben,
ein sehr naturverbundenes Leben.
Es waren ganz herzliche Menschen,
es war wunderschön.
Und wie war dann der Abschied?
Der war merkwürdigerweise
wie unter so einer Käseglocke.
So habe mich gefühlt.
Wir haben nicht richtig
darüber gesprochen, was wir tun.
Wir hatten Träume, aber wir wussten,
dass das alles
kompliziert werden wird.
Wir haben eigentlich
an dem Tag des Abschieds
gar nicht mehr darüber gesprochen.
Er hat mich zu einem Zug gebracht,
ich bin losgefahren.
Ich wusste,
irgendwie geht das weiter,
aber wie, wusste ich nicht.
Im Endeffekt ging es
erst mal weiter wie davor.
Also mit täglich
dreimal anrufen, schreiben.
Äh ... ja.
Was sagen Sie in der Runde,
wenn Sie das hören? Frau Anton?
Mutig, sich darauf einzulassen?
Ja, ich find
vor allem beeindruckend,
dass Sie für dreieinhalb Wochen
hingefahren sind.
Hatten Sie Angst, dass es
nicht doch komisch werden könnte?
Und was da auf Sie zukommt?
Also, Angst, glaub ich,
wär das falsche Wort.
Ich hab ab und zu mal so überlegt:
Was mach ich, wenn der nicht da ist?
Oder was mach ich,
wenn ich den doof finde?
Wenn das alles
nur am Computer klappt?
So Gedanken
hab ich mir schon gemacht,
hatte dann immer so einen Plan B.
Dann suchst du das Hotel.
Es war kein Hotel,
sondern ein Gästehaus.
Dann suchst du das und guckst,
ob du ein Zimmer kriegst.
Es waren aber alles Dinge,
die gar nicht eingetroffen sind.
Also hab ich sie
schnell wieder vergessen.
Wenn Sie sich vorstellen würden,
Frau Ringwald,
Sie verlieben sich in jemanden.
Der kommt aus Sibirien.
Was sind Fragen, die Ihnen
durch den Kopf gehen würden?
Wie sieht das alltägliche Leben aus?
Es gibt ja auch ein Leben -
nicht nur in den dreieinhalb Wochen.
Es gibt ja auch
ein alltägliches Leben.
Das wäre für mich, glaub ich,
ein ganz wichtiger Punkt.
Weil, ja, kann man immer nur
in dieser Bubble leben,
von einer Art Urlaubsstimmung?
Wär vielleicht mein Gedanke dazu.
Waren das auch Ihre Gedanken?
- Ja.
Das war auch der Grund,
warum ich hinfahren musste,
warum ich schauen musste,
wer er wirklich ist und wie er lebt.
Bei dem Wort Sibirien denken wir
immer wirklich nur an Taiga, ne?
Und an einsame Hütte im Wald.
So ist das nicht. Es ist ein kleiner
Ort, der aber 5.000 Einwohner hat.
Da gibt's & 'ne Schule,
da gibt's ein Krankenhaus,
die Geschwister
haben alle einen Beruf.
Das Leben wär gar nicht s- ...
stimmt natürlich auch nicht,
aber so viel anders
wär's jetzt auch nicht. - Mhm.
Und als ich dann mehrfach dort war,
hab ich dann tatsächlich so eine Art
Plan gehabt und dachte,
man könnte es versuchen -
ein halbes Jahr dort,
ein halbes Jahr in Deutschland,
dazwischen muss jeder seins machen.
Weil umziehen richtig und
dort für immer leben, das glaub ich,
war damals auch nicht möglich.
Meine Kinder waren zwar erwachsen,
aber auch nicht so, dass ich sage,
die brauchen mich nicht mehr.
Wollt auch bei denen sein,
meine Arbeit weitermachen.
Ich hätte mir so was vorstellen
können, dass man, ja, das teilt.
Sie reden im Konjunktiv.
Warum hätte?
Weil es nichts geworden ist.
Weil? Hatte er nicht den Mut,
das weiterzudenken?
Hatten Sie nicht den Mut?
Wie würden Sie das beschreiben?
Er hört mich ja nicht.
Also, er hatte nicht den Mut.
Er hatte nicht den Mut.
Ich hätte das wohl
sofort ausprobiert.
Ich weiß nicht,
wie lang es funktioniert hätte.
Das waren aber Dinge, das ist das,
warum ich so gern
von der Geschichte erzähle.
Es hat mir ganz viel gebracht.
Ich bin viel, viel mutiger geworden.
Hab danach noch ganz viele Reisen
nach Sibirien gemacht.
Manchmal hab ich ihn getroffen,
manchmal nicht.
Hab viele Leute kennengelernt
und ...
ich glaube,
es ist gar nicht immer wichtig,
was aus einer Anfangsliebe wird.
Also, es muss nicht immer
das werden,
was so klassisch in meinem Kopf war.
Das muss es gar nicht sein.
Also diese Beziehung
hat mir so viel gebracht.
Nicht nur dieses Bücherschreiben,
was ich mir wohl sonst
auch nicht zugetraut hätte,
weil ich was zu erzählen hatte.
Lesungen damit machen.
Hier zu erzählen,
das sind ja alles Dinge,
die mir dadurch passiert sind.
Und ... so geliebt zu werden
auf eine ...
vielleicht auch nur
für eine gewisse Zeit.
Das war einfach so großartig,
dass ich sagen würde,
ich würde nichts davon hergeben,
keine Sekunde.
Schön zu hören.
Herr Wagner ...
vor welchen Herausforderungen
stehen Fernbeziehungen?
Nun ist die besonders fern,
aber trotzdem.
Wir haben ja grade gehört,
es gibt nicht nur Herausforderungen,
sondern erst mal auch viel Abenteuer
und ganz viele wunderbare Aspekte.
Das haben Sie ja
ganz toll geschildert.
Aber die Herausforderungen
klangen ja auch an.
Also in Ihrem Fall noch mal
auch zwei Kulturen,
die da aufeinandergetroffen sind.
Kann bereichernd sein, aber auch
Herausforderungen mit sich bringen.
Und grundsätzlich ist da natürlich
viel zu organisieren.
Sie haben ja auch schon angefangen,
so eine eigene Struktur zu suchen
oder in die Zukunft zu denken,
wie könnten wir uns arrangieren,
in welchem Abstand treffen wir uns.
Ähm, ja, und das ist einfach schon
etwas, wo viel Absprachebedarf ist.
Haben Sie denn noch Kontakt zu ihm?
- Ja.
Ja? Wie häufig so?
Das schwankt, aber im Moment
ist es grade wieder sehr viel.
Wir schreiben nicht mehr
so emotional,
weil wir schon irgendwann
verstanden haben,
dass sein Mut nicht ausreicht,
um so eine Beziehung
dort und hier zu führen.
Hat es auch was Praktisches gehabt,
dass er nicht wusste,
was er hier arbeiten soll?
- Ja, das hatte auch solche Gründe.
Ich würd sagen, es spielen immer
ganz viele Dinge mit rein.
Ja, aber wir schreiben uns,
grade im Moment wieder fast täglich.
Und Sie wissen, da gibt's 8.000
Kilometer entfernt jemanden,
da verbindet mich was,
da gibt's ein Band? - Ja.
Ja? Bindet Sie dieses Band?
Das werd ich oft gefragt, auch:
Behindert es mich vielleicht?
Mhm.
Behindert es mich,
hier jemanden kennenzulernen?
Ich glaube, nicht mehr.
Das gab's.
Weil die Emotionen so groß waren,
dass ich doch gerne mit ihm
mehr Zeit verbracht hätte
und nicht mit irgendjemand anders.
Aber heute ist das anders.
Ich glaube, es wird mich
bis an mein Lebensende
in irgendeiner Form begleiten,
das wird ein ganz wichtiger Teil
meines Lebens sein.
Aber es würde mich
nicht mehr daran hindern,
jemand anders kennenzulernen.
- Vielen Dank, Frau Wulf.
Alles Gute weiterhin.
(Applaus)
Selbst, wenn's keine
Partnerschaft geworden ist,
sie haben ... einen wertvollen
Menschen gefunden. - Ja.
Frau Anton,
wir haben schon angedeutet,
Sie führen auch eine Fernbeziehung.
Sie sind ja noch zusammen,
offensichtlich gelingt da auch viel.
Aber was, würden Sie sagen,
vermissen Sie auch?
Den Alltag.
- Den Alltag, mhm.
Auf jeden Fall.
Grade, wenn man doch mal nach einem
sehr harten Tag nach Hause kommt,
und dann ist da niemand.
Ein Vorteil ist,
bei schlechter Laune
muss ich nichts erklären,
mich nicht entschuldigen.
Ich kann mich zum Fernseher
setzen und hab meine Ruhe.
Aber es ist auch manchmal
wahnsinnig schön,
wenn einfach jemand da ist,
wenn man kommt,
der vielleicht schon
was gekocht hat.
Ich kann jetzt dank der Pandemie
viel Homeoffice machen,
hab dann von München
einen Termin wahrgenommen,
hatte 500 Kilometer Autofahrt
an einem Tag,
war dann entsprechend auch erledigt,
als ich zurück nach Hause kam.
Und dann stand er da in der Küche,
hatte schon angefangen zu kochen.
Herrlich.
Und ich fand, es ist so schön, wenn
man auch im Alltag aufgefangen wird
und das nicht nur über Telefon
und Textnachrichten auffangen muss.
Frau Eigenmann, bei Ihrem Mann
war's so, dass er früher öfter mal
auch in Norwegen gearbeitet hat.
- Ja.
Wenn er dann nicht da war,
war das eher eine Belastung
oder eher eine Bereicherung
für Ihre Beziehung?
Eher eine Bereicherung,
weil das war ja nicht Alltag.
Das war ja nur ab und zu.
- Ja?
Was würden Sie insgesamt sagen,
was tut einer Beziehung
vielleicht auch gut,
wenn man nicht ständig
aufeinanderhockt?
Man freut sich definitiv wieder
aufeinander.
Ein Alltag kann auch belastend sein.
Definitiv.
Und wenn man das mal ein bisschen
auflockert, wie in dem Fall,
dass der Partner vielleicht auch mal
auf eine Geschäftsreise geht,
ja, dann denkt man wieder anders
über einander,
es gibt ein bisschen Luft.
Frau und Herr Ehrentraut, Sie sind
schon ganz schön lange zusammen.
Ja.
- Über fünf Jahrzehnte.
Wenn Sie das so hören:
Beziehung, Fernbeziehung
mit einer großen Distanz -
wär das für Sie vorstellbar?
Katastrophe.
(Lachen)
Nein, also, das könnt ich mir
wirklich ned vorstellen. - Nee?
Wir sind wirklich immer zusammen.
- Immer?
Ja. Und es ist für uns
eine Bereicherung.
Weil wir sind ziemlich
unterschiedliche Persönlichkeiten.
Wir haben oft auch einen Kampf
miteinander. - He ...
(Lachen)
Aber genau das
macht's auch spannend.
Also, ich hab da
überhaupt kein Problem,
und ich könnt mir jetzt das
gar ned vorstellen.
Wie lang sind Sie jetzt verheiratet?
Wir sind im Mai 53 Jahre verheiratet
und 54 zusammen.
55!
(Applaus)
Und wenn Sie das so sagen,
Sie können sich gar nicht vorstellen,
nicht beieinander ... wie viel Tage
waren Sie dann getrennt voneinander?
Ja, Moment. Das war so.
(Lachen)
Wir waren einmal, wo ich in
Deutschland ... ich wollte ...
wir sind ja Österreicher,
und ich wollte immer in Deutschland
arbeiten. - Ja.
Aber nur,
wenn ein Mädl mit mir mitgeht,
ich wollt ned allein daher.
Ned weil ich Angst hatte,
sondern ich wollt einfach
mit meinem Mädl daher.
Das ist dann so gekommen, und da
waren die ersten vier Wochen,
das war mir klar, da musste ich
eine Wochenendehe führen.
weil die Chefin für mich
eine Wohnung gesucht hat.
Also für uns.
Aber das heißt,
das ist schon ganz lange her,
dass Sie da mal getrennt waren.
- Ja.
Man muss wissen, Sie haben
sich kennengelernt, da waren Sie 15?
Ja. - Können Sie sich noch
an den ersten Abend erinnern?
Ja.
- Wie war das?
(lacht:) Unvergesslich.
Ja, erzählen Sie.
Wir waren in einem Tanzlokal,
wir haben uns beim Tanzen
kennengelernt. - Ja.
Ich war mit meiner Schwester da,
allein durfte ich ja ned.
Und er war mit seinem Kumpel da.
Und zuerst hat er ja
meine Schwester angebaggert.
Ach ja?
(Kichern)
Das vergisst sie nicht.
Dann hab ich zu ihm g'sagt,
die ist verheiratet.
Dann hat er sie gelassen
und ist zu mir gekommen.
Und es war so lustig,
wir haben getanzt, uns unterhalten.
War sehr nett, schön, und haben uns
am nächsten Tag verabredet.
Im Schwimmbad.
- Im Schwimmbad?
Und nach ...
haben wir uns unterhalten,
und nach einer Stunde hat er gesagt:
"Wir zwei heiraten,
da gibt's gar nix."
Hab ich mir gedacht, na ja, mit 15
denkt man noch ned ans Heiraten.
Aber die Wochen danach
haben wir schon gemerkt ...
wir zwei passen irgendwie zusammen.
War das wirklich so, dass Sie das
so schnell auch empfunden haben,
dass Sie im Schwimmbad
das so gesagt haben?
Ja, das war ganz komisch, ich kann
Ihnen die Frage nicht beantworten,
warum, sondern das war so,
ich hab einfach das Gefühl gehabt,
das ist die Frau, wo ich such.
Ja?
Ja, herrlich.
Sie sind ja dann auch richtig
durchgebrannt.
Ja, aber das Problem war ja nur,
das Problem war ja nur,
weil sie da jetzt verzählt hat,
sei jetzt ned bös, aber ...
(Lachen)
Ich wollte erst mit ihrer Schwester
da ein bissl anbandeln, ja,
weil ich gesehen habe, die Schwester
war, glaub ich, da 18 oder 19,
sie war 15,
das hat man natürlich auch gesehen.
15 heißt minderjährig,
ich war ja volljährig.
Ja.
Und zu meiner Zeit
war man erst mit 21 volljährig.
Und ich hab mit meinem Freund
an der Bar
seine Volljährigkeit gefeiert
an diesem Abend.
Das ist auch nicht so ohne.
Sie sind ja dann durchgebrannt,
das ist ja auch ein Riesenskandal.
Es war ganz schwer, wir sind dann
einfach drauflos, ohne Ziel, wohin.
Wir haben Autostopp g'macht,
sind dann in Innsbruck gelandet.
Und dann: Wo übernachten wir?
- Ja.
Wir haben ...
gesucht und gesucht,
weil es nimmt uns niemand.
Weil damals war das Kuppelei.
Und Sie sind dann erst
ein Jahr später zurück,
da waren Sie schwanger?
- Genau.
Noch ein Jahr später
kam der zweite Sohn. - Ja.
Also, es war ein turbulenter Start,
kann man sagen.
Das sind lauter so Sachen,
wo nicht geplant sind.
Ja, es passiert.
Würden Sie denn sagen,
würden wir alles genauso machen?
Also ich für mein Teil,
ich würd alles genauso machen.
Es war ned immer leicht,
wir haben schwere Zeiten hinter uns,
aber es war, es ist schön,
und wir haben wunderbare Zeiten
erlebt miteinander.
Also ganz toll.
Toll war halt ...
Irgendwann wollten Sie dann ja auch
heiraten,
und Sie haben ja schon gesagt,
Sie waren minderjährig.
Man muss dazusagen, Ihre Eltern
waren auch früh verstorben,
Sie hatten einen Vormund,
und der wollte das nicht so.
Der war schlimm.
- Der Vormund war ...
na ja, ich will mich jetzt
da nicht so grob äußern,
aber das war der Allerletzte.
(Lachen)
War grob genug.
Es war nämlich so,
die Chefin war etwas ...
etwas sehr gläubig
Und die hat extra wegen uns,
weil sie keine Wohnung gefunden hat,
ist sie hergegangen und hat
eine Eigentumswohnung gekauft,
und das war ja schon der Hammer,
da haben lauter Steuerberater,
Fabrikanten und lauter so Leute
drinnen gewohnt.
Und im vierten Stock
hat der kleine Ehrentraut,
der Drucker von Beruf ...
- Mhm.
Und die hat die Wohnung
als Geldanlage gekauft,
hat aber gesagt, da ziehen wir
nur ein, wenn wir verheiratet sind.
Ja. - Oh lieber Gott.
Kein Geld und so weiter.
Wie haben Sie ihn dann dazu gekriegt?
Dann haben wir g'sagt,
jetzt müssen wir was machen.
Wir haben dem Vormund g'sagt,
wir möchten heiraten.
Ich hatte schon ein Kind,
war wieder schwanger.
Dann hat er g'sagt,
nein, du bist zu jung,
da wird nicht geheiratet.
Dann sind wir raus, der hat
eine Anwaltskanzlei gehabt,
sind wir da raus
und haben ausg'macht,
jetzt gehen wir wieder rein
und wenn er nicht zusagt,
dann bleib ich hier,
mit meinem kleinen Sohn,
der nächste kommt bald,
und er muss für mich sorgen.
Das haben wir g'macht,
dann hat der ruck-zuck
eine Drehung g'macht,
und wir durften heiraten.
(Lachen)
Ziemlich raffiniert, muss man sagen.
Das wollte er dann doch nicht,
die Verantwortung übernehmen.
Über Ihr Leben kann man natürlich
ganz, ganz viel reden,
Sie haben Jahrzehnte spannende Jahre
erlebt. - Wir könnten ...
Ihre Söhne waren so acht, neun,
da haben Sie eine gemeinsame
Leidenschaft entdeckt.
Genau, die Kinder waren so weit,
dass wir g'sagt haben,
jetzt könnten wir auch mal was
für uns machen.
Ich hatte es schön,
durfte daheim sein bei den Kindern,
aber jetzt wollten wir
was Gemeinsames machen.
Und dann hab ich gedacht,
Tanzen wär toll,
das war immer schon
meine Leidenschaft.
Welche Richtung?
Standard und Latein mag er nicht.
- Oh!
(Lachen)
Und dann hab ich gesehen,
die Tanzschule bietet
einen Rock'n'Roll-Kurs an.
Hab ich g'sagt,
da gehen wir jetzt hin.
Ein Freund von ihm
hat das auch g'macht.
Mit denen sind wir hin.
Und das hat uns
so viel Spaß g'macht,
dass wir in einen Klub eingetreten
sind, dann Turnier getanzt haben.
Das war dann voll die Leidenschaft,
das war einfach toll.
So ein Lebensgefühl?
- Es war ein Lebensgefühl,
die Musik war da, wir haben dann
die 50er-Jahre-Szene kennengelernt.
Sie haben auch zu Hause
so eine Einrichtung?
Ist alles bei uns so
in die Richtung.
Wir sind auch immer so ein bissl
gekleidet in die Richtung. - Ja.
War einfach für uns beide
ein ganz tolles Hobby.
Wie wichtig können
so gemeinsame Leidenschaften
auch für eine Beziehung sein?
Ja, wir hören das ja grade -
ungemein wichtig.
Ganz wichtig.
Ich find halt,
so wie's bei uns jetzt ist ...
Dadurch, dass wir ja ned nur
abg'haut sind von daheim,
sondern wirklich
auf uns gestellt waren,
wir haben ja keine Verwandten
in Deutschland,
und da war's für mich wichtig,
dass wir miteinander etwas machen,
wo uns Spaß macht.
Und am Anfang haben wir die Kinder
mit ins Training genommen,
und dann, wo wir angefangen haben
zum Turniertanzen,
haben wir sie zum Turnier
mitgenommen,
und so hat sich das dann ergeben.
Wir haben dann sogar
viel Erfolg gehabt.
Auf jeden Fall, wir haben
so viel schöne Sachen erlebt.
War das auch ein Kitt, wenn's mal
nicht so gelaufen ist? - Bitte?
Wären Sie auch zusammen, wenn Sie
nicht zusammen tanzen würden?
Auf jeden Fall.
- Schön.
Das kann ich Ihnen jetzt ned sagen.
(Gelächter)
Aber ich glaub schon.
Dann hätten wir vielleicht
ein anderes Hobby.
Tanzen war aber schon wichtig,
hör ich raus.
Ist schon wichtig für uns, ja.
Was lernen Sie beim Tanzen
über die Beziehung oder übers Leben?
Also, das Tanzen ist etwas, was ...
Man hat einmal eine schlechte Zeit
oder einen schlechten Tag,
und du gehst tanzen,
powerst dich aus,
dann geht es nachher wieder viel
leichter, man entspannt einfach.
Obwohl es anstrengend ist,
aber anschließend, nach dem Tanzen
ist wieder alles wunderbar,
weil man kann abschalten.
Sie tanzen ja schon seit Jahrzehnten
gemeinsam durchs Leben.
2017 gab's dann einen
Veteranen-Tanzwettbewerb.
Und da hat jemand gefilmt.
Und Sie wussten das gar nicht.
- Ja.
Aber dieser Film ging viral,
und innerhalb von Tagen
wurde der millionenfach angeschaut.
- Ja.
Das ging wirklich durch die Decke.
- Ja.
Und wir sollten alle mal sehen,
wie das aussieht,
wenn Sie richtig loslegen.
(Flotte, beschwingte
Rock 'n' Roll-Musik)
(Musik: "Down the Road Apiece"
von The Refreshments)
♪ If you want to hear boogie
like I'm gonna play.
♪ It's just an old piano
and a knockout bass.
♪ The drummer man's a cat
they call Charlie McCoy.
♪ You know, remember
that rubber-legged boy?
♪ Mama's cookin' chicken fried
and bacon grease.
♪ Come on with the boys
down the road apiece.
♪ Down the road apiece.
- ♪ There's a jumping place.
♪ Down the road apiece ...
(Jubel)
(Applaus im Studio)
Ja.
Was sagen Sie in der Runde?
Respekt, oder?
Wahnsinn.
- Ja, das ist ...
Chapeau.
- Respekt.
Wie ist das?
Ich mein, Sie kriegen Applaus,
Sie kriegen diese Reaktionen.
Genießen Sie das auch,
was da alles zurückkommt?
Ja, also es war so toll.
Nach diesem viral gegangenen Video
haben wir Zuschriften gekriegt
aus der ganzen Welt.
Aus Ländern, wo man gar nicht denken
würde, dass sie ...
Iran, Bangladesch
und weiß ich wo überall her.
Und lauter positive.
Also, ich hab,
ich wüsst nicht eine negative ...
Nachricht. Und heute noch.
Es wurde wirklich überall, überall
gesehen und überall wahrgenommen.
Und dann kam irgendwann auch eine
Filmcrew auf Sie zu von Ed Sheeran.
Ja. - Die haben
bei Ihnen zu Hause gedreht.
Sie tauchen da auch
in einem Video auf. Ja.
"Put It All On Me"
- Genau.
Und wie war das denn,
als die sich gemeldet haben?
Wussten Sie, wer das ist, Ed Sheeran?
- Äh, das war die Blamage.
Also, ich kannte die Lieder,
aber Ed Sheeran - keine Ahnung.
(Vereinzeltes Lachen)
Er hat ja schöne Lieder. Ja.
- Ja.
Und ...
- Ist ein Weltstar.
Ist ein Weltstar, genau.
- Ja.
Und er hat ...
Das ist doch ein Witz.
Ich hab zu ihr gesagt,
das kann jeder sagen:
"Ich bin ein Weltstar."
(Lachen)
Ja, es ist ...
- Es war überraschend.
Ihr müsst euch das so vorstellen:
Wir sind normale Leute, Arbeiter.
Gut, wir tanzen gern und so.
Jetzt ruft da jemand an:
"Ja ... Ed Sheeran hat ...
anscheinend das Video gesehen
und möchte uns gern
auf seinem Musikvideo haben."
Und ... ja, wer ist Ed Sheeran?
(Lachen)
"Er ist ein Weltstar."
Ja, klar. Ein Weltstar.
Das kann jeder sagen.
- Wir auch, ne.
Ja, wir haben uns ... Also, ich hab
mich da ein bisschen lustig gemacht,
weil ich das nicht glauben wollte.
Es war eigentlich unglaubwürdig.
Ja, wir alten Leute
beim jungen Ed Sheeran.
(Lachen)
Ja, aber der war dann
tatsächlich am Hockenheimring,
und da waren über 100.000 Zuschauer.
Und am Mittwoch -
also, das war am Samstag -
am Mittwoch waren sie bei uns daheim
und haben das gefilmt.
Und das war auch so was.
Ich hab mir da nichts draus gemacht,
ich hab gesagt,
weil sie gesagt haben, sie kommen:
"Ja, gut. Dann kommen sie"
Morgen, Mittwoch, kommt ein Anruf:
"Ja, wir sind in Stuttgart gelandet,
wir sind um vier Uhr nachmittags
da."
Mm, prima.
Dann sind die tatsächlich gekommen,
haben den Film gemacht
in unserem Wohnzimmer.
Wie wir da tanzen und so.
Ha, jetzt ist es
auf dem Video drauf.
Es war ...
(Lachen)
Wunderbar. Gratulation.
- Es war sensationell.
(Applaus)
Jetzt sagen Sie mal ... wir reden
ja heute über Nähe und Distanz
und wie viel Distanz
verträgt die Liebe.
Hätten Sie denn manchmal schon
so ein Gefühl, wenn Sie sagen,
sie sind immer zusammen:
"Ach, ich hätte hier gern
ein bisschen mehr Freiraum."
Nee, gar nicht?
Also ich gar nicht.
Weil viele sagen: "Oh, du bist immer
mit dem gleichen Mann zusammen,
du hast was versäumt."
Aber das empfind ich nicht so.
Wir haben ein
wunderschönes Leben zusammen gehabt.
Wie gesagt, nicht immer einfach.
Aber ich liebe das so,
wir sind zusammen,
wir haben das Hobby zusammen.
Wir haben viele Gemeinsamkeiten.
- Das ist eigentlich so ...
Er ist immer ein bisschen vorlaut.
(Lachen)
Ich hab halt ...
(Lachen, Applaus)
Ich hab halt nie verstanden ... und
das begreif ich auch heute nicht,
dass, wenn zwei ... Leute
oder ein Paar zusammen ist,
dass ich nicht dasselbe mit ihr
erleben soll wie sie mit mir.
Jetzt stellt euch einmal vor,
man lernt sich kennen.
Und dann steht sie - weil später,
der Alltag ist ein bisserl anders -
sie steht nur am Herd, sie kocht,
sie hat Kinder, sie passt auf.
Und ich, ja, ich schaff acht Stunden
und abends geh ich dann
vielleicht einen trinken
oder zum Frühschoppen
und so am Sonntag.
Ja, das ist doch nicht ...
Das ist doch eigentlich ...
Ich helf ja auch manchmal
im Haushalt mit.
Und ich weiß, wie nicht gut das ist,
der Haushalt.
Deshalb find ich das ...
Die Betonung war auf manchmal,
hab ich rausgehört.
(Lachen)
Nee, er macht ganz viel.
Er macht viel?
- Ja, ja.
Weil wir
bei diesem Thema sind.
Paare, die immer zusammen sind,
die alles teilen,
sogenannte symbiotische Beziehungen.
Was sind da Chancen
in solchen Beziehungen,
aber wo sehen Sie vielleicht
Risiken?
Ja, also ich glaube,
die Chancen haben wir gerade gehört.
Ihnen beiden liegt das.
Und das ist ja was
total Individuelles.
Ob und wie viel Freiraum ich
brauche.
Oder ob ich mich wohlfühle.
Ich finde, in dem Moment,
wo sich ein Paar wohlfühlt,
muss da auch nichts verändert
werden. - Mhm.
Es gibt natürlich schon auch so ...
destruktive Symbiosen,
wo vielleicht Menschen
zusammen sind,
weil da vielleicht eine Sorge
mit einhergeht:
"Ich kann nicht alleine sein,
oder ich brauch das gegenüber,
sonst kann ich in meinem Leben
nicht glücklich werden."
Das würd ich aber immer
im Einzelfall betrachten.
Das kann manchmal wunderbar
und konstruktiv funktionieren.
Und manchmal gibt es eben
diese destruktiven Fälle.
Wollen und können Sie sich
ein Leben ohneeinander vorstellen?
Nee.
- Nee.
Naa, also ...
- Also ...
Wissen Sie, das ist so:
Wir, wir tanzen
nicht nur miteinander,
sondern wir gehen zurzeit dreimal
in der Woche ins Fitnessstudio,
weil wir eine Kondition brauchen
zum Tanzen.
Und das ist einfach, dass wir das
miteinander machen muss,
sonst funktioniert das nicht.
Und wir haben zum Beispiel,
wir beide ...
Was wir beide erlebt haben,
das war nicht nur schön,
sondern wir haben beide was davon
gehabt. - Ja.
Sie kann nie sagen:
"Ah, du warst dort, du warst da."
"Ich war nicht dabei."
Das gibt's nicht.
Wir waren von Amerika
bis weiß ich wo.
Wir haben durch das Rock 'n' Roll,
Boogie-Woogie
die ha- ... also fast die halbe Welt
kennengelernt.
Was ist ihr Geheimnis
über die Leidenschaft hinaus,
was würden Sie sagen,
Frau Ehrentraut?
Was ist das Geheimnis?
Also, wenn man sich liebt und gern
hat, ist es wichtig,
dass man Respekt voreinander hat.
Dass man auch demütig ist.
Man muss nicht immer "ich, ich,
ich";, sondern man muss ...
Also ein Geben und Nehmen.
Und es ist auch jeden Tag Arbeit.
Weil wir sind schon
ziemlich unterschiedlich.
Und da kracht es auch mal.
Aber das muss man auch ...
verkraften
und muss das miteinander ausmachen,
dass das wieder gut wird.
Man hat mal einen Krach.
Aber dann muss der auch wieder ...
gut sein
und dann muss man das vergessen,
was war.
Nicht dann fünf Tage später sagen:
"Du hast das und das gemacht."
Das ist bei uns nicht,
das ist mehr ...
Bei uns kracht es schon.
Wenn du horchen würdest,
dann hätten wir keinen Krach.
(Lachen)
Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall
durch alle Krachs
und alle schwierigen Situationen
hindurch
einen schönen weiteren,
gemeinsamen Tanz durchs Leben.
Danke an Sie beide.
- Danke schön.
(Applaus)
Kommen wir ...
Kommen wir wieder zu einem
ganz anderen Lebensentwurf,
zumindest was Nähe und Distanz
angeht.
Und Sie können sehr neugierig sein,
denn Sie haben ja gesagt,
Sie können sich manches
nicht vorstellen.
Vielleicht ja gleich.
Frau Ringwald, Sie und Ihr Ehemann
Jörg haben Zwillinge zusammen,
aber Sie leben
nicht unter einem Dach.
Ganz bewusst nicht.
Warum, das erfahren wir noch.
Aber besonders ist bei Ihnen auch,
Sie haben sich kennengelernt durch
die Datingshow "Bauer sucht Frau"
War das Ihre Idee, übers Fernsehen
die große Liebe zu suchen?
Erzählen Sie mal.
- Nein.
Es war die Idee meiner Mama.
- Aha.
Die hat eigentlich
für sich geschaut.
Da gibt's ja auch mal nettere,
ältere Herren.
Und, ähm ... wie Mütter so sind,
hat sie gesagt:
"Wenn ich deinen Mann sehe, den
richtigen sehe, dann weiß ich das."
Mütter haben das so in sich.
Und ich hab ihr
da auch immer vertraut
und an einem Abend waren wir
was essen,
sie druckste herum und sagte:
"Du, ich muss dir was sagen,
ich hab deinen Mann gesehen."
"Ja, wie,
du hast meinen Mann gesehen?"
"Ja, aber der ist im Fernsehen."
"Wie, der ist im Fernsehen?"
"Ja, der ist
bei 'Bauer sucht Frau'."
"Oh, Mama!"
(Lachen)
Hat sie gesagt: "Ja,
aber schau ihn dir an."
"Ich weiß doch, was dir gefällt,
was du magst."
"Und ich glaub,
der tät dir gefallen."
"Ja, okay."
Dann hab ich mir das
auf der Heimfahrt angeschaut.
Fand ihn gut, hab mich aus dem Bus
heraus übers Telefon beworben.
Und drei Tage später
rief die Redaktion an und ...
ja, da sitzt er.
(Lachen)
Herzlich willkommen bei uns.
- Hallo.
Ja. Ja.
(Applaus)
Sie haben ...
Sie haben damals ja
in Hannover gelebt,
Sie haben als Restaurantfachfrau
gearbeitet, kamen aus der Stadt.
Haben Sie an so was gedacht,
waren Sie bereit,
dieses Leben zu verlassen,
als Sie dort angerufen haben?
Nein, gar nicht.
Also, ich hab weder
darüber nachgedacht,
was es für Konsequenzen
haben könnte.
Weder positiv noch negativ.
Was es mit sich bringt,
was es mit sich zieht.
Was es für mein Leben
bedeuten könnte.
Da hab ich mir nicht eine Sekunde
Gedanken darüber gemacht.
Aus einer Blauäugigkeit einfach.
Ich war zu dem Zeitpunkt eh
festgefahren.
So kurz vor 30, ähm ... ja, single.
Da kann man der Mami, Mama mal
vertrauen. - Quasi.
Lässt man sich auf das Experiment
doch mal ein.
Ja, es war
eine willkommene Abwechslung.
Und ich bin zu dem Zeitpunkt
das Abenteuer gerne eingegangen.
Und wie war's dann, als Sie ihn
nicht nur irgendwie auf Videos,
sondern in Wirklichkeit
gesehen haben?
Das war schon ein Erlebnis.
Also, ich hab auf Videos einfach ...
Natürlich ist das was anderes.
Ein Mensch hat eine ganz andere Aus-
strahlung, wenn man ihn live sieht.
Und auf einmal direkt vor ihm
zu stehen, ähm ...
Ich hatte Mühe,
meine Gedanken zusammenzuhalten
und ein vernünftiges Hallo
rauszubringen.
So, so heftig?
- Ja.
Oh, wow.
- Ja.
Sie sind ja dann auch schnell
zusammengezogen.
Haben dann auch ein gemeinsames Haus,
gemeinsamen Hof gekauft.
Um uns das besser vorstellen
zu können:
Wie war dieses Dorf,
beschreiben Sie uns das mal,
wo Sie dann aus Hannover
hingezogen sind?
Also, das ist ein ganz kleines
Dörfle, wie man so sagt.
Das ist ein 700-Seelen-Dorf.
Ähm, wirklich ... jeder kennt jeden.
Man kennt sich, ja.
Das ... ist sehr, sehr schwierig.
Die Menschen sind auch
sehr eigen für sich.
Also, es ist ...
Ich aus der Stadt kenne
halt eine große Anonymität.
Ich hab da zum Schluss
in einem großen Mehrfamilien-,
Mehrparteienhaus gewohnt.
Dass das vielleicht zwölf,
16 Parteien drin waren.
Da kannte man sich gar nicht groß.
- Gar nicht.
Ich kannte nicht mal
meinen direkten Nachbarn.
Dort in dem Dorf kenn ich die
Hauptstraße mit Vornamen.
Das ist, ähm ...
- Ja.
Ja. - Wie hat das dann geklappt,
so die erste Zeit?
Eigentlich ganz gut.
Es war bedingt durch ...
ja, diese Art Popularität,
die wir dadurch hatten.
- Mhm.
Jörg war sowieso schon bekannt
im Dorf.
Auch ohne das Format.
Und dann kam das noch dazu.
Ähm, das hat es mir
eigentlich leicht gemacht,
weil jeder im Dorf kannte mich,
wusste wo ich hingehöre.
Ich musste mich
da nicht großartig anstrengen.
Haben Sie denn auch mit angepackt
auf dem Hof?
Ja.
- Ja?
Das schon.
Es hat mir Spaß gemacht.
Ich hab die Arbeit
mit den Tieren geschätzt.
Ich hab mit 15, 16 gesagt,
ich würd gern was mit Tieren machen.
Mhm. - So, und jetzt stand ich
dann da im Stall
und hab mich auf einen Bulldog
gesetzt
und hab versucht,
ihn zu unterstützen.
Was hat Ihnen sonst noch gefallen
an diesem Landleben? Was war anders?
Es war freier,
also im Gegensatz zu der Stadt,
die doch sehr bindend oder zwingend
in vielen Sachen ist.
Man kann dort auf dem Dorf
wirklich für sich sein.
Also, man kann einfach, ähm ...
ja, auf seinem eigenen Hof
ein Lagerfeuer machen.
Das ist nicht schlimm.
In der Stadt
muss man das genehmigen.
Selbst in einem Kleingarten
ist das nicht möglich,
einfach so mal schnell geschwind
ein Lagerfeuer zu machen.
Da geht so vieles durch.
- Ja.
Man guckt nicht so. Ja, mhm.
Also, wenn Sie das jetzt so sagen,
dann klingt das ja auch erst mal
sehr eng und gar nicht so weit weg,
wenn ich das so höre, von dem,
was Sie so gelebt haben.
Gemeinsam auf dem Hof, man schafft.
Nach zwei Jahren haben Sie dann
auch geheiratet. - Mhm.
Aber dann irgendwann ... ging es
in so eine Krise. Warum?
Ich sag mal so, das kam bestimmt
auch durch die Art und Weise,
wie wir uns kennengelernt haben.
Dadurch, dass es die erste Zeit
natürlich extrem aufregend ist.
Da sind Kameras,
ein Team um uns herum.
Ständig gab es etwas zu tun.
Kommt ein Team auf den Hof,
man hat etwas gedreht, man hat ...
Alle haben diese Liebesgeschichte
natürlich auch bewundert
und emporgehoben,
sodass halt wenig Zeit für ...
ja, für Persönliches war.
Ich hab das mit einer Art
Speeddating verglichen. - Mhm.
Dass man gemerkt hat:
Okay ... man hat nicht viel Zeit,
sich kennenzulernen.
Bedingt durch die Art und Weise.
Und das kam erst später.
Und als das ein bisschen
ruhiger wurde um uns,
auch nicht mehr so viel
Fernsehteams da waren,
dann kam man ja erst
in diesen Alltag.
Und dann ging das los, dass man
... Distanzen entwickelt hat.
Und was am Alltag
hat dann nicht so gepasst?
Ich glaube, für mich zu viel Nähe.
Das ist vielleicht
auch wieder das Dorf.
Dass dieses Leben auf dem Dorf ...
Das muss jetzt nicht dieses Dorf
speziell sein.
Das ist im Allgemeinen so, dass es
sehr viel Nähe mit sich bringt,
was ich so nicht gewohnt war.
Ich bin ein Einzelkind.
Ich bin es nicht gewohnt,
viel Nähe zu haben.
Ich war schon immer
sehr selbstständig.
Ich lebe, seit ich 18 bin, alleine.
Das war für mich ungewohnt.
Und tatsächlich, auch wenn wir
im gleichen Land großgeworden sind.
Der Norden und der Süden - es sind
nur 500 Kilometer, es sind Welten.
(Lachen, Applaus)
Und ...
Und wie würden Sie das sagen?
Waren Sie dann doch
die aus der Stadt?
Weil so ein Dorf, ich kenn das aus
verschiedenen Erfahrungsbereichen,
ist ja schon oft
eine eingeschworene Gemeinschaft.
Waren Sie dann doch irgendwann
mehr die aus der Stadt,
die sich vielleicht
für was Besseres hält?
Manchmal, ja.
- Ja?
Ja. Sei es, weil man vielleicht
eine Meinung hat, eine eigene.
Oder weil man anders aufgewachsen
ist, Dinge anders tut,
etwas anders handhabt.
Oder einfach sagt, was man denkt.
Kam das ... Kommt das
sehr schnell, dass es dann heißt:
"Ach, entweder hat sie Starallüren,
oder die meint,
die ist was Besseres,
die aus der Stadt."
Schade.
Ist garantiert nicht so gewesen.
Aber da reden dann die Menschen
leider anstatt mit einem
lieber über einen.
- Mhm.
Sie sind dann auch irgendwann weg.
- Mhm.
Kurzentschlossen
oder länger geplant?
Er schmunzelt schon
im Hintergrund.
Ja, wie ist das gelaufen?
Ahm, sicherlich ...
Also, ich will das nicht schönreden.
Natürlich, wenn so was kriselt,
gibt es nicht unbedingt
schöne Zeiten.
Das war natürlich dann
ziemlich schnell sehr unangenehm.
Dann stellte sich für mich
die Frage: Was machst du denn jetzt?
Brechen wir das komplett ab?
Gehst du weg?
Ja, canceln wir
diese Beziehung einfach?
Und in so einer Verzweiflungswut ...
man ist verletzt,
Liebe tut auch weh, mitunter,
hab ich gesagt,
ich muss hier erst mal weg.
Ich muss einfach ...
Ich brauch jetzt Distanz.
Wie weit sind Sie dann
weggegangen?
30, 40 Kilometer.
- 30, 40 Kilometer.
Ja.
- Einfach weg?
Einfach weg, ja.
- Wie war das für Sie?
Als sie dann weg war,
war das erst mal auch ein Schock?
Ja, das auf jeden Fall, ja.
Ja? Und haben Sie dann gedacht,
okay, jetzt muss was passieren,
sonst verlieren wir uns?
Oder wie war das damals für Sie?
Ja, das war schon ein ...
ein Schlag ins Gesicht so,
eigentlich.
Ja.
- Und dann hab ich auch vieles ...
verändern müssen.
Auch vom Hof her und alles,
und dann ist das ...
haben wir irgendwann die Distanz
doch wieder gefunden.
Sie sind ja dann erst mal auch
wieder zusammengezogen. - Mhm.
Aber es hat wieder
nicht funktioniert.
Warum nicht?
Erklären Sie es uns mal.
Hier sitzen ja zwei,
die sagen, es ist doch schön.
Jeden Tag zusammen.
Was gibt's denn Herrlicheres?
Jetzt erklären Sie den beiden
mal, warum es für Sie nicht so war.
Schwer zu sagen,
ich find's super.
Auch ich find's so
beneidenswert.
Ich wäre gerne so.
Ich kann das gar nicht leisten,
tatsächlich.
Nähe ist schön, ja.
Aber ich bin von meiner
Persönlichkeit her auch jemand,
dem das sehr schnell
zu viel wird. - Ja.
Nähe - ja, wenn ich es möchte.
Und wenn es mir zu viel wird,
muss ich auch gehen.
Dann brauche ich meine Tür,
die ich hinter mir zumachen kann.
Das hat nicht unbedingt
was damit zu tun,
dass wir beide
uns nicht verstehen.
Das tun wir schon.
Ahm ...
Aber es ist vielleicht für den
Moment oder dort an diesem Ort
mit all den Faktoren,
was es mit sich bringt,
manchmal nicht umsetzbar für mich.
Die Enge von außen?
- Ja.
Haben Sie viel voneinander gehabt
so am Tag?
Manchmal nicht.
- Bei so einerLandwirtschaft?
Ich denke, da ist viel zu tun.
Er schüttelt auch den Kopf.
Vielleicht war das,
was er meinte.
Haben Sie sich aufeinander
zu bewegt, dass mehr Zeit war?
Versucht. Wir haben versucht,
eine Date-Night einzuführen,
dass man sagt,
dieser Tag gehört uns.
Das ist auch nicht immer
umsetzbar.
Ein Leben mit Tieren
ist auch unberechenbar.
Das ist wie mit Kindern,
auch Tiere sind unberechenbar.
Auch da passiert was.
Da kann man fünfmal den Abend
seine Date-Night haben,
wenn die Kühe ausbrechen,
brechen die Kühe aus.
Dann muss man die einfangen.
- Dann gehen die Kühe vor.
Dann gehen die Kühe vor.
Das ist etwas, worauf,
glaub ich, kaum eine Frau,
die sich auf einen Bauern
einlässt, drauf gewappnet ist.
Was es heißt,
sich auf einen Bauern einzulassen.
Dann gehen Kühe vor.
- Man ist nicht die Nummer eins.
Auch wenn er jetzt bestimmt
den Kopf schüttelt. - Nee, nee.
(Lachen, Applaus)
Es ist schwierig.
- Ja. Ja.
Sie sind dann wieder auseinander.
Wie weit wohnen Sie denn heute
voneinander?
Circa 40 Kilometer.
- 40Kilometer.
Und wie oft sehen Sie sich dann?
Aufgrund der Kinder,
die wir jetzt haben,
sehen wir uns schon
sehr, sehr oft.
Er versucht, täglich da zu sein,
sofern es sein Dienst möglich macht,
sofern es der Hof möglich macht.
Und er Unterstützung
von seiner Family hat,
dass die Tiere versorgt sind,
versucht er sein Möglichstes,
dass er eigentlich
in jeder Minute da sein kann.
Was sind die Vorteile von
Fernbeziehungen vielleicht auch?
Na ja, das ist dann schon
etwas Besonderes,
wenn man aufeinandertrifft.
Das haben Sie ja auch
gerade benannt.
Es ist nicht so,
dass so schnell ein Alltag entsteht,
sondern ...
man verabredet sich bewusst,
man telefoniert vielleicht
bewusster,
man sieht sich über Video,
oder in Ihrem Fall,
Sie sehen sich täglich.
Aber es ist bewusst verabredet
und nicht so ein Nebeneinanderher,
was Sie auch erlebt haben,
als Sie auf dem Hof gelebt haben.
Ja, das stimmt.
- Ist es auch so ...
Man nervt sich ja auch zwischendurch.
Ich weiß nicht,
wie das bei Ihnen ist.
Der eine ist etwa unordentlich,
der andere nicht.
War das ein Faktor?
- Ich denke, auf jeden Fall.
Die Hausarbeit zum Beispiel.
In meiner Wohnung
bin ich der Herr.
Da kann ich sagen,
du brauchst hier nichts zu tun.
Das ist meine Wohnung,
da haushalte ich.
Im gemeinsamen Haus
ist das schon so, dass man sagt:
"Oh, jetzt leg das doch
nicht da schon wieder hin."
Man benimmt sich ja
selber auch anders,
wenn man bei dem anderen
irgendwo zu Gast ist.
Auch wenn sich das wieder
sehr distanziert anhört,
wenn man sagt:
";Du bist Gast bei mir."
Dennoch darf er sich
wie zu Hause fühlen.
Er hat auch nicht den Druck,
er muss hier im Haushalt mithelfen.
Wenn manche Beziehungen scheitern
wegen dieser Alltäglichkeiten,
kann man in einer Fernbeziehung
sagen,
da haben wir keinen gemeinsamen
Alltag, also Problem gelöst? - Ja.
Es gibt viele Menschen,
die das sehr schätzen.
Auch hier noch mal,
wie individuell das ist.
Also, manche Menschen können
sehr gut diese Distanz aushalten
und genießen das sogar
und sehen die Vorteile darin.
Wie ist es jetzt mit den Kindern?
Denken Sie dann schon manchmal,
ach, jetzt wär's doch gut,
wenn er mal ein bisschen unter
die Arme greifen könnte, da wäre?
Ja, natürlich.
Wobei ich aber denke,
dass das kaum einen Unterschied
machen tät,
ob ich jetzt bei ihm
mit im Haus wohnen würde oder nicht.
Weil arbeiten gehen
würde er ja dort auch.
Also, ich hätte, selbst wenn wir
zusammen fest leben würden,
hätte ich ja trotzdem die Zeiten,
die ich einfach alleine wäre,
weil er arbeiten wäre,
und das wär auch normal.
Klar gibt es diese Momente,
auch nachts,
ja, wo man sagt: "Oh, wär
jetzt schön, wenn jemand da ist."
Suchen wir eigentlich alle
immer wieder
so diese richtige Mischung
aus Nähe und Distanz?
Ja, tatsächlich.
Also, das ist in jeder Beziehung,
egal, ob Fernbeziehung oder nicht,
ein Thema.
Und die eigenen Grenzen setzen,
heißt ja auch,
selber zu entscheiden,
wann mach ich auf,
wann ist Nähe möglich,
und wann brauche ich auch Raum
für mich.
Und wie ist es heute,
würden Sie sagen?
Sie beide haben
die richtige Mischung gefunden?
Ich denke schon.
Ich beschreibe es gerne,
dass es eine Beziehung
auf einer anderen Ebene ist.
Wie auch Liebe
verschiedene Ebenen hat,
glaube ich, ist unsere Beziehung
für uns selber
in dem Moment
immer genauso richtig,
wie wir es für richtig halten.
Wenn wir Nähe zulassen und uns
sehen wollen, dann tun wir das.
Und wenn wir merken, okay, ist
gerade nicht so, dann lassen wir es.
Und es ist in meinen Augen
vielleicht gesünder, mitunter,
als wenn man sich halt
annerven würde, angehen würde.
So kann man die Reißleine ziehen
und sagen, ich gehe jetzt besser,
und morgen sehen wir uns
mit guter Laune wieder.
Ihnen beiden und der ganzen
Familie auf jeden Fall alles Gute.
(beide:) Danke.
- Danke, dass Sie da sind.
(Applaus)
Man sagt ja auch immer so schön,
egal, ob man eng zusammenlebt
oder ein bisschen distanzierter,
man muss gut streiten können.
Sie haben ja auch gerade gesagt:
"Wir streiten uns."
Können Sie gut streiten zusammen?
- (beide:) Ja.
Das ist so. Wir sind zwei
Menschen, die unheimlich ...
Wie soll ich sagen?
- Unterschiedlich.
Wenn wir ... wenn wir tanzen,
da will jeder der Bessere sein.
Oder der ...
Ja, das ist so.
Und da knallt es halt dann meistens.
Aber nach dem Training
ist das vorbei.
Aber können Sie gut tanzen,
wenn Sie gestritten haben?
Jaja, das ist nicht so schlimm.
(Lachen)
Wir streiten auch ab und zu
daheim.
Weil wir wirklich unterschiedlich
sind.
Aber man muss das Streiten auch
miteinander ...
aushalten, weil wie will man
sonst eine Beziehung führen?
Das ist ja ganz normal, wir sind
zwei unterschiedliche Menschen,
und da ist man nicht immer
einer Meinung.
Und das haben wir halt so
geregelt, dass ...
Da ist halt ein Streit,
aber es muss hinterher ...
muss man sich wieder versöhnen,
und dann muss das wieder gut sein.
Können Sie und Ihr Partner
gut streiten, Frau Anton?
Also, ich bin tatsächlich
sehr schlecht im Streiten.
Ich bin da nah am Wasser gebaut.
Das ist für keinen Streit
förderlich,
wenn man nach zwei, drei Minuten
in Tränen ausbricht.
Aber es hilft ja nichts.
Man muss dann irgendwie durch,
sich zusammen hinsetzen.
Vielleicht nehm ich mir irgendwie
mal fünf Minuten Zeit,
trockne die Tränen, dann muss man
die Sache weiter ausdiskutieren.
Können wir gut streiten lernen?
- Ja, absolut.
Wir hören von allen Beteiligten,
wie wichtig das ist.
Es geht auch nicht anders.
Wenn Menschen aufeinandertreffen,
treffen da auch unterschiedliche
Bedürfnisse aufeinander.
Tatsächlich gibt es auch Strategien,
wie man miteinander streiten kann.
Nämlich, indem man das
konstruktiv tut.
Also indem man nicht
verallgemeinert,
"Du Blödmann,
ich kann dich nicht leiden",
sondern sehr konkret benennt,
was stört jetzt gerade und was ist
auch eigentlich mein Wunsch.
Und wenn ich das zum Ausdruck
bringen kann,
dann bin ich erst mal bei mir
und gebe meinem Partner auch
die Chance, darauf einzugehen.
Streitet es sich leichter,
wenn man zusammen eng ist,
oder ist es egal?
Streitet es sich genauso gut,
wenn man Hunderte Kilometer ...
Ich befürchte, in beiden
Fällen gibt es Konflikte,
und in beiden Fällen gilt es,
die zu lösen.
Und manchmal hilft es da
bestimmt auch,
einen kleinen Abstand zu haben,
damit die Emotionen runterkochen.
Aber der Streit
will ja trotzdem gelöst sein.
Insofern sehe ich da
keinen großen Unterschied.
Sie und Ihr Partner leben ja
weiter voneinander entfernt
als Sie beide, aber deutlich näher
als Sie und Anatoli.
Nämlich Frankfurt und München,
so 400 Kilometer ungefähr.
Ja. - Ist aber auch nicht so,
dass man sagt,
ich komm auf 'nen Sprung vorbei.
Es ist ja schon
eine Fernbeziehung.
Sie haben sich kennengelernt,
da waren Sie 20.
Wie sind Sie sich nähergekommen
damals?
Wir waren lange
im gleichen Freundeskreis.
Und ich hatte mich dann auch
getrennt,
war auch mit einer anderen Person
aus dem Freundeskreis zusammen.
Die sind damit aber alle ganz
super umgegangen, haben gemeint,
wir können trotzdem
befreundet bleiben.
Dann hab ich da weiterhin
mit diesen ganzen Freunden
aus dem Freundeskreis
wahnsinnig viel Zeit verbracht.
Und da dann eben auch
mit meinem jetzigen Partner.
Mhm.
Und es war natürlich irgendwie,
wie es kommen musste,
ich wollte eigentlich gerade
ins Auslandssemester.
Und es waren wirklich so
die Wochen davor,
in denen wir uns auf einmal
irgendwie nähergekommen sind,
plötzlich uns auch mal alleine
getroffen haben.
Und irgendwie ganz viel geredet
haben und uns ausgetauscht haben.
Also, Sie haben gespürt,
da tut sich grade was.
Dann sind Sie, glaub ich,
auch ins Ausland gegangen, nach Rom.
Und dann, wie ging's dann weiter?
Es war schon in dem Moment,
wo wir uns verabschiedet haben,
bei der Umarmung, da wusste ich
schon irgendwie, da ist mehr.
Aber ich bin dann trotzdem
gefahren.
So ein Auslandssemester ist ja
auch eine Wahnsinnschance.
Ich hatte mich lang darauf gefreut,
noch mal die Sprache gelernt.
Dann haben wir ganz viel
geschrieben.
Wir haben uns Romane
auf WhatsApp geschrieben.
Ich glaub, da würden andere Leute
den Kopf schütteln.
Irgendwie solche Nachrichten,
mehrmals am Tag
haben uns irgendwie
ganz viel erzählt,
was jeder den ganzen Tag
erlebt hat.
Genau, er ist mich dann auch
besuchen gekommen.
Er ist gekommen?
- Ja.
Also nach Rom gekommen.
- Ja.
Wie war das für Sie?
Zu wissen: "Wow, der kommt jetzt
extra wegen mir."
War das auch noch mal so ein
nächster Schritt für Sie?
Ja, es war schon aufregend.
Man muss sagen, so weit ist es
ja zum Glück nicht nach Rom.
Trotzdem.
- Aber ja, es war aufregend.
Es war halt auch einfach schön
zu sehen,
dass jemand wirklich an einem ...
Hat mir auch noch mal gezeigt,
dass er an mir interessiert ist.
Wir haben einen Tag gebraucht,
um miteinander warm zu werden.
Dann war es aber irgendwie so ...
ich weiß nicht,
als würde kein Blatt Papier mehr
zwischen uns passen.
Irgendwann war
das Auslandssemester vorbei.
Sie sind aus Rom wieder
nach Deutschland gekommen.
Sie sind dann aber
nicht zusammengezogen.
Aber Sie haben
nah beieinander gelebt, oder?
Genau, wir sind im selben Ort
aufgewachsen.
Wo ist das?
- In Aschheim, im Landkreis München.
Und unsere Eltern wohnen auch
tatsächlich irgendwie
nur ein paar Hundert Meter
Luftlinie auseinander.
Und München ist ja einfach auch
ein teures Pflaster.
Wir wären damals auch gern
zusammengezogen,
aber es war einfach
eine Geldfrage.
Wir haben beide studiert
beziehungsweise waren
in der Ausbildung.
Und wenn wir dann sowieso schon
so nah aneinander waren,
dann wollten wir das eigentlich
aufschieben.
Und irgendwann kam dann der Moment,
über den reden wir ja jetzt auch,
dass Sie ein Jobangebot
bekommen haben. - Genau.
Ja. Also, Ihr Freund
ist Polizist in München,
und Sie haben ein Jobangebot
bekommen in Frankfurt.
Bei der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung, der FAZ.
Sie sind Journalistin.
War für Sie klar: "Das mache ich"?
Oder haben Sie erst noch mal
überlegt und gedacht,
was bedeutet das für die
Beziehung, wenn ich jetzt gehe?
Einen Moment überlegt habe ich
schon, als das Angebot kam,
aber auch vor allem,
weil ich auch gar nicht wusste,
ob ich mir selber einen Umzug
vorstellen kann,
mir vorstellen kann, ein neues Leben
in einer anderen Stadt anzufangen.
Dann natürlich auch so:
Was hält mein Partner davon,
unterstützt er mich?
Es war damals auch erst mal
nur ein befristeter Vertrag.
Dann war für mich
relativ schnell klar,
Journalismus ist eine Branche,
da muss man Ja sagen.
Wie war's dann,
als Sie plötzlich in Frankfurt waren?
Und nicht mehr so eng?
Ich war ja tatsächlich durch
diesen neuen Job total beschäftigt.
Das hab ich schon gemerkt, das
hat mich ganz gut beschäftigt.
Aber es war schon unter der Woche,
oder gar nicht unter der Woche
das Problem.
Da hab ich mich viel mit meinen
neuen Freundinnen getroffen.
Aber immer diese Abschiede,
wenn man sich am Wochenende sah,
diese Abschiede ...
Dann kam ich in Frankfurt an
und hab mich alleine
ins leere Bett gelegt.
Das war, das fand ich am Anfang
auf jeden Fall das Schlimmste.
Wie groß war auch die Erwartung?
Man sieht sich ja nicht so oft,
vielleicht am Wochenende.
Jede Woche, alle zwei Wochen mal.
Wie groß war dann auch die Erwartung,
dass es schön werden muss?
Riesig, riesig.
- Ja? Erzählen Sie.
Ich bin immer dann genau ...
Wenn ich gefahren bin,
bin ich immer freitags nach der
Arbeit nach München gefahren,
war dann gegen 20, 21 Uhr da.
Bin sonntags gegen acht
wieder zurückgefahren am Abend.
Es sollte nur irgendwie
alles perfekt werden.
Ich wollte nicht streiten.
Ich wollte, dass es nur schön wird,
und ...
ja, dass wir wirklich
das schönste Wochenende haben,
bei dem wir nur schöne Dinge machen
und uns die ganze Zeit verstehen.
Und, hat das geklappt?
- Nein.
(Lachen)
Ich hab's geahnt.
Ist dann auch so der Druck da,
auch körperlich zum Beispiel ...
Man reist dahin, man weiß,
jetzt haben wir nur diese zwei Tage,
dass da auch alles
ganz toll sein muss.
Ja, auf jeden Fall.
Da ist kein Raum dafür, zu sagen:
"Ich hab grad den Kopf voll."
"Ich kann mich grade
nicht auf Intimität einlassen."
Man ist immer unter dem Druck,
wir haben so wenig Zeit.
Es muss möglichst schnell, möglichst
viel und schön funktionieren.
Und wenn wir beim Streiten sind,
wenn man sich streitet
und dann bleibt das so stehen,
und dann fährt man weg.
Also auch da, ja ... wahrscheinlich
hat das auch eine Rolle gespielt?
Ich bin tatsächlich so aufgewachsen,
dass man sich immer versöhnt.
Auch bevor man ins Bett geht,
immer noch versöhnt.
Frau Ehrentraud nickt wieder, ja.
Das haben schon meine Eltern
immer gesagt.
Wenn man streitet, bevor man
schlafen geht, wird sich versöhnt.
Also sind wir nicht im Streit
auseinander gegangen,
aber wir hatten halt immer
diesen Zeitdruck im Nacken.
Jetzt kann man sich
auch nicht zurückziehen
und zwei Stunden brodeln,
sondern wir müssen das kitten,
bevor der Zug fährt.
Was können wir denn tun
gegen diesen Druck
";jetzt muss es aber toll werden"?
Ich fragte mich grade,
oder gebe die Frage weiter:
Hat sich das verändert
im Laufe der Zeit?
Das kann eine Erfahrung sein,
die man macht
und sich darin reflektiert
und darüber auch kommuniziert.
Ist das immer noch so,
dass das so ein Druck ist?
Oder hat sich das verändert?
- Es hat sich sehr verändert.
Zum Einen mache ich mir
nicht mehr so viel Druck.
Zum Anderen war die Corona-Pandemie
für mich der große Gamechanger.
Ich kann ein paar Tage
Homeoffice machen.
Ich fahr nicht mehr
nur von Freitag bis Sonntag,
sondern häng immer
ein paar Tage Homeoffice dran.
Einfach, dass wir mehr Zeit haben,
das nimmt komplett den Druck raus.
Wenn man sich eine Woche sieht,
ist das auch okay,
wenn mal einen Abend
jeder einfach nur ein Buch liest
und man nicht was zusammen macht,
oder einen kleinen Streit hat.
Man hat noch genug Zeit,
sich zu versöhnen.
Heute ist es ja oft so, dass Paare
getrennt voneinander leben.
Auch, weil es beruflich so sein muss.
Man muss mobil sein, wie Sie sagen.
Manche Chancen muss man ergreifen.
Wenn Sie das hören, ist Ihnen
das fremd, wenn Sie das hören?
Oder ...
- Ich versteh das schon.
Sie verstehen das.
- Heutzutage ist es anders.
Es gibt viele Paare,
die getrennt sind.
Aber ich kann nicht sagen,
an was das liegt.
Ähm ... Würden Sie sagen,
dass es eigentlich über die Ferne
fast mehr Kommunikation braucht,
als wenn man zusammen lebt?
Mehr Zeit auch dafür - hier
eine Nachricht, da eine Nachricht?
Das finde ich schwierig zu sagen.
Also ...
Ich hab immer das Gefühl, weil ich
die Homeoffice-Zeit machen kann,
kenn ich beides.
Ich glaube, man muss beide Male
gleichermaßen kommunizieren.
Halt anders:
In der Ferne muss man überbrücken,
dass man sich nicht sieht.
Ist man zusammen,
muss man klar sagen:
"Ich bin schlecht gelaunt,
das hat aber nichts mit dir zu tun."
Wenn ich schlecht gelaunt
eine Nachricht schreibe,
kriegt er das nicht mit.
So sehr viele Menschen
ja immer wieder darüber schimpfen,
dass wir alle mit unseren digitalen
Geräten so verbunden sind
und immer drauf fixiert sind,
helfen sie andererseits auch,
weil wir Videocalls haben
und uns sehen können,
Distanzen zu überbrücken?
Ja, na klar.
- Mehr als früher?
Haben Sie ja auch schon gesagt.
Sie haben sich sogar so verliebt.
Ja, das ist ein unglaubliches Tool,
was wir da haben.
Über das ja sogar auch Nähe
bis hin zu Intimität oder Sexualität
ausgelebt werden kann.
Das kann wirklich eine Bereicherung
sein, das zu nutzen.
Ich frage trotzdem: Wie weit
kann es das Persönliche ersetzen?
Sie haben sich so verliebt,
intensiv kommuniziert.
Aber wie weit geht das?
Ich glaube, ausschließlich
reicht es natürlich nicht aus.
Deswegen damals auch der Wunsch,
hinzufahren,
ihn später einzuladen,
ihn bei mir zu haben.
Ich glaube aber,
es ist eine Möglichkeit,
diese Zeit zu überbrücken.
Es gibt auch Paare,
die das über viele Jahre machen,
vielleicht sogar immer.
Aber dazwischen
muss es die anderen Phasen geben.
Das andere würde ich
als was anderes bezeichnen.
Sicher gibt es auch Beziehungen,
die nur am Computer stattfinden.
Aber das würde ich nicht
als richtige Beziehung bezeichnen.
Wie ist das mit Eifersucht?
Würden Sie sagen,
da macht es einen Unterschied,
ob man zusammen ist
oder in einer Fernbeziehung lebt?
Sie schütteln den Kopf.
Ich glaube, wenn man sich vertraut,
kann man sich auch
über die Distanz vertrauen.
Und da, wo die Leute dazu neigen,
einen zu hintergehen,
spielt es keine Rolle,
ob man in der Nähe ist.
Hat es denn auch gute Seiten,
nicht immer so eng zu sein?
Zum Beispiel,
dass man sich nicht zu sehr auf
die Partnerschaft nur konzentriert?
Ja, ich hatte definitiv ...
Ich habe lange zu Hause gewohnt
und hatte die Möglichkeit,
einfach mich selber als Person
besser kennenzulernen.
Ich wohne alleine und weiß,
kann das auch alles alleine.
Ich kann mein Leben
auch alleine bewältigen.
Und das hat mir auf jeden Fall
gerade in meinen jungen 20ern
den Freiraum gegeben, selber
noch mal ein bisschen zu wachsen
und erwachsen zu werden,
und auch zu wissen, wer ich bin.
Können Sie sich
auch ein Leben als Familie
in der Fernbeziehung vorstellen?
Das fällt mir tatsächlich schwer.
Grade wenn ich mir vorstelle,
dass ich nachts mit einem
oder zwei Kindern alleine wäre,
da hätte ich schon das Bedürfnis,
einen Partner zu haben,
der dann um mich rum ist,
dass man auch wirklich diese Last
sich teilen kann.
Möchten Sie Familie gründen?
Ich kann mir das schon
gut vorstellen.
Reden Sie schon darüber,
wie das aussehen könnte?
Ja, das ist natürlich
superschwierig,
weil wir das Gefühl haben,
es muss zuerst
das Zusammenziehen kommen,
damit man weiterdenken kann.
Es fällt einfach manchmal
wahnsinnig schwer,
sich zu überlegen,
wann möchte man Kinder haben,
wenn man nicht mal weiß,
wann man zusammenziehen kann.
Da fehlt diese Ebene manchmal davor.
Das war auch der Punkt von Ihnen.
Wie sieht es dann konkret aus?
Mal da, mal da.
Haben Sie schon eine konkrete Lösung
im Blick?
Wir können uns vorstellen, uns
nicht ganz in der Mitte zu treffen,
dafür ist es doch zu weit.
Aber zum Beispiel ...
Der Vorteil an Frankfurt ist:
Da ist viel drumherum.
Zum Beispiel auch Aschaffenburg,
das ist noch in Bayern.
Das würde sich anbieten.
Von dort aus könnte ich
zum Beispiel pendeln,
und er müsste den Job
nicht so weit wechseln.
Aber klar, für uns waren
viele andere Faktoren dabei.
Auch, dass wir das gemeinsame
große Umfeld
und die Familie in München haben.
Das haben wir lange diskutiert,
ob uns in die Richtung was einfällt.
Vielleicht sehen wir uns ja hier
in ein paar Jahren wieder.
Spannend, zu sehen, wie es
bei Ihnen weitergeht - vielen Dank!
(Applaus)
Wenn wir uns fragen, wie viel Distanz
verträgt die Liebe,
ist es da nicht auch
ein großer Unterschied,
ob wir über räumliche Distanz reden
oder emotionale Distanz?
Ja, und auch das
haben wir grade gehört.
Also das ist nicht immer
das Gleiche.
Und das haben Sie
ja auch alle erlebt.
Dass trotz einer physischen Distanz
trotzdem eine emotionale Nähe
erlebt werden kann.
Und auch wirklich
hergestellt werden kann.
Eine Beziehung lebt nicht nur
von Körperkontakt.
Natürlich ist der auch wichtig.
Aber da geht's ja um viel mehr.
Kann man jemandem vertrauen?
Werde ich anerkannt?
Werde ich da gesehen?
Kann ich
meine eigenen Freiräume leben?
Werden meine Grenzen gut gewahrt?
Also wir haben
ganz viele Beziehungsmotive,
und nur einige sind eigentlich von
dieser physischen Nähe betroffen.
Manchmal ist es auch so,
dass wir uns sehr nah sind,
aber es nicht einfach ist,
die emotionale Nähe zu halten.
Frau Eigenmann, wir reden heute
über Ihre Liebe
und auch darüber, wie sich die Liebe
zu Ihrem Mann verändert hat
durch seine Krankheit.
2017 wurde bei ihm
vaskuläre Demenz diagnostiziert.
Und ich glaube, die meisten hier ...
können sich nur unscharf vorstellen,
wenn überhaupt, was das bedeutet,
wenn man es nicht erlebt hat.
Was bedeutet das für Ihre Beziehung,
diese Krankheit?
Für die Beziehung bedeutet es,
dass ich eigentlich von der Ehefrau
zur Pflegerin geworden bin.
Und ...
als wir damals die Diagnose
erhalten haben, 2017 ...
Mein Mann hatte einen Schlaganfall.
Und dann kam die Diagnose
"vaskuläre Demenz".
Da fällt man erst mal in ein Loch,
weil man weiß:
Diese Krankheit ist nicht heilbar.
Sie ist nicht sichtbar.
Aber sie schreitet fort
und sie wird immer schlimmer.
Und das nimmt einem den Menschen,
den man gekannt hat,
den man geliebt hat.
Wenn Sie diesen Menschen beschreiben,
den Sie gekannt und geliebt haben,
über 50 Jahre ...
und denken zurück, wie würden Sie ihn
uns beschreiben über die Jahrzehnte?
Mein Mann
war ein sehr sensibler Mann.
Er war sehr einfühlsam,
er war immer besorgt.
Er hat trotz seiner Krankheit ...
Mein Mann hat nicht nur Demenz,
er hat eine Herzklappe bekommen
2005, und 2006 die zweite.
Er hat einen Herzschrittmacher und
in jungen Jahren Rheuma bekommen.
Das sind aber Krankheiten,
mit denen kann man leben.
Weil, entweder eine OP
oder Medikamente,
und da weiß man,
es wird einem geholfen.
Und trotz seiner Krankheit
hat mein Mann immer gearbeitet,
hat seine Familie versorgt.
Und er hat immer gekämpft,
sein Leben lang.
Und ...
Und wenn Sie Ihr Zusammenleben
beschreiben, sind Sie gern gereist?
Wir sind viel gereist.
Also, in Europa.
Und wir haben gesagt:
"Wenn wir in Rente gehen,
dann machen wir Fernreisen."
Aber das geht nicht mehr.
Und mein Mann hat sein Verhalten
uns gegenüber ...
Er ist ein ganz anderer geworden.
Er ist teilweise aggressiv.
Und Demenz ist nicht nur Vergessen,
sondern Demenz
verändert den Menschen.
Hat Ihr Mann auch gerne gelesen?
- Er hat viel gelesen.
Das macht er aber nicht mehr.
Er liest zwar,
nimmt ein Buch und liest,
auch Tageszeitungen,
aber versteht das Meiste nicht mehr.
Und die Krankheit schreitet
auch fort, trotz Medikamenten.
Und mein Mann,
der wird dieses Jahr 70.
Er ist also noch nicht so alt.
Und ... wenn man die Krankheit
mit 80 oder 85 bekommt,
ist das auch schlimm,
das will ich nicht kleinreden.
Aber es ist dann anders.
Und er war dann kurz vor der Rente.
Das ist ein ganz anderer Einschnitt.
Gehen wir noch mal
in diese Zeit rein.
So 2015, 2016 haben Sie festgestellt:
Da verändert er sich.
Was haben Sie wahrgenommen?
- Er hat sich verändert.
Wir haben das aber da drauf
geschoben, meine Tochter und ich,
dass er aufhören soll zu arbeiten.
Er geht in die Rente
und hat seinen Beruf gern ausgeübt,
und dass das halt
ein Einschnitt ist.
Und was macht man dann?
Wir haben überlegt, was macht man.
Er wollte sich ehrenamtlich
engagieren,
ältere Leute zum Einkaufen fahren,
zum Arzt oder so.
Dass er das macht
und dass wir dann reisen.
Aber trotzdem war das für ihn
ein Einschnitt, dass er was aufgibt.
Und der Arzt hat auch gesagt,
dass das eigentlich
eine Depression eher ist.
Bis die Diagnose dann eben durch
den Schlaganfall kam: Demenz.
Das war 2017,
dass er diesen Schlaganfall hatte.
Waren Sie da in seiner Nähe?
- Nein, da waren wir nicht da.
Erst als wir nach Hause
gekommen sind,
haben wir gemerkt,
dass was nicht stimmt.
Notarzt, dann ins Krankenhaus.
Gott sei Dank
war in der Notaufnahme wenig zu tun.
Die haben ihn durchgecheckt
und haben gesagt,
Demenz, vaskuläre Demenz hätte er.
Dann haben sie ihn gleich angemeldet
in die nächste Klinik,
zu Tests und alles.
Wir waren dann auch
bei mehreren Neurologen.
Aber die Diagnose
war immer die gleiche.
Sie haben schon gesagt,
das ist ein Schlag,
erst mal dieses Wort zu hören.
Ja, da fällt man in ein Loch.
Der Boden macht sich auf
und man weiß nicht, was ...
wie es weitergeht.
Haben Ihnen
die Ärztinnen und Ärzte erklärt,
was das bedeutet
für die nächsten Jahre?
Gut, vaskuläre Demenz ... Wir haben
uns im Internet schlau gemacht.
Die Ärzte haben erklärt, dass eine
kognitive Einschränkung besteht.
Und dass immer mehr Hirnzellen
absterben.
Und es gibt keine Heilung.
Und ... ich hab mich dann
bei der Alzheimer-Gesellschaft
in Stuttgart schlau gemacht.
Da gibt es Kurse, die einen beraten.
Da bin ich in einem Gesprächskreis,
was sehr hilft, oder mir hilft.
Und ...
Da wird einem geholfen,
was man machen kann,
welche Ärzte gut sind.
Ja, aber es gibt keine Hilfe.
Wie war das denn dann zu Beginn?
Konnten Sie mit Ihrem Mann
auch drüber reden, was das bedeutet?
Haben Sie darüber gesprochen,
was auf Sie gemeinsam
in der Ehe zukommt?
Am Anfang, als es nicht so schlimm
war, hat er immer gesagt:
"Ja, der Schlaganfall ..."
Er konnte schlecht laufen,
nicht mehr schreiben.
Das haben wir geübt immer,
mit der Logopädin und so.
Das ging, geht dann auch wieder,
er kann auch wieder schreiben.
Aber er ist immer
davon ausgegangen:
Schlaganfall, er nimmt Medikamente,
wie bei seinen anderen Krankheiten,
und er wird wieder gesund.
Und er hat das auch
ein paar Jahre lang jedem gesagt:
Er hat einen Schlaganfall gehabt,
aber er wird ja wieder gesund.
Also, diese Diagnose Demenz hat er
auch gar nicht an sich rangelassen?
Nee, gar nicht. Also, Demenz,
das gab's für ihn nicht.
Und jetzt aber, oder vielleicht
zwei, drei Jahre zurück,
er merkte dann schon,
dass er Defizite ... Defizite hat.
Oder auch mal das Handy verlegt,
die typischen Sachen halt,
die ein Demenzkranker macht.
Und ... aber er nimmt
das Wort Demenz
für sich selber nicht in den Mund.
Und ein Demenzkranker sagt auch
lange nicht, er ist demenzkrank.
Weil das kommt für einen
Demenzkranken nicht infrage.
Sie haben ja auch gesagt, der eigene
Partner verändert sich. - Ja.
Wie wirkt er denn auf Sie?
Ist er ausgeglichen oder aggressiv?
Am Anfang war er aggressiv.
- Ja.
Das hat sich aber wieder gegeben
dank Medikamenten.
Und ... er ist nicht mehr
der liebevolle Vater,
das hat meine Tochter festgestellt.
Er hat sie früher viel
in den Arm genommen, auch mich.
Und das macht er nicht mehr.
Von sich aus. Er macht's jetzt
wieder bei meiner Tochter,
weil sie schwanger ist.
Sie bekommt ein Baby,
und da ist er sehr besorgt.
Er nimmt sie auch in den Arm.
Das haben wir festgestellt,
das macht er erst wieder,
seit er weiß, sie ist schwanger.
Und ...
Er ...
Früher waren für meinen Mann
auch wichtig Geburtstage,
Hochzeitstage, Weihnachten oder so.
Das ist für meinen Mann
nicht mehr wichtig.
Er hat auch zwei Jahre lang
mir nicht zum Geburtstag gratuliert.
Hochzeitstag hat er vergessen.
Dieses Jahr hat er mir
zum ersten Mal wieder
zum Geburtstag gratuliert.
Das ist aber nicht mein Mann,
das ist die Krankheit.
Sieht er Sie noch als Partnerin?
- Ganz selten.
Also, ein bisschen
ist manchmal noch ...
Es ist ein bisschen noch da.
Und er lässt auch manchmal
körperliche Nähe zu.
Aber ... wenig.
Wie ist das für Sie?
Nicht mehr so als Frau gesehen
zu werden wahrscheinlich auch?
Wie ist das für mich?
Es macht mich traurig. - Mhm.
Es macht mich manchmal wütend.
Manchmal macht es mich auch
aggressiv. - Mhm.
Weil ...
Wie soll ich Ihnen das erklären?
Kommt auf die drauf Situation an,
wie ich mich auch gerade fühle.
Mhm.
- Und ...
Weil so hab ich mir das Leben
nicht vorgestellt mit meinem Mann.
Das Alter. Weil das ist ja quasi
der Herbst des Lebens.
Und wenn man sich
die Möglichkeiten erlauben kann,
viel zu machen
oder zu unternehmen ...
Und wir haben eigentlich auch
eine gute Ehe geführt,
eine gute Beziehung gehabt,
auch die körperliche Nähe.
Das war ... hat eigentlich gepasst.
Aber das wird halt weniger.
- Mhm.
Und am Anfang hat er auch
immer noch gesagt, ja ...
Was ich für ihn tu,
das findet er toll.
Und er liebt mich.
Und er bewundert es auch,
was ich mache.
Aber das sagt er schon
seit ein paar Jahren nicht mehr.
Haben Sie denn auch mal Phasen,
wo Sie ...
mal Abstand bekommen,
wo Sie zu sich finden können?
Ähm, ja.
Ich hab jetzt eine Lesepatenschaft
im Kindergarten übernommen.
Das mach ich ehrenamtlich.
Und dann geh ich laufen.
- Mhm.
Dass ich abschalten kann.
Nur für mich.
Ab und zu mal mit einer Freundin,
aber meistens allein.
Und Corona
hat uns sehr eingeschränkt.
Wir waren zusammen in der Kur.
Mhm.
- Und ...
da haben die dann gesagt,
was man alles machen kann.
Und die Selbstfürsorge
soll man pflegen.
Das hat mir auch eingeleuchtet.
Ich war dann voller Tatendrang,
das war Anfang '20.
Ich hab gesagt,
ich mach das und das für mich.
Aber dann kam Corona
und war halt nichts.
Aber ... er geht jetzt dreimal
in der Woche in die Tagespflege,
sodass ich was für mich machen kann,
und das mach ich auch.
Ich treff mich wieder mehr
mit Freundinnen und Freunden
und mach irgendwas für mich.
Ich mein, das Schwierige ist ja,
er ist da.
Man sieht das Gesicht, das man
immer geliebt hat, die Mimik.
Und trotzdem ist er nicht mehr
so greifbar,
so wie Sie es beschreiben.
Ja, wir haben neulich gesagt,
eigentlich ist man Witwe.
Wenn der Mann stirbt,
dann ist man Witwe oder Witwer.
Der Mann ist weg.
Aber beim Demenzkranken
ist es so ...
Er ist da.
Und er braucht mich ja.
Aber er ist nicht mehr mein Partner,
sondern er ist mein Pflegefall.
Wie kann man mit so einer Situation
lernen, umzugehen?
(Nellia, leise:) Schwer.
- Es ist ...
Ja, na ja, also ...
Im therapeutischen Kontakt würde ich
erst mal ganz viel zuhören.
Wir Psychologen sagen gerne,
Ratschläge sind auch Schläge.
Insofern würde ich da ungern
einen geben wollen.
Aber Sie benennen ja schon,
was hier die Herausforderung ist.
Nämlich, dass sich das Gegenüber ...
so stark verändert hat,
dass es gar nicht mehr
der Partner ist,
in den Sie sich
damals verliebt haben
und mit dem Sie auch eine lange,
schöne Zeit verbracht haben.
Und insofern ist es wahrscheinlich
für Sie wichtig, herauszufinden:
Wie kann ich denn mein Leben jetzt
mit einer neuen Perspektive füllen?
Denn diese gemeinsame Perspektive,
die Sie damals hatten,
die ist ja so nicht mehr da.
Und es kann aber immer
kreative Möglichkeiten geben,
dennoch einen eigenen
neuen Weg zu entwickeln.
Oder auch, Sie haben gerade gesagt,
Sie fühlen sich mehr
als Pflegeperson.
In der Regel ist ja eine Person,
die pflegt, nicht 24/7,
die ganze Zeit um die Person.
Also Sie könnten ja theoretisch
auch einen Urlaub machen.
Bedingt.
- Bedingt.
Weil er muss versorgt werden.
- Ja.
Er braucht 24 Stunden Betreuung.
- Ja.
Und das geht, ab und zu
scheffle ich mir eine Auszeit,
dann wird er betreut.
Und ich hab eine Auszeit
und fahr weg, aber ...
Man ist nicht frei.
- Ja.
Weil man denkt dann immer: Wird er
gut versorgt, wie geht's ihm?
Ja. - Und wenn man zurückkommt,
was erwartet einen?
Ja.
- Wenn Sie sagen, wie geht's ihm?
Das ist einerseits
auf die Pflege bezogen.
Aber wissen wir, was in Menschen,
die dement sind, vorgeht?
Wie sie sich fühlen?
Na ja, zumindest ist das situativ
durchaus erfragbar.
Also, Sie können Ihren Mann
schon ansprechen.
Es ist manchmal wirklich verwirrend,
weil gerade diese Wut,
die auch mal aus dem Nichts kommt.
Und Sie haben ja gesagt, Ihr Mann
war ursprünglich sehr fürsorglich.
Das ist ganz typisch,
gerade wenn frontale Strukturen
im Gehirn angegriffen werden,
dass dann häufig eine Impulsivität
oder auch Aggressivität entsteht.
Und das ist natürlich schon auch ...
erfahrbar.
Das äußert jemand auch.
Es ist aber keine böse Absicht,
die dahintersteckt.
Sondern es ist tatsächlich
ein pathologischer Prozess.
Das ist die Krankheit.
Ich sehe es ihm an an den Augen.
Weil ein Demenzkranker sagt nie,
ihm geht's schlecht.
Ihm geht's immer gut.
Er äußert auch keinen Schmerz.
Oder er sagt, er hat Hunger,
er hat Durst - macht er nicht.
Und das muss man erahnen.
Und wenn es ihm nicht gut geht,
das seh ich an den Augen.
Oder wenn er aggressiv wird,
seh ich das auch an seinen Augen.
Und ich darf also nie
was laut zu ihm sagen,
sondern ich muss dann das quasi
im Singsang zu ihm sagen,
freundlich und alles,
dann ist alles gut.
Und dann macht er das auch alles.
Aber wenn ich was laut sag
oder aggressiv, dann nicht.
Dann seh ich in seinen Augen schon,
es verändert sich,
und dann geh ich meistens
aus dem Raum oder sonst irgendwas.
Man kriegt da ein Gespür dafür.
Wie geht Ihre Tochter mit der
Situation um? Sie ist 30, glaub ich.
Ja, also, am Anfang
hat sie ganz arg zu knabbern gehabt,
weil das war nicht ihr Papa.
Sie war ja sein Ein und Alles.
Und er hat sich ja total verändert.
Und sie hat dann viel gelesen und
hat auch mit der Ärztin gesprochen.
Und mit dem Arzt,
mit dem Neurologen.
Sie hat dann ... Ja, das ist
seine Krankheit, das ist nicht er.
Und inzwischen aber ...
Sie geht sehr liebevoll mit ihm um.
Auch, wenn er mal barsch zu ihr war.
Und jetzt, dadurch,
dass sie ein Baby bekommt,
ist das ja wieder
ein bisschen anders.
Und sie hofft da, durch das Baby,
dass er dann wieder
ein bisschen mehr Energie kriegt.
Aber man weiß es nicht.
Ich glaube, Ihr Mann
kann sich noch alleine zurechtmachen.
Es kann sein, dass das irgendwann
eben nicht mehr so ist,
dass er Pflege braucht,
dass er vielleicht auch eine andere
Einrichtung oder so braucht.
Wie bereiten Sie sich
auf solche Situationen vor?
Also, ich hoffe, dass ich das so
lange wie möglich noch leisten kann.
Wenn körperliche Gebrechen
dazukommen,
gut, da gibt's dann auch wieder
Hilfe von der Diakonie,
dass jemand kommt.
Aber Pflegeheime ...
Ich hab mir einige schon angeschaut.
Aber einen Mann mit 70 ...
Also, jetzt sowieso nicht,
da ist er noch zu fit.
In Anführungszeichen,
das geht noch nicht.
Aber in ein Pflegeheim
einen Partner zu geben,
also, das ist hart.
Haben Sie manchmal auch Angst vor
dem, was da vielleicht noch kommt?
Ja. Weil ich weiß nicht,
wie lange ich das noch schaffe.
Und meine Tochter sagt immer,
du musst auch
an deine Gesundheit denken.
Und Gott sei Dank
bin ich gesund und fit.
Ich hoffe, dass ich so bleib.
Aber ich weiß nicht,
wie lange ich das noch kann.
Und wenn er aggressiver
werden sollte,
oder mir gegenüber ...
mich schlägt oder sonst was,
man weiß ja nicht,
was ein Demenzkranker macht,
dann muss ich sagen,
das halte ich dann nicht aus.
Sie haben ja gesagt,
Sie gehen laufen.
Ich denke, das ist auch so was ...
abschalten, ne?
Ja, und auch nicht reden, nichts,
sondern einfach.
Nicht reden, einfach laufen.
Was ich auch spannend fand,
Sie haben gesagt, Sie lesen vor.
Ja, ich hab eine Lesepatenschaft
jetzt in einem Kindergarten.
Und das mach ich.
- Was lesen Sie?
Bilderbücher,
was die grad so wollen.
Und das sind immer so
zwischen fünf bis elf Kinder.
Zwischen drei und sechs.
Und das gibt mir unheimlich viel,
weil die sind ganz unbekümmert.
Die sind freundlich, lustig.
Einfach auch so Inseln,
wo man mal vergisst,
wo man einfach
in so einer anderen Situation ist.
Ja, und keine Krankheiten, nicht.
Auch, wenn ich mit meinen
Freundinnen weggehe,
sag ich immer, ich will nichts
von Krankheiten wissen,
sondern das alltägliche Leben,
was anderes.
Von den Enkeln sollen sie erzählen,
weil Krankheit hab ich zu Hause.
Nichts gegen ältere Leute, aber ich
wollte mich nicht engagieren
mit alten Leuten,
weil Krankheiten hab ich zu Hause.
Sondern was mit Kindern machen.
Und dann sagen Sie,
Ihre Tochter ist schwanger.
Mhm.
- Wie sehr freuen Sie sich?
Wie eng sind Sie jetzt
während der ...
Mit meiner Tochter hatte ich
schon immer ein enges Verhältnis.
Ein sehr inniges Verhältnis.
Wir freuen uns sehr.
Ich hoffe, dass das Kind gesund auf
die Welt kommt, sie gesund bleibt.
Wann ungefähr soll es soweit sein?
- Mitte Juli.
Und dass mein Mann das auch noch
viele Jahre miterleben kann.
Also, ich glaube,
wir alle hoffen für Sie einfach,
dass Sie durch diese Zeiten
gemeinsam mit Ihrem Mann durchgehen
und sich dabei auch selbst
nahe bleiben durch das Laufen,
durch viele andere Dinge.
Und dass Sie das,
was Ihnen Freude macht,
das Vorlesen,
das Mit-den-Kindern-Sein,
Mit-Ihrer-schwangeren-Tochter-Sein,
Ihre-Enkel-groß-werden-Sehen,
dass Sie das auch wirklich
tief genießen können.
Ihnen auf jeden Fall
alles, alles Gute. -Danke.
(Applaus)
Das war jetzt
eine ganz andere Form von Distanz.
Das hatte nichts
mit Entfernung zu tun,
schon mit Entfernung,
aber eben mit emotionaler Entfernung.
Wenn Sie alles sehen,
was würden Sie sagen?
Ähm ...
Wie viel Distanz verträgt die Liebe?
Oha, ja, das ist eine gute Frage.
Deswegen haben wir Sie gestellt.
(Lachen)
Ich glaub, es ist ein Plädoyer heute
für die Vielfältigkeit gewesen.
Und Ausdruck davon, dass Liebe in
ganz vielen Formen sich finden kann.
Und dass es auch in
all diesen distanzierten Formen
trotzdem immer wieder auch
Möglichkeiten der Nähe gibt.
Und es ist ein permanentes Zusammen-
spiel zwischen diesen beiden Polen.
"Wie viel Distanz
verträgt die Liebe?"
Vielen Dank, und heute
ganz besonders an diese Gäste.
Danke schön.
Wir ...
Wir sehen uns wieder ...
in einer Woche.
Dann mit dem Thema
"Mein Leben auf einmal anders".
Bis zum nächsten Freitag
in Ihrem "Nachtcafé".
Tschüss, danke.
SWR 2023