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M 6.1 Gott
Obwohl sich mit dem Wort „Gott" bei allen Volkern die Er. gengeneration zur Vorbereitung aufs Examen benutzte, I
fahrung von einem letzten und tiefsten Geheimnis verbindet, gende Formulierungen. „Die theologische Bestimmung des
1St es Vienaunef MIS5UrauCn au5eseuz, Das Tdn Vesens Gottes „." Ein derartiges „Bescheidwissen" über G
an mit dem gedankenlos dahingesagten „Ach Gott, acr skt die Vermutung, dass es sich hierbei um ein blu
Gott", „Herrgott noch mal!", „Lieber Gott" und geht über Gedankenkonstrukt, um theologische Phantasterel,
jene, meist wohl kaum immer mit Bedacht ausgesprochenen chenamtlich fixierte ldeologie handelt. Solch spitzfindige
Redensarten wie „Grüß Gott!", „Gott sei Dank!", „Vergelts Theologisiererei lässt die Frage aufbrechen, ob es bei „Gott"
Gott!" bis zum Schlachtruf der Kreuzritter „Gott will es!" eine erfahrbare Realitat oder nur um bloße Fik
nd zur Prageschrift „Gott mit uns" auf den Koppelschlös. dele. Selbst in einer scheinbar vollig materialistisCh gev
deutscher Soldaten. Doch wie kommen Menschen dazu, denen Welt wie der unseren ist das religiose Bedurfnis nicht
einen Gott anzurufen, ihn zu opferm, ihn als überwältigen geschwunden, ist das tastende, ahnungsvolle Suchen nach
des, mächtiges, beseligendes Gegenüber zu erfahren? Aus- dem Letzten und Eigentlichen nicht abhanden gekommen, ist
gangspunkt fur jede Erfahrung, auch für die Gottes die heimlich-unheimliche Sehnsucht nach dem Gottlichen
erfahrung, ist diese unsere Welt, die wir mit unseren Sinnen ICht rl▇
prnehmen. Erfahren hat etwas mit Bewegung zu tun. Er. Der moderne Mensch fuhit sich wieder eher jener „Theologia
fahrung gewinnt nur, wer die Fahrt in ein unbekanntes Neu egativa" verbunden, wie sie schon im Mittelalter – etwa
nd wagt. Allerdings: eine solche Gotteserfahrung, vermit- bai Maister Fckehart– verbreitet war: Ich kann von Gott eher
celt z. B. durch die Wahrmehmung eines Bau aussagen, was er nicht ist, als was er ist. Vie
der machen, der schon ein irgendwie gean ches Fragen, solches Suchen und Tasten,
daran hat, den Dingen wirklich auf den Grund zu geher nd Reflektieren zu jener Antwort fuhren, die der Religionse
Kurz: Der wenigstens anfanghaft glaubt, dass es ein pädagoge Adolf Exeler (1926–1983) auf die Frage gab, wie er
lotbares „ehr gibt, eine unsagbare und unfassbare Kraft sich Gott vorstelle:
die hinter den Dingen steht, ein Geheimnis, das alles tragt. „Wenn ich sagen soll, wie ich mir Gott vorstelle, verschlagt
Freilich: Alle Erfahrungen von Gott und mit Gott stehen die Sprache, und alles, was ich sagen kann, ist weit
dem Vorbehalt einer Ungleichheit bei aller reg von dem, was ich empfinde. Aber vielleicht ist es bes-
Gleichheit. Jede Rede von Gott muss mit dem Zusatz verse- jer, zu stammeln als zu verstummen. Kurzlich wurde min
hen werden: In Wirklichkeit ist Gott ganz anders". Alles geradezu überfallartig deutlich und ich
Sprechen von Gott kann immer nur gleichnishaft sein. I konnte nur einen einzigen Satz denken, in i
„sehen" Gott in dieser Welt – und nur in dieser Welt, aber Formulierungen. ,Gott ist größer'."
„Wie in einem Spiegel", Wir erfahren ihn mitten in unserem Aufgabe aller, die sich von Gott ergriffen und getrieben füh-
Dasein – und nur dort –, aber in „rätselhaften Umrissen' len, die zweifelnd und hoffend an ihn glauben und die ande:
(vg|, 1 Kor 13,12). Es sei noch daran erinnert, dass der heb- henschen zu diesem je größeren Gott führen möchten,
räische Gottesname bis heute von frommen Juden nicht aus. wird es sein müssen, in Zukunft bei der Rede von Gott wie
gesprochen werden darf. Den Namen eines Menschen der eine Sprache zu sprechen, die dem Geheimnis Gottes
erst recht den Namen Gottes zu kennen, bedeutet die Ver. angemessen ist, eine Tonlage zu finden, die klar und unmi
uchung, Macht über thn auszuüben. Durch das Verbot, den Kändlich, gleichzeitig aber sehr gedämpft und leise ist,
göttlichen Namen auszusprechen, wurde Israel v Neugier und Sehnsucht zu wecken nach dem je Großeren, Er.
erinnert, dass nicht selten eine beträchtliche Gefahr für die fahrungen zu vermitteln, die jedem Suchenden und Fragen-—
Religion und die religiöse Praxis gerade von jenen MensChen den in dieser unserer Welt zugänglich sind.
ausgeht, die meinen, Gott genau zu kennen und über Narbert Scholl, Das Glaubensbekenntnis. Satz für Satz erklärt. Kosel-Verlay in
innerstes Wesen genau Bescheid zu wissen. Ein (allzu) be. Verlagsgruppe Random House, Munchen 2000, Seite 38 bis 42
Dewu Sler 0 L la S uenI De runUeten veraaht
rbeitsaufträge
aufkommen, nur Gebilde von Menschenhand zu sein. I
nicht wenige Menschen unserer Tage ist nicht nur das von A Legen Sie anhand des Textes die Problematik des Um-
den Kirchen tradierte GottesDi , Sondern ale rlage gangs mit der Gottesfrage dar. Berücksichtigen Sie
Gott überhaupt zum Problem geworden. Ist folglich „die so dabel die Intention Norbert Scholls.
genannte Gotteskrise" in aufgeklärten Gesellschaften viel. B Setzen Sie seine Aussagen in Beziehung zum bibli-
leicht (nur) „die Krise des Kirchengottes, des fixierten, kate- chen Reden von Got
chetisch abgepackten, obrigkeitlich überwachten, zensurierten, C
Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Aussogen
verwalteten Gottes"? Die Frage erscheint allzu berechtigt. Textes für einen sinnvollen Umgang mit dem
des T
Da finden sich zum Beispiel im Inhaltsverzeichnis eines ka- Sprechen von Gott bei Kindern und Erwachsenen?
tholischen Dogmatik-Kompendiums, das eine ganze Theol0-
RELIG UND e tr1† t u n S3 2009 Sprechen von Gotti