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Das Editorial thematisiert die Herausforderungen und Fortschritte in der Sprachförderung von (Vor-)Schulkindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Es wird auf die Heterogenität in der Umsetzung von Fördermaßnahmen in verschiedenen Bundesländern hingewiesen und die Notwendigkeit einer besseren Qualifizierung der Fachkräfte betont. Ziel des Sonderhefts ist es, aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren und die Verbindung zwischen Spracherwerbsforschung und Sprachdidaktik zu stärken.

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Das Editorial thematisiert die Herausforderungen und Fortschritte in der Sprachförderung von (Vor-)Schulkindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Es wird auf die Heterogenität in der Umsetzung von Fördermaßnahmen in verschiedenen Bundesländern hingewiesen und die Notwendigkeit einer besseren Qualifizierung der Fachkräfte betont. Ziel des Sonderhefts ist es, aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren und die Verbindung zwischen Spracherwerbsforschung und Sprachdidaktik zu stärken.

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Editorial

(Vor-)Schulkinder mit Deutsch als Zweitsprache


im Fokus von Spracherwerbsforschung und
Sprachdidaktik
Anja Müller, Barbara Geist, Angela Grimm

Sprache gilt als eine der Schlüsselkompetenzen für eine erfolgreiche Bildungsteilhabe.
Viele Studien, wie z.B. PISA, dokumentieren Zusammenhänge zwischen den sprachli-
chen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen und ihrem Bildungserfolg (Baumert/
Stanat/Watermann 2006). Vor allem Kinder und Jugendliche, die Deutsch zeitversetzt zu
ihrer Erstsprache als Zweitsprache (DaZ) erwerben, stehen hierbei im Fokus. Aufgrund
ihres höheren Alters bei Erwerbsbeginn des Deutschen und der daraus resultierenden kür-
zeren Kontaktdauer zum Deutschen sind schlechtere sprachliche Fähigkeiten bei Kindern
und Jugendlichen mit DaZ im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen mit
Deutsch als Muttersprache (DaM) aus Sicht der empirischen Spracherwerbsforschung zu
erwarten und stellen demzufolge kein sprachliches Defizit dar (u.a. Grimm/Schulz 2014;
Meisel 2007). Um die sprachlichen Unterschiede zwischen Kindern mit DaZ und DaM zu
verringern, wurden zahlreiche vorschulische und schulische Bildungsprogramme initiiert.
Beispielsweise wurden in vielen Bundesländern neben den bereits etablierten DaZ- oder
Intensivklassen zusätzliche Fördermaßnahmen, wie die hessischen Vorlaufkurse, einge-
richtet. Jedoch bestehen in Bezug auf die Umsetzung der Fördereinheiten große Unter-
schiede zwischen den Bundesländern, und nicht alle Bundesländer haben die DaZ-
Förderung in die Rahmen- oder Bildungspläne der Lehrcurricula für den Primarbereich
aufgenommen. Zudem unterscheiden sich die Bildungs- und Erziehungspläne der Bundes-
länder im Hinblick auf empfohlene Verfahren zur Sprachdiagnostik im Elementarbereich
(vgl. Lisker 2010). Auch in den konkreten Empfehlungen zur Gestaltung der Sprachför-
dersituationen im Elementarbereich bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Bun-
desländern (u.a. Geyer/Müller 2014).
Aus Sicht der empirischen Spracherwerbsforschung und Sprachdidaktik werden seit
Jahren Qualitätskriterien für eine fundierte Sprachdiagnostik und -förderung formuliert
(vgl. Becker-Mrotzek u.a. 2013; Lüdtke/Kallmeyer 2007). Studien belegen jedoch eine
hohe Heterogenität in Bezug auf das diagnostische Vorgehen (Geist 2013) und auf das
Vorgehen in der Förderung (Ricart Brede 2011; Smits/Müller in Druck). Eine Ursache
für die beobachtete Heterogenität ist die unzureichende Qualifizierung der Förderkräfte,
unter anderem in Bezug auf die Fragen, wie der Sprachstand adäquat erfasst werden
kann und wie Wissen und Handeln über Sprachförderung miteinander verknüpft werden
Diskurs Kindheits- und Jugendforschung/
Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research Heft 1-2016, S. 3-7
4 A. Müller, B. Geist, A. Grimm: Editorial zum Schwerpunkt

können (Müller/Geyer/Smits 2015; Müller/Geyer/Smits in Druck). Aus sprachdidakti-


scher und sprachwissenschaftlicher Sicht ergeben sich daraus die folgenden Handlungs-
bereiche: Erstens, um Kinder mit DaZ systematisch und kontinuierlich zu fördern, benö-
tigen die Fachkräfte neben pädagogischen und psychologischen Kompetenzen vor allem
Fachwissen in den Bereichen Sprache und (Zweit-)Spracherwerb (Hopp/Thoma/Tracy
2010; Müller 2014). Erste Studien zur Sprachförderkompetenz von pädagogischen Fach-
kräften zeigen, dass die Fachkräfte durch Aus- und Weiterbildungen nicht ausreichend
auf die Aufgabe der Diagnostik und Förderung vorbereitet sind (Fried 2007; Tracy/
Ludwig/Ofner 2010). Insbesondere in den Bereichen Sprache und (Zweit-)Spracherwerb
fühlen sie sich wenig qualifiziert, obwohl Erkenntnisse der Sprachwissenschaft und der
Spracherwerbsforschung eine notwendige Grundlage für ein effektives didaktisches
Vorgehen im Bereich der Diagnostik und Sprachförderung sind. Zweitens sollten die
verwendeten Sprachförderkonzepte im Kindergarten und in der Schule stärker reflektiert
und empirisch überprüft werden (vgl. Sachse u.a. 2012). Didaktische Methoden wie z.B.
die hochfrequente und kontrastive Präsentation einer sprachlichen Struktur und die be-
stätigende Wiederholung der kindlichen Äußerung unter Einbezug einer Korrektur wer-
den für die Sprachförderung oft empfohlen. Jedoch ist die Wirksamkeit dieser Sprach-
fördermethoden bislang nur vereinzelt belegt (vgl. aber Ennemoser/Kuhl/Pepouna 2013;
Jungmann/Koch/Etzien 2013) und es ist unklar, wie oft Fachkräfte die verschiedenen
Methoden einsetzen sollen bzw. wie abwechslungsreich die Methoden verwendet werden
sollen (Müller 2015).
Fundierte Sprachförderung setzt demzufolge eine enge Verbindung von sprachwis-
senschaftlicher und sprachdidaktischer Grundlagenforschung voraus. In den letzten Jah-
ren konnte eine Annäherung beider Disziplinen beobachtet werden: Beispielsweise wur-
den zunehmend Ergebnisse aus der empirischen Zweitspracherwerbsforschung in Förder-
konzepte integriert (Kaltenbacher/Klages 2008; Ruberg/Rothweiler 2012), und in der
Sprachdidaktik findet ein verstärkter Rückgriff auf empirische Methoden statt (‚empiri-
sche Wende in der Didaktik‘, vgl. Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 2011, S. 14).
Mit Blick auf Kinder mit DaZ soll das vorliegende Heft dazu beitragen, weitere
Schnittstellen und gemeinsame Fragestellungen beider Disziplinen aufzuzeigen. Daher
haben wir in diesem Sonderheft Autorinnen aus Spracherwerbsforschung und Sprachdi-
daktik eingeladen, aktuelle Ergebnisse zu berichten, Verknüpfungen aufzuzeigen und
übergreifende Fragen zu formulieren. Ziel des Hefts ist es, für verschiedene Zeitpunkte in
der Bildungskarriere mehrsprachiger Kinder Anknüpfungspunkte zwischen sprachlicher
Entwicklung und didaktischen Konsequenzen herzustellen und zu diskutieren. Damit sol-
len die folgenden fünf Beiträge die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit DaZ in den
Blick nehmen, sie spracherwerbstheoretisch einordnen, ‚Stolpersteine‘ im DaZ-Erwerb
herausstellen, Anregungen für Ansätze in der Sprachförderung geben sowie die Sprach-
erwerbsforschung und Didaktik stärker als bisher verbinden.
Im ersten Beitrag fasst Monika Rothweiler (Universität Bremen) Erkenntnisse aus ei-
ner Längsschnittstudie mit Vorschulkindern mit DaZ zusammen, die im Hamburger SFB
„Mehrsprachigkeit“ entstand. Unter Berücksichtigung verschiedener grammatischer Be-
reiche (Satzstruktur, Verb- und Kasusflexion, Artikelgebrauch) zieht die Autorin Rück-
schlüsse auf Parallelen zwischen Kindern mit DaZ und mit DaM. Ihr Forschungsüberblick
zeigt auf, dass das Alter bei Erwerbsbeginn eine zentrale Rolle für den Erwerbsverlauf in
der Zweitsprache spielt; dass jedoch für verschiedene grammatische Phänomene mög-
licherweise verschiedene Altersfenster anzunehmen sind.
Diskurs Kindheits- und Jugendforschung Heft 1-2016, S. 3-7 5

Angela Grimm (Universität Osnabrück) und Petra Schulz (Goethe-Universität Frank-


furt) gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, in welchen Bereichen sich die Sprachfähig-
keiten von simultan-bilingualen Kindern im Vergleich zu monolingual deutschen Kindern
und Kindern mit DaZ im Alter von vier bis fünf Jahren unterscheiden. Erstmals werden
für das Deutsche die sprachlichen Fähigkeiten von simultan-bilingualen Kindern, frühen
Zweitsprachlernern und monolingualen Kindern für rezeptive und produktive Fähigkeiten
in Morphosyntax und Semantik anhand einer großen Stichprobe untersucht. Die Ergeb-
nisse zeigen, dass die Spezifika der jeweils untersuchten Phänomene dafür entscheidend
sind, ob der Entwicklungsstand simultan-bilingualer Kinder eher dem monolingualer
Kinder oder dem Sprachstand früher Zweitsprachlerner gleicht. Die Autorinnen argumen-
tieren daher für eigene Normen für simultan-bilinguale Kinder in standardisierten Tests.
Die Verarbeitung von Passivstrukturen bei Grundschulkindern steht im Mittelpunkt
des Beitrags von Valentina Cristante (Universität Osnabrück), Christine Dimroth und Sa-
rah Schimke (Wilhelms-Universität Münster). In ihrer Studie wurden verschiedene
sprachliche Strukturen (morpho-syntaktische und diskursive) ausgewertet. Die Autorin-
nen untersuchen, welche Rolle verschiedene methodische Zugänge (Messung der Blick-
bewegungen während des Sprachverstehens, Lesezeitenerfassungen, Sprachimitations-
und Sprachproduktionsdaten) bei der Einschätzung sprachlicher Kompetenzen von
Grundschulkindern mit DaZ spielen und setzen online und offline erhobene Daten in Be-
ziehung. Die Ergebnisse zeigen, dass stark kontrollierte Methoden, wie die Messung der
Blickbewegungen oder Satzimitationsaufgaben, vorhandenes Wissen nachweisen können,
das in der Spontansprache schwer feststellbar ist. Der Beitrag zeigt auf, dass in einigen
Bereichen das sprachliche Wissen von Kindern mit DaZ höher ist als bisher angenommen.
Diese Ergebnisse sind für die Entscheidungen über die Wahl von (Offline-)Erhebungs-
methoden in der Diagnostik relevant.
Stefanie Haberzettl (Universität des Saarlandes) widmet sich in ihrem Beitrag dem
Thema ‚Bildungssprache‘. Sie untersucht sprachliche Phänomene, die als besonders ge-
eignete Indikatoren für bildungssprachliche Kompetenz gelten. Dazu werden geschriebe-
ne Texte von Siebtklässlern mit Deutsch als Erst- und Zweitsprache aus dem Schul-
deutsch-Korpus qualitativ analysiert. Sie zeigt, dass die untersuchten Charakteristika der
Bildungssprache keine spezifische Herausforderung für Schüler und Schülerinnen mit
DaZ darstellen. Vor diesem Hintergrund argumentiert Stefanie Haberzettl dafür, Förder-
maßnahmen zu konzipieren, die Kinder unabhängig von ihrer Sprachbiographie, jedoch
abhängig von ihren Fähigkeiten im Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen unterstüt-
zen. Ebenso wie im folgenden Beitrag wird eine adaptive Sprachförderung gefordert.
Der fünfte Beitrag des Sonderhefts widmet sich den Förderkompetenzen von pädago-
gischen Fachkräften in vorschulischen Fördersituationen. Anhand eines Korpus‘ aus dem
Projekt PROfessio geben Anja Müller, Katinka Smits und Sabrina Geyer (Goethe-Univer-
sität Frankfurt) einen Einblick in das Sprachangebot von Förderkräften am Beispiel der
W-Fragen. Auf Grundlage des mit LiSe-DaZ festgestellten Förderbedarfs der Kinder un-
tersuchen die Autorinnen, wie häufig W-Fragen von den Fachkräften geäußert werden
und welcher Typ von W-Fragen präferiert wird. Die Autorinnen beobachten, dass die
Sprache der Fachkräfte nur bedingt an den Förderbedarf der Kinder angepasst ist. Sie ar-
gumentieren dafür, dass die Fachkräfte für die Aufgabe der Sprachförderung in der Aus-
und Weiterbildung mehr unterstützt werden müssen. Vor allem für das Zusammenspiel
von Sprachdiagnostik und der Ableitung von Förderzielen müssen die Fachkräfte mehr
sensibilisiert werden.
6 A. Müller, B. Geist, A. Grimm: Editorial zum Schwerpunkt

Neben den fünf Hauptbeiträgen widmen sich zwei Kurzbeiträge dem Thema dieses
Sonderheftes. Ingo Feldhausen und Izarbe García Sánchez diskutieren, inwiefern For-
schungsergebnisse zur Mehrsprachigkeit anhand sprachdidaktischer Materialien für den
sprachlichen Lernprozess nutzbar gemacht werden können. Sie argumentieren, dass die
sprachliche Förderung von mehrsprachig aufwachsenden Kindern nicht nur die Umge-
bungssprache Deutsch, sondern auch die Erstsprache des Kindes umfassen sollte. Angela
Grimm analysiert Verfahren zum Nachsprechen von Kunstwörtern im Hinblick auf beson-
dere Schwierigkeiten, die sich aus Sicht der Phonologie für Kinder mit DaZ ergeben könn-
ten. Sie zeigt auf, warum Kunstwörter, die eng an existierende Wörter des Deutschen ange-
lehnt sind, für Zweitsprachlerner eine größere Herausforderung darstellen können als für
einsprachige Kinder.
Dieses Sonderheft stellt Kinder mit DaZ, die bereits seit mehreren Jahren Kontakt
zum Deutschen haben, in den Mittelpunkt. Dabei bleibt unbeachtet, dass die Bildungspo-
litik und (vor-)schulische Bildungsinstitutionen momentan zusätzlich vor der Herausfor-
derung stehen, eine große Zahl an Kindern zu fördern, die bislang keinen Kontakt zur
deutschen Sprache hatten. Alle Beiträge dieses Heftes verdeutlichen, wie weit die Sprach-
erwerbsforschung und die Entwicklung didaktischer Konzepte im Bereich DaZ fortge-
schritten sind. Gleichzeitig ergeben sich für beide Disziplinen weitere Forschungsdeside-
rata, die es anzugehen gilt. Für die empirische Spracherwerbsforschung gilt es u.a., die
Frage nach dem Alter bei Erwerbsbeginn mit Blick auf den Erwerbsverlauf weiter zu spe-
zifizieren und auf andere sprachliche Ebenen, wie z.B. der Phonologie und der Pragmatik,
auszudehnen. Für die Sprachdidaktik gilt es u.a., Methoden und Materialien weiterzuent-
wickeln, die die spracherwerbstheoretischen Erkenntnisse berücksichtigen und somit die
Gestaltung von guten Sprachfördersituationen ermöglichen.

Literatur

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werb und Sprachförderung Deutsch als Zweitsprache. Beiträge aus dem 5. Workshop Kinder mit
Migrationshintergrund. – Freiburg, S. 183-204.
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