Moses Text e
Moses Text e
MOSES
Einziger, ewiger, allgegenwärtiger,
unsichtbarer und unvorstellbarer Gott ...!
MOSES
Gott meiner Väter, Gott Abrahams,
Isaaks und Jakobs, der du ihren Gedanken
in mir wiedererweckt hast, mein Gott,
nötige mich nicht, ihn zu verkünden.
Ich bin alt; lass mich in Ruhe meine
Schafe weiden ...!
DIE STIMME
Du hast die Greuel gesehn, die Wahrheit
erkannt:
so kannst du nicht anders mehr:
Du musst dein Volk daraus befrein!
MOSES
Wer bin ich, mich der Macht der Blindheit
entgegenzustellen?
DIE STIMME
Dem einzigen Gott verbunden,
mit dir einig:
mit Pharao entzweit!
MOSES
Was bezeugt dem Volk meinen Auftrag?
DIE STIMME
Des Einzigen Name!
Der Ewige will es befrein, dass es nicht
mehr Vergänglichem diene.
MOSES
Niemand wird mir glauben!
DIE STIMME
Vor ihren Ohren wirst du Wunder tun --
ihre Augen werden sie anerkennen:
von deinem Stab werden sie hören --
deine Klugheit bewundern;
von deiner Hand --
an deine Kraft glauben,
vom Wasser des Nil --
fühlen, was ihrem Blut befohlen.
MOSES
Meine Zunge ist ungelenk:
ich kann denken,
aber nicht reden.
DIE STIMME
Wie aus diesem Dornbusch,
finster, eh das Licht
der Wahrheit auf ihn fiel,
so vernimmst du meine Stimme
aus jedem Ding.
Aron will ich erleuchten,
er soll dein Mund sein!
Aus ihm soll deine Stimme sprechen,
wie aus dir die meine!
Und ihr werdet gesegnet sein.
Denn das gelobe ich dir:
Dieses Volk ist auserwählt
vor allen Völkern,
das Volk des einzigen Gottes zu sein,
dass es ihn erkenne
und sich ihm allein ganz widme;
dass es alle Prüfungen bestehe,
denen -- in Jahrtausenden --
der Gedanke ausgesetzt ist.
Und das verheisse ich dir:
Ich will euch dorthin führen,
wo ihr mit dem Ewigen einig
und allen Völkern ein Vorbild werdet.
Und nun gehe!
Aron triffst du in der Wüste.
Er kommt dir auf deinem Weg entgegen;
daran sollst du ihn erkennen.
Verkünde!
2. SZENE
Moses begegnet Aron in der Wüste
ARON
Du Sohn meiner Väter, schickt dich mir der
grosse Gott?
MOSES
Du Sohn meines Vaters, Bruder des Geistes,
aus dem der Einzige sprechen will:
Vernimm mich und ihn; und sage,
was du verstehst!
ARON
Mein Bruder, gab der Allmächtige mich dir
als Gefäss, auszuschütten über unsre Brüder
des Ewigen Gnade?
MOSES
Gnade schenkt er dir aus Erkenntnis.
ARON
Glückliches Volk, einem einzigen Gott
zu gehören, den zu bekämpfen kein andrer
Macht besitzt.
MOSES
Andre gibt es nur im Menschen, nur in
der Vorstellung.
In ihr hat der Allgegenwärtige nicht Raum.
ARON
Gebilde der höchsten Phantasie, wie dankt
sie dir’s, dass du sie reizest zu bilden!
MOSES
Kein Bild kann dir ein Bild geben vom
Unvorstellbaren.
ARON
Nie wird Liebe ermüden, sich’s vorzubilden.
Glückliches Volk, das so einen Gott liebt.
MOSES
Volk, auserwählt, den Unsichtbaren zu wissen,
den Unvorstellbaren zu denken.
ARON
Auserwähltes Volk,
einen einzigen Gott ewig zu lieben
mit tausendmal mehr der Liebe,
mit der alle andern Völker ihre vielen Götter lieben.
Unsichtbar, unvorstellbar?
Volk, auserwählt dem Einzigen, kannst du
lieben, was du dir nicht vorstellen darfst?
MOSES
Darfst? Unvorstellbar, weil unsichtbar;
weil unüberblickbar;
weil unendlich;
weil ewig;
weil allgegenwärtig;
weil allmächtig.
Nur einer ist allmächtig.
ARON
Unvorstellbarer Gott:
Du strafst die Sünden der Väter an den
Kindern und Kindeskindern!
MOSES
Strafst Du?
Sind wir fähig, zu verursachen, was dich
zu Folgen nötigt?
ARON
Gerechter Gott:
Du belohnst die, die deinen Geboten gehorchen!
MOSES
Gerechter Gott! Du hast gerichtet,
wie alles geschehen soll:
Gebührt dem Lohn, der gern anders möchte?
Oder dem, der nichts andres vermag?
ARON
Gütiger Gott!
Du erhörst die Bitten der Armen,
nimmst an die Opfer der Guten!
MOSES
Allmächtiger Gott,
dich erkauften die Opfer der Armen,
die du arm gemacht hast?
Reinige dein Denken,
lös es von Wertlosem,
weihe es Wahrem:
kein andrer Gewinn dankt deinem Opfer.
ARON
Nur ein allmächtiger Gott konnte
solch ein schwaches, gedemütigtes Volk
auserwählen, seine Allmacht, seine Wunder
an ihm zu zeigen, es zu lehren, an
ihn allein zu glauben.
MOSES ARON
Unerbittliches Allmächtiger!
Denkgesetz Sei der Gott dieses Volkes!
zwingt zur Befrei es aus Pharaos
Erfüllung. Knechtschaft!
3. SZENE
Moses und Aron verkünden dem Volk die Botschaft Gottes
JUNGES MÄDCHEN
Ich hab’ ihn gesehn,
als eine feurige Flamme aufschlug,
die ihn rief!
Er warf sich auf die Knie
und verbarg sein Antlitz im Sand.
Dann zog er in die Wüste.
JUNGER MANN
Bei meinem Haus,
wie eine leuchtende Wolke,
kam er eben vorbei.
Er schwebte mehr, als er ging,
kaum berührt’ sein Fuss den Weg,
und rasch schwand er dem Auge.
ANDRER MANN
Ich frug ihn,
aber er beachtet’ mich nicht;
lief weiter, und dennoch hörte ich:
ein Gott habe ihm befohlen,
seinen Bruder Moses
in der Wüste zu treffen.
PRIESTER
Moses?
Der den Fronvogt erschlug?
PRIESTER
Mit einem neuen Gott verbündet!
CHOR (FRAUEN)
Ein neuer Gott: Neue Opfer!
MANN
Er wird uns beschützen!
PRIESTER
Die alten Götter haben auch beschützt.
Tat’s der eine nicht,
wandte man sich an den andern.
CHOR (FRAUEN)
Man kann von den Göttern auch
nichts Unmögliches verlangen.
JUNGER MANN
Wie er wohl
aussehn mag, der neue Gott?
Er schwebt wohl,
da auch Aron schwebte.
MANN
Der neue Gott,
vielleicht ist er stärker
als Pharao?
Stärker als unsere Götter?
Die anderen Götter helfen
nur den Bedrückern.
Das ist der Gott, der uns hilft.
MÄDCHEN
Ich glaube,
es muss ein lieblicher Gott sein,
jung und schön und glänzend,
da doch Aron so glänzte.
CHOR
Soll man ihn nach diesem Moses beurteilen,
so wird er Blutopfer fordern.
Der neue Gott wird uns auch nicht helfen!
Blutopfer! Blutopfer!
PRIESTER
Lästre nicht!
Es gibt Götter, die nur strafen
und solche, die nur belohnen.
Manche muss man öfter versöhnen,
andre kann man sich dauernd gewinnen.
CHOR (IN VIELEN KLEINEN GRUPPEN)
Blutopfer! Blutopfer!
MÄDCHEN
Wie macht er mich froh!
Wie schwellt das Glück mein Herz!
Jubel füllt meine Seele!
Anbetungswürdiger Gott,
zeige dich mir in deiner Schönheit:
Ich will in Liebe dir dienen.
JUNGER MANN
Du schwebender Gott,
hoch in den Höhen des Himmels,
höher als andre Götter:
Erhebst du uns zu dir,
neben dich: wie schwindet die Macht
der falschen, ohnmächtigen Abgötter.
MANN
Hilft er uns,
schützt er uns gegen die Knechte
Pharaos und gegen
seine falschen Götter:
soll er unser Gott sein,
Gott der Kinder Israels,
dem wir dienen, dem wir opfern.
MÄDCHEN
Er wird uns befrein!
Moses und Aron, in weiter Ferne auftauchend, kommen allmählich näher auf solche
Weise, wie es die Chöre beschreiben.
CHOR
Seht Moses und Aron!
Moses’ mächtiges Haupt!
Moses, den Stab in der Hand,
schreitet langsam, bedächtig,
scheint fast zu stehn,
bewegt sich kaum.
Steht Moses oder geht er?
Moses steht!
Nein, er schreitet langsam!
Er steht!
Nein, er geht!
Mächtig sein weisses Haupt,
gewaltig sein Arm!
Aron, gewiss nicht mehr jung,
eilt beschwingt leichten Schrittes
weit vor ihm her --
und steht doch nah bei ihm!
Steht Aron jetzt bei Moses?
Nein, er eilt voran!
Geht Aron an Moses Seite?
Vor oder hinter ihm?
Sie bewegen sich nicht im Raum,
sind näher,
sind ferner,
sind tiefer,
sind höher --
verschwinden gänzlich.
Seht Moses! Seht Aron!
Sie sind jetzt da!
4. SZENE
CHOR
Bringt ihr Erhörung,
Botschaft des neuen Gottes?
Schickt er als Führer
euch uns zu neuer Hoffnung?
Gern wollen wir ihm
Geld, Gut und Leben opfern!
Nehmt, fragt nicht lange:
Selbstliebe zwingt uns, drängt uns,
uns ihm zu geben,
Aussicht nicht nur auf Gnade;
Hingabe selbst ist
Wollust, ist höchste Gnade!
Wie bei ihrem Auftritt in dieser Szene, so ändern auch im weiteren Verlauf Moses und
Aron für das Auge des Zuschauers ihre gegenseitige Stellung. Hier steht anfangs Moses
im Vordergrund, Aron seitlich zurücktretend, hinter ihm.
MOSES
Der Einzige, Ewige, Allmächtige,
Allgegenwärtige, Unsichtbare,
Unvorstellbare ...
ARON
Er hat euch vor allen Völkern
auserwählt.
ARON
MOSES
er fordert das Ganze
Moses ist weit entfernt im Hintergrund ganz allein; Aron gross im Vordergrund.
ARON
Werft euch nieder, ihn anzubeten!
CHOR
Anbeten? Wen? Wo ist er?
Ich sehe ihn nicht!
Wo ist er?
Sieht er gut oder böse aus?
Sollen wir ihn lieben oder fürchten?
Wo ist er?
Zeig ihn uns! So wollen wir knien,
so wollen wir Vieh herschleppen
und Gold und Getreide und Wein!
Alles soll euer Gott bekommen,
wenn wir sein Volk sind,
wenn er unser Gott ist,
wenn er uns beschützt!
Aber wo ist er?
Zeig ihn uns!
CHOR
Ist er niemals zu sehn?
Ist er ewig unsichtbar?
CHOR (FRAUEN)
Wie? Dein allmächtiger Gott
kann sich uns nicht sichtbar machen?
ARON weicht zurück, näher zu Moses; beide im Vordergrund, beide deutlich ausserhalb
der Volksmenge.
Der Gerechte sieht ihn.
Das Mädchen, der junge Mann und der Mann haben sich durch die Volksmenge
hervorgearbeitet und stehen nun Moses und Aron gegenüber.
MÄDCHEN
Ich sah seinen Glanz!
JUNGER MANN
Du schwebender Gott!
MANN
Er ist unser Gott!
PRIESTER
Dann braucht ihn der Mörder nicht
zu fürchten!
ARON
Wer ihn nicht sieht, ist verloren!
CHOR (MÄNNER)
So sind wir alle verloren,
denn wir sehen ihn nicht!
lachen
CHOR
Bleib uns fern mit deinem Gott,
mit dem Allmächtigen!
Wir wollen durch ihn nicht befreit sein!
Bleib uns so fern wie dein Gott,
der Allgegenwärtige!
Wir fürchten und lieben ihn nicht!
So wenig als er uns belohnt und bestraft.
Chor in Bewegung; ein Teil drängt gegen Moses und Aron vor, ein anderer im Abgehen.
MOSES
Allmächtiger, meine Kraft ist zu Ende:
Mein Gedanke ist machtlos in Arons Wort!
CHOR
Aron, was tust du?
ARON
Dieser Stab führt euch:
CHOR
Flieht! Die Schlange wächst;
sie dreht sich,
sie wendet sich gegen alle!
ARON
In Moses’ Hand ein starrer Stab:
Das Gesetz;
in meiner Hand die bewegliche Schlange:
die Klugheit.
Stellt euch so, wie sie euch zwingt!
CHOR
Weicht, zieht euch zurück!
Kommt hierher, geht dorthin!
Verteilt euch besser!
Vergebens, sie hält uns im Bann!
ARON nimmt die Schlange beim Schwanz, legt sie als Stab wieder in Moses Hand
Erkennet die Macht,
die dieser Stab
dem Führer verleiht!
MÄDCHEN
Er wird uns befrein!
JUNGER MANN
Wir wollen ihm dienen!
MANN
Wir wollen ihm opfern!
PRIESTER
Dein Stab zwingt uns,
doch Pharao zwingt er nicht,
uns freizulassen!
ARON
Euer Mut ist gebrochen;
euer Stolz geschwunden;
ohne Hoffnung dient ihr
und glaubt nicht an euch,
noch an Gott.
Euer Herz ist krank!
So zwingt ihr Pharao nicht!
CHOR
Stark ist Pharao!
Schwach sind wir!
ARON
Seht Moses’ Hand:
gesund ist sie und stark.
Aber Moses’ Herz gleicht eurem jetzt,
weil er euch schwach weiss und mutlos.
Führt er die Hand an dies Herz,
das krank ist, wie eures,
seht!
CHOR
Aussatz! Flieht!
Weicht ihm aus!
Berührt ihn nicht!
Ihr werdet krank!
Aussatz!
ARON
Erkennt euch darin:
Mutlos, krank, verachtet,
geknechtet, gepeinigt!
Jetzt aber wohnt in Moses’ Busen
der Geist des starken Gottes,
der Pharao zwingt,
den Frondienst aufzuheben.
Seht!
6 SOLOSTIMMEN
Seht!
ARON
Führt Moses nun an dies starke Herz
die aussätzige kranke Hand ...
CHOR
Wunder! Seht! Wunder!
Gesund ist die Hand und stark!
ARON
Erkennet euch auch darin:
Euer Mut wird Pharao besiegen!
CHOR (FRAUEN) (MÄNNER)
Durch Aron lässt Moses uns Ein Wunder führt Aron vor Augen:
sehen,
Wie er seinen Gott selbst Die Hand die gesund oder krank wird,
erschaut hat, ist Zeichen vom Wesen des Gottes,
so wird dieser Gott uns der nicht sich uns selbst will zeigen!
vorstellbar; Durch Aron lässt Moses uns sehen,
den sichtbare Wunder wie er seinen Gott selbst erschaut hat:
bezeugen. aussätzig die Hand des Ungläub’gen,
gesund dessen Herz, der dem Gott traut:
so wird dieser Gott uns vorstellbar.
Das Sinnbild erweitert zum Abbild sich,
das Herz glaubt voll Mut einem Gotte,
den sichtbare Wunder bezeugen.
Durch Aron lässt Moses uns sehen,
wie er seinen Gott selbst erschaut hat,
so wird dieser Gott uns vorstellbar,
den sichtbare Wunder bezeugen.
CHOR
Allmächtiger Gott!
CHOR (FRAUEN)
Auf in die Wüste!
Während die Chöre hier in grosser Bewegung waren, sind Moses und Aron ganz in den
Vordergrund gelangt.
PRIESTER
Wahnsinnige!
Wovon soll euch die Wüste nähren?
MOSES
In der Wüste wird euch die Reinheit
des Denkens nähren, erhalten und entwickeln...
ARONä
ein Abbild eures leiblichen Glücks
in jedem geistigen Wunder.
Der Allwissende weiss, dass ihr ein Volk
von Kindern seid
und erwartet von Kindern nicht,
was Grossen schwierig.
Er rechnet damit, dass alle Kinder reifen
und alle Greise weise werden.
Er gibt euch Frist, euer Leben in Freude
der Vorbereitung auf die Weisheit des
Alters zu widmen.
Er wird es euch auch in der Wüste an Speise
nicht fehlen lassen.
Der Allmächtige verwandelt
Sand in Frucht,
Frucht in Gold,
Gold in Wonne,
Wonne in Geist.
Wer speist den Nil,
der dies Land ernährt?
Er, der den Stab in die Schlange,
Gesundheit in Aussatz verwandelt.
Seht des Niles Wasser
in diesem Krug!
giesst es aus
CHOR
Er hat uns auserwählt vor allen Völkern,
das Volk des einz’gen Gottes zu sein;
ihm allein zu dienen,
keines andern Knecht:
Wir werden frei sein
von Fron und Plage!
Das gelobt er uns:
Er wird uns führen in das Land,
wo Milch und Honig fliesst;
und wir soll’n geniessen,
was er unsern Vätern verheissen.
Allmächt’ger, du bist stärker
als Ägyptens Götter,
Pharao und seine Knechte schlägst du nieder.
Von der Fron befrein und Moses und Aron.
Ewiger Gott, wir dienen dir;
weihn dir unsere Opfer
und unser Liebe:
Du hast uns auserwählt,
führst uns ins gelobte Land.
Wir werden frei sein!
ZWISCHENSPIEL
Vor dem Vorhang ist ein kleinerer Chor, im Finstern unsichtbar, so aufgestellt, dass er den
Dirigenten gut sieht, dass aber die verschiedenen Stimmgattungen deutlich von
verschiedenen Plätzen herklingen.
CHOR
Wo ist Moses?
Wo ist der Führer?
Wo ist er?
Lange schon hat ihn keiner gesehn!
Nie kehrt er wieder!
Verlassen sind wir!
Wo ist sein Gott?
Wo ist der Ewige?
DIE 70 ÄLTESTEN
Vierzig Tage!
PRIESTER
Vierzig Tage liegen wir nun schon hier!
70 Älteste
Wie lange noch?
PRIESTER
Wie lange soll das noch dauern?
Vierzig Tage warten wir nun auf Moses,
und noch immer weiss keiner Recht
und Gesetz!
Unvorstellbares Gesetz des unvorstellbaren
Gottes!
EIN ÄLTESTER
Immer besetzt Juda die besten
Weideplätze!
EIN ANDERER
Ärger als Ägypten,
zu Fron ohne Ruhetag
zwingt Ephraim Benjamins Söhne!
EIN DRITTER
Benjamins Söhne haben Ephraims Weiber geraubt!
70 ÄLTESTE
Gewalt regiert!
Unzucht kennt ihre Strafe nicht,
Tugend nicht ihren Lohn!
Vierzig Tage warten wir vergebens
vor dieser Höhe!
ARON
Wenn Moses von dieser Höhe herniedersteigt,
wo ihm allein das Gesetz sich offenbart,
soll mein Mund euch Recht und Gesetz vermitteln.
Erwartet die Form nicht vor dem Gedanken!
Aber gleichzeitig wird sie da sein!
70 ÄLTESTE
Das wird zu spät kommen!
Das Volk ist verzweifelt!
Es misstraut dieser Höhe,
deren Umzäunung es vom Berg der Offenbarung trennt.
Es rast, es glaubt uns keinem mehr;
hält die Umzäunung für Willkür,
die Offenbarung für Ausflucht,
Moses' Schweigen für Flucht!
Lärm, Geheule und Tosen kommt, immer lauter, rasch näher; in wütender Erregung stürzt
von allen Seiten die brüllende Volksmenge auf die Bühne.
2. SZENE
CHOR
Wo ist Moses?
Dass wir ihn zerreissen!
Wo ist der Allgegenwärtige?
Dass er es mit ansieht!
Wo ist der Allmächtige?
Dass er uns daran hindre!
Fürchtet nichts! Zerreisst ihn!
Der Unvorstellbare hat es nicht verboten!
Gebt uns unsre Götter wieder,
dass sie Ordnung schaffen!
Oder wir zerreissen euch,
die ihr uns Gesetz und Recht genommen habt.
70 ÄLTESTE
Aron, hilf uns! Sprich zu ihnen!
Sie morden uns! Dich hören sie!
Du hast ihr Herz!
ARON
Volk Israels!
Mein Bruder Moses weilt,
wo er immer ist,
ob er uns nah ist oder fern;
er weilt auf dieser Höhe:
bei seinem Gott.
Vielleicht hat er uns verlassen,
der uns fern war;
vielleicht hat sein Gott ihn verlassen,
dem er nah war;
vielleicht kam er ihm zu nah!
Es ist ein strenger Gott:
Vielleicht hat er ihn getötet!
CHOR (ALLE)
Die Götter haben ihn getötet!
Die starken Götter vernichten den Frevler!
Die Ew’ge konnt ihn nicht beschützen.
Der Unsichtbare kommt keinem zu Hilfe.
Der Unsichtbare lässt nirgends sich blicken.
Sein Gott ist machtlos.
Zerreisst sie, tötet seine Priester,
erschlagt sie, verbrennt sie,
die Priester dieses falschen Gottes!
70 ÄLTESTE
Aron, hilf uns; gib nach!
ARON
Volk Israels!
Deine Götter geb’ ich dir wieder
und dich ihnen;
wie es dich verlangt.
Lasset die Ferne dem Ewigen!
Euch gemäss sind Götter
gegenwärtigen, alltagsnahen Inhalts.
Ihr spendet diesen Stoff,
ich geb’ ihm solche Form:
Alltäglich, sichtbar, fasslich,
in Gold verewigt.
Bringt Gold herbei!
Opfert! Ruft ihn an!
Ihr sollt glücklich werden!
Verwandlung
CHOR
Jubelt, freut euch! Juble, Israel!
Götter, Bilder unsres Auges,
Götter, Herren unsrer Sinne!
Ihre leibliche Sichtbarkeit,
Gegenwart, verbürgt unsre Sicherheit;
ihre Grenzen und Messbarkeit
fordern nicht, was unserm Gefühl versagt.
Götter, nahe unserm Fühlen,
Götter, die wir ganz begreifen:
Tugend lohne Glückseligkeit,
Übeltat bestrafe Gerechtigkeit;
zeigend unsrer Taten Folgen,
Götter, stellt sich eure Macht dar.
Juble, Israel, freue dich!
Farbig ist diese Gegenwart,
düster ist jene Ewigkeit;
Lebenslust scheut ihr Ende nicht,
furchtlos sucht sie es freiwillig;
Lust grenzt an Leben und an Tod,
steigert zu dem von jenem sich;
Drohung entzündet Lebensmut,
Standhaftigkeit und Tapferkeit.
Deinen Göttern als Inhalt
gabst du dein Innres,
dein Lebensgefühl.
Deiner Götter Aussehn
sichert dein Gold:
entäussre dich sein!
Mach dich arm, mach sie reich:
Sie werden dich nicht hungern lassen!
Juble, Israel!
Juble!
Während des Letzten hat der Chor den Ausblick auf den Hintergrund freigegeben.
3. SZENE
DAS GOLDENE KALB UND DER ALTAR
ARON
Dieses Bild bezeugt,
dass in allem, was ist, ein Gott lebt.
Unwandelbar, wie ein Prinzip,
ist der Stoff, das Gold,
das ihr geschenkt habt;
anschaulich – wandelbar,
wie alles andre: Zweite,
ist die Gestalt, die ich ihm gegeben.
Verehrt euch selbst in diesem Sinnbild!
Schon während Arons letzter Ansprache sind von verschiedenen Seiten her Züge
beladener Kamele, Esel, Pferde sowie Lastträger und Wagen auf die Bühne gekommen.
Sie bringen Opfer herein, Gold, Getreide, Weinschläuche, Vieh und dergleichen mehr. An
vielen Plätzen der Vorderung Hinterbühne wird abgeladen und aufgeschichtet. Züge mit
Vieh aller Arten gehen vorüber.
Gleichzeitig werden an vielen Stellen Vorbereitungen zum Schlachten getroffen: das Vieh
wird geschmückt, bekränzt; Schlächter mit grossen Messern treten auf, umtanzen das
Vieh in wilden Sprüngen.
Es wird langsam Abend.
Die Schlächter schlachten nun das Vieh, werfen Fleischstücke in die Menge, die sich
darum balgt. Einzelne Personen laufen mit blutigen Fleischstücken herum und verzehren
sie roh.
Inzwischen werden grosse Kessel gebracht. Brennmaterial wird aufgeschichtet. Die
Kessel werden aufgehängt. Am Altar werden Brandopfer dargebracht.
Eine Kranke wird auf einer Bahre hereingetragen. Die Menge vorn macht Platz, die Kranke
wird vor dem Goldenen Kalb abgesetzt.
EINE KRANKE
O Götterbild,
du strahlst, du wärmst, du heilst,
wie niemals die Sonne geheilt.
Den Finger leg’ ich bloss auf dich,
und schon bewegen sich die lahmen Glieder.
Inzwischen wurden Feuer unter den Kesseln entzündet, man brät und siedet; mit
zunehmender Dunkellheit flammen überall grosse Feuer auf. Auch Fackeln werden
angezündet, und Menschen laufen mit solchen hin und her.
Wein- und Ölschläuche werden verteilt, Wein und Öl in grosse Krüge gegossen. Dabei
gehen im Hintergrund die Vorgänge des Schlachtens usw. weiter.
Im Hintergrund wird dann rechtzeitig Platz geschaffen für den Auftritt der
hereingaloppierenden Stammesfürsten. Entzückt von dem Wunder der Kranken, haben
sich einzelne Personen von verschiedenen Seiten zum Goldenen Kalb hervorgedrängt und
bilden allmählich und nacheinander die beiden Gruppen:
Bettlerinnen und Bettler einerseits, Greise andrerseits.
GHOR (GREISE)
Die letzten Augenblicke,
die wir noch zu leben haben,
nehmt sie als Opfer.
Posaunenstoss hinter der Szene. Kommt näher; Galopp wird hörbar; nähert sich rasch;
das Volk, aufgeregt, stiebt auseinander; die Stammesfürsten und der Ephraimit reiten in
wildem Galopp bis vor das Kalb; springen dort ab; Umstehende halten die Pferde.
DER EPHRAIMIT
Frei unter eigenen Herren,
unterwirft sich ein Volk nur Göttern,
die kraftvoll herrschen.
Stammesfürsten, huldigt mit mir
diesem Abbild geregelter Kräfte!
DIE STAMMESFÜRSTEN
Im Namen aller von uns geführten Stämme,
Götter, seht uns vor euch auf den Knien,
die höhere Macht der höchsten unterworfen.
CHOR
Frei unter eigenen Herren!
JUNGER MANN hat sich einen Weg durch die Menge gebahnt. Er ist zum Skelett
abgemagert, sieht fiebrig aus. Mit einer langen Latte, die er mit beiden Händen hält,
schlägt er auf die Umstehenden ein und will sie zwingen, vom Götzendienst abzulassen.
Gedankenhoch waren wir erhöht,
gegenwartsfern, zukunftsnah!
Lebenstief sind wir erniedrigt.
Zertrümmert sei dies Abbild des
Zeitlichen!
Rein sei der Ausblick zur Ewigkeit!
DER EPHRAIMIT der hinter ihm gestanden ist, ergreift ihn am Genick und drückt ihn zu
Boden.
Hier blick nun zur Ewigkeit,
wenn dir Lebensnähe so wenig wert ist.
Die Stammesfürsten erschlagen den Jüngling, dann besteigen sie ihre Pferde, mischen
sich, einzeln und unregelmässig, unter das Volk und verschwinden, abreitend, unauffällig.
In der Volksmenge herrscht nach den vorigen Handlungen der Hingabe und der Opfer eine
Lust, sich gegenseitig zu beschenken, vor. Frauen schenken einander Schmuck, Tücher
und dergleichen, Männer Waffen, Geräte und dergleichen; man bietet einander Speisen
und Getränke, bekränzt sich und andere mit Blumen; einer hilft dem andern bei jeglicher
Tätigkeit u.a.m.
Überall wird nun Wein in Strömen ausgeschenkt. Eine wilde Trunkenheit bemächtigt sich
aller. Man wirft die schweren Steinkrüge umher, begiesst sich gegenseitig mit Wein und
gerät in tolles Tanzen, wobei es auch hie und da zu Zwistigkeiten und Prügeleien kommt.
Dazu singen die Ältesten.
70 ÄLTESTE
Selig ist das Volk, und gross zeigt
ein Wunder,
was Begeistrung, was Entzückung imstande:
unverwandelt keiner, jeder erhoben,
unergriffen keiner, jeder ergreifend.
Menschentugend, kraftvoll, wieder-
erweckte:
Ernst und Freude, Mass und Übermass,
Frohsinn, Glück und Sehnsucht, Schwung
und Ruhe, Besinnung.
Gier, Entsagung, Geiz, Verschwendung und
Habsucht,
alles Schöne, Gute, Hässliche, Schlechte,
Eigenlebens Zeugnis, wahrnehmbar, fühlbar. -
Sinn schenkt Seele Sinn erst.
Seele ist Sinn.
Götter, die ihr Seele schenktet,
Sinne, Seele wahrzunehmen.
Götter, seid gepriesen!
Vier nackte Jungfrauen, eine davon das Mädchen – siehe 1.Akt –, treten vor das Kalb.
MÄDCHEN
Du goldener Gott,
wie Lust durchströmt mich dein Glanz!
Was glänzt nur, ist gut.
Unangreifbare Tugend des Golds,
unverlierbare Jungfräulichkeit,
belohnt als Vorbild und Abbild.
VIER NACKTE JUNGFRAUEN Nackt, insoweit es die Gesetze und Notwendigkeiten der
Bühne erlauben und erfordern.
O goldener Gott,
o Priester goldener Götter,
das Blut jungfräulicher Unberührtheit,
gleich Goldes metallischer Kälte
zur Frucht nicht erwärmt,
oh, Götter, entzückt eure Priester,
entzückt uns zu erster und letzter Lust,
erhitzt unser Blut,
dass es zischend am kalten Gold
verrauche!
O rotes Gold!
Die Priester stürzen auf die Jungfrauen zu, umarmen und küssen sie lange. - Hinter jedes
Paar stellt sich ein Mädchen, das ein langes Schlachtmesser und ein Gefäss zum
Auffangen des Blutes in den Händen hält.
CHOR (SCHAUDERND)
70 ÄLTESTE
Blutopfer!
Die Mädchen reichen den Priestern die Messer; die Priester fassen die Jungfrauen an der
Gurgel und stossen ihnen das Messer ins Herz; die Mädchen fangen das Blut in den
Gefässen auf; die Priester giessen es auf den Altar. – Todesseufzer der Jungfrauen.
Die Menge beginnt nun mit Verwüstung und Selbstmord; es werden Geräte zerschlagen,
die Steinkrüge zerbrochen, die Wagen zertrümmert usw.; man schleudert alles mögliche
umher: Schwerter Dolche, Beile, Lanzen, Krüge, Geräte usw. Im Taumel werfen einzelne
sich den Gegenständen, Waffen und dergleichen entgegen, andere stürzen sich in
Schwerter, wieder andere springen ins Feuer, laufen brennend über die Bühne, einige
springen von hohen Felsen herab und dergleichen mehr; hierzu wilde Tänze.
EROTISCHE ORGIE
Ein nackter Jüngling läuft nach vorn, auf ein Mädchen zu, reisst ihm die Kleider vom Leib,
hebt es hoch und rennt mit ihm zum Altar, dort einen Augenblick haltmachend.
VIELE ANDERE
Heilig ist die Lust!
Ein ganzer Zug Nackter läuft auf diese Weise mit Geschrei und Gejohle am Altar vorbei und
verschwindet im Hintergrund.
Die Bühne ist durch den Abzug der Nackten leerer geworden; nun legt sich bald alle
Erregtheit; Taumel und Trunkenheit gehen in Erschlaffung und Müdigkeit über; viele
sinken schlafend um oder ziehen sich still zurück.
Aus dem Hintergrund klingt noch Musik und Gesang, von immer anderen Stellen her.
Einzelne Gruppen; jede deutlich aus einer anderen Richtung tönend.
CHOR
(ALT)
Götter, die ihr Seele schenktet ...
(BÄSSE)
Sinne, Seele wahrzunehmen ...
(EINIGE SOPRANE)
Du goldener Gott!
(EIN TENOR)
Gold glänzt wie Lust!
(BÄSSE)
Menschentugend gleicht Gold!
(BÄSSE)
Lust ist Wildheit!
(EIN SOPRAN)
Gold glänzt wie Blut!
(EIN ALT)
Gold ist Herrschaft!
(EIN TENOR)
Hingabe!
(BÄSSE)
Gerechtigkeit!
(SOPRAN)
Verwirrender Glanz!
Die Feuer erlöschen, bis auf wenige, allmählich. Alle Bewegung auf der Bühne hat
aufgehört.
4. SZENE
Im Hintergrund, möglichst weit hinten, auf einem der Hügel, erhebt sich ein Mann, blickt
eine Weile in die Richtung, wo man den Berg der Offenbarung zu denken hat, weckt
gestikulierend einige ihm zunächst Liegende, die er veranlasst, in dieselbe Richtung zu
blicken und ruft dann:
Auf diesen Ruf hin erwachen allenthalben die Schlafenden, erheben sich, und von allen
Seiten strömt wieder Volk herbei, ohne dass jedoch die Bühne wieder so voll wird wie in
der vorigen Szene.
MOSES
Vergeh, du Abbild des Unvermögens,
das Grenzenlose in ein Bild zu fassen!
Das Goldene Kalb vergeht; das Volk weicht zurück und verschwindet rasch von der Bühne.
VOLK
Der Strahl des Goldes erlischt;
Unser Gott ist wieder unsichtbar.
Alle Lust, alle Freude, alle Hoffnung
ist weg!
Alles wieder trüb und lichtlos!
Lasst uns den Gewaltigen fliehn!
5. SZENE
Moses und Aron
MOSES
Auf wessen Geheiss?
ARON
Wie immer:
ich hörte die Stimme in mir.
MOSES
Ich habe nicht gesprochen.
ARON
Aber ich habe dennoch verstanden.
Moses
Bei meinem Gedanken!
Das müsste dir nahe sein!
ARON immer noch zaghaft
Wenn du dich einsam machst,
wirst du tot geglaubt.
Das Volk hat auf das Wort deines Mundes,
dem Recht und Gesetz entspringen,
lange gewartet.
So musste ich ihm ein Bild zu schauen
geben.
MOSES
Dein Bild verblich vor meinem Wort!
MOSES
Gottes Ewigkeit vernichtet Götter-
gegenwart!
Das ist kein Bild, kein Wunder!
Das ist das Gesetz.
Das Unvergängliche, sag es, wie
diese Tafeln,
vergänglich; in der Sprache deines Mundes!
ARON
Israels Bestehn bezeuge den Gedanken
des Ewigen!
MOSES
Ahnst du nun die Allmacht des
Gedankens über die Worte und Bilder?
ARON
Ich verstehe es so:
dieses Volk soll erhalten bleiben.
Aber ein Volk kann nur fühlen.
Ich liebe dieses Volk,
ich lebe für es
und will es erhalten!
MOSES
Um des Gedankens willen!
Ich liebe meinen Gedanken und lebe
für ihn!
ARON
Auch du würdest dies Volk lieben,
hättest du gesehn, wie es lebt,
wenn es sehen, fühlen, hoffen darf.
Kein Volk kann glauben, was es nicht fühlt.
MOSES
Du erschütterst mich nicht!
Es muss den Gedanken erfassen!
Es lebt nur deshalb!
ARON
Ein beklagenswertes, ein Volk von
Märtyrern wäre es dann!
Kein Volk erfasst mehr als einen Teil
des Bildes, das den fassbaren Teil des
Gedankens ausdrückt.
So mache dich dem Volk verständlich;
auf ihm angemessne Art.
MOSES
Ich soll den Gedanken verfälschen?
ARON
Lass mich ihn auflösen!
Umschreibend, ohne auszusprechen:
Verbote,
furchterregend, doch befolgbar,
sichern das Bestehen;
die Notwendigkeit verklärend,
Gebote,
hart, doch hoffnungserweckend,
verankern den Gedanken.
Unbewusst wird getan, wie du willst.
Menschlich schwankend wirst du dein Volk
dann finden,
doch liebenswert!
MOSES
Das will ich nicht erleben!
MOSES
Ja, an meinen Gedanken, wie ihn diese
Tafeln ausdrücken ...
ARON
ein Teil des Gedankens sind.
ARON
Kleinmütiger!
Du, der du Gottes Wort hast,
ob mit, ob ohne Tafeln:
Ich, dein Mund, bewahre deinen
Gedanken,
wie immer ich ihn ausspreche.
MOSES
Durch Bilder!
ARON
Bilder deines Gedankens:
sie sind er, wie alles, was aus ihm
hervorgeht.
Ich beuge mich der Notwendigkeit;
denn dieses Volk soll erhalten
bleiben,
um für den Ewigkeitsgedanken zu zeugen.
Meine Bestimmung, es schlechter zu sagen,
als ich es verstehe.
Wissende jedoch werden ihn immer
wiederfinden!
ARON
Sieh hin!
MOSES
Die Feuersäule!
ARON
Sie führt uns bei Nacht --
Der Allmächtige gibt durch mich dem
Volk ein Zeichen.
Es wird im Hintergrund rasch Tag, die Feuersäule verblasst und verwandelt sich in die
Wolkensäule. Der Vordergrund bleibt verhältnismässig finster.
MOSES
Die Wolkensäule!
ARON
Sie führt uns bei Tag.
MOSES
Götzenbilder!
ARON
Gottes Zeichen, wie der glühende
Dornbusch.
Darin zeigt der Ewige nicht sich,
aber den Weg zu sich;
und den Weg ins gelobte Land!
MOSES
Unvorstellbarer Gott!
Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke!
Lässt du diese Auslegung zu?
Darf Aron, mein Mund, dieses Bild
machen?
So habe ich mir ein Bild gemacht,
falsch,
wie ein Bild nur sein kann!
So bin ich geschlagen!
So war alles Wahnsinn, was ich
gedacht habe,
und kann und darf nicht gesagt
werden!
O Wort, du Wort, das mir fehlt!
MOSES
Aron, nun ist es genug!
ARON
Willst du mich morden?
MOSES
Es geht nicht um dein Leben ...
ARON
Das gelobte Land ...
MOSES
Ein Bild ...
ARON
In Bildern sollte ich reden,
wo du in Begriffen;
zum Herzen, wo du zum Hirn sprichst –
MOSES
Du, dem das Wort mit dem Bild
davonläuft, du weilst selbst,
lebst selbst in den Bildern,
die du vorgibst, fürs Volk zu erzeugen.
Dem Ursprung, dem Gedanken entfremdet,
genügt dir dann weder das Wort noch
das Bild ...
ARON unterbrechend
wo das Wort und das Bild des Mundes
versagten ...!
MOSES
die Handlung?
Da machtest du den Stab zum Führer,
meine Kraft zum Befreier,
und Nilwasser beglaubigte die
Allmacht ...
Da begehrtest du leiblich, wirklich,
mit Füssen zu betreten ein unwirkliches
Land,
wo Milch und Honig fliesst.
Da schlugst du auf den Felsen,
statt zu ihm zu sprechen,
wie dir befohlen, dass Wasser aus
ihm fliesse ...
Aus dem nackten Felsen sollte das Wort
Erquickung schlagen ...
ARON
Niemals kam dein Wort ungedeutet
ans Volk.
Mit dem Stab deshalb sprach ich zum
Felsen in seiner Sprache,
die auch das Volk versteht.
MOSES
Du sagst es schlechter, als
du es verstehst,
denn du weisst, dass der Felsen ein
Bild,
wie die Wüste und der Dornbusch:
drei, die dem Leib nicht geben,
was er braucht,
gegen den Geist, der Seele,
was deren Wunschlosigkeit zu ewigem
Leben genug ist.
Auch der Felsen, wie alle Bilder,
gehorcht dem Wort, daraufhin er
Erscheinung geworden war.
So gewannst du das Volk nicht für
den Ewigen,
sondern für dich ...
ARON
Für seine Freiheit, dass es ein
Volk werde!
MOSES
Dienen, dem Gottesgedanken zu dienen,
ist die Freiheit, zu der dieses Volk
auserwählt ist.
Du aber unterwarfst es fremden Göttern,
unterwarfst es dem Kalb und der
Feuer- und der Wolkensäule.
Denn du tust wie das Volk,
weil du fühlst wie es
und so denkst.
Und der Gott, den du zeigst,
ist ein Bild der Ohnmacht,
ist abhängig von einem Gesetz über
sich; muss erfüllen, was er ver-
sprochen hat; muss tun, um was er
gebeten wird,
ist gebunden an sein Wort.
Wie die Menschen handeln – gut
oder böse – so muss er:
strafen ihr Böses, belohnen ihr Gutes.
Aber der Mensch ist unabhängig und tut,
was ihm beliebt aus freiem Willen.
Hier beherrschen die Bilder bereits
den Gedanken, statt ihn auszudrücken.
Ein Allmächtiger – was
immer er auch halte – ist zu nichts
verpflichtet
durch nichts gebunden.
Ihn bindet nicht die Tat des Frevlers,
nicht das Gebet des Guten,
nicht das Opfer des Reuigen.
Bilder führen und beherrschen
dieses Volk, das du befreit hast:
und fremde Wünsche sind seine Götter
und führen es zurück in die Sklaverei
der Gottlosigkeit und der Genüsse.
Verraten hast du Gott an die Götter,
den Gedanken an die Bilder, dieses
auserwählte Volk an die andern,
das Aussergewöhnliche an die
Gewöhnlichkeit ...
DIE KRIEGER
Sollen wir ihn töten?
MOSES
Immer, wenn ihr euch unter die Völker
mischt und verwendet euere Gaben, die
zu besitzen ihr auserwählt seid, um
für den Gottesgedanken au kämpfen,
und ihr verwendet euere Gaben zu falschen
und nichtigen Zwecken, um im Wettbewerb
mit fremden Völkern an ihren niedrigen
Freuden teilzunehmen, immer, wenn ihr
die Wunschlosigkeit der Wüste verlasst
und euere Gaben euch zur höchsten Höhe
geführt haben, immer werdet ihr wieder
heruntergestürzt werden vom Erfolg des
Missbrauches, zurück in die Wüste.
zu den Kriegern
Gebt ihn frei, und wenn er es vermag,
so lebe er.
MOSES
Aber in der Wüste seid ihr unüberwindlich
und werdet das Ziel erreichen:
Vereinigt mit Gott.