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Reflexive Grounded Theory Eine Einführung Für Die Forschungspraxis 2nd Edition Research PDF Download

Das Buch "Reflexive Grounded Theory" bietet eine Einführung in einen sozialwissenschaftlichen Forschungsstil, der ethnographische Ansätze und die Grounded Theory-Methodik kombiniert. Es betont die Bedeutung der Selbstreflexivität der Forscher und deren Einfluss auf den Forschungsprozess und die Erkenntnisgewinnung. Die Methodik wird als interdisziplinär und geeignet für qualitative Forschungsanliegen dargestellt, die über formale Qualifikationen hinausgehen.

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Das Buch "Reflexive Grounded Theory" bietet eine Einführung in einen sozialwissenschaftlichen Forschungsstil, der ethnographische Ansätze und die Grounded Theory-Methodik kombiniert. Es betont die Bedeutung der Selbstreflexivität der Forscher und deren Einfluss auf den Forschungsprozess und die Erkenntnisgewinnung. Die Methodik wird als interdisziplinär und geeignet für qualitative Forschungsanliegen dargestellt, die über formale Qualifikationen hinausgehen.

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Reflexive Grounded Theory Eine Einführung für die

Forschungspraxis 2nd Edition

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Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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1. Auflage 2009
2. Auflage 2010

Alle Rechte vorbehalten


© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

Lektorat: Kea Brahms

VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien.


Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.vs-verlag.de

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von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg


Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands

ISBN 978-3-531-17766-3
Inhalt

Vorbemerkung 9

1 Methodologische Grundlagen sozialwissenschaftlicher Ethnographie 11


1.1 Das Verhältnis von Menschenbild und Forschungsmethodik 11
Begriffsklärung: Objekt - Modell - Re-/Präsentation 12
1.1.1 Der Behaviorismus als Beispielfall nomothetischer Wissenschaft
und seine Implikationen für ein Objektmodell 13
1.1.2 Die Suche nach Alternativen 16
Hintergrund: Das Konzept der Norm-Versuchsperson
und ihr organismischer Charakter 17
1.2 Die sozial- und kulturwissenschaftliche Orientierung 19
1.3 Sozialwissenschaftliehe Ethnographie 22
Hintergrund: Präkonzepte - apriorische Strukturen
(in) der Erkenntnis 26
Begriffsklärung: Reflektierte Offenheit 29
1.4 Der Forschende und sein Feld 29
1.4.1 Rollen und Relationen im Forschungsfeld 30
1.4.2 Der Eintritt ins Forschungsfeld 32
1.4.3 Der Wandel der Forscherrolle im Laufe der Zeit 34
Illustration: Das Bemühen um Störungs-Vermeidung
in "Kitchen Stories" 35
Weiterführende Information: "Partizipative Sozialforschung" 36

2 Der Forschungsstil der Grounded Theory 39


2.1 Einführung 39
Hintergrund: Grounded Theory-Essentials 41
2.2 Sozialwissenschaftliehe Methodologien: "Erklären" und "Verstehen" 42
2.2.1 Wissenschaftliches Erklären 43
2.2.2 Wissenschaftliches und alltagsweltliches Verstehen und Deuten-
sozialwissenschaftliche Hermeneutik 44
Begriffsklärung: Hermeneutik als Haltung 47
6 Inhalt

2.3 Methodische Werkzeuge der Grounded Theory 51


Begriffsklärung: Deduktion - Induktion - Abduktion 53
2.3.1 Fokussierung und Fort-jEntwicklung der Forschungsfrage 54
2.3.2 Umgang mit Literatur 56
2.3.3 Theoretical Sampling 57
2.3.4 Theoretische Sensibilität 58
2.3.5 Der Datenbegriff 60
2.3.5.1 Im Untersuchungsfeld: "Nosing Around" 62
2.3.5.2 Gespräche, Interviews 63
2.3.6 Dokumentieren und Transkribieren 65
2.4 Kodieren im Grounded Theory-Modus 69
2.4.1 Was heißt "Kodieren"? 69
2.4.2 Das Konzept-Indikator-Modell 71
2.4.3 Die Logik des Kodierens 73
Begriffsklärung: Konzepte, Kodes, Kategorien, Dimensionen 74
2.4.4 Der Ablauf des Kodierprozesses 77
2.4.5 Verfahren und Regeln des Kodierens 79
2.4.5.1 Offenes Kodieren 80
2.4.5.2 Axiales Kodieren 84
2.4.5.3 Selektives Kodieren 92
2.4.6 Sukzession und Iteration 93
2.4.7 Eine Illustration: Kodieren, Themenfokussierung und Modellierung 93
2.5 Kodieren und Computer 101
Weiterführende Information: QDA-Software-Übersichten
im Internet 102
2.6 Schreiben des Forschungsberichts 103
2.7 Bereichsbezogene und Formale Theorien 108
2.8 Gütekriterien der Grounded Theory-Methodik 109
2.9 Zur Entwicklungsgeschichte der Grounded Theory-Methodik 111

3 Subjektivität, Perspektivität und Selbst-lReflexivität 115


3.1 Einführung 115
3.2 Forschen als Tätigkeit und Handlung 115
3.2.1 Selbst-/Reflexivität, Konstruktivismus 117
3.2.2 Subjektivität - Perspektivität 120
3.3 Perspektiven, Perspektivenvergleich, Dezentrierung 121
Begriffsklärung: Dezentrierung 122
Inhalt 7

3.4 "Störungen" im Untersuchungsfeld und am Forscher als


Erkenntnisfenster 123
Begriffsklärung: Störungen des Feldes 123
Begriffsklärung: Störungen am Beobachter 126
3.5 Verfahren und Praktiken der Selbst-/Reflexion 128
3.5.1 Forschungstagebuch 129
3.5.2 Reflexion von Forschungsinteraktionen 131
3.5.3 Austausch unter Koforschenden: Kolloquium - Forschungswerkstatt -
Forschungssupervision 134
3.6 Selbst-/Reflexion im Ablauf des Forschungsprozesses 136
3.7 Resümee 140

4 Zwei Aneignungsgeschichten des Forschungsstils und ihre


Erkenntnisresultate 143
4.1 Einführung 143
4.2 Mein Vertrautwerden mit der Grounded Theory-Methodik-
Antje Lettau 144
4.2.1 Meine Forschungsarbeit 144
Die Studie 144
4.2.2 Die ersten Erfahrungen mit universitären Fachkulturen und
einem qualitativen Forschungsstil- die Herausbildung einer
Neigung und Motivation 146
4.2.3 Die Wahl eines Forschungsthemas 148
4.2.4 Der Feldzugang und die Datenerhebung "vor Ort" 151
4.2.5 Die Datenanalyse und die Theorieentwicklung 153
4.2.6 Ich und mein Forschungsfeld und meine Untersuchungspartner:
Gedanken zur Selbstreflexivität 156
4.2.7 Die persönlichen Folgen: Gedanken zu Auswirkungen der
Forschungsarbeit 158
4.3 Meine Geschichte der Passung von Person, Forschungsstil und
Forschungsthema - Barbara Dieris 159
4.3.1 Meine Forschungsarbeit 159
Die zwei Studien 159
4.3.2 Ich und die Methode 163
4.3.3 Ich und das Thema 166
4.4 Resümee 169

Literatur 171
Vorbemerkung

In diesem Buch wird eine Einführung in einen sozialwissenschaftlichen For-


schungsstil gegeben, die in Hochschulseminaren entwickelt wurde und sich dort
bewährt hat und die bei der Anleitung eigenständiger studentischer Forschungs-
projekte Anwendung findet. Sie ist durch folgende methodologische Bestandteile
gekennzeichnet:
• Ethnographischer Zugang: Ins-Untersuchungsfeld-Gehen, soziale Nähe zu den
Mitgliedern des Feldes suchen, Besuche von und Gespräche mit Untersu-
chungspartnerinnen und -partnern in deren Lebenswelt unternehmen, teil-
nehmende Beobachtung und beobachtende Teilnahme dort durchführen;
• Grounded Theory-Methodik: Eine Forschungslogik, bei der es um das Erfinden
und Ausarbeiten gegenstandsangemessener Begriffe, von Modellierungen und
Theorien auf der Basis empirischer Erfahrung, im Austausch zwischen Daten
(-erhebung) und Theorie (-entwicklung) geht;
• Selbst-lReflexivität der Forscher/innen-Person und ihres Forschungshandelns:
Die Subjekt/ivitäts-Charakteristik der/des Forschenden zählt und findet Beach-
tung - sowohl hinsichtlich ihrer lebensweltlichen Einbettung als ("private")
Person wie hinsichtlich der Bedeutung für die Forschungsinteraktion. Sie gilt
nicht als Fehler und Makel im Forschungsprozess, vielmehr wird sie in Bezug
auf ihre positiven Erkenntnismäglichkeiten umgewertet und genutzt.

Der Autor und die Mitautorinnen stammen aus dem fachlichen Kontext der Psy-
chologie. Die Mainstream-Psychologie ist dabei, in thematischer und methodologi-
scher Hinsicht den Blick für alltagsweltliche Lebenserfahrung sowie den Anschluss
an benachbarte Sozialwissenschaften zu verlieren. Thre Vertreter ziehen es derzeit
vor, auf die Karte der Neurowissenschaften zu setzen und dort einem engen no-
mothetisch-naturwissenschaftlichen ErkenntnismodelI und einem biologistischen
Menschenbild nachzustreben. Dem setzen wir hier ein qualitativ-methodisches,
sozial- und kulturwissenschaftlich orientiertes Forschungskonzept entgegen, das
auch der Person, Sozialität und Subjektivität des/der Forschenden sowie sei-
ner/ihrer lebensweltlichen Konstituiertheit und Erfahrung einen epistemologischen
und methodologischen Platz einräumt.
10 Vorbemerkung

Unserer Argumentation ist (hinsichtlich gewählter Beispiele und Kontraste)


mitunter ihre Herk1.U1ft aus der disziplinären Umgebung der akademischen Psy-
chologie anzumerken. Der Ansatz ist jedoch multi- und interdisziplinär ausgerich-
tet. Er greift über eine Methodologie (einer Methodenlehre) für psychologische
Untersuchungen hinaus auf ein breites Spektrum sozial-, kultur- und kommunika-
tionswissenschaftlicher Forschungsbereiche.
Die Intention unseres Ansatzes trifft sich mit der Ausrichtung der Suche nach
einer "sozialwissenschaftlichen Heimat", wie sie Susan Leigh Star im biographi-
schen Rückblick (2007, S. 76) schildert:

"As a graduate student, I searched for years for teachers who would not try to divorce me from my
life experience, feelings, and feminist commitments. At the same time, I didn't want just a ,touchy-
feely' sort of graduate educationi I also needed to satisfy the love for stringent analysis I had devel-
oped as an undergraduate. I wouldn't have known how to say it, exactly, then, but I was looking for
a way simultaneously to incorporate formal and informal understandings of the world."

Die vorgestellte Methodik eignet sich speziell für sozialwissenschaftliche Untersu-


chungsanliegen, die in ihrer Bedeutung für Forscherinnen und Forscher über die
schlichte Absolvierung formaler Qualifikations-Abschlüsse hinaus gehen, bei de-
nen sie ein gewisses Maß an identifikatorischem "Herzblut" mitbringen, die auch
Züge"persönlicher Projekte" besitzen.

Danksagung

Die Entwicklung und Ausarbeitung der Forschungsmethodik in ihrer hier vorlie-


genden Darstellung verdanke ich auch langjähriger Erfahrung mit der Begleitung
von Aneignungs- und Forschungsprozessen vieler Studierender. Diese Zusam-
menhänge waren durch einen gemeinsamen Lem- und Entwicklungsprozess ge-
kennzeichnet. Über die Zeit haben mich eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen
sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt, die ich hier nicht sämtlich
aufführen kann. Die Hilfen und Ratschläge, die ich bei der Arbeit an der Endfas-
sung dieses Textes von Björn Modlich und Kea Sarah Brahms vom VS Verlag er-
halten habe, möchte ich dankbar hervorheben.

Franz Breuer
1 Methodologische Grundlagen
sozialwissenschaftlicher Ethnographie

1.1 Das Verhältnis von Menschenbild und Forschungsmethodik

Ein Forschungsansatz enthält notwendig ein Bild seines Gegenstandes - ein Ob-
jektmodell, in unserem Gebiet ein Menschenbild. Das Menschenbild und die For-
schungsmethodik stehen in einem engen Zusammenhang. Die Reflexion dieses
Verhältnisses erachten wir als bedeutsam.
Wenn ein Humanwissenschaftler oder eine Humanwissenschaftlerin sich mit
dem Gegenstand Mensch unter einer bestimmten Forschungsperspektive beschäf-
tigt, liegen dabei bestimmte Modellvorstellungen des Objekts zugrunde - noch
bevor er/sie seine/ihre ersten Beobachtungen gemacht bzw. Daten gesammelt hat:
Wie ist der "Mensch meiner Forschung" gebaut und beschaffen? Worin besteht
mein Forschungsgegenstand? Welche Merkmale besitzt er, welche halte ich für
wichtig bzw. welche interessieren mich als Forscher/in? Welche Merkmale interes-
sieren mich als Forscher/in nicht? Wofür bin ich - bzw. wofür ist meine Methodik-
empfänglich und wofür bin ich blind und taub? Wo schaue ich genau hin und wo
schaue ich weg? Am Ausgangspunkt eines wissenschaftlichen Zugangs steht der
Entwurf des Forschungsobjekts, seiner Struktur, seiner möglichen Eigenschaften
und Dynamiken.
Das Festlegen solcher Grundannahmen bzw. von Voreinstellungen unseres
Wahrnehmungsapparats ist unvermeidlich. Es ist konstitutiv mit Modellen des
Gegenstands im Rahmen einer wissenschaftlichen Disziplin, eines disziplinären
Paradigmas, einer Forschungstradition und einer Methodik verbunden. Solche
Annahmen sind verknüpft mit der Ausrichtung der wissenschaftlichen Sichtweise
- eines "psychologischen", eines "klinischen", eines "medizinischen", eines "sozio-
logischen", eines "pädagogischen Blicks". Wir setzen uns bei der Betrachtung eines
Gegenstandes eine ganz bestimmte Brille auf die Nase. Registriere ich - beispiels-
weise - kognitive Leistungsmerkmale, emotionale Aspekte, physiologische Para-
meter, Normabweichungen, Pathologien, soziales Verhalten, sprachliche Charakte-
ristika, Selbstreflexion - oder was sonst? Derartige Aufmerksamkeitsfokussierun-
gen sind mit Verfahren und Instrumentarien der Sondierung des Gegenstandes
12 1 Methodologische Grundlagen

gekoppelt. Die so zustande kommenden Objektmodellierungen werden - im Rah-


men bestimmter Forschungsprogramme - häufig für so selbstverständlich erachtet,
dass man die Tatsache ihres Vorhandenseins aus den Augen verliert, dass man die
"Brille" vergisst. Bestimmte Annahmen, Sichtweisen und Schlussfolgerungen er-
scheinen dann "ganz zwangsläufig". Als Mitglied einer entsprechenden Wissen-
schaftsgemeinschaft - eines "Denkkollektivs", wie der Wissenschaftshistorlker
Ludwik Fleck das genannt hat, eines "Paradigmas" in der Terminologie von Tho-
mas Kuhn - kommt man gar nicht auf die Idee, diese Voraussetzungen zu proble-
matisieren oder in Zweifel zu ziehen (Fleck 1935/1980; Kulm 1962/1973). Auch
beim Vorliegen unvereinbarer Befunde lassen sich häufig "gute Gründe" finden,
an alt vertrauten Überzeugungen festzuhalten (vgl. Breuer 1991, S. 176ff.).
In den Humanwissenschaften gibt es unterschiedliche Weisen der Modellierung
ihres Gegenstandes - des "Anderen". Dieser forscherseitige Konstruktionsprozess
des Objekts der Aufmerksamkeit wird mitunter auch mit dem sinnfälligen Aus-
druck "Othering" gekennzeichnet (vgl. Geertz 1990; Breuer 2005).

Begriffsklärung: Objekt - Modell - Re-/Präsentation

"Jede Beschreibung von personalen Subjekten/Objekten und deren Handeln ope-


riert auf der Grundlage eines Vokabulars von vorgängigen, vertrauten Kategorien
bzw. Begriffen. Kein re-/präsentiertes Objekt und keine Handlung ist uns fraglos,
naturgemäß, epistemologisch ,einfach gegeben'. Bei symbolischem Darstellungs-
handeln findet (in erkenntnistheoretisch ,realistischer Haltung' und vereinfacht
gesprochen) ein Transfer einer ,Welt l' (Objektwelt) in eine ,Welt 2' (Symbolwelt)
statt. Dabei stellt sich das Problem der sprachlichen bzw. symbolischen Fassung,
der Beschreibung von Objekten - und hier gibt es prinzipiell keine Eins-zu-eins-
Verhältnisse. Repräsentationen, Symbolisierungen beinhalten zwangsläufig Selek-
tion, Fokussierung und Kategorisierung von Objekt-Eigenschaften und -Dimen-
sionen: Welche Charakteristika sind für eine Beschreibung wesentlich, interessant?
Was muss eingeschlossen, was kann vernachlässigt, ausgeschlossen werden? Wel-
ches Vokabular wird für die sprachliche Darstellung gewählt? - In diesem Sinn
kann eine symbolische/sprachliche Re-/Präsentation niemals die Totalität eines
Objekts erfassen. In unserem Gegenstandsfeld sind prinzipiell unendlich viele Be-
schreibungen möglich (und potentiell interessant). Es ist sinnvoll, von einer Model-
lierung des Objekts zu sprechen, auf die die Re-/präsentation bzw. Beschreibung
referiert; sie bezieht sich demgegenüber (nur) indirekt, über das Modell vermittelt,
auf das Objekt selbst ..." (Breuer 2005, S. 58f.).
1 -------'
1.1 Menschenbild und Forschungsmethodik 13

1.1.1 Der Behaviorismus als Beispielfall nomothetischer Wissenschaft und seine


Implikationen für ein Objektmodell

Eine typische und seit dem 20. Jahrhundert verbreitete humanwissenschaftliche


Modellvorstellung vom menschlichen Verhalten ist in der Theorie des Behavioris-
mus enthalten. Dies ist eine Konzeption, die in weiten Bereichen der Psychologie
geteilt wird und die auch in gewissen Spielarten anderer Disziplinen - in Erzie-
hungswissenschaft, Medizin, Anthropologie, auch Soziologie - Anhängerschaft
besitzt. Es gibt eine Reihe behavioristischer Varianten, Ausweitungen und Verfei-
nerungen - auf die es hier aber nicht ankommt, um das Prinzip zu verdeutlichen.
Wir gehen bei unseren Überlegungen von einem weiten Begriff von Behaviorismus
aus, der sich über einen Kern von Grundannahmen definieren lässt.
Der wesentliche Gedanke hierbei ist der, dass der Mensch hinsichtlich seines
Verhaltens zum Forschungsgegenstand gemacht wird - daher der Name dieser
Richtung: "Behaviorismus" (oder "Verhaltenstheorie"). Das geschieht in einem
Gefüge aus folgenden Komponenten:
• Der "Stimulus", der Reiz - eine äußere (im Prinzip physikalische) Einwirkung;
• der "Organismus" - eine biologische Struktur. Genau genommen muss das
kein menschlicher Organismus sein, es kann sich auch um eine Ratte, einen
Raben oder einen Frosch handeln;
• die "Reaktion" - eine sichtbare bzw. sichtbar zu machende motorische, bio-
chemische o. Ä. "Antwort" des Organismus, die zeitlich auf den Reiz folgt und
mit diesem - auf der Grundlage von Ergebnissen experimenteller Untersu-
chung - kausal in Zusammenhang gebracht wird (die Rede ist dann von: "Die
Reaktion ,r' wird durch den Reiz ,s' ausgelöst.");
• die "Konsequenz" auf diese Reaktion aus der physikalischen oder sozialen
Umwelt; diese kann die Auftretenshäufigkeit der Reaktion auf den Stimulus in
zukünftigen Fällen modifizieren - fördern im Fall positiver Konsequenzen
("Belohnung", "Verstärkung"), hemmen im Fall negativer Konsequenzen ("Be-
strafung").

Der Organismus wird dabei als ein Gefüge, ein Mechanismus, ein System o. Ä.
betrachtet, durch dessen interne Strukturen und Funktionen der Stimulus-Input zu
einem Reaktions-Output verwandelt wird. Hinsichtlich der Feststellbarkeit von
Ereignissen, die als "Reiz", als "Reaktion" und als "Konsequenz" bezeichnet wer-
den, herrschen zwei strikte methodologische Postulate, die die Möglichkeit wissen-
schaftlich-objektiver Erkenntnis gewährleisten sollen:
14 1 Methodologische Grundlagen

• Sie müssen von einem Standpunkt externer Beobachter aus registrierbar bzw.
messbar sein (bei unterschiedlichen Auffassungen und Modalitäten von "Mes-
sung").
• Sie müssen von mehreren Beobachtern festgestellt werden können. Deren Über-
einstimmung/Konsens gilt als positives Gütekriterium für eine Beobachtung
bzw. deren Beschreibung ("Objektivität" ist durch intersubjektive Nachprüf-
barkeit zu gewährleisten).

Selbst-/Beschreibungen des "Organismus" sind (hinsichtlich ihres inhaltlich-


referentiellen Charakters, ihres semantischen Gehalts) für wissenschaftliche Zwe-
cke streng genommen unbrauchbar. Dafür werden methodologische Begründun-
gen in Anschlag gebracht: Sie sind nicht intersubjektiv kontrollierbar, da ja stets
nur von einer Auskunftsstelle - eben dem "Organismus" - geschildert. Der Plural
bei den Beobachtern ist insofern wesentlich, als nur solchen Feststellungen wissen-
schaftliche Dignität zugeschrieben wird, die von mehreren Forschern oder (ge-
schulten) Hilfspersonen unabhängig voneinander getroffen werden (Breuer 1991).
Selbstauskünfte werden ferner aus theoretischen Gründen als unzuverlässig ange-
sehen: Die sogenannte Introspektion ist hochgradig irrtumsanfällig (vgl. die ein-
schlägige Kontroverse zwischen Nisbett & Wilson 1977 einerseits, Ericsson & Si-
mon 1984 andererseits; s. auch Breuer 1991a, S. 159ff.; 1995). Sprachliche Hervor-
bringungen des "Organismus" sind in der behavioristischen Konzeption darüber
hinaus als selbstbezügliche Aussagen theoretisch insofern irrelevant, da solche
Phänomene gar keinen modelltheoretischen Platz haben - sie sind gewissennaßen
systemwidrig: Ein "Organismus" ist im Rahmen dieses Menschenbildes (per defi-
nitionem) nicht zu selbstreflexiver Auskunft begabt, er "reagiert" lediglich auf
"Reize".
In den Frühfassungen der behavioristischen Lehre wurde der Organismus als
eine sogenannte Black Box gekennzeichnet: Man kann in ihr Dunkel nicht hinein-
gucken, man muss oder will das auch gar nicht unbedingt. Das Forschungsinteres-
se bezieht sich vielmehr allein auf die Zusammenhänge und Relationierungen
zwischen messbarem Reiz-Input einerseits und feststellbarem Reaktions-Output
und kontingenten Konsequenzen andererseits.
Diese Modellvorstellung steht in einem idealen Passungsverhältnis zu den Prin-
zipien des bedingungskontrollierten Experimentierens und der neopositivistischen
Wissenschaftslehre zur nomothetischen Theoriencharakteristik (dem Logischen
Empirismus, dem Kritischen Rationalismus und ihren Spielarten; vgl. Breuer 1991,
S.38ff.).
In der nomothetischen Auffassung, die sich vor allem in den klassischen Natur-
wissenschaften herausgebildet hat, geht man davon aus, dass erklärungstaugliche
1.1 Menschenbild und Forschungsmethodik 15

Theorien wesentlich aus allgemeinen Gesetzmäßigkeiten bestehen, die von räumli-


chen und zeitlichen Umständen unabhängig sind, gewissermaßen immer und
überall gelten. Das Experiment wird in diesem Zusammenhang insofern für den
Königsweg der Erkenntnis gehalten, als durch die dabei zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten der systematischen Herstellung von Szenarien - Bedingungsvariati-
on und -kontrolle - Geschehnisse auf kausale Verursachungsbedingungen hin
ausgetestet werden können. Man studiert (im einfachen Fall) manipulierbare In-
put-Reize ("unabhängige Variablen"), die sich nach irgendeiner Systematik variie-
ren lassen, und misst die Verhaltens-Reaktionen, die auf solche Reize bzw. Reiz-
Serien beim Organismus herauskommen ("abhängige Variablen"). Das Ganze ge-
schieht häufig in einem (Labor-) Setting, in dem vermeintlich alle übrigen poten-
tiellen Einfluss-Faktoren ausgeschaltet bzw. kontrolliert werden können. In diesem
operativen Rahmen bestätigen und bekräftigen sich die behavioristische, die expe-
rimentelle und die nomothetische Denkweise wechselseitig. Der legitimatorische
Rückbezug dieser Methodologie auf ihre Bewährung in den Naturwissenschaften
rekurriert allerdings auf die Epistemologie der Newtonschen Physik, die seit Ein-
stein und Heisenberg (Stichworte: Relativitätstheorie, Unschärferelation) dortselbst
nicht mehr die Grundlage des Wissenschaftsverständnisses darstellt.
Spätere, diversifizierende und liberalisierte Versionen der behavioristischen
Theoriebildung haben sich Mühe gegeben, in die Black Box "hineinzuleuchten".
Das geschah und geschieht so, dass hypothetische Vorstellungen über deren Funk-
tionsweise entwickelt werden. Diese Grundidee wird häufig auch als "kognitive
Wende" bezeichnet, und sie wurde seinerzeit für einen Forschritt in der Entwick-
lung der Psychologie erklärt. Es wird angenommen, das Innere der Black Box sei
wie ein Computer gebaut und funktioniere dementsprechend, so dass die Archi-
tektur des Zentral-/Nervensystems den Schaltkreisen und Programmstrukturen
eines "Elektronengehirns" analog sei. Kognitive Funktionen lassen sich unter die-
ser Voraussetzung beispielsweise als sogenannte "Produktionssysteme" (als
Wenn-dann-Ketten von Bedingungsabfragen und Aktionen) auf dem Computer
darstellen bzw. implementieren (Anderson 1988; 1993). Die unterstellte Struktur-
gleichheit versucht man u. a. durch Simulation bzw. Parallelisierung von Orga-
nismus- und Maschinen-Verhalten zu belegen: Gelingt es im Experiment, auf bei-
den Seiten gleiche bzw. analoge Input-Output-Relationen herzustellen? Neuer-
dings wird die skizzierte Computermetapher durch eine neurowissenschaftlich-
physiologische Modellvorstellung überlagert. Dabei werden sogenannte bildge-
bende Verfahren der Computertomographie (CT) oder der funktionellen Magnet-
resonanztomographie (fMRT) dazu benutzt, das Innere der Black Box sichtbar zu
machen. Man meint, der Reizverarbeitung des Gehirns und seiner Verhaltenssteu-
16 1 Methodologische Grundlagen

enmg durch Einfärben biochemischer Prozesse in bildlichen Darstellungen von


Himarealen auf die Spur zu kommen (vgl. etwa Jäncke 2005).
An diesen beiden Beispielen (Computermetapher und MRT-Darstellung), die
für die jüngere Entwicklung der Psychologie bzw. der Humanwissenschaften
kennzeichnend und von großer Bedeutung sind, wird sichtbar, dass die theoreti-
schen Modellvorstellungen in starkem Maße durch die Verfügbarkeit technischer
Verfahren und Instrumentarien geprägt sind. Diese werden - gewissermaßen "von
außen" kommend - in disziplinäre Forschungsansätze importiert und methodisch
inkorporiert. Aufgrund vielfältiger (Rahmen-) Bedingungen erhalten die Verfahren
und Instrumente eine Bedeutung, die die Wissenschaftsdynamik über geraume
Zeitdauer prägen können - bis wieder eine neue technologische Apparatur am
Horizont auftaucht und damit neue Daten (-arten) hervorgebracht werden, die
größeren Appeal besitzt, die teuer ist, die man sich nur in exklusiven Labors leisten
kann, die in diversen Öffentlichkeiten ein Plus an Prestige mit sich bringt.
Hinsichtlich solcher Art der Steuenmg wissenschaftlicher Konzeptionalisienm-
gen und Fokussienmgen kann man ins Grübeln kommen. Allerdings ist die Be-
stimmung der Forschungsmethodik durch die "geilste Technologie" weder spezi-
fisch für den Behaviorismus noch für die Humanwissenschaften. Die Geschichte
der Erkenntnisproduktion in naturwissenschaftlichen Disziplinen lässt sich gleich-
falls unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung technologischer Werkzeuge be-
schreiben - und dieser Trend besitzt dort eine ausgebaute historische Tradition.
Eine der berühmtesten Veranschaulichungen aus der Geschichte der Naturwissen-
schaft ist die Erfindung des Teleskops und seine Verwendung für die Himmelsbe-
obachtung in der Astronomie durch Galilei (vgl. Breuer 1991, S. 76ff.).

1.1.2 Die Suche nach Alternativen

Seit vielen Jahren gibt es gegenstandstheoretisch fundierte Auseinandersetzungen


mit dem "organismischen" Objektverständnis und Forschungskonzept in den Hu-
manwissenschaften. In der deutschsprachigen Psychologie ist beispielsweise Klaus
Holzkamp als ein exponierter Kritiker dieser Denkweise hervorgetreten. Seit den
1960er Jahren hat er sich sehr intensiv und entschieden mit der skizzierten Proble-
matik beschäftigt und die Implikationen bedingungskontrollierter Experimental-
methodik in der Psychologie für die anthropologische Modellienmg analysiert.
Diese Überlegungen besitzen auch heute noch Aktualität und bringen bestimmte
Sachverhalte auf den Punkt (vgl. Holzkamp 1972).
1.1 Menschenbild und Forschungsmethodik 17

Hintergrund: Das Konzept der Norm-Versuchsperson und ihr organismischer Charakter

Die folgenden Zitate stammen aus dem Aufsatz "Verborgene anthropologische


Voraussetzungen der allgemeinen Psychologie" von Klaus Holzkamp (1972a; eini-
ge Passagen sind im Original kursiv):
Die funktionalistische, nomothetisch ausgerichtete Experimentalpsychologie
,,[...] erforscht die Menschen nicht unter den verschiedenartigen und uneinheitli-
chen Bedingungen, unter denen sie tatsächlich im Alltag leben, sondern sie schafft
im Experiment künstlich einheitliche Bedingungen, in die die Menschen als ,Ver-
suchspersonen' gestellt sind." (5. 50)
Sie ,,[...] geht von der Idee einer Art von ,Norm-Versuchsperson' aus [...], die
sich im Experiment absolut ,verabredungsgemäß' verhält. [...] Der Zweck der ex-
perimentellen Planung und der Datenauswertung ist [...] in dem Maße als erfüllt
zu betrachten, als man all das, was eine jeweils reale Vp. von der gedachten, idea-
len Norm-Vp. unterscheidet, ausgeschaltet oder bedingungsanalytisch isoliert hat"
(5.50).
Im ,,[...] Konzept der Norm-Vp. [sind] restriktive Bedingungen enthalten [...],
durch welche Individuen, die in der außerexperimentellen Realität sich - der Mög-
lichkeit nach - wie ,Menschen' verhalten können, im Experiment dazu gebracht
werden, sich wie ,Organismen' zu verhalten" (S4f.).
"Das Bild vom ,organismischen Menschen' wie es - vermittelt durch das Kon-
zept der Norm-Vp. - der funktionalistisch-experimentellen Psychologie zugrunde
liegt, ist ein nach nomothetisch-methodologischen Gesichtspunkten ,gereinigtes'
Gedankengebilde, wobei dieser ,Reinigung' der wirkliche, sinnliche, geschichtliche
Mensch [...] zum Opfer fällt" (5. 58).
I --------J

Humanpsychologische Untersuchungen, jedenfalls insoweit sie auf freiwilliger


Teilnahme ihrer "Versuchspersonen" beruhen, zeichnen sich dadurch aus, dass
das Sich-Zurücknehmen eines Probanden auf ein "organismisches Niveau", die
anthropologische Regression des Reagierens-auf-diesen-einen-Reiz, Bestandteil
einer sozialen Verabredung ist, die Forscher und Untersuchungspartner im Vor-
feld (der Aushandlung der Teilnahme an einem Experiment) treffen. Die erzielten
Ergebnisse sind mithin (zunächst) nur für Situationen gültig, die sich durch eine
gleich strukturierte Bedingungscharakteristik auszeichnen - jedenfalls nicht für
unreduziert-komplexe Alltagswirklichkeiten.
Eine gewisse Zeit lang (etwa in den 1980er Jahren) waren viele Sozialwissen-
schaftler der Überzeugung, die schlichte behavioristische Gegenstandsmodellie-
18 1 Methodologische Grundlagen

nmg sei an ihr konzeptuelles und historisches Ende gelangt - sie sei abgelebt und
werde durch komplexere und gegenstandsadäquatere Modelle vom Menschen
und seinen Lebensvollzügen ersetzt. In einer Reihe sozial- und kulturwissenschaft-
licher Disziplinen wurden seinerzeit beispielsweise "Handlungstheorien" und
"Tätigkeitstheorien" als Alternativmodelle ausgearbeitet, in denen historische,
soziale und gegenständliche Umstände und Faktoren stärker einbezogen wurden
(vgl. etwa Straub & Werbik 1999). Diese waren zum Teil (auch) von Theorien und
Theoretikern aus den Ländern des seinerzeit "Real Existierenden Sozialismus"
geprägt und hatten mitunter eine marxistische Philosophie im Hintergrund (etwa
die Konzeption der sogenannten Kulturhistorischen Schule nach Leontjew 1973;
1982; Vygotski 2002; zum Überblick vgl. KölbI2006). Nach dem Untergang und der
Abwicklung des realsozialistischen Gesellschaftsmodells erfolgte auch ein diszi-
plinärer Kehraus in den damit assoziierten Theorienwelten, der ihre Anhänger-
schaft stark dezimierte.
Die Repräsentanten des humanwissenschaftlichen Mainstreams in der Psycho-
logie Gedenfalls in Deutschland - aber nicht nur dort) haben die behaviorismus-
kritischen und alternativen Konzeptionen im wissenschaftlichen Normalbetrieb
weitgehend wieder zu den Akten gelegt (vgl. Lettau & Breuer 2007). Diese sind -
jenseits der mehr oder weniger vitalen Pflege im "kleinen Kreis" in Deutschland
(vgl. Mattes 1998; Markard 2000; Mattes & Dege 2008; http://de.wikipedia.org/
wiki/Kritische_Psychologie), in Europa (etwa Helsinki: Engeström 1987; vgl. http://
www.edu.helsinki.fi/activity/pages/chatanddwrf) oder in Nordamerika (z. B. Cole
1996; http://communication.ucsd.edu/MCA/index.html) - weithin dem Nebel des
Vergessens anheim gestellt. Mitunter wurden auch gezielt und systematisch das
universitäre Personal und die entsprechenden Lehr-Curricula "gesäubert". Ein-
schlägige Traditionsbildungen auf studentischer Seite waren von ihren Zerfallszei-
ten zu kurzlebig, als dass sie diesen Trend hätten aufhalten können. Über die alte
und nun wieder verjüngt und technologisch modernisiert aufgelebte Gegenstands-
modellierung nach behavioristischen Prinzipien wurde und wird in der Psycholo-
gie eine Brücke geschlagen zu Entwicklungen in den Neurowissenschaften, zur
Biologie und Medizin. Die Wunschpartnerschaft der Psychologie mit naturwissen-
schaftlich-experimentellen Disziplinen und Wissenschaftsgemeinschaften wird auf
diesem Weg bekräftigt und befördert.
In Humanwissenschaften wie Soziologie, Ethnologie und Pädagogik hat dem-
gegenüber stärker eine Hinwendung zu kulturwissenschaftlichen Perspektiven
("Cultural Turn/s") stattgefunden (vgl. zur Übersicht Bachmann-Medick 2006).
Diese Ausrichtung ist mit einem Methodenverständnis verknüpft, das sich an ei-
nem hermeneutisch-interpretativen Denken orientiert. Damit sind Forschungsver-
fahren assoziiert, die häufig unter dem Sammelbegriff der "qualitativen Methodik"

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