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Die Literaturwissenschaft beschäftigt sich mit Texten als Symbolsystemen und den gesellschaftlichen Kontexten, in denen sie entstehen. Sie untersucht die verschiedenen Handlungsrollen von Literatur, einschließlich der Produktion, Rezeption und Vermittlung durch Institutionen wie Verlage und Literaturkritik. Zudem werden Konzepte von Autorenschaft, Lesekultur und die Beziehung zwischen Text und Kontext analysiert, um die Bedeutung und Wirkung von Literatur zu verstehen.

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Die Literaturwissenschaft beschäftigt sich mit Texten als Symbolsystemen und den gesellschaftlichen Kontexten, in denen sie entstehen. Sie untersucht die verschiedenen Handlungsrollen von Literatur, einschließlich der Produktion, Rezeption und Vermittlung durch Institutionen wie Verlage und Literaturkritik. Zudem werden Konzepte von Autorenschaft, Lesekultur und die Beziehung zwischen Text und Kontext analysiert, um die Bedeutung und Wirkung von Literatur zu verstehen.

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Grundlagen der Literaturwissenschaft

Womit beschäftigt sich Literaturwissenschaft?

1. mit Texten
→ Verständnis von Literatur als Symbolsystem (Metaphern usw.)
2. mit textbezogenen Handlungen
→ Charakteristische Handlungszusammenhänge
→ Personen und Institutionen stecken dahinter, gesellschaftlicher Blick
→ Verständnis von Literatur als Sozial- u. Kommunikationssystem
→ Unter welchen Bedingungen entstand Literatur?

4 Handlungsrollen von Literatur

Produktion

− Autor
o lat. auctor = Schöpfer, Urheber eines Werkes
o ab 18. Jhd.: geistiges Eigentum, Urheberschutz ab 19. Jhd., rechtlich geschützt, Schutz vor Kopie
o zwei Grundbedingungen
▪ geistige und sprachliche Urheberschaft (Identifizierbar)
▪ durch öffentliche Instanzen anerkannt (Rezensionen, Kritiker, Verlag (kein Selbstverlag, etablierter
anerkannter Verlag))
o Ordnungskategorie (Entstehungszeit,- region, -sprache; Kontexte; Texte zu einem Werk; traditioneller
Zugang: Was hat der Autor noch geschrieben?)
− Werk
o Zwei Bedeutungen
▪ Einzeltext (Gedicht von Eichendorff)
▪ Gesamtheit der Texte des Autors
o Grundbedingungen für ein Werk
▪ Intendiert, abgeschlossen und fixiert (also keine KI-Texte)
▪ Mehrere Teile bilden Ganzheit
▪ Texte sind fest mit einem Autorennnamen verbunden
− Formen von Autorenschaft
o Arbeitsformen
▪ Individuell oder kollektiv
o Präsentationsformen
▪ Offen (Normalfall, über dem Text steht der bürgerliche Name)
▪ Anonym (nicht überliefert oder bewusst)
▪ Pseudonym (Hans Fallada, Anna Seghers (Netty Reiling)
▪ Fingiert/gefälscht (unter falscher Identität)
→ Unterschied zu pseudonym: Autor will sich Vorteil verschaffen, etwas verschleiern, in
einen anderen Kontext rücken
→ 18./19. Jhd.: Ossian, angeblicher mittelalterliche Dichter, Gedichte wurden auf alt
geschrieben, waren sehr populär, hatte aber jemand im frühen 18. Jhd. geschrieben)

− Konzepte von Autorenschaft


o Textextern (Autor als Instanz außerhalb des Textes)
▪ Empirisch (Ebene Produktion --> das, was man umgangssprachlich unter Autor versteht)
▪ Inszeniert (Ebene Vermittlung --> für die Öffentlichkeit präsentierte Autorenentwürfe, Autor
präsentiert sich medial (Fotos, Internet)
→ Klassische Typen von Autorenrollen: Autor als Seher (poeta vates), als Gelehrter
(poeta doctus), als Genie, als Zeuge
o Textbasiert (Autor als Instanz des Textes, abstrakte Größe, die es nur im Text gibt)
▪ Hypothetischer Autor (Ebene Rezeption)
→ Vorstellungen über Autoren bei Leser aufgrund bestimmter Texteigenschaften
▪ Implizierter Autor (Ebene Textorganisation)
→ Ganz abstrakte Größe, absichtsvolle Wahl einer Strophenform, Handlungsfolge,
Kapitelüberschrift
− Literatur als Sozial- u. Kommunikationssystem
o Individuelle und institutionalisierte Handlungen in Bezug auf Literatur
o Vier Handlungsrollen

− Instanzen der Vermittlung


o Verlage, Buchhandel, Literaturkritik, Autorenpräsentation- und förderung, Literaturpolitik, Verbände,
Bibliotheken und Archive, Literaturunterricht, Theater, Medien
o Verlage
▪ Unternehmen: Herstellung und kommerzieller Vertrieb von Druckerzeugnissen
▪ Aus geistigem Erzeugnis wird Handelsware
▪ Auswahlkriterien: Qualität, Verlagsprofil, ökonomisch rentabel also Gewinnaussicht
▪ Seit Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, Mitte 15. Jhd.

Rezeption

− lesen --> komplexer Prozess mit vielen Stufen


− lesen ist an Schriftlichkeit gebunden
− lat. legere: sammeln, auflesen
− lat. receptio: Aufnahme und Verarbeitungsprozess (z.B. eines Dramas)
→ Wechselverhältnis (ich lese etwas mit einer bestimmten Grundhaltung in einer bestimmten Situation
einen Text, Interaktion zwischen Leser und Text)
− Aufnahme
o primäre Rezeption
▪ Mentale Verarbeitung von Reizen, die das Auge treffen
▪ Wahrnehmen und Dekodieren von Zeichen
▪ Ästhetisches Erleben,
▪ Individuell während der Lektüre
− Verarbeitungsprozess
o Verstehen
▪ Textbedeutung im Kontext kultureller Bedeutungen
▪ Während u. unmittelbar danach
o Applikation
▪ Reflexion von Einstellungen und Werten
▪ Modifikation des Verhaltens
▪ Bewertung durch Instanzen, Tradierung, spätere Bezugnahme
▪ Langfristige überindividuelle Wirkung

Pragmatisches Lesen

− automatisierte Verarbeitung
− zielorientiert
− das Was der Mitteilung

Ästhetisches Lesen

− Weniger automatisierte Verarbeitung


− Prozessorientierte Verarbeitung
− das Was und das Wie der Mitteilung

Bürgerliche Lesekultur

− Buch war konkurrenzlos, was Unterhaltung, Informationen, Geschichten erleben anbelangte


− Radio entsteht, Filme, Videos, Internet
− Lesekultur ist seit einigen Jahrzehnten deutlich im Rückgang, weil es eben viel mehr andere Medien gibt

− Veränderungen im 18. Jhd.


o ganz entscheidende Zeit

▫ laut: Hausherr bestimmt, was gelesen wird (es konnte ja auch nur wenige Menschen lesen)
▫ mehrfach: man hatte nicht viele Bücher, sie waren teuer
▫ Anteil der lesenden Frauen im Bürgertum steigt --> neuer Adressatenkreis

Literarisches (ästhetisches) Lesen

− Weniger automatisiert
− Prozessual (Unterhaltung)
− Bezogen auf Was und Wie des Textes

Literaturwissenschaftliche Leserkonzepte (Konzepte = Theorien, die mit Autor und Leser verbunden sind)

a) empirische Leser: textexterne Größe


b) impliziter Leser: textbasiert > Textstrukturen, die auf ein bestimmtes (hypothetisches) Leser-Verhalten
(“Leser-Rolle”) zielen
c) Modell-Leser: textbasiert > optimale Kompetenz zum Verstehen eines konkreten Textes
→ Beispiel: Fontanes Stine
− Leser kann Deutsch, optimalerweise Französisch
− Fiktionalität (für uns selbstverständlich, aber früher sind Leute z. B. auf die Bühne
gesprungen oder Menschen sind schreiend aus dem Kino gerannt als eine Lok im Film
auf die zu fuhr)
− Stilebenen (in welches Milieu lässt sich Person ordnen)
− Andeutungen
− Sozialstruktur Berlins
− Freie Zeit

Verarbeitung

− wir haben einen literarischen Text und machen etwas anderes daraus
− Adaption (medialer Wechsel)
− Beispiel: Das siebte Kreuz – Anna Seghers (wurde bereits 1942 Graphic Novel, 1944 Film)
− Intermedialität
o Beziehung zwischen verschiedenen Medien
o Transformation bzw. Integration eines Mediums in ein anderes (z.B. Literaturverfilmung, Graphic Novel)
o beim Buch ist alles im Kopf des Lesers, im Film entsteht Emotionalität ganz anders, die ästhetischen
Strategien sind völlig andere
− Begriffe Stoff, Motiv und Thema (alle drei meine bestimmten inhaltlichen Muster, Konstanz und Dynamik)
o Stoff:
▪ ital. stoffo: Gewebe
▪ konkreter Handlungs- oder Problemzusammenhang
▪ (meist) fest verbunden mit: Namen einer Figur oder Namen eines Handlungsortes (z.B.: Faust,
Stalingrad)
▪ Bezieht sich auf eine konkrete Tradition Texte und andere Medien)
o Motiv:
▪ lat. movere: Beweggrund
▪ begrenzte, (emotionale) markante Situationen oder Ereignisse, die ein bestimmtes Spektrum
an charakteristischen Folgen hervorruft (motiviert)
▪ nicht an konkrete Tradition gebunden
▪ z.B.: Motiv des Abschiedes, Wette, abenteuerliche Reise, Zwilling
▪ bezieht sich auf anthropologisches Wissen (menschliche bedeutungsvolle Situation)

Text

− Dreistil-Lehre der antiken Rhetorik


o genus humile
→ niedrig, schlichte Alltagssprache
→ kaum Redeschmuck
→ Informationen, Sachaussage
→ z.B. Rede vor Gericht, Sachbuch, Komödie
o genus medium
→ mittel, gemischt
→ z.T. konventionelle Tropen, Ironie
→ Invention: Sympathie, Vergnügen
→ z.B. Redeanfang, Festrede
o genus sublime
→ hoch
→ Appelative, pathetische Sprache
→ starker Einsatz rhetorischer Figuren und Tropen
→ Starke Abweichung von Umgangssprache
→ Intention: Erregung starker Affekte, Emotionen

Kontext

− Begriff kann Umstände (historisch, biographisch, ...) Umstände meinen oder den Text drumherum
− kein Text ohne Kon-text: sprachliche o. nicht sprachliche Umgebung, in die ein Text gestellt ist oder wird
➢ Kontextualisierung
− der jeweilige Kontext verändert die Perspektive auf den Text (z.B. hinsichtlich der Gattung, der Gegenwart, man
kontextualisiert den Text, mit welchem Kontext verbinde ich jetzt den Text? Dadurch ändert sich Sicht)
➢ Interpretation
▪ Erklärung, Auslegung
▪ absichtsvoll > methodisch vorgehend
▪ Ziel: nicht Autorenintention, sondern Bedeutungspotential
▪ ausgehend von Wortbedeutung und bezogen auf (gewählte) Kontexte
▪ Weder “eine richtige” noch viele gleich plausible Interpretationen

Text und Kontext

− Nachahmung
o sprachlich > imitatio
▪ Orientierung an herausragenden Vorbildern, Nachahmung eines literarischen Werkes
o nichtsprachlich > mimesis
▪ Orientierung an (z.B. sozialer) Wirklichkeit, nichtsprachliches wird nachgeahmt

Sprachlicher Kontext

Intertextualität

− Präsenz eines Textes in einen anderen Text


− Basistext > referiert auf (früheren) Prätext
o Zitat: wörtlich und markiert
o Anspielung: nicht wörtlich (markiert o. nicht markiert)
o Plagiat: wörtlich und nicht markiert
Paratext – das Beiwerk zu einem Text (Epitext+Peritext)

− Autorisierte Texte in Zusammenhang mit dem jeweiligen Text


o Peritext: mit Basistext materiell verbunden (Cover, Vorwort, Widmung, Fußnote, Typographie) -->
bestimmt öffentliche Präsentation (ist direkt mit dem Werk verbunden)
o Epitext: mit Basistext nicht materiell verbunden (Briefe, Interview, Tagebuch) --> kann Rezeption
steuern (sonstige Aussagen des Autors zum Text, ist autorisiert (stammt vom Autor)

Nichtsprachlicher Kontext

− Texte beziehen sich auf nichtsprachliche Wirklichkeiten bzw. Sie werden von uns so verstanden (interpretiert)
--> Referenz
o Unmittelbare Referenz auf Wirklichkeit --> faktual
▪ Erhebt Anspruch, dass die Textaussage direkt zutrifft (Zeitung, Zeugenaussage,
Geschichtsbuch)
o Keine unmittelbare Referenz auf Wirklichkeit --> fiktional
▪ erhebt keinen Anspruch, dass die Textaussage direkt zutrifft (Märchen, Roman)
▪ kann über reales, aber auch über nicht reales Ereignis berichten

− Woran erkennt man, ob faktual oder fiktional?


o Paratext: Gattungsbezeichnung, Autorenkommentar (wenn jemand eine Biografie schreibt und lügt, ist das trd.
faktual)
o Text (Indizien): Gattungskonvention, Abweichung von Sprachnorm
− Referenzmodus (fiktional/faktual)
o Referenz: Bezug eines Textes zur außersprachlichen Wirklichkeit
o faktualer Text: Aussage mit Tatsachenanspruch über reales Ereignis (z.B. Autobiographie)
o fiktionaler Text: Aussage ohne Tatsachen-Anspruch über reales Ereignis oder über nicht reales
Ereignis (z.B. Parabel) --> ein fiktionaler Text kann nie lügen!

Wertung


− enger (traditioneller) vs. Erweiterter (das, was zum engen gehört + Unterhaltungs-und Breitenlietratur +
literarische Gebrauchsforemn) Literaturbegriff
− Dreischichtmodell
− es gibt verschiedene Konzepte von Literatur, sie fassen den Begriff der Literatur unterschiedlich weit
− auf engem Literaturbegriff beruhen:
o ästhetischer Literaturbegriff (Rezeptionsmodus)
→ sinnliche Wirkungsdimension, Texte, die dezidiert künstlerisch geschaffen sind
o wertbezogen (=axiologisch-)normativer Literaturbegriff (Kanon):
→ die besten Texte nach bestimmten Kriterien
o abweichungstheoretischer Literaturbegriff (Poetizität):
→ anderer Sprachgebrauch, zur Literatur gehören Texte, die deutlich vom normalen
Sprachgebrauch (Umgangssprache) abweichen (z.B. durch Metrum, Reim, ungewöhnliche
Metaphern) --> diese Abweichung: Poetizität (Grad der Abweichung eines Textes von der
Norm)
− auf weitem Literaturbegriff beruhen:
o erweiterter Literaturbegriff: schließt Gebrauchs- und Breitenliteratur ein
o handlungsbezogener Literaturbegriff: gesamte mit Texten beschäftigte Handlungsbereiche der
Gesellschaft
o literarische Gebrauchsformen (wie Autobiografie, Essay, Brief, Tagebuch)
▪ pragmatische Funktion primär (Was vor Wie)
▪ meist faktual
▪ ästhetisches Mittel (Literarizität)
o hat keine Grenze in Bezug auf Wertung --> alles ist Literatur (Liebesgeschichten, Krimis bis hin zu den
großen Namen der Literaturgeschichte)
− keine eng/weit Differnezierung möglich
o Literatur als Fiktion (Wirklichkeitsaussage): versteht unter Literatur fiktionale Texte, z.B. tagebuch,
Sachbuch keine Literatur
o pragmatischer Literaturbegriff: man legt sich nicht fest, man verwendet den Begriff so, wie es passt, j
nach Zeit unterschiedlich
− Kanon
o lat., griech., Maßstab, Ordnung
o Zusammenstellung von Texten (Autoren), die von einem Kollektiv als besonders wichtig und
bewahrenswert angesehen werden
o impliziter: nirgendwo nachschlagbar, nicht festgeschrieben, keine Instanz, die festlegt, was zum
Kanon gehört, Zusammenwirken von Wirkungsarten
o expliziter: Zusammenstellung verschiedener Texte und Textsorten, Bibel, historische Erzählungen,
Briefe
o Klassiker: kanonische Autoren, Spitzenkanon (ganz oben, wird als sehr wertvoll erachtet), diese Werke
setzen über ihre Zeit hinaus Maßstäbe
o sozial > Trägerschichten > Pluralität
o Deutungs- und Selektionsprozesse
o Kriterien veränderlich
o Funktionen:
▪ Kollektive Identität: Kanon ist trägerspezifisch und erfüllt eine spezifische Funktion für eine
bestimmte Trägerschicht, insofern häufig als Anzeichen einer kollektiven Identität angesehen
--> kennt bestimmte Texte und hat sie gelesen --> kennt wichtige Bücher einer nationalen
Sprache --> wird zum Kollektiv dazugezählt --> teilt bestimmte Normen und Werte
▪ Normen und Werte: werden über literatur vermittelt, bilden die Identität, den gemeinsamen
Denk- und Kommunikationshorizont in einem Land
▪ Handlungsorientierung: Text gehört zu Kanon, weil er bestimmte Probleme des Lebens oder
historische Situationen mustergültig aufnimmt

Wissenschaftliche Funktionen

− Primärliteratur
o Gegenstand einer lit.wiss. Untersuchung
o z.B. Roman, historische Quelle, literaturtheoretischer Text u.a.)
− Sekundärliteratur
o Dokumentationen einer wissenschaftlichen Untersuchung
o Monografie, Handbuch, wissenschaftlicher Aufsatz u.a.

Textform

− Prosa: ungebundene Texte


o Text ohne festgelegte Zeilenumbrüche
o vor mehr als 500 Jahren: in wissenschaftlichen Texten, Gebrauchstexten, vereinzelt in Epik
o gegenwärtig: in Epik, wissenschaftlichen Texten, Gebrauchstexten, teilweise in Dramatik
− Vers: gebundene Rede
o Text mit festgelegten Zeilenumbrüchen
o vor mehr als 500 Jahren: in Dramatik, Epik, Lyrik, teilweise auch in Gebrauchstexten
o gegenwärtig: in Lyrik, teilweise Dramatik

Gattungen

− institutionalisiertes Ordnungsmuster
− Spannung: konkreter Text zur Gattungsnorm
− dynamisch: Reproduktion u. Abweichung
− bestimmt Produktion und Rezeption
− Beschreibungsmöglichkeiten
o Nach historischer Gattungsbezeichnung --> wie wurde der Text z.B. im 18. Jhd. Klassifiziert im Hinblick
auf Gattung, historische Herangehensweise (die Tragödie hatte damals die und die Merkmale...)
o Nach systematischer Handhabung --> wir haben Systematisierung, die nehmen wir zeitenthoben und
ordnen alte Texte diesen Merkmalsbündeln zu
− 3+1 Hauptgattungen: Systematik nach dem Kriterium Redesituation
Gattungen

Lyrik

− Bestimmungsversuch (für Gegenwart)


− Mündliche oder schriftliche Rede in Versen
− Kein Rollenspiel, szenische Aufführung nicht intendiert
− außerdem häufig:
o kurz, verknappt (der Text ist sehr dicht, viel Inhalt auf kleinem Raum)
o ausgeprägte Wiederholungsstrukturen (z.B.: betrifft Rhythmus, Metrum, klangliche Strukturen,
Metaphernbereiche)
o stark abweichender Sprachgebrauch
o unvermittelte Sprecherhaltung (die Sprecher stellen sich nicht vor, wir werden in die Situation
hineingeworfen)
− Strophen (regelmäßig) oder Abschnitte (nicht regelmäßig)
o die Idee der Strophe kommt aus dem Gesang, es muss ein festes wiederkehrendes Metrum geben
− Zeilenstil (Übereinstimmung von Versgrenze und syntaktische Grenze (z.B. ein. oder -)) oder Zeilensprung
(Enjambement)
− Versfuß: feste Kombination aus Hebung (betonte Silbe) und Senkung (unbetonte Silbe)

− alternierend: gleichmäßig wechselnd, Wechsel von betont und unbetont


− kein alternierendes: jede Verszeile ist anders, aber trd ein Schema, hat keinen Reim aber Rhythmus (z.B. Ode)
− kein Metrum: Bsp: freihymnische Dichtung
− Metrik: Kunst des Messens
o 1. geregeltes (festes Metrum) --> z.B. Lehnert ,,Der Tag ist still”
o 2. nicht geregeltes (kein festes Metrum) --> z.B. Fried ,,Fügungen”
− Wiederholungsschema: Betonung (Metrum)
→ kleine Einheit > große Einheit

− lautliche Wiederholungsstrukturen
o Alliteration, Anapher, Assonanz
o Reim:

Dramatik

− Akt (Aufzug): geschlossener Handlungsabschnitt


− Szene (Auftritt): Präsenz (zentraler) Personen auf der Bühne ändert sich nicht
− klassische Struktur eines Dramas: 5 Akte

Geschlossener und offener Bau eines Dramas

− Geschlossen: seit Antike, Handlungskontinuität, Einheit von Ort, Zeit, Handlung


− Offen: punktuell Ende 18. Jhd., keine Handlungskontinuität, keine Einheit, mehrere Handlungslinien

− Ständeklausel: Helden einer Tragödie sind aus Oberschicht (Adelige), Komödie einfaches Volk
→ in der Antike setzte man den Stand mit den inneren Werten gleich --> ein Mensch von Adel handelt
edel, ein Bauer ist weniger moralisch gefestigt (deshalb wird er für lächerliche Handlungen genutzt)
→ diese Korrespondenz gibt es im offenen Drama nicht
− erzählende Einbindung von Abwesendem:
o Botenbericht: nachträglich (Figur taucht auf und erzählt aufgeregt, was passiert ist oder Briefe
tauchen auf, die berichten)
o Mauerschau (Teichoskopie): simultan (Figuren sprechen, hören, sehen was passiert ist, was wir aber
nicht sehen --> z.B. Szenen, die auf der Bühne nicht nachgestellt werden können wie Schlachten oder
so)
− Charakteristische Handlungsmomente:
o deus ex machina (Gott aus der Bühnen-Maschinerie), als würde Gott eingreifen und alles wieder in
ordnung bringen, wirkt künstlich/unrealistisch
o Anagnorisis: plötzliches Verstehen der Zusammenhänge, Held durchschaut plötzlich seine
Verblendung, seine falschen Voraussetzungen, unter denen er gehandelt hat, durchschaut Intrigen,
wichtiges Ereignis besonders in Tragödien
− Katharsis:,, Durch Jammern und Schaudern bewirkt sie (die Tragödie) eine Reinigung eben dieser Gefühle.”
(Aristoteles)

− Zusammenfassung
o Tragödie:
▪ Ständeklausel gilt: Hauptfiguren entstammen Adel
▪ Hauptfigur: schuldlos schuldig, z.B. aus Unwissenheit
▪ erhabener Sprachstil
▪ Themen: Kampf, Schicksal, Herrschaft
▪ Ende durch Tod
o Komödie:
▪ Ständeklausel gilt: Hauptfiguren entstammen Unterschicht
▪ Hauptfigur: schlicht, mangelhaft
▪ gewöhnliche Sprache
▪ Themen: Liebe, Scherz, Täuschung
▪ glücklicher Ausgang, z.B. Hochzeitsfest

Epik/Erzähltexte

− eine Erzählung erzählt eine Geschichte (-->Anordnung und Vermittlung von Ereignissen als ein
Zusammenhang --> wenn man erzählt muss man irgendwo anfangen und Situationen aneinander ordnen )
− Ereignishaftigkeit (es passiert etwas, keine Beschreibung oder was auch immer)
− zeitliche und kausale Folge (Dinge folgen zeitlich und kausal aufeinander)
• zeitliche Relationen
▪ Ordnung: Reihenfolge des Erzählens gegenüber Reihenfolge des Geschehens natürliche
Ordnung oder artifizielle Ordnung, z.B.: Rückgriff auf früher Geschehenes: Analepse (der
Erzähler springt zurück (nicht die Figur!), Vorgriff auf später Geschehendes: Prolepse
▪ Dauer (Geschwindigkeit): Dauer des Geschehens (erzählte Zeit) gegenüber dem
Erzählvorgang (Erzählzeit)

▪ Frequenz: Wie oft wird ein Ereignis erzählt


− Vermittlungsinstanz (Erzähler, im Unterschied zur Lyrik/Drama: jemand teilt uns mit, was geschieht (im Drama
passiert es auf der Bühne)
• auswählend, anordnend, Sinn gebend
• Vermittlungsgrad ist unterschiedlich (Vermittlung ist das, was der Erzähler tut)
• Differenz Erzählinstanz –Autor:in (die Erzählinstanz ist nicht der Autor, der Autor schafft die Instanz
(Kunstmittel, künstliche Konstrukte))
• Subjekt und Adressat der Erzählung
▪ Erzählinstanz
→ kann wie Person gestaltet sein: personalisierter Erzähler
→ andernfalls abstrakt: narrative Instanz (häufig) --> man merkt den Erzähler nicht, z.B.
bei Kurzgeschichten, es gibt immer eine, aber sie tritt nicht deutlich hervor
▪ Leser
→ kann wie Person angesprochen werden: personalisierter Adressat
→ andernfalls abstrakt: narrativer Adressat (häufig)
− zahlreiche Untergattungen wie Novellen, Kurzgeschichten, Fabeln, Versepen, Anekdoten, Roman
(Bildungsroman, Gesellschaftsroman, ...)
− Geschehen
• außerhalb der Erzählung, aber deren Referenz; ungeordnete Ereignisse nur kommunizierbar als
Erzählung
• nicht Teil der Erzählung, etwas worauf Erzählung verweist, Rohmaterial aus der Geschichte gemacht
wird
− Geschichte: Was wird erzählt?
• Ereignisse in zeitlichen u. kausalen Zusammenhängen
• Verknüpfung verleiht Sinn
− Diskurs: Wie wird erzählt? (Text der Geschichte)
• Vermittlungsinstanz (Erzähler) perspektiviert Geschichte (z.B. Wissensverteilung, in welcher
Reihenfolge wird erzählt, Redewiedergabe)
• sprachliche Realisierung (z.B. Lexik, Stil, rhetorische Figuren)
• Anordnung, sprachliche Einkleidung der Ereignisse, Wortwahl, Satzbau, wie wird Spannung aufgebaut
usw.
− Modus des Erzählens
• Distanz: Wie vermittelt gibt der Erzähler die Ereignisse wieder?
▪ showing --> dramatischer Modus, wenig vermittelt, man hat das Gefühl, man ist in der Szene
mit dabei
▪ telling --> narrativer Modus, stark vermittelt, man erzählt so, dass man merkt, dass alles durch
den Mund des Erzählers gegangen ist, zusammenfassend, wertend, z.B. Märchen, der
Erzähler fasst die Dinge zusammen, zeitliche Raffung
▪ dazwischen gibt es sehr viele Abstufungen, verändert sich gerade in längeren Texten
• Fokalisierung: Sind Wissen und Wahrnehmung des Erzählers eingeschränkt?
▪ geht um Erzähler-Figuren-Verhältnis
▪ kann sich im Text verändern
▪ ist unabhängig, ob in der 1. oder 3. Person erzählt wird

− Stimme: Wer spricht und aus welcher Position?


o Rede- und Gedankenwiedergabe der Figuren (Erzähltext ist Rede des Erzählers oder Rede einer Figur
(zitierte/wörtliche Rede)
o Erzählinstanz kann Rede (oder Gedanken) der Figur vermittelt oder zitierend wiedergeben
o Beispiel: Figurenrede wird zitiert (‚sagte‘), zitierende Redewiedergabe charakteristisch für
dramatischen Modus (showing)
− Erzählebene
o eine Erzählung auf der ersten Ebene ist immer gegeben
o sofern innerhalb einer Erzählung eine Figur ihrerseits zu erzählen beginnt (in wörtlicher Rede, länger)
wird eine zweite Erzählebene eröffnet (= Binnenerzählung)

Literarische Gebrauchsformen

− jüngere Begriffsbildung, Dachbegriff


− sehr heterogen, man findet schwer einen gemeinsamen Nenner
− oft: Text-Ich mit Autor-Ich gleichzusetzen, faktuale Texte (z.B. Tagebuch)
− Gebrauchszweck steht im Vordergrund
− weisen literarische Merkmale auf:
➢ Mittel zur affektiven und reflexiven Teilnahme
➢ kompositorische Sorgfalt u. rhetorische Figuren
➢ gewisse allgemeine Bedeutsamkeit (historisches Zeugnis, Gedankenanregung)

Epoche

− Einschnitt > Zeitraum zwischen zwei Einschnitten


− wird durch gemeinsame Merkmale definiert, die Werke davor u. danach nicht oder weniger markant
aufweisen > Abgrenzung
− Epochen-Periodisierung:
o Orientierung u. Kommunikation
o retrospektive Ordnungskategorie
o einzelne Werke u. poetische Konzepte erhalten Modellcharakter
o keine scharfen Zeitgrenzen
− Probleme:
o viele Texte werden über Epocheneinteilung hinaus definiert (weist Werk nicht Merkmale auf, wird es
nicht benannt)
o Strömungen zeitlich überlappend/ parallel verlaufend
Merkmale von Literaturgeschichtsschreibung

− Kriterien der Selektion von Autor*innen u. Werken:


o Ästhetisch (Stil, Thematik)
o Ideologisch
o Nonverbale Wertung:
o Verbale Wertung:
− Zusammenhänge
− Modelltexte
− innerliterarische u. außerliterarische Kontextualisierung
− Abhängigkeit von gegenwärtigem Interesse

Beispiel: Epochenumbruch um 1800

− Aufspaltung Literatur in Hochliteratur (Goethe) und Breitenliteratur (kommt kaum in Literaturgeschichte vor)
(Vulpuis) ästhetische Konzeption: ästhetische Bildung vs. bloße Unterhaltung

Weg zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit deutscher Literatur


Überblick

1.Hälfte des 19. Jahrhunderts

− Impulse für Etablierung des Fachs Germanistik


o Kulturell: Romantik (als Strömung: kulturell deutsche/mittelalterliche Kultur)
o politisch: Befreiungskriege gegen Napoleon
− Nation: Integrationskonzept der bürgerlichen Opposition
o deutsche Sprache = Ausdruck ‚deutschen Wesens‘
o > sprachliche Gemeinsamkeit als habituelle, kulturelle u. geistige Gemeinsamkeit (‚Volkscharakter‘)
konzipiert > nivelliert die starken sozialen u. regionalen Unterschiede unter Deutsch-Sprechenden u.
eliminiert Gemeinsamkeiten mit nicht Deutsch-Sprechenden
− ideologische Legitimationsfunktion der Germanistik:
o Basis: Sprache als ‚natürliches‘ Band
o Ziel: Erforschung vergangener Ausdrucksformen des neu konstituierten Volkes, um dessen
verbindende kulturelle Identität (Charakter, Wesen) abgrenzend zu bestimmen

Fachgeschichte der Germanistik

− westliche BZ/ BRD


o 1945-1965: Ablösung NS-Germanistik durch Methoden der 1910/20er Jahre, textimmanente Ansätze;
personelle Kontinuität
o 1965-1995: Modernisierung, Internationalisierung; institutionelle Reformen, Tendenz zur
Versachlichung und Objektivierung, Methodenpluralismus und Theorieimport
▪ seit Ende 60er: Rezeptionsgeschichte, Sozialgeschichte
▪ seit 70er: Strukturalismus, Psychologie, Diskursgeschichte
▪ seit 80er: Poststrukturalismus, Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft
o seit 1995: philologische Stabilisierung; Digitalisierung, administrative Neuordnung (Bologna-Prozess)

Theorien und Methoden

Hermeneutik

− Theorie und Methode des Verstehens von Texten


− Hermeneutik: Verfahren der Textauslegung, das zum sicheren Verstehen (der Schreibintention) führt
− klassische Anwendungsbereiche:
▪ a) Gesetzestexte
▪ b) religiöse Texte
− Hermeneutik im Anwendungsbereich Literaturwissenschaft
▪ Grundannahme: Text ist Ausdruck einer vorgängigen Bedeutung, die durch Interpretation
rekonstruierbar ist
▪ Ziel:
• traditionell: die intendierte Bedeutung (Was ist die eine Bedeutung?) --> diese Frage
ist prinzipiell nicht zu beantworten, da man nicht weiß, was im Kopf des Autors
vorging
• heute: eine kohärente Bedeutung (eine Bedeutung, die sehr überzeugend erscheint)
− christliche Lehre vom mehrfachen Schriftsinn der Bibel (Spätantike, Frühe Neuzeit)
− eigentliche Wortbedeutung (sensus litteralis, der Literalsinn)
▪ > aus dogmatischen oder Kohärenzgründen problematisch dann entstehen >
übertragene/bildhafte Deutung
▪ Problem: weite Interpretationsmöglichkeiten, man kann sehr viel hineininterpretieren

Hermeneutische Methode
Hermeneutischer Zirkel

− eher ein Spiralverfahren


− man versteht immer mehr, immer komplexer
− man hat ein Vorverständnis (eine gewisse Erwartung) --> je mehr ich lese, desto mehr verstehe ich,
wenn Text zu Ende gelesen, hat man den Text verstanden aber vllt unbefriedigend --> jetzt liest man
nochmal, man versteht immer mehr, immer komplexer

− Verstehen als Vergleichsprozess: Textabschnitt > Textganzes > Textabschnitt > Textganzes > etc.
− Vorverständnis > Prüfung am Text > Textverständnis > erweitertes (Vor)Verständnis > Prüfung am Text >
erweitertes Textverständnis etc
− Zyklischer Prozess (Spirale), Kohärenz (Verstehen von Zusammenhang) nimmt zu
− Das Ganze wird nur aus dem Einzelnen (z.B. Sätze, Episoden, Kapitel) und das Einzelne nur in Hinblick auf das
Ganze verständlich
− Hypothesenbildung > Hypothesenprüfung/-korrektur > erneute Prüfung/Korrektur etc.

Positivismus

− Hermeneutik ist eine stark romantische Angelegenheit, dann gab es einen Gegentrend dazu
− Positivismus versucht sich ganz auf das Faktische zu stützen und nicht zu interpretieren
− wissenschaftliche Strömung der zweiten Hälfte 19. Jh.: Erkenntnis des Faktischen
− Vorbild Naturwissenschaft: kausale Erklärung für geistige Phänomene
− Erklärung: soziale, biologische, historische Umstände determinieren Textbedeutung
− Ablehnung von Interpretation: anti-hermeneutisch
− statt Spekulation (Interpretation): Daten sammeln, sichern, auswerten
− Ziele: Entstehung und Wirkung von Texten erklärbar machen
− Merkmale:
▪ Objektivität, Sachlichkeit
▪ Problem des Determinismus: Bedingungen ‚verursachen‘ eine Textbedeutung
▪ sorgfältige Kommentare und Editionen
▪ Vertreter: Wilhelm Scherer

Einflussreiche textbezogene Theoriebereiche des 20. Jahrhunderts

− Russischer Formalismus (1915-30)


− Strukturalismus (1920er-80er)
− Poststrukturalismus (1970er-90er)
− Alle 3 Formationen sind stark linguistisch orientiert, sind entweder nicht-hermeneutisch oder explizit
gegen Hermeneutik

Russischer Formalismus

− was literarische Texte von anderen Texten unterscheidet: Literarizität (--> das, was Text von
normalem Text unterscheidet)
− Verfahren der Verfremdung der bisherigen (literarischen) Sprachnorm --> Grad der Abweichung
− weniger das WAS als das WIE ein Kunstwerks
− durch welche formalen Mittel wird Wahrnehmung entautomatisiert und so für die Leser*innen
(wieder) zu einen wirklichen ästhetischen Erlebnis?
− z.B.: L. Tolstois Erzählung „Der Leinwandmesser“ (1886): Pferd als Ich-Erzähler (das gab es in der
russischen Literatur zuvor noch nie)

Strukturalismus

− Roland Barthes: Die strukturalistische Tätigkeit (1966): „Das Ziel jeder strukturalistischen Tätigkeit [...]
besteht darin, ein Objekt derart zu rekonstituieren [= modellartig nachzuschaffen], daß in dieser
Rekonstitution zutage tritt, nach welchen Regeln es [das Objekt] funktioniert.“

− Beispiel Vladimir Propp : Morphologie des Märchens. 1927 (russ.)


− 100 russische Zaubermärchen
− Fragestellungen:
▪ Welche Differenz- und Äquivalenzrelationen zwischen Elementen einer Einheit?
▪ Nach welchen Regeln funktioniert ein Objekt
− Ziel:
▪ Objekt als abgeschlossenes System von Regeln bzw. Funktionen beschreiben
▪ literarischer Text: beschreibbares, regelbestimmtes Konstrukt
− Merkmale:
▪ Degen: Strukturalismus ist wichtig, weil er eine sehr hohe Sachlichkeit in der
Literaturwissenschaft mit sich gebracht hat
▪ starke Versachlichung und Überprüfbarkeit
▪ hoher Theorieaufwand
▪ Bezüge auf sprachliche o. nicht-sprachliche Kontexte weithin ausgeklammert
▪ Degen: ein Kritikpunkt wäre, dass man ja alle Kontext-Dinge ausblendet, heute arbeitet
niemand mehr streng strukturalistisch, vllt aber beeinflusst (sehr sachliche Beschreibung)

Poststrukturalismus

− Kritik an Prämissen westlichen Denkens, d.h. an:


▪ fixierbarer Bedeutung
▪ fester Ordnung und Hierarchie
▪ naturgegebenen‘ Unterschiede
▪ Freiheit des Subjekts
− Schlussfolgerungen für Literaturwissenschaft:
▪ keine Frage nach Autorintention oder objektivierbarer Bedeutung
▪ Befürwortung subversiver Lektüre (‚gegen den Strich‘ lesen)
▪ Interesse an Widersprüchen, scheinbaren Nebenaspekten, flüchtigen Lesarten, vernetzten
Texten
− Kritik an der poststrukturalistischen Methode in Literaturwissenschaft:
o keine Argumentation, sondern essayistischer (mehrdeutiger) Darstellungsstil
o Grundsätzliche wissenschaftliche Standards werden negiert (Erkenntnisabsicht,
Objektivierbarkeit)
− produktive Impulse
o Problematisierung der Entstehung von Bedeutung (Ordnung)
o Was wird durch so eine Ordnung oder Normsetzung eliminiert --> Welche Elemente werden
durch die Ordnung ausgegrenzt? Stichwort: jüngere Diversitätsdiskurs
Rezeptionsästhetik, Rezeptionsforschung

TK 3. Historische Rezeptionsforschung (seit 1970er)

- Untersuchungsgegenstand: Dokumente von Lektüren eines Textes

> Sammeln, Auswählen, Vergleichen von konkreten Rezeptionszeugnissen, z.B. Tagebuch-Notizen,


Rezensionen, Briefe, Literaturgeschichte u.a.

− Erkenntnisinteresse:
o nicht: Bedeutungspotential des Textes? (> Hermeneutik)
o nicht: Strukturelemente des Textes? (> Strukturalismus)
o sondern: Wie ist ein Text zu einer bestimmten Zeit von einem konkreten Menschen interpretiert,
kommentiert worden? (sie selbst interpretieren nicht, werten nur aus)

Literatursoziologische u. gesellschaftstheoretische Ansätze

mimesis: Texte sind Folge gesellschaftlicher Reaktionen, bildet Gesellschaft ab

> Marxistische Literaturwissenschaft

− realistische Literatur als Erkenntnisform: (verdeckte) gesellschaftliche Verhältnisse aufzeigen, realistische


Literatur (nicht nur Epoche des Realismus, sondern Literatur an sich) deshalb wichtig, weil Realismus dazu
beiträgt, Einsichten über die Gesellschaft, gesellschaftliche Zusammenhänge zu gewinnen
− Literatur spiegelt Wirklichkeit wider
− Parteilichkeit des Autors (Weltanschauung) --> Autor ist an seine soziale Position gebunden, schreibt für
bestimmtes Publikum
− Held: zeigt Auseinandersetzung mit Verhältnissen > ihre Veränderbarkeit > Identifikationsangebot für
orientierungslose Leser:innen > Wirkung --> eine Figur, die sich mit Konflikten auseinandersetzt, die
Widerstände überwindet

Theorie des literarischen Feldes

- Feld: objektive Relationen zwischen Personen oder Institutionen eines Bereiches (z.B. Literatur)
- im Schreiben werden gegenwärtige Positionierungen anderer (aneignend oder ablehnend) antizipiert
- > Autor:in schreibt in Reaktion auf andere Positionierungen (Stile, Programme) im Feld
- Leitbegriffe: Habitus, Kapital, Feld: in Bedingungsverhältnis

− Feld: alle Akteure eines Bereiches (z.B. Literatur) aber auch für Wissenschaft und Religion usw.
− Position im Feld mit Formen von ‚Kapital‘ verbunden (Kapital meint nicht Geld, sondern andere Sachen, mit
denen man Macht ausüben kann, siehe unten)
− Dynamik: Kampf zwischen Positionen um Kapital > Pol des Etablierten (> Erhalt der Feldstruktur) vs. Pol der
Beherrschten (> Veränderung)
− Kapitelformen:
o a) ökonomisches Kapital --> materieller Besitz
o b) kulturelles Kapital --> Bildung, akad. Titel u.a.
o c) soziales Kapital --> Netzwerke
o d) symbolisches Kapital --> das feldspezifische Prestige (vllt habe ich keine Freunde, aber schreibe
solch gute Texte)

Historische Diskursanalyse

Diskurs:

− institutionell verfestigte Redeweise, die Handeln Bestimmt u. damit Macht ausübt (J. Link)
− versprachlichtes gültiges Wissen in einer Epoche
− Ordnungen des Denkens u. Redens: diese beschreiben keine Phänomene, sondern bringen diese durch das
Etablieren von Rede- /Denk-Ordnungen erst hervor (z.B. Rede-Ordnung gesund vs. krank)

− Begriff Diskurs umfasst:


o a) System verbaler Aussagen (bestimmter Wissenschaften, Berufsgruppen etc.)
o b) auch nonverbale Zeichensysteme wie Rituale, Kleiderordnungen, Gebäudeordnungen (wie
Gebäude gebaut sind)
o c) gesellschaftliche Bedingungen des Sprechens u. Denkens (Diskursmacht

Kulturwissenschaft / Kulturwissenschaften:

Impulse für Literaturwissenschaft:

− neue Fragestellungen, großes Spektrum an Theorien u. Begriffe anderer Disziplinen


− transdisziplinär, interkulturell
− methodisch oft an Poststrukturalismus oder Diskursanalyse orientiert
− ideologiekritische Tendenz (soziale Exklusion)

Kritikpunkte:

− unscharfer Kultur-Begriff: alles Kultur


− Konglomerat heterogener Begriffe u. Ansätze
− unwissenschaftlicher Dilettantismus

Postkoloniale Studien/Imagologie

− seit 1970er Jahren: Edward Said (USA)


− Orientalismus: ideologiekritische Beschreibung des hegemonialen Diskurses des Westens über als ‚Orient‘
bezeichnete Regionen u. Kulturen Asiens
− Orient: - ideologisches Konstrukt: Stereotypisierung, Polarisierung > othering
− Überlegenheit des Westens legitimieren: Herrschaft, Vereinnahmung, Ausbeutung
− Übertragung auf Kolonialismus allgemein

− Kritik an Said:
o Stereotypisches Konzept vom Westen, einseitige Sicht auf den Westen, er erfindet Klischee des
Orients aber spricht selbst immer vom Westen
o Pauschalisierung: alle ‚westlichen‘ Diskurse orientalistisch Ilse Steinhoff, 1939
o Orient/ Asien auf arabischen Raum reduziert, er differenziert nicht (damit ist unter anderem auch
Indien gemeint)
− ideologiekritische Tendenz
o Analyse stabiler kontrastiver Zuweisung von schematischen Merkmalen (Stereotyp) oder von
negativen Urteilen (Vorurteil) an Angehörige einer sozialen Gruppe aufgrund ihrer
Gruppenzugehörigkeit
o das Vorurteil:
▪ a) langfristig innerhalb eigener Gruppe tradiert, oft liegt/lag Konflikt vor
▪ b) gegen anderslautende Informationen oder Erfahrungen resistent
▪ c) emotional mobilisierend > latente Legitimation von Diskriminierung

Gender Studies

− Einfluss Poststrukturalismus u. Diskursanalyse: Ausweitung auf alle Formen von Gender


− ideologiekritische Tendenz
− Gender: sozial konstruiert, Sex: biologisch

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